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KIRCHENGBSCHICHTE DEUTSCHLANDS
DRITTER TEIL
KIRCHENGESCHICHTE
DEUTSCHLANDS
7
VON
Dr. ALBERTxvHAUCK
PROFESSOR IN LEIPZIG
DRITTER TEIL
ÜNVERlNDEBTEB ABDRUCK DER
DRITTEN UND VIERTEN (DOPPEL-) AUFLAGE
LEIPZIG
J. 0. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNa
1920
1 Inhaltsverzeichnis.
(
} Sechstes Bach.
!
j Konsolidierung der deutschen Kirche. 911—1002.
i
i Erstes Kapitel. Seite
i Krone, Episkopat und Herzogtum. Grundlegung der
I bischöflichen Fürstenmacht 8
Entstehung des Herzogtums S. 3. Gegensatz des Episkopats
gegen dasselbe S. 6. Verbindung zwischen der Krone und dem
(Episkopat unter Konrad I. S. 8. Änderung der königlichen
Politik unter Heinrich I. S. 16. Otto 1. S. 20. Seine Stellung
1 zum Episkopat S. 27. Widerstand einzelner Bischöfe S. 33.
! Andere gehen auf die Absichten des Königs ein S. 40. Auf-
I kommen der Investitur S. 52. Begründung der bischöflichen
Territorialgewalt S. 56.
j Zweites Kapitel.
■ Die Gründung der Kirche im norddeutschen Wendenland 70
I Politische Verhältnisse S. 70. Missionsanfänge S. 79. Das wen-
? dische Heidentum S. 84. Nationaler Gegensatz S. 86. Missions-
I arbeit unter Otto I. S. 91. Gründung der Bistümer S. 99.
I Schleswig, Ripen, Aarhus S. 99. Brandenburg, Havelberg S. 102.
I Oldenburg S. 105. Magdeburg S. 108. Merseburg, Meißen, Zeitz
S. 130. Unsicherheit der Erfolge S. 136. Aufhebung von Merse-
burg S. 142.
Drittes Kapitel.
Wiederaufnahme der südöstlichen Mission. Tätigkeit der
deutschen Kirche in Böhmen und Polen 147
Die Ungarn S. 147. Neubesetzung der Marken S. 152. Tätig-
keit der bairischen Kirche S. 157. Piligrim von Passau S. 163.
Mährisches Missionsgebiet S. 182. Die Tschechen S. 184. Das
Bistum Prag S. 196. Polen S. 200.
Viertes Kapitel.
Die Erneuerung der Beziehungen zu Italien und ihre Rück-
wirkung auf die kirchliche Lage im Norden 203
Lage des Papsttums S. 203. Erneuerung der politischen Be-
— VI —
Ziehungen zu Italien S. 211. Das Kaisertum Ottos I. S. 223.
Kaiserliche und päpstliche Gewalt S. 230. Otto IL S. 240.
Unsicherheit auf dem Missionsgebiet S. 243. Otto III. S. 255.
Begründung nationaler Kirchen in den östlichen Ländern S. 270.
Fünftes Kapitel.
Literatur und Kunst 274
Kulturstand S. 274. Theologische Bildung. Rather von Lüttich
S. 284. Wirkung der nationalen Erhebung. Corvey S. 296. Die
sächsischen Nonnenklöster S. 298. Hrotsuith S. 299. Widukind
S. 308. Fortsetzer Reginos, Ruotger S. 314. Schwaben S. 315.
Kirchenrecht S. 317. Theologie S. 318. Aufblühen des Schul-
wesens S. 322. Ablehnung fremder Einwirkungen S. 329. Kunst:
Architektur S. 334. Malerei S. 337. Skulptur S. 341.
Sechstes Kapitel.
Die Anfänge der Klosterreform 343
Verfall des Mönchtums S. 343. Lothringische Reform: Gerhard
von Brogne S. 346. Reformatorisch gesinnte Männer in Ober-
lothringen S. 350. Gorze S. 352. Reformen durch den Episkopat:
Metz S. 358. Toul S. 361. Trier S. 364. Verdun S. 365.
Lüttich S. 367. Neue Klöster S. 368. Literarische Denkmale
der Reformbewegung S. 372. Die Reform im übrigen Deutsch-
land S. 373.
Siebentes Buch.
Das Übergewicht des Königtums in der Kirche und
der Bruch desselben durch Eom. 1002—1122.
Erstes Kapitel.
Wachsender Einfluss des Königtums unter Heinrich IL. . 391
Heinrichs Persönlichkeit S. 391. Besetzung der Bistümer S. 397.
Gericht über Bischöfe S. 408. Fortbildung der bischöflichen
Territorialgewalt S. 409. Teilnahme an der kirchlichen Ad-
ministration: Wiederherstellung von Merseburg S. 410. Ganders-
heimer Streit S. 414. Bistum Bamberg S. 418. Synoden S. 428.
Katharer S. 433. Gottesdienstform S. 434. Stellung der
Bischöfe: Zustimmung S. 436. Burchard von Worms S. 437.
Zweites Kapitel.
Erstarken des Mönchtums 443
Die Äbte Fürsten S. 443. Reformbewegung S. 448. Verfahren
Heinrichs S. 448, der Bischöfe S. 458. Die Cluniacenser S. 460,
— vn —
Wilhelm von Dijon S. 461, Richard von St. Vanne S. 467.
Verhältnis zum Episkopat S. 478, der Adel S. 490, die Be-
völkerung Lothringens S. 491. Erweiterung der Reform-
tendenzen S. 494. Die Cluniacenser in Deutschland, Poppo
S. 499. Widerspruch der deutschen Benediktiner S. 507.
Drittes Kapitel.
Kaisertum und Papsttum 516
Römische Zustände S. 516. Benedikt VIII. S. 518. Heinrich
Kaiser S. 521. Die IdrchHclie Reform durch ihn angeregt
S. 526. Aribo von Mainz und der deutsche Episkopat S. 530.
Ergebnis S. 540. Konrad IL S. 541 , seine Stellung in der
Kirche S. 544, keine Reformpolitik S. 556. Gegensätzliche An-
schauungen S. 561. Die Lage in Rom S. 568. Heinrich HI.
S. 571. Betonung der kirchlichen Rechte des Königs S. 574.
Stellung zur Reformbewegung S. 580. Reform in Rom S. 583.
Clemens IL S. 590. Damasus IL S. 594. Leo IX. S. 595. Über-
gang der kirchlichen Regierung an den Papst S. 600, Stellung
des Landesepiskopats S. 611. Die Persönlichkeit des Papstes
S. 616 und des Kaisers S. 618. Viktor IL S. 621. Tod Hein-
richs S. 622.
Viertes Kapitel.
Der Fortgang der Wendenmission und die beginnende Loa-
lösung der skandinavischen Kirchen von Deutschland 624
Zustand der Kirche in den sorbischen Landschaften S. 624,
bei den Liutizen S. 628, Aufhören der Mission, Brun und '
Günther S. 630. Die Lage in Skandinavien S. 634. Unwan
S. 637. Adalbert S. 649. Nordischer Patriarchat S. 658.
Fünftes Kapitel.
Die Emanzipation des Papsttums von der königlichen
Gewalt 665
Die Kaiserin Agnes S. 666. Stephan IX. S. 669. Herzog Gott-
frid S. 670. Peter Damiani S. 672. Humbert S. 673. Un-
ruhen in Rom nach Stephans Tod S. 678. Nikolaus 11. S. 680.
Neuordnung der Papstwahl S. 683. Der Bund mit den Nor-
mannen S. 688 und der Pataria S. 691. Widerspruch in Deutsch-
land S. 698. Tod Nikolaus' S. 702. Cadalus S. 703. Alexander IL
S. 703. Synode von Basel S. 705. Der Sturz der Kaiserin S. 711.
Anno von Köln S. 712. Synode von Augsburg S. 717. Synode
von Mantua S. 721. Der Eintritt Heinrichs IV. in die Re-
gierung S. 724, seine Räte und seine Absichten S. 725. Schwierig-
keiten S. 726. Vernichtung der Wendenmission S. 734. Der
steigende Einfluß des Papsttums S. 736. Verhältnis des Königs
zur Kurie S. 744.
Sechstes Kapitel.
Fünfzig Jahre Streit 753
Gregor Vil. S. 753. Annäherung des Königs und Papstes S. 769.
— VIII —
Zwiespalt des Papstes mit dem deutschen Episkopat S. 772.
Das Investiturverbot S. 777. Der Bruch des Königs mit dem
Papst S. 786. Die Niederlage des Königs S. 796. Canossa
S. 808. Der Bürgerkrieg in Deutschland S. 809. Gregor sucht
die Entscheidung über den Thronstreit zu erlangen S. 811, es
mißlingt ihm S. 812; er ergreift Partei gegen Heinrich S. 819.
Wahl Wiberts S. 825. Gregors Niederlage und Tod S. 827.
Die Lage in Deutschland S. 838. Heinrich sucht die Gregorianer
zu beseitigen S. 844, muß sie aber anerkennen S. 847. Der
politische Friede S. 849. Fortdauer des kirchlichen Zwiespalts
S. 850. Veränderung der päpslichen Politik unter Viktor III.
S. 857 und Urban II. S. 858. Erfolge ürbans S. 860. Das
Eintreten der Mönche für die Unterwerfung unter den Papst
S. 864. Auflösung der Wibertistischen Partei in Deutschland
S. 880. Pascha! U. S. 881. Erhebung Heinrichs V. S. 885. Die
Beendigung des Schismas S. 887. Der Investiturstreit S. 889.
Gelasius IL u. Kalixt II. S. 912. Die theoretische Lösung S. 913.
Der Wormser Vertrag S. 921.
Siebentes Kapitel.
Fortschritte des geistigen Lebens 924
Architektur S. 924. Skulptur S. 930. Malerei S. 933. Schul-
wesen S. 936. Geschichtschreibung S. 943. Die Streitschriften
S. 958. Kirchenrecht S. 961. Theologie S. 962. Der Beren-
garische Streit S. 962. Exegese S. 966. Bern S. 967. Othloh
S. 968. Thiofrid S. 971. Berengos S. 971. Lateinische Ge-
dichte S. 973. Deutsche Gedichte S. 974. Übersetzungen S. 976.
Schluß S. 978.
Bischofslisten 981
Klösterverzeichnis 1011
Beilagen.
1. Die literarische Hinterlassenschaft Adalberts v. Prag . . 1041
2. Der dem Bischof Haimo von Halberstadt zugeschriebene
Psalmenkommentar 1043
3. Ztim Wormser Konkordat 1047
Literaturübersicht 1050
Register 1057
Berichtigungen 1078
Sechstes Buch.
Konsolidierung der deutschen Kirche.
911—1002.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 1. ii. 1904.
Erstes Kapitel.
Krone, Episkopat und Herzogtum. Grundlegung
der bischöflichen Fürstenmacht.
Während dem karolingischen Königtum je länger je mehr die
Kraft zu handeln verloren ging, und die Verhältnisse in Staat wie
in Kirche mehr oder weniger sich selbst überlassen bheben, vollzog
sich eine für die Geschicke des deutschen Volkes unendhch wichtige
Neubildung. Die Vereinigung der deutschen Stämme zum deutschen
Volk war einstmals durch die Auflösung der Stammesherzogtümer
herbeigeführt worden. Jetzt als das Königtum seiner ersten Pflicht,
Schutz der Grenzen, nicht mehr zu genügen imstande war, trat ein
neues Stammesherzogtum dem fränkischen Königtum zur Seite \
Die zentralisierende Tendenz, die seit der Erhebung Chlodovechs
geherrscht hatte, wurde durch die dezentralisierende abgelöst, die
fast für ein Jahrtausend maßgebend blieb. Die deutsche Geschichte
kennt kaum einen wichtigeren Wandel als diesen. Aber es war
nicht ein poMtischer Gedanke, der zu ihm führte, eher der Mangel
eines solchen. Die Sache machte sich wie von selbst: diejenigen
Männer, die es verstanden, die Kraft der Stämme zusammenzufassen,
wurden von der Gesamtheit ihrer Stammesgenossen als Führer an-
erkannt; wenn nicht sie selbst, so ihre Erben wurden mit dem alten
Namen der Herzoge bezeichnet.
^ Über die Entstehung des Herzogtums handeln Waitz, Verfass.-
Gesch. V S. 33 ff., Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte S. 376 ff., Dümmler,
Gesch. des Ostfränk. Reiches III S. 563 ff. (2. Aufl.), Giesebrecht, Gesch. d.
deutsch. Kaiserzeit I S. 178 ff. (3. Aufl.), Lamprecht, Deutsche Geschichte II
S. 112 ff.
1*
Das geschah bei den vier großen Stämmen. Anr frähesten
bei den Grenzstämmen, den Sachsen und Baieni. Dort begann
die Erhebung der Liudolfinger schon unter Ludwig d. D.. hier
schwang sich der Markgraf Liutpold unter König Arnulf zu einer
ähnhchen Stellung empor, wie sie das Haus Liudolfs im Norden
innehatte. Ihrem Vorgang folgten die inneren Stämme, die
Schwaben und die in zwei Herzogtümer sich spaltenden Franken.
Im Anfang des zehnten Jahrhunderts war auch bei ihnen die
Bildung des Herzogtums eine vollendete Tatsache. Dagegen kam
es bei den kleinen Stänunen der Thüringer und Friesen nicht zur
Entstehung neuer Stammesherzogtümer. In Friesland bemerkt man
nicht einmal den Ansatz dazu. Daran fehlte es in Thüringen nicht.
Aber schließlich gelang es keinem eigenen Herzogsgeschlecht sich
zu behaupten. Das kleine Land wurde von dem sächsischen Herzog-
tum abhängig.
Vergegenwärtigt man sich die Entstehung der einzelnen Her-
zogtümer, so drängt sich die Bemerkung auf, daß der Ursprung,
den die Macht der herzoglichen Geschlechter hatte, sehr verschieden
war. Die Kraft der Liudolfinger beruhte auf dem übererbten An-
sehen ihrer alten Familie ^ und auf ihrem weitausgedehnten Grund-
besitz^. Auch Liutpold gehörte einem in Baiem altbegüterten
Hause an; aber mächtiger war er doch durch die x^mter, die er
dem König verdankte: er war Markgraf in mehreren Marken und
Graf in vier Gauen ^. Zumeist durch, ihre persönlichen Beziehungen
zu den Königen erstarkte die Macht der Konradiner; es gab in
Franken keine Familie, die so sehr durch die Gunst des Hofes ge-
fördert und erhoben wurde, wie die ihre*. Auch der Lothringer
Reginar wurde mächtig durch seine Beziehungen zum König; aber
sich in seiner Macht zu behaupten, gelang ihm hauptsächlich durch
seine Verbindung mit seinen Standesgenossen, dem eingeborenen
AdeP. So verschieden waren die Grundlagen, auf welchen die
Macht der Herzoge sich erhob; darin jedoch bestand kein Unter-
schied, daß ihre Würde ihnen nicht vom König übertragen wurde.
Das Herzogtum war kein von der Krone geschaffenes Amt; es
entstand unter dem Zwang und der Gunst der Verhältnisse: ihren
Leistungen für den Stamm verdankten die Herzoge ihre Stellung
' Agius, Liudolfs Sohn, sagt von seinem Vater: Ex illustrissimo Saxo-
num genere oriundus dux orientalium Saxonum fuit, Vit. Hathum. 2 Scr. IV
S. 167.
- S. Waitz, JB. d. deutschen Reichs unter Heinrich I. S. 9 (3. Aufl.).
^ Riezler, Gesch. Baierns I S. 245. * Dümmler, OFr. R. III S. 568,
■■* Regin. cbron. z. .1. 898 S. 145 u. 899 S. 147.
— 5 —
im Stamm. Deshalb war ihre Macht wesentlich anderer Art als
die durch königliche Verleihung übertragene Gewalt des fränkischen
Beamtenadels- Man kann sagen: sie beruhte nicht auf einem an-
erkannten Rechtstitel, sondern auf Usurpation, xlber diese Usur-
pation wurde von denen bereitwillig anerkannt, über die die Herzoge
Gewalt übten. Nirgends stießen sie auf populären Widerstand:
es konnte alsbald die Anschauung entstehen, daß das Volk selbst
8as Herzogtum gegründet habe, indem es einen Herzog wähltet
Gleichwohl ist der revolutionäre Charakter der neuen Macht un-
verkennbar. Sie durchbrach die bisherige Organisation des Reichs;
sie ersetzte und verdrängte die Tätigkeit der königlichen Beamten.
Aber, wie es wohl auch sonst geschehen ist: das Revolutionäre
trat nicht auf revolutionäre Weise ins Leben: weder Liudolf noch
Otto sind je den Trägem der Krone entgegengetreten; noch wemger
Liutpold und die Konradiner: sie standen in den engsten Be-
ziehungen zu den letzten Karoüngem. Vollends der Gedanke, sich
vom Reiche loszulösen, lag gänzlich außerhalb des Gesichtskreises
der Männer, die emporkamen, indem sie die Grenzen des Reiches
deckten-. Deshalb ist das UnverständHche verständlich: sie be-
gründeten einte Macht, die das Königtum auf das tiefste schädigte,
und sie taten es, ohne daß der Hof ihnen widerstrebte oder ent-
gegentrat. Das neue Stammesherzogtum ist entstanden nicht durch
die Könige; aber auch nicht gehindert von ihnen.
Aber es war eine neue Macht. Bestand es erst einmal, so.
konnte es nicht ausbleiben, daß die alten Mächte innewurden,
daß es in ihre Kreise störend eingriff. Jedermaim weiß, wie scharf
unter König Konrad I. der Gegensatz zwischen Königtum und
Herzogtum hervortrat Konrad hat sich in dem unablässigen Ringen,
fränkischer König nach alter Weise zu sein, verzehrt. Aber was
er unternahm, konnte nicht zum Ziel gelangen; denn die Macht,
über die er verfügte, war zu gering, als daß er die bereits gefestigte
herzogUche Gewalt hätte wieder beseitigen können. Auch war er
nicht der Mann, durch überwiegendes Talent dasjenige zu ersetzen,
was ihm an Machtmitteln gebrach. Zwar haben die Zeitgenossen
ihm Großes zugetraut; aber ihr Urteil über den König war be-
stochen durch die mutige und ritterliche, frische und wohlwollende
Art des Mannes^. In Wahrheit entscheidet über die G-röße des
* Thietmar läßt Heinrich II. sagen: Nonne scitis . . Bawarios ab initio
ducem eligendi liberam habere potestatem? chron. V, 14 S. 115.
- Eine Ausnahme bildet Lothringen. Reginar schloß sich dem west-
fränkischen Reiche an.
' Lindprand urteilt: Nisi . . mors . . Chuonradum regem tarn citissime
— 6 —
Talents nur der Erfolg. Und er spricht gegen Konrad. Das
Herzogtum ging aus dem Kampfe mit dem Königtum zunächst
siegreich hervor. Und doch gedenkt man gerne des letzten frän-
kischen Königs. Denn höher als das Talent steht die Größe der
Gesinnung, und wenn irgend jemand Sympathie verdient, so der
Mann, der eine große Stellung vor Erniedrigung schirmt, der im
Kampfe für ein berechtigtes Ziel sich durch den Mangel an Er-
folg nicht irre machen läßt. Das ist Konrads Ruhm. Sein Ziel
war berechtigt; denn sein Kampf für die Macht der Krone
war schließlich doch ein Kampf für die Macht und die Einheit
Deutschlands,
Doch er kämpfte vergebHch; das Herzogtum hatte Bestand.
Die Zahl der Gewalten im Reich war um eine vermehrt. Wir
haben in Erwägung zu ziehen, welche Wirkung die Entstehung des
Herzogtums auf die kirchlichen Verhältnisse übte, welche Stellung
der Episkopat ihm gegenüber einnahm.
Auch der Episkopat gehörte zu den alten Mächten. Es ist
nun an sich klar, daß die Stellung der Bischöfe im Reich durch
das Emporkommen der neuen Gewalt bedroht war. Die Grafen
waren um eine Stufe herabgedrückt, indem die Herzoge zwischen
sie und den König in die Mitte traten. Das gleiche Schicksal
drohte der geistlichen Aristokratie. Doch kam dabei noch Größeres
in Betracht als Standesinteresseu. Wir erinnern uns: so lange das
alte bairische Stammesherzogtum bestand, war die baiiische Kirche
kein Glied der Kirche des Reichs gewesen. Die Hei-zoge hatten
in ihr die Gewalt geübt, welche im Reich dem König zukamt
Konnte, mußte die Erneuerung der Herzogtümer nicht auf die
Einheit der deutschen Kirche auflösend wirken?
Man sieht: wie zwischen Königtum und Herzogtum, so war
auch zwischen Herzogtum und Episkopat ein innerer Gegensatz
vorhanden. Aber wie dort, so zeigte er sich auch hier nicht so-
fort wirksam. Als die Krystalhsation einer selbständigen Macht
innerhalb der Stammesgebiete begann, haben sich die Bischöfe
diesem Prozeß nicht entgegengesetzt. Sie standen in Sachsen und
in Baiem in gutem Einvernehmen mit den ersten Herzogen; gleich
den übrigen Großen ordneten sie sich bereitwilHg ihrer Führung
unter. In Sachsen folgten, als Herzog Brun seine Stammesgenossen
raperet, is esset, cuius nomen multis mundi nationibus imperaret, Antap.
11,20 S. 36; vgl. c. 17 S. 35; Contin. Regln, z. J. 919 S. 156. Die St. Galler
Anekdoten sind jedermann bekannt; am schwersten wiegt ohne Zweifel
Widukinds Urteil, Res gest. Saxon. I, 25 S. 22.
1 S. Bd. I 3. Aufl. S. 373 ff. 496 f. 503 ff. Bd. U 2. Aufl. S. 414 ff.
zur Verteidigung der Heimat gegen die Normannen aufrief, die
Bischöfe wie die Grafen und die königlichen Vasallen seiner Ladung.
An dem unglücklichen 2. Februar 880 sind Thiadrich von Minden
und Markwart von Hildesheim mit dem Herzog umgekommen ^.
Ein Vierteljahrhundert später wiederholte sich dasselbe im Süden.
Mit liutpold standen die bairischen Bischöfe den einbrechenden
Ungarn gegenüber. Auch hier fehlte es nicht an Opfern des
Kampfes: Erzbischof Theotmar von Salzburg und die Bischöfe Udo
von Freising und Zacharias von Sehen fielen zugleich mit dem
Markgrafen und zahlreichen bairischen Großen am 5. Juli 907^.
In Franken lag zwar Eudolf von Würzburg im Kampf mit den
Babenbergem; aber er widersetzte sich nicht der Entstehung einer
herzoglichen Gewalt, sondern er stritt dagegen, daß sie dem Hause
der Babenberger zufalle; seine Kämpfe sind ein Moment in der
Erhebung seines Geschlechts zur herzoglichen Würde ^.
Allein das Einvernehmen zwischen Bistum und Herzogtum
war nicht von Bestand. Der Streit begann in Schwaben. In ganz
Süddeutschland gab es keinen mächtigeren Bischof als Salomo HI.
von Konstanz^: ein Mann von vornehmer Geburt, von lange her
am Hofe bekannt^, eng befreundet mit dem einflußreichen Hatte
von Mainz, neben dem großen Bistum im Besitz der Abteien
St. Gallen und Ptäfers*^, mochte er sich wohl als der erste Mann
Schwabens fühlen : unmögüch konnte er gewillt sein, sich unter einen
Herzog zu stellen. So trat er schon dem ersten entgegen, der in
Schwaben offen nach der herzoglichen Würde strebte; es war der
Graf Burkhart, der sich Fürst der Alamannen nannte. Erlag nun
'^ 1 Annal. Fuld. z. d. J. S. 94, Widuk. I, 16 S. 15 f., Thietm. U, 23 S. 32.
Thietmar läßt Brun von König Ludwig HI. mit der Führung beauftragt
sein; doch ist darauf schwerlich viel Gewicht zu legen.
2 Contin. Regin. z. J. 907 S. 154, Auctar. Garst, z. J. 906 Scr. IX S. 565.
* Regino läßt die Kämpfe zwischen Rudolf (licet nobilis stultissimus
tarnen, z. J. 892 S. 140**), und den Babenbergischen Brüdern ex parvis
minimisque rebus entspringen, spricht dann aber von der Eifersucht der
beiden Familien de magnitudine terrenae potestatis, z. J. 897 S. 145. Das
letztere war der Grund, das erstere der Anlaß.
* Von ihm berichtet eingehend, aber unzuverlässig Ekkeh. Gas. s.
Galli; zu vergleichen sind etliche Briefe in den St. Galler Formeln, Nr. 43,
46 f. S. 425 ff.
* Er erscheint seit 885 unter den königlichen Notaren, s. B.M. 1650,
1655 u. ö.
* St. Gallen erhielt er zwischen d. 14. Mai und dem August 890 durch
König Arnulf, s. dessen Urkunde B.M. 1824 und Reg. ep. Const. 178; Pföfers
d. 6. Febr. 905 durch Ludwig IV., s. B.M. 1972.
auch Eurkhart der Eifersucht der welthchen Großen — er wurde
in der Volks vei*sainmluiig, die seine Würde anerkennen sollte, ge-
tötet — , so ist doch sicher, daß Salomo zu seinen entschiedensten
Gegnern gehorte. Scharfblickend, wie er war, dachte er an die
Zukunft: drum war ihm der Tod des Grafen nicht genug, die
ganze Famihe sollte vernichtet werden; die Söhne Burkharts wurden
vertrieben, sein Bruder Adalbert, Graf im Thurgau, ermordet. Das
Volk rühmte den Getöteten als den gerechtesten Mann, die Schuld
an seinem Tod aber schrieb es dem Bischof zu-^. Das geschah
kurz vor oder unmittelbar nach dem Tode Ludwigs IV.".
Seitdem Konrad I. den Kampf mit dem Herzogtum aufnahm,
standen ihm überall die Bischöfe zur Seite. Wie einst für di§
Einheit des Reichs, so traten sie jetzt für die Macht der Krone'
ein. Wer möchte bezweifeln, daß dabei perscinliche Motive mannig-
facher Art mitwirkten ? Aber es wäre nicht gerecht, sie für allein
wirksam zu halten. Man dachte auch an die Gesamtheit. In tief
empfundenen Versen hat Salomo III. in den Tagen Ludwigs d. K.
das Unglück Deutschlands geschildert. Fragte er, worin die Wurzel
des Unheils zu suchen sei, so war die Antwort: darin, daß es an
einem König fehlte ''. Konrad wagte es wieder König zu sein. Wie
hätten die Männer, die dachten und empfanden wie Salomo, sich
nicht enge an ihn anschließen sollen? Sie waren um so mehr da-
zu gedrängt, als inzwischen an den Tag getreten war, daß die her-
zogliche Macht sich nicht befestigen konnte, ohne Hand an das
Kirchengut zu legen. Seit dem Sommer 907 stand- Arnulf, Liut-
polds Sohn, an der Spitze des bairischen Stammes. Das alte
Selbstgefühl der bairischen Herzoge schien in ihm wieder aufeu-
leben. Wie ein unabhängiger Herrscher nannte er sich „Herzog
von Gottes Gnaden"*. Man begreift es; denn vom Reiche im Stich
gelassen, allein gestützt auf die eigene Macht mußte er die Grenzen
gegen die Ungarn sichern. Es konnte nur gehngen, wenn er alle
ICraft des Landes zusammenfaßte: er mußte alte Vasallen an sich
ketten und mehr noch neue gewinnen. Dadm'ch sicherte er zu-
^ Annal. Alamann. z. J. 911 Scr. I S. 55.
- Die Annal. Alam. und Colon. Scr. I S. 98 erwähnen Burkharts Unter-
gang vor Ludwigs Tod, bezw. Konrads Wahl, dagegen Hermann Contract.
ehren, z. J. 911 Scr. V S. 112 nach derselben. Da es wahrscheinlich ist,
daß Burkhart im November 911 umkam, s. Dümmler, OFr. R. IE S. 570
Anm. 1, so ist der jüngere Zeuge im Recht.
3 Ad Dadon. episc. v. 165 ff. (Dümmler, St. Gall. Denkm. S. 234).
^ Kleinmaym, Juvavia, Anhang S. 145 : Divina favente dementia dux.
Meichelbeck, Histor. Frising. 1, 2 S. 429 Nr. 983 : Divina ordinante Provi-
dentia dux.
— 9 —
gleich seine Stellung als Herzog. Die Mittel bot ihm der reiche
Grundbesitz der Kirche: in so ausgedehntem Maße, wie es seit
Karl Martell nicht mehr geschehen war, hat Arnulf darüber ver-
fiigt\ Ungezählte Güter vergab er als Lehen an Laien. Manche
Klöster gingen darüber ein, andere, vorher von fiirsthchem Reich-
tum, verarmten für lange Zeit. Im Kloster Tegemsee z. B. wollte
man später wissen, daß von den Tausenden von Höfen, die ihm
zu eigen gewesen, nur wenig über hundert übrig gebheben seien-;
sicher ist, daß eine Zeitlang das mönchische Leben daselbst ganz
aufhörte^. Kein besseres Schicksal hatte Niederaltaich; auch hier
wurden die Einkünfte so gering, daß der Mönchskonvent sich auf-
löste; es blieben nur einige Kleriker zur Versorgung des Gottes-
dienstes*. Das gleiche geschah in Fölling; die Nonnen verHeßen
das Kloster, da sie nicht mehr leben konnten; man war froh, daß
ein paar Kanoniker wenigstens den Dienst an der Kirche fortsetzten^
1 Vit. Oudalr. 3 Scr. IV S. 389; unechte Urk. Friedrichs I. für Tegem-
see M.B. VI Nr. 17 S. 174; Nota zu Herim. Altah. de instit. monast. Altah.
Scr. XVII S. 370; Metellus, Quirinalia in Canisius-Basnage, Thes. monum.
in, 2 S. 145. Es ist nicht überliefert, wann die Säkularisationen Arnulfs
stattfanden. Aus den kirchlichen Zugeständnissen Heinrichs l. an ihn legt
sich zunächst die Vermutung nahe,, daß sie erst seit 919 vorgenommen
wurden, also gleichzeitig mit den Säkularisationen in Schwaben. Doch
widersprechen die Beschlüsse der Hohenaltheimer Sy^aode zum Schutze des
Kirchenguts. Deshalb hat Riezlers Annahme, daß die Verleihungen von
Kirchengnt alsbald nach Arnulfs Regierungsantritt begannen, 6. B.'s I S. 325,
die Wahrscheinlichkeit für sich.
- In einem in Tegemsee zwischen 1020 und 1035 (s. Riezler, 6. B. I
Si 326 Anm. 1) aufgestellten Verzeichnis wird die Zahl der Höfe auf 11,860
angegeben; von ihnen heißt es: Ex bis Arnolfus dux et tyrannus, dum re-
galem affectaret dignitatem, laesa maiestate regni tempore regis Heinrici
loca subscripta diripuit et caeteris principibus in beneficium tradidit (Pez,
Script, rer. Austr. I S. 741); dem Kloster blieben 114, davon waren 34
Mönche, 10 Schüler und 95 pauperes et annonarii zu erhalten (Günthner,
Gesch. der literar. Anstalten in Baiem I S. 142). Andere Angaben weichen
übrigens etwas ab: die histor. fundat. mon. Tegerns. (bei Pez, Anecdot. III, 3
S. 491) gibt c. 4 den Besitz auf 11,566 mansi an; das chron. Tegem. c. 1
(ib. S. 500 f.) zählt 11,752 entfremdete gegen 114 erhaltene Höfe. Dadurch
das Aufhören des Klosters die Überlieferung unterbrochen wurde, sind diese
Zahlen ganz unsicher.
3 Urk. Ottos II. V. 10. Juni 979 Dipl. II S. 219 Nr. 192.
* Vit. poster. Godeh. 3 Scr. XI S. 198 f.; vgl. Herim. Altah. de inst,
monast. Altah. S. 370 und die Querelae adv. Amolf. ßavar. duc. aus dem
Codex traditionum des Klosters (M. B. XI S. 23 f.).
^ Heinrich II. restituierte am 16. April 1010 den Besitz in 8 Orten,
— 10 —
Von Arnulfs Säkularisationen wurden zunächst die bairischen
Klöster betroffen. Der Besitz der bischöflichen Kirchen scheint im
allgemeinen geschont worden zu sein ^. Aber was an den Klöstern
geschah, war eine stete Drohung für die Bischöfe. Schutz konnte
ihnen nur der König gewähren. Auch dieser war durch AmuKs
Vorgehen herausgefordert: uumöghch konnte er gleichgiltig zu-
sehen, wie ein Herzog, dessen Ehrgeiz man das Streben nach der
Königskrone zutraute'-, durch Verleihung von Kirchengut die Zahl
seiner Vasallen imgemessen vermehrte. Denn dadurch verschob
sich das Verhältnis der königlichen und der herzoghchen Macht
im Lande.
Es ist klar, daß die Krone und der Episkopat durch die Lage
der Dinge auf die engste Verbindung hingewiesen waren. Die
Bischöfe zögerten nicht Partei zu ergi'eifen; als Führer traten
Salomo IIL und Hatto von Mainz hervor ^. Besonders die Stellimg
des letzteren wird für die übrigen Bischöfe entscheidend gewesen
sein. Denn er stand im höchsten Ansehen; man war gewöhnt, ihn
wie den Primas von Deutschland zu verehren^. Seit dem Jahre 891
verwaltete er das Mainzer Ei-zbistum. Sein Einfluß war seitdem
beständig gestiegen: schon unter Arnulf stand er in der ersten
Reihe der deutschen Großen; mehr noch wuchs seine Macht während
des Jahrzehnts, während dessen der Knabe Ludwig den Titel eines
Königs führte. Nichts Wichtiges geschah im Reich und in der
der an viele Leute als Lehn gegeben war, zum Unterhalt der Brüder, die
in Fölling dienten, Dipl. III S. 249 Nr. 212.
^ Riezler, G. B.'s I S. 327 hebt unter Verweisung auf eine Urkunde
Berhtolds (Meichelbeck I, 1 S. 164) hervor, daß auch die bischöflichen Kirchen
nicht ganz verschont blieben. Berhtold verfügt in d. a. Urk. die Rückgabe
von Mais bei Meran an den h. Corbinian, d. h. an die Domkirche in Frei-
sing. Das Beispiel ist aber vereinzelt.
^ Liudpr. II, 21 S. 36. Man hat später die Säkularisation geradezu
aus diesen Absichten des Herzogs erklärt, so das Tegernseer Verzeichnis,
S. 9 Anna. 2, d. Zusatz zu Hermann v. Altaich, die angebliche Urk. Fried-
richs I. u. Metellus in d. Quirin. S. 145; vgl Otto Frising. chron. VT, 18 S. 270.
^ Das von Dümmler, OFr. R. III S. 590 hervorgehobene Bedenken gegen
diese Fassung der Stellung Hattos, die Begünstigung der Familie Konrads,
verliert sein Gewicht, wenn man, wie im Texte geschehen, annimmt, daß
der Gegensatz zwischen dem Königtum und dem Episkopat einerseits und
dem Herzogtum andererseits erst unter Konrad bestimmt hervorgetreten ist.
Dümmler selbst beseitigt es durch die Vermutung, Hatto habe Konrad von
Anfang an den Weg zum Throne bahnen wollen. Aber dafür fehlt jede
Stütze in der Überlieferung.
* So nennt ihn Regino in der Widmung der Schrift de synodal, causis.
— 11 —
Kirche, woran er nicht bestimmenden Anteil hatte. Regino sprach
keine leere Schmeichelei aus, wenn er urteilte, seine Tätigkeit be-
schränke sich nicht auf die pflichtmäßige Sorge für sein Erzbistum,
sondern umspanne das gesamte Reicht Hatto war ein Mann voll
Kraft und Energie, eine der Persönlichkeiten, die auf Mit- und
Nachwelt Eindruck machen und denen das allgemeine Urteil doch
nicht gerecht wird. Die Zeitgenossen bewunderten' in ihm vor allem
den tiefdenkenden, mißtrauisch klugen, durch Schärfe des Geistes
die Ditge beheiTschenden Mann-, i^ber das Volk liebte ihn nicht.
Verständlich genug: denn die Menge verzeiht leicht rechtswidrige
Taten, weim sie fi^i und mutig mit dem Anschein der Größe voll-
bracht werden ; aber sie verfolgt mit ungerechtem Argwohn das
Handeln der Männer, die sie nicht versteht und deren geistige
Überlegenheit sie fühlt. Hatto hat sie listige Frevel zugetraut^;
wahrscheinlich mit Unrecht. Denn der Mann, der die Könige be-
riet und beherrschte, bedurfte der Umwege nicht.
Hatto erkannte den für das fränkische Königtum gefährlichsten
Punkt: er arbeitete dem Übergewicht der sächsischen Herzogsmacht
entgegen. So getrübt die Überlieferung ist, so sicher ist doch die
Tatsache, die sie bezeugt, daß der Erzbischof und Heimzog Heinrich
sich als Feinde gegenüberstanden. Wahrecheinlich war Hatto dem
Versuch des Königs nicht fremd, dem Herzog die Stellung seines
Vaters in Thüringen zu versagen. Man weiß, daß Konrad nicht
vermochte, diesen Plan durchzuführen. Heinrich aber zeigte durch
sein Vorgehen gegen den Erzbischof, wie verlührerisch das von
Arnulf in Baiern gegebene Beispiel für die anderen Herzoge war:
er legte die Hand auf den Mainzer Besitz in Sachsen und Thü-
ringen ^
Als in Schwaben Erchanger den Versuch zur Begründung
einer Herzogsmacht, der Burkhart mißlungen war, ^vieder aufnahm,
war Salomo HI. der sicherste und mächtigste Bundesgenosse Kon-
rads. Das zeigt der tödliche Haß der Herzoghchen gegen den
Bischof. Erchanger richtete im Jahi' 914 den ersten Angriff auf
ihn; er wurde gefangen und es ist nicht unmöglich, daß sein Leben
1 A. a. 0.
^ Contin. Regln, z. J. 912 S. 155: Vir adeo strenuus et prudens; Annal.
Fuld. Cont. Ratisb. z. J. 891 S. 119: Homo subtilis ingenii; Widuk. 1,22
(cod. 1) S. 18: Acutus consiUo, acer ingenio et qui varietate sibi consueta
multos mortales precederet. Die Anekdoten Ekkebards, Gas. s. Galli 22 ff.
S. 87 ff. ed. Meyer v. Knonau, entstammen dem gleichen urteil.
3 Liudpr. Antap. 11,6 S. 30; Widuk. 1. c.
^ Widuk. I, 21 f. S. 18 ff., vgl. Waitz, JB. S. 20 f., Dümmler, OFr. R. III
S. 585. Die Vorgänge fallen in das Jahr 912; am 15. Mai 913 starb Hatto.
— 12 —
bedroht war. Doch befreite ihn die rasche Überwältigang Erchangers
durch Konrad ^.
Selbst in Baiem, wo doch die herzogliche Macht seit lange
gefestigt war, sagten sich die Bischöfe von ihr los. Konrad lag
im Sommer 916 gegen Arnulf zu Felde". Während er den Herzog
aus seinem Stammland vertrieb, scharten sich die bairischen Bischöfe
um ihn: der Erzbischof Pihgrim von Salzburg, die Bischöfe Tuto
von Regensburg, Dracholf von Freising, Udalfrid von Eichstätt imd
Meginbert von Sehen weilten im Juli 916 an seinem Hofe zu Neu-
burg a. d. Donau ^. Er ließ es nicht an Gunstbezeugungen gegen
die Männer der Kirche fehlen. Wie er alsbald nach der Erobenmg
Regensburgs das unter Bischof Tuto stehende Emmeramskloster
mit einer Schenkung bedacht hacte*, so erlaugte in Neuburg Megin-
bert die Bestätigung der Immunität seines Bistums. Kein einziger
bairischer Bischof hielt zu dem Herzogt; auch die Nachbarbischöfe
betrachteten ihn als Feind: Hattos Nachfolger, Heriger von Mainz®,
vielleicht auch Hiltin von Augsburg oder Dioto von Würzburg '
begleiteten den König auf seinem Zug; man hat sich in Baieni
noch lange dessen erinnert, daß bischöfhche Truppen an der Ver-
wüstung des Landes Anteil nahmen.
Dagegen wußte Herzog Heinrich von Sachsen die Gewalt
ungestört in der Hand zu behalten: der Zug Eberhards im Jahre
915 mißlang vollständig*; man hört denn auch nichts von Zwie-
spalt zwischen dem Herzog und den Bischöfen. Aber daß Adal-
ward von Verden den Zug Konrads gegen Arnulf mitmachte '•*, ist
1 Annal. Alam. z. d. J. 913—916 S. 56. Contin. Regln, z. 914 u. 917
S. 155. Syn. Altheim. c. 21 C.I. I S. 623; sagenhafte Fortbildung bei Ekkeh.,
Gas. s. Galli 17 ff. S. 67 ff.
- Auct. Garst, z. 916 Scr. IX S. 565. Fragm. de Arn. duce Scr. XVK
S. 570.
* Dipl. I S. 27 Nr. 30. * Ib. S. 27 Nr. 29.
* In Neuburg fehlte nur der Bischof v. Passau. Da Bischof Purkhard
am 10. Okt. 915 gestorben war, Auct. Cremif. Scr. IX S. 552 Necrol. infer.
monast. Boehmer, Font. 111 S. 485, so war möglicherweise das Bistum erledigt.
^ Er. ist in der oben Anmerk. 3 zitierten Urkunde genannt.
' Dümmler, OFr. R. III S. 598 vermutet den letzteren in dem im fragm.
de Am. duce erwähnten, aber nicht genannten Bischof. Doch könnte man
auch an den Augsburger Bischof denken. Da sein Bistum zum Teil im
bairischen Herzogtum lag und Augsburger Klöster -wie Fölling durch die
Säkularisation hart betroffen wurden, so hatte Hiltin mehr Grund sich um
bairische Verhältnisse zu bekümmern als der unbeteiligte Dioto.
8 Widuk. 1,23 S. 21.
* Er war nach der Eroberung Regensburgs in der Umgebung des
Königs, Dipl. I S. 27 Nr. 29; ebenso in Neuburg, ib. Nr. 30.
— 13 —
ein Beleg dafiir, daß auch bei dem sächsischen Episkopat könig-
hche Sympathien nicht fehlten. Und wenn Konrad kurz vor seinem
Tod Unni entgegen der Wahl des Klerus und Voüs zum Erzbischof
von Hamburg ernannte \ so sieht man, daß er auch Sachsen gegen-
über sein Ziel nicht aus den Augen verlor: auch dort sollten die
Bischöfe königliche Männer sein und der Episkopat zu einer Stütze
für die Macht der Krone werden.
Der große Gegensatz hatte sich in eine Reihe von Einzel-
kämpfen aufgelöst. Doch die Männer der Kirche waren gewöhnt,
gemeinsam zu handeln. Den Einzelkämpfen folgte denn eine große
gemeinsame Aktion: die Synode von Hohenaltheim.
Hohenaltheim ist ein Dorf im Ries, an der Scheide der drei
Stämme Franken, Schwaben und Baiern gelegen. In dem Johannis'
kirchlein des Ortes traten die Bischöfe zu einer deutschen General-
synode zusammen. Aus allen Teilen des Reichs waren sie er-
schienen ; nur die sächsischen fehlten -. König Konrad selbst nahm,
so viel wir wissen, nicht an der Versammlung Anteil. Dagegen
hatte man Papst Johann X. von ihrem Zusammentritt unterrichtet
Bereitwillig hatte er einen Legaten, den Bischof Peter von Orta.
an sie abgeordnet. Er war der Überbringer eines päpstlichen
Schreibens, das die herkömmlichen Ermahnungen enthielt **. Die
'■ Adam, Gest. Hamab. eccl. pontif. I, 56 S. 38.
- Die Unterschrift der Anwesenden fehlt den Akten der Synode. Wir
wissen also im einzelnen nicht, wer anwesend war und wer fehlte. Die
Bezeichnung generalis synodus macht die Vertretung aller Erzbistümer
wahrscheinlich. Ob c. 30 von allen oder von einigen sächsischen Bischöfen
handelt, ist eine Frage, die sich nicht beantworten läßt. Die Strenge, mit
welcher die Synode die Fehlenden behandelte, zeigt, daß sie annahm, sie
seien nicht durch zufällige Verhältnisse gehindert, sondern absichtlich fern
geblieben. Da in diesem Fall ein von Heinrich auf die Bischöfe ausgeübter
Druck zu vermuten ist, so bin ich mehr geneigt, an das Fehlen aller, als
einiger Bischöfe aus Sachsen zu denken.
^ Von Vorsitz des päpstlichen Legaten (Manitius, D. G. S. 30) sagen
die Akten nichts: die Synode fand statt presente Petro und sie faßte ihre
Beschlüsse ortatu Petri. Überhaupt scheint mir, daß die Stellung Roms zu
den deutschen Verhältnissen nicht ganz richtig beurteilt wird. Angenommen
auch, was wir jedoch nicht wissen, daß man nach Rom berichtete, wie
schwer die deutsche Kirche unter dem Widerstreit der berechtigten königr
liehen Gewalt mit den zu Herzogen sich aufwerfenden Usurpatoren litt
(Dümmler, OFr. R. III S. 605), so beweist die Angabe über das päpstliche
Schreiben, daß man in Rom viel zu klug war, um auf einen einseitigen
Bericht hin Partei zu ergreifen ; man schickte einen Legaten und gab ihm
ein Schreiben voll von gewichtig klingenden und tatsächlich nichtssagenden
moralischen Ermahnungen mit: monebamur, arguebamur et instruebamur
— 14 —
Männer, mit denen der König sich eben in Kampf befand, Er-
changer und seine nächsten Verwandten, Arnulf und sein Bruder,
waren vor die Synode geladen. Das Auftreten der Bischöfe machte
doch Eindruck : trotz des bei Wahlwies im Jahre vorher errungenen
Siegs stellten sich die ersteren; dagegen verschmähte Arnulf zu
erscheinen.
Überblickt man die lange B^ihe der nach mehrtägigen Vor-
bereitungen am 20. September 916 gefaßten Beschlüsse, so sind die
politischen weitaus die wichtigsten. Die Gesamtheit der deutschen
Bischöfe, handelnd im Namen der christlichen Kirche, erklärte sich
durch sie vorbehaltlos für das Recht des Königtums dem Herzog-
tum gegenüber. Nicht nur wegen der Gefangennahme des Bischofs
Salomo imd der Verletzung des Kirchenguts, sondern in erster Linie
wegen Empörung gegen den König wurden Erchanger und seine
Genossen mit lebenslängUcher Kirchenbuße belegt \ Auch bei dem
Urteil über Arnulf^ fiel ohne Zweifel das Hauptgewicht auf den
Kampf der letzten Monate, nicht auf die Säkularisationen der
fiüheren Jahre. Einen Beschluß gegen Heinrich von Sachsen zu
fassen, hatte die Synode keinen Anlaß; er hatte an den Kämpfen
des Jahres 916 keinen Anteil genommen, sein Verhältnis zu dem
König scheint sich äußerlich friedlich gestaltet zu haben ^. Aber
indem die sächsischen Bischöfe, welche ohne Zweifel von Heinrich
bestimmt oder genötigt, in Hohenaltheim nicht erschienen waren,
als ungehorsam behandelt und mit strenger Strafe bedroht wurden,
bewies die Synode, daß sie den Einfluß des Herzogs auf die Bischöfe
nicht als berechtigt anerkannte*.
In dieser Weise nahm der Episkopat als Gesamtheit zu den
Fragen Stellung, welche augenbUcklich das B«ich beunruhigten: er
richtete über die Feinde des Königs als über Feinde Gottes. Aber
das schien nicht genug. Die Synode hielt für geboten, eine Er-
klärung über die VerbindHchkeit des Treueids abzugeben, die alle
für die Zukunft von neuem bindet Dabei verfuhr sie in möghchst
de Omnibus ad veram religionem christianae fidei pertinentibus. Auch
c. 34 f. führt nicht notwendig auf die Annahme, daß Johann X. von An-
fang an Partei gegen die Herzoge ergriff. Der Papst wird die Synode nur
im allgemeinen beauftragt haben, diejenigen, qui digne non poenituerint,
anathematis vinculo nodare.
1 C. 21 S. 623. 2 c. 35 S. 626.
3 Thietm. chron. 1, 7 S. 6. Durch die Anwesenheit Adalwards von
Verden am Hofe im Sommer 916, Dipl. I S. 27 Nr. 29 f. ist gesichert, daß
das Verhältnis friedlich war. Adalward stand Heinrich nahe, s. Adam,
Gesta H, 1 S. 42.
* C. 30 S. 625. 5 C. 19 f. S. 623.
— 15 —
eindrucksvoller Weise. Nachdem die Bischöfe jede Yerletzimg des
dem König geleisteten Treueids verworfen, ließen sie diesen Be-
schluß von allen Anwesenden, Klerikern wie Laien, durch dreimal
wiederholtes Anathema über alle, welche ihn übertreten würden,
bestätigen. Endlich richteten sie „vor Gott, vor jeghcher Ordnung
der Engel, vor dem Chor der Propheten, Apostel und Märtyrer, vor
der ganzen katholischen Kirche und der Gemeinde der Christen"
an alle die Beschwörung, daß niemand auf den Untergang des
Königs sinne, niemand sein Leben durch Meuchelmord bedrohe,
niemand ihn des Eeiches beraube, niemand gewaltsam den Thron
sich anmaße, niemand zum Nachteil des Königs Verschworene um
sich sammele. Wer sich dessen unterfange, sei mit dem Banne
belegt und verfalle rettungslos dem ewigen Gericht \
Die Worte der Bischöfe enthalten den tatsächhchen Verhält-
nissen gegenüber eine Übertreibung. Denn weder von Mordplänen
gegen König Konrad, noch von dem Gedanken, ihn des Thrones
zu berauben, ist irgend etwas bekannt. Aber gerade in dieser
Übertreibung sind sie bezeichnend: der Episkopat wollte kein Recht
kennen, als das des Königs; daß die Herzoge in der von ihren
Vätern ererbten Stellung sich behaupteten, erschien schon als Em-
pörung gegen ihn. Die Bischöfe erkannten das, was bereits ge-
worden war, ebensowenig als berechtigt an, als das, was noch im
Werden begriffen war: Arnulf und Erchanger galten ihnen gleich.
Sie kämpften für einen Zustand, der tatsächlich nicht mehr bestand,
für die uneingeschränkte Machtfülle des Königtums.
Indem der Episkopat hierfür eintrat, wehrte er zugleich die
eigene Unterordnung unter die Herzoge ab. Mit deuthcher Be-
ziehung auf Salomo und Erchanger bezeichnete man den Bischof
als den Gesalbten des Herrn, den Vater und Hirten ^. Noch lauter
sprach die Verurteilung Arnulfs: der bairische Herzog wurde vor
das Gericht der bairischen Bischöfe in seiner eigenen Hauptstadt
geladen.
Die hohenaltheimer Synode war darauf berechnet, einen tiefen
Eindruck auf die Zeitgenossen zu machen und dadurch auf den
^ Dümmler, OFr. R. III S. 607 versteht c. 20 anders, indem er über-
setzt: Wir beteuern, daß niemand von uns auf den Tod des Königs sinnen
will etc. Für diese Deutung spricht das quisquam nostrum im Schlußsatz.
Ich habe jedoch das Bedenken, daß die Fassung des Satzes sich als Remi-
niscenz an die Stellen 1. Tim. 5,21, 2. Tim. 4,1 zu erkennen gibt. Hier
leitet aber die Anrufung Gottes eine Aufforderung ein. Deshalb glaube
ich in der im Texte gegebenen Weise verstehen zu müssen. Hefele, CG.
IV S. 554, übersetzt: Wir geloben. Manitius, D. G. S. 33: Wir beschwören
es, es unterstehe sich niemand etc. ^ C. 24 S. 624.
— 16 —
Gang der Ereignisse einzuwirken. Aber nur selten entsprechen die
Folgen feierlicher Erklärungen und nachdrückUcher Worte den Er-
wartungen, welche diejenigen an sie knüpfen, deren Überzeugungen
sie aussprechen. Die Beschlüsse von 916 vermochten die dem
Königtum ungünstige Strömung nicht aufzuhalten: Arnulf beharrte
im Widerstand, an die Stelle Erchangers, den Konrad hinrichten
ließ, trat der jüngere Burkhart; vollends der Tod des Königs, am
23. Dezember 918, war für die vom Episkopate vertretene Sache
ein harter, wie es zunächst schien, vernichtender Schlag.
Denn sein Nachfolger war Heinrich von Sachsen, Es war
das Wort des sterbenden Konrad, wodurch seine Wahl entschieden
wurde. Jedermann sieht in dem Rat des fränkischen Königs, dem
sächsischen Herzog die Krone zu übertragen, den Verzicht auf die
Durchführung der Politik, v/elcher er sein Leben gewidmet hatte.
Aber ob man sich dabei nicht täuscht? Es ist nicht ohne Bei-
spiel, daß ein bisheriger Gegner an die Spitze einer Partei gestellt,
sie zum Siege führt. Ist es nicht wahrscheinlicher, daß Konrad
in Heinrich den einzigen Maim erkannte, der fähig war, König zu
sein und daß er ihn deshalb zum Nachfolger empfahl, als daß er
sterbend durch das Werk seines Lebens selbst einen Strich machte?
Doch, wenn es so war, so hat Heinrich seinen Erwartungen nicht
entsprochen. Er gehörte zu den starken Naturen, die sich nicht
durch veränderte Verhältnisse führen lassen, die sich aber durch
ihre Vergangenheit gebunden fühlen. Wohl trat er durch die An-
nahme der Wahl in die rechtliche Stellung der fränkischen Könige
ein, aber er war weit entferrt sich, auf den politischen Standpunkt
seines Vorgängers zu stellen. Seine eigene Macht war aus. dem
Herzogtum herausgewachsen: nur weil er Herzog von Sachsen war,
wurde er König. Er war nicht gesonnen, seine Vergangenheit zu
verleugnen, sondern er handelte als König, wie er es als Herzog
für recht gehalten hatte. Indem er die Anerkennung seiner könig-
lichen Würde forderte, zeigte er sich bereit, die Rechte des Herzog-
tums anzuerkennen. Auf dieser Grundlage beruhte das dauernde
Einvernehmen mit Konrads Bruder Eberhard. Die süddeutschen
Herzoge erwarteten offenbar, daß Heinrich die Pohtik Konrads
fortsetzen würde. Denn sie zeigten sich entschlossen, ihre Stellung
mit den Waffen zu verteidigen. Mit Burkhart von Schwaben kam
es jedoch nicht zum Kampf: man vermied ihn, indem man sich
gegenseitig in den neuen Würden anerkanntet Schwieriger war
1 Widuk. I, 27 S. 23. Lamprecht, D. G. II S. 122, vgl. Waitz, JB. S.
44, läßt Heinrich dem Herzog die freie Verfügung über das Kirchengut in
Schwaben einräumen, wogegen sich der König die Besetzung der Klöster
— 17 —
die Ordnung des Yerliältnisses zu Arnulf von Baiern. Es uuter-
Kegt kaum einem Zweifel, daß wirklich gekämpft worden ist ^. Doch
wurde die Entscheidung auch hier nicht auf dem Schlachtfeld,
sondern durch friedhche Unterhandlung herhei geführt, i^rnulf hul-
digte dem König; dieser aber gestand ihm nicht nur die herzog-
liche Würde zu, sondern er räumte ihm auch die königHchen
Rechte über die Kirche in Baiern ein^.
So wurde der unter Konrad so lebhaft hervorgetretene Zwie-
spalt zwischen Königtum und Herzogtum beigelegt. Der Gewinn
fiel ganz dem letzteren zu, der Verlust traf allein das erstere; denn
während der Bestand der neuen Würde gesichert wurde, war die
Einbuße, welche die Macht .des Königs erlitt, offenkundig. Im
Kampf mit den Herzogen war der Episkopat Konrads Bundesge-
nosse gewesen. Es ist nur natürlich, daß die Verständigung auch
ihm zum Schaden gereichte. Er verlor an pohtischer Bedeutung:
am Hofe keines anderen Königs waren die Bischöfe so einflußlos
wie an dem Heinrichs'^. Noch bedenkhcher war, daß ihre bis-
und Bistümer vorbehielt, doch unter Anhörung der Wünsche des Herzogs.
Überliefert ist das nicht; auch widerspricht der ersten Annahme Burkhards
Urk. für Zürich v. 6. Jan. 924, ÜB. d. St. Zürich I S. 79 Nr. 188. Über-
haupt ist zu bezweifeln, ob derartige ins einzelne gehende Verabredungen
getroffen wurden.
1 Widi^k. 1. c; Fragm. de Arnulf. Uuc. S. 570; Ann. s. Rudb. z. 921
Scr. IX S. 771; Auct. Garst. S. 565. Der Widerspruch v. Rankes, WG.VI, 2
S. 116, gegen die Überlieferung scheint mir hier ungerechtfertigt.
- Widukind verschweigt seiner Weise nach das von dem König ge-
machte Zugeständnis; es ist aus Liudpr. Antapod. 11,23 S. 37 und Thietm.
I, 26 S. 16 bekannt. Bei dem ersteren raten die Großen, er solle unter der
Bedingung Heinrich anerkennen, ut quod decessores non habuere tui, tibi
concedatur, scilicet, quatinus totius Bagoariae pontifices tuae subiaceant
dicioni tuaeque sit potestati, uno defuncto alterum ordinäre. Der letztere
sagt: Omnes episcopatus in hiis partibus constitutos sua distribuere manu
singularem habuit potestatem.
^ Der Beweis liegt in den Urkunden. In den sämtlichen erhaltenen
Diplomen sind nur 7 Bischöfe als Intervenienten genannt, darunter nur 2,
Adalward und Unwan, je zweimal. Dagegen intervenieren 12 andere Per-
sonen, unter ihnen die Königin Mathilde sechsmal, Herzog Eberhard vier-
mal, die Herzoge Arnulf und Giselbert je dreimal. Noch frappanter zeigt
sich der geringe Einfluß des Episkopats in den Vergabungen. Denn nur
die zwei Bistümer Chur und Toul erlangten einen Vermögenszuwachs von
Heinrich, oder genau genommen Toul allein, Dipl. 1 S. 52 Nr. 16 u. S. 57
Nr. 21 ; denn Chur erhielt den Ort Almens nur auf Lebenszeit des Bischofs,
S. 48 Nr. 11.
Haack, Eirchengeschichte. III. ' ^
— 18 —
herige Stellung im Reich durch die Anerkennung der Herzogs-
gewalt bedroht war. In Baiern wurden sie wirklich aus Großen
des Reichs zu Großen des Landes^. Bisher hatte der König die
Bischöfe bestätigt oder ernannt, jetzt geschah es durch den Her-
zog ^. Das wirkte sofort weiter. AVie in den Tagen Odilos und
Tassilos wurden bairische Generalsynoden abgehalten : man zog den
Bischof von Eichstätt zur Teilnahme an denselben herbei ohne
Rücksicht darauf, daß er nicht Sufiragan von Salzburg war. Der
Umstand, daß seine Diözese zum Teil dem bairischen Gebiet an-
gehörte, wog schwerer als ihre kirchliche Abhängigkeit von Mainz ^.
Dagegen hielten sich die bäurischen Bischöfe von den gemeinsamen
Beratungen des übrigen deutschen Episkopats fern: weder auf der
Reichsversammlung zu Worms im Jahre 926 *, noch auf der Reichs-
synode von Erfurt am 1. Juni 932^ waren bairische Bischöfe an-
wesend. Auch in vermögensrechtlicher Hinsicht trat der Herzog
an die Stelle des Königs: er gewährte die bei Kauf und Tausch
notwendige Genehmigung^. Mit einem Wort: die Gefahr, welche
1 Vgl. die ürk. Meichelbeck, H. Fr. I, 2 S. 429 Nr. 983.
- Die Verhältnisse unter' Konräd blieben ohne Zweifel wie in der
späteren Karolingerzeit (s. hierüber Bd. II S. 521). Daß Konrad die könig-
lichen Rechte auch in Sachsen übte, ergibt sich aus der Ernennung ünnis,
8. 0. S. 13.
* Zu Regensburg, 14. Jan. 932, war üdalfrid von Eichstätt anwesend.
Bezeichnend ist auch der Eingang des kurzen Protokolls: Die Syn. fand
statt regnante Arnolfo venerabili duce anno X apud Radesponam metropolim
Norici regni civitatem. Zu Dingolfing, 16. Juli 932, erschienen ebenfalls
Abgesandte des Eichstätter Bischofs, s. Leg. III S. 482. Hefele, CG. VI
S. 591, läßt in Dingolfing auch einen Stellvertreter Ulrichs von Augsburg
anwesend sein. Ich weiß nicht, worauf diese Angabe beruht.
1 Herim. Aug. Chron. z. d. J. Scr. V S. 113. Aus Dipl. I S. 48 Nr. 11
ergibt sich die Anwesenheit von Heriger von Mainz, Adalward von Verden,
Riwin von Straßburg und Waldo von Chur. ^ cj_ i s. 3 Nr. 2.
6 Meichelbeck, H. Fr. 1,2 S. 429 Nr. 983: Chuono chorepiscopus no-
stram interpellavit clenientiam, quatenus conplacitationem inter Di-acolfum
ep. et inter se factam nostra auctoritate et conscriptione atque sigilli con-
clusione firmaremus. Salzburger ÜB. I S. 106 f. Nr. 44 : Urkunde Arnulfs,
in der der Herzog erklärt, daß Erzbischof Odalbert (923 — 935) nostris
rogationibus ac mandatis ■ obaudiens . . quandam conplacitationem . . iu
praesentia missorum nostrorum . . peragere decrevit. Wenn Heinrich i. J.
931 Mais und andere Güter Im Vintschgau an Freising zurückgab (Dipl. I
S. 64 Nr. 28), so dient gerade diese Urkunde zur Bestätigung; denn die
Güter wurden zwar zurückgegeben; aber Arnulf und sein Bruder Berhtold
handelten dabei ohne Bezugnahme auf den König, s. Berhtolds Urk. Meichel-
beck I, 1 S. 164.
— 19 -
die Bischöfe durch den engsten Anschluß an die Krone zu ver-
meiden gesucht hatten, trat ein: Episkopat und Kirche gerieten
in Abhängigkeit von der sich mächtig aufschwingenden herzoghchen
Gewalt.
So weit kam es im übrigen Deutschland nicht. Die Nach-
richten über die Besetzung der lothringischen Bistümer zeigen, daß
Heinrich die königlichen Rechte festhielt und, wenn nötig, energisch
anwandte. Schon i. J. 920 griff er in die strittige Bischofswahl zu
Lüttich ein; er nötigte den Erzbischof Hermann von Köln, Hilduin
zu konsekrieren ^. Einige Jahre später vertrieb er Bischof Hugo
von Verdun aus seinem Amte und übertrug es dem ihm ergebenen
Bernuin^ Als im Jahre 927 Bischof Wigerich von Metz, ein er-
klärter Gegner Heinrichs, starb, ernannte dieser entgegen der auf
einen anderen Bewerber gefallenen Wahl den Straßburger Kleriker
Benno ^. Nach dessen Rücktritt genehmigte er die Wahl Adal-
beros ^ Auch geschah es gewiß nicht ohne sein Zutun, daß der
französisch gesinnte Ruotger von Trier Ruotbert, den Bruder der
Königin Mathilde, zum Nachfolger erhielt'.
Das Vorgehen Heinrichs ist leicht verständlich : es hatte einen
klaren politischen Zweck. Das Schwanken Lothringens zwischen
Deutschland und Frankreich nötigte ihn dafür zu sorgen, daß der
Episkopat nur solche Glieder zählte, die für die Verbindung des
Herzogtums mit Deutschland eintraten. Aber sein Verfahren ent-
sprach doch auch seinen Anschauungen über die königlichen Rechte.
Das ergibt sich daraus, daß er auch in den übrigen Herzogtümern
Bischöfe ernannte oder bestätigte. Ulrich von Augsburg z. B.
erhielt sein Amt vom König ^. Aber dabei war die Rücksicht auf
1 Bf Karls d. E. an die Bisch., Cap. II S. 378 Nr. 290. Die Besetzung
des Bistums war eine Machtfrage zwischen Deutschland und Frankreich.
Ursprünglich hatte Karl Hilduin für das erledigte Bistum bestimmt; als
aber H. von ihm abfiel, entzog er es ihm wieder und ernannte den Abt
Richar von Prüm. Dem gegenüber trat Heinrich für Hilduin ein, ohne
jedoch seine Kandidatur durchsetzen zu können, Flodoard, Annal. z. 920
Scr. in S. 369; ßicher, Hist. 1, 22 u. 25 S. 21 ff.; Annal. Lob. z. J. 920 S. 233;
J.W. 3564 f.
2 Flodo. z. J. 925 S. 376. Lothringen wurde erst 923 u. 925 Heinrich
unterworfen, s. Waitz, JB. S. 73 f. 80 ff.
3 Flodo. z. J. 927 S. 377; Annal. s. Vinc. z. d. J. S. 157; Mirac. Glod.
46 Scr. IV S. 237. Contin. Regln, (irrig) z. J. 925 S. 158.
4 Mirac. Glod. 46 S. 237.
- Annal. s. Maxim, z. J. 931 Scr. IV S. 6, Gest. Trevir. Cod. B C 29
Scr. VIII S. 168, Contin. Regln, (irrig) z. J. 928 S. 158.
8 Gerh. vita Oudalr. 1 Scr. IV S. 387.
2* ■
— 20 —
die herzogliche Macht nicht ausgeschlossen: gerade von Ulrich ist
es gewiß, daß er ernannt wurde, weil Herzog Burkhart es forderte ^.
Wenn die zwei größten fränkischen Bistümer, Mainz und Würz-
burg, an die beiden Abte Hildibert von Fulda und Burkhart von
Hersfeld kamen ^, so ist es schwer, hierin nicht den Einfluß des
Herzogs Eberhard zu vermuten. Denn beide Klöster waren der
konradinischen Familie eng verbunden: kein Kloster hatte von König
Konrad so zahlreiche Schenkungen erhalten als Fulda •^, dort war
auch sein Leichnam beigesetzt woi-den"^; Hersfeld verdankte ihm die
Wiedererlangung seiner Freiheit^. Solche Zugeständnisse ent-
sprachen dem Entgegenkommen Heinrichs gegen die Herzoge über-
haupt. Er blieb darin so konsequent, daß er selbst in Lothringen
den Einfluß des Herzogs nicht ausschloß: die Bestätigung Hilduins
geschah auf Andringen Giselbrechts ^. Es stimmt damit überein,
daß die Herzoge in Schwaben und Lothringen, ohne von ihm ge-
hindert zu werden, das Kirchengut in ähnlicher Weise zu benützen
begannen, wie Arnulf in Baiern. Herzog Burkhart vermehrte die
Zahl seiner Vasallen, indem er sie mit Gütern der Kirche be-
lehnte'^; nicht anders handelte Giselbrecht **. Wenn das Königtum
an der Politik Heimichs festhielt, so war es nur eine Frage der
Zeit, ob die Kirche überall in Abhängigkeit von den herzoglichen
Gewalten kommen würde. Es wäre ein für die Kirche ebensowenig
als für das deutsche Volk erwünschter Zustand gewesen.
Daß er nicht eintrat, ist das Verdienst Ottos d. Gr. Der Sohn
Heinrichs I. hat die Politik König Konrads gerechtfertigt.
Es ist nicht selten, daß Vater und Sohn sich wenig ähnlich
^ L. c: Machinatione nepotis sui Burchardi clucis et aliorum propin-
quorum suorum Heinrico regi praesentatus . . supplicatumque est, ut . .
Oudalrico episcopalis potestas ab eo concederetur.
'■2 Contin. Regin. (irrig) z. J. 926 S. 158; Annal. Wirzib. z. J. 927 Scr. II
S. 241; Corb. Scr. III S. 4. Über Burkhard Ann. Lamb. z. J. 932 S. 17.
^= Dipl. I S. 8 Nr. 7, S. 9 Nr. 8, S. 35 Nr. 38.
^ Contin. Regin. z. J. 919 S. 156, vgl. Dipl. I S. 35 Nr. 38; Widukinds
widersprechende Angabe, Konrad sei in Weilburg beerdigt {1, 25 S. 22),
kommt daneben nicht in Betracht.
5 Dipl. I S. 15 Nr. Ib. « Flodoardi annal. z. J. 920 S. 369.
' Mirac. s. Veren. 1 Scr. IV S. 457; vit. s. Wibor. 25 ib. S. 453; Ekkeh.
Cas. s. Galli 50 S. 188; vgl. Herim. chron. z. J. 922 Scr. V S. 112. Eigens
genannt sind in den angef. Stellen Zurzach, St. Gallen u. Reichenau.
8 Sigeh. mirac. s. Maxim. 11 f. Scr. IV S. 231 f. Es wird dabei er-
wähnt, daß Heinrich, trotz einer Klage der Mönche, nicht einschritt. Vgl.
MRh. ÜB. I S. 716 Nr. 2.
— 21 —
sind und deshalb auch verschiedene Wege einschlagen. Bei den
beide]i ersten sächsischen Königen war es in hohem Maße der Fall.
Wir pflegen Heinrich I. als den ersten deutschen König zu be-
trachten und ihn demgemäß zu ideahsieren^ Und gewiß war er
mehr als ein glücklicher Jäger, ein unübertrefflicher Wettkämpfer
und ein tapferer Krieger^; er war ein stets schlagfertiger und doch
umsichtiger Heerführer, ein Herrscher, dessen nüchterner Verstand
und dessen sicherer Wille sich in allen Unterhandlungen,' die er
pflog, in allen Anordnungen, die er traf, bewährten; dazu war er
ein gerader Mann, zuverlässig, zugänglich, ohne Übermut: man
liebte ihn wie einen Freund und ehrte ihn doch als Herrn ^ Aber
der Sinn für die Güter des Kulturlebens, alles dasjenige, was man
an Karl d. Gr. bewundert, mangelte ihm. Das geistige Niveau
stand jetzt am Hofe tiefer als früher: man ersparte den Prinzen
die Mülie, lateinisch zu lernen; sie konnten nicht einmal lesen*.
Das sittliche Niveau stand deshalb nicht höher: es hat etwas bar-
barisches, daß Heim-ich die Begriffe gut und schlecht nur im
Verhalten gegen Stammesgenossen kannte^. Im Trünke vermochte
er sowenig Maß zu halten als irgendeiner der tapfereren Haudegen,
mit denen er als guter Nachbar verkehrte"; in seinem ehelichen
Leben galt die Rücksicht auf die Mehrung des Besitzes mehr als gut
war'. Auch daß Otto T, noch als halber Knabe Vater eines un-
^ Das gebt so weit, daß Manitius das erstaunliche Urteil ausspricht,
J)eutschland habe keinen größeren König gehabt als ihn, D. G. S. 63.
" Diese Vorzüge, dazu die moles corporis, regiae dignitati omnem
addens deeorem, hebt Widukind I, 39 S. 33 f. hervor.
- Thietrn. 1,4 S. 4.
■* Otto 1. verstand nicht lateinisch, s. Annal. Flod. z. J. 948 S. 396>
Hist. Rem. eccl. IV, 35 Scr. XIII S. 588, vgl. Liudpr. bist. Otton. 11 S. 130;
lesen lernte er erst als Mann, Widuk. II, 36 S. 54. Charakteristisch ist be-
sonders, daß die Königin Mathilde nach dem Tode Heinrichs noch lesen
lernte, Widuk. EI, 74 S. 86. Man sieht, daß der Ton am Hof sich seitdem
änderte.
5 Widuk. 11,3 S. 39. « Thietm. 1,24 S. 15; cf. 1,5 S. 4.
' Thietmar läßt Heinrich seine Ehe mit Hatbeburch schließen ob
buius pulchritudinem et hereditatis divitiarumque utilitatem (I, 5 S. 4).
Später entbrennt er ob pulchritudinem et rem Mathildis in Liebe zu dieser
(1,9 S. 7). Er scheidet sich von Hatheburch, aber behält ihr Vermögen;
vgl. Widuk. 11,11 S. 42 u. Thietm. 11,2 S. 19. Wattenbach bestreitet das
letztere, Berl. SB. 1896 S. 340 ; aber schwerlich mit Recht. Die beiden an-
geführten Stellen sind unverständlich, wenn man nicht annimmt, daß der
König im Besitz des Thankmar entgangenen Vermögens war.
— 22 —
ehelichen Sohnes wurde ^, erweckt keine hohe Vorstellung von der
Zucht, die im könighchen Hause herrschte.
Der Mann für den Moment war Heinrich, weil er eine starke,
aber keine aggressive Natur war^: ruhig und sicher verharrte
er, auch nachdem er eine neue Würde übernommen hatte, in der
gewohnten Sphäre. Dort hat er seine Stellung ausgelüllt; aber
darüber hinaus wurde es ihm nicht schwer, auf Rechte zu verzichten,
die er hätte verteidigen sollen, und Pflichten unerfüllt zu lassen,
die er erfüllen mußte ^. Sein Verdienst war, daß er durch un-
eingeschränkte Anerkennung der herzoglichen Gewalt Deutschland
beruhigte; sein Fehler, daß er dadurch einen Zustand schuf, der
nicht bleiben konnte.
Daß die Anschauungen seines Erben den seinen entgegen-
gesetzt waren, scheint er sich nicht verhehlt zu haben. Denn auch
als der JüDgHng zum Mann heranwuchs, hielt er ihn von der
Teilnahme an den Regierungshandlungen fern*. In keiner seiner
Urkunden wird Otto als Fürsprecher genannt^. Die selbständige,
das Gewöhnte geringschätzende Weise Ottos mag sich früh gezeigt
haben. Man bemerkt sie in Kleinigkeiten: es lag ihm nichts daran,
daß man in Sachsen darüber sprach, daß er seinen Bart länger
wachsen ließ, als es landesübhch war®. Ebensowenig kümmerte
^ Otto ist am 23. Nov. 912 geboren; bei der Geburt seines Sohnes
Wilhelm (Cont. Regln, z. J. 928 S. 158) hatte er also die Knabenjahre kaum
überschritten; dies auch wenn man 929 als Geburtsjahr annimmt.
2 Das zeigt nicht nur seine Stellung den Herzogen gegenüber, sondern
das liegt auch darin, daß ihn die Zeitgenossen besonders als pacis sectator,
rex pacificus rühmen, Cont. Regln, z. J. 936 S. 159, vgl. Hrotsuith Gest. Odd.
V. 14 ff. S. 205; Vit. ant. Mäht. 4 Scr. X S. 577; Annal. Loblens. z. J. 938
Scr. XlII S. 234. Seltsam genug nennt Manitius S. 19 Heinrich kühn: die
Taten dieses Fürsten zeichnen sich im Gegenteil alle durch wohlüberlegte
und erfolgreiche Vorsicht aus.
3 Heinrich sicherte durch seinen Tribut nicht das Reich, sondern nur
Sachsen vor den Ungarn (s. Waitz, JB. S. 85). Freilich ist es fraglich, ob
der Vertrag als historisch betrachtet werden darf (s. Brückner, Studien z.
Gesch. d. sächs. Kaiser 1889 S. 8 ff.). Aber auch wenn man ihn vorwirft,
bleibt doch die Tatsache, daß Heinrich für den Süden des Reichs nichts tat.
* Köpke, Otto d. Gr. S. 10.
^ Dagegen erscheinen der spätere Herzog Heinrich und Hadewl als
Intervenienten, Dipl. I S. 71 Nr. 37. Bezeichnend ist auch, daß Otto in
dem einzigen Diplom, in dem er genannt ist, schlechtweg als filius noster
Otto auftritt, S. 56 Nr. 20, wogegen bei Heinrich das Prädikat dilectus
nicht fehlt.
6 Widuk. II, 86 S. 54: Frolixior barba et haec contra morem antiquum.
— 23 —
ihn, daß seine Landsleute die schwerfällige Gravität, die sie von
einem König erwarteten, an ihm vermißten^. Aber er ging nicht
nur in Kleinigkeiten seinen eigenen Weg: alle seine Regierungs-
handlungen zeichnen sich durch Selbständigkeit aus: selten hat ein
junger König von Anfang seiner Regierung an so bewußt und seines
Zieles sicher eine neue Richtung eingeschlagen. Man konnte ihn
nicht beeinflussen. So wenig er sich durch die Politik seines Vaters
gebunden fühlte, so wenig ließ er sich in der Wahl seiner Beamten
durch die Erwartungen, die man hegte, oder durch die Ansprüche,
die man erhob, bestimmen'-^. Auch im Auftreten waren die beiden
Herrscher verschieden genug. Entgegen der schlichten Art seines
Vaters liebte es Otto, hervorragende Tage und Ereignisse durch
festliche Pracht auszuzeichnen. Die KrönungsfeierUchkeiten zu
Aachen und zu Rom sind nicht die einzigen Beispiele. An den
hohen christlichen Festen pflegte er in großer Prozession zur Kirche
zu gehen : Kleriker mit Kreuzen eröfiheten den Zug, andere mit
brennenden Kerzen in der Hand geleiteten ihn; mancherlei Reliquien
trug man vor dem König her; es fehlte nicht an Knaben, welche
Weihrauchfässer schwangen. So ging der König, umgeben von
Bischöfen, Herzogen und Grafen, zum Münster und zurück zu
Hofe^. Das war Freude an der Form: sie eignete Otto überhaupt:
man konnte durch Verse auf ihn Eindruck' machen^; wie die karo-
lingischen Fürsten wußte er den Wert künstlerisch ausgeführter
Handschriften zu schätzen. Noch bewahrt das Münster zu Aachen
einen Prachtkodex, der von einem Mönch oder Abt Liuthar dem
König geschenkt wurde und durch ihn oder einen seiner Nach-
folger an das Aachener Münster kam^ Es ist begreiflich, daß er
an den großen Bauten der fränkischen Zeit nicht achtlos vorüberging :
^ L. c. : Preter regiae disciplinae terrorem semper iocundus. Auch
in dem S. 25 Anmerk. 1 zu erwähnenden Lied wird Otto als iucundus
charakterisiert.
^ Widuk. II, 4 S. 39, Wahl Hermann Billings mit der bezeichnenden
Einführung: Placuit novo regi novum principem militae constituere; 11,9
S. 41, Wahl des Markgrafen Gero.
'^ Thietm. 11, 30 S. 37. * Ekkeh. Gas. s. Gall. 69 S. 246.
•^ Die Bilder sind von Beissel, Die Bilder der Handschrift des Kaisers
Otto im Münster zu Aachen, 1886 publiziert. Beissel, S. 60, suchte wahr-
scheinlich zu- machen, daß der auf dem Widmungsbilde als Schenker ge-
nannte Liuthar der gleichnamige Abt von Reichenau war. Die Annahme
scheitert daran, daß der Reichenauer Liuthar schon 934 starb, s. Herim.
Aug. z. d. J. Scr. V S. 113. Doch wird die Handschrift tatsächlich der
letzten Zeit Ottos I. angehören, s. Vöge, Eine deutsche Malerschule S. 91.
- 24 —
er war empfänglich für die imponierende Schönheit .der Palast-
kapelle Karls d. Gr.; selbst in den Text einer seiner Urkunden hat
sich ein Wort der Bewunderung für sie eingeschlichen ^. Er war
versucht, mit Karl zu wetteifern: wie jener, so ließ auch er aus
Italien Marmorsäulen nach Deutschland bringen; sie waren für den
Bau des Doms in Magdeburg bestimmt^.
Überwog bei Heinrich der kühl abwägende Verstand, so pul-
sierte Ottos Blut rascher; Gefühl und Phantasie waren bei ihm
eiTegter: er sprach im Schlaf; in bedeutsamen Träumen glaubte er
Anweisung darüber zu erhalten, was er zu tun habe; selbst von
Gesichten, die er hatte, wußte mau zu erzählen '^ Mit dieser Erreg-
Imrkeit seines "Wesens hängt ein anderer Charakterzug zusammen;
Heinrich war weit entfernt, den Erfolg im Felde jemals auf ein
kühnes Wagnis zu stellen'^. Otto, der von der Leidenschaft nicht
frei war, im Brettspiel den Zufall zu versuchen^, liebte den Reiz,
der in der Gefahr liegt; aber sie verwirrte ihn nicht: i'n keinem
Moment konnte man weniger Eindruck auf ihn machen als dann,
wenn seine Lage verzweifelt schien**. Die Macht des Widerstands,
den er finden würde, hat er in allen Kämpfen seines Lebens unter-
schätzt: es ist ihm auch nichts auf den ersten Schlag gelungen.
Doch die Hauptsache war, daß in Otto ein hochstrebender,
rastlos vorwärtsdringender Sinn lebte; mit dem, was sein Vater
erreicht hatte, konnte er sich nicht begnügen. Fühlte sich jener
bis au sein Ende mehr als sächsischer Herzog, denn als deutscher
König, so trat für ihn von Anfang an das Famihen- und Stammes-
interesse hinter dem Gedanken des Königtums zurück'. Jeder
Erfolg schien nur die Staffel zur Erreichung eines höheren Zieles.
Von der auf das Einvernehmen mit den Herzogen begründeten
Königswürde strebte er hinweg nach der Erneuerung der alten
Königsmacht, und über sie hinaus richtete er seine Blicke nach
der Kaiserkrone. Selbst der Begeisterimg fähig, war er der Mann,
^ Dipl. I S. 569 Nr. 417: Ut capellam miri decore artificii . . con-
strui fecisset.
2 Thietm. II, 17 S. 28.
3 Widuk. II, 36 S. 54. Thietm. II, 24 u. 26 S. 34 f.
4 Vgl. z. B. Widuk. I, 82 S. 26. ^ Widuk. II, 36 S. 54.
•* Das zeigen die von Liudprand überlieferten Anekdoten, Antap.
IV, 27 f. S. 94 ff.
' Charakteristisch hierfür ist, daß Otto wenige Wochen nach seinem
Regierungsantritt das neugegründete Kloster Quedlinburg unter die Gewalt
des Königs stellte, auch für den Fall, daß der König nicht seinem Geschlecht
entstammen sollte, Dipl. I S. 90 Nr. 1.
— 25 —
das Volk zu begeistern: das war in Deutschland wie in Italien zu
bemerken \
Die Wahl, die Krönung und das Königsmahl am 8. August
936 in Aachen waren das Programm der neuen Regierung. Aber
Heinrichs Geist schwebte nicht über dieser Handlung^, sondern
die Erinnerung an Karl d. Gr. hat sie belebt: die Krone, die der
Vater zurückgewiesen hatte, ließ der Sohn sich aufs, Haupt drücken.
Hatte jener seine Ablehnung in demütige Worte gekleidet*^, so
sollte jedermann sehen, daß dieser das Höchste für sich nicht zu
hoch achtete. Auf das Einverständnis mit den Herzogen hatte
Heinrich seme Königsmacht gebaut; auch die unbestrittene Nach-
folge Ottos Avar dadurch ermögHcht imd gesichert worden*. Aber
konnte es von Bestand sein? Jetzt dienten die Herzoge dem neuen
König vor allem Volk beim Mahl ^. Um das Ansehen des jugend-
lichen Herrschers zu erhöhen, lehnten die in manchem Sturm be-
währten Männer nicht ab, als das zu erscheinen, was sie eigentlich
nicht waren: als Beamte des Königs. Aber es lag ein innerer
Widerspruch in diesem Dienst der Herzoge, Denn es war nicht
zu erwarten, daß sie auf das geringste Stück von Macht und Ein-
fluß verzichten würden; Otto aber war entschlossen, das Herzogtum
zu einem von dem König verliehenen Amt zu machen; das zeigt
sein späteres Verhalten. Was Hermann Billing, den Otto bald
nach seinem Eegierungsantritt mit der kriegerischen Leitung des
^ S, das von einem Italiener verfaßte Lied auf die Vertreibung des
Königs Adalbert und das von einem Deutschen verfaßte auf die drei Ottonen
bei Du Meril, Poesies populaires latines S. 271 u. 273. Im ersten heißt es
von Otto:
Adest Otto rex, nostrorum
regens seeptrum populorum
cui debent summam laudem
reges regum saeculorum;
ultra reges habens scire,
supra fortes regum vires,
quos nunc habet mundus iste
superpollet satis iuste; '
manu fortis et iucundus,
bellicosus et discretus,
vultus habens Angelorum
et est pater orphanorum.
Das zweite Lied auch bei Müllenhoff u. Scherer, Denkmäler I S. 46 ff.
■' Köpke, Otto d. Gr. S. 41. '^ Widuk. I, 26 S. 23.
* Köpke, a. a. 0. S. 25. " Widuk. II, 2 S. 38.
— 26 —
sächsischen Stammes betraute \ war, das sollten auch die übrigen
Herzoge, die doch ihre Stellung nicht den Königen verdankten, sein.
Der Gegensatz ist alsbald offen hervorgetreten: seit dem
Sommer 937 hatte der Friede zwischen Königtum und Herzogtum,
der unter Heinrichs Regierung geherrscht hatte, ein Ende. Uns
interessiert hier nur das Resultat; es war der Sieg Ottos: es gelang
ihm in der Tat das Herzogtum umzugestalten : es wurde zu einem
von dem König verliehenen Amte. In Baiern wurden i. J, 938
die Söhne Arnulfs, die auf ihr Erbrecht pochten, überwältigt: der
König gab das Herzogtum an Berhtold von Kärnten' und nach
dessen Tod im Jahre 948 an seinen eigenen Bruder Heinrich^,
Als Herzog Eberhard von Franken 939 im Kampf mit den Ge-
treuen des Königs bei Andernach fiel, verlieh Otto das Herzogtum
seinem Sohne Liudolf^; nach dem Tode Herzog Hermanns über-
trug er ihm auch Schwaben ^, Am meisten Wechsel sah Loth-
ringen: Herzog Giselbert fiel im Jahre 939 von dem König ab;
er kam im Kampf ums Leben. Nun erhielt Heinrich, Ottos Bruder,
das Herzogtum^; doch wurde es ihm noch in demselben Jahre
entzogen und dem Grafen Otto, einem der lothringischen Großen,
erteilt ', Er starb i, J, 944 ; nun gab es Otto dem Grafen Konrad
dem Roten ^. Nach dessen Abfall ließ er es durch seinen jüngsten
Bruder, den Erzbischof Bruno von Köln, verwalten^. Da der
König das Amt übertrug, so konnte er es auch erledigt lassen:
das geschah in Franken. Liudolf erhielt nach seinem Abfall und
1 Ib. 11,4 S. 39.
2 Herim. Aug., Cont. Regin. z. 938; Widuk. 11,8 S. 41; Annal. Aug.
z. J. 938 Scr. 1 S. 69; vgl. N. A. XVI S. 613 ff.
3 Contin. Regin. z. J. 945. S. 163; Widuk. II, 36 S. 53; Annal. s.
Emmeram. z. J, 948 Scr. I S. 94. Über die Zeit s. Dümmler, Otto d. Gr.
S. 160 Anm. 1.
* Hrotsv. Gesta Ott. v. 450 ff. S. 217. P. v. Winterfeld hat N.A. XXVIII
S. 510 f. auf diese bisher übersehene Stelle aufmerksam gemacht.
5 Hermann hatte das schwäbische Herzogtum i. J. 926 erhalten, Contin.
Regin. S. 158. Herim. Augiens. z. d. J. S. 113. Über die Art seiner Er-
hebung wissen wir nichts. Daß er die Witwe Burkharts I. heiratete, zeigt
jedoch, daß der Gedanke der Vererbung der Macht ausschlaggebend war.
Er starb i. J. 949, Cont. Regin. S. 164, Ann. Sangall. mai. S. 78; im Be-
ginn des nächsten Jahres erhielt Liudolf das Herzogtum (11. cc).
8 Annal. Flodo. z. d. J. 940 S. 387; Contin. Regin. S. 161.
' Contin. Regin. 1. c. « Ib. z. J. 943 S. 162; Widuk. II, 33 S. 53.
9 Contin. Regin. z. J. 953 S. 167; Flodo. ann. z. d. J. S. 402; Widuk.
II, 36 S. 55.
— 27 —
seiner Überwindung keinen Nachfolger, das fränkische Herzogtum
trat direkt unter die Krone. Überall war das erbhche Stammes-
herzogtum unterbrochen: die Würde bestand fort; aber ihr Wesen
war verändert. Sie fügte sich nun der Reichsverfassung ein: mit
neuer Kraft erhob sich das Königtum über das Herzogtum.
Für uns ist die Frage von Wichtigkeit, welche Folge die
Politik Ottos auf die Stellung des Episkopats im Reiche ausübte.
Ohne Zweifel hatte es den Wünschen der Bischöfe sehr wenig
entsprochen, daß Heinrich teils ausdrückhch, teils stillschweigend
den Herzogen eine Macht über die Kirche einräumte, wie sie die-
selbe vorher nicht besessen hatten. Die Männer, die in Hoheii-
altheim über die Herzoge Gericht gehalten hatten, sahen sich jetzt
der Übermacht ihrer Gegner überlassen. Aber noch war der Epi-
skopat keine fertige politische Größe. Er konnte die eine oder die
andere der miteinander ringenden Gewalten unterstützen; aber er
konnte nicht PoHtik auf eigene Hand treiben. Die Bischöfe fügten
sich demgemäß in die neue Lage: nicht einmal in Baiem hören
wir, daß sie Widerspruch gegen Arnulfs Gewalt erhoben. So lange
Heinrich regierte, hat — von. Lothringen abgesehen — der deutsche
Episkopat sich politisch untätig verhalten.
In dieser Hinsicht überkam Otto völhg geordnete Verhältnisse.
Gerade seine Wahl in Aachen zeigt deutlich, wie sehr die Bischöfe
von der Teilnahme an den politischen Handlungen zurückgedrängt
waren. Die Fürsten, an ihrer Spitze die Herzoge, haben Otto
gewählt^; die Bischöfe nahmen an der Wahl keinen Anteil, sie
wurden nicht zu den Fürsten gerechnet. In der Kirche erwarteten
sie mit der Menge des Volks den Eintritt des Königs. Denn nicht
durch die Salbung und Krönung, welche nun Hildibert von Mainz
und Wicfrid von Köln vollzogen, sondern durch die Wahl der
Fiü-sten wurde Otto die königliche Macht übertragen. Er war
König schon vor der Krönung: Ich führe, so sprach Hildibert zum
Volk, den von Gott erkorenen, von König Heinrich vordem desig-
nierten und jetzt von allen Fürsten zum König erhobenen Otto zu
euch heraus: gefällt euch diese Wahl, so gebt es kund, indem ihr
die Rechte zum Himmel erhebt. Die Salbung und die Übergabe
der königlichen Insignien wm'de als Benediktionshandlung betrachtet:
die Vertreter der Kirche versicherten den neuen König des gött-
lichen Segens, indem sie ihn zugleich zur rechten Führung seines
Amts erm ahnten. -
Unmöglich lag also in der Annahme der Krönung der Ge-
danke, daß die Bischöfe ein heilsames Gegengewicht gegen die
1 Widuk. IL 1 S. 36.
— 28 —
Herzoge sein würden ^ Daß sie es waren, trat jedoch sofort an
den Tag, als das Einvernehmen zwischen dem König und den
Herzogen sich löste. Als Otto im Herbst 937 zu Magdeburg das
Urteil über Eberhard von Franken fällte -, umgaben ihn zahlreiche
Vertreter der geistlichen Aristokratie; damals Aveilten zwei Erz-
bischöfe, Friedrich von Mainz und Adaldag von Hamburg, und acht
Bischöfe, Baldrich von Utrecht, Udalrich von Augsburg, Thiethard
von Hildesheim, Ebergis von Minden, Amalrich von Speier, Biir-
chard von Würzburg, Bernhard von Halberstadt, Amalung von
Verden, am Hofe, also Prälaten aus allen deutschen Stämmen mit
Ausnahme Baierns. Gewiß nicht ohne ihren Bat und ihre Zu-
stimmung hat Otto entschieden. Hier zuerst werden die Bischöfe
sich Otto als bereitwilhge Bundesgenossen gegen die unfügsame
Herzogsraacht dargeboten haben. Daß der König den Wert dieser
Unterstützung erkannte, bewies sein Vorgehen in Baieni. Indem
er Berhtold das Herzogtum seines Bruders übertrug, räumte er ihm
die Befugnisse, welche Arnulf in kirchlicher Hinsicht besessen
hatte, nicht ein^; er nahm sie für die Krone zurück. Wie im
übrigen Reich, so wurden seit dem Jahre 938 auch in Baiern die
Bistümer durch den König vergeben. Die bairischen Bischöfe
nahmen an den gemeinsamen Synoden wieder Anteil*. Auch in
bezug auf das Kirchengut wurden die königHchen Rechte wieder
ausgeübt^. Die Rückkehr zu den Verhältnissen unter Tassilo war
abgeschnitten, die Einheit der deutschen Kirche aufrecht erhalten.
Daß Ottos Verhalten dm-ch einen politischen Gedanken be-
stimmt wurde, zeigt die Konsequenz, mit der er verfuhr. Vom
Beginn seiner Regierung an hat er unwandelbar daran festgehalten.
daß dem König das entscheidende Wort bei der Besetzimg der
Bistümer gebühre^. Er ist dabei nicht in direkten Widerspruch
1 Köpke, Otto d. Gr. S. 29. ,
2 Widuk. 11,6 S. 40; Otto urkundete am 21. Sept. 937 in Anwesen-
heit der genannten Bischöfe in Magdeburg, s. Dipl. I S. 101 Nr. 14.
3 Thietm. I, 26 S. 16.
* Ä.uf der Syn. zu Ingelheim 948 waren anwesend Herold von Salzburg,
Michael von Regensburg und Adalbert von Passau, C. I. I S. 13 Nr. 6, zu
Augsburg 952 außer den drei Ebengenaunten Lantbert von Freising und
vielleicht Hugo von Brixen, ib. S. 27.
^ Otto ordnete eine Untersuchung der Rechtsgiltigkeit der kirchlichen
Tauschverträge an, Meichelbeck, H. Fr. 1,2 S, 463 Nr. 1089: Post . prae-
sulis Wolframmi vitam — W. starb d. 9. Juni 937 — rex Otto cunctis
episcopis sibi subiectis praecipiens, ut inlegales iniustasque commutationes,
quae de ecclesiasticis rebus factae fuissent, redire fecissent.
* Ich verweise für das einzelne auf meine Abhandlung über die Ent-
— ■ 29 —
mit den kirchlichen Vorschriften getreten. Noch war das Bewußt-
sein dafür nicht verschwunden, daß ein rechtmäßiger Bischof von
der Gemeinde gewählt sein müsse ^. Otto hat denn auch das
kanonische Wahlverfahren nicht untersagt ; er hinderte nicht einmal,
daß ohne vorheriges Einvernehmen mit dem Hofe gewählt wurde.
So geschah es in Köln", Halberstadt ^, Salzburg^ und mehrmals
in Cambrai^. Auch unter seinen Nachfolgern ist noch frei gewählt
worden '^. Aber er hat doch dieses Vorgehen nicht begünstigt; als
es sich in Cambrai rasch nacheinander wiederholte, lehnte er den
Gewählten ab: er fürchtete, es möchte sich ein Gewohnheitsrecht
bilden '. Vor allem aber betrachtete er jede Wahl nur als einen
Vorschlag, durch den er nicht gebunden wurde ^. Otto hat einige
Wahlprivilegien erteilt, an Hamburg, Würzburg und Minden '•*. Aber
er brach dadurch nicht mit seinen Grundsätzen. Denn die privi-
legierten Stifter erhielten keineswegs das Recht freier, auch von
dem König nicht beeinflußter Wahl, sondern nur die Befugnis,
stehung der bischöfl. Fürstenmacht (Leipz., Herbstprogramm 1891) und fasse
hier nur das Resultat zusammen.
^ Brun von Köln hat in seiner nach Rom gerichteten Synodica Ge-
wicht darauf gelegt, daß er pastor ab ovibus electus, a domino missus sei,
Ruotg. vit. Brun. 26 S. 27. Doch war der Klerus der Hauptfactor bei der
Wahl. Ihm, nicht der Gesamtheit wurden die Wahlprivilegien verliehen
oder bestätigt, s. Dipl. I S. 95 Nr. 7 Halberstadt, S. 99 Nr. 11 Hamburg,
S. 129 Nr. 44 Würzburg, S. 312 Nr. 227 Minden. Die Beteiligung der Großen
ist in Ottos Brief an die Sachsen (Dipl. I S. 503 Nr. 366) erwähnt: daß sie
mehr als eine Formalität war, zeigt vita Oudalr. 28 S. 415. Die Be-
teiligung des Volkes war ohne Zweifel stets eine bloße Formalität.
- Wahl Geros, Thietm. II, 24 S. 34-
" Wahl Hildiwarts, ib. II, 20 S. 30.
-* Wahl Friedrichs, Bf Johanns XIII. J.W. 3717.
5 Wahl Wibolds und Ruotberts, Gest. episc. Camerac. I, 90 u. 92
Scr. \'n S. 438.
« Unter Otto II. in Magdeburg (Thietm. III, 12 S. 55), unter Otto III.
in Regensburg (ib. V,42 S. 130), unter Heinrich II. in Magdeburg (ib. VI, 2
S. 170).
' Gest. ep. Camerac. I, 92 S. 438 mit der Begründung, die freilich dem
Schriftsteller gehört: Videns imperator, quod quia antea Wiboldum secun-
dum suam electionem facili assensu eorum precibus attribuit, ideo etiam
admittendi episcopum facultatem suo vellent fortasse arbitrio reservari, cum
omni profecto refragatione eorum legationi efiFectum impertire'negavit.
8 Das zeigt die anfängliche Ablehnung der Wahl Geros (Thietm. II, 24
S. 34), wie der Fall in Cambrai.
0 Dipl. I S. 98 Nr. 11, S. 129 Nr. 44, S. 311 Nr. 227, außerdem die
Bestätigung des Halberstädter Privilegiums, S. 95 Nr. 7.
— 30 —
einen Kandidaten in Vorschlag zu bringen. Daran wurde nichts
geändert, daß der König das Amt vergab ; er verzichtete nur darauf,
dem Klerus der Diözese einen Bischof aufzudrängen, den er zurück-
wies^. Man begreift, daß in der Regel so verfahren wurde, daß
Vertreter der Wähler sich mit dem Hofe über die Person des
neuen Bischofs verständigten ^, oder daß der König den Wählern
einen ihm genehmen Mann empfahl ^, Es fehlt nicht an Beispielen,
daß er einfach ernannte und der kirchlichen Ordnung nur dadurch
Rechnung trug, daß er nachträglich eine Wahlhandlung vornehmen
ließ. So verlieh er dem Weißenburger Abt Adalbert das neuge-
gründete Erzbistum Magdeburg, sandte ihn sodann nach Rom, um
die Weihe und das Pallium zu empfangen und Heß ihn danach
erst in aller Form wählen*. Welchen Wert Otto darauf legte,
daß auch äußerlich die Mitwirkung des Königs entschieden hervor-
trat, sieht man daraus, daß er es liebte, der Wahlhandlung beizu-
wohnen: im Sommer 941 scheint er nur zum Zwecke der Be-
setzung der Bistümer Würzburg und Speier sich von Sachsen nach
Franken begeben zu haben ^; als sich im Jahre 942 das Bistum
^ In dem Hamburger Privileg heißt es allgemein: Donamus quoque
clericis . . potestatem inter se sive aliunde eligendi episcopum cum necea-
sitas poposcerit. Wie diese Freiheit zu verstehen ist, zeigt der Satz der
Würzburger Urkunde : Ut nullus successorum nostrorum alium eis nisi quem
ipsi elegerint antistitem constituat. Demgemäß wurde in Halberstadt ver-
fahren: der Gewählte wurde an den Hof gesandt und vom Kaiser, nachdem
mit ihm verhandelt worden war, bestätigt, Thietm. II, 20 S. 30. Daß ein
Wahlprivilegium die Ablehnung des Gewählten durch den König nicht
hinderte, zeigt die Zurückweisung Oddas in Hamburg durch Heinrich II.
i. J. 1013, Ann. Quedlinb. z. d. J. Scr. III S. 81.
2 Nach dem Tode Gauzlins ging von Toul eine Gesandtschaft zu Brun,
als dem Stellvertreter des Kaisers, um mit ihm über die Wiederbesetzung
zu verhandeln, Widrici vit. Gerh. 8 Scr. IV S. 493. Ebenso wurde von
Augsburg nach dem Tode Ulrichs alsbald eine Gesandtschaft an Otto H
geschickt, Gerh. vit. Oudalr. 28 S. 415.
3 So wurde Brun wahrscheinlich in des Königs Auftrag durch Gott-
fried von Speier empfohlen, Vit. Brunon. 11 S. 12 f., Günther von Regens-
burg durch den König persönlich, Thietm. II, 26 S. 35.
4 Dipl. I S. 503 Nr. 366. Welche Bedeutung die öffentliche Wahl
hatte, ist in dieser Urkunde ausgesprochen: Ut hec nostra electio firmior et
subnixior fiat. Sie gab der königlichen Ernennung die kirchlich unangreif-
bare Form. Weitere Beispiele der Ernennung mit darauffolgender Wahl
sind Hatto von Mainz und Wolfgang von Regensburg, Annal. Hildesh. z. J.
968 S. 23. Othloni vit. Wolfk. 14 Scr. IV S. 531.
5 Würzburg erledigte sich am 24. März 941, Speier am 7. Mai des-
selben Jahres. Otto befand sich am 23. April in Magdeburg, Dipl. I S. 123
— 31 —
Regensbui'g zum ersten Mal erledigte, machte er sich wieder sofort
auf den Weg, um die "Wahl persönHch zu leiten^. In anderen
Fällen fand die Wahl, unter Verletzung der kirchlichen Ordnung,
am Hofe statt". Selbst dagegen hatte er kein Bedenken, Bistümer
längere Zeit erledigt zu lassen, um die Besetzung selbst regeln zu
können '^
Mehr als je vorher war unter seiner B-egierung ausgeschlossen,
daß jemand ein Bistum wider den Willen des Königs erhielt. Man
mußte ihm nahe stehen, um Bischof Averden zu können. In welchem
Umfang dieser Satz gilt, erhellt aus der Tatsache, daß während
keiner anderen Regierung könighche Verwandte sich so zahlreich
unter den Bischöfen befanden, wie unter der Ottos: Wilhelm von
Mainz war sein Sohn, Brun von Köln sein Bruder, Heinrich von
Trier sein Vetter*, Poppo I. und II. von Würzburg, Liudolf von
Osnabrück^, Dietrich von Metz^, Berengar von Verdun ' und der
gleichnamige Bischof von Cambrai ^ waren Verwandte des Königs-
hauses^
Neue rechtliche Vorschriften über die Besetzung der Bistümer
wurden nicht gegeben. Im Gegenteil, das Verfahren Ottos ist ein-
fach Anwendung der karolingischen Grundsätze^. Während imter
Nr. 37, am 30. Mai in Ingelheim, ib. Nr. 39, am 7. Juni in Rohr im Bistum
Würzburg, ib. Nr. 40, am 6. Aug. wieder in Magdeburg, ib. Nr. 41. Es
liegt sehr nahe, die sonst nicht motivierte Reise mit der Besetzung der
Bistümer in Zusammenhang zu bringen. ^ Thietm. 11, 26 S. 35.
^ Wilhelm von Mainz ist in Arnstadt gewählt, Annal. Augiens. z. J. 954.
^ Köln blieb nach der nicht bestätigten Wahl Geros ungefähr IY2 Jahre
erledigt. Folcmar starb am 18. Juli 967, Gero erhielt Ostern 969 die In-
vestitur. Metz wurde durch den Tod Aldaberos, den 26. April 962, frei; Trier
erledigte sich am 3. Juli 964 durch den Tod Heinrichs; die Wiederbesetzung
beider Bistümer fand erst nach der Rückkehr des Kaisers aus Italien im
Jahre 965 statt, Contin. Regin. z. J. 965 S. 176. Die Nachfolger Ottos übten
sämtlich das Ernennungsrecht aus, s. Hinschius, KR. II S. 530 Anmerk. 9.
Friedberg, KR. § 115 S. 336 f. (5. Aufl.).
* Die Verwandtschaft ist von Flodoard annal. z. J. 956 S. 403 bezeugt
und dadurch gesichert, daß Heinrich der Bruder Poppos I. von Würzburg
war, Vit. Wolfk. 4 S. 528; mit diesem war sein Nachfolger Poppo II. ver-
wandt, Regin. contin. z. J. 961 S. 170; ihn aber nennt Otto II. ausdrück-
lich seinen Vetter, Dipl. II S. 149 Nr. 132.
5 Dipl. I S. 575 Nr. 421. Er war seit 952 Kanzler, S. 230 Nr. 149.
6 Contin. Regin. z. J. 965 S. 176.
' Gest. episc. Virdun. contin. 2 Scr. IV S. 45.
s Gest. ep. Cam. I, 80 S. 431.
» Vgl. Bd. II S. 200 ff. u. 562 ff. Daraus erklärt sich, daß Ottos Ver-
fahren nirgends Widerspruch hervorrief: es entsprach den Rechtsanschau-
— 32 —
Heinrich die Entwickelung der Verhältnisse eine ähnhche Wendung
zu nehmen schien, wie sie in Frankreich bereits eingetreten war^,
lenkte Otto mit kräftiger Hand wieder zurück in die Bahn Karls d.Gr.
und seiner Vorgänger. Er bewahrte die deutsche Kirche dadurch vor
dem Geschick, dem die französische bereits verfallen w^ar: unter
die Herrschaft der Großen zu geraten. Aber er führte den Epis-
kopat zugleich auf die Bahn, auf welcher die Bischöfe aus könig-
lichen Beamten zu Fürsten wurden, die zu dem König in einem
Lehnsverhältnis standen. In der karohngischen Epoche hatte man
mit einem Worte gespielt, wenn man die Bischöfe Fürsten nannte,
seit Otto d. Gr. begann der Titel Wahrheit zu werden.
Thietmar von Merseburg hat da, wo er von der Zurücknahme
des Ernennungsrechts der bairischen Bischöfe an die Krone spricht,
Ottos Maßregel vom Standpunkt eines Bischofs des elften Jahr-
hunderts aus begründet. Die Könige, so urteilt er, stünden als
Stellvertreter des höchsten Herrn mit Recht über den Bischöfen;
dagegen sei es allzu widerspruchsvoll, daß die letzteren, welche
Christus zu Fürsten dieser Erde bestellte, unter der Herrschaft
irgend eines anderen Menschen stünden als unter der des Königs^;
AVer möchte glauben, daß Otto diese Gedanken hegte, indem er
mit bewunderungswürdiger Folgerichtigkeit daran festhielt, daß die
Bischöfe in der direkten Unterordnung unter den König erhalten
würden? Er trieb dabei könighche Politik; was er erstrebte und
erreichte, war die BeAvahrung und Verstärkung der Macht der
Krone, Nachdem an die Stelle der königlichen Beamten erbliche
Vasallen und unfügsame Herzoge getreten waren, die nur zu höchst
geringen Leistungen an den König verpflichtet waren, hätte dieser
nicht mehr herrschen können^, wenn er nicht durch die Verfugung
ungen, die noch herrschten. Daß es ihnen an der päpstlichen Billigung
nicht fehlte, ist bekannt (s. J.W. 3564).
^ S. Imbart de la Tour, Les elections episcopales dans l'eglise de
France 1891 S. 177 flF. 2 Chron. 1,26 S. 16.
^ In welchem Maße die Kriegsmacht des Reichs auf dem Zuzug der
geistlichen Fürsten beruhte, zeigt das Aufgebot von 981. Danach hatte
Mainz 100 Panzerreiter zu stellen, ebensoviele Köln; Trier und Salzburg je
70. Von den Bistümern Straßburg u. Augsburg je '100, Regensburg 70,
Würzburg, Lüttich u. Verdun je 60, Worms, Eichstätt, Konstanz, Chur, Frei-
sing je 40, Speier, Toul, Sehen je 20, Cambrai 12. Von den Abteien Fulda
u. Reichenau je 60, Weißenburg u. Lorsch je 50, Hersfeld, Prüm, Ellwangen,
St. Gallen je 40, Kempten 30, Murbach 20, Stablo u. luden 12, zusammen
1504 Mann, gegenüber einem Aufgebot der Laien von ungefähr 600 Mann,
C.I. I S. 632 Nr. 436, vgl. Uhlirz, JB. I S. 247 ff. Die Ansätze waren
schwerlich fest; es ist auch möglich, daß das Überwiegen der geistlichen
— sa-
uber die Bistümer und die königlichen Abteien die Möglichkeit
gehabt hätte, Männer, auf deren Dienst und deren Treue er rech-
nen konnte, um sich zu scharen. Der sächsische Bischof hat nicht
das Motiv des Königs ausgesprochen; aber er hat die Folge, die
sein Verfahren hatte, ganz richtig bezeichnet. Dadurch, daß Otto
die Ernennung der Bischöfe als königliches Recht wahrte, hat er
verhütet, daß die Bischöfe den Stammesherzogen unterworfen wurden;
er hat bewirkt, daß sie keinen Herrn als den König über sich
hatten. Die Bistümer wurden oder vielmehr bheben Reichskirchen.
Die unmittelbare Folge war, daß die Bischöfe den Fürsten als
gleichberechtigt an die Seite traten. Ottos Politik hat das sichere
Fundament für die Fürstenmacht der Bischöfe gelögt; sie hat der
deutschen Kirche des Mittelalters einen ihrer eigentümlichsten
Züge aufgeprägt: die Vereinigung des geistlichen Amts und poli-
tischer Herrschaftsrechte in einer Hand.
Es ist unverkennbar, daß das Wesen des bischöfhchen Amts
dadurch umgestaltet worden ist. Längst waren die Bischöfe ge-
wöhnt, an den poütischen Aufgaben der Nation mitzuarbeiten.
Doch galten im neunten Jahrhundert die geistHchen Pflichten des
Bischöfe noch überall als die Hauptsache: wie ernsthch hat Hraban
an sie erinnert und vor dem^ Übermaß der weltlichen Geschäfte
gewarnt^! Eine Persönlichkeit wie Anskar beweist, daß man noch
nach ^der Mitte des neunten Jahrhunderts Bischof und doch vor
allem Prediger sein konnte. Das war unter Otto nicht mehr mög-
lich. Jetzt drängten die politischen Pflichten die geistliche Seite
des Amts in den Hintergrund. Es war doch zu viel Ernst in der
deutschen Kirche, als daß man den inneren Widerspruch, der
hierin lag, nicht empfunden hätte. Wenn Ruotger und Widukind
von Corvey den Erzbischof Brun darüber verteidigen, daß er die
Leitung des Herzogtums Lothringen übernahm ^, so sieht man, daß
es an Bedenken dagegen nicht fehlte. Ruotger ist über sie erzürnt;
er schilt die Männer, welche sie erhoben. Unwissende und Unverr
ständige^. SchwerUch würde er so heftig gesprochen haben, wenn
sie ganz vereinzelt gewesen wären. Und beachten wir wohl: sie
urteilten nicht vom staatlichen, sondern vom kirchhchen Gesichts-
punkt aus; sie stützten sich darauf, daß die Pflicht der Bischöfe
allein die Seelsorge sei; die Regierung des Volks, vollends die
Aufgebote durch zuföllige Verhältnisse veranlaßt ist. Immerhin zeigen die
Zahlen, wie wichtig das geistliche Fürstentum für das Reich war.
1 Vgl. Bd. II S. 622.
2 Ruotg. Vit. Brun. 23 S. 24, Widuk. 1, 31 S. 25.
2 jAliqui divinae dispensationis ignari", ^si quid sanum sapiunt".
Hauck, Kircheilgeschichte III. ^
— 34 —
Kriegführung gehe sie nichts an. Die Verteidiger erinnerten an
die Vereinigung des Geisthchen und Weltlichen im alten Testament,
besonders an Samuel, der zugleich Priester und Richter gewesen
sei. Mehr Eindruck wird es gemacht haben, daß sie hervorhoben,
wie segensreich Bruns Walten für das Land war.
Die Verteidiger Bruns zeigen, daß gerade in den Kreisen,=
welche von dem geistlichen Beruf der Bischöfe hoch dachten, die
Verweltlichung des bischöflichen Amtes mißbilhgt wurde. Es fehlte
überhaupt nicht an Männern, welche die Folgen, die sich aus der
engen Verbindung des StaatHchen und Kirchlichen ergaben, drückend
und als Unrecht gegen die Kirche empfanden. Man hatte Pseudc-
isidor nicht umsonst gelesen: man fand das Priestertum erniedrigt
durch die Herrschaft der Laien in der Kirche '^. Um so begreif-
licher ist, daß der deutsche Episkopat nicht ganz ohne Widerstreben
die Bahn beschritt, auf die Otto ihn führte. Es gab eine bischöf-
liche Opposition gegen die Tendenzen des Königs; als ihren Vor-
kämpfer darf man Friedrich von Mainz betrachten^." Er war einer
der letzten deutschen Bischöfe, die sich der Verstrickung in die
Politik zu entziehen versuchten. Nur wenn man dies im Sinne hat,
löst sich das Rätsel seiner Persönlichkeit. Denn seltsam wider-
sprechend sind die Urteile über diesen bedeutenden Mann: sein
Verhalten hat den mannigfachsten Tadel bei seinen Zeitgenossen
gefunden; aber alle seine Tadler waren einig in der Verehrung
gegen seine Person, in der Anerkennung des religiösen Ernstes,
von dem sein ganzes Leben Zeugnis gab ^. Otto selbst hat ihm
die Achtung nicht versagt, die große Männer vor solchen Gegnern
zu hegen pflegen, die ein entgegengesetztes Prinzip vertreten: er
^ Diese Richtung lehrt der Brief des Priesters Gerhard an Friedrich
von Mainz kennen, ep. Mog. 15 S. 342 f. Gerhard, der Pseudoisidor exzer-
piert (S. 341), ist mit den Zuständen sehr wenig zufrieden. Er fordert Fried-
rich auf: De sacerdotali dispositione, quondam lucidissima, nunc autem nimis
obfuscata, non adeo ab excellentia vestra parvi pendatur, sed pro posse et
nosse elaboretur, ut pristino lumine decoretur . . . Non haec laicis iustum
corrigere. Quia nusquam iubet theologia iniuste aliqua fieri iusta etc.
2 A. Mittag, EB. Friedrich v. Mainz u. die Politik Ottos d. Gr. Berlin
1895 (Progr. Nr. 51); Wattenbach in denBerl. SB. 1896 S. 339 ff. Der letztere
widerspricht der hier vorgetragenen Beurteüung Friedrichs. Er sucht das
Motiv für seine Haltung in der Absicht, das sächs. Königshaus zu stürzen
und die Herrschaft wieder an die Franken zu bringen. Aber das würde
höchstens seine Hinneigung zu Eberhard erklären.
3 Contin. Regln, z. J. 954 S. 168 ; Widuk. III, 15 S. 64; Ruotg. vit. Brun.
16 S. 16; Annal. Hildesh. z. J. 954 S. 21.
— 35 —
hat ihm nichts Niedriges zugetraut und hat ihn deshalb geschont,
auch als er ihn verderben konnte.
Auf allen Wegen trafen sich der König und der Erzbischof;
aber nie vermochte Otto diesen Mann zu beherrschen. Handelte
es sich um eine kirchliche Maßregel, so stand ihm Friedrich mit
seinem Rat willig zur Seite \ Galt es zwischen kämpfenden
Gegnern zu vermitteln, so war er immer bereit, für den Frieden zu
reden und zu unterhandeln^: dann war er in seinem Element. Ein
entschiedener politischer Gegner hat ihm das Zeugnis gegeben, daß
Friede und Eintracht das von ihm sehnlich gewünschte Ziel war '.
Aber wenn Otto in irgendeinem Kampf auf seine tätige Unter-
stützung rechnete,^ sah er sich jedesmal getäuscht. Im Kampfe mit
Eberhard und Giselbrecht verließ ihn Friedrich im bedenklichsten
Augenblick, nachdem ein Vermittlungsversuch mißlungen war; er
bestimmte Ruodhard von Straßburg das gleiche zu tun*. Später,
im Streit mit den Herzogen Liudolf und Konrad, versagte er
wieder jeglichen Beistand; als die Entscheidung sich vor Mainz zu-
sammenzog, verließ er lieber seine Bischofsstadt, als daß er offen
Partei ergriffen hätte; er brachte den ganzen Sommer in Breisach
zü^. Niemals war er zu bewegen mit den Gegnern des Königs zu
brechen: er hat seine Beziehungen zu Eberhard und Giselbrecht,
zu Liudolf und Konrad aufrechterhalten, auch wenn sie in Waffen
gegen den König standen. Natürlich hatten stets die Feinde Ottos
den Vorteil von dieser Haltung des Erzbischofs. Die unvermeid-
liche Folge war, daß auf des Königs Seite ihn jedermann für einen
1 Er wird als Ratgeber bei der Stiftung der Bistümer Havelberg und
Brandenburg genannt, Dipl. I S. 155 Nr. 76 u. S. 189 Nr. 105.
' - Die Unterwerfung Eberhards i. J. 938 schreibt Widukind dem Rat
Friedrichs zu, II, 13 S. 44. Im nächsten Jahre sandte ihn Otto selbst als
Vermittler zu dem fränkischen Herzog, ib. 11,25 S. 49; i. J. 953 suchte er
zwischen dem König einerseits und Liudolf und Konrad andererseits zu ver-
mitteln, ib. III, 13 u. 15 S.'63 f.; in Langenzenn suchte er vergeblich Liudolf
zur Unterwerfung zu bewegen, ib. HI, 33 S. 69; es ist klar, daß er konse-
quent daran festhielt, es sei sein Beruf, Frieden zu stiften.
3 Widuk. 11,25 S. 49: Cum esset earum rerum — pacis et concordiae
— desiderantissimus.
* Contin. Regin. z. J. 939 S. 161; Widuk. II,24f. S. 49.
5 Contin. Regin. z. J. 953 S. 166 f.; Widuk. III, 27 S. 67. Der Fortsetzer
Reginos betrachtet es als Tatsache, daß Friedrich Mainz den Gegnern des
Königs auslieferte; aber Ruotger, vit. Brun. 16 S. 16: Partes eum execrari
testabantur, idcirco e medio secedere; minimumque curare, cui urbs pateret,
cui milites obedirent, beweist, daß das nur die gegnerische Deutung seines
Verhaltens war.
3*
— 36 —
Verräter hielt. Friedricli hat diesem Vorwurf in einer Weise
widersprochen, welche nötigt ihm zu glauben. Als er im Jahre
941 beschuldigt wurde, die Empörung Heinrichs begünstigt zu
haben, nahm er öffentlich vor allem Volk das heilige Abendmahl,
um ^ich von jedem Verdacht zu reinigend Auf dem Tag zu
Langenzenn erklärte er sich bereit, vor jedem Gericht zu beweisen,
daß er kein Verräter sei, noch jemals gewesen sei". In den Augen
seiner politischen Gegner haben ihm diese Versicherungen nicht
viel genützt. Aber das Urteil des Mannes, dessen Ansicht am
schwersten wiegt, war für ihn. Otto d. Gr. hat ihm geglaubt. Er
behandelte ihn im Jahre 939 nicht als Verräter, sondern gestattete
ihm nach kurzer Klosterhaft die Rückkehi* in sein Amt^. In
Langenzenn erwiderte er auf Friedrichs Anerbieten, er fordere von
ihm keinen Eid; was er verlange, sei, daß er der Sache des Friedens
und der Eintracht, soviel er vermöge, diene. Er bestätigt dadurch
die Anschauung derjenigen, die in dem Erzbischof einen prin-
zipiellen Gegner aller Parteinahme erbhckten^ und die sein Handeln
aus dieserh Motiv meinten verstehen zu können*. So wollte Fried-
rich selbst sein Verhalten beurteilt haben ^. Es gibt keinen Grund,
1 Contin. Regin. z. d. J. S. 162. " Widuk. EI, 32 S. 69.
3 Contin. Regia, z. J. 939 S. 161 spricht von einer Verweisung nach
Fulda; dagegen Widuk. 11,25 S. 50 von einer Verweisung nach Hamburg,
und damit übereinstimmend nennt Liudpr. Antap. IV, 38 S. 98 Sachsen.
Dümmler, Otto d. Gr. S. 94, hat die Vermutung von Leibnitz erneuert, daß
bei Hammaburgensis urbs Hammelburg im Bistum Wüi'zburg, ein fuldisches
Besitztum gemeint sei. Dann würden die widersprechenden Angaben sich
vereinigen. Ob Widuk. II, 88 S. 55 hierher zu beziehen ist, ist fraglich.
B.O. 94 b u. Mittag S. 11 entnehmen der Stelle vielmehr, daß Friedrich nach
der Empörung Heinrichs 941 zum zweitenmal in Klosterhaft kam. Dann
müßte man die Angabe des Cont. Reg. als zu einem falschen Jahr gemacht
betrachten. * Ruotg. vit. Brun. 16 S. 16.
^ Ruotger legt Otto folgende Worte in den Mund: Dicent fortasse,
bellis haec sedanda esse, quae ad te — den Erzbischof Brun — non per-
tineant, quae tui minysterii dignitatem non deceant. Huiusmodi fraudulenta
verborum iactantia istius metropolis praesul vides quantos seduxit, quantoa
ad civilis cladis rabiem illexit; qui si subducere se vellet a dissensione,
quemadmodum fingit, et bellorum periculo, ut religioso degere posset in otio,
nobis profecto et nostrae reipublicae melius id, quod ei regali munificentia
contulimus, reddidisset, quam hostibus (vit. Brun, 20 S. 21). Ruotger hätte
den König nicht so sprechen lassen können, wenn nicht jedermann gewußt
hätte, daß Friedrich sein Verfahren in der von ihm abgelehnten Weise be-
urteilt wissen wollte. Ich kann nicht absehen, weshalb er falsche Motive
hätte angeben sollen. Für einen im kirchlichen Recht einigermaßen be-
wanderten Kleriker lagen die Bedenken, die er gehegt haben soll, ungemein
- 37 —
der anzunehmen zwingt, daß er heuchelte. Aber das läßt sich
nicht verkennen, daß die Stellung, die er suchte, wie die Dinge
einmal lagen, unmögHch war. Friedrich hat deshalb mehr ge-
schadet als genützt: er hat den Frieden, den er erstrebte, erschwert,
indem er jeden Gegner des Königs zu unterstützen schien.
Mit seiner Zurückhaltung auf dem politischen Gebiet kon-
trastiert seine lebhafte Tätigkeit auf dem kirchlichen. Hier hatte er
Ehrgeiz. Man möchte vermuten, daß er in Bonifatius sein Vorbild
erblickte. Denn er beschäftigte sich mit den Briefen des großen
kirchlichen Organisators; in seinem Briefwechsel mit den Päpsten
war er besser bewandert als die römischen Archivare ^. Wie jener
suchte er engen Anschluß an Rom: es erscheint, wie eine Nach-
ahmung des von ihm gegebenen Beispiels, daß er den Papst um
Rat und Anweisung bat, oder daß er den Glauben, den er Juden
und Heiden verkündigte, in I^om zur Approbation vorlegte"-. Für
sich selbst wünschte er eine ähnliche Stellung, wie sie Bonifatius
in der deutschen Kirche gehabt hatte. Mit Berufung auf ihn
forderte er von Leo VII., daß er zum apostolischen Vikar und
Legaten für ganz Deutschland ernannt werde "l Bloße Titelsucht
hat ihm diesen Wunsch schwerhch eingegeben; er entstammte wohl
dem Kummer über die Auflösung der kirchlichen Disziplin; denn
die Sorge für sie dachte er als die Amtspflicht des Legaten "*: dazu
wollte er vom Papst verpflichtet und berechtigt werden^.
Die Gfündimg der neuen Bistümer im Wendenlande lag ganz
in der Richtung seiner Interessen. So selten sein Name in den
Urkunden Ottos zu finden ist^, hier wird seines Rats und seiner
Mitwirkung ausdrücklich gedacht '. Ebenso lag ihm die Vermehrung
des Klerus am Herzen; er gründete in Mainz das bedeutende Stift
-St. Peter ^. Auch wenn es sich um Reformen handelte, begegnet
nahe. Und politisch angesehen, war sein Verfahren, sich konsequent zwischen
zwei Stühle zu setzen, so sinnlos, daß die Gründe, die ihn bewogen, auf
einem andern als dem politischen Gebiet gesucht werden müssen.
^ In einem nach Rom gerichteten Brief erwähnte er die Schreiben
der Päpste Gregor IL u. III., Zacharias und Stephan III. an Bonifatius. Im
römischen Archiv fand sich nur ein einziges Schreiben, ep. Mogunt. 14
Jaffe Bibl. EI S. 337.
2 L. c. S. 3.36 u. 338. « L. c. S. 337.
* L. c: Quatenus vice nostra sceleratos et pravae vitaehomines habeatis
potestatem corripere et ad viam veritatis vestris exhortationibus revocare.
^ Er bittet um praeceptum et licentiam.
* Er erscheint nur sechsmal als Intervenient, s. Mittag S. 43.
' Dipl. I S. 156 Nr. 76: Consultu et inductu. S. 189 Nr. 105.
8 Nass. ÜB. I S. 68 Nr. 127; es war für 21 Kanoniker bestimmt.
— 38 —
man seinem Namen: die Synode zu Augsburg im August 952
tagte unter seinem Vorsitz; ausdrücklich wird ihm der leitende
Einfluß auf ihre Beschlüsse zugeschrieben^: sie beziehen ^ich auf
die sittliche Hebung des Klerus, die Reform der Klöster u. dgl.
Daraus, daß Friedrich mit Anno von Worms und Uodo von Straß-
burg eine Synode hielt ^, darf man vielleicht folgern, daß er den
Gedanken hatte, das Institut der Provinzialsynoden wieder zu be-
leben. Gegen die in den Klöstern eingerissenen Mißbräuche trat
er schonungslos auf; man hörte ihn sagen, es sei besser, wenn es
wenige tüchtige ,, als wenn es viele nachlässige Mönche gebe^
Mißbilligte er es, wenn ein Bischof seine Kleriker hinderte, ins
Kloster zugehen^, so forderte er anderseits, daß ein Mönch ganz
Mönch sei^; seine Abneigung gegen Hadamar von Fulda, den
Mönch und Politiker, verbarg er nicht**.
Bei der Leitung seiner Diözese richtete er sein Augenmerk auf
Vermehrung der Gottesdienste'; er suchte die Sitte einzuführen,
daß jedermann wie in der Osterzeit, so auch an Weihnachten das
heihge Abendmahl empfange^. Er selbst vernachlässigte die Pflicht
zu predigen nicht: er galt als vorzüglicher Redner^, Die Bekehrung
^ M.G. C.I. I S. 18: Cuiua divinae rei dispositionem (Otto rex) pei- . .
Frithurici Mog. sed. archiep. industriam maxime gubernari deliberavit.
2 Das Protokoll ep. Mogunt. 16 S. 344. Die Synode kann nur in den
letzten Jahren Friedrichs stattgefunden haben, da Anno und Uodo erst 950
ihre Ämter antraten. Die Abhaltung zweier jährlicher Diözesansynoden
wird im Protokoll als üblich vorausgesetzt.
^ Widuk. n, 37f. S. 55. Der sächsische Geschichtschreiber hat dabei
das Mönchsgerede wiederholt, daß der Erzbischof .aus Feindseligkeit gegen
Abt Hadamar von Fulda gehandelt habe. Wer möchte ihm glauben? Wahr
ist ohne Zweifel nur die Abneigung zwischen den beiden, so ganz ver-
schieden gericshteten Männern.
* Convent. August 7 S. 19. •> Ib. 5 S. 19.
* Ich glaube nicht, daß man von einem Vorstoß Friedrichs gegen
Fulda reden kann, Mittag S. 45 ff. Denn Widukind sagt nur: Humillima
monasteria auctoritate temptavit, ut ad excellentissima aequaliter proce-
deret, und: Causis intercurrentibus, pontifex quod cogitavit, non implevit,
II, 38 S. 55 f.* Daß er bei den letzten Sätzen an Fulda denkt, ist sicher,
aber ebenso, daß er dem EB. lediglich eine Absicht unterschiebt, von der
wir nicht wissen, ob er sie wirklich hatte. Daß es zu keinen Handlungen
kam, sagt er selbst. Bei den causae intercurrentes kann er an die Er-
neuerung der fuldischen Privilegien i. J. 743 denken, J.W. 3622 u. Dipl. I
S. 137 Nr. 55. Aber auch sie beweist nur, daß man sich in Fulda gegen
einen etwaigen Vorstoß schützte, nicht, daß irgend etwas geschehen war.
' Syji. Mog. S. 344. s Ib. S. 345.
9 Widuk. III, 15 S. 64: Precipuus verbo predicationis.
— 39 —
der Mainzer Judenschaft war eine Frage, die ihn ernsthch beschäf-
tigte: er forschte nach den Erklärungen weltHcher und geisthcher,
alter und neuer Autoritäten, um seines Weges dabei sicher zu sein ■*•.
Überhaupt fehlte ihm das Interesse für theologische Fragen nicht:
über dies und jenes ließ er sich von einem gelehrten Priester seiner
Diözese, namens Gerhard, Auskunft erteilen ^. In alledem erscheint
er vielmehr als Geistlicher denn als Fürst. Kein Wunder, daß er
sich in die politischen Verhältnisse nicht zu j&nden wußte.
Daß Friedrich nicht ohne Einfluß auf die übrigen Bischöfe'
war, zeigt das Beispiel Rüodhards von Straßburg ^; auch dessen
Nachfolger Uodo III. scheint sich an Friedrich angeschlossen zu
haben*. Was man später über Konrad von Konstanz zu erzählen
wußte ^, läßt auch in ihm einen Gesinnungsgenossen Friedrichs ver-
muten. Selbst Wilhelm von Mainz spricht Sätze aus, die die Ge-
sinnungen seines Vorgängers wiedergeben^. Allein bei keinem
dieser Männer kam es zu einem konsequenten Widerstand gegen
die Absichten Ottos. Nur der unglückliche Herold von Salzburg
scheint den Versuch gemacht zu haben, sich ähnlich wie Friedrich
von der Verflechtung in die politischen Kämpfe zurückzuziehen.
Auch ihm wurde Verrat schuld gegeben. Aber das war nur
der Vorwurf seiner Feinde; ein Beweis der Anklage ließ sich nicht
erbringen. Die unabhängig urteilenden Zeugen sind einig darin,
daß Herold mischuldig gewesen sei. Das Tatsächliche, worauf
1 Epist. Mogunt. 14 S. 337 f. u. 15 S. 389 f.
" L. c. 15 S. 339 ff.: Außer über die Juden über die Konsekration des
Cbrisma, die Handauflegung, gewisse Gebräuche bei der Weibe der Kirchen.
Gerhard beweist sich in seinem Briefe als wohlgelehrter Mann: er kennt
Pseudodionysius, exzerpiert aus den Briefen Gregors d. Gr. die auf die Juden
bezüglichen Stellen, er hat Amalarius de eccles. offic. gelesen, die Schreiben
des Zacharias an Bonifatius sind ihm ebensowenig unbekannt als die frän-
kischen Konzilienbeschlüsse; endlich gibt er auch Exzerpte aus Pseudo-
isidor (s. Jaffe's Nachweise S. 341). Sein Schreiben zeigt, daß theologische
Gelehrsamkeit unter der deutschen Geistlichkeit nicht ausgestorben war
und daß sie sich mit einer Gesinnung verband, die sich von der Entwickelung
der kirchlichen Verhältnisse unbefriedigt fühlte.
3 S. oben S. 85, u. vgl. Liudpr. Antap. IV, 32 S. 98.
* Teilnahme an der Mainzer Synode.
5 S. die Biographie Konrads Scr. IV S. 429 ff., besonders c. 5—7. Er
ist der Gründer des Stifts St. Moritz in Konstanz, c. 6 S. 432. Die Schrift
von J. Mayer, D. h. Konrad, Freib. 1898, gehört in die Klasse der modernen
Heiligenleben.
^ Bf an Agapet 955, ep. Mog. 18 S. 348: Dux comesque episcopi, epis-
copus ducis comitisque sibi operam vindicat.
— 40 —
jener Vorwurf sich stützte, war, daß er eine unentschiedene Stelking
zwischen den kämpfenden Parteien suchtet Das war Friedrich
nicht gelungen und daran scheiterte Herold. Denn er stand nicht
emem groß denkenden Gegner gegenüber wie jener: auf Befehl
Herzog Heinrichs von Baiern wurde er bei Mühldorf überfallen
und geblendet". Heinrich konnte nicht kämpfen ohne persönhchen
Haß; eine Stellung, wie sie Herold erstrebte, verzieh er am wenigsten:
noch auf seinem Sterbebette hat er erklärt, dem Erzbischof sei
Recht geschehen".
Die Erfahrungoi Friedrichs und Herolds beweisen, daß es für
die Bischöfe schwer, ja fast unmöglich war, sich der Stellung zu
entziehen, die ihnen Ottos Politik anwies. Auch blieb der Wider-
spruch vereinzelt. Gerade die hervorragendsten Glieder des deut-
schen Episkopats gingen ohne Widerstreben auf die Tendenzen Ottos
ein. Er hat bei Männern wie Bruno von Köln und Ulrich von
Augsburg stets bereitwilliges Entgegenkommen gefunden. Das wai-
um so wichtiger, da sie es verstanden, zugleich als Fürsten zu
handeln und als Bischöfe die geistlichen Pflichten ihres Amts zu
erfüllen. Dadurch haben sie zur Befestigung der fürstlichen Stellung
der Bischöfe das Größte beigetragen. Denn der Eindruck großer
Persönlichkeiten ist stets mächtiger als prinzipielle Bedenken. Otto
1 Die Anklagen gegen Herold sind zusammengefaßt in dem Schreiben
Johanns XIII. an die Synode von Ravenna (J.W. 3717): Ipse pro sua culpa
et perfidiae temeritate exoculatus est, eo quod ecclesias Dei exspoliaverit,
thesaurum paganis erogaverit, seseque eis iunxerit in Christianorum necem
et depraedationem, contra dominum et piissimum imperatorem suum seni-
orem rebellis et infidelis extiterit. Diesen Anklagen aber widerspricht
Thietm-ar mit der bestimmten Erklärung: Causas . . ad haec promerenda
non esse idoneas in veritate scio (Chron. II, 40 S. 44) und Wilhelm von Mainz
mit seiner Klage über ihm widerfahrene Gewalt (Ep. Mogunt. 18 S. 348).
Gleichzeitig ist auch Widukinds Zeugnis, der über die Stellung der bairischen
Bischöfe i. J. 953 sagt: Non minima quoque caeteris pontificibus cunctatio
erat in Boioaria, dum favent partibus, nunc regi assistendo, nunc alienas
partes adiuvando, quia nee sine periculo alienabantur a rege nee sine sui
detrimento ei adhaerebant, III, 27 S. 67. Danach scheint mir kein Zweifel,
daß Herold eine ähnliche Stellung einzunehmen suchte wie Friedrich.
Auch der letztere hatte an Herzog Heinrich den schroffsten Gegner, Widuk.
in, 16 S. 64.
2 Contin. Regin. z. J. 954 S. 167; Ep. Mogunt. 18 S. 348; Auctar. Garst,
z. J. 956, Ser. IX S. 566; Annal. s. Rudb. Salisb, z. d. J. S. 771. Das Jahr
der Blendung war, wie Dümmler, Otto d. Gr. S. 248 Anm. 2, zeigt, nicht
954 oder 956, sondern 955.
3 Thietm. U, 40 S. 44.
— 41 —
hat den Weg gezeigt; sie schienen zu beweisen, daß auf demselben
das Beste des Reichs wie der Kirche gefördert würde -'^.
BiUig verweilen wir einen Moment bei diesen Männern.
Unter den vier Söhnen Heinrichs I. erscheint der jüngste in
mancher Hinsicht als der am wenigsten scharf ausgeprägte Charakter-.
Otto war vom Geschick weitaus am meisten begünstigt: seine
Herrscherstellung forderte Entschlüsse von ihm, und sein lebhafter
Geist, sein starker Wille machten es ihm möglich, große Entschlüsse
zu fassen und auszuführen. Es war ihm leicht gemacht, freisinnig
und großdenkend zu werden. So glücklich war das Los seines
älteren Bruders Thankmar nicht. Wenn er wenig anziehend er-
scheint^, so muß ihm zur Entschuldigung dienen, daß das Leben
wenig freundlich mit ihm fuhr: die Verstoßung seiner Mutter*, der
Raub des Erbes durch den eigenen Vater ^, die Zurücksetzung
hinter den jüngeren Bruder, die Versagung jeglicher einflußreichen
Stellung^: das waren die Erfahrungen seiner Jugendjahre, wenig
geeignet den trotzigen Sinn eines kräftigen, leidenschaftlichen, sich
gegen die Bande der Zucht aufbäumenden Jünglings zu sänftigen.
Eine ähnliche Entschuldigung steht dem Herzog Heinrich nicht
zur Seite: ihm, einem bestechend schönen JüngHn^ und Mann,
widerfuhr wenig Unrecht ; um so mehr Unrecht hat er in rücksichts-
loser Selbstsucht und starkem Eigenwillen vollbracht: er wollte sich
nicht in die Lage fügen, die seine Geburt ihm anwies. Im Unter-
schiede von Thankmar und Heinrich hat Brun von Anfang an
sich in seine Sphäre gefunden: er stand auf dem zweiten Platze
und er strebte niemals nach dem ersten. Aber er bewies, wie viel
ein tüchtiger Mano auf dem zweiten Platze wert ist. Sein Biograph
charakterisiert ihn mit den schönen Worten, er habe nicht geglaubt,
fiir sich geboren zu sein, sondern für Köln und für den Staat'.
^ Ruodger sagt mit Bezug auf die Bedenken gegen Bruns politische
Tätigkeit: Quid quisque de pio hoc viro loquatur, suo ipsius iudicio relin-
quimus; scientes sani capitis esse neminem, qui bonum evidentissimum uUo
maledicti obpi-obrio fuscare nitatur. Honestum enim et utile nostrae rei
publicae fuit omne quod fecit, vit. Bran. 23 S. 25.
^ Die Hauptquelle für das Leben Bruns ist Ruodgers Biographie; vgl.
Strebitzki, Quellenkrit. Untersuchungen zur Geschichte des EB. Brun I.
von Köln, Neustadt in Westpreußen 1875; Mittag, Die Arbeitsweise Ruotgers,
Berlin 1896; s. auch Vogel, Ratherius v. Verona S. 156 ff.
3 Widuk. 11, 11 S. 42: Manu promptus, acer ingenio, bellandi peritus,
sed inter arma honesta minus pudicitia usus.
* Thietm. I, 9 S. 7. » Widuk. 1. c; vgl. oben S. 21 Anm. 7.
8 Ib. 11,9 S. 41.
' Vit. Brun. praefat. S. 3 : Ab initio sie fuit animatus, ut non magis
— 42 —
Das Leben Bruns bewies, daß das Lob des Schriftstellers nicht
unverdient war.
Er ist nicht in der heimischen Umgebung aufgewachsen. Von
Anfang an für den Dienst der Kirche bestimmt, wurde er ^der
Jahre alt der Domschule zu Utrecht übergeben \ Dort wirkte seit
einem Jahrzehnt Bischof Baldrich. Er hatte es gewagt, seinen
Sitz wieder in Utrecht zu nehmen, nachdem sein Vorgänger Radbod
nach der Verwüstung Utrechts durch die Normannen sich nach
Deventer zurückgezogen hatte ^. Unter der Regierung des energischen,
in kräftigem Mannesalter stehenden ° Bischofs begann die Stadt
sich wieder zu heben: der Dom und andere kirchliche Gebäude
wurden hergestellt*. Auch das wissenschaftliche Leben regte sich
von neuem. Wenn der an der westfränkischen Hofschule gebildete
Radbod als einer der Vertreter der karolingischen Bildimg erscheint^,
so bcAvies sein Nachfolger, daß das Interesse für die Studien trotz
der Verwüstung des Landes nicht- ganz erloschen war. Ihm wid-
mete der vielbelesene Mönch Hucbald von St. Amand^ seine Lebens-
beschreibung Liafwins ^. Auch die Domschule ist unter ihm wieder
eingerichtet worden und zu einem gewissen Glänze gekommen.
Man lehrte nicht nur Grammatik und begnügte sich nicht mit der
Lektüre lateinischer Schriftsteller, sondern man hatte den Ehrgeiz
auch die griechische Sprache zu treiben^. Dort legte Brun die
Grundlage zu seiner das Durchschnittsmaß übertreffenden klassischen
Bildung. Doch verließ er Utrecht schon in den ersten Jünglings-
jahren. Denn Otto zog alsbald nach seiner Thronbesteigmig seinen
Bruder an den Hof*. Man hat den Eindruck einer sehr frühreifen
Entwickelung, wenn der fünfzehnjährige Jünghng seit dem Herbst
sua causa se putavet natum, quam nostra reique publicae procreatum. Bei
nostra hat man wohl, da der Schreiber und der Empfänger des Briefes der
Kölner Kirche angehörten, an diese zu denken.
1 Vit. Brun. 4 S. 7. Da Brun nach c. 42 S. 43 am 14. Mai 965 eben
das 40. Jahr vollendet hatte, so muß er im Frühjahr 925 geboren sein. Er
kam also 929 nach Utrecht. " Vit. Radb. 5 Scr. XV S. 571.
* Da Baldrich erst 975 starb, so muß er das Bistum im ersten Mannes-
altei'* erhalten haben. * Vit. Brun. 4 S. 7.
ö Über ihn Ebert, Lit. des MA. III S. 184 ff.
" Auch über ihn verweise ich auf Ebert III S. 166 ff.
' Migne 132 S. 875 ff. s yit. 3run. 4 S. 7.
" Ib. 5 S. 8. Strebitzki kombiniert nicht ohne Wahrscheinlichkeit die
Berufung Brunos an den Hof und die feindselige Wendung in der Politik
Giselberts i. J. 939, S. 7. Der Oedanke stammt übrigens, so -viel ich sehe,
von Vogel, Rather. S. 161.
— 43 —
940 als Kanzler fungierte^. Im nächsten oder übernächsten Jahr
,trat er durch den Empfang der Diakonen weihe in den Klerus ein";
im Jahre 947 wird er bereits als Abt bezeichnet; doch weiß man
nicht, welches Kloster er leitete^; 950 übertrug ihm Otto die reiche
Abtei Lorsch *. Abgeschlossen war natürhch damals seine Bildung
noch nicht. Aber unter Otto war der Hof mehr der Ort, sie zu
vollenden, als unter Heinrich^: denn nun sammelten sich wieder
Gelehrte aus den verschiedensten Ländern im Königshäuser neben
den Eingeborenen sah man Griechen; auch die nirgend fehlenden
Schotten waren vertreten*^. Brun wußte von aUen zu lernen ;^mit
dem Sinn für Ordnung, der ihm schon als Knabe eigen war',
nützte er unter den, ungünstigen Verhältnissen des wandernden
Hofes die Zeit aus, überall hin begleitete ihn ein Vorrat von
Büchern^. Bald galt er nicht mehr als Schüler, sondern als eben-
bürtiger Genosse; es dauerte nicht lange, bis er der Mittelpunkt des
wissenschaftlichen Lebens am Hofe war. Man bewunderte ihn als
^ Die erste von ihm als Kanzler unterschriebene Urkunde ist, Dipl. I
S. 120 Nr. 35, vom 25. Sept. 940.
^ In einer Urkunde vom 22. Juni 942 wird er zuerst als Diakon be-
zeichnet, Dipl. I S. 132 Nr. 48.
3 Flodo. annal. z. d. J. S. 394.- Ruotger spricht 10 S. 11 von mehreren
Klöstern, welche Bruno, adhuc adolescenti, anvertraut worden seien, darunter
Lorsch.
* Nach dem chron. Lauresh. wurde Brun nach dem Tode des B. Eber-
gis von Minden, der zugleich Abt von Lorsch war, Abt des Klosters und
behielt er diese Stellung vier Jahre lang, Scr. XXI S. 390. Als Jahr der
Erhebung wird, vielleicht nur durch einen Schreibfehler, 944 genannt ; denn
aus S. 388 ergibt dch vielmehr 948 als Todesjahr des Ebergis. Aber auch
dieses Jahr ist wahrscheinlich falsch; denn die Annal. necrol. Fuld. erwähnen
zu 950 den Tod des Mindener Bischofs. Dümmler, Otto d. Gr. S. 281, er-
klärt sich für 948. Legt man Gewicht darauf, daß Brun in der Urk. Nr. 166
S. 247 V. 11. Aug. 953 nicht als Abt bezeichnet ist, so kann man daraus
folgern, daß er damals die Würde schon niedergelegt hatte, und daß en sie
also vor 950 erhielt. Aber die Folgerung ist nicht zwingend, denn am
11. Aug. 953 war Brun bereits zum EB. gewählt, und er führt auch diesen
Titel nicht, während er ihn in einer Urk. v. 20. Aug. führt, S. 249 Nr. 168,
obgleich er erst vier Wochen später geweiht wurde. Man sieht, daß aus
dem Fehlen des Titels nichts geschlossen werden kann.
^ Vogel S. 161 und Strebitzki S. 8 lassen Brun zur Wiederbelebung
der Hofschule an den Hof berufen werden. Aber dazu war er bei seiner
Rückkehr noch viel zu jung. Am wenigsten war der zwölfjährige Knabe
,der geeignete Mittelpunkt einer Akademie".
« Vit. Brun. 5—7 S. 8 f. ' Ib. 4 S. 8. « Ib. 8 S. 10.
— 44 —
großen Philosophen^; man urteilte, er übertreffe alle Zeitgenossen
und erreiche beinahe die Alten ^. Durch seinen geistiichen Stand
wie durch seine hervorragende Stellung, vielleicht auch durch Schwäche
seiner Gesundheit^, war er frühzeitig an Ernst gewöhnt: über die
Spaße der römischen Komiker, die bei den gelehrten Geisthchen
unmäßiges Gelächter hervorriefen, lächelte er kaum*. Von könig-
licher Pracht umgeben, war er doch gleichgiltig gegen sie^. Der
Drang der Geschäfte machte ihn nicht hastig: es schien, als ob
Unruhe und Aufregung niemals den Mittelpunkt seines Wesens
berühren könnten: in Momenten der höchsten Gefahr war er im-
stande irgend etwas zu lesen oder über allgemeine Fragen sich zu
imterhalten **. Das Urteil anderer hatte keinen Einfluß auf ihn:
er selbst wollte seiner Sache gewiß sein'; durch Tadel, den er
fand, ließ er sich nie in seinen Handlungen inre machen^. Men-
schen und Dinge beurteilte er mit kühlem Gleichmut ^: nicht Leiden-
schaft, nicht Ehrgeiz, nicht Begeisterung, sondern das Pflichtgefühl
führte das Steuerruder in diesem Leben. Man begreift, daß Otto
auf niemand so sicher baute als auf diesen Bruder ^^. Wenn er ihn
im Jahre 951 zum Erzkapellan ernannte ^^, so sieht man, daß er
ihn schon damals für eines der großen Erzbistümer bestimmt hatte.
Zwei Jahre später erhielt der Achtundzwanzigjährige das Erzbistum
Köln: Otto sandte eigens den Bischof Gotfrid von Speyer nach
Köln, um die Wahl seines Bruders zu sichern^-. Zu seinem geist-
lichen Amte übertrug er ihm die Verwaltung des Herzogtums Loth-
ringen ^^ In dieser Doppelstellung hat Brun seinem Bruder un-
1 Thietm. II, 16 S. 28. - Vit. Job. Gorz. 116 Scr. IV S. 370.
^ Ruotger bemerkt c. 25 S. 27, er habe animi plus quam corporis
viribus so lange gegen den mannigfachsten Widerstand gekämpft. Auch
sein frühzeitiger Tod weist auf eine schwache Konstitution.
* Vit. Brun. 8 S. 10. & Ib. 30 S. 30. « Ib. 25 S. 26.
' Ibid. S. 27. s Ib. 34 s. 84; 38 S. 39.
* Charakteristisch ist sein Urteil über seinen Bruder Heinrich und
Konrad von Lothringen, c. 9 S. 11.
10 Das läßt Ruotger Otto selbst aussprechen, c. 20 S. 20 f.
11 Am 10. Okt. 951 ist Brun noch als Kanzler unterschrieben; am
15. Okt. wird er zum erstenmal als Erzkapellan genannt, Dipl. I S. 218f.
Nr. 138 f. Über die Datierung der ürk. Nr. 154 S. 235, auf welche sich
_Strebitzki S. 7 Anm. 4 für 949 beruft, s. Sickel in der Vorbemerkung.
1^ S. Entstehung d. bischöfl. Fürstenmacht S. 26 f.
" Flodo. annal. z. 953 S. 402; Regin. contin. z. 953 S. 167; vit. Brun.
20 S. 20; vgl. Dümmler, Otto d. Gr. S. 225. Vogel S. 168 urteilt, Bruns Er-
hebung scheine ein Versuch gewesen zu sein, die gefährliöhen Herzoge
— 45 —
schätzbare Dienste geleistet. Er wußte den Episkopat zu einer
sicheren Stütze des Königtums zu machen; das stets unruhige
Lothringen hielt er, bald durch kluge Zugeständnisse, bald durch
energische Gewalt, im Zaum. Auch in die fi^anzösischen Verhält-
nisse griff er schlichtend und fordernd ein. Politische und mili-
tärische Maßregeln mußte er verbinden, um seine Zwecke zu er-
reichen; er konnte nicht vermeiden, daß er sich persönlich den
Wechself allen des Krieges aussetzte^. In dem allen war und
erschien er ganz wie ein Fürst. Aber dabei vergaß er nie, daß er
Bischof war.
Seiner ganzen Art nach konnte es ihm kein Opfer kosten,
seinem Auftreten jenen asketischen Anstrich zu geben, in dem die
Zeit vor allem den Beweis der Frömmigkeit sah-. Aber es war
ohne Zweifel mehr als Form, wenn er Diesseitiges und Jenseitiges
vergleichend, dem Letzteren den Vorzug gab^. Tiefe und kalte
Naturen sind um so mehr geneigt, den bloß relativen Wert der
irdischen Dinge zu betonen, je mehr sie mit ihnen sich zu be-
schäftigen genötigt sind. Deshalb stand er dem Mönchtum nahe:
es bringt keinen Widerspruch in sein Bild, daß er, der Tätige,
lebhafte Sympathie für die strengste Form desselben, das Leben
der Einsiedler, fühltet Alle Bestrebungen, welche auf genaue
Beobachtung der Regel abzielten, hatten an ihm einen Förderer ^
Das Kloster St. Pantaleon und die Stifter St. Martin und St. An-
dreas in Köln verdankten ihm ihre Entstehung. Auch anderen
Klöstern erwies er sich als Wohltäter^. Seine Stiftungen stattete
er reichlich mit ReHquien aus '. Überhaupt lag es ihm am Herzen,
durch Greistliche zu ersetzen. Aber es fehlt in der Überlieferung jede Spur
davon, daß Otto dabei an eine allgemeine Maßregel dachte. Den Zeit-
genossen erschien sie als Ausnahmefall.
1 Vit. Brun. 37 S. 38: Hos (Heinrich von Trier und Wilhelm von
Mainz) cum ipso simul non solum in lectione, consilio et disputatione, sed
etiam in acie vidimus. ^ Ib. 30 S. 30.
^ Ruotger führt eine Bemerkung hierüber mit den Worten ein:
Quotiens audivimus eum etc. * Ib. 33 S. 33.
* S. hierüber im 6. Kapitel dieses Buchs.
8 In seinem Testamente bedenkt er außer den genannten folgende
Stifter und Klöster: St. Gereon, St. Severin, St. Kunibert, St. Ewaldi, St.
Maria auf dem Kapitol, St. Caecilia, St. Ursula, St. Cassius und Florentius
in Bonn, St. Victor in Xanten, das Kloster in Soest (c. 49 S. 50 S.).
' I. J. 954 erhielt Brun von Agapet II. die Reliquien d. h. Pantaleon
(vit. Br. 27 S. 28) ; später die des h. Elifius, die nach s. Martin kamen (c. 31
S. 81 u. 49 S. 52), sowie die des Patroclus, die in Soest niedergelegt wurden
— 46 —
den Schatz solcher Heiligtümer, den Köhi schon besaß, zu ver-
mehren: durch ihn erhielt der Dom den Stab und die Kette des
Apostels Petrus. Die Übertragung ward Anlaß zur Erneuerung
des Doms: er sei aus einer schönen die schönste Kirche geworden,
urteilt Ruotger^. Den Leichnam Evergisils, den man damals als
den dritten Bischof Kölns verehrte, brachte er nach dem alten Stift
St. CäciHa ^, das unter seinem Vorgänger prächtig wiederhergestellt
worden war ^. Mag man darin den Zoll erblicken, den auch dieser
Mann der einmal herrschenden Richtung der Frömmigkeit zahlte,
so war die Gesinnung, in der er handelte, doch nicht ohne Wert.
Ruotger wenigstens glaubte, seine Absicht sei gewesen, dadurch
den Ruhm des Herren auszubreiten, und er urteilte, die Sorgfalt,
mit der er auf Herstellung prächtiger ReUquiare u. dgl. bedacht
war, sei ein Beweis, daß er nicht das Seine suchte, sondern das,
was Jesu Christi ist*. Er bewies es mehr noch dadurch, daß er
mit Strenge darauf sah, daß der Klerus seiner Diözese seinen geist-
lichen Pflichten genügte: wie er selbst Untätigkeit nicht kamite, so •
duldete er sie nicht an seinen Geisthchen^.
Brun hat sich vor der Zeit aufgerieben. Auf der Rückkehr
aus Frankreich im Herbst 965 versagte seine Kraft: er mußte in
Rheims die Reise unterbrechen. Mit jener kühlen Klarheit des
Urteils, die ihm stets eigen war, wies er jede Täuschung über seinen
Zustand zurück. Als ihn Wicfrid von Verdun fragte, was ihm denn
fehle, antwortete er, er sei nicht krank, aber mit seiner Kraft sei
es zu Ende^. Seine Umgebung konnte sich nicht drein finden,
daß es so schlecht mit ihm stehe: er ließ sich nicht beirren, traf
seine letzten Verfügungen: zehn Tage nach seiner Erkrankung ist
er gestorben.
Wie viel seine persönliche Haltung und seine vielseitige Tätig-
keit dazu beitrugen, die Bedenken gegen die fürstliche Stellung der
Bischöfe zu stillen, sieht man aus Ruotger. Mit zweifelloser Zu-
versicht beruft er sich ihnen gegenüber auf die von niemand be-
strittene Tatsache, daß das Wirken Bruns segensreich gewesen sei:
ehrenvoll und nützlich für unser Staatswesen, war alles was er
getan hat'.
Nicht minder tief, aber nicht ganz gleichartig war der Ein-
(Transl. Patrocli Scr. IV S. 280 f.), endlich die des Privatus, Gregor, Christo-
phorus (vit. Br. 31 S. 31).
1 L. c. 2 jL_ c_. Transl. Everg. Scr. IV S. 279 f.
» NRli. ÜB. I S. 52 Nr. 93. * Vit. Brun. 31 S. 31.
5 Ib. 33 S. 32 f. « Ib. 43 S. 44. ' Ib. c. 23 S. 24 f.
— 47 —
druck, den Udalrich von Augsburg auf seine Zeitgenossen machte \
Wenn man die Schilderung, welche der Augsburger Kleriker Ger-
hard von seinem Leben und seiner Tätigkeit entwirft, liest, so ist
leicht zu bemerken, daß sie in erster Linie eine große kirchliche
Persönhchkeit in ihm sahen. In der Tat scheint der geistliche Ton
bei ihm um einen Grad stärker hervorgetreten zu sein als bei Brun.
Jedermann erbaute sich an dem Eifer, mit dem er seinen gottes-
diensthchen Pflichten genügte; man bewunderte die Liebe, mit der
er jede kirchliche Feier zu einem eindrucksvollen Akte zu gestalten
wuJßte^. Predigte er, so war er selbst von dem ergriffen, was er
sagte; mn so mehr wurden die Hörer dadurch bewegt^. An den
Wert, welchen die Frömmigkeit der Zeit auf Reliquien legte, haben
wir eben erinnert; wie Brun, so wußte auch er den ReHquienschatz
seiner Kirche reichhch zu vermehren*. Die Nähe ItaUens, dieser
unerschöpflichen Fundgrube von Heiligtümern, bot ihm die Mög-
lichkeit; er selbst ist dreimal als "Wallfahrer in Rom gewesen^. In
der Verwaltung seines oberhirthchen Amtes zeichnete er sich vor
vielen aus. Es lag ihm daran, in steter Fühlung mit seinem Klerus
imd mit seinen Gemeinden zu bleiben: den Einfluß auf jenen ver-
stärkte er durch jährliche Synoden^, die Einwirkung auf diese ver-
mittelten regelmäßige Visitationen; er wußte den Wert zu schätzen',
den das bischöfhche Sendgericht für die Erhaltung und Pflege der
volkstümHchen Sittlichkeit hatte. Daß er für die äußere Lage der
Kirche eifrig besorgt war, kam hinzu: er begann seine bischöfliche
Tätigkeit mit der Wiederherstellung des kurz vorher abgebrannten
1 Hauptquelle ist die vit. Oudalr. Scr. IV S. 384 ff. Ekkehard gibt in
den Gas. s. Galli einige Notizen : zum guten Teil sind sie bereits sagenhaft.
Außer der allgemeinen Literatur vgl. Koch, Geschichte u. Kult, des h. Ulrich
(Hall. Dissert. 1875). Er gibt die herkömmliche Anschauung wieder, die
mir indes nicht ganz richtig zu sein scheint.
2 Von Gerhard anschaulich geschildert c. 3 f. S. 389 ff. c. 20 S. 407.
^ Ib. c. 4 S. 391 : Ammonitionem . . ad omnes fecit, eousque saepe,
ut ille fleret fletuque suo multos flere fecisset.
* Ib. 14 S. 404.
6 Zum erstenmal i. J. 910, c. 1 S. 387, sodann vor 954, c. 14 S. 404,
endlich wahrscheinlich im Jahr 971, c. 21 S. 407. Möglicherweise ist auf
Grund von c. 18 S. 406 eine 4. Romreise anzunehmen.
« Ibid. S. 392. Ob die i. J. 1009 im Kloster Neresheim geschriebene
Synodalrede ihm angehört, wie der Entdecker der Handschrift Marcus Welser
vermutete, ist unsicher (Mign. 135 S. 1069 ff.). Sie ist übrigens nur eine
leichte Überarbeitung des commonitorium cuiusque episcopi, das im 96. Bd.
der Migne'schen Sammlung S. 1375 gedruckt ist.
' Ib. c. 6 S. 394.
— 48 —
Doms^; später ließ er die Johanniskirche auf dem Donihof er-
richten'^; besonders die Verwüstungen der Ungarn gaben ihm reich-
lich Anlaß zu kirchlichen Bauten: so wurde die von ihnen zerstörte
Afrakirche erneuert und zugleich erweitert^. Überhaupt förderte
er die Vermehrung der kirchhchen Gebäude in seiner Diözese*.
Der Eindruck, den seine kirchhche Haltung machte, konnte dadurch
nur verstärkt werden, daß er sich offenkundig als Freund der
Mönche gab. Er pflegte die Gemeinschaft mit den alten berühmten
Klöstern des Alpengebiets. An St. Gallen banden ihn Jugend-
erinnerungen : dort ist er erzogen und für den geisthchen Stand
gebildet worden'^; aber auch St. Maurice im Wallis und Reichenau
besuchte er^, und mit Eberhard, dem Erneuerer der Meinradszelle
und Gründer von Maria Einsiedeln, verband ihn enge Freundschaft'.
In Augsburg selbst gründete er das Stift St. Stephan^. Man be-
greift nach dem allen, daß die Zeitgenossen in ihm einen echten
Repräsentanten ihrer eigenen Frömmigkeit erbhckten: noch ehe die
Sage sein Bild verklärt hatte, als die Erinnerung an ihn noch
fi'isch und unverwischt war, wurde er unter die Heüigen der Christen-
heit aufgenommen ^ Und doch möchte man bezweifeln, ob er im
Grunde seines Wesens nicht weltlicher gewesen ist als Brun. Als
Zögling eines Klosters hielt er auch in späteren Jahren diesen und
jenen Zug der mönchischen Lebensordnung fest ^^ ; trotzdem war er
wenig berührt von dem weltflüchtigeu Sinn des Mönchtums. Ver-
geblich suchten die Brüder von St. Gallen ihn im Kloster festzu-
halten: die Aussicht auf ein Bistum lockte ihn mehr^\ Er trat
1 Ib. c. 1 S. 387 f.
^ Ib. 20 S. 407. Die Kirche, in modum crucis gebaut, lag an der
Südseite des Doms.
ä Ib. 13 S. 403. Die Kirche lag in secundo miliario vor der Stadt.
* Ib. 7 S. 395. 6 Ib. 1 S. 386; 14 S. 404-
0 Ib. 15 S. 404 f. ■> Ib. 14 S. 404; vit. Wolfk. 11 S. 530.
s Vit. Oudalr. 19 S. 406.
0 Diplom Johanns XV. v. 3. Febr. 993, J.W. 3848. Der. Papst verfügt,
sein Gedächtnis sei affectu piissimo, devotione fidelissima zu verehren.
'0 Vit. Oudalr. 3 f. S. 389 ff.
1^ Ib. 1 S. 386. Es ist seltsam, wie die vorgefaßte Meinung, daß jeder
mittelalterliche Heilige schlechthin asketisch gesinnt gewesen sei, das Ver-
ständnis der Berichte beherrscht. Vogel, P. RE. XVI S. 158, liest aus dem
angeführten Kapitel heraus, daß Udalrich, veranlaßt durch Wiborad, sich
in der Neigung zur Askese vor seinen Genossen auszeichnete. Aber Gerhard
berichtet nur, daß die Brüder ihn zum Eintritt in das Kloster aufforderten;
er erholt sich bei der Reclusa Rat; sie weissagt ihm, Abt werde er nicht
werden, aber Bischof; daraufhin ist es mit der Lust, in St. Gallen zu
— 49 —
deshalb in den Dienst Adalberos von Augsburg. Wenn ihm dieser
bedeutende Mann alsbald die bischöfliche Vermögensverwaltung
übertrugt so ist das ein Urteil über Geistesart und Richtung des
bisherigen Klosterschülers. Mehr noch charakterisiert ihn, daß er
nach Adalberos Tod seine Stellung in Augsburg aufgab. Der neue
Bischof Hiltin war ihm nicht vornehm genug, als daß er ihm hätte
dienen mögen ^. Er widmete sich nun vierzehn Jahre lang ganz
der Administration des großen Grundbesitzes seiner Famihe. So
führte er das Leben eines Laien, bis er durch den Einfluß des
Herzogs Burkhart mid -anderer Verwandten im Jahre 923 das
Augsburger Bistum erhielt^. Wie ein Fürst hielt er seitdem in
seiner Vaterstadt Hof: man gewinnt aus den Schilderungen Ger-
hards den Eindruck, daß er sich wohl fühlte in der Pracht und
dem Glanz, wovon er umgeben war. Wie hätte es anders sein
sollen bei dem Talente, Feste zu feiern, das ihm eignete? Er war
eine Irische, lebhaft empfindende Natur: es ist eine Kleinigkeit, aber
sie charakterisiert ihn doch, daß er der erste Mensch ist, von dem
wir wissen, daß er den Rheinfall bewunderte *. Nicht nur Kleriker
und Mönche gingen in seinem Hause aus und ein, sondern auch
die Vasallen des Königs: wie er stets eine offene Hand hatte für
die Armen, so fi:'eute er sich, die Ritter fürstKch zu beschenken".
Auch auf seinen Visitationsreisen war er nicht nur von einem geist-
lichen Gefolge lungeben, sondern es geleitete ihn nicht minder ein
weltliches^. Seine Freundschaft mit den Abten von Konstanz und
EinsiedeLn hinderte ihn nicht, die Klöster der eigenen Diözese in
strikter Unterordnung zu halten : Kempten Heß ersieh, Ottenbeuren
seinem Neffen von Otto I. übertragen '; Feuchtwangen, Staffelsee,
bleiben, gänzlich vorbei. Asketisch gedacht ist das nicht, sondern ganz
weltlich. Übrigens ist, wie Meyer von Knonau erinnert hat (zu Ekkeh. Gas.
8. Gall. 57 S. 213), der gesamte Verkehr Ulrichs mit Wiborad ein Gebilde
der Sage : Ulrich verließ einige Zeit vor d. 28. Apr. 909 (Tod Adalberos v.
Augsburg) das Kloster u. Wiborad kam einige Jahre nachher dorthin. Auch
Koch ist das entgangen: er wiederholt Ekkehards Anekdoten, als wären sie
Geschichte S. 19 f. Schröder, Eist. JB. XXII, 1901, S. 276 sucht sie zu retten,
indem er sie erst in d. J. 919 — 922 verlegt. Aber er verstößt damit gegen den
Bericht Gerhards. Auch Ekkehards Notiz übei* U.'s ungewöhnlich langen
Aufenthalt in der Kloster schule c. 59 ist hinfällig.
1 Tita. Oudalr. 1 S. 387; über Adalb. s. Bd. II S. 661.
■^ Vita Oudalr. 1 S. 887 : Non tantae fuit celsitudinis.
3 S. o. S. 20. * Vit. Chuonr. 8 Scr. IV S. 433.
- 5 Vit. Oudalr. 3 S. 390. « Ib. 5 S. 393.
' Dipl. I S. 364 Nr. 255; vit. Oudalr. 25 S. 409.
Hauck, Kirchengeschiclite. III. 4
— 50 —
Füssen, Wiesensteig, Häbach verwaltete er, als wären sie Bestand-
teile des bischöflichen Kirchenguts ^. Seine Baulust bewies er nicht
an den Kirchen allein, auch an den Festungswerken: die niedrigen
Wälle und die morschen Palhsaden, die Augsburg ungenügenden
Schutz gewährten, ersetzte er durch eine Steinmauer^. Zwar ließ
er seinen Neffen Adalbero zum Führer des bischöflichen Aufgebots
ernennen'^; aber deshalb entzog er sich selbst dem Dienst des
Königs nicht. Denn er war nicht der Mann, der das politische
und das kriegerische Treiben scheute. Keine festere Stütze hatte
die königliche Partei in Schwaben und Baiern als ihn: er bewies
es bei dem Aufstande Liudolfs. Statt der Gefahr aus dem Wege
zu gehen, suchte er sie auf: wie wenn es ihn gefreut hätte, den
gemächlichen Wagen mit dem schnellen Roß vertauschen zu können,
zog er mit einer Reiterschar durch das empörte Baiem dem König
zu. Nach dem Rückzug des Königs konnte er Augsburg nicht
halten; aber er dachte nicht daran, seinen Frieden mit den Em-
pörern zumachen: in dem rasch befestigten Schwabmünchen be-
hauptete er sich gegen den Pfalzgrafen AmoK, bis sein Bruder
Dietbald und der Graf Adalbert von Marchthal zum Entsätze
herbeieilten "*. Welche Verdienste er sich um Deutschland durch die
tapfere Verteidigung Augsburgs gegen den Ansturm der Ungarn
erwarb, blieb stets in aller Gedächtnis. Es ist ein typisch mittel-
alterUches Bild, welches Gerhard entwirft: der Bischof in den
priesterlichen Gewändern mitten unter den Scharen der Verteidiger
hoch zu Roß, rings umschwirrt von Pfeilen und geschleuderten
Steinen; nachdem der Angriff abgeschlagen ist, nimmt er die
Stellen der Mauer, in die es gelungen, Bresche zu legen, selbst in
Augenschein und trifft Anordnung, daß während der Nacht der
Schaden wieder hergestellt wird: am anderen Morgen teilt er vor
dem Beginn des Entscheidungskampfs mit eigener Hand den
E[riegern das heihge Abendmahl aus ^. Man kann die Vereinigung
zweier einander entgegengesetzter Ämter in einer Hand nicht an-
schaulicher zeichnen.
Aber diese Vereinigung hatte ihre Bedenken. Zwar hatte
der Augsburger Kleriker, der Udalrichs Leben beschrieb, ähnhche
1 Vit. Oudalr. 5 S. 393. Ellwangen befand sich im Besitze des Bischofs
Hartperl von Chur, Dipl. I S. 319 Nr. 233. Andere Klöster waren von den
Ungarn zerstört. Es gab demnach, so viel sieh urteilen läßt, kein einziges
freies Kloster in der ganzen Diözese. Wiesensteig lag übrigens im Bistum
Konstanz.
2 Vit. Oudalr. 3 S. 390, vgl. 12 S. 401. ' Ib. 3 S. 389.
* Ib. 10 S. 398 ff. 5 15. 12 s. 400 ff.
— 51 —
Einwendungea gegen die politische Tätigkeit der Bischöfe nicht zu
widerlegen, wie sie Euotger beunruhigten. Aber ohne daß er es
wollte, hebt seine Schrift die Schattenseiten viel schärfer hervor.
tJdalrich verdankte seine Stellung vor allem dem Umstand, daß
sein Neffe Herzog war, und daß König Heinrich mit den An-
sprüchen der Herzog rechnen mußte. Übte er einen bedeutenden
politischen Einfluß, so war ihm das möglich, weil ihm die Macht
seiner Familie einen sicheren Rückhalt bot. Untrennbar waren
seine bischöflichen und seine Familieninteressen verknüpft. Es ist
verständlich, daß Udalrich diese Yerbindupg erhalten wissen wollte.
Er meinte es dadurch zu erreichen, daß er seinem Neffen Adalbero
die Nachfolge sicherte. Dieser war ein tüchtiger Mann: unter-
richtet, beredt, in den weltUchen Geschäften bewandert, dazu wohl-
wollenden und freundlichen Sinnes: er schien wie dazu geschaffen,
in seines Oheims Stellung einzutreten. Udalrich ließ ihn von dem
Kaiser zu seinem Nachfolger ernennen. Daß das den kirchlichen
Gesetzen zuwiderlief, beachtete er nicht: nachdem er die Zusage
Ottos hatte, ließ er die Vasallen und Hörigen des Bistums ihm
den Treueid leisten; in allen Stücken trat Adalbero als der recht-
mäßige Nachfolger seines Oheims auf: ohne ordiniert zu sein, führte
er bereits den Bischofsstab.
Man kann sich doch nicht wundern, daß dies Verfahren Wider-
spruch hervorrief. Er regte sich nicht nur bei dem Augsburger
Klerus, sondern vor allem bei dem Episkopat. Man hielt die Sache
für wichtig genug, um auf der Ingelheimer Synode im Herbst 962
darüber zu verhandeln und zu beschließen. Die Verehrung, die
man gegen die Person des greisen Bischofs hegte, hinderte nicht,
daß man das, was geschehen war, mißbilligte. Adalbero mußte
sich entschheßen, den Bischofsstab zurückzugeben: man hätte ihn
sonst wegen Häresie verurteilt^.
Der Vorgang zeigt, in welcher Gefahr sich die kirchlichen
1 Ib. 21—24 S. 407 ff. Hefeies kurze Darstellung des Vorgangs (CG. 17'
S. 631f.) läßt einen Punkt außer acht, der für die Beurteilung, wie mich
dünkt, nicht ganz unwichtig ist. Es war ursprünglich Udalricha Absicht
nicht, auf das Bistum zu verzichten und sich in ein Kloster zurückzuziehen.
Das zeigen die Worte: Ut sibi maioris ocii ad studiura . . aecclesiastici
regiminis . . facultas concederetur, c. 21 S. 407. Den Entschluß*, zu resig-
nieren, faßte er erst, als sich Widerspruch gegen sein Vorhaben erhob : er
wollte diesen dadurch beseitigen. So viel lag ihm daran, daß das Bistum
der Familie erhalten bleibe. Es ist klar, daß der Gedanke, den Best seines
Lebens in einem Kloster zu verbringen, nicht aus asketischen Neigungen
entsprang.
4*
Rechte und Interessen befanden. Nachdem die Bistümer poHtische
Gewalten geworden waren, kamen bei ihrer Besetzung Faktoren in
Frage, welche weitab vom kirchlichen Gebiete lagen.
Aber aufhalten ließ sich die Entwickelung, in der die Dinge
begriffen waren, nicht. Hier wirkten die Lebensinteressen des Reichs
mit unwiderstehHcher Gewalt. Nachdem das Herzogtum bestand,
war das Königtum genötigt, ein Gegengewicht zu schaffen: dazu
wurde die geistliche Aristokratie benützt, mit ihrem Willen und
wider ihren Willen. Otto duldete nicht, daß ein Bischof sich darauf
zurückzog, nur Bischof zu sein: er forderte, daß er ein ihm ergebener
Fürst sei. Wie er jederzeit dem König zu persönlichem Dienst
gewärtig sein mußte, so mußte er mit dem Gut des Bistums dem
Reiche und dessen politischen Interessen dienen. Die kirchlichen
Pflichten, die er hatte, entbanden ihn davon nicht. .Adaldag von
Hamburg hat fünf Jahre lang seine Gemeinde nicht gesehen: er.
tat es, sagt Adam, nicht mit Willen, sondern weil es unmöghch
war, daß die Könige ihn von ihrer Seite entließen-^.
Man wird es nicht für zufällig halten können, daß unter Ottos
Regierung für die Übertragung des Bistums eine neue Rechtsform
in Übung kam, durch welche die Bedeutung, welche die königliche
Ernennung hatte, hervorgehoben wurdet Im fränkischen Reich
hatten sich die Fürsten fast ausnahmslos begnügt, nach der Er-
nennung ein Präzept zu erlassen, durch welches sie die Konsekration
anordneten ^ : sie hielten auf die Sache, ohne Wert darauf zu legen,
daß die Form ihr nicht entsprach. Erst im neunten Jahrhundert
begegnet die Nachricht, daß der König dem zum Bischof Erwählten
den bischöflichen Stab übergab, um dadurch die Übertragung des
Bistums an ihn zu vollziehen*. Das war eine Neuerung; denn her-
1 Gest. Harn. e. pont. II, 9 S. 47 f.
- Vgl. zum folgenden Hinschius, KR. II S. 535 ff. Waitz, VG. III
S. 279 ff.
3 S. die Formeln bei Marculf I, 5 ff'. S. 45 ff.; suppl. 6 S. 109; form.
Marc. aev. Karol. 13 f. S. 119; coli. Sangall. 1 S. 896; 26 S. 411.
* Die ersten Erwähnungen der Übergabe des Stabs durch den König
findet man in der vita Eimberti 11 S. 90; wo von Rimbert (865—888) be-
richtet wird: Susceptus ab eo (Ludwig d. D.) honorifice cum pontificalis
baculi iuxta morem commendatione episcopatus est sortitus dominium;
ferner in den Gest. ep. Autis. 41, Scr. XIII S. 400, wo von Bischof Herifrid
(887—909) erzählt wird: Rex Herifredo . . pastoralem confert baculum atque
ad Senonensem urbem dirigit ordinandum, endlich bei Adam 1, 37 S. 27,
der die Nachricht der Biographie Rimberts wiederholt; dasselbe erzählt er
von Adalgar und Hoger, 1,48 S. 33 u. I, 53 S. 36; dem ersteren habe Arnulf,
dem letzteren Ludwig IV. die ferula pastoralis übergeben. Von diesen
— 53 —
kömmlicherweise gehörte die Übertragung des Stabes zu den Hand-
lungen, welche der Metropolit bei der Konsekration vollzog: sie
symbolisierte die Übertragung des Hirtenamtes \ Diese Neuerung
wurde während der Regierung Ottos allgemein üblich^: offenbar
legte der König "Wert darauf, daß sie nicht unterblieb. Seitdem war
die Übergabe des Stabs nicht mehr ein Bestandteil der Konsekration,
sondern sie bildete das Gegenstück zu ihr: wie bei dieser der
Bischof, so handelte bei jener der König.
Die verschiedenen Handlungen, aus denen die Bestellung eines
Bischofs sich zusammensetzte, folgten nun in der Weise aufeinander,
daß alsbald nach dem Tode des bisherigen Bischofs sein Stab durch
Abgesandte des Domklerus und der weltüchen Großen an den Hof
gebracht wurde. War bereits die Wahl erfolgt, so überbrachte die
Gesandtschaft zugleich das Wahldekret ^. Am Hofe fanden dann
die entscheidenden Verhandlungen über den Nachfolger statt. War
ein Einverständnis erzielt, so übertrug der König dem Gewählten
das Bistum, indem er ihm den Stab überreichte. Wir kennen die
Formel nicht, die dabei gesprochen "wnirde ; man kann nur vermuten,
daß, wie im elften Jahrhundert, so jetzt schon der König die
Worte gebrauchte: Accipe ecclesiam*. Hierauf folgte, sei es am
Nachrichten sind die der Bischofsgeschichte von Auxerre und die Adams
wertlos; denn der Verfasser des betreffenden Teiles der ersteren war ein
Schriftsteller des 10. Jahrhunderts, Adam schrieb erst im elften; beide sind
also zu jung, um als Zeugen für einen Gebrauch des 9. Jahrhunderts gelten
zu können. Um so gewichtiger ist das Zeugnis des Biographen Rimberts.
Denn er war Zeitgenosse; nach c. 12 S. 92 schrieb er vor d. J. 909. Seine
Erzählung beweist, daß um d. J. 900 in Deutschland die Übergabe des
Stabes vorkam. Ob schon unter Ludwig d. D., muß jedoch dahingestellt
bleiben; denn es ist möglich, daß der Schriftsteller einen ihm bekannten
Gebrauch etliche Jahre zurückgetragen hat.
^ In Frankreich erhielt unter Karl d. K. der Bischof more Gallicarum
ecclesiarum den Stab von dem Erzbischof, ep. 5 Bouq. VII S. 558f. Ein
Traktat de exordio vel interpretatione ac officio episcop., Mansi XVIII
S. 910, bemerkt demgemäß : His etiam, dum consecrentur, dentur baculi.
Als Bedeutung gibt er an: Ut subditam plebem vel regant vel corrigant
vel infirmitates infirmorum sustineant. Dagegen kennt der Ordo qualiter
in s. Romana ecclesia episcopatus ordinetur, ib. S. 911 f., die Übergabe des
Stabes nicht; vgl. jedoch Bruno, vit. Adalb. 15 S. 602. Es versteht sich von
selbst, daß in Deutschland ursprünglich die fränkische Übung herrschte.
- Als üblich ist sie vorausgesetzt in Erzählungen wie Thietm. chron.
11,21 S. 31; 24 S. 34; vit. Oudalr. 28 S. 415.
• " Daß die Wahl nicht notwendig vorhergehen mußte, ergibt sich aus
dem oben S. 30 Gesagten.
* Die Formel: Accipe ecclesiam, erwähnt Peter Damiani, ep. 1, 13
— 54 —
Hofe oder in der Bischofsstadt, die Konsekration; den Schluß bil-
dete die Inthronisation: ihr mag die Akklamation des Volks in der
Regel vorangegangen sein\
Es ist unverkennbar, daß in einer Hinsicht die neue Form der
Sache wohl entsprach: wie der König das Amt gab, so erschien
er auch als der Geber; die Worte Accipe ecclesiam, von ihm ge-
sprochen, drückten wirklich das aus, was geschah: er übergab dem
Bischof die Kirche, die er von nun an leiten sollte. In anderer
Hinsicht waren Form und Sache inkongruent: durch die Form, die
man wählte, wurde die Übertragung des bischöflichen Amts in
Parallele gestellt zur Erteilung eines Lehns. Das war ursprünglich
schwerHch beabsichtigt; denn das bischöfliche Amt war kein Gut,
das zu Lehn gegeben werden konnte. Aber es war die Folge.
Der Beweis liegt in dem Namen Investitur, der im nächsten Jahr-
hundert für die Übergabe des Stabes gebräuchhch wurde ^. Auch .
der Eid, den der Bischof längst dem König zu schwören hatte ^,
und den er nun, wie es scheint, unmittelbar nach Empfang des
Stabes ablegte*, mußte dann als .Lehnseid erscheinen, was er
I
Migne 144 S. 221. Daß Otto eine ähnliclie Formel gebrauchte, ist an sich
wahrscheinlich und wird durch die Worte bestätigt, die er bei der In-
vestitur Hildiwards sprach: Accipe pretium patris, Thietm. II, 21; vgl. auch
die Frage, die an Thietmar im Traum gerichtet wird: Vis aecclesiam sus-
cipere Merseburhgiensem? VI, 39 S. 257, u. die Frage Ottos II. an den Abt
Werner von Fulda: Si episcopatum accipere vellet, Vit. Oudalr. 28 S. 415.
1 In der eben angef. Stelle Vit. Oudalr. 28 S. 415 folgt die Bekannt-
machung und Akklamation unmittelbar auf die im Kapitel vollzogene Wahl.
Ihre Bedeutung liegt in der Formel: Ab omnibus confirmatur.
2 S. flinschius S. 536 Anm. 6. Ich erinnere jedoch, daß der Ausdruck
investire schon in der c. 1004 verfaßten vit. Adalb. vorkommt, c. 9 S. 598.
ä Wenn Karl d. Gr. i. J. 802 verfügte: Ut omnis homo in toto regno
suo sive ecclesiasticus sive laicus, unusquisque secundum votum et propo-
situm suum, qui antea fidelitate sibi regis nomine promississent, nunc ip-
sum promissum nominis caesaris faciat, Capit. 33, 2 S. 92, so ist dabei die
Ablegung des Eides vorausgesetzt . . Direkt erwähnt wird er in dem
Schreiben der Synode von Savonieres an Wenilo von Sens v. 859, Mansi XV
S. 530: Imputant (rex), quod cum iureiurando fidei a vobis accepto Senonum
praesulatum vobis largitus sit, etc. Die letztere Stelle widerspricht der An-
sicht von Hinschius, KR. II S. 529 Anm. 2, daß die Bischöfe in der Karo-
lingerzeit nur die allgemeinen Eide zu schwören hatten, wovon allerdings
die erste Stelle verstanden werden kann. Für die spätere Zeit s. die von
Waitz, VG. VI S. 389 Anm. 5, gesammelten Stellen.
* Nach Stellen wie vita Oudalr. 1 S. 387; Thietm. II, 21 S. 31 u. ö.ging
das homagium, die Übergabe in Schutz und Pflicht, dem Empfang des Stabes
voraus; nach Thietm. VII, 7 S. 173 folgte die Eidesleistung ihr nach.
— 55 —
doch ursprünglich keineswegs war. Man hat ihn ohne Zweifel so
betrachtet.
Noch in anderer Hinsicht klebte dem Vorgang eine Unklarheit
an. Das bischöfliche Amt war ein Komplex sehr verschiedener
Dinge: mit der Befugnis, gewisse kirchliche Handlungen ausschheß-
lich zu vollziehen, verband es die geisthche Jurisdiktion, und zu ihr
traten ausgedehnte weltliche Pflichten imd Rechte hinzu. Daß das
ßecht, zu ordinieren und zu konfirmieren, durch die Konsekration
übertragen wurde, wußte jedermann. Was aber gab der König,
wenn er dem Erwählten den Stab reichte? Gewährte er nur die
weltlichen Rechte, oder zugleich auch die kirchlichen? Man hat
im zehnten Jahrhundert schwerlich über diese Frage reflektiert.
Man war an die Vorstellung gewöhnt, daß der König die bischöf-
liche Würde verlieh und damit alle Rechte und Güter des Bistums
übertrug \ und man imterschied deshalb nicht zwischen dem geist-
lichen Amt und den damit verbundenen weltlichen Gütern^. Daß
^ Diese Vorstellung ist iu den fränkischen Formeln ausgesprochen,
Marc. I, 5 S. 45 : Decernimus . . illo in ipso urbae pontificalem in Dei nomine
committere dignitatem, oder Coli. Sang. 26 S. 411: Rex . . cuidam clerico
suo eandem sedem tradere deerevit. Dem entsprechend bitten die Wähler:
ut instituere dignetis inlustrem virum illum, ib. I, 7 S. 47. Der Gewählte
ist vor den König zu führen, ut per nos archiepiscopo commendatus officii
sui auctoritatem per nostram obtineat potestatem, Coli. Sangall. 1 S. 396.
Otto sagt von der Übertragung Magdeburgs an Adalbert allgemeiner: Archi-
episcopum iieri decrevimus pariter et elegimus, Dipl. I S. 503 Nr. 366. Da-
gegen beherrscht jene Vorstellung den Sprachgebrauch seiner und der
nächsten Zeit; man sprach von episcopatum dare, tradere u. dgl., s. die von
Hinschius S. 536 Anm. 2 gesammelten Stellen.
2 Ficker hat in seiner berühmten Abhandlung Über das Eigentum des
Reichs am Reichskirchengut (Wiener SB. 1872 Bd. 72 S. 108) den Satz -auf-
gestellt, daß als nächster Gegenstand der Investitur die auf dem Grund des
Reichs erbaute und damit im Eigentum des Reichs stehende bischöfliche
Hauptkirche zu betrachten sei, deren Pertinenz dann das gesamte Gut des
Bistums ist. Wenn man die bei den älteren Schriftstellern sich findenden
Wendungen berücksichtigt, so wird man diesem Satz für die frühere Zeit
nicht zustimmen können. Der Biograph Rimberts sagt: Cum pontificalis
baculi commendatione episcopatus est sortitus dominium; Thietmar (II, 21)
Curam ei baculo committens pastoralem ; ebensoll, 24; VI, 40; V, 41 S. 130
Rex baculo . . clerum et populum Taginoni . . cum redditura summo iudic
ratione commisit; VI, 1 S. 134: Dedit episcopatum . . cum baculo Taginonis.
Gerhard c. 1 S. 387: Munere pontificatus honoravit, und c. 28 S. 415: Ut
pontificium ei concederetur. Man sieht, daß nach der Anschauung dieser
Männer nicht die Kirche, sondern das Amt übertragen wurde. Daß diese
— 56 —
in der Übertragung eines geistlichen Amtes durch den König etwas
ÜnnatürUches lag, empfand man nicht. Im elften Jahrhundert hat
man es sehr lebhaft empfunden.
Zunächst wurde durch die Investitur — wenn wir diesen
Namen schon gebrauchen dürfen — dem vorhandenen Rechtsgefiihl
genügt: es sollte ausgesprochen werden, daß der Bischof dem König
verpflichtet war. Stand dies fest, dann konnten alle Bedenken
gegen die Vermehrung der bischöfhchen Güter, Rechte und Befug-
nisse schwinden. Denn das Reichsgut wurde nicht entfremdet,
indem es Kirchengut wurde; es wurde nutzbar gemacht; das ge-
samte Kirchengut erschien, was es doch seinem Ursprünge nach
nicht war, als Reichsgut-'. Indem die Ernennung der Bischöfe in
der Hand des Königs lag, war er imstande dafür zu sorgen, daß
die bischöfliche Macht im Dienst des Reichs und der Krone ver-
wendet wurde. Die Schwierigkeit, welche die Erblichkeit der Lehen
bei den weltlichen Territorien bildete, fiel bei den geistlichen von
selbst weg. Es ist deshalb begreiflich, daß nicht nur jeder Wider-
spruch gegen das Anwachsen des Kirchenguts aufhörte, sondern
daß Otto grundsätzlich die weltliche Macht der Bischöfe förderte.
Hier ging er einen anderen Weg als Karl d. Gr.; aber es war
doch nur ein anderer Weg zum gleichen Ziel: der Zweck war
Stärkung der Königsmacht. Die Bischöfe aber wurden je länger
je entschiedener Territorialherren; es war die notwendige Konse-
quenz davon, daß ihre Unterordnung unter die Herzoge, die welt-
lichen Territorialhen-en, verhindert worden war.
Wir vergegenwärtigen uns die Entwickelung. Wie erinnerlich,
wai'en die Versuche, die einstmals Karl d. Gr. gemacht hatte ^, um
die Vermehrung des Kirchenguts zu hemmen, erfolglos gebheben.
Unter Ludwig d. Fr. erreichte die Verschiebung des nationalen
Besitzes zugunsten der Kirche ihren Höhepunkt. Aber um die
Mitte des neunten Jahrhunderts begann ein Umschwung: die
Schenkungen an die Kirche wurden seltener, im Anfang des
Vorstellung direkt aus der fränkischen Rechtsauffassung stammt, ist ebenso
klar, wie, daß sie zu der Vorstellung, der Gewählte werde mit dem Bistum
belehnt, nicht paßt. Die cura pastoralis konnte nicht als Lehn vergeben
werden. Aber wie Thietmar zeigt, hat man diesen Zwiespalt der Vorstel-
lungen nicht sofort empfunden.
^ Das in bezug auf die weltliche Macht der Bischöfe Gesagte gilt
nicht minder von den Äbten der königlichen Abteien. Nur lagen die Ver-
hältnisse hier einfacher, da diese Abteien von Hause aus im Eigentum des
Königs standen; nobis pertinent, sagt Heinrich IL Dipl. HI S. 54 Nr. 65,
vgl. Waitz, VG. Vn S. 189 f. ^ g. Bd. U S. 2U ff.
— 57 —
zehnten Jahrhunderts hatten sie fast aufgehört^. Nur die Füi'sten
fuhren fort, Königsgut an kirchhche Stiftungen zu übertragen, die
Freigebigkeit der Privaten dagegen schien erlahmt. Wenn Grund-
besitzer das Ihre an Kirchen abtraten, so verkauften oder ver-
tauschten sie es^. Die letztere Tatsache weist auf einen Grund
dieser Veränderung hin: die kirchlichen Stiftungen waren so wohl-
habend, daß sie der Geschenke nicht mehr bedurften. Ein zweiter
Grund wird gewesen sein, daß der ökonomisch schwächste Teil
der freien Bevölkerung bereits absorbiert war. Der Rest war noch
widerstandsfähig. Endlich mag auch die Vermehrung der Be-
völkerung mitgewirkt haben: es gab weniger überschüssiges Land
als vordem^.
Wenn demnach der Umfang des kirchlichen Besitzes eine
Zeitlang nur in geringem Maße wuchs, so suchten die Bischöfe ihn
durch Kauf und Tausch abzurunden. Man ersieht dies nicht nur
aus den erhaltenen Tauschverträgen, sondern mehr noch daraus,
daß man bemüht war, den Abschluß solcher Verträge zu erleichtern.
^ Ludwig d. Fr. selbst war gegen kirchliche Stiftungen weit freigebiger
als sein Vater; doch nicht freigebiger als Ludwig d. D. Aus den 27 Jahren
seiner Regierung sind 24 Schenkungsurkunden an deutsche Bistümer und
Klöster erhalten, aus den 47 Regierungsjahren seines Sohnes 49: das Ver-
hältnis ist also beinahe gleich. Ebenso bleibt es unter Karl d. D.: 15
Schenkungen in 12 Jahren an deutsche Stifter und Klöster; unter Arnulf
u. Ludwig IV. steigt die Zahl der Schenkungsurkunden; aus der zwölf-
jährigen Regierung des ersteren sind 87, aus der gleich langen des letzteren
24 erhalten. Doch fällt diese Zunahme wenig ins Gewicht. Der Unterschied
liegt in der Abnahme der Freigebigkeit der Privaten. Man kann sie an
den Freisinger Traditionen wahrnehmen: die Urkunden zeigen unter
B. Hitto (811—835) 258 Schenkungen = 10,7 im Jahr
Erchambert (835—854) '103 , = 5,4 , ,
Anno (854—875) 43 \ = 2 , ,
Arnold (875—883) — , = 0 , ,
Waldo (884—906) 7 , = 0,3 , ,
unter Ute (906—907), Dracholf (908—926), Wolfram (926—938), Lantpert
(938—957) hören sie völlig auf; unter Abraham (957—994) kommen wieder
3 vor. Unter 102 Urkunden Odalberts von Salzburg sind nur 2 auf Grund-
besitz bez. Schenkungen, Salzb. ÜB. I S. 128 Nr. 67 u. S. 132 Nr. 72. Was
in bezug auf diese Bistümer gilt, dasselbe kann man auch bei den Klöstern
bemerken, s. Waitz, VG. VII S. 184 Anm. 1.
2 Auch hier zeigen die Freisinger Urkunden den Unterschied: Anno
schließt mehr als 100 Tausch vertrage, Arnold 43, Waldo 78, Dracholf 8,
Wolfram 38, Lantpert 59, Abraham 21.
ä Die Vermessung des Grundes und Bodens (Collect. Sangall. form. 10
S. 403) beweist, daß überschüssiges Land im 9. Jahrh. zu mangeln begann.
— 58 —
Von alters her war die Genehmigung des Königs zu ihnen er-
forderlich. Seit der Mitte des neunten Jahrhunderts entledigten
sich einzelne Bistümer dieser Fessel: zuerst erhielt im Jahre 851
Salzburg das Recht, Kirchengut zu vertauschen, ohne die Erlaub-
nis des Königs eingeholt zu haben; schon im nächsten Jahre er-
warb Passau das gleiche Privilegium^. Zwar wurde es nicht all-
gemein: die Könige haben in den nächsten Jahrzehnten für zahl-
reiche Bistümer Tauschverträge gestattet und bestätigt ^, doch wurden
solche auch ohne königliche Bestätigung abgeschlossen^. Jedenfalls
waren sie verhältnismäßig häufig. Alle diese Verträge aber waren
für die Kirche nützlich: sie erleichterten die Verwaltung und er-
höhten dadurch den Wert des Besitzes*. Seit Ottos Eegienmgs-
antritt dehnte sich auch sein Umfang von neuem aus; denn frei-
gebiger als alle seine Vorgänger vergab er Grundbesitz an die
kirchlichen Listitute^.
^ B.M. 1358 f. Von den Klöstern erwarb Korvey 882 das Tauschrecht,
B.M. 1599.
2 Aus den Urkunden ergibt sich, daß von den deutschen Bistümern
Würzburg (a. 857 B.M. 1381), Speier (a. 868 ib. 1428), Regensburg (a. 874
ib. 1457, a. 883 ib. 1610, a. 895 ib. 1857, a. 898 ib. 1887, a. 905 ib. 1995),
Eichstätt (a. 899 ib. 1902), Konstanz (a. 897 ib. 1877), Lüttich (a. 906 ib.
1984), Mainz (a. 878 ib. 1516, a. 909 ib. 2004), Hamburg (a. 935 Dipl. I-
S. 73), Chur (a. 961 ib. 309, a. 966 ib. 440), Magdeburg (a. 973 ib. II S. 75,
a. 978 ib. 202), Paderborn (a. 974 ib. S. 91) das Tauschrecht nicht hatten.
Es war also eine Ausnahme.
3 S. Meichelbeck, Eist. Frising. I, 2 S. 463 Nr. 1089.
* Vgl. als Beispiel den Tausch Liutberts von Mainz mit Bemo von
Chalons s. M., durch welchen sich Liutbert gegen den Hof Germinon im
Gau von Chalons Höfe im Wormsgau u. Thüringen ertauschte (B.M. 1516).
^ Die Schenkungen Konrads stehen an Zahl denen der letzten Karo-
linger ungefähr gleich; es sind 13 Urkunden auf uns gekommen, beteiligt
sind 6 Klöster, Ansbach, St. Gallen, Fulda, Lorsch, Weilburg, St. Emmeram,
und die Bistümer Freiteing und Konstanz. Von Heinrich 1. sind nur 5
Schenkungsurkunden fürkirchl. Institute erhalten; von den Bistümern ist nur
Toul beteiligt, s. o. S. 17. Dagegen beziehen sich von den 435 Urk. Ottos I.
122 auf Schenkungen von Grund und Boden an kirchliche Institute Deutsch-
lands. Von ihnen fällt etwas mehr als ein Drittel auf Magdeburg, nämlich
42; außerdem sind bedacht 39 Klöster und Stifter und 10 Bistümer: die
reich dotierten neuen Bistümer Brandenburg und Havelberg Nr. 56 u. 105,
die mit großem Grundbesitz bedachten Erzbistümer Hamburg Nr. 13 und
Salzburg Nr. 32, 171, 389, und Bistümer Chur Nr. 175, 191, 209, 419, Osna-
brück Nr. 302, und Utrecht Nr. 58, 164, während es sich bei Worms Nr. 10,
51 u. 178, Speier Nr. 23 und Cambrai Nr. 195 um kleinere Stücke handelt.
Was die Verleihung von nutzbaren Rechten anlangt, so kommen 43 Urkunden
— 59 —
Mit dem Grundbesitz waren von lange her mancherlei Rechte
und Befugnisse, besonders die Vertretung der Hintersassen, ver-
bunden. Für die fürstliche Stellung, zu der sich die Bischöfe
emporschwangen, waren sie von der größten Wichtigkeit. Denn sie
bewirkten, daß nach und nach die Tätigkeit der könighchen Beamten
iünerhalb des kirchlichen Besitzes durch die der bischöfhchen
Beamten ersetzt wurde. Dadurch wurde der Grundbesitz zur Herr-
schaft, der Grundherr zum Fürsten.
Schon in der fränkischen Zeit war es üblich, daß der König dem
kirchlichen Besitztum die Immunität verlieh \ Dadurch wurde den
königlichen Beamten verwehrt, das immune Gebiet zur Vornahme
von Amtshandlungen zu betreten; auch fielen die dem Fiskus zu-
kommenden Friedensgelder dem Immunitätsherren zu. Die Immu-
nität enthielt also einerseits eine finanzielle Begünstigung, anderer-
seits bot sie Schutz vor Belästigungen durch die Beamten. Daß
jedermann vor dem Grafen Hecht zu nehmen hatte, wurde durch sie
zunächst nicht geändert ^. Denn der Immunitätsherr war verpflichtet,
durch seinen Vogt die Kirchenleute dem Grafengericht zu stellen.
Ebensowenig waren sie dem königlichen Dienst entzogen; nur
wurden sie zu Heerbann, Wachtdienst, Brückenbau und anderen
öffentlichen Leistungen nicht vom Grafen, sondern vom Kirchen-
vogt entboten, Für das immune Gebiet bildete sonach der Immu-
nitätsherr eine Zwischeninstanz zwischen dem Staat und dessen
Beamten einerseits und den von ihm abhängigen Leuten anderer-
seits. Dabei blieb es nicht: im Laufe des neunten Jahrhunderts
ging auch die Handhabung des Gerichts an die grundherrhchen
Beamten über. Eine gewisse Gerichtsgewalt über die Hintersassen
hatte der Grundherr längst^; jetzt findet man Privilegien, durch
die zugesagt wurde, es hätten die Angehörigen des immunen Ge-
biets vor niemand Recht zu nehmen als vor dem Vogte des Bischofs
oder Abts*. Man mag bezweifeln, ob dabei an alle Rechtsfälle
in Betracht; auch hier hat Magdeburg den Löwenanteil mit 11 Utk., be-
teiligt sind außerdem die Bistümer Utrecht Nr. 6, 62, 112, Cambrai Nr. 39,
Trier Nr. 110, Chur Nr. 139, 148, 191, 209, Osnabrück Nr. 150, Worms Nr.
161, Schleswig, Ripe, Aarhus Nr. 294, fiamburg Nr. 307, Meißen Nr. 406 und
13 Klöster. Nicht mitgezählt habe ich die Immunitätsprivilegien und die
Verleihung von Kirchen und Klöstern an Bistümer.
» S. Bd. I S. 392, n S. 222 u. vgl. z. Folgden Seliger, Die Bedeutung
der Grundherrschaft im MA., in den Abh. der Sachs. Gesellschaft d.Wissensch.
Bd. XXII, Heft 1, 1903, S- 56 ff.
- Vgl. die Immunitätsurkunde Karls für Metz, B.M. 174.
3 s_ Seliger S. 59 ff.
* Urk. Ludwigs d. D. für Herford v. 8. Dez. 852, B.M. 1362, Ludwigs III.
— 60 —
überhaupt gedacht war, und vermuten, daß die Kirchenleute bei
Streitigkeiten mit Auswärtigen wie früher vor dem Grafen Recht
zu nehmen hatten'^; sicher ist, daß sie in allen Sachen, die aus-
schheßlich Immunitätsleute betrafen, vom öffentlichen Gericht exi-
miert waren: an seine Stelle trat das Vogtgericht. Diese Fassung
der Immunität ward unter Otto I. herrschend. Nicht nur wurden
neue Verleihungen in diesem Sinne vorgenommen^, sondern man
fügte wohl auch bei Bestätigung älterer Immunitätsprivilegien in
dieselben einen Satz ein, der die weitere Fassung der Immunität
aussprach ^. In einem Falle — bei der Verleihung der Immunität
an Hamburg — wurde der Rekurs an das Gericht des Grafen vor-
behalten, wenn der Verm-teilte sich nicht fügen würde ^. Gewöhn-
lich aber fehlte eine solche Bestimmung; und sie erwies sich als
überflüssig. Denn bei der Bestätigung des Hamburger Privilegiums
im Jahre 973 wurde sie weggelassen^. Wie rasch sich diese
Erweiterung der Immunität allgemein durchsetzte, sieht man daraus,
daß bereits Otto III. erkläii«, es sei in den Bistümern des
Reichs üblich, daß nur der Vogt über die Angehörigen des Stifts
Gericht übe^.
Dadurch, daß das Gericht von den Beamten des Bischofs ver-
waltet wurde, ^ hörte es nicht auf, königliches Gericht zu sein.
Denn der König übertrug dem bischöflichen Vogt seinen Bann'^;
dieser handelte also kraft königlicher Vollmacht. Das Recht des
für Gandersheim v. 26. Jan. 877, ib. 1508, Werden v. 22. Mai 877, ib. 1512,
Paderborn v. 5. Juni 881, ib. 1529, Arnulfs für Metelen v. 16. Aug. 889, ib.
1777. Daß, wenn das Vogtgericht versagte, die Sache an den Grafen ging,
erinnert Seliger S. 88 f. nach B.M. 1363 u. 1922. Man vgl. auch, was der-
selbe über den Umfang der Kompetenz des Vogtgerichts darlegt.
1 So Seliger auf Grund von Stellen wie Dipl. II S. 420 Nr. 21 (Otto III.
985): A nostrorum ministen alium deinceps sint districtione absoluti . . nee
pro ulla alia occasione aut vadium solvere aut ad comitatum ire a marchi-
one vel aliqua iuditiariae potestatis persona cogantur, nisi ea lege vel iure
quo aecclesiastici servi ab extraneorum pulsati reclamationibus pro satis-
fatienda iusticia ad placitum ire compelluntur.
2 An St. Moritz in Magdeburg (Dipl. I S. 102 Nr. 14), Korvey (S. 157
Nr. 77), Schleswig (S. 411 Nr. 294) u. ö.
3 Salzburg (S. 148 Nr. 68), Herford (S. 111 Nr. 24), Neuenheerse (S. 122
Nr. 36). Auch durch Fälschung von Diplomen wußten sich manche Stifter
die Erweiterung der Immunität zu sichern, so Reichenau B.M. 1699. Über
die Unechtheit der Urk. s. Lechner, Mtt. d. I. f. Öst.GF. XXI, 1900, S. 28 ff.
* S. 98 Nr. 11. 5 Dipl. n s. 71 Nr. 61.
« Dipl. II S. 449 f. Nr. 48.
' Dipl. U S. 24 Nr. 16; S. 71 Nr. 61; vgl. schon Dipl. I S. 49 Nr. 12.
— 61 —
Königs war dadurch gewahrt; aber die Folge war, daß an Orten,
wo die Kirche über großen Grundbesitz verfügte, die Gewalt des
Vogts um so leichter auch über die nicht vom Immunitätsherrn
abhängigen Leute ausgedehnt werden konnte.
Außer der Gerichtsbarkeit besaßen die Bischöfe schon längst
noch andere Herrschaftsrechte. Mit der Verleihung des Zollrechts
hatten bereits die Merowinger begonnen; von deutschen Bistümern
besaß Worms den Zoll von Kaufleuten, Handwerkern und Friesen
schon seit König Dagobert-^, Trier den Zoll schon vor der Mitte
des achten Jahrhunderts". Die Karolinger fiihren darin fort: von
Karl d. Gr. erhielt Utrecht den Uferzoll am Leck ^, von Ludwig d. Fr.
Würzburg den Zoll von den nach der Stadt kommenden fremden
Händlern*. Die Könige gewährten außerdem einzelnen Bistümern
Anteil afl den Steuern und den Fiskalabgaben innerhalb ihres
Sprengeis ^. Dazu gesellte sich die Erteilung des Münz- und
Marktrechts in den bischöflichen Städten und anderen Orten der
Diözesen. In Trier gehörte schon im achten Jahrhundert die Münze
dem Bistum^'. Straßburg erhielt durch Ludwig d. Fr. das B«cht,
an einem beliebigen Ort des Bistums eine solche zu errichten '. In
Worms kam sie durch Arnulf, in Eichstätt durch Ludwig IV. an
die Kirche^. Im ganzen scheinen derartige Verleihungen unter
den Karolingern selten gewesen zu sein^, etwas häufiger in der
zweiten HäKte des neunten Jahrhunderts als in der ersten. Unter
1 B.M. 842.
^ Er wurde unter Biscliof Weomad entfremdet, B.M. 1950.
" A. a. 0. 206. Außerdem wissen wir nur von einer Zollverleihung
Karls, an Fulda betr. den Zoll in Westera, B.M. 219. Doch hält Mühl-
bacher die Echtheit der "Urkunde für zweifelhaft.
* S. d. Bestätigungsurkunde Konrads I. Dipl. I S. 32 Nr. 35.
5 Utrecht von Pippin dem Mittleren, B.M. 68, Würzburg von Karlmann,
ib. 743; von Ludwig d. Fr. erhielten die Klöster Kempten und Reichenau
Anteil an den Abgaben, ib. 860, 963.
" Sie wurde ihm unter Weomad entzogen und zur Grafschaft ge-
schlagen, B.M. 1950. ' B.M. 1454.
8 Ib. 1894 u. 1992. Lechner, Mtt. d. L XXH S. 390 f., betrachtet in der
Wormser Urk. die Verleihung der Münze als Interpolation. Die Verleihung
von Markt u. Münze an Klöster ist etwas häufiger, vgl. Ludwig d. Fr. für
Korvey (B.M. 893), Lothar IL für Prüm (ib. 1260), Karl in. an St. Maria in
Aachen (ib. 1692), Zwentibold an Münstereifel (ib. 1929), Ludwig IV. an
Korvey (ib. 1938), Konrad I. an Weilburg (Dipl. I S. 18 Nr. 19).
* Die geringe Zahl der erhaltenen Urkunden gibt zu dieser Annahme
ein Recht, obgleich sie selbstverständlich nur einen Teil der wirklichen
Verleihungen repräsentiert. >.
— 62 —
Heinrich I. hörten sie ganz auf ^. Dagegen war Otto I. auch in der
Erteilung solcher Rechte freigebiger als irgend ein König vor ihm -,
und sein Sohn und sein Enkel ahmten ihm nach. Es ist offenbar,
daß die Tendenz, das Bistum zu einer geschlossenen Herrschaft
zu machen, hier wirksam war; sie wurde durch diese Verleihungen
zugleich verstärkt.
Auf diese Weise wurden die Bischöfe in immer ausgedehnterem
Maße> Träger von Rechten, welche ursprünglich dem König eig-
neten. Es war nur der letzte Schritt in dieser Entwickelung, daß
die Befugnisse der Grafen überhaupt an die Bischöfe kamen. Wie
immer, so ging auch hierin der Westen dem Osten voran. Schon
im Jahre 887 erhielt das Bistum Langres von Karl III. das ge-
samte Grafschaftsgut in der Stadt und in einem Nachbarort^. In
Deutschland hat zuerst Heinrich I., nicht ohne Beschränkung, das
westfränkische Beispiel befolgt: er übertrug dem Bistum Toul i. J. 927
die j&nanziellen Rechte der Grafschaft innerhalb der Stadt*, noch
bheben die politischen Rechte dem Grafen; aber die Verleihung der Ein-
künfte mußte auch ihren Übergang an den Bischof anbahnen. Dies
zu erreichen war das Ziel der Bischöfe. Und in nicht wenigen Fällen
haben sie es erreicht: sie erlangten in größeren oder kleineren
territorial geschlossenen Bezirken die Gerichtsgewalt und die übrigen
Befugnisse der Grafen, auch abgesehen von Grundbesitz und Im-
munität. So erwarb Speier 946 durch Tausch von Herzog Kon-
rad die gräflichen Gerechtsame in der Stadt '^; durch Otto I. kamen
die Grafschaftsrechte in den Städten Magdeburg*'', Mainz '^ und Köln^
^ Abgesehen von der nocli zu erwähnenden Verleihung der Einkünfte
der Grafschaft an Toul, kommt nur die Verleihung des Zolls in Gondreville
an dieselbe Kirche in Betracht (Dipl. I S. 57 Nr. 21).
^ Aus der Regierung Ottos sind mehr Verleihungen von Markt, Münze,
Zoll u. dergl. erhalten als von sämtlichen Herrschern vor ihm, s. Dipl.
Nr. 6, 15, 39, 73, 77, 84, 90 etc. - B.M. 1693.
* Dipl. I S. 52 Nr. 16: Omnem exactionem comitatus eiusdem civitatis.
5 Urkunden z. Gesch. d. St. Speier S. 3 Nr. 4; vgl. die Urk. Ottos I. v.
969 Dipl. 1 S. 520 Nr. 379.
6 Dipl. I S. 415 Nr. 300, vgl. das Diplom Ottos IL, in dem er die Ver-
leihung seines Vaters zusammenfaßt, Dipl. II S. 38 f. Nr. 29 : Ne quis comes
. . in Magdeburgensi civitate vel territoriis eins aliquam potestatem aut
bannum habeat nisi advocatus, quem aepiscopus . . elegerit, et negotiatores
vel ludaei ibi habitantes omnesque familiae lidorum vel colonorum vel ser-
vorum vel Sclavorum illuc pertinentes a nullo alio nisi eodem advocato . .
constringantur. Vgl. S. 225 Nr. 198.
' Erwähnt in der Urk. Ottos H. für Worms Dipl. II S, 226 Nr. 199.
* Vgl. Oppermann, Westd. Ztschr. 19. Bd. 1900 S. 202 f. Die Zeit läßt
— 63 —
an die Erzbischöfe, die im Tale Bergell an das Bistum Chur^;
von Otto n. erhielten Hildibald von Worms und Milo von Minden
die Einkünfte und die Gewalt des Grafen in ihren Bischofssitzen-,
Hier überall handhabte nicht mehr der Graf, sondern der Vogt des
Bischofs die öffentliche Gewalt. Schheßlich kam es zur Verleihung
von ganzen Grafschaften an die Bistümer. Das geschah zum
erstenmal unter Otto II. Er vergab die Grafschaft Cadore an
Freising ^. Unter Otto III. mehrten sich derartige Verleihungen:
er überheß dem Bistum Würzburg die Grafschaft in den beiden
fränkischen Gauen Waldsazin und Bangau*, dem Bistum Pader-
born die Grafschaft in den fünf Gauen Paderga, Aga, Treveresga,
Auga und Sorethfeld^, dem Bistum Lüttich die Grafschaft Huj**.
Von Heinrich II. erhielten Würzburg und Paderborn eine Anzahl
weiterer Grafschaften, Cambrai die gleichnamige Grafschaft, Worms
die Grafschaften in den Gauen Wingarteiba und Lobdengau, Utrecht
die Grafechaft Drenthe^. Konrad U. gewährte Trier, Mainz,
sicli nickt feststellen ; man wird aber eher an die letzten als an die ersten
Jahre Bruns zu denken haben.
1 Dipl. I S. 288 Nr. 209: 'Vallem Pergalliae cum omni districtione
placiti et panni hactenus ad comitatum pertinentia.
2 Dipl. II S. 165 Nr. 147, S. 226 Nr. 199 v. 979; über die ürk. f. Worms
S. 55 Nr. 46 s. Lechner, Mtt. d. I. XXH S. 392 ff. Es versteht sich von selbst,
daß die Bestrebungen der Bischöfe sich nicht auf ihre Städte beschränkten.
Seliger S. 110 erinnert an die Wormser Fälschung B.M. 1378, die einerseits
den Zusammenhang dieser Bestrebungen mit der Immunität, andererseits
das Hinausgehen über sie zeigt. Worms erstrebte nach ihr den Gerichts-
bann auch in Orten, wo es nur ein paar Hufen besaß. Vgl. über die Urk.
und ihren Zweck auch Lechner, Mtt. d. 1. XXII S. 560. Utrecht erhielt 999
omnem districtum, die ganze öffentliche Gewalt, super villam Bomele et
super cuncta quae ad eandem villam pertinent, Dipl. II S. 738 Nr. 312.
" Dipl. II S. 96 Nr. 80. Der gefälschten Urkunde lag nach Sickel ein
echtes Diplom zugrunde. Die Bestätigung Konrads III. macht wahrschein-
lich, daß in ihm die Verleihung der Grafschaft enthalten war, s. Riezler,
G. B. I S. 390. * Dipl. II S. 795 Nr. 366,
5 Vit. Meinwerci 7 Sßr. XI S. 110.
^ Dipl. II S. 413 Nr. 16. Mit den älteren Verleihungen ist zu ver-
gleichen, daß Passau totius publicae rei districtum omnem publicam rem in
Passau erhielt, Dipl. II S. 733 Nr. 306.
7 Würzburg die Grafschaft Bessungen, Dipl. IH S. 318 Nr. 268, Pader-
born die Grafschaften der Grafen Hahold, Dodico ü. Liudolf, ib. S. 261
Nr. 225, S. 561 f. Nr. 439 f., Cambrai S. 168 Nr. 142, Worms S. 262 Nr. 226f.,
Utrecht S. 645 Nr. 504. Durch Heinrich erhielten zuerst Klöster ganze
Grafschaften; Gandersheim S. 566 Nr. 444, u. Fulda' S. 651 Nr. 509.
— 64 —
Paderborn, Utrecht, Brixen die gleiche Ausstattung^. Es wurde
dabei wohl bestimmt, daß der Bischof die Grafen zu ernennen
habe^. In diesen Gauen hörte somit die Tätigkeit könighcher
Beamter ganz auf. Der Bischof war der Inhaber aller welthchen
Gewalt; er war im eigentlichen Sinn des Worts zum Fürsten ge-
worden ^.
Bei allen diesen Verleihungen hatte man anfangs vornehmlich
an die Ausstattung der Bistümer mit Einkünften gedacht. Bei
Zöllen und Abgaben versteht es sich von selbst. Aber auch die
Immunität war ein nutzbares Recht; selbst die Übertragung der
Grafschaften begann mit der Verleihung ihrer Einkünfte. Aber
dieser Gedanke trat im Verlauf hinter dem andern zurück, daß
der Bischof keiner politischen Macht außer dem König unterworfen
sein sollte. In der Zeit Ottos I. findet man diese Auffassung zu-
meist in italienischen Diplomen*. Unter Otto IL wird sie auch
in deutschen häufiger^. Otto III, endlich ersetzt die Vorstellung
der Immmiität durch die des regimen^.
Man müßte sich wundern, wenn von selten der Herzoge nicht
der Versuch gemacht worden wäre, die Bildung der bischöflichen
Fürstentümer zu hemmen. Denn in ihnen entstand eine Macht,
welche in jedem Stammesherzogtum ein Element der Auflösung
bildete. Ging das Bestreben der Herzoge naturgemäß dahin, ihre
Macht zur Landesherrschaft fortzubilden, so waren sie daran schon
durch die Existenz der Bistümer und ihr Verhältnis zur Krone
gehindert. In der Tat bemerkt man den Gegensatz zwischen dem
Episkopat und dem Herzogtum in allen deutschen Gegenden, in
welchen das von Otto reorganisierte Stammesherzogtum Bestand
1 Trier: Görz, Regest. 1248, Paderborn: Erhard Nr. 977, Mainz: B.W.
Regesta Mog. S. 156 Nr. 41, S. 167 Nr. 15, Brixen: M.B. 29, 1 S. 20, Utrecht:
B.W. S. 156 Nr. 36. « S. die Würzb. Urkunde.
^ Eine Darstellung dieser Entwicklung für das Erzbistum Hambui'g-
Bremen gibt Dehio, Gesch. des Erzb. Hamburg-Bremen I S. 109 f., für Worms
Lechner in den Mtt. d. I. Bd. XXII 1901 S. 550 ff.
* S. m. Abhandlung über die Entstehung der bisch. Fürstenmacht S. 46 f.
^ Vgl. z. B. Otto IL für Hamburg: Ut nullus dux neque marchio vel
comes aut alia quaedam iudiciaria potestas ullam sibi in predictis Omnibus
usurpent potestatem, Dipl. II S. 24 Nr. 16; für Speier: Ut nuUatenus aliquis
eorum qui publice rei sunt administratores, sive dux seu comes vel aliquis
iudex . . potestatem habeat pro quocunque negotio . . placitum retinere
seu publicum iuditium facere infra aut in circuitu extra civitatem Spira etc.
S. 109 Nr. 94.
^ Dipl. n S. 585 Nr. 175: Praefätum regimen et districtionem placiti
ac banni nostri.
— 65 —
hatte. Zuerst in Baiern. Als sich Herzog Heinrich 976 gegen
Otto n. erhob, ergriff der Episkopat wie einst im Jahre 916 die
Partei des Kaisers. Er sprach über den Herzog den Bann aus;
der Grund lag nicht nur in der Empörung, sondern auch in der
Schädigung der Begensburger Kirche \ Der Zwiespalt reichte also
über den Aufstand zurück. Auch in Schwaben war er vorhanden;
hier zeigte er sich in den Streitigkeiten zwischen Bischof Heinrich
von Augsburg und dem Herzog Otto. Zwar wirkte dabei auch
das Verhältnis Heinrichs zu dem bairischen Herzog mit; aber es
war nicht die Hauptsache. Der Bischof war durch den Herzog in
seine Stelle gekommen; aber er fühlte sich durch die Anforderungen,
die jener an ihn stellte, beeinträchtigt: er empfand sie als Rechts-
verletzungen; denn er meinte zu bemerken, daß Otto größere
Leistungen von ihm forderte, als unter seinen Vorgängern übHch
war^ Charakteristisch ist besonders, daß er alsbald zu der Ein-
sicht kam, seine Lage fordere den engsten Anschluß an den Kaiser.
Grerhard erzählt, er habe deshalb den Hof häufig besucht, nicht
ohne Geschenke für den Herrscher und seine Umgebung mitzu-
nehmen, er habe bereitwillig sich an den Ejriegszügen des Kaisers
beteihgt'. Es war doch nicht nur die niedrige Klugheit eines
wenig hervorragenden Mannes, die sich hierin zeigte, sondern so
war die allgemeine Lage. Das bischöfliche Fürstentum war eine
Schöpfung des Kaisers, es konnte nur bestehen, wenn seine Träger
sich als Diener des Kaisers fühlten. Unter Otto HI. trat der
Gegensatz zwischen Bistum und Herzogtum in Baiem von neuem
hervor. Wieder handelte es sich um Leistungen, die der Herzog
in Anspruch nahm und deren Berechtigung der Bischof bestritt. Der
letztere, es war Christian von Passau, rief das Urteil des Kaisers
an, und dieser entschied für ihn, indem er ihn von jeder angebhch
schuldigen Leistung entband*. Etwas später, unter Konrad II.,
kam es in Kärnten zu einer richterlichen Entscheidung zwischen
dem Herzog und dem Patriai'chen von Aquileja. Auch hier fiel
das Urteil zugunsten des Bischofs. Ein öffenthches Hofgericht zu
1 Leg. III S. 485; wie hoch Otto die Unterstützung der Bischöfe
schätzte, zeigen seine Gunstbeweise an dieselben nach Niederwerfung des
Aufstandes Dipl. H S. 150 ff. Nr. 134 an Salzburg, Nr. 135 ff. an Passau, Nr.
204 an Regensburg, Nr. 205 an Brixen.
2 Vit. Oudalr. 28 S. 415 ff., bes. S. 417 : A duce multipliciter plus quam
antecessores sui iniuriabatur, S. 418: Quamvis exterius pacificati essent, plus
cogebatur quam antecessores sui, ei servitium facere de rebus s. Mariae.
3 L. c. S. 418. ^ Dipl. II S. 527 Nr. 115.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 5
— 66 — ■
Verona erkannte alle Ansprüche, welche Adalbero auf Leistungen
des Bisturas erhob, für unberechtigte
Der Gegensatz, der im südUchen Deutschland geistliches und
weltliches Fürstentum auseinander hielt, war auch dem Norden
nicht fremd. Thietmar von Merseburg klagt bitter über die Be-
drückung der sächsichen Bistümer durch die weltlichen Großen -.
Besonders war Hamburg gefährdet. Zwar lebten die Erzbischöfe
unter den Ottonen in gutem Frieden mit den Herzogen. In Herzog
Hermann sah die Erinnerung der Späteren einen frommen Mann,
der die Kirche und die kirchlichen Institute fördertet Ein ähn-
liches Lob hatte Herzog Bernhard I,'* Anders aber wurde es, seit
Bernhard II. Herzog von Sachsen war. Nun hatte die Eintracht
zwischen Episkopat und Herzogtum ein Ende: Erzbischof Unwan
sah sich auf allen Seiten von dem Herzog geschädigt und bedrängt.
Auch hier aber fand der Episkopat einen Bückhalt an der könig-
lichen Macht, und gelang es ihm infolgedessen, seine Stellung zu
behaupten ^.
Das war überhaupt der Ausgang: die Verbindung zwischen
der Krone und dem Episkopat war zu stark, als daß es irgendwo
zur Unterordnung der Bistümer unter das Stammesherzogtum ge-
kommen wäre. Man irrt wohl nicht, wenn man darin einen der
Gründe erkennt, warum das letztere nicht erstarken konnte. Es
ist wieder verschwunden : an seine Stelle trat das territoriale Fürsten-
tum. Diesen Fürsten aber standen die Bischöfe von Anfang an
als gleichberechtigt gegenüber; niemand zweifelte, daß sie zu den
Keichsfürsten gehörten. Der politische Gedanke Ottos d. Gr. setzte
sich demnach durch. Dem Keiche brachte er zunächst Gewinn:
die Bischöfe und die Abte der großen königlichen Abteien waren
die sichersten Stützen der könighchen Macht und der Einheit des
Reichs. Aber der Bau Ottos hatte einen schwachen Punkt. So
sehr auch die Fürstenstellung des Episkopats in den Vordergrund
trat, primär waren die Bischöfe doch Träger eines kirchhchen Amts;
als solche waren sie Glieder einer Organisation, welche über die
Grenzen des Reichs hinausgriff; sie waren dem römischen Bischof
in vielen Stücken zu Gehorsam und Dienstleistung verbunden. Das
brachte einen Zwiespalt in ihre Stellung, der sie für die Dauer
1 V. Ankershofen, Geschichte des Herzogtums Kärnten I S. 636.
2 Chron. IX, 23 S. 252 f.
» Adam, Gest. II, 8 S. 47. Hermann starb am 27. März 973, Annal.
necrol. Fuld. Scr. XIII S. 202; Necrolog. Luneb. S. 28.
* Adam 11,44 S. 71; 46 S. 73. Bernhard I. starb am 9. Febr. 1011,
Ann. Quedlinb. S. 80, Necr. Luneb. S. 11. 5 Adam 11,46 S. 73.
— 67 —
unhaltbar machte. Zwar schienen augenblickhch die gesamtkirch-
lichen Gedanken vergessen: die Kirche als solche hatte zu handeln
aufgehört, das römische Papsttum war nicht imstande, irgendwo
fötig einzugreifen. Allein es lag in der Natur der Sache, daß
diese Verhältnisse sich änderten: die größte Erschütterung des Reichs
konnte dann nicht ausbleiben; denn das deutsche Königtum konnte,
ohne in seiner Macht unheilbar geschädigt zu werden, auf seine
Herrschaft über den Episkopat und dadurch über die Kirche nicht
verzichten.
Für die deutsche Kirche folgte aus den Verhältnissen, wie sie
unter Ottos Einwirkung sich bildeten, vor allem, daß sie sehr be-
stimmt den Charakter einer Nationalkirche erhielt. Sie war es in
demselben Sinn, in dem die fränkische Kirche vor Karl d. Gr.
Landeskirche gewesen war: niemand bezweifelte oder bestritt, daß
sie ein integrierender Bestandteil der katholischen Kirche sei; aber
für ihr Leben kam das kaum in Betracht. Sie handelte nicht als
Ghed einer universalen kirchlichen Gemeinschaft, sondern sie führte
als selbständiges Ganzes ein Sonderleben. Dieses erhielt seine
Richtung nicht durch allgemein kirchliche Impulse, sondern durch
seine Beziehungen zum deutschen Reich. Vergleicht man nun
aber die fränkische und die deutsche Kirche, so ist doch ein großer
Unterschied. Jene war Landeskirche gewesen, weil der König sie
regierte; aber das hatte bereits unter den letzten Karolingern auf-
gehört und es wurde von Otto nicht erneuert. Die Kapitularien
der fränkischen Könige, die in den kirchHchen Erlassen Karls d. Gr.
gipfeln, fanden im deutschen Königreich keine Fortsetzung \ Worin
der letzte Grund hegt, ist klar. Das fränkische Königtum hatte
als bestes Erbe der antiken Staatsidee den Gedanken überkommen,
daß die Pflege der Kultur Königspflicht sei. Karl ist durch die
Ausführung dieses Gedankens groß geworden. Aber in dem Jahr-
hundert des Unglücks nach seinem Tod, als alle Sorgen der
Menschen sich nur auf Abwehr der äußeren Feinde richteten, ist
diese Idee der Welt verloren gegangen. Auch Otto, so empfäng-
lich er persönhch für die geistige Kultur war, hat sie nicht wieder
ergriffen. Deshalb machte er keinen Versuch, die Kirche in der
Weise zu regieren, wie sie Karl d. Gr. regiert hatte. Ihm war es
genug, daß er durch die Ernennung der Bischöfe über die Macht-
1 Eine Ausnahme bildet die Frankfurter Verordnung von 951. Nach
den Worten; Capitularium praecedentium regum institutis coram positis,
ist sie direkt durch das fränkische Vorbild veranlaßt. Sie trifft Be-
stimmungen gegen die Entführung und über die Selbständigkeit der Klöster
C.I. I S. 17 Nr. 8.
5*
— 68 —
mittel der Kirche verfügte: im übrigen überließ er sie sich selbst.
Pflege der Wissenschaft und der Literatur, Sorge für die Bildung
des Klerus und die Erziehung des Volks, Kampf gegen die Macht
des Aberglaubens und der Roheit — das waren keine Ziele, an
die er bei seiner Regierung auch nur dachte. Auf die Rechte,
welche die fränkischen Herrscher über die Kirche geübt hatten,
verzichtete er nicht. Aber das wollte nicht viel bedeuten; denn er
hat sie nicht ausgeübt. Die kirchhche Gesetzgebung stand still;
Synoden wurden ebenso selten berufen, wie unter Heinrich L^ Aus
den siebenunddreißig Regierungsjahren Ottos weiß man nur von
fünf deutschen Synoden: 942 zu Bonn^ 948 zu Ingelheim % 952
zu Augsburg*, 958 und 972 wieder zu Ingelheim*'. Mit Ausnahme
* unter der Regierung Heinrichs I. fanden, soviel wir wissen, drei
große Synoden statt: 922 zu Koblenz, 929 zu Duisburg, 1. Juni 932 zu
Erfurt. Erhalten sind die Beschlüsse von Koblenz, C.I. I S. 627 Nr. 434,
und Erfurt, S. 2 Nr. 2 ff., von den Duisburgern vielleicht die Überschriften,
S. 631 Nr. 435, Die Koblenzer betreffen das Eherec^t (1. 2. 4), das Paten-
institut (3), das Recht der Bischöfe auf Entscheidung der kirchlichen An-
gelegenheiten, auf die den Klöstern inkorporierten und die im Privatbesitz
befindlichen Kirchen (5. 6. 9), den Sklavenhandel (7), die Zehntrechte (8)
und Privatmessen (10). Die Erfurter handeln von der Feier von Fest und
Sonntagen (1 — 3), der Disziplin unter dem Klerus (4), dem Fasten (5),
Beobachtung der Exkommunikation (9), endlich von einer kirchlichen Steuer,
die am 13. Aug. 932 zu entrichten war (brev. 3). In bezog auf die letztere
vermutet 6. Caro, mit Bezug auf Widukind I, 38 f., daß es sich um die
Zuwendung des Ungarn tributs an die Kirche handelte, Mitt. des Inst. XX
S. 276.
2 Cont. Reg. S. 162: Bonna castello preclara sinodus a viginti duobus
episcopis habetur; vgl. Ann. Hild., Weissenb., Ottenb. z. 943. Über Anlaß
und Beschlüsse wissen wir nichts.
3 C.I. I S. 8ff. Nr. 5—7; Cont. Reg. z. 948 S. 163; Flodo. ann. S. 395.
Die Syn. war von Papst Agapet berufen, tagte unter Vorsitz des päpst-
lichen Legaten Marinus und in Anwesenheit Ottos und des französ. Königs
Ludwig. Ihre Aufgabe war die Beilegung des Zwists zwischen dem letzteren^
und dem Herzog Hugo, und des Streites um das EB. Rheims. Anwesend
31 Bischöfe.
* C.I. I S. 18 ff. Nr. 9. Die Synode tagte gleichzeitig mit einem Reichs-
tag, über den letzteren Cont. Reg. S. 166; Widuk. III, 11 S. 63; Vit. Oudalr.3
S. 388. An der Syn. nahmen 24 Bischöfe Anteil.
s Über die erstere Cont. Reg. z. 958 S. 169. Es handelte sich um die
Wiederbesetzung von Salzburg nach der Blendung Herolds, s. o. S. 39 f. An-
wesend waren 16 Bischöfe. Über die zweite Vit. Oudalr. 23 S. 408 und
Herim. Aug. z. 972 S. 116. Anlaß war die unkanonische Bestimmung Adal-
beros zum Nachfolger Ulrichs von Augsburg.
— 69 —
der ersten nahm Otto an allen Anteil; in Augsburg erschien er
auf Einladung der Bischöfe in der Schlußsitzung, in der das
Synodaldekret bekannt gemacht wurde, und sagte seine Unterstützung
für die Durchfiihrung der Beschlüsse zu. Gleichwohl hatten die
Synoden för die kirchliche Entwickelung nicht mehr die frühere
Bedeutung. Denn soweit sie nicht von der Erledigung von Einzel-
fragen in Anspruch genommen wurden, begnügten sie sich ältere
kirchliche Vorschriften zu erneuern^. Sie verzichteten darauf, die
Führer des Fortschritts in der kirchlichen Verwaltung zu sein. Unter
Otto II. und III. fanden kirchliche Versammlungen, die sich mit
den allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten befaßten, überhaupt
nicht statt.
Die Folge von dem allen liegt am Tage. Nachdem die deut-
sche Kirche Nationalkirche geworden und durch die Doppelstellung
der Bischöfe in die innigste Verbindung mit der nationalen Ent-
wickelung gekommen war, sollte man erwarten, daß ihr Leben nach
und nach ein nationales Gepräge erhielt: allein das trat nicht ein;
alle Formen des kirchlichen Lebens blieben kathoHsch. Darin be-
ruhte die Schwäche der deutschen Nationalkirche: es bedurfte nur
einer x^nderung der Stellung der Bischöfe, so war sie beseitigt.
Doch für den Moment war sie eine Tatsache. Aus ihrer engen
Verbindung mit dem nationalen Leben erwuchsen der Kirche die
Aufgaben, deren Lösung sie unternahm. Weil das deutsche Eeich
des zehnten Jahrhunderts erobernd war, deshalb wurde die deutsche
Kirche zur Missionskirche Europas.
Wir wenden uns zur Betrachtung dieser Verhältnisse.
^ Allgemeine kirchliche Beschlüsse wurden nur 948 und 952 gefaßt
Sie beziehen sich auf das Recht des Bischofs, bei Vergebung von Kirchen
gehört zu werden (Ingelh. 4, Augsb. 9), auf das ausschließliche Anrecht der
Kirche auf das kirchliche Einkommen (Ing. 8. 9, Augsb. 10), auf die Feier
der Osterwoche, der Pfingsttage, der litania maior (Ing. 6. 7^, auf die Dis-
ziplin des Klerus (Augsb. 2. 3), besonders die Beobachtung des Keuschheits-
gelübdes (Ingelh. 10, Augsb. 1. 4. 11), auf Schutz des Klerus gegen Kränkung
durch Laien (Ingelh. 5), Disziplin unter den Mönchen und Rechte der Bischöfe
über die Klöster (Augsb. 5—8).
Zweites Kapitel.
Die Grründung der Kirche im norddeutschen
Wendenland.
Die wiciitigste Aufgabe, welche der deutschen Kirche durch
die Fortschritte der deutschen Eroberungen gesteckt wurde, war
die Ausbreitung des christlichen Glaubens unter den nordischen
und östlichen Völkern.
Im Norden war das sächsische Land jenseits der Elbe durch
die dänischen und wendischen Nachbarn -umfaßt. Wir hauen er-
wähnt, daß bereits eingenommenes Gebiet nicht behauptet werden
konnte ^. Die mit Heinrich I. beginnende Yorschiebung der deutschen
Grenze führte hier zur Wiederbesetzung einer aufgegebenen Position.
Dagegen war der Osten Neidand fiir das Reich wie für die Kirche^
Es hat den Anschein des Willkürlichen, daß die deutschen
Grenzen nach Osten hin jenseits der Elbe und Saale ausgedehnt
wurden. Denn das deutsche Volkstum reichte kaum bis an das
Ufer dieser Flüsse. Wie die Wenden südhch des Thürüiger Waldes
am Main abwärts in fränkisches Land eingedrungen waren, so
1 S. Bd. II S. 686 ff.
2 Abgesehen von den einschlägigen Partien in den Jahrbüchern des
deutschen Eeichs, bei Giesebrecht, KZ., Lamprecht, D. G. 11 und Manitios,
D. G., verweise ich zum folgenden auf die Darstellung Ludwig Giesebrechts
im 1. Band der Wendischen Geschichten 1843; K. Uhlirz, Gesch. d. EB. Magde-
burg 1887; E. 0. Schulze, Die Eolonisierung u. Germanisierung der Gebiete
zwischen Saale u. Elbe, Leipz. 1896; L. Nottrott, Aus der Wendenmission,
Halle 1897; H. Leo, Untersuchungen z. Besiedelungs- u. Wirtschaftsgesch.
des thüring. Osterlands, Leipz. 1900.
— 71 —
hatten sie sich auch iiördhch des "Waldes in zahlreichen Tälern
Thüringens eingenistet; erst im Eichsfeld verlieren sie sich. Nicht
minder hatten sie sich in den sächsischen Grenzgauen festgesetzt.
Im Saaletal bildeten sie, wie es scheint, die Mehrzahl der Bevölkerung.
Auch am linken Eibufer schob sich wendische Bevölkerung weit
nach "Westen vor; die jetzige Altmark war fast rein wendisches
Land. Bei dieser Lage der Verhältnisse forderte das Interesse
Deutschlands zunächst nur, daß die sichere und klare natürliche
Grenze, welche die beiden Flüsse darboten, behauptet wurde. Aber
darüber hinaus führte der Gegensatz der beiden Nationen : die unauf-
hörlichen Reibungen an der Grenze, die wüsten Raubzüge hinüber
und herüber fanden ihr Ende in der Eroberung des Landes.
Noch Kaiser Karl dachte nur an die Behauptung der natür-
lichen Grenzen. An der Elbe hatte der große Eroberer keine
Erobemngspläne. Selbst die Mark gegen Wagrien hatte nicht den
Zweck, einen Stützpunkt für die spätere Besitznahme des wendischen
Vorlandes zu bieten; sie sollte eine Schutzwehr für das deutsche
Land sein. Wurde der Handel mit den Wenden streng überwacht-^,
so diente auch dies der Absicht, den unruhigen Nachbarn jeden
Angriff zu ei-schwereu. Denn die freie Bewegimg des Handels
Vurde beschränkt, um die Waffenausfuhr zu verhindern. Aber
schon Karl wurde im Einzelfall über die im allgemeinen einge-
haltene Linie hinausgedrängt. Denn seine Maßregeln vermochten
dem Raubkrieg an der Grenze nicht zu steuern: der sächsiche
Etheling und sein wendischer Nachbar jenseits des Flusses betrach-
teten es als ihr gutes Recht, im Nachbarland nach Beute auszu-
ziehen. Erfolgreiche Züge führten dann zur Aufbietung größerer
fränkischer Streitmassen; sie drangen tief in das Wendenland ein^;
der Schrecken vor ihren Waffen bewog wohl ganze Stämme zu
dem Anerbieten oder Zugeständnis der Unterwerfung^. Die frän-
1 Capit. 44,7 S. 123.
'^ 782 Raubzug der Sorben nach Thüringen und Sachsen und Bestrafung
desselben, Ann. reg. Franc, Einh. S. 60 u. 61. 789 ein Zug gegen die
Wilzen, ib. S. 84 u. 85. 799 eine Unternehmung gegen dieselben, ib. S. 106
u. 107. 806 ein Zug gegen die Sorben, ib. S. 121. 810 Zerstörung desfränk.
Kastells Hohbuoki durch die Wilzen, ib. S. 131 f., Ann. Fuld. S. 18 ; im
nächsten Jahr Wiederherstellung des Kastells S. 135. 812 wiederholter Zug
gegen die Wilzen.
'^ 1. J. 789 Unterwerfung der Wilzen unter die fränkische Herrschaft,
Ann. reg. Fr. u. Einh. S. 84 f., Ann. Guelf. cont. S. 44, vgl. Ale. ep. 7 S. 32.
Daraus, daß die Erhebung der Sorben i. J. 782 als Rebellion bezeichnet
wird, ergibt sich, daß dieser wendische Stamm die deutsche Herrschaft
schon früher anerkannt hatte, Ann. reg. Fr. S. 60.
— 72 —
kische Oberherrschaft aber schien nur dann wirklich anerkannt,
wenn die Besiegten regelmäßige Leistungen an die Sieger entrichten
mußten. Deshalb wurde den Wenden Tribut, selbst die Heeres-
folge aufgelegt \, Sollte nicht alles Erreichte in beständiger Gefahr
des Zusammensturzes stehen, so konnte unmöglich der Verkehr mit
dem jenseitigen Ufer der Treue der Wenden überlassen werden.
Man erbaute demnach ein paar Festen auf der wendischen Seite:
die eine bei Halle an der Saale, die andere Magdeburg gegenüber
an der Elbe '^. Durch dies alles wurden die Verhältnisse einiger-
maßen gefestigt: die nächsten wendischen Stämme traten in ein
ziemHch loses Abhängigkeitsverhältnis zum Reich. Aber dabei bheb
es auch. Karl ließ sich nicht dazu verleiten, wendisches Gebiet
dem fränkischen Staatswesen einzuverleiben. Seine PoUtik war den
nordösthchen Nachbarn gegenüber ebenso folgerichtig in der Zurück-
haltung als anderwärts im Vordringen. Der Beweis liegt vor allem
darin, daß nicht das Geringste geschah, um die Wenden zum
Christentum zu bekehren^. Derselbe Mann, der die zersprengten
Slaven am Harz zum christlichen Glauben schreckte^, der die
Main- und Rednitzwenden, ohne sie zu fragen, als Gheder der
Kirche behandelte, und der dafür sorgte, daß den Südslaven in
den Alpen das EvangeHum verkündigt wurde ^, unterUeß jeden*
Versuch, ihren Stammverwandten zwischen Elbe und Oder die
^ Aus der S. 71 Anm. 3 angefülirten Tatsache folgt, daß die sorbischen
Truppen i, J. 789 nicht als freiwillige Bundesgenossen den Krieg gegen
ihre Stammesgenossen mitmachten, Ann. reg. Fr. S. 84, Fuld. S. 11. Von
der Tributpflicht der Wilzen, Sorben, Abodriten, Böhmen spricht Einhard
vit. Karol. 15.
2 Ann. reg. Fr. z. 806 S. 121, chron. Moiss. St 308.
2 Aus der Frage Alkuins: Si Wilti et Vionudi fidem Christi accipiant,
ep. 6 S. 31, folgert Simson, JB. Karls II S. 6, daß Versuche, das Christen-
tum unter den Wilzen auszubreiten, gemacht wurden. Da positive Nach-
richten fehlen, scheint mir das zu viel gefolgert.
* Auf die in den östlichen sächsischen Gauen wohnhaften Wenden be-
ziehen sich vermutlich die Nachrichten über Wendenbekehrungen, die unter
dem Eindruck der Niederwerfung der Sachsen stattfanden, s. Ann. Lauresh.
a. 780 Scr. I S. 31, chron. Moiss. S. 296, Ann. Maxim. Scr. Xni S. 21, Lobiens.
ib. S. 229; vgl. Ann. Petav. Scr. I S. 16; Mosell. Scr. XVI S..497. Die Be-
merkung der Ann. Einh. z. 780 S. 57, daß Karl die Angelegenheiten der
jenseits der Elbe wohnenden Wenden ordnete, macht, wie mich dünkt,
nicht notwendig, die Nachricht von der Taufe der Wenden vielmehr auf
diese, also auf die Wilzen, zu beziehen, da ja hier nicht von Taufen die
Rede ist. Es wird sich um Grenzverletzungen gehandelt haben.
5 S. Bd. n S. 341 f. u. S. 460 ff.
— 73 —
christliche ßehgion nahe zu bringen. Es wäre rätselhaft, wenn er
nicht die einen als Angehörige seines Reichs, die andern als Fremde
betrachtet hätte.
Karls Pohtik war maßgebend für die späteren Karolinger.
Sie hielten an der Defensive fest. Nur übersahen seine Nachfolger,
daß eine defensive Politik nur dann ihren Zweck erfüllt, wenn sie
mit überlegenen Kräften durchgeführt wird. Da ihren Maßregeln
die nachhaltige Kraft fehlte, so führte das Festhalten an Karls
Gedanken nur zu unheilbarer Verwirrung der Verhältnisse an den
Grenzen: Abfall und Unterwerfung, Verweigerung des Tributs und
Nötigung zum Tribut — das alles wiederholte sich immer von neuem ^.
Trotz der natürhchen Grenze hatte man keine sichere Grenze.
Da war es denn ein Glück, daß die unter den Liudolfingem
zusammengefaßte Kraft des sächsischen Stammes den zersplitterten
wendischen Völkerschaften zweifellos überlegen war. Denn mochten
auch die sächsischen Herzoge zunächst nur um Sieg und Beute
kämpfen, so führte doch ihre Überlegenheit im Felde von selbst dazu,
daß an Stelle des Raubkriegs der Eroberungskrieg trat. Es ist das
Verdienst des Herzogs Otto, wendisches Gebiet zuerst wirkHch der
deutschen Herrschaft unterworfen, wendische Stämme zuerst an die
Botmäßigkeit unter deutschen Fürsten gewöhnt zu haben. Mit
Kraft und Erfolg setzte Heinrich I. das von ihm begonnene "Werk
fort: an die Stelle der defensiven Politik trat an der ganzen lang-
gezogenen wendischen Grenze jetzt die offensive.
Die wendischen Stämme, mit denen der Kampf aufgenommen
wurde, gliederten sich in drei Massen. Den Süden, das Land öst-
lich der Saale, nahmen die verschiedenen Stämme der Sorben ein.
Hier waren die nächsten Nachbarn der Deutschen die Sorben im
engeren Sinne; ihr Gebiet reichte südlich bis an den Kamm des
Erzgebirges, nördlich erstreckte es sich über die Elbe bis in die
jetzige Mark Brandenburg, die Ostgrenze bildete die Chemnitz.
Ihre südöstlichen Nachbarn waren die Daleminzier; sie bewohnten
den schmalen Landstreifen zwischen der Chemnitz, der Elbe und
dem Gebirg. Jenseits der Elbe dehiite sich vom Gebirg bis an
1 Abfall der Sorben i. J. 816, Ann. reg. Franc. S. 143; Fuld. S. 20;
vit. Hludov. 26 S. 620. Anklage gegen den Sorbenföraten Tunglo wegen Un-
gehorsams 826, Ann. reg. Fr. S. 169 u. 171, vit. Hlud. 40 S. 629. Kämpfe
zwischen Sorben und Sachsen 839, Ann. Bertin. S. 22 f. 849 erscheinen die
Sorben als gefügig, Ann. Fuld. S. 38; 851 wird mit ihnen gekämpft, ib_
S. 41 ; 856 leisten sie Heeresfolge, ib. S. 47 ; 858 werden sie wegen Unbot-
mäßigkeit gezüchtigt, ib. S. 49; 869, 874, 880, 897 wird Abfall und Unter-
werfung erwähnt, ib. S. 67, 81, 95, J.31.
— 74 —
die Oder weithin das Land der Milziener aus; nördlich von ihnen
saßen die Lausitzer, der einzige von diesen Stämmen, der seinen
Namen und wenigstens auf einem engen Gebiet seine Sprache be-
wahrt hat\
In diesem Gebiet haben Herzog Otto und König Heinrich
die Grundlage der deutschen Herrschaft und damit der deutschen
Nationalität gelegt. Die Sorben leisteten Tribut^; die Daleminzier,
die Ludwig d. D. im Jahre 856 zur Anerkennung der fränkischen
Oberherrschaft genötigt hatte, die aber später wieder abgefallen
waren*, wurden von neuem unterworfen. Im Kampf mit ihnen
hat Heinrich noch in sehr jungen Jahren die ersten kriegerischen
Lorbeeren verdient. Als König vollendete er das Werk seiner
Jugend: er eroberte und zerstörte im Jahre 928 den Hauptort des
Stammes, Jahna zwischen Meißen und Lommatsch. Damit war
die Kraft des Stammes gebrochen. Zwar erhoben sich auch die
Daleminzier, als im folgenden Jahre der große Slavenaufstaud aus-
brach. Aber der Eindruck, den die rasche Niederwerfung der
Redarier machte, war überwältigend. Als durch den Einbruch der
Ungarn im Jahre 933 die Versuchung zum Abfall sich wiederholte,
blieben sie ruhig: sie wiesen die Bundesgenossenschaft der Ungarn
zurück*. Sie waren dauernd für Deutschland gewonnen.
Auf einem schroff abfallenden, waldbedeckten Hügel am Ein-
fluß der Triebisch in die Elbe ließ Heinrich die erste deutsche
Burg im Daleminzierlande erbauen. Das ist der Ursprung Meißens,
der späteren Bischofsstadt ''^. Die deutsche Feste sollte nicht nur
die Zwingburg für den unterworfenen Stamm sein ; sondern sie war
errichtet im Gedanken an weitere Eroberungen: von ihr aus sollte
die deutsche Herrschaft sich über die wendischen Stänmie rechts
der Elbe ausbreiten. Schon im Jahre 932 wurde denn auch die
^ Vgl. über die geograph. Verhältnisse : Zeiiß, Die Deutschen und die
Nachbarstämme S. 642 ff.; L. Giesebrecht, W. G. I S. 9 ff., u. Schulze S. 19 ff.
2 Ann. Fuld. z. 897 S. 131.
3 xnn. Fuld. z. 856 S. 47 u. z. 880 S. 94 f.
4 Nach Widuk. 1, 17 S. 16; 35 S. 29; 36 S. 29 ff.; 38 S. 32. Schulze
S. 388 f. sieht in der letzten Nachricht ein Mißverständnis ; es habe sich
vielmehr um einen Vertrag der Daleminzier mit den Ungarn gehandelt.
Aber sollte Widukind über die Haltung des Stammes ganz falsch unter-
richtet gewesen sein? Es scheint mir viel wahrscheinlicher, daß man hier
wie so oft zwischen der anekdotenhaften Form und dem sachlichen Gehalt
seiner Nachricht zu unterscheiden hat. Die erstere ist wertlos, gegen den
letzteren läßt sich eine begründete Einwendung nicht erheben,
5 Thietm. 1, 16 S. 11.
-— 75 —
Unterwerfung der Milziener und Lausitzer erzwungen^. Aber ihr
Verhältnis zum Reiche war kaum anders als das der Sorben unter
den Karolingern ^
Den mittleren Teil des weitausgedehnten Wendenlands nahmen
die verschiedenen Stamme der Welataben ein, die man auch Wilzen
oder Liutizen nannte®. Das von ihnen bewohnte Gebiet erreichte
ostwärts die Oder, nordwärts das Haff und die Ostsee. Es war
von der Natur am wenigsten begünstigt: dürftiges Waldland wech-
selte mit Sandebenen oder versumpften Flußläufen. Aber der
Kampf mit der Natur hatte dem Volke genützt: unter den Slaven,
von deren Tapferkeit die Deutschen keine großen Vorstellungen
hatten, galten die Wilzen als die mannhaftesten. Zm" Zeit Karls d. Gr.
tributpflichtig*, hatten sie sich, wie es scheint, gegen Ende des
neunten Jahrhunderts unabhängig gemacht'^. Heinrich unterwarf
sie von neuem : es war sein erster großer Erfolg nach dem Waffen-
stillstand mit den Ungarn, daß er den wilzischen Stamm der Heveller
bezwang. Sein Sieg fiel in den Winter 928 auf 929. Der Frost
war damals so stark, daß die Deutschen, deren Angriff sich auf
das feste Brandenburg richtete, ihr Lager auf dem Eise der Havel
aufschlagen konnten. Nach kurzer EinschHeßung fiel die Stadt *'.
Der Erfolg war, daß Wilzen, Heveller und Redarier ihre Tribut-
pflichtigkeit wieder anerkannten '. Das Gewonnene wurde in dem
großen Aufstand des Jahres 929 durch den Sieg bei Lenzen
glänzend behauptet^. Endhch im Jahre 934 hat Heinrich auch
1 L. c, Ann. Hildesh. z. 932 S. 20, Weissenb. S. 55, Altah. S. 8.
- Thietmar läßt die Oberlauaitz erst von dem i. J. 1002 erschlagenen
Markgrafen Ekkihart, die Unterlausitz von dem Markgrafen Gero wirklich
erobert werden, II, 14 S. 26; V, 6 S. 110; vgl. Cont. Regin. z. 963 S. 173,
Widukind III, 67 S. 81. Dauernd waren auch diese Eroberungen nicht.
^ Einh. vita Kar. 12 von den Wilzen: Inter quos — den Anwohnern
der Ostsee — vel praecipui sunt. Der Jude Ibrahim-ibn-Jakub sagt in seinem
Reisebericht v. 979 von den Ubäba, d. i. wahrscheinlich den Wilzen, ihre
Macht sei groß; sie hätten keinen König und seien niemand Untertan;
regiert würden sie von ihren Ältesten (c. 8, Geschschr. der d. Vorzeit X, 6
S. 142); ihr Land charakterisiert er als morastig; ebenso das Abodritenland
als niedrigen Wiesenboden, Sumpf und Morast (c. 2 S. 189).
4 S. S. 72 Anm. 1, und Ann. reg. Fr. z. 822 S. 159.
•' Man muß dies aus ihrer Unterwerfung durch Heinrich I. schließen.
6 Widuk. I, 35 S. 28 f. ' Ib. c. 36 S. 29.
8 L. c, vgl. Ann. Quedlinb. z. 930 S. 54; Ann. Corb. z. 929 S. 35. Hier
als Schlachttag d. 4. Sept.
— 76 —
den am weitesten östlich wohnenden Stamm, die Vucraner, tribut
pflichtig gemacht \
Die Wenden am rechten Ufer der unteren Elbe faßte man
in der Karolingerzeit unter dem Namen der Abodriten zusammen
Zu ihnen gehörten die Wagrier im östlichen Holstein, die Rereger,
Polaber und Warnaber in Lauenburg und Mecklenbm-g, die Linoner
und Smeldinger am Eibufer. Wir haben die Abodriten als Bundes-
genossen der Franken gegen die Sachsen kennen gelernt-. So fest
war man auf fränkischer Seite von ihrer Treue überzeugt, daß man
sie als „unsere" Slaven von den übrigen Wenden unterschied^.
Allein Heiden blieben auch sie *, und, was nicht minder- bemerkens-
wert ist, der Anschluß an die Franken beruhte nur auf der Pohtik
der Fürsten, nicht aber auf der Stimmung des Volks. Als die
Abodriten im Jahre 808 von den Dänen angegriffen wurden, trat
das sofort an den Tag: die Feinde fanden Bmidesgenossen unter
den Angegriffenen; der südliche Teil des Volkes, die Stämme der
Linoner und Smeldinger, trat geschlossen auf ihre Seite ■^. Um so
unheilvoller war Ludwigs d. Fr. kurzsichtige Politik, dm-ch die er
auch die Fürsten der fränkischen Herrschaft entfremdete". Bald
standen die Abodriten den Franken ebenso gegenüber wie Wilzen
und Sorben; seit dem großen Normanneneinfall des Jahres 880
hatte die deutsche Oberheri^schaft über sie tatsächHch ein Ende,
ja zuletzt mußte Arnulf den für die Deutschen ungünstigen Zustand
geradezu anerkennen'.
Mit der Begiermig Heinrichs I. begann auch hier neues Vor-
dringen der Deutschen. Schon vor der Schlacht bei Lenzen nötigte
er die Abodriten zur Anerkennung der Tributpflicht**. Seit der
Besiegung der Dänen im Jahre 934 war vollends das deutsche
Übergewicht über die Slaven gesichert.
1 Cont. Regin. S. 159, Ann. Hildesh., Quedlinb., Weissenb. S. 54 f.
2 S. Bd. II S. 669.
3 Ann. Lauresh. z. 798 S. 37; chron. Moiss. S. 303.
* Die ann. Lauresh. a. a. 0. nennen sie fanatici.
5 Ann. reg. Fr. z. 808 S. 125; chron. Moiss. S. 308.
6 Ann. reg. Fr. z. 817 fF. S. 147; Fuld. S. 20; Vita Hludov. 29 S. 522.
" Ann. Fuld. z. 895 S. 126; vgl. Bd. II S. 686 Anm. 6.
s Widuk. I, 36 S. 29. Vermutlich ist hiermit die Notiz Adams, I, 57
S. 39, zu kombinieren. Heinrich hat dann zuerst die wendische Bundes-
genossenschaft der Dänen zur Ruhe gebracht, ehe er 934 den Kampf mit
den Dänen selbst ausfocht. Die Identifizierung der Wucronii, Cont. Regin.
z. 934 S. 159, mit den Wagriern bei L. Giesebrecht. W. G. I S. 139, scheint
mir überflüssig und gewagt.
— 77 —
Auf der ganzen Linie vom Erzgebirg bis zur Eider wurde
die deutsche Herrschaft über das wendische Land ausgedehnt.
Behielten auch die "Wenden ihre eigenen Fürsten, so war doch die
Unterwerftmg unter die Eeichsgewalt jetzt viel strenger, als im
neunten Jahrhundert. An die Stelle einer sehr losen Abhängig-
keit trat die mehr oder weniger bestimmt ausgesprochene Einver-
leibung. Man ermißt die Bedeutung dieser Erfolge, wenn man
sich vergegenwärtigt, daß das Gebiet, das auf diese Weise mit dem
Reich verbunden wurde, an Umfang größer war, als das irgend
eines deutschen Stammes. Die wendischen Eroberungen sind die
weltgeschichtliche Tat Heinrichs I. Durch sie hat er das deutsche
Volk in das Gebiet geführt, in das sich nach fast einem Jahrtausend
der Schwerpunkt der deutschen Macht verlegen sollte.
Otto I. fiel die Aufgabe zu, das in raschem Anlauf Eroberte
dauernd zu behaupten und die Verschmelzung des wendischen
Landes mit Deutschland anzubahnen. Schon das Erste war nicht
leicht; denn die Widerstandskraft, welche das Wenden volk trotz
seiner schnellen Überwältigung noch besaß, war nicht gering. An
Entvölkerung des Landes war ja nicht zu denken; den Deutschen
erschien es im Gegenteil als dicht bevölkert und reich an streit-
baren Männern ^. Die Behauptung des Landes forderte deshalb
dauernde militärische Einrichtungen. Schon Heinrich hatte einzelnen
Grafen an der Grenze die Führung des Heerbanns mehrerer Gaue
übertragen und damit die Aufsicht über das vorHegende slavische
Gebiet verbunden. Li dieser Stellung erscheint an der Saale der
Graf Sigfrid^, an der mittleren Elbe der Graf Bernhard ^ Daraus
entwickelten sich unter Otto die Markgrafschaften. Der Graf Gero,
der im Jahr 937 die Legation Sigfrids erhielt*, wurde einige Jahre
später Markgraf im Sinn der KaroHngerzeit^. Auch die Macht
des späteren Herzogs Hermann Bülung war im wesentliche eine
markgräfliche. In der Errichtung der Marken Zeitz, Merseburg
und Meißen fand die Organisation des sorbischen Grenzlandes ihren
Abschluß ^ Für die Pacifikation des Koloniallandes war eine
andere Einrichtung von Wichtigkeit. Die deutsche Grenze von
1 Vit. Werinh. ep. Merseb. 1 Scr. XII S. 246 : Sclavorum genti, quorum
copiosam multitudinem error adhuc ydolatriae detinebat. Adam II, 18 S. 53:
Regio . . armis, viris et frugibus opulentissima. Diese Äußerungen stammen
aus etwas späterer Zeit: doch ist an Zunahme der Bevölkerung natürlich
nicht zu denken. ^ S. Waitz, JB. H.'s S. 103 f.
ä Widuk. 1, 36 S. 29. * Ib. II, 9 S. 41.
5 S. V. Heinemann, Markgraf Gero S. 27 f., Schulze S. 58.
6 Schulze S. 61 ff., Leo S. 27 ff.
— 78 —
Halle bis Saalfeld war schon seit der Karoliugerzeit dui'ch eine
Anzahl von Burgen geschirmt. Nun wurde auch das wendische
Land jenseits der Saale durch zahkeiche feste Plätze gesichert^.
Zum größten Teil benützte man alte slavische Orte wie Würzen,
Bx)chlitz und Colditz an der Mulde, Zwenkau und Schkeuditz an
der Elster, weiter nördhch Grimsleben, das seinen wendischen
Namen Budisco verlor, Havelberg und Brandenburg; zum geringeren
Teil wurden neue Festen angelegt wie Meißen. Zur Verteidigung
dieser Burgen wurden deutsche Dienstmannen verpflichtet, die die
Könige im Wendenlande ansiedelten, indem sie ihnen Landlehn
oder Eigengüter erteilten^. Besonders wichtige Plätze erhielten eine
stehende Besatzung unter einem Hauptmann '^ Die Merseburger
Schar Heinrichs I. mag hier das Vorbild abgegeben haben*. Diese
Festen bildeten die Hauptorte der kleinen Bezirke, in die das
Grenzland zerlegt wurde: man nannte sie Burgwarde. Die Bewohner
waren zum Unterhalt der Befestigungen der Burg verpflichtet;
a:ußerdem leisteten sie gewisse Naturalabgaben : noch im dreizehnten
Jahrhundert steuerte man in der Umgebung von Meißen das
„Wachgetreide" an die Burg^. Dieser Tribut gab die Mittel zur
Besoldung der deutschen Reisigen, die in der Burg lagen *^.
In dieser Weise wurde das Grenzland militärisch organisiert.
Trotzdem gelang es nur unter stets erneuerten Kämpfen, die Wenden
in Abhängigkeit zu erhalten. Mit Ausnahme der beiden südlichen
Stämme der Sorben und Daleminzier' mußte Otto seine Waffen
mit allen wendischen Völkerschaften kreuzen. Wir verfolgen das
Schwanken der kriegerischen Ereignisse hier nichts Das Ergebnis
war, daß zunächst das ganze von Heinrich eingenommene Gebiet
^ Schwarz, Anfänge des Städtewesens in den Elb- u. Saale-G-egenden,
1892 S. 10 ff., Schulze S. 50 f., S. 63 ff., Leo S. 23 ff.
2 S. Schulze S. 80 ff., Leo S. 31 ff.
3 S. über Meißen Thietm. V, 9 S. 112. * Widuk. II, 3 S. 39.
* Hagedorn, Verfassungsgesch. d. St. Magdeburg 1881 S. 6 Anm. 4.
« Widuk. II, 30 S. 51.
' Schulze nimmt an, daß nach Heinrichs Tod die Abhängigkeit der
Sorben vom Reich sich löste und daß sie m Abhängigkeit von Böhmen
gerieten; erst um 950 sei die deutsche Herrschaft wiederhergestellt worden,
S. 59 f. Er begründet seine Annahme damit, daß man bis in die Mitte des
10. Jahrh.'s vom Sorbenland nichts hört, S. 58. Das ist richtig. Aber legt
der Mangel an Nachrichten nicht die Vermutung näher, daß irgendeine
Verschiebung der Verhältnisse nicht eintrat?
« Ich verweise auf L. Giesebrecht, W. G. I S. 140 f., Dümmler, Otto L,
W. Giesebrecht, Gesch. d. d. KZ.; außerdem auf die oben angeführte Schrift
von v. Heinemann, u. auf Böhmer, v. Ottenthai Reg. imp. II.
— 79 —
behauptet wurde: nicht mehr die Saale und Elbe, sondern die Oder
bildete unter Otto I. die Grenze des Reichs im Osten.
Weit schwieriger als die militärische Behauptung des Landes
rechts der Elbe war die Verschmelzung seiner Bewohner mit dem
deutschen Volk. Diese Aufgabe konnte nur dm'ch die Einführung
der christHchen ReUgion gelöst werden. Für sie aber ist vor Otto L
sehr wenig geschehen. Als Karl d. Gr. die Sachsen und die Slaven
in den östlichen Alpen unterwarf, gingen Eroberung und Missio-
nierung Hand in Hand. Über die Elbe dagegen sandte er keine
Glaubensboten. Und was er unterheß, hat keiner seiner Nach-
folger unternommen. Je größer die Verdienste Heinrichs um die
Eroberung, des Wendenlandes sind, um so auffälliger ist, daß er
für die Ausbreitung des Christentums in demselben nichts tat-^.
Wohl kam es unter dem Eindruck der Übermacht der deutschen
Waffen vor, daß einzelne Wenden sich entschlossen, die Religion
der Sieger anzunehmen. Das wird von einem Abodritenfürsten be-
richtet-; es mag sich öfter wiederholt haben. Aber solche Einzel-
bekehrungen waren wertlos; denn sie blieben ohne Einfluß auf die
Stellung der Völker. Man kann nicht leugnen: Heinrich hat, in-
dem er nichts tat, um die Einheit der Religion zwischen den
Eroberern und den Unterworfenen herzustellen, bewiesen, daß er
nicht als Staatsmann, sondern nur als Soldat erobert hatte. Er
hat dadurch das Wichtigste versäumt, um seine Eroberungen zu
befestigen. Denn nur die Gleichheit der Religion war imstande,
die widerstrebenden Völker zu versöhnen und zu einem Reiche zu
verbinden.
Was die Könige unterließen, hat auch die Kirche nicht ge-
leistet. An das Wendenland grenzten die Bistümer Würzburg,
Mainz, Halberstadt, Verden und Hamburg: große und mächtige
Stifter, die auch in den zahlreichen Klöstern ihrer Diözesen Priester
fiir den Missionsdienst finden konnten. Durch seine Stiftung wie
^ Ich wüßte nicht, wodurch sich die Annahme v. Heinemanns (Gero
S. 51), daß die heidnischen Länder als Missionssprengel an die benachbarten
deutschen Bistümer geknüpft gewesen seien, wahrscheinlich machen ließe.
Daraus, daß bei der Gründung der wendischen Bistümer weder Mainz noch
Halberstadt noch Verden irgendwelche Ansprüche auf wendisches Gebiet
erhoben, ergibt sich vielmehr, daß die angenommene Verbindung nicht
existierte. Die Angabe Adams, daß die Slaven nach ihrer großen Nieder-
lage, d. h. nach der Schlacht bei Lenzen, Deo christianitatem ultro pro-
mitterent, I, 58 S. 39, ist zu jung, als daß sie bei dem Fehlen eines gleich-
zeitigen Zeugnisses in Betracht kommen könnte.
2 Ann. Aug. z. 931 Scr. I S. 69, Cont. Regin. S. 158.
— 80 —
durch seine Vergangenheit war Hamburg in besonderem Sinne
Missionsbistum. Das hat man dort auch nicht vergessen: es ist
der unvergängliche Ruhm der Hamburger Bischöfe, daß sie allein,
als überall sonst der Eifer erlahmt war, das Banner des Christen-
tums vorwärts trugen. Allerdings war seit dem Tode Anskars auch
in der Hamburger Mission ein Stillstand eingetreten. Sie krankte
an ihrer Erfolglosigkeit^. Und wirkte Rimbert noch im Geiste
seines großen Lehrers, so können wir das von seinen Nachfolgern
nicht sagen. Sie waren Mönche: das ist alles, was wir von ihnen
wissen; offenbar waren sie wenig hervorragende Persönlichkeiten^.
Aber mit Erzbischof Unni begann neues Leben. Das günstige
Urteil, das König Konrad durch seine Ernennung über ihn fällte'^,
wurde durch seine Amtsführung glänzend bestätigt. Als er im Jahr
917 den bischöf heben Stab erhielt, war die Lage des Erzbistums
noch im höchsten Maße unsicher: noch war die Gefahr, mit der
die Ungarn die kirchhche Kultur bedrohten, nicht vorüber; noch
befanden sich Dänen und Wenden den Deutschen gegenüber im
Vordringen. Der letzte B^st des Christentums in Dänemark, alles
was von der Arbeit Anskars übergeblieben war, schien verloren:
denn König Gorm war ein ausgesprochener Christenfeind, So weit
seine Macht reichte, duldete er keinen christlichen Priester: sie
wurden vertrieben, nicht wenige haben die Märtyrerkrone erlangt*.
Dann aber kam der Umschwung der allgemeinen Lage unter Hein-
rich I.: die seit einem halben Jahrhundert vordringende Woge der
heidnischen Nationen des Ostens und Nordens kam zum Stillstand;
im Norden gab das Jahr 934 den Deutschen das Übergewicht.
Es sollte sofort der Ausbreitung der Kirche zugute kommen : Hein-
rich nötigte den Fürsten Chnuba, der in Schleswig hauste, zur
1 S. Bd. n S. 686 f.
'^ S. über Adalgar vit. Rimberti 21 S. 97; über Hoger Adam I, 52 S. 35;
von Reginward wußte schon Adam nichts als den Namen, ib. 55 S. 37. Die
Angabe Jensens, Schleswig- Holsteinische KG. I S. 128, er sei Mönch in
Corvey gewesen, ist unrichtig; er kommt unter den Corveyer Mönchen
nicht vor, s. d. Catal. abb. Scr. XIII S. 275. ^ Adam I, 56 S. 38.
•* Ih. I, 57 S. 39. Dehio, Gesch. d. EB. H. B. I S. 118, erklärt die Nach-
richt Adams für sagenhaft übertrieben. Dazu fehlt jedoch, wie mich dünkt,
der Grund. Der politische Gegensatz Gorms gegen die Deutschen ist eine
unanfechtbare Tatsache. Aus ihm folgt aber mit beinahe logischer Sicher-
heit die Feindschaft gegen die deutschen, von Hamburg abhängigen Priester.
Daß ihre Vertreibung nicht ohne Gewaltsamkeit durchgeführt wurde, und
daß dabei mehr als einen ein gewaltsamer Tod traf, ist wahrscheinlich
genug: mehr als das sagt Adam nicht.
— 81 —
Annahme des Christentums^. Damit war der Wiederbeginn der
Missionsarbeit raögHch gemacht. Unni zögerte keinen Augenblick
zu handehi. Im Frühjahr 935 eilte er an den Hof-; er mußte sich
der Zustimmung des Königs zu seinem Unternehmen versichern.
Dann schickte er sich an von dem für seine Diözese neu ge-
wonnenen Arbeitsfeld Besitz zu ergreifen. Sein rascher Mut er-
regte Bewunderung und Teilnahme: man sieht es daraus, daß das
gesamte Domkapitel von Bremen dem scheidenden Bischof das
Geleite gab^ Sein Gedanke war, Anskars Werk zu erneuern: er
ging deshalb an den Hof König Gorms in Dänemark. Wer möchte
eine Vermutung darüber wagen, ob er im Ernst hoffte, den alten
König zur Annahme des Christentums zu bestimmen? Wenn es
der Fall war, so erfüllte sich die kühne Hoffnung nicht. Gleichwohl '
war seine B,eise nicht vergebHch. Es gelang ihm, bei Gorms Sohn
Harald Blauzahn Achtung, wenn nicht Zuneigung zu gewinnen:
der Erbe der dänischen Krone stellte sich der Religion des mäch-
tigen l^achbarreiches nicht ebenso ablehnend gegenüber wie der in
Kämpfen gegen die Deutschen grau gewordene König. Aber
Christ geworden ist auch er nicht. Immerhin konnte der kühne
Bischof, gestützt auf die Gunst des Prinzen, die Reste des Christen-
tums auf den dänischen Inseln sammeln und an den längst ver-
lassenen Kirchen von neuem Priester bestellen*. Von Dänemark
trieb es ihn weiter nach Schweden: seit den Tagen Rimberts hatte
kein Bischof die Christengemeinde zu Birka besucht. Wie es Unni
1 Widuk. 1,40 S. 34; Adam 1,59 S. 39; Thietm. I, 17 S. 11. Das Jahr
in den Ann. Corb. S. 85. Der Name des Königs bei Widuk. ist durch die
Gottorper Eunensteine gesichert, s. A. Sach, Das Herzogt. Schleswig I S. 60.
Adam verwechselt den König mit Gorm, Thietmar vertauscht den Namen
mit Knut. Ohne Königsnamen ist die Nachricht auch nach dem Westen und
Süden gedrungen, hierhin wie dorthin mit falscher Jahreszahl, s. Cont.
Regin. z. 931 S. 158 und Ann. Aug. z. d. J. S. 69. Chnuba ist bald darauf
im Kampf mit Gorm umgekommen. Daß seine Witwe Asfred ihm ein Weihe-
grab errichtete, zeigt; wie wenig der erzwungene Übertritt zum Christen-
tum bedeutete.
2 Er war im Mai 935 in Duisburg bei König Heinrich, Dipl. I S. 73 Nr. 39.
ä Adam I, 60 S.'40. Nach I, 59 S. 39 hat Heinrich in Schleswig einen
Markgrafen eingesetzt und sächsische Kolonisten angesiedelt, Adam beruft
sich auf das Zeugnis eines dänischen Bischofs. Seine Nachricht wird von
Sach S. 61 bestritten. Er verlegt den Ursprung der Mark ins J. 974.
* So nach dem Berichte Adams, der dem, was Widukind 1, 40 S. 34 er-
zählt, wenn man von der Verwechselung Chnubas mit Gorm absieht, nicht
notwendig widerspricht. Die Aufnahme, die Unni fand, erklärt sich viel-
mehr aus dem Siege Heinrichs an der Eider.
Haaok, Eirchengeschichte. III. 6
s^(;o7
— 82 —
erwarten mußte, so fand er es: die Gemeinde hatte sich aufgelöst;
er stand vor einem Ruinenfeld. Auch hier aber scheint es seinem
Eifer gelungen zu sein, einen neuen Anfang zu machen. Jedoch
seine Kraft war erschöpft; im Begriffe, nach Hamburg zurückzu-
kehren, erkrankte er: fern von der Heimat ist er in Birka am
17. September 936 gestorben. Die Seinen haben ihn dort begraben.
Die Hamburger Kirche hat das Gedächtnis an Unni treulich
gehegt. Adams Erzählung gibt ein Bild seiner Persönlichkeit: er
war ein Mann klein von Gestalt \ aber immer voll freudigen Mutes,
ohne Scheu vor Anstrengungen und ohne Furcht vor Gefahren-.
Ihn erfüllte das stolze Bewußtsein, daß der Hamburger Kirche die
wichtigste Aufgabe im Norden Europas zugefallen sei^. Dabei
verstand er es wohl, mit den Mächtigen der Erde zu verkehren:
obgleich er durch die Gunst König Konrads erhoben worden war,
galt er doch nicht wenig am Hofe Heinrichs*. Wenn es wahr ist,
daß er Harald nicht taufte, obgleich er sich offen zum Christentum
bekannte^, so ist es ein Beweis, daß ihm bei allem seinem Mut
die Klugheit nicht fehlte, welche Anstöße lieber vermeidet, als her-
vorruft, imd welche bereit ist, auf einen glänzenden Erfolg zu ver-
zichten, um einen dauernden zu sichern. Zwar, stellen die Ham-
burger Geschichtschreiber Unni zurück hinter seinem Nachfolger".
Aber der geisteskräftigste unter den Hamburger Erzbischöfen hat
ihm neben Anskar und Rimbert den Platz an' der Spitze aller an-
gewiesen'. Sein Urteil wird im Rechte bleiben; denn nicht der ist
in Wahrheit der Sieger, der die Fahne auf der eroberten Festung
aufpflanzt, sondern der, welcher die Bresche öffnet, mag er selbst
auch dabei fallen.
Doch, so sehr man das anerkennen mag, was Unni für den
Wiederbeginn der Hamburger Mission tat, in Einem fehlte er:
der Gedanke an die nordische Mission drängte den an die Wenden-
bekehrung in den Hintergrund. Es ist verständlich; denn jeder
Mensch ist durch die Vergangenheit gebunden: Unnis Wege waren
ihm durch Anskar gewiesen. Aber es war ein Fehler: für die
Gegenwart und die Zukunft Deutschlands war es weit wichtiger,
1 Adam I, 56 S. 38: Parvulus Unni. 3 ib qq s. 40.
" A. d. a. St.
* Ib. 56 S. 38: Conrado et Heinrico regibus familiaris et reverendus.
* Ib. 61 S. 40.
* Das tut der älteste und der neueste, Adam und Dehio.
' Adam III, 70 S. 148: Adalbertus solita gloriari coepit iactantia:
primum fuisse Ansgarium, deinde Rimbertum, postea Unni, se vero quartum
evangelistam postulari.
— 83 —
daß die "Wenden Christen wurden, als daß Dänen und Schweden
sich zum Glauben bekannten; denn die ersteren gehörten zum
Kelch, die letzteren waren Fremde. Wurde die Wendenmission
von dem nordischen Missionsbistum vernachlässigt, so nicht minder
von den mitteldeutschen Bistümern. Die Mainzer Erzbischöfe Heriger
und Hildibert waren treffliche Männer, gelehrt und hochangesehen
bei Franken und Sachsen \ aber vom Sinne des Bonifatius scheint
wenig in ihnen gelebt zu haben. Die Würzburger Bischöfe Thiedo
imd Burkhard II. wurden durch die Verwüstung ihrer Diözese
durch die Ungarn an jeder weiter greifenden Tätigkeit gehindert-.
Sie dachten so wenig an Mission unter den Slaven jenseits des
Frankenwaldes, daß sie nicht einmal die bereits begonnene Be-
kehrung der Wenden im oberen Maintal, im Muggendorfer Gebirg
und an der unteren Aisch vollendeten^. Von allen deutschen
Bischöfen war es allein Adalward von Verden, der versuchte die
Aufgabe zu lösen, die die deutsche Kirche lösen mußte: er predigte
den Abodriten das Evangelium^. Es war etwas Unerhörtes: die
Bewunderung des Volks umgab den Mann, der solches wagte, mit
dem Glänze des Wundertäters. Weithin im Reich war sein Name
gekannt und geehrt: die Mönche von Reichenau nahmen ihn in
ihre Brüderschaft auf, in Fulda trug man seinen Namen in das
Totenbuch ein ^, die Kanoniker von St. Emmeram und Bischof Waldo
von Chur erbaten seine Fürsprache am Hofe des Königs''. Aber
daß seine Predigt Erfolg hatte, hören wir nicht: nicht einmal die
geistlichen Bundesgenossen Adalwards auf der stillen Aue im Unter-
see, die doch nicht unterheßen, einen Augenblickserfolg König
Heiniichs in ihren Jahrbüchern zu verzeichnen, hatten davon etwas
^ Den ersteren bezeichnet Reginos Fortsetzer als Deo dignus praesul,
z. 926 S. 158. In einer Urkunde Heinrichs für St. Gallen heißt er hono-
randus pater, Dipl. I S. 49 Nr. 12. Das Lob Hildiberts verkündigt besonders
Widukind, II, 1 S. 37.
* 915 wurde Ostfranken verwüstet, Annal. Ottenb. z. d. J. Scr. V S. 4.
In einer Urkunde Konrads I. von 918 höreh wir von einem Brand in Würz-
burg, durch den quam plurima utensilia des dortigen Doms zugrunde gingen,
Dipl. I S. 32 Nr. 35. Möglicherweise sind beide Nachrichten zu kombinieren.
926 folgte eine neue Verwüstung, Ann. Aug. z. d. J. S. 68, cont. Regin.
g. 158, Ann. Wirzib. z. 928 Scr. II S. 241.
" S. Vita Heinr. II. 10, Scr. IV S. 796, Bamb. Syn. v. 1058 Mansi XIX
S. 883, u. vgl. unten Buch VII Kap. 1.
•^ Adam II, 1 S. 42 f. Adam führt übrigens seine Erzählung mit einem
^ferunt" ein.
5 Confrat. Aug. 338, 38; Ann. necr. Fuld. z. 933 Scr. XIII S. 194.
« Dipl. I S. 27 Nr. 29 u. 80, S. 48 Nr. 11.
6«
— 84 —
zu berichten. Auch scheint der Nachfolger Adalwards sein "Werk
nicht fortgesetzt zu haben. Hätte er es unterlassen, wenn jener
auch nur einen sicheren Grundstein füi* den Weiterbau gelegt
hätte? Vor allem aber: die Slaven in der Verden er Diözese selbst
blieben der Kirche fem. Sie waren zum Teil noch im dreizehnten
Jahrhundert Heiden ^
Wir sehen: als Otto I. die Regierung antrat, war nicht einmal
ein Anfang zur Begründung der christUchen Kirche im Wenden-
land gemacht'-^. Es hatte ein Recht, daß die Worte Wende und
Heide als Synonyma gebraucht wurden^. Denn alle wendischen
Stämme waren noch rein heidnisch. Überschritt man die Saale
und die Elbe, so verließ man das Land der Kirchen, man gelangte
in das Land der heiHgen Haine. Jeder Wendengau hatte sein
eigenes Heiligtum: hier waren es Tempel, dort Berge, Quellen oder
heilige Bäume. In ganz Schlesien galt kein Ort für heiliger als
der hochragende Zobten*; die Daleminzier versammelten sich in
scheuer Verehrung um den Quell Glomuzi, den Paltschen See bei
Lommatzsch: sie waren der Überzeugimg, daß sein klares oder
trübes Ansehen auf kommendes Glück oder Unheil deute ^. In
einem heiligen Hain zwischen Elster und Saale östlich von Lützen
hatten die Sorben das HauptheiUgtum ihres Stammes; niemand
hätte gewagt, einen Baum desselben zu beschädigen; noch Jahr-
zehnte lang, nachdem die wendischen Bistümer errichtet waren,
stand er unberühi-t^. Zu den heihgen Orten der Wilzen gehörte der
Harlungerberg bei Brandenburg '. Die Heiligtümer der nördlichen
1 Brief Honor. IIL an Konrad v. Porto v. 1225 Westfäl. ÜB. V S. 153
Nr. 324: Multi pagani sunt in Magdeburgensi et Werdensi provinciis,
^ Über die Kulturzustände bei den Slaven im allgemeinen s. Schie-
mann, Rußland, Polen u. Livland, Bd. I 1886 S. 16 ff. Schulze S. 23 ff.
8 Vgl. z. B. Widuk. III, 68 S. 82; Ann. Hild. z. 1056 S. 47; Dipl. I
S. 146 Nr. 65 v. 945.
4 Thietm. VIII, 59 S. 229. 5 Ib. I, 3 S. 3.
ö Ib. VI, 37 S. 156. Kurze bemerkt zu dieser Stelle: Zutibure sive
Zuentibor significat silvam sanctam. Er erinnert an die villa Scudibure in
einer Urkunde Heinrichs IL Dipl. III S. 288 Nr, 250, das heutige Schkeitbar
zwischen Lützen und Zwenkau.
' In einer Urkunde des Bischofs Wilmar von Brandenburg v. 1161,
Riedel, Cd. VIII S. 104 Nr. 15, heißt es von der Stadt, sie sei fere usque
ad nostra tempora a paganis possessa et idolorum cultura incesta. Bei den
letzten Worten ist wahrscheinlich an den Triglafftempel auf dem Harlunger-
berg gedacht.
— 85 —
Slaven lagen in Segeberg, Plön und Oldenburg^. Kein Tempel
aber war berühmter als der des Redigast in Rethre im Lande der.
Redarier: das aus Holz gebaute, mit barbarischer Pracht ausge-
stattete Heihgtum lag im oder am ToUensesee, es war rings von
einem heihgen Hain umgeben^. Ihre Götter verehrten die Wenden
unter mancherlei Bildwerken^; sie werden gewöhnlich von Holz
gewesen sein*; andere waren aus Erz gegossen'"^, von anderen
glaubte man wenigstens, sie seien aus Gold^. Wenn den Deutschen
diese Götzenbilder als fratzenhaft und ungestalt erschienen', so
werden die Wenden gerade in dem Phantastischen das Übermensch-
liche erblickt haben. Sie nahmen ihre Götterbilder selbst in den
Krieg mit oder bildeten sie auf den Feldzeichen nach^ Doch
gab es auch bildlose Heiligtümer. Helmold, der bei der Zerstörung
des heihgen Hains in Oldenburg selbst Hand anlegte, erzählt, daß
sich darin kein Götterbild befand^.
Als die Wenden mit den Deutschen zusammenstießen, war
die alte Sitte ihres Volkes, daß die Opfer von den Altesten dai*-
gebracht wurden, überall bereits verlassen. Es gab bei den Heihg-
tümem eine ständige Priesterschaft. Sie hatte den Opferdienst zu
vemchten und die Zukunft zu erkunden^". Bei dem hohen An-
sehen, das sie genoß, war sie für den Fortbestand des Heidentums
von großer Bedeutung.
Für die Zukunft Deutschlands wurde es entscheidend, daß
Otto I. auch in seinem Verhalten gegen die Wenden die Richt-
linie seines Vaters verheß und zu der Politik zurückkehrte, die
1 Helm. ehr. Slav. 1,52 S. 106, 83 S. 163 f. Das Oldenb. Heiligtum
bestand aus einer Anzahl heiliger Eichen.
'^ Thietmar und Adam von Bremen schildern dasselbe, jedoch nicht
ganz übereinstimmend, Chron. VI, 28 S. 147 und Gest. II, 18 S. 54. Man
sucht es bei dem Dorfe Prillwitz in Mecklenburg-Strelitz.
3 Thietm. VI, 25 S, 148. Auch Helmold spricht von penates et ydola,
quibus singula oppida redundabant, I, 83 S. 163.
* Das Bild Redigasts war ein Holzbild, Thietm. VI, 23 S. 147.
» Widuk. n, 68 S. 82. « Adam II, 18 S. 54.
' Helmold: Multos etiam duobus vel tribus vel eo amplius capitibus
exsculpunt. * Thietm. VIII, 64 S. 232: Dea in vexillis forraata.
» 1,83 S. 163.
^'^ Schiemann sagt (S. 17) von der Zeit nach der Trennung der Letten
und Slaven, die Opfer seien nicht von Priestern, sondern von den Ältesten
dargebracht worden; ebenso Schulze S. 39. Für die spätere Zeit ist jedoch
die Existenz von Priestern sicher; s. Thietm VI, 24 S. 148: Ad haec curiose
tuenda ministri sunt specialiter ab indigenis constituti; Helmold 1,83; die
Biographen Ottos v. Bamberg s. Bd. IV S. 580 Anm. 1.
— SB —
Karl d. Gr. den eroberten Gebieten gegenüber befolgt hatte: die
Einheit der Religion sollte die Klammer zwischen den neuen und
den alten Bestandteilen des Reichs werden. Sein konsequent festge-
haltener Plan war, das Wendenland zu einem christlichen Lande
zu machen.
Die Aufgabe, deren Lösung er in Angriff nahm, war unend-
lich schwer. Von Hause aus waren Wenden und Germanen ungleich
geartet. Man kann sich nichts Verschiedeneres denken als die
Volksstimmung der beiden Nationen im zehnten Jahrhundert. AVenn
man Schriftwerke aus der sächsischen Epoche liest, so gewinnt
man überall dßn Eindruck, daß der Druck, der in der letzten
Karolingerzeit auf dem deutschen Volke lastete, überwunden war.
Freudiges Selbstvertrauen spricht aus den Schriften Widukinds und
seiner Zeitgenossen: so betrachtete man die Gegenwart und so
blickte man in die Zukunft. Was wir dagegen von den Wenden
hören, zeigt jenen trüben, vertrauenslosen Zug, der dem slavischeh
Volkstum überhaupt eigen zu sein scheint. Am schärfsten tritt das
in den wenigen Nachrichten über ihre Religiosität an den Tag.
Das Volk hatte kein Vertrauen zu dem Dienst, den es seinen
Göttern leistete: man wagte nicht, ihnen ein Opfer darzubringen,
ehe man nicht erforscht hatte, ob es ihnen genehm sei-*^. Man
traute den göttlichen Offenbarungen nicht: erst wenn zwei Zeichen
zusammentrafen, hielt man sie für zuverlässig". Man traute den
Göttern selbst nicht: sie erschienen als unsagbar zornig *. Derselbe
Trübsinn spricht aus den schwankenden Meinungen der Wenden
über den Tod: den einen erschien der Tod als Vernichtmig, die
anderen betrachteten ihn als Erlösung von der Last des Lebens*.
Die wirtschaftlichen und politischen Zustände waren nicht ge-
eignet, erhebend auf das Volk zu wirken. Noch im zehnten Jahr-
hundert lebten die Wenden wie einstmals ihre Vorfahren in Sippen-
gemeinden unter Leitung der Geschlechtsältesten °. War der
einzelne dadurch vor Verarmung gesichert, so war er zugleich auf
allen Seiten gebunden: er konnte nicht emporkommen, und auch
den Sippen gewährte der mit ungeeignetem Geräte nachlässig be-
1 Thietm. VI, 25 S. 148. ^ j^. 24 S. 148.
'^ Ib. c. 25. Die Slaven opferten nicht nur den wohltätigen, sondern
auch den zerstörenden Göttern, s. Schiemann S. 17.
■^ Die entgegengesetzten Angaben bei Thietiu. 1, 14 S. 10 und dem
Araber Masudi. Der letztere erzählt: Bei dem Verbrennen der Leichen sind
sie vergnügt und fröhlich und sie sagen, daß sie das sind, weil ihr Gott
sich über den Gestorbenen erbarmt hat, Gesch.schr. d. d. Vorz. X, 6 S. 145 f.
■^ Ibrahim-ibn-Jakub 8 S. 142, s. o. S. 75 Anm. 3.
— 87 — . • .
stellte Acker ^ schwerlich großen Ertragt. Daß einzelne Geschlechter
durch größeren Besitz sich über die übrigen zu erheben begannen,
brachte der Gesamtheit keinen Gewinn: denn die Häuptlinge ver-
mochten die Kraft der zersplitterten Stämme nicht zusammenzu-
fassen und auf ein gemeinsames Ziel zu lenken. Überdies drückte
das Aufkommen des Adels natiu'gemäß die Lage der Gemeinfi-eien
herab. Im Dienste der Großen arbeiteten zahlreiche Unfreie,
Kriegsgefangene und Sklaven. Überall im Wendenlau d blühte der
Sklavenhandel '^ Diese Knechte bauten den Grund und Boden,
der ihnen nicht gehörte, und fristeten auf kleinen Ackerstücken ein
ärmliches Dasein. Eine tiefe Kluft schied sie von den Herren.
Schon in dem Namen, mit dem man sie bezeichnete: smurdi, die
Stinkenden, lag die Verachtung, die man gegen sie empfand^. Zu
pohtischer Existenz war noch keiner der wendischen Stämme ge-
langt: sie waren lose Gebilde, unfähig zu gemeinsamem Handeln^
deshalb den deutschen Nachbarn nirgends gewachsen; auf der
andern Seite aber so reich an Männern, daß sie nicht leichthin zu
überwältigen waren: der Krieg war permanent.
Standen Wenden und Deutsche von Anfang an mit wenig
Sympathie einander gegenüber, so hatten die unablässigen Kämpfe,
die zwischen beiden Völkern geführt wurden, die üble Folge, daß
die nationale Abneigung sich zu flammendem Haße steigerte.
Auch Franken und Sachsen haben lange und schwer mit einander
gekämpft; aber die beiden Gegner achteten sich. Wie fränkische
Geschichtschreiber voll Anerkennung von der Tüchtigkeit des
Sachsenvolkes sprechen, so hat das letztere in Karl d, Gr. alsbald
nicht den Unterdrücker, sondern den Führer zum christhchen
Glauben gesehen. Wenden und Deutsche dagegen haben sich nur
gehaßt. Heinrich I. dachte ohne Zweifel wie jedermann in Sachsen,
wenn er den Wenden gegenüber kein Unrecht kannte; der aus Ver-
1 Meitzen, JB. f. Nat.ök. 32 S. 33: ,Die Slaven benutzten nur den
leicliten und ebenejn Boden, und vermochten auch mit ihrem leichten Acker-
werkzeug und schwachen Gespann den schweren nicht zu bewältigen." Vgl.
Uhlira S. 6. Doch wird i. J. 948 in Biederitz, Burg und Möckern bereits
Weizen gebaut, Dipl. I S. 189 Nr. 105. Als am meisten gebaut bezeichnet
Ibrahim Hirse, c. 12 S. 144.
2 Widukind hebt II, 20 S. 48 die dürftige Lebenshaltung der Wenden
hervor. Auch Ibrahim schildert im Unterschied von Böhmen das deutsche
Wendenland als Wiese, Sumpf und Morast, 2 S. 189; SS. 142.
ä Ein Hauptsitz des Sklavenhandels war Prag, Ibr. 3 S. 140.
* In einer Urkunde v, 1122 bei Lepsius, Gesch. des Hochstifts Naum-
burg I S. 238, wird ein mansus erwähnt, quem quatuor Zmurdi incolunt.
brechern rekrutierten Truppe, die er in Merseburg sammelte, soll
er ausdrücklich jegliche Untat an den Wenden gestattet haben:
sie sollten sie plündern , soviel sie ■ sich getrauten , läßt Widu-
kind ihn sagen ^. Otto war eine sittlich viel durchgebildetere
Persönlichkeit als sein Vater; er wird sich über das Durchschnitts-
niveau erhoben haben; aber den Wenden gegenüber war er kaum
anders gesinnt als jener. Als ihm im Jahre 968 von einer Nieder-
lage der Eedarier berichtet wurde, verbot er den sächsischen Großen,
daß sie den geschlagenen Feinden Friede gewährten: sie wüBten,
wie oft jene die Treue gebrochen, wie großes Unrecht sie begange i
hätten; deshalb sollten sie alle Kraft daran setzen, den Kampf zu
beendigen, indem sie sie ausrotteten^. Wie die Fürsten, dachte
das Volk. Die gleichzeitigen deutschen Schriftsteller sind einig in
Äußerungen der Verachtung und der Feindseligkeit gegen die
Wenden. Schon daß Widukind sie fast regelmäßig als Barbaren
bezeichnet^, zeigt, daß man sie nicht als gleichberechtigt betrachtete.
Die Einrichtung jener Verbrecherschar in Merseburg weiß er nur
zu loben: der zugleich milde und strenge Sinn des Königs zeige
sich in ihr. Wo immer Thietmar von den Wenden spricht, ist
sein Urteil ungünstig: er schildert sie als feig und falsch, als grau-
sam und' treulos, als unbeständig und käuflich ^ Barbareien, die
er als solche erkennt und tadelt, findet er den Wenden gegenüber
löblich: denn dies Volk müsse wie ein Stier gehütet und wie ein
Esel gepeitscht werden ^. Auch der milde, bilHg denkende Ruotger
charakterisiert sie als eine wilde, barbarische Nation^'. Ihre natür-
liche Dummheit und Unvernunft hebt ein anderer Schriftsteller
hervor'; zuchtlose Völker nennt sie ein dritter ^ Die Bezeichnung
Hunde, die ein Franke unter König Dagobert den Slaven ins
Gesicht geworfen hatte ^, ist ein halbes Jahrtausend später noch
1 Widuk. II, 3 S. 39.
'^ Sckreiben Ottos an die sächs. Großen, 18. Jan. 968, Dipl. I S. 487
Nr. 355. « I, 35 S. 28; 36 S. 29 ; II, 20 S. 47; HI, 45 S. 73 u. ö.
* VI, 25 S. 148: Infideles ipsi et mutabiles ipsi immutabilitatem ac
magnam exigunt ab aliis fideni ... Ad hanc (pacem) perturbandam et
facile pecunia corrumpuntur. V, 9 S. 112: Novis semper gaudentes. V prol.
V. 10: Sclavo crudeli. Die wendische Feigheit illustrieren die Schlachten-
berichte III, 19 S. 16; IV, 29 S. 81. 5 jx, 2 S..240.
« Vit. Brun. 3 S. 6; vgl. auch Ann. Qued. z. 997.
" Mirac. Heinr. IL c. 10 Scr. IV S. 815 f.
8 Urk. HattoB von Mainz v. 968, Cd. Brand. II S. 436 Nr. 2. Auf.
bodenlose Zuchtlosigkeit läßt das schließen, was der Araber Masudi erzählt,
S. 146. 9 Fredeg. chron. IV, 68 S. 154..
— 89 —
nicht vergessen : sie wird jetzt so gebraucht, daß man annehmen
muß, sie sei ein bei den Deutschen gewöhnhches Schimpfwort ge-
wesen-^. Die Wenden wußten wohl, wie die Deutschen gegen sie
gesinnt waren. Cosmas von Prag beklagt sich bitter über den an-
geborenen Hochmut der Deutschen und ihre stolze Verachtung der
Slaven und ihrer Sprache^. Ein noch drastischeres Zeugnis ist
die Anekdote von einem slavischen Bettler in Merseburg, der nicht
glauben will, daß ein deutscher Heiliger einem Wenden heKe®.
Wer möchte zweifeln, daß die Wenden den Haß, den sie erfuhren,
den Deutschen reichlich vergalten?
Daß die Stimmung der beiden Völker gegeneinander in dieser
Weise vergiftet wurde, war die Folge der Art, wie der Krieg
zwischen ihnen geführt wurde. Von ritterlichem Hochsinn war in
den Kämpfen zwischen Sachsen und Wenden keine Spur. Sie
trugen den furchtbaren Charakter des Volkskriegs: man kämpfte
nicht nur mit den Waffen, sondern auch mit List und Verrat: man
• suchte den Feind nicht nur zu besiegen, sondern zu vernichten.
Immer größer wurde die Last von Unrecht auf beiden Seiten,
immer tiefer der Strom von Blut, der beide Nationen schied. Schon
durch Heinrich I. hat der Krieg jenen fürchtbaren Charakter er-
halten, den er Jahrhunderte lang bewahrte. Gegen die Wenden
kannte Heinrich kein Mitleid: als er Jahna erobert hatte. Keß er
alle erwachsenen Bewohner, Männer wie Frauen, töten; die Kinder
wurden in die Sklaverei weggeführt: die Stadt war vernichtet*.
In der Schlacht bei Lenzen sollen 120,000, nach anderen 200,000
Menschen umgebracht worden sein; zumeist waren es Fhehende.
Man hat am Tage nach der Schlacht auch noch die Gefangenen
mit kaltem Blut gemordet '". Unter Otto I. wurde das nicht anders.
1 Schol. zu Adam II, 43 S. 71, wiederholt von Helmold 1, 16 S. 39 : Ein
Slavenfiirst begehrt eine sächsische Herzogstochter zur Ehe für seinen Sohn ;
ein sächsischer Adeliger widerspricht, consanguineam ducis proclamans non
dandam esse cani. Vgl, Thietm. III, 17 S. 58: Ab avaris canibus predatur.
2 Cosm. chron. I, 40 Scr. IX S. 62 ; vgl. das deutsche Urteil Ortl. Zwifalt.
chron. 1, 19 Scr. X S. 84.
3 Mirac. Heinr. II. 10 Scr. IV S. 815 f. Daß Adam von Bremen und
besonders Helmold günstiger über die Slaven urteilen als die älteren Schrift-
steller, zeigt, daß der Nationalhaß sich im Verlaufe milderte. Freilich nicht
überall. Das sieht maa aus dem angeblichen Aufruf Adelgots von Magde-
burg V. 1107—8, s. über ihn Bd. IV S. 599 Anm. 4.
* Widuk. I, 35 S. 29.
^ Die größere Zahl gibt Widukind; er erwähnt auch den Gefangenen-
mord: Captivi omnes postera die, ut promissum habebant, obtruncati, I, 36
— 90 —
Nach dem Siege an der Recknitz, am 16. Okt. 955, ließ er ein
schauerliches Strafgericht . auf der Walstatt vollziehen : das Morden
hatte bis tief in die Nacht gedauert, als es licht ward, ließ er den
Kopf des auf der Flucht gefallenen Slavenfürsten Stoinef auf dem
Schlachtfelde aufstecken und vor ihm siebenhundert Gefangene ent-
haupten. Einer der Ratgeber des Getöteten war in die Hände
der Sieger gefallen: man hat ihm die Augen ausgerissen und die
Zunge abgeschnitten; in diesem Zustande verließ man den Unglück-
hchen zwischen den Bergen von Leichen ^ Wer kennt nicht den
Namen des Markgrafen Gero ? Keinen tapfereren Vorkämpfer
hatte Deutschland in jenen östUchen. Gegenden als ihn: immer
wach und kampfbereit stand er auf dem gefährdetsten Posten. Und
er war im Kriege nicht verroht. Man kann nicht ohne Teilnahme
die schhchte Erzählung Thietmars lesen, wie der alte Held, tief
gebeugt durch den Tod seines Sohnes Sigfrid, nach Rom zieht,
um seine siegreichen Waffen als Weihgeschenk am Altar des
Apostels niederzulegen, und wie er dann ins Vaterland zurückge-
kehrt die Witwe seines Sohnes, die den Schleier genommen hatte,
an die Spitze seines Klosters Gernrode stellt; er hatte es gemein-
sam mit Sigfrid im einsamen Bergwald gestiftet und mußte es nun
allein erbauen-. Die Überzeugung, daß der Mensch dem himm-
lischen Herrn für sein Leben verantworthch ist, fehlte ihm nicht^:
aber den AV enden gegenüber hielt er alles für erlaubt. Als er^
kurz nachdem ihm der Befehl über das südhche Wendenland über-
tragen war, davon Kunde erhielt, daß die Unterworfenen ihn zu
ermorden planten, war sein Entschluß rasch fertig: er lud dreißig
der Verschworenen, Fürsten und Edle, zum Mahle: an seinem
eigenen Tisch hat er sie alle umbringen lassen ^. So stellte er dem
Verrat Verrat entgegen, gleich als hätte es ihn gelüstet zu zeigen,
daß auch in Freveltaten die Deutschen Meister der Slaven seien.
Selbst Otto trug kein Bedenken der schlechtesten Verräter sich zu
bedienen. Als die Slaven Brandenburg wieder eingenommen hatten,,
gewann er die verlorene Feste dadurch zurück, daß er den Wenden-
fürsten Tugumir, der als Geisel in Deutschland sich aufhielt, durch
Geld und Versprechungen gewann, zum Verräter an seinem eigenen
Volk zu werden. Tugumir entfloh scheinbar aus seiner Haft in
S. .31. Die kleinere Zahl in den Annal. Corb. z. J. 929 S. 35. Die Zahl
der getöteten Gefangenen wird hier auf 800 angegeben.
1 Widuk. III, 55 S. 78.
2 Thietm. II, 19 S. 29; vgl. Dipl. I S. 313 Nr. 229 und Cd. Anhalt. I
S. 26 Nr. 36. » Ygl. den Schloß der eben angeführten Urkunde.
* Widuk. II, 20 S. 47.
— 91 —
Deutschland ; als geretteter Patriot fand er sich in Brandenburg ein.
Natürlich wui'de er von den Bewohnern mit Freuden aufgenommen :
zie zögerten nicht, ihn als Fürsten anzuerkennen. Es war außer
ihm nur ein einziger Sprößling des fürsthchen Geschlechts am Leben,
sein Neffe. Arglos folgte dieser der Einladung des Zurückgekehrten.
Aber zu seinem Unheil: im Fürstenhof zu Brandenburg wurde er
ermordet. Dann übergab Tugumir Stadt und Gebiet an Otto, der
ihn als abhängigen Fürsten anerkannte^.
Suchten die Deutschen mit solchen Mitteln ihre Herrschaft
aufrecht zu erhalten, so wandten die Slaven keine anderen an, um
die verlorene Freiheit wieder zu erlangen. Ihre Rachsucht kannte
keine Schonung; sie freute sich an Brand, Mord und Verwüstung^.
Als sie im Jahre 929 Walsleben einnahmen, ermordeten sie alle
Einwohner: Greise, Männer, Frauen, Kinder: eine unzählbare
Menge, sagt Widukind^. Kein Vertrag war ihnen heilig: sie ver-
sprachen im Frühjahr 955 der Besatzung der Burg der Cocares-
cemier freien Abzug, wenn ihnen die Burg übergeben würde. Aber
nachdem sie dieselbe besetzt hatten, metzelten sie die waffenlosen
Deutschen sämtlich nieder*. Ihr Haß gegen einzelne Männer
suchte Befriedigung in deren Ermordung ^. An verräterischen Ein-
verständnissen fehlte es ihnen nirgends.
Man muß diese Verhältnisse im Sinne haben, um zu verstehen,
was das Wort 'Wendenmission in sich schloß. Die Aufgabe, deren
Lösung Otto d. Gr. unternahm, war vielleicht die schwierigste,
welche die Missionsgeschichte kennt. Sie war es um so mehr, als
der König bei dem deutschen Episkopat nicht die energische Unter-
stützung fand, die er erwarten konnte.
Nur Unnis Nachfolger in Hamburg, Adaldag, hatte volles
Verständnis für das, was notwendig war®. Er war ein Verwandter
Adalv/ards von Verden, dessen Missionstätigkeit unter den Abo-
driten wir gedachten; unter seiner Leitung ist er in Hildesheim
1 Ib. II, 21 S. 48. Ein anderes Beispiel Thietm. II, 38 S. 42 f.
2 Widuk. n, 20 S. 47 : Barbari . . nusquam ab incendio caede ac de-
populatione vacabant; vgl. Helmold 1, 1 S. 15 über Böhmen und Polen.
Adam H, 41 S. 69 über die Abodriten. ^ Ib. I, 36 S. 29.
* Ib. III, 52 S. 76. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Feste in der
Nähe Magdeburgs zu suchen ist, Dümmler, Otto S. 251 Anm. 4. Für einen
von den Abodriten ausgehenden Angriff ist das zu weit südlich.
» Gero ist nicht das einzige Beispiel, s. Thietm. V, 9 S. 112; III, 17 S. 58.
« Über ihn Adam 11,1—12 S. 42f.; 23—26 S. 58 ff. Von den Missions-
bestrebungen Adaldags sagt Adam 11,6 S. 46: Studium Adaldagi totum fait
in conversione gentium, in exaltacione ecclesiarum
— 92 —
aufgewachsen ^. Adalward war es auch, der den Eintritt des jungen
Mannes in die Kapelle König Heinrichs vermittelte. Durch einen
Zufall wurde der Tod des Königs für den Verlauf seines Lebens
entscheidend^. Es geschah so: als Heinrich hoffnungslos danieder
lag, riß sich die Königin Mathilde für einen Moment von dem
Krankenlager ihres Gemahls los: sie betrat die Kirche; es war ihr
Bedürfais, dort Gott ihren Kummer zu klagen. Während sie am
Altar kniete und in der Stille betete, drang der laute Jammerruf
des Volks in die Kapelle. Sie wußte wohl, was er bedeutete.
Sich aufrichtend fragte sie' die anwesenden Priester, wer imstande
sei, sogleich eine Messe für das Seelenheil des Ycrstorbenen Herr-
schers zu lesen. Damals hat Adaldag sich ihr zu diesem Dienste
erboten. Sie hat ihm nie vergessen, daß er ihr in der bittersten
Stunde ihres Lebens den ersten Trost gewährt hatte. War Adaldag
durch diesen Vorfall der könighchen Famihe persönlich nahe ge-
treten, so wußte Otto seine geschäftliche Tüchtigkeit zu schätzen:
er ernannte ihn zum königlichen Notar ^. Ln Frühjahr 937 folgte
seine Erhebung auf den Erzstuhl von Hamburg-Bremen.
Adaldag ist der Mann des königlichen Vertrauens geblieben.
Schon bei dem Rechtsspruch über Eberhard von Franken stand
er Otto zur Seite*; später hat ihn dieser einmal den obersten Rat
seiner Königreiche genannt^; besonders in den entscheiduiigsvollen
Jahren 961 — 965 weilte er fast beständig in seiner Umgebung*^.
Otto wußte keinen treueren Mann, dem er die Aufsicht über den
entsetzten Papst Benedikt V. anvertrauen konnte, als ihn "'.
^ Da Adalward seit 916 Bischof war, so muß seine Lehrtätigkeit vor
diese Zeit fallen, und da Adaldag dem Hildesheimer Klerus angehörte, so
verlegt man sie am wahrscheinlichsten nach Hildesheim. Adaldag wird
demgemäß um das Jahr 900 geboren sein. Da Adalward 933 starb, so kam
er vor dieser Zeit an den Hof. « Vit. Mahth. 8 Scr. IV S. 288.
^ Dipl. 1 S. 90 ff. Nr. 1—3, 6, 7. Es sind, wie man sieht, die ersten
erhaltenen Urkunden Ottos von ihm geschrieben.
* S. oben S. 28. ^ Dipl, i s. 356 Nr. 248 v. 6. Okt. 962.
* Er begleitete im Herbst 961 Otto nach Italien, Adam II, 9 S. 47, ist
im Febr. 962 in Rom, Dipl. I S. 327 Nr. 235, im Okt. 962 in Pavia, S. 356
Nr. 248, im Sept. 963 in Montefeltri, S. 369 Nr. 259, im Nov. 963 in Rom,
Liudpr. Hist. Ott. 9 S. 128, im Juni 964 in Rom, Liudpr. 1. c. 21 S. 135, im
Jan. 965 in Mailand, Dipl. I S. 389 Nr. 274, im Aug. 965 in Merseburg,
S. 422 Nr. 307. Adam mag an diese Jahre gedacht haben, wenn er über-
treibend sagt: Regis ita usus est familiaritate, quod a latere eius raro un-
quam develleretur, II, 2 S, 43.
' Contin. Regln, z. 965 S. 175; Ann. Hildesh. z. 963 S. 22. Über die
Haft Friedrichs von Mainz s. oben S. 36 Anm. 3.
— 93 —
So war er, der vornehme, stattliche Manu^, ein rechter Ver-
treter des fiirstlichen Episkopats. In der Tat ist durch die Privi-
legien, die Otto ihm erteilte, die weltHche Macht der Hamburger
Erzbischöfe geschaffen worden ^. Von noch größerem Werte war
es, daß es ihm gelang, die Ansprüche, welche Köln von neuem
auf Bremen erhob, abzuwehren. Dadurch, daß im Jahre 947 in
dem dänischen Missionssprengel drei von Hamburg abhängige Bis-
tümer gegründet wurden, trat der Fall ein, den Papst Formosus
einstmals für die Rückkehr von Bremen in den Kölner Diözesan-
verband gesetzt hatte ^. Sofort machte Wicfrid die Rechte Kölns
auf das Bremische Bistum geltend. Zwar bestätigte Agapet II.
die Vereinigung der beiden Diözesen; aber in Köln gab man sich
nicht zufrieden. Als Brun das Erzbistum antrat, scheint er die
Forderung Wicfrids wiederholt zu haben. Allein er fand weder
bei dem König noch bei dem Papst Zustinamung; zu laut sprach
das Interesse der Mission und der deutschen PoHtik gegen die
Schwächung der Hamburger Kirche. Das konnte auch Brun sich
für die Dauer nicht verbergen: er war großdenkend genug, sich zu
einem ausdrückhchen Verzicht auf Bremen zu entschließen. Erst
seitdem konnte man die Verbindung der beiden Diözesen als definitiv
betrachten*. Adaldag vertrat, indem er Bremen behauptete, mehr
^ Adam U, 1 S. 42 : Genere illustris . . decorus specie.
- S. Dehio I S. 109 ff. ' S. Bd. II S. 687 Anm. 3.
^ Adam II, 5 S. 45 f. Dehio, I S. 128, verwirft die Nachricht von dem
Verzicht Bruns. Ich zweifele, ob mit Recht. Das Schreiben Agapets 11.
vom 2. Jan. 948 J.W. 3641 zeigt, daß der Anspruch Kölns auf Rückgabe
Bremens nicht erst von Brun erhoben worden ist. Schon Wicfrid hatte un-
mittelbar nach der Gründung der dänischen Bistümer die Rechte Kölns auf
Bremen geltend gemacht. Brun trat also in eine bereits im Gange befind-
liche Sache ein. Seine Stellung wurde aber ohne Zweifel hier wie überall
beherrscht durch die Rücksicht auf die Politik seines Bruders. Konnte nun
Otto die Macht Hamburgs schwächen lassen? Das ist schwer anzunehmen;
denn sie war für ihn politisch zu wichtig. So rechnete denn auch Adaldag
von Anfang an auf die Zustimmung Ottos; das ergibt sich daraus, daß
Hadamar von Fulda, der Vertraute des Königs, seine Sache bei Agapet
führte. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, daß Brun, der Genosse aller
Pläne und Ziele Ottos, sich entschloß, den von seinem Vorgänger erhobenen
Anspruch fallen zu lassen. Daß er seinen Verzicht in die großtönenden
Phrasen des bischöflichen Kurialstils kleidete, ist weiter nicht auffällig.
Die Aufzeichnung, die Adam im Bremischen Archive fand, wird demnach
ganz wahrheitsgetreu berichtet haben und Dehios Schluß: Die Erzählung
klingt zu schön, als daß sie für wahr gelten könnte, führt hier irre. Daß
die Fälschung der Bulle Sergius EI. J.W. 3537 und der Urkunde Lud-
— 94 —
als den Vorteil seines Bistums : er kämpfte für das allgemeine Interesse
gegenüber dem Sonderinteresse Kölns. Aber es wirft einen Schatten
auf seinen Namen, daß er seinen Erfolg durch Erdichtung falscher
Urkunden, die den Anspruch Kölns ausschließen, zu sichern suchte.
Daß dieser Mann die Mission nicht wie Bonifatius oder Ans-
kar trieb, ist verständlich. So viel Rühmliches Adam von ihm
erzählt, als Prediger hat er ihn nicht gerühmt. Er wirkte auch
hier wie ein Fürst: nicht durch i^ersönliche Arbeit, sondern leitend
und anordnend. Von allen deutschen Bischöfen war er am eifrigsten,
Prediger zu den Ungläubigen zu senden ^ und für den Bau von
Kirchen Sorge zu tragen-: recht in seiner Tätigkeit war er bei
der Organisation der neuen Bistümer.
Mehr als er mußte Friedrich von Mainz geneigt sein, in der
älteren Weise unter den Wenden zu wirken. Auch wird man
kaum bezweifeln können, daß er wirklich den Heiden predigte^.
Er mußte sie nicht jenseits seiner Diözese suchen: schon wenn er
in Saalfeld verweilte'', so befand er sich unter einer zum über-
wiegenden Teile wendischen und heidnischen Bevölkerung ^ Das
hätte die Brücke zu einer Missionstätigkeit in größerem Stile werden
können : aber dazu wäre ein besseres Verhältnis zwischen dem
wigs d. Fr. B.M. 899 Adaldag zur Last fällt, wie Detio annimmt, Krit. Ausf.
S. 64, halte ich gleichwohl für richtig. Nur kann die von Adaldag produ-
zierte Bulle für Brunos Entschluß nicht ausschlaggebend gewesen sein. Man
konnte nirgends so schwer als in Köln durch sie getäuscht werden. An der
Fälschung der Bullen Stephans VI. v. 885 und Sergius' III. von 911, J.W.
3406 u. 3549, ist Adaldag unschuldig. Das ergibt sich aus v. Pfugk-
Harttungs Nachweis der Zusammengehörigkeit dieser Fälschungen mit den
späteren, Forsch. 23 S. 199 ff.
^ Adam 11,5 S. 46: Alios fratrum, qui in praedicatione Danorum et
Sclavorum cum archiepiscopo studiosi fuerunt, pro labore suo maioribus
asserunt cathedris inthronizatos.
^ Ib. 11,5 S. 45: Ecclesiae in Sclavania tunc primum constructae;
11,6 S. 46 (s. S. 91 Anm. 6); 11,24 S. 59: Ecclesiae in Sclavania ubique
erectae sunt.
^ Leo VII. schreibt an Friedrich: Fidem s. Trinitatis, quam ludaeis
et gentibus praedicatis, quam et ad s. Romanam ecclesiam . . approbandam
misistis etc., Ep. Mog. 14 S. 338. Das setzt eine Bemerkung über die Pre-
digt unter den Heiden im Schreiben Friedrichs voraus.
* Er feierte Weihnachten 952 in Saalfeld, Cont. Regln, z. d. J. S. 165.
^ Saalfeld wird um die Mitte des 12. Jahrh. als in regione Sclavorum
gelegen bezeichnet, Ann. Disib. z. J. 1077, Böhmer, Font. III S. 190. Das
dortige Kloster stiftete Anno von Köln i. J. 1071, da der Orlagau noch fast
ganz heidnisch war, Reg. Mogunt. I S. 195 Nr. 66.
— 95 —
König und dem Erzbischof notwendig gewesen. Die politischen Miß-
helUgkeiten zwischen beiden Männern konnten nur hindern. Die
übrigen Grenzbischöfe standen, soviel wir sehen können, dem Ge-
danken der Missionstätigkeit ganz ferne, Poppo von Würzburg
war ein Mann von offenem Sinn für literarische und theologische
Bildung^; aber den wendischen Teil seiner Diözese vernachlässigte
er, wie es seine Vorgänger getan hatten. Bernhard von Halber-
stadt förderte eifrig die Vermehrung der klösterlichen Stiftungen,
an denen seine Diözese ohnehin schon überreich war'^. Aber daß
ihm das Verständnis für die Aufgaben der Mission abging, bewies
er durch seinen konsequenten Widerspruch gegen die Errichtung
des Magdeburger Erzbistums. Der Verdener Bischof Amolong war
ein vornehmer Herr, ein Bruder des sächsischen Herzogs Hermann :
er freute sich, seine Kathedralkirche in prächtiger Weise zu erneuern ^;
aber von anderen Taten, die er vollbrachte, hören wir nichts.
Es ist begreiflich, daß die wenigen Notizen, die wir über das
Eindringen der christhchen Predigt in das Wendenland besitzen,
uns die Vorstellung einer sehr zerstreuten Tätigkeit gewähren. Der
erste Wendenprediger, dessen Namen wir kennen, ist Boso, ein
Mönch aus St. Emmeram in Regensburg *. Nicht wie die irischen
Mönche des sechsten Jahrhunderts ist er aus eigenem Antrieb einem
unklaren, aber mächtigen Zug in die Feme gefolgt, als er von der
Donau nordwärts zog; auch kam er nicht wie die mönchischen
Prediger in Sachsen im Auftrage seines Klosters, sondern er folgte
einem Befehl Ottos: aus dem Kloster ist er in den Dienst des
Königs berufen worden. Wenn diese Nachricht Thietmars be-
giTindet ist, dann stand seine Berufung sicher nicht allein: mau
muß annehmen, daß da und dort im wendischen Land von Otto
christHche Priester aufgestellt wurden. Diese Tatsache verliert das
Erstaunliche, das sie auf den ersten Blick hat, wenn man sich
erinnert, daß deutsche Dienstmannen zur Verteidigung der über
das Wendenland zerstreuten Festen dort angesiedelt waren. Nach
den Anschauungen der Zeit verstand es sich von selbst, daß sie
und ihre Knechte des kirchlichen Dienstes weder entbehren wollten,
noch konnten ^ Es mußten Kapellen für sie erbaut und Priester
1 Vit. Wolfk. 4 Scr. IV S. 528.
- Er ist der Stifter von Hadmersleben, s. Dipl. II S. 11 Nr. 2. Unter
seine Amtsführung fallen die Stiftungen Geros und der Königin Mahthild.
^ Thietm. II, 32 S. 38 : De ligno fecit egregiam et magnitudine et
qualitate caeteras precellentem benedixit. * Thietm. II, 36 f. S. 41 f.
5 Wenn die ins Feld ziehenden Heere von einer Anzahl von Priestern
— 96 —
an denselben bestellt werden. Boso wird als Seelsorger für die
Reisigen, die in Zeitz lagen oder die in der Umgegend ihre Lehn-
und Eigengüter hatten, ins Wendenland berufen worden sein ^. Wie
hier, so war es anderwärts: in Brandenburg gab es eine Kirche,
ehe das Bistum errichtet wurde-. Auf einer Höhe am rechten
Saaleufer lag die Feste Kirchberg'': hier hat die Burg den Namen
von der Kirche. Diese Beispiele lassen einen Schluß auf die all-
gemeinen Verhältnisse zu: sozusagen als Feldprediger kamen die
ersten christlichen Priester in das Land rechts der Elbe und Saale;
Burgkapellen sind die Ahnen unserer Kirchen ; die ersten Christen-
gemeinden, die sich hier sammelten, bestanden aus Soldaten.
Dazu kam nun aber nach und nach ein zweites Element. Ge-
wissenhafte Priester heßen sich nicht daran genügen, die gottes-
dienstlichen Handlungen zu vollziehen und ihre seelsorgerlichen
Pflichten an den wenigen Deutschen auszurichten: sie versuchten
den Wenden zu predigen. Das zeigt wieder Bosos Beispiel^. Er
war der wendischen Sprache mächtig und suchte mit hingebendem
Eifer die Wenden für den christlichen Glauben zu gewinnen. Nach
dem Urteil Ottos erwarb er sich dadurch ein so außerordentliches
Verdienst, daß der Kaiser es durch die Erhebung des Mönchs auf
begleitet wurden (s. z. B. Karlm. capit. a. 742 c. 2 S. 25), so konnte man
bei dauernder Besetzung unmöglich eine ähnliche Einrichtung unterlassen.
^ Zeitz gehörte zu den Festen zwischen Saale und Mulde, s. Schwarz,
Anf. des Städtewesens S. 14. Als dortselbst eine mit Grundbesitz ausge-
stattete Kirche errichtet wurde, erhielt er sie pro magni laboris sui debita
remuneratione. Man sieht: Bosos Dienst geht der Organisierung der Zeitzer
Kirche vorher.
2 Vergleicht man den Wortlaut des Diploms für Brandenburg, Dipl. I
S. 189 Nr. 105, mit der entsprechenden Stelle des Diploms für Havelberg,
S. 156 Nr. 76, so zeigt die Verschiedenheit des Ausdrucks, daß dort eine
Kirche schon bestand, während sie hier erst gegründet werden sollte. In
der ersten Urkunde heißt es: Episcopalem constituimus sedem, praeferentes
ei religiosum presulem Thiatmarum eidemque conferentes ecclesiae dimidiam
partem civitatis etc. In der letzteren dagegen wird gesagt: Episcopalem
constituimus- sedem, praeficientes ei venerabilem et religiosum praesulem
Oudonem, conferentes . . ei et ecclesiae cathadrali ibidem ab eo consti-
tuendae medietatem castri etc.
^ Aus Thietm. II, 36 S. 42 ergibt sich, daß es dort vor 962 eine Kirche
gegeben hat; der Name Kirchberg macht wahrscheinlich, daß sie zugleich
mit der Burg entstand; später hatte Kirchberg, ich verstehe der Burg ward,
zwei Basiliken, Dipl. II S. 157 Nr. 139 von 976. Zu der gegenüber auf dem
linken Ufer gelegenen Dornburg gehörten drei Kirchen, s. die angef. Urk.
* Thietm. II, 37 S. 42.
— 97 —
einen Bischofssitz meinte lohnen zu müssen ^. Man wird deshalb
Thietmar glauben dürfen, daß seine Predigt Erfolg hatte. Aber
was Thietmar weiter erzählt, zeigt doch, daß der Erfolg zum Teil
recht äußerlich war. Es ist bekannt, wie allgemein üblich in
Deutschland der Gesang des Kyrie eleison war : man sang es in
der Kirche und auf der Wallfahrt, an den cln-istlichen Freuden-
festen und iri der Schlacht. Boso suchte auch die Wenden daran
zu gewöhnen, daß sie diese Worte sängen: er erklärte ihnen ihren
Sinn und den Segen, den solcher Gesang bringe. Sie gehorchten
ihm scheinbar; aber dem Mönch zum Hohne sangen sie ein paar
ähnlich khngende slavische Worte, die den Sinn ergaben: die Erle
steht im Gebüsch. Die Anekdote wirft Licht auf die Verhältnisse :
die Unterworfenen hatten nicht den Mut, den deutschen Priester
zurückzuweisen; aber die Behgion, die er ihnen brachte, lehnten sie
ab: sie diente ihnen zum Gespött. Nur sehr allmählich kann dem-
nach die Wendenpredigt Frucht getragen haben.
Zu dem deutschen Krieger und dem wendischen Christen kamen
als dritter Bestandteil der werdenden Kirche im Wendenland die
ersten deutschen Einwanderer. Denn unter den Ottonen begann
der Zuzug aus Deutschland. Daran ist freilich nicht zu
denken, daß freie Deutsche damals schon in dichten Scharen in
das Land geströmt wären: die Zeit der Bauemkolonisation kam
erst im zwölften Jahrhundert. Aber die ersten Vorstöße geschahen
wenigstens im Sorbenlande schon früher. Die weiten Striche rechts
der Elbe waren sehr verschieden dicht bevölkert. Nicht nur das
rauhe Gebirgsland, das die wendischen Gegenden von Böhmen
trennt, war noch unberührte Waldwildnis "■^, sondern auch zwischen
den reichlicher bewohnten Flußtälern gab es mächtige Waldbezirke,
in denen menschUche Niederlassungen fast gänzlich fehlten ^ Ein
Beispiel ist der große Forst im Gau Chutizi, den Otto IL im Jahr
974 an Gisiler von Merseburg schenkte. Er dehnte sich, nur durch
die Ansiedelungen an der Elster und Pleiße unterbrochen, von der
Mulde bis zur Saale aus, und kaum geringer war seine Ausdehnung
von Nord nach Süd*. Li diesen jungfräuUchen Wäldern begann
1 Brief Ottos an die sächs. Großen, Dipl. I S. 503 Nr. 366.
2 Schulze S. 20 f. * Vgl. Leo S. 10 ff.
"* Dipl. II S. 104 Nr. 90, vgl. über die gefälschte, aber inhaltlich un-
anstößige TJrk. Uhlirz, Magdeb. S. 163 ff. Der Wald ist längst gerodet;
die Ortsnamen Wolfshain, Albrechtshain, Ammeishain, Lindthart, Fuchshain,
Holzhausen, Probsthaida etc. zeigen, daß es durch Deutsche geschah. Die
Rodung kann nicht vor dem 11. Jahrhundert begonnen haben; denn zur
Hauck, Kirchengeschichte. III. *
— 98 —
unter Otto I. die Eodung, und sie geschah wenigstens da und dort
durch deutsche Hörige. AusdrückUch hört man von solchen 961
im Gau Neletice^; auch anderwärts machen die ersten deutschen
Ortsnamen im Wendenland wahrscheinlich, daß die neu entstehen-
den Orte durch Deutsche bewohnt wurden -. Was auf Königsland
geschah, haben aller Wahrscheinlichkeit nach die geisthchen und
weltlichen Herren, die zu Grundbesitz im Wendenland kamen ^,
wiederholt. Zeuge davon ist wieder Boso. Der Regensburger
Mönch hat mit der Rodung des Waldes bei Zeitz begonnen: im
Schutze eines Höhenzugs siedelte er Kolonisten an; er baute für
sie die erste steinerne Kirche in diesen Gegenden. Da er die
Niederlassmig nach seinem Namen nannte*, so ist wahrscheinlich,
daß er nicht Wenden, sondern Deutsche dorthin geführt hatte. Die
Ansetzung von deutschen Hörigen scheint sich rasch bewährt zu
haben. Denn schon im Anfang des elften Jahrhunderts plante man
in Merseburg eine Kolonisation in großem Maßstab: Heinrich II.
schenkte dem Bistum je zwei Famiüen voq jedem Königshof in
Sachsen und Thüringen^; man kann nur vermuten, um die Be-
siedelung des kirchlichen Besitzes möglich zu machen.
Wir können uns keine Vorstellung von Bosos Persönlichkeit
machen. In Regensburg, wo man Grund gehabt hätte, stolz auf
ihn zu sein, wurde er, wie es scheint, bald vergessen. Keiner dfer
Regensburger Schriftsteller nennt seinen Namen. Auch in Sachsen,
wo man Ursache hatte, ihm dankbar zu sein, fand er keinen Bio-
graphen. Thietmar, der ihn erwähnt, interessierte sich doch mehr
für das, was der Kaiser ihm schenkte, als für das, was er war
und was er leistete. Und doch ist sein Name bedeutend: er steht
da für alle die namenlosen Helden, die zugleich als Prediger des
Christentums und Pioniere deutschen Wesens in den barbarischen
Zeit Thietmars von Merseburg war der Wald noch intakt Ende des 13.
Jahrhunderts war sie zum größten Teil vollendet, Cd. Saxon. II, 8 S. 8 ff'.
1 Dipl. I S. 318 Nr. 282.
2 Dipl. I S. 231 Nr. 152 v. 26. Juni 952 Brehstedi bei Halle, S. 394
Nr. 278 V. 28. März 965 Rosburg im Gau Serimunt; II S. 156 Nr. 139 v.
1. Aug. 976 Buosendorf im Gau Plisni und Buosenrod im Gau Puonzouua;
Thietm. III, 1 S. 49 Gunthorp b. Leipzig.
3 Vgl. die Tauschurk. Dipl. I S. 231 Nr. 152.
* Thietm. II, 36 S. 41 ; man denkt dabei gewöhnlich an Bosau, wo später
Bischof Dietrich ein Kloster gründete. Doch ist fraglich, ob mit Recht; denn
der Berg, auf dem Bosau lag, hieß Buzowe, der Name Bosau ist also wendisch
und nicht von Boso abzuleiten. Urk. B. Dietrichs, Schöttgen u. B^reysig,
Dipl. II S. 419 Nr. 2..
^ Dipl. III S. 258 Nr. 221 v. 28. Juli 1010.
— 99 —
Osten vordrangen. Der einzelne erreichte wenig, unbemerkt ging
seine Arbeit vorüber; aber Jahrzehnt für Jahrzehnt summierten
sich die unbeachteten Taten und die unmerkhchen Ereignisse: das
Resultat war, daß neue Zustände sich zu bilden begannen.
Ben Anfängen des Christentums im Wendenland nicht minder,
wie im skandinavischen Missionsgebiet Hamburgs, suchte Otto „Halt
und Förderung zu gewähren durch die Gründung neuer Bistümer.
Fast gleichzeitig traten die nordischen Sulfraganbistümer Hamburgs
und die ersten slavischen Bistümer ins Leben. Wahrscheinlich
war es der Tod Gorms, der den Gedanken wachrief, die Organi-
sation einer nordischen Kirche zu unternehmen \ Denn solange er
lebte, konnte daran schwerlich gedacht werden: man war zufrieden,
daß die Tätigkeit der deutschen Priester gestattet wurde. War
nun auch die nationale Strömung in Dänemark so mächtig, daß
Harald Blauzahn nach seiner Thronbesteigung den Übertritt zum
Christentum zunächst unterließ, so mußte doch die Gunst, deren
sich die Christen bei ihm erfreuten, dazu ermutigen, einen Schritt
vorwärts zu tun: man war gewiß, daß er die Gründung von Bis-
tümern nicht als Herausforderung betrachten würde. So wurden
denn im Jahre 947 oder kurz vorher Bischöfe für Schleswig, Ribe
und Aarhus bestellt-. In einer Bulle vom 2. Januar 948 spricht
^ Die Geschichte Dänemarks und dessen Verhältnis zu Deutschland im
Beginn der Regierung Ottos liegt im dunkeln. Wie viel sich gegen die
Erzählung Adams II, 3 S. 44 einwenden läßt, hat Grund (Forsch. XI S. 563 ff.)
dargetan. Nicht einmal das Todesjahr Gorms ist sicher. Die einen nehmen
an ca. 936, andere 941. So viel ich sehe, fehlt für beide Annahmen der
sichere Grund. Sollte man nicht mit dem Ansatz bis gegen die Mitte der
vierziger Jahre herabrücken? Denn es läßt sich nicht einsehen, warum man
ein ganzes Jahrzehnt nach seinem Tode verstreichen ließ, ehe man die
Bistümer errichtete.
- Dieser Zeitansatz folgt aus der Bulle Agapet» vom 2. Jan. 948 J.W
3641. Hier bestätigt der Papst Adaldag das Erzbistum Hamburg cum illis
etiam, qui nunc suo tempore divina protegentia ad Christi conversi sunt
fidem, videlicet episcopis Danorum, Norvenorum, Suoevonum, nee non om-
nium septemtrionalium partium. Dehio I Anmerk. S. 21 Nr. 4 zu S. 122
erklärt die Urkunde für interpoliert, Hasse, SchHL. Reg. I S. 17 betrachtet sie
als Fälschung, während Ewald sie als echt behandelte und auch Dümmler,
Otto S. 167 Anm. 2, kein Bedenken aussprach. Die Gründe Hasses für die
Unechtheit scheinen mir, nicht zwingend. Dagegen halte ich Dehios Ein-
wände für stichhaltig; doch möchte ich nicht den ganzen angeführten Satz
cum illis — partium für eingeschoben halten. Denn der Vergleich mit
der, auch von Dehio anerkannten Urkunde Johanns XV. v. 989 (J.W. 3835)
macht ziemlich gewiß, daß auch in der Vorurkunde die neugegründeten
— 100 —
Papst Agapet zum erstenmal von den Bischöfen unter den Dänen.
Auf der Ingelheimer Synode im Juni 948 erschien Adaldag mit
seinen Sufiraganen, den Bischöfen Hored, Liafdag und Reginbrand:
zum erstenmal trat der Erzbischof von Hamburg den übrigen Metro-
politen Deutschlands wirklich ebenbürtig an die Seite; nun war
sein Erzbistum nicht mehr nur ein Name\
Höchst eigentümlich war die Lage der drei neuen Bischöfe.
Ihre Diözesen lagen jenseits der deutschen Grenzen, sie selbst aber
waren Deutsche, gehörten als Suffragane Adaldags zu der geist-
lichen Aristokratie des Eeichs und wurden wahi'scheiiilich vom
König ernannt^. Wie sie an den deutschen Synoden Anteil
nahmen, so ließen sie sich nach dem Vorbild ihrer Amtsgenossen
von dem deutschen König Privilegien erteilen und allerlei Rechte
übertragen^. Daß ilire Stellung durch solche Anlehnung an das
Bistümer erwähnt waren: man wird deshalb nur die Worte Norvenorum —
partium als Interpolation zu betrachten haben. Adam gibt als Ordinations-
jahr der drei Bischöfe das 12. Jahr Adaldags an, II, 4 S. 45, also 947 — 48,
da ev Adaldags Episkopat 936 beginnen läßt. Man muß mit der Errichtung
der Bistümer mindestens bis in den Sommer 947 hinaufrücken ; denn sie
rief die Reklamationen Kölns hervor, zu deren Beilegung Adaldag Hadamar
von Fulda nach Rom sandte: die Antwort auf die Sendung war die Balle
vom 2. Januar 948. Ich halte deshalb die Ansicht v. Ottenthala Reg. 166 a,
die Weihe könne erst in Ingelheim stattgefunden haben, für wenig wahr-
scheinlich.
1 M.G. C.I. I S. 13 f.; vgl. Ann. Flod. z. 948 Scr. IH S. 395. Über die
Personen wissen wir nichts. Daß in Schleswig und Ribe christliche Ge-
meinden noch bestanden, ist wahrscheinlich; s. Bd. 11 S. 684 und vit. Rim-
berti 18 S. 95.
" Adam II, 3 S. 44 sagt: Servantur in Bremensi ecclesia praecepta
regis quae signant, Ottonem regem in sua ditione regnum Danichm tenuisse,
adeo ut etiam episcopatus ille donaverit. Weiland (z. d. angef. Stelle) be-
zieht diese Nachricht zur Hälfte auf Otto II. und zur Hälfte auf Ottos
Diplom Nr. 294 S. 411. Das letztere mit Unrecht; denn von Vergebung des
Episkopats ist in dieser Urkunde nicht die Rede. Aber auch das erstere
möchte ich für irrig halten. Die Behauptung, daß Otto Dänemark be-
herrschte, ist ersichtlich (quae signant) ein Schluß Adams aus Urkunden
Ottos, die er gelesen hat. Es werden die Präzepte gewesen sein, durch
welche der König Adaldag beauftragte, die Bischöfe zu konsekrieren. In
ihnen mag die herkömmliche Formel „dare episcopatum" gebraucht worden
sein. Daß Otto Hored und seine Kollegen ernannte, ist an sich wahrschein-
lich. Es folgt aus seinem sonst eingehaltenen Verfahren. Was Adam erzählt,
wird also im Rechte bleiben, falsch ist nur der Schluß, den er zieht, daß
Dänemark der deutschen Oberherrschaft unterworfen war.
» S. das eben erwähnte Diplom S. 411 Nr. 294 v. 26. Juni 965, von
Otto III. 988 bestätigt, II S. 440 Nr. 41.
— 101 —
deutsche Reich iu mancher Hinsicht verstärkt wurde, ist leicht zu
sehen; andererseits ist aber auch klar, daß ihre Tätigkeit unter
den Dänen dadurch erschwert wurde: sie mußten ihren Diözesanen
als feindliche Vorposten im eigenen Lande erscheinen. Und das
sollten sie nach Ottos Plan ohne Zweifel auch sein. Da sie be-
stimmte, nicnt allzuweit entfernte Orte als Bischofssitze erhielten,
so ist mehr als wahrscheinlich, daß feste Diözesen für sie abgegrenzt
wurden^. Aber sie sollten nicht nur als Diözesanbischöfe arbeiten.
Der pohtische Zweck ihrer Ernennung wurde nur dann erreicht,
wenn sie ihren Einfluß auf die dänischen Inseln ausdehnten. So
wurde ihnen denn ausdrücklich zur Pflicht gemacht, für die Be-
kehrung der Inseldänen tätig zu sein^. Aber wie hätten sie dabei
rasche oder große Erfolge erzielen können? Noch Jahrzehnte nach
der Gründung der Bistümer war das dänische Yolk als solches
heidnisch^; es war schon ein Erfolg, daß manche bereit waren,
Christum als einen Gott neben den andern Göttern anzuerkennen ^.
Nur eines erreichten die Bischöfe: Harald Blauzalin entschloß sich,
Christ zu werden und sich taufen zu lassen^. Dadurch war der
^^Dehios Satz S. 122, daß an bestimmte Sprengel nicht gedacht werden
könne, scheint mir keineswegs sicher. Denn 1., widerspricht er der Ana-
logie der von Otto gleichzeitig gegründeten Wil zischen Bistümer. Es läßt
sich nicht absehen, warum man das kleine Gebiet nördlich der Schlei nicht
zu teilen wußte, wenn man das große zwischen Elbe und Oder zu teilen
imstande war. 2., legt der Bericht Adams 11, 4 S. 45 die entgegengesetzte
Vorstellung nahe : er unterscheidet klar zwischen der Stellung der neuen
Bischöfe auf dem Festland und auf den Inseln. Dort hatte jeder seinen
festen Sitz, war also nicht Regionarbischof, hier dagegen sollten sie gemein-
sam der kirchlichen Verhältnisse sich annehmen : sie handelten als Missions-
bischöfe, ohne daß das Arbeitsgebiet unter sie geteilt war.
" Adam II, 4 S. 45 : Quibus etiam commendavit illas ecclesias, quae
trans mare sunt in Fune, Seland et Scone ac in Sueonia.
" Adam spricht 11, 25 S. 59 von Zwangsbekehrungen Haralds, die
schließlich zu seinem Sturz führten.
^ So schildert Widukind in einer freilich mit sagenhaften Nachrichten
durchzogenen Stelle die Anschauung der Dänen, 111,65 S. 80f.
* Die Zeit ist nicht sicher. Aus der Erzählung Adams II, 3 S. 44 läßt
sich ein chronolog. Ansatz nicht gewinnen, da sie in Verbindung mit der
Sage von Ottos großem Dänensieg steht; einen Anhaltspunkt bietet die
Notiz Ruotgers, Vit. Brun. 40 S. 41, wonach die Taufe Haralds während des
Episkopats Bruns geschah, also nach 953. Nach Widukind IH, 65 S. 80 f.
war ein Bischof namens Poppe beteiligt; aber das Wunder, das Widukind
von ihm erzählt, wurde auch von Poppo von Schleswig, Adam 11,33 S. 65,
und Poppo von Trier berichtet, Gesta Trevir. 31 S. 173.
— 102 —
Bestand der kirchlichen Einrichtungen gesichert, freihch nur solange,
als der König die Herrschaft behauptete.
Wie die Gründung der dänischen Bistümer im Zusammenhang
mit einem für die deutsche Politik günstigen Ereignis stand, so
scheint auch durch die Gründung der ersten wendischen Bistümer
ein politischer Erfolg ausgenützt worden zu sein. Wir haben der
Wiedereinnahme Brandenburgs gedacht. Sie fiel wahrscheinhch
in die ersten Jahre nach dem Regierungsantritt Ottos \ Tugumir,
der seitdem als abhängiger Fürst an der Havel regierte, bekannte
sich, 'so viel man vermuten kann, zur christlichen Religion": es
wurde alsbald eine Kirche in Brandenburg erbaut. Nachdem seine^
Herrschaft sich gefestigt hatte, folgte im Jahre 948 die Gründung
der beiden Bistümer zu Brandenburg und Havelberg ^. Man kann
1 Die Erhebung Tugumirs läßt sich zeitlich nur dadurch bestimmen,
daß Widukind sie zwischen Ereignissen des Jahres 939 erzählt, II, 21 S. 48.
- Köpke, Widukind S. 149, urteilt mit Recht, daß die Identität des
Verräters und des im Möllenbecker Nekrolog z. 25. Mai genannten Tugumir
dux fast gewiß sei. Unsicher ist nur, ob er schon als Christ zurückkehrte,
oder erst nach seiner Erhebung den Glauben des Königs annahm. Ich
halte das erstere für wahrscheinlicher. Sein jahrelanger Aufenthalt in
Deutschland legt die Vermutung nahe ; das Vertrauen, das er bei Otto fand,
bestärkt sie und der Umstand, daß es in Brandenburg schon vor der Grün-
dung des Bistums eine Kirche gab (s. S. 96 Anm. 2), dient zur Bestätigung.
" Die im Original erhaltene Stiftungsurkunde für Brandenburg ist am
1. Okt. 948 ausgestellt, Dipl. I S. 187 Nr. 105, vgl. Dümmler, Otto S. 168-
Anm. 1, wogegen die nur abschriftlich erhaltene Stiftungsurkunde für Havel-
berg den 9. Mai 946 als Datum trägt, S. 155 Nr. 76. An sich erregt das
letztere Datum so wenig Bedenken als das erstere. Demgemäß nimmt z. B.
V. Heineniann, Gero S. 58 u. 61, an, daß die beiden Bistümer zu verschie-
denen Zeiten gegründet seien. Dagegen erweckt die Vergleichung der
beiden Urkunden Bedenken. Sie sind von Dümmler, Otto S. 168, ausge-
sprochen worden. Er stützt sich darauf, daß in beiden Urkunden der
Beirat des päpstlichen Legaten Marinus erwähnt wird, während für einen
deutschen Aufenthalt desselben in dem Jahre 946 jedes weitere Zeugnis
fehlt. Sicke], S. 108, urteilt, es sei nicht gerechtfertigt, die Datumsangabe
deshalb zu verwerfen; auch Bresslau, Forsch, z. brand. Gesch. I, 2 S. 74 Anm.,
meint, die Datierung der Urkunde werde nicht angetastet werden können.
Dümmlers Bedenken wird jedoch dadurch unterstützt, daß es schwer glaub-
lich ist, daß Otto zuerst ein Bistum gründete, das hauptsächlich für die
Redarier, den tapfersten und feindseligsten Stamm, bestimmt war, während
er in bezug auf die von einem Christen beherrschten Heveller nichts tat.
Wurden beide Bistümer nicht gleichzeitig gegründet, so wäre die verstän-
dige Reihenfolge die umg'ekehrte gewesen : mit der Organisation da zu be-
ginnen, wo sie einen sicheren Rückhalt fand, und sie dann auf das unsichere
— 103 —
aus der Art, wie die neue Organisation beurkundet wurde, den
Wert ermessen, den Otto auf sie legte. Denn die bedeutendsten
Männer seiner Umgebung: außer dem päpstlichen Legaten Marinus
die beiden Erzbischöfe Friedrich und Adaldag, Ottos Bruder Brun
und den Markgrafen Gero nennen die Stiftungsbriefe als Batgeber
des Königs: wie eine Angelegenheit, welche die Gesamtkirche und
das ganze Eeich beti'af, wurde die Stiftung der Bistümer betrieben.
Wenn man sofort bestimmte Sprengel für sie abzugrenzen imstaiide
war, so ist klar, dass bei ihrer Gründung ein nach allen Seiten
reiflich erwogener Plan ausgeführt wurde.
Die Sprengel waren sehr ausgedehnt. Nicht weniger als zehn
wendische Stämme sollten ganz oder zum Teil von Brandenburg
aus geistlich versorgt^, d. h. für den christlichen Glauben gewonnen
werden. Als Ostgrenze dieser Diözese wurde die Oder, als West-
ünd Südwestgrenze die Elbe bestimmt; im Norden gehörten noch
die Stämme der Vucri und Dassiri zu ihr; nach Südosten dehnte
sie sich viel weiter aus als später; sie schloß auch die Lausitz noch
in sich. So umspannte sie ein Gebiet weit größer als die meisten
Gebiet auszudehnen. Es scheint mir deshalb wahrscheinlich, daß die
Magdeburger Annalen im Rechte sind, indem sie die Stiftung beider Bis-
tümer gleichzeitig ansetzen, z. J. 939 Scr. XVI S. 143. Dann aber fällt die
Stiftung in das Jahr 948. Nur in diesem Jahr steht Marins Legation nach
Deutschland fest. Die Art aber, wie der Papst von seiner Vollmacht Kunde
gibt, C.I. I S. 14, schließt mit beinah völliger Sicherheit aus, daß er zwei
Jahre vorher in der gleichen Stellung in Deutschland anwesend war. Man
wird also das Havelberger Diplom als vordatiert zu betrachten haben. Da-
bei ist nicht unwahrscheinlich, daß sich die Vordatierung, wie Uhlirz S. 131 f.
und V. Ottenthai Reg. 134 annehmen, daraus erklärt, daß der Entschluß,
das Havelberger Bistum zu gründen, schon i. J. 946 gefaßt und eine Auf-
zeichnung darüber gemacht worden ist, aus welcher das Datum in die
Stiftungsurkunde kam. Nur müßte man dann annehmen, daß auch der
Plan zur Gründung Brandenburgs schon länger feststand. S, über die
ganze Frage F. Curschmann im N.A. XXVIII S. 393 ff. Darüber, dnß auch
der Inhalt des Havelberger Diploms Änderungen erfuhr, s. u. S. 104 Anm. 2.
^ Moracini, östlich von der Elbe und südlich von der Stremme; Cieruisti,
um Zerbst; Ploni, das Land an der Plane; Zpriauuani, an der mittleren
Spree; Heueldun, das Havelland; Vuucri, die Uckermark; Riaciani im Süden
der Uckermark; Dassia, an der mittleren Havel; Lusici, die Lausitz. Frag-
lich ist Zamcici. Denn schon darüber läßt sich keine sichere Entscheidung
geben, ob der Gau mit dem in der Hävelb. Urk. genannten Zemzizi iden-
tisch ist. Unmöglich ist es nicht; doch ist wahrscheinlicher, daß es sich
um zwei Landschaften handelt. Man sucht dann das Brandenb. Zamcici im
Oberbarnim, das Havelb. an der Stremme.
— 104 —
deutschen Bistümer. Nicht ganz ebenso groß war der havelberger
Spreugel; er reichte im Nordosten an die Ostsee und das Haff;
dann folgte die Grenze dem Lauf der Peene, sprang von ihr zur
Eide über und erreichte, dieser folgend, die Elbe. Sie ging nun
elbaufwärts bis oberhalb Tangermünde, wandte sich dann ostwärts
zur Stremme und folgte ihr bis zu ihrer Mündung in die Havel;
auf eine kurze Strecke schied dieser Fluß die beiden neuen Bis-
tümer, dann lief die Grenze in nordöstlicher Kichtung gegen das
Haff. Zwölf Stämme werden als in diesem Gebiete wohnhaft auf-
gezählt ^.
Der Größe der Diözesen entsprach ihre reichliche Ausstattung
mit Grundbesitz und Einkünften. Jedes Bistum erhielt die Hälfte
der bischöflichen Stadt und der zu ihr gehörigen AVeiler, Branden-
burg außerdem die Burgwarde Pritzerbe und Ziesar, Havelberg
Nitzow; endlich Avurden ihnen die Zehnten mit kleinen Ausnahmen
ausdrücklich zugesprochen '-.
* Zemzizi, Liezizi, das Land zwischen der Elbe und dem Unterlauf der
Havel, Nielitizi, der nördlich hiejrvon gelegene Strich, zu dem Havelberg
gehörte, Desseiü, östlich der Dosse, Linagga, der unterhalb Nielitizi an der
Elbe gelegene Landstrich, Murizzi, die Umgebung des Müritzsees, Tholenz,
die Umgebung der Tollense, Ploth und Mizarez, zwei kleine Landschaften
zwischen Tollense und Peene, Brotwin und Wosze am Haff, Wanzlo, die
Insel Usedom. Die Angabe der Stämme stimmt nicht völlig mit der An-
gabe der Grenze überein : Ab ortu fluvii qui dicitur Pene ad orientem, ubi
idem fluvius intrat mare. Denn der Gau Wosze lag wahrscheinlich auf
dem nördlichen Ufer der Peene. Aber jene Bestimmung war wohl nur so
gemeint, daß die Mündung der Peene der äußerste Punkt der Diözese
sein sollte.
" Die Annahme, daß die Stiftungsui'kunde für Havelberg uns nicht in
unveränderter Gestalt vorliegt, erhält durch das, was sie über die Aus-
stattung des Bistums sagt, eine Stütze. Nach der Bestätigungsurkunde Kon-
rads U. V. J. 1150 nämlich. Cd. Brand. II S. 488 f. Nr. 4, stammt die Aus-
stattung von den drei Ottonen und Heinrich IL Die Urkunde Konrads aber
enthält nur 6 mansi auf dem Anger Wisch und den Weiler Thadandorpp
gegen die Stiftungsurkunde mehr, da der Name iadim ohne Zweifel nur
Schreibfehler für ludini der älteren Urkunde ist. Unmöglich ist das alles,
was Otto II. u. III. und Heinrich II. dem Bistum übergaben; es müssen
also ihre Stiftungen in die Gründungsurkunde aufgenommen worden sein.
Curschmann hat sehr wahrscheinlich gemacht, daß die ursprüngliche Aus-
stattung sich auf den halben Burgward Havelberg und Nitzow beschränkte,
S. 412 ff. Von Otto IL u. III. stammte die Marienburg mit ihren Dörfeim
und die Burgwarde Plot, Wittstock und Patlitz, von Heinrich IL der Land-
besitz in den Gauen Zemzizi u. Mintga und der Zehnte vom Tribut äß^r
Niedermark and der Redarier, S, 481.
— 105 —
Zu welchem Ei'zbistum die beiden neuen Diözesen geschlagen
werden sollten, konnte mau zweifeln: ein klares Anrecht auf die-
selben hatten weder Mainz noch Hamburg. Wenn Otto beide dem
fränkischen Erzbistum einverleibte^; so ist es möglich, daß er die
Tätigkeit Friedrichs fiir die Mission dadm-ch belohnte; aber ob es
wirklich so war, wissen wir nicht. Jedenfalls wurden Thietmar von
Brandenl>urg und Tudo von Havelberg von Friedrich, ordiniert
Dagegen hatte Hamburg auf den nördhchen Teil des wendi-
schen Missionsgebiets schon der geographischen Lage nach un-
zweifelhaft Anspruch ^. War nun auch von den dortigen Erz-
bischöfen das Wendenland lange vernachlässigt worden, so hatte
doch Adaldag begonnen, die Pflichten seiner Kirche auch den
Wenden gegenüber zu erfüllen. Es war deshalb nur gerecht, daß,
als ein drittes wendisches Bistum im Norden gegründet wurde,
dieses unter Hamburg trat. Als seinen Sitz wählten Otto und
seine Ratgeber den Hauptort der Wagrier, Stargard, der auf der
äußersten östhchen Spitze Holsteins lag^. Wie schon der Name
sagt, war Stargard ein längst bestehender fester Platz. Man über-
setzte den Namen ins Deutsche und nannte die Bischofsstadt
Oldenburg. Zum ersten Bischof weihte Adaldag einen Kleriker
namens Egward^
Es ist nicht überUefert, in welches Jahr die Gründung Olden-
burgs fällt ^. Man könnte vermuten, daß die drei Bischöfe in der-
1 S. Annal. Magdeb. z. J. 939 Scr. XVI S. 143 und vergleiche die Ur-
knnde Hattos v. Mainz v. 968, in der er die beiden seiner Kirche unter-
worfenen Bischöfe aus seinem Gf«horsam entläßt, Cd. Brand. II S. 436 Nr. 2.
■^ Die unechte Bulle Anastasius' III. J.W. 3551, welche als Grenze des
Hamburger Sprengeis die Peene bezeichnet, sollte nur einen an sich berech-
tigten Anspruch ausdräcklich legitimieren.
^ Adam 11,18 S. 53: Waigri, eorum civitas Aldinburg maritima. Das
letztere Wort ist nicht in strengem Sinn zu nehmen: schon das Scholion
zu Adam bemerkt: iuxta mare. Helmold 1, 12 S. 29 gebraucht noch den
wendischen Namen Staiigard.
* Adam 11, 14 S. 50: Euraccus vel Egwardus, quem latine dicimus
Euagrium. Waitz z. d. St. vermutet in der ersten Form den Namen Ebracher.
^ Die Meinungen gehen weit auseinander. Lappenberg hat zuerst
überzeugend dargetan, daß die Nachrichten Adams und Helmolds über die
Stiftung Oldenburgs sich nicht vereinigen lassen und daß Helmolds Nach-
richten wertlos sind. Er entnimmt Adam, daß die Stiftung erst ums Jahr
964 erfolgte, Pertz, Archiv IX- S. 384 ff. Noch etwa» weiter herab geht
Dümmler, Otto S. 505 Anm. 2, indem er urteilt, man dürfe sie kaum vor
968 ansetzen. Breßlau, Forsch, z. brand. u. pr. Gesch.. l, 2 S. 78, meint, sie
müsse aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach 968 .aDgesetzt werden. Da-
— 106 —
selben Zeit ihr Amt unter der feindseligen heidnischen Bevölkerung
antraten, und daß die Verteilung ihrer Diözesen unter Mainz und
Hamburg das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den beiden
Erzbischöfen war; denn der Gedanke scheint nahe zu liegen, daß
Otto die gleichzeitige Organisation der sämtlichen Missionsländer
plante^. Auch in Schleswig, Ribe und Aarhus sah man ja im
Jahre 948 zuerst Ortsbischöfe. Aber ein poHtisches Talent, wie
Otto d. Gr. es war, plant nicht abgerundete, sondern ausführbare
Organisationen. Er mußte fragen, ob die Lage für die Errichtung
eines Bistums hinreichend gesichert war. In Dänemark war sie es
im Jahre 947 dank der günstigen Stellmig Haralds, nicht minder
gegen folgte L. Giesebrecht, W. G. I S. 172 f., Helmold, indem er schon
i. J. 936 Marco als ersten Bischof Oldenburgs von Adalward von Verden
die Ordination erhalten läßt; v. Heinemann, Gero S. 58, setzt die Stiftung
i. J. 946, W. Giesebrecht, KZ. I S. 333, in dieselbe Zeit wie die der dänischen
Bistümer; Dehio urteilt, die Gründung des Bistums falle zwischen 948 und
955, Krit. Ausf. S. 61 f., Jensen, Schl.-Holst. KG. 1 S. 140, läßt den Helmol-
dischen Marco 952 Bischof werden und etwa 969 sterben. Fest steht 1.
die Unvereinbarkeit der beiden Berichte und demgemäß die Notwendigkeit,
von Helmolds Nachrichten abzusehen; 2. die Tatsache, daß der erste
Bischof nicht von Adalward von Verden, sondern von Adaldag von Ham-
burg ordiniert ist, Adam 11, 24 S. 58 f. Würde Ottos Urk. Nr. 294 S. 411
zuverlässiger sein, als sie ist, so gäbe sie einen ziemlich sicheren Anhalts-
punkt dafür, daß Oldenburg am 26. Juni 965 noch nicht bestand. Allein
ihre Echtheit ist zu zweifelhaft, als daß dieser Anhaltspunkt viel Wert
hätte. Es sind deshalb die im Text dargelegten Erwägungen entscheidend.
Die Annahme von Dehio S. 61, daß die Peene dadurch Grenze des Ham-
burger Erzstifts wurde, daß das Bistum Oldenburg gestiftet und ihm unter-
geben wurde, scheint mir nicht zwingend. Die Peene wurde Grenze schon
durch die Stiftung Havelbergs, vorausgesetzt, daß Hamburg im Wendenland
missionierte. Denn dadurch wurde das Hamburger Missionsgebiet auf das
Land westlich der Peene beschränkt. Daß Adaldag wirklich missionierte,
ist oben erwähnt (S. 94). Über den rätselhaften B. Marco Helmolds hat
Breßlau, D. Ztschr. f. GW. XI, 1 1894 S. 156 Licht verbreitet. Er weist ihn
in einer Magdeburger Aufzeichnung des beginnenden 11. Jahrh.'s nach,
nach der er vor 973 Besitz in Fallersleben an Magdeburg schenkte. Es er-
gibt sich aus ihr zugleicTi seine Identität mit dem Pfarrer Marco in Fallers-
leben, Dipl. I S. 134 Nr. 50 v. 942. Damit ist die Annahme, er sei eine
Erfindung Helmolds, beseitigt; Bischof von Oldenburg ist er freilich nicht
gewesen, aber man wird, wie Breßlau, eine Vermutung von Wigger wieder-
aufnehmend, dartut, in ihm den zweiten Bischof von Schleswig zu sehen
haben, vgl. Ser. ep. Slesw. Scr. XIII S. 349; Saxo. Gram. X Scr. XXIX S. 65.
Wahrscheinlich ist er identisch mit dem B. Merka bei Adam II, 23 S. 58.
^ Dehio I S. 125.
— 107 —
im Jahre 948 bei den "Wilzen infolge der Herrschaft des Christen
Tuguniir. Bei den Wagi'iem dagegen war sie es in diesen Jahren
keineswegs; denn Sehbur, ihr Fürst, war ein Heide ^; fast zwei
Jalirzehnte später stand das alte wendische Heiligtum in Oldenburg
noch unverletzt. Beachtet man dies, dann erscheint es als wahi'-
scheinlich, daß die Gründung Oldenburgs später erfolgte als die
Brandenburgs und Havelbergs. Egward wird erst im Jahre 968
das bischöfliche Amt erhalten haben.
Kurz vorher nämHch wurde Selibur seiner Herrschaft beraubt'-.
Er war seit langen Jahren mit einem anderen Wendenfürsten,
Mistav, verfeindet; schon die Väter wai'en Gegner gewesen. Ihre
FeindseHgkeit t\ihrte zu gegenseitigen Beschuldigungen vor dem
sächsischen Herzog Hermann : dieser entschied endUch gegen
Selibur und belegte ihn mit einer schweren Geldbuße. Ergrimmt
über seine Verurteilung ergriff Selibur die Waffen gegen den Herzog.
Aber er wurde überwältigt, die Feste, in die er sich geworfen hatte
— es war aller Wahrscheinlichkeit nach Oldenburg^ — wurde
erobert. Natüi-lich wurde ihm nun seine Herrschaft entzogen;
Hermann übertrug sie seinem Sohn, der sich schon längere Zeit
als Geisel in seiner Umgebung befand. Das letztere erinnert an
die Einsetzung Tugumirs. Man muß wieder vermuten, daß der
neue Fürst kein Heide gewesen ist. Herzog Hermann hatte das
wendische Heiligtum in der Stadt seines Götterbildes beraubt, wahr-
scheinlich zerstört. Sollte er das nur getan haben, damit es sofort
wieder enichtet würde? Das. ist kaum zu glauben. Hatte aber
der neue Fürst, wie so viele Geiseln, in seiner Haft sich der Reli-
gion des Siegers angesclilossen, dann war mit seiner Erhebung die
Lage ähnlich wie vorher in Brandenburg. Nun konnte das Bistum
errichtet werden: der neue Fürst war sein Schützer. Wie sollte
mai> es sich auch denken, daß vorher die bischöfliche Kirche und
^ Widuk. III, 68 S. 82 nennt noch um 967 die Wagrier pagani, spricht
auch von dem Götzendienst in der Feste Seliburs.
- Der von Widukind a. a. 0. erzählte Vorgang läßt sich zeitlich nicht
genau festlegen. Da der bei Widuk. III, 70 S. 94 erhaltene Brief Ottos,
der vom 18. Jan. 968 datiert ist, geschrieben wurde, nachdem Otto die
Nachricht vom Tode Wichmanns erhalten hatte, so muß die Entsetzung
Seliburs spätestens ins Jahr 967 fallen. Unmöglich ist es jedoch nicht,
daß sie schon 966 stattgefunden hatte.
^ Adam nennt II, 18 S. 53 Oldenburg schlechthin die civitas der
Wagrier. Ist bei Widukind III, 68 S. 81 f. von der urbs des Wagrierfürsten
die Rede, ohne daß sie genannt wird, so liegt also am nächsten, an Olden-
burgr zu denken.
— 108 —
der heilige Hain nebeneinander in derselben Burg sich befanden?
Nicht neben ihn, sondern an seine Statt trat die Kirche.
Der Sprengel Oldenbui'gs umfaßte den ganzen wendischen
Missionsbezirk Hamburgs: er dehnte sich also von der Kieler Bucht
südösthch bis an die Grenze des Bistums Havelberg aus.
Zum oldenburger Bistum gehörten nur abodritische Stämme,
in der havelberger Diözese bestand die Hauptmasse der Bewohner
aus Liutizen, mit denen jedoch die abödritischen Grenzstämme ver-
bunden waren; ähnlich waren im brandenburgischen Sprengel mit
Liutizen die nördlichsten Sorbengaue vereinigt.
Es erregt zunächst Erstaunen, daß die kirchHche Organisation
des Wendenlands östUch der Saale am spätesten in Angriff ge-
nommen wurde. Denn hier waren die äußeren Schwierigkeiten am.
geringsten. Die deutsche Herrschaft über Sorben und Daleminzier
stand von Anfang an fester als die über Redarier und Abodriten.
In Ottos Absichten lag es denn auch nicht, gerade an diesem
Punkte zu zögern. Vielmehr faßte er wahrscheinlich schon kurz
nach der Errichtung der liutizischen Bistümer den Gledanken, in
Magdeburg ein neues Erzbistum für das gesamte Wendenland zu
errichten; ihm sollten die Bistümer, welche für den breiten Land-
strich zwischen Saale und Oder errichtet werden mußten, unter-
geordnet werdend Der Gedanke war klar und zweckmäßig: -denn
durch die Gründung eines auf deutschem Boden, aber hart an der
Grenze des Wendenlandes gelegenen Erzbistums mußte die Energie
der Missionsarbeit mächtig verstärkt werden: Magdeburg konnte
das werden, was Salzburg für die Slaven des Alpengebiets gewesen
war. Aber keinem Plane des Königs stellten sich so viele Hinder-
nisse entgegen als diesem. Das, was durch die Lage der Sache
für das allgemeine Beste gefordert war, wurde durch die Macht
persönlicher und partikularer Interessen aufgehalten. Die Griindmig
des slavischen Erzbistums verzögerte sich bis in die letzten Lebens-
jahre Ottos.
Magdeburg war von uralten Zeiten her ein Staj)elplatz für
den deutschen Handel mit den Wenden. Als solcher wird es
^ Für die Gründung von Magdeburg vei'weise ieh, abgesehen von den
schon genannten allgemeinen Werken auf Grosfeld, Be archiep. Magde-
burgensis originibus 1855. Wann der Gedanke, in Maigd«barg ein Erzbistum
zu errichten, gefaßt wurde, läißt sieh natürlich nicht feststellen. Sieh er ist
nur, daß ihn Otto i. J. 948 nofih nicht hatte. Denn im anderen Fall hätte
er Brandenburg und Havelberg jaieht xmtex Mainz gestellt. Ebenso sicher
ist^ daß ex L X 955 schon ein fertigem- Plan war.
— 109 —
schon in der Zeit Karls d. Gr. genannt^. Keiner der anderen
deutschen Handelsplätze konnte, was Gunst der Lage anlangt, mit
Magdeburg wetteifern: es war der vorgeschobenste und doch zu-
gleich ein völlig sicherer Ort. Nur der Fluß schied hier deutsches
und wendisches Land, und er schützte zugleich die deutsche Stadt
vor einem plötzlichen Überfall der Barbaren. Daß Karl d. Gr. am
jenseitigen Ufer eine Feste errichten ließ^, vermehrte noch die
Sicherheit der Stadt. Alle Bedingungen waren gegeben, um ein
rasches Aufblühen Magdeburgs möglich zu machen. Mochten nun
auch die ununterbrochenen Kriege es dazu nicht kommen' lassen,
so mußte doch Magdeburg dank seiner glücklichen Lage immer
eine gewisse Bedeutung behaupten.
Da Karl d. Gr. die Wichtigkeit der Elbestadt erkannt hatte,
so ist es wohl glaublich, daß die älteste der dortigen Kirchen ein
Werk seiner Zeit war. Sie war dem heihgen Stephan geweiht^,
und es war ein Kanonikat mit ihr verbunden. Man möchte ver-
muten, daß Karl diesen östlichsten Strich deutschen Landes Kano-
nikern von St. Stephan in Metz zur Verkündigung des christlichen
Glaubens anvertraut hatte und daß das Stephanstift an der Elbe
eine Tochter des Domstifts in Metz war; denn man feierte in
Magdeburg im neunten Jahrhundert die Gedächtnistage der Metzer
Bischöfe Felix und AmuK*. Doch scheint sich das Magdeburger
Stift im Laufe dieses Jahrhunderts wieder aufgelöst zu haben. Man
hört später nicht wieder von ihm"''. Ln zehnten Jahrhundert wurde
Magdeburg der Hauptort eines sehr ausgedehnten Burgwards. Die
^ Capit. 44, 7 S. 128; vgl. chron. Moiss. z. 805 S. 308.
2 S. oben S. 72.
^ Ebenso die Kirche in Langen- Weddingen, die als eine der ältesten
Kirchen im Bistum gilt, Gesch.Bl. III S. 171 f.
* Jostes hat in d. Ztschr. f. d. A. 1893 S. 129 ff. einen Mainzer Kalen-
der des 9. Jahrh;1 mit Magdeburger Zusätzen bekannt gemacht und be-
sprochen. Der Kalender beweist, wie er hervorhebt, die Existenz eines
Magdeburger Stifts oder Klosters in dieser Zeit. Die dort geteierten Heiligen,
die man in Mainz nicht kannte, gehören zum Teil Italien, zum Teil dem
nördlichen Frankreich an. Da Beziehungen zwischen Magdeburg u. Italien
ausgeschlossen sind, so hat man das Mutterstift in Frankreich zu suchen.
Die Feier der beiden Bischofstage und Stephan als Namensheiliger weisen
auf Metz hin.
5 Die Kirche soll von der Elbe zerstört worden sein, Annal. Magdeb.
z. J. 938 Scr. XVI S. 148. Später dachte man sie als einen Prachtbau:
Karl leit buwen einen groten Tempel in sunte Steffens ere, Schöppen-
chronik S. 8.
— . 110 —
Könige hatten einen Hof daselbst K Ein paarmal wird eine Magde-
burger Pfarrkirche erwähnt^.
Die Bedeutung, welche der deutsche Handelsplatz für die
Kirchengeschichte gewann, verdankt er dem Benediktinerkloster zu
St. Peter, Moritz und Innocenz, daß Otto am'^l. September 937
stiftete. Es war die zweite Klostergründung seit seinem Regierungs-
antritt; eine glänzende Versammlung geistlicher Großer war dabei
anwesend. Neben den beiden Erzbischöfen Friedrich und Adaldag
sah man acht Bischöfe aus den verschiedenen deutschen Stämmen '^.
Die ersten Insassen des neuen Stiftes berief Otto aus dem ältesten
deutschen Kloster, St. Maximin bei Trier*. Es war vor km'zem
reformiert worden ; er war also sicher, daß Abt Anno und seine
Genossen gewissenhafte Beobachtung der Regel in Magdebm-g
heimisch machen würden. Auch dafür hatte er Sorge getragen,
daß es dem Kloster nicht an berühmten Reliquien fehlte; von
König Rudolf von Burgund hatte er sich den Leichnam des
h. Innocenz, den man als Genossen des todesmutigen Führers der
thebaischen Legion verehrte, übergeben lassen: er wurde nach
Magdeburg übertragen^. Zu diesem geistlichen Schatze kam eine
sehr reichliche Ausstattung mit weltlichen Gutem; schon am Stif-
tungstag erhielt das Kloster den Königshof in Magdeburg mit
allen dazu gehörigen Orten in den Gauen Nordthüringen und
Belxem, für reichlichen Grundbesitz war damit gesorgt. Jenseits
der Elbe, im Wendenlande, erhielt es zwar kein Eigentum an Grund
und Boden, aber um so wertvollere Rechte, Den Zehnten von
dem Zins und den Verkaufsabgaben in den Gauen Morazeni,
Liezizi und Hevellun, und das Recht des Holzschlags > und der
Schweinemast in den fiskalischen Forsten dieser Landschaften. Die
nächsten Wochen brachten weitere Vermehrungen der Einkünfte
1 S. die Stiftungsurkunde Ottos Dipl. I S. 101 Nr. 14; hier sind 28
Orte als ad eandem civitatem pertinentes vel servientes genannt.
2 Dipl. I S. 123 Nr. 37: Plebeiam ecclesiam in Magdeburg. S. 159
Nr. 79: Populärem ecclesiam in Magdeburg. Eine weitere Kirche, St. Cyriak,
«tiftete Markgraf Gero, ÜB. v. Halberstadt I S. 17 Nr. 35.
^ Baldrich von Utrecht, Udalrich von Augsburg, Thiedhard von ^ildes-
heim, Ebergis von Minden, Amalrich von Speier, Burchard von Würzburg,
Bernhard von Halberstadt, Amalung von Verden.
* Ann. Magdeb. z. 938 S. 143.
^ Die Erwerbung der Reliquien des Innocenz wird von dem König in
der Stiftungsurkunde, von Widukind U, 7 S. 40 und Thietmar II, 3 S. 19
erwähnt. I. J. 960 kamen Reliquien des Moritz und vieler anderer Heiligen
hinzu. Thietm. 11,17 S. 28; vgl. auch N.A. XXV S. 672 ff.
— 111 —
und des Besitzes; am 27. September überließ Otto der Kongregation
den gesamten in Magdeburg anfallenden ZolP; am 11, Oktober
machte er ihr eine neue Landschenkung im Nordthüringgau ^.
Die rechtliche Stellung des Moritzklosters wurde so günstig
als möglich gestaltet: es erhielt Königsschutz und Immunität, außer-
dem das Recht, Abt und Vogt frei zu wählen. Die Kongregation
sollte niemand zu Dienst verpflichtet sein als Gott und seinen
Heiligen. Nur ihrem Schutzherrn, dem König, sollte sie jährlich
als Zins ein Roß, einen Schild und £ine Lanze oder zwei Pelz-
mäntel darbringen^. Etwas später unterstellte Otto sein Kloster
auch noch dem Schutze des römischen Papstes *.
Man sieht aus dem allen, daß er dem Moritzstift nicht ge-
wöhnliche Bedeutung zu verleihen gedachte. In nichts sollte die
neue königliche Abtei hinter den alten mächtigen Stiftungen in
Franken und Schwaben zurückstehen. So wurde denn auch der
Bau einer prächtigen Abteikirche mit Eifer betrieben. Neun Jahre
nach der Stiftung, beim Tode der Königin Edgith, war das Münster
schon vollendet ^.
Die Vermutung liegt nahe, daß Otto bei der Stiftung eines
so mächtigen Klosters in einer deutschen Grenzstadt an Missions-
arbeit der Mönche im heidnischen Lande jenseits des Stromes dachte*.
Aber die erste Ausstattung, die er ihm gewährte, macht daran irre :
der gesamte Grundbesitz Magdeburgs lag in Deutschland'; das
1 Dipl. I S. 102 Nr. 15. Über die erste Ausstattung des Klosters s. bes.
Uhlirz, Exkurs II S. 122 ff. 2 ib. S. 183 Nr. 16.
3 Ib. S. 101 Nr. 14; S. 103 Nr. 16; Sickel zeigt in den Vorbemerkungen,
daß die Verleihung des Wahlrecbts schwerlich " als Interpolation zu be-
trachten ist.
4 Erwähnt in der Urkunde v. 23. Apr.. 941, I S. 128 Nr. 37; vgl. ep.
Mogunt. 18 S. 349. Wann es geschah, weiß ich nicht festzustellen.
s Widuk. II, 41 S. 56 : Sepulta est in basilica nova latere aquilonali
ad orientem. Ebenso Thietm. II, 3 S. 20.
6 Von Dümmler, Otto S. 66, Lamprecht, D. G. II S. 138, Uhlirz S.
13 f , Mittag S. 47 f. u. a. ausgesprochen ; von Grosfeld dahin gewandt, daß
in Magdeburg die Predigt in der wendischen Sprache gelernt werden
sollte, S. 4.
" In der Stiftungsurkunde werden die an das Kloster gegebenen Orte
ausdrücklich als ex occidentali parte Albis fluminis oder ex aquilonali parte
Horaha fluminis (d. i. der Ohre) gelegen bezeichnet. Uhlirz ist es nicht
entgangen, daß Verleihungen im Wendenland unterlassen wurden: er er-
klärt sich die Tatsache daraus, daß sie keinen ständigen Ertrag gewähren
konnten, S. 15. Der Grund ist genügend, wenn Magdeburg nur Kloster
sein sollte, ungenügend, wenn es Missionsposten werden sollte. Denn es
— 112 —
wäre zweckwidrig gewesen, wenn die Mönche unter den Wenden
missionieren sollten. Man muß deshalb annehmen, daß die Stif-
tungsurkunde nichts verschwiegen hat, wenn sie nur die herkömm-
Hchen religiösen Motive für die Gründung anführt und nichts von
einem darüber hinaus liegenden praktischen Zwecke sagt. Eine
Brüderschaft, die der Regel gemäß sich hinter den Klostermauem
hielt, um dort mit Psalmengesang und Litanei Gott und dem Hei-
ligen zu dienen, entsprach der Gesinnung Edgiths, der Herrin von
Magdeburg: Widukind charakterisiert sie dadurch, daß er erinnert,
sie entstamme einem Geschlecht, das in der religio, der Frömmig-
keit der Mönche, hervorrage^. Und wenn Otto nicht dies suchte,
warum hatte er dann die Mönche aus einem der reformierten Klöster
Lothringens herbeigeholt? Das alte mönchische Ideal eines frommen,
von dem Wirken in der Welt zurückgezogenen Lebens hatte ja
dort mit neuer Macht die Gemüter ergriffen^; Männer, die geeignet
waren, den Wenden zu predigen, konnte er nicht an der Mosel
suchen; er hätte sie da gefunden, wo man wendische Sprache und
Sitte aus unmittelbarer Anschauung kannte. Auch war Anno des
Königs eigenem Urteile nach nicht zum Missionar geeignet: als er
die wendischen Bistümer besetzte, hat er ihn übergangen; unmittel-
bar danach aber ernannte er ihn zum Bischof in seiner rheinischen
Heimat, in Worms ^. Nicht Wendenmissionare, sondern eine fromme
Brüderschaft siedelte Otto in Magdeburg an. Diesen Gedanken
hielt er während der nächsten Jahre durchaus fest: unablässig ver-
mehrte und erweiterte er den Besitz und die Rechte Magdeburgs,
Aber nach wie vor gründete er die Macht und den Glanz des
Klosters nicht auf Güter, die jenseits, sondern auf solche, die dies-
seits der Elbe gelegen waren: im Nordthüringgau, Harzgau, Derlin-
gau, Hessengau erhielt es immer ausgedehnteren Grundbesitz;
einzelne seiner Güter lagen an der Mündung der Elbe, selbst fem
ab am Zuidersee*: aber länger als zwei Jahrzehnte lang besaßen
liegt auf der Hand, daß Missionstätigkeit leichter da geschah, wo man
Eigentum besaß. Man vergleiche das ganz andere Vorgehen bei der
bairischen Mission in den Alpen. ^ Res g. Sax. II, 41 S. 56.
^ Schon daß für die reformierten Mönche die Beobachtung der Klausur
selbstverständlich war, schließt aus, daß sie mit Rücksicht auf die Mission
berufen wurden.
3 Cont. Regin. z. 950 S. 164; Thietm. 11,21 S. 31; Ann. Magd. z. 937
S. 143.
* Nordthüringgau: Dipl. Nr. 21 S. 109; Nr. 37 S. 123; Nr. 38 S. 124;
Nr. 74 S. 154; Nr. 214 S. 296; Harzgau: Nr. 41 S. 127; Nr. 63 S. 144; Derlin-
gau Nr. 43 S. 129; Hessengau Nr. 97 S. 180; im Lochne und Lisgau Nr. 165
— 113 —
die Brüder von St. Moritz in der nächsten Nähe, drüben über der
Elbe, nicht ein einziges Grimdstück^; sie hatten nur das Recht
auf einen Teil der Abgaben, die von königlichen Beamten erhoben
und von ihnen an das Kloster abgeliefert wurden. So konsequent
war Otto, seine Lieblingsstiftung vor dem unsicheren Besitz unter
den Wenden zu bewahren, daß er Güter, die im Slavenland lagen,
gegen deutschen Grundbesitz vertauschte, um dann den letzteren
an Magdeburg zu übertragen^.
Durch die Freigebigkeit des Königs wurde das Moritzkloster
ungemein reich ; es überstrahlte gewissennaßen das Bistum, zu dem
es gehörte. Inzwischen war auch der Gedanke der kirchlichen
Organisation des Missionslandes an Otto herangetreten; durch die
Gründung von Havelberg und Brandenburg war seine Verwirkhchung
begonnen. Nun erst ergriff er den Plan, die reiche Stiftung in
Magdeburg zum Mittelpunkt der Missionsarbeit zu machen und da-
durch zugleich ihren Glanz und ihre Bedeutung noch weiter zu
erhöhen. Wir wissen nicht, wann dieser Gedanke zuerst aufgetaucht
ist: möglicherweise war schon die Ernennung Annos zum Bischof
von Worms ein vorbereitender Schritt zur Ausführmig; sicher ist
nm-, daß im Jahre 955 der Plan bereits vöUig gereift war^: er
ging dahin, daß der Sitz des Bistums von Halberstadt nach Magde-
burg verlegt und ihm das Kloster inkorporiert werden sollte, zu-
gleich sollte das Bistum zum Erzbistum erhoben und ihm die neuen
Wendenbistümer untergeordnet werden. Indem Otto in einem der
inhaltsschwersten Augenblicke seines Lebens, unmittelbar vor dem
S. 246; die letztgenannten 5 Gaue liegen um den Harz; sodann im thürin-
gischen Gau Engila Nr. 187 S. 269; in den Gauen Moside und Heiinge Nr.
205 S. 284, Unimoti Nr. 16 S. 104 an der unteren Elbe; endlich in Deventer
und Umgebung: Nr. 159 S. 241; Nr. 181 S. 264; Nr. 216 S. 298.
1 Die erste Schenkung von Grundbesitz im Slavenland erfolgte im
Frühjahr 961, s. Nr. 304 S. 419 und über die Datierung Sickels Vor-
bemerkung. - Vgl. Dipl. I S. 232 Nr. 152 mit S.' 247 Nr. 165.
3 Auskunft über Ottos Pläne gibt der Brief Wilhelms von Mainz, ep.
Mogunt. 18 S. 348f. Hier ist ausgesprochen: 1. daß im Jahre 955 die Ab-
sicht war, Halberstadt zu verlegen : Translationem Halberestetensis aeclesiae
me vivo non consentiam; 2. den Mönchen von Magdeburg ihren Besitz zu
entziehen: Monachi Magadaeburgensis coenobii eodem privilegio — daß
ihre Stiftung nicht verletzt werden dürfe — a vobis sunt adminiculati;
3. den Sprengel von Mainz zu verringern: Minorationem nostrae sedis non
consentiam; 4. ein neues Erzbistum zu gründen: Se domi ferre tot pallia
quot velit, das ein bisheriger Bischof erhalten sollte; Sint tot pallia
quot episeopi. Die Kombination dieser Aussagen ergibt die im Texte ange-
gebenen Pläne.
et
Haiiek, KirchengeseMclite. III.
— 114 —
letzten Entscheidungskampf mit den Ungarn, das Gelübde ablegte,
in Merseburg dem heüigen Laurentius zu Ehren ein Bistum für
die Sorben zu gründen ^, verpflichtete er sich selbst in der feier-
lichsten Weise zur Ausführung seines Vorhabens.
Der Organisationsplan Ottos war das Beste, was für die Grün-
dung der Slavenkirche geschehen konnte^. Denn Halberstadt war
das größte, besonders das an Klöstern reichste Bistum Sachsens;
es hatte einen nicht unbeträchtlichen slavischen Bevölkerungsbestand-
teil, der schon christlich, also regelmäßig kirchlich versorgt war.
Hier konnte es demnach nicht an Männern fehlen, die geeignet
waren, als Slavenprediger zu arbeiten. Die Halberstadter Diözese
erstreckte sich langhin an der Saale und Elbe; sie nahm den
größten Teil der sorbisch-liutizischen Grenze ein, berührte sich mit
Havelberg, Brandenburg und dem südhchen wendischen Missions-
gebiet: der Verkehr mit den wendischen Bistümern war also überall
leicht, zumal wenn der Schwerpunkt der Halberstädter Diözese
durch Verlegung des Bischofesitzes nach Magdeburg vom Harz an
die Elbe verlegt wurde. Diese unter Ottos Regierung mächtig
aufblühende Stadt aber war wie zum Bischofssitz geschaffen^.
Nicht minder zweckmäßig war die Absicht, ein sorbisches Bistum
in Merseburg zu gründen. Dadurch wäre deutsches und wendisches
Gebiet in einer Diözese vereinigt worden; sie hätte in ihrem deut-
schen Teil eine feste Grundlage für ihren Fortbestand erhalten.
Doch waren die Schwierigkeiten, die Ottos Plan im AVege
standen, nicht gering. Selten lassen sich neue Einrichtungen treffeUj
ohne daß alte Rechte verletzt werden; in den kirchlichen Verhält-
nissen vollends ist stets der bisherige Zustand mit dem Schimmer
des geheihgten Rechtes umgeben, Widerspruch war deshalb zu
erwarten. Zwar nicht von Halberstadt; denn der dortige Bischof
war der gewinnende Teil. Wohl aber von Mainz. Wer konnte es
dem Erzbischof verübeln, wenn er sich weigerte, auf die schönste
unter seinen sächsischen Diözesen, auf die kaum errichteten wen-
1 Thietm. 11, 10 S. 23 f. Es leuchtet ein, daß das Gelübde die Organi-
sationspläne voraussetzt. Merseburg gehörte ja zum Bistum Halberstadt.
Ich möchte deshalb ebensowenig wie ühlirz, S. 33 Anm. 1, darin einen
plötzlichen Einfall erblicken.
- Ähnlich urteilt v. Pflugk-Harttung, Forschungen 25 S. 156.
3 Vgl. Uhlirz S. 42. Wenn in der Urkunde v. 9. Juli 965 S. 415 Nr. 300
ludaei vel ceteri ibi manentes negotiatores erwähnt werden, so sieht man,
daß Magdeburg nach wie vor als Handelsplatz bedeutend war. Wird i. J.
979 neben der civitas das suburbium erwähnt, II S. 225 Nr. 198, so darf
man wohl an eine inzwischen eingetretene Vergrößerung denken.
— 115 —
discheu Bistümer, überhaupt auf jede künftige Ausdehnung seines
Sprengeis zu verzichten ? Wenn er es tat, so setzte er sich bei
allen seinen Nachfolgern nicht nur, sondern ohne Zweifel auch bei
seinem gesamten Klerus dem Vorwurf aus, daß er die Pflicht gegen
seine Kirche gewissenlos außer acht gelassen habe. Es mußte ein
Mann sehr groß denken, wenn er sich selbst von dieser Anschauung
frei hielt, vollends, wenn er es darauf ankommen ließ, falsch be-
m-teilt zu werden. Auch die Mönche in Magdeburg mußten den
königlichen Absichten entgegenstehen. Otto hatte bei der Stiftung
ihres Klosters dessen unveränderten Bestand in der herkömmhchen
feierlichen Porm sicher gestellt. Sollten die Mönche sich ruhig
darein finden, wenn er selbst seine Stiftung ihrem ursprünglichen
Zweck entfremdete? Dazu kam, daß auf Anlaß des Königs auch
der römische Papst Gewähr für den Fortbestand des Klosters
übernommen hatte. Er war kraft seines Amtes in der Kirche
der Verteidiger aller bestehenden Rechte, hier war er doppelt ge-
bunden. Konnte er stillschweigen, wenn die Geschädigten seinen
Schutz anriefen?
(3tto hat sich schwerlich darüber getäuscht, daß er Wider-
spruch finden werde. Aber in der zuversichtlichen Weise, die ihm
eigen war, glaubte er die Gegengründe leicht überwinden zu können.
Sein Grund war fr-eilich unwiderleglich: die geplanten Einrichtungen
seien nötig um der Ausbreitung des christlichen Glaubens willen \
Es fragte sich nur, ob man überall das Gewicht dieses Grundes
anerkennen würde.
Zunächst vei-sicherte er sich der päpstlichen Zustimmung. Im
Sommer 955 sandte er den Abt Hadamar von Fulda nach Rom,
um mit Papst Agapet II. zu verhandebi '-. Hadamar war von lange
her der Mann des königlichen Vertrauens. Er war ein großer
Prälat, der es liebte glänzend aufzutreten^; die durch einen Brand
J Daß Otto lediglich hiermit seine Absichten begründete, ergibt sich
aus dem angeführten Briefe Wilhelms: Culpam iustitia pretendentes aiunt
id fieri causa propagandae christianitatis.
2 Von dieser Sendung spricht ebenfalls Wilhelm. Aus seinem Briefe
ergibt sich zugleich ibr Datum. Wilhelm schrieb im Spätjahr 955, denn
sein Brief ist an Agapet gerichtet, kam jedoch, wie die Antwort, ep. 19
S. 350, zeigt, erst nach dessen Tod (1.— 15. Dez. 955; in Rom an. Da
Hadamar, als Wilhelm schrieb, eben von Rom zurückgekommen war, so
muß er im Sommer dort gewesen sein. Man reiste von Norddeutschland
nach Rom 2 Monate, s. vit. Bernw. 19 Scr. IV S. 767, doch konnte man den
Weg sicher auch in kürzerer Zeit zurücklegen.
ä Wilhelm spottet : Auro gemmisque farcitus, ep. Mog. 18 S. 349.
8*^
— 116 —
zerstörte Hauptkirche seines Klosters hat er prächtig erneuert^;
durch seiue gelehrte Bildung und seine Rednergabe imponierte er
auch den anspruchsvollen Italienern-. Dem König empfahl ihn
seine Klugheit und Gewandheit^ nicht minder, wie seine zweifel-
lose Zuverlässigkeit* zum politischen Unterhändler. Sein scharfer
Geist erkannte leicht die Schwächen der Menschen : er trug kein
Bedenken, durch sarkastische Beden auch die Zustände in Born
zu geißeln ^. Überhaupt scheint Ehrfurcht nicht zu seinen gewöhn -
liehen Stimmungen gehört zu haben: Friedrich von Mainz hatte
es während seiner Haft übel zu empfindend Das, was man einen
frommen Mönch nennt, war er denn auch nicht entfernt: die Kloster-
reform war ihm in tiefster Seele verhaßt: man glaubte, daß Erz-
bischof Friedrich sie ihm zum Tort betreibe '.
Ottos Wünsche stießen in Bom auf keinen Widerstand. Agapet
gab nicht nur seine Zustimmung zur Verlegung des Bischofssitzes
von Halberstadt nach Magdeburg und zur Erhebung des Bistums
zmu Erzbistum, sondern auch zur Trennung der beiden wendischen
Bistümer von Mainz; er stellte überhaupt die Organisation der
wendischen Kirche in das Belieben des Königs ^. Nur einen Vor-
behalt mußte er machen : er mußte die Zustimmung des Erzbischofs
von Mainz fordern '-'. Hadamar war erstaunt darüber, wie leicht er
1 Die Kirche brannte 937 ab und wurde 948 von neuem geweiht, Flod.
ann. z. d. J. S. 398, vgl. Widuk. II, 38 S. 55, Marian. Scot. z. 956 Scr. V S. 554.
^ Agapet IL rühmt den Abt als bene eruditum et eloquentem virum,
J.W. 3633. Freilich ist auf dies offizielle Lob nicht viel zu geben.
^ Widuk. 111,38 S. 55: Vir magnae prudentiae ac industriae.
* Ottos Vertrauen auf sie zeigt die Haft Friedrichs von Mainz.
•* Epist. Mogunt. 18 S. 349: lactatur, se domi ferre nescio cuius munere
tot pallia quot velit, empta centum libris. Die vielen Pallien beziehen sich
außer auf Magdeburg darauf, daß Hadamar das Pallium für Brun von Köln
erbeten und erhalten hatte, Ruotg. vit. Brun. 26 S. 27. Daß er zugleich
als Bote der beiden königlichen Brüder in Rom war, zeigt, daß Brun den
Plänen Ottos zustimmte. Doch glaube ich nicht, daß die Bitte um das
Pallium für Brun die Unterhandlungen über Magdeburg verhüllen sollte,
Dümmler, Otto S. 271. Denn diese Verhandlungen bedurften weder, noch
ertrugen sie die Geheimhaltung.
® Widuk. II, 38 S. 55 : Pontificem sub custodia tenuit . . primum honori-
fice sed, cum litteras ab eo scriptas reprehendisset, satis severe.
' Widuk. m, 37 S. 55. » Ep_ Mogunt. 18 S. 349.
* Er hatte eben bestimmt: Si quis eam (Mogontinam sedem) cuiusque
sit personae aliquo honore huc habito velit depredari, ipse depredetur et,
nisi resipiscat, aeterno vinculo anathematis . , mancipetur, ep. Mogunt. 17
S. 347
— 117 —
in Rom zum Ziele kam : man erzählte in Deutschland eine Äußerung
von ihm, die die Freude des Gelingens nicht ohne scharfe Ironie
ausspricht: Pallien bringe er nach Hause, soviele als er nur wolle;
er habe sie in Rom um hundert Pfund gekauft. Doch ist die
Entscheidung Agapets verständlich: sie entsprach durchaus den
kirchlichen Interessen.
Praktischen Wert hatte sie jedoch nur, wenn der Erzbischof
von Mainz den ihm angesonnenen Verzicht nicht ablehnte. Den
Mainzer Erzstuhl nahm seit Weihnachten 954 Wilhelm, ein Sohn
Ottos und einer slawischen Kriegsgefangenen, ein^. Er war ein
junger Mann, noch nicht dreißig Jahre alt'-. Wir wissen nicht,
wo er seine Erziehuig fand; man denkt wohl an Reichenau, aber
ohne daß sich für die Annahme viel sagen ließet Jedenfalls
machte er seiner Schule Ehre: wenn man ehi treffendes Urteil über
ein poetisches Werk Innren wollte, so appellierte man an das Seine*.
Aber er selbst schrieb keine Gedichte: der Sinn des Königssohns
wandte sich schon in jimgen Jahren den wirklichen Verhältnissen
zu; es charakterisiert ihn, daß er den Annalen des Klosters Reichenau,
die man in Mainz in einer Abschrift besaß ^, eine Notiz über seine
Wahl und Weihe beizufügen nicht unterließ*^. Als Mann des
praktischen Lebens hat er sich später bewährt: Widukind bezeich-
net ihn im Blick auf seine politische Tätigkeit als klug mid weise,
zugleich als fromm und allen zugänglich '. Dabei war er nicht
ohne Ehrgeiz: auf die Würde eines päpstlichen Vikars und aposto-
lischen Legaten, die seinem Vorgänger erneuert worden war, erhob
auch er Anspruch; alsbald nach seinem Amtsantritt schickte er
eine Gesandtschaft nach Rom, die sie für ihn erbitten sollte. Aga-
pet zögerte nicht, die Bitte zu gewähren *. Kein Wunder, daß
Wilhelm sich als der erste Bischof in Germanien und Gallien
fühlte; er war stolz darauf der Nachfolger des Bonifatius zu sein,
1 Widuk. IIT, 74 S. 85, Thietm. II, 35 S. 40.
2 Er ist i. J. 928 geboren, Contin. Regin. z. d. J. S. 158. Doch ist die
Jahreszahl nicht sicher, s. Dümmler, Otto S. 8 Anm. 2, der sich für 929 er-
klärt, welche Zahl freilich um nichts sicherer ist.
* S. Dümmler, Otto S. 12 Anm. 4. Die von Thietmar 11, 18 S. 29 er-
zählte Geschichte von der Erscheinung des verstorbenen EB. in Corvey legt
die Vermutung nahe, daß er dort Mönch war; dann aber wird er auch
dort erzogen worden sein.
■* Hrotsuith an die Äbtissin Gerberg S. 202.
5 S. AVattenbach, GQ. I S. 286 u. 440.
e Scr. I S. 69, auch Jaffe, Bibl. III S. 706.
" III, 73 S. 85. « Epist. Mogunt. 17 S. 346 f.
— 118 —
stolz auch auf seine ausgedehnte Diözese: so groß, daß sie der Er-
weiterung nicht bedürfe, und durch solche Privilegien geschützt,
daß sie nicht ohne Rechtsverletzung verkleinert werden könnte^.
Es ist verständlich, daß Wilhelm in Ottos Plänen eine
Schädigung seiner Stellung erblickte. In den Verzicht auf eine
weitere Ausdehnung seines Sprengeis hätte er sich finden können:
gewiß nicht ohne Absicht schrieb er dem Papste, Mainz bedürfe
nicht, daß man sein Gebiet vergrößere. Anders stand er der Ent-
lassung Halberstadts aus dem Mainzer Diözesanverband gegenüber:
er lehnte sie nmd ab: so lange er lebe, werde er weder der Ver-
kleinerung seines Sprengeis, noch der Verlegung des Bistums nach
Magdeburg zustimmend
Sobald er Kenntnis von dem Erlaß Agapets erhalten hatte,
erklärte er das dem Papste. Er empfand es als Kränkung, daß
die Kurie entschieden hatte, ohne mit ihm verhandelt zu habend
Auch dafür war er nicht unempfindlich, daß in der Motivierung
der Organisationspläne ein unausgesprochener Vorwurf gegen den
Episkopat des Reichs lag; ziemlich gereizt schrieb er an den Papst:
finde man, daß er in Mainz überflüssig sei, so sei er bereit sich
zu den Heiden schicken zu lassen, um ihnen zu predigen.
Agapet war schon tot, als Wilhelms Erklärung in Rom ein-
traf. Den römischen Thron Jiahm ein Knabe ein, Johann XU.
Es war deshalb nicht daran zu denken, daß die deutschen An-
gelegenheiten von Rom aus geleitet werden konnten. Wilhelm er-
hielt als Antwort ein Schreiben voll großer Worte und allgemeiner
Redewendungen, in dem aber weder die Verfügung Agapets zurück-
genommen, noch dem Erzbischof Unrecht gegeben wurde*. Er hielt
also an dem Widerspruch gegen die Absichten seines Vaters fest.
Otto konnte und wollte denselben nicht unbeachtet lassen.
Die Folge war, daß die ganze Organisation der Wendenkirche
ins Stocken kam. Nicht einmal das auf dem Lechfeld gelobte sor-
bische Bistum trat ins Leben. Es hätte ja dem Erzbistum Mainz
untergeordnet werden müssen. Otto hätte sich dadurch für später
neue Schwierigkeiten geschaffen. Die Vertagung der Gründung von
Merseburg zeigt somit, daß er den Gedanken eines slavischen Erz-
1 Epist. Mogunt. 18 S. 347 f. ^ Ib. S. 349.
^ Ibid.: Me inscio, non id idoneum rebar: .me dico, qui prius, Ger-
maniae Galliaeque alter iuxta chrietianitatem a vobis, si quid corrigendi
esset, corrigere debuerim, ego a nemine nisi a vobis pulsavi. Wilhelm war
berechtigt entrüstet zu sein, da der Papst wenige Monate vorher jeden mit
dem Anathema bedroht hatte, der den Mainzer Erzstuhl irgendwie schädigen
würde, s. S. 116 Anm. 9. * Epist. Mogunt. 19 S. 350 f.
— 119 —
bistums nicht aufgegeben hatte. Auch daran hielt er fest, daß
Magdeburg der Sitz desselben sein sollte. Gerade in den Jahren,
da der Plan zu ruhen schien, baute Otto an dem Dom für das
neue Erzbistum '. Die kaum vollendete Abteikirche schien zu gering:
sie sollte durch einen prächtigen, von Mamior und Goldschmuck
strahlenden, durch einen unvergleichlichen ReHquienschatz be-
schirmten Neubau ersetzt werden^. Otto hat ihn nicht ganz voll-
endet^; gleichwohl erregte seine Basilika die Bewunderung auch
des nächsten Jahrhunderts, das doch weit vollkommenere Kirchen
kannte: selbst der Italiener Bonizo nannte sie einen Bau von
wunderbarer Schönheit*. Aber nicht der geringste Rest ist auf
uns gekommen. Nicht minder bezeichnend als der Bau des Domes
ist, daß Otto nun erst begann, das Moritzkloster mit Grundbesitz
im Wendenland auszustatten: er führte die Mönche dadurch zur
Mitarbeit an der Bekehrung der Bevölkerung und legte das Funda-
ment für die Macht Magdeburgs in den wendischen Bistümern.
Zuerst im April 961 erhielt das Kloster vier Weiler in dem zu
Brandenburg gehörigen Gau Moriziani ^, wenige Monate später eine
Grundschenkung in dem noch unvergebenen Gau Nudiczi und bei-
nahe gleichzeitig den ganzen ebenfalls noch nicht vergebenen Gau
Neletize. An demselben Tage wurde ihm der Zehnte in den Gauen
Neletizi, Gunzizi, Siusile, Zitice und Nudizi zugesprochen, d. h. in
den sorbischen Gauen zwischen der unteren Saale und der Elbe,
die später zur Diözese Magdeburg gehörten; ebenso der Zehnte
von allen Abgaben und dem Einkommen des Königs und der
Grafen in der Lausitz".
Es ist auf Grund dieser Schenkungen klar, daß Otto im
^ Über die Baugeschichte des Doms, s. Sello, Domaltertümer (Gesch.Bl.
Bd. 26 S. 110 ff.).
- Thietm. 11,11 S. 24 läßt den Bau nach der Lechfeldschlacht be-
ginnen; über den Reliquienschatz 11,17 S. 28: es sollen in jedem Säulen-
"kapitell Reliquien vermauert worden sein.
3' Vit. Norberti 19 Ser. Xll S. 698. Nach Seilos wahrscheinlicher An-
nahme bezieht sich diese Notiz darauf, daß die Türme unvollendet waren
S. 113.
* Ad amic. IV Jaffe, Bibl. II S. 621. Die Bauten Daginos, Hunfrieds
und Werners scheinen sich auf die Chorpartie beschränkt zu haben.
^ Dipl. I S. 419 Nr. 304; daß die undatierte Urkunde eine im April
961 vollzogene Handlung bezeugt, bemerkt Sickel in der Vorbemerkung. I
S. 316 f. Nr. 230—32; vgl. auch B.O. 407.
« Ib. S. 316 ff. Nr. 230—232. In Nr. 231 ist die Bekehrung der Wenden
ausdrücklich erwähnt; Otto spricht von dem Zehnten, den sie entrichten
müssen, quandocunque per dei gratiam Christiani effecti fuerint.
— 120 —
Sommer 961 einen bestimmten Plan für sein weiteres Vorgehen
hatte. Den Gedanken, das Halberstadter Bistum nach Magdeburg
zu verlegen, hatte er aufgegeben; statt dessen dachte er im Slaven-
land für Magdeburg eine neue Diözese zu bilden. Wer sein Rat-
geber hierbei war^. braucht man nicht zu erraten, Otto spricht es
selbst aus, indem er in einer Reihe von Schenkungsurkunden den
Erzbischof Wilhelm als "den Fürsprecher des Klosters nennt \ Der
neue Plan war das Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem
König und seinem Sohn-. Der König verzichtete darauf, das
ganze Halberstädter Bistum von Mainz zu lösen und der Erzbischof
gestand zu, daß Magdeburg mit einem kleinen Teil der Halber-
städter Diözese von dieser abgetrennt würde.
Man kann nicht sagen, daß der Plan dadurch verbessert
wurde, daß das wendische Erzbistum imn fast ausschließlich auf
wendisches Gebiet beschränkt sein sollte. Diese Basis war für eine
intensive Wirksamkeit zu schmal. Karl d, Gr. hatte wohl gewußt,
weshalb er die Sachsenmission von Mainz und Köln, die Slaven-
mission von Salzburg und Aquileja aus leiten ließ. Jetzt sollte das
neue Erzbistum selbst Missionsgebiet sein. Das war um so un-
günstiger, als das nächstgelegene wendische Land bereits vergeben
war: wenn man von Magdeburg über die Elbe hinüberblickte, so
sah man auf die brandenburgische Diözese: südwärts zwischen Saale
und Elbe sollte Magdeburg seinen Sprengel finden.
Nachdem Otto sich mit seinem Sohne verständigt hatte, brachte
er die Angelegenheit zum zweiten Male an den Papst. Es geschah
bei seiner Krönimg in Rom. Daß man damals den alten Ge-
danken, daß der Kaiser kraft seines Amts der berufene Beschützer
der Kirche sei, wieder betonte, ist leicht verständlich^. Die Er-
weiterung der deutschen Grenze erschien so als Ausdehnung der
christUchen Kirche*. An der Synode, welche am 12. Februar 962
in der Peterskirche gehalten wurde, nahm der neugekrönte Kaiser
Anteil. Er selbst berichtete den Versammelten über die Grund-
legung der christlichen Kirche unter den Wenden und über den
1 Dipl. I S. 316 f. Nr. 230 f.; S. 419 Nr. 304. Ebenso nach der Rück-
kehr Ottos aus Italien: Nr. 278, 281, 331—333, 345.
^ Thietmar läßt Otto dem Erzbischof geradezu die cura Parthenopolim
disponendi übertragen, II, 18 S. 29.
3 Vgl. das Diplom Johanns XII. J.W. 3690: (Ottonem) . . ad defensi-
onem sanctae dei ecclesiae in imperatorem . . unximus.
^ Ibid.; Certandum est, ut christianitatem, quam deus omnipotens per
servos suos coelesti trophaeo cottidie extendit et provehit, nostro quoque
per eum adiutorio in eodem solidetur et maneat.
— 121 —
Schaden, den der Maugel der kirchlichen Organisation dein Fort-
schritt der Bekehrung bringe. Papst und Synode beschlossen den
Wünschen Ottos entsprechend die Erhebung Magdeburgs zum
Erzbistum, die Unterordnung des in Merseburg zu gründenden Bis-
tums unter dasselbe, und legten es im übrigen in die Hand des
Kaisers und seiner Nachfolger, die Diözesen abzugrenzen und neue
Bistümer zu gründen, wenn die fortschreitende Eroberung es not-
wendig mache. Die deutschen Erzbischöfe wurden zur Unterstützung
dieser Maßregeln verpflichtete
In einem an den deutschen Klerus und das deutsche Volk
gerichteten Schreiben machte der Papst diese Beschlüsse bekannt.
So sehr nach der Fassung, die sie hier erhielten, der Papst als
handelnd erscheint, so sicher beweist doch der Inhalt, daß er nur
das ausführte, was ihm der Kaiser vorschrieb. Seltsam, daß Otto
weniger Macht über die deutschen Bischöfe hatte, als über den
Papst. Auch jetzt wieder scheiterte die Ausführung des Beschlusses
an dem Widerstand eines deutschen Prälaten.
Magdeburg und Merseburg gehörten zur Diözese Halberstadt
Der Beschluß der römischen Synode konnte nur ausgeführt werden,
wenn Bischof Bernhard beide Orte und ihre Umgebung aus seinem
Diözesanverband entUeß. Hatte der erste Plan Ottos ihm die
erzbischöfliche Würde in Aussicht gestellt, so sollte er jetzt ge-
wissermaßen die Kosten der Verständigung des Kaisers mit seinem
Sohne tragen. Dazu war der vornehme^, alte^, wie es scheint,
etwas beschränkte * Mann nicht zu bewegen. Wie Wilhelm die Ab-
tretung Halberstadts, so lehnte er den Verzicht auf Magdeburg ent-
schieden ab^. Er tat, was er konnte, um eine Schädigung seines
Bistums auch für den Fall seines Todes unmöghch zu machen*.
1 Diplom Johanns XII. J.W. 3690.
2 Annal Saxo zu 968 Scr. VI S. 621.
3 Er war seit 924 Bischof, ist also spätestens i. J. 894 geboren, und
war somit mindestens 68 Jahre alt. Thietmar läßt ihn planus dierum
sterben, II, 18 S. 29.
* Er zeigte sich dem verschlagenen Lothringer Gisilberht minder ge-
wachsen als der Kämmerer Hadald; während der letztere seine Stellung zu
wahren wußte, entließ Gisilberht den Bischof inhonoratum et responsui
incertum, Widuk. H, 16 S. 45 f. ^ Thietm. II, 11 S. 24.
6 Vgl. Bernhards Urk. v. 965 Cd. Anhalt. I S. 34 Nr. 44. Otto hatte
dem Bischof einen Hof in Magdeburg auf Lebenszeit geschenkt. Er über-
ließ dagegen in id ipsum tempoiis den Zehnten von drei Dörfern an das
Moritzkloster unter der Bedingung, ut Halberstadensis ecclesiae in predic-
tarum decimis villarum suarumque marcharum post obitum meum nullum
patratur damnum sed . proprium usum fructuum recipiat et in potestate
— 122 —
Otto blieb nichts üljrip; als /u warten und mit den Vor-
bereitunsjen für die Stiftung fortzufahren. Er tat es, indem er die
Besitzungen und Hechte des Moritzklosters im Wendenland noch
bedeutend vermehrte'; auch auf deutschem Boden, besonders in
Magdeburg selbst und im östUcheii Tetl der Halberstädter Diözese
•wurde das Eigentum Magdeburgs an Grund und Boden und an
nutzbaren Beeilten weiter ausgedehnt'-: man kann bemerken, daß
(Jtto den späteren Umfang des deutschen Teils der Magdeburger
Diözese schon bestimmt hatte ■'. Es machte ihm Freude, ausdrück-
lich auszusprechen, daß, was er schenkte, zum Gebrauch der Erz-
bischöfe bestimmt sei, die einstmals die Kirche des h. Moritz leiten
würden^. Er dachte selbst an die Kosten für den prächtigeren
Gottesdienst in einer Kathedrale und sorgte für Lichter und Weih-
rauch'*. Wichtiger war, daß der Moritzkirche der Königsbann in
der Stadt Magdeburg verliehen wurde: denn dadurch wurde der
Grimd zur Herrschaft des Erzbischofs in der Stadt gelegt*'.
Der Zug nach Italien im Jahre 966 gab Otto Aidaß noch
einmal die höchste kirchliche Gewalt aufzurufen, um das lange er-
strebte Ziel zu erreichen. Johann XH. Avar inzwischen beseitigt;
mei successoris consistat, quid de prefatis decimis disponere velit. Es ist
mir deshalb die Annahme von Uhlirz, Bernhard habe sich schließlich doch
nachgiebig gezeigt, S. 39, wenig wahrscheinlich.
1 Dipl. I S. 395 Nr. 278: Rosburg im Gau Serimunt; S. 410 Nr. 293 Lo-
burg und Großtuchheim im Gau Morazeni; S. 412 Nr. 296 Besitz in Pechau
und Gommern im gleichen Gau; S. 443 Nr. 329 Neustadt, Halle, Oppin,
Brachsted mit den Kirchen im Gau Neletizi; S. 412 Nr. 295 der Zehnte vom
slavischen Silberzins im nördlichen Teil der Bistümer Brandenburg und
Havelberg; S. 418 Nr. 303 der Honigzins im südlichen Teil von Brandenburg
und noch nicht vergebenen Gauen.
- Dipl. S. 415f. Nr. 300f.: Bann, Markt, Münze und Zoll in Magdeburg,
S. 415 Nr. 299: Zoll zwischen Ohre, Bode und dem Friedrichsweg, S. 426
Nr. 312: Münze und Marktzoll in Gittelde (im Lisgau im westlichen Harz),
S. 445 Nr. 331 : das Nonnenkloster Kesselheini im Maienfeld, S. 446 Nr. 332!
den Hof Oberwesel am Rhein, S. 447 Nr. 333: das Kloster Hagenmünster
bei Mainz und Güter im Nabe- und Speiergau, S. 471 Nr. 345: Wulferstedt
im Harzgau.
■' Das in Nr. 299 abgegrenzte Gebiet trifft mit dem des Erzbistums
zusammen, s. u. S. 127.
■*• S. 395 Nr. 278 v. 28. März 965: Ex nostro iure et dominio in ius s.
Mauricii martyris atque venerabilium archiepiscoporum qui pro tempore
füerint rectores eiusdem s. ecclesiae . . transfundimus. Vgl.' Nr. 381 f. S. 445.
•• Dipl. I S. 411 Nr. 295.
» Ib. S. 415 f. Nr. 300 vom 9. .Juli 965: v?l. oben S. 62.
— 123 —
Johann XIII. verdankte alles, was er war, dem Kaiser. Hier konnte
Otto der Zustimmung gewiß sein. Die Synode in S. Sevenis zu
Classe bei Ravenna beschloß denn auch am 20. April 967 allen
AVünschen des Kaisers gemäße Doch wurden nicht einfach die
römischen Beschlüsse von 962 wieder aufgenommen, sondern man
ging weiter. Die Synode sprach die Unterordnung von Branden-
bui"g und Havelberg unter Magdeburg aus, und bestimmte, daß
außer in Merseburg in Zeitz und Meißen neue Bistümer emchtet
werden sollten. Wieder verkündigte der Papst die Beschlüsse der
Versammlung in einem offenen, an alle Christen gerichteten Schreiben.
Wenn er dabei seine Bewunderung für die Ausdauer, mit welcher
der Kaiser im Dienste Gottes arbeite^, aussprach, so möchte man
annehmen, daß die getragenen Worte, die in päpstlichen Schreiben
üblich sind, in diesem Falle nicht mehr aussagen, als was der Papst
wirkhch empfand.
In Deutschland aber beseitigten zwei Todesfälle die letzten
Hindernisse: Anfang Februar 968 starb Bernhard von Halberstadt
und vier Wochen später Wilhelm von Mainz. Der Erzbischof hatte
die hochbetagte Königin Mahthilde besucht, um sie vor ihrem Tode
noch einmal zu sehen; auf dem Rückweg ereilte ihn, den Enkel,
vor ihr der Tod". Sobald Otto dje Nachricht vom Tode seines
Sohnes erhielt, sandte er den Abt Egilulf von Hersfeld nach
Deutschland, um die Neuwahl in Mainz zu leiten. Er hatte einen
Mönch, Hatto, den Nachfolger Hadamars in Fulda, für das Mainzer
Erzbistum bestimmt. Egilulf fülirte ihn nach Mainz: dort wurde
er von Klerus und Volk gewählt*; dann eilte er zu dem Kaiser
^ Die hierauf bezügliclien Verhandlungen der Synode sind beurkundet
in dem Diplom Johanns XIII. J.W. 3715. Als zweite Quelle kommt in Be-
tracht die 8.g. erectio eccles. Magdeburgensis, ÜB. d H. Halberst. I S. 20
Nr. 39, auch bei Uhlirz S. 133 ff. Sie ist großen Teils in die Ann. Magdeb.
aufgenommen, Scr. XVI S. 149 f. Daß sie eine fingierte, im Halberstädter
Interesse hergestellte Urkunde sei, haben Dümmler, Otto S. 444 Anm. 6, u.
a. angenommen. Dagegen verteidigt sie Uhlirz, S. 142 ff., von dem Gesichts-
punkte aus, daß sie nicht als Diplom, sondern als notitia iudicatus zu be-
trachten sei; vgl. B.O. 474. Dadurch verlieren in der Tat die Bedenken
gegen die Echtheit an Gewicht. Auch das ist zuzugeben, daß die ah
Merseburg gemachten Abtretungen nicht notwendig in der notitia enthalten
sein mußten. Stimme ich Uhlirz soweit zu, so habe ich doch dagegen Be-
denken, daß Otto sich in bezug auf diese letzteren Abtretungen mit einer
privaten Zusage Hildiwards begnügte, S. 150; s. hierüber u. 3. 126 Anm. 1.
'^ Eins animum in dei servitio ita mirifice detentum mirantes.
" TViduk. III, 74 S. 85. Vit. II Mahth. 24ff. S. 300. Thietm. II, 18 S. 29.
4 Ann. Hild. z. 968 S. 23.
— 124 —
nach Italien, In Halberstadt hatte man eine Bestimmung des
Kaisers über die Nachfolge Bernhards nicht abgewartet: schon am
30. März wurde der Propst Hildiward von Klerus und Volk ge-
wählt, Es*geschah nach einer Anordnung, die Bernhard getroft'en
hatte \ SchAverlich dachte dieser, indem er seinen Nachfolger selbst
bestimmte, daran, seinen Widerstand gegen die Verkleinerung des
Halberstädter Sprengeis aufzugeben : er wird vielmehr die Wahl auf
seinen Propst gelenkt haben, weil er überzeugt war, daß er in der
Opposition verharren würde. Die Persönhchkeit Hildiwards gab
ihm Grund zu dieser Annahme. Denn er entstammte einer säch-
sischen Familie, die dem Kaiser wenig freundlich gesinnt war: sein
Vater Erich ist als einer der Mitverschworenen Heinrichs im Jahr
941 von den Mannen Ottos getötet worden ^, Jedermann in Sachsen
hatte den tapferen und entschlossenen Grafen hochgehalten. Um
so tiefer mußte der Eindruck seines Todes auf den eben zum Jüng^
ling heranwachsenden Sohn sein ^, Ihn selbst vertrieb das Unglück
seines Hauses aus der Heimat: in St. Gallen ist er zum Kleriker
gebildet worden'^. Später kehrte er wieder nach Sachsen zurück.
Aber den Tod seines Vaters hatte er nicht vergessen: Otto selbst
wußte, daß er ihn als ungesühnten Mord betrachtete'^. Wenn Bern-
hard diesen Mann zu seinem Nachfolger bestimmte, so konnte nie-
mand an seinen Absichten zweifeln. Leicht verständlich ist auch,
daß er gewählt wurde; denn in Halberstadt war jedermann, Kle-
riker und Laien, daran interessiert, daß das Bistum nicht verkleinert
würde. Überdies scheint die Beliebtheit des Vaters auf den Sohn
übergegangen zu sein; die Späteren sind einig in dem Lobe Hildi-
wards^. Seine Wahl konnte demnach zu einer neuen Schwierig-
keit führen. Gleichwohl erkannte sie Herzog Hermann, der während
1 Thietm. 11,20 S. 30: Annal. Saxo zu 968 S. 621; Gest. ep. Halberst.
Scr. XXIII S. 85. Der 30. März ist der Wahltag. Daß er mit dem Tag in
Werla zusammenfällt, halte ich nicht für wahrscheinlich; iadem die Halberst.
Bischofsgeschichte sagt: Canonice est electus et in Werle constitutus,
unterscheidet sie electio u. constitutio; nur die letztere fand in Werla statt.
Von dem Tag daselbst weiß auch Widukind, III, 70 S. 84.
2 Widuk. 11,31 S. 52; Thietm. 11,21 S. 31.
^ Er ist im Todesjahr Sigmunds von Halberstadt geboren. Ann. Quedl.
z. 923 Scr. HI S. 32. ^ Thietm IV, 18 S. 75.
^ Das ergibt sich aus seiner gleich zu erwähnenden Äußerung. .
6 Thietm. IL 20 S. 30: Ut erat sapiens; IV, 26 S. 79: Verus Israelita;
Ann. Quedl. z. 996 S. 73 : Gemma sacerdotuni et episcopalis aureum decus
dignitatis; Annal. Saxo z. 968 S. 621: Aureum decus priorum praesulum,
presentibus norma, posteris sancte vitae esemplum.
— 125 —
Ottos Abwesenheit die königlichen Rechte in Sachsen verwaltete^
an^. Otto jedoch betrachtete die Angelegenheit damit nicht als
erledigt: er beiief vielmehr Hildiward nach Italien'^. Man kann
nicht zweifeln, daß er entschlossen war, jetzt die Sache zu Ende
zu führen, und daß er deshalb von Hildiward als Bedingung seiner
Erhebung den Verzicht auf einen Teil der Diözese Halberstadt
forderte. Wer möchte entscheiden, was das Motiv war, das bei
Hildiward schMeßlich den Ausschlag gab? Tatsache ist, daß er alle
Fordenmgen Ottos zugestand. Nun erst bestätigte iim dieser als
Bischof. Indem er ihm den bischöflichen Stab üben-eichte sagte
er: Nimm hin das Wehrgeld für deinen Vater: auch diese Rech-
nung sollte zwischen beiden Männern ausgeglichen sein.
Die Verhandlung zwischen Otto und Hildiward scheint in Rom
oder in Pistoja im Sommer 968 stattgefunden zu haben ^. Ab-
geschlossen wurde jedoch die ganze Angelegenheit erst im Herbste
in Ravenna*. Dort umgaben den Kaiser deutsche und italienische
Bischöfe^ in großer Zahl; man konnte wieder von einer Synode
^ Ann. Saxo 1. c; Gest. ep. Halberst. z. J. 968 S. 85. Ich zweifele, ob
Herzog Hermann in besonderem Auftrag als Stellvertreter des Kaisers han-
delte, Dümmler, Otto S. 442; Uhlirz S. 53. Die beiden angeführten Quellen
sagen es nicht; sie bemerken aber: Otto Romam pergens predicto duci
provincie Saxonie interira procurande remiserat potestatem. Es war ein
allgemeiner Auftrag, kraft dessen Hermann handelte; zur Erteilung eines
besonderen war die Zeit zu kurz. Bernhard ist am 3. Febr. gestorben,
Otto aber befand sich im Frühjahr 968 in Süditalien: im Febr. in Benevent,
im Mai zu Penne am Fuß des Gran Sasso d'Italia. Sieben bis acht Wochen
scheinen mir zu kurz, als daß die Todesnachricht von Halberstadt zum
Kaiser und der Auftrag des letzteren an Hermann zurückgelangen konnte,
da doch auch die Beratung über die Nachfolge einige Zeit in Anspruch
nehmen mußte. - Thietm. 11,20 S. 30 f.
* An Rom zu denken legt die Nachricht Thietmars nahe, daß Hildi-
ward dorthin berufen wurde. Doch wissen wir nicht, daß Otto sich im
Sommer 968 in Rom aufhielt. Er befand sich Ende Juni in Pistoja und
Umgebung, Dipl. I S. 491 fif. Nr. 858 ff. Die s.g. Erectio Magdeb. erzählt
nur von Verhandlungen in Ravenna.
* Otto urkundet am 2. Okt. daselbst, Dipl. I S. 497 ff. Nr. 361 ff.
5 DuTch Hattos Verzichtsurkunde, Cd. Brand. H S. 436 Nr. 2, steht die
Anwesenheit von 6 Bischöfen außer Hatto, Hildiward und dem Erzbischof
von Ravenna fest: Everaker von Lüttich, Reginald von Eich statt, Odelrich
von Bergamo, Ermenald von Reggio, Hubert von Parma und eines Bischofs
Milo, wenn nicht dieser Name verschrieben ist. Die erectio ist von 35
Bischöfen unterzeichnet, die aber nicht alle anwesend waren. Die Magdeb.
Annalen haben nur 14 Namen, Scr. XVI S. 150. ühlirz erklärt auch hier
mit guten Gründen die Namen der erectio für echt.
— 126 —
reden. Vor ihr sind die abschließenden Urkunden ausgestellt
worden ^.
Einerseits gab der neue Erzbischof von Mainz unter Berufung
darauf, daß die Ausbreitung des Christentums unter den Wenden
seinen Verzicht fordere, seine Zustimmung zur Errichtung des Erz-
bistums in Magdeburg und des Bistums in Merseburg; zugleich
entließ er Havelberg und Brandenburg aus seinem Diözesan verband -.
Andererseits trat Hildiward die für die neuen Bistümer notwendigen
Teile seiner Diözese ab^: für Magdebm-g ungefähr die Hälfte des
"1 Erhalten ist nur die S. 125 Anm. 5 erwähnte Terzichtsurkunde Hattos,
die nicht datiert ist, und die notitia über die Abtretungen Hildiwards zum
Besten Magdeburgs. Es scheint mir aber so gut wie sicher, daß Hildiward
seine Zustimmung zur Errichtung Merseburgs und der dadurch- bedingten
Verkleinerung seiner eigenen Diözese ebenfalls urkundlich aussprach. Aller-
dings erklärt Benedikt VII. in einer Urkunde von 981 mit Bezug auf Merse-
burg, daß es nicht der Fall war: Sine consensu atque subscriptione cano-
nica fratris et coepiscopi nostri Hildewardi, Cd. Sax. reg. II, 1 S. 14 Nr. 10.
Allein es ist sehr unwahrscheinlich, daß Otto und die Synode sich mit
einem formlosen Verzicht begnügten. So handelte man im Mittelalter
nicht. Es ist um so unwahrscheinlicher, als die Sj-node von 967 ausdrück-
lich den Satz aufgestellt hatte : Sine consensu episcopi sedis illius et archi-
episcopi Mogontiacensis . . commutationem fieri non posse. Er galt in be-
zug auf Merseburg ebenso wie in bezug auf Magdeburg. Hatto genügte
ihm durch seinen Verzicht. Ist es wahrscheinlich, daß Otto zustimmte,
daß der wichtigere Verzicht Hildiwards nicht beurkundet wurde, und daß
die Synode dies gut hieß? Niemand wird dies behaupten. Aus Thietmars
Bericht läßt sieh nichts folgern: er spricht ganz in derselben Weise von
beiden Abtretungen, der beurkundeten und der angeblich nicht beurkun-
deten. Vollends aus II, 43 S. 45 ist nichts zu entnehmen; denn hier handelt
es sich um die Ausstattung Merseburgs, nicht um die Entschädigung für
Halberstadt (gegen Uhlirz S. 150). Ich halte deshalb auch nach den Dar-
legungen V. Pflugk-Harttungs, Forsch. 25 S. 158, und Uhlirz' für wahrschein-
lich, daß Hildiward auch in bezug auf Merseburg der Bedingung der Synode
von 967 genügte, und daß diese Urkunde zwischen 968 und 981 beseitigt
wurde. Der Vorwurf, der hierin liegt, trifft nicht, wie Uhlirz S. 152 annimmt,
Hildiward: denn seine Verzichtsurkunde 'war im Besitz von Merseburg; er
trifft also Gisiler. An welchem Tage diese Handlungen vollzogen wurden,
läßt sich nicht feststellen. Die Urkunden vom 2. Okt. zeigen, daß die
Gründung damals perfekt war, I S. 497 ff. Nr. 361—63 u. II S. 26 f. Nr. 18 f.
Sie können am Stiftungstag ausgestellt sein; sie müssen es aber nicht.
2 Cd. Brand. II S. 436 Nr. 2.
^ Über Hildiwards Abtretungen sind wir durch Thietmar unterrichtet,
II, 20 S. 30. Nach seinen Angaben war es übertiüeben, wenn Benedikt VII.
später urteilte. Halberstadt sei so geschwächt worden, daß sein Fortbestand
— 127 —
Nordthüriüggaus: das Gebiet, das von der Elbe, Ohre, Bode. Saale
und dem sogenannten Friedrichsweg -^ eingeschlossen war. Einen
noch etwas größeren Bezirk des Hessengaus und Friesenfelds über-
ließ er au St. Lorenz in Merseburg; er war von dem Wilderbach,
dem salzigen See, Saale, Unstrut, Helme und dem Graben bei
Wallhausen begrenzt. Die abgetrennten Teile machten etwa den
fünften Teil des bisherigen Umfangs der Halberstadter Diözese aus :
sie war immer noch größer als viele andere deutsche Bistümer.
Nun endlich konnten die längst beschlossenen Stiftungen voll-
zogen werden. Es geschah, indem Otto unter Beirat Hattos, Hildi-
wards und seiner übrigen Getreuen einen Erzbischof für Magdeburg
ernanntet Man wollte später wissen, er habe in seiner Wahl
geschwankt. Ursprünglich sei er entschlossen gewesen, den Abt
des Moritzklosters, Richar, mit dem erzbischöflichen Amte zu be-
trauen, und habe ihn deshalb nach Itahen bescliieden. Dann aber
sei ihm ein für Richar ungünstig lautender Brief in die Hände
gespielt worden. Dadurch bestimmt, habe er seinen Plan geändert
imd den russischen Missionsbischof Adalbert zum Erzbischof er-
nannt ^.
Was auch Adalberts Wahl vorhergegangen sein mag, sie war
ohne Zweifel wohl erwogen und glücklich : denn sie traf einen Mann,
der das slavische Yolkstmn aus eigener Anschauung kannte imd
der die Schwierigkeiten der Slavenmission bereits erfahren hatte.
Man möchte einen Rat Wilhelms von Mainz in ihr erkennen*.
Denn Wilhelm schätzte Adalbert längst. Dieser stammte aus Loth-
ringen und war zuerst Mönch in St. Maximin: dort wird er sich
die literarische Bildung, die man später an ihm rühmte, erworben
haben. Dann scheint er an den Hof gekommen zu sein^ Hier
bedroht war, Cd. Sax. reg. II, 1 S. 14 Nr. 10. Daß Halberstadt eutschädigt
wurde, Erect. u. Annal. Saxo z. J. 968, ist durchaus wahrscheinlich.
1 Von Berge nach Kl. Germersleben, s. Schöppenchronik S. 58 Anm. 1.
'^ Dipl. I S. 502 Nr. 366.
" Thietm. 11,22 S. 31. Die Nachricht ist wenig vertrauenerweckend;
sie sieht aus, wie Mönchsgerede, mit dem man sich im Moritzkloster darüber
tröstete, daß der erste Erzbischof ein Fremder war; vgl. auch TJhlirz S. 39.
Wann die Ernennung Adalberts erfolgte, läßt sich nicht feststellen. Iri
der Urk. Ottos I. v. 2. Okt., S. 498 Nr. 361, ist er nicht genannt; dagegen
geschieht dies in der vom 3. Okt. datierten Urk. Ottos IL, S. 26 Nr. 18.
* Wenn Thietmars Nachricht, daß Otto seinem Sohne die Sorge für
die Errichtung des Erzbistums übertrug, 11,18 S, 29, etwas Tatsächliches
zugrunde liegt, so mußte Wilhelm besonders über die Personenfrage gehört
werden.
5 So nach Sickels Vermutung, daß er in den Jahren 953 — 958 zu den
— 128 —
gewann er jenen Einblick in die politischen Verhältnisse des Reichs,
der ihn befähigte, Reginos Chronik fortzusetzen ■*. Als Libiitius, den
Otto zum Leiter der russischen Mission bestimmt hatte, vor der
Ausführung seines Auftrags starb, lenkte "Wilhelm die Aufmerk-
samkeit seines Vaters auf Adalbert, und der Kaiser ließ ihn i. J.
961 zum Missionsbischof Aveihen. Wilhelm erntete wenig Dank
für seine Empfehlung. Denn Adalbert betrachtete die Sendung
nach Rußland fast wie eine Verbannung: von Wilhelms Gunst
hatte er anderes erwartet. Aber es ist doch klar, daß Wilhelm'
mehr als gewöhnliches Vertrauen in seme Umsicht und Tatkraft
setzte. Der Zug nach Rußland mißglückte nun völlig; schon im
Jahre 962 kehrte Adalbert nach Deutschland zurück. Aber gerade
jetzt zeigte sich, wie sicher Wilhelm in seinem günstigen Urteil
war; denn er gab dem Leiter der Mission ihr Mißlingen nicht
schuld : er nahm ihn mit aller Fr^undhchkeit auf ^. Ebenso handelte
Otto: Adalbert ist, wie es scheint, nach seiner Rückkehr wieder in
die kaiserliche Kapelle eingetreten ^. Nach einigen Jahren wählten
ihn die Mönche von Weißenburg zu ihrem Abt^. Otto hat die
Wahl bestätigt. Doch schon nach zwei Jahren stellte er ihn durch
die Ernennung zum Erzbischof auf einen neuen, viel schwierigeren
Posten.
Adalbert erhielt sein Amt vom Kaiser; aber seine Erhebung
sollte der rechtlichen Formen, die die Kirche forderte, nicht ent-
behren. Deshalb sandte Otto den von ihm Gewählten nach Rom,
daß er dort zum Erzbischof geweiht werde und das Pallium er-
haltet Sodann aber forderte er die sächsischen Großen auf, ihn
nach seiner Ankunft in der Heimat feierlich zu wählen. Wahr-
scheinlich am 18. Oktober 968 ist Adalljert von Johann XIIL in
der Peterskirche konsekriert worden '^; der Papst vollzog die Hand-
königlichen Notaren gehörte, nachdem er vorher in Köln tätig gewesen
war, s. Dipl. I S. 84 u. Mtt. d. I. EBd. I S. 361.
^ Die bekannte Hypothese W. Giesebrechts, s. Wattenbacb, GQ. 1 S. 410.
- Contin. Regin. z. J. 959—961 S. 170.
" Nach cont. Regin. sollte er in palatio die Rückkehr des Kaisers
erwarten; auch i. J. 965 befand er sich am Hofe-, s. d, Urk. Bernhards v,
Halberstadt Cd. Anh. I S. 34 Nr. 44.
* Cont. Regin. z. J. 966 S. 177.
■' Otto erwähnt in seinem Schreiben an die Sachsen nur das Pallium ;
aus Nr. 365 S. 501 ergibt sich, daß er Adalbert in Rom weihen ließ. Die
Bellen Johanns XEL, durch welche Magdeburg den Primat in Germanien
erhält, J.W. 3729 f., verteidigt, Ublirz S. 155. Der sachliche Aitatoß fällt bei
dem von ihm vorgeschlagenen Verständnis hinweg.
* Das Datum ist nicht überliefert, da man auf Tbietmar II, 22 S. 31
— 129 -^
lung nicht ganz oTine kirchenrechtliche Bedenken, war doch Adal-
bert bereits zum Bischof für ein anderes kirchhches Gebiet geweiht.
Durch die Erinnerung an Bonifatius, der ebenfalls zuerst Hegionar-
bischof, dann auf einen deutschen Erzstuhl erhoben worden sei,
beruhigte man sich in Rom über diese Unregelmäßigkeit^. Die
Erinnerung an Bonifatius lag in der Tat nahe : für Rom bedeutete
der Name des großen Angelsachsen ja vor allem die Eroberung
neuer kirchlicher Provinzen; eine solche sollte auch die Erhebung
Adalberts zur Vollendung bringen. Und doch kann man die beiden
Männer nicht nebeneinander nennen, ohne an den mächtigen Um-
schwung der Zeiten lebhaft eriimert zu werden. Bonifatius' ganze
Tätigkeit war getragen von Begeisterung für seine Arbeit: Adal-
berts Erhebung bedeutete die Durchführung einer Verwaltungs-
maßregel, die, längst notwendig, durch widerstreitende Interessen
zwei Jahrzehnte lang aufgehalten worden war.
Erst im Spätjahr verließ Adalbert den Kaiser, um im Geleite
päpstlicher Legaten sich nach Deutschland zu begeben -. Dort war
inzwischen für die n6ue Ordnung der Dinge Raum geschaffen
worden: die Benediktiner von St. Moritz hatten am 9. August 966
ihre bisherige Heimat verlassen und waren nach dem von Otto auf
einer Anhöhe vor der Stadt zu Ehren Johannis d. T. errichteten
Kloster übergesiedelt^: Der Erzbischof und seine Domherrn konnten
kein GewicM legen kann. Das Jahresdatum ist falsch und der Monatstag
ist aus der päpstlichen Urkunde über die Verleihung des Palliums genommen.
Diese wird aber vom Konsekrationstag datiert sein, J.W. 3728. Daß die
Handlung in der Peterskirche vollzogen wurde, sagt die Urkunde.
^ Die Urkunde ist charakteristisch dafür, daß die päpstliche Kanzlei
bestrebt war, Unregelmäßigkeiten in ihren urkundlichen Äußerungen zu
verhüllen oder zu erklären: aus den Benediktinern bei St. Moritz werden
Kanoniker, aus der Entschließung des Kaisers, das Erzbistum zu gründen,
ein Beschluß Hattos, Hildiwards und ihrer Provinzialen, gefaßt auf Grund
eines päpstlichen Privilegs, aus Ottos Auftrag, Adalbert zu weihen (nostrae
serenitatis proposito), wird die Bitte von Klerus und Volk von Magdeburg,
ihn auf den erzbischöflichen Thron zu promovieren.
- Nach Dipl. I S. 501 Nr. 365 befand sich Adalbert noch am 31. Okt.
am kaiserlichen Hof zu Ancona. Die Legaten sind Nr. 366 erwähnt. Die
Ann. Magd. z. J. 970 S. 151 nennen den Bibliothekar Wido und den Kardinal
Benedikt.
^ Von der Gründung spricht Otto in seiner Urkunde v.'14. Jan. 970,
Dipl. I S. 524 Nr. 382; den Auszug der Mönche berichtet der sächsische
Annalist offenbar unrichtig z. J. 969 S. 622. Daß das Kloster Berge nicht
schon i. J. 961 gegründet wurde (Wolter, Gesch. d. St. Magdeburg S. 6),
Hauck, Kirchengeschichte. III. "
— 130 —
von St. Moritz Besitz ergreifen. Es wird auf den Dächern von
Magdeburg schon der Schnee gelegen sein, als der erste Erzbischof
der Stadt, von Klerus und Volk jubelnd empfangen, seinen Einzug
hielte Sein Erzbistum war reich, dank der Freigebigkeit Ottos:
zu dem alten Besitz war soeben noch wichtiger neuer hinzu ge-
kommen: am 2. Oktober hatte Otto dem neuen Erzbistum die
Klöster Engern und St. Johann d. T. vor Magdeburg geschenkt^,
und am 31. Oktober hatte er Adalbert gleichsam als Abschieds-
gabe die Abtei Weißenburg füi' das Erzbistum übertragen^. Aber
die Diözese Magdeburgs war kleiner als die irgend eines anderen
Erzbistums, Außer dem von Halberstadt abgetretenen deutschen
Gebiete gehörten nur die slavischen Gaue Serimunt, Nudizi, Nele-
tici und Nizizi zu ihr*. Adalberts nächste Aufgabe war die Organi-
sation der sorbischen Bistümer. Kaiser und Papst hatten ihn dazu
verpflichtet und bevollmächtigt ^. Daß sie in Merseburg, Meißen
und Zeitz ihren Sitz haben sollten^ stand bereits fest. Nötig w^ar
die Auswahl der Personen, die Abgrenzung der Sprengel und die
Ausstattung der Bistümer.
In ersterer Hinsicht hatte Otto nur eine Anordnung getroffen.
Er hatte den Mönch Boso zum Bischof bestimmt und ihm die
Wahl zwischen Zeitz und Merseburg überlassen: Boso entschied
sich für den letzteren Ort**. Die beiden anderen Bischöfe, Burk-
hard und Hugo, wählte Adalbert'. In den Weihuachtstagen 968
scheint mir sicher. Das Jahr 966 ist durch ühlirz S. 43 Anm. 3 so gut wie
bevdesen.
' Das Datuni des Einzugs ist nicht bekannt; das Schreiben Ottos an
die Sachsen setzt voraus, daß am Weihnachtsfest die Inthronisation schon
erfolgt war; vgl. Ann. Hild. z. J. 968 S. 23; zum Einzug Thietm. II, 22 S. 32.
2 Dipl. I S. 497 ff. Nr. 361, 363.
" Der Papst hatte dazu aufgefordert, s. die S. 129 Anm. 2 angeführte
Urkunde; über ihre Echtheit s. Sickel S. 501 gegen Dümmler, Otto S. 449.
■* Vgl. Winter, D. Bildung des Magdeb. Sprengeis, Gesch.Bl. 1875
S. 1 ff., Uhlirz S. 61 ; hier weitere Literaturangaben.
5 Dipl. I S. 503 Nr. 366 u. J.W. 3728.
« S. die angef. Urk., vgl. ehr. ep. Morseb. 1 Scr. X S. 156 u. Thietm.
II, 36 S. 42. Daß ihm die Wahl gelassen wurde, hatte seinen Grund darin,
daß er im Gebiete beider Diözesen gearbeitet hatte.
' Es scheint mir nicht notwendig mit Grosfeld, Arch. Magd. S. 40,
aus Ottos Brief zu entnehmen, daß Burkhard schon vorher für das Bistum
Meißen bestimmt gewesen sei. Nach dem Zusammenhang kann sich die
Adalbert eingeräumte altera electio nur auf die zweier Bischöfe beziehen.
Über Hugo s. Lepsius, Gesch. d. Bisch, v. Naumburg I S. 5.
— 131 —
wurden sie von ihm im Dome zu Magdeburg geweiht ^ : zum ersten-
mal handelte er bei dieser Feier als Metropolit des Wendenlandes.
In bezug auf die Ausstattung hatte der Kaiser den sächsischen
Fürsten den Auftrag erteilt, die Bistümer mit Einkünften zu ver-
sehen; wir haben keine Nachricht, wie sie diesen Auftrag ausftihrten,
doch wird die ursprüngliche Ausstattung nur dürftig gewesen sein.
Denn schon im Jahre 974 wurden Klagen darüber laut, daß die
Einkünfte von Merseburg für die Erhaltung der Kirchen und des
Klerus zu gering seiend Kaum anders stand es in Zeitz. Hier
kamen die Verhandlungen über die Ausstattung erst nach dem
Tode Ottos I. zum Abschluß ^ Und dasselbe war, wie es scheint,
in Meißen der Fall*.
Am schwierigsten war wohl die Abgrenzung der drei Diözesen.
Zeitz und Merseburg wurden ungefähr gleich groß. Das letztere
Bistum hatte dadurch einen Vorzug, daß es in dem abgetretenen
1 Thietm. 11,22 S. 32: In bis festivis diebus. Schmidt, Giselher S. 7,
erinnert mit Recht, daß man nicht für sämtliche Weihen an das Weih-
nachtsfest zu denken hat.
'^ In einer Urk. Ottos II. v. 30. Aug. 974 ist von satis compressae et
minutae nee non minus ad ecciesiarum et clericorum illo respicientium
usus sufficientes copiarum accumulationes die Rede, Dipl. II S. 104, Nr. 89.
Von Otto I. erhielt das Bist, die Kirche in Helfta in Thüringen u. den Ort
Eytra, Dipl. II S. 878 Nr. 373 a u. S. 226 Nr. 200, von Otto IL Zwenkau, den
Forst im Gau Chutizi und anderes, S. 103 Nr. 89 f., S. 130 Nr. 116, S. 181
Nr. 161 f., S. 241 Nr. 213.
3 Dipl. II S. 156 Nr. 139 v. 976 oder 977; hiernach erhielt Hugo von
Zeitz von Otto IT. die civitates Altenburg und Zeitz mit einer großen An-
zahl von Dörfern in den Gauen Plisina, Puonzowa, Ducharin und Weta und
einer Anzahl von Kirchen rechts und links der Saale. Nach Sickel ist es
wahrscheinlich, daß Zeitz noch zu Ottos I. Lebzeiten ein Blanquet erhielt,
das jedoch erst unter Otto II. ausgefüllt wurde. Das zeigt, daß die Ver-
handlungen sich jahrelang hinzogen. Erweitert wurde der Grundbesitz
i. J. 995 von Otto III. durch die Schenkung von Crossen, Dipl. II S. 575
Nr. 163.
* S. Dipl. I S. 552 Nr. 406. Der Fall ist ähnlich. Doch nimmt Sickel
hier an, daß das Blanquet noch unter Otto I. ausgefüllt wurde. Der un-
geschickte Wechsel des Subjekts, indem zuerst Otto I. und dann Otto II.
spricht, scheint mir wahrscheinlicher zu machen, daß auch hier die -Aus-
füllung erst unter Otto H. geschah. Meißen erhielt keinen Grundbesitz,
sondern nur den Zehnten von allen Abgaben in den zum Bistum gehörigen
Gauen. Als Otto IL 983 den Ort Setleboresdorf u. a. an Meißen schenkte,
bemerkt er, es geschehe pro memoria patris nostri, quoniam quidem quod
coeperat ipse nos perficere et meliorare oporteat, II S. 208 Nr. 184.
9*
— 132 — -
Teil des Hessengaus eiu schon länger christliches Gebiet erhielt,
in dem es bereits zahlreiche Kirchen gab ; dazu kamen die gegen-
über liegenden slavischen Gaue Chutizi, Susali und ein Teil der
Daleminzia^. Die Nordgrenze lief von dem unteren Lauf der Elster
in einem Bogen zur Mulde bis unterhalb Pauch, ging von hier
südöstlich gegen die Elbe, die in der Gegend von Strela berührt
wurde, nun wandte sie sich südhch zur Chemnitz und Mulde
und von dieser nordwestlich zur Saale, die sie bei der Mündung
1 Der ursprüngliche Umfang des Bistums Merseburg ist aus den An-
gaben Thietmars über die Verteilung desselben i. J. 981 zu entnehmen,
III, 16 S. 57. Seine Worte nötigen, wie ich im Gegensatz za Posse, Cd.
Sax. reg. 1,1 S. 176, Winter. Arch. f. sächs. Gesch. N.F. III S. 111, Uhlirz
S. 63 und wie es scheint auch Kurze, zu Thietm. III, 16, glaube, anzunehmen,
daß es ursprünglich bis an die Elbe reichte. Denn wenn Thietmar sagt,
zu dem Bistum Meißen sei geschlagen worden, pars illa quae ad Gutizi
orientalem pertinet ac fluviis Caminici Albique distinguitur, so ist, hier so
deutlich die Südwest- und die Ostgrenze angegeben, daß ein Mißverständ-
nis nicht möglich ist: ein Landstrich zwischen Chemnitz und Elbe, der an
die Ostgrenze des Chutizigaus stieß, gehörte ursprünglich zu Merseburg
und kam dann an Meißen. Was mit diesem Landstrich gemeint ist, zeigt
der Vergleich mit I, 3, wo Thietmar von dem Glomuzigau, d. i. dem Dale-
minzierland sagt: Haec provincia ab Albi usque in Caminizi fluvium porrecta:
es war ein Teil des Daleminzierlandes. Wenn Kurze bemerkt, Thietmars
geographische Angaben widersprächen sich selbst, so scheint mir dies
keineswegs richtig. Kurze spricht von einem pagus Gutizi orientalis. Sollte
er die Worte: Quae ad Gutizi orientalem pertinet, verstanden haben: Jener
Landstrich, der zu Ostchutizi gehört? So hat sie aber Thietmar sicher
nicht gemeint; denn daß der Chutizigau nicht bis an die Elbe ging, wußte
er ohne Zweifel. Sie bedeuten einfach: Jener Landstrich, welcher sich bis
an das östliche Chutizi erstreckt, welcher westwärts an Chutizi grenzt. So
sagt Cäsar: Belgae pertinent ad inferiorem partem fluminis Rheni (de hello
GaU. 1,1), gemeint ist dann der Glomuzigau: seine Grenzen werden hier
genau wie I, 3 angegeben; zwischen beiden Stellen ist kein Widerspruch.
Nur in zwei Punkten muß Thietmars Angabe als ungenau betrachtet werden:
1. darin, daß sie den Anschein erweckt, es habe das ganze Daleminzierland
zu Merseburg gehört. Das kann nicht der Fall gewesen sein, da Meißen
selbst in ihm liegt. Man wird nur an den westlichen Streifen zu denken
haben, der unterhalb Meißen die Elbe traf. 2. darin, daß unklar bleibt,
wozu er den Landstrich zwischen der Chemnitz und der Zwickauer Mulde
rechnet: er bestimmt den einen Teil des Bistums als zwischen Saale und
Mulde, den andern als zwischen Chemnitz und Elbe gelegen: daa spitze
Dreieck zwischen Chemnitz und Mulde bleibt unberücksichtigt. Ich stimme
hier, ohne mir die Gründe von Uhlirz anzueignen, doch mit seinem Resultat
überein, daß ursprünglich der Zeitzer Sprengel, ostwärts bis an die Chem-
nitz ging.
— 133 —
der Rippach erreichte ^. Die südlich dieser Linie gelegenen Wenden-
gaue bis zur Würzburger und böhmischen G-renze erhielt das Bis-
tum Zeitz ^ Weit ausgedehnter war das meißnische Bistum.
Indem mit dem östlichen Teil des Daleminzierlandes das Gebiet
der Niseni und die beiden von Brandenburg getrennten Lausitzen
verbunden wurden, ergab sich ein Sprengel, der nach Osten bis
zur Oder, südwärts bis in das noch unkultivierte Waldgebirg und
nordwärts bis an die mittlere Spree reichte ^.
1 Die Rippach wird in einer Urkunde Heinrichs 11. v. 5. März 1004
ausdrücklich als Grenze genannt, Dipl. III S. 82 Nr. 66.
* Die Grenzen des Zeitzer Bistums gegen Westen und Süden waren
durch die Ausdehnung des Mainzer und Würzburger Sprengeis und durch
die deutsch-böhmische Grenze gegeben. Gegen Osten fielen sie mit der
Grenze des Daleminziergaus zusammen.
^ Die Ausdehnung des Bistums Meißen ergibt sich aus Ottos Urkunde
V. 971, S. 552 Nr. 406. Zwar hat Posse, Cd. Sax. reg. I S. 173, diese Ur-
kunde für unecht und der Schrift nach ins zwölfte Jahrhundert gehörig
erklärt. Allein er steht mit diesem Urteil völlig allein : Dümmler, Otto
S. 453 Anra. 3, äußert kein Bedenken, Stumpf, Nr. 500, erklärt sie für ein
unzweifelhaft echtes Original, was endlich Sickel, S. 552 f., und Uhlirz, Mtt.
d. Inst. EBd. 1 S. 366 f., zu ihr bemerken, beseitigt jeden Zweifel an ihrer
Echtheit, vgl. auch B.O. 532. Fraglich ist nur, ob die hier genannten 5
Gaue Dalaminza, Nisane, Diedesa, Milzsane und Lusiza von Anfang an den
Meißener Sprengel bildeten, oder ob die Lausitz erst i. J. 971 ihm einver-
leibt wurde. Die Frage ist nicht zu entscheiden. Die größere Wahrschein-
lichkeit scheint mir für das erstere zu sprechen. Es war einfacher. Die
Bemerkung Posses S. 174, daß die Milzener i. J. 968 der deutschen Herr-
schaft noch nicht einverleibt gewesen seien, wird durch die angeführte
Schenkungsurk. v. 971 widerlegt. Sie zeigt, daß die deutsche Oberherrschaft
anerkannt wurde. Das bestätigt Thietmar, 1, 16 S. 11, wenn er die Bedeu-
tung Meißens mit den Worten bezeichnet: Ex ea Milzen os suae subactos
dicioni censum persolvere coegit. Eine Erweiterung des Sprengeis zeigt
die Urk. Ottos III. S. 595 Nr. 186 v. 996. Nicht zu benützen sind für die
Grenzbestimmung Meißens die beiden Fälschungen Dipl. I S. 608 Nr. 449
(kaiserliche Grenzbestimmung) und J.W. 3724 (päpstl. Bestätigung). Über
die Unechtheit der ersteren herrscht Einverständnis; die letztere erklärt
Löwenfeld zwar für interpoliert, aber nicht für gänzlich falsch; ebenso
äußert sich Grosfeld, Arch. Magd. S. 39, Dümmler, Otto S. 432, Richter,
Annalen S. 108, und Uhlirz, S. 153, vgl. Mtt. d. Inst. XVI S. 508, während
sie' v. Ottenthai, Mtt. d. Inst. X S. 611 ff. als gefälscht betrachtet. Sieht
man auf den Inhalt, so wüßte ich nicht, welcher Stein hier auf dem
anderen bleiben könnte: 1. wird das von Otto gegründete Kloster Meißen
unter päpstliche Jurisdiktion gestellt und jeder anderen kirchlichen Gewalt
entnommen. Das ist der Punkt, der am wenigsten Anstoß erregt; nur muß
man dann mit Uhlirz S. 516 f. annehmen, daß der Errichtung des Bistums
— 134 —
Am Weihnachtsfest 968 war somit die kirchliche Organisation
der Eroberungen Heinrichs I. und Ottos I. zum Abschluß gekommen.
Otto konnte mit stolzer Beii'iedigung auf das endlich erreichte Ziel
blicken: was geschehen war, war sein Werk. Für die Kirche
jedoch war noch beinahe alles zu tun übrig. Man mochte in
offiziellen Dokumenten das Land als für das Christentum gewonnen
bezeichnen; man mochte besonders in Rom, wo man die Verhält-
nisse nicht kannte, von einer unzähligen Menge von Wenden reden,
die bereits bekehrt seiend Solche Worte entsprachen der Wirk-
lichkeit sehr wenig: nicht weil schon viel erreicht war, sondern
damit mehr erreicht würde als bisher, drang Otto auf die kirch-
liche Organisation '^. I^och wa^ das Land im großen und ganzen
heidnisch und hielt die wendische Bevölkerung unentwegt an ihrer
die eines Klosters vorangegangen ist. Doch sprechen dagegen gewichtige
Bedenken. Abgesehen davon, daß wir von einem Kloster in Meißen nichts
wissen, hatte Otto schon im April 967 den Beschluß fassen lassen, daß
Meißen Sitz eines Bistums werden und dieses Magdeburg untergeordnet
sein sollte. Hätte er das zukünftige Domstift direkt unter Rom gestellt,
so hätte er sich nur selbst Schwierigkeiten in den Weg gelegt; 2. wird
die Grenze des Bistums Meißen bestimmt; dieser Teil ist anerkannt falsch;
3. werden die Einkünfte bestätigt, ebenfalls augenfällig falsch, denn der
Abschnitt ist zusammengefügt aus Stücken von Dipl. I S. 553 Nr. 406 u. II
S. 209 Nr. 184; 4. die Exemption von bischöflicher und erzbischöflicher
Gewalt: anerkannt unmöglich; 5. die herkömmlichen Strafdrohungen gegen
alle, die die Rechte Meißens verletzen. Uhlirz hat S. 153 f. auf die enge
Berührung dieses Diploms mit dem gleichzeitigen für Hersfeld hingewiesen;
er argumentiert daraus dafür, daß am 2. Jan. 968 wirklich eine Bulle für
Meißen erlassen wurde, während v. Ottenthai, wie ich in der 1. Aufl. dieses
Buchs, die Meißener Urk. als auf Grund der Hersfelder gefälscht betrachtet.
Diese Annahme erscheint mir auch jetzt noch als die wahrscheinlichere.
Die Möglichkeit, daß man in Meißen von der Hersfelder Urk. Kenntnis er-
langte, ist nicht ausgeschlossen; denn Hersfeld hatte im Bistum Meißen
Besitzungen, deren Zehnten dem Domkapitel gehörten, s. ÜB. des Höchst.
Merseb. I S. 133 Nr. 160. Ist die Urk. unecht, so wird man weiter zweifeln
dürfen, ob zu Rom im Januar 968 überhaupt von der Stiftung dieses Bis-
tums die Rede war. Da Ottos Hauptziel die Errichtung des wendischen
Erzbistums war und dies im Augenblick noch nicht erreicht werden konnte,
so ist es wahrscheinlicher, daß er die Dinge beruhen ließ, bis sie im ganzen
durchgeführt werden konnten, statt daß er mit Flickwerk anfing.
^ Johann XIII. J.W. 3728: Otto Imperator . . innumeram multitudinem
Sclavorum ad divinae religionis cultum-conduxit.
2 Wie mir scheint, urteilt Lamprecht zu günstig über die möglichen
Erfolge der Slawenmission, wenn er schon die Gründung von Havelberg und
Brandenburg durch sie erklärt, D. G. II S. 138.
— 135 —
alten ReKgion fest. Das Geständnis, daß es so sei, drängte sich
wie unwillkürlich selbst in den Urkunden hervor. Schon in Ottos
Wahlmandat heißt Adalbert Bischof für das bekehrte sowie das
noch zu bekehrende Wendenvolk ^. Die Schenkung von Kloster
Weißenburg an das Erzstift wurde dadurch begründet, daß das
letztere unter Heiden und solchen, die noch nicht völhg für den
christlichen Glauben gewonnen seien, liege, während das fränkische
Kloster unter wahren, im Glauben sicheren Christen gelegen sei^
Als Otto II. im Jahre 975 die Schenkung bestätigte, verschärfte
er dies Urteil, indem er einfach sagte, Magdeburg Hege unter den
Heiden^. Noch rückhaltsloser sind private Äußerungen aus dieser
und der nächsten Zeit. Thietmar, der Bischof von Merseburg,
hatte es kein Hehl, daß die slavischen Bewohner seiner Diözese
dem Christentum fremd und abgeneigt gegenüber stünden^. Und
was will das sagen? Verpflichtete doch der Bischof Dietrich von
Naumburg, als im Jahre 1122 die Kirche in Plauen gegründet
wurde, den dortigen Pfarrer, daß er die Einwohner vom Irrtum
des Heidentums vollständiger als bisher bekehre und auf den Weg der
Wahrheit leite ^. Ein Merseburger Schriftsteller, der mehrere Jahr-
zehnte später schrieb, fällte kein anderes Urteil: kaum einen kleinen
Funken christlichen Glaubens könne man bei den Wenden finden^.
Noch im zwölften Jahrhundert war also das Heidentum nicht ein-
mal dem Scheine nach gebrochen. Man kann sich nicht wundern,
daß die ferner Wohnenden nach wie vor die Saale als Grenze
zwischen dem christlichen und dem heidnischen Land betrachteten'.
Das alles zeigt, daß man in den neuen Bistümern die Arbeit
^ Dipl. I S. 503 Nr. 366. Ein paar Jahre vorher wird von den Wenden
einfach als Heiden gesprochen : Quandoque per Dei gratiam Christiani efiFecti
fuerint, S. 317 Nr. 231 von 961. 2 jb. S. 501 Nr. 365.
^ Ib. II S. 107 Nr. 93. Die Veränderung ist um so bemerkenswerter,
als der Schreiber die Urkunde Ottos I. als Vorlage benützte.
* Chr. I, 3 S. 3 : Hunc — den Glomuziquell — omnis incola plus quam
aecclesias, spe quamvis dubia, veneratur et timet.
5 ürk. Dietrichs v. 1122, Lepsius S. 238 Nr. 34. Die hier genannte
Kirche war die erste im ganzen Dobnagau. Vgl. auch die 0. S. 77 Anm. 1
aus der vit. Werinh. zitierte Stelle. Diese Biographie gehört der Mitte des
12. Jahrb. an, s. Wattenbach, GQ. 6. Aufl. II S. 86.
® Mirac. Heinr. 10 Scr. IV S. 816: Vix vel tenuem fidei videntur habere
scintillam. Die Mirakel sind gegen Ende des 12. Jahrhunderts geschrieben,
s. Wattenbach, GQ. H S. 384.
' Cd. Saxon. reg, I, 2 S. 145 Nr. 212, Brief eines Lütticher Klerikers
an Udo v. Naumburg (f 1148): Ultra non christianam Salam inter agrestem
et barbaram Sclavorum nationem.
— 136 —
mit einem sehr kleinen Kapital anfing. Die deutschen Priester
standen wie früher einer verbitterten, feindseligen Bevölkerung
gegenüber, die ihren Glauben, ihre Sitte und Sprache gerade im
Gegensatz zum Deutschen zähe festhielt. Denn es ist nicht daran
zu denken, daß die Slaven ihre Sprache aufgaben, um ihren deut-
schen Herren näher zu kommen^: das taten höchstens einzelne
Adelige^. Vielmehr mußten die deutschen Bischöfe und Priester
wendisch lernen, um mit den Wenden verkehren zu können. Sie
haben es getan ^, aber der Erfolg war gleichwohl gering. Der kom-
pakten Masse der wendischen Bewohnerschaft gegenüber fiel auch die
deutsche Einwanderung zunächst wenig ins Gewicht: ihr gehörte
die Zukunft, aber in der Gegenwart wurde sie kaum bemerkt.
Trotzdem blieb die Arbeit der Kirche nicht ganz vergeblich.
Es wurden die ersten Maschen des Netzes geknüpft, das nach und
nach das ganze Land bedecken sollte. Wir wagen den Versuch,
eine Vorstellung von den Fortschritten des Christentums in der
nächsten Zeit nach der Gründung der Bistümer zu gewinnen.
Am bedeutendsten erschienen die Erfolge unter den Abodriten
des Hamburger Erzbistums. Zwar wurde die Arbeit im Oldeu-
burger Bistum dadurch beeinträchtigt, daß die ersten Bischöfe rasch
nacheinander dahinstarben. In den ersten zwei Jahrzehnten mußten
drei Bischöfe geweiht werden. Um so wertvoller war, daß Adal-
dag außergewöhnUch lange im Amte blieb ; er starb nach zweiund-
fünf zigjähriger Amtsführung am 29. April 988. Sein Organisation s-
1 Noch in einer Urkunde der MG. Otto und Dietrich von 1181 wird
zwischen der Sprache der Bauern im Gau Neletice und der ihrer deutschen
Herren unterschieden: Seniores villarum, quos lingua sua supanos vocant . .
ad comprovinciale ius, quod lantdinc dicitur veniant, Cd. Sax. reg. 1, 2
S. 309 Nr. 446. Man sieht, die Herrn sprachen deutsch, die villani aber
hatten ihre eigene Sprache. Nach der Urkunde H, 1 S. 162 Nr. 203: Rustici
et eorum heredes, qui vulgariter gasti dicebantur, war die lingua vulgaris
in Mischwitz bei Zehren unweit Meißen, noch 1268 das Wendische.
2 In einer Urk. von' 1071, Cd. Sax. II, 1 S. 36 Nr. 82, wird ein über
homo Bor genannt, natione Sclauus; seine beiden Söhne trugen deutsche
Namen: Luthar und Wichard. Die Namen zeigen, daß die Germanisierung
des Adels im 11. Jahrhundert anfing.
^ Über Boso s. o. S. 96. Auch Thietmar war des Wendischen kundig,
wie gelegentliche Äußerungen in seiner Chronik zeigen, s. II, 37 S. 42. Von
Werner von Merseburg (1059—1093), der nicht wendisch verstand, erzählt
sein Biograph, daß er sich slavische Stücke mit lateinischen Buchstaben
aufschreiben ließ, um sie vorzulesen, vit. Werinh. 1 Scr. XII S. 246. Mag
die Anekdote wahr oder erfunden sein, so beweist sie, daß die Wenden in
ihrer Sprache im Christentum unterwiesen wurden.
— 137 —
talent, sein klarer unbefangener Sinn bewährten sich in der Leitung
der Mission, Adam läßt nicht unbemerkt, daß er einen geborenen
Dänen zum Missionsbischof weihte ^ : er war also frei von dem Vor-
urteil, daß alles durch Deutsche geschehen müsse, und erkannte,
wie viel daran liege, daß die Prediger des Glaubens dem fremden
Volke nahe stünden. Man wird annehmen dürfen, daß er nach
dieser Überzeugung auch bei der Bildung und Wahl der Missions-
priester für die Wenden verfuhr. Daraus werden sich seine Er-
folge erklären. Denn ihm schi'eibt Adam das Verdienst zu, einen
großen Teil der nördlichen Wenden zur christlichen Religion be-
kehrt zu haben: von achtzehn Slavengauen hätten fünfzehn das
Christentum angenommen. Adam stützt sich für diese Nachricht
auf eine Mitteilung des dänischen Königs Suein ^. Man wird an
Übertritte der tributpflichtigen Wendenfürsten zu denken haben.
Erreicht war dadurch wenigstens die Sicherheit der Predigt und
die Möglichkeit des Kirchenbaus. Nach Adam wm-den auch
etliche Klöster gegründet. Man kann nicht einmal vermuten, wo
sie lagen: nur daß in Mecklenburg ein Jungfrauenkloster bestand,
ist wahrscheinlich^.
Das Abodritenland gewann demnach das Aussehen eines
christlichen Landes; aber die späteren Ereignisse haben den Beweis
geliefert, wie viel daran fehlte, daß es ein solches war: das Volk
hat den Übertritt der Fürsten nicht anerkannt.
Noch weit weniger wurde in den Bistümern Brandenburg und
Havelberg erreicht. Abgesehen von den beiden Domkirchen wissen
wir im zehnten Jahrhundert von keiner christlichen Kirche in diesen
Diözesen*. In den von Deutschen besetzten oder neu errichteten
1 Adam 11,23 S. 58. Er bemerkt: Unde et facile barbaris quaelibet
potuit de nostra religione persuadere.
- Ib. II, 17 S. 52 u. 24 S. 59. Ich stimme Dehio I S. 131 völlig bei,
daß die Aussage Svends im ganzen glaubwürdig ist, wenn auch die spätere
Not den früheren Erfolg vielleicht etwas größer erscheinen ließ, als er
wirklich war. Die Erzählungen Helmolds, 1, 12 ff. S. 31 ff., scheinen mir
ziemlich vollständig in das Gebiet der Sage zu gehören. Historisch ist
höchstens, daß in Mecklenburg ein Nonnenkloster bestand.
3 Adams allgemeine Angabe II, 24 S. 59 und Helmolds Notiz über
Mecklenburg stützen sich gegenseitig. Sicherheit gibt dies Zusammentreffen
freilich nicht.
* Doch hält der um die Lokalgeschichte der Provinz Sachsen sehr ver-
diente F. Winter für wahrscheinlich, daß die beiden Laurentiuskirchen zu
Loburg und Möckern im Gau Morazene in der Ottonenzeit entstanden,
Gesch.Bl. IV S. 336.
— 138 —
Burgen hat es ohne Zweifel welche gegeben^. Aber sie dienten nur
den deutschen Herren und sind später wieder verschwunden. Die
Wenden scheinen sich ganz ferne gehalten zu haben. Denn nirgends
war, wie sich aus den späteren Ereignissen ergibt, der Gegensatz
der Wenden gegen das Christentum so schroff als in diesen mitt-
leren Gegenden. Und wenigstens ein Ereignis ist überliefert, das
wie ein jäher Blitzstrahl das Dunkel dieser Jahre für einen Moment
lichtet: im Jahre 980 wurde der zweite Bischof von Brandenburg
Dodilo von seinen Diözesanen erdrosselt. Die Untat zeigt, welchen
scharfen Haß die Unterdrückten gegen die siegreiche Religion em-
pfanden. Sie war schhmm, aber der wendische Haß war schlimmer,
als sie annehmen läßt. Die Deutschen hatten Dodilos Leichnam
in den bischöflichen Gewändern in seiner Domkirche beigesetzt.
Aber die Feindseligkeit der Wenden gönnte dem Gemordeten die
Ruhe der Gruft nicht. Als der große Aufstand des Jahres 983.
ausbrach, riß das empörte Volk ihn aus dem Sarge, beraubte ihn
der priesterlichen Gewänder und warf den nackten Leichnam in
die Gruft zurück". So war die Gesinnung der Wenden gegen
ihre Bekehrer.
Nur unter den südlichen Stämmen war die langsam fortschrei-
tende Arbeit nicht lüi- die baldige Wiederzerstörung getan. Im
Magdeburgischen wird die Tätigkeit Adalberts gerühmt: er habet
sagt Meister Adam, viele slavische Stämme durch seine Predig,
bekehrt^. Erleichtert wurde der Erfolg dadurch, daß das Zuströmen
des deutschen Elementes in den Magdeburger Gauen stärker war,
als sonst irgendwo: wir wissen hier von einer größeren Anzahl
deutscher oder germanisierter* Ortsnamen als es gewöhnlich ist^
^ In der Gründungsurk. für Havelberg, Dipl. I S. 155 Nr. 76, wird im
Gau Liezizi die Marienburg genannt, aber vgl. S. 104 Anm. 2; 948 wird
Burg im Gau Morazeni erwähnt, Dipl. I S. 189 Nr. 105. Orte mit deutschen
Namen, also deutschen Bewohnern fehlen.
■2 Thietm. III, 17 S. 58. » Gest. H. e. p. II, 13 S. 49.
^ Für die Frage, ob eine Ortschaft deutsche Bewohner hatte, ist es
gleichgiltig, ob der Name derselben ursprünglich deutsch ist, oder ob ein
ursprünglich wendischer Name deutsche Gestalt erhielt. Denn auch das
letztere würde nicht vorgekommen sein, wenn die Bewohnerschaft rein
wendisch geblieben wäre.
^ Besonders im Gau Serimunt sind ganz oder halb deutsche Ortsnamen
häufig, s. Dipl. I Nr. 69, 134, 278, II Nr. 91, 174, 185; im Gau Neletice I
Nr. 152, 231, 329; im Gau Nudiczi I Nr. 230. Charakteristisch sind Wen-
dungen wie: in castello quodam Sclavonice quondam Budizco nunc antem
Theutonice Grimmerslovo, II S. 198 Nr. 174 von 978; der deutsche Name
kommt schon i. J. 987 vor, s. I S. 101 Nr. 14. Wenn der Satz Meitzens,
— 139 —
Das erklärt sich zum Teil aus dem ausgedehnten Grundbesitz des
Moritzklosters, mehr vielleicht noch daraus, daß Otto schon vor
dem Jahre 951 den ganzen Gau Serimunt seinem Sohne Liudolf
übergeben hatte ^. Offenbar wurde dadurch die deutsche Zuwan-
derung gefördert. Hier allein kamen schon im zehnten Jahrhundert
die Deutschen als ein Bevölkerungsbestandteil wirkhch in Betracht.
In den Bistümern war das nicht in demselben Maße der Fall.
Aber gerade hier wissen wir wenigstens von etlichen uralten Kirchen.
Die ältesten, die Gründungen Bosos, haben wir schon genannt^.
Nordwärts von Zeitz lag der kleine Gau Tucharin; im Jahre 976
wird eine Kirche in demselben genannt, ohne daß der Ort ange-
geben wäre, wo sie stand; es ist wohl an das spätere Teuchern zu
denken. Die Namen der zu ihr gehörigen Dörfer zeigen, daß ein
großer Teil des Gaus zu ihr gehörte^; vielleicht war sie überhaupt
die einzige Kirche im Gau. AVestlich stieß an den Tucharingau
der Gau Weitaha. Auch in ihm gab es im Jahre 976 eine Kirche:
sie lag in Görschen; aus der Zahl der zu ihr gehörigen Ortschaften
ergibt sich, daß ihr Sprengel ebenfalls sehr ausgedehnt war*.
Einige Jahre später entstanden im nördlichen Teil des Zeitzer
Bistums die Kirchen zu Treben und Taucha*^. Weiter südlich im
JB. f. Nat.ök. Bd. 32 S. 22, richtig ist, daß die Erwähnung von Hufen ein
bestimmtes Zeugnis deutscher Kolonisation sei, so hat man in Grimmsch-
leben und den 3 in Dipl. 174 genannten slawischen Orten ziemlich viele
deutsche Kolonisten zu vermuten: es werden 80 Hufen hier erwähnt. Ebenso
in den Burgwarden Elsnig und Dommitzsch im Gau Nizizi 20 Königshufen,
Dipl. II S. 514 Nr. 103 v. 992; im Burgw. Suselzi in demselben Gau 4 Königs-
hufen, S. 661 Nr. 244 v. 997.
1 Dipl. I S. 214 Nr. 134. - S. oben S. 96 u. 98.
3 Dipl. II S. 157 Nr. 139. Genannt sind Bisilouua (?), Strecouua
(Streckau), Longonosi (vielleicht Langnitz), Bresnizani (vielleicht Priesen).
Die Deutung der Namen nach Lepsius S. 175 f.
•* L. c. Basilica in Gruza (vielleicht Görschen), cum dote Golobina (?)
et aliis villis Chaca et Chaca (Ober u. Unter Kaka), Churuuiz (Kauerwitz),
Cesice (Zelschen), Suseliz (Seuselitz).
^ Treben ist eingegangen, es lag an der Mündung der Rippach in die
Saale, Taucha liegt östlich von Weißenfeie. Die beiden Orte sind in einer
Urk. Heinrichs II. von 1004 genannt, Dipl. III S. 80 Nr. 65. Daß die
Pfarreien daselbst erst nach der Aufhebung des Merseburger Bistums ge-
gründet wurden, läßt sich daraus schließen, daß ihre Sprengel zum Teil
dem Merseburger, zum Teil dem Zeitzer Bistum angehörten. Heinrich hat
den ersteren Teil von ihnen getrennt. Entstanden die beiden Pfarreien
erst nach 981, so ist wahrscheinlich, daß i. J. 976 im nördlichen Wethaugau
Görschen die einzige Kirche war.
— 140 —
Strupenicegau lag die Burg Kirchberg, deren Kirchen wir schon
erwähnten ^.
Die ältesten Kirchen im Merseburger Bistum sind in den bei
der Auflösung desselben genannten Orten zu suchen -. Sie scheinen
zum größten Teil erst seit dem Jahre 968 errichtet worden zu sein,
wenigstens ist von Würzen und Eilenburg sicher, daß sie im Jahre
961 noch keine wendischen Gemeinden hatten^.
In dem Bistume Meißen wird, vom Dome abgesehen, unter
den Ottonen eine einzige Kirche erwähnt. Es ist die Kirche der
an die Burg Meißen sich anschließenden Ortschaft*. Doch scheint
in diesem östlichsten Bistum frühzeitig ein Anfang deutscher Ein-
wanderung gemacht worden zu sein. Wenn i. J. 983 ein Ort mit
dem Namen Setleboresdorf erwähnt wird, so zeigt der halb wen-
dische halb deutsche Name deutlich genug, daß es sich um eine
ursprünghch wendische Niederlassung handelte; aber er macht zu-
gleich wahrscheinlich, daß Deutsche sich in ihr angesiedelt hatten.
Gibt ihnen Otto II. die Erlaubnis, auf beiden Ufern der Elbe zu
roden und Besitz zu erwerben^, so ist klar, daß der Kaiser. die
Einwanderung zu fördern suchte. Ein zweiter ursprünglich wen-
discher, dann deutsch gewordener Ort, Sciammanstedi, wird i. J. 995
genannt^. Man darf wohl vermuten, daß es noch andere deutsche
1 S. oben S. 96.
2 Thietmar nennt III, 16 S. 57 die villae Passini (Poßna) und Piscini
(Pissen), Wissepuig (?), Lostatawa (Lastau a. d. Mulde), Scudici (Schkeuditz
a. d. Elster), Cotug (G autsch), Wurcin (Würzen), Bigni (Püchen), tlburg
(Eilenburg), Dibni (Düben), Pauc (Pauch), Liubanici (Löbnitz), Gezerisca (?).
Es ist klar, daß bei der Auflösung des Bistums diese Orte als die be-
deutendsten betrachtet wurden. In ihnen werden deshalb auch zuerst
Kirchen gebaut worden sein.
3 Das ergibt sich aus Dipl. I S. 317 Nr. 231 v. 29. Juli 961. Hier schenkt
Otto den Kirchenzehnten in diesen und anderen Orten, den die Wenden
persolvere debent, quandocunque . . Christiani effecti fuerint, an das
Moritzkloster. Es kann damals also höchstens Burgkapellen in den Orten
gegeben haben.
■* Thietm. IV, 5 S. 67: Ecelesia extra urbem posita.
* Dipl. II S. 208 f. Nr. 184. Auf deutsche Bewohner weisen auch die
Worte: Nee non quod Theutonici dicunt uvarcophunga. Gibt der Kaiser
eiusdem villae Setleboresdorf cultoribus de ambabus Albiae partibus liberam
facultatem laborandi et inquirendi, so wird laborare von der Rodung zu
verstehen sein; inquirere steht im Sinn von acquirere. Setleboresdorf lag
zwischen Meißen und Strela.
« Dipl. II S..585 Nr. 174; das Bistum erhält die Lehen des Grafen
Asic. Dazu gehörte nach einer erweiternden Nachzeichnung außer Würzen,
— 141 —
Niederlassungeft gab. Aber die beiden genannten Orte sind wieder
eingegangen; man sieht, daß die Einwanderung mit großen SchAvierig-
keiten zu kämpfen hatte: wie bei jeder Kolonisation opferten sich
die ersten Kolonisten für die Zukunft.
Es ist eigentümlich, daß man von der bei der Bekehrung der
Deutschen bewährten Praxis, dem neuen Christentum durch Grün-
dung von Klöstern einen Rückhalt zu geben, bei der Missionierung
des Wendenlandes abwich. Außer dem Nonnenkloster in Mecklen-
burg ist im ganzen wendischen Missionsgebiet während der nächsten
Jahrzehnte nach der Gründung der Bistümer nicht ein einziges
Kloster gegründet worden. In dem kleinen deutschen Teile des
Magdeburger Sprengeis gab es bald ein paar Klöster ^ : in der
Nähe der Stadt bestand seit der Errichtung des Erzbistums das
Johanneskloster auf dem Berge ; am linken Ufer der Saale entstand
im Jahre 975 durch Verlegung des kurz vorher in Thankmarsfeld
gegründeten Klosters München-Nienburg. In der Stadt selbst wurde
992 von der Kaiserin Adelheid das Frauenkloster zu St. Andreas
gestiftet. Aber vor den Gegenden, wo die Wenden hausten, zogen
sich die Mönche scheu zurück; erst seit dem Ende des elften mid
im Beginn des zwölften Jahrhunderts wagten sie sich auf das rechte
Saaleufer. Keine Tatsache illustriert die Zustände so drastisch wie
Püchen etc. auch ein Ort mit dem halb deutschen Namen Sciammanstedi;
der Name wurde später ganz deutsch „^chönstadt". Der Ort aber war
schon 1349 Wüstung, s. v. Gersdorf, Cd. Sax. II, 1 S. 19 Anm.
1 Ich lasse das Lorenzkloster in Kalbe außer Betracht, da es nicht in
dem Magdeburger Kalbe lag. Es gibt zwei Orte dieses Namens. Der eine
liegt an der Saale im Magdeburger Sprengel, der andere an der Milde im
Halberstädter. Daß das Kloster in dem letzteren lag, unterliegt kaum
einem Zweifel. Thietmar erzählt, IV, 57 S. 95, daß Oda, die Tochter des
Markgrafen Thiedrich, in Kalbe Nonne war, jedoch unter Bruch ihres Ge-
lübdes den Herzog Miseco von Polen heiratete. Diese Oda wird in einer
Urk. des B. Reinhard von Halberstadt v. 1121 (ÜB. d. H. Halberst. I S. 122
Nr. 151) als Gründerin des später verarmten und eingegangenen Klosters
bezeichnet. Daraus, daß Reinhard über den Grundbesitz verfügt, ergibt
sich die Lage in seinem Bistum. Nach Thietm. III, 18 S. 59 wurde das Kl.
982 von den Böhmen zerstört. Die Angabe ist auffällig, da das Vordringen
der Böhmen bis in die Altmark sehr unwahrscheinlich ist. Die Annahme
Kurzes wird deshalb im Rechte sein, daß die Zerstörung nicht von den
Böhmen, sondern von den Wilzen ausging. Wahrscheinlich erwähnt Thiet-
mar das Kloster noch ein drittes Mal, nämlich I, 12 S. 8, wo er seine Nichte
Brigide als Äbtissin des Laurentiusklosters nennt. Denn an St. Lorenz in
Neustadt Magdeburg kann man dabei nicht denken ; das dortige Kloster ist
erst zwischen 1209 und 1212 gegründet (s. Janike in den Gesch.Bl. III S. 444).
— 142 —
diese: das Wendenland galt als Feindesland; die Mönche flohen
dasselbe. Der einzige Schritt vorwärts war, daß nach nnd nach
deutsche Klöster Grundbesitz in wendischen Gauen erwarben^.
Dadurch übernahmen sie die moralische Pflicht, für die Ausbreitung
des christlichen Glaubens Sorge zu tragen. Sie haben sich der-
selben auch nicht entzogen-. Ob die fernen, dem Erzbistum in-
korporierten Klöster, wie Weißenburg, an der Missionsarbeit Anteil
nahmen, ist eine Frage, die wir nicht beantworten können.
Die kirchliche Lage in den wendischen Gebieten blieb auch
nach der Gründung der Bistümer so, daß sie Schonung und sorg-
same Pflege erheischte. Statt dessen wurde, noch nicht zehn Jahre
nach dem Tode Ottos d. Gr., sein Werk durch die Aufhebung des
Merseburger Bistums'^ gerade von denen erschüttert, die es hätten
stützen sollen. Es gibt wenige geschichtliche Ereignisse, die so
ausschließlich durch persönliche Interessen herbeigeführt wurdeii,
wie dieses; selten auch haben diejenigen, welche die allgemeinen
Interessen zu schützen berufen waren, ihre Pflicht so gänzlich aus
den Augen gelassen, Bischof, Kaiser und Papst waren hier gleich
schuldig.
Seit dem Juni 971 stand der Bischof Gisiler* an der Spitze
der Merseburger Diözese ^ Ein Mann von vornehmer Geburt*,
gewandt im Hofdienst' und voll Ehrgeiz, strebte er, sein Bistum
groß zu machen. Wenn er sich von dem Kaiser einen der größten
Waldkomplexe Deutschlands, den mächtigen von der Mulde bis
1 Bergen im Gau Morazeni: Dipl. II S. 129 Nr. 115, S. 582 Nr. 171;
Nienburg in den Gauen Serimunt, Nizizi u. Lausitz: S. 198 Nr. 174, S. 209
Nr. 185, S. 661 Nr. 244, S. 788 Nr. 359; III S, 104 Nr. 83; Memleben in den
Gauen Hevellun, Dalaminze, Skitizi und Morazena: II S. 221 ff. Nr. 194 — 196;
vgl. Thietm. III, 1 S. 48.
2 Das zeigt das Beispiel Nienburgs. Die Kirche in Grimmersieben wird
als filia parochiae in Nienburg bezeichnet. Sie wurde 1258 selbständig,
Gesch.Bl. in S. 174.
'^ Fraustadt, Die Auflösung des B. Merseburg (Arcb. f. sächs. Gesch.
1878 S. 133 ff.); v. Pflugk-Harttung, D. B. Merseburg (Forsch. 25 S. 155 ff.).
* Schmidt, Giselher, B. v. Merseburg, EB. v. Magdeburg, Halle 1886.
Böhmer, EB. Gis. v. Magdeb., Gesch.Bl. Bd. 23 S. 40 ft\
•^ Den Juni nennt Thietmar, II, 37 S. 42^, die abweichende Angabe (Juli)
des chron. ep. Merseb. 2 S. 167 kommt dagegen nicht in Betracht.
* Thietm. 1. c: Moribus et natura nobilis.
' Er wurde im Moritzkloster zu Magdeburg gebildet und von Otto in
die königliche Kapelle aufgenommen, Ann. Magd. z. 982 Scr. XVI S. 156.
— 143 —
zur Saale reichenden Forst, schenken ließ^, so ist es leicht, seine
Gedanken zu erraten: an dem Südrande des großen Waldes hatte
Bqso seine Niederlassungen gegründet. Was er mit kleinen Mitteln
begonnen hatte, das soUte nach größerem Maßstab fortgesetzt
werden. Überhaupt war Gisiler ein rühriger Mann: er hat auch
links der Saale kolonisiert. Dadurch vermehrte er die Zahl der
Kirchen im Hessengau und gewann dort solche, die in bischöf-
lichem Besitz waren. Denn die alten Kirchen dieses Gaus gehörten
dem Kloster Hersfeld -. Aber bei der Durchführung seiner Pläne
war er gehindert durch seine beschränkten Mittel'; denn Merse-
burg war arm: vor jener großen Waldschenkung fehlte ihm der
Grundbesitz; auch der beste Teil der Zehnten, die im deutschen
Anteil der Diözese anfallenden, gehörte nicht dem Bistum, sondern
dem genannten Kloster*. Selbst in einzelnen wendischen Orten
waren die Zehnten in fremdem Besitz"'.
Man kann es begreifen, daß Gisiler sich als Bischof von Merse-
burg nicht an seinem Platze fühlte: er strebte nach Größerem, sei
es nach höherer Ehre', sei es nach größerer Tätigkeit. Die Gunst
Ottos II., die er in reichem Maße besaß, bahnte ihm den Weg,
die Gefügigkeit Benedikts VII. führte ihn zum Ziel.
1 Thietm. IX, 20 S. 251 und Dipl. II S. 105 Nr. 90; vgl. über den Wald
oben S. 97.
- Nach Dipl. II S. 182 Nr. 162 schenkte Otto am 30. Juli 977 dem
Domstiffc in Merseburg den Ort Maggenrod im Helmengau. In einer zweiten
Urkunde hören wir, daß Gisiler ihn noviter a fundamento silvas eruendo
construxerat (S. 212 Nr. 186). Maggenrod lag nicht in der Merseburger,
sondern in der Mainzer Diözese. Man darf aber annehmen, daß Gisiler,
wenn er hier kolonisierte, das noch viel mehr in seiner eigenen Diözese
tat. Das Motiv für Kolonisierung links der Saale ist leicht erkennbar. Die
alten Zehnten im Hessengau gehörten Hersfeld; neue Zehnten aus gerodetem
Lande dagegen nicht (s. Bd. II S. 716 Anm. 1).
3 S. Dipl. II S. 104 Nr. 89. Die Klagen Gisilers werden durch Thiet-
mar bestätigt, s. 111,1 S. 48: Pauperem adhuc episcopatum. Nach Schmidt,
Giselher S. 23 f., wäre Merseburg freilich im Besitz der Klöster Helfta und
Pöhlde gewesen. Allein das ist irrig. Otto I. schenkte dem Bistum nur
die Kirche zu Helfta, s. o. S. 131 Anm. 2; das Kloster daselbst entstand
erst i. J. 1259 durch Verlegung von Roßdorf, g. Bd. IV S. 943. Die Ver-
leihung von Pöhlde aber wird nicht von Thietmar, sondern nur von einem
Interpolator desselben behauptet, s. d. Ausgabe von Kurze S. 48. Pöhlde
kam vielmehr durch Otto IL i. J. 981 an Magdeburg, Dipl. II S. 300 Nr. 259.
* Otto IL erwarb 979 die Hersf. Zehnten im Friesenfeld und Hassegau,
Dipl. II S. 218 Nr. 191. Er übergab sie dem Kl. Memleben.
•'■' Dipl. I S. 316 Nr. 231 v. J. 961, Würzen und Eilenburg.
— 144 —
Gisiler befand sich im Sommer 981 im Gefolge des Kaisers
in Italien; am 21. Juni dieses Jahres starb Adalbert von Magde-
burg. Er hatte an Stelle des abwesenden Bischofs die Merseburger
Diözese visitiert; auf der Rückreise ereilte ihn in der Nähe von
Halle der Tod. In Magdeburg dachte man sofort an die "Wieder-
besetzung seiner Stelle. Die Stimmen von Klerus und Volk ver-
einigten sich auf Ohtric, der vordem Lehrer der Domschule ge-
wesen war ^. Er stand bei dem Kaiser hoch in Gunst. Niemand
zweifelte, daß seine Wahl bestätigt werden würde. Aber das Un-
glück wollte, daß die Magdeburger Gesandten die Fürsprache
Gisilers in Anspruch nahmen. Ihre Bitte wurde zum Fallstrick
für den ehrgeizigen Bischof: sie rief den Wmisch in ihm wach,
selbst an des Verstorbenen Stelle zu treten. Dieser Wimsch aber
wurde der Vater des Gedankens, das Bistum Merseburg aufzulösen.
Denn dadurch wurde Gisiler der Verpflichtung ledig, die ihn an
die arme Kirche des h. Laurentius band, und wurden zugleich, die
Mittel verfügbar, um die nächst beteihgten Nachbarn für Gisilers
Erhebung zu gewinnen^. Gründe für die Auflösung ließen sich
nur dem unfertigen Zustand aller Verhältnisse entnehmen, wodurch
doch gerade der Fortbestand des Bistums gefordert wurde.
Gisiler wandte sich an Otto II. Mehr als auf das Gewicht
seiner Gründe mochte er sich auf die Gunst verlassen, die ihm der
Kaiser oft versichert hatte ^. Er täuschte sich auch nicht. Nach-
dem er den Herrscher für seinen Gedanken gewonnen hatte,
stimmten die anwesenden geistlichen und welthchen Großen zu.
Die Magdebm'ger Abgeordneten mußten sieb, ob auch wider-
strebend, entschließen, Gisiler zu wählen, und Papst Benedikt trug
1 V. Pflugk-Harttung S, 160 f. nimmt an, daß im Widerspruch mit
Thietmars Bericht in Magdeburg eine zwiespältige Wahl erfolgt war: die
beiden Kandidaten seien Ohtric und Gisiler gewesen, von beiden Parteien
seien Gesandte nach Rom geschickt worden. Er beruft sich dafür auf das
römische Synodale, Cd. Sax. reg. 1, 1 S. 266, wonach die filii ecclesiae
Magdeburgensis Gisiler in Rom wählten. Aber Uhlirz erinnert mit Recht,
daß ein solches Verfahren einer mit einem anderen Auftrag abgeschickten
Gesandtschaft nicht beispiellos ist, S. 162.
2 Die Translation Gisilers wäre auch ohne Aufhebung des Mersebuvger
Bistums möglich gewesen. Aber daraus läßt sich nicht folgern, daß die
letztere nicht Mittel zum Zweck war; denn sie bot die Mittel, um die
Stimmen der Komprovinzialen für Gisilers Erhebung zu gewinnen. Ohne
ihre Zustimmung aber wäre sie unmöglifeh gewesen.
^ Gisilers Dienste sind in Urkunden Ottos mehrfach hervorgehoben
S. 104 Nr. 89; S. 181 Nr. 161; S. 182 Nr. 162; S. 212 Nr. 186; Thietm. 111,3
S. 55.
— 145 —
kein Bedenken, dem Willen des Kaisers gemäß auf einer römischen
Synode am 10. September 981 die Aufhebung des Bistums Merse-
burg auszusprechen und sie feierhch als eine Handlung der ober-
hirthchen Pflicht zu verkündigend
Die höchste geistliche und weltHche Autorität fügten sich den
Wünschen eines ehrgeizigen Prälaten. Aber das Gewissen des
Volkes billigte ihr Verfahren nicht: es sah in der Aufhebung des
Bistums ein Gott und dem Heiligen zugefügtes Unrecht. Das
Urteil der Gegenwart ist wenig geneigt, sich durch ähnliche An-
schauungen leiten zu lassen, wie die Menschen des zehnten Jahr-
hunderts; aber auch wenn man nm* fragt, ob die Auflösung Merse-
burgs zweckmäßig war, wird man dem Urteil des Volkes wider den
Kaiser recht geben ^. Unter den wendischen Bistümern war Merse-
burg dank seiner V^erbindung mit einer deutschen Landschaft das
lebensfähigste. Durch seine Aufhebung wurde weder Zeitz noch
Meißen noch Magdeburg gestärkt: nur ihre Aufgabe wurde ver-
mehrt, nicht aber die Mittel, um sie zu erfüllen; denn während der
wendische Teil der Diözese verteilt wurdet fiel der deutsche an
1 ÜB. d. H. Halberstadt I S. 81 Nr. 47 f. Thietmar berichtet III, 13
u. 16 S. 56 f., daß Gisiler, um zum Ziele zu gelangen, die Überzeugungs-
kraft des Goldes nicht gespart habe. Die von ihm genannte Summe, die
allein Thiederich von Metz bekommen haben soll (1000 Pfund Gold und
Silber), ist viel zu groß, als daß man nicht gegen die Nachricht bedenk-
lich werden sollte.
2 Schmidt, Giselher S. 26, urteilt dagegen, Gisiler habe richtig ge-
handelt, indem er sich über die kleinlichen Anschauungen seiner Zeit hin-
wegsetzte. Wie mich dünkt, bleibt dabei die Hauptsache unberücksichtigt,
daß Merseburg Missionsbistum war, und daß durch die Aufhebung die
Nachbarbistümer nicht gestärkt wurden. Beides entscheidet gegen das
sachliche Recht der Aufhebung. Daß auch das formelle Recht nicht über
jeden Zweifel erhoben war, zeigt v. Pfiugk-Harttung S. 165. Doch ließe sich
darüber streiten. Übrigens hatte man ja durch Vernichtung der Urkunde
Hildiwards für einen Grund für die Auflösung gesorgt. Wenn Böhmer
S. 48 annimmt, Merseburg sei geopfert worden zur Befriedigung der Halber-
städter Ansprüche und zur Befestigung der Magdeburger Diözese, so scheint
mir der Beweis hiefür nicht erbracht. Hildiward war durch seine Zusage
gebunden: er konnte Entschädigung, aber nicht Zurückgabe des abge-
tretenen Gebiets fordern. Magdeburg aber gewann, wie die Dinge im
Wendenland lagen, durch die Einverleibung etlicher wendischer Gaue nicht
an Macht, sondern an Pflicht.
■" Über die Verteilung des Merseburger Sprengeis berichtet Thietmar
III, 16 S. 57 f. Was vom Chutizigau südlich der Elsterbiegung und einer
von da an die Mulde oberhalb Würzen gezogenen Linie lag, fiel an Zeitz,
Hauck, Kirchen geschichte. III. 10
— 146 —
Halberstadt zurück. Dagegen wurde einer der Mittelpunkte beseitigt,
von dem aus die Uberwindiuig des wendischen Heidentums erfolgen
sollte. Es konnte nicht ausbleiben, daß das Vertrauen in den Be-
stand der kirchlichen Organisation Ottos d. Grr. erschüttert wurde;
noch mehr das Vertrauen zu dem, was Otto II. wollte. Niemals
aber ist es gut, wenn die Taten der Herrscher das Urteil hervor-
rufen, daß das, was der Kaiser will, Unrecht ist.
Man sieht: die Lage im Osten war in den nächsten Jahr-
zehnten nach dem Tode Ottos noch gänzlich unsicher. Zwar
machte das Christentum langsame Fortschritte; aber die Gesinnung
der Wenden war voll Feindseligkeit, die deutschen Kolonien, welche
die sicherste Stütze für die kirchliche Organisation bieten konnten,
waren wenig zahlreich und mußten den schwierigen Kampf um
ilire Existenz noch bestehen. Überdies war das Vertrauen auf
die richtige Leitung der Angelegenheiten im Wendenland wankend,
geworden. Noch war es nicht unmöglich, daß das groß Angefangene
zu glückhchem Gedeihen kam; aber wenn es gehngen sollte, war
Ruhe und Stetigkeit der Entwickelung notwendig. Die Ablenkung
des politischen Interesses vom Osten, vollends eine Erschütterung
der deutschen Macht mußte verderblich sein.
was jenseits der Mulde lag, an Meißen, der nördliche Teil von Chutizi und
der Susaligau an Magdeburg. Merseburg wurde ein Kloster und trat unter
Halberstadt zurück.
Drittes Kapitel.
Wiederaufnahme der südöstlichen Mission. Tätig-
keit der deutschen Kirche in Böhmen und Polen.
Was im nordöstlichen Wendenland geschah, war der hastigen,
rasch vollendeten EiTichtung eines Neubaus zu vergleichen. Im
deutschen Südosten dagegen mußten in mühevollem Kampf ver-
lorene Gebiete zurückerobert werden. Man baute auf Ruinen^.
Wir haben erwähnt, daß die südösthchen Missionsländer an
die mährische Kirche verloren gingen ^. Kurze Zeit danach wurden
durch das Eintreten eines neuen Elementes alle Verhältnisse des
Ostens verschoben. Im Jahre 862 erschienen die Ungarn zum
erstenmal an den deutschen Grenzen ^. Feinde, die man bis dahin
^ Man vergleiche zum Folgenden: Dümmler, OFr. Reich III; Riezler,
G. B.'s I; Büdinger, Österr. Gesch. I; Huber, Gesch. Österr's. I; Krones,
Grundriß der österr. Gesch. (hier auch Angabe der Spezialliteratur) ; Hasen-
öhrl, Deutschlands süd-östl. Marken im Arch. f. österr. Gesch. Bd. 82, 1895
S. 419 ff.; Kaindl, Beiträge zur älteren ungarischen Geschichte; Csuday,
Gesch. d. Ungarn I. '^ S. Bd. II S. 698 ff.
^ Die Ungarn werden charakterisiert: von Regino, z. J. 889 S. 131 ff.
Er verwandte dabei, was er in dem Auszug Justins aus der Universal-
geschichte des Pompeius Trogus über die Scythen fand: viel mehr als die
Tatsache, daß die Ungarn ein barbarisches Nomadenvolk seien, läßt sich
also aus seinem Bericht nicht entnehmen; von Widukind I, 18 f. S. 16 f.
Er verwertet eine Stelle des Jordanis. Was er sagt, hat deshalb vornehm-
lich den Wert, den Abscheu der Deutschen vor den. Ungarn anschaulich
zu machen; von Ekkehard, Gas. s. Gall. 51 ff. S. 193 ff. Er ist zwar ein
späterer Zeuge^ aber berichtet nach guter Tradition. Zu vergleichen ist die
10*
— 148 —
nicht kannte, erzählt Hincmar, plünderten das östliche Reich-'. Ehe
das Jahrhiuidert abgelaufen war, wurden die unbekannten Feinde
zu Grenznachbarn der Deutschen: seit 894 ließen sie sich in
Pannonien nieder'-^. Aber je besser man sie kennen lernte, um so
fremdartiger und abstoßender erschienen sie. Ursprünglich ein
Jäger- und Hirtenvolk, waren sie durch ein widriges Geschick zu
einem Volk von Kriegern geworden, zu einer Nation, die den Raub
als nationalen Beruf trieb. Mit der Härte des Berufskriegers ver-
banden sie die Kulturlosigkeit des Nomaden. Für den seßhaften
Germanen, dessen ganze bürgerliche Existenz darauf beruhte, daß
er Haus und Hof sein eigen nannte, konnte ein Volk, das den
Ackerbau floh und kein anderes Dach kannte als die Lederdecke
des Wagens, nur abstoßend sein. Was er von den Ungarn und
ihren Sitten sah und hörte, vermehrte seine Antipathie. Man
konnte nichts Häßhcheres sehen als diese Wilden: klein von Ge-
stalt, mit glatt rasiertem Schädel, statt der Kleider mit Fellen
bedeckt^. Die Art, wie sie sprachen, heß ihre Worte mehr wie
mißtönendes Gegrunze, als wie verständliche Rede erscheinen*.
Mit Abscheu sah der Deutsche, daß sie halb rohe Fleischstücke
verschlangen, und hörte er, daß sie Blut tränken wie die Raub-
tiere. Es erregte ihm Grauen, daß man erzählte, Meuschenileisch
gelte ihnen als Heilmittel^. Was weite Landstriche von ihrer
erbarmungslosen Grausamkeit zu leiden hatten, kam hinzu *^: nicht
Charakteristik Ottos v. Freis. Gest. Frider. I, 32 S. 39 S., der freilich einen
etwas fortgeschritteneren Zustand vor Augen hatte.
1 Ann. Bertm. z. 862 S. 60; vgl. Ann. Alam. z. J. 863 Scr. I S. 50.
2 Ann. Fuld. z. 894 ff. S. 125 ff. Regin. chron. z. J. 889 S. 132.
' Regin. S. 133 (nicht aus Justin): Capillum usque ad cutem ferro
caedunt; Otto Fris. .S. 40: Sunt . . üngari facie tetri, profundis oculis,
statura humiles, moribus et lingua barbari et feroces. Die Tierfelle als
Kleider erwähnt Regino S. 132 nach Justin.
* Vgl. Ekkeh. 54 S. 205: Uli . . sibilis et quasi grunnitu horrido
satellitibus quid velint insinuant.
^ Regino S. 133 (nicht nach Justin): Carnibus siquidem, ut fania est,
crudis vescuntur, sanguinem bibunt, corda hominum, quos capiunt, parti-
culatim dividentes veluti pro remedio devorant. Vgl. Liudpr. Antap. II, 2
S. 28: Ut magis magisque timeantur, interfectorum sese sanguine potant.
Der Frater Ricardus im 13. Jahrhundert erzählt Ähnliches von den Resten
der Ungarn am Ural: Garnes equinas, lupinas et huiusmodi comedunt. Lac
equinum et sanguinem bibunt, de inv. Ung. mag., Endlicher Rer. Hung.
monum. Arp. S. 252. Vgl. Csuday I S. 59 Anm. 1.
•* Liudpr. 1. c: Castra diruunt, ecclesias igne consumunt, populos iugu-
lant. 1,13 S. 12: Hungäriorum gentem cupidam, audacem, omnipotentis
— 149 —
vernünftige Menschen, sondern wüste Ungeheuer schienen diese
Feinde zu sein^.
Während die Gelehrten sich wunderten, daß keiner der römi-
schen Schriftsteller das Volk der Ungarn erwähnte"^, und alles
Abstoßende, was die alten Autoren über die Barbaren des Ostens
erzählten, zusammentrugen, um mit diesen Farben eine, manchmal
vielleicht nicht ganz zutreffende Schilderung der Barbaren der
Puszta zu geben, erklärten die Prediger sie für Werkzeuge des
Teufels. Meine Brüder, so soll der Abt Engilbert von St. Gallen
zu seinen Mönchen geredet haben, wir haben bisher im Vertrauen
auf Gott mit der Seele wider den Teufel gekämpft; laßt uns beten,
daß es uns jetzt gelinge, mit der Faust unsere Kraft gegen ihn zu
beweisen ^. Das Volk aber meinte, der jüngste Tag " stehe bevor,
und die Ungarn seien Gog und Magog, die nach der Weissagung
Johannis am Ende der Tage vom Satan zum Streit versammelt
werden sollend
dei ignaram, scelerum omnium non insciam, caedis et rapinarum solummodo
avidam. Mirac. Wigb. 16 Scr. TV S. 226 f.: Ab Ungariis pessima et gravis
malorum incursio incubuit, fiei'entque neces iuvenum ac seniorum, exter-
minia mulierum natorumque. Salomo v. Constanz (Sal. et Waldram. carm. I
V. 75flf. M.G. Poet. lat. IV S. 300):
Nunc canis ipse domum Christi spurcissimus intrat,
Dat necibus plebem, vulgo res, ignibus aedem,
A! mensam domini sacram manus impia scindit,
Tractat pollutus sanctorum pignora tactus,
Ecclesiaeque pecus peregre transducit abactum.
Non miseret patrie, nuUa est miseratio matris,
Transfigit natum feritas ante ora parentum,
Nee natam redimit, quod mater funera plangit.
Ekkeb. 53 S. 200 : Nulli sexui vel aetati certum est misereri. Ann. Fuld.
z. 894 P. 125.
» Piligrim an Benedikt, ÜB. d. L. o. Enns II S. 711 Nr. 6: Ferina
crudelitas. Regino S. 133 (eigenes Urteil): Vivunt non hominum sed belu-
arum more. Brief eines Mönches aus einer congregatio s. Germani an Dado
von Verdun (gest. 923) bei Martene et Durand, Collect, ampl. I S. 234: Per
talia monstra hominum. Der gleiche Ausdruck bei Hrotsuith Gest. Odd.
V. 384 S. 215: His hominum monstris. Noch Otto von Freising wiederholt
das gleiche Wort (1. c. S. 40). ' Brief an Dado S. 232.
a Ekkehard legt nicht übel diese Worte dem Abt in den Mund, 51
S. 195.
* Brief an Dado S. 232: Primum dicendum opinionem quo innumeros
tarn in vestra quam in nostra regione pervasit, frivolam esse . . qua pu-
tatur Deo odibilis gens Hungrorum esse Gog et Magog . . . Dicunt enim
nunc esse novissimum saeculi tempus finemque imminere mundi et idcirco
— 150 —
Das Gefühl, das die Deutschen beseelte, ist begreiflich. Denn
die Ungarn standen der europäischen Kulturwelt nicht nur fremd,
sie standen dem deutschen Volk nicht wie andere Feinde gegen-
über: es gab überhaupt keinen Berührungspunkt zwischen diesen
unsteten Räubern und der europäischen Völkerfamihe. Die Mög-
lichkeit eines friedlichen Nebeneinander schien hier gänzlich aus-
geschlossen.
Seitdem die Ungarn sich in Pannonien festgesetzt hatten,
hörten länger als ein halbes Jahrhundert ihre Raubzüge nicht auf \
Im Sommer. 899 fielen sie in die gesegneten Fluren Oberitaliens
ein'-. Im nächsten Jahre stürmten sie die Donau aufwärts: mit
Mühe erwehrten sich die Baiern ihres Anfalls^. Im Frühjahr 901
verwüsteten sie Kärnten^; im Sommer 906 sah man sie an der
mittleren Elbe^; sie waren als Bundesgenossen der wendischen
Feinde Deutschlands gekommen. Das nächste Jahr brachte die
entscheidende Niederlage des bairischen Heerbanns: am 5. Juli 907
fiel Markgraf Liutpold an der Grenze der Ostmark, zu deren
Schutz er ausgezogen war. Fast das ganze bairische Heer wurde
vernichtet; unter den Erschlagenen zählte man den Erzbischof
Theotmar von Salzburg und die Bischöfe Uto von Freising und
Zacharias von Sehen *^. Die Kraft des bairischen Stamms war ge-
knickt. Nun mußte das Land bis an die Enns geräumt werden ';
erst im Traungau** und in den Bergen der Steiermark und Kärn-
tens" behaupteten sich die Baiern.
Gog et Magog esse Hungros qui nunquam antea auditi sunt. Der Verfasser
polemisiert eingehend gegen diese Meinung. Statt nunc esse liest übrigens
Martene non esse. Es ist klar, daß dies nur ein Druckfehler ist.
1 Krones Grundr. S. 192 Anm. 12 zählt an 20 Einfälle in Deutsch-
land, 9 in das byzantinische Reich, 7 in Italien, 4 in Frankreich, 1 über
die Pyrenäen. ^ Ann. Alam., Laubac. Scr. 1 S. 53.
'' Ann. Fuld. z. 900 S. 134. ^ Ann. Fuld. z. 901 S. 135.
•' Widuk. 1,17 u. 20 S. 16f.
ß Ann. Alam., Laubac. z. d. J. S. 54; vgl. o. S. 7. Cont. Regin. S. 154.
. ' Im Jahre 904 war es noch bairisch. Damals wirkte in der Ostmark
der Landbischof Madalwin, M.B. 28, 2 S. 200 ff. Nr. 3. In dieselbe Zeit
fällt die Raffelstätter Zollordnung, Cap. II S. 250 Nr. 253, die beweist, daß
die sozialen Verhältnisse in der Ostmark noch nicht erschüttert waren.
»Am 19. Febr. 909 schenkte Ludwig IV. dem Grafen Arbo und dem
Erzbischof Piligrim von Salzburg die Abtei Traunkirchen am Traunsee,
B.M. 2001. Hier war also die bairische Herrschaft un erschüttert. Sie
blieb es auch später: 930 war Meginhard Graf im Traungau, Salzb. ÜB. I
S. 99 Nr. 37.
" Die Gegend um Leoben, Judenburg, Knittelfeld blieb stets in deut-
— 151 —
Die bairische Niederlage war ein Unglück für Europa: un-
gehindert strömten seitdem die plündernden Scharen der Ungarn
nach dem Westen. Sie überschritten den Rhein und die Mosel,
sahen die Fluten der Nordsee und tränkten ihre Rosse in der
Garonne. Wo immer ihre, in kleine Haufen aufgelösten Reiter-
geschwader erschienen, da bezeichneten die Rauchsäulen, die aus
den geplünderten und in Brand gesteckten Gehöften und Dörfern
aufstiegen, ihren Weg ^. Am schwersten hatte der Natur der Sache
nach Baiern zu leiden. In den Salzburger Urkunden des zehnten
Jahrhunderts findet man da und dort wüste liegende Orte erwähnt:
Reichersrot im Rotttal lag 15 Jahre verlassen, Riedlkam, Nußdorf
und Steinbach im Norden von Salzburg waren ebenfalls unbewohnt.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß man hier den Spuren der
Ungarn Verwüstung gegenübersteht^. Etwas später schildert Piligrim
von Passau sein Bistum als zum großen Teil verwüstet, besonders
das Land um Lorch als ausgeplündert und gänzhch verödet ^. Noch
vielsagender als diese Nachrichten ist, daß man in Baiern die Worte
Ab incursione ahenigenarum libera nos, domine, in die Litanei
aufaahm*: die Ungameinfälle erschienen wie eine immer drohende
Landplage. Die Kirche wurde nicht nur durch die Plünderung
ihrer Schätze, die Verwüstung ihrer Gebäude imd die Ermordung
zahlreicher Priester betroffen; weit schwerer wog, daß sie ihr ge-
samtes Missions gebiet verlor. Von den zahkeichen Kirchen in
Pannonien blieb nicht eine übrig. „Die Ungarn", klagt Theotmar
von Salzburg, „fielen ins Land, die einen schleppten sie gefangen
hinweg, die andern haben sie getötet oder im Kerker durch Hunger
und Durst verschmachten lassen, unzählige haben sie aus dem
La,nde vertrieben, adlige Männer und Frauen führten sie in die
Sklaverei, in die Kirchen Gottes haben sie den Brand geworfen
mid alle Gebäude verwüstet, so daß in ganz Pannonien nicht
eine Kirche mehr zu sehen ist, das ganze Land ist wüste" ^.
Der Verlust beschränkte sich nicht auf Pannonien. Kaum besser
sehen Besitz, Salzb. ÜB. I S. 75 Nr. 8 v. 925, S. 83 Nr. 17 v. 924, S. 144
Nr. 83 V. 930. Dagegen scheint das östliche Steiermark aufgegeben worden
zu sein. i Vgl. Ekkeh. Gas. s. G. 52 S. 199.
2 Salzb. ÜB. I S. 76 Nr. 9 V..925, S. 87 Nr. 22 v. 927.
3 In seinen Fälschungen J.W. 3644 u. B.M. 1988. Daß die letztere
Urkunde zu seinen Fälschungen gehört, zeigt Mühlbacher in d. Mtt. d. Inst.
1903 S. 424 ff.
* Quellen u. Erörterungen zur bayr. u. deutsch. Gesch. VII S. 473 aus
einer Freisinger Handschrift des 10. Jahrh.'s.
5 Schreiben an Johann VIII. bei Boczek Cd. Morav. I S. 63 Nr. 91.
— 152 —
als dort wird es in der Ostmark ausgesehen haben: das Gebiet bis
an die Enns wurde zwar von den Ungarn nicht besetzt, aber es
verödete. Im Jahr 976 wird ein Landstrich an der Erlaf als lange
wüst gelegen bezeichnet-^: das ist eine Charakteristik, die auf das
ganze Gebiet passen wird ^. Wer nicht getötet oder in die Ge-
fangenschaft fortgeführt wurde, der floh^. Mit den übrigen Ein-
wohnern verließen auch die Priester und Mönche die bisherige
Heimat: man kann kaum zweifeln, daß das alte Stift St. Polten
Jahrzehnte läng aufgelöst war*. Es mag schon bei dem Einfall
des Jahres 900^ geplündert worden sein; wie hätte es in der nächsten
Zeit wiederhergestellt werden können? Verödete doch selbst das
weit zurückgelegene Kloster . Kremsmünster ^.
Erst gegen die Mitte des zehnten Jahrhunderts änderten sich
die Verhältnisse. Nun begann das Übergewicht den deutschen
Waffen sich zuzuneigen. Den Wendepunkt bildete der Sieg des.
Herzog Berthold auf der Welser Haide im Jahr 943: es war der
größte Erfolg, den die Deutschen bis dahin errungen hatten ".
Lange noch zeigte man die Grabhügel der Erschlagenen auf der
Walstatt^ und sprach das Volk von dieser Waffentat: von dem
grausen Kampf der Baiern an der Traun, wo die Ungarn erschlagen
wurden, wie ein Zeitgenosse sich ausdrückt^. Seitdem ergriffen
die Baiem die Offensive: dem Siege des Jahres 943 folgte schon
^ Dipl. II S. 232 Nr. 204: In terra quondam Auarorum iuxta fluvium
qui Erlafifa dicitur locum quendam qui Steinlnachiricha nominatur . . per
multa annorum curricula desertum. Daß einzelne Punkte von den Ungarn
besetzt wurden, wie Huber (Gesch. Österreichs I S. 125) annimmt, wüßte
ich nicht zu belegen. Doch ist es nicht unmöglich.
^ Vgl. die Erklärung auf der Synode zu Lorch (c. 985): Proxima
barbarica suae desolationia deuastatio (M.B. 28,2 S. 88 Nr. 117).
* Eine Parallele bietet die Flucht der Mähren nach der Zerstörung
des mährischen Reiches (s. Huber S. 123).
* St. Polten liegt an der Traisen, 'also sehr exponiert: es ist deshalb
unmöglich, daß es sich hielt. ^ Annal. Fuld. z. d. J. S. 134.
^ Auct. Cremifan. z. J. 900 Scr. IX S. 552: Abhinc videtur vacasse
nostra abbacia propter desidium episcoporum Pataviensium sive infestationem
Hunorum, qui et üngari nuncupantur.
' Ann. Sangall. z. 943 S. 78; ehr. Suev. un. Scr. Xffl S. 67; Ann. Ra-
tisp, z. 944 Scr. XVn S. 583. Regln, contin. S. 163: Ungarii a Carantanis
tanta caede mactantur, ut nunquam a nostratibus antea infirmarentur.
8 Bern, de orig. mon. Cremifan. II, 1 Scr. XXV S. 647.
9 In dem Martyrologium des S. 151 Anm. 4 erwähnten Freisinger Co-
dex findet sich zum 10. August diese Notiz.
— 153 —
im Jahre 948 ein neuer Erfolg'. Berthold war damals bereits
tot'-; aber sein Nachfolger war einer der kampflustigsten und kriegs-
tüchtigsten deutschen Fürsten, Ottos Bruder Heinrich. Unter seiner
Führung wagten sich die Baiern über das schützende Gebirge hinab
in das ungarische Gebiet: sie schlugen sich im Jahre 949 mit den
Ungarn bei Lovo südlich von Odenburg ^ Noch war, wie es scheint,
der Verlust größer als der Gewinn*. Aber nun ließen sich die
Deutschen nicht mehr zurückhalten; im Jahr 950 drang Heinrich
von neuem an der Spitze eines bairischen Heeres in Ungarn ein,
und jetzt war der Erfolg offenkundig auf seiner Seite ^ Zwar schien
alles Erreichte durch die im Jahr 953 beginnenden Kämpfe in
Deutschland erschüttert zu werden; denn sie waren für die Ungarn
eine Aufforderung zu neuen Einfällen. Doch vermochten die Züge
der Jahre 954 und 955 den begonnenen Umschwung nicht aufzu-
halten. Denn die große Niederlage der Ungarn auf dem Lechfeld
befreite Deutschland für immer von diesen Räuberbanden.
Der Zurückwerfung der Ungarn- folgte die Wiederbesetzung
des im Anfang des Jahrhunderts aufgegebenen Landes auf dem
Fuß. Schon Herzog Heinrich hat, wie es scheint, die Ostmark
wieder besetzt^; doch war es ihm nicht vergönnt, das begonnene
Werk durchzuführen. Während man vor Augsburg kämpfte, lag
er krank in Regensburg. Wenige Monate nach dem Sieg, am
1. November 955, ist er gestorben "'. Seitdem verwaltete seine
Witwe Judith, eine Frau von männlichem Geiste, als Vormünderin
1 Annal. s. Emmerammi z. J. 948: Occisio paganorum ad Norrun. Bü-
dinger, Österr. Gesch. I S. 259 vermutet eine der Ortschaften Nöring in
Kärnten oder Steiermark.
- Er starb am 23. Nov. wahrscheinlich 947, Riezler, Gr. B.'s I S. 339
u. B.O. 157 a.
" Annal. Altah. mai. z. J. 949 S. 8: Praelium cum Ungariis in Loa.
Ann. Ratisp. z. 950 S. 583, Ann. s. Steph. Fris. z. 950 Scr. XIII S. 51. Über
den Ort s. Dümmler, Otto S. 182 Anm. 1. Riezler I S. 340 denkt vielmehr
an Laufen bei Salzburg.
*"Die Annal. Ratisp. erwähnen die Schlacht mit den Worten: Inter-
fectio Bawarorum ad Lova. Man kombiniert mit viel Wahrscheinlichkeit
mit dieser Angabe die Erzählung Thietmars über Michael von Regensburg,
chron. II, 27 Ö. 36.
5 Annal. Hildesh. S. 21, Flodoardi S. 400. Zur Sache Widuk. II, 36
S. 54 H. Hrotsuith gest. Odd. v. 378 ff. S. 215. Über das Jahr s. Dümmler,
Otto S. 182 Anm. 3.
•^ Dies ergibt sich daraus, daß sein Sohn Herzogtum und Mark erhielt,
Contin. Regln, z. 955 S. 168 ; vgl. Dümmler, Piligrim S. 30.
' Annal. necrol. Fuld. S. 198.
— 154 —
ihres unmündigen Sohnes Heinrich das bairische Herzogtum. Ihr
fiel die Aufgabe zu, den auf dem Lechfeld errungenen Sieg auszu-
nützen: sie hat sie gelöst. Das rasche Vordringen nach dem Sieg
gereicht ihr und ihrem vornehmsten E,at, dem Bischof Abraham
von Freising ^, zu dauerndem Ruhm. Die Ostmark wurde fest-
gehalten; im Jahre 972 verwaltete sie der Begensburger Burggraf
Burchard^; nach einigen Jahren folgte ihm der Babenberger Liut-
pold ^. Mit ihm zog dasjenige Geschlecht in der Ostmark ein, das
fast dreihundert Jahre dort geblüht hat, und unter dessen Leitung
sie sich stetig weiter entwickelte. Bald wurden auch die Mark-
grafschaften an der Mur und in Krain, und die Grafschaft an der
Save wieder eingerichtet. An der Spitze der Markgrafschaft an
der Mur stand^im Jahr 970 der Graf Markward, der Ahnherr des
Eppensteinischen Hauses*; der erste der Krainer Markgrafen,
Poppo, wird im Jahre 973 erwähnt'^; etwas später die Grafschaft
an der Save^. Mit einem Worte: ehe das erste Vierteljahrhundert
nach der Lechfeldschlacht verflossen war, wurde die jetzige Grenze
Österreichs gegen Ungarn erreicht. Daß Kärnten seit 976 und
nach neuer Vereinigung mit Baiern von 995 an ein eigenes Her-"
zogtum bildete, wird der Wiederbesetzung des neu gewonnenen
Gebiets eher förderlich als hinderlich gewesen sein.
Während deutsche Kolonisten in die Ostmark einströmten, um
ehemahges Kulturland, das der Wald überzogen hatte., von neuem
zu roden', begann auch in Kärnten das deutsche Volkstum festen
Fuß zu fassen. Seit der Mitte des achten Jahrhunderts war das
Land zuerst unter der Oberherrschaft, dann unter der unmittel-
baren Herrschaft der Deutschen. An Zuzüglern aus Deutschland
1 Thietm. II, 41 S. 44. In zwei Urkunden Ottos v. 961 u. 965 erscheint
er als Fürbitter neben Judith; beide beziehen sich auf Besitzungen im
Osten; in der zweiten wird ein slavischer Vasall des Bischofs genannt,
Dipl. I Nr. 221 S. 303 u. Nr. 279 S. 395. ^ Dip], i g. 577 Nr. 423.
3 Er ist in einer Urkunde Ottos IL v. 21. .Tuli 976 Dipl. II S. 149
Nr. 133 zum erstenmal genannt.
* Dipl. I S. 530 Nr. 389. Über die Eppensteiner s. v. Ankershofen,
Gesch. V. Kärnten II S. 629 ff. 5 Djp]. u g. 56 Nr. 47.
* Ib. S. 264 Nr. 235 : Comitatus, qui dicitur Sovuina.
' S. die Urkunde Ottos III. v. 30. Sept. 985, Dipl. II S. 419 Nr. 21.
Hier wird erwähnt, daß der Bischof von Passau dem Kaiser geklagt habe,
daß absque habitatore terra episcopii solitudine silvescat. Es ist dann die
Rede von ingenui qui ex inopia seruorum in locis aecclesiastici patrimonii
constituuntur coloni. Diese Aussagen geben eine Vorstellung von der all-
sreraeinen Lage.
— 155 —
hatte es seitdem nicht gefehlt^; doch behielt die Einwohnerschaft
überwiegend den slavischen Charakter; noch am Ende des neunten
Jahrhunderts ist Slavenland eine ganz gewöhnhche Bezeichnung
für Kärnten-. Anders wird es im zehnten Jahrhundert^: nun hat
deutscher Adel großen Grundbesitz im Lande erworben; der wen-
dische ist zum Teil germanisiert. Auch die deutschen Stifter nennen
weit ausgedehnte Flächen ihr eigen. Wenn die deutschen Herren
und die bairischen Bischöfe und Abte ein natürliches Interesse
daran hatten, deutsche Kolonisten in das Land zu ziehen, so bot
noch breiteren Raum für neue Siedelungen das überall vorhandene
Königsgut. So dehnte sich die Niederlassung der Deutschen in
Kärnten im Laufe des zehnten Jahrhunderts mächtig aus. Mit
der Erneuerung der Marken drang sie auch dorthin vor: im Jahre
970 wird zum erstenmal ein wendischer Ort in Untersteiermark
mit einem deutschen Namen bezeichnet; zum erstenmal wird nach
deutscher Weise der Grund und Boden zu Bauerngütern ver-
messen ^ Doch schritt die Besetzung nur allmählich vorwärts; erst
im zwölften Jahrhundert wird sie und wird die ihr folgende Assi-
milation der slowenischen Landbevölkerung zu einem gewissen Still-
stand gekommen sein.
Die nach Kärnten und in die wiedererworbenen Marken ein-
strömende Bevölkerung war christlich. Die Ordnung des Kirchen-
wesens mußte deshalb sofort in die Hand genommen werden. Es
war eine Aufgabe, die zum größten Teil den Erzbischöfen von
Salzburg zufiel. Anfangs verwalteten sie den östlichen Teil ihrer
Diözese nicht selbst, sondern übertrugen sie wie früher die bischöf-
lichen Geschäfte an Chorbischöfe ^. In den entscheidungsvollen
Jahrzehnten, die das Daniederliegen und den Wiederaufschwung
der deutschen Macht im Osten sahen, arbeitete in Kärnten der
Chorbischof Gotabert. Wenn man erwähnt, daß er unter König
^ Deutsche Namen in der Gegend von Villach 878 Kämt. GQ. S. 16
Nr. 41, am Wörthsee S. 18 Nr. 48, in der Gegend v. Klagenfurt 883 S. 22
Nr. 59, in Untersteiermark 895 Gurk. GQ. S. 40 Nr. 3.
- Kämt. GQ. S. 16 Nr. 41 v. 878; S. 26 Nr. 63 v. 891; die Kärntner
Chorbischöfe sind Slavenbischöfe Convers. Bagoar. Scr. XI S. 11.
ä Vgl. V. V. Krones, Die deutsche Besiedelung der östlichen Alpen-
länder, Forsch, z. d. Landes- und Volkskunde III S. 303 ff., auch v. Ankers-
hofen, G. V. K. II S. 415 f.
4 Urk. Ottos I. für Salzburg, Dipl. I S. 530 Nr. 389 : Salzburg erhält
curtem ad Vduleniduor, lingua Sclavanisca sie vocatum, Theotisce vero
Nidrinhof nominatam, u. 50 regales hobas ubicunque sibi placuerit mensu-
randas. ^ s. Bd. II S. 457 ; 463 Anm. 6.
— 156 —
Konrad zum erstenmal und im Jahre 945, zum letztenmal genannt
wird-^, so ist ausgesprochen, daß sein Leben nicht inhaltslos war:
er vertrat länger als zwei Jahrzehnte lang die Kirche an einem
der gefährdetsten Punkte des deutschen Reiches. Aber die Über-
lieferung gibt uns kein Bild von seiner Person und seinem Wirken,
Es sind wortkarge Urkunden, die seinen Namen auf uns gebracht
haben. Sie zeigen ihn als Verwalter eines ausgedehnten kirch-
lichen Besitzes''' und lassen vermuten, daß er wie bei Erzbischof
Odalbert'^ so auch bei den deutschen Königen* in Ansehen stand.
Die zahlreichen Kirchen, die es in Kärnten gab^, und der große
Grundbesitz, über den Gotabert verfügte, würden die Erhebung
seiner Legation zu einem- Bistum möglich gemacht haben. Daß
Kärnten schon unter Herzog Arnulf dem übrigen Baiern gegen-
über eine gewisse Selbständigkeit hatte **, hätte einem solchen Unter-
nehmen nur dienlich sein können, um so mehr, da Herzog Berthold,,
der an der Spitze des Landes stand, als Gotaberts Vogt handelte'.
Aber wir wissen nicht, ob Gotabert eine solche Absicht hegte.
Jedenfalls dachte man in Salzburg nicht daran, die kärntnische
Kirche selbständig zu machen. Im Gegenteil trat sie nach Gota-
berts Tode unmittelbar unter die Erzbischöfe: er ist der letzte
kärntnische Chorbischof, von dem wir wissen. Hat er deshalb
keinen Nachfolger erhalten, damit jedem Versuch, Kärnten von
1 Salzb. ÜB. I S. 66 Nr. 1 und Dipl. I S. 147 Nr. 67.
^ Außer in den beiden angeführten Urkunden wird Gotabert genannt:
Salzb. ÜB. I S. 68 Nr. 2 und S. 1 f. Nr. 69 f. Nach Nr. 1 ertauscht er von
Erzbischof Odalbert die Kirche im Lungau, d. i. Mariapfarr, gegen Be-
sitzungen in Tirol; nach Nr. 2 erhält er Besitz in Kärnten und Steiermark
gegen solchen in Steiermark und im Salzburgischen, die in Nr. 69 genannten
Orte sind nicht sicher zu identifizieren, bei Nr. 70 handelt es sich um Orte
im Pongau.
" Nr. 2 nennt ihn Odalbert: Fidelis suus venerabilis chorepiscopus ;
Nr. 69: Dilectus fidelis.
* Den Nr. 1 vertauschten Tiroler Besitz hatte Gotabert aus einer
Schenkung König Konrads. Otto I. schenkte seiner Kirche in Maria Saal
eine Hufe mit einer Anzahl Höriger, Dipl. I S. 147 Nr. 67.
•^ Vgl. Bd. II S. 458 Anm. 2. Am Ende des 9. u. in der ersten Hälfte
des 10. Jahrb. sind ferner nachweislich die Kirchen in Maria Wörth, Kämt.
GQ. S. 18 Nr. 48, 2 Kapellen im Lavanttal S. 21 Nr. 53, Feldkirchen im
Glantal S. 23 Nr. 59, Mariapfarr im Lungau s. o., Kirche in Friesach S. 33
Nr. 89, St. Peter in Karnburg, St. Lorenz an d. Görtschitz, St. Peter in
Osterwitz, St. Maria Rain (sämtlich in der Nähe von Klagenfurt) S. 34 Nr. 90.
«S.v. Ankershofen S. 276.
.' Salzb. Uß. I S. 68 Nr. 2: Cum manu advocati sui ducis Perhtaldi.
— 157 -^
Salzburg zu löseu, ein Riegel vorgeschoben sei? Es ist möglich.
Möglich ist aber auch, daß man in Salzburg die kirchlichen Ver-
hältnisse des Grenzlandes für so gefestigt hielt, daß es einer bischöf-
lichen Delegation nicht mehr bedurfte.
Als durch die Neuordnung der Marken der Salzburger Sprengel
weit nach Osten hhi ausgedehnt wurde, stand Erzbischof Friedrich
an der Spitze der Salzburger Kirche. Wir kennen ihn als den
Sprößling einer bairischen Grafenfamilie ^. Aber er schloß sich enge
an das sächsische Königshaus an. Otto I. und sein Sohn haben
in "Worten der höchsten Anerkennung von ihm gesprochen -; auch
in Rom wußte man ihn zu schätzen^. In der Tat ließ er, soviel
wir urteilen können, die Gelegenheit, Großes zu vollbringen, nicht
ungenützt vorübergehen. Gab es in Kärnten nur da oder dort eine
neue Kirche zu weihen^, so war in der Steiermark um so mehr
zu tun. Friedrich siedelte in slavischen Orten deutsche Kolonisten
an: er sorgte dafür, daß Kirchen füi- sie gebaut wurden °. Doch-
sein Blick reichte darüber hinaus. Alle alten Rechte, die Salzburg
in den wieder zugänglich gewordenen Landschaften einst besessen
hatte, suchte er festzuhalten oder neu zu gewinnen. Man hatte in
der bairischen Metropole nicht vergessen, daß Salzbiurg einst mit
Unrecht aus Pannonien verdrängt worden war^; jetzt war die
mährische Kirche, der die Salzburger Priester hatten weichen müssen,
zerfallen: die Bahn war also frei und Friedrich zögerte nicht, sie
zu beschreiten. Er wandte sich an den Kaiser, um in den alten
Besitz Salzburgs wieder eingewiesen zu werden. Was mag von
^ Über seine Wahl s. o. S. 29 Anra. 4.
- Dipl. I S. 530 Nr. 389 und H S. 150 Nr. 134.
^ Johann XIII. nennt ihn virum venerabilem et cunctis laudabilem,
J.W. 3717.
* Soviel ich sehe, ist die einzige Kirche in Kärnten, von der über-
liefert ist, daß Friedrich sie weihte, die Kirche zu Glandschach im Glantal.
Sie war die Stiftung eines Laien, eines Edlen namens Lessina, der auch
den deutschen Namen Rapoto führte, Gurk. GQ. S. 46 Nr. 7.
■'• Das zeigt die erwähnte Urkunde Dipl. I S. 530 Nr. 389. Nach der
Erwähnung von Nidrinhof wird die civitas Zuib genannt, quae modo suis
colonis possessa inhabitatur. Das modo läßt schließen, daß der Ort wüst
war und neu besetzt wurde. Werden mit den übrigen Appertinentien der
Güter auch die Kirchen an Friedrich geschenkt, so wird man nur annehmen
können, daß es sich um neugebaute Kirchen handelte : sie waren in könig-
lichem Besitz, da der ganze Grund und Boden königlich war. Die ge-
schenkten Besitzungen lagen um Leibnitz — dieser Ort selbst gehörte da-
zu — südlich von Graz. Der Forst Susil ist jetzt Weingebiet (Sausal hinter
Leibnitz). « S. Bd. II S. 700 ff.
— 158 —
der Kirche Liutprams in der pannonischen Moosburg ^ übrig ge-
blieben sein? Friedrich ließ sich gleichwohl ihren Besitz, sowie
manchen anderen zwischen Gebirg und Donau von Kaiser Otto II
bestätigen. Auch Pettau wird nun wieder unter den Salzburger
Orten genannt^. Dabei suchte Friedrich mehr als Anerkennung
verjährter Rechte: wenigstens ein Teil des verlorenen Gebiets war
tatsächHch wieder besetzt: schon während Friedrich über die An-
erkennung seiner bischöflichen Rechte auf Pettau verhandelte, baute
man in dieser alten bischöflichen Stadt an einer neuen Kirche;
man muß annehmen, daß die Bevölkerung der Stadt sich rasch
mehrte, denn es war noch eine ältere Kirche vorhanden '^ Das
alles zeigt, wie tatkräftig Friedrich vorging. Dabei lastet freiüch
der Vorwurf auf ihm, daß er die Anerkeiuiung der Besitzansprüche
Salzburgs in Steiermark und Pannonien dadurch erreichte, daß er
eine gefälschte Schenkungsurkunde des Königs Arnulf zur Bestä-
tigung vorlegte^. Aber dieser Makel, der seinen Charakter trifft,
kann nicht hindern anzuerkennen, daß es ihm zu verdanken -ist,
wenn die Fortschritte der Kirche nicht hinter denen des Schwertes
zurückbheben.
Er arbeitete nicht allein. Von alters her hatte der bairische
1 S. Bd. II S. 691.
2 Bestätigungsurkunden v. 1. Okt. 977 u. 18. Mai 982, Dipl. II S. 185
Nr. 165 u. S. 319 Nr. 21-b. Abgesehen von den Besitzungen in dem nie ver-
lorenen Gebiet und in der Ostmark, werden hier bestätigt: in Ungarn:
Rapa (Raab), Sabaria civitas et ecclesia (Stein ain Anger), Sicca Sabaria,
Penninehaha, Mosapurch abbatia, Salapingin (am Plattensee), ecclesia ad
Quartinaha, ecclesia ad Gensi, ad V ecclesias (Fünfkirchen), Ruginesfeld,
ecclesia ad Durnauua (Dürnau); in Steiermark: Pettouia (Pettau), Zistanes-
feld (Zistenfeld a. d. Triebein), Zuip und Umgebung (d. Herrsch. Leibnitz
und Landsperg), Luminicha, Nezilinbach (Nestelbach), Sabniza, Rapa, Tud-
leipin, Pelissa (Pels), Chumbenza (Kobenz), Lieznicha (Lietzen), Prucca
(Brück a. d. Muhr). Die späteren Ortsnamen nach Juvavia S. 354f. u. Zahn.
Ich weiche nur darin ab, daß ich Moosburg nicht in Steiermark suche.
Daß die in Ungarn genannten Kirchen noch standen, ist schwer glaublich.
Hier kann es sich nur um Erneuerung von Rechten für die Zukunft ge-
handelt haben. Anders bei den steiermärkischen Orten.
^ In bezug auf Pettau, das ja nach alter Geographie zu Pannonien
gehörte, heißt es: Ad Pettouiam ecclesiam cum decima et duas partes civi-
tatis . . in superiore civitate in orientali parte civitatis curtilem locum ubi
nova ecclesia incepta est (S. 186). Über das Verhältnis der ürk. Ottos zu
der Fälschung B.M. 1801 s. v. Jaksch, K. GQ. S. 25 u. 60.
5 Die Vorlage für die Bestätigungsurkunden Ottos II. u. IIL, Dipl. II
S. 319 Nr. 275 u. S. 393 Nr. 1, ist die Fälschung B.M. 1801.
— 159 , —
Episkopat die Missionsarbeit in den Alpen als gemeinsames Werk
betrachtet mid betrieben. Demgemäß handelte man auch jetzt.
Wie Salzburg seine Güter in der Ostmark von neuem besetzte,
die im Passauer Sprengel lagen \ so arbeitete das Bistum Freising
in Kärnten und der Markgrafschaft Krain, obgleich diese Land-
schaften zu den Diözesen Salzburg und Aquileja gehörten. Es
hatte von lange her Besitzungen in Kärnten und dem verlorenen
pannonischen Missionsgebiet-. Die einflußreiche Stellung, die
Bischof Abraham am Hofe Judiths einnahm, die Gunst, die ihm
die Ottonen erzeigten, machten es ihm leicht, den Grundbesitz
seiner Kirche zu erweitern''. Besitz in diesen Gegenden aber be-
deutete die Nötigung zur kirchlichen Arbeit. In den Freisinger
Besitzungen in Kärnten, deren Mittelpunkt die Kirche in Wörthsee*
bildete, machte sich bald das Zuströmen der Deutschen bemerk-
bar^. Dagegen wohnten auf den Freisinger Gütern im Krainischen
Slaven*'. Würde die Annahme begründet sein, daß Abraham ein
Slave war, so wäre er für die Leitung der Arbeit in dieser Gegend
besonders geeignet gewesen ''. Doch scheint es, daß man ihn als
Deutschen zu betrachten hat^. Als Freising seine krainischen
Besitzungen erwarb, gab es in denselben, soviel wir sehen können,
noch keine Kirche^. Auch dort drang zugleich das Christentum
und deutsche Bevölkerung ein.
Gleichzeitig mit Freising erwarb Sehen in den östlichen Alpen
^ Nach den angeführten Urkunden: Scafarafeld (Schärffenfeld), Uua-
greini (Wagram), Megilicha (Molk oder Medling), Arnesdorf (Ärnsdorf;,
Crunzita (Grünzing), Liubina (Leüben), Holunpurch (Holenburg), Treisima
(Treissmaur), Penninuuanc, ecclesia Anzonis, Uuitinesperch, ecclesia Ellodis,
ecclesia Mingonis, Guntpoldesdorf (Gumpoldskirchen).
2 C. d. Austr. Fris. S. 18 Nr. 17 f. v. 860 u. 861, S. 22 Nr. 24 ff. v. c.
880, 891 u. c. 900.
3 Schenkungen Ottos IL in Krain v. 973, Dipl. II S. 56 Nr. 47 u. S. 78
Nr. 66, bestätigt von Otto III. 989, S. 463 Nr. 58. Auch durch Tausch ver-
größerte Abraham seinen Besitz, Cd. Austr. Fris. S. 39 Nr. 391, S. 49 Nr. 47.
* Das Kircheninventar unter B. Abraham beweist einen verhältnis-
mäßig großen Reichtum dieser Kirche, Kämt. GQ. S. 47 Nr. 120.
•' Vgl. die zahlreichen deutschen Namen in der Tauschurk. Abrahams
C. d. Austr. Fris. S. 39 Nr. 39.
^ In den angeführten Urkunden finden sich nur slavische Namen.
^ Über die von Kopitar Abraham zugeschriebenen slavischen Frag-
mente s. Bd. II S. 468 Anm. 1.
* Er war Glied des Freisinger Klerus, s. Meichelbeck, H. Fris. I, 2
S. 448 Nr. 1041.
ö In keiner der ottonischen Schenkungen wird eine Kirche erwähnt.
— 160 —
großen Grundbesitz. Anfangs an solchen Orten, die stets in deut-
schem Besitz gebheben waren, in Reifiiitz und Villach ^. Man darf
sie wohl längst als christhch betrachten. Doch dauerte es nicht
lange, bis auch Sehen Güter im Kraingau zu eigen erhielt ^. Damit
trat auch dieses Bistum in die Mitarbeit zur Ausbreitung der
Kirche im Osten ein.
Indes fiel die Hauptaufgabe neben Salzburg dem Bistum
Passau zu; denn zu dieser Diözese gehörte die Ostmark.- Durch
ihre Lage au beiden Ufern des Stromes war sie das wichtigste
unter den wiedererworbenßn Gebieten. Gar manches bairische Stift
hatte einst in dem fruchtbaren Donauthal und detn angrenzenden
Hügelland wertvollen Besitz gehabt: neben Gütern von Passau und
Salzburg lagen solche, die den Bistümern Freising und Regensburg
gehörten, außer dem einheimischen Stift St. Polten waren die
Abteien Tegernsee und Altaich große Grundbesitzer. Von allen
Seiten suchte man seit der Verjagung der Ungarn die verlassenen
Güter wieder auf. Passau, Freising und Altaich hatten ihren alten
Besitz in der Wachau im Beginn der siebziger Jahre wieder be-
setzt^, Salzburg ließ sich im Jahr 977 sein ehemaliges Eigentum
nördlich und südlich der Donau bestätigend Um dieselbe Zeit
siedelte "Wolfgang von Begensburg bairische Kolonisten auf einer
Odung an der Erlaf an^ Etwas länger zögerte Tegernsee: die
Abtei war durch Arnulfs Säkularisation zu sehr geschwächt; erst
ihre Rekonstruktion im Jaln-e 978^ gab ihr die Möglichkeit an
Unternehmungen in der Ferne zu denken. Nicht ganz ohne
Schwierigkeit erhielt sie ihren früheren Besitz wieder'. Mit der
Rückkehr der Bewohner traten auch die kirchlichen Einrichtungen
wieder ins Leben. Wie unmittelbar beides zusammenhing, lehrt die
1 Dipl. II S. 183 Nr. 163 v. 977; S. 232 Nr. 205 v. 979. In Villach,
zum aquilejensischen Sprengel gehörig, wird eine Kirche erwähnt. Sie mag
als Burgkapelle schon länger bestanden haben.
2 Durch Heinrich IL, 1004, Dipl. III S. 83 Nr. 67, vgl. S. 263 Nr. 228.
3 Vgl. Dipl. I S. 577 Nr. 423 v. J. 972. Otto I. bestätigt hier Passauer
Besitz in der Wachau, der zwischen Altaicher und Freisinger Grund und
Boden in der Mitte lag. ■^ S. oben S. 159 Anm. 1.
5 Dipl. II S. 281 Nr. 204 v. J. 979. « Dipl. II S. 2L9 Nr. 192.
' Brief der Tegernseer Mönche an Abt Gotahard, 1001 — 2: Frater
noster Nonnus Eigino de itinere . . regressus, retulit nobis de domno nostro
duce, quod sponderat se libenter velle restituere quae monasterio nostro
abstracta sunt in Oriente, iussitque fratrem Meginh. inibi exspectare, ut se
commonefaciat de his quaecunque sint illic requirenda, Mign. 139 S. 373
unrichtig als an A. Gozpert gerichtet.
— 161 —
Regensburger Niederlassung an der Erlaf; wenn Wolfgang das neu-
gebaute Dorf Steinkirchen nannte, so sieht man, daß zugleich mit
den Holzhäusern der Kolonisten eine Kirche errichtet wurde. Zu
der Kirche aber kam sofort die schützende Burg: Wolfgang hat
die Wieselburg erbaut^. Noch vertraute man nicht darauf, daß
die Gefahr von den Ungarn wirklich vorbei sei. Schon dies zeigt,
daß der Anfang nicht immer leicht war. Dazu kamen manliig-
fache ökonomische Schwierigkeiten^. Als schon Jahrzehnte seit
der Wiederbesetzung des Landes verflossen waren, besuchte der
Mönch Froumund von Tegernsee die Güter seines Klosters an der
Donau, auf die man einige Zeit vorher zurückgekehrt war. Wir
besitzen den Bericht, den er für den Abt Gotahard schrieb^; es
sind kurze sachliche Mitteilungen, die aber eine anschauliche Vor-
stellung der Verhältnisse gewähren. Der Zustand des Kirchen-
wesens war nicht gerade erfreulich: eine Holzkirche war da; man
hatte sie offenbar beim ersten Anfang in der größten Eile herge-
stellt; denn schon mußte sie auf allen Seiten mit Balken gestützt
werden, die Füllmauern waren gewichen: das ganze Bauwerk drohte
einzustürzen. Dazu konnte vom Kirchengut nur der geringste Teil
wieder erlangt werden, besonders waren die Zehnten, auf die man
unter diesen Verhältnissen zumeist angewiesen war, nicht beizu-
treiben. Man gewinnt Achtung vor dem Mönch, daß er in dieser
Lage sich jedes unmutigen Worts enthielt. Auch nach St. Polten
kehrten die Chorherm in den siebziger Jahren zurück*.
In Passau legte man auf den Besitz der Ostmark das größte
Gewicht. Es ist als ob man einen Eindrück davon gehabt hätte,
wie viel fiir Deutschland die Ausbreitung nach Osten bedeutete.
Sofort nach den ersten bairischen Siegen lebten die alten kirch-
lichen Ansprüche wieder auf: man sieht es daraus, daß Bischof
Adalbert sich schon auf der Synode von Ingelheim im Jahre 948
als Bischof von Lorch bezeichnete^. Seit mehr als vierhundert
^ Otto n. schenkte ihm locum quendam inter maiorem et minorem
ErlafFam situm . . castellum ad construendum, s. die S. 160 Anm. 5 angef. Urk.
^ Gozperti ep. 4 Mign. 139 S. 367: Pietati vestrae querimoniam facimus
de famüia nostra, quam in Oriente habemus, quae prae penuria grani
praesenti anno subiacet gravi periculo famis.
3 Froum. ep. 12 Mign. 141 S. 1289. Welcher der vielen Orte Holz-
kirchen gemeint ist, ist nicht festzustellen. Klar ist, daß hier, wie in Stein-
kirchen, Niederlassung und Kirchenbau zusammenfielen. Gozbert in der
"Überschrift ist aijch hier unrichtig.
* Das Kloster bestaöd wieder i. J. 976. Das ergibt sich aus der Ur-
kunde Ottos II. Dipl. n S. 151 Nr. 135, welche den Besitz des Hippolytus-
klosters an Passau bestätigt. * C.I. I S. 13 Nr. 6.
Haack, KirchengeEchiohte. III- ^^
— 162 —
.Jahren war dieser Titel nicht mehr gehört -worden; jetzt wurde er
eraeuert. Adalbert schien dadurch nichts neues zu tun: mehr als
ein nordischer Bischof nannte sich nach einem untergegangenen
Römerort. Wie oft haben die Lütticher sich nach Tongern genannt.
Als in dieser Zeit der Sitz des südhchsten bairischen Bistums von
dem schroffen Felsen Sehen in das freundliche Tal nach Brixen
verlegt wurde ^, gaben die Bischöfe doch den alten Titel nicht auf.
Das entsprach nicht nur der konservativen Art der Kirche, sondern
es lag in dem Gebrauch des früheren Titels zugleich eine Rechts-
verwahrung. Hier lag mehr in ihm: er enthielt den Anspruch auf
die vorausgesetzte Diözese Lorch, d. h. auf das von der Enns ab-
wärts liegende Land. Es ist bezeichnend, daß die Passauer Bischöfe
Besitz bei der alten Römerstadt zu erwerben wußten. Sie selbst
lag ja freihch längst in Trümmern"-; aber an ihrer Stelle und zum
Teil von den Steinen, die ihre Mauern darboten, hatte Markgraf
Liutpold zum Schutz der deutschen Grenze eine Feste, die Enns-
burg, gebaut^. Der Grund und Boden an der Burg kam nun an
das Passauer Bistum. Zwar blieb er ihm nicht lange; Bischof
Adalbert überließ das Gut tauschweise seinem Landesherrn, dem
Herzog Heinrich. Aber man behauptete in Passau, daß es. als
zum Patrimonium der Lorcher Kirche gehörig, im Eigentum des
Bistums gewesen sei*. Die kirchhchen Ansprüche wurden also durch
1 Daß die Verlegung nicht erst, wie Hirsch, JB. Heinrichs I. S. 62 ö'.
annimmt, unter Bischof Albwin stattfand, dafür scheint mir der Titel Rih-
perts in der Urkunde Ottos H. v. 15. Okt. 967 Dipl. H S. 21 Nr. 14 Prihsi-
nensis ecclesiae episcopus entscheidend. Denn die Bezeichnung nach einer
beliebigen Kirche des Bistums wäre unverständlich; dagegen ist es ver-
ständlich, daß der ältere Name zunächst noch fast allein gebraucht wurde.
^ Schilderung Piligrims in seiner Fälschung J.W. 3771: lam multis
retroactis aeculis et vicinorum frequenti populatione barbarorum deserta et
in solitudinem redacta nuUum christianae professionis habitatorem meminit.
3 Annal. Fuld. cont. z. 900 S. 135, vgl. Büdinger, Gesch. Österr. T
S. 219. Ich möchte es nicht, wie Dümmler (Piligrim S. 28), für unwahr-
scheinlich halten, daß eine lebhafte Erinnerung an die Herrschaft der Römer
in. Lorch vorhanden war. Ruinen erhalten die Überlieferung lebendig; dazu
ksEm der Bau der Ennsburg an der alten Stätte, wodurch die Gedanken
notwendig auf die Vergangenheit gex'ichtet wurden. Übrigens erinnert
Dümmler selbst, daß man in Passau die vita Severini besaß. Bischof
Burchard hatte sie i. J. 903 von Madalwin erworben (M.B. 28, 2 S. 201 Nr. 3);
vgl. Dümmler in den Berl. SB. 1898 S. 771.
* Die Ennsburg spielt in den Passauer Fälschungen eine Rolle. Eine
zuverlässige Notiz bringt nur die Urk. Ottos IL v. 5. Okt. 977, Dipl. II S.
190 Nr. 167. Nach ihr überläßt Otto das im königlichen Besitz befindliche
— 163 —
die Abtretung des Gutes nicht berührt. Ihnen gemäß handelte Adal-
bert, indem er seine Priester in die Ostmark sandte; ihre Tätigkeit
erstreckte sich bis nahe an den Wiener Wald: Traismauer, das
zum Eigentum von St. Polten gehörte, stand in seinem Besitzt
Adalbert starb im Jahr 971. Durch seinen Tod wurden die
Fortschritte der kirchlichen Angelegenheiten an der Donau nicht
aufgehalten. Denn sein Nachfolger war der Mann, der neben Arn
von Salzburg der hervorragendste Vertreter der bairischen Missions-
tätigkeit gewesen ist: Bischof Piligrim^.
Er war ein Verwandter des Salzburger Erzbischofs Friedrich^,
gehörte also wie dieser einer in Baiern heimischen Familie an.
Auch seine Bildung erhielt er in einem der inländischen Klöster:
er verdankte sie der alten Stiftung Pirmins zu Niederaltaich *.
Sie konnte einstmals an Glanz und Reichtum mit den ersten Ab-
teien des Reichs wetteifern; aber davon wai' wenig mehr vorhanden,
als der junge Piligrini ihr übergeben wurde. Sie war schon am
Ausgang des neunten Jahrhunderts aus einem Kloster in ein Ka-
nonikat verwandelt worden ^ d. h. ihre Einkünfte reichten nur noch
Praedium Anesapurch, quod quondam . . Adalbertus . . antistes ex massa
s. Lauriacensis ecclesiae patrimoii Heinrico duci . . tradidit in concambium,
dem Bistum Passau. Nach der Zurückwerfung der Ungarn war demnach das
praedium im Besitz des Bistums. Da es der Herzog ertauschte, so erkannte
er die Rechtmäßigkeit des Besitzes an. In Passau baute man darauf weiter.
Unter Piligrim wurde eine Urkunde angefertigt, nach der Ludwig IV. i. J.
901 die zum Teil auf Klostergut erbaute Ennsburg selbst dem Kl. St. Florian
schenkte, B.M. 1942. Daß diese Urkunde zu den Pass. Fälschungen gehört,
hat Mühlbacher nachgewiesen, Mtt. d. Inst. 1903 S. 424. Später wollte man
wissen, daß Adalbert die Ennsburg von St. Florian für das Bistum er-
tauschte, unechte Urk. Altmanns v. 1071 ÜB. d. L. o..EnnsII S. 95 Nr. 75.
Tatsächlich war sie nie im Besitz desselben, s. Strnadt, Arch. Ztschr. VIII
S. 100. Auch das Prädium Ennsburg scheint vor 1052 wieder verloren ge-
gangen zu sein; in der Besitzbestätigung Heini'ichs III. v. d. J., ÜB. d. L.
o. Enns II S. 87 Nr. 68 wird es nur als vertauscht erwähnt.
^ ÜB. v. St. Polten S. 3 Nr. 2 : Treisimam civitatem s. Ypoliti martiris
ea integritate ut quondam b. m. Adalbertus episcopus sub Purchardo Mar-
chione in sua tenuit uestitura, s. über das Aktenstück unten S. 168 Anm. 2.
'^ Über ihn Dümmler, Piligrim v. Passau und das Erzbist. Lorch. 1854.
Schrödl, Passavia sacra. 1879 S. 77 ff.
- Vita I Godeh. 6 Scr. XI S. 172 not. b. Hier heißt er nepos Fried-
richs. Dümmler zeigt, daß es nicht unmöglich ist, daß er ein Sohn Sigi-
hards und demnach ein echter Neffe Friedrichs war, Piligrim S. 31.
4 Vit. Godeh. 1. c.
5 Vita II Godeh. 3 Scr. XI S. 199 läßt die Benediktinerregel nur fast
11*
_ 164 —
zur Erhaltung von zwölf Brüdern. Doch hielten sich diese tüchtig :
wenigstens ihre Schule genoß ein gewisses Ansehen. Groß war sie
nicht; sie hatte, wie es scheint, einen einzigen Lehrer, den Priester
Oudalgis^. Aber dieser war für seinen Bemf geschaffen; der bai-
rische Adel hatte Vertrauen zu ihm, er übergab ihm gerne seine
Söhne zm' Erziehmig. Man kann nicht sagen, daß sie von Oudal-
gis streng klösterhch gehalten wurden: es blieb ihnen unverwehrt,
sich an Pferden, Schmuck und kostbaren Kleidern zu ergötzen.
Es würde wohl dazu passen, wenn Piligrim in seiner Schule die
Freude an den nationalen Sagen und Gesängen sich erhalten hätte,
die mit Recht oder Unrecht die Folgezeit ihm zuschrieb-. Auch
nachdem PiHgrim der Schule entwachsen war, blieb er in Nieder-
altaich^ bis er im Jahre 971 das Bistum Passau erhielt. Er ver-
dankte es dem Fürwort Friedrichs^.
Kein gleichzeitiger Schriftsteller gibt uns ein Bild von der
Persönlichkeit Piligrims. Sie rühmen ihn; aber die Eigenschaften,
die sie hervorheben. Verstand und Gelehrsamkeit ^ sagen nichts
über seine Individualität. Noch weniger vermögen wir uns eine
Vorstellung von den Zügen seines Antlitzes zu machen. Und doch
ist sein Bild nicht ähnlich verschwommen und unbestimmt wie das
manches anderen Zeitgenossen; denn scharf und klar enthüllen sich
die Züge seines Geistes in seinem Handeln. "Wenn eine spätere
AufeeJchnung ihn bewunderjid einen großartigen und heiligen Mann
nennt, der die Kirche kräftig leitete, und was die Barbaren ein-
genommen und verwüstet hatten, mit großem Geiste wieder her-
stellte®, so sprechen diese Worte in einer Hinsicht treffend den
100 Jahre in Altaich beobachtet werden. Danach würde die Umwandlung
noch in die Lebenszeit Ludwigs d. Fr. fallen. Jedoch war Altaich sicher
i. J. 864 noch Abtei, s. d. Urk. Ludwigs d. D. B.M. 1414. L J. 905 nimmt
Ludwig IV. eine Restitution entfremdeten Klosterguts vor, ib. 1973. In die
Zwischenzeit scheint die Umwandlung zu fallen.
1 Über Oudalgis s. vit. I Godeh. 2 S. 171. Sicher ist es freilich nicht,
daß er Piligrims Lehrer war.
^ Nach der Klage hat Piligrim ein lateinisches Nibelungenlied auf-
zeichnen lassen, v. 4675. Doch urteilt Scherer, Gesch. d. deutschen
Litterat. S. 731, die Nachricht habe nicht die geringste Gewähr der Glaub-
würdigkeit.
3 In dieser Zeit wird er mit Godehard befreundet worden sein. Wolf-
her läßt ihn priscae fraternitatis dilectione Godehard und seinen Lehrer
Oudalgis freundlich in Passau aufnehmen, 1. c. 6 S. 172 not. b.
* Vit. Godeh. 6 S. 172 not. b: Ipsius adiuvamine.
"^ Othloh vita Wolfk..l4 S. 531, Arnold de s. Emmer. II, 2 S. 556.
« Notit. de episc. Patav. Scr. XXV S. 624.
— 165 —
Eindruck aus, den Piligrims Handeln hervorbringt. Was Groß-
artigkeit der Pläne anlangt, hatte er seinesgleichen nicht viele unter
seinen bischöflichen Zeitgenossen. Dabei eignete ihm die Gabe
des großen Mannes: die Möglichkeiten, die in der Situation liegen,
klar zu erkennen und kräftig zu wollen; seine Gedanken wiesen
dem deutschen Volke zukunftsreiche "Wege. Aber das, was Piligrim
charakterisiert, ist in jenen Worten nicht ganz ausgesprochen. Denn
seine Pläne dienten nicht nur der Sache: es war eine Ader persön-
hchen Ehrgeizes in diesem Bischof. Er selbst wollte groß sein,
und die Kirche des heiligen Stephan, der er vorstand, sollte groß
werden. In diesen Gedanken lebte er, und er war der Mann, sie
zu verwirkhchen : wie wahrhaft großes Streben und hochfliegender
Ehrgeiz, so waren kühle Berechnung und phantastische Hoffnungen
bei ihm vereinigt. Gleich allen Sanguinikern wai^ er geneigt, in
der Freude über den Erfolg den Erfolg zu hoch zu schätzen ; seine
kühne Zuversicht malte ihm das ferne Ziel als leicht erreichbar
vor Äugend Aber er täuschte sich deshalb nicht über das reale
Gewdcht der einander entgegenstehenden Mächte, mit denen er
rechnen mußte, um etwas zu erreichen. In dem Widerstreit des
Königtums und des bairischen Herzogtums zweifelte er nicht einen
Moment, auf welche Seite er sich zu stellen habe: schon bei der
Verschwörung von 974 bewies er sich als zuverlässig-. Noch wert-
voller war seine Treue, als 976 und 977 der Kampf zwischen Otto
und Heinrich wirklich ausbracht Es ist gewiß, daß ihn die
Tradition seiner Familie auf die kaiserHche Seite wies*; aber sicher-
lich hat er auch bedacht, daß sie die stärkere Seite war. Hatte er
im Moment der Gefahr Treue gehalten, so wußte er nach dem
Sieg seine Treue sich lohnen zu lassen. Das Jahr 975 brachte
ihm die Bestätigung des Besitzes von Kremsmünster, das seine
Vorgänger, me es scheint, okkupiert hatten **. Im nächsten Jahr
^ So viel ergibt sich, wie mich dünkt, aus seinem Bericht an Papst
Benedikt über die Mission unter den Ungarn, Uß. d. L. o. E. II S. 711
Nr. 6, vgl. u. S. 171 Anm. 2.
- In der Urkunde v..21. Juni 975 hat Otto II. suae servitutis assidui-
tatem gerühmt, Dipl. II S. 125 Nr. 111. Man sieht, daß er am Verschwörungs-
versuch von 974 unbeteiligt war.
3 S. die Urk. S. 154 flf. Nr. 137f. u. S. 189 Nr. 167.
* Auch EB. Friedrich von Salzburo und seine Verwandten werden
wegen ihrer Treue gerühmt, Dipl. II S. 15ü Nr. 134.
° Dipl. II S. 125 Nr. 111. Die Verleihung erfolgte als Bestätigung
einer schon von den Kaisern Ludwig und Arnulf vollzogenen Schenkung.
Die Urkunden, mit denen Piligrim die letztere bewies, waren aber- wahr-
— 166 -
bestätigte Otto den ganzen Besitzstand von Passau, darunter St.
Florian und St. Polten: beide Stifter scheinen mit nicht mehr
Recht an das Bistum gekommen zu sein. Außerdem verheb ihm
der Kaiser das Marienkloster vor der Stadt und einen Teil des in
Passau anfallenden Zollst Auch gab er ihm den Besitz an der
Ennsburg, auf den Bischof A4albert verzichtet hatte, vermehrt
dm'ch zehn Höfe im Orte Lorch. zurück ■•^; gerade Piligrini wird
"Wert darauf gelegt haben, an dem Orte Hen* zu sein, an dem, wie
er glaubte, sein Bistum den Ursprung genommen hatte. Es ist
wahr, diese Gaben waren Entschädigungen für die Verluste, die
dem Bistum von den Gegnern des Kaisers zugefügt worden waren.
Sie waren nicht gering: die Stadt war verwüstet, eine Menge Ort-
schaften vernichtet, der bischöfliche Besitz verheert^; aber für
augenblickliche Verluste erlangte Piligrini dauernden Zuwachs an
Besitz und Macht: der Lohn überwog den Schaden'*. So sehr er
sich mit großen Gedanken trug, so wenig vernachlässigte er doch
die kleinen Sorgen des kirchlichen Regiments: wie er sich für
die Einzelheiten der Gottesdienstordnung interessierte ^, so war er
bedacht auf genaue Regelung der kirchlichen Einkünfte: sie sollten
m'kundlich nachweisbar sein'\ Es charakterisiert ihn, daß er es
mißbilligte, wenn das Volk Zauberer und Hexen umbrachte; er
ui"teilte, man solle sie lieber durch Ermahnungen zur Buße bewegen.
Nur wenn sie das kirchliche Gericht verachteten, sollten sie dem
scheinlich von ihm gefälscht, s. Dümmler, Püigrim S. 57; Uhlirz, Mtt. d.
Inst. III S. 197. 1 Dipl. II S. 151 ff. Nr. 135, 136, 138.
- Ib. S. 189 Nr. 167. Auch die Abteien Ötting und Mattsee, die in
der Bestätigungsurkunde Ottos III., Dipl. H S. 524 Nr. 112, als passauisch
genannt werden, während sie in Ottos II. Bestätigung v. 976 S. 151 Nr. 135
noch nicht erwähnt sind, wird Passau durch piligrimische Fälschungen er-
langt haben: die Schenkungsurkunde Ludwigs IV. über Ötting, B.M. 1988,
ist von demselben Schreiber geschrieben, der auch sonst im Dienste Pili-
grims arbeitete, s. Mühlbacher, Mtt. d. Inst. 1903 S. 424 ff.
^ Durch die angeführte Urkunde 167 bezeugt.
* Doch wußte er auch zu geben: in Kremsmünster hat man an ihn
als an einen Wohltäter des Klosters gedacht (Bernh. bist. ?.. J. 971 Scr.
XXV S. 656).
^ Von Piligrini gefälschte Bulle Leos VII., J.W. 3614 vgl. Dümmler,
Piligrim S. 22, über den Gebrauch des Pax vobiscum und des Gloria in
excelsis. Eigentümlich ist die Beantwortung der Frage: Si dominiea oratio
in benedictione ciborum debet usitari, mit Nein: quia in sanctificatione
corporis et sanguinis domini hanc solummodo orationem s. apostoli decan-
tabant. War das Vater Unser als Tischgebet üblich?
" S. unten über die Festsetzung der Zehntrechte.
— 167 —
weltlichen Richter übergeben werden ^. Auch das ist bezeichnend,
daß er zwar ein Gegner der Priesterehe war, aber sich dagegen
erklärte, daß die Söhne unter der Schuld ihrer Yäter leiden müßten^.
Es liegt fast ein aufklärerischer Zug in diesen Entscheidungen.
Man begreift, daß Piligrim keine Zeit hatte, E-omreisen zu machen ^:
er war ganz auf das Wirken und Arbeiten und gar nicht auf
religiöse Empfindungen gerichtet. Rom hat er gleichwohl nicht
geringe geachtet: zwar fromme Ehrfurcht gegen die Päpste wird
man bei dem Manne nicht vermuten, der gegen den Versuch kein
Bedenken trug, sie durch erdichtete Urkunden irre za führen*. Aber
daß er dies tat, zeigt doch zugleich sehr deutlich, wie klar er die
Macht und den Einfluß der römischen Autorität erkannte.
Und was wai'en nun die Absichten dieses großen Geistes und
komplizierten Charakters?
Zuriächst ging er mit Erfolg auf der von seinem Vorgänger
beschrittenen Bahn weiter: es galt die durch die ungarischen Ver-
wüstungen an Kirchen arm gewordene Passauer Diözese wieder mit
solchen zu bereichern. Als Piligrini (iie neue Kirche zu Dietach
bei Steier weihte und ausstattete, hat er mit der Klage, daß es
auch in dem alten Teil seiner Diözese an Kirchen fehlte, nicht
zurückgehalten °. Noch mehr war in der Ostmark zu tun. Eine
wertvolle Urkunde zeigt uns den Bischof mitten in seiner organi-
sierenden Tätigkeit: es ist das Protokoll über zwei von ihm gehaltene
1 Fälschung Piligrims J.W. 3614.
* Ibid.: Intulit lamentabile et nimis lugendum, ut Domini sacerdotes
publice ducant uxores et si filii eorum valeant promoveri.
3 Brief an Benedikt S. 711.
* Es ist das Verdienst Dfimmlers, den Tatbestand der piligrimischen
Fälschungen zuerst völlig klar erwiesen zu haben. Eine wertvolle Ergänzung
seines Beweises gab Uhlirz, Mtt. d. Inst. Bd. III S. 177 flf. Durch den von
ihm geführten Nachweis des Schreibers einiger der Fälschungen ist der von
Blumberger (Arch. f. österr. Gesch. Bd. 46 S. 237 ff.) vermißte Beweis ge-
liefert, daß wirklich PiUgrim der Vater der Fabel von dem Erzbistum Lorch
war. Der Versuch Ratzingers, Piligrim zu entlasten, Forsch, z. bayj:. Ge-
schichte S. 339 ff., ist mißlungen, vgl. die abschließende Untersuchung von
Dümmler in den Berl. SB. 1898 S. 758 ff. und Uhlirz, JB. S. 96 f.
5 Urk. Altmanns v. 19. Juli 1088 (M.B. 29,2 S. 44 f. Nr. 44): Paucas
ecclesias in illis locis tunc fuisse in evidenti . . Piligrimi privilegio inueni-
mus. Auch die Ordnung des Zehntbezirks für die fünf oberösterreichischen
Taufkii'chen z. Sirnihca (Sierning im Traunkreis), Sconheringa (Schönering
bei Linz), Nardina (Naarn), Linz, Chrenginpach (?) auf der Synode zu
Mistelbach gehört hierher (M.B. 28,2 S. 88 f. Nr. 117).
— 168 —
Synoden ^. Die eine fand in der Laurentiuskapelle der Ennsburg
— das Protokoll nennt sie mit dem früheren Namen Ijorch —
die andere in der Agapetkirche des stromabwärts gelegenen Mautem
statt. Auf beiden Versammlungen handelte es sich um die Zehnt-
rechte Passaus in dem Gebiet zwischen der Enns und dem AViener
Wald, Nach Vernehmung der Bewohner beschloß man, daß sie
sämtlich dem Bistum gehören sollten; so sei es vor den Ungam-
eintällen gewesen. Es diente den Absichten des Bischofs, daß in
derselben Zeit Herzog Heinrich eine große Landesversammlung in
der Ostmark hielt, an der die Bischöfe und Grafen, Adehge unc'
zahlreiche Freie Anteil nahmen, um die Besitzverhältnisse in der
Mark zu ordnen und die Leistungen der Kirchenleute an den
Markgrafen zu regelnd Ausdrücklich wurde dabei das Recht des
Bistums auf eine Reihe von Orten bis an den Wiener Wald an-
erkannt. Man erkennt aus beiden Verhandlungen, wie weit die
kirchliche Versorgung des Landes wieder eingerichtet war. Der
hangende Stein, d. i. der Felsen, auf dem die Burg Greifenstein
1 M.B. 28, 2 S. 88.
2 UB. d. Chorh. St. Polten 1 S. 3 Nr. 2. Büdinger (Exkurs IV S. 491 ff.)
hat die Echtheit der Urkunde oder vielmehr des jüngeren Auszugs — denn
als solchen wird man die Aufzeichnung zu betrachten haben — angefochten
er sieht eine Fälschung des 12. Jahrh.'s in ihr. Dagegen verteidigt sie
Hirsch, JB. Heinrichs I S. 141 Anm. 4, und die- Herausgeber des St. Pöltener
ÜB. bemerken, daß sie sie für echt halten. Daß sie, so wie sie uns vor-
liegt zum Fassauer Gebrauch hergestellt ist, und zwar nach Piligrims Tode,
ergibt sich, wie mir scheint, aus den Wendungen inter cetera autem etc.,
antiquitus roborata, und tempore pontificatus. Die Frage ist deshalb nur,
ob ihr ein echtes Aktenstück zugrunde lag oder ob sie lediglich Erfindung
ist. Hier scheint mir die Tatsache, daß ihre faktischen Angaben großen-
teils richtig sind, für die erste Möglichkeit zu entscheiden. Doch fragt
sich, ob sie als treuer oder als verunechteter Auszug zu betrachten ist.
Unbedenklich scheint mir die Befreiung der familia s. Stephani ab omni
iugo marchionis, an der Büdinger Anstoß nahm; denn die Urk. von 985,
in der den freien Kolonisten auf Passauer Grund dieselbe Exemption wie
den eccles. servi zugesagt wird (Dipl. II S. 420 Nr. 21), bestätigt, daß die
letzteren sie hatten. Sodann die auf St. Polten bezügliche Stelle; denn
die Annahme, daß Adalbert das verlassene Kloster okkupiert hatte, und daß
Piligrim durch falsche Urk. eine Rechtsbasis für den Besitz schuf, liegt
sehr nahe. Dagegen ist die Angabe über den Besitz interpoliert. Das er-
gibt der Vergleich der echten Urkunden B.M. 1319 und Stumpf 2432, sowie
der Fälschung B.M. 753 mit unserem Auszug. Immerhin ist nach B.M. 1319
u. Stumpf 2432 richtig, daß der Passauer Besitz usque in cacumen montis
Comageni reichte. Danach wird man auch die Angabe, er habe an der
Donau bis Greifenstein gereicht, nicht zu bezweifeln haben.
_ 169 —
über der Donau erbaut ist \ war der östlichste Punkt ; von da
bildete der Kamm des Wiener Waldes die Grenze. Auch das
nördliche Ufer des Flusses scheint wieder besetzt worden zu sein :
während der Kamp^ahre hatten sich vereinzelte Haufen von
Tschechen in dies Gebiet eingeschoben; jetzt wichen sie den Deut-
schen wieder.
Die politische Grenze der Ostmark blieb lange der Wiener
Wald; erst im Jahre 1043 wurde sie bis an die March und die
Leitha vorgeschoben. Damals traten die Ungarn die letzten Land-
striche westlich dieser Flüsse ab ^. Die deutsche Kolonisation und
ihr folgend die Kirche hatte sich jedoch schon vorher in dieses
Gebiet gewagt. I. J. 1002 vergab Heinrich H. Grundbesitz östlich
des Wiener Walds; später erhielt das Kloster Tegernsee fünf
Königshufen in derselben Gegend, und in der gleichen Zeit das
Erzstift Salzburg sechs Höfe am Ursprung der Fischach oberhalb
Wiener Neustadt ^ Es standen dort noch die Mauern einer alten
Kirche*. So traf man hier überall auf die Fiißstapfen der Vor-
fahren. Nicht minder scheint auf dem linken Donauufer die kirch-
hche Arbeit sich glücklich entwickelt zu haben: dort arbeitete das
Kloster Niederaltaich an der Donau Tulln gegenüber ^ Doch wird
die Hauptarbeit dem Bistum zugefallen sein: König Konrad IL
gewährte ihm den Zehnten in allen schon bestehenden und in der
Folge noch entstehenden Ortschaften nördlich der Donau**.
Wie die Zustände sich gestalteten, davon gibt die Geschichte
von der Ermordung Cholomanns, eines irischen Jerusalempilgers,
eine anschauhche Vorstellung '. Sie spielt im zweiten Jahrzehnt
nach Piligrims Tod in der Nähe von Molk. Die Bevölkerung war
rein deutsch; sie haßte die Tschechen, wie die Ungarn; denn sie
litt unter den Räubereien beider Nachbarn. Besonders war die
Furcht vor neuen Einfällen der Ungarn noch keineswegs vorüber.
^ Die Deutung des hangenden Steins nach Büdinger I S. 494.
2 Ännal. Ältah. z. d. J. S. 37. Herim. Aug. chron. S. 124.
3 Dipl. III S. 25 Nr. 22; S. 637 Nr. 423 u. 552 Nr. 431, beide v. 1020.
* übi vetustissimi antiquitus constructae aecclesiae adhuc manent muri.
B Bei Oberabtsdorf u. an der Schmieda, s. Dipl. in S. 264 Nr. 229 v.
1011 u. S. 518 Nr. 404 v. 1019. « Stumpf 1900, v. 4. Dez. 1025.
' Die Ermordung des Kelten wird von Thietmar VIII, 76 S. 239 kurz
berichtet. Mit seinen Angaben stimmt im wesentlichen die von einem
etwas jüngeren Verfasser geschriebene passio überein, Scr. IV S. 674, s.
über die letztere Wattenbach, GQ. II 6. Aufl. S. 318. Der Vorgang selbst
ist ohne Bedeutung. Um so erwünschter sind die Andeutungen über die
Zustände in der Ostmark.
~ 170 —
Auf jeden fremden Wanderer, der von Osten kam oder nach Osten
zog, riclitete sich der Argwohn, er sei ein Späher der Feinde. Was
man fürchtete, glaubte man leicht und dann kannte man keine
Schonung: man wußte nur zu gut, daß man sich der Ungarn nur
durch Gewalt und Schrecken erwehren könne. Trotz der mangeln-
den Sicherheit war das Land wieder ziemhch dicht bevölkeii. Auch
fehlte es in den Dörfern nirgends an Kirchen: die eine oder die
andere war kaum vollendet oder Avurde eben gebaut^, andere, wie
St. Peter in Molk, wurden längst benutzt: wurden Prozessionen
gehalten, so war der Klerus, der die Heiligtümer geleitete, kaum
weniger zahlreich als anderwärts: mit einem Wort, die Verhält-
nisse in der Ostmark wurden rasch denen im übrigen Deutschland
ähnlich.
Die Tätigkeit, in der Piligrim stand, und die offenkundigen
Erfolge, die er hatte, konnten gewöhnlichem Ehrgeiz genügen.
Aber sein Streben ging über das gewöhnliche Maß hinaus. Es
war kühn, aber es war auch klug, daß er, während der Schrecken
vor den Ungarn kaum überwunden war, die Bekehrung dieser
Barbaren ins Auge faßte.
Eine Bewegung bei den Ungarn selbst kam ihm dabei ent-
gegen. Nachdem die Siege der Deutschen in den Jahren 943 und
955 ihnen Deutschland verschlossen hatten, scheiterten sie im Jahre
970 auch bei einem Zug gegen KonstantinopeP. Die lange von
ihnen bedrängte Kulturwelt in Ost und West erwies sich schließ-
lich doch mächtiger als die Kräfte der Barbarei. Für die Ungarn
stand in diesem Moment alles auf dem Spiel. Das energische
Vorrücken der Deutschen an der Donau, wie an der Mur und der
Drau zeigte, daß, nachdem die Kraft ihres Ansturms gebrochen
war, sie auf einen Angriff im eigenen Lande gefaßt sein mußten.
Diese Gefahr konnte nur vermieden werden, wenn die lose zu-
sammenhängenden Stämme der Ungarn sich zu einem fester ge-
fügten Gemeinwesen zusammenschlössen, und wenn dieses es ver-
mochte, den Übergang von heidnischer Barbarei zu christlicher
Kultur freiwillig zu beginnen, ehe ein deutscher oder griechischer
Eroberer sie ihm aufewang.
^ C. 7. Eine Parallele hierzu ist die Errichtung der 5 Püirreien Her-
zogenberg bei St. Polten, Krems, Sigemaresweret, Tuln extra civitatem
und Outcinesseuue i. J. 1014. Heinrich IL schenkte zur Begründung einer
jeden einen Bauplatz und je einen königlichen Mansus, Dipl. EI S. 397
Nr. 317.
- Georg. Cedren. Histor. comp. II S. 384 f. (ed. Becker), s. Dümmler,
Piligrim S. 35.
— 171 —
Dieser Übergang war im letzten Viertel des zehnten Jahr-
hunderts nicht mehr so unmöglich wie am Anfang desselben. Denn
in fast unmerklichem Werden waren die ersten Vorbedingungen
dafür entstanden. Reste der von den Ungarn niedergetretenen
Slaven waren im Lande geblieben; sie hatten sich mit den Ungarn
vermischt, sie hatten angefangen, die schweifenden Räuber an feste
Wohnsitze, selbst an den Bau des Ackers zu gewöhnend Jeder
Raubzug führte Scharen von Kriegsgefangenen in das Land; trotz
ihres elenden Loses mußten sie mancherlei Kulturelemente zu den
Siegern bringen, und bei der Menge der Gefangenen konnten diese
nicht leicht wieder verloren gehen ^. Endlich bildete sich nach
und nach eine Art politischer Beziehungen zwischen Deutsclüand
und Ungarn: daß Herzog Arnulf in seinem Exil. Aufnahme bei
ihnen gefunden hatte, kann als der erste Schritt dazu betrachtet
werden.
Unter den ungarischen Fürsten war es der Herzog Geisa, der
den Gedanken ergriff, sein Volk auf die Bahn staatlicher Gestaltung
zu führen. War das aber möglich ohne Annahme des Christen-
tums? Man hat Grund anzunehmen, daß Geisa sich diese Frage
vorlegte und daß er sie verneinte, denn er vermählte sich mit einer
chi'istlichen Fürstin °, er suchte Anlehnung an das christliche Nach-
barreich, wenigstens einen sicheren Frieden mit ihm*. Man erkennt
den ganzen Umschwung der Lage aus der Tatsache, daß im Jahre
^ Krones S. 186 bemerkt, die Sprache beweise, daß die Ungarn das
landwirtschaftliche Leben von den Slavea kennen lernten.
- Piligrim v. Passau urteilt, daß in Ungarn die gefangenen Christen
zahlreicher seien als die Ungarn selbst, Brief an Bened. S. 711. Die Echt-
heit dieses Briefs ist von Blumberger beanstandet, Arch. f. ö. Gesch. 46
S. 249 ff. Seine Gründe scheinen mir jedoch nicht durchschlagend: der
hauptsächlichste, daß der Brief immer nur in Gesellschaft der unechten
Lorcherbullen auftrete, spricht im Gegenteil für die Echtheit, da die falschen
Bullen von Piligrim stammen. Daß der Brief über die Bekehrung der
Ungarn Unwahres berichte, halte ich für unrichtig (s. u.); daß er Konflikte
mit Friedrich von Salzburg zur notwendigen Folge gehabt hätte, ließe sich
nur behaupten, weüu der Papst, durch ihn bestimmt, die Rechte Salzburgs
beeinträchtigt hätte. Da das letztere nicht geschah, mußte auch das
erstere nicht geschehen. Die sonderbare Eingangsformel spricht oflenbar"
mehr für die Echtheit als gegen sie. Kein Fälscher erregt durch un-
gewöhnliche Formeln Verdacht gegen sein Werk. Endlich der offenbare
Widerspruch mit Piligrims Charakter ist eine petitio principii. Vgl. Dümm-
1er, SB. S. 768.
= Schon vor 970, s. Kaindl, Beiträge S. 11 f. u. 39 ff.
1 Vit. mai. Steph. c. 2 Scr. XI S. 230.
— 172 —
973 ungarische Gesandte mit Geschenken füi- den Kaiser am deut-
schen Hof erschienen \
Damit war dem Eindringen des deutschen Einflusses in Ungarn
die Türe geöffiiet; zugleich dem Eindringen des Christenturas. Denn
nun wurde den christUchen Priestern keine Schwierigkeit in den
Weg gelegt, wenn sie das feindliche Land betraten, um ihre ge-
fangenen Glaubensgenossen aufzusuchen -. In Deutschland traf
man auf den verschiedensten Seiten sofort Anstalt, die neue Lage
auszunützen. Es ist begreiflich, daß der Bischof der Grenzdiözese
die Veränderung im Moment bemerkte; aber auch da und dort in
den Klöstern erzählte man von dem, was im Osten vorging, und
mancher Mönch rüstete sich, das friedliche Einerlei der klöster-
lichen Existenz mit einem Leben voll unbekannter Gefahren und
unberechenbarer Mühen zu vertauschen. Nicht minder wußte man
am Hofe die Wichtigkeit der Sache zu ermessen. Es war eine
der ersten Taten Ottos U., daß er den Bischof Brun von Verden
an der Spitze einer Gesandtschaft nach Ungarn schickte. Der
Brief, durch welchen er Piligrira aufforderte, seinen Boten auf alle
Weise zu fordern, ist auf uns gekommen^. Wenn Otto bei der
Sendung Bruns zunächst politische Ziele im Auge hatte*, so her
* Ann. Hildesh. z. d. J. S. 23.
^ Piligrim in dem angef. Brief: Nee sacerdotibus inhibent quocunque
proficisci.
'^ Dipl; I S. 586 Nr. 434. Das kurze Schreiben ist undatiert und nicht
sicher datierbar. Der Amtsantritt Piligrims 971 und der Tod Bruns 976
grenzen den Zeitraum ab, dem es angehört. Aber ob der Kaiser Otto I.
oder Otto II. ist, ist nicht sicher zu entscheiden. Die Schlußworte: Si
prosperabitur, vobis vestrisque Omnibus admodum consuletur, scheinen anzu-
deuten, daß Piligrim damals bereits Priester nach Ungarn entsandt hatte.
Denn denkt man nicht an Untergebene Piligrims in Ungarn, so hat der
Satz keinen rechten Sinn: Friede bestand ja; weder die Diözesanen noch
der Klerus von Passau hatten also von dem Gelingen der Sendung großen
Gewinn zu erwarten. Dagegen war dies bei Priestern, die unter den Un-
garn wirkten, allerdings der Fall. Piligrim hat sofort nach seinem Amts-
antritt die Tätigkeit in Ungarn begonnen (s. u. S. 175 Anm. 2). Ea konnte
also schon unter Otto I. von seinen Klerikern in Ungarn die Rede sein.
Aber gerade deshalb ist es nicht wahrscheinlich, daß die kaiserliche Ge-
sandtschaft nach Ungarn der ungarischen an den Hof vorherging. Ist das
Umgekehrte der Fall, dann ist die Reise Bruns frühestens im Sommer 973
begonnen. Es ist mir deshalb wahrscheinlicher, daß der Brief Otto II. als
daß er Otto I. gehört.
* L. c. Nobis illuc erit delegandus, quo rex eorundem nostro quam
propere arbitrio sit colligandus.
— 173 -
rührte sich doch damals das PoHtische und das Kirchliche so enge.
daß jede Gesandtschaft aus einem christhchen Lande in ein nicht-
christliches von selbst eine Förderung der Mission mit sich brachte.
Sie aber war schon im Werke, als Brun den Boden Ungarns be-
trat. Alsbald nach seinem Amtsantritt hatte Piligrim christliche
Priester nach Ungarn gesandte Der Kaiser wußte es; wenn er
in seinem Brief bemerkt, aus der Sendmig Bruns würde dem
Bischof Piligrim und den Seinen großer Nutzen erwachsen, so sieht
man, daß er das neue Missionsunternehmen im Auge hatte. Es
wurde durch zahlreiche Kleriker, sowohl Mönche als WeltgeistHche,
betrieben. Nach kurzer Zeit begab sich Piligrim selbst zu den
Ungarn^. Was er dort sah, erfreute ihn auf das höchste. Denn
er traf eine viel gi'ößere Bereitwilligkeit, die christliche Religion
anzunehmen, als er sie bei einem Volke erwarten konnte, das bis
vor kurzem der Schrecken Europas gewesen war. Bereits waren
ungefähr fünftausend Ungarn, Männer und Frauen, getauft; das
^ Brief Piligrims an Papst Benedikt S. 711. Ich stimme dem Urteil
Dümmlers (Piligrim S. 39£, ähnlich Uhlir^ S. 95) nicht vollständig bei. Ge-
wiß hat Piligrim die Verhältnisse möglichst günstig gezeichnet; aber die
tatsächlichen Angaben sind nicht unmöglich oder auch nur unwahrschein-
lich. Die Hauptsache ist die Taufe von ungefähr 5000 Ungarn: wenn man
diese Zahl etwa an den Erfolgen Ottos von Bamberg mißt, so erscheint sie
mäßig. Von dem Volk als solchem behauptet Piligrim nicht mehr, als daß
es bereit sei, den Glauben anzunehmen. Nicht einmal dies erscheint ange-
sichts der Haltung Geisas und der späteren Ereignisse als unbegründet.
Die Aussagen Brunos in der Biographie Adalberts scheinen mir nicht zu
widersprechen. Bruno setzt ja die Tatsache als bekannt voraus, daß das
Christentum der Ungarn schon vor Adalbert begonnen hatte (c. 23 S. 607 :
Coepta erat). Er behauptet nur, daß es mehr Name als Wahrheit gewesen
sei. Das widerspricht wohl Piligrims günstiger Beurteilung seiner Erfolge,
aber nicht diesen Erfolgen selbst. Vgl. jetzt Dümmler, SB. S. 768.
- Die Anknüpfung der Beziehungen zwischen Passau und Ungarn
fand statt unmittelbar nach der Herstellung eines sicheren Friedensstandes :
Apud quam, sagt Piligrim in seinem Brief an Benedikt, foedere pacto sub
occasione pacis fiduciam sumpsimus operam exercere praedicationis. Man
wird annehmen dürfen vor der Reise der ungarischen Gesandten an den
Hof; denn daß sie Geschenke brachten, setzt den Abschluß des Friedens
voraus (vgl. oben S. 172). Daß Piligrim persönlich sich nach Ungarn begab,
sagt er im folgenden: Ad quos praesentis opportunitas temporis ire me
vocavit. Der Einwand von Uhlirz, JB. 1 S. 95, der Satz müsse in über-
tragenem Sinne verstanden werden, ist nicht überzeugend. Denn auch
S. 712 betrachtet Piligrim persönliche Tätigkeit als selbstverständlich: ut
tot parrochias solus praedicando circumeam.
— 174 —
übrige Volk zeigte keine Abneigung gegen das Christentum und
seine Bekenner; besonders aber bewiesen sich die zahllosen Kriegs-
gefangenen, die in den Ebenen an der Donau und Theiß ange-
siedelt waren, sämtlich als Christen. Hatten sie bisher ihre Religion
nicht öffentlich ausüben, ihre Kinder nur insgeheim taufen können,
so sammelten sie sich nun jubelnd um die deutschen Priester; sie
begannen sofort Kapellen zu bauen: es war ihnen, als wären sie
aus der Gefangenschaft in die Heimat zurückgeführt worden^.
Piligrira berichtete über seine raschen Erfolge nach Rom. Man
kann sich nicht wundern, daß er die Verhältnisse in einem sehr
günstigen Licht erblickte. Doch verhehlte er nicht, daß ein Teil
des Volkes den Schritt aus dem Heidentum zum Christentum noch
nicht getan hatte". Urteilte er, das Volk als solches sei geneigt,
den Glauben anzunehmen, so hat er sich darin nicht getäuscht.
Jedenfalls war durch sein energisches Eingreifen die dargebotene
Gelegenheit sofort benützt. Das Christentum begann von neuem
in einem Lande Fuß zu fassen, wo zahlreiche Reste christlicher
Kirchen'^ Zeugnis davon gaben, daß seiner heidnischen Periode
eine christliche vorangegangen war. Daß das Christentum der
Ungarn sehr unvollkommen war, berichten nicht nur spätere Zeugen*;
Piligrim selbst täuschte sich darüber keineswegs'^. LTnd wie hätte
es auch anders sein können?
Piligrims Vorgehen machte Aufsehen. Es zog Männer, welche
gewillt waren, Großes zu wagen, an. Zu ihnen gehörte der Schwabe
Wolfgang, der alsbald unter dem deutschen Episkopat eine hervor-
ragende Stelle einnehmen sollte ''. Wechselvolle Jahrzehnte lagen
^ Nach Piligrims Brief.
^ A. a. 0.: Quorum licet adhuc gentilitate sint quidam detenti. Auch
in der gefälschten Bulle Agapets II. unterscheidet er, qui modo Christiani
vel adhuc per baptisma Christo lucrandi sunt (J.W. 3644).
^ Piligrim läßt J.W. 2566 Eugen IL die Avaren und Mähren auf-
fordern, da neue Bistümer zu gründen, ubi indicia ecclesiarum et aedifi-
ciorum sedes pontificales olim fuisse demonstrant. Diese Schilderung des
Landes wird auf der Anschauung beruhen, die Piligrim auf seiner Reise
nach Ungarn gewonnen hatte. In einer andei-en Fälschung sagt er: Eccle-
sias quasdam in sua terra, quas patres incendio dederunt, posteri restaurare
videntur (J.W. 3771). * Brun. vit. Adalb. 16 u. 23 S. 603 u. 607.
s J.W. 3771: Christum prout rüdes scire potuerunt, veuerantur.
« Über Wolfgang: Arnold de S. Emmer. II, Iff., Scr. IV S. 556 ff.; Othl.
Vit. Wolfk. ib. S. 527 ff.; vgl. Hirsch, JB. Heinrichs I S. 112 ff., Janner, Bisch.
V. Regensburg I S. 850 ff., Kaindl, Beiträge S. 54ff., u. meinen Art. P. RE.
XVII S. 286 ff.
— 175 —
hinter ihm, seitdem er die Schule in Reichenau verlassen hatte:
er hatte als Schüler in Würzburg und als Lehrer in Trier seine
Pflicht getan und war dadurch in Konflikt mit anderen gekommen.
Er hatte dann mit der Laufbahn gebrochen, die ihm eine nützliche
Tätigkeit und einen geachteten Namen verhieß, und war in das
Kloster eingetreten, das sPch ihm durch die Strenge seiner Disziplin
vor andern empfahl, Maria Einsiedeln. Es Avar gegen die kirch-
hche Ordnung, daß er das Kloster wieder verließt Aber der
Mönch Arnold mag wohl recht haben, wenn er Wolfgang unter
dem Eindruck handeln läßt, er lasse sein Pfund ungenützt, indem
er in der Einöde am Alpbach sich gewissermaßen vergrabe. Er
wollte Nutzen schaffen: deshalb entschloß er sich zur Missions-
tätigkeit in Ungarn". Es war wieder gegen die kirchhche Ordnung,
daß er es versuchte, auf eigene Hand einen "Wirkungskreis sich zu
schafien. Ohne mit dem bischöflichen Leiter der Mission in Be-
ziehungen zu treten, begann er, nur von einem oder, ein paar
Klerikern begleitet^, in Ungarn zu predigen.
Das spätere Leben Wolfgangs schützt ihn vor jedem Verdacht
der Extravaganz. Aber es ist doch nicht zu leugnen, daß seine
Handlungsweise den Argwohn nahe legte, er gehöre zu jenen un-
ruhigen Priestern, die unfähig in geordnete Verhältnisse sich zu
fügen, auf eigene Hand Mission trieben und dadurch der Aus-
breitung der Kirche mehr Schwierigkeiten als Förderung bereiteten.
Die Vermutung lag um so näher, da Wolfgang nicht gerade zum
Missionar geschaffen war: er war ein trefllicher Lehrer, aber er war
kein Redner: nur stockend Bossen ihm die Worte von den Lippen*.
Es ist deshalb sehr begreifüch, daJJ Pihgrim, der sich als
Leiter der Ungarnmission fühlte, die Tätigkeit Wolfgangs alsbald
^ Arnold verteidigt Wolfgang gegen einen möglichen Vorwurf des
Lesers, indem er sagt: Monasterium et non monachum deserens (c. 1 S. 556).
Otbloh genügte das nicht; er fügte bei«: Abbatis sui licentia (c. 13 S. 530).
Aber der Abt hatte nicht das Recht, eine solche Erlaubnis zu erteilen.
- Die Zeit der Reise steht dadurch fest, daß Wolfgang alsbald nach
Passau vorgeladen und nach kurzem Aufenthalt daselbst Bischof von Regens-
burg wurde. Da seine Erhebung in den Dezember 972 fällt, so seine Reise
in das Frühjahr oder den Sommer dieses Jahrs. Und da Piligrim damals
bereits in Ungarn tätig war — nur dann ist die Citation verständlich — ,
so folgt, daß der Passauer Bischof wahrscheinlich schon 971 die Ungarn-
mission begann: also unmittelbar nach seinem Amtsantritt.
^ Arnold sagt: Cum humili comitatu.
^ Othl. c. 28 S. 538: Erat impeditioris linguae.
— 176 —
unterbrach^. Er forderte ihn nach Passau. Die persönhche Be-
rührung mit Wolfgang beseitigte seinen Argwohn sofort. Und es
ist nun ein Beweis für den großen Sinn Pihgrims, daß er das
Unrecht seines Verdachtes dadurch sühnte, daß er den Mönch für
das eben erledigte Regensburger Bistum empfahlt
Wolfgang war schwerlich der einzige, der in diesen Jahren
meinte, in Ungarn ein Feld für seine Tätigkeit zu finden. Von
einer etwas späteren Zeit wissen wir, daß Adalbert von Prag zuerst
Sendboten zu den Ungarn schickte, dann sie selbst aufsuchte ^
^ Über die Erfolge Wolfgangs ist die Überlieferung zwiespältig. Oth-
loh entnimmt der verlorenen ältesten Biographie die Notiz, regem gentem-
que Ungariorum ad sacram fidem convertisse necnon baptizasse, prol.
S. 525, aber er verwirft sie, da sie der Regensburger Tradition widerspreche.
Er selbst läßt Wolf gang vergeblich arbeiten, c. 13 S. 530. Die gleiche Be-
hauptung legt Arnold Piligrim in den Mund II, 2 S. 557. Kaindl S. 54 ff.
lehnt die letzteren Berichte ab, hält die Nachricht der verlorenen Vita für
zuverlässig und bezieht sie auf Geisa. Die Taufe dieses Fürsten i. J. 972
würde sich in die bekannten Ereignisse widerspruchslos" einfügen. Aber
die Entstehung der Regensb. Tradition wäre rätselhaft, während die Nach-
richt der verlorenen Vita sich aus der Haltung der Heiligenleben überhaupt
erklärt. Auch findet jene in Piligrim s Brief eine Stütze, der über die
Taufe des Herzogs schweigt. Ich glaube deshalb nicht, daß man berechtigt
ist, die letztere anzunehmen. Ob aber Wolfgang so ganz erfolglos arbeitete,
wie Othloh annimmt, muß man dahingestellt sein lassen. Hier macht
gerade Piligrims Schilderung gegen seine Nachricht bedenklich.
- Ich beurteile Piligrims Vorgehen günstiger als Dümmler. Er sieht
darin zunächst die Absicht, keinen anderen die Früchte und den Ruhm der
Mission ernten zu lassen, um sie ausschließlich sich selbst vorzubehalten
(Piligrim S. 37). Ich glaube, daß Wolfgangs Bedeutung hierbei überschätzt
ist. Denn da er nur Priester war, so war er für den Bischof ein ungefähr-
licher Konkurrent. Sein Auftreten aber verstieß so sehr gegen die kirch-
lichen Regeln, daß Piligrim nicht nur berechtigt war, ihn vorzuladen —
das sagt auch Dümmler — , sondern daß er dazu verpflichtet war. Der
Ruhm, den Wolfgang als Lehrer besaß, konnte ihn nicht davor schützen,
daß man nach der Berechtigung seines Verhaltens fragte. Ist dies richtig,
dann wird auch die Befürwortung der Ernennung Wolfgangs zum Bischof
in einem günstigeren Lieht ei'scheinen: sie war nicht die Beseitigung eines
Nebenbuhlers, sondern die Erhebung eines Gesinnungsgenossen. Auch
Regensburg hatte ja seinen Missionssprengel. Für Piligrims weiter reichende
Pläne aber, wenn er sie damals schon hatte, konnte es nur förderlich sein,
wenn er dankbare, ihm persönlich verpflichtete Gesinnungsgenossen unter
den bairischen Bischöfen hatte.
3 Brun. Vit. Adalb. 16 S. 603 u. 23 S. 607. Der Missionsversuch fällt
wahrscheinlich nach seiner Rückkehr nach Prag, 992.
— 177 —
Nach ihm hat Bnin von Querfurt jahrelang unter ihnen gewirkt^.
Vielleicht begann auch jener Bischof Prunwart, der aus deQi Kloster
St. Gallen hervorgegangen war, schon damals seine Tätigkeit im
Osten ^. Das alles sind nur NachrichtenspHtter ; sie zeigen aber,
wie mancher Mann seine Aufmerksamkeit dem Yolke zukehrte, das
mit einem kühnen Schritt aus der Barbarei in das Christentum
hinüberzutreten entschlossen schien.
Was Pihgrim bisher unternommen hatte, war groß gedacht
und in nicht gemeinem Sinne ausgefiihrt. Aber der Erfolg wurde
ihm zur Versuchung. Er urteilte mit Recht, daß die Vollendung
des begonneriCn Werkes nicht möghch sei ohne die Gründung
eigener ungarischer Bistümer^, Sollte er nun auf den Ruhm der
erfolgreich unternommenen Arbeit, auf die weitere Ausdehnung
seiner Diözese verzichten, um diese Einrichtung möghch zu machen?
Wolfgang von Regensburg hat einige Jahre später so gehandelt.
Aber dazu ivar Piligrim nicht fähig. Ihn ergriff der Wunsch, selbst
die kirchliche Organisation Ungarns durchzuführen. Die Voraus-
setzung dafür aber war, daß Passau als Metropole an die Spitze
des ungarischen Missionsgebiets trat. Der Gedanke lag nahe: noch
war kein Jahrzehnt vei-flossen, seitdem das Kloster in Magdeburg
von der Diözese Halberstadt abgezweigt und als Erzbistum an die
Spitze des slavischen Missionsgebiets gestellt worden war*. Warum
sollte im Süden unmöglich sein, was im Norden geschah? Und
der Gedanke war sachgemäß: die passauer Diözese war groß und
reich genug, um Trägerin der Ungarnmission zu werden. Sie konnte
im Süden das werden, was Magdebm-g im Norden war. Kirchliche
Interessen wären durch die Neuerung nicht verletzt worden, und
daß sie den staatlichen Interessen Deutschlands den höchsten
^ Brun begab sich im Herbst 1004 zu den schwarzen Ungarn und be-
fand sich im Spätjahr 1007 am Hofe Stephans, Vit. quinq. fratr. 10 Scr. XV
S. 726, Bf an Heinrich U. bei Giesebrecht H S. 667; vgl. Kaindl, Hist. JB.
XIII, 1892 S. 493 ff., u. Beiträge S. 7 f., über Bruns Leben, Pfülf in Stimmen
aus Maria Laach Bd. 53 S. 266 ff.
- Necrol. s. Galli z. 2. Febr.: Obitus Prunwarti episcopi, iste s. Galli
servus erat et plurimos Ungariorum cum rege ipso convertit. Die Nachricht
ist in allen ihren Teilen rätselhaft. Kaindl, Beiträge S. 61, denkt an die
Bekehrung einer Anzahl gefangener Ungarn.
* Bf an Papst Benedikt. Da dieser am 19. Jan. 973 konsekriert und
im Juli 974 getötet wurde, so steht die Zeit des Schreibens im allgemeinen
fest. Die Piligr. Arbeit J.W. 3771 macht es wahrscheinlich, daß es in den
Sommer 973 gehört, s. Dümmler S. 54 f.
* S. o. S. 122 ff. u. vgl. Dümmler, Piligrim S. 46.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 1^
— 178 —
Nutzen gebracht hätte, wer möchte daran zweifehi? Sie hätte den
Einfluß des Reichs auf Ungarn für immer sicher gestellt.
Aber es war kein Herrscher da, der Piligrims Gedanken mit
so klarem Sinn ergriiffen und mit so steter Kraft durchgeführt
hätte, wie Otto I. die Erhebung Magdeburgs. Vielleicht war es
diese Tatsache, die den Bischof auf den "Weg des Verbrechens
führte^. Er selbst konnte die Erhebung Passaus zur ungarischen
Metropole nicht herbeiführen. So sollte der machtlose Priester,
den eine fremde Hand auf dem Stuhle Petri erhielt, sie aus-
sprechen, indem er nicht Avußte, was er tat. Piligrim forderte von
Benedikt VI. die Erneuerung des Lorcher Erzbistums, die Wieder-
errichtimg der einstmals von ihm abhängigen Bistümer in Panno-
nien und Mösien, er forderte für sich die Erteilung des Palliums,
wie es ihm als Metropoliten gebühre^. Wenn er nun zugleich eine
Reihe falscher Urkunden anfertigen ließ, die dasjenige, was er
plante, als früheren Zustand bezeugten^, kann man kaum zweifeln,
daß sie bestimmt waren, dem Papst als Beweisstücke vorgelegt zu
werden. Daß der Erzbischof von Salzburg Widerspruch gegen
sein Unterfangen erheben würde, sah er voraus. Er baute deshalb
vor: in einer seiner Fälschungen gab er an, wie er glaubte, daß
der Papst zu entscheiden habe: Salzbm'g sollte durch einen Teil
Pannoniens für den Verlust Passaus entschädigt werden*.
^ Anders urteilt ühlirz S. 96. Natürlich läßt sich weder das eine
noch das andere Urteil streng beweisen. Für meine Ansicht spricht, wie
mich dünkt, daß die Zerlegung des Missionsgebiets in Missionsbistümer der
Förderung der Arbeit dienlich sein mußte, und daß Piligrim diesen Ge-
danken hegte, während man weder in Salzburg, noch in Rom, noch am
Hofe dafür Verständnis hatte. Übrigens hat Uhlirz unrecht, wenn er sagt,
P. habe eine vollständige Umgestaltung der hierarch. Verhältnisse im süd-
östlichen Deutschland geplant. Das war so wenig der Fall, als das Aus-
scheiden der Diözese Bremen aus dem Kölner Verband, oder Magdeburgs
aus dem Bist. Halberstadt eine vollständige Umgestaltung der hierarch.
Verhältnisse im nördlichen Deutschland herbeiführte.
" Brief an Benedikt.
3 J.W. 767 (Sjmmachus), 2566 (Eugen II.), 3602, 3614 (Leo VIL), 8644
(Agapet n.), vgl. Dümmler, Piligrim S. 19 ff., S. 44 ff. Das Schreiben des
Symmachus gewährt maiorum more das Pallium, da Lorch Metropole Pan-
noniens sei. Eugen erneuert nach der Bekehrung der Avaren und Mähren
die Metropolitanrechte Lorchs, ernennt Urolf zum päpstlichen Vikar und
erteilt ihm die Befugnis, neue Bistümer zu gründen. Leo VIL verleiht an
Gerhard von Passau das Pallium und eröffnet dem bairischen Episkopat
Bescheid auf die von Gerhard ihm vorgelegten Fragen. Endlich Agapet
entscheidet den zwischen Lorch und Salzburg ausgebrochenen Streit.
* Er läßt Agapet H. Salzburg das östliche und Passau das westliche
— .179 —
Der Anerkennung seiner Würde durch den Kaiser war da-
durcli bereits vorgearbeitet, daß sein Vorgänger, ohne Widerspruch
zu finden, den Titel eines Bischofs von Lorch sich beigelegt hatte.
Piligrim blieb dabei, sich bald nach dem jetzigen, bald nach dem
angeblich älteren Sitze seines Bistums zu bezeichnen, und die
kaiserliche Kanzlei gab ihm unbedenklich bald den einen bald den
anderen Titel -^•. er konnte erwarten, daß, wenn es ihm in Rom
gelang, von selten des Hofs kein Widerspruch laut werden würde.
Man mag zugeben, daß das Urteil des zehnten Jahrhunderts
über ein solches Verfahren nicht so strenge war, wie das der Gegen-
wart, und man mag Piligrim zugunsten sich daran erinnern, daß
auch der bedeutende Mann nur selten sich über das sittliche Niveau
seines Zeitalters erhebt. Aber Piligrims Fälschungen unterscheiden
sich von den meisten anderen, die seine Zeitgenossen sich zuschulden
kommen ließen. Er hat nicht verlorene Originale durch nach-
geahmte ersetzt, auch nicht alte Ansprüche, voil deren Recht er
überzeugt war, durch angeblich alte Urkunden zu beweisen ver-
sucht, sondern er unternahm es, einem Anspruch, an dessen Neu-
heit £r selbst nicht zweifeln konnte, durch kühne Fiktionen den
Anschein des Rechts zu verleihen, Und doch kann man seine
Fälschungen nicht einfach als Bubenstreich eines Ehrgeizigen be-
trachten. Sie sind Zeugnisse einer Tragödie: der Tragödie eines
bedeutenden Mannes, der klar erkennt, was geschehen sollte, und
dem die Hand dadurch gebunden ist- daß die Fürsten, deren Wort
entscheidet, seiner Absicht die Förderung versagen. In diesem
Konflikt scheiterten Piligrims sittliche Grundsätze.
Auch sein Unternehmen ist gescjieitert. Er hatte falsch ge-
urteilt, wenn er hoffte,- durch seine Dokumente die Gewährung
seiner Forderungen erzwingen zu können: sie wurden nicht ge-
währt^. Die Tatsache ist sicher; aber über die Gründe befinden
Pannonien zuteilen. Dafüi- heißt es auch das obere und das untere. Die
beiden Bezeichnungen erklären sich gegenseitig: Salzburg sollte den an der
Steiermärkischen Grenze gelegenen Teil des Landes erhalten, Passau das
Land an der Donau, außerdem das Land der Avaren, Mähreu und der
Slaven.
1 Filigiim heißt B. von Lorch, Dipl. I S. 577 Nr. 423; II S. 36 Nr. 27,
S. 69 Nr. 59, S. 155 Nr. 138, S. 189 Nr. 167. Der Titel von Passau in Ottos
Brief; auch Dipl. II S. 125 Nr. 111, S. 151 Nr. 135 u. ö.
- Daß die päpstliche Urkunde Nr. 3771 zu den Piligrimischen Arbeiten
gehört, zeigt ihr Inhalt. Fraglich ist, ob man sie als Fälschung oder als
Konzept für die erwartete päpstliche Bestätigung zu betrachten hat. Das
letztere scheint mir wegen der ersichtlichen Sorge, Salzburg von dem Be-
ginn eines Streites abzuhalten, wahi*scheinlicher.
12*
— 180 —
wir uns im Ungewissen : es ist möglich, daß man in der päpstlichen
Kanzlei gegen die Echtheit der vorgelegten Urkunden Bedenken
hegte, und es ist sicher, daß man die Schwierigkeiten, die eine
Änderung des bestehenden Zustandes hatte, in Rom wohl kannte.
So oder so,, Piligrim sah sich abgewiesen. Aber es muß in einer
Form geschehen sein, die es ihm nicht unmöglich machte, seine
Pläne weiter zu spinnen. Das hat er getan; nicht nur daran hielt
er fest, daß der ursprüngliche Sitz seines Bistums Lorch gewesen
sei, sondern er ließ auch nicht von der Fabel des Erzbistums
Lorch. Er schul' nun eine Urkunde Kaiser Arnulfs, nach der
Erzbischof Vivilo seinen Sitz von Lorch nach Passau verlegt habe *
und er wußte 977 in eine Urkunde Ottos II. einem Satze Auf-
nahme zu verschaffen, der Lorch für einen alten Primatialsitz er-
klärtet So sollte ein neues Fundament für seine Ansprüche ge-
schaffen werden. Aber diese Urkunde ist die letzte, in der des
Erzbistums Lorch Erwähnung geschieht. Hat PiHgrim schheßlich
doch auf seine Pläne verzichtet? Man wird es annehmen missen.
Der Grund lag vielleicht darin, daß es Salzburg gelang, die Be-
stätigung seiner erzbischöflichen Gewalt in ganz Baiem und Panno-
nien von Rom zu erlangend
1 B.M. 1891, vgl. Uhlirz in den Mtt. d. Inst. III S. 217 f.
2 Urk. Ottos II. (Dipl. II S. 189 Nr. 167b): S. Lauriacensis ecclesia,
ubi antiquis etiam temporibus prima sedes episcopalis habebatur. Daß der
Ausdruck primae sedis episcopus gleichwertig mit metropolitanus ist, ist
bekannt (s. Hinschius, ER. II S. 6). Dann bezeichnet prima sedes episco-
palis einen Metropolitansitz. Uhlirz, JB. S. 100, wendet ein, das sei nur
in dem abglebnten Entwurf gesagt, wo es hieß: Quam primae sedis anti-
quitus praesulatum fore novimus; in der vollzogenen Urk. solle mit prima
sedes nicht der hierarchische, sondern nur der zeitliche Vorrang des
Lorcher Bistums hervorgehoben werden. Dem widersprechen jedoch die
Worte antiquis temporibus. Denn sie sind dann überflüssig. Überdies ist
prima sedes ein Terminus technicus, s. z. B. Conc. Hipp. a. 393: Ceteri
primae sedis episcopi = die übrigen Metropoliten, Conc. Carth. a. 397 c.
27: Ut primae sedis episcopus non appelletur princeps sacerdotum u. ö. Der
Titel wurde von Pf. Isidor rezipiert, s. z. B. Ep. Steph. 11,9 S. 185: Nulli
appellantur primates, nisi hi qui primas sedes tenent; Annic. ep. 3 S. 121:
Nisi illi qui primas tenent civitates. Die vollzogene Urk. sagt also hier
dasselbe v^ie der abgelehnte Entwurf.
* Hier" kommt eine undatierte Urkunde eines Papstes Benedikt für
EB. Friedrich in Betracht, J.W. 3767. Sie wird von Zahn, ÜB. d. H. Steier-
mark I S. 26, als Fälschung bezeichnet, von Löwenfeld bezweifelt, ähnlich
äußert sich Uhlirz I S. 98, wie denn auch Dümmler sein Endurteii zurück-
hielt, SB. S. 770. Daß die Urkunde auf Piligrims Absichten Bezug nimmt
— 181 —
Die Folge davon, daß Piligrims Pläne Gedanken blieben, war
für die ungarische Mission wenig erfreulich: die Organisation von
Missionsbistümern unterblieb, PiHgrims Tätigkeit hing in der Luft;
die begonnene Arbeit mußte ins Stocken geraten. Dazu kam,
daß die Kämpfe zwischen dem Kaiser und Herzog Heinrich und
die Verwickelung Ottos II. in die italienischen Angelegenheiten eine
Aufforderung für die Ungarn waren, zu dem alten Räuberhandwerk
zurückzukehren. Das ist geschehen. Das Passauer Bistum hatte
wieder unter ungarischen Beutezügen zu leiden. In der Ostmark
wurden die kaum hergestellten Kirchen von neuem geplündert und
verbrannt: die Kolonisten getötet oder gefangen weggeschleppt^.
und daß sie ihnen schroff entgegentritt, unterliegt teinem Zweifel. Die
Frage ist nur: Spricht hier ein Papst oder spricht der durch P.'s Absichten
Bedrohte, d. h. Friedrich von Salzburg? Ist das erstere der Fall, dann ist
durch die päpstliche Entscheidung die Tatsache erklärt, daß Piligrim auf
seine Pläne verzichtete. Die Entscheidung muß dann nach der letzten Er-
wähnung derselben getroffen worden sein, also nach 977. Daraus ergibt
sich, daß als der Papst, der hier spricht, nicht Benedikt VI. 972 — 974,
sondern Benedikt VIT. 974 — 983 in Betracht kommt. Kann die Bulle von
ihm stammen? Wenn man sie mit den übrigen Urkunden dieses Papstes
vergleicht, so ergibt sich, daß sie manches Ungewöhnliche hat: die Be-
zeichnung totius popuii Romani electus apostolicus, der Wunsch mansuram
in Christo felicitatem, die Formel Sciat se b. Petro . . contradicere sind
ohne Gleiche. Doch kommen eigenartige Wendungen auch sonst bei
Benedikt VII. vor und fügen sich die ungewöhnlichen Formeln den von
ihm sonst gebrauchten leicht an. Die Verwerfung der Bulle scheint mir
deshalb nicht unbedingt notwendig. Die Erwägung der Verhältnisse
aber spricht dafür, daß eine Entscheidung^ wie sie die Bulle enthält, wirk-
lich erging. Daß Friedrich von Salzburg der Fälschung fähig gewesen
wäre, ist freilich unbestreitbar. Aber ebenso unbestreitbar ist, daß sein
Recht Piligrim gegenüber über jeden Einwand erhaben war, und daß er
also in jedem Augenblick eine päpstliche Entscheidung gegen ihn erlangen
konnte. Wenn ihn aber der sichere Weg einer Vorstellung in Rom zum
Ziele führen mußte, so läßt sich nicht einsehen, warum er den unsicheren
Weg der Fälschung beschritt. Es scheint mir deshalb, daß die Bulle als
Fälschung schwerer verständlich ist, denn als echtes Aktenstück. Sie wird
also echt sein.
i Die von Otto III. in einer Urkunde v. 985, Dipl. II S. 420 Nr. 21,
wiederholten Klagen Piligrims, episcopatus sui pertinentiam in orientali
plaga barbarorum limiti adiacentis creberrima eorum deuastatione in-
festari, . . a quibus etiam barbaris moderno nostri quoque regni tempore . .
tarn inrecuperabili se damno lesum in interfectione ot diveptione aecclesiae
suae familiae preter innumerabilia depredationum et incendiorum dispendia,
ut absque habitatore terra episcopii solitudine siluescat, sind schwerlich
aus der Luft gegriffen.
— 182 —
Freilich, die alten Zustände erneuerten sich nicht: man hatte ge-
lernt, die deutschen Kolonien durch Burgen zu schützen: die Vor-
sicht, die Wolfgang von Regensburg anwandte, indem er zum
Schutze seiner Kolonie in Steinkirchen eine Burg erbaute^, haben
sicher andere Herren nachgeahmt. Aber es ist doch selbstver-
ständlich, daß unter diesen Verhältnissen die Mission in Ungarn
unterbrochen wurde. Nicht durch einen deutschen Bischof, sondern
durch einen eingeborenen König ist Ungarn ein christliches Land
geworden.
Man konnte in Ungarn nicht missionieren, ohne auf die Reste
der mährischen Bevölkerung zu stoßen, die früher das Land be-
wohnt hatte ^. Ein Teil war, als das mährische Reich vernichtet
wurde, geflohen"; es war wahrscheinlich im Sommer 906. Aber
unmöglich konnte die Gesamtbevölkerung ihre bisherigen Sitze auf-
geben. Dazu war ihre Zahl zu bedeutend. Ein größerer oder
geringerer Bmchteil muß trotz des elenden Loses *in der alten
Heimat zurückgeblieben sein. Denn wer blieb, wurde Sklave. Da-
durch kam auch die Religion der Mähren in Gefahr. Aber sie
waren zu lange christlich gewesen, als daß man einen allgemeinen
Rückfall in das Heidentum annehmen könnte. Piligrims Schilderung
von der Freude der Unterdrückten über die Freigabe des Christen-
tums bezieht sich gewiß nicht nur auf die kriegsgefangenen Deut-
schen, sondern ebenso auf die geknechteten Slawen. Überdies war
der westliche Teil des mährischen Reichs, das heutige Mähren, von
den Ungarn so wenig besetzt als die bairische Ostmark. Dort er-
hielt sich die mährische Bevölkerung und mit ihr aller Wahr-
scheinlichkeit nach der christliche Glaube. Dagegen verschwand
die kirchliche Organisation in dem halben Jahrhundert der unga-
rischen Übermacht im Osten spurlos. Ihre Erneuerung war die
notwendigste Aufgabe. Piligrims Organisationspläne erstreckten
sich denn auch auf die Reste der mährischen Kirche; wie man
aus seinem Brief an Papst Benedikt ersieht, gedachte er die ein-
gegangenen Bistümer wiederherzustellend Daß er seine Absichten
1 Dipl. II S. 231 Nr. 204.
2 Über die Zustände Mährens s. Dudik, Mährens allg. Geschichte II
S. 1 ff., BretholK im Arch. f. ö. Gesch. 82 S. 139 ff., u. Gesch. Mährens I
S. 123 ff.
'■^ Constant. Porphyr., de admin. imper. c. 41 (Migne 113 S. 326).
* S. 712; vgl. die gefälschte Bulle Benedikts VI. J.W. 3771. Auch
Thietm. VII, 39 S. 190 erinnert sich der mährischen Bistümer.
— 183 —
nicht durchführen konnte, war für die kirchhchen Verhältnisse in
Mähren ebenso hinderlich wie für die Mission in Ungarn. Zwar
ist es, wahrscheinlich kurz nachdem seine Forderungen in Rom
abgelehnt worden waren, zur Ordination eines Bischofs für Mähren
gekommen ^. Die Notwendigkeit dessen, was Piligrim vorhatte,
war hier offenkundig. Aber diese Ordination war eine halbe Maß-
regel. Sie wurde, wie es scheint, am Hof beschlossen ^. Aber dem
neuen Bistum fehlte das sichere Fundament; man muß bezweifeln,
ob es einen festen Sitz hatte ^, und ob nicht vielmehr der Bischof
lediglich als Missionsbischof betrachtet wurde. "Wie zu erwarten
war, vermochte das mährische Bistum denn auch nicht zu erstarken ;
es ist alsbald wieder verschwunden.
Diese Tatsachen zeigen ebenso klar, wie der Ausgang der
Ungarnmission, woran es der Kirchenpolitik Deutschlands seit dem
Tode Ottos I. gebraeh: es gab keine bestimmten Absichten und
folgerichtig festgehaltenen Pläne mehr. Otto hatte die Wenden-
kirche zwischen Elbe und Oder organisiert, weil er sein Ziel sich
sicher gesteckt hatte und es fest im Auge behielt. Wie sein Sohn
dort die kaum vollendeten Einrichtungen durch grundlose Änderungen
wieder erschütterte, so heß er im Südosten einen unternehmungs-
lustigen Bischof weit aussehende Pläne auf eigene Hand be-
treiben, und als er nicht zum Ziele kam, ließ er seine Unter-
nehmungen scheitern, gleich als träfe das MißUngen nur den Bischof
persönlich und nicht vielmehr das Reich, dessen Interessen die
Ausführung jener Pläne forderten. Einrichtungen, die unumgäng-
lich waren, wie die Versorgung der verwaisten mährischen Christen,
wurden in ungenügender Weise getroffen; und erwies sich das, so
^ Als Piligrim an Benedikt schrieb, gab es offenbar noch keinen
mährischen Bischof. Dagegen ist ein solcher durch die Urkunde Willigie
V. Mainz v. 28. April 976, Gud. Cd. I S. 353 Nr. 129, bezeugt. Daß er neben
dem Bischof von Prag genannt wird, legt die Vermutung nahe, daß er
gleichzeitig mit ihm ordiniert wurde ; aber beweisen läßt sie sich nicht.
Cosmas kennt einen zeitlich nicht zu fixierenden mährischen Bischof Wracen
ehr. II, 21 S. 80. Möglicherweise war er der erste mährische Bischof. Aber
auch dies ist eben nur möglich.
2 Cosmas erwähnt (1, 15 S. 45), daß in privilegio Moravieneis ecclesiae
etwas über die Taufe Boriwois stehe. Die Nachricht erregt mancherlei
Bedenken. Kannte er aber wirklich ein Privilegium für das mährische
Bistum, so wird man dabei eher an eine königliche als an eine päpstliche
Urkunde zu denken haben.
^ Die Bezeichnung Mährischer Bischof in der Mainzer Urkundö and
bei Cosmas führt zu diesem Zweifel.
— 184 —
ließ man das kaum Geordnete wieder zerfallen. Kein "Wunder, daß
so planloses Handeln keine Erfolge erzielte.
Das südöstliche und das nordöstliche Missionsgebiet waren
auseinander gehalten durch das tschechische Volk ^. Längst waren
auf dieses die ersten Eii^wirkungen des Christentums ausgeübt
worden. Aber jedes Schwanken der politischen Lage zitterte auf
dem religiösen Gebiete nach, so daß es ungemein lange dauerte,
bis es zu irgend einer festen Gestaltung kam.
Zunächst wirkte das Schwergewicht der fränkischen Macht
auf dieses Nachbarvolk wie auf alle übrigen: die Böhmen befanden
sich seit Ausgang des achten Jahrhunderts, in welcher Zeit ihr
Name zuerst genannt wird^, politisch in Abhängigkeit vom frän-
kischen Reiche. Der Reflex auf kirchlichem Gebiet ist die böh-
mische Fürstentaufe zu Regensburg im Jahre 845^. Dann folgte
^ Die Qaellen für die älteste Kirchengeschichte ßöhmens sind die
Biographien des H. Wenzel. Die älteste ist Gumpolds vita Vencezl. (Scr.
IV S. 211 ff.). Der Verfasser war italienischer Bischof; er schrieb etwas mehr
als dreißig Jahre nach dem Tod Wenzels, war dürftig unterrichtet, aber
frei von jeder nationalen Tendenz oder Rücksicht, ist also im allgemeinen
glaubwürdig. Jünger ist die Passio s. Venzeslai regis des Mönchs Laurentius
von Monte Cassino (bei Dudik, Iter Romanum S. 304 ff.). Er schrieb im
11. Jahrh. Über seine Absicht bemerkt er S. 305: Huius scribendae passi-
oni . . idcirco studuimus, quatinus tanti claritas hominis apud buos oppido
fulgens Latio vei'itatis cupido non deesset. Der Quellenwert der Passio ist
gering. Die Passio ,Qrescente fide" (Dudik S. 319 ff.) ist von Gumpold
direkt abhängig-, also ebenfalls ohne Wert. Neben diesen lat. Schriften
sind die altslavischen Legenden vom h. Wenzel zu nennen, deutsch bei
Wattenbach, Abh. d. hist.-phil. Gesellsch. in Breslau I S. 284 ff., lateinisch
in Miklosichs Slawisch. Bibl. II S. 270 ff. Man nahm bisher an, daß die
längere altslav. Legende dem 10. Jahrh. angehöre, wahrscheinlich nach 950
anläßlich der Translation der Wenzelsreliquien geschrieben sei. Dagegen
hat Bachmann, Mtt. d. Inst. XX S. 50, Einsprache erhoben, er erklärt sie
für viel jünger, nimmt an, daß Gumpold in ihr benützt und daß sie über-
dies interpoliert sei. Die Passio Ludmillae (Scr. XV S. 572) gehört dem
12. Jahrh. an; sie bestätigt lediglich die Tatsache der Ermordung, ohne
zur Aufhellung der Verhältnisse beizutragen. Literatur: Palacky, Gesch. v.
Böhmen I S. 118 ff., Bachmann, Gesch. Böhmens I S. 121 ff., Frind, KG.
Böhmens, die angeführte Abhandlung Wattenbachs, Voigt, Adalbert von
Prag S. 8 ff. 2 Ann. Einh. z. 791 S. 177.
» S. Bd. II S. 694.
— 185 —
der Aufschwung der mährischen Macht; und sofort machte sich die
Folge dieser Tatsache bemerkhch : Böhmen wird durch das mährische
Reich angezogen. Freiwillig oder gezwungen ordneten sich die
Tschechen dem mächtigeren slavischen Nachbarstämme unter. Es
war in der Zeit, in welcher Method seine erfolgreiche Tätigkeit
unter dem mährischen Volke übte. Man kann erwarten, daß die
Wirkung des politischen Wandels auf das kirchliche Gebiet nicht
ausblieb: darin findet die junge Nachricht eine Stütze, daß Boriwoi,
den man als ersten Herzog der Tschechen zu bezeichnen pflegt, sich
von Method habe taufen lassen^.
Der allgemeine historische Hintergrund der Taufe der Fürsten
wie der des Herzogs ist leicht erkennbar. Aber alles Einzelne ist
unsicher. Bestanden, als Boriwoi die Abhängigkeit vom Mähren-
reiche durch den Eintritt in die mährische Kirche besiegelte, über-
haupt noch Beziehungen zu Regensburg? Wenn man die Stabi-
lität der kirchlichen Zustände in Bücksicht nimmt, so erscheint es
nicht als unmöglich; aber es fehlt doch jede sichere Spui'. Auch
über das Wirken der mährischen Priester, die nun nach Böhmen
kamen, fehlt jede Nachricht^; aber ein Zeugnis ihrer Wirksamkeit
ist die slavische Liturgie, die sie in Böhmen einführten. Sie hat
sich lange erhalten; noch im elften Jahrhundert begegnet man
unerwarteten Spuren davon, daß sie gebraucht wurde und die Sym-
pathien des Volkes besaß ^. Aber ist anzunehmen, daß . sie unter
1 Cosm. chron. I, 14 S. 44, vgl. Annal. Prag z. 894 Scr. III S. 119.
Bacbmann hat Mtt. d. Inst. XX S. 46 dargetan, wie unsicher die Grundlage
dieser Meldung ist. Ihre Hauptstütze ist, daß sie den allgemeinen Ver-
hältnissen entspricht, und daß durch den Gebrauch der slavischen Liturgie
in Böhmen der Einfluß Methods oder seiner Schüler gesichert ist. Das Jahr
894, das Cosmas, und ihm folgend die Prager Annalen, geben, ist irrig.
Denn damals war Methodius schon gestorben. Möglich war die Taufe erst
nach 873, d. h. nach der erneuerten Vertreibung der deutschen Priester
aus Mähren (s. Bd. II S. 703). Über den Ort wie über den Tag fehlt jede
sichere Überlieferung.
- Die böhmischen Geschichtschreiber erklären die Clemenskirche zu
Lewy Hradek bei Prag für die älteste Kirche Böhmens. Ich weiß nicht,
worauf sich diese Annahme stützt, da mir Tomek, Gesch. v. Prag, nicht
zugänglich ist. Die Autoritäten, auf die sich Frind S. 11 beruft, sind wert-
los. Clemens als Kirchenheiliger genügt natürlich nicht. Denn sein Dienst
kann auch über Rom, wohin Method und Cyrill den Heiligen brachten,
nach Böhmen gekommen sein. Auch was Voigt S. 244 Anm. 43 sagt, ist
nicht beweisend. Denn es ist doch unmöglich daraus, daß Adalbert in Lewy
Hradek gewählt wurde, zu folgern, daß dort die erste böhmische Kirche stand.
3 Cosm. chron. contin. IX S. 149-154, vgl. Greg. VE. Reg. VII, 11 S.
393; zur Sache Wattenbach S. 225 ff.
— 186 —
Boriwoi den lateinischen Gottesdienst ganz verdrängte? Es ist
nicht unmöghch. Denn die Zahl der Kirchen kann nur sehr klein
gewesen sein; der Glaube, zu dem sich die Fürsten bekannten, war
nicht entfernt die Religion des Volkes. Die Tschechen bUeben
heidnisch ^ Sie bewahrten den. Glauben an die alten Götter;
Altäre und Heihgtümer standen überall unzerstört und unverlasseu;
jedermann beteiligte sich an dem herkömmlichen Opferdienst'. Das
hinderte nicht, daß das Herzogshaus an der christlichen Religion
auch nach Boriwois Tode festhielt. Seine Söhne Spitignev und
Wratislav betrachteten sich als Christen^. Die Folgezeit hat sie
als Erbauer zahlreicher Kirchen gerühmt. Der ältere Bruder soll
eine Marienkirche in Prag und die Peterskirche in Budetsch, der
jüngere die Georgenkirche auf dem Hradschin erbaut haben *. Mau
kann sich nicht darüber wundern, daß die herrschende FamiHe dem
Christentum treu blieb. Denn bei der Lage Böhmens zwischen
dem mährischen und dem fränkischen Reich verstand es sich eigent-^
lieh von selbst, daß die Herzoge sich als Christen benahmen: nur
wenn sie dies taten, waren sie nicht in Gefahr als Barbaren be-
trachtet und behandelt zu werden. Aber eben deshalb ist die Tat-
sache an sich ziemlich wertlos : sie läßt keine Schlüsse auf den Zu-
stand des Landes ziehen. Eine spätere Überlieferung über denselben
gibt es nicht. Schoii Cosmas fand keine Tradition, aus der er
hätte schöpfen können. Die Tschechen fühi'ten, obgleich ihre Fürsten
Christen waren, ein geschichtsloses, barbarisches Dasein.
Die einzigen Nachrichten, die von Wert sind, haben uns deut-
sche Annalen überliefert: sie zeigen eine neue Wendung der Tsche-
^ Es waren haltlose Phantasien, wenn Palacky in der Taufe Boriwois
den vollendeten Sieg des Christentums über das Heidentum erblickte (I S.
135 u. 201), oder wenn Frind Tausende und abermals Tausende ohne Zwang
und ohne Widerstand für den Glauben des Gekreuzigten gewonnen werden
ließ (I S. 11). Selbst Waitz, Jß. S. 125, scheint mir zu viel zu sagen. Wenn
über irgend etwas, so ist über den Wert des Christentums der Tschechen
die Überlieferung einstimmig und glaubwürdig.
2 Gump. vit. Vencezl. 7 S. 215; Joh. Canap. vit. Adalb. 1 S. 581; Brun.
Vit. Adalb. 11 S. 600; VitaWolfk. 29 S. 538; Cosm. ehren. 1,29 S. 52.
•^ Doch ist bemerkenswert, daß Gumpold annimmt, Spitignev sei erst
als Mann getauft worden (vit. Vencezl. 2 S. 214). Bei der Verwirrung der
Zustände ist es nicht -unmöglich, daß die Nachricht richtig ist.
* Vit. Vencezl. 2 f. S. 214. Cosmas chron. z. J. 894 verweist auf diese
Stelle. Die Angabe der Vit. Ludm. 4, wonsf-h Boriwoi die Marienkirche
erbaut habe, hat noch geringeres Gewicht als die der V. Vene. Frind er-
klärt die Marienkirche für die Teynkirche; Voigt S. 10 widerspricht und
sucht die Kirche in der Prager Burg, ebenso Bachmann I S. 125.
— 187 —
cheri. Im Jahre 895 erschien Spitignev mit. den böhmischen Großen
vor König Arnulf in Regensburg; sie erkannten in aller Form die
deutsche Oberherrschaft an ^. Zwei Jahre später bat eine böhmische
Gesandtschaft um Hilfe gegen die Feindsehgkeiten der Mähren^.
Im Jahre 900 endlich drangen böhmische Truppen, einem bairischen
Heere folgend, als Feinde in Mähren ein, und "beteiligten sich an
der Verwüstung dieses Landes^. Die Verbindung mit Deutschland
bestand also fort: die Trennung von Mähren vertiefte sich. Ist es
nun möglich, daß dieser Wechsel auf dem pohtischen Schauplatz
ohne kirchliche Folgen blieb? Es wäre höchst auffällig. Wie die
Dinge waren, ist es mehr als wahrscheinlich, daß die politische
Trennung vom mährischen Reich die kirchliche Trennung zm- Folge
hatte. Und diese Vermutung wird durch vereinzelte Nachrichten
aus der späteren Zeit bestätigt. Der Herzog Wenzel betrachtete
sich als dem heiligen Emmeram geweiht*. Noch im elften Jahr-
hundert wm'de der Regensburger Heihge als Patron und Protektor
des böhmischen Königreichs verehrt^. Auch der Bestand der
Schule in Budetsch kommt in Betracht^. Denn unmöglich kann
eine Schule, in der das Latein gelehrt wurde, eine Stiftung der
Schüler Methods gewesen sein. Dies alles drängt zu der Annahme,
daß seit der neuen Zuwendung der Tschechen zu Deutschland die
Beziehungen zur Regensburger Kirche wieder aufgenommen wurden.
Liest man, daß Wratislav, als er nach tschechischer Sitte seinem
Sohne Wenzel das Haar abschnitt, zur Segnung des Kindes einen
Bischof mit seiner ganzen Geistlichkeit nach Böhmen berief'', so
hat' man das Recht in Touto von Regensburg jenen Bischof zu sehen.
Es ist nicht zu erwarten, daß die Anerkennung der kirchlichen
Autorität Regensburgs ohne Widerspruch durchgeführt wurde. Aber
eine Kunde von dem neuen Zusammentreffen der östlichen und
westlichen Kirche hat sich nicht erhalten. Und alsbald entzog die
Vernichtung des Mährenreichs den Schülern Methods die Stütze,
^ Annal. Fuld. z. tl. J. S. 126. ^ jb. S. 131.
3 Ib. S. 134. •* Altslav. Legende S. 234.
5 Hecht, Das Homiliar der Burg v. Prag S. 50.
•^ Vit. Vencezl. 4 S. 214: In civitate Bunsza litteris addiscendis est
positus; Altslav. Legende S. 285: Darauf sandte ihn Wratislav nach Bu-
detsch, und der Knabe begann lateinische Schrift zu lesen.
■^ Altslaw. Legende S. 236. Ich glaube nicht, daß man mit Voigt S. 11
bei der Segnung an den Vollzug der Firmung zu denken hat; denn die
Legende deutet das mit keinem Worte an. Es handelt sich um einen
ßenediktionsakt bei der Haarbeschneidung, wie ein solcher in Deutschland
mit der Wehrhaftmachung verbunden war.
— 188 -
welche sie in der Anlehnung an eine größere kirchliche Organi-
sation hatten. Doch ist der lange Fortbestand der slavischen
Liturgie Zeuge eines erfolgreichen passiven Widerstandes. Zum
täthchen Widerstand mußte es kommen, sobald das national
tschechische Interesse sich gegen die Abhängigkeit Von Deutschland
erhob. Der nationale Gegensatz aber konnte um so leicher hervor-
brechen, als das Volk nach wie vor seinem größten Teil nach im
Heidentum verharrte, und als seit dem Tode Kaiser Arnulfs die
deutsche Macht sich ojffen im Rückgang befand. Anlaß zu Reibungen,
zu jähem Hin- und Herschwanken der Verhältnisse war, wie man
sieht, genug vorhanden.
In der Tat beginnt denn auch die Überlieferung über die
böhmische Geschichte mit Nachrichten über die tiefe Gespaltenheit
der Nation und des herzoglichen Hauses. Liudmilla, Boriwois
Witwe, die ihn lange überlebte, erscheint als Gönnerin der Schüler.
Methods: sie läßt ihren Enkel Wenzel in slavischer Schrift unter-
richten ywie einen Priester" \ Dagegen ihr Sohn Wratislav hält
an der Verbindung mit den Deutschen fest: er nimmt seinen Sohn
den slavischen Priestern weg und schickt ihn nach Budetsch, daß
er dort in der lateinischen Wissenschaft unterrichtet werde ^ Seine
Gemahlin Dragomir endlich entstammte einer heidnischen slavischen
Völkerschaft des Nordens: sie mag getauft worden sein, als sie der
Werbung des böhmischen Herzogs folgte; aber das Christentum
blieb ihr fremd, und das Deutsche war ihr verTiaßt^. Die Ver-
^ Altslav. Legende S. 235. 2 g. S. 187 Anm. 6.
^ Die Tradition über Dragomir ist uneinig. Nach Gumpold war die
Herzogin tarn gentia quam operum etiam inquinacione gentilis (c. HS. 217).
Damit stimmt Cosmas überein, der sie bezeichnet als de durissima gente
Luticensi et ipsam saxis duriorem ad credendum ex provinzia nomine Stodor
(c. 15 S. 45). Die hevellische Abstammung würde das Heidentum Dragomirs
bestätigen. Dagegen übergeht es Laurentius und die altslavische Legende
mit Stillschweigen. Hier erscheint Dragomir lediglich als die tüchtige
Fürstin, die das Reich regierte, bis ihre Söhne herangewachsen waren
(S. 235). Ich glaube nicht, daß Bachmann, der den jüngeren Quellen folgt,
S. 125, im Rechte ist. Denn die Legende selbst bestätigt den Zwiespalt
zwischen Mutter und Sohn durch die Nachricht von Dragomirs Verbannung
(S. 236). Ist aber der Gegensatz historisch, dann wird auch der von Gum-
pold angegebene Grund als zutreffend zu betrachten sein. Da nun der
Anschluß an das Christentum und die Anlehnung an Deutschland zusammen-
fielen, so ist man berechtigt, Dragomir als Feindin der Deutschen zu be-
trachten. Wie die Dinge lagen, irrt man schwerlich, wenn man annimmt,
daß Dragomir deshalb dem Christentum abgeneigt war, weil sie die Deut-
— 189 —
wandten des herzoglichen Hauses scheinen sich an sie angeschlossen
zu haben ^,
Vielleicht wäre die Spaltung in der herzoghchen Famihe er-
träghch gewesen, wenn Wratislav eine lange Herrschaft beschieden
gewesen wäre. Aber er starb, als sein ältester Sohn Wenzel noch
im ersten Jünglingsalter stand: er war achtzehnjährig^. Ihn er-
kannten die tschechischen Großen als Herzog an: aber es war
nicht daran zu denken, daß er wirklich regierte. Seine Mutter,
erzählt der alte slavische Berichterstatter, befestigte das Reich und
regierte ihr Volk ^. Was das bedeutete, erfahren ' wir durch Gum-
pold von Mantua: er weiß von einer heidnischen Reaktion : christ-
liche Priester wurden beraubt und aus dem Lande verjagt, die
Kirchen standen verlassen und vernachlässigt*. Wie schroff die
Gegensätze aufeinander stießen, zeigt nichts so deutlich als die Er-
mordung Liudmillas; die Christen gaben sie ihi*er Schwiegertochter
schuld®. Auch der äußeren Politik gab Dragomir eine entschieden
antideutsche Richtung: die Tschechen schlössen sich dem Wider-
stand der Wenden an der Elbe gegen Deutschland an: die Eolge
war, daß Heinrich I. einen Zug gegen Böhmen imtemahm: er
drang im Jahre 929 bis nach Prag vor und erzwang in der böh-
mischen Hauptstadt die Anerkennung der deutschen Oberhoheit*.
War es dies Ereignis, wodurch der Herrschaft Dragomirs ein
Ende bereitet wurde ? Man möchte es vermuten. Denn freiwillig
hat die kraftvolle Herrscherin gewiß nicht auf ihre Stellung Ver-
zicht geleistet, und welche Mittel hatte der Jüngling Wenzel, sie
sehen haßte. Das nationale Moment war in allen diesen Verwickelungen
offenbar wichtiger als das religiöse.
1 Vita Vencezl. 11 S. 217: Parentes invidi. Der Ausdruck ist weiter
als die herkömmliche Deutung: Mutter und Bruder.
2 Altslav. Legende S. 235. Jahreszahlen lassen sich nicht geben. Die
einzig sicheren Daten sind, daß i. J. 895 Spitignev (Annal. Fuld. S. 126) und
i. J. 929 Wenzel regierte (Widuk. r. g. Sax. I, 35 S. 29). In die Zwischen-
zeit fällt also der Tod Spitignevs und Wratislavs. Daß Gumpold Wratislav
erst unter Otto I. sterben läßt (c. 4 S. 214), zeigt, daß schon zwei Menschen-
alter nach seinem Tod die Tradition abgerissen war. ^ S. 235.
* Vita Vencezl. 9—11 S. 217; 13 S. 218.
6 Ib. 10 f. S. 217. Gumpold legt den Vorwurf gegen Dragomir Wenzel
in den Mund. Die Nachricht auch in der kürzeren altslav. Legende S. 239.
6 Contin. Regln, z. J. 928 S. 158; Widuk. 1,35 S. 29, vgl. auch Ann.
6. Rudb. z. 929 S. 771. Die Quellen berichten nur die Tatsache des Kampfs
und des deutschen Sieges. Daß Dragomir die Hand im Spiele hatte, ist
durch die Verhältnisse wahrscheinlich gemacht. Über das Jahr s. Waitz,
JB. Heinrichs S. 125.
— 190 —
zu dem Verzicht zu zwingen? Wie immer; Dragomir wurde die
Macht entwunden ; aber sie verzichtete nicht auf sie: verbunden mit
ihrem jüngeren Sohne Boleslav und einem Teil der Großen stand
sie in schroffer Feindschaft ihrem älteren Sohn gegenüber: Wenzel
füi'chtete Mordanschläge: er verbannte seine Mutter, sei es vom
Hofe, sei es aus dem Land ^ Dadurch hoffte er sich zu behaupten.
Zugleich schloß er sich enge an Deutschland an; man sieht es aus
dem Urteil der Deutschen; denn ihnen galt er als ein Mann Gott
und dem König getreu "l Er zog also die Konsequenz aus der
Tatsache, daß er seine Stellung dem Eingreifen Heinrichs verdankte;
und er verhehlte sich nicht, daß die Dauer seiner Herrschaft auf
der Verbindung mit Deutschland beruhte.
Das ist das Sicherste, was wir über seine Person wissen.
Seine Biographen, sowohl der slavische wie der fremde, sehen in
ihm den Typus eines heihgen Fürsten. Deshalb ist es unmöglich
zu unterscheiden, was von den Einzelheiten, die sie erzählen, Irei
erfundene Illustration dieses Gedankens, was überlieferte Nachricht
ist. Die Hauptsache, hi der beide übereinstimmen, ist doch ohne
Zweifel historisch: Wenzel wollte ein christlicher Fürst sein in
Mitte eines Volks, das von Christentum so gut wie nichts besaß.
Er war dabei völlig isoliert: es fehlte ganz- an zuverlässigen Män-
nern, aiif die er sich stützen konnte. Der slavische Erzähler
schildert die böhmischen Großen als hofiartig und zwieträchtig; die
Räte Wenzels vergleicht er mit dem Verräter Judas; die Männer
in der Umgebung seines Bruders Boleslav gelten ihm vollends als
arge Teufel. Auch bei Gumpold steht der Herzog ganz allein:
seine Verwandten sind gegen ihn, die Vornehmen sind Heiden,
seine Umgebung voll üblen Willens,, geneigt zur Auflehnung.
Wenzel hätte ein Mann von kaltem Verstand und mehr als
gewöhnlicher Kraft des Entschlusses und der Tat sein müssen, um
sich in dieser Lage zu behaupten. Aber es fehlte ihm an beidem.
Das ist sicher, auch wenn man von den iinekdoten Gumpolds ab-
sieht, die ihn zum Heiligen machen sollen und ihn doch nur zum
Toren stempeln. Er hatte seine Mutter verbannt; aber er ertrug
es nicht, daß sie verbannt war: also gestattete er ihre Rückkehr,
ohne zu erwägen, welche Folgen daraus erwachsen mußten. Über
die Gesinnung seines Bruders täuschte er sich so vollkommen,
daß er sich arglos in die Gewalt seines schhmmsten Feindes be-
gab. Konsequent war er nur in der Anlehnung an Deutschland:
^ Altslav. Legende S. 236. Die kürzere Legende sagt: Egit matrem
8uam in Budoc (S. 239j. 2 Thietm. II, 2 S. 19.
— 191 —
aber man wird ihm das kaum zu sonderlichem Ruhm anrechnen;
denn daß es für iim notwendig war, muiäte auch dem blödesten
Auge klar sein.
Seit dem Prager Frieden wurden die Beziehungen zu der
deutschen Kirche wieder aufgenommen. Die vertriebenen Priester
kehrten zurück; andere schlössen sich ihnen an, angelockt durch
die Freigebigkeit, mit der Wenzel für die kirchhchen Zwecke sorgte.
Überall wurden mit der Hilfe des Herzogs die verfallenen Kirchen
wiederhergestellt; man begann neue zu bauen. Mit nie ermüdender
Bereitwilhgkeit stattete Wenzel alte und neue Gotteshäuser mit
Besitz und Einkünften aus\ Man hat den Eindruck, daß er den
kirchhchen Zustand in Böhmen möglichst rasch dem Deutschlands
annähern wollte. Auch im Gottesdienst war das deutsche Vorbild
maßgebend: Wenzel ordnete die tägliche Messe in allen Kirchen
an; es sollte in Bezug auf den Kultus bei den Böhmen gehalten
werden „wie bei den großen Völkern"^. Es ist nicht unwahr-
scheinhch, daß er noch weiter ging und Schritte tat, um das Heiden-
tum zu unterdrücken^.
Die neue Richtung, welche das böhmische Regiment seit dem
Prager Frieden einschlug, wurde gewissermaßen syniboHsiert durch
die Kirche, welche der Herzog auf seiner Burg zu Prag erbaute.
Sie war dem in Sachsen vor allen andern verehrten Heiligen, dem
h. Yeit, geweiht"^. Der Bischof Tuoto von Regensburg wurde im
Sommer 930 eingeladen, den kaum begonnenen Bau zu konse-
krieren^ Den Anschluß an Deutschland imd die Zugehörigkeit
^ Vita Vencezl. 7 S. 215: Quacunque terraruiu parte clericos adveni-
entes alacri munificentia . . recepit. 13 S. 218: Templa . . t'undantur, clerici
. . revocantur. Altslav. Leg. S. 235: Alle Kirchen schmückte er mit Gold.
2 Ib. S. 236.
^ Vita Vencezl. 7 S. 216: Tarn ultranea quam coacta etiam invitatione.
4 Vita Vencezl. 15 S. 219; altsl. Leg. S. 236.
5 Zwischen dieser Angabe Gumpolds und der Nachricht bei Cosmas,
daß Bischof Michael auf Anlaß Boleslavs die Veitskirche geweiht habe,
besteht nicht notwendig ein Widerspruch. Ich möchte kein Gewicht darauf
legen, daß Gumpold nur von der Einladung Tuotos spricht, nicht von dem
Vollzug der Weihe durch ihn (Janner, B. v. Regensb. I S. 293 f.); denn
wahrscheinlich hat er an die Weihe gedacht. Aber es ist bekannt, daß
nicht selten in neugegründeten Kirchen ein Altar lange vor der Vollendung
geweiht wurde. Das kann in diesem Falle durch Tuoto geschehen sein.
Wenn die Ann. Prag. Scr. III S. 119 die Weihe ins Jahr 929 verlegen, so
ist diese Nachricht an sich verdächtig, da der Annalist von der irrigen
Chronologie des Cosmas abhängig ist; auch die Erwähnung Boleslavs stammt
Ton dort her. Aber daß er Tuoto nennt, ist auffällig; denn Cosmas weiß
— 192 —
zum B-egensburger Bistum verkündete die sich erhebende Hof-
Idrehe \
Aber AVenzel überschätzte die Macht, die ihm der deutsche
Schutz gewährte. Seine Maßregeln mußten die tschechische National-
partei auf das äußerste erregen \ An die Spitze der National-
gesinnten trat sein jüngerer, ihm an Kraft und Talent weit über-
legener Bruder. Boleslav hielt in Bunzlau Hof; dort verweilte
auch Dragomir; dort scharten sich die Mißvergnügten um ihn.
Gemeinsam mit ihm planten sie den Sturz Wenzels; aber nicht
durch eine offene Erhebung, sondern durch Meuchelmord^. Boleslav
trug kein Bedenken, die Ausführung der Greueltat selbst zu über-
nehmen. Er lud den Herzog zu Gaste; am Abend des 27. Sep-
tember 935 bereitete er ihm zu Ehren ein glänzendes Mahl*. Als
Wenzel am anderen Morgen, wie er gewöhnt war, zur Frühmesse
ging, trat ihm Boleslav am Eingang der Kirche entgegen: der
Ahnungslose begrüßte ihn mit einem freundlichen Wort; aber in-
dem er es aussprach, hatte Boleslav sein Schwert gezückt. Sein
Schlag traf Wenzel nicht tötlich; der Herzog war ein junger kräf-
tiger Mann; er stürzte sich auf seinen Angreifer und es gelang
ihm, denselben zu Boden zu werfen. Nun aber eilten drei andere
tschechische Patrioten herbei: der Überzahl erlag Wenzel; unter
nur von Michael; und daß er die Weihe zum Jahr 929 anführt, wird da-
durch auffällig, daß Cosmas als Tag der Ermordung Wenzels den 23. Sept.
929 nennt, als Tag der Weihe der Veitskirche dagegen den 22. Sept. Aus
seinem Berichte zu entnehmen, daß die Kirche nach Wenzels Tod im Jahre
929 geweiht wurde, dazu gehörte also ungewöhnliche Gedankenlosigkeit.
Nun steht durch Gumpold fest, daß Tuoto in Prag war: das kann nicht
vor 929, dem Jahr der Unterwerfung, gewesen sein und nicht nach dem
10. Okt. 930; denn an diesem Tag starb Tuoto. Seine Reise fällt also ver-
mutlich in das Frühjahr oder den Sommer 930. Die Angabe der Ann. Prag.
ist also annähernd richtig. Bedenken erregt nur die Nachricht Arnolds,
daß Tuoto erblindet gewesen sei, de s. Emm. I, 6 S. 551 f. Aber ob sie zu-
verlässig ist? Arnold schrieb mehr als hundert Jahre nach Tuotos Tod.
^ So unmöglich die Nachrichten des Cosmas über Wenzels Freund-
schaft mit Michael v. Regensburg sind (chron. S. 46), so setzen sie doch
die Erinnerung an Beziehungen zum deutschen Bistum voraus.
^ Nach der kürzeren altslav. Legende senden die Großen zu Boleslav
und lassen ihm sagen : Nisi nos audiveris et anteverteris occidendo fratrem
tuum, te occidet; nos tecum stamus et te malumus.
3 Vita Vencezl. 17 ff. S. 219 f.; altslav. Leg. S. 236 ff.
^ Das Datum ergibt sich aus der Angabe der Legende, daß Wenzels
Todestag, der 28. Sept., ein Montag war. Das führt auf das Jahr 935;
vgl. Dümmler, Otto S. 52 Anm. 2.
— 193 —
dem Tor der Kirche haben die Verschworenen ihn niedergemacht.
So groß war ihr Haß, daß sie noch seinen Leichnam verstüm-
melten. Niemand wagte es, den ermordeten Herzog zu bestatten;
endhch brachte ein Priester ein Tuch von Linnen. Damit deckte
man den Leichnam zu. So fand ihn Dragomir. An dem Mord-
plan scheint sie nicht beteihgt gewesen zu sein^; aber zu den
Gegnern Wenzels hatte auch sie gehört. Nie ist das Unrecht
einer Mutter gegen ihr Kind härter bestraft worden, als an ihr.
Was mußte, sie empfinden, als sie vor dem entstellten Leichnam
ihres Sohnes stand! Von der Bewegung übermannt, warf sie sich
weinend auf denselben. Auf ihr Geheiß wagten es die Priester,
ihn in die Kirche zu tragen. Dann entfloh sie: sie fürchtete für
ihr eigenes Leben. Endlich schickte Boleslav einen Priester, daß
er über den Ermordeten ein Gebet spreche. Danach hat man ihn
begraben.
So ist der Nationalheilige der Tschechen gefallen, fast mehr
ein Märtyrer seiner Anhänglichkeit an Deutschland als seines christ-
lichen Glaubens. Weder in Bunzlau noch irgendwo sonst in Böhmen
hat sich eine Hand für ihn geregt^. Einige seiner Begleiter wurden
umgebracht, anderen gelang es zu entfliehen^.
Der herzogliche Thron war nun erledigt, und die Tschechen
bestätigten, daß die Bluttat ihrer Gesinnung entsprach: sie wählten
den Brudörmörder zum Herzog. Es trat eine völlige Reaktion ein.
Möglich, daß Boleslav sich geradezu als Heide gab*; jedenfalls
wurden dire fi'emden Priester verjagt, alle Männer, die Wenzel be-
günstigt hatte, verfolgt, nicht wenige getötet. Alsbald folgte auch
die Erhebung gegen Deutschland: Boleslav war einer der ersten
Feinde, die Otto L zu bekämpfen hatte. Er hat sich vierzehn
Jahre lang in unabhängiger Stellung behauptete Erst im Jahi'e
1 Sonst wäre ihre Flucht unerklärlich.
2 Daß es jedoch unter den böhmischen Großen nicht ganz an Männern
fehlte, die den Deutschen sich zuneigten, ergibt sich aus Widukinds Notiz,
daß Boleslav nach der Ermordung seines Bruders sibi vicinum subregulum
fürchtete, eo quod paruisset imperiis Saxonum, II, 3 S. 38. Die Notiz zeigt
zugleich, wie dürftig die böhmischen Quellen sind.
s Altsl. Leg. S. 237.
■^ Die von der altslav. Legende S. 237 wie von Gumpold c. 20 S. 221,
vgl. c. 26 S. 222, behauptete Christenverfolgung ist nur unter dieser Voraus-
setzung ganz verständlich. Auch daß Widukind II, 3 S. 38 Boleslav und
die Böhmen als barbari bezeichnet, kommt in Betracht.
5 Widuk. 1. c.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 1"
— 194 —
950 wurde er genötigt, sich wieder zu unterwerfend Nicht nur
die Pflicht der Tributzahlung, sondern auch die der Heeresfolge
erkannte er an^. Böhmen wurde ein Teil des Reichs. Heinrich
von Baiern erhielt eine Art Oberherrschaft über das Land^.
Es ist kaum zweifelhaft, daß hiermit die veränderte Stellung
Boleslavs zum Christentum zusammenhängt. So dürftig und wider-
spruchsvoll die Überlieferung ist, so bietet sie doch einige sichere
Punkte dar. Wir hören, daß Boleslav seinen Sohn Ztrahquaz
dem Kloster St. Emmeram zur Erziehung übergab*. Freiwillig
ist das sicher nicht geschehen; denn der böhmische Herzogssohn
im deutschen Kloster wur eine Geisel, die sein Vater gestellt hatte.
Die Tatsache zeigt zugleich, daß Otto Wert darauf legte, daß die
herzogliche Nachkommenschaft im christlichen Glauben erzogen
wurde; darin lag die Gewähr ihrer Treue. Sodann findet sich die
Nachricht, daß Michael von Regensburg die Einweihung der Veits-
kirche in Prag vornahm^; die kirchlichen Rechte Regensburgs waren
also wieder anerkannt. Endlich wird von der Überführung der
ReHquien Wenzels in die Veitskirche erzählt**. Indem Boleslav
gezwungen die Politik seines Bruders einschlug, wurde dessen Ge-
dächtnis wieder zu Ehren gebracht. Die Übertragung der Rehquien
ist verständUch, wenn sie den Friedensschluß Boleslavs mit den
Anhängern seines Bruders besiegelte.
Seitdem ist er dem Reiche treu geblieben. Nicht nur gegen
die Ungarn, sondern auch gegen die verwandten wendischen Stämme
leistete er dem deutschen König Zuzug'. Aber man mag doch
bezweifeln, ob er sehr geneigt war, die kirchlichen Einrichtungen
1 Cont. Regln. S. 164; Widuk. 11,3 S. 39; III, 8 S. 62; Thietm. 11,2
S. 19; Ann. Flod. S. 400. ^ g Huber, Gesch. Österr. I S. 159 f.
^ Thietm. 1. c: (Bolizlavus) Heinrico Bawariorum duci ad serviendum
traditus est. ■> Cosm. I, 17 S. 46.
5 Cosm. 1, 18 S. 46, s. oben S. 191 Anm. 5.
ö Die Tatsache der Übertragung wird von den verschiedenen Zeugen
berichtet; aber in widerspruchsvoller Weise. Die altslav. Legende S. 238
und Cosmas 1, 19 S. 47 lassen mit verschiedener Motivierung Boleslav die
Reliquien Wenzels nach Prag übertragen. Dagegen geschieht dies nach
Gumpold c. 23 S. 221 drei Jahre nach dem Tod Wenzels von etlichen
Gläubigen unter steter Furcht vor einer Gewalttat des Herzogs. Die kürzere
Legende sagt nur: Post aliquot annos allatae sunt reüquiae eius in claram
urbem Pragam (S. 240). Daß Gumpolds Erzählung sehr unwahrscheinlich
ist, braucht man nicht zu beweisen. Folgt man aber der Legende, dann
ist es unmöglich Gumpolds Jahresangabe mit herüberzunehmen. Denn die
Voraussetzung für die Übertragung durch den Herzog war erst i. J. 950
gegeben. ' Annal. Flodo. z. 955 S. 403.
— 195 —
zu fördern: erzwungene Freundschaft pflegt nicht tätig zu sein.
Eine günstigere Zeit begann erst, als er am 15, Juli 967 starb ^.
Sein Sohn Boleslav II. galt der Nachwelt als ein eifriger Christ.
Cosmas entnimmt einer urkundlichen Quelle die Nachricht, er habe
zwanzig christliche Kirchen gegründet und ausgestattet". Auch
daß seine Schwester Mlada eine der ersten tschechischen Rom-
pilgerinnen war^, läßt vermuten, daß die kirchliche Frömmigkeit
im Hause Boleslavs nun festere Wurzeln geschlagen hatte. Frei-
lich was Cosmas zur Charakteristik des böhmischen Herzogs sagt^
gibt keine Anschauung von dem, was er war. Denn er entnimmt
die Züge, die seinen Helden charakterisieren sollen, unbefangen
dem Bilde, das ein deutscher Schriftsteller von einem deutschen
König des neunten Jahrhunderts entworfen hatte*.
Seit dem Jahre 950 hatte das Bistum Regensburg eine
Missionsaufgabe, nicht minder groß und wichtig, als Passau. Der
damalige Bischof Michael war ein Mann, dem es an Mut nicht
gebrach. Er hat es auf dem Schlachtfeld bewiesen. Als die ßaiern
im Jahr 949 gegen die Ungarn auszogen, blieb der Regensburger
Bischof nicht zurück. Aber die Baiern kämpften nicht glücklich.
Auch Michael wurde schwer verwundet; man ließ ihn für tot auf
dem Schlachtfeld zurück. Ein gleichfalls verwundeter Ungar, der
in der Nähe lag, bemerkte, daß er noch lebe, und suchte ihn mit
dem Speer zu durchbohren. Michael wehrte sich seines Lebens,
und es begann nun ein grauses Ringen zwischen den beiden Siechen,
in dem er schließlich über seinen Gegner Herr wurde; es gelang
ihm sogar nach Regensburg zurückzukommen ^. Er hat noch mehr
als zwanzig Jahre lang seines Bischofsamts gewartet. Der streit-
bare Bischof besaß aber mehr als physische Tapferkeit; der mora-
lische Mut, der 'wertvoller ist, fehlte ihm nicht. Sein Landesherr,
Herzog Heinrich, war kein Mann, dem es leicht war entgegenzu-
treten: er hat ihm unerschrocken die Sünden vorgehalten, die er
durch seine Gewalttaten an den Bischöfen von Salzburg und Aqui-
leja auf sich geladen ^ Für diesen Mann mochte es einen gewissen
Reiz haben, in die unsicheren böhmischen Verhältnisse einzugreifen.
Bedenken, den fürstlichen Mörder in seiner Hauptstadt aufzu-
^ Cosm. I, 21 S. 48. Übrigens erinnert Huber, Gesch. Österr. I S. 161
Anm. 3, mit Recht, daß das Todesjahr nur anf der Zuverlässigkeit des
Cosmas beruht, also unsicher ist.
2 Cosm. I, 22 S. 48 f. aus der Gründungsurk. des Georgklosters.
3 Ibid. * S. Loserth, Archiv f. Kunde öst. GQ. 61 S. 11 f.
" Thietm. 11,27 S. 36; nicht ganz übereinstimmend Arnold de s. Emm.
1, 17 S. 554; vgl. oben S. 153 Anm. 4. « Thietm. II, 40 S. 43 f.
13*
— 196 —
suchen, hat er gewiß nicht gehabt. Hat er doch den König auf
dem Feldzug nach Böhmen begleitete Allein ob er die Hingebung
für die Missionsarbeit unter den Tschechen besaß, das wissen wir
nicht ^: kaum kann man es wagen eine Zeile in seiner Grabschrift
darauf zu beziehend
Doch was auch geschehen sein mag, es war ungenügend.
Das war das Urteil, das Michaels Nachfolger, Wolfgang, fällte. Er
wai- ein Mann voll Begeisterung für die Ausbreitung des christ-
lichen Glaubens; wir erinnern uns, daß er als junger Mönch die
Tätigkeit eines Missionspredigers gesucht hatte, und daß er später
im Passauer Sprengel kolonisierte. Daß die christHche Predigt nur
langsam in Böhmen Wurzel schlug, konnte ihm nicht entgehen.
Er suchte den Grund darin, daß Böhmen kein eigenes Bistum
hatte. Als daher von Heinrich II. von Baiern die Errichtung, eines
böhmischen Bistums vorgeschlagen wurde, hatte dieser Gedanke an
dem Regensburger Bischof keinen Gegner. Othloh erzählt*, Wolf-
gang habe dem Domkapitel und den Vasallen des Bistums die
Frage vorgelegt, ob er seine Zustimmung geben solle: man habe sie
einstimmig verneint, der Bischof aber habe sich in seinem Entschluß
nicht irre machen lassen. Gerne, so habe er geäußert, würde er
sich- selbst und alles das Seine opfern, damit in Böhmen durch Er-,
starken der Kirche das Haus Gottes fest gegründet werde. Dem-
gemäß verzichtete er auf seine Diözesanrechte in Böhmen. Darauf-
hin hat Otto II., nachdem er im Herbst 975 die deutsche Macht
noch einmal in Böhmen gezeigt hatte**, unter Zustimmung Bene-
dikts VII. in Prag ein Bistum errichtet^; es wurde wie das wahr-
1 S. Dipl. I S. 207 Nr. 126.
'^ Ich zweifele, ob Janners schön abgerundetes Urteil über Michael
(S. 349) nicht zu günstig ist. Den von Arnold I, 17 S. 554 erzählten Vor-
gang wird man etwas schwerer nehmen müssen.
8 Bei Dumm 1er, Otto S. 594:
Spermata nam Christi vulgavit nuncius orbi.
* Vita Wolf k. 29 S. 538.
6 Annal. Weissenb. z. d. J. Scr. IH S. 63, Lamberti S. 21.
® Über die Gründung des Prager Bistums gibt es eine dreifache
Tradition: die eine ist vertreten durch Othloh, die andere durch Cosmas und
jüngere deutsche und böhmische Quellen, die dritte durch die Urkunde
Heinrichs IV. v. 29. April 1086 (Stumpf 2882). Die Meinungen über die
Zuverlässigkeit der verschiedenen Nachrichten sind geteilt. Ich hatte in
der ersten Auflage dieses Buches mich für Othloh entschieden. Zu dem
gleichen Ergebnis gelangt Uhlirz auf Grund einer neuen Untersuchung der
Frage, Mtt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 39. Bd. 1900 S. Iff. u.
JB. I S. 226 ff. Dagegen glaubt Spangenberg nachweisen zu können, daß
— 197 —
scheinlich gleichzeitig gegründete mährische dem Erzbistum Mainz
unterstellt. Nach einer späteren, aber glaubwürdigen Nachricht hat
der Widersprucli zwischen Othloh und Cosmas nur scheinbar sei, und
daß beide Traditionen sich ergänzen, Hist. JB. 21. Bd. 1900 S. 758 ff.
Derselbe Gedanke ist für Bachmanns Darstellung I S. 163 ff. entscheidend.
Die Angaben der ürk. v. 1086 haben Verteidiger an Kalousek, SB. d. böhm.
G. d. Wissensch. 1883 S. 30 ff., und an W. Schulte, Hist. JB. 22. Bd. 1901
S. 285.ff. Der letztere glaubt die Schwierigkeiten dadurch heben zu können,
daß er die Verunechtung der alten Grenzbeschreibung annimmt, hält aber
sonst dafür, daß eine echte Urkunde Ottos I. als Vorurkunde diente; da-
gegen urteilt Loserth, die Vorlage der Urk. v. 1086 sei eine Fälschung ge-
wesen, Mtt. d. Inst. II S. 25; endlich nimmt Bretholz an, die Benützung
einer Vorurkunde habe sich auf die Grenzbeschreibung beschränkt, Arch. f.
ö. Gesch. Bd. 82 S. 149. "Was nun die Angaben der Quellen anlangt, so
war nach Othloh, vita Wolfk. 29 S. 538, die Gründung des Bistums ein
Gedanke Herzog Heinrichs H., vollzogen durch Kaiser Otto II., nach Cosmas
I, 22 S. 48 f. ein Gedanke Boleslavs, vollzogen durch den Papst. Spangen-
berg hat mich nicht überzeugt, daß dieser Widerspruch nur scheinbar ist.
Ich halte es nach wie vor für unzulässig, die beiden Nachrichten zu ver-
schmelzen; man muß zwischen ihnen entscheiden. Dann aber sprechen
gewichtige Gründe für Othloh: 1. er stand den Ereignissen um mehrere
Jahrzehnte näher als Cosmas; er ist um d. J. 1000, Cosmas um 1045 ge-
boren; 2. seiner Erzählung gegenüber ist jeder Verdacht einer Tendenz
ausgeschlossen, während dieser Verdacht bei der Stimmung der Tschechen
und des Cosmas gegen die Deutschen die von letzterem wiedergegebene
Tradition belastet; 3. Othlohs Nachricht entspricht den Zeitverhältnissen
weit besser als die tschechische Tradition. Daß die Gründung eines neuen
Bistums zwischen Herzog und Papst verabredet wurde ohne Beteiligung des
Kaisers, das ist nach Lage der Dinge so unwahrscheinlich, daß man es fast
wird als unmöglich bezeichnen dürfen; dagegen die Initiative des bairischen
Herzogs entspricht seiner Stellung zu Böhmen, Thietm. II, 2 S. 19; 4. Cos-
mas hat den angeblichen consensus cleri et populi, c. 23 S. 49, ersichtlich .
frei komponiert; es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch die päpstliche
Bulle, die er mitteilt, sein Werk ist. Jedenfalls ist sie unecht^ Ich möchte
hierfür nicht nur auf die Stelle: non secundum ritus aut sectam Bulgariae
gentis vel Ruziae aut Sclavonicae linguae, verweisen, sondern besonders
darauf, daß das Verhältnis zu Regensburg und die Mitwirkung des Kaisers
nicht berührt werden. Bei der bekannten Umsicht der päpstlichen Kanzlei
würde weder das eine noch das andere übersehen worden sein. Man ver-
gleiche Johanns XHI. Bulle für Magdeburg, J.W. 3728. Ist Othlohs Nach-
richt begründet, so weit sie das Mitwirken des Kaisers, des bairischen Her-
zogs und des Regensburger Bischofs betrifft, so wird sie auch begründet sein
in bezug auf die Person des Kaisers. Othloh nennt medius Otto caesar, also
Otto IL Nun urteilt zwar Kalousek, er werde sich hier geirrt haben, wie
er sich c. 14 irrte. Aber die Sache liegt doch hier und dort anders, indem
198
Erzbischof Willigis den ersten Prager Bischof zu Brumath im Elsaß
konsekriert. Er war ein Sachse, namens Deothmar. Die Weihe
hier Othlohs Nachricht durch das, was wir über Deothmars Ordination wissen,
bestätigt wird. Es ist sicher, daß sie im Januar 976 stattfand, s. die
Bischofsliste für Prag. Ein Grund aber, weshalb sie durch Jahre von der
Errichtung des Bistums getrennt worden sein sollte, läßt sich nicht ersehen;
man wird vielmehr anzunehmen haben, daß beide Akte einander rasch
folgten. Aber machen die politischen Verhältnisse nicht die im Text ge-
gebene Kombination unmöglich? Man weiß ja, daß Heinrich 11. sich seit
dem Mai 974 in Haft befand (Ann. Hild. S. 28), und daß Otto 11. im Sommer
975 in Böhmen Krieg führte. Wenn man erwägt, daß die Errichtung des
Bistums Verhandlungen mit Rom und mit Regensburg, wahrscheinlich auch
mit Salzburg nötig machte, so muß man annehmen, daß die ersten Schritte
dem Abschluß des Unternehmens längere Zeit vorangingen. Die ersten
Verhandlungen mit Regensburg konnten bald nach Wolfgangs Erhebung
vor der Verhaftung Heinrichs stattgefunden haben. Othlohs Nachricht ist
also weder unmöglich noch unwahrscheinlich. Ebenso wenig unwahrschein-
lich ist der Vollzug der Gründung unmittelbar nach einem erfolgreichen
Krieg. Denn die Gründung des Bistums verstärkte den deutschen Einfluß
auf das Land. Daß endlich die Stiftung perfekt wurde während Heinrichs
Gefangenschaft, ist deshalb sehr wahrscheinlich, weil das neue Bistum nicht
Salzburg, sondern Mainz untergeordnet wurde. Das war sicher nicht die
Absicht des bairischen Herzogs, als er seine Gründung anregte; denn da-
durch wurde der bisher herrschende bairische Einfluß auf Böhmen ge-
schwächt; es ist jedoch begreiflich vom Standpunkt des Kaisers aus. Auch
die Ernennung eines Sachsen zum Bischof paßt in diesen Zusammenhang.
Es bleibt noch die Frage zu erwägen, ob nicht Othlohs Nachricht an der
Urk. V. 1086 scheitert. Ich kann dabei hier davon absehen, ob die letztere
echt oder verfälscht ist. Denn mag das eine oder das andere der Fall sein,
immer sind die Nachrichten über die Gründung des Bistums nur durch die
Autorität Gebhards von Prag gedeckt,, da die von Bretholz vertretene An-
sicht, daß über die Grenzbestimmung hinaus keine Vorlage benützt worden
ist, durchaus zu Recht besteht. Gebhard stellte nun 3 Behauptungen auf:
1. Ausdehnung der ursprünglichen Diözese über Böhmen und Mähren,
2. Bestätigung des Bistums in diesem Umfang durch Otto I., 3. ebenso
durch Papst Benedikt. Von diesen Behauptungen ist die erste falsch; denn
die Existenz des mährischen Bistums neben dem Prager i. J. 976 ist unan-
fechtbar. Die letzte ist zum Teil richtig, zum Teil falsch. Richtig ist die
Mitwirkung des Papstes; denn wie oben bemerkt, war die Gründung des
Bistums ohne ihn unmöglich; er hat ohne Zweifel seine Zustimmung erteilt;
falsch ist dagegen der angenommene Umfang. Die zweite Behauptung
steht in unlösbarem Widerspruch mit den Nachrichten Othlohs. Man kann
beide nicht vereinigen; denn während Gebhard behauptet, daß die Grün-,
düng schon unter Otto 1. — nicht eigentlich von ihm — vollzogen wurde,
erzählt Othloh daß erst unter Otto II. die Vorverhandlungen stattfanden.
— 199 —
fand wahrscheinlich Anfang Januar 976 statt. Der neue ßisckof
erhielt das böhmische Herzogtum als Diözese-^.
"Wenn man diese wenigen sicheren Angaben kombiniert, so
kann kaum ein Zweifel sein, wie die Gründung des Prager Bistums
geraeint war. Sie war eine der Maßregeln, welche den Zusammen-
hang Böhmens mit Deutschland festigen sollten. Dafür spricht
sowohl der Umstand, daß die Gründung von Herzog Heimlich an-
geregt wurde, wie auch der andere, daß man einen Deutschen zum
Bischof ernannte und daß man die neue Diözese dem mächtigsten
deutschen Erzbistum einverleibte. Dafür spricht am lautesten die
Aufnahme^ die der erste Prager Bischof in Böhmen fand. Gosmas
lobt ihn: er nennt ihn einen Mann von wunderbarer Beredsamkeit
und großer wissenschaftlicher Bildung; er erzählt, daß er an vielen
Orten Kirchen weihte und einen großen Teil der Bevölkerung zum
Glauben bekehrte^. Aber die älteren Nachrichten führen auf eine
Nun ist sicher, daß ihr längere Verhandlungen vorausgingen. Das zeigt
das Beispiel Magdeburgs; es zeigt auch, was notwendig war, nämlich 1.
daß der B. v. Regensburg auf seine Diözesanrechte verzichtete, 2. daß der
EB. V. Salzburg Böhmen aus seinem Sprengelverband entließ, 3. daß die
Kurie daraufhin die Errichtung eines Bistums genehmigte, dann konnte
4. der Kaiser sie vollziehen. Othlohs Angaben, daß inTlegensburg mit
Bischof Wolfgang verhandelt wurde, und daß er die Sache, ehe er seine
Zustimmung erteilte, vor eine Versammlung seiner Großen brachte, wodurch
also zu jenen 4 Handlungen noch eine fünfte hinzutrat, sind unbestritten;
ich glaube auch nicht, daß sie sich mit Grund anfechten lassen. Sind sie
richtig, und hat Otto I. das Bistum gegründet, dann kennen wir den Zeit-
raum, der für jene 5 Handlungen zur Verfügung stand, ganz genau: er
reichte v. 25. Dez. 972, Weihe Wolfgangs, bis zum 7. Mai 973, Tod Ottos.
Sind diese 4^2 Monate ausreichend? Man wird nicht sagen können, daß
sie unbedingt zu kurz waren; aber wahrscheinlich ist es doch nicht, daß
sich alles wie Schlag auf Schlag vollzog. Die Notwendigkeit dieser An-
nahme macht es wahrscheinlich, daß sich Gebhard irrte, indem er Otto I.
nannte. Die Verwechselung der beiden Ottonen war, wie auch Schulte an-
nimmt, leicht möglich. Ich glaube demnach, daß auch Gebhard gegenüber
OtUohs Nachrichten im Rechte sind. Damit fällt die Kombination des
Aufenthalts Boleslavs am Hof zu Ostern 973 mit der Bistumsgründung. Sie
läßt sich auch unter der Voraussetzung, daß Otto I. der Gründer war,
schwer vorstellig machen ; daß der Termin für die ersten Vorbesprechungen
zu spät ist, ist klar; er läßt nicht einmal für die Annahme Raum, daß
jetzt die abschließenden Verhandlungen stattfanden, die der Sendung nach
Rom vorausgingen.
^ Man mag die Grenzbeschreibung der Urk. v. 1086 beurteilen wie
man will, daran ist ein Zweifel nicht möglich, daß die Worte addita regi-
one Morowia dem ursprünglichen Zustand widersprechen.
2 Chron. 1, 23 f. S. 49 f.
— 200 — -
ganz andere Vorstellung, als auf die einer friedlichen und erfolg-
reichen Tätigkeit. Nach Johannes Canaparius ist Deothmar an
seiner Seligkeit verzweifelnd gestorben. Was ihm den Glauben an
die Möglichkeit des götthchen Erbarmens raubte, war der Zustand
seiner Diözese: er wurde durch das Bewußtsein in den Abgrund
der Verzweiflung gestürzt, daß es ihm mißlungen war, das tsche-
chische Volk auf den Weg des Heils zu führen. Über seine
Diözesanen fällte er das trostlose Urteil: sie wissen und tun nichts
anderes, als was der Finger des Teufels in ihre Herzen geschrieben
hat^. Bruno von Querfurt bestätigte die Nachricht des Italieners.
Sein Gewährsmann aber war ein Augenzeuge des Tods Deothraars,
der heihge Adalbert^. Es ist kein Zweifel: eine nicht zu über-
brückende Kluft schied den deutschen Bischof und die Tschechen,
sie sahen in ihm nur den Diener, wenn nicht den Spion des
Nationalfeindes; standen doch schon im Sommer 976 Tschechen
und Deutsche wieder in Waffen gegeneinander^. Wie hätte der
Glaube, den Deothmar vertrat, unter diesen Verhältnissen in Böhmen
Wurzel schlagen sollen? Die Lage des Christentums war hier kaum
minder unsicher als an der Havel und der Spree.
Durch die Unterwerfmig der Wenden unter die deutsche Herr-
schaft war auch Polen in das Gesichtsfeld der Deutschen ge-
kommen*. Man betrachtete es als das größte der slavischen
Lande ^. Auch stand es nicht mehr auf der untersten Stufe der
staathchen Entwickelung. Denn bereits war die Einheit der Herr-
schaft durchgeführt. Al3er in bezug auf den Kulturzustand war
schwerlich ein Unterschied zwischen den verschiedenen slavischen
Stämmen. Dem entspricht die rasche Überwältigung der Polen.
Schon im Jahre 963 nötigte der große Markgraf Gero den Herzog.
1 Vit. Adalb. 6 S. 583.
2 Vit. Adalb. 7 S. 597. Die Kritik, die Loserth, Arch. f. Ost. Gesch. 65
S. 38, an den älteren Berichten geübt hat, scheint mir unberechtigt. Die
beiden Berichterstatter standen Adalbert zu nahe, als daß man eine Er-
findung der Szene annehmen könnte, die ja doch eigenartig genug ist. Da-
gegen gibt Cosmas nur das herkömmliche Lob, das kirchliche Schriftsteller
für unbekannte kirchliche Personen stets bereit haben.
" Ann. Hild. z. 976 S. 23, Altah. mai. z. 976 u. 977 S. 13, Thietra. 111,7
S. 51. Boleslav hat sich erst Ostern 978 unterworfen, Ann. Altah. mai. S. 14.
' Röpell, Gesch. Polens I S. 94ff. u. 622 ff. Schiemann, Rußland, Polen
und Livland I S. 383 ff. Zeißberg, Arch. f. Ost. Gesch. 38 S. 27 ff.
s So Ibrahim-ibn-Jakub S. 141.
— 201 —
Miseco zur Anerkennung der deutschen Oberherrschaft-*^. Seitdem
befand sich Polen in einem ähnhchen Verhältnis zu Deutschland
wie Böhmen: man konnte den Herzog als Freund des Kaisers be-
zeichnen", er erschien neben den anderen Wendenfürsten am Hofe"'',
wie sie zahlte er Tribut*. Die Unterordnung unter das B,eich
brachte den Herzog in Beziehung zum Christentum. Man würde
es begreifhch finden, wenn er einfach den Entschluß gefaßt hätte,
den Glauben des Kaisers anzunehmen. Doch waren schHeßlich
Einwirkimgen, die von Böhmen ausgingen, entscheidend. Im Jahre
966 vermählte sich Miseco mit Dobrawa, der Schwester Boleslavs 11.^
Der Gedanke mag gewesen sein, eine Verbindung zwischen den
beiden stammverwandten Völkern herzustellen. Doch führte diese
Heirat weiter. Das Wesen der christlichen Fürstin machte auf ihre
polnische Umgebung den tiefsten Eindruck. Thietmar urteilt, sie
habe sich als das bewiesen, was ihr Name — die Gute — bedeute.
Durch sie bestimmt, entschloß sich Miseco zum Empfang der Taufe.
Das geschah schon im Jahre nach seiner Vermählung^. Nuii aber
wirkte die Abhängigkeit Polens vom Reich. Dobrawa war ohne
Zweifel von böhmischen Klerikern begleitet nach Polen gekommen.
Seitdem der Herzog ein Christ war, konnte jedoch die polnische
Kirche nicht als ein Anhängsel der böhmischen, die selbst noch
nicht organisiert war, betrachtet werden. Es wurde deshalb schon
im Jahre 968 ein eigenes polnisches Bistum gegründet'. Seinen
Sitz erhielt es in Posen. Indem es dem neuerrichteten Sprengel
von Magdeburg einverleibt wurde ^, trat es in den Organismus der
deutschen Kirche ein. So wenig wir über die Errichtung dieses
Bistums wissen, so zeigt doch die Unterordnung unter Magdeburg,
daß eine Mitwirkung des Kaisers angenommen werden muß'"*.
1 Thietm. II, 14 S. 56, vgl. 29 S. 37; Cont. Regin. z. 963 S. 173.
'' Widuk. m, 69 S. 82. » Thietm. II, 31 S. 38.
4 Ib. II, 29 S. 37.
5 Ib. IV, 55 S. 94; Ann. Saxo z. 967 S. 620; vgL.Cosm. 1,27 S. 51.
^ Ann. Cracov. vet. z. J. 967 S. 2 der Oktavausgabe. Nach den Ann.
Kamenz. S. 7, Ann. cap. Cracov. S. 15, Ann. Polon. S. 49 fällt dagegen die
Vermählung in d. J. 965 und demgemäß die Taufe in d. J. 966.
7 Ann. Bohem, z. J. 968 (Miklosich, Slav. Bibliothek II S. 301).
s Thietm. E, 22 S. 32; Ann. Magdeb. z. 970 Scr. xVl S. 151.
^ Zeißberg (S. 76 f.) urteilte, es scheine, daß die erste Stiftung des
Bistums Posen nicht vom Kaiser, sondern von Miseco ausgegangen sei.
Aber die Errichtung eines neuen Bistums konnte nur geschehen unter Mit-
wirkung entweder des Papstes oder des Erzbischofs, hier des Magdeburger
der sich aber dann an den Papst wenden mußte. In diesem oder in jenem
— 202 —
Thietmar nennt den ersten Bischof von Posen — er hieß Jordan
— und rühmt seine gewissenhafte Arbeit^. Auch wissen wir, daß
er länger als ein Jahrzehnt an der Spitze des neuen Bistums stand^.
Aber wer möchte glauben, daß seine Erfolge viel größer waren
als die Deothmars in Prag? In der Tat erscheinen die Polen
noch lange nach ihm weit mehr als ein heidnisches, denn als ein
christliches Volk^
Derjenige ist der Meister der Politik, der im rechten Moment
Halt zu machen versteht. Karl d. Gr. hatte es verstanden. Aber
im zehnten Jahrhundert fehlte in Deutschland ein solcher Meister.
Schier übergroß war die durch die Erfolge weniger Jahrzehnte
errungene Ausdehnung der deutschen Herrschaft und des deutschen
Einflusses nach Osten hin; man mußte fragen, ob unser Volk stark
genug war, die ihm dadurch gesteckte Aufgabe zu lösen. Aber
man blieb nicht dabei stehen: noch während die deutsche Macht
gegen die Slaven unaufhaltsam vordrang*, hatte die deutsche PoKtik
begonnen, sich auch den Verhältnissen des Südens zuzuwenden:
Italien wurde wieder ein Faktor, mit dem man am deutschen Hof
rechnete. Daß die kirchhchen Verhältnisse dadurch unmittelbar
berührt wurden, leuchtet sofort ein. Wir haben zu untersuchen,
wie die Beziehungen zu Italien erneuert wurden und welche Ein-
wirkung dies auf die Lage der deutschen Kirche ausübte.
Fall scheint mir unmöglich^ daß Verhandlungen mit dem polnischen Her-
zog stattfanden ohne Vorwissen und Zustimmung des Kaisers Für den
Herzog aber war es einfacher sich zuerst an den Kaiser zu wenden, dessen
Wort entschied, als an den Erzbischof oder den entfernten Papst. Ich
glaube deshalb annehmen zu müssen, daß die Stiftung von Anfang an im
Einvernehmen mit Otto zustande kam. ^ Chron. IV, 56 S. 95.
- Aus Thietm. VII, 5 S. 173 berechnet sich 982 als Todesjahr.
8 Vgl. z. B. Thietm. IX, 2 f. S. 240.
* Eine Zeitlang schien sogar die deutsche Kirche Einfluß auf die
Russen gewinnen zu können, s. Cont. Regin. z. 959 — 962 S. 170 ff.
Viertes Kapitel. '
Die Erneuerung der Beziehungen zu Italien und ihre
Rückwirkung auf die kirchliche Lage im Norden.
Das Bewußtsein der Gemeinschaft der europäischen Völker ist
keine konstante Größe. In der Geschichte unseres Weltteils wechseln
mit Perioden, in denen die gegenseitige Berührung der Nationen
ebenso mannigfach wie eng ist, andere, in welchen die Völker sich
gewissermaßen auf sich selbst zurückziehen: es fehlt an jeder zu-
sammenhaltenden Ki'aft. Die Weltgeschichte scheint sich dann in
ein unverbundenes Nebeneinander nationaler, wohl auch nur per-
sönlicher Bestrebungen, Erfolge und Niederlagen aufzulösen. Das
ausgehende neunte und das beginnende zehnte Jahrhundert tragen
diesen Charakter: die europäischen Völker traten weiter aus-
einander, als man nach der engen Verbindung unter Karl d. Gr.
und Ludwig d. Fi'., unter Nikolaus I. und Hadrian II. hätte er-
warten sollen.
Für die Zukunft Deutschlands waren diese Jahrzehnte ent-
scheidend. Die staatliche Einheit, die unser Volk in Gefahr war
einzubüßen, wurde erhalten und neu gefestigt; zu gleicher Zeit
Aviu"de die Grundlage für die Ausbreitung des deutschen Volkstums
im Osten gelegt. Für Italien und das Papsttum dagegen hatte
dieser Zustand der europäischen Welt sehr wenig erireuliche
Folgen^. Nicht nur war Rom schutzlos den Anfällen der Sara-
1 Wattenbach, Gesell, dea röm. Papsttums (1876) S. 79 ff. Langen,
Gesch. d. röm. Kirche von Nikol. I. bis Gregor VII. (1892) S. 275 ff. Grego-
rovius, Gesch. d. St. Rom, 3. Bd. (4. Aufl.) S. 210 ff. Reumont, Gesch. d. St.
Rom, 2. Bd. S. 220 ff.
— 204 —
zenen preisgegeben; schlimmer war, daß die Päpste in die Kämpfe
der italienischen Dynasten verflochten wurden. Die Geschichte
kennt kaum etwas Würdeloseres als ihr unsicheres Hin- und Her-
schwanken zwischen den um den ersten Titel der Welt hadernden
kleinen Herren. Und doch erscheint die Schmach dieses Zu-
standes erträglich, wenn man sich vergegenwärtigt, was aus dem
Papsttum durch den Einfluß Theodoras und ihrer Familie geworden
ist. Die Männer, welche die obersten Vertreter des moralischen
Prinzips auf Erden sein sollten, versanken in den Sumpf unver-
hüllter Immoralität.
Die Folge dieser traurigen Zustände war, daß der Einfluß
Roms auf die ultramontanen Völker zurückging. Es waren wenige
Jahrzehnte verflossen, seitdem Nikolaus I. die abendländische Kirche
von Rom aus regierjt hatte. Daran war nicht mehr zu denken:
die wichtigsten, folgenschwersten Ereignisse vollzogen sich ohne
Rom. Die Päpste haben kein Verdienst um die Bekehrung der
slavischen Völker. Weder die Unterwerfung des französischen
Episkopats unter die Macht der Großen, noch die Umgestaltung
des deutschen Bistums zu einer weltlichen Fürstenmacht rief eine
Gegenwirkung der Kurie hervor. Man kann nicht sagen: sie ließ
beides geschehen; sie beachtete es nicht einmal.
Gleichwohl hörten die Beziehungen der nordischen Kirchen zu
Rom nicht auf. Es bewährte sich in dieser Zeit der Auflösung die
zähe Festigkeit, die kirchlichen Rechtsverhältnissen eigen ist. Die
Autorität des Papsttums überdauerte den Verfall des Papsttums.
Sie konnte durch die jeweiligen Vertreter der päpstlichen Würde
erhöht oder vermindert werden; aber auch der unwürdigste Papst
war nicht imstande sie zu vernichten. Denn für den Glauben der
Zeit hatte das Papsttum als Institution seine Bedeutung ganz ab-
gesehen von der Person seines Inhabers.
An der Kurie sorgte man dafür diesen Glauben lebendig- zu
erhalten. Auch in den Tagen der schmachvollsten Erniedrigung
prätentierte Rom die beherrschende Stellung in der Welt, welche
einstmals Nikolaus I. eingenommen hatte. Man könnte versucht
sein, darüber zu lächeln. Tatsächlich liegt doch in dieser uner-
schütterlichen Kontinuität des Anspruchs ein sehr bedeutendes
Moment realer Macht. Es gibt vielleicht kein Pontifikat, das den
Stempel der Ohnmacht so offen an der Stirn trüge, wie das des
Papstes Romanus. Als das römische Volk im Entsetzen über die
Schändung der Leiche des Papstes Formosus Stephan VI. gestiü-zt
und ihm im Gefängnis ein grauses Epde bereitet hatte, wurde
Romanus, Priester bei St. Petrus ad vincula, auf den blutbefleckten
Thron der Päpste erhoben, um schon nach vier Monaten wahr-
— 205 —
scheinlich ebenfalls ermordet zu endend Aber auch dieser Papst
sprach den fremden Kirchen gegenüber in den herkömmlichen er-
habenen Worten davon, daß gleichwie Petrus, der Fürst der Apostel
und der Pförtner des Himmelreichs, durch die Gabe des heiligen
Geistes von dem Herrn die Gewalt zu binden imd zu lösen er-
halten habe, also auch der apostolische Stuhl, gestützt auf die
kanonische und königliche Autorität, durch göttliches und mensch-
Uches Recht verpflichtet sei, allen Kirchen Gottes über den ganzen
Erdkreis hin Hilfe und Unterstützung zu gewähren^. Und kann
man sich einen machtloseren Herrscher denken als Papst Jo-
hann IX. ^? Er bedurfte Holz zur Wiederherstellung der latera-
nischen Basilica. Aber er fand in Rom keine Arbeiter, die sich
getrauten, das Holz auf den Höhen der Sabiner- oder Albaner-
berge zu fällen: so unsicher war die nächste Umgebung Roms und
so nichtig die Macht des Papstes*. Und doch, derselbe Papst, der
seine Zimmerleute im Walde von Marino nicht zu schützen ver-
mochte, verkündigte in einem Schreiben an die Kirche von Langres:
Ein solches Vertrauen haben wir von dem Herrn, dem Stifter des
heihgen Stuhls und dieser apostolischen Kirche, und von dem
seligen Petrus, dem Aposteliiirsten, empfangen, daß wir mit uner-
müdlicher Liebe für die allgemeine Kirche, die Christus durch sein
Blut erlöst hat, arbeiten, allen Knechten Gottes beistehen, allen,
die fromm leben, kraft apostoHscher Autorität Hilfe bringen und
was geschädigt ist, un verweilt bessern und wiederherstellend Ahn-
lich in anderer Hinsicht. Es wird in der Christenheit wenige
Priester gegeben haben, die ihre geistlichen Pflichten so offen ver-
letzten, als Johann X.^ Erhoben durch die Macht der älteren
Theodora war er entgegen dem kirchhchen Recht von Bologna
nach Ravenna, von Ravenna nach Rom übergegangen l Den ersten
Priester der Christenheit befleckte der Vorwurf schamloser Unzucht^.
Daß die Kirche den Priestern die Teilnahme am Kampf verbot,
vergaß er so völhg, daß er ruhmredig nach Deutschland schrieb:
Durch mich und meinen Sieg sind die Sarazenen, die seit 60 Jahren
dieses Land verwüsteten, zerstreut worden, mich selbst habe ich
für das Heil der Christen der Gefahr preisgegeben, zweimal habe
ich selbst die Schlacht geleitet^. Aber Johann ist derselbe Mann,
der, wie wir mis erinnern, einen Legaten zur Hohen altheim er
Synode sandte mit einem Schreiben voll von Mahnungen und Be-
1 November 897. « j.w. 8516. » April 898 — Mai 900.
* Synode zu Ravenna i. J. 898 c. 10, Mansi XVHI S. 232.
5 j -yv". 3520. * März 914 — Juni 928.
■> Liudpr. Antapod. II, 47 f. S. 44 f. » Ibid. ^ J.W. 8556.
— 206 —
lehrungen über alles, was zur christlichen Religion gehört -'^. Er
ist derselbe Mann, der an einen deutschen Erzbischof schrieb, es
sei unaussprechlich, welche Betrübnis und welcher Schmerz ihn
darüber erfülle, daß er aus verschiedenen Teilen der Welt von, Ver-
brechen und Freveln höre, an denen er, dem die Sorge für alle
obUege, mitzutragen habe^. Er gab sich als der Hort des kirch-
lichen Rechts: dem Erzbischof Hermann von Köln, dem seine
Diözesanen den Beinamen des Frommen gaben, und den ein urteils-
fähiger Zeitgenosse als einen überaus heiligen Mann charakterisiert^,
erteilte er ernste Ermahnungen zu gewissenhafter Amtsführung,
nicht ohne eine strenge Rüge darüber, daß er die Gabe des heiligen
Geistes, als wäre sie ein irdisches Gut,, einem Mann übertragen
habe, dem er sie nicht übertragen durfte*: er hatte Hilduin zum
Bischof von Lüttich geweiht, den Karl HI., nachdem er ihn zuerst
ernannt, dann wieder hatte fallen lassen^.
So blieb es auch später: mochten die Päpste so machtlos oder
so verworfen sein als möglich, die Anschauungen Nikolaus' I. herrsch-
ten an der Kurie. Man konnte kein päpstUches Schreiben, das
nach Deutschland kam, lesen, ohne daß man in ihm gewichtige
Äußerungen über die Macht, die Rechte, die Pflichten des aposto-
lischen Stuhles fand^. Das waren Worte, denen keine Taten mehr
entsprachen; aber es waren Worte, welche große Gedanken lebendig
erhielten.
Man kann nicht sagen, daß die römischen Ansprüche diesseits
der Alpen auf prinzipiellen Widerstand stießen. Niemand täuschte
sich über die Machtlosigkeit der Päpste. Flodoard hat Johann XI.
charakterisiert als einen Mann, dem ebenso die Macht als der
flirstKche Glanz entrissen sei '. Es fehlte nicht an Unzufrieden-
heit mit einzelnen Päpsten und manchen päpstlichen Maßregeln.
Derselbe Flodoard verhehlte seinen Abscheu vor der durch Stephan VI.
Yollzogenen Leichenschändung nicht im mindesten ^. In der schärf-
1 CT. I S. 620; s. o. S. 13.
^ In dem S. 207 Anm. 9 citierten Schreiben.
^ Regln, contin. z. 923 S. 157.
* J.W. 8564. Man kann den Wert dieses Tadels beurteilen, wenn
man sich erinnert, daß Johann einen fünfjährigen Knaben als EB. v. Rheims
bestätigte, Flod. H. Rem. eccl. IV, 20 S. 578.
5 Richer bist. 1,22 u. 25 S. 24 u. 26; vgl. oben S. 19.
6 Vgl. z. B. J.W. 8613, 3617, 3641, 8642 u. a.
' Vit. Roman, pontif. bei Watterich I S. 669 :
Vi vacuus, splendore carens, modo sacra ministrans.
« L. c. S. 655.
— 207 —
sten Weise tadelte der fuldische Mönch, der Rudolfs Annalen fort-
setzte, das Verfahren Johanns VIII. ^; die Wahl Marins trug er
kein Bedenken als unkanonisch zu bezeichnend Die Bischöfe der
Diözesen Trier und Rheims erinnerten sich einem Schreiben Aga--
pets gegenüber auf ihrer Synode zu Mou^on im Jahre 948 an den
siebten Kanon der dritten Karthaginiensischen Synode und ver-
weigerten demgemäß dem Papste den Gehorsam ^. Aber das waren
vereinzelte Fälle, die ohne AVirkung auf die Gesamtanschauung
waren. Ihr galt die Stellung, die Born in der Kirche forderte, als
zweifelloses Recht. Man sieht es aus Regino: niemand wird ihm,
einem der gelehrtesten Kenner des Kirchenrechts und einem der
ersten Männer, die eine Darstellung der Weltgeschichte wagten,
ein anderes als ein ruhiges und umsichtiges Urteil zutrauen. Aber
indem er den Streit Lothars II. mit den Päpsten erzählt, tadelt
er die Erzbischöfe von Köln und Trier als Toren, da sie wähnten,
den Stuhl des h. Petrus täuschen zu können, während es doch un-
möglich sei, daß je ein Papst täusche oder irre^. Die ganze
Kirche, sagt er ein anderes Mal, verehre Rom um der beiden
Apostelfürsten willen in sonderlicher Weise; er, der Geschichts-
kundige erinnert sich dabei an die Größe des heidnischen Rom^:
man sieht, daß auch jetzt noch die Tatsache, daß Rom einstmals
Sitz der Weltherrschaft gewesen war, nicht ganz ohne Wirkung
bheb, sie beherrschte die Vorstellung. Dasselbe Urteil wie bei dem
Abte von Prüm begegnet man bei dem namenlosen Kanonikus von
St. Victor in Xanten, dem wir die Jahrbücher dieses Klosters ver-
danken. Er betrachtete es als frevelhafte Vermessenheit, wenn ein
Erzbischof glaube, den gleichen Rang in der Kirche einzunehmen
wie der römische Papst: aus einem solchen rede der Geist des
Abfalls, der sich dem Höchsten gleichstellen wolle ^.
Diese Überzeugungen haben sich nicht geändert, während das
Papsttum immer tiefer sank und die Macht Deutschlands sich immer
glänzender erhob. Wenn irgend ein Mann schonungslos über die
Päpste geurteilt hat, so war es Liudprand von Cremona. Aber der
im Amte befindliche Papst galt ihm unweigerlich als der oberste
1 Ann. Fuld. z. 878 S. 91. ^ Ib. z. 882 S. 99.
* Ann. Fl od. z. 948 S. 395. Sie eitleren c. 19 des cod. eccl. Afric,
der aus der angefülirten Synode stammt; er bestimmt: Quisquis episcoporum
accusatur ad primatem provinciae ipsius causam deferat accusator (Bruns,
Canon, ap. et concil. I S. 123).
* Chron. z. 865 S. 83. Die Chronik ist 906—908 geschrieben.
5 Ib. z. 842 S. 75. « Ann. Xant. z. 865 S. 281.
— 208 —
Bischof und der allgemeine Vater ^, als der Vikar des heiligen
Petrus oder der heiligen Apostel", und wenn irgend ein Mann
das bewundert hat, was die sächsischen Könige taten, so war es
Thietmar von Merseburg. In einem Fall aber erinnerte auch er
sich, daß der Geschichtschreiber das Recht hat, seine Helden zu
beurteilen : als er die Absetzung Benedikts V. durch Otto I. erzählt.
Er bezweifelt das Recht des Königs: denn niemand als Gott könne
den Papst richten : in Christo sei dieser mächtiger als der Kaiser^
Was der Merseburger Bischof sagte, dasselbe dachte die Mainzer
Synode unter Erzbischof Friedrich, wenn sie die beiden Würden so
ordnete, daß „der Herr Papst" an die erste, „unser König" an die
zweite Stelle trat*. Hrotsuith von Gandersheim sprach also schwer-
lich etwas anderes aus als die allgemeine Überzeugung, indem sie
den Grafen Liudolf zum Papste sagen läßt, daß er als Haupt der
Kirche auf dem ganzen Erdkreis herrsche^.
Fast wunderbar ist ' diese unerschütterhche Ehrfurcht vor einer
Institution, die nichts mehr wirkte. Man kann sie nur erklären
aus der geistigen Gebundenheit, mit der die germanische Welt der
Größe des Altertums gegenüberstand. Aber sie war folgenreich:
sie erhielt dem Papsttum seine Zukunft. Denn sie verhütete, daß,
während die deutsche Kirche tatsächlich in nationaler Abgeschlosen-
heit lebte und arbeitete, auch nur der Gedanke entstand, dieselbe
als Sonderkirche zu konstituieren. So gesunken das Papsttum war,
der Verkehr mit Rom erlitt kaum eine Unterbrechung: in ihm aber
kam die prinzipielle Anerkennung der päpstHchen Rechte zur Aus-
sage. Die deutschen Erzbischöfe haben, wie es scheint, regelmäßig
das PaUium von Rom erbeten und erhalten^; wie es die Sitte er-
heischte, legten sie dabei ihr Glaubensbekenntnis zum Beweis ihrer
Rechtgläubigkeit dem Papste vor ': er war der Richter des Glaubens.
Er war auch der Hüter des Rechts: wollte ein Kloster seine Be-
sitzungen und Privilegien sichern, so ließ es sie von ihm bestätigen^;
1 Gest. Ott. 1 S. 124 u. ö.
2 Ib. 6 S. 126; Antap. U, 48 S. 46. ^ Chron. II, 18 S. 752.
■* JafFe, Bibl. III S. 345: Es sollten regelmäßig 10 Messen gelesen werden
pro statu ac incolumitate dömni papae omnisque gradus ecclesiastici; ac
postea 10 pro sospitate regia nostri, cunctorum atiam regni sui primatum;
s Primord. Gandersh. v. 142 S. 233.
« Hermann v. Köln 890 J.W. 3457; Hatto I. v. Mainz 891 Nr. 3477;
Adaldag v. Hamburg c. 936 Nr. 3612; Bruno v. Köln 954 Nr. 3658.
' Brun V. Köln, Vit. Brun. 26 S. 27 ; Friedrich v. Mainz, Brief Leos VII.
J.W. 3613; Piligrim v. Passau, Brief an Bened.
* Es ist überflüssig hierfür Belege im einzelnen anzuführen. Nur bei-
spielsweise mag erwähnt werden, daß Fulda seine Privilegien von Stephan V
— 209 —
wer sich in dem eigenen Recht verletzt fühlte, suchte Stütze und
Hilfe in ßom-'^; eine kirchliche Stiftung schien dann am besten ge-
wahrt, Avenn sie dem päpstlichen Schutz übergeben wurde". Daß
dem römischen Bischof die oberste Entscheidung in Fragen der
kirchlichen Verwaltung zukam, war unbestritten und unbezweifelt:
die Synoden verschmähten es nicht, das Gewicht ihrer Beschlüsse
dadurch zu erhöhen, daß sie sie unter die päpstliche Autorität
stellten^; das letzte Urteil bei zweifelhaften Bischofswahlen überließ
man bereitwillig dem Papst*; man trieb Missionsarbeit, ohne von
ihm autorisiert zu sein; aber für die Gründung und Abgrenzung
neuer Bistümer hielt man seine Zustimmung für notwendig ^ Eben-
so wurde willig anerkannt, daß ihm die Befugnis eigene, von der
Beobachtung des herrschenden Rechts zu entbinden: als Liutbert
von Mainz über eine alteingewurzelte Einrichtung der deutschen
Kirche bedenklich wur^e, da sie von der sonst herrschenden Ord-
nung abwich, ließ er sich vom Papste die Erlaubnis erteilen, sie fest-
zuhalten''. Es ist fast selbstverständlich, daß die Bischöfe sich in
a. 891 Nr. 3466, Benedikt IV. a. 901 Nr. 3529, Johann X. a. 917 Nr. 3558,
Leo Vn. a. 936 Nl-. 3596,- Marin IL a. 943 Nr. 3622, Agapet IL a. 946 Nr. 3633
bestätigen ließ, also im Durchschnitt in jedem Jahrzehnt einmal.
^ Vgl. die Appellation Egilmars v. Osnabrück in seinem Zehntstreit
mit den Klöstern Corvey u. Herford. Er schreibt: Vestrae pietatis iura,
quae penes Deum sunt manifesta, deposcimus, ut nos . . fulcire et adiuvare
dignemini, Erhard, Reg. Westf. I ÜB. S. 35 Nr. 41.
- Über die Entstehung des päpstlichen Schutzes als Uechtsinstitut s.
Blumenstock, D. päpstl. Schutz im MA., Innsbr. 1890. Hier mag daran
erinnert werden, daß die ersten päpstlicben Schutzbriefe für englische
Klöster ausgestellt wurden, c. 701 für Malmesbury J,"W". 2140, c. 801 für
Abdingdon J.W. 2508, vgl. Blumenstock S. 31 f. In Frankreich erhielt den
ersten Schutzbf das Kl. Moutierender von Hadrian IL 867—872 J.W. 2949.
In Deutschland gehörte das erste Schutzprivilegium dem Bistum Hildesheim
und dem Kloster Corvey. Es ist von Stephan V. 887 erlassen, ÜB. d. H.
Hildesh. I S. 14 Nr. 16. Es folgen St. Ursula in Köln 931—36 J.W. 3594;
Magdeburg 941, Dipl. I S. 123 Nr. 37; Gandersheim 948 LW. 3642 u. 3721.
^ Die Beschlüsse von Ingelheim (948) werden auctorante et • confir-
mante legato apostolico gefaßt, C.I. I S. 14 Nr. 6.'
* Die Hohenaltheimer Synode lud Richwin von Straßburg, den Nach-
folger des 913 erschlagenen Otbert (Cont. Regin. S. 155), vor eine Synode
zu Mainz und bedrohte ihn im Falle der Renitenz mit Suspension, donec
Romam veniens coram domno papa et s. ecclesia reddat rationem, c. 29
S. 625. " S. 0. S. 103f., 115 ff.
« Er ließ sich von Stephan V. die Erlaubnis zur Beibehaltung der
Chorbischöfe in der Mainzer Diözese erteilen, J.W. 3443,
Hauck, Kirchengeschichte. IIl. !■*
— 210 —
den manchfachsten Disziplinarfällen um Bescheid nach Rom wandten.
Das geschah nicht nur bei schwierigen Fragen, deren Entscheidung
allgemeineres Interesse hatte ^, sondern auch bei Kleinigkeiten, wie
etwa bei der Frage, ob einem Kleriker, der einen Finger an der
linken Hand verloren hatte, die Priesterweihe dürfe erteilt werden -.
Für das schwierige Kapitel der Eheangelegenheiten blieb Rom nicht
minder die höchste Instanz ^. Trat vollends ein neues Problem den
Bischöfen entgegen, so versuchten sie nicht, nach eigenem Ermessen
Stellung zu nehmen, sie ließen sie sich von dem Papste anweisen:
als man zum erstenmal in Deutschland es drückend empfand, daß
eine zahlreiche Judenschaft in den christlichen Städten sich heimisch
gemacht hatte, legte Friedrich von Mainz die Frage, wie er sich
zu verhalten habe, Leo VII. zur Entscheidung vor^ Daß man in
Rom sichere Kenntnis des kirchlichen Altertums besitze und des-
halb alle Zweifel lösen könne, erschien den Deutschen als aus-
gemachte Sache: Liutbert von Mainz suchte dort Belehrung über
die Zahl der nicänischen Kanones^
Der manchfache Verkehr, der zwischen den Leitern der deut-
schen Kirche und der Km-ie stattfand, machi es verständlich, daß
die Stellung eines päpsthchen Vikars den deutschen Erzbischöfen
erstrebenswert erschien. Wir erinnern uns, daß Leo VII. die einst
von Bonifatius besessene Würde Friedrich von Mainz übertrugt;
auch seine Nachfolger erhielten die Legatengewalt in Germanien
und Galhen'. Aber hier wirkte nun die tatsächliche Schwäche
des Papsttums. Jene Würde gewährte ihren Trägern keine wirk-
liche Macht. So bedeutend die Stellung war, die Friedrich und
Wilhelm unter den deutschen Bischöfen einnahmen, so verdankten
^ Liutbert von Mainz suchte Belehrung über das Verfahren bei fahr-
lässiger Tötung, J.W. 3443. Bemerkenswert ist, daß sich der Papst dabei
gegen die Beweisführung durch Gottesurteil ausspricht. Hermann von Köln
berichtet über einen Brudermord (ib. 3556).
2 Ib. 3447. Man kann es dem Papste kaum verargen, daß er der
sollertia magis super hoc sollicita des Bischofs von Metz in beinahe unge-
duldigem Tone Antwort gibt.
^ Ib. 3557. 4 Ib. 3613.
^ Stephan V. erwiderte, er habe keinen Zweifel daran, daß die nicä-
nische Synode gemäß der Zahl der 70 Jünger 70 Canones erlassen habe;
man besitze aber in Rom nur 20; quo neglectu reliqua defecerint, ambiguum
est. Ev beruft sich auf den gefälschten Brief des Mhanasius an den Papst
Marcus, Decr. Ps. Isid. ed. Hinschius S. 452.
8 S. 0. S. 37.
' Wilhelm durch Agapet IL, ep. Mogun. 17 S. 345; Willigis durch
Benedikt VIL, J.W. 3784; vgl. ep. Mogun. 20 S. 351.
— 211 —
sie dieselbe doch nur ihrer Person und nicht ihrem Amt als
apostolische Vikare.
Das charakterisiert die Gesamtlage. Das Verhältnis der deut-
schen Kirche zu Rom im beginnenden zehnten Jahrhundert ist
nicht mit dem der fränkischen Kirche zu den Päpsten im Anfang
des siebten Jahrhunderts zu vergleichen. Rückschritte führen nie-
mals auf denselben Punkt zurück. Denn damals hatten die Be-
ziehungen zu Rom tatsächlich aufgehört, jetzt bestanden sie fort.
Aber wenn diese Fortdauer auch für die Zukunft ungemein Avichtig
war, für die Gegenwart hatte sie geringen Wert. Sie bedeutete
nur, daß das Räderwerk der Geschäfte in der herkömmhchen
Weise ablief. Trotz des Geschäftsverkehrs aber fehlte die Interessen-
gemeinschaft. So hatte deim auch der ununterbrochene Verkehr
mit Rom nicht verhindert, daß die deutsche Kirche zu einer Na-
tionalkirche wurde. Die Frage für die Zukunft war, ob sie diesen
Charakter bewahren würde, oder ob die noch vorhandene lose Ver-
bindung mit Rom neue Kraft gewinnen sollte.
Die Entscheidung ist durch die Entwickelung der staathcheu
Verhältnisse herbeigeführt worden. Durch die Erneuerung der
politischen Beziehungen Deutschlands zu Italien und zu Rom wurde
den kirchlichen Beziehungen neues Leben eingehaucht.
Seit dem Tode Kaiser Arnulfs hatten die deutschen Fürsten
Italien aus dem Auge verloren. Unter Ludwig IV. und Konrad I.
fehlte die Macht, in die Verhältnisse jenseits der Alpen einzugreifen,
miter Heinrich I. der Wille. Seine konsequente Beschränkung auf
erreichbare Ziele, seine Scheu den vertrauten Boden zu verlassen,
mußten ihn von Italien ferne halten. SchweHich ist ihm je der
Gedanke gekommen nach Rom zu ziehen: um als Pilger dort zu
erscheinen, fehlte ihm die Devotion; sollte er von der Kaiserkrone
geträumt haben? Man muß es bezweifeln; für seinen verständigen
Sinn gab es in Rom keine Erfolge zu eriringen^. Überhaupt: in-
1 Widukinds Notiz, daß Heinrich nach Rom habe ziehen wollen, I, 40
S. 34, halte ich auch nach dem, was Waitz (Heinrich S. 167 ff.) zu ihrer
Verteidigung gesagt hat, für sehr unwahrscheinlich. "Widukind schrieb
dreißig Jahre nach dem Tode Heinrichs. Angaben über nicht ausgeführte
Absichten, die durch einen so langen Zeitraum von dem Moment getrennt
sind, in welchem sie gehegt worden sein sollen, gehören zu den unsichersten
Teilen der Überlieferung. In diesem Falle widerspricht die angebliche Ab-
sicht allem, was wir über den Charakter und das Verhalten des Königs
wissen; sie ist dagegen leicht verständlich als Bestandteil der ottonischen
Mythenbildung. So scheint sie auch Maurenbrecher betrachtet zu haben
(s. Histor. Zeitschr. V S. 150).
14*
— 212 —
dem der Schwerpunkt Deutschlands sich nach dem Norden ver-
schob, rückte Italien Deutschland ferner als bisher. Auch Otto I.
hat, so wenig er sonst die pohtische Zurückhaltung seines Vaters
kannte, ItaHen mehr als ein Jahrzehnt lang sich selbst überlassen.
Dort schien sich nach und nach eine konstante Macht heraus-
zubilden. Seit 926 behauptete sich Hugo von der Provence hn
Besitz der nördhchen Hälfte der Halbinsel^. Die Erneuerung des
lombardischen Königreichs, die Vereinigung des mittleren und oberen
Italiens zu einem Staatswesen schien sich anzubahnen". Es ist
begreiflich, daß Hugo danach strebte, auch Rom seiner Herrschaft
zu unterwerfen^. Allein das mißlang ihm. An sich" war es nun
freilich für die Sicherheit der italienischen Verhältnisse ohne viel
Belang, daß er mit seinen Absichten auf Born scheiterte; denn
Bom nahm in Itahen eine Sonderstellung ein: die ehemahge Haupt-
stadt der Welt konnte nicht nur Hauptstadt des lombardischen
Königreichs werden, das letztere aber war lebensfähig ohne Bom.
Allein die Art, wie Hugo Bom in dem Moment verlor, in dem er
es in Besitz nahm, zeigt recht deutlich, wo der schwache Punkt
seiner Herrschaft lag: keineswegs nur in der Schwierigkeit der
Verhältnisse, sondern mindesten^ ebensosehr in der Person des
Königs.
Die Aussicht auf die Herrschaft über Bom wm'de Hugo durch
den Tod seines Halbbruders Guido eröffnet^. Dieser war Mark-
graf von Tuscien; zugleich besaß er, als Gemahl Marozias, den
Prinzipat in der Stadt. Als er im Jahre 931 starb ^, trug Marozia,
im Ehrgeiz Königin zu sein, ihre Hand und. damit den Besitz von
Bom Hugo an. Wie hätte er diese Erweiterung seiner Macht
ablehnen sollen?
Schon damals leistete da& Grabmal Hadrians den Dienst einer
die Stadt beherrschenden Citadelle. Der riesige Turm muß alle
anderen Bauten ringsum mächtig überragt haben; das Volk nannte
in übertriebener Bewunderung die auf der Spitze des Monuments
errichtete Kapelle ecclesia s. AngeH usque ad coelos. Dort nahmen
Hugo und Marozia ihren Sitz. Marozia hatte einen Sohn namens
Alberich. Der trotzige Jünghng sollte dem Gemahl seiner Mutter
den Dienst eines Pagen leisten. Er tat es widerwilhg mid mit ab-
1 Flod. ann. z. d. J. S. 376. - Liudpr. Antap. III, 16 ff. S. 61 f.
3 Ders. III, 43 ff. S. 73; Flod. ann. z. 933 S. 381; 936 S. 383; 942 S. 389.
* Das Folgende nach Liudprand a. a. 0. und Bened. ehr. 32 Scr. III
S. 715; vgl. W. Sickel in den Mtt. d. Inst. f. osterr. GF. XXIII S. 50 ff.
^ Nicht lange nach dem Amtsantritt Johanns XL, der in den März
931 fiel.
— 213 —
sichtlichem Ungeschick. Darüber brauste der Zorn des Königs
auf: er versetzte seinem Stiefsohn einen Schlag ins Gesicht. Das
war zu viel für Alberich: er stürmte hinaus und rief das Volk zur
Rache auf für die ihm, dem Römer, durch einen Fremden ange-
tane Schmach. Seine Worte zündeten : man wählte ihn zum Führer
und stürmte gegen das Kastell. König Hugo war gewalttätig und
keck; aber im AugenbHck der Entscheidung fehlte ihm der kühle
Mut, der beharrt auf die Gefahr hin unterzugehen: noch ehe das
Kastell erstiegen war, gab er die Hoffnung auf, es zu behaupten.
Von jähem Schrecken ergriffen, hatte er nur den einen Gedanken,
wie er sich zu den Seinen, die vor der Stadt lagerten, retten könne.
Die Mauer der Leostadt reichte bis an den Turm; er ließ sich an
einem Strick über die Zinne auf sie herab; von ihr aus gewann
er das Freie, Mit seiner Flucht hatte er" Rom verloren. Alberich
verstand die Gewalt festzuhalten, die er in einem Augenblick popu-
lärer Erregung erlangt hatte •^.
So, wie er sich hier, bewies, war König Hugo. Er hatte die
Anlage zu politischer Größe; aber in der rohen Leidenschafthch-
keit seines Wesens kreuzte er selbst seine Pläne und in dem un-
vermittelt raschen Umschlag seiner Stimmungen gab er die Partie
verloren, ehe sie verloren war. Sein richtiges Urteil zeigte sieh in
allen Verhältnissen. Mit großer Gewandtheit wußte er lange Zeit
die Einmischung der fremden Mächte in die italienischen Angelegen-
heiten zu verhindern: den gefährlichsten Rivalen, Rudolf IL von
Burgund, vermochte er i. J. 933 zur ausdrückhchen Anerkennung
seiner Herrschaft auf ItaHen^; als kurze Zeit danach Herzog
Arnulf von Baiern versuchte, jenseits der Alpen festen Fuß zu
fassen, schlug er ihn mit überlegener Macht zurück^. Mit Hein-
rich I. hatte er schon vorher Beziehungen angeknüpft*: er wußte,
daß er von ihm nichts zu fürchten habe. Selbst den griechischen
Kaiser zog er in seine Berechnungen ein: er vermählte seine Tochter
mit Romanus, dem Sohne des Kaisers Konstantin Porphyrogenitus ^.
Es liegt etwas Bewunderungswürdiges in dieser nach allen Seiten
hin wachsamen Umsicht: sie verheh der an sich gänzlich unsicheren
Herrschaft Hugos unerwartete Dauer. Aber sie reichte schließlich
doch nicht aus, um sie zu erhalten : Hugo selbst untergrub die
1 Nach Benedikt v. St. Andr. war der Grund zu Alberichs Erhebung
die Absicht Hugos, ihn blenden zu lassen. Die Nachricht ist eine Dublette
zu der unten S. 214 erwähnten Erzählung Liudprands. Dadurch wird, die
Glaubwürdigkeit beider erschüttert. ^ Liudpr. Antap. 111,48 S. 76.
3 I. J. 934 (s. Riezler, G. B.'s I S. 335), Liudpr. UI, 49—51 S. 76.
* Ib. 111,21 S. 62. 5 Ib. V, 14 S. 106; 20 S. 110.
_ 214 —
Fundamente seines Eegiments. Durch seine bodenlose Unsittlich-
keit machte er sich überall einen üblen Namen ^; die Begünstigung
seiner burgundischen Landsleute stieß die Italiener zurück^; die
vor keinem Verbrechen zurückscheuende Energie, mit der er alle
Männer beseitigte, die seiner Henschaft gefährhch werden konnten,
drängte die Gefährdeten zum Anschluß an die Fremden.
Dadurch wurde auch Otto der Weg nach Italien gebahnt. Zu
den von Hugo gehaßten Männern gehörten die Sölme des Mark-
grafen Adalbert von Ivrea, Anskar und Berengar. Dem ersteren
übertrug Hugo die Mark von Spoleto und Camerino, Heß ihn aber
im Jahre 940 ermorden^. Der letztere hatte die Markgrafschaft
seines Vaters, Ivrea, im Besitz; durch seine Gemahlin war er dem
Könige nahe verwandt. Aber dieser traute seiner Treue nicht.
Wenn Liudprand zu glauben ist, gedachte er, um ihn unschädlich
zu machen, ihn blenden zu lassen, wurde aber der Plan durch
seinen eigenen Sohn verraten. Wie immer, Berengar wurde die
ihm drohende Gefahr kund: es gelang ihm zu entkommen. Er
suchte und fand Sicherheit bei Herzog Hermann von Schwaben*.
Das war im Jahr 941.
ßerengars Flucht ist der Punkt, an welchen die Neubildung
des Verhältnisses Deutschlands zu Italien anknüpft. Eines tritt
dabei klar hervor: man suchte am deutschen Hof keineswegs
italienische Eroberungen. Von Herzog Hermann wurde Berengar
wohlwollend aufgenommen; auf seine Unterstützung konnte er sich
Hofiftiungen macheu, wie denn die süddeutschen Stämme und ihre
Führer stets zu dem Versuch geneigt waren, die deutsche Macht
über den Südabhang der Alpen hin auszudehnen. Aber Ottos
Stellung war eine andere. Obgleich ihn die deutschen Verhältnisse
im Jahr 941 au der Einmischung in die italienischen Angelegen-
heiten nicht gehindert hätten, hielt er sich neutral. Als König
Hugo das Ansinnen an ihn stellte, dem geflüchteten Gegner Auf-
nahme und Unterstützung zu versagen, lehnte er sein Verlangen
nicht ohne Stolz ab^; aber auch Berengar täuschte sich, wenn er
hoffte, Otto Averde ihm durch deutsche Unterstützung den Rück-
weg nach Itahen erschließen. Er aß zwei Jalu-e lang das Brot
1 Liudprand, der ihn zu günstig beurteilt, sagt docl\: Etsi tot virtu-
tibus clarebat, mulierum tarnen illecebris eas fedabat (III, 19 S. 62).
- Vgl. ib. lU, 45 S. 74.
•' Ib. V, 4 ff. S. 102 ff. Über diese Vorgänge s. die Bemerkungen v.
Rankes, WG. VI, 1 S. 181.
^ Liudpr. V, lOff. S. 105 f. Über das Jahr s. Dümmler, Otto S. 113.
5 Liudpr. V, 13 S. 106.
— 215 —
des Verbannten, ohne daß von dem König das Geringste zu seinen
Gunsten geschah. Als er endlich den Augenblick für gekommen
erachtete, um den Kampf mit Hugo zu eröffnen, mußte er sich fast
wie ein Flüchtling aus Deutschland wegstehlen. Nur von etlichen
schwäbischen Rittern begleitet, brach er im Frühjahr 945 durch
den Vintschgau in Itahen ein. Was er erwartet hatte, geschah:
seine schwache Mannschaft vermehrte sich rasch durch den Zuzug
der italienischen Großen, die dem König Hugo die Treue brachen.
Und nun wiederholte sich jener Vorgang in der Engelsburg: ohne
es auf einen Entscheidungskampf abkommen zu lassen, gab Hugo
seine Sache verloren. Berengar aber führte durch seine wohl-
berechnete Mäßigung sein Unternehmen rasch zu Ende: er über-
ließ Hugos Sohn Lothar den königüchen Namen, zufi.'ieden, daß
ihm selbst die Macht des HeiTschers zufiel. Sogar Hugo offen zu
entthronen vermied er; auch er behielt den königlichen Titel \ Der
Friede in Italien wurde auf dieser Grundlage wieder hergestellt.
Das Glück schien dem verwegenen Prätendenten treu zu bleiben.
Hugos Tod, 10. April 947, befreite ihn von einem gefährlichen
Gegner ^ Und als der junge König Lothar am 22. November 950
starb, wurde der Platz frei, nach dem sein Ehrgeiz strebte. So
offenbar war der Gewinn, den ihm dieser Todesfall brachte, daß
alsbald das Gerücht entstand, er habe Lothar vergiften lassen^.
Man kann kaum wagen, ihn bestimmt von dem Vorwurf, den das
Volk gegen ihn erhob, freizusprechen. Denn das Zeitalter war
schwanger mit Greueltaten; doch die Schuld oder der Verdacht,
die auf ihm lasteten, hinderten nicht, daß er König wurde. Am
15. Dezember 950 hielten die Lombarden im Chor von St. Michael
zu Pavia Königswahl und erkoren ihn, der bisher den Titel seines
Vaters geführt hatte, zum König Itahens*.
Otto war bis dahin aus seiner Zurückhaltung nicht heraus-
getreten; er hatte die entgegengesetzten Ereignisse der Jahre 941
und 945 geschehen lassen. Man kann nicht sagen, daß, was im
Jahre 950 geschah, ihn nötigte, sein Verhalten zu ändern. Denn
indem die Lombarden die erledigte Krone Italiens vergaben, über-
1 Liudpr, V,26— 28 S. 113 fif. Flod. ann. z. 945 S. 392.
3 Ann. Farf. z. 947 Sei-. XI S. 588; Catal. reg. Scr. III S. 216.
^ Liudprand betrachtet Berengar als den Mörder, V, 10 S. 105, Plodo-
ard erwähnt mit einem ,ut ferunt", daß der junge Sönig vergiftet worden
sei, z. 950 S. 400. Dagegen verzeichnet die Chronik von Novalese nur seinen
Todestag, V, 3 S. 64, und spricht Hrotsuith von einer schweren Krankheit,
die ihn hinraffte, Gest. Odd. v. 467 f. S. 217.
* Chron. Noval. V,4 S. 64 f.; Ann. Flod. z. 950 S. 400; cat. reg. S. 217.
— 216 —
schritten sie weder ihre eigenen Rechte, noch verletzten sie fremde.
Auch Berengar tat nichts, was die Feindsehgkeit seiner Nachbarn
hervorrufen mußte, als er die ihm dargebotene Krone annahm \
Gleichwohl trat jetzt der Moment ein, in dem Otto seine Politik
änderte: er faßte den Plan Italien zu erobern.
Wenn man die Entschlüsse der Menschen nach den Folgen
beurteilt, die sie haben, so hat Otto d. Gr. keinen wichtigeren Ent-
schluß gefaßt als diesen. Er hat auf die Gestaltung der politischen
und der kirchlichen Verhältnisse Deutschlands und Europas den
tiefsten Einfluß ausgeübt. Es ist unverkennbar, daß seine Folgen
die nationale Entwickelung Deutschlands wie Italiens vielfach ge-
hemmt, in mancher Hinsicht verhindert haben. Aber das Bedauern
darüber wird aufgewogen durch die Erinnerung an den unschätz-
baren Gewinn, den sie der Kulturentwicklung Europas brachten.
Je bedeutender Ottos Entschluß war, um so berechtigter ist
der Wunsch, em klares Urteil über seine Motive zu gewinnen.
Aber unsere Quellen scheinen uns hier im Stich zu lassen. Zwar
wissen sie von Gründen, die Otto zu dem italienischen Zug be-
wogen : sie nennen den Wunsch nach der italienischen Königskrone,
die Absicht eine mißhandelte Fürstin zu befreien^. Allein der
1 Es ist unwahrscheinlich, daß Berengar während seiner Verbannung
Otto gegenüber Verpflichtungen übernahm, die er durch die Annahme der
Krone verletzte. Dagegen spricht 1; der Bericht Liudprands, der nur von
ehrenvoller Aufnahme, aber nichts von Verpflichtungen weiß ; 2. die Königs-
wahl in Pavia: es ist unmöglich, daß, wenn Berengar sich Otto zum Lehns-
mann ergeben hatte, die Lombarden nichts davon erfuhren; ebenso unmög-
lich, daß sie, wenn sie es erfuhren, ihn zum König wählten. 3. die Motive
des italienischen Zugs; denn Otto kam nicht, um seinen Lehnsmann zur
Anerkennung seiner Herrschaft zu zwingen, sondern um Italien zu erobern.
Dem gegenüber kommt die Notiz Widukinds, 111,11 S. 63: Licet olim regi
subderetur, nicht in Betracht. Sie gehört zu den Übertreibungen Widu-
kinds, die da einzutreten pflegen, wo es sich um die Größe seiner Helden
handelt. Aus der Tatsache, daß Berengar sich als Flüchtling in Deutsch-
land aufhielt, macht er die andere, daß er sich dem König zum Lehns-
mann ergab.
" Cont. Regin. z. 951 S. 164; Hrots. Gest. Ott. v. 588 ff. S. 221; vit. I.
'Mahth. 10 S. 578; Widuk. 111,9 S. 62. Ich wage es von der herrschenden
Anschauung, die besonders Maurenbrecher (Hist. Zeitschr. V S. 111 ff.) scharf-
sinnig und geistreich begründet hat, abzuweichen. Dabei verkenne ich
nicht, daß der Umstand, daß jene aus den Quellen nicht direkt bewiesen
werden kann, keineswegs gegen sie entscheidet. Dagegen scheint mit ent-
scheidend, daß das Verhalten Ottos in der äusseren und speziell in der
italienischen Politik jene stramme Konsequenz, die er in der inneren Politik
— 217 —
Zweifel drängt sich auf, ob diese persönlichen Motive gewichtig
genug waren, einen so folgenreichen Schritt zu erklären. Muß man
nicht vielmehi' annehmen, daß der deutsche König, als er die Alpen
überschritt, sein Auge bereits auf die Kaiserkrone gerichtet hatte?
Muß man nicht vermuten, daß ihn der Gedanke der Weltherrschaft
erfüllte und hinriß? Es ist unleugbar, daß manches dafür spricht.
Aber wenn man das-Für und Wider vorsichtig abwägt, doch nicht
genug, um eine solche Annahme als sichere Tatsache betrachten
zu können. Denn Otto hatte bisher durch nichts bewiesen, daß
schrankenlose Herrschaft sein Ziel sei; er hatte Burgund zu einem
Vasallenstaat des' deutschen Reichs gemacht: aber schon Frank-
reich gegenüber hatte er sich begnügt, das politische Übergemcht
Deutschlands zu sichern; vollends die schwankende Herrschaft
Hugos und Lothars in Italien hatte von ihm nichts zu befürchten
gehabt. Und doch mußte er vor allem Italien erobern, wenn er
die Welt beherrschen wollte; denn ohne Rom war die Weltherr-
schaft undenkbar.
Deshalb ist es unmöglich Ottos Entschluß aus der klar er-
faßten Richtung auf die Weltherrschaft abzuleiten. Das Ziel war
niedriger aber faßbarer: Otto war kriegslustig und begierig nach
Eroberungen/; niemals konnte er der Versuchung, einen kühnen
Zug zu unternehmen, der großen Lohn verhieß, widerstehen. Mit
voller Energie stürzte er sich dann auf das Begonnene, war zuletzt
der Erfolg nicht so groß, als er anfangs gedacht, so verzichtete er
ohne Kummer auf denselben: das Unternehmen als solches be-
schäftigte sein Interesse. Derselbe Mann, der im Jahre 940 die
französischen Vasallen für sich in Pflicht nahm, vermittelte zwei
Jahre später zwischen ihnen und Ludwig IV. den Frieden, der sie,
als wäre nichts geschehen, dem letzteren unterwarft. Es liegt ein
Stück Rittertum in der Art Ottos. So ist er auch nach Itahen
gezogen: es reizte ihn, ein Königreich zu erobern und eine schöne
Frau zur Gemahlin zu gewinnen.
Ottos kriegerische Brautwerbung hatte raschen und glänzenden
Erfolg. Die Königin, die zu befreien er ausgezogen war, eilte,
nachdem sie sich selbst ihre Freiheit gewonnen, ihm entgegen^.
Berengar verzichtete darauf, dem deutschen Heer den Weg zu
und im Verfahren gegen die Slaven bewies, nicht zeigt. Auch L. v. Ranke
hält sich an die Oberlieferung (WG. VI, 2 S. 184 ff.).
1 Widuk. II, 35 S. 53.
2 Flod. ann. z. 940 u. 942 S. 387 u. 889. Dies Schwanken wiederholt,
sich 944 u. 946 S. 391 u. 393.
3 Cont. Regln, z. 951 S. 165. Hrots. v. 514 ff. S. 219.
— 218 —
verlegen^: ohne eine Schlacht geschlagen zu haben, eroberte Otto
das lombardische Reich. Als er im Winter 951—952 in Pavia
Hof hielt, erschienen von allen Seiten die italienischen Großen, um
ihm zu huldigen^; wie durch einen Zauberschlag war er König
ItaHens geworden^.
Wenn man die Größe dieses Erfolges erwägt, so ist es ver-
ständlich, daß er für den glücklichen Sieger die Aufforderung
wurde, nach Größerem zu streben. Die Erobermig der Lombardei
öffnete den Weg nach Rom. Für den König Italiens schien die
Kaiserkrone erreichbar. Und jetzt faßte Otto wirklich den Ge-
danken, sie zu erlangen. Von Pavia sandte er die Bischöfe Fried-
rich von Mainz und Hartbert von Chur nach Rom, um einen Rom-
zug vorzubereiten*. Zwar sagen die Zeitgenossen nicht, daß er
vom Papste die Kaiserkrone forderte; aber niemand zweifelt, daß
er nach Rom ziehen wollte, um' sie zu empfangen. Allein nun trat
eine unerwartete Wendung ein. Ottos Boten werden mit Papst
Agapet II. verhandelt haben. Doch lag die Entscheidung nicht
bei ihm, sondern hei Alberich: und er versagte dem König die
Aufnahme in die Stadt ^. Wie die Römer König Hugo vertrieben
hatten, so verschlossen sie seinem unvergleichlich mächtigeren Nach-
folger die Thore. Das war der Augenbhck, in dem Otto beweisen
mußte, ob die Weltherrschaft sein Ziel ^war oder nicht. Er hat
sich die Abweisung gefallen lassen; ohne einen Versuch, seinen
Willen mit Gewalt durchzusetzen, verließ er Italien. Das Ende
des so glänzend begonnenen Unternehmens war, daß Bereu gar,
nachdem er sich zur Unterwerfung unter die deutsche Oberherr-
schaft entschlossen hatte, als König Italiens anerkannt Avurde^:
1 Hrots. V. 624 flf. S. 222. ^ Ib. v. 628 ff. S. 222.
'■^ In einer Urkunde v. 10. Okt. 951 nennt er sich Dei gratia rex Fran-
corum et Langobardorum, in zwei solchen v. 15. Okt. 951 u. 21. Jan. 952
rex Francorum et Italicorum (Dipl. I S. 218 ff. Nr. 138 ff.).
* Ann. Flod. z. 952 S. 401 ; Einsidl. z. 953 Scr. III S. 142.
5 Ann. Flod. 1. c.
« Regin. cont. z. 952 S. 165 f. Widuk. III, 10 f. S. 63. Aus beiden Be-
richten erhellt, daß Herzog Heinrich dieser Beilegung der ganzen Angelegen-
heit widerstrebte. Sein Widerspruch wurde offenbar durch die Abtretung
der Marken von Verona und Aquileja zum Schweigen gebracht. Hrots. v.
696 ff. S. 224 gibt keinen neuen Zug; denn wenn sie berichtet, daß Otto
Berengar zu milder Regierung ermahnte, so ist es doch unmöglich, darin
eine Klausel des Vertrages zu erblicken: es ist lediglich eine Variation
über das Thema des rex pius et sapiens. Ihre Erzählung ist nur insofern
bemerkenswert, als sie zeigt, wie man in Sachsen den Mißerfolg Ottos zu
— 219 —
ein scheinbarer Erfolg, kaum zu unterscheiden von wirklichem
Mißlingen.
In den nächsten Jahren traten die itahenischen Angelegen-
heiten für die deutsche Politik vollends in den Hintergrund: der
kaum angenommene Titel eines italienischen Königs verschwindet
alsbald wieder aus Ottos Urkunden ^ Von dem italienischen Zug
schien nichts zu bleiben als eine Erinnerung.
Es liegt nahe den italienischen Zug Ottos mit dem Eingreifen
Pippins in die itahenischen Angelegenheiten zu vergleichen. Beide
Fürsten gaben, indem sie sich entschlossen, mit einem Heer die
Alpen zu überschreiten, die bisher befolgte nationale Politik auf.
Aber ihre Motive und deshalb auch die unmittelbaren Folgen waren
sehr verschieden. Für Pippin war die Lage der römischen Kirche
entscheidend gewesen; für Otto kamen die kirchlichen Verhältnisse
nicht in Betracht. Es ist deshalb verständlich, daß die kirchliche
Lage durch seinen Erfolg oder Mißerfolg nicht berührt wurde.
Obgleich seit 951 die Grenze des Reichs nur wenige Tagemärsche
von Rom entfernt war, standen " das Papsttum und das deutsche
Königtum sich nach diesem Jahre doch nicht näher als vor dem-
selben. Auch der Verkehr zwischen Rom und der deutschen Kirche
erhielt keinen anderen Gehalt als bisher. Dagegen wurde in
Deutschland die Verbindung zwischen der Krone und dem Episko-
pat immer inniger; gerade in den Jahren nach der italienischen
Eroberung führte Otto den Gedanken durch, daß der deutsche
Episkopat zu einer Stütze des Königtums werden müsset In der-
selben Zeit aber festigte sich der in einem Moment des Glücks er-
griffene Gedanke der Erneuerung des Kaisertums zu einem sicheren
Plan. Als Otto zum zweitenmal über die Alpen zog, stand seine
Absicht, die Kaiserkrone zu erlangen, von vornherein fest. Man
kann kaum zweifeln, daß ein Zusammenhang zwischen beiden Ge-
danken bestand. Denn der König war des deutschen Episkopats
nur dann ganz mächtig, wenn er des Papstes mächtig war. Des-
halb wollte er Kaiser sein. Auch jetzt wird er also nicht die
phantastische Idee schrankenloser Weltherrschaft im Auge gehabt
haben, sondern ein erreichbares politisches Ziel.
Diesmal rief ihn der Papst nach Italien. Im Jahre 954 starb
einem Erfolg umzugestalten wußte. Gerhard, vit. Oudalr, 3 S. 389 und
Liudprand, Leg. 5 S. 139, erwähnen nur die Tatsache der Unterwerfung.
^ Der Titel kommt seit dem Februar 952 nicht mehr vor; seit dem
Rückzug aus Italien hört auch die Zählung nach dem italienischen Regierungs-
antritt auf. 2 g Lamprecht, D. G. II S. 150 f.
— 220 —
Alberich ^, nachdem er länger als zwei Jahrzehnte eine kraftvolle
Herrschaft über Rom geführt hatte ^. Der Sohn Marozias muß
eine bedeutende Persönhchkeit gewesen sein: den großen Fürsten
haben ihn die Späteren genannt ^, und als ein Mann, zugleich schön
und schrecklich, lebte er in der Erinnerung der Welt*. Aber er
hatte keinen Erben, der ihm gleich war. Seine Macht wurde als
erbliche Gewalt betrachtet: sie ging ohne Widerspruch auf seinen
Sohn Octavian über. Alberich hat ihn nicht zum Fürsten wählen
lassen, nur dazu verpflichtete er die Römer, daß sie ihn bei der
nächsten Erledigung des päpsthchen Stuhles zum Papste wählen
würden'^. Das war kein plötzlicher Einfall, Denn er hatte den
Sohn, dem er den Namen des ersten römischen Kaisers gegeben
hatte, vorlängst unter den römischen Klerus eintreten lassen**: die
Vereinigung der geistlichen und welthchen Macht in Rom war also
sein Ziel. Das Ereignis, das er vorausgesehen hatte, trat schneller
ein, als man vermuten konnte. Denn schon im Jahre nach Alberich
starb Agapet II.' und nun wurde wirklich der Fürst aller Römer
zugleich Papst: Octavian nannte sich seitdem Johann XII.
Alberich hatte sich in der Verwirrung der italienischen Ver-
hältnisse behauptet, da er Klugheit und Kühnheit paarend sich
konsequent auf Rom beschränkte. Sein Sohn meinte sich gleiche
Beschränkung nicht auflegen zu müssen. Es lebte ein ungestümer
Tatendrang in dem Jüngling: auf der Jagd, wenn es galt, Gewand-
heit und Kraft zu beweisen, war es ihm wohl^. Zugleich pochte
er auf seine päpstliche Gewalt: niemand hat nachdrücklicher als
er ausgesprochen, daß er der oberste Herr der ganzen Christenheit
sei ^. Nicht zu bewahren, sondern zu erobern, war sein Sinn. Aber
1 Flod. ann. z. d. J. S. 403.
^ 2 Er nannte sicli: Princeps atque omnium Romanorutn Senator in
einer Urkunde von 945 nach Gregorovius III S. 283 Anm. 1. Princeps auch
auf den Münzen, s. Gregorovius in den SB. der Münchener Akademie 1885
S. 34 f., und vgl. Sickel S. 95 Anm. 1 u. v. Pflugk-Harttung, Hist. JB. 1904
S. 468 f. Es entsprach der Sachlage, «daß man im Norden Alberich vrohl
als König bezeichnete, vit. Joh. Gorz. 53 Scr. IV S. 352, und daß Liudprand
von Romane civitatis monarchia spricht, Antap. V, 3 S. 102. Plodoard nennt
ihn patricius, ein Beweis, daß ihm ein passender Titel fehlte, Ann. z. 946
S. 393. 3 Inschrift in St. Paul, Gregorovius III S. 315 Anm. 1.
* ßened. chron. 32 Scr. III S. 716. » Ders. 34 S. 717.
^ Bened. 1. c, auch Flodoard 1. c. nennt ihn clericus.
' Dezember 955. Johann XII. wurde am 3. Advent, d. h. am 16. De-
zember konsekriert, Lib. pontif. ed. Duchesne II S. 247.
« Bened. chron. 35 S. 717'.
* Alsbald nach seiner Konsekration achreibt er an Wilhelm von Mainz :
— 221 —
seinem Tatendrang fehlte der Eückhalt eines überragenden Talentes.
Die Folge war, daß er die sichere Stellung, die er von seinem
Vater ererbt hatte, nicht bewahren konnte. Zuerst versuchte er
einen Vorstoß nach Süden; er scheiterte dabei an der Verbindung^
der Fürsten von Benevent und Salerno^. Dann kam er, mit oder
ohne seine Schuld, in Zwiespalt mit König Berengar. Auch hier-
bei geriet er in Nachteil. Berengars Sohn Adalbert besetzte
römisches Gebiet: er schien die Herrschaft über die Stadt selbst
in Anspruch nehmen zu wollen-.
In dieser Lage wandte sich Johann im Jahre 960 um Hilfe
nach Deutschland. Es ist unverkennbar, daß des Papstes Hilferuf
sehr auffäUig ist^ Soll man glauben, daß er der drohenden Über-
wältigung durch die Lombarden die sichere Herrschaft ' des deut-
schen Königs über Eom vorzog ? Das ist so unwahrscheinlich, daß
man seinen Entschluß nicht als freiwillig gefaßt betrachten kann:
er muß ihm abgenötigt worden sein. Seine Boten waren zwei
römische Kleriker, der Diakon Johannes und der Protoskriniar Azo.
In Italien hat man sie als ausgesprochene Gegner des Papstes be-
trachtet: sie hätten den Papst lieber tot als lebendig gesehen*.
Wenn Johann diese Männer als Gesandte wählte, so ist auch dies
ein Beweis, daß man in Bom seine Not benützte, um ihn zur
Totius christiantitatis post Deum caput effecti non aliquo privilegio humano
sed voce ipsius domini . . idcirco si aliquod nostri corporis membrum tri-
bulationes . . pati noverimus . . compatimur etc. J.W. 3674.
1 Chron. Salernit. c. 166 f. Scr. III S. 553.
• Liudpr. C4est. Otton. 1 S. 124; Translat. Epipb. 1 Scr. IV S. 248.
^ Das hat besonders v. Ranke, WG. VI. 2 S. 210 ff., geistreich und klar
hervorgehoben. Doch scheint mir seine Lösung (S. 213) etwas künstlich.
Über die Quellen z. ersten Romzug Ottos vgl. v. Ottenthai in den Mtt. d.
Inst., EBd. IV S. 32; Kortüm in einer Rostocker Dissert. v. 1899.
'^ Benedikt sagt (1. c): Erat in urbe Roma . . Johannes . . et Azo . .,
hodibiles erat cunr pontifices. Es scheint mir unrichtig, diese Angabe da-
durch zu beseitigen, dali man annimmt, sie sei in falschen Zusammenhang
geraten. Auch das Privilegium Ottos v. 962 beweist in den Worten: Propter
pontificum inrationabiles erga populum sibi subiectum asperitates retunden-
das, die Existenz einer von dem Kaiser berücksichtigten Opposition in Rom.
Daß aber eine Reformpartei unter dem römischen Klerus bestand, zeigen
die späteren Vorgänge. Hier erscheint Johannes als zu ihr gehörig: er ist
der Ankläger des Papsts; Azo aber -wird noch deutlicher dadurch charak-
terisiert, daß er i. J. 965 zu den Männern gehörte, welche die Einsetzung-
Benedikts V. forderten, s. Cont. Regin. z. 965 S. 176 u. Adam 11,10 S.48.
Es ist klar, daß man ihn falsch beurteilt, wenn man einfach einen Partei-
gänger der Deutschen in ihm sieht.
— 222 —
Herbeirufung Ottos zu zwingen. Die Frage ist nur: Wo hat man
die römischen Gegner des Papstes zu suchen? Man wird an den
römischen Klerus zu denken haben. Alberich hatte der mönchischen
Reformbfcwegung, die von Cluni aus ihren Lauf durch die Welt
begonnen hatte, den Zugang nach Rom geöf&et: fast alljährlich
weilte Odo von Cluni längere oder kürzere Zeit in Rom; in Albe-
richs Geburtshause auf dem Aventin gründete er ein neues Kloster;
eine ganze Reihe älterer römischer Abteien wurde durch ihn refor-
miert ^ Kann das alles ohne Wirkung auf den römischen Klerus
geblieben sein? Wie mußten aber die cluniacensisch gesinnten
Mönche und Kleriker über Johann urteilen: er gab durch sein
Leben den, größten Anstoß. Nicht nur daß er mehr Fürst als
Papst war; die Gebote der Sittlichkeit schienen für ihn nicht zu
existieren. Der Abscheu gegen Johann, der den beiden Klerikern
zugeschrieben wird, mußte alle cluniacensisch gesinnten Männer er-
füllen. Sie suchten die Besserung der Yerhältnisse in Rom herbei-
zuführen, indem sie den Papst zwangen, sich in die Arme der
Deutschen zu werfen '^.
Die päpstliche Gesandtschaft fand eine ihr selbst vielleicht
unerwartete Unterstützung, indem auch die geistliche und welt-
liche Aristokratie des lombardischen Königreichs Beschwerde gegen
Berengar vor Otto erhob. Mit den Abgesandten des Papstes trafen
am deutschen Hofe Erzbischof Waldpert von Mailand, Bischof
Waldo von Como, der Markgraf Otbert und andere Lombarden
zusammen ; sie führten bittere Klagen über das tyrannische Regiment
ihres Königs ^
Die beiden Gesandtschaften zeigten das im Jahr 952 uner-
reichbare Ziel in erreichbarer Nähe. Man begreift, daß Otto jetzt
1 S. Sackur, Die Cluniacenser I S. 99 ff.
2 Der Fortsetzer Reginos gibt nur dies als Inhalt der Botschaft an:
ad defendendam Italiam et Romanam rempuhlicam a tyrannide Berencarii
z. 960 S. 170. Mehr sagt Liudprand nicht, Gest. Otton. 1 S. 124 u. 14 S. 133,
und darauf beschränken sich die Notizen der Ann. Hild. z. 961 S. 22 und
Adams II, 7 S. 46. Dagegen beruft nach vit. I Mahth. 13 S. 578 der Papst
den König zum Empfang der Kaiserkrone nach Rom, nach der Chronik von
Salerno, c. 169 S. 553, zur Eroberung Italiens; die transl. s. Epiph. 1 S. 248
vollends erzählt, Johann habe Otto aufgefordert, entweder die Würde des
Patriciats niederzulegen oder dem Papste zu helfen. Es scheint mir sicher,
daß die drei letzteren Angaben gleich wertlos sind. Die Erwähnung des
Patriciats ist eine gelehrte Floskel: es wäre sinnlos gewesen, die Bitte um
Hilfe in eine so beleidigende Form zu kleiden.
» Regln, cont. z. 960 S. 170; Liudpr. Gest. Ott. 1 S. 124.
— 223 —
niclit zögerte zu handeln. Die Schwierigkeit des großen Unter-
nehmens ^ verbarg er sich nicht. Wenn er seinen Sohn zum König
wählen heß", so sieht man, daß er mit der Möglichkeit seines
Todes rechnete. Auch daß er dem Herzog Hermann die volle
Herzogsgewalt über Sachsen übertrug, beweist, daß er an eine
längere Abwesenheit aus Deutschland dachte^. Im August 961
brach er durch Tirol nach Italien auf. Den Abt Hatto von Fulda
sandte er nach Rom voraus; er war ohne Zweifel beauftragt, die
Unterhandlungen mit dem Papste zu fuhren^. Wir wissen nichts
über ihren Verlauf; aber sie sind schwerlich ganz glatt vonstatten
gegangen; denn sie währten einige Wochen, Während Hatto
schon anfangs Dezember 961 in Rom anwesend war^, ist der
König selbst erst in der zweiten Hälfte des Januar 962 von Ober-
italien nach Rom aufgebrochen. Am letzten Januar, einem Freitag,
ist er daselbst eingetroffen ^
In der Tat konnte eine Verständigung, zwischen König und
Papst nicht ganz leicht sein. Otto forderte das Kaisertum und
damit den Besitz von Rom. Aber er hatte bisher kein Herrschafts-
recht über die Stadt; Johann, als Papst und Erbe seines Vaters,
war unbestrittener Herr. Das war der Punkt, der Schwierigkeiten
machte. Man sieht es aus dem Eide, den Otto, ehe er Rom be-
ti'at, dem Papst durch etUche Getreue leisten ließ ". Die Eides-
^ Ruotg. vit. Brun. 41 S. 42: Rfts tocius Italiae ordinaturus. Man vgl.
zum folgenden Floß, Die Papstwahl unter den Ottonen. 1858.
^ Reichstag zu Worms, Cont. Regin. z. 961 S. 172; Ruotg. 1. c.
8 Adam II, 7 S. 46.
* Das letztere ist nicht überliefert; der Fortsetzer Reginos sagt nur:
Ad construenda sibi habitacula Romam praemisit. Aber es liegt in der
Natur der Sache. ^ J.W. 3688 v. 10. Dez.
« Catal. Vatic. bei Duchesne, Lib. pont. II S. 247.
' Das Eidesversprechen Ottos ist in verschiedenen Rezensionen über-
liefert, die bei Jaffe, Bibl. II S. 588-594 u. C.I. I S. 20 ff. Nr. 10 f. gedruckt
sind. Scheidet man die verunechtete Formel Deusdedits aus, so besteht
der Unterschied darin, daß in der Rezension der bamberger Handschrift von
der päpstlichen Würde gesagt ist: Quem nunc habes et per me habiturus
eris, wähfend es in den Rezensionen Anselms und Bonizos nur heißt: Quem
habes, daß die Römer dort als Romani tui, hier nur als Romani bezeichnet
sind, und daß es von dem Eid des einzusetzenden italienischen Königs dort
heißt: Jurare tibi faciam, hier nur: Jurare faciam. Der Unterschied ist,
wie man sieht, nicht groß. Fragt man nun, ob der Satz, et per me habi-
turus eiis, in der einen Rezension zugesetzt oder in den anderen gestrichen
ist, so fehlt für die eine wie für die andere Annahme ein wirklich durch-
— 224 —
leistung selbst war nicht auffällig; auch Karl d. Gr. hatte Hadrian I.
Sicherheit geschworen, ehe er Rom betrat ^. Aber jetzt wurden in
das Versprechen Ottos Sätze aufgenommen, die nur als Zugeständ-
nisse verständlich sind;, zunächst verpflichtete er sich, direkte Re-
gierungshandlungen in Rom zu unterlassen: ohne den Rat des
Papsts werde er in der Stadt kein Placitum haiton und keine An-
ordnung treffen über irgendwelche Sache, die den Papst oder die
Römer angehe. Indem Johann sich anschickte, einen Kaiser in
die Mauern Roms aufzunehmen, wahrte er also seine Regierungs-
rechte in der Stadt. Ein zweiter Punkt betraf das Verhältnis des
Papstes zu dem zukünftigen Herrn Italiens. Denn daß das Land
unter unmittelbarer Verwaltung des Kaisers stehen würde, wie zur
Zeit Karls, dieser Gedanke war durch die ganze Zeitlage aus-
geschlossen: es verstand sich von selbst, daß Otto irgendeinen Fürsten
mit dem lombardischen Reiche belehnen werde. Johann erreichte
die Zusage, daß derselbe- ihm, dem Papste, sich eidHch zu ver-
pflichten habe. Endlich forderte er Sicherheit vor seinen ein-
heimischen Gegnern. Denn dies liegt in Ottos Versicherung, daß
der Papst niemals mit seiner Zustimmung oder aus seinem Anlaß
seiner Würde entsetzt werden sollte. Johann wußte, daß es an
Gründen, mit denen die Rechtmäßigkeit seiner Würde angefochten
werden konnte, nicht gebrach: er wollte gedeckt sein.
Auf diese Zusagen hin wurden Otto die Tore Roms geöffnet.
Zwei Tage nach seinem Einzug, am 2. Februar 962, wurde et
schlagender Grund; denn weder die Streichung noch die Hinzufügung ändert
den Gehalt des Eides. Zieht man aber in Betracht, daß der Eid dem Papst
zugunsten verfaßt ist, so scheint mir an sich nicht unwahrscheinlich, daß
dieser sich von dem Kaiser versprechen ließ, er werde ihm nie die Würde
entziehen, die er jetzt besitze und die er in Zukunft durch den Kaiser er-
langen werde. Denn so wird man trotz Langens Einsprache (G. d. R. K.
S. 340) zu übersetzen haben; der honor ist ja nicht nur das päpstliche
Amt, sondern die ganze Stellung des Papstes; sie zu erhöhen hatte aber
Otto versprochen: exaltabo secundum meum posse. Ist das der Sinn des
Satzes, so ist nicht abzusehen, was man durch seine Hinzufügung hätte er-
reichen wollen. Es scheint mir deshalb wahrscheinlicher, daß der Satz zu-
fällig ausgefallen, als daß er absichtlich hinzugesetzt ist. Hat aber die
Bamberger Handschrift hier die richtige Lesart, so hat man ihr auch bei
den Worten tui und tibi zu folgen. Wichtiger als diese Unterschiede ist,
daß Bonizo aus dem Eide, den Otto schwören ließ, einen Eid macht, den
er selbst geschworen hat: aus den Worten promittere et iurare facio werden
die anderen promitto et iuro. Daß diese Änderung tendentiös ist, zeigt die
Überschrift, die die Formel bei Anselm erhält. Vgl. auch B.O. 309 a.
S. Bd. n S. 84.
— 225 —
gekrönt ■^. Wie im Jahre 800, so verband sich auch jetzt mit der
Handlung des Papstes eine solche des Volkes: die Akklamation
der Römer drückte dem, was in St. Peter geschah, den Charakter
der Kaiserwahl auf^. Und ebenfalls, wie einstmals Karl, so for-
derte nun Otto, daß der Papst und die Römer ihm Treue ge-
lobten^. Wahrscheinlich geschah es in derselben Form, die im
Jahre 824 gebraucht und festgesetzt worden war; nur wurde eine
ausdrückliche Bezugnahme auf Berengar und Adalbert hinzu-
gefügt \
Der unausgesprochene Gegensatz der beiden Männer, die eben
in eine enge und dauernde Verbindung traten, zeigt sich deuthch
in dieser mißtrauischen Vorsicht. Otto und Johann verfuhren wie
zwei vorsichtige Handelsleute; jedes Zugeständnis von der einen
Seite mußte durch ein solches von der anderen Seite erkauft werden.
So blieb es auch weiter. Otto hatte schon im Eid seiner Bevoll-
mächtigten die Itückgabe des römischen Besitzes zugesagt*. Er
erfüllte sein Versprechen jedoch nicht eher, als bis der Papst ge-
wissen Wünschen, die er in bezug auf deutsche Verhältnisse hegte,
genügt hatte. Wir erinnern uns der Sache des Erzbischofs Herold
von Salzburg^. Das Verfahren gegen ihn war von mehr als
zweifelhafter Rechtmäßigkeit: aber Otto wünschte, daß alle Be-
denken gegen die Legitimität Friedrichs beseitigt würden. Dem-
gemäß verfuhr Johann : er schloß den geblendeten Herold aus dem
Priesterstand aus, indem er ihm unter Bedrohung mit dem Ana-
thema verbot, je wieder Messe zu lesen; dagegen erkannte er Fried-
rich ausdrücklich als Erzbischof an, indeDfi er ihm am 7. Februar
eine Bestätigungsurkunde für den Salzburger Besitz erteüte, auch
auf Bitten Ottos das Tragen des Palliums an sonst nicht üblichen
Tagen gestattete '. Noch vrichtiger für den König war, daß Johann
auf einer römischen Synode am 12. Februar 962 die Erhebung
Magdeburgs zum Erzbistum guthießt. Hier wie dort geschah was
1 Ann. Sangall. mal. z. d. J. Scr. I S. 79; Ann. Magdeb. z. 961 S. 147.
2 Cont. Regln, z. 962 S. 171.
3 Ibid., Liudpr. Gest. Ott. 3 S. 125.
* Die Erwähnung von Leos Eid im Privilegium Ottos macht es wahr-
scheinlich, daß die alten Formeln wiederholt wurden.
* Quicquid de terra s. Petri ad nostram potestatem venerit, tibi
reddam. « S. oben S. 39 1 ^.W. 3689.
» S. oben S. 120 1 u. J.W. 3690. In der Originalhandschrift des Annal.
Saxo finden sich 6 Kanones verzeichnet, die schon Mansi XVIU S. 463, so-
dann Hefele, CG. IV S. 607, und andere dieser Synode zuschreiben, vgl.
auch B.O. 310. Sie beziehen sich auf die Regelung der Vermögensverhält-
Hauck, KirchengescMchte. ni. 1^
- 226 —
Otto wollte: die päpstliche Autorität stand dem Kaiser zur Ver-
fügung. Das Kaisertum leistete ihm den Dienst, den er von ihm
erwartet hatte.
Nun löste auch er sein Wort ein. Am Tage nach der Synode
stellte er jene berühmte Urkunde aus, durch welche er die Karo-
Ungischen Schenkungen an die Päpste bestätigte und erweiterte^.
nisse alter und neuer Kirchen und die Beobachtung kirchlicher Statuten.
Weiland, der sie CT. I S. 20 Anni. 3 abdruckt, bezweifelt ihre Zugehörig-
keit zu der Synode. Beweisen läßt sich dieselbe nicht; sie ist bloß Ver-
mutung.
1 Dipl. I S. 325 Nr. 235. Die Urk. Ottos ist wie bekannt nicht im
Original auf uns gekommen, sondern in einer auf Purpurpergament mit
Goldtinte hergestellten Abschrift. Th. Sickel, von dessen Abhandlung, Das
Privilegium Otto I. für die röm. Kirche, Innsbruck 1883, die spätere Forschung
ausgeht, vgl. Weiland, Z. f. KR. XIX S. 162, Simson, N.A. XV S. 575, B.O.
311, Lindner, Die s.g. Schenkungen Pippins . . an die Päpste, Stuttg. 1896.
S. 90 ff., Hirsch, D. s.g. Pactum Ottos I. v. 962, Treib. Dissert. 1896, Kehr,
Gott. G.A. 1896 S. 135 ff. und Sackur, N.A. XXV S. 411 ff., sieht in ihr ein
auf Geheiß des Kaisers i. J. 962 für den Papst hergestelltes Duplikat, das
demnach die Echtheit der Urkunde verbürgt. Daß die Abschrift der zweiten
Hälfte des 10. Jahrh. angehört, wird auf Grund von Sickels Darlegungen
allgemein angenommen. Nicht einig ist man dagegen in der Beantwortung
der Frage, ob dadurch die Annahme einer Verfälschung der Urkunde aus-
geschlossen sei, nicht einig ist man auch in der Deutung der Worte: qualem
domnus et vener andus spiritalis pater noster Leo sponte fecisse dinoscitur.
Sickel hatte an Leo III. gedacht. Die Schwierigkeiten, die sich dabei er-
gaben, führten dazu, den Papst in Leo IV. oder Leo VIII. zu sehen. Es
läßt sich nun nicht leugnen, daß das Verhältnis der Stelle zum Römereid
v. 824 die letztere Annahme weitaus am wahrscheinlichsten macht. Denn
wurde der Name Eugens durch den eines anderen Papstes ersetzt, so kann
es nur der des lebenden gewesen sein. Ist das richtig, so ist Sickels An-
satz des Duplikats zu 962 unmöglich. Die erhaltene Urk. kann nur ent-
weder eine Verfälschung oder eine für Leo VIII. bestimmte Ausfertigung sein.
Für das erstere fällt der schwierige § 7 ins Gewicht. Auch der Umstand
kommt in Betracht, daß das Original nicht erhalten ist. Die Vermutung liegt
nahe, daß es zugunsten der fälschenden Abschrift vernichtet wurde. Trotz-
dem ist die Annahme einer Fälschung unmöglich: sie scheitert am Inhalte.
Denn wie sollte man an der Kurie eine Urkunde hergestellt haben, die im
Gegensatz zu dem, was bei der Papstwahl üblich geworden war, zu den
Bestimmungen von 824 zurückgriff? Sickels Annahme, daß «s sich um eine
offizielle Ausfertigung handelt, wird somit im Rechte bleiben; nur muß
man annehmen, daß sie nicht für Johann, sondern für seinen vom Kaiser
ernannten Nachfolger bestimmt war. Daß bei der Neuausfertigung Änder-
ungen und Einschaltungen stattfinden konnten, ist unbestreitbar: der Name
Leos wurde ja wirklich eingesetzt. Damit erhebt sich die Frage, ob die
— 227 -
Mehr als er versprochen hatte, schien er zu erfüllen. Und doch, wenn
man sein Privilegium mit dem Eide vergleicht, den er dem Papst
hatte schwören lassen, so findet man, daß die beiden Urkunden in
einem Punkte nicht völlig zusammenstimmen. Im Eid war die
päpstliche Landeshoheit fast uneingeschränkt anerkannt; im Privi-
Urk., so wie sie uns vorliegt, Stücke enthält, die sie ursprünglich nicht
enthalten haben kann. Daß sie in zwei Teile zerfällt, bemerkt jedermann;
aber man kann nicht sagen, der erste handele von den Rechten, der zweite
von den Pflichten der Kirche. Denn auch §§ 16 — 18 bestätigen Rechte:
gerade sie erinnern an Ottos Versprechen : In Roma . . neque ordinationem
faciam de Omnibus, quae ad te vel ad tuos Romanos pertinent, sine tuo
consilio. Es dünkt mich deshalb nicht wahrscheinlich, daß die ganze zweite
Hälfte unter Leo VIII. hinzukam. Sollte nur der 15. § beigefügt worden
sein? Er enthält den JJamen des späteren Papstes: in ihm findet sich eine
Wahrung des kaiserlichen Rechts bei der Papstwahl, und wir wissen, daß
nach dem Abfall Johanns hierüber Verhandlungen stattfanden. Liudprand
erzählt Gesta Ott. 8 S. 128, daß die Römer bei der Rückkehr Ottos nach
Rom, im Spätjahr 963, Treue gelobten, hoc addentes . ., nunquam se papam
electuros aut ordiöaturos preter consensum et electionem imperatoris . .
filiique ipsius. Ist etwa der 15. § das Ergebnis dieser Verhandlungen?
•Allein gegen die Bejahung dieser Frage erhebt sich das unüberwindliche
Bedenken, daß die Worte der Urkunde: Futura pontificum electio . . cano-
nice et iuste fiat, et ut ille qui . . eligitur nemine consentiente consecratus
fiat pontifex, priusquam talem . . faciat promissionem . . qualem . . Leo
fecisse dinoscitur, etwas ganz anderes aussagen, als worüber Liudprand be-
richtet: nach ihm wird die Notwendigkeit der kaiserlichen Zustimmung zu
Wahl und Konsekration des Papsts von den Römern anerkannt, in der
TJrk. wird die Pflicht des Papsts dem Kaiser zu schwören vorbehalten. Daß
Liudprand genau berichtet, darf man nicht immer voraussetzen; aber hier
war es der Fall. Der Beweis liegt in den Vorgängen bei der Wahl Leos.
Liudprand erzählt, sie sei annuente imperatore geschehen. Dasselbe be-
richtet Benedikt c. 36 S. 718: Romani . . petierunt . . Placuit imperatori,
und Lib. pont. S. 246: Ego libentissime vobis concedam. Es steht demnach
fest, daß die Urk. das nicht ausspricht, worüber 963 verhandelt wurde.
Dagegen spricht sie das aus, was im Jahr vorher geschehen war. Denn
Johann hatte Otto geschworen, S. 225. Bei dieser Sachlage scheint es mir
viel wahrscheinlicher, daß Otto in der Urk. v. 962 den Eid, den er eben
Johann abgenommen hatte, von dessen Nachfolgern forderte, als daß er
i. J. 963 in die alte Urk. die Eidesforderung einfügte, dabei aber die Ver-
abredungen, die er eben getroffen hatte, zu erwähnen unterließ. Ist somit
§ 15 — 18 abgesehen von dem Namen Leos in der Stelle über die Eides-
leistung ursprünglich, so wird man auch den 19. §, der Bedenken erregen
könnte, als ursprünglich zu betrachten haben. Die für Leo VIII. herge-
stellte Ausfertigung war also, von jener einen Stelle abgesehen, einfach
Wiedergabe der ursprünglichen Urkunde.
15*
— 228 —
legium dagegen ist die kaiserliche Gerichtsgewalt über Rom, so
wie sie im Vertrag von 824 festgesetzt worden war, erneuerte
Das war kein direkter Widerspruch; aber ein sehr bemerkbarer
Unterschied: über der landesherrlichen Gewalt des Papstes erhob
sich wieder die oberherrliche Gewalt des Kaisers. War es die
Folge davon, daß Otto die römischen Verhältnisse mit eigenen
Augen gesehen hatte, oder erkaufte Johann durch dieses Zuge-
ständnis den sofortigen Abzug des Kaisers ? Man möchte das letztere
vermuten. Sicher ist, daß Otto am Tage, nachdem er jene Ur-
kunde ausgestellt, von Rom wieder abzog '-^i er hatte nur vierzehn
Tage daselbst verweilt.
Als Otto Rom verließ, konnte er glauben, das Reich Karls d. Gr.
wieder hergestellt zu haben. In Deutschland, besonders in Sachsen,
fehlte es nicht an Männern, die wirklich überzeugt waren, er habe
das vollbracht^. Aber in der Geschichte gibt es keine Dubletten:
nur die Namen, nicht die Größen, die sie bezeichnen, wiederholen
sich. ' Ottos Imperium hatte einen anderen Gehalt als das des
fränkischen Herrschers. Als das römische Volk Karl mit dem Namen
des Imperators begrüßte, war die Vereinigung des christlichen
Abendlandes im fränkischen Reiche eine unanfechtbare und von
niemand angefochtene Tatsache, Niu" ein Ausdruck für diese Tat-
sache war der Name Kaisertum. Jetzt dagegen standen die euro-
päischen Nationen einander abgeschlossen gegenüber. War das
Königtum in Frankreich schwach, so war doch die französische
Nationalität zu stark, als daß der deutsche König die französischen
Großen in Abhängigkeit hätte erhalten können. War Italien zer-
rüttet, so wollten die Italiener doch von der Verbindung mit
^ Versprechen: In Roma nullura placitum neque ordinationem faciam
de Omnibus, quae ad te vel ad tuoe Romanos pertinent, sine tue consilio.
Privilegium: Ut missi domni apostolici seu nostri semper sint constituti,
qui annuatim nobis vel filio nostro renunciare valeant, qualiter singuli
duees ac iudices populo iustitiam iaciant, . . qui missi decernimus ut pri-
mum cunctos clamores . . ad notitiam domni apostolici deferant, et ipse
unum e duobus eligat: aut statim per eosdem missos fiant ipse necessitates
emendate aut misso nostro nobis renunicante per nostros missos a nobis
directus emendentur. Vgl. die Bemerkungen v. Pflugk-Harttungs zu den
Münzen Johanns XII. S. 471 ff. ,2 Catal. Vatican. S. 247.
* Thietmars Verse am Eingang des 2. Buchs;
Non fuerat tantus Caroli de morte patronus,
Nee puto simili regnum pastore potiri.
Zu vergleichen ist vit. I Mahth. 13 S. 579 f., wo der Ruf des Papstes von
Gott inspiriert ist, der König Christo duce als Sieger in Latium erscheint,
und am Stuhl des Petrus gekrönt das Imperium einnimmt.
— 229 —
Deutschland nichts wissen. In Rom war das Volk dem Kaiser
von jenseits der Berge so abgeneigt, daß Otto besorgte, es möchte
in der Kirche, während der Papst die Salbung an ihm vollzog, ein
Mordanfall auf ihn unternommen werden ^. Wie man in Oberitahen
Ottos Romzug betrachtete, kann man bei Atto von Vercelh lesen ^ :
„Das Heer des fremden Fürsten besteht aus mancherlei Kriegsvolk,
verschieden nach Stamm und Sprache. Es sind Menschen, denen
es unmöglich ist, mäßig zu leben: sie rauben alles, was Wert hat;
selbst im Heiligtum schänden sie edle Frauen. Haben sie das
Land zur Wüste gemacht, dann beginnt der Rückzug. Denn es
ist unmöghch diese Scharen in der Fremde lange zusammenzuhalten.
Auch ist es einem so großen Fürsten unziemlich, von dem eigenen
Heer im Stich gelassen, bei denen zu verweilen, deren schwache
Treue er fürchtet. Deshalb zieht er nach der Heimat zurück,
fröhhch sie wiederzusehen.'' Es ist klar: Ottos Zug um die Kaiser-
krone erschien den Italienern kaum anders, als der wüste Beute-
zug eines barbarischen Volkes. Das war nicht nur die Stimmung
der Laien ; der Klerus, die Mönche dachten großenteils nicht anders :
in dem einsamen Kloster auf dem Sorakte trauerten die Mönche
über die Erneuerung des Kaisertums; sie sahen darin die Unter-
jochung Roms und Italiens durch einen fremden Herrscher^. Atto
von Vercelli aber warf den Gedanken, von Berengar abzufallen,
weit von sich. Er leugnete nicht, daß seine Herrschaft tyrannisch
und ungerecht sei; er fühlte sich auch nicht nur durch die biblische
Vorschrift gebunden: vielmehr sprach die Abneigung gegen die
Fremden auch bei ihm mit*. War aber dies die Stimmung in
^ S. die von Thietmar IV, 32 S. 83 erzählte Anekdote. Das Mißtrauen
Ottos bezeugt auch Atto von Vercelli Polypt. 11 S. 872: Cum ipsis quorum
oppido de fide veretur.
2 Atto Polypt. 11 S. 871 f. Daß sich die Stelle auf Otto bezieht,
scheint mir sicher, besonders wegen der Erwähnung des vielsprachigen
Heeres. Otto hatte Wenden nach Italien geführt. Welchen Eindruck diese
Nation auf die Italiener machte, sieht man aus Benedikt, der sie eigens
ei-wähnt: Insuper haec habebat gens que Guinula vocabantur, sarrcinas
et carros et machina portantes. Erat enim aspectus eorum orribilis, c. 36
S. 717.
3 Bened. 36 S. 718: (Otto rex) augustus est appellatus; .factus est ergo
Italico regno vel Romanum imperium a Saxoniqum regem subiugatum. Da-
gegen das deutsche Urteil bei Adam II, 9 S. 47 : Romam pristinae reddidit
libertati.
* Atto stellt in seinem Brief an Waldo von Como, ep. 1 S. 95 ff.,
Bibelstellen und Vätersprüche entschieden in den Vordergrund, Die Stelle:
Quia donec regibus repugnare quaerunt et a paganis (Ungarn und Sara-
— 230 —
Rom und Italien, wie schwach war dann das Fundament des neuen
Imperiums!
Doch das betrifft die politische Geschichte. Für die kirchen-
geschichtliche Betrachtung steht eine andere Seite im Vordergrund.
Otto hatte ?ls deutscher König kirchliche Einrichtungen und Unter-
nehmungen begründet und gefördert; aber er hatte es getan, um
seinen politischen Interessen zu dienen. Er hatte die Wendenkirche
organisiert, weil die deutschen Eroberungen dadurch gefestigt
wurden ; er hatte die Macht des Episkopats erhoben, weil er in ihm
eine Stütze des Throns sah. Dagegen die religiösen Aufgaben der
Kirche hatte er außer Betracht gelassen ^ : er war nicht der B,egent
der deutschen Kirche in dem Sinn, wie einstmals Karl d. Gr. der
Regent der fränkischen gewesen war. Nun trug er die Kaiser-
krone; lag darin die Möglichkeit der Erneuerung jener Macht in
der Kirche, die Karl besessen hatte? Wenn man sich erinnert,
welche Anschauungen über die Rechte des Papstes herrschend ge-
worden waren, so kann mau diese Frage nur verneinen. Dem
Satze Karls, daß von Gott die Leitung der Kirche dem Kaiser
anvertraut sei, fehlten im zehnten Jahrhundert die Gläubigen:
nach der Überzeugung der Welt war der Papst, nicht der Kaiser,
der Jjeiter der Kirche.
Sieht man auf das Verhalten Ottos, so ist leicht zu erkennen,
daß er selbst diese Anschauungen teilte. Als er am 12. Febr. 962
vor dem Papste von der Missionsarbeit unter den Wenden berichtete
und um die Errichtung der nötigen Bistümer bat, und als darauf-
hin Johann XII. seiner Bitte die Gewährung nicht versagte, da
war ausgesprochen, welche Stellung Kaiser und Papst in den kirch-
lichen Angelegenheiten hatten: der erstere bat, der letztere gewährte"^,
zenen) undique opprimuntur et a finitimis gentibus ideo conculcantur, S. 95 B,
beweist aber, wie entschieden er in Otto nur den fremden Eroberer sah.
^ Es wird kaum nötig sein, das Mißverständnis abzuwehren, als sei
damit ein Urteil über die persönliche Frömmigkeit Ottos ausgesprochen.
Ich denke nur daran, daß er nicht den Versuch machte, die Kirche zu
administrieren, wie es Karl durch seine Kapitularien tat.
' Man vergleiche die sicher wohl überlegt gewählten "Worte der Ur-
kunde Johanns XII. (J.W. 3690): Cum in aecclesia b. Petri ap. de statu et
regimine totius cristianitatis tractantes, quae utilia sunt, utiliter secundum
deun. tractarentur, . . imperator Otto, qualiter sclauos . . in catholica fide
nouiter fundauerat, nostrae paternitati innotuit, deprecans et obnixe postu-
lans, ne oues, quas ipse cristo adquisiuerat, . . dampnarentur. Ad hanc
itaque petitionem assensum . . praebuimus. Die einzelnen Bestimmungen
sind mit den Worten eingeleitet: Volum us et per hanc priuilegii paginam
— 231 —
nicht die Anschauungen Karls, sondern die Lehre Nikolaus' T.
herrschte. Otto begnügte sich an dem Einfluß auf das Papsttum,
den ihm sein pohtisches Übergewicht sicherte : es war ihm genug,
daß der Papst tat, was er wollte; er plante nicht, Rom in seiner
Stellung zum Kaisertum den übrigen Kirchen des Reichs gleich
zu machen.
Es lag ein Widerspruch in diesem Verhältnis: tatsächlich
hatte der Kaiser volle Gewalt über den Papst, aber rechtlich war
der Papst in den kirchlichen Angelegenheiten nicht nur unab-
hängig von dem Kaiser, er stand über ihm. War dieser Wider-
spruch für die Dauer erträglich? Man kann nicht selten bemerken,
daß tatkräftige, zuversichtliche Naturen die Bedeutung der tat-
sächlichen Gewalt überschätzen; sie übersehen, daß sie nur die
Summe sich unablässig ändernder Faktoren ist. Otto verfiel, wie
sich sofort zeigte, in diesen Irrtum.
Als er Rom verließ, war Berengar noch keineswegs über-
wältigt. Indem er nun den Kampf gegen ihn fortsetzte, löste sich
die Kombination auf, unter der er die Kaiserkrone empfangen hatte.
Denn im Frühjahr 963 trat Johann trotz seines Eides auf die
Seite des itaUenischen Königs. Der Leiter der Kirche trug kein
Bedenken, die heidnischen Ungarn zu einem Einfall in Deutsch-
land zu reizen, um den Kaiser von Italien abzuziehen \ Damit
war die Frage aufgeworfen, ob das Kaisertum die Unabhängigkeit
des Papstes ertragen konnte.
Otto nahm den Abfall des Papstes zuerst sehr leicht. Sein
Urteil: Er ist ein Knabe und wird durch das Beispiel tüchtiger
Männer leicht umgestimmt werden^, ist sicher eine scharfe Ver-
urteilung des Papstes; aber es traf die wirkHche Schwierigkeit der
Verhältnisse nicht. Dann suchte der Kaiser den Knoten auf gut
ritterliche W^ise zu zerhauen; er erbot sich durch das Gottes^
gericht des Zweikampfs seine Vertragstreue darzutun ^. Aber
das war ein Vorschlag, mit dem bei Johann XII. nichts zu er-
rieichen war.
Otto mußte sich entschließen, den Papst, der sein Feind war,
auch als Feind zu behandeln. Die Folge war, daß die Linie, die
man im Jahre 962 gezogen hatte, überschritten wurde. Anfang
November 963 erschien der Kaiser vor Rom; Johann floh. In
der Stadt waren die Meinungen geteilt; doch wagte man keinen
iubemus u. dgl. Je zweifelloser es ist, daß .Tohann die Wünsche Ottos
erfüllen mußte, um so bemerkenswerter ist die rechtliche Form, in der ea
geschah. ^ Liudpr. Gest. Otton. 6 S, 127.
"- Ib. 5 S. 126. ' Ib. 7 S. 127.
— 332 —
W'iderstajid'; der Kaiser aber ließ nun die Römer schwören, daß
sie ohne seine und seines Sohnes Zustimmung niemals einen Papst
wählen würden -. Im Jahre vorher hatte es geheißen : daß niemand,
auch nicht ein kaiserlicher Missus, das Wahlrecht der Römer
hindern sollte''. Der Unterschied ist klar: der Gedanke war jetzt,
daß, was bei der Besetzung deutscher Bistümer Rechtens war, auch
in Rom Rechtens werden sollte. Es war eine politische Notwendig-
keit; denn nur so war der Kaiser Roms sicher.
Diesem ersten Schritt folgte alsbald ein zweiter, entschiedenerer.
Am 6. November fand in der Peterskü'che wieder eine Synode
statt*. Deutsche und italienische Kleriker, zahlreiche Optimaten
und die römische Mihz waren versammelt. Aber wie verschieden
Avar diese Versammlung von der des vorhergehenden Jahres I Denn
jetzt war der Kaiser der Leiter der S}Tiode. Er eröffiiete sie, in-
dem er auf das Fehlen des Papstes hinwies; er veranstaltete die
Untersuchung über dessen Leben; er nahm den anwesenden Römern
den Eid ab, daß die gegen -Johann vorgebrachten Beschuldigungen
Wahrheit seien ; sein Name stand an der Spitze der von der Synode
dem Papst zugestellten Vorladung'^.
So nötigte der Widerstand Johanns Otto, die Stellung ein-
zunehmen, die Karl Leo gegenüber eingenommen und doch zugleich
abgelehnt hatte. Er war der Richter des Papstes. Aber sein
Vorgehen stand in scharfem Gegensatz zu der herrschenden Über-
zeugung, daß der Papst von niemand gerichtet werden könne. Daß
die Vorladmig in Form einer inständigen Bitte ausgesprochen war,
konnte diesen Widerspruch ebensowenig mildern, wie daß der Kaiser
sich eidlich verpflichtete, nichts gegen den Papst zu unteniehmen,
was gegen das kanonische Recht verstoße. Denn daß er ihn zur
Verantwortung zog, war bereits ein Verstoß gegen das, was man
in Rom und in Deutschland für kanonisches Recht erkannte.
Johann konnte keinen Augenblick zweifeln, wie er zu veriahreji
habe. Er heß den Brief des Kaisers unbeantwortet, erklärte aber
^ Cont. Regln, z. 963 S. 172. Liudprand bestätigt diese Angabe, in-
dem er nur von d*em größeren Teil der römischen Optimaten erzählt, daß
er die Rückkehr des Kaisers gefordert hätte (I. c. 8 S. 128). Auch Bene-
dikt weiß von dem Zwiespalt: Romani magis sevientes inter se (c. 36 S. 718)
und: Secundum consuetudinem prisca divisum est populum inter se (c. 37 j.
2 Liudpr. 1. c. » j)ipi j s. 326 Nr. 235.
i Liudpr. c. 13 S. 132.
" Ib. 9 ff . S. 128. Otto sprach deutsch; denn weil die Römer ihn
nicht verstanden, bediente er sich Liudprands als Dolmetschers (ib. 11
S. -130).
— 233 —
den Bischöfen, ihi'e Absicht einen neuen Papst zu wählen sei ihm
nicht unbekannt; würden sie sie ausführen, so seien sie exkom-
munizierte Es hatte in der Umgebung Ottos sicher nicht an Be-
denken gegen das Einschreiten wider den Papst gefehlt: aber mm
konnte man nicht zurückweichen; die Synode wiederholte am 22. No-
vember ihre Vorladung und sprach zugleich die Drohung der Exkom-
munikation gegen Johann aus. In einer Sitzung am 4. Dezember
erfolgte endhch der letzte Schritt: die Bischöfe samt dem Klerus
und Volk von Rom ersuchten den Kaiser um Absetzung Johanns
und Einsetzung eines neuen Papstes. Otto stimmte zu. Darauf-
hin wurde der Protoskriniar Leo gewäMt und vom Kaiser be-
stätigt -. Zwei Tage darauf wurde er konsekriert, nachdem er vor-
her dem Kaiser geschworen hatte ^.
Niemals war die Absetzung eines hochstehenden Mannes sach-
lich so vollkommen berechtigt als in diesem Fall. - Und doch
hatten diejenigen, die sie aussprachen, nur halbes Vertrauen zu
ihrer Sache. Sie entschuldigten sich gewissermaßen mit dem Satze :
Eine unerhörte Wunde fordert unerhörte Heilmittel*.
Auch der Stadt, die Johann beherrscht hatte, widerfuhr durch
seinen Sturz kein Schaden; das Wort, daß die Deutschen Rom
befreit hätten^, war nicht unberechtigt. Aber die Römer wollten
von dieser Befreiung nichts wissen. Sie hatten sich der Ubermaoht
Ottos gefügt. Kaum aber hatte er einen Teil seiner Truppen
entlassen, so erhob sich das Volk. Man meinte den Kaiser, der
bei St. Peter lagerte, überwältigen, vernichten zu können. Hier
zeigte Otto, worin er groß war: er wußte am 3; Januar 964 mit
seiner geringen Mannschaft den Aufstand niederzuschlagen. Aljer
klug war es nicht, daß er auf Bitten Leos die Geiseln, welche die
Stadt ihm gestellt hatte, zurückgab^: er ahnte trotz seines Miß-
trauens gegen die Römer und trotz seiner letzten Erfahrungen nicht,
wie unsicher die Lage war. Er sollte es sofort ei-fahren. Denn
kaum hatte er Rom verlassen, so brach 'u neuer Aufruhr aus.
1 Liudpr. 13 S. 131.
2 Ib. 14 f. S. 133, Lib. Pontif. S. 246, Bened. c. 36 S. 718. Das Datum
in den Akten der Synode Johanns, Watterich I S. 677 ; doch vgl. dazu Sdralek,
Wolfenb. Fragm. S. 94. Über das Schweigen der Fortsetzung Reginos s.
V. Ottenthai S. 63.
3 Der 6. Dezember war ein Sonntag; es ist deshalb wahrscheinlich,
daß er Leos VIII. Ordinationstag war. Über seine Münzen v. Pflugk-Harttung
S. 473. * Liudpr. Gest. Ott. 14 S. 133.
5 S. oben S. 229 Anmerk. 3.
6 Liudpr. Gest. Ott. 16 f. S. 134. Cont. Regin. z. 964 S. 173.
— 234 —
Mit Mühe gelang es Leo samt wenigen Begleitern aus der Stadt
in das deutsche Lager zu flüchtend
Nun kehrte Johann zurück. Am 26. Februar hielt auch er
eine Synode in der Peterskirche ab^ Er stellte sich auf den
Standpunkt, den die römischen Bischöfe stets vertreten hatten, in-
dem er Ottos Synode für unrechtmäßig erklärte. Noch leichter
war es ihm Gründe gegen die Rechtmäßigkeit der Wahl Leos VIII.
zu finden, war dieser doch ein Laie gewesen als er gewählt wurde;
man konnte das Absetzungsurteil mit dem ganzen Gewicht kano-
nischer Gründe ausstatten.
Zum ersten Male traten die einander ausschließenden An-
schauungen über kaiserliche imd päpstliche Macht schroff einander
gegenüber. Es ist seltsam, und doch sehr verständHch, daß der
Papst das prinzipielle Recht seiner Sache mit viel größerer Zu-
versicht vertrat als der Kaiser. Aber Johann XII. war nicht der
Mann sich an diesem geordneten Verfahren genügen zu lassen : sein
Glimm wider die Männer, die • er als Ursache seiner Absetzung
betrachtete, suchte Befriedigung; er bereitete ihnen das schlimmste
Los. Johannes mid Azo wurden barbarisch verstümmelt; der
Bischof Otgar von Speier gegeißelt und gefangen gesetzt ^. Johann
fühlte sich seines Sieges so sicher, daß er nach diesen Vorgängen
Unterhandlungen mit dem Kaiser anzuknüpfen wagte. Aber ehe
Otto ihm Antwort erteilte, ist er getsorben, am 14. Mai 964*.
Nun mußte es sich zeigen, wie viel der Eid der Römer wert
war. Man scheint in der Stadt an eine Verständigung mit dem
Kaiser gedacht zu haben. Denn man ordnete eine Gesandtschaft
an ihn ab. Aber der Antrag, den sie zu überbringen hatte, for-
derte eine Demütigung: Otto sollte seine Zustimmung zur Vor-
nahme einer Neuwahl geben ^ Unmöglich konnte er darauf ein-
gehen; denn er konnte Leo nicht fallen lassen. Ebensowenig aber
waren die Römer gewillt, den Papst des Kaisers anzuerkennen. Im
Gegensatz zu dem ausgesprochenen Willen Ottos nahmen sie eine
Neuwahl vor*'. Sie hatte ein sehr bemerkenswertes Ergebnis. Denn
1 Liudpr. G. O. 18 S. 134 f. Cont. Reg. z. 964 S. 173. Bened. 37 S. 718.
2 Die Protokolle C.I. I S. 532 ff. Nr. 380, im Auszug bei Watterich I
S. 677 ff.
8 Liudpr. 19 S. 135. Cont. Reg. z. 964 S. 174. Bened. 35 S. 717.
* Cont. Reg. z. 964 S. 174.
° Das letztere ist nur im Lib. pont. S. 246 erwähnt, entbehrt aber
nicht der Wahrscheinlichkeit.
ö Liudpr. 20 S. 135; cont. Reg. z. 964 S. 174; Bened. 37 S. 718; Lib.
pont. S. 246.
— 235 —
der Mann, der in diesem Moment von dem römischen Volk erhoben
wurde, war eine von Johann XII. durchaus verschiedene Person-
hchkeit. Man konnte schwerlich einen würdigeren Papst finden als
Benedikt V. Er war Vorsteher der Schule gewesen : in Rom wie
in Deutschland bewunderte man seine Gelehrsamkeit, mid was viel
schwerer wiegt, man achtete seinen Charakter^. In Hamburg, wo
er den Rest seines Lebens als Verbannter zubrachte, hielt man sein
Andenken hoch in Ehren, man urteilte, er sei ein heiliger und ge-
lehrter Mann gewesen und hätte es verdient Papst zu sein^/ So
mächtig war der Eindruck seiner Persönlichkeit, daß, als er ab-
gesetzt wurde, ein junger Kleriker, namens Liewizo, sofort sich dem
Verurteilten anschloß, um seine Verbannung zu teilen^.
Daß dieser Mann nicht von den (Gesinnungsgenossen Jo-
hanns XII. als Kandidat aufgestellt wurde, ist sicher *. Auch die
römischen Aristokraten und die Burgherren aus der Campagna haben
schwerlich seine Wahl durchgesetzt^: es muß in erster Linie ein
anderer Faktor wirksam gewesen sein. Erscheint nun unter den
Anhängern Benedikts jener Protoskriniar Azo, den wir als Gegner
Johanns XII. kennen®, so ist klar, daß man Benedikt wählte, um
auch die kirchlich Gesinnten von dem Kaiser zu trennen '. Mit
^ Bened. 37 S. 718; Lib. pont. S. 246: Innocentem Benedictum ; Adam
II, 10 S. 48. 2 Adam 1. c.
" Thietm. IV, 18 S. 74; VII, 28 S. 184. Man pflegt ihn einen Italiener
zu nennen, schwerlich mit Recht;;, wenn Thietmar die Lage seiner Heimat
mit den Worten in confinio Alpium et Suevorum bezeichnet, so führt das
eher auf die Vermutung, er sei ein Burgunder oder ein Churrätier gewesen.
* Es ist möglich, daß Benedikt identisch ist mit dem Kardinaldiakon
dieses Namens, der nach Liudprand, Gest. Otto. 10 S. 130, vor der kaiser-
lichen Sj'node als. Ankläger Johanns auftrat. Aber beweisen läßt sich die
Identität nicht.
'^ Cont. Regin. z. 964 S. 173 erwähnt plures alii castellani, die beim
Aufstande Johanns sich mit den Römern verbanden.
« Ib. z. J. 965 S. 176. Hier werden Azo und Marin von Sutri als Ge-
sandte der Römer an den Hof nach dem Tod Leos genannt. Marin war
Teilnehmer der kaiserlichen Synode i. J. 963 (Liudpr. Gest. Ott. 9 6. 128):
man darf ihn wohl als Gesinnungsgenossen Azos betrachten. Aus Adam
II, 10 S. 48 erfährt man, daß sie beauftragt waren, nunmehr die Anerkennung
Benedikts von Otto zu fordern. Man bätte sie gewiß nicht für diese Sen-
dung gewählt, wenn man nicht sicher gewesen wäre, daß sie für Benedikt
wirken würden.
^ Benedikt v. St. Andreas weiß von Unruhen in Rom, die Benedikts
Wahl vorangingen, 37 S. 718. Daß die verschiedenen Parteien in Rom
heftig aufeinander stießen, ehe man sich über Benedikts Wahl verständigte,
— 236 —
der populären Opposition gegen den fremden Herrscher verbanden
sich jetzt die Männer, die ihn im Jahre 960 nach ItaHen gerufen
hatten: sie können nur durch Ottos Eingreifen in die Freiheit der
Wahl bedenkhch geworden sein. Der Gegensatz gegen den Kaiser
machte Rom einig: alle Römer schwuren Benedikt, sie würden ihn
nimmer verlassen, sondern gegen die Macht des Kaisers schirmen \
Je entschiedener der Widerspruch war, um so heftiger flammte
der Zorn des Kaisers empor; er schwur bei der Kraft seines Reichs,
er werde Rom sich unterwerfen-. Aber Benedikt war kein ver-
ächtlicher Gegner: er wußte die Römer zu einem unerwartet nach-
haltigen Widerstand zu entflammen. Ihn selbst sah man auf der
Mauer, nicht im Harnisch, wie einst Johann X., sondern im Priester-
gewand: er bedrohte die Belagerer mit dem Anathema ^. Schließ-
Hch jedoch zwang des Hunger die Stadt zur Ergebung*. Nun
folgte ein neues Synodalgericht über einen Papst. Benedikt verlor
auch jetzt seine Fassung nicht: nur bedingt hat er die Verzeihung
der Synode erbeten: Wenn ich gesündigt habe, so erbarmt euch
mein. Das Ende war natürlich seine Absetzung^; er mußte, wie
bemerkt, nach Hamburg in die Verbannung gehen.
Mit solchem Nachdruck wahrte Otto die einmal gewonnene
Stellung. In Rom hat man die Niederlage tief empfunden: Wehe,
Rom, ruft der Mönch Benedikt von St. Andrea, von so vielen
Völkern bist du unterdrückt und zertreten, von dem Sachsenkönig
bist du gefangen, dein Volk ist mit dem Schwert erwürgt, deine
Stärke ist zu nichte geworden* Man kann den Triumph der
Sieger an dem Kummer der Überwältigten ermessen. Aber achtet
man auf die weitere Entwickelung der Verhältnisse, so bemerkt
man sofort, daß der Ertrag des Sieges nicht allzu groß war. Das
kaiserliche Recht auf Mitwirkung bei der Papstwahl, gegen das
Rom sich empört hatte, wurde von Otto behauptet: er sicherte
dadurch die Fortdauer seines politisohen ÜbergeAvichts. Aber zu
einer Neuordnung der kaiserlichen und päpstlichen Rechte in der
Kirche tat -er keinen Schritt. Der Gedanke, daß der Papst das
weite Gebiet der kirchlichen Angelegenheiten unbedingt beherrsche,
ist sehr glaublich. Liudprand hebt hervor, daß die Römer ihn einstimmig
wählten, Gest. Ott. 20 S. 135: er war Kompromißkandidat, Streit und Ein-
stimmigkeit ist also kein Widerspruch. i Liudpr. 1. c.
2 Bened. S. 718. Der Lib. pont. hat den Schwur in folgender Form:
Quando dimisero ensem meum, tunc dimittam, ut doranum Leonem papam
in cathedram s. Petri non restituam (S. 246).
» Cont. Regln, z. 964 S. 174. * Am 23. Juni, Cont. Regln. 1. c.
5 Liudpr. Gest. Ott. 21 S. 135 f. « Chron. 39 S. 719.
_ 237 —
blieb unerschüttert. Unmöglich kann man deshalb sagen, daß dui'ch
Otto das Papsttum dem Kaisertum Untertan, oder daß die Kirche
Roms eine deutsche Vas^llin geworden sei \ Nicht die kirchhchen
Herrschaftsrechte des Papstes, sondern das Recht der Römer, den
Papst zu wählen, wurde beschränkt. War es aber so, dann be-
ruhte die Obmacht des Kaisertums über das Papsttum nach wie
vor auf einer sehr sehwankenden Grundlage.
Ottos Vorgehen gegen Johann und Benedikt ist dem Verfahren
^ Worte von Gregorovius, III. S. 342 ; ähnlich urteilen Müller, KG. I
S. 390 ff., u. a. Wie mich dünkt, ist hierbei der Doppelstellung des Papst-
tums nicht genügend Rechnung getragen. Das Papsttum prätendierte einer-
seits unbeschränkte Herrschaft in der Kirche: andererseits war es eine
politische Macht. Als solche war es durch Alberich um seine Bedeutung
gebracht worden und wurde es durch Otto in Unterordnung gehalten.
Diese politische Übermacht wirkte natürlich auf das kirchliche Gebiet:
Otto nötigte die Päpste die kirchlichen Maßregeln zu treffen, die er wünschte.
Allein, wenn man nun sagt: , Dadurch würde das Papsttum dem Kaisertum
Untertan und die Kirche Roms eine deutsche Vasallin ", oder: ,Rom war in
seiner Stellung zum Kaisertum den andern Kirchen des Reichs völlig gleich
geworden", „Das Kaisertum schließt die Beherrschung des Papsttums in
sich", so scheint mir dieser Schluß zu weitgehend. Denn indem Otto das
Wahlrecht des römischen Volkes zugunsten der Kaisermacht beschränkte,
tastete er die kirchliche Herrschaft des Papsttums nicht an: im Gegenteil,
er hat sie in allen seinen Akten anerkannt. Das sieht man gerade aus
der Art, wie er seine Wünsche durch die Päpste ausführen ließ: als der
Papst Magdeburg zum Erzbistum erhob, handelte er nicht als der aus-
führende Beamte des Kaisers, sondern als der freie kirchliche Herrscher,
der eine Bitte des Kaisers gewährte. Wie man sieht, stimme ich auch mit
V. Rankes Beurteilung der Ereignisse nicht überein. Er sah in Ottos Er-
folgen die Befreiung der weltlichen Macht von den Eingriffen der Geist-
lichen, die Befreiung der kaiserlichen Gewalt von der Unterordnung unter
das Papsttum (W6. VI, 2 S. 235). Allein Eingriffe Roms in das staatliche
Gebiet hatten seit dem Sinken des Papsttums im ausgehenden neunten
Jahrhundert so gut wie vollständig aufgehört; besonders hatten die deut-
schen Verhältnisse sich seit Heinrich I. ungestört durch Rom entwickelt.
Die augenblicklichen Zustände forderten keine Änderung; auf die allgemeine
Anschauung aber suchte Otto nicht zu wirken. Seinem Vorgehen fehlte
gänzlich jene prinzipielle Zuspitzung, die man einerseits bei Karl, anderer-
seits bei Nikolaus bemerkt. Ich vermag deshalb in Ottos Taten nicht das
erste Wort in der großen Kontroverse zwischen Kaisertum und Papsttum
zu erblicken. Wohl aber scheint mir, daß sie diese Kontroverse vorberei-
teten. Es geschah, indem ein Zustand geschaffen wurde, der einen Wider-
spruch in sich trug. Die Interessen des Papsttums und die des Kaisertums
kreuzten sich. Früher oder später mußte das zum Streite führen.
— 238 —
Nikolaus' II. gegen König Lothar nicht ähnlich. Nikolaus hat die
äußeren Erfolge zu Siegen der Idee gemacht, die er vertrat. Als
Otto die Päpste absetzte und einsetzte, handelte er unter dem
Zwang der Verhältnisse: er zog deshalb die Konsequenzen seiner
eigenen Taten nicht. Man sieht es recht deutlich aus der Stellung,
die er den von ihm abhängigen Päpsten einräumte. Was bedeutete
Leo Vin. neben dem Kaiser? Aber bei der Verurteilung Bene-
dikts erschien er als der handelnde: der Kaiser bat und führte
aus, der Papst u^-teilte. Und so blieb es. Leo VIII. starb bereits
im Frühjahr 965 ^. Die Römer versuchten nicht zmn zweitenmal
eine Empörung, vielmehr begaben sich der Protoskriniar Azo und
der Bischof Marin von Sutri nach Deutschland, um sich mit dem
Kaiser über die Papstwahl zu verständigen". Aber diese Beobach-
tung des Rechtes verbarg kaum die oppositionelle Gesinnung: denn
die römischen Gesandten erbaten den verbannten Benedikt als
Bischof^. Es war selbstverständlich, daß Otto diese Bitte abschlug;
er sandte zwei Bevollmächtigte nach Rom: wie eine deutsche
Bischofswahl fand die Papstwahl in Gegenwart der kaiserlichen
Sendboten statt. Aber Johann XIII, wurde von den Römern
gerade deshalb gewählt, weil er ein echter Vertreter des römischen
Klerus zu sein schien : an der lateranischen Basilika war er erzogen,
vielleicht war dort Benedikt sein Lehrer gewesen; die 'sämtlichen
klerikalen Grade hatte er in Rom erlangt, bis er schließlich Bischof
des benachbarten Narni geworden war*. Man kann sich nicht
wundern, daß in seinen Dokumenten davon nichts wahrzunehmen
ist, daß er seine Stellung dem Willen des Kaisers verdankte. Im
Gegenteil, auch die jüngsten Ereignisse erschienen bereits, fast
möchte man sagen: in legendarischem Lichte. In seinem offenen
Brief an die Christenheit über die Synode von Ravenna* erzählt
der Papst, wie Rom, die Hauptstadt der ganzen Welt, und die
universale Kirche von den Gottlosen fast zugrunde gerichtet, aber
von dem Kaiser gerettet und in aller Ehrfurcht in den alten herr-
lichen Zustand wieder hergestellt worden sei^. Er erzählt weiter,
wie der Kaiser vor der Synode darüber gesprochen, daß durch die
päpsthche Autorität der christhche Name in den nördlichen Gegen-
1 J.W. S. 469. 2 cont. Regln, z. 965 S. 176.
3 Adam II, 10 S. 48.
* Lib. pont. S. 247. Johann ist wahrscheinlich im Sept. 965 gewählt
und am 1. Okt. geweiht.
» J.W. 3715. Synode in S. Severo in Ravenna, April 967.
® Bezieht sich auf die Besetzung Roms im Winter 966 — 967 (s. Cont.
Regln, z. 967 S. 177 f.).
— 239 —
den ausgebreitet werden solle, und daß er, der Papst, daraufhin
kraft der Autorität des Apostelfürsten Petrus, kraft deren seine
Vorgänger Konstantinopel erhöhten, beschlossen habe, Magdeburg
zur Metropole zu erheben. Was hier gesagt wurde, war zum größten
Teile Fiktion, aber eine Fiktion, welche die Welt glaubte. Sie
verschob die Stellung nicht, welche Kaiser und Papst tatsächlich
einnahmen; aber sie schnitt ihre Folgen ab. Mochte Otto auf den
Synoden, die er gemeinsam mit Johann hielt, das entscheidende
Wort sprechen, mochten die Deutschen die gefaßten Beschlüsse als
sein Werk bezeichnen^, so hat Otto doch kirchliche Jurisdiktion,
wie sie Karl d. Gr. durch seine Synoden und seine Erlasse übte,
weder geübt noch in Anspruch genommen^.
Otto zog im Herbst 966 noch einmal nach Italien und verweilte
dort bis Herbst 972. Als er zurückkehrte, war nichts von dem, was
er begonnen hatte, vollendet: so wenig in Rom gesicherte Zustände
geschaffen waren, so wenig waren Griechen und Araber aus ItaHen
vertrieben^; am wenigsten war das Verhältnis zum Papsttum ge-
klärt: die poHtische Übermacht war nicht zur Herrschaft fort-
gebildet worden. Man spricht keinen Vorwurf gegen den Kaiser
aus, indem man das sagt. Denn eine solche Fortbildung war un-
möglich; sie war ausgeschlossen durch die das Zeitalter beherrschen-
den Anschauungen. Sie war es um so mehr, da Otto selbst sie
teilte. Der Tod des großen Herrschers im Frühjahr des nächsten
Jahres* war vollends dazu geeignet, die Unsicherheit zu steigern.
Denn seitdem stand ein JüngUng an der Spitze des Reichs, der
^ Der Fortsetzer Reginos sagt über die ravennat. Synode: Imperator
. . cum papa plurimos episcopos coadunavit et habita sinodo multa ad uti-
litatem sanctae ecclesiae adinvenit.
^ In dem Privilegium, das Johann auf Wunscb Ottos in Ravenna dem
Kloster Quedlinburg erteilte, liest man : " Quia per b. Petrum apostolorum
principem, cuius vice licet minus idönei fungimur, ecclesiasticae potestatis
iura ubique terrarum auctoritate evangelica atque authentica sanctorum
patrum habere videmur; idcirco specialiter dispensare cuncta ad omnipotentis
Dei laudem et orthodoxam religionem nullo catholicorum resistente posse
confidimus (J.W. 3716). Das ist der päpstliche Anspruch; indem Otto die
Urkunde akzeptierte, erkannte er ihn an. Lehrreich ist auch die Erhebung
Landulfs von Benevent zum Erzbischof. Denn je sicherer es ist, daß die-
selbe einem Wunsch Ottos genügte, um so bezeichnender sind die Wen-
dungen, in denen Johann ausspricht, daß er kraft seiner päpstlichen Gewalt
handele, z. ß. Quoniam ad hoc divinae miserationis respectu curam regi-
minis suscepimus (ib. 3738).
* Über Ottos Absichten gibt sein Brief an die Sachsen v. 18. Jan. 968,
Dipl. I S. 487 Nr. 355, Aufschluß. * Am 7. Mai 973.
— 240 —
den Anforderungen, welche seine Stellung mit sich brachte, nicht
in derselben Weise gewachsen war, wie sein Vater und Großvater.
Otto II. war, als er zur Regierung kam, achtzehn Jahi'e alt;
von auffallend kleiner Gestalt war er doch körperlich kräftigt und
von frischem, lebhaften Wesen. Er hatte nicht eine ausschließlich
kriegerische, sondern auch eine gelehrte Bildung erhalten: den In-
halt eines lateinisch vorgelesenen Briefs vermochte er deutsch wieder-
zugeben ^ Vorwurfsfrei war seine Jugend nicht: seine SinnHchkeit
hatte ihn zu Ausschreitungen verfiilirt, die^ jedermann tadelte^.
Aber man sah darüber hinweg; man dachte groß von ihm, denn
seine Lebhaftigkeit täuschte über seine Begabung. Da er sich für
vielerlei interessierte, hielt man ihn für ein Genie * ; in Wirklichkeit
' Canap. Vit. Adalb. 8 S. 584; Thietm. 111,1 S. 47.
2 Ekkeh. Gas. s. Gall. 130 S. 419. Ekkehart sagt : Saxonice repondens-,
man muß also an die- niederdeutsche Sprache denken.
s Thietm. III, 1 S. 47.
^ Richeri Hist. III, 67 S. 144: Vir magni ingenii, totiusque virtutis,
liberalium litterarum scientia clarus, adeo ut in disputando ex arte et pro-
poneret et probabiliter concluderet. Arnulf von Orleans in einer Rede auf
der Rheimser Synode: Otto nostra aetate cunctos principes armis, consilio,
ac scientia superans (Gerberti opp. S. 205). Aber diese Urteile werden
durch Ottos Handlungen nicht bestätigt. Auch mag daran erinnert werden,
daß Zeitgenossen, die sich nicht zu offiziellem Lob verpflichtet fühlten, von-
Ottos Begabung nicht groß dachten: in Italien schalt man ihn einen Esel,
d. h. nicht wie Böhmer, Willigis S. 11, urteilt: einen ausschweifenden, son-
dern einen dummen Menschen. Die letztere im klassischen Sprachgebrauch
ganz gewöhnliche übertragene Bedeutung des Wortes war im MA. nicht
vergessen. . Oder sollte Canap. Vit. Adalb. 15 S. 587 an einen Wüstling ge-
dacht haben, wenn er Adalbert fragen läßt : Utrum me hominem vel asinum
putatis? und Claudius von Turin seine Amtsgenossen Wüstlinge schelten,
wenn er eine Synode congregationum asinorum nannte? Dung. adv. Claud.
Migne 105 S. 529. Nur diese Deutung aber paßt an der Stelle aus
Gerberts Briefen, der wir die Notiz verdanken. Er sagt: Contempnitin-
imperialis maiestas cum in me, tum in se ipsa. In divisione sanctuarii Dei
secundum libellarias leges facta, quia consentire nolo, perfidus, crudelis,
tirannus cognominor; ipse Caesar omnium hominum excellentissimus asino
coaequatur, ep. 12 S. 10. Daß man in dieser Weise interpungieren muß.
scheint mir klar; denn nur so entspricht der zweite Satz dem ersten.
Ebenso klar ist der Sinn: man nannte Gerbert einen Tyrannen, weil er
auf Rückgabe des entfremdeten Besitzes von Bobbio bestand, und den
Kaiser einen Esel, weil er ihn dabei unterstützte. Mit Ausschweifungen hat
die Schmähung also nichts zu tun. Natürlich folgere ich aus ihr nicht,
daß Otto dumm war. Nur daß er ein Talent war wie sein Vater, und in
seiner Weise auch sein Großvater, bestreite ich. Dahin geht auch das Ur-
— 241 —
charakterisiert ihn die Verbindung von übergroßem Selbstgefühl
und geringem Talent. Kein Kaiser war mehr durchdrungen von
dem Bev^ußtsein der Erhabenheit seiner Stellung als er: er wähnte
für den Willen des Königs gebe es keine Schranket Aber es
fehlte ihm dabei der hohe Sinn: sein Selbstgefühl artete in Rück-
sichtslosigkeit aus. sogar seine Mutter hatte das zu erfahrend Und
es mangelte ihm der übeiTagende Verstand : er glaubte Verleumdern
und war empfänglich für Schmeicheleien. Als man ihm hinter-
brachte, seine Mutter wolle ihn des Reichs berauben, nahm er das
törichte Gerede für Wahrheit^. Über die Leute, die sich an ihn
drängten, ist Gerbert von Aurillac empört; mehr den Kaiser als
seine Umgebung charakterisierend ruft er aus: Was schmeicheln
diese Fuchsköpfe und Fuchsschwänze meinem Herrn? Fort mit
ihnen vom Hofe"^! Kein Wunder, daß Otto von fremdem Urteil
abhängig war: wer bei ihm vorwärts kommen wollte, mußte sorgen,
daß er von anderen gelobt wurde ^ Andererseits wirkte die augen-
bhckliche Stimmung des leicht erregbaren auf seine Handlungen:
die Mönche von Farfa beschwerten sich später, daß er im Zorn
ein ungerechtes Urteil gefällt habe*'. Der Fall stand nicht allein:
auch in Deutschland hatte man Ursache sich darüber zu beklagen,
teil Brans von Querfurt. Er sagt: Non dextro omine, nee vivo maturove
sapientiae signo* rem publicam rexit; et dum omne quod vult regem opor-
tere sequi, non bene, putat, collectum orbem amisit, et quam terror patris
peperit, pacem interfecit '(vit Adalb. 9 S. 598). Hier wird nicht Ottos
stürmische Unü>>erlegtheit getadelt, sondern es wird ihm Mangel an Klug-
heit vorgeworfen. An einer zweiten Stelle sagt er: Erat in eo vivida virtus,
fervida et effrena iuventus, manus prompta hello, sed raro unquam cum
consilio (c. 10 S. 599). Am schwersten wiegt das Urteil der Kaiserin Theo-
phano. Man mag sie ja tadeln, daß sie in einem Augenblick des Unglücks
schonungslos über den Gemahl ihre Meinung sagte (Alpert. de episc. Mett. 1
Scr. IV S. G98). Aber wenn es unedel war, so zu tun, so ist lamit keines-
wegs bewiesen, daß Theophano unrecht hatte. Der Tadel Theophanos
trifft nicht die Feigheit des Kaisers, sondern seinen Mangel an Talent. Alp.
hat erzählt, daß der Kaiser inconsulte et nimia celeritate neque ut res
praelii exposcit, sich in die Schlacht eingelassen habe, und er läßt dann
die Kaiserin spotten, daß er tanta frequenter virtute laudatus a suis tam
facile sit superatus. Es ist klar, daß in diesem Zusammenhang tam facile
nicht auf die Feigheit des Soldaten, sondern auf die Fehler des Feldherrn
hinweist.
1 S. die eben zitierten Worte Bruns von Querfurt.
2 Vgl. Syri vita Majoli III, 9 S. 770 (Migne 137). " L. c.
4 Epist. 11 S. 8. , ^ Vgl. Gerb. ep. 5 S. 4.
e Muratori Scr. rer. Italic. II, 2 S. 499.
Hauck, Kirehengeschichte. III. 16
— 242 —
daß des Kaisers Rechtssprüche nicht immer den rechten Punkt
trafen^. Man kann diese Mängel entschuldigen. Denn als Otto
die Regierung antrat, hatte das Leben ihn noch nicht gereift: die
Zurückhaltung, die der Mann im Wechsel von Erfolg und Miß-
erfolg erwirbt, war dem jugendhchen Kaiser noch fremd. Aber
war ihm nicht noch Größeres fremd? fehlte ihm nicht auch der an-
geborene Blick für die Aufgaben, die zu lösen sind? In kirch-
licher Hinsicht stand Otto zwei großen und klaren Aufgaben gegen-
über: Ausbau der von seinem Vater im Nordosten geschaffenen
Einrichtungen und Organisation des südöstKchen Missionsgebiets,
Aufgaben, die nicht nur für die Kirche, sondern auch für die
!^ation von Bedeutung waren. Otto hat beide nicht gelöst, weil
er sie nicht erkannte: im Norden störte er die ruhige Weiter-
entwickelung der Gründungen Ottos d. Gr., und im Süden überließ
er die Dinge sich selbst, ohne dass er auch nur versuchte sie zu führen.
Und fehlte ihm nicht auch das Urteil über das, was dauernd lebens-
fähig ist? Man rühmt die Erfolge, die er im Reiche erzielte: aber
seiner bairischen Politik wdrd niemand das Lob erteilen können,
daß sie Verhältnisse schuf, die bestehen konnten. War sie dann
wirklich erfolgreich? Hier überall aber war das Ungenügende in
Ottos Pohtik nicht dadurch bedingt, daß er auf Verhältnisse traf,
deren Übermacht er nicht zu brechen vermochte, sondern dadurch,
daß er hinter dem zurückblieb, was die Lage von ihm forderte
und ihm möghch machte. Im Felde war es nicht anders: weder
das Mißlingen in Frankreich im Jahr 978, noch die calabresische
Niederlage im Jahr 982 war ein unvermeidliches Unglück; sie waren
die Folge der geringen Umsicht des Feldherrn. Was nützte dem
gegenüber sein Ehrgeiz und sein Tatendrang? Denn daran fehlte
es ihm nicht. Gerbert rühmt seinen hohen Geist, seine hochgerich-
teten Absichten und Ziele-. Sie vermochten ihn nicht zum Siege
zu führen. Schon seinen Zeitgenossen fiel dieser Zwiespalt zwischen
Absicht und Erfolg auf. Das schöne Lied auf die Ottonen rühmt
ihn als gerecht, mild und tapfer, aber es fügt hinzu : Eines war ihm
versagt, er triumphierte selten in berühmten Kämpfen^.
Wenn man sich an die Persönlichkeit des zweiten Otto er-
innert, so ist verständlich, daß das Verhältnis des Kaisertums zum
Papsttum unsicher bheb. Es kam auch jetzt nicht dazu, daß sich
1 Thietm. 111,9 S. 53. « Ep. 13 S. 10.
3 MüUenhoff u. Scherer Nr. 22 S. 47; vgl. Brun. vit. Adalb. 10 S. 598:
Regnante Ottonis infortunio. Wie die älteren Historiker so beurteilt auch
Uhlirz Otto 11. weit günstiger; man vgl. seine zum Teil im Gegensatz zu
dem hier Gesagten formulierte Charakteristik, JB. I S. 210 ff.
— 243 —
auf der Grundlage, die Otto I. geschaffen hatte, neues Eecht bil-
dete. Nicht einmal das politische Übtrgewicht des Kaisers in Rom
wurde ohne Einbüße behauptete Und als der Kaiser nach zehn-
jähriger Regierung am 7. Dez. 983 starb, ging es völlig verloren.
In Rom herrschte der jüngere Johannes Crescentius: sein Regiment
ist die Erneuerung der Tyrannis Alberichs ^
Als Otto II. starb, waren zwei Jahrzehnte verflossen, seitdem
die deutschen Könige die Kaiserkrone trugen. Die Verhältnisse
der deutschen Kirche waren dadurch nicht verändert worden. Denn
weder verlieh das Kaisertum dem Träger der staatlichen Gewalt
größere Macht in der Kirche, als er sie vorher schon besessen
hatte, noch führte es zur Vorherrschaft der deutschen Kirche in
der des Abendlandes. Nur die Beziehungen zu Italien und damit
zu Rom waren vermehrt^, seitdem der deutsche König am Po
herrschte und den Titel eines römischen Kaisers trug. Die posi-
tiven Wirkungen der Erneuerung des Kaisertums waren demnach,
so weit das kirchliche Gebiet in Frage kommt, vorerst sehr gering;
um so bedeutender waren die negativen,
Sie traten überall auf dem deutschen Missionsgebiet an den
Tag. Für die Fortschritte der Kirche war schon dies ein Schaden,
daß der Schwerpunkt der deutschen Politik auf das Verhältnis
zum Süden verlegt wurde. Vollends die Niederlage und der Tod
Ottos II. erschütterten alles, was bisher gewonnen war. Man
spürte die Folgen der Ereignisse, die in Calabrien und in Rom ein-
getreten waren, an der Donau wie an der Moldau, an der Elbe
wie an der Eider.
Im Südosten stieg den Ungarn der Mut: wir haben dessen
bereits gedacht, wie schwer die Ostmark unter den erneuerten Ein-
fällen der alten Feinde zu leiden hatte *. In Böhmen begann die
kaum begründete kirchliche Organisation sich wieder aufeulösen.
Kurz vor dem Tode Ottos II. hatte ein Tsdieche das bischöfliche
Amt in Prag erhalten: es war Woitech, der Sohn Slawniks, der
seit seiner Firmung den deutschen Namen Adalbert führte **. Es
^ Ich verfolge die italienischen Verhältnisse nicht im einzelnen, da
ihr Schwanken für Deutschland ohne Bedeutung war.
2 Über die Familie der Crescentier s. Wilmans, JB. Ottos III, S, 222 ff.
ä Man sieht es daraus, daß in den 21 Jahren von der Krönung Ottos I.
bis zuta Tode Ottos IL 38 päpstliche Schreiben nach Deutschland ergingen,
von denen wir wissen, in den 63 Jahren vom Tode Arnulfs bis zur Er-
neuerung des Kaisertums dagegen nur 34, * S. o. S. 181.
^ Die Quellen für die Geschichte Adalberts sind: 1, Die Biographie
des Johannes Canaparius Scr. IV S. 574 ff, 2. die Brunos v, Querfurth Scr.
16*
— 244 —
unterliegt keinem Zweifel, daß, als er am 19. Februar 983 gewählt
wurde, seine Wähler in ihm den Sprößling einer slavischen Fürsten-
familie erkoren \ Wenn der Kaiser kein Bedenken trug, die Wahl
eines Nichtdeutschen zu bestätigen, so fehlte es dafür nicht an
Gründen: Adalbert war dem sächsischen Königshause verwandt^;
er hatte in Magdeburg eine deutsche Erziehung erhalten: zu seinen
Lehrern zählte er jenen Ohtricb, der den Ruhm der Magdeburger
Schule begründete^. So schien er recht geeignet, das Bindeghed
zwischen Deutschen und Tschechen zu bilden und der Festigung
des Christentums in Böhmen zu dienen. Aber diese Erwartungen
erfüllten sich nicht. Sein Episkopat bietet den melancholischen
Anblick eines hohen Strebens und eines ununterbrochenen Miß-
lingens.
Zum Teil lag der Grund an Adalbert selbst. Nicht immer
ist der Mensch für den Platz im Leben geeignet, den er sich wünscht,
und den er erstrebt. Aber Adalbert täuschte sich nicht im Urteil
über sich selbst, wenn er sich durch das GefüM leiten ließ, daß
die für ihn passende Stelle im Kloster sei. Denn wenn es Männer
gibt, denen die asketische Lebensanschauung natürlich ist, so ge-
hörte er sicher zu ihnen. Zwar verlief auch seine Entwickelimg
nicht geradlinig; aber der Schauer, der seine Seele beim Anblick
des Todeskampfs Deothmars erschütterte, brachte nur das zum
Durchbruch, was, vielleicht ihm selbst unbewußt, in ihm war: das
Grauen vor der Welt, als werde der Fromme durch ihre bloße
Nähe befleckt*. Er paßte nicht unter die Menschen: sein ita-
lienischer Biograph hat ihn gerühmt als reich an heiliger Einfalt^,
IV S. 595 ff. 3. die anonyme passio s. Adalp. mart. Scr. XV S. 706 ff., die
der ausführlichen Schilderung der Ermordung Adalberts dürftige Notizen
über sein Leben vorausächickt; vgl. über die Biographien Perlbach, N.A.
XXVII S. 35 ff. In der Auffassung der Persönlichkeit Adalberts und der
Verhältnisse in Böhmen stimmen sie überein, im einzelnen finden, sich kleine
Abweichungen. Die Literatur über Adalbert ist infolge des Jubiläums von
1897 mächtig angeschwollen; es genügt hier Voigt, Adalb. v. Pr., Berl. 1898,
zu nennen, und auf Kaindl, Mtt. d. Inst. Bd. XIX S. 535 u. Bd. XX S. 641
zu verweisen. Über die Adalbert zugeschriebenen Schriften s. Beilage 1,
1 Canap. 7. S. 584, Bruno 8 S. 597.
- Bruno 1 S. 596; vgl. Loserth, Mtt. d. Inst. II S. 20 f.
- Canap. 3 ff . S. 582; Bruno 5 S. 597.
* Canap. 12 S. 586: Vidit optimae gubernationis frustrari lacertos, plus
etiani obesse sibi quam populo prodesse. Bellet ergo peccatum et amarissi-
mo luctu prosequitur dampna perditae gentis. Ad ultimum cogitat melius
esse relinquere.
^ Canap. 5 S. 583: Sanctae simplicitatis quam ditissimus erat.
— 245 —
d. h. nichts anderes als: er fand niemals den Punkt, von dem aus
ein ruhiges und klares Urteil und ein sicheres und folgerichtiges
Handeln mögHch ist; deshalb stand er wie ein Tor in seiner Um-
gebung. Die Weltentfremdung, in der seine Seele lebte, machte
ihn linkisch in Kleinigkeiten^, sie bewirkte, daß im Großen alles,
was er tat, verkehrt war. Und doch war er kein Tor. Je un-
geschickter er handelte, um so reicher und um so zarter war sein
inneres Leben-
Man ist an die Innigkeit der mystischen Frömmigkeit erinnert,
wenn man liest, wie seine Biographen seine rehgiöse Stimmung
zeichnen: In seinem Gemüte fühlte er die Gnade Gottes und im
Innersten kostete er den süßen Heiland^; für Gott wollte er ins
Elend fahren und unter einer fremden Sonne Armut und Alter
ertragen. Denn alles, was hart und rauh ist, dünkte ihn süß um
.der Liebe Jesu willen ; für den reichen Christ den Zwang der Ar-
mut erdulden war ihm nicht leid, sondern lieb^. Nie, versicherte
der Einsiedler Nilus, habe er einen JüngUng gesehen, der so von
der Liebe Christi glühte, wie Adalbert*. Dieselbe schwärmerische
Hingabe brachte er der Mutter des Herrn entgegen. Auch hier
eilte seine Frömipigkeit der Zeit voraus: man meint Worte aus
dem Jahrhundert der Kreuzzüge zu vernehmen, wenn man liest, wie
er die Madonna anruft: Preis sei dir, Jungfrau, Stern des Meeres,
daß du, fromme Herrin, den niedrigsten deiner Knechte eines
Blickes gewürdigt hast^ Er betrachtete die Jungfrau in sonder-
lichem Sinn als seine Herrin ^
Man kann sich nicht wundern, daß, was seine Seele erfüllte,
in Träumen und Gesichten, wie objektiv ihm gegenübertrat'. Mit
dieser Wärme des religiösen Gefühls verband sich eine unvergleich-
liche Empfindhchkeit des Gewissens: ihn drückte das, worüber
andere lachten^; nicht nur die eigenen Handlungen, sondern die
Verhältnisse, die nicht er geschaffen hatte, lasteten wie eine Schuld
auf ihm^. Von dem Gefühl der Zerknirschung wurde er seit dem
Tage, da er inmitten einer jubelnden Volksmenge, wie ein Büßer
in bloßen Füßen einherschreitend, seinen Einzug in Prag gehalten
^ Er zerbrach, was er in die Hand nahm, Weinkrüge und Wasser-
k-dnnen, kam auf ebenem Weg zu Fall, Canap. 17 S. 588 f.
2 Bruno 11 S. 600. ^^ Canap. 13 S. 586. * Ib. 15 S, 587.
5 Id. 24 S. 592.
<* Id. 4 S. 583: Furtivas orationes dominae suae mittens.
' Id. 12 S. 586; 20 S. 590; 24 S. 592; Bruno 20 S. 605.
8 Canap. 5 S. 588. " S. die S. 244 Anm. 4 angeführte Stelle.
— 246 —
hatte, nicht wieder frei ^. Was ihn später an das Kloster fesselte,
war, daß ihm dort der Rat heiliger Männer, denen er die geheimen
Gedanken seiner bedrückten Seele darlegen konnte, jiiemals fehlte '^
Aber das überreizte Zartgefühl seines Gewissens führte dazu, daß
niemand dem eigenen Urteil weniger traute als er : bald der Papst,
bald ein Abt, bald ein Einsiedler sollten die Verantwortung für
das^ was er tat, ihm abnehmen ^. Die Folge war, daß keines
Menschen Schritte so unsicher waren, als die seinen.
Adalbert erscheint unter seinen Zeitgenossen wie ein Fremd-
ling: man erinnert sich unwillkürlich an die fremde Blmne, die der
Dichter im Moder des "Waldes erwachsen läßt. Vergegenwärtigt
man sich aber, an welchem Orte, in welcher Umgebung dieser Mann
wirken sollte, so ist klar, daß er nirgends weniger an seinem Platze
war, als in Prag. Hier war einem Bischof vor allem klares Selbst-
vertrauen und geduldige Kraft nötig: an nichts gebrach es Adalbert
so sehr als daran.
Daß seiner mit glühender Hingebung betriebenen Arbeit jeder
Erfolg fehlte*, erklärt sich somit aus seiner Persönlichkeit. Un-
erklärlich aber erscheint, daß er im Kummer über den mangelnden
Erfolg seinen Platz verließ: denn je ängstlicher seine Gewissen-
haftigkeit war, um so fester mußte sie ihn in der Lage festhalten,
die ihn bedrückte. Hier müssen also noch andere Gründe mitge-
wirkt haben. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit behaupten,
daß sie in den politischen Verhältnissen lagen. Obwohl ein Tscheche,
war Adalbert doch ein deutscher Bischof, aus der Hand des deut-
schen Königs hatte er in Verona den bischöflichen Stab empfangen ^;
mit den deutschen Herrschern war seine Familie verbunden: im
Gegensatz zu den Premysliden lehnte sie sich an die auswärtigen
Mächte, Deutschland und Polen, an". Herzog Boleslav ü. aber
hielt, als die Kraft des Beichs durch den jähen Tod Ottos ge-
^ Canap. 8 S. 584 über seinen Einzug in Prag; c. 10 S. 585 über sein
tägliches Leben als Bischof: Viator intrepidus aderat sacris aedibus; saepius
Domino precator inportunus coelestes fores pulsat: nunc longis genufl«xibus
orationem protrahit, nunc aegra suspiria cordis multo flumine rigat; vgl.
Bruno 11 S. 599. « Canap. 17 S. 588.
3 Id. 13 ff. S. 686; Bruno 12 ff. S. 600 ff.
* Canap. 12 S. 586; Bruno 11 S. 600.
6 29. Juni 983, Canap. 8 S. 584; Bruno 9 S. 598.
* Den Beweis für das letztere hat Losertb scharfsinnig und über-
zeugend geführt (Arch. f. österr. Gesch. 65 S. 86 ff.). Die Anlehnung an
Polen bedeutete aber unter Otto III. Treue gegen das Reich (s. Schiemann,
Rußland, Polen und Livland I S. 389 f.).
— 247 —
schwächt war, den AugenbUck für gekommen, um die Abhängigkeit
von Deutschland zu lockern. Schon daß er im Streit um die Nach-
folge sich auf die Seite Heinrichs des Zänkers stellte ^^ hing ver-
mutlich mit diesen Absichten zusammen. Die Besetzung Meißens
im Jahre 984 zeigte vollends klar, wohin er zielte". In den
nächsten Jahren befand er sich in offenem Kampf mit dem Reich:
986 und 987 standen die Deutschen als Feinde in Böhmen^. Kam
es dann auch zum Frieden, so trat doch in den böhmisch-polnischen
Kämpfen von neuem die antideutsche Richtung Boleslavs an den
Tag^. Es fehlte an einem König, der den mderstrebenden Va-
sallen in Unterordnung zu halten wußte.
Diese "\^orgänge konnten nicht ohne Einwirkung auf die kirch-
liche Lage bieibeu. Zwar fiel Boleslav vom christlichen Glauben
nicht ab- Aber er mußte mit der nationalheidnischen Strömung
unter den Slaven rechnen: seine Bundesgenossen, die Wilzen^,
waren offen zum Heidentum zurückgekehrt^; als er Meißen besetzte,
warf die Bevölkerung sofort das Christentum ab; sie veijagte den
Bischof Yolkold '. Durch alles das mußte der in Böhmen ohnehin
vorhandene Widerwille gegen die kirchlichen Einrichtungen mächtig
veretärkt werden. Adalbert fehlte die Klugheit, mit solchen Ver-
hältnissen zu rechnen. Ihm schwebte als Ziel seiner Tätigkeit vor,
die kirchliche Ordnung, die er in Deutschland kennen gelernt hatte,
auch in Böhmen zur Herrschaft zu bringen. Deshalb war es ihm
nicht genug zu predigen und Seelsorge zu treiben: die Vielweiberei
der Tschechen sollte aufhören, die Ehen der Priester, der Verkauf
christUcher Sklaven an Ungläubige sollten abgestellt werden ^, neue
Kirchen sollten gegründet, d. h. neue Zehnten sollten erhoben
werden®. Dies alles war nicht möglich ohne den Herzog. Er aber
konnte, wie die Dinge lagen, wenig geneigt sein, die Sympathie des
Volkes aufs Spiel zu setzen, um den Forderungen des Bischofs zu
genügen. Gerade wenn er eine heidnische Reaktion vermeiden
wollte, mußten ihm Adalberts Forderungen als sehr wenig zeit-
gemäß erscheinen. Dieser sah sich also allein gelassen; es dünkte
ihn, daß der feindselige Argwohn, den d^ Herzog und seine Rat-
1 Thietm. IV, 2 S. 65. ^ i^ jy^ 5 g_ 57.
3 Lambert! annal. z. d. J. S. 22; vgl. Thietm. IV, 9 S. 69.
* Thietm. IV, il f. S. 70 f.
* Ibid.: Liuticios suis parentibus et sibi semper fideles.
6 S. u. S. 251 f. ' Thietm. IV, 6 S. 67.
8 Vit. Adalb. 12 S. 586, ähnlich Bruno 11 S. 600; vgl. Cosm. 11,4 S. 69.
» Ergibt sieh aus der Verfügung des Herzogs v. 992, Erben, Eegesta
Bohem. Nr. 77 S. 33.
— 248 —
geber gegen ihn hegten -"^j jede Besserung der Zustände unmöglich
machte. Ist es ein Wunder, wenn ihm in dieser Lage das, was
er wünschte, als Pflicht erschien, wenn er auf den Gedanken kam,
daß durch seinen Rücktritt vom Prager Bistum das Hindernis ge-
hoben werden könne, das den Herzog, der doch ein Christ war
bestimmte, der Kirche seinen Arm zu versagen? So entschloß er
sich zu verzichten. In die Gedanken, die ihn dabei erfüllten, ge-
winnt man Einblick durch die Nachricht, daß er den Bruder des
Herzogs, den Regensburger Mönch Ztrahquaz, zu bestimmen suchte,
das bischöfliche Amt zu übernehmen^: es sollte Vertrauen zwischen
dem Herzog und dem Bischof hen-schen; dann konnte das ge-
schehen, was für die Kirche not war. Im Jahre 988 oder 989
hat Adalbert Prag wirklich verlassen^: er ging nach Rom; der
Papst mußte ihi^^ ja von seinen bischöflichen Pflichten entbinden.
Von dort gedachte er nach' Jerusalem zu wallfahren; es ist fast
gleichbedeutend mit: er suchte den Tod'^. Man kann Adalberts
Verfahren bewundern; denn er opferte sich für das Beste seiner
Kirche. Aber es war doch Einfalt, in der er handelte. Denn un-
möghch konnte man am deutschen Hof seinen Schritt gutheißen.
Sein Rücktritt und seine Ersetzung durch den Bruder des Herzogs
wäre als Niederlage des deutschen Einflusses erschienen. Der
energische "Willigis von Mainz ruhte denn auch nicht, bis er die
Rückkehr Adalberts erzwungen hatte. Der letztere, jetzt von diesem,
jetzt von jenem Bedenken hin- und hergezogen, jetzt diesem, jetzt
jenem Rate folgend, hatte den Boden Italiens nicht verlassen: er
befand sich in Rom, in dem Kloster S. Alessio*^. Auf Betreiben
des Erzbischofs erging im Jahre 992 eine römische Synodalent-
scheidung, gemäß der er nach Prag zurückkehren mußte '^. Die
^ Bruno 11 S. 600: Sub tutela qui fuerunt — die verheirateten
Priester — contra ipsum maiores terrae excitaverunt. Es läßt sich aus
unseren Quellen nicht ersehen, ob bei dem Gegensatz des Klerus gegen den
Bischof etwa auch die Reste der mährischen Liturgie eine Rolle spielten.
Unmöglich ist es nicht.
2 Cosm. I, 29 S. 52. Die Nachricht wird von Cosmas zur zweiten
Flucht gegeben, muß sich aber auf die erste beziehen.
' Die Zeit ergibt sich ungefähr aus Canap. 12 S. 600, wonach damals
Theophano in Rom war. Sie weilte 988 — 990 daselbst (s. Richter, Annalen
S. 149); die Angabe der Passio, daß er fünf Jahre sein Amt verwaltete, be-
stätigt den Ansatz.
4 Canap. ISAF. S. 586; Bruno 12 ff. S. 600 ff.
^ Vgl. über dasselbe Sackur, Die Cluniacenser 1 S. 332 f.
° Die Beteiligung des Erzbischofs erwähnen unsere drei Quellen,
Canap. 18 S. 589, Bruno 15 S. 602, Passio 1 S. 706; sie unterscheiden sich
— 249 —
Rückkehr wurde ihm dadurch moralisch ermöglicht, daß Boleslav
sich bestimmen ließ, den Forderungen des Bischofs entgegenzu-
kommen. Nachdem Adalbert seinen verwaisten Sitz wieder einge-
nommen hatte, gestand er ihm ausdrücklich zu, daß er Ehen, die
gegen das kanonische Recht verstießen, trennen, neue Kirchen
gründen und die Zehnten erheben dürfe \ Auch in der Gründung
des Benediktinerklosters zu Brewnow wird man die Erfüllung eines
"Wunsches- des Bischofs zu erkennen haben. Allein das durch das
deutsche Übergewicht erzwungene Einvernehmen hatte keinen Be-
stand. Die Forderungen der kirchlichen Disziphn wurden jetzt so
wenig als vorher beobachtet ^ Der Zwiespalt zwischen Herzog
und Bischof brach sofort wieder hervor: noch ehe ein Jahr seit
seiner Rückkehr um war, mußte Adalbert wie ein Flüchtling die
Heimat von neuem verlassen^.
jedoch dadurch, daß Canaparius die Initiative ihm zuschreibt, während
nach der Passio und Bruno die Sache vielmehr von den Tschechen ausging.
Die größere Wahrscheinlichkeit spricht für die Auffassung des Canaparius.
Doch zeigt die Teilnahme Ztrahquaz' an der Gesandtschaft, daß Willigis
sich mit Boleslav verständigt hatte, ehe er sich nach Rom wandte. Es ist
also wohl möglich, daß man auch darüber übereingekommen war, daß die
Böhmen die Rückkehr fordern sollten. Dadurch war Adalbert jede Einrede
abgeschnitten.
^ S. die für die Beurteilung der Vorgänge maßgebende Erklärung
Boleslavs bei Erben, Reg. Nr. 77 S. 33. Ihr Datum gibt zugleich das Jahr
der Rückkehr.
'^ Die Ermordung der Ehebrecherin, die Canaparius 19 S. 589 und
Bruno 16 S. 603 erzählen, war ein eklatanter Fall der Verletzung des
kirchlichen Asylrechts. Als Grund der neuen Flucht Adalberts betrachten
beide Berichterstatter den Vorgang nicht. Canaparius sagt (c. 20 S. 590):
His atque horum maioribus popularis nequitiae studiis etc. Bruno (1. c):
Crescunt culpae, vetera scelera non cadunt, nova cottidie surgunt. Quic-
quid boni promiserunt, mentitos esse operüm voces dicunt. Nach den
beiden Biographen war es also nicht ein Fall, sondern das Zusammentreffen
vieler Fälle, wodurch Adalbert zu neuer Flucht veranlaßt wurde. Dabei
verdient der letzte Satz Brunos besondere Beachtung, denn die boni, die
4em ßischof Zusagen gemacht hatten, waren der Herzog und die Großen.
In der ang. Notiz bei Erben Nr. 77 heißt es: Dux Boleslaus praesentibus Om-
nibus primatibus suis. Adalbert hatte also Grund sich über den Bruch
jener Zusagen zu beklagen. Dadurch erscheint seine Flucht motiviert.
Der alsbald hervorbrechende Gegensatz gegen seine Familie mag mitge-
wirkt haben.
•"' Nach Passio 1 S. 706 hat Adalbert im Jahre seiner Rückkehr Böhmen
wieder verlassen. Wenn in den falschen Urkunden für Brewnow Boczek I
S. 101 ff. Nr. 117 u. 119 echte Diplome benützt sind," so beweisen sie, daß
- 250 —
Man sieht: wenn nicht der Bestand des Christentums, so doch
der der kirchhchen Organisation war in Böhmen ernsthch geiährdet.
Es fehlte die kräftige Hand, die den von dem Kaiser ernannten
Bischof zu stützen vermochte.
Noch vollständiger wai* der Zusammenbruch der Gründungen
Ottos d. Gr. an der Elbe. Der Anstoß ging von Dänemark aus.
Dort zeigte sich die Unsicherheit der Lage alsbald nach Ottos Tod.
Schon im Jahr 974 erhob sich Harald Blauzahn, um das Über-
gewicht der Deutschen zu beseitigen. Zwar stellte die Eroberung
des dänischen Grenzwalls durch Otto II. den Frieden noch einmal
her-^; ja es scheint sogar zur Gründung eines vierten dänischen
Bistums gekommen zu sein ^. Aber um dieselbe Zeit, in der Otto II.
von den Sarazenen geschlagen wurde, erlag König Harald seinem
Sohne Swein Gabelbart ^. Sweins Erhebung war durch seinen
Widerwillen gegen die Religion seines Vaters verursacht; sein Er-
folg führte zu einer vollständigen Reaktion: das dänische Heiden-
tum lebte wieder auf und damit der Krieg gegen Deutschland.
Als Herzog Bernhard im Frühjahr 983 eben aufgebrochen war,
um dem Kaiser Zuzug nach Italien zu leisten, überschritten die
Dänen die deutsche Grenze. Es gelang ihnen einen der festen
Plätze, die Otto zum Schutz der Mark errichtet hatte, zu über-
fallen und zu zerstören^. Seitdem begann die Plünderung der
deutschen Küsten durch die nordischen Barbaren von neuem ^
Wie in unsicheren Verhältnissen immer ein Ereignis das an-
dere nach sich zieht, so folgte dem dänischen Anfall alsbald die
Erhebung der Wendend Man hat später einen Schuldigen ge-
er in der ersten Hälfte des Jahres 993 noch in Böhmen war und in gutem
Verhältnis zum Herzog stand. Er kann also frühestens im Sommer oder
Herbst 993 zum zweitenmal aus Prag entwichen sein. Er blieb dann 3 Jahre
als Mönch in Rom, also bis 996.
^ Vgl. über diese Verhältnisse Uhlirz in den Mtt. d. Inst. EBd. VI
S. 41 ff. u. JB. I S. 55.
2 In Ottos m. ürk. v. 18. März 988 Dipl. H S. 440 Nr. 41 wird das
Bistum Otheneswigense genannt; man identifiziert es gewöhnlich mit Odense
in Fühnen.
^ Adam H, 25 S. 59 f. Die Vorgänge sind zeitlich nicht genau zu be-
stimmen. Adam verlegt sie nur in die letzte Zeit Adaldags, dev 29. Apr.
988 starb. Doch ist es an sich wahrscheinlich, daß der Angriff auf Deutsch-
land von dem heidnischen, nicht von dem christlichen König ausging.
* Thietm. III, 24 S. 63. Der Name der Feste ist nicht überliefert.
6 Adam 11, 27 ff. S. 62 f.
« Ann. Hildesh. z. J. 983: Eodem anno Sclavi rebelles effecti sunt;
— 251 —
sucht und deshalb den Übermut des Markgrafen Thiedrich für den
'Abfall verantwortlich gemacht-^. Aber das war die Verwechselung
eines Anlasses mit dem Grunde; denn hier wirkten mehr als lokale
Ursachen. Einsichtsvolle Männgr verhehlten sich schon längst
nicht, daß alles zu einem verheerenden Ausbruch bereit sei. Wenn
der Graf Sigfrid von Walbeck, der Vater» des Geschichtschreibers
Thietmar, im Traum den Himmel mit dichten Wetterwolken über-
zogen erblickte, und die deutende Stimme hörte, daß das los-
brechende Wetter Gerechte und Ungerechte verschhngen werde ^,
so sieht man aus seinem Traum, in welchen Gedanken der Grat
wachend lebte. Doch ahnte niemand, wie bald das Unheil kommen
würde, man tat nichts, um es abzuwehren.
Im Juni 983 erhoben sich die Wilzen. Am 29. erschienen
sie vor Havelberg. Die deutsche Besatzung war so gänzlich un-
vorbereitet, daß die Wenden, wie es scheint, die Stadt einnahmen,
ohne ernstlichen Widerstand zu finden. Was in der Burg an das
Christentum erinnerte, wurde vernichtet^. Drei Tage später standen
sie vor Brandenburg. Bischof Folcmar war bereits entflohen: das
Gerücht von dem Schicksal Havelbergs war also den Wenden voraus-
geeilt: es lähmte den Mut der Verteidiger. Als man die Prim
läutete*, drangen die Heiden in die Burg ein; Markgraf Thiedrich
und die Besatzung räumten die Feste; die Kleriker, die zurück-
blieben, wurden gefangen, zum Teil getötet; auch hier wurde die
Kirche geplündert und verwüstet. Dann überschritten die Wenden
die Elbe: sengend und brennend drangen sie im Gau Belxem vor^
Endlich stellten sich ihnen die sächsischen Großen entgegen: unter
Anführung Thiedrichs und des Erzbischofs Gisilher warfen sie die
Eingecftungenen über die Elbe zurück. Dann aber löste sich der
sächsische Heerbann auf, ohne den Strom zu überschreiten. Die
Eroberungen Ottos I. wurden verloren gegeben. Auch die Kämpfe
gegen die Wenden, welche, nachdem die Nachfolge Ottos HI. ge-
sichert war, begannen^, vermochten die Sachlage nicht zu ändern.
Ann. Magdeb. S. 156; Ann. Saxo S. 630f.; Thietm. III, 17 f. S. 58 f.; Brun.
vita Adalb. 10 S. 598. i Thietm. 1. c. '^ Ibid.
ä Thietmar sagt: Destructa ibidem episcopali cathedra. Dabei ist
schwerlich nur an die Zerstörung der bischöflichen Kirche zu denken: es
wurde alles vernichtet, was zum christlichen Kultus gehörte.
^ D. h. weder um Mitternacht (W. Giesebrecht, KZ. I S. 604 und
Richter, Annalen III, 1 S. 140), noch zur ersten Messe (Laurent in der Über-
setzung Thietmars), sondern um 6 Uhr Morgens.
* Damals wurde das Laurentiuskloster zu Kalbe an der Milde von den
Wenden zerstört, vgl. oben S. 141 Anm. 1.
« Ann. Hild. z. 985 ff. S. 24 ff. Thietm. IV, 9 S. 69.
— 252 —
Sie führten zu entsetzlicher Verwüstung des Landes; im Sommer
986 z. B. rühmten sich die Sachsen, nicht weniger als sechsund-
vierzig feste Plätze zerstört zu haben ^; aber die Wilzen wurden
nicht wieder unterworfen. Der Versuch, Brandenburg durch Gewalt,
oder durch Verrat wieder zu gewinnen, mißlang^: man mußte viel-
mehr die Elbelinie wieder befestigen, um die deutschen Grenzlande
zu schützen^: die Wilzen behaupteten ihre Unabhängigkeit*.
Die unmittelbare Folge war, daß der Bestand des Christen-
tums an der Havel und an der Spree aufhörte ^. Auch diejenigen,
die sich bisher Christen genannt hatten, kehrten zum Heidentum
zurück. Es gibt bei den Wenden weder Märtyrer noch Kon-
1 Gerberti ep. 91 S. 83 f.
'' Ann. Hild. z. 991 u. 993. Thietm. IV, 22 S. 76 f. Die Erklärung
dieser Stellen bei Wilmans.(JB. S. 76), wonach Brandenburg in deutschem
Besitz blieb und Boliliut königlicher Statthalter war, ist unmöglich richtig.
"Wie hätte ein königlicher Statthalter den christlichen Kultus verhindern
sollen, Thietm. IV, 64 S. 99? Aus der Verbindung der beiden Quellen er-
gibt sich folgende Reihe von Tatsachen, 988 — 991 Brandenburg im Besitz
der Wenden; 991 in dem der Deutschen, Dipl. II S. 481 Nr. 73. Kizo wirft
sich mit Hilfe der Wenden zum Herrn auf. 993 Kizo spielt die Stadt
wieder in deutschen Besitz. Otto behauptet sie einem slavischen Angriff
gegenüber und behält sie längere Zeit (diu) in Besitz. Danach (post haec)
aber, während Kizo in Quedlinburg ist, wird seine Macht in Brandenburg
gestürzt: die Stadt kommt in die Hand Boliliuts und geht dadurch den
Deutschen verloren. Die Beziehung des ^diu" auf das ,ad tempus" im
Eingang des Kapitels scheint mir zweifellos. Dann aber ist mit „post
haec" die Tatsache eingeführt, welche der deutschen Herrschaft wieder ein
Ende machte.
3 Ann. Hild. z. 987. Thietm. IV, 18 S. 74. Die Unsicherheit in den
Grenzlanden ergibt sich auch aus dem Briefe Hildiwards von Halberstadt
an Adalbero II. von Metz, ÜB. d. H. Halberst. I S. 42 Nr. 56. Er bittet um
Reliquien des Stephanus und der Glodesinde, quatenus pietas divina . .
nos eorundem precibus a prevalidis Sclavorum, quibus undique premimur,
infestationibus omnibusque periculis liberare dignetür.
* Die Unabhängigkeit der Wilzen zeigt sich darin, daß sie 990 im
polnisch-böhmischen Streit den böhmischen Herzog unterstützten, obgleich
Miseco die Kaiserin zur Bundesgenossin hatte (Thietm. IV, 11 S. 70).
^ Canaparius rechnet die Liutizen zu der dira barbaries und den pro-
fani idolatrae, 27 S.,593; Bruno sagt: Effrena gens Lutici pagani iugum
christianitatis deponunt, et — cum quo errore adhuc laborant — post deos
alienos erecto collo currunt, 10 S. 598; Thietmar äußert mit Bezug auf
Brandenburg: Vice Christi et piscatoris eiusdem venerabilis Petri varia
demoniacae heresis cultura deinceps veneratur et flebilis haec mutatio non
solum a gentilibus verum etiam a christianis extollitur.
— 253 —
fessoren. Als wäre ihnen nie das Evangelium verkündigt worden,
brachten sie den alten Göttern wieder Menschenopfer dar ^. Wie es
zu geschehen pflegt, wurden die siegreichen Überzeugungen selbst-
gewisser und exklusiver. Nicht einmal geborenen Deutschen wurde
die Ausübung ihrer Rehgion in Brandenburg gestattet^.
Nicht besser ging es im Norden. Auch dort gaben die Nieder-
lage und der Tod Ottos II. dem wendischen Haß gegen die Deut-
schen Tatkraft. Der .x^bodritenfürst Mistui, mit Bernhard von
Sachsen grimmig verfeindet, zog gegen Hamburg; die nordische
Metropole fiel in seine Hand; sie wurde geplündert und in Brand
gesteckt. Zwar war diese Erhebung nicht Abfall vom Christentum.
Mistui lebte wie ein christlicher Fürst; selbst auf seinem Zuge
gegen Hamburg war er von einem Kapellan begleitet. Von Ent-
setzen erfüllt war dieser Zeuge, daß die Leute seines Herrn Feuer
in die Kathedrale warfen und daß das Gotteshaus in Flammen
aufging: es dünkte ihn, er sehe die Hand Gottes in die Glut
greifen, um die Reliquien zum Himmel zu retten^. Aber aufzu-
halten war der Rückfall in das Heidentum auch bei den Aljodriten
nicht: denn er war die Konsequenz der Erschütterung der deut-
schen Herrschaft. Als im Jahre 990 der Kampf mit den Wagriem
und Abodriten von neuem ausbrach^, rissen sie sich wie ihre Stamm-
verwandten im Süden vom christlichen Glauben los ''. Bischof
Eziko von Oldenburg entwich aus seinem Bistum; er ging in die
Mainzer Diözese". Auch sein Nachfolger Folcward wurde sofort
' Thietm. IV, 13 S. 72. -^ Ib. IV, 69 S. 99.
3 Thietm. III, 18 S. 59; Adam 11,40 S. 69. Die Zeit des Vorgangs ist
nicht sicher zu bestimmen. Thietmar erzählt ihn im Zusammenhang mit
Ereignissen des Jahres 983, Adam verlegt ihn in die Zeit nach dem Tode
Ottos III., 1002. Da Thietmar seine Nachrichten von dem Kapellan des
Abodritenfürsten hat, so verdient seine Ordnung den Vorzug. Die Feind-
schaft Mistuis und Bernhards ist durch Helmold I, 16 S. 39 bezeugt, freilich
in ganz sagenhafter Weise. ■*■ Ann. Hild. z. 990 S. 25.
5 Den Abfall vom Christentum erzählt Adam im Zusammenhang mit
der Erhebung Mistuis, II, 40 S. 69. Da aus Thietmar feststeht, daß Mistui
ein Christ war, so kann er jedoch erst später erfolgt sein, und da Folcward
von Oldenburg vor 992 aus seinem Bistum vertrieben wurde, so muß er
vor diesem Jahr eingetreten sein. Es bleibt dann nur das Jahr 990.
" Nass. ÜB. I S. 64 Nr. 123. Die Datierung ist offenkundig inter-
poliert, gegen das Jahr 995 besteht nur das Bedenken, daß das Bistum
Oldenburg vorher wieder besetzt wurde. Das war kanonisch unzulässig.
Aber da sich der Vorgang bei Folcward wiederholt, so ist er auch bei
Eziko nicht unmöglich. Böhmers Ansatz, Willigis S. 46, geht von der
— 254 —
verjagt. Wenn nun auch er einen neuen Wirkungskreis als
Missionar bei den Schweden suchte und fand^, so liegt darin sein
Urteil über die Lage der Dinge in Wagrien : er verzweifelte daran,
zur Tätigkeit daselbst zu gelangen. Das traurigste Los hatten
die deutschen Priester, welche in die Hände der empörten Wenden
fielen. Man hat sie wie das Vieh geschlachtet^ oder gräßlich miß-
handelt. Als Adam von Bremen Einzelheiten über diese Ereig-
nisse von dem Dänenkönig Swein, „der alle Geschichten der Nord-
leute im Gedächtnis hatte, als wären sie geschrieben", erkunden
wollte, erhielt er die vielsagende Antwort: Laß ab, mein* Sohn;
wir haben in Dänemark und im Wendenland der Märtyrer so viele,
daß ein ganzes Buch kaum ausreichen würde ihre Geschichten zu
fassen. In der Tat ist das Jahrzehnt, das der Niederlage Ottos II.
folgt, die Märtyrerzeit der deutschen Kirche. Aber wir rühmen
namenlose Helden: die Getöteten starben in Feindesland; sie hatten
keine Gemeinden, die das Andenken ihrer gefallenen Brüder in
pietätsvollem Gedächtnis gehalten hätten.
So wurde die Kirche zerstört. Auf dem Schlachtfeld bewährte
sich nun freilich die Überlegenheit der Deutschen^. Aber ihre
Siege brachten keine Frucht, da sie nicht benützt wurden. Als
im Jahre 996 ein Friedensschluß die Kämpfe beendete, waren die
Wenden keineswegs überwunden*. Zu einer Neuordnung der kirch-
lichen Verhältnisse kam es denn auch nicht. Zwar hatte Liewizo
von Hamburg, als Folcward Deutschland verließ, einen neuen
Bischof für das Wendenland geweiht; seine Wahl hatte den Propst
Reginbert ron Walbeck, einen geborenen Ostfranken, getroffen ^.
Aber Reginbert konnte seinen Sitz nicht in Oldenburg nehmen; er
nannte sich nach Mecklenburg^. Doch auch dort hat er schwer-
lich geweilt: Adam von Bremen bezeichnet ihn nur als Slaven-
bischof^. Es ist zu vermuten, daß er überhaupt nicht zu ruhiger
Tätigkeit in seiner Diözese kam.
Was in Oldenburg geschah, wiederholte sich in den dänischen
nichtigen Bestimmung der Amtsjahre* Ezikos bei Potthast aus, und ist also
hinfäUig. i Adam U, 44 S. 72.
2 Adam II, 41 S. 70. Es ist wohl an Menschenopfer zu denken.
=5 Ann. Hild. z. 990 S. 25.
* Ann. Quedl. z. d. J. S. 73. Der Friedensschluß war für Otto wegen
der italienischen Unternehmungen notwendig.
6 Thietm. VI, 43 S. 160; vgl. Adam 11,44 S. 72.
ö So wird er bei der Einweihung des Halberstädter Doms 992 be-
zeichnet, Ann. Quedl. S. 69, Gesta ep. Halberst. S. 87.
' Adam II, 44- S. 72.
— 255 — ,
Bistümern. Daß Otto III. im Jahr 988 ihre Privilegien erneuerte^,
bedeutete wenig; denn die Bischöfe waren vertrieben und die
Christen litten unter dem Druck des ihnen feindsehgen Königs.
Es war vergeblich, daß Liewizo durch Gresandtschaften und Ge-
schenke Swein umzustimmen versuchte ^. Wurde auch das Christen-
tum nicht ausgerottet, so war doch der kirchliche Verband zerstört.
Für Aarhus wurden nicht einmal Ordinationen vorgenommen^; in
Schleswig erlitt zwar die Reihe der Bischöfe keine Unterbrechung*:
aber die Bischöfe, die sich nach Schleswig nannten, verweilten in
Deutschland ^ Wenn im Jahre 1000 einer von ihnen, Ekkihard,
die Lage in seiner Diözese mit den Worten schildert: Mein Bistum
ist durch die Heiden verheert, die Stadt ist verödet, die Kirche
steht verlassen: ich habe keinen Sitz, so werden diese Verhältnisse
schon mit dem Sturze Haralds eingetreten sein^.
Mit einem Wort: die durch Otto I. geschaffene Organisation
des deutschen Missionsgebietes ^yar zum großen Teil vernichtet.
Nur die beiden sorbischen Bistümer überdauerten diese Verwüstung,
da es gelang die Tschechen daran zu verhindern, daß sie sich
diesseits des Erzgebirgs festsetzten. Bischof Volkold konnte im
Jahre 986 nach Meißen zurückkehren ''.
So war die Lage, als der Enkel Ottos d. Gr., "zum Jüngling
erwachsen, selbst die Zügel der Regierung ergriff.
Otto III. fiihlte sich vor allem als Erbe des Kaisertums. Der
Widerspruch, der in diesem Titel lag, hat seiae Seele zerrissen.
Er war ein Deutscher, und es entging ihm nicht, daß er nur aut
die Kraft Deutschlands sich stützen könne, um seine Pläne zu ver-
wirklichen. Als er zum erstenmal das römische Bistum zu vergeben
hatte, zweifelte er nicht einen Moment, wem er die oberste Würde
1 Dipl. II S. 440 Nr. 41 ; zugrunde liegt Ottos I. Diplom v. 26. Juni
965, vgl. oben 'S. 100 Anm. 3. - Adam II, 27 S. 62.
» Ders. II, 44 S. 72.
* I. J. 988 ist Folgbert urkundlich bezeugt, für d. J. 1000 steht Ekki-
hard fest, außerdem weiB man von einem Bischof Poppo, der vor 995 den
Titel eines Bischofs von Schleswig führte. So wenig es möglich ist, An-
fangs- und Endzeiten zu geben, so ist also doch die Reihe geschlossen.
"> Ein Beispiel bietet Ekkihard, der sich dauernd in Hildesheim auf-
hielt: 1000 vertritt er Bernward, vit. Bernw. 18 f. S. 766 f., 1015 wirkt er
bei der Weihe der Krypta von St. Michael mit, Ann. Hild, S. 31, 1022 bei
der Weihe der Kirche, ib. S. 33, ÜB. d. H. Hildesh. S. 63 Nr. 67, 1026 stirbt
er, ib. S. 34. Seine Grabschrift N.A. II S. 602.
ö Vit. Bernw. 20 S. 768. Ein Dänenbischof Staggo war unter Willigis
in der Mainzer Diözese als Weihbischof tätig, s. Nass, ÜB. I S. 60 Nr. 117.
' Thietm. IV, 6 S. 67.
— 256 —
in der Christenheit übertragen wollte: er ernannt^ einen Deutschen.
Gab er ihm dann einen Franzosen zum Nachfolger, so schien doch
Gerbert längst als ein treuer Anhänger der deutschen Macht be-
währt. Seinen eigeneii Sitz dauernd in Rom zu nehmen, hat Otto
schwerlich gedacht. War er doch so ganz Sachse, daß er nicht
einmal das römische Klima ertrugt Vielmehr scheint es, daß er
die alte fränkische Königsstadt Aachen zu seiner Residenz machen
wollte'-. Aber als Kaiser meinte er ein Römer sein za müssen;
er wollte, daß man ihn als solchen betrachtete, daß vor allem die
Eömer selbst in ihm den Ihren sahen. In Deutschland hat man
das auf das schmerzlichste empfunden, fast wie einen Verrat an
der Heimat : bitter und grell spricht sich dies Urteil in den Worten
aus, die Thangmar den Kaiser zu den empörten Römern sprechen
läßt: Seid ihr nicht meine Römer; um euretwillen habe ich Vater-
land und Freundschaft verlassen; aus Liebe zu euch Iiabe ich meine
Sachsen und alle Deutschen, mein eigenes Blut, verworfen. Euch
habe ich als Söhne angenommen, euch allen anderen vorgezoger ;
um euretwillen habe ich den Neid und Haß aller gegen mich
wachgerufen'^. Otto müßte ein Tor gewesen sein, wenn er nicht
bemerkt hätte, daß sein Verhalten bei seinen Getreuen Mißbilhgung
fand; aber er änderte seinen Sinn nicht: ein Mann, der ihn kannte,
hat ihn mit den Worten charakterisiert,' daß er das, was er ein-
mal wollte, nur schwer aufgab^. Auch daß er auf seine mütter-
liche Abstammung mehr Wert legte, als auf seine väterliche, er-
klärt sich daraus, daß er sich als Kaiser fühlte: das alte Kaisertum
der Griechen wog ihm schwerer als das junge der Sachsen. Dazu
kam der Reiz, den die überlegene geistige Bildung der Griechen
für ihn hatte. Wenn er mit unverkennbarer Ironie seine griechische
Subtilität rühmte und sich damit brüste te, daß ein Funke von der
'■ In einem Brief an Gregor V. bemerkt er: Naturae necessitas suo iure
omnia constringens qualitates Italici aeris quaiitatibus mei corporis quadam
sui generis contrarietate opponit. Gerb. ep. 216 S. 203.
2 Ann. Quedl. z. 1000 S. 77 ; vgl. die ürk. Gregors V. J.W. 3875. Der
Einwand Böhmers, Willigis S. 85, scheint mir unbegründet. Auch, wenn
Otto wie Karl in Aachen residierte, blieb Rom ideell caput mundi.
3 Vit. Bernw. 25 S. 770; vgl. Brun. Vit. quinq. fratr. 7 S. 722: Cum
sola Roma ei placeret et ante omnes Romanum populum pecunia et honore
dilexisset, ibi semper stare, hanc renovare ad decorem secundum pristinara
dignitatem ioco puerili incassum cogitavit . . . Peccatum regis hoc fuit.
Terram suae nativitatis delectabilem Germaniam iam nee videre voluit;
tantus sibi amor habitare Italiam fuit. Gest. pont. Camer. I, 114 Scr. VII
S. 451; Ann. Quedl. z. 1002 S. 78. * Brun. a. a. 0.
— 257 —
geistigen Regsamkeit der Griechen bei ihm zu finden sei^, so lag
in dem scherzenden Wort doch ein Stück Ernst: er war abgestoßen
durch die nüchterne, verständige Schwerfälhgkeit der Männer, die
ihn in Deutschland umgaben. Das mißgünstige Urteil, das man
über ihn fällte, schon als er noch ein kleiner Knabe war: Er ist
ein Grieche, schien er dadurch zu bestätigen^. Es wäre wunder-
bar, wenn man ihm nicht auch dies verübelt hätte.
Wenn der Gegensatz seines Titels und seines Ursprmigs einen
Zwiespalt in die Seele Ottos brachte, so war ihm überhaupt die
beste Gabe, die einem Manne werden kann, versagt. Ihm fehlte
die Harmonie der Gesinnung. Niemand war empfänglicher für den
Eindruck des Außergewöhnlichen als er: in welcher Gestalt immer
es in seinen Gesichtskreis trat, ergriff es ihn. So hat das Ver-
schiedenartigste ihn gleich mächtig angezogen: die unerschöpfliche
Vielseitigkeit der Bildung Gerberts, der weltflüchtige Ernst des
Einsiedlers Nilus ^, die empfindsame Frömmigkeit des Tschechen
Adalbert *. Aber er war nicht stark genug, die auf ihn einstürmen-
den Eindrücke zu bewältigen: sie beunruhigten, sie beherrschten
ihn: es gelang ihm nie, sich darüber zu erheben. Das ist der
Fehler der Jugend; wer möchte es leugnen? Aber es war das
Verhängnis dieses reichbegabten Jünglings, daß er Kaiser wurde,
ehe er ein Mann war. Er schwankte hin und her zwischen dem
Widersprechendsten: zwischen der Freude am goldgestickten Ge-
wand und der Befiiedigung am rauhen Büßerhemde; jetzt trug ihn
der Ehrgeiz empor, ein Reich zu gründen, wie es die Welt noch
nicht gesehen, und dann fand er wehmütiges Genügen in dem Ge-
danken, auf die Herrschaft zu verzichten'^, um ein Eeih'ger sein zu
können; heute umgab er sich mit dem Prunke des byzantinischen
Hofes und morgen saß er zu den Füßen irgendeines Asketen, der
ihm die alte, aber die Menschen immer gleich ergreifende Wahr-
heit verkündete: Alles ist eitel. Es sieht aus, wie ein bizarrer
Einfall und es charakterisiert doch den Kaisßr, daß er auf seinen
Krönungsmantel die Gesichte der Apokalypse in Gold sticken ließ *.
So irrte seine Seele hin und her zwischen dem Diesseits und dem
Jenseits: er meinte auf die diesseitige Welt verzichten zu müssen.
1 Gerb. ep. 186 S. 172. Der ironische Ton des Schreibens scheint mir
unverkennbar. Daß Gerbert es für bare Münze nahm, ep. 187, beweist
natürlich nicht das Gegenteil; charakterisiert aber den Literaten.
2 Gerb. ep. 26 S. 20. ' Vit. s. Nili 89 ff. Scr. IV S. 616 f.
* Canap. Vit. Adalb. 23 S. 591 ; Brun. 20 S. 605.
5 Brun. Vit. quinq. fratr. 2 S. 719.
« Mirac. s. Alex. 3 Scr. IV S. 619 f.
Hauck, Kirchengesehichte. III.
17
-^ 258 —
um die jenseitige zu erlangen; und sie fesselte ihn doch zu sehr,
als daß er auf sie verzichten konnte. Der Punkt, der in diesem
Schwanken der Stimmungen sich behauptete, war der Gedanke an
das Kaisertum, Mit der Vorstellung von seiner Größe mögen ihn
schon die Frauen, unter deren Augen er aufwuchs, erfüllt haben ^.
Sie rühmte ihm Gerbert von Aurillac mit dem Pathos eines Red-
ners und dem Feuer eines Patrioten. Es waren Worte, die den
leicht entzündlichen JüngUng zur Begeisterung hinreißen mußten,
wenn Gerbert sein Reich pries als nicht geringer denn das der
Griechen: Unser, ja unser ist das römische Kaisertum: seine Kraft
ruht auf dem früchtereichen Italien, auf dem männerreichen Gallien
und Germanien; auch die tapfern Reiche der Sythen stehen uns
zu Dienst. Unser bist du, Cäsar, der Römer Kaiser und Augustus,
der du, entsprossen griechischem Blute, die Griechen an Herrschaft
übertriffst, über die Römer kraft^ Erbrechts gebietest, und beide
durch Geist und Wort besiegst^. Aber in diesem JüngUng, der,
ein echter Nordländer, an dem phantastischen Bild einer erhabenen
Vergangenheit sich begeisterte, lebte etwas von dem scharfen Ver-
stand der Griechen. War denn nun die Herrschaft seines Vaters
und Großvaters Kaisertum gewesen? Wenn er für sich den Ruhm
der Erneuerung des römischen Imperiums in Anspruch nahm^, so
ist klar, daß er diese Frage verneinte. Seine Ahnen waren nrcht
Kaiser, so wie er Kaiser sein wollte. Was er bei ihnen nicht fand,
zeigt seine Verehrung ftir Karl d. Gr.: Weltherrschaft*. So führte
^ Daß Theophanu Kaiserpolitik trieb, bezweifelt niemand. Auch der
Zwiespalt der beiden Herrscherinnen ist bekannt. Doch scheint mir aus
ihm nicht zu folgen, daß Adelheid dem Kaisergedanken gleichgiltig gegen-
überstand; der Brief, den Otto unmittelbar nach seiner Krönung an sie
schrieb, Gerb. ep. 215 S. 202, beweist das Gegenteil.
^ Widmung des libellus de rationali et ratione uti S. 298.
"• In der Urkunde für Farfa Nr. 331 S. 759 liest man: Notum esse
volumus, qualiter nos quodam die Roma exeuntes pro restituenda republica
cum marchione nostro Hugone convenimus et consilia imperii nostri cum
venerabili papa Silvestro II. et cum aliis nostris optimatibus ibidem tracta-
vimus. Dieselben Wendungen in einem Diplom für Leo v. Vercelli v. 7. Mai
999 Nr. 324 S. 752: üt prosperetur nostrum imperium, triumphet Corona
nostrae militiae, propagetur potentia populi Romani et restituatur respublica.
Dazu die Inschrift, die Otto auf seinem Siegel anbringen ließ: Renovatio
imperii Romanorum, Foltz, N.A. III S. 39. Imperium und respublica decken
sich, wie ersichtlich, nicht. Das Imperium sollte durch die Restitution der
letzteren erst wirklich imperium Romanorum werden.
■^ Die Gest. pontif. Camer. 1,114 S. 451 urteilen: Sicuti iuvenis tarn
viribus audax quam genere potens, magnum quiddam, immo et impossibile
. — 259 —
die Kontinuität des Titels zur Erneuerung des alten Anspruchs.
Es war ein Gedanke, in dem ebensosehr die klare Erkenntnis des
Wirklichen, wie der Glaube an das Unmögliche lag, daß Otto, in-
dem er den alten Anspruch ergriff, ihn zugleich umbildete: an die
Stelle der unmittelbaren Herrschaft des Kaisers über das chiist-
Hche Abendland sollte die Oberherrschaft des Kaisers über die
Fürsten des christlichen Europa treten^. "Wäre das Imperium zu
verwirklichen gewesen, so hätte es nur auf diesem Wege geschehen
können; aber es war nicht zu verwirklichen: auch dieser Weg war
ungangbar.
Doch Otto hat ihn beschritten. Wenn nun aber das Imperium
Wahrheit werden sollte, wie mußte sich dann sein Verhältnis zum
Papsttum gestalten? Wir haben gesehen, wie vorsichtig schonend
der erste Otto die rechtliche Stellung des Papstes behandelte. Sein
Enkel kannte solche Schonung nicht. Schon seine erste Tat ist
der Beweis dafür. Man bezeichnet die Bedeutung, welche die Er-
nennung Gregors V. hatte, nicht vollständig, wenn man daran
erinnert, daß er ein Deutscher war. Diese Ernennung war ein
Bruch mit dem in Rom stets festgehaltenen Grundsatz, daß der
Bischof der Stadt aus dem Klerus der Stadt hervorgehen müsse.
Wie der Kaiser deutsche Bistümer mit Klerikern seiner Kapelle
besetzte, so besetzte er auch den römischen Stuhl. Darin lag die
fast vergessene Anschauung, daß das römische Bistum eine Metro-
pole des Reiches sei. Man kann nicht zweifeln, daß Otto diesen
Gedanken hegte: er i'echnete den Papst zu den Optimaten seines
Reichs und bezeichnete ihn so^ Demgemäß verfuhr er auch: er
cogitans, virtutem Romani imperii ad potentiam veterum regum attollere
conabatur. Vgl. Benzo Alb. (ad Henric. III. 6 Scr. XI S. 624): Neque solis
viribus sed magis subtilitate ingenii reparavit monarchiam tocius imperii.
1 S. das Verhältnis zu Ungarn und Polen; auch daß Arnulf impera-
tore iubente das Bistum Auch erhält, J.W. 3888, zeigt Ottos Absichten.
Böhmer, Willigis S. 85, wendet ein, Otto habe als Kaiser nur die volle
Herrschaft über die Kirche beansprucht, aber keinerlei politische Konse-
quenzen daraus gezogen. Wie mich dünkt, ist diese Scheidung der beiden
Gebiete für diese Zeit undurchführbar. Otto dünkte sich eben darin als
der oberste Herrscher, daß er in Polen ein Erzbistum gründete und seine
Diözese bestimmte, und daß Stefan von Ungarn gratia imperatoris Bistümer
organisierte. Man braucht sich nur an die Verhältnisse in Deutschland zu
erinnern, um zu erkennen, daß in solchen Handlungen tatsächlich politisches
Handeln, Übung der Herrschaft, lag. Sicher ist freilich auch, daß was Otto
tat, der Selbständigkeit der Nationen zugute kam. Aber das war nicht die
Absicht, sondern die Folge.
'^ S. die S. 258 Anm. 3 angeführte Urkunde für Farfa, auch Dipl. II
17*
— 260 —
nahm Appellationen gegen das päpstliche Urteil an und hielt sich
für befugt, päpstliche Ui-teilssprüche aufeuheben ^ Das Wort be-
fehlen, das seit Menschengedenken nicht mehr von einem Herrscher
einem Papste gegenüber gebraucht war, hat er wieder ausgesprochen^.
Wenn er gemeinsam mit dem Papste Synoden hielt, so erschien
er nicht, wie Otto d. Gr. bittend vor dem Papste, sondern er führte
den Vorsitz; er beriet mit dem Papste und den übrigen Anwesen-
den^. Es war die vollständige Erneuerung der karolingischen
Kaiseridee. Wenn man dies im Sinne hat, so versteht man, wie
es gemeint war, daß Otto sich den Knecht Jesu Christi oder den
Knecht der Apostel nannte*. Gewiß entsprangen solche Äußerungen
der durch Männer wie Adalbert genährten Frömmigkeit des
Kaisers. Seine religiösen Anschauungen flössen dabei zusammen mit
seinen imperialistischen Gedanken. Aber von Unterordnung des
Kaisertums unter das Papsttum liegt nichts in ihnen. Sie sind
nur ein Ausdruck für den geistlichen Charakter des Kaisertums.
In ihm aber lag der Anspruch, daß es dem Papsttum übergeord-
S. 605 Nr. 197 : Consensu et consilio episcoporum atque laicorum astantium,
ipsius quoque summi apostolici Gregorii, Romanorum, Francorum, Baioario-
rum etc. Man vergleiche, welche Formeln Gregor gebraucht: Domno im-
peratore iubente et- episcopis Romanis, Longobardis atque ultramontanis
iudicantibus, J.W. 3888.
1 Entscheidung für Farfa Dipl. II S. 770 Nr. 340: Gregorius Papa extra
legem cum sua virga fecit Hugonem abbatem (von Farfa) eandem cellam
(S. Maria in Minione) refutare. Der Abt appelliert an den Kaiser: Nos vero
cognoscentes iniuste ea diffinita sie esse, iterum inde legem fieri praecepimus.
2 J.W. 3888, s. oben.
3 Dipl II g, 610 Nr. 201, Synode in St. Peter 25. Mai 996: Venientibus.
nobis (Otto) in synodo in ecclesia b. Petri ap. cum summo pontifice Gre-
gorio . . pro definiendis rebus ecclesiasticis. Mansi XIX S. 227 f., Synode
v. 9. Mai 998: Nos (Gregor) obedientes praeceptis canohum, iudicantibus
episcopis . . consentiente et iudicante domno Ottone. C.I. T S. 51 Nr. 24,
Synode v. 998 oder 999 : Gapitula generalis concilii edita domino Gregorio V.
papa, cui interfuit . Otto caesar augustus, c. 3: ludicatum est per uni-
versale concilium praesidente d. Ottone III. . . et d. Gregorio V.
* Nr. 344 S. 774 v. 17. Jan. 1000: Seruus Jesu Christi et Romanorum
Imperator augustus; in den nächsten Monaten vielfach, doch nicht regel-
mäßig wiederholt. Im Jan. 1001 kommt die Formel Servus apostolorum in
Gebrauch, S. 819 £F. Nr. 389; sie wird bis zum Tod des Kaisers verwendet.
Kehr, Die Urk. Otto III. S. 134, bemerkt, daß diese Neuerung kaum auf
einen Notar, wahrscheinlich auch nicht auf den Kanzler, sondern vermutlich
auf den Kaiser zurückzuführen sei. Man wird seiner Annahme nur zu-
stimmen können.
— 261 —
net sei: der Knecht Jesu Christi ist zugleich der Stellvertreter
Jesu Christi ^.
Das waren Gedanken, Ansprüche, Worte. Die Frage war, oh
sie sich zu Rechtsverhältnissen verfestigen würden.
Es ist unverkennbar, daß die Schwierigkeiten sehr groß waren.
Die Welt war wenig geneigt, dem Gedanken eines universalen
Kaisertums zuzujubeln. Den Italienern galt Otto allen seinen Be-
mühungen zum Trotz, doch stets als ein Fremder: er ist nie zur
ruhigen Herrschaft über Rom gekommen. Die Deutschen aber
standen verstimmt abseits : sie waren durch die Vorliebe des Kaisers
für Itahen gekränkt und sie mißbilligten seine Pläne und Maß-
nahmen^. Ein Verwandter des Kaisers, Brun von Querfiirt, trug
kein Bedenken, seinen Tadel offen auszusprechen: mit unnützer
Mühe habe er wie einer der alten heidnischen Könige die tote
Schönheit der gealterten Roma zu erneuern gesucht. Wie er, so
dachte jedermann: man wollte es nicht ertragen, daß das „lieb-
liche Deutschland" der verderblichen Schönheit Italiens nachgestellt
wurde ^. Was konnte aber der Kaiser erreichen, wenn die Nationen
seinem Ideal teilnahmlos oder abgeneigt gegenüberstanden? Schon
ein einige Jahrzehnte jüngerer Zeitgenosse, der Verfasser der
Bistumsgeschichte von Cambrai, hat seine Absichten für unmöglich
erklärt*.
Nicht geringer war die Schwierigkeit der kirchlichen Lage.
Es war ein unerwarteter Glücksfall, daß, indem Otto den Boden
ItaKens betrat, ihm durch den Tod Johanns XV. die Möglichkeit
gegeben wurde, den päpstlichen Stuhl nach seinem Sinne zu besetzen ^.
^ Dieser Gedanke tritt im nächsten Jahrhundert bestimmt hervor:
Wipo Gest. Chuonr. 3 S. 17: Vicarius es Christi. Nemo nisi illius imitator
yerus est dominator. Benzo, Alb. I, 26 S. 609 : Ipse Deus vice sua contulit
ei (dem Kaiser) ad superiores gradus ordinäre homines . . . Vicarius est
conditoris.
2 Thietnl. IV, 47 S. 90: Imperator antiquam Romanorum consuetudinem
iam ex parte deletam suis cupiens renovare temporibus multa faciebat, quae
diversi diverse sentiebant. Vgl. IV, 49 S. 91.
" Vita quinq. fratr. 7 S. 722. Die Gegenüberstellung der desiderabilis
und delectabilis Germania und Italiens, ubi mille languoribus, mille mortibus
seva clades armata currit, ist drastisch. Doch spricht aus Brun nicht nur
der Patriotismus, sondern auch die kirchliche Theorie: Rom gebührt nicht
dem Kaiser, sondern dem Papst.
* Gest. pontif. Camerac. I c. 114 S. 451 (s. o.. S. 258 Anm. 4).
5 Otto feierte das Osterfest 996 in Pavia; dort erhielt er die Nach-
richt vom Tode Johanns, s. Thietm. IV, 27 S. 80; Ann. Qüedl. z. J. 996 S. 78;
— 262 —
Brun, oder wie die Römer ihn nannten Gregor V.', war der
Enkel jenes Herzogs Konrad, der als Führer der Franken den
Sieg auf dem Lechfeld gewann und mit seinem Leben bezahlte,
ein noch junger Mann, von hervorragenden Anlagen, von dem jeder-
mann Großes erwartete^. Otto mußte annehmen, daß er bei ihm
keinen Widerspruch finden würde. Auch zeigte der Papst, indem
er wenige Wochen nach seiner Erhebung die Anordnung traf, daß
in dem Salvatorkloster auf dem Monte Amiata ununterbrochen für
den Bestand des Reichs gebetet werde, daß er dem Ideal seines
kaiserlichen Vetters, das Reich groß zu machen, nicht teilnahmlos
gegenüberstand^. Aber das war nicht entscheidend. Die ent-
scheidende Frage war vielmehr, ob er als Papst die Stellung ein-
nehmen würde, die Otto ihm zuwies. Er hat sich in manchem gefügt.
Aber konnte er mit der traditionellen Politik der Kurie brechen?
Oder vielmehr: konnte er auf Rechte yerzichten, von denen man
überzeugt war, daß Gott selbst sie Rom übertragen habe? Man
weiß, wie entschieden Johann XV. und sein Legat Leo sie eben
noch in dem Streit um Rheims vertreten hatten*. Hier war es
Johann, chron. Venet. Scr. VII S. 30. Am 1. Mai war er in Ravenna, Dipl. II
S. 600 Nr. 192. Dort verhandelte die römische Gesandtschaft mit ihm und
wurde Brun zum Papst bestimmt, Canap. Vit. Adalb. 21 S. 590. Die Wahl
in Rom, welche die Quedl. Annalen hervorheben, war natürlich nur eiifC
Formalität, aber eine unumgängliche.
1 Über ihn K. Höf ler, D. deutschen Päpste I S. 95 ff.; A. Otto, Papst
Gregor V., Münst. Diss. 1881. Die Namensänderung bemerken die Quedlin-
burger Annalen; Thietm. VII, 40 S. 191 zeigt, daß man in Deutschland den
Namen Brun weiter gebrauchte.
'^ Abbo V. Pleury ep. 1, Bouq. X S. 434: Nuper audivi nuntium quod
me laetificavit super aurum et topazium, erectum esse apostolicum decus
per quem dam imperialis sanguinis virum, totum virtutibus et sapientia com-
positum. Canapar. 21 S. 590: Secularibus literis egregie eruditus et ipse
regio sanguine genus ferens magnae scilicet indolis, sed, quod minus bonum,
multum fervidae iuventutis; vgl. die Grabschrift bei Watterich I S. 87.
3 J.W. 3864.
* Ich habe hier den Streit nicht darzustellen und verweise auf den
eingehenden Bericht bei Hefele, CG. IV S. 635 ff. Das Bedeutende ist, daß
die von Johann v. Auxerre, Romulf v. Sens und Abbo v. Fleury angezogenen
Autoritäten, Gerb. opp. S, 190 ff., sämtlich pseudoisidorisch sind, und daß
die von Arnulf von Orleans vorgetragenen Gedanken zur Aufhebung der
päpstlichen Jurisdiktion führen mußten, S. 204 ff. Zwar so schroff wie die
Prinzipien standen sich die Personen zunächst nicht gegenüber: König
Hugo und Papst Johann brachen nicht sofort. Auch bezüglich Gerberts
war das Urteil des Legaten in Mouzon nicht definitiv, S. 249. Aber die
Kurie war entschlossen, jedes Zugeständnis zu verweigern, durch welches
— 263 —
nun bezeichnend, daß Gregor keinen Zweifel daran ließ, <iaß er
genau denselben Standpunkt einnehme; Pseudoisidor war auch iur
ihn die Rechtsquelle -^ ; die Freundschaft, die ihn mit dem Kaiser
verband, hinderte ihn nicht den GünstUng des Kaisers, Gerbert,
als Eindringling zu bezeichnen und zu behandeln^. Dabei blieb
er nicht nur in Übereinstimmung mit den Anschauungen, die er
in Rom traf, sondern er konnte auch des Beifalls des deutschen
Episkopats gewiß sein"^. Kein Wunder, daß der Vorkämpfer der
päpstlichen Rechte in Frankreich, der Abt Abbo von Fleury, sich
enge an den deutschen Papst anschloß. Wenn er ihn mit dem
Titel Majestät anredete^, wenn er die Herrscherstellung Roms über
die Kirchen der ganzen Welt verkündigte^, oder wenn er ihm
schrieb, König Robert von Frankreich sei bereit ihm zu gehorchen,
wie dem Apostel Petrus selbst, so war hier eine Anschauung aus-
gesprochen, die mit der Stellung, die Otto III. dem Papste in seiner
die päpstlichen Kechte verletzt worden wären. Das zeigte besonders der
Brief des Legaten an König Hugo, S. 237 S. Ob die in Mouzon beschlossene
Synode Gerbert verurteilte, scheint mir fraglich. Die Fortsetzung Aimoins,
8. Mansi XIX S. 197, ist eine zu unsichere Quelle, der Zusatz zu Richer aber
sagt nichts von einer Verurteilung, sondern nur von neuen Verhandlungen :
Ubi etiam inter Gerbertum et Arnulfum praesentaliter ratio discussa est
sub praesentia Leonis . . legati. Die Vorladung der französischen Bischöfe
vor die Synode von Pavia endlich, Brief Gregors J.W. 3876, schließt aus,
daß sie sich schon vorher gefügt hatten.
^ Im angeführten Schreiben C.I. I S. 536 Nr. 381: Auctoritate lulii
Papae sancitum est qui etiam orientales episcopos ad sinodum venire sper-
nentes depositionis reos iudicavit, illos vero absque apostolica auctoritate
depositos innocentes remanere; vgl. Hinschius, Pseudo-Isidor S. 460, 464 0*.,
bes. S. 472: His Omnibus perpensis manifestum est vos reos existere et illos
innocentes remanere. - J.W. 3866.
2 Gerbert verteidigte sein Verhalten in einem langen Schreiben an
Bischof Wilderod von Straßburg, ep. 217 S. 203 ff., vgl. bes. S. 230. Richer
erzählt Histor. IV, 95 S. 227 : Cum a Germanorum episcopis domno Johanni
papae per epistolas saepenumero suggestum foret, ut Gerberti . . promoti-
onem abdicaret et Arnulfi abdicationem praeter ius factam indignaretur a
papa in Germaniam tunc directus est Leo etc. Die Synode von Mouzon
war bekanntlich nur von deutschen Bischöfen besucht (Gerb. opp. S. 245).
Über die Stellung der Kaiserin Theophanu s. Wilmans, JB. S. 55.
■* Abbon. ep. 3 S. 436: XJnuni vestrae maiestati persuadeo. Doch war
diese Bezeichnung für den Papst nicht ganz unerhört. Schon Karl d. K.
hatte Nikolaus I. so angeredet, Bouq. VII S. 55^.
^ Ep. 6 S. 438 : Romana ecclesia sua super omnes ecclesias excellentia
hoc habet privilegii, ut . . auctoritatem tribuat omnibus quasi suis membris,
quae sunt per quatuor climata totius orbis.
_ — 264 —
Univei:salmonarchie anwies, sich nicht vertrug. Gregor aber ging
auf diese Gedanken ein : in nachdrückhchen Worten sprach er von
den universalen Pflichten und Rechten Roms ^
Der "Widerspruch ist klar; er war fundamental. Nach Niko-
laus I. und Pseudoisidor war es unmöghch, daß die Päpste das
wieder wurden, was sie unter Karl d. Gr. gewesen waren. Zum
Streit zwischen Kaiser und Papst ist es gleichwohl nicht gekommen.
Aber nur, weil Gregor nicht konsequent handelte-; auch starb er
schon, ehe das dritte Jahr seines Pontifikats abgelaufen war ^. Nun
folgte di^e Erhebung Gerberts *. Es ist schwer anzunehmen, daß der
Kaiser, indem er seinem Vetter diesen Nachfolger gab, die Gelehr-
samkeit des französischen Literaten ehren wollte: nicht den Ge-
lehrten, sondern den Politiker Gerbert erhob er auf den päpstlichen
Stuhl. Er schien der Mann, den er bedm-fte.
Niemals aber hat sich die Macht der Regierungstradition so
nnüberwindhch bewiesen als damals, Silvester II. brach mit den
Grundsätzen, die er als Erzbischof Gerbert vertreten hatte. Seinen
früheren Gegner Arnulf erkannte er selbst als Erzbischof von Rheims
an, da seine Absetzung von Rom nicht bestätigt worden sei ^. Und
lag nicht schon in der Wahl des Namens Silvester ein Wider-
spruch gegen die direkte Herrschaft des Kaisers in Rom und der
Kirche? Denn diese Zeit kannte den Papst Silvester nur als den
Empfänger der konstantinischen Schenkung.
^ Doch zu enge waren Papst und Kaiser persönlich verbunden,
zu^^sehr waren sie durch die politischen Verhältnisse Italiens auf-
einander angewiesen, als daß der Zwiespalt der Anschauungen zum
Streit hätte werden können. Und schon nach wenigen Jahren be-
^ J.W. 3866: Curae pastoralis officium, summae sedis dignitas, qua
nos licet indigni utimur, compellit nos non solum nobiscum manentia,
verum etiam longe posita s. Dei ecclesiae mysteria, Christo annuente, vigi-
lanti sollicitudine custodire et gubernare. Auf Grund dessen wird nicht
nur Bischof Herluin konsekriert, sondern es wird ihm auch die Befugnis
erteilt, in allen Orten seines Bistums Gericht und Placitum durch seine
Beamten halten zu lassen. Vgl. 3882.
2 Hierfür ist besonders Nr. 3888 charakteristisch.
^ 18. Febr. 999 (Grabschrift). Die deutschen Angaben weichen ab.
* Vgl. meinen Aufsatz P. RE. XV S. 233. Zu der dort angeführten
Literatur ist hinzuzufügen Schulteß, Papst Silvester II. als Lehrer und Staats-
mann, Hamb. 1891. Th. Schlockwerder, Untersuchungen zur Chronologie
der Briefe Gerberts, Haller Diss. 1893. J. Lair, Etudes critiques I, Paris
1899 S. HO ff.. T. Picavet, Gerbert, un pape philosophe, Paris 1897. C. Lux,
Sylv. II, Einfluss auf die Politik Ottos III., Breslau 1898.
5 J.W. 3908.
— 265 —
seitigte der Tod Ottos ^ die Gefahr, die in seinen Gedanken für
das Papsttum lag. Fast wie ein Traum sind die wenigen Jahre
seiner Regierung vorübergeeilt. Und doch kann man nicht sagen,
daß von ihnen nichts zurückblieb als die Erinnerung an einen
hochgesinnten Jüngling. Denn Otto III. hat den Versuch gemacht,
Ottos I. Werk zu vollenden. Hatte jener die kaiserliche "Würde
erneuert, so unternahm es dieser, dem Wort „Kaisertum" seinen
Gehalt zm'ückzugeben: er meinte die kirchliche Macht des Kaiser-
tums erneuern zu können. In seiner berühmten Urkunde für Sil-
vester n. sprach er schroff und scharf den Satz aus, daß Rom als
die königliche Stadt die Hauptstadt der Welt sei und daß dem-
gemäß der Kaiser den Papst wähle imd einsetze. Er erinnerte
daran, daß was der Papst vom Kaiser empfängt, Reichsgut ist,
und er erklärte mit unverkennbarer Absicht, die päpstlichen An-
sprüche auf das Reich oder Teile desselben beruhten auf offen-
kundigen Erfindungen". Ungehört verhallten solche Erklärungen
nicht. Es klingt wie eine Erinnerung aus den Tagen Karls d. Gr.,
wenn Otto und Gregor gerühmt werden, daß sie die Kirche ver-
herrlichen, indem der eine mit dem Sehwerte waltet und der andere
das Wort verkündet^. Wer möchte verkennen, wie viel daran
fehlte, daß diese Gedanken tatsächlich durchgeführt waren? Der
Tod des Kaisers kam zu früh. Aber seine Regierung währte lange
genug, um zu bewirken, daß diese Gedanken wieder hervortraten:
sie waren das Erbe des jugendlichen Herrschers an Deutschland.
Davon verschieden ist die unmittelbare Wirkung, die Ottos
imperatorische Politik auf die Lage der Dinge in Deutschland
hatte. Hier bewähi-te es sich von neuem, daß die Einmischung
in die itahenischen Verhältnisse die Schwächung der Zentralgewalt
in Deutschland zur unausbleiblichen Folge hatte*. Gerade in den.
kirchlichen Verhältnissen trat das hervor.
1 Am 24. Januar 1002, Thietm. IV, 49 S. 91 f. Ann. Quedl. z. 1002.
Ann. necr. Fuld. S. 208.
- Nr. 389 S. 819 f. Bloch zeigt, daß die Urk. von Leo von Vercelli
konzipiert ist, N.A. XXII S. 59 ff. Vgl. das nach Bloch S. 109 ff. ebenfalls
Leo angehörige Gedicht de Greg, papa et Ottone aug. v. 30: Sub caesaris
potentia purgat papa saecula.
3 S. das angeführte Gedicht de Greg. pap. et Ott. aug. v. 31 ff. S. 115:
Vos duo luminaria Per terrarum spacia
lUustrate ecclesias, Effugate tenebras,
Ut unus ferro uigeat, Alter uerbo tinniat.
Vgl. dazu Bd. II S. 111 ff. * S. Lamprecht, D. 0. II S. 234 ff.
— 266 —
Wenn irgendwo energisches Eingreifen vonnöten war, so in
Böhmen. Seit 993 lebte der von Otto II. investierte Bischof von
Prag wieder als Mönch in S. Alessio in Rom, zum offenbaren
Schaden für die Kirche und zur Schmach des deutschen Herrschers.
Es ist verständlich, daß Willigis von Mainz, als er im Jahre 996
Otto nach Rom begleitete, seine Rückkehr nach Böhmen fordertet
Adalbert selbst hatte kein Vertrauen zu dem Erfolg; jedoch war
die Pordening des MetropoHten in jeder Hinsicht so wohl begründet,
daß Kaiser und Papst nicht umhin konnten ihr zuzustimmen. Er
mußte sich fügen; aber er wagte nicht, sich direkt nach Prag zu
begeben, er suchte vielmehr den Herzog Boleslav von Polen auf,
um von dort aus Unterhandlungen mit Böhmen anzuknüpfen. Sie
führten nicht zum Ziel, auf das bestimmteste wurde ihm die Auf-
nahme versagt. Die Folge war, bekanntlich der Missionszug Adal-
berts zu den Preußen, der ihm die langersehnte Märtyrerkrone
brachte^. Wenn nun Boleslav von Böhmen seinen Bruder Ztrah-'
quaz nach Mainz sandte, um die Konsekration als Bischof von
Prag zu erhalten-', so ist die Politik des Herzogs ebenso durch-
sichtig, wie die des Kaisers, der die Ernennung des böhmischen
Prinzen auch diesmal ablehnte*. Statt des Tschechen wurde viel-
mehr ein Deutscher, der Mönch Thieddag von Corvey, Bischof von
.Prag. Es lag in seiner Ernennung ein halbes Entgegenkommen
gegen den Herzog. Denn der Mönch war ihm wegen seiner medi-
zinischen Kenntnisse wert"^. Das hinderte nicht, daß, als Boleslav II.
1 Canap. 22 S. 591; Brun. 18 S. 604; Passio 1 S. 706. Die Angelegen-
heit kam auf der röm. Synode v. 25. Mai 996 zur Verhandlung. Das Datum
in der Urk. Ottos S. 610 Nr. 201. Otto war im Herbst noch in Italien,
S. 639 Nr. 225 f., Ende Okt. u. Anf. Nov. in Bruchsal, Nr. 231 f., im Dez. in
Ninwegen, Nr. 235. Das von Canap. 28 S. 591 erwähnte Zusammentreffen
Adalberts mit dem Kaiser in Mainz fügt sich also gut ein.
2 23. April 997. Über den Ort des Todes s. Voigt S. 149 ff.
* Diese Episode ist allein durch Cosmas 1, 30 S. 54 bezeugt. Man
braucht nicht zu beweisen, daß Cosmas eine Legende erzählt. Denn das
ist völlig klar angesichts der Erzählung, daß Ztrahquaz während der Konse- .
krationshandlung von einem atrox daemonium geholt wird. Gleichwohl
wage ich nicht den ganzen Bericht zu verwerfen: das Tatsächliche, daß
Ztrahquaz das Bistum erhalten sollte und nicht erhielt, wird Geschichte sein.
Dann ergibt sich die im Texte vorgetragene Kombination von selbst.
^ Daß der Kaiser Ztrahquaz zurückwies, folgt daraus, daß er Thieddag
ernannte; s. Thietm. VIII, 56 S. 228: Sedem suam is a tertio Ottone ad
regendum suscepit.
5 Thietm. 1. c; vgl. Cosm. 1,31 S. 54 f. Nach Cosmas wurde er am
7. Juli 998 inthronisiert.
— 267 —
am 7. Februar 999 starb -^j Thieddag von dem neuen Herzog
Boleslav III. alsbald verjagt wurdet Seine Stellung war um
nichts sicherer als die Adalberts.
Hinderte die Schwäche der deutschen Regierung die Festigung
der kirchlichen Verhältnisse Böhmens, so ließ sie in Deutschland
den persönlichen und lokalen Interessen unerwünschtes Gewicht.
Wir erinnern uns, wie entschieden die öffentliche Meinung die Auf-
hebung des Bistums Merseburg mißbilligt hatte. Otto und Gregor
waren geneigt, ihr Genugtuung zu gewähren. Schon auf der Synode
zu Pavia im Frühjahr 997 geschah der erste Schritt zur Wieder-
herstellung. Man machte dem Erzbischof Gisiler jetzt das zum
Vorwurf, was Miher mit Zustimmung des Kaisers und des Papstes
geschehen war: weil er die kanonische Vorschrift übertreten habe,
welche den Übergang von einem Bistum zum anderen verwehrt,
wurde er zur Verantwortung nach Rom vorgeladen^. Ende 998
oder Anfang 999 beschloß sodann eine unter dem Voreitz des
Kaisers in Rom tagende Synode die Wiederherstellung Merseburgs.
Die Entscheidung über Gisiler ließ man offen: man wollte ihn
offenbar zu einem gütlichen Verzicht bewegen *. Aber durch diese
Beschlüsse wurde nichts erreicht. Der ersten Vorladung folgte
Gisiler nicht; auch nach dem zweiten BeschluJ^ wußte er sich jeder
persönhchen Verhandlung zu entziehen. Er war gichtleidend; das
nahm er zum Vorwand. Er begnügte sich einen seiner Kleriker
nach Rom zu senden, um nötigenfalls einen Reinigungseid zu leisten'^.
Aber soweit kam es nicht; denn sein Gesandter erreichte, daß die
Entscheidung der Angelegenheit vertagt wurde : sie sollte in Deutsch-
land von dem Kaiser in Gemeinschaft mit einer Magdeburger
Provinzialsynode getroffen werden^. Wirklich erheß Otto, der im
Winter 999 — 1000 nach Deutschland zurückkehrte, am 25. März
1000 ein Edikt, durch welches er Gisiler aufforderte nach Merse-
burg zurückzukehren. Allein auch dieser Befehl wurde nicht aus-
geführt: ebenso vergeblich waren synodale Verhandlungen zu Quedhn-
burg und zu Aachen. Gisiler war in den Künsten der Politik seinen
1 Bachmann I S. 182. - T^ietm. 1. c.
» Brief Gi-egors an Willigis, C.I. I S. 537 Nr. 381, 6.
* C. 3 u. 4 C.I. I S. 51 Nr. 24; der Tag steht nicht fest; vgl. über die
Beschlüsse v. Pflugk-Harttung, Forsch. 25 S. 166 f.
5 Thietm. TV, 44 S. 88 f.
^ L. c. Der Gesandte ist wahrscheinlich erst nach dem Tode Gregors
in Rom eingetroffen. Daß der Bescheid, den er erhielt, vom Kaiser, nicht
von Silvester IL erteilt wurde, scheint mir nach seinem Inhalt sicher.
— 268 —
Gegnern weit überlegen. Das Ende war, daß er die Entscheidung
einer Universalsynode forderte: damit gewann er eine neue Frist.
Die Angelegenheit ist, solange Otto lebte, überhaupt nicht zum
Austrag gekommen: trotz Kaiser und Papst blieb Gisiler in Amt
und Würden ^
Während Gisiler in der Vertretung seiner persönlichen Inter-
essen erfolgreich widerstrebte, ohne den päpstlichen und kaiserlichen
Erlassen den Gehorsam geradezu zu verweigern, scheute ein zweiter
Erzbischof offenen Ungehorsam nicht, um einen ungerechten Gewinn
für sein Bistum zu behaupten. Es handelte sich um das Nonnen-
kloster Gandersheim ^. Dasselbe gehörte zu den ältesten Stiftungen
' Ib. IV, 46 S. 90. Es scheint mir unmöglich, in dem Verfahren
Gisilers die Reaktion der deutschen Kirche gegen das universale Recht des
Papstes zu erblicken (s. Müller, KG. I S. 395). In der Forderung einer all-
gemeinen Synode liegt ja die Anerkennung desselben. Überhaupt hat man
in Deutschland, so viel ich sehe, die prinzipielle Frage nach dem Umfang
des päpstlichen Rechtes weder hier noch in der gleich zu erwähnenden
Gandersheimer Sache berührt.
2 Das Folgende nach Thangm. vita Bernw. 13 ff. S. 764. Doch muß
man im Sinn haben, daß Thangmars Bericht die Auffassung der einen der
streitenden Parteien wiedergibt. Worauf Willigis seine Ansprüche stützte,
verschweigt er nicht ganz; er schiebt es jedoch sehr zurück. Nach c. 13
S. 764 behauptete Willigis, daß der Grund und Boden, auf dem Ganders-
heim stand, mainzisch sei. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er dabei im
Rechte war; denn Gandersheim liegt am Südufer der Gande; es mag wohl
ursprünglich der Fluß die Grenze des Flenithi- und Rittigaus und dem-
gemäß auch der beiden Diözesen gebildet haben. Beachtet man die Dar-
stellung Thangmars c. 12 S. 762 u. c. 20 S. 767 f., so wird es sehr wahr-
scheinlich, daß Willigis recht hatte. Der Anwalt der Hildesheimer An-
sprüche gleitet über den Punkt, auf den es ankam, den Nachweis, daß die
Gande nicht die Diözesangrenze bildete, mit Bedenken erregender Schnellig-
keit hinweg und verweilt um so ausführlicher bei der von niemand be-
strittenen Tatsache, daß Brunshausen im Bistum Hildesheim lag, und daß
die Hildesheimer Bischöfe dort und dann in Gandersheim regelmäßig amtiert
hätten. Das erstere konnte er wahrscheinlich nicht beweisen. Die Be-
stätigung liegt in dem Verhalten Osdags. So sehr sich Thangmar bemüht,
seine Leser zu überreden, daß Osdag das Recht Hildesheims in jeder Hin-
sicht gewahrt habe, so kann er doch die Tatsache nicht beseitigen, daß er
die Teilnahme des EB. an der Konsekration zugestand. Darin lag aber
das Eingeständnis, daß das Hildesheimer Recht nicht bewiesen sei. V^l.
auch vita I. Godeh. 21 Scr. XI S. 182. Die von Willigis erhobenen An-
sprüche waren demnach nicht so frivol, als man anzunehmen pflegt. Wohl
aber war es unbillig, vergessene Ansprüche auf einen Winkel der Mainzer
Diözese hervorzusuchen, nachdem die früheren Bischöfe stillschweigend
— 269 —
des Hildesheimer Bistums; es war im Jahre 852 von dem Grafen
Liudolf, dem Ahnherrn der Ottonen, in Brunshausen gegründet
worden^. Der Graf besaß, wenige Stunden südwärts, an dem
Flüßchen Gande, einen tief im Eichenwald gelegenen Maierhof,
Gandersheim. Dorthin verlegte er im Jahre 856 sein Kloster. In
seiner Weltabgeschlossenheit schien der Hof besonders geeignet für
eine klösterliche Stiftung ^ An der Zugehörigkeit zu Hildesheim
hatte man keinen Zweifel; doch scheint man bei der Verlegung
tatsächlich auf Mainzer Gebiet gekommen zu sein. Dort nahm
nach dem Tode Ottos IL dessen Tochter Sophie den Schleier.
Wenn den Angaben eines Hildesheimer Schriftstellers zu glauben
ist, so wollte die Kaiserstochter nicht von einem Bischof, sondern
von ^inem Erzbischof geweiht sein und forderte deshalb Willigis
auf, die Konsekration vorzunehmen. Dieser ging auf das Ansinnen
ein ; r er erhob zugleich den Anspruch auf Anerkennung seiner
Diözesanrechte über die Abtei. Natürlich widersprach Bischof
Osdag von Hildesheim. Man traf schließlich die Auskunft, daß
die beiden Prälaten bei der Weihe zusammen wirkten. Doch das
diente nur für den Moment. Der Streit brach alsbald von neuem
aus. Als im September 1000 die von der Äbtissin Gerberg er-
baute Kirche eingeweiht werden sollte, nahm Willigis das Recht
der Konsekration für sich in Anspruch. Bischof Bernward von
Hildesheim leistete nachdrücklicher Widerstand als einst sein Vor-
gänger, und Willigis sah sich genötigt, die Weihe aufzugeben.
Eine am 28. November in Gandersheim zusammentretende Synode
vermochte den Streit nicht zu lösen. Sie endete in offenem Zwie-
spalt. Inzwischen hatte sich Bemward nach Italien begeben, um
die Entscheidung des Kaisers und des Papstes anzurufen., Mitte
Januar 1001 fand dann auch in Gegenwart des Kaisers eine Synode
in S. Sebastiano in Rom statt ^. Es ist bezeichnend, daß Silvester
die formelle Frage in den Vordergrund stellte, ob die Ganders-
heimer Synode für berechtigt anerkannt werden könne, nachdem
Bernward die päpstliche Entscheidung angerufen hatte. Es ist die
Anschauung Pseudoisidors, die in dieser Frage liegt. Die Synode
verneinte die Frage ^. Daraufhin bestätigte Silvester Bern ward im
darauf verzichtet hatten. Man sieht zugleich, daß die Sache recht geeignet
war für unendliche Verhandlungen. ^ S. Bd. II S. 601.
2 S. die hübsche Schilderung Hrotsuiths Prim. Gand. v. 185 ff. S. 234,
3 Auch Ann. Hild. S. 28 erwähnt. Daß die Synode für den 13. Januar
beabsichtigt war, ergibt sich aus J.W. 8911; ob sie wirklich an diesem
Tage gehalten wurde, bleibt jedoch fraglich.
* Wenn Thangmar treu berichtet, so blieb bei dem synodalen Urteil
^ 270 —
Besitze von Gandersheim. Der Kaiser stimmte zu; eine sächsische
Synode, die im Sommer in Pöhlde gehalten werden sollte, war be-
stimmt das Urteil auszuführen. Sie fand am 22. Juni wirklich
statt. Pöhlde liegt in der Diözese Mainz. Willigis war also be-
rechtigt den Vorsitz auf der Synode zu führend Er weigerte sich,
das päpstliche Schreiben, das der Kardinal Friedrich überbrachte,
anzunehmen. Als es der Legat gleichwohl verlesen Heß und die
Verhandlungen begann, gebot er die Türen zu öffnen; die Kirche
füllte sich rasch mit Laien; man rief nach Waffen, unter großem
Tumult wurde die Sitzung aufgehoben. Darauf verheb Wilhgis
Pöhlde; der Legat aber verhängte über ihn die Suspension. So
sollte die Anerkennung des von Kaiser und Papst erlassenen Ur-
teils erzwungen werden. Allein es war vergeblich. Die Nonne
Sophie bot die Lehnsleute des Klosters auf, um Bemward an der
Besitznahme zu hindern. Der Tag zu Frankfurt am IG. August
1001 fährte zu keiner Verständigung: Kaiser und Papst starben,
ohne daß ihr Urteil ausgeführt worden wäre.
Wenn die Überlieferung treu ist, so war es allein Silvester,
der den Versuch machte, den Verhandlungen prinzipielles Gewicht
zu verleihen. Wilhgis dagegen leistete einen tumultuarischen Wider-
stand, der bewies, daß er sehr geringe Achtung vor der Macht
des Kaisers und des Papstes besaß; aber er unterließ es gänzlich,
die Grundsätze anzugreifen, durch die Silvester geleitet wurde.
Der Ausgang zeigte, daß die Macht des Kaisers und des Papstes
tatsächlich nicht größer war, als der energische scharfblickende
Mainzer Erzbischof angenommen hatte.
Es liegt eine traurige Komik in dem Widerspruch der welt-
umfassenden Pläne des Kaisers und seines vergebUchen Bemühens,
kleine Steine aus dem Wege zu entfernen In anderer Hinsicht
hatten Ottos Kaisergedanken leichte Erfolge. Aber sie führten zu
einem Resultat, das er schwerhch voraussah und sicher nicht wünschte.
Man versteht leicht, daß er geneigt war, um den Anschluß der
sich eben bildenden östlichen Reiche, Ungarn und Polen, an sein
christliches Universah'eich zu sichern, ihren Fürsten möglichst ent-
gegenzukommen. Für sie aber gab es, wie die Dinge lagen, kein
wertvolleres Gut als die kirchliche Selbständigkeit; denn blieben
jedoch gerade der von Silvester betonte Punkt unberücksichtigt, c. 22
S. 769.
1 Thangmar sagt nicht, daß er präsidierte; es folgt aber daraus, daß
der Legat zwischen Liewizo und Bern ward seinen Sitz nahm, also das
Präsidium nicht führte, c. 28 S. 771.
— 271 —
sie kirchlich von Deutschland abhängig, so gab es keine Schranke
gegen das überwältigende Eindringen des deutschen Elementes.
Daß man sich in den Nachbarländern darüber nicht täuschte, zeigt
die Konsequenz, mit der die Böhmen wenigstens einen tschechischen
Bischof erstrebten. Auch der Ungarnherzog Wajk, der sich später
Stephan nannte, erkannte, me wichtig die Sache sei. Zwar lehnte
er sich an Deutschland an: seine Vermählung mit einer Tochter
Heinrichs von Baiem war entscheidend für seinen Anschluß an den
christlichen Glauben ^ ; auch konnte er die Hilfe der Deutschen
bei der Einrichtung des Kirchenwesens in Ungarn nicht entbehren^.
Aber es war ihm nicht unerwünscht, daß auch Tschechen in seinem
Lande tätig waren; Adalbert hatte sie, wahrscheinlich veranlaßt
durch die zahlreiche slavische Bevölkerung Pannoniens, dorthin
gesandt ^. Und er war weit entfernt, die Pläne Piligrims von Passau
wiederaufzunehmen. Sein Gedanke war nicht Angliederung der
ungarischen Kirche an ein deutsches Erzbistum, sondern Errichtung
eines eigenen Erzbistums im Lande, So vorsichtig vermied er alles,
was dem deutschen Wesen das Übergewicht geben konnte, daß er
zum ersten Erzbischof nicht einen Deutschen ernannte, sondern
einen Schüler Adalberts von Prag, den Abt Astrik*. Seinen kirch^
liehen Einrichtungen fehlte die Zustimmung Silvesters nicht: mit
1 Herim. chron. z. 995: Gisela Stephane r. H. cum se ad fidem Christi
converteret, quasi vere iuxta nomen 8uum fidei obses, in coniugium data.
"2 TEietm. IV, 59 S. 97: Imperatoris . . gratia et hortatu . . Waic in
regno suimet episcopales cathedras faciens coronam . . accepit,
3 Brun. Vit. Adalb. 16 S. 603. Im 23. Kapitel wird erzählt, daß Adal-
berts Lehrer Radla sich nach der Ermordung der Slavnikinger (c. 21) in
Ungarn aufhielt.
* Passio Adalb. 1 S. 706 ist Aschric, zuerst Abt eines von Adalbert zu
Mestris gestifteten Klosters, als EB. von Schottin bezeichnet. Man hat ihn
wohl für identisch mit dem Kleriker Astericus zu nehmen, den ein Zusatz
zu Brunos Biographie erwähnt (S. 604). Unter dem Namen Anastasius er-
scheint er als Teilnehmer einer Verhandlung in Ravenna i. J. 1001 (Dipl. II
S. 828 Nr. 396 : Anastasius abbas monasterii s. Marie Sclavanensis provincie),
nennt ihn Arnold, Mönch v. St. Emmeram als ungar. EB. (praef. S. 547),
und so unterschreibt er selbst auf der Frankfurter Synode v. 1007, Dipl. III
S. 172 Nr. 143. Ein Sitz ist weder hier noch bei Arnold genannt. Das
Sobottin der Passio weiß ich nicht zu deuten. In der angeblichen Bulle
Silvesters 11. (J.W. 3909) ist Astric als Erzbischof von Kolocsa genannt.
Auch sein Kloster ist nicht sicher; man denkt an die polnischen Orte Mese-
ritz und Tremessen oder an das ungarische Pecsvarad bei Fünf kirchen. Das
letztere ist, wie die ravennatische Urk. zeigt, jedenfalls irrig, Meseritz wahr-
scheinlich richtig, s. Kaindl in d. D. Z. f. GW. IX, 1893, S. 105 ff.
— 272 —
einer vom Papst gesandten Krone ist Stephan gekrönt worden^
Man kann nicht zweifeln, daß auch Otto alles billigte, was ge-
schehen war.
Was in Ungarn geschab, wiederholte sich in Polen. Nur stand
die dortige Kirche bereits im Verband mit der deutschen; denn
das Bistum Posen gehörte zur Magdeburger Erzdiözese. Hier war
also der Boden gegeben, auf dem man weiter bauen konnte. Aber
Otto hatte ändere Gedanken. Er meinte das Andenken Adalberts
nicht besser ehren zu können, als wenn er an dem Grabe seines
Freundes in Gnesen ein Erzbistum für Polen gründete. Jedermann
weiß davon, wie der Bewunderer Itahens in der Fastenzeit des
Jahres 1000^ nach dem unwirthchen Osten pilgerte, um seinen
Plan auszuführen^. Es gelang nicht ganz ohne Widerspruch; denn
Bischof Unger von Posen weigerte sich auf den Verband mit
Magdeburg zu verzichten^; er sah klarer, was Deutschland frommte,
als der Kaiser. Man Heß ihn gewähren. Aber er mußte einen
Teil seiner Diözese dem neuen Erzbistum abtreten. Die in-
zwischen gegründeten Bistümer von Breslau, Kolberg und Krakau-
wurden dem Letzteren unterstellt^. Erzbischof aber wurde Adal-
bea:'ts Bruder, Gaudentius, der mit ihm Mönch in S. Alessio ge-
wesen war*. So trat auch die polnische Kirche selbständig neben
die deutsche.
Otto opferte die Missionsaufgabe der deutschen Kirche dem
Gedanken an ein christhches, aus selbständigen Staaten bestehendes
Universalreich. Man hat es oft beklagt. Schon Thietmar erzählt
die Gründung des polnischen Erzbistums nicht ohne einen halb-
^ Daß die Bulle Silvesters eine junge Fälschung ist, scheint mir sicher.
Die Tatsache der Krönung steht gleichwohl fest. Thietmar IV, 59 S. 97
zeigt, daß die Annahme des Königstitels unter Zustimmung Ottos erfolgte;
der Brief Gregors VII. an den König Salomo, Registr. II, 13 S. 127 f., be-
weist die Mitwirkung Silvesters. Die Annahme Giesebrechts, KZ. I S. 738,
daß die selbständige Konstituierung der polnischen Kirche die der ungarischen
zur Folge hatte, scheint mir unhaltbar. Es ist keineswegs sicher, daß das
ungarische Erzbistum nach dem von Gnesen errichtet worden ist.
2 Die Urkunde Dipl. II S. 778 Nr. 349 ist im März 1000 in Gnesen
ausgestellt.
s Thietm. IV, 45 S. 89 f.; Ann. Magd. z. 996 S. 159; Quedl. z. 1000
S. 77; Hild. S. 128. Wenn die letzteren von 7" Bistümern sprechen, so ist.
das sicher irrig. * Von Thietmar hervorgehoben.
^ Die drei Bistümer werden bei diesem Anlaß zuerst erwähnt. Die
Art, wie Thietmar spricht, macht wahrscheinhch, daß sie schon bestanden
« Canap. vifc. Adalb_ 16 S. 588.
— 273 —
ausgesprochenen Tadel gegen den Kaiser^. Tn der Tat hat Otto
die weitere Ausbreitung des deutschen Volkstums nach Osten da-
durch verhindert und hat er der deutschen Kirche den Beruf ent-
zogen, den sie bisher mit großen Erfolgen erfüllt hatte. Auch
dies aber gehört zur KonsoHdation der deutschen Kürche unter den
Ottonen: wie sie nach Süden und Westen hin sich nicht weiter
ausbreiten konnte, so wurde auch gegen Osten ihre Grenze fest und
unüberschreitbar gezogen.
* Fecit archiepiscopatum, ut spero legitime, sine consensu tarnen pre-
fati presulis — gemeint ist Unger von Posen — cuius diocesi onmis haec
regio subiecta est. Vollen Tadel spricht er über das politische Verhalten
Ottos Boleslav gegenüber aus, V, 10 S. 113.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 18
Fünftes Kapitel.
Literatur und Kunst.
Von den äußeren Verhältnissen, welche den Umkreis bestimmten,
innerhalb dessen fernerhin die Geschichte der deutschen Kirche
verlaufen sollte, wenden wir uns zur Betrachtung ihres geistigen
Lebens im Zeitalter der Ottonen. Es ist weder reich noch eigen-
artig. Kaum hebt es sich von der Kultur der Karolingerzeit ab:
man irrt nicht, wenn man es geradezu als Nachblüte derselben be-
zeichnet. Denn nicht nur übernahm das zehnte Jahrhundert die
gesamte formale Bildung vom neunten, ohne sie umzugestalten oder
zu erweitern- es strebte auch nirgends über das hinaus, was das litera-
rische und künstlerische Ideal der karolingischen Epoche gewesen war.
Gleichwohl ist es nicht ausschließlich retrospektiv. Wie es in poli-
tischer Hinsicht die Brücke zwischen der fränkischen Zeit und dem
Mittelalter bildet, so treten auch im Geistesleben unserer Nation
jetzt zuerst mittelalterliche Züge hervor: noch waren sie nicht allein
herrschend; aber sie waren vorhanden. So mächtig das Frühere
noch fortwirkte, so fehlte es doch nicht an Spuren, die darauf hin-
weisen, daß ein neues Zeitalter heraufzog. Wir haben diesen
Doppelcharakter des geistigen Lebens uns zu vergegenwärtigen.
Als der politische Aufschwung Deutschlands begann, lagen die
Verhältnisse für eine neue Blüte der Kulturtätigkeit wenig günstig.
Die gesamte Literatur war fremd^rachig. Die schönen Ansätze
zur Entstehung einer nationalen Bildung waren ohne Ertrag ge-
blieben. Die Folge war, daß sich die Laienwelt der Teilnahme
am hterarischen Leben fast ganz entfremdet hattet Das wurde
' Vgl. Bd. II S. 605 ff., und über den Rückgang der Laienbildung im
10. Jahrb. die Bemerkung Udalrichs v. Ebersberg Chr. Ebersp. Scr.XX S. 14.
— 275 —
auch unter den Ottonen nicht anders. Zwar fehlte es am Hofe
Ottos d. Gr. nicht an Gelehrten^. Auch weiß man, daß Otto II.
sich für das eine oder das andere hterarische Werk interessierte'^,
und daß es ihm Vergnügen machte, der Disputation zweier schlag-
fertiger Dialektiker zuzuhören^. Aber keiner der beiden Herrscher
hatte jene verständnisvolle Liebe zu den gelehrten Studien, welche
Karl ausgezeichnet hatte, keiner übte denn auch irgendwelchen
Einfluß auf die literarische Bewegung: der Hof ,urde nicht wieder,
was er einstmals gewesen war. Eher schien Otto III. geeignet,
in Karls Fußstapfen zu treten. Denn ihm eignete die geistige
Kraft, die ein Problem selbständig zu erfassen vermag, und in
seiner Lebhaftigkeit wußte er die Gelehrten zu literarischem Schaffen
anzufeuern. Wir verdanken ihm Gerberts Schrift De rationali et
ratione uti, das einzige dialektische Werk des berühmten Franzosen*
Aber der frühe Tod des Kaisers schnitt alle Erwartungen ab.
So beschränkte sich der Kreis der hterarisch Gebildeten auf
den Klerus. Nur im geistHchen Stande gab es Männer, die sich
für das interessierten, was geschrieben war oder gescluieben wurde.
Aber auch hier war die Bildung nicht gleichmäßig verbreitet: es
waren fast ausschließlich Mönche, welche tätigen Anteil am litera-
rischen Leben nahmen. Die Weltgeistlichkeit stand hinter der
Klostergeistlichkeit zurück. Verständlich ; denn es gab keine gebildete
Gesellschaft. Nur in den Klöstern fand der Schriftsteller das, was
er bedarf: einen Kreis von gleichgesianten Männern, die mit urteils-
fähiger Teilnahme die dargebotenen Werke aufnahmen. Auch das
kommt in Betracht, daß nur die Klöster die literarischen Hilfsmittel
darboten, welche für die traditionahstische Theologie ebenso unent-
behrlich waren, wie für die von fremden Mustern abhängige Dicht-
kunst und Geschichtschreibung. Nach wie vor waren also die
Klöster die Pfiegestätten des geistigen Lebens der Kirche.
Auch sie hatten unter der politischen Schwäche Deutschlands
zu leiden. Besonders wurden sie von den Ungarnverwüstungen
schwer betroffen. Ihre Schätze reizten die Raubgier dieser Barbaren ;
1 S. oben S. 43.
2 Zuschrift Hrotsuitlis v. 41 f. S. 203. Er veranlaßte Gumpold zur Ab-
fassung der Biographie Wenzels, Scr. IV S. 213.
s Verhandlungen Gerberts mit Ohtrik, Richer, Histor. in,56ff. S. 137 ff.
Richer verwechselt dabei Otto 11. mit Otto I. Es charakterisiert Otto, daß
er die Disputation abbrach, ehe sie zu Ende war, weil audientes prolixa
atque continua disputatio iam fatigabat (c. 65 S. 143) : er ergötzte sich doch
mehr am Redeturnier, als an der Sache.
* De ration. et rat. uti Praef. S. 298.
18*
— 276 —
denn ein großer Teil des Ertrages, den die Arbeit einer langen
Friedensepoche geschaffen hatte, war in ihnen aufgehäuft: unzähl-
bares Gerät aus Gold und Silber, Schmuckstücke, die von Perlen
und Edelsteinen strahlten, kostbare Gewänder für den kirchlichen
Dienst^. Und diese Reichtümer waren so gut wie nicht geschützt.
Denn noch war man in Deutschland nicht gewöhnt, die mensch-
hchen Wohnplätze zu befestigen. Wie die meisten Städte ^ so
1 Vgl. Bd. n S. 267 f. Als Beispiel aus der späteren Zeit des 9. Jahr-
hunderts gebe ich das i. J. 870 aufgenommene Inventar von S. Truijen:
3 rebae, d. i. Reliquienschreine, von Gold und Silber, ein Altar auro argen-
toque imaginatum — ich verstehe: ein Antependium von Goldschmiede-
arbeit — mit einem Cyborium, an dem letzteren eine Krone aus vergoldetem
Erz, ein silberner Altar, eine mit Edelsteinen und Gold verzierte Kapsel,
21 versilberte Kapseln, 10 größere und kleinere silberne Kreuze, 3 silberne
capsae evangelicae — heißt das Kapseln für die Evangelienbücher? — ,
2 silberne Granatäpfel, 19 größere und kleinere silberne Kelche mit Patenen,
6 Patenen, 1 goldener Kelch mit silberner Patene, 3 goldene, 6 silberne,
3 kupferne Kreuzchen, 5 kleine silberne Altäre, 3 silberne und 1 kupfernes
Räucherfaß, 7 silberne Leuchter, 2 silberne Büchsen für "Weihrauch, 16 silberne
offertoria — was für ein Geräte hierunter zu verstehen, ist nicht klar,
jedenfalls nicht calicis vel patenae genus, wie Köpke z. d. St. erklärt, das
zeigt die von du Gange s. v. angeführte Stelle: offertorium in quo tenetur
patena — , 4 silberne und 2 kupferne Becher, 1 silberne Büchse, 1 süberne,
vergoldete vita Trudonis, 5 silberne und 7 zinnerne Lampen, 2 silberne und
8 kupferne, zum Teil vergoldete Lichtkronen, 2 silberne Schlüssel, 1 gol-
denes Schlüsselein, 2 in Silber gefaßte Abtsstäbe, 4 Fahnen, sodann eine
Menge Gewänder, Gest. abb. Trud. 1,3 Scr. X S. 230 f. Für St. Abban in
Mainz arbeitete Tuotilo einen thronenden Christus auf einer Platte von
Goldblech, Ekkeh, 40 S. 146; für Metz ein Marienbild aus dem gleichen
Stoff, ib. 45 S. 158.
2 Regensburg war durch die alte römische Mauer geschützt : aber ein
Teil der Stadt, auch das Emmeramskloster, lag vor der Mauer. Unter Herzog
Arnulf wurde eine neue Mauer gebaut, die nun auch das Kloster einschloß,
Arnold, de s. Emmer. I, 7 S. 552. Ebenso Konstanz; hier lag die Stephans-
kirche außerhalb der Mauer, s. B.M. 1368 u. Ekkeh. 63 S. 225. Augsburg
war bis auf Bischof Ulrich nur durch Wälle und Pallisaden gedeckt; er
erbaute die Mauer, Gerh. vit. Oudalr. 3 S. 390; aber es fehlten ihr noch
die Türme, c. 12 S. 401. Der um das Kloster entstehende Ort S. Gallen
wurde unter Abt Anno (gest. 954) befestigt, Ekkeh. 71 S. 254. Verdun
wurde durch Bischof Heimo (991 — 1024) mit Mauern versehen, vit. Rieh. 14
Scr. XI S. 287 ; um dieselbe Zeit baute Bemward Türme und Mauer zum
Schutz von Hildesheim, vit. II Godeh. 13 S. 204, und Meinwerk die Ring-
mauer von Paderborn, vit. Meinw. 159 S. 140. Auch Bremen ist erst gegen
Ende des 10. Jahrh. durch einen Wall geschützt worden, Adam 11,31 S. 64.
— 277 —
lagen Stifter und Abteien den eindringenden Feinden offen da.
Die schwache Mauer, welche die Brüder hinderte, die Klausur zu
brechen, war kein Schutz gegen eine bewaffiiete Bä,uberschar. Erst
unter Heinrich I. wurden einzelne Klöster befestigt: nun erhielt
Hersfeld seine Mauer ^, ebenso Gorze^. Dagegen war St. Gallen,
als es von den Ungarn überfallen wurde, noch ungeschirmt. Die
Mönche suchten Schutz hinter einem im "Walde rasch aufgeworfenen
Wall^ Auch an Verteidigern fehlte es den Klöstern: die Brüder,
die nur gewöhnt waren, Psalmen zu singen, werden in der Regel
wenig geschickt zum Kampf gewesen sein. Es war ohne Zweifel
ein Ausnahmefall, wenn ein rüstiger Abt, wie Engilbert von
St. Gallen, den Panzer umschnallte und seine Mönche mit Spießen
und Knütteln bewaffiiete, um wenigstens für das eigene Leben zu
kämpfen *.
Allein trotz aller Bedrängnis bestand das klösterhche Institut
in Deutschland fort. Die üngarnverwüstung hatte hier nicht dasselbe
trostlose Resultat wie die Normanneneinfälle in weiten Gegenden
Frankreichs. Eine Ausnahme bildet nur Baiern. Dort, wo man
stets den ersten Ansturm der Barbaren auszuhalten hatte, wurde
das Klosterwesen so gut wie vernichtet. Es wird wenige Klöster
gegeben haben, die der Plünderung und Beraubung entgingen.
Zuerst wurden St Polten und Kremsmünster vernichtet, es geschah
wahrscheinhch schon im Jahr 900^. Dann 907 wurde Münchs-
münster^, zwei Jahre später Weihenstephan und St. Veit bei Frei-
sing von der Zerstörung betroffen'. Später hatte Benediktbeuren
Dagegen war Metz in der Mitte des 10. Jahrh.'s bereits ummauert; man
verschloß nachts die Tore der Stadt, Mirac. Gorg. 10 Scr. IV S. 241.
1 Mirac. Wigb. 5 Scr. IV S. 225: Nuper dirae calamitatis flagello super
nos paganis concesso, regali consensu regaliumque principum decreto san-
citum est et iussum honestorum virorum feminarumque conventiculis loca
privata munitionibus firmis murisque circumdari. Quod ut et apud nos ita
fieret, ex omni abbatia familia convocata labori cotidiano huic operi instabat
peragendo.
2 Mirac. Gorg. 7 S. 240. Im Jahre 919 fehlte eine Mauer. Nachdem
man beim Ungar neinfall dieses Jahres innegeworden, wie bedenklich das
war, wurde sie vermutlich alsbald errichtet. Als die Ungarn 954 wieder
auf dem linken Rheinufer erschienen, war etwa der 3. Teil der Mauer ab
gebrochen, da man die Befestigung erweitern wollte, 20 S. 245.
3 Ekkeh. 51 S. 196 f.
* L. c. Doch vgl. auch cat. abb. Fuld. über Abt Huoggi Scr. XIII S. 273.
5 S. oben S. 152.
6 So Hirsch, JB. H.'s I. S. 102; die .Annahme ist freilich nicht sicher.
-> Necr. Frising. Böhmer, Fontes IV S. 587, vgl. Quell, u. Er. VII S. 454.
— 278 —
das gleiche Los: die Ungarn übergaben, so erzählt die Kloster-
chronik, das Stift dem Feuer und raubten all seinen Schmuck \
Aber diese einzelnen Daten geben kein Bild der Verwüstung. Man
gewinnt eher eine Vorstellung, wenn man sich erinnert, daß nicht
wenige alte Stiftungen seit dem beginnenden zehnten Jahrhundert
für immer oder für einige Zeit verschwinden. Das Kloster Berg
im Donaugau wird zum letzten Male im Jahr 885 genannt^. Dann
hört man nichts mehr von ihm bis zum Jahre 1019. Nun ist von
dem Orte Berg die E,ede, den manche mit dem Namen Abtei be-
zeichneten und der einst der Marienkapelle in Regensburg gehörte".
Man sieht, von dem Kloster war nichts gebheben als eine unsichere
Erinnerung. Dasselbe Schicksal hatte St Stephan in Otting: Karl
hatte das Kloster an Salzburg restituiert*; aber man hört später
nie wieder von ihm. Auch in Tegernbach^ Raitenhaslach^, San-
dau ', Kochelsee ^, Thierhaupten ^ hörten die Konvente auf; die
Kirchen wurden zu Parochialkirchen. Die Verhältnisse der Klöster,
welche fortbestanden, kann man sich kaum ärmlich genug denken.
Das zeigt das Beispiel Benediktbeurens : von der ganzen geistlichen
Genossenschaft blieben nur zwei Brüder übrig, Perhtrich und Sint-
pert. Jahr für Jahr stieg einer der beiden über die Berge, um in
Italien Lebensunterhalt für sich und seinen Gefährten zu sammeln ^^.
So wurde die Blüte des Mönchturas in Baiem geknickt. Das
eine Unheil aber hatte ein zweites im Gefolge. Denn es ist klar,
daß die Verwüstung der Klöster Arnulfs Säkularisation erleichterte.
Waren die Mönche tot oder zerstreut, so war der Besitz herren-
loses Gut; der Herzog konnte, ohne Einsprache erwarten zu müssen,
darüber verfügen. Ebenso klar ist, daß durch die Entfremdung
der Güter die Erneuerung der Klöster, die Bückkehr zu geordneten
1 Chron. Benedict. 8 Scr. IX S. 218. ^ g jyj jggS.
" Dipl. III S. 523 Nr. 408. Heinrich II. gibt an Bamberg quendam
nostri iuris locum Berga dictum . . qui a quibusdam abbatia nuneupatur . .
sive abbatia sive alio quolibet modo praedium sit.
* S. Not. Arnon. 6,24 S. 10; Brev. notit. 13 S. 34 f.
5 Meichelbeck, Hist. Fris. 1, 1 S. 230; vgl. 1,2 S. ö33 Nr. 1277.
6 I. J. 904 noch bestehend, Dümmler, OFr. R. III S. 535, 1146 als an-
tiqua ecclesia erwähnt, vit. Chuonr. 21 nach cod. Petr. Scr. XI S. 75.
' Meichelbeck I, 1 S. 171. s Meichelbeck 1. c.
^ Es wurde von B. Gebhard I. von Regensburg wiederhergestellt nach
einer im Chor der Kirche angebrachten Inschrift: Himbrico post novam
Monasterii restaurationem per Gebehardum episc. Ratispon. abbas electus
ann. MXXVIII obiit MXXXVI (M.B. XV S. 96).
^0 Chron. Benedict. 9 S. 218.
— 279 —
Zuständen fast unmöglich gemacht war. Daraus erklärt sich, warum
so vielfach Kanoniker an die Stelle der Mönche traten^. Man
sorgte nur für den Gottesdienst in den wiederhergestellten Kirchen:
das Kloster, als eine Pflegestätte der asketischen Frömmigkeit und
der Kultur, bheb zerstört^.
Aber die Zustände in Baiern geben kein Bild der Lage im
übrigen Deutschland. Zwar wurde auch in Franken und Schwaben
manches Kloster von den Ungarn heimgesucht ^ und mögen einzelne
Klöster auch in diesen Landschaften infolge der Plünderung ein-
gegangen sein^. Aber eine ähnliche Auflösung des Klosterwesens,
wie in Baiem, trat doch nirgends ein. Am meisten geschützt war
durch seine Lage Sachsen. Wohl klagte man auch dort darüber.
^ Über Niederaltaich und Fölling s. o. S. 10. Im 9. Jahrhundert war
St. Zeno in Isen eine Abtei, s. Bd. II S. 416 Anm. 5 und S. 425 Anm. 7.
Später ist es ein Kanonikat, Meichelbeck, H. Fr. I, 2 S. 520 Nr. 1246; ebenso
Münchsmünster, wo pro multis monachis uix pauci et pauperes clerici
remanserint, Stumpf 3430, vgl. 3286, 3299. Die Traditionen beginnen unter
König Otto und B. Wolfgang ; gemeint ist also Otto III., die Zeit 983 — 994;
damals waren Kleriker in Münchsmünster, Nagel, Notitiae S. 2 Nr. 2, S. 3
Nr. 4, S. 6 Nr. 9 u. ö. Desgl. Wessobrunn, Scr. XV S. 1026, u. Scheftlarn,
s. Meichelbeck 1, 1 S. 318. Wenn man das Schweigen der Synode von
Dingolfing, 932 Leg. III S. 482, die zwar Nonnen aber keine Mönche nennt,
pressen will, so kann man daraus folgern, daß es damals in Baiern über-
haupt keine Mönche gegeben hat. So Hirsch, JB. Heinrichs I S. 104 f.
Doch möchte ich einer solchen Folgerung nicht allzuviel Gewicht beilegen;
immerhin beweist die Synode, daß die Reste des Mönchtums, die es viel-
leicht noch gab, unbedeutend waren.
^ Wie dürftig die Ausstattung der Klöster nach ihrer Wiederherstellung
war, zeigt das älteste Inventar von Kremsmünster v. 1012: es hat von
Kirchengeräten nur 4 silberne und 1 goldenen Kelch, 4 vergoldete und
1 silbernes Kreuz. 2 Leuchter von Gold und Silber, 1 erzenes und 1 goldenes
Weihrauchfass, Gewänder für den Kirchendienst und folgende Bücher:
2 plenaria, 4 missalia,- 2 evangeliaria, 2 epistolaria, 3 gradualia, 3 anti-
phonalia, das alte und neue Testament in 11 Bänden, 3 psalteria, 3 regulae,
4 libr. homiliarum, 2 sermonum, dialogus, cura pastoralis, expositio Genesis,
Smaragd, über visionum Wettini, exameron, vita s. Martini, 2 benedictio-
nalia, 2 hymnaria, 2 oratores, Donatus et expositio eius, Cerentius, Boethius
de s. trinit., 2 martyrologia, s. Loserth, GQ. v. Kremsmünster S. 67, vgl. die
Bemerkung von Gottlieb, Über m.a. Bibliotheken S. 47.
3 Fulda: Cont. Regin., Ann. Hild. z. 915, cf. cat. abb. Fuld. S. 273;
St. Gallen : Ekkeh. 51 S. 193 ff.; Gorze : Mirac. Gorgon. 7 S. 240.
* Das ist möglicherweise der Fall bei St. Cyriac in Neuhausen, das
von Burchard von Worms wiederhergestellt wurde, vit. Bufch. 16 S. 840.
— 280 —
daß nicht wenige Klöster von den Ungarn verbrannt worden seien ^;
aber die Verluste waren sicher nicht all zu groß. Denn die Ver-
wüstung traf fast nur den Rand des Landes^: von den wichtigsten
Klöstern Corvey, Herford, Gandersheim haben die Ungarn keines
gesehen.
So schlimm also auch die Jahre der Ungarnnot waren, so
wurde doch die Kulturtradition durch sie nicht abgerissen. Das
war schon dadurch verhütet, daß sich trotz aller Bedrängnisse in
den Klöstern ein geordneter Schulunterricht erhielt. Ein Beispiel
bietet St. Gallen. Die Schüler Notkers des Stammlers wirkten in
seinem Sinne weiter. In den Jahren 922 — 924 stand der gelehrte
Hartmann als Abt an der Spitze des Klosters: seine eifrige
Förderung des Unterrichts und der Studien blieb lange unvergessen.
Auch literarisch war er nicht müßig. Man besaß im Kloster noch
im nächsten Jahrhundert ein Büchlein, darin er von seiner Zeit
Bericht gab; einige Gedichte, die er verfaßte, sind auf ims ge-
kommen^. Als im Jahre 925 der Überfall der Ungarn drohte,
flüchteten die Mönche ihre Bibhothek nach Eeichenau und die
Schüler nach der festen Wasserburg am Nordufer des Bodensees*.
Kaum aber war die Gefahr vorübergezogen, so begannen sie im
Kloster in alter "Weise Schule zu halten. "Was sie erstrebten, zeigt
das "Walthariuslied, das ein paar Jahre nach der Flucht in.
St. Gallen geschrieben ist^. Ekkehard, der Dichter des Liedes,
1 Widuk. I, 32 S. 26.
® Die Ungarn plünderten Sachsen i. J. 906, Ann. Corb., Hild., Widuk.
1,20 S. 17; wie weit sie damals kamen, wissen wir nicht. Sodann 915;
damals wurde Ostfalen verwüstet, Ann. Corb. S. 4. 918, damals ging der
Zug durch Sachsen an den Rhein; wahrscheinlich zu diesem Jahr gehört
die Plünderung Bremens, Adam I, 55 S. S8, und das von Erhard Reg. Westf.
Nr. 518 erwähnte Ereignis. In diesem Jahr scheint fast ganz Sachsen be-
troffen worden zu sein, Ann. Corb. S. 4, Magni ehr. Reichersp. Scr. XVII
S. 484. 924, damals zog sich Heinrich in die Burg Werlaon nördlich von
Goslar zurück; die Ungarn kamen also nicht über Ostfalen hinaus, Widuk.
I, 32 S. 26. 933, Ann. Corb., Quedl., Widuk. I, 38 S. 31 f ; damals wurden
sie schon an der Grenze, sei es an der Saale oder an der Unstrut geschlagen.
938, auch damals erlitten sie schon im Grenzgau, Belxem, eine Niederlage,
Ann. Corb., Widuk. II, 14 S. 44. Es war demnach nur die Verwüstung von
918 allgemein.
3 Über ihn Ekkeh. Cas. s. Galli 47 f. S. 165 ff. Er sagt: Doctrinas ita
amabat, ut inter scolas et claustrum nihil aut parum intersit. Über sein
Büchlein c. 47 : Proprium eins sui temporis libellum habemus. Seine Ge-
dichte Poet. lat. IV S. 315 ff. * Ekkeh. 51 S. 197 f.
6 S. Bächtold, Gesch. d. deutschen Litt, in der Schweiz (1887) S. 40 ff.
Ebert, L. d. MA. III S. 265 ff. W. Meyer, Z. f. d. A. XLIII S. 113 ff.
— 281 —
war damals noch ein Schüler; er löste durch sein Gedicht eine
Aufgabe, die ihm sein Lehrer Gerald, wie Hartmann ein Schüler
und Freund Notkers, gesteckt hatte ^. Sie ist bezeichnend für das
Lehrziel und die Lehrart in St. Gallen : wie Alkuin und Hraban
strebten die St. Galler Lehrer nach der freien Herrschaft über die
lateinische Sprache; sie meinten sie verwirkHcht, wenn der Schüler
die Worte den Gesetzen der Metrik gemäß zu fügen imstande war.
Aber es ist wie eine Erinnerung an die Schätzung, die die deut-
schen Heldenheder einst bei Karl d. Gr. gefunden hatten, daß ein
deutscher Sagenstoff in die virgilische Form gepreßt worden ist.
Auch ist Ekkehards Gedicht weit mehr als eine gelungene Schul-
leistung. Diesem Schüler eignete ein ursprüngliches Talent zur
Dichtkunst; sein Lied ist eines der wenigen Werke dieser Zeit, bei
denen man vergißt, daß die ganze Bildung des beginnenden Mittel-
alters ein künsthch großgezogenes Gewächs ist. Der Geist deut-
schen Volkstums, gemildert durch einen Schimmer von Christen-
tum^, weht in diesen lateinischen Hexametern.
Nicht minder fest als das Ansehen St. Gallens stand das der
benachbarten Eeichenauer Schule. In berechtigter Freude an ihrem
schönen Kloster meinten die Mönche die Gelehrsamkeit, die dort
heimisch sei, nicht genug rühmen zu können: wer Unterweisung
suche, der werde in ihm Befriedigung finden ^. Aber so redete
doch nicht nur der klösterliche Lokalpatriotismus. Auch jenseits
der schwäbischen Grenzen konnte man das Urteil vernehmen, die
Studien Wühten nirgends so sehr als in Reichen au*. Es diente
ihnen ohne Zweifel, daß unter den Mönchen sich der eine oder
andere Fremde fand'^; denn manches Samenkorn des Wissens
brachten diese Italiener oder Griechen nach Deutschland.
Schwaben konnte auf die beiden Nachbarklöster stolz sein.
Aber sie waren keineswegs die einzigen Sitze schulmäßiger Bildung
im Lande. An den beiden Domstiftern zu Konstanz^ und Augs-
1 Ekkeh. 80 S. 284 ff.; vgl. über Gerald 124 f. S. 406 ff.
2 Vgl. das Gebet v. 1161 ff. S. 82 ed. Holder; auch v. 564 f. S. 42.
8 Mirac. s. Marci 1 Scr. IV S. 449.
■t Vita Wolfk. 8 S. 528: Ubi tunc — kurz vor 950 — in Germaniae
partibus inaxime pollebat scolare studium.
5 Mirac. s. Marci 4 S. 452 wird erzählt, daß zwei Jerusalempilger, ein
Grieche namens Symeon und ein Venetianer namens Philipp, sich unter
die Zahl der Mönche aufnehmen ließen. Später kam auch Symeons Bruder
Konstantin, der Bischof war, nach Reichenau (ib. c. 5). Es ist verständlich
daß in Reichenau einige Kenntnis des Griechischen vorhanden war. Salomo III.
ließ eine Psalterhandschr. mit dem griech. Text in lat. Buchstaben herstellen,
Chroust, Mon. pal. Lief. 16 Tfl. 3. ß Vit. Chuonr. 1 Scr. IV S. 431.
- 282 —
burg^ bestanden ebenfalls Schulen. In der Augsburger Diözese
hatte kein Lehrer einen größeren Namen als der Magister Benedikt:
man rühmte ihn als Kenner der Grammatik und anderer Wissen-
schaften: da er ein Mönch war, hat er schwerhch an der Dom-
schule, sondern in irgendeiner Klosterschule unterrichtet^.
In Franken erlitt die Schule in Fulda nie eine Unterbrechung.
Wir hören kein Urteil über sie; aber die zahlreichen Einträge ver-
storbener Scholastici im Totenbuch des Klosters ermögUchen ein
Urteil^; denn sie zeigen, daß sie gut besucht war. Nach alter
Weise vereinigte man klassische und geistliche Studien*. In Hers-
feld begnügte man sich nicht, Knaben zu unterweisen^; es kam vor,
daß auch Männer, die die klerikalen Weihen schon erhalten hatten,
vorübergehend Aufnahme suchten, um sich fortzubilden^. Wie die
Würzburger Domschule fortbestand', so die Schulen in den von
Fulda abhängigen Klöstern und Propsteien der Würzburger Diözese,
Bischofsberg, Basdorf, Holzkirchen und Hünfeld ^.
Nicht anders war es in Lothringen und am Niederrhein: dort
hören wir von den Schulen in Metz, St. Mihiel ^ und Toul ^^, hier
von der Schule in Utrecht ^^.
1 Vit. Oudalr. 3 S. 390; vgl. Wigon. ep. 5 S. 11 (Mign. 137).
- Vit. Oudalr. 3 S. 389. Er war um 936 der Lehrer Adalberos, des
Neffen des Bischofs Ulrich.
3 Scr. XIII S. 188 ff. z. d. J. 898, 899, 901, 905, 906, 912, 920, 927, 929,
931, 933, 937, 941, 942, 946, 948, 950, 951, 954, 956, 958, 959; vgl. Bd. II
S. 613 Anm. 4.
* Vgl. Vit. Bardon. Jaffe Bibl. III S. 530: Quamquam in Scolari facandia
desudaret magistri timore, in aecclesiastica tarnen simplicitate toto mentis
versabatur tenore: in psalterio Ambrosiano, euangeliis et talibus ceteris.
Über das Wachstum der Bibliothek in Fulda läßt sich nicht urteilen, da
nur ein Bruchstück eines Katalogs erhalten ist, das möglicherweise dem
10. Jahrh. angehört, Becker, catalogi S. 31 Nr. 14.
^ Mirac. Wigberti 4 S. 225. Die Mirac. sind in den ersten -Jahren
Ottos I. geschrieben, s. Wattenbach, GQ. I S. 377.
* Ib. 15 S. 226. Die Blüte Hersfelds hielt während des ganzen Jahr-
hunderts an, s. Othloh vis. I, 5 Scr. XI S. 378.
' Poppo I. berief an sie den Magister Stephan aus Italien, vita Wolf k. 4
S. 528, vgl. unten S. 330.
* Scr. XIII S. 218. Es ist, so viel ich sehe, nicht sicher festzustellen,
welcher Zeit diese Verzeichnisse angehören. Aber mögen sie aus dem
Ende des 9. oder aus dem 10. Jahrh. stammen, jedenfalls beweisen sie, wie
wichtig die Schule auch in kleinen Klöstern war.
9 Vit. Joh. Gorz. 10 S. 340 u. 69 S. 356.
1« Ib. 30 S. 345. 11 S. oben S. 42
— 283 —
Mit einem Wort: An formaler Bildung gebrach es nirgends.
Man wird im Yergleich mit dem nemiten Jahrhmidert kaum von
einem Rückschritt derselben sprechen können. Die von Karl d. Gr.
in Deutschland begründete gelehrte Kultur ist nie ganz erstorben.
Woran es fehlte, war vielmehr die eigene Tätigkeit, der Mut, der
sich an einen bedeutenden Stoff wagt. Das Höchste, was geleistet
wm'de, war, daß man mit wenigen Worten die Ereignisse notierte,
welche wichtig genug schienen, um der Nachwelt überliefert zu
werden. Das tat man in den schwäbischen Klöstern. Aber die
Jahrbücher, die hier aufgezeichnet wurden, sind unbedeutend; sie
beweisen, wie sehr sich der Gesichtskreis verengt hatte und das
universale Interesse erlahmt war-^. In ßeichenau hörte man im
Jahre 939 auch mit der Sammlung solcher Notizen auf^. Das
Interesse zog sich ganz auf das Kloster zurück. Ihm allein diente
das, was geschrieben wurde. Das Kloster rühmte sich Reliquien
des Evangelisten Marcus zu besitzen. Sie waren ein vielfach an-
gezweifelter Schatz; zu ihrer Verteidigung verfaßte einer der Brüder
um 934 eine Schutzschrift ^. Ein anderer erzählte wenig später,
wie das Kloster in den Besitz seiner berimmtesten Reliquie, des
heihgen Blutes, gekommen §ei^ In St. Gallen stand es, wie es
scheint, nicht anders. Denn man kann nicht annehmen, daß des
Abts Hartmann Schrift über seine Zeit viel anderes enthielt als
Klostergeschichte ^. Wie in Schwaben, so war es in Franken: die
Annalen, die in Fulda mid Hersfeld aufgezeichnet wurden^, scheinen
kaum bedeutender gewesen zu sein als die schwäbischen. Und wie
dort, so war auch hier das Ende die Lokalhistorie: die Mirakel des
h. Wigbert' sind ein Seitenstück zu den eben genannten Reiche-
nauer Werken.
Von theologischer Tätigkeit war keine Rede. Und doch fehlte
es im beginnenden zehnten Jahrhundert nicht an Männern, die,
was Kenntnis der theologischen Literatur und Belesenheit in den
» S. hierüber Wattenbach, GQ. I S. 439.
^ Die Ann. Aug. führen die Erzählung nur bis zu diesem Jahr, s.
Scr. I S. 69.
3 Mirac. s. Marci bei Mone, QS. I S. 61 ff., im Auszug Scr. IV S. 449 ff.
Die angegebene' Abfassungszeit folgt aus c. 3 S. 451, wo ein Vorgang, der
unter Heinrich I. und Noting von Konstanz, 920 — 934, sich ereignete, als
novissimis temporibus geschehen bezeichnet wird.
4 L. c. S. 67 ff. und S. 446 ff. ^ S. o. S. 281.
« S. Wattenbach, GQ. I S. 263 u. 376.
' Im Auszug Scr. IV S. 224 ff. Die Schrift ist im Anfang der Regierung
Ottos I. verfaßt, s. Waitz 1. c. Anm. 3.
— 284 —
Werken der lateinischen Klassiker anlaugt, den Vergleich mit den
Größen der Zeit Karls d. Gr. und Ludwigs d. Fr. keineswegs zu
scheuen hatten. Wenn, man eine Vorstellung davon gewinnen will,
wie bedeutend das Erbe literarischer Erudition war, das die aus-
gehende Karolingerzeit dem zehnten Jahrhundert überheferte, so
ist man nicht nur auf den Schluß aus dem ununterbrochenen
Betrieb des Lehrens und Lernens angewiesen: ein Beispiel der ge-
lehrten Bildung bietet Rather \ Der Kreis theologischer Schrift-
steller, die er kannte, ist jedenfalls nicht enger, eher weiter als bei
Alkuin und Hraban. Wie bei diesen, so bildeten auch bei ihm
Augustin, Hieronymus und Gregor d. Gr.^ die Ecksäulen des theo-
logischen Wissens. Außer ihnen kannte er Ambrosius ^, Leo d. Gr.*
und Isidor^, von den Griechen Chrysostomns *^. Doch findet man
auch Schriftsteller zitiert, deren Kenntnis weniger häufig war:
Prosper'^, Cassiodor*^, Zeno^, Columba^*; von den karolingischen
Theologen hatte er Paschasius Radbert gelesen ^^. Kaum Wunder
nehmen kann die Benützung des weit verbreiteten Traktats über
die zwölf Mißbräuche der Welt, der unter dem Namen Cyprians
angeführt wird ^^. Und fast selbstverständhch ist, daß Rather seine
kirchengeschichthchen Kenntnisse der Historia tripartita^^ verdankte,
während er seine kirchenrechtlichen Anschauimgen aus Dionysius
^ Ich zitiere nacli Migne Bd. 136 und verweise auf Vogel, Ratherius
y.Verona und das zehnte Jahrb., 1854, sowie auf Ebert, L. d. MA. III S. 373 ff.;
vgl. aucb V. Bezold, Ztscbr. f. Kulturgescb. I S. 158 ff.
^ Sie werden so bäufig zitiert, daß es müßig ist, einzelne Stellen an-
zuführen. 3 Praeloq. II, 18 S. 203; 11,30 S. 212; serm. 2, 15 S. 699.
* Praeloq. 1,22 S. 166; T, 28 S. 174; V, 21 S. 306.
5 Praeloq. 1,29 S. 175; 1,37 S. 182; 1,43 S. 187.
« Ib. 1,40 S. 184; 1,44 S. 188; ep. 1 S. 645. Während Rather gewöhn-
lich nur den Autor, nicht aber die Schrift anführt, nennt er hier die Ser-
mone über den Hebräerbrief. ' Praeloq. II, 14 S. 200.
8 Ib. V, 16 S. 301.
» De cont. can. 1,20 S. 509 (de luda Patriarcha et Thamar); ib. 21
S. 501. Synod. 5 S. 538. lo Discord. 3 S. 622.
11 Exe. e dial. conf. 42 S. 444. Vogel läßt Rather auch Beda Venera-
bilis kennen (S. 26). Ich zweifele, ob mit Recht.. Wenigstens habe ich
mir kein Zitat aus ihm notiert. Daß er die Benediktinerregel kannte, ver-
steht sich von selbst. Dasselbe gilt von den Heiligenleben, von denen er
ein paar zitiert, Praeloq. I, 8 S. 153, de cont. can. I, 5 S. 493.
12 Praeloq. II, 12 S. 199; die angezogene Stelle ist c. 5 S. 159 ed.Vindob.
Vogel hat also unrecht, wenn er Rather die Schriften des karthagischen
Bischofs kennen läßt, S. 26.
" Praeloq. III, 28 S. 244; IV, 24 S. 276.
— 285 —
Egixuus^ und Pseiido-Isidor^ schöpfte. So achtenswert die theo-
logische Bildung ßathei-s war, so war sie doch nicht beispiellos.
Mißt man sie an der Gelehrsamkeit seines älteren Zeitgenossen
Notker^, so erweist sich, daß ßather ihm nur eben gleichkam.
Dagegen wird er seine Zeitgenossen an Kenntnis der antiken
Literatur übertroffen haben. Man kann ein langes Verzeichnis der
lateinischen Schriftsteller aufstellen, deren Worte er sich aneignete
und mit deren Namen er seine Werke schmückte*. Zwar hatte er
nicht alle Schriften gelesen, die er anführte. Er zitierte wohl auch
aus zweiter Hand^. Gleichwohl war seine Belesenheit ungewöhn-
lich. Dagegen stand er darin hinter anderen Zeitgenossen zurück,
daß ihm die Kenntnis der griechischen Literatur fehlte; wenn er
einmal eine Stelle aus dem Timäus Piatos anführt^, so hatte er
sie ohne Zweifel in irgendeinem lateinischen Werke gefanden. Aber
auch diese Achtsamkeit auf Zitate zeigt, wie lebhaft Rathers
Interesse für die antike Literatur war.
Es ist möglich, daß Rathers literarisches Wissen iiurch seinen
langjährigen Aufenthalt in Italien erweitert wurde; aber er hat es
nicht dort gewonnen. Er selbst bekannte sich' als Schüler der
IQosterschule in Laubach'. Hier, wo er als Oblatus erzogen
1 De contempt. can. 1, 9 S. 497 f.; libell. der. Veron. S. 479. Ich weiß
nicht, warum Vogel sagt, Eather scheine sich der Sammlung des Dionysius
bedient zu haben. Er zitiert sie ja nach Überschrift und Titel.
2 Epist. 5,2 S. 657 Ps. Is. S. 102; 5, 6 S. 661 Ps. Is. S. 139; 7, 1 S. 669
Ps. Is. S. 465. Phren. 12 S. 380; 17 S. 387 Ps. Is. S. 153; de contempt. can.
I, 2 S. 488 Ps. Is. S. 57i I, 5 S. 493 f. Ps. Is. S. 90; I, 9 S. 497, Es ist selt-
sam, daß diese vielen Zitate aus Pseudoisidor Vogel entgangen sind; er
urteilte deshalb, der Gebrauch der pseudoisid. Sammlung könne nicht sicher
nachgewiesen werden.
ä S. Bd. II S. 662; u. vgl. das unten über ßovo IL von Corvey Gesagte.
* Vogel S. 26 nennt Virgil, Horatius, Terenz, Plautus, Persius, Plinius,
Sallust, Cicero, Seneca, Varro, Statius, Boethius, Cassiodor, Martian Capella.
Dies Verzeichnis ist aber nicht vollständig. Es fehlen Lucan, Praeloq. IV, 10
S. 257, Catull, serm: 11,4 S. 752, Ovid, Phren. 7 S. 374, Sueton, Phren. 8
S. 874, u. der Grammatiker Fulgehtius, Phren. 7 S. 373. Man vgl.. hiermit
das Verzeichnis der in der Schule von Speier gelesenen Autoren bei Walther
vit. et passio Christ. I, v. 91 ff. S. 21 ff. ed. Harster.
5 Das haben schon die Ballerini gezeigt, s. z. ß. S. 168 not. 47 über
das Zitat aus Varro. ® Praeloq. VI, 19 S. 333.
' Rather bezeichnet seine Bearbeitung der vita Ursmari, die er den
Mönchen von Lobbes widmet, als quantulumcunque benigne instructionis
vestrae fructum (Prol. S. 346). Sagt er anderwärts: Pauca a magistris,
plura per se magis didicit (Phren. 3 S. 369), und bezeichnet er eich damit
— 286 —
wurde ■^, war ihm die Gelegenheit geboten worden, eme so umfassende
und mannigfache Bildung sich anzueignen. Wie ihm, so Dutzenden
von anderen. Auch erhob sich der Unterricht in Laubach sicher
nicht wesentlich über den in den übrigen Klöstern Deutschlands.
Und doch ist Rather allein zum Schriftsteller geworden. Mochte
er viele Genossen haben, deren Gelehrsamkeit der seinen gleich
war, ihr Wissen war unproduktiv. Doch es war bei Rather selbst
nicht anders; denn nicht der Reichtum und die Mannigfaltigkeit
des Wissens hat ihn auf die literarische Bahn geführt, sondern
sein ruhelos bewegtes Leben. So sehr er ein gelehrter Mann war,
so wenig schrieb er als Gelehrter: er schrieb für den Tag. Des-
halb ist seine Schriftstellerei so eigenartig. Gibt seine hterarische
Bildung eine Vorstellung von dem Durchschnittsmaß der Gelehr-
samkeit im beginnenden zehnten Jahrhundert, so ist seine literarische
Tätigkeit ganz außer der Regel: sie entsprang dem, was er war,
und wurde hervorgerufen durch das, was er erlebte. -
Gleichwohl dürfen wir an Rather nicht vorbeigehen, denn er
war der einzige Theologe dieser Epoche ^. Seine wandelvolle Lebens-
geschichte verfolgen wir nicht. Wie in einem Roman wechseln in
ihr die schärfsten Kontraste: aus der Enge eines lothringischen
Klosters sieht sich Rather zum Bischof einer der schönsten Diözesen
Italiens erhoben. Aber er wird dessen nicht froh; denn der Haß
des Königs, dessen Gunst zu suchen er die Heimat verlassen hatte,
verfolgt ihn, stürzt ihn schließlich ins Gefängnis. Von dort ent-
flohen, irrt er, ein heimatloser Flüchtling, in Frankreich umher: der
Bischol Veronas erwirbt sich das tägliche Brot, indem er Knaben
unterrichtet. Dann führt ihn sein Glück an den Hof des deutschen
Königs, gewährt ihm mehr, als er hoffen konnte: den Besitz seines
Heimatbistums Lüttich. Aber er vermag es so wenig als vordem
als Autodidakten, so mag auch das seine Richtigkeit haben. Liudprand
läßt ihn ob liberalium artiura peritiam das Bistum Verona erhalten, Ant.
111,42 S. 73.
1 Dial. conf. HS. 399. Es gehört zu den Seltsamkeiten Kathers, daß
er seinen Vater nur als quidam ingenuus bezeichnet. .
2 Rather ist 887 oder kurz danach geboren; denn nach dial. confess. 21
S. 410 schrieb er dieses Werk als Siebziger; c. 31 S. 424 sagt er genauer,
er sei fast siebzig Jahre alt. Da diese Schrift i. J. 957 oder in einem der
nächsten Jahre geschrieben ist, s. unten S. 289 Anm. 1, so ergibt sich die
angegebene Zeit. Mit ungefähr zehn Jahren begann herkömmlich der Unter-
richt, s. Vit. Theod. 8 Scr. XII S. 41. Das letzte Jahrzehnt der Karolinger-
zeit umfaßt also die für seine Bildung entscheidenden Jahre.
— 287 —
Verona zu behaupten-^. Er scheitert bei allem, was er fernerhin
unternimmt: nicht einmal in dem Kloster, das seine Jugend ge-
pflegt, geHngt es dem Greise sich zuhalten: überall ausgeschlossen,
veijagt und zurückgestoßen stirbt der mehr als Achtzigjährige in
Namur. Dieses in Zickzacklinien sich bewegende Leben ist kein
Moment in der allgemeinen- Entwickelung. Nur als literarischer
Charakter kommt E.ather für uns in Betracht.
Es gibt wenige Männer, bei denen ein einzelner Charakterzug
so bestimmt dominierte als bei ihm: er war ein Genie der Reflexion.
Er reflektierte über alles: bald über sein Talent, bald über seinen
Ruhm, jetzt über seinen Stil und dann über seine literarische
Methode, heute über seinen Lebensgang und morgen über die
Menschen, mit denen er in Berührung gekommen war. Aber wie
es solchen Naturen zu. geschehen pflegt : er kam nie zu einer klaren
Summe seiner Betrachtungen. Er schwankte in seinem Urteil über
die Menschen. Denselben Mann, dem er das eine Mal erklärte, er
setze das größte Vertrauen auf ihn^, bezeichnete er das andere
Mal als seinen schlimmsten Feind ^: er scheute sich nicht, ihn aufs
tiefste zu kränken, indem er ihn als ehemaligen Freund anredete^.
Er schwankte besonders im Urteil über sich selbst: jetzt glaubte
er an sein Talent, er meinte sich mit dem Knecht vergleichen zu
können, dem der Herr ein nicht geringes Pfund anvertraut hat**;
und dann wieder zweifelte er an sich, er erklärte, er wage nicht
etwas Eigenes zu sagen; denn er könne nichts entdecken, wodurch
er k'geud jemand gefallen könne, er wisse, wie sehr er allen miß-
falle*. Am wenigsten kam er über das Wichtigste, über seinen
sitthchen Zustand, mit sich ins Reine: Was ich einst war, sagt er
einmaL und was ich jetzt bin, was ich nicht war, und was ich
^ Vgl. die von Dümmler, N.A. IV S. 178 ff. mitgeteilten Fragmente. Ein
Stück einer Klageschrift Rathers aus seiner Veroneser Zeit bei Rose, Lat.
Meermanhandschr. S. 80 f.
^ Rotbert von Trier, ep. 3, 3 S. 651. Der Brief ist nicht sicher zu
datieren; Vogels Ansatz: 940 ist nicht ausreichend bewiesen. Sicher ist
nur, daß die Präloquien bereits vollendet wareo, und daß Rather beab-
sichtigte nach Deutschland zurückzukehren.
'^ Phrenes. 1 S. 368: Duo iUi eius specialius inimici, Rodbertus vide-
licet et Baldricup. Die Phrenesis läßt sich ziemlich genau datieren: sie ist
zu Lebzeiten Rotberts geschrieben (c. 5 S. 371), d. h. vor d. 19. Mai 956,
und nach der Einsetzung Baldrichs in Lüttich, d. h. nach Ostern 955 (s. c. 1
S. 367). * Ib. 16 S. 385: Mihi quondam dilectissime pater.
<* Epist. 3,2 S. 650f. Die Wendung tantiUum ingenioli quod Deo sum
assecutus largiente, sagt natürlich nicht, daß er klein von seinem Talente
dachte. « Praeloq. VI, 25 S. 339 f.
- 288 —
nicht bin, was ich sein soll und was ich sein sollte, das will ich
erkennen und kann es nicht erkennen; ich denke darüber nach,
wodurch, wo und wie ich mir diese BHndheit zugezogen habe. Ich
kann mich nicht beklagen, weder über den Geber des Lichts noch
über meine* Führer: an mir selbst liegt die Schuld \ Ich versuche,
sagt er ein anderes -Mal, besser zu werden und ich erliege; ich
mühe mich und es gelingt nicht; ich strebe empor und gleite wieder
zurück. Nie verharre ich in irgend etwas Gutem. Ich verzweifele,
indem ich hoffe, und ich hoffe, indem ich verzweifele. Ich glaube
voll Mißtrauen, und indem ich argwöhne, vertraue ich. Ich bin
überzeugt, daß Gott alles geben wird, was er versprochen hat;
aber bin ich würdig, daß er es mir gewährt? Daran zweifele ich.
Dem Bekehrten verspricht er Vergebung, und ich sehe mich un-
bekehrbar. An seinem Erbarmen verzweifele ich also nicht; aber
mir graut davor, daß ich verhärtet bin. Wenn ich so, wie ich bin,
sterbe, so weiß und bekenne ich, daß ich des Hasses, nicht der
Liebe wert bin. Aber ist es mir bestimmt zu sterben? Ich weiß
es nichts
Man versteht es, daß dieser Marin nicht glücklich war. Wenn
er sich selbst einmal sehr unglücklich genannt hat, und wenn es
ihn dünkte, daß er von Jugend auf eine Zielscheibe für allerlei
Unheil sei, so sprach er ohne Zweifel Empfindungen aus, die ihn
tief durchdrangen^. Er mußte sie um so bitterer fühlen, je mehr
er in seltsamer Bizarrerie bestrebt war, sie zu verbergen: wenn er
sich unbeobachtet glaubte, so rief er unzähligemale Wehe aus*;
war er imter Fremden, so suchte er sie durch burleske Lustigkeit
über das, was in ihm bohrte und wühlte, zu täuschen'^. Man hat
den Mann, der urteilte, es sei dem Menschen natürlicher zu weinen
als zu lachen, öfter lachen als weinen sehen®. Aber er täuschte
sich, wenn er glaubte, das Gefühl des Unglücks sei dem Menschen
natürUch. Den Grund, warum er elend war, hat er einmal selbst
ausgesprochen: der Manu, der über alles grübelte, konnte sich an
nichts hingeben ; er Hebte niemand imd wurde von niemand geHebt '^.
Menschen, wie Rather, werden, nicht erzogen, sie werden ge-
boren. Und doch wird man sagen müssen, daß gerade ihre An-
lage günstiger Verhältnisse bedarf, um sich zu entwickeln. SoUte es
irrig sein, wenn man in Rathers Geistesart zum Teil eine Frucht der
1 Praeloq. VI, 25 S. 340. ^ De otioso serm. 1 S. 575.
3 Vgl. ep. 2 S. 648; 5, 1 S. 656 f.; 6 S. 665.
^ Qualit. conject. 3 S. 526. ^ ib. 5 S. 528.
6 Praeloq. VI, 18 S. 351; Qualit. conj. 12 S. 537.
' Qualit. conj. 13 S. 541.
— 289 —
Klostererziehiing sieht? Dort wurde unablässige Selbstbeobachtung
und Selbstbeurteilung gefordert und gelehrt. Starke und klare
Natiu-en mochten das ertragen; Eather verlor dabei die Unbefangen-
heit und den inneren Halt.
Zwei der bedeutendsten Schriften ßathers erscheinen wie das
einfache Ergebnis der geschilderten Stimmung, der dialogus con-
fessionalis -^ und die coniectura qualitatis. Der erstere gehört in
vieler Hinsicht zu den interressantesten Werken der ganzen Epoche.
Denn was man in allen anderen, höchstens die Schriften Liud-
prands ausgenommen, vergeblich sucht, das findet man hier: eine
scharf ausgeprägte Individualität, die sich gibt, wie sie ist; und
was kein zweiter Mann seit dem Tode Gottschalks auch nur ver-
suchte, das hat ßather getan: er wagte es einen Gedanken durch-
zudenken bis zur letzten Konsequenz. Sein Buch ist eine Beichte.
Der Anfang erinnert an die Sündenverzeichnisse der Beichtbücher;
denn der mannigfachsten Sünden bekennt er sich schuldig. Es
gehörte ja zm' Demut, sich jeder Sünde schuldig zu geben. Aber
bald wird das Bekenntnis individueller. Man merkt, nun denkt
der Beichtende an wirkliche Ereignisse, an tatsächliche Zustände.
Er war Priester und Bischof: es fällt ihm der Zwiespalt zwischen
der geschäftsmäßigen Verwaltung des geistlichen Amts, deren er
sich anklagen muß, und den kanonischen Vorschriften für das priester-
Uche Leben und Wirken schwer auf das Herz. Niemals hat er
seine Sünden in ihrer ganzen Größe irgendeinem Menschen ge-
beichtet; er scheute sich den Ruf zu hören: Kehre um, und ver-
söhne dich mit Gott. Was nützt aber die Beichte, wenn sie nicht
dazu führt, daß man die Sünden läßt? Es quält ihn, daß er bei
diesem Seelenzustand wagte, die Messe zu lesen und das Sakra-
1 Excerptum ex dialogo confessionali S. 393 flP. Rather hat die Schrift
als Abt geschrieben, s. c. 21 S. 409: Me . . falsum nomen episcopi vel ab-
batis . . ferre; cf. c. 34 S. 426 f. An der Spitze eines Klosters scheint er
aber vor seiner Wiedereinsetzung in Verona i. J. 961 gestanden zu sein
Und zwar ergibt sich aus Folc. Gest. abb. Lob. 28 S. 69, daß Baldrich ihm
das Kloster Alna (Aulne) eingeräumt hatte: Alnam revertitur villam, quam
munificentia domni episcopi promeruerat. Ich vei stehe nicht, wie Vogel I
S. 210 Anmerk. den Hinweis Köpkes auf diese Stelle bestreiten kann; denn
in den Worten revertitur und promeruerat liegt doch deutlich genug, daß
die Verleihung von Aulne vor 961 geschah. Weiter ergibt sich aus c. 34
S. 428, vgl. mit Folc. 26 S. 68, daß die Schrift nach Weihnachten 956 ge-
schrieben ist: frühestens also in der Osterzeit 957. Wenn Rather seine
Schrift als Auszug bezeichnet, so will er dadurch nicht das Vorhandensein
einer längeren Schrift andeuten; die Meinung ist nur, das Geschriebene sei
ein Auszug des wirklich Gebeichteten.
Hanck, Kirchengeschichte. III. 19
— 290 —
ment zu empfangen. Er dünkt sich wie ein entlaufener Sklave,
und meint, höchstens deshalb auf Erbarmen rechnen zu können,
weil er sich nach der Rückkehr sehnt. Aber heißt das, alles auf
die Gnade Gottes stellen, heißt es nicht vielmehr, der Trägheit des
eigenen Willens nachgeben? Als Priester darf er sein Anit nicht
niederlegen; er muß, auch wenn er weiß, daß er unwürdig ist, die
Obliegenheiten desselben verwalten. Aber ist es recht, daß es so
ist, und daß er so handelt? Er forscht nach dem Urteil der
heiligen Schrift. Aber was nützt ihm diese Untersuchung? Denn
er muß gestehen: Daß ich die Schrift anführe, ist nur ein Beweis
meiner Unwürdigkeit und meines Elends; denn indem ich mich
bemühe, die Schrift gegen ihren Willen zu meiner Unterstützung
beizuziehen, rede ich von dem, was geschehen könnte, nicht von
dem, was ist und geschieht. So will er sich nicht länger täuschen:
er bekennt, daß er ganz verwerflich ist und daß er nicht ohne
Gefahr der ewigen Verdammnis die falschen Namen Bischof und
Abt trägt. Wo ist Hoffnung? Wäre er ehi Ijaie, dann wäre Hilfe;
denn den Laien gilt der Rat: Übergib dich Gott und verlaß die
Welt, dann ist alles erlassen! Aber er ist ein Mönch, und er ist
diesem seinem Stand untreu. Das ist die Sünde, die schon für
sich allein ihn verdammlich macht: er kann sie nicht heilen. Die
Sorge um seine Sünde aber führt ihn in neue Sünde; denn er ist
Abt und hat deshalb die zu vertreten, die ihm anvertraut sind.
Aber wenn er betet Miserere nostri, so denkt er Miserere mei.
So sehr ist die Liebe in ihm erkaltet, und um so mehr zweifelt er
daran, daß seine Sünden getilgt werden. In dieser Weise häuft
Rather sich Sünde auf Sünde : man möchte sagen : alles, was er
berührt, wird ihm zur Sünde; selbst seine Beichte ist es in seinen
Augen: es fehlt ihr die Aufrichtigkeit, auf jämmerliche Weise ver-
hehlt er seine Sunde, indem er sie bekennt, er gelallt sich selbst,
indem er die Größe seiner Schuld ausspricht. Aber Trost und
Frieden findet er nirgends. Wohl kommt er schließlich zu dem
Ende: Es bleibt nur eines übrig, das Gebet: Erbarme dich
mein ! Aber er vermag nicht dies Gebet frei und unbefangen zu ,
sprechen. Selbst Worte, wie das von der Freude im Himmel über
den Sünder, der Buße tut, verlieren ihm gegenüber ihre Kraft;
sie machen ihm mehr Bedenken, als daß sie ihn trösteten. Die
Beichte Rathers schließt, ohne daß ihre grellen Dissonanzen gelöst
würden.
Das zweite Selbstbekenntnis Rathers, seine Schrift Qualitatis
coniectura ■*, ist ganz anderer Art. An die Stelle des pathetischen
1 S. 521 fiP. Sie ist 965 oder 966 geschrieben, s. Vogel 11 S. 74 f.
— 291 —
Ringens mit den eigenen Gedanken tritt die durchgefülirt« Ironi-
sierung des eigenen Wesens. Auch sollte diese nene Selbstbeurteiltmg
nicht wieder eine Anklage ihres Autors sein: sie ist eine Yer-
teidigungsrede. Er wollte die mancherlei üblen Urteile, die andere
über ihn fällten, zum Schweigen bringen, indem er sie überbot In
mancher Hinsicht lernt man den Menschen Eather hier noch besser
kennen als in der Beichte. Er schildert sein unstetes Wesen : bald
beginnt er dies, bald jenes, ohne daß er die Mittel hätte, das
hinauszuführen, was er begonnen hat. Nie findet er eine gleich-
mäßige Haltung; bald ist er voll Worte, bald fast stumm; jetzt
ausgelassen lustig und dann gedrückt oder gereizt und geneigt mit
aller Welt Streit anzufangen. Mit unersättHcher Gier wühlt er in
den Büchern; er möchte am liebsten den ganzen Tag für sich allein
sein, um lesen und wieder lesen zu können. So lebhaft erfassen
ihn die Gedanken, daß er, wenn er allein ist, disputiert, als wäre
jemand bei ihm, daß er mit dem Satan spricht und ihn schilt, als
wenn er ihn sähe. An Wüi-de des äußeren Auftretens fehlt es
ihm gänzhch: die auf die Form stets achtsamen Italiener konnten
spotten, er sei in seiner Heimat vielleicht ein Bedienter gewesen
oder der Sohn eines Handarbeiters. Aber ihn berührt das nicht;
sein Leben ist ganz anders als das Leben derjenigen, die auf die
Ehre ihres Standes halten: er besitzt nichts von reichen Gewändern
und kostbarem Hausrat, er macht keinen Unterschied zwischen
einem Adeligen imd einem Knecht; deün er urteüt, daß die Edlen
oft Unedles und die Unedlen Edles tun. Alle aber trifft sein
herbes Urteil, an aUe richten sich seine unbequemen sittlichen An-
forderungen ^. Er erschüttert alles, was übhch ist, und will die
Gewohnheit nicht gelten lassen neben dem Recht.
UnwiÜkürhch erinnert man sich beim Lesen dieser Schriften
Rathers an die große Beichte Augustins. In dem grübelnden Tief-
sinn, der beiden Männern eigen ist, in der rücksichtslosen Schärfe
des Gerichts, das sie an sich selbst üben, ist eine Ähnlichkeit
zwischen ihnen unverkennbar. Aber größer ist doch die Verschieden-
heit : in den Konfessionen Augustins scheint ein IVIann zu sprechen,
der vom festen Lande aus zurückblickt auf den Ozean von Sünden,
den er durchmessen hat In den Selbstbekenntnissen Rathers da-
^ Auch Feindseligkeit gegen die Juden gab man ihm schuld, c. 11
S. 535: Cum omnibus sit malus, ludaeis est pessimus: non qoia eos flagellet,
quia non audet; non quod bona eorum diripiat, sed indesinenter eis con-
viciari non cessat. Reprehendit omnes, qui super Christianos eos extoUunt
. . . Reprehendit omnes, qui libentius cum eis negotiantur, quam cum
Christianis etc.
19*
— 292 —
gegen spricht ein Mann, der im Sumpfe watend vergeblich sich
abmüht, für seine Schritte festen Grund zu finden. Die trostvollsten
Worte der heiligen Schrift enthalten für ihn nicht Friede, sondern
Anfechtung : tröstlich dünkt ihn schließlich nur das skeptische Wort
des Predigers: Es weiß der Mensch nicht, ob er der Liebe oder
des Hasses wert sei: unsicher wird alles für die Zukunft bewahrt^
Dieser Autor steht an der Pforte der Literatur der ottonischen
Epoche. Man braucht nur ihn zu charakterisieren, um ihr Doppel-
angesicht zu zeigen: seine ganze Bildung ist die der Karolingerzeit;
aber wie verschieden ist er selbst von Männern, wie Alkuin und
Hraban, Einhard und Walahfrid. Was ihn von allen Alteren
unterscheidet, ist die größere Sensibilität des Seelenlebens. Li dieser
Hinsicht ist er ein Prophet des Mittelalters. Das stete Reflektieren
verlieh seinen Anschauungen einen unverkennbar kritischen Zug.
Nichts war durch die allgemeine Überzeugung so gefestigt und ge-
heihgt, daß er nicht gewagt hätte, Bedenken dagegen auszusprechen.
Seit Jahrhmiderten hatte niemand Anstoß an der Gleichsetzung
asketischer und sittlicher Forderungen genommen. Aber er hatte
das klare Bewußtsein davon, daß sie unmöglich sei; daß sie daran
scheitert, daß die asketische Forderung niemals allgemein ver-
pflichtend werden kann. Jedermann betrachtete das Wort des
Herrn: Verkaufe, was du hast, gib es den Armen und komm und
folge mir nach, als höchste sittUche Forderung; er überlegte: Würden
das alle befolgen, wer sollte den Acker bauen? Würden alle ihre
Weiber verlassen, wie könnte das Menschengeschlecht fortbestehen^?
An einer anderen Stelle spricht er in der herkömmhchen Weise
von den Gefahren des Reichtums. Sofort aber erwachen seine
Bedenken. Er fragt: Was soll man tun, soll man untätig sein,
nichts arbeiten? sollen alle betteln? Aber wer wird dem Bettler
geben, wenn ein jeder bettelt? Nein, Gott sagt: Das habe ich
nicht geboten; ja ich verbiete es auf alle Weise. Denn ich habe
dir vorgeschrieben, daß du im Schweiße deines Angesichts dein
Brot essen sollst''. Man sieht, Rather berührt den prinzipiell ent-
scheidenden Punkt. Ähnlich in einem dritten Fall : um die Verant-
wortlichkeit des Richteramts zu beweisen, zitiert er Matth, 7: Richtet
nicht, und Sir. 7 : Suche nicht Richter zu werden. Aber er macht
sich selbst den Einwand: Du sprichst, als ob Gott nicht wollte
1 Eccl. 9, 1 nach der Vulgata. Es ist ein Lieblingsspruch Rathers.
Außer dial. conf. 26 S. 419 zitiert er ihn auch de otios. serm. 1 S. 574 und
de propr. laps. 3 S. 483.
2 Praeloq. 1, 1 S. 147. ^ L. c. I, 84 S. 179.
- 293 —
daß es Richter gibt: wo wäre das Gesetz, wo das Keclit, wo die
UnterscheiduDg zwischen Gutem und Bösem? Soll es einem jeden
zustehen, ungestraft alles mögliche zu verüben ? Soll der Diebstahl
dasselbe Lob finden wie die Freigebigkeit? Sollen die Laster die
gleiche Krone erlangen wie die Tugenden^? Selbst Schriftstellen
erregten seine Zweifel. Indem er das "Wort des Apostels von der
Notwendigkeit, sich der fleischlichen Begierden zu enthalten, zitiert,
fragt er: Wie sollen wir leben, wenn wir uns alles dessen ent-
schlagen, wonach das Fleisch begehrt? Verlangt der Hungernde
nicht nach Speise, der Dürstende nicht nach Trank? Wünscht
der Ermüdete nicht zu schlafen? Und ist nicht das alles ehren-
haft, ja notwendig"-?
Man kajm sich nicht wundern, daß die Leistungen, welche
die Kirche unermüdlich von dem Volke forderte, und die sie mit
ihren Verheißungen lohnte, Fasten und Almosen, in seinen Augen
nicht einwandfrei waren. Wie unzähligemale ist das Wort: Gebt
Almosen und alles wird euch rein sein, gläubig und vertrauensvoll
wiederholt worden. Eather hatte Zweifel an dem Wert der Almosen;
wohl mahnt er, sie reichlich zu geben; aber er warnt zugleich:
Hüte dich, daß du nicht im Vertrauen auf die Almosen die täg-
lichen Sünden leichthin begehst, sondern tilge dadurch die ver-
gangenen und hüte dich vor zukünftigen^. Indem er auffordert zu
fasten, wiederholt er den Einwand, es sei besser sich von Fehlern
als von Speisen zu enthalten. Er unterläßt nicht, hinzuzufügen,
daß dieser Einwand nicht ganz unrecht habe^. MilB man nicht
vermuten, daß, wenn Rather die Messe nicht regelmäßig las,, der
Grund nicht Nachlässigkeit war'^?
Es liegt etwas Aufklärerisches in dem allen. Aber es führte
zu nichts. Rather hat keine von den Anschauungen, deren Be-
rechtigung ihm zweifelhaft war, aufgegeben: er überwand seine Be-
denken nicht, aber er schob sie zurück. So resultatlos wie sein
Nachdenken über das eigene Innere, war auch sein Nachdenken
über kirchliche Grundsätze und Einrichtungen. Dem alles Be-
denkenden war das Vermögen verloren gegangen, seine Gedanken
in Taten umzusetzen. Niemand war weniger zum Reformator
geeignet als er. Er blieb bis an sein Ende, was er seiner Bildung
nach war: ein karolingischer Theologe, ein Mönch und Bischof.
Abtötung des Fleisches und unmiterbrochenes Bußgefühl galten
ihm trotz seiner Bedenken gegen die asketische Lebensanschauung
^ L. c. 1, 16 S. 162. 2 serm. 2, 1 S. 692. ^ Praeloq. IV, 23 S. 273.
* Serm. 2, 9 S. 696 " Ep. 1,1 S. 645.
— 294 —
als ^Jas Höchste, was der Mensch erreichen kann und solP. So
schwer er sich darein finden konnte, daß die Bischöfe Fürsten sein
sollten, so entschieden ihm der Bischof als Pastor galt^, so führte
er doch, wenn ihn der König zur Heeres folge berief, seine Mannen
ins Feld*.
Daß er als Theolog das Gepräge der Karolingerzeit trägt,
zeigt sein Hauptwerk, die Präloquien, der Ertrag seiner Gefangen-
sdiaft im Turme Walberts zu Pavia*. Denn auf den Inhalt ge-
sehen, hält es sich ganz im Bereich der den karolingischen Theo-
logen gewohnten moralisierenden Betrachtungsweise. Auch insofern
kann man es mit den Werken der Alteren zusammenstellen, als
Rather eme Unzahl fremder Gedanken verwertete: er verwendete
sie bald als wörtliches Zitat, bald verwob er sie in freierer Weise
in seine Darstellung. Und doch hat sein Buch viel mehr Originaütät
als die meisten Schriften der älteren Generation. Aus den fremden
Gedanken, die er verarbeitete, schuf er eine Schrift, für die er kein
Vorbild hatte. Er gab ihr den Titel Vorreden; denn er wollte sie
nur als Einfuhrung fiir ein größeres Werk aber den Kampf des
Oiristen betrachtet haben. Aber das größere Werk ist nie ge-
schrieben worden; es war schwerhch von Rather je ernstlich beab-
sichtigt. Denn was hätte es noch bringen sollen? Schon in den
Präloquien ist ja die Betrachtung ungewöhnHch umfassend. Rather
spricht von den Christenpflichten: aber dabei dachte er nicht an
eine Durchschnittspflicht, die man von allen verlangen kann, sondern
vor seinem Auge stand die ganze bunte Mannigfaltigkeit der Be-
wohner einer italienischen Bischofsstadt: Edle und Volk, Krieger
und Kaufleute, Arzte und Richter, Advokaten und Zeugen, Beamte
und Hörige, Lehrer und Schüler, Reiche und Bettler, dazu die
Leute des Mittelstandes: so sah er sie vor sich, und so, nach der
Verschiedenheit des Standes und Berufe, ermahnt er sie zu dem,
» Praeioq. V,2 S. 287: Das Leben des Is^ak ist ein Vorbild für den
Cliristen, ut victimis assiduis, i. e. mortificatione camis et contritione cordis
domino Deo te ipaam quotidie in ara mentis offeras. Wenige Seiten später
"VI, 22 S. 337 spricht er von der Nacbfolge Christi; hier jedoch kommt
durchaus nicht nur die asketische Betrachtung zur Geltung, sondern zu-
nächst die gesund sittliche.
- De contempt. can. 3 S. 490: Interroga enim quemlibet, unde mos
inoleverit iUe, ut pastores vocentur ecclesiae praesules. Nonne post typicam
illam patriarchamm pascendi gregee consuetudinem et prophetarum ad
nostrum id saeculom spiritaliter retorquentinm vocem, summus ille pastorum
prince^s occnrrit et ait: Ego sum pastor bonus?
- Ib. 8 S. 496 f. * Ib. 145 ff.
— 295 —
was ihnen als Christen geziemt. Nicht minder nach der Ver-
schiedenheit des Geschlechtes und des Alters, der Stellung im
Staat und in der Kirche. Mit deutücher Beziehung auf seine eigene
Lage entwickelt er dabei die pseudoisidorischen Grundsätze über
die Kechte der Bischöfe. Er wird so eingehend, daß er das ur-
sprüngHche Ziel seines Werkes beinahe aus den Augen verliert.
Schließlich kehrt er doch zu demselben zurück, indem er seine
Ermahnungen an die Chi'isten moduliert .nach der Verschiedenheit
ihres Seelenzustandes, je nachdem sie Gerechte oder Sünder, Fröh-
liche oder Traurige sind u. dgl. Man sieht, das, was dem "Werke
seine Eigentümlichkeit verleiht, ist ausschließlich bedingt durch die
lebhafte Vorstellung seines Autors. Rather schematisierte nie, er
individualisierte stets. Auch dies eine Eigentümlichkeit, die auf die
Zukunft weist.'
Rather hat außer den drei genannten Werken noch viel ge-
schrieben. Die meisten seiner Schriften sind Denkmäler trüber
Erfahrungen, die er zu machen hatte. Es fehlte ihm während
seines ganzen Lebens nie an Anlaß, sich selbst und sein Verhalten
zu verteidigen. Er tat es mit stets gleichbleibender Lebhaftigkeit,
mochte es sich um die Ablehnung des ihm an gesonnenen Verzichtes
auf das Bistum Lüttich handeln, wie in der Conclusio deliberativa,
oder um die Verteidigimg seines Rechtes auf Verona und Lüttich,
wie in der Phrenesis, oder um die Rechtfertigung seines mindestens
zweideutigen Verhaltens bei einem Reliquiendiebstahl, wie in den
Invectiva. Auch Schriften, die einem allgemeinen Zweck zu dienen
scheinen, wie die Bücher über die Verachtung der Kanones, ent-
behren der apologetischen Tendenz keineswegs. Doch genügt es,
diese Schriften zu nennen; ihr Inhalt gibt keinen neuen Zug zur
Charakteristik Rathers, des Theologen und Schriftstellers.
Wer Selbständigkeit und Größe der Gesamtanschauung, -Klar-
heit der Darstellung und Ebenmaß des Stils von einem Autor
fordert, kann in Rather nur einen sehr unvollkommenen Schriftsteller
erkennen. Denn dies alles mangelt ihm; er selbst war sich dessen
bewußt, wie wunderlich auseinandergezogen und verzerrt seine
Perioden sind ^. Wer dagegen eine scharfgeschnittene Individualität
zu schätzen weiß, wird ihm sein Interesse nicht versagen. Er ist
ein literarischer Charakterkopf, der seinesgleichen in diesem Jahr-
hundert nicht hat.
Wie groß das Kapital überlieferten Wissens und übererbter
Anschauungen war, mit dem das zehnte Jahrhundert arbeitete,
zeigte uns Rathers Beispiel. Unter Otto trat ein neues Element
1 Phren. 8 S. 369; ep. 4 S. 652.
— 296 —
hinzu: wir bemerken die Einwirkung der nationalen Erhebung auf
die Literatur.
Es ist verständUch, daß sie sich am stärksten in Sachsen zeigt.
Dadurch, daß die Krone an ein sächsisches Haus übergegangen
war, hatte das ganze Leben dieses Stammes einen ihm vorher un-
bekannten Schwung erhalten. Überdies waren die allgemeinen Ver-
hältnisse günstiger als anderwärts. Wir haben bereits bemerkt,
daß die sächsischen Klöster unter der Verwüstung durch die Barbaren
weniger zu leiden hatten, als die Klöster im übrigen Deutschland.
Unter den sächsichen Stiftern aber war für die Überleitung der
karohngischen Bildung aus der alten in die neue Zeit kein zweites
so wichtig wie Corve}. Die Stiftung Ludwigs d. Fr. machte ihrer
Abstammung von dem gelehrten, an schriftstellerischen Männern
reichen Corbie keine Schande. Von den ersten Zeiten des Klosters
an fehlte es in ihm nie ganz an literarischer Tätigkeit. Als im
Jahr 836 der Leichnam des h. Veit von St. Denis nach Corvey
gebracht wurde, gab diese Translation einem Mönche des Klosters
den Anlaß über die Erwerbung der kostbaren Reliquien zu be-
richten*. Es ist ein wort- und gefühlsreiches Buch, in dem man
überall den Mann, der zu predigen gewöhnt ist, reden hört^. Aber
der Autor war selbst mit in Frankreich gewesen, um die Reliquien
in Empfang zu nehmen; er berichtet anschauHch, wie es einem
Augenzeugen geziemt, und er verleiht seinem Berichte dadurch
höheren Wert, daß er ihm die Gründungsgeschichte des Klosters
voranstellt. Interessant ist seine Schrift auch dadurch, daß sie
zeigt, vne rasch der sächsische Stammespatriotismus sich in die
Verbindung Sachsens mit dem Frankenreiche fand: die Bekehrung
der Sachsen zum Christentum schien ein reicher Ersatz füi- alles
vergossene Blut^.
1 Transl. Viti, Jaffe Bibl. I S. 3 ff. Der Verf. war Augenzeuge S. 22.
2 Charakteristisch ist hierfür besonders der Eingang: der Verfasser
findet, ehe er seine Erzählung beginnt, für nötig, ut ad laudem et gloriam
summi opifieis verba vertamus. Da das Buch nicht schließt, sondern auf-
hört, so liegt die Vermutung nahe, daß man es als unvollendet zu betrachten
hat. Das letzte Ereignis, das erzählt wird, fällt auf den 24. Juni 837, also
ein Jahr nach der Übertragung. Vermutlich sollte der Bericht über die
Wunder später fortgesetzt werden, und ist der Verfasser gestorben, ehe er
dazu kam. Daß der Bericht über die Translation S. 14 S. zuerst verfaßt
wurde und das Vorhergehende erst nachträglich vorangestellt, nimmt
Wattenbach an, GQ. I S. 301. Wahrscheinlich mit Recht.
' Stellen wie S. 14, wo von Warin gesagt wird, daß er, consuleris
salutem patriae, salutem etiam gentis suae et exaltationem loci ipsius, die
- 297 —
Als die Reliquien des h. Veit unter lautem Jubel der Mönche
und des Volkes in Corvey deponiert wurden, mag unter der Menge
vorneiimer Laien, die sie zum Kloster geleiteten, jener Bovo ge-
wesen sein, der Neffe des Abtes Warin, der später Mönch wurde
und im Jahr 879 als Abt an die Spitze des Klosters trat ^ An
seine Tüchtigkeit luid Gelehrsamkeit hat man sich noch lange
eriuuei'f-. Auch er gehört zu den Schriftstellern Corveys: er zeich-
nete Nachrichten über Ereignisse seiner Zeit auf. Zwar ist nur
ein einziges Bruchstück davon auf uns gekommen; aber es ist
groß genug, um zu zeigen, daß der Gesichtskreis des Abtes nicht
der beschränkt sächsische war: wie jener anonyme Möjich. so lebte
auch er in der Vorstellung des fränkischen Reichs'^.
Kurz ehe Bovo den Abtstab erhielt, legte einer seiner jüngeren
Verwandten, der denselben Namen trug, die Mönchsgelübde ab*.
Au£h er wurde später Abt'^, Er war ein gelehrter Mann, wohl-
bewandert in allen Wissenschaften: in der Rechenkunst wie in der
Astronomie, in der klassischen wie in der kirchlichen Literatur^.
Reliquien des h. Veit erworben habe, zeigen den Verfasser als Sachsen.
Aber Karl d. Gr., der die Sachsen non solum suo dominio subegisset sed
et mellifluo Christi nomini dicare meruisset, S. 6, ist für ihn gleichwohl das
Ideal des Herrschers.
^ Bovo I. starb am 29. Okt. 890: er legte das Gelübde wahrscheinlich
bald nach 856 ab ; denn unter den unter Adalgar aufgenommenen Mönchen
wird er an 8. Stelle genannt, Jaffe S. 67. Sein Eintritt fällt also mindestens
20 Jahre nach der Translation. Vor seinem Eintritt muß er verheiratet
gewesen sein; denn Bovo II. war sein Enkel, Zusatz zu Widuk. 111,2 S. 60.
'^ In dem Zusatz zu Widukind wird er als omni virtute ac sapientia
potior im Vergleich mit Bovo II. bezeichnet.
^ Das erhaltene Brüchstück bei Adam I, 41 S. 30. Es ist freilich nicht
sicher, daß Bovo I. der Verfasser ist. Doch scheint es mir wahrscheinlich.
Nach Adam hat Bovo als Abt geschrieben; wäre Bovo II. der Verfasser, so
würde die Schrift in den Jahren 900 — 916 verfaßt sein. Das berichtete
Ereignis fällt in das J. 884, also 20 — 30 Jahre vor den Bericht. Nun sagt
aber der Verfasser, es sei modernis temporibus geschehen. Für diesen Aus-
drucl scheint der Zwischenraum zu lang. Ist das Bruchstück von Bovo I.,
so berichtet dieser als Zeitgenosse; er starb 890. Ob sein Werk eine Ge-
schichte seiner Zeit, oder ein Bericht über Wunder war, s. Wattenbach,
GQ. I S. 305, läßt sich nicht entscheiden. Adam sagt: De sui temporis
actis scribens.
■* Sein Name steht an vorletzter Stelle unter Abt Avo, der d. 9. Nov.
879 starb (Jafie 1. c. S. 68).
5 I. J. 900, Jaffe S. 68; er starb d. 22. Juni 916.
^ In dem Kommentar zu dem Metrum des Boethius werden neben
Augustin und Hieronymus (S. 334 f.) Virgil (S. 333), Macrobius (S. 335)
— 298 —
Die lateinische Sprache war ihm so geläufig, daß er sich ein
Urteil über die Stilverschiedenheit lateinischer Schriften zutrautet
Selbst das Griechische war ihm nicht fremd; er imponierte König
Konrad und seiner Umgebung nicht wenig dadurch, daß er einen
griechischen Brief sofort vorzulesen imstande war". Literarisch war
er ebenfalls tätig. Es hat sich ein kurzer Kommentar zu . einer
Stelle des. Boethius erhalten, den er verfaßte^. So kurz er ist,
gibt er eine lebhafte Vorstellung von seinem Verfasser. Nicht nur
durch seine glatte Latinität zieht das Büchlein an, sondern mehr
noch durch die Klarheit der Gedanken und der .Darstellung: Bovo
verschmähte es, bekannte Dinge zu wiederholen oder Überflüssiges
zu sagen: knapp und kurz legt er, was zum Verständnis notwendig
ist, dar*. Am bemerkenswertesten ist, daß er sich von der her-
fcömmhchen Täuschung frei hielt, es stimme der Piatonismus mit
dem Christentum überein ^. Doch meinte er sich die Polemik gegen
platonische Vorstellungen ersparen zu können: sie brächten dem
Glauben keinen Schaden, da man sie rechtgläubig auszulegen
pflege**. Man sieht, daß Bovo, obgleich er sehr entschieden den
rechtgläubigen Standpunkt einnahm ', doch weder die Klarheit des
Urteils, noch die Weite des BHckes entbehrte. Er erscheint in
dem allen ganz als ein karolingischer Theologe.
Auch nach ihm hörten die Studien in Corvey nicht auf. Sein
Urenkel Bovo IIL, der von 942 — 948 an der Spitze des Klosters
stand, galt als gelehrter und berühmter Mann®. Und wenigstens
die unter dem ersten Bovo begonnenen Jahrbücher wurden noch
in den späteren Jahren fortgeführt*.
In Sachsen waren von Anfang an die Nonnenklöster zahl-
und Servius (S. 338) zitiert. Schriften des Boethius hat Bovo von Jugend
auf gelesen (S. 333); seine astronomischen Kenntnisse ergeben sich aus
c. 19 S. 341.
^ C. 3 S. 333 urteilt er, daß die Authentie gewisser Schriften des Boe-
thius, quisquis aliis eins libris legendis operam impendit, ut ego ab adoles-
centia feci, ex ipso elegantis stili quodam proprio nitore, indubitanter
agnoscit. - Zusatz zu Widukind III, 2 S. 60.
^ Zu de consol. philos. III metr. 9 bei Mai, classic, auct. e Vat. cod.
edit. t. m S. 331—345. ■» Vgl. c. 19 S. 341; 24 S. 345.
ö S. c. 3 S. 333. ' « C. 24 S. 345.
' Vgl. c. 12 S. 337: Absit ut nos quisquam . . antipodarum fabulas
recipere arbitretur, quae sunt fidei christianae omnino contraria.
8 Zusatz zu Widukind S. 60.
» Ann. Corb. bei JafFe S. 33 ff. Der erste Teil ist um 879 geschrieben;
die Fortsetzung von verschiedenen Händen.
— 299 —
reicher als di^ MönchLl löster. Auch in ihiien rauß man eine ge-
wisse hterarisch^ Büdu j heimisch denken, denn Schule wurde in
ihnen allen gehalten. Aber di^ niedersachsischen Nonnen waren
nicht so lei-^ht entschlossau zur Feder zu greifen, wie einstmals die
Fi-eundinnen des Bouifatius. Die Benchte über Personen ut'^
> Ereignisse, die für ihre Klöster von Wichtigkeit waren, ließen sie
sich durch befreundete Mönche verfassen. So entstanden die Bio-
graphie Hathumods, der ersten Abtis. "n von Gandersheim ^, und
die Erzählung von der Übertragung der Bleliquien der h. Pusinna
nach Herford 'l Das letztere Stift galt am Ende des neunten
Jahrhunderts als das berühmteste Frauenkloster Sachsens ^ Schon
durch seinen Ursprung* war es auf die dem Hause Karls gewohnte
Pflege der Kuiturinteressen hiugewieserx. 0::rt wurden die Töchter
der sächsischen Großen erzogen '\ Man hielt ein gewisses Maß
höherer Bildung für die vornehme Frau geziemend, auch wenn sie
nicht zum Eintritt in«? Kloster bestimmt war*. Neben Her-
ford stand Gandersheim in AnseLen; die Stiftung Liudolfs ist, was
Bildung und Gesittung anlangt, ein Tochterkloster der Karolinger-
stiftang Herford. Denn Hathumod war in Herford erzogen; sie
hatte auch dort den "Schleier genommen. Bis in ihr Alter hing
sie mit dankbarer Pietät an der Stätte, wo sie die erste Bildung
gefunden hatte'. Wie sie, so werden ihre jüngeren SchAvestern,
Gerberg und Christine, die ihr als Äbtissinnen nachfolgten, Zög-
linge Herfords gewesen sein^. Bald aber konnte man in Ganders-
bsim selbst die Unterweisung in allen Elementen der Zeitbildung
finden. Das si/at man an der berühmtesten Nonne von Ganders-
heim, der jüngeren Hrotsuith®.
1 S. Bd. II S. 664.
■^ Anonym, gegen Ende des 9. Jahrb. verfaßt, s. Wattenbach, GQ. I
S. 304, gedruckt bei Wilmans, Eaiserurk. S. 541 ff.
3 Vita Hatburo. 3 S. 167. * S. Bd. II S. 601.
^ Darunter die spätere Königin Mahthild ; sie brachte es aber nicht
einmal zum Lesenlernen (s. o. S. 21 Anm. 4).
^ Vit. I Mahth. 1 S. 575. So urteilte Mahthild selbst; in ihrem Kloster
zu Nordhausen wurde sofort eine Schule eingerichtet, vit. II Mahth. 23
Scr. IV S. 299.
' Vita Hathum. 3 S. 167 f.; Hrots. Prim. v. 112 ff. S. 232.
* Hathumod starb 874, Gerberg 896, Christina 909, s. Thancm. vita
Bemw. -12 Scr. IV S. 763. Hrots. Prim. v. B15 ff. S. 238; v. 480 ff. S. 243.
Die nächsten Äbtissinnen waren Hrotsuith, gest. 927, Ann. Hild. S. 20, und
Wendilgart, gest. nach 954, s. Thancm. 1. c. Er nennt Wendilgart nicht,
erwähnt aber die Weihe Gerbergs II. durch Bischof Otwin.
* Ich zitiere nach der Ausgabe von P. v. Winterfeld, Berlin 1902; vgl.
- 300 —
Im ersten Jahrzehnt der Regierung Ottos I. hat sie, wie es
scheint^, die Gandersheinier Klosterschule besucht. Die Zöglinge
derselben müssen damals ziemlich zahh'eich gewesen sein; denn der
magistra Rikkardis standen etliche Gehilfinnen zur Seite'-. Sie
lasen und erklärten in der Schule heidnische und christliche Dichter;
über Dialektik, Arithmetik und Musik unterrichteten sie nach
Eoethius, Martianus Cai^ella u. a.'^. Hrotsuith lernte unter ihrer
Leitung ein fließendes und lebhaftes, wenn auch nicht fehlerfreies
Latein schreiben. Die Bibliothek des Klosters hat sie fleißig be-
nützt*; sie las, was sie an Büchern land, bewundernd und ohne
durch Kritik viel gestört zu werden. Daß die Historia de nati-
vitate Mariae'^ eine apokryphische Schrift sei. dfp-auf z. B. wurde
sie von niemand aufmerksam gemacht: sie nahm den Lihalt gläubig
als Geschichte hin. Als ihr später vorgehalten wurde, daß sie
dabei iiTe, schenkte sie dem Einwand gegen die ihr hebgewordene
Schrift nur halben Glauben. Mit der naiven Skepsis der Halb-
bildung, meinte sie, vielleicht erweise sich das, was man für falsch
halte, doch noch als wahr^, Ihr Unterricht und ihre Lektüre
machten sie mit den theologischen Formeln bekannt: sie eignete
sie sich an ; aber sie lebte dabei fort in den volkstümlichen Vor-
stellungen von dem im sternengeschmückten Himmelssaal thronenden
Gott "', von dem Friedensköuig Christ, der droben waltet ^. Wie es
recht und bilhg war, lebte sie in dem asketischen Gedankenkreis
ihres Standes: die Virginität galt ihr als der Gipfel aller Tugenden;
denn in ihr vermählt sich die Jungfrau dem himmlischen Bräutigam,
Köpke, Otton. Studien II: Ebert, Litt. d. MA. III S. 285 ff.; Creizenacb,
Gesch. des neueren Dramas I S. 17 ff ; Wattenbach, GQ. I S. 369 ff.; Zint.
Über Rosvitbas Carmen de gest. Otton. 1875; Grashof in den Stud. u. Mtt.
aus d. Benedikt. Orden 1884 I S. 149 ff. u. in d. flgd. BB. K. Strecker, Hr.'s
Maria u. Ps. Matth. Dortmunder Progr. 1902.
^ Wir wissen nichts von der Familie Hrotsuiths und kennen weder
ihr Geburts- noch ihr Todesjahr. Über ihr Alter bemerkt sie Primord.
V. 525, sie sei longo post tempore nach dem Tode des Herzogs Otto (912)
geboren; an einer zweiten Stelle nennt sie sich älter als die Äbtissin
Gerberg IL (praef. S. 2). Da deren Eltern i. .J. 938 heirateten (s. Dümmler,
Otto S. 80), so ist sie frühestens 939 geboren, Hrotsuith mag also in der
ersten Hälfte der dreißiger Jahre geboren sein.
- Praef. S. 2.
3 S. Köpke S. 140 ff.; Barack, Die Werke der Hrotsvitha 1858 S. X.
* Praef. S. 2: Scripturae quas intra aream nostri Gandeshemensis
Collegeram coenobii. * Sie ist die Quelle zu der ersten Legende.
« Praef. S. 2. ' Ad Otton. II v. 3 S. 203; Gest. v. 60 S. 206.
« Gest. V. 17 S. 205.
— 301 —
Christus-^. Sie war überzeugt, daß, wer als sein Ziel erkennt, daß
er den Sinn ganz auf das Himmlische richte, das Leben in der
Welt meiden müsse ; denn es hindert nur jenes Ziel zu erreichen ^.
Demütig wiederholte sie die Versicherung, daß alle ihre "Werke
wertlos seien; doch war ihr das stolze Bewußtsein nicht fremd,
daß die Nonnen es sind, die den guten Kampf kämpfen, der von
den Christen gefordert wird ^. Hrotsuith Avar befriedigt in diesen
Anschauungen. Es ist bezeichnend, daß sie das Kloster, in dem
sie aufgewachsen war, nicht nur als das berühmte, sondern zuerst
als das glückliche bezeichnete*. Dabei aber hatte sie doch den
lebhaftesten Eindruck davon, daß das Leben, das die Nonne „im
Geheimnis des stillen Klosters" führt, in mancher Hinsicht arm
ist. Sie kann und soll von dem Großen, das draußen geschieht,
nichts wissend
Der ganze Kldungsgang Hrotsuiths hat nichts Singuläres. Es
hat gewiß in diesen Jahrzehnten zahlreiche Jungfrauen gegeben,
die in derselben Weise gebildet auch in den gleichen Gedanken-
kreisen lebten wie sie. Daß sie sich über den Durchschnitt erhob,
verdankte sie dem Umstand, daß sie in Beziehungen zu Gerberg,
der Tochter Herzog Heinrichs von Baiern, trat**. Die Freund-
schaft mit der Herzogstochter öffnete ihr einen Blick auf das, was
draußen vor den Klostermauern geschah. Auch das war von Wert,
daß die Bildung Gerbergs umfassender war als die der Nonnen;
sie verdankte sie nicht nur dem Kloster, sondern sie war auch
durch männliche Lehrer unterwiesen worden ". Manches Buch, das
keine der Schwestern von Gandersheim kannte, hatte sie gelesen,
und lernte Hrotsuith durch sie kennen; auch in die Kunst der
Metrik ist sie von ihr eingeführt worden^. Die Hauptsache war
doch, daß die Nichte des Königs den öifentlichen Verhältnissen
näher stand, als die anderen Nonnen. Die Begeisterung für die
1 Primord. v. 359 f. S. 239. - Primord. v. 296 ff. S. 237.
5 Gest. praef. S. 201 ; v. 13 f. S. 205.
^ Primord. praef. v. 2 S. 229. ^ Gest. v. 243 ff. S. 211.
•^ Gerberg wurde nacH 954 Äbtissin, s. o. S. 299 Anm. 8.
' Praef. S. 2: Aliquot auctores, quos ipsa prior a sapientissimis didicit,
me admodum pie erudivit. An gelehrte Frauen wird man nicht zu denken
haben. Vielleicht ist Wilhelm von Mainz gemeint, der 11 — 12 Jahre älter
war als Gerberg und dem sie Hrotsuiths Gesta mitteilte, Praef. in carm. de
gest. 0. S. 202. P. V. Winterfeld denkt an die Mönche von St. Emmeram.
Er zeigt, daß Hrotsuiths Bekanntschaft mit Boethius consolat. philos.,
Ekkeharts Waltharius u. Notkers Sequenzen durch Regensburg vermittelt
sein kann, S. Xll. Zuschrift an Gerberg S. 4.
— 302 -
Großtaten vor. König und Volk, die draußen die Gemüter erfüllte,
wurde durch sie auch in das Junguauenkloster hineingetragen.
Dazu kam, daß Gerberg, der es nicht an der Unternehmungslust
ihres Hauses gebrach ', die Bedenken gegen das Außergewöhnliche
nicht empfand, die Frauen eigen zu sein pflegen: sie war es, die
Hrotsuith aneiferte, nicht nur zu lernen und zu lesen, sondern auch
zu schreiben. Diese folgte ihrem Mahnen: so kam es, daß die
dürftige Literatur der Ottonenzeit das kennt, was mancher Epoche
reicheren literarischen Lebens fehlt: eine schreibende Frau.
Wenn man sich das Bild, das Hrotsuiths Schriften von ihrer
PersönKchkeit ergeben, vergegenwärtigt, so versteht man, daß sie
dem Zureden, das Schreiben zu versuchen, kein Nein entgegen-
setzte. Freihch war sie anfangs befangen: was sie tat, verhehlte
sie vor ihren Freundinnen; nur wenn sie nicht befürchten mußte
gestört zu werden, mühte sie sich die ungleichen Silben in Maß
und Reim zu bringend Auch unterstellte sie ihre Werke bereit-
willig dem Urteil und der Verbesserung der Gelehrten^. Aber
überall bricht doch die helle Freude an dem eigenen Werk hervor,
man bemerkt sie schon in der Vorrede zu ihren ersten Gedichten,
den Legenden: sie spricht von dem Werk, das sie mit nicht ge-
ringer Liebe ausgearbeitet, das sie heimlich vor jedermann, gewisser-
maßen verstohlen vollendet habe, und das durch keines Lehrers
Autorität geschützt werde. Später als die Zustimmung, die sie
gefunden hatte, ihr ein Recht gab selbstb'ewußter auf die eigenen
Schriften zu blicken, äußerte sie ganz offenherzig: sollten ihre
Komödien bei niemand Beifall finden, so werde doch sie selbst sich
an ihrem Werke freuen*.
Auch darin zeig-t sich in den Legenden die Befangenheit der
Schriftstellerin, dai3 sie am Stoffe klebt. Sie wählt die nächst-
liegenden Gegenstände: VerherrHchung Christi^ und der Maria.
Indem sie für den letzteren Zweck die Erzählungen von der Jugend
der Jungfrau zur Vorlage nimmt, bearbeitet sie Geschichten, welche
die bildende Kunst des Mittelalters mit Vorliebe behandelt hat;
aber wie unendhch viel fehlt, daß sie sie in ähnlicher Weise
^ Sie baute oberhalb des alten Klosters ein neues Haus für 30 Nonnen,
Dipl. II S. 44 Nr. 35. ^ p^^ef. S. 2.
3 Ibid.; Epist. ad quosd. sap. S. 107 f.
* Praef. in comoed. S. 107.
* Carm. 2: De ascensione Domini. Hrotsuith bemerkt dazu: Hanc
uarrationem Johannes episcopus a Graeco in latinum transtulit. Original
und Übersetzung scheinen unbekannt geblieben zu sein. Man kann kaum
zweifeln, daß Hrotsuith ihrem Vorbild Schritt für Schritt folg+e.
— 303 —
psychologisch vertieft hätte, wie Giotto oder Dürer. Zaghaft folgt
die jugendliche Dichterin Zug für Zug ihrem Vorbild: kaum da-
durch, daß sie die eine und andere Stelle übergeht^, beweist sie
ein Minimum von Selbständigkeit. Auch in den Legenden vom
h. Gongolf und vom h. Pelagius herrscht das stoffliche Interesse
vor: es waren neue Ereignisse. Die Ermordung Gongolfs soll sich
zwar schon unter König Pippin zugetragen haben; aber aufgezeichnet
und dadurch bekannt wurde die Geschichte wahrscheinlich erst im
zehnten Jahi^hundert. Vielleicht gehörte diese Legende zu den
Büchern, die Hrotsuith durch Gerberg kennen lernte. Die Ge-
schichte von dem heiligen Pelagius aber war überhaupt noch nicht
geschrieben. Hrotsuith verdankte sie der Erzählung eines Spaniers
aus Corduba, der, wie er versicherte, den Märtyrer selbst gesehen
hatte". Schloß sie sich in der ersten Legende enge an ihre Vor-
lage an, so war sie bei der zweiten genötigt die Gestaltung def
Erzählung selbst zu versuchen. Man kann nicht sagen, daß dieser
Zwang sie über ihre bisherigen Leistungen hinausgehoben hätte.
Die Schilderung wird nicht anschaulicher, die Charakteristik nicht
schärfer. Was Hrotsuith von CordAba rühmte^, konnte von jeder
halbwegs bedeutenden Stadt des Südens gesagt werden; die han-
delnden Personen aber sind Typen, nicht Menschen: wie Abder-
rahman IH. der typische Tyrann und Christenfeind, so ist der
schöne Jüngling Pelagius der Typus des hingebenden Sohnes und
standhaften Christen. Denselben Charakter tragen die übrigen
Legenden. Wenn es Hrotsuith jetzt auch wagte, da und dort
einen neuen, ihr gehörigen Zug einzufügen*, so bestand doch ihre
Tätigkeit überwiegend darin, daß sie dem überheferten Stoff metrische
Form gab. Auch aus einem so entwickelungsfähigen Vorwurf, wie
der Geschichte des Theophilüs, hat sie nicht mehr gemacht, als er
1 Hierauf hat Ebert (S. 288) aufmerksam gemacht; vgl. Strecker S. 4 f.
® S. die Notiz zwischen den Legenden und Komödien (S. 105): Huius
omnem materiam sicut et prioris opusculi sumsi ab antiquis libris sub certis
auctorum nominibue conscriptis, excepta superius scripta passione s Pelagii,
cuius seriem martirii quidam eiusdem, in qua passus est, indigena civitatis
mihi exposuit, qui ipsum puicherrimuQi virorum se vidisse et exitum rei
attestatus est veraciter agnovisse.
3 V. 12 ff. S. 52. Eine glanzvolle Schilderung (Ebert S. 293) möchte
ich diesen wenig anschaulichen Preis der fernen Stadt nicht nennen;
Inclita deliciis, rebus quoque splendida cunctis,
Maxime septenis sophiae repleta fluentis
Necnon perpetuis semper praeclara triumphis.
* Z. B. Theophil. v. 62 ff. S. 64.
— 304 —
war: sie dachte nicht daran, das zu zeichnen, was in der Seele
des Theophilus vorgeht ^ Um so offener Hegt die erbauliche Ten-
denz zu Tage : die Rettung des Theophilus ist ein Preis der Helferin
Maria und der unendhchen Milde Christi, der zum Heil der Men-
schen aus der Burg seines Vaters auf die Erde herabkam-. Der-
selbe Gedanke wird in der Geschichte von der Bekehrung des
Sklaven des Proterius wiederholt ^ und auch in der Dionysiuslegende
stark hervorgehoben*. Das Leiden der heihgen Agnes endUch
dient zur Verherrlichung der Virginität^.
Es charakterisiert die Legenden Hrotsuiths, daß sie unendlich
wenig Lidividuelles haben, Sie könnten ebensogut im neunten, wie
im zehnten Jahrhundert geschrieben sein. Gerade die in ihnen
herrschende religiöse Betrachtung, an die eben erinnert wurde, ist
dem neunten Jahrhundert gewöhnhch^. Insofern dienen diese Ge-
dichte, wie die Werke Rathers, zum Belege dafür, daß die Bildung
der Ottonenzeit der karolingischen Kultur nicht selbständig gegen-
übertrat: sie ist ihre Fortsetzung, durch keine Lücke von ihr ge-
trennt und durch keine Wendung von ihrer Bahn abgeführt. Dem
entspricht, daß Hrotsuith die gleich unsichere Stellung zm* antiken
Literatur einnahm wie die Schriftsteller des neunten Jahi'hunderts '.
Sie liat an ihr gelernt; aber sie betrachtete diese heidnischen
Autoren mit argwöhnischem Auge. Daß es für einen katholischen
Christen sich nicht gezieme, durch den Reiz der reinen Sprache
bestochen, die heidnische Literatur den heiligen Schriften vorzu-
ziehen, daran zweifelte sie nicht. Aber indem sie tadelte, daß es
geschehe, konnte sie doch nicht umhin zu gestehen, daß sie selbst
von diesem Fehler nicht ganz frei sei^
Wie wenig sie es war, zeigen ihre berühmtesten Werke, die
Komödien. Hätte sie wirklich durch sie Terenz aus der Lektüre
ihrer Zeitgenossen verdrängen wollen^, dann könnte man bei ihr
^ Ebert urteilte meines Erachtens zu günstig, wenn er in H.'s Dar-
stellung ein Streben nach tieferer psychologischer Begründung fand (S. 298).
- V. 448 flf. S. 74. " Vgl. V. 257 fF. S. 83.
* S. die Erzählung von Carpus v. 51 ff. S. 86.
5 'Vgl. den Eingang des Gedichtes S. 93.
" S. Bd. II S. 140 ff.
^ S. über Alkuin Bd. II S. 129; ich kann nicht finden, daß der ge-
ringste Unterschied zwischen der Stellung Alkuins und der Hrotsuiths zur
Antike ist, Ihr Urteil aber iet das des Zeitalters.
s S. die Vorrede zu den Komödien S. 106. Vgl. Walther v. Speier,
Vita et pass. Christoph. Praef. v. 1 f. S. 7 ed. Harster.
ö Daß sie es nicht beabsichtigte, hat Ebert S. 314 hervorgehoben.
— 305 —
eine schroffere Ablehnung der Schriften der Alten finden als bei
Alkuin und seinen Zeitgenossen. Aber das war nicht ihre Absicht:
ein christliches Seitenstück zu den heidnischen Spielen wollte sie
vielmehr geben; sie erkannte dabei die Superiorität der letzteren
hinsichtlich der Form unumwunden an\ aber durch die Reinheit
des Inhalts, glaubte sie, seien die Ihren überlegen^.
Wenn man auf den Gedankenkreis sieht, so ist zwischen den
Legenden und den Komödien kein Unterschied. Es herrscht in
beiden die gleiche erbauliche Tendenz: hier wie dort wird das
asketische Leben als das rechte Christenleben, das Martyrium als
die Krone desselben dargestellt. Beispiele sind Gallikan, Dulcitius
und Sapientia'*. Mit der Frage der Sündenvergebung beschäftigt
sich die Dichterin im Kailimachus; die Summe ihrer religiösen
Betrachtung legt sie dem Apostel Johannes in den Mund : für das
Verständnis der unerforschlichen Gerichte Gottes liegt der Schlüssel
in der sündenvergebenden Gnade. O Christe, ruft der Apostel
aus, du Erlösung der Welt und Sühnung der Sünden, ich weiß
nicht, mit welchem Lob ich dich preisen soll. Ich staune ob deiner
ft^eundlichen Gnade und deiner gnädigen Geduld: bald trägst du
die Sünder wie ein Vater, bald strafst du sie in gerechtem Gericht,
und führst sie dadurch zur Buße*. Man könnte dem Spiel das
von Alkuin ein paarmal ausgesprochene Wort von dem Unrecht
der Verzweifelung als Motto voranstellen. Das verwandte Problem
der Bekehinmg des Sünders behandelt Hrotsuith in den beiden
übrigen Stücken, dem Abraham und dem Paphnutius.
Trotz dieser Gleichheit des Gehalts erregen die Komödien
unvergleichlich mehr Interesse als die Legenden. Der Grund liegt
Über die Bekanntschaft des MA. mit den Komödien des Terenz s. Creize-
nach, Gesch. des neueren Dramas I S. 1 ff.
^ Praef. S. 106: Non dubito, mihi ab aliquibus obici, qnod huius
vilitas dictationis multo inferior, multo contractior penitusque dissimilis
eins, quem proponebam imitari, sit, sententiis. Concedö; ipsistamen denuntio,
me in h^c iure reprehendi non posse, quasi bis vellem abusive assimilari,
qui mei inertiam longo praecesserunt in scientia sublimiori. Nee enim tantae
sum iactantiae, ut vel extremis me praesumam conferre auctorum alumais.
- Ib. S. 107: Perniciosas gentilium delicias abstinendo divito.
* Allerdings erscheint in der Sapientia das Interesse der Dichterin ge-
teilt zwischen dem Martyrium und der Probe arithmetischer Kunst, welche
die Heldinnen des Stückes ablegen, S. 181 ff. Sie ist nur durch die Frage
der Sapientia: Placetne vobis, o filiae, ut hunc stultum arithmetica fatigem
disputatione ? und durch die schließliche Erklärung Hadrians: Diu te sustinui
ratiocinantem, quo te mihi efficerem obtemperantem, S. 187, mit der Hand-
lung in Verbindung gesetzt. - * S. 142.
Hauck, Kirchengeschichte. III. '^ 20
— 306 —
in ihrer Form. Zwar Dramen sind sie nicht, nicht einmal im
Sinne des Terenz: sie sind lediglich dialogisierte Erzählungen.
Auch steht die Charakteristik der handelnden Personen oft kaum
höher als in den Legenden : eine kläglichere Rolle kann ein Kaiser
nicht spielen, als Konstantin, sicher gegen den Willen der Dichterin,
im GaUikan spielt. Und kaum möchte es möglich sein, einen Ver-
liebten zu erdenken, der ungeschickter und zugleich widerwärtiger
handelte als Kallimachus. Manchmal ist die Absicht zu charakteri-
sieren ganz aufgegeben: die Schwestern im Dulcitius und in der
Sapientia sind kongruente Figuren. Aber man sieht gerne über
diese Mängel hinweg. Vor allem erfreut der frische, lebhafte
Dialog, der die Handlungen nicht nur begleitet, sondern zugleich
gestaltet. Offenbar entsprach diese Form Hrotsuiths natürlicher
Begabung. Denn auch in den Epen kennt sie die Freude an der
malerischen Schilderung des Ereignisses nicht: die Erzählung eilt
rastlos weiter. Man hat nirgend den Eindruck, daß die Dichterin
in stillem Nachdenken, in geistigem Nachzeichnen bei dem Ge-
schehenen verweilt. Dagegen zeigen die Briefe, mit denen sie ihre
Werke einzuführen hebte, ein lebhaftes, verständiges Temperament.
Das bewährt sich in den Komödien: die Eede versagt der Dichterin,
wenn sie würdevoll oder erhaben werden soll; aber wenn Rede
und Gegenrede wie Schlag auf Schlag einander folgen, so fehlt
das km'ze, treffende Wort ihrem klaren Verstand niemals. Auch
deshalb bewegte sie sich in der dramatischen Form so sicher, weil
sie die Fessel des Verses abzuwerfen wagte: sie bediente sich einer
rhythmischen, vielfach gereimten Prosa. Diese lose Form verleiht
ihren Dichtungen einen volkstümlichen Zug. Er wird noch ver-
stärkt durch das unverkennbare Talent, mit dem sie komische
Figuren, wie den Wirt im Abraham, zeichnet und lächerliche
Situationen schildert, wie das seltsame Liebesabenteuer des betörten
Dulcitius.' Doch gelingt ihr noch Größeres. Wenn die Personen
der Spiele in der Gesinnung handeln und reden, von welcher die
Dichterin selbst erfüllt war, so erscheint die psychologische Ent-
wickelung möghch und zugleich bedeutend. Ein Beispiel bietet
Maria im Abraham: sie ist eine aus Leichtsinn gefallene Heilige;
die Erinnnerung an die Zeit der Unschuld vermag sie nicht los-
zuwerden. Denn diese Erinnerung tut ihr wohl und wehe zugleich.
Mitten im sündigen Treiben steigt sie vor ihr auf, und sie seufzt
dann: Ach war ich vor drei Jahren gestorben; oder meint, sie
übertäuben zu können: Laßt uns schmausen und lustig sein! ruft
sie aus, jetzt ist's nicht Zeit die Sünden zu beklagen. Aber indem
sie so spricht, zeigt sie zugleich, daß sie den Stachel der Sünde
noch empfindet. Man sieht, Marias Bekehrung, die dadurch her-
— 307 —
beigefilhrt wird, daß der einstmals verehrte Meister ihr entgegen-
tritt, ist psychologisch wohl vorbereitet: man versteht auch, daß
dieses Mädchen die Kraft hat, si5h der härtesten Buße zu unter-
ziehen. Auch die Gegenüberstellung zweier Charaktere wie Drusi-
ana und Kallimachus wird ihren Eindrick kaum auf einen Leser
verfehlen.
Auf die Form gesehen sind Hrotsuiths Komödien die eigen-
artigste literarische Tat des zehnten Jahrhunderts. Aber schließlich
muß man doch urteilen: der Gedanke, der sie inspirierte, war nicht
Eigentum dieses Jahrhundefts : eine terentianische Komödie 'mit
christhchem Inhalt, das ist der Gedanke der karolingischen Kultur:
die Vermählung der antiken Bildung mit dem christlichen Geist
- Einen neuen Zug bringt dagegen der sächsische Stammes-
patriotismus in die hterarische Tätigkeit der Nonne von Ganders-
heim. Er führte sie dazu, die Taten Ottos und die Anfänge
Gandersheims, der Liudolfingischen Familienstiftung, zu besingen.
Aber das Hochgefühl, das die Dichterin empfindet, dem berühmten
Volk der Sachsen anzugehören^, und der Stolz, mit dem sie auf
den Kaiser aus sächsischem Blut und auf seine berühmten Ahnen
blickt^, steht bei ihr keineswegs in Gegensatz zu der AnhängHch-
keit an das fränkische Reich: im Gegenteil, ihre Vorstellung von
Königtum und Kaisertum ist durchaus die der karolingischen Epoche.
Das geht z. B. daraus hervor, daß nach ihrer Meinung die hervor-
ragende Stellung der Liudolfingischen Familie schließhch auf den
Würden beruht, die der große Frankenkönig Ludwig dem Stamm-
vater des Hauses übertragen hat ^. Der Frankenkönig ist der Herr,
der Senior des sächsischen Herzogs*. Ln Königtum Heinrichs I.
sieht sie nicht entfernt die Unterwerfung der übrigen deutscheu
Stämme unter den sächsischen; vielmehr trägt der aus dem säch-
sischen Stamm entsprossene Fürst die fränkische Krone *. Dagegen
die Kaiserwürde bedeutet, daß der deutsche König das' stolze Rom
1 Vgl. Gest. Odd. v. 4 f. S. 204.
^ Prim. Gand. praef. v. 5 f. S. 229: Liudulfus magnus, clarus quoque
filias eius Oddo. Gest. Odd. v. 6 S. 204: (Henricus) filius Oddonis magni
ducis et venerandi. An Otto I. v. 1 ff. S. 202 : Augustos omnes superas
pietate priores.
3 Prim. Gandersh. v. 13 ff. S. 229.
* Charakteristisch ist, daß, als Liudolf sich nach Rom begeben will,
er dazu die Erlaubnis des fränkischen Königs bedarf, v. 118 ff. S. 232.
* Gest. Odd. v. 1 ff, S. 204: Rex regum . . iussit Francorum transferri
nobile regnum ad claram gentem Sazonum.
20*
— 308 —
beherrscht^. Auch in der Fassung des Königsamts herrschen die
alten Vorstellungen: die höchste Pflicht des Königs ist Schutz der
Kirche; jede Eroberung kommt unmittelbar der Christenheit zu-
gute; denn indem die Heiden den Knechten Christi unterworfen
werden, genießt die heilige Kirche um so sichereren Frieden^. Je
weniger diese Vorstellungen der wirkHchen Geschichte entsprachen,
um so mehr zeigen sie das Fortleben der alten Gedanken. Und
das beweist nun auch das Bild Ottos, das Hrotsuith entwarf. Man
bemerkt sofort, daß es den Farbenton der Legende trägt ^. "Wie
man in den Heiligenleben an das ununterbrochene Eingreifen
Gottes in den irdischen Verlauf gewöhnt war, so sieht man es auch
hier: Gebet und Erhörung, Glaube und Behütung folgen sich
Schlag auf Schlag*. Alle Ereignisse werden unter dem religiösen
Gesichtspunkt betrachtet^. Aber das ist nicht das einzige: der
Charakter des Königs selbst ist legendarisch. Denn Otto ist in
seinem Glauben, seiner Demut, seinem Großsinn einfach die Wieder-
gabe 'des karolingischen Königsideals: wie man Karl als den neuen
David betrachtete, so hat der König David auch die Farben für
das Bild Ottos hergegeben *^. So klar also Hrotsuith auf der einen
Seite beweist, daß die nationale Erhebung Deutschlands anregend
auf die literarische Tätigkeit wirkte, so bestimmt zeigt sie doch auf
der. anderen, daß die Kultur des zehnten Jahrhunderts von den
Gedanken des neunten lebte.
Weit, bestimmter hebt sich in der Geschichtschreibung Widu-
kinds " das Neue von dem Alten ab. Der Verfasser der Res gestae
» Gest. Odd. v. 41 ff. S. 205:
Cui Christus talera iam nunc augescit honorem,
Possidet ut Romam pollenti iure superbam,
Quae semper stabilis summum fuerat Caput orbis.
Vgl. zu dem letzten Gedanken Bd. II S. 92.
- Vgl. Gest. Odd. v. 48 ff. S. 206 ; v. 143 ff. S. 208.
^ Daraus erklärt sich, daß die Gesta Oddonis, wie Zint S. 23 u. a.
bemerkt haben, Familien-, nicht Regierungsgeschichte geben und daß sie
ein uneingeschränktes Loblied auf den Kaiserhof sind. Hrotsuith schrieb
die Geschichte eines Kaisers nach dem Muster der Heiligenbiographien, die
sie kannte. Denselben Charakter tragen aach die Primordien.
-t Vgl. z. B. Gest. Odd. v. 266 ff. S. 212. Primord. v. 238 ff. S. 236.
5 Gest. Odd.'v. 1 ff., v. 17 ff., v. 25 ff. S. 204 f.; v. 132 ff. S. 208; v. 251 ff.
S. 211 u. ö. Prim. v. 458 ff. S. 242.
ß Gest. Odd. v. 251 ff. S. 211. Dadurch ist natürlich nicht ausge-
schlossen, daß Einzelangaben richtig sein können.
' W^attenbach, GQ. I S. 363 ff.; Maurenbrecher, De bist, decim. saec.
Script. (1861) S. 32 ff'.; Köpke, Ottonische Studien I (1867); Raase, Widukind
— 309 —
Saxonicae repräsentiert auf dem literarischen Felde den Gegensatz.
in welchem die von Heinrich I. geleitete Entwickelung des deutschen
Volks zu der fränkischen Epoche stand. So bedeutsam er deshalb
ist, so wenig wissen wir von ihm: es gibt keine Überheferung, die
uns Nachricht über seine Person oder sein Leben gäbe: er legte
kurz vor dem Tode Folcmars die Gelübde in Corvey ab\ verfaßte
einige inzwischen verlorene Heiligenleben", und begann kurz vor
d. J. 967 die Geschichte seines Stammes aufzuzeichnen '\ Das sind
die einzigen Notizen über sein Leben, die wir besitzen'*; hiervon
abgesehen, ist sein Buch alles, was über ihn erhalten ist. Sein
Buch aber ist beredt. Es erzählt davon, daß die gelehrten Studien
in Corvey nie eine Unterbrechung erlitten hatten: man las dort
die antiken Historiker Livius und Sallust'\ nicht minder die Volks-
geschichten der Langobarden und Gothen*^; man besaß die frän-
kischen Annalen ", wohl auch die Biographie Karls*; am lebhaftesten
V. Korvey (1880); Ebert, L. d. MA. III S. 428 ff.; vgl. auch Mittag, EB. Fried-
rich S. 7 ff.; Wattenbach, Berl. SB. (1896) S. 339 ff'.
^ Der vorletzte unter Folcmar eingetragene Name ist Widukind (Jaffe,
Bibl. I S.68).
^ Widukind ervsrähnt sie selbst (I, 1 S. 3). Sigibert scheint sie noch
gekannt zu haben: er erwähnt, daß sie das Leben des Eremiten Paulus
und metrice das Leiden der h. Thecla behandelten, De script. eccles. c. 129
Mign. 160 S. 575. Seitdem scheinen sie verloren gegangen zu sein.
^ Der Dresdener Kodex schließt mit einem Ereignis des Jahres 967
(III, 69 S. 83). In der Widmung des ersten Buchs aber ist die Äbtissin
Mahthild als Kaiserstochter angeredet. Das Werk ist demnach zwischen
962 u. 967 verfaßt.
^ Die Anaahme, Widukind habe zeitenweise am Hofe Ottos gelebt,
halte ich für sehr unwahrscheinlich. Aus dem vidimus II, 40 S. 56 läßt sie
sich nicht beweisen; denn warum soll der Mönch nicht unter dem Volk
gestanden sein, dem Otto die Geiseln Bolizlavs zeigen ließ? Jedenfalls ist
durch die Worte pro vero traditur (II, 36 S. 55) ein länger dauernder
Aufenthalt am Hofe ausgeschlossen. Er ist auch deshalb unwahrscheinlich,
weil das Sehfeld Widukinds zu beschränkt ist. Als er sein Buch schrieb,
befand er sich sicher nicht am Hofe, sondern in Corvey (II, 35 S. 53).
^ Vgl. die Nachweisungen von Waitz über die Kenntnis dieser Schrift-
ßteller bei W. z. B. I, 9 S. 7 u. 10; 1, 34 S. 28. Manitius glaubt wahrschein-
lich machen zu können, daß er auch Tacitus benützte, N.A. XI S, 45.
« 1, 14 S. 15 wird auf Pauli Histor. Langob. II, 6 verwiesen; I, 18 S. 16
ist Jordanis Getica 3 zitiert.
' I, 14 S. 15 wird auf Gesta Francorum verwiesen; man denkt an die
s.g. Annalen Einhards.
8 Die Stellen 1, 15 S. 15 u. II, 36 S. 54 machen die Benützung der
vita Karoli ziemlich sicher.
— 310 —
war das Interesse für die Vorgänge unter dem eigenen Stamm und
im eigenen Kloster: das Leben des heiligen Veit und die Trans-
lation seiner Reliquien mußte jedem Bruder von Corvey bekannt
sein^; man erfreute sich aber auch an der Biographie der Äbtissin
Hathumod von Gandersheim"; man war bewandert in dem Recht
des Stammes ^ und man hatte die Verwandtschaft mit den Sachsen
jenseits des Meeres nicht vergessen. Über ihre Geschicke unter-
richtete Beda*. Trotzdem war man barbarischer geworden als
vorher: man verstand nicht mehr zu schreiben wie Bovo 11. Ge-
spreizt und unnatürlich bewegt sich Widukinds Rede in der fremden
Sprache; vergeblich suchte er ihr dadurch die fehlende Eleganz
zu verleihen, daß er sie mit allerlei Wendungen, die er seinen
Vorbildern entlehnte, ausstattete ^ : das Fremde bheb ihm fremd, er
wußte es nicht frei zu beherrschen. Vollends jene Vertrautheit
mit dem Griechischen, die man an Bovo bewundert hatte, war in
Corvey nicht mehr zu finden : für Widuldnd war alles Griechische
griechisch ^
Sieht man auf die geschichtliche Auffassung Widukinds, so
darf man nicht vergessen, daß er Sachsengeschichte, also Stammes-
geschichte, schrieb. Aber es war doch nicht sein Gegenstand, der
seinen Horizont eng begrenzt erscheinen läßt; er war in der Tat
enge. An die Stelle des universalen Gesichtskreises der fränkischen
Jahrbücher ist das beschränkte Gesichtsfeld des Provinzialen ge-
treten. Widukind wußte nichts von dem, was jenseits des Rheins
und des Thifringer Waldes geschah', weil er sich nicht dafür
interessierte. Denn Teilnahme hatte er nur für den Stamm, dem
er selbst angehörte. Alle übrigen Stäm,me und Völker erschienen
ihm mehr oder weniger als schlecht: die Thüringer sind dumm und
feig®, die Franken falsch**, die Lothringer ganz untüchtig zum
' 1, 34 S. 27. Daß W. auch verlorene Corveysche Annalen kannte,
macht Köpke wahrscheinlich (S. 36). '
- 1, 16 S. 15. 3 i^ 14 s. 15. * I, 8 S. 6.
^ Die Stelle 1, 34 S. 28 lehrt zugleich, daß W. imstande war etwas
Sinnloses zu behaupten, um eine Phrase, die ihm gefallen hatte, zu ver-
wenden. . « Vgl. 1, 12 S. 12 f.
^ Es ist bekannt, wie verwirrt und unzuverlässig alle Nachrichten W.'s
über Personen, Ereignisse und Zustände jenseits der sächsischen Grenzen
sind, s. z. B. 1, 16 S. 15; 1, 19 S. 17; I, 29 S. 24 f.; II, 35 S. 53; II, 89 S. 56.
* Vgl. die Erzählungen von der Überlistung der Thüringer I, 4 — 7
S. 3 f., und von ihrer ganz unmotivierten Flucht II, 3 S. 39.
** 1,14 S. 15. Varia fides Francorum.
— 311 —
Krieg, unzuverlässig und ränkevoll, stets zu Neuerungen geneigt ■*,
die Britten verweichlicht und dem Kriege abhold-, um von den
Wenden ganz zu schvireigen. Wie strahlend heben sich von dieser
dunklen Folie die vielen Vorzüge des alten und adeligen Volks
der Sachsen ab^: sie sind ebenso tapfer als klug, ebenso kühn als
verschlagen; alle Welt bewundert und furchtet dieses unüberwind-
liche Volk, das nicht minder ausgezeichnet ist durch seine Körper-
kraft, als unvergleichlich durch seinen Mut und durch die Festigkeit
seines Sinnes*. Jedes Werk, das sie unternehmen, glückt, jeder
Kampf, den sie beginnen, endet siegreich^: sie brauchen nur zu
erscheinen, so wenden sich die Feinde zur Flucht ^ Wie könnte
es anders sein? sie sind ja das Volk Gottes, das umstrahlt ist von
dem Glänze und -der Herrlichkeit seines Angesichts '. So verteilte
Widukind Licht und Schatten: es entspricht dem, daß er, wenn er
von seinem Volke sprach, jegliche Kritik vergaß. Nicht nur wieder-
holte er ohne Wahl alte stolze Stammessagen, junge Lieder fahrender
1 11,15 S. 45; 1,30 S. 25; 11,36 S. 55. Die Lothringer erfreuen sich
der besonderen Ungunst W.'s. Jedoch ist gerade aus den angeführten
Stellen deutlich, daß seine abschätzigen Urteile nur Frucht seiner Stammes-
eitelkeit sind: denn je nachdem es ihm paßt, behauptet er das Entgegen-
gesetzte : die Lothringer, die I, 30 : Gens beUis prompta sind, werden II, 15 :
Genus hominum imbelle.
2 1, 8 S. 5. Das Lob der Unbefangenheit, das Ebert S. 433 W. erteilt,
scheint er mir nicht zu verdienen. Man wird kaum irren, wenn man ihn
für den befangensten unter den älteren deutschen Geschichtschreibem
erklärt. ' s i 2 S. 3.
* 1,8 S. 6; 1,9 S. 9; 1,11 S. 11 u. ö.
5 W. gibt sächsische Niederlagen nicht zu. Ein Beispiel hierfür ist
sein Bericht über das Unglück von 880, I, 16 S. 15 f. Nach Ann. Fuld. z.
J. 880 S. 94 und Hrots. Prim. Gand. v. 361 ff. S. 239 unterliegt es nicht
dem mindesten Zweifel, daß gekämpft und zwar unglücklich gekämpft
wurde; W. dagegen läßt es überhaupt nicht zum Kampf kommen. Sagen-
bildung ist das keineswegs; das beweist das Zeugnis Hrotsuiths. Ein
anderes Beispiel ist die Niederlage Asiks gegen die Böhmen, die W. nicht
leugnen kann; er schiebt die Schuld auf die Thüringer, die davonlaufen,
ohne auch nur daran zu denken, daß man das Schwert aus der Scheide
ziehen kann. Das ist ebensowenig Sagenbildung; beides ist tendentiös.
® 1, 8 S. 6 heißt es von den Pikten : Dummodo presentia eorum —
der Sachsen — procul pelluntur.
' 1,36 S. 30: Der von den durchnäßten Kleidern der Wenden auf-
steigende Dunst gibt Zuversicht Dei populo, cuius faciei claritas atque
serenitas circumfulsit illos. Der Satz ist eine, vielleicht unbeabsichtigte,
Reminiscenz an Luc. 2, 9 : Claritas Dei circumfulsit illos.
— 312 —
Spielleute ^ und einfältige Erfindungen eitler Schulmeister ''^, wenn
nur seine Sachsen dadurch erhoben wurden^, sondern er sah auch
ihnen gegenüber von jeder morahschen Beurteilung ihrer Taten ab:
offenbare Verrätereien werden, wenn sie dem Besten der Stammes
dienen, als ruhmvolle Taten erzählt*, und selbst wenn sie dem
Stamm schaden, rauben sie ihren Urhebern die Sympathie des
Geschichtschreibers nicht ganz: die Zugehörigkeit zum Sachsen-
stamm macht eidbrüchige Raufbolde zu Helden^.
Man kann sich nicht wundern, daß das geschichthche Bild,
das Widuldnd entwarf, verschoben wird. Weder von der Vergangen-
heit noch von der Gegenwart hatte er eine treifende Vorstellung.
Die nationale Einheit des deutschen Volks existierte für ihn nicht:
nur gleichsam ein Volk sind Franken und Sachsen durch die Be-
kehrung der letzteren zum Christentum geworden*. Auch die seit
Jahrhunderten bestehende politische Einheit der deutschen Stämme
war für ihn nicht vorhanden: Franken und Sachsen, Schwaben und
Baiern sind verschiedene Völker; er konnte sich ihr gegenseitiges
Verhältnis nur unter den Kategorien Herrschaft und Unterwerfung
denken. Deshalb sieht er, der selbst erzählt, wie Heinrich I. zum
König der Franken gewählt wurde '', in seiner Erhebung die Zer-
^ 1, 23 S. 21 : Ut a mimis declamaretur, ubi tantus ille infernus esset,
qui tantam multitudinem caesorum capere posset.
" Etwas anderes ist die Meinung nicht, die W. in der Schule beige-
bracht wurde, daß die Sachsen Nachkommen des Heeres Alexanders d. Gr.
seien. Von Sagenbildung ist auch hier keine Spur. W. hat die Sache ein-
geleuchtet, 1,2 u. 12 S. 3 u. 12 f.
" Ganz entsprechend sind die sinnlosen Schmeicheleien, die W. den
Gliedern des Herrscherhauses sagt. Die etwa zehnjährige Mahthild — sie
ist 955 geboren, Ann. Quedl. S. 58 — läßt er durch die strahlendste Weis-
heit geziert sein; er versichert dem Kinde, daß es als Herrin über ganz
Europa anerkannt sei, und deutet an, daß eigentlich seine Macht sich auch
über Afrika und Asien erstrecke, Praef. libr. I u. H S. 1 u. 35. Watten-
bach, GQ. I S. 366 urteilt mild und doch zu strenge, W. habe mehr ge-
schmeichelt, als die Devotion gegen das Haus der Ottonen entschuldigen
könne. Wie mich dünkt, entschuldigt ihn sein Mangel an Bildung: es ist
nicht das feine und feile Lob eines Höflings, das er spendet, sondern das
aufrichtig gemeinte Lob eines Bauern, der meint die Farben nicht dick
genug auftragen zu können.
* Die verräterische Ermordung der Thüringer I, 6 S. 5 : das Resultat
ist: Saxones clari existere; der Verrat an den Britten 1,8 S. 6; die Er-
mordung der Wenden durch Gero 11, 20 S. 47.
5 Vgl. die Schilderung des Endes Wichmanns HI, 68 f.
" I, 15 S. 15: Quasi una gens. ^ I, 26 S. 23; II, 1 S. 36.
— 313 —
Störung des fränkischen Reichs^. Dadurch wird das sächsische
Volk aus der Knechtschaft befreit und werden die Reiche der
Baiem und Schwaben den Sachsen unterworfen-. Widukind spielte
gerne mit den Worten Kaiser und Kaisertum ; aber er hatte keine
Vorstellung davon, was das Kaisertum wirklich war: Heinrich ist
für ihn so gut Kaiser wie Otto; jener wird es durch die Besiegung
der Ungarn^ und dieser ist es nicht in anderem Sinn als sein
Vater*. Deshalb war es ihm möglich, so grundverschiedene Größen
wie die jugendfrisch emporstrebende sächsische Macht und Rom auf
dem Gipfel seiner Weltherrschaft unter Augustus zu vergleichen:
er charakterisiert die eine nach der anderen: beinahe reiche Europa
nicht mehr für das Sachsenreich aus, es leide unter seiner eigenen
Größen
^ Schon bei der ersten Berührung zwischen beiden Stämmen läßt er
die Franken die Befürchtung aussprechen : Eos procul dubio esse, qui Fran-
corum Imperium qaandoque destruerent, I, 9 S. 10, und diese Weissagung
erfüllt sich natürlich: um den Untergang des fränkischen Volkes zu ver-
hindern, rät der sterbende Konrad, daß die Franken sich Heinrich freiwillig
unterwerfen. Das tut Eberhard : er übergibt sich mit allen seinen Schätzen
dem Herzog. Dann folgt die Königswahl, I, 25 f. S. 22 f. Was W. erfunden
hat, hebt sich hier mit unverkennbarer Deutlichkeit von dem ab, was
geschah. - I, 34 S. 28 u. 27 S. 23.
^ I, 39 S. 33. Auch Kail d. Gr. ist nicht in anderem Sinn Kaiser als
Heinrich; s. 1, 15 S. 15, nach welcher Stelle Karl imperator ex rege creatus
est, und die Bekehrung der Sachsen in das 30. Jahr seines Kaisertums fällt.
* in, 49 S. 74; wogegen 111,63 S. 79 f., wo die Kaiserkrönung erwähnt
werden mußte, dieselbe übergangen wird. Es ist schwer zu glauben, daß
diese seltsame Verdrehung offenkundiger Tatsachen nur Folge davon ist,
daß W. von der Nachahmung der antiken Redeweise beherrscht war,
Wattenbach, GQ. I S. 310. Die Tendenz ist doch unverkennbar: die Kaiser-
würde Karls und Ottos durfte das nicht sein, was sie war, damit Heinrich
nicht hinter beiden zurückstehe, und sie durfte nicht an Rom gebunden
sein, damit Heinrich und Otto als Sachsenkaiser erschienen.
^ 1,34 S. 28. Hier wird der Satz aus der Vorrede des Livius: Res
est praeterea et immensi operis, ut quae supra septingentesimum annum
repetatur et quae ab exiguis profecta initiis eo creverit, ut iam magnitudine
laboret sua, zu folgender Verherrlichung Sachsens benützt: Ex hoc — seit
dem Verlust der Reliquien des h. Veit — res Francorum coeperunt minui,
Saxonum vero crescere, donec dilatatae ipsa sua iam magnitudine laborant,
Und das letztere durch den Hinweis darauf begründet, daß für die Herr-
schaft Ottos nicht nur Germanien, Italien und Gallien, sondern fast ganz
Europa nicht mehr ausreiche. In der Vorrede zum 2. Buch ist das noch
weiter getrieben: jetzt erstreckt sich die Herrschaft des Kaisers wirklich
bereits nach Afrika und Asien (S. 35).
— 314 —
Es wird nicht möglich sein, die staatsrechtUchen Verhältnisse
Deutschlands und Europas sich verkehrter vorzustellen, als es
Widukind getan hat. Und doch ist sein Werk von unschätzbarem
Wert Derselbe hegt nicht nur in der Fülle anschaulicher Einzel-
heiten, die es mitteilt \ Wertvoller noch ist es durch die Gesinnung,
von der es erfüllt ist. Denn wenn man lernen will, wie sich der
poUtische Aufschwung in patriotisches Gefühl umsetzt, dann muß
man nach Widukinds Sachsengeschichte greifen. Man verzeiht
gerne die Beschränktheit des Historikers, weil jede Seite seines
Werks ein Beleg hierfür ist. Widukind lebte viel weniger in dem
im Kloster heimischen Gedankenkreise als in der Anschauung der
Größe seines Volkes. Gerade von einem Mönch sollte man ver-
muten, daß er ein Auge dafür gehabt hätte, wie wichtig das Vor-
dringen des Christentums in den wendischen Osten war. Aber
davon findet man bei Windukind nichts: nicht einmal die Gründung
der wendischen Bistümer erwähnt er. Man könnte erwarten, daß
die beginnende Klosterreform seine Aufmerksamkeit auf sich ge-
zogen hätte. Aber die einzige Stelle, an der er sie erwähnt, be-
weist nur, daß er unfähig war, sie zu verstehen und gerecht zu
beurteilen ^. Alles andere verschwindet neben dem einen Gedanken
an die mächtige Erhebung des sächsischen Stammes.
Widukinds Geschichtswerk ist der stärkste, aber nicht der
einzige Beweis dafür, daß der nationale Aufschwung die literarische
Tätigkeit in den deutschen Klöstern anregte, indem er ihr be-
deutende Gegenstände darbot. Das nächst der Sachsengeschichte
hervorragendste historische Werk der Ottonenzeit, die Fortsetzung
der Chronik Reginos ^ entsprang einer ähnlichen Stimmung. Doch
ist der Unterschied zwischen beiden Werken sehr bedeutend. Die
Portsetzung E-eginos ist fränkischen Ursprungs; man sucht ihren
Verfasser mit großer WahrscheinHchkeit in dem Mönche Adalbert
von St. Maximin, der 966 Abt von Weißenburg wurde, und den
wir als ersten Erzbischof von Magdeburg bereits kennen gelernt
haben*. So viel ärmer sein Werk an bunten Einzelheiten ist als
■^ Darauf beruht der Quellenwert Widukinds; aber unabhängig davon
muß das Urteil über seine historische Auffassung sein.
"- II, 37 f. S. 55.
3 Werra, Über den contin. Regln. 1883; Kurze, N.A. XV S. 324 flf.;
Isenbart, Über den Verf. u. d. Glaubw. der cont. Regln. 1889; Wattenbach I
S. 410 ; Ebert III S. 400.
* Giesebrechts Verniutiing hat allgemeine Billigung gefunden; auch
durch Isenbarts neue Untersuchung wird sie bestätigt. Daß Adalbert nach
— 315 —
das Widukinds, so sehr erhebt es sich über das letztere durch die
gewissenhafte Wahrhaftigkeit und die umfassende Anschauung, die
ihm eignen. Adalberts Blick umspannte das fränkische Reich in
seinem alten Umfang und in seinen alten Beziehungen zu Italien
und zu Frankreich. In denselben Anschauungen lebte der Kölner
Diakon Ruotger, der in den. gleichen Jahnen, in denen Adalbert
an der Fortsetzung der Weltchronik arbeitete, die Biographie des
Erzbischofe Brun verfaßte^.
Vertraten die beiden fränkischen Schriftsteller im Unterschied
Ton dem Partikularismus Widukinds den universalen Standpunkt,
so wurde der erstere auch in Sachsen nicht festgehalten. Schon
der anonyme Kleriker von Nordhausen, der die älteste Lebens-
geschichte der Königin Mahthild, der Stifterin des Klosters Nord-
hausen, entwarf^,* gab ihn auf: ihm ist Deutschland eine Einheit,
Herzog Otto der erste Fürst in ganz Germanien, Heinrich I. Kon-
rads Nachfolger im fränkischen Reich, durch die Erneuerung des
Kaisertums ist Deutschland erhöht^. Vollends die Verfasser der
Annalen von Quedlinburg und Hildesheim kehrten ganz .auf die
Bahn der fränkischen Jahrbücher zurück, wie sie denn auch ein
fränkisches Werk, die Annalen von Hersfeld, als Grundlage für
die eigenen Aufzeichnungen benützten. Die Literatur folgte der
Wendimg, die Otto d. Gr. der Pohtik seines Vaters gegeben hatte.
Die schwäbischen Klöster beteiligten sich nicht an dieser
historischen Literatur, die dem Ruhm des Königshauses diente.
Man sieht, daß Schwaben den Liudolfingem femer stand als
Sachsen und Franken, Doch macht sich auch in ihnen der Wieder-
aufschwung der literarischen Tätigkeit bemerklich. Man ging dabei
einfach auf den im neunten Jahrhundert eingeschlagenen Bahnen
weiter. In St. Gallen konnte man die Jahre, in denen Gerald,
der russischen Reise schrieb, scheint mir wahrscheinlicher, als daß er sein
Werk vor derselben begann.
^ Die Biographie ist dem Erzbischof Folctnar gewidmet; er war
965—967 Erzbischof; vgl. über Ruotger A. Mittag, EB. Friedrich S. 24 ff.
u. Die Arbeitsweise Ruotgers, Berl. 1896 (Progr. Nr. 50).
"^ Scr. X S. 575; vgl. Jaffe in der Einleitung zu seiner Übersetzung in
den Geschichtschreibern der deutschen Vorzeit X, 4 ; Heerwagen, in den
Forschungen VIII S. 369 ff.; Wattenbach, GQ. I S. 373; Ebert, L. d. MA. III
S. 451. Der letztere urteilt über den historischen Wert der Biographie weit
günstiger als Jaffe u. Wattenbach; ich fürchte aber, er urteilt zu günstig.
3 0. 1 u. 4 S. 575 f. Daß Baiern als selbständiges Reich betrachtet
wird, ist bei der selbständigen Stellung dieses Stammes in Deutschland
verständlich.
— 316 —
Ekkehard, Notker Pfefferkorn und Burkhard^ nebeneinander tätig
waren, wohl mit der Zeit des ersten Notker und seiner Freunde
vergleichen. Die bedeutendste Persönhchkeit scheint Ekkehard ge-
wesen zu sein; wenn man der Erinnerung an ihn, die im Kloster
fortlebte, glauben darf, einer von jenen Idealisten, die es den Ver-
ständigen niemals recht machen, die von den Gewissenlosen betrogen
werden'^, und denen es gleichwohl gelingt zu wirken. Er sowohl
wie Notker setzten durch ihre Sequenzen^ eine in St. Galten von
lange her heimische Dichtungsart fort. Daneben zeigt Notkers
Ruhm als Arzt*, daß auch die naturwissenschaftlichen Studien hier
Pflege fanden.
Die Mönche von Reichenau pflegten wie früher die Lokal-
geschichte. Es klingt wie eine Anekdote, daß der Klosterkonvent
dem Mönch Purchard den Auftrag erteilte, die Verdienste des
damaligen Abtes Witigowo in einem Gedichte ausführlich zu
schildern. Aber die Anekdote ist wahr. Purchard entledigte sich
^ Ekkeh. 74 S. 263 nennt ^ie singulares loci sui coiumnae: Ekkehardus
post doctrinaa decanus, Notkerus quem pro severitate disciplinarum Pipeiüs-
Granum cognominabant, doctor pictor medicus, Geraldus ab adolescentia
usque senilem vitae finem semper scolarum magister, Burchardus, post
abbas, praeter singulares scientiae et virtutum dotes nobilitate qua et ceteri
pollebant regalis. - Vgl. bes. c. 80 S. 280; 86 f. S. 305 ff.
3 Ekkehard nennt c. 80 S. 283 als von Ekkehard I. gedichtet die
Sequenzen Prompta mente canamus auf die h. Dreieinigkeit, Summum prae-
conem Christi auf Johannes d. T., Qui benedici cupitis auf Benedikt, A solis
occasu auf Columba, gedruckt bei Kehrein, Lat. Sequenzen d. MA. Nr. 138,
850. 513, 539; Qui benedici cupitis in deutscher Übersetzung bei Schubiger,
D. Sängerschule St. Gallens S. 74, A solis occasu lateinisch mit der Melodie
ib. Exempla Nr. 48; Antiphonen und eine Sequenz auf die heilige Afra, die,
wenn erhalten, sich nicht mehr nachweisen lassen; die Hymnen 0 martyr
aeterni patris (Migne 87 S. 48; hier Confessor aet. p.), Ambulans Hiesus
und Adoremus gloriosissimum, die beiden letzteren, wie es scheint, nicht
erhalten. Außerdem gehöi't ihm die Sequenz Concurrite huc auf den Apostel
Paulus (MüUenhoff und Scherer, Denkmäler II S. 108 f.). Daß die Sequenz
Christo, regi regum auf Constantius von Perugia (Kehrein Nr. .HO) Ekkehard
angehört (Schubiger S. 75), ist nur eine Vermutung. Schubiger bemerkt
S. 74, daß nur die Texte der Sequenzen von Ekkehard stammen; er legte
sie Melodien Notkers unter. Notker dem Arzt schreibt Ekkehard c. 123
S. 395 den Hymnus auf Othmar Rector aeterni (Schubiger, Exempla Nr. 44)
und den auf die Jurfgfrau Ymnum beatae virgini zu.
•» Ekkehard bezeichnet ihn wiederholt als Arzt, 74 S. 263; 78 S. 273;
92 S. 337; er erwähnt, daß er in medizinischen Büchern belesen gewesen
sei, c. 123 S. 400, vgl. die Anmerk. Meyers v. Knonau. Auch die St. Galler
Annalen bezeichnen ihn als Arzt, Scr. I S. 80 z. 975.
— 317 —
der etwas heiklen Aulgabe nicht ohne Geschick: er wußte den Abt
zu loben, ohne geradezu m die Rolle des Schmeichlers zu verfallen.
Ja man könnte vermuten, daß sein Lob schließlich nur den Zweck
hatte, dem Abte die unerwünschten Bitten, die er ihm namens der
Brüder vortrug, zu versüßend
Das bedeutendste schwäbische Literaturdenkmal dieser Zeit
ist in x^ugsburg entstanden; es diente ebenfalls der Lokalgeschichte;
es ist des Dompropstes Gerhard " Biographie Udalrichs. Wie rasch
die literarischen Ansprüche wuchsen, zeigt dieses Werk; denn so
sehr man den Wert sejnes Inhalts anerkannte, so genügte es doch
bald den gesteigerten Anforderungen in bezug auf Glätte der Form
nicht mehr. Schon Bischof Gebhard, der vierte Nachfolger Ulrichs,
hat es überarbeitet ^
Eine Heimat kirchenrechtliche'' Arbeiten war schon in der
ausgehenden Karolingerzeit Lothringen. Dort hatte Regino von
Prüm im Anfang des zehnten Jahrhunderts sein Werk de synoda-
hbns causis geschrieben"*. Man bHeb auch später diesen Studien
treu. Unter der Regierung Heinrichs I. stellte Ruotger von Trier
ein klemes kirchen rechtliches Handbuch für den Gebrauch in seiner
Diözese zusammen. Es wurde von einer Trierischen Provinzial-
synode gebilligte In den letzten Jahren Ottos I. bearbeitete ein
Mönch von St. Maximin eine umfassende Sammlung kirchenrecht-
Mchen Stoffs: er legte ihr einen Auszug aus Pseudoisidor und
Reginos ebengenanntes Werk zugrunde, benützte aber auch Pseudo-
isidor selbst, die Briefe Hrabans und andere ältere Quellen, daneben
zeitgenössische Urkunden: die Akten der Synoden von Koblenz
^ Witigowo war v. 985 — 997 Abt, s, Herim. Aug. z. d. J. Danach be-
mißt sich die Abfassungezeit des Scr. IV S. 621 gedruckten Gedichts.
Purchard schreibt an den Konvent, er wundere sich, cur me ad tarn sub-
lime opus scribendum eligere dignaremini. Vgl. über den lückenhaften
Text Brandi in seiner Ausgabe des Galius Oehem S. 25 u. 74.
- Der Verfasser der vita nennt sich nicht; doch wird handschriftlich
ein Priester Gerhard als Verfasser genannt, s. die Proleg. von Waitz S. 377.
Daß er identisch, ist mit dem Gerardus praepositus, mit dem Udalrich
interdum dulci eloquio fruebatur, c. 26 S. 411, liegt auf der Hand.
» S. die Vorrede Gebhards Scr. IV S. 381.
* S. Bd. n S. 664.
^ Überschrift der Leidener Handschrift : Incipit epist. domni Rotgeri . .
ad universos presbyteros ecclesiae sibi commissae; sie enthält 28 can., ist
aber unvollständig und noch ungedruckt, s. Pertz, Arch. VII S. 813. Gesta
Trev. 29 Scr. VHI S. 168: Habito Treberi cum suffraganeis episcopis ac
reliquo clero generali concilio librum canonicorum decretorum sua industria
compositum in medium protulit atque firmavit.
— 318 —
und Ingelheim und des römischen Konzils unter Johann XII.
i. J.964\
Gleichfalls in Lothringen ist die Heimat des ältesten Fabel-
gedichts des deutschen Mittelalters, der Ecbasis captivi. Das im
Kloster St. Aper in Toul entstandene Werk ist nicht nur um seines
Vorwurfs willen literaturgeschichtlich merkwürdig; nicht minder
interessant ist es als Parallele zum dialogus confessionalis Rathers.
Denn der Touler Mönch, der in ihm spricht, schildert in der Fabel
von der Flucht, der Gefährdung und der Eettung des Kalbes
eigene Erlebnisse. Wie durch einen Schleier läßt er das streng
geregelte, gegen die Außenwelt abgeschlossene Leben ia einem
Reformkloster sehen und den harten Kampf ahnen, den es starken
Naturen kostete sich drein zu fügen ^.
Schließüch kam das neuerwachende üterarische Interesse auch
der Theologie zugut. Im letzten Viertel des zehnten Jahrhunderts
hat man wieder einige Arbeiten zu verzeichnen, die als theologische
Werke betrachtet werden können. Eine Paraphrase des 50. Psalms
wird dem Bischof Wolfgang von Regensburg zugeschrieben^. Sie
erinnert wenig an die aus den patristischen Werken zusammen-
getragenen exegetischen Schriften des neunten Jahrhunderts; denn
sie ist ganz ein Werk des frommen Gefühls. Der Psalm wird
nicht erklärt, sondern der Verfasser spricht die Empfindungen aus,
welche durch die Bekenntnisse Davids in ihm wachgerufen sind:
die im Psalm angeschlagenen Töne klingen fort, werden mannig-
fach moduliert und schheßlich wieder zusanunengefaßt in den Worten
des Textes. Ist die Paraphrase wirklich ein Werk des Regens-
burger Bischofs, dann ist sie nicht unwichtig; neben den Bekennt-
nissen Rathers und dem Suspirium Erkenbalds* dient sie zum
1 Weiland in d. Ztschr. f. KR. 1885 S. 99 ff. Sdralek, Wolfenbüttler
Fragm. S. 86 ff.
« Voigt, Ecbasis captivi, Straßburg 1875; vgl. Ebert, Lit. d. MA. III
S. 276 ff. Gegen die Entstehung in St. Aper hat sich Zarncke in den Ber.
der Sachs. Ges. d.W. 1890 S. 115 ff. erklärt; er denkt an Etival. Allein
seine Annahme, daß dort regulierte Chorherren hausten, ist nicht zu be-
weisen; die Urkunde, auf die er sie stützt, Dipl. I S. 599 Nr. 443, ist eine
Fälschung. Auch sind v. 55 ausdrücklich monachi genannt. Begründeter
scheint mir Z.'s Bedenken gegen die Gefangenschaft des Dichters S. 119 ff.
^ Pez, Thes. aneed. II, 1 S. 13 ff. Über die Authentie des Werkes
bin ich nicht sicher. Denn daß Bischof Wolfgang der Verfasser sei, ist nur
eine Annahme von Pez. Die erst dem 15. Jahrhundert angehörige Hand-
schrift (Cod. lat. Mon. 14871) hat nur die Überschrift: Wolfgangi oratio
super Miserere. Der Inhalt bestätigt die Annahme nicht, schließt sie aber
meines Erachtens auch nicht aus. * S. u.
— 319 —
Beweise dafür, daß jene Erregung des Gemütslebens, die im elften
Jahrhundert überall hervortritt, in ihren Anfängen in die Ottonen-
zeit hinaufreicht.
Man kann eine ähnliche Bemerkung nach einer zweiten Seite
hin machen. Auch die Wendung von der ausschließlich repro-
duzierenden Tätigkeit in der Theologie ' zu der scholastischen Be-
handlung der theologischen Probleme sieht man sich anbahnen.
Eine unsichere Spur bietet das Schicksal des Schulmeisters Rihkarius.
Er wurde wegen seiner Behandlung des trinitarischen und christo-
logischen Dogmas verketzert; wie es scheint, betonte er das Mensch-
lische in Christo stärker oder anders als es üblich geworden war.
In einem Brief an Bischof Abraham von Freising verteidigte er
seine katholische Rechtgläubigkeit mit großem Nachdruck; um die
Sache zur Entscheidung zu bringen, machte er den Vorschlag einer
Disputation mit seinem Ankläger. Wir wissen nicht, was daraus
geworden ist\ Eine bestimmtere Vorstellung gibt der anonyme
Traktat über den Leib und das Blut des Herren ^. Sein Verfasser
^ Der Brief ist von Dömmler, N.A. XXVII S. 503 f., bekannt gemacht.
Zitiert wird das Carmen paschalo des Sedulius und der dem Boethius zu-
geschriebene Traktat de fide cathol. (s. über diesen Rand in d. JB. f. class.
Phil. SBd. 26 S. 401 ff.). Die Stellen hat Dümmler nachgewiesen. Hinzu-
gefügt mag werden, daß der Satz S. 505: Aliam personam patris etc. aus
dem s.g. Athanas. Symbol stammt. Der gegen Rihkarius erhobene Vorwurf
war, quod eum abnuerem, quem a primaevo flore iuventutis ultra omne
quod dicitur aut^quod colitur Deus colui dilexi semperque desideravi ut
factorem terrestrium caelestiumque creaturarum. Rihkars Brief ist zwischen
966 u. 989 geschrieben, s. Dümmler S. 404; unter den Gedichten Froumunds
aus der Zeit Gotahards (1001 — 1002) findet sich die Grabschrift eines
Rihkerus (carm. 24 Ztschr. f. deutsche Phil. XIV S. 422). Sollten beide
identisch sein? Wir würden dann den Todestag wissen, 9. Juni. Die
Identität ist nur eine Möglichkeit, aber bemerkt mag doch werden, daß
man in Tegernsee sich für, Boethius interessierte, Froum. ep. 16 S. 1290,
und das Carmen paschale besaß: Froumund war damit vertraut, s. Schepß,
Z. f. d. Phil. XV S.423. Daß in Baiern in dieser Zeit Fragen der Christo-
logie besprochen wurden, zeigt auch Othl. V. Wolfk. 28. Nach dieser Er-
zählung hatte Wolfgang einen Streit mit einem theolog. Gegner, der den
Satz verfocht: Si verbum, non est factum, aut si factum, non est verbum.
2 Der Traktat wird entweder Gerbert oder Beriger von Laubach bei-
gelegt. Das letztere war bekanntlich die Behauptung Mabillons. Im Wider-
spruch gegen ihn hatte Pez die Autorschaft Gerberts behauptet auf Grund
dessen, daß ein Codex von Göttweih ihn als Verfasser nannte, und daß der
Stil, sowie das ingenium dialecticum et mathematicis disciplinis imbutum
diese Bezeichnung bestätige (Thes. I S. LXIX f.). Man ist lange über das,
was die beiden gelehrten Mönche sagten, nicht hinausgekommen. Ich hatte
320
steht wie die Älteren grundsätzlich auf dem traditionalistischen
Standpunkt: was er vorbringt, gibt er nicht als Produkt der eigenen
in der ersten Aufl. dieses Buchs die Hypothese Mabilions als unwahrschein-
lich bezeichnet, da das, was Sigibert de scr. eccl. 137 S. 577 u. Gerhard
von Silva maior Vita Adal. praef. Migne 147 S. 1047 über eine Schrift
Herigers über das h. Abendmahl sagen, schlecht auf unseren Traktat passe.
Dieses Urteil ist inzwischen durch die Entdeckung der Schrift Herigers be-
stätigt worden. Sie ist in dem Cod. 909 der Genter Universitätsbibliothek
enthalten, s. Dümmler, N.A. XXVI S. 755 f. Es erwies sich zugleich,
daß Sigibert irrte, indem er Heriger gegen -Radbert schreiben ließ; er
schrieb vielmehr gegen Ratramnus. Dadurch ist Mabilions Vermutung
beseitigt. Auch die Meinung von Pez, die in Picavet einen Vertreter hat,
8. S. 109, steht auf schwachen Füßen: die Autorität seines Göttweiher Codex
ist nicht allzugroß: er ist nicht gleichzeitig. Die Verweisung auf die dia-
lektische Richtung führt auch nicht zum Ziel ; denn Gerbert war nicht der
einzige Dialektiker dieser Zeit. Die Gleichheit des Stils endlich scheint
mir mindestens fraglich. Dagegen fällt gegen Gerbert entscheidend ins
Gewicht die Methode des Zitierens aus der h. Schrift. Sieht ma>n von den
Stellen ab, in denen Gerbert nur auf Schriftstellen anspielt oder sie ver-
wendet, so zitiert er meistens wörtlich, s. Havet S. 23 Jes. 11, 10; S. 29
Jes. 33, 1; S. 49 Koh. 4,12; S. 125 Ps. 36, 35 f.; S. 148 Koh. 3,1; S. 195
Ps. 108, 18; S. 209 1. Thess. 5, 21; S. 210 Ga. 3, 19 u. 21, Ro. 7, 12;
S. 220 Ro. 13, 4; S. 225 2. Sam. 1, 16 u. ö. Verändert er, so sieht man
doch deutlich, daß er den Wortlaut der Vulgata im Sinne hatte. S. 221 :
Oportet Deo obedire magis quam hominibus, für : Obedire oportet Deo etc.
Ib.: Si quis vobis adnuntiaverit praeter quod accepistis etiam angelus de
coelo, anathema sit, zusammengezogen aus Ga. 1, 8 u. 9. Ib.: Transgredi-
mini mandatum Dei, ut tradicionem vestram scatuatis, zusammengezogen"
aus Mt. 15, 3 u. Mc. 7, 9. Nur selten ist ein der Vulgata fremdes Wort
dabei verwandt wie im letzteren Fall statuatis für servetis und S. 220 bei
1. Ptr. 2, 14 malefactorum für malorum. Dagegen zitiert der Verfasser des
Traktats selten wörtlich; fast immer wandelt er die Stellen um und zwar
so, daß man sieht, es schwebte ihm der Sinn, nicht aber der Wortlaut der
Stellen vor der Seele. Er sagt S. 278: Aperi os tuum et ego adimplebo-
illud, für: Dilata os tuum et implebo illud; ib.: Nimium noli scrutator esse
maiestatis, ne a gloria opprimaris, für: Qui scrutator est maiestatis, oppri-
metur a gloria. S. 286: Producat terra animalia in species suas, für: Pro-
ducat terra animam viventem in genere suo, u. dgl. Die Verschiedenheit
ist so groß, daß der Verfasser des Traktats und der der Briefe unmöglich
identisch sein können. Ich halte demnach auch die Annahme von Pez für
unrichtig; nur so viel scheint mir festzustehen, daß der Verfasser in Deutsch-
land zu suchen ist. Er setzt voraus, daß seinen Lesern bekannt ist, daß
der Mainzer Hraban Erzbischof, und Eigil Abt von Prüm war, während er
Heribald als Bischof von Auxerre, und Radbert als Abt von Corbie au
bezeichnen für nötig achtet; von Ratramnus weiß er selbst nichts; er ist
— 321 —
Forschung^; er läßt sich durch die Autoritäten der früheren Zeit
unterweisen^. Da er aber von der Voraussetzung ausgeht, daß
solche Männer nicht wirklich verschiedener Meinung sein können ^
so entsteht für ihn angesichts der verschieden lautenden Aussagen
die Aufgabe, sie dialektisch zu vermitteln. Das gelingt ihm auch:
er gibt nicht zu, daß in der alten Kirche verschieden über das
Abendmahl gelehrt wurde; denn es ist sowohl Sinnbild als Wirk-
lichkeit^; er leugnet, daß der Satz des Hieronymus: Duphciter
sanguis Christi et caro intelligitur : vel spiritalis atque divina, de
qua ipse dicit: Caro mea vere est cibus, vel caro quae crucifixa
est et sanguis qui mihtis effusa est lancea, und der angebhche
Ausspruch des Ambrosius: Quod non aha plane sit caro quae
sumitur de altari quam quae nata est de Maria virgine, sich wider-
sprechen: denn auf das Wesen gesehen sei der eucharistische Leib
des Herrn identisch mit dem historischen, auf die Erscheinung ge-
sehen sei er verschieden ^ Auch die Anwendung von Matth. 15, 17
auf den im h. Abendmahl genossenen Leib des Herrn wird durch
eine dialektische Distinktion ausgeschlossen: Christus spricht hier
nicht von der geistlichen, sondern von der leiblichen Speise^. Man
begreift des Verfassers Freude an der Dialektik; er meint, sie sei
keine menschliche Erfindung, sondern von Gott selbst in den Dingen
ihm quidara. Werners Behauptung, daß der mehrfach zitierte sapiens qui-
dam der Verfasser der epistola ad Egilonem sei, Gerbert S. 166, ist irrig:
keine der vier Stellen c. 1, 4, 8, 9 findet sich in dem Brief; im Gegenteil
besteht Mabillons Nachweis, daß der Traktat gegen jenen Brief gerichtet
und der letztere also von Hraban verfaßt ist, völlig zu recht; vgl. tract. 1
u. ep. 2, tract. 8 u. ep. 6.
1 C. 9 S. 290: Totum quod diximus, non ex nostro sumpsimus.
2 Q 7 s 286 : Et nos aliquando, antequam tantorum virorum, Cyrilli
dico et Hilarii, auctoritatibus instrueremur, hanc . . sanctorum, quae poste-
rioribus visa est, discrepantiam alicuius dialectici argumenti sede absolvere
meditabamur. " C. 1 S. 280.
* C. 4 S. 283. Er verwirft die Alternative : Aut omniuo figuratum et
nihil veritatis in hoc mysterio constare, aut si veritas sit, iam figuram non
esse, und behauptet: Figura est, dum panis et vinum extra videtur; veritas
autem, dum corpus et sanguis Christi in veritate interius creditur.
5 C. 5 S. 284. Durch einen Ausspruch Cyrills solvitur ambiguum omne,
quod b. Ambrosius dimisit in sabauditione, naturaliter sc. camem Christi,
quae sumitur de altari, eandem fore, quae nata est de virgine. Et idcirco
si secundxnn Hieronymum dupliciter . . dicatur corpus Christi . ., speciaüter
debeat dici, cum sit naturaliter unum. ^ C. 9 S. 289.
Hauek, Kirchengeschichte. III. ^l
— 322 -
geschaffen und von den Weisen nur entdeckt \ Hand in Hand
mit der dialektischen Lösung theologischer Schwierigkeiten geht das
Bestreben, die Lehrsätze möghchst genau zu formulieren-, auch
dies eine Frucht der dialektischen Behandlung der Theologie,
Während die genannten Schriften vorwärts weisen, blieben
andere Werke des ausgehenden zehnten Jahrhunderts im wesent-
lichen auf dem Boden der karolingischen Theologie stehen. So
die Schrift über die Tugenden, welche der Einsiedler Albuin dem
Erzbischof Heribert von Köln widmete^. Liest man die Vorrede,
so wundert man sich über das Selbstbewußtsein dieses Schrift-
stellers: denn er versichert, es gebe kein Buch, das schneller zu
den himmlischen Schätzen führe als das Seine. Aber es spricht
nicht Stolz auf die eigene Leistung aus diesen Worten, sondern
die Bewunderung für die Werke der Vorzeit; denn Albuin hatte,
was er schrieb, aus den Schriften der Väter geschöpft. Um die-
selbe Zeit mag der Diakon Adalbert von Metz seinen Auszug aus
den Moralien Gregors zusammengestellt habend Er wollte den
Gredankengehalt des vielgerühmten Buchs solchen darbieten, denen
das Original nicht zugänglich war^.
Lidem in dieser Weise die literarische Tätigkeit wieder einsetzte,
erweiterte sich zugleich der Kreis der für sie Empfänglichen. Zeuge
dafür ist das unverkennbare Aufblühen des Schulwesens, das seit
der Mitte des Jahrhunderts eintritt. Nicht nur die Zahl der Schulen
scheint sich zu vermehren, sondern besonders wuchs die Energie, mit
der man sich den Studien hingab. Von keinem zweiten Punkt sind in
dieser Hinsicht so viele Anregungen ausgegangen als von St. Gallen.
An den verschiedensten Orten: in Mainz und Stiaßburg, in Speier
und Lüttich, in Altaich und Salzburg begegnet man Schülern des
schwäbischen Klosters. In der fränkischen Metropole wirkte während
1 C. 7 S. 286. Vgl. c. 10 S. 291 : Sed iam forti syllogismo, quod prae-
misimus, concludamus. ^ Vgl. c. 8 S. 288.
3 Die Vorrede Mign. 138 S. 185 f. Der Traktat selbst ist mit Aus-
nahme eines Abschnitts, Z. f. d. Altert. X S. 265 — 270, ungedruckt. Der
erste Herausgeber der Vorrede, Marteae, entnahm sie einer Handschrift der
Bibliothek der Regularkanoniker zu Tongern. Eine Berliner Handschrift
gibt das Buch mit einer Widmung an den Pariser Kanoniker Arnold, s.
Rose, Lat. Meermanhandschriften S. 108 Nr. 58. Der Kompilator benützte
außer älteren Werken Adsos Schrift de antichristo.
* Auch von dieser Schrift hat Martene die Vorrede veröffentlicht, die
bei Mign. 186 S. 1309 wiederabgedruckt ist. Der Zeitansatz ist ganz unsicher.
* S. 1811: Forsitan copia, ut plerisque in locis assolet, deest librorum.
Diese Bemerkung vreist auf das 10. Jahrh.
— 323 —
der letzten Zeit seines Lebens Ekkehard IL; er ist in St, Alban
gestorben \ Nach Straßburg berief Bischof Erkenbald^ den ge-
blendeten Mönch Viktor; der vordem so gewalttätige Mann war
mit dem größten Erfolg als Lehrer tätig; man hat ihn im Elsaß fast
wie einen Heiligen verehrt^. In Speier wurde 970 Balderich, der
ebenfalls in St. Gallen Mönch gewesen war, Bischof; er hat selbst
an der Domschule unterrichtet, und wenn die Dankbarkeit der Schüler
ein Beweis für die Tüchtigkeit des Lehrers ist, so darf man in ihm
einen hervorragenden Lehrer erblicken*. In Lüttich hatte Bischof
Evraker, ein Schüler Bruns, die gelehrten Studien heimisch gemacht*^;
in dem St. Galler Probst Notker erhielt er einen trefflichen Nach-
folger^, der das, was er begonnen hatte, zur schönsten Blüte führte.
Ihn zeichnete jene methodische Gründlichkeit aus, die für nichts so
notwendig ist wie für Sprachstudien'; zugleich erweiterte er den
Kreis des Unterrichts, indem er durch die Aufnahme des Calabresen
Leo das Studium der griechischen Sprache möglich machte^. Die
^ Er starb 990, Ann. Sang. mai. S. 81. Grabschrift bei Dümmler,
Ekkehard in Z. f. d. A. XIV S. 48 Nr. 11; vgl. Ekkeh. Gas. 89 S. 318 mit
der Anm. Meyers v. Knonau.
• 965—991, Cont. Regin. z. J. 965 S. 176; Annal. necr. Fuld. S. 206.
3 Ekkeh. Gas. 78 S. 273 ff. Indes bezweifelt Meyer v. Knonau z. d. St.
die Glaubwürdigkeit der Nachricht.
* Balderich stammte aus Seckingen, s. Walther, Vita et pass. Christoph,
ed. Harster prol. v. 30 S. 6. Walther ruft I v. 251 — 255 eine Anzahl Heilige
an, die als Patrone Balderichs zu betrachten sind, wie Harster richtig be-
merkt : Maria, die Heilige des Speierer Doms, Fridolin und Gallus als seine
heimischen Beschützer; endlich Hilarius und Leo. Harster irrt jedoch darin,
daß er bei Hilarius an den Bischof von Arles denkt; es ist vielmehr an
Hilarius von Poitiers zu denken, dessen Verehrung ja nach der Legende
durch Fridolin an den Oberrhein verpflanzt wurde, und dem die Seckinger
Kirche geweiht war. Daraus ergibt sich, daß Hilarius nicht als Schützer
des Dichters, sondern ebenfalls als Patron des Bischöfe genannt ist. Wie
Leo in diese Reihe kommt, weiß ich nicht zu deuten.
5 Gest. ep. Leod. II, 24 Scr. VII S. 201; Vit. Balder. 18 Scr. IV S. 731:
Qui primus in hac urbe studium et religionem iniciavit; Bf des Verf. der
Vit. Dunstani an EB. Aethelgar von Ganterbury bei Stubbs, Memorials of
S. Dunstan S. 386 f.: Qui. peritiae panem non solum mihi, ast mecum pluri-
mis ministravit.
6 Ann. flild. z. 1008 S. 30; vgl. Gest. ep. Leod. 11,25 S. 203. Über
eine verlorene Vita Notkeri s. Wattenbach, GQ. I S. 425.
' Gest. n, 28 S. 205.
9 Ghron. s. Laur. 10 Scr. VHl S. 266. Vielleicht darf man eine Frucht
seiner Tätigkeit darin erblicken, daß man sich in Stablo die Werke Gregors
21*
— 324 —
Erfolge waren glänzend : aus den verschiedensten Gegenden strömten
lernbegierige Schüler nach Lüttich ^; sie trugen den Ruhm der
Schul^ in ihre Heimat zurück; mehr noch diente es ihrem Ansehen,
daß zahlreiche Schüler Notkers in den deutschen Episkopat ein-
traten: die Lütticher Bischofsgeschichte zählt sieben Bischöfe in
Ober- und Niederdeutschland auf, die aus seiner Schule hervor-
gingen^. In Baiem beteiligte sich der St. Galler Mönch Chunibert
an dem Bemühen, die durch die Ungamverwüstung zugrunde ge-
richteten Schulen wieder in Flor zu bringen; er ging schon unter
Herzog Berhthold als Lehrer nach Salzburg, übernahm sodann für
einige Zeit die Leitung von Altaich, kehrte aber schließlich nach
St. Gallen zurück^. Seine Tätigkeit war weder in Altaich noch
in Salzburg vergeblich; an beiden Orten blühte die Schule fort.
Die Salzburger hatte unter Erzbischof Friedrich an Liudfrith einen
namhaften Leiter; in der gleichen Zeit wirkte in Altaich der
Priester Udalgis*.
Man kann leicht bemerken, wie der Unterricht und das litera-
rische Literesse Hand in Hand gingen. Ein Beispiel ist Erken-
bald von Straßburg. Er liebte die Bücher und war urteilsvoll
genug, daß er Wert darauf legte, Werke mit gutem Text zu be-
sitzen: er selbst hat die Revision der Texte vorgenommen '^. An
dem was andere hervorbrachten, vermochte er sich offenen Sinnes
zu freuen: Gerald hat ihm das Walthariuslied seines Schülers
Ekkehard gewidmet^. Aber er war auch imstande, das, was ihn
bewegte, zu Papier zu bringen. Wenn die kurze Betrachtung, die
von Nazianz in lat. Übersetzung zu verschaffen wußte, s. Wattenbach,
Schi-iftwesen S. 281. ^ Gest. ep. Leod. 40 S. 210 f.
- Ib. 29 S. 205 f.: Günther von Salzburg, Ruothard und Erlewin von
Kamerijk, Heimo von Verdun, Hezilo von Toul, Adelbold von Utrecht,
Durand von Lüttieh. Als Schriftsteller war von diesen Männern nur Adel-
bold tätig. Von Günther ist handschriftlich ein sermo in purificatione vor-
handen, s. Wattenbach, GQ. I S. 454 Anm. 1.
3 Über ihn Ekkehard Gas. 91 S. 333 u. 127 S. 411 mit den Anmerk.
Meyers v. Knonau, und Hermann von Altaich Scr. XVII S. 373; bei Ekkeh.
ist statt Berhthold irrig Herzog Heinrich genannt.
* Godehard von Hildesheim hat den Unterricht beider genossen, Vita I
Godeh. 2 u. 6 S. 171 f. Zu den Schülern des Udalgis gehörten auch Thiet-
rich II. von Minden, c. 8, und wahrscheinlich Piligrim von Passau, s. oben
S. 164.
5 Vgl. die von Wattenbach, Schriftwesen S. 281, mitgeteilten Verse
aus einer Handschrift der Ap.G. u. der ap. Briefe.
8 S. Bächtold, D. Litt. d. Schweiz S. 44.
— 325 —
unter der Aufschrift suspirium Erkenbaldi auf uns gekommen ist^,
seinen Namen mit Recht trägt, so waren ihm ähnliche Stimmungen
und Reflexionen, wie wir sie bei Rather kennen lernten, nicht
fremd. Die lateinische Sprache beherrschte er so weit, daß er seine
Gedanken in metrische Form kleiden konnte: das zeigen seine Epi-
gramme^. Man wird die stilistisch nicht ungeschickte Biographie
des alten Bischofs Arbogast als Frucht seiner und Viktors Tätig-
keit betrachten dürfend Balderich von Speier hat nichts geschrieben;
aber er wußte anzuregen. Wie er es von St. Gallen her gewöhnt
war, ließ er seine Schüler metrische dictamina ausarbeiten. So gab
er einer Verwandten, namens Hazecha, die er unterrichtete, die
Christophoruslegende zur Bearbeitung. Die junge Nonne löste die
Aufgabe; aber ihre Schrift ging durch die Nachlässigkeit des
bischöflichen Bibliothekars verloren. Damals besuchte ein geweckter
Knabe aus Speier, Walther, die Domschule. Es ist ein hübsches
Bild, das wir von dem Verkehr des Bischofs und seiner Umgebung
gewinnen: Hazecha erkrankte in Speier; der Bischof sandte der
Kranken zum Trost ab und zu den Knaben zu ihr, um ihr den
bischöflichen Segen zu überbringen; freundlich lohnte sie ihm die
Mühe durch ein kleines Geschenk, ein paar Trauben oder ein
Vögelein*. Diesen Walther forderte Balderich, als er herange-
wachsen war, ebenfalls auf, das Leben und den Tod des Christo-
phorus zu bearbeiten ^ Sein Werk ist erhalten. Freilich ist es
mehr ein Beweis tüchtiger Schulbildung^ als poetischer Begabung.
^ Mign. 137 S. 583. Ich finde in dem kurzen Stück keinen sicheren
Anhaltspunkt weder für noch gegen die Autorschaft Erkenbalds. Bedenken
erwachsen nur daraus, daß wir von Sermonen des EB. Erchanbald von
Mainz hören, Becker, Catalogi Nr. 52; das Stück könnte daraus ge-
nommen sein.
2 Bei Böhmer, Fontes III S. 1—4; vgl. Hegel, Chron. d. d. Städte VIII
S. .48 f.
^ Über die Vita s. Bd. I S. 335 Anm. 3. Sie geht unter dem Namen
des Bischofs Utho. Allein die Annahme, daß er der Verfasser sei, ist nur
eine Möglichkeit, die durch die Biographie weder bestätigt, noch widerlegt
wird. Ziemlich sicher ist nur, daß der Verfasser ein Straßburger war. Die
stark hervortretende Marienverehrung, c. 5 S. 1005, spricht mehr dafür,
daß er dem beginnenden 11. als dem 10. Jahrhundert zuzuweisen ist. -
* Walth. ep. ad Hazech. S. 102 f.
5 Walther vollendete sein Werk, cum primum regne succeesit tertius
Otto, VI V. 268 S. 101; vgl. Ebert, L. d. MA. III S. 833 ff.
^ Aus Praef. v. 91 ff. S. 13 kann man schließen, daß unsere Legende
nicht das einzige Werk war, das von einem Schüler der Domschule be-
arbeitet wurde.
— 326 —
Doch ist es auch deshalb von Wert, weil es zeigt, daß an der
Domschule zu Speier die theologische Unterweisung nicht vernach-
lässigt wurde: es liegt theologische Reflexion in dem, was Walther
über die Bedeutung des Werkes Christi sagt^.
Ahnlich wie Balderich scheint auch Notker von Lüttich nichts
selbst geschrieben zu haben ^. Aber auch er regte an: die Namen
Herigers und Folcwins sind mit dem seinen untrennbar verbunden.
Von den Schriften des ersteren wollen einige als Notkers geistiges
Eigentum betrachtet sein ^. Der letztere schrieb die Klostergeschichte
von St. Bertin, schon ehe Notker nach den Niederlanden kam;
aber in der Geschichte der Abte von Laubach unterläßt er nicht,
den Aufschwung des geistigen Lebens zu schildern, der unter
Notkers- Pontifikat eintrat^.
In demselbem Geiste wie diese Schüler St. Gallens wirkten
überall andere Männer: in Köln knüpft sich der Aufschwung an
den Namen Bruns^; nach Trier berief Erzbischof Heinrich zur
Leitung der Domschule seinen Freund Wolfgang, der in Reichenau
und Würzburg Genosse seiner Studien gewesen war. Sein Talent
und seine Gewissenhaftigkeit bewährten sich in dieser Stellung auf
das beste ^. In Mainz scheint die Domschule alter, gefestigter
Ordnungen sich erfreut zu haben ''; die Tätigkeit eines Mannes wie
^ Vgl. die Predigt des Engels vor der Taute des Christophorus, II v.
60 ff. S. 39 ; vgl. III V. 206 ff. S. 80 f.
2 Daß weder die Gesta episc. Leod. noch die vita Landoaldi und die
vita Remacli von Notker geschrieben sind, hat Köpke Scr. VII S. 135 ff.
gezeigt. Man hat dann aber auch zu zweifeln Ursache, ob die vita Hadalini
ein Werk Notkers ist. Allerdings gibt er sich c. 7 S. 1145 (Migne 139)
deutlich als Autor zu erkennen. Aber er hat ja auch seine Briefe nicht
selbst geschrieben, s. Holder-Egger z. transl. Landoaldi Scr. XV S. 599.
^ Das zeigen die Widmungsbriefe der vit. Remacli u. Landoaldi.
* Gest. 29 ff. Über den angeblichen Katalog der Laubacher Biblio-
thek unter Folcwin s. Gottlieb S. 280 f.
5 Vit. Deoder. 2 Scr. IV S. 464.
^ .Vit. Wolf k. 7 S. 528 : In quo labore nihil lucri, nihil mercedis sibi
mote saeculari exhiberi voluit, sed ut alios lucrifaceret, decrevit operari.
. . Sicut disoipulis eins narrantibus audivimus, adeo se temperavit inter
alumnos, ut, cum quibusdam capacioribus artium vel auctorum difficilia
quaeque et profunda enodaret, mox ad idiotas simplicioresque se vertens
et nutricis more quasi lacteum historiae cibum praecoquens suppeditaret.
' Er spricht in der für die Kenntnis des Schulwesens dieser Zeit
wichtigen TJrk. Guden. Cd. I S. 352 ff. Nr. 129 v. 28. Apr. 976 von der lau-
dabilis censuetudo ecclesiae Moguntiensis (S. 355).
— 327 —
Willigis konnte nur fördernd wirken^: wir erfahren aus der metrischen
Aufschrift eines Augustinkodex, daß er das Werk De civitate Dei
abschreiben Heß und den Text selbst mit den Domschülern emen-
dierte^ Auch bei der Organisation der Stiftsschule zu Aschaffien-
burg^ bewährte er seine Energie wie seine Einsicht. Hildesheim
hatte an Otwin, einst Mönch in Reichenau, einen tüchtigen Bischof,
der den Wert der Bildung zu schätzen wußte: die Begründung
einer ansehnlichen Bibliothek ist sein Verdienst^. Die Leitung der
Schule lag in der Hand des trefflichen Thangmar^. Gleichzeitig
blühte die Schule in Halberstadt auf**, etwas später die in Pader-
born, Merseburg und Ordruff'. Am angesehensten war in Sachsen
lange Zeit die Schule in Magdeburg^; aus ihr sind Bischöfe wie
^ Vgl. die Bemerkungen des Verf. des Libell. de Willigisi consuet. 3
Scr. XV S. 744. Er gehörte selbst zu den Zöglingen der Domschule.
2 Reg. Mog. S. 141 f. Nr. 170. Der Mönch Druthmar von Lorsch wid-
mete ihm einen Sermo über den h. Nazarius, Jaffe Bibl. III S. 353 f.
^ S. s. S. 326 Anm. 7 angef. Urk. Willigis' Eingreifen war veranlaßt
durch einen Streit des Kantors Gozmar und des Sekundarius Alemar, wobei
der erstere einen Todschlag beging. Die organisatorischen Bestimmungen
scheinen mir von Euler, "Willigis S. 83, nicht ganz richtig gefaßt. Er läßt
Willigis anordnen, daß der Magister aus seinen Einkünften die Kleidung
der Stiftsschüler bestreite. Aber dann müßte es heißen de praebenda sua.
Es ist vielmehr an die Präbenden der Stiftsschüler zu denken. Eine
Parallele bietet Cod. Trad. Weihenst. Nr. 13, M.B. IX S. 485: Eberhardus
abbas certa quantitate pecuniae data Ruodigero puero magistri Alberti cog-
nato praebendam contulit. Die Stiftsschüler erhielten aus ihren Präbenden
Nahrung und Kleidung; für die übrigen Bedürfnisse hatten die Eltern, im
Notfall der Abt zu sorgen. Neben den Stiftsschülern gab es auch Laien-
schüler, wenn der Ausdruck zulässig ist: scolares, qui non sunt canonici.
Ihre Aufnahme in die Schule war an die Zustimmung des Magisters ge-
bunden. Die Disziplinarbefugnisse erhält der Magister ausschließlich; eine
Ausnahme wird nur zugunsten des Kantors gemacht, dum cantum hester-
num recitant. Interessant ist besonders, daß der Magister die Oberaufsicht
über das Schulwesen im ganzen Aschaffenburger Archidiakonat erhält: es
darf niemand sine licentia magistri Schüler unterrichten; auch die Mönche
nur solche, die eorum habitum induant, also oblati. Schließlich wird dem
Magister die Möglichkeit zugesichert, zwei bis drei Jahre, wenn nötig
auch länger, ad studium das Kloster zu verlassen, ohne seine Präbende zu
verlieren. * Transl. Epiph. 2 Scr. IV S. 249.
5 Vit. Bernw. 1 Scr. IV S. 758.
6 Vit. Meinwerci 3 Scr. XI S. 108, vgl. auch Vit. Deoder. 2 Scr. IV
S. 464. ' Vit. Meinw. 65 S. 124; vit. I Godeh. 13 S. 177.
^ Vgl. Holstein in den Magdeb. GBl. 22 S. 289 ff.
— 328 —
Adaibert von Prag und Wigbert von Mersebm-g^ und Lehrer wie
Thiadhehn, der Reorganisator der Domschule in Bremen", hervor-
gegangen, Sie verdankte ihren Ruhm der Tüchtigkeit Ohtrics, der,
obwohl literarisch nicht tätig, doch als der hervorragendste Grelehrte
Sachsens, wenn nicht Deutschlands galt^: er scheint das dialektische
Element stark betont zu haben*. In Freising zeugt die eifrige
Vermehrung des Bücherbesitzes unter den Bischöfen Abraham und
Gottschalk von dem Aufblühen des Schulwesens; unter letzterem
wirkte der Schulmeister Antrieb'^. Die Regensburger Schule war
unter Bischof Michael heruntergekommen; doch sein Nachfolger
WoLfgang tat alles, um sie in Flor zu bringen*. In Tegemsee
scheint der Aufschwung der Schule der Reform des Klosters sofort
gefolgt zu sein; als Lehrer wirkte der durch seine Briefsammlung
bekannte Mönch Froumund'. Ein Beispiel davon, wie in gänzlich
herabgekommenen Klöstern das geistige Leben wieder Wurzel
schlug, bietet das alte Kloster Feuchtwangen im fränkischen Teil
der Augsburger Diözese. Es war dem Eingehen nahe, nur ein
paar fast altersschwache Mönche waren übrig geblieben, als von
Tegemsee aus der Mönch Wigo mit einigen Gefährten dahin-
geschickt wurde, um das Kloster zu erneuern. Seine Briefe ** geben
1 Canap. vit. Adalb. 3 S. 582; Brun. vit. Adalb. 5 S. 597; Thietm. V, 36
S. 155. 2 A.dam II, 10 S. 48.
» Thietm. III, 12 f. S. 55 f.; 15 S. 56; IV, 28 S. 80. Richer, Eist. HI, 55 f.
S. 137 S. Worauf sich Holsteins Annahme S. 291 stützt, Ohtric sei ver-
mutlich in Fulda vorgebildet, weiß ich nicht.
* Das ist aus der Bezeichnung philosophus zu schließen, und wird
bestätigt durch die Disputation mit Gerbert. Er starb 981, Thietm. m, 15
S. 57. Über seine Nachfolger als Lehrer in Magdeburg (Ekkihard und Geddo)
s. Thietm. IV, 24 S. 78; 66 S. 100; VII, 34 S. 188; VIII, 35 S. 214; über
Meginfred Arnold de s. Emm. praef. S. 547.
■ ^ Wattenbach, GQ. I S. 454; Schriftwesen S. 371, 453; Uhlirz, Mtt. d.
Inst. XV S. 121 Anm. verweist auf den Freis. Priester Antricus in der Urk.
Meichelbeck 1, 1 S. 201. « Othl. vit. Wolfk. 18 S. 534.
' Unterschrift eines von ihm geschriebenen Kodex bei Wattenbach,
Schriftwesen S. 371: Coepi hunc libellum sed pueri nostri quos docui meo
iuvamine perscripserunt.
» Mign. 137 S. 1 ff.; auch bei Steichele, D. Bist. Augsburg III S. 341 ;
hier unter Nr. 13 S. 348 ein unbedeutender, früher nicht gedruckter Brief
an Abt Eberhard von Tegemsee. Der letztere ist von Seüer neugedruckt
in d. Z. f. d. Phü. XIV S. 387. Mit guten Gründen bestreitet Steichele,
daß ep. 7 S. 13 von Wigo stammt; vgl. Seiler S. 386. Die Zeit der Briefe
steht dadurch fest, daß ep. 1 an die i. J. 999 gestorbene Kaiserin Adelheid,
ep. 4, 6, 11 an Liudolf v. Augsburg (989—996), ep. 5 an Gozbert (982—1001
— 329 —
das anschaulichste Bild sowohl der Zerrüttung des Klosters, als
auch der Energie, mit der man vorwärts strebte. Es fehlte an
allem: die Baulichkeiten glichen Ruinen, in der Basilika waren die
Fenster unverwahrt, die Zugluft löschte die Kerzen am Altar aus,
im Innern der Kirche nisteten die Schwalben, Regen und Schnee
machten sie unwirtlich. Die Mönche hätten sich reich gedünkt,
wenn sie nur Teppiche gehabt hätten, um die Fenster zu ver-
hängen ^. Aber wie hätten sie dieselben erwerben sollen ? Die
Einkunft« des Klosters waren entfremdet. Man wußte oft nicht,
woher Nahrung und Kleidung nehmen^. Natürhch fehlte es auch
an Büchern: Wigo mußte, was er bedurfte, anderwärts entleihen^.
Aber trotz alledem wurde im Kloster unterrichtet*. Man braucht
nur Wigos Briefe zu lesen, um zu sehen, daß die Freude an der
gekünstelten Zierlichkeit des Stils, die den klassisch gebildeten
Mann bewies, in der Einöde an der Sulzach wieder heimisch ge-
worden war. In dem benachbarten Eichstätt, wo die Bischöfe
Erchanbald und Starchand die Grundlage zu einer Bibliothek ge-
legt hatten*, waltete in denselben Jahren Bischof Reginald, an
dessen außergewöhnliche Sprach- und Musikkenntnisse man sich
noch im elften Jahrhundert erinnerte. Von den Liedern über
Heilige, die er verfaßte, scheint indes keines erhalten zu sein^.
Die sämtUchen Männer, die wir nannten, Schriftsteller wie
Lehrer, waren Deutsche. Es fehlte nicht ganz an dem Versuch,
das geistige Leben Deutschlands durch Heranziehung fremder
Elemente zu bereichern. Kaum durch eine zweite Handlung hat
Otto d. Gr. so deutlich bewiesen, daß er das Vorbild Karls vor
Augen hatte, als dadurch, daß er ausländische Gelehrte bewog
u. Steicheles Nr. 13 an Eberhard von Tegernsee (1002 — 1004) gerichtet sind.
Über einige in den Briefen erwähnte Persönlichkeiten handelt mit ge-
wohnter Genauigkeit Bessert in den Württemb. Viertel] ahrsheften 1881
S. 67, 231, 287. i Ep. 4 S. 11. ^ gp. 12 S. 15.
3 Ep. 5 S. 11.
^ Ib.: Sigihardum . ., quem tempore viredescentis anni dirigere decre-
vistis causa discendi, si vult et si dignamini, nunc etiam mitti precamur.
* Anon. Haser. 11 Scr. VII S. 257. Von dem letzteren hört man da-
bei: Huius psalteriis non sunt inventa similia, tot intimis orationibus et
multiplicibus vigiliis decoratae. Singulae enim feriao singulas habent vigilias
non modo lectionibus sed etiam antiphonis et responsoriis autenticis ele-
ganter variatas, also noch selbständige liturgische Einrichtungen:
6 Anon. Haser. 12 S. 257. Auct. Garst, z. 988 Scr. IX S. 567. An
Megingoz erhielt er einen sehr unähnlichen Nachfolger, Anon. Has. 15 ff.
S. 258.
— 330 —
nach Deutschland überzusiedeln. Aber was Karl getan hatte,
ließ sich nicht wiederholen. Die fremden. Magister erlangten im
zehnten Jahrhundert nicht entfernt eine ähnliche Bedeutung wie
die Angelsachsen und Italiener, die Karl in das fränkische Reich
berufen hatte.
Der erste derselben war, wie es scheint, der Lombarde Stephan,
der in Novara geboren und in Pavia gebildet, in beiden Städten
gelehrt hatte ^. Schon auf seinem ersten Zug nach Italien be-
stimmte ihn Otto über die Alpen zu gehen ^. Von Poppo I. von
Würzburg freundlich aufgenommen, war er zwei Jahrzehnte in der
fränkischen Bischofsstadt tätigt. Seinen Bücherschatz brachte er
mit über die Alpen: er bestimmte ihn zum Geschenk für das Würz-
burger Domstift. Er war, so viel wir sehen können, kein Theolog,
sondern ein Lehrer der freien Künste. In Würzburg hat er Mar-
tianus Capella erklärt. Sein Ruhm zog Lernbegierige aus den ver-
schiedensten Teilen Deutschlands- in seine Umgebung. Doch brachte
er seinen Schülern genau genommen nichts Neues. Der in St. Gallen
gebildete Wolfgang w^ar ihm in grammatischen Kenntnissen reich-
lich gewachsen *. Vielleicht war es die Einsicht hierein, wodurch
Stephan bewogen wurde, Deutschland wieder zu verlassen: er kehrte
nach Novara zurück, wo er noch längere Zeit als Lehrer wirktet
Die Bedeutung der Würzburger Schule aber wurde durch seinen
Weggang nicht beeinträchtigt. Wenn man ihren Ruhm nach dem
Selbstbewußtsein ihrer Glieder beurteilen darf, so hat sie längere
Zeit fortgeblüht ^. Ein Zeitgenosse Stephans war der Diakon
Gunzo, der wie er aus Novara stammte. Er mag an der dortigen
Domschule Lehrer gewesen sein: denn er beschäftigte sich mit
lateinischer Grammatik und Literatur'. Auch in Dingen des
Kirchenrechts galt er als Autorität: ein Mann wie Atto von Vercelli,
der selbst zu den gebildeten Bischöfen gehörte, wandte sich an ihn
1 S. die bei Wattenbach, 6Q. I S. 352 abgedruckten Distichen.
2 951—952. Diese Zeitbestimmung folgt daraus, daß Wolfgangs Aufent-
halt in Würzburg unter die Amtsführung Poppos I. fällt, der 961 starb.
^ Nach der Datierung der angeführten Inschrift befand sich Stephan
am 16. Juli 970 noch daselbst. * Vit. Wolfk. 4£ S. 528.
* Die Grabschrift Stephans ebenfalls bei Wattenbach S. 353.
® Das in der Sammlung Froumunds enthaltene Gedicht zum Preis der
Würzburger Schule gegen einen Wormser, Mign. 141 S. 1803 ff., gehört der
Zeit nach Stephans Weggang an. Schepß zeigt, daß es nach 1018, und
wahrscheinlich vor 1045 geschrieben ist, Z. f. d. Phil. XV S. 423 ff.
' S. die bei Martene, Ampi, collect. I S. 294 f., u. Migne 136 S. 1283
abgedruckte Streitschrift.
— 331 —
um Beantwortung einer kasuistischen Frage. Es wurde ihm nicht
schwer, in den Briefen der Päpste eine autoritative Entscheidung
zu findend Er war überhaupt ungemein belesen: die lateinischen
Schriftsteller kannte er in ähnlichem Umfange wie Rather ^; selbst
einen griechischen Vers aus Homer zu zitieren war er imstande**,
auch war er nicht ohne Kenntnis der platonischen, aristotehschen
und pythagoreischen Philosophie'*. Überdies war er ein unab-
hängiger, mit Glücksgütern reichhch gesegneter Mann^ "Wenn
man erwägt, wie kostbar Handschriften waren ^, so erscheint er,
als Besitzer einer Bibliothek von beinahe hundert Bänden', als un-
gewöhnlich reich. Lebhaftes Selbstgefühl ist bei dem allen nicht
zu verwundem, und, wie es zu geschehen pflegt, es steigerte wohl
noch sein Ansehen.
Ihn für Deutschland zu gewinnen, war ein Wunsch Ottos d. Gr.
Nicht ohne Schwierigkeit gelang ihm die Verwirklichung seines
Gedankens ^. Aber Gunzo war kein Alkuin. Er hat in Deutsch-
land nichts geleistet. Man kann sich nicht darüber wundern, wenn
man das einzige Schriftchen von ihm, d^s auf uns gekommen ist,
liest. Es ist eine Gelegenheitsschrift. Bei einem Aufenthalt in
St. Gallen war dem Italiener ein grammatischer Fehler begegnet;
Ekkehard hatte der Versuchung nicht widerstehen können, einen
Witz darüber zu machen. Das konnte Gunzo nicht verwinden und
er rächte sich für einen Scherz durch ein mit grammatischer und
sonstiger Gelehrsamkeit überladenes Buch. Gunzo war schwerlich
ein so pedantischer Narr, wie es nach dieser Schrift scheint. Man
1 Der Brief Gunzos steht unter den Briefen Attos Mign. 134 S. Ulf.
^ In dem Briefe an die Mönche von Reichenau werden Sallust, Virgil,
Horaz, Persius, Lucan, Terenz, Juvenal, Statius, Boethius, die Grammatiker
Priscian, Donatus, Servius, Fulgentius, endlich Hieronymue und Gregor
zitiert. Dies alles auf 9 Seiten, S. 1283 — 1802. Damit war aber seine
Bücherkenntnis keineswegs erschöpft, wie die Angaben über seine Biblio-
thek beweisen, S. 1293.
" S. 1287 B. Freilich hat Gunzo den Vers nicht bei Homer gelesen,
sondern bei Servias; er verstand nicht Griechisch, s. Ebert S. 371 Anm, 1.
* S. 1288, 1292 f.; vgl. Prantl, Gesch. d. Logik im AL. II S. 50 f., der
hervorhebt, daß er sich des Gegensatzes zwischen Piatonismus u. Aristote-
lismus bezüglich der Geltung der Universalien bewußt war.
^ S. 1285: Non alicui ita subiciebar neque tarn humilis fortunae habe-
bar, ut cogi possim, nämlich Italien zu verlassen.
ö Der Preis für ein in Mailand abgeschriebenes Sakramentar und
Antiphonar betrug um d. J. 1024 nicht weniger als 45 solidi, s. Ried, Cd.
Ratisb. S. 145 Nr. 149 ep. 5.
7 S. 1293. 8 über die Zeit s. B,0. 369a.
— 332 —
weiß ja: je großartiger jemand auftritt, eine um so komischere Figur
spielt er, wenn ihm ein kleiner Fehler begegnet. Aber daß er in
Deutschland nichts ausrichtete, ist nach dieser Schrift doch sehr
begreiflich. Es fehlte dem gelehrten Italiener die Frische, die den
Deutschen dieser Zeit nicht abging. Und es fehlte ihm noch mehr
die sittKche Größe, ohne die ein Fremder am wenigsten sich
Achtung und Vertrauen erwerben kann. Und doch findet man bei
ihm ein Element, das alsbald für die Theologie sehr wichtig werden
sollte: Gunzo ist ausgesprochener Dialektiker. Die Frage nach der
Reahtät der Universalien hat er bereits ganz klar ausgesprochen ^.
Zunächst fiel, wie es scheint, diese Anregung in Deutschland auf
unfi-uchtbaren Boden.
Was unter Otto I. begonnen hatte, setzte sich unter seinem
Sohne fort. Jener Calabrese Johannes, den einst Otto d. Gr. mit
Bischof Bemward nach Konstantinopel gesandt hatte, um die Ver-
lobung seines Sohnes mit einer griechischen Prinzessin herbei-
zuführen, stand bei Otto II. im höchsten Ansehen. Er scheint ihn
jahrelang am Hofe gehalten zu haben ^ Aber wenn schon Stephan
und Gunzo in Deutschland wenig fireundlich empfangen wurden,
so machte sich Johann geradezu verhaßt^. Nur einem Fremden
hat man in Deutschland bereitwillig zugestanden, daß er seine Zeit-
genossen überrage: Gerbert von Aurillac. Wenn der Ruhm des
Rheimser Scholastikus von dem ehrgeizigen Ohtric wie eine Ver-
kleinerung des eigenen Ansehens empfunden wurde*, so war doch
diese Stimmung nicht allgemein. Als Otto III. den fi'anzösischen
Gelehrten an seinen Hof zog, waren Geistliche und Laien einig in
der Bewunderung seines Geistes und seiner Gelehrsamkeit^. Aber
die Bewunderung, die ein Mann findet, ist nicht immer ein richtiger
Maßstab, um die Wirkung zu schätzen, die von ihm ausgeht.
Fragt man, welchen Einfluß Gerbert auf die geistige Entwickelung
Deutschlands oder der Welt ausgeübt hat, so ist es schwer eine
Antwort zu finden. Kein Wunder. Denn nur der Mann ist eine
Kraft in der Entwickelung der Welt, der in irgendeiner Hinsicht
mehr ist als seine Zeitgenossen. Gerbert war das nicht. Mochte
^ S. 1294 C. Schon unter Gleichsetzung der Kategorien und Ideen:
Quod ostenditur ex eo quod (Minerva) Aristoteli genus, 8pecie|n, differentiam,
proprium et accidena subsistere denegavit, quae Piatoni subsistentia per-
euasit. Aristoteli an Piatoni magis credendum putatis?
2 Ann. Quedl. z. 997 S. 74.
^ Ergibt sich aus der mißgünstigen Charakteristik der Quedl. JB.
* Rieh. Histor. IE, 55 ff. S. 137 ff.
5 De ration. et rat. uti Praef. S. 297 f.
— 333 —
das Wissen und Können, das seinem Zeitalter eignete, in voll-
kommenstem Maße bei ihm vorhanden sein, mehr war nicht vor-
handen: es fehlte ihm jede Ahnung davon, daß dies Wissen Stück-
werk und daß die Methode, die er handhabte. Trug sei. Was
konnte er den Deutschen anderes bieten, als ihnen Männer wie
Stephan und Gunzo ebenfalls geboten hatten, und als sie selbst
besaßen? Das ist der Grund, weshalb seine Wirksamkeit vorüber-
ging ohne eine Spur zu hinterlassen: der berühmteste Gelehrte des
Jahrhunderts war doch nur Lehrer der sieben freien Künste^.
Die Tätigkeit der Fremden war, wie wir sehen, im zehnten
Jahrhundert kein Moment im geistigen Leben Deutschlands. Man
kann kaum zweifeln, was sich in diesem Ablehnen fremder Führer
ausspricht: das Selbstgefühl der wiedererwachenden Kraft. Man
fühlte sich allen Fremden gewachsen: in dem Spott Ekkehards
über Gunzo, in Wolfgangs raschem Eintreten, als die Wissenschaft
Stephans versagte ^ in Ohtrics Eifersucht auf Gerbert und in der
allgemeinen Abneigung gegen Johann, überall spricht sich das
gleiche Gefühl aus. Es war nicht ganz imberechtigt. Denn welche
Nation hat in dieser Zeit Werke hervorgebracht, die sich den
Schöpfungen Hrotsuiths und den Erzählungen Widukinds an die
Seite stellen lassen? Nicht nur auf dem pohtischen Gebiete war
Deutschland augenblickhch den übrigen Nationen überlegen.
Es sind vereinzelte Erscheinungen, die wir an unseren BUcken
vorübergehen heßen, Bruchstücke aus dem geistigen Leben eines
Zeitalters, das fast verlernt hatte zu schreiben. Wer möchte von
ihm Bedeutendes erwarten? In der Tat ist auch das Hervor-
ragenste, Werke wie die ebengenannten, bedeutend nur, wenn man
es vergleicht mit seiner nächsten Umgebung. Aber diese unvoll-
kommenen Werke vergegenwärtigen die Tatsache, daß die Periode
der Hterarischen Unproduktivität zu Ende war: sie weisen vorwärts.
Und erwägt man nun, daß die neue Tätigkeit ohne viel Anregung
von außen als das Ergebnis der langsam aber stetig steigenden
Kulturkraft des deutschen Volkes entstand, so wird das Urteil ein
Recht haben, daß die Literatur der ottonischen Epoche hof&iungs-
voll war: die Niederung war überwunden, die Wege führten wieder
empor.
Wir haben, um den Gehalt des geistigen Lebens der Kirche
der Ottonenzeit zu erkennen, die literarischen Denkmäler betrachtet.
Aber im Mittelalter äußert sich das Kulturleben in mancher Hin-
sicht kräftiger und originaler auf dem Gebiete der Kunst als auf
1 Vgl. das treffende Urteil von Schulteß S. 51.
2 Vit. Wolfk. 5 S. 528.
— 334 —
dem der Literatur. Wenden wir unsere Blicke dorthin, so bemerken
wir leicht, daß die Bewegung auf' beiden Gebieten parallel verläuft:
Zusammenhang mit der Karolingerzeit und Ansätze zum Fortschritt
über sie hinaus, das ist hier wie dort das Thema. Die karolingische
Kunst arbeitete im wesentlichen mit den technischen Überlieferungen
und den Kunstformen der altchristlichen Epoche. Es fehlte nicht
an neuen und fruchtbaren Ideen, die im. Verlauf die größte Be-
deutung gewannen; aber sie zerstörten das Alte nicht; sie fügten
sich ihm ein. Werke von dauerndem Ruhm wurden auf diese
Weise geschaffen. Als seit der Mitte des zehnten Jahrhunderts
sich neue Schaffensfreudigkeit zu regen begann, dachte man nicht
entfernt daran die alten Grundlagen zu verlassen: wie die ottonische
Literatur, so sind auch die ottonische Baukunst und Malerei Töchter
der fränkischen Kultur. Wie dort war das technische Vermögen
geringer geworden: die ottonische Epoche hat kein Werk geschaffen,
das dem Aachener Münster ebenbürtig wäre. Aber deutlicher als
man in der Literatur die ersten Spuren der später herrschenden
Richtung wahrnimmt, bemerkt man in der Kunst die Anzeichen
einer neuen selbständigen Entwickelung: wir belauschen die An-
fänge des romanischen Stils.
Diese Entwickelung liegt am klarsten in der Architektur zu-
tage ^ Wie man seit unvordenklichen Zeiten gewohnt war, baute
man Basiliken: ^man gab ihnen die Kreuzform, wie es in der
fränkischen Zeit geschehen war; man errichtete Türme und wölbte
Krypten, wie man es in der Karolingerzeit getan hatte. In dem
allen lehnte man sich an das Überkommene an. Aber indem man
das Alte aufnahm und fortführte, wußte man den neuen Bauten
einen so eigenartigen und einheitlichen Charakter zu verleihen, daß
sie als Werke eines neuen Stils neben die in Rom, wie neben die
in Byzanz heimische Kunstübung treten konnten. Am schärfsten ist
der Typus des neuen Stils in den sächsischen Bauten ausgeprägt.
Wie weit verschieden ist die Klosterkirche zu Gemrode von den
^ Vgl. Dehio u. v. Bezold, Die kircliliche Baukunst des Abendlandes
S. 145 S. Dohme, Gesch. d. deutschen Baukunst S. 19 ff. Springer in der
Westdeutschen Zeitschrift 1884 S. 201 ff. Dazu J. Strzygowski, Kleinasien
S . 206 ff. Seine Hauptsätze sind, daß die kirchliche Kunst des Abendlands
nicht auf römischer Wurzel erwachsen ist, sondern daß schon in der alt-
kirchlichen Zeit direkte Beziehungen des AL. zum christlichen Orient vor-
lagen und daß aus ihnen sich die Eigenart des fränkisch-karolingischen
Kirchenbaus, damit der Ursprung des romanischen Stils, erklärt. Das alles
scheint mir sehr begründet. Es entspricht dem, was man auch sonst über
die direkten. Beziehungen Galliens zum Morgenlande weiß.
— 335 —
italienischen Basiliken! Statt der von den reichen Säulenreihen
umschlossenen Halle, zu der die schmalen Seitenschiffe mehr den
Zugang bilden, als daß sie ihr ebenbürtig wären, erbhckt man hier
einen dreischiffigen Raum; zwar überwiegt das Mittelschiff, aber die
Seitenschiffe sind zu breit, als daß sie als Korridore betrachtet
werden könnten: zusammen mit ihm bilden sie den Yersammlungs-
platz für die Gemeinde. Das für die Priesterschaft bestimmte Quer-
haus legt sich nicht wie früher vor die Gemeindehalle, indem es die-
selbe abschneidet, sondern der Querbau ist in den Gemeinderaum
eingezogen, und für die Priesterschaft ist dadurch genügend Platz
gewonnen, daß das Mittelschiff darüber hinaus verlängert ist. In
dieser Raumanordnung liegt das Wesentliche der romanischen
Basilika: sie bildet ein geschlossenes und zugleich wohl geghedertes
Bauwerk. Dieselbe Lust an symmetrischer Gruppierung, die sich
in der Sondermig und Verbindung der Bäume beweist, zeigt sich
in der Einzelausführung. Man sieht in Gernrode nicht die stolze
Reihe der gleichgestalteten Säulen, sondern die Oberwände sind
dm'ch je drei Pfeiler und zwei Säulen getragen: das Motiv des
Stützenwechsels ist zum ersten Mal verwandt. Auf den Emporen
sind Säulen in größerer Zahl nebeneinander gestellt; aber sie sind
gruppiert: zwischen je zwei Pfeilern stehen fünf Säulen, aber so,
daß jedesmal zwei Arkaden durch einen größeren Bogen überspannt
sind.
Die Kirche zu Gernrode ist der einzige sächsische Bau der
Ottonenzeit, der in fast unveränderter Gestalt auf die Gegenwart
gekommen ist. "Weder die Dome zu Magdeburg, Halberstadt und
Merseburg •'^, noch die Stiftskirchen zu Quedlinburg, Walbeck, Nord-
hausen ^, oder wie sie sonst heißen mögen, sind in ihrer ursprüng-
lichen Form erhalten. Doch berechtigen die wenigen Reste, die
in der Krypta von St. Wipert und in St. Servatius zu Quedlinburg
noch zu sehen sind^ zu der Annahme, daß alle diese Bauten
1 Über den Bau des Merseburger Doms Thietm. I, 18 S. 12; schon
dieser Bau Heinrichs I. war ein Steinbau ; über den Bau des Magdeb. Doms
Thietm. 11,11 S. 24 u. 17 S. 28; über die Weihe des Halberst. i. J. 992
Ann. Quedl. z. d. J. S. 69.
^ Am bedeutendsten war wohl der von der Äbtissin Mahthild unter-
nommene Neubau von St. Servatius in Quedlinburg; er ist am 10. März 997
geweiht; am 7. Mai des gleichen Jahres wurde die ebenfalls von Mahthild
erbaute Kirche in Walbeck geweiht, Ann. Quedl. z. d. J. S. 74.
^ Der Bau von St. Wipert ist wahrscheinlich etwas älter als der Neu-
bau von S. Servatius. Jenes Kloster war eine Stiftung der Königin Mathilde,
Vit. I Mahth. 11 S. 579.
— 336 —
denselben architektonischen Charakter trugen. Für seine Durch-
bildung war es ein offenbarer Gewinn, daß viel gebaut wurde: jeder
Neubau übte Auge und Hand.
Hinter der Bautätigkeit Sachsens stand die des Südens und
Westens kaum zurück. Nirgends hatten die Bauleute zu feiern.
In Baiem führte die Gründung neuer Klöster und die Wieder-
besetzung der Ostmark zu neuen Bauten^. In Schwaben begnügte
sich Ulrich von Augsburg nicht damit, die Pfarrkirchen seiner Diözese
bedeutend zu vermehren^; daß er einen Neubau des Domes unter-
nahm, zeigt, daß künstlerisches Interesse ihm nicht fremd war*.
Mit ihm wetteiferte Konrad von Konstanz, der in seiner Metropole
drei neue Basiliken errichtete* In derselben Zeit wurden St. Verena
in Zurzach^, die Marienkirche zu Einsiedeln* und die Johannis-
kirche zu ßeichenau gebaut; die letztere hat noch Hermann der
Lahme als ein schönes Kunstwerk gerühmt '. Etwas später begannen
Witigowos Bauten in Reichenau^, und die Errichtung der Stifts-
kirche zu Petershausen ". In Franken sind Mainz und Fulda zu
nennen. Hier baute Hadamar die im Jahre 937 durch eine Feuers-
brunst vernichtete Abteikirche mit großer Pracht von neuem ^®; dort
begann Willigis den Neubau des Domes, dessen Vollendung sich
jedoch viele Jahre hinzog ^^. In der Kölner Diözese war Bruns
Episkopat epochemachend^^. Sein bedeutendstes Bauwerk war der
Neubau von St. Pantaleon ^^ Im Lüttichischen bemerkte man, daß
der Aufschwung mit Bischof Notker begann: schon Folcwin urteilte,
keiner seiner Vorgänger habe mehr geleistet als er ^*; der wichtigste
Bau war St. Johannis in Lüttich, für den das Aachener Münster
^ Über die Klostergründungen im nächsten Kapitel. Heinrich IL
schenkte 1014 dem B. Passau Grundbesitz zur Errichtung von Kirchen,
Dipl. III S. 397 Nr. 317. ^ yita Oudalr. 7, S. 395.
' Ib. 1 S. 387; vgl. oben S. 47 f. * Vita Chuonr. 6 S. 432.
s Mirac. Veren. 7 S. 458. Der ältere Bau war eingestürzt.
* Die Kirche wurde 948 geweiht und 987 erweitert, Ann. Eins. z.
d. J. Scr. III S. 142 u. 145. \ Chron. z. 958 S. 115.
8 Gesta Witig. v. 215 tf. S. 626 ff.; vgl. Neuwirth, Wiener SB. 106 S. 65 ff.
9 Grundlegung 983, Weihe 992, Gas. mon. Petrish. 16 u. 24 Scr. XX
S. 631 u. 683.
10 Einweihung 948, Flod. ann. S. 398; vgl. Widuk. 11,38 S. 55.
11 Die Kirche wurde 1009 geweiht, brannte aber am Tag der Weihe
wieder ab,^ Ann. Hild. z. d. J. S. 30. 12 yj^a Brun. 33 S. 32.
1* Die Kirche, nach 954 begonnen, vit. Brun. 27, wurde erst nach des
EB.'s Tod vollendet und 980 geweiht, ehr. reg. Col. S. 31.
1* Gest. abb. Lobb. 29 S. 70.
— 337 —
das Vorbild bot. Nirgends aber wurde eifriger gebaut als in den
lothringischen Bistümern: Dietrich I. von Metz erneuerte den
Stephansdom, die Stiftskirchen zu St. Vincentius und EpinaP.
Sein Nachfolger Adalbero ü. stand an Baulust nicht hinter ihm
zurück: St. Symphorian und andere Klöster and von ihm errichtet ^
In dem benachbarten Toul unternahm Bischof Gerhard den Neu-
bau des Doms; auch St. Gengulf ist sein TVerk^
So baute man an allen Ecken und Eiiden. Doch ist von
allen diesen Werken fast nichts auf unsere Zeit gekommen. Auch
wissen wir nur einige Meisternamen. Denn wählend die Über-
lieferung die Namen der Bauherrn fast überall aufbewahrt hat,
verschweigt sie fast ausnahmslos die Namen der Baumeister. Nur
von der Vincenzkirche in Metz wird berichtet, daß Abt Odilbert
von Gorze sie erbaute; Sigibert bezeichnet ihn als einen in gött-
licher und menschlicher Wissenschaft hochberühmten Mann*.
Andere lothringische Bauten waren Werke des Abts Ansteus von
St. Arnulf. Er besaß ungewöhnliche Kenntnis der Architektur;
was er entworfen hatte, wagte nicht leicht jemand zu tadeln ^
Wie in der Literatur, so waren also auch in der Kunst die Mönche
die Träger der Kultur. In bezug auf die Ausführung »der Bauten
liegt die Vermutung nahe, daß sich die süd- und westdeutschen
Meister enger an die karolingischen Formen anschlössen als die
sächsischen. Auch ist die Einwirkung fremder Vorbilder leicht
nachzuweisen: man ahmte wohl geradezu eine römische Basilika
nach**. Aber das hinderte nicht, daß die Entwickelung der archi-
tektonischen Formen die gleiche Richtung einhielt wie in Sachsen.
In der Zeit Heinrichs II. herrschte überall in Deutschland der
romanische Baustil; nirgends aber ist er von außen importiert: er
war das Resultat einer über ganz Deutschland verbreiteten stetigen
und gleichartigen Entwickelung.
In der Malerei ist es nicht anders'. Auch hier bleibt der
in der Karolingerzeit angeeignete altchristliche Formenschatz Eigen-
tum der Kunst; er ist das Gut, mit dem das zehnte Jahrhundert
1 Tita Deoder. 5 S. 466; 12 S. S. 469 f.
2 Vita Adalb. 10 ff. S. 661 ff. ^ Vita Gerardi 5 S. 494.
* Vita Deoder. 14 S. 470. " Vita Jo. Gorz. 66 S. 355.
* Die Kirche von Petershausen war eine Nachbildung der Peterskirche
in Rom, vita Gebeh. 13 Scr. X S. 587.
' Springer a. a. 0. S. 211 ff. Ders. in den Abh. der sächs^. G. d. W.
Bd. Vin S. 189 ff., ßd. IX S. 665 ff., Bd. XI S. 339 ff. Lamprecht, Initial-
ornamentik 1882. Janitschek, Gesch. d. d. Malerei S. 52 ff. Vöge, Eine
deutsche Malerschule 1891.
Hauck, Kirohengeschichte. HI. 22
— 338 —
wuchert. Eremde Einwirkungen konnten Haneben nicht aufkomnten.
Es ist ja keine Frage, df iß fremde Meister und fremde Werke in
Deutschland bekannt und i merkannt waren. Man braucht dabei nicht
an den problematischen F Einfluß der Kaiserin Theophano zu dei&en;
denn man kennt einzelne i sichere Beispiele. Der griechische Maler,
der die bairische Herzog ,stochter Hadwig malen sollte und dem die
eigenwilHge Prinzessin s jeLne Aufgabe nicht gerade erleichterte ^ ist
schwerlich ein Geschöpf £ der St. Galler Phantasie. Gewiß ist, daß
Otto in. einen italier lischen Maier Johannes nach Deutschland
berief, um die kahlem /Wände des Aachener Münsters mit Bildern
zu schmücken. Der :• fremde Meister löste seine Aufgabe zur Be-
wunderung der Deutschen; noch im elften Jahrhundert galten seine
Gemälde, obgleich äe \'on der Zeit gehtten hatten, als die schönsten
Kunstwerke des Mvmsters. Er hatte im Norden seine sonnige
Heimai nicht verges,se;n: wie ein Seufzer des Heimwehs khngt die
Inschrift auf eine», der Aachener Bilder: A patriae nidorapuit
me terdus Otto. ;A.ber als der Kaiser seine Kunst durch* die Ver-
leihaiig eines italienischen Bistums lohnte, fand er den Rückweg
nach dem Süden verschlossen: er konnte sein Bistum nicht an»
tr^en, da er sic'ii weigerte, sich zu vermählen, wie es in Italien
bereit« Sitte zu werden anfing. Er kehrte also nach Deutschland
zurück: in St. Jacob in Lüttich, wo er die Bilder an den Chor-
»jhranken ausführte, hat man dem frommen und gebildeten Bischof
und dem kunstreichen Maler die freundhchste Erinnerung bewahrt^.
"Häufiger als fremde Maler kamen sicher fremde Werke nach
Deutschland, sowohl aus Italien als aus dem Ostreich, Das war
schon längst geschehen. Die Vermehrung der Beziehungen zu dem
Süden mußte das Wandern der Bilder erleichtern. Gleichwohl
vermochte die fremde Kunst keinen beherrschenden Einfluß auf die
deutsehen Maler zu gewinnen: für die Malerei des zehnten Jahr-
hunderts blieben die karolingischen Werke das sichere Fundament,
auf dem man weiter baute.
Die literarischen Quellen bezeugen, daß nach wie vor die
Wandmalerei in hoher Blüte stand. Aber was in Kfrchen und
Klöstern geschaffen wurde, ist fast alles längst zugrunde gegangen;
nur ein einziger von den Bilderzyklen dieser Zeit ist in St. Georg
zu Oberzell auf der Reichenau erhalten^. Die kleine Kirche ge-
1 Ekkeh. 90 S. 322 ff.
2 Vita Balder. 13 f. Scr. IV S. 729; Chron. s. Laur. 13 Scr. Vül S. 267.
' F. X. Kraus, D. Wandgemälde der St Georgskirche zu Oberzell auf
der Reichenau. 1884. Gegen seine Beurteilung Schmarsow im Repert. f.
— 339 -
liört ihrer Anlage nach dem letzten Jahrzehnt des neunten Jahr-
hunderts an^ wahrscheinlich unter Witigowo wurde sie erweitert
und zugleich mit ihrem malerischen Schmuck ausgestattet^. Man
ist an Ravenna erinnert, wenn man zwischen den Fenstern mächtige
Heihgengestalten, an den Zwickeln der Arkaden eine Reihe von
Medaillonbildnissen erblickt. Auch die zwischen den Bögen und
der Fensterreihe dargestellten Szenen lassen den Gedanken an alt-
kirchhche Vorbilder nicht entschwinden: die Gegenstände sind die
gleichen, wie man sie von dorther kennt: Wundertaten Christi, die
ihn als den Helfer verherrlichen. In derselben Weise werden die
Vorgänge dargestellt: der Maler vermag die Szene nicht räumlich
zu vertiefen, er reiht seine Figuren auf der Fläche des Vorder-
grunds aneinander; aber er ist imstande, klar und verständlich zu
komponieren und lebhaft und eindrucksvoll zu schildern. Die Auf-
fassung des Einzelnen ist identisch: wie auf den Werken der Früh-
zeit erblickt man den jugendlich unbärtigen Christus; antike Ge-
wandung umhüllt die Personen; antike Bauten füllen den Hinter-
grund. Es ist klar, daß zwischen den Bildern von Oberzell und
der frühchristlichen Kunst keine Lücke klafft: die Entwickelung
von dieser durch die karoKngische Kunst zu jenen ist stetig und
ununterbrochen. Gleichwohl empfindet man 9,uch hier das erste
Regen eines neuen Geistes: der Maler will lebende, handelnde,
stark empfindende Personen schildern: er scheut sich nicht zu über-
treiben, um diese Absicht zu erreichen. Und es gelingt ihm: noch
heutiges Tages macht sein Werk Eindruck".
Die Gemälde in St. Georg sind nicht nur deshalb von so
großem Werte, weil sie als Wandbilder allein stehen, sondern be-
sonders weil ihr Verhältnis zu den Miniaturen des Egbertkodex
beweist, daß die klösterlichen Maler die Kirchenwände nach den-
Kunstwissensch. XXVII S. 261 ff. Er sieht in den Reichenauer Bildern
Wiederholungen aus einem älteren Bilderkreis. Die Annahme ist nicht un-
wahrscheinlich, jedenfalls viel wahrscheinlicher als die von Kraus, daß man
auf der Reichen au Werke von Monte Cassino wiederholte.
1 Kraus, D. Kunstdenkm. des Großh. Baden I S. 364 ff.
2 Daß die Darstellung des jüngsten Gerichts und der Kreuzigung an
der Westapsis gleichzeitig mit den Wunderbildern ist, scheint mir nicht
■wahrscheinlich. Die Heftigkeit der Bewegungen ist dort gemildert, aber
nicht auf Kosten der Beseelung der Figuren: das Leben ist nur verinner-
licht. Ich halte deshalb diese Bilder für jünger. So urteilt auch Kraus;
Janitschek sagt, sie seien unbedingt bald nach Vollendung der Wandbilder,
also wohl noch gegen Ende des 10. oder höchstens am Anfang des 11. Jahrb. 's
gemalt worden (S. 59).
22* '
— 340 —
selben Musterbüchern bemalten, wie die Pergamentblätter. Die
Miniaturen geben also ein Bild von der kirchlichen Malerei dieser
Zeit überhaupt.
ÜberbUckt man die literarischen Nachrichten und die er-
haltenen Werke, so fällt vor allem die Fruchtbarkeit der Zeit in
Herstellung der Prachthandschriften auf. In dieser Hinsicht steht
die Ottonenzeit hinter keinem anderen Jahrhundert zurück \ Und
nicht an einem oder einigen Orten haftete die Produktion, sondern
man muß annehmen, daß in den meisten größeren Klöstern und
Stiftern die Maler so wenig fehlten wie die Schreiber. In St. Gallen
gehörten die berühmtesten Namen bereits dem neunten Jahr-
hundert an, aber aufgehört hatte die künstlerische Produktion
nichts Von der St. Galler Malschule angeregt war die in dem
benachbarten Reichenau. Durch die Zahl und den Glanz ihrer
Werke überstrahlte sie alle anderen klösterHchen Kunstwerkstätten.
Als ihr hervorragendstes Werk darf man das EvangeUarium be-
trachten, das Erzbischof Egbert von Trier dem Stift St. Pauün
schenkte; es ist von den Mönchen Kerald und Heribert gemalt '.
Ein den schwabischen Klöstern ebenbürtiger Sitz der Kunstübung
scheint Echtemach gewesen zu sein*. Keste eines Lorscher Sakra-
mentars beweisen die unerschütterte Herrschaft der karolingischen
Tradition in der Schreibstube dieses Klosters noch am Ausgang
des zehnten Jahrhunderts^. Vornehmlich aber zeichneten sich die
Stifter der alten Bischofssitze am Rhein und der Mosel durch ihre
* Das Verzeiclinis, das Lamprecht, Initialomam. S. 26 ff. von rheinischen
Handschriften des 8. — 13. Jahrh.'s gibt, hat für das 8. Jahrh. 8 Handschriften,
für das 9. 12, für das 10. 32, für das 10.— 11. 6, für das 11. 24.
2 Über Notker Pfefferkorn, Chunibert und Ekkehard II. als Maler, s.
Ekkeh. 123 S. 398, 127 S. 411, 89 S. 316, über Bilderhandschriften St. Gallons
und Einsiedeins aus dieser Zeit Rahn, Gesch. der bildenden Künste in der
Schweiz S. 139 ff.
' Kraus, D. Miniaturen des Codex Egberti, 1884. Lamprecht in den
JB. d. V. V. AF. im RhL. Bd. 70 S. 56 ff. Vöge, Eine deutsche Malerschule
S. 67 ff.; vgl. auch Sauerland u. Haseloff, D. Psalter EB. Egberts v. Trier,
1901 ; Swarzenski im Repert. f. KW. Bd. 26, 1903 S. 389 ff. u. 476 ff.
* Die berühmteste Echternacher Bilderhandschrift ist der Evangelien-
kodex in Gotha; Abbildungen bei Lamprecht a. a. 0. Bd. 70 S. 78 ff. Zwar
ist es fraglich, ob er in Echtemach und nicht vielmehr in Trier geschrieben
ist; allein auch wenn diese Frage in letzterem Sinn entschieden werden
müßte, bleibt er für Echtemach bedeutend, da sein ßilderschmuck für die
Echternacher Malstube vorbildlich wurde, s. Vöge S. 381 ff.
6 Zucker im Repert. f. KW. Bd. XIV S. 34 ff.
— 341 —
Werke aus^ wogegen Baiem und Sachsen in dieser Zeit noch
zurückstehen \
Es fehlt diesen Werken nicht an eigentümlichen Zügen; ,doch
überwiegt, wie es in Zeiten der beginnenden Kunst zu sein pflegt,
das Gemeinsame. Gemeinsam ist die Technik; gemeinsam ist
sodann, daß alle diese Werke nicht unter der Herrschaft fremder
Einwirkungen entstanden sind: sie sind nicht Nachahmungen byzan-
tinischer Werke, sondern sie fußen auf der durch die Karolinger-
zeit vermittelten altkirchlichen Kunst. Gemeinsam ist endÜch die
Energie, mit der den Figuren Leben imd Bewegung verliehen wird:
überall sprechen die dargestellten Personen elementare Empfindungen
kräftig und verständUch aus. Bestätigen in dieser Hinsicht die
Bilderhandschriften das, was die Oberzeller Wandbilder ergeben, so
führen sie darüber hinaus, indem ihre großen Bilderfolgen zeigen,
daß sich die Künstler auf das engste an die biblischen Berichte
anschlössen: durch das Wort des Textes wurde die Phantasie des
Malers angeregt und gezügelt. Es hängt damit zusammen, daß
die Darstellung des Todesleidens Christi nim einen breiteren Raum
einnimmt als in der älteren Kunst
Die Bilderhandschriften dienten zumeist den Zwecken des
Kultus: man illustrierte nicht mehr die ganze Bibel, sondern das
EvangeUenbuch und das Sakramentarium. Die prächtige Handschrift
forderte einen entsprechenden Einband. Wie früher wurde er her-
gestellt aus geschnitzten Elfenbeintafeln oder aus Goldschmiede-
arbeit*. Die letztere fand überdies die reichlichste Verwendung bei
Herstellung des mannigfachen Altargerätes, der Vortragkreuze und
^ Vöge hat in scharfsinniger Weise den Bestand einer rheinischen
Schule, deren Führung dem Kölner Domstift zukam, und die Eigentümlich-
keit ihrer Werke darzutun versucht. Die wichtigsten Handschriften sind
die ottonische Evangelienhandschrift in Aachen, vgl. ohen S. 23, das Evan-
geliar Ottos III. in München, und der Bamberger Kodex A. I. 47. Die
Bilder der ersteren sind von Beißel publiziert 1886. Abbildungen aus der
Münchener Handschrift bei Vöge. Ein Blatt aus der Bamberger Hand-
schrift bei Leitschuh, Aus den Schätzen d. Bibl. z. B. Tfl. 10; dasselbe auch
bei Janitschek S. 82. Die entsprechenden Nachweise für Trier bei E. Braun,
Beiträge zur Geschichte der Trierer Buchmalerei, Wstd. Z. EH. IX, 1896
S. 1 ff. Doch vgl. die Besprechung der Schrift von Vöge im Repert. f. KW.
XIX S. 125 ff.
- In Regensburg beginnt die künstlerische Tätigkeit unter Wolfgang,
8. u. S. 879, u. vgl. Swarzenski, Regensburger Buchmalerei S. 29 ff.
^ Bode, Geschichte der deutschen Plastik S. 9 ff. Falke, Gesch. des
deutschen Kunstgewerbes S. 28 ff. Westwood, A descr. catal. of the fictile
ivories S. 102 ö".
— 342 —
der verschiedenartigsten Reliquiarien, Auf die Technik der Gold-
schmiede mag das Vorbild byzantinischer Arbeiten nicht ohne Ein-
fluß gewesen sein; aber der Stil der Elfenbeintafeln ist identisch
mit dem der Miniaturen. Diese kleinen Schnitzwerke zeigen, daß
auch die Plastik der Ottonenzeit in der karolingischen Kunst
wurzelte. Das Verhältnis von Wandbild und Miniatur wird sich
bei den Werken der Holz- und Steinplastik und denen der Elfen-
beinschnitzerei wiederholt haben.
Auch die Reste der kirchhchen Kunstübung bestätigen also,
daß das retrospektive Element im Geistesleben der Ottonenzeit
überwog. Das zehnte Jahrhundert war nicht reformatorisch; es
baute weiter auf den fiüher gelegten Grundlagen. Auch das Neue,
das hervortrat, stellte sich nicht in Gegensatz zu dem Über-
kommenen: es bildete es um, ohne mit ihm zu brechen. So schheßt
sich die ottonische Epoche enge an das Zeitalter der Karolinger
an. In einer anderen Hinsicht führte sie bestimmt über dasselbe
hinaus: im zehnten Jahrhundert wurde die Grundlage fiir den
Einfluß des Mönchtums auf das kirchhche Leben gelegt. Unsere
Untersuchimg wendet sich diesem Punkte zu.
Sechstes Kapitel.
Die Anfänge der Klosterreform,
Wir konnten von liiteratur und Kunst nicht reden, ohne die
Mönche zu rühmen, Sie waren die ersten, um nicht zu sagen, die
einzigen Träger des geistigen Lebens. Aber seltsam, trotzdem hatte
das Mönchtum als solches lange Zeit fast keinen nennenswerten
Einfluß auf die Zustände der deutschen Kirche. Sucht man die
Ursache dieser Erscheinung, so wird man zurückgeführt bis auf
Karl d. Gr. Er hatte der Tätigkeit der Mönche eine Bahn ge-
wiesen, die sie von den ursprünglichen Zielen ihrer Genossenschaft
weit ablenkte. Eine Reaktion dagegen war in den Reformbe-
strebungen Benedikts von Aniane hervorgetreten. Aber sie hatten
trotz der Förderung, die sie bei Ludwig d. Fr. fanden, ihr Ziel
nicht erreicht. So weit das Klosterwesen im ausgehenden neunten,
im beginnenden zehnten Jahrhundert lebenskräftig fortbestand, diente
es den Gedanken Karls und nicht denen Benedikts. Die Mönche
waren nur dem Namen nach Asketen. Wie ferne liegt das heitere
Tun und Treiben in St. Gallen, wie wir es aus den Schilderungen
Ekkehards kennen, der ernsten, entschlossenen Weltentsagung der
Ahnen des Mönchtums! Wie wenig geistige Verwandtschaft be-
steht zwischen einem Abt wie Hadamar von Fulda und Männern
wie Columba von Luxeuil! Es konnte nicht anders sein. Je mehr
die Klöster Pflegestätten der Kultur wurden, um so weniger waren
die Mönche Vertreter der asketischen Weltanschauung. Die letztere
leugnet das Recht der ersteren; die erstere hindert die Betätigung
der letzteren. Beide zu verschmelzen ist unmöglich. In den großen
königlichen Abteien galt die Regel Benedikts. Jedoch das Lehen
in ihnen befand sich in offenem Widerspruch mit den Satzungen
— 344 —
der Eegel. Man wußte es, aber inan betrachtete die Geltung des
geschriebenen Statuts für eingeschränkt durch das Recht des Brauchs,
der sich in Abweichung von der Regel nach und nach gebildet
hattet Es ist unverkennbar, daß in diesen Zuständen eine Ge-
fahr für den Fortbestand des Mönchtums lag.
Noch bedenklicher als in Deutschland war die Lage des
Mönchtums in Frankreich. Die allgemeine Verwirrung der Verhält-
nisse schien dort zu semem Untergang zu führen. Im Anfang des
zehnten Jahrhunderts hatte die Beobachtung der Regel fast voll-
ständig aufgehört. Aber gerade damals begann in Frankreich eine
energische Rückwendung zu den ursprünglichen Idealen des Mönch-
tums: seit 910 wirkten in Cluni und von Cluni aus die nach den
Grundsätzen Benedikts von Aniane reformierten Mönche^.
Man kann nicht sagen, daß die cluniacensische Reformbe-
wegung in Deutschland sofort Beachtung und Nachahmung ge-
funden hätte. Dagegen bildete sich in den nächsten Jahrzehnten
nach der Gründung Clunis in den deutsch-französischen Grenz-
landen ein neues Zentrum für die Klosterreform.
In Lothringen war die Auflösung des monastischen Instituts
kaum minder groß als in Baiem oder in Frankreich. Die Ver-
wüstungen durch die Normannen und die Ungarn, die bis dorthin
reichten^, waren nicht die einzige, kaum die hauptsächlichste Ur-
sache. Schlimmer war, daß die Klöster fast ohne Ausnahme ihre
Selbständigkeit Valoren hatten. Zum Teil waren sie in den Besitz
von Laien, zum Teil in den der Bischöfe gekommen *. Der Unter-
schied war nicht groß. Denn auch im letzteren Fall sahen sich
die Mönche des größten Teils ihres Besitzes beraubt. Die Bischöfe
gaben ihn an ihre Vasallen oder Verwandten zu Lehen ^ Daß
^ Der Mönch Arnold sagt in bezug auf St. Emmeram: Qui maioris
erant aetatis habebant cellas seu caminatas, iunioribus inter se divisis
propter custodiam. Communiter pauperem annonam habebant, volatilia
manducabant. Cetera faciebant secundum consuetudines, quae in monaateriis
regalibus ad id temporis fuerant, de s. Emm. II, 9 S. 559. Es hatte sich
offenbar ein Durchschnittsmaß in der Beobachtung der asketischen Ver-
pflichtungen gebildet, das hinter der Regel sehr weit zurückblieb; man vgl.
auch die offenen Zugeständnisse Ekkehards in bezug auf St. Grallen 100 ff.
S. 357 ff. ' Sackur, Die Cluniacenser, 1892 u. 1894.
^ Cornelimünster, Stablo und Malmedj wurden 881, Regin. S. 118,
Prüm 882 u. 892, Regin. S. 118 u. 138, St. Maximin 882, Ann. s. Maxim.
S. 213, von den Normannen geplündert. Moyenmoutier, Senones, Etival und
St. Di6 wurden 917 die Beute der Ungarn, chron. Med. mon. 6 Scr. IV S, 89.
* Vgl. die Nachweise Bd. II S. 598 Anm. 2.
5 Vgl. über Ludhelm von Toul (895—906) Mir. s. Apr. 20 Scr. IV
— 345 —
die Klöster dadurch verarmten, war der geringste Schade; weit be-
denklicher war die vollständige Auflösung der Disziplin, die unter
diesen Verhältnissen eintrat. Die Bestimmungen der Begel wurden
zuerst nicht mehr beobachtet, nach und nach gerieten sie ganz in
Vergessenheit \ In nicht wenigen Klöstern riß eine kaum glaub-
liche Verwilderung ein. Man kennt Bichers Schilderung der Zu-
stände in den Vogesenklöstem: in Moyenmoutier die Einkünfte ver-
geudet, die Mönche zuchtlos, lieber beim Waffenspiel als in der
Kirche, schließlich Diebstahl und Raub wie ihr Handwerk treibend^;
die Zustände in Senones kaum besser: das gemeinsame Leben auf-
gegeben, Schmausereien, Gelage und Ausschweifungen die Tage
und die Nächte erfüllend*. Das ist schwerlich übertrieben; denn
man hört ähnliches von anderen Klöstern. In St. Ghislain lebten
die Kleriker mit Weib und Kind im Kloster; die Heiligtümer ihrer
Kirche waren ihnen nur dazu da, dem Volk Geschenke abzulocken,
die dann verjubelt wurden*. Zu den schlimmsten Szenen kam es
in Laubach: als die Mönche zur Beobachtung der Regel zurück-
geführt werden sollten, mißhandelten sie den ihnen aufgedrängten
Abt Erluin; er, um freie Bahn zu haben, verwies die Wider-
strebenden aus dem Kloster; da überfielen ihn drei der Aus-
gestoßenen, verstümmelten ihm die Zunge und beraubten ihn des
AugenHchtes^ Das sind Einzelheiten, welche die Tiefe des all-
gemeinen Verfalls ahnen lassen.
Solche Zustände waren für die Dauer unerträglich. Denn-
vergessen hatte die Zeit das Ideal der vita reUgiosa keineswegs.
Gerade unter der Not der Gegenwart gewann es neue Kraft über
die Gemüter. Das beweist der Mann, in dem alle Gedanken, die
das Zeitalter bewegten, einen Widerhall fanden : Rather von Lüttich.
Wohl blieben die Fundamentalsätze der asketischen Ethik von
seiner zweifelnden Reflexion nicht unbetroffen, aber schließHch galt
S. 516: Qui temporali quidem dominatione ac potestate subnixus atque ut
fertur in .multis utilis sed quantum ad humanos oculos minus ut Homo
spiritualibus devote intentus congregationibus monasteriorum, mouachorum
sc. ac canonicorum, non ut pius consul patronusque aderat, sed ut rigidus
gubernator praeerat, libere eorum bona a bonis pro redemptione pecaminum
concessa, tanquam sua sibi accipiens et libitu dispertians.
1 Gesta ep. Tüll, 31 Scr. VIII S. 639: Regulam b. Benedicti huius regni
(Lothringen) habitatoribus omnibus ignotum.
2 Richeri Gest. eccl. Senon. 1,17 ff. Scr. XXV S. 264 ff.
3 Ib. n, 17 S. 278.
* Mirac. s. Gisl. 10 Scr. XV S. 583. Vita Gerardi ib. 15 S. 665 f.
6 Folc. Gesta abb. Lobb. 26 Scr, IV S. 68.
— 346 -
ihm docb die Fröimmigkeit des Mönchs als das einzig Wertvolle
im Lebon.. Denn in ihr allein liegt die volle, vorbehaltlose Hin-
gabe am Gott; darin wurzelt ihre rettende Kraft: der dem Todö^
entgegenwankende Greis, der kerne Genugtuung für seine Sünden-
mehr ZU! leisten vermag, kann noch Mönch werden: und dann fst
ihm f Alles vergeben, weil er alles^ Gott übergeben hat \ Wie mußten
Mäniaer, die das Mönchtum sc^ betrachteten, über die Zustände in
den Klöstern denken! Eathers Satz, daß es für den Mönch, der
der Regel untreu geworden ist, kein Heil gibt^, zeigt, daß man sie
auf das schärfste verurteilte. Den Widerspruch aber, den er be-
mfirkte,. empfanden auch andere. Er erzählt, daß er in der Sakri-
stei einen Mönch vor sich hinsagen hörte: Sie sagen uns, daß wir
nichts zu eigen haben dürfön; wer hat denn diese Kleinodien und
diese Bücher hier gesammelt, als die Mönchfe dieses Klosters^?
Die Idee des Mönchtums reagierte gegen den Zustand, desselben.
Daraus entsprang die Reform.
Der erste Mann, der in Lothringen die Mönche zur Beobach-
tung der Benediktinesregel zurückrief, war der Abt Gerhard*.
Schon in seinen Jünglingsjahren ^, als er noch in den Diensten;
des Grafen Berengar von Namur stand, wurde er von den aske-
^ Dial. conf. 21 S. 410: Dicturus erat patronus, si tarnen pretii ali-
cuius: Non potes ista facere, quia deest spatium; trade te Deo totum et
relinque saeculum: ecce omnia dimissa, quia pio Deo commissa.
2 Ibid.: Monachus sum et vix habitu et lege sed refuga legis pro-
missae Fac, tot annos in poenitentia expleam, dimittantur omnia, restet
hoc unum, quod legem utique meam inconvertibiliter refugi; nonne tibi
videtur pro hoc solo me damnabilem fore? Hoc igitur solo.
3 Ib. 23 S. 413.
* Quellen sind die Translat. s. Eugenii Anal. Boll. III S. 29 ff., Auszug
(virtutea s. Eugenii) Scr. XY S. 646 ff.; die vita Gerardi, ib. S. 654 ff., und
das Fragment eines sermo de adventu s. Eug. Anal. Bolland. V S. 395, Man
vgl. Schnitze in den Forsch. 25 S. 221 ff., Sackur, Die Cluniac. I S. 121 ff.,
Berliere, Monasticon Beige I S. 28 ff.
5 Nach den Ann. Bland. Scr. V S. 24 ist Gerhard i. J. 898 geboren.
Wenn 913 bezw. 914 für den Beginn des Baues von Brogne und 914 bezw.
915 für die Übertragung der Reliquien des Eugenius richtig sind, so ist
dieses Jahr falsch; denn Gerhard hätte den Bau schon als Knabe begonnen,
was man doch nicht annehmen kann. 914 und 915 muß man als Jahre
des Baus und der Übertragung annehmen statt 913 und 914, da die Ann.
Bland, hier überhaupt um ein Jahr zurück sind. Die virt. Eug. 2 S. 647
bezeichnen Gerhard als nobilissimus Sicamber. Den Namen seines Vaters
Sancio nennt er selbst in seiner Schenkungsurkunde vom 2. Juni 919 (s.
Anm. 6 zu virt. Eug. ü. N.A. XV S. 592).
— 347 —
tischen Gedanken ergriffen: er erbaute im Jahre 914 auf seinem
Eigengut Brogne, einige Stunden südlich von Namur, eine Kirche
und ein Stift für Kanoniker; seine Absicht war, das Stift später
in ein Kloster umzuwandeln und in demselben Mönch zu werdend
Es ist doch begreiflich, daß er, als er die Zeit für die Ausführung
seines Plans gekommen achtete, nicht in Brogne das Gelübde ab-
legte. Es fehlte ihm alle theologische Bildung- schwerlich konnte
sein junges Stift ihm dieselbe bieten: er mußte sie auswärts suchen.
Als er die B.eliquien des h. Eugenius fiir seine Kirche erwarb,
hatte er das Kloster St. Denis kennen gelernt*: dort wurde er
Mönch ^. Doch soUte ihm die alte berühmte Abtei nur den Dienst
einer Schule leisten *. Nach einigen Jahren kehrte er in die
Heimat zurück^: nun führte er in Brogne. die Benedktinerregel
^ S. die S. 346 Anm. 5 angeführte Urkunde!.
2 Was die virtut. Eug. 2 S. 647 und die vita Ger. 5 S..657 f. über den
Reliquienerwerb bericMen, stimmt nicht üherein. Aus innQi»n und äußeren
Gründen scheint mir der erstere Bericht den: Vorzug zu verdienen.*
^ Die Annahm« von Schnitze; S; 229, daß Gerhard aicht in St. Denis
Mönch geworden sei, hat Sackur S. 366 ff. mit guten Gaünden bestritten.
Nach den Annal. Bland. S. 24 ist er 918 Mönch geworden. Diese Angabe
wird durch die Urkunde v. 919, nach welcher Gerhard im Juni d. J. noch
nicht Mönch war, nicht ausgescMoasen, da, wie oben bemerkt, die Annalen
um ein Jahr zurück sind. Den Eiatritt in das Kloster fand, die Richtigkeit
der Angabe 918 — 919 vorausgesetzt, in der zweiten Hälfte dieses Jahres
statt. Ganz ohne Bedenken bin ick jedoch nicht. ESgentümlich bleibt, daß
Gerhard, unmittelbar ehe er in St. Denis Mönch wurde, ausspricht, er wolle
in Brogne als Mönch leben. Nicht ganz durchsichtig ist auch die Nach-
richt der Vita Ger. 9 S. 659: Monachicum optinuit scema, traditis videlicet
ad eundem locum quae sui iuris erant in Lothariensi provincia. Sackur
erklärt, wie es nach c. 21 S. 672 notwendig ist (S. 124): All seinen Besitz
mit Brogne läbertrug er dem Kloster, in das er eintrat; es sollte offenbar
nur eine Dependance von St. Denis werden. Aber Brogne wurde keines-
wegs eine Propstei von St. Denis; es wurde eine selbständige Abtei, (s. u.
Anm. 5); ja nach c. 12 der vita blieb es im Eigentum Gerhards. Unklar-
heiten der Biographie liegen hier also vor. Doch schließen sie nicht aus,
. daß die Nachricht über den Eintritt in St. Denis richtig sein kann.
* Vit. Ger. 9 S. 659. Die Nachricht ist verständlich, so bald man
beachtet, worauf der Nachdruck liegt, nicht darauf, daß er von vorne an-
fä^ngt, sondern darauf, wieviel er erreicht: er lernt den ganzen Psalter, er
durchforscht die sacri Codices, wird so des divinum dogma und der docto-
rum scripta kundig. Das alles konnte er nicht mitbringen, aber es war
ihm nötig, wenn er sein Kloster selbst leiten wollte.
» Die Zeit steht nur dadurch fest, daß er in einer Urk. v. 18. Dez.
923 bereits als Abt von Brogne erscheint, Gallia christ. XIV, Instr. S. 60
— 348 —
ein, er selbst trat als Abt an die Spitze des neuen Klosters^. In
welchem Sinne er das Mönchsleben verstand, läßt sich an einem
Briefe ermessen, den einer seiner Schüler einige Jahre später an
ihn richtete^. Dort Hest man: Nichts Gutes bin ich mir bewußt;
ich sehe nur, daß der allmächtige Gott die Werke seines unaus-
sprechlichen Erbarmens an mir vollbringt, er, der das, was nicht
ist, ruft, als wäre es. Man kann das Gefühl der menschUchen
Unwürdigkeit Gott und seinen Gaben gegenüber nicht stärker aus-
sprechen. Wenn Gerhard diese Stimmung in seinen Mönchen zu
erregen wußte, dann wirkte er für eine religiöse Anschauung, die
der Gesinnung des ursprünglichen Mönchtums gleichartig war.
Was Gerhard tat, machte Aufsehen; es war etwas Außer-
gewöhnliches, daß ein Grundherr, der ein Kloster stiftete, selbst
Mönch wurde, imd daß ein junger Abt kein höheres Ziel kannte,
als seine Mönche zur genauen Beobachtung der strengen B/Cgel
anzuleiten. Für den Eindruck einer solchen Persönüchkeit war das
Volk empfänglich: bewundernd strömten Scharen von Pilgern nach
Brogne. Es war nicht nach Gerhards Wunsch; denn ihm war es
ernst mit der WeMucht. Er entzog sich der Verehrung des Volkes,
indem er die unmittelbare Leitung des Klosters niederlegte und
die Einsamkeit anfeuchte ^ Das war im Geiste Benedikts von
Nursia gehandelt; aber konnte es anders sein, als daß die Ver-
ehrung des Volkes dadurch noch gesteigert wurde?
Die Stiumaung des Volkes teilte sich den lothringischen Großen
mit Es berührt seltsam, daß Herzog Giselbreht der erste Förderer
der Klosterreform war. Denn nichts scheint so weit auseinander-
zuliegen, als die Gesinnung der gewalttätigen, nur auf Macht und
Besitz gerichteten Großen und die eines Mönchs wie Gerhard.
Doch wird die Unterstützung, die er bei den Machthabem fand,
zum geringsten Teil auf die Überlegung zurückzuführen sein, daß
die Reform auch ihrer Stellung Vorteil bringen werde. Der impo-
nierende Eindruck von Gerhards Person . und Handeln war sicher
die Hauptsache. Denn gerade diejenigen, denen das Weltliche
allein etwas zu gelten scheint, sind stets geneigt, die Größe eines
Asketen anzuerkennen: sie wissen die Kraft zu ermessen, die in
der Weltentsagung Hegt. Giselbreht ging auf Gerhards Gedanken
ein; er bewog ihn im Jahr 931, die Reform von St. Ghislain zu
Nr. 40). Gerhard erhält durch dieselbe von "Walther von St. Martin Reli-
quien und 5 mansi für Brogne.
^ Vit. Ger. 13 S. 664 vgl, den Zusatz Mabillons zu c. 22 S. 673; nach
der letzteren Stelle begleiteten ihn 12 Mönche von St. Denis.
2 Widmung der virtut. s. Eug. S. 646 f. » Vit. Ger. 13 S. 664.
— 349 —
übernehmend Die Regel Benedikts erhielt wieder Geltung; an die
Stelle der Kanoniker traten Mönche. Giselbrehts Vorgang folgte
einige Jahre später ein zweiter der lothringischen Großen, der Graf
Arnulf von Flandern. Die alten Klöster seines Landes standen in
seinem Besitz. Er begann damit, daß er im Jahr 937 Gerhard
zur Wiederherstellung des gänzhch zerstörten Klosters St. Bavo in
Gent berief^: es waren nur die nackten Mauern übrig; in den
Kreuzgängen, in denen vordem die Brüder gewandelt hatten,
schössen Dornen und Gestrüpp empor ^. Nun kehrten die Mönche
zurück; Arnulf übertrug die Abtei an Gerhard*. Während die
Arbeit in St. Bavo noch im vollen Werke war, wurde die Reform
des benachbarten Klosters Blandinium unternommen und trotz des
Widerstandes der Kanoniker durchgeführt. Graf Arnulf stellte
einen Teil der Klostergüter zurück^. Kurz danach, im Jahre 944,
mußten sich die zuchtlosen Mönche von St. Bertin entschließen,
das Kloster zu verlassen oder die Regel zu beobachten®. Endlich
im Jahre 952 scheint die Neuordnung von St. Amand dadurch
abgeschlossen worden zu sein, daß ein neuer Abt eingesetzt wurde'.
Was Gerhard in den vier Jahrzehnten seiner Tätigkeit erstrebte,
war Neubelebung des Mönchtums auf Grund der Benediktinerregel ^:
1 Ann. Bland, z. 931 S. 24; vita Ger. 14ff. S. 664ff.; Mirac. Gisl. 10
S. 584. Das Kloster lag in der Diözese Kamerijk.
2 Ann. s. Bav. z. d. J. 937—947 Scr. II S. 187 f. Gent gehört zur
Diözese Doornik. » Mirac. s. Davon. 1, 7 Scr. XV S, 593.
* Ann. s. Davon. 1. c, vgl. Mirac. s. Davon. 1. c. u. vita Ger. 19 S. 669.
Nach der Urkunde des Königs Lothar v. 11. Dez. 958 handelte Arnulf
ammonitione venerabilis viri gerardi abbatis (Serrure, Cartul. de s. Bav.
S. 5 Nr. 5).
5 Ann. Bland, z. 941 S. 25; cat. abb. Bland. Scr. XV S. 645; vit. Ger.
20 S. 670.
** Das Kl. hatte längst die flandr. Grafen als Laienäbte, s. Folcw.
Gesta abb. s. Bert. 98 ff. Scr. XIII S. 624 ff. Über die Reform Ann. Bland,
z. J. 945 f. S. 25; Folcw. Gesta 107 S. 628, hier das Jahr 944. St. Bertin
liegt im Bistum Therouanne.
' Ann. Elnon. mai et min. z. d. J. Scr. V S. 12 u. 19. Abt Gerhard
•war bei der Einsetzung des neuen Abtes Leuderich anwesend. St. Amand
gehört zu Doornik.
8 Vgl. die Anm. 4 angef. Urkunde Lothars; Folcw. Gest. 107 S. 628;
vita Ger. 18 S. 668. Schnitze (S. 252 ff.) urteilt, daß es sich für Gerhard
wesentlich um Durchführung des Prinzips der Subordination im Gegensatz
zu der bei den Kanonikern herrschenden Koordination gehandelt habe.
Aber die Worte Subordination und Koordination bezeichnen den Unter-
schied zwischen Mönchen und Kanonikern in dieser Zeit nicht vollständig;
~ 350 —
hierfür arbeitete er durch Wort und Beispiel mit der Kraft eines
von seiner Sache überzeugten Mannes ^. Die Erfolge, die er er-
reichte, waren nicht gering; aber der Ertrag seiner Arbeit kam
weniger der Lütticher Diözese, der er angehörte, als den alten
Klöstern der westlichen Niederlande zugute^.
Die religiöse Stimmung, aus der sein Unternehmen entsprang,
war dem südlichen und östlichen Lothringen nicht fremd ^. In
Metz kann man einen Kreis von Geisthchen namhaft machen, die
ähnlich gesinnt waren wie er. Da war der Singlehrer Rotland,
die Kleriker "VVarinbert, Bernacer, Salacho, Rading; sie dienten an
den verschiedenen Kirchen der Stadt, am Dom, wie an St. Salvator,
St. Martin, St. Symphorian*. Zeichnete sich der eine durch sein
musikalisches Talent aus, so beschäftigte sich der andere mit dem
Abschreiben von Handschriften, der dritte machte sich verdient als
Rechenmeister. Das, was sie verband, war die gleiche religiöse
Stimmung. Diese Männer waren nicht aus äußeren Gründen
Kleriker, sondern es war ihnen Herzenssache, ebenso Pflicht wie
Lust, den Gottesdienst zu verrichten. Daß sie freundschaftlichen
Verkehr untereinander pflegten, versteht sich von selbst: sie kamen
wohl in der vor der Stadt gelegenen Kirche St. Symphorian zu-
sammen. Auch unter den Nonnen von St. Peter fehlte nicht die
eine oder andere Gesinnungsverwandte, die mit Ernst danach
strebte, nicht dieser Welt zu leben und zu dienend
Unter den Frommen in Verdun hatte niemand einen größeren
Namen als der Einsiedler Humbert. Er war eines reichen Bauern
Sohn; die Bewahrung in einer seltsamen Lebensgefahr hatte ihn
einst aus dem gewöhnhchen Geleise geführt; eine Wallfahrt nach
Italien machte ihn zum Mönche. Seit seiner Rückkehr lebte er
er bestand darin, daß die ersteren an eine strikte Regel gebunden waren,
die letzteren tatsächlich ohne Regel lebten: vgl. vita Ger. 15 S. 665: Regu-
laris disciplinae prorsus ignari et non ut hodie sunt canonici, sed erant
sicüt matricularii. Auch die ^Reliquienidolatrie" wird man nicht als unter-
scheidendes Kennzeichen der flandrischen Reform betrachten können. So
gewiß es ist, daß Gerhard den größten Wert auf Reliquien legte, so gewiß
ist es auch, daß ihm dieser Zug nicht eigentümlich war: er teilte ihn mit
seiner ganzen Zeit.
1 Er starb am 3. Okt. 959, Vit. Ger. 22 S. 673. Ann. Gand. z. d. J.
Scr. II S. 188.
2 Über seine Beziehungen zu Frankreich s. Sackur I S. 134.
^ Hauptquelle für die folgende Darstellung ist die Biographie Johanns
von Gorze, Scr. IV S. 337 S. Man vgl. Schultze, Forschungen zur Gesch. d.
Klosterreform im 10. Jahrh. Halle 1883. Sackur I S. 141 ff.
* Vita Joh. 20 S. 842 ff., 33 S. 346. » Ib. 17 S. 341 f.
— 351 —
als JEleckisiis. Man bewunderte seine Gelehrsamkeit, man schätzte
noch mehr seine seelsorgerUche Weisheit: wer Rat für seine Seele
bedurfte, der suchte seine Zelle auf, um ihm eine Generalbeichte
abzulegen und sich die Pönitenz bestimmen zu lassen. Besonders
einzelne Nonnen der Stadt standen unter seinem Einfluß \
Ungefähr eine Tagereise von Verdun entfernt liegt Montfaucon.
Dort hatten sich etliche britische Mönche, die vor den Normannen
aus ihrer Heimat geflüchtet waren, niedergelassen. Man achtete
sie; denn sie machten dem alten Ruf britischer Gelehrsamkeit Ehre:
ihr Führer Andreas war ausgezeichnet durch literarische Bildung;
vor allem aber stimmte ihre religiöse Richtung mit der der Metzer
und Verduner Frommen überein ^.
"Weit verschieden von allen Genannten und im tiefsten Grund
doch ein Gesinnungsgenosse war der Einsiedler Lantbert in den
Argonnen^ Er war ein Bauer, und verleugnete das in keiner
Hinsicht: nicht nui', daß ihm die Gelehrsamkeit mangelte, er zeigte
es auch in seinen Formen; selbst den Mönchen fiel auf, daß ihm
der Sinn für das Angemessene gänzlich gebrach. Um so mehr im-
ponierte dem Volk seine schonungslose Selbstkasteiung, sein stoß-
weises, wie von einem höheren Impuls- bestimmtes Handeln. Plötz-
hch erschien er hier oder da in einem Dorf oder einer Stadt: man
wußte nicht, wozu; ebenso plötzhch zog er sich in die Einöde zu-
rück: man wußte nicht, warum. Für ihn gab es keine Stunde:
mitten in der Nacht begann er die Messe zu singen; manchmal
fastete er ununterbrochen zwei oder drei Tage; sein schwacher Leib
schien dies Leben kaum ertragen zu können. Das waren Extra-
vaganzen, die seine Gesinnungsgenossen nicht immer billigten. So
sehr sie ihn bewunderten, so weit waren sie doch entfernt, sein
Leben als vorbildlich gelten zu lassen.
Im Bistum Toiü genoß der Archidiakonus Einold ähnhches
Ansehen wie Humbert in Verdun*. Er war reich und in ange-
sehener Stellung, ausgezeichnet durch seine Kenntnisse in der geist-
hchen und welthchen Wissenschaft. Aber auch er flüchtete aus
dem Sturm der Gegenwart in die Stille des asketischen Lebens.
Er verzichtete auf allen Besitz, um forthin wie ein Büßer zu leben:
in der Nähe des Doms baute er sich eine kleine Zelle; er verließ
sie nur, wenn er Messe las. Mehr im tätigen Leben stand der
1 Vita Joh. 21 S. 343; 51 f. S. 351. = Ib. 23 S. 343.
3 Ib. 22—24 S. 343. Schnitze S. 32 bezeichnet ihn als halbverrückt;
das. trifft aber, wie mich dünkt, den Kern der Sache nicht.
* Ib. 29 S. 344 f.
• — 352 —
Diakon am Dome Bemer^: er war Lehrer der Grammatik: ein
Mann von peinlicher Gewissenhaftigkeit, freimütig und unbeugsam
auch mächtigen Männern gegenüber, des Wortes mächtig, in allen
seinen Lebensgewohnheiten einfach und schlicht, aber nicht ohne
angeborenen Sinn für das Schöne.
Zu diesen Männern gesellte sich der etwas jüngere Johannes,
den man nach dem Kloster Gorze zu nennen gewohnt ist. Der
Sohn eines wohlhabenden Grundbesitzers zu Yendiere an der Mosel,
wurde er in Metz und St. Mihiel erzogen. Hier lehrte Hildebold,
ein Schüler des berühmten Remigius von Auxerre. Aber auch
seiner didaktischen Kunst gelang es nicht Johannes zum Gelehrten
zu machen. Praktisches Geschick und die Lust am tätigen Leben
überwogen bei ihm weit die Neigung zu den Büchern. Gleichwohl
wurde er E^eriker: nachdem er erst in den Besitz von ein paar Kirchen
gekommen war, wurden durch die Unterweisung Bemers auch die
Lücken seines Wissens ausgefüllt. Der Verkehr mit dem Touler
Magister wurde für sein Leben entscheidend; denn durch ihn kam
er in Beziehung zu den reformatorisch gesinnten Kreisen. Ln Um-
gang mit Rotland und Wariubert, Humbert und Lantbert bildete
sich seine Lebensanschauung bestimmter aus. Eine Wallfahrt nach
Italien brachte seine Entwickelung zum Abschluß: er sah die
heiligen Stätten Roms, besuchte den Erzengel auf dem Monte- Gar-
gano, mit tiefer innerer Teilnahme weilte er in Monte Casino, auch
das Salvatorkloster am Vesuv wurde nicht übergangen.
Unter den Eindrücken dieser Reise reifte bei Johannes der
Entschluß, ein asketisches Leben zu beginnen. Es bedurfte schwer-
lich viel Überredung, um die nächsten Freunde für die Beteiligung
an diesem Plane zu gewinnen: gemeinsam sollte er von Johannes,
Einold, Humbert und anderen ausgeführt werden. Man ermißt,
wie trostlos die heimischen Zustände den Freunden erschienen, und
wie tief der Eindruck war, den Italien auf Johannes gemacht hatte,
wenn man hört, daß die Gesinnungsgenossen sich entschlossen dort-
hin zu wandern. Johannes schlug die Umgegend von Benevent
für die zu gründende Einsiedlerkolonie vor: seine Freunde waren
bereit, ihm zu folgen-.
Das war der Moment, der über die Zukunft der ganzen Be-
wegung entschied. Man kann nicht zweifeln, daß sie im Sande
verlaufen wäre, wenn ihre Träger den heimischen Boden verlassen
1 Vita Job. 13 S. 340; 16 S. 341.
3 Ib. 34 S. 346. Sackur sagt (S. 149): wohl vertrauend auf die Menge
unbebauten Landes, das der Besiedelung bedurfte. Diese Reflexion scheint
mir ferne liegend. Die neuen Asketen suchten vielmehr die Spuren der alten.
— 353 —
hätten. Aber es kam nicht dazu: unter den Gesinnungsgenossen
selbst regten sich Bedenkend Der Bischof Adalbero von Metz
wurde zum Eingreifen veranlaßt, und da er' den Wünschen Jo-
hanns und seiner Freunde entgegenkam, entschlossen sie sich in
Lothringen zu bleiben.
Man kann Adalbero schwerlich für einen von Hause aus
asketisch gerichteten Mann halten: er war ein poHtischer Bischof:
die Lothringer hatten ihn, der dem einheimischen Adel entstammte^,
zum Bischof gewählt, nachdem sie den von Heinrich I. ernannten
Eremiten Benno geblendet und dadurch zum Rücktritt genötigt
hatten^. Eigene Neigung und die Beziehungen seiner Famihe
hielten ihn, auch nachdem er Bischof war, im politischen Treiben
fest*. Er war ein Mann für diese harte Zeit: so leidenschafthch
sein Wollen war, so sehr wußte er sich zu beherrschen; kaum
verriet ein Wort, wovon seine Seele erfüllt war, nur an dem Zucken
der Augenbrauen zeigte sich die innere Bewegung ^ Unter dem
Zwang der Verhältnisse wurde er den Ansprüchen der Kirche
nicht immer gerecht^. Aber wie so mancher seiner Standesgenossen
empfand er Achtung vor dem asketischen Ernst; wer möchte frei-
lich entscheiden, ob sie aus innerer Teilnahme für die Ziele der
Frommen, oder aus Wohlgefallen an der Kraft herstammte, die
im freiwilligen Verzichte Hegt'?
Zu den bischöflichen Klöstern der Diözese Metz gehörte die
Abtei Gorze. Die einst so wohl geordnete Stiftung Chrodegangs
war tief herabgekommen. Das Kloster war schier verödet, nur ein
paar Brüder waren noch vorhanden; die Kirche starrte von Schmutz
^ Vita Job. 37 S. 347.
^ Er war der Sohn des Grafen Wigerich und der Bruder des späteren
Herzogs Friedrich. Persönlich war er übrigens arm (vit. Joh. 40 S. 348) ;
vgl. über ihn Wichmann im JB. d. G. f. Lothr. Gesch. III S. 104 ff.
3 Mirac. Glodes. 46 Scr. IV S. 237.
* S. die Übersicht über seine polit. Wandlungen bei Schultze S. 29 tf.
und Wichmann S. 121 ff.
3 Vit. Joh. 97 S. 365. ^ i^. no S. 368.
' Sackur (S. 149) spricht von einem fein abgekarteten Intriguenspiel,
dadurch der Bischof gewonnen wurde. Ich glaube nicht, daß dies im Be-
richt der vita Joh. liegt. Auch brach ja Adalbero nicht mit seinem ganzen
System; das zeigen die späteren Mißhelligkeiten. Das Entgegenkommen
des Bischofs war, wie mich dünkt, unausweichlich, sobald er von der Sache
erfuhr. Er konnte, um seiner Reputation vor dem Volk willen, die Frommen
nicht ziehen lassen. Kam dazu, daß er selbst sie achtete, so war ihm die
Entscheidung um so leichter.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 23
- 354 —
und Unrat ; die Güter waren seit Jahrzehnten entfremdet ^. Dieses
Kloster überHeß Adalbero den Freunden. Am 16. Dezember 933
stellte er in Metz eine Urkunde aus, durch welche er die Stiftung
erneuerte. Sie nennt die Männer nicht, denen er sie übergab, wie
sie überhaupt das ganze Unternehmen als aus der Initiative des
Bischofs hervorgegangen erscheinen läßt. Dagegen sind die zurück-
gegebenen Güter einzeln aufgezählt: sie bildeten nur einen sehr
geringen Teil von dem, was von Rechts wegen zum Kloster gehörte^.
Daß die alten Bestimmungen über die AVahl des Abtes erneuert
wurden, war selbstverständlich'''.
Es waren sieben Männer, die in das verlassene Kloster ein-
zogen*. Indem sie Einold zum Abte wählten^, konstituierten sie
sich als Benediktinerkongregation. Die Wahl Einolds zeigt, daß
er als der hervorragendste unter den Genossen galt; aber er war
ganz Asket: sein Sinn war nur auf das mystisch fromme Leben
gerichtet. Sich mit den mancherlei äußerlichen Geschäften befassen
1 Über die Ref. Vit. Joh. 36—38 S. 347 f.; vgl. Adalberos Urkunde für
Gorze, Cartul. de l'abb. de Gorze S. 169 Nr. 92. Gorze war 863 von B. Ad-
ventius reformiert worden; er stellte einen Regularabt, Betto, an die Spitze,
Cartul. S. 106 ff. Nr. 60 u. 62.- Die Durchführung muß aber Schwierigkeiten
gemacht haben; denn seit 868 ging die Leitung an Pröpste über, Nr. 64 — 66.
Seit 876 wird der bisherige Propst Bovo als Abt bezeichnet, S. 129 Nr. 71,
vgl. zur Datierung S. 461 f., Nr. 73 f. Auch seine Nachfolger Erigaudus und
Lodoin führen diesen Titel, Nr. 75 ff. So blieb es bis 895; seit diesem Jahr
steht das Kl. direkt unter dem Metzer Bischof, Nr. 84 ff. Erst 912 hört
man wieder von einem Abte, Widericus oder Wigiricus, Nr. 89 f. Er steht
ex permissu senioris mei domni Roberti s. Mett. eccl. episc. an der Spitze
des Klosters, S. 165, und scheint identisch zu sein mit dem späteren B.
Wicerich von Metz. Wahrscheinlich war er Laienabt; denn wie sollte man
es sich vorstellen, daß ein Regularabt zugleich Großgrundbesitzer ist und
sich eine Prekarie vom Kloster erteilen läßt? Wigerich wird erst, um
das Bistum zu erlangen, In den Klerus eingetreten sein. Nachdem er
Bischof war, kam das Kloster an einen gewissen Adalbert, der sich senior
sive abbas cenobii nennt, S. 168 Nr. 91 v. 922. Auch er wird Laienabt ge-
wesen sein. Bei diesen Verhältnissen ist der Verfall des Klosters begreif-
lich genug.
- Das ergibt der Vergleich mit der Urk. Ottos von 945 Dipl. I S. 149
Nr. 70.
'^ Vgl. Bd. II S. 55. Man hat deshalb kein Gewicht darauf zu legen.
4 Vit. Joh. 43 S. 349.
5 Ib. 44 S. 349. Urk. Adalberos S. 170. Einold kommt urkundlich
960 und 967 vor, Cartul. S. 200 ff. Nr. 109 u. 110. Der Einölt der Ann.
necrol. Fuld. z. 959 kann also nicht der Abt von Gorze sein. Der Todes-
tag ist der 19. Aug. Lib. anniv. s. Galli M.G. Necr. I S. 479.
— 355 —
zu müssen, welche die Leitung des Klosters mit sich brachte, war
ihm lästig. Da war es ein Grlück, daß er für sie den tüchtigsten
Gehilfen an dem Mönche Johannes fand \ Nun kam dessen prak-
tisches Geschick zur Geltung. Er verbarg sich nicht, daß das
Kloster bei seinen schmalen Mitteln nur bestehen konnte, wenn
alle Einkünfte sorgsam verwaltet wurden. Deshalb führte er die
peinlichste Ordnung im Rechmmgswesen ein : wöchentlich und monat-
lich legte er dem Abt die Einnahme- und Ausgabebücher vor. Ob-
gleich Einold schließhch die Durchsicht ablehnte, führte er seine
Rechnungen fort ^. In großen und kleinen Amtern hat er dem Kloster
gedient: als Propst und Dekan, wie als Verwalter des Keilers und
der Kleiderkammer. Nach Einolds Tod wurde er Abt. Sein von
Natur rasches Wesen wurde durch die mönchische Zucht nicht
gebrochen, aber zurückgehalten. Dank fand er nicht immer; aber
das berührte ihn wenig: der Zorn eines geistlichen Oberen machte
ebenso geringen Eindruck auf ihn, wie die üblen Nachreden un-
verständiger Brüder: er war seines Weges sicher. So gelang es,
die Ärmlichkeit des Anfangs nach und nach zu überwinden. Da-
bei fehlte es nicht ganz an Reibungen mit dem Bischof, der den
eifrigen Brüdern nicht immer genug tat: es schien wohl einmal
der offene Bruch unvermeidlich: die Mönche erwogen den Gedanken
nach St. Maximin überzusiedeln. Doch wußte man sich schließ-
lich zu verständigen; wie die Brüder überzeugt waren, hatten sie
es dem Eingreifen ihres Schutzheiligen, Gorgonius, zuzuschreiben,
daß Adalbero ihren Forderungen nachgab^. Während dessen ver-
mehrte sich die Zahl der Mönche; aus den verschiedensten Gegen-
den strömten sie zusammen: hauptsächlich aus den drei Bistümern
und aus Burgund; auch Britten und Griechen fanden sich herzu*.
So wurde Gorze ein Seitenstück zu Cluni und Brogne. Im Jahre
938 bestätigte Leo VII. die Neuordnung des Klosters unter aus-
drücklichem Dank gegen Adalbero. Acht Jahre später folgte die
Bestätigung durch Otto I.^
Fragt man, was die Absicht der Beform war, so erhält man
die Antwort, die bei allen Klosterreformationen gegeben wurde:
Erneuerung der Benediktinerregel®. Aber damit ist doch nur eine
1 Vit. Joh. 72 f.- S. 357; 85 ff. S. 361 f. Johannes ist als Abt urkundlich
zum erstenmal 2. Juni 973 bezeugt, Cart. S. 204 Nr. 111. Er starb schon
am 30. März 974, s. Sackur I S. 156. 2 yjt. Joh. 73 S. 357.
s Ib. 95 ff. S. 364 f.
* Ib. 50 u. 54 S. 351 f. Mirac. Gorg. 26 Scr. IV S. 246,
5 J.W. Nr. 3609, Dipl. I S. 149 Nr. 70.
6 Diplom Adalberos für Gorze v. 933 S. 170; für St. Arnulf v. 942
23*
— 356 —
Seite der Sache ausgesprochen. Die andere ist hervorgehoben,
wenn in einer späteren Urkunde Adalberos die reformierten Mönche
als diejenigen bezeichnet werden, die dem evangelischen und aposto-
lischen Leben nachfolgen, die die Armut Christi nachahmend, sein
sanftes Joch und seine leichte Last auf sich nehmen, die die Norm
des strengeren Lebens beobachten und den "Weg heihgen Wandels
einschlagend Nicht nur Rückkehr zur Benediktinerregel, sondern
zugleich Verschärfung der Askese war der leitende Gedanke. Dem
entspricht, was wir von den einzelnen Männern hören: die Abneigung
Einolds gegen jede Art äußerer Geschäfte hatte darin ihren Grund ''^;
ein Mann wie Johannes, der für das tätige Leben geboren war,
meinte doch in freiwilligem Verzichte es allen anderen zuvortun
zu müssen: keiner brachte es im Fasten und Wachen so weit wie
er^. Andere verließen Gorze, um als Einsiedler zu leben: sie
woUten, wie man sagte, die Süßigkeit der göttUchen Kontemplation
unter der bitteren Kasteiung des Leibes inne werden*. Auch in
Worten und Wendungen tritt diese Steigerung der Askese hervor.
Man sprach nicht mehr nur von der Demut der Mönche, sondern
man rühmte es, daß sie sich selbst wegwürfen^. Sie wirkte auf
die Studien: es versteht sich freilich von selbst, daß in Gorze mehr
gelesen wurde, als sonst üblich war. Aber es ist doch bezeichnend,
daß, als Johannes sich abmühte, in das Verständnis der Trinitäts-
lehre Augustins einzudringen, ein Verbot Einolds diese Arbeit ab-
schnitt. Der Abt urteilte, Johann solle seine Zeit nicht an dia-
lektische Fragen wenden, er solle die heilige Schrift studieren und
solche Bücher, welche zugleich belehrten und erbauten*^. Man ver-
steht, daß in Gorze die Schriften Gregors d. Gr. denen Augustins
vorgezogen wurden'^, und daß- man mit besonderem Eifer die
Biographien berühmter Mönche las^. Wenn man die Zahl der
Psalmen, Gebete und Lektionen im Klostergottesdienst vermehrte ",
so ging diese Einrichtung aus demselben Geiste hervor.
Calmet I Pr. S. 349, v. 944 JB. II S. 306. Flod. ann. z. J. 934 S. 382: ReUgio
regulae monachorum in quibusdam monasteriis per regnum Lothariense
reparatur; vgl. Mirac. Glodes. 46 S. 238.
1 Für St. Arnulf in Metz, JB. II S. 307.
2 Vit. Job. 72 S. 357 : Dum pater Einoldus credito sibi regimine loci
vehementer angeretur, si sibi exteriora curanda essent, qui longo alia divine
speculationis meditabatur, etc. ^ Ib. 78 S. 359.
* Ib. 69 S. 356. ö Ib. 74 S. 358. » Ib. 83 S. 360.
' Ibid. S. 361 : Quaecunque essent b. Gregorii, unice praeter cetera
amplexus est. » Ib. 84 S. 361.
^ Ib. 81 S. 359, von den Psalmen, Orationen und Lektionen :.Que tunc
— 357 —
In dieser scharfen Betonung des asketischen Elementes Hegt,
wie mich dünkt, der Unterschied der lothringischen Eeformbewegung
von der cluniacensischen. Die letztere war ebenfalls ßückkehr zur
Benediktinerregel; aber man war so weit davon entfernt, die aske-
tischen Anforderungen zu steigern, daß man über die durch Benedikt
von Aniane eingeführten Milderungen nicht wieder auf die ursprüng-
liche Regel zurückging. Denn den Leitern der Bewegung, geistig
hochstehenden Männern, lag es nicht an dem Mehr oder Weniger
der Askese, sondern an der Durchführung von Ordnung und Maß
in den Klöstern. Die Lothringer dagegen priesen die Regel, weil
sie in ihr das Grundgesetz des asketischen Lebens gegenüber der
Ungebunden hei t der Kanoniker sahen, und sie übe"*boten zugleich
ihre Forderungen durch ihr Leben. Verghchen mit den Clunia-
censern liegt etwas Exzentrisches, Schwärmerisches in ihrer Art.
Es paßt dazu, daß diese Bewegung ausgesprochen volkstümlich
war: ein paar ihrer Führer stammten aus dem Bauernstande: Jo-
hannes und Humbert, andere gingen aus dem niederen Klerus
hervor; kein einziger Mann aus angesehener Familie war unter
ihnen. Die Ziele der Lothringer gingen nicht weit: sie gedachten
nicht das Mönchtum zu reformieren, sondern sie wollten in ihi*em
Kloster oder in der Einöde das Ideal des evangelischen Lebens
verwirklichen. Auch dies ein Unterschied von Cluni. Denn in den
bm'gundischen Mönchen lebte von Anfang an der Drang, für ihre
Überzeugungen Propaganda zu machen: sie meinten, ihnen die
-Herrschaft in den Klöstern Frankreichs, ja der Welt erobern zu
müssen.
Ein Gegensatz der beiden Reformrichtungen liegt in diesen
Verschiedenheiten nicht. Der Ruhm Clunis war den Mönchen von
Gorze sicher ebensowenig unbekannt, als der Name Gerhards von
Brogne ^. Hatten sie nicht das Bedürfnis, Anschluß an diesen oder
jenen Ej'eis zu suchen, so fühlten sie sich doch als Gesinnungs-
genossen und nahmen bereitwillig die eine oder andere Einrichtung
an, die zuerst bei den Cluniacensern in Übung gekommen war-.
temporis utique ut ferventibus conversationis iniciis, et numero et longitudine
et mora dicendi multiplicius extendebantur, quae postmodum pusillanimitas
imbecillium in nonnullis compulit coartari. Die Überschreitung der Regel
und der Rückgang auf die Regel ist hier deutlich.
^ Den Beleg für vertraute Beziehungen zum Kreise Gerhards gibt die
Urk. König Lothars v. 11. Dez. 958, Cartul. de S. Bav. S. 5 Nr. 5; hier sind
Einotd von Gorze und Humbert von St. Aper genannt.
2 S. Sackur S. 160 ff. Er verweist auf vita Joh. 63 S. 354, wonach
am Samstag die Mönche ex more antiquo quidem sed tunc noviter nobis
- 358 —
Daß die Mönche von Gorze einen ähnlichen Einfluß auf andere
Klöster gewannen, wie Gerhard von Brogne in Niederlothriugen,
verdankten sie eigentlich nicht sich selbst: es war das Verdienst
tradito einander die Schuhe wuschen. Der Vergleich mit vita Odonis II, 23
(Mign. 133 S. 73) macht ziemlich sicher, daß das cluniacensische Vorbild
wirkte. Weniger sicher scheint mir, da,ß dies auch in bezug auf den Psalmen-
gesang der Fall war. Die S. 356 Anm. 9 zitierte Stelle leitet die Ver-
mehrung der Psalmen etc. nur aus dem glühenden Eifer der ersten Gorzer
Generation ab. Auch ob bei dem Fasten Johanns das cluniacensische Vor-
bild wirkte, ist mir zweifelhaft. In Cluni war, wenn man aus den Consuet.
Farf. c. 113 S. 109 eine Folgerung ziehen darf, die Fastenordnung der Regel
im Gebrauch. Was Johann anlangt, so wird im 92. und 93. Kap. de lege
ieiuniorum quam sibi indixerat, berichtet, und zwar, daß er in ipso con-
versionis initio totum deinceps tempus . . ieiunio disposuerat dedicare. Das
war Ausführung des Gedankens der Regel : Licet omni tempore vita monachi
quadragesimae debet observantiam habere (c. 49). Aber die Sache erwies
sich als undurchführbar: itaque regulam tolerabiliorem assumpsit, ut duas
tantum quadragesimas in anno perageret, unam ante nativitatem domini-
cam, alteram ante passa. Grammatisch ist sicher, daß die regula tolera-
bilior der lex ieiuniorum entgegengestellt ist, und daß es sich also lediglich
um eine Regel handelt, die er sich selbst stellte, wie os sich zuerst um
ein Gesetz handelte, das er sich selbst gab. Eine direkte Beziehung aut
eine fremde, ihm bekannt gewordene Einrichtung liegt also in den Worten
nicht. Daß die Worte lex und regula gebraucht sind, erklärt sich aus dem
Schluß des 49. Kapitels der Regel, wonach Überschreitungen des von der
Regel geforderten Fastens nur mit Vorwissen und Zustimmung des Abts
zulässig sein sollten. Daß, wenn Johannes die Regel überbieten wollte, er
für sich eine Fastenzeit vor Weihnachten einführte, war keineswegs eine
Neuerung; schon die 2. Synode von Tours (567) hatte gemäß den antiqua
instituta verordnet, daß die Mönche de Decembre usque natale Domini
omni die ieiunent, c. 18 S. 12. Die Erfurter Synode v. 932 gebot das Fasten
während der letzten 14 Tage vor Weihnachten, Brev. can. 2 S. 5. Neu war
also nur, daß Johann diese Fastenzeit am 13. Sept. begann, wie er das
Osterfasten mit der Epiphaniasoktave anfing. Die Wahl der Epiphanias-
oktave erklärt sich von selbst; der 13. Sept. war ihm durch Reg. 41 dar^
geboten. Hielt Johann seine Fastenzeit in der Weise, daß er Sonntac,
Dienstag und Donnerstag am gemeinsamen Mahl Anteil nahm, so hatte er
auch hierfür ältere Vorbilder: die erwähnte Syn. von Tours hatte verordnet,
daß im Sept., Okt. u. Nov., und die 1. Synode von Mäcon (588), daß von
Martini bis Weihnachten am Montag, Mittwoch und Freitag gefastet werden
solle, c. 9 S. 157. Bei dieser Sachlage liegt jedenfalls die Notwendigkeit,
eine Nachahmung Clunis anzunehmen, nicht vor. Und sollte Johannes
wirklich erst durch irgendeinen Cluniacenser gelernt haben, daß man am
Sta,nd der Gestirne die Stunde ablesen kann? Er war ja eines Bauern
Sohn und hatte das sicher von Jugend auf getan.
— 359 —
Adalberos I. Er nahm die Leitung der Klosterreform in die Hand.
Dadurch erhielt die Bewegung in Oberlothringen vollends einen
anderen Charakter als die cluniacensische.
Das älteste Kloster in der Diözese Metz war die Abtei St.
Arnulf. Sie war längst zu einem Stift weltlicher Kanoniker ge-
worden. Ein Abt oder Propst wurde nicht mehr gewählt; von den
Stiftsherren lebte, wie es scheint, ein jeder für sich, ohne sich an
die Beobachtung einer Begel zu bindend Adalbero suchte zuerst
die Kanoniker auf gütlichem Wege zu bestimmen, daß sie die
Verhältnisse selbst änderten. Als dies mißlang, griff er durch, er
entfernte sie und verwandelte St. Arnulf wieder in ein Benediktiner-
kloster. Die Männer, die er für sein Unternehmen bedurfte, bot
ihm Gorze. Von dorther kamen die ersten Abte, Heribert^ und
Ansteus^. Besonders der letztere war ein nicht unbedeutender
Mann: er galt als gewandter Redner, daß er als Architekt hervor-
ragendes leistete, wurde bereits erwähnt^. St. Arnulf erhob sich
unter seiner Verwaltung zu neuem Glanz. Dormitorium, Refektorium
und andere für das klösterliche Leben notwendige Bauten wurden
erneuert, überdies das Kloster stattlich befestigt; es erschien wie
eine Burg. Nach dem Vorbild Johanns von Gorze trug Ansteus
Sorge für geordnete Verwaltung des Klostergüts. Er erreichte,
daß der Ertrag nicht nur genügte, sondern Überschüsse gab. In
Hinsicht auf das religiöse Leben schloß man sich auf das engste
an Gorze an: man pflegte die Erinnerung an die Gorzer Führer,
wie die an die eigenen Ahnen. In St. Arnulf ist die Biographie
Johanns von Gorze geschrieben worden.
Die Reform von St. Arnulf begann im Jahr 940 oder 941 ^.
Im nächsten Jahrzehnt folgte die von St. Felix. Auch dieses
Kloster war gänzlich heruntergekommen. Den Dienst an der Kirche
1 Vgl. die Urkunde Adalberos v. 942 Calmet I Pr. S. 349; die Urk.
Ottos I. V. 942 Dipl. I S. 130 Nr. 45; vita Job. 67 S. 355; Gest. ep. Mettens.
45 Scr. X S. 542, Hist. s. Arn. Mett. Scr. XXIV S. 528 f. Müsebeck, Die BA.
St. Arnulf in der ersten Hälfte des MA. JB. XIII S. 164 ff.
2 In einer in der Hist. s. Arnulfi Scr. XXIV S. 542 erhaltenen Urkunde
bezeichnet sich Heribert (Alpert oder Arbert) als monachus Gorziensis.
3 Yita Joh. 66 f. S. 855. Urk. Adalberos JB. H S. 306 f. Urk. Ottos I.
Dipl. I S. 187 Nr. 104. * S. o. S. 337.
» Da die oben Anm. 1 angeführte Urk. Ottos v. 10. Jan. 942 datiert
ist, so ist 941 das späteste Datum. Da aber der Urkunde die Versuche des
Bischofs, die Kanoniker zur Reform zu bestimmen, deren Vertreibung und
Appellation vorausgingen, so fällt der Anfang der Reform möglicherweise
schon in d. J. 940.
— 360 —
versah ein armer Priester; die Gebäude waren zum größten Teil
zerstört, zwischen den Mauern wucherten Nessehi und Heckenrosen ^
Um es zu erneuern berief Adalbero den Schotten Kaddroe^. Dieser
weilte seit 944 auf dem Kontinent, hatte in Fleury die Benedik-
tinerregel kennen gelernt^, und lebte später in dem auf die Ein-
richtungen Benedikts verpflichteten Schottenkloster Waulsort in der
Diözese Lüttich*. Jetzt bestimmte ihn das Zureden Einolds und
Ansteus' nach St. Felix überzusiedeln. Er hat es mit Mönchen aus
"Waulsort bevölkert^.
Die Reform blieb dabei nicht stehen: auch in Longeville und,
wie es scheint, in Hornbach*' wurde die Benediktinerregel ein-
geführt; mit einem Wort: Adalbero brachte sie, soweit sein Ein-
fluß reichte, in den Klöstern seines Sprengeis wieder zur Herr-
^ St. Felix, später St. Clemens, war eine Stiftskirche unbekannter
Gründung vor Metz. In der Vita Kaddr. 24 S. 691 wird sie bezeichnet als
locus non longe ab urbe Metensi positus et multorum sanctorum corporibus
et reliquiis inclytus, sed tunc iam ad nihilum redactus. Die obige Schil-
derung nach den Vers, auf Metz, N.A. V S. 435 v. 49 ff., vgl. auch Chron. s.
Clem. Mett. z. 943 Scr. XXIV S. 498. Das Jahr der Reform ist unbekannt;
nach Gall. Christ. XIII S. 867 war Kaddroe i. J. 953 bereits Abt; vg]. Wich-
mann S. 174 Nr. 9.
- Vgl. über ihn die anonyme vita Kaddr., Mabb. A. S. V S. 483, im
Auszug Scr. IV S. 483 f. u. XV S. 689 ff., u. die eben angef. Verse auf Metz
v. 70 ff. S. 436. Schnitze S. 51 ff. Sackur I S. 181 ff.
3 Vita Kaddr. 20 S. 690 ; über Fleury Sackur I S. 88 ff.
* Vgl. über seine Entstehung unten. Die ersten Mönche charakterisiert
die Urk. Dipl. I S. 160 Nr. 81 als quosdam Dei servos peregrinationis gratia
a Scotia venientes et sub regula s. Benedicti vivere cupientes.
5 Vita Kaddr. 25 S. 691.
** In dem ersteren Kloster befanden sich, als die Reform begann,
Kleriker (cf. vita Job. 43 S. 349: Salecho ex clericis s. Martini citra Mosel-
lam); dagegen ist es i. J. 942 eine Abtei und ist eben Salacho Abt, Not.
dedic. s. Maxim. Trev. Scr. XV S. 1270. Damit ist die Reform und ihr Zu-
sammenhang mit Gorze bewiesen. Hornbach war i. J. 900 in Laienbesitz,
B.M. 1937. Dagegen hatte es i. J. 972 einen regulären Abt, Dipl. I S. 578
Nr. 424. Die Reform, die man annehmen muß, fällt also unter Adalbero
oder seinen Nachfolger. Der in der angeführten Urkunde genannte Abt
heißt Adelbert. Könnte man ihn mit einiger Sicherheit für identisch mit
dem chron. Med. mon. 7 ff . S. 89 genannten Gorzer Mönch und Abt von
Moyenmoutier erklären, so wäre der Zusammenhang nachgewiesen. Doch
bleibt die Sache unsicher. Dem Hornbacher Adelbert widmete der Mönch
Eburnant ein Prachtsakramentar, das sich jetzt in Solothurn befindet. Die
Verse, in denen es der Mönch dem Abt, der Abt dem h. Petrus, dieser
Christo darbringt, sind N.A. X S. 344 f. mitgeteilt.
— 361 —
Schaft \ Auch den Nonnenklöstern wandte er seine Sorge zu.
Die beiden Metzer Frauenstifter, St. Glodesind und St. Peter, sind
durch ihn reformiert worden. Zur Äbtissin von St. Grlodesind er-
nannte er eine seiner Verwandten, Himiltrud. Sie wußte die Nonnen
wieder an die Beobachtung der Regel zu gewöhnen. Mit der Er-
neuerung der inneren Ordnung ging die der äußeren Hand in
Hand: der entfremdete Besitz wurde zum großen Teil restituiert;
man konnte es wagen, den Neubau des Klosters zu beginnend
In St. Peter wurde die Nonne Hauwidis Äbtissin'*. Wie hoch
man sie im Kreis der Reformfreunde schätzte, zeigt eine Äußerung
Kaddroes; er urteilte, er kenne keine Frau, die mit ihr zu ver-
gleichen sei*.
In derselben Zeit, wie im Bistum Metz begann die Reform
in den Nachbardiözesen, j
In Toul war seit dem 17. März 922 Gauzhn Bischof. Ein
Mann vornehmer Abkunft und gelehrten Studien nicht fremd, be-
wies er sich .doch von Anfang an als Freund des Mönchtums'\
Um das Jahr 930 war die alte Abtei Fleury an der Loire dm'ch
Odo von Cluni zur Beobachtung der Benediktinerregel zurück-
geführt worden**. Das, was dort geschah, erregte die Aufmerksam-
keit Gauzlins. , Er ließ sich die Reise nach Fleury nicht reuen,
um die Einrichtungen des reformierten Klosters kennen zu lernen.
Von dort brachte er eine Abschrift der Benediktinerregel und eine
^ Mirac. Glodes. 46 S. 237: Monasteria quaecunque per amplitudinem
suae erant provintiae retro a multis iam annis interius et exterius . . lapsa,
studio praeter cetera egregie animum recuperare induxit . . . Ad eius (Gorze)
exemplar reliqua extra vel infra virorum ac feminarum, si qua etiam sub
nomine canonicorum erant, composuit monasteria. Abgesehen von den fünf
genannten Klöstern (Gorze, St. Arnulf, St. Felix, Longeville, Hornbach)
lagen in der Diözese Metz: Salona, St. Avold, Herbitzheim u. Neumünster.
Über Salona weiß ich nichts; St. Avold scheint in Abhängigkeit von Prüm
gekommen zu sein, s. Transl. Crys. Scr. XV S. 374; unter Adalbero IL be-
stand es jedoch wieder als Abtei, s. Epit. Adalb. Scr. IV S. 672. Herbitz-
heim war im Anfang des 10. Jahrhunderts Lüttichisch, B.M. 1985. 1991.
Neumünster war i. J. 926 eine im bischöflichen Besitz befindliche kleine
Propstei, Görz Nr. 865. Es wurde durch Adalbero II. in ein Nonnenkloster
umgewandelt, vit. Adalb. 13 S. 662.
■2 Mirac. Glodes. 46 f. S. 238. Urk. Adalberos v. 945. Calmet Pr. S. 359 f.
3 Urk. Ottos v. 3. Juni 960, Dipl. I S. 289 Nr. 210. Ausdrückliche Er-
wähnung der Benediktinerregel. * Vita Kaddr. 34 S. 484.
^ Mirac. s. Apri 30 Scr. IV S. 519, Mirac. s. Maus, praef. Scr. IV S. 510,
c. 8 f. S. 511, Gest. ep. TuU. 31 Scr. VIJI S. 639.
, « S. Sackur I S. 88 fi'.
— 362 —
Denkschrift über die Ordnungen Fleurys nach Hause zurück \ Nun
begann er selbst zu reformieren. Den Anfang machte er mit
St. Aper. Das ganz verarmte Kloster war, wie es scheint, nur
von einigen Klerikern besetzt. Wahrscheinlich im Jahre, nachdem
Einold und seine Genossen in Gorze eingezogen waren ^, erneuerte
Gauzlin die Regel und stellte wiederum einen Abt, Archimbald,
an die Spitze des Stifts. Er erklärte dabei, es sei sein Wunsch,
daß das fromme Leben, das einst in der Abtei geblüht, erneuert,
ja übertroffen werdet Das ist das asketische Ideal der Mönche
von Gorze. Die Reform sollte die rechtliche Stellung des Klosters
nicht ändern: es blieb in Abhängigkeit vom Bischof, ausdrücklich
behielt Gauzlin sich und seinen Nachfolgern das Recht vor, nötigen-
falls einen Abt aus einem fremden Kloster zu ernennen, das Kloster
stets zu visitieren und Mißstände abzustellen. Andererseits räumte
er dem Kloster die Befugnis ein, an den Metropoliten und den
König zu appellieren, sofern es sich über den Bischof zu be-
schweren habe.
Zieht man diese Bestimmungen in Betracht, so kann man
nicht zweifeln, daß GauzKn ungeachtet seiner Beziehungen zu
^ Mirac. s. Berchar. 9 Scr. IV S. 487. Albers berichtet in der Revue
Benedict. 1903 S. 420 ff. über eine Münchener, aus Regensburg stammende
Handschrift, die ein Stück unter der Bezeichnung Consuetudines Sigiberti
abbatis enthält; er weist nach, daß diese Gewohnheiten lothringischen
Ursprungs sind und auf die Gewohnheiten von Fleury zurückgehen. Sie
geben also ein Bild von den Ordnungen, die Gauzlin nach Hause brachte.
Der Name Sigibert ist unerklärlich; sollte Sigfrid von Gorze dahinter
stecken? Über die ältesten Consuetudines von Cluni berichtet ebenfalls
Albers, a. a. 0. S. 174 ff.
2 Die Reform begann nach den Ann. s. Benig. Div. Scr. V S. 40 i. J.
934, vgl. auch Ann. Flod. z. d. J. S. 382. Damit stimmt das Datum der
Restitutionsurkunde Gauzlins, Calmet I Pr. S. 342, nicht überein; denn sie
ist v. 11. Okt. 936 datiert. Allein mit diesem Datum ist die Angabe nicht
zu vereinigen, daß sie im 11. Jahr Heinrichs und im 13. Jahr Gauzlins aus-
gestellt sei. Das 13. Jahr Gauzlins führt auf 934, das 11. Jahr Heinrichs,
wenn man vom Herbst 923 an zählt, auf dasselbe Jahr. Die Angabe der
Annal. Div. scheint also richtig zu sein. Die Rechnung der Mirac. s. Apri
30 S. 519 führt auf 935; ebenso die der Gesta ep. Tüll. 31 S. 639. Sackur
entscheidet nicht zwischen den beiden Jahren (S. 158). Die unter Otto,
also frühestens i. J. 937 ausgestellte Stiftungsurkunde von Bouxieres, Cal-
met I Pr. S. 341, blickt auf die Reform von St. Aper als bereite vollzogen
zurück. Vgl. auch Dipl. I S. 174 Nr. 92 u. S. 406 Nr. 290.
2 Urk. Gauzlins S. 343. -
— 363 —
Fleury ganz selbständig vorgingt Verdankte er dem jEranzösischen
Kloster die Benediktinerregel, so war er mit den Mönchen von
Gorze über das religiöse Ziel einig, mit Adalbero aber berührte
er sich in dem Grundsatz, daß dem Diözesanbischof die Leitung
der Reform gebühre. Die Beziehungen zu Metz traten alsbald
stärker hervor. Als Adalbero St. Arnulf reformierte, stand ihm
Gauzhn zur Seite ^, und als ein Nachfolger Archimbalds zu wählen
war, suchte er ihn in Gorze: jener Einsiedler Humbert wurde der
zweite Abt von St. Aper^. Wie im Bistum Metz, so kam auch
in Toul die Beuediktinerregel wieder zu allgemeiner Anerkennung:
der Reform von St. Aper folgte die von St. Mansuet^, Senones^
und Moyenmoutier^. Die Stiftung des Nonnenklosters Bouxieres
^ Es scheint mir nicht zutreffend, daß Sackur IS. 174 St. Evre als
floriacensisch bezeichnet. Besonders die rechtliche Stellung des Bischofs
zum Kloster ist hier und dort verschieden; vgl. das Diplom Leos VII. für
Fleury bei Bouq. IX S. 220 f. Die Frage, ob Archimbald später Abt von
Fleury wurde, welche Schultze S. 48 Anm. 2 verneint, Sackur S. 159 Anm. 1
bejaht, kann, soviel ich sehe, mit Sicherheit weder in diesem noch in jenem
Sinn beantwortet werden. Nur wahrscheinlich macht die Gleichheit des
Namens die Identität der Person. Nimmt man sie an, dann folgt aus ihr
nicht floriacensischer Einfluß auf St. Aper, sondern es zeigt sich umgekehrt,
daß ein Mann der lothringischen Reform in die cluniacensische Bewegung
eingriff. 2 Calmet I Pr. S. 349.
3 Vita Joh. 52 S. 352.
* Gauzlin beauftragte Archimbald mit der Eeform; sie wurde jedoch
erst unter Bischof Gerard vollendet, Mirac. Maus, praef. S. 510, Urk. Ottos I.
Dipl. I S. 404 Nr. 289, ürk. Gerards Gall. ehr. XIIl, Instr. S. 459 f. Nr. 14 f.
5 Rieh. Gest. Senon. eccl. II, 17 S. 279; vgl. vita Joh. 65 S. 355; u.
Dipl. I S. 186 Nr. 103 v. 948, wo ausdrücklich die Benediktinerregel genannt
ist; die Urk. Adalberos v. 938 Gall. ehr. XIII. Instr. S. 453 Nr. 8 ist unecht,
s. Wichmann, JB. II S. 310.
ö Das Kloster war ganz verödet, donec a quibusdam monachis Gorzi-
ensibus . . ordo monachorum et officia divina ibi sunt restituta, Rieh. Gest.
See. eccl. 1, 21 S. 266; vgl. chron. Med. monast. 7 S. 89, vita Joh. 69 f. S. 356.
Was die übrigen Touler Klöster anlangt, so befanden sich in St. Die, nach-
dem ein Reformversuch gescheitert war. Rieh. G. S. e. II, 10 S. 275, Kano-
niker, Dipl. II S. 113 Nr. 99. Über Etival sagt Richer: Ferunt in dicta
ecclesia ordinis s. Benedict! monachos primo extitisse, deinde sanctimoni-
ales, postea vero iterum dictum locum monachos inhabitasse, exin canoni-
cos seculares, ac deinde ordinis Premonstratensis canonicos, sicut hactenus
(1265) ibidem permanent, fuisse institutos, I, 2 S. 259. Möglicherweise fällt
die Rückkehr der Mönche in die Zeit der Lothringischen Reform. Das
Doppelkloster Remiremont bestand fort; wann der Verfall, den eine Urk.
Heinrichs V. konstatiert. Stumpf 3103, begann, läßt sich nicht sehen.
— 364 —
bildet die Parallele zu der Eeform von St. Glodesind und St.
Peter \
Im Sprengel von Trier scheint sich die Regel in Prüm be-
hauptet zu haben ^. Die Zustände waren vermutlich von denen
in den könighchen Abteien diesseits des Rheins wenig verschieden.
Dagegen befand sich St. Maximin in der traurigsten Lage. Es
war im Besitz Giselbrehts. Der größte Teil der Güter war den
Mönchen entzogen; nicht einmal das Wenige, das für ihren Unter-
halt reserviert war, wurde ihnen gewährt.. Eine Appellation an
König Heinrich hatte keinen Erfolg: die Lage des Klosters schien
verzweifelt^. Da, im Jahre 934, unternahm Giselbreht selbst die
Reform^, Es ist nicht aufgeklärt, wodurch er dazu bewogen wurde.
Man könnte an den Einfluß Gerhards von Brogne denken"; oder
h^tte Ruotpert von Trier die Hand im Spiel ^'? Aber weder das
eine noch das andere ist überliefert. Den Mönchen von St. Maximin
kam der Entschluß des Herzogs so unerwartet, daß sie ihn dem
wunderbaren Eingreifen ihres Schutzpatrons zuschrieben '. Einen
Mann, um die Reform durchzuführen, brauchte Giselbreht nicht
Offonisvilla war unter Gauzlin bischöflich, Gest. ep. Tul]. 33 Scr. VIII
S. 640, ebenso Bonmoutier, ibid., St. Pientius (Vic an d. Seille) s. Gest. ep.
Tüll. 29 S. 638 u. Dipl. II S. 72 Nr. 62, und St. Martin u. St. Germain in
Toul, ibid. Man darf wohl annehmen, daß in den bischöflichen Klöstern
reformiert wurde.
1 Stiftungsurk. Gauzlins Calmet I Pr. S. 340 ff.; päpstliche Bestätigung
V. 941 J.W. 3617; kaiserliche v. 960 Dipl. I S. 291 Nr. 2li; vgl. vita Joh. 52
S. 352, Mirac. Mans. 9 S. 511; Gest. ep. Tüll. 31 S. 639. Die Benediktiner-
regel ist in Gauzlins Urkunde erwähnt.
- Wenigstens stand stets ein Abt an der Spitze des Klosters, Ser. abb.
Scr. Xni S. 302. Die Mönche wurden also nicht durch Kanoniker ersetzt.
3 Sigeh. Mirac. s. Maxim. 11 f. Ser. IV S. 231 f. Die Kirche stürzte
933 ein, Ann. s. Maxim. S. 6. Auch das zeigt den- Vermögensverfall.
* Sigeh. I. c. 12 S. 232; Ann. s. Maxim. S. 6; Contin. Regin. S. 159;
vgl. Dipl. I S. 117 Nr. 31.
^ S. 0. S. 348 f. Bemerkenswert ist auch, daß Giselbreht sofort auf die
Reform von Gorze aufmerksam wurde; er suchte die dortige Kongi-egation
zur Übersiedelung nach St. Maximin zu bewegen (vita Joh. 97 S. 365).
® Daß er später nach dem Besitz von St. Maximin strebte, Dipl. I
S. 250 Nr. 169 v. 953, Cont. Regin. z. J. 950 S. 164, widerspricht dieser An-
nahme nicht: Reform der Klöster und bischöfliche Herrschaft über dieselben
bildeten für den lothringischen Episkopat keinen Widerspruch. Über den
Streit in St. Maximin u. die damit zusammenhängenden Trierer Fälschungen
s. Dopsch, N.A. XXV S. 319. Er endete 1139 zu Ungunsten des KL, MRh.
ÜB. I S. 565 Nr. 510. ' Sigeh. 1. c. 12 S. 232.
— 365 —
auswärts zu suchen: er fand ihn im Kloster selbst. Der Propst
Huogo war ein naher Gesinnungsvei-wandter der Gorzer Mönche:
einen heiligen und großen Mann haben sie ihn genannt^. Ihn
ließ der Herzog zum Abte wählen ; als solcher führte er St. Maximin
zur Beobachtung der Benediktinerregel zurück. Es gelang nicht
ohne Widerspruch; ein Teil der Mönche weigerte sich, den imge-
wohnten Anforderungen sich zu fügen, und verließ lieber das Kloster,
als daß er sich unterworfen hätte ^. Um so verständlicher ist, daß
Huogo die Übersiedelung der Gorzer nach Trier wünschte ^. Dazu
kam es nicht; aber auch ohne dies blühte St. Maximin unter seiner
Leitung rasch auf: man zählte an siebzig Mönche*. Auch die
Besitzverhältnisse suchte man unter Mithilfe der Kurie wieder zu
ordnen^. Als im Jahr 942 die neugebaute Johanniskirche einge-
weiht wurde, sah man im Kloster die Führer der lothringischen
Reform als Teilnehmer der Feier: Bischof Adalbero, die Abte
Binold, Archimbald, Heribert, Salacho und Friedrich^: sie alle
waren sich offenbar dessen bewußt, daß sie an der Erreichung des
gleichen Zieles arbeiteten. In den Vollzug der kirchlichen Hand-
lungen teilten sich Ruotpert und Adalbero'. Auch der Erzbischof
gehörte zu den Freunden der Beform: er hatte im Jahr 941 die
ganz herabgekommene Abtei Mettlach erneuert. Als Abt gewann
er den Mönch Butherich von KHngenmünster, die Mönche aber
holte er aus Inden, der Stiftung Benedikts von Aniane^.
Als die Reform in Gorze, St. Evre und St: Maximin begann,
gab es im Bistum Yerdun nicht ein einziges Kloster, das die Regel
Benedikts beobachtete^. Die wichtigste Abtei, St. Mihiel, war zu
1 Vita Joh. 70 S. 356, 95 f. S. 364 f.
2 Contin. Regin. z. J. 934 S. 159. ^ vita Joh. 97 S. 365.
* S. Nomin. monach. Scr. XIII S. 301 f. Huogo war bis 945 Abt; da-
mals erhielt er das Bistum Lüttich, Annal. s. Maxim. S. 7.
^ Vgl. den von Hampe, N.A. XXII S. 410 f. bekannt gemachten Brief
Leos VII. (936—939), zum Abschluß kam die Sache erst seit 950, Dipl. I
S. 204 Nr. 122 u. S. 261 Nr. 179. Eine Bilderhandschrift des 10. Jahrh.'s
aus St. Maximin bespricht Braun, Westd. Z. EH. IX S. 74. Er weist sie
dem Anfang dieses Jahrh.'s zu. Bei der Lage des Klosters vor der Reform
ist es aber schwer glaublich, daß sie älter ist als 934.
« Notae dedic. s. Maxim. Scr. XV S. 1270. Über Friedrich von St.
Hubert s. u. S. 368. ' L. c.
8 Mirac. Liutw. 6—9 Scr. XV S. 1263 f. B.O. 97 b; vgL MRhr. ÜB. I
S. 609 Nr. 550.
» Urk. Berengars für St. Vanne bei Bloch, Die alt. Urk. d. Kl. St. V.,
JB. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch. XIV S. 392: Memor nostre ecclesie fratrum,
quorum maxima pars dominica verba sepius sequebatur dicentia: Vendite,
— 366 —
Anfang des zehnten Jahrhunderts im Besitz des Lütticher Bistums-^;
später kam sie an Herzog Friedrich von Lothringen^; in der
Zwischenzeit scheint sie in den allgemeinen Verfall hineingezogen
worden zu sein. Waslogium war in derselben Lage^. Wir wissen
nicht, welche Hindernisse die Reform der beiden Klöster unmöglich
machten*. Jedenfalls lag der Grund nicht an Bischof Berengar:
denn er urteilte über das Mönchtum nicht anders als Adalbero oder
Gauzlin^. Als er im Jahr 951 die Stiftskirche zu St. Peter, Paul
und Vitonus in Verdun erneuerte, übergab er sie an Benediktiner-
mönche ^ Den ersten Abt des neuen Klosters, Humbert, entnahm
er der Kongregation von St. Aper'. Liest man in Berengars
Stiftungsurkunde, daß er das Kloster gründete, um zu verhüten,
daß Männer, die nach der Vollkommenheit des kontemplativen
Lebens verlangten, Verdun verließen, so ist augenfälhg, daß, seit-
dem die Beformbewegung begonnen hatte, der Zudrang zu dem
strengen Mönchtum bedeutend gewachsen war: die Gründung von
St. Vanne ist eine Frucht der Beform. Erinnert man sich aber,
daß es die Klöster Cluni und Fleury waren, die das Privilegium
que possidetis etc., fugientes terrena et amantes celestia, nostre congre-
gationis locum deserere et monachicam vitam sumentes, cenobia extra
nostram parocliiam consita tentabant adire, ne in postmodum nostra ecclesia
de proprio thesauro suo pateretur dampnum . : decrevimus in nostro epis-
copio quoddam monasterium . . stabilire, in quo nostre ecclesie fratres
activam* vitam fugientes contemplative vite solatium futuris temporibus
valerent invenire. Hugo Flav. chron.z. 934 S. 359: In eadem civitate congre-
gatio monachorum nulla erat.
1 Urk. Ludwigs IV. v. 904 B.M. 1970. Damals waren noch Mönche
im Kloster. ^ Chron. s. Mich. 7 Scr. IV S. 81.
3 Es wurde durch Richard von St. Vanne reformiert, vit. Rieh. 21
Scr. XI S. 286.
^ Da Berengars Urkunde beweist, daß in keinem der beiden Klöster
Mönche waren, so scheint es mir sehr unwahrscheinlich, daß aus der ver-
wirrten Aufzeichnung, die Sackur I S. 381 ff. aus dem Kartular von St. Mihiel
mitteilt, irgend etwas gefolgert werden darf.
ö Es ist bemerkenswert, daß das königliche Privilegium für St. Vanne
durch Fürsprache Ruotperts, Adalberos und Gauzlins erwirkt wurde, Dipl. I
S. 220 Nr. 140. Man sieht, wie einig der lothringische Episkopat in bezug
auf die Reform handelte.
« S. die angef. Urk. Berengars; Necr. s. Vit. z. 12. Aug. JB. d. G. f.
lothr. Gesch. XIV S. 144; Gest. ep. Vird. cont. 2 S. 45; Ann. s. Ben. Div.
z. J. 951 S. 40; Ann. s. Vitoni z. J, 952 Scr. X S. 526; Hug. Flav. ehr. S. 362;
Dipl. I S. 220 f. Nr. 140 v. 21. Jan. 952; J.W. 3676; über die Echtheit
dieser Urk. s. Bloch, JB. d. Gesellsch. f. lothr. Gesch. XIV S. 361.
' LL. cc.
— 367 —
besaßen, jeden fremden Mönch aufzunehmen ^, so ist kaum zu ver-
kennen, daß das neue Kloster einen Damm gegen das Vordringen des
cluniacensischen Einflusses bilden sollte. Bei dem Vetter Ottos I.
mögen politische Erwägungen mitgewirkt haben ^, die Hauptsache
war doch vermutHch, daß Berengar entschlossen war, die Leitung
des Mönchtums ebenso in der Hand zu behalten^, wie seine Nach-
barn in Metz und Toul.
In das Bistum Lüttich wurde die Reformbewegung durch
Bischof Richar* übertragen. Seine Vergangenheit ließ das nicht
erwarten: er war selbst Mönch gewesen; aber die weltentsagende
Gesinnung war ihm nicht eigen. Unter offener Rechtsverletzung
hatte er im Jahre 899, gestützt auf die Macht seiner Brüder, der
Grafen Gerhard und Matfrid, Regino aus der Abtei Prüm ver-
drängt^; dann war er dank der Unterstützung Karls HL von
Frankreich Bischof von Lüttich geworden ^. Als solcher erwarb er
den Besitz von Stablo und Malmedy '. Die Mönche glaubten auch
jetzt noch Grund zu Klagen über ihn zu habend Mögen sie im
1 Johann XL für Cluni v. 931 J.W. 3584, Leo VIL für Fleury v. 938
J.W. 3606.
2 Man erinnere sich an die Beziehungen des Herzogs Hugo zu Fleury
(Saekur S. 89) und an die politische Lage i. J. 950.
^ St. Vanne blieb natürlich im bischöflichen Besitz; easdem res abbas
praedicti monasterii ac monachi iussionibus illius (des Bischofs) obtemperantes
quieto ordine habeant, heißt es in Ottos ürk. S. 22 L
* 920—945. B Chron. Regin. z. 892 u. 899, S. 139 u. 147.
6 Ann. Flod. z. 920 S. 369; Lobb. S. 210; Stabul. z. J. 921 Scr. XHT
S. 42; Folc. Gest. abb. Lobb. c. 19 S. 63; vgl. J.W. 3564. Auf die unmittel-
bare Leitung Prüms scheint Richar verzichtet zu haben; denn i. J. 922
wurde Hildrad dort Abt, Annal. Prüm. Scr. XV S. 1292. Die Liste der
Äbte kennt ihn nicht, Scr. XIII S. 302; man hat ihn wohl als Vizeabt zu
betrachten, etwa wie Odo von Cluni in Aurillac den Mönch Arnulf als
Nebenabt hatte, s. Sackur S. 78.
' Ser. abb. Stabul. Scr. XIII S. 293. Auch hier sind die Verhältnisse
nicht ganz klar. Nach der Liste der Äbte war Richar der Nachfolger der
Laienäbte Liutfrid, Raginar, Eberhard, Giselbert und Konrad. Das ist jedoch
aus chronologischen Gründen unmöglich; man muß annehmen, daß einer
der Herzoge, ohne das Eigentum an der Abtei aufzugeben, ihm die Leitung
übertrug. Und zwar muß das spätestens durch Giselbreht geschehen sein;
denn zwei Jahre vor dessen Tod erhielt Odilo die Abtei.
^ Folcuin, der günstig über ihn urteilt, sagt doch: Solum erga mo-
nachicam vitam minus fuerat cautus. Gest. abb. Lob. 19 S. 63. Sackur
S. 169 erwähnt die Wiederherstellung des Petersklosters durch Richar. Aber
sie gehört nicht in diesen Zusammenhang; denn St. Peter war ein Chor-
herrnstift, kein Mönchskloster, s. Ansei. Gest. ep. Leod. II, 22 Scr. VII S. 201.
— 368 —
Recht gewesen sein oder nicht, von der Notwendigkeit, in den
Klöstern die alten Ordnungen herzustellen, war er überzeugt. Er
begann in Stablo und Malmedy, indem er im Jahr 937 als Abt
der verbundenen Klöster den Mönch Odilo aus Gorze berieft. Es
folgte die Erneuerung des mönchischen Lebens in St. Hubert; auch
dabei ging Richar im engen Anschluss an die Metzer vor: er
wählte als Abt Adalberos Oheim, Friedrich, der als Mönch in
Gorze lebte ^.
So wurde überall in Lothringen reformiert. Nichts ist nun
natürhcher, als daß der Wiederherstellung zahlreicher Klöster die
Gründung neuer Mönchsvereine alsbald nachfolgte. Die asketische
Richtung, die unter Klerikern und Laien Anhänger zählte, war
durch die Reform verstärkt, gleichsam zur Tätigkeit aufgerufen
worden: ihre Bekenner konnten ihre Aufgabe nicht dadurch für
gelöst achten, daß die alten Ordnungen da und dort wieder in ihr
Recht eingesetzt waren. Auch der Tod der ursprünglichen Führer *
brachte die Bewegung nicht zum Stillstand, Denn an ihre Stelle
traten Gesinnungsgenossen. Dietrich I. * und Adalbero 11.'^ von
Metz, Gerard von Toul'' und Wigfrid von Verdun' dachten über
die Klosterreform ebenso wie Adalbero I, und Gauzlin,
"Werfen wir einen Blick auf das einzelne, so ist die Stiftung
des Nonnenklosters in Bouxieres schon erwähnt. Gauzlin gründete
es bei einer verfallenen Marienkirche, die auf einer Anhöhe ober-
halb des Ortes Bouxieres lag. Sein Ratgeber bei dem Unternehmen
1 Annal. Stab. z. J. 937 S. 42; vita Job. 56 S. 353. Die Ordnung des
Besitzstandes zeigt Dipl. I S. 200 Nr. 118 v. 950. Das Wahlreclit erhielten,
die Klöster vermutlich erst in der letzten Zeit Odilos, s. Dipl. I S. 248
Nr. 168 v. 953. Odilo starb am 3. Okt. d. J., Necrol. s. Maxim. Hontheim
Prodr. II S. 988.
2 Vit. Job, 55 S. 852, vgl. 74 S. 358. Die Reform ist vor 942 unter-
nommen worden, da Friedrich am 22. Okt. d. J. starb.
3 Gerhard starb 959, Adalbero 962, Gauzlin 963, Einold 967 oder 968,
s. 0. S. 354, Johannes von Gorze 974.
* Seine Biographie sehrieb Sigibert von Gembloux (Scr. IV S. 462 ff.).
Er war ein Vetter Ottos I. und in der Umgebung Bruns von Köln gebildet,
c. 1 f. S. 464 f. Grabschrift bei Rose, Lat. Meermanhandschr. S. 226.
^ Seine Biographie schrieb der Abt Constantin von St. Symphorian in
Metz (Scr. IV S. 658 ff.). Er war ein Neffe Adalberos I. und in Gorze er-
zogen, c. 1 f. S. 659 f.
® Seine Biographie verfaßte der Abt Widrich von St. Mansuet (Scr. IV
S. 485 ff.). Er ging aus dem Klerus Bruns von Köln hervor (c. 2 S. 492).
' Über ihn Gest. ep. Vird. contin. 3 S. 46. Er war ein Baier (1.' c);
aber bei Brun von Köln gebildet, vita Deod. 7 S. 467.
— 369 —
war Abt Archimbald ^. Noch wähi'end seines Episkopats entstanden
die Benediktinerzellen auf dem Belmont in den Yogesen^ und zu
Bainville an der Mosel ^, die erstere von Moyenmoutier, die letztere
von St. Aper abhängig. Bischof Gerhard gründete in der Stadt
Toul das Nonnenkloster St. Gengulf*; sein zweiter Nachfolger,
der Schwabe Berthold, das Salvatorkloster in den Vogesen für
zwanzig Mönche^.
Was die Diözese Metz anlangt, so errichtete Dietrich im Jahr
968 auf einer Moselinsel vor der Stadt das Yicentiuskloster*^,
Adalbero II., ein großer Freund der schottischen, überhaupt der
fremden Mönche, verband mit der alten Kirche St. Symphorian,
in der man zahlreiche Bischofsgräber zeigte, ein Benediktinerstift,
dessen Leitung er dem Schotten Fingenius übertrug'. Überdies
organisierte er drei Nonnenklöster, das eine bei St. Maria in Metz ^,
das andere bei dem von Dietrich erbauten Münster zu EpinaP,
das dritte zu Neumünster im Bhesgau^''. Schon vorher war von
dem Grafen Sigerich ein Frauenstift nach der Hegel Benedikts zu
Vergaville gegründet worden ^^, so daß es also am Ausgang des
Jahrhunderts im Bistum Metz fünf Klöster für Nonnen gab. .
Verdun erhielt im Jahr 973 durch Bischof Wigfrid ein zweites
Benediktinerkloster bei St. Paul^^ und um die Wende des Jahr-
' Urk. Gauzlins: Consultu praedicti abbatis (S. 341).
2 Rieh. Gest. Sen. eccl. 11,9 S. 274; vita Joh. Gorz. 69 f. S. 356 f.
»•Stiftungsurkunde Arnulfs v. 24. Okt. 957 bei Calmet I Pr. S. 364f.
Arnulf bezeichnet sich als fanaulus Dei, er war also ein Mönch; er handelt
Gauzlini authoritate et collaudatione.
4 Vita Ger. 5 S. 494; vgl. Dipl. II S. 73 Nr. 62 von 973. Schon als
Widrich schrieb (1027 — 1049), bestand die Stiftung nicht mehr als Nonnen-
kloster, sondern war Kanonikern übergeben (1. c).
5 Gest. ep. Tüll. 36 Scr. VIII S. 642.
8 Vita Deoder. 5 S. 466; 13 f. S. 470 f.; Gest. ep. Mett. 46 Scr. X S. 542;
Hist. s. Arn. Mett. Scr. XXIV S. 528; Gest. abb. Trud. VII, 6 S. 266; Dipl. n
S. 869 Nr. 313 v. 983; J.W. 3741 v. 970 u. 3807 v. 981.
' Vita Adalb. 10 f. S. 661; 26 S. 668; Chron. s. Clem. z. 992 S. 499;
vgl. Urk. Ottos III. V. 25. Jan. 992 Dipl. II S. 493 Nr. 84. Über seine Vor-
habe für die Schotten s. auch d. Verse auf Metz v. 96 ff. N.A. V S. 436. Das
Kl. sollte Schottenkloster bleiben. Aber schon der zweite Abt Siriaudus
kam aus Gorze, Vit. Adalb. 26, der dritte war Constantin, der Verf. der
Vita Adalb. * Vita Adalb. 12 S. 662.
9 Vita Deod. 12 S. 469 f.; vita Adalb. 14 S. 662. Epinal gehörte zur
Diözese Toul. ^^ Vita Adalb. 13 S. 662.
" Urk. Sigerichs v, 966 bei Calmet I Pr. S. 378 f.
12 Stiftungsurk. Wigfrids v. 10. April 973 bei Hugo, Annal. Praemonstr.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 24
— 370 —
hunderts durch Bischof Heimo eine Nonnenkongregation bei der
von ihm erneuerten Kirche St. Johannis^
Im Trierschen war die Zeit der Reformen noch nicht vorbei.
Im Jahr 973 mußten die Kanoniker von Echternach die Stiftung
Pippins den Benediktinern wieder einräumen, nachdem sie länger
als ein Jahrhundert in ihrem Besitz gewesen war^. In der Stadt
wurden durch Erzbischof Theoderich die Klöster St. Martin^ und
St. Maria*, durch Egbert St. Eucharius^ reorganisiert. Neue
Gründungen waren das von Abt Wicker von St. Maximin gestiftete
Kloster Taben * und die wahrscheinlich ebenfalls von St. Maximin
aus gegründete Zelle Appola".
Im Bistum Lüttich endlich entstand um 945 das Kloster
Gembloux. Sein Stifter Wigbert ist eines der Beispiele von der
Macht, die der asketische Gedanke über Laien hatte. Wie Gerhard
gehörte er zu den adeligen Gefolgsmännern; aber der Waffendienst
gab seiner Seele keine Befriedigung: er entsagte ihm, um Mönch
zu werden. Aber anders als Gerhard trat er nicht an die Spitze
seines Klosters, sondern übergab die Leitung seinem Freund
Erluin; er selbst ging nach Gorze und verbrachte dort seine Tage
II, 2 S. 321, vgl. die Urk. S. 319. Bemerkenswert ist die starke Betonung
der bischöflichen Rechte und Pflichten den Klöstern gegenüber. Vgl. Dipl. 11
S. 30 ff. Nr. 22 (April 972). Annal. Vird. z. 974 Scr. IV S. 8; Gest. ep. Vird.
contin. 3 S. 46; Vita Deoder. 7 S. 467.
1 Gest. ep. Vird. contin. 7 S. 47; Annal. s. Viton. z. J. 990 Scr. X
S. 526. Die Kirche wurde zugleich dem h. Maurus geweiht.
2 Catal. abb. Eptern. 10 Scr. 5II1 S. 739. Urk. Ottos I v. 15. März
978 Dipl. I S. 580 Nr. 427 f.
^ Die Martinskirche war von den Normannen zerstört worden. Erz-
bischof Radbod übergab sie Regino von Prüm, der sie wiederherstellte und
eine Benediktinerkongregation bei ihr sammelte. Nach seinem Tod kamen
die Güter an Laien, die Mönche zerstreuten sich und die Kirche verfiel.
Dietrich stellte sie wieder her, restituierte den Besitz und übergab sie Bene-
diktinern unter Abt Angilbert. Vita Magner. Scr. VIII S. 208 f. Urk. Diet-
richs Görz 1049; Bestätigungsurk. Benedikts VII. J.W. 3780 f. Die Be-
stätigungsurk. Ottos IL Dipl. II S. 377 Nr. 320 erklärt Sickel für unecht.
* St. Maria am Ufer (St. Mergen); die Restitutionsurkunde Theoderichs
(Görz 1045) ist unecht; die angegebenen Tatsachen erwecken jedoch kein
Bedenken. Sie werden durch die päpstliche Urkunde J.W. 3782 bestätigt.
5 De transl. s. Celsi 4 Scr. VIII S. 205.
8 Necr. s. Maxim, bei Hontheim Prodr. S. 976 z. 8 Mai.: Wicker abbas
nostrae congregationis qui monasterium apud Tavanam construxit et prae-
dia eidem loco delegavit et XX fratres praebendarios ibidem constituit.
' In einer Urkunde Ottos I. v. 3. Juni 940 erwähnt, Dipl. I S. 11?
Nr. 31, heute Münsterappel in der Pfalz.
— 371 -^
als einfacher Mönche Um dieselbe Zeit, in der Wigbert in dem
Hügelland am westlichen Ufer der Maas sein Kloster baute, gründete
Eilbert, ein adeliger Grundherr, am Fluße selbst das Kloster
Waulsort^. Er besetzte es mit schottischen Mönchen, die in Fleury
und Gorze das mönchische Leben nach der Benediktinerregel kennen
gelernt hatten ^ Ein neues Nonnenkloster gründete zwei Jahr-
zehnte später der Graf Ansfrid zu Turne an der Maas*. Nun,
unter Bischof Evraker, kam es auch zur Besserung der Zustände
in Laubach: der von ihm ernannte Abt Aletrann führte das ge-
meinsame Leben wieder ein und verschaffte überhaupt der B,egel
wieder Anerkennung'''. Daß er mit Zustimmung der Brüderschaft
handelte®, läßt den Eindruck ermessen, den die Reform auch auf
die anfangs Widerstrebenden machte. Noch fehlte es in der Stadt
Lüttich an einem Benediktinerkloster. Evi'aker scheint, nachdem
er die beiden Stiftskirchen zu St. Martin und St. Paul erneuert
hatte, den Plan gefaßt zu haben, das Laurentiusstift mit Mönchen
zu besetzen. Doch kam der Gedanke, solange er lebte, nicht zur
Verwirklichung '.
Zieht man die Summe der dargestellten Ereignisse, so ist das
Ergebnis, daß in Lothringen die Benediktinerregel wieder als Ge-
setz des Mönchtums anerkannt war. Das wurde erreicht durch
1 Seine Biographie verfaßte Sigibert Scr. VH! S. 507 ff.; vgl. Folc. Gest.
abb. Lobb. 26 S. 68. Ottos Bestätigungsurk., Dipl. I S. 161 ff. Nr. 82, ist
gefälscht, das Datum, 20. Sept. 946, wahrscheinlich einer echten Urkunde
entnommen. Über die Bedrängnisse nach Wigberts Tod s. Sigib. Gesta abb.
Gembl. 19 f. S. 533, und die Bruchstücke von Bittschriften des A. Erluin I.
N.A. XXIII S. 384 ff. Nach Erluins Tod kam die Abtei an das Bist. Lüttich,
Dipl. II S. 445 Nr. 45, vgl. Gesta abb. Gembl. 23 S. 534.
2 Dipl. I S. 160 Nr. 81 v. 19. Sept. 946; vita Deod. 6 S. 467; nach Hist.
Walciod. 14 Scr. XIV S. 510 ist 940 das Gründungsjahr.
^ Vita Kaddr. 20 f. S. 690. Das Kloster kam später in das Eigentum
des Metzer Bistums, s. vita Deod. 6 S. 467, Dipl. I S. 522 Nr. 381 vom
16. Dez. 969. * Nach 962, Thietm. chron. IV, 32 S. 83.
5 Folc. Gest. abb. Lobb. 27 S. 69. « Ib.: Volentibus omnibus.
'' Gest. ep. Leod. 11,24 Scr. VII S. 202; chron. s. Laur. 4 f. Scr. Vm
S. 263. An beiden Stellen ist von einer Neugründung die Rede. Aber es
ist sicher, daß das Laurentiusstift schon im 9. Jahrh. bestand (Annal. Bert.
z. J. 870 S. 112). Es kann sich also nur um Erneuerung gehandelt haben.
Ob Evraker an ein Chorherrenstift oder an ein Kloster dachte, ist nicht zu
entscheiden.- St. Paul und St. Martin waren mit Kanonikern besetzt; nach
St. Lorenz kamen nach der endlichen Vollendung i. J. 1026 Benediktiner,
Gest. ep. Leod. 37 S. 210, Annal. Leod. Scr.- IV S. 18, Chron. s. Laur 26'
S. 270. Man wird annehmen dürfen, daß das die ursprüngliche Absicht war.
24*
— 372 —
eine Bewegung, die aus der Mitte der Bevölkerung entsprungen
war, die von dem Episkopat in ihrer Berechtigung anerkannt, und
konsequent gefördert, aber ebenso konsequent unter die eigene
Leitung genommen wurde. Von ihrem ursprünglichen, rein aske-
tischen Gehalt büßte sie dadurch ohne Zweifel manches ein; an
äußerem Erfolg gewann sie um so mehr. Aber auch jener ging nicht
ganz verloren. Man kann nicht zweifeln, daß das Mönchtum in
der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts in Lothringen mehr
als zuvor ein Moment der kirchlichen Entwrckelung war.
Der Beweis liegt in der von den lothringischen Klöstern aus-
gehenden Literatur ^. Sie trägt einen anderen Typus als die Werke,
die in den sächsischen und schwäbischen Klöstern geschrieben
wurden. Denn jene Literatur ist tendenziös: sie steht im Dienst
der Reformbestrebungen. Man verherrlichte ihre Führer durch ein-
gehende Biographien und man verkündigte dadurch zugleich die
rehgiösen Ideen, denen sie gedient hatten. In Brogne wurde nicht
lange nach dem Tode Gerhards eine Schrift über sein Leben und
"Wirken verfaßt^. Daß Johann von Gorze an Johann von St.
Arnulf einen trefflichen Biographen fand, ist bereits erwähnt. Sein
unvollendetes Werk überragt weit den Durchschnitt der Heiligen-
leben; e:; bietet die anziehendste Schilderung des Ursprungs der
Gorzer Reform, Nicht ganz auf derselben Höhe steht die Bio-
graphie Kaddroes, die wahrscheinlich im Kloster Waulsort von
einem ungenannten Mönch auf Geheiß des Abts Immo geschrieben
wurde ^. Eine metrische Lebensbeschreibung Erluins von Gembloux
schrieb der Mönch Richar; er widmete sie dem Bischof Notker*.
Auch in Werken, in denen man es zunächst nicht erwartet, be-
merkt man die Rücksicht auf die Klosterreform: so in der Schrift
über die Wunder Maximins, die den Mönch Sigehard zum Ver-
fasser hat^, in den in Gorze geschriebenen Mirakeln des h. Gorgo-
1 Daß die Klosterreform sich auch in der Förderung des Schulwesens
bewies, sieht man aus der Notiz über Moyenmoutier Chr. Med. mon. 11
S. 91; über die Schule in Gorze s. Vit. Adalb. 2 Scr. IV S. 660.
^ Diese Biographie ist nicht erhalten. Der Verfasser der jüngeren
Vita aus d. 11. Jahrh. charakterisiert sie als graramatice quidem composita,
non tamen idiotis minusque capacibus satis perspicua, praef. S. 655. Daß
sie zwischen 960 und 976 verfaßt ist, zeigt v. Ileinemann S. 654 Anm. 7.
3 S. V. Heinemann S. 689.
* Dieses Werk war schon zu Sigiberts Zeit nur fragmentarisch er-
halten. Es ist von ihm benützt, s. Gest. abb. Gembl. Iff. S. 523 f.
6 Sie ist dem Abt Wicker, dem zweiten Nachfolger Huogos gewidmet
(957—966, s. Annal. s. Maxim, z. d. J. S. 7).
— 373 —
nius-^ imd in der Translation der h. Glodesind, einem Werke des
Abts Johann von St. Arnulf^. Der gleiche Geist lebt in allen
diesen Schriften: dem asketischen Gedanken fehlte es nicht mehr
aii einer Vertretung auf dem literarischen Feld. Man braucht
kaum zu sagen, daß diese Mönchsliteratur gänzlich unpolitisch ist.
Aber es ist um so bemerkenswerter, daß man im Kreise der
Reformmönche kirchenpolitische Anschauungen trifft, die sich den
in Deutschland herrschenden entgegenstellten. Wer dachte daran,
das Vorgehen Ottos I. gegen die Päpste zu tadeln? Unter den
Reformmönchen gab es Männer, denen es für unrecht und deshalb
für nichtig galt. Als einer von ihnen in St. Maximin ein Papst-
verzeichnis zusammenstellte, ließ er den Namen Leos VIII. weg
und ersetzte ihn dmxh den Benedikts V.'^ Die Vertauschung
der zwei Namen ist die schärfste Kritik, die Ottos Vorgehen ge-
funden hat.
Die Klosterreform war zunächst eine provinziale Bewegung.
Aber ihre Wellen schlugen frühzeitig von Lothringen nach dem
übrigen Deutschland hinüber. Vor allem verbarg sich Otto I. ihre
Notwendigkeit nicht. Wir wissen, daß er 957 durch Ernennung
des Abtes Geilo die Eeform von Weißenburg ermögUchte oder her-
beiführte*. Doch ging der Anstoß nicht hauptsächlich vom Hofe
aus. Man irrt schwerlich, wenn man in Brun von Köln den Mann
sieht, der vor allen die Reform betrieb. Das Kloster, das die
Überleitung hauptsächlich vermittelte, war St. Maximin '^. Brun
stand durch seine Erziehung in Utrecht den überrheinischen Ver-
hältnissen nahe. Gerade in den Jahren, in welchen in Lothringen
die ersten Klöster reformiert wurden, befand er sich am Nieder-
rhein, Was er von Lothringen hörte, muß einen tiefen Eindruck
auf ihn gemacht haben. Denn kaum war er, an den Hof zurück-
gekehrt, in den Besitz einiger Klöster gekommen, so begann er sie
zur Beobachtung der Regel zurückzuführen. So sicher war er des
Rechts und der Notwendigkeit dieser Maßregel, daß er die An-
wendung von Gewalt nicht scheute, wenn sich die Mönche nicht
freiwillig fügten. Ruotger urteilt, seine Überzeugung sei gewesen,
1 S. Schultze, N.A. IX S. 498 ff.
2 Hist. s. Arnulfi Scr. XXIV S. 545: Responsoria b. vivginis et martyris
Lucie authentica modulatione composuit, nee non et b. Glodesindis vitam
cum officio nocturnali. ^ Sdralek, Wolfenb. Fragra. S. 96.
* Contin. Reg. z. 957 S. 169. Möglicherweise war Brun auch hierbei
beteiligt; er ist schon 950 Fürsprecher für W., Dipl. I S. 203 Nr. 121.
5 Vgl. chron. Gladb. 2 S. 75: Unde tunc temporia monastice vinee
virtutum botros germinantis odor longe lateque respergebatur floridus.
— 374 —
daß man den Menschen auch gegen ihren Willen Gutes erzeigen
könne \ Zu den von ihm reformierten Klöstern gehörte die reiche
Abtei Lorsch^; die Namen der übrigen kennen wir nicht. Doch
welche es auch waren, ein Anfang der E-eform diesseits des Rheins
war gemacht. Mit St. Maximin stand Brun in diesen Jahren in
Beziehungen. Seiner Fürsprache verdankten es die Mönche, daß
Otto im Jahr 950 alle ihrem Kloster gehörigen Kirchen zurück-
gab und daß sie 965 die Erneuerung des Königsschutzes und des
Wahlrechtes erlangten^. Als er das Kölner Erzbistum erhielt,
öffnete sich ein neues Feld für seine Tätigkeit. Vor der Mauer
von Köln lag die Kirche St. Pantaleon; sie war vernachlässigt und
dem Einsturz nahe. Nachdem Brun im Jahr 955 die Reliquien
Pantaleons erworben hatte, erneuerte er die Kirche; später verband
er mit ihr ein Kloster*. Ein zweites begann er im sächsischen
Teil seiner Diözese, in Soest, zu erbauen : es war noch unvollendet,
als er starb ^. Das alles bewegte sich ganz in der duj'ch die Loth-
ringer eingeschlagenen Bahn. Auch daß Brun das Einsiedlerleben
ungemein hochstellte*, zeigt ihn als Gesinnimgsgenossen der dortigen
Reformatoren: die Askese als solche galt ihm als wertvoll. Seine
Überzeugungen blieben in Köln herrschend. Als Erzbischof Gero
ein Kloster in München- Gladbach stiftete, suchte er einen Abt für
dasselbe in St. Maximin: er gewann den Mönch Sandrat, der als
Vertreter des regulären Lebens bekannt war'. Erzbischof Everger
führte an Stelle der Kanoniker schottische Mönche nach St Martin ^.
In derselben Zeit, in der Brun als junger Mann die Reform
seiner Klöster durchführte, arbeitete Friedrich von Mainz an der
Erreichung desselben Ziels. Es ist fast gewiß, daß die Vorgänge
* Ruotg. vita Brun. 10 S. 11: In quibus (seinen Klöstern) degentes
cum idoneo aecclesiae testimonio partim voluntarie partim vi ad regulärem
vitam constrinxit, sciens quod et invitis bona praestantur.
2 Ibid.; Dipl. I S. 258 Nr. 176 v. 956; S. 360 Nr. 252 v. 963.
" Dipl. I S. 204 Nr. 122 u. S. 396 Nr. 280. Es dient doch auch zur
Charakteristik der reformierten Klöster, daß in der Zwischenzeit zwischen
den beiden Diplomen, genauer zwischen 953 u. 963, in St. Max. eine Reihe
Karolingerdiplome gefälscht wurde. Sie wurden 963 Otto II. vorgelegt,
Dipl. U S. 15 Nr. 7, 965 auch Otto L, s. Breßlau, Westd. Z. V S. 32 ff.
4 Vita Brun. 27 f. S. 28 f.; Chron. reg. Colon, z. J. 964 S. 29; Thietm.
chron. IV, 15 S. 73. Die Stiftungsurk. NRh. ÜB. I S. 61 Nr. 106 ist unecht.
5 Vita Brun. 49 S. 52. » Ib. 33 S. 33.
' Chron. Gladbac. 1 ff. Scr. IV S. 75. In dem von Gero in seiner
sächsischen Heimat gegründeten Kloster Thankmarsfeld galt stiftungsgemäß
ebenfalls die Benediktinerregel (J.W. 3754).
8 Mar. Scot. ehr. z. 975 Scr. V S. 555; Chron. Gladb. 17 Scr. IV S. 77.
— 375 —
in Lothringen ihm den Anstoß dazu gegeben haben. Denn es läßt
sich nachweisen, daß er Beziehungen zu mehreren lothringischen
Klöstern hatte: er bemühte sich für die Erneuerung des fielen
Wahlrechtes in St. Maximin*; als Eilbert die königliche Ge-
nehmigung für die Errichtung von Waulsort suchte, wählte er ihn
als Fürsprecher neben Huogo, dem einstigen Abt von St. Maximin ^;
auch für St. Arnulf in Metz treffen wir ihn als Intervenient ^. In
Deutschland war die Benediktinerregel nicht wie in Lothringen
außer Geltung gekommen; sie wurde nur nicht genau beobachtet.
Das sollte anders werden. Friedrichs Grundsatz war: Lieber wenige
tüchtige als viele nachlässige Mönche*. Man sieht zugleich, daß
er so wenig als Brun davor zurückschreckte, widerstrebende Mönche
aus den Klöstern auszustoßen. Es entspricht seinen kirchen-
pohtischen Idealen, daß er den Versuch machte, die Keform über
das ganze Reich auszudehnen. Schon als er zum päpstlichen Vikar
ernannt wurde, ließ er sich die Vollmacht erteilen, die Mönche,
die gegen die Regel verstießen, zur Beobachtung derselben zu
nötigend Auf der Synode zu Augsburg im Herbst 952 wurde
unter seinem Vorsitz ein Beschluß gefaßt, der die Bischöfe zur
Visitation und Reformation der Klöster verpflichtete^. Unter dem
Episkopat fehlte es Friedrich nicht an Gesinnungsgenossen. Aber
die Maßregeln, die getroffen wurden, um die Regel zu wirklicher
Geltung zu bringen, stießen auf großen "Widerstand. Die Gegner
des Erzbischofs sprachen von einer Verfolgung der Mönche. Von
den letzteren verließen nicht wenige die Klöster und legten die
Mönchstracht ab, um sich seinen Forderungen nicht fügen zu müssen '.
1 Dipl. I S. 136 Ni-. 53. ^ Ib. S. 160 Nr. 81.
3 Ib. S. 186 Nr. 104. * Widuk. II, 37 S. 55.
5 Ep. Mogunt. 14 S. 837 : übicunque . . monachos contra canones et
constituta sanctorum patrum sive contra aecclesiaaticam regulam excessisse
reperietis, apostolica auctoritate iuxta canones et instituta sanctorum patrum
ülos corrigere . . non omittatis.
* C.I. I S. 19 c. 6; Oportet etiam episcopum, in cuius dioecesi ceno-
bium situm est, monachorum providentiam gerere, et si aliquid correctione
dignum repperit, corrigere festinet. Vgl. c. 5: Di versa secularis vitae
negotia fugientes et monasticae institutionis normam aggredientes extia
claustrum sine licentia proprii abbatis ire non licet; sed tantummodo ieiunio
et orationi vacare, in locis, quibus renuntiaverunt seculo, permanentes,
sicut in concilio Chalcedonensi precipitur. c. 7: Clericis monachicum pro-
positum sequi cupientibus et pro remuneratione divina saecularibus spretis
artiorem vitam adire volentibus nuUatenus introeundi aditus ab episcopo
denegetur sed potius eum in tali conversatione perstare exortari conetur.
1 Widuk. 1. c. Zu den Gesinnungsgenossen Friedrichs gehörte ver-
— 376 —
Während der deutsche Episkopat in dieser "Weise dem Vor-
gehen des lothringischen nacheiferte, war im südUcheu Deutschland
ein neues Kloster entstanden, in dem die streng asketische Ge-
sinnung eine neue Heimat fand: Maria Einsiedeln ^. In einem
waldigen, vom Alpbach durchflossenen Grunde oberhalb des Züricher
Sees hauste um die Mitte des neunten Jahrhunderts der Einsiedler
Meginrat. Die Verehrmig, die er bei der Bevölkerung fand, schützte
ihn nicht: er w^urde im Jahr 861 oder 863 von Räubern er-
schlagen^. An der durch sein Leben und seinen Tod geheiUgten
Stätte ließ sich später der Straßburger Kanoniker Benno nieder^:
wie jener doh er die Welt, um Gott in der Einsamkeit zu dienen.
Es war nicht sein Glück, daß König Heinrich ihn aus der Klause
zur Leitung des Metzer Bistums berief. Von seinen Diözesanen
verjagt und geblendet, kehrte er im Jahr 929 an die Alp zurück.
Fünf Jahre später gesellte sich ihm der Straßburger Dompropst
Eberhard zu*. Und er war es nun, durch den die Einsiedelei zu
einem Kloster wurde. Das war eben in der Zeit, als Gorze,
St. Maximin und St. Aper zur Beobachtung der Begel zurück-
kehrten. Kann man glauben, daß Eberhard von dem nichts wußte,
was die Gemüter seiner Gesinnungsgenossen jenseits der Vogesen
bewegte? Jedenfalls handelte er ganz im Sinne der Lothringer,
indem er die Genossen, die sich um ihn sammelten, der regulären
Disziplin unterwarft. In der Zelle Meginrats wurden die Satzungen
Benedikts mit derselben Gewissenhaftigkeit beobachtet, wie in den
Klöstern an der Mosel und an der Maas. Eberhard starb, nach-
dem er länger als zwanzig Jahre an der Spitze des Klosters ge-
standen, am 14. August 958**. Aber seine Nachfolger waren ge-
sinnt wie er; besonders Abt Gregor stand überall bei den Mönchen
in hohem Ansehen. Er Avar ein Engländer; schon daß er in jungen
mutlich Hartbert von Chur. Er war im Besitz Ellwangens, trug aber Sorge,
daß das freie Wahlrecht für den Fall seines Todes hergestellt wurde
(Dipl. I S. 319 Nr. 233). Dadurch erscheint er als Freund der Reform; auch
seine Verbindung mit Maiolus von Cluni spricht dafür, Syri vita Maioli
II, 16 S. 761. Udalrich von Augsburg wirkte in demselben Sinn, s. u. S. 377.
» Vgl. Ringholz in den Studien aus dem Bened.-Orden 1886 S. 50 ff.
2 Vita Meginr. Scr. XV S. 445 fi'. Annal. Heremi z. 868 Scr. III S. 140.
Annal. Sangall. mai. z. 861 S. 76. Herim. contr. chron. z. 861 S. 105. Lib.
Vit. Einsidl. z. 833 u. 863 (JB. f. Schw. Gesch. X S. 338).
^ Vgl. oben S. 19 u Annal. Her. z. 925 S. 141.
^ Zusatz zu Herim. contr. z. 934 S. 113. cf. z. 958 S. 115; ann. Meginr.
u. Herem. z. 934 S. 138 u. 141. Lib. vit. Eins. z. 934. Dipl. 1 S. 177 Nr. 94.
•^ Herim. contr. ehr. z. 958: Ibique regulärem vitam instituens.
ö Ann. Herem, z. d. J. S. 142; Not. necrol. Einsidl. Necrol. I S. 360.
— 377 —
Jahren die Heimat, die Eltern und die Braut verlassen hatte, um in
einem j&'emden Kloster Mönch zu werden, umgab seinen Namen
mit dem Ruf der Heihgkeit; sein Leben erhöhte die Bewunderung:
er galt als ein Muster asketischer Frömmigkeit ■"-.
Man bemerkt den Zusammenhäng, der zwischen den asketisch
gesinnten Kreisen der verschiedensten Landschaften stattfand, wenn
man liest, daß Wolfgang, als er sich nach dem Tode des Erz-
bischofs Heinrich entschloß, Trier zu verlassen und Mönch zu
werden. Einsiedeln aufsuchte^. Sein Eintritt war ebenso wichtig
für ihn, wie für das Kloster. Er hat sich dort mit der Über-
zeugung durchdrungen, die er später scharf und rücksichtslos aus-
sprach: daß ein Mönchtum ohne Beobachtung der Regel ein After-
bild des Mönchtums sei^. Und das Kloster gewann in diesem
Mönch eine ungewöhnliche Kraft: als er zu lehren begann, strömten
Schüler aus den benachbarten Klöstern ihm zu*: sie trugen den
Einfluß Einsiedeins da- und dorthin. Das Ansehen des jungen
Ejiosters konnte bald mit dem von Reichenau und St. Gallen wett-
eifern. Als Bischof Gebehard in Petershausen bei Konstanz ein
neues Kloster stiftete, suchte er es zu einem Nachbild Einsiedeins
zu machen^. Noch wichtiger wurde Wolfgangs Ernennung zum
Bischof von Regensburg. Denn sie öffnete dem regulären Mönch-
tum den Weg nach Baiern. Die ersten Schritte zur Wieder-
aufrichtung der Klöster in Baiern waren bereits geschehen. Bischof
Udalrich von Augsbm^g, dessen Diözese sich ja auf bairisches Ge-
biet erstreckte, war mit Eberhard von Einsiedeln befreundet^. Das
bHeb nicht ohne Einfluß auf sein Verhalten; wir wissen, daß mit
seiner Unterstützung Benediktbeuren sich aus seinem Verfall zu er-
heben begann '. Das hauptsächlichste Verdienst hatte der Presbyter
Wolfdio : aber zum Kloster vermochte er Benediktbeuren noch nicht
zu machen; nur er selbst lebte während seiner letzten Lebenszeit
als Mönch ^. Daß Ulrich die bischöflichen Rechte über die Klöster
1 Othl. vita Wolfk. 10 S. 530. ^ jbid.
^ Ib. 15 S. 532: Reguläres monaclii beatis aequiparantur angelis, saecu-
lares vero monachi apostaticis. ^
* Ib. 10 S. 530. Ringbolz denkt an Disentis, Pfäfers und Rbeinau.
6 Vita Gebeb. 10—13 Scr. X S. 586 f. Gas. mon. Petrib. 1,9 f. Scr. XX
S. 630f. 15 S. 631: De cella s. Meginradi . . suos monacbos Gebehardus
normam vivendi et regimen babere decrevit, quoniam monacbi illius coenobii
tunc temporis fuerunt religiosissimi. Herim. contr. cbron. z. 979 S. 117.
6 Vita Oudal. 14 S. 404.
"' Cbron. Bened. 9 Scr. IX S. 218; Breviar. Gots. 2 Scr. IX S. 222.
* Cbron. Bened. 9 S. 218. Die Regel trat erst unter Heinrieb LI.
wieder in Geltung.
— 378 —
stark betonte, konnte die Durchführung von Reformen nur er-
leichternd Aber der Erfolg war nicht groß. Energischer als er
griff Wolfgang ein: er war persönlich mehr Mönch als jener. Es
gehörte zu seinen größten Sorgen, daß die Beobachtung der Regel
in seinem Bistum abgekommen war. Man hörte ihn wohl sagen:
Hätten wir nur Mönche, alles andere würde reichhch genügen^.
Um Abhilfe zu schaffen, handelte er mit der ihm eigenen selbst-
losen Entschlossenheit. Die reichste Stiftung in Regensburg war
St. Emmeram. Seitdem das Bistum bestand, war das Kloster mit
ihm verbunden gewesen; für das Bistum war das ein Gewinn, im
Kloster aber hinderte es die Beobachtung der Regel, die dem
Wortlaute nach galt^. Das war für Wolfgang der Grund, die
Verbindung zu lösen*. Durch den Hinweis auY die pekuniäre
Schädigung des Bistums ließ er sich nicht hindern; er verzichtete
auf einen Teil der Einkünfte, um die Selbständigkeit des Klosters
zu ermöglichen^, und konstituierte es im Jahre 974 als Benedik-
tinerkloster ^ Den ersten Abt berief er aus Lothringen, aus
St. Maximin. Dort war Ramwold, der einst sein Genosse bei
Erzbischof Heinrich gewesen war, Mönch geworden, Wolfgang be-
wog ihn die Leitung von St. Emmeram zu übernehmen. Ramwold
war damals schon ein bejahrter Mann; aber das war ihm nicht
anzumerken ". Mit der Frische der Jugend griff er die Arbeit der
Erneuerung des Klosters an. In seiner verständigen, allem Über-
triebenen abholden Weise ^, war er der rechte Mann dazu. Be-
sonders lag ihm die Vertiefung des geistigen Lebens im Kloster am
Herzen; er sorgte für eine reichliche Vermehrung der Bibliothek^;
^ Vita Oudal. 5 S. 393.: üt facultatem ea visitandi et ibi manendi et
quae necessaria erant corrigendi in stipendiis habuisset.
'' Othl. vita Wolfk. 15 S. 582. ^ Arnold de s. Emmer. 11,9 S. 559.
* Denn wirklich herabgekommen kann das Kloster nicht sein, s. das
Urteil Ottos I. Dipl. I S. 301 Nr. 219.
» Arnold II, 8 ff. S. 558 f.; Othl. vita Wolfk. 16 S. 532 f.
« Ann. s. Emm. z. 975 Scr. I S. 94. Auct. Garst. Scr. IX S. 566. Beide
Quellen geben das Jahr, in dem Ramwold Abt wurde. Nach Othloh leitete
er das Kloster zuerst als Propst, 15 S. 532.
' Arnold, d. s. Emmer. 11,10 S. 559; 16 S. 561.
8 Ib. 16 S. 561: Habitus illius mediocris fuit et absque simulacione
monasticus; victus vero tantillus, ut non superhabundaret, sed refectioni
sufficere posset.
^ Vorrede zu seiner Homiliensammlung (N.A. X S. 389): Nos . . intus
et foris omnia necessaria nostri monasterii vestro rogatu reparare etudemus,
maxime in librorum cultibus, quorum doctrina poeno constat omnis mundas.
Becker, catal. 44 S. 130: Hae vero res augmentabantur sub regimine Romu-
— 379 —
zum Teil mögen die neuen Bücher im Kloster selbst geschrieben
worden sein. Auch die Kunst der Buchmaler machte er in
St. Emmeram heimisch: durch die Mönche Aripo und Adalpert
heß er den schadhaft gewordenen Codex aureus, die prachtvollste
Bilderhandschrift, die das Kloster besaß, wiederherstellen ^. Die
rehgiösen Ziele der reformierten Mönche verlor er dabei nicht aus
den Augen: für die Lektionen stellte er eine neue Homiliensamm-
lung zusammen^; mit der hebevollsten Sorgfalt wurden die Kloster-
gottesdienste eingerichtet^; auch der Rehquienschatz wurde durch
aldi abbatis. Der Druck bei Becker ist ungenau, vgl. Swarzenski, Die
Regensburger Buchmalerei S. 25, und Gottlieb, Über m.a. Bibliotheken S. 67.
^ S. Janner, Bisch, v. Regensburg I S. 375j Janitschek, Gesch. d. d.
Malerei S. 44 ; Swarzenski S. 29 ff. Der letztere identifiziert Adalpert un-
richtig mit dem Oudalpert bei Froumund Ged. 25 S. 422.
"^ S. N.A. X S. 389; er beruft sich auf die Anordnung Karls d. Gr.
^ Den Beleg hierfür bieten die consuet. s. Emmer., die von Mabillon
zuerst erwähnt wurden, Vetera analecta S. 155, an die sodann Hirsch wieder
erinnerte, JB. Heinrichs I. S. 120 Anm. 1, und die nun von Ringholz heraus-
gegeben sind, a. a. 0. S. 269 ff. Das, was Hirsch in ihnen erwartete, eine
Ausprägung des hierarchischen Ideals, bieten sie nicht dar. Sie sind genau
das, was ihr Name sagt, eine Aufzeichnung manchfacher, besonders gottes-
dienstlicher Gewohnheiten, die sich auf Grund der Regel in einem Bene-
diktinerkloster gebildet hatten. Daß, das — übrigens unvollständige —
Schriftstück aus St. Emmeram stammt, ist nach c. 14 S. 289 sicher. Aber
welcher Zeit gehört es an? Ringholz verlegt die Niederschrift der Schrift
nach an das Ende des 10. Jahrh.'s und nimmt weiter an, daß die Gewohn-
heiten St. Emmerams aus Einsiedeln stammten, jene Niederschrift also
eigentlich die consuetudiaes Einsidlenses darbiete (S 71). Der Inhalt erweckt
jedoch sowohl gegen die letztere Annahme, als auch gegen den chrono-
logischen Ansatz Bedenken. Wie die Aufzeichnung entstand, sagt der Ver-
fasser in dem einleitenden Brief: er hatte keine schriftliche Vorlage, sondern
er schrieb das, was in St. Emmeram üblich war, nieder, iuxta quod occurrit
memorie (S. 270). Formulierte Einsiedler Gewohnheiten kannte er also
jedenfalls nicht. Sagt er nun: Ne diversis coenobiorum corrumpetur novi-
tatibus et unusquisque pro libitu suo varians loci pervertere statum, ab
antiquis b. Benedicti regule amatoribus per temporum vices constitute sunt
consuetudines de omnibus omnino rebus (S. 269), so kann es sich, wenn er
noch im 10. Jahrhundert schrieb, unmöglich um Gewohnheiten handeln,
die in St. Emmeram entstanden waren, wo die Benediktinerregel erst seit
974 galt; aber auch an Einsiedelh kann man nicht denken. Der 958 ver-
storbene Eberhard konnte um 990 nicht zu den antiquis b. Benedicti regule
amatoribus gerechnet werden. Näher läge es an das alte Kloster St. Maxi-
min zu denken, dessen Gewohnheiten ja ohnedies für St. Emmeram größere
Bedeutung hatten als die Einsiedeins, da Ramwold Mönch in St. Maximin
— 380 —
neue Erwerbungen vergrößert^. In der gesamten Verwaltung herrschte
die größte Ordnung: Ramwold Heß die Bibliothek katalogisieren"
gewesen war. "Was dort Brauch war, wird man in St. Emnaeram eingeführt
haben, und hier wurde dann unser Bericht darüber niedergeschrieben.
Aber ob schon im 10. Jahrhundert? Nach Ringholz führt, wie gesagt, die
Schrift des Einsiedler Kodex auf diesen Ansatz. Ich kann hierüber nicht
urteilen, da ich die Handschrift' nicht gesehen habe. Doch mag es erlaubt
sein an die Punkte zu erinnern, die die Vermutung nahe legen, daß diese
Bestimmung des Alters der Handschrift nicht richtig ist. Der Verfasser
bemerkt in seinem Prolog: Sunt autem quedam que modo bene ferventibus
disiderio videntur esse superfluae, sed si discusse fuerint et sibi et futuris
iam frigescentibus inveniuntur prodesse. Paßt dieser *Satz in eine Zeit, in
der St. Emmeram an der Spitze der Reform stand? Ist er nicht vielmehr
nur verständlich, nachdem eine entschiedenere Bewegung eingesetzt hatte,
der das kaum mehr genug tat, was in St. Emmeram eingeführt war? Der
Verfasser fährt fort: Sunt etiam nonnulle a simplicibus inuente vel usur-
pate que corrigende sunt a prudentibus vel penitus respuende, utpote tanto
inutiles quanto recentes. Setzt nicht auch dieser Satz das Vorhandensein
einer schrofferen Strömung voraus, die der Verfasser ablehnt? Beide
Stellen machen diese Annahme mindestens sehr wahrscheinlich. Daß sie
richtig ist, bestätigt die Vorrede Wilhelms von Hirschau zu den consuet.
Hirsaug. Denn liest man dort: Postquam . . fratrum Hirsaugiensium electione
eiusdem loci provisor sum constitutus, indidi eis in primis, quas a puero
didicei-am in monasterio s. Emmerammi regularis vitae consuetudines. Sed
quia multa in eis erant, quae paulatim succedente desidia a monastico
rigore et ab illius partae conveirsationis nobilitate videbantur degenerasse,
statui apud me, ut ubicunque aliquod informandis fratrum moribus profi-
cuum . . perciperem, totum hoc conferrem, so ist der Bezug der Regens-
burger Vorrede auf diese Stelle unverkennbar. Die Hirschauer sind die
bene ferventes, denen der Regensburger Bi-auch ungenügend scheint, und
ihre Gewohnheiten sind es, deren Ablehnung man in Regensburg für not-
wendig hielt. Dazu kommen noch andere Stellen. C. 2 S. 271 liest man
von einem Mönch de fraterna uel coniuncta congregatione et eiusdem reli-
gionis. Ist der Satz verständlich in einer Zeit, in der es in Deutschland
nur eine religio, die Benediktinische, gab? C. 4 S. 273 f. ist von laici con-
versi die Rede; nach vita Wilh. 23 Scr. XII S. 219 hat man Grund, auch
hierin einen Hinweis auf eine jüngere Entstehung zu sehen. C. 14 S. 289
wird der Gesang des Hymnus Jesu salvator saeculi erwähnt. Da es sich
dabei um laudes de omnibus sanctis handelt, so ist an den Hymnus J. s. s.
redemptis ope subveni gedacht; er aber gehört dem 11. Jahrhundert an
(s. Wackernagel, D. d. Kirchenlied I S. 115 Nr. 181). Durch dies alles scheint
mir die Vermutung berechtigt, daß die Handschrift jünger ist, als sie ge-
schätzt wird. Das Schriftstück gehört der Zeit der Hirschauischen Be-
wegung an. 1 Not. s. Emmer. 1 Scr. XV S. 1094.
- Becker, Catal. Nr. 42 S. 127ff.: Adbreviatio librorum s. Emmerammi,
— 381 —
und ein Verzeichnis der Stiftsgüter herstellen ^. Die guten Folgen
davon zeigten sich in dem Wachstum der Einkünfte: sie genügten
nicht nur für die augenblickhchen Bedürfnisse; man konnte wün-
schenswerte Neubauten unternehmen, die auch den späteren Ge-
schlechtem zugute kamen '^. Durch mancherlei Schenkungen und
andere Erwerbungen wuchs zugleich der Grundbesitz des Klosters ^
Man gewinnt die Vorstellung des glückhchsten Gedeihens.
Nachdem die Reform von St. Emmeram so wohl gelungen war,
konnte Wolfgang um so leichter an neue Unternehmungen Hand
anlegen. Zwar wissen wir nicht, ob es ihm gelang in den übrigen
Mönchsklöstern seines Sprengeis die Regel Benedikts wieder zur
Anerkennung zu bringen^; dagegen ist das in bezug auf die Frauen-
klöster sicher. Das Erste, was er unternahm, war die Gründung
eines neuen Nonnenklosters nach der Regel Benedikts : es ist St. Paul,
oder wie man gewöhnlich sagt, das Mittelmünster ^ Später kam
es zur Reform der beiden älteren Frauenstifter, des Ober- und
quae tempore Kamuoldi abbatis facta est. Aufgezählt sind 513 Werke.
Gleichfalls unter ßamwold ist Nr. 44 S. 130 f. aufgenommen, s. S. 378 Anm. 9.
1 Holder-Egger, N.A. XIH S. 563. Daß Eamwold der Abt R. ist, hat
alle Wahrscheinlichkeit. Es wird von ihm gesagt: Die noctuque nititur
Studiosus gregem sibi commissam monendo solerter instigando ac norma-
•liter vivendo omnique intentione pascua vitae ostendendo, ut finetenus
perseveranter Christo ducente perveniant ad caulas beatitudinis promissae,
atque sicuti infra monasterium vigilanter studet, ut fratrum regularis vitae
. . imotabiliter provideatur . . nee minus fostinat saecularia forinsecus adiu-
menta eorum usui necessaria . . ordinäre. Über den Tradit. Kod. selbst
Bretholz in den Mtt. d. I. XII S. 12 ff.
2 Arnold de s. Emm. 11, 17 S. 562; 40 S. 568. Not. s. Emm. II S. 1094f.
" S. die Traditionen bei Pez, Anecd. I, 3 S. 88ff. u. Quellen u. Erörter. I
S. 7ff., vgl. auch Dipl. II S. 345 ff. Nr. 293 ff. Das Kl. blieb bischöflich;
erst im 11. Jhrh. tritt das Streben nach Exemtion hervor, das — unter-
stützt durch Fälschungen — im 12. Jhrh. zum Ziel kam, s. Lechner, N.A.
XXV S. 627.
* Es kommen Metten und Weltenburg in Betracht. Metten erhielt
nach einem Diplom Ottos II. von 976, Dipl. II S. 149 Nr. 133, damals Be-
sitzungen in der Ostmark zurück; man suchte also mindestens die Besitz-
verhältnisse wieder zu ordnen. In bezug auf Weltenburg scheint mir die
Wiedereinführung der Regel durch Wolfgang unsicherer als Hirsch, JB.
Heinr.'s I. S. 124, annimmt. Daß das Kloster die Ungarnnot überdauerte,
darf man wohl aus der Urkunde bei Ried, Cd. S. 95 Nr. 100, folgern; von
Othloh vfird der Ort genannt, V. Wolf k. 36 S. 540. Berg im Donaugau, s.
oben S. 278, war in der Ungarnnot zugrund gegangen; dasselbe Los hatte
wahrscheinlich Schönau. Roding und Chammünster waren wahrscheinlich
Kollegiatkirchen. ^ Vita Wolf k. 17 S. 538.
— 382 —
Niedermünsters. Wolfgang führte sie im Einverständnis mit Herzog
Heinrich IL durchs
Das Vorbild Regensburgs wirkte auf die übrigen bairischen
Diözesen. In Salzburg entschloß sich Erzbischof Friedrich eben-
falls die Verbindung zwischen dem Bistum und dem Hauptkloster
zu lösen. Es gab in St. Peter längst Mönche und Kanoniker
nebeneinander^. Jetzt teilte Eriedrich die Güter zwischen dem
Bistum und der Kongregation, verpflichtete die letztere auf die
Benediktinerregel und stellte den Mönch Tito von St. Emmeram
als Abt an ihre Spitze. Das war im Jahre 987 ^ Neun Jahre
vorher war Tegernsee. das wichtigste Kloster der Freisinger Diözese,
erneuert worden. Hier begegnet uns wieder der Einfluß St. Maxi-
mins. Denn von dort berief Kaiser Otto IL auf den Wunsch des
Herzogs Otto den Mönch Hartwich, um das ganz darniederliegende
Kloster wiederherzustellen. Bischof Abraham von Freising hat ihm
im Jahr 979 die Benediktion als Abt erteilt; zugleich legten die
Mönche das Gelübde auf die Regel ab*. Otto aber nahm das
erneuerte Kloster in den Schutz des Königs und verlieh ihm die
Freiheit der WahP. Als Hartwich im Jahr 982 starb®, nahm
man seinen Nachfolger Gozpert' aus Eegensburg. Unter seinem
Regiment erhob sich Tegernsee zu ähnlicher Blüte wie St. Emmeram
unter Ramwold. Die Briefe Gozperts und die Briefsammlung des •
Scholasters Froumund^ geben davon ein anschauliches Bild: die •
1 Ibid.; Widmungsged. " im Regelbueh von Niedermünster bei Swar-
zenski S. 46 f., vgl. auch Dipl. III S. 32 Nr. 29.
2 Mon. Boic. XIV S. 863 S.
^ S. den gleichzeitigen Bericht Qualiter renovata est vita monachorum
ad s. Petr. Scr. XV S. 1056, auch Salzb. ÜB. I S. 252 ff. Das Jahr 987 geben
die Annal. s. Rudb. Scr. IX S. 772; daß Tito aus Regensburg kam, zeigt
die Notiz aus einem Necrol. s. Emmer. 18. Febr., bei Hirsch, JB. Heinrichs I
S. 129 Anm. 2.
* Notae Tegerns. Scr. XV S. 1067; vgl. die Ode des Metellus auf Hart-
wich, die Wattenbach, Berl. SB. 1897 S. 792, bekannt gemacht hat.
5 Dipl. II S. 219 Nr. 192 v. 10. Juni 979.
0 Am 8. August (Not. Teg. 1. c). Grabschrift von Froumund S. 408
(s. u. Anm. 8).
' Die Briefe Gozberts bei Migne 139 S. 365 ff., ein bisher ungedruckter
Z. f. d. Phil. XIV S. 388. Ep. 1 S. 365 zeigt ihn als ehemaligen Mönch
St. Emraerams; ep. 7 S. 368 erwähnt er, daß er in Augsburg erzogen
worden sei.
8 Die Briefe Froumunds selbst bei Migne 141 S. 1282. Die übrigen
Briefe sind zerstreut. Eine Übersicht über den Gesamtinhalt der Sammlung
gibt Seiler in d. Z. f. d. Phil. XIV S. 385, er druckt zugleich die noch un-
— 383 —
Bibliothek wurde ergänzt und vermehrt^; die Kirche erhielt gemalte
Glasfenster: nicht genug konnten sich die Mönche an dem Spiel
des bunten Lichtes erfreuen^; man erwarb Kupfer und Zinn zum
Guß einer neuen Glocke °, Auch manche entfremdete Güter und
Rechte wurden wieder erworben*. Der Zustand des Klosters war
so erfi^-eulich, daß man Tegernseer Mönche nach auswärts berief;
es wurde bereits erwähnt, daß das Kloster Feuchtwangen von
Tegernsee aus neubesetzt wurde ^; auch mit St. Magnus in Füssen
und St. Pantaleon in Köln stand man in Beziehungen*'. In dieser
Zeit kam die Benediktinerregel noch in einem zweiten Freisinger
Stift zur Herrschaft. In dem freundhch am Rand eines großen
Forstes gelegenen Ebersberg bestand seit 934 ein stattliches Kolle-
giatstift, eine Gründung des Grafen Eberhard. Dort wurde im
Jahr 990 durch Graf Udalrich die Benediktinerregel eingeführt "'.
In dem gleichen Jahr erfolgte die Reform des Klosters Altaich im
Passauer Sprengel. Es war im Besitz des Erzbischofs Friedrich;
er ließ es eine Zeitlang von einem Laien Ratraund verwalten,
betrachtete es also lediglich als nutzbares Gut. Später jedoch
änderte er seine Stellung: unterstützt von Herzog Heinrich und
den Bischöfen Wolfgang und Pihgrim führte er die Regel wieder
bekannten Stücke und die Gedichte ab. Nachträge von Schepß, a. a. 0.
XV S. 419 ff.
^ Ep. 1: Es fehlt ein Plenarium. Gozpert läßt es sich von. St. Em-
meram schicken, um es abschreiben zu lassen. Ep. 13 S. 370: Von der
bist, tripart. sind nur zwei Teile vorhanden; er bittet um den dritten.
Froumund ergänzte eine unvollständige Horazhandschrift ep. 9 S. 1288, ent-
lieh wahrscheinlich in Regensburg einen Statins ep. 11 S. 1289; vgl. auch
unten Anm. 6. 2 ^p. 3 S. 367.
3 Ep. 16 S. 372. Die Glocke blieb aber längere Zeit ungegossen, da
keiner der Mönche den Guß verstand, s. den Brief Gozperts an Godescalc
von Freising bei Meichelbeck, H. Fr. 1,2 S. 471 Nr. 1113,2.
* Ep. 8 S. 369; 14 S. 370; 1 S. 371; 1 S. 373. » S. 0. S. 328 f.
® Froum. ep. 1 S. 1283. Die Verbindung zwischen Tegernsee und Köln
ist durch Scbreibemoten Froumunds bewiesen. In einer Handschrift von
Boethius de consol. Philos. (Pez, Anecd. I S. XV) heißt es:
Hunc ego Froumundus librum ecce Colonie scripsi
Atque huc devexi, tibi sancte Quirine decrevi.
Am Schluß einer Wiener Handschrift, die Glossen zu Priscian enthält:
Explicit Glossema libri Xmi in monasterio phyuhtwangensi a quinto libro
usque huc conscripsi ego Froumundus. Sed primum, secundum, III<im et
quartum Colonie in monasterio sancti pantaleymonis, Schepß S. 420 f.
' Chron. Ebersp. Scr. XX S. llff.; vgl. chron. post. 15 Scr. XXV S. 868 f.
— 384 —
ein: der erste Abt wurde der Schwabe Erkanbert^ Die Reform
ließ sich hier nicht im Frieden dm-chführen: es kam zu einem
Bruch der Kongregation; der größere Teil der Brüder verHeß
Altaich ^.
Wie in Lothringen, so folgte auch in Baiem der Eeform
älterer Klöster die Gründung einiger neuer Konvente: im Salz--
burgischen entstanden in diesen Jahren die Klöster Michaelbeuren ^
und Seeon^, vor den Toren Regensburgs gründete Bischof Gebe-
hard die Abtei PrüeP.
Wenn man den Gang der Dinge diesseits des Rheins der
lothringischen Reform gegenüberstellt, so bemerkt man leicht die
Gleichheit wie den Unterschied. Darin bewahrte die ganze Be-
wegung, auch nachdem sie sich über das rein deutsche Gebiet aus-
dehnte, ihren ursprünglichen Charakter, daß der Episkopat die
Leitung in der Hand behielt: die Erzbischöfe von Köln, Mainz
und Salzburg, die Bischöfe üdalrich und Wolfgang handelten nach
den Grundsätzen Adalberos und Gauzhns. Auch das ist gleich,
daß die Träger der welthchen Macht die Reform begünstigten.
Wie dort Herzog Giselberht und Graf Arnulf, so förderten hier
die Könige und Herzoge die Durchführung der Regel. Otto I. ist
sehr frühzeitig auf die lothringische Reform aufmerksam geworden.
Schon drei Jahre, nachdem Abt Huogo die Regel wieder einge-
führt hatte, gab er den Mönchen von St. Maximin einen unver-
kennbaren Beweis seines Vertrauens und seiner Anerkennung: er
besetzte das Moritzkloster in Magdeburg aus ihrer Mitte ^. Daß
das Kloster die früher besessenen Kirchen zurückerhält, erscheint
wie eine Angelegenheit der königlichen Familie: Otto verfügt es
auf Bitten seines Bruders und seines Schwiegersohnes'. Außer
Magdeburg und St. Maximin erfreute sich kaum ein anderes Kloster
seiner Gunst in demselben Maß wie Einsiedeln: nachdem es im
^ Quellen sind die beiden Lebensbeschreibungen Godehards: Scr. XI
S. 167 ff. u. S. 196 ff., vgl. Annal. Altah. mai. z. J. 990 S. 16. Auct. Altab.
Scr. XVII S. 363. Herrn, de instit. mon. Altah. ib. S. 371.
2 Vita I Godeh. 7 S. 173; 11,5 S. 200.
" Die Gründung erfolgte schon vor 977, da Otto IL in diesem Jahre
dem Kloster das Königsgut in Beuren übergab, Dipl. II S. 184 Nr. 164.
* Gestiftet vor 999 durch den Pfalzgrafen Aribo. Otto III. bestätigte
in dem genannten Jahr die Gründung unter ausdrücklicher Erwähnung der
Benediktinerregel, Dipl. II S. 744 Nr. 318, vgl. J.W. 3900.
5 Zusatz zu Otto V. Freising ehr. VI, 24 S. 278. Hier als Stiftungs-
jahr 999. Dagegen nennen das Auct. Garst. (Scr. IX S. 567) u. die Annal.
s. Eudb. (ib. S. 772) das Jahr 1003.
« S. 0. S. 110. ^.Dipl. I S. 204 Nr. 122.
- 385 —
Jahr 947 Immunität mid Wahlrecht erhalten hatte, wurde er nicht
müde seinen Besitz durch Schenkungen an Grund und Boden zu
vermehren^. Durch seine Vermählung mit der burgundischen
Adelheid knüpften sich sodann Beziehungen zu Cluni an*. Abt
Majolus verkehrte hoch angesehen am Hofe des Kaisers^; das clunia-
censische Kloster Peterlingen, die Stiftung Berhtas und Adelheids,
wm'de von ihm gefordert*, der Abtei selbst gewährte er Grund-
besitz in Pavia^. Das alles zeigt das günstige Urteil Ottos über
die Reformbewegimg, über die führenden Männer und Klöster. Und
nicht genug an der Förderung einzelner Personen und Unter-
nehmungen, er sucht« dem Mönchtum als solchem seine Stellung
in Deutschland zu sichern, indem er die Unabhängigkeit der noch
freien Abteien für unantastbar erklärte®. Das war ganz im Sinne
der Eeform. Auch die Augsburger Beschlüsse von 952 wurden
unter seiner ausdrückUchen Billigung gefaßt '. In Cluni wollte man
vollends wissen, Otto habe die Absicht gehegt, alle königlichen
Klöster in Deutschland und Italien der Aufsicht des Abts Majolus
zu überweisen^. Das mag irrig gewesen sein; aber sicher ist, daß
der König in mehr als einer königlichen Abtei reformierend ein-
griff. In Reichenau entsetzte er im Jahr 972 den Abt Ekkehart
und übertrug die Leitung dem als schroff und energisch bekannten
Prior Ruotmann ®. Daß Weißenburg an Adalbert, der in St. Maxi-
min Mönch gewesen war, kam, läßt vermuten, daß Otto auch dort
die genaue Beobachtung der Regel durchzuführen wünschte. ^^ In
St. Gallen mußten sich die Mönche sehr wider ihren Wunsch eine
Visitation gefallen lassen ^\ Otto beauftragte mit ihr den Mönck
Sandrat von St. Maximin. Als dieser nicht durchzudringen ver-
1 Dipl. I S. 176 Nr. 94; S. 191 Nr. 108 v. 949; S. 236 Nr. 155 v. 952;
S. 271 Nr, 189 v. 958; S. 392 Nr. 276 v. 965.
2 Vgl. Sackur I S. 217 S.
3 Syri vita Majoli II, 19 ff. S. 763. Odil. vita Majol. S. 956 (Migne 142).
* Dipl. I S. 399 Nr. 284; vgl. 11 S. 60 Nr. 51.
5 Dipl. I S. 567 Nr. 415.
« Prankf. Kapit, v. 951. C.I. I S. 17 Nr. 8: Ut nulla abbatia, que per
se electionem habet, ad monasterium nee alicui in proprium possit donari;
ille vero, quae electione carent, regis donatione et privilegio ad illud
monasterium quod sub eius mundiburdio consistit subrogari possint.
' S. oben S. 375. « Syr. 1. c. II, 21 S. 764.
8 Herim. contr. chron. z. J. 972 S. 116.
10 Über Adalbert s, o. S. 128 f.; sein Nachfolger Sandrat (Ser. abb.
Scr. XIII S. 320) stammte, wie bekannt, gleichfalls aus St. Maximin.
" Ekkeh. Gas. s. G. 98 ff. S. 353 ff. Zur Kritik verweise ich auf Meyers
von Knonau Excurs m S. 474 ff.
Hauck, EirchengescMchte. III.
25
— 386 —
mochte, schickte er eine aus Bischöfen und Abten zusammengesetzte
Kommission ins Kloster; ihr fügten sich die Mönche wenigstens
dem Scheine nach. Man darf wohl urteilen, daß die Klosterreform
an Otto einen aufrichtigen Freund hatte. Auch Otto II. war ge-
neigt, sie zu fördern. Niemand besaß so viel Gewalt über seine
Seele als Abt Majolus: diesem Mönche gelang es, dem eigen-
willigen Kaiser zum Bewußtsein zu bringen, daß ein Herrscher
nicht immer im Rechte ist\ Er achtete Majolus so hoch, daß er
den Gedanken faßte, ihm die päpstliche Würde zu übertragen^.
Daß die Mönche die Benediktinerregel zu beobachten hatten, gal"
ihm als selbstverständlich^: als er in Memleben, wo sein Vater
gestorben war, ein Kloster errichtete, führte er sie dort ein*; nicht
minder wurde sie in Arneburg herrschend^; daß er die Reform von
Tegernsee unternahm, wurde eben erwähnt eine ganze Reihe refor-
mierter Klöster erhielt mancherlei Begünstigungen von ihm^. Otto III.
vollends ging mit ganzer Seele auf die Anschauungen der Asketen
ein. Wie Adalbert und Nilus, so machte Ramwold einen über-
wältigenden Eindruck auf ihn. Man hatte den Abt bei dem König
verleumdet; bei einem Besuch des Klosters ignorierte ihn deshalb
Otto absichtlich. Darauf aufmerksam gemacht, daß er urteile ohne
untersucht zu haben, erklärte er sich bereit, die Rechtfertigung
Ramwolds anzuhören: aber schon der Anblick des Greises stimmte
ihn um; es bedurfte nicht mehr dessen Versicherung seiner treuen
Gesinnung. Auf einem Schemel zu seinen Füßen sitzend lauschte
er den Grundsätzen über die Verleugnung der Welt, die er ihm
verkündigte: es war ihm, als rede der h. Geist durch den Mund
dieses Mannes'.
1 Syr. 1. c. m, 9 S. 770; Odil. Epit. Adalb. 6f. S. 978. Die Darstellung
des Vorgangs stimmt nicht überein; an der Sache selbst ist kein Zweifel.
2 Syr. in, 8 S. 769. Ich halte die Nachricht nicht' für unglaubwürdig;
aber selbst wenn sie unbegründet sein sollte, charakterisiert sie die Stellung
Ottos zu dem Abt.
3 Dipl. n S. 74 Nr. 63: Otto wählt den Mönch Alawich zum Abt von
Pfäfers; er sagt über ihn: Quem idoneum et a nostrie fidelibus probatum
vitam beati Benedicti monachos instruendum elegimus.
* Die monastica institutio et regula ist in den Urk. Dipl. II S. 221 ff.
Nr. 194—196 erwähnt. 5 J.W. 3819.
6 S. Maximin Dipl. II Nr. 7, 42 u. 57; Gorze Nr. 54 u. 280; St. Paul in
Verdun Nr. 22 u. 156; St. Vanne Nr. 218; Bouxieres Nr. 157; Gembloux Nr.
187; Stablo Nr. 97 u. 219; Blandigni Nr. 145 u. 149; Echternach Nr. 217;
Einsiedeln Nr. 24, 25, 121, 123, 181 f., 211; St. Emmeram Nr. 204, 230, 247^
293—296; Tegernsee Nr. 192; Peterlingen Nr. 51, 307.
' De 8. Emmer. II, 31—83 S. 566 ff.
— 387 —
Förderung durch den Episkopat und Gunst bei den Fürsten
fehlte somit der Reformbewegung in Deutschland nicht; aber —
und das ist der Unterschied von Lothringen — sie führte nicht
zu einem ähnlichen Ergebnis wie in den Bistümern an der Mosel
imd Maas. So wenig als einst unter Ludwig d. Fr. kam es jetzt
zu einer allgemeinen Reform des Mönchtums. Der Grund war zum
Teil, daß es an einem Führer fehlte: kein deutscher Abt erlangte
eine ähnliche, überall anerkannte Autorität, wie sie die Abte von
Cluni in Frankreich hatten. Die Könige aber hatten verlernt, die
Kirche wirklich zu regieren. Der gute Wille Ottos I. und die
Sympathie Ottos III. ersetzten diesen Mangel nicht. Was die
Fürsten taten, bheb deshalb vereinzelt, und was die Bischöfe be-
schlossen, bheb ohne Folgen; denn niemand kontrolHerte die Aus-
fuhrung. Wichtiger noch war, daß jene Verschärfung der asketischen
Gesinnung, die wir in Lothringen bemerkten, in den deutschen
Klöstern nicht zur Herrschaft kam. Hierfür ist die Haltung der
St. Galler Mönche bei der Visitation ihres Klosters ebenso bezeich-
nend, wie der Widerstand Hadamars von Fulda gegen Friedrich
von Mainz, der Austritt der Mönche aus Altaich ebenso wie das
Urteil Widukinds über die Reformbestrebungen überhaupt. Selbst
die Briefe der Tegemseer Mönche geben von dieser Tatsache
Zeugnis. Denn wie viel verwandter ist der Geist, der in den
Briefen Gozperts und Wigos lebt, mit den in St. Gallen heimischen
Anschauungen als mit der Gesinnung Einolds von Gorze und Hum-
berts von St. Vanne. Die Reform der deutschen Klöster entsprang
nicht aus Antrieben, die im Kreis der Mönche selbst mächtig waren.
Deshalb kam sie trotz der Unterstützung durch Fürsten und Bischöfe
nicht zum vollen Sieg. Aber auch in Lothringen erlahmte die
Intensität der Bewegung rascher, als anfangs zu erwarten war:
zwei Menschenalter, nachdem die reformierten Mönche in Gorze
eingezogen waren, schien bereits in dem einen und andern Kloster
eine neue Reform Bedürfnis \ Das Ergebnis der ganzen Bewegung
war demnach nicht, daß das deutsche Mönchtum als geschlossene
Macht die asketische Lebensanschauung vertrat. Aber das Er-
gebnis war doch, daß diese Anschauung wieder neu belebt war:
sie war ein Element für den Fortgang der Geschichte.
Man spricht von dem Ertrag, den die wechselnden Zeitalter
der Geschichte haben. Aber nicht jedes Zeitalter hat einen klaren
1 Vita Wilhelmi 16 u. 22 Scr. IV S. 656 f.; vita Richarii 4f. Scr. XI S. 282.
25*
i
— 388 —
Ertrag, mit dem die nachfolgenden Geschlechter wie mit einem über-
lieferten Erbteil ihre Arbeit beginnen können. Das ist der seltene
Vorzug der klassischen Epochen. Öfter besteht das Resultat der
geschichtlichen Bewegung nur darin, daß sich die Kräfte bilden und
zusammenschließen, deren Gegeneinanderwirken die Zukunft erfüllt.
Das ist der Fall bei der Zeit der Ottonen. Sie hat nicht bleibende
G-rößen geschaffen; aber als sie schloß, standen alle die Mächte
nebeneinander, die in den nächsten Generationen miteinander rangen:
das Kaisertum und die Kaiseridee waren durch Otto I. und Otto III.
Avieder zum Leben erweckt; die PajDstmacht und mehr noch der
Gedanke des alles beherrschenden Papsttums hatten durch Gregor
und Silvester wieder Gehalt bekommen. Die Vorstellung von der
Einheit der chris'tlichen Welt war nachdrücklich erneuert; die
europäischen Nationen aber standen einander in bewußter Ab-
geschlossenheit gegenüber. Der Episkopat war umgewandelt: er
war eine nationale Institution geworden; er diente als solche der
Erhaltung und Festigung des Staats, aber er beherrschte zugleich
die Kirche. Neben ihm stand das Mönchtum, immer noch der
wichtigste Träger der allgemeinen Kultur, und durch seinen großen
Besitz mit dem nationalen Leben innig verbunden. Aber die
asketische Lebensanschauung, die bei den reformierten Mönchen zu
neuer Herrschaft gekommen war, stand ihrem Wesen nach dem
Nationalen gleichgiltig gegenüber und war dem durch die Ver-
mischung des StaatHchen und Kirchlichen bedingten Einfluß der
Herrscher auf die kirchlichen Angelegenheiten grundsätzlich, ab-
geneigt. Alle diese Kräfte — sie sind zugleich geistige und reale
— waren, als mit dem Tode Ottos III. die sächsische Epoche zu
Ende ging, vorhanden. Noch trat ihr Gegensatz nicht offen hervor;
aber es ist doch klar, daß sie auseinander und widereinander
strebten: die Spieler waren bereit, das Drama konnte beginnen.
Siebentes Buch.
Das Übergewicht des Königtums in der Kirche
und der Bruch desselben durch Rom.
1002—1122.
Erstes Kapitel.
Wachsender Einfluss des Königtums unter Heinrich II.
Zuerst ergriff das Königtum das Wort. Lidem die Krone
von Otto in. auf Heinrich II. überging ^, folgte auf einen geist-
reichen König ein verständiger, Heinrich hat seine Bewunderung
für seinen Vorgänger nicht ungern ausgesprochen^; aber er hatte
nicht die mindeste geistige Verwandtschaft mit dem Sohne der
Theophano. So außerordentlich alles war, was dieser plante und
unternahm, so wenig hatte jener jemals eine außergewöhnliche Idee.
Mehr als die anderen Nachkommen Heinrichs I. stand der letzte
Sprößling seines Hauses innerhalb nicht über seiner Zeit; aber
wie dem Ahnherrn, so eignete auch ihm die große Gabe gesunden
Menschenverstands. Es sei unmöglich, ihn zu täuschen, urteilt ein
^ Hauptquelle für Heinrich ist Thietmar, sodann kommen in Betracht
die Hildesh. Annalen, in zweiter Linie Adalbold; die Biographie Adalberts
ist fast wertlos. Die Urkunden Heinrichs sind im 3. Bd. der Dipl. von
Breßlau u. Bloch herausgegeben, 1900 — 1903; seine Konstitutionen im 1. Bd.
der Const. von Weiland 1893. Von neueren Arbeiten über Heinrich und
seine Zeit nenne ich die für die Erforschung des Einzelnen grundlegenden
Werke von Hirsch, JB. d. d. Reichs unter H. IL (vollendet von Papst und
Breßlau 1862—75) und Giesebrecht, KZ. II (3. Aufl. 1863), sodann die für
die Auffassung und Beurteilung der Gesamtentwickelung wertvollen Werke
von Nitzech, Gesch. des deutschen Volks I, Manitius, Deutsche Gesch. unter
den Sachs, u, sal. Kaisern 1889, Lamprecht, Deutsche Gesch. II, 1892, L. v.
Ranke, Weltgeseh.VIl, 1886; endlich Richter u. Kohl, Annalen d. d. Reichs T,
1890 S. 172 ff.
2 Dipl. III S. 38 Nr. 34: Tantus Imperator, talis Caesar; vgl. Nr. 37 f.,
60, 67, 136, 267, 386.
— 392 —
Zeitgenosse ^, überlegt nennt ihn ein anderer, bedächtig ein dritter ^.
In der Tat zeichnen sjich seine Handlungen durch nichts so sehr
aus als durch verständige Überlegung. Er war nie rasch von Ent-
schlüssen; stets verzichtete er auf das Unerreichbare, um das Mög-
liche zu erreichen; seinem Ziel näherte er sich nicht im Sprung,
sondern Schritt für Schritt. Der ganze Mann zeigt sich in der Art,
wie er seine Anerkennung als König den anfangs widerstrebenden
Sachsen und Schwaben abgewann: er gewährte den sächsischen
Fürsten die Befriedigung, in großen und stolzen "Worten von ihren
Rechten und Wünschen zu reden, darauf sagte er ihnen zu, was
billig war, hütete sich aber wohl, sich irgendwie zu binden^. Mit
Hermann von Schwaben rechtete er nicht über dessen gewaffiieten
Widerstand, aber er nötigte ihn, den Schaden zu ersetzen, den er
angerichtet hatte*. So war er überall: er beseitigte Hindernisse
Heber auf gütlichem Weg als durch Gewalt. Wie es bei ver-
ständigen Männern zu sein pflegt, war er des Wortes mächtig; er
glaubte an den Erfolg wohlerwogener Yorstellungen und er sprach
nicht ungern ^ Aber er wußte seine Äußerungen zu beherrschen;
auch wenn Sorgen von allen Seiten auf ihn eindrangen, war er
imstande, von dem, was ihn beschäftigte, zu schweigen und seiner
Umgebung mit ruhiger, heiterer Miene entgegenzutreten^. Nie
verlor er das Gleichgewicht der Stimmung; selbst durch angebliche
1 Constant. vita Adalb. 16 Scr. IV S. 663.
2 Thietm. VI, 33 S. 153: Caute considerans; Adalb. vita Heinr. 8 Scr. IV
S. 685: Erat providus; Annal. Quedl. z. 1021 S. 87: Prout sagacis sui ingenii
industria docuerat.
3 Thietm. V, 15 f. S. 115 f. Ann. Quedl. z. 1002. Ich vermute, daß
L. V. Ranke S. 94 f. den Merseburger Vorgang überschätzt, indem er ihn
jüit der Erteilung der magna charta durch Johann von England parallelisiert.
Weniger als eine gesetzmäßige Regierung konnte Heinrich doch kaum ver-
sprechen. ^ Thietm. V, 22 S. 120.
^ Es werden nicht selten Reden Heinrichs erwähnt, so Const.V. Adalb.
15 f. S. 663, V. Bernw. 43 S. 777, Thietm. VI, 18 S. 143, 31 S. 152. Die
letztere Rede nennt einer der Hörer luculenta oratio, Ep. Bamb. 2 bei Jaffe,
Bibl. V S. 478. Zu vgl. ist endlich das Klagelied auf H.'s Tod, Ztschr. f. d.
Alterth. N.F. H S. 459:
Possumus niirari de domino tali,
res tractando laicatus fit litteratus,
prudens in sermone, providus opere.
6 Vgl. Thietm. V, 31 S. 124; V, 28 S. 123; Adalb. V. Heinr. 20 u. 22
S. 689. In einem zweiten Lied auf seinen Tod heißt es: Vultu claro monstra-
vit cordis clementiam, a. a. 0. S. 460.
~ 393 —
Offenbarungen ließ er sich nicht beunruhigen; er widersprach ihnen
nicht; aber er ignorierte sie\
Sein klarer, gerader Sinn erwarb ihm um so leichter Sym-
pathien, als er gepaart war mit frischem volkstümlichen Humor und
ausgesprochener Gutmütigkeit. Die fahrenden Leute, Gaukler und
Possenreißer waren an seinem Hofe nicht ungern gesehen^. Es
konnte wohl geschehen, daß der König sich an Belustigungen er-
götzte, die sehr starke Nerven voraussetzen. Wurden ihm dann
Vorstellungen darüber gemacht, so ließ er sich leicht überzeugen,
daß es unrecht sei, mit dem Leben eines Menschen Spiel zu
treiben^. Er selbst verschmähte es nicht, durch mehr als derbe
Scherze einen Bischof zu bestrafen, der ihm durch unaufhörHche
Ansprüche lästig geworden war*. Ungemein bezeichnend ist sein
Verhältnis zu seinem Verwandten, dem Mönch Brun von Querfürt:
so wenig verständhch ihm die Todessehnsucht war, die den
schwärmerischen Mönch erfüllte, und so wenig er sich dessen ent-
halten konnte, über ihn zu lachen, so gleich blieb er sich doch in
der aufrichtigen Anteilnahme an seinem Schicksal^. Sein Wohl-
wollen verleugnete sich selbst im Kriege nicht: die Verwüstung des
getreuen Straßburg an dem feindseligen Konstanz zu rächen, war
er nicht zu bestimmen. Als er den Herzog Hermann durch die
Verheenmg Schwabens zur Unterwerfung zu nötigen suchte, bewog
ihn der Jammer der armen Leute, von diesem Plan abzustehen. Bei
der Niedermetzelung der polnischen Besatzung in Saaz hat er selbst
sich der Übriggebliebenen angenommen und ihnen in einer Kirche
eine Freistatt gewährt ^. Das war nicht Schwäche. Seine Energie
wurde von niemand bezweifelt; sie erschien eher zu groß als zu
^ Thietm. VIII, 15 S. 202. Thietmar ist mit diesem Verhalten seines
Helden nicht einverstanden; er sagt: Quia hanc admonitionem et crebro
aliam innumerabilem Imperator sprevit, vindictam sensit. Es ist deshalb
wenig glaublich, daß H. mancherlei Visionen gehabt habe, VII, 31 S. 186.
"- Vita Popponis 12 Scr. XI S. 301. » Ibid.
* Vita Meinwerci 186 f. Scr. XI S. 149 f. Das eine Mal läßt Heinrich
in dem Meßbuch Meinwerks aus famulis et famulabus durch Ausradieren
der ersten Silbe mulis et mulabus machen, und der Bischof singt in der Tat
den geänderten Text. Das andere Mal veranstaltet er eine scheinbare
Weissagung, daß Meinwerk nach fünf Tagen sterben werde, und der Bischof
nimmt sie wieder für echt und verhält sich demgemäß. Die Biographie
Meinwerks ist zu jung, als daß man diese Anekdoten für geschichllich im
strengen Sinn des Wortes halten könnte; sie zeigen jedoch, wie man sich
Heinrich im Jahrhundert nach seinem Tod vorstellte.
* Bruns Brief an Heinrich bei Giesebrecht S. 667 ff.
« Adalb. V. Heinr. 8 S. 685, Thietm. V,13 S: 114; VI, 11 S. 140.
— 394 —
klein. Brim von Querfurt hat Heinrich darüber getadelt, daß er
der Meinung sei, er müsse seinen Willen mit Gewalt durchsetzen \
Besonders konnte er, wenn es sein mußte, ohne Erbarmen richten^.
Überhaupt war an diesem König nichts Schwächliches und Weich-
liches^: er war ein kranker Mann, schon als er den Thron be-
stiegt. Aber ohne dessen zu achten, durcheilte er rastlos das
Reich, um den Pflichten seiner Stellung zu genügen. Er war
weniger als mancher andere deutsche König ein Kriegsheld. Aber
jedermann wußte, daß er auch im Krieg sich selbst nicht schonte"^.
Als Ziel seiner Regierung stand ihm vor Augen, den Friedens-
stand im Reich herzustellen und vor jeder Störung zu wahren®.
Wie die Verhältnisse in Deutschland bereits lagen, war keine Auf-
gabe schwerer zu lösen. Nicht nur die Herren hatten die Hand
immer am Schwertgrifi", sondern auch die Untertanen waren nur
allzubereit, den Hader der Fürsten auf eigene Faust fortzusetzen.
Zwischen den Hörigen von Worms und Lorsch herrschte jahre-
lang eine Art Kriegsstand: bald hier, bald dort wurde ein Hof
überfallen und ausgeplündert; dabei fehlte es dann an Yerwmideten
und Toten auf beiden Seiten nicht. Ahnliche Feindseligkeit be-
stand zwischen den Leuten der Abteien Fulda und Hersfeld "'. LTm
so größer ist der Ruhm Heinrichs, daß er überall den Frieden
herzustellen wußte. Viel glänzendes Lob wird durch die Worte
aufgewogen, mit denen der Bamberger Diakon Bebo Heijirichs
Regierung charakterisiert: Wer den Frieden liebt, wünscht dem
König Heil und Gelingen ; denn unter seinem Schirm gedeiht alles :
fröhlich vollbringt der Landmann sein Tagewerk auf dem Feld und
der Priester im Chor; selbst die Armut dünkt sich unter des
1 A. a. 0. S. 669.
2 Vgl. z. B. Thietm. VI, 28 S. 150; VIII, 52 S. 225.
^ Brun S. 669 : Non es rex mollis, quod nocet, sed iustus et districtus
rector.
■• Adalb. V. Heinr. 20 f. S. 689; Thietm. V, 28 S. 123; VI, 57 S. 167;-
VII, 31 S. 186; Annal. Hild. z. 1013 S. 31.
^ Epist. Bamb. 6 S. 487: En movet me caritativa sollicitudo multum,
quod cum proprii corporis periclo temptare non dubitas omne periclum.
" Im allgemeinen: Vita Bernw. 43; im einzelnen: Bemühungen für
den Frieden unter den Großen in Schwaben Adalb. Vita Heinr. 42 S. 694,
Thietm. VI, 9 S. 138; in Sachsen Thietm. VI, 59 S. 168, VIII, 50 ff. S. 223,
vgl. VIII, 6 S. 197; Schutz des Volkes vor den Großen in Lothringen
Thietm. V, 27 S. 122 ; in Sachsen Thietm. VIII, 4 S. 195; über die Verwaltung
Baierns Adalb. 1 S. 684.
" S. die Verfügungen Heinrichs zur Herstellung des Friedens C.I.
I, 35 f. S. 78 ff. .
— 395 —
Königs Schutze reich ^. Denn solche Worte beweisen, daß Hein-
rich wirküch ein König war. Er knüpfte an die besten Traditionen
des fränkischen Königtums an, indem er ehien neuen Anfang der
Reichsgesetzgebung machte und dabei die Gewalt des Königs in
den Dienst der sozial schwachen Teile der Bevölkerung stelltet
Darin liegt der Unterschied seiner Verwaltung des Reichs von der
seiner beiden Vorgänger. Unter den letzten Ottonen hatte die
Regierung aufgehört, die zweckmäßige Leitung der Gesamtheit zum
Besten aller zu sein; sie diente nur der VerwirkHchung der persön-
lichen Wünsche und Ideale der Herrscher. Dagegen war Heinrich
wieder ein König, der regierte, indem er der Gesamtheit diente.
Ein französischer Mönch hat, indem er den Tod des Königs in
seine Jahrbücher einzeichnete, gewissermaßen als Grabschrift Hein-
richs die Worte hinzugefügt, daß er das Steuerruder des Reichs
in sicherer Hand hielt ^. Das war verdientes Lob.
Heinrich beherrschte die literarische Bildung seiner Zeit voll-
kommen *, Ihm brauchte niemand lateinische Schriftstücke zu über-
setzen. Es ist wahrscheinhch, daß er diese Gelehrsamkeit dem
Umstand verdankte, daß er in seiner Jugend für die geistUche
Laufbahn bestimmt war. Sicher ist, daß er einige Zeit in der
Domschule zu Hildesheim zubrachte ^ So atmete er von Jugend
auf kirchliche Luft; die Anschauungen, welche unter dem Klerus
herrschten, waren ihm vertraut, die Interessen, die der Klerus ver-
trat, erschienen ihm berechtigt. Dazu kam der Einfluß bedeutender
kirchlicher Männer: die Freundhchkeit, mit welcher der kluge
Bischof Abraham von Freising den fürstHchen Knaben behandelte,
hat Heinrich nie vergessen*'. Noch tiefer mag der Eindruck ge-
wirkt haben, den er von so hervorragenden geisthchen Persönlich-
keiten, wie Wolfgang von Regensburg und Ramwold von St. Em-
meram, empfing'. Durch das alles war Heinrich an die Kirche
1 Epist. Bamb. 6 S. 491. ^ S. Lamprecht, D. G. 11 S. 246.
3 Annal. s. Benig. Div. z. 1024 Scr. V S. 41.
* Vita I Godeh. 8 S. 173; Vita Meinw. 7 S. 110; vgl. 3 S. 108 u. oben
S. 392 Anm. 5.
5 Adalberti Vita Heinr. 3 S. 792, Annal. Saxo z. 1044 Scr. VI S. 686
(mit falscher Angabe über H.'s Geburtsort); Chr. mon. Tegerns.' 3 bei Pez,
Thes. III, 3 S. 504.
6 Dipl. 111 S. 162 Nr. 136 v. 10. Mai 1007: Pro indulgentia b. m.
Abrahae episcopi in cuius laribus eis, quae s. Mariae sanctique Corbiniani
erant, bonis pleniter utentes paterno lenimine benigne nutriebamur.
' Thietmar nennt Heinrich einen Zögling Wolfgangs, V prol. v. 6 f.
Über seine Verehrung gegen Ramwold s. Arn. de s. Emra. 11,39 S. 567 f
— 396 —
gefesselt. Er hat denn auch eifriger als andere Fürsten seiner
Zeit sich an den kirchlichen Handlungen beteiligt. Es genügte
ihm nicht, wie jeder Christ die Feste der Kirche mitzufeiern,
sondern er legte Wert darauf, persönlichen Anteil an dem Vollzug
kirchhcher Handlungen zu nehmen, sei es auch nur, indem er den
Sarg eines verehrten Mannes zu Grabe tragen half^. Er erzeigte
nicht nur, wie jedermann, den Eehquien der Heiligen seine Ver-
ehrung; sondern es freute ihn, dann und wann das Grab eines
berühmten HeiUgen eigens aufzusuchen. Wie jeder Fromme hielt
er es für recht, durch Almosen dem Herrn semen guten Willen
zu beweisen, der Lohn für den guten Willen gibt ^ Auch die Er-
neuerung der alten Kapelle zu Regensburg darf man hier erwähnen.
Denn Heinrich entsprach dadurch der fürstlichen Gewohnheit, eine
kirchhche Stiftung zu begründen^. Aber das war ihm nicht genug:
der Kinderlose meinte Gott selbst zum Erben seiner Hinterlassen-
schaft einsetzen zu sollen*. In diesem Gedanken errichtete er das
Bistum Bamberg. Das war mehr als gewöhnlicher kirchlicher
Eifer. Aber wie verschieden ist es doch von dem religiösen Ver-
halten Ottos in.! Von jener schwärmerischen, selbstvergessenen
Hingebung an einen übermächtigen Eindruck, die man bei Otto
bemerkt, findet sich bei Heinrich keine Spur. Auch seine Frömmig-
keit hatte etwas Verständiges, Nüchternes, um nicht zu sagen
Berechnetes. Er hatte auch bei religiösen Handlungen stets den
Zweck im Auge: suchte er den heiligen Lampert in Lüttich auf,
so geschah es, weil er durch seine Hilfe Genesung hoffte^; fand er
sich vor seinem italienischen Zug im Jahre 1004 bei dem heiligen
Moritz in Magdeburg ein, so war der Grund, daß er den Beistand
des kriegerischen Heiligen, des Führers der Märtyrerlegion, für die
bevorstehenden Kämpfe zu erwerben gedachte ®. Wenn in den Ur-
kunden für Bamberg der Gedanke immer von neuem ausgesprochen
wird, daß die Gläubigen durch die Dargabe zeitlicher Güter sich
ewiges Gut erwerben können, so ist damit sicher nicht nur die
Überzeugung des Schreibers, s.ondem auch die des Stifters aus-
gesprochen; das größte kirchliche Werk, das Heinrich in seinem
Leben vollbrachte, sollte ihm auch den größten Gewinn bringen.
Seine Verehrung gegen den Episkopat hat Heinrich sehr stark
1 Adalb. V. H. 3 S. 684; Arn. de s. Emmer. 11,39 S. 567 f.
2 Worte aus der Urkunde Dipl. III S. 652 Nr. 509.
3 Dipl. III S. 29 Nr. 26; S. 75 Nr. 61.
* Epist. Bamb. 2 S. 478; Thietm. VI, 31 S. 152; vgl. unten S. 421.
<» Thietm. V, 28 S. 123.
« Ib. VI, 3 S. 135; vgl. die Urkunde für M. Nienburg S. 104 Nr. 83.
— 397 —
kundgegeben. Als auf der Frankfurter Synode von 1007 die Ver-
handlungen begannen, warf der König vor den Füßen der Bischöfe
sich auf den Boden nieder; das war doch auch damals ungewöhn-
lich; Willigis eilte, ihn wieder aufzurichtend Aber nur deshalb
handelte Heinrich so, weil er entschlossen war, seinen Zweck zu
erreichen. Und er hat ihn erreicht. Es ist klar, daß dieser König
die kirchlichen Angelegenheiten nie aus den Augen verlieren konnte,
daß er aber sehr weit davon entfernt war, sich ihnen gegenüber
schwach zu beweisen. So kirchlich gesinnt Heinrich war, so wenig
war er der Mann, irgendeiner kirchlichen Theorie zuliebe seine
Stellnng als König zu schädigen.
In der Tat bemerkt man leicht, daß Heinrich II. in seinem
Verhalten gegen die Kirche und die geisthchen Großen die Grund-
sätze befolgte, welche durch Otto I. herrschend geworden waren. Er
förderte die Bedeutung und das Ansehen der kirchlichen Institu-
tionen, verwandte sie aber zugleich als eine Stütze für die Königs-
macht. Mit dem Gewinn an Besitz und Macht verband sich des-
halb für die geisthchen Großen nicht Zunahme an Selbständigkeit,
viehnehr nahm der Einfluß der Krone auf die kirchlichen Angelegen-
heiten stetig zu.
Das zeigt sich an dem entscheidenden Punkt: bei der Be-
setzung der Bistümer. Für die Macht des Königs im B,eich kam
alles darauf an, daß er des Episkopats sicher war. Die Kirche
hatte einen so großen Teil des Reichsguts in Besitz erhalten, daß
der König die freie Verfügung über die Hilfsmittel d^ geisthchen
Fürstentümer nicht entbehren konnte. Er mußte darauf bestehen,
daß, wie der Episkopat ein von ihm übertragenes Amt war, so der
Bischof auch als sein Beamter handelte. Aber hier machte sich
der Doppelcharakter des Episkopats bemerklich. Die Bischöfe waren
Reichsfürsten: die Versuchung lag ihnen sehr nahe, mit ihren welt-
lichen Genossen vereint eine selbständige, sei es auch gegen den
König gerichtete, Pohtik zu treiben. Das hatte Heinrich sofort bei
seinem Eegierungsantritt zu erfahren. Unter den deutschen Erz-
bischöfen nahm Heribert von Köln eine sehr angesehene" Stellung
ein^. Gebildet in der Domschule seiner Vaterstadt "Worms und in
dem lothringischen Kloster Gorze, trat er in die kaiserHche Kapelle
ein; er arbeitete als Notar in der deutschen Kanzlei, wurde 994
KanzlCT für Itahen, einige Jahre später, nach dem Tode Hildibalds
1 Thietm. VI, 31 f. S. 152.
2 Eine unbedeutende Biographie Heriberts verfaßte im 11. Jahrh. der
Deutzer Mönch Lantbert, Scr. IV S. 739 ff., s. Wattenbach, GQ. II S. 123.
— 398 —
von Worms, erhielt er das Kanzleramt auch für Deutschland^.
Seit 999 stand er an der Spitze des Kölner Erzstifts. Es charak-
terisiert ihn die im Mittelalter nicht ganz seltene Verbindung von
asketischer Gesinnung und politischem Ehrgeiz ^. Von ganzer Seele
war er auf die religiöse Richtung des reformierten Mönchtums ein-
gegangen: er ist es gewesen, der die erste Beziehung zwischen
Otto und Ramwold von Regensburg herstellte ^. Als ihm das Bis-
tum Würzburg angeboten wurde, hat er es abgelehnt: als echter
Mönch sah er in der Übernahme eines Kirchenamts einen Schritt
in das welthche Leben. Als er später für Köln ernannt wurde,
begrüßten die dortigen Gesinnungsgenossen seine Erhebung mit
hellem Jubel*. Und er hat ihre Erwartungen nicht getäuscht"'^:
er galt für unvergleichUch treu in der Ausrichtung seiner seelsorger-
lichen Pflichten^. Daß er unter den deutschen Bischöfen Otto IlT.
persönlich am nächsten verbunden war ', verheb ihm nicht geringe
politische Autorität. Aber gerade dieser Mann widerstrebte der
auf zweifellosem Erbrecht beruhenden Nachfolge Heinrichs in der
Herrschaft. Um offene Empörung zu hindern, sah sich der König
genötigt, ihn eine Zeitlang in Haft zu halten ^. Zwar kam er bald
wieder frei; aber die Entfremdung bestand fort. Heinrich hat ihm
das Kanzleramt nicht zurückgegeben^; daß er seit Ausgang 1015
als eiriflußreich am Hofe galt ^**, war nur vorübergehend ; erst kurz
vor seinem Tode kam es zu einer vollständigen Versöhnung ^^
Unter den sächsischen Bischöfen war keiner tüchtiger und be-
1 Dipl. III S. 386 b ff. Kehr, Die ürk. Otto III S. 63 f.
^ Daß die moralischen Rücksichten dabei gelegentlich außer Acht
.blieben, zeigt die Verbindung* Heriberts mit dem nichtswürdigen Grafen
Balderich, Alp. de divers, temp. II, 13 Scr. IV S. 715 f.
3 Arnold, de s. Emmer. II, 31 S. 566.
4 Vgl. die beiden an ihn gerichteten Gedichte, welche Sauerland,
N.A. XVI S. 178 f. herausgegeben hat.
6 Vgl. das von Jaffe, Ztschr. f. d. Altert. N.F. II S. 456 f., herausge-
gebene Gedicht auf seinen Tod, St. 7: Severitatem facie tristem monstrans,
letum toto corde sprevit mundum. Pectore pro iugem compassionem gerit
omni mala mundi patienti. Str. 8 : Munia divina complens rite cuncta,
tantum vacans vitae contemplativae, sanxit cunctis se virtutum omamentis.
8 Vita Herib. 3 S. 742; 6 f. S. 744.
' Der Beweis liegt in den Interventionen; seit der Kaiserkrönung er-
scheint er häufiger als irgendein zweiter Mann, s. Kehr, S. 64 Anm. 1.
8 Thietm. IV, 50 S. 92; Sigib. ehr. z. 1002 S. 354.
9 Breßlau, N.A. XX (1895) S. 129.
^0 Briefe Leos von Vercelli, N.A. XXII S. 17 ff., und dazu Bloch S. 38 f.
»1 Vita Herib. 10 S. 748.
— 399 —
deutender als Bemward von Hildesheim, der einstige Lehrer
Ottos III.^. Bin Mann voll treuer Hingebung an die geistliche
Seite seines Amts und peinlich gewissenhaft in der Beobachtung
seiner Berufspflichten, dazu ein Freund und Förderer des Mönch-
tums^, hatte er zugleich ein offenes Auge für die großen Kultur-
aufgaben der Kirche. Man kann von den Ursprüngen der Kunst
im deutschen Norden nicht reden, ohne seinen Namen zu nennen^.
Nicht nur, daß er selbst den Pinsel und das Schreibrohr zu führen,
den Meißel und die Feile zu handhaben verstand, er sammelte
eine Schar von Mitarbeitern um sich, die seine Gedanken aus-
führten; Hildesheim wurde durch ihn die erste Kunststadt im deut-
schen Tiefland. Dieser Freund der Bücher und Bilder aber be-
währte sich nicht minder im praktischen Leben. Wie er als Jüng-
hng den eigenen Besitz treffhch verwaltete, so als Bischof den der
Hildesheimer Kirche. Er wußte den normannischen Seeräubern
Achtung vor der deutschen Tapferkeit einzuflößen. Er selbst zog
an der Spitze seiner Mannschaft gegea sie aus. Und er führte
den Kampf nicht wie ein Ritter, dem der Glanz des Sieges Be-
friedigung gewährt, sondern mit dem klaren Blick des Strategen
und dem vorbedachten Sinn des Fürsten: indem er an ein paar
geeigneten Stellen feste Plätze errichtete*, verwehrte er den See-
räubern für die Zukunft den Zugang zu seinem Bistum. Hildes-
heim selbst hat durch ihn Mauer und Türme erhalten. So füllte
er in jeder Hinsicht den Platz trefi'lich aus, an den das Vertrauen
Ottos II. ihn gestellt hatte. König Heinrich konnte erwarten, daß
Bernward ihm wohlgesinnt sein werde; denn auf der römischen
Synode im Jahre 1001 hatte er nachdrücklich für das Recht
1 Thangmars vita Bernw. ist schon mehrfacli zitiert. Für die folgende
Charakteristik kommen besonders in Betracht: c. 1, 2, 5—8, 22. Lüntzel,
D. h. Bernw., Hildesh. 1856.
2 Er gründete schon im Anfang seiner Amtsführung die Kreuzkapelle
vor der Stadt mit der Absicht quosdam colligere, qui in prescripto loco
divino famulatui in quacunque professione deo placuerit semper insistant.
ÜB. d. H. Hild. I S. 27 Nr. 88; die Kapelle ist am 10. Sept. 996 geweiht,
Vifca Bernw. 10 S. 762. Zur Verwirklichung kam die Absicht erst durch
die Gründung des Michaelsklosters; Bernhard weihte die Krypta desselben
29. Sept. 1015, Vita Bernw. 46 f. S. 778, Ann. Hild. S. 31; die Dotation
beurkundete er am 1. Nov. 1019, ÜB. I S- 55 Nr. 62, die Weihe der Kirche
fand am 29. Sept. 1022, acht Wochen vor seinem Tode, statt, V.B. 49; Ann.
Hild. S. 33. ^ Über das Einzelne unten im 7. Kap.
* Die eine Feste lag am Zusammenfluß der Aller und Ocker, die
andere in rure Wirinholt. Vermutungen über die Lage dieser Örtlichkeit
bei Lüntzel S. 19 Anm. 2.
— 400 —
Hildesheims auf das Gandersheimer Kloster Partei ergriffen '■.
Gleichwohl fand er Bernward unter seinen Gegnern. Der Hildes-
heimer Bischof war zu sehr ein sächsischer Fürst, als daß ihm das,
was in Deutschland Recht war, ohne weiteres als Becht gegolten
hätte: er hat den sächsischen Thronprätendenten Ekkehard als
König in Hildesheim empfangen^. Auch Arnulf von Halberstadt
neigte auf dessen Seite ^; Gisiler von Magdeburg war ein Partei-
gänger des Herzogs Hermann*. Man sieht: unter dem deutschen
Episkopat fehlte es nicht an Männern, die geneigt waren, genau
wie die weltlichen Fürsten, eigene Politik zu treiben.
Heinrich hat es nicht dazu kommen lassen. Er verhinderte
die drohende Lockerung der Unterordnung der Bischöfe unter den
König, indem er unweigerlich daran festhielt, daß die bischöfliche
Würde ein von dem König zu verleihendes Amt sei^ Dabei ver-
fuhr er mit der zähen Konsequenz, die man überall da bemerkt,
wo die einzelnen Maßregeln nur die Anwendung einer wohl er-
wogenen Maxime sind. Ganz ohne Widerspruch ging es nicht ab.
Die Zeit war beherrscht von der Neigung zur Bildung autonomer
Mächte. Jede Korporation glaubte nur dann ihre Interessen ge-
wahrt, wenn sie sich möglichst unabhängig den übergeordneten
Gewalten gegenüberstellte. Daraus entsprang das Bestreben, den
Wahlprivilegien, welche die Bistümer besaßen, mehr realen Gehalt
zu geben, als sie tatsächlich hatten. Aber Heinrich ließ sich nicht
beirren; er hielt an dem Grundsatz fest, daß nur der König das
Bistum vergibt, und er setzte seinen Willen durch. So ging es
in dem jüngsten deutschen Erzbistum, in Magdeburg. Als Erz-
bischof Gisiler am 25. Januar 1004 starb, versuchten die Dom-
bemi und die Vasallen des Stifts von ihrem Wahlrecht Gebrauch
zu machen": sie wählten, sobald die Kunde von Gisilers Tod nach
Magdeburg gekommen war, noch vor seinem Begräbnis den Propst
Waltherd. Allein das war vergebliche Mühe, Heinrich hatte den
Tod des Erzbischofs erwai'tet und seinen Kaplan Tagino bereits zu
1 Vita Bernw. 22 S. 768 f.
2 Thietm. V, 4 S. 109, Thangmar hat diese Episode im Leben Bern-
■wards mit Stillschweigen übergangen.
3 Thietm. a. a. 0. Die Parteinahme Lantberts von Konstanz und
Othelrichs von Chur für Herzog Hermann ist anders zu beurteilen, s. Thietm.
V, la S. 114. t Thietm. V, 39 S. 129.
•-• Vgl. z. Flgden. Hinschius, KR. II S. 530 ff.
« Die Stiftsherren hatten es 979 vön Otto II. erhalten, Dipl. II S. 235
■Nr. 207.
— 401 —
seinem Nachfolger bestimmt^: davon ließ er durch Bischof
Arnulf von Halberstadt der Wahlversammlung Mitteilung machen,
und forderte sie auf, Tagino zu wählen. Waltherd selbst
führte den Vorsitz; er erwiderte, indem er die Freiheit der Wahl
in Anspruch nahm und erklärte, die Versammelten hätten ihm
bereits ihre Stimme gegeben. Daraufhin ließ Heinrich den Propst
vor sich rufen und bestimmte sowohl ihn zum Eücktritt, als auch
die Wähler zur Wahl Taginos. Sofort wurde im Dome die In-
vestitur und Inthronisation des neuen Erzbischofs vorgenommen.
Als Tagino im Jahr 1012 mit Tod abging, trat der Zwiespalt
zwischen dem Rechtsstandpunkt des Königs und dem der Wähler
von neuem an den Tag. Das Kapitel meldete den Tod des Erz-
bischofs dem König und bat um seine Willensmeinung. Heinrich
ordnete an, daß eine eigentiiche Wahl unterbleibe; man sollte sich
in Magdeburg über einen Vorachlag verständigen und ihm den-
selben unterbreiten. Damit wären die Domherren zufrieden: sie
beschlossen den früher abgelehnten Waltherd von, neuem als Bischof
zu begehren. Allein sie wurden in ihrem Beschluß wieder wankend,
als die Suffragane Magdeburgs, die zur Beisetzung Taginos in die
Stadt kamen. Bedenken gegen ihn aussprachen. Das tat besonders
Thietmar von Merseburg; er hegte den Argwohn, daß dem Ver-
fahren des Königs die Absicht zugrunde liege, das Wahlrecht des
Stifts zu beseitigen. Indem er das den Versammelten vorstellte,
riet er ihnen dringend, eine ordenthche Wahl vorzunehmen. Seine
Vorstellungen machten Eindruck: Waltherd wurde in aller Form
gewählt. Nach der Wahl traf der Bischof von Brandenburg ein:
er billigte das, was geschehen war, durchaus. Heinrich bandelte
in seiner Weise. Da er, wie es scheint, gegen die Person Walt-
herds nichts einzuwenden hatte, so verhielt er sich trotz der Über-
schreitung seiner Anordnung nicht gerade ablehnend ; aber ebenso-
wenig erkannte er Waltherd als gewählten Bischof an. Nachdem
er mehrere Stunden lang mit ihm verhandelt hatte, ließ er am
Hofe eine neue Wahlhandlung vornehmen, in der er selbst Walt-
herd empfahl, der dann auch einstimmig gewählt wurde ^. Dadurch
war die Bedeutung, welche die Magdeburger ihrer Wahl hatten
verleihen wollen, beseitigt: sie war als bloßer Vorschlag behandelt.
Waltherd starb zwei Monate nach seiner Erhebung^. In Magde-
burg täuschte sich niemand darüber, daß der König nicht zum
1 Thietm. V, 40 f. S. 129; vgl. vita Wolfk. 36 S. 540: Regia Heinrici
munificeatia. 2 Thietm. VII, 1—7 S. 170 ff.
3 Ib. Vn,9— IS S. 174 f., hiernach Gesta arch. Magd. 16 S. 395.
Hauck, Kirchengeschichte. III. ^^
— 402 —
zweitenmal eine Wahl gestatten würde. Die Domherrn wählten
gleichwohl; sie meinten, dadurch ihr Recht zu w^ahren. Aber wie
erwartet, lehnte der König den Gewählten ab; er nahm ihn in
seine Kapelle auf, und ernannte seinen Kapellan Gero zum Erz-
bischof: die Kanoniker wählten ihn unter Verwahnuig ihres Rechts
für die Zukunft \
Ahnliche Vorfälle ereigneten sich in Trier, Hamburg und
Halberstadt. In Trier starb im Frühjahr 1008 der treffliche Erz-
bischof Liudolf, der, ohne in die Angelegenheiten des Reichs selb-
ständig handelnd einzugreifen, sich doch weithin durch die Gerad-
heit und Zuverlässigkeit seines Wesens Achtung erworben hatte-.
Der Klerus wählte den Propst Adalbero bei St. Paulin zu seinem
Nachfolger. Der Grund war nicht, daß Adalbero als der tüchtigste
Ersatz für den Verstorbenen erschien; denn gegen seine Persön-
lichkeit ließ sich sehr vieles einwenden. Aber er war der Schw^ager
des Königs und das Domkapitel hoffte, daß Heinrich seine Wahl
annehmen würde. Es sollte also die Anerkennung des Wahlrechts
dadurch gewissermaßen erzwungen werden, daß ein Kandidat ge-
wählt wurde, dessen Zurückweisung unmöglich erschien. Allein
Heinrich stieß trotz des Fürworts der Königin und der übrigen
Ijuxemburger die Wahl seines Verwandten um, und ernannte
Megingoz, einen KJeriker des Erzbischofs Willigis. Nun lieferte
Adalbero den Beweis, daß ihm Recht widerfahren war; er trug
kein Bedenken, um seine Anerkennung zu kämpfen: er bewaffnete
seinen Anhang, besetzte die Pfalz in Trier und befestigte die Brücke
über die Mosel. Dadurch beherrschte er die Stadt. Es kam wirk-
lich zum Kampf. Adalbero führte ihn nicht ohne Erfolg; schließ-
lich war er doch dem König nicht gewachsen. Megingoz wurde
Erzbischof; freilich in Trier konnte er seinen Sitz nicht nehmen;
er residierte in Koblenz. Erst unter seinem Nachfolger Poppo gab
Adalbero seinen Widerstand auf^.
Das Erzbistum Hamburg hatte ein Viertel] ahrhundert lang
1 Thietm. VII, 19 S. 180, 21 S. 180, vgl. Gest. arcb. Magd. 17 S. 397.
^ S. den Prolog der ihm gewidmeten vita Pirmini Scr. XV" S. 20:
Fides et verifcas te composuermit, ceteraeque virtutum catervae tarn firma
tutela muniunt, ut livore careas et ab omni ventositate immunis existas.
Herim. Aug. z. 1008 S. 119: Vir doctus. Vit. Adalb. 27 Scr. IV S. 668:
Vitae magna simplicitate et morum maturitate msignis.
s Thietm. VI, 35 S. 154, Ann. Col. z. 1008 S. 99, Hild. S. 30, Quedl.
S. 79, Herim. Aug. S. 119, Gesta Trevir. 30 S. 171. Die Nachrichten der
Quellen weichen vielfach von einander ab. An den Hauptsachen ist jedoch
kein Zweifel.
— 403 —
in Liewizo einen Mann zum Leiter, der aus voller Überzeugung
das kirchliche Recht vertrat und der sich darüber nicht täuschte,
daß die Übermacht des Königtums es nicht zu ungehinderter
Entfaltung kommen ließ\ Es lag ihm daran, daß sein Nach-
folger diese Anschauungen teilte. Als er sein Ende nahe fühlte,
empfahl er deshalb den Kanonikern seinen Vikar Oddo zur
Wahl. Er stand ihm persönhch nahe; aber nicht nur darum, son-
dern weil er im kirchlichen, wie im weltlichen Recht ungewöhnlich
bewandert war, erschien er als der geeignetste Manu. Seinem
Rate folgend gaben noch vor seinem Tode der Klerus und die
Laien des Erzbistums Oddo ihre Stimme. Aber als der Neu-
gewählte, begleitet von Geistlichen und Laien, am Hof erschien,
um die Anerkennung seiner Wahl zu erlangen, verweigerte Hein-
rich dieselbe. Er ernannte seinen Kapellan Unwan, und die Boten
des Erzstiffcs sahen sich genötigt, der Anordnung des Königs die
kirchliche Legalisierung zu erteilen, indem sie den Ernannten
wählten ^.
In Halberstadt waren die Vasallen des Stifts die eifrigsten
Vertreter der Wahlfreiheit. Sie boten nach dem Tode Arnulfe
im Jahr 1023 dem Kaiser große Geldsummen, um die An-
erkennung des von ihnen und dem Klerus gewählten Klerikei's
Hermann zu erreichen. Allein vergeblich. Heinrich ernannte den
Abt Branthog von Fulda zum Bischof ^
Es ist nach diesen Vorgängen verständlich, daß in den meisten
Fällen die Wahlberechtigten sich ohne Widerrede dem AVillen des
Königs fügten: sie konnten sich nicht verhehlen, daß die Oppo-
sition nichts nützte. Demgemäß wiederholten die Magdeburger,
als durch den Tod Geros im Jahr 1023 sich das Erzbistum von
neuem erledigte, tipotz ihrer früheren Rechtsverwahrung den Ver-
such nicht, selbständig zu wählen: eine Abordnung der Wahl-
l)erechtigten erbat von Heinrich die Neubesetzung des Bistums*.
1 Vgl. oben S. 235.
2 Thietm. VII, 28 f. S. 185; Ann. Quedl. z. 1017 S. 81. Adam schweigt
über diese Vorgänge.
' Ann. Quedl. z. 1023 S. 89. Hermann entstammte, wie es scheint,
dem Stiftsadel. Der Annalist nennt ihn natu nobilem.
* A. a. 0. Der Annalist sagt von den an Weihnachten 1023 in Bam-
berg eintreffenden Deputationen, die Bischofsernennungen fordern sollten:
Inibi turba desolata diversis episcopis catervatim illum convenerat, unus-
qaisque pastoris sui nece corde tenus sauciatus. Cuius providentiae cura
imperiali potestate committerentur regendi omnes trepida curarum ambage
suspensi manebant.
26*
— 404 —
So handelte man überall, im Norden^ und Süden ^, im Osten "^
und Westen * Deutschlands ^. Es war wirklich so, wie Rupert von
Deutz sagt: die Bistümer wurden nicht durch Wahl, sondern durch
Verleihung des Königs vergeben**. Während der zweiundzwanzig
Jahre der Regierung Heinrichs war öfter als fünfzigmal ein Bischof
zu ernennen. Aber wir wissen nur von einem einzigen Fall, in
dem ein vom König nicht ernannter Bischof dem von ihm ernannten
gegenüber sich behauptete. Er fällt in den Anfang von Heinrichs
Regierung.- Am 14. Dezember 1005 starb .^dalbero H. von Metz.
Heinrich ernannte dessen gleichnamigen Neifen, einen Sohn des
Herzogs Dietrich von Lothringen, zu seinem Nachfolger. Diese
Ernennung war so unglücklich als möglich. Denn der neue Bischof
war noch ein Knabe; er konnte sein Amt nicht selbst verwalten.
Sein Vater stellte ihm deshalb Dietrich, den Bruder der Königin
Kunigunde, als Vormund an die Seite. Allein den ehrgeizigen
Luxemburger gelüstete es bald, selbst Bischof zu sein. Er verjagte
den Knaben und usurpierte das Bistum. Heinrich gelang es nicht.
1 1003 Thietmar von Osnabrück, Tliietm. VIII, 67 S. 233 f.; 1009 Megin-
werk von Paderborn, Vita Meinwer. 11 S. 111 f.; 1014 Wikkier von Verden,
Thietm. VIII, 81 S. 211; 1022 Godebard von Hildesbeim, vit. Godeb. 16
S. 179: Heinrico imperatore consiliante.
2 1007 Eberbard von Bamberg, Tbietm. VI, 82 S. 152 f.; 1014 Gunda-
cbar von Eicbstätt, Anon. Haser. 25 Scr. VII S. 260; 1017 Ekkibard von
Prag, Tbietm. VIII, 65 S. 282, und Rudbard von Konstanz, Tbietm. IX, 18
S. 250; 1019 Waltber von Eicbstätt, Anon. Haser. 26 S. 261.
3 1004 Wigbert von Merseburg, Tbietm. VI, 1 S. 134; 1009 Tbietmar
von Merseburg, dei-s. VI, 38 — 40 S. 156; 1016 Agilward von Meißen, ders.
Vm. 25 S. 207.
* 1008 Baldericb von Lütticb, vit. Baldei-. 1 Scr* IV S. 725; die balbe
Ablebnung ist natürlicb eine Bestätigung der Tatsacbe; 1013 Gerhard von
Kamerijk, Gest. ep. Camer. I, 122 S. 4:54; 1015 Poppo von Trier, Tbietm.
Vni,26 S. 209; 1018 Fulmod von Lütticb, Gest. ep. Leod. 11,33 S. 207;
1021 Aribo von Mainz, Vit. II Godeb. 17 S. 205 : Quem imperialis annuli
dono regio more praesignatum Bernwardus ordinavit.
^ Zu den aufgezählten Fällen, in denen die königliche Ernennung
überliefert ist, treten alle diejenig-en hinzu, wo dies zwar nicht der Fall
ist, jedoch ein Glied der königlichen Kapelle das Bistum erhielt (s. u.). Denn
dadurch ist die Ernennung gesichert.
•* Rup. chron. s. Laur. Leod. 15 Scr. VIII S. 267 : Adhuc non electione
sed dono regis episcopus fiebat'. Auch der Anonym. Haser. betrachtet es
als selbstverständlich, daß der König die Bistümer vergibt, s. c. 22 S. 259f.
Die hier über die Freundschaft Megingauds von Eicbstätt mit seinem
Namensvetter von Würzburg erzählten Schnurren sind freilich cbi'onologisch
unmöglich.
— 405 —
ihm seine Beute wieder abzunehmen. Er erkannte ihn vielmehr
als Bischof an^, fand ihn aber noch lange unter seinen Gegnern-.
Die Ernennung der Bischöfe lag somit tatsächlich in der Hand
des Königs. Man bemerkt nun leicht, daß bei der Auswahl der
Personen sehr verschiedene Motive wirksam waren, Heinrich be-
lohnte dm'ch seine Ernennungen politische Dienste. Die eben er-
wähnte "Wahl eines Kjiaben in Metz ist nur verständlich, wenn
sie der Lohn dafür war, daß sein Vater, der kluge und kriegsr
tüchtige Herzog Dietrich, sich nach kurzer Überlegung für die
Nachfolge Heinrichs im Reich entschieden hatte ^. Auch die Er-
hebung des Abts Erkanbald von Fulda auf den Mainzer Erzstuhl
war vermutlich eine Tat politischer Dankbarkeit. Erkanbald gehörte
zu den ersten Prälaten, die nach Ottos III. Tod auf Heinrichs
Seite traten*. In anderen Fällen hatte er es kein Hehl, daß ihn
die Rücksicht auf den Reichtum seiner Kandidaten bestimmte.
Thietmar erzählt anschaulich, wie offen und unbedenkhch Heinrich
dabei verfuhr. Als es sich um seine eigene Ernennung für das
Bistum Merseburg handelte, war das Erste, daß Heinrich ihm durch
den Erzbischof Tagiuo die Frage vorlegen ließ, ob er bereit sei,
einen Teil seines Erbguts dem Bistum Merseburg zu übergeben.
Thietmar lehnte eine bestimmte Verpflichtung zwar ab, ließ aber
deutlich erkennen, daß er gewillt sei, der Forderung Heinrichs zu
genügen. Daraufhin wurde ihm das Amt übertragen^. Einer der
begütertsten sächsischen Familien, dem Hause der Immedinger, ent-
stammte der Bischof Meinwerk. Als ihm Heinrich das Bistum
Paderborn verheb, war er wenig erfreut, eine so arme Kirche zu
1 Sigib. chron. z. 1009 Scr. VI S. 354; vgl. Thietm. VI, 35 S. 154.
Thietmars Anspielung auf die von ihm nicht erzählten Metzer Ereignisse
wird durch Sigiberts Nachricht nicht ganz verständlich. Überhaupt sind
die Metzer Vorgänge wenig durchsichtig. Hirsch, JB. I S. 360 Anm. 5,
zieht auch Alpert de episc. Mett. 3 Scr. IV S. 700 herbei. Aber der von
ihm angezogene Satz: Unde — weil der Name Dietrich nicht mit A an-
fängt vgl. Sigib. vita Deoderici 4 — et multi opinantur, illum, nämlich
Dietrich IL, in numero pontificum non computandum sed propter trans-
gressionem populi subpositum et tamdiu, quoad ille venerit qui litteram
praenotatam portaverit, episcopatuni cessare dicunt, sagt nicht, daß Dietrich
durch eigenmächtiges Einschreiten des Volkes Bischof geworden sei.
■^ Thietmar sagt mit Rücksicht auf das Unheil, das dadurch über
Metz kam: Sacius esset huic ecclesiae, quod nunquam natus fuisset homo
ille, VI, 51 S. 165. 3 Thietm. V, 3 S. 108 u. V, 11 S. 114.
* Adalbold 6 S. 685, vgl. Thietm. V, 38 S. 128. .
5 Thietm. VI, 40 S. 157.
— 406 —
erhalten :. er prahlte, aus seiner eigenen Habe könne er ein glänzenderes
Stift gründen. Aber Heinrich lachte: gerade deshalb passe er für
Paderborn: er solle dem armen Bistum mit seinem Reichtum auf-
helfend Ebenfalls ein Immedinger war Unwan von Hamburg.
Auch er mußte einen nicht geringen Teil seines Besitztums seiner
Kirche überlassen". Doch war nicht der Reichtum, sondern die
Rücksicht auf Zuverlässigkeit und Brauchbarkeit für Heinrichs
Auswahl entscheidend. Deshalb ernannte er mit Vorliebe Kleriker,
die in der Kapelle oder in der Kanzlei gedient hatten. Dort fand
er Männer, auf die er sich verlassen konnte, die er genau kannte,
und die mit seinen Regierungsgrundsätzen vertraut waren. Unter
den zehn Erzbischöfen, die von ihm den Hirtenstab empfingen, ge-
hörten sechs vorher dem Hofklerus an^: die Zahl der Bischöfe,
die ihm entnommen wurden, war ebenfalls nicht unbedeutend*.
Auch die Bevorzugung des bairischen Klerus bei der Vergebung
der großen Kirchenämter erklärt sich daraus, daß Heinrich nur
solche Männer als geistliche Fürsten wollte, die ihm bekannt waren ^
Daß er vor allen Dingen Fügsamkeit von seinen Ernannten er-
wartete, darüber ließ er sie nicht "im Zweifel. Als Gundachar von
Eichstätt versuchte, ihm Schwierigkeiten zu machen, sagte er ihm
rund heraus, er bedenke wohl nicht, daß er deshalb zum Bischof
ernannt sei, damit ohne Zögern geschehe, was der König wolle;
wünsche er Bischof zu bleiben, so habe er sich danach zu halten ^.
1 Vita Meinw. 11 Scr. XI S. 111.
2 Schol. 35 zu Adam Gesta 11,45 S. 72. Wenn hier behauptet wird,
daß Heinrich selbst einen Teil der Güter Unwans erhielt, so ist das nicht
ganz unglaublich; s. Annal. Quedl. z. 1013 u. 1022.
•■' Tagino von Magdeburg, Thietm. V, 43 S. 131 ; Gero von Magdeburg,
ders. VII, 21 S 180; Unwan von Hamburg, ders. VII, 29 S. 185; Piligrim von
Köln, Dipl. III S. XXIII; Aribo von Mainz, Dipl. III S. 548 Nr. 428, vita
Bernw. 48 S. 778; Günther von Salzburg, Dipl. III S. XXIH.
* Wigbert von Merseburg, Thietm. VI, 1 S. 134; Egilbert von Freising,
Brun von Augsburg und Eberhard von Bamberg, Dipl. III S. XVIII ff.; Mein-
werk von Paderborn, vita Meinw. 5 u. 9 f. S. 108 u. 111; Balderich von
Lüttich (gehörte unter Otto III. zum Hofklerus), Gesta abb. Gembl. 27
Scr. VIII S. 536; Wolbod von Lüttich, Ans. Gesta ep. Leod. 33 Scr. VII
S. 207; Erich v. Havelberg, Dipl. III S. XX; wahrscheinlich auch Durand
von Lüttich; s. Hirsch, JB. III S. 182, u. Adelbold von Utrecht, s. Dipl. III
S. XIX.
^ Aus Baiern stammten die EB. Tagino, Aribo, Piligrim, Poppo von
Trier, die B. Godehard, Brun von Augsburg, die ital. EB. Arnold von Ra-
venna, Poppo von Aquileja, a. Riezler, G. B.'s 1 S. 411 f.
e Anon. Haser. 25 Scr. VII S. 260.
— 407 —
Daß durch diese Weise, über die Bistümer zu verfügen, die
kii"chlichen Interessen bedroht wurden, ist unverkennbar. Aber man
kann nicht sagen, daß sie wirkhch Schaden htten. Ziun Teil mag
es dadurch verhütet worden sein, daß in der Regel der Ernennung
die reiflichsten Erwägungen am Hofe vorausgingen ^ Dabei kamen
die Bischöfe zu Wort. Die letzte Schutzwehr gewährte Heinrichs
Persönlichkeit. Er stand der Kirche zu nahe, als daß er bei der
Auswahl ihrer Beamten hätte übersehen können, was ihr fromme.
Unter den von Heinrich ernannten Prälaten war denn auch, soweit
wir Späteren zu. urteilen vermögen, keine eigentlich ungeistliche
Persönlichkeit Mcht einmal eine so urwüchsige Ungeistlichkeit,
wie sie der originelle Megingaud von Eichstätt in fast anziehender
Derbheit darstellt", findet sich bei einem von ihnen. Dagegen
wird mehr als einer gerühmt wegen seiner Treue im geistlichen Amt,
besonders auch wegen erfolgreicher Tätigkeit als Prediger ^. Freihch
die Zeit der gelehrten Bischöfe war vorbei: je entschiedener die
Bischöfe Fürsten wurden, um so weniger konnten sie Theologen sein.
Es waren nicht neue Grundsätze, nach denen Heinrich handelte.
Was ihm eigen war, ist nur die Konsequenz, mit der er an dem
alten Recht der deutschen Könige festhielt. Vergleicht man seine
Verfahren mit dem Ottos I.*, so ergibt sich, daß er noch entschie-
dener als jener selbständige Wahlen verhinderte. Er wollte offen-
bar, daß jede Erschütterung, auch jede Verdunkelung des Rechts-
standes vermieden werde. Dciß die Wahlprivilegien, welche die
meisten Stifter besaßen, die klare Sachlage trübten, entging ihm
nicht: so, wie sie lauteten, konnten sie dagegen verwandt werden,
daß der König das entscheidende Wort sprach. Er hat deshalb
bei der Erneuerung solcher Privilegien einigerviale einen Satz ein-
fügen lassen, der die Mitwirkung des Königs wahrte. So tat er
bei der Erneuerung der Hamburger Diplome schon im zweiten
Jahr seiner Regierung, und das wiederholte er ein Jahi-zehnt später,
als die Rechte Hildesheims bestätigt wurden ^. Bei der Erneuerung
1 Vgl. z. B. Thietm. VI, 38 f. S. 156 f.; Vita Meinw II S' llif.
2 Anon. Haser. 15 ff. S. 258.
^ Erkanbald von Mainz schrieb Predigten, s. Becker^ CatAi. Kr. 52-,
Aribo zu den Psalmen, Ekkeh. ehr. z. 1020 S. 193; Wj^bert voi. Älcrf^eburg.
Thietm. VI, 37 S. 156: Predicatione assidua commissus a vana, superstiüone
erroris reduxit; Thietmar von Merseburg, ib. VI, 42 S. 159; Vll, 10 S. 176;
Meinwerk von Paderborn, vit. Meinw. 217 S. 159; Godeharrl von Hildesheini.
vita I Godeh. 40 S. 196, vgl. 28 u. 86 S. 188 u. 194.
4 Vgl. oben S. 28 f.
•'' Dipl. lU S. 60 Nr. 50 für Hamburg; Aequo tarnen regis consensu,,
— 408 —
der Privilegien Paderborns ließ er das Wahlrecht einfach weg^.
Begreiflich, daß er selbst kein neues Wahlprivilegium erteilte; auch
seine eigene Stiftung Bamberg mußte desselben entbehren. Man
kann nicht zweifeln, daß in seinem Verhalten ein Gedanke und
eine bestimmte Absicht liegt ^. Hätte Heinrich jenen festgehalten
und diese gehegt, wenn er nicht der Überzeugung gewesen wäre,
daß er im Rechte sei?
Das Recht, einen Beamten zu ernennen, hat zu seiner Kon-
sequenz das andere, ihn, wenn nötig, seines Amts wieder zu ent-
kleiden. Nun kannte das kanonische Recht so wenig als ein
Emennungsrecht der Fürsten ein Absetzungsrecht derselben. Im
Gegenteil, das Gericht über den Episkopat war mit peinlicher
Sorgfalt den Eingriffen der Fürsten entzogen und der Kirche aus-
schließhch vorbehalten. Heinrich jedoch nahm die Befugnis in
Anspruch, ungetreue Bischöfe zu richten und abzusetzen. So ver-
fuhr er in Italien: Adalbert von Ravenna mußte aus dem dortigen
Erzbistum weichen^; Hieronymus von Vicenza wurde abgesetzt, da
er durch seinen Abfall zu Arduin dem König die Treue gebrochen
hatte. Noch in einer Urkunde Konrads IL, die seinen Treubruch
und seine Absetzung erwähnt, wird mit scharfer Betonung hervor-
gehoben, daß ihm sein Recht widerfahren sei*. Jene Drohung,
die Heinrich gegen Gundachar von Eichstätt aussprach, war also
sicher ernst gemeint. Heinrich hätte schwerHch gezögert, einen
S. 223 Nr. 189 für Miaden: Salvo tarnen regis sive imperatoris consensu,
S. 300 Nr. 256 für Hildesheim : Aequo consensu regis. Selbst in die Be-
stätigung des Wahlrechts des Kl. Fulda wurde die Formel, salvo consensu
regis vel imperatoris, eingefügt S. 550 Nr. 429. Die einzige glatte Be-
stätigung des Wahlrechtes erhielt das Bist. Halberstadt, S. 15 Nr. 30 v. 1002.
1 S. 53 Nr. 45 v. 2. Apr. 1003. Die Vorurkunde ist das Diplom Ottos H.
V. 1. Jan. 1001 II S. 816 Nr. 387. Aus ihm sind die Worte: De electione
episcoporum inter clericos eiusdem ecclesiae weggelassen.
2 Römische Wahlprivilegien machten ihm dabei ebensowenig Bedenken
als königliche. Rethar von Paderborn hatte i. J. 1005 ein päpstliches
Privilegium erlangt, in dem der Satz stand: Decernimus . ., ut nulla ordi-
natio ibi episcopalis existat, i. e. nullus consecretur episcopus in praedicta
ecclesia, nisi electione filiorum eiusdem ecclesiae approbatus (J.W. 3947).
Man sieht, wie vorsichtig die Worte gewählt waren ; sie gaben für die Mit-
wirkung des Königs Raum. Als Rethar ein paar Jahre später stai'b, er-
nannte Heinrich nicht nur seinen Nachfolger, sondern er ließ ihn auch auf
der Stelle in Goslar konsekrieren. Die Approbation der Wahl durch die
Kirche von Paderborn folgte erst danach (vita Meinw. 11 S. 112).
3 Thietm. VJII, 2 S. 193 f. Über die Sache vgl. unten im 3. Kap.
* Stumpf Nr. 1908: Juste et legaliter episcopatum predictum perdidit.
— 409 —
deutschen Bischof abzusetzen, wenn er bei ihm ähnhche Untreue
gefunden hätte, wie bei den ItaHenern.
Es ist sicher, daß er so handelte, obgleich er das kirchliche
Recht kannte, das die Verurteilung eines Bischofs durch Laien
verwehrte. Würde er es getan haben, wenn er nicht überzeugt
gewesen wäre, daß das kirchhche Recht durch ein höheres Recht
eingeschränkt werde? Man darf vermuten, daß er die Anschauung
hegte, die sein Nachfolger aussprach^.
Wenn mau im Sinne hat, daß Heinrich in dieser Weise die
Unterordnung der Bischöfe unter den König aufrecht erhielt, so
erscheint es nicht widersprechend, daß er ohne Bedenken die Fort-
bildung der bischöflichen Territorialgewalt förderte. Erblickte er
in der Begünstigung des kirchlichen Besitzes und der kirchlichen
Macht zunächst einen Dienst, den er der Kirche leistete^, so
schädigte er doch dadurch keineswegs die Macht des Reichs und
des Königs: was der Bischof erhielt, blieb dem König dienstbar'^;
dieser übertrug ihm einen Teil seiner Sorge*. So ging denn die
längst begonnene Bewegung stetig weiter. Nicht nur wuchs der
Grundbesitz der Bistümer imauf haltsam an; er wurde auch durch
eine geordnete Verwaltung leistungsfähig erhalten". Indem ferner
die Bischöfe für die Aufrechterhaltuug des öffentlichen Friedens in
ihren Territorien sorgten und energisch der Ausartung der stiftischen
^ Direkt beweisen läßt sich diese Annahme nicht. Die Urk. für
St. Maximin, Dipl. III S. 636 Nr. 500, die diese Überzeugung ausspricht,
ist von Breßlau, Westd. Ztschr. V S. 36 S., als Fälschung erwiesen.
2 Vielfach in den Urkunden ausgesprochen, z. B. S. 82 Nr. 29: Justa
regum et religiosa cogitatio debet ecclesiis Dei . . . aliquod accomodare.
S. 165 Nr. 139: Cum regiae dignitatis hoc ius velut praerogativa meritorum
constet, ecclesiarum Dei commodis prae omnibus rebus officiosius inservire.
S. 261 Nr. 225: Divinae pietatis dementia, quae nos ad culmen regiae
maiestatis perduxit, ad hoc voluit regnare, ut ecclesiarum ordini firmando
atque corroborando subveniamus. S. 515 Nr. 401: Quoniam gratuito divinae
miserationis respectu imperiali dignitate nos sublimatos esse cognoscimus,
congruum esse ducimus, non solum aecclesias ab antecessoribus nostris con-
structas ampliare, sed . . novas aedificare.
^ S. 652 Nr. 509: Oportet, ut in aecclesiis multae sint facultates . . .,
quia cui plus committitur plus ab eo exigitur; multa enim debet (Fulda)
dare servicia et romanae et regali curiae propter quod scriptum est: Red-
dite quae sunt caesaris caesari et quae sunt Dei Deo.
* S. 475 Nr. 371 : In huius vitae itinere onera nostra episcopis impo-
nendo leuigantes.
ä Der Beleg hierfür liegt in dem Hofrecht Burchards von Worms.
— 410 -—
Ritterschaft ins Raubrittertum wehrten^, erfüllten sie die erste
Pflicht des Landesherru; um so fester stand ihre Autorität, Sie
dehnte sich zugleich weiter aus: unter Hehirich mehrte sich die Zahl
der im bischöflichen Eigentum befindlichen Grafschaften sehr be-
deutend. Immer ausgedehnter wurden infolgedessen die Territorien,
in denen nicht die Reichsbeamten, sondern nur die bischöflichen
Diener amtierten. Paderborn, Hildesheim, Magdeburg, Würzburg,
Worms, Utrecht, Cambrai dankten Heinrich die Erweiterung ihrer
Rechte-. Aber erschienen nun nicht um so entschiedener die
Bischöfe selbst als Diener des Königs?
Mit unvermeidhcher Notwendigkeit führte die Macht Über den
Episkopat zur Macht über die Kirche. Unter Heinrichs Regierung
hat denn auch die Einwirkung der Krone auf die kirchliche Ver-
waltung einen immer breiteren Raum gewonnen. Alsbald nach
seinem Regierungsantritt gelang ihm die Erledigung der Merseburger
Angelegenheit. Erzbischof Gisiler hatte, wie wir uns erinnern, die
Wiederherstellung des Bistums zu hindern gewußt. Der Regierungs-
wechsel war für ihn nicht unbedenklich. Vielleicht war die Be-
fürchtung, Heinrich werde entschiedener als Otto III. vorgehen, für
ihn der Grund, weshalb er auf die Seite des Herzogs Hermann
trat. Doch wußte der kluge Prälat, nachdem Heinrich sich in der
Herrschaft befestigt hatte, ihn zu versöhnen. Ja er erwarb sich
das volle Vertrauen des neuen Königs: Heinrich übertrug ihm die
Verwaltung seiner sächsischen Güter, und Gisiler wußte ihm dabei
1 Vgl. Lamprecht in Picks Monatsschrift VIII S. 222 f. Aach die
Sorge der Bischöfe für die Befestigung ihrer Städte gehört hiei-her: über
Burchard von Worms s. u.; Gero von Magdeburg Geeta arch. Magdeb. 18
Scr. XIV S. 397, Heimo von Verdun vita Rieh. Uff. S. 257.
- Paderborn: 1011 die Grafschaft Haholds, 1021 die Grafschaften
Dodicos u. Liudolfs, Dipl. III S. 261 Nr. 225, S. 561 f. Nr. 439 f.; Hildesheim:
1013 die Grafschaft Dietrichs in Mundburg, S. 303 Nr. 259; Würzburg: 1013
die Grafschaft Bessungen, S. 318 Nr. 268; Worms: 1011 die Grafschaften
im Gau Wingarteiba u. im Lobdengau, S. 262 f. Nr. 226 f.; Utrecht: 1024
die Grafschaft Drenthe, S. 645 Nr. 504; Cambrai: 1007 die Grafschaft in
Cambrai, S. 168 Nr. 142. Hier wird die Bedeutung der Schenkung durch
die Worte erläutert: üt liberam dehinc habeant potestatem eundetn comi-
tatum in usum ecclesiae supradictae tenendi, comitem eligendi, bannos
habendi, seu quidquid sibi libeat, modis omnibus inde faciendi. Lüttich
erhielt unter Heinrich die Grafschaft Looz durch den letzten Grafen Arnulf,
s. Hirsch, JB. II S. 191. Daß die Übertragung des fränkischen Herzogtums
auf "Würzburg jüngere Fiktion ist, zeigt Breßlau, Forsch. XIH S. 87 ff.; vgl.
Dipl. III S. 502 Nr. 391 und Gengler, Beiträge z. Rechtsgesch. Bayerns
IV S. 53.
— 411 —
zu Dank zu handeln. Er sollte indes bald erfahren, daß Heinrich
gleichwohl auf die Herstellung des Bistums nicht verzichtete. Dieser
ging gerade auf das Ziel los, indem er Gisilers Verlangen, daß
die Entscheidung durch eine allgemeine Synode getroffen werde,
außer acht ließ, und ihn aufforderte, Magdeburg aufzugeben und
den Merseburger Sitz wieder einzunehmen. Darin lag, daß er den
Erlaß Ottos HI. vom 25. März 1000 als entscheidend betrachtetet
Gisiler lag schwer krank danieder, als Willigis im Auftrage des
Königs ihm diese unerwünschte Forderung eröffiiete. Er sah ein,
daß weiteres. Aus weichen nicht mehr möglich sei, und bat nur um «in
paar Tage Frist, um einen Entschluß zu fassen. Aber ehe sie ver-
flossen waren, starb er^. Daß Heinrich jetzt die Wahl eines Magde-
burger Klerikers nicht anerkannte, sondern das Bistum seinem Ver-
trauten Tagino übertrug, stand sicher in Zusammenhang mit der
Absicht, Merseburg wiederherzustellen. Denn so wenig er erwarten
konnte, daß ein Glied des Magdeburger Domkapitels ohne Schwierig-
keiten in eine Verkleinerung der Diözese wilhgen würde, so sehr
war er berechtigt, bei Tagino eine" solche Voraussetzung zu hegen.
Tagino^ war der Lieblingsschüler Wolfgangs von Eegensburg ge-
wesen. Von Natur war er dem milden Schwaben wenig ähnlich:
er war schroff und heftig, liebte es, offen zu reden und grad durch-
zufahren. Aber er war ganz auf Wolfgangs Anschauungen ein-
gegangen. Thietmar charakterisiert ihn mit den Worten, er sei
zwar dem Kleide nach ein Kanonikus, seinem ganzen AVandel nach
jedoch ein Mönch gewesen; er hatte von seiner lauteren, aufrichtigen
Frömmigkeit den tiefsten Eindruck. In seinem Auftreten hatte
Tagino etwas Vornehmes : die Männer, mit denen er vertraulich ver-
kehrte, mußten nicht nur tüchtig, sondern auch von hoher Geburt
sein. Mehr galt ihm doch der religiöse Eifer; wo er ihn nicht
fand, fühlte er sich zm-ückgestoßen ; Verkehr, Gemeinschaft war ihm
dann unmöglich. Er hat aus diesem Grunde mit dem Bischof
Gebhard von ßegensburg gebrochen. Von dem Glanz und Prunk,
der an d%n Höfen der Bischöfe aufkam, wollte er nichts wissen.
Dagegen versorgte er die Seinen freigebiger, als man es gewöhnt war:
seine Tätigkeit in Magdeburg begann er damit, daß er die Präbenden
der Priester und Diakonen um acht, die der Subdiakonen und
Chorknaben mn vier SchiUinge erhöhte. Die Vorurteile der Menschen
1 S. oben S. 267. 2 Thietm. V, 39 S. 129.
3 über ihn Thietm. V, 42 f. S. 130 f. Arn. de s. Emmer. II, 13 S. 560.
Daß er einem Eegensburger Geschlecht entstammte, macht Uhlirz in den
Mtt. d. Inst. XV S. 121 sehr wahrscheinlich.
— 412 —
zu verletzen, Avar er unbedenklich: wegen seiner Kränklichkeit er-
ließ er sich die Beobachtung der Fastengebote. So war er ernst
und unabhängig genug, daß Heinrich erwarten konnte, er werde
das Beispiel, das Wolfgang durch seinen Verzicht auf Böhmen
gegeben hatte, nachahmen. Darin täuschte er sich nicht. Tagino
verzichtete auf Magdeburgs Anteil an der Merseburger Beute.
Die Hauptschwierigkeit war damit überwunden. Auch der zweite
Beteiligte, Arnulf von Halberstadt, konnte seinen Überzeugungen
nach der Wiederherstellung Merseburgs keinen prinzipiellen Wider-
spruch entgegensetzen. Er hat sich einige Jahre später sehr ent'
schieden dafür ausgesprochen, daß die Teilung einer großen Diözese
in kleinere Sprengel nützlich und recht sei-"-. Überdies erleichterte
ihm Heinrich die Zustimmung dadurch, d^ß er eine reichliche Ent-
schädigung gewährte ^ Ebenso billigte er dem Bistum Zeitz einen
Ersatz zu; dagegen forderte er, wie es scheint, von Meißen Bück-
gabe des Merseburger Anteils ohne Entschädigung ^ Widerspruch
hat keiner der beiden Bischöfe erhoben.
Unter Zustimmung der sämtlichen Beteihgten konnte somit
Heinrich die Wiederherstellung des Merseburger Bistums vornehmen.
Es geschah am 6. Februar 1004 unmittelbar nach der Weihe
Taginos dadurch, daß er seinen Kapellan Wigbert zum Bischof
ernannte. Taginos erste Amtshandlung war seine Konsekration.
Wie in anderen Fällen, so wählte Heinrich auch diesmal für ein
1 Ep. Bamb. 2 S. 476 ff.
- Thietm. V, 44 S. 132: Quia aliter non posse fieri apud Arnulfum
presulem sciebat, cum centum concambio mansorum super solum Merse-
burgensem burgwardum episcopalem redemit bannum ; Dipl. III S. 76 Nr. 62.
ä Ibid.: De Misni atque de Citici episcopatibus decrevit regia potestate
ad integrum redire, quod antiquitas hinc demptum valuit explicare. Uhlirz,
Magdeb. S. 116 Anm. 1, nimmt auf Grund von Dipl. III S. 80 Nr. 65 vom
5. März 1004 an, daß eine so! cbe Verfügung nur in bezug auf Meißen er-
lassen wurde, und daß Thietmar irrtümlicherweise die Verfügung auch auf
Zeitz ausgedehnt habe. Wahrscheinlich mit Recht. Doch bin ich der
Sache nicht sicher. Ein Irrtum Thietmars in dieser ihn so nahe berührenden
Angelegenheit ist nicht wahrscheinlich. Auch scheint er schriftliche Doku-
mente besessen zu haben. Das war in bezug auf Meißen der Fall, VIII, 52
S. 225; es ist nicht abzusehen, warum es bei Zeitz anders gewesen sein
soll. Endlich liegen zwischen der Wiederherstellung Merseburgs und der
Beurkundung der Entschädigung an Zeitz, Nr. 65 u. 66, vier Wochen. Es
ist deshalb möglich, daß Heinrich ursprünglich auch von Zeitz Rückgabe
ohne Entschädigung forderte und sich erst im Verlauf entschloß, das ohne-
hin arme Bistum zu entschädigen. Auch Magdeburg erhielt eine Ent-
schädigung, Nr. 63 S. 77 v. 24. Febr. 1004.
— 413 —
armes Bfstum einen reichen Bischof. Merseburg verdankte Wigbert
manches wertvolle Gut. Auch sonst war die Wahl glückHch:
Wigbert galt für beredt, umsichtig und gewissenhaft in* der Aus-
richtung seiner Pflichten; die krankhafte Heftigkeit, die ihm eigen
war, entschuldigte man, da sie Folge eines vergifteten Trankes sein
sollte, den er einmal genossen hattet
Merseburg erhielt bei seiner Wiederherstellung nicht ganz den
alten Umfang. Besonders war der von Arnulf von Halberstadt
abgetretene Burgwart Merseburg nur ein Teil des ftüheren Besitzes
links der Saale ^. Auch Meißen hat nicht alles zurückgegeben,
was es einst erlangt hatte. Wigberts Nachfolger Thietmar mußte
sich im Jahr 1017 zu einem Vergleich verstehen, durch welchen
er auf den östlich der Mulde gelegenen Teil seiner Parochie ver-
zichtete, wogegen er auf dem westlichen Ufer des Flusses eine Ent
Schädigung erhielt, die er jedoch nicht für ausreichend betrachtete ^.
Selbst die Rückgabe des Magdeburger Anteils machte unerwartete
Schwierigkeiten*. Doch die Hauptsache gelang: das von Otto I.
gegründete Bistum trat wieder ins Leben.
Es ist richtig, daß die Wiederherstellung des Merseburger
Bistums sich in privatrechtlicher Form vollzog ^ Heinrich beugte
Schwierigkeiten in der Zukunft vor, indem er vermied, wohlerworbene
Rechte zu verletzen, und ihre Inhaber bestimmte, auf sie zu ver-
zichten. Allein ebenso klar ist, daß er so handeln konnte, nur
weil er König war. Daß er das Recht habe, eine neue Organisation
innerhalb der deutschen Kirche zu schaffen, war die von niemand
angefochtene oder bezweifelte Voraussetzung für die ganze Handlung.
Der päpsthche Legat, der sich in der Umgebung Heinrichs befand*,
1 Thietm. V,44 S. 132; VI, 1 S. 133 f.; Dipl. Nr. 64.
- Dipl. Nr. 62 u. 64: Impetravit partem sue diocesis, quantum videlicöt
circa fluvium Salam Merseburgensis territorii protenditur ambitas.
3 Thietm. VIII, 52 S. 225. Thietmar trat Würzen und Bichni ab. Man
identifiziert letzteren Ort mit Püchau, nordwestlich von Warzen. Doch
erregt Bedenken, daß er auf dem linken Muldeufer liegt, während Thietmar
den Burgward als auf der Ostseite des Flusses gelegen bezeichnet. Wenn
Uhlirz S. 117 sagt, der König habe daran festgehalten, daß jenseits der
Saale der Sprengel Merseburgs sich innerhalb der von Otto I. festgesetzten
Grenzen ausdehne, so ist nur die ursprüngliche Absicht ausgesprochen.
Thietmars Verwahrung: Id quod residuum fuit, tunc nuUo modo dereliqui,
zeigt, daß Meißen einen Teil des ursprünglichen Merseburger Sprengeis
behielt. S. o. S. 133 Anm. 3.
* S. Thietm. VI, 60 S. 169; VII, 2 S. 171; VII, 7 S. 173; Vn, 19 S. 180;
VII, 21 S. 180 f.: VIII, 24 S. 207. s Uhlirz, Magdeb. S. 116.
. « Thietm. V,44 S. 182; Dipl. 63 f.
— 414 —
war nicht mithandelncP. Er war nur Zeuge dessen/ daß der
deutsche König ein Bistum, das Papst Johann XIII. konstituiert
und Papst Benedikt VII. aufgehoben hatte-, wiederherstellte.
Wie Heinrich durch die Erneuerung Merseburgs eine Sache
rasch zu einem guten Ende führte, um deren Lösung sich vorher
Kaiser und Papst vergeblich bemüht hatten, so auch bei der Bei-
legung des Gandersheimer Streits ^ An allgemeiner Bedeutung
stand dieser Grenzstreit zwischen Mainz und Hildesheim hinter der
Merseburger Frage weit zurück. Aber er war deshalb geeignet,
als Gradmesser für die Macht des Königs in der Kirche zu dienen,
weil der bedeutendste Mann unter den deutschen Bischöfen dieser
Zeit einer der hadernden Teile war: Willigis von Mainz, und weil
er offen dem Kaiser und dem Papst den Gehorsam geweigert hatte.
Willigis* stand, als Heinrich die Regierung übernahm, schon
länger als ein Vierteljahrhundert an der Spitze der größten deut-
schen Diözese. Eine Empfehlung des Bischofs Volkold von Meißen
hatte einstmals dem aus geringem Geschlecht'^ entsprossenen Mann
die Aufnahme in den Dienst Ottos I. verschafft*^. Er hat noch
dem großen Kaiser, dann seinem Sohne als Kanzler gedient', bis
er von dem letzteren im Januar 975 das Mainzer Erzbistum er-
hielt. Seine Ernennung fand anfangs manchen Tadel: er schien
nicht vornehm genug für diese Stelle. Aber sie bewährte sich.
Man könnte Willigis den idealen Typus eines deutschen Bischofs
des zehnten Jahrhunderts nennen. Er fühlte sich noch als Theo-
loge, handelte als Pastor und wirkte wie ein Fürst. Wie er selbst
gelegentlich eine Handschrift kollationierte ^, so lag ihm daran, daß
der Mainzer Klerus wissenschafthch tüchtig geschult war^. Ihn
selbst schildert Thietmar als einen mächtigen Prediger ^^ Seine
Reden wirkten vielleicht gerade deshalb so tiefj weil er es gewöhn-
lich nicht liebte, viele Worte zu machen -^^ In der Arbeit kannte
1 Uhlirz sagt: Er unterstützte den König. In den Worten: Presente
apostolico misso, vermag ich das nicht ausgedrückt zu finden.
2 ÜB. d. H. Merseb. I S. 3 Nr. 2 u. S. 19 Nr. 22.
3 Vgl. oben S. 268 ff.
* S. den libell. de Willigisi consuetudinibus Scr. XV S. 742 ff. Euler,
EB. Willigis von Mainz in den ersten Jahren s. Wirkens, 1860. H. Böhmer,
W. V. Mainz, Leipzig 1895.
5 Thietm. ehr. III, 5 S. 50. Willigis war wahrscheinlich ein Sachse,
8. Euler S. 3, Böhmer S. 3. « Thietm. IV, 6 S. 67.
' Dipl. I S. 550 Nr. 404. * S. oben S. 327.
» Lib. de Will. cons. 3 S. 744.
»» Thietm. III, 5 S. 50; Libell. de Will. cons. 3 S. 744.
^^ Lib. de Will. cons. S. 744: Parcus verborum.
— 415 —
er keine Ermüdung: bald findet man ihn tätig, die Verhältnisse
einer Schule zu regeln^, bald neue Kirchen zu bauen und zu
weihen^ oder Bischöfe zu konsekrieren ^ Auch die erzbischöfliche
"Würde galt ihm nicht nur als ein Titel ^: er fühlte sich zur Auf-
sicht über seine Suffragane verpflichtet. Mit welch unerbitthcher
Strenge hat er den weichen Adalbert von Prag genötigt, die
Pflichten zu tragen, die er bei seiner Konsekration übernommen
hatte ^! Tief durchdrungen war er von der Überzeugung der Soli-
darität des Episkopats. Bischöfe, die aus ihren Sprengein ver-
trieben waren, konnten sicher sein, bei ihm Aufnahme und Ver-
sorgung zu finden^. Man braucht kaum zu sagen, daß er auch
für das Mönchtum lebhaftes Interesse bewies. Das alte Kloster
Bleidenstadt im Untertaunus verdankte ihm den Neubau seiner
Kirche'. Im Thüringischen gründete er ein Benediktinerkloster
zu Jechaburg. Auch für das Schottenkloster auf dem Disiboden-
berg, das unter Hatto II. eingegangen war, kamen unter ihm bessere
Tage. Hatto hatte die Mönche entfernt und den Gottesdienst ein-
gestellt; die Kirche lag in Trümmern. Es gehörte zu den ersten
Taten Wilhgis', daß er das Fundament für einen Neubau der
Kirche legte. Da die Mittel, um das Kloster zu erneuern, nicht
ausreichten, so sorgte er wenigstens dafür, daß zwölf Kanoniker bei
der Kirche leben konnten ^. In ähnhcher Weise nahm er sich der
1 S. oben S. 327.
2 Vgl. Bd. IV S. 22 f. I. J. 987 weihte er die Kirche in Dorla, zwischen
Eisenach u. Mühlhausen, Reg. Mag. 56; 1006 Mergesbach in der Nähe von
Bingen, Reg. Mag. 153; in Schloßborn in Nassau erbaute er selbst eine
neue Kirche, in dem eingegangenen Orte Steinheim im Rheingau erbauten
die Inwohner unter seinem Episkopat eine solche, Nass. ÜB. 1 S. 60 ff
Nr. 117 u. 123.
3 In dem Index consecr. des Erchanbald v. Straßburg, Scr. XIII S. 323,
sind genannt: Gamenolf und Gebhard von Konstanz, Deothmar von Prag,
Etich und Liudolf von Augsburg, £rp von Verden, Ruthard von Paderborn
außerdem weihte er Adalbert von Prag, Reg. Mag. 36; Bernvrard, ib. 85;
Thiedag von Prag, ib. 127; Burchard von Worms, ib. 122; Tagino von
Magdeburg, ib. 148; Eberhard von Bamberg, Thietm. VI, 32 S. 153; Mein-
werk von Paderborn, Reg. Mag. 163.
* Daß ihm wie seinen Vorgängern der päpstliche Vikariat erneuert
wurde, ist o. S. 210 bemerkt. ^ S. o. S. 248 u. 266.
6 Volkold von Meißen, Thietm. IV, 6 S. 67, der Dänenbisch. Staggo,
Nass. ÜB. I S. 60 Nr. 117, Eziko von Oldenburg, a. a. 0. S. 64 Nr. 123.
' S. Reg. Mag. I s! 141 Nr. 167.
8 Ann. s. Disib. z. J. 976 Scr. XVII S. 6. Urk. des EB. Ruthard v. 1108
Guden. Cd. I S. 37, Adalbert v. 1128 S. 68 und Heinrich v. 1147 S. 183.
— 416 —
in Bonifaz' Zeit zurückgehenden Victorskirche an. Das alte, auf
einer Anhöhe südUch vor Mainz gelegene Stift war, wie es scheint,
in Verfall geraten. Willigis ernannte einen tüchtigen Mann, den
späteren Bischof Burchard von Worms, zum Propst; mit seiner
Unterstützung erneuerte dieser das Münster und bestimmte das
Stift für zwanzig Chorherrn. Endlich errichtete er in Mainz selbst
die Stiftskirche zu St. Stephan.
In dem allen ging seine Tätigkeit nicht auf. Er war ähnlich
wie Bernward von Hildesheim ein Gönner der Künste: Zeuge
dessen ist der Neubau des Doms, der ihn fast während seines
ganzen Episkopats beschäftigtet Auch den Erzguß machte er in
Mainz heimisch. Die Liebfrauenkirche erhielt von ihm ein Tauf-
becken und zwei Türen aus Erz^. Die Mittel zu solchem Auf-
wand gewährte ihm die sorgsamste Verwaltung des bischöflichen
Gutes ^ Sie machte ihm auch seine großartige Wohltätigkeit mög-
lich . Für den Verkehr in der Nähe seiner Metropole sorgte er
durch die Erbauung von Brücken über die Nahe und den Main^
Welche Bedeutung er im Bat der Fürsten hatte, ist allgemein
bekannt: hauptsächlich seiner unwandelbaren Treue verdankte es
Otto III., daß ihm die Krone erhalten bheb^; nicht minder wert-
voll war seine klare Parteinahme für Heinrich 11.'^. Die große
politische Stellung, die der Mainzer Erzbischof als Leiter der aus-
gedehntesten deutschen Diözese und Metropolit der größten Kirchen-
provinz des Reichs besaß, wußte er dadurch bedeutend zu ver-
stärken, daß er das Recht zum Vollzug der Königsweihe erwarb^.
Begreifhch, daß jedermann nur in Worten der Anerkennung und
Bewunderung von diesem Bischof sprach : man schätzte seine geistige
Kraft und man achtete seine sittliche Energie ^ Mit der strahlenden
1 S. oben S. 336.
2 Reg. Mag. S. 124 Nr. 61. Kraus, Chr. Inschr. I S. 186 Nr. 289, gibt
eine Nachbildung der Inschrift, in der sich ein Lektor Beringer als der
Künstler nennt.
3 Lib. de Will. cons. 4 S. 745; vgl. Böhmer, Willigis S. 119 ff.
*■ Lib. de Will. cons. 2 S. 744.
^ Die Sache ist nur schlecht beglaubigt durch eine längst ver-
schwundene Inschrift an St. Stephan, Reg. Mag S. 141 Nr. 168 u. 169, auch
Kraus I S. 121 Nr. 261; die Mainbrücke führte bei Aschaffenburg über
den Fluß. « Thietm. IV, 2 ff. S. 65 f.
' Ib. V, 11 S. 113; vita Burch. 9 S. 836.
8 J.W. 3784. Hier ist dies Recht zu den Privilegien der Mainzer
Kirche gezählt. Tatsächlich war es eine Neuerung.
» Lib. de Will. cons. 1 S. 743: Fide, castitate morumque gravitatö
tantum caeteros praecellebat, ut non solum superiorem, verum etiam nuUum
— 417 —
Sonne vergleicht ihn Thietmar^; auf sein Urteil verweist Arnnlf
von Halberstadt als auf eine allgemein anerkannte Autorität^; sein
Rat war für Burchard entscheidend, als ihra sehr gegen seine
Neigung das Bistum Worms angetragen wurde ^. Am bezeich-
nendsten ist vielleicht das Wort eines sonst kaum bekannten Mönchs
von Lorsch: Sein lebhafter Wunsch sei immer gewesen, äußert er,
auch nur ehi Wörtlein mit dem Erzbischof zu reden; doch habe
er es nie gewagt; denn so sehr er ihn hebe, so gebe es doch keinen
Menschen, vor dem er sich mehr scheue, als vor ihm*.
Heinrich hat die hervon-agende Bedeutung des Erzbischofs
durchaus anerkannt. Dankbar rühmte er seme nie versagende
Treue ^; seine eigene Krönung wie die seiner Gremahlin ließ er
durch ihn vollziehen*'. Aber das führte nicht dazu, daß er in der
Gandersheimer Sache Partei für den Erzbischof nahm. Im Gegen-
teil: Willigis mußte sich entschließen, auf sein so energisch be-
hauptetes Hecht zu verzichten. Höchst charakteristisch ist die
Weise, wie Heinrich dabei verfuhr. Er bestimmte auf einer Ver-
sammlung zu Pöhlde Weihnachten 1006 Willigis und ßemward,
die Entscheidung über das Recht auf Gandersheim ihm, dem König,
zu überlassen. Er selbst erklärte dann bei der Einweihung der
neuerbauten Klosterkirche am 5. Januar 1007, es sei Zeit, den
langen Zwist beizulegen: er sei Zeuge dafür, daß das Kloster zu
Hildesheim gehöre und stets im Besitz der dortigen Bischöfe ge-
wesen sei. Daraufhin entsagte Willigis vor dem Volk dem Recht
auf Gandersheim, und galobte vor Gott, daß weder er, noch einer
seiner Nachfolger den Streit erneuern würden'. Als gleichwohl
haberet prorsus aequalem. Ibid.: Gloriosus potentia regni, gloriosior tarnen
potentia videbatur ingenii. ^ III, 5 S. 50.
2 Epist. Batnb. 2 S. 475: Loquere cum illis, qui tibi non aliter ac sibi
consultum • volunt: cum . . Willigiso, . . Consilium, quod tibi dent, non
repudies. " Vit. Burch. 5 S. 834.
* Der Priester Trotmar ep. Mog. 21 S. 353.
5 Dipl. III S. 165 Nr. 139.
6 Ann. Quedl. z. 1002 S. 78; Thi^tm. V, 11 S. 113; V, 19 S. 118. -Da-
mals wurde auch die Nonne Sophie von Willigis zur Äbtissin von Ganders-
heim geweiht, vita Bernw. 39 S. 775.
^ Vita Bernw. 43 S. 777; über die Urkunde Dipl. III S. 294 Nr. 255,
war das Urteil lange schwankend, s. Hirsch, JB. II S. 2, gegen ihn Bayer,
Forsch. XVI S. 178 ff., wider diesen Böhmer, Willigis S. 191, und gegen den
letztei-en Breßlau in der Vorbemerkung zu dem Diplom. Die diplomatischen
Gründe für die Originalität der Urk. sind so schwerwiegönd, daß man sie
als echt gelten lassen muß. Thangmars Erzählung ist also nach ihr zu
berichtigen. Bayers Annahme S. 192, daß die Worte, welöhe Thangmar
Hauck, KirohengeschicMe. III. 27 _
— 418 ~
nach Verlauf von mehr als 15 Jahren Wilhgis zweiter Nachfolger
Aribo den alten Anspruch gegen Godehard erneuerte,, hielt Heinrich
seine frühere Entscheidung aufrecht. Sein Vetter mußte, so energisch
er war, zunächst von seinein Anspruch lassend So kam es zu
einer Verständigung: der König war und erschien als der Schieds-
mann in den kirchlichen Angelegenheiten.
Tiefer als durch die Wiederherstellung Merseburgs und die
Entscheidung des Gandersheimer Streites griff Heinrich in die
Organisation der deutschen Kirche durch die Gründung des Bistums
Bamberg ein^
Es fehlte nicht an sachlichen Gründen, welche für die Er-
richtung eines neuen Bistums in diesem Teil Deutschlands sprachen.
Die von Karl d. Gr. begonnene Bekehrung der Wenden am oberen
Main, der Rednitz und der Wiesent und in den Waldgebieten, die
diese Flüsse dm'cheilen^, war noch lange nicht zum Ziele gekommen.
Obgleich die Wenden länger als zwei Jahrhunderte dem deutschen
Reich angehörten, war man noch weit davon entfernt, daß sie ihre
Nationahtät aufgaben. Mit ihrer Sprache und ihren Sitten aber
behaupteten sie auch das Heidentum ihrer Väter. Wie die Ver-
hältnisse im zehnten Jahrhundert waren, ergibt sich aus jenem in-
teressanten Synodalbeschluß, -den man als das Sendrecht der Main-
und Begnitzwenden zu bezeichnen pflegt*. Man sieht, daß die von
Karl geordnete kirchliche Organisation noch fortbestand: es gab
Gotteshäuser im Lande, an denselben wirkten deutsche Priester^,
dem König in den Mund legt, in Wahrheit Willigis gesprochen habe,
scheint mir irrig; denn auch die Urkunde erzählt von einer doppelten Er-
klärung: zuerst einer des Königs (firma auctoritate sententiam B. episcopi
firmavimus), sodann einer solchen des Erzbischofs. Thangmars Irrtum liegt
nur darin, daß er auch schon den König vor dem Volke reden läßt.
^ Über diesen weiteren Akt des Streites berichten vita Bernw. 48
S. 778; vita I Godeh. 25 f. S. 186; contin. v. Bernw. Scr. XI S. 166. Über
die Erneuerung unter Konrad 11. s. u. Kap. 3.
2 Quellen sind das Protokoll der Frankfurter Synode, Dipl. III S. 169
Nr. 143, der Bericht Thietmars, VI, 30 ff. S. 151 ff., und die Urkunden Hein-
richs. Außer den allg. Werken verweise ich auf Looshorn, Geschichte des
Bist. Bamberg I S. 118 ff.; Gengier, Beiträge IV S. 123 ff.; Stein, Gesch.
Frankens I S. 131 ff.
s Giesebrechts Annahme, daß die Gegenden am oberen Main zum
größten Teil verödet lagen, S. 52, ist, soviel ich sehe, nicht zu beweisen.
* Publiziert von Dove, Ztschr. f. KR. IV S. 160—162. Ich stimme Dove
sowohl in bezug auf die Herkunft des Stückes aus Ostfranken (S. 163 ff.),
als auch in bezug auf das Alter (S. 168) zu.
^ S. 160: Post perceptani baptismi gratiam constringendi sunt, ut
divinis sacerdotumque suorum obtemperent praeceptis.
— 419 —
die Bischöfe von "Würzburg oder ihre Erzpriester erschienen ab und
zu, um das Sendgericht zu halten. Aber das war alles. Auf das
Gemüt und die Überzeugungen des Volkes hatte die christHche
Religion keinen Einfluß gewonnen. Konnten die Wenden nicht ver-
meiden, ihre Kinder taufen zu lassen, so lehnten sie doch alles
ChristHche ab: sie wollten von den Priestern nichts wissen, unter-
ließen die Feier des Sonntags, die Beobachtung der Quadragesima
und der Quatember; statt ihre Toten in den Kirchhöfen zu bestatten,
begruben sie sie lieber auf irgendeinem Hügel im freien Feld\
An Leistung der Zehnten war vollends nicht zu denken; auch vor
die bischöfliche Sende wurden sie vergeblich gefordert. Ungescheut
wurden den alten Göttern die herkömmlichen Opfer dargebracht^.
Nun begann zwar im zehnten Jahrhundert die deutsche Ein-
wanderung; aber sie scheint zunächst nicht bedeutend gewesen zu
sein^ Nach dem, was wir über die Lage der Dinge im elften Jahr-
hundert wissen, war kaum ein Fortschritt zu bemerken: es ist auch
jetzt noch davon die Rede, daß unter den Wenden das Heidentum
aufrecht steht, und daß man von Christentum unter ihnen wenig
hört; ihr treues Festhalten an den heidnischen Gebräuchen, ihre
Abneigung gegen die christliche Religion werden mehrfach hervor-
gehoben *.
^ S. 161: Qui ad tumulos, quod dicimus more gentilium hougir
sepelierit.
2 S. 161: Qui idolothita, quod trebo dicitur, vel obtulerit aut man-
ducaverit.
^ Erwähnt ist die deutsche Kolonisation in einer Urk. für die Kirchen-
leute auf den Besitzungen von St. Peter zu AschafFenburg in Ebermann-
ßtadt u. anderwärts im Radonzgau, die de quacunque gente commanendum
illuc convenirent, Dipl. II S. 277 Nr. 245 v. 30. März 981.
* Frankfurter Synod« S. 170: üt et paganismus Sclavorum destrue-
retur et christiani nominis memoria perpetualiter inibi celebris haberetur.
Johann von Aquileja an Heinrich von Würzburg: Per quam — durch die
Gründung von Bamberg — et de inimico humäni generis in vicinas Scla-
vorum gentes Deo opitulante triumphabit et innumerabilem familiam per
lavacrum regenerationis sibi multiplieabit, Cod. Udalr. 8 S. 31. Bamb. Syn.
V. 1059: Erat plebs huius episcopii, utpote ex maxima parte Sclavonica,
ritibus gentilium dedita, abhorrens a religione christiana, tarn in cogna-
tarum connubiis quam in decimationum contradictione decretis patrum
omnino contraria, ep. Bamb. 8 S. 497. Mit unrecht zieht Hirsch, JB. IL
S. 31 f., eine Bemerkung in der Fund. mon. Ebrac. Scr. XV S. 1040 herbei:
ut destructo servicio demonum construeretur ibidem . . congregatio mona-
chorum. Denn Ebrach lag in der Würzburger, nicht der Bamberger Diözese,
und nicht in wendischer, sondern in überwiegend deutscher Umgebung.
27*
— 420 —
Der Grund für diese geringen Erfolge der christlichen Kirche
lag zum Teil in dem großen Umfang der AVürzburger Diözese.
Das Wendenland war vernachlässigt: nur selten kamen die Bischöfe
aus dem sonnigen, fröhlichen Maintal hinauf in das unfreundliche,
dichtbewaldete Oberland. Als Heinrich von Würzburg und Arnulf
von Halberstadt im Jahre 1006 zusammen nach Bamberg ritten,
kamen sie auf das Wendenland zu sprechen; dabei tat Heinrich
die vielsagende Äußerung: er habe von diesem Landstrich wenig
Gewinn; denn er sei fast ganz mit Wald bedeckt; da wohnten die
Slaven; er komme nie oder selten dorthin \' Es ist die alte
deutsche Abneigung gegen die Wenden, die man auch hier be-
merkt. Um ihrerwillen hatten auch die Männer der Kirche kein
Interesse für das Land. Geschah etwas, um das Christentum zu
fördern, so war es verkehrt; denn man handelte nach dem Grund-
satz, daß gegen die Wenden nm- mit Gewalt und Härte etwas,
auszurichten sei^. Die eben erwähnte Synode des zehnten Jahr-
hunderts glaubte den wendischen Trotz durch schwere Strafen,
besonders durch Auspfändung brechen zu können^.
Daß eine Besserung nur durch Vermehrung der geistlichen
Kräfte, also durch die Gründung eines eigenen Bistums für das
Wendenland, herbeigeführt werden könne, verbargen sich einsichts-
volle Männer nicht*. Heinrich selbst war davon durchdrungen,
Das zeigen die Ortsnamen; auch solche wie Abtswind und Geisel wind. Bei
dem Dämonendienst ist also an Aberglauben überhaupt, unangesehen ob
deutschen oder wendiscben, zu denken.
1 Ep. Bamb. 2 S. 477; Looshorn I. S 131 ff. erklärt Arnulfs Brief für
eine spätere Fälschung, vielleicht für r!i Schulübung eines Bernhardiners.
Den größten Teil seiner Gründe kann man kaum ernsthaft widerlegen.
Oder was soll man sagen, wenn er fragt: Hat man damals auch so große
Briefbogen gehabt? Warum ist Arnnlf nicht früher in der kaiserlichen
KanzM verwendet werden? u. dgl. Ernsthafter ist die Heivorhebung der
ungewöhnlichen Form der Adresse: Heinricho episcopo Arnoldus. Ungewöhn-
lich ist sie; aber unmöglich keineswegs. Schreibt daeh auch Gerbert:
Domino suo Ottoni Caesari semper Augusto Gerbertus quondam liber, oder
Gregor VIT.: Gregorius episcopus serv. serv. Dei Rainerio Aurelianensi. Und
sollte wirklich ein „Rhetoriker", der seine Schulübung, wie Looshorn sagt,
.täuschend der Zeitlage anzupassen wußte", schon bei der Adresse aus der
Rolle gefallen sein? " Vgl. Thietm. IX, 2 S. 240.
3 S. 161: Exactor publicus . . cum sacerdote pergat ad domum huius-
modi praesumptoris et de sua facultate tanti aliquid precii, bovem eive aliud
aliquid, tollat, propter quod protervus consti-ingatur, ut humiliatus a sua
pravitate reeipiscat. Fügt er sich nicht binnen einer Woche, so verfällt
das Pfand. Bei weiterer Renitenz wird seir gesamter Besitz konfisziert.
* Arnulf von Halberstadt in dem angef. Brief S. 476 f.
— 421 —
daß das wendische Heidentuii. endlich beseitigt werden müsse K
Als Mittel zu diesem Zweck betrachtete er die Stiftung des Bam-
berger Bistums. Wir wissen nicht, ob nicht auch eine politische
Erwägung für ihn mitbestimmend war. Er hat auf die Über-
wältigung des "Wendentums jenseits der Elbe verzichtet'. " Bestand
es dort in ungebrochener Kraft, so war seine Existenz südlich des
Frankenwalds, wenn nicht eine Gefahr, so doch ein Bedenken. Es
war beseitigt, wenn die Wenden wh'klich und nicht nur dem Namen
nach Christen waren.
Doch weder jener kirchliche noch dieser politische Grund
waren die letzte Ursache für die Errichtung des neuen Bistums;
sie lag auf dem persönhchen Gelnet. Heinrich war kinderlos; die
Hoffnung auf Nachkommenschaft hatte er aufgegeben. Er ergriff
nun den Gedanken, gewissermaßen Gott zu seinem Erben ein-
zusetzen ^. Auf welchem Wege aber konnte er das erreichen, als
dadurch, daß er eine große kirchliche Stiftung ins Leben rief? Er
wählte Bamberg als Ort für dieselbe. Denn er liebte Franken
wie keine zweite Gegend Deutschlands''; in Franken aber war ihm
wieder Bamberg besonders wert^. Er war wenige Wochen alt, als
Otto III. den Ort seinem Vater schenkte ^. Von Jugend auf hat
er ihn geliebt und gepflegt. Hatte die Schönheit der Lage es ihm
angetan? Man möchte es vermuten; denn als er heiratete, wußte
er nichts Besseres seiner Braut als Morgengabe darzubringen als
Bamberg l Als Mann hat er vielleicht die Stadt noch um eines
anderen Grundes willen schätzen gelernt. Sie bildete für die öst-
liche Hälfte von Deutschland das Eingangstor aus dem Norden
nach dem Süden. Für den, der von den Waldgebirgen Mittel-
deutschlands herabstieg, lag das breite Rednitztal wie die gebahnte
Straße nach Baiern und Schwaben offen da. Der Ort war es
wert, eine Stadt zu werden. Es gab nun kein sichereres Mittel,
eine Stadt emporzubringen als die Errichtung eines großen Stifts.
So begann denn auch Heinrich alsbakl nach seinem Regierungs-
antritt den Bau einer stattlichen doppelchörigen Kirche*. W^ir
1 Frankf. Synode (s. o. S. 419 Anm. 4). " S. u. Kap. 4.
^ Franlcf. Synode S. 170: Ut Deum sibi heredem eligeret et conscri-
beret; vgl. Dipl. III S. 206 Nr. 174.
■* Vita Heinr. 8 S. 686: In Franciam terram unice sibi dilectam venit.
^ Thietm. VI, 30 S. 151: Rex a puero quandatn suimet civitatem Bavan-
berg nomine, . . unice dilectam prae caeteris excoluit, .
« Am 27. Juni 973, Dipl. II S. 58 Nr. 44.
' Thietm. VI, 30 S. 151,
* Nach der angeführten Stelle Thietmars begann Heinrich den Bau
— 422 —
wissen nicht, wann er den Gedanken faßte, das neue Stift zum
Sitz eines Bischofs zu machen. Sicher einige Zeit vor 1 007. Denn
da eine bischöfliche Diözese nur durch die Teilung des Würzburger
Sprengeis geschaffen werden konnte, so mußten der Gründung des
Bistums Verhandlungen mit Bischof Heinrich von Wüi'zburg voran-
gehen. Heinrich gehörte zu den Männern, auf deren Ergebenheit
der König rechnen konnte. Er war der Bruder Heriberts von
Köln; aber er hatte sogleich nach dem Tode Ottos III. sich auf
Heinrichs Seite gestellt^. Dennoch machten die Verhandlungen
mit ihm Schwierigkeiten; denn er betrachtete das Bischofsamt wie
eine fürstliche Würde: eine Verkleinerung seiner Diözese ohne
Entschädigung des Bistums wäre ihm wie ein Unrecht an dem-
selben vorgekommen^; darein würde er niemals gewilligt haben.
Aber der König konnte ihm einen Preis in Aussicht stellen, der
die Teilung der Diözese aufwog. Heinrich von Würzburg war
nicht ohne Ehrgeiz; er hielt seine Kirche für bedeutend genug,
daß sie in die Reihe der deutschen Metropolen eintreten könnte.
Dies zu erreichen sollte der König ihm behilflich sein. So kam
es zu einer Verständigung. Heinrich von Würzburg willigte in die
bald nach seiner Thronbesteigung. Ich sehe keinen Grund, diese Angabe
zu bezweifeln. Der Bau der Kirche beweist jedoch nicht, daß er von An-
fang an an die Errichtung eines Bistums dachte; er konnte die Errichtung
eines Chorherrenstifts im Sinne haben, wie Karl ein solches in Aachen,
Konrad L in Weilburg, Konrad IL in Limburg errichtete. Vollendet war
der Bau des Doms schon 1012; er wurde am 6. Mai geweiht, Thietm. VI, 60
S. 169; Ep. Bamb. 3 S. 479. Wann Heinrich den Plan zum Bistum faßte,
läßt sich nicht feststellen. Daß er ihn im J. 1002 noch nicht hatte, ergibt
sich ziemlich sicher aus der Schenkung von Forchheim, Eggolsheim und
Erlangen an das Stift Hang in Würzburg, Dipl. Ill S. 3 Nr. 3. Die Orte
mußten 1017 für Bamberg durch Tausch erworben werden, S. 476 Nr. 372.
Der Gegengrund von Hirsch (S. 45), daß das Gut Eringa im Rottgau noch
1007 anderweit vergeben und 1009 auf St. Stephan in Bamberg übertragen
wurde, beweist meines Erachtens nicht viel. Denn zwischen jenen in der
Bamberger Diözese gelegenen Orten und diesem abseits gelegenen Gut ist
der Unterschied zu groß. Hatte Heinrich i. J. 1002 den Gedanken noch
nicht, so ergibt sich, wie mich dünkt, aus der Äußerung Heinrichs von
Würzburg: Si rex ibi facere vellet episcopatum, facile illum ecclesiae tuae,
quod tibi utilius esset, posse tribuere, ep. Bamb. 2 S. 477, daß man 1. J. 1006
von dem Vorhaben bereits sprach.
1 Vita Herib. 4 S. 742; Thietm. V, 38 S. 128. Epist. Bamb. 2 S. 474:
Tu primus aut inter primos, et iam antequam rex fieret, dominum illum
tibi praeelegisti. Tu postea, quantum poteras, sicut magnifice poteras, ut rex
fieret, institisti. ^ Ep_ ßamb. 2 S. i76.
— 423 —
Abtretung des Radenzgaues und eines Teils des Volkfelds; der
König aber erklärte sich damit einverstanden, daß der Würzburger
Bischof zur erzbischöflichen Würde erhoben werdet und gewährte
ihm eine reichliche Entschädigung; sie bestand in 150 Höfen in
Meiningen und den benachbarten Orten'-. Auf diese Bedingungen
hin wurde Pfingsten 1007 zu Mainz vor einer deutschen Synode
ein Übereinkommen zwischen dem König und dem Bischof abge-
schlossen ^. Der Weg schien geebnet. Von Mainz ging eine deut-
sche Gesandtschaft nach Rom, um die päpstliche Zustimmung ein-
zuholen; sie überbrachte ein Schreiben des Würzburger Bischofs
an den Papst mit der Bitte um die Erhebung Bambergs*.
Allein während die Boten unterv/egs waren, erhoben sich in
Deutschland unerwartete Schwierigkeiten. Wie es scheint, hatten
die beiden Heinriche sich darüber verständigt, daß die Errichtung
des Bamberger Bistums und die Erhebung Würzburgs als zwei
gesonderte Angelegenheiten behandelt würden. Sobald nun zur
Ausführung des letzteren geschritten wurde, erwies sich, daß sie
undurchführbar war^: vermutlich scheiterte sie schon an dem Ein-
spruch von Mainz. Der König gab deshalb seinen Plan nicht auf.
Wohl aber war die Vo^:aussetzung gestört, unter der Bischof Hein-
rich den Vei'zicht auf einen Teil seiner Diözese zugesagt hatte: er
hatte die Macht des Königs für groß genug gehalten, um die
Gründung . eines neuen Erzbistums durchzusetzen. Man begreift,
daß er sich jetzt als der Betrogene vorkam und daß er darüber in
unbeschreibliche Aufregung geriet ^. Er brach jeglichen Verkehr
nicht nur mit dem König, sondern auch mit den übrigen Bischöfen
ab sie galten ihm als Teilnehmer an dem ihm gespielten Betrug.
1 Thietm. VI, 30 S. 151.
- Frankf. Synode; Urk. Heinrichs v. 7. Mai 1008 S. 205 Nv. 174. Vom
Radenzgau verblieb jedoch der südwestliche Teil mit den Kirchen Wachen -
rod, Mühlhausen und Lonnerstadt in Verbindung mit Würzburg. Diese
Bestimmung findet sich erst in der Urk. Heinrichs und in der ent-
sprechenden des Bs. Heinrich von Würzburg vom gleichen Tage, S. 207
Nr. 174a; sie scheint also ein nachträglichea Zugeständnis zu sein. Vom
Volkfeld wurde abgetreten der durch die Aurach, Rednitz, den Main und
Viertbach begrenzte, räumlich nicht sehr ausgedehnte Teil; auch hier die
genauere Grenzbestimmung erst in der späteren Urkunde. Die Entschädigung
durch 150 mansi muß B. Heinrich ursprünglich als genügend betrachtet
haben; s. ep. Bamb. 2 S. 477; o. S. 421 Anm. 8.
3 Nachricht der Frankf. Synode S. 170,
■* Ibid. S. 171: Precatoriae Heinrici episcopi litterae.
5 Thietm. VI, 30 S. 151.
0 Im Bfe Arnulfs von Halberstadt anschaulich geschildert, S. 473 ff.
— 424 -
Niemand konnte zweifeln, daß er Einsprache gegen die Konsti-
tuierung der neuen Diözese erheben werde. Der König suchte
durch Briefe und Boten ihn zu beruhigen, ihn zu einer Zusammen-
kunft zu bewegen: vergebhch, Heinrich weigerte sich rund heraus,
am Hofe zu erscheinen; er weigerte sich nicht minder, an einer
bischöf Heben Konferenz Anteil zu nehmen; auch für Boten und
Briefe des ihm befreundeten Bischofs Arnulf von Halberstadt war
er unzugänglich.
Inzwischen hatte Johann XVIII. die deutsche Botschaft em-
pfangen; er hatte alsbald eine römische Synode versammelt und
auf ihr die Gründung des Bistums, die er als bereits vollzogen be-
trachtete, bestätigt ^. Heinrich wartete die Rückkehr der römischen
Gesandtschaft ab, ehe er einen neuen Schritt vorwärts tat. Nach-
dem er aber im Besitz der päpsthchen Bulle war, berief er für den
1. November 1007 eine glänzende Synode nach Frankfurt, um auf
ihr die Stiftung zu vollziehen. Es waren acht Erzbischöfe und
siebenundzwanzig Bischöfe aus Deutschland und den Nachbar-
ländern anwesend. Den Vorsitz führte WilUgis. Jedermann war
einverstanden; aber Heinrich von Würzburg fehlte: er hatte als
Bevollmächtigten seinen Kapellan Beringer gesandt. Schon dies be-
wies, daß er entschlossen war, an seinem Widerspruch festzuhalten.
Konnte aber die Teilung der Würzbm'ger Diözese vorgenommen
werden, wenn der Hauptbeteiligte Einsprache dagegen erhob?
Niemand wußte besser als König Heinrich, daß in diesem
AugenbHck die ganze Angelegenheit auf der Schneide des Messei's
^ J.W. 3954 vom Juni 1007. Der Papst verfügt zugleicli die Freiheit
des Bistums und seine ausschließliche Unterstellung unter das römische
Mundiburdium, fügt jedoch die Bestimmung hinzu, daß der Bischof seinem
Metropoliten subiectus atque obediens sein solle. Hirsch u. Papst, JB. II
S. 64, legen Gewicht darauf, daß die Bezeichnung des Metropoliten fehlt.
Es ist schwer zu entscheiden, ob darin wirklich eine Absicht zu finden ist.
Weber urteilt, die beiden Sätze widersprächen sich nur scheinbar: der erste
stelle die Exemtion von der Metropolitengewalt fest, der zweite beschränke
sie bezüglich gewisser Punkte, Hist. JB. XX S. 332. Der Wortlaut zeigt,
daß das unrichtig ist. Mich dünkt nicht unmöglich, daß die, nur bei Ad al-
bert überlieferte, Urk. Johanns durch Einfügung der Worte Romano tan-
tummodo mundiburdio subditus verfälscht wurde. Bekanntlich ist sie in
der Urk. Konrads IL v. 1034 Stumpf 2056 benützt. Hier sind jedoch
die angegebenen Worte nicht wiederholt. Dadurch gewinnt der Satz einen
viel besseren Zusammenhang, denn dann bezieht sich die extranea potestas
nicht auf den Metropoliten, sondern auf den comes aut iudex, und man
versteht den Zwecksatz, der, wenn man an die Unterordnung unter den'
Metropoliten denkt, unverständlich ist.
- — 425 —
stand. Auch führte der "Würzburgische Bote die Sache seines
'HeiTn nicht ungeschickt; er betonte die Pflicht des Bischofs gegen
seine Diözese: er dürfe eine Schädigung der ihm von Gott an-
vertrauten Kirche nicht zulassen. Er appelHerte an die Sohdarität
der bischöf heben Interessen: würden die Anwesenden ihre Zu-
stimmung zu dem Willen des Königs geben, so würden sie einen
für sie selbst sehr bedenklichen Präzedenzfall schaffen. Heinrich,
der persönhch mit den Bischöfen verhandelte, suchte ihnen den
Widerspruch gegen sein Vorhaben durch eine weit über das ge-
wohnte Maß hinausgehende Demut unmöglich zu machen oder
mindestens sehr zu erschweren. Und er erreichte sein Ziel: der
Episkopat des Reichs erkannte die Gründung des neuen Bistums
als zu Recht bestehend an. Der Wille des Königs, die Erklärung
des Papstes und des Würzburger Bischofs frühere Zustimmung
wogen des letzteren zu spät erhobene Einwände auf. Auch daß
er sich geweigert hatte, zu erscheinen, war seiner Sache nicht
günstig ^ Die Ernennung des königlichen Kanzlers Eberhard, eines
Verwandten des Königs^, zum Bischof schuf eine vollendete Hand-
lung. Daß Willigis den vom König Ernannten konsekrierte, zeigte
zugleich, daß der Gedanke, ein neues Erzbistum zu gründen, end-
giltig aufgegeben war.
Das Bistum Bamberg erhielt eine ungewöhnlich reiche Aus-
stattung. Schon am 6. Mai 1007 hatte Heinrich der zukünftigen
Dorakirche seinen gesamten Besitz im Volkfeld und Radenzgau über-
lassen^. Nun, am Tag der Stiftung, übergab er dem Bistum sechs
bisher königliche Abteien in Franken, Schwaben und Baiem*,
^ Arnulfs Brief gewährt «Einblick in die Motive des Episkopats. Be-
merkenswert ist, daß auf die päpstl. Bestätigung kein Gewicht gelegt wird.
2 Dipl. III S. 245 Nr. 208.
^ Dipl. III S. 160 Nr. 134 f. Von dem zu gründenden Bistum ist in
diesen Urkunden noch nicht die Rede.
•^ Bei der Gründung erhielt Bamberg das Frauenkloster Kitzingen,
Diöz. Würzburg, Nr. 165, das Frauenkloster Bergen (Barigin), Diöz. Eich-
stätt, Nr. 164, das Frauenkloster Neuburg a. D , Diöz. Augsburg, Nr. 163,
die Abteien Gengenbach in der Mortenau und Haslach im U. Elsaß, beide
Diöz. Straßburg, Nr. 167 u. 162, die Abtei Stein a. Rh., Diöz. Konstanz, Nr.
166. dazu kam die Abtei Schuttern in der Mortenau, Diöz. Straßburg, die
von Konrad IL 1025 im bambergischen Besitz bestätigt wurde (Stumpf
1867), 1009 das Kollegiatstift zur alten Kapelle in Regensburg, Nr. 196,
1016 oder schon vorher die Abtei Deggingen, DiÖz. Augsburg, Nr. 357, end-
lich das Stift der Säkularkanoniker zu Osterhofen, Diöz. Passau, s. Scr. XV
S. 1105. Über die Fälschung Nr. 514 s. Bloch, N.A. XXII S. 215 ff.
— 426 —
ferner zahlreiche Güter in diesen Landschaften^, auch den könig-
Hchen Anteil au den Salinen in ReichenhalP: Bamberg erhielt
an einem Tage, was andere Bistümer im Verlauf vieler Jahrzehnte
erworben hatten. Die Ausstattung an Büchern und kostbarem
Kirchengerät übertraf ohne Zweifel die Schätze vieler anderer
Kirchen ^ Dagegen scheint Bamberg Grafschaftsrechte von Hein-
rich II. nicht erhalten zu haben ^.
^ Über die Ausstattung Bambergs ita einzelnen s. Looshorn i S. 136 ff.
Ich hebe hervor: Güter in Franken, Nr. 134 f. 168—170. Zu den ersten
großen Schenkungen, dem Besitz Heinrichs im Rädenzgau und Volkfeld,
kommen die zu Forchheim gehörigen Orte. Forchheim selbst erhielt Bam-
berg erst später, s. o. S. 421 Anm. 8; ebenso Hallstadt Nr. 267, Gaukönigs-
hofen Nr. 200, Herzogenaurach Nr. 457, Langenzenn Nr. 456, Theres Nr. 219,
u. a., vgl. Nr. 197. 201. 220. 351. 506. Gaukönigshofen wurde 1017 wieder
aufgegeben Nr. 372. Güter in Baiern Nr. 144—146. 148. 151—153. 157—160.
Ich hebe hervor Fürth und Beilngrieß. Anderes kam später hinzu: 1008
Velden, Auerbach und Kemnath Nr. 203, 1011 Hersbruck, Vorra, Krumbach,
Schnaittach u. a. Nr. 234; vgl. ferner Nr. 181. 204. 233. 239—241. 270. 315.
324. 334. 364 f. 382—384. 406. 434. Güter in Schwaben Nr. 147. 149 f.
155 f. 161; dazu gehörte der Ort Deggingen (über das Kloster s. o.), Nagold
u. a. Spätere Schenkungen in Schwaben Nr. 202. Einzelnes am Rhein Nr.
438. 454 f., in Thüringen Nr. 195, in Sachsen Nr. 218. 401; mir unbekannt
die wendischen Orte in Nr. 283; Looshorn denkt an die Elbe (S. 151). Die
Hauptmasse des Besitzes lag demnach innerhalb der Diözesangrenzen im
Volkfeld, Rädenzgau und Nordgau; nördlich und westlich besaß Bamberg
nur zersplittertes Gut, mehr in Schwaben und sehr ausgehreitet war sein
Besitz in Baiern, besonders in Kärnthen. Urkunden über die Verleihung
des letzteren sind nicht erhalten; sie wird jedoch mit aller Wahrschein-
lichkeit Heinrich zugeschrieben, s. Hirsch II S. 133 ff. Zwischen dem Gut
des Bischofs und dem der Stiftsherm wurde von Anfang an unterschieden,
8. Nr. 151. 152. 153.
■' Nr. 157. 3 Hirsch, JB. II S. 102 ff.
* An sich ist es nicht unwahrscheinlich, daß Heinrich dem Bist, auch
diese Ausstattung gewährte; aber seine Urkunden enthalten nichts davon.
Dagegen bestätigt Konrad IL, 21. Apr. 1034, dem Bistum die Grafschaften
und bestimmt er: NuUus ibi comes aui iudex legem facere praesumat, nisi
quem per concessionem nostram . . episcopus eiusdem loci deliheret (wohl
nur Druckfehler für deligeret), Stumpf 2056. Der letztere Satz stammt
aus der BestätigucgsbuUe Johanns XVIII. v. Juni 1007. Die ürk. Konrads
ist Vorurkunde für die Heinrichs III, v. 10. Juli 1039, Stumpf 2138. Diese
erwähnt die Grafschaften wie jene, ändert aber den letzten Satz in: Nullus
ibi comes aut iudes legem facere praesumat infra urbem praeter episcopum
eiusdem loci, sie beschränkt also seine Bedeutung. Genannt sind die Graf-
schaften — Rädenzgau, Saalegau, Grabfeld und Volkfeld — erst in der ürk.
— 427 —
Heinrich hatte sein Ziel erreicht, ohne durch die verspätete
Einsprache des Würzburger Bischofs sich beirren zu lassen: er
stützte sich auf den früheren Verzicht-^. Aber es entspricht ganz
seiner Art, daß er jene Einrede doch nicht außer acht ließ. Er
wünschte den Widerspruch nachträglich zu beseitigen. Leicht war
es nicht. Denn Heinrich von Würzburg war tief gekränkt: der
König hatte Mühe, ihn nur zu einer Verhandlung zu bewegen.
Doch fand et Unterstützung bei den mit seinem Gegner befreun-
deten Bischöfen. Vermutlich waren die Briefe Arnulfs von Halber-
stadt und Johanns von Aquileja^ mit Vorwissen des Königs ge-
schrieben. Forderte der Erstere sehr nachdrücklich, daß Bischof
Heinrich den Widerstand gegen den König aufgebe, so war des
Letzteren Glückwunsch zu der verdiensthchen Gründung des neuen
Bistums eine nicht minder verständliche Mahnung, das Gott ge-
fällige Werk nicht zu hindern. Heribert von Köln gelang es
schließlich, die Verständigung zwischen König und Bischof herbei-
zuführen'^. Dieser sprach in einer Urkunde vom 7. Mai 1008 die
im Jahre vorher zugesagten Abtretungen definitiv aus, wogegen
ihm Heinrich, wie es scheint, noch einige Zugeständnisse machte*.
Einige Jahre später wurde der Bamberger Sprengel im Süd-
osten bis an die Pegnitz erweitert, indem Gundachar von Eichstätt
den nördlich derselben gelegenen Teil des Nordgaues abtrat^.
Die Gründung Bambergs steht an Wichtigkeit für die all-
gemeine Geschichte der Errichtung der wendischen Bistümer durch
Otto d. Gr. nicht gleich. Aber als segensreich erwies sie sich
gleichwohl. Von Bamberg aus wurde, das forderte das Interesse
des Bistums selbst, die Arbeit unter den Wenden energischer be-
trieben, als vorher von den Würzburger Bischöfen. Infolgedessen
verlor das Land nach und nach seinen wendischen Charakter.
Das Heidentum hörte auf, die Bevölkerung wurde zugleich deutsch
Heinrichs IV. v. 1068, Stumpf 2717. Bei dieser Sachlage ist es, wie mich
dünkt, nahezu sicher, daß Bamberg Grafschaftsrechte nicht erhielt, sondern
mit Hilfe der päpstlichen Urkunde erschlich.
1 Frankf. Synode. ^ j]p_ ßamb. 2 S. 473; Cod. Udalr. 8 S. 30 f.
3 Thietm. VI, 32 S. 153; vgl. ep. Bamb. 2 S. 475.
* Dipl. III S. 207 a; über die Verunechtung dieser Urk. s. Breßlau zu
ders. Auch daß die alten und die bereits fälligen Zehnten- Würzburg
blieben, wird ein Zugeständnis des Königs sein.
5 Anon. Haser. 25 Scr. VII S. 260; Not. Eichst. Scr. VII S. 252, Urk.
Clemens' II. in Adalberti vita H. 16 S. 800. Auch diese Abtretung wurde
in Form eines Tausches vollzogen. Wodurch Eichstätt entschädigt wurde,
ist nicht bekannt.
— 428 —
und christlich. Wichtiger noch war, daß durch die Errichtung
des Bistums ein neuer Kulturraittelpunkt in Deutschland geschaffen
wurde. Die Aufgabe, welche Bamberg in dieser Hinsicht hatte,
ist von der Stiftung Heinrichs rühmhch gelöst worden: Bamberg
war bald berühmt als ein Sitz literarischer Kultur. Erleichtert
wurde dieser Erfolg dadurch, daß alsbald nach der Konstituierung
des Bistums sich zu dem Domstift zwei weitere Stiftungen gesellten:
auf dem dem Domberg südlich gegenüberliegenden Hügel wurde
das Kollegiatstift St. Stephan errichtet, auf der bedeutender an-
steigenden nördlichen Höhe gründete Bischof Eberhard das Bene-
diktinerkloster St. MichaeF.
Am bedeutendsten ist für , unseren Zusammenhang, daß die
Gründung Bambergs beweist, wie viel des Königs Wille in der
deutschen Kirche wiederum vermochte. Denn ausschließlich als
sein Werk wurde sie von den Zeitgenossen betrachtet- Indem'
Heinrich längst bestehende Verhältnisse änderte, erschien der König
wieder als Begent der Kirche. Doch ist der Unterschied den
früheren Verhältnissen gegenüber augenfällig. Weit mehr als
Otto I., geschweige denn Karl d. Gr., mußte Heinrich mit den
bestehenden Rechten rechnen: er- regierte, indem er die kon-
kurrierenden Gewalten bestimmte, sich seinem Willen zu fügen.
Die mannigfachste Einwirkung auf die Kirche ermöglichten
ihm die Synoden; man war längst an die Teilnahme des Königs
1 Adaibert erzählt vita Heinrici 6 vS. 794, daß Heinrich die beiden
Stifter gründete. In bezug auf St. Michael ist das sicher unrichtig. Durch
die Untersuchung Blochs über die Urkunden für das Michaelskloster (N.A.
XIX S. 605 ff.) ist die Echtheit von Dipl. III S. 468 Nr. 366 dargetan. Auf
Grund dessen ist Eberhard als der Stifter des Klosters zu betrachten. Ich
vermute, daß es bei St. Stephan ebenso ist. Das älteste Dokument, das
seinen Bestand nachweist, ist Dipl. III S. 244 Nr. 208 vom 29. Okt. 1009.
Heinrich schenkt dem Stift den Ort Ering im Rottgau. Dabei erscheint
Bischof Eberhard als der Besitzer des Stephanstifts: es ist deshalb vrahr-
scheinlich, daß er auch der Gründer ist. Die Stephanskirche wurde am
24. Apr. 1020 von Papst Benedikt geweiht, s. Adalb. vita Heinr. 26 S. 807.
Das Fundament zu dem Münster von St. Michael wurde 1015 gelegt, die
Weihe am 2. Nov. 1021 vollzogen, Ekkeh. ehr. z. d. J. Scr. VI S. 193 f.
Gegen diese Zahlen habe ich keine Bedenken, da bei der Dedikation Wochen-
und Monatstag stimmen. Die Nachricht der x^nnal. s. Bonif. z. 1017 Scr. III
S 118, wonach Rado 1017 Abt wurde, widerspricht nicht notwendig.
^ Das zeigen die Briefe der beiden Bischöfe, nicht minder das päpsti
liehe Privilegium; hier heißt es von Heinrich: Episcopatum in loco . .
Babenberk . . esse constituit. Der Papst bestätigt die Stiftung. Zu vgl.
ist auch cod. üdalr. 20 S. 40.
— 429 —
gewöhnt: besonders brauchte Heinrich nur fortzusetzen, was Otto III.
geübt hatte ^. Aber es ist doch unverkennbar, daß er der Teilnahme
des Königs wieder mehr realen Gehalt gab, als bisher. Denn er
begnügte sich nicht mit der Berufung und dem Ehren vorsitz; er
sprach zu den Versammelten, er verhandelte mit den Bischöfen,
gleich als wären sie ihm verantwortlich. Aus dem Bericht des
Metzer Mönchs Konstantin kann man entnehmen, welchen Ein-
druck es machte, als er auf seiner ersten Synode i. J. 1003 in
eindringKcher Rede die strengste Durchführung der kirchHchen
Disziplin forderte und den Bischöfen ihre Saumsal in der Erfüllung
ihrer Pflicht vorhielt^. Sie waren solches so wenig gewöhnt, daß
sie Heinrichs Energie sich nur erklären konnten, wenn er einen
politischen Hintergedanken hatte. In diesem Falle traf ihre Ver-
mutung zu. Aber Heinrichs späteres Verhalten lehrt, daß er doch
nur von einem Rechte Gebrauch machte, das er überall in An-
spruch nahm. Seine zweite Synode hielt Heinrich am 7. Juli 1005
in Dortmund. Auch hier war er der Leiter der Versammlung: er
beklagte in seiner Eröffnungsrede die mancherlei Mißstände, an
1 S. oben S. 260.
- Vita Adalberon. 15 ff. S. 663 f. Die Berufung durch Heinrich: Col-
loquium synodumquo conscivit. Die Zeit und der Ort der Synode sind nicht
sicher. Da Adalbero, der seit Mitte Mai 1005 schwer krank daniederlag,
an ihr teilnahm, so. muß sie vor dieser Zeit stattgefunden haben. Daß sie
nicht bei Gelegenheit des Huldigungszugs i. J. 1002, Thietm. V, 20 S. 118,
gehalten wurde, zeigen die Namen der Bischöfe. In der Zwischenzeit war
Heinrich zweimal im Westen des Reichs: zu Anfang des Jahres 1003 in
Lothringen, Thietm. V, 27 f. S. 122; vgl. Dipl. Nr. 34 ff., und im Sommer
1004 am Mittelrhein, Thietm. VI, 9 f. S. 138 f.; vgl. Dipl. Nr. 78 ff. v. 25. Juni
— 1. Juli 1004. Mag man den ersten oder den zweiten Termin annehmen,
so macht die Angabe Schwierigkeit, daß Walther von Speier gegenwärtig
war, vita Adalb. 18 S. 664; denn er trat sein Amt erst nach dem 10. Juli
1004 an (Todestag Ruopperts). Es scheint ein Irrtum Konstantins vorzu-
liegen; denn wie die fehlenden Namen bei Worms und Straßburg zeigen,
war die Überlieferung mangelhaft. Fand die Synode i. J. 1003 statt, dann
wahrscheinlich in Diedenhofen, wie Binterim, Deutsche Conc. III S. 389 f. u. a.
annehmen; fällt sie in' das Jahr 1004, dann war sicher Diedenhofen nicht
Ort der Versammlung; denn für dieses Jahr steht die Reise: Straßburg,
Mainz, Ostfranken, Sachsen fest; der Umweg über Lothringen ist ausge-
schlossen. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht nun, wie mich dünkt,
für 1004. Nach. Thietm. V, 27 S. 122 gehörte Herzog Dietrich von Ober-
lothringen in Diedenhofen 1003 zur Opposition; nach vita Adalb. 18 S. 664
dagegen stimmte er der Rede des Königs zu: beides schließt sich aus. Fällt
die Synode in das Jahr 1004, so fand sie vermutlich in Mainz statt. Dort
hat Heinrich am 1. Juli zwei Urkunden ausgestellt, Nr. 79 f.
— 430 —
denen die Kirche leide, unter dem Beirat der Bischöfe sollte Vor-
sorge dagegen getroffen werden. So entschieden wurde die Synode
als königliche Versammlung betrachtet, daß ein Beschluß über
das Fasten an den Vortagen der Feste als königliches Dekret ver-
öffenthcht wurdet Nicht anders war es auf Heinrichs dritter
Synode, die wahrscheinlich im Jahr 1006 wieder in Sachsen statt-
fand: auch ihre Beschlüsse wurden den Zeitgenossen als könighche
Befehle kund. Der König, erzählt Thietmar, verbot kraft kanonischer
und apostoUscher Autorität die unerlaubten Ehen sowie den Ver-
kauf von Christen an Heiden und ordnete die gewissenhafte Hand-
habung der Kirchenzucht an^. Es konnte nicht fehlen, daß die
Bedeutung der Synoden durch die Teilnahme des Königs erhöht
wurde: sie handelten als die oberste kirchliche Instanz, In dieser
Beziehung ist besonders die Bamberger Synode im Mai 1012 Avichtig;
hier wurde nicht nur an dem herrischen Bischof Gebhard von
Begensburg Disziplin geübt, sondern Heinrich forderte auch
Dietrich IL von Metz, mit dem er sich im Kampf befand, zur
Bechenschaft, da er unbegründete Klagen wider ihn in Rom erhobon
habe*^. Als der Bischof auch jetzt an seinem Widerstand fest-
1 Thietm. VI, l8 S. 143; C.I. I S. 58 Nr. 28; statt Thiederici Metensis
ist Mindensis zu lesen. Außerdem wurde ein Totenbund abgeschlossen.
Warum diese Beschlüsse Sachsen besonders betroffen haben sollen, Hirsch,
JB. I S. 361, ist nicht zu verstehen: fünf von den anwesenden 12 Bischöfen
waren ja nicht sächsisch.
2 Thietm, VI, 28 S. 150. Als Ort darf man vielleicht an Merseburg
denken; dort hat Heinrich am 25. Jan. und 2. März geürkundet, Nr. 106 f.
Hefeies Angabe, S. 663, der König habe die Ehen zwischen Christen und
Heiden verboten, beruht wohl nur auf einem Leseversehen. Die beiden
nächsten Synoden sind die zu Mainz und Frankfurt zum Zwecke der Er-
richtung Bambergs (s. o).
3 Thietm. VI, 60 S. 169. Über Gebhard s. Jannei-, G. d. B. v. Rgsb. I
S. 463 ff. Über Dietrichs eigenmächtiges Eindringen in das Bistum Metz
8. 0. S. 404f. Heinrich befand sich seit 1008 in offenem Streit mit ihm,
Herim. Aug. z. d. J. S. 119. Die Verhandlung in Bamberg ist ein Moment
in diesen Händeln. Die Synode fand nach der Weihe des Doms, 6. Mai,
statt. Nach Thietmar waren mehr als 30 Bischöfe Teilnehmer; nachweis-
lich sind Job. von Aquileja, Heribert v. Köln, Megingaud v. Trier, Erkan-
bald v. Mainz, Hartwig v. Salzburg, Tagino v. Magdeburg, der ungarische
Missionsbischof Ascheric (s. o. S. 271), Ep. Bamb. 3 S. 479 ff., Thietmar v.
Merseburg, Gebhard v, Regensburg, (Thietm.) u. Eberhard v. Bamberg. Die
Anwesenheit Dietrichs v. Metz ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen.
Heinrich belagerte ihn im Sommer 1012 in Metz, Thietm. VII, 14 S. 176.
Ann. Altah. S. 17.
— 431 —
hielt, ließ er auf einer Synode zu Koblenz am 10. Nov. d. J. von
neuem gegen ihn verhandeln und untersagte ihm das Lesen der
Messe, bis er sich gereinigt habe\ Auf der nächsten Synode zu
Nijmwegen am 16. März 1018 wurde über einen Disziplinarfall ge-
handelt, der die Bischöfe schon seit einiger Zeit beschäftigte und
im Verlauf zu einer gewissen Berühmtheit gelaugte, über die Ehe
des Grafen Otto von Hammerstein mit seiner Verwandten Irmgard.
Es wurde über beide die Exkommunikation verhängt^.
Es ist einleuchtend, daß Heinrich von der Voraussetzung aus-
ging, daß die Reichssynoden definitive Entscheidungen treffen. Er
verbot nicht, nach Born zu appellieren, aber er wollte auch nicht,
daß man dorthin appelliere. Man kam noch über diesen Punkt
hinaus: die S}Tiode zu Goslar im März 1019 schritt dazu fort, neue
Bechtsbestimmungen zu treffen, ohne daß dabei das allgemeine kirch-
hche Becht genau berücksichtigt wurde ^. Die Sache war diese: Die
Priesterehe war keine Ausnahme mehr und es war nicht selten, daß
unfireie Kleriker freie Frauen zur Ehe nahmen. Bischof Bernward
von Hildesheim warf nmi die Frage nach dem Bechtsstand dieser
Frauen und ihrer Kinder auf: sind sie frei oder unfrei? Unter
Beteiligung Heinrichs berieten die Bischöfe über diese Frage und
kamen zu dem einhelhgen Beschluß, daß sie unfrei seien*. Das
1 Thietm. VII, 27 S. 184; Ann. Quedl. z. 1012 S. 81; Annal. Saxo Scr.
VI S. 664. Über die Zahl der Teilnehmer wissen wir nichts. Die angef.
Stellen sprechen von einer großen Synode.
2 Thietm. IX, 7 S. 243; Alpert. de divers, temp. II, 16 S. 717; vgl. Ann.
Quedl. z. 1018 und Dipl. Nr. 385 f. Aus diesen Urkunden kann man die
Anwesenheit der EB. Poppo v. Trier u. Erkanbald v. Mainz, der B. Eber-
hard v. Bamberg, Adelbold v. Utrecht u. Gerhard von Kamerijk folgern.
'■^ Die Hildesheimer Annalen erwähnen eine Synode zu Goslar, die
eine Ehescheidung ausspricht, z. J. 1018. Das Jahr ist irrig; denn Heinrich
brachte nicht die Fastenzeit des Jahres 1018, sondern die des Jahres 1019
in Goslar zu, Ann. Quedl. z. 1019 S. 84, Dipl. Nr. 402 f. In dieses Jahr ist
also die Synode zu setzen. Sie ist auch vita Meinw. 164 S. 141 erwähnt.
Vgl. endlich die später aufgezeichnete Notiz, die irrig das Jahr 1025 an-
gibt, C.I. I S. 62 Nr. 31. Die Notitia und die beiden Urk. beweisen die
Anwesenheit von zwei EB. und elf B.
* S. die angef. Notiz. Löwenfeld, Leo von Vercelli S. 49, erklärt die
letzten Worte: Maxime cum in beneplacito universalis papae prospectum
vegetet sanctae ecclesiae, für einen Zusatz des Schreibers. Die Annahme
ist möglich; aber keineswegs sicher. Sind die Worte echt, so kann ich in
ihnen nicht, wie Breßlau bei Hirsch III S. 214, die Absicht finden, den
Beschluß dem Papst zur Zustimmung vorzulegen. Liest man nach Giese-
brechts Vorschlag profectum statt prospectum, so sagt der Schluß: Man
— 432 —
Auffällige dabei ist, daß die kirchliche Vorschrift, welche den Priestern
die Ehe versagt, bei der Beratung und dem Beschluß ganz außer
acht gelassen wurde ^; die ganze Frage war ja für die Zukunft
völlig beseitigt, sobald die Synode die strenge Durchführung des
Cölibats anordnete. Indem die Bischöfe dies unterließen und zu-
gleich Bestimmungen über das Recht der Priesterfrauen und -Kinder
trafen, ließen sie stillschweigend die Duldung der Priesterehe zu.
Dadurch aber verUeßen sie den Boden der gemeinkatholischen An-
schauung. Niemand wird annehmen, daß König Heinrich und der
deutsche Episkopat diese Konsequenz ihres Beschlusses beabsichtigten
oder auch nur erwogen. Aber um so bemerkenswerter ist derselbe.
Denn er zeigt mit großer Klarheit, wohin die Entwickelung der
deutschen Kirche führen konnte. Wurden ihre Verhältnisse nur
durch ihre eigenen Leiter geregelt, so war die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, daß sie mit Rücksicht auf die eigenen Zustände
sich der Herrschaft des allgemeinen kirchlichen Rechts entzog. Es
wäre die letzte Konsequenz der könighchen Macht über die Kirche
gewesen; damit aber würde der Gedanke der Nationalkirche mit
dem Gedanken der katholischen Kirche in Konflikt gekommen sein.
Auch den letzten Lebensjahren Heinrichs fehlten die Synoden
nichts Wenn man die Worte der Erzählei' so nimmt, wie sie
fügt hinzu, daß das gegenwärtige, von der Majestät des römischen Kaisers
bestätigte Dekret in der Zukunft nicht durch irgendwelche Rechtssatzung
aufgehoben werden dürfe, zumal da es nach dem Wohlgefallen des all-
gemeinen Papstes dem Vorteil der Kirche dient. Der Satz spricht die
Voraussetzung aus, daß man im Einverständnis mit dem Papst handele.
Das war hinsichtlich der Unfreiheit der Priestersöhne, wie die leges
Papienses zeigen, wirklich der Fall. Um so weiter entfernte man sich
freilich von der römischen Auffassung durch die tatsächliche Duldung der
Priesterehe.
1 Bernwards Frage lautete: Cum quilibet episcopus vel cuiusvis digni-
tatis quisquam proprietatis suae aliquem ad sacerdotalem provehens gradum
suae potestatis iuxta collibitum esse permiserit, insuperque sui iuris seu
alieni sibi aeclesiam clementi benignitate adquisierit, sed is succedentibus
prosperis altioris meriti elatione sese super verticem extulerit donumque
divinitus coUatum in turpe convertit emolumentum, adeo ut nobilitate
generis succensus, quandam in matrimonium usurpaverit liberam, eo tenore
ut prolem ex eadem derivatam quoquo modo abalienet servitio eius. cuius
ipse suberat dominio, quid potissimum exinde Concors illorum fieri decre-
visset assensio? Hier ist als Unrecht gedacht, nicht daß der Priester
heiratet, sondern daß er eine Freie zur Frau nimmt.
- Über die nächste Synode zu Bamberg 1020, die in Gegenwart des
Papstes stattfand, s. u. Kap. 3; ebenda übet die Synode zu Pavia i. J. 1022.
— 433 —
lauten, so blieb Heinrich sich darin gleich, daß er die kirchlichen
Angelegenheiten genau in derselben Weise behandelte, wie die
staatlichen. Es ist bezeichnend, daß er einmal 'Von dem Besuch der
Synoden durch die Bischöfe als ihm zu dienst geschehend sprach^.
Aber niemand nahm daran Anstoß; es erschien den Deutschen als
das Naturgemäße.
War hier die Einwirkung des Königs auf die kirchhchen An-
gelegenheiten durch ein kirchliches Organ vermittelt, so fehlte es
nicht an zahlreichen Fällen, in welchen j^ßhirich in rein kirchliche
Dinge direkt eingrifi'. Er fühlte sich als Hüter des kirchhchen
Glaubens wie der gottesdienstlichen Ordnungen. Als sich im
Jahre 1012 zum erstenmal Katharer in Deutschland zeigten, ist er
sofort gegen sie eingeschritten'^. Noch bezeichnender ist, daß er
Die große Synode, welche Heinrich IL nach seiner Rückkehr aus Italien
in den Rheinlanden hielt, und über die wir nur eine Notiz in den Ann.
Quedl. 7.. 1022 S, 88 haben, wird der Publikation der Beschlüsse von Pavia
gedient haben. Ist die Angabe genau, daß sich H. von der Synode weg
nach Grone begab, so fand sie wahrsckeinlich im Oktober 1022 statt. Eine
Mainzer Synode erwähnt Vita Meinw. 177 S. 146 f.: Aribo imperatorem
Mogontiam invitavit, übi et concilium generale coadunivit, in quo episco-
porum consilio plura quae deviaverant correxit; vgl. Vita II Godeh. 19
S. 206. In der letzteren Stelle erscheint der Kaiser als Veranstalter der
Synode: er lädt Godehard zur Teilnahme ein: et imperiali et pontificali
Yoeatione allegatus. Auch hier wurde über die Hammersteinsche Ehe ge-
handelt, s. u. Die Synode tagte am 2. Juni 1023. Im Juli folgte eine
Synode in Aachen, Gest. ep. Camer. 111,35 Scr. VII S. 479: Cum imperator
. . tarn de aecclesiastibus quam et de secularibus pertractaret, in ipsa
Interim aecclesia provincialis synodus ab episcopis celebrata est. Hier han-
delte es sich um den Streit zwischen Piligrim von Köln und Durand von
Lüttich über das Kloster ßurtscheid. Es wurde Lüttich zugesprochen.
1 Dipl. Nr. 280 mit Bezug auf die Synode zu Ravenna i. J. 1014: Qui
ad Ravennam in nostro servitio venerunt. Bei Hinschius, KR. II S. 560 f.
ist, wie mich dünkt, die rückläufige Bewegung, die infolge des Erstarkens
der Königsgewalt eintrat, nicht hinreichend zu ihrem Rechte gekommen.
Der Satz: „Der König hat nicht mehr den Vorsitz", ist nicht aufrecht zu
erhalten. Bei der Art, wie Heinrich auf den Synoden handelte, ist es un-
möglich, ihn nur als Ehrenvorsitzenden zu betrachten.
^ Ann. Quedl. S. 81: Expulsio Judeaorum facta est a rege in Moguntia;
sed et quonmdam haereticorum refutata est insania. Der Zusammenhang
der beiden Sätze legt die Annahme nahe, daß die Häretiker sich ebenfalls
in Mainz zeigten, daß ihre refutatio durch den König geschah, und daß sie
gewaltsam war. Über die Anschauungen, die als häretisch galten, fehlt
jede Andeutung. Doch macht die Erwähnung von Manichäem in den
Niederlanden, Frankreich und Italien in den nächsten Jahrzehnten wahr-
Hauck, Kiröhengeschichte. ni. 28
— 434 —
die Gleichheit der gottesdiensÜichen Formeln forderte, und daß
ihm dabei die deutschen Einrichtungen als maßgebend galten. Er
setzte bei Benedikt VIII. die Anordnung durch, daß, wie es in
Deutschland üblich Avar, auch in Rom das Credo in der Messe
gesungen werdet Wer erinnerte sich nicht an das Eintreten
Karls d. Gr. für das Recht des Fihoque? Es ist ähnlich, daß er
Gerhard von Cambrai zwar gestattete, sich in Rheims konsekrieren
zu lassen, daß er ihm aber das Formular mitgab, nach dem der
dortige Erzbischof die W^ihe vollziehen sollte^. Daß er die oberste
Aufsicht über die Handhabung der kirchlichen Disziphn und Ver-
mögensverwaltung zu üben hatte, erschien ihm, wie es scheint, als
selbstverständlich. Er hat in Verfolgung' des Synodalurteils von
Nijmwegen die Ehe Ottos von Hammerstein aufgelöst ^ Man weiß,
daß er in Prüm*, wahrscheinlich auch in Corvey^ die Herstellung
von Güterverzeichnissen, diese Grundlage einer geregelten Ver-
waltung, anordnete. Wie in Deutschland, so auch in Italien: als
er im Jahre 1014 zum zweitenmal nach Italien kam, ließ er durch
die Abte und Bischöfe Verzeichnisse . über die entfremdeten Kirchen-
scheinlich, daß es sich hier um ähnliche Anschauungen handelte, s. Fredericq,
Corp. docum. I S. 1 ff.; Adern. Histor. 111,59 Scr. IV S. 143 u. 69 S. 148;
Kud. Glab.-Hist. IV, 2 Scr. VII S. 68; Land. hist. Mediol. II, 27 Scr. VIII
S. 65 f.; Gest. ep. Leod. II, 62 Scr. VII S. 226.
1 Bern von Reichenau de quibusd. reb. ad miss. off. pertin. 2 Mign.
142 S. 1060 f. Vgl. unten Kap. 3.
2 Gest. pont. Catner. III, 2 Scr. VII S. 466. Heinrich wünschte, daß
Gerhard, um die Weihe zu erhalten, nach Bamberg komme. Der Bischof
hatte Bedenken, da die Rechte des Metropoliten, des EB. von Rheims, da-
durch verletzt würden. Heinrich gestattete daraufhin seine Konsekration
in Rheims; aber, so berichtet der Chronist weiter, largitus est ei librum,
consecrationes clericorum et ordinationem episcopi continentem, ut per
hunc videlicet consecratus haud fortasse quidem indisciplinatis moribus
Karlensium inregulariter ordinaretur.
^ Thietm. IX, 18 S. 250: Oddo comes in presentiam imperatoris et
Ercanbaldi archipresulis supplex veniens iniustam uxorem suam tribus sacra-
mentis amisit. Das geschah i. J. 1018 in Bürgel.
* MRh. ÜB. I S. 717: Anno dominice incarnationis M. III. regni autem
regis Serenissimi atque orthodoxi Heinrici I. ipso iubente recensite sunt res
prumiensis ecclesiao sub Vdone loci eiusdem abbati.
^ S. Hirsch III S. 11. Auch in St. Bavo in Gent wurde von dem Abt
Othelbold wahrscheinlich unter' Heinrichs Regierung ein Güterverzeichnis
aufgestellt; es waren der Abtei kaum 200 Höfe geblieben, Othelb. ep. ad
Otgivam Migne 141 S. 1337 ff.
— 435 —
guter aufnehmen^. Durch Widerspruch, den seine Anordnungen
fanden, heß er sich nicht beirren, auch wenn eine Einrede kirchen-
rechtiich wohl begründet war. Als er nach dem Tode Megingauds
von Trier Erkanbald von Mainz den Auftrag gab, den neuen Erz'
bischof Poppo zu weihen, legte Dietrich von Metz, wahrschein-
lich gestützt auf pseudo-isidorische Sätze, dagegen Protest ein^.
Aber vergebhch. Er drohte mit dem Bann. Gleichfalls umsonst:
Heinrich heß, wie er befohlen hatte, die Konsekration durch den
Mainzer Erzbischof vollziehen.
Alle diese Vorgänge zeigen, daß es mehr als eine abgegriffene
Formel war, wenn Heinrich sagte, er trage Sorge für die Kirche
Gottes ^ Er betrachtete das als einen Teil seiner Königspflicht,
Aber wie es zu geschehen pflegt: die Sorge für die Kirche setzte
sich in Herrschaft über die Kirche um. Denn det König sorgt,
indem er anordnet und leitet. Der Erfolg war, daß unter Hein-
richs Regierung der Einfluß des Königtums auf die deutsche Kirche
bedeutend an Gewicht gewann; er war größer als unter Otto I.*.
Man kann nicht sagen, daß Heinrich dadurch die Gedanken des
dritten Otto ausführte^. Denn an die Stelle jenes Traumbildes
eines geistlich-weltlichen Universalreichs trat die sehr reale Macht
über die deutsche Nationalkirche. Auf einem der Siegel Heinrichs
liest man die Worte Renovatio regni Francorum*. Es war gewiß
nicht beabsichtigt, daß sie an Ottos III. Renovatio reipublicae
EiOmanae erinnern sollten. Uns erinnern sie doch daran: sie
sprechen den Gegensatz der Richtung in der Politik der beiden
Herrscher aus. Man näherte sich in der Tat unter Heinrich dem
Zustande wieder, der im fränkischen Reich geherrscht hatte. Doch
möchte ich nicht von bewußtem Zurückgreifen auf das fränkische
Vorbild reden. Was eintrat, war die naturgemäße Folge der strikt
durchgeführten Abhängigkeit des Episkopats von der Krone. Jenes
geordnete Ineinandergreifen der geistlichen und weltlichen Ver-
^ Hugo Farf. Scr. XI S. 542: Imperator . . precepit cunctis abbatibus
et episcopis, ut scriberent res parditas suarum aecclesiarum, qualiter et
quando perdiderint vel a quibus detinerentur. Quod et ego feci.
- Vgl. die von Burchard Decr. I, 28 S. 556 exzerpierte Steile und den
ps. isid. Brief des Anicet an die Ga41ier (Hinschius S. 120). Thietmar, der
VIII, 26 S. 209 den Vorfall erzählt, erwähnt ausdrücklich, daß Dietrich von
Metz scripta vorgezeigt habe.
3 Dipl. Nr. 279: Si ecclesiarum Dei curam gerimus.
* Vgl. oben bes. S. 67. » Vgl. oben S. 259 f.
^ S. Foltz im N.A. III S. 44. Heinrich gebrauchte das Siegel in seiner
ersten Zeit, 1003—1007.
- ~ 28*
— 436 —
waltung, das Karl d. Gr. erstrebt und erreicht hatte, wurde nicht
wieder erzielt. Es war uneiTeichbar, da aus den Beamten Fürsten
geworden warcMi.
Die Frage ■ drängt sich auf, wie sich der deutsche Episkopat
und die deutsche Kirche dieser Entwickelmig gegenüber verhielten.
AVir haben bemerkt, daß der Klerus und die Vasallen der Stifter
gegen die Verkümmerung ihres Wahlrechts ankämpften. Sie fanden
dabei Billigung und Unterstützung bei einzelnen Bischöfen. Aber
dieser Widerspruch war wenig energisch, und vor allem: es lag
ihm kein kirchhches Prinzip, sondern der den Deutschen stets an-
haftende Partikularismus zugrunde. Die Opponenten stützten sich
nicht .auf die alte kirchliche Anschauung, daß nur der von Klerus
und Volk - freigewählte Bischof rechtmäßiger Bischof sei, sondern
sie vertraten den Anspruch des Kapitels und des Stiftsadels auf
Anteil an der Macht über das Bistum. Wenn die prinzipielle
Frage angeregt wm'de, ob der König das Recht habe, auch in der
Kirche zu gebieten, so erkannten die Männer, die im Namen der
Kirche sprachen, die bestehenden Verhältnisse durchaus als be-
rechtigt an. Höchst lehrreich ist hierfür der Brief Arnulfs von
Halberstadt an Heinrich von Würzburg ^. Arnulf forderte keines-
wegs unbedingten Gehorsam, aber Gehorsam überall da, wo er
nicht sittlich unmöglich sei. Sehr nachdrücklich erinnerte er, mn
diese Pflicht zu beweisen, an die apostolischen Aufforderungen zum
Gehorsam gegen die Obrigkeit. Es dünkte ihn unmöglich, daß
ein frondierender Bischof im Amte bleibe; da Heinrich sich ge-
weigert hatte, vor dem König zu erscheinen, fragte er: Wie kannst
du in seinem Reich ein Bistum innehaben, wenn du dich weigerst,
vor ihn zu kommen? Was werden die Richter sagen, wenn solches
im Gericht vorgetragen wird? Es ist dieselbe Anschauung, wenn
Brun von Querfurt Heinrich als den frommen und strengen Lenker
der Kirche bezeichnete^. Nur der Ausdruck ist verstärkt, wenn
Thietmar von ihm als dem Stellvertreter Gottes auf Erden sprach^.
Es erklärt sich aus dieser Anschauung, daß die Entscheidung des
Königs über kirchliche Kompetenzfragen angerufen wurde. In der
Zeit Heinrichs begann die Umbildung des bischöflichen Send-
gerichts in ein durch den Archidiakon abgehaltenes Gericht. Da-
bei fehlte es nicht an Schwierigkeiten und Bedenken; denn von
manchen Seiten wurde bestritten, daß die Diakonen die Bann-
gewalt hätten. Man sollte meinen, daß über diese Frage nur eine
1 Ep. Bamb. 2 S. 474 u. 476.
2 Brief an Heinrich, Giesebrecht II S. 667.
3 Thifitm. VI, 11 S. 140.
— 437 —
Synode hätte entscheiden können. Jedoch der Bamberger Diakon
Bebo wandte sich weder an eine Synode noch an seinen Bischof,
sondern an den König um Bescheid^.
Das Urteil ist berechtigt, daß die wachsende kirchhche Macht
des Königtums auf Seiten des deutschen Episkopats keinen Wider-
stand fand. An Widerspruch von Rom her aber war augenbUck-
lich nicht zu denken. So konnte es scheinen, als ob die Verhält-
nisse sich in der Richtung, in der sie sich seit Otto I. bewegten,
und die durch Heinrich II. sehr entschieden verstärkt war, für die
Dauer verfestigen würden. Doch stand ein Hindernis im Wege: das
kanonische Recht. Alles, was wir uns vergegenwärtigt haben: die
Abhängigkeit des Episkopats von dem König, seine Macht über
die Synoden, sein Eingreifen in die kirchliche Verwaltung, und
Jurisdiktion, war nach dem älteren Recht der Kirche unzulässig
Das beginnende elfte Jahrhundert aber stand nicht nur dem echten
Recht der Kircha gegenüber; unvergessen war in Deutschland die
pseudo-isidorische Sammlung- und niemand hegte den geringsten
Zweifel -daran, daß sie echtes kirchliches Recht enthalte. Sie aber
hatte die Kirche des neunten Jahrhunderts aus Verhältnissen be-
freien soUen, denen man sich jetzt wieder annäherte. Hier war der
Zwiespalt unverkennbar.
Die Frage ist, wie sich der deutsche Klerus und besonders
der deutsche Episkopat dem Gegensatz gegenüber verhielt, der
zwischen dem bestand, was in Deutschland als Recht geübi wurde,
und dem, was das geheiUgte Ansehen des Altertums als Recht der
Kirche forderte und behauptete. Die Antwort auf diese Frage
gibt die kirchenrechthche Sammlung des Bischofs Burchard von
Worms ^.
Burchard gehörte zu den Männern, denen es natürlich ist
alles, was sie angreifen, in methodischer Art zu betreiben. Seine
Gesinnung und Lebensanschauung scheint er an dem Vorbild des,
Erzbischofs Willigis von Mainz gebildet zu haben. In dessen
Dienst, bei der Einrichtung des Stifts St. Victor, sodann in der
Verwaltung der bischöf heben Kammer, bewährte er zuerst seine
praktische Tüchtigkeit. Otto III. hat ihm im Jahre 1000 das
Bistum Worms übertragen. Die Lösung der Aufgabe, die ihm
1 Ep. Bamb. 6 S. 485.
- Vgl. S. 34, 39, 262 f., 285; auch Bern von Reichenau zitiert Pseudo-
isidor, vgl. de offic. miss. 2 Mign. 142 S. 1059. Der Hauptbeweis liegt in
dem Dekret Burchards.
3 Über ß.s Leben berichtet die vita B. Scr. IV S. 830 ff. V Grosch,
Burchard I. 1890 u. Nitzsch, Ministerialität u. Bürgerthum S. 12. iL
— 438 —
dadurch zufiel, war sehr schwierig; aber er wußte sie in vorzüg-
hcher Weise zu bewältigen. Als er sein Amt antrat, war die
Stadt in Gefahr, ihren städtischen Charakter zu verlieren: die
Mauern waren zerfallen, man konnte zwischen den Hofstätten Eudel
hungriger Wölfe ihr Wesen treiben sehen. Was Wunder, daß
die Bürger anfingen, ihre Wohnung auf ihren Gütern zu nehmen.
Hier griff Burchard ein; wenn der alte Römerort als Stadt erhalten
bheb, so verdankt er es seinem Bischof Er hat die Mauer er-
neuert. Noch wichtiger war, daß er das feste Haus des Herzogs
Otto erwarb und abbrach. Dadurch befestigte er die bischöfliche
Macht in der Stadt; sie hatte nun keinen Nebenbuhler mehr. Durch
beides gelang es ihm, sichere und friedhche Zustände herbeizuführen.
Es ist charakteristisch für das dem Landesfürstentum zustrebende
Bischofsamt, daß er aus den Steinen des abgebrochenen Herzogs-
hofs das Paulskloster errichtete und auf die neue Münsterkirche die
Inschrift setzte: Ob libertatem civitatis. Den Erfolg, der darin lag,
daß nun der Bischof der einzige Herr in der Stadt war, wußte er
dadurch noch zu erhöhen, daß er sich die Gerichtsgewalt über die
Leute des Bistums versichern ließ ^. Es lag ihm am Herzen, Eechts-
unsicherheit und Rechtsungleichheit zu beseitigen, das zeigt sein be-
rühmtes Hofirecht, dieses erste Denkmal der Territorialgesetzgebung
in Deutschland: es sollte die Schwachen schützen, dasselbe Recht
sollte für reicli und arm gelten^. Die Frucht dieser Maßregeln
blieb nicht ^aus: die Einwohnerzahl der Stadt nahm zu, die Wohl-
habenheit im Bistum wuchs ^. Es ist wie der Beleg für dieses
Aufblühen, daß Burchard den Neubau des Doms unternahm. Das
1 Dipl. III S. 399 Nr. 319.
- C.I. I S. 639 ff. Nr. 438, Prolog: Ego B. . . propter assiduas lamen-
tationes miserorum et crebras insidias multorum, qui more canino familiam
s. Petri dilacerabant, diversas leges eis imponentes et infirmiores quosque
suis iudiciis opprimentes . . has iussi scribere leges, ne aliquis advocatus
seu vicedominus aut ministerialis sive inter eos alia aliqua loquax persona
supradicte familie novi aliquid subinferre posset sed una eademque lex
diviti et pauperi ante oculos prenotata omnibus esset communis. Der privat-
und strafrechtliche Inhalt des Hofrechts im einzelnen berührt uns hier
nicht; vgl. Gengier, Das Hofrecht des B. Burch. v. W. 1859.
" Vgl. das wahrscheinlich von dem magister scholarum Heriniann von
Worms T^m 1150 geschriebene Vorwort zum Hofrecht, ÜB. der Stadt Worms I
S. 39: Licet plures precesserint eum viri mere sanctitatis in sede Worma-
tiensi, respectu eius plantationis et superedificationis ecclesia ista tarn in
spiritualibus quam' in temporalibus erat quasi informis. Hoc testatur clerus
et populus paterna dilectione educatus, hoc civitas adornata et adaucta,
hoc universus episcopatus rebus et largis possessionibus ditatus.
- 439 —
von ihm im Jahre 1016 geweihte Münster mußte später einem
prächtigeren Bau weichen ; aber wenigstens in den Raumdispositionen
wird die Kirche, die man jetzt noch bewundert, dem Burchardischen
Bau entsprechen.
ßechtsunsicherheit nahm Burchard-"^ aber auch im kirchlichen
Leben wahr. Er machte die Bemerkung, daß es mit der Kenntnis
des kanonischen Rechts in seiner Diözese außerordentUch übel be-
stellt sei^. Die Bedenken darüber legten ihm den Gedanken nahe,
durch Herstellung einer umfassenden kirchlichen Kechtssammlung
Abhilfe zu schaffen. Er selbst hat daran gearbeitet: man zeigte
das Haus, das er sich in einem Tannenwald bei Worms erbauen
ließ, um dort ungestört sich der Arbeit widmen zu können. Eine
Reihe Gelehrter unterstützte ihn, unter den Wormsern der Propst
ßrunicho, dann sein bischöflicher Nachbar Walther von Speier,
endhch der Abt Olbert von Gembloux^, einer der gelehrtesten
Männer dieser Zeit: er hatte in Paris, Troyes und Chartres studiert.
Das Resultat der ohne Zweifel jahrelang dauernden Arbeit war
eine Sammlung kirchlicher Rechtssätze, die das Gesamtgebiet der
kirchhchen Ordnuns^ und DiszipHn umspannte. Die Quellen, aus
denen die Bearbeiter schöpften, waren zum großen Teil ältere
Rechtssammlungen : die Dionysio-Hadriana. Pseudoisidor, die Kapitel
Angilrams, Benedikt Levita, die collectio Anselmo dedicata, Reginos
Buch de causis synodalibus. Außerdem fränkische und deutsche
Konzilienbeschlüsse, Kapitularien, Papstbriefe. Schriften der Kirchen-
väter und eine Anzahl Pönitentiaha. Bemerkenswert ist nun, daß
Burchard und seine Genossen nicht einfach exzerpierten; vielmehr
unterzogen sie in nicht unerhebhchem Maße die von ihnen ausge-
wählten Stellen einer Bearbeitung. Ihre Absicht war, die älteren
^ Ich benütze von Burehards Dekret den Abdruck bei Migne 140
S. 537 ff. Die Literatur ist in meiner Abhandlung über den Hb. decr. Bur-
ehards von Worms in den SB. der sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1894 S. 65 ff.
angeführt. Der dort ausgesprochene Zweifel, ob die Inscriptionen ursprüng-
lich sind, wird durch die Bamberger Handschrift, die ich eingesehen habe,
verstärkt, da sie auch hier nicht von derselben Hand wie der Text ge-
schrieben sind.
2 Vgl. die längere Vorrede S. 499 : Canonum iura et iudicia poenitentium
in nostra dioecesi sie sunt confusa atque diversa et inculta ac sie ex toto
neglecta et inter se valde discrepantia et pene nullius auctoritate suffulta,
ut propter dissonantiam vix a sciolis possint discerni. Unde fit plerumque,
ut confugientibus ad remediam poenitentiae tarn pro librorum confusione
quam etiam presbyterorum ignorantia nullatenus valeat subveniri.
3 Walther und Brunicho sind vita 10 S. 887 genannt, Olbert bei
Sigibert de script. eccles. 142 S. 579.
— 440 —
Bestimmungen den Yerhältnissen der Gegenwart anzupassen^.
Und was erscheint nun als gegenwärtiges Recht? Auf der einen
Seite erkannte Burchard uneingeschränkt die könighchen Rechte in
der Kirche an. Nicht nur forderte er ganz allgemein Gehorsam
gegen die königliche Macht unter Bedrohung der Ungehorsamen
mit dem Banne ^, sondern er sprach auch bestimmt aus, daß die
königliche Gewalt sich auf die kirchlichen Verhältnisse erstrecke.
Die ganze Stellung, die Heinrich in der Kirche einnahm, wurde
durch Sätze wie die folgenden gedeckt und gerechtfertigt: Die welt-
Hchen Fürsten haben mitunter in der Kirche die oberste Gewalt,
damit sie dadurch die kirchhche Disziplin schützen. Das ist not-
wendig, damit die Obrigkeit das, was der Priester dui'ch seine Be-
lehrung nicht zu bewirken vermag, durch die Furcht vor der Strafe
erzwinge. Oft gedeiht das Himmelreich durch das welthche König-
tum^. Demgemäß betrachtete Burchard die Bischöfe als die Diener,
des Königs*; er hielt es fiir recht, daß der König Synoden beinift^,
daß er an der Beschlußfassung Anteil nimmt'', daß er die Beschlüsse
bekannt macht'. Selbst solche Stellen nahm er auf, welche dem
König Recht und Pflicht zuschreiben, ungetreue Priester zur Rechen-
schaft zu ziehen^. Er erkannte die Appellation an den König in
kirchlichen Angelegenheiten als zulässig an^, hatte kein Bedenken
dagegen, daß das könighche Gericht als höhere Instanz nach der
Synode entscheidet^*', daß die kirchhche Gutsverwaltung der fürst-
lichen Aufsicht untersteht ^^, daß selbst rein kirchliche Handlungen
wie die Translation von Reliquien der königlichen Genehmigung
bedürfen ^^
Man kann sich nicht darüber wundern, daß solche Stellen
sich in dem Dekret Burchards finden;, denn sie entsprachen den
Rechtsgewohnheiten, die ihm als deutschem Bischof vertraut waren,
denen gemäß er und seine Amtsgenossen jahraus jahi'ein handelten.
Weit bezeichnender ist, was seine Sammlung über das Papsttum
enthält; denn hier entsprach die Wirkhchkeit der Theorie mitnichten.
Burchard und seine Mitarbeiter konnten nicht daran denken, die
herrschenden Anschauungen über die päpstliche Würde aufzugeben.
Ihr Werk beginnt demgemäß mit zwei pseudo-isidorischen Stellen,
welche die Erhabenheit des Petrus über die anderen Apostel aus-
^ S. den Nachweis in der angeführten Abhandlung.
2 XV, 22 f. S. 900. » XV, 43 S. 907 f. * XV, 29 S. 902.
5 XV, 20 S. 900. « XI, 77 S. 874. ' III, 172 S. 707.
» XV, 19 S. 899. « VIII, 3 S. 792. lo VIII, 57 S. 804.
11 ni, 172 S. 707. 12 III, 232 S. 723.
— 441 —
sprechend Aber wie dürftig ist dann doch die Vorstellung, die
man aus ihm über die Tätigkeit des Papstes in der Kirche ge-
winnt! Von Regierung der Erche ist nicht die Rede; die Be-
deutung des Papsttums beschränkt sich vielmehr darauf, daß es die
höchste Instanz in der Kirche ist: der Papst als der Nachfolger
des Petrus entscheidet über die causae maiores^, besonders ist er
der letzte Richter über die Bischöfe'^, Er beruft die General-
konzilien*, kann von niemand gerichtet, wohl aber durch den welt-
lichen HeiTscher genötigt werden, sich von etwaigen Anklagen zu
reinigend Das Recht, gegen päpstliche Entscheidungen zu remon-
strieren, wird den Bischöfen gewahrt**. Wenn man sich vergegen-
wärtigt, daß Pseudoisidor eine Hauptquelle Burchards war, und daß
er die Briefe Nikolaus' I. kannte, so ist die geringe Bedeutung,
die die päpstHche Tätigkeit bei ihm im Vergleich mit seinen Quellen
hat, sehr auffällig; sie ist aber erklärlich, wenn Burchards Absicht
war, den tatsächhchen Rechtszustand zu erheben. Denn so gering,
wie sie in seinem Werk erscheint, war wirklich die Bedeutung des
Papsttimis geworden.
Doch ist Burchards Dekret, wenn man nur diese Seiten her-
vorhebt, nicht yollständig charakterisiert. Die Quellen, die er
exzerpierte, setzten zum Teil andere Verhältnisse voraus, als in
Deutschland bestanden, zum Teil waren sie in bewußtem Gegen-
satz gegen dieselben gefälscht. Es war unvermeidhch, . daß sich
das bemerkUch machte. In der Tat erscheint die Kirche in
Burchards Sammlung viel mehr wie eine selbständige Korporation,
als sie es in Deutschland tatsächhch war. Das zeigt sich z. B. in
dem, was Burchard über die Bischofswahl sagte. Er wiederholte
die alten Vorschriften über die Wahl des Bischöfe durch Klerus
und Volk und seine Konsekration durch den Metropohten und die
Komprovinzialen ^. Die Verwahrung dagegen, daß einer Gemeinde
ein Bischof Avider ihren Willen aufgedrängt werde, fehlt nicht. Da-
gegen läßt sich aus dem Dekret nicht ersehen, daß in Deutschland
der König bei der Bestellung der Bischöfe regelmäßig mitwirkte.
Burchard unterließ es, Stellen zu sammeln, welche die Mitwirkung
des Königs ausschlössen ; aber er suchte auch solche nicht, die sie
anerkannten. Noch eigentümlicher ist, wie er hinsichtUch des
Gerichts über die Bischöfe verfuhr. Jenen Stellen, in denen die
1 Ep. 2 Anacl. XXIV S. 79. Ep. 1 Melch. III S. 243.
2 1, 1 f. S. 549 f.
* 1, 144 S 591; I, 175f. S. 600 f.; 1, 192 S. 606.
* I, 42 S. 561. 5 1, 198 S. 609. « I, 220 S. 613.
M,6ff. S. 551 ff.
— 442 —
oberste Disziplinargewalt des Königs anerkannt ist, treten andere
an die Seite, in denen das Urteil über die Bischöfe ausschließlich
dem geistlichen Gericht vorbehalten wird^.
Mit einem Wort: das Dekret Burchards bietet keine einheit-
liche Rechtsanschauung. Gerade darin aber ist es ein treuer
Spiegel der tatsächlichen Verhältnisse. Der Zustand der deutschen
Kirche befand sich in der Tat in Widerspruch mit dem kanonischen
Recht, das die deutsche Kjrche doch als unverbrüchliches Gesetz
anerkannte'"^. Burchard und seine Mitarbeiter sind sich dieses
Zwiespalts schwerhch bewußt geworden. Aber mußte nicht ein
Zeitpunkt eintreten, in dem er den Männern der Kirche zum Be-
wußtsein kam?
Unter Heinrich II. schien er ferne zu liegen; fester als lange
vorher stand die Macht des Königs in der deutschen Kirche. Das
war der Erfolg von' Heinrichs ruhiger Politik. Otto III. hatte, wie
ein Kind, das nach dem Entfernten greift, eine universale Stellung
erstrebt. Heinrich hielt sich stets an den einzelnen Fall. Aber
indem er in vielen einzelnen Fällen seinen Willen zur Geltung
brachte, wuchs seine Macht überhaupt. Denn nur die Ereignisse
sind vereinzelt, ihre Wirkung fließt zusammen. Die Macht, die
Heinrich zufiel, benützte er, um reformierend in die Verhältnisse
einzugreifen. Das zeigt seine Stellung zum Mönchtum. Wir wenden
uns zur Betrachtung dieser Entwickelung.
1 1, 132 ff. S. 588 ff. ■' XV, 6-10 S. 896.
Zweites Kapitel.
Erstarken des Mönchtums.
Man braucht Heinrich IT. nicht gegen den Verdacht zu ver-
wahren, daß er ein Gegner des mönchischen Instituts gewesen sei.
So gewiß es ist, daß nur die Legende ihm den Gedanken zu-
geschrieben hat, selbst Mönch zu werden, so sicher ist es doch,
daß er nie einen Zweifel an der Berechtigung und an der Er-
habenheit des Mönchtums hatte. Gerade in dieser Hinsicht stand
er in seiner Zeit, nicht über seiner Zeit. Man könnte fast sagen:
die Mönche waren ihm persönlich notwendig; er kannte keine
besseren Helfer, als die Männer, die durch ihre Gebete bei Tag
und Nacht Gott zu dienen verpflichtet waren ^; er war überzeugt,
daß durch ihre Bitten sich das Glück in ^eit und Ewigkeit mehrt".
Wenn in einer seiner ersten Urkunden ausgesprochen ist, es gehöre
zu den Pflichten des Herrschers, daß er die Gott und seinen
Heiligen geweihten Klöster beschirme^, so entsprach die oft ge-
brauchte Formel seiner Gesinnung.
War es aber für das Mönchtum notwendig, ' war es für das-
selbe heilsam, daß die Abteien zu Fürstentümern wurden, gleich
den Bistümern? Die alten königlichen Klöster waren auf dem
besten Weg dazu: sie wetteiferten mit den Kathedralkirchen, sowohl
was die Ausdehnung des Grundbesitzes, als was die Zahl der
dienstpflichtigen Mannen betrifft. Als Kaiser Otto IL im Jahr 981
einen Teil der Großen zum italienischen Krieg entbot, rückten die
1 Urk. für Paderborn v. J. 1014 Dipl. Nr. 307.
*2 Urk. für St. Florin zu Koblenz v. J. 1016 Dipl. Nr. 352.
3 Urk. für St. Reuiigius zu Rheims v. 9. Sept. 1002 Dipl. Nr. 16 u. ö.
— 444 —
Abte mit so ansehnlichen Scharen aus, daß sie manchen Bischof
in Schatten stellten. Der Abt von "Weißenburg führte mehr als
doppelt so viel Mannschaft als sein Diözesanbischof in Speier, die
Scharen der drei Konstanzer Abte von Reichenau, St. Gallen und
Kempten übertrafen die bischöfliche Truppe um das dreifache, das
reiche Würzburg stellte doch nm- die gleiche ZaÖl von Gepanzerten
wie Fulda, und selbst Mainz kam den beiden in seinem Sprengel
gelegenen Stiftern Lorsch und Hersfeld nur um ein Unbedeutendes
voran ^. Nicht minder wichtig war, daß die Klöster den Bischöfen
in dem Bestreben nacheiferten, überall da, wo sie Grundherren
waren, die mannigfachsten Herrschaftsrechte zu erwerben. Die
Zahl der Münz- und Zollstätten, sowie der Märkte auf Kloster-
besitz war zwar kleiner als in den bischöflichen Territorien, doch
immerhin bedeutend genug '^ Auch darin war kein Unterschied,
daß die Klostervögte, ebenso wie die Advokaten des Bischofs,
richterliche Gewalt ausübten ^. Das Kloster Fulda stand den Bis-
tümern selbst insofern gleich, als es einige Grafschaften besaß*.
1 Vgl. oben S. 32 Anm. 2.
.- Von den großen königlichen Abteien erhielt Fulda das Münz-,
Markt- und Zollrecht daselbst i. J. 1019 durch Heinrich IL, Dipl. HI S. 528
Nr. 413, Reichenau das Markt- und Münzrecht in Aliensbach durch Otto III.,
s. die Urk. des A. Eggehard, Reg. Bad. S. 111 Nr. 60. Hersfelder Münzen
wurden im 11. Jahrhundert (Dannenberg, Die deutschen Münzen S. 333),
Weißenburger Denare im 13. Jahrh. geschlagen (s. Tradit. Wizenb. S. 328);
wann diese Klöster das Recht erhielten, weiß ich nicht. Lorsch erhielt 9,56
das Marktrecht in Bensheim, 965. in Wiesloch, Dipl. I S. 258 Nr. 177 u.
S, 399 Nr. 283, 995 zu Stein am Rhein, 1000 zu Weinheim, Dipl. II S. 578
Nr. 166 u. S. 799 Nr. 372, 1008 in Oppenheim, III S. 222 Nr. 187, 1000 die
Münze zu Brumpt, II S. 798 Nr. 371. Corvey erhielt 945 u. 946 Münze, Zoll
und Markt in Meppen, I S. 152 Nr. 73; S. 157 Nr. 77. St. Gallen 947 Markt-
und Münzrecht in Rorschach, I S. 172 Nr. 90. Altaich 1009 Markt und
Zoll in Hengersberg, IH S. 232 Nr. 198. Werden 974 Markt und Münze in
Lüdinghausen und Werden, II S. 103 Nr. 88. Kornelimünster 985 Markt
und Münze, II S. 416 Nr. 18; Herford hatte Markt, Zoll und Münze zu Oden-
hausen seit der Karolingerzeit, I S. 583 Nr. 430; ebenso Prün seit 861 das
Münzrecht in Romersheim, B.M. 1260; Münzen «ind nicht bekannt, s.
Dannenberg, Die d. Münzen S. 197 f St. Maximin erhielt 996 Markt und
Münze in Wasserbillich, H S. 793 Nr. 364, Echternacfa 992 das Münzrecht
in Echtemach, II S. 499 Nr. 89. Stablo erhielt das Münzrecht erst 1152.
Die vorher dort und in Malmedy geprägten Münzen waren kaiserlich oder
bischöflich, vgl. Dannenberg S. 134 f.
^ Folgt, aus der Immunität des Klosterbesitzes.
* Fulda erhielt 1024 von Heinrich IL die Grafschaft Stoddenstadt im
Maingau, Dipl. III S. 651 Nr. 509; im nächsten Jahr von Konrad IL die
— 445 —
Der Gestaltung des Klosterguts zu einem Fürstentum stand indes
ursprünglich in der Verfassung der Klöster ein nicht unbedeutendes
Hindernis im Wege. Denn der Abt war nicht in demselben Sinn
Leiter des Klosters, wie der Bischof Leiter der Diözese; er war
an Beirat und Zustimmung der Kongregation gebunden; das
Klostergut war nicht minder in ihrem, wie in seinem Besitz ^. Allein
im Beginn des elften Jahrhunderts war dieses Hindernis in den
meisten Fällen bereits beseitigt: Abt und Konvent hatten ihre
Kompetenz abgegrenzt, Abtsgut und Pfriindegut waren getrennt'^.
Der Anfang dieser Entwickelung reicht weit zurück. Schon die
Kegel trennte den Tisch des Abts von dem der Brüder; die Ver-
sorgung der iremden Gäste, die an jenem gespeist wurden, hätte
die Durchführung der klösterlichen Ordnung gestört. Das führte
in der Karohngerzeit dazu, daß man die Abtswohnung und das
Fremdenhaus mit den nötigen AVirtschaftsgebäuden von dem. eigent-
lichen Kloster sonderte. Die Folge war die Zuweisung eigener
Einkünfte für den Haushalt der Brüder ^ Entsprach sie einerseits
der Gewohnheit, bestimmte Einkünfte für bestimmte Zwecke fest-
zulegen, so erwies sie andererseits sich als notwendig um der Brüder
willen. Sie mußten vor Vernachlässigung gewahrt werden; es kam
schon im neunten Jahrhmidert vor, daß, um Zwistigkeiten zu ver-
meiden, die Teilung der Klostereinkünfte zwischen dem Abt und
den Mönchen von Staatswegen vorgenommen wurde *. Nicht selten
bestimmten auch die Stifter den Ertrag der Güter, die sie einem
Kloster übergaben, ausdrücklich für den Gebrauch der Brüder ^
Seitdem die Könige begannen, Klöster an Laienäbte zu vergeben'',
war die Ausscheidung des ftir die Erhaltung der Kongregation
C4rafschaft Nederne im Rheingau, Stumpf 1876. Auch das Nonnenkl. Ganders-
heim war seit 1020 im Besitz einer Grafschaft, Dipl. III S. 566 Nr. 444.
^ Reg. 8. Bened. 3 u. 33.
2 Vgl. Matthäi, Die Klosterpolitik Heinrichs II. S. 14 £P.
3 Eine anschauliche Voi'stellung dieser Verhältnisse aus einer etwas
jüngeren Zeit gewähren die Reichenauer Fälschungen, s. K. Brandi, Die
Reich. Urkundenfälsch. S. 79 ff.
* Unter Ludwig d. Fr. geschah das mit den Einkünften von Flavigny,
B.M. 1042.
5 Nicht alle der von Matthäi gesammelten Belege scheinen mir be-
weisend; doch ist an der Sache kein Zweifel. Die Bestimmung für die
Brüder ist übrigens zunächst nur eine Art der bekannten Festlegung einer
bestimmten Einnahme für einen bestimmten Zweck; sie entspricht der Be-
stimmung gewisser Einkünfte ad luminaria u. dgl.
® Matthäi hat diesen Punkt außer acht gelassen.
— 446 —
notwendigen Teils des Klosterguts vom Besitz überhaupt nicht mehr
zu umgehen^. Demi die Absicht bei solchen Maßregeln war nie-
mals, die geistliche Genossenschaft einfach aufeuheben; wenn sie
aber fortbestehen sollte, so mußte mindestens das für ihren Unter-
halt Notwendige ihr gesichert werden: der Überschuß stand zur
Verfügung des Laienabts. Demgemäß wurde im neunten Jahr-
hundert in St. Maximin verfahren^; das Gleiche geschah ohne
Zweifel in zahlreichen anderen Fällen ^. Im zehnten Jahrhundert
war die Trennung der Einkünfte so allgemein, daß es Erstaunen
erregte, daß sie in St. Gallen noch nicht vollzogen war*. Das
Recht des Abts auf die Verwaltung 'des gesamten Klosterguts sollte
dadurch nicht geschmälert werden; doch lag es in der Natur der
Sache, daß der Teilung des Ertrags die Teilung des Besitzes folgte.
Man sprach nun von Gütern, die von Rechts wegen zur Präbende .
der Brüder gehörten^. Es war nur eine Konsequenz, daß für
1 Die Scheidung ist in Frankreich bedeutend früher als in Deutsch-
land durchgeführt; vgl. B.M. Nr. 182 und s. Matthäi S. 25.
- Mirac. s. Maxim. 11 Scr. IV S. 231: Post Megingaudum potestatibus
et usibus huius regni ducuni haec abbatia subiacuit, his tantum exceptis,
quae fratrum sustentationi dudum sequestrata fuerant. Diese Ausscheidung
war unter König Arnulf schon vollzogen, s. B.M. 1835: lubemus ut ipsi
fratres prelibata loca cum omnibus pertinentiis sub eorum cura teneant . .
et nee nobis nee illi qui hanc abbatiam tenuerit aliquod servitium impen-
dant; vgl. die Urk. Karls d. E., MRh. ÜB. I S. 219 Nr. 156: Ex illis, quae
victui eorum deputatae erant, de quibus quoque illis Arnulfus rex precep-
tum largitus est. Er selbst bestätigt hec loca illis ad suam peculiaritatem
perpetualiter habenda, ut ex eis victum atque habitum consequantur." Vgl.
über beide Urk. Breßlau, Westd. Z. V S. 31 f.
ä Weitere Beispiele sind Murbach, wo Konrad I. 913 den Brüdern res
. . ad praebendam et nutrimentum eorum pertinentes bestätigt, Dipl. I S. 16
Nr. 17; darf man Liutfred für einen Laienabt halten, so fand die Teilung
wohl im 9. Jahrh. infolge der Ernennung eines solchen statt. Sodann
Prüm, wo Arnulf die Rechte der Mönche in ceteris ad ipsius loci luminaria
fratrumque stipendia collatis universis, bestätigt B.M. 1814. Femer Öhren.
Das Kl. war königlich (B.M. 1907 ist eine Fälschung des 10. Jahrh. 's, s.
Dopsch, N.A. XXV S. 330 ff'.). Zwentibold hatte es sich 897 reserviert, Regln.
S. 144; ein großer Teil der Güter wurde als Lehn vergeben; Otto I. bestätigte 953
den Nonnen partem abbatiae, quam modo possidere videntur, Dipl. I S. 249
Nr. 168; 966 wurde das Kl. bischöflich, I S. 436 Nr. 322; vgl. II S. 797 Nr. 368.
^ Ekkeh. Gas. s. Galli 102 f. S. 365 f. Die Trennung muß bald darauf
erfolgt sein ; denn dem Abt Gerhard (990 ff.) wurde es zum Vorwurf ge-
macht, daß er verschiedene Güter, über welche zu verfügen den Brüdern
zustand, zu Lehn gab, cont. II, 3 Scr. II S. 154, vgl. auch c. 6 S. 155.
5 Urk. Ottos IL für St. Maximin Dipl. II S. 67 Nr. 67: Quasdam pro-
— 447 —
sie eine eigene, vom Abt unabhängige Verwaltung eingerichtet
wurdet
Der Zweck dieser Einrichtung war die Sicherung des Bestands
der Kongregation. Ihre Folge jedoch traf fast mehr die Stellung
des Abts: er stand jetzt kaum noch innerhalb der Kongregation;
er stand neben ihr. Das war so entschieden der Fall, daß ein
weltlich gesinnter Abt auf den Gedanken kommen konnte, das
gemeinsame Leben für seine Person auch äußerlich aufzugeben und
seinen Sitz aus dem Kloster zu verlegen. Bernhar von Hersfeld
hat das versucht. Er erbaute unweit des Mutterkl^^sters auf dem
rechten Ufer der Fulda ein Münster zu Ehren des Apostels Petrus,
und verlegte im Jahr 1003 seine Residenz dorthin. Auf dem
Petersberg ging ^es nun zu wie an einem Fürstenhof: die Verwandten
des Abts und die Lehensleute des Klosters gingen aus und ein"-.
Denn infolge jener Teilung der Klostergüter schienen die Vasallen
nicht mehr der Kongregation, sondern nur dem Abt verpflichtet zu
sein: er stand zu ihnen genau wie der Bischof zu seinen Vasallen.
Die Männer, welche die Brüderschaften der "Weltentsagenden
leiteten, waren von den Fürsten des Reichs kaum mehr zu unter-
scheiden.
Wer möchte sich wundem, daß man auf den Widerspruch,
der darin lag, aufinerksam wurde? Wir finden ihn schon in einer
Urkunde aus der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts hervor-
gehoben. Man liest dort folgende Reflexionen: Besitzt der Abt
den gesamten Grundbesitz der Abtei, dann ist er genötigt, Reisige
zu halten und mit ihnen ins Feld zu ziehen. Besitzt er dagegen
nichts als das Tafelgut der Mönche, so ist seine einzige Pflicht,
den Brüdern zu dienen und für die Frömmigkeit Sorge zu tragen^.
Diese Erwägungen wurden nicht ohne eine bestimmte Absicht aus-
gesprochen; sie sollten die unvollständige Rückgabe der Kloster-
güter an Gorze rechtfertigen. Aber sie waren zu treffend, als daß
prietates . . iure quidem prebendarias, sed multis retro temporibus iniuste
beneficiarias.
^ Für St. Maximin bestimmte das König Arnulf in der oben S. 446
Anm. 2 angeführten Urkunde, wiederholt von Karl d. E.: Potestatem teneant
super ipsas res suum prepositum specialiter constituere. In einer Urkunde
Heinrichs IL v. 1024 ist von den camerariis der Abte von Fulda und Hers-
feld die Rede, Dipl. III S. 648 Nr. 507, vgl. Gest. abb. Trud. I, 5 Scr. X
S. 232. Hier ist die Trennung der Güterverwaltung vorausgesetzt.
2 Vita n Godeh. 7 S. 220 f.; vgl. vita I, 13 S. 177 f.;' Lamb. inst. Herv.
eccl. S. 349.
3 Adalbero von Metz für Gorze 933, Cartul. S. 170 Nr. 92.
— 448 —
man sie leicht hätte zurückweisen können. Es war in der Tat eine
Frage, ob für die könighchen Klöster ihr fürstlicher Besitz nützlich
oder schädlich sei, ob die Erreichung des Zweckes, dem die Mönche
dienten, dadurch gefördert oder gehindert wurde.
Durch die lothringische Reform war die Erinnerung an die
ursprüngliche Aufgabe des Mönchtums in weiten Kreisen geweckt
worden. Mit neuer Kraft ergriff die Bewunderung für die alten
Heroen der Askese die Gemüter. Wie junge Klosterschüler in der
Lebensbeschreibung Martins von Tours ein Ideal fanden, danach
sie ihr eigenes Leben gestalten wollten \ so zog es Bischof Bem-
ward zu dem Grabe des Heiligen der Mönche. Er machte im
Jahr 1007 eine Wallfahrt nach Tours. Als es mit ihm zum
Sterben kam, ließ er sich die Kutte anlegen; er wollte als Mönch
aus dem Leben scheiden^. Die natürliche Folge war, daß die
Forderungen an das Leben der Religiösen strenger wurden als
bisher. Was Heinrich anbetrifft, so hatte er schon in früher Jugend
in Männern wie Wolfgang von Regensburg und Ramwold von
St. Emmeram Mönche kennen gelernt, die in der Weltverleugnung
die höchste Lebensaufgabe fanden. Zu den Jugendeindrücken ge-
sellte sich später die Berührung mit den Führern der Cluniacenser.
Seitdem Odilo zuerst im Herbst 1003 an seinem Hofe erschienen
war, weilte er öfter in seiner Umgebung^. Und gerne sprach der
deutsche König mit dem burgundischen Abt. Er <vurde nicht von
ihm beherrscht, aber er achtete und Hebte ihn*. Denn er sah in
der Kongregation, die Odilo leitete, das Vorbild .aufrichtiger Selbst-
verleugnung und wahrer Nachfolge Christi''*. Manche vrertvoUe
Gabe hat Cluni von ihm erhalten. Odilo erstattete ihm Dank,
indem er aus den Schriften Augustins einen Kommentar zu den
paulinischen Briefen zusammenstellen Heß, um ihn dem König zu
widmen. Noch zeigt man in der Bamberger Bibliothek das merk-
würdige Geschenk des französischen Abts an den deutschen König.
Als ein Werk voU himmHschen Nektars bezeichnete er es in der
Widmung*. Er meinte wohl, nichts Kostbareres, nichts, was die
1 Vgl. vita I Godeh. 4. « Yita Bernw. 41 u. 53.
3 S. Sackur, Die Cluniacenser II S. 6 ff.
* Hug. Flav. ehr. U, 15 S. 391. Ademar Hist. IH, 37 S. 133. Jotsald.
vita Odilon. I, 7 Migne 142 S 902. Odilo ist Intervenient 1007, Dipl. EI
S. 155 Nr. 129, 1012 S. 289 Nr. 251, 1019 S. 511 Nr. 399.
ö Rod. Glab. Hist. I, 5, Scr. VII S. 50: Qui pompis mundi caicatis
crucem expeditius sequuntur salvatoris.
<* Vgl. Leitschuh, Katal. der Handschr. der Bibliothek zu Bamberg I
S. 106 Nr. 126.
— 449 ' —
religiöse Überzeugung, die ihn beseelte, treuer aussprach, Heinrich
darbringen zu können als dieses Werk. Man begreift, daß Hein-
rich die Aufgabe des Mönchtums ausschließlich in der Pflege des
frommen Lebens sah." Wenn man in seinen Urkunden liest, daß
es die Pflicht des Herrschers sei, die heiUge Religion, d. h. eben
die asketische Frömmigkeit, in den Klöstern zu erhalten^, oder
dafür zu sorgen, daß die Kleriker, geschützt vor aller äußeren Un-
ruhe, in der Stille verharrten ", so ist dieser Gedanke ausgesprochen.
Gewiß sind derartige Sätze in den Urkunden nicht als individuelle
Äußerungen des Königs zu betrachten. Sie sprechen die Gedanken
aus, welche die Männer, die er in seine Kapelle aufaahm, hegten.
Aber- wie hätten sie ihm fremd sein können? Die Anschauungen,
die an einem Hofe herrschen, sind schließhch immer bedingt durch
die Gesinnung des Königs.
Urteilte Heinrich in dieser Weise über die Aufgabe des Mönch-
tums, so war die Frage der Reform nicht zu vermeiden. Denn
jener Stille und Weltzm'ückgezogenheit, die für das Kloster ge-
ziemend, ja nötig erschien, entsprach das Leben und Treiben in
den großen Klöstern sehr wenig. Über seine Befugnis zur Vor-
nahme der Reform konnte Heinrich kaum im Zweifel sein. Da
die königlichen Abteien im Eigentum des Königs standen, so war
das Recht desselben, in ihre Verwaltung einzugreifen, unbestritten.
So wenig jemals ein deutscher König ein Bistum verschenkt hat,
so unbedenklich hat jeder von ihnen königHche Abteien vergeben,
sei es an Bischöfe, sei es an Große, sei es iiir immer, sei es für
kürzere Zeit. Heinrich bewies durch sein Verfahren, daß er an der
Berechtigung solcher Maßregeln nicht zweifelte. Nicht nur, daß er
über Klosterbesitz unbedenklich verfügte^, er handelte ebenso mit
den Klöstern selbst. Schon am 10. JuU 1002 schenkte er dem
Bischof Heinrich von Würzburg die Abtei Seügenstadt zum Nieß-
brauch auf Lebenszeit*. Und dieser ersten Schenkung folgten zahl-
reiche andere: das Bistum Straßburg erhielt das Kloster St. Stephan
1 Dipl. III S. 18 Nr. 16 für St. Remi in Rheims.
2 S. 385 Nr. 307 für das Domstift in Paderborn.
. ^ Hier kommt die Vergebung von Gütern St. Maximins zugunsten
Heinrichs v. Baiern u. a. in Betracht. Breßlau hat, Westd. Z. V S. 45, die
Unechtheit der darauf bezüglichen Urkunden S. 636 ff. Nr. 500 u. 502, und
Stumpf 1901 dargetan, dabei aber bemerkt, daß die Tatsache der Einziehung
dadurch nicht erschüttert werde. In der Tat wäre die Erfindung einer
solchen Tatsache schwer vorstellbar.
* Dipl. III S. 5 Nr. 5. Die Schenkung war wahrscheinlich ein Lohn
für die politischen Dienste des Würzburger Bischofs.
Hauck, Kirohengescliiclite. III. ' 29
— 450 —
und die Abtei Schwarzach ^, Paderborn die zwei Abteien Helm-
wardshausen und Schildesche ^; Münster wurde im Besitz von Lies-
born anerkannt'^; Trier mit St. Florin in Koblenz'^, Brixen mit
Disentis begabt^; Memleben, die Stiftung Ottos IL, kam an Hers-
feld **. Daß zahlreiche Klöster ihrer Selbständigkeit zum Besten
Bambergs beraubt wurden, ist früher erwähnt^: kaum ein zweiter
Herrscher hat so unbedenklich über Klöster verfügt, wie Heinrich.
Aber sein Wille war nicht, die Eeichsabteien den Bistümern
zu opfern. Nicht eines der alten, berühmten königlichen Klöster
ist durch ihn seiner Freiheit beraubt worden^. Seine Absicht war
von Anfang an eine andere.
Nur selten unterrichten uns die mittelalterlichen Quellen über
Motive und Absichten der handelnden Personen; sie begnügen sich,
die nackten Tatsachen zu berichten. Nur daraus, daß gleichartige
Handlungen sich aneinander reihen, können wir vennuten, daß ein
gemeinsamer Gedanke sie verknüpfte. Das gilt von Heinrichs
Stellung zu den Klöstern. Als die deutsche Krone ihm zufiel, war
1 Ib. S. 87 Nr. 34 v. 15. Jan. 1003 u. S. 326 Nr. 277 v. 17. Jan. 1013
oder 1014; vgl. die Urkunde des Bischofs Werinher, ÜB. v. Straßburg I
S. 41 Nr. 51. St. Stephan wurde dem Bistum ausdrücklich als Entschädigung
für die durch Herzog Hermann erlittenen Verluste geschenkt.
^ Helmwardshausen war kurz vorher von dem Grafen Ekkihard ge-
gründet worden. Nach dessen Tod erhob sich Streit über das Besitzrecht
an dem Kloster. Es wurde durch das Urteil der Großen für königlich er-
klärt. Heinrich schenkte es, da es nee in facultatibus nee ministerialibus
regno servitio esse potuit, dem Bistum (a. 1017, vita Meinw. 144 S. 137;
Dipl. in S. 475 Nr. 371). Über Schildesche s. vita Meinw. 165 S. 141 und
Dipl. in S. 517 Nr. 403.
3 Vita Meinw. 165 S. 141; Dipl. IH S. 516 Nrr402.
* Dipl. in S. 509 Nr. 397, vorausgesetzt, daß die abbatia sita in pago
trichire St. Florin ist. Daran aber ist kaum zu zweifeln. Denn außer
St. Florin gab es in dem genannten Gau nur noch das Kloster St. Goar ;
dieses aber war längst eine Propstei von Prüm geworden.
6 Dipl. III S. 598 Nr. 424. Heinrich HI. hob die Schenkung wieder
auf. Stumpf 2857.
e Dipl. m S. 418 Nr. 331; Thietm. VIII, 31 S. 212.
" Vgl. oben S. 425. Ebenso verfuhr Heinrich in Italien: Nonantula
kam an Parma S. 48 Nr. 41, S. Eufemia in Spoleto u. S. Angelo in Mogliano
vergab er an den Grafen Acodus S. 464 Nr. 361.
* Das hat Matthäi S. 79 f. hervorgehoben. Die Abtei Fulda, die nach
der Ernennung Erkanbalds zum EB. zunächst diesem blieb, s. Cd. Fuld.
S. 340 Nr. 727, erhielt schon 1012 einen eigenen Abt, s. Dipl. III S. 291
Nr. 253. Weshalb Heinrich den kleinen Abteien gegenüber anders verfuhr,
zeigt die oben Anm. 2 zitierte Stelle.
— 451 —
es für ihn kein Gegenstand der Überlegung mehr, wie er sich zu
den mönchischen Stiftungen zu verhalten habe: er hatte als Herzog
von Baiern auf diese Frage bereits Antwort gegeben. Vergegen-
wärtigt man sich aber, wie er in den bairischen Klöstern Nieder-
altaich und Tegemsee verfuhr, so springt sofort in die Augen, daß
sein Handeln nicht die Frucht eines einfachen Motives war. Es
erscheint wie ein Widerspruch, daß er in Niederaltaich den ßeform-
abt Erkanbert seiner Würde beraubte, und daß er dieselbe dann
dem einzigen Mönch des Klosters übertrug, der sich eng an den
schwäbischen Abt angeschlossen hatte ^. Es erscheint nicht minder
widersprechend, daß er in Tegernsee ^ das von ihm selbst ausdrück-
lich anerkannte Wahlrecht des Klosters ^ verletzte, und daß er dann
den entschiedensten Reform freund zum Abt ernannte*; überdies
hatte der letztere schon vorher unzweideutig zu erkennen gegeben,
daß er Verletzungen der klösterlichen Rechte nicht leicht nahm^.
Dies Verfahren ist nur verständlich, wenn verschiedene Motive zu-
sammen wirkten. Sie sind leicht erkennbar: einerseits fühlte sich
Heinrich als Fürst durch die Statuten der Klöster nicht gebunden.
Andererseits beherrschte ihn die Rücksicht auf die mönchische
Frömmigkeit; denn dem Besten der Abteien im Smne der Reform
sollten seine Maßregeln dienen. In Niederaltaich machte er dem
gespannten Verhältnis zwischen Abt und Konvent dadurch ein
Ende, daß er Erkanbert fallen ließ: im Wechsel der Personen blieb
die Tendenz unverändert. Mit den Zuständen in Tegernsee war
er unzufrieden^; die Ernennung des neuen Abts war bestimmt, die
ins Stocken geratene Reform zum Abschluß zu bringen. Der Mann
den Heinrich an die Spitze der beiden Klöster erhob, war Gode-
hard, der bald als Bischof sich einen großen Namen machen sollte«
Seine Stellung ist typisch für die von Heinrich erstrebte Reform
im Unterschied von der lothringischen.
Godehard' war der Sohn jenes Ratmund, den wir bereits als
1 Vita I Godeh. 7 f. S. 173 ff. Über das Verhältnis zu der parallelen
Stelle der späteren Bearbeitung s. Hirsch, JB. I S. 179.
^ Abt Gozpert starb am 21. Jan. 1001, Brief der Mönche an Heinrich
Migne 139 S. 373 f.; chron. Mon. Tegerns. 3 bei Pez HI, 3 S. 504.
3 Otto n. hatte es gewährt, Dipl. II S. 219 Nr. 192; daß Heinrich es
anerkannt hatte, erinnern die Mönche in dem Anm 2 zitierten Brief.
* Vita I Godeh. 14 S. 178; vit. 11,7 S. 201; beide Male chronologisch
irrig eingereiht; chron. mon. Tegerns. 1. c. S. 505.
5 Vita I Godeh. 9 S. 174.
« Vgl. Froum. Gedicht 20 v. 40 ff. Z. f. d. Ph. XIV S. 420.
' Über Godehard sind wir durch die beiden schon vielfach zitierten
Biographien Wolfhevis gut unterrichtet.
29*
— 452 -
Laienvorstand des Klosters Altaich kennen lernten ^. In dem
Kloster seines Vaters fand er seine Bildung. Man kann nicht
sagen, daß die Knaben dort in klösterlicher Enge gehalten wurden^:
aber für ihn bedurfte es einer äußeren Fessel nicht. So mannig-
fach die Talente waren, die er schon als Knabe erkennen ließ, die
beherrschende Leidenschaft seines Lebens war doch nur, ein rechter
Mönch zu werden. Durch die im Kloster übliche Lektüre von
Heiligenbiographien wutden diese Gedanken genährt; kein zweites
Buch begeisterte ihn so sehr wie die Lebensbeschreibung Martins
von Tours. Unter dem Eindruck dieses Buchs ergriff er den Ge-
danken au das Einsiedlerleben. Es war ihm leicht, einen gleich-
gesinnten Freund für denselben zu gewinnen; die zwei Knaben
schwuren sich gegenseitig, nie von einander zu lassen; dann ent-
wichen sie aus dem Kloster und eilten nach den blauen Bergen
des bairischen Walds: wie mußte der Psalmengesang in der hehren
Stille des Waldgebirgs kHngen und was bedurften sie für ihr Leben
als Waldbeeren oder ein paar eßbare Wurzeln? Das waren
Kindergedanken; aber in den Träumen des Knaben spricht sich
nicht selten die Richtung aus, der später das Leben des Mannes
folgt. Auch Godehard bheb ein Asket, obgleich ihn sein Leben
zunächst aus dem Kloster führte. Er kam in die Umgebung des
Erzbischofs Friedrich; er folgte ihm nach Italien und wieder in
die Heimat zurück. Er blieb nun in Salzburg. In der dortigen
Domschule wurde seine wissenschaftliche Bildung vollendet. Aber
als er nach einigen Jahren nach Altaich zurückkam, war er inner-
lich der Alte. Ihm kostete es keinen Kampf, sich auf die Regel
Benedikts zu verpflichten, als Erkanbert sie in Altaich wieder zur
Anerkennung brachte; ja es reizte ihn, in mönchischer Askese die
Regel noch zu überbieten. Erst als Heinrich ihn zu Erkanberts
Nachfolger erkor, begann für ihn der Kampf Zwar im ersten
Moment schien es ihm leicht, einen Entschluß zu fassen. Er
erinnerte daran, daß bei der Absetzung Erkanberts keine rechtliche
Form beobachtet worden sei, und weigerte sich deshalb, .das Amt
des Abts zu übernehmen ^. Die Zustimmung Ramwolds und der
Mönche von St. Emmeram bestärkte ihn in der Übei-zeugung, daß
er recht handele. Aber was war ,damit gewonnen? Heinrich
dachte nicht daran, Erkanbert wieder einzusetzen; er übertrug die
1 Vita I Godeh. 1 S. 170; vgl. oben S. 383.
2 Ib. 3 S. 171. Das Folgende nach c. 4—7.
3 Ib. 9 S. 174. Wenn auch die Rede Wolfhere gehört, so wird man
doch annehmen dürfen, daß er den richtigen Ablehnungsgrund nennt; vgl.
vita II, 6 S. 200.
— 453 —
Leitung der Abtei vielmehr seinem Vetter Megingaud in Eichstätt.
Niemand wai weniger zum Leiter eines reformierten Klosters ge-
eignet als dieser . immer durstige Freund kurzer Gottesdienste und
langer Mahlzeiten. Godehard urteilte nicht uneben, wenn er ihn
zu den wunderlichen Herren rechnete \ Sein Widerstreben hatte
die Lage des Klosters also nur verschlechtert. Das blieb nicht
ohne Eindruck auf ihn. Als Heinrich von neuem Verhandlungen
begann, gab er nach: das Drängen der Brüder erleichterte ihm den
Entschluß: am 27. Dezember 996 wurde er in Ranshofen von
Christian von Passau zum Abte geweiht^.
Godehard fügte- sich in diesem Fall nur widerstrebend: er
wollte die mönchische Frömmigkeit, so wie er sie verstand, nicht
dadurch in Gefahr bringen, daß er auf den Buchstaben des Rechts
pochte. AJs ihm später Tegernsee übertragen wurde, leistete er
keinen Widerstand. Das erscheint seltsam; denn vom rechthchen
Standpunkte aus konnte man gegen diese Ernennung nicht weniger
Bedenken erheben als gegen die frühere. Nicht ohne Schärfe
wurden sie ihm entgegengehalten: es sei gegen das kanonische
Kecht, erklärte ihm der Bischof Gottschalk von Freising, mehrere
Prälaturen zugleich zu verwalten; wie ein Dieb sei er in den Schaf-
stall gestiegen ^. Aber das machte ihn jetzt nicht mehr irre : • er
hatte seinen Standpunkt gefunden. Mit allem Nachdruck bestand
er dem Tadel des Bischofs gegenüber . darauf, daß sein Gewissen
rein, sei: was er getan habe, sei aus Gehorsam gegen den Herzog
geschehen; ob es ihm selbst heb sei oder leid, darüber wollte er
schweigen ; das aber sei sicher, daß die Regel den Gehorsam gegen
die Fürsten nirgends verbiete^.
Die Lage war, wie wir sehen, nicht ganz einfach. Auch ein
treuer Benediktiner kannte den Grundsatz : Alles, wie es die Regel
gebietet, nicht unbedingt zur Geltung bringen. Wenn Oodehard
sich dann in Verhältnisse, die er nicht geschaffen hatte, fügte, so
empfand er das nicht ^ als Verstoß gegen seine asketischen Über-
zeugungen. Es war ihm der Geist, der im Kloster herrschen
1 Ib. 10 S. 176, vgl. 1 Petr. 2, 18.
2 Yita 1, 11 S. 176; n, 6 S. 200. Ann. Lamb. z. 996 S. 23. Ann. Altah.
mai. z. 997 S. 16. Hier ist ebenfalls 996 gemeint, da die Weihe nach "Weih-
nachten fiel. Wenn Godehard nun alsbald das Stift Hengersberg erbaute,
so ist zu vermuten, daß es geschah, um eine friedliche Lösung mit den-
jenigen Brüdern herbeizuführen, die sieb der Mönchsregel nicht unterwerfen
wollten, vita 1, 12 S. 177; II, G S. 200.
3 Godeh. ep. 2 Migne 141 S. 1229 f.; chron. mon. Tegerns. 3 Pez 111, 3
S. 505. * S. den angef. Brief.
— 454 —
sollte, mehr wert, als ein aussichtsloser Kampf um die Beobachtung
gewisser Privilegien. Godehard war ein einzelner Mann: aber die
Anschauungen, nach denen er handelte, fanden in den bairischen
Klöstern allgemeine Biüigung. In Niederaltaich haben die Mönche
ihm die treueste Anhänglichkeit gewidmet ^. In Tegernsee fehlte es
zwar nicht an Schwierigkeiten^; aber sie wurden überwunden: die
genaue Beobachtung der Regel wurde auch hier eingeführt, die
Mönche entschlossen sich sogar, auf Sonderei gen tum zu verzichten^.
Als Godehai'd nach nicht ganz eineinhalb Jahren seine Aufgabe
für gelöst achtete und auf Tegernsee verzichtete*, hörte Verkehr
und Gemeinschaft mit ihm gleichwohl nicht auf^.
Heinrichs Eingreifen hatte also Erfolg. Wer aber sieht in
dem Erfolg nicht den Beweis dafür, daß er richtig gehandelt hat?
Als Heinrich die Königskrone erhielt, kam für seine Stellung zu
den Abteien noch eine neue Erwägung hinzu. Er konnte die
Dienste nicht entbehren, die diese großen Korporationen dem Reiche
zu leisten hatten. Seine Aufgabe war, die Klöster in eine Ver-
fassung zu bringen, bei der sie einerseits den religiösen Zwecken,
um derenwillen sie vorhanden waren, genügen konnten, und bei
der ahdererseits ihr großer Besitz dem Interesse des Reichs dienst-
bar gemacht wurde **.
^ Auch ihre Zahl scheint ziemlich bedeutend gewesen zu sein. Im Ver-
brüderungsbuch von St. Peter sind unter Erkanbert 15, unter Godehard 35
Namen von Mönchen aus Altaich eingetragen (ed. Karajan Sp. 138 S. 34 =
M.G. Necrol. II S. 51).
^ Godeh. ep. 1 S. 1229 zeigt, daß der erste Empfang freundlich war;
die Schwierigkeiten kamen nach, s. den Brief der Mönche an G. bei Pez
VI, 1 S. 132 Nr. 30; Froum. Ged. 21 v. 7 S. 421: Consociosque meos, qui
turgent, acriter urget. •' Chron. mon. Tegerns. 3 S. 505.
■* Zu seinem Nachfolger ernannte Heinrich, indem er das Wahlrecht
der Mönche wieder außer acht ließ, den schwäbischen Mönch Eberhard
(chron. 4 S. 506). Hirsch; JB. I S. 192 Anm. 3, vermutet unter der Cella,
quae Sylva dicitur, St, Blasien. Man könnte auch an Maria Einsiedeln
denken, für das die Bezeichnung Silvicola vorkommt. Eberhards Wahl war
übrigens nicht glücklich; er vermochte nicht sich mit den Brüdern zu stellen
und legte deshalb schon i. J. 1003 sein Amt nieder, s. den Brief an Gott-
schalk von Freising bei Meichelbeck, H. Fr. I, 2 S. 472 Nr. 5 u. Chron. mon.
Teg. 4 S. 507.
5 Vgl. Eberh. ep. 3 S. 1309; Bf Eberh.'s in d. Z. f. d. Phil. 14 S. 392 f.;
Godeh. ep. 5 S. 1232, und die Urkunden Heinrichs für Tegernsee, in denen
Godehard als Fürsprecher erscheint, Dipl. IH S. 268 Nr. 231, S. 510 Nr. 398,
S. 552 Nr. 431.
•^ Es scheint mir der Fehler von Matthäis Untersuchung, daß er in
— 455 -
Verfolgt man Heinrichs Maßregeln, so ergibt sich, daß er
diese auseinanderliegenden Ziele nie aus den Augen verlor. In
seinem Vorgehen lag niemals nur politische Absicht; aber er war
auch niemals bloß Förderer der Klosterreform: sondern indem der
eine Zweck verwirklicht wurde, sollte zugleich dem anderen gedient
werden. Daß Heinrich als König nicht anders verfahren wollte,
wie bisher als Herzog, dafür gab er alsbald nach seiner Thron-
besteigung einen deuthchen Beweis. Es wurde eben erwähnt, wie
Bernhar von Hersfeld für sich ein sonderliches Stift errichtete.
Er war einer der schwachen Männer, denen es vor allem darauf
ankommt, beliebt zu sein^; deshalb hatte er die Mönche stets ge-
währen lassen, auch wenn ihr Leben und Treiben der Eegel sehr
wenig entsprach. Doch das nützte ihm jetzt nichts; die Mönche
täuschten sich nicht darüber, was die Ausführung seines Planes
für sie bedeuten würde, und setzten sich ihm deshalb mit allem
Eifer entgegen: es kam zu einer Klage wider den Abt vor dem
König. Heinrich war mit der Kongregation so wenig zufrieden als
mit Bernhar: um so bereitwilliger nahm er die Klage an und um
so energischer • griff er ein: er entsetzte Bernhar und übertrug das
fränkische Stift seinem bairischen Keformabt, Godehard. Dieser
verzögerte die Ausführung der Maßregel, bis Bemhai* starb -. Dann
aber ergriff er die Leitung. Im Einverständnis mit dem Erzbischof
WilHgis, stellte er die Mönche vor die Wahl, entweder zur
Beobachtung der Begel zurückzukehren oder Hersfeld zu verlassen.
Wenn die IJberHeferung zuverlässig ist, so blieben nur zwei oder
drei zurück; alle übrigen, nicht weniger als fünfzig, traten aus.
Aber Godehard wußte, wie es in solchen Fällen zu gehen pflegte :
seine Entschlossenheit wurde nicht gebrochen, und das Kloster
löste sich nicht auf: denn Mönche von Altai ch traten in die Lücken^.
Godehard aber konnte nun ungehindert seinen Grundsätzen gemäß
handeln. Nicht nur ließ er die Sonderwohnungen, in denen . die
Mönche zuletzt gehaust hatten, abbrechen, er beseitigte auch den
Heinrichs Maßregeln nur einen politischen Gedanken sieht und die Reform
deshalb nur als Vorwand betrachtet. Dadurch werden Heinrichs Beziehungen
zu den Häuptern der Reformpartei rätselhaft.
1 Vita II Godeh. 7 S. 200.
^ So Lambert, Inst. Herv. eccl. S. 349. Wolf here erwähnt vita I, 13
S. 177 nur die Ernennung; eingehender ist der Bericht vita 11,7 S. 200 f.
Er stimmt mit Lambert nicht völlig überein, besonders ist, daß Godehard
schon zu Lebzeiten Bernhars ernannt wurde , auch hier verschwiegen.
Bernhar starb 1005, Lamb. ann. z. d. J. S. 50; vita I Godeh. 13 S. 177.
ä Mirac. Godeh. 2 S. 219.
— 456 —
übertriebenen Prunk des Gottesdienstes: Kostbarkeiten in Menge
wurden an Arme verschenkt, goldgestickte Priestergewänder ver-
nichtet, um das Metall einzuschmelzen: nicht wie ein Königshof,
sondern wie , ein Kloster sollte Hersfeld aussehen. Zu bezweifeln
ist kaum, daß Heinrich im Zusammenhang mit der Reform die
Hand auf manches Klostergut legte ^. Aber diese Einbuße an
Besitz war nicht der einzige Erfolg: ihr gegenüber stand die Förde-
rung des Klosterlebens. Konnte ein Freund des letzteren anders
urteilen, als daß jener Verlust dadurch reichhch aufgewogen war,
daß das Kloster blühte ? Die für das gemeinsame Leben notwendigen
Gebäude wurden erneuert, auch das von Bernhar begonnene Peters-
kloster vollendet; nur nicht als Wohnung für den Abt, sondern als
neues Stift für Kanoniker. Nach und nach kehrten die ausge-
tretenen Mönche mit wenigen Ausnahmen zurück: Godehards Sieg
war vollständig. Auch Heinrich war zufiieden: schon im Jahre
1012 gab er Hersfeld wieder einen eigenen Abt^; im nächsten Jahr
stellte er einen Mönch von dort an die Spitze von Tegernsee^.
Der Reform Hersfelds folgte die von ßeichenau *, Fulda ^ und
Corvey^. Dabei wiederholten sich fast Zug für Zug die dortigen
Vorgänge: zuerst Klagen über das den höher gespannten An-
forderungen nicht mehr entsprechende Leben der Mönche; dann
die Ernennung eines fremden Abts aus dem Kreise der Reform-
freunde unter Verletzung des Wahlrechts; hierauf Opposition der
Mönche, schließlich Sieg der Reform. So kam Immo von Gorze
1 In den drei genannten Quellen über die Reform nicht, erwähnt,
dagegen in der übelwollenden Notiz der Quedl. Ann. z. 1004 angedeutet:
Herolf. monasterium a rege, antiquo patrum iure destitutum, magnum
patitur damnum, spoliatur bonis, orbatur filiis suis. Denn die Worte apoliatur
bonis werden schwerlich nur die Verteilung der Kostbarkeiten bezeichnen.
Daß das Kloster gleichwohl nicht verarmte, ergibt sich aus Godehards
Bauten; vgl. auch Gest. abb. Trud. 1,5 Scr. X S. 232.
"^ Lamb. ann. z. d. J.; vgl. Inst. Herv. eccl. S. 350.
" Chron. mon. Tegem. 4 S. 508.
* Herim. Aug. z. 1006 S. 118. Anlaß zum Eingreifen gab der Tod Werin-
hars, des zweiten Nachfolgers des 997 abgesetzten Witigowo (Heriip. z. d. J.).
ö Ann. Quedl. z. J. 1013 S. 82; vita Bardon. 2 Scr. XI, 324; Gest. ep.
Halberst. Scr. XXIII S. 92; vgl. die von J. v. Pflugk-Harttung aus Brower
exzerpierten Notizen der acta abb. Fuldens., Forsch. XIX S. 404 f. Abt
Branthog wurde abgesetzt. Es wirkte ein persönliches Moment, die Feind-
schaft zwischen Erkanbald von Mainz und Branthog, mit.
« "Vita Meinw. 145 S. 137; Ann. Quedl. z. J. 1014 und 1015; Thietm.
Vin, 13 S. 201; Ann. Cörb. z. 1014, Jaffe, Bibl. I S. 37. Auch hier wurde
der Abt Wal zuerst suspendiert und dann entsetzt.
— 457 —
1006 Dach Reichenau: er hatte das lothringische Kloster schier
dreißig Jahre lang regiert; seine Jugend reichte also zurück bis
in die ersten Jahre der lothringischen Reform; er stellte die Ver-
bindung des jüngeren mit dem älteren Geschlecht dar. Unter den
Männern der Askese genoß er das höchste Ansehen: man nannte
ihn einen heiligen Mann ^. Die Leitung von Fulda erhielt im Jahr
1013 der Abt Poppo von Lorsch. Thietmar charakterisiert ihn,
indem er ihn als conversus bezeichnet^. Auch in Corvey trat im
Jahr 1015 ein Lorscher Mönch, Druhtmar, an die Spitze^. Die
fremden Abte hatten überall den Widerspruch der Mönche zu be-
wältigen. In Reichenau traten nicht wenige Mönche aus; nicht
minder in Fulda, nirgends aber war der Widerspruch heftiger als
in Corvey. Dort richtete er sich gegen den König persönhch.
Die Mönche glaubten sich ebenso verpflichtet, die überkommenen
Einrichtungen zu verteidigen, wie das Eingreifen des Königs abzu-
wehren. Um ihren Widerstand zu brechen, mußte sich Öeinrich
entschheßen, siebzehn von ihnen gefangen zu setzen; schHeßUch
traten alle bis auf neun aus. Aber Erfolg hatte die Sezession
nirgends: das Ende war überall, daß die Ausgetretenen reumütig
zurückkehrten. Freihch hatte man wie in Fulda so in Reichenau
zu klagen, daß die Neuordnung nicht ohne Schädigung des klöster-
lichen Besitzes vollzogen wurde*.
Die genannten Abteien waren nicht die einzigen, welche auf
Anlaß Heinrichs reformiert wurden: wir wissen, daß er die Reform
^ Const. vita Adalb. 26 S. 668: Sanctissime dulcissimeque prodest;
dagegen Herim. Aug. 1. c: Virum austerum. Man sieht, wie viel die Be-
leuchtung tut.
'^ Chr. VII, 31 S. 187: Succedente sibi Popone converso, vgl. über ihn
Chr. Lauresh. Scr. XXL S. 403. Nach S. 406 und einer Randbemerkung zu
Thietra. IX, 7 S. 244 starb er 1018.
ä Der Name bei Thietmar. Die der Reform abgeneigten Quedlinb. JB.
lassen Druhtmar fast widerwillig gelten, z. 1015: Ignotum et bonum fortasse.
* Reichenau: Nobile monasterium in magnis viris, libris et ecclesia^e
thesauris grave . . pertulit detrimentum, Herim. 1. c;, vgl. Bern. ep. 2 au
Gero von Magdeburg- (1012 — 1023). Es ergibt sich aus diesem Briefe, daß
auch unter Bern Verluste drohten, die Gegner werden als Männer bezeichnet,
qui sub habitu venerationis specietenus praetendunt formam sanctitatis.
Fulda: Rex . . Fuldensis monasterii bona miserabiliter diripuit, dum sibi
fratrum vita displicuit, Ann. Quedl. 1. c. In bezug auf Corvey ist von einer
Beraubung des Klosters nirgends die Rede. Da aber das Traditionsregister
Corveys unter Druhtmar hergestellt wurde, s. Hirsch, JB. III S. 11, so hat
die Vermutung ein Recht, daß irgend eine Auseinandersetzung über die
Einkünfte stattfand.
— 458 —
mehrerer lothringischer Klöster betrieb oder förderte^. Unter den
schwäbischen ist ziemlich sicher Murbach durch ihn der neuen
E-ichtung geöifnet worden ^ Überhaupt: wenn man die seit der
Regierung Ottos I. im Gange befindliche Reformbewegung als eine
Einheit faßt, so sind unter den königlichen Klöstern nur wenige,
die von ihr nicht berührt wurden ^. Dann hat aber das Urteil ein
Recht, daß Heinrich II. konsequent und überlegt das zu Ende
führte, was unter seinen Vorgängern und durch sie begonnen war.
Die asketische Gesinnung, welche das Zeitalter von den Mönchen
forderte, wurde verstärkt, ohne daß man jejloch peinlich die
Beobachtung des Buchstabens verlangte, und zugleich wurde mehr
als bisher das reiche Klostergut den allgemeinen Reichsinteressen
dienstbar gemacht.
Die Art, wie Heinrich in die Klosterreform eingriff, hat ohne
Zweifel das Bewußtsein, daß die Mönche es mit den Forderungen
der Regel ernst zu nehmen hätten, verstärkt. Doch hatte sie noch
eine andere Folge. Ein gewisser Gegensatz zwischen den Klöstern
und dem Episkopat war stets vorhanden. Strebten die Mönche das
1 Die Leitung von St. Maximin, Stablo und Malmedy übertrug Heinrich
an den Abt Poppo (s. u.). Auf eine Reform in Prüm läßt der Umstand
öcbließen, daß jener Immo von Gorze, den Heinrich nach Reichenau sandte,
seit ungefähr 1003 Abt des Klosters war. Die Herstellung des Schatz-
verzeichnisses unter Abt Udo auf Befehl Heinrichs, MRh. ÜB. I S. 717 Nr. 3,
wird damit in Zusammenhang stehen.
2 Aus der Urkunde Konrads H. Stumpf 1892 ergibt sich, daß Heinrich
Klostergut in nicht unbedeutendem Maß an das Bistum Basel übertragen
hatte; das läßt auf Reform schließen.
3 Reformiert wurden vor Heinrich St. Ghislain, St. Bavo, Hornbach,
St. Maximin, Stablo, Malmedy, Echternach, Lorsch, Tegernsee, Feuchtwangen,
Altaich, Reichenau, St. Gallen, Weißenburg (s. o. S. 348 — 385); wahrschein-
lich auch Kornelimünster, da von dort Mettlach besetzt wurde (s. S. 865),
Rheinau (vgl. die wiederholte Betonung der Regel Dipl. I S. 570 Nr. 418),
endlich Andlau, s. J.W. 3891, 3904. In Kempten und Ottenbeuren mag
Ulrich von Augsburg reformierend gewirkt haben (vgl. oben S. 49); in Ell-
wangen hängt vielleicht die Wiederherstellung des Wahlrechts mit der
Einführung der Reform zusammen (Dipl. I S. 319 Nr. 233). Ohne jede Nach-
richt sind wir demnach, wenn man von den durch Heinrich verschenkten
Abteien absieht, nur über Remiremont (D. Toul), doch ist sicher, daß
das Kloster zu den Reformklöstern gehörte: von dort zog Leo IX. Hugo
Cand. u. Friedrich von Lothringen nach Rom, Boniz. V S. 588, Werden a. d.
Ruhr (D. Köln), Maurmünster (D. Straßburg), Münster im Gregoriental (D.
Basel), Metten (D. Regensburg) und München-Nienburg (D. Magdeburg),
d. h. über 6 königliche Abteien wissen wir nichts, wogegen bei 19 die
Reform sicher, bei 6 wahrscheinlich ist.
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Eingreifen der bischöflichen Macht mögHchst abzuschneiden, so war
die Absicht der Bischöfe, ihre Diözesangewalt auch den mächtigen
Stiftern gegenüber zur Geltung zu bringen. Hier war es von Be-
deutung, daß Heinrich sich prinzipiell auf Seite des Episkopats
stellte: in einer seiner Urkunden erklärte er das bischöfliche
Visitationsrecht geradezu für eine göttliche Einrichtung ^. Dieser
Ansicht entsprach es, daß er bei seinen Reformen im Einverständ-
nis mit den Diözesanbischöfen handelte: Wilhgis^ und Erkanbald^,
Meinwerk * und Adalbero von Basel ^" waren an seinen Maßregeln
beteiligt. Bald begannen die Bischöfe, die dem König nahe standen,
auch in ihren eigenen Klöstern zu reformieren: so tat Tagino in
Kloster Bergen bei Magdeburg*^, so wahrscheinlich Gebehard I.
von Regensburg in St. Emmeram ', Auch die von Heinrich in
Mondsee angeordnete Beform war nur im Einverständnis mit dem
Bischof möglich ^. Besonders wurde das Visitationsrecht der Bischöfe
.wieder energisch betont. Godehard von Hildesheim war unermüd-
^ Dipl. III S. 475 Nr. 371: Canonum statuta non ore hominum sed
spiritu Dei condita precipiunt, ut episcopi frequenter claustra monachorum
uisitent et si qua extra regulam illic inuenerint, abscidant et corrigant.
Haec vigilanter interius contemplantes et in huius uitae itinere onera
nostra episcopis imponendo leuigantes etc. - S. o. S. 455.
3 Vita Bardon. 2 Scr. XI S. 324. * Vita Meinw. 145 S. 137.
* S. S. 458 Anm. 2. Daß Adalbero Klostergut erhielt, beweist, daß,
wenn in Murbach eine Reform erfolgte, er an ihr beteiligt war.
* Thietm. VI, 20 f. S. 145. Daß die Absetzung Ricdags, die Verwand-
lung der Abtei in eine 'Präpositur und ihre Übertragung an Alf ker von
Pöhlde mit Reformen zusammenhing, ist aus Thietmars Bericht, so wenig
er es sagt, deutlich herauszulesen: Uli, quorum nova conversatio et in
habitu et in victu laudabilis extat, vero non sunt sepe, quod simulant.
' Auch hier spricht Thietmar absichtlich unklar, VI, 41 S. 158. Er
erwähnt z. 1009 die Klage der Mönche gegen den Bischof und bemerkt
dann: Difficile est mihi enarrare et alicui credere, quanta de hoc populus . .
ad vanam pertinentia superstitionem animaeque detrimentum suae dissereret.
Hoc solum scio, quod moribus et raris apparatibus huic similem numquam
vidi neque de antiquioribus audivi. Si interiora exterioribus concordant,
aut melior est caeteris aut longe inferior. Optime prius culta diruens novis
insudat maximis laboribus. Hier urteilt ein Mann, der den bisherigen Zu-
stand für gut hält, der sich in das Tun eines anderen, der ihn ändert,
nicht finden kann, und dem der letztere doch imponiert. Auch Herim. Aug.
z. 1023 S. 120 charakterisiert den Reformer: Castum virum et singularibus
quibusdam moribus et munditiarum ornatusque insueto quodam amore fa-
mosum et in divinis officiis nimis studiosum. Die Charakteristik von Hirsch,
JB. I S. 178, übersieht, wie mich dünkt, zu sehr diese Seite der Sache.
* Vgl. Fundatio v. 219 ff. Scr. XV, 1105.
— 460 —
lieh, die Zustände in den Klöstern seines Sprengeis zu untersuchen,
zu ordnen und zu fördern, was der Besserung bedurfte. Meinwerk
von Paderborn forderte von den Mönchen rundweg Gehorsam wie
von den Untertanen^.
Wie eigentümlich war dann aber das Ergebnis der Reform!
Auf der einen Seite wm-de die asketische Gesinnung vertieft, da-
durch der Zusammenhalt und der kirchliche Einfluß des Mönchtums
verstärkt; auf der anderen Seite waren gerade die bedeutendsten
Klöster in Gefahr, ihre politische Stellung einzubüßen und wurde
die kirchliche Selbständigkeit aller gemindert. Indem der asketische
Gedanke neue Kraft erhielt, sahen die mönchischen Korporationen
sich von dem Verlust ihrer Autonomie bedroht.
Während die Klosterreform in Deutschland sich in dieser
Weise vollzog, begann die französische ßeformbewegung, die sich
an den Namen Clunis knüpft, nach Lothringen und bald auch über
den Rhein herüberzugreifen.
Die Bestrebungen der Cluniacenser trafen mit den Absichten
Heinrichs darin zusammen, daß es sich hier wie dort um die Rück-
führung der Klöster zu den ursprünglichen Zielen, wie sie in der
Benediktinerregel formuliert waren, handelte. Gleichwohl bestand
^in großer Unterschied. Man irrt wohl nicht, wenn man ihn in
erster Linie durch die Verschiedenheit des Nationalcharakters be-
dingt sein läßt. Den Deutschen kam es nur auf die Sache an,
auf die Pflege der asketischen Frömmigkeit im Sinne Benedikts.
Alle äußeren Verhältnisse galten daneben als relativ wertlos; sie
konnten fremden Zwecken gemäß gestaltet werden; denn was lag
daran, ob ein Kloster königHch oder bischöflich war, ob der Abt
ernannt oder gewählt wurde, ob der Besitz groß oder klein war,
wenn das Kloster nur eine Pflegestätte für die Religion bildete?
Die Franzosen dagegen konnten sich die Erreichung dieses Ziels
nicht denken, wenn nicht fremde Einwirkungen abgeschnitten,
überall die gleiche Ordnung durchgeführt war. Darin liegt die Be-
gabung des französischen Volks für die Durchbildung der äußeren
Formen. Die Cluniacenser erstrebten demgemäß die Lösung der
Klöster aus der Unterordnung unter die Diözesanbischöfe und die
Durchführung der gleichen Einrichtungen in allen Stiftern. Die
Bildung der Kongregation von Cluni war nur der konsequente
Abschluß dieser von Anfang an vorhandenen Strömung.
Das Vordringen der Cluniacenser nach Deutschland ging nicht
direkt von dem Mutterkloster aus. So nahe Odilo Heinrich II.
1 Vita Meinwerci 145 S. 137.
— 461 —
stand, so hat ihn doch dieser nicht zu seinen Reformen benützt.
Sondern es war vermittelt durch einige bedeutende Männer, die in
ihren Anschauungen von Cluni abhängig, in den deutsch-j&-anzö-
sischen Grenzlanden tätig waren. Der älteste derselben ist der
Abt Wilhelm von Dijon\
Wilhelm gehörte zu den angesehensten Führern der Reform in
Frankreich. Doch war er kein Franzose. Er war in Italien geboren,
entstammte aber einem deutschen Geschlecht, erst sein Großvater
war aus seiner Heimat Schwaben über die Berge gewandert. Wil-
helms Eintritt in das Leben weissagte nicht vom Kloster: er war
ein Sohn des Feldlagers: im Jahr 962 ist er in dem belagerten
Kastell auf der Insel S. Giuglio im See von Orte geboren worden;
der Besieger seines Vaters, Kaiser Otto I., hat ihn nach altertüm-
licher Sitte unter die Katechumenen aufgenommen, die Kaiserin
Adelheid hat ihn aus der Taufe gehoben^. Seltsam verschieden
war die Sorge der Eltern für ihr Kind: während der Vater den
siegreichen Kaiser zum Schützer seines Sohnes zu machen suchte,
glaubte die schwärmerisch fromme Mutter, nur unter der Hut der
Mutter des Herrn sei ihr Kind sicher. Ihr Einfluß überwog; der
Knabe wurde im Marienkloster von Locedia bei Vercelli dem Dienste
Gottes geweiht^. Als er herangewachsen war, riß ihn der große
Name Clmiis aus der heimischen Umgebung; sein höchster Ge-
danke wurde, als Mönch in dem burgundischen Kloster zu leben.
1 Über Wilhelm handelt Rudolf Glaber, der eine Zeitlang Mönch in
St, Benignus war (s. Breßlau I S. 15 Anm. 2), in seiner -vita Wilhelmi
Mign. 142 S. 703 ff., Auszüge Scr. IV S. 655 ff. Sie ist glau-bwürdig. Zur
Ergänzung dient die chron. s. Benign. Divion.; der hierhergehörige Abschnitt
bei Migne 141 S. 851 ff. Wichtig sind die Briefe Wilhelms, von geringerer
Bedeutung seine Sermones, gedruckt bei Chevallier, Le ven. Guillaume,
Paris 1857, S. 209 ff. Man vgl. Sackur, Clun. I S. 257 ff,,, 11 S. 126 ff.
2 Yita 2 S. 703 f. Sackur führt die Stelle an, , verwischt aber die
Altertümlichkeit des Vorgangs, indem er die Handlung des Kaisers und der
Kaiserin als gleichzeitig betrachtet, während Rudolf sie durch das post-
modum deutlich auseinanderhält. Bei den Worten: Suggessit imperatori,
ut filium . . catechumenum fieri per manum imperialem praeciperet. Quod
ille libentiasime annuens, ut monitus fuerat, impleri mandavit, ac propria
puerum sustulit dextera eique nomen indixit Wilhelmum, ist die der Taufe
vorhergehende Handlung der Aufnahme unter die Katechumenen gemeint,
s. hierüber Höfling, Sakr. d. Taufe I S. 318 ff.
^ Als Knaben bezeichnet er sich selbst in dem Brief an seinen Vater,
ep. 2 S. 260; nach Rud. vita Wilh. 4 S. 704 war er fere septennis. Das
Kloster war Maria und Michael geweiht. Die Erzählung c. 3 führt darauf,
daß der Gedanke an Maria die Wahl bestimmte.
— 462 —
Ein Besuch des Abts Majolus in Vercelli brachte seinem "Wunsche
die Erfüllung: in seinem Geleite betrat Wilhelm das Mutterkloster
der französischen Reform. Er ist stets dessen treuer Jünger ge-
bheben; mit inniger Liebe hing er besonders an Odilo\ Aber er
war bedeutend genug, um für sich etwas zu werden. Es sind ein
paar seiner Briefe auf uns gekommen. Dem Leser derselben treten
zwei Seiten seines Wesens scharf entgegen: die ungemeine Klar-
heit eines furchtlosen Geistes und die Wärme religiöser Empfindung.
Demjenigen eignet der geistige Mut, der sich nichts selbst verhehlt,
sondern der es wagt, die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Wilhelm
besaß diesen Mut: man kann nicht verständiger über ein unan-
genehmes Ereignis schreiben als er^. So wagte er es auch, mit
jedermann klar zu reden: er hat einem König gesagt, daß seines
Erachtens aus keinem Stand so wenige Menschen selig würden, als
aus dem der Könige'^, und er hat das Wort Pauli 2. Kor. 12, 11
auf einen Papst angewandt*. Dabei aber war er nicht kalt: jener
harte Bruch mit der Familie beim Eintritt in das Kloster, wie
man ihn bei älteren Mönchen findet, fehlte bei ihm ganz. Seine
Liebe zu Vater und Mutter hatte fast etwas Sentimentales'^. Aber
die Familien gemeinschaft war doch nicht das Höchste, das er kannte;
weit höher stand ihm das Kloster, der Ort, wie er sagt, wo die
Schlachten Gottes geschlagen werden. Wilhelm hat seinen Vater
vermocht, die Waffen niederzulegen, um als Mönch zu sterben*.
Ich kann, schreibt er an ihn, dieses himmhsche Glück nicht ge-
nießen, ohne daß ich dich zu mir wünsche und dich zum Genossen
solcher Freude, zum Teilhaber des Himmelsbrotes machte. Mein
Wunsch ist, mit dir zu leben, mein Begehren, daß du mit Christo
meinem Gott lebst: ich umfasse dich in Gott und mit ihm. Der
Chronist von Dijon sagt, daß er ein glühender Mönch war': wer
möchte daran zweifeln?
Li Cluni trat er alsbald in die vorderste Reihe. Seine erste
Aufgabe war die Reorganisation der Propstei St. Saturnin an der
Rhone; alsdann, im Jahr 990, übertrug Majolus dem noch nicht
1 Vgl. ep. 4 S. 265.
^ Ep. 3 S. 263 ff. über den Streit mit dem Bischof von Autun wegen
des Klosters Yezelai.
3 Robert von Frankreich, vita Wilh. 21 S. 714.
* Ep. 6 S. 266 an Johann XIX.: Magistri gentium dictis instruimur
seniorem non increpandum. Idem tamen alias dicit: Factus sum insipiens,
V08 me coegistis. ^ Vgl. ep. 1 S. 256 u. bes. 2 S. 258 ff.
e Ep. 2 S. 258 ff., vgl. Rud. vita Wilh. 6 S. 705.
' C. 3 S. 853: Ferventissimus sui ordinis siiccessor.
— 463 —
Dreißigjährigen die Reform der wichtigen Abtei St. Benignus zu
Dijon^. Sie wurde unter seiner Leitung ein Musterkloster. Die
Zahl der Mönche erreichte eine Höhe, wie sie in dieser Zeit selten
ist^. Die Klostergebäude wurden hergestellt und erweitert; weit
und breit gab es keine prächtigere Kirche; sie war die Bewunderung
von ganz Burgund^ Mächtig war der Eindruck, den seine Reden
machten. Und man kann es wohl verstehen, daß er seine Hörer
ergriif und fortriss; denn er bewegte sich nie in allgemeinen Re-
flexionen: er unterredete sich gewissermaßen mit ihnen, er drängte
ihnen die rechte Gesinnung auf und drängte sie zu deren Be-
tätigung. Was er von den Mönchen verlangte, war Gehorsam,
uneingeschränkter und unbedingter Gehorsam. Er versicherte: Der
Gehorsam allein wiegt schwerer als alle anderen Tugenden; der
Stolz, ' der nicht gehorchen will, ist schlimmer als alle anderen
Sünden. Dazu tritt der Mönch in das Kloster und dazu verzichtet
er auf die irdische Freiheit, daß er ein Sklave Christi werde*.
Das war echte Cluniacensergesinnung. Seine Genossen haben sie
an ihm bewundert; ihr Urteil liegt in dem Beinamen, den sie ihm
gaben: Wilhelmus supra regulam^ Er selbst war sich dessen be-
wußt, daß er in der Schroffheit der Anforderungen das Maß über-
schritt: als er einmal erkrankt daniederlag, quälte ihn in seinen
Phantasien die Vorstellung, er stehe vor dem Gerichte Gottes und
solle verdammt werden besonders wegen seiner unverständigen
Strenge*. Aber stand er dann wieder einem Unrecht gegenüber,
so riß ihn der Eifer fort: als er in der großen Hungersnot des
Jahres 1029 die Erfahrung machen mußte, daß die Mönche von
St. Benignus nur die herkömmlichen Almosen spendeten, flammte
sein Zorn empor: man hörte ihn immer wieder ausrufen: Wo ist
die Liebe? wo ist die Liebe? Er heß sofort den gesamten Vorrat
an Weizen, Gerste und Wein den Armen verteilen'^.
So mußte ein Mönch handeln, um der Welt zu imponieren.
Unter den Mönchen wurde Wilhelms Name rasch bekannt und
berühmt: aus Burgund, aus Frankreich und Lothringen, besonders
1 Annal. s. Benign, z. d. J. 990 Scr. V S. 41; chron. s. Benign. 4 S. 854.
2 Nacti chron. s. Bon. 7 S. 856: 70—80 Mönche. Hersfeld hatte nur
ungefähr 50, vita I Godeh. 13 Scr. XI S. 177.
3 Yita 15 S. 710; chroa. s. Ben. 8 f. S. 856 f.
* Ep. 7 S. 368 ff. 5 Hugo Flav. chron. 11, 15 Scr. VIII S. 391.
ö Pro indiscreta severitate, chron. s. Ben. 7 S. 855.
' Hugo Flav. chron. 11, 27 S. 400. Wilhelm starb am 1. Jan. 1031,
Chron. s. Ben. 26 S. 868; Ann. s. Ben. z. d. J. S. 41.
— 464 —
auch aus Italien strömten sie nach Dijon^; hatte der Ruf Wilhelms
sie dorthin gezogen, so vermehrten sie wieder das Ansehen seines
Namens. Bald galt er auch den Laien als einer der Führer des
neuen Mönchtums: Herzog Heinrich von Burgund, König Robert
von Frankreich und der Normannenherzog Richard, mehrere bur-
gundische Grafen nahmen seine Dienste in Anspruch, um die Re-
form da und dort durchzuführen^; der Bischof Bruno von Langres
stellte die sämtlichen Klöster seiner Diözese unter seine Aufsicht^:
schUeßlich stand AVilhelm an der Spitze von vierzig Klöstern mit
mehr als 1200 Mönchen*. Sein Einfluß reichte vom Ozean bis
an den Jura. Für unsere Betrachtung ist am w^ichtigsten, daß er
sich auch über Lothringen erstreckte. Die alten Ausgangspunkte
der lothringischen Reform St. Arnulf, Gorze und St. Aper kamen
unter seine Leitung. Es war Adalbero IL von Metz, der ihm den
Zugang nach Lothringen erschloß. Ein Neffe des älteren Adalbero
hielt er in jeder Hinsicht an dessen Stellung fest. Doch war er
ihm nicht gleich: er war kleiner. Er war so beseelt von Milde
und Wohlwollen, daß er nicht verstand, wie man zürnen kann^.
Vielleicht nicht ganz mit Unrecht sahen seine Gegner darin Mangel
an Verstand^. Ein Zug von Kleinlichkeit wenigstens läßt sich in
seinem Verhalten wahrnehmen ' : es paßt dazu, daß er von Furcht-
samkeit nicht frei war^. Von der asketischen Strömung war er
weit tiefer berührt wie sein Oheim. Daß war die Nachwirkung
davon, daß er in dem Kloster Gorze erzogen worden war. Er
pflegte zeitlebens die Gemeinschaft mit den dortigen Mönchen.
Wenn die Fastenzeit kam, zog es ihn mit Macht in ihren Bj-eis;
er hat diese Wochen gewöhnlich in Gorze verbracht". Nicht jeder-
mann in seiner Diözöse sah das gerne: er wurde getadelt, daß er
1 Chron. 8. Ben. 4 S. 854; 7 S. 855; Uff. S. 860 ff.; 18 S. 862.
2 Heinrich von Burgund übergab ihm St. Viventius zu Verziaoum
(Vergy), Vita Wilh. 12 S. 708; chron. s. Ben. 6 S. 855; König Robert S. Ger-
main bei Paris, chron. s. Ben. 6 S. 465; Herzog Richard Fecamp, vita 13
S. 709, chron. 21 S. 863 f., Jumieges, §. Ouen, S. Michel, chron. 23 S. 865.
Über die bürg. Grafen s. Sackur, D. Clüniacenser I S. 264 ff.
^ Chron. s. Ben. 6 S. 855. Hier werden St. Peter und Paul zu Beze,
St. Johann zu Reome, St. Michael bei Tonnerre u. St. Valerius zu Molemes
genannt.
* Vita 24 S. 715. Es waren nicht nur selbständige Klöster, sondern auch
Propsteien. Rudolf sagt: Tarn monasteria quam coenobia atque cellulae.
6 Constant. Vita Adalb. 5 S. 660. « Ib. 20 S. 664.
' Vgl. c. 25, wie er sich vom Reichsdienst loskaufte.
8 Vgl. c. 19 f. S. 664 0 Ib. 22 S. 665.
— 465 —
für nichts Sorge trage als für die Klöster ^. Aber seine Zuneigung
blieb sich gleich. Zuerst galt ihm niemand so hoch wie die Schotten *.
Dann schloß er sich an Wilhelm von Dijon an. Er kannte ihn
nicht persönlich; aber als er das begeisterte Lob hörte, das einer
von seinen Schülern, der Metzer Kleriker Benedikt, seinem frommen
Wandel spendete % war er sofort entschlossen, ihn für Metz zu ge-
winnen: er lud ihn zu sich ein und übertrug ihm die Abtei St. Ar-
nulf*. Nach Adalberos Tod überwies ihm Dietrich IL auch Gorze^
St. Aper endHch erhielt er von Berthold von TouF.
Es ist unmöglich, die Au%abe, die Wilhelm in den lothringischen
Klöstern hatte, mit der Reform, wie er sie etwa in Vergy oder
Beze vollzog, auf eine Linie zu stellen. Man braucht sich nur zu
erinnern, daß er in Gorze der Nachfolger des Abts Immo wurde,
den Heinrich bei der Reform deutscher Klöster benützte, um
einzusehen, daß dies Kloster nicht reformbedürftig im früheren
Sinne war '. In St. Arnulf und St. Aper war es ebenso. Nicht
um die Beobachtung der Regel wieder durchzuführen hat Adalbero
ihm St. Arnulf übertragen^; und von St. Aper urteilt selbst der Chronist
' Vgl. c. 6 S. 661.
2 Ib. 26 S. 668; vgl. sein Lob in dem Gedicht über die Heiligen von
Metz N.A. V S. 436 f. v. 96 ff. « Chron. s. Ben. 16 S. 861.
4 Ibid. Das Jahr ist nicht sicher. Nach Rudolf vita Wilh. 16 f. S. 711
fand die Übertragung vor der Gründung von Fruttuaria statt; nach dem
chron. b. Ben. 16 S. 861 Fructuariensi noviter cepto. Diese Angaben führen
schon deshalb zu keiner Sicherheit, weil auch das Gründungsjahr des ita-
lienischen Klosters nicht sicher ist, s. Sackur, Clun. II S. 3 ff. Doch fallt
sie wahrscheinlich in den Anfang des neuen Jahrtausends. Um dieselbe
Zeit hat demnach auch Wilhelms Tätigkeit in Lothringen begonnen.
5 Ib. 23 S. 865. In einer Urk. v. 8. Okt. 1007 kommt Immo noch als
Abt von- Gorze vor; Cartul. S. 221 Nr. 123; er lebte noch, als Constantin
seine Biographie Adalberos IL schrieb, d. h. um 1012, c. 26 S. 668, s. o.
S. 457 Anm. 1. « Chron. s. Ben. 17 S. 861 f.
' Beweisend ist die Bewunderung, mit der Constantin vita Adalb. 26
S. 668 von Immo von Gorze spricht; vgl. c. 22: Locus sacrae religionis
districtione insignis. Auch das Chron. s. Ben. deutet nicht an, daß Wilhelm
reformieren sollte. Die Beschränkung mit der Sackur II S. 123 dies Urteil
anerkennt, hat in den Quellen keinen Anhalt. Sie ist notwendig wegen
Sackurs nicht ganz richtiger Beurteilung der Tätigkeit Wilhelms.
8 Er urteilt selbst: Repperi eos, die Mönclie, secundum b. patris Bened.
instituta bene vivere ac s. patrum decreta servare; fügt er hinzu, er habe
gefunden, in aliquibus malorum consuetudinibus eos deviare (JB. XIII S. 176),
80 ist der Unterschied zwischen Regel und Gewohnheiten handgreiflich.
Das chron. s. Ben. 16 ist also im Rechte, indem es nichts von einer Reform
Hauck, Kirchengeschichte. III. 'jO
— 466 —
von Dijon, daß Wilhelm dort tüchtige Mönche vorgefunden habe \
Wozu aber dann seine Berufung? Sie ist nur verständhch, wenn
man über das bisher Erreichte hinausstrebte. Und daß das der
Fall war, ist wenigstens in bezug auf St. Aper bestimmt überliefert:
der eben erwähnte Chronist sagt, daß Wilhelm den Auftrag erhielt,
das Kloster gemäß der Einrichtung von St. Benignus in besseren
Stand zu bringen^. Die Nachricht wird von Bischof Brun von
Toul bestätigt, der von der Einführung ungewohnter Ordnungen
spricht^. So kann man die Benediktinerregel nicht bezeichnen:
es wird sich also darum gehandelt haben, daß die Gewohnheiten
von St. Benignus in St. Aper, ebenso auch in St. Arnulf und
Gorze eingeführt wurden. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren
sie mit denen von Cluni identisch: jetzt begannen diese in Lothringen
einzudringen.
Von Gorze kamen sie weiter in die von diesem Kloster ab-
sagt; es bemerkt nur: Suppliciter evocatus atque s. Arnulfi abbatia donatus
eundem Benedictum ibidem constituit patrem. Die junge Hist. s. Arnulfi
Scr. XXIV S. 544 f. lobt Johann IL, den Nachfolger Johanns I. und Vor-
gänger Benedikts, ungemein: Statim loci famam, iam ubique celebrem
studio litterarum adeo nobilitavit, ut . . undecunque ad eins magisterium
quam plurimi confluerent. Sie schreibt ihm die vita Chlodesindis zu.
^ C. 17 S. 862: Invenit ibidem strenuos monachos. Diesem Urteil
gegenüber kommt meines Erachtens das Brunos von Toul: Qualiter per
domnum abb. Wilhelmum locum s. Apri omni religioue destitutum Deus
visitaverat (de instaur. Mign. 143 S. 581), nicht in Betracht. Es ist vom
cluniacensischen Standpunkte aus gefällt.
- Fährt der Chronist fort: Cuius annuens precibus idem coenobium in
paucis annis ad regulärem commutavit statum, so widerspricht er damit
dem folgenden Satz: Invenit ibidem strenuos monachos. Der Widerspruch
ist verständlich, da auch für den Chronisten der regularis status und die
Herrschaft der institutio s. Benigni zusammenfiel.
^ L. c: Cum viderent et audirent de ordine monachorum inusitata
et interdiceretur quibusque curiosis fratrum familiaritas, quae passim prius
cunctis communis et facilis exstiterat: bis et aliis occasionibus coepit oriri
quaerimonia contra locum. Brun entschuldigt weiter unten den Wider-
spruch: Excitabat non tarn malitia quam minus peccans ignorantia. Auch
diesen Satz hätte er schwerlich sagen können, wenn es sich nur um die
Wiederherstellung der Regel gehandelt hätte. Auf eigenartige Einrichtungen
führt nicht minder, was Rudolf Glaber vita 24 S. 715 berichtet, und sein
Urteil über Hermann von Toul: Coepit exosos huius patris habere monachos
cum sua institutione, 22 S. 714. Diese institutio ist unmöglich die Bene-
diktinerregel; man kann nur an die cluniacensischen Gewohnheiten
denken.
^ ._ 467 —
hängigen Propsteien zu Amel und Yarangeville', von St. Aper in
die Klöster, St. Belin, St. Mansuet und Moyenmoutier ^
Als Wilhelm im zweiten Jahrzehnt seiner Tätigkeit stand,
bildete sich in Lothringen ein neuer Mittelpunkt des Cluniacenser-
tums. Im Oktober 1005 wurde Richard Abt von St. Yanne vor
Verdun^ Das Kloster gehörte, wie wir uns erinnern, seit seiner
Stiftung durch Bischof Berengar der Reformrichtung an. Am
Ausgang des zehnten Jahrhunderts hatte es an dem Schotten
Pingenius einen Abt, in dessen Anerkennung alle Freunde der
Askese übereinstimmten *. Besonders Adalbero II. von Metz hielt
große Stücke auf ihn; er hat ihm die beiden Klöster St. Felix
und St. Symphorian übertragen^. Doch gelangte St. Vanne unter
1 Stiftungsurk. der Gräfin Hildegundis v. 959, Cartul. S. 196 Nr. 107;
nach ihr war Amel für Kanoniker bestimmt. Die Mönche kamen unter Abt
Siegfried dahin, ürk. Ramberts von Verdun v. 1032, Gallia christ. XIII
S. 557; vgl. J.W. 4250, wo die zwei cellae Amella und Vuaringisi villa, regu-
lariter in monastico ordine constitutae, dem Kloster Gorze bestätigt werden.
'^ Auszug aus einer Urk. des Bischofs Berthold bei Mabillon, AnnaL
s. Bened. IV S. 168 für St. Belin. Moyenmoutier und St. Mansuet übergab
Bruno von Toul unmittelbar nach seiner Konsekration dem Propst Widrich
von St. Aper zur Reform, vita Leon. 1, 11, Watterieh I S. 141.
•^ Über Richard berichten: Die Fortsetzung der Gesta ep. Vird. (Scr.
IV S. 45ff.); sie stammt aus St. Vanne; Hugo von Flavigny im 2. Buch
seiner Chronik (Scr. VIII S. 368 ff.); auch er war Mönch in St. Vanne; die
im Anfang des 12. Jahrh.'s in demselben Kloster verfaßte Biographie (Scr. XI
S. 280 flf.). Die beidjen späteren Berichterstatter haben die Gesta gekannt,
daneben aus mündlicher Überlieferung und urkundlichen Quellen geschöpft.
Eingehend handelt Sackur über Richard in seiner Inauguraldissertation
Breßlau 1886 und Cluniacenser II S. 133 ff. Die Urk. Richards im JB. d.
Gesellsch. f. lothr. Gesch. X S. 424 ff.
* Humbert starb am 4. Dez. 973, Ann. s. Ben. S. 41; bei Hugo 972
S. 367. Er ist wahrscheinlich Anfang der sechziger Jahre zui-ückgetreten.
Denn schon die erste Urkunde Wigfrids unterschreibt sein Nachfolger
Nr. 15 S. 404. Es folgten rasch hinter einander fünf Äbte mit deutschen
Namen, dann der Kelte Fingenius. Das Urteil über ihn ist übereinstimmend
günstig. Constantin von St. Symphorian nennt ihn sanctus et venerabilis
pater, vita Adalb. 26 S. 668; den Gest. ep. Vird. cont. 9 S. 48 ist er magnae
sanctitatis vir. Hugos Urteil ergibt sich daraus, daß er St. Vanne als
religionis ordine insignitum bezeichnet, H, 4 S. 370. Heißt er in der vita
Rieh, 4 S. 282 vir multae simplicitatis, so ist auch dies als Lob gemeint;
vgl. c. 6 S. 283 : Digna meritis suis sepultura. Vgl. chron. s. Clem. Scr. XXIV
S. 499.
6 Vita Adalb. 26 S. 668; Hugo II S. 368; vgl. oben S. 369.
30*
— 468 —
seiner Leitung nicht recht zur Blüte. Der Besitz hatte sich zwar
ständig gemehrt; doch mag er noch nicht ausreichend gewesen
sein^. Vielleicht schadete auch der Umstandj daß Fingenius ein
Kelte war. Er sammelte seine Landsleute um sich; die Zahl der
wandernden Kelten aber war nicht mehr so groß wie im sechsten
und siebenten Jahrhundert. Als Richard eintrat, fand er in
St. Yanne nur sieben Mönche^.
Richa,rd ist in der Nähe von Montfaucon geboren^. Auch
dort bestand ein Schottenkloster*. Von diesen Fremdlingen mag
der Knabe den ersten Eindruck von der Erhabenheit der Welt-
verleugnung empfangen haben. Er hat ihn nicht mehr verlassen:
nichts haftet ja so fest, als die Anschauungen, die die Seele halb
unbewußt in der Jugend in sich aufnimmt. Doch sollte er nicht
^ B. Wigfrid urteilt in seiner ersten Urk. um 965 : Ceptum quidem in
religionis gratiam invenimus, sed c^mpetentium rerum facultatibus que ad
custodiendutn sanctitatis pertinent cultum minus idonee structum fuiase
perspeximus, Nr. 15 S. 403. Nun mehrte sich zwar der Besitz, wie der
Vergleich der Urkk. Ottos I., II. und Heinrichs II. ergibt Nr. 12, 20, 24;
aber als reich kann man das Kloster auch später nicht bezeichnen. Über-
dies wurde sein Recht auf einzelne Stücke angefochten, vgl. S. 446 Nr. 39.
Daraus wird sich die Bemerkung Hugos erklären: Quia locus idem per
manum laicam aliquantulum neglectus erat, (Rieh.) ad restaurandum eum
ibidem abbas est ordinatus. Den sittlichen Zustand des Klosters dacht«»
Hugo, wie die S. 467 Anm.'4 angeführte Stelle zeigt, nicht als tadelnswert.
Zweifel an ihm erregen die Bemerkungen der gesta. Allerdings wird c. 6
S. 47 erzählt: Gubernata est eadem ecclesia . . cum omni honorifieentia a
viris . . singulari industria pollentibus Adelmaro . . et Fingenio abbatibus.
Dagegen wird c. 9 S. 48 das religiöse Leben der Mönche unter Fingenius
als wenig lobenswert getadelt. Dieser Tadel wird in der vita Rieh. 4 S. 282
wiederholt, und von Hirsch, JB. III S. 236, Wattenbach, GQ. II S. 118, und
Sackur, Richard S. 7 u. Clun. II S. 134, als begründet betrachtet. Ich zweifele,^
ob mit Recht. Denn nicht nur widerspricht sich der Fortsetzer der Gesta,
sondern besonders wäre das übereinstimmende Lob des Fingenius unver-
ständlich, wenn er die Abtei verwahrlost hätte. Auch ist es bei dem Ruhme
Richards viel verständlicher, daß man ihm eine dunkele, als daß man ihm
eine helle Folie erdichtete. Endlich wäre unverständlich, daß die Wahl
Richards und Friedrichs auf St. Vanne gefallen wäre, wenn das Kloster
notorisch heruntergekommen gewesen wäre. Die Armut war für sie kein
Gegengrund, ohne Zweifel aber die conversatio parum laudabilis. Hugo und
Gesta 6 werden also im Rechte sein gegen Gesta 9.
2 Vita Rieh. 4 S. 382.
3 Ib. 2 S. 281 ; vgl. Sackur S. 4. Sein Vater, der Graf Hiidrad, ist zu
3 id. Dez. im Necrol. v. St. Vanne genannt S. 148.
4 S. oben S. 351.
— 469 —
Mönch werden, sondern er wurde der Domschule zu Rheims zur
Erziehung übergeben. Man rühmte nicht minder die Bildung wie
die sittliche Haltung" an dem Klerus dieser Stadt ^. Wichtiger
war für Richard, daß die Klosterreform längst in Rheims im
Vordergrund des Interesses stand. Schon im Jahr 945 war von
Meury aus das Remigiuskloster reformiert worden. Es war eine
jener stolzen Abteien, die den Grundsätzen Clunis gemäß Freiheit
von königlicher und bischöfHcher Gewalt erstrebten und erreichten '■^.
In den nächsten Jahrzehnten breitete sich die Reform über die
übrigen Klöster der Diözese aus. Sie hatte einen tatkräftigen
Förderer an dem Erzbischof Adalbero. Der einflußreiche, ge-
wandte und energische Politiker war durch die Stellung seiner
Famüie — er entstammte dem Hause der Ardennergrafen — wie
durch persönliche Neigung "auf die Seite der Reformfreunde ge-
führt. In die letzten Jahre seines Wirkens fiel der Eintritt
Richards in die Kathedralschule ^. Als Jüngling war dieser Zeuge
des Kampfs, den Gerbert und Arnulf um das Erzbistum führten,
und der Parteinahme des französischen Mönchtums gegen den
Episkopat und für die Autorität Roms. Es erscheint wie die
natürliche Folge des Eindrucks, den diese Ereignisse auf einen
jungen, für die asketische Frömmigkeit begeisterten Mann machen
mußten, daß Richard den Gedanken ergriff, aus den Reihen der
Weltgeistlichkeit zu den Mönchen überzutreten. Er iu"teilte, es sei
zu wenig, dem Herrn zu dienen, man müsse ihm nachfolgen*.
1 Hugo II, 1 S. 368 f. - Sackur, Clun. I S. 157.
•' Über Richards Geburtsjahr ist nichts bekannt; das erste Datum
seines Lebens, das annähernd bestimmt werden kann, ist sein Eintritt in das
Kloster. Er lallt in den Sommer 1004 oder 1005. Die erste Zahl ist durch
das Necrol. von St. Vanne bezeugt, das den Tod des Fingenius zum 8. Okt.
1004 notiert, S. 147, und Richard im 42. Jahr nach seiner Ordination sterben
läßt, S. 142. Dagegen bieten die Ann. s. Vitoni, Scr. X S. 526, und die
Ann. 3. Ben. S. 41 d. J. 1005. Eine sichere Entscheidung scheint mir un-
möglich. Da Richard vorher bereits Archidiakon war, so muß man ein
Alter von ungefähr 30 Jahren annehmen; er ist demnach um 975 geboren.
Da er am 14. Juni 1046 senio fractus starb, Gesta ep. Vird. cont. 10 S. 50 ;
Hug. ehr. II, 30 S. 405; V. Rieh. 19 f. S. 289, Necr. 8. Vit. S. 142, so hat man
eher einige Jahre hinauf- als herabzugehen; denn 70 Jahre ist kein außer-
gewöhnlich hohes Alter. Da der Unterricht der zukünftigen Kleriker be-
gann, wenn sie ungefähr 10 Jahre alt waren, vita Theoder. abb. 8 Scr. XII
S. 41, so fällt Richards Eintritt in die Domschule noch unter Adalbero;
bei dem Rücktritt Gerberts 998 stand er dem 25. Jahr, in dem er die
Diakonenweihe empfangen konnte, ganz nahe. Sie wird ihm von Arnulf
erteilt worden sein. * Hugo ehr. II, 3 S. 369.
— 470 —
Noch war er nicht zum Entschluß gekommen, als ein Verwandter
des Erzbischofs, der Graf Friedrich von Verdun^, ihn anfeuchte,
um sich bei ihm über den Eintritt in ein Kloster Rats zu er-
holen^. Auch Friedrich war tief ergriffen von dem religiösen Zug
der Zeit; er hatte eben eine Wallfahrt nach Jerusalem vollendet^;
jetzt begehrte er sich ganz von dem tätigen Leben zu lösen.
Seine Frage wurde für Richard entscheidend: sie brachte seinen
eigenen Entschluß zur Reife. Das Ende der Unterredung beider
Männer war, daß sie beschlossen, gemeinsam den Schritt zu tim,
den beide planten, und zwar sogleich. Das Kloster, das sie er-
wählten, war St. Yanne.
Wie selten gleicht die WirkUchkeit der verklärenden Er-
wartung! Bei Richard und Friedrich führte der Eintritt in das
Schottenkloster zu einer bitteren Enttäuschung: sie fanden das
Leben unter den Mönchen ganz anders, als sie gedacht hatten.
Aber was band sie an St. Vanne? Noch hatten sie kein Gelübde
abgelegt; konnte ihnen nicht ein anderes Kloster das bieten, was
sie hier vergeblich suchten ? Kurz entschlossen gingen sie nach
Cluni: dort meinten sie sei die Heimat des vollkommenen Mönch-
tums. Aber nichts ist verständlicher, als daß der weit- und menschen-
kundige Odilo sie nicht annahm. Er riet ihnen, nach Yerdun.
zurückzukehren, und ihnen war es so tiefer Ernst mit der Selbst-
verleugnung, daß sie seinem Rat wie einem Befehl gehorchten*.
Am 11. Juli 1005 legten sie das Gelübde in die Hand des kel-
tischen Abtes ab^. Als Fingenius die beiden Lothringer seinen
sieben Schotten zugesellte, konnte niemand ahnen, daß er am Ziel
seiner Laufbahn stand. Aber er starb bereits am 8. Oktober 1005.
Und nun ernannte Bischof Heimo Richard zum Abt: es geschah
^ Er war ein Solin Gottfrieds, des damaligen Familienhaupts der
Ardennergrafen, Hugo II, 3 S. 369; vgl. die Erwähnung in der Urk. B. Heimos
S. 426 Nr. 26, Richards Äußerungen Nr. 29 f. und d. Necrol. v. St. Vanne zu
8. id. Jan. S. 135.
- Hugo II, 4 S. 870 läßt Friedrich mit der Absicht, den Rat Richards
zu erholen, nach Rheims reisen; dagegen spricht der Biograph von einem
Zufall: Contigit denique, Incidit sermo, c. 3 S. 282. Hugos Angabe scheint
mir wahrscheinlicher. ^ Gest. ep. Vird. cont. 9 S. 49.
^ Ibid. mit der handgreiflich erdichteten Motivierung: Ibi eos habitare
non oportere, ubi nuUa superarent, quae eorum exemplo corrigerentur, quin
potius redirent ad propria, ut per eos illic fructificaret seges domino placitura.
^ Die Gesta und danach die Vita erzählen von einem nochmaligen
Schwanken. Nach Hugo II, 5 S. 371 ist Richard ohne die Erlaubnis seines
Bischofs eingetreten, die ihm Fingenius nachträglich verschaffte.
— 471 —
wider den Willen der Mönche; der Bischof griff ein, da sie sich
über die Wahl nicht einigen konnten^.
Wenn Heimo einen tüchtigen Abt gesucht hatte, so täuschte
Richard seine Erwartungen nicht: die Zahl der Mönche ging rasch
in die Höhe ; in den Schulen drängte sich die lernbegierige Jugend ;
die neuen stattlichen Klostergebäude zeugten von dem neuen Leben,
das in St. Vanne sich regte ^: aus dem armen Klösterlein wurde
eine wohlhabende, verständig und sorgsam verwaltete Abtei ^.
Aber darauf beruht die Bedeutung Eichards nicht; er war
mehr als ein rühriger Abt: er war eine imponierende Persönhchkeit,
recht geeignet, auf weite Kreise zu wirken. In mancher Hinsicht
wird man an die älteren Lothringer erinnert. Wie jenen, so war
es auch ihm nicht genug, die Regel zu beobachten; wohl gab sie
für sein Leben den Grundton an; aber er konnte nicht lassen,
darüber hinauszustreben. Sein Drang nach Meditation erschöpfte
sich nicht in der Betrachtung der vorgeschriebenen Lektionen; nur
wenn er tägHch den ganzen Psalter betete, genügte er sich selbst*.
Die herkömmliche Anruftmg des Herrn war ihm zu wenig: er
konnte keinen Tag vorübergehen lassen, ohne dem Gekreuzigten
den ■ Zoll der Dankbarkeit in einer besonderen Anbetung zu er-
weisen ^ Wenn die Mönche ihh Richard von der Gnade Gottes
nannten*, so trafen sie den Mittelpunkt seines inneren Lebens.
1 Hugo 11,6 S. 371; Gest. ep. Vird. 9 S. 48; Vita Ricli. 6 S. 283; Ann.
s. Ben. z. J. 1005 S. 41. Ich habe im Text nur das Tatsächliche gegeben,
die von den Berichterstattern mitgeteilten Einzelzüge sind mehr oder weniger
sagenhaft. Daß die Mönche einen Mann nicht zum Abt wollten, der von
Hechts wegen noch Novize sein mußte, ist ebenso leicht verständlich, wie
daß Heimo, wenn er einmal ernannte, sich nicht daran kehrte. Seine Liebe
zu St. Vanne spricht H. in der Urk. S. 429 Nr. 28 aus.
2 Die obige Schilderung nach Hugo II, 7 S. 372 f.; vita 7 S. 283. Für
das Einzelne verweise ich auf Sackur S. 78 ff.
^ Das unter Richard oder seinem Nachfolger Walram hergestellte
Güterverzeichnis JB. XTV S. 123 ff. zeigt gegenüber dem älteren Verzeichnis
X S. 448 den wachsenden Besitz. Auch das erste Kartular ist unter Richard
zusammengestellt, X S. 346 ff. Nicht minder scheint die Anlage eines
Totenbuchs auf ihn zurückzugehen, XIV S. 131. Hier findet sich über ihn
S. 142 folgender Eintrag: Qui locum nostrum monastica religione insignivit,
fundis et reditibus, ecclesiasticis quoque utensilibus ditavit, donis fidelium
sublimavit, multorum cenobiorum institutor et rector.
4 Hugo chron. II, 2 S. 369.
5 Ibid.: Solebat ante crucem orationem cotidianam dicere, quarum hee
erant omnium versuum initia: Adoro te, Christe, crucem ascendentem, et
benedico te. "" Ib. 15 S. 391.
— 472 —
Auch daß er die Entsagungen leistete, die von allen Mönchen ge-
fordert wurden, war ihm zu wenig: er steigerte die asketischen
Übungen^, besonders die Fastenzeit beging er in strenger Selbst-
kasteiung'^. Wie den Alteren, so schien auch ihm das Leben des
Einsiedlers um eine Stufe höher zu stehen- als das des Mönchs^.
Die sinnlichen Dinge, welche die Frömmigkeit der Zeit mit
magischer Kraft an sich fesselten, standen ihm unvergleichlich hoch.
Schon als er noch Kanonikus in Rheims war, war es ihm eine
schauervolle Lust, den Reliqui^ischatz der Domkirche zu durch-
forschen*. Wie viele Reliquien hat er später für seine Klöster
erworben^! Stets ti'ug er Reliquien bei sich**, ReHquien in den
Händen haltend ist er gestorben '. Das Höchste auf Erden' dünkte
ihn, das Grab des Herrn mit Augen zu schauen. Er hat, wahr-
scheinlich im Jahr 1025, eine Wallfahrt in das heilige Land gemacht.
Dabei wußte er sich keinen besseren Wunsch, als daß es ihm ge-
währt werde, dort zu sterben^. Überhaupt beschäftigte sich seine
Phantasie gerne mit dem, was jenseits des Grabes liegt. Es erregte
seine höchste Teilnahme, 'als ein paar Mönchen in seltsamen Ge-
sichten der Schleier, der das Reich der Toten verhüllt, sich zu
lüften schien: er ließ, was sie geschaut hatten, aufzeichnen und
widmete die Schrift allen Christen, „den Ghedern des geisthchen
Leibes, dessen Haupt Christus ist"". Sie dünkte ihn die rechte
Lektüre für alle Gläubigen.
Das alles hegt ganz auf der Linie, auf welcher das ältere Ge-
schlecht sich bewegte. Aber dadurch allein ist Richard nicht
charakterisiert. Er besaß eine unvergleichhche Gabe, die Menschen
zu behandeln. Wenn er im Kapitel sprach, so wußte man nicht
zu sagen, ob er mehr erschütterte oder aufrichtete: bald glaubte
man den Brand der Hölle vor Augen zu sehen, bald fesselte sein
Wort durch den bestrickenden Zauber des Trostes, den es darbot^*^.
Und dieser Mann, der keine Schonung gegen die Sünden, die er
wahrnahm, kannte ■^^, war wie unempfindlich gegen jedes Unrecht,
das ihn persönlich betraf: man sagte, er könne keine Beleidigung
merken, dagegen behalte er jede Freundlichkeit.^- Dadurch über-
' Vita Rieh. 15 S. 288. 2 Hugo chron. II, 12 S. 377.
■' Vita Rieh. 14 S. 287. * Mirac. Geng. 6 Scr. XV S. 792.
'^ Vita Rieh. 11 S. 286; 19 S. 289; Hugo chron. 11,24 S. 397.
» Hugo II, 30 S. 404. ' Ibid.
* Ib. 11, 18 S. 393. Über das Jahr s. Saekur, Richard S. 93 ff.
» Ib. n S. ;-i81. 10 Ib. S. 379 f., vgl.j vita Rieh. 9 S. 285.
1^ Hugo S. 380.
^- Ib. S. 379: Ut immemor iniuriae, memor gratiae diceretui-.
— 473 —
wand er alle Feindschaft: es fehlte ihm nicht an Gegnern; ein
junger Mönch aus St. Yaast, namens Leduin, vergaß sich so weit,
daß er sich zur Ausführung eines Mordanschl%gs auf Richard her-
gab; aber dieser wußte den Mörder zu seinem treuesten Schüler
zu machen^. Das war ihm mögUch, weil ihn sein Mut nie im
Stiche Heß: lq St. Yaast unterHeß er jede Maßregel zu seinem
Schutz, obgleich ihm die Gefahr, die ihm drohte, nicht unbekannt
war. Bei der Erstürmung von Commerci eilte er in die brennende
Burg, um die Rchquien aus der Kirche zu retten^. Im Kampf
um Bar hat er Tote und Verwundete mitten aus dem Schlacht-
getümmel getragen^.
Die Mönche empfanden mehr als Liebe zu ihm: sie blickten
zu ihm auf wie zu einem Wesen- höherer Art. Einer glaubte in
einem Gesicht dasselbe Urteil über ihn zu vernehmen, das der
Hen- einst über Nathanael ausgesprochen hat^; ein anderer er-
zählte davon, daß Christus gewissermaßen sichtbar mit dem Abte
verkehre; während er betete, seien Tränen aus den Augen des
Gekreuzigten auf sein Haupt gefallen ^ und der Herr habe zu ihm
gesprochen : Du hast mich auf Erden gepriesen, so segne auch ich
dich*^. Bald wußte man auch von Wundern, die er selbst ver-
richtet habe ^. Sein Name war in aller Munde ^ ; sein Einfluß
wetteiferte mit dem Wilhelms. GeistHche und weltliche Herren
übertrugen ihm bald herabgekommene Klöster ziu- Reform, bald
neu gegründete zur Einrichtung, bald Chorherrenstifter zur Um-
wandlung in Mönchsklöster. Auch wenn derartige bestimmte Ab-
sichten fehlten, liebte man es, ihm oder seinen Schülern die Leitung
mönchischer Genossenschaften anzuvertrauen: es schien keine bessere
1 Hugo 11 f. S. 377f.
2 Epist. mon. s. Vitoni ad mon. s. Pant. (A. S. 0. s. Ben. VI, 1 S. 472);
vgl. vita Rieh. 11 S. 286. ' '^ Vita Rieh. 1. c,
* Hugo S. 385. 5 Mirac. Rieh. 7 (A. S. 0. s. B. VI, 1 S. 469).
0 Hugo n, 2 S. 369.
' Ib. 11,19 S. 393; vita Rieh. 15 f. S. 288; Mirac. S. 466 ff.
® Richard hat ein paar Kleinigkeiten geschrieben; der Bericht über
die Gesichte der beiden Mönche, den Hugo in seine Chronik aufnahm, ist
von ihm redigiert; auch ist er der Verfasser der Biographie des Kelten
Roding, des Gründers von Waslogium (A. S. O. s. B. IV, 2 S. 544 ff.). Im
ersteren tritt selbstverständlich die Persönlichkeit des Autors zurück; aber
auch die letztere gehört zu der Dutzendware. Seltsam, daß dieser eigen-
artige Mann kein eigenartiger Schriftsteller war. Die litterae exhortatoriae,
welche er an Poppe von Stablo schrieb, dta Popp. 30 S. 318, scheinen ver-
loren zu sein.
— 474 —
Gewähr dafür zu geben, daß sie in Wahrheit ihrer Bestimmung
dienten.
So breitete sich Eichards Einfluß über die Diözesen Kamerijk \
Lüttich-, Metz ^, Yerdun * und über die benachbarten französischen
^ Ich begnüge mich, die wesentlichsten Notizen zusammenzustellen,
und verweise für alles einzelne auf Sackur. 1008 erhielt er von ßalduin
von Flandern St. Vaast zur Reform, Gesta pont. Camerac. I, 116 Scr. VII
S. 452; Hugo ehr. II, lOf. S. 377; vita Popp. 11 S. 300. Später von B. Gerard
und seinem Bruder Gottfried das Chorherrenstift Hautmont zur Umwand-
lung in ein Kloster, Gest. pontif. Cam. II, 35 S. 463 u. III, 6 S. 468. Die
Umwandlung fällt nach Gallia Christ. III S. 116 in das Jahr 1016. Daß
auch St. Maria in Kamerijk unter Richards Leitung stand, nimmt Sackur
S. 27 f. auf Grund der Mitwirkung Richards bei der Weihe des Neubaues
i. J. 1030, Gest. pont. Cam. III, 49 S. 483, mit viel Wahrscheinlichkeit an.
- 1010 oder 1011 erhielt er von Gerard v. Cambrai das eben voll-
endete St. Johannisstift zu Florennes, um daselbst die Benediktinerregel
einzuführen. Gest. pont. Cam. 111,18 S. 470; Sigib. Auct Gembl. z. J. 1010
Scr. VI S. 391; Annal. Floreff. z. J. 1011 Scr. XVI S. 622. 1020 von Wol-
bod von Lüttich und Gerard von Cambrai Laubach zur Reform, Hugo H, 10
S. 376 (wo jedoch unrichtig Balderich genannt ist); Annal. Laub. z. 1020
Scr. IV S. 18; Gest. abb. Lobb. 4 Scr. XXI S. 310; Gest. pont. Camer. III, 15
S. 470; Vita Rieh. 9 S. 284. 1025 trat, von Bischof Reginard berufen, der
Cellerarius Stephan von St. Vanne als Propst an die Spitze von St. Lorenz
in Lüttich, Hugo II, 10 S. 376 (zur Berichtigung der ungenauen Angabe dient
Rup. chron. s. Laur. 28 ff. S. 271 ff.); vgL vita Rieh. 12 S. 286; Annal. Leod.
z. J. 1026 Scr. IV S. 18; Ansei. Gest. ep. Leod. 37 Scr. VII S. 210. Wenn
Hugo II, 10 S. 87? auch Stablo, Malmedy und Waussor unter den von
Riehard geleiteten Abteien aufgezählt sind, so geschieht es vermutlich mit
Rücksieht darauf, daß sein Schüler Poppo an der Spitze dieser Klöster
stand; s. darüber u. Auch St. Hubert hing nur indirekt von Richard ab,
dadurch, daß 1055, also fast 10 Jahre nach seinem Tod, sein Schüler Theo-
derich dort Abt vsrurde, chron. s. Hub. 6 S. 572; vita Theod. 16 Scr. XH
S. 45. Hugos Angabe, daß Richard St. Hubert in seinen letzten Jahren
selbst verwaltet habe, 11,30 S. 404, scheint also unbegründet.
" Hugo nennt II, 16 S. 377 St. Vincenz in Metz als unter Richard
stehend.
^ Daß Beaulieu (Waslogium) von Richard geleitet bezw. wiederher-
gestellt wurde, erwähnt Hugo II, 10 S. 377 u. 30 S. 404, ebenso vita Rieh.
12 S. 286, mir. Rieh. 4 S.'468 und vita Popp. 13 S. 301. Eine Angabe über
die Zeit fehlt. Doch folgt daraus, daß Poppo spätestens 1016 Propst von
Beaulieu wurde (s. Ladewig, Poppo S. 86), daß er das Kloster in seiner
ersten Zeit erhielt. St. Mihiel wurde durch den Abt Nanter im Einver-
nehmen mit Richard in der Weise reformiert, daß er Mönche von St. Vanne
dorthin verpflanzte, Chron. s. Mich. 9 — 11 S. 82. Die Zeit steht nur da-
durch fest, daß die Erhebung Nanters durch Herzog Dietrich, also vor 1027,
— 475 —
Bistümer aus-^; man zählte mehr als zwanzig Klöster, die längere
oder kürzere Zeit unter seiner Aufsicht oder Leitung standen ^
Überall wo er wirkte, gelang es ihm, die mönchische Gesinnung
neu zu beleben, nicht minder auch die ökonomische Lage der
Klöster zu verbessernd
Die Tätigkeit Richards bewirkte, daß St. Vanne wie die Mutter-
kirche einer Genossenschaft von Klöstern erschien*. So betrachtete
besonders er selbst das Verhältnis. Es war nicht seine Gewohn-
heit, die ihm übertragenen Klöster für die Dauer zu behalten : nur
Beaulieu, St. Peter und St. Urban in Chartres hat er neben
geschah. Das von ßaimbert gegründete Kl. St. Agerich in Verdun muß
ebenfalls irgendwie unter Richard gestanden sein; denn er sorgte nach
Raimberts Tod dafür, daß es unabhängig blieb, cf. Scr. IV S. 51 Not. 2. Im
Bistum Verdun lag auch das einzige durch Richard reformierte Frauen-
kloster: St. Johannes und Maurus; die Reform fallt unter B. Heimo, also
vor 1024, Hugo II, 16 S. 391; vgl. ep. monach. s. Vitoni, 1. c. S. 472 u. Urk.
Leos IX. V. 24. Okt. 1049 J.W. 4190.
^ Diözese Tournai: St. Peter bei Gent und S. Amand, Hugo II, 10
S. 377; für das erstere Ann. Bland, z. 1029 Scr. V S. 26; für das letztere
cat. abb. s. Am. Scr. XHI S. 387; hiernach leitete Richard die A.btei
1013—1018; Ann. Elnon. mai. z. 1013 Scr. V S. 12. Diözese Therouanne:
S. Bertin Hugo 11, 10 S. 377; nach II, 15 S. 386 war das Kloster i. J. 1011
noch nicht reformiert; nach Sim. Gest. abb. s. Bert. I, 1 Scr. XIII S. 636
wurde die Reform durch den Abt Roderich, vorher Mönch in St. Vaast in
Arras, also einem Schüler Richards, seit 1021 durchgeführt. Er reformierte
auch das Kloster Bergh St. Winnoc bei Dünkirchen, wo die Säkularkanoniker
durch Mönche ersetzt wurden, Sim. Gesta abb. s. Bert. II, 72 S. 650. Diözese
Amiens: Gorbie, Hugo 11,10; St. Riquier, Hugo 1. c; ep. Monach s. Vit.
S. 472; chron. Centul. IV, 13 bei d'Achery Spicil. II S. 387 f.; St. Josse,
Hugo 1. c. Diözese Beauvais: Breteuil, Hugo 1. c. Diözese Noyon: Hom-
blieres, ibid.; Gesta pont. Camer. III, 23 S. 473, St. Quentin, Hugo 1. c; Urk.
Gregors VI. J.W. 4130. Diözese Rouen: St. Wandrille, Hugo 1. c. Diözese
Chalons s. M.: St. Peter, Hugo 1. c; vita Rieh. 12 S. 286; Annal. s. Petr.
Catal. z. J. 1034 Scr. XVI S. 488; St. Urban, Hugo 1. c; Mouzon, s. Sackur
S. 69 f. u. Breßlau, JB. II S. 406.
'•^ Vita 12 S. 286 wird die Zahl 21 genannt; sie ist wertlos; denn der
Verfasser hat einfach die von Hugo im 10. Kap. genannten Klöster zu-
sammengezählt.
^ Über St. Vanne s. oben S. 471; über St. Vaast Gest. pont. Camer.
1,116 S. 452; über Laubach ib. 111,15 S. 470; über Florennes ib. 111,18
S. 470; über Beaulieu vita Rieh. 12 S. 286.
* Mirac. Rieh. 5 S. 468 : Pro lege eis — den Vorstehern der einzelnen
Klöster — constituerat, ut singulis annis huic ecclesiae- matri suae se re-
praesentarent.
— 476 —
St. Vanne selbst geleitet ^. Im übrigen befolgte er den Grundsatz,
den Klöstern ihre Seljjständigkeit zurückzugeben, sobald es ohne
Schaden für die Sache möglich war^. Aber dadurch sollte das
Band, das sie mit St. Vanne vereinigte, nicht zerrissen werden: er
führte die Sitte ein, daß Jahr für Jahr die von ihm eingesetzten
Pröpste und Abte St. Vanne besuchten ^ Die Gleichheit der An-
schauungen, die Fortdauer der von ihm getroffenen Einrichtungen
wurde dadurch verbürgt. Denn mit der Durchfüh^ttng der Bene-
diktinerregel begnügte er sich nicht. Es unterliegt keinem Zweifel,
daß in seinen Klöstern gewisse Gewohnheiten beobachtet wurden,
die man sonst nirgends fand*: teils wurden abgekommene Ein-
richtungen erneuert''', teils neue getroffen**. Das Vorbild Olunis hat
1 Hugo chron. II, 10 S. 377.
-^ In St. Vaast wurde wahrscheinlich 1013 Poppo Propst, vita Popp. II
S. 300; über das Jahr s. Sackur S. 18 Anm. 3; Hautmont erhielt alsbald
nach der Einführung der Mönchsregel an Fulcuin einen eigenen Abt, Gest.
pont. Cam. HI, 6 S. 468, vgl. II, 35 S. 463. Wann dies bei Sfc Maria in
Cambrai geschah, weiß ich nicht. Die Geschichte dieser Abtei scheint im.
dunkeln zu liegen, s. Gallia christ. III S. 77. In Florennes wurde, unsicher
wann, ein Mönch Benedikt Abt, Notiz zu Aegid. Aureaevall. Gest. ep. Leod.
c. 59 Scr. XXV S. 63, vgl. übrigens Sackur, Clun. II S. 139. Auf Lobbes
verzichtete Richard 1032 (s. u.). St. Lorenz hatte von Anfang an einen
eigenen Propst und wurde bald selbständig (s. u.). Beaulieu stand eine Zeit-
lang unter Poppo als Propst, vita Popp. 13 S. 301 ; St. Mihiel hat Richard
nie direkt, geleitet (s. o.); St. Johann und Maurus erhielt bei der Reform eine
Äbtissin, Hugo II, 16 S. 391. Ähnlich war es in den ^anzösischen Klöstern,
s. die Notizen bei Sackur, Richard S. 67 ff.
3 Mirac. Rieh. 5 S. 468 (s. S. 475 Anm. 4).
•* Vgl. folgende Stellen: Gest. ep.^Vird. cont. 9 S. 49: Cuius institu-
tionibus' tota gaudet Francia, et dum religionis habet vestigia, triumphat
Lothariensis patria. Hugo II, 12 S. 377 : Imminenti quadragesimali tempore,
quia hec erat monasterii regula, ut in illis diebus artiori se^quisque mae-
taret continentia, cum — die Mönche von St. Vaast — - ad hoc propensiori
cura et ferventiori compellerentur etc. Vitar Rieh. 12 S. 286: In quibus —
den Klöstern Richards — adhuc quam plurimis servari vidimus eius insti-
tutiolium insignia.
^ Mirac. Rieh. 3 S. 467 : Es erscheinen dem Abt Petrus und Vitonus.
Uli se claustrum et officinas fratrum cunctas circuisse et omnia honesta in-
venisse responderunt, sed, quod suum erat observare, matutinarum soUemnia,
intimaverunt retardasse . . . Statinique ven. abbas sonitu campanae fratres
ad matutinas convocavit. Die angezogene Stelle der Benediktinerregel ist
c. 47: Nuntianda hora operis Dei diei noctisque sit cura abbatis etc.
" Mirac. 2 S. 467: Es wird in der Messe von dem Wein verschüttet.
Richard verschiebt die Rüge bis auf das nächste Kapitel, wird aber durch
_ 477 —
dabei ohne Zweifel gewirkt; doch wurden die dortigen Gewohn-
heiten nicht einfach angenommen.
Man darf die von Richard hergestellte Verbindung seiner
Klöster nicht überschätzen. Es lag darin nicht die Gründung einer
Kongregation analog der von Cluni. Denn während Odilo die
meisten der von ihm gegründeten oder . reformierten Klöster in
dauernde Abhängigkeit von Cluni brachte-^, waren Richards Klöster
nicht durch ein rechtliches Band zusammengehalten: alles hing an
seiner Person. Aber es ist doch klar, daß die freie Vereinigung,
die er herstellte, eine Vorstufe für die Entstehung einer Kon-
gregation bildete. Sie leistete einer größeren Anzahl von Klöstern
das, was dem Mönchtum bisher fehlte: sie machte eine Kontrolle
über die Beobachtung der klösterlichen Einrichtungen möglich.
Wenn man fragt, warum es bisher so schwierig gewesen war, die
Blüte des Mönchtums zu erhalten, so wird man den Grund haupt-
sächhch darin zu suchen haben, daß jedes Kloster in bezug auf die
Beobachtung der Regel nur sich selbst verantwortlich war. Das
königliche, wie das bischöfhche Visitationsrecht bedeutete tatsächlich
nicht gar viel. Denn es wurde immer nur ausnahmsweise von ihm
Gebrauch gemacht. Durch Richards Einrichtung dagegen wurde
eine ununterhrpchene Kontrolle geschaffen. Deshalb bot sie die
Gewähr dafiir, daß der Geist, den er zur Herrschaft gebracht hatte,
die Herrschaft auch behauptete. So nahm Richard eine viel be-
deutendere Stellung ein als im Jahrhundert vorher Männer wie
Einold von Gorze und Archimbald von St. Aper. Nicht wie sie
reformierte er im Dienst eines Bischofs oder eines Fürsten die eine
oder die andere Abtei, sondern er war der fast miabhängige Führer
und Leiter zahlreicher blühender Klöster. Wie hoch ihm diese
Stellung galt, braucht man nicht zu fragen: er hat es klar genug
ausgesprochen, indem er das ihm angetragene Bistum Verdun ab-
lehnte^. Der große Abt konnte in der Tat nur verlieren, indem
er ein kleiner Bischof wurde.
Der Einfluß und das Ansehen Richards wurde dadurch noch
erhöht, daß eine Anzahl seiner Schüler in seinem Sinne eine mehr
oder weniger selbständige Tätigkeit entfaltete. Der bedeutendste.
ein Gesicht belehrt, daß dies unzulässig sei. Ex illa die mos iste Uli ino-
levit, ut si quae in corpore vel sanguine Christi negligentia contingeret,
statim correptioni et poenitentiae subiaceret. Diese Stelle hindert, bei den
S. 476 Anm. 4 angeführten Stellen an die cluniacensischen Gewohnheiten zu
denken. Sie ist bezeichnend für die Entstehung der Klostergewohnheiten.
1 Vgl. Sackur, Clun. II S. 91 ff.
2 Hugo chron. IL 30 S. 403.
— 478 —
jedeüfalls der einflußreichste, war Poppo von Stablo; wir werden
darzustellen haben, wie die cluniacensische Kichtung durch ihn von
Lothringen nach Deutschland weitergeführt wurde. Aber auch
jener Leduin, der in so übler Weise sich bei Richard eingeführt
hatte \ bewährte sich als tüchtiger Arbeiter. Er war seit dem An-
fang der zwanziger Jahre Abt von St. Vaast^: unterstützt durch
Bischof Gerard von Kamerijk und Markgraf Balduin reformierte
er im Jahr 1024 das Kloster Marchiennes, indem er zugleich die
Nonnen durch Mönche ersetztet In demselben Jahr kam die
schon länger beabsichtigte Reform von Haspres zur Durchftihrung'*.
Ungefähr gleichzeitig mag die Gründung der Salvatorzelle in BiUi-
Berclau erfolgt sein ^. Auch die Nonnen von Denain führte er zur
Beobachtung der Regel zurück^. Wahrscheinlich dem nächsten
Jahrzehnt gehört die Reform der alten Abtei St. Bavo in Gent
an'. Ebenfalls ein Schüler Richards war Roderich, der seit 1021
in St. Bertin, später auch in Bergh St. Winnoc tätig war^. Nach
St. Hubert dehnte sich Richards Einfluß dadurch aus, daß sein
Schüler Theoderich an die Spitze des Klosters trat^ Er hatte
vorher in Stablo, Verdun und Mouzon als Lehrer im Sinne Richards
gewirkt -^^.
Die Tätigkeit Wilhelms und Richards in den Klöstern an der
Westgrenze des Reichs dauerte etwas länger als vier Jahrzehnte.
Die Frage liegt nahe, ob man eine Wirkung derselben auf die all-
gemeine Stellung des Mönchtums in diesen Gegenden wahrnehmen
kann. Hier ist nun unverkennbar, daß das Selbstgefühl des Mönch-
tmns sich bedeutend verstärkte. Wenn es einen Mönch gab, der
in dem Gefühl von der Unabhängigkeit des Mönchtums der bischöf-
lichen Macht gegenüber lebte, so war es Wilhelm. Seine Über-
zeugung ist ihm nicht aus den Erfahrungen seines Lebens nach
und nach erwachsen; sie beseelte ihn schon, ehe er zu handeln be-
1 Vgl. über ihn Sackur, Clun. II S. 140 u. 147.
2 Hugo chron. IL, 17 S. 392 nennt 1024. Sackur S. 140 f. zeigt jedoch,
daß er am 1. Mai 1023 bereits Abt war.
ä Gesta pont. Camer. II, 26 S. 461. Ann. March. z. 1024 Scr.XVI S. 614.
* Gesta pont. Camer. II, 29 S. 461 f. Urk. Leduius bei Miraeus, opp.
Dipl. I, 265. J.W. 4056. ^ (jeeta pont. Camer. II, 20 S. 460.
« A. a. 0. 11,28 S. 461.
' Ann. 8. Bavon. z. 1024 Scr. II S. 189. Es scheint jedoch, daß 1034
zu lesen ist, s. Sackur S. 148 Anm. 4.
« Vgl. oben S. 475 Anm. 1. » S. oben S. 474 Anm. 2.
1" Vita Theodor. 14 S. 44; chron. s. Huberti 6 S. 572: Multos instituit,
quos postea vidimus imitatores et auditores eiusdem magistri sui.
— 479 —
gann. Noch in Locedia sollte er die Diäkonenweihe erhalten; aber
als man ihn aufforderte, dem Bischof von Yercelli, wie es das Her-
kommen erheischte, zuvor den Treueid zu leisten, wies er dies An-
sinnen weit von sich. Er erklärte, es sei nichts anderes als eine
Aufforderung zur Simonie. Denn nach Gottes Ordnung müßte die
Ordination umsonst erteilt werden; es sei unrecht, sie durch ein
Treugelübde zu erkaufen. Jedermann tadelte ihn wegen seines
Widerspruchs ; aber er blieb auf seinem Sinn, und verzichtete lieber
auf die kirchliche Würde, als daß er sich gebunden hätte ^. Der
Grund dieses Selbstgefühls lag darin, daß er die Mönche als die
vollkommenen Christen betrachtete. In seinem Traktat über
B-öm. 7, 15 trägt er den Gedanken vor, daß das Gute, das der
Apostel nicht aus eigener Kraft erreichen konnte, das alle seine
Tugenden übertraf und dem gegenüber sie alle als nichtig erschienen,
die Kontemplation sei, also eben dasjenige, was die Mönche im
Kloster suchten und fanden^. Während er sie als die Schaf lein
Christi und als Gottes Eigentum bezeichnete '^, trug er kein Be-
denken, die herbsten Urteile über Bischöfe auszusprechen, die ihm
als ihre Gegner galten. Von Leo von VerceUi versicherte er wieder-
holt, er sei ganz von Gott verlassen; denn wäre Gott mit ihm, so
würde er das lieben, was Gottes ist. Nach dem Tod des Bischofs
sprach er ungescheut die Behauptung aus, er sei ewig verdammt.
Auch den Bischof Hermann von Metz erklärte er für einen falschen
Hirten*. Dieselbe Gesinnung lebte im Kreis seiner Mönche. Als
der Bischof von Autun gegen die Cluniacenser einschritt, die auf
Anlaß des Grafen Landerich, aber ohne bischöfliche Erlaubnis die
Abtei Vezelai besetzt hatten, trat das in tumultuarischer Weise an
den Tag. Der Bischof schickte ein Schreiben ins Kloster, durch
das er ihnen bei Strafe der Exkommunikation untersagte, in Vezelai
Wohnung zu nehmen, die Kirche zu betreten, oder Gottesdienst
zu halten. Sie aber warfen den bischöflichen Brief zu Boden und
traten ihn mit Füßen: dem Bischof zum Trotz feierten sie die
Messe ^\ Es ist klar, daß die Mönche sich als eine Macht fühlten,
die nicht einfach beiseite geschoben werden konnte.
Die Schüler Richards von St. Vanne waren genau ebenso
gesinnt wie die Wilhelms. Man sieht es aus den Gesichten des
Mönchs von St. Vaast. Denn es war doch nur der Reflex der
unter den Mönchen herrschenden, oft ausgesprochenen Über-
1 Yita Wilh. 7 S. 705. ^ Yg\. c. 1 S. 243 f. u. c. 8 S. 255.
3 Vita Wilh. 22 f. S. 714. •• A. a. 0.
s Ep. 3 S. 263 ff. an Odilo von Cluni.
— 480 —
Zeugungen, daß der Verzückte den Erzbischof von Köln,
einen Bischof und einige Priester im höllischen Feuer ■ erbhckte ^;
und daß er bei der Schilderung des Gerichts die Mönche auch
den treuen Bischöfen vorangehen ließ: sie richten mit den Aposteln,
diese aber geben Rechenschaft über ihre Gemeinden^.
Wer möchte sich wundem, daß es bald hier, bald dort zu
Reibungen und Differenzen zwischen den Bischöfen und den
Mönchen kam? Das Verhältnis Hermanns von Toul zu Widrich,
dem Wilhelm die Leitung von St. Aper übertrug, war so schlecht,
daß der Bischof den Abt mit Stockschlägen bedrohte^. Wie viel
hatte Richard dem Bischof Heimo zu danken! Alles, was er war,
ging darauf zurück, daß Heimo dem noch nicht Bewährten
St. Vanne anvertraut hatte. Allein, wo es sich um das mönchische
Prinzip handelte, glaubte sich Richard berechtigt, auch ihm
Widerstand zu leisten. Heimo war ein unternehmender Mann.
Es war seine Lust zu schaffen und zu bauen, seine Residenz zu
vergrößern und zu schützen. Eines der Werke, die ihn am meisten
beschäftigten, war die Erneuerung der Stadtmauer Verduns. Sie
sollte dabei weiter hinausgerückt werden, wodurch St. Vanne in die
Stadt eingezogen worden wäre. Diesem Plan setzte sich Richard auf
das lebhafteste entgegen; er wollte nicht, daß sein Kloster in der
Stadt zu liegen käme, denn wo bliebe da die klösterliche Ruhe?
Aber überzeugen ließ sich Heimo nicht, und nachgeben ging ihm
wider die Natur*. Auch Richard wich nicht: er appellierte an
den König und er bekam Recht. Dadurch aber wurde das
Verhältnis zu Heimo so gründhch gestört, daß er es für besser
fand, Verdun zu verlassen. Er lebte eine Zeitlang in den Vogesen
bei Remiremont als Einsiedler. Erst als Heimo starb, kehrte er
nach St. Vanne zurück^. Es dauerte nicht lange, so kam er mit
1 Hugo chron. II, 15 S. 382 u. 385. Der Kölner Erzbischof ist nicht
genannt; Wattenbach vermutet Everger.
- L. c. S. 384: Petrus iudicabit primus, secundus Paulus, tertius Jo-
bannes bapt., tunc omnes apostoli, tunc iudicabunt s. heremitae, tuno per-
fecti monachi . . . Boni episcopi tunc reddent rationem de omni pecore suo.
3 Vita Wilh. 22 S. 714.
* Vita Rieh. 14 S. 287: Domnus pontifex non erat eins fortunae, ut
facile a proposito ab aliquo posset dimoveri. -
B Hugo chron. 11,29 S. 402; vita Rieh. 14 u. 16 S. 287; mirac. Rieh.
S. 470. Die widersprechenden Angaben des Biographen, der Heimo nennt,
und Hugos, der den Vorgang unter Rambert versetzt, vereinigt Sackur,
Rieh. S. 39 Anm. 2, mit viel Wahrscheinlichkeit dadurch, daß er Richard
unter Rambert nach Verdun zurückkehren läßt, während der Streit unter
Heimo spielte.
— 481 —
einem anderen Bischof in Streit. Kurz nach seinem Amtsantritt
führte Bischof Reginard von Lüttich die längst begonnene Stiftung
von St. Lorenz zu Ende. Er bestimmte den Propst Stephan,
einen Mönch aus St. Vanne, die Würde des Abts aus seiner Hand
anzunehmen. Dabei hatte weder der Bischof noch der Mönch die
Absicht Richard zu kränken. Man glaubte ihn tot Es war in
der Zeit, als er seine Pilgerschaft in das heilige Land machte:
das Gerücht, er sei tot, war allgemein verbreitet. Als Eichard
zurückkehrte und Kunde von der Erhebung Stephans zum Abt
erhielt, handelte er so, daß er zugleich die Unregelmäßigkeit, die
vorlag, bestrafte und die gute Absicht anerkannte : er belegte Stephan
mit einer Buße, ließ ihn aber sofort zum Abte wählen, ßeginard
fühlte sich gleichwohl gekränkt und suchte nun seinen Einfluß
in der Lütticher Diözese ganz zu beseitigen; es gelang ihm auch,
ihn zum Verzicht anf Laubach zu nötigen^. In Verdun wurde
im Jahr 1039 nicht ohne sein Zutun sein Taufyate Richard
Bischof. Sogar mit ihm kam der Abt in Mißhelhgkeiten. Als in
der Pest des Jahres 1045 die Yitonusreliquien zur Verehrung
öffenthch ausgestellt werden sollten, widersprach er; es dünkte ihn
unrecht die Ruhe des heüigen Leichnams zu stören. Aber der
Bischof beharrte auf seinem Willen. Nun mußte er sich fügen;
aber er tat es, indem er ihm die göttliche Strafe für sein
Unterfangen weissagte^.
Man braucht kaum zu sagen, daß hier überall von einem
prinzipiellen Gegensatz zwischen Episkopat und Mönchtum nicht
die Rede war^. Diese Zerwürftiisse betrafen Kleinigkeiten oder
sie erklären sich aus Rechthaberei und Mangel an persönlicher
Sympathie. Aber kleine Streitigkeiten sind nicht immer un-
bedeutend. Sie pflegen einzutreten, wenn eine neue I^aft sich
Raum zu selbständiger Betätigung zu schaffen sucht. Diese neue
Kraft war das Mönchtum. Seit den Zeiten Columbas hatte es in
1 Hugo 11,25 S. 398; vgl. II, 10 S. 376; Rup. chron. s. Laur. 28 S. 271;
vita Theod. 10 S. 42; Ann. Laub. z. 1032 S. 19. Hugo irrt sich auch hier
über die Person des Biscbofs; er nennt Durand. Daß Stephan Propst war,
sagt keine der Quellen; es ergibt sich aus der Verbindung der Mitteilungen
Ruperts u. Hugos. Laubach lag in d. D. Kamerijk, gehörte aber dem B. Lüttich.
2 Hugo 11,30 S. 404; das Verhältnis des Abts zu dem Grafen Hildrad,
dem Vater des B., zeigt die Urk. S. 427 Nr. 27 v. 1020.
^ Sackur ist meines^ Erachtens im Recht, wenn er selbst in Reginard
nicht einen prinzipiellen Gegner der Cluniacenser sieht (Rieh. S. 52). Doch
scheint er mir diesen Streitigkeiten eine zu geringe Bedeutung beizulegen.
Sie charakterisieren die Stimmung unter den Mönchen.
Hauck, Kirchengeschichte. III, 31
— 482 —
Deutschland aufgehört, in die kirchliche Eutwickelung selbständig
handelnd einzugreifen. Die Mönche hatten sich begnügt., ein
literarisches Leben zu führen, sie hatten es dabei mit der Regel
nicht allzu streng genommen und hatten es geduldet, wenn die
Großen sie beraubten und die Bischöfe sie visitierteü. Jetzt in
Lothringen begannen sie sich zu fühlen. Im Selbstbewußtsein aber
liegt die Bereitschaft zum Handeln.
Der Episkopat trat den lothringischen Cluniacensem so wenig
entgegen, daß er vielmehr ihre Bestrebungen überall forderte. In
Köln war die Sorge für die Klöster seit Bruno sozusagen erb-
lich. Eine Zeitlang wurden besonders die Schotten _ begünstigt ;
wie nach St. Martin, so kamen sie auch nach St. Pantaleon ^.
Eine ansehnliche Neugründung war die Abtei Deutz, die Stiftung
Heriberts. Er hatte sie gemeinsam mit Otto IH. geplant, im An-
gedenken an den Kaiser hat er sie nach dessen Tod ausgeführt.
Heriberts Nachfolger PiUgrim^ vollzog den Übergang zu den
Cluniacensem. Er entstammte einem bairischen Geschlecht, das
sich um die Pflege des Mönchtums im Südosten mannigfache
Verdienste erworben hatte '^ Zu seinen Verwandten gehörte jener
Pfalzgraf Aribo, der Stifter der Klöster Seeon und Goß, den
man im Kreise Wolfgangs von Regensburg als den Treuesten der
Treuen bezeichnete^. Persönlich war Pihgrim alles eher als ein
Mönch : man erstaunt fast über die Vielseitigkeit seiner Interessen :
er war ein eifriger Freund der Musik und der Mathematik^; er
forderte die gelehrten Studien^ und die bildenden Künste: die
Kirche in Deutz hat er erweitert^, St. Aposteln vollendet^, auch
an St. Serverin wurde mit seiner Unterstützung gebaut®. Dabei
1 Vgl. oben S. S74 u. Marian. Scot. ehr. z. 1036 S. 556, wo Elias als
Abt beider Klöster genannt wird. Von wem er St. Pantaleon erhielt, ist
nicht gesagt. - Über ihn Schnürer, Piligrim von Köln 1883.
3 Über die Familienverhältnisse s. Breßlau in Hirsch, JB. III S. 340 ff..
Schnürer S. 6 u. Müller, Aribo S. 3 ff. Im einzelnen bleibt manches dunkel.
* Arnold de s. Emm. II, 23 S. 564; er ist der Vater des späteren
EB. V. Mainz.
" Bern von Reichenau schrieb von ihm veranlaßt seinen Tonarius,
s. die Widmung Migne 142 S. 1099.
* Anselm. Gesta ep. Leod. 41 S. 214.
' Thioder., de benef. mon. Juit. Scr. XIV S. 563.
8 Cbron. reg. Col. z. 1035 S. 35, Catal. arch. Col. Scr. XXIV S. 340.
Reste dieses Baues sind nach Böhme, Gesch. d. d. Baukunst S. 67, an der
Westseite der heutigen Kirche erhalten.
9 Die Sache ist freilich nur durch die falsche ürk. NRh. ÜB. I S. 111
Nr. 179 (NRh. A. XXVI S. 350 Nr. 6) bezeugt.
— 483 —
entzog er sich den öffentlichen Geschäften nicht: wurde ihm ein
militärischer Auftrag erteilt, so wußte er ihn rühmHch zu lösen ^.
Besonders bewährte er sich im Dienst der Kaiser. Unter Heinrich II.
bekleidete er den Kanzlerposten ^ ; mit Konrad II. gelangte er,
trotz anfänglicher Opposition, rasch in das beste Verhältnis "^ In-
dem er Klugheit mit Entschiedenheit paarte, hat er unter den
deutschen Bischöfen seiner Zeit wohl den ersten Platz eingenommen*.
Für die Stellung dieses bedeutenden Mannes zur Klosterreform
sind zwei Tatsathen bezeichnend: die Begünstigung Poppos von
Stablo, des hervorragendsten Schülers des Abtes Richai'd, und
sein Verhalten gegen die Schotten in Köln. Poppo genoß sein
ungeteiltes Vertrauen; es geschah auf seinen Rat, daß das eben
vollende Kloster Brauweiler Mönchen aus Stablo übergeben wurde"*:
dadurch faßten die Schüler Clunis festen Fuß in der Diözese Köln.
Dagegen war er den Schotten in St. Martin und St. Pantaleon
wenig gewogen*; die keltischen Mönche waren nicht regulär im
modernen Sinn.
Noch unverhohlener standen die Suffragane Kölns in Lüttich,
Utrecht und Kamerijk auf Seiten der französischen Mönche.
Keinen zuverlässigeren Freund hatte Richard als den klugen Bischof
Gerard von Kamerijk'; nicht nur durch die alten Erinnerungen
aus der gemeinsam in Rheims verlebten Jugend waren beide
Männer verbunden, sondern besonders durch volle Gleichheit der
Überzeugungen und Bestrebungen. Nahezu ein Dutzend Klöster
hat Gerard dem cluniacensischen Einfluß erschlossen, außer den
schon genannten "das von ihm selbst gestiftete St. Andreaskloster
1 Vgl. Hirsch, JB. III S. 198 flF. ^ S. oben S. 406 Anm. 3.
' Ygl. Breßlaa, JB. Konrads I S. 17 f. Zu berücksichtigen ist, daß
die lothr. Bischöfe uiiter dem Druck des Herzogs Gottfried handelten.
* Bezeichnend dafür ist die Krönung der Königin und die Salbung
Heinrichs III., Herim. Aug. z. 1024 u. 1028 u. a., doch vgl. v. Ranke, WG.
Vn S. 137 Anra. 2, und die Erlangung der Erzkanzlerwürde für Italien
nach dem Tod Aribos, Stumpf 2018 f. Benedikt VIII. ernannte ihn zum
päpstlichen Bibliothekar, s. die Urk. für Fulda J.W. 4057.
s Fundat. Bruniw. act. 14 S. 133.
« Mar. Scot. ehr. z. 1036 S. 556.
' Über G.'s bischöfliche Tätigkeit berichten die Gesta pont. Cam. ein-
gehend und zuverlässig. Er war ein Verwandter Adalberos und in Rheims
erzogen, III, 1 S. 465. Über seine Freundschaft mit Richard s. Mirac. Gen-
gulfi 1,6 Scr. XV S. 792; ehr. s. Andr. II, 6 f. Scr. VII S. 532.
31*
— 484 —
in Cateau-Cambresis ^ und die Abtei Maroilles'^; an die Spitze
beider trat sein Bruder Eilbert, der wie Kichard in der Eheimser
Diözese, in St. Thierri, zum Mönch gebildet worden war^. Enge
befreundet mit Gerard war Balderich von Lüttich, der Nachfolger
des gelehrten Notker'*. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er ein
Schüler Ramwolds von St. Emmeram^, und somit von Hause ans
empfänghch füi' die Ideale der Asketen. Nachdem er in seiner
niederländischen Heimat Bischof geworden war, kannte er keine
höhere Pflicht, als für die Klöster Sorge zu tragen. Die Nachricht,
daß es kein Kloster mid keine Kirche in seinem Bistum gab, die
nicht von ihm bereichert worden wäre**, charakterisiert ihn und
seine Bestrebungen. Nun fällt seine Amtszeit in das erste und
zweite Jahrzehnt des Vordringens der Cluniacenser nach Lothringen.
Daß er mit Gerard enge befreundet war und besonders, daß er
Wazo vor allen anderen schätzte ', läßt vermuten, daß er in den
französischen Mönchen die Vollender seiner eigenen Bestrebungen
erkannte. Noch mehr gilt dies von seinem Nachfolger Wolpod^;
der Kanonikus Anselm schildert ihn ganz als einen Mönch: in
Fasten und Wachen habe er das Größte geleistet, manche Nacht
habe er sich den Schlaf versagt, um von Altar zu Altar wandelnd
den Heiligen seine Gebete zu opfern; so wertvoll sei in seinen
Augen der Dienst der Armen gewesen, daß er kein Bedenken trug^
Kirchengeräte an Bedürftige zu verschenken^. Mit den Führern
der französischen Reform stand er in nahen Beziehungen. Durch
ihn kam Richard nach Laubach^*^, Poppo nach St. Lorenz ^\ St. Jakoh
1 Chron. s. Andr. I, 13 S. 529. Das Kloster war für 24 Mönche be-
stimmt: sab Sacra religione et regulari norma servituros deiegaviL Die
Weihe fand im Sept. 1025 statt.
2 Gesta pont. Camer. II, 32 S. 462; chron. s. Andr. 1,10 S. 528; vgl;
auch vita Popp. 7 S. 298. ** Vita Popp 1. c.
* Wir besitzen eine im Kloster St. Jakob verfaßte Biographie B.'s-
Scr. IV S. 724 ff., zu vgl. Anselm in den Gesta II, 81 ff. Scr. VII S. 206 ff.
Über seine Freundschaft mit Gerard vita 5 S; 726 : Sepe conveniebant dulce-
dinis gratia et communis consilii.
5 Er war Vicedom in Regensburg, Ann. Hildesh. z. 1008 S. 30.
6 Vita 3 S. 725. ' Ib. 6 S. 726.
8 Die Vita Wolpod. Scr. XX S. 565 ff. ist ohne Quellenwert. Nach-
richten über W. geben, von aünalistischen Notizen abgesehen, Anselm Gesta
ep. Leod. 32—35 S. 207 ff., vita Balderici 81—83 S. 737ff., Gesta pont. Camer.
III, 15 f. S. 470, Sigibert Gesta abb. Gemblac. 34 ff. S. 588 ff.
9 Gesta ep. Leod. 33 S. 207; vgl. vita Bald. 31 S. 737.
10 S. oben S. 474 Anm. 2. i^ S. S. 485 Anm. 2.
— 485 — ■
übertrug er Olbert von Gembloux; der gelehrte, kuiistliebende Abt
ging, wenn er auch eine gewisse Selbständigkeit bewahrte, doch im
wesentlichen mit den Cluniacensern ^. Kühler scheinen ihnen Wol-
pods Nachfolger Durand- und Reginard*^ gegenübergestanden zu
sein^ Aber wenn die Nachricht von der Gesinnungsänderung des
Letzteren einen Kern von Wahrheit hat^, so bewies sich gerade an
^ Über ihn Gesta abb. Gembl. 26 ff. Scr. VIII S. 535 ff. Er war ein
Schüler Herigers von Laubach. Das Kloster St. Jakob besetzte er mit
Schülern Richards. Sein Nachfolger in Gembloux Mysach war in St. Vanne
regulariter gebildet, Gesta 47 S. 542.
^ Üher ihn Anselm 36 S. 209; Rup. ehr. s. Laur. 24 f. Scr. VIII S. 270;
Sigib. Gesta abb. Gembl. 36 S. 539; seine von Abt Stephan von St. Lorenz
verfaßte Grabschrift in den Anmerk. zu Anselm (S. 209). Hervorgehoben
wird überall, daß er voji Geburt ein Unfreier war, und daß er sich lediglich
dank seiner hervorragenden Begabung emporarbeitete. In der Grabschrift
und bei Anselm ist seine Amtsführung gelobt. Aus der bei Rupert er-
wähnten Tatsache, daß die Einrichtung von St. Lorenz unter ihm ins
Stocken kam, läßt sich natürlich ein Gegensatz gegen die Cluniacenser
nicht ableiten. Entscheidend gegen eine solche Annahme ist, daß Poppo
erst bei dem Amtsantritt Reginards auf St. Lorenz Verzicht leistete (s. u.)
Ich glaube deshalb auch nicht an die Umkehr Durands (Breßlau, J B
Konrads I S. 87): es scheint vielmehr, daß erst die spätere Zeit Durand zu
einem bewußten Gegner der Mönche gemacht und dem entsprechend seine
schließliche Bekehrung erfunden hat. Die Schenkung von Wasegga und
das Begräbnis vor der Kirche bildeten den festen Punkt, an den die Fabel
anknüpfte.
3 Anselm 37 S. 209, Rupert, chron. s. Laur. 28 ff. S. 271 ff. Gegen
Ende des Jahrh.'s verfaßte der Mönch Reiner eine Biographie, die vor-
nehmlich auf Rupert beruht, Scr. XX S. 571 ff. Urkunden Reginards bei
Martene et Durand, Coli. IV S. 1164 ff.
* Über Reginards Händel mit Richard S. 479f. Daß Poppo nichts von
ihm erwartete, zeigt sein Verzicht auf St. Lorenz, und daß Reginard in der
Tat seineu Einfluß aus seiner Diözese fern halten wollte, bewies er durch
die Restitution Adelards von St. Truijen, Gest. abb. Trud, I, 5, vgl. 2 S. 230 f.
Aber aus diesen Tatsachen kann man nicht mehr folgern, als daß er der
Macht der großen Äbte abgeneigt war. Daß er das Reformmönchtum als
solches nicht anfeindete, ergibt die Wahl Stephans für St. Lorenz wie die
Hugos für Laubach, vita Theoder. 10 S. 42, und seine Freundschaft mit
Olbert, Gest. abb. Gemblac. 36 S. 539. Wenn die Worte conliteralis Heri-
berto bei Anselm einen bestimmten Sinn haben, so hat man Reginard für
einen Schüler von Gorze zu halten.
5 Die Sache ist fraglich. Anseimus hat kein Wort des Tadels für
Reginard; im Gegenteil, er ist eximiae sanctitatis vir. Dagegen behauptet
Rupert, er habe das Bistum durch Simonie erhalten, ehr. s. Laur. 28 S. 271,
— 486 —
ihm, wie übermächtig die Strömung war, von der die Cluniacenser
getragen wurden.
In Utrecht öffnete die Tätigkeit Ansfrids und Adalbolds dem
Einfluß der Mönche das Tor^ Der erstere gehörte zu den Männern,
die direkt aus dem Laienstande zum Episkopat berufen wurden. Er
hatte dem Erzbischof Brun und Otto I. als Ritter gedient, später
das Grafenamt mit Kraft und Nachdruck verwaltet. In seinem
Alter verwitwet, gedachte er in ein Kloster zu gehen, als Otto III.
ihm das Utrechter Bistum übertrug. Er hat es fünfzehn Jahre lang
verwaltet, obgleich er zuletzt erblindete. Ohne auf sein Bistum zu
verzichten, lebte der Greis wie ein Mönch, Das Volk hebte ihn
um seiner offenen Wohltätigkeit willen; man freute sich dessen,
daß er zm- Winterszeit auch der hungernden Yögel gedachte. Sein
Nachfolger Adalbold schien ihm wenig ähnhch: er war ein Mann
des Hofs, ein mannigfach unterrichteter Kleriker : Theologie, Philo-
sophie, Mathematik, Musik, alles interessierte ihn und überall wußte
er mitzureden^. Von seiner Kunstliebe zeugte der überraschend
eine Nachricht, die von Reiner wiederholt wird, Prol. S. 571, vgl. c. 3 S. 572.
Bei der Lage der Dinge unter Konrad ist sie an sich nicht unwahrscheinlicli.
Rupert c. 30 f. S. 272 f. und ihm folgend Reiner 8 S. 572 erzählen nun von
seiner Sinnesänderung und seiner Absolution in Rom. Daß Ruperts Bericht
chronologisch unmöglich ist, und daß Reiners Korrektur ihn nicht verbessert,
hat Breßlau gezeigt, JB. Konrads II S. 281 f. Doch bin ich bedenklich, die
Romreise überhaupt für eine Erfindung zu erklären, wie auch Sackur,
Richard S. 58, tut. Romreisen orationis causa waren in dieser Zeit nichts
Ungewöhnliches; aus Lothringen sind Poppo von Trier, Gest. Trev. cont. 1, 1
S. 175, und Nanter von St. Mihiel, ehr. s. Mich. 12 S. 82, Beispiele. Spätere
Erfindung wird nur der angebliche Zweck der Romreise sein. Daß Regi-
nard seine Stellung zu den Führern des reformierten Mönchtums im Ver-
laufe seines Lebens änderte, steht, wie mich dünkt, auch abgesehen von
der Romreise, fest. Die Anwesenheit Poppos bei der Weihe von St. Lorenz
am 3. Nov. 1034 ist der Beweis des Friedensschlusses, Urk. R.'s 1. c. S. 1169.
Die Anerkennung Guntrams als Abt von St. Truijen, Gest. abb. Trud. I, 6
S. 232, und Lamberts als Abt in Waussor, Hist. Walciod. mon. 50 Scr. XIV
S. 526, dienen zur Bestätigung. Die Urkunden R.'s bewegen sich ganz in
den Anschauungen der Mönche.
1 Über Ansfrid (995—1010) besonders Thietm. ehr. IV, 31 ti'. S. 82 u.
Alp. de divers, temp. 1,11 f. Scr. IV S. 705 f. Über Adalbold (1010-1026)
Moll im Kerkhistorisch Archief, III (1862) S. 162ffi
^ Bern von Reich enau, veranlaßte ihn, in Rom Nachfragen über die
Dauer der Adventszeit anzustellen, Ep. Mog. 27 S. 368. Er muß sich über-
haupt für diese Frage interessiert haben; denn Heriger von Lobbes kleidete
seine Untersuchung über die Adventszeit in die Form eines Dialogs zwischen
— 487 —
schnell vollendete Neubau des Doms zu Utrecht ^, von der Energie,
mit der er die kirchlichen Interessen vertrat, nicht nur die Wieder-
herstellung des Klosters Thiel ^, sondern besonders die Erweiterung
der bischöflichen Macht: durch ihn vornehmlich wurde die Terri-
torialgewalt der Utrechter Bischöfe begründet^. Dabei aber war
er von Charakter biegsam genug, daß er sich zum offiziellen
Geschichtschreiber eiguete*. Das alles war nicht mönchisch; aber
in der unerwartetsten Weise wendet sich oft das Leben: dieser
Mann, der recht dazu gemacht 'schien, ein glänzender Bischof zu
sein, fand schließlich keinen höheren Gedanken, denn sein Leben
als Mönch zu beschüeßen. Er faßte den Plan, dem Abt Poppo
sein Bistum zu übertragen, und nur dessen Weigerung nötigte ihn,
den bischöflichen Stab zu behalten. So mächtig wurde der Epis-
kopat von dem asketischen Ideal ergriffen^. Adalbold hat die
Cluniacenser in die Utrechter Diözese gefuhrt, indem er das Kloster
Hohorst durch Poppo einrichten ließ*.
Ebenso freundlich wie der niederlothringische, stellte sich der
oberlothringische Episkopat den Schülern Clunis gegenüber. Das
Erzbistum Trier leitete mehr als dreißig Jahre lang unter Hein-
rich II., Konrad und Heinrich III. der Erzbischof Poppo '. Er
Autor und Adalbold, Sigib. de scr. eccl. 137 S. 578. Ins spekulative Gebiet
schlägt die Erklärung der Stelle des ßoethius: ,0 qui perpetua mundum
ratione gabernas", die Moll a. a. 0. S. 198 herausgegeben hat. Eine mathe-
matische Frage, die nach der Quadratur des Zirkels, behandelt der Brief
an Papst Silvester, den Adalbold noch als Scholastikus schrieb, Migne 140
S. 1103. Ob die musiktheoretische Schrift Quemadmodum indubitanter, ib.
S. 1109 ff., ihm gehört, ist nicht sicher; vgl. Moll S. 188.
1 Brief eines Thieler Mönchs an Adalbold, A. S. Febr. III S. 546:
Respiciat Traiectum diversis operibus a te auctum et ornatum, ibidemque
novum monasterium s. Martini miro ingenio a te fundatum et ordinatum et
mira celeritate paucis annis pene ad perfectionem perductum; vgl. Muller,
Westd. Z. XVI S. 280 ff.
2 Ibid.: Thiele a superioribus episcopis omnibus solatiis destitutum a
te uno pia consideratione pene ad pristinum statu m restitutum. Praedia
quoque ab invasoribus diu retenta . . restituisti.
3 Er erwarb i. J. 1024 die Grafschaft Drenthe, Dipl. III S. 645 Nr. 504,
u. 1026 die Grafschaft Teisterbant, Stumpf 1916.
* Er ist der Verfasser der vita Heinrici.
6 Vita Popp. 19 S. 305. « Ibid.
' Über ihn besonders Gest. Trev. cont. 1, 1 ff. S. 175 ff., eine Anzahl
Urkunden MRh. ÜB. I S. 340 ff. Notiz über eine Altarweihe in St. Mergen
Scr. XV S. 1125. Lesser, EB. Poppo von Trier 1888. v. Pflugk-Harttung
in Picks Monatsschrift III S. 492ff. u. Untersuch, z. Gesch. Konrads II. S. 119ff.
— 488 —
entstamnile der höchsten Aristokratie des Reichs; sein Yater war
der Mai'kgraf Liutpold von der Ostmark \ seine Brüder die Mark-
grafen Heinrich und Adalbert und der Herzog Ernst von Schwaben.
Heinrich gab ihm das Erzbistum, weil er ihn als einen energischen
Mann kannte. Ich muß, so soll er in Gedanken an seinen Schwager
Adalbero gesagt haben, einen Mann dorthin schicken, der die Kraft
hat, deinem rasenden Trotz die Spitze zu bietend In der Tat
gelang es ihm rasch, in Trier Herr zu werden''. Man begegnet
ihm auch fernerhin in der pohtischen Tätigkeit: zuerst übertrug
ihm Heinrich die Verwaltung des schwäbischen Herzogtums für
seinen unmündigen Neffen, den jüngeren Herzog Ernst*. Später
folgte er Konrad II. zu seiner Kaiserkrönung nach Eom^; auch
an dem Zuge des Jahres 1036 nahm er Anteil*^. Aber im Reichs-
dienst erschöpfte sich sein Tatendrang nicht. Poppo hatte seine
Freude daran, fremde Völker und Länder kennen zu lernen. Denn
ihn hat nicht nur der Wunsch, die heiligen Stätten, an denen das
Christentum seinen Ursprung nahm, mit Augen zu schauen, in den
Orient geführt: als er Jerusalem gesehen hatte, hatte er noch nicht
genug gesehen; er dehnte die Wallfahrt bis nach Babylon aus '.
Seine Diözesanen waren nicht zufrieden damit, daß er so häufig
von seiner Metropole abwesend war. Wir besitzen ein hübsches
Lied, in dem die Stad£ Trier ihn auffordert, zu ihr zu kommen
und sie nicht um ihrer Mängel willen gering zu achten. Dabei
hören wir zugleich, daß Poppo Türme zum Schutz der Stadt er-
bauen ließ^. Den frischen Mut, der in seinem ganzen Auftreten
liegt, bewahrte er auch Kaiser und Papst gegenüber; als Konrad
Brun von Toul in Rom weihen lassen wollte, erhob er Einsprache :
1 Thietm. VIII, 26 S. 208.
■ä Gesta Trevir. 30 S. 172. Vita Meinw. 142 S. 135. Nicht minder be-
zeichnend ist, daß die Gest. Trev. den Papst Poppo vor allzugroßer Strenge
warnen lassen, cont. I, 1 S. 175. Lesser verwirft indes mit Recht die An-
gabe, daß Poppo das Pallium persönlich in Rom erbeten habe.
3 Vgl. Hirsch, JB. Heinrichs III S. 28 ff. Lesser S. 23 ff.
■*■ Wipo Gesta Chuonr. 1 S. 8. Der ältere Herzog Ernst, Poppos Bruder,
verunglückte i. J. 1015. " S. C.I. I S. 83 Nr. 88.
8 Stumpf 2100. ' Gesta Trev. contin. 4 f. S. 177.
« Ztschr. f. d. Alterth. N.F. II S. 464:
Ne spemas, quod sim fragilis; sum tamen satis habiHs:
rugosam si me videas, ut puellam me teneas,
Veni, veni, Karissime.
Das Gedicht ist vor dem Tode des Einsiedlers Symeon verfaßt, also vor
1035, s. Eberwin, mir. s. Sym. Scr. VIII S.210; v. Pflugk-Harttung erklärt
sich für 1034 als Todesjahr.
— 489 —
er bestand mit Erfolg auf seinem Recht, als Metropolit die Weihe
zu vollziehend
Den Mönchen stand er von Hause aus freundlich gegenüber:
er hat wiederholt ausgesprochen, wie sehr es ihm am Herzen liege,
die wenig erfreuhchen Zustände, die er in den Klöstern vorfand,
zu bessern^. Eine seiner ersten Handlungen war denn auch die
Reform von St. Mergen; nachdem er sich überzeugt hatte, daß
die Umwandelung des Klosters in ein Chorherrnstift unrecht ge-
wesen sei, entfernte er die Kanoniker, um die Mönche zurück-
zuführen^. Umgekehrt verfuhr er mit dem alten Frauenkloster
Pfalzl. Da gegen das Leben der Nonnen die schHmmsten Anklagen
erhoben wurden, so nahm er ihnen das Kloster ab und übertrug
es Kanonikern*. Daß er Beziehungen zu den Führern der Clunia-
censer hatte ^, hat die größte Wahrscheinhchkeit. Denn als er in
das heilige Land zog, nahm er den orientalischen Mönch Symeon,
der Richard von St. Vanne nach Lothringen gefolgt war, als Führer
mit. Symeon trennte sich nicht wieder von ihm. Der Bewunderer
Richards hat den Rest seiner Tage als Einsiedler auf der Porta
nigra zugebracht. Poppo hat nach dem Tode Symeons für seine
HeiHgsprechung Sorge getragen®. Dem Abt Poppo von Stablo
übergab er das Euchariuskloster zur Reform', Auch mit Gerard
von Kamerijk wirkte er zusammen*; mit einem Wort: so weit wir
urteilen können, sah er in den Cluniacensem nur Bundesgenossen.
Wie viel verdankten diese vollends den Bischöfen von Metz, Toul
und Verdun ! Dietrich II. von Metz, Berthold von Toul und Heimo
1 Wibert vita Leonis 1, 12 S, 141 f.
- Urk. für St. Mergen, MRh. ÜB. I S. 343 Nr. 292; für St. Maximin
S. 353 Nr. 302; für St. Eucharius S. 365 Nr. BIO. Hier: Monasteria meae
diocesis ultra communem deo seruientium modum inueniens indigna atque
asperrima uictualium utensiliumque faciente inopia re'ligionera monasticam
maximo periclitantem deliquio dignum duxi militum refrenare ambitionem
et prouincialium comprimere tyrannidem. Doch klagte man in Pfahl und
in St. Paulin über Verluste während seines Regiments, Gesta Trevir. 31
S. 172. ^ S. die eben angef. Urk.
1 Gesta Trevir. cont. I, 2 S. 176.
s In bezug auf Poppos Stellung zu den Cluniacensem kann ich Lesser
S. 64 f. nicht zustimmen. Das Gewicht der im Text angeführten Tatsachen
schiaint mir bei ihm nicht zu seinem Recht zu kommen.
6 Eberw. Mirac. s. Sym. Scr. Vni S. 209 f. MRh. ÜB. I S. 370 ff. Nr. 316
u. 318; Nr. 317 ist unecht; doch. vgl. v. Pflugk-Harttung S. 126 ff. Die
Angaben der cont. Gest. Trev. I, 3 S. 277 kommen neben. Eberwin nicht in
Betracht. ' Vita Popp. 19 S. 305, vgl. MRh. ÜB. I Nr. 310.
8 Gesta pontif. Camer. III, 35 S. 480.
— 490 —
von Verdun haben ihre Herrschaft über die lothringischen Klöster
begründet, keinen begabteren Gesinnungsgenossen aber hatten sie
unter den deutschen Bischöfen als Bruno von Egisheim, der im
Jahr 1027 das Touler Bistum übernahm. So darf man sagen, daß
der lothringische Episkopat durchaus dem Impulse folgte, der von
Cluni ausging. Höchst bezeichnend hierfür ist das Verhalten
Gerards von Kamerijk zu den von Burgund ausgehenden Be-
strebungen, den Landfrieden durch kirchliche Mittel zu schützen.
Er lehnte zuerst die Beteiligung ab mit dem triftigen Grund, die
Kirche nehme damit eine Sache in die Hand, die dem König ge-
bühre. Der Tadel, den er bei anderen Bischöfen deshalb faiid,
stimmte ihn nicht um, wohl aber gelang das den Vorstellungen
der Abte Leduin und Boderich, zweier Schüler Richards^. Die
Folge dieser Haltung des Episkopats war, daß es nicht wie in
Frankreich zum Streit mit den Mönchen kam"; aber er wurde nur
deshalb vermieden, weil die Bischöfe den Mönchen die Führung
überheßen.
Auch von dem lothringischen Adel wurden sie gefördert.
Zwar kann man nicht sagen, daß der erste Empfang, den er den
Sendungen Clunis bereitete, freundlich war. Als Wilhelm von Dijon
mit der Reform von St. Aper begann, erregten seine Neuerungen
Anstoß: mißgünstige Urteile und übelwollende Handlungen mußte
er sich gefallen lassen^. Aber die Stimmung schlug um: je größer
anfangs der Argwohn war, um so größer wurde bald die Ver-
ehrung^. Besonders stand das Haus der Ardennergrafen, das im
Jahr 1012 das Herzogtum Niederlothringen, 1033 auch Oberloth-
ringen erhielt^, treu zu Cluni. Ihm entstammte, wie erwähnt, der
Mönch Friedrich, der zugleich mit Richard in St. Vanne eintrat.
Und er war nicht der einzige Mönch aus dieser Familie: sein
Bruder, der Graf Hermann von Eenham, brachte zuerst seinen
Sohn Gregor dem Kloster dar; schheßhch wurde er selbst Mönch;
er erwartete im Kloster seine letzte Stunde ". Die Freigebigkeit
des Geschlechtes gegen St. Vanne kannte kaum eine Grenze "'. Wie
1 Geeta pontif. Camer. EI, 27 S. 474.
« Vgl. hierüber Sackur, Clun. II S. 84 fif.
3 Vgl. die Notiz ßruns von Toul Migne 143 S. 581.
* Ibid.: Coeperunt, qui olim adversati faerant [domnum Wilhelmum]
resipiscentes rem inquirere et ab ea quam crediderant [novitate innocentem
inventum] venerari et diligere et boni odoris famam undecunque propinari.
6 Hirsch, JB. Heinrichs II S. 340 und Breßlau, JB. Konrads II S. 72f.
«Er starb 1029, Hugo Flav. chron. II, 8 f. S. 375; vgl. Necrol. von
St. Vanne z. 28. Mai S. 140. ' Sackur, Richard S. 10 f.
— 491 —
die Ardennergrafeii, so stellten die übrigen gräflichen Häuser des
Landes ihr Kontingent für die Klöster: besonders St. Vanne war
reich an vornehmen Brüdern-^; aber man fand solche auch ander-
wärts^. Auch diejenigen, die nicht selbst in das Kloster gingen,
legten doch Wert darauf, in der Klosterkirche bestattet zu werden ^
Wie hätte die Begeisterung für das asketische Leben nicht auch
die Frauen ergreifen sollen? In welchem Maße es geschah, zeigt
das Beispiel der Famihe des Pfalzgrafen Ezzo: er hatte sieben
Töchter; sechs von ihnen nahmen den Schleier*.
Eine religiöse Bewegung, welche die oberen Stände ergriffen
hat, dringt stets, sei es rascher, sei es langsamer, zu den niederen
hindurch. Li der Regel gewimit sie dabei an Intensität. In Loth-
ringen vollzog diese Entwickelung sich* sehr schnell. Schon von
Richards Tätigkeit wird eine tiefgehende Wirkung auf die Laien-
welt abgeleitet^; in Toul ließen sich zahlreiche Laien, ohne Mönche
zu werden, in die Brüderschaft von St Aper aufnehmen. Freiwillig
leisteten die Bürger bei dem Neubau des Klosters alle notwendigen
Dienste. Sie hofften dafür ewigen Lohn^ Man kann nicht sagen,
daß die Erwartung des nahen Weltendes als religiöses Motiv
dabei wirksam war. Denn diese Erwartung war um die Wende
des ersten Jahrtausends in den Gegenden, die uns hier beschäftigen,
nicht lebhafter als in anderen Zeiten '. Auch ist sicher, daß die
^ Sackur, Clun. II S. 152, nennt die Grafen Theodor, Ludwig, Hilderat,
Manasse, Liethard von Marcey, Walerann und Gelduin von Breteuil.
- In St. Vaast war der vir illuster Lautumus Mönch, J.W. 4033 vom
27. Nov. 1021.
^ S. die Zusammenstellung bei Sackur, Richard S. 11.
* Fund. Bruniw. act. 8 S. 130.
^ Gesta ep. Vird. 8 S. 48 : Vita huius spectabilis vitam multorum reddidit
spectabilem. Religio huius non habentibus inculcavit, habentibus augmen-
tavit religionem; immo, quicquid iste fuit, non tantum sibi subditis, sed et
extraneis non mediocriter profuit.
* Brun 1. c. S. 582: Unde contigit, ut plures eorum quaerentes socie-
tatem adipiscerentur, plerique vero etiam monachi efficerentur . . . Quisquis
in societatem fratrum sese offerebat, largiebatur spontaneus transitoria, ut
participatione Deo servientium mereretur permansura . . . Nee minori gra-
tiarum actione suscipiunt, quod eis cives et suburbani nostri in carropera
feceruttt, cum saxa ingentia et lapides muralis ordinis totis viribus . . con-
vexerunt etc.
' Sackur sagt, Clan. II S. 225, wie ich glaube, mit Recht, daß von
einer allgeräeinen Weltuntergangsfurcht nicht geredet werden kann. Aber
auch er überschätzt meines Erachtens die auf das Weltende bezüglichen
Äußerungen aus dieser Zeit. Sie sind ihr nicht eigentümlich. Denn solche
— 492 —
Ckmiacenser sie nicht begünstigten, sondern ihr -widersprachen. Als
der Mönch von St. Vaast nach der Nähe des jüngsten Tages finig,
erhielt er in einem Gesicht die bestimmte Antwort: Noch kommt
der Herr nicht ^. Vielmehr war es der Eindruck des ernsten
Ringens nach HeiUgung, der die Bevölkerung für die Mönche ge-
wann. Hierfür war die Zeit empfanghch, denn die allgemeine
Anschauung sah in der Askese die reinste Blüte der Frömmigkeit.
Die Herrschaft dieser Anschauung aber wurde dadurch gesichert
und verstärkt, daß die Zahl der Kirchen, welche den Klöstern in-
korporiert waren, ununterbrochen wuchs. Sie zählten im beginnenden
elften Jahrhundert in Lothringen bereits nach Hunderten. St. Vanne
besaß schon im Jahr 980 siebenundzwanzig Kirchen, später kamen
noch andere hinzu". St. Paul in Verdun hatte, seit seiner Stiftung
vierzehn Kirchen zu eigen; auch hier wuchs ihre Zahl in der
nächsten Zeit^. Wenn man annehmen darf, daß die drei übrigen
Mönchsklöster der Diözese Verdun eine ähnhche Menge von Kirchen
ihr eigen nannten, so besaßen die fünf Klöster dieser Diözese im
Beginn des elften Jahrhunderts weit über hundert Kirchen. Das
war leicht die Hälfte von allen, die es überhaupt gab*. Dazu
war Verdun verhältnismäßig arm an Klöstern. In den übrigen
lothringischen Bistümern, in denen sie viel dichter gesät waren,
darf man ohne Zweifel ähnliche Verhältnisse voraussetzen ^ Die
Äußerungen finden sicli in allen Zeiten. Im 9. Jahrh. spricht Theodulf
carm. 14 S. 468 von dem nahen Weltende, nicht minder sagt Ermanrich
von Ellwangen: lam prope generaliter interitus mundi imminet, vita Sol. 7
S. 394; für das zehnte sind die Annal. Virdun. u. S. Maxim, z. 945 Zeugen,
für die zweite Hälfte des elften vita Haimer. 1 Scr. X S. 599 u. vita Altm. 3
Scr. XII S. 230, für das zwölfte das Schreiben N.A. XI S. 4001 und die
Urk. Cod. dipl. Anhalt. I S. 252 Nr. 336.
1 Hugo Flav. ehr. II, 12 S. 383.
2 Dipl. II S. 254 ff. Nr. 218, Hugo Flav. ehr. II, 8 S. 375.
3 Dipl. II S. 31 Nr. 22; S. 32 Nr. 22b; S. 396 Nr. 3; die letztere ürk.
zählt 25 Kirchen auf, die dem Kloster ganz oder zum Teil gehörten.
* Die Diözese Verdun war eine der kleinsten deutschen Diözesen. Ich
füge hinzu, daß die Kanoniker am Dom i. J. 1049 32 Kirchen und 4 andere
zum Teil ihr eigen nannten, J.W. 4192, und daß das Nonnenkloster St. Maurus
i. J. 1049 23 Kirchen und 2 Kapellen besaß, J.W. 4190.
5 In Toul gehörten St. Aper schon 947 11 Kirchen, Dipl. I S. 174 Nr. 92.
1034 bestätigte B. Bruno weitere 5 Kirchen, Mign. 143 S. 583 f. St. Mansuet
besaß 965 ungefähr ein halbes Dutzend, Dipl. I S. 404 Nr. 289; bis 1050
wuchs die Zahl auf 14 Kirchen und eine Kapelle, J.W. 4239. Zu Etival
gehörten bereits 880 9 Kirchen und Kapellen, Calmet I Pr. S. 316; Deuilly
erhielt 1043 bei seiner Stiftung 19 Kirchen ganz. oder zum Teil, ib. S. 417.
— 493 —
Wirkung der Inkorporation eines so großen Teils der Parochial-
kirchen war, daß die Mönche an der geistlichen Versorgung des
Volkes Anteil gewannen^. Denn mochten sie den Kirchendienst
vom Kloster aus versehen, oder mochten sie Weltgeisthche fiir
diesen Zweck ernennen, die Folge war immer, daß die mönchische
Frömmigkeit im Gottesdienst gepredigt, im Beichtstuhl gefordert
wurde. Jene Weltgeistlichen standen ja völlig unter der geisthchen
Leitung des Klosters. Dazu kam endhch noch die tatsächliche
Macht, welche die Klöster als große Gnindherrschaften besaßen,
und der Eindruck, den ihr wachsender Reichtum, ihre großartigen
Bauten naturgemäß machten. Äußeres und Inneres wirkten zu-
sammen, um die Bevölkerung an die Mönche zu fesseln.
Wenn man sich die Lage der Dinge in Lothringen vergegen-
wärtigt, so kann man nicht umhin, zu urteilen, daß die Leitung
der Kirche dem Episkopat entghtten und den Jüngern Clunis zu-
Im Metzischen erhielt Vergaville bei seiner Stiftung 6 Kirchen, 966 Calmet
S. 378, Gorze besaß 933 20, ib. S. 339; sie wurden später vermehrt, Dipl. II
S. 326 Nr. 280; St. Peter in Metz hatte 960 14 zu eigen, Dipl. I S. 210
Nr. 290. Von den niederlothringischen Klöstern besaß St. Bavo i, J. 1003
ungefähr 10 Kirchen, Dipl. III S. 41 Nr. 36.
1 Vgl. die Urk. Bruns von Toul, Migne 143 S. 583 f. Er bestätigt die
neuen Kirchen von St. Aper, ea sc. stabilitate et lege, qua cetera altaria
totius abbatiae tenuerant ab antiquo tempore, i. e. ut decedentibus vicariie,
quibus tantummodo curam animarum per eorum electionem committimus,
ipsi eadem altaria redimere nequaquam compellantur, sed solummodo electione
sua . . succiduos vicarios exhibeant, qui de manu nostra curam animarum
suscipiant. Dieselbe Bestimmung im Privilegium für das Mauruskloster in
Verdun, J.W. 4190. Heinrich III. bemerkt in bezug auf die Corveyschen
und Herfordischen Kirchen: üt decimarum aliorumque reddituum proventus
omnes praefatis cederent monasteriis et ab his vicissim procurarentur
subiectae plebes in baptismate, in eucharistia, in sepultura, in confessione
peccatorum audienda, et presbyteri, qui principales es his ecclesias tenerent,
archipresbyterorum officio fungerentur (Stumpf 2140). Bern von Reichenau
sandte seine Anordnung über Seelenmessen für einen verstorbenen Mönch
ebenso den Mönchen wie den clericis per cellas nostras constitutis (ep. 5
Migne 142 S. 1163 f.). Das Beispiel zeigt, daß, was im Kloster geschah,
unmittelbar die vom Kloster abhängigen Kirchen berührte. Die Gemeinden,
in denen die Klöster sich des Kirchendienstes bemächtigt hatten, sollten
den Klöstern immer bleiben. Leo IX. verfügte in bezug auf St. Mansuet,
ut nuUo modo quaecunque persona ecclesiam sive capellam intra supra-
dictos terminos ausus sit construere, J.W. 4239. Dadurch sollte natürlich
zunächst die finanzielle Schädigung des Klosters verhütet werden: die
Folge war aber, daß der Einfluß des vom Kloster ernannten Priesters ge-
sichert wurde.
— 494 —
gefallen war. Sie beherrschten die Gesinnung der Menschen: das
ältere Reformmönchtum war gewissermaßen aufgesogen, die Bischöfe
stellten ihre kirchliche Gewalt in den Dienst oluniacensischer Führer,
die Bevölkerung in den oberen, wie in den unteren Ständen ergab
sich ihrem Ideal von Frömmigkeit: das Mönchtum war in Loth-
ringen die führende Macht.
Das war um so bedeutender, als die Tendenzen der Reform-
bewegung sich nach und nach erweiterten und zugleich verschoben.
Seit vielen Jahrzehnten sprach man von der Reform der Klöster
und arbeitete man an ihr. Mönche, Bischöfe und Fürsten ließen sie
sich angelegen sein. Der Erfolg war unverkennbar: das Bewußt-
sein von der verpflichtenden Kraft der Regel war überall lebendig.
Waren denn aber die Klöster die einzigen kirchlichen Institute, die
reformbedürftig waren? Wilhelm von Dijon hat sich diese Frage
vorgelegt, und sie sehr bestimmt verneint. Er urteilte, daß weitaus
am notwendigsten die Reform der Pfarrgeistlichkeit sei; denn es
gebe in ganz Frankreich kaum einen Pfarrer, der zu psallieren und
die Lektionen zu lesen verstehe, so wie es sich gebühre. Wilhelm
war nun aber nicht der Mann, nur zu klagen ; er legte sofort Hand
an, um zu helfen. Man kann die Bedeutung, welche die Stiftung
der Schule zu Fecamp hatte, kaum hoch genug schätzen; denn sie
sollte nicht, wie die übrigen Klosterschulen, Mönche heranbilden;
sie sollte ein Seminar für Kleriker sein: allen, die es begehrten,
mochten sie reich oder arm, frei oder unfrei sein, wurde dort un-
entgeltlich Unterricht erteilt \ Was hieß das aber anders, als daß
die Mönche Wilhelms eine Tätigkeit übernahmen, die an sich den
Bischöfen zukam? Je zweifelloser der Erfolg war, den die Schule
von Fecamp hatte-, um so klarer mußte das zum Bewußtsein
kommen. In Wilhelms Vorgehen lag eine unausgesprochene Kritik
des Episkopats, der Vorwurf, daß er seine heiligsten Pflichten nicht
erfülle. Wilhelm hatte noch anderes zu tadeln, und er tat es offen
und ungescheut. Es war lange her, daß das Bewußtsein von der
Verwerflichkeit der Simonie in weiten Kreisen fast verschwunden
war. Die Führer der Cluniacenser schwiegen zumeist ^. Er da-
gegen berührte mit großem Nachdruck diesen bedenklichen Punkt.
Ich wollte, so schreibt er mit Bezug hierauf, ihr Hirten und Bischöfe
insgemein wäret eingedenk des Richters, der die Axt trägt und
schon vor der Türe steht*.
1 Vita Willi. 14 S. 709.
^ Ib : Cuius institutionis labor nimium optabilem diversis ecclesiis
contulit fructum. 8 Vgl. Sackur, Clun. H S. 24 ff.
* S. das Bruchstück eines Briefs bei Rudolf c. 19 S. 713. Er läßt den
- 495 —
Ähnlichen Urteilen begegnet man im Kreise Richards. In
den Gesichten des Mönchs von St Yaast ist das, was die Mönche
einem Teil der Bischöfe zum Vorwurf machten, klar ausgesprochen :
Sie sind Prediger und predigen nicht; sie sind Hirten und handeln
wie Mietlinge \ Das verkündigte Eichard in einem offenen Brief
aller Welt. Gerard von Kamerijk, der bischöfliche Gesinnungs-
genosse der Cluniacenser, sprach nicht anders. In einem Brief an
Leduin von St. Vaast^ rühmt er den Abt, daß er der Kirche Mit-
leid beweise. Beim Blick auf die Welt sehe er, daß alles im Ai*gen
liege; es sei nicht genug an dem Unheil der Gegenwart, sondern
es sei zu befürchten, daß noch größere Übel kommen würden.
Das sei die Folge der Sünden der Priesterschaft. Es sei eine ge-
meine Rede von den Dienern der Kirche: Diejenigen sind Hirten
des Volks, die in Wahrheit nicht Hirten, sondern Wölfe sind: sie
leben von der Kirche, aber sie beten nicht, sie predigen nicht, alles
Unglück der Zeit: Sterben, Pestilenz und Hungersnot, haben .sie
verschuldet. Gerard sagt: Ich kann nicht leugnen, daß vieles,
worüber wir täglich geschmäht werden, wahr ist. Er bittet, daß
die Mönche, die teuern Brüder, die der Welt schon entsagt haben
und sich in dem Hafen des Herrn befinden, denen, die noch auf
dem Meer sich abmühen, durch ihre Gebete und ihr Fasten zu
Hilfe kommen, daß das göttliche Zorngericht sie nicht treffe.
Solche Äußerungen eröffnen einen EinbHck in die Gesinnung
der Cluniacenser: sie lebten der Überzeugung, daß sie selbst festen
Boden unter den Füßen hätten; aber die Kirche erschien ihnen
reformbedürftig. Noch lag in diesem Urteil keine kirchenpohtische
Tendenz^. Weder Wilhelm noch Richard kann man als Vor-
kämpfer der päpstlichen Macht in der Kirche im Gegensatz zum
Episkopat betrachten; weder dieser noch jener stellte sich in prin-
zipiellen Gegensatz gegen die Gewalt des Königs in der deutschen
Kirche. Beide haben groß von der päpstlichen Macht gedacht.
Brief an Johann XIX. gerichtet sein. Aber der Wortlaut widerspricht; er
ist für^eine Mehrzahl von Bischöfen bestimmt.
1 Hugo Flav. ehr. II, 15 S. 382. « Epist. 5 Migne 142 S. 1319 fif.
^ Meine Ansicht über die Bedeutung der cluniacensiscben Reform
unterscheidet sich von der früher herrschenden dadurch, daß ich den Clunia-
censern nicht von Anfang an kirchenpolitische Tendenzen zuschreibe. Sie
unterscheidet sich von der durch Sackur vertretenen Auffassung dadurch,
daß ich annehme, daß die Cluniacenser im Verlauf die Verwirklichung eines
kirchlichen Ideals ins Auge faßten. Hatten sie in den Klöstern die Herr-
schaft der Regel durchgeführt, so wünschten sie für die Kirche die Herr-
schaft des kanonischen Rechts.
— 496 —
Seitdom AVilhelm im Frühjahr 995 nach Rom gereist war^, um
sich des päpsthchen Schutzes zu versichern, stand er in ununter-
brochenem Verkehr mit der Kurie. Man erkennt die Überzeugungen,
die ihn an Rom fesselten, aus den Worten, mit denen er Papst
Johann XIX. begrüßte: er möge den Sitz der Apostel teilen, um
die Welt zu richten, er möge mit ihnen die Krone des*Himmel-
reichs empfangen-. Weil er im Papst den Nachfolger Petri sah,
dünkte es ihn unerträglich, daß irgendein anderer Bischof den
Titel eines allgemeinen Bischofs führe. Er verglich die politische
und die kirchliche Macht Roms: das römische Reich sei gefallen,
die Welt, die einstmals von einem Herrscher geleitet wurde, werde
jetzt von fast unzähligen Fürsten regiert; aber die dem Apostel
Petrus verliehene Gewalt, im Himmel und auf Erden zu lösen
und zu binden, sei geblieben; möge nur der Papst energisch von
ihr Gebrauch machend Wie Wilhelm, so dachten seine Mönche:
im Vertrauen auf die päpstlichen Privilegien, schreibt Wilhelm an
Odilo, achteten die Mönche von Vezelai die Einsprache des Diö-
zesanbischofs für nichts *. Aber Wilhelm war weit davon entfernt,
aus seinen Überzeugungen Konsequenzen, die gegen den Episkopat
gerichtet waren, zu ziehen. Den Aufstand der Mönche in Vezelai
billigte er nicht; es schien ihm diurchaus rätlich, daß sie sich dem
Bischof fügten^. Bei seinen Reformen arbeitete er fast überall im
Einvernehmen mit den Bischöfen. Noch weniger war Richard
kurialistisch gesinnt. Es versteht sich von selbst, daß er zu dem
römischen Bischof aufblickte. Er hat nicht nur den Kelten Roding,
dessen Biographie er verfaßte, nach Rom pilgern lassen **, sondern
er selbst machte, wahrscheinlich zweimal, die Wallfahrt zu den
Gräbern der Apostel'. Auch den Wert päpstlicher Privilegien
wußte er zu schätzen ^. Aber er war so entfernt, innige Beziehungen
zu der Kurie zu suchen, daß er in Italien fast unbekannt war.
1 Chron. s. Ben. 7 S. 855, Urk. Johanns XV. v. 26. Mai 995, J.W. 3858;
vgl. Sackur, Clun. I S. 263 Anm. 1.
'^ Ep. 6 S. 266: Papae loanni Guillelmus crucis Christi servuäf sedem
iudicii cum apöstolis et coronam regni.
■" Ibid. * Ep. 3 S. 264. b Ibid.
6 Vita Rodingi 5 A. S. 0. s. B. IV, 2 S. 545.
' Nach Hugo von Flav. II, 15 S. 380 i. J. 1011 und nach der Urk. J.W.
4038 i. J. 1021. Daß in dem Jahr 1011 ein Irrtum liegt, hat Breßlau bei
Hirsch, J.B. III S. 239 bemerkt. Er setzt die Reise ins Jahr 1012. Sackur,
Rieh. S. 19, hält die erste Reise überhaupt für apokryph und nur aus der
Urk. entstanden. Das ist möglich, aber doch nicht gewiß.
8 Vgl. die angeführte Urkunde J.W. 4033.
- 497 —
Die Männer der italienischen Reform wußten so wenig von ihniy
daß sie ihn nicht als Gesinnungsgenossen gelten ließen ^ Sein
Horizont beschränkte sich auf Lothringen und die Nachbargebiete.
So wenig die lothringischen Cluniacenser als Vorkämpfer der
päpstlichen Herrschaft in der Kirche auftraten, so wenig zeigten
sie sich als Gegner der deutschen Fürsten. Allerdings war man
am Hofe Heinrichs H. anfangs nicht ohne Mißtrauen gegen Wilhelm.
Ganz ohne Grund war diese Stimmung wahrscheinlich nicht. Denn
es wird nicht nur Verleumdung gewesen sein, wenn dem König
hinterbracht wurde, der Abt von Dijon urteile abschätzig über ihn^.
Die Keformgedanken beider Männer lagen so weit auseinander,
daß alles, was Heinrich wollte und leistete, in Wilhelms Augen
kaum für etwas anderes gelten konnte, als für eine Halbheit.
Aber zu einem bleibenden Zwiespalt kam es gleichwohl nicht.
Wilhelm wußte sich von dem Verdacht politischer Opposition zu
reinigen, und der Kaiser hatte ein viel zu lebhaftes Interesse an
der Förderung des Mönchtums, als daß er in Wilhelm nicht zunächst
den Reformfreund, den frommen Mönch hätte sehen sollen. Wie
sehr er dies tat, bewies er dadurch, daß er sich in die Bruder-
schaft des von Wilhelm gegründeten Klosters Fructuaria aufnehmen
ließ^. Auch Konrad II. hat Wilhelm geschätzt: in dem Verzeich-
nis der Wohltäter St. Apers steht sein Name obenan*. Richard
von St. Vanne vollends stand bei den drei Herrschern, unter deren
Regierung er in Lothringen wirkte, in gleich hohem Ansehend
Man darf wohl sagen: die kirchhche Tendenz der Cluniacenser
war noch durchaus idealistisch. Wie in den Klöstern die Regel
zur Herrschaft gekommen war, so sollte in der Kirche das kanonische
^ Peter Damiani versetzt ihn um seiner unmäßigen Baulust willen in
die. Hölle, ep. Vin,2 S. 465. Bei Mabillon, A. S. VI, 1 S. 455, wird das In-
femum zum Fegefeuer gemildert, dadurch aber wahrscheinlich der Gedanke
Peters getroffen. ^ Vita Wüh. 20 S. 713.
■'' Erwähnt in Konrads Urk. für Fructuaria Stumpf 1943. Die Gründung
des Kloster war unter Mitwirkung Königs Arduin, des polit. Gegners Hein-
richs, erfolgt, s. Dipl. III S. 711 Nr. 9. Auch in Farfa hielt man das An-
denken Heinrichs, nostrae societatis et fraternitatis carissimi, hoch, s.
Consuel. Farf. II. 63 S. 204.
* Notit. Brun. S. 583: Domnus imperator Chuonradus libras XV et auri
uncias IV. Domna imperatrix libras III et duas uncias auri.
5 Über Heinrich II. vita Popp. 15 S. 302; unter Konrad ist Poppo,
Richards Schüler, einer der einflußreichsten kirchlichen Männer (s. u.);
Heinrich III. hat Richard ein Bistum angetragen, Hugo Flav, H, 30 S. 403.
Hauck, Kirchengesohichte. III. 32
— 498 —
Recht zur Herrschaft kommen. In diesem Gedanken hatte Abbo
von Fleury in den letzten Jahren des zehnten Jahrhunderts eine
kanonische Sammlung bearbeitet. Der Grundsatz, zu dem er sich
bekannte, war: Die kirchlichen Regeln sind von den heiligen Vätern
zu dem Zweck erfunden, daß wir auf der Bahn der Gerechtigkeit
ohne jeden Abweg des Irrtums wandeln^. Aber sehr verständig
äußerte er sich dabei über die Grenzen der Geltung einzelner
Rechtssätze: sie sei zeithch und örthch bedingt und deshalb ver-
änderlich. Nicht weniges habe die staatUche Gewalt zum Besten
der Kirche abgeändert, ohne daß jemand Anstoß daran nehme''.
Bei solchen Anschauungen war die Toleranz von Zuständen, die
dem kanonischen Recht widersprachen, möglich. Aber es lag doch
in der Natur der Sache, daß die Überzeugungen sich verschärften.
Charakteristisch dafür ist das Verhalten Gerards von Kamerijk zu
der Ehe des Grafen Reginar von Hennegau mit der Tochter Her-
manns von Eenham. Beide waren verwandt, die Ehe also kanonisch
unzulässig. Mit Mühe konnte Gerard von seinen bischöfHchen
Amtsgenossen bewogen werden, sie stillschweigend zu dulden. Es
ging ganz wider seine Überzeugung, imd man mußte die Autorität
Gregors d. Gr. anführen, der in England unkanonische Ehen ge-
duldet habe, um ihn zu beruhigen^. Das war ungefähr zwanzig
Jahre, nachdem Abbo sein Werk geschrieben hatte. Wieder einige
Jahrzehnte später wurde das Lager der Cluniacenser mächtig auf-
geregt durch Heinrichs III. Verlobung mit Agnes von Poitou. Wir
besitzen einen Brief des Abtes Siegfried von Gorze^, der die im
Kreise der Cluniacenser herrschende Stimmung außerordentüch
scharf und klar abspiegelt. Der Schüler und Nachfolger Wilhelms
von Dijon schreibt an Richards Schüler Poppo. Er erinnert ihn
an ein Gespräch, das sie vor kurzem in Diedenhofen hatten, an
ihre übereinstimmenden Klagen über das Schwinden der SittHch-
keit und Frömmigkeit unter dem Volk, über das Wachstum der
1 Collect, canon. 8 (Mign. 139 S. 481).
2 Ibid.: Non omnis inventio necessitatem comitatur, ut alio modo fieri
impossibile sit, quod aliquis utiliter invenit. . . Unde considerandus est
terrarum situs, qualitas temporum, infirmitas hominum et aUae necessitates
rerum, quae solent mutare regulas diversarum provinciarum. Potestate enim
multa mutata sunt pro communi utilitate ecclesiarum, quae nemo reprehendit
fidelium. Et quid mirum? cum nonnunquam inveniantur canones sibi Qon-
tradicentes et quod in alterö conciHo praecipitur in altero prohibetur.
3 Gest. pont. Cam. EI, 10 S. 469.
1 Giesebrecht, KZ. II S. 679 ff. Nr. 10.
— 499 —
Schlechtigkeit, über die mancherlei Gefahren, von denen deshalb
die Kirche bedroht sei. Siegfried rechnete zu diesen Gefahren vor-
nehmhch die unerlaubte Ehe des Königs : sie schien ihm schwanger
von Unheil für Heinrich und das Reich. Er wußte nur eine HiKe
dagegen: strenge Beobachtung des kanonischen Rechts. Es steht
fest und ist unzweifelhaft wahr, so ruft er aus, daß die kanonische
Autorität Gottes Gesetz ist; wer also gegen die Kanones handelt,
der übertritt die göttHche Vorschrift. Auch für den König ist es
unbedingte Pflicht, seinen Willen den kirchlichen Satzungen zu
unterwerfen. Es dünkte Siegfried ein Frevel, wenn die Kirche
etwas duldet, was gegen die Kanones verstößt, nur erklärlich aus
falscher Nachgiebigkeit gegen die Fürsten, aus falscher Liebe zu
einem falschen Frieden. Dies Urteil wandte Siegfried direkt auf
die Bischöfe an: sie sind Mietlinge, wenn sie nicht Verteidiger des
kanonischen Rechts sind^. Der idealistische Grundsatz, daß das
kirchliche Recht in der Kirche herrschen soll, ist in Siegfrieds Brief
zu einem Kriegsruf geworden. Der Abt täuschte sich nicht darüber,
er wiederholte das Wort des Herrn: Glaubet nicht, daß ich ge-
kommen bin, Frieden zu senden auf Erden! Ich bin nicht ge-
kommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Man hört von
ferne den Donner des herannahenden Gewitters grollen.
Wohl wissen wir, daß nicht alle Gesinnungsgenossen Siegfrieds
ebenso dachten, wie er^: aber die Konsequenz war auf seiner Seite.
Und wer kann ihre Macht leugnen?
' In dieser Weise entwickelte sich die Klosterreform in Loth-
ringen, sie gewann einen Inhalt, der weit über die Ideale hinaus-
ging, die einstmals Johannes von Gorze und seine Freunde beseelt
hatten. Und indem dies geschah, drangen die Cluniacenser über
den Rhein. Der M*inn, der hierbei der Führer war, ist Poppo
von Stablo'^.
Er war ein Schüler Richards *; aber er kann nur wenige Jahre
jünger gewesen sein als sein Meister^. Das Leben hatte ihn, als
1 Brief Siegfrieds an Brun von Toul ib. S. 684 f. Nr. 11.
2 Hierüber s. u. S. 506 f.
^ Hauptquelle für das Leben Poppos ist die kurz nach seinem Tod
verfaßte Biographie Scr. XI S. 291 S. Man vgl. über ihn Ladewig, Poppo
von Stablo 1883, und Sackur, Clun. II S. 177 ff. u. 244 ff.
4 Vita Popponis^ 9 S. 298 f.
6 Da Poppo am 25. Jan. 1048 im 70. Jahre starb, vita Popp. 2S S. 312,
so ist er 977 geboren; über Richards Alter s. o. S.^469 Anm. 3. Ich stelle
hier gleich die übrigen chronologischen Daten zusammen: Wallfahrt nach
32*
-^ 500 —
er kurz nach 1005 das Mönchsgelübde ablegte, schon durch
mancherlei Wandel hindurchgeführt. Unter den Augen einer frommen,
früh verwitweten Mutter war er aufgewachsen; dann war er ein-
getreten in einen Kreis verwegener ritterlicher Genossen, die nach
dem Recht einer Handlung nicht gerade viel fragten, wenn sie nur
Gelegenheit gab, Mut, Kühnheit und Kraft zu beweisen. Hier und
dort hatte er gelernt : so mag es halb Abenteuerlust, halb Frömmig-
keit gewesen sein, was ihn mit ein paar Gefährten auf den Weg
ins heilige Land führte. Wir wissen nicht, was er an den Stätten,
die dem Gedächtnis der Christenheit heilig sind, empfand; doch
ist sicher, daß seine Pilgerfahrt ihm Befriedigung gewährte. Denn
kaum zurückgekehrt, brach er zu einer zweiten auf: mit dem Grafen
Dietrich von Holland zog er nach Rom, um die dortigen Heilig-
tümer zu besuchen. Dann schien sein Leben in eine ebnere Bahn
zu münden: er schloß sich an Balduin von Flandern an; er dachte,
ein Haus zu gründen und in die Ehe zu treten. Aber es kam
nicht dazu: jetzt gerade sprang er vollends von dem gewöhnlichen
Wege ab. Es war in der Nacht vor dem Hochzeitstage. Geleitet
von einigen Reisigen war er ausgeritten, um seine Braut heimzu-
holen; da sah er sich plötzlich von hellem Licht umstrahlt, er
meinte, die Lanze, die er in der Hand hielt, wie eine Fackel
leuchten zu sehen. Niemand wird fragen, was an diesem Vorgang
wirklich war; denn das Tatsächliche von solchen Ereignissen fällt
in das psychologische Gebiet: dem Gewöhnlichsten vermag der
innerlich Erregte den außerordentlichsten Gehalt zu verleihen.
Poppo war schon unschlüssig im Gemüte ausgeritten; das Zeichen,
das er erlebte, schien ihm ein übermächtiges Halt entgegenzurufen.
Er zweifelte keinen Augenblick, was es ihm sagen sollte. Kameraden,
rief er aus, wir müssen unsern Weg ändern! Ich sehe, daß es
an der Zeit ist, mit der Sünde und solchen Wünschen zu brechen,
und das Ziel, das Gott gefällt, mit ganzer Kraft zu erstreben.
Rom wahrscheinlich 1005, da nach Thietm: VI, 19 S. 144 Dietrich III. von
Holland damals von der Heimat abwesend gewesen zu sein scheint. Eintritt
in St. Thierri und Übergang nach St. Yanne vor 1008; denn beides fällt in
die Zeit, ehe Richard St. Vaast erhielt, s. vita Popp. HS. 300. Poppo war,
wie man sieht, als er Mönch wurde, kein Jüngling mehr, wie ihn Ladewig
wiederholt nennt (S. 29 u. 32). Er war nahe an 80 Jahre alt. Propst in
St. Vaast nach 1012-, denn am 4. Juli 1012 war Richard selbst noch im
Kloster, Hugo chron. II, 11 S. 386. Propst in Beaulieu vor 1016; denn die
Anwesenheit Heinrichs in Straßburg im Frühjahr d. J. (s. Hirsch, JB. II
S. 86) Mit nach seinem Übergang nach Beaulieu, vita Popp. 14 S. 302. Abt
in Stablo: 1020, s. Ann. Stab. z. d. J. Scr. XIII S. 43.
— 501 —
Statt zur Braut eilte er ins Kloster. Er wurde Mönch iu St. Thierri.
Von dort folgte er Richard nach St. Vanne. Wie hätte er, der
auf diese Weise Möoch ward, es nicht ernst nehmen sollen mit
den asketischen Forderungen? Er kannte nichts Höheres: sein
ganzes "Urteil liegt darin, daß er seine fromme Mutter bestimmte,
der Welt zu entsagen und als Reclusa bei St. Vanne den Rest
ihres Lebens zu vollbringen. Er selbst blieb nicht in Verdun.
Richard beauftragte ihn zuerst mit der Leitung von St. Vaast,
dann schickte er ihn nach Beaulieu. Aber Poppo war für eine
andere Laufbahn bestimmt als Leduin oder Theoderich. Kaiser
Heinrich IL hat ihn in den könighchen Dienst gezogen. Es ist
wohl glaublich, daß Richard sich schwer entschloß, ihn zu ent-
lassend Er war nicht ohne Eifersucht auf den Besitz des ersten
Einflusses; und verzichtete er nicht auf seinen begabtesten Mit-
arbeiter, mn ihn in den Dienst eines Fürsten treten zu lassen, mit
dessen Verbalten gegen die Klöster er nicht in allen Stücken ein-
verstanden war? Doch die Bitte des Kaisers konnte er abweisen,
seinem Befehl mußte er sich fügen: Poppo trat, von Heinrich er-
nannt, im Jahi" 1020 als Abt an die Spitze der beiden könighchen
Klöster Stablo und Malmedy; schon nach zwei Jahren wurde sein
Einfluß dadurch erweitert, daß ihm Heinrich St. Maximin über-
trugt Nun starb zwar Heinrich im Sommer 1024; aber Poppos
Ansehen erlitt dm-ch den Tod seines Gönners keine Einbuße; es
vermehrte sich noch. Denn auf keinen zweiten Mönch hat König
Konrad gleiches Vertrauen gesetzt wie auf ihn. Wer kennt nicht
die schöne Ruine, des Klosters Limburg, die von der luftigen Höhe
der weinreichen Hart ins Tal hinabblickt? Das Kloster war eine
Stiftung Konrads aus den ersten Jahren seiner Regierung ^. Indem
er seine Einrichtung Poppo übertrug*, zeichnete er ihn vor allen
1 Vita Popp. 15 S. 302.
- Ib. 16 S. 303; 20 S. 305. Er behielt das Kloster wahrscheinlich bis
1035, Ladewig S. 133; dann erhielt es sein Neffe Johannes, vita Popp. 19
S. 305, nach dessen baldigem Tode der Mönch Bernard; als auch dieser
nach 2 Jahren starb, übernahm Poppo die Leitung von neuem, ib. 23
S. 309.
3 Daß das Gründungsjahr 1025 ist, hat Ladewig S. 79 ff. dargetan;
vgl. Giesebrecht, KZ. II S. 626; Breßlau, JB. Konrads II S. 383 und die dort
angef. Literatur. Über das Bauliche Manchot, Kl. Limburg. 1892.
* Vita Popp. 19 S. 305. Der Bau scheint nur langsam fortgeschritten
zu sein; denn erst 1035 wurden die Krypta und einige Altäre geweiht. Wahr-
scheinlich hat damals der Mönch Johannes die Leitung erhalten.
— 502 —
Abten des Reiches aus. Seitdem kam ein Kloster um das andere
unter die Leitung, wenigstens unter die Aufsicht des Abts von
Stablo: Echtemach^ St. Gislen^ Hersfeld^ Weißenburg*, St. Gallen^
Waussor und Hostieres *, mit Ausnahme der beiden letzteren lauter
angesehene könighche Klöster. Dem Vorbild, das Konrad gab,
folgten Geistliche und Laien : St. Lorenz in Lüttich ', St. Vinzenz
^ Vita Popp. 19 S. 305. Poppo hat Echtemach nicht selbst verwaltet;
er setzte 1028 einen Mönch von St. Maximin, Humbert, als Abt ein, s. Cat.
abb. Eptem. Scr. XIII S. 739 f.
2 Vita Popp. 19 S. 305; Gest. pont. Camer. III, 21 S. 472. Seine Stellung
zu diesem Kloster war, wie es scheint, der zu Echtemach analog; auch
hier wird nur die Einführung eines Reformabts, Heribrand, auf ihn zurück-
geführt." Daß sie spätestens 1029 stattfand, folgert Ladewig aus einer
Notiz z. 1030, die in Pertz Archiv IX S. 357 f. mitgeteilt ist. Zwar ist hier
ein Abt Hildebrand genannt; aber er emendiert Heribrand, s. S. 69 Anm. 2.
1034 erteilt Konrad dem Kloster ein Privileg, Stumpf 2059; vgl. Rainer,
Mir. s. Gisleni 13 Scr. XV S. 585.
» Vita Popp. 19; Ann. Hild. z. 1031 S. 36 f.; Lamb. Inst. Herv. eccl.
S. 350. Auch in Hersfeld wurde ein Schüler Poppos, der Propst Rudolf von
Stablo, ein Italiener, Abt.
* Vita Popp. 19. Hier wurde Folmar Abt. Er war Mönch in St. Maxi-
min gewesen, s. Necrol.- s. Max. z. 14. Mai bei Hontheim. Prodrom. S. 977.
Das Jahr seines Amtsantritts ist wahrscheinlich 1032. Sein Vorgänger
Liuthard wurde 1002 Abt, Ann. Weiss. S. 47, und amtierte 30 Jahre, Ser.
abb. S. 320. Er starb also 1031 oder 1032, am 31. Okt. Necr. Weiss. Font.
IV S. 313. Folmar starb nach 12jähriger Amtsführung 1043, Ser. abb., Ann.
Weiss. S. 49. Die einzige Spur seiner Tätigkeit ist die Katalogisierung der
Weißenburger Bibliothek, Becker, Catal. Bibl. antiq. S. 133 Nr. 48.
5 I. J. 1034. Siehe unten S. 508.
* Das Kloster Waussor war nicht königlich, sondern gehörte dem
Bistum Metz, s. o. S. 371 Anm. 3. Die ältere Stiftung in Hostieres, die sich
in Privatbesitz befand (cf. Calmet I Pr. S. 359), kam durch Dietrich I. von
Metz an Waussor, vita Deod. 6 Scr. IV S. 467; Hist. Walcid. mon. 19 ff.
Scr. XIV S. 513. Dem Eingreifen des Königs, der regali decreto die Erlöster
an Poppo übertrug, fehlte hier also die Rechtsgrundlage. Das Jahr ist
1035, Hist. Walcid. mon. 49 S. 526; zum Jahr vgl. c. 47 f. Poppo hat die
Klöster nicht selbst verwaltet: er überließ sie dem Propst Lambert von
St. Maximin, L c. 50; vgl. vita Popp. 19 S. 305.
' Poppo übernahm die Einrichtung auf Anlaß des Bischofs Wolpod,
also vor dem 21. April 1021, Rup. chron. 23 S. 269; vita Ragin. 4 Scr. XX
S. 572; vita Wolp. 16 ib. S. 569. Bei Reginards Amtsantritt (1025) ver-
zichtete er auf die Ausführung seines Auftrags, Rup. ehr. 28 S. 271. Nun
trat Stephan von St. Vanne ein, s. o. S. 474 Anm. 2 u. S. 485 Anm. 4.
— 503 —
in Metz ^, St. Euchar in Trier^, Hohorst^, Brauweiler*, St. Tmijen^
^ Vita Popp. 19 S. 305. Poppo erhielt das Kloster von Dietrich von
Metz; er stellte Heribert an die Spitze. Die Zeit ist nicht sicher. Ladewig
S. 90 hält 1021 und 1022 wenigstens nicht für unmöglich. Aber damit ist
wenig gewonnen, da es keinen irgendwie sicheren Grund für diese Jahre
gibt. Nach vit. Deod. 23 Scr. IV S. 483 ist der Neubau am 14. Mai 1030
geweiht, vgl. Annal. Laud. z, 1030 Scr. XV S. 1295.
- Vita Popp. 1. c. Er erhielt das Kloster von EB. Poppo. Da der
bisherige Abt Richard den 22. Okt. 1023 starb, Ann, s. Euchar. z. d. J.
Scr. V S. 10, Necrol. s. Maxim. S. 989, so wahrscheinlich noch im Winter
dieses Jahres. Die Leitung übertrug er einem Mönch namens Bertulf.
^ Vita Popp. 1. c. Hier war Adalbold von Utrecht der Geber; Poppo
ernannte Heriger zum Leiter des Klosters. Die Zeit steht nur durch den
Tod des Bischofs, 27. Nov. 1026, annähernd fest.
* Vita 1. c; annal. Bruniw. z. 1024 Scr. XVI S. 725; Bruniw. mon.
fund. act. Scr. XIV S. 125 ff. Das Kloster ist eine Stiftung des Pfalzgrafen
Ezzo und seiner Gemahlin Mathilde, der Tochter Ottos H. Poppo vollzog
die Gründung; die Leitung erhielt der Mönch EUo von St. Maximin. Als
Gründungsjahr geben die Annalen 1024; die fund. gibt als Grüudungstag
den 14. April 1024, einen Dienstag, läßt jedoch Ezzo vor der Gründung
Johann XIX. aufsuchen, der erst nach dem 9. April 1024 Papst wurde, und
Kaiser Heinrich IT. vor der Gründung sterben, der am 13. Juli 1024 starb.
Ladewig löst den Widerspruch dadurch, daß er einen Irrtum im Jahr an-
nimmt und die Gründung in das Jahr 1025 verlegt (S. 64 f.). Seine Gründe
sind nicht gerade überzeugend; das Zusammentreffen des Monats- und
Wochentags macht das Datum der fund. nicht verdächtig, sondern gibt
ihm Gewicht; daß man das zweite Jahr nach der Stiftung nicht als inter
laeta exordia sanctae operationis fallend betrachten könne, wird niemand
zugeben; auch das ist klar, daß Ello ebensogut anderthalb Jahre wie ein
halbes Jahr nach der Weihe der Kirche die selbständige Leitung der
Abtei erhalten konnte. Die Frage ist nur: Ist es wahrscheinlicher, daß die
Klostertradition sich über Wochen-, Monats- und Jahresdatum der Ent-
stehung des Klosters irrte, oder über den Synchronismus der Gründung mit
dem Tode Heinrichs IL und Benedikts VIII. ? Mir scheint der letztere
Irrtum erklärlicher zu sein ; und ich halte deshalb 1024 für das wahrschein-
lichere Jahr. Anders urteilt Breßlau II S. 412 Anm. 2. Über die älteren
Urk. des Kl. s. Oppermann, Westd. Z. XXII S. 184 ff.
■'' Bischof Dietrich von Metz war hier der Unternehmer: er suspen-
dierte den Abt Adalard und beauftragte Poppo mit der Reform. Ihre
Frucht wurde durch die Rückkehr Adalards in sein'Amt zerstört; erst durch
Poppos Schüler Guntram wurde sie nicht ohne Schwierigkeit "durchgeführt,
G^st. abb. Trud. 1,5 ff. S. 231 ff. Einen chronologischen Ansatz ermöglicht
nur der Tod Adalards i. J. 1034. Ladewig identifiziert das vita Popp. 19
genannte Willarium mit St. Truijen.
— 504 —
Buseildorf ^ wurden teils von den Diözesanbischöfen, teils von den
Stiftern Poppo übertragen. Dazu kamen nach dem Tode Konrads
Hautmont\ St. Vaast^ und Marchiennes *. Man braucht nur diese
Namen zu nennen, um zu zeigen, daß sein Einfluß in Deutschland
den seines Lehrers Richard weit übertraf. Poppo war unter Kon-
rad ohne Zweifel der erste Abt des Reichs.
Als ihn Heinrich II. in seinen Dienst rief, sah er in ihm
schwerlich etwas anderes als einen ernsten Mönch. Seine Er-
nennung für Stablo gehörte ganz in die Reihe der Klosterreformen
des Königs^. Tatsächlich führte sie darüber hinaus: sie erschloß
auch die königHchen Abteien dem Einfluß Clunis". Konrad hat
ihm noch eine weitere Bahn eröffnet. Denn bei Poppos Tätigkeit
handelte es sich so wenig als bei der Richards ausschließlich oder
vornehmhch um Reform im Sinne der Wiederanerkennung der
Benediktinerregel. Daran ist bei den Klöstern Hautmont',
St. Vaast*^, Marchiennes^ ebenso wenig zu denken als bei Hersfeld
und Weißenburg. Dort löste der Einfluß Poppos nur den Richards
ab; hier lag die Tätigkeit der Reformäbte Godehard ^^ und Sand-
1 Das Kloster wurde von dem Grafen Adalbert gegründet und am
31. Jan. 1033 geweiht. Poppo ernannte Cono zum Abt, vita Popp. 19;
Notit. fund. mon. Bos. Scr. XV S. 977 ff. Die Stiftungsurk, bei Calmet,
I Pr. S. 543.
3 Vita Popp. 19. Auf Poppos Betreiben wurde Everhelm Abt dieses
Klosters. Er ist der Biograph Poppos. Nach Gallia ehr. III S. 116 fand
seine Einsetzung i. J. 1048 statt, also im Todesjahre Poppos.
' Vita Popp. 26 S. 310. P. übernahm diese Abtei, die er vor Jahren
als Propst geleitet hatte, 1047 auf Anlaß des MG. Balduin von Flandern.
* Ib. 27 S. 310; Annal. March. Scr. XVI S. 614. Auch hier veranlaßte
Balduin Poppos Eingreifen in die Verhältnisse der Abtei. Sein Aufenthalt
daselbst fällt in sein Todesjahr, 1048.
^ Deshalb scheinen mir Ladewigs Bedenken, S. 88, ob Heinrich aus
eigener Initiative handelte, nicht begründet.
« Über vita Meinw. 28 vgl. Sackur, Clun. II S. 157 Anm. 3.
' Vgl. oben S. 474 Anm. 1. Fulcuin, den Richard zum Abt erhoben
hatte, wird von dem Verfasser der Gest. p. Cam. wegen seiner Achtsamkeit
auf die Beobachtung der Regel gelobt, II, 35 S. 463; III, 6 S. 468. Er war,
als der Anonymus schrieb (1041 — 1043), schon tot.
^ Über dies Kloster, welches lange Richards Lieblingsschüler Leduin
leitete (gest. 1044), dann ein gewisser Johannes, vita Popp. 26 S. 310, urteilt
der Anonymus: Monachorum religione laetatur, II, 14 S. 459.
^ Das Kloster stand ebenfalls unter Leduin (I. c. 11, 26 S. 461).
^^ S. 0. S. 455 f. Godehards Nachfolger Arnold war nach Lambert ein
Mann von großer Strenge, Instit. Herv. eccl. S. 350, nach den Ann. Hiid.
__ 505 —
rat^ noch zu nahe. Seine Vorgänger in Waussor und Hostieres werden
ausdrückhch gelobt; beide Klöster befanden sich also sicher in
blühendem Zustand, als sie an ihn kamen'''. Wenn er demnach»
zwar in einzelnen Klöstern als Reformator im früheren Sinne
tätig war^, so gingen doch seine Absicht und sein Erfolg weit
darüber hinaus.
In mancher Hinsicht hat man den Eindruck, daß Poppo den
Abten vor der Klosterreform näher stand als den ersten Trägern
derselben. Er wußte im "Wandel der pohtischen ^Verhältnisse seine
Stellung klug zu wählen. Als sich die Lothringer der Anerkennung
Konrads entgegensetzten^, schloß er sich, dem * Vorbilde Odilos von
Cluni und Gerards von Kamerijk folgend^, der Opposition nicht an:
einen Moment lang hielt er sich neutral, dann ergriff er für Kon-
z. 1031 S. 36 precipuus in divinis et humanis rebus; vgl. vita I Godeli. 13
S. 177. Es ist niclit zu glauben, daß das Kloster unter ihm von neuem
verwilderte. Das Verbrechen, das ihm vor Konrad Schuld gegeben wurde
und das zu seiner Absetzung führte, war also höchst wahrscheinlicb poli-
tischer Natur, Ann. Hild. 1. c. Bardo war nur wenige Monate Abt, ibid-
^ S. 0. S. 385 Anm. 10. Auf S. folgten Grisilhar, Gerrich, Sigibod und
Liuthard, Scr. XIII S. 320. Keiner von ihnen tritt hervor. Vgl. Lade-
wig S. 92.
2 Sie hießen Erenbert und Rodulf, Hist. mon. Walciod. 44 u. 48 S. 524 f.
Über den ersteren: Honestatem et religionis ordinem cupiens in ecclesia
augmentando exaltare; über den letzteren: Normam iustitiae, quam sub
doctrina sui precessoris exemplando animadverterat, ex parte adimplendo
exemplare concupivit.
^ Reformiert wurde St. Maximin; das ist auf Grund der oben er-
wähnten Einziehung der Güter anzunehmen. Die Opposition der Mönche,
von der Poppos Biograph in Wendungen, die mehr gewichtig als genau
sind, spricht (c. 16 S. 303), ist daraus verständlich. Sodann in Echternach;
hier wurde Abt Urold, der dem Kloster 21 Jahre lang vorgestanden war,
1028 propter incontinentiam corporis abgesetzt, Catal. abb. Eptern. Scr. XIII
S. 739. Ein Brief des neuen Abts Humbert an die Kaiserin Gisela, Mone,
Anzeiger 1838 S. 205 Nr. 2, vgl. N.A. III S. 324, schildert die Lage der
paupercula catervula der Mönche als sehr bedrängt. Ferner in St. Gislen;
das Kloster war unter dem Abt Simon (c. 976 — 1015, vgl. Gall. ehr. HI
S. 91) heruntergekommen. Gest. pont. Camer. III, 20 S. 472; Heribrand hatte
also zu reformieren. Desgleichen in St. Euchar; vgl. die Urk. Poppos von
Trier v. 1038 MRh. ÜB. I S. 365 Nr. 310, und in St. Truijen, s. o. S. 503
Anm. 5. Endlich in St. Gallen; hierüber unten.
4 Vgl. Breßlau, JB. Konrads I S. 31 f.
^ Die erste Urkunde, die von Konrad erhalten ist, ist für Odilo aus-
gestellt; sie ist vom Tag nach Konrads Krönung datiert, Stumpf 1852. Über
Gerards Haltung Gesta pont. Camer. III, 50 S. 485.
~ 506 -
rad Partei. Er wirkte lür die Anerkennung des neuen Herrschers.
Daß sich die lothringischen Fürsten im Spätjahr 1025 zur Unter-
\^erfung entschlossen, wurde als ein von ihm errungener Erfolg
betrachtete Was auch seine Motive gewesen sein mögen, das
richtige Urteil über die Verhältnisse hatte er bewiesen. Konrad
wußte es ihm Dank; die Gunst, die er ihm fortan erzeigte, bewies,
wie hoch er seine Dienste schätzte. Im nächsten Jahrzehnt machte
er von neuem von ihnen Gebrauch. Poppo und Brun von Toul
hatten eine Zusammenkunft Konrads mit König Heinrich von
Frankreich zu vermittehi^: daß sie zustande kam, schien für den
dauernden Frieden zwischen den beiden Reichen von großem Wert.
Diesmal übernahm Poppo die Vermittlerrolle, obgleich die Grund-
lage für eine Verbindung durch ein Verlöbnis geschaffen werden
sollte, das dem kanonischen Recht widersprach^. Der Politiker
mußte seine kirchlichen Überzeugungen den Anforderungen der
Pohtik zum Opfer bringen. Das wiederholte sich bei der Verlobung
Heinrichs III. mit der aquitanischen Agnes. Wir haben das Auf-
treten Siegfrieds von Gorze dagegen erwähnt; aber Poppo fügte
sich wieder. Zwar als ihm der Vorwurf gemacht wurde, daß er
dem König gegenüber statt zu reden geschwiegen habe, glaubte er,
ihn ablehnen zu können; allein er tat es in einer solchen Weise,
daß man sieht, er hatte sich mit der allgemeinen Versicherung des
Königs, er wolle nicht gegen die göttUchen Gebote handeln, zu-
frieden gegeben. Als dann Siegfried von Gorze ihn zum Sprach-
rohr seiner Einwendungen machte, war seine Einsprache so wenig
nachdrücklich, daß sie den Vollzug der Verlobung nicht hinderte*.
Er sah darin keinen Grund, sich vom Hofe zurückzuziehen: er
wurde sogar Kaplan der neuen Königin '". An Gefügigkeit mangelte
es ihm demnach nicht. Wenn sein Biograph einen Fall erzählt,
in dem er eine Lüge nicht scheute, um sich einer unangenehmen
Sache zu entziehen'*, so beweist das eine noch bedenklichere
1 Vita Popp. 18 S. 304.
2 Ibid. Über die Sache Breßlau, JB. H S. 76 ff. Ladewig S. 103 ff.
^ Vgl. den Brief Siegfrieds von Gorze an Poppo, Giesebrecht, KZ. II
S. 682, vgl. Wipo c. 32.
^ Vgl. die Briefe Siegfrieds an Poppo und Brun von Toul bei Giese-
brecht S. 679 ff. Nr. 10 f. Daß Siegfried voll Bedenken darüber war, ob
Poppo mit doQi nötigen Nachdruck handeln würde, scheint mir unverkennbar.
Anlaß dazu hatte er, da Poppo offenbar nichts getan hatte, um das Ver-
wandtschaftsverhältnis klar zu stellen, obgleich er den Auftrag 'dazu v ^n
Heinrich empfangen haben wollte. * Stumpf 2264.
^ Vita Popp. 19 S. 304; er behauptete, als ihm Konrad das Bistum
— 507 —
Elastizität der sittlicheii Grundsätze. Yielleicht war er eben des-
halb König Konrad genehmer als die alten, auf alle Rechte ihrer
Klöster unweigerlich haltenden Mönche. An Prachtliebe wetteiferte
Poppo mit den früheren Äbten. Hatte Godehard alles beseitigt,
was dem kirchlichen Prunk diente, so konnte er sich nicht genug-
tun in der Erwerbmig von Prachtgeräten ^. Vollends der Tadel,
der Richard wegen seiner Baulust traf^ wäre mit nicht minderem
Recht gegen ihn zu erheben gewesen: die Kirchen zu Beaulieu,
Stablo, Limburg, Echtemach, Hersfeld- mit ihren alles Bisherige
übertreffenden Maßen reden hier deutlich genug. Um so begreif-
licher ist, daß von dem schwärmerischen Zug der älteren Reform-
mönche bei ihm nichts zu bemerken war. Seitdem er Mönch war,
hatte er sich völhg beruhigt: es ist fast auffällig, daß er, der durch
ein "Wunderzeichen ins Kloster geführt zu sein glaubte, seine Ab-
neigung gegen wunderbare Erscheinungen offen aussprach^. Aber
nichts zeigt deutHcher, wie weit die religiöse Stimmung, in der
dieser Cluniacenser lebte, sich von den Anschauungen und Ge-
fühlen der älteren Lothringer unterschied.
Allein den deutschen Benediktinern stand er deshalb nicht
näher. Wo immer er mit ihnen zusammenwirken sollte, trat ein
unausgleichbarer Gegensatz an den Tag. Wo lag der Grund?
Die Antwort ergibt sich aus den Verhältnissen in St. Gallen.
Straßburg antrug, er sei der Sohn eines Klerikers und könne deshalb nicht
Bischof werden. Der Biograph hat keine Empfindung für das Unrecht
dieser Lüge.
^ Vita Popp. 22 S. 307, über Erwerbungen für Stablo; von zwei kost-
baren Kronen, vermutlich Kronleuchtern, die er für St. Maximin anfertigen
ließ, spricht das dortige Nekrolog, Honth'eim, Prodr. S. 968 z. 8 Kai. Febr.
2 Über Beaulieu vita Popp. 13 S. 308; über Stablo ib. 22 S. 306; über
Limburg s. o. S. 501 Anm. 3; in Echternach hatte Urold nach dem Brand
vom 22. Aug. 1016 den Neubau des Münsters und des Klosters begonnen.
Als er abgesetzt wurde, war man bei dem Münster erst bis zur Fensterhöhe
gelangt. Der .von Poppo eingesetzte Abt Humbert vollendete in den
nächsten Jahren den Bau. Er war imaginibus et picturis — ich verstehe:
mit plastischen und malerischen Werken — reich geschmückt, und wurde
1031 geweiht, catal. abb. Ept. S. 739 f. Das Münster von Hersfeld brannte
i. J. 1037 ab; der Neubau wurde sofort begonnen; schon 1040 konnte die
Krypta geweiht werden, Lamb. ann. z, d. J. S. 26. Später kam der Bau
ins Stocken; er wurde erst am 17. Okt. 1144 geweiht. Reg. Mog. I S. 326
Nr. 30. Der Einfluß von Stablo ist wegen der Verwandtschaft der Hers-
felder Kirche mit Limburg a. d. H. sicher (s. Dohme, Deutsche Baukunst
S. 94). Auch die Peterskapelle in Weißenburg wird der Zeit Poppos zu-
geschrieben. 3 Vita Popp. 30 S. 313.
— 508 —
"Wir erinnern uns, wie viel daran fehlte, daß durch die von Otto
angeordnete Visitation der Geist geändert wurde, der im Kloster
herrschte \ Die Mönche ließen sich die Freude am Kulturleben
nicht rauben und verzichteten nicht auf die Beteihgung an dein-
selben. Kaum gab es unter den deutschen Abten einen eifiigeren
Freund der Kunst als Iramo". Von seinem Nachfolger Udalrich
wußte man später wenig zu erzählen. In der Pflege der Kunst
aber eiferte er Immo nach; das zeigt die von ihm erbaute und
ausgeschmückte Kapelle des heiligen Grabes ". War die Verwaltung
Gerhards durch Zwiespalt zwischen Äbt und Konvent getrübt*,
so scheint doch das Schulwesen des Klosters darunter kaum ge-
litten zu haben. Denn unter Gerhard wurde der Mann gebildet,
dessen Name der Amtszeit seines Nachfolgers, Purkhards 11.^,
einen Glanz verleiht, der an die schönsten Zeiten St. Gallens er-
innert: Notker der Deutsche. Allzu strenge wurde es dabei mit
der Askese nicht genommen. Es war einem Mönche nicht un-
möglich, sich beim vollen Glase güthch zu tun. Die Abte wehrten
es nicht: sie überließen es dem gutmütigen Spott der Brüder, das
rechte Maß zurückzuführen^. So lebte in St. Gallen trotz der
Reform die karolingische Klostertradition bis in das elfte Jahr-
hundert fort. Konrad hat ihre Herrschaft unterbrochen, indem er
nach dem Tode Thietbalds' einen Schüler Poppos, den Mönch
Norpert aus Stablo, zum Abt ernaimte ^. Wir wissen nicht, welchen
Grund der Kaiser hatte, dem Einfluß Poppos das bedeutendste
schwäbische l^loster zu unterwerfen**. Genug: es geschah, und es
geschah sehr wider den AVillen der älteren Mönche.
^ S. oben S. 385 f.
2 Gas. s. Galli cont. II, 1 S. 149 f. Er war von Mitte Januar 976 bis
30. Okt. 988 Abt, s. Annal. Sang. mai. z. d. J. S. 80; Catal. abb. S. 328;
Necrol. s. Galli S. 483; Chron. Suev. univ. Scr. XIII S. 68.
3 Gas. 1. c. 2 S. 150 f. Abt von Anf. Dez. 984 bis 27. Jan. 990, 11. cc.
• * Gas. 1. c. 3 S. 151 f. Abt von 990 bis 21. Mai 1001, 11. cc.
» Über ihn Gas. 1. c. 4 S. 154. Abt von 1001 bis 9. Aug. 1022, 11. cc.
* Vgl. die Spottverse Ekkeharts IV. auf den Mönch Crimalt, der, wie
es scheint, im Trinken des Guten zu viel zu tun pflegte, bei Hattemer,
Denkmahle I S. 412:
Hauserit hoc si quem crimalt ex nase liquorem,
Peruigilem tussim suscitet atque sitim.
Felix si liquida poteras mediocriter uti
Laetitia parcumque modum seruare bibendi. '
' Über ihn Gas. 1. c. 5 S. 155. Abt von Sept. 1022 bis 7. Jan. 1034, 11. cc.
8 Herim. Aug. z. d. J. S. 122; Gas. 1. c. 6 S. 155; Vita Popp. 19 S. 305.
^ Breßlau, JB. Konrads II S. 414 denkt die Verleihung als Lohn für
die erfolgreichen Dienste Poppos bei den Verhandlungen mit Frankreich.
— 509 —
Unter den Schülern Notkers war ^n schriftstellerischem Talent
kemer Eldi:ehart IV. vergleichbar'^, vielleicht der erste Mann des
Mittelalters, dem der Unterschied chronikalischer Au£zeichnung und
geschichtlicher Erzählung klar zum Bewußtsein gekommen ist^.
Ihn drängten seine Gesinnungsgenossen, die Geschichte des Klosters,
die einst Ratpert geschrieben hatte, fortzuführen^. Wohl nicht
ungern gab Ekkehart dem Drängen der Freunde nach. So ent-
stand eines der eigenartigsten und anziehendsten Werke des elften
Jahrhunderts, die casus s. Galli. Sie sind kein zuverlässiger Be-
richt über die Ereignisse, sondern eine liebevoll ausgeführte Zeich-
nung von Charakteren, eine farbenreiche Schilderung des Lebens
und Treibens im Kloster, ein Bild, das die nun vergangene goldene
Zeit St. Gallens vergegenwärtigen sollte. Wenn man die Gestalten,
welche Ekkehart entwirft, an sich vorübergehen läßt, so ist es
nicht schwer, zu erkennen, was die frühere Zeit auszeichnete, und
was dem Lobredner der sonnigen Tage der Väter* lieb war. Die
Mönche, von denen er erzählt, verleugnen nicht, daß sie Mönche
sind, aber dabei ist jeder etwas für sich und gibt sich mit Be-
hagen als das, was er ist. In St. Gallen schloß also das Leben
unter der Regel die Freiheit individueller Entwickelung und Ge-
bahrung nicht aus. Das war aber das rechte Gegenteil dessen, was
die lothringischen Cluniacenser vor allem erstrebten^. Richard
hatte, wie erwähnt, die Sitte eingeführt, daß die von ihm ein-
gesetzten Abte Jahr für Jahr das Mutterkloster besuchten: ihre
Gesinnung sollte geschult werden. Als Wilhelm die Leitung von
St. Aper übernahm, schnitt er sofort den Verkehr der Mönche mit
den Laien ab: fremde Einwirkungen sollten ferne bleiben*. Poppo
war in diesem Punkt der rechte Schüler Richards: er übte und er
forderte, wenn man so sagen darf, militärischen Gehorsam '. Nichts
charakterisiert ihn so anschaulich als die Art, wie er Guntram, den
späteren Abt von St. Truijen, auf die Probe stellte ^. Er lernte ihn
1 Über ihn Dümmler, Ztschr, f. deutsch. Altert. N.F. II (1869) S. 1 ff.
- Vgl. das Urteil über Orosius in einer Bemerkung am Schlüsse der
St. Gallischen Handschrift 621: Utilis multum liber . . difficilis tarnen, quia
plus commemorando quam enarrando quae facta sunt describuntur (Dümm-
ler S. 2). ^ Praeloq. S. 2.
* Gas. 87 S. 312: In patrum serenitatibus.
^ Vgl. vita Popp. 13 S. 301: Quia omne subiectionis onus humilitate
et patientia praeveniebat atque pro superanda ipsius obedientia nichil
laboris sufficere abbas videbat, etc.
ö Notitia Brunon. S. 581. ' Vgl. Vita Popp. 21 S. 306.
« Gest. abb. Trudon. 5 Scr.X S. 231.
— 510 —
kennen, als er das Kloster zum erstenmal visitierte: sein anziehendes
Äußere empfahl den jung&n Mann, aber mit herberen Worten als
irgendein anderer Mönch sah Guntram sich getadelt. Bei der
Eückkehr Poppos nach Stablo erhielt er den Befehl, den Abt zu
begleiten; zwei lange Tagemärsche mußte er mitten im Winter —
es war Januar — zu Fuße zurücklegen. Als er zum Tod erschöpft
in Stablo ankommt, wird ihm der Eintritt in das Kloster versagt:
er solle in der Vorhalle übernachten. Guntram hat dem allen
sich wortlos gefiigt; das war es, was Poppo wollte, er erkannte in
ihm einen Mann, wie er ihn bedurfte. So hat er nicht nur junge
Mönche behandelt: auch den Männern, die er an die Spitze seiner
Klöster stellte, versagte er jede freie Bewegung. Sie kamen sich
wie Sklaven vor: fast verletzend deutlich sprach der Abt Lambert
von Waussor diese Empfindung aus; als er die Nadiricht von dem
Tode Poppos, seines Lehrers, erhielt, hörte man ihn ausrufen: End-
lich bin ich frei, und da ich zum Abt eingesetzt bia so will ich,
bei Gott! nun auch Abt sein\ Welch lange verhaltenen Ingrimm
setzt ein solches Wort voraus ! In dieser Weise aber wurden alle,
die unter Poppo standen, niedergezwungen. Seinem Neffen Johann,
den er in St. Maximin und Limburg an die Spitze gestßUt hatte,
freie Hand zu geben, war er weit entfernt: rücksichtslos hat er ihn
in Unterordnung gehalten. Da Johann sich, wie es scheint, nicht
fugsam genug bewies, so sprach er sogar im Konvent der Mönche
über und gegen seine Leitung; er scheute sich nicht, seinen Tod
zu weissagen^. Das war die Anwendung des cluniacensischen
Preises des Gehorsams: die Unterdrückung alles Eigenartigen. Sie
aber rief den Widerspruch der alten Mönche hervor: wir leben,
sagt Ekkehart, nicht wie wir wollen, sondern wie wir eben könnend
Sie fühlten sich in dem Heiligsten, in dem Recht der eigenen
Individuahtät, angegriffen^.
1 Eist. mon. Walcio d. 49 Scr. XIV S. 526; von Sackur, Clun. H S. 249
bezweifelt.
" Vita Popp. 23 S. 309. Ladewig S. 82 hat den Bericht mißverstanden,
indem er Johannes als Subjekt des Satzes Quia caelestis in se etc. betrachtet.
Das Subjekt ist vielmehr Poppo und die sententia oraculi bezieht sich auf
die receptio regiminis. Der Beweis, wenn es eines solchen bedürfte, liegt
in dem Satz: Sicque quod declinare etc.
» Praeloq. S. 78.
* Vgl. c. 45 S. 159, wo Ekkehart das Bedenken ausspricht, daß das,
was über die früheren Mönche erzählt wird, übelwollend aufgenommen
werde, und c. 91 S. 332, wo der beständige Vorwurf gegen die Mönche
quasi pro libitu viventes erwähnt wird.
— 511 —
Der Angriff mußte um so verletzender erscheinen, da es sich
niclit nur um Reglementierung des äußeren Lebens handelte ^.
Auch dies empfand man als lästig: hatte man die Regel bisher
als Erbauungsbuch behandelt, so sollte man sie jetzt als Gesetz
betrachten, von dessen Beobachtung man sich nie dispensieren
durfte \ Schlimmer war doch, daß Gedanken, Gefühle, Anschau-
ungen in die gleiche Form gepreßt werden sollten. Die Mönche
in St. Gallen haben die Energie der Bußstimmung nicht verachtet.
Wie groß war das Ansehen, in denen Beklusen wie die heilige
"Wiborad bei ihnen standen! Aber sie waren weit entfernt, diese
Stimmung von allen zu fordern. Männer, denen sie fehlte, er-
schienen nicht als gottlos. Ekkehart freute sich der Fröhlichkeit
^ Daß das Letztere beabsichtigt war, ergibt sich aus der Notiz der
Hildesheimer JB. über Hersfeld: Mutata est monachica consuetudo, z. 1031
S. 37, und aus Bemerkungen Ekkeharts wie Gas. s. G. 87 S. 310: Infanda
plura, quae quasi religiosi supersticioue quadam scismatica assolent facere.
Hierher gehört auch die Note in den Exzerpten des Eugippius: Nota quod
huiuscemodi et in aliis rebus perturbatio grassatur, sicut novitas Popponis
s. Galli cellam in plerisque nobiliter sanam vulnerabat scismatis sui vulnere
saevo et dolendo- (Dümmler S. 6) und einige Noten in den Psalmen Notkers,
zu Ps. 21, 19: Ane die — Liebe — uuären heretici unde sint hiüto richarth
popo . quorum uterque dicit se sanctum Benedictum quidem esse . et ideo
regulam mutasse . et tunicam domini unam in duos rokkos . et cetera,
Hattemer II S. 79, und zu Ps. 65,15: Id est mit ypocrisi preitoro blättün
uuitero chügelün et mille aliis quibus scismatici nostri irritauerunt deum
in adinuentionibus suis. Maxime autem in duobus roccis . in quibus dia-
bolus crucem domini per eos delere conatur. ne ea sicut Benediotus insti-
tuit monachi uestiantur. Nam caetera eorum abominanda . si non puras
conscientias pollui timeremus abundantius pandere habueramus nam et a
crapula GaUis ingenita inchoantes . in miseranda inopia nos reliquerant
(S. 222). Auch die Bemerkung der Bruniw. fund. act. 15 S. 134 gehört
hierher, daß es nur am Samstag erlaubt sei, ein Bad zu nehmen. An ein
Kölner Diözesanstatut möchte ich dabei nicht denken. Es gab offenbar
Gewohnheiten von Stablo, die Poppo und seine Schüler auch anderwärts
einzuführen suchten. Über die Menge solcher Sondergewohnheiten sagen
die Mönche von Monte Cassino in ihrem Brief an die Hersfelder: Lauda-
mus si aliquid in monasterio tolerabile additur, sie tarnen ut institutio
regulae non amittatur: scilicet sicut apud nos et ubique terrarum, quarum
ad nos fama peruenit, multae variaeque consuetudines cum regula non dis-
cordantes ex utraque parte maris reperiuntur, N.A. III S. 189 f.
2 Vgl. Casus 87 S. 309 über den Abt Purkhard: Delicatus cum esset
. . episcopi . . Chuonradi iussu carnes edebat — vgl. Reg. Bened. 39 — ;
quod tamen pace novitatis monachorum, qui irritare nunc Deum sdent in
adinventionibus snis, ut multiplicetur in eis ruina, nequaquam dixerim.
— 512 —
des Abtes Notker, die ihm wie angeboren, gleichsam natürlich war^.
Die Mönche Poppos dagegen kannten nur eine religiöse Stimmung,
die im Kloster ein Recht habe: ununterbrochen habe der Mönch
die Bitterkeit des Leidens Christi und die Abtötung durch sein
Kreuz zu empfinden '^. Darin erbhckten sie den wahren Gehalt des
mönchischen Lebens^. Jene unbefangene Heiterkeit der früheren
Zeit war ihnen unyerständlich : sie verurteilten sie als Ausgelassen-
heit^. Wie hätten ihre Gegner sich in sie finden sollen? Sie sahen
in ihrem Treiben nur Scheinheiligkeit. Ekkehart fühlte den Gegen-
satz der Lebensanschauung so grell, dai3 er die französischen
Mönche kaum als Christen anerkannte^.
Dazu wirkte noch besonders die enge Verbindung der refor-
mierten Klöster unter einander, die wir bemerkten. Kein Vorwurf
wird von Ekkehart so liäufig gegen die Lothringer erhoben als der des
Schismas®. Er ist nicht unverständlich: gerade auf das, worauf
Richard und Poppo so hohen Wert legten: auf den Zusammen-
schluß ihrer Klöster, bezieht er sich. Denn wer eine Sondergemein-
schaft in der Kirche gründen will, der ist ein Schismatiker: er
zerreißt dadurch die Einheit der Kirche.
Der Gegensatz war, wie mich dünkt, prinzipiell: das alte freie
Mönchtum, dessen letztes Ziel doch eben die Arbeit an der eigenen
Person gewesen war, setzte sich der neuen Strömung entgegen,
die der Zusammenfassung der Mönche zu einer gleichartig dis-
ziplinierten Schar zustrebte und die sich später in der Ordens-
bildung abklärte. Der Gegensatz des Alten und Neuen wurde ver-
stärkt durch die Komplikation mit dem nationalen Element. Es
ist klar, daß die ältere Weise des Mönchtums ebenso sehr dem
deutschen, wie die neue Richtung dem romanischen Volkscharakter
1 Gas. 134 S. 141.
2 Vgl. me Vita Regin. 6 Scr. XX S. 572 das Leben der Mönche in
St. Lorenz zu Lüttich geschildert wird: Dum amaritudinem passionis J. Chr.
et crucis mortificationem in suis iugiter corporibus circumferrent.
^ Vita Wolfh. 5 Scr. XII S. 183: Fervor monachicae vitae.
* Cas. s. Galli 134 S. 141: Hilaritas eius, quae ei quodam ingenita
modo quasi naturalis inerat, et ut nunc temporis est, deliciis ascribatur.
5 Ib. 87 S. 809 ff.; vgl. meine Bemerkung zu dieser Stelle in den
kleineren Beiträgen zur Geschichte von^Leipz. Dozenten S. 107 ff.
^ L. c; c. 136 S. 142: Dicere habeo, quod ab religiosis huius temporis
mihi quidem discredi scio. Vidi egomet ante tempora quae a Gallis pati-
mur, monachorum scismatis etc. Note zu Ps. 65, 12 (Peccatores lieze du
unser uualten): Uualaha de stabulov u. Poponiscos scismaticos inter mona-
chos maxime inter sancti gallenses (S. 221).
— 513 —
entsprach. Denn ein anerkannter Mangel unserer Volksart, in dem
freilich auch ihr höchster Vorzug liegt, besteht darin, daß jeder
etwas für sich sein will. Man war sich der Bedeutung dieses
Gegensatzes nicht klar bewußt; aber man fühlte ihn. Mochten die
Lothringer sich selbst von den Franzosen unterscheiden^, so galten
sie doch den Deutschen nur als Gallier ^ Die deutschen Mönche
ertrugen es unwillig, daß Fremde ihren Wülen deutschen Klöstern
auflegen wollten, und sie wußten zu verhiiidern, daß jene alles
erreichten, was sie erstrebten^.
Die Gesinnung, mit der die Brüder von St. Gallen die Loth-
ringer betrachteten, war, so viel sich sehen läßt, in den deutschen
Erlöstem weit verbreitet. Johannes von Limburg, obwohl Poppos
N^effe, schloß sich enge an einen so entschiedenen Gegner der
Cluniacenser wie Ekkehart an*. Li Hersfeld vermochten die
neuen Einrichtungen die alten Gewohnheiten nicht zu beseitigen ^
Bezeichnend ist besonders, daß die Abte, welche Schülern Poppos
weichen mußten, später wieder zu Ansehen kamen. So ging es in
Echtemach. Nachdem der abgesetzte Abt Urold in Weißenburg
gestorben war, wurde sein Leichnam in sein altes Kloster gebracht
und dort ehrenvoll beigesetzt^. Ebenso in Hersfeld: der einst-
malige Abt Arnold wurde in Gellingen, dem Ort seines Todes, be-
graben ; aber die Mönche von Hersfeld gruben den Sarg wieder aus,
^ Das tut z. B. Siegfried von Gorze, indem er die französischen Moden
tadelt: Franciscarum ineptiae, exterorum hominum vestes (Brief an Popj)0
S. 684).
2 Ekkeh. Gas. 136 S. 142; vgl. den Zusatz zu des Orosius Urteil über
die Gallier: Genti ad omnia consilia mobili (Dümmler S. 6): Quod Gallis
natura est.
3 Ekkehart sagt in der S. 510 Anm. 3 angeführten Stelle nicht nur,
daß die Brüder nicht leben, wie sie wollen, sondern auch daß Norpert nicht
lebt, wie er will. Offenbar kam man also durch gegenseitige Konzessionen
zu einem modus vivendi. Um so leichter konnte die Erinnerung an den
ursprünglichen Gegensatz später verschwinden. Daß es geschah, zeigen die
späteren Äußerungen über den Abt, Gas. contin. 11,6 S. 155; Necrol. s.
Galli z. 2. Sept.: Benignissimus abba. Daraus läßt sich also nicht folgern,
daß der Kreis Gleichgesinnter, den Ekkehart um sich hatte, nur klein war,
Ladewig S. 97.
* Er veranlaßte ihn zur Abfassung seines liber bened., s. Dümmler S. 5.
5 Brief der Mönche von Monte-Gassino an die Mönche von Hersfeld,
N.A. III S. 189 f. Es ergibt sich aus ihm, daß cluniacensische Gewohnheiten
in Hersfeld unter Abt Hartwig (1072 — 1085) nicht rezipiert waren; sie
müssen also nach 1031 (S. 511 Anm. 1) wieder abgeschafft worden sein.
« Catal. abb. Eptern. S. 739.
Hauck, Kircüengeschiehte. III. 33
— 514 —
um ihn in ihre Klosterkirche überzufuhren ^. Hier wie dort ist das
Ansehen der abgesetzten Abte durch die Schüler Poppos wieder-
hergestellt worden. Man kann kaum zweifeln, daß sie unter dem
Druck ihrer Umgebung handelten.
Stand es so in den Klöstern, die von Cluniacensem geleitet
wurden, so war vollends nicht daran zu denken, daß die clunia-
censische Gesinnung in den übrigen viel Boden fand. Der Abt
EUinger von Tegemsee z. B. erscheint ganz als Mönch in der
früheren Weise. Wer streng gesinnt war, fand wenig Grund, mit
ihm zufrieden zu sein. Aber man kannte ihn zu gut, als daß man
hoffen konnte, er werde seine Grundsätze ändern^. Und doch war
er es, der in Benediktbeuren die Regel Benedikts wiederherstelltet
Das sieht wie ein Widerspruch aus; für die deutschen Mönche war
es kein solcher. Kein Kloster hatte für die Reform in Baierh
soviel geleistet als St. Emmeram. Die Cluniacenser fanden gleich-
wohl das Leben der dortigen Mönche mehr zu tadeln als zu loben*.
Auch das erscheint widersprechend. Aber es zeigt nur, wie ver-
schieden die Anschauungen der deutschen Mönche von denen der
Cluniacenser waren. Der Ertrag alles dessen, was seit Otto I. für
die Reform der Klöster geschehen war, bestand darin, daß überall
im Anschluß an die Regel eine gewisse Ordnung herrschte. Sie
war nicht peinlich und streng gesetzhch; aber sie war vorhanden.
Um so weniger waren die Mönche geneigt, die Notwendigkeit neuer
Ordnungen zuzugeben; sie waren der Meinung, daß ihre Gewohn-
heiten mindestens ebensoviel Recht hätten als die von St. Yanne
oder von Cluni.
ÜberbHckt man die ganze Entwickelung, so ist unverkennbar,
daß der Fortschritt in Lothringen geschah. Auf rein deutschem
Boden bewiesen auch im Mönchtum die bisherigen Verhältnisse
die zäheste Festigkeit. Man kann den Grund nur darin finden,
daß sie die rehgiöse Überzeugung der Zeitgenossen nicht verletzten.
Der Fortschritt in Lothringen bestand darin, daß dort das Mönch-
1 Ann. Hild. z. 1032 S. 37. Der Cluniacenser Rudolf war jedoch nicht
der unmittelbare Nachfolger Arnolds; zwischen seine Absetzung und Rudolfs
Erhebung fällt die kurze Verwaltung Bardos.
- Vgl. Othl. vis. 8 f. Scr. XI S. 381 f.
3 Chron. Tegern. 5 S. 509; Brev. Gotesc. 8 Scr. IX S. 222; chron. Bened,
13 Scr. IX S. 219. Die Erneuerung fällt in das J. 1031 oder 1032. Ich
halte das letztere Jahr für wahrscheinlicher, da man kaum annehmen kann,
daß der erst im Sommer 1031 wieder eingesetzte Ellinger Tegemsee als-
bald verließ ; vgl. übrigens Breßlau, JB. Konrads II S. 400 Anm. 2.
* Vgl. oben S. 379 Anm. 3.
— 515 —
tum zum leitenden Faktor der religiösen Bewegung geworden war,
und daß in seiner Mitte der klare Grundsatz Anerkennung zu er-
ringen begann: Canonica auctoritas Dei lex est. Dieser Grundsatz
klang konservativ; in der Tat war er revolutionär. Denn er griff
das Recht von Zuständen an, die in einer Jahrhunderte langen,
nationalen, von der Kirche anerkannten und unterstützten Ent-
wickelung sich gebildet hatten. Noch war er nicht revolutionär
gemeint. Denn es gab keine Partei, die ihn auf ihr Banner ge-
schrieben hätte. Aber die Elemente, aus denen eine Parteiüber-
zeugung sich gestalten konnte oder mußte, und die Kräfte, die sich
zu einer Partei zusammenschließen konnten, waren vorhanden.
Unter Heinrich IL und Konrad war eine Parteibildung in Deutsch-
land immöglich. Der Episkopat war enge mit dem Königtum ver-
bunden, die mächtigsten Klöster befanden sich in königlichem
Besitz und auch die Führer der Cluniacenser, die Abte des Mutter-
klosters ebensowohl wie Richard und Poppo, standen den Kaisern
zu nahe, als daß sie das Prinzip der Herrschaft des kanonischen
Rechtes hätten gegen sie und ihre Stellung in der Kirche wenden
können. In allen Kirchen der Kongregation von Cluni wurde
regelmäßig das Gedächtnis Heinrichs II. gefeiert: so hatte Odilo
angeordnet in warmer Dankbarkeit gegen die Wohltaten des
Kaisers-^. Wie ferne lag da der Gedanke einer bewußt antikaiser-
lichen Politik! Man darf geradezu sagen, daß eine Parteibildung
überhaupt nur von Rom ausgehen konnte: in Deutschland waren
die Bischöfe und die großen Abte durch ihre Stellung als Reichs-
fürsten vielzusehr an die Anerkennung der tatsächlichen Zustände
gewöhnt. Aber nirgends in der Welt war die Kirche so weit von
der Beobachtung des kanonischen Rechts entfernt als in der Stadt
der Päpste. Es ist die eigentümhchste Wendung der mittelalter-
lichen Kirchengeschichte, daß ein deutscher König das Papsttum
aus der tiefsten Erniedrigung erhob. Denn indem er das tat, gab
er der gegen die Macht des Königtums in der Kirche gerichteten
Bewegung einen Führer.
^ Statutum de, defunctis (Migne 142 S. 1038): Necnon ut memoria
chari nostri imperatoris Heinrici cum eisdem (den verstorbenen Bene-
diktinera) praeeipue agatur constituimus, ut merito debemus, multis ab ipso
ditati opibus. Ebenso Consuet. Farf. 1, 141 S. 134; vgl. II, 63 S. 204.
33*
Drittes Kapitel.
Kaisertum und Papsttum.
Für die Entwickelmig der Menschheit sind persönliche Be-
ziehungen nicht entscheidend. Denn stärker als die Persönhchkeiten
sind die Ideen, von welchen die Allgemeinheit beherrscht wird, ist die
Macht der "Verhältnisse, welche die Personen fesselt. Aber ungemein
tief greifen doch stets die persönlichen Beziehungen in den Gang
der Ent Wickelung ein. Als Otto III. und Silvester II. an der Spitze
der Christenheit standen, waren Papsttum und Kaisertum durch die
persönliche Freundschaft ihrer Träger enge verbunden. Daß der
Kaiser und der Papst kurz hintereinander starben, hatte zur Folge,
daß die Gemeinschaft zwischen Deutschland imd Rom zerriß. Nicht
äußerlich; denn der geschäftliche Verkehr, wie ihn die gewohnte
Ordnung in der Kirche mit sich brachte, hörte nicht auf; aber er
bedeutete nichts. Die Verhältnisse in Deutschland und in Itahen
entwickelten sich selbständig. Was wußte man diesseits der Alpen
von Silvesters Nachfolger, dem Halbjahrspapst Johann XVII. ^?
Aber auch unter Johann XVIII. und Sergius IV., die jahrelang
das päpstliche Amt verwalteten ^, beschränkte sich die Gemeinschaft
mit Rom darauf, daß die Erzbischöfe das Pallium von Rom er-
baten und erhielten^, daß Bistümer und Klöster die Bestätigung
ihrer Privilegien in Rom forderten und erlangten*, daß der Papst
1 Vom 13. Juni bis 7. Dez. 1003.
2 Johann XVIII. 25. Dez. 1003 bis Juni 1009, Sergius IV. Juli 1009
bis Frühjahr 1012.
^ Meingaud von Trier, J.W. 3957. Man vgl. über die Verleihung des
Palliums C. Graf v. ETacke, Die Pallium Verleihungen bis 1143. Göttinger
Diss. 1898. * J.W. 3947, 3980, 3983.
— 517 —
kirchlichen Maßregeln des deutschen Königs die Bestätigung er-
teilte, die er ihnen nicht versagen konnte ^. daß ein päpstlicher
Legat weniger als Teilnehmer denn als Zeuge bei kirchUchen Hand-
lungen in Deutschland anwesend war^. Hier überall handelte der
römische Bischof nicht, er repräsentierte nur.
Das Erlahmen der päpsthchen Initiative ist verständlich. Denn
seit Silvesters Tod war das römische Bistum von neuem den
Interessen des städtischen Adels dienstbar geworden. Wieder er-
scheint das Haus der Crescentier im Besitz des Übergewichts.
Unter dem Titel eines Patricius herrschte in Born Johannes, der
Sohn des Crescentius ^. Mochte er auch äußerlich die Autorität des
deutschen Königs anerkennen*, so schaltete er doch wie ein Herr:
es scheint, daß er die Päpste einsetzte und absetzte, wie es ihn
gut dünkte'^. Denn als für Johann XVIII. die letzte Stunde
schlug, war er nicht mehr Papst, er war Mönch in St. Paul*.
Aber der Patricius starb, ehe das erste Jahrzehnt seiner Herr-
schaft abgelaufen wq,r, Ende 1011 oder Anfang 1012'. Es war
für die Obmacht der Crescentier verhängnisvoll, daß wenige Monate
später Sergius IV. ihm im Tode nachfolgte*. Denn nun erwies
^ Bestätigung von Bamberg, J.W. 3954, von Merseburg, Thietm. VTI,
40 S. 191.
2 Thietm. V, 44 S. 132, vgl. die Urkunden Dipl. HI S. 77 ff. Nr. 63 f.
3 Hugo Farf. op. Scr. XI S. 541.
^ Vgl. die Notiz bei Thietm. VIII, 71 S. 235.
■^ Gregorovius läßt Sergius IV. von den Tusculanern gewählt sein und
denkt diese als Förderer der deutschen Partei in Rom, Gesch. d. St. R. IV
S. 12 der 4. Aufl. Aber die Stelle Thietmars, auf die er sich hiefür beruft,
hat er mißverstanden. Thietmar denkt bei consolidatores nostri nicht ent-
fernt an Deutschland, sondern nur an das Merseburger Bistum.
ß Catal. bei Duchesne, Lib. pont. II S. 266: Post a. V et dimidium in
8. Paulo monachus discessit. Bezieht es sich hierauf, daß Thietmar den
Patricius apostolicae sedis destructor nennt, VIII, 71 S. 235?
' Vgl. Gregorovius S. 13 Anm. 2.
^ Er starb nach Löwenfeld zwischen dem 17. u.- 22. Juni 1012, s. J.W.
S. 505; nach Hartmann vor d. 20. April 1012 (Mtt. d. Inst. XV S. 482 ff.),
nach Langen wahrscheinlich im Mai. Sicher ist das Datum also nicht. Die
beiden letzteren verweisen auf die bei Gregorovius S. 15 Anm. 1 mitgeteilten
Notizen aus den Akten Subiacos, Hartmann auch auf eine Privaturkunde
aus Sa. Maria in V. L. v. 25. Mai 1012. Das Datum der Bulle erklären
sie für einen Schreibfehler. Aber bei der Datierung in mense Junio XV
Kai. Julii ist die Annahme eines Schreibfehlers sehr unwahrscheinlich. Es
scheint mir die Annahme nicht unmöglich, daß man sich in Rom alsbald
nach dem Tode des Johann Crescentius gegen seinen Papst erhob und ihm
— 518 —
sich, daß das seines Führers beraubte Haus zu schwach war, die
usurpierte Stellung zu behaupten^. Bei der Papstwahl standen
sich zwei Kandidaten gegenüber: Gregor, den, wie es scheint, die
Crescentier begünstigten, und Theophylakt, der Sohn des Grafen
Gregor von Tusculum. Auch dieses Geschlecht meinte ein An-
recht auf die Macht in Rom zu besitzen; es stammte von jenem
Alberich, der ein Jahrhundert vorher Rom beherrscht hatte". Eine
Zeitlang schwankte die Entscheidung: Benedikt Vm. —- so nannte
sich Theophylakt — ■ nahm vom Lateran Besitz: aber er konnte
sich dort nicht behaupten; man sah ihn das päpstlichiB Haus als
Flüchtling verlassen. Gleichwohl behielt er schließlich die Ober-
hand. Sein Gegner räumte Itahen: er suchte Hilfe bei dem deut-
schen König. Am Weihnachtsfest 1012 trat er in vollem päpstlichen
Ornat am Königshofe zu Pöhlde auf, um vor Heinrich TL. und den
deutschen Großen Klage über das, was ihm in Rom widerfahren
sei, zu führen. Aber Heinrich war weit entfernt, ihn als Papst
anzuerkennen: er nahm das päpstliche Kreuz in Verwahrung, und
untersagte Gregor, die päpstlichen Insignien zu tragen. Es war
kaum ein Trost, daß er versprach, in Rom die Rechtmäßigkeit
der letzten Wahl untersuchen zu wollen. Denn er hatte bereits
für Benedikt Partei genommen. Schon ehe Gregor in Deutschland
eintraf, hatte er eine Botschaft an den Tusculaner gesandt, um
von ihm die Bestätigung der Privilegien Bambergs zu erbitten®.
einen Gegenpapst gegenüberstellte. Dafür spricht die Art, wie Hugo von
Farfa den Tod des Patricius und die Erhebung Benedikts in Zusammenhang
bringt, S. 542: Patricio mortuo ordinatus est domnus Benedictus b. m. papa.
Die Verhältnisse waren dann noch verwirrter, als die dürftige Überlieferung
erkennen läßt. Doch ist die Annahme zu unsicher, als daß ich sie in den
Text aufnehmen möchte.
1 Das Folgende nach Thietm. VII, 41 S. 191 und dem Papstverzeichnis
bei Duchesne S. 268. Im Urteil über Benedikt VIII. weiche ich von der
seit Giesebrecht und durch ihn herrschend gewordenen Anschauung ab,
die in Benedikt einen Reformpapst sieht. Ich kann nicht finden, daß die
Quellen diese, an sich unwahrscheinliche Annahme bestätigen; vgl. auch
Sackur, Clun. II S. 159 fl". 2 S. Giesebrecht S. 174.
° Die Bulle Benedikts ist, nach Giesebrechts Korrektur des Juni in
Januar, a. 21. Jan. 1013 ausgestellt, J.W. 3996. Die Gesandtschaft ist also
schwerlich nach Mitte Dezember abgereist. Beziehungen zu Benedikt waren
übrigens schon früher angeknüpft. Zwar ist nicht sicher, ob Walthard von
Magdeburg von ihm das Pallium erbat: das erzählen die Gest. arch. Magd.
16 S. 396. Sie haben jedoch ihre Nachricht der Bulle Benedikts 8989 ent-
nommen, ihre Echtheit aber ist bedenklich. Denn nach 3990 hatte Bene-
likt noch keine Palliumsbulle für Magdeburg ausgestellt; er kennt nur
— 519 —
Wenn man aiinehmeu darf, daß er die Gesandtschaft abordnete,
ehe er Ton der Vertreibung Gregors wußte, so warf er schon
während des Streites das Gewicht seines Ansehens für Benedikt
in die "Wagschale. Der Grund ist durchsichtig: dem Nachfolger
Ottos III. konnte es nur erwünscht sein, wenn die Herrschaft der
Crescentier in Rom ein Ende nahm. Für Benedikt aber war Hein-
rich der wertvollste Bundesgenosse, den er finden konnte: seine
Bitte wog schwerer als viele Geschenke. Sicher kam ihm also die
warme Anerkennung von Herzen, die er in der Bulle für Bamberg
dem deutschen König zollte.
Auf diese Weise wurde eine persönliche Beziehung zwischen
Heinrich II. und Benedikt VIII. angeknüpft. Sie dauerte während
des ganzen weiteren Lebens beider Männer.
Benedikt war nicht zum Kleriker erzogen; als ihn die Gegner
der Crescentier zum Papste wählten, war er noch Laie \ Aber er
war der Mann, das päpstliche Ansehen in Rom und der Umgebung
wieder herzustellen. Mit Rücksicht darauf wußte man ihn im
Kreise der Reformmönche zu schätzen, so sehr man auch sonst
seine Handlungen tadelnswert fand". Und gewiß war er mehr
Krieger als Bischof Man wird an Julius II. erinnert, wenn man
liest, "wie er den Kampf gegen die Macht der Crescentier in der
Umgebung Roms aufuahm, ihnen ihre Burgen entriß und sie zur
solche seiner Vorgänger: ita eo uti naemineris sicuti praedecessores nostri
tuia praedecessoribus concesserunt. Dies Bedenken ist durch das, was
V. Hacke S. 44 f. über die Urk. sagt, nicht beseitigt. Sicher ist dagegen,
daß Gero, der am 22. Sept. 1012 konsekriert wurde, Benedikt um das
Pallium ersuchte. Da er zu den Vertrauten des Königs gehörte, Bern. ep. 2
Migne 142, 1160, so handelte er sicher im Einverständnis mit Heinrich.
1 Diese Angabe bei dem Kardinal Beno II, 5 (Lib. d. lit. II S. 377). So
bedenklich die Quelle ist, scheint mir die Angabe doch nicht zu verwerfen.
Denn die Wahl eines Laien entsprach den Verhältnissen. Nach Kleiner-
manns (Katholik 1887 E S. 410) war Benedikt Bischof von Porto; aber diese
w4nnahme steht ganz in der Luft.
2 Die für die Beurteilung Benedikts ausschlaggebende Stelle ist die
Äußerung des Jotsaldus vit. Odil. II, 14 Mign. 142 S. 927 f. Wenn hier
Benedikt mit den Worten charakterisiert wird: In Romana nobilitate prae-
cipuus, prudenti ingenio sollertissimus et, quantum ad mundanum culmen
attinet, urbanis causis aptissimus, so sagt die Verweigerung jedes geistlichen
Lobs ebensoviel, wie die Beschränkung der Anerkennung auf die weltlichen
Angelegenheiten. Noch bestimmter wii-d der Tadel dadurch ausgesprochen,
daß der Verstorbene non splendore lucis sed poenarum teneretur in umbris.
Darüber, daß man Grund hatte, so zu urteilen s. u. Vgl. Petr, Dam. op.
19, 3 Migne 145 S. 428.
— 520 —
Uiiterwei'fung zwang ^ wie er sodann, kaum Herr im eigenen Hause^
gegen die Sarazenen auszog, um Mittelitalien von dieser Geißel zu
befreien^. Sie waren an der tuskischen Küste gelandet, hatten die
Stadt Luna erobert und schienen sich dort festsetzen zu wollen»
Der Papst selbst stellte sich an diö Spitze des Heeres. Wenn
dem deutschen Chronisten zu glauben ist, so wußte er den Mut
seiner Scharen durch eine Rede zu entflammen, in der er nicht
wie ein Bischof, sondern als der erste Krieger sprach^. Der Sieg,
den er errang, war vollständig. Bewundernd erzählte man in
Deutschland, nicht einer der Feinde sei entkommen, die Sieger
hätten die Menge der Erschlagenen nicht zu zählen, die unermeß-
liche Beute nicht zu sammeln vermocht. Aber fast bedenklich ist
der fromme Deutsche über die Vermessenheit des Papstes, der, als
der Sarazenenfiirst Mugettus mit der Erneuerung des Kampfes
drohte, ihm einen Sack voll Hirse zusandte: so viel und mehr Ge-
harnischte stünden ihm zur Verteidigung bereit. Mit gleichem
Glück setzte Benedikt im nächsten Jahr den Kampf fort: dank
der Hilfe, die ihm die Pisaner leisteten, gelang es ihm, die Un-
gläubigen aus Sardinien zu vertreiben *. Nachdem Benedikt Mittel-
italien von den schlimmsten Feinden befreit hatte, wagte er es, auch
in die verwickelten Verhältnisse Unteritaliens einzugreifen; hier
jedoch fehlte ihm ein ähnhcher Erfolg, wie im Kampfe wider die
Muhamedaner^.
Einen solchen Mann konnte Heinrich verstehen und achten.
Auch war der Nachkomme Alberichs, nachdem er sich in der
Macht über die Stadt befestigt hatte, weit entfernt, dem Großneffen
Ottos I. Opposition zu machen. Die Lage der Dinge ist dadurch
charakterisiert, daß der Titel Patricius nun verschwindet. Benedikts
1 Hugo Farf. S. 542; die Vorgänge fallen in die Jahre 1012—1014.
Audi Thietmar hebt diese Seite der Sache hervor, VII, 41 S. 191: Benedictus
Deus, qui Romam longo tempore a multis temporibus (offenbarer Schreib-
fehler; ohne Zweifel ist raptoribus oder ein ähnliches Wort zu lesen) de-
pressam tali pastore consolari et pacificare dignatus est.
2 I. J. 1016, s. Thietm.VIlI, 45 S. 219 f. Daß sein Bericht nicht historisch
im strengen Sinn des Wortes ist, liegt auf der Hand. Doch charakterisiert
er trefflich die Art »des Papstes.
^ Ut inimicos Christi viriliter secum inrumperent et adiuvante Domino
occiderent.
* Ann. Pis. z. 1017 Scr. XIX S. 238; Chron. Pis. z. 1017 bei Murat. VI
S. 108; vgl. Brev. Pis. Hist. z. 1017 ib. S. 167.
s Vgl. Langen S. 416; Giesebrecht S. 177 f.; Kleinermann S. 485 ff.;
V. Heinemann, Gesch. d. Normannen I S. 31.
— 521 —
Bruder, Alberich, der an die Spitze der städtischen Geschäfte trat,
nannte sich Konsul und Herzogt. Darin lag mehr als scheinbares
Entgegenkommen; denn während Johannes Crescentius zwar dem
Namen nach die deutsche Herrschaft anerkannt, jedoch Heinrich
von Rom fernzuhalten gewußt hatte ^, legte Benedikt dem Wunsch
de,s Königs nach der Kaiserkrönung kein Hindernis in den Weg.
Die durch Bischof Walther von Speier geführten Verhandlungen
führten zu vollem, beiderseits eidlich bekräftigtem Einverständnis^.
Heinrich hatte im Spätjahr 1013 die Alpen überschritten; am
14. Februar 1014 empfing er die Kaiserkrone*. Nichts fehlte an
den herkömmlichen Feierlichkeiten: wie es die Sitte erheischte,
holte das Volk von Rom den heranziehenden König ein, zur Kirche
geleiteten ihn zwölf Senatoren; in der Vorhalle von St. Peter er-
wartete der Papst den Zug des Königs. Hier vollzog sich die erste
Handlung zwischen dem geisthchen und dem weltlichen Herrscher;
denn ehe sich die Türe für Heinrich öffiiete, legte ihm der Papst
die Frage vor, ob er der römischen Kirche ein treuer Schutzherr
und Schirmvogt, und ob er ihm, dem Papste, und seinen Nach-
folgern, in allen Stücken getreu sein wolle ^. Nachdem Heinrich
dies gelobt, führte er ihn in die Kirche und vollzog Salbung und
Krönung an ihm und seiner Gemahlin.
Ohne Zweifel hatte Walther von Speier Frage und Antwort
verabredet. Aber was sind Formeln? Sie erhalten ihren Gehalt
erst durch die Taten der Menschen. Es fragte sich, wie sich das
Verhältnis des Kaisers zum Papste tatsächlich gestalten würde.
Eines stand bereits fest: daß Heinrich die kirchlichen An-
gelegenheiten Itahens nicht anders behandelte, als er diejenigen
Deutschlands zu behandeln gewöhnt war. In den letzten Wochen
vor der Krönung, im Januar 1014, hielt er eine Synode zu
Ravenna**. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Benedikt an dieser
"^ 1 S. Gregorovius S. 16. f Thietm. VIII, 71 S. 235.
3 Catal. Eccard. u. Zwetl. bei Wattericli I S. 700.
* Ann. Quedl. z. 1014 S. 82, Thietm. VIII, 1 S. 193.
'^ Fidelis Romanae patronus et defensor ecclesiae, sibi autem suisque
successoribus per omnia fidelis. So wie diese Formel lautet, war sie meines
Wissens nocb nicht vorgekommen. Karl d. Gr. hatte sich sanctae ecclesiae
defensor atque adiutor genannt, Capit. 19 S. 44, Otto d. Gr. hatte sich als
defensor bezeichnet, Dipl. I S. 326 Nr. 235. Die Formel patronus et defen-
sor zeigt also mindestens, daß Heinrich nicht weniger zu sein verlangte
als seine Vorfahren.
« Über sie Ann. Quedl. z. 1014 S. 82 und Thietm. VIII, 2 S. 193 f. Vgl
auch das Protokoll der späteren ravennatischen Synode, die Arnold nach
— 522 —
Versammlung teilnahm. Denn dann wäre es fast unbegreiflich,
daß er so vollständig übersehen wurde. Aber auch wenn er nicht
anwesend war, ist bemerkenswert, daß die Synode ganz wie eine
königliche Versammlung erscheint: der König berief sie, er faßte
Beschluß unter Beirat der Bischöfe. Den wichtigsten Gegenstand
der Beratungen bildete die Frage, wer rechtmäßiger Bischof von
Havenna sei. Heinrich hatte einige Zeit vorher das Erzbistum
seinem Halbbruder Arnold übertragen; ihm stand, wie es scheint,
gestützt auf die Bevölkerung, ein gewisser Adelbert gegenüber, der
schon länger als ein Jahrzehnt das Bistum innehatte. Arnold
hatte nicht vermocht, ihn zu verdrängen; er war nach Deutschland
zurückgekehrt. Im Gefolge seines Bruders kam er nun zurück.
Nach kanonischem Maße gemessen war sein Recht, wie ersichtUch,
mehr als zweifelhaft; aber auf der Synode erklärte ihn Heinrich
von neuem als rechtmäßigen Erzbischof
Unmittelbar nach der Krönung folgte eine Synode in Rom\
Sie war nötig, da das Urteil über Adelbert in Ravenna nicht ge-
fällt worden war: es sollte jetzt, in Gegenwart des Papstes, ge-
sprochen werden. Aber die Stellung Heinrichs wurde durch die*
seiner Weihe, noch i. J. 1014 hielt, Mansi XIX S. 361 f. Die Meinungen
gehen darüber auseinander, ob Benedikt an der Synode Anteil nahm oder
nicht. Wie mir scheint, nimmt Thietmar an, daß es der Fall war; denn
der Satz: In Ravenna duos etc. kann einfacher Weise nur so verstanden
werden, daß der Papst in Ravenna, wie in Rom handelte. Die Worte der
Quedlinb. Annalen ,auctoritate papae" sprechen dagegen die Anwesenheit
Benedikts nicht aus; sie sagen nur, daß Heinrich sich seiner Zustimmung
vergewissert hatte. Gegen die Anwesenheit des Papstes spricht Hugo von
Farfa (S. 542), der einzige Berichterstatter, der in Ravenna anwesend war.
Denn erzählt er: Cum venissemus Ravennae, Imperator cum Omnibus cogere
me coepit et maxime prae cunctis domnus Odilo abbas, ut reciperem
abbatiam. Sed non acquievi usque Romam ad sinodum, so ist nicht nur
das Schweigen über den Papst unverständlich, wenn dieser anwesend ge-
wesen wäre, sondern besonders läßt sich nicht einsehen, warum Hugo seinen
Entschluß bis zur Ankunft in Rom verschob. Ebenso unverständlich ist,
warum über Adelbert nicht in Ravenna, sondern erst in Rom gerichtet
wurde. Beides scheint mir entscheidend gegen Benedikts Anwesenheit; es
wird ein Irrtum Thietmars vorliegen. Fraglich ist, ob die 4 Kapitel Hein-
richs C.I. I S. 61 Nr. 30 der Synode von Ravenna oder von Rom gehören.
Für das erste spricht die Bezeichnung Heinrichs als König, für das letztere
die Bezugnahme auf den Besitz der römischen Kirche in c. 4. War Bene-
dikt nicht in Ravenna anwesend, so schließt sie aus, daß die Kapitel dort-
hin gehören. Man muß dann einen Irrtum in der Inskription annehmen.
1 Thietm. 1. c.
— 523 —
m
Teilnahme Benedikts nicht geändert. Wieder nahm er die Führung
der Synode in die Hand: er forderte die strengste Bestrafung
Adelberts, seine Degradation. Dies war ein Verlangen, das den
Versammelten allzu hart erschien; von allen Seiten bestürmten sie
Heinrich, milder zu verfahren; er gab nach und übertrug dem
bisherigen Erzbischof ein kleines, mittelitalienisches Bistum, wahr-
scheinlich Arezzo^. Die Synode faßte sodann Beschlüsse gegen
simonistische oder sonst unrechtmäßige Ordinationen und Konse-
krationen und gegen Verpfändung oder Verschleuderung kh'chlichen
Eigentimis. Aber diese Synodal-Beschlüsse sind als Verordnungen
Heinrichs auf die Folgezeit gekommen^: sie wurden also von ihm
publiziert. Schließlich brachte der Kaiser eine Frage der römischen
Gottesdienstform zur Sprache und bestimmte die Synode, sie sehr
gegen die Neigung des Papstes dem deutschen Brauch gemäß zu
entscheiden ^.
Es ist unfraglich, daß der Papst auf der römischen Synode
eine gewichtige Stimme hatte; aber entscheidend war doch auch
hier die Meinung des Kaisers. Wenn Benedikt Heinrich seinen
Herrn nannte, so war das also mehr als Höflichkeit*. In den
weltlichen wie in den kirchlichen Angelegenheiten fügte er sich
seiner Obmacht. Wie irgendein deutscher Bischof zog er an der
Spitze seiner Mannschaft aus, um die Aufträge auszuführen, die er
vom Kaiser erhalten hatte ^. Als er den großen Sieg über die
1 Über Arezzo s. Hirsch, JB. II S. 426 Anm. 1. Über die Absetzung
des Hieronymus von Vicenza s. o. S. 408. - C.I. I S. 62.
3 Der Vorfall wird von Bern de offic. miss. 2 Migue 142 S. 1060 f.
erzählt; er erwähnt, daß die römischen Kleriker in der Messe das Symbol
nicht sangen und Wart dann fort: Ab eodem (Heinrich IL) interrogati, cur
ita agerent, me coram assistente audivi eos huiusmodi responsum reddere^
videlicet quod Homana ecclesia non fuisset aliquando ulla haereseos faece
infecta . . . At dominus Imperator non antea desiit, quam omnium consensu
id domino Benedicto apostolico persuasit, ut ad publicam missam illad de-
cantarent. Daß der Vorgang in Rom und in einer Synode spielt, ist klar;
dann kann aber nur an 1014 gedacht werden.
* Urk. für Farfa, J.W. 4006: Ob petitionem gloriosissimi filii nostri
imperatoris Henrici domini nostri. Bemerkenswert ist auch, daß Benedikt
bei Erwähnung der Entscheidung über gewisse Anspräche des Klosters
Farfa Heinrich allein als den Richter nennt (Placitum Benedikts für Farfa,
Muratorill, 2 S. 519: Cum . . Heinricus Romam venisset et intra basilicam
b. Petri apostoli resideret ad legem et iustitiam faciendam, tunc Hugo etc.),
während Hugo selbst sagt: Venimus ante presentiam imperatoris et papae
coram iudicibus Romanis, S. 542.
^ Hugo Farf. S. 542f.; vgl. das eben angef. Placitum. Der von Hugo
— 5U —
Sarazenen errang, sprach er durch die Übersendung eines Teils der
Beute die Anerkennung der kaiserhchen Oberherrschaft auf das
unzweideutigste aus^. Schier noch bedeutender ist, daß er auch
in seinem kirchlichen Handeln dem Kaiser zu Dienste stand. Er
konsekrierte jetzt einen Bischof, dann einen Abt, den Heinrich er-
nannt hatte ^. Es war beispiellos, daß er dem Rufe des Kaisers
folgend, im Jahr 1020 die Alpen überschritt, um ihn in Bamberg
zu besuchen^. Nicht mit Unrecht machte die Reise des Papstes
einen mächtigen Eindruck auf die Deutschen: solches sei, soweit
die Erinnerung zurückreiche, in keinem der fi'üheren Jahrhunderte
geschehen, bemerkt der Quedlinburger Chronist*. Besonders in
Bamberg hat man sich lange des außerordentlichen Ereignisses ge-
freut und an die Pracht erinnert, mit welcher der Papst empfangen
wurde. In der Tat scheint Heinrich die Absicht gehegt zu haben,
es den Feierlichkeiten der Kaiserkrönung gleichzutun. Als Benedikt
am 14. April, dem Gründonnerstag, um Mittag sich Bamberg
näherte, fand er alles zu seinem Empfange bereit. Nicht weniger
als vier Sängerchöre hatte Heinrich aufgestellt, um ihn zu begrüßen:
auf dem rechten und linken Ufer der Regnitz, vor dem Stadttor
und in der Vorhalle des Domes. Dort erwartete er selbst, von
den Fürsten umgeben, den Papst; dieser hatte die Pontifikahen
angelegt, an der Hand des Königs betrat er den Dom; er selbst
vollzog an diesem und den folgenden Tagen die kirchhchen Hand-
lungen. Indem er sodann am 24. April die neugebaute Stephans-
kirche weihte, und am ersten Mai noch einmal die Gründung des
Bistums bestätigte ^, beteiligte er sich gewissermaßen an dem Lieb-
lingswerk Heinrichs. Von Bamberg geleitete er ihn nach Fulda;
auch dort sah man etwas Unerhörtes in diesem Ereignis*.
S. 544 getadelte Parteiwechsel Benedikts zeigt, daß er nicht zuverlässiger
war als alle Italiener dieser Zeit.
1 Thietm. VIII, 45 S. 220.
- 1014 Arnold von Ravenna, Thietm. VIII, 2 S. 193: Imperator ab
apostolico consecrari praecepit. 1022 Theobald von Monte Cassino, Leon.
Chr. II, 42 Scr. VII S. 655.
^ Hierüber Ann. Quedl., Altah. z. 1020; Herim. Aug. chron.; Rup. ehr.
s. Laur. 19 S. 268; Leo Ostiens. ehr. II, 46 Scr. VII S. 658; Adalberti V.
Heinr. 25 S. 807; Ep. Bebon. bei Jaffe, Bibl. V S. 492 ff.; endlich die Er-
zählung des Papstes in der Anm. 5 genannten Bulle.
* Seit Gregor IV. (833) und Johann VEI. (878) war in der Tat kein
römischer Bischof im Norden gewesen. ^ J.W. 4030. .
® Eine Notiz über die Anwesenheit dieses hospes rarus im Totenbuch
des Klosters Scr. XIII S. 210. Nach Breßlaus Vermutung, JB. Heinrichs III
— 525 —
Heinrich selbst hat es ungemein hochgeschätzt, daß Benedikt
seiner Einladung gefolgt war. Er bewies es dadurch, daß er Bam-
berg dem römischen Stuhle darbrachte ', und daß er das ottonische
Privilegium für die römische Kirche erneuerte^. Das Letztere war
bei der Kaiserkrönmig unterblieben. Es ist vergeblich, nach dem
Grund zu fragen; aber wenn aus Heinrichs Charakter ein Schluß
gezogen werden darf, so ist anzunehmen, daß die Bestätigung durch
entgegenkommende Handlungen des Papstes erkauft werden mußte.
Worin bestanden sie^?
In Deutschland hatte Benedikt dem Kaiser nichts zu bieten.
Auch in Italien bedurfte vielmehr er die Unterstützung Heinrichs,
als daß sich dieser auf seine Hilfe angewiesen gesehen hätte. Demi
alle Erwartungen, mit denen er sich in bezug auf Unteritalien ge-
tragen hatte, waren zerstört: die nationale Erhebung Apuliens gegen
die Griechen war gescheitert; die letzteren hatten sich nicht nur
behauptet, seit ihrem Siege bei Cannä im Oktober 1018 befanden
sie sich entschieden im Übergewicht*. Nur mit deutscher Hilfe
konnte er hoffen, sie wieder zurückzudrängen. Daß er Heinrichs
S. 163 f., erhielt Fulda damals das Andreaskloster bei Sa. Maria Maggiore,
s. J.W. 4057, und den Vorrang vor den übrigen Äbten Deutschlands,
ib. 4091.
1 J.W. 4030 u. Dipl. III S. 542 Nr. 427. Daß das Verhältnis Fuldas
zu Rom geändert wurde, scheint mir nicht wahrscheinlich. Heinrich ge-
braucht nur das Wort confirmamus.
■^ Dipl. m S. 542 Nr. 427; zur Sache: Sickel, Das Privil. Ottos S. 100.
Vom Original unterscheidet sich das Heinricianum vornehmlich durch die
Einfügung einer Stelle über Fulda und Bamberg.
3 Giesebrecht H S. 180, L. v. Ranke, WG. VII S. 123 u. a. sehen den
Grund für die Reise des Papstes in den unteritalienischen Verhältnissen.
Ich bezweifele nicht, daß sie für Benedikt entscheidend waren. Aber
Benedikt ging nach seiner eigenen Aussage, J.W. 4030, wie nach den Nach-
richten der deutschen Chronisten, von dem Kaiser eingeladen oder berufen,
nach Bamberg. Die Frage ist, was Heinrich bei der Einladung wollte. Hier
scheint mir ausgeschlossen, daß die Bestätigung des Bamberger Bistums
der einzige Zweck war. Er wäre zu gering für ein so ungewöhnliches
Unternehmen. Nun spricht der Papst, J.W. 4059, von der utilitas s. Ro-
manae ecclesie ac Romani imperii, Rupert, chron. s. Laur. 19 S. 268, von
quibusdam regni et ecclesiae negotiis, wodurch die Reise veranlaßt gewesen
sei, und hat Benedikt in Bamberg sofort eine Synode gehalten. Daraus
ergibt sich, wie mich dünkt, daß Heinrich durch kirchliche Erwägungen
zu der Berufung des Papstes bewogen wurde. Sie kann man dann aber
nur in den Reformabsichten Heinrichs suchen.
* Vgl. über diese Verhältnisse v. Heinemann I S. 32 ff.
— 526 —
Ruf folgte, ist demnach wohl verständlich; er kam als Bittender.
Heinrich hat ihm die Hilfe, die er begehrte, nicht versagt. Aber
umso unumgänghcher ist die Frage nach der Gegenleistung dee
Papstes.
Man kann sie nur auf dem kirchlichen Gebiete suchen. Wie
wir sahen, war Heinrich von Anfang an der Gedanke kirchlicher
Reformen sympathisch. Er hat ihn schon auf seinen ersten Synoden
ausgesprochen^. Seitdem er die Kaiserkrone trug, scheinen seine
Absichten eine bestimmtere Gestalt angenommen zu haben. Etwas
von der umfassenden Idee, die in dem Kaisernamen lag, hat auch
Heinrich festgehalten: als Kaiser fühlte er sich der Gesamtkirche
verpflichtet. Seine Kirchenpolitik erhielt eine universale Richtung;
er dachte an Abstellung der Schäden, über welche jedermann
klagte und deren Änderung bisher niemand in die Hand genommen
hatte. Wenn er hiefür die Zustimmung und Mitwirkung des
Papstes zu erlangen wünschte, dann erklärt sich ebensowohl seine
Einladung an Benedikt, wie die überraschend großen Gunst-
bezeigungen gegen den Papst, und das Zusammenwirken beider
Männer zur Reform.
Denn so weit wir die Persönlichkeit Benedikts VIH. zu be-
urteilen imstande sind, läßt sich nicht annehmen, daß er von Hause
aus ein geistlich gesinnter Papst war. Seine kriegerischen Lor-
beeren sind unbestreitbar; aber er war auch rauh und gewaltsam
wie ein Krieger. Nach dem Sarazenensieg ließ er kalten Bluts
die gefangene Gemahlin des Fürsten enthaupten. Der Schmuck
der Ermordeten dünkte ihn eine passende Beute für einen Papst '^.
Als einmal ein gewaltiger Orkan das römische Volk in Schrecken
setzte, fand die Denunziation, daß die Juden durch Verspottung
des Kruzifixes den Zorn des Himmels wachgerufen, bei ihm sofort
Glauben: er ließ die angeblich Schuldigen hinrichten'^. Und was
bedeutet dergleichen gegenüber der Tatsache, daß die Zeitgenossen
ihn als reif für das höllische Feuer betrachteten: so urteilte man
in Cluni* und nicht anders in Italien'^. Wenn des Papstes Schätze
als durch Raub und Ungerechtigkeit erworben bezeichnet werden^,
so bleibt kaum ein Zweifel daran, daß er ein Simonist war, und
daß die Späteren ihm kein Unrecht taten, wenn sie die Herrschaft
der Simonie in Rom erst mit den deutschen Päpsten zu Ende
^ Vita Adalb. 15 flf. S. 663 ff, über Heinrichs erste Synode. Thietm.
VI, 18 S. 143 über die Dortmunder Synode ; vgl. oben S. 429 f.
2 Thietm. Vlll, 45 S. 220.
3 Adern, bist. III, 52 Scr. IV S. 139. * S. o. S. 519 Anm. 2.
•* Petr. Dam. de abdic. ep. 3 S. 428. « Ibid.
— 527 —
gehen ließen^. Überdies ist zweifellos, daß Benedikt für die Ver-
leihung des Palliums große Geldsummen forderte^. Und wenigstens
ein Fall ist urkundhch gesichert, in welchem er das kanonische
Recht außer acht ließ, um einer großen Familie gefällig zu sein
er genehmigte die Errichtung des Bistums Bisulduno und bestimmte
dabei, daß bei jeder Neubesetzung dem römischen Stuhl eine be-
deutende Geldzahlung zu leisten sei, nicht für die Erteilung der
Weihe aber bei derselben. Das war schier allzu durchsichtig;
aber noch schlimmer war der bei diesem Anlaß ungescheut ausge-
sprochene Grundsatz, daß man vor dem Papst nicht mit leeren
Händen erscheinen solle ^.
Von persönlichem Interesse an der kirchUchen Reform kann
angesichts dessen nicht die Rede sein*. Aber Benedikt bewies
seinen Anschluß an den Kaiser auch dadurch, daß er auf dessen
Reformgedanken einging. Gleich in Bamberg trat er mit den
1 Vgl. z. B. Petr. Dam. lib. grat. 27 Lib. d. 1. I S. 56.
'^ Vgl. ep. Cnuti, Scr. XIII S. 127: Conquestus sum iterum coram do-
mino papa (Johann XIX) . . ., quod mei archiepiscopi in tantum angaria-
bantur immensitate pecuniarum, quae ab eis expetebatur, dum pro pallio
accipiendo secundum morem apostolicam sedem expeterent. Der Brief ist
aus dem Jabr 1027; die Klage bezieht sich also auf die Zeit Benedikts VIII.
^ J.W. 4016. Die Errichtung des Bistums widersprach allen Forder-
ungen des kanonischen Rechts, und erklärt sich nur aus der Bestimmung:
Consecrationem successorum tuorum nobis nostrisque successoribus reser-
vamus in perpetuum, pro qua sacratione nobis et successoribus nostris a
successoribus vestris nihil offerri iudicamus statuta sanctorum patrum
sequentes. Sed ne appareat in conspectu nostro vel successorum nostrorum
vacuus, qui consecrandus erit, non pro consecratione, ut diximus, sed pro
debita obedientia, et ut subiectum se semper nostrae ecclesiae ostendat,
post sacrationem suam unam libram auri offerri iubemus. Die Frivolität,
mit der hier mit dem Recht gespielt wird, indem es zugleich dem "Wort
nach gehalten und der Tat nach übertreten wird, macht Benedikts Ver-
fahren vollends abstoßend.
* Als Gegengrund kann man nicht die Beziehungen zu den Männern
der Reform anführen, J.W. 3991 f. 3994 f. 4007. 4013. 4033. 4056. Denn
dann haben auch Männer wie Johann XVIII. und XIX'. ein Recht auf den
Namen von Reformpäpsten, cf. 3950. 3958 ff. 4065. 4080 f. 4095. Aber wer
möchte das behaupten? So wenig als sie hat Benedikt VIII. etwas »von
dem heiligen Eifer eines Reformators" (Giesebrecht S. 188). Seine refor-
matorischen Erklärungen sind lediglich Frucht seiner Verbindung mit Hein-
rich. Die entgegengesetzte Auffassung hat ihren schärfsten Ausdruck bei
Nitzsch, D. G. I S. 393 f., gefunden.
— 528 —
deutschen Bischöfen, die sich am Hofe eingefunden hatten, zu einer
Synode zusammen, auf der Reformbeschlüsse gefaßt wurden \
Als Heinrich sich danach nach Italien begab, um die unter-
italienischen Angelegenheiten zu regeln, folgte eine itahenische
Reformsynode. Gemeinsam haben sie Kaiser imd Papst am
1. August 1022 zu Pavia gehalten^. Hier stand die Frage der
Priesterehe auf der Tagesordnung. Sie war in Italien fast zu all-
gemeiner Herrschaft gelangt und hatte zu der größten Gefährdimg
des kirchlichen Besitzstandes geführt: es gab keinen gefährlicheren
Räuber des Küxhenguts, als die Söhne der Priester^. Wie wir
uns erinnern, hatte Heinrich schon auf seinem ersten Romzug im
Jahre 1014 seine Aufmerksamkeit der Ordnung des kirchhchen
Besitzes zugewandt^. Es lag ihm also nahe, die Reform aji diesem
Punkte zu beginnen. Benedikt eröffnete die Synode mit einer,
höchst energischen Ansprache^: so sehr er hervorhob, was Könige
und Kaiser, Christo nachfolgend, für die Kirche getan hätten, so
ungünstig schilderte er ihren gegenwärtigen Zustand: sie sei arm,
eine Bettlerin, ja vernichtet. Alle Schuld warf er auf den Klerus.
Dadurch, daß verheiratete Kleriker ihre Kinder aus dem Erchen-
gut versorgten, daß unfreie Kleriker für sich und ihre Nachkommen-
^ Rupert, ehr. s. Laur. 19 S. 268; Multis episcoporum ad synodum
unde unde confluentibus multa ibi utiiia, multa honesta decreta sunt. Nach
der Vita Meinw. 165 Ö. 142 waren 40 Bischöfe anwesend; bei Adalbert V.
Heinr. 26 S. 807 werden gar 72 genannt. Auch die erste Zahl ist wahr-
scheinlich zu hoch. Das römische Privilegium ist nur von 13 Bischöfen
unterzeichnet.
2 Mansi XIX S. 343 ff., leider nur bruchstückweise in C.I. I S. 70 ff.
Das Jahr der Synode ist strittig: der ältere Ansatz ist 1022; dagegen er-
klärte sich Giesebrecht für 1018 und fand dafür mannigfache Zustimmung;
ihm gegenüber hat Breßlau, JB. Heinrichs III S. 342 ä"., die ältere Annahme
verteidigt. Er scheint mir im Rechte zu sein; beweisend ist besonders das
Verhältnis der Erklärung von Goslar (s. o. S. 431 f.) zu dem Synodalbeschluß.
Denn wäre der letztere schon vorgelegen, so hätte man in Goslar unmög-
lich die Priesterehe als etwas Zulässiges behandeln können.
3 S. Dresdner, Kultur- u. Sittengesch. der ital. Geistlichkeit S. 327 ft".
* S. o. S. 434.
^ Die Vermutung Löwenfelds, der in Leo v. Vercelli den Verfasser der
Rede erkennt (Leo von Vercelli 8. 50; vgl. Bloch, N.A. XXII S. 102 f.) hat
viel für sich. Aber Leo deshalb zum Cluniacenser zu machen, geht nicht
an: hier bildet sein Verhältnis zu Wilhelm von Dijon, s. o. S. 479, und das
Urteil Rudolf Glabers, vit. Wilh. 23 Mign. 142 S. 714, einen nicht zu be-
seitigenden Einwand. Sackur hätte also noch entschiedener sprechen
können, als er tat, Clun. II S. 160 Anm. 3.
— 529 —
Schaft die Freiheit erstrebten, sei die Kirche in den größten Schaden
gekommen. Um ihm abzuhelfen, erinnerte der Papst an die alten
kirchlichen Cölibatsgesetze ; er forderte ihre Durchführung; für
augenblicklich am notwendigsten jedoch erklärte er die Regelung der
Rechtsverhältnisse der Kinder unfreier Kleriker von freien Müttern;
ihnen müsse unbedingt die Freiheit abgesprochen werden. Dem-
gemäß beschloß die Synode : sie verbot die Priesterehe, erklärte die
Kinder der Priester für unfrei, bedrohte die Richter, die sie frei-
sprechen würden, mit dem Anathema, und untersagte unter strengen
Strafen, daß Knechte der Kirche irgend etwas auf den Namen eines
Freien erwürben.
Mari kann nicht sagen, daß diese Beschlüsse etwas Neues
enthalten. Daß das kirchliche Recht den Cölibat der Priester un-
bedingt forderte, war jedermann bewußt: deutsche und französische
Synoden der Ottonenzeit hatten die alten Satzungen wiederholt^;
Abbo von Fleury und Burchard von Worms hatten sie in ihre
Rechtssammlungen aufgenommen^. Auch die Bestimmung über
die Unfreiheit der Priesterkinder war nicht neu: sie war vorlängst
auf der neunten Synode von Toledo getroffen worden; Abbo von
Fleury war sie nicht entgangen^. Wichtiger als der Inhalt dieser
Beschlüsse ist deshalb die Art, wie sie gefaßt wurden: die Synode
legte sie dem Kaiser vor und bat ihn, sie zu bestätigen und be-
kannt zu machen. Sie verhehlte sich nicht, daß nur, wenn dies
geschehe, ihre Ausführung zu hoffen sei. Demgemäß erteilte Hein-
rich dem Synodalbeschluß seine Billigung; indem er ihm eine neue
Fassung gab, verkündigte er ihn als Reichsgesetz. Das Zusammen-
wirken der kaiserUchen und päpstlichen Gewalt wurde so fast
ostentativ hervorgehoben. Bat der Papst um die Bestätigung eines
Synodalbeschlusses, so erklärte der Kaiser, er könne dem Papste,
dem er durch Gott alles verdanke, nichts versagen: er sprach voji
ihrer gemeinsamen Arbeit und ihrer gemeinsamen Freude. Aber
wenn man auf den Kern der Dinge blickt; so läßt sich doch kaum
zweifeln, daß beide Gewalten nicht als gleichwertige Größen zu-
sammenwirkten. Wie der Papst sich nach Oberitalien begab, um
in Gegenwart des Kaisers die Synode zu halten, so folgte er über-
haupt dem Impulse, den er vom Hofe erhielt; nicht der Kaiser
wurde des Papstes gleichgesinnter Genosse, sondern der Papst
paßte sein. Handeln den Intentionen des Kaisers an.
» Augsburg (952) c. 1, 4 u. 11 C. I. T S. 19 f. Ansa (990) c. 5 Mansi XIX
S. 101. Poitiers (1000) c. 3 ib. S. 268.
2 Coli. can. 39 S. 495; Beeret, n, 108 ff. S. 645.
3 Bruns I S. 295 ; coli. can. 40 S. 496.
Hauck, Kirchengeschichte. IIL 34
— 530 —
Heinrichs Gedanken gingen nun weiter. Was in Bamberg
und Pavia eingeleitet war, sollte noch größere Ausdehnung ge-
winnen: auch die französische Kirche sollte sich an der Reform-
unternehmung beteihgen. Zu diesem Zweck fand Anfang August
1023 zu Ivois an der französisch-lothringischen Grenze eine Zu-
sammenkunft Heinrichs mit König Robert von Frankreich statt ^.
Die beiden Herrscher verständigten sich darüber, daß der nächste
Schritt die Abhaltung einer gemeinsamen Synode aus Deutschland,
Frankreich und Italien sein müsse. Wie lange war es her, seit-
dem die Kirche des alten fränkischen Reichs nicht mehr als Ein-
heit gehandelt hatte! Jetzt sollte es wieder geschehen. An dieser
— man kann nicht mehr sagen: Reichssynode, und man kann noch
nicht sagen: allgemeinen Synode des Abendlandes, sollte auch
Benedikt Anteil nehmen'^. Als der passendste Ort erschien Pavia:
Dort beschlossen Heinrich und Robert, die Versammlung abzuhalten.
Wir wissen nicht, daß sie die Meinung des Papstes vorher einge-
holt hatten. Sie verfügten über ihn; sie bedienten sich der päpst-
lichen Autorität, um die Absichten, für die Heinrich Robert
gewonnen hatte, zu verwirklichen. Es gab keine selbständige päpst-
liche Politik neben der kaiserlichen.
Seltsam, daß Benedikt gleichwohl mit den deutschen Bischöfen
nicht immer in Frieden lebte. Den ersten Mann, der seine Wahl
anerkannt hatte, Gero von Magdeburg, kränkte er dadurch, daß
er den alten Umfang der Halberstädter Diözese ohne Rücksicht auf
Magdeburg bestätigte ^. Als Bischof Arnulf daraufhin Teile des
Magdeburger Sprengeis zumckforderte, ließ sich Gero durch die
päpstliche Bulle nicht hindern, tapferen Widerstand zu leisten.
Wichtiger war, daß Benedikt mit dem bedeutendsten Bischof
Deutschlands in ernstlichen Konflikt geriet. Am 23. Februar 1011
war Wilhgis gestorben. Sein Nachfolger wurde ein alter Anhänger
des Kaisers, der Abt Erkanbald von Fulda *. Er war in weltlichen
Angelegenheiten mannigfach tätigt; auch fehlte es ihm nicht an
1 Gest. pontif. Camerac. III, 37 S. 480. Daß bereits in Pavia (1022)
eine weitere Synode ins Auge gefaßt war, zeigt eine Bemerkung in Bene-
dikts Rede, Mansi S. 346 A.
" Bezeichnend ist die Weise, wie unser Berichterstatter spricht: Exin
vero sese invieem consulentes, ubinam iterum eonyenturi domnum etiam
apostolicum una cum tarn citra quam ultra Alpjnis episcopis secum habeant,
nusquam aptius quam Papiae decernunt.
3 J.W. 4043; vgl. Gesta a.e. Magd. 17 S. 396 u. Gesta ep. Halb. S. 91.
* Adalboldi V. Heinr. 6 S. 685.
5 Thietm. V, 38 S. 128. VIII, 51 S. 224.
— 531 —
theologischer Bildung; er hat eine Sammlung von Predigten ge-
schrieben \ Aber die Bedeutung des Erzbistums ging unter seiner
Amtsfiihrung zm-ück. Dagegen erhielt es in seinem Nachfolger
Aribo wieder einen hervorragenden Leiter^. Er war ein Vetter
Piligrims von Köln und an Talent und Geisteskraft ihm mindestens
ebenbürtig^. Wenn das einem Kirchenfiirsten erteilte Lob der
Gelehrsamkeit nicht immer als ganz vollwichtig zu betrachten ist,
so war es doch in diesem Falle nicht unbegründet*. Wir wissen
nicht nur, daß Aribo für die wenigen theologischen Fragen, für
welche das Jahrhundert ein Auge hatte, sich interessierte ^, sondern
es wird auch berichtet, daß er sich selbst als Schriftsteller ver-
suchte. Noch im Jahrhundert nach seinem Tode besaß man ein
paar Abhandlungen, die er zu einigen Psalmen geschrieben hatte "*.
Es machte ihm Freude, mit gelehrten Mönchen zu verkehren, und
nicht ohne Witz wußte er schüchterne zum Reden zu bringen'.
Daß er einen der tüchtigsten unter ihnen, Ekkehart IV. von
St. Gallen, als Schulvorsteher nach Mainz berieft, macht seinem
Urteil alle Ehre. Dabei blieb sein Gesichtskreis weit genug, daß
er den verschiedenartigsten Erscheinungen Interesse abgewann.
^ Sie befand sich im Besitze des Bischofs Embrich von Augsburg,
8. Becker, Catal. Nr. 52: Sermones Erchanbaldi arch. Ob der in E.'s ürk.
für Fulda, Cd. Fuld. S. 340 Nr. 727, genannte Graf Lando sein Sohn war,
muß dahingestellt bleiben. Die Bezeichnung filius meus kann auch in
übertragenem Sinne gemeint sein.
« Über ihn Mtiller, EB. A. v. M. 1881; Dersch, Die Kirchenpolitik
des EB. A. v. M., Marb. Diss. 1899.
8 Über seine Familie Müller S. 3 f.
* Bern von Reichenau lobt seine Gelehrsamkeit, ep. Mog. 27 S. 365
und 29 S. 372; ebenso Wipo Gesta Chuonr. 1 S. 8.
^ In seinem ersten Brief an A. handelt Bern von der damals strittigen Frage
über die Dauer der Adventszeit, wenn das Weihnachtsfest auf- einen Montag
fällt; der zweite ist die Widmung seines Dialogs über die Quatemberfasten.
Das Schriftchen bei Migne 142 S. 1087; es ist nach der Seligenstädter Syn.
abgefaßt, s. c. 7 S. 1096 B die Beziehung auf can. 2 der Synode.
« Ekkeh. ehr. z. 1020 Scr. VI S. 193.
' Ekkehart schildert in seinem üb. bened. : Stetimus aliquando coram
Aribone archiepiscopo, sui temporis nominatissimo ecclesiae quidem speculo,
qui nos, suis quibusdam se stimulantibus, quid in hoc — was die Formel
,Jube, domne, benedicere" bedeute — nobis videretur, pandere monuit. Sed
nos tantillos tanto viro de verbo a diversis diverse distracto definitam nil
posae, inquimus, respondere. Egit autem ille nobiscum, ut de distractis illis
aliquid sibimet contraheremus. Tandemque ita incepimus etc., Dümmler
Zeitschr. f. d. A. N.F. II S. 51. » Cas. s. Galli 80 S. 284 f.
34«
— 532 —
Durch lateinische Gelehrsamkeit und antiquarische Liebhabereien
hes er sich die Freude an vaterländischen Gegenständen nicht
rauben: er hatte sein Wohlgefallen an dem Walthariuslied des
älteren Ekkehart; in seinem Auftrag hat es der jüngere überarbeitet^.
Sein religiöses Interesse bewies er, wie es die Zeit erwartete und
forderte, durch die Begünstigung des Mönchtums. Als er noch
Diakon war, hat er die Stiftung des Frauenklosters Goß vollzogen^,
später als Bischof gründete er das Stift Hasungen^.
Aber so gerne er mit den Gelehrten verkehrte und so wiUig
er die Mönche begünstigte, so gehörte er doch nicht zu den stillen,
zurückgezogenen und zurückhaltenden Naturen. Ein Zeitgenosse
hat über ihn geurteilt, zwei Dinge hatten für ihn zum Leben ge-
hört: Arbeiten und Herr sein*. Das charakterisiert ihn. Er wußte
zu handeln, und er liebte es, was er tat, rasch zu tun^ Einen
großen, das Gememe überschreitenden Plan auszusinnen, war seine
Lust: noch während an dem Neubau des Mainzer Doms gearbeitet
wurde, dachte er schon an die Ausschmückung der Kirche: sie
sollte einen alles Bisherige überbietenden Bilderayklus erhalten®.
Es lebte ein starker, heftiger Wille in dem Manne, und wie es bei
solchen Männern nicht selten ist: er hatte einen ausgesprochenen
selbstischen Zug. Das ist nicht im niederen Siim gemeint es ist
ein im elften Jahrhundert seltenes und deshalb sehr schwerwiegendes
Lob, das ihm erteilt wird: er habe nie etwas für Geld getan'.
Aber er meinte, jedermann in seinen Dienst zwingen zu können;
fremdes Recht anzuerkennen, wurde ihm schwer; dagegen konnte
niemand zäher auf dem eigenen Recht bestehen, als er^. Wenn
er dabei andere verletzte, so machte ihm das wenig Sorgen: auch
dem Mächtigsten gegenüber sprach er frei und offen ^ Unerträg-
lich dünkte es ihn, wenn ein Geringerer sich vorzudrängen schien.
1 Gas. s. G. 80 S. 284.
2 J.W. 4028; Dipl. m S. 548 Nr. 428; vgl. Nr. 437, 488 f. Vgl. Hirsch,
JB. Heinrichs lU S. 165 ff.
3 Ann. Palid. z. 1022 S. 67; Ann. Saxo z. 1021 S. 675; Vita Meinw.
170 S. 145; vgl. Scheffer-Boichorst, Ann. Patherbr. S. 37 f.
* Zaeatz zu Thancmar vita Bernw. 48 S. 778 n. 1.
6 Vita 1 Godeh. 27 S. 187: More solito festinans.
^ S. Dümmler S. 4 u. Kieffer im Progr. des Mainzer Gymn. 1881.
' Ep. Mog. 25 S. 363. Wenn man sich erinnert, daß die Zeitgenossen
Benedikt VIII., an den der Brief gerichtet ist, für bestechlich hielten, so
erkennt man, wie spitzig dieser Schluß des Briefs ist.
* Vgl. sein Auftreten in der Gandersheimer Sache.
9 Vgl. die Predigt bei Konrads IL Krönung, Wipo 3 S. 16 f.
— 533 —
Als einmal der Abt Bardo von Hersfeld mit einem außergewöhnlich
schönen Stab neben ihm stand, reizte ihn der Übermut: He, Abt,
herrschte er ihn an, dieser Stab würde besser für meine als für
eure Hand taugend Bardo hat ihm wirklich das Kleinod über-
lassen. Aber nicht jedermann war so fügsam. Aribo hatte mehr
Feinde als Freunde: der Hildesheimer WoLfheri findet, das von
Ismael ausgesprochene Bibelwort passe auf ihn: Seine Hand wider
jedermann und jedermanns Hand wider ihn^
Vergegenwärtigt man sieh die Persönlichkeit Aribos, dann ist
verständlich, daß Heinrich II., der als sein Verwandter ihn kannte.
Tüchtiges von ihm erwartete und ihm deshalb das höchste Amt
in der deutschen Kirche anvertraute, und daß dann doch das Ver-
hältnis beider Männer nicht ganz ungetrübt war: Aribo gehörte
nicht zu den Menschen, die sich darein finden können, Diener eines
anderen zu sein.
Zu einer Friktion kam es alsbald nach des Erzbischofs Amts-
antritt in der Gandersheimer Angelegenheit. Wir erinnern uns, daß
Aribo den Mainzer Anspruch auf das Kloster erneuerte. "Wolfheri
berichtet, sein Vorgehen habe den Kaiser entrüstet: in Gegenwart
der Bischöfe und anderer Großen gebot er ihm nicht ohne Heftig-
keit, ein für aUemal von seinem Beginnen abzustehend
Ernstlicher schien der Konflikt, in den Aribo bald danach
mit Benedikt geriet*. Er nahm seinen Ausgang von dem Hammer-
steinischen Disziplinarfall. Es ist fi:üher erwähnt, daß die Synode
von Nimwegen gegen den Grafen Otto von Hammerstein wegen
seiner kanonisch unerlaubten Ehe einschritt und daß Heinrich im
Jahr 1018 die Ehe trennte^. Der Graf hatte sich für den Augen-
blick gefügt; allein nach zwei Jahren erhob er sich gegen den
Mainzer Erzbischof. Er sah in Erkanbald den Urheber der ihm
widerfahrenen Unbill und rächte sie durch die Verwüstung des
Mainzer Besitzes. Kaum entging der Erzbischof dem Schicksal,
1 Vita Bard. 10 S. 327. Ait temere, sagt Wulcold, erat enim Noricus
genere. ^ Vita I Godeh. 25 S. 185.
8 Ib. S. 186; über die Sache oben S. 418.
* Ich beurteile Aribos kirchliche Absichten anders, als es seit Giese-
brecht herkömmlich ist. Seine Anschauung über das Ziel Aribos und die
Folgen seines Vorgehens, auch in der vorsichtigeren Fassung, wie sie bei
Breßlau (JB. Heinrichs III S. 270 f.) vorliegt, und in der sehr verdünnten
Form, wie sie bei Müller (Aribo S. 25) trotz des Widerspruchs noch durch-
klingt, scheint mir nicht aus dem Gedankenkreis des 11. Jahrhunderts ge-
nommen; sie scheitert auch an der Untersuchung des Einzelnen.
5 S. 0. S. 431 und S. 434.
— 534 —
in die Hand des erbitterten Grafen zu fallen. Dadurch war Hein-
rich genötigt, von neuem einzugreifen: er belagerte Otto in seiner
Burg Hammerstein und zwang ihn Weihnachten 1020 zur Ergebung.
Nun mußte er seine Gemahlin entlassen \ Allein kaum war die
Gefahr vorüber, so kehrten die Ehegatten zu einander zurück.
Weder Heinrich noch Aribo, d^r inzwischen Erkanbalds Nachfolge
angetreten hatte, konnte diese Angelegenheit auf sich beruhen lassen.
So kam sie denn auf der Mainzer Pfingstsynode von 1023 von
neuem zur Besprechung ". Das Urteil fiel, wie zu erwarten war.
Graf Otto fügte sich; aber seine mannhafte Gemahlin bestand auf
dem Recht ihrer Ehe^. Nun belegte die Synode sie mit dem Ana-
thema; sie aber appellierte wider die Entscheidung der deutschen
Synode an das Gericht des Papstes*. Nichts ist so begreiflich als
diese Appellation: hatte doch Benedikt erst vor wenigen Jahren
die verbotene Ehe Roberts von Frankreich ausdrücklich geduldet^.
Aribo aber ließ sich durch diese Appellation nicht beirren.
Er gehörte zu den deutschen Metropoliten, die die Verpflichtung,
regelmäßig Provinzialsynoden abzuhalten, nicht ganz außer acht
ließen^. Schon im Herbst 1023 versammelte er eine neue Synode,
diesmal in Seligenstadt '. Sie war, wie alle diese Versammlungen,
1 Ann. Quedl. z. 1020 S. 84; Ann. Saxo z. 1020 S. 674. Rup. vita
Heriberti 10 Scr. IV S. 749
•2 Vgl. über die Synode oben S. 432 Anm. 2.
3 Vita II Godeh. 19 S. 206. * Folgt aus ep. Mog. 25 S. 362 f.
* S. Langen S. 409 f. Bei der Zugänglichkeit Benedikts für Geld
hatten die deutschen Bischöfe allen Grund zum Argwohn.
® Vgl. seine Berufungsschreiben an Meginhard von Würzburg, ep.
Mog. 23 S. 358 f., und Godehard von Hildesheim, ep. 26 S. 364 f. Wir wissen
von folgenden Mainzer Provinzialsynoden während seiner zehnjährigen Amts-
führung: 1023 in Seligenstadt, 1024 in Höchst, ep. Mog. 23; 1026 in Seligen-
stadt, ep. Mog. 26; 1028 in Geisleden, Ann. Hild. z. d. J., vita Meinw. 201
S. 154. Ich lasse die Synoden von Mainz (1023), Grona (10^5), Frankfurt
(1027) und Pöhlde (1029) hier außer Betracht, da sie nicht zu den Mainzer
Provinzialsynoden gerechnet werden können.
' Die Akten C.I. I S. 633 S. Anwesend waren die B. von Worms,
Straßburg, Augsburg, Bamberg und Würzburg und 10 Äbte. Über die Zeit
(12. Aug. 1023) s. Breßlau bei Hirsch, JB. HI S. 359, Dersch S. 52 f. Die
von Sackur, Clun. II S. 161 ff., wie früher von Giesebrecht vorgeschlagene
Datierung Aug. 1022 scheint mir weniger wahrscheinlich. Daß nur die
Hälfte der Mainzer Suffragane in Seligenstadt erschien, bedarf, wie mich
dünkt, nicht einer besonderen Erklärung; wir wissen von viel schlechter
besuchten Diözesansynoden : auf der Friedrichs von Mainz erschienen nur
2 Bischöfe, ep. Mog. 16 S. 344. Die Annahme einer der Synode von
— 535 —
bestimmt, die Ordniuig in den kirchlichen Verhältnissen der Diözese
herzustellen oder zu festigend Es ist leicht ersichtlich, daß ihre
Beschlüsse durch bestimmte Vorfälle veranlaßt waren. Sie be-
ziehen sich demgemäß auf die verschiedensten Dinge: sie schärfen
die Beobachtung der allgemein gebotenen Fastenzeiten vor den
hohen Festen ^ und der besonders angeordneten Fasttage ein, treiSen
Festsetzungen, um die Unsicherheit über die Quatembertage zu be-
seitigen, und ordnen im Zusammenhang damit die geschlossenen
Zeiten. Den Priestern wird zur Pflicht gemacht, am Morgen vor der
Messe zu fasten, und verwehrt mehr als drei Messen an einem Tag
zu lesen; mit großer Strenge wird der abergläubische Mißbrauch ver-
boten, der von manchen Geistlichen mit dem Altartuch getrieben
wurde; man warf es bei Bränden ins Feuer, um dies dadurch zu
löschen. Auch der Laienaberglaube, der sich an die Verlesung des
Johanneischen Prologs, an die Michaels- und Dreifaltigkeitsmessen
knüpfte, findet den Tadel der Synode. Andere Bestimmungen
sollen die Heiligkeit des Gotteshauses wahren: niemand darf es
gewaffiiet betreten, keine Versammlung soll auf dem Kirchhof oder
in der Kirche selbst stattfinden, keinem Laien steht es zu sein Haus
an der Kirche zu errichten. Wieder andere beziehen sich auf die
Anstellung der Geistlichen an Eigenkirchen ^, auf Fragen des Ehe-
Seligenstadt vorhergegangenen päpstlichen Entscheidung halte ich für sehr
unwahrscheinlich .
^ S. 636: Quatinus cum communi predictorum confratrum consilio
atque consensu multimoda divinorum officiorum atque synodalium legum
componeretur dissensio et disparilitas nostrarum singularium consuetudinum
honesta consensione redigeretur in unum. Inconveniens quidem sancto illi
conventui visum est, qaod membra capiti discordarent et illa diversitas in
unius compagine corporis esset. Müller (S. 22 f.) gibt diesen Worten eine
zu Spezielle Beziehung, wenn er in ihnen die Absicht ausgesprochen findet,
die Einheit der gesamten Erzdiözese von Mainz möglichst zu fördern und
zu befestigen. Denn sie sind nichts weiter als eine Amplifikation des
pseudo-isidorischen Dekrets Calixts, durch das er die Quatember anordnete,
S. 136: Non decet enim membi-a a capite dissidere sed iuxta sacrae scrip-
turae testimonium omnia membra caput sequantur. Man sieht aus der
!^i&nützung Pseudo-Isidors zugleich, was es mit der antikurialistischen Ten-
denz der Synode auf sich hat.
2 Als solche kommen in Betracht: Johannis, Weihnachten, Epiphanias,
die Aposteltage, Maria Himmelfahrt, Lorenzi, Allerheiligen, c.l. Von Ostern
und Pfingsten ist natürlich abgesehen.
'^ Der Grundherr soll den betr. Priester dem Bischof schicken, damit
dieser feststelle, si scientia aetate et moribus talis sit, quod sibi t)opulua
Dei digne commendari possit.
— 536 —
rechts und den Vollzug der Bußzucht. Unter den letzteren hat
ein Kapitel besonderes Interesse; denn es ist unverkennbar veran-
laßt durch die Appellation der Gräfin Irmgard: der Erzbischof und
seine Suffragane erklären für unzulässig, daß ein Büßer sich in
Rom von der durch den Priester ihm aufgelegten Buße fi'eisprechen
lasse, bevor die Buße geleistet ist ; erst nach Vollendung der Buße
sei die Appellation nach Bom zulässig, aber auch dann nur mit
bischöf hoher Erlaubnis; überdies habe der Bischof dem Pönitenten
ein Schreiben an den Papst mit der Darstellung des Sachverhalts
mitzugeben.
Es ist herkömmlich geworden, in Aribo einen ausgesprochenen
Gegner der cluniacensischen Beform und der. päpstlichen Herrschaft
in der Kirche zu erblicken; er habe den Gedanken einer von Rom
möglichst unabhängigen Nationalkirche vertreten. Dieser Beschluß
dient zum Belege. Allein schwerlich mit Rechte Auch abgesehen
1 C. 18. Es ist, wie inicli dünkt, unrichtig, wenn Müller urteilt, hier-
durch werde das Dispensationsrecht des Papstes, welches bis dahin un-
beschränkt war, beschränkt und von der jedesmaligen Einwilligung eines
jeden Bischofs abhängig gemacht (S. 24), und daraus folgert, das Recht des
Papstes sei tatsächlich zu einem bloßen Ehrenrechte, das in Wahrheit nichts
bedeutete, herabgedrückt, die Bischöfe dagegen seien von jedem höheren
Willen unabhängig und in ihrer Diözese völlig selbständig gemacht worden
(S. 25). Ähnlich Lamprecht, D. 6. V S. 294. So lagen die Verhältnisse
keineswegs. Denn 1) richtet sich der Beschluß nicht gegen das päpstliche
Dispensationsrecht, sondern dagegen, daß multi inculpati . . poenitentiam
a suis sacerdotibus accipere nolunt, in hoc maxime confisi, ut Romam
petentibus apostolicus omnia dimittat peccata, also gegen die Auflösung
der kirchlichen Disziplin durch dolose Anrufung des Papstes. 2) Die
Forderung, daß die Disziplinargewalt des Heimatbischofs unbedingt an-
erkannt werde, war keine Neuerung; sie geht auf den 5. Kanon von Nicäa
zurück und war in Deutschland geltendes Rocht, cf. Ansegisi capit. I, 1
S. 397 f. 3) Die Anwendung dieses Grundsatzes auf Rom war ebenfalls
keine Neuerung; sie lag vor bei Haito von Basel, Capit. 177,18 S. 365,
und in dem 45. Kanon der Synode von Chalons (813), Conc. 11 S. 282 f.
Dieser Kanon war der Synode bekannt; denn er ist von Burchard in sein
Dekret aufgenommen, XIX, 51, und Burchard war Mitglied der Synode.
4) Die Appellation an den Papst wird nicht ausgeschlossen, sondern als
Recht des Verurteilten anerkannt: Romam ire si velint ab episcopo proprio
licentiam accipiant. Daß hierbei die bischöfliche Erlaubnis erwähnt wird,
ist keine Neuerung. Es ist nur eine Anwendung des pseudo-isidorischen
Satzes, quod populi maiores scilicet et minores per eius licentiam, quidquid
agendum est, agant nee sine eius permissu a sua parochia abscedant, Clem.
decr. LXX .S. 58, von Burchard aufgenommen II, 93. Von einer gegen die
päpstliche Gewalt als solche gerichteten Tendenz kann man demnach nicht
— 537 —
davon, daß dabei der mönchischen Reformbewegung viel zu viel
kirchenpoUtischer Gehalt gegeben wird, ist diese Annahme un-
durchführbar. Der Gedanke einer einheitlichen Gestaltung der
deutschen Earche unter Leitung von Mainz war im Jahre 1023
eine Unmöglichkeit. Gewiß bildete die deutsche Kirche in vieler
Hinsicht eine Einheit: aber das war der Fall, weil, wie wir sahen,
immer noch der deutsche König einen immensen Einfluß auf alle
kirchlichen Verhältnisse übte. Hierin lag der nationale Charakter
der Kirche in Deutschland. Er mußte nicht erst begründet werden,
sondern er war vorhanden. Aber indem der deutsche König die
Kaiserkrone trug, war eine Verbindung zwischen der deutschen
Kirche und dem Papsttum hergestellt, so fest, daß kein deutscher
Bischof den Gedanken hegen konnte, sie zu erschüttern oder auch
nur zu lockern. Überdies stand die päpsthche Autorität in der
Meinung der Menschen zu hoch, als daß sie an und für sich hätte
bekämpft werden können. Nur ihre Grenzen waren nicht fest be-
stimmt. Niemand bestritt prinzipiell die Ansprüche, welche Nikolaus I.
erhoben hatte, und die Rechte, welche die Verfasser der pseudo-
isidorischen Sammlung dem Papste zuschrieben. Aber es gab
andere Rechte, die ebenfalls das geheiligte Ansehen des Altertums
fiir sich hatten, die festzuhalten man sich deshalb verpflichtet fühlte
und die man auch durch die päpstliche Autorität nicht absorbieren
lassen wollte. Hier war eine Meinungsverschiedenheit möghch, ohne
daß ein klar bewußter, prinzipieller Gegensatz zugrunde lag. Leicht
verständlich aber ist, daß ein Mann, wie Aribo, und daß ihm
folgend der deutsche Episkopat das eigene Recht möglichst weit
spannte. Dies, aber nicht mehr, geschah durch den 18. Kanon von
sprechen. Dagegen liegt in dem Beschluß allerdings Mißtrauen gegen
Benedikt VIII. Die Worte, confisi, ut Romam petentibus apostolicus omnia
dimittat, zusammen mit der Anordnung, daß dem Appellanten eine Dar-
stellung des Sachverhaltes mitzugeben sei, zeigen, daß die deutschen Bischöfe
kein Zutrauen dazu hatten, daß an der Kurie Appellationen mit der nötigen
Gewissenhaftigkeit untersucht wurden. Ihr Mißtrauen war, wie wir sahen,
nicht grundlos. Die Lage der Dinge in Frankreich war genau ebenso; dem-
gemäß auch das Verfahren des Episkopats; vgl. Sackur, Clun. II S. 28 jff.
Ich wundere mich, daß Sackur Aribo anders beurteilt als die Franzosen,
8. S. 158. Noch weniger kann man in dem Verbot der Romwallfahrten
ohne bischöfliche Erlaubnis (c. 16) antikurialistische Tendenz finden. Ganz
abgesehen davon, daß daisselbe nur Anwendung des angeführten ps.-isidor.
Dekretes ist, waren die Bedenken gegen die Romwallfahrten sehr alt,
8. Alcuini ep. 229 S. 738, Theod. carm. 67 S. 557, Paul. syn. Foroiul. (796)
c. 12, Conc. Cabill. (813) c. 45, Burch. decr. XIX, 51 ; vgl. auch Ann. Bert,
z. 839 S. 17.
— 538 —
Seligenstadt. Zugleich sollte der Synodalbeschluß eine sichere
Grundlage für das weitere Vorgehen gewähren, wenn die Appellation
der Gräfin seitens des Papstes angenommen wurde.
Die Erwartung, daß dies geschehen werde, täuschte Aribo
nichts Benedikt nahm nicht nur die Appellation an; er sah darin,
daß Aribo diesen Disziplinarfall entschieden hatte, eine Über-
schreitung seiner Befugnisse und bestrafte ihn dadurch, daß er ihm
das Tragen des PaUiums verbot. Man kann vermuten, daß Aribo
das Letztere nicht vorhergesehen hatte. Aber er glaubte, daß der
Papst bewogen werden könne, diese Sentenz zurückzunehmen; er
hielt deshalb die Sache geheim, veranlaßte aber seine Suftagane,
in Eom für ihn einzutreten. Sie richteten demgemäß eine Eingabe
an den Papst. In derselben behandelten sie die päpstliche Ver-
fiigung als ein bloßes Gerücht, das sie, angesichts der klaren B^chts-
lage, nicht glauben könnten : Aribo habe bei der Exkommunikation
der Gräfin Irmgard den gemeinsamen Beschluß der Bischöfe aus-
geführt; überdies sei ein Urteil der Fürsten vorhergegangen. Sie
bäten deshalb, wenn eine Übereilung vorgekommen sein sollte, sie
zu verbessern, das Anathema über die Gräfin aber zu bestätigen
und die päpstliche Ungnade von Aribo zu wenden^. Die Eingabe
1 Das Folgende nach den 3 Briefen ep. Mog. 23—25 S. 358 ff. In
bezug auf die Datierung stimme ich v. Pflugk-Harttung (Forsch. XVI
S. 593 ff.) bei, daß der Brief der Suffragane eher geschrieben wurde als die
beiden Briefe Aribos. Es ist richtig, daß die verschiedene Weise, wie hier
und dort von der Bestrafung Aribos die Rede ist, sich bei dieser Annahme
am leichtesten erklärt. Besonders spricht ep. 24 S. 360 dafür: Idcirco,
karissima domina, abscondita est — die römische Sentenz — tarn diu
pietati tuae, quia speravi, illam, antequam ad aures tuas perveniret, ali-
quatenus posse leniri. Diese Hoffnung erklärt sich, wenn die Bischöfe für
Aribo eintraten. Er selbst aber veranlaßte dies; denn er wandte sich
nach Weihnachten 1023, aber vor der Berufung der Höchster Synode an
dieselben, ep. 23 S. 359: Sicut antea tibi per epistolam meam mandavi.
Ob Benedikt, als er Irmgards Appellation annahm, von dem Seligenstädter
Beschluß wußte, läßt sich nicht bestimmen; wahrscheinlich ist es nicht.
Denn es läßt sich kein Grund absehen, weshalb sie nicht sofort appellierte;
die zwischen Rom und Mainz geführten Verhandlungen über Milderung des
Urteils bedurften Zeit; endlich hat Aribo die Sentenz längere Zeit (tam diu)
geheim gehalten.
- Mit Giesebrechts Ergänzungen des Briefs bin ich nicht immer ein-
verstanden. Der am meisten verletzte Satz wird eher so zu ergänzen sein:
Sed cur ista scribimus, quasi haec vera esse credamus? Ea enim, quae
audiuntur tantum, esse possunt et vera et falsa. Deus autem tribuat, ut iste
auditus nuntius falsitatis exurgat. Die wichtigste unter den verletzten
— 539 —
war von sämtlichen Bischöfen des Mainzer Sprengeis, Bnin von
Augsburg und Meinwerk von Paderborn ausgenommen, unterzeichnet.
Aber sie war erfolglos. Aribo wich gleichwohl nicht zurück. Es
charakterisiert seinen trotzigen Mut, daß er die Sache nicht gerade
tragisch nahm ; er urteilte, ein paar Tage lang habe sie ihn beun-
ruhigt \ Er berief seine Diözesanbischöfe zu einer Synode nach
Höchst und bestimmte auch die Erzbischöfe von Köln und Trier,
sowie andere angesehene Prälaten, ihr Erscheinen zuzusagen; denn
er urteilte mit Recht, daß in dem schroffen Auftreten des Papstes
eine Gefahr für den ganzen Episkopat liege. Doch die Sache be-
traf nicht nur den Episkopat: sie betraf auch den Hof: denn mit
nicht geringerem Ernst als die Mainzer Bischöfe war Heinrich
gegen den Grafen und seine Gemahlin eingeschritten''*. Das ent-
ging dem Erzbischof nicht. Er hatte an der Kaiserin Kunigunde
eine einflußreiche Gönnerin; auch sie wußte er in sein Interesse
zu ziehen ^.
Stellen ist der Satz: Nonne, quando. Giesebrechts Ergänzung magistratus
trifft ohne Zweifel den Sinn; denn der Gegensatz noster ordo fordert die
Erwähnung der weltlichen Gewalt. Aber der Satz ist so ein Anakoluth : es
fehlt ihm das Zeitwort. Der bei JafFe angedeutete Raum ist für die not-
wendige Ergänzung zu klein; sonst könnte man vermuten, daß zu lesen
ist: Nonne, quando super illam anathematis vincula dabamus, principes nobis
erant adiutores etc. ^ Ep. 24 S. 360; vgl. 23 S. 359.
^ Angesichts dessen hat das entschiedene Auftreten Benedikts gegen
Aribo etwas sehr Auffalliges; doch weiß man, daß Benedikt auch sonst
gegen Heinrich handelte : vgl. die Angaben Hugos von Farfa S. 544. Hugo
hielt für möglich, daß seine Gegner ihn umbrächten, praecipue, quia ad-
iutorium domni papae habebant. Die Männer des Hofs machten sich darüber
nicht die mindeste Täuschung. Hugo hat seine Gegenmaßregel damals im
Einverständnis mit Piligrim von Köln getroffen. Als Heinrich 1022 nach
Süditalien kam, hat er*sein Verhalten gebilligt. Auch dies zeigt, daß die
herrschende Vorstellung über das Verhältnis von Kaiser und Papst einer
Revision bedarf.
^ In bezug auf die Erklärung des 24. Briefes glaube ich eine Stelle
anders als herkömmlich verstehen zu müssen. Man findet, so viel ich weiß,
allgemein in dem Satz, timeo, ut — Piligrimus — senioris mei artificioso
retardetur consilio, eine Beziehung auf Heinrich H. Das ist jedoch durchaus
unwahrscheinlich. Abgesehen davon, daß es von selten Aribos unklug ge-
wesen wäre, in einem Briefe an die Kaiserin den Kaiser tadelnd zu er-
wähnen, verbietet der Zusammenhang diese Erklärung. Durch proinde ist
der nächste Satz in so enge Beziehung mit dem vorhergehenden gesetzt,
daß die ungewöhnliche Zuvorkommenheit, mit der Piligrim in Rom be-
handelt wurde, als Erklärung des artificiosum consiliuni betrachtet werden
muß. Der Senior ist also der Papst, nicht der Kaiser. Aribo fürchtet, daß
— 540 —
So ließ sich die Angelegenheit zu einem ernstlichen Streit an.
Aber derselbe fand rascher ein Ende, als irgend jemand erwarten
konnte. "Wir wissen nicht, ob die beabsichtigte Synode, die am
Himmelfahrtsfest 1024 stattfinden sollte, zustande kam. Es mag
der Fall gewesen sein. Aber es ist keine Nachricht auf uns ge-
kommen, was sie beschloß. Nur vermuten kann man, daß sie die
Berechtigung der Exkommunikation Irmgards aufrecht erhielt \
Aber was sie auch beschlossen haben mag, von Rom aus wurde
die Angelegenheit nicht weiter verfolgt. Denn am 9. April 1024,
also jedenfalls vor der deutschen Synode starb Benedikt VIII. ^.
Am 13. Juli folgte ihm Kaiser Heinrich II. im Tode. Dadm'ch
wurden die großen Verhältnisse in Welt und Kirche so stark er-
schüttert, daß der kleine Streit über die Grenzen der bischöfhchen
und der päpstlichen Macht wie von selbst verstummte.
Fragt man nach dem Ergebnis, das die durch Heinrich und
Benedikt erneuerte Verbindung zwischen Deutschland und Rom
für die kirchliche Lage gehabt hat, so scheint mir die Sachlage
vollkommen durchsichtig. Der Satz, daß unter Heinrich eigenthch
nichts verloren gegangen sei^, gilt nicht nur für die Weltstellung
Deutschlands; er gilt ebenso für die Stellung des Königtums in
der Kirche. Die Folge davon, daß der Papst wieder mitzuhandeln
begann, war keineswegs, daß der Kaiser gegen den Papst zurück-
trat; weder tatsächlich noch scheinbar. Heinrich blieb auf dem
ersten Platze stehen. Aber die Verbindung mit Benedikt hatte für
ihn Wert. Er war auf die kirchlichen Beformgedanken, die in der
Welt vorhanden waren, eingegangen. Indem er einen Papst neben
sich hatte, der ihm seine Anerkennung verdankte, wurde es ihm
mögUch, die päpstUche Autorität für die von ihm beabsichtigten
Piligrim, durch die Gunst Benedikts bestochen, nicht in Höchst erscheinen
wird. Deshalb soll ihn Kunigunde, er mag wollen oder nicht, nach Höchst
senden. Hätte er so schreiben können, wenn er vermutet hätte, daß der
Kaiser ihn zurückhalten wolle? Über Heinrichs Stellung in der ganzen
Sache ist nichf das Geringste überliefert. Nur reden die Bischöfe so, als
wären sie dessen gewiß, daß er seine Anschauung über die Hammersteinische
Eheangelegenheit nicht geändert habe, ep. 25 S. 363: Ipsis pemiciose
luditur, si causa nostra durius tractatur. Daraus ergibt sich mindestens
daß er keine Unzufriedenheit mit den Beschlüssen von Seligenstadt kund-
gegeben hatte.
^ Denn Aribo hat auf der Frankfurter Synode von 1027 die Sache
wieder vorgebracht, vita I Godeh. 81 S. 190.
2 S. Hartmann in den Mtt. d. Inst. XV S. 483 ff.
ä L. V. Ranke, WG. VII S. 126. Das Folgende ist gegen Rankes Auf-
fassung gerichtet.
— 541 —
Reformen zu benützen. So wenig Benedikt persönlich von den
Reformgedanken berührt war, so hat er doch den Dienst, den der
Kaiser von ihm forderte, nicht versagt. Aber mehr, als Heinrich
verlangte, tat er nicht: besonders machte er keinen Versuch, die
Kurie umzuwandeln; als er starb, gab es an ihr keinen einzigen
Träger des ßeformgedankens. Die Folge davon war, daß die
Führerschaft der kirchlichen Entwickelung dem Kaiser blieb. Alles
kam deshalb auf die Person des neuen Herrschers an.
Mit der Thronbesteigung Konrads 11.^ ging die Krone wieder
an eine Familie fränkischen Stammes über. Unter den deutschen
Stämmen hat der fränkische sich stets dadurch ausgezeichnet, daß
der Gedanke des Reichs bei ihm das kräftigste Leben hatte. Es
erscheint wie ein Bekenntnis zu dem Reichsgedanken, daß der neue
König seinen ersten Ritt nach Aachen richtete, dahin, sagt Konrads
Biograph, wo von den alten Königen und besonders von Karl der
Thron des Reichs aufgestellt worden ist^. In diesem offenen An-
knüpfen an die großen fränkischen Erinnerungen lag kein Gegen-
satz gegen Heinrich 11. Aber die Charakterverschiedenheit der
beiden Fürsten tritt doch recht klar hervor. Konrad hebte es,
seine Farbe frei und unverhohlen zu bekennen.
Überhaupt war er seinem Vorgänger wenig ähnHch. Schon
dadurch unterschied er sich von ihm, daß er kein Gelehrter war^
Während Heinrich in seiner Jugend den Studien, auch der Theologie
nahe getreten war, blieb Konrad stets ein FremdHng in allem, was
der hterarischen Welt angehörte. Aber der Mangel an gelehrter
Bildung ward weit aufgewogen durch hervorragende natürhche Be-
gabung. Konrad gehörte zu den glückhchen Naturen, deren klarer,
schlagfertiger Verstand stets den rechten Punkt trifft*. Wenn man
die fast sentenziöse Zuspitzung, die er seinen Worten zu verleihen
wußte ^, beachtet, so sieht man, wie scharf er beobachtete, wie klar
1 Über Konrad II. Giesebrecht, KZ. II S. 217 ff. Breßlau, JB. d. deutsch.
R. unter Konrad II. (1879 u. 1884), Nitzsch, Gesch. des deutschen Volks 11
(1883) S. 16 ff. Lamprecht, D. G. II S. 296 ff. Die Hauptquelle für die
Persönlichkeit des Königs ist Wipo, Gesta Chuonr. imp.
2 Wipo 6 S. 21.
3 Ibid. Litteras ignorabat; ehr. Noval. app. 17 S. 100.
* Wolfheri nennt ihn klüger als Salomo und stärker als Simson, vit.
Bernw. cont. S. 167.
^ Vgl. z. B. die Antwort, die er dem Böhmenherzog Uodalrich gab,
als dieser ihm die Auslieferung des Polenfürsten Miseco anbot: er möge
nicht einen Feind von einem anderen kaufen, Wipo 29 S. 36, oder das
Wort, mit dem er den gefangenen Räuber Thasselgard empfängt: Das ist
— 542 —
er Großes und Kleines erfaßte, und wie lebhaft er über die Dinge
reflektierte. Verständlich, daß er die Aussprüche, welche das Urteil
des Volkes gewetzt hat, sich zu eigen machte : stets stand ihm ein
Sprichwort \ wohl auch ein Bibelspruch^ zu Gebote. Dadurch
erhielt seine Rede vollends ein scharfes, bestimmtes Gepräge. So
energisch sein Verstand war, noch leidenschaftHcher war doch sein
Wille. Darin besonders war er das Gegenteil Heinrichs. Auch
dieser war willensstark; aber er wußte in stetiger Arbeit die Hemm-
nisse, die in seinem Wege lagen, zu überwinden oder zu umgehen;
es kam nie zu einem heftigen Ausbruch. Konrad dagegen empörte
sich gegen alles, was ihm in den Weg trat; wie ein Wettersturm
stürmte er dagegen an. Wehe dem, der seinen Zorn erregte! Wie
sachte pflegte Heinrich mit den Bischöfen zu handeln; Konrad hat
sich nicht gescheut, einem verdienten Prälaten unter lauten
Schmähungen die Türe zu weisend Die weltüchen Herren be-
handelte er nicht anders: einen adeligen B,äuber schützte der Adel
nicht vor dem Galgen*. Wenn es galt, seinen Willen durchzusetzen,
so empfand er keine körperliche Anstrengung^; aber ein unerwartetes
Hindernis konnte ihn auf das tiefste erregen: als die Absetzung
des Herzogs Adalbero an dem Widerspruch seines Lohnes Heinrich
zu scheitern di'ohte, überwältigte ihn die Heftigkeit dermaßen, daß
er im Kreis der Füi-sten von einer Ohnmacht befallen wurde; man
trug ihn für tot auf s_ein Bett^ Seine scharfe Geistesart war
nicht gemildert durch einen ähnlichen Zug von Gutmütigkeit, wie
wir ihn an Heinrich bemerkten. Milde, B,ücksicht, JYeundlichkeit
war ihm fremd. Man kann nicht kälter über den tragischen Aas-
gang eines Unglücklichen urteilen, als er über die Katastrophe
seines Stiefsohnes Ernst. Als ihm gemeldet wurde, daß der junge
Herzog einen tapferen Reiterstod gefunden habe, wiederholte er
nur das Sprichwort: Bissige Hunde haben selten Junge '. Es
also der Löwe, der das italienische Wild zerrissen hat. Beim heiligen Kreuz
des Herrn, ein solcher Löwe wird nicht länger von meiner Speise fressen,
ib. 18 S. 29.
1 S. u. A.nm. 7. ^ -^jpo 5 g 20.
^ Ibid. Vehementissirae in episcopum (Egilbert von Freising, Erzieher
Heinrichs HI.) animatus, inconvenientibus et multimodis conviciis cum
magna verecundia ac pudore limen excedere, caminadam egredi precepit.
* Wipo IS S. 28 f.
5 Wipo erzählt, daß er fast 100 lateinische Meilen, d. h. gegen 20
deutsche, in einem Ritt zurücklegte, um Thasselgard nicht entwischen
zu lassen.
» Bf an Azecho von Worms im ÜB. d. St. Worms I S. 358 f. Nr. 21.
' Wipo 28 S. 35. ■
— 543 —
wehte eine rauhe, strenge Luft an seinem Hof; das zarte Königs-
töchterlein aus dem Norden, das er für seinen Sohn geworben hatte,
seufzte wohl darüber: sie habe niemand, der sie mit väterlichen
Worten tröstet
Aber dieser Mann, von dem man sagen könnte, er war ganz
Kraft, war ein König, wie ihn Deutschland bedurfte. Man konnte
sich stets auf ihn, auf seine Gesinnung, auf sein Wort und auf
seinen Arm verlassen^. Ihm eignete das angeborene poHtische
Talent: er bedurfte keine Zeit, sich in den Geschäften des Reichs
zurechtzufinden; vom ersten Moment an saß er fest im Sattel.
Nie hat ein Herrscher von seiner Pflicht, das Recht zu schirmen,
höher gedacht als er. Es sieht aus wie eine erdichtete Geschichte,
wenn Wipo erzählt ^, Konrad sei auf seinem Gang zur Krönung
von ein paar geringen Leuten, die Recht " heischten, aufgehalten
worden; er sei sofort stille gestanden, um ihrem Verlangen zu will-
fahren; als einer der Fürsten mahnte, den Gottesdienst und die
Bj-önung nicht zu verzögern, habe er- ihn schroff zurückgewiesen:
dem König gezieme es, zuerst die Königspflicht zu erfüllen und
dann von ihr zu hören; denn nicht die Hörer, sondern die Täter
des Wortes würden gerechtfertigt. Aber man wird den Vorgang
für ein wirkliches Ereignis betrachten dürfen: er gehört zu jenen
programmatischen Handlungen des Königs; jedermann sollte wissen,
was er wollte. Demgemäß handelte er stets. Er berief sich wohl
bei der Bestätigung eines Rechtsgeschäfts ausdrücklich auf die ge-
setzliche Grundlage desselben*. Gesetzwidrige Handlungen konnten
ihn auf das tiefste empören. Als ihm bekannt wurde, daß Hörige
des Bistums Verden verkauft wurden, schritt er sofort dagegen ein.
Man glaubt seine Entrüstung in seinen Worten zu spüren, wenn
er das vor Gott und Menschen verabscheuenswerte Unterfangen
^ S. die hübsche Schilderung in dem Brief an Azecho, S. 350 Nr. 4:
Quam (Gunhilde) etiam post vestrum (des Bischofs) discessum a nomine
se amigdalis donatam, paternis verbis consolatam, satis muliebriter inge-
muisse sciatis.
^ Wipo 2 S. 15: Verax in dictis, strenuus in factis. 6 S. 21: In rebus
agendis efficax. Rud. Glab. Hist. IV praef. S. 66: Audax animo et viribus
ingens, sed fide non multum firmus; ich verstehe die letzten Worte nicht
wie Nitzsch II S. 20 ,von wankelmütiger Treue". Sie finden ihre Erklärung
in dem, was sofort über die Ehe Konrads gesagt wird. Die fides ist also
als Glaube zu verstehen. Adam 11,54 S. 78: Fortissimus Caesar.
3 Wipo 6 S. 19 f.
* Stumpf 1894: Non aliqua sui honoris praesumptione elatus sed
potius canonica capitularique . . auctoritate fultus.
— 544 —
tadelt, Hörige wie unvernünftige Tiere zu verhandeln^. Es lag
ihm ebensoviel daran, die Rechtsverhältnisse durch schriftliche
Formulierung sicher zu stellen^, wie jeden Bnich des Friedens zu
verhindern ^.
Die innere Politik Konrads trug im wesentlichen einen kon-
servativen Zug. An dem, was Recht geworden war, änderte er
nichts: es ist nicht anzunehmen, daß er die Absicht hegte, die
Herzogtümer zu beseitigen*. Die Macht der Zentralgewalt wußte
er gleichwohl zu heben. Einerseits behandelte er die Herzoge
wieder als königliche Beamte, indem er unbedingten Gehorsam von
ihnen forderte^; andererseits schuf er durch die Anerkennung der
Erblichkeit der Lehen im kleinen Laienadel ein Gegengewicht gegen
die Fürsten^, endlich aber wußte er durch Revindikation und
sorgfältige Verwaltung die Leistungsfähigkeit des Königsguts zu
heben'. Li der äußeren Pohtik hatte er die größten Erfolge: es
gelang ihm, die von Heinrich II. angebahnte Vereinigung Burgunds
mit Deutschland durchzuführen. In Italien sicherte er die deutsche
Herrschaft. Durch die Zurücknahme der Lausitz verschaffte er der
Macht des Reichs in dem noch unsicheren Grenzgebiete zwischen
Elbe und Oder wieder das Übergewicht über Polen. Überall be-
fand sich Deutschland im Vordringen.
Für uns kommt nur die Frage in Betracht, wie dieser glück-
liche Herrscher die kirchlichen Verhältnisse behandelte^.
Wir haben Konrad als Gönner des Abts Poppo kennen ge-
lernt^. Aber nichts wäre irriger als anzunehmen, daß er von den
Gedanken, in denen die Reformmönche lebten, ergriffen war. Seine
1 C. I. I S. 85.
2 Jus famil. Lintburg. C.I. I S. 87 : Ne quis superventurorum abbatnm
plus quam debeat ab ecclesiae familia extorqueat, neve familia vetustate
temporum sui iuris oblita contra abbatem superbiendo ecclesie debita exol-
vere negligat, visum est nobis signare, quid abbas, si opus fuerit, exquirat,
quidve familia exolvere debeat. Vgl. das später interpolierte Recht der
Ministerialen in Weißenburg a. S., ibid. S. 678 f.
^ Zusatz zu Adern. Hist. 111,62 Scr. IV S. 144 f.: Forti«- animo et rec-
tissimus in iudicio. Petrus Crassus spricht in seiner defens. Heinr. 6 L. d. 1.
I S. 444 von der alta pax regni et tranquilla während seiner Regierung.
* S. Breßlau, JB. Konrads II S. 348 ff. gegen Giesebrecht.
" Breßlau S. 352 verweist hierfür auf den Anm. 1 angef. Erlaß.
* Vgl. die Verhandlung zu Ulm zwischen Herzog Ernst und seinen
Lehnsträgern, Wipo 20 S. 30. ' S. Nitzsch II S. 21 ff.
8 Vgl. Pfenninger, Die kirchliche Politik Kaiser Konrads IL, Halle 1880,
dessen Auffassung ich freilich in vielen Punkten nicht zustimmen kann.
« S. oben S. 501 ff. ^ .
— 545 —
Stellung war in diesem Punkte weit verschieden von der seines
Vorgängers. Gewiß, auch er tritt nicht aus der Gesamtanschauung
seines Jahrhunderts heraus. Nirgend hat er Abneigung oder auch
7iur Gleichgiltigkeit gegen die Kirche und ihre Einrichtungen ge-
zeigt; er war nicht indifferent im modernen Sinne des Wortes.
Das ist eine Gesinnung, die dem Anfang des elften Jahrhunderts,
so weit wir es kennen, noch gänzlich fremd war. Konrad ließ sich
denn auch nicht genügen, die kirchlichen Feste mit einem gewissen
Pomp zu begehen ^ und durch seine Kirchenbauten am Rhein und
in Goslar dem Glanz der Kirche zu dienen^. Indem er sich in
die Bruderschaft verschiedener geistlicher Stifter aufnehmen ließ^,
bewies er, daß auch ihn das, worauf die Frömmigkeit der Zeit
"Wert legte, nicht wertlos dünkte. Dasselbe liegt in seiner Förderung
der Klosterreform, in seinem Verkehr mit Poppo und Odilo^ Dem
widerspricht auch nicht, daß Konrad die Vorschriften der Kirche
nicht allewege als bindend betrachtete. Besonders wird man darauf
kein Gewicht legen dürfen, daß er in verbotener Ehe lebte ^\ Denn
noch war das deutsche Volk weit davon entfernt, die Beobachtung
des kanonischen Eherechts als Gewissenspflicht anzuerkennen.
Selbst den Vorwurf der Simonie darf man nicht überschätzen. Er
war nicht grundlos. Eines der ersten Bistümer, das sich nach
Konrads Regierungsantritt erledigte, war Lüttich : Bischof Reginard
hat es durch Geldzahlungen erworben^. Als einige Monate später
Basel zu besetzen war, mußte auch hier der neue Bischof Ulrich
^ Die Festfeier vielfach erwähnt, s. Ann. Quedl. z. 1025, Herim. Aug.
z. 1026, 1027, 1029 u. ö.
2 Über die rheinischen Bauten oben S. 501 und unten Kap. VII; über
Georgenberg in Goslar die Urk. Heinrichs V., Stumpf 3025.
^ Er trat in die Bruderschaft des Eichstätter Domkapitels ein, Gundech.
lib. pont. Eichst. Scr. VIII, 250, 5 ; ebenso in die des Obermünsters in
Regensburg, Stumpf 1990.
* Vgl. Jots. vita Odil. I, 7 S 902 u. II, 12 S. 924 f.; Chr. Noval. app. 5
S. 92f.; J.W. 4079; Stumpf 1941.
5 Rud. Glab. Hist. IV praef. S. 66 und Wipo 4 S. 19. Daß Wipo und
Rudolf Glab. sich gegenseitig ergänzen, ist einleuchtend, so unsicher der
Bericht des letzteren im einzelnen ist. Ich muß auch nach v. Pflugk-
Harttungs Untersuchung (Unters, z. Gesch. K. Konrads II S. 59 ff.) dahin-
gestellt sein lassen, wie viel von dem, was nicht anderweit bezeugt ist, als
glaubwürdig betrachtet werden kann.
* Durand von Lüttich starb im Januar 1025; über Reginards Simonie
chron. s. Laur. 28 Scr. VIII S. 271.
Hauck, Kirchengeschichte. III. "5
— 546 —
eine große Geldsumme erlegen ^ Ebenso ging es mit den Klöstern:
der Bischof von Como konnte die Abtei Novalese kaufen^. Und
das wurde niemals anders. Wenn Konrad Avirklich sich einmal
überzeugen ließ, daß die Simonie Unrecht sei^, so ist doch gewiß,
daß er das Gelübde, nie wieder ein Bistum oder eine Abtei um
Geld zu vergeben, nicht gehalten hat*. Die Bezahlung für kirch-
liche Amter blieb, solange er lebte, herrschend. Aber daß Kon-
rad so handelte, entschuldigte er vor sich selbst damit, daß er sagte,
er könne sonst das Reich nicht regieren'^. Dieser obersten Rück-
sicht gegenüber mußten alle anderen zurücktreten. Und diese
Entschuldigung wurde kirchlicherseits nicht abgelehnt. Mochte des-
halb auch der eine oder der andere Cluniacenser den König tadeln
als nicht gar fest im Glauben ^, so sahen dodh weder der deutsche
Episkopat noch die Führer der Reformmönche in seinem Verhalten
einen Grund, ihm entgegenzutreten.
Je weniger an einen Zwiespalt zwischen dem König und der
Kirche zu denken war, um so ungestörter behauptete Konrad das
gewohnte Regiment in der Kirche. Man kann nicht sagen, daß
er sie auf ihrem Gebiet gewähren ließ: denn auf allen Seiten griff
er in die kirchhchen Verhältnisse ein. Alle Regierungsrechte, die sein
Vorgänger geübt hatte, handhabte auch er: er ernannte die Bischöfe'
1 Adalbero von Basel starb am 12. oder 13. Mai 1025; über den Kauf
des Bistums durch Udalrich Wipo 8 S. 23; er spricht von immensa pecunia.
2 Chron. Noval. app. 5 S. 92 f. ^ go Wipo a. a. 0.
* Wipo selbst sagt nur: In quo voto paene bene permausit. Dadurch
erhält die Angabe Rudolfs Glaber in der Heinrich in den Mund gelegten
Rede, Hist. V, 5, Gewicht.
s Petr. Damiani lib. grat. 38 L. d. 1. I S. 72. Genannt ist hier Konrad
nicht; aber wenn an der Bemerkung etwas Wahres ist, so muß sie sich
zunächst auf ihn beziehen.
ß Rud. Glab. Hist. IV praef. S. o. S. 543 Anm. 2. Ein sehr feindseliges
Urteil findet sich in d. Chron. Venet. v. Altin. Scr. XIV S. 57: Depredator
et davastator ecclesiarum, ante ut imperasset, detentus latrocinium, dene-
gatorem (? necatorem Simonsfeld) filii et filie aiienorum, et ecclesiasticorum
ordinum et dona Spiritus s. venditorem omni malitia et nequitia.
' Unter Konrads Regierung fallen 36 Neubesetzungen deutscher Bis-
tümer. Wenn mir keine Notiz entgangen ist, so wird in 17 Fällen über
das Verfahren ni,chts erwähnt ; bei zweien steht die Simonie (s. o.) fest,
bei vieren: Azecho von Worms 1025, Brief Aribos ÜB. d. St. Worms I S. 852,
Bardo von Mainz 1031, vita Bard. mai. 11 flf. S. 327, Brun v. Würzburg 1034,
Herim. Aug. z. d. J., und Rudolf von Paderborn 1036, Lamb. Inst. Herv.
eccl. S. 350, wird die königliche Ernennung erwähnt; dazu kommen der
favore Gislae imperatricis ernannte Lievizo von Hamburg 1029 oder 1030,
— 547 —
und Abte^. Wie unter Heinrich galt ausnahmslos der Grundsatz,
daß das Bistum vergeben wird nicht durch Wahl, sondern durch
die Gabe des Königs". Jetzt wie bisher verstand es sich zwar
von selbst, daß der König nicht ohne den Rat der Großen handelte^;
doch trat das persönliche Element stärker als früher hervor: sowohl
darin, daß die Meinung der Königin Gisla von großem Gewicht
war, als auch darin, daß Konrad, wenn er sich für einen Kandi-
daten entschieden hatte, keinen Wert darauf legte, daß jede Rechts-
form beobachtet wurde, Azecho von Worms wiu-de ernannt, ohne
daß der Metropolit, Aribu von Mainz, von der Beratung und der
Wahl auch nur benachrichtigt worden wäre. Er war auf das höchste
erstaunt, als eine Botschaft der Wormser ihn zur Vornahme der
Konsekration einlud*. Und zeigt sich nicht auch darin das persön-
liche Element, daß Konrad in wissenschaftlicher Bildung keine un-
erläßliche Bedingung für die Übertragung des bischöflichen Amtes
sah ? Auf Godehard folgte in Hildesheim Thietmar, dem die theo-
logische Erudition mangelte ^.
Ebenso bestimmt hielt Konrad an den königlichen Rechten
über das Kirchen gut fest; daß die Vertauschung von kirchlichem
Besitz an seine Zustimmung gebunden war, entsprach dem alten,
immer noch giltigen Recht ^. Es war ein Schutz gegen Ver-
schleuderung. Aber Konrad trug so wenig Bedenken als Heinrich
Kirchengut für den könighchen Dienst zu verwenden und dadurch
der Kirche zu entziehen. Von den verschiedensten Klöstern hören
wir, daß entweder er selbst Güter derselben vergab, oder daß die
Adam II, 61 S. 82, Gebliard von Regensburg, der Halbbruder Konrads 1036,
Herim. Aug. z. d. J. S. 122, und Wilhelm von Straßburg, sein Oheim, 1029,
Ann. Hild., Lamb. z. d. J., Wipo 2 S. 12, endlich acht Glieder der Kanzlei:
1029 Eberhard von Augsburg, Ann. Hild., Lamb., August., 1034 Eberhard
von Konstanz, Ann. Sangall. mai., Hild., Augast., 1035 Adelbrand von Ham-
burg, Ann. Hild., 1036 Hermann IL von Köln, Ann. Hild., Burchard von
Halberstadt, Gest. ep. Halb. Scr. XXIII S. 95, 1037 Brun von Minden, Ann.
Hild., Alberich von Osnabrück, ibid., 1038 Thietmar von Hildesheim, Ann.
Hild. Dagegen wissen wir nur von 2 Bischöfen, die frei gewählt wurden :
Brun von Toul 1027, vita Leon. 8 f. S. 135 f., und 1037 Nithard von Lüttich,
Ans. Gest. ep. Leod. 38 S. 210, vgl. 49 S. 218.
Nach dem Rücktritt Albins von Tegernsee 1031 wählten die Mönche
Ellinger zum Abte, waren aber voll Besorgnis, der König werde einen
Abt von auswärts ernennen, Bf an Egilbert von Freising, Pez VI, 1 S. 156
Nr. 40. - Chron. s. Laur. z. 1018 S. 267; vgl. oben S. 404.
3 Vgl. vita Bardon. mai. 11 ff. S. 327.
* Brief Aribos a. a. 0. ^ Vita II Godeh. 33 S. 215.
-* Vgl. Stumpf 1894, 1959, 1969, 2021, 2049, 2076, 2079.
35*
— 548 —
Klöster genötigt wurden, sie nach seinem Willen zu vergeben: so
ging es in St. Maximin ^, Echteniach^, Corvey^, Hersfeld*,
Lorsch^, Reichenau*, Tegemseel Auch einem Bischof konnte es
begegnen, daß ihm der Befehl zugestellt wurde, eine bischöfliche
Abtei einem anderen Stifte zu überlassen^, oder auf eine Graf-
schaft, die dem Bistum gehörte, zu verzichten ^ Was unter Hein-
rich niemals geschehen war, geschah jetzt: selbst die königlichen
Klöster waren nicht davor sicher, als Lehn vergeben zu werden:
Herzog Ernst erhielt von Konrad die Abtei Kempten^".
Hier überall ist kein Unterschied, höchstens könnte man sagen.
daß Konrad rücksichtsloser verfuhr als Heinrich: der Unterschied
der Personen machte sich bemerkhch. Ebenso griff er in die
kirchliche Administration bald da, bald dort mit der Lebhaftigkeit
ein, die seinem Temperament entsprach. Bezeichnend dafür ist,
daß er schon in der ersten Zeit seiner Regierung die beiden Fi-agen
zur Erledigung brachte, die den deutschen Episkopat schon so
lange in Spannung hielten: den Gandersheimer Streit und die
Ehesache Ottos von Hammerstein.
Aribo hatte nach seinem ersten Mißhngen die Mainzer An-
1 MRh. ÜB. I S. 858 Nr. 306; vgl. hierzu, sowie zum Folgenden Breßlau,
JB. Konradß II S. 366 f.
* Brief des Abts Humbert an Gisela bei Mone Anzeiger 1888 S. 205
Nr. 2 ; er beklagt sich darüber, daß von dem Wenigen, das dem Kloster
geblieben ist, das Meiste nee per nostram nee per vestrae reverentiae
licentiam weggenommen wird. Vgl. Stumpf 2208.
3 Erhard Reg.Westf. 1,2 S. 90 Nr. 115: Konrad restituiert dem Kloster
Corvey ein entfremdetes Gut, veranlaßt aber zugleich die Belebnung der
Besitzerin und ihres gohnes mit Klostergut; der letztere soll das Lehn
lebenslänglich behalten, nisi hunc munificentia nostra alicubi prius promo-
veri contingat. * Stumpf 2235.
5 Brief der Mönche an Bardo von Mainz bei Mone a. a. 0. S, 207 Nr. 4.
6 Wipo 28 S. 35.
' Pez VI, 1 S. 156 Nr. 40, denn bei der Klage: Variis perturbationum
fiuctibus plus quam ulla alia congregatio saepe illidimur, ist wohl zunächst
an Vermögens Verluste zu denken.
9 Ann. Hild. z. 1039 S. 48; Ann. Saxo z. 1039 S. 682: Bruno von Minden
soll Wunstorf an die Äbtissin Alberade von Möllenbeck abtreten.
» Stumpf 2045: Konrad entzog auf Betreiben Aribos dem Bistum
Paderborn die ihm von Heinrich U. übergebene Grafschaft Duodicos; er
sagt: Eundem comitatum a praefata ecclesia tulimus et in ius Magontinae
ecclesiae, rüdes adhuc in regno, iniusto persuasi consilio, irrationabiliter
transtulimus et transmutavimus. In der angef. ürk. restituiert er die Graf-
schaft an Paderborn. ^^ Wipo 11 S. 25. Herim. z. 1026.
— 549 —
spräche auf Gandersheim ruhen lassen. Durch den Regierungs-
wechsel dagegen schien ihm die Möglichkeit gegeben, sie zu er-
neuern ^. Und er hatte nun insofern Erfolg, als Konrad nach einer
Beratung mit den Großen eine neue Untersuchung der Streitfrage
anordnete. Zu diesem Zweck fand im März 1025 eine Synode zu
Grona statt. Die anwesenden Bischöfe und Abte entschieden von
neuem, daß Hildesheim im Rechte sei: demgemäß übergab der
König unter Vorbehalt der Entscheidung einer allgemeinen Synode
die Parochie Gandersheim dem Bischof Godehard zu unbeschränkter
Verwaltung. Aber hiergegen erhob nun Aribo Einsprache, und
da jeder der beiden Prälaten seinen Anspruch sofort durchführen
wollte, so kam es zu den ärgerlichsten Szenen. Aribo berief, um
die Sache zu fördern, für den 21. September 1026 eine Diözesan-
synode nach Seligenstadt'. Hier erklärte er sich bereit, durch den
Eid von hundert Priestern und dreihundert Laien zu erhärten, daß
die Parochie Gandersheim zu Mainz gehöre. Godehard bestand
darauf, daß in dieser Sache nur das Zeugnis der Bischöfe ent-
scheiden könne. Die Synode aber wagte in Abwesenheit des
Königs keinen Entscheid zu fällen, verschob also die Beschluß-
fassung bis auf eine neue Zusammenkunft. Diese fand unter
Leitung Konrads am 23. und 24. September 1027 in Frankfurt
statte Schon die Art, wie der Sitz des Kaisers — Aribo gegen-
über zwischen den Erzbischöfen von Köln und Magdeburg — an-
1 Auch über die letzte Zeit des Gandersheimer Streits haben wir nur
die Hildesheimer Quellen, s. o. S. 418. Daß sie vom Parteistandpunkt aus
geschrieben sind, ist einleuchtend, deshalb ist Vorsicht in ihrer Benützung
geboten, zumal da sich an einem Punkte die schwerlich absichtslose ün-
genauigkeit Wolf heris beweisen läßt. Er behauptet, vit. I Godeh. 30 S. 189,
Aribo habe den Hildesheimer Bischof ex nomine tam apostolici quam regis
zur Synode von Seligenstadt geladen. Das erhaltene Einladungsschreiben,
ep. Mog. 26 S. 363, beweist, daß daran kein Wort wahr ist. Wenn er die
Tatsachen öfter mit solchen Zügen eigener Erfindung bereicherte, so ist
das Bild von Personen und Verhältnissen, das er gibt, schlimm verschoben.
Ich halte mich deshalb nur an die Tatsachen, die er mitteilt, ohne seine
Auffassung zu wiederholen. Über die Zeit der Synode von Grona s. Breßlau,
JB. Konrads I S. 50 Anm. 4.
2 Über diese Synode eine Notiz auch in den Ann. Altah. z. 1026 S. 18,
bei dem Ann. Saxo S. 677 und in der vita Meinw. 199 S. 153.
3 Außer in den Hildesheimer Biographien erwähnt im ehr. Hild.
Scr. VII S. 852; Ann. Hild. S. 34, Ann. Saxo S. 677, vita Meinw. 200 S. 154.
Das Resultat in einem offenen Brief Godehards verkündigt s. ÜB. d. H.
Hildesh. 1 S. 76 Nr. 73. Eine Notiz aus einem Wolfenb. Kodex Scr. XI
S. 190 Note c.
— 550 —
geordnet war, zeigt, daß man ihn neben Aribo als das Haupt der
Synode betrachtete. Aus der Mitte der Bischöfe wurde der Vor-
schlag zu einem Vergleich zwischen den beiden streitenden Teilen
gemacht. Aribo wäre dazu bereit gewesen: aber Godehard war un-
beugsam, er bestand auf einem synodalen Urteil, Wie zu erwarten
war, fiel dasselbe gegen Mainz aus: der von Aribo angebotene
Beweis durch das Zeugnis von Laien wurde abgelehnt. Die Synode
ging vielmehr zurück auf den Verzicht des Erzbischofs "Willi gis:
sie fand in ihm den Verzicht auf das Kloster samt- der Parochie^
demgemäß wurde das Urteil von Grona erneuert. Aber auch jetzt
kam der Streit noch nicht zu Ende. Schon auf der Synode zu
Geisleden im nächsten Jahr stand die Gandersheimer Frage
wieder auf der Tagesordnung^, und auf dem Tag zu Pöhlde am
6. Oktober 1028 en-eichte endlich Aribo, was er so lange erstrebt
hatte: die Abänderung aller bisher ergangenen Urteile: zwar wurde
das Kloster Godehard bestätigt, aber es wurde zugleich bestimmt,
daß die umliegenden Ortschaften zwischen beiden Bistümern geteilt
werden sollten^.
Dieser letzte Beschluß in dem langen Streit hat etwas Über-
raschendes. Nicht nur, weil in ihm genau genommen eine runde
Anerkennung des Mainzer Eigentumsrechts auf Gandersheim liegt:
nur ehrenhalber sollte Godehard im Besitz des Klosters bleiben;
sondern besonders, Aveil dieser Entscheid durch den Kaiser getroffen
wurde. Gewiß handelte es sich nur um einen schiedsrichterlichen
Spruch : aber wie fest muß die Autorität Konrads gestanden haben,
wenn Godehard nach alledem, was vorhergegangen war, nicht
Widerstand zu leisten vermochte. Mit gutem Grund erinnerte
der Hildesheimer Propst Wigger an den übereinstimmenden Ent-
scheid in allen Vorverhandlungen seit dem Urteil Silvesters II.
Aber diese Erinnerung vnirde von der Synode mit einer gewissen
Indignation aufgenommen: sie hinderte nicht, daß Godehard sich
fügen mußte.
So ist die Entscheidung von Pöhlde ein sprechender Beweis
für die Übermacht des königlichen Einflusses in den kirchlichen
Angelegenheiten. Auch das Weitere ist ein Beweis dafür. Godehard
hatte die Annahme des Schiedsrichterspruchs davon abhängig ge-
macht, daß der Klerus und die Ministerialen von Hildesheim nicht
widersprechen würden. Sie widersprachen jedoch. Ich möchte
Godehard nicht mit dem Vorwurf belasten, daß er ein doppeltes
Spiel gespielt und den Widerstand der Seinen selbst hervorgerufen
1 Ann. Hild. S. 35.
2 Ann. Hild. z. 1029 S. 35. Über d. Jahr s. Ereßlau, JB. K.'s I S. 355 ff.
— 551 —
habe. Genug, daß sie widersprachen und daß deshalb zunächst
die Teilung unterblieb. Aber wer kann glauben, daß Aribo, der
sich dem Urteil von Päpsten und Kaisern nicht gebeugt hatte-, vor
dem Widerspruch einiger Domherrn und Lehnsleute seine Sache
verloren gab? Das ist so unwahrscheinlich, daß man es als un-
richtig bezeichnen darf^ Um so wahrscheinlicher ist, daß er nun
ein gutes persönliches Verhältnis zu Godehard suchte^: denn wenn
er dies erreichte, war der Widerspruch der Ministerialen leicht zu
bewältigen. Es gelang ihm wirklich. Aber er konnte die Frucht
davon nicht mehr ernten; denn auf der Rückreise von Rom, wohin
er sich anfangs Februar 1031 begeben hatte, ist er am 6. April
in Como gestorben. Gleichwohl war der kaiserliche Schiedsspruch
' nicht vergeblich getällt: das Gandersheimer Territorium wurde
• zwischen Mainz und Hildesheim geteilt^.
1 Vita I Godeh. 35 S. 193.
2 Das wird das Tatsächliche an der von den Hildesheim er Annalen
z. J. 1030 S. 35 und von Wolfheri vit. I Godeh. 36 S. 193 erzählten Szene
sein, die insgeheim zwischen den beiden Bischöfen spielte. Beide Bericht-
erstatter berufen sich auf Äußerungen Godehards: wir stehen also wieder
einem einseitigen Zeugnis gegenüber. Wolfheri aber zeigt von neuem seine
Neigung, zu übertreiben. Nach den Annalen sagt Aribo, se super eadem
parrochia errasse ; nach Wolfheri, se pro parte ignoranter errasse, pro parte
malignanter peccasse; nach den Annalen verspricht er nur de praeterita
lite perpetuam taciturnitatem, nach Wolfheri überhaupt, super talibus se
perpetuo taciturum. Es ist klar, daß nur nach Wolfheri, aber nicht nach
den Annalen Aiibo auf den ihm durch den Schiedsspruch Konrads ge-
sicherten Rechtsboden verzichtet. Welcher Quelle unter diesen Verhältnissen
Glauben zu schenken ist, braucht man nicht zu beweisen. Müller läßt
freilich Aribo einen an Ansehen und Tatkraft durchaus gebrochenen Mann
sein, S. 60. Aber was vita ßard. mai. 10 S. 327 über seinen Zusammenstoß
mit Bardo von Hersfeld am Weihnachtsfest 1030 erzählt wird, paßt nicht
für einen gebrochenen Mann. Auch Wolfheri hat ihn nicht für einen solchen
gehalten; denn er spricht von seiner immatura mors, c. 36 S. 194.
^ Diese Ansicht eines älteren, mit den lokalen Verhältnissen genau
vertrauten Forschers hat die größte Wahrscheinlichkeit. Lüntzel sagt.
,Man muß nach dem späteren Zustand annehmen, daß eine solche Teilung
dennoch erfolgte. Die Freigrafschaft im Flenithigau, welche auf Winzen-
burg ruhte, und also unser Gau selbst erstreckte sich südlicher als die
spätere Diözesangrenze. Außerdem kann man das Land oder die Mark
Gandersheim mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aus den, dem Stifte über
die umliegenden, von jenem gegründeten oder sich doch von ihm ablösenden
Kirchen zustehenden Patronatsrechten entnehmen, und auch diese Rechte
erstrecken sich wenigstens bis zur Aue", Die -ältere Diözese Hildesheim
1837 S. 29.
— 552 —
Ahnlich wie hier ging es bei dem Verfahren gegen Otto von
Hammerstein. Der Tod Benedikts VIII. hatte dieser Sache kein
Ende gemacht; er hatte nur eine Schwierigkeit auf Aribos Weg
beseitigt. Indem er auf der Frankfurter Synode das Verfahren
gegen Otto und seine Gemahlin erneuerte, bewies er, daß er ent-
schlossen war, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Allein er
fand unerwarteten Widerspruch. Auch Konrad lebte in verbotener
Ehe und er schätzte den Grafen: verständlich genug, daß er sich
seiner annahm. Ein unmittelbarer Eingriff in die kirchhche Dis-
ziplin war ausgeschlossen; aber es genügte seine Bitte, das einge-
leitete Verfahren zu unterbrechen: Aribo hat die Sache nie wieder
aufgenommen \ Mau erstaunt fast, daß eine Angelegenheit, die ein
Jahrzehnt lang den Kaiser, den Papst und die Bischöfe beschäftigt
hatte, so rasch von der Tagesordnung verschwinden konnte. Aber
um so einleuchtender ist, wie groß Konrads Einfluß auf die Kirche
war: der Prozeß wurde niedergeschlagen im Gegensatz zu allen
Vorentscheidungen, im Widerspruch gegen den klaren Buchstaben
des kirchlichen Hechts, nur weil er es so wollte.
Das waren zwei, zu einer gewissen Berühmtheit gelangte
Einzelfälle. Wichtiger ist eigentlich, daß Konrad in vielen anderen,
auf die man kaum achtete, ebenso handelte. Er betrachtete die
Bischöfe so bestimmt als seine Beamten, daß sie selbst die Reise
zu den Schwellen der Apostel nur mit seiner Erlaubnis ausführen
konnten-. Nicht minder ging er von der Voraussetzung aus, daß
Anordnungen in bezug auf den Kultus nur mit seiner Zustimmung
getroifen werden könnten. Auf der Synode zu Tribur ^, der er
1 Vita I Godeh. 31 S. 190. Ich lege kein Gewicht darauf, daß Konrad
bat. Denn das verstand sich bei dem Gegenstand von selbst. Um so be-
deutender ist, daß Aribo die Sache fallen ließ. Über Konrads Verhältnis
zu Otto von Hammerstein s. Breßlau, JB. Konrads I S. 229.
^ Vita II Godeh. 24 S. 209 ist erzählt, daß Aribo in einer Predigt an
Weihnachten 1031 licentiam ab imperatore et confratribus Romam pergendi
rogavit. Man wird in dieser Bitte mehr als eine rhetorische Wendung zu
erkennen haben.
' Ann. Hild. u. Altah z. 1036, die letzteren mit der irrigen Orts-
angabe Seligenstadt; Ann. Ottenb. u. August, z. 1035, Gest. pont. Camer.
III, 51. Die Beschlüsse C.I. I S. 88 Nr. 44. Sie beziehen sich zumeist auf
rein kirchliche Fragen; eine Ausnahme bildet c. 8 über die Friedelosigkeit
der Räuber. Die Synode fand nach Ostern 1036 statt; durch Stumpf 2077
ist der Aufenthalt Konrads in Tribur am 9. Mai gesichert. Doch wird man
die Synode näher an Ostern zu rücken haben. Denn c. 1 ordnet nicht ein
regelmäßig wiederkehrendes Fasten an, sondern 3 in der Woche vom
2. — 8. Mai 1036 zu beobachtende Fasttage.
— 553 —
präsidierte, ließ er ein dreitägiges Fasten beschließen und Beratungen
pflegen über die gleichmäßige Beobachtung der Fronfasten ^ und
über die allgemeine Feier des Ulrichstages '^. Die Frage nach der
Berechnung der Quatember hatte die deutschen Theologen schon
manches Jahr beschäftigt, ohne daß sie eine Erledigung fand; die
Feier des Ulrichstages war durch Papst Johann XV. angeordnet ^,
aber, wie es scheint, war die päpstliche Vorschrift wenig beachtet
worden: jetzt regelte Konrad beides selbständig. Wie energisch er
auf seinem Rechte, den Kultus zu ordnen, bestand, hatte Wilhelm
von Straßburg zu erfahren*. Konrad befand sich Ende November
1038 in Straßburg. Wilhelm beging den 26. November als das
Adventsfest; aber der Kaiser erklärte die hiebei zugrunde gelegte
^ Über diese Frage hatte die Seligenstädter Synode v. 1023 beschlossen,
daß, wenn der 1. März spätestens auf den Mittwoch fällt, in dieser Woche*
das Fasten zu halten sei, analog im Juni, September und Dezember, c. 2
S. 636. Dann hatte Bern von Reichenau sie von neuem* in einer Aribo
gewidmeten Schrift besprochen, s. o. S. 531 Anm. 5. Er entschied ebenso
wie die Seligenstädter Synode, c. 4 S. 1092. Es ergibt sich aber aus seiner
Schrift, daß andere urteilten, die Quatemberfasten seien in der Woche des
1. März zu begehen, auch wenn er auf einen der 3 letzten Wochentage
falle. Die Einigkeit war also nicht hergestellt. Jetzt in Tribur wurde die
Frage von neuem beraten, zugleich mit der anderen, was zu tun sei, wenn
der Beginn der Quadrages mit dem Fronfasten zusammentreffe. In erster
Hinsicht beschloß die Synode nach c. 1 S. 89 : leiunia q. t. nunquara prius
celebrentur, quam officia a s. Gregorio ad locum pertinentia ordinata in-
veniuntur. Verstehe ich recht, so ist die Meinung die gleiche : nicht im
Februar, sondern im März. Denn c. 34 der Mainzer Synode v. 813 S. 269
zeigt, daß man diesen Termin als d«n in Rom üblichen betrachtete. Über
die zweite Frage ging nach den Gest. pont. Cam. III, 51 S. 485 die eine
Meinung dahin, daß in diesem Fall amborum ieiuniorum celebritas una
officii expletione compleretur; die Gegenmeinung war, es sei in altera
hebdomada officium primi ieiunii celebrandum, d. h. es sei das erste Fron-
fasten auf die Woche nach Invokavit zu verschieben. Das letztere wurde
beschlossen. Übrigens war auch jetzt die Einheit nicht hergestellt, s. Sigi-
bert de differ. quat. temp. Migne 160 S. 813 ff.
- C. 3. Außerdem wurden simonistische Handlungen verboten: An-.
nähme von Geld für Taufe, Chrisma und Begräbnis, c. 4, für Verleihung
eines Altars; ferner fahrlässige Verschleuderung von Kirchengut, c. 7. Die
Anerkennung des bischöflichen Sendgerichts sollte erzwungen werden, c. 2;
ebenso die Leistung des Zehnten von den Slaven, c. 6. Es scheint mir
nicht richtig, hiebei an Einfluß der cluniacensischen Reformbestrebungen
zu denken. Auch Burchard hatte analoge Vorschriften in sein Dekret auf-
genommen, cf. 1,21—23; 112f.; HI, 110; IIB; 114; 117; IV, 71.
« J.W. 3848. * Annal. Spir. z. J. 1038 Scr. XVII S. 81 f.
— 554 —
Berechnung der Adventszeit für irrig, feierte seinerseits das Fest
acht Tage später in Limburg und Heß dort durch die Bischöfe, die
sich am Hofe einfanden, die ebenfalls schon lange strittige Frage
nach der Berechnung der Adventszeit entscheiden \ Eine wichtigere
von ihm getroffene Maßregel war die Verlegung des Bischofssitzes
von Zeitz nach Naumburg ^ Bistum und Ort Zeitz waren nicht
zur Blüte gekommen. Länger als ein halbes Jahrhundert bestand
die Gründung Ottos I., und noch gab es nicht ein Kloster oder Stift,
weder in der Stadt noch in der Diözese ^. Man suchte den Grund
in der unsicheren Lage am rechten Ufer der Elster*; noch immer
war das Wendenland nicht die rechte Heimstätte für christliche
Kirchen. Das war auch Kom-ads Urteil: er suchte nach' einem
sicheren Sitz für den Bischof" und meinte denselben in Naumburg
zu erkennen. Die „neue Burg", wie der Name zeigt, erst eine
deutsche Gründung, lag auf dem Rücken eines Höhenzuges unweit
des Einflusses der Unstrut in die Saale, war also durch ihre Lage
gegen einen plötzlichen Überfall gesichert. Sie gehörte den Söhnen
des Markgrafen Ekkehard, dem Markgrafen Hermann und seinem
* Auch hierüber haben wir ein Gutachten Berns und eine Entscheidung
Aribos. Die Frage war, ob, wenn Weihnachten auf den Montag fällt, der
vorhergehende Sonntag als 4. Adventssonntag zu betrachten sei, so daß
die Adventszeit nur 3 Wochen daure und der 4. Advent mit der Weihnachts-
vigil zusammenfalle, oder 6h dann die Adventszeit vier volle Wochen zu
dauern habe und der letzte Sonntag also nur als Weihnachtsvigil zu be-
gehen sei, de celebr. adv. 1 S. 1080. Bern erklärt sich für das erstere;
Aribo stimmte zu.
2 S. Lepsius I S. 11 1. Breßlau, JB. K.'s I S. 260 fif. Quellen sind die
Urk. Konrads, Stumpf 1996 u. 2035 v. 1029 u. 1032, die falsche, aber inhalt-
lich unanstößige Urk. Heinrichs III. 2403 v. 1051, ferner Urk. Johanns XIX.
J.W. 4087 V. 1028 u. Kadelohs von Naumburg Leps. S. 198 Nr. 11; über
J.W. 4099 s. Breßlau II S. 458 ff.; vgl. Ann. Saxo z. 1002 S. 648; Chr. Mont.
Ser. z. 1171 Scr. XXIII S. 155.
3 Wenn nicht etwa in Naumburg selbst, s. chron. ep.Merseb. 5 Scr. X
S. 178, wo die praepositura in Naumburg noviter fundata genannt ist. Die
ebenda erwähnte abbatia in Jena (Großjena an der Unstrut) tunc confirmata.
lag nicht im Bistum Zeitz.
* So einstimmig die Urkunden ; doch muß man bis vor 979 zurück-
gehen, um sichere Angaben über eine Plünderung von Zeitz durch die
Slaven zu finden ; sie wurden von einem Verräter, Dedi, dem Ahnherrn der
Wettiner, gegen die Stadt geführt, s. Thietm. III, 18 S. 59 u. VI, 50 S. 164;
über die Zeit s. Uhlirz, JB. I S. 91.
^ J.W. 4087: Cuius intuitu, Providentia ac moderatione erat inventum.
— 555 —
Bruder, dem jüngeren Ekkehai'd. Konrad bestimmte sie, die Burg
dem Bistum Zeitz für ewige Zeiten zu überlassen: die Verlegung
wurde sodann unter Beirat der Fürsten beschlossen und von Papst
Johann XIX. genehmigt. Im Jahre 1032 war sie vollzogen. Für
die Blüte des neuen Bischofssitzes war es ein gutes Omen, daß
die Handeltreibenden in dem nahen Orte Großjena sich entschlossen,
nach Naumburg überzusiedeln: der Bischof Cadalus förderte ihr
Vorhaben nach Kräften, Es folgte alsbald die Verleihung des
Markt-, Zoll- und Münzrechts ^. Auch mit dem Bau von zwei
Klöstern in der Bischofsstadt scheint nicht lange danach begonnen
worden zu sein^. So entstand in dem immer noch überwiegend
wendischen Land eine neue deutsche Niederlassung. Das bisherige
Domstift zu Zeitz wurde nicht aufgelöst; es bestand als Kollegiat-
kirche fort^
In dieser Weise regierte Konrad in der deutschen Kirche ; die
überlieferten Fakta sind als solche stets verständlich; aber es ist
nicht möglich, einen Gedanken, der sie verbindet, zu erkennen: sie
beweisen nur die Macht des Kaisers, nicht aber, daß er ein kirch-
liches Ziel hatte.
Das deutsche Volk sah darin, daß sein König an der Re-
gierung der Kirche Anteil nahm, kein Unrecht. Denn seit der
Erneuerung des Kaisertums war die alte Anschauung, daß dem
Herrscher die Leitung der Kirche gebühre, wieder aufgelebt. Man
kann bemerken, wie sie unter der Begierung Ottos I., Ottos HI.,
Heinrichs II. fast zusehends an Gewalt gewinnt*. Als Heinrich
starb, beklagte man den Tod nicht nur des Vogtes, sondern des
1 Stumpf 2403, vgl. S. 554 Anm. 2.
- In Betracht kommt das Benediktinerkloster zu St. Maria und Georg,
das im Jahre 1030 bestand, wenn in der Urkunde Cd. Saxon. 1, 1 Nr. 74
S. 292 Georgii für Gregorii gelesen werden darf, s. Breßlau I S. 264 Anm. 4.
Der Stifter ist nach Breßlaus Ergänzung des lädierten Namens ein Com es
Sicco, Stumpf liest Eico. Möglicherweise fällt auch die Entstehung des
Nonnenklosters St. Moritz in diese Zeit; denn daß ein Nonnenkloster schon
vor der Gründung des Bistums bestand, macht Stumpf 2403 unwahrschein-
lich ; und daß St. Moritz ursprünglich Nonnenkloster war, ergibt die Ur-
kunde Innocenz' II. J.W. 7867. Die Nonnen sind von Bischof Dietrich durch
Kanoniker ersetzt worden, a. a. 0. 6766. Als Gründer des Nonnenklosters
hat man nach Stumpf 2403 die Brüder Hermann und Ekkehard zu be-
ti-achten.
^ Als solche meines Wissens zuerst in einer Urkunde Walrams v. 1108
erwähnt, Lepsius S. 236 Nr. 33; die Umwandlung lag indes in der Natur
der Sache. * Vgl. oben S. 435 f.
— 556 —
Herren von Rom, des Herren der Kirchen^. Und als dann der
fränkische Graf im Mainzer Dom die Königskrone erhielt, richtete
der Erzbischof Aribo die inhaltsschweren Worte an ihn: Du bist
zur höchsten Würde gelangt, du bist der Stellvertreter Christi^.
Was der Wortführer des deutschen Episkopats aussprach, das findet
man wiederholt in einem Lied auf Konrads Kaiserkrönung. Hier
erscheint Konrad als der Gesalbte des Herrn; die Regierung Davids
ist das Vorbild für seine Regierung, der Sieg Christi ihr Ertragt;
der König der Könige selbst hat ihn zum Schutzherren seiner
Kirchen gemacht*. Sein Dienst, so hörte mau in einem anderen
Lied, bewirkt, daß die Braut des Lammes ihrem Bräutigam in
sicherem Frieden bewahrt wird^ Am Hofe hat man diese An-
schauungen gekannt und gebilligt: Konrads Biograph Wipo hat
das Wort von dem König als dem Stellvertreter Christi nicht nur
wiederholt, er hat es sich angeeignet**.
Allein es ist klar, daß in dieser Ansicht über die Stellung
des Königs in der Kirche zugleich eine Forderung für das Ver-
halten des Königs lag. Nur dann war Konrad der Leiter der
Kirche, wenn er Verständnis bewies für ihre Literessen und Auf-
gaben, wenn er beide förderte. Das war jedoch nicht der Fall.
Der Beweis liegt nicht nur in der Ziellosigkeit der kirchlichen
Handlungen Konrads in Deutschland, sondern er liegt besonders
darin, daß der Gedanke einer allgemeinen kirchlichen Reform in
dem Augenblick verschwand, in dem Heinrich IL starb. Und doch
wurde die Reform immer nötiger, besonders die Reform in Rom.
Denn Benedikt VIH. erhielt in seinem Bruder Johann XIX.
einen wenig würdigen Nachfolger. Schon seine Erhebung war un-
regelmäßig; auch er war, als er gewählt wurde, noch ein Laie.
Sein Anhang war so wenig bedacht, auch nur den Schein des
Anstandes zu wahren, daß die Konsekration noch am Wahltage
vorgenommen wurde '. Die aufialHge Eile beweist, daß die Herr-
1 Nenia de mortuo Henrico, Ztschr. f. d. A. N.F. II S. 459 Nr. 7:
Advocatum Roma ploret, Christum exoret,
ut sibi fidelem prestet seniorem:
recognoscat grave dampnum ecclesiarum.
^ Wipo 3 S. 17; vgl. was bei der Krönung Ottos I. geredet wurde
(Widuk. II, 1).
^ Cantilena in Conr. II. Str. 4 f., im Anhang zu Wipo S. 78.
* Ib. Str. 7: Hunc rex regum fidum ecclesiarum iussit fore patronum.
» Cantil. in Heinr. III. regem coronat. Str. 5 S. 80 (a. a. 0. S. 463);
vgl. Str. 7, wo von regni monarchia sancta die Rede ist, und Str. 11 f.
6 Gesta Chuonr. 5 S. 20.
' Bonizo ad am. V L. d. 1. I S. 684, vgl. daselbst Anm. 6; Rud. Glab.
— 557 —
Schaft der Grafen von Tusculum über Rom nicht sicher stand; sie
mußten durch rasches Zugreifen den Besitz ihrer Stellung wahren.
Auch so aber gelang es ihnen nur durch große Geldzahlungen^
die Wahl Johanns zustande zu bringen ^. Diesem üblen Anfang
entsprach das weitere Verhalten des Papstes. Kaum hatte die
abendländische Welt von seiner Inthronisation gehört, so wurde sie
durch das unglaubliche Gerücht erschreckt, der neue Papst sei im
Begriff, dem Patriarchen von Konstantinopel die päpstliche Gewalt
im Orient für Geld abzuti'eten. Die Erregung unter allen, denen
die Ehre der Kirche am Herzen lag, war ungeheuer. Zu ihrem
Wortführer machte sich Wilhelm von Dijon. In einem Schreiben,
das bei aller Anerkennung der päpstlichen Würde die Person des
Papstes nicht schonte, stellte er ihm die Unmöglichkeit dessen vor,
was man ihm zutraute. Richard von St. Vanne ging selbst nach
Rom, um die Schmach zu hindern. Dadurch ward die Verwirklichung
vereitelt ^. Aber welches Urteil über die Person des Papstes mußte
bleiben !
Von ihm empfing Konrad II. am 26. März 1,027 die Kaiser-
krone, nachdem ein Wahlakt durch das römische Volk voran-
gegangen war^.
Von den kirchlichen Rechten des Kaisers machte er sofort
Gebrauch, indem er die Privilegien Clunis, besonders die Exemption
von der Gewalt des Diözesanbischofs, bestätigen ließ*. Wenige
Tage später, am 6. April, wurde im Lateran eine Synode gehalten.
Auch sie zeigt, daß Konrad in Rom ebenso wie in Deutschland
die Leitung in die Hand nahm. Denn sie tagte unter dem gemein-
samen Vorsitz des Papstes und Kaisers. Konrad aber betrachtete
sie wie einen Fürstenkonvent: er sprach von der Synode, die er
angekündigt habe; er zählte den Papst unter seinen Getreuen auf''^.
Hist. IV, IS. 67; Herim. Aug. z. 1024. Der Konsekrationstag steht nicht
fest; nach Hartmann föllt er zwischen den 12. April und 10. Mai 1024,
Mtt. d. Inst. XV S. 485. Die Eile, mit der die Tuskulaner bei der Wahl
vorgingen, bemerkt auch Petrus Damiani, vita Odilen. Mign. 144 S. 937:
Huic plane mox, ut obüt, germanus eius . . successit.
1 Rud. Glab. 1. c.
2 Ibid.; Hugo Flav. ehr. II, 17 S. 392. L. v. Ranke, WG. VH S. 143,
verwirft die ganze Nachricht als undenkbar.
ä Vgl. die eingehende Schilderung bei Breßlau, JB. Konrads I S. 138 ff.
* J.W. 4079: In conventu Romae congregato, in praesentia domini Con-
radi regis d. Augusti, nuper in imperium Romani orbis electi et coronati.
5 Stumpf 2053 nach dem Text bei Breßlau, JB. Konrads I S. 148
Not. 4 : Qualiter nos communi fidelium nostrornm decreto, papae sc. Johannis
— 558 — ,
Die Aktenstücke der Synode machen ifreilich gewiß, daß von den
herkömmlichen Formen nicht abgewichen wurde ^. Aber um so
sicherer ist, daß auf der Synode nur des Kaisers Wille geschah.
Der Gegenstand berührt die deutsche Kirchengeschichte nicht: er
betrifft den Bestand des Patriarchats Grado". Johann hatte es
alsbald nach seinem Amtsantritt dem Patriarchen Poppo von Aqui-
leja unterworfen, kurz darauf diese Entscheidung wieder zurück-
genommen und seine Selbständigkeit anerkannt^. Allein Poppo
war ein Deutscher, eine Stütze der deutschen Macht in Oberitalien;
es konnte ihm nicht schwer werden, Konrad für seine Ansprüche
zu gewinnen. Seines Sieges sicher brachte er deshalb die Angelegen-
heit auf der römischen Synode von neuem zur Sprache. In einer
Untersuchung, über deren beabsichtigte Oberflächlichkeit sich nie-
mand täuschen konnte, wurde sein Recht auf Grado und damit auf
Venedig anerkannt. Die jüngste päpstliche Entscheidung war nun
wieder beseitigt. Johann, der wenig mehr als zwei Jahre vorher
einem jeden den götthchen Zorn, seinen eigenen Fluch und das
Schicksal des Teufels angedroht hatte, der seine Entscheidung an-
taste, mußte sich entschließen, dem Patriarchen von Aquileja die
Investitur über Grado zu erteilen. Damit aber auch dem blödesten
Auge klar sei, warum er so handele, ergriff Konrad zugleich
mit ihm den Stab: gemeinsam von Kaiser und Papst ist Poppo
investiert worden.
Ich weiß' nicht, ob jemals ein Papst grausamer von einem
Fürsten gedemütigt worden ist, als hier Johann von Konrad II.:
wenn er hätte den Papst moralisch vernichten wollen, so hätte er
es nicht anders anfangen können. Die Überlieferung läßt nicht
ersehen, ob Johann für das Demütigende seiner Lage eine Em-
pfindung hatte: wir wissen nur, daß er einige Monate später Poppo
neue Ehren, den ersten Rang unter allen Bischöfen Italiens, erteilte*.
Eines beweisen diese abstoßenden Vorgänge ohne Zweifel
daß der Papst ein willenloses Werkzeug in der Hand des Kaisers
war; Konrad konnte ihn zu allem benützen; aber er benützte ihn
nicht, um die von Heinrich eingeleitete Reform fortzuführen.
6t Poppoiiis patriarchae venerabilis, Arbonis . . ceterorumque episcoporum
ac regni nostri fidelium synodum Romae habendam condiximus. Das Fehlen
irgendeines Epitheton ornans ist gegenüber dem venerabilis bei Poppo
bemeckonswert.
1 Vgl. die Ausfertigung CT. I S. 82 ff. (s. auch Breßlau a. a. 0. S. 138
Anm, 3) und die Urkunde des Papstes J.W. 4085.
2 Vgl. zum Folgenden Breßlau, JB. Konrads 1 S. 149 ff.
■■' Die zweite Entscheidung im Dez. 1Ö24 J.W. 4063. * J.W. 4085,
— 559 —
Nicht besser als in Italien behandelte er Johann in Deutsch-
land. Einer der tüchtigsten deutschen Abte war Bern von Reichenau,
.der Nachfolger jenes Immo, den Heinrich II. zum Behuf der Re-
form von Gorze nach Schwaben gesandt hatte ^. Er war ein ge-
lehrter, literarisch tätiger Mann mit offenem Sinn für mancherlei
Fragen; diesseits und jenseits der Alpen stand er in hohem An-
sehen, besonders in Rom war er kein Fremdling. Die Abte von
Reichenau besaßen durch Verleihung Gregors Y. das Privilegium,
in bischöflichem Habit, geschmückt mit der Dalmatika und den
Sandalen, die Messe zu lesen ^. Dies Vorrecht bestätigte Johann XIX.
i. J. 1031 auf Berns Wunsch; zugleich übersandte er ihm die
bischöflichen Schuhe zum Geschenk ^. Allein diese Auszeichnung
erregte den Widerspruch des Bischofs von Konstanz'^; er sah darin
die Anmaßung bischöflicher Ehre und erhob also bei dem Kaiser
Einsprache. Konrad gab ihm Recht, und der Abt wurde genötigt,
die päpsthche Urkunde aamt den geschenkten Sandalen dem
Bischof zu überantworten. Dieser trug kein Bedenken, sie auf der
Gründonnerstagssynode von 1033 zu verbrennen^.
Johann XIX. starb am 6. November 1032^. Die Tusculaner
wollten die Gewalt nicht aus den Händen lassen: einen für die
päpstliche Würde geeigneten M«nn zählte, wie es scheint, die
Familie nicht: man kam deshalb auf den frevelhaften Gedanken,
den Neffen des Verstorbenen, einen unreifen Kjiaben, zum Papste
wählen zu lassen. Da Alberich, der überlebende Bruder Benedikts
und Johanns, das Geld nicht sparte, so kam in der Tat die Wahl
des Knaben Theophylakt zustande: er nannte sich Benedikt IX.'.
Daß die Wahl ein Verbrechen war, lag unverhüllt zutage: aber
Konrad duldete sie ; er duldete auch den Zustand, der sich aus
ihr entwickelte, und der kaum verschieden von der Schmach war,
die Rom einst unter der Herrschaft verbrecherischer Weiber er-
duldet hatte. Man kann nicht umhin, zu urteilen, daß es ihm
nicht unbequem war, auf dem päpstlichen Stuhl einen Mann zu
wissen, der nicht den Schatten von Autorität besaß, von dem
ebensowenig eigenes Handehi, als Widerspruch gegen die Maß-
^ S. oben S. 456 f.
^ J.W. 3880. ^ Ib. 4093 f., vgl. Herim. Aug. z. 1032.
* Warmann 1026—1034.
° Herimannus: In coena domini sequentis anni.
6 Hartmann, Mtt. d. Inst. XV S. 485.
■> Desid. Casin. dial. III Migne 149 S. 1003; Rudolf Glab. Hist. IV, 5
S. 68 u:V, 5 S. 72; Herim. Aug. z. 1036. Er wurde 12. Nov. 1032 konse-
kriert und starb 16. Juli 1048, Hartraann S. 485.
— 560 —
regeln des Königs zu erwarten war. Konrad hat in der Tat ge-
handelt, als gäbe es keinen Papst. Wie oft haben die Päpste ver-
sichert, daß das Gericht über die Bischöfe ihnen allein gebühre!
Konrad ließ den Erzbischof Burchard von Lyon, der in einer Fehde
gelingen genommen war, in Ketten legen: so lange der Kaiser
lebte, kam er nicht wieder frei^. Das war im Jahr 1036. Im
nächsten Jahre wurde der mächtigste Prälat der Lombardei, Aribert
von Mailand, wegen Untreue gefangen gesetzt und die Bischöfe
von Piacenza, Cremona und Vercelli des Landes verwiesen^.
Während die Stadt Mailand sich um ihres Erzbischofs willen gegen
den Kaiser erhob, fand Papst Benedikt kein Wort des Widerspruchs;
im Gegenteil: dadurch, daß er der Aufforderung Konrads folgend
in Cremona eine Zusammenkunft mit ihm hatte, schien er das Ge-
schehene zu billigen^. Und nicht genug an der stillschweigenden
Zustimmung: im März 1038 belegte er Aribert als Empörer gegen
den Kaiser mit dem Anathema*. Die päpstliche Macht diente
willenlos den politischen Zwecken des Kaisers.
Auf diesen Punkt gelangten die Dinge unter Konrad II. Die
Päpste, die nach der Überzeugung aller die Christenheit zu leiten
und zu beaufsichtigen hatten, waren Nichtswürdige, die ihre Pflicht
in der gewissenlosesten Weise außer acht ließen; der Kaiser aber,
dem tatsächlich die höchste Autorität in der Kirche zukam, griff
wohl gelegentlich eiu, um die eine oder die andere Bestimmung zu
treffen oder treffen zu lassen, aber er regierte nicht. Man hat von
einer prinzipienlosen Politik Konrads 11. im Verhältnis zur Kirche
gesprochen^. Sie war es vielleicht nicht in dem Sinn, daß der
Kaiser bald diesem, bald jenem Einfluß folgte. Aber sie war es
in dem Sinn, daß er in bezug auf die Kirche kein Programm, kein
klar erkanntes Ziel und deshalb auch keinen festen Kurs hatte.
Das Lob, das Konrad erteilt worden ist, er habe den Instinkt der
Herrschaft in unglaublichem Maße besessen ^, verdient er nur halb.
Denn mächtig sein heißt noch nicht herrschen. Nur der Herrscher
schafft Zustände und Einrichtungen, die Dauer haben, der die
geistigen Mächte, die das Zeitalter bewegen, erkennt und sich
dienstbar zu machen weiß. Es ist ein schwerer Tadel des in
mancher Hinsicht so großen Kaisers und seiner erfolgreichen Re-
i Herim. Aug. z. 1036.
2 Ann. Hild. z. 1037 S. 41 mit falscher Ortsangabe; Wipo 35 S. 41 f.;
Herim. Aug. z. 1037; Arn. Gest. a.e. Med. II, 12 f. Scr. VIII S. 15.
3 Wipo 36 S. 43. Herim. Aug. 1. c.
* Herim. Aug. z. 1038. Ann. Hild. z. d. J.
5 Sackur, Clun. U S. 202 f. « Giesebrecht, KZ. H S. 283.
— 561 —
gienmg, daß er kein Auge dafür hatte, daß die kirchlichen Über-
zeugungen anfingen, die stärkste geistige Macht des elften Jahr-
hunderts zu werden.
So kam es, daß gerade während seiner Regierung die Spannung
der schon vorhandenen Gegensätze um vieles schärfer wurde. Auf
der einen Seite wurde die kirchhche Ordnung offen übertreten,
auf der anderen festigte sich die Überzeugung, daß das Heil der
Kirche in der genauen Beobachtung des kanonischen Rechts hege.
Wir haben bemerkt, daß sie bei den Cluniacensem vorhanden war.
Es war vier Jahre nach dem Tode Konrads, daß Abt Siegfried
von Gorze die schweren Sätze aussprach : Es ist sicher und zweifel-
los wahr, daß die kanonische Autorität Gottes Gesetz ist. Wer
gegen die J^anones handelt, der handelt gegen das Gesetz Gottes;
wer aber gegen das Gesetz Gottes handelt, der gehört zu den
Gottlosen; ihm droht das Schriftwort: die Gottlosen haben keinen
Frieden, spricht der Herr^. In der nachdrücklichsten Weise be-
kannte sich der Nachfolger Wilhelms von Dijon, der Abt Halinard,
zu dem gleichen Grundsatz; das wahre Altertum galt ihm als maß-
gebend für die Gegenwart. Ihr wißt, schrieb er an Johann XIX.,
daß, wer eine alte von den Vätern getroffene Einrichtung zu ändern
begehrt, nicht das sucht, was Gottes, sondern das, was sein ist.
Er unterUeß nicht, dabei zu erklären, daß, was der römische
Bischof als Stellvertreter der Apostel bestimmt, sicher, fest und
unverletzlich bestehe in Ewigkeit^.
Dieselbe Überzeugung wird nun auf den verschiedensten Seiten
laut. Unter den deutschen Bischöfen vertrat sie in erster Linie,
wie oben bemerkt, Gerhard von Cambrai. Doch gab es eigentlich
niemand, der Widerspruch erhoben hätte. Als die Bischöfe in
Tribur 1036 über das Fronfasten verhandelten, genügte Gerhards
Erinnerung an die Gewohnheiten der alten Väter, um sie zu ver-
anlassen, von einem Beschluß abzustehen, der sich durch seine
Einfachheit ungemein empfahl^. Ein so selbständiger und selbst-
bewußter Mann Aribo von Mainz war, so liebte er doch, sich fiir
seine Maßregeln darauf zu berufen, daß sie den altkirchhchen Vor-
schriften entsprächen. Er leitete geradezu das Sinken der kirch-
lichen Zustände davon ab, daß sie nicht so gewissenhaft wie früher
beobachtet würden*. Der Konstanzer Bischof Eberhard heß eine
1 Bf S.s bei Gie'sebrecht II S. 682. '^ Migne 141 S. 1157.
^ Gesta pont. Camer. III, 51 S. 485 : Antiquam patrum consuetudinem
servari monebat . . . Cuius sententia visa est congiua.
* S. seine Einladungsschreiben zu Provinzialsynoden ep. Mog. 23 u.
26 S. 359 ff.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 36
— 562 -
Abschrift der Rechtssammlung Burchards von Worms zum Gebrauch
in seiner Diözese hersteilen. Er äußerte dabei, dies Werk sei un-
umgängUch notwendig ; denn nicht nach eigenem Beheben, sondern
im Hinbhck auf die kanonischen Einrichtungen müßte Recht und
Ordnung in der Kirche gehandhabt werden^. Er heß zugleicli
eine ältere, wahrscheinlich der karolingischen Zeit angehörige, Zu-
sammenstellung der priesterHchen Pflichten abschreiben und ver-
ordnete, daß sie auf allen Synoden den Pfarrern verlesen werde-.
Das gesamte Leben in der Diözese sollte dm'ch das klare ge-
schriebene Recht geregelt werden. Die Macht dieser Anschauung
bewies sich auch an solchen Männern, denen sie ursprünglich fremd
war: Reginard von Lüttich soll in seiner späteren Zeit über seine
Simonie ganz anders geurteilt haben als ursprünglich ^ Sein
zweiter Nachfolger Wazo, der drei Jahre nach Konrads Tod das
Bistum erhielt, dachte über die Pflicht des unbedingten Gehorsams
gegen die kanonischen Vorschriften kaum minder schroff als Sieg-
fried von Gorze*. Das Papstbuch, die päpstlichen Dekrete und die
Beschlüsse der älteren Synoden, das war die Literatur, an der
er seine Anschauung bildete^. Er nahm den Ruhm mit ins Grab,
daß er, solange er lebte, die gewissermaßen verkörperte Regel
der katholischen Frömmigkeit und der kanonischen Ehrbarkeit ge-
wesen sei®.
Wie die Bischöfe, so dachten die Mönche. Ein so hberaler
imd umsichtiger Mann wie Bern von Reichehau erklärte ohne jede
Einschränkung: die Statuten der Alten halten den Geist auf dem
geraden Weg des Gesetzes: man kann sie nicht ohne Sünde über-
treten'. Bis in den Kreis der Laien drang diese Überzeugung.
Der Graf Hugo von Egisheim machte sich Skrupel darüber, ob er
^ Auf dem letzten Blatt der Freiburger Handschrift von Burchards
Dekret findet sich mit roter Tinte geschrieben diese Notiz Eberhards (1034
bis 1046). Sie ist bei Amann, Praest. aliq. codic. S. 14 und in der l.Aufl.
dieses Buchs S. 972 gedruckt. Die Angabe in den Regesta Const. 456 ist
irreführend.
2 Das Schriftstück findet sich auf den letzten Blättern der angeführten
Handschrift mit der Überschrift: Sermo synodalis, qui in singulis synodis
parochianis prespiteris est enuntiandus. Es ist bei Mansi XIV S. 889 if. in
dreifacher Gestalt als homilia Leonis IV. gedruckt, ferner N.A. VI S. 192 flF.
u. Sdralek, Wolfenb. Fragm. S. 180 ff.
3 Vita Regln. 8 Scr. XX S. 573; vgl. oben S. 485 Anm. 4 f.
* Gest. ep. Leod. II, 57 f. S. 224. -^ Ib. 65 S. 228.
6 So Leo IX. in der ürk. J.W. 4317.
' De ieiun. quat. temp. 2 S. 1089 f.
— 563 —
ganz genau in der Beobachtung der kirchlichen Vorschriften über
die Zehnten gewesen sei; seine Bedenken quälten ihn so sehr,
daß er durch ein Gottesurteil erforschte, ob er unschuldig sei oder
nicht ^.
Mit einem "Wort: Beobachtung der kanonischen Vorschriften
wurde ein Schlagwort des Zeitalters. Niemand wird die Bedeutung
solcher Schlagworte geringschätzen: sie enthalten nicht immer klare
Vorstellungen, aber sie sind immer eine wirkliche Macht. Denn
es sprechen sich in ihnen Ideale aus, die Tausende begeistern,
während doch nur wenige ihre Tragweite ermessen, die andere
Tausende gleichsam fesseln, da sie nicht vermögen, sich ihrer zu
erwehren. Der Grundsatz von der bedingungslosen Giftigkeit des
kanonischen Rechts war noch nicht Schlachtruf einer Partei. Auch
unter Konrad gab es noch keine kirchlichen Parteien. Aber das
erhöhte nur seine Bedeutung; denn um so schwerer war es, ihni
entgegenzutreten, um so eindrucksvoller war er für die Gesamtheit.
In der Tat ist unleugbar, daß er den Grundlagen entsprach, auf
denen Behgion und Kirche des deutschen Mittelalters aufgebaut
waren : als .das deutsche Volk das Christentum annahm, hatte es sich
des Rechtes begeben, die Gestalt zu kritisieren, in der ihm die
christliche Religion überliefert vv^urde. Die Zeit war noch lange
nicht gekommen, in der dieses Recht zurückgefordert werden konnte.
Für die kirchliche Lage war entscheidend, daß, während das
Pflichtgefühl der kanonischen Vorschrift gegenüber sich verschärfte,
die kirchlichen Zustände sich immer mehr von der kanonischen
Norm entfernten.
In keinem Zeitalter Avar die Klage über Simonie^ so häufig
und so begründet wie im elften Jahrhundert. Peter Damiani hat
mit Bezug auf Italien geurteilt, man finde kaum eine Kirche, die
von Simonisten frei sei^. In Deutschland stand es vielleicht nicht
so schlimm; aber an der weiten Verbreitung der Simonie kann
man doch nicht zweifeln. Bereits hatte der Begriff dieses Ver-
brechens der ursprünghchen Vorstellung gegenüber eine nicht un-
bedeutende Erweitenmg erfahren; doch war dabei das Wesen der
Vorstellung nicht eigentlich verändert worden. Ursprünglich be-
deutete Simonie im Anschluß an Apostelgesch. 8 die Erkaufung
^ Wib. vita Leon I, 2 bei Watterich Rom. pont. vitae 1 S. 129.
2 Vgl. Mirbt, Publizistik S. 343 ff., dev indes den Darchsclmitt in einer
etwas späteren Zeit zieht. Mir kommt es hier darauf an, die vor dem
Kirchenstreit vorhandenen Anschauungen zu konstatieren.
" Liber grat. 29, L. d. 1. I S. 58. Die Schrift gehört in das Jahr 1052.
Vita Romualdi 35 S. 986, ungefähr gleichzeitig.
36*
— 564 —
der Ordination; längst aber war die Einschränkung auf das Er-
kaufen im Wortsinn aufgegeben: wer konnte übersehen, daß die
Ordination auch durch Handlungen erworben werden konnte, die
auf den sittlichen Wert gesehen, nicht besser waren, als das Zahlen
einer Geldsumme? AVie peinhch das Urteil ernster Männer war,
zeigt Wilhelm von Dijon: er hat selbst die Leistung des Subjektions-
eides als simonistisch von sich gewiesen. Eine wichtigere Er-
weiterung war, daß die Beschränkung der Simonie auf die Er-
kaufung der Ordination aufgegeben wurde. Nicht nur zwischen
Geistlichen, sondern auch zwischen Geistlichen und Laien wurde
sie als möglich betrachtet. Das war die Folge der Verhältnisse,
die sich durch die germanischen Eroberungen in der abendländischen
Kirche gebildet hatten: unzählige Kirchen befanden sich im Besitz
von Laien; unzählige geistliche Stellen wurden also durch Laien
vergeben. Dem entsprach, daß ebenso me die Erkaufung der
Ordination auch die Erkaufung einer Pfründe für verbrecherisch
gehalten wurde. Das Wesen der Handlung blieb dabei unberührt.
Die im Beginn des elften Jahrhunderts herrschende Anschauung,
kann man aus Burchard von Worms entnehmen. Er kennt folgende
Fälle von Simonie: 1. die Erlangung eines Bistums durch Konnexion,
Versprechungen, Begünstigung, Geldzahlung entweder direkt oder
durch eine Mittelsperson. Dies Verbrechen kann begangen werden
sowohl von den Bischöfen, als auch von den Fürsten mid den
Wahlberechtigten^; 2. die Erlangung der Konsekration um Geld,
ein Verbrechen, das natürlich nur von Klerikern begangen werden
kann^; 3. die Erwerbung einer Kirche um Geld, verboten ebenso
dem Kleriker, der den Preis bezahlt, wie dem Laien, der ihn fordert
oder annimmt^.
Dies und nur dies wurde im Anfang des elften Jahrhunderts
als Simonie betrachtet. Niemand hatte an dem verbrecherischen
Charakter dieser Handlungen einen Zweifel. Aber das, was jeder-
mann verwarf, kam in unzähhgen Fällen vor. Es wurde erwähnt,
daß Konrad IL Geldzahlungen für die Verleihung von Bistümern
1 Decret. 1, 21 S. 555 aus Regino de syn. caus. I, 240 = Conc. Mel-
dense (a. 848) c. 43 S. 408. Man sieht, daß die Ausdehnung des Begriffs
Simonie auf den Verkäufer schon im 9. Jahrhundert angebahnt ist. Sie ist
nicht erst auf den Synoden Leos ausgesprochen worden, Mirbt S. 348.
2 Burch. I, 23 (Reg. I, 239); I, 112 (Reg. I, 237); I, 113 (Reg. I, 241).
Man schloß auch die Annahme von Geschenken nach Erteilung der Konse-
kration ein, s. das von Dümmler, N.A. 1-900 S. 820, herausgegebene Gedicht
auf die Simonie v. 11 f.
3 Burch. m, 110, 113 f., 117 (Reg. 1,242).
— 565 —
annahm. Ganz unerhört war das nicht ■^. Nur etwas konsequenter
und rücksichtsloser als seine Vorgänger scheint er gehandelt zu
haben. Aber nun zeigte sich die Schärfung des Pflichtgefühls:
während der Quedlinburger Chronist den Versuch des Halberstädter
x4.dels, Heinrich IL durch Geld zur Bestätigung des gewählten
Kandidaten zu bewegen, mit unverhohlener Zustimmung erzählt",
wurden Konrad Vorstellungen gemacht: wir haben bemerkt, daß
er ihr Recht nicht leugnete, sich jedoch durch sie nicht binden
ließ. Sein Sohn ging einen Schritt weiter: Heinrich III. verbarg
nie, daß er die Simonie verwarf; er sprach es aus und er handelte
danach ^.
Was in bezug auf die Bistümer geschah, wiederholte sich bei
den niederen Stellen. Auch sie wurden vergeben nach Geld und
Gunst. In Toul war es im zehnten Jahrhundert bereits stehende
Sitte, daß keine Praebende ohne eine Geldzahlung an den Bischof
zu erhalten war; man glaubte, daß Bischof Gerard etwas ganz
Sonderliches tue, als er diese 'Einkünfte den Stiftsherren überwies*.
Mit welcher Ungeniertheit Geldzahlungen, auch da, wo sie nicht
auf dem Herkommen beruhten, behandelt wurden, sieht man mit
unerwünschter Deutlichkeit aus dem Briefwechsel des Wormser
Diakonus Immo. Bischof Azecho hatte ihm das Kloster Mosbach ver-
sprochen; um es wirkHch zu erlangen, ließ er ihm durch den Wormser
Magister E. ein halbes Pfund Gold anbieten; er ermächtigte zu-
gleich seinen Freund, nötigenfalls noch mehr in Aussicht zu stellen,
und versicherte dem letzteren, er werde gleichfalls nicht ungelohnt
bleiben: einstweilen versprach er ihm einen schönen Mantel. Allerlei
Versprechungen in bezug auf Ergebenheit gegen den Bischof und
Förderung von dessen Verwandten fehlten nicht. Zum Schluß
erklärte er sich bereit, wenn der Bischof es wünsche, seine Zu-
sagen eidhch zu erhärten^.
So ganz als Kaufgeschäft wurde die Erlangung eines geist-
lichen Amts behandelt. Das Gefühl für das Unrecht, das dabei
geschah, scheint vielen ganz abhanden gekommen zu sein. Es ist
1 Vgl. Arn. de s. Emm. 1, 17 S. 554; V. Burch. 4 S. 834; Ann. Quedl.
z. 1013 u. 1023.
- Maxime proceres, b. Stephano habitu militari deservientes, centies
centuplicata pecuniarum praebentes munera, quo velle suura, praefata vide-
licet electio, eo firmius staret, haereditates proprias potestati regiae subdere
non differunt. » -v^-ipo 8 S. 23.
* Vita Gerardi 21 S. 502: Xenia, quae ab antecessoribus eins pro
dandis praebendis exhigebantur etc., vgl. Flod. ann. z. 948 S. 397.
5 ÜB. d. St. Worms II S. 365 f. Nr. 34.
— 566 —
nun klar, daß die Folgen der simonistischen Vergebung der niederen
Amter viel bedenklicher sein mußten als die des Verkaufs von
Bistümern. Deim die letzteren waren zu wichtige Vertrauens-
stellungen im Reiche, als daß der König sie offenbar unfähigen
oder unwürdigen Männern übertragen konnte. Der Beweis liegt
im Zustande des Episkopats unter Konrad; obgleich derselbe nicht
gerade viele hervorragende Männer zählte, so kann man doch von
einem Sinken des Standes nicht entfernt reden. Anders war es
bei dem niederen Klerus: wurden die Stellen verkauft, so Avar das
Eindringen unwürdiger Elemente unmöglich zu verhindern. Um
so weniger, da die Zahl der Kleriker sehr groß war.
Daß es in der Tat unter dem Klerus nicht an unwürdigen
Mitghedern fehlte, zeigen die Klagen über die herrschende Unzucht \
Zwar darf man den Zustand in Deutschland nicht nach den
Nachrichten über die Lage der Dinge in Italien bemessen. Es
gibi kein Zeugnis über die deutschen Verhältnisse, das das Recht
dazu gäbe, die grauenvollen Anklagen, die Peter Damiani wider
den Klerus seiner Heimat erhob ^, auf den deutschen Klerus an-
zuwenden. Aber intakt war auch er nicht ^: vor allem fehlte viel^
daß das Cölibatsgesetz beobachtet wurde. Lambert von Hersfeld
konnte die Ehe der Priester eine seit langer Zeit eingewurzelte
Gewohnheit nennen^. Und nicht nur die Priester lebten in der
Ehe, sondern ebenso auch die Stiftsherrn. Das wissen wir von
Bremen unter den Erzbischöfen Libentius und Bezeliu^. Es ist
schwer anzunehmen, daß Bremen dabei allein stand. Von ver-
heii'ateten Bischöfen aus dieser Zeit wissen wir nicht. Ebenso-
wenig wird der Vorwurf der Unzucht gegen einen derselben er-
hoben*'. Aber die Sitte der Priesterehe hätte nicht einwurzeln
^ Die NachweisuBgen Mirbts S. 251 ff., auf die ich auch hier verweise,
beziehen sich wieder auf eine etwas spätere Zeit.
- Liber Goraorrhianus Mign. 145 S. 159 ff.
' S. den Pseudonymen Brief an Papst Nikolaus II. L. d. 1. I S. 256:
Qui licet in quovis sanctissimo ordine constituti, aliehis tarnen uxoribus non
dubitant abuti et . in supradictis saeviunt sceleribus.
1 Larab. ann. z. 1074 S. 164; vgl. Sentent. Goslar. C.I. I S. 62 Nr. 31;
V. Altm. 11 Scr. XII S. 232. Um einzelnes zu erwähnen, so verweise ich
auf die Anklage des Tegernseer Abts Udalrich (1041 — 42) gegen den Priester
Raher, wegen Ehebruchs, üdalr. ep. 1 ff. Migne 141 S. 1321 ff., und auf vit.
Haimer. 9 Scr. X S. 601, wo ein verheirateter Priester in Kirchdetmold
erwähnt wird.
5 Adam II, 61 schol. 43; II, 67 schol. 54 S. 82 u. 87.
^ Unter Heinrich III. reinigte sich Sigebod von Speier auf der Mainzer
— 567 —
kÖLiieii, wenn der Episkopat nicht duldsam gegen dieselbe gewesen
wäre^; daß er es war, zeigte uns die Synode von Goslar. Auch
hier wird die Gesanitlage durch die Rechtssammlung Burchards
charakterisiert: prinzipiell ist in ihr die Verpflichtung zum Cölibat
anerkannt; aber indem zugleich die älteren Vorschriften auf-
genommen sind, welche die Scheidung der verheirateten Priester
mißbilligen und jede Verhinderung ihrer Amtstätigkeit mit der
schwersten Kirchenstrafe, dem Bann, bedrohen, ist die Toleranz
gegen das Unrecht proklamiert^.
So verständhch es ist, daß der deutsche Episkopat sich so
verhielt, so wenig war diese Haltung auf die Dauer zu behaupten:
sie machte einen Zustand, dessen Unrecht man nicht zu bestreiten
wagte, zur Regel.
Die Duldung der Priesterehe hatte zur Folge, daß ein zahl-
reiches Geschlecht von Priesterssöhnen heranwuchs. Der deutschen
Anschauung erschien nichts natürlicher, als daß die Söhne in die
Stellung ihrer Väter eintraten. Aber bei Priesterssöhnen sollte das
nicht geschehen; denn das kirchliche Recht verbot, sie in den
Klerus aufzunehmen, da sie nicht als rechtmäßige Kinder galten.
In diesem Zwiespalt zwischen den nationalen und den kirchlichen
Anschauungen erwiesen sich nicht selten die ersteren als stärker.
Trotz der kanonischen Vorschrift wurden Priesterssöhne ordiniert'^:
man begründete die Übertretung der Regel wohl mit dem Satze,
daß die Christen niemand verachten dürfen, und betrachtete sie
als etwass ^besonders Lobenswertes*. Vor allem zweifelten die
Priesterssöhne nicht an ihrem Recht. Als unter Heinrich III. der
Mönch Friedrich von Fulda erklärte, sie seien unfrei und nicht
erbfähig, entstand darüber unter den Klerikern von Mainz und
Worms laute Klage als über ein Unrecht. Sie wandten sich an
Synode von 1049 durch die Abendmahlsprohe von dem Vorwurf des Ehe-
bruchs, Adam 111,29 S. 116; vgl. Lamb. z. 1050 S. 31; Wib. vita Leon 11,5
S. 156. Unter Heinrich IV. war Pibo von Toul verheiratet, Greg. Reg.
II, 10 S. 124.
1 Bezeichnend ist das Wort des EB. Adalbert, Adam Schol. 77 S. 116.
2 Beeret. 11,108, 114, 117 f.; 111,75 u: 207.
^ Der Anon. Haser. 34 Scr. VII S. 263 nennt den Regensburgdr Propst
Kuno als Priesterssohn.
■* Über Adalbero II. von Metz (984 — 1006) : Episcopi sui temporis, ali-
qui fastu superbiae aliqui simplicitate cordis, filios secularium sacerdotum
ad sacros ordines admittere dedignabantur nee ad clericatum eos accipere
volentes. Hie vero beatus neminem despiciens, neminem spernens passim
cunctos recipiebat, vita Adelb. 24 S. 667.
— 568 —
den Kaiser und baten lun seinen Schutz^: offenbar war man seit
langen Jahren an diese Verhältnisse gewöhnt.
Aber die kanonische Forderung war unvergessen und wurde
von Jahr zu Jahr lauter und nachdrücklicher wiederholt. Man
befand sich in der unglückhchen Lage, daß Zustände, die im Ver-
lauf von vielen Jahrzehnten sich gebildet und verfestigt hatten,
und die ohne eine tiefgehende Erschütterung nicht beseitigt werden
konnten, sich mit dem Kechtsgefuhl eines Teiles des deutschen
Volks in Konflikt befanden. Konrad II. hat nichts getan, um das
zu verhindern; er Heß der Entwickelung ihren Lauf. Wie hoch
die Spannung war, sieht man deutlich daraus, daß die Achtung
vor dem Klerus zu sinken begann. Während die streng gesinnten
Priester über die Gefahren der Gegenwart seufzten, während sie
klagten, daß die Frömmigkeit ermatte imd das Unrecht zunehme,
daß darin der Anbruch des großen Abfalls sich ankündige^, voll-
zogen die Laien ein wenig barmherziges Gericht an untreuen und
treuen Priestern: in den Klöstern versetzten die Mönche die ersteren
unbedenklich in die Hölle ^ und auf den Gassen war nichts ge-
wöhnlicher als wohlfeiler Spott über die Kleriker ''. Jene Sicher-
heit der kirchlichen Lage, die jahrhundertelang geheiTScht hatte,
war nicht mehr ganz intakt. Den nie täuschenden Seismographen
bildet das Auftreten von Sektierern: zuerst unter Heinrich IL war
man auf ihre Spur gekommen^, unter Konrads Regierung waren
sie in Italien ans Licht gezogen worden^; in derselben Zeit hatte
Wilhelm von Dijon in Burgund Anlaß, gegßn sie zu predigen '.
Im zweiten Jahrzent nach des Kaisers Tod aber machte man in
Deutschland von neuem die Entdeckung, daß es Vereinigungen von
Leuten gab, die mit der Kirche, aber nicht mit dem Christentum
gebrochen hatten^.
So stand es im Norden; doch die größten Schwierigkeiten lagen
nicht hier, sondern in Rom.
1 Brief des Klerus, ÜB. d. St. Worms I S. 372 Nr. 47.
2 Vgl. d. Bf Siegfrieds von Gorze an Poppo bei Giesebrecht II S. 679.
3 Othl. Vis. 14 S. 354. * S. Thietmar III, 6 S. 51.
5 s. oben S. 433.
«Über die Häretiker in Monteforte Landulf bist. Mediol. II, 27 Scr.VIII
S. 65 f. und Rudolf Glaber Hist. IV, 2 S. 68.
■^ Sermo 2 S. 216 ed. Chevallier. Charakteristiscli ist, daß die Mani-
chäernur den Frommen Almosen geben wollen, da sie glauben, in quocunque
cibo Dei membra permixta et colligata detineri; quibus censent esse par-
cendum, ne a peccatoribus polluantur et nodis miserioribus implicentur.
8 Herim. Aug. z. 1052 S. 130; Lamb. z. 1053 S. 32; Gest. ep. Leod.
II, 64 S. 228.
— 569 —
Dort amtierte unter dem jugendliclien Benedikt IX. die päpst-
liche Kanzlei in der herkömmlichen Weise. Die Aktenstücke, die
von der Km-ie ausgingen, verkündigten nicht nur, wie es längst
übHch war, die Herrschaftsstellung Korns in der christlichen "Welt ^
sondern man konnte auch manchen frommen und erbauHchen Satz
in ihnen lesen: von der Verachtung der irdischen Lust und der
Sehnsucht nach der himmhschen Heimat^, wie von dem Werte des
andächtigen Gebetes^, Entschiedene Erklärungen gegen die
Schlechtigkeit der Simonie*, fehltei^ ebensowenig als Äußerungen
des tiefsten Schmerzes über die Unterdrückung der Kirche und
Versprechungen, daß, wie es sich für den Stuhl des Apostels Petrus
gezieme, von dort aus die Verbesserung der kirchlichen Zustände
in die Hand genommen werden würdet
Aber während die päpstlichen Sekretäre ein Idealbild päpst-
licher Sorge für die Kirche und ihre Angelegenheiten fingierten,
wuchs der päpsthche Knabe heran in jeder Art von Schande und
Verbrechen. Desiderius von Monte Cassino, dessen Jünglingszeit
in diese Jahre fällt, nennt das Leben Benedikts schändlich, ab-
scheulich und fluchwürdig: er weist es von sich, es im einzelnen zu
schildern*'. Ehebruch und Mord wirft ihm Bonizo vorl Unter
dem römischen Volk aber ging nach seinem Tode das Gerede, er
sei um seines tierischen Lebens willen verflucht, bis zum jüngsten
Tag in einer Ungestalt, halb Bär halb Esel, umzugehen^.
E,om ertrug die Schmach dieses Zustandes zwölf Jahre lang.
Endlich war das Maß voll. Im Spätjahre 1044 erhob sich die
Bevölkerung: Benedikt vermochte den Sturm nicht zu bestehen; er
wurde aus der Stadt verjagte Nun, im Januar 1045, schritten
die Römer zu einer Neuwahl: sie fiel auf den Bischof des Sabiner-
1 J.W. 4108, 4110, 4114. "' Ib. 4112. " Ib. 4111.
* Ibid.: Praedictum inonasterium (Monte Cassino) tibi (Abt Richer) a
nobis consecrato, successoribusque tuis, a nobis et a nostris successoribus in
perpetuum nulla pravitate Simoniaca interveniente consecrandis, concedimus.
5 Ib. 4114.
ö Dial. 3 Migne 149 S. 1003; vgl. das Urteil Herimanns: Indignis
tanto ordini moribus et factis, z. 1038.
' Ad amic. V L. d. 1. 1 S. 584, vgl. Catal. Zwetl. bei Watterich I S. 711.
8 Petr. Damiani, de abdic. episcop. 3 Migne 145 S. 428.
9 Die Angaben über die folgenden Ereignisse stimmen nicht völlig
überein. Ich folge in erster Linie den annal. Romani bei Watterich I S. 71 f.
und Desider. dial. EI S. 1003. Das Jahr 1044 für die Erhebung der Römer
ist durch die Sonnenfinsternis am Cäcilientag gesichert, Annal. Rom. S. 72;
vgl. auch Herim. Aug. z. 1044.
— 570 —
landes Johannes, der sich als Papst Silvester IIL nannte. Seine
Wahl enthüllt die treibende Kraft der Bewegung; denn im Sabiner-
gebirg. war der Hauptsitz der Crescentier ^. Silvesters Wahl be-
deutete also einen Versuch der Crescentier den Tusculanern die
Macht wieder zu entwinden. Wie hätte hieraus etwas Gutes ent-
springen sollen? Denn nicht nur stand Silvester sittHch nicht
höher als Benedikt: auch er hat seine Wahl erkauft^, sondern vor
allem : es kam nun zu einem Schisma. Noch fühlten die ver-
schiedenen Teile Roms sich nicht als eine Stadt: während Rom
Benedikt verließ, hielt der Stadtteil auf dem rechten Ufer des
Tiber ihm die Treue. Auch sonst fehlte es ihm nicht an Bundes-
genossen: er verfügte- über die Macht der tusculanischen Grafen.
Schon vor der Wahl Silvesters war es zu einem harten Kampf
zwischen den Römern und den Anhängern Benedikts gekommen,
in dem die Römer sich nicht des Sieges rühmen konnten; um so
leichter konnte Benedikt es wagen, mit dem Papst der Straße um
die' oberste Würde in der Christenheit zu kämpfen. Und er hatte
Erfolg. Ehe zwei Monate nach seiner Erhebung verflossen waren,
mußte Silvester auf die päpstliche Würde verzichten. Er kehrte
in sein Bistum zurück^. Benedikt war wieder Papst. Allein er
hatte die Gefahr erkannt, die über ihm schwebte, im Fall er sein
bisheriges Leben fortsetzte. So entsprang in ihm der Gedanke,
auf die päpsthche Würde zu verzichten, wenn nur sein Vorteil
dabei gewahrt würde.
Unweit der Porta latina liegt eine dem Apostel Johannes ge-
weihte Kirche. Ihr Vorsteher, der Erzpriester Johannes Gratianus,
war der Beichtvater des Papstes*. Er galt für besser als die
übrigen Kleriker Roms, wenn auch nicht als ein kluger Mann*^.
Ihn ergriff der Ehrgeiz, der Retter der römischen Kirche zu werden.
Das Mittel sollte sein, daß er Benedikt zum Rücktritt bestimmte
und selbst das päpstliche Amt übernahm. Johannes befand sich
im Besitze großer Geldsummen; die Ausführung war also nicht
schwierig. Am 1. Mai 1045 kam der Handel zustande: Benedikt
^ S. Gregorovius IV S. 14. ^ Desid.: Non tarnen vacua manu.
^ Die Rückkehr in das Bistum wird von Desiderius erwähnt. Sie setzt
den Verzicht auf das Papsttum, weil das Einverständnis des Siegers, voraus.
* Der Katalog bei Watterich S. 70 und die Annal. Romani bezeichnen
Johannes als patrinus des Papstes. Man versteht „der Taufpate". Allein
es ist auch das im Text gegebene Verständnis möglich, s. Du Gange s. v.,
und es scheint mir näher liegend. Die Kirche kam durch Leo IX. an Her-
mann V. Köln, Wib. V. Leon. II, 4 S. 155.
6 Desid. 1. c, vgl. Bonizo V S. 584 f. und Rud. Glaber Hist. V, 5 S. 72.
— 571 —
entsagte urkundlich der päpstlichen Würde und übertrug sie dem
Erzpriester Johann: er hatte für seine Entsagung 1000, nach
anderer Nachricht sogar 2000 Pfund Silber erhalten^, Johann
nannte sich Gregor VI. So wurde in Rom der päpstliche Stuhl
neubesetzt. Es fragte sich nur, welche Stellung der deutsche König
zu diesen Vorgängen einnehmen würde.
Am 4. Juni 1039 war Konrad IL gestorben^. Sein Nach-
folger Heinrich III. war noch nicht ganz zweiundzwanzigjährig ^
Aber die Jugend des neuen Herrschers erweckte nirgends Be-
denken; denn selten waren bei einem Regierungswechsel die Ver-
hältnisse so wohl geordnet. Alle die Schwierigkeiten, mit denen
Konrad und Heinrich II, im Anfang ihrer Regierung zu ringen
hatten, waren dem dritten Heinrich erspart. Überdies war er für
die Regierung erzogen. Er war nicht nur seit seinem elften Jahr
erwählter und gekrönter König ^, sondern dank den verständigen
Anordnungen seines Vaters war er längst in die Geschäfte ein-
geführt: es war ihm Gelegenheit geboten worden, im Feld und im
Rat sich zu versuchend Auch die literarische Bildung, die Konrad
gemangelt hatte, nannte er sein eigen ^ Mehr als mancher andere
Herrscher konnte dieser jugendliche Fürst daran denken, sofort zu
regieren.
Und er war der Mann dazu. Man hatte schon an dem
Knaben eine ungewöhnliche Begabung wahrgenommen ', Der
Jünghng und Mann täuschte die Erwartungen, welche seine Kind-
heit erweckt hatte, nicht. Jedermann bewundex'te das lebhafte,
1 Ann. Rom. S. 72. Desider.: Non parva ab eo accepta pecunia. Die
genaueren Angaben in dem Papstkatalog bei Watterich I S. 93, Beno Gest.
Rom. eccl. II, 7 L. d. 1. II S. 378 und in einem 2. Katalog bei Watterich I
S. 70 not. 16. Nach Bonizo V S. 584 geschah der Verzicht Benedikts in
der Form einer Selbstverurteilung. So auch Mirbt, P. RE. VII S. 95. Aber
Peter Damiani weiß nur von deserere episcopatum, s. u. S. 589 Anm. 4.
Danach liegt die Annahme eines bloßen Verzichts näher.
^ Wipo 39 S. 44 f. Über das Grab des Kaisers im Dom zu Speier s.
Grauert, Münch. SB. 1900 S. 549.
3 Über Heinrich III. außer den allgemeinen oben S. 391 genannten
Werken Steindorff, JB. d. deutschen Reichs unter Heinrich III., 1874 u. 81.
E. Müller, D. Itinerar Heinrichs III., Berlin 1901.
* Steindorff I S. 15 ff. '^ Wipo 26 S. 34; 38 S. 38.
« Wipo Tetral. v. 82 u. 150 S. 58 u. 60 Chron. Noval. app. 17 S. 100 f.
Über seine Erzieher, den Italiener Almerich : Greg. Catin. Hist. Farf. 5 f.
S. 559, die Bischöfe Brun von Augsburg und Egilbert von Freising: Wipo
Gest. 23 u. 26 S. 32 ff. Auch Wipo gehörte wahrscheinlich zu - ihnen, s.
Steindorff I S. 11. ^ Wipo 23 S. 32.
— 572 —
offene Interesse, daß er für alles liegte, und seine scharfe Auf-
fassungsgabe-^: er verstand es, in die Gedanken der Menschen
einzudringen, und beurteilte die Leute nicht nach dem Kleid, das
sie trugen: ein Mönch konnte sich darüber ärgern, daß einzelne
Männer in seiner Umgebung allerlei neue Moden mitmachten; er
selbst ließ sie gewährend Wenn er mißverstanden wurde, oder
Widerspruch fand, so irrte ihn das nicht; er zürnte dem nicht, der
ihn unrecht beurteilte, aber er ließ sich auch nicht bestimmen, ihm
zu folgen^. Überhaupt vermochte niemand ihn zu beherrschen.
Seine Selbständigkeit aber hatte eine feste Grundlage an seiner
seltenen Gewissenhaftigkeit*. Man könnte sagen, daß das Pflicht-
gefühl Konrads bei Heinrich in etwas veränderter Gestalt wieder-
kehrt: was bei jenem politisch war, ist bei ihm sittlich: sein Er-
zieher Wipo, ein Mann also, der ihn genau kannte, hat ihn „Linie
der Gerechtigkeit" genannt^. Sein Verhalten zeigt in der Tat
überall, daß er entschlossen war, nur das zu tun, was er für recht
hielt. So hat er als Jüngling am Hofe seines Vaters gehandelt",
so handelte er als König. Es eignete ihm der Sinn für das
positive, geschichtliche Recht. Daß es ihm endlich an Mut und
Kraft bei der Ausführung seiner Unternehmungen nicht gebrach,
bewiesen die raschen Erfolge der ersten Jahre seiner Regierung: die
unzuverlässigen Tschechen mußten sich wieder in die Abhängigkeit
von Deutschland finden; der Herzog von Polen und der König
von Ungarn wurden Vasallen des Reichs. Aber auch wenn der
Erfolg zu fehlen schien, wenn widrige Zwischenfälle ein Unter-
nehmen zu stören drohten, ließ er sich nicht leicht bestimmen, es
aufzugeben '. Er war zäh in seinen Plänen.
Was Heinrichs kirchliche Anschauungen anlangt, so macht
man leicht die Bemerkung, daß er die geistliche Seite des könig-
lichen Amtes stärker hervorhob als sein Vater. Man best von Maß-
regeln und Handlungen, die an Vorgänge in der Zeit Karls d. Gr.
^ Ans. Gest. ep. Leod. 65 S. 229: Ut est curiosus audire multa et
sententias diversorum colligere.
^ Siegfried von Gorze an Poppo S. 684.
^ Bezeichnend hiefür ist die bei dem Anon. Haser. 34 S. 263 f. erzählte
Ernennung Gebehards von Eichstätt.
* Herim. Aug. z. 1044: Ut erat per omnia piissimus.
5 Gest. Prol. S. 7.
« S. d. 0. S. 542 erwähnten Bf an Azecho von Worms S. 358 f. Nr. 21.
' Die Erhebung der Ungarn 1046 hinderte den begonnenen Romzug
nicht, Herim. Aug. z. d. J., der Aufstand in Benevent i. J. 1047 nicht die
Rückkehr nach Deutschland, ad alia occupato animo, z. J. 1047.
— 573 —
erinnern, zugleich aber weit darüber hinausgehen. So wurde der
Zug gegen Böhmen im Jahre 1041 mit einer Biißfeier des deut-
schen Heeres begonnen ^ Noch eigenartiger waren die Vorgänge auf
der Konstanzer Spiode von 1043 '^. Deutschland litt schwer unter
Miß wachs; andererseits hatte Heinrich im üngarnkrieg die wich-
tigsten Erfolge errungen; überdies stand seine Vermählung mit
Agnes von Poitou unmittelbar bevor. Dies alles mag ihn be-
sonders ergriifen haben. Genug, als er nach dem Friedensschluß
an der Konstanzer Synode Anteil nahm, glaubte er, einen ent-
schiedenen Schritt tun zu müssen, um die Zustände im Reich
dem göttlichen Gesetz gemäß zu gestalten. Am vierten Tag der
Synode betrat er geleitet von einem der Bischöfe den Ambon:
er selbst sprach nun zu dem versammelten Volk^. Seine Rede
war eine ergreifende Aufforderung zum Frieden: sie klang aus in
die Erklärung, daß er allen, die sich gegen ihn vergangen hätten,
Verzeihung gewähi'e. Wer konnte der Ermahnung, das Gleiche
zu tun, widerstreben? Alles Volk war bereit, dem König zu
folgen; eine Botschaft Heinrichs bestätigte und verkündigte den in
der Kirche zu Konstanz geschlossenen Frieden. Als der Winter
ins Land kam, wiederholte sich der gleiche Vorgang in Lothringen.
Am Weihnachtsfest sprach der König in Trier zum Volk: wieder
hörte man aus seinem Munde das Anerbieten, die Versicherung der
Vergebung, und wieder gab ein königlicher Erlaß Kunde von dem,
^ Ann. Altah. z. d. J. S. 26. Die Worte: Rex Henricus cum omnibus
suis principibus humiliavit se Deo, cum propheta dicens ore et animo : Bonum
mihi, domine, quod humiliasti me, können lediglich die Gesinnung des
Königs schildern; sie können aber auch verstanden werden, wie im Texte
geschehen ist. Wegen des ore ist mir dies wahrscheinlicher.
2 Ann. Sangall. mai. z. d. J. Scr. I S. 85; Chron. Suev. ünivers. Scr.
XllI S. 72; Herim. Aug. S. 124. In bezug auf die Datierung des Vorgangs
stimme ich Steindorffs Ansatz: Mitte Okt. zu, I S. 186. Die Wendung der
St. Galler Annalen: Constantiam tempore synodi venit, ubi cum episcopis
quamplurimis ceterisque regni optimatibus intrans conventum, resedit etc.
scheint mir wahrscheinlich zu machen, daß die Konstanzer Synode eine
Diözesansynode war, an der sich nun der König und die ihn begleitenden
geistlichen und weltlichen Großen beteiligten. Ist dies richtig, so erklärt
sich vielleicht der 4. Tag, qui vulgo indulgentiae dicitur. Denn nach der
Diözesanordnung im Anhang Burchards wurde am 4. Tage solito more das
Evangelium Matth. 17, 15fiF.: Si peccaverit etc. gelesen. Daher kann der
Name genommen sein.
^ SteindorfF bezieht mit viel Wahrscheinlichkeit hierauf den Eingang
des Briefs Berns an den König, Archiv f. Kunde öst. GQ. 20 S. 197 ff.
— 574 —
was geschehen war, um zur Nacheiferung aufzufordern ^ Was Hein-
rich unternahm, war nicht die Aufrichtung eines Landfriedens;
es war mehr und weniger: mehr, denn er setzte seine Person, feeine
ganze Autorität dafür ein, daß die Christenpflicht, den Feinden zu
verzeihen, erfiillt werde; und weniger; denn dem Friedensstand,
den er herstellte, fehlte die rechtUche Form und die rechtliche
Gewähr. Im nächsten Jahre fand nach dem großen Siege über
die Ungarn eine gleich eigenartige Feier auf dem Schlachtfeld an
der Raab statt: der König, barfuß, nur mit dem wollenen Büßer-
gewand bekleidet, ihm folgend die Fürsten und das ganze Heer,
warfen sich dankend vor einer Partikel des heiligen Kreuzes nieder,
die das Heer als Rehquie mit sich führte: so wollten sie dem die
Ehre geben, der ihnen einen so großen, so wunderbaren, so un-
blutigen Sieg verliehen habe: als Erwiderung der göttlichen Gabe
gelobten alle, allen zu vergeben-.
Man darf den augenblicklichen AVert dieser Handlungen gewiß
nicht gering anschlagen. Denn das Zeitalter war für rehgiöse
Eindrücke empfänghch. Von dem Tag zu Konstanz sagt Hermann
von Reichenau, daß dort ein Friede hergestellt wurde, wie er in
vielen Jahrhunderten seinesgleichen nicht hatte ^. Bedeutender
sind jedoch diese Akte für Heinrichs Auffassung von dem könig-
lichen Amt. Denn sie zeigen, daß die alten religiösen Ideen sich
mit neuer, mit gesteigerter Gewalt erhoben. Wieder erscheint die
Dm'chführung der sittlichen Anforderungen des Christentums als
das höchstis Ziel der irdischen Herrschaft. Deshalb war Heinrich
überzeugt, daß er in nicht minderem Maße als die Bischöfe
zum göttlichen Dienst berufen sei. Hier deckten sich Recht
und Pflicht. Als Wazo von Lüttich, um seinen Widerspruch
gegen Heinrich zu rechtfertigen, sich darauf berief, daß er mit
dem heiligen Ol gesalbt sei, schlug er den Einwand mit der
Erwiderung nieder: Auch ich bin damit gesalbt, da mir vor
allen andern die kaiserliche Macht übergeben ist*. Nicht um-
1 Lamb. z. 1044 S. 28.
- Ann. Altah. z. 1044 S. 37. Ein späterer ähnlicher Akt ist "in den
Ann. Altah. z. 1047 S. 44 erwähnt. Bei den limina s. Petri liegt der Ge-
danke an Rom und die Kaiserkrönung am nächsten, obgleich meines Wissens
nicht überliefert ist, daß sie in St. Peter stattfand; vgl, auch den Brief
Berns S. 200 f. und Peter Dam. Epist. VII, 1 S. 435. Der Brief zeigt zugleich,
daß Heinrichs Vorgehen von Schwäche gänzlich frei war.
^ Ohne ältere Analogie war H.'s Handeln nicht; vgl. den fünf-
jährigen Frieden, den Heinrich IL in Merseburg aufrichtete, Thietm. VI,
.59 S. 168.
* Gest. ep- Leod. II, 66 S. 229 f.
— 575 —
sonst hatte Konrad die Erinnerung an Karl d. Gr. wachgerufen:
wie ein zweiter Karl erschien Heinrich III. den Zeitgenossen; so
hat ihn Lambert von Hersfeld genannt^. Der Vergleichungspunkt
war die religiöse Fassung des königlichen Amtes: wie einstmals
Karl, so wurde jetzt Heinrich mit dem König David verghchen".
Die Zeitgenossen waren bereit, diese Anschauung anzunehmen.
Jene glanzvolle prophetische Schilderung des Reichs, in dem Ge-
rechtigkeit und Friede sich küssen, erschien ihnen nicht zu ideal.
um sie auf das Deutschland Heinrichs anzuwenden^; so sprachen
nicht die Deutschen allein; auch ein Italiener hat von dem heiligen
Reiche geredet*.
Die Folge dieser Auffassung des könighchen Amtes war, daß
Heinrich in weit höherem Maße als sein Vater das kirchliche
Recht als sein Gewissen und sein Verhalten bindend anerkannte.
Daß er ein Gegner der Simonie war, ist bereits erwähnt: die Zeit-
genossen erteilen ihm einstimmig das Lob, daß er sich A'on diesem
Unrecht völhg frei hielt ^. Aber auch sonst achtete er die kirch-
lichen Satzungen: nichts konnte ihn bewegen, einem Mann ein
Bistum anzuvertrauen, der als Priesterssohn von dem Klerus aus-
geschlossen sein sollte^. Das Recht der Bischöfe, nur vor dem
geistlichen Gericht Urteil nehmen zu müssen, erkannte er an;
trotz aller Ehrfurcht vor seinem Vater verbarg er nicht, wie sehr
er sein gewaltsames Einschreiten gegen die lombardischen Bischöfe
mißbillige. Sobald er den Thron bestiegen hatte, ~ erhielten die
Verwiesenen die Erlaubnis zur Rückkehr. Selbst Aribert von
Mailand wurde wieder als Bischof anerkannt'.
Allein man muß sich hüten, Heinrichs Fügsamkeit gegen die
Forderungen des kirchlichen Rechtes zu überschätzen. Denn so viel
iiian von" diesem Rechte sprach, so war es doch keineswegs eine
sichere Größe mit zweifellosem Inlialt und zweifelloser Giltigkeit.
Vor allen Dingen war die Grenzlinie zwischen dem Recht der
weltlichen und dem der geistlichen Gewalt nirgends klar gezogen.
Sodann hatten sich in vielen Punkten abweichende Gewohnheiten
gebildet, die durch lange Duldung gebilligt zu sein schienen. Daraus
erklärt es sich, daß Heinrich nicht selten selbst zu entscheiden
hatte, was er als kanonisch verboten oder erlaubt betrachten wolle.
* Instit. Herveld. eccl. S. 351.
^ Bern von Reichenau in dem S. 573 Anm. 8 angeführten Brief S. 197.
ä Bern S. 199. * Petr. Dam. ep. VII, 1 S. 435.
5 Wipo 8 S. 28; Rud. Glab. Bist. V,5; Petr. Dam. Lib. grat. 88 S. 71;
Humb. adv. Sim. III, 7 S. 206. « Vgl. Anon. Haser. 34 S. 263.
' Wipo 35 S. 42; Ann. Altah. z. 1040 S. 28; Ann. Saxo z. 1040 S. 684.
— 576 —
Er verstieß nicht gegen seine Gesamtanschauung, auch wenn das,
was er tat, als unzulässig getadelt wurde. Vor eine solche zweifel-
hafte Frage fand er sich gestellt, als es sich um seine zweite Ver-
mählung handelte. Agnes von Poitou war mit ihm verwandt; denn
seine und ihre Großmutter waren Stiefschwestern^. Unter den
Männern des kanonischen Rechts entstand deshalb, als der Heirats-
plan bekannt wurde, große Aufregung. MündHch und schriftlich
machten sie dem König Vorstellungen: Poppo von Stablo sprach
ihm seine Bedenken mündhch aus ^, Siegfried von Gorze legte ihm
eine Denkschrift vor, er drang in Brun von Toul, sich ebenfalls
gegen des Königs Vorhaben zu erklären^. Brun scheint in der
Tat sich der Übernahme der Gesandtschaft nach Frankreich ent-
zogen zu haben*. Aber Heinrich hat trotz alledem seine Absicht
ausgeführt. Wenn er dabei Poppo versicherte, er werde nichts
Unrechtes tun, so wird man darin nicht nur die Zurückweisung
eines lästigen Mahners zu erblicken haben. Denn er konnte zweifel-
haft sein, ob seine Ehe ein Unrecht sei; die Männer, die zunächst
berufen waren, zu reden, die Bischöfe, erhoben keine Einwendungen;
ja einer der angesehensten, der gelehrte Brun von Wüi'zburg^,
ging selbst als sein Bote nach Aquitanien, um das Verlöbnis ab-
zuschHeßen. Noch viel weniger konnte Heinrich irgendwelche Be-
denken dagegen haben, die königliche Gewalt in der Kirche in dem^
selben Umfang zu gebrauchen, wie es bisher geschehen war. In
dieser Hinsicht ist zwischen seiner und seines Vaters Regierung
kaum ein Unterschied. Nach wie vor wurden die Bischöfe ernannt^,
1 S. die Genealogie in dem Brief Siegfrieds von Gorze S. 680.
- 2 Ib. S. 679. 3 Brief an Brun bei Giesebreeht S. 684 f.
4 Denn Siegfried hatte gehört, daß er die Gesandtschaft übernehmen
würde. Das scheint also die erste Bestimmung gewesen zu sein. Doch
kann auch eine Verwechselung mit Brun von Würzburg vorliegen,
'' Ann. Altah. z. 1042 S. 31. Brun ist einer der wenigen literarisch
tätigen Bischöfe dieser Zeit. Giesebrechts etwas obenhin ausgesprochene
Zweifel an der Authentie der seinen Namen tragenden Schriften, KZ. II
S. 625 sind grundlos. Die Widmung der Expositio an den heiligen Kilian
ist allein Beweis genug dafür, daß hier der Würzburger und nicht der
Augsburger Brun spricht. Damit fällt auch jeder Schein von Recht, Brun
einen ungeistlichen Wandel zuzuschreiben, S. 293.
® Daran läßt die Weise, wie Hermann von Reichenau spricht „a rege
promotus", , Imperator praesules constituit", ,ab imperatore promovetur"
u. dgl. keinen Zweifel, vgl. z. J. 1042, 1047. 1049, 1051, 1052, 1053; ähnlich
Ann. Altah. i. 1043, 1047, 1048, 1054, 1055; Lamb. z. 1047, 1048; Berthold
z. 1056; Ann. Aug. z. 1047; Chr. s. Ben. Div. z. 1041; Anon. Haser. 34
S. 263; Hug. Flav. Chr. 11,30 S. 403 f.; V. I Udalr. Cell. 2 Scr. XH S. 251;
— 577 —
lind tiel dabei die Frage, ob ein Kandidat für den Dienst des
Königs geeignet sei, sehr schwer ins Gewicht^ Deshalb Wieb die
könighche Kapelle die hohe Schule für die zukünftigen Bischöfe.
Die Gewählten erhielten wie bisher die Investitui' von dem König;
es machte in der Sache keinen Unterschied, daß Heinrich begann,
neben dem Stab auch den B.ing zu erteilen". Ganz unbedenklich
verfügte Heinrich über die Klöster: in Tegernsee suspendierte er
den Abt Elhngei' und übertrug die Verwaltung Altmann von Ebers-
berg; dann entzog er sie ihm wieder und gab das Kloster an
Udalrich von St. Emmeram; als dieser nach einem halben Jahr
starb, erhob er den Mönch Herrand zum Abt. Das alles geschah
im Lauf des Jahres 1042. Von dem Wahlrecht der Mönche war
keine Rede ^. Etwas später glaubten sie zu der Befürchtmig Grund
zu haben, Heinrich wolle ihr Kloster als Lehn vergeben; um es
zu verhüten, stellten sie ihm vor, dann werde niemand mehr malen
oder schreiben wollen, alle Kunst im Kloster werde ein Ende haben ^.
In derselben Weise verfuhr Heinrich anderwärts; dem Priester
Arnold von Lorsch übertrug er 1043 die Abtei Weißenburg, in
den nächsten Jahren die Klöster Limburg, Corvey und Lorsch,
schHeßlich auch das Bistum Spei er ^. Auch Fulda, Ebersberg,
Quedlinburg, Gandersheim, Essen ^', Farfa^, St. Vincenz am Vol-
turno * wurden ohne Wahl vergeben.
Anselm. jGest. ep. Leod. 50 Scr. VII S. 219 f.; Gest. pont. Camer. cont. 3;
vgl. Franziß, D. deutsche Episkopat in seinem Verhältnis zu Kaiser und
Reich 1880. Das Verfahren war das gleiche wie früher.
^ Vgl. Anselmi Gesta ep. Leod. rec. 11,46 S. 113.
2 Anon. Haser. 34 S. 264. Der Stab allein ist erwähnt Gesta pont.
Gamer. III, 68 S. 180.
^ Chron. Tegerns. 5 f. S. 509 f. Voigt, Die Klosterpolitik der salischen
Kaiser S. 11 ff. konstatiert, daß bei 34 Erledigungen Heinrich dreizehnraal
eingriff. ^ Brief der Mönche bei Pez, Thes. VI, 1 S. 239.
5 Chron. Lauresh. Scr. XXI S. 412.
8 Fulda: Ann. Hild. z. 1039 S. 44 und Lambert z. 1048 S. 61; Ebers-
berg: Chron. Ebersp. z. 1045 Scr. XX S. 14 f.; Quedlinburg: Ann. Altah. z.
1046 S. 41; Gandersheim und Essen: Ann. Hild. z. 1039 S. 44. Es scheint
mir wahrscheinlich, daß sowohl bei Siegeward von Fulda als bei Adelheid
von Gandersheim an Ernennung zu denken ist: bei dem ersteren spricht
dafür, daß er als iuvenis bezeichnet wird, bei der letzteren, daß sie bereits
Äbtissin war. ' Greg. Catin. 5 f. Scr. XI S. 559 f.
'^ Das Kloster erhielt ein Deutscher, namens Liutfrid, Chron. s. Vinc.
Vulturn. Murat. Scr. 1, 2 S. 513 f. Kurz vor seinem Tod, i. J. 1038, hatte
Konrad IL ebenfalls einen Deutschen, Richer von Altaich, zum Abt von
Monte Cassino ernannt, Ann. Altah. S. 22.
Hauck, Kircliengeschlchte. III. ö7
— 578 —
Die Berufung und das Präsidium von Synoden nahm Heinrich
in demselben Maße in Anspruch wie Konrad \ Endlich trug er
auch keine Bedenken, kirchliche Fragen zu erledigen und die Ver-
urteilung kirchlicher Männer herbeizuführen. So entschied er den
Zweifel etlicher Rechtsgelehrten, ob Kleriker einen Eid leisten
dürften, und es ist bezeichnend für seine Anschauung, daß als Grund-
lage seiner Entscheidung neben den kirchlichen Satzungen Stellen
des römischen Rechts genannt werden^. Als der alte Streit
zwischen Hamburg und Köln über das Bistum Bremen erneuert
Avurde, erkannte er auf Abweisung der Kölner Ansprüche ^. Wider-
spruch gegen seine Ajiordnungen duldete er so wenig als Konrad:
als Lietbert von Kamerijk sich einer Maßregel entgegensetzte, die
er für notwendig hielt, ließ er ihn in Verhaft nehmen und so lange .
festhalten, bis er sich fügtet Nicht einmal vor der Absetzung eines
Bischofs scheute er zurück; nur heß er sie durch ein Synodal-
gericht beschließen. Das zeigt sein Einschreiten gegen AVidger
von Ravenna '''. Derselbe war Kanonikus in Köln gewesen, Heinrich
1 Die Synode von Pavia (1046) ist von Heinricli berufen, C.I. I S. 94.
Er präsidiert der Synode von 1049, Lamb. z. 1050, vgl. C.I. I S. 97.
"- CT. I S. 96 : Nonnullis legisperitis res venit in dubium : utrum clerici
iueiurandum praestare debeant aut alii personae hoc offitium liceat dele-
gare. Quia enim illud constitutionis edictum, ubi clerici iurare prohibentur,
a Marciano augusto Constantino praefecto praetorio de Constantinopolitania
clericis promulgatum fuisse videtur, idcirco ad alios clericos pertinere non
creditur. Ut ergo ista dubietas ab omnibus penitus auferatur, nos illam
divi Marciani Constitutionen! ita interpretari decrevimus, ut ad omnium
ecclesiarum clericos generaliter pertinere iudicetur. Vgl. Ficker, Forsch. I
S. 57 u. in S. 112.
ä Adam Scholion 56 zu II, 69 S. 89 erwähnt die Erneuerung des Streits
durch EB. Hermann, ohne zu bemerken, wer entschied. Dehio I S. 173 f.
hat aber ohne Zweifel recht, wenn er die Entscheidung von Heinrich i. J.
1040 getroffen werden läßt.
*• Gest. ep. Cam. ni, 69. Auch Gebhard von Regensburg ließ Heinrich
als Hochverräter in Verhaft nehmen, s. Ann. Altah. z. 1055 S. 52, Ekkeh.
chron. z. 1056 S. 197 (Ich zitiere diese Chronik unter dem üblichen Namen).
6 Über dieselbe Herim. Aug. z. 1046; Gest. ep. Leod. II, 58 S. 224:
Petr. Dam. ep. VII,2 S. 436. Daß Herimann von Absetzung spricht, während
Anselm den Beklagten freiwillig Ring und Stab zurückgeben läßt, möchte
ich nicht mit Steindorff I S. 296 für einen "Widerspruch halten. Die frei-
willige Zurückgabe war vermutlich nur eine milde Form der Absetzung: es
ist ähnlieh wie bei Gregor VI. Über Widger sind zu vergleichen die Briefe
Damianis 111,5 S. 292 ff.; V, 12 S. 353. Sie zeigen ihn von einer wenig
günstigen Seite.
— 579 — ^
hatte ihm im Jahre 1044 das italienische Erzbistum anvertraut.
Aber bis zum Jahre 1046 hatte er, wir wissen nicht, aus welchen
Gründen, die bischöfliche Weihe nicht erhalten. Trotzdem pflegte
er bei der Feier der Messe den bischöflichen Oniat anzulegen.
Darüber und über andere Dinge wurde er am Hofe verklagt.
Heinrich ließ die anwesenden Bischöfe zusammentreten , um über
ihn zu urteilen. Unter ihnen befand sich Wazo von Lüttich.
Seinen Überzeugungen nach konnte er das ganze Verfahren nicht
billigen; er widersprach also und gründete seine Einrede darauf,
daß ein italienischer Bischof nicht in Deutschland gerichtet werden
könne. Aber Heinrich erkannte das Recht dieses Einwandes nicht
an. Nun ging Wazo um einen Schritt weiter; er erklärte: Dem
Papst sind wir Gehorsam, Euch Treue schuldig. Euch haben wir
über das Irdische, jenem über da*s Geistliche Rechenschaft zu geben.
Meine Meinung ist deshalb, daß, was auch Widger gegen die
kirchliche Ordnung gefehlt haben mag, das Urteil darüber allein
vor den Papst gehört. Ist er Euch im Weltlichen untreu gewesen,
dann ist es Euer Recht, eine Untersuchung anzustellen. Das war
das erste Mal, daß der unversöhnliche Zwiespalt zwischen den An-
schauungen des kanonischen Rechtes und den Zuständen, welche
sich in Deutschland gebildet hatt^, bestimmt und unumwunden
ausgesprochen wurde. Wazos Erklärung verfehlte denn auch ihren
Eindruck auf die übrigen Bischöfe nicht. Aber Heinrich setzte
seinen Willen durch: Widger mußte ihm Ring und Stab zurück-
geben. Die Bischöfe fügten sich; aber bei den Gesinnungsgenossen
Wazos blieb der Eindruck, daß Heinrich in ungemessener HeiTsch-
sucht danach strebe, die Bischöfe sich zu unterwerfend
Mit einem Wort: wie es in Rom eine Regierungstradition
über die Rechte des römischen Bischofs gab, die eine von dem
jeweiligen Papst gewissermaßen unabhängige Existenz hatte, ebenso
gab es in Deutschland eine Ansicht über die Rechte des Königs
in der Kirche, die aufrecht erhalten wurde, mochte der König
persönlich so oder so gesinnt sein. Die beiderseitigen Ansprüche
waren nirgends gegeneinander abgegrenzt. Es kam nur deshalb
nicht zum -Streit, weil es keinen Papst- gab, der Macht und Interesse
hatte, ihn zu beginnen.
Nicht in der Bemessung seiner Rechte, sondern in der Art,
wie er seinen Einfluß benützte, bewies Heinrich, daß er den kirch-
lichen Fragen anders gegenüberstand als sein Vater. Bezeichnend
genug war schon das Eine, daß er das erste Bistum, das er zu
1 Gesta ep. Leod. II, 66 S. 229 f.
37'
— 580 —
besetzen hatte, Richard von St Vanne anbot ^: er suchte geistlich
gesinnte Bischöfe. Er hat während seiner Eegiermig den einen
oder anderen Mißgriff bei der Wahl der Personen gemacht:
Bischöfe wie Sigibod von Speier und Nitker von Freising ^ waren
des Bischofsamtes schwerhch würdig. Aber wenn man in Betracht
zieht, daß Männer wie Suidgar von Bamberg und Wazo von Lüttich,
Gebehard von Eichstätt und Adalbero von Würzburg, Liutpold
von Mainz und Anno von Köln durch ihn in die Reihe der deut-
sehen Bischöfe eingeführt wurden, so kann man nicht zweifeln, daß
er mit Umsicht wählte. Auch sind die Anschauungen der Genannten
in mancher Hinsicht so verschieden, daß schon dadurch der Be-
weis geliefert wird, daß für Heinrich zunächst die geistUche Ge-
sinnung eines Kandidaten maßgebend war.
Seine religiösen Anschauungen führten ihn den Männern der
Klosterreform nahe: er hatte persönliche Beziehungen zu allen
Führern. Den Beweis seiner Hochschätzung, den er Richard er-
teilte, haben wir eben erwähnt. Daß ihm Poppo nicht weniger
galt, hat er durch Wort und Tat ausgesprochen^. Hugo von
Cluni nannte er seinen Bruder^; ihn und nicht einen Fürsten
erkor er zum Taufpaten seines Sohnes'^. Auch wenn er einem
Fanatiker wie Siegfried von Gor;^e nicht zu Willen war, so legte er
doch Gewicht darauf, daß das freundhche Verhältnis nicht gestört
wurde. Siegfried erwähnt, daß er ihn wiederholt um seine Fürbitte
gebeten habe^.
Es ist demnach kein Beweis mangelnden Interesses für die
Sache, daß die K^osterreform unter Heinrich zum Stillstand kam.
Der Grund lag vielmehr hauptsächlich darin, daß das Notwendigste
erreicht war; überdies standen die bisherigen Führer am Ende ihrer
Laufbahn. Odilo von Cluni war, als Heinrich den Thron bestieg,
ein siebzigjähriger Greis; Richard und Poppo sind im ersten Jahr-
zehnt seiner Regierung gestorben : die Zeit der großen monastischen
Charaktere war vorbei.
Aus dem Gesagten ergibt sich, in wie weit Heinrich als Ge-
■ sinnungsgenosse derjenigen zu betrachten ist, die eine Reform der
1 Hugo Flav. Chr. U, 30 S. 403.
- Über den ersteren Herim. z. 1039 S. 123; V. Bard. brev. S. 253; vgl.
oben S. 566 Anm. 6; über den letzteren Herim. z. 1052 S. 131.
^ Stumpf 2184. Heinrich erwähnt hier seine Anwesenheit bei der
Einweihung des Münsters zu Stablo, id obtinente apud nostram celsitudinem
abbatis eiusdem loci sc. Popponis reverentia. ** Stumpf 2378.
5 Bf Heinrichs Mign. 159 S. 931 f., auch bei Giesebrecht II S. 685 Nr. 12.
"^ Brief Siegfrieds S. 683.
— 581 —
Kirche forderten. Er Mar es, da er von den religiösen Ideen des
Zeitalters tief ergriffen war und da er die Überzeugung teilte, daß
die kirchlichen Verhältnisse den Forderungen des kirchlichen Rechts
gemäß gestaltet werden müßten. Aber er verstand den letzteren
Grundsatz so, daß die Gewalt des Königs in der Kirche dadurch
keinen Eintrag erhtt. Daß , jetzt der König auf die Reform-
tendenzen einging, ermäßigte die Spannung der Gegensätze, die
unter Konrad eingetreten war. Denn die Reformfreunde konnten
der könighchen Gewalt, deren Umfang sie da und dort drückend
empfanden, nicht grundsätzlich entgegentreten, da ihr Träger ihr
Gesinnungsgenosse war.
Dieser Sachlage entspricht es, daß die ersten sieben Jahre
der Regierung Heinrichs das Bild eines ruhigen Fortschrittes der
kirchhchen Dinge geben. Dadurch, daß die Simonie bei Besetzung
der Bistümer aufhörte und daß der König ihr auch, was die
niederen Stellen anlangt, entgegenwirkte \ war eine Hauptquelle
des Schadens verstopft. Überhaupt wurde die Disziplin unter dem
Klerus schärfer gehandhabt. Man hat allen Grund anzunehmen,
daß die Sitte, regelmäßig Diözesansynoden abzuhalten, sich wieder
durchzusetzen begann'-: sie dienten aber in erster Linie der
Disziphn^, Besonders auch mußte der Arbeit der Kirche zugute
kommen, daß Heinrich so ernsthch auf die Herstellung des Friedens
im Reiche bedacht war. Wie oft hat man die burgundische Ein-
richtung des Gottesfriedens gerühmt; aber viel höher war doch das
Ziel unseres Königs. Denn während jene sich begnügte, den
Frieden während der halben Woche zu sichern, suchte er dauernden
Frieden. Die Burgmider machten die unvollkommene Erfüllung
einer bürgerlichen Pflicht zu einer kirchlichen Vorschrift ; er dagegen
forderte die volle Erfüllung derselben auf Grund eines religiösen
Motivs. Er hat sicher das Vorgehen des burgundischen Klerus
nicht mißbilligt. Aber die Selbsthilfe, zu der der Klerus unter
einer schwachen Regierung schritt, bestimmte die Grenze dessen
nicht, was er für erstrebenswert hielt*.
1 Vgl. die Rede, die Rud. Glaber V,5 S. 71 dem König in den Mund legt.
- Vgl. die oben S. 562 Anm. 1 f. angeführten Konstanzer Schriftstücke
und Herim. Aug. z. 1082 S. 121. Eine Bamberger Diözesansynode i. J. 1059
ep. Bamb. 8 S. 497. In Hildesheim ordnete Bernward jährlich vier große
Versammlungen in seiner Diözese an, ÜB. d. H. Hildesh. I S. 60 Nr. 64.
" Dafür ist der angeführte Sermon sehr lehrreich.
* Es ist willkürlich, die Ungnade, in der Gerhard von Kamerijk eine
Zeitlang bei Heinrich stand, s. seinen Bf Gest. pont. Cam. HI, 60, mit seiner
— 582 —
Die Verhältnisse schienen sich so günstig zu gestalten, daß
ein Mann aus der Umgebung Heinrichs, der Geschichtschreiber
AVipo, den kühnsten Gedanken auszusprechen wagte. Er meinte,
wenn nun der König noch die Kaiserkrone empfangen habe, dann
solle er ein für ganz Deutschland giltiges Gesetz erlassen des In-
halts, daß alle Wohlhabenden ihre Söhne im Lesen sollten unter-
richten lassen. Mit Recht dünkte es ihn eine üble Seite des
deutschen Lebens, daß jedermann sich scheute, einen Sohn in die
Schule zu schicken, wenn er ihn nicht für den Klerus bestimmt
hatte. Und er urteilte, daß eine solche Vorschrift die Rechts-
sicherheit bedeutend erhöhen werde; denn dann werde die Kenntnis
der Gesetze zum Gemeingut werden ^. Gewiß deutet sein Vor-
schlag auf einen der schwächsten Punkte im Leben der deutschen
Nation: die Bildung war ausschließUch im Besitz des geisthchen
Standes, aber er markiert zugleich einen Höhepunkt unserer Ent^
Wickelung: der alte Gedanke, daß das Königtum nicht nur Friede
und Schutz zu gewähren hat, sondern daß es der Träger der
Kulturaufgaben der Nation ist, trat ungesucht, wie von selbst wieder
in den Vordergrund. Seine Verwirklichung schien möglich, Heinrich
schien der Mann dazu, wirklich zu einem zweiten Karl zu werden.
Es sollte nicht dazu kommen; das deutsche Königtum stand vor
seiner Katastrophe,
Der dunkele Punkt der Verhältnisse lag in Rom. Man konnte
am deutschen Hof nicht unbekannt mit der Ruchlosigkeit Bene-
dikts IX. sein. Auch daß er politisch unzuverlässig war, hatte
Heinrich erfahren. Seine, nicht ohne Bestechung erworbene Zu-
stimmung zu dem Raub der ReHciuien Adalberts von Prag war
den deutschen Interessen durchaus entgegen"-. Vollends die im
April 1044 getroffene neue Entscheidung über Grado war ein Stoß
gegen die königliche Autorität '^ Unbemerkt blieb das nicht; denn
Heinrich verlor die italienischen Angelegenheiten nicht aus den
Augen. Gesandtschaften gingen hin und her*. Man kann ver-
sehr wohlbegründeten Opposition gegen den Gottesfrieden, ib. III, 52, in
Zusammenhang zu bringen. ^ Tetralog. v. 183 ff. S. 61.
"2 Cosmas Chron. 11, 2 ff. S. 67 ff. Der Reliquienraub hing mit der Ab-
sicht, ein Prager Erzbistum zu gründen, zusammen; diese mit dem Be-
streben, die Abhängigkeit von Deutschland zu brechen.
" J.W. 4114. Poppo war 1042 gestorben, Herim. Aug. z. d. J. Der
König ernannte den Augsburger Kanoniker Hermann zu seinem Nach-
folger, ibid.
•* Im Spätjahr 1044 befand sich eine päpstliche Gesandtschaft am
Hofe, Stumpf 2252. Der Kanzler für Italien, Kadeloh von Naumburg, scheint
— 583 —
muten, daß, als die Eönier sich gegen Benedikt erhoben, sie es nur
wagten, da sie wußten, daß der deutsche Hof ihm grolle \ Als
Heinrich im Herbst 1046 von Augsburg aus seinen ersten italie-
nischen Zug antrat, flihrte er demnach einen reiflich überlegten
Plan aus; in OberitaHen war er lange erwartet". Ohne Kampf
fand er überall Anerkennung.
Man kann nicht sagen, daß in diesem Momente in Rom
anarchische Zustände herrschten. Silvester HI. hatte sich in sein
Schicksal gefügt: er amtierte als Bischof im Sabinerland; Benedikt
aber hauste in einem der Kastelle seiner Familie: allem Anschein
nach lebte -er wie ein Laie ^. Gregor VI. befand sich also im un-
bestrittenen Besitz des päpstlichen Stuhls. Seine Lage schien völhg
gesichert: er hatte die Römer schwören lassen, sie würden, solange
er lebe, nie einen andern Mann zum Papste wählen*. Nichts lag
den itahenischen Reformfreunden femer, als ihm Schwierigkeiten
zu bereiten. Mit dem größten Jubel hatten sie den Rücktritt
Benedikts begrüßt; der gute Ruf, in dem Gregor stand, verschaffte
ihm begeisterte Zustimmung. Peter Damiani fand kaum Worte
sie zurückbegleitet zu haben; denn er starb dortselbst, Ann. Altah. z. 1044
S. 38; Lamb. z. 1045 S. 59; Ann. necr. Fuld. S. 213. Im Februar 1045 folgte
in Augsburg eine Verhandlung nait den Lombarden de illius regni ordi-
natione, Ann. Altah. S. 39. Im März 1046 war wieder eine königliche
Gesandtschaft in Oberitalien, vita s. Guidon. 14 A. S. 0. s. Ben. VI, 1 S. 452.
^ Das ist vielleicht der echte Kern der unmöglichen Nachricht Rudolfs
Glaber V, 5 S. 72, daß Benedikt ex praecepto imperatoris gestürzt worden sei.
'^ Vita s. Guid. 16 S. 453. Was an Bonizos Nachricht ist, daß eine
römische Gesandtschaft unter Führung des Archidiakonus Petrus Heinrichs
Eingreifen erbeten habe, ad amic, V S. 585, läßt sich nicht mehr ersehen;
Steindorff I S. 262 verwirft sie, wogegen L. v. Ranke, WG. VII S. 196 f. sie
annimmt, vgl. auch Lamprecht II S. 300. Gegen die Erzählung, so
wie sie lautet, bin ich ebenso bedenklich wie Steindorff. Möglich, daß ihr
irgendwie ein Mißverständnis zugrunde liegt. Daß nach der römischen
Revolution eine Gesandtschaft nach Deutschland ging, ist sicher; denn es
mußte Gregor VI. alles daran liegen, Heinrichs Anerkennung zu erhalten
(s. u.). Vielleicht dachte Bonizo an diese Sendung und gab ihr nur einen
falschen Inhalt. ^ Desid. Casin. DiaL 3 S. 1004.
* Bonizo V S. 586, vgl. S. 584. Diese Quelle für die Nachricht ist
nicht sehr zuverlässig. Ich glaube sie gleichwohl nicht verwerfen zu sollen.
Denn sie entspricht den Verhältnissen: Gregor konnte nur hoifen, sich zu
behaupten, wenn er die populäre Strömung, die sich gegen Benedikt erhoben
hatte, dauernd an sich fesselte. Die deutschen Zeitgenossen sahen in Gregor
einfach den Papst der Römer, vgl. Herim. Aug. z. 1046: Gratianum, quem
expulsis prioribus, Romani papam statuerant.
— 584 —
genug, dies auszusprechen: in glühender Sehnsucht irgend etwas
Gutes über den apostolischen Stuhl zu hören, sei er verschmachtet;
jetzt aber labe er sich an dem guten Gerücht, das er von allen
Seiten über den neuen Papst höre. Er glaubte, seine Töne nicht
zu hoch greifen zu können: was vorlängst durch den Propheten
geweissagt sei, das habe in Wahrheit vor den Augen der Welt
sich jetzt wunderbar erfüllt: der Höchste herrscht über die Reiche
auf Erden und er gibt sie, wem er wilP. Wie in Italien, so war
Gregor in Frankreich anerkannt: im Februar 1046 befand sich
eine Gesandtschaft des französischen Königs in Rom-. Vollends
entscheidend schien, daß auch von Deutschland aus sofort Be-
ziehungen zu ihm angeknüpft wurden'^. Die christliche Welt
wußte vorerst nicht, oder sie übersah, auf welche Weise er in
den Besitz der päpstlichen Würde gekommen war, man hielt sich
an die Tatsache, daß er sie inne hatte*. Und an den offiziellen
Äußerungen, die man von Rom aus zu hören bekam, war jetzt so
wenig als unter Benedikt IX. etwas zu tadeln: mit demselben
Abscheu wie seine Vorgänger erklärte sich Gregor gegen die
Simonie^, ja man konnte aus seinen Worten die Andeutung
herauslesen, daß er willens sei, gegen schlechte Bischöfe einzu-
schreiten ^.
Wir wissen nicht, wann Heinrich über das Verbrechen Gregors
unterrichtet wurde. Klar ist, daß es nicht lange verborgen bleiben
konnte. Denn es wußten zu viele davon: Gregor hatte nicht an
Benedikt allein Geld gezahlt'. Auch fehlt es nicht an Spuren
davon, daß die Männer der Reformpartei von den Vorgängen in
Rom Kenntnis erhielten. Es ist ein seltsames Schriftstück, das
sich mit diesen Dingen befaßt, auf uns gekommen; es gibt sich als
ein Brief der Christenheit an Heinrich; unverhohlen wird die Ab-
setzung des Papstes verlangt: aus der ganzen Welt solle der König
1 Epist. 1, 1 S. 205. - J.W. 4130.
•" Ib. 4125; vgl. über die Bulle v. Pflugk-Harttung, Dij)!. bist. Forschgn.
S. 450 ff.
* Grauert hat, Hist. JB. XX S. 322, daran erinnert, daß die Zahlung
an Benedikt als Abfindungssumme betrachtet werden konnte. Ich bezweifele
aber, ob irgend jemand diese Vorstellung hatte. Es wäre nicht verständ-
lich, daß sie iiicht wenigstens zur Entschuldigung Gregors vorgebracht
worden wäre, wenn sie vorhanden gewesen wäre. Und ließ sie sich mit
den herrschenden Vorstellungen über die Simonie, s. o. S. 564 Anm. 2,
vereinigen? ^ j-^v 4130.
^ Ib. 4126: Hoc iubemus, quatenus hi ordines fiant a bonis et a ca-
tholicis episcopis. '' Bonizo_^ V S. 584.
— 585 —
die geistlichen Männer versammeln, um die große kirchliche Frage
mit ihnen zu lösen ^. Ahnliches fordert ein anonymes an ihn ge-
richtetes Gedicht: an Stelle des allmächtigen Gottes solle er die
dreifache Ehe der Kirche zerstören, und einen Papst suchen, der
des Papsttums würdig sei-. Man hat diese Stücke später Odilo
von Cluni und einem Einsiedler Wipert, bei dem vielleicht an
Günther den Eremiten gedacht ist, zugeschrieben, Schwerhch mit
' Recht. Aber wenn sie dieser Zeit angehören, dann können sie
nur aus dem Kreise der ßeformü'eunde hervorgegangen sein. Sie
zeigen das Entsetzen, das diese Männer ergriff, als sie innewurden,
daß der Mann, der sich als ihr Gesinnungsgenosse gab, nicht besser
war als die anderen alle.
Niemand kann die Frage beantworten, ob diese Schriftstücke
^ Der Brief ist von Sackur aus einer Vatikan. Handschrift bekannt
gemacht worden, N.A. XXIV S. 734. Ganz unanfechtbar ist die Beziehung
auf unsere Vorgänge nicht. Denn daß von der prima tyrocinii vestri con-
gressio die Rede ist, paßt nicht, da Heinrich 1046 schon im siebten Jahr
König war. Sein Verhältnis zur Syruskirche in Pavia ist unaufgeklärt-,
auch das Zitat aus einem Rhytmus auf Otto H. fügt sich nicht glatt ein.
Aber jede andere Deutung des Briefs führt zu noch größeren Schwierig-
keiten. Und wie eine Stilübung sieht er nicht aus. Man wird ihn also
dieser Zeit zuschreiben müssen. Daß die Handschrift Odilo von Cluni als
Verfasser nennt, scheint mir nur den Wert einer Vermutung zu haben. Sie
ist aber schlecht; denn Odilo hatte keinen Anlaß durch eine fremde Maske
mit Heinrich zu reden. Wie mich dünkt, beweist schon dies, daß der Bf
sich als Zuschrift der ganzen Christenheit gibt, daß er aus tieferen Schichten
stammt. Grauerts Erklärung audire = odire, Hist. JB. XX S. 317, ist über-
flüssig; setzt man hinter audire einen Doppelpunkt, so ist alles in Ordnung.
2 Von Grauert entdeckt und bekannt gemacht, Hist. JB. XIX S. 249 £F.
Da schon die Pöhlder Annalen das Gedicht kannten, s. z. 1045 S. 68, so
scheint mir ein Zweifel daran, daß es dem 11. Jahrh. angehört, unzulässig.
Dann ist aber nur die Beziehung auf Heinrich III. möglich. Die Pöhlder
Annalen nennen als den Verfasser Wipertus heremita in confinio Bohemie,
confessor Heinrici. Grauert hat mit großem Scharfsinn wahrscheinlich ge-
macht, daß hinter diesem Wipert Günther der Eremit, s. u. Kap. 4, steckt.
Aber da das Gedicht namenlos ist, so hat die Nennung eines Verfassers
nur den Wert einer Vermutung. Und sie ist so wenig glücklich als die
auf Odilo bezügliche. Der Mann, von dem Heinrich sagt: Amieabiliter usus
est nostra familiaritafce, hatte keinen Anlaß, in Versen mit dem König zu
reden. Und ob er, ein homo illiteratus, überhaupt dazu imstande war?
Ich gestehe, daß die Analogie Wolframs mich keineswegs von der Möglich-
keit überzeugt. Der Bf und das Gedicht sind zwei anonyme Stücke, die
man später mit den Namen bekannter Männer versah. Für uns kommen
sie nur als anonvme Stücke in Betracht.
— 586 —
in Heinrichs Hände gelangten. Aber auch wenn es der Fall war,
oder wenn er auf anderem Wege von der Schuld Gregors Kunde
erhielt, lag in seinen Anschauungen nicht die unbedingte Nötigung,
Gregor die Anerkennung zu entziehen. Er hat notorische Simo-
nisten unter den Bischöfen geduldet. Rudolf Glaber legt ihm die
"Worte in den Mund, sie sollten nur Sorge tragen, was sie mit
Unrecht empfangen hätten, gut zu verwalten^. Warum hätte er
also den simonistischen Papst nicht ertragen sollen? Als er die
Alpen überschritt, hatte er in der Tat den Beschluß, Gregor zu
beseitigen, noch nicht gefaßt.
Jedoch die oberste Leitung der Kirche nahm er in Italien
genau wie in Deutschland in Anspruch. Kaum hatte er den Boden
der Lombardei betreten, so gebot er den Zusammentritt einer
großen Synode. Sie fand am 25. Oktober 1046 in Pavia statt; in
seiner Gegenwart tagten vierzig Bischöfe aus Deutschland, Bui'gund,
Ober- und Mittehtahen. Wie es in Deutschland geschah, so wurde
auch hier der Synodalbeschluß rechtskräftig, indem er als könig-
liches Präzept formuhert wurde'''. Es ist nicht zu bezweifeln, daß
man die brennenden Fragen der kirchhchen Reform besprach^.
» Histor. V, 5.
' Die Synode ist erwähnt von Herim. Aug. z. 1046, Ann. Corb. S. 39,
Altah. S. 42. Die im Texte enthaltenen Angaben ergeben sich aus dem
einzigen Aktenstück über dieselbe, C.I. I S. 94, einer Aufzeichnung, be-
treffend die Entscheidung des Rangstreits über den Platz des Bischofs von
Verona auf den Konzilien.
^ Vgl. a. a. 0.: Cum multae res in eadem sinodo iuste atque rationa-
biliter in . . regis praesentia . . pertractarentur. Die Annahme Steindorffs I
S. 309 ff., daß die von Rudolf Glaber V, 5 S. 71 mitgeteilte Rede Heinrichs
zur Paveser Synode gehört, hat viel Ansprechendes; ich habe gleichwohl
Bedenken, sie mir anzueignen, da ich die Rede nicht in demselben Sinn
wie Steindorff für ein Denkmal Heinrichs III. halte. Die wenigsten Reden,
die man bei m.a. Historikern findet, sind historisch im strengen Sinn des
Wortes. Die vorliegende aber enthält ersichtlich Stellen, die von Heinrich
nicht gesprochen worden sind. Wie hätte er in offener Versammlung der
Bischöfe von seinem Vater sagen sollen: De cuius animae periculo valde
pertimesco? Aus Wipo sieht man, daß man am Hofe Heinrichs vielmehr
versuchte, Konrad von dem üblen Ruf, den er in mancher Hinsicht besaß,
zu reinigen. Auch dies, daß Heinrich zuerst die Absetzung aller simo-
nistischen Bischöfe, danach ihre Duldung, wenn sie sich bessern, ausspricht,
erweckt Bedenken. Daß Heinrich nicht beabsichtigte, zurückgreifende
Untersuchungen anzustellen, hatte er von Anfang seiner Regierung an
durch sein Verbalten bewiesen: er konnte unmöglich auf einer Synode den
entgegengesetzten Grundsatz proklamieren, um ihn dann sofort aus Mitleid
wieder aufzugeben. Ich halte demnach die Rede für ein Werk des Mönchs
— 587 —
aber die dürftige Überlieferung gestattet uns keinen Einblick in
die Art. wie es geschah, und in die Ziele, die man ins Auge faßte.
Sicher ist nur das Eine, daß der König als Führer auftrat: Das
bewies er weiter dadurch, daß er nach der Synode Gregor an sein
Hoflager berief. So viel wir sehen können, kam der Papst nicht
als Angeklagter: mit allen Ehren, die ihm geziemten, hat ihn
Heinrich aufgenommen, als er im November in Piacenza erschien ■^.
Der Zweck war also die Verständigung mit dem Papste. Aber sie
gelang nicht: im G-egenteil, nach dem Tag von Piacenza beschloß
Heinrich, sich Gregors zu entledigen.
Es ist einer der folgenreichsten Entschlüsse in seinem Leben.
Über keinen aber sind wir so schlecht untemchtet wie über ihn.
Denn wir hören nichts über seine Motive. Hat Heinrich jetzt erst
von dem Handel im Frühjahr 1045 Kunde erhalten? Es ist nicht
unmöglich; aber wer möchte es für wahrscheinUch halten? Oder
überzeugte er sich von der Unmöglichkeit, die Frevel Benedikts
und Silvesters zu strafen und zugleich Gregor als Papst anzu-
erkennen? Noch waren jene ungesühnt, unmögHch aber konnten
sie es bleiben. Oder war Gregor dem König politisch bedenklich
geworden? Diese Annahme entbehrt nicht einer gewissen Wahr-
scheinlichkeit. Denn stets waren die Römer der deutschen Herr-
schaft abgeneigt; Gregor aber hatte §ie eng mit sich zu verbinden
gewußt: kraft ihres Eides konnte er glauben, ihrer sicher zu sein,
auch gegen den König. Und nicht auf die Römer allein konnte
er sich stützen. Wir wissen, daß Gregor auch nach Toscana hin
Beziehungen angeknüpft hatte. Im Februar 1046 schenkte er den
Kanonikern von Florenz die Kirche S. Donnino wegen der beschwer-
lichen und wichtigen Dienste, die ihm der Propst Roland geleistet
hatte ^. Kirchliche Dienstleistungen waren das sicherlich nicht:
von Cluni. Dann ist nicht nur die Frage müßig, welcher Synode sie zu-
zuschreiben ist, sondern es ist auch die weitere Nachricht über das beab-
sichtigte königliche Edikt gegen die Simonie Von fraglichem Wert. Der
historische Kern der ganzen Erzählung ist nur die in Clülii wohlbekannte
Stellung Heinrichs zur Simonie.
^ Über diese Zusammenkunft Herim. Aug. z. 1046, Arnulfi Gest. episc.
Mediol. III, 3 Scr. VIII S. 17 und Bonizo V S. 585. Der letztere läßt Gregor
im Gefolge des Königs bleiben; dem widerspricht jedoch Desiderius Gas.
Dial. 3 S. 1005. Heinrich hat auch später Gregor als rechtmäßigen Papst
betrachtet. Das zeigt die Urkunde Stumpf 2320: Ea quae tempore Ponti-
ficum Romanorum, Johannis siquidem, Gregorii, Siluestri, Joannis, Sergii,
Bendedicti, Joannis, Benedicti, Gregorii et praesentis domni Clementis
tenuit etc. ^ j-vv. 4129.
— 588 —
man kann nur an politische denken. Kurz: so einfältig, wie die
Gregorianer der späteren Zeit Gregor VI. schilderten, ist er sicher
nicht gewesen: er erstrebte aller Wahrscheinlichkeit nach eine un-
abhängige politische Stellung. So haben ihn die Römer des nächsten
Jahrhunderts beurteilt, indem sie ihn als den Befreier betrachteten ^
Und das scheint nicht grundlos gewesen zu sein.
Doch wie immer: jedenfalls sah Heinrich seit der Zusammen-
kunft in Piacenza in ihm, sei es ein Hindernis für die Besserung
der kirchlichen Zustände, sei es einen Gegner. In beiden Fällen
mußte er fallen. Heinrich rückte langsam südwärts vor: Ende
November stand er in Toscana, in Lucca^, Mitte Dezember wenige
Tagemäi'sche von Rom entfernt, in Sutri \ Dort sollten die Bischöfe
seines Gefolges, Äbte, Kleriker und Mönche aus der Umgebung am
20. Dezember zu einer neuen Synode zusammentreten. Indem
Heinrich durch eine bischöfliche Abordnung Gregor vor die Synode
laden ließ, mußte dem Papst klar werden, was sein wartete*. Daß
1 Otto Fris. chron. VI, 32 S. 287. - Stumpf 2316.
2 Die Nachricliten über die Synode von Sutri sind, da Aktenstücke
nicht vorliegen, nur dürftig, überdies nicht übereinstimmend. Den aus-
führlichsten Bericht gibt Bonizo V S. 585 f. ' Er ist aber ersichtlich ebenso
tendenziös wie sein ganzes Werk und als Grundlage deshalb nicht zu be-
nützen. Daß auch der Bericht der Annal. Rom. bei Watterich I S. 73
nicht genau ist, zeigt die Notiz bei Peter Damiani, de abdic. opisc. 11
S. 441. Sie erschüttert nicht minder das Vertrauen zu dem sonst wohl
unterrichteten Desiderius von Monte Cassino, dial. 8 S. 1005. Dagegen ver-
trägt sich mit ihr die Angabe der Ann. Corb. S. 39, in der Hauptsache auch
Benzo ad Henr. VII, 2 S. 670, während Herimann, das Chron. s. Benig. und
die Altaicher Annalen das, was in Sutri und was in Rom geschah, nicht
auseinander halten.
* Nach den Annal. Rom. beruft Heinrich Gregor samt dem röm. Klerus
zur Synode. Das ist eine Vorladung. Nach Desiderius bittet Heinrich den
Papst, zur Synode zu kommen, wo ipso praesidence über die römischen
Verhältnisse gehandelt werden sollte. Das ist keine Vorladung. Desiderius
erklärt das Vorgehen des Königs dahin, es sei das Mittel gewesen, um
Gregor zum Erscheinen zu bewegen; denn der Entschluß, ihn abzusetzen,
sei von Heinrich bereits gefaßt gewesen. Gregor habe sich auch täuschen
lassen; in der Hoffnung, Anerkennung zu finden, sei er eingetroffen. Nach-
dem er aber seinen Irrtum eingesehen habe, habe er verzichtet. Diese
Darstellung ist schwerlich begründet : wenn dem Papst der Vorsitz auf der
Synode eingeräumt wurde, so war das eine so ausdrückliche Anerkennung
seines päpstlichen Rechts, daß das weitere Verfahren dadurch nur erschwert
wurde. Man wird es also bei einer einfachen Vorladung zu belassen haben.
Noch weniger glaulilich ist Bonizos Erzählung, nach der Heinrich Gregor
^ 589 —
Benedikt und Silvester vorgeladen wurden, lag in der Natur der
Sache. Denn dadurch, daß sie nicht mehr den Anspruch erhoben,
Päpste zu sein, war das Unrecht, das sie vorher begangen hatten,
nicht beseitigt. Im deutschen Lager war man nicht ohne Bedenken,
wie die Dinge laufen würden^. Jedoch Gregor gab seine Sache
verloren; er verzichtete auf den Kampf um die päpstliche Würde
und folgte der Vorladung; das Gleiche tat Silvester III.; Benedikt
dagegen erschien nicht.
Heinrich selbst leitete die in der Kirche von Sutri zusammen-
tretende Versammlung". Das Urteil über Silvester IIT. konnte,
keine Schwierigkeit machen; denn sein Einbruch in ein fremdes
Amt war notorisch. Wurde er daraufhin der bischöflichen und
priesterlichen Würde entsetzt, und zur Einschließung in ein Kloster
verurteilt, so war das ein milder Spruch ^. Die Einschließung ver-
hütete zugleich, daß er fernerhin Born beunruhigte. Schwieriger
war das Urteil über Gregor VE. Denn er war tatsächlich Papst,
und der Bechtssatz, daß der römische Bischof von niemand ge-
richtet werden könne, war allgemein anerkannt. Man erkennt
Heinrichs Stellung zum kirchlichen Becht darin, daß er es vermied,
ihn zu verletzen : Gregor wurde nicht abgesetzt, sondern die Synode
Überheß es ihm selbst, das Urteil über sich zu sprechen*. Den
um die Berufung der Synode bittet, Grregor sie auch wirklich beruft,
eröffnet und die Verhandlungen gegen Benedikt und Silvester leitet. Hier
liegt die kirchenpolitische Tendenz auf der Hand.
^ Das zeigen Herimanns Worte: Cunctis prospere cedentibus.
^ Nach den Ann. Rom., Corb., Altah. und Herim. handelt in Sutri
Heinrich mit Beirat der Synode.
^ Das Urteil über Silvester lautete nach den deutschen Quellen auf
Absetzung von der päpstlichen "Würde, nach den Ann. Rom. auf Exkom-
munikation, nach ßonizo wie im Text angegeben. Der Irrtum ist hier auf
Seiten der Ann. Romani, während zwischen den deutschen Quellen und
Bonizo nicht notwendig ein Widerspruch stattfindet: die ersten berichten
nur das allgemein Wichtige, die definitive Beseitigung Silvesters; für sein
weiteres Schicksal hatten sie kein Interesse, wohl aber konnte man darüber
in Italien unterrichtet sein.
* Über das Urteil gibt Peter Damiani a. a. 0. sichere Kunde: Super
quibus — Benedikt und Gregor — praesente Henrico imperatore, cum dis-
ceptaret postmodum synodale concilium, quia venalitas intervenerat, depo-
situs est, qui suscepit, non excommunicatus est, qui desei*uit. Vgl. auch d.
Bf Clemens' II. an die Kirche von Bamberg J.W. 4149 und vita Halinardi
7 Mign. 142 S. 1343. Die Angabe bei Desiderius und Bonizo, daß Gregor
sich selbst seiner Würde entkleidete, steht, wie mich dünkt, hiermit nicht
in Widerspruch. Denn diese Selbstverurteilung war nur die Form, in
— 590 —
seiner Würde Entkleideten verwies Heinrich nach Deutschland: er
erschien für die Ruhe Roms gefährlicher als Silvester. Zu seinem
Begleiter wurde einer der niederen Kleriker beim Lateran bestimmt :
Hildebrand ^.
Nun stand dem Einzug kein Hindernis mehr im "Wege. Zwei
Tage vor Weihnachten betrat Heinrich, von den Römern jubelnd
begrüßt, die Stadt.
Nachdem hier das Absetzungsurteil auch über Benedikt IX.
gefällt 2 und dadurch jede Gefahr eines Schismas ausgeschlossen
war, schritt der deutsche König zur Ernennung eines neuen Papstes.
Es war am heiligen Abend vor Weihnachten, die Bischöfe und
Abte aus dem Gefolge des Königs, der gesamte Klerus von Rom
und eine ungezählte Menge Volks waren in der Peterskirche ver-
sammelt. Vor ihnen allen nominierte Heinrich den Bischof Suidgar
von Bamberg zum römischen Bischof^; Klerus und Volk stimmten
zu*. Man hat später bemerkt, daß seine Ernennung kanonisch
anfechtbar war^; in diesem Augenblick dachte niemand daran. Alle
Bedenken verstummten in dem Jubel darüber, daß die Schmach,
welche die Absetzung gekleidet wurde. Vgl. de ordin. pont., L. d. 1. 1
S. 13, 29 f.: In captione sua coactus est, ut tristis et invitus confiteretur.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Heinrich wirklich diese Form
wählte, zunächst um des im Texte ausgesprochenen Grundes willen, sodann
aber auch, weil das vom Papste selbst ausgesprochene Urteil am sichersten
die Gefahr einer späteren Erneuerung des Anspruchs ausschloß. Daß es
sich nicht um die Abdankung, sondern um die Selbstabsetzung Gregors
handelt, erinnert mit Recht Langen S. 438. Vgl. auch Mirbt S. 9-5 und
Grauert, Hist. JB. XX, 1899, S. 321 f., der jedoch eine die Selbstabsetzung
Gregors bestätigende Depositionssentenz der Synode für nötig erachtet.
Aber die Worte bei Bonizo: Quod tibi placet, et nos firmamus, erklären
doch nicht die Absetzung, sondern nehmen sie nur an.
^ Gregor. Reg. VII, 14a S. 401: Invitus ultra montes cum dorn. p.
Gregorio abii; mit abweichender Motivierung Bonizo S. 587.
2 Ann. Corb. 1. c.
^ Die Quellenstellen für diese und die folgenden Papstwahlen sind von
Martens, Die Besetzung des päpstl. Stuhles, 1887, sorgfaltig zusammen-
getragen. Auf die Nachricht Benzos über die Bitte der Römer möchte ich
aber nicht einmal so viel Gewicht legen wie Martens S. 13.
* Die Tatsache der Wahl erwähnt Clemens selbst, J.W. 4149: Voluit
eligi. Vgl. femer Ann. Corb., Herim> und Desid. Gas. dial. 3 S. 1005. Die
Beurteilung der Dinge bei Martens scheint mir unrichtig: Ernennung und
Waäil bilden keinen Gegensatz, Das zeigen die deutschen Verhältnisse.
* Bonizo S. 586. In Frankreich wurde H.'s Eingreifen sofort getadelt,
5. das Schriftchen de ordin. pont. S. 12 f.
— 591 —
unter der Rom jahrzehntelang geseufet hatte, hinweggenommen sei\
Am Weihnachtsfeste wurde Clemens II. — so nannte sich Suidgar
— inthronisiert Er hat unmittelbar danach Heinrich III. zum
Kaiser gekrönt.
War dieser Tag gewählt in der Erinnerung an das Weih-
nachtsfest 800? Auch wenn es nicht der Fall war, so gemahnt
die Krönung Heinrichs III. an die Karls d. Gr. Freilich war die
Macht, die der neunundzwanzigj ährige Kaiser in Europa besaß,
mit der des großen Karl nicht zu vergleichen: Europa war größer,
das Reich kleiner geworden. Aber im Verhältnis zu Rom war die
Macht beider Männer gleich; fast seltsam berührt das Zusammen-
treffen. Karl hatte in den letzten Tagen vor seiner Krönung Leo
genötigt, sich von den ihm schuld gegebenen Verbrechen zu reinigen,
Heinrich hatte Gregor, der sich nicht zu reinigen vermochte, ge-
nötigt, sich selbst das Urteil zu sprechen. Beide hatten in der
Form die außerordentliche Stellung geschont, die die Päpste inne-
hatten, in der Tat hatten sie als Richter der Päpste gehandelt.
So konnte Karl verfahren, da der Umfang des Reichs und der
Umfang der abendländischen Kirche sich deckten. Daß Heinrich
ebenso handelte, obgleich er nicht die Welt beherrschte, bezeichnet
den Höhepunkt des Einflusses, den die deutsche Nationalkirche auf
die allgemeinen kirchlichen Verhältnisse ausübte. Und dieser Ein-
fluß sollte dauernd erhalten werden. Deshalb ließ Heinrich zu der
kaiserhchen Würde sich vom römischen Volk auch den Patriziat
verleihen ^. Man hat später dabei an den Patriziat der fränkischen
Fürsten gedacht^; für den Moment aber lag die Erinnerung an die
Rolle näher, welche die Führer des römischen Adels als Patrizier
jahrzehntelang in der Stadt und besonders bei der Ernennung der
Päpste gespielt hatten. Sie hatten die kaiserUche Oberherrschaft
1 Ann. Rom. S. 73.
2 Vgl. über den Patriziat Heinrichs bes. Steindorff, JB. I S. 506 fiF.,
Fetzer, Voruntersuchungen S. 38 ff., v. Heinemann, Der Patric. der deut-
schen Könige 1888 und Martens S. 46 ff. Die entscheidenden Aussagen findet
man bei Peter Damiani, lib. grat. 38 S. 71: Ut ad eins nutum s. Romana
aecclesia nunc ordinetur ac praeter eins auctoritatem apostolicae sedi nemo
prorsus eligat sacerdotem. Demgemäß wird Heinrich mit David verglichen:
•wie dieser um des Sieges über Goliath willen die Königstochter zur Braut
erhielt, so gewann Heinrich durch den Sieg über Simon Magus sich die
römische Kirche. Disc. syn. S. 80: Tu — der Defensor der römischen Kirche
— hoc negare non potes, quod pater domini mei reg^ p. m. Heinricus im-
perator factus est patricius Romanorum, a quibos etiam accepit in electione
semper ordinandi pontificis principatum. Ebenso Ann. Rom. S. 73.
» Ann. Rom, S. 73.
— 592 —
über Rom nicht bestritten: aber sie selbst waren die immittelbaren
Herren in der Stadt; die Herrschaft des Kaisers war nur indirekt.
Das sollte geändert werden. Darin lag dann aber der Anspruch,
daß ' der Kaiser regelmäßig den Papst ernenne, nicht etwa nur die
Wahl bestätige und in einem Zweifelsfall über ihre Eechtmäßigteit
entscheide. Diese Bestimmung war durch Otto I. erneuert worden;
aber sie hatte sich als ungenügend erwiesen; denn welche Frucht
hatten die unkontrollierten Papstwahlen gehabt! Die Ernennung
der Bischöfe durch den König dagegen hatte sich in Deutschland
und in der Lombardei bewährt. Sie sollte übertragen werden
auch auf das römische Bistum, auf das kirchliche Amt, das den
Anspruch erhob, allgemeines Bistum zu sein. Schien da nicht in
Wahrheit die Zeit wiederzukehren, in der der römische Bischof der
erste Gehilfe des nordischen Kaisers bei der Regierung der Kirche
gewesen war?
Wenn wir aus den Taten Heinrichs schließen dürfen, so war
dies sein Gedanke. Es gibt Höhepunkte des geschichthchen Ver-
laufs, bei deren Betrachtung man versucht ist, zu träumen und den
Bück über das weite Feld von Möglichkeiten schweifen zu lassen,
das sich zu öffnen scheint. An einem solchen Punkte steht unsere
Darstellung. Und doch muß man fragen: War es wirklich möglich,
den Augenblick festzuhalten, der wie die Erfüllung alles dessen er-
schien, was im Schwanken der Ereignisse sich vorbereitet hatte seit
dem Tage, da Otto I. im Münster zu Aachen die Krone auf das
Haupt gesetzt wurde? Es war unmöghch. Die Idee des Papst-
tums widerstrebte der Stellung, die es neben dem beherrschenden
Kaisertum einnehmen sollte. Für die Adelspäpste der letzten Jahr-
zehnte war diese Idee nur ein Wort gewesen, eine Formel, die die
päpsthcheu Briefe schmückte. Aber sie lebte in den Gemütern der
Menschen. Und sie mußte auch in Rom Avieder lebendig werden,
sobald ein tüchtiger Mann, ich will nicht sagen, den Stuhl Petri,
aber den Stuhl Nikolaus' I. bestieg. Der Irrtum Heinrichs bestand
darin, daß er dies übersah. Aber nie war ein Irrtum verzeihlicher:
denn die kläglichen Zustände in Rom verhüllten die Macht, die
die Idee des Papsttums hatte.
Zunächst schien nun wirkKch der Papst des Kaisers Gehilfe
werden zu sollen. Dazu war Clemens in jeder Hinsicht geeignet.
Er war lange genug deutscher Bischof gewesen, um sich in Hein-
richs kirchhche Pläne einzuleben, und er war von dem Ehrgeiz, für
seine Person etwas zu bedeuten, fi-ei. Er erscheint wie bedrückt
durch seine plötzhche Erhebung an die Spitze der Kirche. Diese
unvorhergesehene Wendung erhöhte nicht, sondern minderte eher
sein Selbstgefühl; denn mit überwältigender Wucht drang der Ge-
— 593 —
danke auf ihn ein, daß in den irdischen Ereignissen sich nur die
verborgenen Anordnungen Gottes vollziehen. In fast weicher Weh-
mut spricht er dies in einem Schreiben an die Bamberger Kirche
aus\ Er beginnt mit der E,eflexion, daß die Ordnung der Jahr-
hunderte von dem Herrn des Himmels kommt, der, ehe sie wurden,
vorausgesehen hat, -wie sie gestaltet werden. Was von Ewigkeit
her von ihm vorausversehen ist, das muß sich erfüllen. Daß er
zum Bischof der fi-änkischen Stadt erhoben wurde, darin sieht er
Gottes Rat ; er ist dadurch glücklich geworden : so angelegentlich als
möglich versichert er, kein Mann könne reinere Treue und wärmere
Liebe gegen sein Gemahl hegen als er gegen Bamberg; nie sei ihm
der Gedanke gekommen, sein Bistum zu verlassen. Aber durch
Gottes Fügung sei er von ihm geschieden und sei ihm das Amt
übertragen, vor dem jedes Knie auf Erden sich beugt, und das die
Macht hat, die Türe des Himmels zu öfi&ien und zu schließen.
Der hohen Stellung des Papsttums war er sich also bewußt; aber
durch Heinrichs Eingreifen schien ihm dieselbe nicht erniedrigt:
preisend erwähnt er es, daß Heinrich gewacht habe, daß die Zu-
stände in Rom gebessert wurden.
Heinrich hat Clemens völlig als seinen Vertrauensmann be-
trachtet und behandelt^. Dagegen waren die italienischen Reform-
freunde im ersten Augenblick bedenklich: mehr als zurückhaltend
ist der Brief, den Peter Damiahi fast genötigt durch Heinrich an
Clemens schrieb: hier wird nichts von dem Jubel laut, mit dem er
vor kurzem Gregor VI. begrüßt hatte; kaum verbirgt sich das Miß-
trauen gegen die Kraft des deutschen Papstes ^.
Allein Clemens täuschte Heinrichs Erwartungen nicht. Er
begann sofort die Reformtätigkeit. Schon in den nächsten Wochen*
hielt er gemeinsam mit dem Kaiser eine römische Synode. Daß
auf derselben die alten Bestimmungen gegen jede Art von Simonie
^ J.W. 4149; vgl. auch die Einleitung zu 4141 u. 4148: Praedestinatione
Dei omnipotentis, omnia disponentis, omnia ordinantis, secundum suum
velle quaecunque fiunt tarn in coelis quam in terris, valido corporis langu-
ore . . correptus, unde vix credo me evasurum.
2 Er hat Peter Damiani an ihn gewiesen, ep. 1, 3 S. 207. Clemens
schloß sich in allen Stücken eng an den Kaiser an. Dafür ist die Ver-
hängung des Bannes über Benevent beweisend, chron. Casin. II, 78 S. 683 :
A Romano pontifice excommunicari fecit, nicht minder auch die Kleinig-
keit, daß er den Äbten das Tragen des bischöflichen Ornats untersagte,
J.W. 4184. Er rechtfertigte dadurch Konrads Entscheidung (s. o. S. 559).
3 Epist. I, 3 S. 207 f. Hefeies Urteil S. 713 ist unrichtig.
* J.W. 4141: Circa nonas Januarias.
Hauck, Eörchengeschiohte. III. 38
— 594 —
erneuert wurden^, war durch den Moment gegeben. Aber jetzt
sollte nicht nur ein unbestrittener und fortwährend übertretener
Rechtssatz wiederholt, sondern es sollte Einleitung ■im seiner Durch-
führung getroffen werden. Doch indem das geschah, erhob sich
die Frage, in der die ganze Schwierigkeit der Situation lag: Wie
waren die Amtshandlungen der Simonisten zu betrachten? In
Deutschland hatte vor wenigen Jahrzehnten Burchard von Worms
in seinem Dekret die Anschauung zu Worte kommen lassen, daß
die Amtshandlungen unwürdiger Priester Geltung hätten^. Dem-
gemäß hatte Heinrich III. gehandelt. In Italien dagegen hatte
Wido von Arezzo sich sehr entschieden für die entgegengesetzte
Überzeugung ausgesprochen: die Simonisten sind keine Priester,
alles, was sie tun, provoziert nur den göttlichen Zorn ^. Die römische
Synode erkannte die deutsche Ansicht als berechtigt an, indem sie
den Beschluß faßte, daß die von Simonisten Ordinierten in ihrem
klerikalen Bang bleiben sollten, selbst wenn ihnen das Verbrechen
des Ordinators bekannt war*.
In, seiner maßvollen Zurückhaltung ist dieser Beschluß für
den Beginn der Reform charakteristisch. Sie wurde nicht mit der
Leidenschaft der Parteimänner unternommen, sondern von einer
staatsmännischen Hand geleitet: sie sollte ohne zu große Er-
schütterung zur Besserung der kh'chhchen Zustände führen.
Aber es schwebte ein Verhängnis über Heinrichs Reform,
Denn kaum war der erste Schritt geschehen, so wurde der Mann
abgerufen, der die Ausführung leiten sollte. Am 9. Oktober 1047
starb Clemens II. in dem umbrischen Kloster des Apostels Thomas.
Und der Nachfolger, den Heinrich ihm gab, Bischof Poppo von
Brixen, als Papst Damasus II., überlebte seine Inthronisation hur
drei Wochen^: er starb am 9. August 1048 in Palestrina, nach-
dem er am 17. Juli in St. Peter die Inthronisation erhaltep hatte.
Wie nach Clemens' Tod, so sandte auch jetzt das römische Volk
eine Botschaft an den deutschen Hof, um einen Nachfolger zu er-
bittend Schon jetzt aber tritt hervor, daß die Römer nicht in
1 C.I. I S. 95 Nr. 49.
2 Vgl. Decret. IV, 39 f. über die Ketzertaufe; auch 1,133 ff.
3 Epist. ad Heribert. L. d. 1. I S. 6.
* Peter Dam. Hb. grat. 37 S. 70. Die Lesart ignorans, statt non igno-
rans, der Mivbt, Publ. S. 391 folgt, scheint mir eine zweifellose Korrektur,
und also zu verwerfen.
^ Von einer auf die Ernennung folgenden Wahl wird bei Damasua
nichts erwähnt: sie liegt aber in der Akklamation: Honorifice susceptus
(Herim. Aug.), cum magno desiderio suscepit (Ann. Rom.).
0 Bonizo V S. 587.
— 595 —
jeder Hinsicht den Zielen der deutschen PoHtik sich anpaßten. Sie
baten um die Ernennung HaUnards von Lyon^. Er war in Rom
bekannt und behebt. Schwerhch aber hat man nur deshalb seine
Wahl gewünscht. Vielmehr hat wahrscheinlich der Umstand ihn
als den rechten Mann erscheinen lassen, daß er bei seiner Erhebung
auf den Erzstuhl von Lyon die Leistung des Treueides verweigert
hatte. Er hatte es getan, weil er Mönch war und weil die Regel
den Mönchen das Schwören schlechthin untersagt". Aber sollten
die Römer in seiner Weigerung nicht mehr gesehen haben, als
Gewissenhaftigkeit? Sollte ihnen nicht der Mann, der dem Kaiser
den Eid versagte, als der rechte Mann erschienen sein, um die
Freiheit der Kirche zu vertreten? Die Freiheit der Kirche aber
hieß für Rom auch Freiheit der Stadt von der deutschen Herr-
schaft. Man erstaunt, daß Heinrich auf den Wunsch der Römer
einging. Denn die Überlieferung, die in bezug auf diesen Kaiser
noch mehr als bei andern über die Beweggründe der Handlungen
schweigsam ist, läßt nicht einmal Raum für eine Vermutung über
seine Motive. Sie meldet nur, daß Halinard selbst seine Ernennung
verhinderte.
Als die römischen Gesandten eintrafen, befand sich Heinrich
in Sachsen^. Sie suchten ihn dort auf und begleiteten ihn sodann
im Winter an den Rhein, i^uf einer Versammlung der geistlichen
und weltlichen Großen in Worms sollte der neue Papst erkoren
werden. Wir haben keine Nachricht über die Verhandlungen.
Doch legt die Notiz, daß die Wahl Bruns von Toul plötzhch und
für ihn selbst unerwartet erfolgte*, die Vermutung nahe, daß Hein-
rich erst in Worms die Absicht kundgab, seinen Vetter mit der
päpstlichen Würde zu betrauen. Sie fand sofort allgemeine Zu-
stimmung; der einzige, der Bedenken hatte, war Brun selbst^.
1 Das Folgende nach Chron. s. Ben. Div. S. 2B7. Die chronol. Ein-
ordnung ist niclit sicher, da die Chronik Poppo von Brixen ignoriert. Ich
stimme Steindorff II S. 54 Anm. 1 zu; Hefele, CG. IV- S. 714, verlegt die
Kandidatur Halinards vor die Ernennung Poppos.
2 Cap. 4: Non -iurare, ne forte periuret. Man hat kejnen Anlaß,
diesen von Halinard angegebenen Grund für einen Vor wand zu halten.
^ Bonizo a. a. 0.
* Wibert vita Leon. II, 2 S. 149: Repente, illo nihil tale suspicante.
Möglicherweise gehören diese Worte nur zu dem Beiwerk, das Wibert dem,
was er -wußte, hinzufügte. Über den Tag auch Bonizo V S. 587; Boso, Vita
Leon. IX. Lib. pont. II S. 355; Gesta ep. Tüll. 41 Scr. VIH S. 645.
* Über Leo IX. vgL man außer den allgemeinen Werken : Höfler, Die
deutschen Päpste I, 1839; Will, Die Anfänge der Restauration der Kirche,
1859; Delarc, Un pape Alsacien, Paris 1876; Brucker, L'Alsace et l'eglise
38*
— 596 —
Er stand im siebenundvierzigsten Lebensjahr. Dank seiner
Verwandtschaft mit König Konrad war er lange vor dem kano-
nischen Alter an die Spitze der Diözese Toni gekommen, und mit
großem Ruhm hatte er sie bisher verwaltet. Die mit und ohne
Absicht tendenziöse Geschichtschreibung des elften Jahrhunderts
hat in ihm das Ideal eines frommen Bischofs gezeichnet; und wer
möchte bezweifeln, daß Brun mit ganzer Seele auf die religiöse
Bewegung eingegangen ist, die ihren Ursprung in Lothringen hatte
und der sein elsässisches Vaterhaus nicht fremd geblieben war?
Aber dieser fromme Mann fand nichts Arges in den Verhältnissen,
die sich in Deutschland gebildet hatten. Als Diakon des Bischofs
Hermann von Toul führte er im Jahr 1025 das Aufgebot des
Bistums nach Italien. Er tat alles, was von einem miütärischen
Führer zu erwarten war: man sah ihn das Lager abstecken, die
Wachen verteilen; er sorgte für Proviant und Sold-'. Die Wähler
in Toul hatten also guten Grund, weim sie in ihrem AVahldekret
besonders hervorhoben, daß er der Mann sei, eine so gefährdete
Grenzstadt wie Toul zu schützen^. Daß er bei der Verheiratung
Heinrichs mit Agnes von Poitou sich zurückhielt, haben wir schon
bemerkt: aber wenn er des Königs Vorhaben nicht förderte, so tat
er doch auch nichts, es zu hindern. Auch jetzt machte ihn zwar
die Größe des Amts bedenkhch; aber an der Ernennung nahm er
keinen Anstoß: er war dem König zu Willen^.
au temps du pape Leon, 1889; Bröcking, Die französ. Politik Leos IX., 1891;
Mirbt, P. RE. XI S. 379 ff. Ich stelle Leos Tätigkeit natürlich nur so weit
dar, als sie für die Entwickelung der deutschen Verhältnisse in Betracht
kommt. ' Wib. vita Leon. I, 7 S. 134.
^ Ib. I, 8 S. 185.
^ Die Nachricht, daß Brun die Vornahme einer Wahl zur Bedingung
für die Annahme der Ernennung gemacht habe, findet sich bei Bruno Segn.
de sym. 2 L. d. 1. II S. 547 u. "Wib. 11,2 S. 150. Dagegen erwähnen weder
Herim. Aug. noch Bonizo eine solche Bedingung. Härtens S. 27 lehnt mit
Recht die Erzählung der Biographen ab; seine Gründe kann ich mir jedoch
nicht alle aneignen. Für mich ist entscheidend, daß Bruna Bedingung etwas
forderte, was auch ohne sie vorgenommen worden wäre. Denn noch weniger
als bei der Ernennung eines deutschen Bischofs konnte bei der eines Papstes
davon abgesehen werden, daß die Ernennung durch die Wahl die kanonisch
unerläßliche Form erhielt. Das zeigen die S. 591 Anm. 2 angeführten Stellen
aus Peter Damiani. Die Sache wird dadurch bestätigt, daß Clemens 11.
gewählt wurde. Ich bezweifle demnach nicht, daß dies auch bei Leo IX.
geschah ; aber die Wahl hatte nicht die Bedeutung, die die Biographen ihr
geben. Sie war, mit Hinschius zu reden, KR. I S. 252, eine Scheinwahl.
Daß sie auf Befehl des Kaisers stattfand, sagt Ans. bist. ded. eccl. s. Remig.
— 597 —
Nachdem Leo das Weihnachtsfest 1048 noch in Toul gefeiert
hatte, machte er sich auf den "Weg nach Rom.. Ihn geleiteten
Erzbischof Eberhard von Trier und die Bischöfe Adalbero von
Metz und Dietrich von Yerdun^ Außerdem befand sich in seiner
Umgebung jener römische Kleriker Hildebrand, der zwei Jahre
vorher mit Gregor VI. über die Alpen gekommen war-. Er war
(Watterich S. 113): lussumque ab Augusto, ut ad haec — apostolicae dig-
nitatis insignia — secundum ecclesiasticas sanctiones suscipienda Romana
inviseret moenia. Denn die ecclesiasticae sanctiones forderten in erster
Linie die Wahl des Bischofs. Martens S. 41 f. bestreitet, daß die auf den
päpstlichen Stuhl erhobenen Bischöfe konsekriert wurden. Insofern mit
Recht, als ihnen natürlich die Bischofsweihe nicht noch einnlal erteilt
wurde. Doch scheinen mir die Worte Wiberts II, 2 S. 151 : Cunctis applau-
dentibus consecratur ac . . inthronizatur sehr wahrscheinlich zu machen,
daß ein Benediktionsakt stattfand. Martens Erklärung: Consecratur = ab-
solvitur wird schwerlich viele Zustimmung finden.
1 J.W. 4158, Wibert II, 2 S. 150.
^ Die Tatsache wird von Gregor VII. selbst in der zweiten Exkommuni-
kation Heinrichs erwähnt. Reg. VII, 14a S. 401. Ich sehe keinen Grund,
den Bericht Brunos S. 547, Bonizos S. 587 und Bosos S. 355, wonach Hilde-
brand sich im Winter 1048 — 49 an Leo anschloß, zu verwerfen. Ob er in
Besan9on oder in Worms mit ihm zusammentraf, ist von geringer Be-
deutung. Das letztere findet man bei Bruno, das erstere sagen Bonizo u. Boso.
Daß Hildebrand in Cluni Mönch war, nimmt Bonizo an, V S. 587, aber gewiß
mit Unrecht. Über die Frage, ob ei- überhaupt Mönch war, ist seit Martens'
Schrift: War Gregor VII. Mönch? 1891, viel verhandelt worden, s, Berliere,
Rev. bened. X 1893 S. 387; Scheffer-Boichorst, D. Z. f. GW. XI 1894 S. 227;
Grauert, Hist. JB. XVI 1895 S. 283; Greving, Paul von Bernried S. 16 f.,
Gigalski, Bruno v. Segni S. 180 und Martens Gregor, II S. 252 flp. ; vgl. Hist.
JB. XVI S. 274. Bekannt ist, daß er von Freunden und Feinden so be-
zeichnet wurde und daß er sich selbst so nannte. Sagt er später im Blick
auf die Zeit nach Gregors VI. Tod : Volui vitam meam in peregrinatione finire,
Reg. III, 10 a S. 224, so ist dabei vorausgesetzt, daß er damals Mönch war.
Aber es ist völlig dunkel, wo er das Mönchsgelübde abgelegt hat. Cluni
kann nicht in Betracht kommen. Man könnte eher an das Marienkloster
auf dem Aventin denken. Aber Paul von Bernried spricht nur von Studien
unter Leitung des Abts, 9 S. 477, und Gregor selbst macht die Annahme
schwierig. Denn er behauptet ab ipsa pene adolescentia in Romano palatio,
also bei den Kanonikern des Lateran, erzogen worden zu sein, Reg. III, 21
S. 237, vgl. VII, 23 S. 415. Seine Wendung ,in palatio enutritus" gibt
geradezu die Vorstellung an die Hand, daß er der Gemeinschaft der Kano-
niker, wenn auch als Schüler, angehörte. Dazu würde stimmen, daß er die
niederen Weihen bereits hatte: Leo machte ihn sofort zum Subdiakon.
Auch das Alter würde passen; denn nach 11,49 S. 164 war er zwanzig-
— 598 —
nach des Papstes Tode frei. Den Plan^ nach Itahen zurückzu-
kehren, hatte er nicht; er dachte für sich keine andere Zukunft,
als ein verborgenes Leben in einem fremden Kloster. "Was war
aber natürhcher, als daß Leo einen römischen Kleriker, dessen un-
gewöhnliche Begabung kein Geheimnis sein konnte, an sich zog
und nach Rom zurückführte? Bei dem Mangel an tüchtigen
Männern in Rom lag das so nahe, daß man sagen könnte: es
war unvenneidhch. Aber unendhch oft greifen leicht gefaßte, weil
natürliche Entschlüsse verhängnisvoll in die weitere Entwickelung
der Dinge ein. So war es hier. Indem Hildebrand in die Um-
gebung Leos eintrat, kam ein disharmonisches Element unter die
handelnden Personen.
Die Zustimmung, mit der Deutschland un,d Italien das Ein-
schreiten Heinrichs begleitet hatte, war Laut und jubelnd. Nichts
Begeisterteres kann man sich denken als das Lob, das Peter
Damiani Heinrich erteilte: nächst Gott habe er Rom aus dem
Rachen des unersättlichen Drachen befreit, er habe die Geldwechsler
aus dem Heiligtum verjagt und verhütet, daß der Tempel Gottes
ein Kaufhaus werde. Wie einstmals der König Josias, so habe
er die falschen Altäre umgestürzt und die Götzenbilder vernichtet ^.
Das war das allgemeine Urteil: man sah nur darauf, was Heinrich
getan hatte: daß Recht und Zucht durch ihn wieder aufgerichtet
waren; man mäkelte nicht daran, wie er es getan hatte. Aber seit
dem Tage von Sutri waren doch auch andere Urteile laut geworden.
Als Heinrich einen Nachfolger für Clemens II. suchte, hatte er
auch Wazo von Lüttich zu Rate gezogen. Dieser war längst un-
zufrieden mit dem Eingreifen des Kaisers in die kirchlichen An-
jährig, als er nach Rom kam (vgl. zu der von ihm gebrauchten Wendung
die Anm. Jaffes zu Bonizo V S. 632). Und daß er als einer der niederen
Kleriker am Lateran den verbannten Gregor VI. zu begleiten hatte, wäre
ebensowenig auffallig, wie daß Leo IX. den römischen Kleriker nach Rom
zurückführte. Aber so gut alle diese Tatsachen sich aneinanderreihen, so
schwierig fügt sich der Eintritt in ein Kloster dazwischen. Sollte Hilde-
brand erst in der Verbannung, in Köln, den Entschluß gefaßt haben,
Mönch zu werden? Das ist an sich nicht unmöglich; denn Gregor wurde
doch wahrscheinlich in einem Kloster interniert. Die Bezeichnung monachus
Romanus würde die Annahme nicht ausschließen; ebensowenig das ibi
Brunos. Denn dabei ist nicht an Worms, sondern nur an Deutschland ge-
dacht, wie die gleiche Wendung ,qui tunc temporis ibi erant" und die
analoge „timebat gens illa" etwas weiter oben beweisen. Aber bedenklich
macht, daß jede Spur davon in der Überlieferung verschwunden ist. Das
Mönchtum Hildebrands behält also etwas Rätselhaftes.
^ Lib. grat. .88 S. 71 f.: vgl. ep. VII, 3 S. 441.
— 599 —
gelegeuheiteii. In* seiner schroffen, geraden Art machte er jetzt kein
Hehl daraus, daß er alles mißbillige, was Heinrich getan hatte:,
er warnte ihn briefhch, einen neuen Papst zu ernennen; denn
Gregor sei von solchen abgesetzt, denen es nicht zustehe ; der vor-
zeitige Tod Clemens' II. mache vollends bedenklich. Deshalb sei
sein Rat, daß der Kaiser davon ablasse, Gregors Stelle zu besetzen.
Weder nach göttlichem noch nach menschHchem Recht sei das
zulässig. Denn alle Väter seien darin einig, daß die Päpste von
niemand gerichtet werden könnten: bei Gott und seinem Eid ver-
sichere er dem Kaiser, das sei die reine "Wahrheit \ Wazo hat
die Frage erhoben, die die anderen umgingen, ob Heinrichs Ein-
greifen nach dem kirchlichen Recht zulässig sei, und er hat sie
unumwunden verneint. In Deutschland stand er, so viel wir sehen,
mit diesem Urteil vereinzelt da; aber mit verletzender Schärfe wurde
es eben in dem Jahr, in dem Leo zum Papst ernannt wurde, in
einem für die französischen Bischöfe bestimmten Gutachten aus-
gesprochen. Das günstige Urteil über die Person des Kaisers, das
in Deutschland und Italien die Anschauungen fesselte, fehlte in
Frankreich. Um so leichter konnte man sich dort auf den Stand-
punkt des formalen Rechts stellen. Von ihm aus betrachtet aber
erschien Heinrichs Eingreifen lediglich als Gewaltsamkeit, als Ver-
letzung des Grundsatzes, daß Laien in der Kirche nicht zu handeln
berechtigt sind, und daß der oberste Bischof von niemand gerichtet
werden kann. Vornehmlich aus Pseudo-Isidor entnimmt der fran-
zösische Autor seine Belegstellen. Er kann sich Heinrichs Handeln
nur aus persönlichen Motiven erklären: der König habe gewußt,
daß Gregor VI. nie seine unerlaubte Ehe billigen werde ; er habe
deshalb einen Papst ernannt, von dem er keine Einsprache gegen
seine Schlechtigkeit fürchtete^.
Das' Bedeutende ist nun, daß Hildebrand die Anschauungen
Wazos und des französischen Kanonisten teilte^. Er hat sie Leo
nicht verhehlt. Aber dieser hat ihn gleichwohl in seiner Nähe
festgehalten. Noch war Hildebrand ein junger Mann; erst als er
nach Rom zurückkam, wurde er zum Subdiakonus geweiht*. Aber
seine Stimme galt etwas im Rate Leos. Dessen war Hildebrand
sich wohl bewußt; er trug kein Bedenken, gegen Maßregeln Leos i
1 Gest. ep. Leod. II, 65 S. 228. - De ordin. pontif. S. 12 ff.
3 So weit es sich um die Anschauungen Hildebrands handelt, sind
selbstverständlich seine späteren Gesinnungsgenossen völlig glaubwürdige
Zeugen. Tendenziös ist nur die Stellung, die sie Leo zuweisen : Lib. pont. II
S. 275, Bruno S. 547, Bonizo S. 587 und Boso S. 355.
* Bonizo ad amic. V S. 588; Paul von Bernr. 13 S. 478.
— 600 —
Widerspruch einzulegen, wenn er nicht mit ihnen einverstanden
war\ Der Papst verübelte es ihm nicht; er zeigte dadurch, daß
er ihn an die Spitze des Klosters bei St. Paul stellte, wie sehr
er ihn schätztet Hier liegt der Keim des späteren Zwiespalts.
Gewiß war Hildebrand damals alles eher als ein Parteiführer; auch
wird niemand glauben, daß ihm bereits ein klares Programm für
das, was geschehen sollte, vor der Seele stand. Aber er bekannte
sich zu Anschauungen, die der Natur der päpstlichen Macht ebenso
sehr entsprachen, als sie durch die Stellung, die der Kaiser tat-
sächlich in der Kirche einnahm, verletzt wurden. Seinem ganzen
Charakter nach mußte er sich gedrungen fühlen, sie zur Geltung zu
bringen. Das war die Gefahr. Sie bestand nicht darin, daß ein
Mann, wenn auch ein bedeutender, diese Anschauungen hegte, aber
darin, daß für sie überall EmpfängKchkeit vorhanden war.
Zunächst wm-äe sie von niemand bemerkt. Denn Leo nahm
in vollem Einverständnis mit dem Kaiser die Durchführung der
kirchlichen Reform in die Hand. Das Recht sollte wieder auf-
gerichtet werden, das war wie bisher der Grundsatz*. Aber man
bemerkt sofort, daß nun eine lebhaftere Hand die Zügel führte.
Im April 1049 hielt Leo seine erste Synode im Lateran. Nicht
wenige Bischöfe aus Ober- und Mittelitalien hatten sich eingefunden *;
^ Reg. I, 79 S. 99. Der Vorgang, auf den Gregor sich bezieht, ist aller
Wahrscheinlichkeit nach die Erhebung Eberhards von Trier zum Primas von
Gallien, die Leo am 13. Apr. 1049 vollzog, J.W. 4158.
'•ä Lib. pont. II S. 275 ; Paul von Bernr. 13 S. 478, vgl. J.W. 4370. Die
Übertragung fand wahrscheinlich Ende 1050 statt; vgl. zur Sache Scheffer-
Boichorst, Z. f. GW. XI S. 228 ff. Wie bedeutend die Stellung des Leiters
von St. Paul war, sieht man aus den Worten Clemens' IL: Si monasterium
nostrum, quod sacratissimum b. apostoli Pauli corpus amplectitur, hunc
Buperstitiosum morem — daß der Abt bischöfliche Insignien trug — a s.
Petro impetrare non meruit, aliq^ua orbis terrarum abbatia qualiter obtine-
bit? J.W. 4134. Abt wurde H. nicht, da Airard auch nach seiner Erhebung
zum Bischof von Nantes die Abtei behielt.
3 J.W. 4158: Loco cum ünicuique suum ius suumque rectum . . . om-
nimodis restituere cuperemus etc.
* Zwischen dem 9. — 15. April. Akten sind nicht erhalten; dagegen
zahlreiche Notizen. Von den Geschichtsehreibern erwähnen Herim. Aug.,
Bernold z. 1049 und das chron. s. Ben. Div. S. 237 die Synode. Ausführ-
licher ist Wibert vita Leon. II, 4 S. 154, womit zu verbinden Bonizo V
S. 588, und Boso S. 355. Die wichtigsten Angaben gibt Peter Damiani lib.
grat. 37 S. 70' und ctra intemp. cleric. 11,8 Migne 145 S. 411. Endlich
nehmen die Urkunden 4158 und 4163 auf die Synode Bezug.
— 601 —
auch die auswärtigen Kirchen waren vertreten^. Leo eröffnete die
Verhandlungen dadurch, daß er die Beschlüsse der vier großen
Synoden des Altertums verlesen ließ, sie mit lauter Stimme be-
stätigte und zugleich die Beobachtung aller päpstlichen Dekrete
forderte: feierlicher konnte der Grundsatz: Herrschaft des kano-
nischen Rechts in der ganzen Kirche, nicht proklamiert werden.
Dem Wort folgte die Tat: wie es scheint, nahm Leo jede Klage
wegen Siinonie sofort an; wer sich nicht zu reinigen vermochte,
wurde auf der Stelle entsetzt. Man gewinnt eine Vorstellung von
dem erschütternden Eindruck, den der Eifer des" Papstes machte,
durch die Nachricht, daß der Bischof von Sutri, indem er sich
anschickte, den Reinigungseid zu leisten, vom Schlage getroffen
zusammensank. Doch der Papst drängte weiter. Was nützte es,
die Häupter zu entfernen, wenn die von ihnen in die Kirche em-
geführten Priester blieben? Leo erklärte demnach: Alle Weihen
von Simonisten sind nichtig. Es war, als sollte mit einem Schlag
die Reinigung der Kirche vollendet werden. Wie herkömmlich
waren die Verhandlungen öffenthch; die lateranensische BasiHka
war gefüllt von Priestern und Diakonen. Unter ihnen entstand
auf die Worte des Papstes hin ein gewaltiger Tumult. Man rief:
dann würde der Gottesdienst in allen Kirchen eingestellt werden
müssen, nirgends könne mehr eine Messe gelesen werden, die
Religion selbst werde geschädigt, das gläubige Volk zur Verzweif-
lung gebracht werden. Nicht wenige der Bischöfe stimmten diesen
Bedenken zu; aber Leo war wenig geneigt, sein Wort zurückzu-
nehmen. Erst nach langen Verhandlungen gab er nach, daß die
Verordnung Clemens' II. Geltung behalte^. Um so heftiger- schritt
1 Nach chron. s. Ben. S. 2:-i7 waren die Bischöfe „Galliens" geladen.
Die Nachricht wird von Bröcking S. 7 Anm. 2 verworfen; in der Tat wissen
wir nur von 2 gallischen Bischöfen, die der Synode beiwohnten: Eberhard
von Trier und Halinard von Lyon, J.W. 4158. Auch spricht Herimann nur
von einer italienischen Synode. Es muß also dahingestellt bleiben, ob die
Nachricht der Chronik von Dijon begründet ist. Doch fällt für sie ins
Gewicht, daß auch ein englischer Bischof, Hermann von Wilton (später
Salisbury) an der Synode Anteil nahm, Transl. Aug. U, 1, 3 A. S. Mai VI
S. 433. Will man nicht die 3 fremden Prälaten für zufällig in Rom an-
wesend erklären, so muß man also eine Einladung der fremden Kirchen
annehmen.
^ Beruhigt hat sich Leo bei dieser Entscheidung nicht; er hat dem
röm. Beschluß zuwider Reordinationen vorgenommen, s. P. Dam. Act. Mediol.
Migne 145 S. 93 ß. Die Frage wurde auf den nächsten Synoden zuVercelli
1050 und zu Rom 1051 von neuem erwogen. In Vercelli erklärte man sich
— 602 —
er gegen die Priesterehe ein: für ihn war keine Rede von einer
stillschweigenden Zulassung derselben. Sie sollte sofort aufhören,
alle Priesterfrauen in Rom sollten als unfrei in den Besitz der
Laterankirche übergehen^. Ebensowenig Duldung wie gegen die
Vergehen der Kleriker kannte er gegen die der Laien. Es ist be-
zeichnend, daß er die beiden Punkte angriff, in denen das Volks-
leben sich den kirchlichen Forderungen am unvollkommensten ge-
fügt hatte : das Eherecht und die Zehntpflicht. Hier wie dort sollte
ihnen Genüge geschehen.
So begann Leo sein Wirken. Dieser ersten Synode aber
folgten rasch andere in den verschiedenen Gegenden der abend-
ländischen Welt: im Jahre 1049 noch drei: im Mai in Pavia, im
Oktober in Rheims und Mainz, im Jahre 1050 vier: in Salerno,
Sipont, Rom und Vercelli, im Jahre 1051 eine dritte Synode in
Rom, im Jahre 1053 zwei: in Mantua und Rom. Wenn man
sich den Papst vorstellt, der von Synode zu Synode reiste wie der
deutsche König von Reichstag zu Reichstag, so hat man das direkte
Gegenbild dessen, was das Papsttum noch fiinf Jahre vorher ge-
wesen war. Ja man kann noch mehr sagen: nie vorher war ein
Papst so augenfäUig als der Regent der abendländischen Kirche
erschienen. Leo IX. hat nicht wie Nikolaus 1. oder Gregor VTL
weitgreifende Grundsätze über die Natur und den Umfang der
päpstlichen Gewalt - der staunenden Welt verkündigt. Und doch
wird kaum ein Zweifel sein, daß die Jahre seines Pontifikats für
die Geschichte des Papsttums von ähnlicher Wichtigkeit sind wie
die Nikolaus' I. Denn er zuerst hat die christliche Welt daran
gewöhnt, daß der Papst regiert.
Das Ziel bheb Reform: das, was sich nicht ziemt und was
schadet, so erklärte Leo auf der Mainzer Synode, sollte von der
Kirche, dem Körper der heiUgen Christenheit, hinweggetan werdend
gegen Eeordinationen, in Rom verzichtete man, wie es scheint, auf eine
Verständigung, s. Pet. Dam. lib. grat. praef. S. 18 u, c. 36 S. 69; Berengar
de s. coena S. 40 ff. ed. Vischer.
^ Petr. Dam. contra intemp. cleric. 1. c. Bonizo V S. 588.
' Für unsere Darstellung kommt nur die Mainzer Synode in Betracht.
Ein Protokoll ist nicht erhalten. Die sonstigen Angaben sind dürftig:
Wibert 11, 5 S. 156, Herim. Aug., Ann. Altah., August., der s.g. Ekkeh. z. 1049,
Lambert z. 1050, Adam 111,29 S. 115 f., Jocundi translatio s. Servat. Scr. XII
S. 90. Am wichtigsten sind die Urkunden J.W. 4188 und Stumpf 2377;
die letztere ist ihrer Fassung nach unecht, inhaltlich aber ohne Anstoß,
s. Steindorff 11 S. 97 Anm. 1. Nach J.W. 4188 erscheint Leo als Leiter der
Synode, vgl. 4197: Cum rediremus a synodo Moguntina, quam pro statu
_ 603 —
Umgebeil von dem Klerus des Reichs, von Bisdiöfen aus Deutsch-
land, Burgund und Italien, von zahlreichen Abten und Priestern
traf er demgemäß Anordnungen über die kirchlichen Angelegen-
heiten; auch in Deutschland publizierte er die Verwerfung der
Simonie und der Priesterehe. Wie in Italien, so nötigte er auch
hier einen der Bischöfe, sich durch einen feierlichen Akt von den
ihm gemachten Vorwürfen zu reinigend
Der Eindruck, den sein Auftreten machte, war ungeheuer.
Das Regiment dieses Papstes erschien der Welt wie ein Wunder.
AVer sollte nicht, schreibt der Abt Johann von Fecamp, in Jubel
und Ruhm ausbrechen ob der in unserem Jahrhundert unerhörten
Fürsorge des wachsamen Hirten? Ihm genügt es nicht, in Rom
für ein Volk Sorge zu tragen oder allein das frächtereiche Italien
mit dem Regen des göttlichen Wortes zu tränken, sondern auch
die Kirchen diesseits der Alpen durchwandert er Synoden haltend;
findet er etwas von der kirchlichen Norm Abweichendes, so eilt
er zu strafen und nach der Regel der Gerechtigkeit zu bessern"-.
Überall rief Leo die Begeisterung des Volkes wach. Das ist leicht
verständlich; denn er war der Mann, Sympathien zu erwerben, und
was schwerer ist, sie zu bewahren. Nicht nur mit den Bischöfen,
Abten und Klerikern hat er auf seinen Synoden gehandelt, sondern
er wußte überall dem Volke nahe zu treten. Er hat auch als
Papst gepredigt, wie in seiner deutschen Heimat, so in Frankreich^.
Alles, was er unternahm, wußte er publik zu machen: als er im
Jahre 1049 zum erstenmal sich anschickte, über die Alpen zu reisen,
gab er den Römern davon Kunde: er bat um ihren Abschied*.
Selbst eine Verwaltungsmaßregel, die kaum mehr als formelle Be-
deutung hatte, die Erneuerung der Legatenwürde Triers, vollzog er
so, daß er das römische Volk daran beteiHgte: er selbst kündigte
vom Ambon der Peterskirche aus dem Volke seinen Entschluß an,
den alten Rang Triers wiederherzustellen; danach ließ er die älteren
Urkunden verlesen und forderte das Volk auf, zuzustimmen: natür-
lich erwiderte ihm lauter Zuruf'. Als er den Entschluß gefaßt
Germanicae et Gallicanae ecclesiae disposuimus celebrare. Dagegen in der
kaiserlichen Urkunde ist der Kaiser handelnd: Litern . . auctoritate domni
papae Leonis et consilio multorum fidelium nostrorum placuit nobis diffinire.
^ Sigebod von Speier; es handelte sich um eine Klage auf Ehebruch,
Adam III, 29.
2 Epist. .Jo. Fiscam. Migne 143 S. 797.
=> Am Lueastag 1052 in Bamberg, J.W. 4283; am 2. Oktober 1049 in
Rheims, Anselmi Hist. dedicat. S. 122.
^ Anselm. S. 114. ~ 5 j.w. 4158.
— 604 —
hatte, seinen Vorgänger, den Bischof Gerhard von Toul, zu kanoni-
sieren, berichtete er zuerst den in der Laterankirche versammelten
Bischöfen, Klerikern und Laien über das Leben und die Wunder
Gerhards und schloß dann mit der Frage, ob ein solcher Mann als
Heiliger verehrt und so genannt werden sollte. Wie hätte die er-
wünschte Antwort ausbleiben können? Die weite Kirche wieder-
hallte von dem Ruf: er sei ein Heiliger Gottes^. Wie er die
Italiener behandelte, so auch die Deutschen. Seine Erneuerung der
Privilegien Bambergs machte er dadurch jedermann kund, daß er
sie vor allem Volk im Dome verlesen ließ^. Kein Wunder, daß
der Papst der Mann des Volkes war. Schon als er in B,heim8 die
Reliquien des Erzbischofs Remigius erhob, vermochte keine Kirche,
die sich drängenden Scharen des Volkes zu fassen: aus der Nähe
imd Ferne, aus Städten und Dörfern strömten sie zusammen ;
kamen die einen aus der nächsten Umgegend, so die anderen aus
weiter Ferne, aus der Betragne und Spanien, ja von jenseits des
Kanals aus England und Schottland^.
Die Begeisterung des Volkes wurde verzehnfacht durch die
unermüdlichen Reisen Leos. Dreimal hat er in den nicht ganz
sechs Jahi'en seines Pontifikats die Alpen überschritten; jedesmal
verweilte er monatelang im Norden *. Bald hier, bald dort konnte
man ihn von Angesicht zu Angesicht sehen: bald kam er allein,
bald an der Seite des Kaisers; in dieser Woche war er in Sachsen,
in der nächsten am Rhein, dann wieder in Franken und in Baiem,
nirgends weilte er doch so lange als in seiner Heimat, in den
Bergen der Vogesen und in dem benachbarten Lothringen. Alle
Hauptorte: Köln, Aachen, Lüttich, Trier, Toul, Verdun, Metz besuchte
er auf seiner ersten Reise; ein halbes Jahr, vom Juni bis zum No-
vember hat er damals in der alten Umgebung zugebracht. Schon
1 J.W. 4219. - Ekkeh. chron. z. 1052.
3 Anselm. S. 118, Wibert II, 4 S. 155.
* Wahrscheinlich Ende Mai 1049 ging Leo über den großen St. Bern-
hard nach dem Norden, Herim. Aug. z. 1049; er blieb bis Ende des Jahres;
am 3. Dez. war er in Donauwörth, von da begab er sich über Augsburg
nach Verona, wo er das Weihnachtsfest feierte, ib. Im Sept. 1050 trat er
die zweite Reise an; am 22. war er in St. Maurice im Wallis; im Febr.
1051 kehrte er über Augsburg nach Italien zurück, J.W. 4246, Herim. Aug.
z. 1051. Die dritte Reise fällt in den Herbst 1052. Leo suclite den Kaiser
in Preßburg auf, ging also . vermutlich über den Brenner, Herim. Aug. z.
1052; am 7. Okt. war er in Regensburg, J.W. S. 543. Den Rückweg nahm
er wieder über Augsburg; er war am 2. Febr. 1053 dortselbst, Herim.
— 605 —
im Herbst des nächsten Jahres traf er wieder daselbst ein. Nur
auf der dritten Reise berührte er Lothringen nicht.
Und überall sah mau ihn tätig, so tätig, wie es das Volk von
dem obersten Priester der Christenheit erwartete. Man kann sagen,
daß er in den niederländischen wie in den ungarischen Kämpfen
dem Kaiser seine geisthche Autorität zur Verfügung stellte. Aber
damit ist, was er tat, doch nur halb ausgesprochen. "Wenn das
Volk hörte, daß Gottfried von Lothringen es seiner Fürsprache ver-
dankte, daß Heinrich sein Leben schonte, oder daß der Papst vor
Preßburg sich ernstlich bestrebte, den Frieden zwischen den
streitenden Fürsten herzustellen ^, so war das eine Tätigkeit, die
jedermann verstand und jedermann bilKgte.
Weit häufiger hörte man von rein kirchlichen Handlungen
Leos. Man hat an der PauUnuskirche in Trier noch lange eine
Lischrift gelesen, welche meldete, daß Papst Leo am 7. September
1049 sie eingeweiht habe^ Einen noch größeren Dienst iat er
dem Erzbischof Eberhard, indem er den gewalttätigen Grafen Kon^
rad von Luxemburg durch die Exkommunikation zwang, für eine
unerhörte Gewalttat an dem Erzbischof Genugtuung zu leisten*.
Die Erhebung der ReHquien des Remigius und die Einweihung der
ihm geweihten Kirche haben wir eben erwähnt. Sie war eines der
Täuschendsten Feste dieser Zeit. Und Leo wußte dafür zu sorgen,
daß die Erinnerung daran eriialten wm-de: er verfügte, daß der
2. Oktober als Diözesanfesttag regelmäßig gefeiert werde*. Den
Tagen in Rheims folgte kaum eine Woche später ein nicht minder
ergreifendes Fest in Verdun. Noch waren die Spuren der Ver-
■ Wüstung durch Herzog Gottfried überall in der Stadt wahrzunehmen;
aber bereits erhob sich aus dem Schutt des Brandes die Magdalenen-
kifche von neuem; Leo hat sie unter der Assistenz der drei Erz-
bischöfe von Lyon, Trier und Besangen konsekriert^. Wenige Tage
danach weihte er in Metz das von Abt Warin neu erbaute Münster
St. Arnulf**. Nach der Mainzer Synode suchte er das Elsaß heim.
Nirgends hat seine Tätigkeit tiefere Spm-en zurückgelassen als dort.
Mehr als ein Dutzend Klöster werden genannt, die der Papst da-
1 Herim. Aug. z. 1049 u. 1052, Wibert II, 8 S. 160,
2 Brower et Masen, Antiq. et annal. Trevir. IX, 99 Bd. 1 S. 527.
3 Gesta Trevir. 32 S. 174.
* Anselm. Hist. dedic. S. 12-3. Der Remigiustag (1. Oktober} sollte in
ganz Frankreich gefeiert werden, J.W. 4185.
^ J.W. 4192 f.; über die Verwüstung der Stadt Herim. Aug. z. 1047,
Lamb. z. 1046, Gesta ep. Vird. 4 S. 493; Ann. s. Vit. z. 1049 S. 526.
6 Wibert II, 5 S. 156, öesta ep. Mett. 48 Scr. X S. 543.
-_ 606 —
mals aufsuchte^: vor allem die Stiftungen seiner Familie zu Alt-
dorf, Wofifenheim und Hesse. Die erstere Abtei hatte sein Vater
gegründet, nachdem schon sein Großvater ihre Errichtung geplant
hatte, Leo brachte den Mönchen einen reichen Schatz ^^n Reliquien
zum Geschenke dar und weihte für dieselben einen neuen Altar;
überdies konsekrierte er die Kirchen in Cringesheim, Dompieter und
Eichhofen'^. Woffenheim war sein Eigentum. Es war ihm wert
nicht nur als Stiftmig seiner Eltern und seiner beiden verstorbenen
Brüder, sondern besonders wegen des Besitzes einer Reliquie vom
Kreuze Christi. Er übergab das Stift an die römische Kirche: es
war halb eine Abgabe, halb eine Auszeichnung, daß er die Äbtissin
verpflichtete, die goldene Rose, die die Päpste am Sonntag Oculi
zu tragen pflegten, jährlich nach Rom zu senden^. In der Kirche
von Hesse weihte er drei Altäre^. Besuchte er das alte Kloster
Odilienberg, so fand er auch dort Gräber von Famihengliedern ; er
selbst hatte als Bischof von Toul das Münster geweiht; jetzt bestätigte
er seine Besitzungen ^. Nach Andlau rief ihn die Bitte der Äbtissin
Mathilde, der Schwester Konrads 11.: er weihte die neugebaute
Kirche und übertrug in sie den Leichnam der Kaiserin Richardis,
der Stifteria des Klosters^. Auch St. Die, Busendorf, Moyen-
moutier, Remiremont, Ottmarsheim, Ohlenberg, Bergholzzell, St.
Marcus bei Ruifach hat er aufgesucht l Auf der Rückreise nach
Italien verweilte er ein paar Tage bei den Mönchen auf der
Reichenau^; endlich am 3. Dezember weihte er die Kirche des
neuen Kreuzklosters zu Donauwörth"': überall amtierte er als der
oberste Bischof der Kirche.
1 Vgl. Schulte, Leo IX. u. d. elsäß. Kirchen (Straßb. Stud. II S. 78 ff.)
2 Wibert 1, 1 S. 129, Notit. Altorf. Scr. XV S. 992 ff., J.W. 4206.
' J.W. 4201. In der Urkunde ist nicht erwähnt, daß Leo im Kloster
war; nach einer späteren Notiz, Ann, Colmar. z. 1298 Scr. XVII S. 224, hat
er Kirche und Kirchhof geweiht. * J.W. 4245.
■* J.W. 4244; die Dedikation erwähnen die Ann. Argent. z. 1045 Scr.
XVn S. 88. « J.W. 4195, Ann. Saxo z. 1048 S. 688.
' St. Die, J.W. 4197; Busendorf, Notit. fund. Scr. XV S. 978; Moyen-
montier, Richer chron. Senon. 18 Scr. XXV S. 280. Hier ist die Weihe der
Johanniskapelle mit dem jedenfalls falschen Datum XI Kai. April, erwähnt,
und mit wenig Wahrscheinlichkeit in die Reise Bruns nach Rom nach seiner
Ernennung verlegt. Wahrscheinlich fällt sie in die gleiche Zeit mit dem
Besuch in dem nahen St. Die. Remiremont: Lanfranc ep. 13 Migne 150
S. 520; über die übrigen Orte s. Schulte S. 87.
^ Herim. Aug. z. 1049; Inschrift eines von ihm geweihten Altars bei
Gallus Öheim, Chronik von Reichenau S. 34 vgl. S. 93. » J.W. 4207.
— 607 —
Ähnliche Handlungen mangelten auf der zweiten und dritten
Reise Leos nach dem Norden nicht. Die Erhebung der ReHquien
Gerhards von Toul am 21. und 22. Oktober 1050 läßt sich wohl
mit der Remigiusfeier des Jahres 1049 vergleichen. Die Stadt bot
nicht Raum genug für die Volksmenge, die sich sammelte, um dei\
Papst oder den Heiligen zu ehren. Leo wählte die Nacht für die
Haupthandlung; nur so glaubte er dem übergroßen Zudrang des
Yolkes wehren zu könnend Kaum weniger glanzvoll werden die
Herbsttage 1052 zu Regensburg und Bamberg gewesen sein. Dort
ließ er den Schrein mit den Dionysiusreliquien öffnen und übertrug
er den Leichnam Wolfgangs in ein neues Grab"; hierher kam er,
um das Andenken seines Vorgängers, Clemens IL, zu ehren ^.
Jede dieser Handlungen für sich betrachtet, war eine Kleinig-
keit, kaum wert, ihrer in der allgemeinen Geschichte zu gedenken.
Zusammengenommen hatten sie eine große Wirkung: das Papsttum
war für die Deutschen lange Zeit eine erhabene Idee gewesen, durch
Leo wurde es zu einer greifbaren Größe.
lieo hat in klarem Bewußtsein dieses Ziel erstrebt. Man sieht
es daraus, daß er Maßregeln traf, um eine Gewähr für die stetige
Fühlung zwischen dem Landesepiskopat und Rom zu schaffen.
Das war von Anfang an seine Absicht. Den Erzbischof Eberhard
von Trier belohnte er für das Geleite nach Rom dadurch, daß er
ihn zum Primas von Belgien erhob. Er verlieh ihm dabei die
römische Mitra, damit die Bischöfe von Trier sich stets daran
erinnerten, daß sie Schüler des römischen Stuhles seien, zugleich
aber verpflichtete er ihn, Jahr für Jahr eine Gesandtschaft nach
Rom zu schicken, um päpsthche Aufträge in Empfang zu nehmen.
Überdies sollten die Erzbischöfe in jedem dritten Jahr persönlich
Rom aufsuchen *. x4l1s er Adelbert von Hamburg die Würde eines
nordischen Legaten erneuerte, unterließ er nicht, dieselbe Unter-
ordnung und denselben Gehorsam von ihm zu fordern, wie einst
- Transl. b. Gerardi Scr. IV S. 508 f. Auf derselben Reise nahm er
die Weihe eines Altars für die Stephanusreliquien in Besan9on vor, J.W. 4249.
2 Ekkeh. z. 1052; Notae s. Emmer. Scr. XV S. 1095 f. Über die Un-
echtheit von J.W. 4280 s. Steindorff II S. 185 Anm. 5.
' J.W. 4283. Der dritten Reise gehört noch an die Weihe der Kirche
in Lorsch, chron. Laur. Scr. XXI S. 412 mit falschem Jahr, und die eines
Altars in Schaffhausen am 22. Nov., Ann. Scafh. z. 1052 S. 388.
* J.W. 4158. Die alsbald folgende Auszeichnung des Kölner EB. Her-
mann sollte offenbar eine Entfremdung dieses Prälaten verhüten, s. Wibert
11,4 S. 155, J.W. 4271. Auch Mainz erhielt neue Ehren, J.W. 4281.
— 608 —
Bonifatius als Legat in Deutschland sie bewiesen habe^. Wer
möchte zweifeln, daß er dabei daran dachte, daß Bonifatius nichts
tat, ohne nach Eom Bericht erstattet zu haben? Ahnliche Ver-
pflichtungen legte er dem Abt von Fulda auf^. Man hat sie wohl
bei allen Stiftern anzunehmen, die unter päpstlichen Schutz traten ^.
Man sieht: Leo begann nicht nur, die Kirche zu regieren,
sondern er traf auch Maßregeln, um diese Regierung dauernd
möglich zu machen. Die Schwäche der Stellung Roms in der
Kirche hatte bisher zum Teil darauf beruht, daß der Verkehr mit
dem Papste zufällig war; das sollte aufhören: er sollte regelmäßig
werden.
Ahnliche -Gedanken wirkten bei der Reorganisation der
römischen Stadtgeistlichkeit mit*. Leo fand dieselbe in einem
traurigen Zustand: die Simonie hatte nirgends ungescheuter ge-
herrscht als in Rom und nirgends war die Disziphn vollständiger
aufgelöst. Die Erneuerung des Klerus wurde nun durch das kirch-
Hche Recht selbst erschwert Denn da es den Übergang der
GeisÜichen von einer Kirche zur anderen verbot, so machte es fast
unmöghch, die Lücken rasch wieder auszufüllen, die durch die Ent-
fernung unwürdiger Glieder gerissen waren. In Deutschland war
durch die königlichen Ernennungen jener Rechtssatz längst durch-
brochen; dasselbe war in Rom der Fall, seitdem Heinrich die
Bischöfe ernannte. Leo entschloß sich nun, ihn auch bei der Be-
setzung der Kardinalbistümer und bei der Aufnahme in den römischen
Klerus außer acht zu lassen^. Es waren ihm etliche lothringische
Kleriker nach Rom gefolgt. Der bedeutendste unter ihnen war der
Mönch Humbert aus Moyen-moutier **. Er galt als ein Gelehrter;
1 J.W. 4290.
- J.W. 4170: Ut congruis temporibus nostrae soUicitudini ecclesiasticae
intimetur, qualiter religio monastica regulari habitu dirigatur etc. Die
Vorurkunde Benedikts VIII. J.W. 4057 hat die Bestimmung nicht. Die
gleiche Verpflichtung wurde dem Abt von Corbie aufgelegt, nur daß hier
jährliche Berichte gefordert sind, J.W. 4212.
" Woffenheim, s. o., Ottmargheim, Urk. Eugens IV. J.W. 9725, Gern-
rode, J.W 4316, Donauwörth, J.W. 4207.
* Über die Entwickelung des Kardinaiats s. Hinschius, KR. I ß. 309 ff.;
Friedberg, Kirchenrecht S. 172 (5. Aufl:), Sägmüller, Die Thätigkeit und
Stellung der Cardin., 1896.
5 Bonizo V S. 588. Die Schwierigkeit ist ausgesprochen in der Ur-
kunde J.W. 4163, die den Übergang des Bischofs Johann von ToscaneUa
auf das Bistum Porto genehmigt; er sei notwendig gewesen, quia iam
Romana ecclesia in filiis, quos ipsa lactayerat, defecerat.
« Über ihn Halfmann, Card. Hamb. Gott. 1882; Mirbt, P. RE.VIII
~ 609 —
denn er hatte bereits dies und jenes geschrieben. In seinen An-
schauungen berührte er sich mit Hildebrand: er hatte ein Gefühl
für den Gegensatz, der zwischen dem tatsächlichen Einfluß der
weltlichen Gewalt und der von ihm prätendierten Stellung der
geisthchen herrschtet Dabei war er ein Mann von schroffer
Konsequenz, herb und hart in seinem Urteil über Personen und
Verhältnisse. In Rom galt er als vertrauter Ratgeber Leos^. Dieser
ernannte ihn schon in seinem ersten Jahr zum Erzbischof von
Sizilien '^. Doch diese Würde war mehr ein Anspruch als ein Amt.
Nun erledigte sich nicht lange danach das Bistum von Silva Can-
dida. Sein bisheriger Inhaber Crescentius hatte sich wenig fügsam
gegen Leo gezeigt*. Um so mehr Grund hatte- dieser, ihm einen
Nachfolger zu geben, auf den er sich verlassen konnte. Er ernannte
Humbert, dadurch trat dieser in die Reihe der römischen Kardinal-
bischöfe ein ^. Ein zweiter Lothringer, der Mönch Hugo der Weisse
aus Remiremont, wurde Kardinalpriester bei St. Clemens*, ein
dritter, Stephan, Abt eines der römischen Klöster; später trat er
als Vorsteher einer der römischen Titelkirchen ebenfalls in die
Reihe der Kardinäle'. Zu der nächsten Umgebung des Papstes
S, 445. Nach Bonizo a. a. 0. stammte Humbert ex Lugdunensi Gallia, also
aus Burgund. Einen Burgunder nennt ihn Berengar; Lanfrank widerspricht
doch nur halb, wenn er sagt: Hunc non de Burgundia sed de Lotharingia
s. Leo Romam traduxit (de corp, et sang. dorn. 2 S. 409). Daß er Mönch
in Moyen-moutier war, bezeugt Joann. de Bayono bei Calmet II Pr. S.
LXIXff. c. 50; vgl. Sigib. de scr. eccl. 150 S. 581, und Richer chron. Senon.
18 Scr. XXV S. 280.
^ Das wird man aus seinen vielen Klagen de huius saeculi insolentia
et maxime principum negligentia- (Othl. vis. 15 S. 384) entnehmen dürfen.
2 Vgl. Othloh 1. c.
3 Er nahm als solcher an der^röm. Syn. v. 1050 teil, J.W. 4219.
* Silva Candida oder Saf. Rufina lag in der Campagna, einige Stunden
nordwestlich von Rom. Über den Widerstand des Crescentius im Streit um
die Kirche St. Johann und Adalbert s. d. Urk. J.W. 4163.
5 Die angef. Urkunde ist v. 22. April 1049; als Bischof von Silva
Candida wird Humbert zuerst im Frühjahr 1051 genannt, Ann. Benev.
Scr. III S. 179. In der Zwischenzeit muß Crescentius gestorben oder ab-
gesetzt worden sein.
« Bonizo V S. 588. Daß er Kard.-Priester bei St. Clemens war, er-
wähnt die röm. Syn. v. 1078, Mon. Greg. S. 306 , durch Clemens III. wurde
er Bischof von Palestrina, s. L. d. 1. II S. 405. 4.
' Bonizo a. a. 0. Eine Urkunde vom 19. Aprü 1060 ist von Stephanus
vocatus monachus et presbyter tituli s. Grisoni r— ich verstehe: s. Chryeo-
goni — unterzeichnet (J.W. 4433). Da S. Chrysogonus eine Kardinalskirche
war, Hinschius, KR. I S. 336, so istr er mit dem Kardinal identisch.
Hanck, Eirchengeschichte. III.
39
- 610 —
gehörte sein Kanzler, der zugleich das Amt eines Bibliothekars
hatte. Leo ließ den Diakon Petrus, der unter Gregor und Clemens II.
als Kanzler fungiert hatte, in seiner Stellung^, ernannte aber nach
seinem Tod auch hier einen Lothringer, zuerst den Touler Primi -
cerius Udo^, dann den Archidiakon von St. Lambert in Lüttich,
Friedrich, den Bruder des Herzogs Gottfried von Lothringen'^.
Diese Ernennungen dienten zunächst der Erneuerung des
römischen Klerus; zugleich wurde dadurch, daß" die Umgebung
des Papstes aus unabhängigen Männern bestand, der Einfluß des
römischen Adels gemindert. Aber es ist doch einleuchtend, daß
auch die Regierung der Kirche ungemein erleichtert war, seitdem
im Rate des Papstes Männer saßen, die die Verhältnisse und die
Personen diesseits der Alpen aus eigener Anschauung kannten.
Aus dem Kreise der Männer, mit denen sich Leo umgab,
und die wie er in den Gedanken kirchlicher Reform lebten, ist eine
kirchenrechtliche Sammlung hervorgegangen, die unter dem Titel
Diversorum sententiae patrum auf uns gekommen ist*: sie ist ge-
wissermaßen das im einzelnen ausgeführte Programm der päpstlichen
Reform der Kirche. Die päpstlichen Rechte werden stark hervor-
gehoben; aber sie sollen überall der Aufrechterhaltung des alten
Rechts dienen. Eine politische Zuspitzung ist nirgends zu erkennen.
^ Peter amtiert seit d. 18. Febr. 1046; er bezeichnet sich als diaconus,
bibliothecarius et cancellarius s. apostolicae sedis oder sacri Lateranensis
palatii, J.W. 4129 f. Er starb während Leos Aufenthalt in Langres, also
im Oktober 1050, ehr. s. Petri vivi Scr. XXVI S. 32.
' Er folgte cum quibusdam suis familiaribus Leo nach Rom, Gesta
ep. Tüll. 41 S. 645. Als Kanzler amtierte er v. 22. Okt. 1050 bis 16. Jan.
1051, also während des zweiten deutschen Aufenthalts Leos. Damals be-
zeichnete er sich als Tullensis ecclesiae primicerii^g, cancellarius et biblio-
thecarius s. apostolicae sedis. Nach Italien begleitete er Leo nicht zurück;
denn er erhielt nun das Bistum Toul.
'^ Bonizo a. a. O. Laur. Gesta ep. Vird. 4 S. 493. Er arbeitet seit d.
12. März 1051 als Kanzler. Bonizo nennt auBer den Erwähnten noch Azelin
aus Compiegne, der das Bistum Sutri erhielt, vgl. J.W. 4249. Zu den
Kardinalbistümern gehörte Sutri nicht.
* Die Sammlung ist von Fournier, Melanges d'archeol. et d'histoire
XIV S. 147 ff. bekannt gemacht worden. Er hat zugleich den Beweis ge-
führt, daß sie aus dem römischen Reformkreis hervorgegangen ist und daß
sie vor dem Tode Leos IX., also um 1050 verfaßt wurde. Sie enthält 315
Kapitel unter 74 Titeln; davon stammen nicht weniger als 250 aus Pseudo-
isidor, vom Rest die Hälfte aus Gregor d. Gr. Fournier bezeichnet sie
treffend als un extrait de documents qui emanent des papes ou qui leur
ont etö attribues, S. 189.
— 611 —
In dieser Weise nahm das von dem Kaiser reformierte Papst-
tum die Leitung der Kirche wieder in die Hand. Damit trat
tatsächUch in die kirchliche Entwickelung ein neuer Faktor ein. Es
fragte sich, wie die bisher wirksamen Faktoren sich dem gegenüber
verhalten würden. Man braucht nicht zu sagen, daß jede prin-
zipielle Opposition von Anfang an ausgeschlossen war; denn die
Rechte des Papsttums wurden von keiner Seite geleugnet. Ab-
gesehen davon aber war die Stellung der in Frage kommenden
Mächte sehr verschieden. Das reformierte Mönchtum sah in Leo
nur den Bundesgenossen; alle seine Handlungen entsprachen den
Grundsätzen der Mönche; überdies erwies er ihnen durch seine
Klosterbesuche so viel persönliche Gunst, daß ihre Begeisterung
leicht verständHch ist. Anders stand der Episkopat. Päpstliche
Amtshandlungen in fremden Diözesen waren noch ungewohnt. In
ihrer Häufigkeit mußten sie fast wie ein Einbruch in die Diözesan-
reohte der Bischöfe erscheinen. Noch mehr Anlaß zu Bedenken
bot die Begünstigung der Klöster in ihrem Streben nach Unab-
hängigkeit von der Diözesangewalt. Leo hat Gernrode, Woffen-
heim, Ottmarsheim, H. Kreuz in Donauwörth direkt imter Rom
gestellt ^ Fulda und Lorsch als römische Klöster anerkannt'. Wenn
Würzburg wenigstens die Diözesangewalt über den Ort Fulda be-
hauptete, so hatte der Bischof Adalbero das wohl nur dem Ein-
greifen des Kaisers zu danken^. Besonders wurde die Macht der
Metropoliten durch das starke Hervortreten der päpstlichen Gewalt
gewissermaßen aufgesogen; Leo entschied, wo an und für sich der
Metropolit zu entscheiden hatte*. Das war ein sachlicher Gegen-
1 S. oben S. 608 Anm. 3 u. 606 Anm. 9.
* Über Fulda s. S. 608; Lorsch war seit Karl d. Gr. von der bischöf-
lichen Macht eximiert, B.M. 148. Benedikt VII. sprach daraufhin aus, daß
das Kloster sub patrocinio et iurisdictione der römischen Kirche stehe, J.W.
3611, Silvester IL, daß es regum atque paparum tantum dominio subdatur,
J.W. 3905. Leo erneuerte die Formel Benedikts, J.W. 4189.
3 Das darf man wohl daraus folgern, daß Heinrich in Mainz den
Streit zwischen dem Bischof und dem Abt durch einen kaiserlichen Erlaß
entschied. Bischof Adalbero erhob Anspruch auf die bischöfliche Macht
über das Kloster und den Ort. Heinrich bestimmte, daß er übei* das Kloster
keine Macht habe, daß dagegen der Ortepfarrar zwar von dem Abte be-
stellt werden, den Bann aber von dem Bischof erhalten, also ihm verant-
wortlich sein sollte.
* Die Entscheidung des Streites zwischen Würzburg und Bamberg
über die Okkupierung einer Bambergischen Pfarrei durch Würzburger
Kleriker, J.W. 4283, gehörte vor das Forum des Metropoliten, der aber
nicht gehört wurde.
39*
— 612 —
satz. Er hatte seinen tiefsten Grund darin, daß die Bischöfe
Reichsfiirsten waren, während der Papst aas allgemein kirchUche
Interesse vertrat. Wenn für jene die Befestigung ihrer poKtischen
Macht die nächste Aufgabe schien, so für diesen die Durchführung
der kirchlichen Grundsätze. In Frankreich kam es infolge dieser
Verhältnisse zu unverhohlenem Zwiespalt zwischen Leo und den
Bischöfen: auf der Synode zu Rheims fehlte, der Episkopat fast
ganz^ Davon war in Deutschland nichts zu bemerken: hier
scharten sich die Bischöfe, wo immer der Papst erschien, um ihn.
Aber die Annahme ist unvermeidlich, daß Leo dies nur seinem
Verhältnis zum Kaiser verdankte; denn an oppositioneller Gesinnung
fehlte es auch in Deutschland nicht. Bezeichnend dafür ist ein
unangenehmer Vorfall in Worms am Weihnachtsfest 1052. Leo
selbst hielt am ersten Festtage den Gottesdienst, am zweiten über-
ließ er es dem Erzbischof von Mainz. Beim Singen der Lektion
bemerkten die anwesenden Römer, daß der fungierende Mainzer
Diakon nicht in der römischen Weise sang. Sie machten den
Papst aufmerksam, drangen in ihn, daß fr dem Diakon Schweigen
gebiete. Leo ließ sich zu diesem Befehl bestimmen; aber der
Mainzer Kleriker — er hieß Humbert — hatte Mut genug, den
Befehl des Papstes nicht zu beachten, auch nicht, als er wiederholt
würde. Mit lauter Stimme sang er seine Lektion zu Ende. Leo
war empört; er forderte Humbert vor sich und degradierte ihn auf
der Stelle. Nun aber nahm sich Erzbischof Liutpold seines Klerikers
an: er bestritt dem Papst das Recht, über ihn zu richten und
forderte seine Auslieferung. Als Leo diese Einsprache zurückwies,
erklärte Liutpold, weder er noch irgendjemand sonst werde an diesem
Tage die Messe zu Ende singen, bevor ihm nicht Genugtuung ge-
schehen sei. Wohl oder übel mußte Leo nachgeben; er hob die
Degradation Humberts wieder auf^. Nicht nur in dem raschen
Urteil über seinen Diakon wird Liutpold eine Kränkung seiner
Rechte gesehen haben. Denn man pflegt nicht aus einer Kleinig-
keit einen ernsten Streitfall zu machen, wenn man sich nicht über-
haupt angegriffen fühlt. Der Vorfall zeigt, daß der erste Mann im
deutschen Episkopat das Vordringen der päpstHchen Macht als
bedenklich für die eigene Stellung betrachtete. Diese Stimmung
aber herrschte auch bei anderen Gliedern der deutschen Hierarchie.
Fast zu persönlichem Hasse war sie gesteigert bei dem jähzornigen
Bischof Nizo von Freising. In seiner heftigen Weise sprudelt-e er
heraus, man seile ihm die Kehle abschneiden, wenn er nicht zu-
^ Anselm. Hist. dedic. eccl. s. Rem S. 116 ff.
2 Ekkeh. chron. z. 1053.
— 613 —
wege bringe, daß Leo der päpstlichen Würde entsetzt werde K Nicht
freimdhcher war dem Papste Hunfrid von Ravenna gesinnt, der
aus der kaiserlichen Kanzlei in dies Erzbistum beiordert worden
war". Keinen entschiedeneren Gegner aber hatte Leo als den
Bischof Gebhard von Eichstätt. Er war ein Mann in der frischesten
Jugendkraft. Als er im Jahre 1042 Henrich für das Eichstätter
Bistum vorgeschlagen wurde, hatte dieser ihn für viel zu jung für
die bischöfüche "Würde erklärt^. Aber es reute ihn dann nicht,
daß er ihn besonders auf das Fürwort Bardos von Mainz hin gleich-
wohl ernannte. Denn Gebhard bewährte sich in jeder Hinsicht als
kluger und welterfahrener Mann. Er war kein heftiger, aber ein
konsequenter Gegner Leos. Sehr zu seinem Schaden erfuhr dies
der Papst, als Gebhard den Kaiser bestimmte, ihm die deutschen
Hilfstruppen zum Kampf wider die Normannen zu versagen. Es
war der Grund seiner Niederlage''.
Doch die Hauptsache war, wie der Kaiser die päpstliche Re-
gierung der Kirche aufnahm.
Uns Späteren ist es leicht, wahrzunehmen, daß die Rechts-
anschauungen, durch die Leos Handeln beherrscht wurde, mit den-
jenigen, die für Heinrich maßgebend Avaren, nicht durchaus über-
einstimmten. Das ist in bezug auf die Bischofswahlen ganz un-
verkennbar. Es wurde bemerkt, daß dem kanonischen Erfordernis
der Wahl bei der Besetzung deutscher Bistümer, wie bei der Be-
setzung des päpstiichen Stuhls der Form nach genügt wurde. Leo
legte ihm materielle Bedeutung bei. Er hat auf der Synode von
Rheims gefordert, daß die Bischöfe ohne Ausnahme gewählt
würden"'. Gewiß bezog sich die Verfügung zunächst auf die fran-
zösischen Verhältnisse; aber nicht auf sie allein: drei MetropoHten
aus dem Reich waren Mitglieder der Synode: die Erzbischöfe von
Trier, Besan^on und Lyon. Wie entschieden Leo die Wahl
forderte, bewies er noch mehr durch das Mainzer Urteil über die
1 Wibert 11^7 S. 158 f.
- Herim. Aug. z. 1047 u. 1050. Er war der Nachfolger des 1046 ab-
gesetzten Widger, s. o. S. 578. ^ Anon. Haser. 34 S. 263 f.
* Leo, Chron. Casin. II, 81 Scr. VII S. 684 f.
s Can. 1 S. 741 : I^ quis sine electione cleri et populi ad regimen
ecclesiasticum proveheretur. Mirbt nennt S. 382 diesen Kanon das erste
Investiturgesetz des reform. Papsttums; aber auf die Investitur bezieht er
sich ja nicht. Auch die Beurteilung desselben bei Bröcking S. 81 scheint
mir nicht richtig; die Übersetzung: Niemand sollte zu einem geistlichen
Amt anders als durch Wahl von Klerus und Volk gelangen, verändert
den Sinn.
— 614 —
Besetzung von Besangon. Dort hatte König Rudolf einen Kleriker
seines Hofes, namens Bertald, zum Erzbischof ernannt. Derselbe
war ordnungsmäßig konsekriert unli inthronisiert worden, hatte auch
tatsächhch seines Amtes gewaltet, indem er Ordinationen vollzog.
Überdies hatte er in- Eom das Pallium und die Bestätigung seiner
Würde erlangt. Allein er hatte einen Gegner an dem Grafen
Wilhelm ; man warf ihm vor, daß er das Bistum erkauft habe ; der
Domklerus und die Stadt wurden gegen ihn eingenommen. Das
Ende war, daß er aus der Stadt weichen mußte; man wählte einen
neuen Erzbischof. Als dieser starb, fand wieder eine Wahl statt.
Darauf stützte der augenblickhche Inhaber des Bistums, Hugo, sein
Recht. Man sieht: bei dem einen Prätendenten fehlte die Wahl,
bei dem andern die Ernennung. Die Synode entschied gegen
Bertald^. Als Entscheidungsgrund machte sie nicht den Vorwurf
der Simonie geltend, sondern den Umstand, daß er von seiner
Kirche nicht gewählt noch rezipiert sei, nach kanonischem Rechte
aber sei es Unrecht, einer Gemeinde wider ihren Willen einen
Bischof aufzudrängen. Der Gegensatz zwischen der päpstlichen
Tendenz und den tatsächlichen Zuständen im Reich ist hier offen-
bar. Aber war sich Leo IX. dieses Gegensatzes bewußt? Er
dachte die Stellung des Papstes universal'-. Mit der größten Feier-
hchkeit ließ er in Rheims verkündigen, daß allein der römische
Bischof der Primas und Apostolikus der Gesamtkirche sei ^. Dem-
gemäß umspannten seine Blicke die ganze Kirche: wie er sie in
Deutschland, Italien und Frankreich regierte, so meinte er auch
den Orient, die Reste des Christentums in Afrika von Rom aus
leiten zu können*. Und er dachte seine Befugnisse unbeschränkt:
wie die Regierungsgewalt, so nahm er die gesetzgeberische Befug-
nis für den Papst in Anspruch. Demgemäß verfügte er, daß die
Beschlüsse der von ihm geleiteten Synode in Rheims als ein Be-
standteil des kirchlichen Rechtes betrachtet würden ^. War er sich
1 C.I. I S. 97 Nr. 51. Der Kaiser hat der Entscheidung zugestimmt
und sie demgemäß auch unterzeichnet. Was ihn dazu bewog, ist nicht
festzustellen.
2 Vielfach ausgesprochen, z. B. J.W. 4197: Necesse habemus omnibus
omnia esse omnibusque benefacere.
3 Mansi XIX S. 738. * Vgl. Langen S. 471 ff.
^ J.W. 4185: Plurima ad utilitatem christianae religionis necessaria
consilio coepiscoporum nostrorum, assensu etiam et laude cleri et populi, . .
statuendo confirmavimus. Quae omnia capitulis digesta inter canones haberi
praecepimus et postea in omnibus synodis, quas habuimus, id ipsum confir-
mare curavimus. Man sieht, daß der Papst sich bewußt war, daß er die
kirchliche Gesetzgebung neu aufnehme.
— 615 —
dessen bewußt, daß der Weg, den er verfolgte, zum Zwiespalt mit
dem Kaisertum führe ? Als er noch Bischof von Toul war, hat er
gelegentlich über die Mächtigen der Welt geseufet: sie seien nicht
das, wofür man sie früher gehalten habe ^. Von hier aus kann
man auf die Vermutung kommen, daß Leo die päpstlichen Befug-
nisse ausdehnte^ um die weltlichen Herrscher aus der Stellung
zurückzudrängen, die sie bisher in der Kirche innehatten. Aber
man kann diesen Gedanken dann doch nicht festhalten. Denn
keinen zuverlässigeren Freund hatte Heinrich III.; niemals hat Leo
die Ziels der kaiserlichen Politik gekreuzt, wohl aber ihr häufig
gedient^. Städte, die er besetzte, hat er sich und dem Kaiser
schwören lassen '^ Und mehr als dies; er hat die kirchhchen
Eechte des Kaisorj toleriert: er hat seiner Einsprache in Disziplinar-
sachen Eavjn gegeben, man kann kaum zweifeln, daß die Exkom-
munikt,tior. Hunfrids von Ravenna auf die Interzession Heinrichs
hin aufgehoben wurde ^. Er hat keinen Widerspruch dagegen er-
hoben, daß Heinrich eine rein kirchhche Frage in seiner Gegen-
wart entschied: der Streit zwischen Würzburg und Fulda ist durch
den Kaiser beigelegt^. Er hat sich, entgegen dem päpsthchen
Intere&sC;, dazu versta,nden, auf Bamberg und Fulda gegen den un-
sicheren Besitz von Benevent zu verzichten^. Auch die Forderung
der kanonischen Bischofswahl verstand Leo nicht so, daß das könig-
hche Ernennungsrecht dadurch beseitigt werden sollte; er hat es
bei der Wiederbesetzung Touls ge"vvissenhaft berücksichtigt'.
Wenn nicht alles täuscht, so war also die päpsthche Pohtik
unter Leo nicht antikaiserlich ^. Es fehlte ihr deshalb an voller Ein-
1 Migne 143 S. 586 Nr. 2.
2 Vgl. z. B. Wibert H, 8 S. 160; Herim. Aug. z. 1049 u. 1052.
3 Herim. Aug. z. 1050.
' * Ders. z. 1051 u. Wibert II, 7 S. 158 f. Die Versöhnung zwischen Leo
und Hunfried fand zu Augsburg am Hofe des Kaisers statt. Wibert läßt
Hunfried, von dem Kaiser genötigt, die Absolution erbitten; erzählt er
weiter, daß Leo sie nur widerwillig gewährte, so ist klar, daß der Papst
und der EB. dem Kaiser zu Willen sein mußten.
5 Vgl. oben S. 611.
« Herim. Aug. z. 1053, Leon. ehr. Gas. II, 46 S. 658 u. 81 (cod. 2) S. 685-
Die Beneventaner hatten sich im Frühjahr 1051 unter die Herrschaft des
Papstes gestellt, s. v. Heinemann I S. 126 f.; Leo mußte also die Anerkennung
dieses Faktums durch den Verzicht auf deutsche Besitzungen erkaufen.
' Wibert 11,8 S. 159: Ad eum sibi subrogandum imperiali maiestati
proprium direxit legatum.
* In den Div. sent. patr. sind tit. 41 de auctoritate sacerdotali et
potestate regali 3 Stellen aus Pseudoisidor zusammengetragen: 1. Omnes
— 616 —
heitlichkeit. Das erscheint auffällig; aber es ist verständlich an-
gesichts der Tatsache, daß es eine sichere Grenzbestimmung zwischen
geistlicher und weltlicher Gewalt nicht gab. Der Papst, der sein
eigenes E«cht weit und immer weiter ausdehnte, handelte nicht in
dem Bewußtsein, daß er dadurch fremdes Kecht verletzte. Uns
haben Jahrhunderte des Kampfes die Vorstellung vertraut gemacht,
daß ein unversöhnHcher Gegensatz zwischen Kaisertum und Papst-
tum vorhanden sei. Bis über die Mitte des elften Jahrhunderts
hinaus kannte man diesen Gegensatz nicht. Am wenigsten dachte
man unter Heinrich III. an ihn. Kein Fürst hatte dem Papst-
tum ähnliche Dienste geleistet wie er: alles, was Leo war, war er
nur auf Grund dessen, was Heinrich getan hatte. Wie konnte er
sich gegen ihn erheben?
Heinrich selbst dachte nicht entfernt an Zwiespalt. Man kann
nicht von einem Wechsel seiner kirchlichen Politik reden. Nur
das kann man bemerken, daß er, seit Leo IX. an der Spitze stand,
in kirchlichen Dingen sich mehr zurückhielt. Er traute seinem
Vetter; aber er gab nicht das Mindeste von seinen kirchHchen
Rechten auf: er ernannte Bischöfe, er präsidierte gemeinsam mit
dem Papste Synoden; er bestätigte Synodalbeschlüsse und entschied
kirchhche Fragen. Man konnte glauben, daß das Verhältnis beider
Gewalten völlig das alte sei. Und doch war dies nicht der Fall.
Das Stärkeverhältnis war verschoben. Das war die naturnotwendige
und deshalb unvermeidliche Folge der Erhebung des Papsttums.
Bisher hatte in den kirchhchen Angelegenheiten stets der Kaiser
das entscheidende Wort gesprochen; jetzt bemerkte man überall,
daß ein Papst die Kirche leitete. Leo erschien, vielleicht mehr,
als er es wirklich war, als der Führer. Der Gewinn an Autorität,
den das Papsttum dadurch erlangte, war unvergleichlich groß.
Diese Erfolge beruhten zum großen Teil auf Leos Persön-
lichkeit. Es liegt etwas JugendUches in dem Wesen dieses Papstes,
ein frisches Zutrauen zu der eigenen Kraft. Einen Ritt von ein
paar hundert Meilen zu machen, um eine Synode zu halten, schien
dem fünfzigjährigen so wenig beschwerlich als die Erlernung einer
neuen Sprache^. In jedem Moment war er seiner selbst, seiner
res aliter tutae esse non possunt, nisi quae ad divinam confessionem per-
tinent et regia et sacerdotalis defendat auctoritas, aus Leos Bf an Pul-
cheria, 2. u. 3. die Hauptstellen aus dem Bfe des Gelasius an Anastasius.
Man sieht, der maßgebende Gesichtspunkt ist das Zusammenwirken der
beiden Gewalten.
^ Er lernte noch als Papst griechisch, Wibert II, 12 S. 166.
— 617 —
physischen und seiner geistigen Kraft mächtig. Als bei einem
Besuch in Metz Siegj&ied von Gorze ihn um eine Komposition zu
Ehren des Märtyrers Gorgonius bat, hat er sofort die Bitte er-
füllt^; denn er liebte die Musik und war in der Kunst des Ton-
satzes, wie wenige Zeitgenossen, bewandert^. Es war ihm Bedürfois,
selbst zu handeln; wie er als Führer des Touler Aufgebots selbst
den Lagerplatz wählte, so überließ er als Papst die Leitung der
Synoden niemals seinen Legaten; er selbst war zur Stelle. Und
überall macht er den Eindruck frischer Energie : auch als er Papst
war, hat ihn die Leidenschaft hingerissen, selbst in den Krieg zu
ziehen. Dem raschen Entschluß folgte die Ausführung in der
Kegel auf dem Fuße. Es konnte begegnen, daß er über das Ziel
hinausschoß; dann kostete es ihm keine große Überwindung, ein
paar Schritte zurückzutuii. Er hat manchmal die Schwierigkeit
eines Unternehmens unterschätzt, und er meinte wohl, daß er
schon am Ziele stehe, wenn der Weg kaum begonnen war. Aber
hemmen Heß er sich durch die unvermeidlichen Enttäuschungen
nicht. Guten Rat zu hören und anzunehmen, hat er nicht ver-
mieden; er brauchte keinen Wert darauf zu legen, selbständig zu
scheinen, da er es war. Denn wenn er auch gerne Bat hörte,
so war er doch nicht rasch, Unverbürgtes zu glauben"^.
Es paßt zu dem Bilde, das man sich von diesem Papste
machen kann, daß er als schöner Mann geschildert wird, anziehend
durch .sein ganzes Auftreten, besonders durch die Weise, wie er
sprach*. Als er noch Kleriker am Hofe Konrads war, hat man
seine Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit geschätzt; man nannte
ihn damals den guten Brun^. Etwas von dieser Liebenswürdigkeit
hat er mit auf den päpstlichen Thron genommen. Er hatte seine
Freude an dem bunten Gefieder eines Sittich^; er durchbrach
wohl die strikte Kegel des Kurialstiles, indem er einen Abt als
Bruder anredete ', und mit den Mönchen von Monte Cassino wie
ein Mönch verkehrte**. Seine Milde hat man bald getadelt ^ bald
1 Wibert U, 5 S. 156.
- Ib. 1, 13 S. 143 f.; vgl. Leos Grabschrift (v. 19 N.A. I S. 176: Musicus
insignis).
^ Peter Dam. sagt ep. 1, 4 S. 209, er wisse, daß Leo die Vorsicht ge-
brauche, sine experimentis audita non credere, incognita non breviter ad-
iudicare, nee ante sententiam promere, quam rem dubiam testimoniis
approbarit. * Wibert 1,13 S. 143; Bruno Segn. de sym. S. 547.
6 Wibert I, 6 S. 133 f. " Derselbe I, 4 S. 153 f.
' Hugo von Cluni J.W. 4241. » Leo chron. Casin. II, 81 S. 684.
» Anon. Haser. 34 S. 264. Der Anonymus selbst gehört nicht zu den
Tadlem.
. — 618 —
gerüiimt; entsprach es nicht gerade den Grundsätzen, die er ver-
trat, daß er Gregor von Vercelli, einen überwiesenen Ehebrecher,
im Amte ließ*, und die verheirateten Kanoniker in Lucca duldete,
in der Hoffnung, daß endlich Gott sich seiner Kirche erbarmen
und sie von den beweibten Priestern befreien werde ^, so war solche
inkonsequente Milde um so mehr geeignet, dem Papste S)-mpathien
zu erwerben. Man sah nicht Leichtsinn in ihr, sondern einen
Beweis der Frömmigkeit, die man überhaupt an ihm rühmte.
Man erbaute sich an seinem tiefen Gefühl der menschUchen Sünd-
haftigkeit, an der Gnade der Tränen, wie man zu sagen pflegte^;
mau erzählte von seinen nächthchen Bittgängen vom Lateran nach
St. Peter: im Laiengewand, mit bloßen Füßen, nur von wenigen
Klerikern begleitet, pflegte er Psalmen betend den weiten Weg
zurückzulegen*. So wurde er bewundert wie ein Heiliger^ und
man sah doch zugleich so viel rein raenschUche Züge an ihm, da&
man sich ihm nahe fühlen konnte.
In seiner ganzen Art mußte Leo dem Volke weit verständ-
licher sein als Heinrich. Die Ideahsten der Gewissenhaftigkeit
sind selten volkstümlich. Heinrich III. wurde es wälirend seiner
Regierung je länger je weniger^. Der tiefe Ernst seiner Gftsinuung
ließ ihn vereinsamen. Er war nicht von starker Gesundheit; aber
es ist schwer zu glauben, daß er erst dadurch, daß er mehrfach
schwer krank daniederlag ', zum Ernst gestimmt wurde. Der Ernst
lag in seiner Natura er gehörte zu den Menschen, die das Glück
nicht glücklich macht. Man wird unmittelbar davon berührt, wenn
man den Brief liest, in dem er dem Abt Hugo von Cluni fiir dj.e
Glückwünsche zu seiner Genesung und der Geburt seines Sohnes
dankt: da ist nichts von heller Freude, ein fast schwermütiger
Ton hegt über den Worten des Königs: durch die Gaben, die
^ Herim. Aug. z. 1051.
' J.W. 4254; vgl. auch die Behandlung der französischen Simonisten
auf der Synode von Rheims, Bröcking S. 26 ff.
3 Wibert 1, 13 S. 143. * Leo chron. Casin. II, 84 S. 686.
* Vgl. das Testament des Rheimser Propsts Odalrich, Mansi XIX
S. 747 f.
* Herim. Aug. z. 1058 S. 132: Quo tempore regni tain ^jrimores quam
inferiores contra imperatorem magis magisque mussitantes, iam dudum eum
ab inchoatae iustitiae, pacis, pietatis, divini timoris, multimodaeque virtutis
tenore, in quo de die in diem debuerat proficere, paulatim ad quaestum et
incuriam quandam deficere, multumque se ipso detoriorem fore «aivsabantur.
Lamb. z. 1057 S. 71. Othloh Vis. 1, 15 S. 884.
' Herim. Aug. z. 1045, 1047, 1050.
— 619 —
Gott ihm schenkt, wird er nur an die Pflichten erinnert, die sie
in sich schließend So war er überhaupt: in dem, was andere ge-
dankenlos taten, sah er ein ernstes, verantwortungsvolles Werk: er
hat niemals die königUchen Insignien angelegt, ohne zuvor gebeichtet
zu haben ^. Seine ernste Siegesfeier ist fiiiher erwähnt worden.
Das Volk verstand es vielleicht, daß er einen großen Sieg durch
eine Bußprozession beging; aber es konnte sich gewiß nicht darein
finden, daß er die Gaukler und Spaßmacher von einem Hochzeits-
feste hinwegwies ^; und doch wurzelte beides in der gleichen Ge-
sinnung. Irr seinem Ernste lag ein lebhaftes Gefühl für die Er-
habenheit der eigenen Stellung; es spricht sich wohl am stärksten
darin aus, daß er den König von Frankreich aufforderte, im Zwei-
kampf mit ihm den Streit der beiden Völker zu entscheiden*.
Schon dadurch wurde er unnahbar. Der Mann, der in anderer
Gesinnung einzudringen suchte, war verschlossen: er sprach nicht
von dem, was er wollte, sondern man mußte aus seinen Hand-
lungen seine Gesinnung erschließen^. Niemand geschieht mehr
Unrecht als den Verschlossenen; man hat auch ihm Schlimmes zu-
getraut*. Aber auch er traute den Menschen nicht, die er durch-
schaute; er machte sich keine Täuschung darüber, daß die Italiener
die deutsche Herrschaft nur ungern ertrugen '. Obwohl er den
Herzog Gottfried begnadigte, hat er den ehrgeizigen und gewissen-
losen Magnaten doch stets als einen Feind betrachtet^. Um so
mehr mußte er geneigt sein, allein seiner eigenen Überzeugung zu
folgen; schon seine Zeitgenossen bemerkten, daß er dann und wann
dem Rat seiner Umgebung entgegenhandelte^. Bei der Dm-ch-
führung dessen, was er für recht hielt, war er von unbeugsamer
Starrheit: was auch Gottfried von Lothringen versuchte, um die
Belehnung mit den beiden lothringischen Herzogtümern zu er-
langen, es war alles vergeblich: Heinrich blieb bei seiner unbe-
dingten Weigerung ^^.
Auch daß er .seine Zeitgenossen weit an Bildung überragte,
schied ihn von ihnen. Die deutschen Großen hielten es fast für
1 Bei Giesebrecht II S. 685 Nr. 12.
'^ Vita Annon. 6 Scr. XI S. 469. ^ Ann. Hild. z. 1044 S. 46.
^ Ann. Altah. z. 1056 S. 52.
^ Vita Annon. 7 S. 469 : Cum rex mentem, quam conceperat in arcbi-
episcopum, mandatis solito durioribus detezisset.
« Bruniw. mon. fand. 9 S. 130; über die Sache s. Steindorff II S. 218.
' Lamb.*z. 1053 S. 64. » Ders. z. 1054 S. 64 f.
9 Ann. Altah. z. 1044 S. 35. i» Ibid. S. 34 u. 37.
— 620 —
eine Schande, lesen zu können^; er aber war ein gelehrter König -.
Er liebte die Bücher; seitdem er die Krone trug, gab es am
deutschen Hofe wieder eine Bibliothek, für die in den könighchen
Klöstern Bücher abgeschrieben wurden '^ Auch für das Schöne
hatte er einen offenen Sinn: man machte die Wahrnehmung, daß
die Förderung, die er den Künsten, besonders der Architektur,
widmete, einen erfreuhchen Wetteifer unter den Künstlern hervor-
gerufen habe*. Nicht zum mindesten liebte er die Musik; durch
einen Wormser Kleriker ließ er sich eine Sammlung von Melodien
zusammenstellen^. Aber man hat den Eindruck, daß die Bildung
für Heinrich nicht wie für Karl d. Gr. das Sonnenhcht war, das
erfreut, indem es nützt; ihn verließ auch bei dem, was er las, der
Gedanke an seine Königspflichten nicht: er studierte die Volks-
rechte ^ und beschäftigte sich lebhaft mit der politischen Geschichte ;
nicht nur Wipo, sondern auch Hermann der Lahme hat ihm ein
Buch über die Taten seines Vaters gewidmet '. Auch die Spruch-
weisheit des alten Testamentes zog ihn an ^. Seine Erbauung fand
er in Predigten, die im Kloster gehalten -wurden: Bern von
B,eichenau hat ihm einige übersandt^.
So lebte Heinrich m. Nach Karl hat Deutschland keinen
mächtigeren Herrscher gehabt als ihn; aber niemand war einsamer
auf dem Thron als dieser schöne, düstere und ehrfurchtgebietende.
Mann^^
Wie groß seine Macht war, bewährte sich, als Leo IX. vor-
zeitig am 19. April 1054 starb. Trotz der Niederlage, die der
Papst und seine deutschen Söldner von den Normannen erlitten
1 Wipo Tetral. v. 199 S. 61.
2 Ib. V. 150 S. 60 u. V. 82 S. 58; chron. Noval. app. 17 S. 101.
^ Brief Siegfrids von Tegernsee (1048 — 1068) an einen Bischof W.
(? Wilhelm von Utrecht) bei Pez, Thesaur. VI, 1 S. 237 : Sedula illic per-
mutatio abbatum, nee non pro diversis scribendis voluminibus imperatoris
mandatum valde impediunt votivum vobis in ministrando desiderium eorun-
dem fratrum. * Ann. August, z. 1041.
» Brief an Heinrich N.A. III S. 331. « Wipo Tetral. v. 161 ff.
' Otto Frising. chron. VT, 33 S. 290.
* Der Mönch Arnulf widmete ihm eine metrische Bearbeitung der
Sprüche Salomonis, s. Strehlke im Arch. f. Kunde österr. GQ. XX S. 193.
9 Brief Berns S. 200.
i<> Lamb. Instit. Herv. eccl. S. 351: Nigro erat sed venusto aspectu,
statura procerus. Nam ab humero et sursum eminebat super omnem po-
pulum. Die Schönheit Heinrichs ist auch hervorgehoben in einem Briefe
Herrands von Tegernsee bei Pez, Thesaur. VI, 1 S. 230.
— 621 —
hatten, regte sich in Rom kein Widerspruch gegen die Herrschaft
des Kaisers. Es gibt kaum einen stärkeren Beweis, wie gesichert
die Verhältnisse schienen, als daß Heinrich ein halbes Jahr ver-
streichen ließ, bis er einen neuen Papst ernannte und daß dieser
dann wieder sich ein halbes Jahr Zeit nahm,* ehe er die Annahme
der Wahl endgütig erklärte: es war beinahe ein Jahr um seit Leos
Tod, als Bischof Gebhard von Eichstätt, als Viktor II., in Rom
am 13. April 1055 inthronisiert wurde ^. Als Bischof hatte er das
unbedingte Vertrauen Heinrichs genossen. So völHg baute dieser
auf ihn, daß er ihm eine Zeitlang die Verwaltung des bairischen
Herzogtums übertragen hatte ^. Wer möchte glauben, daß es jetzt
des Eingreifens Hildebrands bedurfte, um den Kaiser zur Wahl
seines Vertrauten zu bewegen^? Es ist um so unwahrscheinhcher,
da Viktor soeben die Pohtik der Kurie erfolgreich gekreuzt hatte.
Man wird deshalb in seiner Ernennung ebenso wie in der Leos IX.
einen freien Entschluß des Kaisers zu erbhcken haben. Er wählte
1 Ann. Rom. S. 187 f., Herim. cont. Scr. XIII S. 730, Anon. Haser. 38
S. 265, der Inthronisationstag bei Berthold. Bonizo V S. 589 ist unbrauch-
bar; hier ist die Tendenz oifenkundig. Dagegen ist die Frage schwerer zu
entscheiden, ob die bei dem Mönch von Herrieden überlieferten Worte Geb-
hards Dichtung oder Wahrheit sind. Das eine scheint mir sicher, daß der
Mönch bei ihnen nicht an das Wahlrecht gedacht hat (Hefele, CG. IV
S. 784 u. a.). Denn 1) gehörte das Wahlrecht nicht dem h, Petrus, sondera
dem Klerus und Volk von Rom, und 2) sagt der Anonj'mus deutlich, daß
der Papst non immemor pacti sui . . multos s. Petro episcopatus, multa
etiam castra . . recepit. Nach seiner Meinung handelte es sich also um
Kirchengüter u. dgl. Ist dies der Sinn der Bedingung, so ist nicht un-
wahrscheinlich, daß Gebhard sie gestellt hat. Denn die pekuniäre Lage
der Päpste war nicht glänzend. Das zeigen die Geldverlegenheiten Leos IX.
Martens (Besetz, d. päpstl. Stuhls S. 35) scheint mir also mit seiner un-
bedingten Verwerfung der Nachricht zu weit zu gehen.
'^ Anon. Haser. a. a. 0.
ä Leo ehr. Gas. 11,36 S. 686; bei Bonizo S. 589 in Verbindung mit der
Niederlegung des Patriziats durch Heinrich. Das Lügengewebe, das Bonizo
als Geschichte ausgibt, ist gerade hier sehr durchsichtig. Denn die Grund-
lage, auf der seine weiteren Nachrichten beruhen, daß der sterbende Leo
Hildebrand die Sorge für die römische Kirche übergeben habe, ist erweis-
lich eine Erfindung. Hildebrand war, als Leo starb, in Frankreich, Bereng.
de Sacra coena ed. Vischer S. 53. Ich halte es deshalb für unzulässig, zwar
die Unzuverlässigkeit Bonizos zuzugeben, gleichwohl aber die Niederlegung
des Patriziats für glaubhaft zu halten (so v. Heinemann, D. Patric. S. 22).
Hefeies Umdeutung, Heinrich habe auf die Ausschreitungen der Patrizial-
gewalt verzichtet, CG. IV S. 783, ist vollends unmöglich.
— 622 —
wieder einen Verwandten, mit dem er sich eins wußte ^. Es ent-
spricht dem, daß die Männer, mit denen Leo IX. sich umgeben
hatte, nicht sämtlich seine Ernennung wohl aufnahmen: Friedrich
von Lothringen verließ, um ihm nicht dienen zu müssen, die Kurie;
er trat als Mönch in Monte Cassino ein^
Die Verbindung zwischen Kaisertum und Papsttum erhielt
durch die Ernennung Viktors neuen Halt. Wie absichtlich be-
kundeten die beiden Herrscher vor aller Welt, daß sie einmütig
zusammenstanden. Am Pfingstfest 1055 nahm Heinrich an der
ersten Synode Viktors zu Florenz Anteil*. Er belehnte, als der
Erbe des Markgrafen Bonifaz starb, den Papst mit Spoleto und
Camerino. Im Herbst 1056 ging Viktor über die Alpen, um den
Kaiser in Deutschland aufzusuchen. Heinrich fi'eute sich, ihm in
seiner aufblühenden Residenz zu Goslar einen so glänzenden
Empfang zu bereiten, wie man ihn in Deutschland selten gesehen
hatte*. Wer konnte etwas anderes erwarten, als daß die kirch-
liche Reform durch die verbündete geistliche und weltliche Gewalt
zu Ende geführt werde? Niemand ahnte, daß Viktor zu des
Kaisers Begräbnis reiste.
Am 5. Oktober 1056 ist Heinrich III. zu Botfeld im Harz
gestorben. Wie wenig bedeuten die Taten der Menschen! Nicht
der größte Mann hätte dem Papsttum einen solchen Zuwachs an
Macht erringen können, wie er ihm durch diesen Todesfall von
selbst zufiel. Seitdem die Römer sich daran gewöhnt hatten, die
Ernennung eines neuen Papstes vom Kaiser zu erbitten, wie die
Domherren in Mainz oder Worms einen neuen Bischof am Hofe
erbaten, schien das Übergewicht des Kaisertums über das Papst-
tum gesichert Aber diese Macht zerbrach in dem Augenblick,
^ Daß Gregor Reg. 1, 19 S. 33 Viktor venerandae inemoriae papam
nennt und daß er ihn VI, 11 S. 340 erwähnt, beweist hiegegen nichts. Als
echten Vertreter der römischen Kirche, wie Martens, Gregor I S. 20, sagt,
hat Gregor ihn weder hier noch sonst irgendwo gerühmt.
« Lamb. z. 1054; Leo ehr. Gas. II, 86 S. 687. Friedrich hat keine der
Bullen Viktors als Kanzler unterschrieben, wenn man absieht von der un-
echten 4339. Die Angaben Lamberts und Leos stimmen nicht völlig überein.
Leo verwischt ofiFenbar absichtlich den Gegensatz des Mönchs zum Papste.
^ Ann. Altah., Berth. ehr. z. J. 1055. Bemerkenswert ist, daß in den
Altaicher Annalen der Kaiser, bei Berthold der Papst die Synode hält. Bei
Bonizo S. 590 wohnt Heinrich nur auf Einladung des Papstes der Synode
bei. Seine Anwesenheit erwähnt auch Peter Damiani, ep. IV, 12 S. 322.
* Anon. Haser. 39 S. 265; Lamb. z. 1056. Nach vita Lietb. ep. Camer.
42 Bouq. XI S. 481 kam Viktor, um über die Römer Klage zu führen.
— 623 —
da ihr Urheber starb. Denn der Erbe des Kaisertums war zu
schwach, sie aufrecht zu erhalten: er war ein unmündiges Kind.
Das Papsttum aber war zu stark, um sich freiwillig einer fremden
Leitung unterzuordnen.
Doch ehe wir uns die Verwickelungen vergegenwärtigen, die
aus dieser Sachlage fast mit Notwendigkeit entsprangen, wenden
wir unsere Aufmerksamkeit dem Missionsgebiete zu. Auch dort
vollzog sich eine Verschiebung der Verhältnisse, wodurch Deutsch-
land auf sich selbst beschränkt wurde.
Viertes Kapitel.
Der Fortgang der Wendenmission nnd die be-
ginnende Loslösung der skandinavischen Kirchen
von Deutschland.
Im zehnten Jahrhundert war das deutsche Missionsgebiet schier
unbegrenzt. Seit der Gründung selbständiger Kirchen in Polen
und Ungarn dagegen war es beschränkt auf die wendischen Land-
schaften zwischen Elbe und Oder und auf die skandinavischen
Reiche. Man kann nicht sagen, daß im elften Jahrhundert die
Missionsarbeit auf diesen Gebieten energisch betrieben worden wäre.
Besonders die Wendenbekehrung gehörte zu den unterschätzten
Aufgaben der Zeit^
Wir haben des großen Zusammenbruchs, der im Jahre 983
den größten Teil dessen vernichtete, was die deutsche Kirche in
langsamer Arbeit jenseits der Elbe erreicht hatte, früher Erwähnmig
getan ^. Nicht selten sind Niederlagen heilsamer als Siege. Aber
diese Niederlage war nicht heilsam. Denn sie bewirkte nicht, daß
Deutschland seine Kraft daran setzte, auf dem Trümmerfeld im
Nordosten einen neuen und festeren Bau zu errichten. Lange
Jahre geschah nichts, um zu diesem Ziel zu gelangen.
Im sorbischen Gebiet^ bestanden die von Otto I. gegründeten
1 Die Hauptquelle für dieses Kapitel ist Adam von Bremen. Zur
Literatur verweise ich, abgesehen von den allgemeinen Darstellungen, auf
L. Giesebrecht, Wendische Geschichten 1843, Dehio, Geschichte des Erzbist.
Hamburg-Bremen 1877, Nottrott, Aus der Wendenmission 1897.
2 S. oben S. 250 ff.
' Über die polit. Verhältnisse s. Posse, Die Markgrafen von Meißen
S. 28 ff. Schulze, Kolonisierung S. 69 ff.
— 625 —
Bistümer Meißen und Zeitz fort; Merseburg war wiederhergestellt.
Aber die wenigen Notizen, die man da und dort über die kirch-
lichen Zustände in diesen Diözesen findet, geben keine erfreuliche
Yorstellung. In Meißen stand seit dem Jahr 992 Bischof Eid an
der Spitze der Diözese. Thietmar rühmt ihn als einen gerechten
und aufrichtigen Mann^. Persönlich lebte er als strenger Asket;
füi" sein Bistum sorgte er besonders diu:ch Vermehrung des Grund-
besitzes; es gelang ihm, fast zweihundert Höfe für dasselbe zu er-
werben. Allein in der Bekehrung der Wenden war kein Fort-
schritt zu verzeichnen^. Eid selbst gab dem Kaiser Heinrich die
trostloseste Schilderung des augenblicklichen Zustands^ und der
Zukunft sah or olme Hoffnung entgegen. So fest war er davon
überzeugt, daß das junge Christentum unter den Sorben ebenso
vernichtet :verden würde, wie es bei den Liutizen bereits vernichtet
war, daß er nicht in Meißen begraben sein wollte; er wünschte in
Kolditz, ga,riz an der Westgrenze seiner Diözese, an der Seite
eines dort bestatteten Märtyrers sein Grab zu finden. Als er am
20. Dezember 1015 in Leipzig starb, wurde sein Leichnam gleich-
wohl nach Meißen gebracht: der Besitz dieser Eeliquie erschien
wie ein ÜKtarpfand für das Fortbestehen des Bistums*. Auch dies,
ein Beweis; wie unsicher man sich in Meißen fühlte. Über die
Tätigkeit seiner Nachfolger fehlt jede Überlieferung. Wäre es
1 Chron. IV, 6 S. 68.
2 Ib. VITI, 25 S. 207f. erwähnt Thietmar, daß Eid neue Kirchen
weihte, aber wenn er hinzufügt, daß er selten das Chrisma weihte und
Priester ordinierte, so ist klar, daß die Zahl der Christen nicht groß ge-
wesen sein kann.
3 Dipl. III S. 319 Nr. 269 v. 1013: Eiko . . nobis innbtuit, eandem
aecclesiam . . crebra hostium devastatione 'desolatam ac pene ad nihilum
ita fuisse redactam, ut nomine tantum solo praeesset, reliqua autem de rebus
territorüs appertinentia ita ab hostibus fuisse direpta, ut ordini ecclesiastico
nee honor debitus aut utilitas aliqua diutius inde exhiberi potuisset.
* Thietm. VIII, 25 S. 207 f.: Ubi Christi magnus martyr corporaliter
requiescit. Kurze faßt magnus als Eigenname-, bei der Stellung der Worte
scheint mir das nicht wahrscheinlich. Man kann bei dem namenlosen
Märtyrer an einen der Genossen Arns von Würzburg denken, deren Mar-
tyrium in dieser Gegend stattfand, s. Thietm. 1, 4 S. 3. Bönhoff, N.A. f.
Sachs. Gesch. XXVI S. 153, erinnert, daß das Schloß in Kolditz später eine
Jakobskapelle hatte und urteilt, es könne der große Märtyrer der Ap.-
Jakobus gewesen sein. Aber das ist nach Thietmars Worten unmöglich.
Der angebliche Leichnam des älteren Jakobus befand sich ja in St. Jakob
di Compostella. Über die späteren Schicksale des Leichnams Eids s. Machat-
schek, Bisch, v. Meißen I S. 31.
Hauck, Kirohengesohichte. III.
40
— 626 —
so, wenn ihnen große Erfolge gelungen wären ^P Die Unsicherheit
der Lage ist verständhch; denn Meißen war Grenzbistum. Jeder
Krieg bedrohte alles mühevoll Erreichte mit Vernichtung. Welchen
Umfang die Verwüstungen hatten, lernt man aus der Angabe, daß
der Polenherzog Miseco im Jahr 1030 im Land zwischen Elbe und
Saale mehr als hundert Orte zerstörte und 9065 Christen daraus ge-
fangen wegführte^. Besonders war für Meißen die lange schwankende
Entscheidung über den Besitz der Lausitz von "Wichtigkeit. Wurde
diese Landschaft polnisch, so war das Bistum von dem Verlust
eines großen Teils seines Sprengeis bedroht, ja es war fragüch,
ob es dann überhaupt fortbestehen konnte. Nun ging zwar diese
Gefahr vorüber, da infolge des Zusammenbruchs der polnischen
Macht die Lausitz dauernd in deutschen Besitz kam '\ Aber lange
Jahre waren für die Ausbreitung des Christentums verloren; sie
hatten nur die nationale Spannung zwischen Deutschen und Slaven
vermehrt, der religiöse Gegensatz zwischen Christen und Nicht-
christen aber war sicherlich durch die Art, wie die Polen, während
sie Herren waren, den Gehorsam gegen die Vorschriften der
Kirche erzwangen*, mächtig verstärkt worden. Doch seit dem
Jahre 1031, hatten die Meißener Bischöfe wieder freie Hand; man
konnte jetzt bessere Erfolge erwarten; aber die Überlieferung ist
von kirchlichen Taten nach diesem Jahre so stumm wie vorher.
Wie wenig die Lage des Bistums noch unter Heinrich III. ge-
sichert wai-, zeigt sich deutlich genug dariu, daß er für die Er-
haltung des Domkapitels Güter bestimmte, die in Deutschland, auf
1 Daß Machatschek die Missionstätigkeit Eilwards rühmt, hat, so
viel ich sehe, keinen Grund in den Quellen. Das Einzige, was zu seiner
Charakteristik überliefert ist, ist der Satz der Quedlinburger Annalen:
Rebus . . uti parcumque sciens modum servare fruendo (z. J. 1023). Sein
Nachfolger Huprecht wird (ibid.) als vir summae industriae bezeichnet.
Wenn ihn Posse (Markgr. S. 89) sehr gelehrt nennt, so weiß ich wieder
nicht, worauf sich dieser Ruhm begründet. Über die nächsten Bischöfe,
Dietrich, Aico und Brun wissen wir so gut wie nichts.
" Ann. Saxo z. d. J. S. 678. Man hat nicht an das Meißener Bistum
allein zu denken.
3 Über die Eroberung der Lausitz s. o. S. 76. Nach dem Tode Ekki-
harts besetzte sie Boleslav Chabry, Thietm. \^'9 S. 112, Heinrich H. gab sie
ihm 1002 zu Lehn, V, 18 S. 117, und erneuerte die Belehnung 1013, VII, 31
S. 186. Durch Konrad II. wurde sie zurückgenommen, s. o. S. 544. Man
vgl. über diese Kämpfe neben Hirsch und Breßlau: Zeißberg, Wiener SB.
Bd. 57 (1867) S. 265 £F. und Posse, Markgr. S. 49 ff. Das Bistum erhielt 1007
den ersten Besitz in der Oberlausitz, Dipl. III S. 149 Nr. 124.
* Vgl. die drastischen Mitteilungen bei Thietmar IX, 2 S. 240.
— 627 —
dem linken Ufer der Saale, lagen ^. Der einzige Fortschritt, . der
in diesen Gegenden geschah, bestand demnach darin, daß ein
immer größerer Teil des Grundes und Bodens in den Besitz deut-
scher Ritter kam. Dadurch wurde die Einwanderung deutscher
Kolonisten vorbereitet: sie erst hat dem Bestand der Kirche ein
sicheres Fundament verliehen.
Ahnlich waren die Verhältnisse in den beiden Nachbarbis-
tümem Zeitz und Merseburg. Die fürsthche Stellung der Bischöfe
wurde gesichert und verstärkt: in Zeitz durch bedeutende Schen-
kungen Ottos n. und m., Heinrichs 11. und Konrads 11.^, in
Merseburg durch Schenkungen Heinrichs H. und IH., besonders
auch des Bischofs Wigbert ^. Aber mit der Lösung der kirchlichen
Aufgaben ging es höchstens schrittweise vorwärts*. Die wendische
Bevölkerung war für das Christentum unzugänglich. Kein Wunder,
dass sich die Bischöfe in Zeitz nicht heimischer fühlten wie in Meißen :
man sieht es aus der Verlegung ihres Sitzes. an die schützende deutsche
Grenze nach Naumburg ^ Und hätte Bischof Kadeloh jahrelang als
italienischer Kanzler dem Hofe folgen können^, wenn er in seiner
^ Die Vermögensentwickelung schritt in Meißen nur langsam fort.
Zunächst war das Bistum auf die Zehnten angewiesen (s. o. S. 131, 4). Von
Otto II. erhielt es 983 Setleboresdorf und den ElbzoU zwischen Beigern und
Meißen, Dipl. H S. 208 Nr. 184; von Otto III. 995 die Lehen des Grafen
Asic, ib. S. 584 Nr. 174, und eines gewissen Thammo, S. 592 Nr. 183; von
Heinrich 11. 1007 die castella Ostro, Drebnitz und Göda in der Lausitz, s.
S. 626 Anm. 3, und 1013 sechs Dörfer links der Elbe, Dipl. III S. 319 Nr. 269,
von Heinrich III. 1040 das castellum Püchau, St. 2192, 1046 Zschaitz, St.
2198, und zu gunsten des Kapitels eine Anzahl Ortschaften, St. 2295 ff.
2 Über Otto IL u. IIL s. oben S. 131 Anm. 3. Heinrich IL schenkte
1004 als Entschädigung für die Rückgabe des Merseb. Anteils die Orte
KretBchau, Greifen und Groitzschen, Dipl. III S. 82 Nr, 66, Konrad U. 1032
den Königshof Balgstädt, St. 2035, Heinrich III. 1040, 1043 und 1046 eine
Reihe von Ortschaften, St. 2153. 2193. 2242. 2249. 2313.
3 Schon die Wiederherstellung brachte eine Erweiterung des Grund-
besitzes, Dipl. III S. 78 Nr. 64, es folgt 1006 die Schenkung von Gottfrids-
roda Nr. 106, 1013 die der Lehen Bebos zu Oßmannstedt Nr. 271, 1017 die
Kirche zu Geusa Nr. 374, 1021 für das Domkapitel die Dörfer Burgsdorf
Nr. 451, TJhden und Bedra Nr. 450; die letzteren lagen links der Saale im
B«ssetigau. Eine Schenkung Heinrichs III. von 1042 ist bemerkenswert,
St. 2231, da sie triginta mansi absque mancipiis in Spirega (Spergau),
also zum Zweck der Kolonisation betrifft. Über Wigberts Erwerbungen ä.
Thietm. VI, 36 S. 155.
* Vgl. oben S. 135 und S. 94 und Bd. IV S. 555.
ö S. oben S. 554.
8 Er war ital. Kanzler v. 31. März 1037 bis 30. Nov. 1043.
40*
— 628 —
Diözese Arbeit gesucht oder gefunden hätte ? Wie dünn die Christen
im Merseburgischen gesät waren, kann man sich vorstellen, wenn man
hört, daß Thietmar neun Jahre lang Bischof war, ohne den süd-
östlichen Teil seiner Diözese aufzusuchen. Im Mai 1018 hat er
zum erstenmal in Kohren und Rochlitz die Konfirmation vollzogen^.
Viel schUmmer als bei den Sorben war die Lage der Kirche
bei ihren nördhchen Nachbarn, den Liutizen. Wir erinnern uns,
daß die deutsche Herrschaft jenseits der Elbe infolge der Erhebung
von 983 aufhörte. Man fügte sich deutscherseits in diese wenig
rühmliche Sachlage; es galt schon als des Lobes wert, daß die
Äbtissin Mechtild von Quedlinburg-wendische Einfälle zu verhindern
wußtet Nun gelang es zwar Heinrich II., Ostern 1003, die Ab-
gesandten der Redarier und Liutizen zu einem Einverständnis zu
bewegen^. Die Wenden traten wieder in Abhängigkeit vom Reich
und erkannten die Pflicht des Tributs und der Heeresfolge von
neuem an*. Aber dadurch war nur das Verhältnis zum Reich,
wie es vorlängst unter Karl d. Gr. bestanden hatte, erneuert. In
allen inneren Angelegenheiten waren die Wenden vollkommen frei ^:
weder stand dem König ein Verfügungsrecht über Grundeigentum
zu ^, noch gab es deutsche Besatzungen im Lande ', und vor allem :
1 Chron. IX, 21 S. 251 f. ^ Ann. Quedl. z. 999.
3 Verhandlung zu Quedlinburg Thietm. V, 31 S. 125. Freilicli zeigt
VI, 33 S. 153 u. VI, 57 S. 167, daß Heinrich stets mit der Möglichkeit des
Abfalles zu rechnen hatte.
* Liutizen im Heere Heinrichs werden von Thietmar mehrfach er-
wähnt: VI, 22 S. 147; 25 S. 148; VIE, 59 S. 229 u. ö. Ihre Tributpflichtig-
keit hat an Herim. Aug. z. 1045 (solitus census) eine zuverlässige, an Alp.
de div. temp. 1,5 S. 704 eine schwache Bezeugung; vgl. Wipo 6 S. 20, wo
wahrscheinlich an die Liutizen gedacht ist.
6 Auch das ist bezeichnend, daß der König stets auf deutschem Boden
mit den Wenden verhandelte: 1005 zu Werben, Thietm. VI, 28 S. 150;
1012 in Arneburg, VII, 24 S. 182; ebenso unter Konrad, Wipo 6 S. 22; Ann.
Hild. z. 1029.
* L. Giesebrecht (II S. 12) belegt seine Annahme von königlichem
Grundbesitz unter den Liutizen durch Urk. Heinrichs IL v. 1003, 1004 und
1011 Nr. 48, 88, 237, wonach er Grundbesitz jenseits der Elbe bei Zerbst,
in der Landschaft Nizizi und Mrozani verschenkte. Aber die genannten
Gaue waren nicht liutizisch, sondern sofbisch.
' Auch hier kann ich Giesebrechts Annahme von deutschen Festungen
und Besatzungen, II S. 12, nicht zustimmen. Weder Zerbst noch Dretzel,
südlich vo|i Genthin, lag im Land der Liutizen. Die deutschen Festungen
lagen links der Elbe, so Arneburg, Thietm. VI, 29 S. 150, und Werben,
Wipo 33 S. 39.
I
— 629 —
der Bestand des wendischen Heidentums blieb unangetastet; nicht
einmal zur Unterlassung der Menschenopfer wurden sie genötigt^.
Leisteten sie dem König Zuzug, so kamen sie mit ihren eigenen
Feldzeichen: man sah auf denselben die Bilder ihrer Götter. Mit
leicht verständlicher Eifersucht hüteten sie ihre Heiligtümer vor
jeder Verletzung: als bei der Belagening von Nimptsch im Jahr
1017 ein Dienstmann des Markgrafen Herimann ein solches Bild
durch einen Steinwurf beschädigte, erhoben die Priester sofort
Klage; Heinrich sprach ihnen ein Sühnegeld von zwölf Pfund zu;
so viel lag ihm daran, jede Mißstimmung im Keime zu ersticken-.
Das Seitenstück zu diesem Vorfall ist die Plünderung einer Kirche
bei Metz, die sich die Wenden in seinem Heere im Jahr 1009
zu schulden kommen ließen. Heinrich trug Bedenken, die Frevler
zur Rechenschaft zu ziehen; vielmehr leistete er selbst Ersatz für,
den angerichteten Schaden, indem er sich durch einen Eid von
dem Verdacht der Mitschuld reinigte ^ Das ist eine so weitgehende
Schonung des Heidentums, daß sie bei einem Mann wie Heinrich
fast Erstaunen erregt. Aber der Grund ist dm'chsichtig: die Wenden
waren in keinem Punkte verletzlicher als in dem der Religion; je
unzuverlässiger nun die sächsischen Herren waren und je bereit-
wilHger sie sich zeigten, um persönlicher Interessen willen Deutsch-
land an Polen zu verraten*, um so mehr mußte sich Heinrich
hüten, die Liutizen durch Kränkung ihrer religiösen Überzeugungen
auf die polnische Seite zu drängen. Die unausweichliche Folge
war, daß die Arbeit der Kirche lahm gelegt wurde; es unterbheb
alles, um dem Christentum Eingang zu verschaffen. Heinrich hat
unter dem Zwang der Verhältnisse so gehandelt. Aber nich jeder-
mann in Deutschland konnte sich in sein Verfahren finden ; wer
ausschließlich vom kirchlichen Gesichtspunkt aus urteilte, fand es
tadelnswert. Mit leidenschaftlicher Heftigkeit hat Brun von Quer-
furt diesen Standpmikt vertreten. Er ruft Wehe über die elende
Zeit, in der es keinen König gibt, der nach der Bekehrung der
1 Brief Bruns bei W. Giesebrecht, KZ. II S. 669. Hier lag der Grund
für die Erneuerung des Verbots, Christen an Heiden zu verkaufen, Thietm.-
VI, 28 S. 150. 2 Thietm. VIII, 64 S. 231 f.
» Ders. VI, 51 S. 164 f., vgl. Mirac. s. Pirm. 12 Scr. XV S. 33 f.
* Thietm. V, 10 S. 113 die sächsischen Großen, V, 18 S. 117 ebenso,
V, 36 S. 127 und VI, 54 S. 166 Markgraf Gunzelin von Meißen, VII, 00 S. 186
Graf "Wernher und Ekkihart, der Bruder des Markgrafen Herimann von
Meißen, VIII, 18 S. 203 Hodo und Sigifrid, der Sohn des Markgrafen Hodo.
Thietmar behauptet geradezu, daß ein großer Teil des sächsischen Adels
in Boleslavs Sold stand, VIII, 12 S. 200.
— 630 —
Heiden strebt. Ihm schien der Krieg mit Boleslaw und der Friede
mit den Liutizen ein schwerer Widerspruch gegen das Beste der
Kirche. Deshalb predigte er den Kampf: wenn Heinrich die Wen-
den mit den Waffen zum Glauben zwinge, dann handele er nach
dem evangelischen Worte: Nötige sie herein zu kommen. Keine
größere Ehre gebe es für einen König, als die Kirche auszubreiten
und die Heiden zur Taufe zu bewegen^. Aber das waren vergeb-
liche Worte: der Zwang der politischen Lage war stärker als Er-
wägungen, für die Heinrich an sich gewiß nicht unempfänglich
war. Jener führte dazu, daß das Heidentum sozusagen anerkannte
Religion im Wendenlande wurde. Daß die Bistümer Brandenburg
und Havelberg nach wie vor besetzt wurden, war kaum mehr als
eine Kechtsverwahrung. Praktische Bedeutung hatte es nicht;
denn es scheint, daß die deutschen Bischöfe ihre Hutizischen Diö-
zesen nie betraten, geschweige denn, daß sie dort ihren Sitz nahmen^.
Zu Brandenburg gehörten auch sorbische Gaue. Dort lag der
bischöfliche Hof Leitzkau; aber auch er war im Jahr 1017 gänz-
lich wüst: das Wild, das man dort sah, sagt Thietmar, sei nicht
zu zählen gewesen ^ Hielten sich aber die Bischöfe von ihren
Diözesen fem, so verzichteten sie damit auf jede Missionsarbeit.
Nur zwei Asketen blieben dem Gedanken treu, daß es an der
Zeit sei, den christlichen Glauben auch zu den Liutizen zu tragen :
Brun von Querfurt und der Einsiedler Günther. Der erstere"^, der
begeistertste Vorkämpfer der Mission in dieser Zeit, hatte unter
den Ungarn und Petschenegen gewirkt, er hatte sodann Boten des
Evangeliums nach Schweden gesandt; als seine Hauptaufgabe aber
betrachtete er die Bekehrung der Preußen und Liutizen ^. Vielleicht,
1 Brief an Heinrich S. 669 und vita Adalb. 11 S. 599.
■ L. Giesebrecht nimmt, II S. 15, auf Grund von Dipl. III S. 259 Nr. 223
an, daß Wipo von Brandenburg wieder unter den Wenden seinen Sitz hatte.
Ähnlich Nottrott S. 473. Wie mir scheint, geht die Folgerung zu weit.
Die Urkunde selbst läßt die ungünstige Lage der liutiz. Bistümer erkennen
(presertim eas, quae ab iniquis hominibus opprimuntur). Zu berücksichtigen
ist übrigens, daß der Sprengel von Brandenburg sich auch über diä sorbischen
Gaue Zerbisti, Morazeni und Plone erstreckte. Für dies Gebiet hatte Hein-
richs Privilegium praktische Bedeutung; für den liutizischen Teil der Diö-
zese war es eine Rechtsverwahrung. Noch Heinrich III. stattete Dankwart
von Brandenburg mit Münze, Markt und Zoll in dem links der Elbe, also
nicht einmal in seinem Bistum gelegenen Ursleben aus, St. 2402.
* Thietm. VIII, 57 S. 228. Leitzkau liegt nur wenig über eine Stunde
vom Elbeufer entfernt.
* Ich unterlasse es, Bruns Tätigkeit zu schildern, da sie für die
deutsche Kirche verloren war. ^ Bf an Heinrich II. S 669 f.
— 631 —
daß seinen Worten der Erfolg nicht gefehlt hätte; aber sein früher
Tod ^ ließ es nicht einmal zu einem Missionsversuch kommen. Der
letztere, Günther, war ein Thüringer^. Er kannte also die Slaven
von Kind auf; aber er schien zu allem eher bestimmt als zum
Wendenprediger. Seine Jugend verrauschte in kecken Taten; dann
kam der Umschlag: aus dem Ritter wurde ein Büßer; unter Gode-
hards beruhigendem Einfluß wurde der Büßer zum Mönche. Aber
damit hörten die inneren Schwankungen bei Günther noch nicht
auf; um Frieden zu suchen, schied er auch aus dem Kloster. Ein
paar Jahre lang bewohnte er eine Zelle auf einem Hügel in der
Nähe von Altaich; als ihn von dort die Bewunderung des Volks
vertrieb, ging er in den wilden Wald, der die Deutschen von den
Tschechen schied, und baute sich dort eine neue Klause. Aus ihr
ist das Klösterlein Binchnach erwachsen, die ei-ste Niederlassung
von Mönchen im Herzen des bairischen Waldes ^ Siebenunddreißig
Jahre lang hat er hier gehaust: er war nicht zum Prediger ge-
bildet, aber seine kunstlosen Reden ergriflfen gleich mächtig die
Deutschen und die Tschechen. Eine Episode in dem Leben dieses
Mannes ist die Liutizenpredigt. Wir wissen nicht, wodurch er
auf den Gedanken an sie geführt wurde; vielleicht durch die
Erinnerung an Jugendeindrücke. Genug, er entschloß sich dazu.
Es war acht Jahre nach dem Tode Bruns, als er in Magdeburg
mit Kaiser Heinrich und den Großen des Reichs über die christ-
liche Predigt jenseits der Elbe verhandelte. Der Kaiser hinderte
ihn nicht, und er begann die Predigt*. Aber kein Zeitgenosse
berichtet ein Wort von Erfolgen, die er errungen habe. Und wenn
er nach kurzer Zeit seine Tätigkeit abbrach und nach dem Süden
1 9. März 1009 Ann. Quedl., über das Datum bei Thietm. VII, 35
S. 189 s. d. Anm. Kurzes.
2 Über Günther Wolfheri vita II Godeh. 8 f. S. 201 f. Darauf beruht
die vita Gunth. erem., Scr. XI S. 276 ff. Selbständige Kunde hatte Arnold^
de s. Emmer. II, 61 S. 571 f. und der Biograph Stefans von Ungarn, c. 14
Scr. XI S. 236. Erwähnt wird Günther in dem Zusatz zu Thietm. VIII, 52
S. 225, bei Herim. Aug. z. 1040 und 1045, in den Ann. Hild. z. 1006 u. 1008,
Altah. u. Lamb. z. d. J. u. bei Othloh vis. 14 S. 383 f. Zu vergleichen sind
endlich die Urk. Heinrichs III, v. 1040 St. 2161 und Günthers ,quidam
nobilis homo' bei Wenck, Hess. Landesgesch, ÜB. III S. 40, durch die er
seine Güter in Thüringen an die Klöster Gellingen und Hersfeld gibt,
Günther starb am 9. Okt. 1045. Über ihn Grauert, Hist. JB. XIX S. 240ff.
3 Geweiht von Berengar von Passau 29. Aug. 1019, von Konrad aus-
gestattet, 1. Jan. 1029, von Heinrich IIT, an Altaich gegeben, Jan. 1040»
St, 2161. * Zusatz zu Thietm. VIII, 52 S, 225,
— 632 —
zurückkehrte^, so bestätigt dies die Annahme, daß er nichts er-
reichte. Nur das bleibt fraghch, ob er sich freiwilhg zur Rückkehr
entschloß. Es hat sich im Norden ein Gerücht erhalten von zwei
Mönchen, die. aus dem Böhmerwald nach Rethra, dem Heiligtum
der E-edarier gekommen und dort als Märtyrer gefallen seien ^.
Vielleicht darf man Genossen Günthers in ihnen sehen. Dann aber
hat er das Wendenland nicht freiwillig verlassen, er wurde verjagt.
Das Heidentum blieb somit in den einstmaligen Diözesen
Brandenburg und Havelberg herrschend. Unter Konrad IL schien
die Zeit, in welcher die Liutizen halbwegs als Christen gelten
konnten, weit zurückzuliegen: man bezeichnete sie einfach als die
Heiden ^ An Mission von Deutschland aus war jetzt um so
weniger zu denken, als das gute Verhältnis zum Reich gestört war.
Dies hing mit den polnischen Verhältnissen zusammen. Im Jahre
nach Konrads B,egierungsantritt starb der große Boleslaw Chabry*;
mit seinem Tode begann der rasche Niedergang der polnischen
Macht. Damit aber fiel der Grund hinweg, der bisher die Deut-
scheu zur Schonung der Liutizen und diese zur Anerkennung ihrer
Abhängigkeit vom Reich genötigt hatte. Somit brach der kleine
Krieg an der Grenze von neuem aus^. Nach Konrads Sinn war
diese Wendung nicht; denn er bedurfte des Friedens im Nordosten
für seine Pläne im Süden und Südwesten. Aber er bemühte sich
vergebhch, den Friedensstand an der Elbe aufrecht zu erhalten.
Der durch gegenseitiges Unrecht genährte Haß, der die Wenden
von den Deutschen schied, war allzutief. Daß Konrad auf dem
Tag zu Werben 1033 den Liutizen billiges Entgegenkommen bewies,
erschien ihnen als Eingeständnis der Schwäche*. Sie erwiderten
^ Wenn der Zusatz bei Thietmar richtig eingereiht ist, so begann
Günther die Missionspredigt im Frühjahr 1017. Sie hat wahrscheinlich nur
Monate gedauert, da, wie bemerkt, Kloster Rinchnach 1019 geweiht wurde,
* Adam Schol. 71 S. 109. Bedenken erregt nur, daß das Scholion bei
Adam zu einem viel späteren Zeitpunkt eingereiht ist. Doch ist bei einer
Nachricht, die ausdrücklich als Gerücht bezeichnet wird, darauf kein großes
Gewicht zu legen.
» Wipo 33 S. 39 f.
4 17. Juni 1025, Ann. cap. Cracov. S. 16; Cosm. ehr. 1,41 S. 64.
5 1028 erkannten die Liutizen die Abhängigkeit noch an, s. Ann. Hüd.
z. 1029 S. 35: Fideliter servituros promiserunt. Et mentita est iniquitas
sibi. Das Jahr ist falsch ; der Vorgang fällt in die Zeit der Pöhlder Synode,
also 1028, s. 0. S. 550 Anm. 1. Zu 1033 spricht Wipo 33 S. 39 von multae
dissensiones et incursiones; die Hildesheimer JB. erwähnen zu demselben
Jahr die Niedermetzelung des Grafen Liudger bei Werben mit etlichen
vierzig Gefährten. " Wipo a. a. O.
— 633 —
so durch die Erhebung des Jahres 1035. Im Frühjahr überfielen
sie die neubefestigte Burg Werben. Da sich unter den Sachsen
Verräter fanden, die den Feinden den Zugang öfl&ieten, so gelang
der Schlag: die Burg wurde eingenommen, die Besatzung zum Teil
niedergemacht, zum Teil gefangen weggeführt \ Nach diesem
Friedensbruche war der Krieg unvermeidHch, und Konrad führte
ihn mit der rücksichtslosen Härte, die ihm eigen war. Daß er
mit der Unterwerfung der Wenden endete, lag in den Macht-
verhältnissen; aber die Mission hatte von dem Sieg keinen Gewinn.
Denn die Niederlage steigerte nur die Abneigung der Wenden
gegen die Deutschen und gegen ihre .Religion. Wipo erzählt einen
Vorgang, der einen BUck in den schauerlichen Abgrund von Haß
tun läßt, der sich in der Seele der AVenden gegen die Religion
Jesu Christi angesammelt hatte. Es war ihnen ein Bild des Ge-
kreuzigten in die Hände gefallen; sie fanden ihre Lust daran, es
zu verhöhnen und zu entstellen; wie wenn das Holzbild lebte,
stachen sie ihm die Augen aus und schlugen sie ihm Hände und
Füße ab; dann warfen sie es fort. Das war eine Tat des heid-
nischen Fanatismus. Aber wenn Konrad sie dadurch rächte, daß
er an vielen gefangenen Wenden die Mißhandlung vollzog, die ihre
Volksgenossen gegen ein totes Bild ausgedacht hatten^, so war
diese Tat noch schlimmer: denn sie verschloß den Weg, um jenen
Fanatismus zu überwinden. Seit ] 036 herrschte ein Jahrzehnt lang
Friede; dann, im Jahr 1045, kam es zu einer neuen Erhebung;
aber Heinrich III. wußte sie so rasch und nachdrücklich zu unter-
drücken^, daß die Ruhe bis gegen das Ende seiner Regierung er-
halten blieb: also zwanzig Jahre fast ununterbrochenen Friedens;
aber für die Ausbreitung des christlichen Glaubens war diese Zeit
so unfi:uchtbar wie vorher der Krieg * : als man Kaiser Heinrich III.
zu Grabe trug, waren die Liutizen immer noch Heiden.
Ein Teil der Schuld fällt auf die Erzbischöfe von Magdeburg.
1 Wipo, Ann. Hild., Herim. Aug., Ann. Altah. z. 1035 u. 1036.
2 Wipo 33 S. 40.
3 Herim. Aug. z. 1045. Der Friede wurde erst 1056 wieder gestört.
■* Die von L. Giesebrecht II S. 97 und Steindorflf I S. 285 angezogene
Notiz des normanniselien Mönchs Orderich Vitalis, Hist. eccl. IV Scr. XX
S. 55, daß die Liutizen Wodan, Thor und Freia verehrten, bin ich bedenk-
lich zu wiederholen; sie scheint mir nichts als eine Erläuterung der An-
gabe, daß die Liutizen Heiden waren. Der Mönch von St. Evroul wußte
von den wendischön Göttern nichts. Er nannte deshalb die Namen der
deutschen, die er kannte, ebenso wie die Romanen, die von dem deutschen
Heidentum sprachen, Jupiter und Merkur als Götter nannten.
— 634 —
Otto d. Gr. hatte diese Meti'opole gegründet im Hinblick auf die
AVendenmission ; aber Magdeburg hat für sie so gut wie nichts ge-
leistet. So bedeutend Männer wie Tagino und Gero als Vertraute
und Ratgeber Heinrichs II. in allen Angelegenheiten des Reichs
waren, von Tätigkeit auf dem Missionsgebiet bemerkt man nicht
eine Spur. Geros Nachfolger, Hunfried, verwaltete das Erzbistum
länger als ein Vierteljahrhundert; aber auch er ließ die vielen
Friedensjahre, die er sah, ungenützt verstreichen. Doch wäre es
ungerecht, die Schuld allein den Persönlichkeiten aufzubürden. Sie
lag zum größten Teil in den Verhältnissen. Die Mission rechts
der Elbe litt vor allem unter dem Umstand, daß die Wenden aus
der Hand der nationalen Feinde eine neue Religion annelimen
sollten; sie litt auch darunter, daß die Bischöfe Fürsten waren und
deshalb v>icht mehr Missionare sein konnten wie Bonifatius oder
Anskar; sie litt endlich danmter, daß die Könige die Leiter der
Kirche waren und daß sie infolge, des Aufkommens des Fürsten-
tums die Macht nicht mehr hatten, das Christentum in der Weise
einzuführen, wie es Karl in Sachsen eingeführt hatte. Man muß
wohl sagen: die Reichskirche, so wie sie war, besaß nicht mehr das
Vermögen, rasch und nachdrücklich zu missionieren.
Wechselvoller als die Geschichte des Magdeburger war die des
Hamburger Mrssionssprengels. Hier lag die hauptsächhchste
Schwierigkeit für die kirchliche Arbeit darin, daß die skandina-
vischen Völker noch nicht zu ruhiger Existenz gekommen waren.
Weder die Bildung eines Staatswesens noch die nationale Ab-
grenzung war vollzogen. Wer aber konnte da bauen, wo der Gnmd
und Boden ununterbrochen schwankte? Wenden wir uns zuerst zu
Dänemark, so wurde früher die heidnische Reaktion unter Swein
Gabelbart erwähnt^; sie schien jede Hoffiiung auf den baldigen
Sieg des Christentums zu vernichten. Aber die rasch errungene
Hen'schaft war nicht von Bestand: der Schwedenkönig Heric der
Siegreiche überfiel mit einem Heere, „unzählbar wie der Sand am
Meer" den Dänenkönig. An allen Küsten Dänemarks wurde ge-
kämpft. Der Ausgang war, daß Heric Sieger blieb; Swein mußte
ihm Krone und Land überlasseii^ Auch Heric war ein Heide,
1 S. 0. S. 250 u. 254 f.
^ Adam II, 28 S. 62. Die durch Sweins Enkel bezeugte Tatsache ist
chronologisch nicht genau zu fixieren. Maurer, Bekehrung des norweg.
Stammes I S. 253, verlegt sie in die Jahre 988 oder 989; Dehio I S. 138.
gibt 988 an. Wenn Adams Nachricht, daß Liäwizo durch Gesandtschaften
und häufige Geschenke Swein zur Milde gegen die Christen bewegen wollte,
(II, 27 S. 62), richtig ist, so wahrscheinlich mit Unrecht. Denn Liäwizo
— 635 —
ein grimmiger Feind der Christen ^. Aber der Eroberer Dänemarks
mußte auf ein gutes Verhältnis zu seinen deutschen Nachbarn be-
dacht sein. Diesen Moment benützte Liäwizo von Hamburg: er
konsekrierte einen gewissen Poppo zum Dänenbischof und dieser
wagte es, zugleich im Auftrag des Erzbischofs und des jungen
Otto III., vor Heric zu treten: er forderte Anerkennung der deut-
schen Oberherrschaft und Friede für die Christen ^ In Dänemark
war Poppos Name später hoch berühmt; die Erinnerung des Volkes
sah in ihm den ersten Mann, dessen Zeugnis für das Christentum
tieferen Eindruck machte. Man erzählte von Tausenden, die durch
ihn für den christHchen Glauben gewonnen worden seien. Indem
die Geschichte zur Sage ward, wurde doch der Eindruck einer
machtvollen Persönlichkeit festgehalten; man sprach von dem Prediger
als von einem "Wundertäter. In der Tat wurde nicht Geringes
erreicht; König Heric selbst trat eine Zeit lang als Christ auf'.
Damit war der christlichen Predigt freie Bahn gegeben. Die
vertriebenen Prediger kehrten zurück und nahmen ihre Wirk-
samkeit wieder auf*; neue traten ihnen zur Seite. Unter ihnen
waren die namhaftesten der von Adaldag für Schweden ordinierte
Bischof Odinkar, der jetzt auch in Fünen,. Seeland und Schonen
predigte, und sein gleichnamiger Neffe, dem Liäwizo das Bistum
Ripen übertrugt. Sie waren geborene Dänen und nicht wenig
wurde ihre Tätigkeit dadurch erleichtert. Allein wie unsicher waren
doch alle Verhältnisse! Heric hatte sich taufen lassen; er war
durch seine Verheiratung mit der Schwester Boleslaws von Polen*
■wurde erst im Laufe des Jahres 988 Bischof. Das Jahr 989 hat also mehr
Wahrscheinlichkeit. ^ Adam II, 33 S. 65.
- Ibid. Poppo heißt hier Bischof von Schleswig: Vir sanctus et
sapiens et tunc — nach der Vertreibung Sweins — ad Sliaswig ordinatus.
I. J. 1000 wird Ekkihart als B. von Schleswig genannt, der am 2. Aug. 1026
starb, s, oben S. 255 Anm. 4. Nach Adam II, 47 S. 74 wirkte jedoch Poppo
noch gleichzeitig mit Unwan, also nach 1013. Wenn Adam nicht irrte,
indem er Poppo zum Bischof von Schleswig machte, so wird man annehmen
müssen, daß Poppo nach einiger Zeit nach Dänemark überging und in
Schleswig durch Ekkihart ersetzt wurde. Bei Saxo Gramm. Hist. Dan. 10
S. 499 (ed. Müller) ist er Bischof von Aarhus. Aber dem widerspricht Adam
11,44 S. 72.
3 Adam II, 36 S. 67. ^ Ders. II, 34 S. 66.
* Über beide Adam a. a. 0.; der jüngere ist überdies durch seine Teil-
nahme an der Synode von Dortmund 1005 gesichert, Thietm. VI, 18 S. 144.
Schonen, d. h. der südliche Teil des heutigen Schweden, war eine dänische
Landschaft.
« Schol. 25 zu Adam 11,33 S. 65; vgl. Thietm. VIII, 39 S. 216.
— 636 —
vollends in die Gemeinschaft der christlichen Fürsten eingetreten.
Aber das hinderte nicht, daß er schließlich zum Heidentum zurück-
kehrte und die «deutschen Küsten als Seeräuber brandschatzte^.
Ein neuer Umschwung schien unvermeidhch. Er trat nur deshalb
nicht ein, weil Heric, kurz nach seinem Rücktritt zum Heidentum,
starb. Allein Ruhe hatte die Mission gleichwohl nicht; denn sein
Tod brachte den ganzen Norden in Aufregung. Er hatte einen
Sohn, Olaf Schoßkönig, der die Nachfolge in Schweden und Däne-
mark antrat; aber noch lebte Swein Gabelbart. Hatte er bisher
als freier Seekönig vom Raube gelebt, so hielt er jetzt den Äugen-
blick für günstig,- sein väterliches Reich wieder zu erobern. Er
segelte gegen Olaf. Zwar unterlag er im Kampf; aber er hatte
sich als ein so tüchtiger Gegner bewährt, daß Olaf ihm Dänemark
Überheß. Dadurch wurde nicht Friede; denn nun erhob sich^egen
Swein der Normannenkönig Olaf Trygwason, der kühnste unter
den Seehelden des Nordens. Es kam zu einem harten Kampf,
und in ihm bheben die Dänen Sieger. Als Olaf sah, daß alles
verloren sei, stürzte er sich selbst vom Schiffe herab in das Meer.
Swein aber blieb König. Das war im Jahre 1000 '^
Sweins Sieg war entscheidend ebenso für die Freiheit der
Dänen, wie für den Sieg des Christentums. Denn wenn er Däne-
mark als Heide verlassen hatte, so kehrte er als Christ wieder.
Seitdem hat es in Dänemark keinen heidnischen König mehr ge-.
geben. Das ist das entscheidende Faktum : nicht durch die fremden
Missionare, sondern durch die einheimischen Könige ist der Sieg
des Christentums in Dänemark herbeigeführt worden. Demgemäß
trat an die Stelle der Duldung der christlichen Predigt jetzt das
Gebot, das Christentum anzunehmen, und wurde der Götzendienst
unterdrückt^. Das wurde in Hamburg sicher mit Freuden begrüßt.
Aber die Tatsache, daß der König die Einführung des Christen-
tums in die Hand nahm, hatte für Hamburg eine minder erfreu-
liche Konsequenz: die freie Bewegung auf dem Missionsgebiet
wurde beschränkt. Bisher hatten die Hamburger Erzbischöfe die
Missionsbischöfe gewählt und geweiht. Swein hat sie nicht zurück-
gewiesen: Poppo und Odinkar haben unter ihm in Dänemark ge-
1 Adam II, 36 S. 67.
2 Ib. II, 37 f. S. 68. Adam gibt als den Ort der letzten entscheidenden
Schlacht den Sund bei Helsingburg an; dagegen verlegen die nordischen
Quellen, denen Maurer folgt, S. 455 f., die Schlacht an das Ufer der Insel
Svöldr an der pommerischen Küste. Das Jahr 1000 bei Adam II, 40 S. 69.
Die Angabe von 14 Jahren des Exulats Sweins (II, 37) stimmt damit frei-
lich nicht überein. ^ ^dam IL 39 S. 69.
— 637 —
wirkte Aber er nahm die Befugnis in Anspruch, selbst Bischöfe
zu bestellen, und er glaubte dabei nicht an Männer gebunden zu
sein, die in Hamburg ordiniert waren. Er selbst hatte das Christen-
tum in England angenommen und er zuerst hat enghsche Priester
und einen engHschen Bischof nach Dänemark geführt. "Wir wissen,
daß Bischof Gotebald, den er zum Leiter der Kirche in Schonen
einsetzte, in England konsekriert worden ist^. Damit trat nicht
nur ein, es traten zwei neue Faktoren in die Entwickelung ein.
Die ganze Lage wurde für Hamburg kompliziert; es fragte sich,
ob die von dem dänischen König abhängige Kirche im Diözesan-
verband der deutschen Metropole werde erhalten bleiben, nicht
minder, ob die engHschen Bischöfe und Priester die Beziehungen
zu ihrer Heimat aufgeben und sich an Hamburg anschließen würden.
So viel wir sehen, hat Swein nichts getan, um das Band mit Ham-
burg zu lösen. Daran hinderten ihn schon seine Kämpfe mit Eng-
land. Denn seit dem Dänenmord am St. Bricciustage 1002 befand
er sich in Streit mit den Angelsachsen. Aber der Gang des
Krieges machte die Lage für Hamburg noch bedenklicher; denn
Swein gelang die Eroberung Englands; er hatte sie fast vollendet,
als er starb, 2. Februar 1014^.
Im Jahre vorher war Erzbischof Liäwizo* gestorben, ein fremid-
licher, wohlwollender Herr, nicht minder wegen seiner literarischen
Bildung als wegen seines asketischen Lebens die Bewunderung
seiner Umgebung. Aber ihm fehlte der Ehrgeiz seiner bischöf-
lichen Zeitgenossen; so viel wir sehen, tat er nichts, um seine
Stellung in Dänemark zu wahren. Er duldete Gotebald; er duldete
auch, daß Ekkihart von Schleswig seiner Diözese fem blieh^* durch
Willigis mußte sich dieser erinnern lassen, wo sein Platz sei ^. Die
Hamburgische Mission war trotz des Vordringens des Christentums
ernstlich gefährdet. ^
Diese Gefahr zu überwinden gelang Liäwizos Nachfolger
Unwan '.
Noch blühte in Sachsen die Nachkommenschaft Widukinds.
Sie nannte sich damals nach Immed, dem Bruder der Königin
Mechtild. Diesem Geschlechte entstammte Unwan ^ Es war für
1 Adam II, 47 S. 74. ^ ii,^ jj^ 39 g §9
* S. Green, Geschichte des englischen Volkes I S. 72 f.
* Über ihn Thietm. VII, 28 S. 184 f. und Adam II, 27 ff. S. 61.
'^ S. oben S. 255 Anm. 5; auch Adam 11,47 S. 75: Esico domi sedit.
8 Vita ßernw. 20 S. 768. Der Vorgang spielt am 28. Nov. 1000.
' Über ihn Adam II, 45 ff. S. 72 ff", und vita Meinw. 17 Scn XI S. 114.
^ Adabi a. a. 0. Den Zusammenhang mit dem alten Sachsenherzog
behauptet V^idukind 1,31 S. 26.
— 638 —
sein Leben entscheidend, daß Meinwerk von Paderborn sein Ver-
wandter war; denn ihm verdankte er die Aufnahme in den Klems,
seinem Fürwort später die Ernennung zum Erzbischof. Man kann
sich ihn wohl vorstellen, den klugen, weitblickenden, freigebigen
und prachtliebenden Herren: in allem bewies er sich als ein Prälat
aus einem großen Hause. Seine und seiner Verwandten, der ver-
witweten Gräfin Imma, Schenkungen haben Bremen reich gemacht^;
es galt als das wohlhabendste unter den sächsischen Stiftern ^. Die
skandinavischen Fürsten wußte er durch die glänzenden Gaben,
die er ihnen sandte, ganz für .sich zu gewinnen; aber auch kein
fremder Bischof, kein zu den Heiden wandernder Priester kam an
seineu Hof, der nicht reich beschenkt von dannen zog. Die Bremer
Domherren rühmten ihn, obgleich er sie zur Beobachtung der
Regel nötigte, weil er nicht unterließ, ihren Besitz zu mehren^,
und mancher Arme, besonders manches arme Kind war glücklich
über eine Spende des großen Bischofs. Wie es seinem Reichtum
entsprach, hielt er glänzend Hof; besonders an den hohen Festen
Hebte er es, seine Suffragane um sich zu sammeln; zu ihnen ge-
sellten sich die Abte der nahen Klöster; auch Herzog Bernhard II.
und andere Große fehlten dann nicht*. So erschien Bremen recht
als die Metropole des Nordens. Es kam der aufblühenden Stadt
zugute, daß Uuwan gerne baute: er hat vor der Mauer Bremens
die Veitskirche errichtet, innerhalb der Stadt die Willehadskapelle
wiederhergestellt. Noch wichtiger war, daß er seine Residenz durch
die Verstärkung ihrer Befestigung gegen jeden plötzhchen Angriff
sicherte^. Doch baute er nicht nur in Bremen. Seine Diözese
war immer noch arm an Kirchen; aber noch gab es heilige Haine,
welche die Marschbewohner verehrend aufsuchten. Unwan Heß sie
schlagen und aus ihrem Holz hin und her Kirchen errichtend Am
meisten hatte ihm Hamburg zu danken. Liäwizo hat die Stadt
seit ihrer Zerstörung im Jahr 983 nicht wieder gesehen; er gab
sie, ja überhaupt den Übereibischen Teil seines Bistums verloren".
Dagegen erhob sie sich unter ünwans Regierung aus der Asche,
und nun blühte sie rasch empor; der Erzbischof begann den Neu-
1 Adam Schol. 35 S. 73; über Imma 11,65 S. 85; 76 S. 93; hier ist die
curtis Stiplaga (Stiepel an der Ruhr) genannt; schol. 48. Eine Besitzung
Immas, Liastimona, Lismona (Lesum bei Bremen) wurde durch Konrad IL
eingezogen, kam aber durch Heinrich IV. an Hamburg, St. 2622.
« Adam 11, 46 S. 73.
'^ Ders. II, 45 f. S. 73; vgl. die Bemerkung Lappenbergs, Hamburger
ÜB. I Nr. 60 S. 64. * Schol. 36 S. 74.
"^ Adam II, 46 S. 73. « A. a. 0. ■ Adam II, 27 S. 62.
— 639 —
bau des Domes und rekonstruierte das Kapitel; monatelang nahm
er dort seinen Wohnsitz^.
Man konnte erwarten, daß er die Missionsaufgabe Hamburgs
nicht aus den Augen verlieren un 1 daß er nicht leichthin die
Rechte seiner Metropole preisgeben werde. Ihm gegenüber stand
Knut d. Gr., eine der bedeutendsten Gestalten der nordischen
Geschichte. Knut hat ein Doppelantlitz. In mancher Hinsicht
erscheint er wie ein Barbar; er verleugnete bis an sein Ende nicht,
daß er der Sohn des wilden Königs Swein^ war: es klebt viel Blut
an seinen Händen. Aber derselbe Mann war einer der größten
Herrscher seines Jahrhunderts: wenn er England als ein Eroberer
und der Sohn eines Eroberers betrat, so hat England doch ver-
gessen, daß er ein Fremder war; denn er regierte wie ein König.
Gröißeren Dienst hat er vielleicht seinem Vaterland geleistet. Denn
ihm vor allem verdankt Dänemark, daß es zu einem Staatswesen
wiu-de. Das konnte nicht geschehen, ohne daß zugleich jene
innige Verbindung des staatlichen und des kirchlichen Elements
hergestellt wurde, die für das Leben der mittelalterlichen Völker
charakteristisch ist. So tritt die kirchliche Gewalt des Königs
durch Knut auch in Dänemark sehr bestimmt in den Vordergrund.
Was bei Swein nur unbewußt zu wirken scheint, war bei ihm
klare Absicht.
Darin liegt nun aber, daß Knut Hamburg gegenüber eben-
sowohl gleichartige wie entgegengesetzte Interessen hatte. Einig
war er mit Uiiwan in allem, was zui' Eörderang des Christentums
diente. Man erzählt, daß ihm König Swein sterbend die Pflege
der christlichen Religion zur Pflicht gemacht habe^. Aber was er
tat, entsprang doch nicht nur der Pietät gegen den letzten Auftrag
des Vaters. Knut ist von dem Gedanken des Christentums bis
zu einem gewissen Grad ergrifi"en worden. Den Männern der Tat
scheint jene ernste Auffassung des menschlichen Lebens, für welche
der Satz, daß wir Gott Rechenschaft geben müssen, eine wirkliche
Pflicht aussprieht, näher zu liegen als dei^g'enigen, die nur in der
Welt der leicht beweghchen Gedanken leben. Bei Knut findet
man sie sehr bestimmt ausgesprochen. Er redet wohl von dem
jüngsten Tag, „an dem es uns lieber wäre, als alles, was auf Erden
ist, wenn wir in der Zeit, da wir es leicht konnten, Gottes Willen
' Ders. II, 47 S. 74. Das neue Domkapitel wurde so gebildet, daß das
Domstift zu Bremen und die drei Hamburger Stifter Bücken, Rameslo und
Bepesholt je drei Brüder nach Hamburg abgaben.
2 Thietm. Vm, 868. 214: Immitis rex Suein.
3 Gest. Cnut. 1, 5 S. 9'
— 640 —
getan hätten" ^. Der Last der Verantwortung gegenüber suchte er
Sicherheit für die Ewigkeit bei den Helfern, an die ihn die Kirche
wies. Von Rom aus schrieb er in die Heimat, er danke Gott,
daß er ihm gewährt habe, die Kirchen Eetri und Pauli und alle
Heihgtümer, die man in der Stadt nur erkunden Jtönne, zu be-
suchen ; denn die Weisen hätten ihm gesagt, daß Petrus der Himmels-
pförtner sei und daß es den größten Gewinn bringe, ihn zum Patron
zu haben ^. Mit ähnlicher Verehrung wie auf die himmlischen
Helfer blickte er auf das kirchliche Priestertum. In seinen kirch-
lichen Gesetzen liest man: Es begreife jeder, der will oder kann,
daß groß und wichtig ist, was der Priester zu tun hat zum Heile
des Volks. Wichtig ist die Beschwörung und bedeutsam die Weihe,
die Teufel austreibt und zur Flucht bringt, so oft man tauft oder
die Hostie weiht. Und heilige Engel umschweben ihn und
beschützen die Handlungen und stehen mit Gottes Macht den
Priestern bei, so oft sie Christus nach R^cht dienen^. In solchen
Gedanken mochte Knut dem Gesang der Mönche lauschen, loii
bloßen Füßen wie ein anderer Pilger zu dem Grab des h. Kuth-
bert in Durham wallfahren * oder sich in die Brüderscbaft der
Christuskirche zu Canterbury aufnelimen lass^en ^. Aber das Christen-
tum hatte ihm mehr gegeben als dies. Indem er Köjiig "ibsr ein
christliches Volk wurde, gewannen die Vorstellungen dei christ-
lichen Nationen von Königspflicht und Königsrecht Macht über
ihn; er lernte, daß der König mehr ist, als der kühnste H^eerfiilirer,
daß er „ein holder Herr ist, nicht weichend von Gottes Rechten
und rechtem weltlichen Gesetz^' ^ Und diese Gedanken wurden der
Leitstern für sein Regiment. Er ist nach Rom gezogen uin seines
eigenen Heils willen. Als er aber von Rom schied, sprach er das
Gelübde aus, forthin sein Leben in allem gerecht einzurichten,
fromm zu regieren, recht- zu richten und, was er bisher verfehlt, zu
bessern. Der Gedanke an Ordnung und Recht war das Höchste,
was er kannte.
Man versteht von hier aus leicht den Eifer, mit deik er die
Kirche und ihre Institutionen forderte. Die Zeitgenossen sind
^ Geistl. Gesetze c. 18, Schmid, D. Gesetze d. Angeisackten t. 261.
2 Bei Florent. Wigorn. chron. z. 1031 Scr. XlII S. 126.
3 Cap. 4 S. 255, vgl. c. 26 S. 269, weltl. Gesetze c. 84, 4 S. 817, und
den Anm. 6 erwähnten Erlaß.
^ Simeon Dunelm., Hist. Dunelm. eccl. 111,8 S. 33 ed. Twygde»i.
3 Reg. dipl. hist. Dan. I S. 10 Nr. 40.
6 Erlaß Knuts, mitgeteilt von PauH in den Forach. XIV S. 393.
— 641 —
einig, ihn darob zu rühmen^; er sei den Bischöfen wie ein Mit-
bischof erschienen, sagt sein Biograph-. So war er der rechte
Mann, die Einführung des Christentums, die sein Vater begonnen
hatte, zu vollenden. Aus seinen angelsächsischen Gesetzen kann
man auf seine Maßregeln in Dänemark schHeßen. Das Verbot,
die heidnischen Götter zu verehren und Zauberkünste zu treiben,
wird in dem Gebot, den einen Gott immer zu lieben und zu ver-
ehren, und ein Christentum einmütig zu halten, seine Ergänzung
gefunden haben ^. Die Forderung, daß jedermann das Vaterunser
und den Glauben lerne und dreimal im Jahre das heilige Abend-
mahl empfange, wird auch in Dänemark erhoben worden sein*. In
derartigen Geboten konnte man in Hamburg nur Förderung
der eigenen Arbeit erblicken. "Wie hätte man sie nicht billigen
sollen? waren doch die Sachsen selbst auf ähnlichem "Wege dem
Glauben zugeführt worden.
Trotzdem fehlte es nicht an Grmid zu Zwiespalt: eine Zeit-
lang konnte es scheinen, als werde es zum Bruch mit Hamburg
kommen, Knut bemaß seine Königsrechte nach dem, was bei den
christlichen Nationen üblich war: er ernannte Bischöfe wie der
deutsche König. Dazu kam, daß er nicht nur König von Däne-
mark war; er herrschte auch in England, er kämpfte um Norwegen
und Schweden. Sein politisches Ziel war, die unter seiner Gewalt
vereinigten Reiche als ebenbürtige Macht den großen Staaten
Deutschland und Frankreich an die Seite zu stellen. Konnte er
dann die kirchliche Abhängigkeit Dänemarks von Hamburg er-
tragen? Mit der größten "Wahrscheinlichkeit läßt sich die Be-
hauptung aufstellen, daß er zunächst -entschlossen war, Dänemark
aus dem Diözesanverbande Hamburgs loszulösen. Der Beweis liegt
darin, daß er nicht nur Priester aus England nach Dänemark
berief, sondern daß er ohne Verständigung mit Unwan die Organi-
1 Ann. Hild. z. 1035 S. 40. Gesta Cnut. II, 20 S. 26; vgl. die Zusammen-
stellung seiner Urkunden in den Reg. dipl. Hist. Dan. I S. 10 ff. Nr. 41 ff.
2 Gesta Cnut. H, 19 S. 26.
3 Weltl. Gesetze c. 5 S. 273 : Wir verbieten ernstlicli alles Heidentum.
Heidentum ist es, daß man Abgötter verehrt, d. i. daß man heidnische
Götter verehrt und die Sonne oder den Mond, Feuer oder Flut, Quellen
oder Steine oder irgendeine Art von Bäumen, oder daß man Hexenkünste
liebt oder Mordtaten begeht auf irgendeine Weise oder durch Opfer oder
„Fyrht* oder irgendeine derartige Gaukelei vollführt. Geistl. Gesetze c. 1
S. 251 : Das ist aber das Erste, daß sie vor allen anderen Dingen einen Gott
immer lieben und verehren und ein Christentum einmütig halten.
* Geistl. Gesetze 19 S. 267; 22 S. 267.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 41
— 642 —
sation der dänischen Kirche in die Hand nahm. In der Wirrsal
der letzten Jahrzehnte waren ihre Anfänge fast verschwunden.
Um so leichter war das Vorgehen des Königs. Der erste
Schritt geschah durch die Errichtung zweier Bistümer für See-
land und Fünen. Auch Schonen sollte ein selbständiges Bistum *
erhalten. Die Bischöfe für diese Diözesen aber ließ Knut von
dem Erzbischof von Canterbury konsekrieren^ Ein großer Er-
folg war, daß es ihm gelang, sich mit den deutschen, von Ham-
burg ausgesandten Priestern zu verständigen, unter den Bischöfen, •
die in England die Weihe erhielten, wären solche deutschen Ur-
sprungs^. Man braucht nicht zu sagen, daß für die kirchliche
Stellung Hamburgs in diesen Maßregeln eine große Gefahr lag;
der nordischen Metropole drohte dasselbe Schicksal, das Magdeburg
durch die Stiftung des Erzbistums Gnesen betroffen hatte.
Nach dem Berichte Adams wagte Unwan den Kampf um
sein Hecht mit dem mächtigen Nachbar^. Er ging dabei ebenso
geschickt als entschlossen vor. Den Anlaß zum Einschreiten bot
ihm der Umstand, daß der von Elnod von Canterbury zum Bischof
von Seeland geweihte Kleriker Gerbrand über Hamburg sich in
seine Diözese begeben wollte; Unwan erklärte seine Ordination für
ein Unrecht und nahm ihn in Haft. Nur dadurch, daß er den
Subjektionseid leistete, konnte Gerbrand seine Freilassung und
die Anerkennung seiner Weihe erlangen. Damit war Knuts Plan
durchkreuzt. Unwan schritt sofort weiter: er schickte in Gerbrands
Begleitung eine Gesandtschaft an den König, um über die Ver-
letzung seiner Metropohtanrechte durch die engUschen Weihen
1 Adam 11,47 S. 74 u. 53 S. 77.
- Adam nennt U, 53 von den vielen Bischöfen, die Knut ab Anglia
in Daniam führte, drei mit Namen: Bernard von Schonen, Gerbrand von
Seeland und Reginbert von Fünen. Die Namen sind sämtlich deutsch. Nun
ist zwar an sich möglich, daß ihre Träger gleichwohl Angelsachsen oder
Dänen (so Breßlau, JB. Konrads I S. 103) waren, und daß die deutschen
Namensformen auf Rechnung Adams kommen. Allein bei Gerbrand ist diese
Annahme ausgeschlossen ; denn er unterzeichnete eine Urkunde Knuts vom
23. Juni 1022 als Gerbrandus Roskyldae parochiae Danorum gentis, Reg.
dipl. hist. Dan. I S. 14 Nr. 60. Er gebrauchte seinen Namen selbst in der
deutschen Form, war also aller Wahrscheinlichkeit nach ein Deutscher. Das
Gleiche ist dann aber auch bei den beiden anderen möglich. Die 2eit der
Weihe Gerbrands ist dadurch bestimmt, daß sein Ordinator Elnod von
1020 — 1038 Erzbischof von Canterbury, und er, wie bemerkt, i. J. 1022 in
England war. Seine Ordination fällt also in die letzte Zeit Heinrichs IL,
d. h. in die Zeit, in welcher der Friede zwischen Deutschland und Däne-
mark gestört war. ^ Adam 11, 53 S. 77.
— 643 —
Beschwerde zu führen. Und er hatte Erfolg. Denn Knut sagte
entweder ausdrüeklich zu, daß er künftig im Einverständnis mit
dem Erzbischof handehi werden, oder ließ doch keinön Zweifel
daran, daß es so gehalten werden solle. Wir wissen . nicht, was
ihn bestimmte, seinen ersten Plan fallen zu lassen. Man könnte
an seine Verehrung gegen Rom denken; denn Hamburgs Metro-
politanrechte waren ja oft genug durch römische Privilegien be-
stätigte Doch ob dieser Grund genügt, ist mehr als fraglich.
Wenn man sich die politische Situation vergegenwärtigt, so drängt
sich eine andere Vermutung auf. In den letzten Jahren Hein-
richs II. war der Friede zwischen Deutschland und Dänemark
gestört. Sicher hat Knut darin einen Grund gesehen, der für die
Loslösung der dänischen Kirche von Hamburg sprach. Sollte ihm
nun nicht Unwan politische Dienste in Aussicht gestellt haben,
um die Anerkennung seines kirchlichen Rechts zu erlangen? Er
hat ihm solche geleistet: unter seiner Vermittelung wurde im Be-
ginn der Regierung Konrads II. der Friede wiederhergestellt'"*.
Später folgte die Verlobung Heinrichs III. mit Gunilde und die
Abtretung der Mark an der Schlei. Durch das alles wm-de ein
politisches Bündnis zwischen Deutschland und Dänemark herbei-
geführt. Es konnte unmöglich bestehen, wenn der König die Rechte
Hamburgs kränkte. Allem Vermuten nach verdankte, somit Ham-
burg die Rettung seiner Stellung im Norden der allgemeinen Lage,
die Unwan klug benützte. Er errang einen sachlichen und persön-
lichen Sieg. Kein Wunder, daß er das größte Ansehen bei Knut
erlangte: wie den Papst in Rom, so besuchte der Dänenkönig den
Erzbischof in Hamburg, wie in die Brüderschaft von Canterbury,
so trat er in die von Bremen ein^. Die Verhältnisse schienen so
gesichert, daß auch Ekkihart von Schleswig sich entschloß, sein
Bistum aufeusuchen. Er sollte es nicht sehen; ehe er sein Ziel
erreichte, ist er gestorben. Gerade jetzt aber bewährte sich die
Eintracht zwischen dem König und dem Erzbischof. Denn sein
Nachfolger wurde ein Deutscher, der Kölner Kleriker Rudolf*.
1 Dehio I Anm. S. 25 f. verweist besonders auf J.W. 4038 v. April 1022,
indem er annimmt, daß ein echtes Original Benedikts VlII. existiert hat.
2 Ib. 11, 54 S. 78. Hier ist die Mediation Unwans erwähnt.
3 Ib. II, 58 S. 80 u. Schol. 38 S. 76.
* Ann. Hild. z. 1026 S. 34. Die Angaben Adams sind hiemit nicht
in Übereinstimmung zu bringen. Er läßt II, 70 Rudolf von Alebrand ge-
weiht werden und betrachtet ihn als einen von dessen Kapellanen. Danach
würde die Weihe 1035—1045 fallen. Scholion 44 S. 83 läßt Ekkihart unter
Libentius II. 1029—1032 sterben; dann würde Rudolfs Nachfolge unter
41*
— 644 —
So gelang es Uuwau, seine Metropolitanrechte über die dänische
Kirche zu behaupten. Aber die Einführung des Christentums ist
nicht durch ihn, sondern durch den König vollendet worden.
Während die Wenden Heiden blieben, wurden die Dänen Christen,
da ihr König imstande war, zu handeln, Avie Karl d. Gr. ge-
handelt hatte.
Ein zweiter Erfolg Unwans war, daß er die Rechte Hamburgs
in Norwegen zur Anerkennung brachte. Man kann nicht sagen,
daß die Hamburger Kirche dort viel gearbeitet hat. Gerade in
Norwegen ist der große Umschwung im Glauben weit mehr durch
den Willen der Fürsten als durch die Tätigkeit der Missions-
prediger herbeigeführt worden. Kein unstäteres Volk gab es in
Europa als die Norweger. Wie die Woge der See sie an alle
Küsten des atlantischen Ozeans trug, so brachten ihre Fahrten
ihnen mannigfache Kunde von dem Christentum. Dabei aber
lernten zugleich die Seekönige die Stellung kennen, welche die
Herrscher in den christlichen Staaten einnahmen. An dem letzteren
Punkte setzte der Umschwung ein. Denn es wurde das Ziel der
nordischen Fürsten, eine ähnliche Stellung in der Heimat zu er-
ringen. Deshalb konnte es geschehen, daß schon in der ersten
Hälfte des zehnten Jahrhunderts ein norwegischer Fürst, König
Hakon, auf den Gedanken kam, die Annahme des Christentums
durch emen Volksbeschluß herbeizuführen. Es war noch zu früh:
des Königs Antrag scheiterte an dem Widerspruch der Bauern ^.
Etwas später trat einer der Hamburger Suffragane, Bischof Liafdag
von Ripen, als christlicher Prediger in Norwegen auf. Aber auch
jetzt war es noch nicht Zeit: ein rascher Erfolg nahm ein rascheres
Ende". Wieder vergingen Jahre; dann trat das Christentum den
Norwegern von neuem nah. Auch jetzt war es ein König, Olaf
Trygwason, der die Einführung der neuen B,eligion betrieb. Und
er hatte Erfolg: der Norden feiert ihn als den Begründer der
christlichen Kirche in allen Ländern norwegischer Zunge ^.
Was er begonnen hatte, führte ein dritter König, Olaf der Dicke,
zu Ende^
Für unsere Betrachtung ist die Frage von Bedeutung, wo
diese Fürsten die Männer fanden, durch welche sie die kirchhchen
diesen Bischof zu setzen sein; endlich Scholion 98 S. 155 läßt ihn unmittel-
bar auf Poppo folgen: diese Angaben schließen sich gegenseitig aus; man
kann alßo nur den Hildesheimer JB. folgen.
1 Maurer I S. 157 ff. - Adam II, 23 S. 58, Schol. 142 S. 181.
3 Maurer I S. 313 ff. 461 ff.
•» Ders. I S. 507 ff. Olaf regierte von 1015—1030.
— 645 —
Einrichtungen in Norwegen begründeten. Und hier unterHegt es
nun keinem Zweifel, daß sie nicht mit deutschen, sondern mit
engKschen '" Priestern arbeiteten. Schon Olaf Trygwason führte
englische Bischöfe und Priester nach Norwegen ^. Das Gleiche
tat Olaf der Dicket Darin lag schwerlich politische Überlegung:
es war nur die Folge davon, daß die Beziehungen der Normannen
zu England mannigfacher waren als zu Bremen. Um so bemerkens-
werter ist, daß Olaf der Dicke die Metropolitanrechte Hamburgs
freiwillig anerkannte. Er sandte eine Botschaft an Unv/an mit der
"Bitte, er möge seine Bischöfe wohl aufnehmen und deutsche zu
ihm schicken, um das Volk der Normannen im Christentum zu
befestigen^. Die Vermutung eines politischen Hintergedankens ist
hier kaum zu vermeiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach lag er
in dem Verhältnis zu Knut. Denn bei der Übermacht des eng-
lischen Königs wäre die Abhängigkeit der norwegischen Kirche
von Canterbury für Olaf bedenkhcher gewesen als die von Bremen.
Unwan erleichterte ihm den Anschluß, indem er in seinen Forde-
rungen außerordentlich maßvoll war. Es genügte ihm, daß die
Bischöfe seine Metropolitanrechte anerkannten, indem sie ihm den
Subjektionseid leisteten. Geschah das, so war er nicht kärglich in
ihrer Unterstützung*. Damit aber verzichtete er auf die tatsäch-
liche Leitung der Mission ; er verzichtete auch darauf, kirchlich zu
organisieren: Norwegen hatte Bischöfe, aber keine Diözesen; wie
einstmals die keltischen Wanderbischöfe in Deutschland^ so wirkten
jetzt die englischen im Nordend Die Folge war, daß sich in
Norwegen entschiedener als in Dänemark das Interesse des Reichs
von dem Hamburgs trennte. Für das Reich hatte die kirchliche
Macht Hamburgs über den Norden nur dann Wert, wenn sie zu
einer Erweiterung des deutschen Einflusses führte; für Hamburg
dagegen war sie an und für sich wertvoll. Das Ergebnis von
ünwans Politik Norwegen gegenüber war nun, daß er seine Metro-
politenstellung behauptete, zugleich aber auf die Ausübung des
deutschen Einflusses verzichtete. Obgleich Norwegen im Verband
der Hamburger Kirchenprovinz blieb, hat Deutschland keine Ein-
1 Adam II. 35 S. 67; IV, 33 S. 181.
2 Ib. II, 55 S. 79. 3 Ibid. * Ib. II, 47 S. 75.
^ Ib. IV, 33 S. 182: Inter Normannos et Sueones propter novellain
plantationem christianitatis adhuc nulli episcopatus certo sunt limite desig--
nati sed unusquisque episcoporum a rege vel populo assumptus communiter
edificant ecclesiam et circumeuntes regionem, quantos possunt ad ch'ristiani-
tatem trahunt eosque gubernant sine invidia. quamdiu vivunt.
— 646 —
Wirkung auf die norwegische Kirche ausgeübt: die letztere ent-
wickelte sich wie die dänische in nationaler Besonderheit.
Zu demselben Resultat führte der Gang der Dinge in Schweden.
Die Hamburger Erzbischöfe haben Schweden nie ganz aus den
Augen verloren. Die dortige Mission war das Vermächtnis Anskars
und Unnis; wie hätte man sie vergessen können? Demgemäß ver-
pflichtete Adaldag die jütischen Bischöfe zur Arbeit in Schweden ^y
iDesonders der ältere Odinkar soll dort gewirkt haben-; Liäwizo
sandte später den aus Oldenburg vertriebenen Volkward über das
Meer". Aber viel scheint durch die Arbeit dieser Männer nicht
erreicht worden zu sein"^. Eines raschen Erfolges rühmte sich ein
von Brun von Querfurt nach Schweden gesandter Missionsbischof ^;
allein was er auch erreicht haben mag, es ist wie vom Wind ver-
weht: man findet keine Spur von einer dauernden Wirkung. Zu
der Arbeit der Deutschen gesellte sich im Verlauf auch in Schweden
die der Engländer: in Schonen saß Bischof Gotebald; es ist ver-
ständlich, daß seine Tätigkeit über die nahe Grenze hinausgriff";
von Westen her drangen die in Norwegen tätigen Engländer nach
Schweden vor"; andere mögen direkt ins Land gezogen sein^
Indeß, so wenig die Arbeit dieser Männer erfolglos war, so wenig
war sie doch entscheidend. Sie führte nicht dazu, daß das Christen-
tum die überwiegende Macht im Lande wurde. Entscheidend war
nicht einmal, daß die Könige Heric und Olaf Schoßkönig sich
zum Empfang der Taufe entschlossen'^. Wir haben bemerkt, daß
der erstere schließHch zum Heidentum zurückkehrte; der letztere
aber wurde von dem Volk zu einem Vertrag genötigt, in dem er
auf die gewaltsame Einführung des Christentums verzichtete.
Immerhin gelang ihm die Gründung eines schwedischen Bistums
in Skara. Unwans Diözesanrechte tiat er dabei anerkannt; aber
Bischof wurde ein schon länger im Lande wirkender Skandinavier
1 Adam II, 4 S. 45.
2 Ib. 11,23 S. 58; 34 S. 66. » Ib. 11,44 S. 72.
* Zwar sagt Adam von Volkward: Multos in Domino lucratus cum
gaudio remeavit; aber seine Rückkehr nacb Deutschland zeigt, daß es zu
einer dauernden Gründung nicht kam.
^ Brief Bruns an Heinrich II. S. 670. Hier ist die Taufe eines senior
Suigiorum, der eine Christin zur Frau hatte, erwähnt; ihm seien tausend
Menschen und sieben Gaue gefolgt, sie hätten jedoch vor der Feindseligkeit
der Heiden das Land räumen müssen.
« Adam II, 39 S. 69. ' Ib. II, 55 S. 79. « Ib. H, 60 S. 82.
0 Über Heric oben; über Olaf Adam 11,56 S. Z9 f .
— 647 —
Thurgot^. Auch hier also hinderte die Verbindung mit Hamburg
nicht, daß 'die schwedische Kirche zur Nationalkirche wurde:
Bischof war wie in Norwegen, wen König und Volk als solchen
anerkannten.
Während in dieser Weise die nordische Mission mehr durch
die eingeborenen Herrscher als durch die kirchlichen Organe zum
Ziele kam, und nicht ohne Schwierigkeit die Rechte Hamburgs
behauptet wurden, gelang es im wendischen Missionssprengel, wo
der Einfluß des Erzbistums keinen KonkmTcnten hatte, zunp,chst
nicht, Fortschritte zu erzielen. Allerdings bekannten sich die
Abodritenfijrsten zum Teil zum christhchen Glauben; schon um
ihres Verhältnisses zu den sächsischen Großen willen hielten sie
daran fest^. Auch bestand das wendische Bistum fort^; Unwan
hat alsbald nach seinem Amtsantritt einen neuen Wendenbischof,
Bernhard, konsekriert^. Aber das wollte nicht viel bedeuten; denn
auf das wendische Volk machte die ungestörte Herrschaft des
Heidentums au der Havel und Spree einen tieferen Eindruck als
die Anwesenheit eines deutschen Bischofs in Oldenburg. Der An-
schluß der Fürsten an die Deutschen aber erschütterte nur die
Treue, die sie bei dem Volke fanden. Die Verhältnisse blieben
nicht nm' unsicher, sie trieben dem Zusammenbruch zu. Die Kata-
strophe trat im Jahr 1018 infolge eines Angriffs der Liutizen auf
den Abodritenfürsten Mistizlaw ein. Dieser hoffte den Angriff zu
bestehen, indem er sich mit einer Schar treuer Männer in die Feste
Schwerin warf. Allein die Bevölkerung schloß sich den Liutizen
an; Mistizlaw mußte sehen, daß alles verloren sei. Mit Mühe
gelang es ihm, nach Sachsen zu entkommen, wohin er Frau und
Schwiegertochter gleich im Anfang des Kampfes geflüchtet hatte.
1 Adam II, 56 S. 80 berichtet, daß Thurgot für Skara von Unwan
konsekriert wurde. Das ist unrichtig; denn aus Thietm. VII, 29 S. 186
ergibt sich, daß Thurgot schon vor Unwan Bischof war. Wahrscheinlich
rührt Adams Irrtum davon her, daß Thurgot im Einverständnis mit Unwan
für Skara bestimmt wurde. Die skandinavische Abkunft Thurgots folgert
Maurer I S. 499 aus seinem Namen.
2 Über Mistui, den Zerstörer Hamburgs i. J. 983 s. o. S. 268. Nach
Wiederherstellung des Friedens i. J. 996, s. o. S. 254, müssen die Wenden-
fürsten wieder als Christen aufgetreten sein. Thietm. IX, 5 S. 241 nennt z.
1018 einen christlichen Abodritenfürsten, namens Mistizlaw. Man nimmt
an, er sei Mistuis Sohn gewesen. * S. oben S. 254.
* Bernhard war am 4. Juli 1014 bereits Bischof, Thietm. VIII, 3 S. 195;
er war aus dem Domklerus von Magdeburg genommen, VII, 14 S. 176 und
IX, 6 S. 242. Adam hielt ihn mit Unrecht für einen Bremer Kleriker.
— 648 —
Die Folge dieser Erhebung war, daß die christlichen Kirchen im
ganzen Gebiete der Abodriten und Wagrier zerstört "wurden^.
Von Seiten des Reichs geschah nichts, um diese Verhältnisse
zu ändern. Als Bischof Bernhard Heinrich II. die Vernichtung
seiner Diözese berichtete, seufzte der Kaiser tief auf; aber er sagte
nichts. Denn er konnte ihm nicht helfen: er wußte, daß die
sächsischen Großen zur Empörung bereit waren. Da war es nicht
Zeit für einen Zug gegen die Wenden^. Und auch nach der
Versöhnung mit Herzog Bernhard Tl. band ihm die Bücksicht auf
Polen die Hand. So war das Einzige, was geschah, daß der
Herzog die Wenden nötigte, wie früher Tribut zu zahlen. Nach
und nach trat eine gewisse Beruhigung ein: einzelne Große hielten
immer noch am Christentum fest '^. Auch Bischof Bernhard war nach
der Herstellung des Friedens in seine Diözese zurückgekehrt. Aber
seine Bemühungen, dadurch eine feste Grundlage für die Wieder-
aufnahme der kirchlichen Arbeit zu schaffen, daß er die Einkünfte
des Bistums sicherte, waren trotz der Unterstützung, die er bei dem
Herzog und dem Kaiser fand, vergeblich*. Kein Wunder, daß
es mit der Sache des Christentums nicht vorwärts ging: bald hört
man auch unter den abodritischen Fürsten wieder von Heiden^:
die nördhchen wendischen Stämme schienen ebenso wie die mitt-
leren für das Christentum verloren.
So stand es, als Unwan starb. Seine Nachfolger, Liäwizo II.,
Herimann und Beszelin- Alebrand ^, waren Männer, die das Mittel-
1 Thietm. IX, 5 S. 241 f.; vgl. Adam IV, 46 S. 73.
2 Thietm. IX, 6 S. 242.
^ Uto, Mistiwois Sohn, und ein gewisser Sederich verkehrten mit Unwan
in Hamburg, Adam II, 58 S. 80.
"* Was wir hierüber wissen, beruht ausschließlich auf der Erzählung
Helmolds 1, 18 S. 42 f. und ist also schlecht beglaubigt. Er weiß von 2
Landtagen: auf dem ersten, den der Herzog hielt, versprachen die Abo-
driten die Zahlung von 2 Denaren von jedem Haus an das Bistum und die
Rückgabe der zwei Höfe Bosau und Gnissau in Wagrien. Den zweiten hielt
der Kaiser zu Werben. Hier erkannten die Wenden das Recht des Bistums
auf weitere Güter an und versprachen die Entrichtung der von Otto I. fest-
gesetzten Leistungen. Nach Helmold wurden diese Zusagen nicht erfüllt.
Der Landtag in Werben fällt, wie Giesebrecht gezeigt hat, ins J. 1021.
^ Adam II, 64 S. 84 Gneus und Anatrog, andere wie Ratibor waren
Christen, II, 75 S. 92.
« Liäwizo 1029—1032, Hermann 1032—1035, Alebrand Beszelin 1035
bis 1045; über sie Adam II, 61 — 78; er ist voll Lobes über Liäwizo und
Beszelin, während er Hermann tadelt. Vgl. Dehio I S. 166 ff. Knut starb
1035, sein Sohn Hartaknut 1042; nun kam Dänemark an Magnus von
— 649 —
maß in nichts überragten, sie wollten weder, noch konnten sie die
Dinge ändern ■'^. Dagegen erhielt Hamburg in dem Thüringer
Adaibert einen der hervorragendsten Männer seiner Zeit zum
Bischof. Es fragte sich, ob es ihm gelingen würde, die glänzende
Aufgabe zu lösen, die die Hamburger Kirche seit ihrer Stiftung
hatte.
Als ihn Heinrich III. im Frühjahr 1043 ^ zum Erzbischof
von Hamburg ernannte, hat seine Wahl schwerlich auf allen Seiten
Zustimmimg gefunden^. Denn Adaibert gehörte nicht zu den
regelrechten Menschen, die ohne Mühe die allgemeine Stimme für
sich gewinnen. Schon lange, ehe die Parteizerklüftung des Zeit-
alters Heinrichs IV. das unbefangene Urteil ei-schwerte, hat man
tadelnde Worte über ihn gehört. Seine Standesgenossen waren ihm
wenig geneigt; sie fanden etwas Herausforderndes in seinen Mienen
und seinem Gebahren; die verständigen Männer aber fühlten sich
durch die hohen Worte, die er liebte, verletzt und abgestoßen*.
In der Tat ging alles an ihm über das gewöhnliche Maß hinaus.
Schon das war ungewöhnlich, daß die Fehler, von denen fast der
Norwegen; nach dessen Tod 1047 folgte Swein Estridson, der Gewährs-
mann Adams.
^ Liäwizo weihte für Seeland Avoco, Alebrand für Schleswig Rudolt
und für Ripen Wal, Adam II, 62 S. 53 u. 70 S. 89. Die Metropolitanrechte
wurden also anerkannt; aber es scheint mir zu viel, wenn Dehio mit Bezug
hierauf sagt, die Hamburger Metropole habe in der Besetzung der Bistümer
freie Hand behalten. Aller Analogie nach ist das unwahrscheinlich; sondern
die Hamburger konsekrierten die von dem König ernannten Männer. Das
liegt doch auch in der Wendung Adams: Concilians sibi Chnut regem
Gerbrando subrogavit Avoconem. In Norwegen und Schweden überwog
nach wie vor das angelsächsische Element; wenn Liäwizo den Mönch Gott-
schalk von Rameslo zum Schwedenbischof ordinierte, so war das ein Aus-
nahmefall, der sich daraus erklärt, daß Thurgot in Bremen starb, Adam
n, 62 S. 83 f.
2 Das Jahr ist nicht sicher. Lambert nennt 1045 und dafür spricht
der Aufenthalt Heinrichs zu Aachen im Juli dieses Jahrs, St. 2279, Müller
S. 54. Doch scheinen mir die Gründe Dehios für 1043, Krit. Ausf. XVIII
S. 67 f., überzeugend. Die Konsekration in Aachen in Gegenwart des Kaisers
nötigt dann allerdings zu der Annahme, daß Heinrich von Ivois, 21. April,
den Rückweg nach Deutschland über Aachen nahm. Am 22. Mai war er
in Paderborn (s. Müller S. 41 f.). Die Ernennung und Konsekration fällt
dann in die erste Hälfte des Mai. — Über Ad. s. Grünhagen, Leipzig 1854,
und Bertheau, P. RE. I S. 149 ff.
^ Die folgende Charakteristik beruht besonders auf Adam III, 1 ff.
und III, 34 ff., der besten Analyse einer Persönlichkeit, welche die mittel-
alterliche Geschichtschreibung kennt. * Adam II, 66 S. 86.
— 650 —
gesamte Klerus des elften Jahrhunderts befleckt war, für ihn kaum
eine Versuchung bildeten. In dieser Zeit der Habsucht, der Aus-
schweifungen und der Völlerei war seine Uneigennützigkeit, seine
Sittenreinheit und seine Mäßigkeit^ von jedermann anerkannt.
Und doch waren seine Fehler schier offenkundiger als seine
Tugenden. Nur lag ihre Wurzel nicht in den starken Trieben
einer ungebrochenen Natur; man möchte sie eher in der Maßlosig-
keit der geistigen Seite seines Wesens finden. Er war stolz; aber
das sichere Gefühl des eigenen Wertes schlug um in hohle Prahlerei,
Wie rühmte er sein Geschlecht! Man hörte ihn sagen, alle seine
Vorgänger seien Männer von dunkler Herkunft gewesen, keiner
von echtem Adel; er allein sei groß durch Geburt und Reichtum
er sei eines größeren Bistums, ja des römischen Stuhles würdigt
Es war berechtigt, daß er sich seiner geistigen Kraft bewußt war
aber er wurde kleinlich, indem er nie schwach erscheinen wollte
auch wenn er unwohl war, lehnte er es ab, sich auf einen Diener
zu stützen; vollends zu klagen, dünkte ihn unwürdig*^. Niemand
hätte ihn dazu vermocht, einem Fürsten oder einem Bischof zu
weichen, aber in stolzer Demut wusch er Bettlern die Füße. Er
war freigebig; aber seine Gebelust grenzte an Verschwendung. Es
gewährte ihm die größte Befriedigung, andere zu beschenken: darin
sah er den Beweis adeligen Sinnes. Niemand sollte ihm umsonst
dienen; auch wenn die Arbeit mißlang, war der Lohn nicht minder
reich. Nur den höchsten Lohn erwarteten die Seinen vergeblich;
denn niemals förderte er sie in den königlichen Dienst: wozu be-
durften sie des Hofs? er könne sie ebenso gut und besser belohnen
als ein König. Sie sollten ihm verpflichtet bleiben; aber er selbst
wollte niemand verpflichtet sein; nie wollte er Geschenke annehmen;
er hätte sich dadurch erniedrigt gefühlt.
Dieser hochfahrende Sinn war gepaart mit extravaganter
Phantasie: das Ungewöhnliche hatte einen Beiz für seinen lebhaften
Geist. Er rühmte sich dessen, daß griechisches Blut in seinen
Adern fließe; deshalb gefiel er sich darin, griechische Sitten und
Gewohnheiten nachzuahmen*. Von dem Geheimnisvollen fühlte er
sich angezogen. Er glaubte an die Macht der geheimen Kunst
die lange Reihe deutscher Fürsten, die sich durch Goldmacher be-
trügen ließen, wird durch ihn eröfihet^. Mehr als es bei tätigen
1 Adam III, 55 S. 135. . "
•^ 111,68 S. 146. 5 A. a. 0. * 111,31 S. 117.
* Schol. 78 S. 120. Sein Goldmacher war ein getaufter Jude namens
Paulus. Er rühmte sich auch, ut ex insciis litterarum philosophos redderet
per triennium.
— 651 —
Männern gewöhnlich ist, lebte er in der Zukunft, nicht indem er
sie bedächtig vorbereitete, sondern indem er wähnte, daß sich ihm
der Schleier lüfte, der ihre Tiefe verhüllt: durch Träume, Vor-
zeichen, ungewöhnliche Naturerscheinungen meinte er das voraus-
verkündigt zu sehen, was kommen wird: seine Wünsche bauten ein
luftiges Trugbild der Zukunft, das die langsam nachkommende
Gegenwart stets zerstörte und das er doch unermüdKch erneuerte.
Er ergötzte sich an Geschichten und Märchen; sie würzten ihm
das Mahl; noch vor dem Schlafengehen ließ er sich erzählen. Es
ist verständhch, daß er, vor dessen geistigem Auge sich Vorstellungen,
Gedanken, Pläne in ruhelosem Wechsel drängten, immer Menschen
um sich haben mußte; er bedurfte der Zuhörer: er sagte selbst,
daß er nicht allein sein könne, und seine Umgebung bemerkte,
daß die Einsamkeit ihn verstimmet Er konnte die Stille nicht
ertragen: bezeichnend genug erfreute er sich mehr an dem lauten
Pomp der kirchlichen Musik als an der reinen Zartheit des Saiteji-
spiels: nur wenn er die Sorgen nicht zu bannen vermochte, ließ
er einen Fiedler rufen. Dieser bizarre Zug seines Wesens steigerte
sich im Alter: er machte die Nacht zum Tag und den Tag zur
Nacht '^; sein« Reden wurden immer prahlerischer und hochfahren-
der, seine Zukunftsbilder immer ausschweifender, sein ganzes
Wesen immer ruheloser^; er schien an die Grenze des Wahnsinns
zu streifen*.
Das Ergebnis dieser geistigen Faktoren war der ungemessenste
Ehrgeiz: was nur groß und ausgezeichnet war, meinte er, sein eigen
nennen zu müssen; nichts, was er vorfand, schien ihm genügend.
Alebrand hatte den Neubau des Bremer Domes begonnen: er
dachte, recht hoch zu greifen, indem er ein Seitenstück zu der
Kölner Kathedrale herstellen ließ. Aber Adalbert ließ den halb
vollendeten Bau wieder niederlegen: er sollte weiter, reicher,
schöner werden ; nicht im deutschen Köln, •> sondern im fernen
Benevent glaubte er das würdige Vorbild für seinen Dom zu finden
Auch die deutschen Malereien waren ihm zu gering; er ließ einen
Meister aus Italien nach dem ISlorden kommen. Die Pracht des
Gottesdienstes in seiner Domkirche sollte alles, was man im Abend-
lande kannte, überbieten ; Adam ist hier voll ungeteilte]- Be-
wunderung: „alles", sagt er, „wollte er* groß, imposant und herrlich
haben; seine Freude war der Duft des Weihrauchs, das Blitzen der
Lichter und der Donner des tiefdröhnenden Gesanges" ^ Es ist
unverkennbar, daß Adalberts Ehrgeiz einen starken persönlichen
1 Anhang zu Adam III S. 152. " IIL 38 S. 122.
» 111,61 S. 139. * 111,61 S. 140. ^ 111,26 S. 11-k
— 652 —
Zusatz hatte; reiii persönlich war er jedoch nicht Denn das letzte
Ziel aller seiner Träume und Bestrebungen war, das Hamburger
Erzbistum zu erhöhen. Man hörte ihn das Wort öfter wiederholen :
er habe sich und die Seinen für das Beste seiner Kirche dem
Untergang geweiht: nicht sein selbst, nicht seiner Brüder, nicht
seiner Habe, nicht einmal seiner Kirche werde er schonen, bis er
es erreiche, daß Hamburg frei vom Joch und den übrigen Bistümern
gleich sei. Der alte Glanz von Mainz und Köln, die politische
Macht von Würzburg erregten gewissermaßen seine Eifersucht-',
Hamburg sollte dasselbe, sollte mehr sein als sie. Es sollte den
alten Diözesen auch in dem Besitz zahlreicher Abteien gleich sein:
nicht weniger als acht klösterliche Genossenschaften hat Adalbert
ins Leben gerufen^. Selbst das, was die Natur versagt hat, wollte
er erzwingen: nicht nur am Rhein und Main, auch an der Elbe
und Weser sollte die Traube reifen^. Das waren unerreichbare
Ziele: der klare und ruhige Geschichtschreiber, der das geistige
Bild des größten Bremer Bischofs uns erhalten hat, nennt sie und
verurteilt sie, indem er sagt, Adalbert habe das goldene Zeitalter
erneuern wollen*.
Doch dieser stolze, ehrgeizige Phantast war ein großes Talent.
Deshalb war er der Mann, nicht nur mit grenzenlosen Plänen und
Entwürfen zu spielen, sondern auch an ihrer Verwirklichung zu
arbeiten. Denn nie fehlte es seinem erfindsamen Geist an einem
treffenden Einfall; niemals ließ ihn sein zuverlässiges Gedächtnis
im Stich; seine Energie war weder zu beugen noch zu brechen.
Durch eine unvergleichliche Beredsamkeit wußte er die Menschen
mit sich fortzureißen. Untätigkeit konnte er nicht ertragen und
Ermüdung war ihm eine unbekannte Vorstellung. Drohungen und
Gefahren, Tadel und Mißbilligung vermochten nicht den geringsten
Eindruck auf ihn zu machen. Und doch kann man sich nicht
wundern, daß er trotz dieser ungewöhnlich reichen imd mannig-
fachen Begabung schließlich wenig erreichte. Es war nicht die
Hauptsache, daß er bei allem, was er unternahm, die Schwierig-
keiten, die er finden würde, unterschätztet Denn das ist der
1 III, 45 S. 127.
2 III, 9 S. 101 : St. Willehad, St. Stephan und St. Paul in Bremen,
Lesum, Goseck an d. Saale; die drei anderen zu Stade, auf dem Süllberg
und zu Esbeck scheinen nicht wirklich ins Leben getreten zu sein oder sich
bald wieder aufgelöst zu haben; vgl. über die Propstei auf dem Süllberg
111,25 S. 113. 3 in, 36 S. 121. * 111,46 S. 128.
ö 111,27 S. 115: Arbitratus se . . quae in animo habuit, facile omnia
perfecturum.
— 653 —
Irrtum aller bedeutenden Männer. Schwerer wog, daß er die
Menschen nicht zu beurteilen verstand. Seinem an Vorstellungen
reichen Geist mangelte die Gabe, das Wirkliche scharf zu erfassen:
deshalb fehlten ihm stets die rechten Arbeiter für die Ausführung
seiner Ideen. Wer klug war und zu reden wußte, wie es ihm gefiel,
hatte bei ihm gewonnen: so drängte sich eine Schar von Glücks-
rittern um ihn, die seine Freigebigkeit mißbrauchten, und die ihn
hauptsächlich dadurch für sich gewannen, daß sie seine Weisheit
und seine Macht priesen und ihn als Patriarchen anredeten. Während
dessen setzten sich seine Domherrn mit der Kraft, der Trägheit
seinen Unternehmungen entgegen; seine Baumeister arbeiteten wie
Stümper^, seine Pröpste und Meier betrogen ihn^, sein Gesinde
war unbotmäßig und seine Ritter plünderten das Land, statt es zu.
schützen^. An Zusammenstößen konnte es demgemäß nicht fehlen;
dann aber flammte Adalberts Zorn jäh empor; er war seiner so
wenig mächtig, daß er Schmähungen ausstieß und mit der Faust
dreinschlug: man sah unter seiner Hand- Blut fließen*. Freilich
der Sturm legte sich bald; denn sein Zorn war durch kluge
Schmeichelei leicht zu besänftigen. Aber ausgeglichen war die
Sache dadurch nicht; denn nie vergaß er feindselige Worte, die
gegen ihn gefallen, feindselige Taten, die ihm zugefügt waren.
Auch wenn er von der Sache schwieg, so brannte die Glut des
Hasses unter der Asche. Wie wenig war er deshalb geeignet, zu
herrschen! Er war es vollends aus dem Grunde nicht, weil er
kein Verständnis dafür hatte, daß die Grundlage der Macht gute
Wirtschaft ist: das Ende seiner Amtsverwaltung war die voll-
ständige Zerrüttung der Vermögensverhältnisse des Bistums. Nichts
aber war er weniger geeignet zu ertragen als schlimme Tage: das
Unglück, das den Ruhigen stählt, verwirrte ihn: Trauer, Grimm,
Kummer rissen ihn hin und her; in jähem Wechsel folgten aus-
schweifende Hofihungen. Das war der Mann, der die Missions-
aufgabe Hamburgs retten sollte.
Sie bildete von Anfang an einen der Gegenstände für seinen
Ehrgeiz^. Kaum daß er sein Amt angetreten hatte, schickte er
Boten an die Könige des Nordens, um eine Verbindung mit ihnen
anzuknüpfen. Sodann erließ er einen Hirtenbrief an die Bischöfe
^111,10 8.102: Alia etiam plurima diveibis locis inchoavit opera,
quorum pleraque defecerunt ipso adhuc vivo et reipublicae negotiis intento,
sieut illa domus lapidea, quae in Aepice subito casu lapsa corruit, ipso
praesente. 2 ni, 55 S. 135; 56 S. 137; vgl. Schol. 79 S. 130.
3 ni, 25 S. 113 f. ^ III, 37 S. 121; III, 61 S. 140.
6 III, 1 S. 96. Anhang z. 3. Beb. S. 148.
— 654 —
und Priester in Dänemark, Norwegen und Schweden und bis an
das Ende der Erde, um sie zur Treue in ihrem Amt und zur Be-
kehrung der Heiden aufzufordern^. Er fühlte sich als ihr Metro-
poHt. Und er wollte mehr sein; er hatte den Gedanken, persön-
lich die Länder des Hamburger Missionssprengeis zu durchziehen.
Dadurch sollte die Heidenbekehrung vollendet, sollten die kirch-
lichen Verhältnisse gefestigt werden. Daß seine nächsten Vor-
gänger dies zu tun unterlassen hatten, dünkte ihn tadelnswert;
er urteilte, es gebe nur drei Evangelisten unter ihnen: Anskar,
Rimbert und Unni; er werde der vierte sein-. War das ein ehr-
geiziger Traum? Man könnte es meinen; aber Adalbert hat an
ihm festgehalten. Als er poütisch Schiffbruch gelitten hatte, träumte
er ihn weiter. Nur daß jetzt der Traum die trübe Farbe der Ent-
täuschung hatte: es gibt keinen schöneren Tod als den Märtyrer-
tod; glücklich, wenn er als Missionar den Tod fände, sei es in
Schweden oder auf Island oder bei den Wendend Doch sein
Traum hat sich nicht erfüllt. Adalbert steht als Missionsbischof
nicht neben Anskar und Unni, sondern neben Adaldag: er war
nicht Prediger^ sondern Organisator.
Das Glück schien ihm günstig. Denn eben in der Zeit, in
der er sein Amt antrat, kam es unter den Abodriten zu einem
Umschlag, der die Missionsarbeit wieder möglich machte. Im Kampf
mit König Magnus von Dänemark war der Abodritenfiirst Hatibor
gefallen. Um seinen Tod zu rächen, fielen die Wenden in Däne-
mark ein, an ihrer Spitze die acht Söhne Ratibors. Sie drangen
sengend und brennend bis Ripen vor. Dann aber wandte sich das
Geschick. König Magnus landete an der Schlei und verlegte ihnen
den Rückweg. Auf der Heide bei Schlesvdg wurde in blutigem
Ringen zwischen Wenden und Dänen entschieden: da sollen 15000
Wenden gefallen sein. Unter den Toten waren Ratibors Söhne
allesamt. Die Herrschaft unter den Abodriten war nun frei*.
Es trat ein Bewerber auf, von dem das Christentum wenig
Gutes hoffen konnte. Der Abodritenfürst Uto hatte einen Sohn,
dem er den deutschen Namen Gottschalk gab. Schon darin hegt,
daß er sich in der- Zukunft an die Deutschen anlehnen sollte.
Als Christ wurde der Jüngling von den Mönchen in St. Michael
zu Lüneburg erzogen. Aber sein Klosterleben nahm ein jähes
Ende. Uto fiel, von einem Sachsen erschlagen. Als die Kunde
von der Untat nach Lüneburg kam, hatte Gottschalk nur einen
^ III, 11 S. 102. -^ Anhang zu IIP S. 148. « III, 69 S. 147.
* 11,75 S. 92. Über den Schlachttag, 28. Sept. 1043, s. Steindorff I
S. 276.
— 655 —
Gedanken: Rache für den ermordeten Vater. "Was galt ihm da-
neben sein christlicher Glaube? Er entfloh aus dem Kloster, eilte
über die Elbe und rief die Abodriten auf, die Tat des Sachsen an
dem Volk der Sachsen zu rächen. Das war ein Ruf, der wie mit
einem Schlag das ganze Land in Flammen setzte: von allen Seiten
scharten sich Genossen um Gottschalk; er konnte den Kampf
beginnen, ehe die Deutschen auch nur an Krieg dachten: viele
tausend Sachsen seilen niedergemacht worden sein. Allein der
Macht des Herzogs 3ernhard H. war er nicht gewachsen; er mußte
sich ihm schließlich gefangen ergeben. Bernhard empfand Sympathie
mit dem tapferen Jüngling; er entheß ihn, nachdem er ihn vorher
in Pflicht genommen. Gottschalk aber begab sich zu König Knut;
manches Jahr bheb er bei ihm in England^.
Jetzt nach E,atibors mid seiner Söhne Tod erschien er wieder
in der Heimat. Sicherhch war er dort nicht vergessen. Wenn er
sein väterliches Erbe heischte, so konnte er darauf rechnen, Anhang
zu gewinnen, obgleich er als Schützling der siegreichen Dänen das
Land betrat. Dank seiner Klugheit und Tapferkeit gelang es ihm
vdrklich, die fürstliche Stellung seines Vaters wieder zu erringen.
Er wußte seine Mächt nach und nach zu erweitern^: es schien
möglich, daß sich ein geordnetes abodi'itisches Fürstentum unter
seinem Eegimente bildete. Dadurch, daß er Sigrith, die Tochter des
Dänenkönigs, zur Gemahlin erhielt, wurde er von dem mächtigen
jL»[achbarfürsten gewissermaßen als ebenbürtig anerkannt'".
In der Stellung, die Gottschalk zu Dänemai'k wie zu Deutsch-
land einnahm, lag die Nötigung, daß er sich persönlich zur christ-
lichen Kirche hielt. Auch durch die Tradition seiner Familie war
dies gegeben. Und es wurde ihm nicht schwer. Denn sein Aufent-
halt in England hatte bewirkt, was die Erziehung in Lüneburg
nicht vermocht hatte, daß er innerlich von der Wahrheit des christ-
lichen Glaubens ergriffen wurde. Adam nennt ihn einen frommen
und gottesfürchtigen Mann *. Aber er ging über diese Linie hinaus :
er allein unter allen wendischen Fürsten ist eine historische Persön-
lichkeit, die einzige, die ein Volk, das nach MiUionen zählte, im
Lauf von Jahrhunderten hervorgebracht hat. Er wurde es dadurch,
daß er den Plan faßte, sein Volk endlich dem christlichen Glauben
1 Adam 11, 64 S. 84. Die Zeit dieser Vorgänge steht dadurch an-
nähernd fest, daß Adam sie unter den Episkopat Liäwizos II. verlegt
(1029—1032). - II, 75 S; 92 u. III, 18 S. 109.
3 in, 18 S. 109 u. 50 S. 131. Wie es scheint, war Sigrith eine Tochter
des Königs Magnus. * III, 18 S. 109.
— 656 —
zuzuführen^. Ganz eigenartig war das Verfahren, das er einschlug-:
er begnügte sich nicht mit Geboten und Strafen, mit Berufung von
Priestern und Gründung von Bistümern, sondern er selbst wurde
der Prediger des christUchen Glaubens. Es ist, als hätte er Hein-
rich III. nachahmen wollen: wie dieser in der Kirche zum Volke
sprach, so redete er zu seinen Wenden. Er begleitete die deut-
schen Priester auf ihren Predigtfahrten; wenn sie gesprochen, dann
ergriff er das Wort. Nicht immer mag die allegorische Schrift-
auslegung der christlichen Priester den Heiden verständlich gewesen
sein; Gottschalk dagegen kannte sein Volk; er wußte, daß man
ihm klar und einfach sagen müsse, was es zu tun habe^. Man
kann sich den Eindruck denken, den die Worte des von so manchem
Sieg gekrönten Fürsten auf die Wenden machten. Die Übertritte
mehrten sich rasch: die Zeit für die Wendenbekehrung schien
endlich gekommen. An Adalbert hatte er den eiftigsten Förderer.
Das Außergewöhnliche in Gottschalks Auftreten ergriff die Phan-
tasie des Erzbischofs; er sah das Werk schon vollendet, als es
noch im Beginne war, und weissagte dem Fürsten zum Lohn Heil
in Zeit und Ewigkeit. Vollends mit Spenden für die Erbauung
der Kirchen und die Erhaltung der Priester kargte er nicht. An
allen Enden sah man christliche Kirchen sich erheben; um Priester
für dieselben zu gewinnen, sandte er- Botschaft in die übrigen
deutschen Diözesen. Und sein Ruf fand Gehör: die Versorgung
des Landes mit Klerikern hielt gleichen Schritt mit der Mehrung
der Christen durch immer neue Taufen. Dem Bau der Kirchen
folgte alsbald die Errichtung von Klöstern: in Mecklenburg, Lübeck,
Oldenburg, Lenzen und Ratzeburg bildeten sich Vereine von Mönchen
und Nonnen. Endlich wurde auch die Diözesaneinteilung durch-
1 Dehio bezeichnet I S. 185 Christianisierung und Germanisierung als
letzte Ziele Gottschalks. Was die Germanisierung anlangt, so schwerlich
mit Recht. Auch die Kombination der Bestrebungen Gottschalks mit
Heinrichs III. Wendenzug i. J. 1045 scheint mir nicht wahrscheinlich. Der
letztere war gegen die Liutizen gerichtet, Herim. Aug. z. d. J. Im zweiten
Jahr nach seiner Ankunft konnte aber Gottschalk noch nicht an Aus-
dehnung seiner Herrschaft über sie denken: er mußte sich erst bei den
Abodriten festsetzen. ^ g ^^am III, 18—22 S. 109 ff.
••' m, 19; L. Giesebrecht II S. 88 und Dehio I S. 186 scheinen mir die
Stelle mißverstanden zu haben. Der Gegensatz ist nicht lateinisch und
wendisch, sondern quae mystice dicebantur und reddere planiora, d. h. alle-
gorische Weisheit und gesunder Menschenverstand. Auch die mit dem Tauf-
kessel im Land umherziehenden Laien kommen bei Adam nicht vor. Es
muß auch hier ein Mißverständnis zugrunde liegen.
— 657 —
gefühlt: neben Oldenburg wurden Mecklenburg und Ratzeburg
Bischofssitze^. Man erkennt Adalbert daran, daß er dort einen
Schotten und hier einen Griechen zum Bischof für die kaum be-
kehrten Slaven ordinierte-.
Auf diese Weise faßte das Christentum in dem Lande Fuß,
das so lange die christliche Predigt abgelehnt hatte. Und nun
eröffiiete sich die Aussicht, daß die Abodritenbekehrung den Be-
stand des Heidentums bei den Liutizen erschüttern werde; denn
das Übergewicht, das die letzteren von je an unter den wendischen
Stämmen behauptet hatten, ging in dieser Zeit verloren. Sijs
waren durch innere Kämpfe geschwächt: die Circipanen, die nächsten
Grenznachbarn der Abodriten, haderten mit den Redariern und
Tholosanten. In wiederholten Kämpfen behielten die ersteren die
Oberhand. Die Redarier wurden schwer geschädigt, Nun aber griffen
die christhchen Grenznachbarn, König Swein, Herzog Bernhard
und Gottschalk zugunsten der Überwundenen ein und zwangen
die Circipanen zur Unterwerfung: sie scheinen die Oberherrschaft
Gottschalks anerkannt zu haben ^ Zwar wurde ihnen, so viel wir
sehen, das Christentum nicht aufgezwungen. Aber in die Burg der
liutizischen Freiheit war Bresche gelegt. Konnte sich das Heiden-
tum bei ihnen behaupten, nachdem sie rings von christlichen Völkern
eingeschlossen waren? Wer kann sich wundem, daß Adalbert wie
berauscht war von den Erfolgen, die ihm zufielen.
1 Daß es sich nicht um eine unausgeführte Absicht handelte, betont
Dehio mit Recht (Krit. Ausf. XIX). 2 ^dam III, 20 S. 110.
3 Adam lU, 21 S. 111, Helm. I, 21 S. 47 ff. Die zeitlische Einreihung
dieser Vorgänge ist nicht sicher; nur so viel steht fest, daß sie vor das
Jahr 1059 fallen, da in diesem Jahr Bernhard 11. von Sachsen starb, Ann.
Saxo. Dehio verweist (Anm. 6 zu S. 186) auf chron. Wirzib. z. 1057 S. 31:
Saxones iterum . . gentem efferam Luiticiorum hostiliter invaserunt, diver-
sisque malis eam affligentes Romanae ditioni subdiderunt. Allein diese
Notiz steht in Beziehung zu den Kämpfen an der Elbe i. J. 1056, bei denen
die Redarier beteiligt waren; unmöglich können die christlichen Fürsten
im nächsten Jahr für sie interveniert haben. Ich bin deshalb geneigt, die
inneren Kämpfe der Liutizen vor 1056 zu verlegen. Ebenso unsicher ist
die kirchengeschichtliche Folge der Ereignisse, denn hier widerspricht sich
Adam selbst: 111,19 behauptet er von den Chizzini und Circipani, sie seien
unter Gottschalks Herrschaft gekommen und hätten den christlichen Glauben
angenommen; dagegen heißt es III, 21 von dem Friedensschluß: De christi-
anitate nuUus sermo, victores tantum praedae intenti. Mir scheint die
letztere Angabe, die Adam einem nobilis homo de Nordalbingis verdankte,
den Vorzug zu verdienen; eine Bestätigung für sie liegt darin, daß Adalbert
seine Organisationspläne nicht auf das Circipanenland ausdehnte.
Hauck, Kircliengeschichte. III. 42
— 658 —
Und noch Größeres schien ihm die Entwickelung der nordischen
Verhältnisse - zu bieten. Die Lage war überall schwierig. In Däne-
mark war nach Knuts und seines Sohnes Hartaknut Tode die
Herrschaft an Magnus von Norwegen gekommen. Als dieser starb ^,
wurde Swein Estridson, der Neffe Knuts, König. Daß er in ver-
botener Ehe lebte, drohte zum Streit zwischen Bischof und König
zu führen. Denn Adalbert erzwang, unterstützt durch ein päpst-
liches Schreiben, die Scheidung; der König aber war darobso
erbittert, daß er mit der Erneuerung der dänischen Raubzüge
drohte-. Indes eine Zusammenkunft beider Männer zu Schleswig
im Jahr 1052 oder 1053^ beseitigte die Gefahr, Ja Adalbert
wußte den König so völlig für sich zu gewinnen, daß ihr persön-
hches Verhältnis nie mehr gestört worden ist. Trotz aller Freund-
schaft jedoch blieb ein sachlicher Gegensatz. Die Vollendung alles
dessen, was seit Swein I. in Dänemark geschehen war und erstrebt
wurde, war die selbständige Organisation der dänischen Kirche als
eines eigenen Erzbistums. Sie war die Konsequenz der politischen
Selbständigkeit Dänemarks und zugleich ein Schutz für dieselbe.
Swein nahm den Gedanken, auf den Knut verzichtet hatte, von
neuem auf. Damit aber war die alte Gefahr, welche die Stellung
Hamburgs im Norden bedrohte, wieder vorhanden. So weit die
Überüeferung erkennen läßt, versuchte Swein sein Ziel zu erreichen,
indem er direkt mit der Kurie unterjiandelte. Dort hatte er grund-
sätzlichen Widerspruch nicht zu erwarten. Aber der Papst konnte
dem König nicht zu Willen sein, wenn nicht Adalbert seine Zu-
stimmung gab. So hing die Sache schließlich von diesem ab. Für
ihn aber war das einfache Ja ebenso unmöglich, wie das einfache
Nein bedenklich. Das letztere drohte ihn in ernsten Streit mit
einem mächtigen Nachbar zu verwickeln, und das erstere wider-
sprach allem dem, was ein Bischof dieser Zeit für seine Pflicht
gegen seine Kirche hielt. Wo war ein Ausweg aus dieser Schwierig-
keit? Adalbert, fand ihn in dem Gedanken, daß der mächtige
Hamburger Sprengel als nordischer Patriarchat konstituiert werde:
dann konnte Dänemark einen Erzbischof erhalten und die Ham-
burger Kirche erlitt doch keine Einbuße an Ehre und Macht, denn
dem Patriarchen blieb der Erzbischof untergeordnet. Der Gedanke
war ungewöhnlich: es gab für die Stellung, welche Hamburg er-
halten sollte, keine Analogie in der abendländischen Kirche. Nur
den Verfassungstheorien Pseudoisidors konnte Adalbert seinen Ge-
1 I. J. 1047. 2 ^dam m, 1 S. 103; vgl. 14 S. 105.
3 Ib. III, 17 S. 108. Über die Zeit der Zusammenkunft s. Dehio, Krit.
Ausf. XXI S. 73.
— 659 —
danken entnehmen. Aber wenn erst einmal die Vorstellmig eines
Patriarchats groß und glänzend vor seiner Seele stand, wie hätte
er dann ihre Verwirklichung nicht leidenschaftlich erstreben sollen'?
Die Schwierigkeiten waren nicht gering; denn es war ebenso un-
gewiß, ob Rom zustimmen werde, wie es fraglich war, ob nicht die
dänischen Bischöfe Einsprache erheben würden^; besonders aber
stand die Unfertigkeit der kirchlichen Organisation Dänemarks im
Wege. Wohlgeordnet war nur das Bistum Schleswig; im ganzen
übrigen Königreiche amtierten nur zwei Bischöfe: in Seeland der
von Liäwizo II. ordinierte Avoco, der auch in Schonen tätig war,
und in itipen der von Beszelin geweihte Wal, der, wie es scheint,
ganz Jütland versorgte ^. Hier mußte Swein den Hebel einsetzen.
^ Adam 111,32 S. 117 u. 58 S. 139. Ich bin mit der Vorsicht durch-
aus einverstanden, mit der Dehio I S. 203 ff. die Frage des Patriarchats
untersucht; nicht jedoch in allen Punkten mit seiner Auffassung. Der
Hauptmangel derselben scheint mir, daß er den Gedanken eines dänischen
Erzbistums nur aus persönlichen Gründen ableitet (S. 204 f.): Sweins Ehe-
handel, kirchl. Ehrgeiz, Wilhelms von Roeskild Oppositionsgelüst. Hier ist
übersehen, daß die Forderung eines Erzbisturas nichts Eigenartiges war,
sie trat in Ungarn, Polen, Schweden ebenso auf wie in Dänemark, d. h. sie
erklärt sich nicht aus individuellen, sondern aus allgemeinen Verhältnissen.
Nicht zustimmen kann ich sodann Dehios Ansicht über Adalberts Stellung
zur Sache (S. 208 ff.). Sie widerspricht Adams Schilderung: dieser läßt
Adalbert zuerst invitus der Sache näher treten, sie sodann multo studio
betreiben, schließlich iam aperte an ihrer Verwirklichung arbeiten. Dehio
dagegen läßt es dem Erzbischof willkommen sein, daß die Sache im Sande
verläuft, erst nach seiner Katastrophe tritt die Patriarchatsidee wieder auf
die Tagesordnung, jetzt als Wahngespinst (S. 275). Es ist stets bedenklich,
einer zuverlässigen Quelle zu widersprechen; zulässig ist es nur dann, wenn
die eigene Auffassung sich durch überwiegende Wahrscheinlichkeit empfiehlt.
Das aber ist meines Erachtens bei Dehios Ansicht nicht der Fall: Adams
Darstellung scheint mir Adalberts Charakter weit mehr zu entsprechen als
die Dehios. Endlich ist seine Annahme, daß die Kurie geneigt gewesen
sei, den Patriarchat zu errichten (S. 209), wenig wahrscheinlich: nach Adam
hatte Adalbert seine Zustimmung unter der Bedingung des Patriarchats
erklärt. Nun hatte die Kurie das Wort, aber sie hat den Patriarchat nicht
gegründet: hier ist die nächste Annahme: weil sie ihn nicht wollte. Daß
dies in Übereinstimmung mit der päpstlichen Politik seit Leo IX. steht,
ist klar.
2 Auf Bedenken der dänischen Bischöfe weist ein Brieffragment
Alexanders II., J.W. 4474. Es beweist zugleich, daß die Patriarchatsidee
seit dem Tode Leos IX. nicht ganz im Sande verlaufen war. Denn warum
hätte Alesander dann die Patriarchen eigens genannt?
» Adam II, 62 S. 83; Schol. 108 S. 157; IV, 8 S. 159; II, 70 S. 89; IV, 2
S. 155.
42*
— 660 —
wenn er die Notwendigkeit eines dänischen Erzbistums dartun
wollte. Demgemäß handelte er. Als die beiden dänischen Bischöfe
um die Mitte des Jahrhunderts kurz hintereinander starben \ unter-
nahm er eine neae Diözesaneinteilung: an die Stelle der bisherigen
weit ausgedehnten Sprengel sollten kleine Diözesen treten; für
Jütland' wurden deren vier gegründet mit dem Sitze in Ripen,
Aarhus, Wiborg und auf der Insel Wendila "; für die Inseln und
Schonen je zwei zu Odense, Roeskild, Lund und Dalbye^ Als
neuntes Bistum kam das in seinem alten Umfang fortbestehende
Schleswig hinzu. Die Neuorganisation wurde vom König durch-
geführt, besonders war er es, der die Bischöfe ernannte*, während
Adalberts Mitwirkung sich auf die geistliche Seite der Sache be-
schränkte. In Dänemark war somit die Gründung des Erzbistums
vorbereitet. Parallel damit sollte die Vorbereitung in Deutschland,
gehen. Denn auch hier dachte Adalbert an eine bedeutende Ver-
mehrung der Bistümer. Er meinte Verden aus dem Verband mit
Mainz lösen zu können; mit Einschluß dieser Diözese sollte das
deutsch-wendische Gebiet Hamburgs in zwölf Sprengel zerlegt
werden^. Allein in Deutschland kam man, wie es scheint, nicht
einmal zu vorbereitenden Schritten. Die ganze Sache rückte nicht
von der Stelle. Wenn man überlegt, wo das Hemmnis lag, so
kann man nur an Rom denken. Adalbert hatte dort seine Zu-
stimmung zu der Gründung eines dänischen Erzbistums erklärt,
1 Adam erwähnt den Tod beider mit derselben Phrase, IV, 2 : Mortuo
nuper Wal; IV, 8: Nuper mortuo Avocone. Der letztere war 1060 bereits
"tot, s. Hamb. ÜB. I S. 83 Nr. 82. Der Tod beider fällt also in die fünf-
ziger Jahre; vgl. Adam 111,24 S. 112, wo der Tod Wals in die Eegierungs-
zeit Heinrichs III. verlegt ist.
2 Adam erwähnt IV, 2 S. 155 f., daß der von Adalbert für Wendila
geweihte B. Magnus auf der Rückkehr bei einem Schiffbruch umkam. Sein
Nachfolger Alberich war 1059 noch Propst in Bremen, Hamb. ÜB. I S. 81
Nr. 80. Die Konsekration des Magnus muß also 1058 oder 1059 erfolgt sein.
3 Adam IV, 8 S. 159, Anhang z. III S. 151, Schol. 106 u. 108 S. 157.
Wilhelm von Roeskild wird 1060 genannt, Hamb. ÜB. I S. 83 Nr. 82. Die
Zerlegung Schönens fällt in d. J. 1060; denn Egino starb 1072, nachdem
er 12 Jahre lang Bischof gewesen war, IV, 9 S. 160.
* Adam IV, 2 : Hi q^uatuor episcopi tunc Ripensem dono Sueni regis
sortiti sunt parochiam. Hand in Hand mit der Ordnung der Bistümer ging
die der Pfarreien, Adam gibt für Schonen 300, Seeland 150 und Funen 100
Kirchen an.
5 111,32 S. 117. Die Sitze sollten sein: Pahlen an d. Eider, Heiligen-
stadt, Ratzeburg, Oldenburg, Mecklenburg, Stade, Lesum, Wildeshausen,
Bremen, Verden, Ramesloh, Friesland.
— 661 —
aber den Vorbehalt gemacht, daß ihm die Patriarchenwürde ver-
heben werde: Erzbistum und Patriarchat sollten gleichzeitig ins
Leben treten. Diese Verhandlungen fanden unter Leo IX. statte
Auch unter seinen Nachfolgern ruhten sie nicht-. Aber sie kamen
nicht zum Ziel. Es ist leicht verständhch, daß die Kurie von
Anfang an Bedenken gegen die Gründung des Patriarchates hegte,
und wie mußten diese Bedenken zunehmen, seitdem die enge Ver-
bindung zwischen Rom und dem deutschen Hof aufgehört hatte.
Der zentraHstischen Tendenz, die in Eom je länger je mehr zur
Herrschaft kam, widersprach die Errichtung eines Patriarchats. Sie
mußte also unterbleiben. Auch für Adalbert mag der Gedanke in
der Zeit seiner überwiegend politischen Tätigkeit zurückgetreten
sein. Nach seinem Sturz trat er wieder hervor. Aber jetzt hatte
er nur noch die Bedeutung eines Phantasiebildes.
Für den Plan des Patriarchats waren die dänischen Verhält-
nisse bestimmend gewesen ^. Aber es lag in der Natur der Sache,
daß die Ordnung der norwegischen und schwedischen Kirche der
der dänischen analog gedacht wurde. Doch weder hier noch dort
waren die Verhältnisse günstig. In Norwegen kam die Herrschaft
nach Magnus' Tode an Harald Hardradr, den Bruder Olaf d. D.
Aber der Blitz des Nordens, wie Adam diesen König nennt*, war
schwerer zu gewinnen als König Swein. Harald bekannte sich
zum Christentum ; aber vor den kirchlichen Rechten und Ordnungen
hatte er wenig Achtung. Manches Gotteshaus ist durch ihn seiner
Habe beraubt und zerstört worden. Nicht einmal die Weihegaben,
die das Volk am Grabe Olafs in Drontheim darbrachte, schonte
er; er verteilte sie unter seine Krieger. Wie hätte er Achtung
vor den Metropohtanrechten Hamburgs haben sollen? Er be-
handelte die kirchlichen Dinge ausschließlich als nationale An-
gelegenheit. Die Männer, die er zu Bischöfen bestimmte, sandte
er nach England oder Frankreich, um sie dort weihen zu lassen^:
absichtlich scheint er das Recht Hamburgs außer acht gelassen zu
haben. Adalbert konnte nicht entgehen, daß er in Gefahr war.
1 111,33 S. 118: Condicionibus utrimque protractis . . Leo migravit.
•^ J.W. 4474, s. oben S. 659 Anm. 2.
2 Adam 111,32: Ad quam intentionem primo ductus est ea necessitate,
quoniam rex Danorum . . desideravit, in regno suo fieri arcbiepiscopatum.
4 III, 16 S. 106.
>* Im Schreiben Alexanders IL ist der Vorwurf verschärft: Quod epi-
scopi vestrae provinciae aut non sunt conaecrati aut data pecunia . . in
Anglia vel in Gallia pessime sunt ordinati. Aller Wahrscheinlichkeit ent-
behrt die, Sache nicht.
_ 662 —
die Jurisdiktion über Norwegen einzubüßen. Um es zu verhüten,
erhob er durch eine Gesandtschaft Beschwerde bei dem König.
Aber seine Boten fanden den übelsten Empfang. Er wisse nichts,
fuhr Harald sie an, von einem Erzbischof; in Norwegen gebe es
nur einen Herrn, der sei er selbst. Nun rief Adalbert Rom zu
Hilfe. Alexander II. sandte alsbald ein päpstliches Schreiben an
den König, um ihn zum Gehorsam gegen den Erzbischof als den
Vikar des Papstes zu ermahnen. Aber viel erreicht wurde dadurch
nicht Adalbert hat in den siebenundzwanzig Jahren seines Epi-
skopats nur zwei Bischöfe für Norwegen ordiniert; alle übrigen er-
hielten die Weihe anderwärts. Der Erfolg des päpsthchen Schreibens
scheint nur gewesen zu sein, daß der König seine Ernannten zur
Konsekration gewöhnlich nach Rom sandte. Für Adalbert war
das vollends ungünstig; denn dadurch war ihm die MögHchkeit der
Einrede abgeschnitten; er mußte zufrieden sein, wenn die Bischöfe
ihm den Subjektionseid leisteten ^ Zur Teilung des Landes in
geordnete Diözesen kam es auch in diesen Jahren nicht ^.
Nicht anders in Schweden^. Hier hatte sich das Christentum
besonders imter der Regierung Anunds weithin ausgebreitet *. Aber
auch die Schweden dachten an nationale Organisation ihrer Kirche.
Anunds Nachfolger, Emund Gamul, arbeitete energisch daran, die
Verbindung mit Hamburg zu zerschneiden. Er ernannte einen
gewissen Osmund zum Bischof und sandte ihn behufs der Konse-
kration nach Rom. Dort wurde er zurückgewiesen, aber der Erz-
bischof von Gnesen trug kein Bedenken, ihm die Bischofsweihe zu
erteilen. Zurückgekehrt bezeichnete er ' sich als Erzbischof und
nahm die Insignien eines solchen an. Sofort erhob Adalbert Ein-
sprache: er weihte den Bremer Dekan Adalward zum Bischof für
Schweden und schickte ihn an der Spitze einer Gesandtschaft zu
Emund. Dieser aber wies Adalberts Protest zurück und nötigte
Adalward, Schweden wieder zu verlassen. Dadurch war die Ge-
meinschaft mit Hamburg tatsächlich aufgehoben. Doch diese Gefahr
ging vorüber. Wenn Adam recht berichtet, so entschloß sich
Emund unter dem Eindruck öffentlicher Unglücksfälle wieder mit
Hamburg anzuknüpfen. Adalward konnte nun doch in Schweden
1 Adam IV, 38 S. 182; Schol. 69 S. 107 und Anhang z. 3. Beb. S. 151.
2 Ibid. s. die Stelle S. 645 Anm. 5.
3 Auf Olaf Scboßkönig folgte Anund Jacob (1024 — 1051), den Adam
lobt, der also gute Beziehungen zu Hamburg gehabt zu haben scheint,
11,57 S. 80; 71 S. 89; III, 14 S. 104. Sein Nachfolger war sein Halbbruder
Emund Gamul (1051—1057). * Adam U, 71 S. 89.
— 663 —
zu wirken beginnen \ Vollends der Tod Emunds änderte die Lage
zugunsten Hamburgs. Denn sein Nachfolger Stinkil zeigte sich
durchaus wohlgesinnt. Nun unterwarf sich Osmund; eine Anzahl
neuer Ordinationen heferte den Tatbeweis für die Metropolitan-
rechte Hamburgs ^. Aber da es auch jetzt nicht zur Organisation
bischöflicher Diözesen kam, so -blieb die Lage unsicher: alles hing
von der Gunst oder Ungunst des Königs ab^.
Das mittelalterhche Erzbistum bildete aller Orten ein ziemhch
loses Gefiige; nirgends war das so sehr der Fall als bei Hamburg.
Das zeigt sich überall. Den Plan Adalberts, persönhch die Kirchen
des Nordens aufzusuchen, wußte Swein Estridson zu hintertreiben*.
Die Bedeutung jeder Ordination, die er vollzog, war fraghch, da
es immer darauf ankam, ob das Volk den ihm gesandten Bischoi
auch wirkhch annahm^. Die Handhabung der Disziplin wurde un-
möghch gemacht, da die Bischöfe sich ihr entzogen. Auch der
Gedanke, eine Hamburger Provinzialsynode zu versammeln, scheiterte
an ihrem üblen Willen. Als Adalbert seine Suflfragane zum ersten-
mal zu einer Beratung nach Schleswig berief, folgten nur die drei
jütischen Bischöfe seiner Aufforderung. Aber sie weigerten sich,
als. SjTiode zusammenzutreten, da die überseeischen Bischöfe nicht
erschienen seien. Adalbert wollte wissen, daß sie selbst ihnen
geraten hätten auszubleiben. Dies Spiel wiederholte sich drei Jahre
hintereinander". Es nützte nichts, daß er die Unterstützung
Alexanders ü. erbat und erhielt: er starb, ohne daß die Synode
zusammengetreten wäre. "Was war aber bei diesen Verhältnissen
das ganze Erzbistum wert?
Wenn man die Vorgänge, die wir im einzelnen an unseren
Augen vorübergehen ließen, überbhckt, so ist der Zug der großen
Entwickelung völHg klar: während die wendischen Völker trotz
1 III, 14 f. S. 104ff.; IV, 23 S. 171 f.
2 Anhang z. 3. Bch. S. 151.
3 IV, 33 s. oben S. 645 Anm. 5. Ordinationen für Island: IV, 35 S. 184f.,
vgl. Anhang z. 3. Bch. S. 151, die Orkaden: ibid. und IV, 34 S. 183, die
Finnedi (= Scrideuinnun der Urk. J.V^/". 4290, die Reste der finnischen Ur-
bevölkerung von Skandinavien): IV, 24 S. 172 f.; Schol. 94 S. 151, 132 S. 173;
vgl. 111,23 S. 112. * Anhang z. 8. Bch. S. 148.
^ S. Adalberts Brief an Wilhelm von Roeskild, Anhang S. 151 : Adal-
ward ist zum Bischof von Sictona geweiht: Quem dum barbara gens sibi
praeesse noluit, Scariensem ecclesiam invadere coepit.
6 Anhang z. 3. Bch. S. 149 f.; J.W". 4472. Hefeies Angabe über eine
Synode zu Schleswig i. J. 1061, CG. IV S. 838, entbehrt jeglicher Queilen-
unterlage.
— 664 —
ihrer Abneigung gegen die Deutschen kirchhch an Deutschland
gekettet waren, lösten die nordischen Kirchen sich mehr und mehr
aus der Verbindung mit Hamburg. Der Grund lag hier und dort
nicht in den Persönlichkeiten, sondern in den allgemeinen Verhält-
nissen: den Wenden gelang es nicht, selbst den 'Schritt aus der
Barbarei in die Kulturgemeinschaft zu tun; nur in Anlehnung an
Deutschland vermochte Gottschalk bei den Abodriten ein staat-
artiges Gemeinwesen herzustellen. Dagegen hatten sich die skandi-
navischen Völker als nationale Staaten konsoHdiert. Deshalb
konnte bei jenen die Kirche nur als Ableger der deutschen Kirche
gegründet werden; dagegen empfanden diese die Abhängigkeit des
Kirchen Wesens von einem fremden Oberen drückend. Es schien
notwendig, daij auch dieser wichtige Faktor des sozialen Lebens
ausschließhch von den nationalen Kräften beherrscht werde. König
und Volk sollten allein maßgebend sein. Daß die Hamburger
Erzbischöfe widerstrebten, war natürlich; aber sie kämpften einen
vergeblichen Kamp£ Auch ein so hervorragender Mann, wie
Adalbert war, rang umsonst, gegen die übermächtige Strömung an-
zukommen. Sein Plan, die Stellung Hamburgs den nationalen
Forderungen der nordischen Völker dadurch erträglich zu machen,
daß er sie neu konstituierte, mißtang. Er scheiterte daran, daß
das Interesse des Papsttums eine neue kirchhche Mittelinstanz nicht
duldete. Das Höchste, was erreicht werden konnte, war, daß das
Hamburger Erzbistum rechtlich fortbestand. Das hat Adalbert
erreicht. Aber dieses Erzbistum war nur der Schein eines kirch-
lichen Körpers: wer kann sich wundern, daß sein Bestand nur für
wenige Jahrzehnte gerettet worden ist?
Fünftes Kapitel.
Die Emanzipation des Papsttums von der könig-
liehen Grewalt.
Man spricht von der Pflicht der Dankbarkeit; aber das AYort
hat nur .Geltung für das Verhalten der Individuen zu einander; die
menschlichen Gemeinschaften kennen diese Pflicht nicht. Es gibt
keinen dankbaren Stand, keinen dankbaren Staat, kein dankbares
Volk: wer heute als Befreier gepriesen wird, wird morgen als
Tyrann gehaßt. Denn mit unvermeidhcher Notwendigkeit suchen
sich die Gemeinschaften dem dauernden Einfluß der Kräfte zu
erwehren, durch die sie zuerst gefördert, geschützt, emporgetragen
wurden; er wird als hemmend, als feindhch empfunden imd soll
deshalb beseitigt, wenn nötig, unterworfen werden. Jede Gemein-
schaft strebt danach, autonom zu sein.
Das Papsttum des elften Jahrhunderts verdankte seine Er-
hebung dem deutschen Königtum. Dank dem Eingreifen Hein-
richs III. hatte es unter Leo IX. begonnen, das wirklich zu sein,
was es seit Jahrhunderten zu sein behauptete. Aber sofort trat
hervor, daß es durch sein Verhältnis zu dem Kaiser und durch
die von dem Kaiser in der Kirche geübte Gewalt gehemmt war.
Es war nicht autonom. Seit dem Tode Heinrichs war das deutsche
Königtum keine aktuelle, auf den Moment wirkende Kraft mehr;
es war nur eine Hoffnung auf die Zukunft. Dadurch war für das
Papsttum der Weg geebnet; es konnte wagen, sein eigeii zu sein;
es konnte sich lediglich durch die ihm genuinen Tendenzen be-
stimmen lassen. Und sofort, — das Wort ist hier passend — mit
der Sicherheit des Instinkts wurde dieser Weg beschritten. Das
Ziel der päpstlichen Politik wurde Befreiung von der kaiserlichen
Macht, die das Papsttum aus dem Staub erhoben hatte.
— 666 —
Wir vergegenwärtigen uns die Entwickelung im einzelnen^.
Die Nachfolge Heinrichs lY. war unbestritten. Ohne Wider-
spruch erhob Viktor 11. den königlichen Knaben auf den Thron
Karls d. Gr. zu Aachen. Aber einen Herrscher gab er dadurch
Deutschland nicht. Denn Heinrich war sechs Jahre alt. Die Ver-
wesung des Reichs führte die Kaiserin -Witwe Agnes ^. Kaum
kennt die deutsche Geschichte eine unglückseügere Fürstin. Un-
glücklich nicht nur, weil sie das Bitterste erleben mußte, sondern
mehr noch, weil sie selbst das schlimme Geschick herbeiführte,
von dem ihr Sohn und sie betroffen wurde. Und doch muß man
fragen: war sie schuldig? Ihre Stellung machte ihr zur Pflicht,
daß sie mit stets gleicher Umsicht, Ruhe und Kraft handelte;
aber die Natur hatte ihr alles versagt, was ihre Lage von ihr for-
derte. Sie war die jugendliche Frau eines verschlossenen -Mannes
gewesen^; nicht wie Konrad Gisela, hatte Heinrich sie zur Teil-
haberin an den Sorgen und der Freude der Herrschaft gemacht.
Das rächte sich nach seinem Tode: es fehlte der Regentin die Ge-
schäftserfahrung und Menschenkenntnis. Sie würdigte Männer
ihres Vertrauens, die dessen nicht wert waren*, und §ie ahnte
nicht, daß die boshafte Verleumdung auch die Majestät der Trauer
nicht verschonte Sie war gewissenhaft. Aber ihre Gewissenhaftig-
keit zeigte ihr nicht, welchen Weg sie zu gehen hatte, sondern
machte sie ängstlich über die Wege, die sie gegangen war. Mein
Gewissen, seufete sie einmal, schreckt mich ärger als alle Gespenster
1 Für das Folgende verweise ich auf Giesebrecht, KZ. III, Meyer von
Knonau, JB. d. d. Reichs unter Heinrich IV. u. V., 1890 — 1904, Manitius,
D. G. S. 495 S., Lamprecht, D. G. II S. 305 ff., Richter, Annalen III, 2, 1898,
Gerdes, Gesch. d. Salischen Kaiser, 1898, Gregorovius, Gesch. d. St. R. IV
S. 89 ff., Wattenbach, Papstt. S. 120 ff.. Langen, Geschichte d. römischen
Kirche S. 492 ff., Hefele, CG. IV S. 791 ff., Härtens, Die Besetzung des
päpstlichen Stuhls S. 61 ff.
2 Über Agnes M. v. Salis-Marschiins, A. v. Poitou (1887).
^ Maneg. ad Gebeh. 8 (L. d. 1. I S. 326): Licet praedives et iuvencula,
Sie ist 1024 oder 1025 geboren.
■* Heinrich E. von Augsburg, chron. Herim. contin. z. 1058 Scr. XIII
S. 731, Berth. chron. z. 1058 S. 270.
5 Lamb. z. 1062 S. 79. Bamberger Brief bei Sudendorf Reg. II S. 14
Nr. 11; Est etas suspecta, hinc etiam sexus. Neque solum sexus, sed etiam
natura, neque natura tantum, sed etiam patria sua. Nam mater quidem
tot nuptias numerat, quot natales dies. Dictum est satis, si tarnen sapienti.
Die Stelle zeigt, daß die Verleumdungen gegen die Kaiserin lediglich Ge-
bilde der Abneigung waren, ohne sachlichen Halt.
— 667 —
und Erscheinungen ^ Ihr Gemüt war weich und empfindlich;
nichts ist bezeichnender, als daß sie nach dem Tode Heinrichs das
Wort: Er ist gestorben, auszusprechen vermied ^ Sie konnte es
nicht über sich gewinnen, dem Unglück, das sie betroffen hatte,
klar und gerade ins Auge zu sehen. Wer kann sich wundem,
daß jede Meinung, die geäußert wurde, jeder Rat, den Berufene
oder Unberufene aussprachen, auf sie Eindnick machte^? Aber
dadurch wurde sie vollends unsicher über das, was sie zu tun hatte.
Zu dem allen kam der Zwiespalt zwischen ihrer persönlichen Uber-
zeugmig und ihrer königlichen Pflicht. Die Tochter Wilhelms V.
von Aquitanien kannte nichts Höheres als die Ehrfurcht gegen die
kirchliche Autorität, und sie sollte die Rechte der Krone dem vor-
wärts dringenden Papsttum gegenüber wahren. Seitdem sie Witwe
war, war das Leben einer Nonne das Ziel ihrer Sehnsucht^, und
sie sollte den komplizierten Organismus des Reiches leiten. Es
war eine immögHche Aufgabe. Ist der schuldig, der eine Aufgabe
nicht löst, die er nicht lösen kann?
Die Absicht der Regeutin war nicht, Heinrichs Politik zu
ändern. Ganz in der bisherigen Weise handhabte sie die könig-
lichen Regierungsrechte in der Kirche: sie bestätigte den Stiftern
ihre Wahlprivilegien ^; sie schrieb für das Weihnachtsfest 1059 eine
Synode an den augenblicklichen Sitz des Hofs nach Worms aus^
Bei der Besetzung der Bistümer blieb die herkömmliche Verbindung
von Wahl und Ernennung herrschend, indem je nach den Um-
ständen das entscheidende Gewicht bald dem Willen der Kaiserin,
bald dem Wunsche der Wahlberechtigten zufiel'. Daran, daß die
Ernannten Ring und Stab aus ihren Händen empfingen, wurde
nichts geändert und niemand nahm daran Anstoß. Als am Tag
nach dem Epiphanienfest 1060 Sigfrid von Mainz investiert wurde,
war ein päpstlicher Legat, Anselm von Lucca, Zeuge der Hand-
lung, ohne daß er einen Einwand erhoben hätte**. Allein aus dem
allen läßt sich nicht viel folgern. Denn alle diese Handlungen be-
1 Brief an die Mönche von Fructuaria bei Giesebr. III S. 1226 Nr. 1.
2 Brief an Hugo von Cluni bei Giesebr. II S. 686 Nr. 13.
••» Ann. Altah. z. 1060 S. 56. * Maneg. 1. c. 8 S. 327.
5 St. 2577 für Minden. ^ Lamb. z. 1059 S. 77.
' Die Nachrichten über die Bischofswahlen sind zusammengestellt bei
Beyer, Die Bischofs- u. Abtswahlen in den Jahren 1056—1076, Halle 1881.
8 Marian. Scot. z. 1060 S. 558 : Feria sexta in epiphania. Das Fest
fiel in diesem Jahre auf den Donnerstag. Anselm war auch bei der In-
vestitur Gundechars von Eichstätt anwesend, Gundech. lib. pontif. Eichst.
Scr. VII S. 245.
— 668 —
wiesen nur, daß die im Gang befindliche Bewegung sich noch eine
Zeitlang fortsetzt, auch wenn die Triebkraft nicht mehr wirkt. Ob-
gleich die gelohnten Formen beobachtet wurden, so war doch eine
feste Leitung der kirchlichen Angelegenheiten nicht mehr vorhanden.
Man sieht es nicht nur daraus, daß die angesagte Synode unter-
bheb, weil die Bischöfe sich nicht einfanden, viel bezeichnender
sind die Bischofswahlen. Denn sie lassen das Spiel von Einflüssen,
das die Entschlüsse der Kaiserin herbeiführte, deutHch erkennen:
Gundechar von Eichstätt war ihr Kapellan gewesen ^, Einhard von
Speier der Propst ihres vertrautesten Ratgebers, des Bischofs Hein-
rich von Augsburg^, Burchard IL von Halberstadt war em Neffe^,
Günther von Bamberg ein Jugendfireund Annos von Köln*, Geb-
hard von Salzburg hatte an Adalbero von Würzburg und dem
Hofkapellan Altmann Studiengenossen ^, Siegfried von Mainz scheint,
der persönliche Günsthng der Kaiserin gewesen zu sein^: er war
ihr in frauenhafter Schwäche ähnlich. Es ist klar, daß an die
Stelle sachlicher Erwägungen persönliche Rücksichten getreten
waren, die schlimmsten Feinde einer guten Regierung.
Während in Deutschland das Regiment konservativ schien,
weil es schwach war, setzte in Rom eine neue Richtung ein.
Viktor IL hatte nach der Krönung Heinrichs IV. den Frieden im
Reich dadurch gesichert, daß er die Versöhnung zwischen dem
Hofe und dem Herzog GottMed von Lothringen zum Abschluß
brachte. Die Bestätigung dieses Friedensschlusses war die Wahl
von GottMeds Bruder Friedrich zum Abt von Monte Cassino und
seine Erhebung zum Kardinal von St. Chrysogonus '. Diesseits
1 Gundech. S. 245.
2 Ann. August. S. 127. Auch der in demselben Jahr erhobene Waltolf
von Padua war Kanoniker in Augsburg, ibid.
3 Bf Hezils V. Hildesheim an B. bei Sudendorf, Registr. II S. 19 Nr. 16.
* Beide waren Studiengenossen in Bamberg, Lamb. z. 1065 S. 99, vgl.
mit vita Annon. 1 S. 467 f. Später wurde Günther als Propst von St. Simon
u. Jud. in Goslar (J.W. 4363) der Nachfolger Annos, Lamb. z. 1056 S. 68.
Als italienischer Kanzler stand er Anno, dem Erzkanzler, zur Seite
(Stumpf S. 174). (» Vita Gebeh. 4 S. 37.
ö Außer den Genannten erhielten in diesen Jahren Richbert von
Verden, Otto von Regensburg und Winithar von Merseburg ihre Stellen ;
über die Weise ihrer Erhebung ist nichts überliefert. Daß auch für Italien
ernannt wurde, daß aber dort von Anfang an die Verhältnisse schwieriger
lagen, zeigt Arnulf Gest. arch. Med. III, 7 S. 18 u. 9 S. 18.
' Ein ausführlicher Bericht bei Leo', Chr. Casin. II, 91 ff. S. 692, der
aber nicht vollständig mit dem übereinstimmt, wa« Viktor J.W. 4368 sagt.
— 669 —
wie jenseits der Alpen waren die widerstreitenden Interessen für
den Augenblick in Eintracht gebracht. Vielleicht hätte der Friede
Dauer gehabt, wenn sein Urheber seine Ausführung hätte über-
wachen können. Denn so weit wir Viktor kennen, besteht kein
Zweifel, daß er entschlossen war, an dem Bund mit der deutschen
Krone festzuhalten. Aber er stand am Ziel seines Lebens: am
28. Juli 1057 ist er in Arezzo gestorben. Im Jahr nach dem
Tode des Kaisers mußte ein neuer Papst gewählt werden^.
Der Bischof Bonifatius von Albano brachte die Todesnachricht
nach Rom. Als sie am Morgen des 31. Juli in der Stadt bekannt
wurde, entstand die größte Bewegung. Bom war führerlos; nie-
mand hatte einen sicheren Plan für das, was zu tun war. Aber
in den mancherlei Besprechungen, die zwischen Geistlichen und
Laien über die nächsten Maßregeln stattfanden, wurde ein Gedanke
nicht laut: daß von dem deutschen Hof die Ernennung des neuen
Papstes zu erbitten sei. Wie etwas Selbstverständliches stan'd es,
ohne daß es ausgesprochen zu werden brauchte, für alle fest, daß
die Römer ihren heuen Bischof selbst zu erwählen hätten. Es
handelte sich nur um die Person. Eben weilte Friedrich von
Lothringen in der Stadt. Er hatte am 24. Juni in Tuscien von
Viktor die Weihe zum Abt erhalten, und hatte sich dann nach
Rom begeben, um von seiner Titelkirche Besitz zu ergreifen. Bei
dem Ansehen, das er genoß, schien sein Wort für die Papstwahl
den Ausschlag geben zu sollen; er nannte Humbert, Hildebrand,
die Bischöfe von Velletri, Perugia, Tusculum. Aber keiner von
diesen Namen fand allgemeine Zustimmung; vielmehr trat der Ge-
danke in den Vordergrund, Friedrich selbst zum Papste zu er-
wählen. Er wehrte kaum ab; der Vorschlag, Hildebrands Rück-
kehr — er weilte bei Viktors Leiche in Toscana — abzuwarten,
wurde mit der Erwägung zurückgewiesen, daß jede Verzögerung von
Übel sei: schon am 1. August war es entschieden, daß Friedrich
Viktors Nachfolger werden würde. Am frühen Morgen des
2. August versammelten sich die Römer vor seiner Wohnung in
S. Sebastiano auf dem Palatin, um ihn von dort zu der Kirche
St. Peter ad vincula zu geleiten. Hier wurde er formell gewählt;
Ein Motiv für Friedrichs Erhebung zum Abt war ohne Zweifel sein aus-
gesprochener Gegensatz gegen die Normannen, s. u
1 Auch für das Folgende ist Leo II, 94 Hauptquelle. Das Wesentliche,
die freie Wahl, erwähnen auch die deutschen Quellen: Lamb. z. 1057 S. 70,
Ann. Altah. S. 54, Chron. Wirzib. Scr. VI S. 31. Ebenso Annal. Romani Watte-
rich S. 202 und Bonizo V S. 590. Über Stephan handelt Wattendorff in
den Beiträgen zur Geschichtsf. I S. 183 ff.
— 670 —
jubelnd rief ihn das Volk als Papst Stephan IX. aus. Sofort
wurde er in den Lateran geführt und am folgenden Tage in
St. Peter geweiht. Rom hatte wieder einen frei gewählten Papst.
Das im Jahre 1046 Heinrich III. feierlich zugesicherte Recht war
zerrissen.
Diese Tatsache bedurfte keine Deutung. Die ungewohnte
SchnelHgkeit der Wahl und die Person des Gewählten schlössen
vollends jeden Zweifel an den Absichten der Römer aus: die Ab-
hängigkeit vom deutschen Hofe sollte aufhören. Denn die loth-
ringischen Brüder hatten zwar ihren Frieden mit dem Hofe gemacht;
aber niemand konnte in Gottfried und Friedlich Freunde des Kaiser-
hauses erblicken. Gottfried ^ ist eine der am schärfsten geschnittenen
Persönlichkeiten dieser Zeit. Er hatte die Anlage, ein großer
Mann zu werden : jedermann rühmte seinen scharfen Verstand, seine
hinreißende Beredsamkeit, seine unvergleichliche Gewandheit in
den Waffen. Wenn es galt, ein Heer zu rüsten, dann war er in
seinem Element; mit wahrer Lust bewegte er sich im Gewühl des
Lagers; da kannte er Tag und Nacht keine Ruhe. Fast wie ein
Freudenfest dünkte ihn ein Schlachttag mit Blut, Brand und
Plünderung-. Aber dieser tüchtige Mann hat Deutschland nur
geschadet. Denn selbstsüchtig, ehrgeizig^ und zäh, war er der
echte Typus der deutschen Landesfürsten, denen die Nation nichts,
das eigene Sonderinteresse alles galt. So wurde er zum entschie-
densten und unversöhnlichsten Gegner Heinrichs III. Durch seine
Vermählung mit Beatrix von Tuscien aber war er der mächtigste
Fürst Mittelitaliens. Wenn jetzt sein Bruder zum Papste gewählt
wurde, so geschah es sicher, weil die scharfen Beobachter, welche
die römischen Dinge leiteten, der Überzeugung waren, daß das
römische Interesse und das des Herzogs augenblicklich zusammen-
fielen. In der Tat war der Vorteil auf beiden Seiten gleich groß:
wenn Gottfried des Papstes sicher war, so war seine Stellung in
' Über Gottfried: Wedemann, Gottfried der Bärtige, Leipzig 1876.
Jung, Herzog G. d. B. unter Heinricli IV., Marburg 1884. Ich bin mit der
herrschenden Beurteilung Gottfrieds nicht ganz einverstanden. Sein Ver-
halten scheint mir verständlicher, wenn man ihn weniger hildebrandisch
und mehr weltlich denkt.
' Vgl. die im wesentlichen übereinstimmenden urteile bei Peter
Damiani ep. VII, 10 S. 450 und Triumph. Remacli 1. 11 Scr. XI S. 443.
? Absichten auf die Krone 1055 und 1058 Lamb. S. 66, Leo Chron.
Gas. II, 97 S. 694; vgl. das Urteil Dietrichs von St. Hubert, Chron. s. Huberti
23 S. 580. Als er zu dem Sterbenden gerufen wurde, sagte er bei seinem
Anblick: Tu humiliasti sicut vulneratum superbum.
— 671 —
Italien fast unangreifbar. Im Vertrauen darauf konnte er wie ein
Herr schalten. Er hat denn auch sofort Spoleto und Camerino.
besetzt^, Reichsgut, das von Heinrich III. dem Papste Viktor über-
geben worden war: wer konnte es ihm wehren? Ebenso sicher
war der von ihm anerkannte und geschützte Papst; es gab niemand,
der ihm den Besitz von Rom streitig machen konnte; seine Stellung
war tatsächhch unanfechtbar. Auf dieser Sachlage beruhte der
Bund zwischen Gottfried und dem Papsttum. Die rehgiösen Über-
zeugungen Gottfrieds kamen dabei kaum in Betracht. Gewiß war
die Stellung seines Hauses zu der lothringischen Klosterreform
-nicht ohne Einfluß auf die Beziehungen, die er unterhielt; aber er
selbst war keine religiöse Natur ^. Er war nur Politiker. Das
tritt in seinem Verhalten überall hervor. Während er als der
Bundesgenosse der Reformpartei handelte, wählte er Priester zu
seinen Hauskaplänen, die mit sophistischen Gründen das Recht der
Simonie verfochten, die nicht minder für die Zulässigkeit der
Priesterehe eintraten^. Ein römisches Urteil galt ihm so wenig
wie eine kanonische Vorschrift: in offener Auflehnung gegen das
Urteil Roms hat er versucht, den Bischof Petrus von Florenz in
seinem Amte zu schützen*. Seine Ehe mit Beatrix war kanonisch
unzulässig; denn als Tochter Friedrichs von Oberlothringen gehörte
sie dem gleichen Geschlechte an wie er'"^. Überhaupt: religiöse
und sittHche Bedenken kannte er in geringem Maße: es kam ihm
nicht darauf an, zu gleicher Zeit von zwei hadernden Parteien
sich für das Versprechen der Unterstützung bezahlen zu lassen*^.
Seine Unzu^verlässigkeit war ebenso bekannt wie seine Tapferkeit'.
1 S. Jung S. 32.
2 Die Berichte über das reuevolle Ende Gottfrieds, bes. Chr. s. Huberti
23 S. 580 f., bestätigen, wie mich dünkt, das Urteil: sie zeigen den Schrecken
eines Mannes, dem der Gedanke an das Jenseits stets ferne lag, vor dem
Schritt hinüber. Die Buße in Verdun, von der Lamb. z. 1046 S. 60 er-
zählt, beweist natürfich nichts dagegen, da wir über ihre Motive nichts
wissen. Wie es sich mit Gottfrieds enthaltsamer Ehe verhielt, ist nicht zu
sagen. Der Herzog selbst hat das ihm deshalb von Peter Damiani ge-
spendete Lob auf Beatrix abgelenkt, ep. VII, 14 S. 452.
3 Pet. Dam. ep. 1, 13 S. 218 ff. u. V, 13 S. 358 S.
* Jung S. 60 f. ^ S. Wattendorff S. 134.
9 Triumph, s. Remacli. 10 ff. S. 442 ff.
' Seine Unzuverlässigkeit wird im Trium. Rem. a. a. 0. stark betont;
Amatus von Monte Cassino nennt ihn perfid (VI, 10 S. 244) ; die Altaicher
Annalen deuten an, daß er an dem Plan, Heinrich III. zu ermorden, be-
teiligt gewesen sei; denn an ihn zunächst muß man bei denjenigen, qui
— 672 —
Je weniger man also auf seine Überzeugungen bauen konnte, um
so gewisser konnte man sich darauf verlassen, daß er stets das-
jenige tun werde, was ihm den größten Gewinn verhieß. Deshalb
war er ein sicherer Bundesgenosse für die Befreiung des Papsttums
von der kaiserlichen Gewalt: er kämpfte dabei für seine eigene
Macht und Unabhängigkeit.
Stephan war sich dessen wohl bewußt, daß seine Stellung
durch die Macht seines Bruders gedeckt war. Denn er ließ
Monate verstreichen, ohne daß er seine Erhebung dem deutschen
Hofe auch nur anzeigte. Erst Ende Dezember fanden sich Hilde-
brand und Anselm von Lucca bei der Kaiserin ein-^, zugleich als
Boten des römischen Volkes und als Gesandte des Papstes ^. Wir
wissen nicht, in welches Licht sie das rückten, was in Rom ge-
schehen war; aber sicher ist, daß die Kaiserin keine Einsprache
gegen die Eechtmäßigkeit der Wahl Stephans erhob: sie hat den
neuen Papst anerkannt^; sie hat dadurch das Recht ihres Sohnes
preisgegeben. Der erste selbständige Zug der römischen Politik
war gelungen.
Stephans Pontifikat dauerte nur acht Monate ; aber es ist in
der Geschichte des Papsttums epochemachend^. Seit Clemens II.
hieß das Ziel: Reform der Kirche. Mit der Wahl Stephans tauchte
ein ferneres, größeres Ziel auf: Freiheit der Kirche. Dabei trat
nicht der letztere Gedanke an die Stelle des ersteren: er erschien
kaum als neu, nur als die vollere, richtigere Fassung dessen, was
bisher schon ersehnt und erstrebt worden war. Tatsächhch war
er neu. Die Reform der Kirche war durch Kaiser Heinrich HI.
durchgeführt worden ; die Befreiung der Kirche führte ziim Kampfe
mit seinem Sohn.
Das Nebeneinander der alten und der neuen Tendenz ist re-
präsentiert in den beiden Persönlichkeiten, welche Stephan beson-
ders nahe standen: Peter Damiani und Humbert. Den ersteren^
pridem public! hostes extiterant, denken, z. 1055 S. 51. Gregor VII. be-
schuldigt ihn des Wortbruchs, Reg. I, 72 S. 92.
1 Gundech. 1. p. Eichst. S. 245. Lamb. z. 1058 S. 72 mit der irrigen
Ortsangabe Merseburg. Die Gesandten befanden sich am 18. Okt. noch in
Rom, J.W. 4373.
2 Pet. Dam. ep. 111,4 S. 292: Qui cum communi omnium consilio mitte-
batur. Vorher sind episcopi civesque Romani, clerus et populus genannt.
» Ann. Altah. z. 1057 S. 54.
* Über Synoden Stephans und seine Fortführung der Reform Leo II, 94
S. 693 und Gratiani decret. I, 81, 14 S. 115, mit Friedbergs Anmerkung.
5 Über Peter Damiani s. Neukirch, Das Leben des Petrus Damiani,
— 673 —
hat Stephan aus seiner Einsiedelei bei Gubbio nach Rom geführt,
indem er ihn zum Bischof von Ostia und damit zum Kardinal der
römischen Kirche ernannte. Der letztere war Bibliothekar und
Leiter der Kanzlei; er war fast ununterbrochen in seiner Umgebung^.
Die Ernennung Peters konnte als unumwundenes Bekenntnis ziu*
Reform im bisherigen Sinne erscheinen. Denn keinen beredteren
Vertreter, keinen überzeugteren Vorkämpfer hatte sie in Italien
als den Eremiten von Fönte Avellana. Für die Kirchenpolitik
dagegen hatte er wenig Verständnis. Er lebte der Überzeugung,
daß Staat und Kirche einander bedürfen: enge verbunden sollen
Priestertum und Königtum zum Besten des Menschengeschlechts
die sonderlichen Aufgaben lösen, die jede von beiden Gewalten
hat^. Deshalb lag ihm jedes Bedenken darüber fern, ob das Ein-
greifen Heinrichs IH. in die kirchlichen Verhältnisse berechtigt ge-
wesen sei. Lag nicht der sicherste Beweis seines Rechtes darin,
daß es sich als heilsam, als segensreich bewährt hatte ^?
Ganz anders dachte Kardinal Humbert. Unter allen Männern
der Reform lebte er am meisten im Gefühl des Gegensatzes gegen
die weltHche Macht. Schon als er im Jahre 1056 mit Viktor H.
in Deutschland weilte, sprach er seine Unzufiiedenheit mit den
Königen und Fürsten unverhohlen aus*. Alles, was Heinrich für
die Kirche getan hatte, rechtfertigte ihn in seinen Augen nicht:
er dachte den Verstorbenen in der Höllenqual •'^. Jetzt, unter
Stephan, hielt er die Zeit für geeignet, mit seinen Überzeugungen
offen hervorzutreten; er tat es in seinem Traktat wider die Simo-
nisten ^.
Göttingen 1875; Mirbt, P: RE. IV S. 432, hier ausführliche Literaturangaben.
Seine Erhebung fällt in das Spätjahr 1057, da sie durch Hildebrand ver-
anlaßt war, ep. 11, 8 S. 273, Hildebrand aber im beginnenden Winter Italien
verließ, s. S. 672 Anm. 1. Auch die Verwaltung des Bistums Gubbio hat
wahrscheinlich Stephan Peter übertragen (ep. 1, 14 S. 224).
1 Halfmann, Card. Humb. S. 18 f.
2 Die beiden Schwerter verteilt Peter auf das regnum und das sacer-
dotium; er sagt serm. 69 S. 900 vom ESnig: Felix, si gladium regni cum
gladio iungat sacerdotii, ut gladius aacerdotis mitiget gladium regia et
gladius regis gladium acuat sacerdotis. Isti sunt duo gladii, de quibus in
domini passione legitur, Luc. 22, 38. Tunc enim regnum provehitur, sacer-
dotium dilatatur, honoratur utrumque, cum a domino praetaxata felici con-
foederatione iunguntur. Über die Verschiedenheit der Aufgaben s. bes.
ep. IV,9 S. 313fF.
3 S. oben S. 598. * Othl. vis. 15 S. 384.
* Othl. 1. c. Günstiger ist das Urteil adv. Sim. HI, 7 S. 206 ; aber das
,ut creditur* schränkt es doch sehr ein.
• L. d. 1. I S. 95 ff. Halfmann S. 30 ff. hat als Abfassungszeit das
Haackj KirctaengescMohte. III. 43
— 674 —
Wir haben der Schwierigkeit gedacht, die in der Frage nach
der Giltigkeit der durch Simonisten erteilten Weihen lag, und der
schwankenden Haltung Leos IX. dieser Frage gegenüber ^ Peter
Damiani hatte sie im Sommer 1052 in seinem über gratissimus
eingehend untersucht'^ und sich für die Anerkennung jener Weihen
entschieden ^. Sie schien ihm ebenso sehr eine Forderung der augen-
blicklichen Lage, wie eine Konsequenz der kirchlichen Lehre über
die unbedingte Wirkungskräftigkeit von Taufe und Abendmahl.
Später war eine anonyme Schrift an das Licht getreten, deren
Verfasser den Grundsatz vertrat, daß die Wirksamkeit der Gnade
nicht auf den Bereich der kathoHschen Kirche beschränkt sei, imd
der daraus die Folgerung zog, daß Pseudobischöfe giltige Ordi-
nationen vollziehen könnten*. Gegen ihn trat Humbert auf den
Plan. Seiner Überzeugung nach konnte nicht der mindeste Zweifel
daran sein, daß die Simonie Häresis ist, daß die Simohisten als
Häretiker außerhalb der Kirche sind und deshalb das kirchliche
Amt nicht besitzen, es also auch nicht übertragen könnend Alle
J. 1058 bestimmt, läßt aber die Frage offen, ob Humbert den Traktat bei
seinem ersten Aufenthalt in Elorenz im März, oder bei seinem zweiten nach
Ostern vollendete; er ist geneigt, das letztere anzunehmen. Thaner erklärt
sich für die erstere Annahme (lib. S. 100). Mirbt (Publ. S. 11) entscheidet
nicht zwischen 1057 und 1058. Mir scheint die Abfassung nach Stephans
Tod unwahrscheinlich. Während mit dem deutschen Hof über Nikolaus' IL
Ernennung verhandelt wurde, konnte Humbert nicht wohl in der Weise,
wie er tat, gegen das Eingreifen der Fürsten reden Dagegen versteht man
seine Stellungnahme unter Stephan, der frei gewählt war. Ich glaube des-
halb, daß die Schrift vor Stephans Tod vollendet ist. Sie ist keine Arbeit
von Tagen; begonnen wurde sie also jedeixfalls in Rom, mag sie auch in
Florenz abgeschlossen worden sein. ^ S. oben S. 601.
'^ L. d. 1. I S. 15 ff. Über die Zeit der Abfassung Neukirch S. 95.
* Dabei handelte es sich zunächst um solche, die gratis von Simonisten
geweiht, also persönlich ohne Schuld waren, s. praef. S. 18. Aber Peter
ging darüber hinaus, indem er den Satz aussprach: Quidquid bono per bo-
num traditur, hoc etiam malo per malum effieaciter exhibetur, quia sacra-
mentum hoc non ministrantis vel ministraturi pendet ex merito, sed ex
ordine ecclesiasticae institutionis et invocatione divini nominis.
* Humbert Praef. S. 100.
s Ygl. z. B. I, 4 S. 103; 1, 14 S. 122 ff.; III, 32 f. S. 239 ff. In dem von
K. Franke mitgeteilten Brief Humberts an Euseb. Bruno v. Angers (N.A.
VII S. 614 f.) sagt Humbert mit Bezug auf Leo IX.: Absit ipsum dominum
nostrum papam aliquando conatum, ut reordinasset saltem hostiarium nedum
episcopum. Das ist natürlich kein Widerspruch: man sieht aber, wie
Humbert sich die Widersprüche zurechtlegte.
— 675 —
ihre Amtshandlungen müssen Schaden und Verderben bringen.
Und dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Kleriker von ihnen
umsonst oder gegen Bezahlung ordiniert wird. Denn wer ein Ge-
nosse von Dieben und Räubern ist, der wird dadurch selbst zum
Diebe und Räubert
Sicher war Humbert sich dessen bewußt, daß er gegen eine
Anschauung auftrat, welche durch synodale Entscheidungen und
das Verhalten der letzten Päpste legaHsiert war. Er war ent-
schlossen, die Kurie zur Einnahme einer klareren und entschie-
deneren Stellung den Simonisten gegenüber zu drängen. Weit
wichtiger aber war, daß er im Zusammenhang damit eine andere
Frage aufgriff, über die bisher abweichende Anschauungen kaum
laut geworden waren ^: die Frage nach den Rechten der Fürsten
in der Kirche. Sie wmxlen seit Jahrhunderten widerspruchslos
geübt, sie waren von den letzten Päpsten, sei es stillschweigend,
sei es ausdrücldich, anerkannt worden^. Trotzdem forderte Hum-
bert auch in diesem Punkte eine radikale Änderung. Es ist leicht
zu sehen, was ihn dazu drängte: die Tatsache lag offen vor, daß
die Simonie nicht weniger von Laien als von Klerikern geübt
wurde, und daß als Folge davon die vöUige Zerrüttung des kirch-
lichen Besitzes drohte. Nicht ohne eine gewisse Übertreibung
schildert er die Verhältnisse : Kaiser und Könige, Fürsten und
Richter, alle welthchen Machthaber trieben Handel mit dem Gut
der Kirche; sie vernachlässigten ihre Herrscherpflichten, indem sie
Gewalt, Einfluß, Talent, Mühe nur darauf richteten, die kirch-
lichen Besitztümer zu erobern. Ja mehr als das: sie versuchten
überhaupt in der Kirche zu herrschen : auf den Synoden hätten sie
den Vorsitz ; alles würde nach ihrem Wink mid Urteil entschieden.
Bei den Bischofswahlen gehe ihr Wort dem der Primaten und
Metropoliten voran, und doch stehe ihnen nur das Recht des Kon-
senses ZU"*. So hielten sie die Kirche in einer schlimmeren Knecht-
schaft als die war, unter der sie einstmals im Langobardenreich
seufzte^. Hier lag der tiefste Grund für Humberts Widerspruch
1 11,20 S. 163 f. 11,26 S. 170 f. ^ Doch vgl. oben S. 590.
' Vgl. z. B. Leos Urkunde für St. Sim. u. Jud. in Goslar: Dignum-
duximus, . . Augusto eiusque successoribus advocationem ipsius sacri loci
ea ratione relinquere, ut semper in potestate habeant praepositos secundum
Deum ordinäre.
* III, 3 S. 204. Selbst -jdie Gründung eines Bistums durch einen Laien
erscheint ihm als Unrecht 111,-15 S. 217: Cur non perpendunt, non esse
suum ecclesias Dei facere, sed factas defendere?
5 in, 10 f. S. 210 ff.
43*
— 676 —
gegen die augenblicklichen Zustände: es dünkte ihn, die jungfräu-
liche Reinheit der Kirche werde geschändet, indem sie von Laien
verwaltet und regiert werde ^. Begonnen aber habe diese Schmach
seit der Herrschaft der Ottonen -. In der Erneuerung des Kaiser-
tums fand der römische Kardinal die hauptsächlichste Wurzel des
kirchlichen Verderbens.
Wenn man sich erinnert, daß die mittelalterliche Welt in der
Verbindung geisthcher und weltHcher Gewalt ihr Herrscherideal
gefunden hatte, so erkennt man die Schärfe des Gegensatzes: was
den Deutschen bisher als das Erhabenste gegolten hatte, daß ilir
König zugleich König und Priester sei, wurde jetzt von Rom aus
als das Verderbhchste verworfen. Humbert forderte die Trennung
des kirchlichen und weltlichen Gebietes: so wenig die Kleriker
weltHche Geschäfte treiben dürften, so wenig stehe es den Laien
zu, sich das Kirchliche anzumaßen. Wie in der Tracht, so müßten
beide Stände in allem ihrem Handeln unterschieden sein; keiner
dürfe in des anderen Amt greifen, jeder habe seine Schranken zu
wahren '^
Soll man sich wundern, daß Humbert diese Gedanken schheß-
lich doch nicht konsequent durchdachte ? Es war mimögUch. Denn
sie verstießen gegen die Grundlage, auf der alle tatsächlichen
Verhältnisse beruhten. Kirche und Volk deckten sich: so viele
Volksgenossen es gab, so viele Glieder der Kirche, Ausschluß aus
der letzteren zog die Friedlosigkeit im Lande nach sich. Hier
liegt der Grund, weshalb der Gedanke der Trennung von Staat
und Kirche, auf den Humberts Reflexion hindrängte, nicht festzu-
halten war. An seine Stelle trat vielmehr der andere: richtige
Verhältnisbestimmung zwischen der geisthchen und der welthchen
Gewalt. Bisher war diese die übergreifende gewesen; Humbert
forderte, daß jene in den ersten Rang eintrete. Unter Verwertung
älterer Vorstellmigen erklärte er: Das Priestertum ist der Seele,
das Königtum dem Leibe vergleichbar: beide lieben sich gegen-
seitig, bedürfen sich gegenseitig, dienen sich gegenseitig. Aber sie
stehen sich nicht gleich; sondern wie die Seele vorzüglicher ist als
der Leib und ihn beherrscht, so steht die priesterliche Würde über
der königlichen, sie, die himmhsche, über der irdischen. Dem-
gemäß muß alles geordnet sein: das Priestertum als die Seele soll
bestimmen, was zu geschehen hat, das Königtum aber soll als das
Haupt allen Gliedern des Leibes vorangehen. Ist es die Pflicht
der Könige, den Männern der Kirche Folge zu leisten, so ist es
' 111, 11 S. 212. - III, 11 S. 211, vgl. 7 S. 206.
3 III, 9 S. 208.
— 677 —
die Pflicht der Laien, den Königen zum Besten der Kirche und
des Vaterlandes zu dienen \ Man sieht: der Gedanke der Trennung
der kirchlichen und weltlichen Tätigkeit wird ersetzt durch den
anderen der Herrschaft der Kirche über die Welt. In dem Moment,
in dem zuerst der Ruf: Freiheit für die Kirche, ausgesprochen
wurde, war es schon ersichthch, daß Freiheit von den anderen als
Herrschaft über die anderen gedacht war.
Humbert sprach nicht als Theoretiker. Seine Darlegungen
erhielten eine unmittelbar praktische Spitze in der Kritik, die er
an der Ernennung der Bischöfe übte. Man hatte oft genug von
dem alten Recht gesprochen; Humbert zog aus ihm die gegen das
neu« Recht gerichteten Konsequenzen: darin, daß die ftirstliche
NomLnation entscheidend sei, während der Konsens von Klerus und
Volk, sowie das Judicimn des Metropoliten nur formelle Bedeutung
habe, liege die Verkehrung der rechten Ordnung. Gänzlich zu
verwerfen sei, daß der König den Ernannten mit Ring und Stab
investiere; denn die Investitur sei ein geistlicher Akt: Ring und
Stab seien die Sinnbilder des Hirtenamts; durch ihre Übergabe
werde das gesamte bischöfliche Amt übertragen^. Ein Laie habe
hiezu nicht Recht noch Macht: wie unerträglich vollends sei es,
daß jetzt eine Frau die Investitur vollziehe. Das waren gefährHche
Worte; geradezu verhängnisvoll aber war es, daß Humbert die
Laieninvestitur unter den Begriff Simonie stellte und demgemäß
behauptete: So wenig ein Simonist wirkhch Bischof ist, so wenig
darf ein von dem König ernannter Kleriker als Bischof betrachtet
werden. Wie jener ist er ein Häretiker ^ Er forderte das Volk
zum Widerstand gegen die Fürsten auf, welche die Kirche ver-
gewaltigten*.
Unter allen Schriften, die im Laufe des kirchlichen Streites
an den Tag kamen, ist die Humberts die bedeutendste. Sie ver-
trat eine neue Anschauung, und sie vertrat sie so. daß sie Ein-
druck machen mußte. Denn Humbert wußte den Druck, der auf
der Kirche lastete, die verderbhchen Folgen der Simonie und der
1 III, 21 S. 225.
•2 m, 6 f. S. 205 f. III, 12 S. 212. Die richtige Ordnung ist nach ihm,
ut metropolitani iudicio electio cleri, principis autem consensu expetitio
plebis et ordinis confirmetur (III, 6 S. 205).
^ Ibid.: Taliter promoti . . non sunt inter episcopos habendi. III, 29
S. 236: Non sunt habendi . . indisciplinati christiani, sed ut vere blasphe-
mantes Spiritum s. heretici, dum proterve et voluntarie transgrediuntur
leges conscriptas et subscriptas digito Dei.
* ni, 16 S. 218, vgl. II, 4 u. 6 S. 143 ff.
— 678 —
Herrschaft der Laien mit der zornigen Beredsamkeit zu schildern,
die den Leser ergreift. Indem er die bestehende Rechtsordnung
angriff, schien er nur das alte Recht der Kirche iu verteidigen:
er rief es zum Zeugen wider die Zustände der Gegenwart auf-^.
Indem er eine neue Ordnung des Verhältnisses der staatlichen und
kirchhchen Gewalt forderte, erneuerte er alte kirchhche Ideale:
die Ideen Nikolaus' I. wurden wieder lebendig. Alle seine
Forderungen aber entwickelte er als unabweisbare Folgerungen
aus dem Wesen der Kirche, aus der unermeßhchen Bedeutung,
die sie nach dem Urteil aller für Zeit und Ewigkeit hatte. Doch
als Programm der Reformpartei kann man seine Schrift noch nicht
betrachten. Es war sehr die Frage, ob es ihm gehngen würde,
alle Männer, die sich zu der Forderung der Reform bekannten,
mit fortzureißen. Zustände, die lange geherrscht, die segensreich
gewirkt haben, halten die Mehrzahl def Menschen stets fest in
ihrem Banne.
Überdies wurden alle Verhältnisse durch Stephans vorzeitigen
Tod, 29. März 1058, erschüttert. Die Männer der Reform hatten
ihn, wie sie überzeugt waren, in Kraft des alten kanonischen "Wahl-
rechts gewählt. Es gab aber ein anderes Wahlrecht, das in der
Erinnerung der Römer weit lebendiger war: das des Adels. Noch
waren nicht zwölf Jahre verflossen, seitdem Heiprich III. dem Stadt-
adel seine Gewalt über das Papsttum entrissen hatte. Die Männer,
die einstmals Päpste ernannt hatten, waren noch unter den Lebenden,
Benedikts IX. Bruder, Gregor, war nach wie vor das Haupt der
tuskulanischen Familie. Nun war der deutsche Einfluß beseitigt:
schien da nicht der Tag fiir die Erneuerung der Adelsmacht ge-
kommen ? So dachten die kleinen Herren in der Stadt und in der
Campagna. Gregor wußte sich mit dem Grafen Girard von Galeria,
den Söhnen des Grafen Crescentius von Monticelh und anderen
zu verständigen''. Schon Stephan hatte bemerkt, daß der Adel
den Kopf wieder höher trug; mit den größten Besorgnissen hatte
er an das gedacht, was eintreten konnte, wenn er starb ^. Seine
^ Vgl. den Nachweis der Quellen bei Halfmann S. 33 fF.
2 Leon. ehr. Gas. 11,99 S. 695; Bonizo VI S. 592; Ann. Romani S. 216.
^ Das seheint mir das Wesentliche an der von Bonizo VI S. 592 be-
richteten Weissagung. Es ist zu vermuten, daß hier auch der Grund für
die Sendung Hildebrands und Anselms nach Deutschland lag: man knüpfte
mit dem Hof wieder an, um ein Gegengewicht gegen die Erhebung des
Adels zu haben. Vielleicht hängt mit diesen Verhältnissen Sas den Römern
abgenommene Versprechen, die Papstwahl nicht vor der Rückkehr Hilde-
brands, qui cum communi omnium consilio mittebatur, vorzunehmen, zu-
— 679 —
Befiirclitungen erfüllten sich nur zu rasch ^: kaum war die Nach-
richt von seinem Tod nach Rom gekommen, so erhob sich der
Adel. Am 5. April wählte er den Bischof Johann von Yelletri
als Benedikt X. zum Papst; sofort wurde er inthronisiert. Das
war nicht das Ergebnis einer plötzlichen Aufwallung; zu wohl über-
legt war die Wahl gerade dieses Mannes. Denn Benedikt hatte
Fühlung mit der Reformpartei. Er war von Leo IX. unter die
Kardinäle aufgenommen worden; sein Ansehen war so groß, daß
Friedrich von Lothringen, wie erwähnt, ihn nach Viktors Tod zum
Papste vorschlug. Der Gedanke ist also durchsichtig: der Adel
wollte die .A.nerkennung seines Papstes erreichen, indem er einen
Mann erkor, den die Männer der Reform nicht verleugnen konnten.
Aber diese Absicht mißlang. Zwar waren die Führer zum Teil
abwesend — Hildebrand in Deutschland, Humbert in Florenz — ,
aber der Rest der Kardinäle, geleitet von Peter Damiani, erklärte
sich mit Entschiedenheit gegen Benedikt: sie erhoben Einsprache
gegen seine Wahl und verkündigten das Anathema über die Schul-
digen. Es war vergeblich, daß er sie zu gewinnen suchte, indem
er schwur, er sei wider seinen Willen erhöht. Sie ließen sich auch
dadurch nicht zu einer Konzession bewegen. Und wie hätten sie
anders handeln können? Die Reformpartei hätte sich selbst auf-
gegeben, wenn sie einen neuen Adelspapst anerkannt hätte. Aber
in Rom befand sie . sich augenblicklich im Nachteil. Während man
sich rüstete, Benedikt zu inthronisieren, verließen seine Gegner
heimhch fliehend die Stadt ^. Er begann in der Tat als Papst zu
amtieren; es sind Bullen erhalten, die er nach Deutschland wie
nach England erheß^.
sammen, P. Dam. ep. III, 4 S. 292, Leon. ehr. Gas. II, 98. Denn so allgemein
die Annahme ist, daß das Versprechen lediglich ein Beweis für die Be-
deutung Hildebrands sei, so unwahrscheinlich ist sie doch. Stephan selbst
•war ja ohne Beteiligung Hildebrands gewählt.
1 Die wichtigste Quelle für das Folgende ist Peter Dam. ep. III, 4
S. 291. Sodann kommen in Betracht Leo 11,99 S. 695, Ann. Rom. S. 216 f.
Bonizo S. 592 f., Benzo VII, 2 S. 671 f., Lamb. z. 1059 S. 74, Ann. Altah. z.
1058 S. 54, Berth. ehr. z. 1058 S. 270.
2 Der Auffassung von Martens (Besetzung S. 66 f.), wonach die In-
thronisation und Konsekration identisch ist, widerspricht, wie mich dünkt,
der Brief Peters. Denn nach demselben wurde Benedikt 1. cardinalibus
reclamantibus inthronisiert. Dann folgte 2. die Geldverteilung an die
Römer, um sie für ihn zu gewinnen. Während nun die Kardinäle flohen,
nötigte man 3. den Erz-Presbyter von Ostia, an Stelle Peters, ihn zu ordi-
nieren. 3 Vgl. J.W. 4389 u. 4391.
— 680 —
In diesem Augenblick hat zum erstenmal Hildebraud selb-
ständig handelnd in die Geschicke des Papsttums eingegriffen.
Er bewährte sich sofort als Meister in der diplomatischen Kunst.
Wie man die Figuren auf dem Schachbrett stellt, so wußte er die
Menschen zu lenken. Das erste war, daß er sich mit Herzog
Gottfried verständigte. Er hatte auf dem Rückweg von Deutsch-
land die Nachricht von den Ereignissen in der Stadt erhalten und
bheb zu diesem Zweck vorerst in Florenz^. Dann kam es darauf
an, einen geeigneten Mann für Stephans Nachfolge zu finden.
Hildebrand wählte einen Vertrauten des Herzogs, den Bischof Ger-
hard von Florenz, von dem jedoch eine selbständige PoHtik nicht
zu erwarten war: er war im höchsten Maße lenksam. Schwieriger
war es, Benedikt aus der bereits in Besitz genommenen "Würde
wieder zu verdrängen. Um dies zu erreichen, knüpfte Hildebrand
Unterhandlungen mit den Römern an. Und es gelang ihm, den
Bund des Adels zu sprengen: ein Teil der römischen Herren er-
klärte sich wider Benedikt und zeigte sich bereit, Gerhard als Papst
anzunehmen. Nun war das Schwerste zu vollbringen: es mußte
verhindert werden, daß Benedikt eine Stütze an dem deutschen
Hofe finde und mußte dieser für Gerhard gewonnen werden. Hilde-
brand vermied es, selbst etwas zu tun; er schob die Römer vor.
Pfingsten 1058 erschien in Augsburg eine Gesandtschaft des
römischen Volkes vor der Kaiserin: die Boten erklärten Benedikts
Erhebmig für nichtig und erbaten, entsprechend der Zusage von
1046, die Nomination eines neuen Papstes von dem König. Dabei
brachten sie, wie es scheint, selbst Gerhard in Vorschlag. Wie
hätte Agnes nicht darauf eingehen sollen? Sie designierte den
Kandidaten Hildebrands zum römischen Bischof und beauftragte
Herzog Gottfried, ihn nach Rom zu führen". Hildebrand hatte
^ Leo Chr. Gas. III, 12. Noch am 16. Mai war Hildebrand in der Um-
gebung Gottfrieds in der Grafschaft Chiusi, Orig. Guelf. I S. 554.
- Die gegebene Darstellung unterscheidet sich von der herkömmlichen
dadurch, daß sie nicht Hildebrand und Gottfried, sondern die Römer mit
dem Hof verhandeln läßt. Das sagen, so viel ich sehe, sämtliche Quellen,
die die Sendung erwähnen. Leo schweigt von ihr, erzählt aber die Ver-
handlungen mit den Römern: Suis litteris super hoc Romanorum meliores
conveniens eorumque ad omnia, quae vellet, consensum recipiens. ~ Die
Annal. Altah. sägen: Quöd cum principibus non placeret, deposito illo
Augustam ad regem misere legatum, petentes, apostolicae sedi praeferri
episcopum Florentinum. Endlich Lambert: Romani principes satisfactionem
ad regem mittunt etc. Von einer Sendung, die von Gottfried und Hilde-
brand ausging, berichtet meines Wissens keine Quelle. Bei dieser Sach-
lage ist die im Text gegebene Darstellung notwendig. Daß sie in sich
— 681 —
erreicht, was man für unmöglich halten konnte: der Papst der
Reformpartei konnte sich auf den deutschen Hof stützen, und die
Reformpartei war doch dem Hofe nicht verpflichtet.
Nun war der Erfolg sicher. Gegen Ende des Jahres versam-
melten sich die Kardinäle in Siena und wählten dort Gerhard zum
Papst; er liahm den Namen Nikolaus 11. an^. Eine seiner ersten
Handlungen war, daß er für den Januar 1059 die toskanischen
und lombardischen Bischöfe zu einer Sjoiode nach Sutri berief, um
Gericht über Benedikt zu halten ^. Aber so viel wir sehen können,
kam es nicht zu einem Urteil; denn die Dinge in Rom entwickelten
sich rascher, als Nikolaus erwartet hatte. Dort trafen die Parteien
in Waffen aufeinander. Wieder wie in den Jahren 1044 imd
1045 standen Rom und Trastevere auf verschiedenen Seiten; nur
daß diesmal Rom zu dem Tuskulaner hielt. Mehrere Tage lang
dauerten die Kämpfe in den Straßen: schheßlich gab Benedikt
seine Sache verloren, er verheß die Stadt. Nun erschien Nikolaus
und ergriff Besitz vom Lateran; am 24. Januar 1059 konnte er
inthronisiert werden. Da Benedikt sich ihm im März unterwarf,
so war die Gefahr eines Schismas beseitigt: Nikolaus war der all-
gemein anerkannte Papst.
Aber er war nicht der Herrscher. Mehr noch als der bittere
viel Wahrscheinliclikeit hat, braucht man nicht zu bemerken. Sie erspart
Hildebrand eine Inkonsequenz, die ihm nur schwer zuzutrauen ist. Die
Kritik, die Martens S. 71 ff. an d'en deutschen Quellen übt, scheint mir halt-
los. Wer möchte ihm glauben, ^aß die Altaich. Annalen u. Lambert von
deutschem Standpunkte aus fälschen, -während Leo von Ostia und Bonizo
tendenzlos die Wahrheit sagen? Daß der italienische Kanzler Wibert in
Augsburg war, zeigen die Urkunden Stumpf 2554, 2556, 2557.
1 Wenn man sich an die Annahme des Namens Stephan durch
Friedrich von Lothringen erinnert, so möchte man vermuten, daß die Wahl
am 6. Dezember, dem Nikolaustage, stattfand. Daß Hildebrand dem Papst
seinen Namen als Symbol für die Befreiung des Papsttums von der welt-
lichen Gewalt ausgesucht habe (Martens I S. 23), ist so unwahrscheinlich
als möglich.
■^ Die neueren Darstellungen sprechen von der Verurteilung Benedikts
in Sutri; aber keine einzige Quelle berichtet davon. Bonizo, der allein die
Sache erwähnt, sagt; Invitavit ad synodum . . ut . . de invasore tractarent
concilium. Quos ubi Sutrium adventantes audivit Benedi ctus, . . sedem,
quam invaserat, deseruit. Hier ist von einer Verurteilung nicht die Rede.
Bonizo erzählt weiter, daß Benedikt nach einiger Zeit sein Unrecht bekannt
und daraufhin abgesetzt worden sei. Dies wird durch die Annal. Rom.
bestätigt (S. 218). Wenn die Synode in Sutri stattgefunden hat, so kann
sie also nur eine neue Vorladung an Benedikt erlassen haben.
— 682 —
Spott Benzos ^ beweist die Ironie, mit der Peter Damiani von ihm
spricht^, daß es ihm an Selbständigkeit gebrach: er war ein Werk-
zeug in der Hand des Mannes, der ihn erhoben hatte. Neben
Hildebrand waren Humbert und der Bischof Bonifatius von Albano
seine vornehmsten Ratgeber ^. Die Leitung der Kirche war an die
Extremen übergegangen. Nun zum erstenmal bemerkt man die
auseinander strebenden Richtungen innerhalb der Reformpartei. Denn
es fehlte viel, daß alle Freunde der Reform das Übergewicht Hum-
berts und Hildebrands gern gesehen hätten. Es kam innerhalb
der Kurie zu ernsten Auseinandersetzungen. Kein Geschicht-
schreiber berichtet darüber; aber die Schriften Peter Damianis
lassen erkennen, wie schroff die Gegensätze waren und über welche
Fragen die Meinungen auseinandergingen. Peter selbst gehörte
zur Opposition: er war entschlossen, auf die bischöfliche Würde,
zu verzichten und sich zu seinen Mönchen zurückzuziehen. Nur
die Inthronisation Gerhards wollte er vollziehen, um dann sofort
Rom den Rücken zu wenden*. Er begründete seinen "Entschluß
mit seiner Unfähigkeit für das bischöfliche Amt, aber er nannte
damit sicher nicht den wahren Grund. Denn er verhehlte nicht,
daß er mit der Wendung, die die römische Politik erhalten hatte,
nicht im mindesten einverstanden war. Er dachte als Eitrag der
Reform die Hebung des Klerus, und er mußte sehen, daß jetzt
der Grandsatz galt, man müsse strenge über die Laien urteilen
und die Sünden des Klerus, um keinen Anstoß zu geben, igno-
nieren *. Besonders in bezug auf die Unzucht der Priester traute
er dem Papst die schlimmste Konnivenz zu^. Noch wichtiger war
die verschiedene Stellung zur könighchen Gewalt. Peter versicherte :
Wir weisen es auf alle Weise von uns, daß wir das Recht des
Königs verletzen; er wollte keine Änderung der königlichen Rechte,
* III, 10 S. 626 u. ö. Unmittelbar nach seiner Wahl charakterisiert
er ihn als bene litteratus, vivacis ingenii, sine suspicione castus, in ero-
gandis eleemosynis pius. Das scheint mir sehr wenig.
- Vgl. ep. 1,7 S. 211, 1,8 S. 212 f.; op. XX S. 441 und besonders die
bekannten Verse 149 f. S. 961 u. 194—196 S. 966 f. Martens (Greg. I S. 37),
der Nr. 195 auf Alexander II. bezieht, bemerkt die Ironie der Verse nicht
und tadelt Peter strenge, daß er keine würdigere Form fand, um der Be-
deutung Hildebrands gerecht zu werden. ^ Ib. I, 7 S. 211.
'' Op. 20, 7 S. 455 : Cupimus pontificem ordinäre ac protinus a j^roprii
pontificatus arce recedere. Die Schrift fällt in den Ausgang des Jahres 1058,
vgl. op. 19 praef. S. 423; diese Schrift fällt in das Jahr 1060.
■'' Op. 17 praef. S. 380, kurz nach der Inthronisation N.'s geschrieben.
6 L. c. 4 S. 386.
— 683 —
sondern forderte nur, daß sie gewissenhaft gebraucht würden \
Aber jetzt führten die Männer das Wort, denen das Recht des
Königs als ein Unrecht gegen die Kirche galt. Andererseits war
Hildebrand empört über Peter: es war ihm unmögHch, ihm ein
freundliches Wort zu geben, oder, gut von ihm zu reden ; bei jedem
Anlaß fuhr er wider ihn auf: Vorwürfe, Beschuldigungen, Schmäh-
ungen sprudelte er hervor'-. Man kann diesen Zwiespalt nicht
nur aus der persönlichen Verschiedenheit der beiden Männer ab-
leiten; es trennte sie ein tiefer sachlicher Gegensatz: der eine
wurzelte in der Vergangenheit, sein Ideal war, die Reform Hein-
richs III. zu vollenden; der andere war ein Herold der Zukunft,
sein Ziel war, die päpstliche Macht auf ein neues Fundament zu
gründen. Aber Peter war Hildebrand nicht gewachsen: dessen
rücksichtslose Kraft imponierte ihm. Er war wie fasziniert von
seiner Person und seinen Gedanken; niemals konnte er es über
sich gewinnen, mit ihm zu brechen, sondern er diente ihm, auch
wenn er das mißbilligte, was jener wollte. Kein Wunder, daß
Hildebrand ihn zwang, in Rom zu bleiben ^, und daß Peter ohne
Einfluß auf das war, was in Rom geschah. Der Bruch innerhalb
der Reformpartei wurde dadurch vermieden. Aber um so unbe-
dingter blieb die Herrschaft den Extremen.
Da:ß sie entschlossen waren, ilire Macht zu gebrauchen, be-
wiesen sie durch das berühmte Dekret über die Papstwahl*, das
1 Disc. syn. S. 78. Nach op. 22,4 S. 468 (nach 1060) hat er nichts
gegen die Übertragung kirchlicher Ämter durch Laien einzuwenden; er
fordert nur, ne sacra loca non considerato divino iudicio sed pro arbitrio
et ad libitum praebeant. Unter Alexander urteilte er schroffer, Ep. 1, 13
S. 222 f. ^ Ep. II, 8 S. 272 f. (1060).^
3 Ep. 1,8 S. 212 (1060); vgl. op. 19 praef. S. 423.
* Die Literatur über das Wahldekret ist sehr umfänglich. Ich ver-
weise besonders auf Hefele, CG. IV S. 800 ff., Scheffer-Boichorst, Die Neu-
ordnung der Papstwahl 1879, Meyer von Knonau I S. 678 f., wo die seit
Scheffer-Boichorst erschienenen Untersuchungen aufgezählt sind. Hinzuzu-
fügen ist, als inzwischen erschienen, Langens Darstellung in der Gesch. d.
röm. Kirche S. 505 ff., die Untersuchungen von Panzer, Z. f. KR. XXII S.
400 ff-, Scheffer-Boichorst, Mtt. d. Inst. VI S. 550 ff. u. XHI S. 107 ff., L. von
Heinemann, Hist. Ztschr. LXV S. 44 ff., Grauert, Hist. JB. XHI S. 186, XIX
S. 827 ff., XX S. 236 ff., Michael, Z. f. kath. Th. XXIII S. 191, Mirbt, P. RE.
XIV S. 74. Dazu der Neudruck in den C.I. I S. 537 ff. Zu der Darstellung
bemerke ich, 1. daß ich die Frage nach dem authentischen Text als durch
Scheffer-Boichorst gelöst betrachte; 2. daß, wie mir scheintj die Worte:
Imprimis cardinales episcopi diligentissima simul consideratione tractantes
mox eibi clericos cardinales adhibeant, nicht sagen, daß die KBischöfe
— 684 —
am 13. April 1059 von einer römischen Synode beschlossen wurde.
wählen und die übrigen Kardinäle ihrer Wahl beitreten (Fetzer, Vorunters.
S. 21, doch vgl. S. 82), sondern daß die ersteren über die Wahl beraten,
daß sie aber die letzteren zum Vollzug derselben beiziehen. Dadurch will
ich nicht leugnen, daß die ausschlaggebende Stimme den KB. zufallen
sollte. Das ist in jedem Falle richtig. Denn immer traten sie mit einem
fertigen Vorschlag vor die übrigen Kardinäle, und lag die Leitung der
Verhandlungen in ihx-er Hand; 3. daß ich Langens Erklärung von § 3 für
unannehmbar halte; er identifiziert die clerici cardinales mit dem reliquus
clerus, und gewinnt also die Vorstellung von nur zwei Handlungen: die
vorbereitende Wahl durch die KB. und die Anerkennung derselben durch
den Klerus und das Volk. Ich verkenne nicht, daß besonders die Formu-
lierung des Dekrets in der Synodica des Papsts (S. 547) ein gewichtiger
Grund für Langens Auffassung ist. Bedenklich macht mich der Sprach-
gebrauch in bezug auf das Wort cardinalis. Denn es scheint mir zweifel-
los, daß im 11. Jahrh, nicht alle römischen Kleriker als cardinales be-
zeichnet wurden. Wendungen wie ,et presbyterii gradus et cardinalatus
dignitas" (Leo ehr. Cas. 111,12) sind sonst unverständlich; 4. in bezug auf
die Deutung von § 6 scheint nur die beabsichtigte Unbestimmtheit des
Ausdrucks sicher. Dann kann man aber ebensowenig sagen, der dem König
reservierte honor debitus habe in dem ius exclusivae (Grauert), als, er habe
in der Leistung eines consensus subsequens bestanden (Härtens), überhaupt
ist dann j<ede Ersetzung des unbestimmten Ausdrucks durch einen scharfen
juristischen Terminus eine Mißdeutung. Auch die Erwähnung des Patriziats
wird absichtlich unterlassen sein. Das Wesentliche für die Synode war,
daß die Teilnahme des Kaisers als bei der Bestellung des Papstes konsti-
tutiv beseitigt wurde. Wie weit man, dies vorausgesetzt, dem Kaiser ent-
gegenkommen konnte und mußte, darüber herrschte sicher auf ihr keine
Einigkeit. Wie viel die Extremen zugestehen konnten, zeigt der von
Humbert für die Bischofswahl aufgestellte Kanon: Ut metropolitani iudicio
electio cleri, principis autem consensu expetitio plebis et ordinis confirmetur
(adv. Sim. HI, 6 S. 205). Daß die Moderaten geneigt waren, weiter zu
gehen, sieht man aus Peter Damiani (Disc. syn. S. 80 f.). Den Satz: Sicut
iam sibi concessimus etc. glaube ich nicht auf die Kaiserkrönung beziehen
zu können (Fetzer S. 26 ff., vgl. auch Meyer von Knonau I S. 136). Daran
hindern die Worte personaliter hoc ius. Denn personaliter ist bei dieser
Passung sinnlos, und die Bezeichnung der Krönung als ius ist unzutreffend.
Ich verstehe den Satz also von der Wahrung des kaiserlichen Rechts in
bezug auf die Papstwahl, glaube aber nicht, daß eine darauf bezügliche
Zusage, etwa in Sutri Jan. 1059, vorausgegangen ist (so bes. v. Heinemann
S. 527). Es scheint mir wahrscheinlicher, daß Nikolaus die Versicherung,
es solle an dem Königsrecht nichts geändert werden, bei der Vorlage oder
der Beratung der Wahlordnung Wibert gegeben hat, und daß auf Wiberts
Verlangen diese Zusage ausdrücklich in das Dekret aufgenommen wurde.
Die von Köhnke, Wibert S. 13 dargebotene Vorstellung ist mir nicht wahr-
scheinlich.
— 685 -
Es bestimmte, daß nach dem Tode eines Papstes zunächst die
Kardinalbischöfe über die Wahl seines Nachfolgers in Beratung zu
treten hätten, danach sollten sie in Gemeinschaft mit den übrigen
Kardinälen die Wahl vollziehen, endlich aber solle diese durch die
Zustimmung von Klerus und Volk ratifiziert werden. Diese Ord-
nung war eine Neuerung ; niemals bisher war ein römischer Bischof
in dieser Weise gewählt worden. Aber sie wurde als Ausführung
der kanonischen Bestimmungen über die Wahl der Bischöfie gegeben^.
Ausdrücklich zitierte das Dekret den oft wiederholten Ausspruch
Leos d. Gr., nach welchem für die legale Bestellung eines Bischofs
das Zusammenwirken des Klerus und Volkes, der Komprovinzial-
bischöfe und des Metropoliten erforderhch ist^. Aber die Bollen
waren so gänzHch anders verteilt als bei Leo, daß von dem alten
Recht eigentlich nichts bheb. Denn während vordem Klerus und
Volk wählten und den Bischöfen und dem Metropoliten nur das
Urteil über die Zulässigkeit der Wahl zukam, wurde das Wahl-
recht jetzt dem Klerus und Volk entzogen und den Kardinälen
übertragen. Das war eine Änderung, die aber dadurch gerecht-
fertigt wurde, daß das Dekret die Gefahr der Simonie bei Laien-
Avahlen hervorhob. Sie mochte um so mehr als zulässig erscheinen,
da die direkte Wahl der Bischöfe durch Klerus und Volk überall
dahingefallen war; wo immer gewählt wurde, da wählten die Dom-
kapitel. In Rom erschienen die Kardinäle als das Kapitel. Auch
der Vorrang, der den Kardinalbiöchöfen zugesprochen wurde, fand
seine Rechtfertigung: sie sollten, wie bei der Inthronisation, als
Vertreter des MetropoHten handeln. Schon durch diese Bestim-
mungen wurde das kanonische Recht den römischen Verhältnissen
angepaßt. Dasselbe geschah, indem für Notfälle ausdrücklich ge-
stattet wurde, daß fremde Kleriker gewählt würden und daß die
Wahl nicht in Rom stattfinde. Es war nur eine Konsequenz der
letzteren Anordnimg, daß dem Erwählten die Befugnis zugeschrieben
wurde, schon vor der Inthronisation als Papst zu amtieren; und
es verstand sich von selbst, daß alle Wahlen, die der neuen Ord-
nung nicht entsprachen, im voraus verworfen wurden.
Alle diese Bestimmungen sind leicht verständlich. Die jüngste
Vergangenheit hatte gezeigt, wie bedenklich der Mangel eines ge-
schriebenen, genau formulierten Rechtes in bezug auf die Papst-
wahlen war. Denn mit dem alten, von allen Seiten anerkannten
Satz, daß der Bischof von Klerus und Volk gewählt werden müßte,
konnte jedermann tun, was er wollte. Jetzt wurden die Kompe-
1 § 4. So will sie auch Leo III, 12 S. 215 beurteilt haben.
- An Rusticus von Narbonne, J.W. 544.
— 686 —
tenzen des Klerus in seinen verschiedenen Stufen und des Volkes
genau abgegrenzt. Dadurch war die Wahl für die Hierarchie
reserviert und waren die gewaltsamen Eingriffe des römischen
Adels abgeschnitten. Das Wahldekret diente der Befreiung der
Kirche von der Laiengewalt. Allein die Kirche war nicht nur
durch die brutale Gewalt des Stadtadels beherrscht worden, nicht
minder auch durch die in rechtHche Formen gekleidete Macht des
Kaisers. Welche Stellung sollte ihr angewiesen werden?
Unter den Mitgliedern der römischen Synode gab es wahr-
scheinlich niemand, der jeden Einfluß des Kaisers zu beseitigen
entschlossen war. Das ist ein späteres Ziel; jetzt dachte nicht
einmal Humbert daran: er hatte soeben noch den Konsens des
Fürsten als wesentlich für die Bischofs wählen anerkannt. Aber
die Meinung herrschte allerdings auf der Synode, daß die Über-
ti'agung eines geisthchen Amtes durch einen Laien unter jeder Be-
dingung verwerflich sei\ Wer so dachte, konnte das Recht, das
Heinrich HL geübt hatte, unmögHch anerkennen. Andererseits
aber waren Männer wie Wibert und Benzo von Alba MitgUeder der
Versammlung; nimmermehr konnten sie in die offene Beseitigung
der kaiserHchen Rechte einwilligen.
Aus dieser Sachlage erklärt sich der sechste Satz des Wahl-
dekrets. In seiner unbestimmten, jede Deutung und Mißdeutung
zulassenden Fassung charakterisiert er sich selbst als das Ergebnis
eines Kompromisses. Er behält dem König die schuldige Ehre
vor; aber es wird nicht gesagt, worin diese Ehre bestehe, sie wird
jedoch näher bestimmt als auf Verleihung beruhend und dem gegen-
w^ärtigen König persönlich eignend. Hier ist nur eines klar: die
Absicht, die Freiheit der Kirche auch durch das Recht des Königs
nicht mehr beschränken zu lassen. Aber diese Absicht sollte wo-
möghch ohne Kampf mit dem deutschen Hof erreicht werden"-.
Daher die halbe Anerkennung der Rechte des Königs. Man
schätzte in Rom die Ratgeber der Kaiserin gering genügt, um zu
glauben, daß sie sich über Tatsachen durch wertlose Worte be-
ruhigen lassen würden.
^ Ergibt sich aus can. 6 S. 547: Ut per laicos nullo modo quilibei,
clericus aut presbyter obtineat aecclesiam nee gratis nee pretio.
2 Um so sicherer ist, daß die angebliche Krönung des Papstes Fabel
ist. Sie hätte den Kampf provoziert.
^ Die Geringschätzung, die man in Rom gegen den deutschen Hof
empfand, zeigt selbst P. Dam. ep. VII, 4 S. 442: Consiliatorum vestrorum
(der Kaiserin Agnes) ignorantiae deputamus. Der Brief gehört in den Jan.
oder Febr. 1060.
— 687 —
In der Neuordnung der Papstwahl taten Humbertj Hildebrand
und ihre Gesinnungsgenossen einen Schritt ihrem Ziele entgegen.
Ein zweiter Schritt in derselben Richtung war der sechste Kanon
der römischen Synode. Denn indem allen Klerikern unbedingt
verboten wurde, irgendein kirchhches Amt aus der Hand eines
Laien anzunehmen, gleichgiltig, ob um Geld oder umsonst, war die
Humbertische Fassung der Simonie als berssöhtigt anerkannt. Und
dabei bemerkt man wieder jene absichthch unbestimmte Fassung,
welche es möglich machte, Widerspruch abzulehnen, während die
Frage doch tatsächhch entschieden war. Indem endhch die Laien
zum Widerstand gegen ungehorsame Priester aufgerufen wurden ^,
bewiesen die kirchlichen Führer, daß sie die von Humbert vorge-
schlagenen Kampfmittel nicht verschmähten.
Sie handelten im vollen Bewußtsein der Wichtigkeit der Sache.
Das zeigt die ungewöhnhche Maßregel, die ergrifien wurde, um die
Synodalbeschlüsse zur Kenntnis der christhchen Welt zu bringen,
Papst Nikolaus veröffenthchte sie in einem an alle Christen ge-
richteten Schreiben ^i Wenn man zweifieln könnte, was die Ab-
sicht der neuen Anordnungen war so würde es dieses Schreiben
beweisen. Denn in der Fassung, die das Wahldekret hier erhielt,
ist das Recht des Kaisers vöUig mit Schweigen übergangen. Die
römische Kirche handelte, als wäre die Zusage des römischen
Volkes an Heinrich III. niemals erfolgt, als könnte sie ungehindert
in alle alten Rechte und Ansprüche wieder eintreten. Es ist
außerordentlich bezeichnend, daß Hildebrand in der letzten Zeit
vor der römischen Synode wiederholt in Peter Damiani drang, aus
den römischen Dekreten und der Papstgeschichte ein Werk über
die Rechte des römischen Stuhls zusammenzustellen^. Diese Auf-
forderung läßt die Gedanken, in denen er lebte, mit scharfer Deut-
üchkeit erkennen: alle römischen Rechte sollten reklamiert werden ;
dann war die Kirche frei.
Aber frei ist nur der, welcher nötigenfalls der Gewalt mit Ge-
walt sich erwehren %ann. Dazu war das Papsttum von lange her
^ Can. 3 S. 547: üt nullus missam audiat presbyteri, quem seit con-
cubinatu indubitanter habere aut subintroductam molierem. Übrigens war
schon Leo IX. 1050 mit einer ähnlichen Verfügung vorangegangen, ßonizo
Y S. 589. 2 Nr. 384 S. 546 f. = J.W. 4405.
2 P. Dam. op. V praef. S. 89. Der Gedanke ist nicht zur Ausführung
gekommen. Man mußte sich mit den Sent. div. patr. behelfen. Foumier
teilt mit, daß die Handschriften aus Engelberg, Weingarten und Windberg
die Bezeichnung tragen: Ecclesiasticae regulae . . a legatis ipsius Sedis
Ap. in Gallias pro eeclesiasticarum dispositione causarum deportatae, S. 201.
— 688 —
nicht mehr imstande; es war keine pohtische Macht. Auch die
Verbindung mit Herzog Gottfried machte es nicht dazu. Denn
darüber konnte sich niemand täuschen, daß dieser Bundesgenosse
den Päpsten nur so lang zu Dienste stand, als es sein eigener Vor-
teil erheischte. Es gehört zu den bewunderungswürdigen Leistungen
der päpstlichen PoKtik in diesen Jahren, daß das Papsttum in
demselben Moment, in dem es den Anspruch auf Freiheit erhob,
als pohtische Macht auf die Bühne trat. Das wurde erreicht durch
die Verbindung mit den Normannen^,
Seit dem Jahre 1016 hatten normannische Ritter begonnen,
im Süden Itahens eine neue Heimat zu suchen und zu finden.
Aus Söldlingen im Dienste der langobardischen Fürsten wurden sie
in wenigen Jahrzehnten Herren im Lande. Die deutschen Könige
traten ihrer Niederlassung nicht entgegen. Konrad II. hat sie
nicht nur gestattet^, sondern indem er seine Einwilligung dazu gab,
daß Rainulf mit der Grafschaft Aversa belehnt wurde **, nahm er
sie in den Dienst des Reichs. Auch Heinrich III. zeigte sich ihnen
gewogen: er belehnte Rainulfs Neffen Raidulf mit Aversa und
Drogo, den Bruder Wilhelms des Eisenarm, mit Apuhen*. Wie
die Kaiser, so waren auch die Päpste den Normannen anfangs
geneigt; Benedikt VIII. hat sie schier wie seine Dienstleute nach
dem Süden geschickt^. Allein die tapferen Ritter bewiesen wenig
Ehrfurcht vor der Kirche, dem kirchhchen Recht und dem kirch-
lichen Besitz. Die Simonie heiTSchte in dem Gebiet der Nor-
mannen, wie nur irgendwo sonst ^. Unzählige Unbilden hatte das
Kloster Monte Cassino durch ihre Raubgier zu erleiden. Und nicht
mehr Achtung als vor dem Besitz des Klosters hatten sie vor dem
Roms'. Als Benevent im Jahre 1051 sich dem Papst ergab,
ließen sie sich dadurch nicht hindern, einen Teil des Gebietes zu
besetzen. Dazu kamen die Klagen des Volks über die unerträg-
^ Quellen zum Folgenden sind in erster Linie Amatus von Monte
Cassino u. Leo v. Ostia. — v. Heinemann, Gresch. der Normannen in Unter-
italien und Sizilien I (1894). = Wipo U, 17 S. 28.
■■J I. J. 1038; Amatus, Ystoire de li Normant II, 6 (ed. Delarc S. 57 f.). .
* L J. 1047; Herim. Aug. z. 1047, Amat. 111,2 S. 105, Leo II, 78 S. 683..
In Apulien hatten sich die Normannen seit 1040 festgesetzt.
5 Rudolf Glab. III, 1 S. 62. Die Quelle ist freilich von zweifelhafter
Zuverlässigkeit.
•■■ Synode zu Sipont 1050, Wib. V. Leon. II, 6 S. 658.
' Herim.^ Aug. z. 1053 S. 132, Leon. IX. vita Benev. (Watterich 1
S. IVC).
^ 689 —
liehe Bedrückung durch die Fremden^. So entschloß sich Leo,
den Bann über sie zu verhängen und den Kampf zu wagen. Es
war das Unglück seines Lebens: er ist bei diesem Unternehmen
gescheitert", Viktor blieb auch ihnen gegenüber seiner Friedens-
poUtik treu^; dagegen kehrte Stephan zu den Absichten Leos zurück:
er dachte, gestützt auf die Macht seines Bruders, sie aus Italien
zu verjagen'^. Während in dieser Weise ein Gegensatz zwischen
den Päpsten und der jungen süditalienischen Macht sich heraus-
bildete, hatten die Fortschritte der letzteren nicht aufgehört. Als
der römische Adel in der Erhebung Benedikts X. den Versuch
machte, die Glewalt über Rom wieder zu erringen, beschränkte
sich das Gebiet der Normannen nicht mehr auf A versa und Apulien;
bereits hatte Robert Guiscard die Eroberung von Calabrien be-
gonnen •°^: ein Mann von unverwüstlicher Tatkraft und Kampflust,
blauäugig und blondhaarig, von hoher Gestalt und breiter Brust:
in jedem Stück ein echter Kriegsmann; aber in keiner Hinsicht
mehr*. Dadurch., daß er im Jahre 1057 auch Graf von Apulien
wurde', war er der mächtigste unter den normannischen Herren.
Die Grafschaft Aversa besaß seit 1050 Richard^, dem 1058 die
Eroberung Capuas glückte'', neben Robert war er der erste unter
den Normannen. Diese Männer an Rom zu fesseln, war Hilde-
brands Absicht. Durch den Abt Desiderius von Monte Cassino ^°
unterhandelte er mit Richard. Nach der Inthronisation Nikolaus'
eilte er selbst nach dem Süden und nun wurde das Bündnis ge-
schlossen, das Roms pohtische Macht begründete: Hildebrand er-
kannte Richard als Fürsten an und nahm ihn für die römische
Kirche und Papst Nikolaus in Pflicht. Die dreihundert Ritter,
welche Richard sofort nach Rom entsandte, leisteten dem Papst
den größten Dienst; denn mit ihrer Hilfe gelang es ihm, die
Kastelle der römischen Großen zu brechen^^. Er wurde Herr im
1 Wibert V. Leon. II, 10 S. 163 f.; Arnulfi Geeta arch. Mediol. III, 4
S. 18; Brun. de symon. 5 L. d. 1. II S. 550.-
" V. Heinemann S. 128 ff.
" Ann. Aug. z. 1057; Ann. Romani S. 188: Amat. 111,47 S. 139..
* Leo 11,97 S. 694; Amat. 111,50 S. 141. Er hatte schon als Kanzler
Leos IX. im kritischen Moment vor der Schlacht bei Civitate den Abschluß
des Friedens verhindert, Amat. III, 39 S. 133.
^ V. Heinemann S. 115.
ö Vgl. die schöne Charakteristik v. Heinemanns S. 111 ff.
' A. a. 0. S. 162. 8 A. a. 0. S. 115ff. ^ A. a. O. S. 167 f.
10 Leo III, 8 f., Amat. IV, 13 S. 164 f. D. war Abt seit 1058.
11 Ann. Rom. S. 216.
Hauck, Kirohengesohichte. III. 44
_ 690 -
eigenen Haus. Im Sommer ging Nikolaus, begleitet von Hilde-
brand, Humbert, Bonifaz und Desiderius nach dem Süden \ Den
Zweck der Reise bildeten gewiß nicht die Reformmaßregeln, die
auf den Synoden von Benevent und Melfi beschlossen wurden-,
sondern der Zweck lag in dem Abschluß mit den Normannen.
Ende August erschienen in Melfi Robert und Richard vor dem
Papste. Außerordentlich groß waren die Zugeständnisse, welche
er ihnen machte: er belehnte Robert mit Apulien, Calabrien und
Sizilien, Richard mit Capua, und überließ ihnen sogar die päpst-
lichen Besitzungen, die sie an sich gerissen hatten, mit Ausnahme
von Benevent "\ Keine der genannten Provinzen war römischer
Besitz; man kann nur annehmen, daß Nikolaus sein Recht, sie als
Lehn zu vergeben, auf die konstantinische Schenkung begründete*.
Aber man sieht, wie wichtig ihm die Verbindung mit den Nor-
maimen war; denn indem er in das Recht ebenso des morgen-
ländischen wie des abendländischen Kaisertums eingriff, ließ er es
auf einen Bruch mit beiden Mächten ankommen. In der Tat
boten ihm die Normannen größeres, als sie von ihm empfingen.
Der Lehnseid, den sie ihm leisteten^, verpflichtete sie, ihre Macht
Rom zur Durchführung der Hildebrandischen Gedanken zur Ver-
fügung zu stellen, Sie schwuren: der römischen Kirche überall
und gegen jedermann nach allem Vermögen Beistand zu tun, um
die" Regalien des h. Petrus zu behaupten und zu erlangen; sie
sagten insbesondere dem Papst Nikolaus ihre Hilfe zu, daß er
sicher und in Ehren das römische Papsttum, das Land und das
Fürstentum des h. Petrus behalte. Sie versprachen endlich, im
^ Leo in, 13 S. 705. Die Anwesenheit der Kardinäle ergijjt sich aus
der Urkunde Mansi XIX S. 921.
2 Über, die erste Synode s. d. angef. Urk., über die zweite Leo III, 13
S. 705; Guil. Apul. v. 388 flp. Scr. IX S. 261. Eine Notiz auch bei Peter
Dam. op. 31, 6 S. 538.
3 Leo III, 15 S. 706, Guil. Apul. v. 400 ff. S. 262, Bonizo VI S. 593.
* Darauf scheinen mir die Wendungen in Roberts Eid: ,ad tenendum
et ad requirendum regalia s. Petri eiusque possessiones" ,papatus Romanus
terraque s. Petri et principatus* hinzudeuten.
ö Die beiden Eidesformeln Roberts bei Watterich I S. 233 f. Es ist
nicht zu bezweifeln, daß Richard die gleichen Eide ablegte. Daß die
Mögliclikeit des Kampfs mit Deutschland von der Kurie ins Auge gefaßt
war, scheint mir aus den Worten: Adiutor ero ad tenendum et ad acqui-
rendum regalia s. Petri contra omnes homines hervorzugehen. Denn
nur gegen den deutschen König konnten die Normannen Bedenken haben,
zu kämpfen, da die Vorgänger Richards und Roberts Heinrich III. den
Lehenseid geleistet hatten.
— 691 —
Falle der Papst sterben sollte, nach der Mahnung der Kardinäle,
des Klerus und der Laien ihren Beistand, daß ein Papst gewählt
und eingesetzt werde zu Ehren des h. Petrus.
Der Normanneneid ist der Kommentar zum Papstwahldekret,
denn er zeigt den G-edanken, aus dem das letztere entsprang.
In ihm ist nicht von Reform der Kirche die Rede, sondern von
dem Gebiet und dem Fürstentum des heiligen Petrus. Die
Vorstellungen, die einst zur Erfindung der konstantinischen Schen-
kung geführt hatten, beseelten den Papst und seine Ratgeber.
Aber wie viel näher stand Papst Nikolaus dem alten Ziele als
Stephan II. oder Paul I.! Seit dem Tage von Melfi verfügte
er über "Vasallen, denen in Italien kaum Herzog Gottfried ge-
wachsen war.
Es ist, als habe es Hildebrand gereizt, die schwersten Auf-
gaben zugleich zu lösen, das scheinbar Unmögliche zu vollbringen.
Indem er durch die Belehnung der Normannen das Papsttum von
der Unterstützung Gottfrieds unabhängig machte, wußte er diesen
entschiedenen Gegner der Normannen im Bündnis mit Rom zu
erhalten; es gelang ihm dadurch, daß er ihm in seinem Kampf
mit Ancona die geistliche Autorität Roms zur Verfügung stellte.
Die Stadt wurde gebannt, um sie zur Unterwerfung unter den
Herzog zu zwingend Zu gleicher Zeit endlich gewann er dem
Papsttum im Norden Italiens Bundesgenossen, an die bis vor
kurzem niemand gedacht hatte: Mailand und andere oberitalienische
Städte ^
Es gab keine bedeutendere und keine unruhigere Stadt in
Itahen als die lombardische Metropole. Durch ihren Handel, wohl
auch durch die aufblühende Industrie war sie volkreich geworden ^.
Sie war ein Hauptsitz des lombardischen Adels; mit ihm rivalisierte
die Bürgerschaft, die durch ihre Erwerbstätigkeit zu Besitz und
Unabhängigkeit gelangt war. Ohne zu den Rittern zu gehören.
1 Vgl. Peter Dam. ep. I, 7 S. 211 f.
^ Die Quellen für den folgenden Abschnitt sind: Arnulf, Gesta arch.
Mediol. Scr. VTII S. 1 ff., dessen Unbefangenheit und Wahrheiteliebe alles
Lob verdient, Landulf, Hist. Mediol. ib. S. 32 ff., eine Parteischrift mit allen
Mängeln und nicht mit allen Vorzügen einer solchen, Adreas, vita Arialdi,
Migne 143 S. 1437, der besonders durch Verschweigen glättet und ver-
schönert, der Bericht Peter Damianis über seine Sendung (op. 5 S. 89 ff.)
11. die Notizen Bonizos. Zur Literat, verweise ich außer den S. 666 Anm. 1
genannten "Werken auf Hegel, Geschichte der Städteverfassung II S. 140 ff.
Paech, Die Pataria in Mailand, 1872, Krüger, Die Pataria in Mailand, 1873
und 74, Mirbt, P. RE. XIV S. 761 ff. « Andreas I, 8 S. 1441.
44*
— 692 —
waren die reichen Bürger doch weit geschieden von der Masse des
zinspflichtigen, besitzlosen Volkes. Aber auch das letztere war
durch das Gewicht der Zahl eine Macht. Hielt schon der Gegen-
satz der Bevölkerungsklassen die Stadt stets in Spannung, so
wurde die Lage vollends schwierig durch das Verhältnis zu dem
deutschen König und dem Erzbischof. Der König war als der
oberste Herrscher stets anerkannt; er ernannte den Erzbischof.
Dieser aber erschien im Anfang des Jahrhunderts ähnlich wie die
deutschen Bischöfe als unmittelbarer Herr in der Stadt. Die
Priegterschaft war mächtig durch ihre Zahl, ihren Reichtum und
und ihre Verbindungen; sie ging fast durchweg aus den adeUgen
Familien hervor^; besonders sahen die Erzbischöfe in dem hohen
Adel die Stütze ihrer Macht. Wenn man jedoch das Maß der
kanonischen Vorschriften an das Leben des Klerus legte, so war
wenig an ihm zu loben: der Kauf der Amter war allgemein und
fast ebenso gewöhnhch war es, daß die Kleriker in der Ehe lebten ^
Niemand nahm daran Anstoß; denn der erste Mißbrauch war zu
einer geordneten Regel geworden; es wurden feste Taxen für die
kirchlichen Amter entrichtet ^ Und was das letztere anlangt, so
war die Erinnerung an die altkirchlichen Zustände und Anschau-
ungen nicht ganz erloschen: man mißbilligte den Zwang zur Ehe-
losigkeit*. Aber auch abgesehen hievon, war der Klerus nicht
durch geistliche Gesinnung ausgezeichnet; er huldigte den Ver-
gnügungen seiner Standesgenossen, er wurde von der in der
Handelsstadt herrschenden Jagd nach Reichtum mit fortgerissen *.
Von selten des Erzbischofs geschah nichts dagegen. Seit dem Jahr
1046 verwaltete der von Heinrich III. ernannte Wido das erz-
bischöfliche Amt; es fehlte ihm an Autorität; da er aus niederem
Stande emporgekommen war, so betrachtete ihn der Adel mit
scheelen Augen®. Schlimmer war, daß es ihm auch an der Kraft
zu handeln gebrach. Seine Gegner tadelten überdies seine sittliche
Haltung '.
So war die Lage in Mailand. Als nun auch dort die Forderung
» Arn. III, 14 S. 21.
2 P. Dam. op. 5 S. 95; Arn. III, 10 S. 18; Anselmi Rhetorimach. I
S. 25; II S. 45 (ed. Dümmler).
^ Für den Subdiakonat wurden 12, für den Diakonat 18, für den
Presbyterat 34 nummi bezahlt (P. Dam. 1. c).
* Vgl. Landulf III, 11 f. S. 81: Castitatem neminem habere posse, nisi.
ei datum sit desuper. Deus non vult coacta servitia.
* Andreas I, 7 S. 1441; 1, 11 S. 1443. « Arqulf HI, 2 S. 17.
' Bonizo VI S. 591 : Vir illiteratus et concubinatus et symoniacus.
— 693 -
der Reform des Klerus erhoben wurde, so mußte sie wirken wie
ein Ruf zur Revolution. Die Vorkämpfer der Bewegung gingen
aus den Reihen des Adels hervor; aber sie ^'andten sich nicht an
ihre Standesgenossen, sondern an das ganze Volk. Der eine, der
Diakon Ariald, gehörte der Geburt nach zu dem niederen Adel,
den Valvassoren. Er war ein kirchUcher Idealist, begeistert für
die Erhabenheit des göttlichen Gesetzes und die Vollkommenheit
der Urkirche. Demgemäß forderte er von den Klerikern die wahre
Nachfolge Jesu und seines armen Lebens; jede Abweichung von
den altkirchlichen Einrichtungen dünkte ihn verwerflich^. Der
zweite, Landulf, entstammte einer Familie des hohen Adels, der
Kapitäne. Er hatte nur die niederen Weihen; aber mit trotziger
Entschlossenheit setzte er sich über die Schranken, die dadurch
seiner Tätigkeit gezogen waren, hinweg. Er war zum Agitator
geboren: ein Mann, den glühender Ehrgeiz verzehrte und der durch
seine wilde, laute Beredsamkeit das Volk beherrschte^. Einen
theologischen Ratgeber hatten beide an dem klugen und kühlen
Priester Anselm, dessen Bundesgenossenschaft um so wertvoller
war, da er im Jahre 1057 Bischof von Lucca wurde ^. Die Geld-
mittel endlich beschaffte ein Münzmeister, namens Nazarius. Jeder-
mann kannte den reichen Mann als devot und eifrig beflissen, den
Segen der .Kirche zu erwerben *.
Seit 1056 wirkten Ariald und Landulf in Mailand. Bald
schlössen sich andere Kleriker an sie an; sie führten bei der so-
genannten Kanonikerkirche ein gemeinsames Leben ^. Wer möchte
bezweifeln, daß sie von religiösen Motiven beseelt waren? Aber
die Art, wie Landulf auf der Straße, vor tosenden Volksversamm-
lungen die kirchlichen Reformforderungen .vortrug, machte aus
einer religiösen Bewegung sofort eine revolutionäre. Seine Er-
regung gegen -die unwürdigen Priester kannte nicht Maß noch
Zifel. Die Scheu vor dem Heiligen selbst mußte Schaden leiden,
wenn er von dem Sakrament, das sie verwalteten, als von Hunde-
mist, von den Kirchen, in denen sie amtierten, als von Viehställen
sprach. Und wo blieb die Achtung vor Recht und Gesetz, wenn
1 Andr. 4 S. 1439, der von den Eltern sagt: Nobiles utrique, und
Arn. III, 10 S. 19, der Ariald als humiliter natus bezeichnet, widersprechen
sich nur scheinbar. Die Charakteristik nach Arnulf. Über das relij?iöse
Ideal Arialds Andreas 9—11 S. 1441 ff. und 47 ff. S. 1464.
■' Andr. 12 S. 1443; Arn. 111,10 S. 19. Ein Beispiel seiner Reden bei
Arn. 12. Er war lungenleidend, Arn. III, 16 S. 21.
■■' Benzo, Ad. Heinr. VII, 2 Scr. XI S. 672.
1 Andreas 13 S. 1444. " Ib. 26 ft". S. 1453.
— 694 —
er nicht nur forderte, daß der Besitz unwürdiger Kleriker einge-
zogen werde, sondern wenn er seinen Zuhörern versicherte, es sei
erlaubt, ihnen ihre Habe mit Gewalt abzunehmen^? Durch solche
Reden ward das Proletariat mächtig aufgeregt; überall hörte man
die Priester als Feinde Gottes und Verführer der Seelen bezeich-
nend Und es bheb nicht bei den Woi-ten. Bald hier, bald da
erhob sich das Volk gegen die verheirateten Kleriker: ihre Gottes-
dienste wurden gestört, ihre Häuser geplündert, sie selbst miß-
handelt. Das Volk zwang sie zur Unterschrift eines Scheins, in
dem sie strenge Keuschheit gelobten". Der Klerus war schutzlos.
So auffällig es ist, der Adel ließ den Dingen seinen Lauf., und
der Erzbischof tat kaum etwas anderes : er glaubte mit theologischen
Gründen, mit Argumenten aus der Schrift und den Kirchenvätern
einen Sturm beschwören zu können, der etwas ganz anderes Avar,
als eine theologische Zänkerei*. In ihrer Not wandten sich die
Bedrängten an die Mailänder Suftragaue; wiederum vergeblich'.
Was blieb ihnen da übrig, als Schutz in Rom zu suchen? Wenn
die Nachricht des Mailänder Geschichtschreibers richtig ist, so
forderten sie, daß Stephan einschreite*'. Dieser ging den geord-
neten Weg, indem er dem Erzbischof den Auftrag gab, die An-
gelegenheit auf einer Synode zu bescheiden. Aber die Gegensätze
waren viel zu gespannt, als daß auf diese AVeise etwas erreicht
werden konnte. Ariald und Landulf stellten sich nicht, und als sie
infolgedessen exkommuniziert wurden, appellierten sie nach Rom.
Offenbar waren sie sich der' Stärke ihrer Stellmig wohl bewußt.
Denn schon waren sie nicht mehr bloß Agitatoren; sie waren Partei-
führer. Es bestand eine Art Ausschuß, der die Leitung der Be-
wegung in der Hand hatte; manche Nacht hat er in Beratungen
verbracht'. Bereits war auch ein Parteiname für die stürmischen
Reformfreunde aufgekommen; das^Volk nannte sie die Patarener'*.
Im Auftrag der Genossen sollte Landulf das Recht ihrer Sache *in
Rom vertreten. Es war vielleicht ein Glück für sie, daß er durch
einen Mordanfall in Piacenza daran gehindert wurde, und daß statt
.1 Arnulf III, 11 S. 19. - Andreas 11 S. 1443; 24 S. 1452.
3 Arnulf 12 S. 19 f. Andreas 14 S. 1444 f.
* Bei den häufigen Besprechungen der maiores ecclesiae mit Ariald
und Landulf (Arn.) ist selbstverständlich an Verhandlungen zu denken, die
vom Erzbischof autorisiert waren. '' Arn. S. 20.
^' A. a. 0. Die Nachricht wird von den meisten Forschern verworfen
und auf Viktor bezogen. Die Gründe scheinen mir nicht ausreichend.
• Vgl. Andreas 47 S. 1464.
^ Über den Namen s. Krüger I S. 20.
— 695 —
seiner Ariald sich nach Rom begab ^. Denn ihm mußte es leichter
werden als jenem, die Identität der Mailänder Bestrebungen und
der römischen Reform pol itik zur Anerkennung zu bringen. In der
Tat hatte er Erfolg: der von den lombardischen Bischöfen Ge-
bannte kehrte als anerkaimtes Glied der katholischen Kirche nach
Mailand zurück; das Treiben der Pataria wurde vom Papst autori-
siert'. Im Beginn des Winters 1057 erschienen Hildebrand und
Anselm von Lucca als päpstliche Legaten in Mailand^: die engste
Verbindung zwischen der radikalen Reformbewegung und der
römischen Kurie ward hergestellt. Durch solche Erfolge ermutigt,
gingen die Mailänder auf ihrer Bahn weiter; hatten sie bisher die
Unzucht der Priester angegriffen, so stellten sie jetzt die Simonie
.in den Vordergrund ^ Das war nicht nur ein Wechsel im Gegen-
stand, sondern auch in den Personen des Angriffs; denn der
Simonie waren ebenso wie die Kleriker auch der Erzbischof und
der Mailänder Adel schuldig'*. Es ist klar, daß die Patarener,
indem sie wider die Simonie donnerten, den Kampf um die Herr-
schaft in der Stadt eröff'neten. Sie konnten es wagen; denn die
Partei hatte sich inzwischen zu einem geschlossenen Bund gestaltet.
Landulf verband seine Gesinnungsgenossen durch einen Eid, der
sie zum Kampf gegen Simonie und Nikolai tismus ver[)tiichtete.
Über tausend Männer in der Stadt und den Vorstädten sollen ihn
abgelegt haben. Sie gingen in Waffen; Laudulf war stets von
einer Schar seiner Gesinnungsgenossen umgeben: er war Herr in
der Stadt. Überall wurden die Priester genötigt, jenen Eid zu
schwören; sie retteten nicht einmal dadurch ihr Ansehen: niemand
wollte mehr die Kirche besuchen oder ihren Dienst in Anspruch
nehmen ; das alles sei befleckt durcli die Simonie. Nach der Wahl
und Inthrojiisation Nikolaus' IL richtete die Pataria eine neue
Aulforderung an die Kurie, einzugreifen*^. Nun sandte, der Papst,
^ Arn. 13 S. 20; Andr. 15 S. 1446 f. Die Verwundung Landulfs ist bei
Arnulf auf einen späteren Zeitpunkt verlegt, c. 15 S. 21. Doch wird man
hier Andreas zu folgen haben. - Arn. 13 S. 20; Andr. 15 S. 1447.
' Arn. 14 S. 20; ßonizo VI S. 592.
* Arn. 13 S. 20; Andr. 20 S. 1450. Wenn man P. Dam. op. 17 S. 380
herbeiziehen darf, so scheint dieser V/echsel des AngriÖ'spunkts von Rom
aus angeordnet zu sein. •'' Andr. 24 S. 1452.
" P. Dam. Act. Med. S. 95. Es ist nicht klar, von wem die Sendung
ausging. KB. Wido .sagt: Quibusdam ex nostris sedem apostolicam adeun-
iibus. Ich halte es für wahrscheinlicher, daß damit die Führer der Pataria
als daß ihre klerikalen (legner gemeint sind.
— 696 —
wahrscheinlich schon vor der Ostersynode ^, Peter Damiani und
Anselm von Lucca ab, um die Unterwerfung des Klerus unter die
Forderungen der Pataria zu vollenden. Der Vollzug dieser Auf-
gabe wurde ihnen nicht ganz leicht, denn die Eifersucht der mai-
ländischen Bevölkerung auf die Freiheit der ambrosianischen Kirche
wurde durch das Auftreten der Legaten mächtig erregt. Einen
AugenbUck lang hatte es das Ansehen, als werde das Volk sich
erheben; ihre Sicherheit schien ernstlich bedroht, selbst Landulf
fürchtete das Schlimmste ^ Aber die Gefahr ging vorbei: die
Führer des Patarenerbundes hatten ihren Anhang ganz in der
Hand; sie bh eben Herren der Situation ^ Peter konnte eine Unter-
suchung gegen den mailändischen Klerus veranstalten. Das Ende
war, daß die Mailänder Geistlichkeit, der Erzbischof voran, ge-
zwungen von dem leidenschaftlich erregten Volk*, sich unterwarf:
sie mußte schwören, künftighin Simonie und Nikolaitismus zu meiden.
Erzbischof Wido zuerst hat in der Kapelle seines Palastes den
Eid in die Hand Peters geleistet. Dann legte der Legat dem
Klerus eine Buße auf; schließlich nahm er im Dome die öffenthche
Rekonziliation vor. Niemals vorher hat eine christliche Stadt ähn-
liche Szenen erlebt.
Der Sieg des Patarenerbundes war vollständig; diese Tatsache
hatte aber nicht nur kirchliche Bedeutung, nicht minder groß war
ihr politischer Wert. Bisher war der von dem Kaiser ernannte
Erzbischof der mächtigste Herr in der Lombardei gewesen; jetzt,
nachdem die Herrschaft in der Stadt an die Führer der Pätarener
übergegangen war, kam er als politischer Faktor nicht mehr in
Betracht. Dadurch war der kaiserlichen Gewalt in Oberitalien ein
Schlag versetzt, der kaum ausgeglichen werden konnte. Der Ge-
winn fiel Rom zu: Mailand ist Rom unterworfen, so klagt der
patriotische Geschichtschreiber der Stadt ^. Dadurch, daß Wido mit
einigen seiner Suffiragane auf der Ostersynode von 1059 erschien,
besiegelte er den Triumph der Kurie'*. Hier aber mußten auch
die Führer der Pataria lernen, daß sie nichts weiter zu sein hätten.
^ Dieser Zeitansatz ist wegen der Teilnahme Widos an der Oster-
synode so gut wie gewiß.
2 P. Dam. op. 42, 1 S. 667; Arn. III, 14 S. 21.
' Peter täuschte sich sicherlich, wenn er die Beruhigung der von
ihm gehaltenen Rede über die Prärogativen Roms zuschrieb.
* Am. 1. c: Cogente ac vociferante populo.
5 Arn. III, 15 S. 21 ; vgl. 13 S. 20 und den Brief Peter Damianis an
HildBbrand, mit dem er ihm die Act. Med. übersendet (S. 89).
9 Bonizo VI S. 593 : Volens nolens.
— 697 —
als "Werkzeuge Roms. Ariald konnte sich in die milde Behandlung
des Erzbischofs nicht finden: er trat von neuem als Kläger wider
ihn auf; aber er scheiterte völHg. Nachdem Wido ein Obedienz-
versprechen geleistet hatte, reichte ihm Nikolaus von neueni den
bischöflichen Ring; im vollen Besitz der päpstlichen Gunst kehrte
er nach Mailand zurück*.
Zieht man die Summe der pohtischen Ereignisse, an die wir
erinnerten, so ergibt sich, daß Nikolaus in politischer wie in kirch-
hcher Hinsicht Italiens sicher war. Er konnte es darauf ankommen
lassen, wie Deutschland die neue Wahlordnung aufnehmen würdet
Einstweilen ließ die Kurie keinen Zweifel darüber, daß sie ent-
schlossen sei, keine Abweichung von den kanonischen Einrichtungen
zu dulden. Dafür ist die Verwerfung der Aachener Statuten von
816 auf der römischen Ostersynode charakteristisch. Sie wurde
von Hildebrand beantragt und von der Synode beschlossen ^ Je
^ Arn. in, 15 S. 21. Ich kann in der Übergabe des annulus aposto-
licae gratiae ac totius potestatis ecclesiasticae nur eine neue Investitur er-
kennen, Nikolaus zog die Konsequenz des 5. Kanons seiner Synode.
2 Martens, Gregor I S. 3, spricht von der Unzufriedenheit der Kardinal-
kleriker mit dem Wahldekret. Ich wüßte nicht, wodurch diese Annahme
bewiesen werden könnte. Dagegen hatte man in Deutschland Grund genug
zur Unzufriedenheit.
^ Mabillon, Annal. ord. s. Bened. IV S. 686, neuer Abdruck von A.Wer-
minghoif N.A. XXVII S. 669 ff.: Hildebrandus . . ait: Nonnulli ex clericali
ordine per Sp. s. perfectae caritatis igne inflammati iam dudum in hac
Romana urbe et in provinciis atque parrochiis eidem specialius pertinen-
tibus seu cohaerentibus noscuntur communem vitam exemplo primitivae
aecclesiae amplexi simul et professi in tantum, ut nil sibi reservassent
proprii. . . Quos sicut amor perfectionis arciorem viam aggredi et per
angustam portam ingredi sancta contentio coniunxit, sie et abundantia ini-
quitatis suo frigore paulatim disiungere quaerit, ut post se recedant atque
propositi semel arrepti apostatae fiant, dum sint in eis, quos incauta
adolescentia aut suspecta senectus revocat et retrahit ad. praesumptionem
peculiaritatis, quam suo vel parentum suorum voto reliquerant; qui etiam
ad maximam suae praevaricationis defensionem assumunt aliquot capitula
ex regula illa, quae dicitur canonicis ortatu Ludovici imperatoris a quo
nescitur compilata . . . Quae capitula quia inpraesentiarum habentur,
placeat huic saneto vestro conventui, ut considerentur ac demum necessaria
ac congrua sententia super bis proferatur. Nikolaus stimmt dem Antrag
um so eifriger zu, quanto huic apostolicae sedi frequentior inde venit
querela et expectatur de die in diem sententia eius sana et fixa. Die
Synode faßt auf Grund von vielen Erwägungen Beschluß, unter anderem
weil huiusmodi sanctimonialium institutionem usque nunc tota Asia, Africa
simul et Europa, excepto uno minimo angulo Germaniae nee scivit nee
~ 698 —
weniger direkter Anlaß zu dieser Maßregel vorlag, um so gewisser
ist, daß sie als Demonstration gemeint war: sie sollte beweisen,
daß die Zeit der Nachsicht in Rom vorüber sei. Unumwunden
wurde dabei der Grundsatz verkündigt, daß kein Laie, auch nicht
der Kaiser, befügt sei, kirchHche Anordnungen zu treffen. Unter
denselben Gesichtspunkt fällt die Verweigerung des Palliums für
Sigfiid von Mainz. Die Kaiserin Agnes erbat es für ihren Schütz-
ling. Aber Nikolaus ließ ihr Begehren durch die Kardinäle ab-
schlagen, da die Übersendung des Palliums kanonisch unzulässig
sei; Sigfrid sollte persönHch nach Rom kommen, um es hier in
Empfang zu nehmen^. Wie er, so wurden auch andere deutsche
Bischöfe durch römische Erlasse betroffen. Anno von Köln mußte
sich, wir wissen nicht, aus welchem Grund, wegen Überschreitung
der rechthchen Normen tadeln lassen". Als Meginher von Hers-
feld gegen Burchard von Halberstadt wegen der sächsischen
Zehnten klagte, entschied Nikolaus, ohne den Bischof gehört zu
haben, gegen ihn; er warnte ihn, die von den Vätern festgesetzten
Grenzen zu überschreiten, und bedrohte ihn mit päpstUchen Strafen,
besonders da Hersfeld der römischen Jurisdiktion unterstehe^.
Wenn man in Deutschland die Augen offen hatte, so mußte
man einsehen, daß Rom nichts mehr kennen wollte, als das
eigene Recht
Die Kunde von der Neuordnung der Papstwahl gelangte
recepit, ferner weil Ludwig die echte Regel nee mutare qualibet ratione
debuit aut potuit sine auctoritate et consensu s. Romanae et apostolicae
sedis, quia "quamvis imperator et devotus, tarnen erat laicus. D4r Beschluß
selbst ist nicht erhalten, denn die Urk. ist ein Fragment. Wohin er ging,
ist klar; die Tendenz ist ebenfalls unverkennbar. Als Papst hat Gregor
eine eigene Regel für Kanoniker erlr.ssen. Sie ist von Morin, Revue Bened.
XVIII 1901 S. 179, veröffentlicht.
^ P. Dam. ep. VII, 4 S. 442. Hier ist der Grundsatz : Nihil quod
canonicis regulis obviet, auf das stärkste ausgesprochen. Zugleich ist be-
hauptet, daß ohne das Pallium ein Bischof nicht Metropolit sein könne
und daß er seiner Würde verlustig gehe, wenn er nicht innerhalb dreier
Monate nach s.einer Einsetzung in Rom erscheine. Beides für die Deutschen
Neuerungen, von denen aber behauptet ist, daß sie ex antiquae traditionis
usu herstammten. Daß man in Rom dabei an Bonifaz, ep. 70 S. 201,
dachte, ist mir wenig wahrscheinlich.
- Deusdedit, Contra invas. 11 S. 309: Nicholaum Coloniensem archi-
episcopum pro suis excessibus corripuisse graviter tulerunt.
^ Lamb. z. 1059 S. 74. Da die Antwort Nikolaus' vor dem Tode
Meginhers (26. Sept 1059) nach Hersfeld kam, so ist die Klage im Frühjahr
oder Sommer gestellt worden. Sie war also gegen Burchard I. gerichtet.
— 699 —
wahrscheinlich im Sommer 1059 durch das Manifest Nikolaus' 11.
über die Alpen. Wenn man sich vergegenwärtigt, welches Gewicht
Heinrich III. darauf gelegt hatte, daß ihm die Ernennung des
Papstes zustehe, und daß in dieser Kundmachung der kaiserlichen
Rechte nicht mit einem Wort gedacht ist, so kann man nicht zweifeln,
daß sie am Hof den übelsten Eindruck machte. Dann kamen die
Nachrichten über die Kränkung des Reichs durch die Belehnung
der Normannen; sie waren gleichfalls geeignet, großen Anstoß zu
erregen. Kein Wunder, daß man beunruhigt war; der Beleg dafür
ist die Berufung einer Synode für Weihnachten 1059^. Allein
der Kaiserin waren bereits die Zügel entfallen: die Synode scheiterte
an dem üblen Willen der Bischöfe. Nun traf Ende Dezember
1059 Anselm von Lucca als päpstlicher Legat am Hofe ein; aber
er vermochte die Wolken nicht zu zerteilen; denn es ist so gut
wie gewiß, daß er keinen auf die Ostersynode bezüghchen Auftrag
hattet Erst nachdem Nikolaus auf der Lateransynode im Früh-
jahr 1060^ das Wahldekret in der Form, in der es in seinem
Rundschreiben bekannt gemacht war, bestätigt, auch das Verfahren
gegen die Simonisten von neuem geregelt hatte*, entschloß er
1 S. oben S. 667 Änm. 6. Lambert z. 1060 S. 77 erwähnt zugleich,
daß die Synode nicht zusammentrat. Der Entschuldigung der Bischöfe per
infirmitatem et pestilentiam sieht man die Ausflucht an.
- Die Anwesenheit erwähnt Mar. Scot. z. 1060 S. 558. Der Auftrag
des Legaten ist nicht genannt; auf die römischen Maßregeln kann er sich
nicht bezogen haben, denn sonst wäre Stephans Sendung unerklärlich.
* Die Synode war schon im Herbste 1059 berufen; vgl. J.W. 4411.
4412. In der letzteren Urkunde ist die 3. Woche nach Ostern (9. — 15. April)
für die Synode bestimmt.
* C.I. I S. 550 f. Die Formel, in der das Wahldekret erneuert wurde,
weicht nur darin von der der Synodica ab, daß die Erwähnung der Laien
weggelassen ist. In bezug auf die Simonisten -ist als Grundsatz anerkannt,
daß sie abgesetzt werden müßten, aber mit Rücksicht auf die Zeitlage
wird zugelassen, daß diejenigen, die non per pecuniam sed gratis von
Simonisten geweiht seien, in ihren Ämtern blieben. Nikolaus erneuerte
also die Vei-fügung Clemens IL Aber dies Zugeständnis sollte nur für den
Augenblick gelten: den späteren Päpsten untersagte er, es als Präzedenz-
fall zu betrachten; es solle künftig auch in diesem Fall die Absetzung ver-
hängt werden. Grauert, Ilist. JB. XX B. 305 ff., verwertet bei Besprechung
dieser Verhältnisse die scholastischen Kategorien potestas ordinis u. iuris-
dictionis. So viel ich sehe, hat aber nicht nur Peter Damiani diese ver-
schiedenen Seiten der Sache nicht auseinandergehalten, sondern war dies
allgemein. Auch bei Nikolaus IL scheint mir die Vorstellung nicht vor-
handen zu sein, .die von der scholastischen Formel gedeckt wird.
— 700 —
sich, den Kardinal Stephan ^ als Legaten an den Hof zu schicken
um die Kaiserin über die Absichten der Kurie zu beruhigend
Allein nun war es zu spät: als der Kardinal am Hofe eintraf,
wurde er nicht angenommen ; fünf Tage wartete er vergebMch, dann
kehrte er nach Rom zurück; er brachte sein Schreiben versiegelt
wieder ^
Damit hatte der Hof unzweideutig Stellung genommen, und
nun Heß sich auch der Episkopat vernehmen. Seine Interessen
deckten sich nicht einfach mit denen des Königs. Aber die römische
Politik war für die deutschen Bischöfe nicht minder bedrohlich als
für den deutschen Herrscher; denn die neue Wahlordnung entzog
ihnen den Einfluß, den sie seit der Synode von Sutri auf die Be-
setzung des römischen Stuhls gehabt hatten, und das Schicksal
Widos von Mailand zeigte warnend, was der Episkopat von Rom
zu erwarten hatte. Nimmt man hinzu, daß Anno und Siegfried per-
sönlich gekränkt waren, so ist verständHch, daß die Bischöfe den
päpstlichen Maßregeln äußerst abgeneigt gegenüberstanden. Gleich-
wohl ist der Beschluß, den sie faßten, als sie wahrscheinhch im
Beginn des Jahres 1061 mit den Mitgliedern des Hofes zu einer
Synode zusammentraten*, in seiner Schroffheit unerwartet, fast un-
verständlich: denn sie lehnten nicht nur das neue Wahldekret ab,
sondern sie sprachen die Verdammung über die Person des Papstes
aus, geboten, seinen Namen aus den kirchlichen Listen zu tilgen
und hoben alle seine Anordnungen auf^.
1 Vgl. über ihn oben S. 609.
2 Peter Dam. l. c. S. 88: Clausuni . . mysterium consilii (oder concilii),
cuius erat gerulus, retulit. Die gezwungene Phrase läßt annehmen, daß
das Schreiben die Absichten der Kurie erläutern sollte; vgl. Scheffer-
Boichorst, Mtt. d. Inst. XHI S. 125 ff.
* P. Dam. diso. syn. S. 87 f. Die zeitliche Einordnung der Sendung
Stephans steht nicht fest. Scheffer-Boichorst, Mtt. d. Inst. XIII S. 125 ff.
Langen S. 524 u. a. verlegen sie in den Sommer oder das Frühjahr 1059,
also vor die Sendung Anselms. Meyer von Enonau hat aber recht, wenn
er dann die Sendung Anselms höchst auffallend nennt (I S. 686).
* Peter Dam. 1. c. S. 87 f.; Benzo VH, 2 S. 672; Deusdedit, Ctra invas.
11 L. d. 1. II S. 309. Die Zeit und der Ort der Synode sind nicht sicher.
Nach Benzo tagte sie kurz vor Nikolaus' Tod. Hefele, CG. IV S. 846,
identifiziert sie mit der nach Woruis berufenen Synode: aber diese fand ja
nicht statt. Giesebrecht III S. 69 verlegt sie schon in d. J. 1060, aber dem
widerspricht Benzo. Meyer von Enonau I S. 686 leugnet, daß die Versamm-
lung eine Synode gewesen sei. Aber Peter Damiani spricht von concilium
und sinodalis sententia.
* Meyer von Enonau nimmt I S. 685 f , Fetzer (Voruntersuchungen z.
— 701 —
Wenn man die deutschen und die römischen Maßregeln
einander gegenüberstellt, so ist einleuchtend, daß hier Gegner
«inander gegenübertraten, deren Kraft sehr ungleich war. Denn
so klar und folgerichtig alle Handlungen der Kurie seit dem Tode
Stephans IX. sind, ebenso undurchsichtig ist die kirchliche PoUtik
Deutschlands. Es ist unmöglich, einen inneren Zusammenhang
in das anfängliche Hinzögern und die spätere Überstürzung zu
bringen. Dieses abrupte, stoßweise Handeln erklärt sich nur aus
der schlaffen Mutlosigkeit der Kaiserin, der Erregung ihrer Um-
gebung, und dem Umstand, daß der deutsche Episkopat keinen
Führer hatte ^. Während die Ratgeber Nikolaus' 11. genau wußten,
einer Gesch. d. Pontif. Alex. IL S. 43 ff.) folgend, an, nicht die Wahlordnung,
sondern die Usurpation Unteritaliens hätte in Deutschland Anstoß gegeben
und demgemäß den Grund für die Verurteilung Nikolaus' IL geboten;
vgl. schon Lindner, Anno S. 24 f. Allein diese Auffassung ist, wie mich
dünkt, durch den Zusammenhang bei Peter Damiani ausgeschlossen. Fetzer
argumentiert (S. 45) daraus, daß Peter nicht ausdrücklich sagt, der Konzils-
beschluß sei angegriffen worden. Wie alle argumenta e silentio ist dieser
Grund nicht gerade stark. Überdies ist klar, daß Peter bei der Kassierung
von omnia, quae ab eo fuerant statuta, in erster Linie an das Wahldekret
gedacht hat. Denn wie hätte er sonst behaupten können, damit hätten
dje Deutschen das Privilegium, das Nikolaus dem König im Wahldekret
erteilt habe, selbst aufgehoben? Weiter kommt in Betracht, daß das
Urteil der Deutschen ein Synodalurteil war, nicht, wie Meyer v. Knonau
sagt, ein Urteil des Hofgerichts, oder, wie Fetzer annimmt, ein Urteil auf
Grund gerichtlicher Entscheidung. Für ein Synodalurteil aber bot die un-
rechtmäßige Belehnung keine genügende Grundlage; die Synode bedurfte
kirchlicher Handlungen des Papstes. Und paßt der Ausdruck: Omnia quae
ab eo fuerant statuta, überhaupt auf Belehnungen? Wie mich dünkt,
paßt er sehr schlecht. Dagegen gebrauchte Nikolaus die Wendungen:
statuimus, statutum est, mehrfach in seinem Dekret, wie auch in seiner
Synodica. Freilich ist jener Ausdruck zu weit, als daß man annehmen
könnte, die deutsche Synode habe ausdrücklich nur die Wahlordnung
kassiert. Sie wählte vielmehr eine allgemeine Formel, welche die Ver-
fügungen des von ihr verdammten Papstes überhaupt außer Geltung setzte.
In der Tat hatten die Deutschen sich nicht nur über die Wahlordnung zu
beklagen: das Investiturverbot war für Deutschland mindestens ebenso be-
denklich; auch die Aufhebung der Aachener Statuten war anstößig, nicht
minder die Verwerfung von Amtshandlungen von Simonisten im 3. Kanon
der Synode von 1060. Hier überall war es nicht schwer, zu zeigen, daß
die päpstlichen Verordnungen Neuerungen waren. Man hatte also Grund
genug, omnia quae ab eo fuerant statuta, aufzuheben. Wie sollte man
aber dabei so blind gewesen sein, gerade das Wichtigste zu übersehen?
1 Benzo und Deusdedit bringen den Synodalbeschluß in Zusammen-
— 702 —
was sie wollten, wußte man in Deutschland nur, was man nicht
wollte.
Es fehlt jede Nachricht darüber, wie in Rom der deutsche
Synodalbeschluß aufgenommen wurde. Wenn man aber aus der
Art, wie Peter Damiani zwei Jahre später sich über die Sache
äußerte^, Folgerungen ziehen darf, so erkannte man trotz der
Entrüstung über die unerhörte Kühnheit der Bischöfe den von
Deutschland vollzogenen Bruch nicht an. Man entschuldigte den
König mit seiner Jugend und warf die ganze Schuld auf seine
Räte. Was heißt das aber anders, als daß man auf einen Um-
schlag der deutschen Politik rechiiete? Allein, ehe er eintrat, starb
Papst Nikolaus, den 27. JuU 1061 ^
Jetzt mußte die Wahlordnung ihre Probe bestehen; aber sie
mißlang. Denn der Tod des Papstes führte wie von selbst zur
Verbindung derjenigen, die durch das Vordringen der päpstlichen
Macht geschädigt oder bedroht waren. Dadmxh aber wurden alle
Voraussetzungen und Erwartungen, auf die die römische Politik
gebaut war, gestört. In Rom entfesselte die Kunde vom Tod des
Papstes einen Aufiirihr ^. Der Adel, an der Spitze wieder der
Graf Girard von Galeria, bemächtigte sich der Leitung* der Be-
wegung. Hatte der deutsche Episkopat die Wahlordnung auf-
gehoben, so behandelte sie der römische Adel als nicht vorhanden ;
er tat jetzt im Ernste, was im Jahre 1058 zum Schein geschehen
war: er sandte eine aus Laien und Klerikern bestehende Gesandt-
schaft nach Deutschland, um dem jungen König im Namen des
hang mit Anno von Köln. Lindner S. 24 nimmt die Nacliriclit an und er-
klärt sie durch die Beziehungen Annos zu Gottfried. Dagegen lehnt sie
Meyer von Knonau I'S. 686 u. a. ab. Ich halte das Zeugnis Benzos nicht
für ganz so schlecht wie er, und bin deshalb geneigt, die im Text hervor-
gehobene, absichtlich schroffe Haltung der Kurie gegen den deutschen
Episkopat als einen Erklärungsgrund des Beschlusses zu betrachten. Die
Kombination Lindners scheint mir dagegen wenig einleuchtend.
^ Discept. synod. S. 87. Hängt der erneuerte Versuch Peters, von
seiner Stellung in Rom entbunden zu werden, op. 19 S. 423 ff., mit dem
drohenden Kampf mit dem Königtum zusammen?
2 Der Todestag ist nicht sicher. Das angegebene Datum bei Bemold.
Das Nekrologium von Monte Cassino nennt den 19. Juli, Muratori, Scr.VII
S. 944; für dieses Datum entscheidet sich mit einem .wahrscheinlich* Meyer
von Knonau I S. 216.
3 Leon. ehr. Cass. HI, 19 S. 211; vgl. P. Dam. Disc. syn. S. 81.
* Martens verschiebt meines Erachtens das Bild, indem er von einer
regalistischen Partei in Rom spricht, S. 123 ff. Eine solche gab es nicht;
der Adel benützte augenblicklich nur das Königsrecht.
— 703 ~
römischen Volkes eine Krone und andere Geschenke zu über-
bringen und von ihm di§ Ernennung eines neuen Papstes zu er-
bitten \ In derselben Zeit traten die lombardischen Bischöfe zur
Beratung über die augenblickliche Lage zusammen. Ihr Führer
war der kaiserHche Kanzler Wibert, Er konnte das Wahldekret.
das er selbst mit beschlossen liatt«, nicht verleugnen; aber er
erklärte, der sechste Paragraph enthalte lediglich eine Bestätigung
der patrizischen Rechte Heinrichs IV. Auf Grund dessen kamen
auch die Lombarden zu dem Beschluß, über die Neuwahl mit dem
deutschen Hofe zu verhandeln. Sie wünschten die Wahl eines
Mannes aus ihrer eigenen Mitte, des Bischofs Cadalus von Parma.
Als ihre Boten gingen die Bischöfe von Piacenza und VercelU
nach Deutschland^.
Die Lage der Dinge war für die Kurie außerordentlich be-
denklich. Der unumschränkte Führer war nun Hildebrand; denn
der einzige Mann, der mit ihm hätte wetteifern können, Kardinal
Humbert, war tot; er war kurz vor Nikolaus, am 5. Mai 1061,
gestorben ^. Hildebrand aber bewies sich der Lage in jeder Hin-
sicht gewachsen ; die Maßregeln, die er ergriff, waren ebenso sicher
gedacht als rasch vollzogen: er bestimmte Anselm von Lucca zum
Papste und reiste selbst nach Oberitalien, um ihn zur Annahme
der höchsten Würde zu bewegen*. Ohne Zweifel entsprach die
Wahl dieses Mannes vorzüglich den augenblicklichen Verhältnissen;
denn einerseits zeigte sie den Lombarden, daß die Kurie vor den
Bischöfen nicht zurückweichen und an der Pataria unbedingt fest-
halten würde; andererseits war die Anerkennung Anselms der
Kaiserin nicht unmöglich: seine Tüchtigkeit war allgemein aner-
kannt^, er gehörte nicht dem Kardinalskollegium an und er hatte
von lange her Beziehungen zum deutschen Hofe^; seine Wahl
1 Die Sendung der Römer berichten die deutschen Quellen Berth.,
Bern. z. 1061, sodann Benzo VII, 2 S. 672 und Annal. Rom. S. 255. Den
Grafen Gerhard und den Abt des Klosters Clivus Scauri nennt Pet. Dam.
Diso. syn. S. 90, andere Große die Ann. Rom. S. 255. Daß der Adel als
Vertreter des römischen Volks handelte, bemerkt ebenfalls Peter.
■2 Hauptquelle ist Bonizo VI S. 594 f. Die Bischöfe von Piacenza und
Vercelli nennen Pet. Dam. ep. 1, 20 S. 242 und Leo ehr. Gas. III, 19 als
Wähler des Cadalus; nach Lage der Sache waren sie die Gesandten der
Lombarden. ^ Halfmann S. 21.
* Wenn den Ann. Rom. S. 255 zu trauen ist. Auf das Widerstreben
Alexanders Ann. Altah. z. 1064 S. 65 ist natürlich kein Gewicht zu legen ;
es war eine Forderung des klerikalen Anstands.
5 Vgl. Arnulf Gest. arch. Med. III, 19 S. 22.
6 Vgl. Meyer v. Knonau I S. 669 ff.
— 704 —
konnte geradezu als Entgegenkommen gegen die Kaiserin betrachtet
werden. Der formelle Vollzug hatte keine Schwierigkeit: die Kardi-
näle waren einig, eine Anzahl Stimmen aus der römischen Be-
völkerung für ihren Kandidaten zu gewinnen^; war vollends keine
Mühe. Um den Widerstand der Gegner niederzuhalten, wurde
Richard von Capua nach Rom beschieden. In seiner Gegenwart
ist Anselm am 30. September 1061 als Alexander IL gewählt
worden. Er sollte sofort inthronisiert werden. Aber nun zeigte
es sich, wie stark die Gegner waren: sie verlegten ihm den Weg
zur Kirche St. Peter ad vincula. Vergeblich suchte Richard sie
zu vertreiben; erst in der Nacht gelang es, den Zugang zur Kirche
zu erzwingen: und nun führte der normannische Graf, das blutige
Schwert umgürtet, den neugewählten Papst zur bischöflichen Ka-
thedra. Aus der Kirche geleiteten ihn die Normannen zum Lateran.
Am Morgen des 1. Oktober hatte Rom wieder einen Papst. So
wurde Alexander IL inthronisiert^.
1 Benzo II, 4 S. 614, nennt Cencius Frangipane, Johannes Brachiuto
und Leo de Benedicto Christiano; vgl. Ann. Rom. S. 255. Leo ehr. €as.
III, 19 spricht von nobiles Romani, ohne Namen zu nennen, während Bonizo
die Rom. capitanei überhaupt als Gegner Alexanders betrachtet, S. 595,
zugleich aber behauptet, Alex, sei von clerus et populus Romanus gewählt,
S. 594.
2 Leon, chron. Gas. III, 19; Benzo VE, 2 S. 672; Ann. Altai, z. 1061
S. 58; P. Dam. Disc. syn. S. 81 u. 87; vgl. Ann. Aug. z. 1061 S. 127 u. Ber-
nold z. d. J. S. 428. Der Vorwurf Benzos, bes. 11,4 S. 614: vgl. auch Ann.
Altab. 1. c, daß Hildebrand die Normannen bestochtn habe, scheint mir
angesichts des Lehenseides wenig glaubwürdig. Daß die Wahl in Rom statt-
fand, bezweffele ich nicht. Die Behauptung Peter Damianis S. 91 wird
durch Leo bestätigt, der Desiderius zur Teilnahme an der Wahl nach Rom
reisen läßt. Die Worte: In ipsius sedis apostolicae gremio, können, wenn
sie nicht eine leere Phrase sind, nur bedeuten: im Lateran; auch das ist
nicht unglaublich. Denn Benzo S. 672 macht wahrscheinlich, daß der Lateran
im Besitze der Päpstlichen war. Endlich halte ich für wahrscheinlich, daß
man der Formel des Wahldekrets gemäß handelte; die Hauptsache \sar
gegeben: Alexander war der Erwählte der Kardinäle. Die Nebensache,
den Konsens von ein paar Dutzenden oder ein paar Hunderten von römischen
Klerikern und Laien — das genügte, um von der melior pars cleri et
populi zu reden — konnte Hildebrand sicher mit leichter Mühe herbei-
führen. Die Handlung konnte — äußerlich — um so geordneter verlaufen,
als die Partei unter sich handelte. Die Schwierigkeiten fingen erst an, als
man auf das Feld vor dem Lateran kam und den Weg nach S. Pietro in
Vincoli verschlossen fand. Martens irrt hier, wie so oft, indem er die
Worte zu sehr preßt und Gegensätze sucht, wo keine sind. Der antiquus
_ 705 —
Seine ersten Handlungen waren ein Bekenntnis zu der bis-
herigen päpstlichen Politik: er nahm am 2. Oktob&r Richard als
päpstlichen Lehnsmann in Pflicht-^ und er tat dem Klerus und
Volk von Mailand seine Erhebung kund'-^. Es war selbstverständ-
lich, daß Hildebrands Einfluß unvermindert blieb ^.
Hildebrand hatte trotz aller Schwierigkeiten schneller zu han-
deln gewußt als der deutsche Hof. In dem Augenblick, in dem
es wieder einen neuen Papst gab, war fijr den letzteren der günstige
Moment vorüber. Begreiflich genug, daß die Wahl und Inthroni-
sation Alexanders die vorhandene Erbitterung noch steigerte*.
Aber die verlorene Zeit war nicht wieder einzuholen. Erst Ende
Oktober 1061 trat eine Versammlung geisthcher und weltlicher
Großer in Basel zusammen, um zu der römischen Frage Stellung
zu nehmen. Der deutsche Episkopat war nur dürftig vertreten^,
dagegen erschienen neben den Boten der Homer und der lombar-
dischen Bischöfe der italienische Kanzler Wibert und der Kandidat
der Lombarden, Cadalus von Parma ^. Maßgebend waren für die
Versammlung die Anschauungen, die unter Heinrich III. gehen-scht
hatten. Demgemäß wiu"de der noch nicht ganz einährige Heinrich
mit der von den Römern übersandten Krone gekrönt und als
Patricius proklamiert. Dadurch schien ein sichejrer Rechtsboden
geschaffen. Für das weitere Verfahren gewährte der Vorgang von
1058 das Muster: wie damals die Römer um die Erhebung Ger-
hards gebeten und die Kaiserin sie gutgeheißen hatte, so wählten
jetzt die römischen Gesandten Cadalus, und der König bestätigte
usus in Alexanders Rede und die decreta maiorum Bonizos stehen nicht in
unausgesprochenem Gegensatz zu dem Wahldekret. Das letztere wollte ja
nichts anderes sein als die Erneuerung der decreta maiorum.
1 Deusded. coli, canon. III, 159 S. 341, der Eid Richards.
- Der Brief ist von Peter Damiani verfaßt, also erbaulichen Tons.
Bezeichnend ist, daß der Erzbischof nicht eigens genannt wird, ep. V, 7
S. 348 f.
ä Hildebränd hat später gelegentlich erwähnt, daß diese und jene
Maßregel Alexanders mit seiner Zustimmung getroffen worden sei; vgl.
Reg. 11,77 S. 201; VII, 23 S. 414; Cod. Udalr. 33 S. 63.
* Ygl. Leo 111,19 S. 711: Indignatione nimia ducti, quod haec sine
illorum consilio et auctoritate gesta fuissent.
5 Ann. August, z. 1061 S. 127: Archiepiscopis et ceteris episcopis non
consentientibus. Für die Anwesenheit Heinrichs von Augsburg spricht die
— an und für sich wirre — Notiz der Ann. Altah. z. 1060 S. 56.
^ Cadalus ist an der angef. Stelle der Ann. Altah. genannt. Wibert
unterzeichnet als Kanzler eine ürk. v. 31. Okt. 1061, Stumpf 2596a.
Hauck, Kirchengeschiclxte. III. 45
.— 706 —
ihre Wahl. Die Erhebung Alexanders wurde ausdrückhch ver-
worfen. Das geschah am 28. Oktober^.
Das Schisma war da. Der deutsche Hof, von dem die Keform
des Papsttums ausgegangen war, der die Herrschaft des Adels
über die Päpste zerstört hatte, brach jetzt mit dem reformierten
Papsttum, und machte gemeinsame Sache mit dem Führer der
römischen Kapitäne, einem notorischen Straßenräuber ^. Er folgte
dem Impuls des lombardischen Episkopats, der durch die Feind-
schaft wider die demokratischen Reformfreunde zum Gegner der
Reform selbst geworden war. Und das geschah unter einer Fürstin,
deren ganze Vergangenheit und deren persönliche Überzeugung sie
unlösbar an die Reformpärtei fesselten^. Selten hat es eine un-
glücklichere Komplikation gegeben als diese. Das schlimmste war,
daß der Hof in der Verteidigung des klaren königUchen Rechtes
auf diesen unhaltbaren Punkt gelangt war. Gab es einen Rück-
weg ohne Schädigung des Rechtes, das er verteidigte, ohne Gewinn,
nicht für die Reform, aber für die Herrschaftsansprüche der ehe-
maligen Reformfreunde?
Die Ernennung eines Gegenpapstes durch die Kaiserin sah
aus wie ein kühner Entschluß; tatsächlich war sie nur eine Folge
davon, daß dieser Herrscherin das Vermögen, einen Entschluß zu
fassen und eine selbständige Maßregel zu treffen, völhg gebrach.
Das gleiche Unvermögen zeigt ihr weiteres Verhalten. Sie hatte
Cadalus, oder, wie er sich als Papst hieß, Honorius Tl.* zum
Papst ernannt. Aber sie tat nichts, ihm die ^Anerkennung als
Papst zu verschaffen. Die Voraussetzung dafür war seine Inthroni-
sation, also die Einnahme Roms. Aber die Kaiserin überließ ihm
1 Ann. Aug., Berth., Bern. z. 1061; Ann. Altah. z. 1060 S. 56 u. Lamb.
z. 1063 S. 81; P. Dam. ep. I, 20 f. S. 237 ff., op. 18,2.8 S. 414; Bonizo VI
S. 595; Benzo II, 1 S. 612 u. 4 S. 614; Arnulf III, 19. S. 22; Leo III, 19 S. 711.
Was die Simonie anlangt, so stimmt Meyer von Knonau S. 227 Anm. 60
mit Unrecht Martens zu, daß das Schweigen bei P. Damiani Cadalus in
diesem Punkte freispreche. Im Gegenteil, Peter behauptet sehr bestimmt,
Cadalus habe für seine Erhebung Geld gezahlt, ep. 1, 20 S. 241 : Cur tu
onus onerum . . non modo non paras aufugere, sed ultro etiam preces et
precium offerendo anxie te conaris intrudere? vgl. weiter oben S. 240 und
21 S. 248. Bewiesen scheint mir der Vorwurf allerdings auch durch solche
Äußerungen nicht.
2 Über Gerhard von Galeria s. Pet. Dam. Disc. syn. S. 91.
^ Mit den Gewissensbedenken der Kaiserin mag es zusammenhängen,
daß sie zwei Monate nach dem Baseler Tag den Schleier der Nonne an-
legte, s. Ann. Weißenb. z. 1061 S. 51; Berth. z. 1062 S. 272.
•^ Bern. z. 1061 S. 428.
— 707 —
selbst, eine Kriegsmacht aufzubringen: sie glaubte, genug getan zu
haben, wenn sie den itaUenischen Großen den Auftrag erteilte, ihn
nach Rom zu führend Das waren wertlose Worte. Als Cadalus
von Parma aus gegen das römische Gebiet vorrückte, verlegte ihm
Beatrix von Tuscien den Weg*; ohne deutsche Soldaten war Rom
nicht zu erobern.
Und nicht genug daran. Nicht einmal dafür wurde Sorge
getragen, daß der deutsche Episkopat sich dem Papste der Kaiserin
anschloß. In ganz Norddeutschland gab es keinen angeseheneren
Bischof als Adalbert von Hamburg: seine Treue gegen Kaiser und
Reich wurde von niemand angezweifelt. Welchen Eindruck mußte
es machen, daß gerade er mit dem in Basel abgesetzten Alexander
Beziehungen unterhielt und von ihm als päpsthcher Legat aner-
kannt wurde ^! Der jüngste unter den deutschen Erzbischöfen war
Gebhard von Salzburg; an Ansehen konnte er nicht entfernt mit
Adalbert wetteifern. Und doch ist es für die Lage noch bezeich-
nender, daß auch er Alexander und nicht Honorius als Papst an-
erkannte. Denn Gebhard hatte unter Heinrich HL in der könig-
lichen Kapelle gedient; er hatte unter Agnes als Kanzler fungiert,
sie selbst hatte ihm Ring und Stab erteilt, und nun erbat er,
wenige Wochen, nachdem die Baseler Versammlung ihren Spruch
gefällt hatte, von Alexander das Pallium*. Das sind Vorgänge,
die mit zweifelloser Sicherheit beweisen, daß die deutsche Kirche
für Cadalus verloren war, schon ehe er den Kampf um Rom
eröf&iet hatte.
Dieser Tatsache gegenüber haben die Vorgänge in Rom ge-
ringe Bedeutung^. Um den Kampf vorzubereiten, ging Bischof
Benzo von Alba im Winter 1061 — 1062 nach der Stadt. Ein
^ Benzo II, 1 S. 612. Die Quelle ist schlecht; aber der Befehl ist
wahrscheinlich .
2 Bonizo VI S. 595, Benzo II, 1 S. 612. Von den beiden fast gleich
unsicheren Zeugen nennt der erstere Beatrix, der letztere Grottfried. Eine
sichere Entscheidung läßt sich nicht treffen. ^Da die Grafschaften Reggio,
Modena und Mantua in Gottfrieds Besitz waren, s. Jung S. 9 ff., so mußte
Cadalus dessen Gebiet durchziehen, um in das römische zu gelangen.
" J.W. 4471 ff. Dem päpstlichen Schreiben ging eine Sendung Adal-
berts voraus. * Vita Gebeh. 1 Scr. XI S. 85.
5 Hauptquelle für das Folgende ist Benzo (II, 1 ff. S. 612 ff.), der hier
mehr Glauben verdient als gewöhnlich, da er als Augenzeuge spricht, und
vielfach eigene Erlebnisse berichtet. Die Hauptdaten werden durch die
deutschen wie italienischen Quellen bestätigt: Ann. Altah. z. 1062 S. 60f.,
August. S. 127, Herim. contin. S. 732, Berth. S. 272, Ann. Rom. S. 255,
Bonizo VI S. 595. Über Benzo handelt Lehmgrübner, B. v. A., Berlin 1887.
45*
— 708 —
überzeugter Anhänger der kaiserlichen Gewalt, furchtlos und ge-
wandt, stets fertig mit dem Wort schien er der rechte Mann, um
auf die Römer zu wirken. Auch kannte er sie genau genug, um
sie gründlich zu verachten; durch Gewisseusbedenken aber ließ er
sich in der Wahl seiner Mittel nicht viel behindern. Zunächst
hatte er großen Erfolg. Ohne bewaffnetes Gefolge, aber reichUch
mit Geld versehen, zog er durch Toscana: es gelang ihm, die tuski-
schen Grafen zu gewinnen; sie geleiteten ihn nach Rom. In der
Nähe der Stadt, bei der Kirche S. Pancrazio, holten ihn die
römischen Herren ein, alle in Waffen. Jubelnd empfing ihn das
Volk in Trastevere, in Rom: es habe ihn, sagt er selbst, wie einen
Papst begrüßt. Als Beauftragter der Kaiserin nahm er seinen Sitz
auf dem Kapitol: dort empfing er den Treueid der Römer für den
jungen König.
Alexander war Zeuge dieser Vorgänge. Daß er in Rom blieb,
war kein kleiner Beweis von Mut. Ja, als Benzo das römische
Volk zu einer Versammlung in einem Zirkus, vielleicht in den
Ruinen des Zirkus Maximus berief, fand auch er sich ein. Stürmisch
drohender Zuruf begrüßte ihn. Dann ergriff Benzo das Wort.
Mit leidenschaftHcher Heftigkeit warf er ihm Eidbruch an Kaiser
Heinrich und seinem Sohn und simonistische Erwerbung der päpst-
lichen Wüi'de vor; er gab ihm Schuld an dem in der Nacht des
ersten Oktober vergosseneu Blut, gebot ihm, auf Grund seines Eides
aus dem Lateran, aus Rom, vom päpstlichen Stuhl zu weichen: er
sollte nach Lucca zurückkehren und binnen eines Monats sich vor
dem König rechtfertigen. Seine Worte entfesselten einen Sturm
der Zustimmung. Aber Alexander wich nicht: man hörte kein
unehrerbietiges Wort gegen den König und den Hof aus seinem
Mund; kurz und bestimmt versicherte er, in Treue gegen den
König habe er das päpstliche Amt übernommen ; er werde nicht
zögern, einen Boten an den König zu senden, um mit ihm zu ver-
handeln. Mit dieser Erklärung verHeß er die Versammlung. Die
Stimmung in Rom vermochte er dadurch nicht umzuwandeln. Nach
einer neuen Verhandlung mit Benzo erkannte der römische Adel
Cadalus als Papst an und forderte ihn auf, nach Rom zu kommen.
So günstig schien seine Sache zu stehen, daß die süditalienischen
Gegner der Normannen in Verbindung mit Benzo traten.
Somit war der Weg geebnet. Im Frühjahr 1062 konnte
Cadalus von neuem zum Zug nach Rom aufbrechen. Diesmal gelang
es ihm, ungehindert die Apenninen zu überschreiten. Ende März
stand er in Sutri; dort vereinigten sich Benzo und die römischen
Großen mit ihm. Seinem Einzug schien kaum mehr ein Hindernis
im Wege zu stehen. Denn seine Anhänger hatten sowohl den
— 709 —
Ponte Molle als auch die Engelsbriicke für ihn gesichert: sie er-
warteten, Alexander werde freiwillig die Stadt räumen.
Aber Hildebrand hatte längst erkannt, daß der Streit der
beiden Päpste mit den Waffen entschieden werden müßte, und
hatte demgemäß seine Vorbereitungen getroffen. Auch Alexander
war gerüstet. Am 14. April wurden die beiderseitigen Truppen
auf den neronischen Wiesen handgemein. Dabei erlitt die Mann-
schaft Alexanders eine vollständige Niederlage. Trotzdem blieb
ihm der Sieg; denn am 19. zog Cadalus von Rom ab, ohne daß
es ihm gelungen war, die Stadt zu betreten. Er nahm Stellung
am Abhang des Albanergebirgs bei Tusculum. Dort scharte sich
der Adel der Campagna um ihn. Das MiJßlingen vor Rom dämpfte
die Zuversicht auf einen baldigen Sieg nicht. Als vollends die
Nachricht von einer schweren Erkrankung Alexanders ins Lager
kam, als der griechische Kaiser Cadalus als römischen Bischof
anerkannte, schien an dem glücklichen Gelingen kaum mehr ein
Zweifel.
In Rom war die Stimmung nicht weniger entschlossen. Frei-
lich die Verschiedenheit der Anschauungen bei Alexanders An-
hängern machte sich auch jetzt bemerklich. Denn während Hilde-
brand der Organisator des kriegerischen Widerstands war, konnte
Peter Damiani die schwersten Bedenken dagegen nicht unter-
drücken, daß die Kirche befugt sei, ihr Recht mit den Waffen zu
verteidigend Gleichwohl stand seine Überzeugung von dem Recht
Alexanders und von dem Siege seiner Sache felsenfest. Er
glaubte, Cadalus' Unrecht sei so sonnenklar, daß, wenn es ihm
nur offen vorgehalten werde, er dem Rücktritt nicht ausweichen
könne". Und er wähnte, seine Katastrophe sei so unvermeidlich,
daß er wagte, ihm zu weissagen, er werde den Ablauf des Jahres
nicht erleben^.
Gottfried von Lothringen hatte den Dingen bisher ihren Lauf
gelassen. Möglich, daß er während des Winters von Italien ab-
wesend war und erst im Frühjahr zurückkehrte^. Nun aber,
Mitte Mai^, griff er ein. Das Bedeutende dabei ist, daß er sich
nicht einfach auf die Seite des Hildebrandischen Papstes stellte,
sondern daß er eine neutrale Haltung einnahm : indem er den beiden
Päpsten erklärte, der König habe ihren Streit zu entscheiden,
1 S. den Brief an Orderich von Firmo, IV, 9 S. 313 f. aus d. März 1062.
2 Ep. I, 20 u. 21 S. 287 ff.
^ Ep. I, 20 S. 247 : Non ego te fallo, coepto morieris ia anno.
* S. Jung S. 44 und Meyer von Knonau I S. 246 u. 262.
5 Bonizo VI S. 595: Antequam niensis esset transactus.
- 710 —
machte er dem Kampf ein Ende. Wie er forderte, kehrten sie
A'orläufig in ihre Bistümer zurück^.
Schon die Zeitgenossen haben das Verhalten Gottfrieds sehr
verschieden beurteilt, und die Gegenwart ist nicht einiger in ihren
Ansichten über dasselbe. So viel wenigstens ist einleuchtend, daß
Gottfried nicht als der Bundesgenosse Hildebrands und Alexanders
handelte. Und das ist sehr verständHch. Denn daß das Papsttum
durch die Verbindung mit den Normannen an politischer Selb-
ständigkeit und Bedeutung ungemein gewonnen hatte, war für den
nördlichen Nachbar des Kirchenstaats kein Vorteil. Seine Macht
sank, indem die der Päpste stieg. Je verhaßter ihm die Normannen
waren ^, um so weniger erfreulich war dieser Zustand für ihn. Und
gewiß wurde er dadurch nicht wirklich mit ihm ausgesöhnt, daß
die Kurie sich gelegentlich seinen Interessen dienstbai' zeigte^.
Überdies war auch in Mittelitalien ein unausgesprochener Gegen-
satz zwischen den Interessen des Herzogs und denen des Papstes
vorhanden. Wir erinnern uns, daß Gottfried nach dem Tode seines
Bruders Spoleto und Camerino besetzt hatte: er schnitt dadurch
die direkte Verbindung zwischen Rom und dem ravennätischen
Gebiete ab. Wenn nun von Rom aus das Ansinnen an ihn ge-
stellt wurde, jene Gebiete einem eigenen Herzog zu übertragen ^^
so hätte er nicht so argwöhnisch sein müssen, wie er war, wenn
er nicht den Wunsch darin gesehen hätte, seine Rom beschwer-
liche Macht zu vermindern. Für die Kurie war er ein nützlicherer
Bundesgenosse, wenn er minder mächtig war. Aus diesen Ver-
hältnissen erklärt sich sein Verfahren. Er lieferte dadurch den
Leitern der päpstlichen Politik den eindringlichen Beweis, daß er
trotz der normannischen Lehnsleute unentbehrlich war. Auf die
Entscheidung des Königs aber konnte er um so leichter verweisen,
da er den Umschwung kannte, der in Deutschland eingetreten war®
und da er mit den jetzt maßgebenden Persönlichkeiten sich im
Einverständnis befand ^
1 Bonizo a. a. 0. ;- Benzo U, 13 S. 617 ; Ann. Altah. z. J. 1062 S. 60 f.
Die beiden Parteidarstellungen sind ersichtlich tendenziös.
2 Leo ehr. Cas. II, 97 S. 694 : Qui maximo illi odio erant,
3 P. Dam. ep. I, 7 S. 211; vgl. oben S. 691; zur Sache Jung S. 39fF.
* P. Dam. op. 57, 1 S. 819. Wie mir scheint, kann man bei der
monarchia haec, in qua pene centum millia degunt hominum, nur an Spo-
leto und Camerino denken.
5 Der Kaisers werther Raub fand Anfang April statt, Meyer v. Knonau I
S. 278. Mitte Mai war die Nachricht davon also längst in Italien.
« Vgl. Jung S. 45.
— 711 —
So unhaltbar die Stellung war, welche die Kaiserin im Herbste
1061 Rom gegenüber einnahm, ebenso unhaltbar war ihre Lage
im Reich. Die Großen wai-en unbotmäßig, die Räte, welche den
Hof der Kaiserin bildeten, waren wenig würdige Persönlichkeiten,
überall klagte das Volk über mangelnden Schutz des Rechts^,
Unzufriedenheit, Mißtrauen, und, was die Folge davon ist, Untreue
bemerkt man auf allen Seiten. In einer Episode, dem Streit der
Kaiserin mit Bischof Günther von Bamberg, enthüllt sich der ganze
Jammer der deutschen Verhältnisse. Sie mag deshalb hier er-
wähnt werden-. Günther war unter Heinrich III. Kanzler für
Italien gewesen^; man darf ihn in seinen religiösen Überzeugungen
als einen Gesinnungsgenossen des Kaisers betrachten : es nagte ihm
am Herzen, wenn er sehen mußte, daß Unrecht geschah*. Dabei
war er eine jener bevorzugten Persönlichkeiten, die schon durch
ihre Erscheinung gewinnen, schön, wohlwollend, leutselig und zu-
gleich voU Mut und Tatkraft ^ Die Kaiserin schätzte ihn: wir
haben bemerkt, daß er einer der ersten Bischöfe war, den sie er-
nannte; sie hat ihm in der nächsten Zeit zahlreiche Beweise ihrer
Gunst gegeben ^. In seiner Amtsführung bewies er sich als Freund
der Reform. Schon am 13. April 1059 hielt er eine Diözesan-
synode; es gab in dem jungen Bistum, dessen Bevölkerung zum
großen Teil noch wendisch war, mancherlei zu tadeln und zu bessern'.
Auch mit der Aufsicht über die Klöster machte er Ernst. In einem
der Frauenklöster fand er die übelsten Zustände^: die Äbtissin
1 Ann. Altah. z. 1060 S. 56, z. 1062 S. 59; Vit. Heinr. 2 S. 18; Tradit.
Fuldens c. 60a S. 138 v. 1058; Adam 111,33 S. 118.
- Quellen für den Streit sind einige Bamberger Briefe bei Sudendorf,
Registr. II S. 5 ff. Nr. 4, 5, 7—11, und Giesebrecbt, KZ. III. S. 1226f. Nr. 2.
Die Briefe gehören mit Ausnahme von S. 11 und G. 2 sicher in das J. 1061.
Daß diese beiden Briefe vor das Kaiserswerther Ereignis fallen, scheint
mir sehr wahrscheinlich. Nur bei dieser Annahme ist der Satz „De mea
cum domna etc." und die Warnung in Nr. 11 ganz verständlich. Eine
Notiz über den Streit bei Bernold z. 1062. « Yg]_ gt. s. 174.
* S. Lambert z. 1056 S. 68 u. 1065 S. 96.
•> Lambert z. 1065 S. 96 ü. 99, Ann. Altah. z. 1065 S. 66.
« S. St. 2543, 2545, 2583, 2589. ' Mansi XIX, 883 ff.
« Man denkt an Kitzingen, dessen Besitz am 30. Aug. 1060 dem Bischof
bestätigt wurde, St. 2589; außerdem besaß Bamberg die Kl. Bergen im
B. Eichstätt und Neuburg im B. Augsburg. In der Bamb. Diözese selbst
lag damals kein Frauenkloster. Ich halte für wahrscheinlicher, daß an
Neuburg, als daß an Kitzingen zu denken ist. Wenn Heinrich von Augsburg
sich der abgesetzten Äbtissin annahm, so erklärt sich die sonst unerklär-
liche Parteinahme der Kaiserin.
- 712 —
hatte die stiftungsmäßige Zahl von vierzig Schwestern auf die
Hälfte herabgesetzt, und diese wenigen wurden auf alle Weise
vernachlässigt; selbst an Nahrung und Kleidung litten sie empfind-
lichen Mangel. Den nicht unbedeutenden Kirchenschatz mußten
sie verschleudert sehen. Es konnte nicht ausbleiben, daß Zucht
und Ordnung im Kloster aufhörten. Die besseren Nonnen beklagten
es und verlangten, daß der Bischof einschreite; andere führten un-
gescheut ein wahres Lasterleben. Günther tat seine Pflicht, indem
er die Äbtissin vor sein Gericht forderte und trotz ihres Protestes
unter Beirat seiner Getreuen ihres Amtes entsetzte. Sie wandte
sich nun an den Hof und, so unglaublich es klingt, es gelang ihr,
die Kaiserin ganz für sich zu gewinnen. So eifrig ergriff diese die
Partei der Schuldigen, daß man in Bamberg besorgte, sie werde,
wenn ihre Bitte um Wiedereinsetzung vergeblich sei, den Bischof
zwingen, ihr zu Willen zu sein. Da Günther nicht nachgab, zeigte
sie sich ihm offen ungnädig; geradezu unerträglich, sagt Günther,
sei sie gegen ihn; vor den Fürsten beklage sie sich, daß er ihr
das mannigfachste Unrecht zugefügt habe, aber sie schneide ihm
die Möglichkeit ab, sich zu rechtfertigen. Der Streit brachte dem
Bistum den größten Schaden; deini die Raublust der adeligen
Herren sah in der kaiserlichen Ungnade die Aufforderung, die
bischöflichen Orte zu überfallen und auszuplündern.
Niemand kann es dem Bischof und seiner Umgebung verargen,
daß sie über das Verhalten der Kaiserin den größten Unwillen
empfanden. Äußerte sich Günther mit einer gewissen Mäßigung,
so sprachen seine Kleriker um so heftiger. Man konnte in Bamberg
die schwache Kaiserin als eine tobende Furie bezeichnet hören;
die alte Abneigung gegen die Französin erwachte mit neuer Kraft:
man traute ihr in ungerechtem Argwohn das Schlechteste zu.
Das Unglück war, daß diese Stimmung nicht nur in Bamberg,
sondern überall in Deutschland herrschte, wenn sie sich auch nicht
mit derselben Leidenschafthchkeit aussprach, wie dort.
Bischof Günther war von lange her mit dem Erzbischof Anno
von Köln befreundet^. Neben Adalbert von Bremen war Anno
der erste Prälat des Reichs, ein Mann von ungewöhnlicher körper-
licher und geistiger Rüstigkeit. Sein Vater, der schwäbische Ritter
Walter dachte nicht anders, als er würde einen Kriegsmann aus
seinem Sohne machen: aber den Plan des Vaters kreuzte des
^ Die wenig wertvolle Biographie Annos Scr. XI S. 465 ff.; eine ein-
gehende, vom Standpunkt des Bewunderers aus geschriebene Charakteristik
bei Lambert z. 1075 S. 242 ff.; Lindner, Anno IL d. H. 1869. Einige Briefe
bei Giesebrecht III S. 1228 ff.
— 713 —
Knaben bestimmter Wille: wie er wollte, so wurde er ein Kleriker.
Seit dem 3. März 1056 war er Erzbischof von Köln. Er war
gewiß kein unwürdiger Bischof. Wenn auch erst der Griffel
seines Biographen aus dem in den Geschäften des Reichs lebenden
Fürsten einen asketischen Heiligen gemacht hat, so darf man doch
aus seinen mid Lamberts Schilderungen so viel entnehmen, daß
er seine geistlichen Pflichten nicht vernachlässigte. Und welchen
Eindruck das asketische Leben auf ihn machte, davon aeugen die
fünf Klöster, die er gestiftet hat\ davon zeugt noch mehr seine
Bewunderung für Fructuaria, die Stiftung Wilhelms von Dijon.
Gleichwohl kann man nicht sagen, daß das rehgiöse Element das
Bestimmende in seinem Wesen war: er war durchaus auf das
Diesseits gerichtet. Der Sohn des armen Ritters hatte in seinem
Auftreten etwas Stolzes und Herrisches. Er liebte die Pracht.
Es gab wenige, die den durchdringenden Bhck seines Auges aus-
zuhalten vermochten; jedermann fühlte sich in seiner Nähe be-
fangen, selbst der junge König konnte sich dieses Gefühls nicht
erwehren. Das war nicht nur dui'ch seine überragende Begabung
verursacht, sondern nicht minder durch seine rücksichtslose Betonung
des eigeaen Ich. Schon als er in der Kapelle Heinrichs III.
diente, brachte er ohne Scheu vor irgend jemand seine Ansichten
zur Geltung^. Als er Bischof war, begünstigte und förderte er
seine Freunde und Verwandte, seine Vertrauten und Diener in der
unbedenklichsten Weiset An Rechtsverletzungen fehlte es dabei
nicht: er trug kein Bedenken, sein Kloster Maria zu den Staffeln
auf Kosten von Brauweiler zu bereichem*. Aber Unrecht, das
ihm widerfuhr, verzieh er niemals. Selbst seine Verehrer haben
den unversöhnlichen Haß getadelt, mit dem er den Aufetand der
Kölner i. J. 1074 vergalt^ Kein Wunder, daß sein reügiöses
^ St. Maria zu den StafFeln und St. Georg in Köln, Siegburg, Saalfeld
und Grafschaft.
- Lambert S. 243: Justi ac recti admodum tenax erat atque in Om-
nibus causis pro suo tum statu, non adulando ut caeteri sed cum magna
libertate obloquendo iustitiae patrocinabatur.
» Vgl. S. 668 über Burchard. Bei Adam 111,34 S. 119 sind ferner
Wezil V. Magdeburg, Kuno v. Trier, Eilbert v. Minden, Wilhelm v. Utrecht,
ein Patriarch von Aquileja und ein Bischof von Parma als durch Annos
Einfluß erhoben genannt. Es kann nur an Sigehard von Aquileja u. Eber-
hard von Parma gedacht sein.
■* Es handelte sich um das Weingut Clotten, das nach dem Willen
der Königin Richeza von Polen an Brauweiler fallen sollte, das aber Anno
nach Richezas Tod für St. Maria ad gradus in Beschlag nahm, Bruniw.
fund. actus 84 f. Scr. XIV S. 140 f. ^ Lambert S. 249 f.
— 714 —
Empfinden und seine kirchlichen Überzeugungen nicht stark genug
waren, ihn von simonistischen Handlungen zurückzuhalten \ Fragt
man nach seiner Stellung zu den das Zeitalter bewegenden Fragen,
so drängt sich eine Bemerkung sofort auf: Treue gegen den König
war diesem Bischof unbekannt; mochte er noch so entschieden
behaupten, daß sein Verhalten sowohl der Kirche als dem Reiche
diene ^, so täuschte er sich: er war nie, wozu Otto d. Gr. die
Bischöfe hatte machen wollen, eine zuverlässige Stütze des Thrones.
Denn er 'fühlte sich ausschließhch als Fürst ^, er ist die geistliche
Parallele zu Herzog Gottfried. Ebendeshalb lagen die kirchen-
poHtischen Ziele Hildebrands gänzlich außerhalb seines Gesichts-
kreises: die Freiheit der Kirche war nichts, wofür er sich begeistern
konnte. Seine Gegner haben ihm zugetraut, daß er den Ehrgeiz
hege, Papst zu werden*. Er hat diese Vermutung auf das ent-
schiedenste zurückgewiesen, und ohne Zweifel der Wahrheit gemäß:
er strebte nicht nach der päpsthchen Würde; denn er fühlte sich
als deutscher Fürst mehr denn als römischer Bischof.
Sein Ehrgeiz ging auf die führende Stellung im Reich. Des-
halb sollte das Regiment der Kaiserin aufhören. Und dank ihrer
Unfähigkeit war die Bahn für seine Absichten frei; er wußte die
unzufriedenen Fürsten weitlichen und geisthchen Standes um sich
zu scharen. PersönUch unterhandelte er mit den einflußreichsten
Männern^. Begreifüch, daß niemand entschiedener auf seine Seite
trat als Bischof Günther. Doch waren die Schwierigkeiten, die
einer Verbindung aller Fürsten entgegenstanden, nicht gering. Be-
sonders fiel ins Gewicht, daß der Erzbischof Siegfried von Mainz
sich anfangs ferne hielt. Günther fürchtete ihn als das Haupt
einer in Bildung begriffenen Gegenpartei. Auch Markgraf Dedi
und Otto von Nordheim stand er voll Argwohn gegenüber*^. Am
1 S. unten S. 739. ^ gj-ief bei Giesebrecht S. 1229.
^ Vgl. das Urteil des Biographen Heinrichs über das deutsche Fürsten-
tum vita Heinr. 2 S. 14. * Brief bei Giesebrecht S. 1228.
5 Annal. Altah. z. 1062 S. 59; vgl. Lambert S. 80.
« Cod. Udalr. 23 S. 46 = Brief 2 bei Giesebrecht S. 1226. Der chronol.
Ansatz ist nicht sicher; Giesebrecht S. 1093 verlegt den Brief in den Spät-
sommer 1062, dagegen nimmt Meyer v. Knonau I S. 271 an, daß er vor
dem Kaiserswerther Raub geschrieben wurde, also im Frühjahr 1062. Das
scheint auch mir wahrscheinlicher. Dann muß man aber annehmen, daß
Anno wie mit dem Herzog Otto, so auch mit EB. Siegfried, der sich an-
fangs abweisend verhielt (se velut caput coniurationis effert), sich zu ver-
ständigen wußte. Denn nach Breßlaus Nachweis ist die Nachricht des
Sachs. Annalisten, daß er an der Tat beteiligt war, begründet, N.A. XXVIl
S. 755.
— 715 —
Hof blieb nicht unbemerkt, daß etwas gegen die Kaiserin im
Werke sei. Schon im Sommer 1061 gab man Günther Schuld,
er plane Krieg, sein letztes Ziel sei die Absetzung der Herrscherin \
Aber trotz aller Schwierigkeiten führte Anno die Sache durch;
Anfang April 1062 entführte er den jungen König seiner Mutter.
Jedermann weiß von dem Frevel in Kaiserswerth. Agnes machte
keinen Versuch, die unerhörte Gewalttat, die ihr angetan ward,
abzuwehren und um ihre Stellung zu kämpfen. Sie fügte sich in
das Unrecht, als wäre es eine Strafe Gottes. Ihre politische Rolle
war ausgespielt. Wer soUte nicht geneigt sein, die arme Fürstin
auf das mildeste zu beurteilen? Aber gerade ihr Ausscheiden
aus dem großen Leben gibt den Beweis, daß sie nur das traf,
was sie verdiente. Es gibt Lagen, in denen Schwäche ein Ver-
brechen ist
Seit dem Tage von Kaiserswerth war Anno von Köln Herr
im Reich. Er wußte in offener Versammlung der Fürsten seine
Tat zu rechtfertigen ^ und er suchte sich in der Gewalt, die er an
sich gerissen hatte, zu befestigen, indem er verhehlte, daß er sie
besaß '. Selbst Heinrich von Augsburg stellte er sich in einer
Weise gegenüber, die eine Verständigung als möglich erscheinen
ließ^ Die Änderung der Regierung vollzog sich ohne Kampf.
Für das Verhältnis zum Papsttum hatte sie die wichtigsten
Folgen. Die Richter im Streite zwischen Alexander und Cadalus
waren nicht mehr die Wähler des letzteren. Die Lage war
^ Sudendorf ep. 9 S. 12. In diesem Argwohn scheint der Grund zu
liegen, weshalb Günther von seinem Widerstand gegen die Kaiserin nach-
ließ, ep. 11 S. 14. Er wollte den Verdacht zerstören. Denn von einem
wirklichen Frieden war nicht die Rede. Das zeigt das vielsagende ad
praesens des Briefs an Anno S. 1227. Es wurde lediglich der größeren
Sache wegen die kleinere für den Augenblick zurückgestellt.
2 Sigib. chron. z. 1062 S. 360; vgl. Bonizo VI S. 595 f.
' Das liegt in dem von Lambert erwähnten Vorschlag, ut episcopus
quilibet, in cuius diocesi rex tum temporis moraretur, ne quid detrimenti
res publica pateretur, provideret et causis, quae ad regem delatae fuissent,
potissimum responderet. Daß die Ausführung unmöglich war, ist klar.
* Ann. Aug. z. 1062 S. 127. Es spricht für Heinrich, daß er nicht
nur den Vergleich ablehnte, sondern auch vermied, mit Anno persönlich
zusammenzutreffen. Der höhnische Brief Günthers an Heinrich, Sudendorf
S. 12 Nr. 10, kann meines Erachtens erst in diese Zeit gehören. Denn un-
möglich kann man doch in dieser Sammlung von Stachelreden einen Be-
weis für den Friedensschluß zwischen Günther und dem Hof sehen. Die
morigera lenitas discretaque fidelitas sind verständlich, da Heinrich auf den
Kampf um seine Stellung verzichtete.
— 716 —
komplizierter als im Herbst 1061. Damals hatte der Hof ent-
schieden gemäß der Regieiimgstradition Heinrichs HI, Jetzt lag
die "Wahrung des kaiserlichen Rechtes in der Hand eines Mannes,
der die Emanzipation des Papsttums nicht billigen, ebensowenig
jedoch als Vorkämpfer der kaiserlichen Gewalt auftreten konnte,
und der dadurch, daß er sich bei der Verdammung Nikolaus' II.
und der Wahl Cadalus' persönlich im Hintergrund hielt, bereits
gezeigt hatte, daß er den Bruch mit der kirchlichen Reformpartei
nicht wünschtet In allen diesen Stücken aber war die Majori-
tät der deutschen Bischöfe ohne Zweifel mit Anno gleicher
Gesinnung.
Wenn somit die Möghchkeit ausgeschlossen war, daß die
Entscheidung zugunsten des von der Kaiserin ernannten Papstes
fallen werde, so sahen die Wähler Alexanders ihr doch nicht
ohne Bedenken entgegen. Einblick in ihre Befürchtungen gewährt
Peter Damianis Disceptatio synodalis, die er im Sommer 1062
verfaßte. Sie sollte ein Bild der zu erwartenden Verhandlungen
und des von Peter gewünschten Ergebnisses darbieten. Er gab
zu, daß die Stellung Alexanders deshalb anfechtbar sei, weil seine
Inthronisation ohne Zustimmung des Königs stattgefunden habe.
Aber er schwächte das Gewicht dieser Einrede ab, indem er
erinnerte, an sich sei die Mitwirkung des Königs, bei der Papst-
wahl nicht notwendig. Er erkannte weiter an, daß Heinrich IV.
als Erbe Heinrichs III. und auf Grund der Wahlordnung von
1059 das Recht habe, gehört zu werden. Aber er leugnete, daß
diesem Recht unbedingt genug geschehen müsse. Daß es in diesem
Falle außer acht gelassen wurde, finde seine Rechtfertigimg in der
Jugend des Königs und durch den Zwang der Verhältnisse. Über-
haupt sei keine päpstliche Zusage absolut bindend; es stehe in der
Diskretion der Kirche, sie je nach den Umständen zu beobachten
oder nicht. Und mindestens fraglich sei es, ob das Recht des
Königs noch intakt sei; denn dadurch, daß die Deutschen 1061
alle Anordnungen Nikolaus' IL kassiert hätten, sei von ihnen
selbst auch das im Wahldekret enthaltene Privilegium für ihren
König aufgehoben worden; sie hätten kein Recht, sich darauf zu
berufen. Die Wahl Honorius' II. aber sei in jeder Hinsicht un-
kanonisch. Man sieht leicht, auf welcher Linie der römische Schrift-
steller die Verständigung suchte: die Deutschen sollten Alexander
anerkennen und die Kurie sollte ihr Festhalten an der Wahlord-
nung von 1059 erklären^.
^ Er hatte an der Versatomlung in Basel nicht teilgenommen, s.
Lindner S. 30.
^ Giesebrecht III S. 89 sieht in der Schrift das Anerbieten Roms,
— 717 —
Die Synode, welche bestimmt war, die päpstliche Frage zu
lösen, trat Ende Oktober 1062 in Augsburg zusammen^. An der
Spitze der deutschen Bischöfe erschienen Anno und Siegfried. Von
jenseits der Berge sah man etliche Vertreter des lombardischen
Episkopats und Gesandte der Römer. Den Vorsitz führte Anno;
noch einmal trat der Einfluß, den die deutsche Kirche länger als
ein Jahrzehnt lang auf die Besetzung des römischen Stuhls aus-
geübt hatte, scharf und bestimmt hervor. Die Versammelten waren
kehieswegs einig. Für die Gegner Alexanders war es ein außer-
ordentlich günstiger Umstand, daß einer der Bischöfe, die an seiner
Inthronisation teilgenommen hatten, in Augsburg anwesend war.
Denn er war inzwischen von ihm abgefallen und er erhob vor der
Synode den gefährlichsten Vorwurf gegen den Papst der Beforra-
partei, den der Simonie. Nicht ordnungsmäßig unter Zustimmung
des Königs sei er zur päpsthchen Würde gelangt, sondern mit
Hilfe der durch Geld bestochenen Normannen. Daran knüpfte
sich eine lange Verhandlung. Die Italiener wünschten die Zurück-
weismig Alexanders. Aber für die deutschen Bischöfe lag eine
unüberwindliche Schwierigkeit in dem Umstände, daß er de facto
Papst war^ Man hatte seit Jahrhunderten an den Satz geglaubt,
daß der römische ' Bischof von niemand gerichtet werden könne.
Sollte man hier in Augsburg einen Papst richten'*? Um dem
auszuweichen, waren sie geneigt, Alexander anzuerkennen, obgleich
sie nicht mit ihm einverstanden waren*. Aber die Italiener wider-
sprachen. Sie erhoben den Einwand, daß ein definitiver Entscheid
nicht gf ällt werden könne, da die Erzbischöfe von Mailand und
Ravenua nicht anwesend seien. Anno wich um einen Schritt zu-
rück; er schlug vor, daß Alexander, falls er ohne Simonie Papst
einen Schritt zurück zu tun. Bei der Verschiedenheit der Ansichten Peters
und Hildebrands scheint mir das unwahrscheinlich.
^ Hauptquelle ist der Bericht der Annal. Altah. irrig z. 1061 S. 58.
Zur Ergänzung dienen die Angaben Benzos III, 26 S. 631 f. Der Beschluß
ist nach Peter Damiani op. 18, 2, 8 S. 414 am 27. Okt. gefaßt. Der Inhalt
des Beschlusses ist. hier falsch angegeben. Die Urkunden St. 2612 u. 2613
zeigen die Anwesenheit des Königs in Augsburg v. 24. — 29. Okt. 1062. Von
den Bischöfen sind durch sie Anno, Sigfrid, Ellenhard von Freising und
Vijjbert bezeugt.
■^ Vgl. den etwas jüngeren Brief Annos an den Papst bei Giese-
brecht HI S. 1228 f. Nr. 4 : Testimonium habetis satis amplum prima de
investitura sedis apostolicae.
^ Von den Altaicher Annalen hervorgehoben.
■* Benzo läßt übertreibend Anno sagen: Quam vis sit noster adver-
— 718 —
geworden sei, vorläufig anerkannt, das endgiltige Urteil aber einer
neuen Synode vorbehalten werde. Auf diesen Vorschlag gingen
die Italiener ein, und obgleich von deutscher Seite noch einmal
Widerspruch erhoben wurde, nahm ihn die Synode an. Ein Be-
vollmächtigter des Königs sollte sich nach Rom begeben, um über
die Anklage der Simonie zu befinden.
Mit dieser Sendung wurde Annos Neffe, Burchard II. von
Halberstadt, betraut. Es ist klar, daß Anno die Entscheidung in
der Hand behalten wollte. Aber man kann seinen Neffen nicht
vollständig als seinen Gesinnungsgenossen betrachten: er stand den
Interessen des Königtums noch gleichgiltiger gegenüber, anderer-
seits hielt er sich näher an die Reformpartei. Dem entsprach
seine Entscheidung. Obgleich die Gegner Alexanders auch in
Rom nicht schwiegen, erkannte er seine Erhebung als rechtmäßig
an \ Der Papst hat ihm dieses Urteil ungemein hoch angerechnet.
Als er ihm am 13. Januar 1063 das Pallium verheb, begründete
er diese außergewöhnliche Ehre durch den Hinweis auf die Dienste,
die er bei seiner Legation der römischen Kirche geleistet habe'.
citWie er, so wurden auch die Führer der Regierung in Deutschland
durch päpstliche Gunstbezeigungen belohnt^. Alexander hatte
Grund dazu; denn sein Sieg war nun entschieden. Im Frühjahr
1068 hat ihn GottMed nach Rom geführt*.
Wie sind diese Vorgänge zu beurteilen? Es wäre ungerecht
zu sagen, daß Anno, der deutsche Episkopat und die deutschen
Füi'sten die kaiserlichen Rechte einfach opferten''^. Im Gegenteil,
indem sie beschlossen, daß die gegen den Papst erhobenen An-
1 Ann. Altah. z. 1061 S. 58 f.; Benzo 111,26 S. 632; vgl. J.W. 4498.
2 S. d. angeführte Urkunde.
^ Anno wurde in seiner Würde als Erzkanzler der römisclien Kirche
anerkannt; er erscheint in den Urkunden seit d. 23. März 1063 als solcher.
Siegfried erhielt wahrscheinlich das Pallium, s. Hermann, Siegfr. I S. 15. Daß
auch Günther von Bamberg in dieser Zeit das Pallium erhielt, Cod. Udalr. 27
S. 53, vermuten Giesebrecht und Meyer von Knonau mit viel Wahrschein-
lichkeit. Doch hatte er es gefordert (iste qaoque provocatus).
* Die Notiz der Ann. Altah. z. 1062 S. 61 wird durch Benzo IT, 15
S. 618 genauer bestimmt. Am 23. März urkundet der Papst im Lateran
J.W. 4499. Gegen den die Normannen betreffenden Teil der Nachricht
Benzos bin ich bedenklicher als Lindner, Forsch. VI S. 501 u. Jung S. 49.
Irrig sagt Langen S. 545, die Mission Burchards habe zum Zweck gehabt,
Alexander nach Rom zurückzuführen. Wie kann man hier dem Zeugnis
Lamberts, z. 1063 S. 86, auch nur das geringste Gewicht beilegen?
' Vgl. Meyer von Knonau I S. 302. Martens S. 132 scheint mir den
Hauptpunkt nicht richtig zu bezeichnen.
-^ 719 -
klagen im Namen des Königs untersucht werden sollten, schienen
sie die Stellung des Königs zu wahren. Allein die tatsächliche
Bedeutung dieses Beschlusses war nicht allziigroß. Denn er hinderte
nicht, und er sollte nicht hindern, daß Alexander anerkannt wurde,
obgleich er unter Verletzung der Rechte des deutschen Königs
Papst geworden war. Hierauf hatten die Italiener in Augsburg
die Klage gegen Alexander gegründet; die Erörterung dieses
Punktes befürchtete man auch an der Kurie; das zeigt Peter
Damianis Disceptatio. In Augsburg dagegen hat man ihn, ohne
Zweifel geflissenthch, außer Betracht gelassen. Man muß fragen:
Warum? Ich finde doch keine Antwort auf diese Frage als:
Weil die kaiserlichen Rechte unter den führenden Bischöfen keinen
aufrichtigen Vertreter hatten. Anno wollte den Papst der Königin,
den Papst des römischen Adels nicht; deshalb mußte er die An-
erkennung Alexanders wollen. Sie wäre erschwert, wenn nicht
unmöglich geworden, wenn er auf der Notwendigkeit des kaiser-
lichen Konsenses bestanden wäre. Er gab sie also stillschweigend
auf und begnügte sich, den Rechten, die er als Regent zu wahren
hatte, dadurch genug zu tun, daß er die Anerkennung Alexanders
von einem im Namen des Königs gesprochenen Urteil abhängig
machte. Er mochte glauben, hiemit zugleich den Einfluß zu
sichern, den der deutsche Episkopat bisher auf die römischen Ver-
hältnisse ausgeübt hatte. Denn ein deutscher Bischof sollte ent-
scheiden, ob Alexander ohne Verletzung der kanonischen Vor-
schriften Papst geworden sei.
Die Rechnung schien klug; denn sie diente dem fürstlichen
Interesse, das Anno zunächst vertrat, ohne daß er geradezu zum
Verräter an den Rechten der Krone wurde. Aber es lag ein
Fehler in dieser Rechnung. Die deutschen Großen verkannten,
wie mächtig das Papsttum schon war. Alexander aber lieferte
ihnen sofort den Beweis, daß er nicht gewillt sei, die Stellung
einzunehmen, die sie ihm zugewiesen hatten. Wie es bereits üblich
war, versammelte er in der Osterzeit 1063 eine Synode in Rom
und hier nahm er die Entscheidung vorweg, die die Bischöfe in
Augsburg einer neuen deutsch-itahenischen Synode vorbehalten
hatten: er belegte Cadalus wegen des Versuchs, sich auf simo-
nistische Weise des päpstlichen Amtes zu bemächtigen, mit dem
Anathema ^ Auch die weiteren auf der römischen Synode publi-
zierten Verfügungen- zeigten, daß der provisorisch anerkannte
1 Ann. Altah. z. 1063 S. 61.
2 Cod. Udalr. 24 S. 48. Zunächst werden die Simonisten von neuem
verdammt, jedoch die Weihe der von Simonisten, aber gratis Ordinierten
— 720 —
Papst entschlossen war, zu handeln, als wäre er definitiv anerkannt.
Er äußerte sich über alle die Zeit erregenden Streitfragen in der
bestimmtesten Weise, und er machte von dem Gehorsam gegen
seine Anordnungen die Gemeinschaft mit der römischen Kirche
abhängig ^ Es dauerte nicht lange, so verwarf er, was an ihm
selbst geschehen war, auf das nachdrücklicnste. Als Bischof
Petrus von Florenz eine königliche Untersuchung seiner Wahl
provozierte, erklärte er, das sei zur Verachtung des apostolischen
Stuhls geschehen; denn keinem König oder Kaiser gezieme es,
kirchhche Angelegenheiten zu erledigen^. Man mußte in Deutsch-
land erfahren, daß man einflußlos war.
Anno, der der Eifersucht Adalberts und Siegfrieds gegenüber
sich in seiner Macht nicht mehr sicher fühlte^, schwieg dazu.
Dagegen nahm Cadalus den Kampf auf. Er hielt eine Gegen-
synode zu Parma und exkommunizierte Alexander*. Dann zog
er von neuem gegen Rom: es gelang ihm, sich der Leostadt zu
bemächtigen; er nahm seinen Sitz in der Engelsburg, Alexander
wich nicht; aber seine normannischen Truppen kämpften unglück-
lich bei den Konstantinthermen. Infolgedessen fiel ein Teil von
Rom mit der Kirche St. Peter ad vincula in die Gewalt seines
Gegners. Dann aber kamen dessen Fortschritte zum Stehen. End-
lich verschaffte eine neue Normannenschar Alexander wieder das
Übergewicht^. So schwankte der Kampf unsicher hin und her;
nur das Eingreifen der deutschen Macht schien eine Entscheidung
bringen zu können.
In Deutschland aber waren die Verhältnisse dermaßen ver-
wirrt, daß die gerade entgegengesetzten Beschlüsse für möghch ge-
anerkannt, zugleich werden solche Ordinationen für die Zukunft unbedingt
verworfen. Diese Bestimmungen sind wörtliche Wiederholung der von Niko-
laus IL 1060 erlassenen, s. o. S. 699. Weiter wird verboten, Messen bei
verheirateten Priestern zu hören, Kirchen aus der Hand von Laien anzu-
nehmen etc.
^ S. 50: Vos ergo haec et alia sanctorum patrum statuta fideliter
christiana reverentia observate, si vultis s. Romanae ecclesiae et apostolicae
sedis pace et communione atque benedictione et absolutione gaudere.
- J.W. 4540: Qaod, cum nulli regum vel imperatorum ecclesiastica
negotia liceat tractare, ad apost. sedis contemptum videtur factum fuisse.
3 Sigfrid erhielt am 14. Juni 1063 die Abtei Seiigenstadt (s. u. S. 729);
er sollte offenbar dadurch beruhigt werden. Adalbert erhielt in derselben
Zeit Anteil am. Regiment, s. Meyer von Knonau I S. 333.
* Ann. Altah. z. 1063 S. 62, wahrscheinlich identisch mit der von
Benzo IL 14 S. 617 f. erwähnten Synode.
•"* Über diese Verhältnisse Bonizo VI S. 595, Benzo II, 16 tf. S. 619 tf.
— 721 —
halten wurden. Auf der einen Seite hatten .die Gegner Alexanders
ti'otz allem, was geschehen war, die Hoffnung nicht aufgegeben,
eine Cadalus günstige Entscheidung herbeizuführen. Eine eigene
Gesandtschaft begab sich zu diesem Zwecke über die Berge. In
feurigen Briefen an den jungen König und an Adalbert von Ham-
burg mahnte, forderte Benzo, daß Gewalt gegen Alexander und
die Normannen gebraucht werde ^. Andererseits gab es auch unter
den B,eformfreunden solche, die Hilfe von Deutschland erwarteten.
Im Sommer 1063 befand sich Peter Damiani auf einer Legation
in Frankreich. Von dort aus schrieb er an Anno von Köln. Er
hatte nur Lob für dessen gewaltsames Eingreifen in den Lauf der
Dinge; er sah darin die Bettung des Reichs und der Kirche. Aber
er urteilte, so lange Cadalus nicht beseitigt sei, sei die Arbeit
nicht vollendet. In dieser Überzeugung forderte er Anno auf, die
Berufung einer allgemeinen Synode zu betreiben, durch die der
Friede in der Kirche wiederhergestellt werde ^. Peters Brief ge-
hörte ihm allein; er hatte ihn ohne Vorwissen des Papstes und
Hildebrands geschrieben. Er entsprach auch ihren Absichten
keineswegs. So wenig Peter etwas derartiges beabsichtigt hatte,
so hatte Alexander doch nicht mirecht, wenn er in der an den
deutschen Erzbischof gerichteten Aufforderung einen gegen seine
Autorität gerichteten Schlag erkannte^. Peters Brief war aus dem
Gedankenkreis der Zeit Heinrichs HI. heraus geschrieben; eben
deshalb diente er nicht der Befreiung der Kirche, wie sie Hilde-
brand dachte.
Unter diesen Verhältnissen konnte der Zusammentritt der in
Augsburg beschlossenen Synode nicht unterbleiben. Sie wurde
für Pfingsten 1064 nach Mantua, einer Stadt Gottfiieds, berufen ^
Wieder schien das entscheidende Wort den deutschen Fürsten zuzu-
fallen. Auf einer Versammlung in Kaiserswerth verständigten sich
die. Führer der geistüchen und weltlichen Großen'**. Dann brachen
1 Ann. Altah. z. 1064 S. 64, Benzo III, 1—7 S. 622 S. Ich sehe keinen
Grund, mit Meyer v. Knonau I S. 315 diese Briefe zu verwerfen.
2 Ep. m, 6 S. 293 ff.
' S. Peters Verteidigungsschreiben an den Papst 1, 16 S. 235 ff.
* Hauptquelle ist der Bericht der Ann. Altah. z. 1064 S. 64 ff. Benzo
III, 28 f. S. 632 ff. mischt in seiner Art gute Nachrichten und krause Phan-
tasien, Bonizo S. 596 u. vollends Lambert z. 1064 S. 91 sind unbrauchbar.
5 St. 2644 f. bezeugen die gleichzeitige Anwesenheit Gottfrieds und
der EB. von Köln, Mainz, Hamburg und Trier, der B. von Halberstadt und
Münster und der Herzoge von Nieder- und Oberlothringen.
Hauck, Kirchengeschichte. HI. 46
— 722 —
Anno, Gottfried, Otto A^on Baiern und andere Fürsten und Bischöfe
nach Itahen auf^.
Dort hatte sich inzwischen die Lage sehr entschieden zu
Gunsten Alexanders geändert. Cadalus hatte alle in Bx)ni er-
rungenen Vorteile wieder eingebüßt; er war wie ein Flüchtling aus
der Stadt gewichen^. Alexander war Herr in Rom; man kann
sich denken, mit welchen Empfindungen er die Vorladung vor die
Synode empfing. Allein, wenn er sich nicht neue Feinde machen
wollte, konnte er sich der Teilnahme an ihr nicht entziehen. Hilde-
brand war konsequent genug, sich fem zu halten. Cadalus, eben-
falls konsequent, forderte, daß ihm der Vorsitz zugestanden werde,
und da er das nicht erreichte, erschien er nicht. Er hatte in
Parma Truppen geworben und nahm in der Nähe von Mantua
SteUung^
Nach allem, was vorhergegangen war, konnte es nicht zweifel-
haft sein, welche Entscheidung getroffen werden würde. Gleich-
wohl ist der Verlauf der Synode bemerkenswert. Zwar nahm
Alexander den Vorsitz ein*, aber als er die Versammelten auf-
forderte, vorzubringen, was etwa zu sagen sei, erhob sich Anno.
Er erklärte, der König und die Fürsten hätten vernommen, daß
Alexander durch Simonie zum päpsthchen Stuhle gekommen sei,
daß er sich im Bewußtsein dessen mit den Normannen verbunden
habe, um auf sie gestützt gegen das Recht der Kirche und den
Willen des Königs die päpsthche Macht zu behaupten. Im Auf-
trag des Königs habe die Synode dies zu untersuchen. Wie man
sieht, ersparte er dem Papst nichts, was gegen ihn gesagt werden
konnte: nie hat er seine rücksichtslose Schroffheit schärfer gezeigt,
als damals. Allein sie war zwecklos. Denn wozu diese Demütigung
des Papstes, wenn Anno entschlossen war, ihn anzuerkennen?
1 Bonizo und Lambert lassen Anno nach Rom reisen, eine Nachricht,
die Hefele S. 868 und Langen S. 554 als richtig annehmen, die aber durch
den Bericht der Ann. Altah. ausgeschlossen ist.
2 Bonizo VI S. 595; Ann. Rom. S. 256; vgl. Benzo IH, 27 S. 632.
" Benzo 111,27 S. 632. Auch Peter Damiani kam, entgegen seinem
ursprünglichen Vorsatz, nicht, ep. 1, 16 S. 236; op. 23, Brief an Alex. S. 472.
Anwesend war dagegen "Wido von Mailand mit seinen Suffraganen, Bonizo VI
S. 596. Als italienischer Kanzler fungierte seit dem Sommer 1063, vgl.
Stumpf 2621 u. 2630, Gregor von Vercelli. Der Austritt Wiberts hängt
offenbar mit Annos Stellung zu Cadalus zusammen.
*■ Martens, Greg. I S. 36, läßt Anno „selbstverständlich" den Vorsitz
führen. Aber die Ann. Altah. zeigen, daß es nicht der Fall war. Es war
auch, da die Synode auf italienischem Boden tagte, nicht selbstverständlich.
— 723 —
Und daß er dies war, ist keine Frage. Die Erwiderung Alexanders
war nicht schwer. Er war ja nicht der erste Papst, der vor dem
Gericht einer Synode stand. Wie einstmals Leo vor Karl d. Gr.
bestand er darauf, daß er als Papst nicht verpflichtet sei, sich zu
verantworten; aber freiwillig, um der Kirche kein Ärgernis zu geben,
reinige er sich durch einen Eid von dem Vorwurf der Simonie.
Was seine Erhebung auf den römischen Stuhl anlange, so habe
sie durchaus dem kirchlichen Recht entsprochen. Über seine Ver-
bindung mit den Normannen endlich habe er sich hier, vor. einer
Synode, nicht zu rechtfertigen; darüber werde der König befinden,
wenn er nach Italien komme.
Punkt für Punkt waren die Klagen Annos erwidert: der erste
war widerlegt durch den Eid, der letzte war abgelehnt wegen Un-
zuständigkeit des Gerichts; der zweite, der wichtigste, aber war
beantwortet durch eine Behauptung, die den Satz in sich schloß,
daß das Recht der Kirche von der notwendigen Teilnahme des
Königs an der Papstwahl nichts wisset In Augsburg war das
königliche Recht stillschweigend bei Seite geschoben worden. Jetzt
standen die deutschen Fürsten und Bischöfe vor der Frage, ob sie
seine ausdrückliche Beseitigung dulden wollten. Sie haben auch
das getan. Die Synode erklärte, Alexander habe sich von allen
Anklagen gereinigt; mit lautem Zuruf begrüßte sie ihn als recht-
mäßig gewählten Papst. Sofort begann der Klerus das Te Deum
jedermann stimmte ein. Es war nur die Konsequenz, daß Alexander
darauf untar Zustimmimg der Synode das Anathema über Cadalus
aussprach. Das alles geschah am 31. Mai 1064. Der unerwartete
Überfall Mantuas durch Cadalus am nächsten Tag konnte an dem
Resultat nichts mehr ändern: die kühle Geringschätzung, mit der
der Abt Wenzel von Altaich dem lärmenden Treiben der Lom-
barden zuschaute, war das richtige Urteil über den Wert desselben.
In Mantua wurde vollendet, was in Augsburg begonnen war;
Deutschland ließ den Papst "des Adels fallen; es hielt an der Ver-
bindung mit dem reformierten Papsttum fest. Aber das geschah,
obgleich die Päpste die Fessel abgestreift hatten, die sie dem
^ Der Altaicher Annalist bemerkt, daß er die eigenen Worte des
Papstes wiederhole; er ist sich also der Wichtigkeit eines jeden derselben
wohl bewußt. Gegen Annos Worte: Contra regulas ecclesiasticas, etiam
rege invito, sagt Alexander: Me reclamantem et renitentem traxerunt et
in sede apostolica in vi tum statuentes consecraverunt. Et hoc illi fecere,
qui secundum antiquum Romanorum usum eligendi et consecrandi pontificis
curam et potestatem noscuntur habere. Es ist klar, daß das Recht des
Königs als in dem Herkommen nicht begründet abgelehnt wird.
46*
— 724 —
Kaisertum unterordnete. Die Fürsten und Bischöfe, die im Namen
des Königs handelten, hatten nichts dawider zu sagen. Soviel es
auf sie ankam ^, war das Papsttum frei.
Währenddessen entwickelten sich die Verhältnisse Deutsch-
lands in wenig erfreulicher Weise. Überall war zu bemerken, daß
es keinen König gab; es fehlte die sichere Leitung. Anno von
Köln hatte als Haupt einer Verschwörung Erfolg gehabt; aber er
war nicht groß genug, zum Haupt einer Regierung zu werden.
Schon im Sommer 1063 mußte er die Herrschaft mit Adalbert
von Hamburg teilen. Nun sollten zwei Männer zusammenarbeiten,
die sich gegenseitig haßten''', und die in ihren Ansichten, Eigen-
schaften und Bestrebungen so verschieden waren, daß sie sich
niemals verstehen konnten. Es gab keinen Berührungspunkt
zwischen dem schroffen und harten Egoismus des Kölners und der
hochstrebenden Phantastik des nordischen Erzbischofs. Dieser war
ein Royalist, ein Gegner des die Kraft des Reichs zersetzenden
Fürstentums, jener der Vorkämpfer der deutschen Aristokratie, in
seinen Herrschaftsgelüsten durch ihre Bundesgenossenschaft gestützt.
Auch dadurch, daß Heinrich IV. im Jahre 1 065 mündig wurde ^,
erhielt das Reich keinen König. Denn Heinrich war noch kein
Mann; er fühlte wohl die Kraft seines Willens und die Bedeutung
der Macht, die in seiner Hand lag; aber niemand hatte ihn ge-
lehrt, daß nicht im Besitze der Macht, sondern in ihrer überlegten
und steten Anwendung die Gewalt liegt. Seitdem er mündig war,
stand Adalbert ohne Nebenbuhler an der ersten Stelle in seinem
Rat. Mit tiefem Grimm sah Anno, daß er beiseite geschoben
wurde: die wichtigsten Beschlüsse wurden ohne sein Vorwissen oder
entgegen seinen Ansichten gefaßt*. Doch bald trat ein Wandel
ein. Den Fürsten war Adalberts Macht unertragHch; auf der
1 Was Sigfrid Cod. Udalr. 31 S. 59 an Alexander schrieb, gehört zwar
nur zu den würdelosen Schmeicheleien, die er liebt. Aber es charakterisiert
die Zeitlage. 2 ^dam 111,38 S. 118.
3 Über das 15. Jahr als Mündigkeitsalter s. Waitz, VG. VI S. 215,
Schröder, D. RG. S. 467. Die Umgürtung mit dem Schwert fand am 29. März
1065 in Worms statt, Berth., Bern. z. 1065, S. 272 u. 428.
^ Charakteristisch hierfür ist Annos Bf an Alexander, Giesebrecht
S. 1228 Nr. 4, mit dem unverhohlenen Ingrimm gegen die augenblicklichen
Ratgeber Heinrichs: er zürnt suis fidelibus, illis in quam, quos nunc habet
magis familiäres, die ohne ihn beschließen und glauben, die italienischen
Unternehmungen ohne ihn hinausführen zu können, jenen Leuten, qui nunc
— sacerdotium et Imperium — sese putant habere in manibus et revera
ad quos minime pertinet.
— 725 —
Reichsversaminlung zu Tribur im Januar 1066 gelang ihnen sein
Sturz \ Damit war der Platz für Anno wieder frei. Er war auch
sehr bereit, die Zügel von neuem zu ergreifen, und glaubte einen
Rückhalt an der Kurie zu finden^. Aber er konnte nicht wieder
herrschen wie vor vier Jahren, als der König ein Kind war. Denn
jetzt kam je länger je mehr der eigene Wille Heinrichs in Beti'acht %
zwischen ihm und Anno aber lag trennend der ungesühnte Frevel
von Kaiserswerth. Jedermann wußte, daß Heinrich dem Erzbischof
seine Tat nicht verziehen hatte, und am wenigsten täuschte sich
Anno über die tiefe Abneigung, die der König gegen ihn im
Herzen trug*. Wenn dieser den lästigen Ratgeber noch ertragen
mußte, so umgab er sich doch zugleich mit Männern, die ganz
anders gesinnt waren, als jener. Der hervoiTagendste unter ihnen
war der Graf Eberhard^, neben ihm d§r Graf Werner*' u. a. Es
1 Adam III, 46 S. 128 f., Ann. Weiss., Lamb. z. 1066 S. 53 u. 101.
'^ S. seinen Bf an Alexander bei Giesebrecht S. 1229 Nr. 5.
» Vita Heinr. 2 S. 14.
* Vgl ep. 5 S. 1230 und Lambert z. 1075 S. 245 f.
5 Von Lambert wird zweimal ein Eberhard, Sobn des Grafen Eber-
hard von Neuenbürg genannt, z. 1073 S. 160 als königlicher Befehlshaber
von Lüneburg und z. 1075 S. 219, vgl. Ann. Einsidl. Scr. III S. 146, als einer
der Gefallenen in der Schlacht an der Unstrut. Daneben wird verschiedene
Male ein Graf Eberhard als vertrauter Ratgeber des Königs erwähnt.
Dieser Graf Eberhard kann nicht identisch sein mit Eberhard von Nellen-
burg, dem Stifter des Allerheiligenklosters in Schaffhausen. Denn er wurde,
wie bekannt, von Gregor exkommuniziert, während Eberhard von Neuen-
bürg sein Leben als Mönch in Schaffhausen beschloß. Ebensowenig kann
er als der Sohn des späteren Mönches betrachtet werden. Das wäre an
sich möglich, denn der letztere ist 1010 oder nicht lange darnach geboren;
sein Vater heiratete 1009, Ann. Scafh. Scr. V S. 388; sein Sohn kann also
1071 ein Mann gewesen sein. Allein die Annahme scheitert daran, daß
dann der 1075 Gefallene sein Sohn gewesen sein müßte, und das ist chrono-
logisch unmöglich. Es bleibt nichts übrig, als den Grafen Eberhard, den
Ratgeber Heinrichs, und Eberhard von Neuenbürg für zwei verschiedene
Personen zu halten. Der Graf Eberhard wird auch von einem Gegner wie
Lambert gelobt als sapiens admodum vir, z. 1071 S. 119. Der König selbst
erwähnt ihn mit den Worten: Cuius consilium eo in tempore multum in
nostra viguit curia, Stumpf 2769. Das Lob Lamberts hindert, ihn für einen
ganz jungen Mann zu halten: er war wahrscheinlich bedeutend älter als
der 1050 geborene König. Der sächsische Annalist erwähnt die Ratgeber
des Königs tadelnd schon z. 1067, S. 695.
8 Von Lambert ein paarmal erwähnt z. 1063 S. 88, z. 1064 f. S. 92 f.,
z. 1066 S. 101. Wenn es richtig ist, daß er ein Sohn jenes Grafen Wernber
— 726 —
liegt in der Art unserer Quellen, daß wir keine klare Vorstellung
von der Persönlichkeit, von den Überzeugungen und den Absichten
dieser Männer gewinnen können. Soviel indes scheint sicher zu
sein, daß sie ähnlich wie Heinrichs Großvater, Konrad II., sich
von der Herrschaft der geistlichen Tendenzen frei hielten und als
oberstes Ziel die Wiederherstellung eines starken Königtums im
Auge hatten. An Geist, Talent und Energie fehlte es offenbar in
Deutschland nicht; gleichwohl wurde nichts erreicht; denn die wirk-
samen Kräfte hoben sich gegenseitig auf.
Die Schwierigkeit der Lage war nirgends deuthcher zu be-
merken, als in den kirchhchen Verhältnissen. Den Gradmesser
bilden die Bischofswahlen. Wir erinnern uns, wie rücksichtslos
Anno seinen Einfluß ausbeutete, um Freunde und Verwandte in
bischöfliche Stellen zu bringen. Nicht minder schlimm war, daß
die Räte Heinrichs gerade an diesem Punkt zu dem Prinzip
Konrads II. zurückkehrten. Wer Ring und^ Stab erhielt, mußte
bereit sein, die Gabe durch Geldzahlungen zu erwidern: so erlangte
nach Günthers Tod der Mainzer Kanonikus Herimann clas Bistum
Bamberg: es empfahl ihn sein Verwaltungstalent, aber man tadelte
seinen Mangel an theologischer Bildung^; so kam etwas später der
Magdeburger Domherr Karl in das Konstanzer Bistum^. Auch
von der Abtei Reichenau» ist sicher, daß sie wiederholt gegen
Geldzahlungen vergeben wurde ^. Und sollten es die einzigen Fälle
sein? Bei anderen Ernennungen war das persönUche Moment
ausschlaggebend. Der Kanonikus. Heinrich von Goslar erhielt das
Bistum Speier, ohne daß er das kanonische Alter hatt«; Heinrich
sah darüber hinweg, weil er ihm persönlich nahe stand*. Adalbero
von Worms galt als gänzlich untauglich für ein bischöfUches Amt;
aber er war der Bruder des königlichen Schwagers, Rudolf von
war, der 1040 als Fahnenträger Heinrichs III. fiel, Ann. Saxo z. d. J., so
war er mehr als 10 Jahre älter als Heinrich IV.
1 Lamb. z. 1065 S. 99 f., Berth. S. 272, Bern. S. 428; über s. Verhält-
nis zu Sigfrid Lamb. z. 1075 S. 207. Sein Talent für Geldgeschäfte ib. S. 205,
seine mangelhafte Bildung ibid. u. ö.
2 Acta syn. Mogunt. im Cod. Udalr. Nr. 37 S. 71; Lamb. z. 1069 S. 111;
Berth., Bernold., Ann. Altah. z. 1071 S. 82.
' 1069 an den Hildesheimer Mönch Meginward, und als dieser 1071
zurücktrat, an Ruotpert, Abt von St. Michael in Bamberg, Lamb. z. 1069
u. 1071 S. 111 u. 127; Ann. Altah. z. 1071 S. 83 f.; Berth. z. 1069 u. 1071
S. 274; Bern. z. 1070 S. 429.
^ Lamb. z. 1067 S. 104; die Worte „tantae dignitati vixdum per aeta-
tem maturus" glaube ich im oben angenommenen Sinn verstehen zu müssen.
— 727 —
Schwaben; daraus wird sich seine Ernennung erklären^. Werner
von Straßburg verdankte seine Erhebung wahrscheinhch seiner Ver-
wandtschaft mit dem Grafen AVerner, einem der ß,äte Heinrichs-.
Uoto von Trier aber war ein Sohn des Grafen Eberhard von
Nellenbm'g^, ein Bruder des jungen Eberhard, der in einer Ver-
trauensstellung im Dienste des Königs ersch«int*.
Man kann in diesen Ernennungen die Gedankenlosigkeit eines
jungen Mannes sehen, der wichtige Maßregeln als Sache persön-
licher Gunst behandelt. Aber damit wüi'den sie aller Wahrschein-
lichkeit nach falsch beurteilt. Es scheint vielmehr, daß König
Heinrich und seine Räte die Rekonstruktion des deutschen Epis-
kopats auf der früheren Grundlage im Sinne hatten. Die Bischöfe
waren zu unabhängigen Fürsten geworden; sie sollten wieder vom
Hofe abhängig, sie sollten wieder die zuverlässigen Stützen des
Königs werden ^
Der Gedanke lag nahe; er bewegte sich in dem Vorstellungs-
kreis des deutschen Hofes seit Otto I. Der Übelstand war nur,
daß seine Dm-chführung den König in Konflikt mit der herrschen-
den Überzeugung brachte. Nicht umsonst war seit Jahren die
Beobachtung jdes kanonischen Rechts gefordert worden. Das Be-
wußtsein, daß der Bischof gewählt werden müsse, war weit
lebendiger, als hundert Jahre vorher; es gab dem Egoismus der
Wahlberechtigten, die auf den eigenen Einfluß nicht verzichten
wollten, wenigstens scheinbar, eine Rechtsbasis. Daher die allge-
meine Opposition gegen Heinrichs Ernennungen. Sie richtete sich
ebenso gegen die unter Annos Einfluß, wie gegen die im könig-
lichen Interesse ernannten Bischöfe: die Wähler in Magdebm-g
entrüsteten sich, als ihnen Annos Bruder Wezil statt des von ihnen
erkorenen Friedrich von Wettin zum Bischof gegeben wurde; doch
fügten sie sich*^. Dasselbe taten die Wormser, so sehr sie des
1 Lamb. z. 1065 S. 100.
2 Ib. S. 93 ist die Verwandtschaft beider Männer erwähnt.
3 Gesta Trevir. contin. I, 9 S. 183. * Vgl. oben S. 725 Anra. 5.
^ Hiernach bemißt sich auch das Urteil über die Simonie, die Hein-
rich und seinen Räten zum Vorwurf gemacht wird: sie war Eückkehr zu
den Gepflogenheiten unter Konrad II. Deshalb wird man Heinrich schwer
von ihr freisprechen können. Das entscheidende Gewicht lege ich dabei
nicht darauf, daß Berthold und die Altaicher Annalen den König selbst
Geld nehmen lassen, während Lambert sich allgemeiner Wendungen bedient.
Dagegen ist entscheidend das eigene Bekenntnis Heinrichs IV.: Indignis
ecclesias vendidinius, Greg. Reg. I, 29a S. 47. So leicht, wie es Mirbt S. 264
scheint, läßt sich meines Erachtens dies Bekenntnis nicht beseitigen.
•^ Gesta archiep. Magdeb. 21 S. 400.
— 728 —
von Heinrich ernannten körperkräftigen aber hinkenden Bischofs
spotteten. Entschiedener war der Widerspruch in Speier und
Konstanz: hier wie dort wurde die Anklage der Simonie gegen
den von dem König ernannten Bischof erhoben. Karl von Kon-
stanz konnte wirklich sein Amt nicht antreten \ Selbst die Mönche
von Reichenau nötigten den ihnen aufgedrungenen Abt Meginward
zum Rücktritt^. Zu den schlimnjsten Ausschreitungen kam es in
Trier: als sich Annos Neffe Konrad, begleitet von Bischof Ein-
hard von Speier, seiner zukünftigen Residenz näherte, wurde er
von einem trierischen Haufen unter Anführung des Vogts Dietrich
überfallen und gefangen genommen; die Empörer scheuten vor
dem Äußersten nicht zurück: am I.Juni 1066 haben sie Konrad
ermordet ^.
Das war nicht eigentlich kirchliche Opposition, es war der
Widerspruch der lokalen Gewalten gegen die Anordnungen der
Zentralgewalt; er stützte sich aber auf kirchliche Grundsätze und
erhielt dadurch größere Bedeutung, als er an sich hatte.
Man kann eine analoge Bemerkung an einem zweiten Punkte
machen. Daß die Könige über Klöster und Klostergut verfügten,
war in Deutschland vorgekommen, seitdem es Klöster gab. Die
Mönche hatten stets darüber geklagt und sich regelmäßig darein
gefügt. Es war eine Wirkung der Klosterreform, daß das Mönch-
tum sich als eine unantastbare Macht fühlte. Diese Wirkung trat
auch da ein, wo man Reformmaßregeln mehr oder weniger be-
stimmt zurückgewiesen hatte. Das Selbstbe^vußtsein des Standes
war gestiegen. Die Folge war, daß die Eingriffe Heinrichs
entschlossener abgewehrt wurden, als die seiner Vorgänger. Die
Eifersucht zwischen dem Episkopat und den großen, auf ihre
Unabhängigkeit stolzen Stiftern kam hinzu, um die Opposition zu
provozieren. Denn die Eingriffe begannen schon unter der Ver-
waltung Annos; betrafen sie zunächst nur Klostergut*, so bald die
Klöster selbst. Schon im Jahre 1062 kam das Chiemseekloster
Frauenwörth an Gebhard von Salzburg^; im nächsten Jahre er-
1 S. unten S. 730. - S. oben S. 726 Anm. 3.
* Außer Lambert, Berthold., Bernold., den Weissenb., Augsb. Annalen
ist das Ereignis in den Gesta Trevir. 33 S. 174 u. cont. I, 9 S. 182, der vita
et passio Conradi Scr. VIII S. 212 und im triumph. Remacli 17 S. 446 er-
wähnt; vgl. den Bf Sigfrids Cod. Udalr. 32 S. 61 f.
* Vgl. Lamb. z. 1063 S. 89 u. z. 1064 S. 92; ehr. Lauresh. Scr. XXI
S. 414; Lamb. z. 1071 S. 127; Ann. Altah. S. 83 f.; Berth. z. 1070 S. 275.
■> St. 2616. Die Schenkung geschah auf Fürbitte Annos und Adalberts.
- 729 —
hielt Siegfiied von Mainz Seligenstadt ^, 1064 wurden Egmont an
Wilhelm von Utrecht und St. Peter bei Goslar an Hezil von Hil-
desheim vergebend Kein Jahr aber war für die Klöster so ver-
derblich, wie 1065; damals wurden Malmedy, Cornelimünster und
Vilich Anno zugesprochen ^ , Adalbert erhielt Lorsch und Korvey*,
Limburg und St. Lamprecht kamen an Einhard von Speier ■^,
Rheinau an Rumold von Konstanz*^, Benediktbeuren an Ellinhard
von Freising ^, Polhng an Altwin von Brixen^, Altai<;h an Otto
von Baiern **, Kempten an Rudolf von Schwaben ^^. Kein Wunder,
daß die Mönche überall von tiefem Ingrimm erfüllt waren: sie
zürnten den Ratgebern des Königs, dem Erzbischof Adalbert und
dem Grafen Werner, von dem sie erzählten, daß er durch spitze
Worte zum Schaden den Hohn hinzufüge ^^. Ihr Tadel traf den
König selbst: er sei ein Knabe, veränderlich wie ein Kind folge
er bald diesem, bald jenem Ratgeber ^'l Aber schwerlich irrten sie,
wenn sie am Hof die Ansicht herrschen ließen, daß der König
über Klostergut ebenso verfügen könne, wie über irgendein Königs-
^ St. 2620. Die Übergabe wurde von Sigfrid als Rückgabe an die
Mainzer Kirche gefordert und von Heinrieb als solche gewährt. Doch er-
scheinen die von Sigfrid gemachten Angaben sehr bedenklich. Denn es ist
sicher, daß die Abtei vor 1063 dem Mainzer EB. nicht gehörte. I. J. 1002
erhielt sie Heinrich von Würzburg auf Lebenszeit, Dipl. HI S. 5 Nr. 5, 1045
erscheint sie als selbständig, St. 2286, endlich besaß sie Sigfrids Vorgänger
Liutpold (gest. 1059) nach S.'s eigener Angabe usque ad finem vitae suae.
Seine Behauptung, abbatiam a sede sua iniuste ablatam esse, ist also falsch.
2 St. 2644 u. 2649.
•5 Malmedy: Triumph, s. Rem. 4 S. 440; vgl. Ann. Altah. z. 1071 S. 80,
Lamb. z. 1063 S. 89. Cornelimünster: Triumph. 3 S. 439, Lamb., ehr. Lauresh.
S. 413. Vilich: ehr. Laur.
* St. 2683 f., Triumph. 3 S. 439, Lamb., ehr. Laur., Ann. Weiss, z. 1066
S. 53. ^ St. 2680 f.
6 Vgl. St. 2705. Die Zeit dieser Schenkung steht nicht fest; 1067
wurde das Kl. wieder frei.
' St. 2679; vgl. chr.Bur. mon. 21 Scr. IX S. 234; das Kl. erhielt 1078
die Freiheit zurück, St. 2813. « St. 2671.
9 Ann. Altah. z. 1065 S. 71. Lamb. 1. c. Das Kl. wurde 1071 wieder
frei, Ann. Altah. S. 81.
lö Lamb. 1. c. Das Kl. wurde wahrscheinlich 1077 wieder frei, da
Heinrich damals Rudolf alle seine Lehen u. Würden entzog, s. Berth. S. 294.
11 Lamb.; vgl. z. 1064 S. 92: Jocari solebat magno munere dignum se
esse apud regem, qui monachos eins, languidos prius in opere Dei et tepidos,
novis facibus adhibitis exsuscitasset invitosque ad ieiunnia et nudipedalia
coegisset. ^- Triumph. 4 S. 440; Ann. Weiss, z. 1066 S. 53.
, — 730 —
gut, daß die Abte für ihn nichts anderes seien als Meier und Ver-
walter^. In den mächtigeren Klöstern kam man von Worten zu
Taten, so in Corvey, Lorsch, Stablo. In Corvey fanden die
Mönche die Unterstützung des mächtigen Klostervogts, des Herzogs
Otto von Baiern ^: er wußte zu verhindern, daß der königliche
Befehl ausgeführt wurde, die Abtei blieb unabhängig -^ In Lorsch
erhoben sich die Ministerialen und Vasallen, um die Unabhängig-
keit zu schützen; bei Heppenheim auf der Höhe des Odenwaldes
errichteten sie ein Festungswerk: sie meinten, dem Erzbischof hier
die Stirne bieten zu können. Nur Adalberts Sturz verhinderte,
daß wirklich die Waffen entschieden: aber auch Lorsch blieb frei*.
Am bekanntesten ist der AViderstand, den die Mönche von Stablo
der Besitznahme Malmedys durch Anno entgegenstellten^. Auch
sie fanden dabei die Unterstützung des Vogtes, dfes Herzogs Friedrich
von Lothringen: er versicherte dem Abt Dietrich, nie, so lange er
lebe, werde er in die Trennung Malmedys von Stablo wilHgen.
Nun hinderte zAvar Friedrichs Tod, Annos Zähigkeit und des neuen
Vogtes, des Herzogs Gottfried, Unzuverlässigkeit, daß die Mönche
ihr Ziel alsbald erreichten; aber ihren Widerstand gaben sie des-
halb nicht auf. Es wird der Eindruck dieser Vorgänge gewesen
sein, wodurch Rumold von Konstanz bestimmt wurde, auf das
Kloster Rheinau zu verzichten*^.
Das Wesentliche ist, daß sich durch diese Vorgänge erwies,
daß die frühere Macht des Königs über die Bistümer und die
Abteien nicht wieder hergestellt werden konnte. Dabei mag eine
gewisse Schuld Heinrich getroffen haben — die Überlieferung ge-
stattet nicht, dies zu behaupten oder zu leugnen — , der Haupt-
gnind lag doch in den Verhältnissen. Wir, stehen einer Konsequenz
der Tatsache gegenüber, daß die geistHchen Großen Fürsten ge-
1 Lamb. z. 1063 S. 89. 2 Mehmel, Otto v. Nordheim S. 28.
" Lamb. S. 90. Mit dem Kampf um Corvey hing wohl der Aufenthalt
des Hofes daselbst im Spätjahr 1065, St. 2688 f., zusammen.
* Chron. Lauresh. z. 1056 S. 413 fl". St. 2710. Die Darstellung Lam-
berts S. 90 ist lehrreich für die geringe Glaubwürdigkeit seiner Einzel-
schilderungen.
5 Das Folgende nach dem eingehenden Bericht des Triumph, s. Rem.
S. 438 ff. Ihr Ziel erreichten die Mönche erst 1071; vgl. Ann. Altah. S. 80f.,
Lamb. S. 125 f.
^ St. 2705 V. 8. Juni- 1067. Auch Disentis, welches Kloster schon 1057
unter der Regentschaft der Kaiserin wieder an Brixen gekommen war,
St. 2531, erhielt 1073 die Freiheit zurück, St. 2763.
— 731 —
worden waren. Ihre Territorien waren Fürstentümer ; sie behaupteten
ihre Selbständigkeit auch wider den König ^.
Man braucht nicht zu sagen, welchen Schaden die Autorität
Heinrichs dadurch erhtt, daß die Geltung seiner Verfügungen in
der Kiiche tatsächlich aufgehört hatte. Wenn aber die Autorität
an emem Punkte ins Wanken gerät, so läßt sie sich an keinem
mehr behaupten. Das erwies sich damals.
Es war ein Verstoß gegen die kirchliche Regel, daß in Thü-
ringen Zehnten nicht, oder vielmehr nicht allgemein entrichtet
wurden^. Worauf diese Unregelmäßigkeit beruhte, läßt sich nicht
mehr erkennen; genug, daß die Thüringer ihre Zehntfreiheit als
ein überkommenes Recht betrachteten. Die Mainzer Erzbischöfe
haben diesen Zustand lange Zeit geduldet; erst im elften Jahr-
hundert änderten sie ihre Haltung, besonders erhob Liutpold An-
spruch auf die allgemeine Entrichtung der Zehnten ^ Seine Forde-
rung wurde von Heinrich in. als berechtigt anerkannt. Dasselbe
geschah unter der Regentschaft der Kaiserin Agnes, indem im Jahre
^ Das zeigen auch Vorgänge wie die Raufereien in Hildesheim Ostern
1070, Lamb. S. 112.
- Ausfeld, Lambert von Hersfeld u. der Zehntstreit 1879. Die Zehnt-
freiheit der Thüringer ist nicht ohne Parallele; auch die Slaven in den
Ostalpen haben bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrh.'s keinen Zehnt ent-
richtet, vita II Gebeh. 2 Scr. XI S. 36. Aber die Zehntfreiheit der Thüringer
war nicht vollkommen. Denn Fulda erhob von seinen thüringischen Be-
sitzungen den Zehnten. Dieses Recht beruhte auf Verleihung Karls d. Gr.,
s. B.M. 438. Die Urkunde ist von Ausfeld S. 19 verworfen; aber mit Un-
recht, s. Mühlbacher a. a. 0. und Dobenecker, Reg. Thur. Nr. 82 I S. 25.
Der Widerspruch, den Ausfeld zwischen ihr und Nr. 439 findet, beruht, wie
mich dünkt, auf irriger Deutung der letzteren. Hier ist verfügt, daß die
Zehnten für die Ortskirchen nur a servis et colonis persoluantur, quia sus-
ceptio hospitum et peregrinoruum semper apud eos — Fulda — indesi-
nenter habetur. Das heißt doch nicht: Es sollen Zehnten überhaupt nur
von Knechten und Kolonen erhoben werden, sondern es heißt: Nur von
ihnen für die Ortskirche, weil die übrigen Zehnten dem Kloster verbleiben,
das sie für den Dienst der Fremden bedarf. Die Verleihung Karls wurde
durch Ludwig d. D., Nr. 1468, und Ludwig III. bestätigt, Nr. 1526, von Kon-
rad I. in die Immunitätsurkunde aufgenommen, Nr. 2017. Hersfeld hatte
das Zehntrecht in verschiedenen Königshöfen, s. die Urkunden B.M. 173,
188 — 190, 211, 266, und scheint auch auf den Klosterhöfen diese Abgabe
erhoben zu haben, s. Ausfeld S. 30 f.
^ Bei dem Streit zwischen Otgar und Hersfeld handelte es sich nur
um den bischöflichen Anteil an dem vom Kloster erhobenen Zehnten,' s.
Lambert z. 845 S. 26 u. vgl. die irreführende Ausnützung dieser Angabe in
der Not. de decimis im App. zu Lamb. S. 355 f.
— 732 —
1059 die Zehnten der Königshöfe durch Übergabe von 120 Hüben
an Mainz abgelöst wurden^. Im gleichen Jahre gab der fünfte
Kanon der Lateransynode der bischöf Hchen Fordening einen weiteren
Halt. Kein Wunder, daß Mainz auf seinem Recht bestand. Als
im Jahre 1062 Markgraf Wilhelm von Thüringen stai'b, erneuerte
Siegfried seinem Bruder Otto nur unter der Bedingung die Mainzer
Lehen, daß er selbst die Zehnten entrichte und die Thüringer zur
Leistung derselben nötige"-. Aber wenigstens die zweite Hälfte
seines Versprechens hat Otto nicht eingelöst: die Thüringer ent-
zogen sich nach wie vor der Zehntpflicht ^. Die königliche Ent-
scheidung war für sie nicht da.
Diese Unfügsamkeit zeigte sich aller Orten. Jedermann weiß,
welches Gewicht die Kleriker stets auf Fragen der Etikette legen.
Über eine solche kam es am Weihnachtsfest 1062 in Goslar zu
einem Übeln Streit. Es war der Ehrgeiz der Abte von Fulda, daß
ihnen der erste Platz nach dem Erzbischof von Mainz gebühre.
Demgemäß ließ damals Abt Widerad seinen Stuhl neben den
Siegfrieds stellen. Allein darin sah Hezil von Hildesheim eine
Kränkung seiner Ehre. Den Hader der Herren setzten die Diener
in ihrer Weise fort: nur das Eingreifen Ottos von Nordheim ver-
hinderte schlimme Tätlichkeiten. Als der Hof das Pfingstfest 1063
zu Goslar feierte, erneuerte sich der widerwärtige Zank. Nicht
die Scheu vor der Heiligkeit des Gotteshauses, nicht die Ehrfurcht
vor der Anwesenheit des Königs hinderte die Vasallen und Diener
der beiden Prälaten zuerst mit Knütteln, dann mit Waffen einander
anzugreifen: man trug Verwundete und Tote aus der Kirche.
Widerad, dem die Hauptschuld an diesem Frevel gegeben wurde,
erkaufte durch gyoße Geschenke an den König und denr Hof Straf-
losigkeit. Aber die Erbitterung darüber entfesselte im Kloster
einen Aufruhr gegen ihn. Nur durch die strengsten Maßregeln
vermochte er, seiner Herr zu werden*.
^ S. die Urkunden Heinrichs IV. und Liutpolds bei Gudenus Cd. I
S. 373£F., in beiden sind auch die Vorgänger L.'s erwähnt; von Lamb. z.
1073 S. 142 übergangen.
2 Lamb. z. 1062 S. 79; vgl. Ann. Saxo z. 1060 S. 693.
' Das scheint das einzig Sichere an dem, was Lambert über die
Zehntfrage z. 1069 S. 105 ff. erzählt. Der MG. selbst hat die Zehnten be-
zahlt, Cd. Sax. I S. 342 f. Nr. 152.
* Lamb. z. 1063 S. 81 ff.; De unit. eccl. conserv. II, 33 S. 109; Ann.
Corb. z. 1063 S. 6; ein heftiger Brief Widerads an Hezil bei Sudendorf
Reg. III S. 24 Nr. 14 und dazu Meyer von Knonau I S. 328 u. 664 ff.; bes.
S. 668 gegen den chronolog. Ansatz bei Mehmel, Otto v. Nordheim S. 15.
— 733 —
Mit einem Wort: die Bande der Ordnung begannen sich
überall in der deutschen Kirche zu lösen. Es herrschte ein an
Anarchie grenzender Zustand. Die schlimmsten Folgen für das
Volksleben konnten nicht ausbleiben. Der Scholaster Gozechiu,
der unter Heinrich III. nach Mainz gekommen war, ist voll Jam-
mers über den schlimmen "Wandel der Zeit: die Wissenschaften ver-
achtet neben dem Treiben von Gauklern und Schauspielern, Hab-
sucht und Geldgier allein mächtig, Zucht und Sitte im raschesten
Verfall und keine Möglichkeit, zu hemmen und zu wehrend Die
gleichen Klagen erhebt ein namenloses Gedicht dieser Zeit: überall
fehlt der Gehorsam gegen das Wort der Weisheit; die Welt ist
alt geworden, sie bringt nur schlechte, zum Guten schwache
Menschen hervor: die Macht der Könige zergeht in kraftloser
Untätigkeit, die der Fürsten in zügelloser Insolenz; nicht besser
sind Mönche und Priester; ohne Zucht erliegt das einfältige Volk
dem Verderben^.
und unter diesen Verhältnissen hielt es der dem Range nach
erste Bischof Deutschlands für angemessen, die Heimat und sein
Amt auf längere Zeit zu verlassen: im November 1064 trat Sig-
1 Epist. ad. Valcher. 26 f., Migne 143 S. 899: Liberales disciplinae
mimis et hietrionibus posthabentur et pene per tabernas mendicare videntur,
pecunia illa super omnes pbilosophos habetur (so dürfte zu lesen sein),
mammona super reges et tetrarchas omnibus dominatur. Ad summaxn,
omnia virtutis praemia feralis possidet avaritia et in regno pecuniae am-
bitio sua taxat mercimonia . . . Ex eadem itaque toxicata avaritiae radice
et ex boc pestifero zizaniorum semine mala orta est et quotidie in peius
pullulat exitiälis morum et disciplinae iactura, adeo ut in nullo regularie
officii regimine liceat uti solemni maiorum vel ferula; sed si tortuosis viti-
orum anfractibus manum in virga directionis stimulo represseris, continuo
pro maioribus quidem aut multitudo similium propugnatrix aut pecunia
defensatrix accedat, pro minoribus vero aut immatura libertas aut allatis
pedibus fuga liberatrix intercedat.
2 Sudendorf, Registr. II S. 3 Nr. 3. Vgl. außer den im Text ange-
führten Stellen
S. 4: Totum pervertit rapax
seculum cupiditas,
turpat mores, scandit fratres,
sacras leges temerat.
S. 5: Sic est nummus imperator,
sie deridet miseros,
i annuit, ne dicant verum,
summis potentatibus,
domat reges et venale
efficit iudioium.
— 734 —
frid von Mainz eine Pilgerfahrt nach Palästina an. Die Bischöfe
von Utrecht, Bamberg und Regensburg, gefolgt von Tausenden von
Pilgern begleiteten ihn^. Fast ein Jahr lang waren vier deutsche
Diözesen, sehr zum Schaden ihrer Interessen verwaist ^ Man hört
nicht, daß die bischöflichen Pilger den König um die Erlaubnis
gebeten hätten, wohl aber hatte Sigfrid sein Vorhaben in Rom
mitgeteilt ^.
Daß die Folge von dem allen eine tiefe Erschütterung des
Ansehens der deutschen Kirche bei den vom Reiche abhängigen
Völkern war, ist leicht zu verstehen. Die Tschechen begannen
an den kirchlichen Einrichtungen zu rütteln: im Jahre 1063 stellte
Herzog Wratislaw in eigener Macht das längst eingegangene Bis-
tum Olmütz wieder her. Zum ersten Bischof ernannte er den
Mönch Johannes aus dem Kloster Brewnow. Es geschah mit Zu-
stimmung des bejahrten Bischofs Severus von Prag, der gegen das
Versprechen einer Entschädigung auf Mähren verzichtete*. Daß
dabei die Rechte des deutschen Königs gekränkt wurden, konnte
niemand übersehen; wenn es wahr sein sollte, daß gleichwohl
Sigfrid den neuen Bischof konsekrierte ^, so war das ein neuer
Beweis seiner Gleichgiltigkeit gegen die deutschen Interessen. Doch
diese Schädigung war zu ertragen: viel größer war der Schlag,
der die deutsche Kirche durch die' Vernichtung der Wendenmission
traf Mit der Sicherheit im Slavenlande war es schon seit dem
letzten Lebensjahre Heinrichs III. vorbei**. Unter Heinrich IV.
trat immer klarer hervor, daß die Liutizen die Abodriten zum Auf-
^ Der Zug wird in allen größeren Annalenwerken erwähnt, s. Lambert
z. 1064 f. S. 92 ff., Ann. Altah. z. 1065 S. 66 ff., Mar. Scott, z. 1086 S. 558 f.,
Berth. u. Bern. z. 1065 S. 272 u. 428, auch Vit. Altm. 3 Scr. XII S. 230.
Die Angaben über die Begleiterzahl schwanken zwischen 7000 und 12000.
'^ Die Bamberger Domherren beklagen sich: Dominus noster, rerum
ignarus, in alio quodam orbe . . moratur; eos etiam, qui idonee in tanto
discrimine consulere poterant, secum abduxit. Cod. üdalr. 29 S. 57.
3 Cod Udalr. 28 S. 54.
* Cosm. ehr. II, 20 S. 80 erzählt nur von der Zustimmung des Bischofs
Severus von Prag. Die Urkundenauszüge ^es Herzogs Wratislaw lassen die
Stiftung ausschließlich als Werk des Herzogs und seiner Brüder erscheinen,
Cd. Morav. I S. 138 f. Nr. 159 f. In der Schenkungsurkunde des Kastellans
Zmyl heißt es ausdrücklich von der Olmützer Kirche: Que iam de uolun-
tate prefatoruum dominorum nostrorum mater omnium terre ecclesiarum
predicatur, ib. S. 140 Nr. 161.
^ Nachricht des Gran. Cat. praes. Morav., herausgegeben von Loserth,
Arch. f. Ost. Gesch. 78 S. 67. Wahrscheinlich ist die Sache nicht.
e Ann. Hild., August., Berth. z. 1056.
— 735 —
stand und zum Abfall vom Christentum drängten. Nur Adalberts
Macht hielt den Ausbruch auf. Aber seine Entfernung vom Hofe
zog die Vernichtung seiner gesamten Machtstellung nach sich: er
wurde genötigt, den dritten Teil der Stiftsgüter, mehr als tausend
Höfe, an Magnus, den Sohn des sächsischen Herzogs Ordolf, zu
Lehn zu geben; kaum weniger erhielten der Graf Udo von Stade,
der Graf Eberhard und andere königliche Räte^. So brach denn
im Jahre seines Sturzes, ohne daß er zu wehren vermochte, alles,
was er erreicht zu haben glaubte, zusammen. Am 7. Juni 1066
wurde zu Lenzen an der Elbe Gottschalk erschlagen: sein ganzes
Volk war wider ihn, sein eigener Schwager war der Führer der
Erhebung. Dem Tod des Fürsten folgte die Vernichtung des
Christentums in seinem Lande. Dabei wurden von den Slaven
so grauenhafte Untaten an den fremden Christen verübt, daß die
Missionsgeschichte ihnen wenig Ähnliches an die Seite zu stellen
hat. In Lenzen wurde der Priester Yppo auf dem Altar wie ein
Opfertier geschlachtet und viele andere Geistliche und Laien hin-
gemordet; in Ratzeburg wurde der Mönch Answer und andere
Gläubige gesteinigt; in Mecklenburg schlug man dem greisen
Bischof Johannes Hände und Füße ab; sein Haupt wurde dem
Gott Redigast als ein Opfer dargebracht. Nicht einmal vor Gott-
schalks Witwe hatten die slavischen Unholde Scheu : nackt trieben
sie die durch Schläge Mißhandelte mit ihren Frauen aus • dem
Lande. Nachdem die Kirche im wendischen Gebiet vernichtet war,
stürzten sich die Empörer auf die benachbarten christlichen Land-
schaften: die Stormam wurden fast gänzhch aufgerieben, Adalbert
mußte selbst seine Metropole Hamburg eingenommen und vernichtet
sehen: keine Kirche blieb unverbrannt; kein Kreuz ungeschändet".
Das waren Verluste, die das Reich eben so schwer trafen wie die
Kirche. Aber die deutschen Fürsten vermochten nicht, sich zu
vereinigen, um das Verlorene wiederzugewinnen. Die Kämpfe des
sächsischen Herzogs Ordulf^ und des Bischofs Burchard II. von
Halberstadt* mit den Wenden waren nichts als die Erneuerung
des alten Raubkrieges an der Grenze. Auch der Zug, den Hein-
rich im Winter 1068 — 1069 in das Wendenland ausführte, war
nur ein Verwüstungszug. Aber dadurch, daß eine Menge fester
Plätze gebrochen, unzähhge Dörfer in Brand gesteckt, die Heilig-
tümer vernichtet, Scharen von Menschen getötet oder gefangen
1 Adam III, 47 f. S. 129 ; die an Magnus gegebenen Lehen erhielt
Adalbert 1071 zurück. III, 59 S. 139.
2 Adam III, 49 f. S. 130 f. » Ib. III, 50 S. 131 f.
* Ann. Ausr. z. 1068.
— 736 —
weggeführt wurden-^, ward weder das Land zurückgewonnen, noch
der Boden für die Missionstätigkeit geebnet. Die Ausbreitung des
Christentums war für Jahrzehnte unmögKch gemacht.
In dieser Auflösung der deutschen Verhältnisse wirkte die
wiederhergestellte Macht und das erneuerte Ansehen Roms wie
ein Magnet auf Eisenspäne. Wer etwas erreichen wollte, blickte
nicht auf den König, sondern auf den Papst. Als Sigfrid von
Mainz seine Zehntrechte über die Thüringischen Besitzungen von
Fulda auszuüben versuchte, klagte das Kloster gegen ihn in Rom^.
Das Gleiche geschah, als Adalbero von Würzburg Rechte seiner
Kirche Fulda gegenüber geltend machte ^. Umgekehrt erhob Sigfiid
vor dem Papste gegen seine rebelHschen Diözesanen in Thüringen
Klage, da sie nach wie vor die Leistung der Zehnten verweigerten;
er bat um Absendung von Legaten zu einer für Ostern 1067
ausgeschriebenen Synode ■*. In dem Streit um Malmedy rief
schließlich der Abt von Stablo den päpsthchen Schutz gegen Anno
von Köln an; nur so glaubte er sein Kloster behaupten zu können*''.
Als die Ermordung Kom-ads von Trier ungerächt blieb, bat Sigfrid
im Namen des gesamten deutschen Episkopats den Papst , eine
Untersuchung zu veranstalten und die Verbrecher zu bestrafen^.
Auch Anno erhob in Rom Klage gegen Uoto, den Nachfolger
seines ermordeten Neffen'. Von Konstanz^, von Bamberg^, von
1 Ann, Weissenb., Altah., Sigib. ehr. z. 1069.
■^ Die Klage ergibt sieb aus J.W. 4658, dem dritten Sehreiben, das der
Papst in dieser Sache an den EB. richtete. Daß es sich um die Zehnten
handelte, macht Cd. Fuld. S. 370 Nr. 764 die in Mühlhausen 1069 getroffene
Übereinkunft (s. u. S. 737 Anm. 4) wahrscheinlich. Der anonyme Brief, den
Dronke von Abt Widerad an Alexander (c. 1062) gerichtet sein ließ, Z. d.
Vereins f. hess. Gesch. IV S. 360, ist jünger, s. v. Pflugk-Harttung, Dipl.
bist. Forsch. S. 516 ff. 3 j.w. 4748; vgl. 4659.
* Briefe Sigfrids an den Papst und an Hildebrand Cod. Udalr. 32 f.
S. 60 ff. nach 1. Juni 1066. Charakteristisch für Sigfrid ist sein schamloser
Bestechungsversuch im Brief an Hildebrand, und charakteristisch für den
letzteren ist, daß er trotzdem gut Freund mit Sigfrid blieb, Reg. II, 29 S. 141
■■' Triumph. Rem. I, 19 S. 447. Die Reise des Abts fällt in den An-
fang 1067. <* Cod. Udalr. 32 S. 62.
' Brief an Alexander bei Giesebrecht HI S. 1231 Nr. 7.
* Die Klage muß sofort erhoben worden sein; denn der Papst in-
struierte Sigfrid bei dessen Aufenthalt in Rom Ostern 1070, s. Cod. Udalr. 36
S. 68. Daß dieselben fideles gravesque personae, die in Mainz klagten, ib.
37 S. 71, auch in Rom tätig waren, ist selbstverständlich. Man hat sie
gewiß unter dem Kapitel zu suchen.
^ In diesem Fall scheint die Klage erst einige Jahre nach der Er-:
— 737 —
Reichenau^ aus ergingen Klagen nach Rom wider die von dem
König ernannten Prälaten. Es war noch nicht ein Menschenalter
her, daß der Verkehr zwischen der deutschen Kirche und Rom
sich auf wenige, bloß formelle Händlungen beschränkt hatte. Jetzt
wurde der Papst zu der Erledigung aller Fragen herbeigezogen.
Er brauchte nicht um die Anerkennung des Rechtssatzes zu kämpfen,
daß die wichtigeren Angelegenheiten in Rom beschieden werden
müßten : freiwilhg brachte der deutsche Episkopat ihm diese Aner-
kennung entgegen^. Sie fiel ihm zu als die natürliche Folge der
Tatsache, daß Rom aufrecht stand, während es innerhalb der deut-
schen Kirche keine kraftvolle Autorität gab.
Niemand wii'd sich wundem^ daß Alexander je länger je ent-
schiedener als Monarch der Kirche handelte. Bei seinem Eingreifen
in die thüringischen Zehntstreitigkeiten fällt eine gewisse Zurück-
haltung auf. Er begnügte sich zunächst mit der wiederholten
Mahnung an Siegfried, die Rechte des Klosters Fulda nicht zu ver-
letzen. Erst als Siegfried diese Aufforderung ignorierte, erließ er
eine schroffe Erklärung an ihn : er habe die gegen das Kloster er-
griffenen Maßregeln einzustellen, bis der Streit, sei es durch einen
Legaten in Deutschland oder durch den Papst persönlich in Rom,
entschieden sei^ Aber als nun die streitenden Prälaten unter
Vennittelung des Königs sich verständigten'', ließ er die Sache
fallen. Gegen die, die Zehnten verweigernden Thüringer beschränkte
er sich auf die Erklärung, der sei kein Christ, der die regelmäßige
Entrichtung der Zehnten an die Taiifkirche, zu der er gehöre.
Hebung erfolgt zu sein. Denn es wurde erst 1070 gegen den 1065 erhobenen
Bischof verhandelt, s. Lamb. z. 1070 S. 111 f. Dai-aus folgt aber meines Er-
achtens nicht, daß 1065 niemand von einem simonistischen Handel wußte
(Beyer, Forsch. XII S. 535). Große Zahlungen konnten damals, da sie ja
in bar oder in Kostbarkeiten gemacht wurden, überhaupt nicht ohne Vor-
wissen anderer Personen geleistet werden, blieben also nie verborgen. Die
späte Anklage aber beweist bei der anerkannten Häufigkeit der Simonie
nichts. Denn die Klagen wurden nicht wegen der Simonie, sondern aus
anderem Anlaß auf Grund der Simonie erhoben.
1 Lamb. z. 1072 S. 138. Ann. Altah. z. 1071 S. 82.
- S. den Brief Sigfrids an Alexander, Cod. Üdalr. 31 S. 59: Quia . .
ad apostolicum verticem referendae sunt maiorum causae negociorum etc.
« J.W. 4658.
* Frühjahr 1069 in Mühlhausen, Dronke, Cd. Fuld. S. 370 f. Nr. 764,
vgl. auch die ürk. Sigfrids, Joannis Ees Mog. II S. 462. Nach dem Über-
einkommen sollten die Zehnten von den Lehen der fuldischen Vasallen an den
EB. entrichtet werden, dagegen alle übrigen Zehnten in den fuldischen
Orten dem Kloster bleiben.
Haack, Kirchengeschichte. III. 47
— 738 —
verweigere^. Die Folge war, daß es auch hier unter königUcher
Yerinittelung zu einem Vergleich kam-. Schroffer schritt er gegen
Adalbero von Würzburg ein: freiHch hatte ihn dieser durch die Rede
schwer gereizt, Widerad von Fulda sei in Rom simonistisch geweiht
worden^. Besonders nachdrücklich aber nahm er sich des Abts
von Stablo an: nicht nur bestätigte er die Privilegien des Klosters;
er untersagte auch Anno in der schärffsten Weise, fernerhin dessen
Rechte zu verletzen. Dieser meinte dem Papst Widerstand leisten^,
ja die Kurie einschüchtern zu können. Als er im Frühjahr 1068
als Königsbote nach Italien kam, verkehrte er fast ostentativ mit
dem gebannten Erzbischof Heinrich von Ravenna, selbst ein Zu-
sammentreffen mit Alexanders Nebenbuhler, Cadalus von Parma,
vermied er nicht: man sollte in Rom merken, daß er gefähi'lich
werden könne. Aber wie völlig verfehlte er seinen Zweck!
Alexander verweigerte ihm, als er in der Fastenzeit nach Rom kam,
den Zutritt: um schlimmeres zu vermeiden, mußte der stolze Erz-
bischof sich zu einer öffentlichen Bußübung be(i[uemen, er mußte
es zulassen, daß ihm die päpstliche Erzkanzlerwürde entzogen
wurde.^ Das Einzige, was er erreichte, war die Zusage, daß in
Deutschland noch eine Verhandlung über Malmedy vor dem Könige
stattfinden sollte: unter dieser Voraussetzmig mußte er versprechen,
dem Rechte nachzugeben ^. Er wurde später wirklich genötigt, auf
das Kloster zu verzichten". Annos Niederlage war kaum verhüllt;
1 J.W. 4577.
- 10. März 1073 in Erfurt, Lamb. z. 1073 S. 141 u. 144. Als tatsäcli-
licli wird man seinem Berichte nur entneamen können, 1. daß die Thüringer
im allgemeinen die Zehntpflicht anerkannten, 2. daß Sigfrid mit Hersfeld
und Fulda über die Verteilung der Zehnten sich verständigte, die in
Kirchen, die den Klöstern gehörten, anfielen; der Grundsatz war: gleiche
Teilung zwischen dem EB. und den Klöstern; eine Ausnahme wurde bei
10 Kirchen zugunsten Hersfelds gemacht. Fronhöfe des EB. und des Abts
von Fulda sollten zehntfrei sein. Die Anerkennung der Zehntpflicht durch
die Thüringer erwies sich sofort als wertlos, s. Cod. Udalr. 40 S. 87 un-
datiert, wahrscheinlich aus dem Spätjahr 1073. Das ergibt sich aus der
Klage über die Thüringer, vgl. Lamb. S. 159.
* J.W. 4659; Adalbero mußte sich einer Bußübung unterziehen. Der
Streit sollte auf dieselbe Weise wie der Mainzer entschieden werden.
* Er hielt an dem Besitz von Malmedy fest, Triumph. Rem. 1, 19 u.
22 S. 477 f.
5 Triumph. I, 22 S. 448, Ann. Altah. z. 1068 S. 74, hier in unrichtiger
Verbindung mit dem unterbliebenen Romzug. Er mag immerhin die Ur-
sache der Sendung' gewesen sein. Über die Erzkanzierwürde s. Mej^er von
Knonau I S. 589. « I. J. 1071.
— 739 —
sie war um so schmerzlicher, da in derselben Zeit Alexander die
Klage wider Uoto von Trier beschied. Anno hatte auf das nach-
drücklichste in den Papst gedrungen, wenn er sich jemals ein Ver-
dienst um Rom erwor])en habe, Uoto abzuweisen \ Aber er mußte
erleben, daß seine Bitten nichts galten. Jener reinigte sich durch
einen Eid von der ihm schuldgegebenen Simonie: er erhielt das
Pallium und wurde mit großen Ehren entlassen-.
Und nicht genug daran. Kaum zwei Jahre später wurde
gegen Anno die gleiche Anklage erhoben, die er gegen Uoto ge-
schleudert hatte. Als er sich zur Verantwortimg nach Rom begab,
mochte er wohl an den Tag in Mantua gedenken, wo er im Namen
des deutschen Episkopats von dem Papste Reclienschaft gefordert
hatte. Wie war alles anders geworden! Ein Trost war es für ihn
nicht, daß Erzbischof Siegfried und die Bischöfe von Bamberg und
Straßburg zugleich mit ihm vorgeladen waren 'l Es war ein schlim-
mer Tag für den deutschen Episkopat, als die Sache zur Ver-
handlung kam. Denn die beiden Metropoliten vermochten sich nicht
zu rechtfertigen, sie mußten eidlich Besserung geloben. Siegfried
von Mainz war so verwirrt, daß er den Gedanken ergriff, seine
kirchliche Würde niederzulegen: er hätte es getan, wenn ihn nicht
ein Verbot des Papstes gehindert hätte"'. Werner von Straßburg
bekannte bebend, daß er das Keuschheitsgelübde gebrochen habe;
er erwarb sich dadurch die päpstliche Vergebung; aber nicht die
Erlaubnis, sein Amt weiter zu führen. Nur Hermann von Bamberg
kehrte ungekränkt nach Hause zurück. Da er einen Reinigungs-
eid ablegte, so wurde er von der Simonie freigesprochen; er erhielt
überdies wie sein Vorgänger das Pallium. Aber in Deutschland
glaubte niemand, daß er die Wahrheit beschworen habe^.
1 Brief bei Giesebrecht S. 12.31.
■' Ann. Altab. z. 1068 S. 74; J.W. 4646.
•' Larab. z. 1070 S. 111 f. Daß gegen Werner von Straßburg gleich-
zeitig verhandelt wurde, zeigt Greg. Reg. I, 77 S. 96.
•1 Vgl. hiezu Greg. Reg. II, 29 S. 141. 1. J. 1072 wiederholten sich
diese Anwaudelungen, Cod. üdalr. 39 S. 81, Lamb. S. 139, Ann. Weiss. S. 55,
Mar. Scot. S. 560.
•^ Beyer, Forsch. XXII S. 535 f. macht, wie mich dünkt, unnötige
Schwierigkeiten. Daß Hermann einen Reinigungseid leistete, ist auf Grund
von Cod. Udalr. 44 S. 98 sicher. Daß er zugleich mit den andern ange-
klagten Bischöfen sich für die Zukunft eidlich verpflichtete, sich simo-
nistischer Weihen zu enthalten, ist auf Grund von Lamberts Bericht sehr
wahrscheinlich. Niemand wird Beyer zugeben, daß nur das Eine oder das
Andere wahr sein kann; denn es gibt keinen Grund, um dessenwillen sich
die beiden Eide ausschließen sollten.
47*
— 740 —
Während dessen war auch die Konstanzer Sache in Fluß
gekommen ^ Ihre Lösung war schwierig, weil nicht nur Sigfrid,
sondern auch der König in sie verwickelt war; der letztere ergriff
ofifen Partei für den angeschuldigten Bischof, Sigfrid aber hatte
zunächst zu entscheiden: bei ihm' war Karl als Simonist verdächtigt,
bei ihm hatte der Klerus von Konstanz Protest gegen seine AVeihe
erhoben. Es ist nun bemerkenswert, daß trotzdem Alexander die
Leitung der Sache in die Hand nahm; er verbot dem Erzbischof,
die Konsekration Karls vorzunehmen, und verfügte, daß dieser sich
vor einer Mainzer Synode rechtfertige, zugleich wies er den Klerus
von Konstanz an, ihm die Kirchen gemeinschaft vorerst zu versagen.
Nachdem eine erste für das Jahr 1070 berufene Synode nicht zu-
stande gekommen war, entsandte er an die zweite Synode, die am
15. August 1071 zusammentrat, die beiden Metropoliten Gebhard
von Salzburg und Uoto von Trier als seine Legaten; offenbar
wollte er verhüten, daß die Angelegenheit verschleppt würde. Auch
Heinrich war in Mainz anwesend. Er hoffte, die Freisprechung
Karls zu erreichen, indem er feierhch versicherte, dieser habe an
die königliche Kammer keine Zahlung geleistet. Aber dadurch
wurde Karl nicht gereinigt; denn Heinrich bestritt nicht, daß er
seine Umgebung bestochen habe. Das Ende war, daß Karl selbst
einsah, daß seine Freisprechung unmöglich sei, und daß er sich
deshalb entschloß, zurückzutreten. Am 18. August wurde die
Synode durch die Mitteilung überrascht, er habe Ring und Stab
an Heinrich zurückgegeben. Das Eingeständnis seiner Schuld war
dadurch kaum verhüllt, daß er als Grund seines Rücktritts angab,
er wolle nicht wider den Willen seiner Diözesanen Bischof sein.
Der von dem König ernannte Bischof war somit beseitigt. Hein-
rich hielt indes an seinem Ernennungsrecht fest, indem" er sofort
das Konstanzer Bistum einem Kanonikus von Goslar, namens Otto,
übertrug -.
1 Die Quellen für , das Folgende sind: Cod. Udalr. 36—38 S. 68 ff.,
Lamb. z. 1071 S. 129 ff., Ann. Altah. S. 82, Berth. S. 275, Bern. S. 429, Mar.
Scot. S. 560. Daß die sämtlichen eingehenderen Berichte Parteidarstellungen
sind, ist klar. Gleichwohl kann ich mit der Auffassung Beyers nicht ein-
verstanden sein: er gibt nicht eine Interpretation, sondern eine Korrektur
der Quellen. Daß diese aber die Hauptsache, die Schuld Karls, wahrheits-
gemäß wiedergeben, scheint mir zweifellos. Man kann so gering von
Heinrich IV. denken, als man will; das aber ist ihm nicht zuzutrauen,
daß er seinen Ernannten fallen ließ, wenn er von dessen Unschuld über-
zeugt war.
^ Die Ernennung durch den König ist bei Berthold und Lambert er-
wähnt; vgl. auch Cas. mon. Petrish. 11,27 S. 645.
— 741 —
Zu einem ähnlichen Ausgang führte der Widerspruch der
Reichen auer Mönche gegen Abt Ruotpert. Nur daß Alexander
hier die Sache von Anfang an nach Rom zog: er forderte von
ihm Eücktritt oder Rechtfertigung, und als er trotz wiederholter
Vorladungen nicht in Rom erschien, sprach er im Frühjahr 1072
Bann und Absetzung über ihn aus. Bischof Otto erhielt den Auf-
trag, das Urteil bekannt zu machen und auszuführen. Auch dies-
mal erhob Heinrich keine Einsprache; er nahm den Stab aus der
Hand Ruotperts zurück^. Das Kloster erhielt in dem von den
Mönchen gewählten Eggiha,rd von Neuenbürg einen neuen Abt; bei
dem nahen Verhältnis dieser Familie zu Heinrich schien also auch
hier der Einfluß des Königs ungebrochen zu bleiben'.
In derselben Zeit wurde die Entscheidung über das Olmützer
Bistum in Alexanders Hände gelegt. Wratislaw hatte die dem
Bistum Prag zugesagte Entschädigung nicht geleistet. Vergeblich
drang Bischof Gebhard, der im Jahre 1068 das Bistum erhalten
hatte — er war des Herzogs Bruder'^ — , in ihn, sein AVort ein-
zulösen. Da er nichts erreichte, faßte er den Plan, Johann zu
verdrängen und die Diözese Olmütz wieder mit Prag zu vereinigen.
Diu-ch eine frevelhafte Gewalttat an dem Bischof suchte er ihn
zum Rücktritt zu nötigen; allein vergebUch. Nun wandte er sich
klagend nach Rom. Auch Wratislaw fordei-te den Papst zum Ein-
schreiten auf^. Dadurch war offenkundig sowohl das Recht des
Königs als das des Mainzer Erzbischofs verletzt. Allein ohne Rück-
sicht darauf war Alexander bereit, den Zwischenfall zu entscheiden.
Kurz vor seinem Tode machten sich seine Legaten, die Diakone
Bernhard und Gregor, auf den Weg, um im Hader der böhmischen
Bischöfe ein Urteil zu fällen''.
Wie Alexander in alle großen, die Öffentlichkeit beschäf-
tigenden kirchhchen Fragen entscheidend eingriff, so auch in eine
1 Greg. Reg. 1,82 S. 102 f.; Ann. Altah. z. 1071 S. 83 f.; Larnb. z.
1071 f. S. 127 f., 138; Berth. z. 1071 S. 275.
" Greg. Reg. 1. c. Ser. abbat. Scr. XIII S. 332. Berth. z. 1073 S. 276.
Man nimmt gewöhnlich an, daß die Mönche eigenmächtig wählten, Beyer,
Bisch.-Wahlen S. 61, Voigt, Kl.-Pol. S. 64. Das ist aber allen Analogien
nach sehr unwahrscheinlich. Man wird vielmehr anzunehmen haben, daß
die Wahl mit Zustimmung Heinrichs stattgefunden hat, Gregor scheint,
wahrscheinlich wegen der Familie des Gewählten, Bedenken gehabt zu
haben (diligenter examinatum). Daß Kggihard auf die päpstliche Seite
trat, ist bekannt. ■■' Cosm. ehr. 11,21 f. S. 81.
* Ib. II, 27 f. S. 85 ff.; vgl. J.W. 4696 u. Cod. Udalr. 40 S. 85.
■' Greg. Reg. 1, 17 S. 29 f.
— 742 —
Menge kleiner, lediglich lokaler und persönlicher Angelegenheiten.
In erster Hinsicht ist die immer wachsende Zahl römischer Schutz-
privilegien für Stifter und Klöster bemerken sAvert: bis auf Leo IX.
waren sie hur vereinzelt, von ihm zuerst ist eine größere Zahl er-
halten, seitdem nimmt ihre Menge nicht mehr ab ^. Die persön-
lichen Angelegenheiten sind zumeist Disziphnarsachen : Bischof
Rumold von Konstanz hatte einen Abt des Priestertums und der
Leitung des Klosters entsetzt, weil er im Zorn einen Knecht so
grausam mißhandelt hatte, daß er an den Folgen starb. Als der
Abt appellierte, hob Alexander das Urteil auf: der Schuldige er-
^ S. Blumenstock, D. päpstl. Schutz S. 44. Doch ist zu bemerken, daß
die von Blumenstock angegebenen Zahlen falsch sind. Man erreicht sie
nur, wenn man die Erneuerung des Schutzes mitzählt, während es sich
doch nur um Neuverleihung handeln kann. Für Deutschland kommen nur
verhältnismäßig wenige Fälle in Betracht, nämlich 2 für Leo IX., J.W.
4194. 4201, 1 für Nikolaus IL 4400, 4 für Alexander IL, 4593, 4648, 4666,
4767. Die beiden Klöster, die von Leo IX. den päpstlichen Schutz erhielten,
wurden vorher in päpstliches Eigentum übergeben, St. Sim. u. Jud. in
(Tüslar von Heinrich IIL, IL Kreuz in Woffenheim von Leo selbst. Dagegen
fand in keinem der späteren Fälle eine Übergabe statt; die Schutzverleihung
ist lediglich Gunstbezeigung für einflußreiche Männer oder Parteigenossen:
4400 u. 4593 für Anno von Köln, 4666 für Udo von Toul, 4767 für Altmann
von Passau; auch 4648 fällt unter diesen Gesichtspunkt: der alte Propst
Ermenfrid von St. Maria Magd, in Verdun war ein Gesinnungsgenosse
Richards von St. Vanne, s. N.A. XV S. 136, er hatte sein Stift einst von
Leo IX. weihen lassen, J.W. 4193. Ein Unterschied zwischen den päpst-
lichen Schutzbriefen besteht also insofern, als sie entweder auf Grund der
Übergabe oder ohne dieselbe erteilt wurden. Aber was W. Kranz, Die
päpstl. Politik etc. 1902 S. 13 ff. sagt, um weitere Unterschiede nachzu-
weisen, ist für Deutschland unrichtig: denn 1., von specialis tutela ist weder
bei Goslar, noch bei Woffenheim die Rede; 2., in Goslar, obwohl tradiert,
wird das ecclesiasticum regimen des Diözesanbischofs ausdrücklich gewahrt,
das Stift hat auch nicht freie Wahl des Propstes, sondern der Kaiser er-
nennt. Was Goslar gewährt wurde, unterschied sich also nicht wesentlich
von dem, was die Kurie nicht tradierten Klöstern gewährte. Die Hauptsache
war hier wie dort die Sicherung des Besitzstandes, bei den tradierten
Klöstern kam hinzu die Sicherung der Freiheit (Goslar: ut in perpetuum
libera persistat, Woffenheim: libere semper maneat), bei den nicht tradierten
die Sicherung der Statuten (St. Mar. in Köln: ut tua statuta in violata per-
maneant, Siegburg: quatenus prima ista, quae modo instituitur, permaneat
consuetudo, St. Salvator in Toul : ut nullus alterius ordinis congregationem
ibi constituat, St. Nikol. in Passau: ut clerici sub communi semper vita
consistant. Bei St. Mar. Magd, in Verdun fehlt eine analoge Bestimmung).
Die Freiheit der Wahl konnte, mußte aber nicht, statutarisch sein, und ist
demgemäß kein i-egel mäßiger Bestandteil der Schutzbriefe.
— 743 —
hielt nicht nur das Kloster zurück, sondern er durfte auch nach
einjähriger Buße wieder Messe lesen ^. In Verdun hatte ein
Kleriker in einer Krankheit gelobt, Mönch zu werden; daraufhin
waren seine Benefizien von dem Bischof einem anderen übertragen
worden. Nach seiner Genesung aber erfüllte jener sein Gelübde
nicht, forderte vielmehr, daß ihm seine Pfründen zurückgegeben
würden, und betrieb persönhch die Entscheidung in Bom. Alexander
erließ wieder ein dem Appellanten günstiges Urteil ^. Ein flüchtiger
Passauer Mönch, der da und dort, ohne Diakon zu sein, Diakonen-
dienst in de!? Kirchen geleistet hatte, wurde, als er nach Bom kam,
alsbald absol'dert; Alexander verfügte überdies, daß er die höheren
Weihen erh;dten kennet Lauter Entscheidungen, die sachlich so
auffällig sinü, daß sie fast vde Belohnungen für die Anrufung des
Papstes erscheinen. Andere Fragen wurden von den Bischöfen
selbst dorn Papste zur Bescheidung vorgelegt*.
Die Bedeutung dieser großen und kleinen Vorgänge ist nicht
vollständig a'isgesprochen, wenn man in ihnen Erfolge der päpst-
lichen Ansprüche auf Herrschaft in der Kirche sieht. Gewiß waren
sie das. W&a unter Leo IX. begonnen hatte, vollendete sich unter
Alexander II,: wie niemals vorher regieiie das Papsttum, kaum
aus der Abhängigkeit von dem deutschen König befreit, in der
deutschen Kirche. Der Bericht, den Siegfried von Mainz über die
Synode von 1071 nach Bom sandte, ist so untertänig, daß er selbst
an den Briefen des Bonifatius seinesgleichen nicht hat: die deutsche
Synode erscheint als ganz auf päpstlicher Autorität beruhend^.
Aber nicht minder wichtig ist, daß durch das römische Eingreifen
die bereits vorhandene Desorganisation der deutschen Kirche ge-
fördet, man darf sagen: unheilbar gemacht wurde. Daß der König
die Bischöfe und die Abte der königlichen Klöster ernannte, war
ein durch lange Gewohnheit gefestigtes Becht. Seine Ausübung
wurde unmöglich, wenn der Widerwille der Territorien gegen die
Ernennung ihrer Fürsten an dem Papst eine nie versagende Stütze
fand. Daß die Metropoliten die Bischöfe konsekrierten, war ihr
verbrieftes Becht. Es wurde illusorisch, wenn ihnen das Judicium
über die Bechtmäßigkeit der Wahl aus der Hand genommen
wurde. Daß die Bischöfe die Disziplin in ihren Diözesen hand-
habten, war eine ihrer vornehmsten Pflichten. War ihre Erfüllung
1 J.W. 4511, vgl. 4503. "' J.W. 4625. ^ j w. 4622.
4 J.W. 4589; Cod. üdalr. 31 S. 59; 32 S. 61; 38 S. 81.
5 Cod. Udalr. 38 S. 77 ff.; vgl. bes. S. 80: Ratum duximus, huius con-
cilii ordinem et exitum vestrae significare sanctitati, ut, cuius auctoritate
ceptum et confectum est, eius et assensu mereatur robarari.
— 744 —
möglich, wenn die Appellationen nach Rom fast unfehlbar zur
Aufhebung oder Milderung der bischöf heben Urteile führten?
Mit einem Wort: indem das Papsttum die Eegierung der Kirche
in die Hand nahm, störte es überall bisherige Rechte: es elimi-
nierte die Autorität des Königs und es schwächte die Autorität
des Episkopats.
Höchst eigentümlich war nun das Verhältnis der Kurie und
des Hofes: der Zwiespalt der Interessen war vorhanden; aber nur
sehr allmählich kam es zu einem ausgesprochenen Gegensatz
Heinrich fehlte die aggressive Tendenz, und in Rom glaubte- man.
wie es scheint, die eigenen Ziele ohne Kampf mit dem König
erreichen zu können.
Schon bei der Schwertumgürtung wurde ein Romzug Hein-
richs in Aussicht genommen. Man bemerkt, daß er für die Rechnung .
der Parteien noch eine unbekannte Größe war: ebenso die Gegner
Alexanders wie Peter Damiani sahen seiner Ankunft voll Hoffnung
entgegen. Jene erwarteten die Anerkennung des königlichen
Papstes^, dieser dachte nicht anders, als daß der Sohn Hein-
richs HI. Cadalus den Rest von Macht entreißen werde, den er
noch hatte ^. Alexander und Hildebrand haben diese Ansicht
schwerlich geteilt: sie mußten mit der Tatsache rechnen, daß die
Beziehungen des Hofs zu Cadalus trotz der Mantuaner Synode
nicht ganz abgebrochen waren ^. Der Romzug Heinrichs bai-g
mögUche Gefahren in seinem Schöße. In Rom wurde also die
Nachricht, daß er bis zum Herbst 1065 verschoben sei^ gewiß
nicht mit Bedauern aufgenommen. Er kam auch im Herbste nicht
zustande. Im nächsten Jahr erfolgte der Sturz Adalberts. Jetzt
drang Anno darauf, daß an der Stellung des Königs zu beiden
Fäpsten kein Zweifel gelassen werde; noch in Tribur wurde be-
schlossen, einen eigenen Gesandten nach Rom zu schicken, der alles
1 Benzo lU, 12 ff. S. 621 ff. Daß die hier erzählte Reise Benzos in das
Jahr 1065 gehört, zeigt Lehmgrübner S. 105 ff.
ä Ep. VII, 3 S. 437 ff. Der Brief ist erst nach der Verschiebung des
Zugs geschrieben ; vgl. S. 437 D : Tu non succurris ecclesiae.
^ Auch von Benzo abgesehen, steht diese Tatsache fest, s. d. angef.
Brief S. 438 f., und den 5. Brief Annos bei Giesebrecht S. 1229. Rät Anno,
ut ipse — der König — cessaret ab ea, qua diu iani sedem apostolicam
vexavit, calumnia; oportere quoque, ut post multas iniurias cum satis-
factione dignum exhiberet honorem summo pontifici, so kann sich das nur
auf das unklare Verhältnis zu Cadalus beziehen.
* Brief Annos bei Giesebrecht S. 1228 Nr. 4, bei Hefele IV S. 876 erst
in d. J, 1067 verlegt.
— 745 '—
ins Gleiche bringe Da Anno Bedenken trug, Deutschland zu ver-
lassen, so ging Otto von Baiern als Königsbote über die Alpen*.
In Born war man sehr befriedigt; nie hat Alexander das Lob
Annos so laut verkündigt, als in der nächsten für ihn erlassenen
Urkunde. Hier ist er der fromme und wahrhaft bischöfUche Mann,
der treue und kluge Knecht, der mitten in seinen eigenen Mühen
an die Bedrängnisse der römischen Kirche denkt und ihr seine
Unterstützung darbietet". Jedes Bedenken gegen den Romzug
Heinrichs war nun geschwunden; der Papst wünschte, forderte ihn.
Der Grund für das letztere lag darin, daß die Beziehungen zu
Richard von Capua sich getrübt hatten. Nicht umsonst hatten
die Normannen das Papsttum unterstützt; sie fühlten sich notwendig.
Richard rückte im Jahre 1066 in die römische Campägna ein,,
und forderte, daß ihm der römische Patriziat erteilt werde ^. Un-
möglich konnte Alexander auf das Verlangen eingehen; er hätte
dadurch das Papsttum, nachdem es von der Tyrannei des latei-
nischen Adels befi'eit war, der nicht minder bedenklichen Herr-
schaft normannischer Abenteuerer ausgeHefert. Aber ein Gegen-
gewicht gegen die Normannen konnte er nur im Norden finden:
bei Herzog Gottfried oder dem König. Und höchst bezeichnend
ist es nun, daß er sich an den letzteren und nicht an den Herzog
von Tuscien wandte^. Denn liegt nicht darin das klare Urteil,
^ Giesebrecht S. 1229 f. Nr. 5. Wo die Beratung stattfand, sagt Anno
nicht; man hat wahrscheinlich an Tribur zu denken.
- J.W. 4593; vgl. auch 4599. » Leo ehr. Cas. 111,23 S. 714.
■* Amatus VI, 9 S. 243: Lo pape avoit mande molt souvent par letres
et aucune foiz par messages lo roy Henry pour venir contra la crudeUte de
li Normant. Anders Bonizo, der von einem beabsichtigten Zug des Königs
nichts weiß, dagegen Hildebrand Gottfrid zu Hilfe rufen läßt, VI S. 599.
Ich kann mich nicht überzeugen, daß v. Heinemann recht tut, Bonizo zu
folgen, S. 388 f. Denn daß der Plan der Kaiserkrönung bestand, zeigen die
Briefe Sigfrids, Cod. Udalr. 31 f. S. 59 f., und Peter Damianis, ep. VII, 3
S. 442; ohne vorhergehende Unterhandlungen aber ist der Zug zum Zweck
des Empfangs der Kaiserkrone sicher nicht geplant worden. Das wäre gegen
alle Analogie. Die Reise der Kaiserin nach Deutschland, zu der Peter
Damiani seine Zustimmung gab, ep. VII, 8 S. 447, ist verständlich, wenn sie
Aufträge zu überbringen hatte. Unterhandlungen zwischen dem Hof und
der Kurie haben demnach stattgefunden. Nun könnte man annehmen, daß
Hildebrand durch seine Verabredung mit Gottfried den offiziell mit dem
König verabredeten Plan kreuzen wollte. Die Sache wäre nicht unmöglich ;
aber durchaus unwahrscheinlich ist, daß Bonizo in eine solche krumme
Maßregel eingeweiht war. Ich möchte deshalb annehmen, daß Bonizos
Nachricht auf einem Rückschluß beruht. Gottfried ist gegen die Normannen
— 746 —
daß der König für den Papst der weniger gefährliche Helfer sei?
Immerhin schienen für Heinrich alle Wege geebnet. Denn auch
die deutschen Großen ließen keinen Zweifel daran, daß sie die
Kaiserkrönung wünschten. Anfang Februar 1067 sollte der Zug
von Augsburg aus begonnen werden^. Und gleichwohl unterbheb
er auch diesmal. Wenn man fragt, wem dadurch ein Vorteil zu-
fiel, so ist es Herzog Gottfried. Und er war es denn auch, der
die Absichten des Königs kreuzte, indem er ihm durch seinen vor-
zeitigen Aufbruch nach Italien die Gelegenheit zu handeln vor-
wegnahm^. Man kann begreifen, daß Heinrich darüber aufbrauste.
Aber wenn er nun in trotzigem Unmut den ganzen Zug aufgab,
so erklärte sich dieser vorschnelle Entschluß doch nur aus seiner
Jugend. Gottfried erreichte zunächst, was er wollte: er drängte
die Normannen rasch aus der Campagna zurück und schloß dann
Frieden mit ihnen. Das war halbe Arbeit: man wird kaum darüber
zweifelhaft sein können, warum er nicht mehr leistete: er wollte
den Päpsten nötig bleiben.
Der Verzicht auf den Romzug war die erste Maßregel, die
Heinrich IV. ^ ganz selbständig ergriff und für die er allein die
Verantwortung hatte. Sie mag psychologisch verständlich sein;
aber für sein Verhältnis zum römischen Hof war sie Verhängnis voll.
Selbst Peter Damiani konnte sich des Zweifels nicht erwehren, ob
der König für seinen Platz in der Weit nicht noch zu jung sei^;
er meinte, ihn durch die Erinnerung an biblische Vorbilder, an
seinen Vater zu entschlossener Tatkraft entflammen zu müssen: wie
aufgetreten: also er ist darum ersucht worden. Die Nachricht hat aber
dann keinen Wert.
1 Amat. VI,9 S. 243 f.; Leo 111,23 S. 253; Cod. üdalr. 31 f. S. 59 f.;
Ann. Altah. z. 1067 S. 72, Weissenb. S. 53, August. S. 128. Bei dem Wider-
spruch zwischen den deutschen und italienischen Quellen gehen die An-
sschauungen der Forscher auseinander. Zuletzt hat Jung (Gottfr. d. B. S. 80 ff.
ich sehr entschieden für die Richtigkeit der deutschen und gegen die)
Glaubwürdigkeit der ital. Nachrichten ausgesprochen. Wie mich dünkt,
scheitert seine Anschauung daran, daß die Absicht des Romzugs sicher ist.
Der Zug war von den Fürsten beschlossen; für seine Verlegung gab es
1067 keinen Grund ; denn die Worte : Cum rex in aliis regni partibus occu-
patus esset, haben keinen Gehalt. Ich glaube also hier den ital. Quellen
folgen zu müssen ; vgl. Meyer v. Knonau I S. 549 ff.
- Eine Parallele dazu ist die seltsame Untätigkeit Gottfrieds auf der
Versammlung von Piacenza Ann. Altah. z. 1068 S. 75.
^ Ep. VIT, 3 S. 437 : An plenae forte robur aetatis adhuc tibi deesse
conquereris?
-- 747 —
jener solle er die darniederliegende Kirche aufrichten; wozu trage
er die Waffen, wenn er nicht kämpfe?
Das waren wohlgemeinte Worte, denen ein Mißverständnis
Heinrichs zugrunde lag. Anders als der Greis urteilten die Männer,
die die Politik der Kurie bestimmten. Aber sie verstanden Hein-
rich nicht besser, wenn sie in seinem Verhalten den Beweis sahen,
daß man mit ihm nicht ernstUch rechnen müsse. Das Verhältnis
zu den Normannen ordneten sie auf eigene Hand; im Sommer
1067 gingen Alexander und Hildebrand zu diesem Zweck nach
Süditalien: es unterliegt keinem Zweifel, daß sie den Bund mit
Richard erneuerten^: das war ein Erfolg Gottfried gegenüber.
Noch bedenklicher war für ihn die enge Verbindung, in die der
Graf Wilhelm von Burgund mit der Kurie trat: er schwur vor
allem Volk an der Konfession des Apostels, daß er bereit sei) zu
jeder Stunde, sobald der Papst ihn rufe, zur Verteidigung Roms
in den Kampf zu ziehen '^. Die politische Lage Roms war dadurch
wieder völHg gesichert.
Die schroffe Behandlung Annos im Frühjahr 1068 und das
rücksichtslose Vorgehen gegen den deutschen Episkopat ist von
diesem Punkte aus verständlich. Nicht minder das Verhalten
Alexanders gegen Heinrich: freilich handelte der letztere so, daß
er die Vorstellung befestigen mußte, er könne niemals zu einem
gefährlichen Gegner werden. Am übelsten war ohne Zweifel sein
Ehescheidungsplan ^. Er war seit dem 13. Juli 1066 mit Bertha
von Savoyen vermählt. Seine Gemahhn war, wie seine Mutter,
eine unglückliche Fürstin. Aber die deutsche Geschichte gedenkt
ihrer in Ehren; denn in den schwersten Tagen hat sie die Pflicht
der Frau getreulich erfüllt. Als sie vermählt wurde, war sie kaum
dem Kindesalter entwachsen. Sie vermochte den Weg zum Herzen
ihres Gemahles nicht zu finden: er bheb ihr fremd, wurde ihr ab-
geneigt. Im dritten Jahre war der Entschluß reif, seine Ehe wieder
zu lösen. Pfingsten 1069 sprach er ihn im Rat der Fürsten un-
verhohlen aus. Der erschreckte Widerspruch, den er fand, die
ernsten Bedenken, die ihm entgegen gehalten wurden, vermochten
nicht, ihn umzustimmen. Es war ein Unglück, daß kein besserer
Mann als Siegfried von Mainz an der Spitze des deutschen Episko-
pats stand*. Denn statt das Verlangen Heinrichs von Anfang an
^ Vgl. V. Heinemann I S. 250 f. Doch bezweifele ich, ob schon im
Frieden der Kurie weitere Zugeständnisse gemacht wurden.
•^ Greg. Reg. I, 46 S. 64.
3 Ann. Altah. z. 1069 S. 78; Lamb. S. 105 ff.; Cod. Udalr. 34 S. 65.
* Die angef. Quellen widersprechen einander in bezug aqf die Stellung
— 748 —
zurückzuweisen, stellte er ihm eine Synodalverhaudlung darüber in
Aussicht. Davor jedoch schreckte er zurück, die Verantwortung
für das auf sich zu nehmen, was auf der Synode geschehen konnte.
Er berichtete deshalb nach Rom und bat um Entsendung eines
Legaten. Alexander schickte Peter Damiani. Er konnte keine
bessere Wahl treffen. Denn von allen Kardinälen war keiner
Heinrich persönhch so nahe getreten als er; keiner aber kannte
zugleich in einer Angelegenheit wie diese so wenig ein Nachgeben.
Die Entscheidung brachte die Synode von Frankfurt im Oktober
1069. Denn als hier der Legat die Erklärung abgab, niemals
werde Alexander Heinrich krönen, es sei denn, daß er von dem
Scheidungsplane abstehe, trat Heinrich von seiner Forderung zurück.
Das war recht; aber wer darf es der Kurie verargen, wenn sie
Heinrich als einen Knaben betrachtete, der leidenschaftlich begehrte,
aber vor ernstem Widerstand zurückwich?
Daß Heinrich dem Einschreiten gegen die von ihm ernannten
Prälaten keine Schwierigkeiten in den Weg legte, daß er sich den
päpstlichen Erlaß über die Gründung des Bistums Gurk, durch
den ihm die Ernennung und Livestitur des Bischofs verboten ward,
gefallen ließ^, konnte diese Vorstellung nur verstärken. Aber sie
war gefährlich; denn sie war irrig.
Der latente Gegensatz zwischen dem Hof und der Kurie wurde
zu offenem Widerspruch infolge der Mailänder Verhältnisse.
Seit dem Amtsantritt Alexanders hatte sich dort manches
verändert. Zuerst starb der Führer der Pataria, Landulf; er erlag
Sigfrids. Die Altaicher JB. behaupten: Promiserat, se illi hoc permissuram
synodali iudicio. Lambert läßt Sigfrid durch ein Versprechen in bezug
auf die Thüringer Zehnten bestochen sein. Dagegen behauptet Sigfrid seibat,
er sei ein Gegner der Scheidung gewesen und die Synode sei durch die in
Worms anwesenden Bischöfe beschlossen worden. Man wird diesem Ver-
such, sich rein zu waschen, kaum Glauben schenken können.
1 J.W. 4673 V. 21. März 1070 an Gebhard von Salzburg. Alexander
gewährt Gebhard das Recht zur Errichtung eines Bistums — Gurk ist erst
in der königl. Urk. genannt — und verfügt, ut nullus ibi episcopus quan-
doque sive per investituram, ut dici assolet, vel quocunque pacto inibi con-
stitnatur, nisi quem tu vel tui successores prompta voluntate elegerint,
ordinaverint et consecraverint. St. 2755 v. 4. Febr. 1072. Hier lautet die
betreffende Stelle fast wörtlich ebenso; der Hauptnnterschied ist, daß die
Worte, ut dici assolet, fehlen. Daß Heinrich zustimmte, erklärt sich ver-
mutlich daraus, daß die Diözese Gurk aus dem Salzburger Gebiet heraus-
geschnitten wurde; eine Schädigung Salzburgs war nur dann vermieden,
wenn das Bistum gewissermaßen im Besitz des Erzbistums blieb.
— 749 —
einem Lungenleiden ^. An seine Stelle trat sein Bruder Erlembald:
es charakterisiert die Verhältnisse, daß nun ein Laie an der Spitze
des Bundes stand. Seine Macht nahm dadurch nur zu; denn
Erlembald war ein Mann, wie ihn das Volk liebt: er gab etwas
auf den Glanz des Auftretens. Den Klerus haßte er bitter; man
tadelte es nicht; denn er hatte Grund dazu; 6s war ihm einstmals
die Braut von einem Priester verführt worden^; seinen religiösen
Eifer aber hatte er bewährt, indem er zum Grab des Heirn wall-
fahrtete. Er war tatsächlich der Herr in der Stadt; der Erzbischof
war nicht imstande, irgendeiner Anordnung Geltung zu verschaffen,
wenn der Führer der Pataria widerstrebte. Stets umgab ihn ein
bewaffnetes Gefolge ; Papst Alexander selbst reichte ihm das Banner,
unter dem seine Leute kämpfen sollten ^. Im Frühjahr 1066 er-
hoben die Patarener von neuem Klage gegen Wido, und Alexander
bedrohte ihn mit der Exkommunikation^. Darüber kam es am
Pfingstfest in der Kirche zu einem Tumult; der Erzbischof wurde
schwer mißhandelt, dann stürzte sich das Volk auf den ßischofs-
hof, ihn zu plündern. In den Unruhen, die nun folgten, wurde
Ariald ermordet; aber Erlembald behauptete sich; Wido mußte
aus der Stadt weichen. Die Verhältnisse wurden so unerträghch,
daß zuletzt die Kurie selbst es unternahm, den Frieden zwischen
den Parteien zu vermitteln, und die ärgsten Ausschreitungen der
Pataria zu verhindernd Wer kann sich wundem, daß der Erz-
bischof seiner Würde überdrüssig ward und den Gedanken ergriff,
zurückzutreten ?
• Damit aber war die schwierigste Frage aufgeworfen. Denn von
wem sollte sein Nachfolger bestellt werden ? Wido hatte das Erz-
bistum von Heinrich III. erhalten; ernannte Heinrich IV. seinen
Nachfolger, so war die Pataria in Gefahr, alles, was sie bisher er-
reicht hatte, zu verlieren. Setzten es dagegen die Patarener durch,
1 Arnulf III, 16 S. 21, Bonizo VI S. 595. Das Jahr läßt sich nicht be-
stimmen. Die beinahe 18 Jahre, die Andreas 33 S. 1456 zwischen dem Tad
Landulfs und dem Erlembalds verlaufen läßt, sind sicher unrichtig.
2 Die Quelle hierfür ist jedoch nur Landulf III, 14 S. 82 f.
^ Ai-nulf III, 16 S. 21, der auch für das Folgende Hauptquelle ist;
Andreas 83 f. S. 1455 ff.; Berth. z. 1077 S. 305.
* Arnulf sagt 111,20 S. 23: Excommunicationis litteras detulit archi-
episcopo. Dabei kann nicht an die verhängte Exkommunikation gedacht
•werden, sondern nur an die angedrohte. Denn sonst hätten die päpstlichen
Legaten Wido vom Banne lösen müssen.
•^ S. das Protokoll der Verhandlung der päpstlichen Legaten vom
1. Auff. 1067 bei Mansi XIX S. 946 ff.
— 750 —
daß der neue Metropolit frei gewählt wurde, so war der .Verlust
Mailands, ja der Lombardei für den König besiegelt. Denn längst
hatte der Patarenerbund sich auch über andere lombardische Städte,
Cremona, Piacenza, Turin, Alba u. a, ausgebreitet. Was in Mai-^
land geschah, war entscheidend für sie alle^
Hier schlössen das römische und das königliche Interesse sich
direkt aus, und demgemäß nahmen Heinrich und Alexander Stel-
lung. Während von Rom die Losung ausgegeben wurde, daß im
Fall der Erledigung Mailands der neue Erzbischof kanonisch ge-
wählt und in Rom bestätigt werden müsse-, ernannte Heinrich im
Einverständnis mit Wido einen Nachfolger für den letzteren
Seine Wahl traf einen Vertrauten des Erzbischofs, den Subdiakou
Gottfried, der sich auch dem König bereits als dienstbereit bewährt
hatte. Allein wider dieses einseitige Vorgehen erhob sich in Mai-
land jedermann; Brlembald griff zu den Waffen: er verwehrte dem
Ernannten des Königs den Einzug in Mailand. Dieser warf sich
in seine Burg Castiglione ; er hoffte, von hier aus den Kampf fort-
setzen zu können. Aber die Mailänder waren ihm an Macht weit
überlegen; sie schlössen ihn in der Burg ein. Während dieser
resultatlosen Kämpfe starb Erzbischof Wido am 23. August 1071".
Nun mußten Gottfrieds Gegner sich über die Wahl eines neuen
Erzbischofs schlüssig machen. Darüber ging ihre Einigkeit in
Stücken. Es war ledighch der Patarenerbund, der Epiphanias
1072 den Kleriker Atto zum Erzbischof erkor. Seine Gegner
waren zahlreich und kühn; noch am Abend überfielen sie den Neu-
gewählten im Bischofshofe: sie schleppten den übel Mißhandelten
in die Kirche. Dort hat er, um sein Leben zu retten, vor allem
Volk geschworen,' er verzichte für jetzt und für die Zukunft auf
die erzbischöfliche Würde. Der Zwiespalt zwischen König und
Papst wurde dadurch nur vertieft. Denn einerseits erklärte
Alexander auf einer römischen Synode, Attos Verzicht sei nichtig,
er sei der rechtmäßig gewählte Erzbischof; er bannte Gottfried *
und forderte Heinrich zur Anerkennung Attos auf Andererseits
schickte der König eine deutsche Gesandtschaft nach der Lom-
bardei mit der Erklärung, die Ernennung Gottfrieds bestehe zu
Recht. Er forderte dessen Konsekration, und die lombardischen
Bischöfe nahmen sie trotz des päpstlichen Bannes vor^. Die Folge
1 Bonizo VI S. 596 ff. - Arnulf III, 21 S. 23.
* S. den Mailänder Katalog, Scr. VIII S. 104, der den Todestag und
26 Jahre als Amtszeit angibt.
* Arnulfs Nachricht wird durch G. Reg. 1, 15 S. 27 bestätigt; vgl. Bonizo
VI S. 599. 5 Bonizo VI S. 599 f.; VII S. 606; Arnulf IV. 3 S. 26.
— 751 —
war der erste gegen den König direkt gerichtete feindselige Schritt
der Kurie. Auf der Fastensynode von 1073 sprach Alexander II.
über die vornehmsten Räte des Königs den Bann aus. Die Be-
gründung dieser Maßregel zeigte den ganzen Ernst der Situation:
sie suchten den König von der Gemeinschaft der Kirche zu trennen^.
Der Kampf war unvermeidlich.
So lagen die Dinge, als Alexander starb -. Von den Männern,
die während seines Pontifikats in der ersten Linie standen, waren
die Bedeutendsten bereits dahingegangen. Weihnachten 1069 war
Herzog Gottfried gestorben ^. Sein Tod war kaum ein Verlust für
das Papsttum. Denn an die Stelle eines nie ganz sicheren Bundes-
genossen* trat eine Frau, die sich stets als Dienerin des Papstes
betrachtete. Um die Jahreswende 1071 — 1072 hatte das Leben
des Gegenpapstes Cadalus ein ruhmloses Ende genommen; so wenig
bedeutete er mehr, daß kein Chronist den Tag seines Todes ver-
zeichnet hat''. Am 22. Februar 1072 Avar Peter Damiani'' und
am 16. März desselben Jahres Adalbert von Bremen abgeschieden',
zwei Männer, die in ihrem Charakter kaum einen verwandten Zug
hatten, und die doch darin sich glichen, daß sie bis zuletzt in den
Gedanken und Anschauungen einer bereits entschwundenen Epoche
lebten*^. Noch stand Anno auf seinem Platze. Aber nur seine
mönchischen Bewunderer konnten davon träumen, daß ihm noch
einmal das Regiment im Reich beschieden sein werde ^. Er selbst
erkannte, daß seine Zeit vorbei war: Weihnachten 1072 bat er
den König, ihn von den Staatsgeschäften zu entbinden ^^'. Nur ein-
1 Bonizo VI S. 600. - 21. Apiil 1073.
'-' Der Tag -wird nicht übereinstimmend angegeben: 21. Dez. ehr. s.
Hub. 2.3 Scr. VIII S. 582, 24. Dez. Bern. z. 1069, Necrol. Mog. Böhmer
Font. III S. 143; 25. Dez. Ann. Weissenb. z. 1070 S. 55, Necrol. Lauresh. bei
Böhmer S. 152. Einen entscheidenden Grund für den einen oder den andern
Tacr o'ibt es meines Erachtens nicht.
^ Vgl. den erschreckten Brief Peter Damianis über Gottfrieds Zu-
sammenkunft mit Cadalus, VII, 10 S. 448 f.
-' Nach Bonizo VI S. 600 starb er kurz vor Heinrich von Ravenna.
Der letztere starb i. J. 1072, Ann. Altah. S. 84, und vor Peter Damiani.
Vita s. P. D. 21 Mign. 144 S. 142. Heinrichs Nachfolger wurde Wibert,
Ann. Altah., Bonizo.
ß Am Morgen von Petri Stuhlfeier, vita 22 S. 143.
■ Adam ni, 66 S. 144.
"^ Durch den Zwiespalt zwischen Kaisertum und Papsttum sah Damiani
die ganze kirchliche Lage gefährdet, ep. IX, 4 S. 313 : Ad ecclesiastici
Status universale periculum ab invicem sacerdotium imperiumque resiliunt.
0 Lamb. z. 1072 S. 134 f. i» Ders. z. 1073 S. 140.
— 752 —
mal noch wurde er als Unterhändler gebraucht, im sächsischen
Aufinihr^ Aber er suchte vergeblich, Verhältnisse wieder einzu-
renken, an deren Verwirrung er nicht ohne Schuld war. Als
vollends die Empörung der Kölner Ostern 1074 ausbrach ^ wurde
zwar der harte Sinn des Erzbischofs nicht gebrochen; aber die
Lust zum Handeln war dahin. Er lebte zumeist in seinem Klosten
Siegburg ^; er war krank, aber er verschmähte es, einen Arzt zu
Rate zu ziehen*. Seine Tage erfüllten strenge Bußübungen. Man
mag bezweifeln, ob man in ihnen das Bekenntnis sehen darf, daß
sein Leben verfehlt gewesen sei. Aber es ist verfehlt gewesen.
Am 4. Dezember 1075 ist Anno gestorben ^ Die Welt wurde leer
von großen Männern; es blieben nur zwei, der neue Papst und
der zum Mann gereifte König.
1 Lamb. z. 1073 S. 162 ff.
2 Ders. z. 1074 S. 185 ff., vgl. den ßf bei Sudendorf I S. 5f. Nr. 3,
3 Ders. z. 1075 S. 246 f. Vita Annon. II, 24 S. 496.
■* S. die Mahnung Erps von Siegburg bei Sudendorf II, 28 S. 35.
5 Lamb. z. 1075 S. 242.
Sechstes Kapitel.
Fünfzig Jahre Streit.
All; 22. Aprir 1073 wurde der Leichnam Alexanders II. in
der Salvatorkirche am Lateran beigesetzt^. Die Stadt war ruhiger
als bei den letzten Erledigungen. Die Kardinäle hatten dem Volk
den Tod des Papstes kundgegeben und ein dreitägiges Fasten,
Litaneien und Almosen Verteilungen angeordnet; dann sollte die
Neuwahl stattfinden. A.lles schien in die rechte Bahn geleitet:
allein es kam anders als man erwartet hatte. "Während der
Klerus beschäftigt war, die Papstleiche in die Gruft zu senken,
begann das in der Kirche versammelte Volk unruhig zu werden;
da und dort erhob sich der Ruf: Hildebrand sei Papst! Er wurde
rasch allgemein. Hildebrand versuchte zu wehren; man ließ ihn
nicht zu Worte kommen. Zu dem stürmischen Rufen des Volks
gesellte sich das dringende Zureden der Kleriker-; sie gaben ihm
nicht die Möglichkeit, zu überlegen. Ja oder Nein zu sagen: fast
wider seinen Willen wurde er zu der bischöflichen Kathedra
^ Ich versuche die Darstellung des Kampfes in erster Linie auf die
urkundlichen Quellen, die Briefe der Päpste und ihrer Zeitgenossen zu
stützen. Die Historiker, die sämtlich durch die Parteistellung, auch durch
die sehr frühzeitig beginnende Legendenbildung (Paul von Bemried) be-
einflußt sind, kommen nur in zweiter Linie in Betracht. Schon für die
Wahl Gregors sind seine Berichte in den ersten Briefen des Registrum
Hauptquelle. Alle anderen Angaben fallen neben ihnen kaum ins Gewicht;
vgl. die sorgfältige Kritik bei Mirbt, Die Wahl Gregors VU, 1892.
' Reg. 1, 39 S. 57 : Qoanta fratrum impolsione. Die Beziehung der
fratres auf das Volk ist nicht unmöglich; wahrscheinlicher ist jedoch die
Beziehung auf die Kleriker.
Hanck. Kirchengeschichte HI. 48
— 754 —
geführt, während das Volk ihn unter dem Namen Gregor VIT.
zum Papst ausrief.
Es ist nie aufgeklärt worden, wodurch der Tumult in der
Kirche verursacht wurde. Soviel scheint jedoch sicher, daß er nur
das Resultat herbeiführte, über das die Führer der Kurie bereits
schlüssig waren \ Das Volk erhob eigenwillig den Mann, der
zwei Tage später in einer minder unregelmäßigen Weise gewählt
werden sollte".
So ist Gregor yil. Papst geworden. Man kann nicht sagen:
gemäß der Wahlordnung von 1059. Aber Gregor betrachtet >
die formlose Erhebung als rechtmäßige Wahl. Seit dem 22. April
bezeichnete er sich als erkorenen römischen Bischof^. Ebenso
wurde sie auch anderwärts beurteilt'^. Und gemessen mit dem
Maße des alten Rechts war sie in der Tat nicht unrechtmäßig:
Gregor war vom Klerus und Volk frei erwählt.
Seine Wahl war eine Notwendigkeit. Es waren nahezu
zwanzig Jahre verflossen, seitdem der Zögling Roms mit Leo in
die Stadt der Päpste zurückgekommen war. An allem, was Rom
seitdem erlebt hatte, war er beteihgt gewesen, je länger, je mehr
^ Der Beweis hierfür liegt in dem Namen Gregor. Denn es ist un-
denkbar, daß, wenn er nicht vorher festgestellt war, dieser Name in dem
Tumult allgemein gebraucht wurde: er wäre unverständlich gewesen. Ist
dies einleuchtend, so erscheint es als durchaus unwahrscheinlich, daß die
Szene in der Kii'che durch irgend einen Zufall herbeigeführt wurde: sie
wurde in der bestimmten Absicht, Hildebrand sofort zu wählen, veranlaßt.
Ob mit Vorwissen Hildebrands, das ist eine Frage, die auf Grund der
Quellen weder bejaht noch verneint werden kann. Hildebrands Nachrichten
sprechen für das letztere, entscheiden aber nicht dafür. Die Gründe, aus
denen es rätlich war, die Besetzung, sobald als man über die Person
schlüssig war, vorzunehmen, liegen auf der Hand. Es war eine Menge Ge-
fahren abgeschnitten, wenn eine vollendete Tatsache vorlag. Ob di© non-
nulla occulta der ep. coli. 1 S. 520 sich auf die Wahl beziehen (Mirbt S. 41),
ist mir sehr zweifelhaft. Ich kann mir keinen Grund denken, der Gregor
veranlaßt haben könnte, bedenkliche Dinge Lanfranc anzuvertrauen.
2 Bonizos Nachricht, VII S. 601, daß bei der Wahl der Kardinal Hugo
der Weiße besonders hervortrat, ist wahrscheinlich richtig; denn Hildebrands
nächste Äußerungen über ihn zeigen, daß er sich ihm verpflichtet fühlte.
Reg. 1, 6 f. S. 15 ff. Sie machen sogar Härtens Bedenken, Gregor I S. 58 f.
3 Reg. 1, 1—12.
4 Brief Walos von St. Arnulf bei Watterich I S. 741 : Tantus . . totius
populi electioni tuae conspiravit assensus, ut nuUus omnino ex tanta multi-
tudine visus fuerit dissentire. Darauf, daß Walo der Verf. des Briefs ist,
hat V. Pflugk-Harttupg hingewiesen, N.A. VII S. 222.
— 755 —
war er die Seele der päpstlichen Politik geworden. Jetzt, iu dem
unheilschwangeren Moment, da der Ausbruch eines Streits mit dem
König drohte, konnte niemand an die Spitze treten, als er. Er
hat vor seiner Wahl wiederholt versichert, daß er die päpstliche
Würde nicht erstrebe und nicht wünsche^. Er mag solche Äuße-
rungen aufrichtig gemeint haben; denn wer gesteht sich selbst,
wohin die stummen Wünsche der Seele zielen? Aber nach der
Wahl war jedes Bedenken vorüber. Wohl ergriff ihn überwältigend
das Gefühl der riesengroßen Verantwortung, die er übernommen
hatte: er konnte sich nicht aufrechtörhalten, zu Bette liegend hat
er die notwendigsten Briefe diktiert. Es dünkte ihn, er sei einem
auf hoher See in Nacht und Sturm verschlagenen Schiffer ver-
gleichbar-. Aber sein Mut und seine Tatkraft wurden dadurch
nicht gelähmt noch geschwächt.
Gregor'^ hatte das fünfzigste Jahr bereits überschritten; er
war auffallend klein von Statur*, von bleicher Gesichtsfarbe'^, sein
Äußeres wenig anziehend, seine Feinde spotteten über seine Häß-
lichkeit**. Aber er war ein Mann von unvergleichlicher geistiger
Kraft. Alles, was er dachte, sprach und handelte, war bestimmt,
stark und scharf: das zeigt schon sein Stil. Welchen Aufwand
1 Das behaupten die Wormser Bischöfe in ihrem Brief an Gregor,
C.I. I S. 107, und bestätigt er selbst bei der Exkommunikation Heinrichs,
Reg. III, 10a S. 224. 2 Kegistr. 1, 1 S. 11.
" Die Literatur über Gregor ist sehr ausgedehnt. Die älteren Werke
sind besprochen bei Baxmann II S. 340 ff., die neueren verzeichnet bei
Langen, Gesch. d. römischen K. von Gregor VII. bis lunocenz III. 1893 S. 1.
Hinzuzufügen ist das Werk von Martens, Greving, Pauls von Bernried Vita
Gregorii 1893, Sägmüller in der Th. Quart.Schr. 1896 S. 577 ff., die Rede
Weizsäckers am 6. Nov. 1896, Mirbts Art. in der P. RE. VII S. 96 ff. Zur
Beurteilung bes. Meyer von Knonau IV S. 531 ff.
* Pet. Dam. carm. 194 S. 966. Wilhelm Malm. Gest. IU, 263 Scr. X
S. 474. Darin scheint mir Giesebrecht zu irrren, daß er die modica vox in
Alphans carm. 40 Str. 10 Mign. 147 S. 1262 von einer schwachen Stimme
versteht. ^ Benzo II, 17 S. 619: Apparuit in pallore defunctorum.
8 Id. VI, 2 S. 659:
Saoensis Buzianus est quidam humuntio,
Ventre lato, crure curto, par podicis nuntio,
Tale monstrum non creavit sexuum coniunctio.
Falsus monachüa Prandellus habet mille vicia.
Quem cognoscimus deformem, carne leprositia.
Man braucht nicht zu bemerken, daß hier der Haß spricht und übertreibt.
Aber daß Hildebrand unschön war, wird man aus diesen Sätzen entnehmen
dürfen. Das stand auch späteren Bewunderern fest, cf Ann. Saxo z. 1074.
48*
— 756 —
von großen "Wendungen bedurfte man, um den Tod eines Papstes
zu melden! Ihm genügten sechs Worte: Papst Alexander, unser
Herr, ist tot '. Er liebte, seine Bilder und Gleichnisse dem Krieg
zu entnehmen, wie er denn von Jugend auf lebhaftes Interesse am
Waifenwesen hattet Bei keinem Papste liest man so viel von
Schwert und Wurfgeschoß, von Wunden und Tod als bei ihm ^
Aber die Kraft Gregors war nicht jene sichere, im Gleichgewicht
ruhende Stärke, an die der Schwache sich gerne anlehnt, sie hatte
etwas Unmildes, IjeidenschaftUches. Peter Damiani beklagte sich
einmal, daß er ihn rauh wie der Nordwind anwehe*. Auch das
zeigt sein Stil. Gregor erscheint stets wie im Affekt: geläufige
Ausdrücke waren ihm zu matt; er steigerte sie: statt von dem
Zorne Gottes sprach er von der Wut des HeiTU". Herkömmliche
Wendungen waren ihm nicht nachdrücklich genug. Er konnte
nicht schreiben: Ich bitte Dich, ohne daß er hinzufügte: Ich be-
fehle dir auf alle Weise, nicht: Ich ermahne dich, ohne den Zu-
satz: Ich gebiete dir*. Man kann sich den Eindruck seiner
stürmischen Beredsamkeit vorstellen, es verstehen, daß seine Hörer
urteilten, nicht ein Mensch, sondern einer der himmlischen Geister
rede zu ihnen '. In dieser Leidenschaftlichkeit drang er auf jeder-
mann ein: die Ungeduld verzehrte ihn; er drängte seine Korre-
spondenten, ihm auf das schnellste zu antworten, seine Beauftragten,
die Dinge rasch zu erledigen*; er ließ keine Zögerung, keine Ent-
schuldigung gelten*. Noch weniger gestattete er einem seiner Mit-
arbeiter, einen selbständigen Schritt zu tun; wer es wagte, dem
war herber Tadel sicher ^* Wer ihm aber widerstrebte, den meinte
er mit Gewalt nötigen zu müssen *\ Bedenken, die jedermann zu-
läßt, achtete er nicht : er konnte den Befehl geben, daß ein Priester^
der die bischöfliche Würde ablehnte, gezwungen werde, sie anzu-
nehmen**. Vollends Unrecht zu erdulden, war ihm unerträglich:
1 Registr. 1, 1 f. S. 10 f. ^ -v^i^o de schism. Hild. II S. 554.
^ Registr. 1, 15 S. 27: Anathematis iaculum; 1, 17 S. 30: Gladius aposto-
lioae indignationis ; 1,35 S. 54: Anathematis mucro; 11,6 S. 119: Anathe-
matis gladiuB etc. * Ep. 1, 16 S. 236 u. II, 8 S. 273 f.
5 Registr. VI, 31 S. 368.
« 1,43 S. 62; ly, 11 S. 255; VIII, 16 S. 447.
' Lamb. z. 1058 S. 73; vgl. Registr. VIII, 58a S. 517.
8 Registr. If, 10 S. 124; ep. coli. 11 S. 533.
» S. z. B. 1, 16 S. 28; II, 10 S. 124; HI, 4 S. 207. Auch der Schluß von
1,44 S. 62 ist charakteristisch. ^» Vgl. oben S. 721.
" Wido de schism. Hüd. U S. 662; vgl. Registr. VII, 28 S. 422.
" Registr. 1, 86 S. 54.
— 757 —
es wollte ihn bedünken, daß die Geduld mehr eine Gefahr für die
Menschen sei, als eine Tugend ^ Im Tadel fand er kein Maß;
das strafende Wort wurde in seinem Munde zur Schmähung: den
Vorwurf der Anmaßung, der Frechheit, des Wahnsinns mußten
Bischöfe sich von ihm gefallen lassen". Wen seine Worte trafen,
galt ihm gleich. Man konnte hören, daß er die früheren römischen
Bischöfe tadelte, sie hätten ihre Pflicht vernachlässigt '^j oder daß
er urteilte, Papst Alexander habe sich mehrfach von schlechten
Menschen umgarnen lassen; durch Erschleichung oder Beti'ug ver-
führt, habe er Bestimmungen erlassen, die gegen die Statuten der
Väter verstießen*. Kann man sich wundern, daß dieser Mann
auch in seinen Handlungen kein Maß fand?
Es entspricht der energischen Heftigkeit seines Geistes, daß
ihm ein Zug zum Phantastischen eignetet Nur spielte er nicht
wie ein Dichter mit verschwimmenden Vorstellungen, sondern ihn
packten die Gedanken großer Taten. Dabei wähnte er das Un-
mögüche möghch : es schien ihm an der Zeit, den Zwiespalt zwischen
dem christUchen Morgen- und Abendland zu versöhnen*; oder er
dachte an einen Kriegszug in den Orient, um die Christen gegen
die Sarazenen zu unterstützen ; es war ein Gedanke, der ihn monate-
vielleicht jahrelang beschäftigte": er malte sich das Einzelne aus,
persönlich wollte er sich nach Konstantinopel begeben ; er rechnete
darauf, mehr als fünfzigtausend Mann dorthin führen zu können.
Ein anderes Mal faßte er den Plan, mit einer Kriegsflotte nach
Spanien zu segeln, um König Alfons zum Gehorsam zu zwingen^.
Das waren die Träume Gregors VII.
Kein Mensch erträgt die immer gleiche Spannung der Seele.
Deshalb ist es wohl glaublich, daß die Leidenschaftlichkeit seines
^ I, 69 S. 88 : Ne haec patientia nostra te in audaciam erigat et nos
in culpam neglectae iusticiae trahat etc.
2 I, 60 S. 79; IV, 11 S. 255; VI, 4 S. 327; ep. coli. 8 S. 529; vgl. Suden-
dorf, Registr. I Nr. 4 S, 6. » Registr. 1, 17 S. 29.
1 VII, 24 S. 418; VIII, 42 S. 494.
^ Ich halte das Urteil von Härtens (II S. 205): Hildebrand war ein
Verstandesmensch, welcher sich zu beherrschen und den Erregungen des
Augenblicks Halt zu gebieten wußte, für irrig.
•* Registr. 11,31 S. 145: Constantinopolitana ecclesia . . concordiam
apostolicae sedis expectat . . Et pene universi orientales praestolantur. quid
fides apostoli Petri inter diversas opiniones eorum decernat.
' 1,46 S. 65 vom 2. Febr. 1074; 1,49 S. 69; 11,3 S. 112; 11,31 8. 145;
11,37 S. 150 f. vom 16. Dez. 1U74; ep. coli. 11 S. 532.
8 VIII, 2 S. 430.
— 758 —
Wesens in plötzlichem Wechsel der Stimmung eine Lösung suchte*.
Gleichwohl war er weit davon entfernt, veränderlich zu sein. Schon
die Einseitigkeit seines Geistes hütete ihn davor. Denn nichts
war ihm fremder als das Vielerlei von Interessen, das man sonst
bei bedeutenden Männern findet. Mit der ganzen Energie seines
Denkens und Wollens war er auf einen Punkt gerichtet : Herrschaft
der Kirche. In diesen Gedanken bohrte er sich gewissermaßen ein;
seine Verwirklichung galt ihm als die höchste, ja als die einzige
Aufgabe.
Es gibt Menschen, über welche gewisse allgemeine Vor-
stellungen eine fast zauberhafte Macht besitzen. Wer fühlt nicht
etwas davon beim Klange des Wortes Freiheit? So Avar es bei
Gregor mit der Idee Gerechtigkeit. Immer wieder kam er darauf
zurück, daß es sein Beruf sei, das Recht durchzuführen^. Er ver-
sicherte, das Wort solle ihn nicht treffen : Verflucht ist der Mensch^
der sein Schwert zurückhält vom Blute; denn nicht um irgend-
eines Menschen willen werde er das Gesetz Gottes hintanstellen
oder von der Bahn des Rechten weichen^. Nicht durch Liebe,
nicht durch Furcht, nicht durch irgendwelche Leidenschaft sei er
jemals vom geraden Weg der Gerechtigkeit abgelenkt worden, oder
könne er je davon abgelenkt werdend Gregor wußte ungerechte
Urteile zu ertragen; aber nicht in diesem Punkte: er forderte, daß
alle Welt anerkenne, er handele nicht aus persönlicher Erregung,
sondern allein aus Eifer für die Gerechtigkeit"^. Man kann die
Aufrichtigkeit dieser Versicherung nicht in Zweifel ziehen; denn
Gregors Persönlichkeit wird zu einem unlösbaren Rätsel, wenn man
sie leugnet. Und gleichwohl täuschte er sich; denn was er Gerech-
tigkeit nannte, bestand nicht in der Aufrechterhaltung der be-
stehenden Rechtsordnung, sondern in dem Umsturz derselben. In-
dem er das Recht der Kirche, für das er kämpfte, nach seiner
Vorstellung vom Wesen der Kirche gestaltete, trat er überall dem
' Benzo VI, 6 S. 666:
Protheus est monstruosus in diversis vultibus,
Modo ridet modo plangit amixtis singultibus.
Man vgl. die eigene Schilderung Gregors über den Wechsel seiner Stim-
mungen, Registr. VI, 21 S. 318.
2 Registr. 1,10 S.21; 15 S. 26; 81 S. 102; 11,5 S. 117 u. ö. Vgl. über
seine auf Augustin zurückgehende Vorstellung von Gerechtigkeit Bernheim
in D. Ztschr. f. GW. N.F. I S. 8 ff. 1896/7.
» I, 9 S. 20. Die angeführte Schriftstelle (Jer. 48, 10) wifd von Gregor
sehr oft wiederholt, s. 1, 15 S. 26: II, 5 S. 115; 11, 66 S. 186; III, 4 S. 208 u. ö.
* VII, 3 S. 383. ■' Ep. coli. 13 S. 535; 14 S. 536.
— 759 —
bestehenden Recht der Staaten und Völker entgegen: was er Un-
recht nannte, war Jahrhunderte hindurch anerkanntes Recht. Dieser
Gegensatz war unvermeidhch; denn die abstrakte Theorie steht
stets in Widerspruch mit dem historisch Gewordenen. Eigentüm-
h'cher berührt eine andere Bemerkung: wähi'end Gregor nur der
höchsten sittHchen Idee dienen wollte, verstießen seine Handlungen
nicht selten gegen die Gesetze der Moral. Kein Verständiger wird
ihm daraus einen Vorwurf machen, daß er einen Kampf, der
schKeßlich Kampf um die Macht war, nicht nur mit Worten, son-
dern auch mit Waffen und Geld führte^. Aber es ist unmöglich,
ihn davon freizusprechen, daß er bei der AVahl seiner Mittel mehr
nach ihrer Stärke, als nach ihrer Reinheit fragte. Er verwarf die
Lüge nicht unbedingt"; er selbst hat sich ihrer bedient, um Ein-
'druck zu machen"'. Die Zwietracht anderer hat er genährt, wenn
sie ihm dienlich war*. Fast dämonisch erscheint die Befriedigung,
die ihm das Bewußtsein gewährte, daß er die Macht besaß, zu
schaden''. Von gleicher, also gerechter Behandlung der Menschen
war bei ihm nicht die Rede: er hat bei dem einen geduldet, was
er bei dem andern verfolgte. Und während er diesem gegenüber
auf den äußersten Forderungen des Rechts bestand, hat er Männer
als Genossen benutzt, über deren sittlichen Unwert er sich nicht
täuschen konnte*^. Man kann diese Widersprüche nicht durch die
Annahme erklären, daß Gregors sittlicher Idealismus nur die klug
gewählte Maske für seine ehrgeizigen Absichten gewesen sei.
Heuchler sind seltener als die oberflächliche Beurteilung der Men-
schen anzunehmen pflegt. Auch die Behauptung läßt sich nicht
rechtfertigen, daß er nach dem Grundsatz handelte, daß das schlechte
Mittel durch den guten Zweck gerechtfertigt werde. Er hat diesen
Grundsatz verworfen. Aber dadurch hat er sich ihm angenähert,
daß er die fromme Absicht als Entschuldigung für verwerfliche
Handlungen gelten ließ '. Nimmt man die Leidenschaftlichkeit
^ Vgl. über die Verwendung seiner Gelder Arnulf Gest. arch. Med.
IV, 2 S. 26.
- Er sagt: Ne quidem mendacium ipsum, quod fit pia intentione pro
pace, a culpa penitus immune esse, probari potest, Registr. VIII, 25 S. 470.
Wie man sieht, ist dieser Satz nicht minder eine Entschuldigung wie eine
Verurteilung der pia intentione ausgesprochenen Lüge.
•■' Registr. VIT, 14 a S. 401; VII, 5 S. 433.
•* 1, 25 S. 42. •' A. a. 0.
"^ Besonders auffällig ist das Lob Hugos d. Weißen Registr. 1,6 S. 15;
vgl. Wido de schism. Hildebr. 2 S. 557.
"^ Vel. oben Anm. 2.
— 760 —
seines Teniperameiits und seine Geringschätzung der Menscht n
hinzu, so wird der Zwiespalt zwischen seinem Urteil und seinem
Verhalten verständlich sein. Für ihn hatte nur die Idee wirklichen
Wert; dagegen ging ihm das Verständnis für den AVert der Per-
sönlichkeiten ab. Es hat selten jemand gegeben, der gerioger von
den Menschen dachte als er: überall sah er Schlechtigkeit^, er
urteilte, Heiden, Juden und Sarazenen seien besser als die Christen,
als die Römer, Lombarden und Normannen"-; es dünkte ihn, Fürsten
und Bischöfe wetteiferten darin, die Kirche zu verderben^. Auch
seine Gesinnungsgenossen befriedigten ihn nicht: er durchschaute
ihre gegenseitige Eifersüchtelei*; er glaubte nicht daran, daß sie
ihn liebten'^. Daß darin schüeßlich doch ein Unrecht lag, fühlte
er, ohne es sich klar zu gestehen: ich fliehe, äußert er einmal,
fast nichts so sehr als den Argwohn^. Aber er täuschte sich;
er war erfüllt von Mißtrauen gegen jedermann, nur zu rasch traute
er Verleumdungen und Anklagen ". Auch ihm selbst waren sie
nicht erspart: aber mit stolzer Verachtung hat er auf sie herab-
gebHckt^. Weil er keinen Glauben an die Menschen hatte, so
hatte er auch keine Teilnahme für sie: er kannte so wenig Mitleid
mit ihren Schwächen wie Schonung für ihr Gefühl: dem Sohne
gegenüber konnte er bitteren Tadel über den Vater aussprechen",
und über die Krankheiten, mit denen ein alter Mann sich quälte,
konnte er lachen^*'. Die Menschen galten ihm nur als Werkzeuge:
1 Registr. 11,30 S. 143; VII, 23 S. 416.
'^ II, 9 S. 122; II, 49 S. 164.
2 I, 42 S. 60; I, 70 S. 90; 11,49 S. 164; VI, 17 S. 851; ep, coli. I S. 521.
* An Beatrix und Mathilde, Reg. 11,9 S. 122: Non vos fugit varios
saepe ad nos rumores de vobis afferi, sicut mos eorum est, qui amicorum
dilectioni invident et unanimitati. Et quidem si nos talibus aures, quod
absit, acclinare vellemus, non multi sunt, in quibus sincerae dilectionis
affectum nobis patere crederemus.
5 Vgl. Pet. Dam. ep. II, 8 S. 273. « Reg. II, 9 S. 122.
' Vgl. I, 12 S. 23; II, 29 S. 141 ; ep. coli. 14 S. 536; Sudendorf, Registr. I
Nr. 4 S. 6 f.
* Reg. 1,77 S. 97: Neque vero nos l'ugit, quam diversa de nobis
hominum opinio sit et iudicium, dum in eisdem causis et actibus alii nos
crudeles, alii nimium mites esse dicunt. Quibus profecto nil verius, nil
rectius respondendum videmus, quam quod ait apostolus: Mihi antem pro
minimo est, ut a vobis iudicer aut ab humano die.
" I, 72 S. 92, an Gottfried den Buckeligen : Reminiscere patrem tuuui
multa s. Romanae ecclesiae promisisse, quae si executus foret, longe alit.er
et hilarius de eo, quam sentiamus, tecum gauderemus.
1« Petr. Dam. ep. 1, 11 S. 214.
— 761 —
mit ihrem Willen und wider ihren Willen sollten sie ihm dienen.
Hier liegt der Grund, weshalb er sich einsam fühlte : man hört
aus seinem Mund die Klage, daß er die ganze Last der geist-
lichen und welthchen Geschäfte allein tragen müsset
So war Gregor. Der Historiker darf die Antinomien, die
seinen Charakter so kompUziert erscheinen lassen, nicht verwischen,
wenn er ein Bild dessen zeichnen will, was er gewesen ist. Und
dieser Mann war der oberste Priester der Christenheit. War er
fromm? Wie man es bei starken Charakteren nicht selten findet,
hatte er die lebhafteste Empfindung der menschlichen Schwäche,
der Gebundenheit unseres Tuns und Lassens: des Menschen Weg
steht nicht in seiner Hand, er muß den Rat der göttlichen Vor-
sehung abwarten, um handeln zu können-. Es liegt ein Anklang
von Fatalismus in dieser Anschauung, daß die Leistung des Men-
schen darin aufgeht, die ihm dargebotene Tat zu vollbringen.
Aber sie fülirte Gregor nicht zu stiller Ergebung in Gottes Willen,
sondern sie war verbunden mit dem glühenden, verzehrenden Wunsch
nach Erfolg und Sieg. Er wollte lieber tot sein, als nutzlos leben:
darum hat er gebetet, nicht einmal, sondern oft^ Und doch hatte
das Bild Jesu Christi, des Helden der entsagenden Ergebung,
auch über ihn Gewalt: betend bHckte er zu ihm auf, zu dem armen
Jesus, wie er ihn wohl nannte*. Auch Gregor war durchschüttert
von der Höllenangst dieser Jahrhunderte^, von dem nagenden
Gefühl der Sündhaftigkeit. Es war mehr als Formel, wenn er
nachdrückhch versicherte : Ich schäme mich nicht, wie es wahrhaftig
ist, mich als Sünder zu bekennend Dafür suchte er Hilfe bei
dem armen Jesus: er meinte, in häufigem Abendmahlsgenuß der
Sündenvergebung sich zu versichern '. Neben den Herrn trat j^hm
seine Mutter. Gregor hat Maria hoch gepriesen: sie sei um so
viel höher, besser, heihger als jede andere Mutter, um so viel
milder und fi-eundlicher sie sich Sündern und Sünderinnen zuneige*.
1 Registr. 1,62 S. 81.
- I, 39 S. 57; II, 3 S. 112; II, 31 S. 145.
" 11,49 S. 163: Saepe illum rogavi . . ut aut me de praesenti vit?
toUeret, aut matri communi per me prodesset.
* Ibid.; V, 21 S. 318; vgl. VI, 17 S. 351.
■> P. Damiani erzählt op. 19, 6 S. 433 von einer Predigt Hildebrands
in Arezzo de praediis ecclesiarum iniuste possessis, in der er die Vision
eines deutschen Asketen über die Höllenqualen erzählte. Vgl. Reg. I, 84
S. 105; IV, 28 S. 285 u. ö.
« Registr, VIII, 25 S. 470. ' ' - I, 47 S. 66.
8 1,47 S. 66ff.; vgl, 1,51 S. 71; 11,49 S. 164 u. ö.
— 762 —
Demi sie, die höchste Königin des Himmels, die Zier und der
Ruhm aller Frauen, das Heil und die Ehre aller Auserwählten,
habe es nicht verschmäht, auf Erden ein armes Leben zu führen,
und sich in heihger Demut zu bewahren ^. Das sei ihr Verdienst,
auf Grund dessen Gott die Sünden erläßt^. So konnte der Mann
reden, dessen Leben erfüllt war von dem Kampf um die Welt-
herrschaft. Li den Stürmen dieses Kampfes wußte er sich keinen
besseren Helfer als den Apostel, dem die Macht, im itimmel und
auf Erden zu binden und zu lösen, übertragen ist; als sein Schütz-
ling fühlte er sich, von Jugend auf habe er ihn unter seinen
Flügeln genährt und in seinem Schöße gehegt^. Der Streiter um
die Weltherrschaft aber war ein Asket. Er vermied es nicht, die
Pracht zu entfalten, die die Welt von einem Papst erwartete; aber
sie galt ihm nichts, er war einfach*. Daß er das Mönchsgewand
trug, war nicht Heuchelei; denn es war ihm ernst damit, sich in
Zucht zu halten; er hat selbst auf Kleinigkeiten verzichtet, wenn
er glaubte, daß sie ihm zum Genüsse würden'^. Und es kamen
Augenblicke, wo er, der Mann des unaufhörlichen Streites, sich
nach der Zeit sehnte, in der er mit allen Menschen Frieden haben
könne ^. Von einer Krankheit genesen, seufzte er fast darüber,
daß ihm der Eintritt in die Heimat der Ruhe und. der Erquickung
versagt gebheben sei \ Auch in Gregors Frömmigkeit liegen
disparate Elemente, eine Hinneigung zu mystischen Gedanken, die
seltsam absticht von der auch hier hervortretenden energischen
Richtung auf das Diesseitige.
Als Gregor das päpsthche Amt übernahm, waren seine An-
schauungen über die Rechte und Pflichten des römischen Bischofs
nicht mehr im Fluß begriffen. Sie waren es um so weniger, als
man nicht eigentlich sagen kann, daß sie ihm individuell seien.
Die Fundaraentalsätze, von denen er überall ausging, waren Gemein-
überzeugung. Es gab niemand in der Welt, der Widerrede erhoben
hätte, wenn er von dem unbeweglichen Felsen der heiligen römischen
Kirche sprach ^, oder wenn er sie die Mutter und die Lehrmeisterin
der ganzen Christenheit nanntet Betonte er die Sonderstellung
des Apostel Petrus ^^ und folgerte er daraus, daß der römische
1 VIII, 22 S. 467. - 1,50 S. 71.
s 1,39 S. 58; VII, 23 S. 415.
Wido de schism. Hild. I, 2 S. 534 f.
" Pet. Dam. op. 32, 1 S. 545; es handelte sich um den etwas plebeischen
Genuß von Lauch und Zwiebeln.
« ßegistr. 1, 10 S. 21; 1, 18 S. 31; III, 7 S. 212 u. ö. ' II, 9 S. 122.
M, n S. 22. » I, 15 S. 27. 10 Ibid.
— 763 —
Bischof Vollmacht habe, die Gesamtkirche zu regieren^, so waren
auch dies Sätze, die überall Zustimmung fanden. Sie waren in
der Zeit der Schwäche des Papsttums nicht vergessen worden;
seit seiner Restauration hatten sie die Gemüter mit neuer Macht
ergriffen.
Und doch wiederholte Gregor nicht nur allgemein anerkannte
Anschauungen. Ihm eigentümlich ist die scharfe Zuspitzung,
welche sie erhielten, man könnte sagen: die juristische Formu-
lierung; ihm eigentümlich ist ihre mit ebenso großer Konsequenz
wie Leidenschaft vollzogene Anwendung auf die verschiedensten
Gebiete. Der Jurist war zugleich Staatsmann, der Staatsmann
ein unvergleichlicher Agitator. Man muß auf Nikolaus I. und die
Pseudonymen Kirchenpolitiker des achten und neunten Jahrhunderts
zurückgehen, um Parallelen für Gregor zu finden.
Wo man auch hingreift, kann man diese verstärkte Akzen-
tuierung vorhandener Gedanken wahrnehmen. Es ist, als habe
Gregor nicht das Gewöhnlichste wiederholen können, ohne ihm
etwas von dem leidenschaftlichen Geist, der in ihm loderte, einzu-
hauchen. Wie gewöhnhch und wie platt war die Vorstellung von
Petri römischem Episkopat, und welches Leben erhält sie unter
der Hand Gregors ! Da ist Petrus der Herr und der Kaiser
nächst Gott'^, der mächtige Helfer, der Heil und Ehre dieses und
des zukünftigen Lebens geben und nehmen kann, der den Hoffär-
tigen widersteht, aber den Demütigen Gnade gibt '^. Wer von ihm
geschieden ist, vennag keinen Sieg im Kample, kein Glück, in der
Welt zu finden*. Denn mit stahlharter Strenge zerstört und zer-
sprengt er, was sich ihm entgegenstellte Niemand und nichts ist
seiner Macht entzogen*^.
Man kann sagen, hier ist die Macht des Apostelfürsten so
reaUstisch gedacht, daß der Unterschied zwischen Gott und der
Kreatur zerfließt. Dem entspricht, daß Gregor ihn nicht nur als
den himmlischen Fürsprecher der römischen Kirche betrachtete:
er ist ihr gegenwärtiges, unmittelbar wirksames und tätiges Haupt.
Er wiederholte eine abgenutzte Phrase, wenn er sagte, in seinen
Dienern werde Petrus geehrt oder gekränkt'. Aber er faßte sie
eigentlich: es ist eine Vorstellung von seltsamer Grandiosität, die er
ausspricht: jede Botschaft, die an ihn gerichtet sei, mündhch oder
schriftlich, nehme Petrus selbst in Empfang; während er die Zeilen
1 ], 53 S. 73; III, 10 a S. 224. ^ HI, 15 S. 229.
8'VIII, 16 S. 447. Man beachte die Anwendung von Jac. 4,6 auf
den Apostel. * VI, 16 S. 349; 11,72 S. 195.
" II, 70 S. 193. « IV, 2 S. 242. ' IV, 2 S. 241.
— 764 —
überblicke oder auf die Worte lausche, erspähe der Apostel, aus
welchem Herzen der Auftrag hervorgehe \ Hatte er die Über-
zeugung, es sei Petri Werk, wenn ihm das christliche Volk ge-
horche^, so war das nur eine andere Seite der Sache. Für ihn
regierte Petrus tatsächlich den römischen Pontifikat^.
Wie er die Vorstellungen steigerte, genau so, steigerte er die
Ansprüche. Damit aber erschütterte er alle Verhältnisse; denn
das Recht auf die Leitung der Gesamtkirche, mit dem er sich be-
traut glaubte, absorbierte jedes andere selbständige Recht. Gregor
versicherte, es sei sein Wille, einer jeden Kirche das ihr eigen-
tümliche Recht zu wahren *. Aber wie der Wassertropfen im Strahl
der Sonne, so verflüchtigte sich ihm das partikulare Recht vor der
Übergewalt der päpstlichen Vollmacht. Dem Episkopat blieb nichts
als die Pflicht, zu gehorchen^: nicht die alltägHchsten Handlungen
sollten ohne päpstliche Zustimmung vorgenommen werden**; durch
häufige Romreisen ', durch ununterbrochenen schriftlichen Verkehr **
sollten die Bischöfe ihre Devotion^ beweisen. Kein Bischof sollte
sich der römischen Kirche gegenüber irgendetwas zuschreiben^*^;
ihr Amt ist ja nichts als Stellvertretmig des Papstes ^^ Es war
Gregor ernst damit, diesen Anschauungen gemäß die Dinge zu
gestalten. Er bewies es nicht nur durch seine Behandlung des
deutschen Episkopats; nicht minder bezeichnend ist, daß er in dem
Bestreben, jede Einschränkung der päpstlichen Allgewalt zu ver-
hüten, kanonisch unzulässige Zusagen forderte: den Bischof Robert
von Chartres ließ er auf die Reliquien des Apostels Petrus schwören,
er werde, sobald der Papst verlange, auf sein Bistum verzichten "-^
Von Heinrich von Ravenna forderte er einen Eid, der ihn wie
1 III, 10 S. 219. 2 in^ 10 a S. 224.
* V, 21 S. 818. Es ist entsprechend, daß Gregor die römischen Legaten
als Vertreter seiner Person und deshalb auch des Petrus betrachtet, vgl.
Große, D. Rom. Legatus S. 8 ff.
1 I, 24 S. 41. 5 Vgl. VII, 24 S. 418.
" VI, 5 b S. 332 fordert er von den Bischöfen, die vom Papste zu
konsekrieren sind, daß sie Kirchengut nicht ohne seinen Konsens zu Lehn
vergeben. ' S. I, 44 S. 62 f.; 56 S. 76; 57 S. 76 f. u. ö.
* Er tadelte Gebhard von Salzburg, weil diesev einige Monate ver-
streichen ließ, ehe er an ihn schrieb, I, 30 S. 48.
® 1,53 S. 73: Litteras dilectionis tuae gratanter accepimus, quia in
eis abundantiam devotionis tuae erga nos exuberare cognovimus.
^* I, 60 S. 79. ^^ I, 12 S. 24: Vicariae dispensationis munus.
1^ III, 17 a S. 233.
— 765 —
einen Lehensmann an den Papst band^: Von dieser Stunde an
und fernerhin werde ich treu und gehorsam sein dem heiligen
Petrus, dem Papste Gregor und seinen Nachfolgern. Ich werde
nicht an einem Rat, nicht an einer Tat teihiehmen, um sie des
Lebens und der Glieder, des Papsttums und der Freiheit zu be-
rauben. Zu einer Synode geladen werde ich erscheinen und ka-
nonisch gehorchen, oder wenn ich verhindert bin, meine Boten
schicken. Zur Bewahrung und Verteidigung des Papsttums und
der Regalien des heihgen Petrus werde ich hilfreich sein, so weit
es mein Stand zuläßt. Einen Plan, den sie mir mitteilen, werde
ich nie wissentlich zu ihrem Schaden kundmachen. Die römischen
Legaten werde ich unterstützen, mit solchen, die der Papst gebannt
hat, nicht wissentlich Gemeinschaft haben. Ich werde der römischen
Kirche, wenn ich dazu aufgefordert werde, mit Kriegsmacht treu-
lich beistehen.
Im Kirchlichen und Weltlichen sollten die Bischöfe nichts
sein als Diener des Papstes. Ihr Anspruch auf den Gehorsam
ihrer Diözesanen hört in dem Moment auf, in dem sie aufhören^
dem Papste zu gehorchen".
So wenig Gregor ein Recht der Bischöfe Rom gegenüber
kannte, so wenig ein solches der Metropoliten^ oder der Synoden:
der Papst ist es, der handelt, entscheidet, urteilt; die Synoden sind
nur Zeugen seines Tuns*.
Es war nicht neu, daß Gregor das Recht der kirchlichen
Gesetzgebung und der obersten Jurisdiktion für den Papst in An-
spruch nahm und daß er dabei das päpstliche Urteil Gottes Urteil
gleichsetzte^; denn darin lag nur eine Anwendung des oft wieder-
holten Schriftwortes: AVer euch hört, der hört mich. Neu aber
war, daß er es in das freie Beheben des römischen Bischofs stellte,
wie er seine Macht anwenden wollte. Er erklärte: Der apostoüsche
Stuhl hat die Befugnis, wen immer er wiU und wo immer er will,
zu binden und zu lösen*. Demgemäß entband er ganze Kategorien
^ VI, 17 a S. 354f. Daß der Eid geradezu als Lehnseid gedacht ist,
ergibt sich daraus, daß er dem Lehnseid Robert Guiscards nachgebildet
ist; vgl. den letzteren bei Watterich I S. 234.
■' Registr. IV, 11 S. 256. » Vgl. I, 60f. S. 78 ff.
* Dem entspricht z. B. das Protokoll der röm. Synode von 1075,
Reg. n, 52a S. 170, und Gregors Äußerung über dieselbe, HI, 10 S. 220 f.,
vgl. auch VII, 12 S. 395. » 1, 17 S. 30; IV, 27 S. 283.
* VI, 4 S. 327. Voraussetzung ist die Anschauung G.'s über die Macht
des Petrus: Qui potest vobis huius vitae et futurae salutem et honorem
dare vel tollere, VIII, 16 S. 447.
— 7()6 —
von Christen auf eiuina,! ihrer Sünden, ohne nach dem Seelen-
zustaiid des Einzehien auch nur zu fragen. Das tat er sch(ju in
seinem offenen Schreihen vom Spätjahr 1076^. Auf der römischen
Synode von 1080 erteilte er von neuem allen Anhängern König
Rudolfs Vergebung ihrer Sünden und den Segen der Apostel in
diesem und dem zukünftigen Leben'-. Umgekehrt exkommunizierte
er auf der Synode von 1079 sechs Bischöfe mit allen, die ihnen
anhingen, sowohl Klerikern als Laien ^. Man sieht, daß er sich
im Gebrauch seiner Macht so absolut frei fühlte, wie mau Gott
dachte. Die Konsequenz führte zur Aufhebung jedes positiven
Rechtes. Am klarsten wird das durch seine Stellung zum Eide,
Seine Unverbrüchlichkeit galt ihm nichts : die Autorität des aposto-
lischen Stuhles, so versicherte er seinen deutschen Bundesgenossen,
wird alle Fesseln, die der Gerechtigkeit im Wege stehen, hinweg-
tun ^. Diese Fesseln waren Pflichten. Muß man nicht urteilen,
daß der Dienst der Gerechtigkeit umschlug in Frevel am Recht ^V
Im Gefühl seiner unumschränkten Macht stand Gregor dei\
weltlichen Fürsten gegenüber. Auch hier ist leicht zu bemerken,
daß alle seine Behauptungen in xA-Uschauungen wurzelten, die von
allen Zeitgenossen anerkannt waren. Aber auch hier spannte er
den Bogen bis zum Brechen. Seit Jahrhunderten hatte man die
Sätze des Gelasius von den zwei Gewalten, die Gott zum Besten
der Gläubigen geschaffen hat, und von der Uberordnung der geist-
hchen Gewalt über die weltliche wiederholt*'. Allein es war doch
neu, wenn Gregor behauptete: Die allgemeine Regierung ist dem
Papste übertragen'; durch seine Sorge und Anordnung wird die
königliche Würde gelenkt**; deshalb ist der König zum Gehorsam
1 Ep. coli. 18 S. 543, vgl. Reg. II, 54 S. 173, wo diejenigen, die im
Kampf gegen Dionys von Piacenza fallen, von ihren Sünden gefreit werden.
2 VII, 14a S. 404. ^' VI, 17 a S. 355. * IV, 3 S. 247.
'"> Auch in -bezug auf seine gesetzgebende Gewalt dachte sich G-regor
unbescBränkt; yg\. II, 67 S. 187 : Die römische Kirche kann neue Dekrete
erlassen. Daß er daneben oft und stark betonte, sein Verfahren entspreche
dem kanonischen Recht, a. a. 0., möchte ich nicht, wie Mirbt S. 210, als
widerspruchsvolle Haltung bezeichnen: denn die Gebundenheit an das be-
stehende Recht hat, seitdem es Recht gibt, die Fortbildung des Rechts
nicht ausgeschlossen. Der Widerspruch liegt nur vor in den im Texte an-
geführten Fällen, in denen Gregor kanonisch Unzulässiges forderte. Aber
hier war er sich ohne Zweifel dessen nicht bewußt.
0 J.W. 632. ' Registr. II, 51 S. 167; vgl. IV, 28 S. 283.
« VII, 25 S. 418; vgl. IV, 2 S. 243; IV, 24 S, 279; VIII, 21 S. 455.
— 767 —
gegen den päpstlichen Stuhl verpflichtet \ Der Papst bestimmt, wer
rechtmäßiger König ist-, er entscheidet die Streitigkeiten der
Fürsten ^, ein König, -der es wagt, seinen Geboten entgegen zu
handehi, entfällt dadurch seiner Würde *, ein König aber, den er
exkommuniziert hat, ist nicht mehr König ^ "Denn alle Kraft der
Könige und Kaiser, alles, was Menschen unternehmen mögen, ist
den apostolischen Rechten gegenüber wie Asche und Spreu ^ Kein
Wunder, daß ihm wie unwillkürlich der Gedanke entschwand, daß
das Königtum eine berechtigte Institution sei. An sich hat er
daran festgehalten'^; aber die Konsequenz der Gedanken drängte
ihn zu widersprechenden Aussagen. Er fragte: Wie kann man be-
haupten, daß die königliche Würde höher ist als die bischöfliche?
Und zur Antwort erinnerte er, Augustinische Gedanken verwendend,
an den verschiedenen Ursprung und an das verschiedene Ziel
beider: hier menschlicher Hochmut, dort die göttliche Liebe, hier
eitler Ruhm und dort ewiges Leben*. Die Erfinder des König-
tums waren Tyrannen, die angetrieben vom Teufel in blinder Gier
und unerträglicher Anmaßung durch alle erdenkbaren Verbrechen
die Herrschaft über ihresgleichen erstrebten. Die Stiftung des
Priestertums dagegen geht zurück auf die Vorsehung des allmäch-
tigen Gottes: er hat es geschaffen zu seiner Ehre und der Welt
geschenkt in seinem Erbarmen ^. Hier erscheint die weltliche Herr-
schaft als solche wie die Äußerung eines widergötthchen Prinzips.
Rein und hoch steht neben ihr die geistliche Gewalt. Ihr Haupt
ist Christus, der die irdische Herrschaft verachtet und freiwillig das
Priesteramt des Kreuzes übernommen hat^*'. Sie ist so erhaben,
daß auch der geringste Vertreter der geistlichen Würde gewaltiger
ist, als der mächtigste weltliche Herrscher ^^. Nur dadurch erhält
die irdische Herrschaft eine relative Berechtigung, daß die Kirche
die Fürsten zur Regierung beruft ^^. Es ist fast natürlich, daß sich
1 III, 10 Überschrift S. 218; IV, 3 S. 246: Non patet, s. ecclesiam sibi
subiectam ut ancillam, sed praelatam ut dominam.
■2 IV, 23 S. 276. 3 i^ 39 g, 53. 4 jy, 23 S. 277.
» IV, 2 S. 241. « m, 8 S. 216.
' Vgl. z. B. I, 19 S. 33 und VII, 25 S. 319. Mirbt, Stellung Augustins
1888 S. 95, möchte idh darin nicht beistimmen, daß diese Betrachtung die
wahre Grundlage der päpstlichen Kirchenpolitik bildete. Dabei scheint mir
die Politik Gregors zu sehr als konstante Größe gefaßt zu sein. Ich hoflfe
durch die Darstellung zu zeigen, daß sie das nicht war, sondern daß die
Ziele Gregors sich änderten. ® IV, 2 S. 243.
9 VIII, 21 S. 457 f. 10 A. a. 0. i' S. 459 f.
12 s. 464; vgl. I, 70 S. 89; II, 30 S. 143: Tunc demum regiam potestatera
— 768 —
Gregor der Gedanke aufdrängte, die Ordnung der Welt sei am
besten gesichert, wenn die christlichen Staaten unter der direkten
Leitung des römischen Bischofs stünden. Wie die Normannen
Lehensleute des Papstes geworden waren, so forderte er, daß der
deutsche König sich dem Petrus und dem Papst zum Dienstmann
ergebet Besonders betrachtete er Sachsen als Eigentum des
Apostelfürsten ^; von Spanien^, von Ungarn* behauptete er, daß
beide Länder sich im Besitz der römischen Kirche befänden; in
Dalmatien setzte er einen König ein '"*; Rußland gab er als Geschenk
dem Großfürsten Jaropolk**; auch Dänemark suchte er an Rom zu
ketten'. Sein Gedanke war die Verbindung des Nationaütäts-
prinzips mit der Obmacht Roms. Keine Nation sollte einem fremden
Herrscher unterworfen sein; dagegen sollten sich alle der heihgen
römischen Kirche als der gemeinsamen Mutter imterordnen; dann
würden alle die Fi'eiheit genießen, die ihnen gebühre**.
Solche Äußerungen beweisen nicht, daß Gregor die kaiser-
liche Macht mit der päpstlichen zu vereinigen strebte^. Man kann
auch nicht sagen, daß er einer neuen Theorie über das Verhältnis
der beiden Gewalten Anerkennung erkämpfen wollte. Es sind
leidenschaftlich ergriffene Gedanken des Vorkämpfers der Papst-
macht, die leidenschaftlich geltend gemacht wurden: Konsequenzen
aus einer Vorstellung, die verwirklicht werden sollten in der Welt
recte te obtinere cognoscas, si regi regum Christo ad restaurationem de-
fensionemque ecclesiarum suarum faciendam dominationis tuae altitudinem
inelinas. Daher denn auch Aufforderungen wie 11,8 S. 121; 11,30 S. 143.
1 VIII, 26 S. 476.
^ VIII, 23 S. 469 und zur Sache Scheffer-Boichorst in den Mtt. d. Inst.
EBd. IV S. 77 if.
' Registr. IV, 28 S. 286. Wenn man den Satz: Kegnum Hispaniae ex
antiquis constitutionibus b. Petro et s. R. ecclesiae in ius et proprie-
tatem esse traditum, mit der Don. Const. zusammenstellt: Omnes . .
occidentalium regionum provincias . . Silvestro contradentes atque relin-
quentes eins . . potestati et . . per pragmaticum constitutum decerni-
mus disponendum atque iurae s. R. ecclesiae concedimus permansurum, so
scheint mir sehr wahrscheinlich, daß Gregor der Satz der donatio vor-
schwebte. ^ ••II, 13 S. 128.
ö VII, 4*S. 384. « II, 74 S. 198.
' II, 51 S. 167: II, 75 S. 199 f. * II, 63 S. 183.
^ Man könnte das in. dem Satz des dictatus Greg.: Quod solus possit
uti imperialibus insigniis (S. 174), finden. Doch trage ich, da der Dictatus
nicht Gregor, sondern wahrscheinlich dem Eard. Deusdedit angehört, Be-
denken, Sätze zu benützen, die nicht aus den Briefen Gregors belegt
werden können.
— 769 —
der Sachen. Wenn das Wort nicht mißverständUch wäre und miß-
deutet werden würde, so könnte man von einer Analogie zum
Kaiserwahnsinn reden. Gewiß war Gregor geistig gesund, aber
wie dem Wahnsinnigen die Grenzhnie zwischen den Gebilden seiner
Phantasie und den realen Eindrücken entschwunden ist, so hatte er
das Gefühl für die Schranken der päpstlichen Macht verloren. Er
wähnte nicht, daß ihm persönUch alle Gewalt im Himmel und auf
Erden zur Verfügung stehe; aber er war von der Überzeugung
durchdrungen, daß das Amt, dessen Träger er war, für das er sich
zu klein und dessen er sich unwürdig fühlte, über das zeitliche und
-ewige Geschick der Menschen zu entscheiden habe und tatsächlich
entscheide. Wir haben kein Kecht zu bezweifeln, daß er den
Frieden zwischen dem Imperium und dem Sacerdotium ernstlich
wünschte*; und doch ist es sicher, daß der Friede, seitdem er die
Tiara trug, unmöglich war. Denn nicht, was der Mensch wünscht,
sondern was er ist, entscheidet über das, was er tut. Unsere
Handlungen sind die Sklaven unseres Charakters und unserer Über-
zeugungen. Auch daran wird man nicht zweifeln dürfen, daß
Gregor aufrichtig sprach, wenn er versicherte, nur der Gedanke
an seine Pflicht treibe ihn in den Kämpft. Aber er täuschte sich
über seine Pflicht. Denn nur wer die Schranken des eigenen
Kechts erkennt, vermag zu ermessen, was seine Pflicht ihm
gebietet.
Wir wenden uns der Entwicklung der Verhältnisse zu.
Gregor hat in der ersten Zeit nach seiner Wahl mit absicht-
lichem Nachdruck sein Wohlwollen gegen König Heinrich^ und
seine fiiedliche Gesinnung dem deutschen Hofe gegenüber* aus-
gesprochen. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß er seine Erhebung,
wie anderen Fürsten, so auch dem deutschen König anzeigte ^. Im
Rate Heinrichs fehlte es nicht an Männern, die den Bruch mit
der Kurie wünschten. Ihr Wortführer war der italienische Kanzler
1 Registr. I, 19 S. 33. ^ Vgl. z. B. IV, 1 S. 240.
3 I, 9 S. 19. * I, 11 S. 22.
6 Von Bonizo (VII S. 601) wird die Tatsache mit einer wenig glaub-
würdigen Begründung berichtet. Die Ansichten über den Wert seiner Notiz
lauten verschieden. Ich glaube, daß man sie anzunehmen hat, da es wenig
wahrscheinlich ist, daß Gregor den deutschen Hof weniger rücksichtsvoll be-
handelte als den König von Dänemark oder den Abt von Cluni. Zweifel-
hafter ist, ob Bonizo darin recht hat, daß in dem päpstlichen Schreiben
der Assens des Königs erwähnt war. An sich erscheint es freilich nicht
wahrscheinlich. Aber die Verzögerung der Konsekration spricht dafür.
Ebenso der Brief Walos (s. S. 770 Anm. 1).
•Hauck, Kirchengeachichte. in. "
— 770 —
Gregor von Vercelli: sie rieten, die Anerkejmung der AVahl zu ver-
sagend Überhaupt war man in Deutschland nicht ohne Besorg-
nisse: man kannte Gregors Heftigkeit". Aber auch Heinrich wollte
den Frieden. Er erkannte die Papstwahl an; in Gegenwart seines
Kanzlers fand am 30. Juni 1073 Gregors Konsekration statte
Zu diesem Entgegenkommen war Heinrich durch die Rück-
sicht auf die deutschen Verhältnisse, besonders auf den von ihm
geplanten Feldzug gegen Polen genötigt. Der im Sommer aus-
brechende Sachsenkrieg drängte ihn angesichts der unsicheren Hal-
tung der oberdeutschen Herzoge zu einem weiteren Schritt. Er
machte den Vorschlag einer engen Verbindung z"wischen dem Reg-
num und Sacerdotium. Um sie zu ermöglichen, genügte er den
bisher erhobenen Forderungen der Kurie: er demütigte sich per-
sönlich, indem er sich als schuldig der Simonie und der Entfrem-
dung von Kirchengut bekannte, imd besonders, er gab in der
Mailänder Angelegenheit nach ^ Gregor war befriedigt: er schenkte
den Versicherungen Glauben, die er von den verschiedensten Seiten
erhielt, daß es Heinrich mit seiner Unterwerfung ernst sei^. Aber
der Erfolg schnellte ihn gewissermaßen weiter: er trat nicht als
Bundesgenosse auf des Königs Seite, sondern als Schiedsrichter
zwischen ihn und die sächsischen Aufrührer*', Noch war man in
Deutschland nicht gewöhnt, auf das Wort des Papstes hin die
^ Brief Walos von St. Arnulf an Gregor bei Watterich I S. 741 : Unde
et ille diabolus Vercellensis cum suis cemplicibus elaborat, ut tu in sede
non debeas confirmari. Abweichend hievon berichtet Lambert z. 1073 S. 145
von einer Opposition der gallischen, d. h. westdeutschen Bischöfe.
2 Brief des Herzogs Rudolf bei Sudendorf II S. 22 f. Nr. 19: Oro , .,
ut omnem controversiam iusticiae respectus apud te determinet, ut in omni
negotio aequitas tibi preponderet. Fervor tuus iustior quam proclivior
inermi iusticiae libertatis pennas non mutilet: concutiet alas et seeure libera
et libere secura, te defensore, nesciat uim infestantium, te legibus non
abutente sed patrocinante. Der Brief ist die Antwort auf Reg. I, 19 S. 83,
also im Spätjahr 1073 geschrieben. Vgl. auch die Notiz über die Zweifel
an der Rechtmäßigkeit der Erhebung Gregors, Ekkeh. z. 1074 S. 201.
^ Bonizo a. a. 0. mit falschem Datum. Das richtige im ehr. s. Bened.
Scr. III S. 203. Lambert weiß statt dessen von Sendung des Grafen Eber-
hard und unmöglichen Verhandlungen.
* Reg. I, 29a S. 46 ff. Der Brief ist undatiert. Er kam zwischen
dem 24. u. 27. Sept. in Rom an; denn 1,24 ist noch ohne Kenntnis von
ihm geschrieben; 1,25 wird der Brief erwähnt. Heinrich schrieb also wahr-
scheinlich Anfang September. Richter S. 133 vermutet, daß der Text des
Briefes verfälscht ist. s j^ 25 f. S. 42 f. an Erlembald.
« I, 39 S. 57 V. 20. Dez. 1073.
— 771 —
Waffen niederzulegen. Statt auf den päpstlichen Schiedsspruch
zu warten, wurden Friedensunterhandlungen eingeleitet. Sie schienen
zur Beilegung des Haders zu fuhren, aber in diesem Moment ent-
flammte eine beispiellose Untat der Sachsen, die Verwüstung der
Kirche zu Harzburg und die Schändung der Füi'stengräber, den
Hader von neuem. Für Gregor war das ein Grewinn; denn nun
vollends bedurfte Heinrich des Papstes^. Als eine päpstliche Ge-
sandtschaft, bestehend aus den Kardinälen Gerald von Ostia, einem
deutschen Cluniacenser, und Hubert von Palestrina, mit neuen Forde-
rungen in Deutschland eintraf, erzielte sie einen neuen Erfolgt Gregor
Heß dem König erklären, daß er infolge des Verkehrs mit seinen
gebannten Räten exkommuniziert sei, daß' er sich der Wieder-
aufnahme in die Kirche unterziehen müsse ^ und zur Beseitigung
der Priesterehe und der Simonie zu verpflichten habe*. Bei einer
Zusammenkunft mit den päpstlichen Gesandten und seiner Mutter
in Nürnberg bald nach Ostern 1074 kam Heinrich auch diesen
Forderungen nach* Der Friede zwischen dem König und der
Kurie schien hergestellt. Auch Gregor machte Zugeständnisse;
nicht nur wurden die von Alexander exkommunizierten Bäte vom
Banne gelöst^; viel wichtiger war, daß er das Investiturrecht
des Königs anerkannte, indem er die AVeihe x^nselms Ilr von
^ Die Verwüstung der Harzburg fällt in die Fastenzeit 1074, s. Lam-
bert z. d. J. S. 183 f. Er erzählt, daß Heinrich den Papst wider die Frevler
am Heiligtum aufgerufen habe. Ich habe gegen die letztere Angabe Be-
denken, nicht nur weil Gregor die Sache nicht erwähnt, sondern weil eine
königliche Gesandtschaft schon vor dem 8. März 1074 (Weihe Hugos v. Die,
Hugo Flav. ehr. II S. 412) in Rom ankam. Sie konnte über den Frevel
noch nichts berichten. Die Vermutung liegt nahe, , da,ß Lambert von dieser
Gesandtschaft wußte und ihr jenen Auftrag zuschrieb.
2 Über die Gesandtschaft bes. Mar. Scot. z. 1074 S. 56, Berth. S. 276 f.;
vgl. Lamb. S. 193, Bonizo VII S. 601, Paul Bern. 62 S. 408. Daß die Ge-
sandten am 19. März 1074 bereits unterwegs waren, ergibt sich aus
Reg. 1, 62 S. 81. Über den Zweck der Sendung und ihren Erfolg spricht
Gregor 1, 85 S. 106 in einem Brief an die Kaiserin Agnes, die die Ge-
sandten begleitet hatte.
^ Dies ergibt sich aus dem angeführten Brief I, 85 S. 106, s. bes.:
Omnia, quae pontificatum et Imperium glutino caritatis astringere valeant, . .
quaeritis; und: Maximum . , iam peregistis: videlicet filium vestrum H.
regem communioni ecclesiae restitui. Sagt Gregor : lUo extra communionem
posito, nos quidem timor divinae ultionis secum convenire prohibuit, so
sieht man, daß er an eine persönliche Zusammenkunft mit Heinrich dachte.
Vgl. auch ep. coli. 14 S. 537. * Reg. H, 30 S. 142.
6 S. die angef. Stelle Bertholds u. Bemold z. 1074 S. 430.
49«
— 772 —
Lucca, gegen welche die königlichen Gesandten Einsprache erhoben, ^
verschob ^.
Die drohenden Wolken schienen sich zu zerteilen. Aber
indem das geschah, ballten sie sich an einem anderen Punkte nicht
minder gefährlich zusammen.
Gregor war kein Papst nach den Wünschen des deutschen
Episkopats. Aber der Einfluß der deutschen Bischöfe auf die
Papstwahl war dahin; sie konnten nur dadurch ihre Meinung zeigen,
daß sie sich von Rom ferne hielten. Das taten die Erzbischöfe;
sowohl Anno von Köln- als Gebhard von Salzburg^ und Sigirid
von Mainz ließen Monate verstreichen, ehe sie den Verkehr mit
Gregor anknüpften. Mit einem der Bischöfe, Gebhard von Prag,
kam der Pa])st sofort in den unerquicklichsten Streit. Gebhard
Avar von den Legaten Alexanders suspendiert worden, Gregor
bilhgte das Urteil unter herben Drohungen wider den ungehor-
samen Bischof*; er ließ den Einwand unbeachtet, den dieser
erhoben hatte, daß er nur dem Gerichte seines Metropohten Rede
zu stehen habe. Dadurch wurde Sigfrid genötigt, sein Schweigen
zu brechen^. Er richtete ein Schreiben nach Rom, überfließend
.1 Hugo Flav. chron. II S. 411. Der Brief Reg. 1,21 S. 36 widerspricht
nicht, da Gregor nur eine vorläufige Unterlassung der Investitur forderte.
Nach V. Ans. 4 S. 14 wurde sie tatsächlich vollzogen. Daß er den Bischof
Hugo von Die trotz der Einsprache der Gesandten weihte, hebt die Wichtig-
keit des Zugeständnisses nicht auf. Es war um so bedeutender, da es vor
der Lossprechung Heinrichs gemacht wurde.
"- Reg. II, 25 S. 137.
3 1, 30 S. 48 V. 13. Nov. 1073. Gregor macht dem Erzbischof den
Vorwurf, daß er die Beschlüsse einer römischen Synode, an der er teil-
nahm, den Cölibat betr., immer noch nicht durchgeführt habe. Man wird
an die Ostersynode von 1063 zu denkeji haben. Mayer, Die Alpenländer
im Investiturstreit S. 28 denkt an die Synode v. 1074 und ändert dem-
gemäß das Datum des Briefs.
* Reg. 1, 17 S. 30 v. 8. Juli 1073, vgl. Cod. Udalr. 40 S. 85.
s Das Folgende nach den 4 Briefen cod. Udalr. 40 u. 42 u. Keg. I, 60
u. n, 29. Von diesen Briefen ist c. U. 40 der älteste ; er ist der erste Brief
Siegfrieds an den Papst, indes längere Zeit nach dessen Amtsantritt (e. S. 86:
multis diebus), demnach wahrscheinlich im Spätjahr 1073 geschrieben;
der erste Brief Gregors ist die Vorladung II, 29, deren Umdatierung in den
Dez. 1073 durchaus einleuchtend ist. Gegen Schäfer, N.A. XVII S. 418 vgl.
Meyer v. Knonau II S. 367. Die Boten, welche c. U. 40 nach Ron gebracht
hatten, nahmen das päpstliche Schreiben mit zurück (s. c. U. 42 S. 90: A
reditu etc.); sie hatten auch mündliche Aufträge zu überbringen (s. c. U. 42
S. 90 f.: De penitentia etc. De castit. etc.). Sie werden im Januar 1074
wieder in Mainz gewesen sein. Nach kurzer Zeit (c. U. S. 90) schickte Sieg-
— 773 —
von Versicherungen der Freude über Gregors Wahl, von Beteue-
rungen des Gehorsams gegen alle päpstlichen Anordnungen. Aber
den Kern des Briefs bildete ein Protest gegen das Vorgehen der
Legaten in Böhmen. Wie Gregor war, mußte er dadurch gereizt
werden. Seine Antwort war denn auch kurz und kühl; die Prager
Sache berührte er nicht: er hatte Gebhard inzwischen vor die
nächste Fastensynode geladen. Auf ihr zu erscheinen, forderte er
auch Sigfrid auf. Zugleich lud er sechs Bischöfe der Mainzer
Diözese, Otto von Konstanz, Werner von Straßburg, Heinrich von
Speier, Hermann von Bamberg, Embrich von Augsburg und
Adalbero von AVürzburg, als der Simonie verdächtig, vor dieselbe.
Sigfrid aber erhielt den Auftrag, eine Voruntersuchung gegen sie
anzustellen. Die Absicht war unverkennbar: der deutsche Episko-
pat sollte mit einem Schlage gebeugt werden. Die Bischöfe ver-
suchten Widerstand: Sigfrid unterließ die angeordnete Unter-
suchung und begnügte sich, den sechs Bischöfen das päpstliche
Schreiben mitzuteilen : für sich selbst lehnte er die Teilnahme an der
Synode unter Berufung auf seine Gesundheit ab. So verbindlich auch
diesmal der Ton seines Schreibens war. so fehlte doch nicht eine
entschiedene Verwahrung gegen unausführbare Befehle. Von den
Bischöfen aber erschien der einzige Werner von Straßburg in
Rom^; besonders fehlte Gebhard von Prag. Es macht den Ein-
druck des Hohns, daß er, der Herzogssohn, sich damit entschul-
digte, es fehlten ihm die Mittel zur Reise, da infolge seiner Sus-
pension seine Einkünfte gesperrt seiend Man kann sich vorstellen,
fried eine neue Botscliaft mit c. U. 42, der Antwort auf Reg. II, 29 nach Rom.
Bei dieser Anordnung ist auffällig, daß in II, 29 die Prager Sache nicht
berührt ist. Es erklärt sich wohl daraus daß Gregor sie auf der Fasten-
synode V. 1074 entscheiden wollte, zu der Siegfried geladen war. Dies
wurde verhindert, und nun schrieb er am 18. März 1074 seine scharfe Ant-
wort auf Sigfrids Einsprache Reg. 1, 60. Glöckner tritt in seiner unten
S. 790 zu nennenden Dissertation S. 50 ff. für Jafies Datierung der 4 Briefe
ein, also Cod. Udalr. 40 Febr. 1074, Reg. I, 60 März 1074, Reg. II, 29 Dez.
1074. Cod. Udalr. 42 Jan. 1075. Die Anordnung scheint mir an den Sätzen
Cuius rei gratia etc. 11,29 zu scheitern: es ist unmöglich, daß Gregor sie
schrieb, nachdem er I, 60 Siegfried erklärt hatte, daß er ihm das Schlimmste
zutraue; 11,29 muß also vor 1,60 gerückt werden. Auch der Bezug auf
die cluniacens. Pläne Siegfrieds im Herbste 1072 nötigt, I, 60 nicht allzu-
weit von diesem Termin abzurücken.
^ Reg. I, 77 S. 96. Entschuldigungsschreiben des B.' Hermann v. Bam-
berg Cod. Udalr. 43 S. 91. Das Datum bestimmt sich nach dem Ansatz v.
ep. 40 u. 42 und ist also Febr. 1074.
2 Reg. 1,44 S. 62, v. 31. Jan. 1074: vermutlich argwohnte Gregor,
— 774 —
welchen Eindruck das alles auf Gregor machte: sein ganzer Ingrimm
flammte auf. Am 18. März 1074 beantwortete er den Protest
Sigfrids wegen der Behandlung Gebhards; in den heftigsten,
verletzendsten Worten wies er jeden Rechtsanspruch des Metropo-
liten zurück; er bestand darauf, daß er selbst die Angelegenheit
entscheiden werde. Es gelang -ihm, sie unerwartet rasch beizu-
legen. Denn Gebhard fand sich im April in Eom ein; da er sich
zu einem halben Schuldbekenntnis entschloß, hob Gregor die
Suspension auf^. Er bewies, daß, wer sich Rom unterwarf, ein
mildes Urteil erwarten durfte. Auch Werner von Straßburg war
auf der Fastensynode nur suspendiert, nicht abgesetzt worden^.
Diese Synode ^ bildete nun aber den Ausgangspunkt für einen
neuen Streit. Gregor hatte auf ihr Verordnungen gegen die
Simonie und die Unzucht der Priester pubhziert und den an König
Heinrich gesandten Legaten den Auftrag gegeben, sie in Deutsch-
land bekannt zu machen*. Immer noch war die kirchliche Reform
nicht zum Ziele gelangt; im Gegenteil war die Gefahr der Simonie
seit Heinrichs III. Tod beständig gestiegen; die Cölibatsgesetze
Leos, Nikolaus' und Alexanders^ aber hatten die herrschende
daß das Nichterscheinen Sigfrids und Gebhards in Zusammenhang stehe;
vgl. T, 61 S.-80, V. 18. März 1074.
1 I, 44 f. S. 62 f.; I, 78 S. 98 v. 16. Aprü 1074.
2 1, 77 S. 96. Adalbero von Würzburg, später einer der treuesten
Gregorianer Deutschlands, scheint sich schon damals unterworfen zu haben;
vgl. Cod. Udalr. 44 S. 94 f. Er war 1075 in Rom.
^ Einladungsschreiben Reg. I, 42 f. S. 60 if. Mitteilungen über die Be-
schlüsse Reg. I, 86 S. 108, bei Marian. Scot. z. 1074 S. 560 f. und Bonizo VIT
S. 602. Fraglich ist, ob ep. coli. 3—5 sich auf diese Synode beziehen oder
auf die des J. 1075. Glöckner nimmt das erstere an. Aber die Stelle, auf
die er sich S. 16f. besonders stützt, entscheidet, wie mich dünkt, gegen
ihn. Er erinnert, daß Reg. 11,45 S. 159 v. 11, Jan. 1075 das Verbot der
Simonie und des Nikolaitismus in derselben Formel vorkommt wie ep. coli. 5.
Das ist richtig. Aber II, 45 werden diese Sätze als allgemein bekannter
Bestandteil des kanon. Rechts angeführt: Sciunt . . episcopi terrae vestrae,
quod et omnibus fidelibus notum esse debet, quoniam in sacris canonibus
prohibitum est, ut hi etc., ep. 5 wird gesagt: Nos iuxta auctoritatem s.
patrum in eadem synodo sententiam dedisse, ut hi etc. Es scheint mir
klar, daß nach der ersten Stelle ein neuer Synodalbeschluß, der das alte
Recht bestätigte, noch nicht erfolgt ist, während an der 2. direkt gesagt
wird, daß der neue Beschluß eine alte Formel bestätigte. Man wird also
ep. coli. 3 — 5 bei 1075 zu lassen haben.
* Heinrich machte keine Schwierigkeit; vgl. Reg. II, 30 S. 142: Legatis
nostris te benevolum tractabilemque praebuisti.
^ Leo IX.: römische Synode von 1049, Bonizo V S. 588, dagegen nicht
— 775 —
Sitte, die, mit dem Maße des kirchlichen Rechtes gemessen, Un-
sitte war, nicht zu entwurzeln vermocht. Die Legaten gedachten,
ihren Auftrag auf einer deutschen Generalsynode, deren Vorsitz
sie in Anspruch nahmen, auszuführen, und forderten von den Erz-
bischöfen Sigfrid und Liemar darauf bezügliche Zusagen. Liemar
gehörte nicht zu den Männern, die über die Simonie mild ur-
teilten^. Aber dem Drängen der Legaten widersprach er unum-
wunden, indem er erklärte, ohne Beratung mit den übrigen Bischöfen
könnten in einer solchen Sache keine Schritte geschehen. Die
Legaten sahen in seiner Weigerung Ungehorsam und luden die
beiden Metropohten zur Verantwortung nach Rom \ Aber an dem
ihm bestimmten Termin, dem Andreastage 1074, erschien Liemar
nicht. Gregor antwortete mit der Suspension und der Vorladung
vor die nächste Fastensynode ^.
Ein ähnhches Schicksal hatten andere Bischöfe: schon im
Mai 1074 war Dietrich von Verdun wegen Ungehorsams zur Ver-
in Rheims 1049, s. Bröcking, D. Ztschr. f. GeachW. IX 1893 S. 290, Mainzer
Synode von 1049, s. o. S. 602 f., römische Synode von 1050, Bonizo V S. 589;
Nikolaus IL: röm. Synode von 1059, J.W. 4404f.; Alexander IL: röm. Synode
von 1063, J.W. 4501. Mirbt erinnert, daß Gregors Cölibatsgesetze nur die
Verordnung Nikolaus' IL wiederholen, S. 269. Er wiederholt (S. 337) die
herkömmliche Ansicht, daß Gregor, um die Priester aus der Verflechtung
in das Familienleben zu lösen, für den Gölibat eingetreten sei. Ich ge-
stehe, daß diese Annahme, so verbreitet sie ist, mich nicht wahrscheinlich
dünkt. Sie ist eine Verwechselung von Zweck und Folge. Auch war es
nicht Gregor, der den Kampf für den Cölibat begann; er ist in den seit
Leo IX. im Gang befindlichen Streit eingetreten. Unter diesem war der
Cölibat lediglich eine Nummer des Reformprogramms; er wurde gefordert,
weil er kanonisches Recht war. Ich kann nicht absehen, warum er für
Gregor etwas anderes gewesen sein soll.
1 Vgl. Bernald de damn. scism. L. d. 1. II S. 43.
2 Brief Liemars mit einem Bericht über die Vorgänge bei Sudendorf,
Reg. I, 5 S. 8 f., Erlaß Gregors v. 12. Dez. 1074, Reg. 11, 28 S. 140. Bonizo
VII S. 612 und Lambert z. 1074 S. 193 kommen neben den Briefen nicht
in Betracht.
3 Reg. II, 28 S. 140 f. Auch die Sache der angeklagten Bischöfe
schwebte noch; der Beweis liegt in Reg. 1,84 S. 105 v. 12. Juni 1074. Hier
wird Hermann von Metz mit der Erledigung der Klage gegen den Bam-
berger Bischof beauftragt. Sodann in der Zitation Hermanns, Heinrichs
und Werners vor die Fastensynode von 1075, Reg. II, 30 S. 143. Wie Adal-
bero von Würzburg, s. S. 774 Anm. 2, scheint sich auch Embrich von Augs-
burg bereits unterworfen zu haben. Otto von Konstanz schickte Boten
zum Konzil, s. ep. coli. 5 S. 525, vgl. Reg. II, 60 S. 180. Er hatte also min-
destens Aufschub des gegen ihn schwebenden Verfahrens erlangt.
— 776 —
antwortung aufgefordert worden ^; im Herbst erging an Gebhard
von Prag eine neue Vorladung, da er sich Übergrijffe erlaubt habe";
kurz danach wurde über den Bischof Pibo von Toul, einen sechzig-
jährigen Mann, auf Grund der Denunziation eines Touler Klerikers
eine Untersuchung verhängt und Uoto von Trier und Hermann, von
Metz beauftragt, sie zu führen ^. Uoto legte das päpstliche Schreiben
einer Versammlmig von mehr als zwanzig Bischöfen vor. Sie
waren einhelhg der Meinung, daß Gregors Verfahren den bis-
herigen ßechtsgewohnheiten widerspreche. Doch stellte er eine
Untersuchung an. Allein jetzt verweigerte der Ankläger jede Ant-
wort; daraufhin erklärte er Pibo für unschuldig. Er teilte diesen
Verlauf der Sache dem Papste mit; aber er legte zugleich im
Namen des deutschen Episkopats Verwahrung gegen Gregors Be-
handlung der kirchlichen Angelegenheiten ein*.
An den verschiedensten Punkten brach in dieser Weise Zwie-
spalt aus. Man war auf beiden Seiten von tiefem Mißtrauen
erfüllt. Gregor urteilte, daß die Bischöfe nicht aus Unbedacht
unrecht handelten, sondern in bewußtem Widerstand gegen das
göttUche und kirchliche Rechte Umgekehrt äußerte ein so maß-
voller Mann wie Liemar, der Papst sei ein gefährlicher Mensch;
er betrachte die Bischöfe wie seine Gutsverwalter und befehle ihnen,
was ihm in den Sinn kommet Der einzige Hermann von Metz
erfreute sich des päpstlichen Vertrauens. Als naher Freund des
Abtes Dietrich von St. Hubert stand er in engen Beziehungen zu
den lothringischen Mönchen. Schon das empfahl ihn ; mehr noch,
daß er von Dietrich begleitet, kurz nachdem Gregor sein Amt an-
getreten hatte, nach Rom geeilt war, um dem Papste seine Ergeben-
heit zu bezeigen'. Auch der treulose Burchard von Halberstadt
näherte sich, so wenig bei ihm die kirchlichen Überzeugungen aus-
schlaggebend waren, dem Papst. Er traf den Ton. dem Gregor
gerne lauschte, indem er seinen Kummer darüber aussprach, daß
die päpstlichen Legaten nicht so ehrenvoll empfangen würden, wie
es sich gebührte ^.
1 Registr. I, 81 S. 102 v. 6. Mai 1074.
2 11,6 S. 118 V. 22. Sept. 1074.
3 II, 10 S. 124 V. 16. Okt. 1074. Über Pibo s. Gesta ep. TuU. 45 f.
S. 646. * Sudendorf, Reg. I Nr. 4 S. 6 ff.
5 Registr. II, 11 S. 126; 11,45 S. 159. « S. d. angef. Brief.
' Vgl. Registr. I, 84 S. 105 u. 11,10 S. 125. 11,61 S. 181; chron. s.
Huberti 25 S. 583; vgl. Overmann, Mathilde v. Tuscien S. 247 ff.
8 Gregors Antwort Reg. II, 12 S. 126. Der Vorwurf in dieser All-
gemeinheit war unbegründet. Das beweist Gregors Dank an Heinrieb :
— 777 —
Es war klar, daß Gregor auf dem bisherigen Wege nicht
zum Ziele gelangen konnte. Das bemerkte besonders er selbst;
schon im Januar 1075 sprach er von neuen Maßregeln, die er-
griffen werden müßten, imi die Bischöfe zur Erfüllung ihrer
Pflichten zu nötigend Sein Gedanke war, sich dabei auf die welt-
lichen Fürsten zu stützen. Des Königs schien er so sicher, daß
er die Absicht aussprach, ihm die Aufsicht über die römische.
Ejrche zu überlassen, wenn der geplante Zug in den Orient zur
Ausführung komme ^. Auch auf die Unterstützung der Herzoge
Rudolf von Schwaben und Berhtold von Kärnten und anderer
Herren glaubte er rechnen zu können^.
Woran er bei den neuen Maßregeln dachte, enthüllte die
Fastensynode des Jahres 1075*. Gregor verbot allen Laien, Geist-
liche zu investieren, und wandte dies Verbot ausdrücklich auf die
Investitur der Bischöfe durch den König an. Er erklärte ferner
die simonistischen und unzüchtigen Priester ihrer Stellen verlustig
und forderte die Laien auf, die von ihnen vollzogenen kirchUchen
Handlungen zu meiden und sie durch ihr Einschreiten zui* Vernunft
Quia legatis nostris te benevolum tractabilemque pvaebuisti eorumque inter-
ventu quasdam res ecciesiasticas laudabiliter correxisti, II, 30 S. 142.
^ Registr. 11,45 S. 160: Alio quolibet modo contra haec vigilare nos
convenit . . . Multo enirn melius nobis videtur, iustitiam Dei novis reae-
dificare consiliis, quam animas hominum unacum legibus deperire neglectis.
Ich verstehe den Satz nur, wenn Gregor an das Investiturverbot dachte.
2 11,31 S. 146 V. 7. Dez. 1074. Auch II, 30 S. 143 zeigt, daß er ein
gutes Verhältnis zum König suchte.
3 11,45 S. 160 V. 11. Jan. 1075; 11,11 S. 126 v. 26. Okt. 1074 an den
Grafen Albert von Ballenstedt
■* 24. — 28. Febr. Quellen über diese Synode sind: 1. das Einladungs-
schreiben an Wibert von Ravenna, Reg. II, 42 S, 155 v. 4. Jan. 1075, 2. ein
liurzes Schlußprotokoll über die auf der Synode getroffenen disziplinaren
Maßregeln, II, 52a S. 170, und die Beurkundung des Vergleichs zwischen
den Bischöfen von Prag und Olmütz, II, 53 S. 171, 3. identische Mitteilungen
über die gefaßten Beschlüsse gegen Simonie und Unzucht an Sigfrid von
Mainz, Wernher von Magdeburg und Otto von Konstanz, ep. coli. 3—5
S. 523 ff., kurze Mitteilungen an Richard von Aquileja, Reg. 11,62 S. 182,
und Anno, 31, 67 S. 188, 4. diese Beschlüsse bei Bernold z. 1075 S. 430 f.,
5. das Investiturverbot bei Arnulf Gest. arch. Med. IV, 7 S. 27, womit zu
vgl. Reg. III, 10 S. 219 f.; Hugo Flav. ehr. II S. 412; Bernald de damn. scism.
42 L. d. 1. II S. 45; Mar. Scotus S. 561. Im Simonieverbot spricht Gregor
nur von denen, die interventu precii die Weihe oder ein Amt erhalten
haben; die Frage, ob die ohne Simonie von Simonisten erteilten Weihen
giltig seien, s. o. S. 594, 601 u. 674, wird nicht berührt. Gregor hat sie erat
auf der Fastensynode v. 1078 für nichtig erklärt, Reg. V, 14 a S. 308.
— 778 —
zu bringen. Das Gewicht dieser Verfügungen wurde dadurch er-
höht, daß gleichzeitig Erzbischof Liemar, die Bischöfe Heinrich,
Werner und Hermann, drei itahenische Prälaten und fünf Räte
des Königs zu kirchlichen Strafen verurteilt wurden. Der Zweck
war oiäenkundig: das Widerstreben des Episkopats sollte zermalmt
werden, wenn nötig durch die Gewalttätigkeit des Volkes. Die
Revolutionierung der Massen, die sich in Mailand erprobt hatte,
sollte auch in Deutschland ihre Dienste tun.
Doch am folgenreichsten war das Investiturverbot \ Es er-
scheint wie die logische Konsequenz der seit Leo IX. über die
Bischofs wählen erlassenen Verfügungen; aber nach der Lage der
Verhältnisse im Beginn des Jahres 1075 kann man es nicht als
einen Schlag betrachten, der in erster Linie gegen den König ge-
richtet war. Es gehörte vielmehr zu den Maßregeln, welche die
Unterwerfung des Episkopats unter Rom sichern sollten. Um die
Selbständigkeit der Bischöfe zu vernichten, sollte ihre Ernennimg
durch den König beseitigt werden. Dabei verhehlte sich Gregor
nicht, daß das Investiturverbot von Heinrich als ein ihm zuge-
fügtes Unrecht betrachtet werden konnte, und daß er deshalb durch
seinen Erlaß die Gefahr eines Kampfes mit dem König wachrufe.
Aber er glaubte, diese Gefahr vermeiden zu können. Zu diesem
Zweck erließ er nach Deutschland beruhigende Eröffnungen und
erklärte er sich zu Unterhandlungen über die Ausführung des Ver-
bots bereit'^; er wollte in der Tat nicht jede Einwirkung des Königs
auf die Bischofswahlen abschneiden ^. Wenn er die kühne Hoffnung
hegte, das Verbot ohne Bruch mit Heinrich durchzuführen, so
muß man gestehen, daß des letzteren bisheriges Verhalten ihm
Grund zu einer solchen Hoffnung gab.
Bedenklicher als über die Stellung des Königs war Gregor
über das Verhalten der Bischöfe. Er drängte sie zur Ausführung
seiner Verfügungen *. Aber er erwartete Widerstand. Dabei irrte
^ Über die vorhergehende kirchliche Gesetzgebung s. oben S. 675 u,
vgl. Mirbt, Publiz. S, 474 ff.
^ Registr. III, 10 S. 220 f. Die vielbesprochene Frage, warum Gregor
das Investiturverbot nicht sofort publizierte, läßt sich selbstverständlich
nicht mit Sicherheit beantworten. Der Sachlage nach scheint es mir am
wahrscheinlichsten, daß er die Provokation des Königs, die in ihm lag, da-
durch mildern wollte, daß er es nicht sofort aller Welt verkündigte, son-
dern sich zuvörderst zu Verhandlungen und Erläuterungen bereit erklärte.
^ Nur aus dieser Absicht erklärt sich, daß er dem König von dem an
Sfgfrid erteilten Auftrag Mitteilung macht, Bamberg secundum sanctorum
instituta patrum zu besetzen. Reg. III, 2 S. 205 u. III, 3 S. 207.
^ Vgl. die Briefe an Dietwin v. Lüttich Registr. II, 61 S. 181; Burchard
— 779 —
er sich nicht. Wenn Lambert zu glauben ist, so sprach Wilhelm
von Utrecht schon im Beginn des Streites in seinen Predigten
heftig gegen den Papst ^. Dieser bewies durch seinen Erlaß an
den Klerus und die Laienschaft in Deutschland, daß er entschlossen
war, die Opposition durch die stärksten Mittel zu brechen^. Als-
bald begann auch der offene Streit. Zuerst kam es zum Bruch
mit Hermann von Bamberg^. Er war nach dem allgemeinen Ur-
teil der Simonie, die ihm Gregor vorwarf, wirklich schuldig; bisher
war er der Verurteilung entschlüpft ; jetzt aber erklärte der Papst,
seme Schuld sei erwiesen, seine bischöfliche Würde sei deshalb
nichtig, und er selbst verdammt. Am 20. April 1075 eröffnete
er dies Urteil dem Klerus und Volk von Bamberg*. Allein Her-_
mann fügte sich nicht: mochte auch der Klerus die Gemeinschaft
mit dem Exkommunizierten abbrechen, so behauptete er sich doch,
gestützt auf seine Vasallen und Dieiistleute, noch monatelang im
Besitz des Bistums ^. Sodann machte Sigfrid von Mainz Schwierig-
keiten. Er war nach Schluß der Fastensynode in Rom einge-
troffen, bereit, sich zu untei-werfen. Als er den Befehl erhielt, eine
deutsche Synode zu veranstalten, um die päpsthchen Anordnungen
über Simonie und Priesterehe durchzuführen, erhob er keine Ein-
rede**, Aber sobald er sich wieder in Deutschland befand, ent-
standen ihm Bedenken. Zunächst gab er seinem Ellerus bis zum
Herbste Frist, um zur Beobachtung des Cölibats zurückzukehren';
von Halberstadt 11,66 S. 185; Anno von Köln II, 67 S. 187; Wernher von
Magdeburg 11,68 S. 189. ^ Lamb. z. 1076 S. 258.
2 Ep. coli. 10 S. 532. Jaffe verlegt den Brief in den Dezember 1074;
mir scheint die Zeit nach der Synode von 1075 wahrscheinlicher. Der
Brief ist die Ausführung des 4. Kanons; vgl. auch Ann. Aug. z. 1075 S. 128.
3 Cod. Udalr. 44 S. 93 ff.
4 Registr. II, 76 S. 200 ff., wiederholt 20. Juli III, 1 S. 203; Aufforderung
an den EB. und den König, für Neubesetzung des Bistums Sorge zu tragen,
in, 2 f. S. 204 v. gl. Tag.
5 iii^ 1 s. 203; vgl. IIl,-3 S. 206. Erst im Herbst ließ ihn Heinrich
fallen; nun zog er sich nach Münsterschwarzach zurück. Die Zeit ergibt
sich annähernd daraus, daß nach Berth. z. 1075 S. 279 Heinrich sofort einen
neuen Bischof ernannte. Die Ernennung Ruotberts erfolgte am 30. November
1075. Einen merkwürdigen Bf Hermanns an den König hat jüngst Manitius
bekannt gemacht, N.A. XXX S. 173 f., denn der Nachweis Holder-Eggers
S. 175 ff., daß er der Schreiber ist, ist völlig überzeugend. Der B. hatte
danach die Hoffnung, von Heinrich restituiert zu werden, noch nicht auf-
gegeben.
6 Erwähnt Cod. Udalr. 45 S. 98. Der Brief ist im Sommer 1075 nach
der Rückkehr Sigfrids von Rom geschrieben.
^ Lamb. z. 1074 S. 199 f. Die »hier von Lambert erzählten Dinge
— 780 —
darauf erklärte er, der Zusammentritt der Synode sei unmöglich;
in einem Schreiben an den Papst bat er um Aufhebung des Be-
fehls ^ Daß Gregor seine Bitte zurückwies- diente nur dazu, an
den Tag zu bringen, daß die Bischöfe bei ihrer Opposition den
niederen Klerus auf ihrer Seite hatten. Denn auf der Mainzer
Oktobersynode rief die Promulgation des Cölibatsgebotes stürmischen
Widerspruch hervor; an die Durchführung war nicht zu denkend
Nicht anders war der Erfolg in Thüringen. Sigfrid berief den
dortigen Klerus wenig später nach Erfurt; aber nur dadurch rettete
er seine persönUche Stellung, daß er versprach, in Rom für die
Aufhebung des Gebotes zu wirken*. Nicht mehr erreichte Bischof
Altmann in Passau; eine dortige Diözesansynode erwies sich ebenso
unfügsam wie die beiden mitteldeutschen Konzilien. Und als der
können nicht in das Jahr 1074 fallen. Wie unsicher seine Anschauung ist,
ergibt sich aus den mehreren Synoden Hildebrands, die er vorausgegangen
sein läßt. Vor dem Herbst 1074 hatte aber ' eine einzige stattgefunden.
Eine allgemeine Mahnung zur Durchführung des Cölibats und Beseitigung
der Simonie war zuerst mündlich im Winter 1073 — 74 Sigfrid erteilt worden,
Cod. Udalr. 42 S. 91, dagegen enthält das päpstliche Schreiben v. 18. März
1074 den von Lambert angenommenen Auftrag nicht, eine weitere Zusendung
an ihn erfolgte überhaupt nicht mehr in diesem Jahr. Erst nach der Synode
von 1075 ist Sigfrid schriftlich, ep. coli. 3, und mündlich (s. S. 779 Anm. 6)
zur Durchführung der Beschlüsse aufgefordert worden. Schon hiemach ist
es wahrscheinlich, daß die Ereignisse in das Jahr 1075 fallen. Der Beweis
wird vollendet durch Cod.. üdalr. 45. Wären die Ereignisse in Erfurt
vorausgegangen, so hätte Sigfrid von ihnen, besonders von seinem dort
gegebenen Versprechen nicht schweigen können. Ich nehme doshalb an,
daß sie in das Jahr 1075 fallen. Nach seiner Rückkehr aus Rom Ende
April oder Anfang Mai setzte Sigfrid seinen Klerikern die Frist bis zum
Herbst. Mitte oder Ende Oktober fand die Erfurter Synode statt, es läßt
sich nicht feststellen, ob vor dem Gerstunger Tag (22. Okt.) oder nach der
Unterwerfung der Sachsen auf dem Felde bei Spier (27. Okt.), wahrschein-
licher ist das erstere. Lambert hat sie vermutlich in das Jahr vorher ge-
legt, weil ihm die schnelle Folge zweier Synoden unwahrscheinlich war.
Das ist sie jedoch nicht: die Mainzer Synode war eine deutsche, die Erfurter
eine Bistumssynode.
1 Cod. üdalr. 45 S. 97. « Registr. HI, 4 S. 207.
3 Lamb. z. 1075 S. 226 f. Der Schluß Sic tandem etc. ist historisch
natürlich wertlos. Was Siegfried dachte, wußten die Mönche in Hersfeld nicht.
* Lamb. z. 1074 S. 200. Nach Lambert hat Siegfried auch hier von den
thüringer Zehnten gesprochen und dadurch vollends die Synode gesprengt.
Einfach erfunden ist das vermutlich nicht, da die Beteiligung der Thüringer
am sächsichen Aufstand die Ausführung des Erfurter Vergleichs hindern
mußte.
— 781 —
Bischof die römische Bulle am zweiten Weihnachtstage in der
Kirche verlas, erregte er dadurch den schhmmsten Tumult: er sah
sich persönlich bedroht K Man kann sich nicht wundern, daß Anno
von Köln es unterließ, der Aufforderung des Papstes nachzukommen
und auf einer Kölner Provinzialsynode die römischen Beschlüsse
bekannt zu machend
Die Einwände der Priester waren nicht ohne Gewicht. Zwar
Heß sich nicht bestreiten, daß der CöHbat kirchliche Vorschrift sei;
aber seine Gegner konnten auf Zeugnisse aus der alten Kirche
für die Zulässigkeit der Priesterehe hinweisen^. Und sie gingen
zurück auf die Bibel: hatte nicht der Herr selbst die Ehe seinen
Jüngern freigegeben? Hatte nicht Paulus sie ausdrücklich ange-
raten*? Alles, was sich gegen den Zwang zum Cöhbat einwenden
ließ, wurde von einem der Opponenten in einem offenen Briefe dem
volkstümhchen Heiligen Ulrich von Augsburg in den Mund gelegt^:
in ernster würdiger Weise ist hier an die Meinung der heihgen
Schrift und der alten Kirche erinnert, auf das nachdrücklichste
aber werden die verderblichen sittlichen Folgen hervorgehoben, die
aus dem Zwang zur Ehelosigkeit entspringen müßten. Ahnhchen
Inhalts, aber weit verschieden in der Form ist eine anonyme Streit-
schrift für die Duldung der Priesterehe **. Ihr Verfasser arbeitet
mit philosophischen und theologischen Begriffen : Form und Materie,
Willensfreiheit, Gesetz und Gnade, er kämpft mit exegetischen und
historischen Gründen. Dabei wendet er sich nicht gegen die kirch-
liche Hochstellung der Virginität, sondern nur gegen den Zwang
zur Ehelosigkeit: in ihm sieht er das Unrecht. Diese Schriftchen
sind von Wert, weil sie zeigen, daß der deutsche Klerus mit gutem
1 Die einzige Nachricht von diesen Vorgängen hat die vita Altmanni
11 Scr. XII S. 232f. Dort findet sich keine Jahreszahl. Vorausgesetzt ist
aber der Strafbeschluß der Synode v. 107b.
2 Gregors Anordnung Reg. 11,67 S. 188. Über die AuBführung ist nichts
bekannt; man muß annehmen, daß sie unterblieb.
' So tat der Presbyter Alboin in seinen Verhandlungen mit Bemald^
L. d. 1. II S. 7 ff. Er beruft sich auf des Paphnutius Auftreten in Nicäa.
Die Berufung kehrt in einer anonymen Streitschrift für die Priesterehe
wieder, die Dümmler in den Berl. SB. 1902 S. 418 ff. veröffentlicht hat,
S. 438; an ders. Stelle wird der Bf des Dionys. v. Korinth an Pinytos nach
Ruf. IV, 23 angezogen. Dionys. ist mit dem Areopagiten identifiziert.
* Lamb. z. 1074 S. 199. Die angeführten Schriftstellen sind Matth.
19, 11 f. und 1. Ko. 7,9; vgl. Alboini ep. L. d. 1. II S. 17, und die eben
angef. Streitschrift S. 432. » L. d. 1. 1 S. 254 ff.
ö Dümmler bestimmt treffend die Abfassungszeit 1075 — 78. Ein Bruch-
stück einer gleichzeitigen Schrift für den Cölibat L. d. 1. III S. 584 ff.
— 782 —
Gewissen das, was Sitte geworden war, gegenüber der kanonischen
Vorschrift vertrat.
Allein nicht umsonst hatte der Papst das Volk • gegen die
ungehorsamen Priester aufgeboten-^. An mancherlei Feindseligkeit
gegen den Klerus hat es zu keiner Zeit gefehlt. Nun schien sie
durch die höchste kirchlijche Autorität selbst legitimiert zu sein.
Seitdem die Welt steht, klagt einer der Gekränkten, hat kein
Menschenalter eine so schwere Zeit gesehen; man übersieht alle
götthchen Gebote und verschlingt uns nach Willkür^. Das be-
stätigt ein unbeteiligter Zeuge : er schildert, daß verheiratete Priester
sich kaum sehen lassen könnten, ohne verspottet, verhöhnt, miß-
handelt zu werdend Es kam vor, daß die Bauern die Zehnten
auf dem Felde verbrannten, um sie nicht in die Hände der Priester
kommen zu lassen. Und es blieb nicht bei Gewaltakten vor den
Kirchentüren. Die erregten Laien machten von dem Gregors Ver-
bot zugrunde liegenden Gedanken, daß die Sakramente unwürdiger
Priester nichtig seien*, auf ihre Weise Anwendung: sie verhöhnten
die heiligen Handlungen r sie traten die von verheirateten Priestern
geweihten Hostien mit Füßen, verschütteten absichtlich den Abend-
mahlswein, sie verschmähten die Beichte, wiesen die letzte Ölung
und das kirchliche Begräbnis zurück^; dagegen glaubten sie, die
Sakramente selbst verwalten zu können: sie begannen, ihre Kinder
selbst zu taufen. Mit einem Wort: die Szenen, die einige Jahre
vorher Mailand gesehen hatte, wiederholten sich nun wirklich in
Deutschland.
Sie riefen neuen Widerspruch gegen Gregor wach. Man
kannte die Schriften der Alten gut genug, um zu wissen, daß das
Verbot, die Messe eines unwürdigen Priesters zu besuchen, eine
Neuerung sei, die den altkirchlichen Anschauungen widersprach^.
Besonders kam die Verbreitung der pseudoisidorischen Sammlung
den bedrängten Klerikern zugute. Denn aus ihr konnte mit leichter
Mühe bewiesen werden, daß es gegen das kirchliche Recht sei,
wenn Priester von Laien angefeindet, angeklagt, ohne ein Synodal-
1 Vgl. aucli die Briefe Registr. IV, 10 fF. S. 254.
2 Albüin an Bernald, L. d. 1. II S. 17; vgl. Ann. Aug. z. 1076 f. S. 129.
3 Sigib. apolog. 2 L. d. 1. II S. 438.
* Vgl. Registr. IV, 2 S. 244 u. den Beschluß der Fastensynode v. 1078,
V, 14 a S. 308. Eine Schrift, die die Verwerfung der Sakramente der Häre-
tiker vertritt, L. d. 1. III S. 12 ff. Sie scheint mir indes etwas jünger zu sein.
6 Sigib. chron. z. 1074 S. 362, apolog. 2 S. 439; vgl. auch Ann. August.
z. 1076 S. 129, Gas. Mon. Petrish. II, 28 S. 645.
" Sigibert a. a. 0.
— 783 —
urteil aus der Kirche ausgeschlossen würden ^. Auch über diese
Fragen trat ein anonymer Traktat ans Licht, der den Gedanken,
die viele bewegten, Worte gab^. Sein Verfasser war der Mönch
Sigibert von Gembloux, ein im Westen Deutschlands wegen seiner
Gelehrsamkeit hochangesehener Mann. Er sprach um so eindrucks-
voller, da er sich unumwunden zu den idealen Zielen der kirchHchen
Reform bekannte^, und da der Kummer über die Schädigung der
Frömmigkeit durch die kirchliche Revolution in jedem seiner Sätze
zu erkennen war. Die Schuld daran gab er geradezu dem Gebote
Gregors*; er glaubte beweisen zu können, daß es ebensosehr dem
Neuen Testament, wie der Lehre der alten Kirche widerspreche.
Wie er selbst Stellung zu nehmen hatte, daran zweifelte er nicht
einen Moment^: mit der ganzen Energie eines sitthch klaren
Charakters verwarf er, daß es zulässig sei, Böses zu tun um eines
guten Zweckes willen^.
Allein die Einwände gegen Gregors Vorgehen mochten so
wohl begründet sein wie immer, so hatte doch die Opposition des
deutschen Klerus nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn auch der
König sich gegen den Papst erklärte. Daran war so lange Hein-
rich den sächsischen Aufstand nicht bewältigt hatte, nicht zu denken.
Allein er errang im Juni 1075 einen entscheidenden Sieg über
^ Alboin an Bernald ep. 4 S. 17.
^ Die angef. Apologia contra eos qui calumniantur missas coniuga-
torum sacerdotum,
^ G. 2 S. 438: Si ad principia redeas, quid pulchrius, quid christia-
nitati conducibilius, quam sacros ordines castitatis legibus subicere, promo-
tiones ecclesiasticas non pecuniae pacto sed vitae merito aestimare, iuvenis
regis vitam et mores ad suam et subditorum utilitatem corrigere, episco-
palem dignitatem ab omni saecularis servitii necessitate absolvere?
* C. 3 S. 439: Si quaeris, talis fructus a qua radice puUulaverit: lex
ad laicos promulgata, qua imperitis persuasum est coniugatorum sacerdotum
missas et quaecunque per eos implentur mysteria fugienda esse, in rei-
publicae nostrae ornatura istud adiecit.
5 C. 7 S. 444: Neque ita religiosi vel sumus vel esse volumus, ut
contra veteris ac novi testamenti auctoritates, contra evangelicas et aposto-
licas institutiones venire prae nimia religiositate praesumamus, etiamsi
barum novitatum auctores ad faciendam sibi fidem signis et prodigiis
mirificare videremus. lUam enim apostoli, quae angelum de coelo aliter
evangelizantem anatbematizat, valde timeo sententiam. Alios nescio. In
me confortata est et ego non potero ad eam. Sigibert besteht auf der alt-
kircblichen Vorstellung, daß die Sakramente an sich heilig sind ohne Rück-
sicht auf die Würdigkeit oder Unwürdigkeit des ministrierenden Priesters.
6 C. 8 S. 445.
— 784 —
die Empörer. Infolgedessen unterwarfen sich Ende Oktober die
sächsischen und thüringischen Herren: Otto von Nordheim, Herzog
Magnus, der Erzbischof von Magdeburg und der Bischof von Halber-
stadt, außerdem eine lange Reihe von Grafen K Der Widerstand
der Sachsen schien gebrochen. Es war der erste große Erfolg im
Leben Heinrichs: wie mochte ihm die Brust von Hoffnungen ge-
schwellt sein! Nun hatte er auch freie Hand, offen Stellung zum
Investiturverbot zu nehmen.
Man irrt schwerlich, wenn man vermutet, daß Gregor, von
dem Gedanken an die kirchlichen Zustände beherrscht und gleich-
sam geblendet, die Bedeutung des Investiturverbots für das Reich
nicht vollständig übersah. Wie hätte er sonst an die Möghchkeit
einer Verständigung denken können? Wie die Dinge lagen, war
es für Heinrich schlechthin miannehmbar. Nicht nur durchkreuzte
es den Gedanken, der seine deutsche Politik beherrschte, sondern
es erschütterte die Grundlage, auf der seit Otto d. Gr. die könig-
liche Macht beruhte. Lediglich auf Grund der Investitur und des
Lehnseides waren die Bischöfe dem König rechtlich verpflichtet:
kam beides in Wegfall, so waren sie unabhängige Fürsten: während
ihre Verpflichtung zum Gehorsam gegen den Papst bheb, hörte die
Unterordnung unter den König auf. Dazu kam, daß man noch
nicht schied zwischen der Übertragung des bischöflichen Amts und
der Verleihung des Bischofsguts: beides fiel zusammen. Somit
verlor, wenn die Investitur aufhörte, der König die Verfügung über
den gesamten bischöflichen Besitz. Seit länger als einem Jahr-
hundert hatten die Könige Reichsgut den Bischöfen übertragen, in
der Überzeugung, daß es dadurch dem Dienst des Reichs nicht
entfremdet würde. Jetzt sollte es mit einem Schlag ihm entzogen
werden. Vom Standpunkte des Staates aus betrachtet, war die
päpstliche Maßregel revolutionär. Heinrich aber wai- konservativ;
besonders dachte er in bezug auf seine kirchhchen Rechte genau wie
seine Ahnen. Demgemäß hielt er sich zur strikten Aufsicht über
die kirchliche Verwaltung befugt'^. Hezil von Hildesheim be-
schwerte sich, eben im Jahr 1075, daß er ihm verwehre, was
kein Bischof, ja nicht einmal der Papst einem Konsekrierten ohne
kanonisches Urteil versagen dürfe ^. Mochte deshalb Gregor
noch so nachdrücklich versichern, das Investiturverbot sei keine
Neuerung, keine eigene Erfindung, es sei nur die Wiederherstellung
^ Wernher von Merseburg hatte sich schon im Juni unterworfen.
Vgl. über diese Ereignisse Meyer v. Knonau, JB. II S. 485 £F.
2 Vgl. Sudendorf, Reg. 1,6 S. 10, 7 S. lOf., 8 S. 12; 11,20 S. 2S f.
3 I, 8 S. 12.
— 785 —
der ursprünglichen, allein "berechtigten Ordnung ^, so konnte er da-
durch nicht verhindern, daß Heinrich in ihm einen Einbruch in
sein Recht erblickte. Er glaubte die letzten Gedanken Hildebrands
zu durchschauen: seine Absicht sei, kaiserliche und päpstliche
Macht in seiner Hand zu vereinen". Li dieser Verschiedenheit
der Beurteilung liegt der Grund für die Unversöhnlichkeit des
Gegensatzes.
So sicher also Heinrichs Widerstand gegen das Investitur-
verbot war, so zögerte er doch, den Streit zu beginnen. Er brach
die Beziehungen zu Rom nicht ab; noch im Juli 1075 ging eine
königliche Gesandtschaft an die Kurie ^. Vorerst beschränkte er sich
darauf, das Verbot zu ignorieren: wahrscheinlich unmittelbar, nach-
dem es bekannt geworden war, ernannte und investierte er Huz-
mann von Speier ^ Im Sommer folgte die Ernennung Heinrichs
von Lüttich; er entsprach damit einem Wunsche des Herzogs
Gottfried ^ Endhch am 30. November übertrug er das Bistum
Bamberg dem Propst Ruotpert von Goslar**, einem seiner Ver-
trauten, der ihm fernerhin unwandelbar Treue hielt. Auch zwei
der wichtigsten Klöster, Fulda und Lorsch, erhielten in dieser
Zeit durch Investitur des Königs neue Abte '. In Deutschland
1 Kegistr. EI, 10 S. 220 f., vom 8. Jan. 1076. Da im Sommer 1075
Verhandlungen zwischen König und Papst stattfanden, muß man ähnliche
Erklärungen schon in dieser Zeit voraussetzen.
- Cod. TJdah-. 49 S. 107. Auch diese Äußerung ist jünger: sie stammt
aus dem Frühjahr 1076. Aber es versteht sich von selber, daß Heinrich
diese Ansicht nicht erst hatte, seitdem er sie aussprach. Man vgl. auch
vita Heinr. 3 S. 16.
^ Registr. III, 5 S. 210.' Im Spätjahr weilte eine päpstliche Legation
am Hof, s. den ßf Heinrichs Cod. üdalr. 46 S. 100 u. vgl. Bruno de bell.
Sax. 64 S. 40 f., dessen Nachrichten aber schwerlich zuverlässig sind.
^ Heinrich von Speier starb am 26. Februar 1075, die Investitur Huz-
manns erfolgte so lange danach, daß der röm. Beschluß bekannt sein
konnte; s. Reg. V, 18 S. 314: Veremur te contra decretum apostolicae sedis
virgam de manu regis scienter ac temerarie suscepisse.
^ Ein anschaulicher Bericht im chron. s. Huberti 28 Scr. VIII S. 587;
vgl. Rup. chron. s. Laur. 43 S. 276; Lamb. z. 1075 S. 225.
•* Lamb. z. 1075 S. 239 f. Indes ist Lamberts Darstellung eine leicht
zu durchschauende Verdrehung des Sachverhalts. Heinrich ließ den Bischof
Hermann wahrscheinlich deshalb fallen, weil er an seiner Zuverlässigkeit
irre geworden war: Hermann hatte ihn, um sich rein zu waschen, in Rom
denunziert. Cod. Udalr. 48 S. 92.
' Fulda am 1. Dez. 1075, Lamb. z. d. J. S. 240 f., und Lorsch, Lamb.
S. 241, Chron. Lauresh. Scr. XXI S. 421.
Hauck, Kirchengeschichte. III- "0
— 786 —
nahm niemand daran Anstx)ß: unbedenklich vollzogen Anno und
Siegfried die Konsekration der neuen Bischöfe, nirgends lehnte der
Klerus oder das Volk ihre Anerkennung ab.
Der Übergang zum Angriff erfolgte, indem Heinrich in die
itali'^nischen Verhältnisse eingriff. Er hatte ihnen seit 1073 keine
sondc liehe Aufmerksamkeit geschenkt; aber dadurch, daß nach
dei Unterwerfung der Sachsen der Gedanke der Kaiserkrönung in
den Vordergrund trat, wurde er von selbst auf sie geführt. Und
in diesem Moment bot sich ihm die unerwartete Möglichkeit, sie
mit einem Schlage zum Vorteil der königlichen Gewalt umzu-
gestalten. In Mailand nämhch war kurz nach Ostern 1075 Erlem-
bald erschlagen worden ^ ; infolgedessen hatte die Macht des
Patarenerbundes in der Stadt für den Augenblick ein Ende. Be-
greifHch, daß der Wunsch nach einer Neuordnung der kirchlichen
Verhältnisse laut wurde. Zwar gab es zwei Männer, von denen
jeder sich als Erzbischof von Mailand bezeichnete; allein weder
Gottfried noch Atto waren im Besitz 'der Würde, die sie bean-
spruchten; der letztere hatte eidlich auf sie verzichtet, den ersteren
hatte der König fallen lassen ^: es schien die Erhebung eines neuen
Mannes möglich und notwendig. So urteilte man in Mailand^,
und wie hätte Heinrich diesen Plan zurückweisen sollen? Er
eröffnete ihm die Aussicht, daß die Metropole der Lombardei wieder
zu einem Stützpunkt für die deutsche Macht in Italien werden
würde. Lidem er auf ihn einging, vermied er den Fehler, den er
im Jahre 1071 gemacht hatte. Statt selbst zu ernennen, überließ
er den Mailändern die Wahl der Person : der neue Erzbischof sollte
sich auf die Bevölkerung stützen können. Die Wahl der Mailänder
fiel auf einen vornehmen Kleriker, namens Thedald, der in der
königlichen Kapelle Dienste tat. Ohne Zögern erteilte ihm Hein-
rich die Investitur; Klerus und Volk nahmen ihn an und die
Mailänder Suffragane trugen kein Bedenken, ihn zu konsekrieren *.
So schien Mailand von der Herrschaft der Pataria befreit, für die
Partei des Königs zurückgewonnen. Im Sommer nach Erlembalds
Tod wurde die Macht des Bundes nicht ohne Zutun des . könig-
lichen Gesandten, des Grafen Eberhard, in Piacenza gestüi-zt ^. Da
1 Arnulf Gesta IV, 10 S. 28; Bonizo VII S. 605.
2 Arnulf IV, 3 S. 26; vgl. Reg. I, 26 S. 43.
3 Arnulf V, 2 S. 29. * Dere. V, 5 S.-29f. Bonizo VII S. 605.
^ Bonizo a. a. 0. Der Zeitansatz der hier erwähnten Ereignisse steht
nur im allgemeinen durch den Tod Erlembalds, 2. Hälfte des April, und
Gregors Briefe v. 7. u. 8. Dez. fest. Die Mailänder Sendung an den Hof
muß in den nächsten Wochen nach Erlembalds Tod erfolgt sein; denn sie
— 787 —
auch der Erzbischof Wibert von Ravenna, der frühere itahenische
Kanzler, mit Gregor gebrochen hatte ^, so war in die päpstliche
Machtstellung in Oberitalien Bresche gelegt. Heinrich drängte
weiter: er ernannte neue Bischöfe für Fermo und Spoleto und
begann dadurch seinen Einfluß auch auf das mittlere Italien aus-
zudehnen ^ Ja selbst im Süden suchte er die bisherige politische
Konstellation umzustürzen. Die Normannen hatten Grund, sich
über Gregor zu beklagen. Nicht nur, daß er die Reste der lom-
bardischen Herrschaften in seinen Schutz nahm, auch ungetreue
normannische Vasallen fanden an ihm eine Stütze ^. Als er vollends
Landulf von Benevent in seinen Dienst zog* und Richard von
Capua von neuem an Rom band^, kam es zum Bruch zwischen
ihm und Robert Guiscard. Auf den Fastensynoden von 1074 und
1075 wurde die Exkommunikation des Normannenherzogs verkün-
digt". Die Verbindung zwischen den früheren Bundesgenossen
schien so vollständig zerrissen, daß die Verständigung zwischen
Robert und Richard an den Worten „unter Vorbehalt der Treue
gegen den Papst" scheiterte: Richard wollte sie in den verab-
redeten Freundschaftsvertrag aufgenommen haben; aber mit dieser
Klausel war er für Robert wertlos: er wies ihn also zurück ''. Auf
diese Verhältnisse baute Heinrich seinen Plan. Durch den Grafen
hattfr ilin zu melden, Arn. V, 2 S. 29. Man wird sie also etwa Mitte Mai
anzusetzen haben. Ihr folgte die Sendung Eberhards, der also in der
zweiten Hälfte des Juni in Italien sein konnte. Der Sturz der Pataria in
Piacenza fällt demnach in den Juli oder August. Nach Eberhards Ankunft,
also frühestens Ende Juni oder Anfang Juli ging eine zweite Mailänder
Oesandtschaft an den Hof; sie verständigte sich mit dem König über die
Erhebung Thedalds. Ihr Aufenthalt am Hof muß ziemlich lange gewährt
haben, s. Arn. V, 5 S. 29: Multa volvens et revolvens consilia. Demnach
kann Thedald nicht vor Ende August in Italien eingetroffen sein; wahr-
scheinlich fiel seine Ankunft noch etwas später. Denn am 11. Sept. scheint
Gregor noch nichts von der Neubesetzung des Mailänder Bistums gewußt
zu haben, Reg. HI, 5 S. 310. Da man Thedalds Erhebung nicht allzuweit
von Gregors Briefen v. 7. u. 8. Dez. abrücken darf — denn Gregor hielt
für möglich seine Weihe zu hindern — so fällt sie vielleicht erst in den
Oktober. Nach ihr, aber noch vor dem Dezember ernannte Heinrich die
Bischöfe für Spoleto und Fermo, Reg. III, 10 S. 219: Et nunc quidem.
1 Vgl. Bonizo V S. 602 ff., der freilich ganz als Parteünann spricht.
2 Greg. Reg. III, 10 S. 219.
3 S. V. Heinemann, Gesch. d. Norm. I S. 261 f.
* Registr. 1, 18 a S. 32 v. 12. Aug. 1073.
5 1,21a S. 36 v. 14. Sept. 1073. « 1,86 S. 108; II, 52a S. 170.
■' Amatus VII, 17 S. 287, Sommer 1075.
50*
— 788 —
Eberhard machte er Robert den Vorschlag, seinen italienischen
Besitz vom Reich zu Lehen zu nehmen. Ging Robert darauf ein,
und trat er damit in den Dienst des Königs, so war die Kombi-
nation, auf welcher seit länger als einem Jahrzehnt die Unab-
hängigkeit des Papsttums beruhte, völhg zerstört. Aber es ist doch
sehr verständlich, daß der Herzog Heinrichs Vorschlag zurückwies ^.
Er hätte dadurch auf seine Selbständigkeit verzichtet. Heinrichs
italienischer Plan gelang also nur halb. Immerhin war die päpst-
hche Machtstellung nicht mehr so unangreifbar, wie einige Jahre
vorher. Bis in das Kardinalskollegium erstreckte sich die Er-
schütterung der Autorität Gregors: der Kardinal Hugo der AVeisse
sagte sich von dem Papste los, an dessen Erhebung er einen her-
vorragenden Anteil hatte'-.
Gregor hat im Sommer 1075 nicht an Streit mit dem König
gedacht^; er erwartete also, daß Heinrich sich dem Investitur^
verbot schließlich fügen werde. Im Laufe des Herbsts wurde er
über die Absichten des Königs bedenklich, in einem Brief vom
11. September äußerte er sich Beatrix und Mathilde gegenüber voll
Argwohn^. Anfang Dezember war er dessen sicher, daß er sich
in Heinrich getäuscht habe. Und nun brach er mit der ganzen
elementaren Heftigkeit seines Wesens gegen ihn los. Sein Schreiben
vom 8. Dezember 1075 ist imverhüllt feindselig''': man hat es als
Ultimatum bezeichnet, und es trägt in der Tat den Charakter eines
solchen. Heinrichs Verkehr mit seinen gebannten Räten, die Er-
nennung der Bischöfe von Mailand, Fermo und Spoleto führte er
als Gründe seines Unwillens an ; indes zeigt seine Verteidigung des
Investiturverbots deutlich, daß er klar erkannte, weshalb er Hein-
rich sich als Feind gegenüber fand. Zu Milderungen Avar er auch
jetzt bereit, aber nicht zum Nachgeben ; ebenso bereit war er frei-
Hch zum Kampf: indem er seinen Brief mit einer Erinnerung an
die Verwerfung Sauls schloß, sprach er die kaum verhüllte Drohung
1 Amatus VII, 27 S. 298 ff. Arnulf IV, 7 S. 27 verlegt den Beginn
der Unterhandlungen schon vor die römische Synode.
- Bouizo VII S. 604.
^ Der Beweis liegt in seinem Brief an Heinrich vom 20. Juli, III, 8
S. 205, und in dem, was er über die Verhandlungen im Sommer äußert,
III, 5 S. 210.
■* Der zuletzt angeführte Brief III, 5. Die Mailänder Sache spielt hier
keine Rolle; es handelt sich um die Beilegung der bisher schon strittigen
Punkte. Daß Verleumdungen der politischen Gegner Heinrichs mitwirkten,
vita Heinr. 3 S. 15 f., ist wohl möglich.
5 Reg. III, 10 S. 218, irrig v. 8. Jan. 1076 statt 8. Dez. 1075.
- 789 —
der Absetzung aus. Sie erhielt dadurch das größte Gewicht, daß
er sich weigerte, die Verhandlungen über die Krönung fortzusetzen,
ehe ihra genuggeschehen sei^. War schon sein Brief drohend,
so noch mehr die geheime Botschaft, welche er dem König durch
seine eigenen Boten ausrichten ließ : er scheute sich nicht, die Ver-
leumdungen zu benützen, welche Heinrichs Feinde verbreiteten,
und erklärte ihm daraufhin, seine Verbrechen seien schauerlich
und weithin bekannt; nach göttlichem und menschlichem Rechte
müßte er um ihrer willen exkommuniziert und ohne Hoffnung auf
Wiederherstellung seines Reichs entsetzt werden^. Man kann
kaum zweifeln, daß er ihm die nächste Fastensynode als Frist
der Buße setzte** und daß er die Drohung hinzufügte, werde er
ungehorsam sein, so werde er sein Leben daran setzen, ihn zu
verderben^. Der Zweck dieser Erklärungen ist durchsichtig genug:
Heinrich sollte einsehen, daß er ganz in der Gewalt des Papstes
stehe; die Furcht vor dem Äußersten sollte seinen Widerstand
brechen ''.
^ Daß zu den nicht genannten Dingen, die in Heinrichs letztem
Briefe erwähnt waren, besonders die Kaiserkrönung gehörte, ist so gut wie
sicher. Martens Konjektur „retinemus" für reticemus (I S. 87) scheint mir
überflüssig. Denn warum soll Gregor nicht geschrieben haben: Auf das,
was wir in deinem Briefe gelesen haben und worüber wir jetzt schweigen,
werden wir nicht eher antworten, als etc.? Martens verwischt übrigens den
Charakter dieses Briefs.
^ So rekapituliert Gregor ep. coli. 14 S. 538.
^ Lamberts Nachricht z. 1076 S. 25 ist kein Beweis; aber die Sache
ist an sich wahrscheinlich. Denn die ep. coli. 14 erwähnten Eröffnungen
konnten doch nicht ins Blaue hinein gemacht sein.
* Von Heinrich in seinem Brief an den Papst erwähnt: Mandans, ut
tuis verbis utar, quod aut tu morereris aut michi animam regnumque tolleres,
C.I. I S. 109; vgl. Cod. XJdalr. 49 S. 108: Minitans regnum et animam se
mihi tollere, quorum neutrum concessit. Daß eine solche Äußerung wirk-
lich gefallen ist, macht die analoge Äußerung wider Philipp von Frank-
reich, Reg. 11,5 S. 117, so gut wie gewiß. Daß in Deutschland die Absicht
des Papstes so betrachtet wurde, zeigt Cod. üdalr. 51 S. 110. Fraglich
kann nur die Deutung des animam tollere sein; Weiland z. d. St. versteht
sie von der Exkommunikation; aber führt nicht der Gegensatz aut tu more-
reris notwendig auf die eigentliche Fassung? Daß sie an der zweiten Stelle
notwendig ist, ist ohnehin klar.
6 Aus Reg. in, 8f. S. 214 ff. ergibt sich, daß Gregor in dieser Zeit
den Versuch machte, Thedald und die Lombarden von Heinrich zu trennen.
Denn die Annahme von Knöpfler, CG. S, 58, und Lehmgrübner, Benzo S. 33,
daß Thedald sich an Gregor gewandt habe, um von demselben anerkannt
— 790 -
"Wenn man die Dinge unbefangen erwägt, so wird sich nicht
leugnen lassen, daß Gregor in diesem Augenbhck schwere taktische
Fehler beging. Er blieb nicht Herr seiner selbst, sondern ließ sich
durch sein Temperament hinreißen. In seiner leidenschaftlichen
Erregung verlor er die Fähigkeit, abzuwägen, welche Folgen der
Stoß, den er führte, haben werde und haben müsse. Nach
Drohungen, wie er sie aussprach, war der Friede mit dem sieg-
reichen, des deutschen Episkopats sicheren König unmögHch. Da-
durch zerstörte er aber selbst seinen Plan; seine Absicht war ge-
wesen, die Bischöfe, womögHch ungehindert Ton dem König, unter
die Leitung Roms zu beugen. Das überkühne Mittel, das zum
Ziele führen sollte, hatte versagt; statt diesen Fehler zu erkennen,
forderte er den König zu einem Kampf auf Leben und Tod heraus
und verband dadurch zwei Gegner, von denen jeder füi- sich ihm
gefährlich war.
Heinrich erhielt am Neujahrstage 1076 den päpstlichen Brief
und die Eröffnungen seiner Gesandten ^ Er berief sofort für den
24. Januar die deutschen Bischöfe nach Worms ^. Sie erschienen
ungewöhnlich zahlreich, an ihrer Spitze Siegfried imd Uoto von
Trier ^; von den fränkischen*, lothringischen^ und schwäbischen**
zu werden, scheint mir unhaltbar. Wie hätte Gregor in diesem Falle sagen
können: Amicitiam non quaesitam gratis offerimus (lU, 8 S. 214)?
1 Bernold. z. 1067 S. 432.
« Die Urkunden zum Wormser Tag C.I. I S. 106 ff. Nr. 58 f. Nach
Paul von Bernried c. 66 S. .510 u. Donizo Vit. Math. v. 1276 Scr. XII S. 376,
hat Sigfrid von Mainz das bischöflich« Schreiben verfaßt. Die Nachricht
ist nicht zu kontrollieren; wahrscheinlich ißt sie nicht gerade. Berichte in
den sämtlichen historischen Quellen; auch ep. coli. 14 S. 538, Gebeh. ep.
ad Herim. 33 ff. L. d. 1. I S. 278 f. und Bern, de damn. scism. a. a. 0. II
S. 49 ist zu vergleichen. Eine Untersuchung der Vorwürfe bietet Glöckner,
Inwiefern sind die gegen Gregor VII. im Wormser Bischofsschr. . . ausge-
sprochenen Vorwürfe berechtigt? Greifsw. Dissert. 1904.
■'' Die übrigen Erzbischöfe fehlten: Köln war erledigt, Liemar war
suspendiert (s. o.), Wernher saß gefangen, Bruno de hello Sax. 59 S. 38.
* Es fehlte nur Adalbert von Worms. Er gehörte zu den entschie-
densten Gegnern des Königs und war von ihm aus Worms verjagt, s. Barth.
z. 1079 S. 283, Lamb. z. 1073 S. 169 u. ö.
5 Es fehlte Dietrich von Verdun. Der Grund ist nicht ersichtlich:
D. war damals dem König treu; Ostern 1076 befand er sich in dessen Um-
gebung, s. u.
* Es fehlten Embrich von Augsburg und Heinrich von Chur; der
letztere mag um der Sache willen sich ferne gehalten haben: er diente
Gregor 1074 u. 1075 als Bote, s. Lambert S. 193 u. 226. Bei Embrich ist
kein Grund ersichtlich: er hatte keine feste Parteistellung.
— 791 —
Bischöfen fehlten nur einzelne, selbst die sächsischen waren fast
vollzähhg anwesend^; dagegen vermißte man mit dem Erzbischof
Gebhard von Salzburg die Mehrzahl der bairischen Bischöfe: nur
Otto von Eegensburg und Ellenhart von Freising folgten dem Bufe
des Königs^. Neben den Bischöfen sah man eine große Anzahl
von Äbten.
Zu dem deutschen Element trat das romanische hinzu. Von
den lombardischen Bischöfen fand sich Bruno von Verona ein, von
den burgundischen Burchard von Lausanne^. Verhängnisvoll war,
daß auch der Kardinal Hugo in Worms erschien *. Denn welches
Gewicht mußte sein Wort haben! Er aber war ein ebenso leiden-
schaftlicher als unehrlicher Gegner Gregors. Er legte den Ver-
sammelten eine Denkschrift über das Leben des Papstes vor: ihr
Inhalt schien den Beweis zu liefern, daß der Mann, der sich als
der Hüter der göttlichen Gerechtigkeit gab, dessen herben Tadel
die meisten der Versammelten sich hatten gefallen lassen müssen,
ein verworfener, seines Amtes unwürdiger Mensch sei.
Es ist leicht verständlich, daß der lange angesammelte In-
grimm gegen Gregor jetzt offen hervorbrach; denn wen von allen,
die in Worms anwesend waren, hatte er nicht direkt oder indirekt
gekränkt? Wie es zu geschehen pflegt, mögen die Versammelten
sich gegenseitig in der Heftigkeit der Pläne gesteigert haben. Der
Einfluß des Königs und seiner Bäte kam hinzu ^. Und doch ist
es fast rätselhaft, daß der Episkopat des Keichs zu den maßlosen
Beschlüssen sich hinreißen ließ, die dem Tag von Worms ein
übles Gedächtnis bereitet haben. Denn niemand konnte übersehen,
wie viele Gründe dawider sprachen, daß die Synode gegen Gregor
einschritt. Überdies wurden die Bedenken dagegen von Hermann von
Metz und Adalbero von Würzburg nachdrücklich ausgesprochen:
wie könne man ein Urteil fällen ohne ordentliche Untersuchung,
ohne daß Klage erhoben, der Beklagte vorgeladen, die Anklage
^ Es fehlten Benno von Meißen und Werner von Merseburg; beide
befanden sich in der Haft des Königs, Lamb. S. 268, vgl. S. 231. Die An-
wesenheit Imads von Paderborn und Burchards von Halberstadt wird von
Tanckhoff, Hist. JB. XVH S. 800, mit ungenügenden Gründen bestritten,-
vgl. Finke in d. Z. f. vaterl. Gesch. 54 S. 204.
2 Gebhard, Altmann von Passau und Günther von Gurk v^aren Grego-
rianer, dagegen war Altwin von Brixen ein treuer Anhänger des Königs,
Cod. Udalr. 49 S. 106 f., Berth. z. 1076 S. 284.
* Sie sind in der Überschrift des bisch. Schreibens an letzter Stelle
genannt. * Lamb. z. 1076 S. 253; Donizo v. 1278 S. 376.
* Ihn hebt Gregor ep. coli. 14 S. 588 allein hervor.
— 792 —
bewiesen worden wäre? wie könne vollends eine deutsche Synode
einen römischen Bischof richten^? Aber dadurch wurde die Er-
regung nicht gemindert. Wenn Lambert recht berichtet, so wandte
Wilhehn von Utrecht ein, die Lage sei so, daß kein Bischof dem
König seinen Treueid halten könne, wenn er nicht mit Gregor
breche. Sind diese Worte gefallen, so liefern sie den Beweis, daß
der Wormser Beschluß durch Gregors maßlose Drohungen herbei-
geführt wurde. Allein ganz olme Wirkung sind die Gegengründe
nicht verhallt. Das zeigt die höchst eigenartige Form, welche die
Synode für ihr Einschreiten gegen den Papst wählte: sie setzte
ihn nicht ab, sondern sie erklärte, daß er nicht Papst sei, und
niemals habe Papst sein können. Damit nahm die deutsche Kirche
die bisherige Anerkennung Gregors zurück und zugleich vermied
es die S}Tiode, sich mit dem allgemein anerkannten Satz in Zwie-
spalt zu setzen, daß der römische Bischof von niemand gerichtet
werden könne ^. Aber der Tatsache gegenüber, daß Gregor seit
Jahren unbestritten als Papst amtierte, konnte die Behauptung,
daß er zu Lebzeiten Heinrichs lEI. sich eidhch verpflichtet habe,
die päpstliche Würde ohne Zustimmung des Königs nicht zu über-
nehmen, und die Erinnerung daran, daß bei seiner Erhebung die
Wahlordnung von 1059 nicht beobachtet worden war, schwerUch
viel Gewicht haben. Deshalb traten neben den formellen Grund
die materiellen Klagen gegen den Papst ^. Hier ist bedeutend,
daß das bischöfliche Schreiben die zwischen König und Papst
strittige Erage der Investitur außer acht läßt; nicht als Bundes-
genossen des Königs, sondern zum Schutz der durch Gregors Ver-
fahren bedrohten Ordnung der Kirche erhoben sich die Bischöfe:
weil er schuld sei an der allgemeinen Beunruhigung, weil er die
bischöfliche Macht zu vernichten trachte, weil er die Organisation
der Kirche mit Auflösung bedrohe, kündigten sie ihm den bisher
bewiesenen Gehorsam auf. Das waren dieselben Klagen, die Sieg-
fried, Uoto und Liemar deuthcher oder verhüllter Gregor bereits
gemacht hatten. Aber damit umgingen die Bischöfe den Haupt-
punkt, um den es sich jetzt handelte. Beweist das nicht, daß in
bezug auf ihn eine gemeinsame Überzeugung, zu der sie selbst
Vertrauen hatten, nicht vorhanden war?
1 Lamb. z. 1076 S. 254.
^ Daraus erklärt sich, daß Hermann und Adalbero den Wormser Brief
mit unterschrieben.
^ Man pflegt hier den Einfluß des Kardinals Hugo zu finden, (s. Meyer
von Knonau H S. 626), wahrscheinlich mit Recht; denn auf ihn weist
die Verleumdung de cohabitatione alienae mulieris. Die Hauptsache ist
das aber nicht.
— 793 —
Nachdem der Episkopat gesprochen hatte, redete der König.
Vier Vorwürfe erhob er gegen Hildebrand: er habe ihn seiner er-
erbten Würde beraubt, Itahen seiner Hen-schaft zu entfremden
gesucht, den deutschen Episkopat geschädigt, und zuletzt gedroht,
ihm das Leben und das Reich zu entreißend Dadurch gezwungen
gegen ihn aufzutreten, schließe er sich dem Urteil der Bischöfe an,
entsetze ihn aller Rechte des Papsttums und gebiete ihm kraft seiner
patrizischen Gewalt, von dem römischen Stuhl zu Aveichen.
So schrieb Heinrich an Hildebrand; indem er seinen Brief dem
römischen Klerus und Volke mitteilte, geschah der erste Schritt,
um «das Urteil zu vollstrecken. Denn der König forderte die Römer
auf, Hildebrand zu zwingen, daß er auf seine Stellung verzichte,
und eröfiftiete ihnen, daß er mit ihrem und der Bischöfe Rat einen
neuen Bischof erwählen werde, der die Wunden, die Hildebrand
der Kirche geschlagen habe, heilen könne und wolle ^.
Es ist einleuchtend, daß Heinrich hiebei von derselben Rechts-
anschauung ausging, kraft deren sein Vater im Jahre 1046 iu
Sutri und Rom gehandelt hatte. Aber war die Welt noch dieselbe
wie vor dreißig Jahren?
Das Gewicht der deutschen Absage an Gregor sollte dadurch
erhöht werden, daß der lombardische Episkopat ihr, beitrat. Zu
diesem Zweck sandte Heinrich den Grafen Eberhard und die
Bischöfe Huzmann von Speier und Burchard von Basel nach
Italien. Sie versammelten in Piacenza eine Synode der ober-
italienischen Bischöfe. Einmütig sagten diese Gregor den Gehor-
sam auf.
Wenn der König, der deutsche und der italienische Episkopat
einig blieben, so konnten sie auf den Sieg über den Papst hoffen.
Aber von Anfang an war wenig Aussicht dazu vorhanden: im
Briefe der Wormser stehen die Namen Wilhelms von Utrecht und
Hermanns von Metz, Huzmanns von Speier und Burchards von
Halberstadt friedlich nebeneinander; aber man braucht sie nur zu
nennen, um zu erinnern, wie tief die kirchhchen und politischen
Gegensätze waren, welche den deutschen Episkopat zerklüfteten.
Heinrich selbst traute der Treue der Bischöfe nicht: er ließ in
Worms von jedem einzelnen einen Schein unterzeichnen, der ihm
1 C.I. I S. 109 Nr. 60. Der erste Vorwurf scheint sich auf die noch
immer nicht vollzogene Kaiserkrönung zu beziehen.
2 Ib. Nr. 61 S. 109.
3 Berth. z. 10V6 S. 282, Bern. S. 433, Bruno de bell. Sax. 65 S. 42,
Bonizo VII S. 606, Vit. Ans. 14 S. 17. Paul von Bernried 67 S. 511 nennt
irrig Pavia als Ort der Synode.
— 794 —
den Übertritt zu Gregor unmöglich machen sollte \ Hier liegt der
schwache Punkt in seiner Stellung offen zutage. Sein Anhang
war nicht fest gefügt; er konnte seiner Zusammensetzung nach
die Tat, die er vollbracht hatte, nicht ertragen; sie mußte ihn
zersprengen. Daß Heinrich das nicht durchschaute, war ein Fehler,
jedoch nicht der einzige und nicht der schwerste Fehler. Schwerer
wog der Wormser Beschluß selbst. Wenn Gregor sich überhastet
in den Kampf gestürzt hatte, so überbot ihn der König noch: er
tat sogleich bei der Eröffnung des Kampfes den letzten Schritt.
Denn darüber hinaus, daß er den Papst absetzte, konnte er nicht
gehen. Ein Absetzungsurteil aber hatte nur dann Wert, wenn er
es an der Spitze eines Heeres in Rom aussprach; denn nur dann
konnte es sofort ausgeführt werden. Unausgeführt war es nicht
nur nutzlos; es war schädlich. Denn überall in der Welt rief es
Bedenken hervor, die so gewichtig waren, daß Heinrichs loser An-
hang sie nicht ertragen konnte''^.
Gregor hatte den Kampf nicht glückhch eröffuet; aber sein
Mißhngen schwächte ihn eigenthch nicht. Denn niemals war er
seiner Anhänger so sicher als in diesem Moment. Es waren noch
nicht acht Wochen verflossen, daß er dem Mordanschlage des
Cencius entgangen war. Die Freveltat hatte nur dazu gedient,
seine Getreuen fester an ihn zu ketten^. Er hatte keinen Abfall
zu befürchten. Und ungemein wohl berechnet war es, daß er die
Botschaft des Königs und des Episkopats vor einer im Lateran
versammelten Synode entgegennahm*. Denn als hier ein könig-
^ Die gesonderten Scheine erwähnt Berthold S. 282, vgl. Bern. S. 433;
der Wortlaut bei Bruno 65 S. 41.
2 Das zeigt das Urteil der kaiserlich gesinnten Ann. Aug. z. 1076
S 129.
" Knöpf 1er, CG. S. 62: Wir werden kaum irren, wenn wir glauben,
daß das, was um dieselbe Zeit Cencius in Rom gegen den Papst unter-
nahm, nicht ohne Vorwissen des Königs geschah. Derselbe S. 64: Wie be-
merkt, hatte König Heinrich ohne Zweifel schon von den tückischen Plänen
des Cencius gewußt. Wie rasch doch aus einer kaum irrigen Annahme
eine zweifellose Tatsache werden kann.
* S. die angeführten Berichte; auch Ann. Aug. z. 1076 und besonders
den Brief der Kaiserin Agnes an Altmann bei Hugo Flav. II S. 485. Die
Zeit der Synode ist nicht sicher; berufen war sie auf die erste Fastenwoche
1076, d. h. 14.— 20. Febr., Reg. III, 8 S. 215, vgl. Bern, de damn. scism.
S. 49; dagegen läßt Lambert Heinrich auf den Montag der 2. Fastenwoche
berufen sein (S. 251), d. h. also d. 22. Die Nachricht über die .Vorladung
ist unbegründet, das angegebene Datum wahrscheinlich irrig. Die Phrase
bei Berthold, auf die Giesebrecht S. 1129 Wert legt: his diebus synodalibus
— 795 —
lieber Dienstmann und der Kanonikus Roland von Parma die in
Worms und Piacenza beschlossenen Erklärungen verlasen, als sie
Gregor aufforderten, herabzusteigen von dem päpstlichen Stuhle,
den er mit Unrecht einnehme, so erregten ihre Worte einen un-
glaublichen Sturm: die Synodalmitglieder drangen ungestüm "auf
die Gesandten ein, sie mißhandelten sie, sie hätten sie in der
Kirche ermordet, wenn nicht Gregor selbst sich ihrer angenommen
hätte. In dieser Versammlung hielt der Papst Gericht über seine
Gegner. Von den Bischöfen traf Siegfried von Mainz, als den Leiter
der Wormser Synode, und die Lombarden die Exkommunikation,
den« übrigen, die nur gezwungen dem Wormser Beschluß beige-
stimmt hätten, wurde Frist bis zum 1. August gewährt, um Genug-
tuung zu leisten. Gregor wußte, wie wenig es bedurfte, um die
Einigkeit des deutschen Episkopats aufzulösen. Dem König gegen-
über unternahm er es, die früher ausgesprochene Drohung wahrzu-
machen: er entsetzte ihn des Reichs und belegte ihn mit dem
Bann. In der eigentümlichsten Form, in einem Gebet an den
Apostel Petrus, sprach er seine Sentenz aus, nicht ohne daß er
eine Rechtfertigung seiner eigenen Person vorausschickte. Gegen
seinen Willen habe er die Leitung der römischen Kirche über-
nommen, denn er hätte lieber gewünscht, sein Leben in der Fremde
zu beschheßen, als den Sitz des Petrus zu besteigen. Aber nach-
dem ihm die Stellvertretung des Apostels übergeben sei, habe er
die Macht von Gott, im Himmel und auf Erden zu binden und
zu lösen. Darauf vertrauend, schließt das Gebet, zur Ehre und
zur Verteidigung deiner Kirche, anstatt des allmächtigen Gottes
durch deine Macht und Autorität, versage ich dem König Hein-
rich, dem Sohn des Kaisers Heinrich, die Regierung des ganzen
Reichs von Deutschland und Italien, ich entbinde alle Christen
von dem Treueid, den sie ihm geschworen haben oder schwören
werden, und gebiete, daß niemand ihm als König diene. Und da
er verschmäht hat, als ein Christ gehorsam zu sein, da er zu dem
Herrn, den er durch den Verkehr mit Exkommunizierten, durch
das Vollbringen vieler Bosheiten und die Verachtung meiner Mah-
nungen verlassen hat, nicht zurückgekehrt ist, da er sich von deiner
Kirche, indem er versucht hat, sie zu spalten, selbst geschieden hat,
so binde ich ihn an deiner Statt mit der Fessel des Fluchs. Ja,
im Vertrauen auf dich binde ich ihn, damit alle Völker merken
S. 283, ist o&nbar in dem Gedanken gewählt, daß zu derselben Zeit, in
der Gregor die Strafe über den König verhängte, Gottfried von der Rache
für die von ihm angestiftete .Verschwörung von Worms" ereilt ward. Sie
ist also für den Zeitansatz wertlos.
— 796 —
und bekennen, daß du bist Petrus und daß auf deinen Felsen der
Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche gegründet hat, und daß
die Pforten der Hölle nicht mächtiger sein werden als sie\
Gregor war durchdrungen von der Größe des Moments: sein
Kampf sollte die Sache der gesamten Christenheit werden, deshalb
wandte er sich in einem offenen Brief an alle Gläubigen-: er gab
ihnen Kunde von dem unerhörten Unrecht, das dem römischen
Stuhl zugefügt worden sei, er forderte sie auf, mitzutrauern und zu
beten, daß die Feinde bekehrt oder vernichtet würden. Zugleich
machte er die Bannung des Königs und die Entbindung der Unter-
tanen vom Eid der Treue bekannt.
Diese Proklamation war ein Ruf zum Aufruhr^. Man ermißt
seine Gewalt, wenn man sich erinnert, daß die Anschauung fest-
stand, daß jeder Verkehr mit Exkommunizierten aus der Kirche
ausschließe *. Und der Ruf erscholl, als der kaum hergestellte
Friede in Deutschland wieder zu wanken begann. Der Boden,
auf dem Heinrich stand, war unterwühlt; schnell genug sollte er
es bemerken.
Er feierte das Osterfest 1076 in Utrecht. Dort erhielt er die
Nachricht von dem, was auf der römischen Fastensynode geschehen
war. Noch lag ihm der Gedanke an Unterwerfung gänzlich ferne;
1 Reg. III, 10 a S. 222 f. Härtens (Greg. II S. 98) u. a. lassen auf der
Synode nicht die definitive Deposition des Königs erfolgen, sondern nur
eine provisorische contradictio. Sander, Der Kampf Heinrichs IV. und
Gregors VII. (S. 155), spricht von vorläufiger Suspension. Aber nach den
Worten des Papstes scheint mir das nicht berechtigt: er exkommuniziert
Heinrich und erklärt ihn infolgedessen für tatsächlich abgesetzt; daß er
die Möglichkeit des Friedensschlusses, d. h. der Unterwerfung Heinrichs
gelegentlich ins Auge faßte, ändert daran nichts. Denn in diesem Falle
-wurde mit der Exkommunikation auch die Absetzung aufgehoben. Von
Suspension könnte man doch nur dann reden, wenn Gregor das endgiltige
Urteil vorbehalten hätte. Das hat er aber eben nicht getan; er selbst um-
schreibt, "was auf der Synode geschah, mit den Worten: Anathematis vin-
culo alligatus et a regia dignitate depositus (est), Eeg. IV, 3 S. 245. Vgl.
übrigens Meyer von Knonau H S. 640 u. Richter KI, 2 S. 207. Mirbt S. 174
Anm. 1 bezieht die Worte multas iniquitates faciendo auf die Übergriffe
des Königs in Mailand, Fermo und Spoleto. Das scheint mir dem allge-
meinen Ausdruck gegenüber zu eng. Über den Begriff Anathema bei
Gregor s. Mirbt S. 178 f. u. 201 ff., und über das Verhältnis von Eideslösung
und Absetzung Domeier, Die Päpste als Richter über d. d. Könige S. 17 ff.
^ Reg. 111,6 S. 211. Daß er zugleich die milit. Rüstungen nicht ver-
nachlässigte, zeigt ep. coli. 13 S. 534. ' S. de unit. eccl. I, 5 S. 10.
* Vgl. Hinschius, KR. V S. 3 f.
— 797 —
vielmehr erwiderte er Fluch mit Fluch und Absetzung mit Ab-
setzung. Am Ostertag heß er im Dome die Exkommunikation
über den Mann verküudigenj für den bisher in jeder Messe gebetet
worden war^ Zugleich erließ er ein offenes Ausschreiben gegen
Gregor, oder wie er ihn jetzt nannte, gegen Hildebrand, den
lalschen Mönch. Hier stellte er dem Versuch des Papstes, ihn
der Krone zu berauben, den Satz gegenüber, daß der König nur
von Gott gerichtet und nur wegen Abfalls vom Glauben abgesetzt
werden könne. Das gegen ihn gefällte Urteil widerspreche der
christhchen Wahrheit: der wahre Papst, der seh ge Petrus ruft aus:
Füi'chtet Gott, ehret den König. Du aber, der du Gott nicht
fürchtest, entehrst in mir seine Ordnung. Deshalb hat der selige
Paulus, wo er des Engels vom Himmel, wenn er anders predigte,
nicht schont, auch dich nicht ausgenommen, der du anders predigst.
Denn er sagt: Wenn jemand, sei es auch ein Engel vom Himmel,
anders predigt, als wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.
Du also durch diesen Fluch und durch das Urteil aller meiner
Bischöfe verdammt, steige herab, verlasse den angemaßten aposto-
lischen Sitz; ein anderer besteige den Thron des heihgen Petrus,
der der Gewalt nicht die Maske der Frömmigkeit gibt, sondern
die gesunde Lehre des heiligen Petrus lehrt. Ich Heinrich, König
durch die Gnade Gottes, mit allen meinen Bischöfen sage dir:
Steige herab, steige herab, du ewig Verdammter-!
Das waren Worte voll tragischer Gewalt: aber es waren nur
Worte, welche die ungünstige Entwickelung der Verhältnisse nicht
aufhalten konnten. Denn bereits war die Einigkeit des deutschen
Episkopats in Auflösung. Die Exkommunikation Gregors war am
Karsamstag Abend im Rat des Königs beschlossen worden. Pibo
von Toul sollte sie am folgenden Morgen dem Volk in der Kirche
kundgeben; aber noch in der Nacht verheß er, um sich diesem
Auftrag zu entziehen, mit Dietrich von Verdun heimlich das Hof-
lager. Unter den anwesenden Bischöfen hatte nur ein einziger,
Wilhelm von Utrecht, den Mut, das Anathema zu verkündigen^.
Gregor hatte vorausgesehen, daß es so kommen würde: er baute
den Bischöfen o;oldene Brücken zum Eückzug. AVahrscheinlich
1 Hugo Flav. II S. 458.
- C.I. I Nr. 62 S. HO. Die Annahme von Mirbt, AVahl Gregors S. 13,
daß dieses Schriftstück in die Zeit nach der Publikation der Absetzung
wehört, also wahrscheinlich nach Utrecht, scheint mir ziemlich sicher.
Vgl. Heidrich N.A. XXX S. 124. Anders urteilt Richter III, 2 S. 202.
' Hugo Flav. II S. 458; vgl. Bruno 74 S. 59. W. starb einige Wochen
später, am 27. April.
— 798 —
dieselben Boten," welche die Exkommunikation des Königs in
Deutschland bekannt machen sollten, überbrachten ein päpstUches
Schreiben an üoto von Trier, Dietrich von Yerdun und Hermann
von Metz, das sie zur Rückkehr unter die Obedienz des Papstes
auffordertet Dietrich^ lind Hermann^ unterwarfen sich sofort,
Uoto begab sich nach Rom, um den Papst zu versöhnen*; auch
Adalbero von Würzburg muß sich alsbald unterworfen haben ^.
Damit war die Einigkeit des Episkopats zerrissen. Hatte Heinrich
gedacht, daß er den Kampf gegen Gregor gestützt auf die deut-
schen Bischöfe führen könne, so mußte er innewerden, daß dieser
Stab geknickt war. Die nächsten Wochen belehrten ihn, daß er
die oberdeutschen Fürsten und den sächsischen Stamm als Bundes-
genossen Roms sich gegenüber finden würde. Die Herzoge Rudolf
von Schwaben, Weif von Baiern und Berhthold von Kärnten traten .
in Einverständnis mit den gregorianischen Bischöfen Hermann,
Adalbert und Adalbero. Ihnen schloß sich Gebhard von Salzburg
und Altmann von Passau, sowie Sigehard von Aquileja, endlich
zahlreiche sächsiche Bischöfe und Große an ^. Heinrich stand einer
Fürstenverbindung gegenüber, der er nicht gewachsen war; der
einzige Fürst, auf den er sich hatte verlassen können, Herzog
Gottfried der Bucklige von Lothringen, war kurz vor Ausbruch des
Streites am 26. Februar 1076 ermordet worden'. Seine Gegner
aber waren zu allem entschlossen. Es waren Handlungen der Em-
pörung, daß Hermann von Metz und ihm folgend andere Fürsten
die ihrer Treue anvertrauten sächsischen Gefangenen aus der Haft
entheßen*, daß der Graf Hartmann von Dillingen den zu Hofe
reisenden Bischof Altwin von Brixen überfiel und gefangen setzte ^.
Um zu beraten, was weiter zu geschehen habe, berief Heinrich
1 Registr. III, 12 S. 226.
2 Hugo Flav. II S. 459. Die Unterwerfung war für ihn dadurch erleichtert,
daß er nicht am Wormser Tag Anteil genommen hatte. Er hatte sich nur
über seinen Verkehr mit den Gebannten zu rechtfertigen.
ä Hermann ist schon im Sommer der Geschäftsträger Gregors in
Deutschland, Hugo Flav. S. 461. * Lamb. z. 1076 S. 263.
s Das ist die Voraussetzung für seine antikönigliche Stellung. Nach
de Unit. eccl. II, 29 S. 102 verließ er 1077 Würzburg und hielt sich 10 Jahre
in dem von ihm gestifteten Kloster Lambach auf.
6 Berth. z. 1076 S. 283, Lamb. S. 257. Die Zeit ist durch Bertholds
Worte: Dehinc a rege vocati ipsum devitabant, angedeutet.
' S. Meyer v. Knonau II S. 650.
8 Lamb. S. 258; Briino 82 S. 61; Sigib. z. 1077 S. 363. Burkhard von
Halberstadt entkam am 24. Juni aus der Haft, Bruno 83 S. 61 f., Lamb.
S. 265 ff. 9 Berth. S. 284.
— 799 —
die geistlichen und weltlichen Fürsten auf Pfingsten 1076 nach
Worms ^; hier sollten wohl die einleitenden Schritte zur Neu-
besetzung des römischen Stuhles geschehen. Aber die Versamm-
lung war so schwach besucht^, daß die Verhandlungen auf einen
neuen Konvent, der am 29. Juni in Mainz stattfinden sollte, ver-
schoben werden mußten ^ Doch der Mainzer Tag war kaum besser
besucht als der Wormser. Sein Ergebnis war denn auch nur, daß
das päpstliche Urteil für ungerecht und nichtig erklärt und der
Bann über Gregor erneuert wurde*. Das gleiche hatten die
italienischen Bischöfe auf einer Synode in Pavia kurz nach Ostern
getan ^.
Solche Erklärungen waren dem Gang der Dinge gegenüber
machtlos. Die Zahl der Männer, die auf Heimichs Seite stand-
hielten, minderten sich zusehends. Besonders machte es den tiefsten
Eindruck, daß Uoto von Trier, seitdem er von Eom zurückgekehrt
war, die Gemeinschaft mit allen Bischöfen ablehnte, die den Hof
nicht mieden*'. Und nun brach wirklich der Aufruhr in Sachsen
von neuem aus; auch die süddeutschen Fürsten und die mit ihnen
haltenden Bischöfe erhoben sich. Alle diese Gegner aber suchten
Fühlung mit Rom: wie die Süddeutschen zu Ulm in Gegenwart
Altmanns, des päpstlichen Legaten, tagten ', so knüpften die Sachsen
Verbindungen mit Gregor an ^. Sie waren entschlossen, sein Urteil
über Heinrich zu vollstrecken mid einen neuen König zu wählen.
Auch in, Ulm wurde aller W ahrscheinlichkeit nach die Neubesetzung
des Throns ins Auge gefaßt. "Währenddessen schmolz der Anhang
des Königs noch weiter zusammen. Zuerst fiel Otto von Konstanz
ab**; dann Sigfrid von Mainz und sein Abfall zog andere nach
sich: die Bischöfe von Kamerijk, Lüttich, Münster. Speier und
zahlreiche Äbte; selbst der kaum ernannte Konrad von Utrecht
suchte seinen Frieden mit dem Papste zu machen^".
^ S. das Einladungsschreiben an Altwin von ßrixen, Cod. Udalr. 49
S. 106 ff. Über den Zweck der Versammlung heißt es nur: Quid agendum sit,
doceas. Die Angaben in der Chronik Bertholds möchte ich nicht wieder-
holen. Der Berichterstatter selbst diskredidiert sie durch ein ,ut aiunt".
2 Nach St. 2792 waren die EB. von Mainz und Köln und die B. von
Bamberg, Utrecht und Naumburg anwesend; es fehlten jedoch die drei
Herzoge. ^ ßerth. S. 284. * A. a. 0. ^ Arnulf V, 7 S. 30.
e Lambert S. 263 f., vgl. Reg. IV, 1 S. 240, 2 S. 241 v. 25. Juli und
25. Aug. 1076. ' Lamb. a. a. 0., Bern^ pro Gebeh. L. d. 1. II S. 110.
8 Bruno 87 S. 64, vgl. Reg. IV, 2 S. 243.
8 Berth. S. 286, Bern, pro Gebeh. 5 L. d. I. II S. 110.
10 Über Gerhard II. von Kamerijk s. Reg. IV, 23 S. 272; die übrigen
Genannten wurden in Tribur durch Altmann vom Banne gelöst, Berth. S. 286.
— 800 —
So kamen die Tage von Tribur und Oppenheim^, Sie voll-
endeten die Niederlage Heinrichs. Er wurde genötigt, von seiner
kirchlichen Opposition zurückzutreten. Er werde, versprach er den
Fürsten, wie seine Vorfahren in allen Stücken Papst Gregor den
schuldigen Gehorsam bewahren und, wenn etwas ihn Beschwerendes
vorgefallen sei, dafür entsprechende Genugtuung leisten^. Da-
durch erkaufte er die Zusage, daß vorläufig von der Wahl eines
neuen Königs Abstand genommen werden sollte. Es war ein
kleines Zugeständnis. Denn die Frist, die die Fürsten ihm steckten,
um zum Frieden mit Gregor zu kommen, war ungewöhnlich kurz:
wenn Heinrich bis zum Jahrestag seiner Exkommunikation nicht
vom Banne gelöst sei, so versagten sie ihm die Anerkennung als
König ^. Heinrich mußte die Ausführung seiner Zusagen sofort
dadurch einleiten, daß er in einem Schreiben an den Papst Gehor-
sam und Genugtuung versprach. Es gehörte zu den Demütigungen,
die die meineidigen Großen ihrem König zufügten, daß sie den
Wortlaut seines Briefes feststellten*. Einer von ihnen, Uoto von
Trier, sollte das Schreiben nach Rom überbringen.
Wenn man fragt, weshalb der so kühn begonnene Feldzug
Heinrichs wider Gregor so rasch und so kläglich scheiterte, so liegt
die hauptsächlichste Ursache ohne Zweifel in den politischen Ver-
hältnissen. Der Aufstand der Sachsen und der Fürsten schlug ihm
die Waffen zum Kampf wider den Papst aus der Hand. Allein
Hier sind außerdem EB. Uoto und B. Dietrich von Verdun genannt, aber
mit Unrecht, s. S. 798, ebenso Werner von Straßburg und Burkhard von
Basel; denn diese wurden erst in Canossa rekonziliiert, Berth. S. 290.
1 In der 2. Hälfte des Oktober 1076.
2 Cod. Udalr. 53 S. 111, auch CT. I S. 114 Nr. 65; die Zugeständnisse
des Königs betrafen außerdem nach Berth. S. 286 Rückgabe von Worms an
den vertriebenen B. Adalbert, Entlassung der sächsischen Geiseln, Ent-
fernung der Gebannten vom Hofe, Verzicht auf Regierungshandlungen bis
zur Absolution durch Gregor. Die Angaben Lamberts und Brunos weichen
vielfach ab.
3 Berth. S. 286, Lamb. z. 1076 S. 281, Bonizo VIII S. 609. Auch hier
gehen die Berichte auseinander. Daß das Zugeständnis der Fürsten an
den König in dem Verzicht auf eine Neuwahl bestand, ergibt die Sachlage.
Nach Berth. ist die einjährige Frist nach dem Abkommen mit dem König
durch einen einseitigen Beschluß der Fürsten bestimmt worden.
* Berth. S. 286; Cod. Udalr. 52 S. 110 f. Zur Kritik s. unten S. 806
Anm. 1; die ersten beiden Absätze sind unanstößig. Zu den graviora
quaedam s. GoU, Mtt. d. Inst. II S. 395; von Martens I S. 106 scheinen sie
mir nicht richtig gedeutet. Am nächsten liegt die Beziehung auf Gregors
Botschaft ep. coli. 14 S. 538.
— 801 —
der einzige Grund seiner Niederlage ist damit nicht genannt. Er
war deshalb so vollständig Avaffenlos, weil ihn der Episkopat im
Stiche ließ. Das war zum Teil durch die Interessengemeinschaft
der geistlichen und welthchen Großen bewirkt. Es zeigte sich.
daß in dem politischen Gedanken Ottos d. Gr. ein Fehler lag.
Er hatte die Bischöfe zu Pairs der Fürsten gemacht; aber sobald
sie es waren, konnten sie nicht mehr Beamte des Königs sein: Ihr
Standesinteresse führte sie an die Seite ihrer weltlichen Genossen.
Daraus erklärt sich die Stellung des sächsischen Episkopats.
Mächtiger war doch ein anderer Umstand. Heinrich hatte es
gewagt, die Bischöfe zum Kampf wider den Papst zu führen; aber
er hatte den Papst nicht beseitigt; vielmehr blieb Gregor tatsäch-
lich im Besitz der päpstlichen Gewalt. Der Effekt seines Auf-
tretens war nur, daß das Band der kirchlichen Einheit zerriß.
Wenn man sich erinnert, mit welchem tiefem Abscheu gegen die
Vorstellung Schisma das Zeitalter erfüllt war, wie vollständig außer-
halb seines Anschauungskreises der Gedanke lag, ' daß es eine-
Kirche Jesu Christi ohne Geraeinschaft mit Rom gebe ••, so ist klar,
daß Heinrich mehr von den Bischöfen forderte, als sie ihrer Über-
zeugung nach leisten konnten, wenn er erwartete, daß sie im Kampf
gegen den Papst bei ihm aushalten würden. Er mußte unterliegen,
weil er Ideen, die das Zeitalter beherrschten, kränkte.
Allein damit ist die Situation doch imr zum Teil bezeichnet.
Heinrich hatte sich nicht nur wider den Papst, sondern vor allem
für das Königtum, seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit erhoben.
Man kann die Gedanken, in denen er und seine Ratgeber han-
delten, aus dem Berufungsschreiben der Wormser Versammlung
ersehen-. Hier schleudert er Gregor den Vorwurf entgegen, daß
er im Widerspruch gegen Gottes Ordnung König und Priester zu-
gleich sein wolle. Dem gegenüber stützte er sich darauf, daß Gott
ihn zum Königtum benifen habe, und erklärte er, ,,er wolle in Ab-
hängigkeit von Gott, nicht vom Papste regieren. Vertrat er in
solchen Sätzen, ein Prophet der Zukunft, die volle Souveränetät
der weltlichen Gewalt, so riß er sich doch nicht von den bisherigen
Anschauungen los. Er forderte das ununterbrochene einträchtige
Zusammenwirken der beiden Gewalten: das geistliche Schwert sei
zu führen zum Behufe des Gehorsams gegen den König nächst
Gott; das königliche aber zur Bekämpfung; der Feinde Christi und
zum Behufe des Gehorsams gegen die Priester. Das war die alte
Vorstellung von dem kirchlichen Beruf des Königtums. Auch das
war alt, daß er die königliche Gewalt der geisthchen übergeordnet
1 Vgl. De Unit. eccl. 1,2 S. 2. - CT. I S. 111 Nr. 63.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 51
— 802 —
dachte. Es war nur eine neue Formel für eine gewohnte An-
schauung, wenn er den Satz, der sonst vom Papste behauptet
wurde, daß er von niemand gerichtet werden könne, auf den König
anwandte.
In diesen Überzeugungen hatten die früheren Generationen
gelebt; sie waren auch jetzt nicht machtlos. So viel wir sehen
können, herrschten sie am Hofe bei xlen Laien, mit denen sich
Heinrich umgab ^. Der Fortgang zeigte, daß es ihnen auch unter
den Klerikern nicht an Vertretern fehlte. Hier ist der Punkt, auf
dem Heinrichs Stärke beruhte. Deshalb war er, obwohl besiegt,
keineswegs überwunden.
Man sieht, daß auch Gregor keinen leichten Stand hatte.
Zwar fehlte es ihm von Anfang an nicht an Gesinnungsgenossen.
Alle Männer, für die die Unantastbarkeit des kanonischen Rechts
ein Glaubenssatz war^, standen auf seiner Seite. Man fand sie
unter dem Klerus wie unter den Mönchen. Typisch für die ersteren
ist Hermann von Metz, für die letzteren der Konstanzer Bernold,
der wahrscheinhch schon in dieser Zeit im Kloster St. Blasien
lebte ^. Er war durchdrungen von der Überzeugung, daß jeder
Widerspruch gegen kirchliche Bechtssätze verwerflich sei; wie das
Evangelium müsse man sie verehren *. Diese Voraussetzung machte
ihn skeptisch der historischen Überlieferung gegenüber: er urteilte,
wenn der Ausspruch eines Heiligen irgendeinem Kanon widerspreche,
so sei anzunehmen, daß er erfunden sei ^ Es versteht sich von
1 Gregor spricht gegen sie Reg. IV, 2 S. 241, ohne daß er diejenigen
namhaft macht, die sie teilten. Es ist aber an und für sich wahrschein-
licher, daß die Ansicht sich bei Laien als bei Klerikern fand: Regem non
oportet excommunicari. Regia dignitas episcopalem praecellit. Der s.g.
Berthold nennt bestimmt regis complices et fautores, z. 1076 S. 283. Daß
es auch unter den Klerikern Männer gab, die ihre Unabhängigkeit zu ver-
treten gesonnen waren, zeigt der Brief der Kamerijker, L. d. 1. III S. 574.
'^ Vgl. oben S. 561 f. und, für diese Zeit den Briefwechsel Bernaids;
z. B. 1,1 S. 8: Cum proxime simul essemus et verba de canonum sancti-
onibus ad invicem conferremus etc.; S. 8: Quicunque tuo capitulo consentit,
a predicto concilio dissentit. Unde et damnatus est anathemate, quo s.
Gregorius . . omnes a Nicena sinodo dissentientes damnavit; vgl. ep. 3 S. 13.
Auch Bernaids Gegner Alboin erkennt die unbedingte Verbindlichkeit der
kan. Vorschriften an, ep. 2S. 11: Me . . canonicis institutionibus decretisve
in aliquo reclamasse nuUatenus consentio; ebenso Bernhard II, ep. 2 S. 39.
3 Über ihn Strelau, Leben und Werke des Mönchs Bernold 1889.
Fournier macht wahrscheinlich, daß B. die Sent. div. patr. benützt hat,
S. 204. * De incont. sacerd. ep. 3 L. d. 1.. II S. 13.
'' A. a. 0. Es handelt sich um Paphnutius und seine Stellung zum Cölibat.
— 803 —
selbst, daß er alle Anklagen der Wormser gegen Gregor als an
und für sich unberechtigt zurückwies ^. Ebenso unempfänglich war
er für jedes Bedenken wider die Rechtmäßigkeit des päpstlichen
Verfahrens; denn er bekannte sich zu der Ansicht, daß die Ge-
walt des Papstes über dem positiven Recht stehe '^; die Fürsten
aber schienen ihm schon deshalb den Päpsten unterworfen zu sein,
da ihre "Würde vielmehr auf menschlicher Erfindung als auf gött-
licher Anordnung beruhe^. In diesen Überzeugungen trat er als
Apologet für die Beschlüsse der Fastensynode 1076 auf; auch in
einem Briefe an seinen einstigen Lehrer, den Sachsen Bernhard
sprach er sie aus. Der letztere war, wenn nicht anderer Meinung,
so doch anderer Stimmung. Er beklagte tief das Schicksal der
Kirche, die in diesem Streit wie zwischen zwei Steinen zermalmt
werde. Aber um so bezeichnender ist, daß er sich gleichwohl nicht
entschließen konnte, dem Papst zu widersprechen. Ich verehre, so
schreibt er, den römischen Stuhl als das Tribunal Christi, den
römischen Bischof als den Tempel des heihgen Geistes; ich nehme
seine Dekrete an gleich als Befehle der himmlischen Kurie*. An.
Elementen zur Bildung einer streng gregorianischen Partei fehlte
es also nicht. Aber noch war sie nicht vorhanden, geschweige
denn herrschend. Neben den erklärten Gegnern und Freunden
gab es Parteilose, die das Verfahren der beiden streitenden Teile
mißbilligten '". Es gab in größerer Zahl andere, die zwar prinzipiell
^ De dam. scism. ep. 3,20 S. 54: Singulis obiectionibua sive ut verius
dicam, reprehensionibus conspiratorum respondere non necessarium estima-
mus, quibus culpam suam nullatenus expurgaverant, sed . . Romano ponti-
fici derogando crimen suum duplicaverunt.
'^ A. a. 0. ep. 3,4 S. 48: Sed hanc synodicam vocationem nullatenus
tarn generalem ponere audemus, ut ipsius apostolicae sedis Privilegium,
non ab apostolis sed ab ipso domino ei concessum infringere temptemus.
Apol. 21 S. 86: Apostolica sedes . . hunc semper obtinuit et obtinebit pri-
inatum, ut totius mundi aecclesias non solum antiquis institutis sed etiam
novis disponat, prout diversorum necessitas temporum expostulat.
^ De solut. iuram. 4 S. 147. Der Brief ist nach 1084 geschrieben.
* De damn. scism. ep. 2, 22 S. 38. Über die Behandlung der Ex-
kommunikation Heinrichs in den Streitschriften überhaupt s. Mirbt in den
Beuter gewidmeten kirchengesch. Studien S. 97 ff.
5 Cod, Udalr. 51 S. 110:
Querit apostolicus regem depellere regno.
Rex furit e contra papatum tollere papae.
Si foret in medio, qui litem rumpere posset
Sic, ut rex regnum, papatum papa teneret,
Inter utrumque malum fierit discrecio magna.
51*
— 804 —
das Recht des Papstes, auch einen König zu bannen, nicht be-
stritten, aber die Rechtmäßigkeit des gegen Heinrich eingeschlagenen
Verfahrens bezweifelten, ja leugneten: die kanonische Fonn sei
dabei außer acht gelassen worden, das Urteil sei ungerecht, par-
teiisch. Denn mehr, um seinem persönlichen Ingrimm zu genügen,
als aus Furcht Gottes und Eifer für die Gerechtigkeit habe der
Papst gehandelt \ Man suchte ihn zum Entgegenkommen gegen
den König zu bewegen^.
Er dachte nicht daran; vielmehr erließ er im Sommer 1076
eine Reihe von Erklärungen, um die öffentliche Meinung zu ge-
winnen, wenigstens über das Recht seiner Maßregeln zu beruhigen ^.
Niemand wird von einem leidenschafthchen Mann, der mitten im
Streit steht, ein gerechtes Urteil über den Gegner erwarten. Doch
ist Gregors erster Brief eine Anklageschrift von hervorragender
Ungerechtigkeit; denn sie schildert den König als einen ebenso
verstockten, wie heimtückischen Bösewicht, der unzugänglich für
jeden morahschen Eindruck von Frevel zu Frevel fortstürmt. In
dem zweiten Ausschreiben* sind die Erklärungen gegen ihn all-
gemeiner, aber nicht minder heftig. Er erscheint als der prinzi-
pielle Feind der Kirche, entschlossen, sie zu spalten und zu zer-
treten. Am wichtigsten ist das dritte Schreiben, der berühmte
Brief an Hermann von Metz^. Denn in ihm tritt der unversöhn-
liche Zwiespalt zwischen dem prinzipiellen Standpunkt des Papstes
und dem des Königs am schärfsten hervor. Wenn Heinrich die
Souveränetät der Krone vertrat, so Gregor den Absolutismus der
päpstlichen Pflicht und der päpstlichen Gewalt. Dies, nicht die
kirchliche Reform, nicht die Investitur wurde jetzt zum Gegenstand
des Streites*'.
Die Frage liegt nahe, welchen Eindruck diese Erklärungen
hervorbrachten. Niemand wird glauben, daß sie unbeachtet blieben.
Wenn sich Ereignisse vollziehen, die alle Verhältnisse erschüttern,
so lauscht das Volk auf jedes Wort der handelnden Personen.
Sigibert von Gembloux hat geschildert, wie alle Welt über die
theologischen Fragen, die im Laufe des Streits zur Verhandlung
1 Vgl. Ep. coli. 13 f. S. 535 fiP., Registr. IV, 2 S. 241 f.; vgl. die Briefe
de damn. scismaticorum L. d. 1. II S. 27 flF.; Lambert z. 1076 S. 264; Berth.
z. 1076 S. 285 fF. ^ Vgl. Reg. III, 15 S. 229.
3 Ep. coli. 14 S. 535 ff.
* Registr. IV, 1 S. 238 ff. v. 25. Juli.
5 IV, 2 S. 241 ff. V. 25. August.
^~ Es ist bezeichnend, daß seit 1075 der Kampf gegen den Nikolai-
tismus für Gregor in den Hintergrund tritt; vgl. Mirbt, Publ. S. 268.
— 805 —
kamen, disputiertet Um wieviel lebhafter mußten die Volks-
genossen insgesamt von den Schriftstücken, die vom Hof und von
der Kurie ausgingen, ergriffen werden. Aber wir haben keinen
Maßstab, um sicher zu erkennen, wie sie wirkten. JSTur vermuten
kann man, daß ihr Eindruck mehr dem König als dem Papst un-
günstig war^. Denn Heinrich blieb verlassen; es "regte sich keine
Hand für ihn.
Je übler sich die Sachlage für ihn gestaltete, um so zuversicht-
licher wurde Gregor. Schon im Juli tat er die Äußerung, daß
Gott über Verdienst mid über Hoffen seine Kirche schütze, leite,
verteidige ^. Im September schien es ihm an der Zeit, den deut-
schen Fürsten Anweisungen über die Neuwahl eines Königs zu
erteilen; er erhob den unerhörten Anspruch, daß vor der Wahl
sein Urteil über die zu wählende Person eingeholt werden müßte*.
Im Oktober glaubte er, es sei sicher, daß es zu einer Wahl nach
seinem Sinne kommen werde, er jubelte: So gewachsen ist die
Zahl der Getreuen der römischen Kirche, daß, wenn der König
nicht Genugtuung leistet, sie offen erklären, daß sie einen anderen
König wählen wollen. Er war überzeugt, der Sieg sei errungen ^
Daß im Laufe des November Pibo von Toul, Huzmann von Speier
und andere Kleriker sich in Rom einfanden, um Genugtuung zu leisten,
konnte seine Siegesgewißheit nur erhöhen. Er fühlte sich so ganz
als Herr der Lage, daß er gegen die Teilnehmer am Wormser
Tag schroffer auftrat als bisher: die beiden Bischöfe blieben trotz
ihrer Unterwerfung ihrer Amter entsetzt''. Daß schließlich auch
die Fürsten eine Gesandtschaft nach Rom schickten', schien
den Sieg zu garantieren: Gregor hatte alle Fäden des Spiels in
der Hand.
1 Chron. z. 1076: Laici sacra misteria temerant et de bis disputant . . .
Multi pseudomagistri exurgentes in ecclesia profanis novitatibus plebem ab
ecclesiastica disciplina avertunt. Id. Apol. 2 S. 438: Quid aliud etiam
muliercularum textrina et opificum officinae iam ubique personant, quam
totius humanae societatis iura confusa.
2 Vgl. Sigib. z. 1079: Gregorius totus in Heinricum imperatorem in-
vebitur et quoscunque potest ab eo verbis et scriptis avertit; Bonizo VIII
S. 609. ' Reg. IV, 1 S. 238.
^ Ep. coli. 15 S. 540; Reg. IV, 3 S. 245.
5 IV, 7 S. 252. Mit Bezug auf Mailand: Prope est redemptio vestra.
8 Bertb. z. 1076 S. 287. Beide waren als Teilnehmer an der Wormser
Synode suspendiert, und da sie nicht vor dem 1. August Genugtuung ge-
leistet hatten, abgesetzt; durch Altmann als päpstlichen Legaten waren sie
bereits losgesprochen, Bertb. 1. e.
' Die Absendung fürstlicher Boten ergibt sich aus Bertb. S. 287.
— 806 —
Seine Zuversicht wurde jedoch erschüttert, als Uoto von Trier
mit anderen Boten des Königs in Rom eintraf. Sie übergaben
das könighche Schreiben^ und meldeten, daß Heinrich die zu-
gesagte Genugtuung persönlich in flom zu leisten wünschte. Das
war ein unvorhergesehener Zug des Gegners''^. Denn in Itahen
war Heinrich von dem Zwang der Fürsten frei, und wie gefährhch
konnte er dort dem Papste werden! Gregors Argwohn wurde rege.
Er lehnte es ab, mit ihm in ßom zu verhandeln und faßte den
Entschluß, statt dessen sich selbst nach Deutschland zu begeben^:
^ Berth. S. 287 erzählt von der Fälschung des in Tribur beschlossenen
Schreibens, vgl. dazu das Schreiben Cod. Udalr. 52 S. 111, C.I. I S. 114
Nr. 64, mit folgendem Schlußsatz: Condecet autem et sanctitatem tuam,
ea, quae de te vulgata scandalum ecclesiae pariunt, non dissimulare, sed
remoto a publica conscientia et hoc scrupulo, universalem tarn ecclesiae
quam regni tranquillitatem per tuam sapientiam stabiliri. Ich gestehe, daß
ich an der Wahrheit der Erzählung Bertholds Zweifel hege, obgleich ich
nicht bezweifele, daß der Schlußsatz des Schreibens nicht in Worms be-
schlossen wurde. Die angeblich vom König vorgenommene Fälschung
widersprach durchaus seinem Interesse: das ist so klar, daß ihre Vornahme
durch ihn ein unlösbares Rätsel ist. Das Rätsel ist um so unlösbarer, da
Heinrich alsbald den Ton änderte; auf dem Weg nach Italien sendet er
supplices legatos an den Papst; er verspricht per omnia se satisfacturum
Deo et s. Petro, Reg. IV, 12 S. 257. Überdies spricht Gregor selbst von
seinen Verhandlungen mit den königlichen Boten, aber keineswegs von
einem so frivolen Wortbruch des Königs: Quot et quantas coUuctationes
cum nunciis regis habuerimus et quibus rationibus dictis eorum obviaveri-
mus, quidquid etc., ep. coli. 17 S. 543. Man kommt hiernach nur auf die
Vorstellung, daß die Boten Forderungen erhoben, die Gregor nicht bewilligen
wollte und die er doch nur schwer ablehnen konnte. Nach einem Wort-
bruch brauchte er keine rationes; da konnte er ohne weiteres alles ver-
sagen. Es scheint mir demnach die Annahme notwendig, daß in Rom das
echte Schreiben ohne den Schlußsatz vorgelegt wurde. Die Fälschung des
Schreibens wie die Bertholdische Geschichte wird auf Rechnung der Gegner
Heinrichs kommen. Beides ist Erzeugnis des Hasses gegen Heinrich.
Knöpflers eigentümlichem Abänderungsvorschlag (S. 89) kann ich nicht
beitreten.
- Der Vorschlag Heinrichs widersprach der Verabredung von Tribur,
8. Berfchold: Ipse autem iuxta consilium eorum Interim manendo responsum
apostolicum et reconciliationem eins exspectaret. Gregor gegenüber war
Heinrich freilich nicht gebunden.
•' Nach Berthold S. 287 entsprach der Entschluß des Papstes einer
Aufforderung der Fürsten. Aber Gregor kündigt ep. coli. 17 f. S. 543 seine
Ankunft nicht als Erfüllung ihres Wunsches an, sondern als seinen freien
Entschluß. Er nennt dabei weder Augsburg noch den 2. Febr. Dies erregt
— 807 —
an Maria Lichtmeß 1077 wollte er gemeinsam mit den Fürsten in
Augsburg E-ats pflegen.
Für Heinrich bedeutete die Zurückweisung seines Vorschlags
eine neue Niederlage. Aber sie nützte ihm, da sie die letzte Un-
klarheit über seine Lage zerstörte. Er sah, daß Gregor mit seinen
fürstUchen Gegnern enger verbunden war, als er angenommen hatte,
und daß seine Absetzung beschlossene Sache sei. Es gab nur ein
Mittel, dieses Ende zu verhüten; wenn es ihm gelang, den Bund
des Papstes mit den Fürsten zu trennen. Mit den letzteren war
die Versöhnung unmöglich. Aber war nicht der Papst ein Gegner,
der gewonnen werden konnte? In der Not dieses Moments ergriif
Heinrich den einzigen Gedanken, der einen Ausweg darbot: er
appelherte, wenn ich so sagen darf, von dem Papste, dem Bundes-
genossen der deutschen Empörer, an den Papst als den obersten
Priester der Christenheit. Durch eine Bußfahrt nach B,om sollte
Gregor genötigt werden, ihm Absolution zu erteilen; er hatte sie
dem König verweigert, konnte, durfte er sie dem Büßer versagen?
Aber wenn er sie gewährte, dann war sem Bund mit den Fürsten
zerrissen.
Der Gedanke ist so singulär, daß man ihn nur Heinrich
selbst zuschreiben kann. Der Verkehr mit Hugo von Cluni mag ihn
darin bestärkt habend Und er hat ihn ausgeführt. Ich brauche
Bedenken nicht nur gegen Lambert S. 281, sondern auch gegen Berthold.
Der Plan zur Reise nach Deutschland scheint vielmehr von Gregor ausge-
gangen und mit den fürstlichen Gesandten in Rom festgestellt worden zu
sein, Reg. IV, 12 S. 257. Er war nur eine Wendung des alten Gedankens,
ut eimul inveniamus, qualiter . . eum absolvamus, Reg. IV, 2 S. 244, und
er sollte verhindern, daß Heinrich in Italien erschien. Der Plan lag ganz
im päpstlichen Interesse. Daß dagegen den Fürsten die Anwesenheit des
Papstes in Deutschland kaum minder unerwünscht war, als dem König, ist
zu vermuten, und daß es wirklich so war,' haben sie dadurch bewiesen,
daß sie keine Vorbereitungen für seinen Empfang trafen, obwohl sie dazu
imstande gewesen wären. Dadurch haben sie die Ausführung des Plans
verhindert. Ihre Entschuldigung ist so durchsichtig, daß sie den bösen
Willen kaum verschleiert. Reg. IV, 12 S. 257. Der Papst wollte 8. Jan. 1077
in Mantua sein, ep. coli. 17 S. 543, bis zur Veroneser Klause sollte ihm das
deutsche Geleite entgegengesandt werden. Reg. IV, 12 S. 257. Er kam fast
3 Wochen vor dem Termin in die Lombardei ; aber seine deutschen Bundes-
genossen hatten nicht einmal so viel Rücksicht, ihm rechtzeitig zu melden,
daß sie das Geleite nicht stellen würden.
1 Über Hugo s. Am. Gest. V, 8 Scr. VUI S. 30. Nach Berth. S. 289
wurde er kurz vor dem Tage von Canossa von der Exkommunikation ab-
solviert, in die er wegen seines Verkehrs mit Heinrich verfallen war. In
— 808 —
hier seinen eiligen Zug durch Burgund, ' die Übersteigung der
Alpen mitten im Winter, sein unerwartetes Eintreffen in Ober-
italien, endlich die Tage von Canossa nicht zu schildern : Ereignisse
von einer fast gi-otesken Erhabenheit, die jedem Deutschen bekannt
sind. Aber daran mag erinnert werden, daß Heinrich, als er vor
der Burg von Canossa auf den Entschluß des Papstes harrte, in
einer Hinsicht stärker war, als je vorher in seinem Leben. Im
Anfang seiner Regierung hatte er das Königtum verwaltet, wie ein
Kind eine Maschine in Gang setzt; dann hatte er gelernt, daß ein
Herrscher, nur wenn er ein bestimmtes Ziel hat, etwas en-eichen
kann, er hatte übersehen, daß das Ziel erreichbar sein muß. Jetzt
zum erstenmal hatte er einen Plan, dessen Erfolg, wenn er ihn
durchführte, sicher war. Und Heinrich war entschlossen, ihn dm'ch-
zufiihren: weder die Vorstellungen seiner italienischen Anhänger
noch das Zögern Gregors vermochte ihn umzustiinmen. Vor Canossa
erwies er sich als Mann. Es mochte etwas wie Freudigkeit durch
seine .Seele ziehen, während er auf Gregors Entscheidmig wartete;
denn wenn er auch nicht zu siegen vermochte, so vermochte er
doch den Gegnern in dem Moment den Sieg zu entwinden, in dem
sie glaubten, ihn ergriffen zu haben.
Die Tragödie von Canossa spielt nicht vor der Burg; sie
spielt in ihr^. Gregor hatte sich verpflichtet, mit den deutschen
Fürsten gemeinsam zu handeln, und sein Interesse forderte un-
bedingt, daß er dieser Verpflichtmig genügte. Daß nun Heinrich
als Büßer vor ihm erschien, brachte seine pohtische Überzeugung
in Konflikt mit semer Pflicht als Priester. Hier war kein Aus-
weg: er mußte die eine der anderen opfern. Kein Berichterstatter
hat geschildert, was in seiner Seele während dieser Tage vor-
gegangen ist. Aber daß der Mann, der gewohnt war, in raschem
Canossa war er mit den Markgräfinnen Adelheid und Mathilde Vermittler
zwischen Papst und König, Berth. S. 289, Donizo II v. 66 S. 381; vgl. Reg.
IV, 12 S. 257, wobei schwerlich an die Sendung Uotos, oben S. 800, zu
denken ist.
^ Über die äußeren Vorgänge s. Holder-Egger in d. Lampert-Studien
N.A. XIX S. 537, Meyer v. Knonau, D. Z. f. GW. XI S. 359, Overmann, N.A.
XXI S. 436 ff. und Otto in d. Mtt. d. Inst. XVIII S. 615; auch die Zusammen-
stellung der Quellen bei Richter III, 2 S. 236. Das Urteil über die Bedeu-
tung des Tags von Canossa geht bekanntlich weit auseinander. Die ent-
scheidende Frage ist, ob die Lossprechung Heinrichs im politischen Interesse
des Papstes lag oder nicht. Die zuletzt von Sander S. 12 ff. für die erstere
Möglichkeit geltend gemachten Gründe haben mich nicht überzeugt. Es
scheint mir nach wie vor das natürlichste, daß das, was Gregor unter un-
verhohlenem Widerstreben tat, von ihm als schädlich erachtet wurde.
— 809 —
Griff zu planen und wie im Sprung zu handeln, den Mittwoch,
den Donnerstag, den Freitag vorübergehen ließ, ohne zum Ent-
schluß zu kommen, das zeigt, welchen Kampf er kämpfte. Am
Freitag Abend hat er Heinrich vom Banne losgesprochen. So
gewaltig Gregor war, so hat man doch oft Ursache, zu urteilen,
daß er der sittlichen Größe entbehrt; in diesem Augenblick hat
er groß gehandelt: denn er tat, was recht war, obgleich er da-
durch seinen Absichten schadete. Er selbst hat dem König bei
der Wiederaufnahme die Hostie gereicht ^ Die Annahme von
irgendwelchen genau formulierten Bedingungen wurde nicht gefordert;
was geschah, war die Rekonziliation eines Büßers^. Aber die
Lösung vom Bann schloß den Verzicht auf das Absetzungsurteil
in sich: Heinrich hat in Canossa als König mit dem Papste ver-
handelt; er, der König, verpflichtete sich eidlich, daß er den deut-
schen Fürsten entweder nach der Entscheidung des Papstes Genug-
tuung leisten, oder sich mit ihnen unter päpstlicher Vermittelung
vertragen werde, sodann, daß er der Reise des Papstes nach Deutsch-
land kein Hindernis in den Weg legen werde. Diese Punkte
wurden urkundlich festgestellt^.
Der Tag von Canossa war kein Sieg Gregors. Denn er gab
seinem Gegner wieder festen Boden unter den Füßen. Er war
auch kein Friedensschluß: denn die deutschen Bundesgenossen des
Papstes erkannten die Versöhnung nicht an *. Vielmehr brach
nun der Bürgerkrieg aus. Heinrich konnte nicht hindern, daß die
1 Zur Kritik Lamberts s. Martens I S. 127 fF. u. Holder-Egger S. 557 ff.
- Daß Heinrich dem Papst nur ein formloses Versprechen der Besserung
leistete, entspricht dem, daß auch Gregor ihm nur allgemeine Zusagen
machte; pure sermone, so bemerkt er selbst, sicut mihi mos est, IV, 12
S. 258. Es ist leicht zu sehen, daß diese Behandlung der Sache ihm die
größten Vorteile bot; er war nicht gebunden. Daß er dabei nicht ganz
aufrichtig handelte, scheint mir sicher; vgl. auch Mirbt S. 192 ff.
s Registr. IV, 12a S. 258 f., auch C.I. I S. 115 Nr. 66. Die Formel be-
ginnt mit den Worten: Ego Henricus rex. Daß sich Gregor diese Formel
gefallen ließ, ist das Bezeichnende. Aber gerade darin liegt die Unaufrichtig-
keit, vcl. Reg. VII, 14 a S. 402. Zugleich mit dem König wurden die Bischöfe
von Bremen, Straßburg, Naumburg, Basel und Lausanne absolviert, s. Berth.
S. 290; u. vgl. Lamb. S. 289. Die lombardischen Bischöfe dagegen blieben
im Banne ep. coli. 20 S. 545 f.
* Es waren Gesandte der Fürsten in der Umgebung Gregors, De unit.
eccl. I, 6 S. 12. Die Tatsächlichkeit der Nachricht ist durch Reg. IV, 12
S. 257 gesichert: es waren die Boten, die ihm die Versagung des Geleites
meldeten. Gregor hat den Fürsten sofort Kunde von dem Geschehenen ge-
geben, s. IV, 12 S. 256 ff. u. vgl. ep. coli. 20 S. 645.
— 810 —
Herzoge und die abtrünnigen Bischöfe Rudolf von Schwaben zum
König wählten ^ Aber dieser offenkundige Frevel brachte ihm
mehr Gewinn als Schaden, zumal da das Gewissen des Volks durch
seine Absolution beruhigt war: er vermochte den Kampf zwar
nicht siegreich, aber unüberwunden zu führen.
Uns beschäftigt nur die Frage, welche Wirkung diese Ereig-
nisse auf den kirchlichen Zwiespalt hatten. Daß Rudolf die päpst-
lichen Ansprüche in weitem Maße anerkannte, entschied in der
großen Frage, die zwischen der welthchen und der geistlichen
Macht streitig war, ebensowenig zugunsten der letzteren, wie der
Sieg des Fürstentums über das Königtum dadurch herbeigeführt
wurde, daß er auf die Erbhchkeit des Reichs verzichtete^. Denn
der Gewählte von Forchheim gelangte nie zu wirklicher Macht.
König war allein Heinrich. Er aber hatte Vorsicht und Zurück-
haltung gelernt. Er hütete sich, den politischen und militärischen
Kampf durch Erneuerung des Zwiespalts mit dem Papste zu er-
schweren. Deshalb pflegte er die Beziehungen zu Gregor. Es
hat alle Wahrscheinlichkeit, daß er seinen Beistand anrief, sobald
^ 15. März 1077 zu Forchheim ; die Krönung fand am 26. in Mainz
statt, vgl. Meyer von Knonau III S. 2 ff. u. S. 627 ff. Nach dem Brief der
Sachsen Bruno 108 S. 78 stützten sie sich darauf, daß die Eideslösung nicht
kassiert werden könne.
2 Daß Rudolf kirchliche Zusagen machte, ist sicher; es fragt sich nur
nach ihrem Gehalt. Hier erzählt nun Bruno de hello Sas. 91 S. 67 f., es
seien vor der formellen Wahl — cum singuli eum deberent regem laudare
— zwei Punkte festgestellt worden — his legaliter constitutis — nämlich
1. ut episcopatus non pro pretio nee pro amicitia daret, sed unicuique
ecclesiae de suis electionem sicut iubent canones permitteret, 2. ut regia
potestas nuUi per hereditatem . . cederet, sed filius regis . . potius per
electionem spontaneam quam per successionis lineam rex proveniret. Der
zweite Punkt findet eine Bestätigung durch die Angabe Pauls von Bern-
ried, Rudolf habe erklärt, in arbitrio principum esse, ut post mortem eins
libere non magis filium eins quam alium eligerent, c. 95 Wätterich S. 530.
Dagegen weiß Paul von der ersten Festsetzung nichts. Schon dies erregt
gegen die Nachricht Brunos Bedenken. Sie werden dadurch verstärkt, daß
seine Angabe in Zusammenhang mit der unrichtigen, durch die Darstellung
Bertholds und Pauls ausgeschlossenen, Vorstellung steht, daß die päpst-
lichen Legaten in Forchheim die Führerrolle spielten. Daß sie berechtigt
sind, beweist endlich die Mitteilung Gregore über die Erklärungen, die
ihm Rudolf nach der Wahl machte. Reg. VII, 14a S. 402: Sese paratum,
michi Omnibus modis obedire. Auch in Forchheim wird es sich um eine
entsprechende allgemeine Erklärung gehandelt haben: sie war für die
Legaten wertvoller und für Rudolf leichter.
— eu-
er die Kunde von Rudolfs Wahl erhalten hatte ^. Zu der Fasten-
synode von 1078 entsandte er die Bischöfe Benno von Osnabrück
und Dietrich von Verdun als seine Bevollmächtigten; er ließ durch
sie in einer gegen den Papst zuvorkommenden Weise die Bitte um
Hilfe erneuern^.
Diese Stellung der beiden Gegner schien Gregor von neuem
die entscheidende Rolle zuzuweisen. Man bemerkt leicht, daß er
seinen Aktionsplan sofort den veränderten Verhältnissen anpaßte;
das Ziel blieb das alte, der Weg war neu. War nicht alles er-
reicht, wenn es gelang, die Dinge dahin zu führen, daß ihm das
Urteil im Streit mn die Krone zufiel? Dann war der Schaden
von Canossa ausgeglichen ; denn dann war bewiesen, daß der Papst
die Krone gibt, wem er will. Damit ist der poh tische Gedanke,
der Gregors Verhalten während der nächsten Zeit beherrschte,
ausgesprochen.
Er forderte die schwerste Leistung: Gregor mußte die Neu-
tralität zwei Widersachern gegenüber, die beide seine Hilfe in
Anspruch nahmen, beobachten und er mußte zugleich verhindern,
daß der eine den andern überwältigte, und verhüten, daß beide an
ihm irre wurden. Jahrelang hat Gregor diese Aufgabe meister-
haft gelöst: er hielt sich neutral. So wenig er Heinrichs An-
wesenheit in der Lombardei gerne sah ^, so behandelte er ihn doch
als König*. Andererseits tagten die Fürsten bei der Königswahl
in Gegenwart seiner Legaten: diese mahnten zwar von der Wahl
ab, verhinderten indes ihren Vollzug nichts Nachdem Budolf die
1 Bonizo VIII S. 611, Bern. z. 1077 S. 434, bestätigt durch Registr.
VII, 14a,S. 402f.
2 Reg. VII, 14a S. 403; Berth. z. 1078 S. 306. Hier: der König fordere
Hilfe nicht durch die Not gezwungen, verum idcirco maxime, quia iustum
et dignum sibi visum sit apostolicae sedis diffinitioneni super hoc in primis
interpellare. Die Synode war berufen für den 25. Febr. bis 8. März, Reg.
V, 13 S. 303, wurde eröffnet 27. Febr., Berth. S. 306 (nach der Verbesserung
bei J.W. S. 625). Akten Reg. V, 14a S. 306 ff. WertvoU auch der Bericht
Bertholds.
3 Bis Ostern 1077; Ep. coli. 20 S. 546: Ex eius praesentia pessimi
quique contra nos et apostolicam sedem plus audaciae quam terroris pro
perpetrata iniquitate habent.
* S. die Briefe IV, 23 f. S. 276 v. 31. Mai 1077, u. V, 7 S. 295 v. 30. Sept.
1077. Man sieht, daß Berthold mit Unrecht berichtet, der Papst habe sich
bald nach Ostern entschieden gegen den König erklärt, S, 297, eine Nach-
richt, die von Langen S. 76 wiederholt wird.
& Paul. Bernr. c. 93 ff. S. 529 f., Berth. S. 292; Ekkeh. Scr.'vi S. 202;
vgl. Registr. VE, 14a S. 402 u. VIE, 51 S. 503.
— 812 —
Krone empfangen hatte, verkehrte er auch mit ihm als mit einem
König; von beiden Fürsten forderte er sicheres Geleit, damit er
zur Entscheidung ihres Streites nach Deutschland kommen könne.
Denn, so erklärte er, ihr wißt, daß es unsere Pflicht und die Sorge
des apostohschen Stuhles ist, die wichtigeren Angelegenheiten in
der Kirche zu untersuchen und nach dem Gebot der Gerechtig-
keit zu entscheidend Nichts ist bezeichnender, als daß er von
diesem Verlangen durch ein offenes Schreiben dem deutschen Volk
Kunde gab: er wollte, daß jedermann seine Forderung in ihrer
ganzen Schärfe kenne; das Prinzip, dem er diente, sollte zm-
Anerkennung kommen; wie die Könige, so sollte die Nation sich
ihm bedingungslos unterwerfen. Es darf euch nicht aus dem
Sinn entfallen, so erklärte er ihr, daß, wer es verschmäht, dem
apostolischen Stuhl zu gehorchen, in das Verbrechen des Götzen-
dienstes verfällt'^.
Allein, er kam nicht zum Ziel. Wenn auch Heinrich selbst
sich aggressiver Maßregeln enthielt, so hinderte er doch nicht, daß
seine Anhänger päpstliche Legaten, die sich feindselig bewiesen,
aufhoben und in sicheren Gewahrsam brachten. Dies Schicksal
traf Gerald von Ostia in der Lombardei und den Abt Bernhard
von St. Victor bei Marseille in Deutschland ^. Die Königswahl
brachte nicht den erwarteten Gewinn. Denn die Bevölkerung
wollte von B,udolf nichts wissen; wie sie gesinnt war, bewiesen die
Vorgänge in Mainz und Worms nach seiner Krönung, der Wider-
stand Würzburgs und die gegen ihn gerichteten Erhebungen in
Westfalen und Thüringen *. Von der Neigung zu bedingungsloser
Ergebung in die erst zu treffende päpstliche Entscheidung war
nicht die Rede. Fast schlimmer war indes die Haltung der Geg-
ner Heinrichs. Sie waren als Bundesgenossen Gregors aufgetreten;
aber für seine kirchlichen Zwecke hatten sie nicht die mindeste
Teilnahme; mit einer Verachtung, die abstoßend wirkt, äußert sich
der päpstliche Parteigänger Bruno über Rom und die Sendboten
des Papstes^. Sprach so ein Geisthcher, der Schreiber des Erz-
1 Registr. IV, 23 S. 276; vgl. IV, 13 S. 260; VII, 14a S. 403.
2 Ib. IV, 24 S. 277 f.
3 Registr. V, 7 S. 295; vgl. VI, 15 S..347; Sudendorf, Reg. I S. 16 Nr. 10;
Berth. z. 1077 S. 290 u. 297 ; Bern. S. 434. Gerald starb kurz nach seiner
Freilassung am 6. Dez. 1077, ib. S. 435. Sein Nachfolger wurde der cluniac.
Mönch Otto, der spätere Papst Urban IL Auch Boten des KLegaten Bern-
hard wurden in Haft genommen, Berth. S. 300.
^ Ekkeh. S. 202 f., Berth. S. 292 u. 302.
^ 116 S. 89. Das Urteil bezieht sich auf eine etwas spätere Zeit (1079):
— 813 —
bischofs von Magdeburg, so kann man sich denken, wie die welt-
lichen Fürsten gesinnt waren. Sie hatten Gregors Ansprüche
unterstützt, jetzt erwarteten sie, daß er ihren Zwecken dienstbar
sei. Das forderte Rudolf, er sandte im Herbst 1077 einen Boten
nach E,om, um Eat und Beistand zu verlaugen^. Das taten in
der plumpsten Weise die Sachsen : unter heftigen Anklagen, unter
kaum verhaltenem Hohne gegen die feine Politik Gregors, die sie
nicht fähig seien zu verstehen, drangen sie darauf, daß er offen ihre
Partei ergreife^. Auch die unverhohlene Renitenz Hermanns von
Metz und seines Anhangs war für Gregor hinderlich^. Nicht ein-
mal seine Legaten wußten sich in seine Gedanken zu schicken. Der
römische Kardinaldiakon Bernhard tat, was die Sachsen von seinem
Herrn heischten : er erneuerte am 12. November 1077 zu Geslar
die Exkommunikation Heinrichs, entsetzte ihn des Reiches und be-
stätigte Rudolf als König*. Ein zweiter Legat, der vorhin genannte
Bernhard von St. Victor, der aus seiner Gefangenschaft befreit den
Winter 1077 auf 1078 im Kloster Hirschau zubrachte, agitierte
von dort aus gegen Heinrich: er richtete einen Brief voll flammen-
den Hasses wider den König an Uoto von Trier, um die deutschen
es charakterisiert aber die sächsische Bundesgenossenschaft Gregors und
ihre Gesinnung. Auch der Haß gegen die Mönche kommt bei Bruno ge-
legentlich an den Tag, vgl. den fallax monachus c. 38. Im übrigen Deutsch-
land zweifelte man nicht daran, daß die kirchlichen Ideen den Sachsen
gleichgiltig waren. Der Hersfelder Mönch charakterisiert ihre Motive mit
dem Satz: Qui omnes in variis voluntatibus volebant semper regnare, de
un. ecc. IT, 16 S. 69, und selbst in Siegburg sah man in ihrem Kampf gegen
den König nur den Streit der Sachsen wider die Franken, vita Annon. II, 23
S. 495^. ' ' Berth. S. 302.
2 S. den Brief der Sachsen bei Bruno c. 108 S. 77 ff.
^ Sie führte zur Vertreibung Hermanns und der Besetzung von Metz
vor Mitte Mai 1078, Berth. S. 311; Sigib. S. 364. Hermann exkommunizierte
daraufhin den Herzog Dietrich, Reg. VI, 21 S. 359.
* Berth. S. 302 f.; Bern. S. 435; vgl. die Briefe der Sachsen bei Bruno
c. 108 S. 79 u. 110 S. 80. Angesichts der letzteren Zeugnisse kann ich der
Verwerfung des Ereignisses durch Martens I S. 169 ff. nicht zustimmen. Der
Brief Bernhards von Marseille, Sudendorf, Reg. I S. 16 Nr. 10, stützt die
Annahme von Martens nicht genügend ; er zeugt vielmehr von solchem Haß
gegen Heinrich, daß er das Vorgehen des zweiten Legaten in Goslar ver-
ständlich macht. "Warum es aber unmöglich sein soll, daß gleichzeitig der
eine Legat in Sachsen Heinrich bannte, und der andere von Schwaben aus
in die lothringischen Bischöfe drang, ab eo, quem inoboedientem scitis,
incunctanter discedere, ist nicht einzusehen. Vgl. auch Meyer v. Knonau,
JB. III S. 77. Auch Siegfried von Mainz und 7 Diözesanen sprachen um
diese Zeit die Exkommunikation Heinrichs arfs, Brun. 112 S. 84 f.
- 814 —
Bischöfe zur Empörung zu bestimmen^. Gregor ließ sich durch
diese Schwierigkeiten nicht beirren. Er hielt an der eingeschlagenen
Richtung fest: ohne daß er die Bannung Heinrichs ausdrücklich
mißbilligt hätte, behandelte er sie als nicht geschehen^. Auf der
Fastensynode von 1078 wurden seine Gesandten weit zuvor-
kommender empfangen, als die Rudolfs^. In derselben Zeit hob
er die Suspension Huzmanns von Speier auf; etwas später stellte
er Pibo von Toul die Freisprechung in Aussicht*. Er wollte offen-
bar beweisen, daß er unparteiisch sei. Aber die Sache rückte trotz-
dem nicht von der Stelle. Hatte er im Frühjahr 1077 gehofft,
den Thronstreit in Deutschland persönlich entscheiden zu können,
so verhehlte er sich im Sommer nicht, daß dazu wenig Aussicht
sei'^. Im Frühjahr 1078 gestand er das offen zu: nun faßte er
den Beschluß, päpstliche Legaten zur Herstellung des Friedens
über die Berge zu senden^. Wenigstens dies sollte erzwungen
werden. In einem offenen Brief an die Deutschen sprach er ernst-
liche Drohungen gegen alle aus, welche die Ausführimg seines
Planes hindern würden. Er schrieb sodann eigens an Uoto von
Trier, um ihn aufzufordern, für den Frieden zu wirken: er solle
selbst nach Rom kommen, dem Papste Auskunft erteilen und die
Gesandten nach Deutschland fuhren '. Allein das war alles ver-
geblich. Uoto kam nicht, auch die Absendung der Legaten mußte
unterbleiben. Gregor begegnete auf allen Seiten unverhohlenem
Mißtrauen. Was nützte es, daß er beweglich bat, man solle nicht
an ihm zweifeln; denn er sei weit davon entfernt, die ungerechte
Sache zu begünstigen; lieber wolle er für das Heil Deutschlands
sterben, als alle Herrlichkeit der Welt erlangen^? Nicht einmal
seine Bundesgenossen waren durch solche Versicherungen umzu-
stimmen. Gerade jetzt erhoben die Sachsen die herbsten Vorwürfe
1 S. den angef. Brief bei Sudendorf.
- Den von Siegfried ausgesprochenen Bann ignorierte er vollständig.
^ Vgl. Berth. S. 308: Ut ipsum — Heinrich — per omnia honorando
ad consensum concordiae industrius contraheret u. S. 309 : Legatis Rudolfi
a se dissimulatoria et satis cautissima licentia clam et furtive dimissis.
Auch daß auf der Synode das Verbot des Verkehrs mit Exkommunizierten
gemildert wurde, Reg. V, 14 a S. 308, kam Heinrich zu gut. Denn seine
italienischen Anhänger waren noch im Bann.
* Reg. V, 18 S. 314 vf 19. März 1078 u. VI, 5 S. 328 v. 22. Okt. 1078.
"* IV, 25 S. 280: Neque nobis hoc in tempore transire oportunum
esse vidimus.
« Beschluß auf der Fastensynode V, 14 a S. 306.
' V, 15 f. S. 309 ff.
8 VI, 1 S. 321 f., ein Schreiben an alle Deutschen v. 1. Juli 1078.
— 815 —
gegen ihn: sie konnten sich in seine Haltung nicht finden; sie er-
schien ihnen voll von Widersprüchen, besonders gereichte es ihnen
zum Anstoß, daß die Goslarer Exkommunikation nicht bestätigt
wurde; sie wollten sich nicht länger hinhalten lassen^. Die süd-
deutschen Gegner Heinrichs dachten nicht anders, wenn sie auch
nicht ebenso trotzig sprachen ^ Auf der andern Seite fehlte es
nicht an Spuren, die zeigten, daß die Anhänger des Königs vor
einem neuen Kampfe nicht zurückschreckten: in Niederdeutschland
wagte Heinrich von Lüttich eine Beschwerde gegen Gregor wegen
Verletzung seiner Diözesanrechte ^; in Oberdeutschland fielen nach
der Schlacht bei Meirichstadt die Bauern über die fliehenden
gregorianischen Bischöfe her: Wernher von Magdeburg wurde
niedergemacht, der Merseburger Wernher ausgeplündert, Sigfrid von
Mainz und Adalbert von Worms gefangen^. In Itahen hatte der
offene Kampf mit den lombardischen Bischöfen überhaupt nicht
aufgehört.
Es ist deshalb wohl glaublich, daß Gregor den Frieden
^ S. die von Bruno mitgeteilten Bfe, c. 114 S. 86, die Antwort auf
Reg. VI, 1, demnach aus dem Herbst 1078, c. 115 S. 88, etwas später, doch
noch i. J. 1078 geschrieben, und c. 110 S. 80. Doch ist die Datierung des
letzten Briefs nicht sicher. Giesebrecht ließ ihn erst nach der Schlacht
bei Flarchheim, 27. Jan. 1080, geschrieben sein. Dem stimmt Meyer von
Knonau III S. 246 zu. Er hebt hervor, die Berücksichtigung Ruotperts von
Bamberg, Reg. VI, 19 S. 356 v. 17. Febr. 1079, könne nach dem Bfe c. 110
mit seiner Anklage gegen den Bischof nicht stattgefunden haben. Aber
Gregor machte sein Verhalten doch nie von den Klagen und Anklagen
seiner Parteigenossen abhängig. Auch scheint mir die Schwierigkeit, die
in dem Satze: Inter alia multa hoc quoque sanctitati vestrae nuper indi-
cavimus, liegt, durch die Erinnerung an den Bf c. 112 nicht gehoben. Denn
nicht nur der Bf c. 108 mit seiner Erwähnung der Goslarer Sentenz geht
dem Bfe c. 110 voraus, wenn der letztere erst 1080 geschrieben ist, sondern
auch die Bfe c. 114 u. 115 mit der gleichen Erwähnung. Ist aber dann
das nuper verständlich und müßte man nicht vielmehr erwarten, daß hervor-
gehoben würde, daß die Schreiber wiederholt an die Goslarer Sentenz erinnert
haben? Es scheint mir deshalb wahrscheinlicher, daß der Brief c. 110 ins
J. 1078 gehört; so auch Heidrich, N.A. XXX S. 129 ff.: Mitte Aug. 1078.
" Der Beweis liegt in Gregors Schreiben an Weif von Baiern (VI, 14
V. 30. Dez. 1078), das ebenfalls bestimmt ist, Zweifel an der Handlungs-
weise des Papstes zu beruhigen.
3 Vgl. Registr. VI, 4 S. 327 v. 8. Okt. 1078. Auch in der Form muß
Heinrichs Protest verletzend gewesen sein.
* Bruno 96 S. 70 f.; De unit. eccl. II, 16 S. 70; vgl. den nicht ganz
übereinstimmenden Bericht Berth. z. 1078. Auch der KL. Bernhard scheint
gefangen worden zu sein, Meyer von Knonau III S. 143.
— 816 —
wünschte. Wenn er das Unheil überdachte, in das der kirchhche
Kampf Deutschland bereits gestürzt hatte, so begann es ihm zu
grauend Und mußte er nicht Bedenken haben über die Bundes-
genossen, die sich an ihn drängten und die ihm in hartem Trotze
vorhielten, daß der Kampf, den er begonnen habe, nicht durch ihn
und seine Dekrete beigelegt werden könne, daß das Schwert die
Entscheidung bringen müsse ^? Aber Frieden wollte er nur unter
der Bedingung, daß es al& sein Eecht anerkannt würde, den Kampf
zu entscheiden. Das war der Siegespreis, von dem er den Blick
iiicht abzuwenden vermochte. War dann aber der Friede möglich?
Die Novembersynode des Jahres 1078 förderte die Sache
nicht ^; im Gregenteil, indem Gregor das unbedingte Verbot der
Laieninvestitur wiederholte und die Verleihung von Kirchengut durch
die Fürsten verwehrte*, war auch der halbe Friede mit Heinrich
wieder in Gefahr gebracht^. Dagegen schien die nächste Synode
1 Vgl. Registr. V, 14—16 S. 305 ff., VII, 14a S. 403.
2 Aus dem Schreiben der Sachsen bei Bruno c. 110 S. 81. Daß von
kirchlichen Überzeugungen bei den sächsischen Fürsten nicht entfernt die
Rede war, tritt überall hervor. Diese seltsamen Vorkämpfer St. Peters
hatten kein Bedenken, sich Kirchengüter anzueignen, de un. eccl. II, 23 S. 83.
•^ Registr. VI, 5b S. 830; vgl. VI, W S. 340; Berth. S. 313 ff.; Bern.
S. 435. Martens betrachtet ep. coli. 23 als das Einladungsschreiben ; das
ist aber unmöglich, da Heinrich hier schon als abgesetzt betrachtet wird,
S. 550 : Heinrici dicti regis. Nach Berth. S. 313 nahmen Gesandte beider
Könige an der Synode Anteil; es kam aber zu nichts als zu der eidlichen
Versicherung, daß beide an dem Unterbleiben der angesagten Verhandlung
unschuldig seien. Knöpfler S. 124 bezieht die Erklärung mit Unrecht auf
ein zukünftiges Kolloquium.
* S. 332. Gemeint ist, was man früher als precariae verbo regis be-
zeichnete; vgl. das Verbot des Übergangs von Zehnten in Laienhände S. 334.
Daß den Bischöfen die Verleihung von Kirchengut nicht verwehrt wurde,
ist selbstverständlich. Denn darauf, daß sie Lehnsherren waren, beruhte
zum größten Teil ihre politische Macht. Eine völlige Neuerung war es,
daß der Konsens des Papstes bezw. des Erzbischofs dazu erforderlich sein
sollte, S. 332.
^ Das Verbot der Fastensynode, das, sich nicht im Protokoll, sondern
nur bei Berth. z. 1078 S. 308 findet, Bistümer etc. zu Lehn zu geben, war
so vorsichtig gefaßt, daß die Beziehung auf die Investitur abgelehnt werden
konnte; es war auch tatsächlich weiter. Mirbt S. 495 scheint mir das
außer acht zu lassen. Dagegen ist jetzt die Investitur ausdrücklich genannt
und für nichtig erklärt; die Straf bestimmung beschränkt sich freilich auf
die Kleriker. Vgl. auch die Anordnungen über die Neubesetzung Magde-
burgs ep. coli. 26 S. 552; und besonders das Einschreiten gegen den von
— 817 —
im Februar 1079 seine Wünsche ihrer Verwirklichung um einen
Schritt näher zu fühi'en \ Es fanden sich auf ihr Gesandte der bei-
den Könige ein: der Bote Heinrichs hatte den Auftrag, einen Bruch
zu vermeiden, jedes sachhche Zugeständnis jedoch zu umgehen^;
dagegen drängten die Bevollmächtigten Rudolfs zur Fixkommuni-
kation ihres Gegners, und auf der Synode fehlte es nicht an Män-
nern, die sehr geneigt waren, ihnen zuzustimmen. Nicht umsonst
waren die Führer der deutschen Gregorianer, Hermann von Metz
und Altmann von Passau, auch der Kardinallegat Bernhard in
Rom anwesend^. Auch jetzt aber ging Gregor nicht so weit wie
die Gregorianer*: er^ wollte den Gegner Rudolfs nicht vernichten.
Und schließlich gelang es ihm, den Gesandten Heinrichs zu der
Zusage zu bewegen, daß der König sich der Entscheidung päpst-
licher Legaten unterwerfen werde. Eine analoge Erklärung gaben
die Gesandten Rudolfs ab. Nun schien der Augenblick gekommen,
in dem der Papst sprechen konnte.
Es ist ein kleiner Zug, aber er charakterisiert Gregor, daß er
nicht abwartete, bis Boten Heinrichs zum Geleite seiner Legaten
eintrafen. Schon x\nfang März waren die letzteren — Peter von
Heinrich investierten Heinrich von Aquileja auf der Februarsynode von
1079, Berth. S. 317 f., C.I. I S. 554 Nr. 389, 5.
1 C.I. I S. 552 Nr. 388ff., Registr. VI, 17a S. 352ff., ep. coli. 27 S. 553 f.,
Sudendorf, Reg. I S. 19 Nr. 11, Berth. S. 316 f., Bern. S. 435 f.
^ Die vom Gesandten Heinrichs abgegebene Erklärung S. 552 Nr. 388.
Martens bezeichnet das Schriftstück irrig als königliche Erklärung (I S. 181).
Der Gesandte redet die Synode an: Appello misericordiam omnium vestrum,
qui adestis, s. Rom. eccleeiae filii; er spricht vom König in der dritten
Person: Dominus mens H. rex. Demgemäß gehört das Schriftstück auch
nicht, wie Martens annimmt, in den Jan. 1079. Der Inhalt der Erklärung
ist dilatorisch: der König werde später mehrere alles Vertrauens werte
Gesandte schicken, mit denen die entscheidenden Verhandlungen stattfinden
sollten. Außerdem eine Verwahrung gegen die Annahme der von den Geg-
nern des Königs gegen ihn erhobenen Anklagen.
3 Berth. S. 316 der Brief der Sachsen, Bruno c. 112 S. 82 fi". ist nach
der Synode geschrieben; der Satz Pervenit antem bezieht sich auf sie.
* C.I. S. 553 Nr. 389,2; auch aus Bertholds Bericht zu entnehmen. In
anderen Punkten fehlt es nicht an Bedenken gegen diesen. Die Angabe,
daß Gregor für die Pfingstwoche eine neue Synode nach Rom berufen habe,
S. 318, wird durch Gregors Brief an die Deutschen widerlegt; denn nach
ihm sollte die Entscheidung in Deutschland getroffen werden. Der Behaup-
tung, daß der Papst auf der Synode die Absetzung Heinrichs ausdrücklich
als giltig erklärt habe, widerspricht der weitere Verlauf. Endlich sind die
sieben vornehmen Männer S. 318 f. unsicher; der Eid spricht nur von legati.
Hauck, Kircheilgeschichte. III. 52
— 818 —
Albano und Udalrich von Padua — auf dem Weg nach Deutsch-
land ^ Er fühlte sich ganz als der Schiedsrichter des großen
Streites^. Aber maßgebend für ihn war nur die Frage: Wer von
den beiden Streitenden ist vollkommerf, wer nur scheinbar gehor-
sam^? Er kannte einmal kein Recht auf den Thron, alles wurde
bemessen nach dem Verhalten gegen den römischen Stuhl. Wer
aber mit diesem Maß gemessen der rechtmäßige König sei, daran
zweifelte er nicht: schon ehe er den Schiedsspruch gefällt hatte,
verkehrte er mit Rudolf als mit einem Manne, der um Gerechtig-
keit willen verfolgt werde ^. Wenn er trotzdem den Moment der
Entscheidung hinzögerte, so bewies er damit, daß er keinen halben
Sieg wollte. Denn nur wenn er sein Urteil in einem Augenblick
sprach, in dem von keiner Seite ein Widerspruch dagegen mögUch
war, hatte er das Ziel erreicht, dem er seit dem Tag von Canossa
nachstrebte. Nur dann war bewiesen, daß der Nachfolger Petri
die Königreiche vergibt, wie er wilP.
» Registr. VI, 22 S. 359 v. 3. März 1079. Heinrich hatte zugesagt,
seifie Gesandten vor Himmelfahrt (2. Mai) nach Rom zu schicken. Die
Nam«n der Gesandten sind Registr. VI, 38 S. 376 genannt; vgl, Berth. S. 318
und ep. coli. 31 S. 557 f.
* Ep. coli. 25 S. 550 von den päpstlichen Bevollmächtigten: Aut pacem
componant aut veritate praecognita super illos, qui sunt tanti dissidii
causa, canonicam censuram exerceant.
* Ep. coli. 26 S. 552 an Rudolf: Omnibus quibus possum niodis hoc
oportet intendere, quomodo veram a falsa iustitiam, perfectam a ficta
oboedientiam iudicio s. Spiritus valeam discernere.
* Ep. coli. 27 S. 553. Martens entrüstet sich (I S. 187) über Giese-
brecht, der anläßlich dieses Briefs Gregors Verhalten als zwiespältig tadelt.
Aber auch Martens wird nicht beweisen können, daß es den herkömm-
lichen Vorstellungen von Gerechtigkeit entspricht, wenn der Richter vor
der Entscheidung die Sache der einen streitenden Partei für gerecht er-
klärt. Das tat aber Gregor. Richters Einwand S. 293, Gregor habe ledig-
lich in Rudolf die Meinung bestärken wollen, daß er ihn bevorzuge, scheint
mir nicht stichhaltig. Denn konnte er, nach seinen Äußerungen Rudolf
gegenüber, überhaupt noch anders als für ihn entscheiden? Die Erklärung
des Satzes: Sed magis magisque bei Martens dünkt mich irrig. Denn daß
Gregor trotz seines Zitats aus Ezech. 13, 5 an den Krieg denkt, beweist
seine Veränderung des Zitats. Bei Ezech. heißt es: Neque oposuistis murum
pro domo Israel; daraus macht Gregor: Corpora vestra quasi murum pro
domo Israel opponere safcagite. Ihre Körper brauchten die Sachsen doch
nicht ,zum moralischen Eintreten", wohl aber zum Dreinschlagen. Auch
Knöpfler S. 135 hätte in dem Briefe des Papstes nur ein paar Zeilen weiter
lesen müssen, als er zitiert, um sich die Frage an Giesebrecht ersparen zu
können: Wo heißt bellico furore non deficere zu den Waffen greifen?
■"* Giesebrechts Vermutung (S. 481), Gregor habe an eine Teilung
— 819 —
Aber dieser Augenblick war nicht zu erhaschen. Er hatte
Petrus und Udahich zur Pflicht gemacht, sich unparteiisch zu ver-
halten, sie sollten die definitive Entscheidung erst vorbereiten^.
Aber bei der Erregung der Parteien gegeneinander war das ein
undurchführbarer Auftrag. König Heinrich empfing in der Pfingst-
zeit die Legaten in B,egensbiu-g. Man verabredete eine vorläufige
Besprechung in Fritzlar. Dort wurde die Abhaltung einer Friedens-
konferenz in Würzburg am 15, August 1079 vereinbart. Allein der
Aufenthalt der Legaten bei Heinrich scheint den Argwohn Rudolfs
und der Sachsen erregt zu haben; denn als der verabredete Tag
erschien, blieben sie aus; die Würzburger Besprechung war ver-
eitelt. Heinrich benutzte sofort den Vorteil, den sie ihm boten,
und forderte, daß die Legaten gegen Rudolf einschritten; hatte
Gregor doch einen jeden mit dem Anathema bedroht, der den
Friedensschluß hindern würde. Allein die Gesandten lehnten unter
Berufung auf ihre Instruktion dies ab. Damit war der Zweck
der Legation verfehlt; ohne etwas erreicht zu haben, kehrten sie
nach Italien zurück^. Die Sachsen aber schickten von neuem eine
Anklage gegen Heinrich nach Rom, die ebensosehr eine Klage
wider die zaudernde Politik des Papstes war; nach ihrer Meinung
brauchte Heinrich nicht erst exkommuniziert zu werden; denn er sei
es bereits^.
Das MLßUngen der Friedensaktion ist die- zweite Niederlage
Gregors. Sie traf ihn noch härter, als die erzwungene Absolution
in Canossa. Denn man kann nicht sagen, daß er an Heinrichs
Widerstand scheiterte; er scheiterte vielmehr daran, daß es in
Deutschland niemand gab, der für sein Ziel eintrat: es war un-
erreichbar. Auf dem bisherigen Wege konnte Gregor nicht ver-
harren; seine Niederlage nötigte ihn zu einer Änderung seiner
Pohtik. Worin aber konnte diese bestehen, als darin, daß er end-
lich Partei ergriff?
So viel wir sehen, war es Heinrich selbst, der den letzten
Anstoß dazu gab. Die Lage in Deutschland hatte sich für ihn
gebessert: in den Reihen der sächsischen Großen begann der Ab-
Deutschlands gedacht, halte ich für unwahrscheinlich. Es ist dabei über-
sehen, worauf es Gregor eigentlich ankam. Vgl. Meyer v. Knonau III S. 184.
1 Ep. coli. 31 S. 557, vgl. Reg. VII, 3 S. 383.
'2 Nach Berth. S. 318 ff., dessen Darstellung freilich gerade hier den
Parteistandpunkt nirgends verleugnet. Die Unzufriedenheit Gregors mit
diesem Ende zeigt Reg. VII, 3 S. 383 v. 1. Okt. 1079; die Gesandten waren
an diesem Tage noch nicht in Rom eingetroffen.
•^ Bruno c. 112 S. 82, s. S. 817 Anm. 3.
52*
— 820 —
fall von Rudolf; die Schlacht bei Flarchheim am 27. Januar 1080
vermochte diesem das Übergewicht nicht wieder zu verleihen: denn
nach der Schlacht sagte sich ein so bedeutender Fürst wie Ekbert
von Meißen von ihm los^. Jetzt glaubte Heinrich sich stark genug,
um Gregor zu einer ihm günstigen Entscheidung zu drängen. Im
Frühjahr 1080 sandte er Liemar von Bremen und Ruotpert von
Bamberg nach Rom : sie sollten die Exkommunikation Rudolfs ver-
langen, und wenn sie Gregor verweigerte, mit der Aufstellung eines
Gegenpapstes drohen^. Damit war der Papst vor die Notwendig-
keit gestellt, aus seiner Neutralität herauszutreten.
Er konnte sich nur gegen Heinrich erklären. Denn dessen
Verhalten seit dem Tage von Canossa bewies, daß er entschlossen
war, die königHche Macht über die Kirche festzuhalten. Trotz des
Investiturverbots besetzte er die Bistümer in der bisherigen Weise.
Schon am 8. September 1077 hatte er auf freiem Felde vor Augs-
burg seinen Kapellan Sigfrid als Bischof von Augsbm-g und den
Domherrn Heinrich von St. Ulrich als Patriarchen von Aquileja
investiert. An demselben Tag hatte er die Abtei von St. Gallen
seinem Vetter Udalrich von Eppenstein übergebend In beiden
Städten hatten kanonische Wahlen stattgefunden, die Heinrich
durch seine Ernennungen annulierte; St. Gallen aber war nicht er-
ledigt, Udalrich trat an die Stelle des von Rudolf ernannten, aber
von den Brüdern vertriebenen Liutold. So wurden die ersten
Bistümer nach der Lösung des Königs vom Banne besetzt. Und
so handelte Heinrich auch fernerhin: Egilbert von Trier, Sigewin
von Köln, Dietpold von Straßburg, Norbert von Chur erhielten
ihre Stellen durch königliche Ernennung. Es ist ähnlich, daß er
1 Nach Berth. S. 324 ff. und Bruno c. 117 S. 89 f. war die Schlacht
eine Niederlage Heinrichs, nach Ekkehart z. 1079 S. 203 ein Sieg. Der von
Berthold S. 826 erwähnte Abfall Ekberts von Meißen nach der Schlacht
macht sehr wahrscheinlich, daß Berthold mindestens einseitig geurteilt hat.
Bruno sagt von Ekbert, er habe sich während der Schlacht neutral gehalten,
um sich an den Sieger anzuschließen. Wenn man also überhaupt von
einem Siege Rudolfs reden kann, so war er nicht glänzend; vgl. Meyer von
Knouau III S. 241 u. 639 ff. Vor der Schlacht fielen nach Berth. Herzog
Magnus und sein Oheim, der Graf Hermann, ab, Bruno nennt Wiprecht von
Groitzsch, Dietrich, den Sohn des Markgrafen Gero u. a.
2 Bonizo ad amic. 9 S. 612. Heinrich erwähnt die Gesandtschaft Cod.
Udalr. 66 S. 139, vgl. auch Berthold S. 326 u. Wenr. ep. 8 L. d. 1. I S. 297.
3 Berth. z. 1077 S. 301; Ann. August. S. 129, vgl. Bern. z. 1084 S. 439;
Cas. s. Galli cont. 21 S. 47; über die Wahl in Aquileja Reg. V, 5 f.
S. 292 f. Vgl. Bonin, Die Besetzung der deutschen Bistümer 1889 S. 12 ff.
Über Ulrich III. v. St. Gallen Butler im JB. f. Schweiz. Gesch. XXH S. 253 ff.
— 821 —
die Verwaltung des Bistums "Würzburg an Stelle des ihm feind-
seligen Adalbero dem Bischof Eberhard von Naumburg übertrugt.
Nur im Gebiet der Empörer, in Magdeburg und Naumburg wurde
gewählt^. Gregor hat von diesen Vorgängen gewußt; aber er
wollte sie nicht beachten. Im Herbst 1079 hat er seine Legaten
ausdrücklich angewiesen, die Investiturfrage nicht zu berühren^.
Was heißt das aber anders als : er woUte den größeren Erfolg nicht
dadurch in Frage stellen, daß er einen kleinen Streit eiTegte.
Jetzt, als er Partei ergreifen mußte, bot ihm die Investitur-
frage eine erwünschte Waffe. Auf der Fastensynode von 1080 *
wiederholte er zunächst das Investiturverbot für die Kleriker und
dehnte es sodann unter Bedrohung mit dem Banne ausdrückhch
auf die Fürsten aus. Er verfügte zugleich, daß die Bischöfe von
1 Berth. S. 323; Bruno 77 S. 60. Das Jahr steht nicht fest.
2 Berthold S. 311. 314. 315. 323; Gest. Trev. cont. 1, 11 S. 184. Ann.
Saxo S. 716. Freilich kanonisch waren die Wahlen unter Rudolf, vielleicht
von der Wigolds von Augsburg abgesehen, nicht gerade. Die Erhebung
Wigolds schildert Berthold mit Behagen als ein kanonisch unanfechtbares
Schaustück, z. 1078 S'. 309. Sie war es nicht so ganz, wie er meinte ; denn
er hat übersehen, daß die Konsekration eines Augsburger Bischofs in Goslar
nach dem alten Rechte unzulässig war. Was Magdeburg anlangt, so
wünschte der Klerus nach Wemhers Tod 1078 den Kanonikus Günther,
Ann. Saxo S. 716. Rudolf setzte den von Gregor empfohlenen Erfurter
Propst Hartwig ein, Gesta arch. Magdb. S. 404; vgl. Greg. ep. coli. 26
S. 552. Hier war 1. das Eingreifen des Königs und 2. die Person Hartwigs,
da er nicht zur Magdeb. Diözese gehörte, kanonisch anstößig, ganz abge-
sehen von Gregors Befehl (me praecipiente). Auch Günther von Naumburg
wurde von Rudolf eingesetzt, Ann. Saxo z. 1079 S. 716. Wilhelm von
Hirschau hatte also ohne Zweifel Recht, wenn er urteilte, daß die säch-
sischen Bischofswahlen zu großen Bedenken Anlaß gäben.. Die beleidigte
Antwort der Sachsen ist einer der vielen Belege dafür, wie bar jedes
kirchlichen Interesses diese Gegner Heinrichs waren, Sudendorf, Reg. I
Nr. 15 f. S. 50 ff.
^ Ep. coli. 31 S. 557 : Volumus, ut de Omnibus istis, qui investituram
per manum laicam acceperunt, nullum praesumatis exercere iudicium.
^ Reg. Vn, 14a S. 398 ff., auch C.I. I S. 554 Nr. 390 f. Blumenstock
S. 86 irrt, wenn er behauptet, Gregor habe nie das Recht beansprucht,
Bischöfe zu ernennen; er sagt von Klerus und Volk im Fall des Mißbrauchs
des Wahlrechtes : De caetero nullam electionis potestatem habebit; electionis
vero potestas omnis in deliberatione sedis apostolicae sive metropolitani sui
consistat. Und das war nicht ein Ausweg der Not. Gregor hat schon im
J. 1077 Hugo von Cluni aufgefordert, ihm etliche verständige Mönche zuzu-
senden, quos competenter episcopos ordinäre possit. J.W. 5056. Die Voraus-
setzung ist, daß er Bistümer besetzte; vgl. auch oben Anm. 1, unten S. 827
Anm. 7 und die von Mirbt S. 499 Anm. 2 gesammelten Belege.
— 822 —
Kiejius und Volk frei unter Zustimmung des Metropoliten oder des
Papstes zu wählen seien; werde das Wahlrecht mißbraucht, so
gehe es an Eom oder den Metropoliten über. Hier war nicht nur
das neue Verfahren, das an Stelle des bisherigen Rechtes treten
sollte, bestimmt genannt, sondern es war auch -das letzte Ziel un-
verkennbar bezeichnet. Die Forderung Heinrichs endlich, daß
Rudolf mit dem Banne belegt werde, fand ihre Antwort in der
Erneuerung der Exkommunikation und der Absetzung des recht-
mäßigen Königs. Wieder kleidete Gregor den Fluch in die Form
eines Gebets: es ist eine jener von tiefer Leidenschaft erfüllten
Enunziationen, wie sie für Gregor charakteristisch sind: Apologie
des eigenen Verhaltens, Anklage wider den Gegner, Anordnungen*
für die Gegenwart und Weissagungen für die Zukunft gehen neben-
einander her. Als die Schuld Heinrichs, welche die neue Ex-^
kommunikation herbeigeführt habe, wird schließlich doch nur die
Verhinderung der Friedenskonferenz in Deutschland genannt. Ist
somit die Begründung außerordentlich schwach — denn wer zweifelte
daran, daß Heinrich das Mißlingen des Würzburger Tags zum
geringsten Teil zur Last falle? — so traten um so deutlicher die
eigentlichen Ziele Gregors hervor. Um die päpstliche Obergewalt
über alle Reiche dieser Welt zu beweisen, hatte er die Entscheidung
des deutschen Thronstreits für sich in Anspruch genommen. Sein
jetziges Urteil ging demgemäß dahin, daß Heinrich der Herrschaft
in Deutschland und Italien entkleidet, daß er aller seiner Gewalt
und Würde entsetzt sei, diJJ dagegen das deutsche Reich an König
Rudolf, als Lehnsmann der Apostel, übergeben werde. Damit
niemand zweifeln könne, um was es sich für ihn handelte, schloß
Gregor sein Gebet mit den Worten: Wohlan denn, ihr heiligen
Väter und Fürsten, laßt alle Welt erkennen, daß, wenn ihr im
Himmel lösen und binden könnt, ihr auch auf Erden vermögt,
Kaisertümer, Königreiche, Fürsten- und Herzogtümer, Markgi'af-
schaften und Grafschaften und aller Menschen Besitzungen einem
jeden nach seinem Verdienst zu entziehen und zu verleihen. Ihr
habt ja kirchliche Würden oft den Schlechten und Unwürdigen
genommen und frommen Männern gegeben; wenn ihr Geistliches
richtet, was muß man glauben, das ihr im Irdischen vermögt!
Nun mögen die Könige und alle Fürsten der Welt lernen, wie
groß ihr seid und welche Macht ihr habt, und mögen sich fiü'chten,
das Gebot eurer Kirche zu übertreten. An Heinrich aber vollzieht
euer Gericht so schnell, daß alle erkennen, er falle nicht von un-
gefähr, sondeni durch eure Macht. Er soll zuschanden werden —
möchte es doch sein zur Buße, damit der Geist gerettet werde am
Tage des Herrn!
— 823 —
Nie vorher hat Gregor mit so scharfer Klarheit ausgesprochen,
um was er kämpfte: um die Herrschaft des Papsttums, und um
sie allein. Alles andere verschwand ihm neben diesem Ziel. Hatte
er es bisher zu erreichen gedacht, indem er die Kämpfenden bewog,
seiner Entscheidung sich zu unterwerfen, so sollte der Erfolg nun
erzwungen werden durch die Vernichtung des Mannes^ in dem sich
der Ungehorsam gegen das Papsttum zu verkörpern schien. Er
sprach, wie wenn er die Weltregierung in der Hand hätte. Wie
er sonst seine Legaten drängte, zu handeln und schnell zu handeln,
so drängte er jetzt die Heihgen des Himmels, die Sentenz, die er
gefällt hatte, zu vollziehen und schnell zu vollziehen. Eine fast
mythologische Vorstellung! Aber felsenfest war sein Glaube. Als
er am Ostermontag in der Peterskirche die Messe hielt, verkündigte
er dem Volk, wenn der König nicht bis zum Peter- und Paulfeste
in sich gehe, so werde er an diesem Tage tot oder abgesetzt sein;
niemand sollte ihm fernerhin Glauben schenken, wenn das nicht
geschehet Sicherer als jemals hielt er sich seiner Sache. Aber
sie stand gänzhch unsicher. Gregor machte die Sentenz gegen
Heinrich und die Anerkennung Rudolfs in einem offenen Briefe
der Welt bekannt^. Aber schon in ItaHen war jedermann gegen
ihn; die vorhandene Mißstimmung über seine Politik ^ wurde durch
die ungerechte Exkommunikation noch verschärft. Liemar und
Ruotpert hatten es lei_ht, Toscana und die Lombardei gegen ihn
zu verbinden *. Welche Summe von Haß sich bei den Führern der
königlichen Pai'tei angesammelt hatte, kann man aus Benzo von
Alba lernen, der sich nun wieder hören ließ : ihm erscheint Hildebrand
als der wahrhaftige Satan, als der Mensch des Verderbens, der in
dem Tempel Petri thront; Heinrich aber ist berufen, diesen Koloß
zu stürzen '''. Ernster waren die Anklagen, die einer der Vertreter
der jungen juristischen Wissenschaft, Petrus Crassus, gegen Gregor
und sein Verfahren erhob®. Für ihn war die Autonomie des
1 Bonizo TX S. 616, Sigib. z. 1080 S. 364. Ich kann nicht finden, daß
die Erzählung unwahrscheinlich ist. Von dem „cito iudicium vestrum
exercete" bis zur Ansetzung eines Tags ist kein großer Schritt.
■^ In der epist. Wenrici 4 S. 288 erwähnt, aber verloren,
3 Vgl. Registr. VII, 3 S. 388 Tom 1. Okt. 1079: Quotquot enim laici
sunt, omnes causam Heinrici praeter admodum paucos laudant et defendunfr
et pernimiae duritiae ac impietatis circa eum me redarguunt; vgl. die
spätere Äußerung Reg. VllI, 26 S. 474 v. 1081: Cui ferme omnes Italici
favent. * Bonizo IX S. 612; vgl. Reg. VIII, 26 S. 474.
» Lib. VI, 2; vgl. Lehmgrübner S. 74 ff.
* Defensio Heinricis regis, L. d. 1. I S. 432 ff.
— 824 —
Staates die unbestreitbare Voraussetzung: die Herrschaft ist von
Gott, und er gibt sie, wem er will. Daraus folgerte er, daß der
Kampf gegen Heinrich ein Frevel sei: in der Kränkung des Königs
ist der Herr des Friedens, sind die Prediger des Friedens, sind
die Schützer des Friedens allesamt geki'änkt. Als Heilmittel
forderte er die Berufung einer Synode durch den König; sie sollte
auf Grund des Rechtes über Gregor ein Urteil fällen. Als Recht
aber galt ihm das Recht der römischen Kaiser. Er berührte damit
einen schwachen Punkt in der Stellung der königlichen Partei: das
Recht des Papstes war geschriebenes Recht, das des Königs das
ungeschriebene Recht des Herkommens. Stets aber ist das ge-
schriebene dem ungeschriebenen Recht überlegen: dieser Mangel
sollte ersetzt werden durch das Hervorziehen des alten kaiserlichen
Rechtes.
In Deutschland war die Wirkung der zweiten Exkommunikation
viel geringer als der Eindruck der ersten gewesen war. Der Grund
liegt ohne Zweifel zunächst darin, daß in dem schon Jahre währen-
den Kampf sich die königliche Partei fest zusammengeschlossen
hatte. Sodann kam in Betracht, daß von selten Heinrichs nichts
geschehen war, wodurch die Erneuerung des Bannes erklärt wurde;
sie erschien wie eine Handlung der Willkür und der Feindselig-
keit, die überdies der rechtlichen. Form entbehrte^. Besonders
erregte die erneuerte Absetzung des Königs Anstoß; viele sahen
in ihr einen direkten Widerspruch gegen unzählige Stellen der
heiligen Schrift^. Auch wer prinzipiell dem Papste das Recht, den
König zu bannen, zugestand, gab nicht sofort zu, daß er ihn des
Reiches entsetzen könne ^. Der Glaube an die Weltherrschaft des
Papstes endlich fehlte fast überall*. Es ist klar, daß Gregor nicht
zum mindesten dadurch in Nachteil kam, daß jetzt jedermann wußte,
wofür er kämpfte.
Seine Anhänger befanden sich in der schwächsten Minorität.
Niemand, klagte Gebhard von Salzburg, hält uns dessen wert, daß
er uns anhöre; in vielen Stücken werden wir angeklagt und wir
können keine Gelegenheit finden, uns zu entschuldigen. Noch ent-
schiedener als der Klerus ergriff das Volk Partei gegen den Papst;
von Lothringen abgesehen, gaben jetzt auch die Diözesanen gregoria-
nisch gesinnter Bischöfe Hemrich recht ^. Die königlich gesinnten
1 Vgl. Mirbt S. 147 ff. 2 s. bes. Wenrici ep. 4 S. 289 ff.
- S. z. B. Wido contr. Hildebr. S. 469.
^ Bernold teilte ihn (s. oben S. 802), ebenso Paul von Bernried (a.
Greving S. 137 f.) u. Manegold (über ihn unten).
s L. d. 1. I S. 263 f. Brief Gebhards an Hermann von Metz. Daß
~ 825 —
Glieder der Hierarchie aber taten alles, um die Erregung zu
steigern. Das Osterfest 1080 feierte eine Anzahl Bischöfe in Bam-
berg; in der Festpredigt hörte das Volk die härtesten Urteile über
Gregor; offen wurde verkündigt, daß der deutsche Episkopat in
Zukunft ihn nicht mehr als Papst haben und halten wollte; diese
Erklärung wurde an anderen Orten wiederholt^. Am Pfingstfest
versammelten sich neunzehn deutsche Bischöfe in Mainz um den
König; sie beschlossen, es sei notwendig, daß Hildebrand entsetzt,
daß ein friedhch gesinnter Papst gewählt werde-. Wir besitzen
öffenthche Ausschreiben von drei Beteiligten: Egilbejt von Trier,
Huzmann von Speier und Dietrich von Verdun, Parallelen zu den
Schriften Benzos und Peters. Denn sie spiegeln die tiefe Erregmig
ab, welche Deutschland ergriffen hatte. Die Exkommunikation
des Königs und die Anerkennung Rudolfs schienen den Bürger-
krieg ins Ungemessene zu verlängern^. Das war die Hauptschuld,
die die Deutschen auf Gregor warfen: er sei die Ursache alles
Unheils und Blutvergießens; deshalb wollten sie ihm den Christen-
namen nicht mehr geben, geschweige denn ihn als Papst aner-
kennen. Dazu kamen die Klagen über seinen unerhörten Stolz
und die Bedenken über seine Rechtgläubigkeit. Sein Leben klagt
ihn an, ruft Dietrich aus, seine Verworfenheit verdammt ihn, seine
Hartnäckigkeit belegt ihn mit dem Anathema.
Durch alles das war der Schlag vorbereitet, den Heinrich zu
führen gedachte. Er eilte von Mainz nach Brixen; dort, an der
Grenze der beiden Hälften des Reichs, versammelten sich geistliche
Lothringen eine Ausnahme maclite, zeigt die Aufnahme, die Dietrich von
Verdun bei seiner Rückkehr von dem gleich zu erwähnenden Mainzer Tag
fand. Sein Klerus konnte es wagen, ihn für suspendiert zu erklären, Cod.
Udalr 63 S. 130. ^ Gebeh. ep. c. 15 S. 270.
2 Über den Mainzer Tag berichten die Briefe Cod. Udalr. 60 — 62
S. 126 ff. u. 63 S. 132; vgl. C.I. I S. 117 Nr. 69; eine Notiz in den Akten
der Brixener Syn. Cod. Udalr. 64 S. 135, bei Mar. Scot. z. 1079 S. 560 u. Sigib.
S. 364. Die Annahme, daß Gregor abgesetzt wurde, ist, wie die Briefe
zeigen, irrig: man erklärte nur, ut abdicetur aliusque eligatur (S. 127), man
sagte ihm den Gehorsam auf: Non amplius sedebit in loco s. Petri (S. 129);
abrenuntiavi illi (S. 132). Dabei ist die formelle Absetzung ebenso als
noch zu vollziehen vorausgesetzt, wie dies auch in Brixen geschah: iudi-
camus canonice deponendum et expellendum esse (S. 135). Seltsam ist die
von Martens ausgesprochene Meinung (S. 211), daß Huzmann eine Prokla-
mation des Königs verkündigte, und daß am Schluß Heinrich selbst
spricht. Die sachliche Übereinstimmung der drei Briefe zeigt, daß sie
nach Verabredung von den Teilnehmern der Mainzer Versammlung erlassen
wurden. ^ Vgl. hierzu auch de un. eccl. II, 11 S. 56.
— 826 —
und weltliche Große aus Deutschland und Italien ^. Am 25. Juni
beschlossen sie eine Erklärung, nach welcher Gregor kanonisch
abzusetzen und zu vertreiben, und wenn er nicht freiwillig zurück-
trete, auf ewig zu verdammen sei. Die heftigsten Anklagen wurden
auf ihn gehäuft, Verleumdungen, wie sie nur sinnloser Haß erfin-
den und glauben konnte : daß er Mord, Brand und Meineid predige,
daß er den katholischen und apostolischen Glauben über das
h. Abendmahl erschüttere, daß er an Wahrsagungen und Träume
glaube, ja, selbst von einem Zaubergeist besessen, von dem wahren
Glauben abgefallen sei. Unterschrieben wurde dieser Beschluß
von Hugo dem Weissen an Stelle aller römischen Kardinäle, von
zwanzig italienischen, sechs deutschen und einem burgundischen
Bischof. An demselben oder am nächsten Tag wählten die Ver-
sammelten, indem Heinrich, als römischer Patrizius, die erste und
entscheidende Stimme abgab, Wibert von Ravenna zum Papste ^
Die Wahl war insofern glücklich, als Wibert, von lange her ein
Gegner Gregors, in allgemeiner Achtung stand. Auch politische
und kirchliche Feinde erkannten an, daß er ein gelehrter und
sittlich unanstößiger Mann sei^. Als Papst ist er in unablässigem
Ringen mit den ungünstigsten Verhältnissen ohne Ruhm, aber auch
ohne Schande bestanden.
Für Gregor kamen die Beschlüsse von Mainz und Brixen
sicher nicht überraschend. In seiner Zuversicht erschütterten sie
ihn nicht; sie schürten nur seine Leidenschaft. Nachdem der Juni
verflossen war, ohne daß seine Weissagung sich erfüllte, schreibt er,
1 Das Dekret der Syn. C.I. I S. 118 Nr. 70 u. im Cod. Udalr. 64 S. 133.
Notizen in den Ann. Aug. z. 1080 S. 130, Ekkeh. S. 203, Bernold S. 436,
Mar. Scot., a. a. 0., V. Ans. Luc. c. 18 f. Scr. XII S. 18, V. Benn. Osn. 18
S. 23, V. Heinr. 6 S. 22, endlich bei Wide 1, 19 f. S. 548. Hier überall ist
von dem Vollzug der Absetzung die Rede, was nach dem Wortlaute des
Dekrets nicht genau ist: man hielt die Einleitung eines kanonischen Ver-
fahrens offen. Um so verständlicher ist, daß der Wahl Wiberts lange
Verhandlungen vorausgingen. Ob sie am 25. oder 26. stattfand, ist nicht
sicher. Am 26. wird er als summe sedis electus apostolicus bezeichnet
(Stumpf 2822). Über die mit seiner Wahl zusammenhängenden Fälschungen
C.I. I S. 657 ff. s. Meyer v. Knonau IH S. 298 ff. u. Koch, Manegold S. 99 ff.
2 Über ihn Köhnke, Wib. von Ravenna. Er war 1057—1063 Kanzler
für Italien, seit 1073 Erzbischof. Wenn Bonizo recht berichtet, VI S. 600,
so hatte Hildebrand den zögernden Alexander vermocht, seiner Erhebung
zuzustimmen. Zur Geschichte der nächsten Jahre Sander, Der Kampf Hein-
richs rV. und Gregors VII.; 1080—1084, Berlin 1893.
" Vgl. vita Gelas., Watterich II S. 92; Cas. mon. Petrish. II, 30 Scr.
XX S. 645.
— 827 —
am 21. Juli, der Sturz seiner Feinde werde nicht lange mehr aus-
bleiben; dann werde der Friede in der Kirche auf das herrlichste
sich entfalten ^ Er fand nicht Worte genug, um ihre Verworfen-
heit zu schildern. Schüler des Satans, entflammt von diabolischem
Stolze, schamlos wie Dirnen nennt er sie. Wibert ist ein mein-
eidiger, durch die schandbarsten Verbrechen in der ganzen Welt
bekannter Mensch, ein Häresiarch, ja der Antichrist^. Aber so
erregt er war, darüber täuschte er sich nicht, daß der Streit mit
dem König durch die Waffen entschieden werden mußte. Er traf
demgemäß seine Vorbereitungen. In erster Linie dachte er sich
auf die Normannen zu stützen: unter Vermittelung des Abtes Desi-
derius von Monte Cassino verständigte er sich mit ihnen; Robert
Guiscard wurde vom Banne gelöst und erkannte den Papst von
neuem als seinen Lehnsherren an. Toscanas war er sicher: die
Markgräfin Mathilde hatte bereits ihr ganzes Eigengut diesseits
und jenseits der Berge der römischen Kirche übergeben: sie waltete
in ihrem Besitz als Lehnsträgerin Gregors '^ Auch hoffte er, daß
der Beistand des Adels im Patrimonium ihm nicht fehlen werde*.
Er meinte, an der Spitze eines Heeres Wibei*t aus Ravenna ver-
treiben zu können^. In Deutschland waren die Forderungen der
päpstlichen Bundesgenossen nun endlich erfüllt: er konnte erwarten,
daß sie um so bereitwilliger zum Kampfe sein würden, und er
suchte sie zu entflammen, indem er ihnen versicherte, die Bosheit
der Feinde stehe unmittelbar vor ihrem Zusammenbruch*^.
Aber es kam alles anders, als er dachte. Der Zug gegen
Ravenna war unmöglich, da Robert Guiscard die versprochene
Hilfe nicht leistete'. In Toscana war die Markgräfin Mathilde
« Registr. VIII, 5 S. 434. » A. a. O. S. 433 f.
» S. SchefFer-Boichorst, Mtt. d. Inst. IX S. 177 flf., bes. 185 ff., und XI
S. 119 ff., Overmann, Mathilde v. Tuscien S. 143 f. Eine Urkunde ist nicht
erhalten, der Inhalt läßt sich aus der Erneuerung der Schenkung i. J. 1102
C.I. I S. 653 Nr. 444 entnehmen. Auch die Zeit steht nicht fest ; Overmann
bestimmt: nicht vor 1077 und nicht nach März 1080. Im Juli 1081 entzog
Heinrich in Lucca der Gräfin ihre sämtlichen Lehen, Overmann, N.A. XXI
S 432 f.
* Vgl. die etwas spätere Äußerung Reg. VIII, 34 S. 486.
5 Registr. VIII, 7 S. 436, undatiert. Der Brief gehört in den Hoch-
sommer. Das Einverständnis mit Robert Guiscard wurde Ende Juni her-
gestellt, V. Heinemann I S. 296; Sander S. 32 ff.
6 VIII, 9 S. 438 V. 30. Sept. 1080.
' V. Heinemann I S. 298 ff. Gregor mußte sich begnügen, einen neuen
Bischof zu ernennen, s. Registr. VIII, 13 f. S. 443. Daß Richard nicht ge-
wählt wurde, wie Langen S. 108 sagt (vgl. Martens I S. 220), ergibt sich
— 828 —
der Königlichen nicht gewachsen ^ Vor allem aber war die Lage
in Deutschland ungünstig. Im Sommer erklärte eine Anzahl von
Bischöfen ihre Zustimmung zur Wahl Wiberts-. Am 15, Oktober
kämpften die beiden Könige an der Elster; Eudolf zum Tode ver-
wundet, starb am Tage darnach. So wenig er persönlich bedeutet
hatte, so war sein Tod doch ein Verlust für die Gregorianer, denn
er beraubte sie ihres Hauptes. Da eine neue Königswahl nicht
sofort gelang, so war die politische Stellung Heinrichs wesenthch
verstärkt. Auf die Stimmung des Volkes aber mußte Rudolfs Fall
tief einwirken; denn war er nicht das Gottesgericht, das Gregor
so zuversichtlich vorausgesagt hatte ^? Heinrichs Ar^iang hat ihn
so betrachtet; der König selbst spricht es wiederholt aus, daß Gott
seinen Feind gefällt habe *. Man war auf könighcher Seite kampf-
bereit, das zeigt der Brief, den der Scholastikus Wenrich von Trier
im Namen Dietrichs von Verdun im Jahre nach der Brixener
Synode an Gregor richtete ^. Er ist in der Form maßvoller als
die meisten anderen Streitschriften; aber um so deuthcher läßt er
erkennen, daß sowohl die rehgiösen wie die sittlichen Überzeugungen
der Deutschen durch Gregor tief verletzt waren. Das Fluchgebet
des Papstes erschien ihnen wie das gerade Gegenteil aller aposto-
lischen Ermahnungen, und in der Lösung der Untertanen vom
Treueid erbhckten sie die Verführung zu der offenbarsten und
aus ep. 14 S. 445: Ravennatem archiepiscopum, . . Richardum, quem . .
nuperrime, sicut oKm a b. Petro Apollinarem ita hunc Ravenna ab ecclesia
Romana meruit accipere, Studium vobis sit . . confirmare etc. In Ravenna
fand er, wie es scheint, keine Aufnahme.
1 Niederlage bei Volta in der Nähe von Mantua Mitte Oktober 1080,
Bern. z. 1080 S. 436, Bonizo IX S. 613.
- Bernold S. 436. Es geschah auf einer Versammlung zu Mainz.
Namen der Teilnehmer sind nicht bekannt. Daß die Brixener Beschlüsse
auch Bedenken bei gut kaiserlich gesinnten Männern hervorriefen, zeigt
vit. Benn. Osn. 18 S. 24, und Ann. Aug. z. 1080. Bemerkenswert ist auch
der Rücktritt Dietrichs von Verdun von der Opposition gegen Gregor, Cod.
Udalr. 62 S. 129 ff. Doch trat er nach wenigen Monaten wieder auf die
königliche Seite über.
■■» Sigib. z. 1080 S. 364; vgl. die bekannte Erzählung des s.g. Ekkehard
von den letzten Worten Rudolfs und dazu Buchhclz, Ekkeh. von Aura
S. 76 f. Schon darin, daß die Dome von Bamberg und Mainz i. J. 1081 ab-
brannten, hatten die Anhänger Heinrichs ein Gottesgericht über den Gegen-
könig gesehen, de un. eccl. II, 9 S. 55.-
^Cod. Udalr. 66 S. 138; Ep. Bamb. 9 S. 500 f.
5 L. d. 1. I S. 284 ff. In Betracht kommen bes. c. 4 u. 6. Über die Ab-
fassungszeit Mirbt S. 25. Zu den Citaten Dümmler, N.A. XXIII S. 769.
~ 829 —
verderblichsten Sunde. So urteilte nicht Wenrich allein; er fand
einen Kampfgenossen an dem Trierer Mönche Theoderich \
Die deutschen Gregorianer dagegen waren entmutigt. Um
dieselbe Zeit, in der Wenrich seine Flugschrift verfaßte, richtete
Gebhard von Salzburg ein Schreiben an Hermann von Metz^
Der Ton des Schmerzes, der es durchzieht, hat etwas Ergreifendes.
Man glaubt es Gebhard gerne, daß er seine Stellung so nahm,
wie er sie seinen Überzeugungen nach nehmen mußte. Für sie
aber war der Satz bestimmend: Excommunicatis non est communi-
candum. Er glaubte, daß das ganze Altertum für ihn Zeugnis
ablege. Die Erhebung des Episkopats gegen Gregor dünkte ihn
eine kirchUche Revolution ohne Gleichen. Auch hier war er ge-
bunden durch seine Überzeugung, daß das Recht des Papsttums
unabhängig sei von der persönlichen Würdigkeit des Papstes. Da-
gegen berührten ihn die Bedenken gegen die Lösung des Treueides
nicht. Gebhard hat nicht, wie andere, mit der Heiligkeit des Eides
ein frevelhaftes Spiel getrieben; aber für ihn löste sich die Schwierig-
keit einfach durch den Satz, daß ein Eid, der zur Sünde ver-
pflichtet, Frevel ist und deshalb nicht gehalten werden darf; er
sah in dem Verhalten der königUch gesinnten Bischöfe nicht Treue,
sondern Untreue gegen ihren Herrn. Es ist schwer anzunehmen,
daß diese Argumente auf die Gegner viel Eindruck machten:
diese ganze Betrachtungsweise war zu abstrakt für das Verständnis
des Volks. Selbst in Lothringen begann das Urteil über das
Recht Gregors zu schwanken: Hermann von Metz war durch die
Angriffe auf ihn so in die Enge getrieben, daß er sich in Rom
Rats erholte. Nichts ist eigentümlicher als Gregors Antwort. Er
lebte so ganz im Zirkel der eigenen Gedanken, daß er kein Ver-
ständnis für die Bedenken hatte, die die Deutschen nicht zu über-
winden vermochten; er hatte nur Worte der Geringschätzung, der
bitteren Verachtmig für sie. Wenn er gleichwohl sich die Mühe
nicht verdrießen ließ, sie eingehend zu widerlegen, so erkannte er
damit an, wie verbreitet und wie gefährhch sie für ihn waren ^.
An Frieden mit Heinrich dachte er nicht; vielmehr wieder-
holte er auf der Fastensynode von 1081 die Exkommunikation
seiner Gegner*. Der Fortsetzung des Kampfes aber sah er ohne
Furcht entgegen. Besorgnisse für die eigene Sicherheit waren ihm
1 Die Schrift ist verloren; über sie Gesta Trevir. cont. 1,14 S. 188.
2 L. d. 1. I S. 263 ff. Der Bf ist nach dem Aufbruch Heinrichs nach
Italien, März 1081, geschrieben.
3 Reg. Vin, 21 S. 453 ff.; die Hauptgedanken oben S. 766 f.
* Ib. 20a S. 452.
— 830 —
stets fremd ^; und täuschte er sich nicht darüber, daß sein Anhang
in Itahen dem König nicht gewachsen sei, so hoffte er doch durch
die Unterstützung des Herzogs Weif die Wage ins Gleichgewicht
zu bringen^. Worauf seine Gedanken gerichtet waren, zeigt mit
unbarmherziger DeutHchkeit der Eid, den er von dem neu zu
wählenden König forderte: er erstrebte den Vollzug der konstan-
tinischen Schenkung, die Herabdrückung des deutschen Königs ziun
päpstlichen Vasallen '\ So wenig war er geneigt, auf die Friedens-
mahnungen, die an ihn gerichtet wurden^, zu hören, daß er glaubte,
es sei möglich, die Anhänger Heinrichs zu gewinnen'"^.
Heinrich konnte nicht zweifeln, was er zu tun hatte. Für
ihn gab es jetzt nur ein Ziel: Rom, Dort mußte das Urteil über
Gregor vollstreckt, Wibert eingesetzt werden. Aber vergeblich ver-
suchte er mit seinen deutschen Gegnern zum Frieden oder zum
Waffenstillstand zu gelangen. Als auch die Konferenz im Kaufuuger
Walde Anfang Februar 1081 nicht zum Ziel geführt hatte ^, wagte
er es, Deutschland trotzdem zu verlassen. Doch seiner Kühnheit
fehlte der Lohn. Zwar Eobert Guiscard bewies sich so unzuver-
lässig, wie Gregor erwartet hatte '. Aber noch waren die Römer
treu. Heinrich fand bei ihnen keinen Glauben für seine Versicherung,
daß er mn- komme, um die ererbte Kaiserwürde in Empfang zu
nehmen, und keine Zustimmung für seinen Plan, den Streit zwischen
Königtum und Priestertum in Rom im Rate aller seiner Getreuen
beizulegen^. Wenn er gedacht hatte, er werde, wie einst sein
Vater, über den Papst Gericht halten können, so sah er sich ge-
^ Reg. VIII, 26 S. 474: Quod (Hilfe aus Deutschland) si nobia, qui illius
(Heinrichs) superbiam parvi pendimus, deficiat, non adeo grave videtur.
2 A. a. 0.
^ Ib. S. 475: Ab hac hora et deinceps fidelis ero per rectam fidem
b. Petro apost. eiusque vicario pape Gregorio, qui nunc in carne vivit. Et
quodcunque mihi ipse papa praeceperit, sub his videlicet verbis: per veram
oboedientiam, fideliter, sicut oportet christianum, observabo. De ordinatione
vero ecclesiarum et de terris vel censu, quae Constantinus Imperator vel
Carolus s. Petro dederunt, et de omnibus ecclesiis vel praediis, quae aposto-
licae sedi . . sunt oblata vel concessa, et in mea sunt vel fuerint potestate,
ita conveniam cum papa, ut periculum sacrilegii et perditionem animae
meae non incurram. Et Deo sanctoque Petro, adiuvante Christo, dignum
honorem et utilitatem impendam. Et eo die, quando illum primitus videro,
fideliter per manus meas miles s. Petri et illius efficiar.
4 Reg. VIII, 26 S. 474. s vill, 33 S. 484 f.
« Bruno 126 ff. S. 97 ff. Gebeh. ep. 17 S. 264.
' Reg. VIII, 34 S. 485 ; vgl. v. Heinemann I S. 306 ff.
* Proklamation an die Römer Cod. Udalr. 66 S. 138 f.
— 831 —
täuscht Gregor behauptete die Stadt Auch in Deutschland ge-
lang ein gegen den König gerichteter Schlag; im August 1081 gab
sich ein Teil der empörten Fürsten in Hermann von Lützelburg
einen neuen König \ Der Bürgerkrieg dauerte also fort. Aber
Heinrich hielt trotz alledem aus: sein Standpunkt wurde nur schärfer
und bestimmter. Anfang 1082 erneuerte er in einer Proklamation
an die Römer die Versicherung, der Zweck des Romzugs sei die Her-
stellung des Friedens zwischen dem regnum und dem sacerdotium.
Zugleich aber erklärte er nun, daß Gregor vor ihm, dem König, sich
zu rechtfertigen habe; im Angesicht der ganzen Kirche solle eine
Untersuchung über die Rechtmäßigkeit seines Pontifikats angestellt
werden. Ja er wagte es, den Satz zu bestreiten, daß der Papst
von niemand gerichtet werden könne: er glaubte ihn durch Schrift-
gründe widerlegen zu können^. Auch diesmal fehlte ihm der Er-
folg; aber schließlich erzwang seine Zähigkeit wie einst in Canossa
den Sieg. Am 3. Juni 1083 nahm er die Leostadt ein; diesseits
des Flusses bHeb nur die Engelsburg in der Gewalt des Papstes^.
Auf dem engsten Raum standen jetzt die Kämpfenden einander
gegenüber. Keiner zeigte sich bereit, die Waffen zu senken. Gregor
hat am 24. Juni den Bann über Heinrich und Wibert zum vierten
Mal verkündigt*; vier Tage später führte Heinrich seinen Papst
nach St. Peter, daß er Besitz vom bischöfUchen Stuhle Roms er-
greife^. Eine eigentliche Inthronisation unterblieb; die Stadt war
ja nicht in der Macht des Kaisers.
Trotzdem fanden in diesen Wochen Unterhandlungen statt, um
den Frieden herbeizuführen^. Zunächst bewegten sie sich zwischen
1 Über das Einzelne s. Giesebrecht S. 534 ff., Richter III, 2 S. 329 ff.,
Meyer von Knonau III S. 417 ff.
2 Ep. Bamb. 9 S. 498; vor oder auf dem zweiten Marsch gegen Rom,
also wahrscheinlich im Beginn dee Jahres 1082 erlassen.
ä Ann. August, z. 1083 S. 130; Benev. Scr. EI S. 182; Bernold S. 437 f.;
vgl. Reg. VIII, 58 a S. 516 f. Meyer von Knonau bezieht wohl mit Recht
das von Dümmler L. d. 1. I S. 433 herausgegebene Gedicht zu 1083, s. III
S. 478. * Bern. z. 1084 S. 441.
5 Ann. Aug. z. 1083 S. 130. An Inthronisation im eigentlichen Sinn
kann dabei nicht gedacht werden; sie fand erst im nächsten Jahr statt.
An Einführung in den Lateranpalast zu denken, scheint mir ebenfalls un-
zulässig; wahrscheinlich war er im Besitz Gregors.
•* Quellen für das Folgende sind die Notizen der Historiker über die
Unterhandlungen mit den Römern: Bern. z. 1083 S. 438, Ekkeh. S. 205,
Lup. Bar. annal. Scr. V S. 61, Bonizo IX S. 614, der Eid der Römer C.I. I
S. 651 Nr. 442 und die päpstlichen Briefe Reg. VEI, 51 S. 503 u. ep. coli. 23
S. 550. Der letztere Brief beweist direkte Unterhandlungen zwischen dem
4
— 832 —
Heinrich und den Kömern. Dabei knüpfte man an die von Heinrich
längst geforderte Synode an. Es war kein kleines Entgegenkommen,
daß er ihre Berufung durch Gregor zugestand und daß er versprach,
die gregorianisch gesinnten Bischöfe an ihrem Besuch nicht zu
hindern. Als man so weit war, begannen direkte Unterhandlungen
zwischen Bevollmächtigten des Königs und des Papstes. Sie führten,
wie es scheint, zu einem Übereinkommen auf Grund folgender
Bedingungen: Gregor sollte die Synode berufen und sich ^- man
kann vermuten: nach dem Vorbild Leos III. durch einen Eid —
von den gegen ihn erhobenen Anklagen rechtfertigen^, Teibiehmer
der Synode sollten die Bischöfe und Fürsten beider Parteien sein ^,
die Synode aber solle den kirchlichen Streit definitiv entscheiden^:
man dachte also an einen Friedensschluß einerseits auf Grund
der Anerkennung Gregors, andererseits auf Grund einer sachhchen
Entscheidung des Episkopats, der in seiner Majorität kaiserlich
gesinnt war.
Allein was zum Frieden dienen sollte, vertiefte nur den Zwie-
spalt. Denn Gregor berief zwar die Friedenssynode für den November
1083, erklärte auch, daß Freund und Feind Teilnehmer sein sollten.
Aber seine Ausschreiben zeigten nur allzu deuthch, daß sein Ziel
nicht Friede war. Man wird es als Folge davon zu betrachten
haben, daß, als der Herbst kam, ein Teil der zur Synode reisenden
Prälaten von den Parteigängern Heinrichs gefangen genommen und
am Besuch der Synode gehindert wurdet Die "Wirkung konnte
nur die tiefste Verstimmung Gregors sein: wer wollte ihm Unrecht
geben, wenn er über Bruch des zugesagten Geleites klagte?
So war die Katastrophe nicht aufzuhalten. Aus der Friedens-
königlichen und päpstlichen Hof: Fideles nostri a maioribus, qui sunt in
curia Heinrici dicti regis, iuramento securitatem receperunt. Von diesen
Unterhandlungen weiß auch Sigibert z. 1083 S. 364. Was die Datierung
der beiden Briefe anlangt, so muß ep. coli. 23, da die Synode für Mitte
November berufen ist, spätestens im Beginn des Herbstes geschrieben sein.
Die Verhandlungen mit dem Papste waren also im Juli oder August zum
Abschluß gekommen; Reg. VIH, 15 scheint mir den Abschluß vorauszusetzen;
denn Gregor weiß genau, was er zu leisten und was er zu erwarten hat.
Der Brief ist also gleichzeitig mit ep. coli. 23.
^ Reg. VIII, 51 : In qua synodo . . secundum s. patrum decreta parati
erimus, quod iustum est, facere et iniquorum nequitiam revelantes de his,
quae apostoHcae sedi obiciuntur . . ipsius innocentiam evidenter ostendere.
^ Ibid.: Ut ad eum possint undique terrarum clericaüs ordinis et
laicalis amici vel inimici sine timore convenire.
^ Ep. coli. 28: Ut . . discordia, . . congruum valeat finem sortiri.
" Reg. Vm, 58 a S. 516, Bern. z. 1083 S. 438, Borizo IX S. 614.
— 833 ~
Synode wurde eine kleine Versammlung, deren gedrückte Stimmung
Gregor vergeblich durch eine seiner energischen Reden zu heben
versuchte. Sie ging nach drei Sitzungen, ohne einen Beschluß
gefaßt zu haben, auseinander ^. In der Tat war die Lage außer-
ordentlich bedenklich. Die römische Bevölkerung hatte es kein
Hehl, daß sie des Krieges müde war^. Auch unter dem Klerus
aber regte sich die Opposition ^ Schon im Mai 1082 hatte ein
Teil der römischen Geistlichkeit eine Erklärung gegen die Ver-
wendung der Kirchengüter zum Zwecke des Kriegs beschlossen*.
Die Unruhe hatte sich, wie Gregor wußte, nicht gelegt^. Jetzt
kam es zum offenen Bruch: 13 Kardinäle und eine Anzahl anderer
Kleriker sagten Gregor die Gemeinschaft auf. Nur durch sehr
energische Maßregeln konnte er verhindern, daß der Abfall weiter
um sich grifft Bis zum Frühjahr 1084 bheben die Verhältnisse
in, der Schwebe. Dann öffnete die Stadt dem König ihre Tore:
am 21. März nahm er vom Lateran und der päpstHchen Kirche
Besitz. Am 24. ließ er Wibert inthronisieren; am 31., dem Oster-
1 Eine Notiz über die Synode im Reg. VIII, 58a S. 516 f.; andere Nach-
richten bei Bernold. Ob die von v. Pflugk -Harttun g, Acta II S. 125 edierten
Kanone3 Gregor angehören, scheint mir zweifelhaft; jedenfalls gehören sie
nicht zu dieser Synode. ^ Reg. VIII, 58 a S. 516.
^ Sie scheint bis in die Zeit unmittelbar nach dem Tode Rudolfs zu-
rückzugehen, cf. Reg. VIII, 26 S. 474.
* Protokoll bei Mansi XX S. 577. Schnitzer, Die Gesta Rom. eccles.
(1892) S. 3 spricht von der Gegenwart Gregors; davon weiß das Protokoll
nichts. Er tadelt Giesebrecht, daß er die Synode dem Jahre 1082 zuschreibt.
Aber die Zählung vom Konsekrationstage an ist doch begründet. Die anti-
gregorianische Absicht scheint mir auf Grund des Inhalts sicher. Eine Be-
stätigung liegt darin, daß in dem Verzeichnis der abgefallenen Kardinäle
bei Beno Geata I S. 369 die Namen des Johannes von Porto, der Kardinäle
Beno, Hugo und Azo wiederkehren. Denn daß in dem Protokoll statt Um-
bertus Ugo zu lesen ist, ergibt sich aus dem Zusatz episc. Praenestinus;
in dem Verzeichnis der Kardinäle aber steckt nach Sackurs einleuchtender
Vermutung Ugo albus in Ugobaldus. Auch der Kardinal Romanus gehört
später zu den Abtrünnigen, L. d. 1. H S. 405. Daß Bruno von Segni 1082
mittagte, ist natürlich kein Grund gegen den oppositionellen Charakter
der Versammlung; denn er am wenigsten scheute vor Widerspruch zurück.
Man sieht nur, daß die verschiedenartigsten Männer an Gregor irre zu
werden anfingen. De un. eccl. II, 2 S. 42 scheint auf die Synode Bezug
zu nehmen.
^ Reg. VIII, 51 S. 503 : Quidam fratrum submurmurant.
« Landulf Hist. Mediol. III, 33 S. 100 ßenon. Scripta I, 1 L. d. !. 11
S. 369, in, 10 S. 394.
KO
Hauck, Kirchengeschichte. III. *"*
— 834 —
fest, empfing er aus seiner Hand die kaiserliche Krone \ Wie be-
absichtigt, ging der Inthronisation Wiberts die definitive Absetzung
Gregors, und die wiederholte Wahl Wiberts voraus^. Besonders
bei ihr kam dem König der Abfall der Kardinäle zu gut ^. Sorg-
fältig wurden die kanonischen Formen beobachtet: man wollte
offenbar nicht in den früheren Fehler zurückfallen*.
Man kann es verstehen, daß Heinrich voll Siegesjubel war.
Unglaublich scheint, schrieb er an Dietrich von Verdun, was greif-
bare Wirklichkeit ist: durch eine Hand voll Menschen hat Gott
an mir das vollbracht, was alle als Wunder betrachtet hätten, wenn
es von unseren Vorfahren mit Zehntausenden ausgeführt worden
wäre. Der gleiche Siegesjubel erfüllte seine Anhänger: aller Welt
glaubten sie den Triumph des Kaisers verkündigen zu sollen'"^.
Wie bitter mußten die Empfindungen sein, die Gregor beseelten :
er hatte zum drittenmal sein Ziel verfehlt, vollständiger, hoffnungs-
loser als je vorher. Darf man seine Stimmung daraus erkennen,
daß er, der sonst so rasch das Wort ergriff, nun schweigsam vmrde?
Aus den vierzehn Monaten, die zwischen dem Einzug des Könige
und dem Tod des Papstes in der Mitte liegen, sind nur zwei Briefe
Gregors auf uns gekommen^: noch einmal Erlasse an alle Christen.
Sie enthalten die Klagen des Besiegten. Der Gedanke, daß es
sich im ganzen Kampf um die Freiheit der Kirche gehandelt habe,
1 Bern. z. 1084 S. 440 f. Ann. Aug. S. 131. Ekkeh. S. 205. Heinr.
ep. ad Theoder. Scr. VIII S. 185. Der Brief ist auf dem Rückweg nach
Deutscliland geschrieben.
2 De un. eccl. 11,7 S. 51; Sigib. S. 364 f.; Ekkeh. S. 205; Bonizo IX
S. 614; vgl. auch Cod. Udalr. 69 S. 141. Diota cuiusd. L. d. 1. I S. 459 f.
^ Heinrich sagt in dem eben zitierten Brief, Hildebrand sei legali
omnium cardinalium ac totius populi Romani iudicio abgesetzt worden. Die
Teilnahme aller Kardinäle ist offenbar unrichtig: wahrscheinlich ist jedoch,
daß die jüngst abgefallenen beteiligt waren.
* Die Gregorianer fürchteten von der Inthronisation einen ihrer Sache
ungünstigen Eindruck, vgl. Cod. Udalr. 69 S. 141 f. Die Wibertisten waren
auch jetzt nicht ohne Bedenken; sie rechtfertigten den Schritt durch den
Satz : Necessitas non habet legem, de un. eccl. II, 6 S. 49.
6 Benzo VI S. 666 v. 25 ff. Auch Dicta cuiusd. 1. c.
8 J.W. 5273 und Ep. coli. 46 S. 572 ff. Der letztere Brief ist erst
nach der Befreiung des Papstes geschrieben; er ist das Begleitschreiben für
die Legaten. Ich benütze ihn hier, da er die Stimmung Gregors kennen
lehrt. Giesebrecht weist ferner Reg. VIII, 28 S. 468 dem Jahr 1084 zu; vgl.
dagegen Meyer von Knonau III S. 366 Anm. 34. Übrigens ist das Schrift-
stück kein Brief, sondern eine kurze Instruktion für die Gesandten nach
Frankreich.
— 835 —
kommt zum schärfsten Ausdruck. Gregor ruft Wehe darüber, daß
es ihr, der Braut Gottes und der Mutter der Gläubigen, nicht
erlaubt sein soll, nach dem göttlichen Gesetz und ihrem eigenen
Willen ihrem Bräutigam anzuhängen: Ich rufe, rufe und rufe von
neuem und verkündige euch: die christHche Frömmigkeit und der
w^ahre Glaube, den der Sohn Gottes durch unsere Väter uns ver-
kündigt hat, ist, ach des Jammers, schier zu nichte geworden, ein
Spott des Teufels, der Juden und Sarazenen. Die Schuld schreibt
er der Nachlässigkeit und Feigheit seiner Gesinnungsgenossen zu.
Er selbst fühlte sich auch jetzt schuldlos: seitdem er wider seinen
Willen die päpstliche Würde erhalten habe, sei sein höchstes Ziel
gewesen, daß die Kirche die ihr eigene Schönheit wieder erlange,
frei, rein und kathohsch bleibe. Der Teufel habe gegen ihn seine
Glieder bewaflcnet, daß sie an ihm Untaten vollbracht, wie man
seit Konstantins Tagen sie nicht mehr gekannt. Deshalb fordert
er Hilfe von der Christenheit. Ich bitte und gebiete euch durch
den allmächtigen Gott: Helft, stützt euren Vater und eure Mutter,
wenn ihr begehrt, durch sie Vergebung eurer Sünden, Segen und
Gnade in dieser Welt und in der Ewigkeit zu erlangen!
Es ist selten ein gleich leidenschaftliches, ein ähnlich ergreifen-
des Schriftstück von der Kurie in die Welt ausgegangen: aber es
verhallte fast ungehört. Die europäischen Nationen blieben ruhig
und die deutschen Bundesgenossen Gregors heßen ihn im Stich.
Endlich erhob sich Robert Guiscard. Heinrich war ihm nicht ge-
wachsen; auch wollte er seine Rückkehr nach Deutschland nicht
durch einen neuen Krieg verzögern lassen^: deshalb verließ er am
21. Mai Rom. Wenige Tage später erschienen die Normannen an
den Toren: sie nahmen die Stadt des Papstes ein wie eine Festung
und sie hausten in ihr wie Barbaren : der ganze, dem päpstlichen
Palast zunächst gelegene Teil der Stadt wurde vernichtet-. Das
war nicht eine Beffeiung, wie Gregor sie wünschen konnte. Sie
kostete ihm vollends die Treue der Römer ^ Als Robert Guiscard
Rom verließ, wagte er nicht, dort zu bleiben. Er begleitete den
Herzog nach dem Süden. Während Wibert im Lateran seinen
Sitz nahm, lebte er als Verbannter von den milden Spenden der
Mönche von Monte Cassino*. Was nützte es, daß er von Salerno
1 In dem S. 834 Anm. 1 erwähnten Brief Heinrichs sagt der König:
Quanto citius possumus ad has partes (nach Deutschland) properamus.
"' S. hierüber Gregorovius IV S. 224, v. Heinemann I S. 325 f., Meyer
V. Knonau III S. 551 ff.
^ Von Wido hervorgehoben, de schism. Hildebr. 20 S. 549.
4 Ann. Saxo z. 1085 S. 721, Petr. cbron. Mon. Casin. 111,53 Scr. VIE S.74L
53*
— 836 —
aus zum fünftenmal den Bann über Heinrich verhängte^? An ihm
selbst war das Urteil von Brixen vollstreckt: er war entsetzt und
vertrieben. Was nützte es, daß er Legaten aussandte, um die
christliche Welt zu seiner Befreiung aufzurufen^? Die Welt ge-
horchte ihm nicht. Zumal in Deutschland hatte sein Legat Otto
von Ostia nicht den mindesten Erfolg. Er hielt wahrscheinhcli in
Gerstungen am 20. Januar 1085 eine Versammlung der beiden
streitenden Parteien ^. Man muß ein Entgegenkommen darin sehen,
daß er mit den exkommunizierten Bischöfen gemeinsam tagte. Aber
er vermochte sie nicht zu bewegen, daß sie sich der päpstlichen
Anschauung auch nur im geringsten näherten. Während die
Gregorianer, geführt von Gebhard von. Salzburg darauf bestanden,
daß das Exkommunikationsrecht des Papstes unbeschränkt und der
einmal ausgesprochene Bann unbedingt giltig sei, bestritten sie, an
ihrer Spitze Konrad von Utrecht und Wernher von Mainz, das
formale Recht der über Heinrich gefällten Sentenz; denn so wenig
gegen einen Kleriker prozediert werden dürfe, so lange er aus
seiner Stelle vertrieben sei, so wenig habe gegen Heinrich zugleich
die Exkommunikation und die Entziehung des Reichs ausgesprochen
werden dürfen. Es berührt seltsam, daß die Kaiserlichen ihren
Satz aus Pseudo-Isidor bewiesen*; verständhch ist jedoch, daß
dieser Beweis Eindruck machte. Unter den Augen des päpstlichen
Legaten begann der Abfall in den Reihen der Gregorianer: Udo
von Hildesheim, sein Bruder der Graf Konrad und der Graf Diet-
rich von Katlenburg sagten sich vom Papste los. Der letztere
fiel in dem sofort beginnenden Kampf; aber die beiden änderen
begaben sich zum König ^ Andere folgten ihrem Beispiel.
Die Niederlage Gregors brach nicht seine Überzeugungen, aber
1 Bemold. z. 1084 S. 441. ^ j]p ^q^ 45 S. 573, Bernold 1. c.
* Wir haben über sie Nachrichten: 1. in dem Rundschreiben des
päpstlichen Legaten (bei Giesebrecht III S. 1234 Nr. 11), 2. bei d. Anon. da
Unit. eccl. II, 18 S. 74 und in dem liber can. ctra. Heinr. IV. c. 13 S. 486,
3. in dem Fragment der großen Regensburger Annalen Scr. XIII S. 49, den
Ann. Patherbr. S. 100, dem s.g. Ekkeh. z. 1085, dem Ann. Saxo S. 721, den
Ann. Magd. S. 176. Daß das Rundschreiben eine Mißdeutung der gegnerischen
Erklärungen gibt, zeigen der Anon. und der über can. Wo die Besprechung
stattfand, ist nicht sicher. Der Anon. und das Regensb. Fragment nennen
Geretungen, dagegen Frutolf, die Magdeb. Annal. und der sächs. Annalist
Berkach, Gerstungen gegenüber am rechten Werraufer.
* Praef. c. 6 S. 18.
•'* Zu Udos Abfall vgl. auch das Schreiben des KL. im ÜB. d. JH. Hild.
S. 138 Nr. 145.
— 837 —
seine Kraft. Am 25. Mai 1085 ist er in Salerno gestorben \
nachdem er im vollen Bewußtsein des Momentes erklärt hatte,
daß er Heinrich und Wibert die Absolution versage, denen dagegen
sie gewähre, welche nicht zweifelten, daß er die Macht der Apostel-
fürsten Petrus imd Paulus besitze. Das war der Punkt, um den er
kämpfte: mit der im Tode erstarrenden Hand hat er ihn festgehalten.
Herb und bitter ist sein Abschiedswort an die Welt: Geliebt habe
ich die Gerechtigkeit und gehaßt das Unrecht, deshalb sterbe ich
im Elend. So spricht der Besiegte.
Es ist schwer, Gregor gerecht zu beurteilen. Zwar daran
zweifelt niemand, daß er unter den vielen großen Päpsten einer
der gewaltigsten war, fast unerreicht in dem hohen Flug seiner
Gedanken und in der nachdrücklichen Kraft seines Willens. Aber
damit ist nicht viel gesagt. Denn man kann die Größe eines
Mannes nicht nach der Stärke seines Wollens und nach der Kon-
sequenz imd der Kühnheit seines Denkens allein bemessen. Nur
der ist wahrhaft groß, bei dem Gedanke und Wille ihr Maß er-
halten durch das Gefühl für das, was möglich ist, und durch das
Streben nach dem, was frommt. Wenn man Gregor mit diesem
Maßstab mißt, so muß man urteilen, daß die Geschichte recht ge-
richtet hat, indem sie den Namen des Großen nicht dem siebenten,
sondern dem ersten Gregor gab. Er gehört zu den Männern, bei
denen die Energie des Charakters täuscht über die Größe des
Talents. Man kann das Urteil finden, daß er die Macht Roms
groß gemacht habe, wie nie zuvor. Der Satz ist ein interessantes
Beispiel für jenen leicht verständlichen Irrtum. Denn ganz ver-
geblich fragt man, wo der Gewinn liegt, den Rom von den' Regi-
ment Gregors VII. gehabt hat^. Sein Pontifikat war eine Kette
von Niederlagen: nichts von dem, was er erstrebte, weder die Unter-
werfung des Episkopats, noch die Beseitigung der fürstlichen Macht
in der Kirche, noch die Unterordnung der welthchen Gewalt unter
die geisthche hat er erreicht: hier überall waren seine Absichten
im Jahre 1085 von ihrer Verwirklichung weiter entfernt als im
^ Die Nachrichten über den Tod Gregors sind zusammengestellt bei
Watterich I S. 470 f., vgl. Meyer v. Knonau IV S. 59 ff.
' Das Urteil Mirbts (S. 610), daß die Eomanisierung der Kirche
wesentlich das Werk Gregors sei, halte ich für irrig. Denn 1. fand er die
Anschauungen über die Stellung des Papstes in der Kirche bereits vor: er
hat sie nicht geschaffen; und 2. fand er die Tatsache, daß der Papst
regiert, ebenfalls bereits vor: er hat sie nicht herbeigeführt; sie war mehr
das Werk Leos IX. . als das seine. Auf beidem aber beruht die Komani-
sierung der Kirche.
— 838 —
Jahre 1073. Sucht man den Grund, so ist unleugbar, daß die
Schuld zum Teil ihn selbst trifft. Indem er in seiner Leiden-
schaftlichkeit einem immer höher, umfassender gedachten Ziele zu-
drängte, machte er selbst jeden Erfolg seiner Bestrebungen un-
mögHch: er wollte die zweite Stufe beschreiten, ehe die erste erreicht
war. So handelt der große Politiker nicht. So ungewöhnlich es
scheinen mag, ich kann nicht umhin zu urteilen, daß Gregors
Talent an der Aufgabe scheiterte, die er sich gesteckt hatte. Doch
nicht daran allein darf man erinnern. Der unbestreitbare Erfolg
seines Pontifikats besteht darin, daß er dem Papsttum die bewußte
Kichtung auf AVeltherrschaft verhehen hat. Er hat diesen Ge-
danken nicht zuerst erfaßt. Aber was einst bei Nikolaus I. als
die letzte Konsequenz seiner Vorstellungen über den Umfang der
päpstlichen Macht schier überraschend an das Licht trat, das ist
von ihm so klar gedacht, so enge mit den alten Fundamental-
sätzen über das Wesen der päpstlichen Gewalt yerbunden, daß es
nie wieder vergessen werden konnte, nie wieder vergessen worden
ist. Man nennt seinen Kampf eine Epoche des Investiturstreits;
die Bezeichnung ist unrichtig, denn sie spricht nur die "Veranlassung
des Streites aus, nicht seinen Gegenstand. Dieser war seit dem
Jahre 1076 größer und gewichtiger: nicht um die Investitur, son-
dern um die Weltherrschaft kämpfte Gregor. Aber dies Ziel waf
unerreichbar: nicht einmal seine Mitkämpfer haben es erfaßt, ge-
schweige denn, daß das Gewissen des Volkes es gebilligt hätte. Es
stimmte Gregor zu, als er gegen die Simonisten auftrat, aber schon
an der kirchlichen Gewalt der Fürsten nahm es keinen Anstoß,
und davon vollends wußte es nichts, daß der deutsche König nur
dann legitimer Herrscher sei, wenn er ein Vasall des Papstes
werde. Gregor mußte scheitern, nicht allein weil sein Talent nicht
groß genug war, sondern vor allem weil die Wirklichkeit seinen
Gedanken hart und unüberwindlich gegenüberstand; an ihr zer-
schellten sie. Sein großes Ziel hat er seinen Nachfolgern als ein
Erbe hinterlassen. Aber nicht nur wir Protestanten urteilen, daß
er den römischen Bischöfen dadurch die schlimmste Gabe dar-
brachte, daß er ihnen das Streben nach der Weltherrschaft zur
Pflicht machte. Denn nichts hat der päpstlichen Macht solchen
Eintrag getan, als dieses Streben. Es bewirkte, was die Ver-
worfenheit der schlechtesten Päpste nicht zu bewirken vermocht
hatte, daß die Welt irre wurde an der Idee des Papsttums.
Doch wir eilen der Entwickelung voraus. Kehren wir zu den
Verhältnissen im Jahre 1085 zurück, so muß man urteilen, daß
die Kirche in Deutschland wie in Itahen sich in einem Zustand
der größten Verwirrung und Zerklüftung befand. In Oberitalien
— 839 ~
waren die meisten Bischöfe von Gregor suspendiert oder gebannt;
als päpstlicher Vikar waltete in der Lombardei Anselm von Lucca^.
In Deutschland galten den Gregorianem seit der Erneuerung des
Bannes über Heinrich alle Bischöfe, die ihm Treue hielten, für der
Exkommunikation verfallen. Sie bildeten weitaus den größeren
Teil: mitten im Kampf war Heinrich die Rekonstruktion des deut-
schen Episkopats gelungen: er war wieder die Stütze des Throns.
Zu der kaiserlichen Partei gehörten die Erzbischöfe von Mainz,
Köln, Trier und Hamburg. Am letzteren Orte stand immer noch
der kluge, mannigfach gebildete Liemar im Amte, ein Mann von
unwandelbarer Treue; er galt als der einflußreichste Mann im Rate
des Königs^. Was Mainz anlangt, so war Siegfried nach langer,
wenig rühmlicher Amtsführung am 16. Februar 10S4 gestorben.
Heinrich hatte ihm in dem Halberstädter Domherrn Wernher einen
vortreffHchen Nachfolger gegeben;- auch seine Gegner erkannten
das hervorragende Wissen und die glänzende Beredsamkeit des
neuen Erzbischofs an; seine Zuverlässigkeit war zweifellos^. Li
Köln war seit Weihnachten 1.078 ebenfalls durch königUche Er-
nennung der bisherige Dekan Sigewin Erzbischof*. Trier hatte im
Januar 1079 in dem Passauer Propst Egilbert einen mutigen und
überzeugungstreuen Leiter erhalten^. Wie die Erzbischöfe, so
standen auch die meisten Bischöfe auf der Seite des Kaisers: im
Süden und Westen waren nur Gebhard von Salzburg, Altmann
von Passau, Adalbero von Würzburg, Adalbert von Worms und
Hermann von Metz entschiedene Anhänger Gregors. Unter ihnen
war Gebhard wohl der angesehenste * : in diesen Jahren ungerechter
Leidenschaftlichkeit sprach man auch auf gegnerischer Seite nicht
1 Vita Anselm. 24 S. 20 f.
2 Bonizo VII S, 602 : Vir eloquentissimus et liberalibus studiis adprime
eruditus; IX S. 616: Vir sapientisaimus et omnium artium peritissimus. Ann.
Stad. z. 1081 S. 316: Penes quem tunc summa consilli erat. Vgl. Stumpf
2851: Nominis nostri precipuus amator atque optime de nobis merens.
^ Seine Ernennung Ann. Hild., August., Wirzib. z. 1084. Über seine
Person ßernold z. 1084 S. 441 und 1088 S. 448, hier: Eruditione et errore
praecipuus; vgl. das Urteil Ur bans II.: Regi . . diu servierat . . omni vitae
suae tempore deservivit, ep. Mog. 30 S. 373.
* Berth. z. 1079 S. 315.
5 Gesta Trevir. cont. 1,11 S. 184; vgl. Berth. z. 1078 S. 314.
« Die 5 Prälaten sind Ann. Ratisp. mai. z. 1084 Scr. XIII S. 49 ge-
nannt. Über Gebhard die vita Gebeh. Scr. XI S. 25 ff. Mayer, Die öst-
lichen Alpenländer im Investiturstreit 1883; Spohr, Über die polit. u. publiz.
Wirksamkeit G.'s 1890.
— 840 —
anders als achtungsvoll von ihm^. Ihn freute der Streit nicht;
aber so tief er das Unglück des Kampfes empfand, so konnte er
sich doch niemals entschließen, dem Kaiser auch nur den kleinsten
Schritt entgegen zu tun. Vergeblich hatte Heinrich nach der
Eückkehr von Canossa versucht, ihn zu gewinnen. Er ertrug es
lieber, in Schwaben und Sachsen als Verbannter zu leben, als daß
er wider seine Überzeugungen gehandelt hätte ^. Vielleicht noch
mehr als er war Altmann Vertrauensmann Gregors gewesen ^. Seit
1065 stand dieser Westfale an der Spitze der am weitesten nach
Osten vorgeschobenen deutschen Diözese: er wirkte im Sinne der
Keform unter dem Klerus, wie unter den Mönchen. Als der Streit
zwischen Papst und König ausbrach, ergriff er sofort Partei: er
zuerst unter allen deutschen Bischöfen hat die Exkommunikation
über Heinrich verkündigt*; dann hat er als Legat die Gregorianer
gosammelt und geführt. Nach einem längeren Aufenthalt in Rom.^
ernannte ihn Gregor zu seinem ständigen Vikar in Deutschland**.
Als solcher stand er stets in der vordersten Reihe der Kämpfer.
Aber so wenig als Gebhard vermochte er seinen bischöflichen Sitz
zu behaupten. In Passau waren die kaiserlich gesinnten Domherrn
Meister', während er unter dem Schutz des Markgrafen Liutpold
sich im östlichen Teil seiner Diözese aufhielt. Dasselbe Schicksal
hatten die übrigen Gregorianer: Adalbert erreichte zwar die Ent-
lassung aus der Gefangenschaft, in die ihn die Flucht bei Meirich-
stadt gebracht hatte, aber Worms blieb ihm verschlossen^. Adal-
bero^, ein durch seine vornehme Abkunft, wie durch Bildung und
Frömmigkeit gleich ausgezeichneter Mann^", wurde ein Fremdling
in seiner kaiserlich gesinnten Diözese. Selbst Hermann mußte im
Jahre 1078 aus seinem Bistum weichen. Daß er wagte zurück-
zukehren, brachte ihm kein Glück, denn nun wurde er genötigt,
sich dem Kaiser zu unterwerfen^-^. Waren somit im Süden die
1 De un. eccl. II, 18 S. 75; vgl. das Urteil des Parteigenossen Bruno
126 S. 98.
2 Vita Gebeh. 3 f. S. 26, Berth. z. 1077 S. 301. Auct. Garst., Ann. s.
Rudb. unrichtig z. 1079 Scr. IX S. 568 u. 773.
3 Über ihn die vita Altm. Scr. XII S. 226 f.
•* Gest. Trev. cont. I, 11 S. 184; vgl. sein Auftreten auf der Fasten-
synode V. 1079 Berth. S. 316. '" Vita Altm. 14 S. 233.
'* A. a. 0.; Reg. Greg. VIII, 33 S. 484; vgl. über seine Stellung Große,
D. Rona. leg. S. 20 f. ' Vita Altm. 13 S. 233 u. 16 S. 234.
8 De un. eccl. 11,37 S. 118.
« Vgl. über ihn Stein, Geschichte Frankens I S. 178 f.
'^ De un. eccl. 11,29 S. 101.
'^ Vertreibung Sigib. z. 1078 S. 364; vgl. den Brief Dietrichs v. V'erdun
— 841 —
gregorianisch gesinnten Bischöfe in der Minorität, so besaßen sie
in Sachsen das Übergewicht: Hartwig von Magdeburg, Burchard
von Halberstadt, Wernher von Merseburg, Günther von Naumburg,
Benno von Meißen, Hartwig von Verden, Poppo von Paderborn,
Reinhard von Minden standen unentwegt dem Kaiser gegenüber^.
Außer Liemar hielten nur Benno von Osnabrück^, Friedrich von
Münster und sein Nachfolger Erp ^, sowie Diedo von Brandenburg*
ihm die Treue.
Die Verwirrung wurde dadurch vermehrt, daß eine Anzahl
von Diözesen doppelt besetzt war. Es ist erwähnt worden, daß
Heinrich im Jahre 1077 seinem Kapellan Siegfried das Bistum
Augsburg übertrug. Aber der von den Kanonikern erwählte Propst
Wigold verzichtete deshalb nicht auf seinen Anspruch; er nahm
seinen Sitz in dem Kloster Füssen und trat dort als Bischof auf ^.
Als Eilbert von Minden 1080 starb, ernannte Heinrich einen gewissen
Voicmar zum Bischof. Aber Hartwig von Magdeburg weihte auf
Befehl Gregors den vorhin genannten Reinhard ^. . In demselben
Jahr erreichte es Altmann, daß dem Bischof Otto von Konstanz
in der Person Bertolfs ein Gregorianer gegenübergestellt wurde'.
Zwar kam er nie zum wirklichen Besitz des Bistums. Aber er
erhielt im Dezember 1084 in dem Hirschauer Mönch Gebhard,
einem Sohne des Herzogs Berhthold von Zähringen, einen tat-
Gesta Trev. cont. I, 13 S. 186. Er ging nach Rom, Berth. z. 1079 S. 316,
muß aber bald wieder nach Metz zurückgekehrt sein, s. die undatierte, von
Calmet auf ungefähr 1080 bestimmte Urk. Hist. de Lor. I Pr. S. 479; 1084
Unterwerfung Ann. Aug. S. 181; vgl. St. 2864.
^ S. Sieber, Haltung Sachsens gegenüber Heinrich IV. (1883) S. 5.
Über Udo von Hildesheim s. o. S. 836.
2 Ygl. Berth. z. 1078 S. 306.
3 Über Friedrich Bruno 27 S. 17 u. 50 S. 33, und das Schreiben Sigi-
wins von Köln an ihn C.I. I S. 602 Nr. 424. Über Erp de unit. eccl. II,
19 S. 77.
* Er war Teilnehmer an der Synode von Brixen, C.I. I S. 120.
■^ Berth. z. 1078 S. 310; vgl. Ann. Aug. z. 1077 und 1083 S. 129 f. Der
Bericht bei Berthold über Wigolds Konsekration in Goslar ist interessant,
weil dabei zum erstenmal die geistlichen und weltlichen Handlungen ge-
trennt wurden : Cui rex post peracta legitime omnia quae ad ordinationem
ipsius pertinebant, videlicit anulo, virga pastorali et cathedra episcopali ab
archiepiscopo Mogontino susceptis, ex sua parte quicquid regir iuris fuerit
in procurandis bonis aecclesiasticis diligenter commendavit.
6 De un. eccl. II, 24 .S. 84; Ann. Yburg. z. 1080 Scr. XVI S. 437.
■ Ann. Aug. z. 1084 S. 131; Bern. ap. pro Gebeh. L. d. 1. II S. 111p
vo-1. die von Dümmler N.A. XI S. 408 mitgeteilte Notiz.
— 842 —
kräftigeren Nachfolger ^. Und ihm gelang es rasch, in der Diözese
Fuß zu fassend Auch Paderborn hatte seit 1084 zwei Bischöfe,
sie trugen beide den Namen Heinrich ^
So ging dem großen Kampf eine Reihe kleiner Kämpfe zur
Seite. Es war nur allzu berechtigt, wenn Heinrich von der Zer-
Spaltung der Kirche ' und des Reiches spracht Kaum gab es eine
Stadt, die nicht von der Parteiung zerrissen war^. Der Gegensatz
war der schroffste. Während die Gregorianer von den Kaiserlichen
als Meineidige und Verführer, als die Ursache aller vorhandenen
und drohenden Übel bezeichnet wurden^, erkannten sie umgekehrt
keinen Anhänger des Kaisers als rechtmäßigen Bischof an, sie
warfen ihnen Verrat an der Kirche vor; ihr Grundsatz sei: Wir
haben keinen Papst als den Kaiser '. Nicht Segen, sondern Fluch,
brächten ihre Ordinationen, alle ihre Amtshandlungen seien nichtig^
Bei dieser Gesinnung konnte es nicht fehlen, daß der Kampf mit
allen Mitteln geführt wurde, und daß seine verwüstenden Folgen
sich auf allen Seiten bemerklich machten''. Alles Unrecht, seufzt
Konrad von Utrecht, bricht über dieses Zeitalter herein^®. Der
^ Über ihn Meyer v. Knonau in den Schriften d. Vereins f. d. Gesch.
d. Bodensees 25. Heft S. 18 ff.
2 Bern. z. 1084 S. 441, vgl. apol. pro Gebeh. S. 111; Ann. Aug. 1. c;
De un. eccl. 11,24 S. 84; Gas. mon. Pertrish. 11,49 Scr. XX S. 648.
^ Die beiden Bischöfe genannt De un. eccl. II, 19 S. 77 f.; vgl. Scheffer-
Boichorst, Ann. Patherbr. z. 1084 S. 99, u. Ann. Saxo z. 1085.
* Brief an Ruotpert von Bamberg: Notum est tibi, quanto periculo
tota fluctuat ecclesia, quantus error in omni surgit Saxonia, quantaque
desolatione nobilis illa Mettensis penitus destruitur ecclesia; et non solum
ibi, sed et in diversis partibus ecclesia nostri dividitur imperii. (C.I. I
S. 120 f.)
5 Maneg. ctra. Wolfelm. 23 L. d. 1. I S. 306; vgl. von königlicher Seite
Wenrici ep. 2 S. 287.
« Gebeh. epist. 2 S. 264; vgl. den Brief Konrads von Utrecht Cod.
Udalr. 65 S. 137: A traditione domini vix aliquem revocat respectus fidei
vel sacramenti. Wido v. Osnabr. L. d. 1. I S. 468 f., bes. S. 469 über die
Aufhebung des Treueides. ' Maneg. ctra. Wolfelm. 23 S. 306.
8 Vgl. z. B. Bern. z. 1084 S. 441 über die Weihe Wernhers zum EB.
von Mainz.
® Vgl. die Schilderung Widos von Osnabrück S. 467 f.: Ecclesiastica
et regalis possessio velut praeda undique occupatur et circumquaque
districta ab omnibus rapitur. Oves Christi usquequaque pereunt. Bella
plus quam civilia cottidie insurgunt et crescunt. Ecclesiae cura negligituc,""
eins quoque status et ordo turbatur . . . ßasilicae . . expoliantür et ad
• pugnam faciendam et bella commiscenda et homicidia committenda erogantur.
1« Cod. Udalr. 65 S. 137.
— 843 —
stärkste Beweis für die überall einreißende Unsicherheit besteht
darin, daß der Gottesfriede jetzt auch in Deutschland Eingang fand.
Zuerst hat ihn im Jahre 1081 Heinrich von Lüttich im Einver-
ständnis mit dem niederlothringischen Adel verkündigte Seinem
Beispiel folgte im Jahre 1083 Sigewin von Köln^ Er verpflichtete
die gesamte Bevölkerung des Stifts darüber zu wachen, daß der
Friede beobachtet werde. Indem er die getroffenen Bestimmungen
seinen Sufiraganen kundtat^, forderte er sie auf, sich der Kölnischen
Einrichtung anzuschheßen. Im nächsten Jahr führte König Her-
mann den Gottesfrieden in Sachsen ein*. Ebenso nahm ihn eine
Bamberger Synode von 1083 an^. Aber was nützte diese Waffen-
ruhe im kleinen, wenn der große Kampf seinen Fortgang hatte?
Man war in Deutschland des Kampfes müde^. Die kaiser-
hch gesinnten Fürsten drängten zu Friedensunterhandlungen ', und
Heinrich selbst hoffte, als er im Sommer 1084 nach Deutschland
zurückkehrte, daß Gebhard von Salzburg und die Sachsen von
ihrer Opposition zurücktreten würden^. In einem Ausschreiben,
das mit ki-äftigen Worten das Unheil des Reichs schilderte, berief
er die ihm getreuen geistlichen und weltlichen Großen für den
24. November 1084 zu einer Sprache nach Mainz, um zu beraten,
wie die Spaltung in der Kirche beendigt werden könnte^.
Allein auf dem Wege der Unterhandlungen von Partei zu
Partei war dies Ziel unerreichbar. Das bewies der Ausgang des
früher erwähnten Konvents zu Gerstungen. Die einige Monate
später, am 20. April 1085, von den Gregorianern unter dem Vor-
sitz des Legaten Otto von Ostia in Quedhnburg gehaltene Synode
1 Aegid. Aur. Gesta ep. Leod. III, 13 Scr. XXV S. 89. Heinrich IV.
bestätigte den Frieden, Gesta abbr. S. 113. Über die ganze Friedensbe-
wegung Herzberg-Fränkel in den Forsch. 28 S. 117 flf. u. Nitzsch, Gesch. d.
d. V. II S. 109 ff. ' C.I. I S. 602 f. Nr. 424.
3 Der Text des Kölner Friedens ist in einer Mitteilung an Friedrich
von Münster erhalten. * Bern. z. 1084 S. 440.
^ C.I. I S. 605' Nr. 425, vgl. Weilands Einleitung zu diesem Aktenstück.
•^ Charakteristisch sind die Worte Bernolds über den Anschluß der
Sachsen an Heinrich: Existimantes . . optata pace eo regnante se fructuros,
z. 1085 S. 444. Auch in dem Freisinger Gesang auf Heinrich bei seiner
Rückkehr 1084 wünschte der Sänger v. 6: Fax tibi de celis detur, ut ipse
velis, W. Meyer in den Münch. SB. 1882 S. 257.
' Ann. Ratisp. mai. z. 1085 S. 49.
8 Brief Heinrichs in Gesta Trevir. cont. 1, 12 S. 185.
» Einladungsschreiben an Rupert von Bamberg C.I. I S. 120 Nr. 71 u.
Cod. Udalr. 70 S. 142. Es ist nicht bekannt, ob die Versammlung zu-
stande kam.
- 844 —
zeigte vollends, daß auf sachliche Zugeständnisse ihrerseits nicht
zu rechnen sei\ So trat die Frage in den Vordergrund, ob der
Friede, der mit ihnen nicht herzustellen war, nicht durch ihre
vollständige Unterdrückung herbeigeführt werden konnte. Diesen
Gredanken zu verwirklichen, unternahm Heinrich auf dem Mainzer
Konzil vom April 1085 2.
Es war eine große Repräsentation der kaiserhchen Partei in
der Kirche. Neben dem Kaiser waren die drei Erzbischöfe von
Mainz, Köln, und Trier und sechzehn Bischöfe anwesend^; Liemar
und die Bischöfe von Toul, Straßburg und Basel waren durch
Bevollmächtigte vertreten. Auch Wibert hatte nicht versäumt,
Legaten nach Mainz zu senden. In seinem Namen erschienen
1 Das Protokoll dieser Synode C.I. I S. 651 Nr. 443; zu vgl. Bern. z.
1085 S. 442f.; lib. canon. ctra Heinr. 15 S. 488; de un. eccl. 11,22 S. 81;
Ekkeh. S. 206. Bezeichnend ist der erste Beschluß: Prolata sunt decreta
de priniatu sedis apostolice, quod nulli unquam liceat eins iudicium retrac-
tare vel de eius iudicio iudicare, quod et totius synodi publica professione
laudatum et confirmatum est: et hoc utique contra fautores Heinrici, qui
fideles s. Petri constringere voluerunt, ut excommunicationem domini pape
.super Heinricum factam cum illis retractare presumerent. Hiegegen erhob
ein Bamberger Kleriker — Bernold nennt ihn Gumbert — Einsprache. Er
behauptete: Romanos pontifices hunc sibi ipsis primatum ascripsisse, non
aliunde concessum hereditasse. Aber sein Widerspruch machte natürlich
keinen Eindruck. Weiter wurde entsprechend der strikt gregorianischen
Theorie (s. oben S. 782 Anm. 4) die Ordination Wernhers von Mainz, über-
haupt alle Ordinationen und Konsekrationen, die von Exkommunizierten
vollzogen wurden, für nichtig erklärt, die von den Kaiserlichen in Gerstungen
ausgesprochenen Behauptungen verworfen, endlich der Bann über Wibert,
Hugo den Weissen, Johann von Porto, Wernher, Liemar und Udo von
Hildesheim erneuert. Anwesend waren der Gegenkönig Hermann, die EB.
Gebhard und Hartwig, die Suflfragane des letzteren und die sächsischen,
zum Sprengel von Mainz gehörigen Bischöfe, also, da Udo natürlich nicht
teilnahm, Halberstadt, Paderborn und Verden; Würzburg, Worms, Augsburg
und Konstanz waren durch Gesandte vertreten.
^ Über die Mainzer Synode: das Fragment der Regensburger Annalen
S. 49; Bernold S. 443; Ann. Aug. S. 131; Sigib. S. 365; Ekkeh. S. 205 f.;
Ann. s. Disib. S. 9; Gesta arch. Magdeb. S. 404; De un. eccL II, 19 f. S. 76 f.
Liber canon. ctra. Heinr. 33 f. S. 501 ff. Vgl. über die Quellen Meyer von
Knonau IV S. 347 ff.
^ Dietrich von Verdun, Heinrich von Lüttich, Konrad von Utrecht,
Ruotbert von Bamberg, Huzmann von Speier, Udalrich von Eichstätt, Otto
von Konstanz, Siegfried von Augsburg, Meginward von Freising, Otto von
Regensburg, Udo von Hildesheim, Heinrich von Paderborn, Erp von Münster,
Folcmar von Minden, Burchard von Lausanne, Gebhard von Prag.
— 845 —
Hugo der Weisse, Johann von Porto und der ehemalige Kanzler
Gregors, Peter.
Die Synode kam dem allgemeinen Friedenswunsch entgegen,
indem sie die Aufrichtung des Gottesfriedens im ganzen Reiche
beschloß. Gewichtiger waren die Maßregeln, die zur Beilegung
des kirchlichen Streits getroffen wurden. Der deutsche Episkopat
erkannte in seiner Gesamtheit die Absetzung Gregors und die
Erhebung Wiberts ausdrücklich an^, und er zog die Konsequenz
daraus, indem er gegen die Gregorianer einschritt. Sie waren in
aller Form geladen: es ist nicht unmöglich, daß sie sich in Mainz
einfanden; aber sie weigerten sich, vor dem Konzil zu erscheinen-.
Daraufhin behandelte sie die Synode als Ungehorsame, entsetzte
sie ihrer Stellung und sprach das Anathema über sie aus. Von
diesem Urteil wurden fünfzehn Prälaten betroffen: die beiden Erz-
bischöfe von Salzburg und Magdeburg und die Bischöfe Adalbero
von Würzburg. Adalbert von Worms, Hermann von Metz, Wigold
von Augsburg;, Gebehard von Konstanz, Altmann von Passau,
Burchard von Halberstadt, Wemher von Merseburg, Günther von
Naumburg, Benno von Meißen, Hartwig von Verden, Reginhard
von Minden und Heinrich von Paderborn. Es scheint, daß über-
dies der deutsche Eechtsgrundsatz bestätigt wurde, daß ohne die
Investitur des Königs niemand als rechtmäßiger Bischof anerkannt
werden könne ^. Heinrich aber schickte sich sofort an, das S}Tiodal-
urteil zu vollstrecken, indem er die erledigten Stellen neu besetzte:
für Magdeburg erkor er den Abt Hartwig von Hersfeld*, der sich
um die kaiserliche Sache in Sachsen nicht geringe Verdienste er-
^ Sigibert: Cui (Wibert) aliqui manu et ore faventes, corde tarnen
Hildebrando adhaerebant.
^ Ann. Ratisp. mal. Freilich ist nicbt abzusehen, wie die Gregorianer
nach dem Beschluß von Quedlinburg die Möglichkeit einer Verständigung
annehmen konnten. Aber die Bischöfe mögen durch die Anzeichen des
Abfalls der Sachsen erschreckt worden sein.
^ Bei Anselm ctr. Wibert S. 522 findet sich die Notiz: Rex . . vendit
episcopatus suos, edicta proponens, ut nullus habeatur episcopus, qui a
clero electus vel a populo fuerit expetitus, nisi praecesserit honor regius,
quasi ipse sit huius ostii ostiarius. Das ist schwerlich aus der Luft ge-
griffen. Meyer von Knonau IV S. 23 u. Richter III, 2 S. 366 erinnern an
das gefälschte Privil. minus Leos VIII. C.I. I S. 666 Nr. 448.
* De un. eccl. II', 28 S. 96, Ann. Saxo S. 723. Wenn die Worte Bern-
hards, lib. can. ctra. Heinr. 34 S. 503 : Catholicis hereticos subrogando, so
genommen werden dürfen, wie sie lauten, so machte man sich schon in
Mainz über die Wiederbesetzung der erledigten Bistümer schlüssig.
— 846 —
worben hatte i, für Salzburg Perhtold, den Bruder Burchards von
Moosburg, eines bairischen Aristokraten^. Auch die Bistümer
wurden neu besetzte
"Was Gregor in einigen Fällen getan hatte, wurde jetzt von
seinen Gegnern allgemein durchgeführt. Die Frage war nur, ob
es gelingen würde, die Anerkennung der neuen Bischöfe und die
Entfernung der abgesetzten wirklich zu erreichen.
Zunächst hatte es den Anschein. Denn das politische Über-
gewicht Heinrichs war im Moment zweifellos. Im Süden hatte
sich der Markgraf Liutpold von der Ostmark schon im Jahre 1084
unterworfen*. Jubelnd empfing die Bevölkerung von Passau ihren
neuen Bischof^. Im Westen gelang es dem Kaiser, unmittelbar
1 De un. eccl. 1. c.
2 Vita II Gebeh. 8 S. 39, vita Chuonr. 7 f. S. 66 f. Perhtold ernannte
in der Person Bertholds von Zeltschacb einen kaiserlich gesinnten Gegen-
bischof V. Gurk (v. Ankershofen, Gesch. d. H. Kärnten II S. 902 f.).
3 Würzburg erhielt der Bamberger Scholastikus Meginhard, ein be-
redter, gelehrter Mann von tadellosem Wandel, Ekkeh. z. 1085 S. 206, Bern,
z. 1088 S. 448. Worms hatte, wie es scheint, schon länger einen kaiser-
lichen Gegenbischof. Die Hild. Annalen S. 49 u. die Ann. s. Disibodi S. 9
notieren z. 1085 den Tod eines Wormser Bischofs Thietmar; sein Nach-
folger wurde Winither, der im chron. Lauresh. S. 421 als Simonist getadelt
wird. Metz erhielt der Abt Walo von St. Arnulf, Gesta abb. Trud. III, 1
S. 240; Bern. z. 1088 S. 448; Sigib. z. 1085 S. 365; Hug. Flav. H S. 471;
Passau Hermann von Eppenstein, der Bruder des Herzogs Liutpold von
Kärnten, vita Altm. 15 S. 234, Halberstadt Hamezo, der Oheim des Grafen
Ludwig von Thüringen, Ann. Patherbr. S. 100; Annal. Saxo S. 728, Gesta
arch. Magd. S. 404; Gesta ep. Halb. S. 100, unter falscher Angabe der Partei-
stellung, Merseburg Eppo, Chr. ep. Merseb. HS. 184, Meißen Felix, Cd.
Sax. 1, 1 Nr. 157 f. S. 346. In Augsburg, Konstanz, Minden und Paderborn
gab es bereits kaiserliche Gegenbischöfe. Ohne Nachrichten sind wir in
bezug auf die Bistümer Naumburg und Verden. Die Wiedervereinigung
der Olmützer Diözese mit Prag, die ebenfalls in Mainz beschlossen wurde,
diente demselben Zweck, Stumpf 2882 ; Cosmas, chron. II, 37 f. S. 91 ff. Daß
Cosmas die Tatsache unrichtig zu 1086 zieht, daß sie vielmehr zur Mainzer
Synode v. 1085 gehört, zeigt Spangenberg in d. Mtt. d. Inst. XX S. 382 ff.
bes. 392 f. Die Synode v. 1086 ist dann ganz zu streichen. Auch die Er-
hebung Wratislaws zum König von Böhmen gehört zu 1085. Die Auf-
hebung des Bistums Olmütz wurde nicht durchgeführt. Denn nach dem
Tode Johanns ernannte Wratislaw seinen Kapellan Wezel, Cosm. II, 41 S. 95.
Dieser starb nach Gebhard von Prag, also nach dem 26. Juni 1089. Nun
wurde ein gewisser Andreas gewählt, den Heinrich IV. 4. Januar 1092 in-
vestierte, 11,49 S. 100. Damit verzichtete er auf den Mainzer Beschluß.
* Ann. Patherbr. z. 1084 S. 99. & Vita Altm. 16 S. 234.
— 847 —
nach der Mainzer Synode Bischof Hermann von neuem aus Metz
zu verjagen. Der von ihm ernannte Bischof Walo konnte also
seinen Sitz einnehmen ^. Auch die Mönche von St. Vanne mußten
das Kloster räumen^. Am wichtigsten war, daß sich im Sommer
die sächsischen Fürsten unterwarfen ^. Denn nun flohen mit König
Hermann die Führer der gregorianischen Bischöfe, Hartwig von
Magdeburg und Burchard von Halberstadt, nach Dänemark*.
Heinrich wurde in Magdeburg ein glänzender Empfang bereitet:
er heß sofort seinem Erwählten, dem Abt Hartwig, die Weihe zum
Erzbischof erteilen''. Die tatsächliche Neuordnung des Episkopats
schien auch in Sachsen mögUch.
Allein die Hofihung täuschte. Der neue Aufetand der Sachsen
im Herbst 1085 war das erste Hindernis. Nun mußten die kaum
ernannten kaiserlichen Bischöfe wieder aus Sachsen weichend Im
nächsten Jahre folgte der Ausbruch der Rebellion in Baiern. Ihr
erster Erfolg war, daß Meginward von Freising sich von der könig-
lichen Sache schied ', ein größerer, daß Gebehard von Salzburg
und Altmann in ihre Diözesen zurückkehren konnten; Perhtold
wurde verjagt und exkommuniziert^. Im Sommer zog sich der
Kampf nach Franken: vor Würzburg schien er zur Entscheidung
kommen zu sollen. Und sie fiel wider den Kaiser; infoige seiner
Niederlage bei Pleichfeld am 11. August 1086 konnte sogar Adal-
bero seinen Sitz wieder einnehmen^. Mit einem Wort: die im
^ Sigib. z. 1085 S. 365. Er dankte jedoch bald wieder ab, Gesta abb.
Trud. III, 1 S. 246; sein Widerruf ist von Hampe, N.A. XXIII S. 649, heraus-
gegeben. Die Wahl seines Nachfolgers Brun war wenig glücklich, s. de
Unit. eccl. II, 30 S. 106.
2 Hug. Flavig. S. 468. Sie kehrten erst 1092 zurück, S. 478. Hugo
gehörte selbst zu den Vertriebenen.
^ Ihre Friedensneigungen werden dadurch verstärkt worden sein, daß
Otto von Ostia in Quedlinburg die von ihnen okkupierten Kirchengüter
zurückgefordert hatte, eine Forderung, deren Bedenklichkeit für die gregor.
Partei die Bischöfe sofort durchschauten, s. de un. eccl. II, 22 S. 82.
* Ann. Ratisp. S. 49, Gest. arch. Magd. S. 404, Ann. Saxo S. 722 f.,
De un. eccl. II, 28 S. 97, Bern. S. 444.
5 Am 13. Juli, de un. eccl. II, 28 S. 97.
^ Ann. Ratisp. S. 49.
' Ann. Aug. z. 1086 S. 132. Ein Brief M.'s an den EB. von Salzburg
ist von W. Meyer in den Münch. SB. 1882 S. 259 bekannt gemacht. Er
trat später wieder auf die kaiserliche Seite zurück. Vgl. auch die Be-
merkungen von Holder-Egger, N.A. 30 S. 177.
s Ann. S. Rudp. z. 1086 S. 774, Vita Gebeh. 4 S. 26.
9 Annal. Aug. S. 132, Bern. S. 445, Ann. Patherbr. S. 100; Ekkeh.
— 848 —
Frühjahr 1085 erhoffte Pazifikation Deutschlands mißlang, damit
aber auch die Durchführung der in Mainz beschlossenen kirch-
lichen Maßregeln. Hatte es einen Moment lang den Anschein ge-
habt, als werde es Heinrich gelingen, mit einem Zug die frühere
Macht der Krone über den Episkopat wieder herzustellen, so erwies
sich, daß das iinraöghch sei.
Aber auch die Gegner des Kaisers hatten keinen entscheiden-
den Erfolg errungen. Der Pleichfelder Sieg brachte ihnen keine
Frucht Vielmehr trat die Zersetzung der gregorianischen Partei
mehr und mehr an den Tag. Den sächsischen Fürsten waren die
kirchhchen Interessen stets gleichgiltig gewesen-^: sie waren jetzt
wie früher zum Frieden geneigt, wenn nur das, was sie für ihr
Recht hielten, gesichert war. Auch die Bischöfe vertraten das.
kirchliche Recht weniger aus Überzeugung von seiner Notwendig-
keit als aus Rücksicht auf die Partei ^. Aber von Frieden wollten
sie zunächst nichts wissen; sie forderten die Fortsetzung des Kampfes
gegen den exkommunizierten Kaiser^. Allein sie verloren ihren
bedeutendsten Führer. Am 6. April 1088 wurde Burchard von
Halberstadt in einem Aufstand zu Goslar von den empörten
Bürgern, seinen eigenen Diözesanen, schwer verwundet; am Tage
danach ist er im Kloster Bsenburg gestorben*. In ihm, dem
„stahlharten" Schwaben, hatte sich der Gegensatz des sächsischen
Episkopats gegen den Träger der Krone gewissermaßen verkörpert.
In der Energie seines Hasses könnte man ihn mit seinem Oheim
Anno von Köln vergleichen: er ist nicht weniger als dreizehnmal
gegen Heinrich zu Felde gezogen ^. Daß seir. langjähriger Kampf-
genosse, Ekbert von Meißen, nicht ohne Mitschuld an seiner Er-
. S, 206; de un. eccl. II, 28 S. 98. Freilich mußte Adalbero noch 1086 wieder
aus Würzburg weichen, de unit. eccl. II, 29 S. 104, Ekkeh. S. 207.
1 Vgl. auch den etwas jüngeren Brief im Cod. üdalr. 87 S. 171.
2 Der Beweis liegt in ihrer Duldung der Simonie und der Unzucht der
Kleriker, s. d. Bf Wilhelms von Hirschau an König Hermann und die Ant-
wort der Sachsen bei Sudendorf,. Reg. I S. 50 ff. Nr. 15 f. Man sieht zu-
gleich, einen wie schweren Stand ein ehrlicher Mann in der päpstlichen
Partei hatte. Auch die Haltung der Quedlinburger Synode zu der kanonisch
unzulässigen Ehe des Gegenkönigs ist lehrreich, c. 13 S. 651, de unit. eccl.
II, 22 S. 81 f.
s Vgi. de un. eccl. 11,16 S. 70 u. 11,33 S. 109 u. 111.
^ Ann. Aug., Hild., Gorb., Bern. S. 447, Ann. Saxo S. 725 f., de un.
eccl. IT, 81 S. 106 f. Die Angaben über den Todestag sind widersprechend;
der 7. Apr. nach d. Necr. Huysb. Zeitschr. d. Harzvereins V S. 120.
5 De un. eccl. 11,31 S. 107. Lib. can. praef. L. d. 1. I S. 473: Nodus
huius controversiae, pectoris in Christo adamantini.
— 849 — -
mordung war ^, zeigt die volle Auflösung der antikaiserlichen Partei.
Das Ende war, daß, wie die sächsischen Großen, so auch der säch-
sische Episkopat die Waffen niederlegte. Hartwig von Magdeburg
machte seinen Frieden mit Heinrich'^. Er war längst zur Ver-
ständigung geneigt und versprach, nun für den Frieden zu wirken.
Ihm folgten Wernher von Merseburg, Günther von Naumburg ^ und
Hartwig von Verden ; Benno von Meißen hatte sich schon vorher
unterworfen''. Nur Heinrich von Aßloe, Bischof von Paderborn,
und etliche Abte gaben deni Widerstand nicht auf ^. Der Preis
für die Unterwerfung der sächsischen Bischöfe war, daß Heinrich
die von ihm ernannten Gegenbischöfe fallen ließ; er erkannte die
in Mainz abgesetzten Prälaten wieder als rechtmäßige Bischöfe an.
Durch die Unterwerfung der Sachsen war dem Widerstand
gegen den Kaiser die Kraft entzogen. Auch der Süden fügte sich.
Den Erzbischof Gebhard bewahrte der Tod freundhch vor dem un-
glücklichen Schicksal, einen Schritt tun zu müssen, der wider sein
Gewissen war; er starb in derselben Zeit, in der Hartwig zu Hein-
rich übertrat, am 15. Juni 1088 '. Hermann von Metz gewann es
über sich, seinen sächsischen Amtsgenossen zu folgen: er verständigte
sich mit Heinrich. Mit dessen Erlaubnis ist er im Jahre 1089 in
sein Bistum zurückgekehrt**. Dagegen war Adalbero von Würz-
burg nicht zu gewinnen; er sagte, töten könne, man ihn, beugen
1 De Unit. eccl. 11,35 S. 113.
2 Ibid. S. IIB f.; vgl. 11,25 S. 91 u. Ekkeli. z. 1102 S. 224. Die Ver-
söhnung fällt in den Frühling oder Sommer 1088, nach de un. eccl. II, 25
S. 91 in das 4. Jahr nach der Mainzer Synode v. 1085, d. h. frühestens in
den Mai ; nach St. 2890 (vgl. über diese Urk. Meyer v. Knonau IV S. 220)
wird man aber etwas weiter herabgehen müssen.
3 Vgl. Cd. Sax. reg. I, 1 S. 350 Nr. 161. Nach Bernold z. 1098 S. 455
hat V/ernher Wibert allein unter allen sächs. Bischöfen nicht anerkannt.
Über Günther vgl. auch St. 2890.
* 'Nachrichten über die Unterwerfung H.'s fehlen; aber er weihte
1091 im Auftrag Liemars das Münster in Rastedt, Hist. mon. Rast. 13 Scr.
XXV S. 502. Das setzt die Versöhnung voraus; vgl. auch Cod. Udalr. 82
S. 163 V. 1094, wo er als in Verden anwesend erscheint.
■i De un. eccl. 11,25 S. 89; Cd. Sax. reg. 1, 1 S. 347 Nr. 158. Die Zeit
ergibt dieser, kurz nach d. 15. Juni 1086 geschriebene Brief. Benno er-
kannte zugleich Wibert als Papst an. Über Udo v. Hildesheim s. o. S. 836.
« Heinrich fand in Magdeburg Zuflucht, Geata arch. Magd. 23 S. 407.
Unter den Äbten war Herrand von Ilsenburg der Führer, s. S. 850.
^ Vita Gebeh. 4 S. 26 f.
8 Sigib. z. 1090 S. 366; Bern. z. 1089 S. 448; dasselbe Jahr bei flug.
Plav. S. 471. Gest. abb. Trud. IV, 7 S. 248.
Hauck, Kirchengeschichte. III. '^*
— 850 —
nicht*. Schon im Herbst 1086 hatte er Würzburg wieder ver-
lassen müssen: er hatte sich von neuem in seine kärntnische Heimat
zurückgezogen und seinen Sitz wieder in seinem Kloster Lambach
genommen ^ Würzburg hat er nicht wieder gesehen; er ist in
Lambach 1090 gestorben. Wie er, so war Adalbert von Worms
sich selbst treu: er blieb ein unversöhnlicher Gegner Heinrichs".
So kam es in Deutschland zum Frieden. Als König Hermann
am 28. September 1088 starb, dachte niemand daran, ihm einen
Nachfolger zu geben. Allein der Friede war anders, als Heinrich
ihn in Mainz geplant hatte. Der gregorianisch gesinnte Teil des
Episkopats war nicht verdrängt, der Kaiser hatte ihn vielmehr in
seiner Stellung anerkennen müssen, di« kirchlichen Verhältnisse
waren also durch den politischen Friedensschluß nur unklarer ge-
worden. Denn an ihrer kirchhchen Opposition hielten die gregoria-
nischen Bischöfe fest: sie scheuten vor jeder persönlichen Gemein-
schaft mit dem gebannten Kaiser zurück; von Anerkennung Wiberts
war vollends keine Rede. So wenig Hartwig von Magdeburg in
seiner politischen Treue schwankte, so hielt er sich doch für be-
rechtigt, gegen den Papst des Kaisers zu agitieren*. Noch schroffer
stellte sich der Neffe und Nachfolger Burchards, Herrand von
Ilsenburg ^. Dadurch wurde Benno von Meißen, der Wibert an-
erkannt hatte, wieder bedenklich; er erfüllte die Erwartung nicht,
daß er bei seinen Parteigenossen für ihn wirken würde. Selbst
auf die kaiserlich gesinnten Bischöfe machte Hartwigs Haltung
Eindruck.
Überhaupt scheint es, daß, während der politische Gegensatz
sich allgemach beruhigte, der kirchliche an Intensität noch gewann.
Daß der Tod den großen Führer des Streites hinweggenommen
hatte, brachte die Parteien einander nicht näher; denn während
Gregors Anhänger ihn sofort wie einen Heiligen betrachteten, ihn
wohl mit Henoch zusammenstellten^, waren die Gegner überzeugt,
daß er in die Hölle gefahren sei; sie erzählten von Gesichten, die
ihn samt den Gegenkönigen in der Qual der Verdammnis zeigten'.
Wie man im Urteil über die Personen unduldsamer wurde, ebenso
in der Behauptung der entgegengesetzten Prinzipien entschlossener
1 De un. eccl. II, 29 S. 103.
a Vita Adalb. 10 Scr. XII S. 132; de unit. eccl. II, 29 S. 105: In dilec-
tum sibi Montem-vini secessit. ^ De un. eccl. 11,37 S. 118.
* Ib. II, 25 S. 89 ff.
5 Ann. Disib. z. 1090 S. 10, Ann. Saxo S. 726; .T.W. 5505.
« De un. eccl. II, 6 S. 48. ' Ann. Aug. z. 1090 S. 133.
'— 851 —
Die rasch anschwellende Streitschriftenliteratur ^ ist ein Produkt
der wachsenden Erbitterung; andererseits aber mußte sie erregend
wirken; denn überallhin drangen diese zumeist kurzen Schriftstücke:
man las sie auf den Straßen und in den Häusern; es gab keinen
Gerichts- und Markttag, an dem nicht die eine oder andere mit-
geteilt worden wäre^ Um einzelnes zu erwähnen, so spricht sich
die ganze unbeugsame Schroffheit der deutschen Gregorianer in
dem Über canonum Bernhards aus^; stellt man ihn den früheren
Äußerungen desselben Autors gegenüber, so tritt die Steigerung
der Feindseligkeit augenfällig hervor. Jetzt klagte er nicht mehr
um den Streit, sondern er drängte zu rücksichtsloser Fortsetzung,
voll entschlossenen Mutes im Gedanken und im Ausdruck. Die
bedenkliche Lage der Gregorianer verhehlte er sich nicht; aber sie
flößte ihm keine Furcht ein. Da wir, ruft er aus, von der Hoff-
nung beseelt sind, die nicht zuschanden wird, so macht uns in
diesem katholischen Kampf auch der Tod nicht bange. Mögen
wir sterben, so wird doch das kanonische Recht am Leben bleiben*.
Der Gedanke, mit den Gegnern Frieden zu schließen, lag außer-
halb seines Gesichtskreises, denn seiner Überzeugung nach war
Gemeinschaft mit den Exkommunizierten nichts anderes als Ver-
leugnung Christi^. Er ließ sich dadurch nicht irremachen, daß
man ihm entgegenhielt, die Bannung Heinrichs sei ungerecht. Denn
er behauptete, auch der mit Unrecht verhängte Bann sei giltig und
kräftig, bis er von dem, der ihn verhängt habe, wieder aufgehoben
werde*. Und da das Recht Gregors, Heinrich zu bannen, außer
Zweifel stehe, so müsse sich jeder Christ dem päpstlichen Urteil
fügen. Hier berührte er den Punkt, der seine Anschauung von
Anfang an beherrscht hatte: der Gehorsam gegen den Papst ist un-
bedingt notwendig; Widerspruch gegen ihn führt zur Verdammnis '.
Aber er führte diese Sätze jetzt in einer Weise aus, daß man
sieht, der Sinn für den Staat war ihm verloren gegangen. Das
1 Mirbt S. 81 f. zählt aus den Jahren 1073—78 8 Stück; aus 1080—85
nicht weniger als 24.
2 Maneg. ad Gebeh. praef., L. d. 1. I S. 311; c. 68 S. 420.
3 L. d. 1. I S. 471 ff. Über die Autorschaft Bernhards s. Thaner in
der Einleitung. Er schrieb im Mai 1085. * C. 9 S. 483.
* C. 9 S. 481 : Cum cogimur excommunicatis et communicanti ex-
communicatis communicare, idem nobis est ac si audiamus : Christum negate,
baptismati et reliquis aecclesiae sacramentis renunciate. Es entspricht dem,
daß Bernhard die Sakramente der Exkommunizierten schroff ablehnte vgl
c. 30 S. 500 u. ö. «C. HS. 484 f.
7 C. 6 S. 479; 26 S. 498.
54*
— 852 —
Interesse für die Kirche hatte alles andere absorbiert^; aber es
war gänzlich zum Pai-teiinteresse geworden^.
Bernhard schrieb an seinem Buche in den Monaten, während
Gregors Leben sich zu Ende neigte. In der nächsten Zeit nach
dem Tode des Papstes scheint Manegolds Gegenschrift gegen
Wenrich von Trier an die Öffentlichkeit getreten zu sein ^ Das
Werk des vielbelesenen Chorherren ist ein Denkmal des zügellosen
Fanatismus, der einen Teil der Gregorianer erfüllte und der ihr
Urteil blendete Jede Erinnerung daran, daß es für die kämpfen-
den Parteien eine gemeinsame Basis gab, war ihm verloren ge-
gangen: er sah in allen Kaiserlichen schlechthin Feinde der Kirche
und urteilte, daß ihr Gegensatz nicht den Personen, sondern der
Frömmigkeit selbst gelte*. Besonders den König verfolgte er mit'
glühendem Haß'''. Dagegen betrachtete er Gregor als frei von
jedem Vorwurf, nicht einmal so zweifellose Tatsachen wie die
Heftigkeit seiner Sprache glaubte er zugestehen zu können **. Doch
bedeutender als wegen des Urteils über die Personen ist Manegolds -
Schrift -wegen seiner Stellung zu den sachhchen Fragen. Er hate,
einer der ersten Deutschen, von denen dies gesagt werden kann,
die gregorianische Theorie über die päpstUche Macht sich in ihrem
ganzen Umfang angeeignet und er verkündigte sie rückhaltlos: alle
päpstlichen Ansprüche galten ihm als unantastbares Recht. Denn
die Gemeinschaft mit. Born ist die Bedingung des Heils; wer ihr
entfällt, ist fremd, profan, feindselig, Gott verhaßt'. Gemeinschaft
mit Bom aber hat nur, wer dem Papste unbedingt gehorcht ^. Denn
* Vgl. 37 S. 507: Nulli viventium obedituri nisi in astruendo aeccle-
siasticae legis propositum perditissimi nos ipsos maiori quam ullius unquam.
periurii crimine damnaremus, si excommunicatis sive communicanti excom-
municatis . . oboediremus. Filii enim aecclesiae sacramentis nos aecclesiae
et legi iusticiae devovimus, nemini quicquam extra aecclesiam et iusticiae
terminum debemus. ^ Vgl. bes. c. 46 f. S. 515.
•'' L. d, 1. I S. 300 ff. über die Zeit der Abfassung und Publikation
s. Francke in der Einleitung. Über Manegold: Giesebrecht, Münch. SB.
1868, 2 S. 297 ff.; Endres in d. Hist.-pol. Bl. 127 S. 389 fi".; Meyer v. Knonau
III S. 511 ff.; G. Koch, Manegold, Berlin 1902. Wenn man Manegolds Schrift
als literarisches Werk betrachtet, so ist das Urteil Meyers von Knonau:
geringfügiges Elaborat, berechtigt. Bedeutung hat sie dagegen für unsere
Kenntnis der Gesinnungen, die bei den deutschen Gregorianern vorhanden
waren. Fournier zeigt, daß M. die Sent. div. patr. benützt hat, S, 204 f.
* 1 S. 314; 6 S. 321; 32 S, 368 f. u. ö.
5 29 S. 363; 30 S. 366.
•* 11 S. 333. Natürlich wies er jede Kritik des päpstlichen Urteils.
zurück, 28 S. 361. '7 S. 325. " Ibid.
— 853 —
es gibt keine Gewalt auf Erden, die mit der des Papstes verglichen
werden könnte ^. War damit der Gehorsam gegen den Papst als
die oberste Pflicht aller Menschen bezeichnet, so zog Manegold
klarer als Gregor selbst die revolutionären Konsequenzen dieser
Theorie, Er erklärte es für gottlos und frevelhaft, von einer not-
wendigen Pflicht des Gehorsams gegen irgendeinen Menschen —
den Papst natürlich ausgenommen — zu reden ^. Und er erkannte
deshalb keinen unbedingten Anspruch der Fürsten auf Gehorsam
an: die königliche Würde beruht auf einem Vertrag mit dem
Volk: bricht ihn der König durch schlechte Regierung, so ist
das Volk seiner Verpflichtung gegen -ihn quitt ^. Es kann ihn
verjagen. Denn warum sollte der das Peich in Besitz haben, der
nicht imstande ist, es zu regieren? es ist recht, schlechte Fürsten
abzusetzen *.
Unbedeutender als die AVerke Bernhards und Mauegolds sind
die zahlreichen Briefe und Denkschriften, in denen Bernold die
Erörterung der strittigen Probleme fortsetzte^. Ihn beschäftigte
vornehmlich die Frage nach dem Verkehr mit den Exkommuni-
zierten. Unbekümmert um den Zwang der tatsächlichen Verhält-
nisse verneinte er sein Recht, kaum daß er sich entschließen konnte,
einzuräumen, daß wenigstens der Umgang mit den Genossen der
Gebannten nicht unmittelbar von der kirchlichen Gemeinschaft trenne.
Auch er aber berührte wenigstens einmal die Hauptfrage^, indem
er den Grundsatz verfocht, daß der Gehorsam gegen den Papst
von der Pflicht des Gehorsams gegen jeden anderen Vorgesetzten
entbindet:
Während die deutschen Gregorianer in dieser Weise den
Standpunkt ihres Meisters behaupteten, traten in Italien Bonizo
1 Vgl. ferner c. 44 S. 386.
- C. 45 S. 388: Quid . . potest esse scelestius, contra voluntatem vide-
licet dominicam cuiquam hominum obedientiam ex debiti necessitate
inpendendam.
3 C. 30 S. §65; 47 S. 391. Es ist charakteristisch, daß ihm die Be-
gründer der römischen Republik als die rechten Vorbilder für tüchtige
Männer erscheinen. Über die Widersprüche in Manegolds Theorie s. die
scharfsinnigen Ausführungen von Koch S. 58 ff. u. über seine Quelle S. 62ft'.
Koch sieht sie in der verlorenen ^hystoria" Oebhards v. Salzburg.
-i C. 29 S. 364.
5 L. d. 1. II S. 89 ff. In Betracht kommen lib. 4—8 und der Lib. de
sent. excomm. S. 160 ff. Denn daß dies anonyme Schriftstück Bernold ge-
hört, ist so gut wie gewiß. ® Lib. 6 S. 101 ff.
— 854 —
von Sutri^, Anselm von Lucca^ und der Kardinal Deusdedit auf
den Schauplatz '^. Der erstere der gregorianische Parteihistoriker,
die letzteren die Parteijuristen. Bonizo ließ die Ereignisse reden,
aber er deutete und kombinierte sie so, daß sie Zeugnis für das
Recht der Sache, die er vertrat, gaben. Mit Anselms und Deus-
dedits kirchenrechtlichen Sammlungen beginnt die Kodifikation des
päpstlichen Rechtes, die Gregor gewünscht hatte. Der kuria-
listischen Theorie wurde dadurch für die Zukunft die stärkste
Stütze gegeben.
Wenn man sich vergegenwärtigen will, wie tief die Kluft war^
welche beide Parteien schied, so muß man den Werken der Gre-
gorianer die Streitschriften des Kardinal Beno und des Bischofs
Benzo von Alba gegenüberstellen. Kommt in den ersteren vor-
nehmlich der Haß gegen die Person Gregors zum Worte ^, so sind
die letzteren bedeutend^, da dieser Italiener der treueste Interpret
der Anschauungen war, die seit den Zeiten der Merowinger und
Karls am deutschen Hofe in bezug auf die Stellung des Königs
in der Kirche herrschten. Er hielt fest daran, daß die Bischöfe
Beamte des Königs seien; von ihm in ihre Stellung erhoben,
müssen sie sich ihm unterordnen*. Von dieser Pflicht befreit sie
der Gehorsam gegen den Papst nicht. Denn auch der Papst ist dem
deutschen König unterworfen ; der letztere hat das gleiche Recht
in bezug auf die Papstwahl wie auf die Bischofswahlen; er erwählt.
1 Vgl. über Bonizo Lehmgrübner, Benzo S. 129 ff.; der über ad amicum
ist zwischen dem Mai 1085 und dem Mai 1086 verfaßt (S. 142). Über das
Zeugnis des Rangerius für das Martyrium Bonizos, Bern. z. 1089 S. 449, s.
Overmann, N.A. XXI S. 420.
2 Liber contra Wibertum, zwischen d. 25. Mai 1085 und d. 18. März
1086 geschrieben, L. d. 1. I S. 517 ff. Über den liber apologeticus Anselms,
d. b. seine Collectio canonum s. Bernheim S. 518 f. Die Kapitelüberschriften
sind bei Mai, Spicil. Rom. VI S. 316 ff. gedruckt.
'^ Seine Collectio canonum herausgegeben von Martinucci, Venedig 1869.
Fournier zeigt, daß auch er die Sent. div. patr. benützte, S. 207. Etwas
jünger, unter Paschalis LI. wahrscheinlich vor 1106 oder in diesem Jahr
geschrieben, ist die Kanonessammlung des Cod. Vatic. lat. 1348, über die
v. Glanvell in den Wiener SB. 1897 berichtet. In ihr ist die Sammlung
Anselms bereits benützt S. 51. Auch sie gehört zu den Reformsammlungen.
^ L. d. 1. II S. 369 ff. , Benonis scripta I — III. Doch betont Beno auch
nachdrücklich die Verpflichtung des Papstes zum Gehorsam gegen den
Kaiser, s. bes. IE, 8 ff. S. 390 ff.
* Scr. XI S. 591 ff. Dazu Lehmgrübner in der angef. Schrift.
« Prol. 1. IV S. 634. Vgl. IV, 3 S. 637; 12 S. 646 u. ö.
— 855 —
wen er will ^ Das Recht des Königs in der Kirche ist unauf-
löslich; denn weil er der Stellvertreter Gottes auf Erden ist, so
beruht das Heil der Kirche auf ihm"^. Daraus folgt zugleich, daß
der König niemand zur Verantwortung verpflichtet ist, als Gott
allein^. So die Überzeugungen Benzos. Es ist bezeichnend, daß
unter allen deutschen Herrschern neben Karl d. Gr.* Otto III.
derjenige war, der ihn am meisten begeisterte '\ Die Vollendung
dessen, was diese Männer begonnen hatten, erwartete er von
Heinrich IV. Und sprach er nicht in der Tat das Recht aus, für
dessen Erhaltung sein Kaiser kämpfte?
Prinzipiell stand der deutsche Anonymus, dessen kurze Ab-
handlung über das römische Papsttum auf uns gekommen ist, auf
demselben Boden ^. Auch bei ihm erscheint die päpstliche Macht
überragt von der kaiserhchen: zwar wird der Papst von niemand
gerichtet, aber es gibt einen Ausnahmefall: wenn jemand im Wider-
spruch gegen das Kaisertum zur päpstlichen Würde gelangt ist.
Neben ihm vertrat der Kleriker Wido, der später das Osnabrücker
Bistum erhielt, diese Überzeugungen'. Wie alle Konservativen,
hing er mit ganzer Seele an dem Frieden der beiden Gewalten**.
Ihn aber glaubte er nur dann gewahrt, wenn die kaiserlichen Rechte
bei der Papstwahl unverletzt .blieben. Daß Gregor durch die Ex-
kommunikation Heinrichs die Eintracht zwischen dem Königtum
und dem Papsttum gestört, daß er die Untertanen durch die
Lösung des Treueides zum Eidbruch verführt hatte, das machte
ihn zum Gegner des Papstes**.
Am schärfsten wurden die großen Prinzipienfragen, die bei
dem Streite in Betracht kamen, von dem Hersfelder Mönch erfaßt,
der im Jahre 1084 das erste Buch einer Schrift über die Einheit
der Kirche vollendete, dem er später zwei weitere nachfolgen ließ ^^.
1 VIL 1 f. S. 670 f.; vgl. II, 4 S. 614.
2 I, 1 S. 600; V, 5 S. 651.
2 I, 7 ff. S. 602 f.; I,-23 S. 608; I, 26 S. 609.
* I, 17 S. 606. " III, 6 S. 624; Vü, 2 S. 670.
*^ Dicta cuiusdam de discordia papae et regis, L. d. 1. I S. 454 ff., bes.
S. 456: (Romana ecclesia) omnes iudicavit; ipsa autem a nemine, nisi a se
ipsa iudicata est, nisi forte contigerit, ut iniuste et contra imperatoriam
dignitatem subintroductus quis fuerit.
' Excerpta ex Widonis libro de controversia inter Hildebr. et Hein-
ricum imp. L. d. 1. I S. 461 fl.
8 s. 462. " S. 467 ff.
1° Über die vielbesprochene Frage nach dem Verfasser der Schrift s.
Meyer v. Knonau in den Festgaben für Büdinger 1898. Er zeigt, daß man
über den anonymen Hersfelder Mönch nicht hinauskommt.
— 856 —
Schon dadurch erhob er sich weit über die übrigen deutschen
Autoren^ daß er nicht an Einzelfragen hängen Wieb ^, sondern den
Kern des Streites hervorhob: es ist der Streit um die Herrschaft'''.
Für seine Beurteilung der kämpfenden Parteien'' aber war einer-
seits maßgebend seine Überzeugung von dem götthchen Recht des
Königtums*, andererseits seine Anschauung über den Beruf der
Kirche. Die erstere führte ihn zu dem klar ausgesprochenen Satz
von der UnverantwortHchkeit des Königs'^; von der letzteren aus
kam er zu Behauptungen, die weit von den herrschenden Ansichten
ablagen: die katholische Kirche ist nicht die Gemeinschaft derer,
die sich um Gregor scharen, sondern sie ist die Gesamtheit der
Gläubigen, die durch den Geist des Friedens und der Liebe Ge-
meinschaft habend Sie hat keine irdische Gewalt zu üben; denn
ihr gebührt nur das Schwert des Geistes d. i. das Wort Gottes ''.
Wohl hat Petrus das Schwert gezogen, aber er tat es, als er
noch nicht wußte, was Gottes ist^- Noch war die Zeit für diese
Gedanken nicht reif; aber es dauerte nicht allzulange, bis sie
wieder hervortraten.
Man sieht, in jeder Hinsicht standen die Anschauungen der
Parteien einander wie Ja und Nein gegenüber. Noch fehlten alle
Voraussetzungen für den Friedensschluß. Es ist bezeichnend für
die Lage, daß zu gleicher Zeit von den entgegengesetzten Seiten
aus der Versuch gemacht wurde, eine Verständigung anzubahnen,
und daß er beide Male mißlang, ohne daß er auch nur momentan
die Stellung der Parteien änderte. Kurz nach Gregors Tode ver-
faßte Wido von Ferrara seine Schrift über das Schisma Hilde-
brands ^. Seine Absicht war, die gemäßigten Gregorianer zur
^ Er hat sie natürlicli berührt; so besonders den Satz: Excommuni-
catis non est communicandum. Er hat ihn in thesi zugegeben, 11,25 S. 91.
Die Anwendung auf Heinrich fiel für ihn deshalb weg, weil er in Wibert
den rechtmäßigen Papst sah. - II, 15 S. 63.
3 Er betrachtet Gregor als Parteiführer: Quomodo ille Hildebrant
■catholicus extitit, qui non ecclesiae sed parti praefuit? II, 6 S. 49; vgl.
1, 17 S. 38 f. * Vgl. I, 12 S. 24; II, 13 S. 59 u. ö.
■■' A. a. 0. S. 25: Haec potestas, quae a Deo ordinata est et quae
iubetur honoriflcari, ubi tandem debet iudicari? Utrum in ecclesia an in
curia? Si in ecclesia, fortasae ecclesia fit curia, quae a cruore dicitur . . .
Et cum ecclesiastica prohibeant decreta . ., ut inferior quilibet gradus non
praesumat superiorem accussare, quis accusabit regem quasi praecellentem ?
« 11,2 S. 43. ' T, 3 S. 4f.; II, 11 S. 57.
« II, 13 S. 59.
" L. d. 1. J S^. 529 ff. Über ihn Panzer, Wido von Ferrara 1880 und
Dümmler in der Einleitung zu seiner Schrift.
— 857 —
Anerkennung Wiberts und zur Vereinigung mit den Kaiseriichen
zu bewegen. In derselben Zeit wandte sich Anselm von Lucca
an Wibert selbst, um ihn zum Rücktritt zu bestimmen und da-
durch die Beseitigung des Schismas möglich zu machend Allein
wie hätte Widos Schrift den gewünschten Erfolg haben sollen? sie
ist lediglich ein Beweis für das Auseinandergehen der Urteile und
Anschauungen. Anselm aber sah sich in so schroffer Weise zurück-
gewiesen, daß die Hoffnung, die er gehegt hatte, für immer zer-
stört war^. Das Schisma war nicht zu beseitigen.
Wibert war kurz nach Gregors Tod aus Rom vertrieben
worden^. Aber er amtierte von Ravenna aus als Papst. Ende
Februar 1086 hielt er dort eine große Synode*; mit den kaiserlich
gesinnten Fürsten und Bischöfen Deutschlands stand er in, freilich
wenig regem, Verkehrt Auf gregorianischer Seite unterlag es von
Anfang an keinem Zweifel, daß an Gregors Stelle ein neuer frei-
gewählter Papst treten müsse. Aber die Schwierigkeiten waren
nicht gering: erst am 24. Mai 1086 wurde der Abt Desiderius von
Monte Cassino als Viktor III. gewählt, und nach neuer, langer
Verzögerung am 9. Mai 1087 konsekriert*^.
Im ganzen Verlauf des Streits sind wir über nichts so schlecht
unterrichtet, wie über die Meinungsverschiedenheiten im Lager der
Gregorianer. Daß solche vorhanden waren, unterliegt keinem
Zweifel; führten sie doch zu einer so heftigen Katastrophe wie
dem Abfall der dreizehn Kardinäle. Allein auch nachher waren
sie nicht ausgeglichen. Für die weitere Entwickelung der Verhält-
nisse war es nun von Wichtigkeit, daß Desiderius den Standpunkt
Gregors nicht vollständig teilte. Als die Protestversammlung der
römischen Kleriker stattfand, fehlte er; als die Dreizehn zu Wibert
^ Von Anselm selbst erwähnt in seiner Schrift contra Wibertum,
L. d. 1. I S. 520; vgl. Ekkeh. z. 1080 S. 204.
- Wiberts Antwort ist ebenso wie Anselms Brief verloren gegangen.
Ihr Inhalt läßt sich aus Anselms eben erwähnter Schrift, die gegen sie ge-
richtet ist, ersehen. ^ Bern. z. 1085 S. 444.
* Mansi XX S. 615.
5 Er erteilte Egilbert von Trier das Pallium, Gesta Trevir. cont. I, 14
S. 187, mahnte Wratislaw von Böhmen, die dem h. Petrus längst schuldige
Oblation endlich zu entrichten und Felix in Meißen einzusetzen (vgl.
hierüber auch den Brief Hartwigs von Magdeburg an den König, Cd.
Sax. II, 1 S. 40 Nr. 36) J.W. 5324, auch den Beschluß der Mainzer Synode
von 1085 zu gunsten Gebhards von Prag erkannte er an, Cosm. ehr. II, 38
Scr. IX S. 93.
6 Petri chron. Gas. III, 66 Scr. VII S. 748 f. u. III, 68 S. 750. Brief
Hugos von Lyon an Mathilde bei Hug. Flav. ehr. II S. 466.
— 858 —
übertraten, hielt er sich zurück; aber Frieden mit Kaiser Hein-
rich hat er geschlossen^. Diese Stellung hielt er fest, auch nach-
dem er Papst war. Er sprach es offen aus, daß er nicht mit
allen Maßregeln seines Vorgängers einverstanden sei; im Gegen-
satz zu ihm erkannte er die politischen Rechte Heinrichs unum-
wunden an^
Man kann die Wichtigkeit dessen kaum hoch genug schätzen.
Denn seit der Wahl Viktors änderte sich der Gegenstand des
Streits: Gregor hatte um die Weltherrschaft gekämpft, Viktor III.
trat um einen Schritt zurück: er erinnerte sich wieder, daß der
Ausgangspunkt eine Frage der kirchlichen Verwaltung gewesen
war. Der Kampf ging nun zwar fort: Viktor erklärte Gregors
Urteil über Heinrich und seine Anhänger für bestätigt '^; er wieder-,
holte auf der Synode zu Benevent das unbedingte Verbot der Laien-
investitur*. Dennoch wird man urteilen müssen, daß durch seine
Wahl der erste Schritt geschah, um den Frieden zu ermöglichen.
Denn der Streit um die Weltherrschaft war unlösbar; aber der
Streit um eine Einzelfrage konnte beigelegt werden.
Um so übler war, daß Viktor bereits am 16. September 1087
starbt Wieder folgte eine lange Sedisvakanz; endlich am 12. März
1088 wurde Otto von Ostia als Urban IL zum römischen Bischof
gewählt und sofort inthronisiert '^. Er war wie Viktor ein Mönch';
ein Nordfranzose von Geburt, hatte er jahrelang in Cluni zugebracht,
1 Petri chron. Gas. III, 50 ff. S. 738 ff.; über die Zeit Sander S. 191 ff.
^ So viel glaube ich dem Briefe Hugos, obgleich derselbe Zeugnis
eines Gegners ist, entnehmen zu können.
'^ Bern. z. 1087 S. 446. Es liegt nahe, die Nachricht zu verwerfen,
da Heinrich auf der Synode zu Benevent nicht erwähnt wird. Doch bin
ich bedenklich dagegen ; denn Viktor mußte, wenn er seine Wahl anzeigte,
irgendwie Stellung zu Heinrich nehmen. Daß er mit einem offenen Rück-
zug begann, wird niemand glauben. Dann blieb ihm abet nur die Er-
klärung übrig, daß Gregors Urteil zu Recht bestehe. Daß er gleichwohl
zum Entgegenkommen geneigt war, zeigen die Verhandlungen in Benevent,
die sich nur gegen Wibert richteten.
* Petri chron. Gas. HI,. 72 S. 751 f. Die Synode fand Ende Aug. statt,
vgl. J.W. 5347. /
^ Petr. chron. Gas. 111, 73 S. 753.
« Ib. IV, 2 S. 760 f.; Ann. Benev. z. 1088 Scr. III S. 182. Brief ürbans
an die Deutschen ep. Bamb. HS. 503 und an Hugo von Cluni Migne 151
S. 284. Ein sehr ungünstiges Urteil über Urban enthält die Satire De
Albino et Ruf. L. d. 1. II S. 422 ff. Über Urban b. außer den S. 666 Anm. 1
angeführten Werken, Stern, Zur Biogr. U.'s II. Halle 1883.
' Vgl. die bei Watterich I S. 571 zusammengestellten Notizen.
— 859 —
bis er von Gregor nach Eom berufen wurde. Von ihm erhielt er
als Nachfolger des Deutschen Gerald im Jahr 1078 das Bistum
Ostia; seitdem stand er an der . Spitze des Kardinalskollegiums.
Dafüi-, daß er jetzt gewählt wurde, mag der Umstand ins Gewicht
gefallen sein, daß er die Verhältnisse und Persönlichkeiten in
Deutschland aus eigener Anschauung kannte. Den Ausschlag gab,
daß Viktor, obgleich Otto bei seiner Wahl zur Opposition gehört
hatte \ ihn empfahl ^ Somit war die Fortsetzung der bisherigen
Politik zu erwarten. Zwar lautete das erste Ausschreiben ürbans
kriegerisch: er mahnte die deutschen Gregorianer, in ihrem Kampfe
für die römische Kirche auszuhalten, und versicherte, er sei gewillt,
durchaus auf Gregors Bahn zu verharren: was er verworfen hat,
verwerfe ich, was er verdammt hat, verdamma ich, was er gehebt
hat, ergreife ich, was er für recht und kathohsch erachtet hat, be-
stätige und billige ich: wie er dachte, so denke auch ich in allen
Stücken^. Schien diesen Worten nach der Wind sich zurückzu-
drehen, so war das in Wirklichkeit doch nicht der Fall; vielmehr
hielt Urban zunächst an der maßvolleren Richtung Viktors fest.
Sie entsprach seinem Charakter. Denn während Gregor, sobald
er auf Widerstand stieß, geneigt war, seine Forderungen zu
steigern, war ürban in dem gleichen Falle bereit, sie zu ermäßigen.
Er gehörte zu den Männern, die ihre Handlungen den Umständen
anpassen und um ihretwillen auf das starre Prinzip verzichten. Seine
Laufbahn als Kardinal ist nicht frei von auffälhgen Schwankungen,
und als Papst hat er mehr als einmal die Rücksicht auf die Be-
drängnis der Zeit als Motiv für seine Maßregeln angeführt*. Über-
haupt war er, der die Genüsse des Lebens mehr zu schätzen wußte
als Gregor^, kein Mann des unbeugsamen Rechtes: wenn er sich
im Gefühl seiner Übergewalt einem Bischof gegenüber über die
Schranke der kanonischen Vorschriften hinwegsetze^, so konnte er
^ S. den Brief Hugos von Lyon S. 467.
2 Petr. ehr. Gas. III, 78 S. 753. .
^ J.W. 5348: Der Brief ist an Gebhard von Salzburg, Altmann, Mein-
liard von Würzburg, Adalbert von Worms, Wigold von Augsburg, Gebhard
von Konstanz und die Herzoge Weif von Baiern, Berthold von Schwaben
und Berthold von Zähringen gerichtet.
* J.W. 5378: Pro temporis labore; 5380: Pro tempore; 5383: Pro tem-
porum ac personarum qualitate.
* Vgl. die ironischen Schilderungen de Albino S. 425 ff.
^ Als B. Walcher von Kamerijk unter Berufung auf das kanon. Recht
eine unbegründete Forderung U.'s zurückwies, war die Antwort: Cessent
canones, meae leges erunt auctorizabiles. Gest. ep. Cam. cont. 8 S. 503.
— 8G0 —
ebenso, um die Gegner zu gewinne^, auf ihre genaue Beobachtung
verzichten. In Rom bheb somit die Neigung zu Konzessionen
herrschend.
Das Ziel, das Urban dabei im Auge hatte, war mehr, Wibert
zu beseitigen und dadurch die allgemeine Anerkennung zu erringen,
als Gregors Absichten durchzuführen.
Die Anschauungen Hugos von Cluni mögen nicht ohne Ein-
fluß auf ihn gewesen sein-^. Als sein Vertrauensmann in Deutsch-
land trat Gebhard III. von Konstanz in den Vordergrund. Er
hatte ihn einst während seiner deutschen Legation zum Bischof
geweiht, jetzt ernannte er ihn zum Gehilfen Altmanns im deutschen
Vikariat. Gebhard hatte auf die Schwierigkeit der Lage in Deutsch-
land aufmerksam gemacht. Der Papst antwortete, indem er die.
Grundsätze bestimmte, nach denen sein Vikar verfahren sollte.
Sie bezeichnen das entschiedenste Zurückweichen hinter Gregors
Standpunkt. Der Satz, daß jeder Verkehr mit Exkommunizierten
aus der Kirche ausschließt, wird ersetzt durch den anderen, daß
ein solcher Verkehr befleckt. Die Verschuldung kann verschieden
groß sein; demgemäß verfügte ürban, daß, wo in den Umständen
eine Entschuldigung liege, nur eine leichte Buße als Bedingung
der kirchlichen Gemeinschaft gefordert werden sollte, eine schwere
nur da, wo es sich um ein wiUentliches Unrecht handele. Als
tatsächlich exkommuniziert werden nur diejenigen bezeichnet, dLe
mit Rat und Tat Wibert oder Heinrich unterstützt hatten. Noch
wichtiger war, daß er in offenem Gegensatz gegen Gregor die
Weihen exkommunizierter Bischöfe, vorausgesetzt, daß sie nicht
Simonisten waren, anerkannte^. Das Programm der neuen Re-
gierung lautete also auf Entgegenkommen gegen die kirchliche
Opposition; der Übertritt sollte ihr erleichtert werden. Daß der
stets kaisertreue Pibo von Toul sich Urban unterwarf, zeigt, daß
diese Poütik nicht aussichtslos war^
1 Er berief ihn sofort nach Rom, J.W. 5349. 5364.
2 J.W. 5893, 18. April 1089; ürban gab 'dem deutschen Episkopat
von diesem Erlaß eigens Kenntnis, s. J.W. 5394. Die Synode von Piacenza
traf dem entsprechend ihre Beschlüsse, ürban hat demnach seine Ansicht
gewechselt; denn unter seinem Vorsitz war in Quedlinburg 1085 der ent-
gegengesetzte Beschluß gefaßt worden, s. ö. S. 844. Noch in der ersten
Zeit nach Antritt des päpstlichen Amtes stand er ebenso. Er hat damals
einen von Wezel von Mainz ordinierten Diakon reordiniert und diese Hand-
lung damit begründet, daß Wezel, quia nihil habuit, dare nihil potuit ei,
cui manus imposuit, s. J.W. 5383. Sein Stellungswechsel tritt zuerst J.W.
5386 zutage. Über die ganze Frage S. Gigalski in der Theol. QS. 1897
Bd. 79 S. 217 ff. ^5 J.W. 5409, 21. Sept. 1089.
— 861 —
Allein die Entscheidung lag nicht in der Unterwerfung des
einen oder anderen Bischofs, sondern in der Stellung des Kaisers.
Denn .so lange er Wibert stützte, hatte Urban wenig Hoffnung,
seinen Gegner zu beseitigen. Das fortwährende Schwanken des
Übergewichts in Italien, wo jetzt Urban, jetzt Wibert, jetzt beide
in Rom ihren Sitz nahmen^, zeigt das einleuchtend. Wibert
selbst war entschlossen, nicht zu weichen; er hielt im Jahr 1089
eine Synode in Rom. Dadurch, daß er sich hier zu dem alten
Reformprogramm — Beseitigung der Simonie und der Unzucht der
Kleriker — bekannte und den anfechtbaren Satz der Gregorianer
über die Nichtigkeit der Amtshandlungen schismatischer Priester
verwarf-, suchte er ebensosehr die Stellung seines Gegners zu
untergraben wie die seine zu verstärken. Und konnte Heinrich ihn
fallen lassen? Unter den deutschen und italienischen Großen fehlte
es nicht an Männern, die eine Verständigung mit Urban für mög-
lich hielten. Aber die Besprechungen, die zu diesem Zweck in
den Jahren 1089, 1090 und 1091 stattfanden, scheiterten sämtlich:
Heinrich war nicht zu bewegen, Wibert aufzugebend Sein Ent-
schluß war verhängnisvoll; aber er war unvermeidlich. Denn durch
die Entscheidung der persönlichen Frage wäre auch die sachliche
entschieden worden. Heinrich kämpfte für das Recht des Kaiser-
tums und für seinen Einfluß auf die Papstwahlen; unmöglich konnte
er den Mann verleugnen, aus dessen Hand er die Krone empfangen^
den er zum Papste ernannt hatte.
Da es nicht zum Frieden kam, so lag es in der Natur der Sache,
daß der offene Kampf wieder ausbrach. Zwar führte ihn Heinrich,
der im Jahr 1090 zum drittenmal nach Italien ging, glücklich;
Urban sah sich genötigt, Rom zu verlassen. Aber der Zusammen-
schluß der oberitahenischen Städte gegen Heinrich^, die Empörung
seines Sohnes Konrad im Jahr 1093 '^ endlich die Flucht der
1 Wibert verließ Rom im Frühjahr 1088, im Herbst war Urban ia der
Stadt, das hinderte nicht, daß 1089 Wibert zurückkehrte; im Herbst mußte
er sie wieder verlassen, aber 1091 öffnete sie ihm ihre Tore wieder.
2 Wiberts offenes Schreiben, L. d. 1. I S. 622. Eine aus Hirschau her-
vorgegangene Beantwortung desselben ist de unit. eccl. H, 2 S. 42, 6 S. 48,
38 S. 120 u. III, 2 S. 144 erwähnt. Daß man in der Verurteilung der Simo-
nie einig sei, gab ein so entschiedener Gegner wie Bruno von Segni zu,
ep. 4 S. 565.
3 Darüber Bern. z. 1089 S. 450; z. 1091 S. 452; Ann. Aug. z. 1089 u.
1091 S. 133 (bei Verona), Ann. Saxo z. 1090 S. 726 (zu Speier).
* Vgl. Cod. Udalr. 81 S. 162.
5 Bern. S. 456; Ann. Aug. S. 134; vgl. Meyer v. Knonau IV S 391 ff-
— 862 —
Kaiserin Adelheid und die Anklagen, die sie gegen ihn schleuderte ^
raubten ihm alle seine Erfolge: Urban nahm im November 1093
seinen Sitz wieder in Eom, er war durch die Anwesenheit Hein-
richs in Italien kaum mehr gefährdet ^ In Deutschland aber
führte die Erneuerung des Streites dazu, daß die gregorianische
Partei sich reorganisierte. Ihre Überwältigung war jetzt unmög-
licher als jemals.
In Konstanz behauptete sich Gebhard III.; keiner der ihm
entgegengestellten Bischöfe vermochte ihn zu verdrängen'^, dagegen
wußte er die führenden süddeutschen Fürsten, Berhtold von Zäli-
ringen und Weif, dazu zu bestimmen, daß sie sich als Dienstleute des
Papstes von ihm in Pflicht nehmen ließen*. Was Salzburg anlangt,
so vergingen allerdings fast zwei Jahre, ehe es den Gregorianern
gelang, dem Erzbischof Gebhard einen Nachfolger zu geben. Aber
am 25. März 1090 wählten sie den Abt Thiemo von St. Peter;
es war eine der letzten Handlungen, die Altmann und Adalbero
gemeinsam vollzogen, daß sie ihn am 7. April konsekrierten. Urban
übersandte ihm alsbald das Pallium '\ Als im Jahr danach Alt-
mann starb, erhielt er in dem Propst Udalrich von Augsburg einen
ihm gleichgesinnten Nachfolger*. Für Augsburg ernannte 1094
1 Ann. Aug. z. 1094 S. 134; Bern. S. 457. Berta war am 27. Dez. 1087
gestorben, Ann. Aug. z. 1088; 1089 hatte Heinrich Adelheid, eigentlich
Praxedis, eine russische Fürstentochter, geheiratet, Ann. Aug. Sie war die
Witwe des Markgrafen Heinrich von der Nordmark,
- Brief Ivos an einen Normannen Endo, Migne 162 S. 40: De ipso
papa, de quo quaesisti, hoc tibi dico, mense Novembri cum eo Romam
pacifice intravi; mense Januax-io ibi eum dimisi. Ibi adhuc moratur et ad-
verearios Rom. ecclesiae, quantum Deo donante praevalet, obluctatur. Urban
hatte schon im März 1091 auf der Synode zu Benevent das Anathema über
Wibert erneuert, Bern. S. 451.
* Der kaiserliche B. Otto starb im Beginn d. J. 1086. Es ist nicht
sicher, wer ihm nachfolgte. Man hat wahrscheinlich an Thietbald und
Siegfried zu denken, die als episcopi non ordinati bezeichnet werden, s. Lade-
wig in Z. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. I S. 223 ff. Am 28. März 1092 ernannte
und investierte Heinrich im Lager vor Mantua den Mönch Arnold von
St. Gallen zum Bischof, Gas. s. Galli cont. 33 S. 85 f.; aber die Konstanzer
Bürger versagten ihm die Anerkennung, Bern. S. 455. An Bedenken gegen
die Rechtmäßigkeit Gebharda fehlte es nicht. Bernold schrieb gegen sie
seine epist. apolog., L. d. 1. II S. 109 ff.
* Bern. z. 1093 S. 457, vgl. Meyer von Knonau IV S. 402 f.
5 Passio Thiem. 5f. Scr. XI S. 55; vita Gebeh. et success. 10 f. S. 40;
Bern. z. 1090 S. 450; vita Altm. 30 S. 238.
« Bern. z. 1092 S. 454, Ann. Aug. S. 134.
— 863 —
König Konrad den Abt Eberhard von Kempten; er sollte den
kaiserlich gesinnten Siegfried verdrängen^. Bei der Neubesetzung
von Chur im Jahr 1095 gelang die Erhebung des ausgesprochen
gregorianisch gesinnten Wido^ Auch in Metz wurde der Platz
Hermanns alsbald wieder besetzt; ürban hat die Wahl der Kano-
niker, die Poppo, einen Domherrn von Trier traf, gut geheißen,
ÜTigo von Lyon hat ihn geweiht ^ Überdies erhielt die gregoria-
nische Partei in Lothringen dadurch eine sehr erwünschte Ver-
stärkung, daß Pibo von Toul und Richer von Verdun sich von
ihrem Metropoliten lossagten. Der von Heinrich 1089 ernannte
Richer ließ sich Ostern 1094 von Hugo von Lyon weihen*. Für
Sachsen endlich hat Urban selbst dem schon im Jahre 1090 ge-
wählten Herrand von Halberstadt am 29. Januar 1094 die Konse-
kration erteilt ^
So bestand eine gregorianische Partei unter den deutschen
Bischöfen fort; gegnerischerseits rechnete man dreizehn Bischöfe
oder etliche mehr zu ihr^. In Lothringen hatte sie die Oberhand.
Dort war die Heimat des Reformmönchtums mit seiner Hochstellung
des kanonischen Rechts; von ihm beherrscht, stimmte das Volk der
Rede bei, daß nur auf Seiten Urbans katholische Christen zu finden
seien; alle anderen seien exkommuniziert^. Egilbert von Trier,
der allein Widerpart hielt, geriet in eine äußerst bedenkh che Lage;
er wünschte den Zusammentritt einer Synode der Wibertisten, um
seine Stellung zu verstärken^. Im übrigen Deutschland hatten
die Gregorianer einen schwierigeren Stand, besonders Thiemo von
Salzburg war fast machtlos dem kaiserlichen Erzbischof gegenüber;
eine Zeitlang war er der Gefangene seiner Gegner; dann lebte
er als Verbannter in Schwaben ^ Aber gerade diesseits des Rheins
vollzog sich schheßlich ein Umschwung in der Haltung des Volkes,
der für die Sache des Kaisers verderblich wurde. Er ist dadurch
1 Ann. Aug. z. 1094 S. 134. Bern. z. 1093 S. 456 fabelt von einer
kanonischen Wahl Eberhards. ^ Ann. Aug. z. 1095 S. 134.
3 Hugo Flav. chron. II S. 473; Bern. z. 1093 S. 456; J.W. 5442 vom
1. Febr. 1091.
" Hugo Flav. S. 478, vgl. Bern. 1. c, Laur. Gest. 10 S. 497.
5 J.W. 5505—5507; Gesta S. 101; über die Wahl Ann. Sax. z. 1090
S, 726. ® De un. eccl. II, 3 S. 44.
' Cod. Udalr. 86 S. 169; vgl. Ann. Aug. z. 1084, Bern. z. 1088 S. 447
u. 1093 S. 456.
8 Vgl. den eben angeführten Bericht Ruthards von Mainz an Rupert
von Bamberg, Cod. Udalr. 86 S. 168 ff.
9 Passio Thiem. 8 S. 56 f.; vgl. Mayer S. 117 ff.
— 864 —
herbeigeführt, daß das Mönchtum handelnd in die Entwickelung
eingriff.
Von einheithcher Parteinahme der Mönche im kirchhchen
Kampf kann lange Zeit nicht die Rede sein. Daß und in wie
fern die Lothringer und Cluniacenser den Boden für die kuriah-
stischen Ideen bereiteten, haben wir gesehen^. Aber als Führer
im Streit sind sie nicht aufgetreten, geschweige denn, daß in ihrem
Kreise die gregorianischen Ideen erzeugt worden wären. Hugo
von Cluni hielt sich nahezu neutral; er hat niemals den Verkehr
mit Heinrich IV. abgebrochen, auch auf die Gefahr päpstlicher
Zensuren hin ^. Noch weniger waren die deutschen Mönche geneigt
und geeignet, sich in den Kampf mit dem Kaiser zu stürzen. Schon
deshalb nicht, weil sie nicht einig waren. Zwar hatte sich im
allgemeinen das Bewußtsein, daß die kanonische Norm binde, ver-
stärkt: aber weder in den königlichen Klöstern noch bei der Be-
völkerung war die frühere Abneigung gegen die lothringischen
Neuerungen verschwunden. Das zeigte sich an den Stiftungen
Annos von Köln. Er hatte, nachdem seine ehrgeizigen Pläne ge-
scheitert waren, sein Kloster Siegburg dadurch zu einem Muster-
kloster zu machen unternommen, daß er es mit Mönchen aus
Fructuaria, Schülern Wilhelms von Dijon, besetzte. Die in Sieg-
burg getroffenen Einrichtungen wurden in kurzem nach St. Pantaleon,
Grafschaft und Saalfeld ^, später auch nach Sinsheim* übertragen.
Der erste Eindruck, den die fremden Mönche in Deutschland
machten, war günstig^; aber schon nach wenigen Jahren schlug
die Stimmung um, und bald waren in Köln keine Mönche so ver-
haßt wie die von St. Pantaleon \ Aus den Klöstern, in denen die
Gewohnheiten von Fructuaria eingeführt werden sollten, entwichen
die Mönche in Scharen'. Sie wollten nichts von Neuerungen
wissen. Am bezeichnendsten ist, daß ein Mann wie Lambert von
Hersfeld, nachdem er länger als ein Vierteljahr bei den Siegbm'gern
zugebracht hatte, zu dem Urteil kam, die Einrichtungen in den
deutschen Klostern entsprächen der Regel besser als die von Fruc-
tuaria*. Die Erklärung der Abtei Monte Cassino gegen die
1 Vgl. oben S. 495 ff.
2 Vgl. oben S. 807 u. die Bfe Heinrichs, d'Achery, Spicih III S. 441 ff.
3 Vita Annon. 1,23 S. 476; Lamb. z. 1071 S. 132.
* 1092 Chron. Sinsh. 4 bei Mone, QS. I S. 205.
5 Lamb. a. a. 0.
** Lamb. z. 1074 S. 190: Quod novum illic inusitatumque religionis
genus instituissent.
' Lamb. S. 133. Vgl. auch die Äußerungen Udalrichs in seinem Briefe
an Wilhelm von Hirschau, Migne 149 S. 636. » Lamb. S. 133.
~ 865 —
cluniaceiisischen Gewohnheiten konnte die Deutschen nur in ihrer
ablehnenden Haltung bestärkend
Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, daß die Mönche den
Kampf zwischen Kaiser und Papst sehr verschieden beurteilten ^
Man findet sie auf beiden Seiten, wenn auch vielleicht in größerer
Anzahl auf der päpstlichen. Keinen treueren Anhänger hatte
Heinrich in Schwaben als den Abt Udalrich HI. von St. Gallen^,
und mit ihm waren seine Mönche durchaus einverstanden*. Da-
gegen war die benachbarte Abtei Reichenau gregorianisch gesinnt^
In Hersfeld wirkte als Abt der königstreue Hartwig und schrieb
der Verfasser der Schrift über die Einheit der Kirche; aber auch
Lambert, dieser erklärte Gegner Heinrichs, hat dort sein Geschichts-
werk verfaßt. Dachten die Mönche in Niederaltaich so entschieden
königlich, daß sie selbst den Gold- und Silberschatz des Klosters
nicht schonten, um Heinrich im Kampf zu unterstützen^, so waren
die Kanoniker von St. Nikolaus in Passau so ausgesprochen päpst-
lich gesinnt, daß sie ihr Kloster als profaniert betrachteten, nachdem
es Heinrich betreten hatte'. So war es überall: das Mönchtum
als solches ergriff nicht Partei.
Nach und nach ' kam jedoch in Süddeutschland eine neue
Bewegung zum Durchbrach. Dort war seit lange Maria Einsiedeln
ein Zentralpunkt des reformierten Mönchtums^. Sodann besaßen
die Cluniazenser Niederlassungen auf dem Rüggisberg im Bemer
Mittelland" und zu Grüningen im Breisgau ^*', 1083 erwarben sie
1 Brief der Mönche von Monte Cassino an Hartwig von Hersfeld,
N.A. III S. 189. Wenn, wie es wahrscheinlich ist, der Brief vor Gregors
Tod geschrieben ist, so charakterisiert er die Stellung des Abts Desiderius
zu seinem Vorgänger.
2 Vgl. Vita II Annon. 23 S. 495, wo die Entzweiung der Mönche als
Folge des Streits bezeichnet wird.
3 Gas. 8. Galli cont. 21 ff. S. 47 ff.
* 21 S. 43: Monachi honorem Heinrici imperatoris fideliter defendentes.
5 S. 44. Heinrich übertrug sie 1079 Udalrich von St. Gallen, c. 23
S. 53, der sie aber nicht behaupten konnte.
6 Vgl. M.B. XI S. 159 Nr. 39.
' Vita Altmanni 13 S. 233; vgl. J.W. 4945.
8 S. 0. S. 373 u. Ringholz in den Stud. u. Mitt. aus dem Bened.O. VU
S. 50 ff.
® Das Kl. auf dem Mona Rotgeri ist Anfang der siebziger Jahre ent-
standen und von Udalrich von Zell eingerichtet, vita IL Udalr. 21 S. 258.
Eb lag im Bistum Lausanne. Für die Vollendung der Gründung läßt sich
aus der falschen Urk. Stumpf 2788 vom 27. März 1076 nichts entnehmen.
Denn schwerlich liegt ihr eine echte Vorlage zugrunde.
*" Cluni besaß seit 1072 die Kirche in Rimesingen, jetzt Rimsingen bei
Hauck, Kirchengeschichte. III. 55
— 866 — ■
das Kloster St. Alban in Basel \ um dieselbe Zeit gründeten sie
ein Priorat in Altkirch im Sundgau-, üdalrich, der Prior von
Grüningen, war einer der ersten deutschen Mönche gewesen, die in
Cluni eintraten ^. Er war dort zum begeisterten Verehrer der neuen
Einrichtungen geworden: er hat einen ausführlichen Bericht über
sie aufgezeichnet und für ihre Annahme in deutschen Klöstern ge-
wirkt^. Diesen Stiftungen zur Seite traten, sie bald an Bedeutung
übertreffend, das schwäbische Kloster St. Blasien und das fränkische
Hirschau^. Hier überall war man reformfreundlich gesinnt; man
blickte mit tiefer Unzufriedenheit auf die Durchschnittszustände
unter den deutschen Mönchen^, und man verwarf voll Abscheu das
Wibertistische Schisma. So ergriff mau Partei, in St. Blasien wohl
noch besonders veranlaßt durch die Beziehungen Rudolfs von
Rheinfelden zu dem Kloster'. Doch das war nichts Sonderliches;
denn wer konnte in dem großen Streit neutral bleiben? Das Neue
war, daß die Mönche dieser Klöster begannen agitatorisch zu wirken.
Dadurch hat Wilhelm von Hirschau eine Bedeutung erlangt, die
alle früheren Klosterreformatoren in Schatten stellt^. Wir ver-
Breisach, Recueil des chartes de l'abbaye de Cluny IV S. 557 ff. Nr. 3448 f.;
von dort wurde die Stiftung alsbald nach dem benachbarten Grüningen
verlegt. Auch hier blieb sie nur kurze Zeit, 1087 verlegte sie Üdalrich
nach Zell am Feldberg im Schwarzwald, vita II, Udalr. 27 S. 261 und 29
S. 262, Schw. UE. I S. 388 Nr. 1436.
1 Schw. UR. I S. 424 Nr. 1521.
2 In der Urk. Paschais II. v. 8. Febr. 1107 J.W. 6122 ist Altkirch als
unter B. Burchard v. Basel (1072 — 1106) von Graf Friedrich geschenkt ge-
nannt; vgl. Vita Morandi, Biblioth. Cluniac. S. 503. Ein älteres Clunia-
censerkloster an der Grenze des deutschen und roman. Sprachgebiets war
Peterlingen im Waadtland, Bist. Lausanne, s. o. S. 382. Auch hier war
Üdalrich eine Zeitlang tätig, Vit. IL Udalr. 25 S. 260. In Niederdeutschland
hatte Meinwerk v, Paderborn schon 1015 Abdinghof mit Cluniazensern be-
setzt, vita Meinw. 28 S. 118. Daß die Cluniazenser anfangs mit ähnlichem
Argwohn betrachtet wurden, wie die Mönche von Fructuaria, zeigt Vit. IL
Udalr. 24 S. 259; 41 S. 265.
3 Vita I Udalr. 6 S. 253. E. Hauviller, Ulrich v. Cluny, Münster 1896.
* Migne 149 S. 635 ff. Die Consuetudines Cluniacenses antiquiores sind
soeben im 2. Bde der Consuet. monastic. herausgegeben r. B. Albers, er-
schienen, Monte Cassino 1905.
5 Bern. z. 1083 S. 439; vgl. Gas. s. Galli cont. 31 S. 82. Paul. Bernr.
118 S. 543.
* Vgl. die Vorrede Udalrichs zu den cons. Clun. Migne 149 S. 635 ff.
' Seine Gemahlin Adelheid ist dort begraben, Bern. z. 1079 S. 319.
* Die wenig wertvolle Biographie Wilhelms Scr. XII S. 211 ff. Helms-
dörfer, Forschungen zur Geschichte des Abtes Wilhelm 1874, Giseke, Die
_ 867 —
weilen einen Moment bei seiner Persönlichkeit. Hirschaii war kurz
vor dem Ausbruch der kirchlichen Streitigkeiten von dem Grafen
Adalbert von Calw durch Mönche von Einsiedeln rekonstruiert
worden ^ Es war ein kleines Klösterlein, für nicht mehr als fünf-
zehn Brüder bestimmt. Im Jahr 1069 wurde Wilhelm, bisher
Mönch in St. Emmeram, zu seiner Leitung berufen; zwei Jahre
später erhielt er die Abtsweihe. Man kann ihn sich wohl vor-
stellen: lang und hager, mit kahlem Scheitel und von dunkler Ge-
sichtsfarbe, besonders auffallend seine großen Hände und seine
mächtige Stimme -. Er hatte ungewöhnliches mechanisches Geschick;
auch als Schriftsteller versuchte er sich"; doch war er vor allem
ein treuer Mönch. Bemerkenswert ist nun die Entwickelung seiner
Anschauungen. Als Schüler von St. Emmeram stand er in der
Tradition der deutschen Klöster und er hielt etwas auf die Ein-
richtungen, an die er gewöhnt war. Er hat sie in Hirschau ein-
geführt. Aber auf die Dauer genügten sie ihm nicht; er meinte
nun zu bemerken, daß sie ein Zeugnis für das Erschlaffen der
mönchischen Energie seien; bald stand sein Entschluß fest, die
Regensburger Gewohnheiten mit anderen, vollkommneren zu ver-
tauschen *, Man möchte vermuten, daß die Bekanntschaft mit den
Cluniazenserniederlassungen in Schwaben diesen Umschwung her-
beiführte: mit üdalrich von Grüningen war er von. Jugend auf
befreundet''^. Dann, wahrscheinhch im Jahr 1075, finden wir ihn
in Rom. Er hatte die Kurie aufgesucht, um die Bestätigung der
Unabhängigkeit seines Klosters zu erlangen ^. Aber er lernte dabei
Gregor VII. persönHch kennen, und wie mußte die imponierende
Ausbreitung der Hirschauer Regel 1877 und Die Hirschauer während des
Inv.-Str. 1883, Mayr in den Mtt. d. Inst. 1880, Bessert in der Würt. KG.
S. 108 ff., Hafner in d. Stud. u. Mitt. aus d. Bened.O. XII S. 244 ff.
1 Urk. Heinrichs v. 9. Okt. 1075 St. 2785 u. Bericht in der Hist. Hirs.
monast. 1 f. Scr. XIV S. 255 f. Das Kloster erhielt durch die Urk. Heinrichs
die freie Abtswahl, die Möglichkeit der Absetzung eines unwürdigen Abts,
die Wähl des Vogts zunächst aus der Familie des Stifters, wenn nötig
auch ohne diese Beschränkung. Diese Urkunde wurde das Muster für die
Privilegien jüngerer Hirschauer Klöster, s. Lechner in den Mtt. d. Inst. XXI
S. 92. Analoge Rechte suchten sich ältere Benediktinerklöster, wie Lechner
S. 37 ff. zeigt, durch Herstellung falscher Diplome zu verschaffen.
2 Hist. Hirs. mon. 3 S. 256; vita Wilh. 2 S. 212.
3 Bern. z. 1091 S. 451; seine Schrift de musica Migne 150 S. 1147.
* Vorrede zu den Constit. Hirs. Migne 150 S. 927.
5 A. a. 0. S. 929.
6 J.W. 5279; die Urkunde ist undatiert.. Nach vita 4 S. 218. u. Berth.
z. 1075 S. 281 muß man die Reise in diese Zeit verlegen.
55*
— 868 —
Größe des Papstes auf ihn wirken! Als der Streit ausbrach, hielt
er sich ohne Wanken auf dei;^ päpstlichen Seite. Er berichtete
über die deutschen Verhältnisse nach Rora^, bot dem Legaten
Bernhard von Marseille in Hirschau eine Zuflucht; fast ein volles
Jahr hat er ihn bei sich beherbergt. In dieser Zeit hat Bernhard
ihn von neuem auf die Einrichtungen Clunis hingewiesen. Und
nicht vergeblich; er wußte sich genaue Kenntnis von ihnen zu ver-
schaffen^, und in ihnen erkannte er die vollkommnere Ordnung des
Mönchwesen, die er suchte; nach ihrem Vorbild hat er das Leben
in Hirschau gestaltet. Nun wurde jene erdrückende Regelung aller,
auch der unwillkürHchen Regungen, aller Bewegungen und Hand-
lungen durchgeführt, die der Benediktinerregel so fremd ist, und
die bisher die deutschen Benediktiner so bestimmt abgelehnt hatten.
Auch in einem deutschen Kloster wurde es jetzt Sitte, mehr durch
Zeichen als dm*ch Worte zu reden, sich in genau vorgeschriebener
Weise zu neigen und zu verbeugen, sich in der gleichen Manier
auszuziehen und anzuziehen. Dabei wurde das Verhalten der
einzelnen dm'ch bestellte Beobachter fast ununterbrochen überwacht:
nie und nirgends sollte bei dem Mönche die gespannte Achtsam-
keit auf sich selbst nachlassen^. Der Zweck dieser rücksichtslosen
Unterdrückung alles Individuellen war, die Klosterbrüder an un-
bedingten Gehorsam zu gewöhnen; Wilhelm kannte kein größeres
Verbrechen als eine Verletzung desselben: schon der Widerspruch
gegen die Klostergesetze wurde durch Einschließung in ein Verließ
bestraft, das weder Fenster noch Türe hatte, in das man auf einer
Leiter hinabstieg*; bei der Bestrafung der Auflehnung aber wurde
dem Abt und den Mönchen ausdrückhch die Unbarmherzigkeit zur
Pflicht gemacht''*.
1 Vgl. Greg. Registr. VIII, 26 S. 474. Pfingsten 1077 feierte der Gegen-
könig Rudolf in H., Bern. S. 434; vgl. auch St. 2998.
2 Berth. z. 1077 S. 298. Vorrede a. a. 0. ; vgl. Bernhards Brief bei
Sudendorf, Reg. I Nr. 10 S. 18. Wilhelm nennt neben ihm als seinen Ge-
währsmann den Prior Udalrich von Zell; dieser schrieb für ihn die consuet.
CluD. nieder, Migne 149 S. 635 ff., vgl. vita II Udalr. 34 S. 263. Er sandte
überdies zweimal Boten nach Cluni, um die dortigen Einrichtungen kennen
zu lernen. Giseke u. a. sprechen von der Cluniazenaerregel ; eine solche
gibt es nicht; die Regel der Cluniazenser war die regula s. Benedicti.
^ Const. Hirs. 11,21 S. 1067: üt nee locus sit nee hora, in qua frater
ullus securus sit. * Vgl. II, 7 S. 1047.
^ 11,9 S. 1048: In huiusmodi solo nomine monacho non ordo ser-
vandus, non abbatis commiseratio, non seniorum compassio adhibenda, sed
corporalis districtio tamdiu est exaggeranda, quousque hoc volimtarie fäcere
incipiat, quod prius induratio non sinebat.
— 869 —
Wer möchte sich wundern, daß die Hirschauei' Gewohnheiten
in den alten Benediktinerklöstem den gleichen Widerspruch er-
regten, wie vorher die der Lothringer? Wilhelm hatte die weiße
Tracht der Cluniazenser eingeführt; man spottete darüber, daß er
sich anstelle, als ob das Kleid und nicht die Tugend den Mönch
mache ■^; nicht minderen Widerspruch erregte die große Tonsur, die
die Hirschauer trugen^. Doch war es sicher jetzt wie früher im
tiefsten Grunde die seehsche Knechtung, gegen welche der deutsche
Individuahsmus sich empörte. So urteilte man in Hersfeld ^, in
Lorsch"*, in St. Gallen^, in Tegernsee*^, in Petershausen '. Und
trotzdem hatte Wilhelm Erfolg; denn er vermochte, was keinem
vor ihm gelungen war, Begeisterung für die neuen Einrichtungen
wachzurufen: die Zahl der Mönche in Hirschau verzehnfachte sich
während seiner Amtsführung^, und die Hirschauer Gewohnheiten
wurden mit überraschender Schnelligkeit weithin in den Klöstern
des südlichen und mittleren Deutschlands herrschend^. Verhältnis-
mäßig geringen Eingang fanden sie in Franken; hier schlössen sich
nur Hasungen, Komburg und Schönrein an Wilhelm an ■^^, Um
so größer war die Zahl der Hirschauer Klöster in Schwaben ^^•. das
^ Lorscher Spottgedicht v. 84 ff. Scr. XXI S. 432.
2 Ib. V. 76 S. 432. * Vgl. de un. eccl. II, 42 f. S. 132 tf.
* Als Winither von Lorsch die Hirschauer Gewohnheiten in seinem
Kloster einführen wollte, scheiterte sein Unternehmen an dem einhelligen
Widerspruch der Mönche, Chron. Laur. S. 421. Als später Gebhard von
Hirschau das Kloster Lorsch von Heinrich V. erhielt und nun wirklich die
Hirschauer Ordnungen angenommen werden sollten, konnte er nur durch
die Verjagung eines großen Teils der Mönche Gehorsam ei'zwingen. Nach
seinem Tode wurden sie wieder abgeschafft, ib. S. 430 u. 433 f.
5 Gas. s. Galli contin. 31 S. 82.
•* Abt und Konvent legten Protest gegen die Reform ein. Der Vor-
gang spielt später unter Bischof Otto c. 1145, mag aber hier angeführt
werden, Meichelb. 1, 1 S. 331. unter den modernae institutiones et con-
suetudines claustralium kann man kaum etwas anderes verstehen als die
Hirschauer Gewohnheiten.
' Gas. mon. Petrish. III, 2 S. 649; es kam zu einem Auszug.
« Hist. Hirs. mon. 3 S. 256.
^ Ich nenne nur die Hirschauer Klöster dieser Zeit; ein vollständiges
Verzeichnis, aber ohne Quellenangaben, bietet Albers in der Festschrift z.
elfhundertj, Jabil. d. d. Gampo Santo in Rom S. 115 ff.
10 Hasungen, Diöz. Mainz 1081, Annal. Ottenb. z. 1081 Scr. V S. 7; Hist.
Hirs. mon. app. S. 263. — Komburg, Diöz. Würzburg, vor 1090, Wirt. ÜB. I
S. 286 Nr. 239, Bern. z. 1091 S. 451; vita Wilh. 22 S. 219. — Schönrein,
Diöz. Würzburg, vor 1090, Wirtemb. ÜB. II S. 5 S.
11 Weilheim vor 1078, Bern. z. 1093 S. 456, vita Wilh. 22 S. 219, Geneal.
— 870 —
Salvatorkloster in Schaffhauseii, St. Georg und St. Gregor im
Schwarzwald, Zwietalten, Petershausen,- Weilheim u. T., Sindelfingen,
Blaubeuren sind hier zu nennen. Dazu kamen in Baiern Krems-
münster, St. Paul im Lavanttal, Admont und St. Margareta in
der ZelP, in Thüringen Eeinhardsbrunn und St. Peter auf dem
Berge zu J^rfurt^. Der Tod Wilhelms am 5. JuU 1091 minderte
den Einfluß und das Ansehen Hirschaus kaum. Denn, obgleich
es nicht zur Gründung einer Hirschauer Kongregation gekommen
war, so breitete sich doch die Reformbewegung auch unter seinen
Nachfolgern Gebhard und Bruno noch weiter aus^. Gleichzeitig
Zaring. Scr. XIII S. 735, Freib. Diöz. Arch. XIII S. 285; 1093 nach St. Peter
bei Freiburg i. B. verlegt. — Sindelfingen vor 1083, bald in ein Chorherren-
stift verwandelt, Fund. Scr. XVII S. 800. — Schaff hausen 1080, Relatio Burch.
Quellen zur Schweiz. Gesch. III, 1 S. 14 f. Nr. 6, Registr. VII, 24 S. 417, Vita
Wilh. 22 S. 219, Bern. z. 1091 S. 451. — St. Gregor oder Reichenbach 1082,
Stift.Urk. Wirt. ÜB. I S. 284 Nr. 236, Notit. Reich. Scr. XV S. 1023, Bern,
z. 1091, vita Wilh. 22. — St. Georg 1083-1084, Notit. fund. Scr. XV S. 1007,
Bern. z. 1088 S. 447 u. 1091 S. 451, vita Wilh. 22. — Petershausen 1086,
vita Wilh. 22 S. 219, Gas. mon. Petrish. III, 1 ff. Scr. XX S. 649, Bern. z.
1091. — Zwifalten 1089, Wirt. ÜB. I S. 298 Nr. 242, Ortlieb. ehr. 1. 1 ff.
Scr. X S. 71 ff. — Blaubeuren um 1090, Eist. Hirs. mon. S. 263, Wirt. ÜB. I
S. 313 Nr. 253, Ann. Spir. Scr. XVII S. 82.
1 Kremsmünster, Hist. Chremif. z. 1082 Scr. XXV S. 631, Vita Altm. 10
S. 232. — St. Paul. c. 1085, Hist. fund. Scr. XV S. 1058, J.W. 5784, Vita
Wilh. 22. — Admont, Vita II Gebeh. 11 Scr. XI S. 40 f. — St. Margaret c.
1079, Chron. Schir. 8 Scr. XVII S. 617; vgl. Scr. XV S. 1068, das Kloster
wurde zuerst nach Fischbachau, dann nach Usenhofen, endlich nach
Scheiren verlegt.
2 Reinhardsbrunn 1085, J.W. 5906, Chr. s. Petr. Erph. z. 1085 S. 16,
Chr. Gozec. II, 14 Scr. X S. 154, Vita II Gebeh. 11 Scr. XI S. 40 f. Die Urk.
Heinrichs Reg. dipl. Thur. I S. 201 Nr. 947 ist gefälscht. — St. Peter na'ch
1085, Vita Wilh. 22, Hi&t. Hirs. mon. app. S. 263, Ann. s. Petri Erph. z.
1100 S. 16.
3 In dem Verzeichnis der von Hirschau ausgesandten Äbte Scr. XIV
S. 263 werden außer den genannten folgende Klöster angeführt: Altdorf,
Magdeburg, d. i. Kl. Bergen, Hugshofen, Rosacium in Friaul, Paulinzelle,
Bamberg, d. i. St. Michael, Prüfening, Breitenau, Bosau, Langenau, El-
chingen, Amorbach (?), Mettlach, Schwarzach am Main, Schwarzach am
Rhein, Theres, Wessobrunn, Bregenz, d. i. Meherau, Lorsch, Bleidenstadt,
Hornbach, Deggingen, Beinwil, dazu das unbekannte Odenheim. In dem
von Mayr, Mtt. d. Inst. I S. 126 f. publizierten bairischen Verzeichnis sind
als verbrüderte Klöster genannt Admont, St. Emmeram, Prüfening Prühl,
Biburg, Mallersdorf, Reichenbach. Das gleichfalls bair. Verzeichnis, das
Heinisdörfer mitteilt (S. 118), nennt außerdem: Michelfeld, Ennsderf, Attel,
\— 871 —
drangen von St. Blasien her^ die Gewohnheiten von Fructuaria in
Schwaben und Baieni, und, wie es scheint, direkt von Burgund
aus die cluniazensischen Einrichtungen in Norddeutschland vor.
St Blasien folgten in Schwaben Muri, St. Ulrich und Afra zu
Augsburg, Kempten, Wibhngen, Ochsenhausen-, in Baiern Gött-
weih, Garsten und St. Lambert^. Die Cluniazensergewohnheiten
wurden im Anfang des zwölften Jahrhunderts in St Bertin und
St Truijen, St Jacob und St Lorenz in Lüttich herrschend ^ schon
etwas früher in Ilsenburg, Hillersleben, Harsefeld und Huysburg^.
Bedeutend war, wie gesagt, diese neue Welle klösterlicher
Beformen um der Einwirkung auf das Volk willen. Herrand von
Ilsen bürg und Giselbert von Beinhardsbrunn gehörten zu den ein-
flußreichsten Gregorianem des Nordens. Im Süden waren St. Blasien,
Schaffhausen und besonders Hirschau gewissermaßen gregorianische
Festungen. Dort fanden die bedrängten und vertriebenen Ge-
sinnungsgenossen eine sichere Zuflucht® und von dort aus wurde
der Angriff auf die Gegner geleitet'.
Aspach, Weihenstefan, Weltenburg, Münchsmünster, Kastei, Benediktbeuren,
Seeon, St Jakob in Regensburg, Rott und zwei nicht zu identifizierende
Klöster. Außerdem ist sicher der Einfluß Hirschaus auf Corvey (Ann. Pegav.
z. 1101 Scr. XVI S. 246) und Pegau (ibid.).
^ Beide Klöster und Muri standen seit ca. 1086 in einer Gebetsver-
brüderung, Wirt. ÜB. V S. 372.
- Acta Murensia 9, Quellen z. Schweiz. Gesch. III S. 31. In Augsburg
und Kempten leitete der gleich zu erwähnende Hartmann von Göttweih die
Klöster, vita Altm. 40 S. 241, Ser. abb. s. Udalr. Scr. XIII S. 280, Stiftungs-
urkunde Ochsenhausens, Wirt. ÜB. I S. 321 Nr. 256; Bern. z. 1093 S. 456.
Auch Alpirsbach hat wahrscheinlich die Gewohnheiten von St. Blasien an-
genommen, da seine Gründung unter Beirat des Abts üto von St. Blasien
erfolgte, Wirt ÜB. S. 315 Nr. 254.
3 Über die Tätigkeit Hartmanns in Göttweih vita Altm. 38 f. S. 241,
Bern. z. 1094 S. 460, Auct Garst z. 1094 Scr. IX S. 568, Ann. Adm. z. 1094
S. 576. Über St Lambert Vita Altm. 40 S. 241. Über Garsten Auct Garst
z. 1107 S. 568.
* Sim. Gesta abb. s. Bert. II, 64 ff. S. 648, weitere Reformen von' s.
Bertin. aus c. 71 ff. S. 649 f., Gesta abb. Trud. VI, 21 S. 262, VIII, 16 S. 278.
5 ÜB. des Kl. Ilsenburg S. 6 Nr. 5 v. 1085, vgl. Ann. Saxo z. 1088
S. 726; ÜB. von Halberstadt I S. 81 Nr. 118 v. 1096; Hamb. ÜB. I S. 118
Nr. 126 f.
« Vgl. Bernold z. 1083 S. 439; Gas. mon. Petrish. 11,48 S. 648; vita
Paulinae 29 (ed. Mitzschke S. 64); Hist. Hirs. mon. 3 S. 256; Pass. Thiem. 4
Scr. XI S. 54.
' Wie ausschließlich die Hirschauer und St. Blasier Klöster das päpst-
liche Vertrauen hatten, zeigen die Schutzbriefe Urbans II. für Hirschau
— 872 —
Seitdem der Zug der Irländer nach dem fränkischen Reiche
aufgehört hatte, waren in Deutschland mönchische Wanderprediger
unbekannt geworden. Jetzt traten sie von neuem auf: von den
Hirschauer Klöstern aus-, durchzogen sie das Land. So feurig und
hinreißend wie einstmals die Kelten predigten sie die asketische
Frömmigkeit ^ : die Worte Geistlich und Fleischlich waren in ihrem
Munde gleichbedeutend mit Mönch und Laie -. Ihre Gegner warfen
ihnen vor, sie leugneten, daß Verheiratete selig werden könnten,
und forderten, daß alle Eheleute sich trennten und das Ihre ver-
ließen^. Und ohne Zweifel drangen sie auf die Unterordnung
aller unter die geistliche Leitung: wie im Kloster der Gehorsam-
gegen den Abt das A und 0 war, so sollte in der Welt der Ge-
horsam gegen die Kirche aufgerichtet werden *. Unmöglich konnten
sie von dem kirchlichen Streite schweigen: sie donnerten wider den
wahnsinnigen Wibert, der Unzucht und Simonie gebiete^, wider die
weltlichen Fürsten, die die Kirche verfolgen wie einstmals Antiochus
die Juden, wider die unwürdigen Priester, die das Gegenteil von
5543, St. Blasien 5504, 5783, Schaffhausen 5429, 5457, 5580, Reinhards-
brunn 5462, 5508, Zwiefalten 5483, St. Georg 5542, St. Peter 5545, Wib-
lingen 5697, Göttweih 5698, Blaubeuren 5781, St. Peter in Kärnthen 5784.
Von Lothringen abgesehen (St. Vincenz und St. Salvator in Metz 5623 f.,
St. Gislen 5593), gibt es außerdem 4 Schutzbriefe Urbans für deutsche
Klöster: für Raittenbuch, die Stiftung des Herzogs Weif und Altmanns von
Passau (5428, 5459), Marbach, die Stiftung Manegolds von Lautenbach
(5629), Neresheim, die Stiftung des Grafen Hartmann von Dillingen, eines
päpstlichen Parteigängers (5765), u. Reichenau, das sich an die Hirschauer
angeschlossen hatte (5541a), mit andern Worten: Urban hat, abgesehen
von drei Neustiftungen erklärter Anhänger, ausschließlich an Klöster, die
mit Hirschau und St. Blasien zusammenhingen, Schutzbriefe erteilt.
^ Ich benütze zu der folgenden Charakteristik der Hirschauer Ansichten
den Brief Wilhelms an König Hermann bei Sudendorf, Registr. I S. 50
Nr. 15, das Lorscher Spottgedicht, die Notizen des Hersf. Anonymus und
den Psalmen-Kommentar, der unter dem Namen Haimos geht, s. über ihn
Beilage II.
'^ Vgl. die Gegenüberstellung von spiritualis professio und carnalium
hominum vita in der vita II Udalr. Cell. 29 S. 261. Bei Haimo bilden die
activi und contemplativi stehende Kategorien; vgl. z. B. Ps. 21 S. 267; 23
S. 272; 32 S. 303; 54 S. 379 etc.
^ Lorscher Spottgedicht v. 19 ff. S. 431 ; v. 44.
* Brief Wilhelms.
^ Haimo zu Ps. 90 S. 510: Non timebimus a gravissima persecutione
manifesta, qualis esset persecutio, si aliquis nefandus episcopus praedicaret
et praeciperet fornicationem vel simoniam sicut Guibertus demens (vgl. zu
dieser Roheit Deusdedit, contra invas. H, 12 S. 330).
— 873 —
dem tun, was sie predigen, wider die Weltweisen und ihre listigen
Lehren^. Gleichwohl waren sie nicht Gesinnungsgenossen Gregors
im strengen Sinn des Wortes:' die Weltherrschaft des Papsttums
und die Unterwerfung des Kaisers zu einem Vasallen Roms, das
waren Gedanken, für die den Lobrednem der Askese die Empfäng-
lichkeit fehlte. Wilhelm selbst dachte über die Stellung und die
Macht des Königs in der Kirche nicht viel anders als die ge-
mäßigten Antigregorianer: er verwarf nicht die Laieninvestitur an
und für sich, sondern nur den dabei geschehenden Übergriff in das
geistliche Gebiet, er schrieb dem König die Pflicht zu, die Simonie
und die Unkeuschheit der Priester auszurotten^. Sein Nachfolger
nahm unbedenklich ein Bistum aus der Hand des Königs an. So
kam für die Hirschauer fast allein die reUgiöse Seite des Streits in
Betracht. Um so eindrucksvoller aber mußten ihre Reformforderungen
sein: wer konnte widersprechen, wenn sie verlangten, daß die
Simonie abgetan, die Zucht unter dem Klerus wieder hergestellt
werde? Und wer wurde nicht erschüttert, wenn sie verkündigten,
die Durchführung der Reform sei die Bedingung, um das der
Welt drohende Unheil zu vermeiden^? Denn die Verfolgung,
welche die Heihgen in der Gegenwart zu bestehen hätten, beweise
die Nähe des Endes: noch sei der Antichrist nicht da, aber die
letzte Stunde vor seiner Ankunft sei vorhanden*. An der Kirche
habe sich das Psalmwort erfüllt: Wir sind eine Schmach geworden
unseren Nachbarn, ein Spott und Hohn denen, die um uns her
sind. Aber der Herr werde kommen und seinen Grimm ausschütten
über die Könige, die seinen Namen nicht angerufen haben '^. Und
wer werde dann gerettet werden? Die Hirschauer Prädikanten
antworteten: Nur die Glieder der Kirche; aber die Kirche ist
allein in der Gemeinschaft der Gregorianer vorhanden, nur dort
gibt es ein Priestertum, nur dort finden sich Himmlische, Geist-
^ Haimo zu Ps. 78 S. 469: Haec eadem mala sunt inventa in ecclesia
eodem modo; S. 470: Haec persecutio, quam sustinemus; zu Ps. 23 S. 271:
Per flumina accipit saeculares principes . . super quos Deus fecit ecclesiam,
quia etiam principum persecutiones superat ecclesia; zu Ps. 77 S. 467: Simi-
liter sacerdotes nostri cadunt in gladio oris Dei, cum his quae bene an-
nuntiant contraria faciunt. Auch gegen die Mönche a. a. 0.: Per viduas
quoslibet in ecclesia castitatem voventes possumus accipere, qui iuste non
plorantur, si votum frangentes recedunt in usum libidinis; zu Ps. 11 S. 231.
^ Brief an König Hermann. ^ Ibid.
"* Haimo zu Ps. 70 S. 431 : Caritas incipit frigescere, ut in hoc tem-
pore ante Antichristum.
s Haimo zu Ps. 78 S. 469.
— 874 —
liehe, Kinder Gottes ^. Wie verwerflich mußte von diesem Punkte
aus der Verkehr mit den Exkommunizierten^, die Anerkennung
Heinrichs als Kaiser erscheinen! Sie versicherten: Wer sich von
der Einheit der Kirche Gottes scheidet, der stürzt in die Tiefe;
denn niemand steht so hoch, daß er nicht durch sie geschirmt
würde ^. Alle Häretiker -sind verloren : für die Getreuen der Kirche
ist es heilige Pflicht, jede Gemeinschaft mit ihnen zu meideu; denn
sie sind die Feinde des Dienstes Gottes, ihr Opfer ist von dem
der Kirche geschieden. Die Prediger der Gerechtigkeit müssen sie
töten, indem sie sie exkommunizieren; wer sich zu Gott bekehrt,
muß ihnen widerstehen bis aufs Blut*.
So predigten die Hirschauer in Schwaben und Franken. Und
wie sie, so wirkte im Elsaß der Magister Manegold von Lauten-
bach ^, in Lothringen der Abt Rudolf von St. Vanne®, in Flandern
und Brabant der Mönch Wederich von St. Peter in Gent'.
Wir wissen nicht nur aus dem Munde der Gegner, daß das
Predigen der Mönche bei vielen großen Anstoß erregtet Auch
ein so entschiedener Gregorianer wie Bernold mißbilhgte es^ Die
Kaiserlichen erinnerten an den Benediktinergrundsatz, daß die
Mönche in der Klausur zu verharren haben, und bezeichneten die
umherziehenden Agitatoren als Häretiker ^•^. Aber das Volk fragt
nie nach dem formellen Recht: es wm'de ergriffen von dem mäch-
tigen Eindi-uck der religiösen Überzeugung, die hier wider das
1 S. De un. ecd. II, 2 f. S. 43 ff., 38 S. 120 f. und das Lorscher Gedicht
V. 16 ff. S. 431.
•2 Lorscher Gedicht v. 52 ff. ^ Haimo zu Ps. 79 S. 478.
^ Haimo z. Ps. 25 S. 278, z. Ps. 58 S. 391, z. Ps. 67 S. 418.
5 Bern. z. 1094 S. 461 ; vgl auch Ann. Argent. z. 1090 Scr. XVII S. 88.
Manegold wurde Propst in dem 1090 von ihm gegründeten Stift Marbach,
s. J.W. 5629, und über die Stiftung Marbachs Ann, Argent. S. 88, Bern. z.
1094 S. 459 f. Wie groß sein Einfluß war, zeigt seine Gefangensetzung
durch Heinrich, Bern. z. 1098 S. 466 ; vgl. auch die gegen ihn gerichteten
Verse L. d. 1. I S. 430 f. « Laur. Gesta ep. Vird. 9 S. 496.
' Chron. Affligh. 1 Scr. IX S. 407.
"* Vgl. de un. eccl. II, 38 S. 120, und Ann. Aug. z. 1075 S. 128: Giro-
vagi (vgl. Reg. s. Bened. c. 1) sub specie religionis discurrentes maximam
ubique seminant discordiam.
® An Adalbert von Speier, S. 98: De praedicatione monachorum quod
iterum notatis, et nobis placet, ut non nisi ordinati praedicent catholicoque
obediant praesuli, nisi ab apostolica sede fuerint emancipati. Man möchte
vermuten, daß Bernold sich 1084 die Priesterweihe deshalb erteüen ließ,
um in seiner agitatorischen Tätigkeit ungehindert zu sein.
" De un. eccl. a. a. 0. S. 120 f.
— 875 —
Schisma und für die Gemeinschaft mit Rom sich erhob. Man
kann den Erfolg der Hirschauer Prediger in dem kaisertreuen
Franken bemerken^. Geradezu überwältigend war er in Schwaben \
Von überall her drängten sich Freigeborene dazu, dem Kloster
Hirschau die notwendigen äußeren Dienste zu tun; nirgends war
die Zahl der dienenden Brüder größer als dort^. Sie verstärkten
den Einfluß des Ordens, denn das Volk staunte sie an als halbe
Heilige und zugleich standen sie ihm näher als die Mönche., Die
Führer erkannten rasch, welchen Wert es hatte, solche Elemente
dauernd festzuhalten. Wilhelm hat auf den Rat Udalrichs von
Zell die dienenden Brüder zu einer eigenen Genossenschaft kon-
stituiert*. Die natüiiiche Folge davon war, daß ihre Zahl beschränkt
werden mußte. Aber gerade jetzt bewies sich, wie ungemein
mächtig die von den Prädikanten hervorgerufene Bewegung war^
^ De un. eccl. 11,43 S. 140: Consyderanda sunt haec, quae s. patres
conscribunt super eo genere monachorum, quod nunc in nostra quoque
provincia aut primum est äut solum.
2 Vgl. über die Erfolge Manegolds im Elsaß Bern. z. 1094 S. 461.
^ Der Ursprung der Einrichtung ist nicht aufgeklärt. Sie stammt
vielleicht aus dem Orient, s. Grrützmacher, P. RE. XIII S. 226, 5. Daß sie
im Abendland zuerst in Cluni ausgebildet worden ist, ist möglich. Sicher
unrichtig ist, daß Gualbert sie in Vallombrosa zuerst getroffen hat; sie
begegnet schon in den Gewohnheiten von Subjaco als alteingewurzelt, c. 41
S. 210 f., 52 S. 225. Die Notiz, an die Riezler, G. B.s I S. 520 Anm. 3 er-
innert, daß Altmann in St. Nikolaus zu Passau Kleriker und Laien sammelte,
bringt keine genaue Parallele. Denn St. Nikolaus war ein Chorherrenstift,
hatte also nur Priester zu Bewohnern, während unter den Benediktinern
stets nur wenige die Priesterweihe erhielten. Darf man vermuten, daß um
der Agitation unter dem Volke willen in Hirschau die Ordination bereit-
williger erteilt wurde? Dann würde sich die Notwendigkeit dienender
Brüder erklären. Vgl. übrigens Reg. s. Ben. 48.
* Brief Udalrichs an Wilhelm Migne 149 S. 637: In obsequio quoti-
diano tales famulos habere meruistis, qui ex liberis ingenuis ultro se humi-
liantes vobisque servientes non aliam vitam quam illam, quae est coelestis
et , perpetua, expectant. De quibus tamen unum . . in proximo mutari
vellem. Vellem utique, ut non amplius permitterentur extra claustrum
commorari; daretis eis habitum nostrum. Et quia non ad hoc valent, ut
sint lectores vel cantores cum litteratis, ulmi vivae vivas quoque vites,
iuxta quadamtenus dictum est, portarent, ut eodem modo, quo hucusque,
serviendo litteratis litteratorum mercedem consequerentur. Dazu die Schil-
derung vita Wilh. 23 S. 219 f. Bernold z. 1083 S. 439. Lorsclier Spottgd.
-V. 89 f. S. 432. Passio Thiem. 10 S. 57.
5 Bemerkenswert ist, daß die Synode von Autun 1094 den Mönchen
verbietet, i.e parochialium sacerdotum officia in parochiis usurpent, Bern.
— 876 —
oie erzeugte eine völlig neue Erscheinung im deutschen Volksleben.
An vielen Orten bildeten sich Laienvereinigungen zum Zwecke
gemeinsamen Lebens unter geistlicher Leitung. Die Hirschauer
Prediger hatten ihre Hörer für die Herrhchkeit der Urkirche u
begeistern gewußt: indem jene Vereine die Gütergemeinschaft ein-
führten, überhaupt der ganzen Lebenshaltung eine religiöse Färbung
verliehen, meinten sie die Zustände der apostolischen Zeit von
neuem zu verwirklichen. Sowohl Männer als Frauen schlössen sich
ihnen an; es kam vor, daß ganze Dörfer sich gewissermaßen in
geistHche Genossenschaften umgestalteten^. Man kann diese Be-
wegung mit der Pataria vergleichen. Doch ist sie nicht identisch;
denn sie hat weniger politischen, mehr religiösen Gehalt. Für den
Kaiser aber war sie deshalb so gefährlich, weil allen, die unter
dem Einfluß der Hirschauer standen, die Gemeinschaft mit Rom
als das Höchste galt, wogegen die Gemeinschaft mit dem Gebannten
schroff abgelehnt wurde.
Diese volkstümliche Erhebung scheint in der ersten Hälfte der
neunziger Jahre ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Man erkennt
ihre Macht daran, daß die schwäbischen Herren, als sie sich auf
einem Tage zu Ulm im November 1093 insgesamt für ürban er-
klärten, den vnbertistischen Bischof Arnold von Konstanz ausdrück-
lich von dem Landfrieden ausnahmen, den sie aufrichteten^. Im
April des nächsten Jahres hielt Bischof Gebhard eine große Synode
in Konstanz, auf der er Maßregeln traf, um mit Hilfe des erregten
Volks den letzten Widerstand gegen Urban zu vernichten ^. Wie
die Gregorianer Sachsens dachten, zeigte der von Herrand von
Halberstadt im Namen des Grafen Ludwig von Thüringen an
Bischof Waltram von Naumburg gerichtete Brief: er weist jede
S. 461. Niemand wird annehmen, daß der Beschluß im Hinblick auf die
Hirschauer gefaßt wurde. Er zeigt aber, daß das öffentliche Hervortreten
der Mönche sich in Burgund ebenso sark bemerklich machte wie in
Deutschland.
^ B^rnold z. 1091 L S. 452f. Die Einrichtung muß in ihren Wurzeln
in die Zeit Gregors zurückgehen. Denn Urban sagt in dem von Bernold
aufgenommenen Bruchstück, daß er sie aus eigener Anschauung kenne.
Diese Kenntnis kann er nur während seiner deutschen Legation erworben
haben. ^ Bern. z. 1093 S. 457.
^ Ders. z. 1094 S. 458: Ibi incontinentiam presbiterorum et violentiam
simoniacorum adeo prohibuit, ut etiam populum ab eornm officio penitus
sub banno prohibuisset, si ipsi in tali facinore positi contra fas et ius
ministrare praesumpsissent. Im Okt. folgte ein Tag in Augsburg; von den
Verhandlungen wissen wir nichts, Ann. Aug. S. 134.
— 877 —
Gemeinschaft mit Heinrich zurück; denn dieser sei ein Häretiker:
ferne sei es, ruft Herrand aus, daß wir ihn als Bruder oder Christen
anerkennen I Wir bringen den Haß gegen ihn als ein großes
Opfer Gott dar^
Die Lage war so, daß Urban einen neuen Vorstoß wagen
konnte: am 16. Oktober 1094 heß er auf einer Synode zu Autun
dm'ch Erzbischof Hugo von Lyon den Bann über Heinrich, Wibert
und ihre Anhänger neuerdings verkündigen ^. Im März 1095 hat
er selbst zu Piacenza den Fluch über den Gegenpapst und seine
Genossen wiederholt^. Jetzt äußerte er sich mit einer Heftigkeit
wider seme Gegner, die der Gregors mindestens gleichkommt. Der
Kaiser erscheint als der Zerstörer des christlichen Friedens, als der
Verderber des römischen Reichs, als der Vater und Vorkämpfer
der Häretiker. Wibert ist das von ihm im Heihgtum aufgerichtete
Götzenbild, zu dessen Anbetung die Menschen gezwungen werden
sollen, das Tier aus dem Abgrund, das mit den Heihgen Gottes
Krieg führt; die wibertistisch gesinnten Bischöfe werden gescholten
als die Bannerträger des Antichrists und die Lasttiere des Satans;
die Orte, die sie anerkennen, erklärt Urban für ein neues Sodom *.
Von einer Mittelstellung, wie sie Hartwig von Magdeburg suchte,
wollte er nichts wissen. Sie schien ihm eine gefährliche Halbheit^.
Urban warf sich mit solcher Leidenschaftlichkeit in den Sti'eit,
weil er überzeugt war, daß die Sache der Wibertisten verloren
sei^: nur der letzte Stol3, so schien es, ^ußte ihr noch versetzt
werden. Wemi man sich an die Erfolge erinnert, die die Synoden
von Piacenza und Clermont ihm gebracht hatten, so ist dies Urteil
1 Annal. s. Disib. z. 1090; auch L. d. 1. II S. 285 ff.
2 Bern. z. 1094 S. 461. Über Hugo: Luhe, Hugo von Die. Straßb.
Diss. 1898.
■' C.I. I S. 560 ff. Nr. 393; Bern. z. 1095 S. 461; über die Synode vgl.
Langen S. 189 ff., . Knöpf 1er S. 215 ff., Meyer v. Knonau IV S. 442. Die-
selben auch über die Synode von Clermont, deren Verlauf hier nicht dar-
zustellen ist.
* Aus dem Trostbriefe Urbans an den von Heinrich vertriebenen Abt
Berengar von St. Lorenz in Lüttich, J.W. 5538 aus d. J. 1094 — 1095. Ahn-
liche Äußerungen 5422, welcher Brief meines Erachtens mit 1089 zu früh
angesetzt ist, u. 5662 (27. Juli 1096). ^ J.W. 5422.
« Ibid., vgl. J.W. 5678 (Jan. 1097): De statu nostro nobiscum Deo
gratias age, quia usque ad urbem cum comite M. pacifice venimus, urbem
honestissime cum procedentium stipatione frequentissima introivimus. Urbem
ipsam maiori iam ex parte habemus. Synodum Laterani solemniter cele-
bravimus. Cives nobis et regiones omnes sacramentis astringimus. Gratias
Deo, honeste, tute, alacriter sumus.
— 878 -
über die Lage wohl begreiflich. In der Tat war die Stellung, die
er jetzt einnahm, nicht zu erschüttern. Der gänzliche Misserfolg,
unter welchem der letzte Anlauf der opponierenden Kardinäle, Ein-
fluß auf den Gang der Dinge uz gewinnen, erlag, zeigt das mit
voller Deutlichkeit^.
Es charakterisiert Urban, daß er, indem er die Aggresive
ergriff, zugleich Maßregeln traf, um die Auflösung der bischöflichen
Opposition durch den Rücktritt ihrer Glieder zu fördern. Er hatte
im Beginne seines Episkopats den Grundsatz aufgestellt, daß nicht-
simonistische AVeihen gegnerischer Bischöfe anerkannt werden sollten.
Jetzt, auf dem Höhepunkt seiner Erfolge, ging er noch einen Schritt
weiter. Seitdem Humbert seine Schrift gegen die Simonisten ge-
schrieben hatte, waren in Rom Laieninvestitur und Simonie gleich-r
gestellt worden. Dagegen brach die Synode zu Piacenza mit dieser
Vorstellung, indem sie zwischen Häretikern, d. i. Simonisten, und
Schismatikern, d. i. den vom Kaiser ohne Simonie investitierten
Bischöfen unterschied-. Nur die Weihen der ersteren wurden —
und auch sie nicht unbedingt — verworfen, die der letzteren da-
gegen anerkannt^. Man braucht nicht hervorzuheben, daß dadurch
der Übergang kaiserlicher Bischöfe in das päpstliche Lager außer-
ordentlich erleichtert wurde; denn jetzt kam das Bedenken in Weg-
fall, daß durch die Anerkennung Urbans der gesamte kirchhche
Zustand der Diözese erschüttert werden würde.
Urban handelte in 'klarem Bewußtsein von der Bedeutung
dieses Schrittes. Das ergibt die Schrift des Kardinals Deusdedit
wider die Eindringhnge und Simonisten*, die zwei Jahre nach
^ Hierüber gibt Kunde die Sammlung der Briefe ßenos und der
übrigen Kardinäle Nr. 4 — 11 S. 403 ff. Daß die versus Hugonis contra
Manegoldum, L. d. 1. I S. 430 f., aus dem gleichen Kreise hervorgegangen
sind, scheint mir sicher. Welcher der beiden Hugo ihr Verfasser ist, läßt
sich nicht feststellen. *
2 C.I. I S. 560 ff. Nr. 398. C. 2 wird der frühere enge Begriff von
Simonie erneuert: Quicquid vel in sacris ordinibus vel in aecclesiasticis
rebus vel data vel promissa pecunia acquisitum est, etc. Die Bezeichnung
der Simonisten als Häretiker liegt in c. 8 f. C. 10 werden genannt: Epis-
copi, quondam quidem catholice ordinati sed in hoc scismate a Roraana
aecclesia separati. Jedermann wußte, daß diese schismatischen Bischöfe
sämtlich vom Kaiser investiert waren.
^ C. 3 f. c. 8 — 11. Die non simoniace von Simonisten vollzogenen
Weihen werden anerkannt, wenn der Empfänger beweisen kann, daß er
den Ordinator nicht als Simonisten gekannt hat, c. 3.
^ L. d. 1. n S. 292 ff., vgl. Meyer von Knonau V S. 15 ff. und seine
Rektoratsrede v. 1897, Theol. Ztschr. aus d. Schweiz XIV S. 129 ff. Mirbt
— 879 —
der Synode von Piacenza in zweiter Bearbeitung veröffentlicht
wurde. Sie hat für den Gang des kirchhchen Streites ähnliche
Bedeutungj wie der Traktat Humberts, aber sie setzt die Linie,
welche jener eingehalten hatte, nicht fort^, sondern sie biegt sie
um. Auch Deusdedit verleugnete den kurialistischen Standpunkt
nirgends, im Gegenteil mit absichtlicher Schärfe kehrte er ihn her-
vor: er wollte nichts wissen von irgend einer Unterordnung der
Kirche unter die königliche Gewalt und er verwarf deshalb jeden
Einfluß des Herrschers auf die Bestellung der Bischöfe. Er leug-
nete, daß eine abweichende Bechtsbildung der Geltung des kano-
nischen Rechts präjudizieren könne; im Falle des Zwiespalts
zwischen staatlichem und kirchlichem Rechte habe unbedingt das
letztere Geltung^. Aber trotzdem hegt die Abweichung von dem
gregorianischen Standpunkt überall klar zutage. Unumwunden wird
die Berechtigung der königlichen Gewalt anerkannt: obgleich sie
nicht wie die priesterliche direkte göttliche Stiftung ist, so ist sie
doch kraft göttlicher Erlaubnis eingeführt ^, Und auf das bestimm-
teste wird, als für beide Gewalten notwendig, ihr einträchtiges Zu-
sammenwirken gefordert. Die Kirche verlangt nicht mehr die
"Weltherrschaft, sie fordert nur die Freiheit, nach ihrem Rechte zu
leben*. Doch wichtiger war für den Augenblick die Fassung der
Simonie. Und hier war nun von unermeßlicher Bedeutung, daß
Deusdedit zu dem früheren, engen Begriff von Simonie zurück-
kehrte: ein Simonist ist derjenige, der irgendwann für sein Amt
Geld gegeben hat^. Demgemäß unterschied er zwischen Simonisten
und Schismatikern: die ersteren sind diejenigen Häretiker, welche
eine Kirche kaufen oder verkaufen; dagegen sind diejenigen, welche
ohne Geldzahlung vom König eine Kirche annehmen, Schis-
scheint mir der Bedeutung der Schrift für die Möglichkeit d.er Annäherung
der beiden Parteien nicht ganz gerecht geworden zu sein.
1 Mirbt S. 69.
- Vorrede S. 301; I, 14 S. 313; III, 12 S. 352 f.
3 III, 12 S. 353. Mirbt S. 546 findet in dieser Stelle das Nachklingen
der gregorianischen Theorie. Mir scheint vielmehr die Abwendung von
derselben vorzuliegen. Sagt Gregor: Illam quidem superbia humana
repperit, hanc divina pietas instituit ; illa vanam gloriam incessanter captat,
haec ad coelestem vitam semper aspirat, IV, 2 S. 243, so ist der Gegensatz
wie zwischen Göttlichem und Widergöttlichem; sagt aber Deusdedit: Nee
mirum sacerdotalem auctoritatem quam Deus ipse per se ipsum constituit,
in huiusmodi causis praecellere potestatem quam sibi humana praefecit
adinventio, eo quidem permittente, non tarnen volonte, so ist der Gegensatz
wie zwischen Gut und Erlaubt. Beide Anschauungen sind also durchaus
nicht gleich. * I, 17 S. 317. ^ II, 1 S. 317 f.
— 880 —
matiker^. Jene sind der Gemeinschaft des Glaubens entfallen,
diese haben sich dem Gehorsam gegen die kirchliche Autorität ent-
zogen^. Das war nicht nur eine sehr begründete theoretische
Unterscheidmig, sondern es hatte unmittelbar praktische Bedeutung.
Denn nach der Überzeugung des Kardinals konnten diejenigen,
die von einer Häresis zur Kirche übertraten, klerikale Würden
nicht erlangen, dagegen hielt er dies den altkirchhchen Anschau-
ungen gemäß bei Schismatikern für zulässig ^. Auf die augenblick-
Uche Lage angewandt, bedeutete dieser Grundsatz, daß wibertistische
Bischöfe, soweit sie nicht Simonisten oder Gegeubischöfe von
Gregorianern waren, in ihren Amtern anerkannt werden sollten.
Urbans Politik hatte Erfolg; denn obgleich sich, als Heinrich
im Frühjahr 1097 nach Deutschland zm-ückkehrte *, die pohtischen
Verhältnisse für ihn nicht ungünstig gestalteten^, so löste sich doch
der kirchliche Zusammenhang der königlich Gesinnten vollständig
auf. Die Bischöfe Emehard von Würzburg, Otto von Straßbürg^,
Ruthard von Mainz ' gingen in Urbans Lager über, ihrem Beispiele
folgte Hermann von Augsburg^; selbst Rupert von Bamberg ließ
die Verbindung mit Wibert einschlafen, wenn er sie auch nicht
^Vorrede S. 300. Die Bestellung der Bischöfe durch den König ver-
warf D. besonders, weil sie ein seminarium aymoniacae haereseos sei, s.
I, 15 S. 314; bezeichnend ist auch die Rechtfertigung des Investiturverbots
1, 16 S. 815. Den kgl. Konsens verwirft er nicht unbedingt, I, 10 S. 308 f.
2 11,14 S. 322. 3 II, 10 S. 328.
* Er urkundete am 15. Mai 1097 zum erstenmal wieder auf deutschem
Boden zu Nußdorf am Inn (St. 2935).
5 Kirchlich war von Bedeutung die Vertreibung Thiemos aus Salzburg,
Dez. 1097, Pass. Thiem. 8 S. 56, Vita Chuonr. 7 S. 67, zum zeitlichen An-
satz Ann. s. Rudb. S. 774, und Poppos aus Metz in dems. Jahr, Satira in
Mett. L. d. 1. III S. 619 ff.
6 Bern. z. 1096 S. 464, vgl. J.W. 5762.
' Ruthard war seit 1089 Wernhers Nachfolger; er stand zuerst 'aui
Wiberts Seite, Cod. üdalr. 86 S. 168 f.; daß Heinrich sein Unrecht gegen
die Juden nicht gewähren ließ, bestimmte ihn zum Parteiwechsel, Ekkeh. z.
1098 S. 209. Er agitierte nun für Urban, Brief an den Halberst. Klerus
Ep. Mog. 31 S. 374. Wibert setzte ihn ab, Ep. Mog. 32 S. 377 v. 29. Juli
1099; dagegen erkannte ihn Urban jetzt an, J.W. 6057.
* Sein Parteiwechsel wird von Paschal am 7. April 1100 erwähnt,
J.W. 5825. Vorausgegangen waren wiederholte Briefe Hermanns und eine
Erkundigung des Papstes bei Gebhard, nebst dessen Antwort. Es ist dem-
nach möglich, daß Hermann schon unter Urban sich zum Anschluß ent-
schloß, möglich auch, daß er den Regierungswechsel in Rom benützte. Er
wurde durch die Bevölkerung zum Frieden gedrängt, s. N.A. VI S. 629 ff.
— 881 —
geradezu abbracht Man konnte den Augenblick kommen sehen,
in dem Heinrich genötigt war, sich Urban zu unterwerfen.
Doch ehe er eintrat, wurde der Papst vom Tode ereilt, am
29. Juli 1099. Im Jahre darnach starb Wibert^. Schon am
13. August erhielt Urban in dem Abte Rainer von S. Lorenzo
einen Nachfolger; er nannte sich Paschal 11.^. In jungen Jahren
war er einstmals in Angelegenheiten seines Klosters nach Rom
geschickt worden. Gregor VII. hatte ihn dort zurückgehalten. Jetzt
stand er an seiner Stellet Die ^italienischen Wibertisten zögerten
gleichfalls nicht, eine Neuwahl vorzunehmen. Aber keiner der von
ihnen Erkorenen vermochte irgend zu Ansehen zu gelangen.
In Deutschland würde die Neigung zum Frieden durch diese
Todesfälle ungemein verstärkt, Heinrich berief auf die Kunde von
Wiberts Tod hin die Fürsten für Weihnachten 1100 nach Mainz.
Er wollte mit ihnen Rats pflegen über die Wiederherstellung der
so lange entbehrten kirchlichen Einheit^. Zahlreich folgten sie
seiner Aufforderung; sie waren darin einig, daß nun der Zeitpunkt
fiir die Aufrichtung des Friedens gekommen sei, und rieten, durch
die Absendung einer Gesandtschaft nach Rom die Unterhandlungen •
anzuknüpfend Vielleicht ging Heinrich noch einen Schritt weiter;
man findet die Nachricht, er habe auf einem Fürstentag Weih-
nachten 1101 den Gedanken hingeworfen, es sei das Beste, daß
er selbst noch einmal nach Rom ziehe; dort könne eine allgemeine
Synode seinen Streit mit der Kurie entscheidend Darin lag seine
BereitwilHgkeit zur Anerkennung Paschais. Er kam auf den Ge-
danken, wie einstmals in Canossa die Lösung vom Banne zu er-
zwingen. Mußte sie ihm nicht gewährt werden, wenn er das Kreuz
1 Cod. Udalr. 90 S. 175.
- Am 8. Sept., vgl. Meyer von Knonau V S. 107 f.
" Zur Literatur: Schum, Heinrich V. und Pasclialis IL in den JB. der
Akademie zu Erfurt N.F. VIII S. 191 ff. Guleke, Deutschlands innere Kirchen-
politik von 1105 — 1111, Dorp. 1882. Peiser, Der Investiturstreit unter H.V.
Leipz. 1883. Needon, Beiträge zur Gesch. H.s V. Leipz. 1885. Schneider,
D. Vertrag von S. Maria del Turri, Duderstadt 1881. Gernandt, Die erste
Romfahrt H. V. Heidelb. 1890. Stutzer, Zur Kritik der Investit.-Verhand-
lungen Forsch. XVIII S. 223 ff. * Vita Pasch. Lib. pont. II S. 296.
5 C.I. I S. 124 f. Nr. 73.
ß Ann. Hild. z. 1101 S. 50. Die Fassung der Nachricht ist nicht ganz
klar; doch zeigt Ekkeh. z. 1102 S. 223, daß es sich um die allgemeine
Anerkennung Paschais handelte.
' Ekkeh. a. a. 0. S. 223. Die Kritik, die Buchholz S. 137 ff. an der
Nachricht übt, hat mich nicht überzeugt. Unmöglich ist nur die Fassung
der Nachricht in der Rezension ß.
Hauck, Kirchengeachichte. III. 56
— 882 —
nahm? An Epiphanias 1103 erklärte er öffentlich, er sei ent-
schlossen, zum heiligen Grab zu ziehen^. In Deutschland sprach
jedermann von dem baldigen Frieden, man zweifelte nicht, daß
Paschal dazu geneigt sei ". Die schroffen Gregorianer verließen den
Kampfplatz: Thiemo von Salzburg, Otto von Ilsenburg, Giselbert
von Reinhardsbrunn u. a. wallfahrteten nach Jerusalem '^
Aber man täuschte sich über die Absichten des Papstes. Dieser
eilte, die irrigen Vorstellungen über seine Pläne zu zerstören; in
einem Brief an Gebhard von Konstanz erklärte er, es sei nichtiges
Gerede, daß er in Einverständnis mit dem Kaiser treten werde*.
Auf der römischen Fastensynode von 1102 erneuerte er sodann
das Anathema über seine kirchhchen Gegner. Dabei tat er, was
Urban nie getan hatte ^, er nannte Heinrich ausdrücklich: er warf
ihm vor, daß er nicht aufhöre, die Kirche durch Raub und Brand
zu verwüsten und durch Üppigkeit, Meineid und Mord zu beflecken.
Er selbst verkündete am Gründonnerstag in der lateranischen
Basilika den Bannfluch vor allem Volk*^. Und es war ihm ernst
damit: er schürte in Deutschland zu neuem Kampf. Bei ihrem
Gehorsam gegen die Apostel und um der Vergebung der Sünden
willen gebot er den Schwaben und Baiern, solche Ketzer wde
Heinrich nicht nur zu vermeiden, sondern auf das heftigste zu be-
kämpfen'. Er verwarf den Gedanken an Auswanderung: die An-
hänger Roms sollten bleiben, um unter dem verkehrten deutschen
Volk ihi' Licht leuchten zu lassen **. Dem Grafen Robert von
Flandern aber erklärte er., kein lieberes Opfer könne er Gott dar-
bringen, als wenn er den Kaiser, diesen Feind Gottes, bestreite.
1 Brief an Hugo von Cluni bei d'Achery Spicil. III S. 443; vgl. Ann.
s. Alb. bei Buchholz, D. Würzb. Chronik S. 68; Ann. Hild. z. 1103 S. 50;
Ekkeh. z. d. J. S. 224 f.
2 Vgl. J.W. 5817. Über die Datierung Buchholz, Ekkehard S. 140.
3 Ekkeh. z. 1101 S. 219; Ann, Rosenv. z. 1100 Scr. XVI S. 102; Ann.
s. Petr. Erph, z. 1100 S. 16. * S. d. angeführten Brief 5817.
5 In der disputatio Paschalis pap. L. d. 1. II S. 660 wird eine drei-
malige Exkommunikation Heinrichs durch Urban behauptet: zu Piacenza,
Clermont und Rom. Allein in Piacenza wurde, wenn Bernold genau be-
richtet, nur Wibert namentlich verflucht; der Kaiser war unter seinen Ge-
nossen nur mit begriffen. In Clermont und Rom (April 1099) aber wurden
nur die Beschlüsse von Piacenza bestätigt. Der Name des Kaisers scheint
auf keiner dieser Synoden genannt worden zu sein.
6 Ekkeh. z. 1102 S. 224. ' J.W. 6970, v. 2.-Febr. 1104.
8 J.W. 5971 ohne Dat.; vgl. 5972 u. 5973 v. 10. Febr. 1104; das Jahr
ist nicht sicher. Meyer von Knonau hält dafür, daß die 4 Briefe schon
ins Jahr 1103 gehören.
— 883 —
der der Kirche die Herrschaft zu entreißen wage. Er verhieß als
Lohn des Kampfes Vergebung der Sünden, Eintiitt in das himm-
lische Jerusalem^.
Wie erklärt sich diese neue Wendung der römischen Politik?
Aus der Rücksicht auf die politische Lage läßt sie sich nicht ab-
leiten. Denn im' Jahr 1102 konnte Paschal nicht hoffen, die
Stellung des Kaisers zu erschüttern. Man kann also nui- an-
nehmen, daß er dui'ch seine kirchliche Überzeugung bestimmt
handelte. Seine tiefe Abneigung gegen die deutsche Nation mochte
ebenfalls von Einfluß sein '\ An Grund zu Klagen fehlte es nicht.
Denn auch als Heinrich sich mit dem Gedanken, die Nachfolger
Gregors VH. anzuerkennen, zu befreunden begann, hielt er an dem
Investiturrecht unverrückt fest^. Gerade der Kampf, in dem er
stand, wird ihn in der Überzeugung bestärkt haben, daß die kaiser-
liche Macht verloren war, wenn er auf die Ernennung der Bischöfe
verzichtete^. Paschal andererseits erneuerte zwar nicht den Kampf
Gregors um die Weltherrschaft; aber ihm genügte auch nicht, wie
Urban, die Anerkennung seiner päpstlichen Würde. Ihm lag alles
an der Freiheit der Kirche; sie al)er sah er durch die Investitur
vernichtet. Deshalb erschien ihm ihre Duldung, geschweige denn
1 J.W. 5889, V. 21. Jan. 1102; vgl. den späteren Brief an Weif von
Baiern u. andere oberdeutsche Große, 5973 v. 10. Febr. 1104.
^ Er bezeichnet Deutschland als natio prava et perversa, J.W. 5971,
spricht von der ferocia illius gentis, J.W. 6206. Noch auf seinem Sterbe-
bett ermahnt er die Seinen, zu verharren in execratione Gibertinörum et
enormitatis Teutonice, vitft Pasch. S. 305; vgl. Suger, vita Lud. VI. 9 Scr.
XXVI S. 51.
" Ich verweise aus der Zeit nach 1085 auf die Ernennung Otberts von
Lüttich 1091—1092, chron. s. Hub. 69 S. 602; Chr. s. Laur. 45 f. Scr. VIII
S. 277. Investitur der B. Cosmas v. Prag und Andreas v. Olmüti; 4. Jan.
1092 in Mantua. Cosmas sagt 11,49 S. 100: Desponsat eos anulis ad singulas
ecclesias, dans eis pastorales virgas. Investitur Arnolds v. Konstanz 28. März
1092, Cas. s. Gall. cont. 33 S. 85 f., Bern. z. 1092 S. 455, Cas. mon. Petrish.
III, 29 S. 656. Ernennung Hermanns von Augsburg 1097, Udalsc. de Egin.
12 S. 437, Friedrichs von Köln 1100, f^kk. S. 218, Hum.berts von Hamburg
1101 (die Ernennung folgt daraus, daß er Heinrichs Kanzler war), Ottos von
Bamberg und Bruns von Trier 1102, Ekk. S. 224 u. Gesta Trevir. cont. I, 18
S. 192, Erlungs von Würzburg und Udalrichs von Regensburg 1105, Ekk.
S. 228. Daß der Kaiser dabei einen offenen Gegensatz zu den Wünschen
der Wähler möglichst vermied, ergibt sich aus Cod. Udair. 87 S. 172.
-• Ann. Patherbr. z. 1102 S. 107: Mortuo Hartwigo archiepiscopo Magte-
burgensi clerus elegit Heinricum de Aslo; sed Heinrieus Imperator asserens,
in hoc regiam potestatem esse contemptam, non consensit.
56*
— 884 —
ihre Zulassung wie ein unsagbarer Frevel: mit Abscheu wies er
jeden Gedanken daran zurück ^ Man sieht, das Streitobjekt war
niedriger gefaßt als in den Tagen Gregors; denn* was für jenen
eines der Mittel im Streite war, das war f üi- Paschal das Ziel. Es
war schäl fer gefaßt als unter Urban; denn nicht nur die formelle
Anerkennung forderte er, sondern das sachliche Zugeständnis eines,
des wesentUchsten Punktes. Daß insofern eine Annäherung des
Kaisers an die päpstlichen Anschauungen erfolgt war, als er die
Simonie im eigentlichen Sinn abgetan hatte ^ und die Notwendig-
keit der Wahl durch Klerus und Volk anerkannte ^, kam kaum in
Beti"acht. Der Gegensatz konzentrierte sich auf eine Frage, aber
^ er war so unversöhnHch wie unter Gregoi'.
In Deutschland wollte niemand von einem neuen Kampfe
wissen''. Der Parteimann Bernold war äußerst bedrückt durch die
Bemerkung, daß der Bann seine Wii-kung nicht mehr wie früher
tat; er klagte, daß selbst Mönche sich nicht scheuten, mit den Ex-
kommunizierten zu verkehren, ja geistliche Stellen unter ihnen an-
zunehmen^. Aber auch er gab, wenngleich seufzend, die Notwendig-
keit, Zugeständnisse zu machen, zu". In einem offenen Schreiben
sprach die Kii'che von Lüttich ihren Schmerz und ihren Kummer
darüber aus, daß ein Papst imstande sei, zu Kampt und Mord auf-
zufordern: Rom. meine geliebte Mutter, ist mir zum Wunder ge-
worden. Denn was ist so wundersam, was so beklagenswert? Wir,
die Kinder der römischen Kirche, sehen den römischen Bischof^
diesen Engel des Herrn, dastehen mit dem über die Kirche ge-
zückten Schwert. David hat einst gebetet: Möge das Volk nicht
sterben. Unser Engel betet: Sie sollen sterben. Es war ohne
Zweifel den meisten Deutschen aus dem Sinne gesprochen, wenn
die Lütticher erklärten, der ganze Bau der Kirche werde ins
Schwanken geraten, wenn nicht der Friede hergestellt würde'.
Paschal selbst täuschte sich nicht darüber, daß die Stimmung in
Deutschland der Erneuerung des Kampfes ungünstig sei^.
1 Vgl. bes. J.W. 5928; auch 586S u. 5929.
^ Das hat einer der entschiedensten, aber ehrlichsten Gegner Heinrichs
ausgesprochen, Bruno von Segni, ep. 4 S. 565.
3 Cod. Udalr. 87 S. 172: Si electione cleri et populi fieri possit.
* Vgl. Bernold z. 1100 S. 467. 6 a. a. 0.
'^ Libell. 14 S. 151 : Modo summa necessitas illum rigorem quodam-
modo emolliri cogit. Das Entgegenkommen liegt besonders in Bernolds
Anerkennung der Sakramente der Exkommunizierten S. 152 iF.
■^ L. d. 1. II S. 451 flf. Das Schreiben ist von Sigibert verfaßt.
« J.W. 5970.
— 885 —
Gleichwohl war seine Lage günstiger als die Heinrichs. Denn
er war fast allgemein anerkannt, und die Sehnsucht nach der Be-
seitigung des Schismas begann in Deutschland alle anderen Motive
in den Hintergrund zu drängen ^. Überdies verschärfte sich zu-
sehends der Gegensatz zwischen der volkstümlichen ßeichspolitik
des Kaisers und dem Partikularismus der Fürsten. Die Entscheidung
wurde herbeigeführt durch die im Bunde mit den Füi'sten unter-
nommene Empörung des jüngeren Heinrich. Der Kaiser suchte
durch einen raschen Friedensschluß mit Rom seine Stellung, zu
verstärken. Aber wenn er jetzt Paschal zusagte, er werde sich
unterwerfen '^, wenn er dann trotz der Feindseligkeit, die er erfahren
hatte, sich persönlich an ihn wandte, um ihm den Vorschlag gegen-
seitiger Anerkennung zu machen^, so war es zu spät: der Papst
war bereits der Bundesgenosse des Empörers; er hatte ihn bereit-
willig von dem Bann und dem seinem Vater geleisteten Eid frei-
gesprochen*. So geschah, was geschehen mußte: der Kaiser erlag
seinen Gegnern. Am 31. Dezember 1105 entsagte er gezwungen
dem Reiche. Nachdem er noch einmal den aussichtslosen Kampf
aufgenommen, ist er am 7. August des nächsten Jahres gestorben.
Kein deutscher König ist von einem großen Teil des deutschen
Volkes so glühend gehaßt worden wie Heinrich IV. ^. Auch jetzt
noch kann man kaum ein sicheres Bild seiner Persönlichkeit ge-
winnen, so verzerrt sind die Linien, mit denen die Zeitgenossen
seine Gestalt zeichnen, so widersprechend ist das Urteil, das sie
über ihn fällen. Zwar seinen scharfen, umsichtigen, mißtrauischen
1 Ekkeh. z. 1105 S. 227 von der Synode von Nordhausen: Ingens ibi
cum episcopis et clericis etiam abbatum atque monachorum aecclesiasticam
sitiens unitatem confluxerat. Ann. Hild. z. 1105 S. 52.
^ Erlung von Würzburg an Otto von Bamberg: Dominus noster lau-
davit obedientiam papae, Cod. Udalr. 118 S. 230, vgl. 134 S. 251.
3 Cod. Udalr. 120 S. 280 ff. Der Brief ist undatiert.
* Annal. Hildesh. z. 1104 S. 52. Ekkeh. z. 1105 S. 227. Ann. s.
Disib. S. 19.
5 Man braucht nicht nur auf die gleichzeitigen Parteischriftsteller zu
verweisen. Auch spätere, wie der sächsische Annalist, zeugen von einem
Haß, dem nichts töricht genug war, um es zu glauben. Er hat seine Er-
zählungen meist aus Bruno genommen; ihm eigentümlich ist die Nachricht
von dem ägyptischen Götzenbild, das Heinrich verehrte. Am seltsamsten
ist, daß der Haß gegen den Toten selbst in der Gegenwart nicht auf-
gehört hat. Looshorn (Bist. Bamberg I S. 451) z. B. urteilt, daß Heinrich
gewiß alle Verbrecher seines großen Reichs an Nichtswürdigkeit über-
boten habe. Ein Urteil von unvergleichlicher Frivolität.
— 886 —
Geist erkennen Freunde und Gegner an^ und daß seine leiden-
schaftliche Natur ihn zu Ausschreitungen hinriß, bestreiten auch
die ersteren nicht ganz-. Aber damit hört die Übereinstimmung
auf; denn während er den einen der fromme Fürst ist'^, gilt er
den anderen als fähig zu unvorstellbaren Freveln; während die
einen in ihm den Schützer des Friedens sehen ^, ist er für die
anderen der Urheber alles Unfriedens. Soviel scheint jedoch sicher
zu sein> daß er mehr seinem Großvater als seinem Vater ähnlich
war: wie jener war er in einem fast ausschließlich kirchlich ge-
richteten Jahrhundert ein überwiegend welthcher Charakter. Auch
in seiner rastlosen Tätigkeit^ erinnert er an Konrad II. Vor allem
aber trifft sein politisches Ziel mit dessen Absichten überein. Daß
er die Macht der Krone erhalten, steigern wollte, verwickelte ihn
in seine Kämpfe mit den Fürsten, und war der Grund seines
Zwiespalts mit Gregor VII. Für diese zwei Männer war in dem
Reiche kein Platz nebeneinander. Heinrich hat in dem Kampfe,
der sein Leban erfüllte, nicht gesiegt; aber an Erfolgen hat es ihm
nicht gefehlt. Und ist es angesichts der Lage, in der er sich be-
fand, nicht schon ein Ruhm, daß er nicht unterlag? Als er von
dem eigenen Sohn genötigt, den Kampfplatz verließ, hatte er von
den Rechten des Königtums in der Kirche nicht eines aufgegeben.
Paschal konnte glauben, daß der Sieg für das Papsttum durch
die Absetzung und den Tod Heinrichs gesichert sei. Denn der
junge, kränkliche König schien sich ebenso bereitwillig den Fürsten*^
wie dem Papste' unterordnen zu wollen. Er erklärte auf einem
Tag in Goslar kurz nach Ostern 1105 den sächsischen Herren,
sein Bestreben sei nur, mit ihrer aller Rat' die Kirche aus dem
Schisma zur Einheit herzustellen ^ In bezug auf die Investitur
gab er völlig befriedigende Erklärungen ** und den Verkehr mit
Exkommunizierten schien er so gewissenhalt zu vermeiden, daß- er
selbst die Verhandlungen mit seinem Vater ablehnte, so lange er
1 Vgl. z. B. Lambert z. 1075 S. 213; Bruno c. 27 S. 17; 117 S. 89;
Ekkeh. d. h. die Kaiserchronik z. 1105 S. 227; de un. eccl. 1,3 S. 7.
2 Ekkeh. d. h. Frutolf z. 1068 S. 199, Wido Ferr. I, 3 S. 536; vgl.
Mirbt S. 176 f.
3 Annal. Aquens. z. 1106 Scr. XVI S. 685, Greg. Catin. 8 Scr. XI S. 561.
* So schildert ihn die vita Heinrici. Vgl. Ann. Ottenbur. z. 1106 S. 9:
Pauperum pater. » Vgl. Bruno 121 S. 93 ff.
" S. Ann. Hildeeh. z. 1105 S. 52.
' S. die Briefe an die Äbtissin Gisla und Herzog Dietrich von Loth-
ringen in Seheri Primord. Calrnos. Scr. XII S. 334 f.
8 Ann. Hildesh. 1. c. » Disp. Pasch, pap., L. d. 1. II S. 660.
— 887 —
nicht vom Banne gelöst sei. Auf der Pfingstsynode zu Nordhausen
1105^ sah man nichts als Demut und Unterwürfigkeit an ihm:
mit Tränen in den Augen versicherte er, nicht aus Herrschsucht,
sondern genötigt von seinem Gewissen habe er sich gegen seinen
Vater erhoben ; würde dieser in christlicher Ordnung sich den Nach-
folgern Petri unterwerfen, so sei er bereit aus dem Reiche zu
weichen, oder ihm Untertan zu sein. Er schien so völlig entschlossen,
auf die Herrschaft in der Kirche zu verzichten, daß er erst, als
die Synode ihn lud, in ihrer Mitte erschien, um den nach deutscher
Gewohnheit ihm gebührenden Vorsitz einzunehmen. Unter seiner
Autorität verwarf die Synode Simonie und Nikolaitismus und be-
schloß sie die Absetzung der kaiserlichen Gegenbischöfe. Wie an
Ruthard, so schloß er sich enge an den päpsthchen Vikar Gebhard
von Konstanz an; seinen Beichtvater wählte er aus dem Kreise
der Hirschauer^, An seinem Gehorsam gegen die Kirche schien
nichts auszusetzen; Ruthard von Mainz wagte es, bei der Übergabe
der königlichen Insignien ihm vor allem Volk zuzurufen, es möge
ihm ergehen, wie seinem Vater, wenn er sich nicht als gerechter
Schützer der Kirchen bewähre^, und er ließ sich das trotzige Wort
gefallen.
Sein erstes Auftreten versprach viel und er schien ernstlich
gesonnen, seine Worte einzulösen. Sofort nach seiner Erhebung
legte er Hand an, um die schismatischen Bischöfe zu entfernen;
er begann mit Sachsen. Im Frühjahr 1105 wurde Widelo von
Minden abgesetzt und sein Bistum im Einverständnis mit Gebhard
einem gewissen Gottschalk übertragen*. Das machte Eindruck:
Uto von Hildesheim, Heinrich von Paderborn und Friedrich von
Halberstadt beeilten sich, auf der Synode von Nordhausen ihren
Frieden mit den Gregorianern zu machen^. Unmittelbar darauf
1 Über die Nordhauser Synode berichteten Ekkeh., Ann. Hild., Ann.
Saxo, Ann. Patherbr. z. 1105. Sie fand in der Woche vor Pfingsten, 21.
bis 27. Mai statt, Ann. Hild. S. 53; Ekkeh. irrig am 29. Mai. Auf den Vor-
sitz des Königs legt Guleke S. 20 unnötiges Gewicht ; er entsprach dem
deutschen Herkommen (s. S. 578). Bemerkenswert ist die Sache nur, weil
sie zeigt, wie entfernt der deutsche Episkopat auch jetzt von den streng
gregorianischen Anschauungen war.
'^ Der Abt Dietrich von Petershausen wurde sein Beichtvater, Gas.
mon. Petrish. HI, 36 S. 657. » Ann. Hildesh. z. 1106 S. 56.
■^ Ann. Hildesh. z. 1105 S. 53. Der Name Gottschalk ist hier nicht
genannt; er findet sich z. 1107 S. 60.
•' Ekkeh., vgl. Ann. Patherb. z. 1105 S. HO. Die letzteren lassen den
EB. Ruthard in der Osterzeit die 3 Bischöfe ab officio suspendieren S. 109.
An eine eigentliche Suspension kann man nicht denken; denn sie waren
ließ der König den längst gewählten, aber von den Kaiserlichen
nicht anerkannten Heinrich von Magdeburg weihen und inthroni-
sieren^. Um dieselbe Zeit scheint Walram von Naumburg sich
Paschal unterworfen zu haben ". Dann kam Franken an die Reihe.
Hier war vor allem der von dem Kaiser kurz vorher erhobene
Erlung von AVürzburg gefährlich: er wurde vertrieben und das
Bistum dem Propst Rupert übertragen '. Speier war erledigt ;
Heinrich gab es im Herbst 1105 an den Hirschauer Abt Gebhard*.
In Worms lebte noch der alte Adalbert, einer der wenigen deut-
schen Bischöfe, die den Anfang des Streites mit erlebt hatten. Da
Otto von Bamberg'^ und Eberhard von Eichstätt^ Paschal aner-
kannten, so war seine Obedienz in ganz Franken hergestellt. Nicht
anders war es in Lothringen: Brun von Trier hatte sich im März
1105 unterworfen', Friedrich von Köln stand, obwohl ein Zögling
Bambergs und vom Kaiser ernannt, von Anfang an in Beziehung
zu Paschal*, ebenso die drei oberlothringischen Bischöfe^; nun gab
auch der niederlothringische Otbert von Lüttich seinen Widerspruch
auf ^''. Was Schwaben anlangt, so mußte Arnold jetzt aus Konstanz
nach gregor. Anschauung im Banne. Es wird sich also um ein ausdrück-
liches Verbot jeder Amtstätigkeit gehandelt haben. Die Restitution, die
die Synode von Nordhausen in Aussicht stellte, war möglich, weil es in
Hildesheim keinen päpstlichen Gegenbischof gab, weil der gregorianische
Bischof Herrand von Halberstadt nicht mehr am Leben und der Pader-
borner Gegenbischof Erzbischof von Magdeburg geworden war. Die von
den kaiserl. Bischöfen vollzogenen Ordinationen wurden anerkannt, nur
mußten die Empfänger sich der Rekonziliation unterziehen.
1 Ekkeh. 1. c.
- Die Tatsache wird in seinem Briefwechsel mit Anselm erwähnt,
Migne 158 S. 551 f. Die Unterwerfung muß vor der Synode von Guastalla
(Okt. 1106 s. u.) erfolgt sein.
3 Ekkeh. 1. c; vgl. d. Würzb. Eid Cod. Udalr. 119 S. 230.
* Ekkeh., Chron. Lauresh. S. 430. ^ Cod. Udalr. 128 S. 239 ff.
^ Ergibt sich aus der gleich zu erwähnenden Sendung nach Rom.
" Gesta Trev. cont. 1, 18 S. 192. Die Kombination dieser Reise mit
der im Oktober 1106 stattfindenden Synode von Guastalla, Knöpfler S. 286
nach Älteren, scheint mir sehr unwahrscheinlich. Die Absendung Brunos
zu Unterhandlungen, s. S. 891, setzt ja doch voraus, daß er Gemeinschaft
mit Paschalis hatte.
8 Vgl. Cod. Udalr. 95 S. 188 u. Ekkeh. z. 1106.
» Über Pibo v. Toul s. o. S. 860, über Richer S. 863, Laur. Gesta 10
S. 497, über die Metzer Bern. z. 1003 S. 456.
1" Seine Obedienzerklärung Epist. Bamb. 14 S. 509. Der Zeitpunkt läßt
sich, soviel ich sehe, nicht genau feststellen; die früheste Zeitgrenze ist
der Tod des Kaisers 7. Aug. 1106, vgl. Ann. Hild. S. 57, die späteste der
— 889 —
weichen, Gebhard kehrte zurück; Wido von Chur war ein Gregorianer,
Hermann von Augsburg hatte sich unterworfen; nur Konrad von
Straßburg hielt an dem Widerspruch fest; aber um so entschiedener
drängte das Domkapitel auf die Beseitigung des Schismas^. In
Baiern endlich war der einzige Udalrich von Passau gregorianisch
gesinnt; allein gerade hier griff Heinrich gewaltsam durch, indem
er'Perhtold von Salzburg, Udalrich von Regensburg und Berthold
von Gurk verjagte^. Das Erzbistum Salzburg erhielt im Jahre
1106 an Konrad aus dem fränkischen Hause Abenberg einen Erz-
bischof, der ebenso diu-ch Kraft des Geistes und Entschiedenheit
der Gesinnung hervorragte, wie durch den Besitz äußerer Macht-
mittel^. Hugo von Brixen und Heinrich von Freising scheinen
sich gefügt zu haben. Denn sie blieben in ihren Stellen*. Der
Fanatismus der siegenden Partei schonte selbst den Toten nicht:
man entfernte die Leichname der wibertistischen Bischöfe aus den
Kirchen"'^.
So wurde das Schisma in Deutschland beendet. Das ist der
kirchliche Erfolg der Empörung Heinrichs V.: die unter Heinrich IV.
begonnene Bewegung, der die Sympathie des Volks gehörte, kam
zum Ziel. Aber die Fragen, die die Spaltung hervorgerufen hatten,
waren dadurch nicht gelöst. Es ist begreiflich, daß Paschal sie in
seinem Sinne zu lösen gedachte. In einem Brief an Buthard von
Mainz entwarf er sein Programm. Der lange Streit, so erklärte
er hier, habe seine Ursache in den Übergriffen der Füi^steu, durch
welche die Kirche ihrer Freiheit beraubt sei. Die Wurzel alles
Unheils liege in der Ann^aßung der Investitur. Ebenso wie es
seine Absicht sei, alle fürstlichen Rechte ungekränkt zu lassen, so
fordere er auch volle Freiheit für die Kirche. Nicht einmal der
königliche Primat in der Kirche solle aufhören: aber er bestehe
September d. J. Damals muß ihn Heinrich von Magdeburg rekonziliiert haben.
Paschal erkannte diese Rekonziliation nicht an, sondern exkommunizierte
Otbert in Guastalla, aber nur um sogleich danach seine Lösung vom Banne
anzuordnen (J.W. 6099), s. u.
1 Über Arnold Gas. mon. Petrish. 111,36 S. 657; Ann. Rosenv. z. 1105
S. 102. Über Hermann und Wido S. 873 u. 856. Brief des Domkapitels in
Straßburg, mit der Aufforderung an den Papst, dorthin zu kommen, um
die kirchlichen Verhältnisse zu ordnen, Cod. Udalr. 137 S. 254.
2 Ekkeh. z. 1105 S. 229. ■' Vita Chuonr. 5 S. 65.
* Konrad von Salzburg lehnte die Gemeinschaft mit Heinrich stets ab;
aber er war nicht stark genug, ihn abzusetzen, vita Chuonr. 22 S. 76.
•^ Beschluß der Nordhäuser Synode, Ann. Hild. z. 1105 S. 53; vgl.
Ekkeh. S. 234 und die gegen diese Roheit gerichtete Schrift L. d. 1. III
S. 689.
- 890 —
darin, daß die Fürsten sich als Schützer der Kirche bewiesen, wie
sie von ihr gefördert würden, nicht darin, daß sie den priesterUchen
Ring und den bischöfUchen Stab erteilten^.
Somit war die päpsthche Forderung klar formuliert: Paschal
hatte den einen Punkt, der für ihn wesentlich war, herausgegriffen.
In bezug auf persönliche Fi^agen war er zum Entgegenkommen
bereit^: seine Legaten Richard von Albano und Gebhard von
Konstanz erhielten die Vollmacht, die Bischöfe der kaisei-lichen
Partei zu absolvieren^. Es fragte sich nur, welche Stellung der
König und die Füi'sten nehmen würden. Unmittelbar nach dem
Rücktritt des Kaisers und der erneuten Wahl Heinrichs V. be-
schloß der Fürstentag in Mainz*, eine bischöfliche Gesandtschaft
nach Rom zu schicken; sie sollte Unterhandlungen über die von
Paschal gestellten Forderungen''' beginnen; die definitive Entschei-
dung dachte man auf einer deutschen, in Gegenwart des Papstes
abzuhaltenden Synode zu treffen. Die Bischöfe waren von einigen,
vom König abgeordneten weltlichen Räten begleitet. Zwar erreichte
die Gesandtschaft ihr Ziel nicht, da sie in Trient von den Kaiser-
lichen aufgehoben wurde**. Aber dieser Unfall blieb ohne weitere
Folgen. Denn Paschal erklärte in einem Schreiben an den König
sich bereit, nach Deutschland zu kommen. Er war erfüllt von der
Freude des Sieges; schon stellte er Heinrich die Kaiserkrönung
in Aussicht'. Ganz ohne Bedenken scheint er jedoch nicht ge-
wesen zu sein. Denn als die Zeit der Synode kam, berief er sie
nicht nach Deutschland, sondern nach Oberitalien. Sie fand am
1 J.W. 6050 V. 11. Nov. 1105. •
2 A. a. 0. S. 380: De ordinationibus clericorum, qui in nostri temporis
schismate ordinati sunt, non aliud .scribendum duximus, quam in Piacentina
synodo . . deliberatum est. Porro episcopos, qui sub excommunicatione in
eodem schismate manus impositionem susceperunt, ad concilii sententiam
deferendos arbitramur. ' Udals. de Egin. 2 S. 433.
* Über den Mainzer Tag Ekkeh. z. 1106 S. 280, Ann. Hild. S. 55.
* Der Fortsetzer Ekkehards spricht von einer römischen Botschaft
super aecclesiarum regni istius commaculatione diversa et inveterata, und
gibt als Auftrag der deutschen Gesandtschaft an, de obiectis rite rationem
reddere et de incertis sagaciter investigare.
* Ekkeh. z. 1106. Die Gesandten waren: für Lothringen Brun von
Trier, für Sachsen Heinrich von Magdeburg, für Franken Otto von Bamberg,
für ßaiern Eberhard von Eichstätt, für Schwaben Gebhard von Konstanz,
für Burgund Wido von Chur.
' Das Schreiben ist bei Petr. ehr. Gas. 111,36 S. 779 erwähnt; die
Einwände Peisers S. 10 f. gegen Giesebrechts Datierung des Briefs scheinen
mir nicht stichhaltig; vgl. Udals. de Egin. 14 S. 438.
— 891 —
22. Oktober 1106 in Guastalla statt \ Der König war nicht an-
wesend, doch hatte er Brun von Tner und den Grafen Hermann
von Winzenburg als Gesandte geschickt^; von deutschen Bischöfen
sah man außerdem Konrad von Salzbm-g, Gebhard von Konstanz,
Otto von Bamberg und Wido von Chur; Rupert von AVürzburg
war auf der Reise gestorben. Hier wurde der Sieg des Papstes
verkündigt: Nachdem lange Zeit die katholische Kirche von
schlechten Menschen, sowohl Klerikern als Laien, zertreten worden
ist, viele Spaltung und Irrung infolgedessen entstand, sind durch
die Gnade Gottes die Urheber dieser Schlechtigkeit beseitigt und
erhebt sich die Kirche zu der ihr angeborenen Freiheit, jubelte der
Papst. Er glaubte durch die Erneuerung des Investiturverbotes
die Ursache künftiger Spaltungen abschneiden zu können. Die
Deutschen schwiegen dazu; aber einverstanden waren sie nicht.
So schien der Streit beigelegt. Daraufhin wurde das Ende des
deutschen Schismas dadurch bestätigt, daß die kaiserlichen Bischöfe,
sofern sie nicht Eindringhnge, Simonisten oder sonst Verbrecher
waren, anerkannt wurden, ebenso auch die Kleriker. Demgemäß
wurden nur Friedrich von Halberstadt und "Widelo von Minden
abgesetzt; Otbert von Lüttich wurde zwar gebannt, aber alsbald
wieder gelöst und Hermann von Augsburg auf neue Klagen hin-
suspendiert ^
Heinrich hatte durch seine Gesandtschaft die Forderung er-
heben lassen, daß der Papst ihm die Gerechtsame seines Reiches
zugestehe*; eine allgemeine Wendung, unter der schwerlich etwas
anderes als die Investitur gemeint war. Paschal wollte sie nicht
so verstehen ; aber er erneuerte seine Zusage, in Deutschland persön-
lich mit dem König zu verhandeln. Hoffte er ihm das Investitur-
recht zu entwinden?
Selten hat der Führer einer großen Partei sich so vollständig
über die Lage der Verhältnisse geirrt, wie Paschal in diesem Augen-
1 C.I. I S. 564 Nr. 395; Ekkeh. S. 240; Chr. Reg. Col. z. 1106 S. 45;
Ann. Patherbr. S. 113 f.; Donizo II v. 1089ff. S. 400; Vita Pasch. S. 299.
- Translat. s. Modoaldi 11 Scr. XII S. 295.
'-' Auch gegen Konrad von Straßburg erklärte sich Paschal, Cod. Udalr.
138 S. 256.
* Donizo II V. 1091 f. S. 400. Der Sinn wird durch die Erklärungen
der königlichen Gesandten in Chälons gegeben. In der vita Pasch. S. 299
findet sich die Notiz, es sei de investituris, de hominiis et sacramentis epis-
coporum laicis exhibitis exhibendisque certis capitulis gehandelt worden.
Es läßt sich nicht sehen, ob im Zusammenhang mit dem Investiturverbot
oder mit der königlichen Forderung.
— 892 —
blick. Statt vor dem siegreichen Frieden stand er vor neuem
Kampf. Er täuschte sich ebensosehr in Heinrich wie in den päpst-
lichen Bundesgenossen in Deutschland. Wie hätten die Fürsten
jetzt mehr kirchliche Interessen haben sollen als vordem? Aus
Haß gegen den Vater hatten sich die sächsischen Großen an den
Sohn angeschlossen; aber schon als sie das taten, hatten sie ihn
darauf aufmerksam gemacht, daß er in der Lage sein würde, eine
Reihe von Bistümern neu zu besetzen ^. Heinrich V. selbst stand
den kirchlichen Interessen noch femer als sein Vater ^: kalt, be-
rechnend, mit einem gewissen Zug zur Frivolität^, .und ohne jede
Spur von Edelmut dachte er nur an die Herrschaft; mußte er sie
jetzt noch mit den Fürsten teilen, so war er um so mehr ent-
schlossen, seine kirchUchen Rechte zu behaupten: vor allem das
Recht, die Bistümer zu vergeben. Unmittelbar nach seiner Er-
hebung hat er begonnen, Bischöfe zu ernennen, und ohne sich durch
die Beschlüsse von Guastalla im mindesten irremachen zu lassen,
hat er damit fortgefahren. Ostentativ investierte er km'z nach
ihrem Schluß Reinhard, einen Mainzer Kleriker, der als Begleiter
Bruns an ihr teilgenommen hatte, mit Ring und Stab zum Nach-
folger Friedrichs in Halberstadt*. Nicht minder hielt er an der
1 Cod. Udalr. 117 S. 228. Daß der Brief von säclis. Großen stammt,
beweist der Name des Pfalzgrafen Friedrich.
2 Die Vergebung von Reichsgut an Kirchen hörte unter ihm so gut
wie ganz auf; eine Ausnahme bildet die Vergebung königlicher Klöster an
Bistümer: St. Georg in Groslar an Hildesheim, St. 3025, Pfäfers an.Basel,
St, 3109, 3168, Benediktbeuren an Augsburg, St. 3125.
» Vgl. die Erzählung Ottos von Freising Gesta Fried. 1, 11 S. 22.
* Ostern 1105 erwählte er zu Goslar Gottschalk zum Bischof von
Minden an Stelle Widelos, Ann. Hild. S. 53, Ann. Saxo S. 739, an Pfingsten
ließ er Heinrich von Magdeburg in Merseburg konsekrieren, im Sommer
folgte die Ernennung Ruperts von Würzburg und Hartwigs von Regens-
burg, im Herbst die Gebhards von Speier (s. o.). Dazwischen liegt die
Synode von Nordhausen. Man könnte auf den Gedanken kommen, daß
Heinrich sich hier deshalb so absichtlich zurückhielt, um einer Erklärung
über seine Stellung zur Investitur auszuweichen. Buchholz nimmt auf
Grund der Wendung bei Ekkeh. S. 227 : Quaedam, quae et graviora vide-
lantur, . . differebantur, geradezu Vertagung der Investiturfrage an, S. 190 f.
Wenn die Teilnahme des Klerus oder des Klerus und des Volkes bei der
Bestellung der Bischöfe erwähnt wird, so wird dadurch nicht ausgeschlossen,
daß der König das entscheidende Wort sprach. Daß es der Fall war, be-
weist der Tadel, den Paschal über diese Ernennungen aussprach, s. Ann.
Hild. z. 1107 S. 60f., J.W. 6620. 1106 erhielt Konrad das Erzbistum Salz-
burg, vita Chuonr. 5 S. 65. Hier die bekannte Schilderung des Verfahrens:
- 893 —
Jurisdiktionsgewalt fest: auf einem Hoftage zu Lüttich wurde der
Streit um die Abtei St. Truijen, auf einem solchen zu Speier die
Sache des , Kanonikus Ellenhard entschieden ^. Selbst die Straf-,
gewalt über die Bischöfe gab er nicht auf". Von der Freiheit der
Kü'che im Sinne des Papstes war also Deutschland so weit ent-
fernt als je. Man hat den Männern in der Umgebung des Königs
Äußerungen zugeschrieben, die seine kirchliche Macht auf das
schärfste betonten^. Es ist kar, daß trotz des Personenwechsels
die Regierungstradition ungebrochen war. Fast könnte man er-
staunen, daß der deutsche Klerus sich jetzt widerspruchslos fügte:
nicht nur Ruthard von Mainz "*, auch Gebhard von Konstanz und
Wido von Chur erhoben keine Einsprache gegen die Nomination
der Bischöfe durch den König ^; selbst der Abt von Hirschau nahm
ohne Bedenken ein Bistum aus seiner Hand an. Nicht minder
ließ sich der Propst Hartmann von St. Blasien trotz des kh-chlichen
Forma electionis, quae tunc fiebat episcoporum et regalium abbatum, talis
erat: Defuncto ecclesiae cuiuslibet episcopo vel monasterii abbate mox ad
palatium profieisci non differunt prepositus, decanus, magister scolarium et
prior monasterii et cum eis maioris et sanioris consilii personae de civitate
annulum episcopalem secum portantes et baculum, communicatoque consilio
cum bis, quos in palatio circa imperatorem invenerint episcopis, cancellario
et capellanis secundum beneplacitum et favorem imperatoris, qui sustinen-
dus erat, eligebatur. Im Frübjahr 1107 folgte die Ernennung Reinhards
von Halberstadt, Ann. Saxo, Ann. Patberbr., epist. Mog. 34—37 S. 381 ff.
Reinhard sagt hier über seine Wahl: Vos scire volo, quod ad onus durissime
provincie imperio domini mei regis, violentia principum nolens et reclamans
raptus sum (S. 382). Die Teilnahme der Fürsten war keine Neuerung, s. o.
S. 547, 784 f. Guleke S. 111 irrt, wenn er von einem rein persönlichen
Ernennungsrecht aller früheren Herrscher spricht. 1107 wurden Richard IL
von Verdun, Laur. Gesta 15 S. 499, und Adelgot von- Magdeburg, Gesta arch.
Magd. 24 S. 409, 1109 Adalbert von Mainz ernannt, Brief Heinrichs bei
Giesebrecht III, 1239, Ann. Corb. S. 7; Disib. S. 20. Das Verfahren Hein-
richs unterscheidet sich in nichts von dem seines Vaters. Daß auch unter
dem letzteren Rücksicht auf die Wähler genommen wurde, j^t oben bemerkt.
1 Gesta abb. Trud. VI, 23 ff. 263 ff. Cod. Udalr. S. 367 ff. Nr. 201—208.
- Vgl. die Gefangensetzung Adalberts von Mainz.
^ Laur. Gesta ep. Verd. 18 S. 502: Eum regem pariter et summum
sacerdotem . . . predicasse, eins iuris esse, ut praesules faciat et deponat.
* Er konsekrierte den von Heinrich zum Bischof von Speier ernannten
Abt Gebhard, Ann. Hild. z. 1105 f. S. 54 f.
5 Die Erhebung Reinhards von Halberstadt, die Paschal als unkano-
nisch verwarf, pries Gebhard als durchaus kanonisch, Ep. Mog. 36 S. 383;
Wido nahm sich Paschal gegenüber des von Heinrich investierten Ulrich
von Konstanz an, N.A. III S. 170 Nr. 5.
_ 894 —
Verbots nach und nach vier Abteien ^ übertragen. Das scheint ein
Widerspruch gegen alles Bisherige, aber ist es mit nichten: der
deutsche Episkopat hatte zu einem geringen Teil dem exkommuni-
zierten König den Gehorsam versagt, er hatte zu einem großen Teil
die Beseitigung des Schismas erstrebt; aber an den alten Rechten
des Königs in der Kirche hatte er nie Anstoß genommen^.
Zeigte schon die Berufung der Synode nach Guastalla. daß
Paschal Bedenken trug, sich dem König anzuvertrauen, so redete
die Unterlassung der versprochenen Reise nach Mainz "^ und die Un-
zufiiedenheit mit der raschen Verständigmig der deutschen Bischöfe
untereinander eine noch klarere Sprache*. Bereits im Mai 1107
kam es denn auch zu einem Zusammenstoß. Der Papst hatte
sich nach Franki-eich begeben. _ Ihn zu begrüßen, erschien der ge-
wandte Brun von Trier an der Spitze einer königlichen Gesandt-
schaft in Chälons. Aber der Eindruck der höflichen Worte, die
man austauschte, wurdfe dadurch gestört, daß Brun namens des
Königs das Festhalten an der Investitur erklärte; es sei in Deutsch-
land seit . der Zeit Gregors d. Gr. üblich, daß die Bischofswahien
auf Grund der königlichen Zustimmung erfolgten, nach der Wahl
finde die Weihe statt, endlich empfingen die Gewählten Ring und
Stab vom König und leisteten ihm den Treueid. Das sei Rechtens ;
denn Papst Hadrian habe dies Privilegium Karl d. Gr. erteilt; und
1 S. oben S. 871 Anmerk. 3.
^ Es ist bezeichnend, daß in den Streitschriften der deutschen
Gregorianer die Investiturfrage kaum erörtert wird. Nur der radikale
Demokrat Manegold spricht sich im Sinn des bedingungslosen Verbots aus
(S. 399 f.). Dagegen schweigt Gebhard von Salzburg und zwar offenbar
absichtlich: hatte er doch selbst am 11. Juni 1060 Ring und Stab aus der
Hand des Königs genommen. Demnach glaube ich nicht, daß Mirbt S. 483
die Stelle c. 34 S. 279 richtig deutet. Auch mit dem, was er S. 482 über
Bernhard sagt, bin ich nicht einverstanden. Das non per ostium intrare
schließt nur die unter Verletzung des Wahlrechts vollzogene Investitur aus.
Endlich scheint ^r mir auch Bernolds Anschauung nicht richtig wiederzu-
geben; sein Geschichtswerk zeigt, daß er nicht jeden Investierten für einen
Simonisten hielt. Vgl. auch Ekkeh. z. 1107 S. 241.
" Chr. reg. Col. z. 1107 S. 45. Er sollte Weihnachten 1106 in Mainz
sein, entschuldigte sich aber asperitate et viae et temporis. Den wahren
Grund nennt Ekkeh. z. 1107: er traute weder den Deutschen noch dem König.
^ Ruthard von Mainz hatte Uto von Hildesheim restituiert; er wird
deshalb getadelt, J.W. 6145; Heinrich von Magdeburg wird überhaupt
desavouiert: Q.uod Magdeburgensis episcopus super huiusmodi reconciliati-
onibus passim facere dicitur, tamquam sine Romanae ecclesiae praecepto
factum, ratum habere non possumus, J.W. 6099.
— 895 —
das sei notwendig; denn nur durch die königliche Belehnung
könnten die Bischöfe die Regalien erhalten, Paschal antwortete
rund ablehnend; er schied von den Gesandten in Unfrieden. Bereits
hörte man die Drohung mit dem Schwert^. Aber er war ent-
schlossen, kein Zugeständnis zu machen. In der Himmelfahrtszeit
hielt er in Troyes eine große Synode; hier erklärte er das freie
Wahlrecht der Gemeinden für erneuert und verfügte er die Absetzung
aller Kleriker, welche von nun an die Investitur oder eine geist-
Kche Würde aus der Hand eines Laien annehmen würden. Noch
zögerte er, gegen den König einzuschreiten: er gewährte ihm Frist,
seine Sache auf einer Synode in Rom zu vertreten. Dagegeii
suspendierte er die Häupter des deutschen Episkopats, Ruthard
von Mainz und Friedrich von Köln samt ihren Suffraganen. Nur
die Rücksicht auf die früheren Verdienste Gebhards von Konstanz
verhütete, daß auch er von dem gleichen Urteil betroffen wurde-.
Wie erwähnt, hatte Heinrich kurz vorher Reinhard mit dem Bistum
Halberstadt investiert; Paschal verweigerte ihm die Anerkennmig'';
er forderte aus dem gleichen Grund den neuen Erzbischof Adalgot
von Magdeburg nach Rom ^ und verhängte über Richard von
Verdun die Exkommunikation '. Er war seines AVeges vollständig
sicher: in einem Briefe an Anselm von Canterbury äußerte er, er
habe die Investituren nicht geduldet, noch werde er sie dulden.
Jetzt sprach auch er davon, daß er das Schwert des Petrus zu
zücken im Begriff sei: er täuschte sich nicht darüber, daß Heinrich
Suger vita Ludov. VI. 9 Scr. XXVI S. 50; vgl. Chr. reg. Col. z. 1107
S. 46; Ann. Patherbr. S. 117. Die Namen der Gesandten, abgesehen von
Brun, werden verschieden angegeben. Ich sehe keine Möglichkeit einer
einigermaßen sicheren Entscheidung.
2 c.I. I S. 566 Nr. 396; Ekkeh. z. 1107 S. 242; Ann. Hild. z. 1107 S. 60;
Ann. Patherbr. S. 117; Ann. Saxo S. 745; Chr. reg. Col. 1. c; Ep. Mog. 37 f.
S. 383 flf. Die Kölner Königschronik läßt irrig Gebhard von Konstanz sus-
pendiert werden; ich kann trotz Scheffer- Boichorst und Peiser die Worte
des Papstes: Cum usque ad interdictionem tui officii iusticie gladius dese-
visset, preteritorum bene gestorum memoria et fratrum nostrorum nos
supplicatio revocavit, nur so verstehen, daß er suspendiert werden sollte,
aber schließlich geschont wurde. Man kann einem doch nicht in einem
Atem die Suspension und die Aufhebung derselben insinuieren. Dagegen
wird die Königschronik im Recht sein, wenn sie den Kölner EB. von dem-
selben Urteil wie Ruthard betroffen sein läßt. Ruthard unterwarf sich
sofort, 8. Reg. Mog. I S. 240 Nr. 79.
» J.W. 6144. Reinhard hat sie später erlangt, J.W. 6469.
* J.W. 6173; der Grund ist nicht bestimmt genannt; er ergibt sich
aus Ann. Patherb. z. 1107 S. 118. & J.W. 6146, 6195, 6227.
— 896 —
ganz auf der Bahn seines Vaters gehe^ Die Lage war unheil-
schwanger: denn der Episkopat schien bereit, sich dem König anzu-
schUeßen* bereits wurde Widerspruch gegen die unmittelbare Re-
gierung der Kirche durch den Papst laut^.
Unter diesen Verhältnissen ist es verständlich, daß die in
Aussicht genommene Verhandlung in Rom unterbUeb. Dagegen tat
Pascha] noch einen Schritt vorwärts: im Oktober 1108 erneuerte
er in Benevent das Investiturverbot, und dabei erklärte er den, der
die Investitm- gewährt, für exkommuniziert wie den, der sie em-
pfängt^. Das war ein Urteil, das Heinrich traf Aber ob man in
Deutschland Kunde von der süditalienischen Synode erhielt? Jeden-
falls ließ sich Heinrich auf seinem Wege nicht beirren. Im Jahre
1109 forderte er die ihm längst zugesagte Kaiserkrönung. Nun
mußte die Investiturfrage berührt werden. Eine ansehnliche Gesandt-
schaft begab sich im nächsten Jahre nach Rom, um die Unter-
handlungen zu pflegen. Sie bestand aus Brun von Trier, Friedrich
von Köln, Walcher von Kamerijk und dem eben zum Erzbischof
von Mainz ernannten bisherigen Kanzler Adalbert, außerdem dem
Grafen Hermann von Winzenburg und anderen Fürsten^. Wir
besitzen eine Denkschrift über die Investitur, die im Sommer 1109
verfaßt ist. Man darf sie vielleicht als Instruktion für die Unter-
handlungen betrachten^, Sie fordet die unbedingte Behauptung
der Investitur ebenso sehr um des Reichs, wie um der Kirche
willen. Als das Wesen der Handlung gilt die Übertragung der
Regalien; mit erstaunlicher Unbefangenheit wird die Form als
gleichgiltig behandelt: die Investitur könne geschehen mündlich,
oder durch ein Präzept, durch den Stab oder durch irgendetwas
1 J.W. 6206 (12. Okt. 1108).
2 S. die von Bernheim in der Westd. Zeitschr. I S. 374 ff. edierten
Kölner Kapitel. Bezeichnend ist besonders der Satz: Sicut pont. Rom. de
Colon, archiepiscopo debitam exigit subiectionem, ita Col. arch. exigit a
Rom. praesule, ut in regiminis sui iure servet ei canonicum correctionis
ordinem.
^ Chron. Cas. III, 33 S. 777: Et dans et accipiens communione privetut.
* Ekkeh. z. 1110 S. 243: Chron. reg. Col.' z. 1109 S. 48; Ann. Patherbr.
z. 1109 S. 120. Über Heinrichs Brief an Otto von Bamberg, Cod. Udalr.
173 S. 305 f., der nach Giesebrecht von der Rückkehr dieser Gesandtschaft
spricht, s. Peiser S. 60 Anm. 7, u. C.I. I S. 156 Nr. 103, Vorbemerk.
^ De investit. episc, L. d. 1. II S. 498. Auf die Vermutung, daß hier
eine Instruktion für die Gesandten vorliegt, führt die Übereinstimmung mit
der Erklärung der Gesandten in Chälons und die Form des Schriftstücks.
Es spricht jemand, der zu gebieten gewohnt ist: Cavendum est, servanda
est, notandum est u. dgl. Vgl. Peiser S. 50 ff.
— 897 —
anderes, daran liege nichts. Notwendig sei sie nur wegen des Be-
sitzes und der Rechte der Kirchen; wären die Kirchen so arm wie
einst, so würde der König sie fallen lasse» könnend
In den Verhandlungen mit den Gesandten erhob Paschal
keinen Einspruch gegen den Romzug; aber über die strittigen Fragen
kam es zu keiner Verständigung. Denn es war ihm nichts w®ter
zu entlocken als die allgemeine Erklärung, er fordere nur das, was
kanonischen Rechtes sei, die königlichen Gerechtsame werde er in
nichts vermindern^. Ein nichtssagendes Versprechen, da er wohl
wußte, daß Heinrich über die königlichen Gerechtsame anders
dachte, als er. Die Ergänzung brachte die Fastensynode von 1110;
denn auf ihr ließ der Papst einen Beschluß annehmen, der unter
sorgfältiger Begründung das ausschließliche Recht der Bischöfe auf
die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten und die Verwaltung
des kirchhchen Besitzes behauptete; zugleich erneuerte er das in
Troyes erlassene Investiturverbot ^. In derselben Zeit rüstete
Heinrich seinen Romzug; auch er begann seine Absichten zu ent-
hüllen: er schrieb an den Abt von Cluni, seine Mönche sollten
beten, daß der Papsl aufhöre, sich der Gerechtigkeit entgegenzu-
stellen*. Er komme, erklärte er den Römern, um sein Recht zu
empfangen ^.
Im August trat er den Marsch an. Anfang Februar 1111
stand er vor Rom. Jetzt mußte sich zeigen, wer von diesen beiden
Männern, von denen jeder genau wußte, was er wollte, seinen Willen
durchsetzen würde ^. Heinrich hatte schon von Arezzo aus eine
Gesandtschaft an den Papst geschickt; er forderte sein Recht; die
1 S. 502.
2 Ann. Patherb. z. 1110 S. 120 ff.; Chr. reg. Col. z. Ii09f. S. 48 f.;
Gesta ep. Camer. contin. 27 S. 519. So widerspruchsvoll wie Peiser S. 55
kann ich das Verhalten des Papstes nicht finden. Ich glaube, daß er in
dessen Erklärung zu viel einträgt. Auch hat der Papst schwerlich die
Hoffnung auf Verständigung, sondern vielmehr die Erwartung der Unter-
werfung Heinrichs gehegt. Ich halte es deshalb nicht für wahrscheinlich,
daß er schon jetzt sich mit dem Gedanken trug, auf die Regalien zu ver-
zichten. Das war überhaupt nicht seine Absicht, sondern nur das äußerste
Mittel, um seine Absicht — Abschaffung der Investitur — zu erreichen.
3 CT. I S. 567 ff. Nr. 297.
* D'Acherjt, Spicil. III S. 449: Orate, rogamus, pro unitate regni et
sacerdotii, quam diligimus et quaerimus, et ut dominus papa cesset contraire
nobis de nostra iustitia.
5 Cod. Udalr. 148 S. 268 f. Der Brief ist wahrscheinlich von Arezzo
aus nach Rom geschickt.
ö Die Urk. über die Verhandlungen C.I. I S. 134 ff. Nr. 83 ff.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 57
— 898 —
Antwort waren allgemeine freundliche Erklärungen ^. Sie genügten
ihm nicht. Am 4. Februar begannen neue, die entscheidenden Ver-
handlungen; sie fanden in S. Maria in Turri statt. Nichts natür-
licher, als daß der Papst noch einmal als Bedingung der Krönung
^ Ekkeh. z. Uli ist der einzige, der diese Sendung erwähnt. Er er-
zählt, daß die königlichen Gesandten bei Aqua pendente als boni nuncii
bajuli wieder mit dem König zusammengetroffen seien. Peiser S. 62 f.
findet diese Gesandtschaft allerdings in der königl. Encyklika, C.I. S. 150
Nr. 100, erwähnt. Allein es scheint mir unmöglich, wie er tut, den Bericht
Heinrichs auf zwei Gesandtschaften zu verteilen: er läßt die Rede des
Papstes an die erste Gesandtschaft gerichtet sein, und die 'Antwort der
Gesandten auf diese Rede erst durch eine zweite Gesandtschaft überbracht
werden. Aber so konnte kein Leser das königliche Schreiben verstehen.
Der Grund, daß die Gesandten keine Antwort auf den nicht vorgesehenen
Vorschlag hätten geben können, ist nicht stichhaltig. Denn der Einwand,
den sie erhoben, lag sehr nahe und ihre schließliche Erklärung verpflichtete
den König nicht, da seine Bestätigung vorgesehen war. Ahnlich wie Peiser
urteilt Schneider, S. 17 ff. Sein Grund ist, daß Heinrich, als er die 2. Ge-
sandtschaft abschickte, die Grundlagen gekannt haben müsse, auf welche
hin Paschal den Frieden eingehen wollte, S. 16. Endlich hat Gernandt
S. 14 ff., dem Richter zustimmt 111,2 S. 561, die ganze Verhandlung der
ersten Gesandtschaft zugeschrieben. In Betracht scheint mir zu kommen,
daß Paschal im März 1110 an die Aufgabe der Regalien nicht gedacht hat.
Denn sonst wäre die Bestimmung- der Lateransynode: Si quis principum
vel aliorum laicorum dispositionem vel donationem rerum sive possessionum
ecclesiasticarum sibi vindicaverit, ut sacrilegus iudicetur, unverständlich:
sie hätte ja nur sein Vorhaben gestört. Erklärt werden muß also, wann
und wodurch der Papst auf den Gedanken des Verzichts kam. Erst die
zweite Frage ist, wann er ihn Heinrich mitteilte. Zwischen dem 7. März
und der Gesandtschaft aus Arezzo hat, soviel wir wissen, ein Verkehr mit
dem König, der Paschal auf seinen neuen Gedanken hätte bringen können,
nicht stattgefunden. Die erste Berührung mit dem König fand vielmehr
durch die Gesandtschaft aus Arezzo statt. Liegt da nicht die Annahme
nahe, daß Heinrich jetzt offen mit dem herausrückte, was er unter seinem
Recht verstand? Man kann nicht einwenden: Das wußte Paschal längst.
Denn die Erklärung von Chälons betrachtete er nicht als definitiv; das
zeigt die Verhandlung mit dem Kanzler Adalbert. Wenn dagegen Heinrich
sie jetzt unmittelbar vor der Kaiserkrönung an der Spitze eines Heeres er-
neuerte, so konnte Paschal sich nicht verhehlen, daß an Nachgeben nicht
zu denken war. Dann aber zerstörte die Gesandtschaft jeden Rest von
Hoffnung, daß Heinrich sich unterwerfen werde. Damit stand der Papst
vor der Notwendigkeit, einen neuen Weg zu ersinnen, um sein Ziel, Ab-
schaffung der Investitur, zu erreichen. In der Zwischenzeit zwischen der
ersten und zweiten Gesandtschaft wird er also den Gedanken ergriffen
haben, im schlimmsten Falle auf die Regalien zu verzichten. Die ersten
— 899 —
den Verzicht auf die Investitur forderte. Allein der Einwand der
königlichen Gesandten, daß dadurch die Macht der Krone vernichtet
wüi'de, war unwiderlegbar. Blieb ein jeder bei seinem Worte, so
war eine Verständigung unmöglich. Es ist bekannt, daß Paschal
einen Ausweg suchte, indem er die Rückgabe aller B.egalien an
die Kj'one anbot; für die Kii-chen genügten die Zehnten und Obla-
tionen. Damit kam man auf den Punkt, der in der Denkschrift
über die Investitur berührt war, Paschal bot für die G-egenwart an,
was dort als ein längst vergangenes Faktum erwähnt war. Konnte
er damit das Zugeständnis erreichen: Einer solchen Kirche gegen-
über ist die Investitur nicht notwendig? Die kaiserlichen Boten
zögerten; sie hoben die Schwierigkeit des päpstlichen Vorschlags
.hervor, indem sie äußerten, es sei nicht des Königs Wille, der
Kirche Gewalt anzutun, oder durch den Raub ihres Besitzes ein
vielfältiges Sakrilegium zu begehen. Der Einwand war gewichtig;
denn mit welcher Energie hatte die Kirche stets die Entziehung
ihres Besitzes abgewehrt. Allein Paschal hatte seiiiea Vorschlag
wohl überlegt; er wußte Rat: er selbst, der Papst, wolle die Re-
galien der deutschen Kirchen auf dem Wege des Rechtes dem
König zurückgeben. Er ließ ein schriftliches Versprechen darüber
ausstellen, daß er am Tage der Kaiserkrönung ihre Rückgabe an-
ordnen werde. Nun versicherten die Gesandten, werde der Papst
diese Zusage erfüllen, so werde der König auf die Investitur ver*
ziehten. Auch diese Erklärung wurde schriftlich niedergelegt. Die
Verständigung schien erzielt. Heinrich bestätigte am 9. Februar
in Sutri die Übereinkunft imter Vorbehalt der Zustimmung der
geistlichen und weltlichen Großen^.
Gesandten aber wird er mit allgemeinen, seinen bisherigen analogen Ver-
sicherungen entlassen haben. So konnte sie Ekkehard wohl als Bringer
einer guten Botschaft bezeichnen. Der König aber war mit dem Ergebnis
ihrer Unterhandlungen nicht zufrieden; das beweist der Wechsel in der
Person der Gesandten, den Ekkehard erwähnt (remissis aliis nuntiis). Wählte
Heinrich jetzt neben seinem Kanzler lauter Laien, so war die Absicht wahr-
scheinlich ein energischeres Auftreten. Man erinnere sich an Herzog Weif
in Chälons. Hätte der Papst schon nach Aqua pendente den Verzicht auf
die Regalien anbieten lassen, so war die Absendung neuer Gesandter
zweckwidrig: die Sache sollte ja geheim bleiben. Überdies wozu dann die
erste Hälfte der Verhandlungen in S. Maria in Turri? Die Urkunden
widersprechen, wie mich dünkt, nicht. Denn sie verleugnen nicht, daß sie
einem Präliminarvertrag angehören.
^ Die angef. Bedingung erwähnt Ekkehard, im Eid des Königs findet
sie sich nicht. Bei der Stellung der Fürsten zu Heinrich ist sie fast selbst-
verständlich. Bemerkenswert ist, daß Heinrich in seinem Eide den auf
57*
— 900 —
Es gibt vielleicht keinen Vertrag, der so schwer verständlich
ist als dieser. König Heinrich hat scharf und bestimmt über ihn
geurteilt: er meinte den päpstlichen Vorschlag als einen großen
Betrug betrachten zu dürfen; denn Paschal sei von Anfang an
sich dessen bcAvußt gewesen, daß er Unmögliches verspreche; er
habe seine Zusage nur geleistet, um ihm den Verzicht auf die
Investitur zu entlocken ^ Dieser Überzeugung gemäß hat Heinrich
gehandelt: er hat seine Maßregeln so getroffen, daß Pascha] in das
Netz verstrickt wurde, das er, wie er annahm, ihm gelegt hatte.
Aber es ist überaus unwahrscheinlich, daß dieser schwere Vorwm*f
begründet ist. Der Betrug wäre zu plump. Für eine Maßregel
verzweifelter Hoffnungslosigkeit wird man das Anerbieten des
Papstes ebenfalls nicht halten können. Denn verzweifelt war seine.
Lage mit nichten; wer hinderte ihn, sich nach dem Süden zu be-
geben und sich dadurch der. Gewalt des Königs zu entziehen?
Endlich läßt sich auch die Annahme nicht aufrecht erhalten, daß
er im Unklaren darüber war, was die Aufgabe der Regalien für
die deutschen Bischöfe bedeutete. Seit einem halben Jahrhundert
standen die deutscheu Angelegenheiten im Mittelpunkt der päpst-
lichen Politik, und der Papst soll nicht gewußt haben, daß die
deutschen Bischöfe Keichsfürsten waren Das ist die unmöglichste
Vorstellung l Es bleibt nur die Annahme übrig, daß der ehemalige
Mönch vor die Frage gestellt, ob er um der Freiheit der Kirche
willen von neuem einen Kampf mit allen seinen Schrecken be-
ginnen wollte, davor zurückbebte und lieber den Ausweg traf, auf
ihre äußere Macht zu verzichten. Die Einsicht, daß der Fürsten-
stand der Bischöfe mit ' seiner Verpflichtung zu den mannigfachsten
die Investiturfrage bezüglichen Teil der Verabredung von S. Maria in Turri
nicht beschwor. Nur am Schluß bezog er sich auf die Konvention. Man
darf in diesem Verfahren wohl sein Mi^ßtrauen gegen Paschal und seine
Absichten bei ihr erkennen.
1 Encyklika S. 150.
^ Dieselbe Vorstellung, nur anders gewandt, findet sich bei Knöpfler
S. 298, nach welchem Paschal, ein apostolischer und ideal gesinnter Mann,
vielleicht annehmen m.ochte, daß die deutschen Prälaten bereit sein würden,
den größeren Teil ihrer irdischen Güter dem Interesse der kirchlichen
Freiheit zu opfern. Ich halte Paschal für den unbedeutendsten unter den
Päpsten des großen Kirchenstreits; aber für so blind wie Knöpf ier möchte
ich ihn nicht halten. Es fehlte ihm nicht an Verstand, sondern an Kraft.
Überdies ist sicher, daß er den Widerspruch der Bischöfe voraussah; denn
er rüstete sich bereits, das Anathema zu verhängen (promissio Nr. 8-5).
Was er nicht voraussah, war der einhellige Widersjiruch der deutschen
Fürsten und das Zurückweichen Heinrichs vor ihm.
— 901 —
Reichsdiensten für die Kirche schädlich sei, fehlte in Rom keines-
wegs; der Kardinal Deusdedit hat sie sehr bestimmt ausgesprochen*.
Warum sollte Paschal sie nicht geteilt haben? Sie lag ihm durch-
aus nicht ferne ^. Und sollte der Mönch füi* den konsequenteren
Gedanken unempfänglich gewesen sein: Die Kirche ist geistüch;
deshalb gehört ihr an sich nichts Irdisches^? Wenn es so war,
so betrog Paschal nicht; aber er täuschte sich in einem Augen-
blick, in dem er -sich nicht täuschen durfte. Denn sein^ Vertrag
war, wie der König richtig sagte, unausführbar. In diesem Irrtum
lag die Schuld des Papstes; sie hat sich bitter an ihm gerächt.
Am 12. Februar erfolgte der Einzug des Königs*. Im Atrium
von St. Peter erteilte er die herkömmliche Zusage des Schutzes
für den Papst und die Kirche. Dann betrat er von Paschal ge-
leitet die Basilika. Hier verkündigte er die Bestätigung aller
kirchlichen Rechte und Besitzungen ^. Und nun forderte der Papst
1 Contra Invasor. 1, 15 S. 314. Vgl. I, 2 S. 301 über die Folgen des
Reichtums der Kirche.
'^ S. J.W. 5909 an Anselm v. April 1102: Liberam esse ecclesiam
Paulus dicit. Indignum est igitur ut clencus, qui iam in Dei sortem est
assumptus et iam laicorum dignitatem excessit, pro terrenis lucris hominium
faciat laico, ne forte dum reperitur servi saecularis obnoxius, vacet aut
gravetur ecclesia. Scriptum est enim: Nemo militans Deo implicat ee
negotiis saecularibus. Das ist derselbe Gedankengang wie bei Deusdedit.
Die nächste Folgerung die Paschal daraus zog, war: Also kein Lehnseid
und keine Leistung der Lehnspflicht. Er konnte aber auch folgern: Also
Verzicht auf die Güter, an denen die Lehnspflicht hängt.
^ Placidus von Nonantula polemisiert gegen die Anschauung: Aecclesia
spiritualis est et ideo nichil ei terrenarum rerum pertinet, nisi locus tan-
tum, qui consueto nomine aecclesia dicitur, s. d. Prol. S. 568. Sie berührte
sich mit patarenischen Meinungen, s. S. 693.
■* Quellen für das Folgende sind neben den angeführten Urkunden
Sigib., Ekkeh., Ann. Hild. bezw. Patherbr., Vita Chunr. 9 S. 68, Otto Frising.
chron. VII, 14 S. 309 f., Petr. Chron. Gas. 111,38 S. 780, Notiz aus einer
Londoner Handschrift N.A. XI S. 100.
^ Das decretum de bonis ecclesiarum entspricht nicht dem herkömm-
lichen Kaisergelübde. Schneider S. 56 und Gernandt S. 36 verwerfen über-
haupt, daß dieses Dekret erlassen worden sei; die entsprechende Stelle der
Encyklika biete eine absichtliche Fäls^hung. Die Annahme ist. mir un-
wahrscheinlich; denn die Fälschung war zu leicht nachweisbar. Dagegen
ist das Dekret an seiner Stelle durchaus verständlich: indem Heinrich die
Besitzungen der Kirche bestätigte, lehnte er den Vorwurf, daß er die Rück-
gabe der Regalien erpreßt habe, ab: die letztere erschien ganz als Tat
des Papstes. Eine Aufhebung des Vertrags war das keineswegs, und eine
— 902 —
den Vollzug der getroffenen Verabredung: den Verzicht auf die
Investitur. Heinrich ließ seine Urkunde verlesen. Daraufhin
erklärte auch er sich zur Erfüllung seiner Zusage bereit; er hatte
eine Bulle ausfertigen lassen, welche unter Erinnerung an die alten
kirchlichen Bestimmungen, wonach kein Bischof weltliche Geschäfte
treiben dürfe, die Rückgabe aller Regalien gebot, andererseits aber
die Investitur unbedingt verwarf. Auch diese Urkunde wurde ver-
lesen. Nun trat ein, was Heinrich* vorausgesehen hatte: sie erregte
einen Sturm des Unwillens unter den deutschen Fürsten. Nicht
nur die Bischöfe widersprachen, sondern ebenso lebhaft die welt-
lichen Herren; sahen die ersteren sich ihrer Fürstenstellung beraubt,
so glaubten die letzteren sich im Besitz ihrer Kirchenlehn bedroht
und dadurch in ihrer ganzen Machtstellung erschüttert. In voller
Einmütigkeit erklärten die geistlichen und weltlichen Großen, das
päpstliche Privilegium könne nicht in gerechter und giltiger "Weise
vollzogen werden. Damit war der Moment -für Heinrich gekommen:
er verlangte die Genehmigmig der Investitur ^. An den Vollzug der
Krönung war nicht zu denken. Der Tag endete vielmehr mit der
Gefangennahme des Papstes und der Kardinäle. Der Friedens-
vertrag war jäh zerschlitzt.
Zwei Monate lang blieb Paschal der Gefangene des Königs.
Dann war seine Widerstandskraft gebrochen. Man hatte ihn zu
früh als Märtj^rer gerühmt^. Er tat, was allen seinen Über-
zeugungen widersprach, und gestand am 11. April 1111 Heinrich
und seinen Nachfolgern das Recht der Investitur zu: die frei, ohne
Simonie, aber unter Zustimmung des Königs gewählten Bischöfe
und Abte sollten die Investitur vom König, die Konsekration von
dem dazu berechtigten Bischof erhalten; die Verweigerung der
ersteren sollte die Erlangung der Weihe verhindern. Überdies
gelobte Paschal, niemals den Streit um die Investitur zu erneuern
oder den Bann über Heinrich zu verhängen. Durch diese Zusagen
erkaufte er seine Freiheit, die Anerkennung seines Pontifikats und
die Versicherung aller Patrimonien und Güter der römischen Kirche.
Am 11. April wurde das neue Übereinkommen im königlichen
Lager am Anio bei Ponte Mommolo abgeschlossen. Zwei Tage
ungeheure Tragweite hatte es ebensowenig : eine Rechtsbestätigung schafft
kein neues Recht.
^ Allein von Donizo v. 1200 ff. 8.402 erwähnt; aber durchaus glaub-
lich; denn auf diesen Moment hatte Heinrich geharrt.
2 Lamentatio pro capt. Pasch., L. d. 1. II S. 668: Sic apostolicam se-
dem rexit, ut et apostolicae passionis imitator fieri mereretur.
— 903 —
später krönte der Papst Heinrich zum Kaiser: dabei übergab er
ihm das Privilegium, das ihm das Investiturrecht zugestand^.
Es war ein Fehler Heinrichs, daß er den Februarvertrag an-
nahm, obgleich er wußte, daß er nicht durchzuführen sei. Der
Fehler, der in dem Abschluß des Aprilvertrags lag, war noch
größer. Denn jetzt täuschte sich Heinrich darüber, daß er einen
unausführbaren Vergleich einging. Er ahnte nicht, welche Stärke
die kirchlichen Überzeugungen seiner Gegner hatten.
"War das erste Abkommen an dem Widerspruch der deutschen
Fürsten gescheitert, so scheiterte das zweite an dem der Gregorianer.
Ohne Rücksicht darauf, daß Paschal das Anathema und die Ab-
setzung über jeden ausgesprochen hatte, der dem Investiturprivi-
legmm widersprechen würde, sagten sie sich von ihrem Führer los.
In B,om kündigte ihm eine Schar von Geistlichen die Kirchen-
gemeinschaft auf". Darin lag das alte Urteil, die Laieninvestitur
sei eine Häresie; es wurde jetzt auf den Papst angewandt. Die
Kardinalbischöfe Johann von Tusculum und Leo von Ostia, neben
ihnen Bruno, Bischof von Segni und Abt von Monte Cassino, wai-en
die Führer einer in der Form gemäßigteren, in der Sache nicht
minder entschiedenen Opposition ^ So sehr Bruno beteuerte: Ich
liebe dich, wie ich meinen Yater und Herrn heben muß, und ich
wünsche, so lange du lebst, keinen anderen Papst zu haben, so
rücksichtslos verwarf er das Investiturprivilegium: es sei der Frömmig-
keit und der Religion zuwider; das Investiturverbot von Guastalla
müsse erneuert werden*. Der gleichen Meinung war der Mönch
Placidus von Nonantula. Er war ein strenger Gregorianer, über-
zeugt, daß der Papst über das Geisthche, wie über das Welthche
Herr sei. Aber in diesem Moment richteten sich die Konsequenzen,
die er aus den gregorianischen Prämissen zog, nicht nur gegen
1 C.I. 1, 91 ff. S. 142 ff.
2 Vgl. ihr Schreiben an Kalixt Mansi XXI S. 224 u. Ekkeh. z. 1112.
Offenbar mit Rücksicht auf den Vorwurf der Häresie legte Paschal auf der
Lateransynode von 1112 eine Art Glaubensbekenntnis ab, C.I. I S. 571
Nr. 399 f., Ekkeh. 1. c. Gleichwohl wurde der Vorwurf auf der Synode von
1116 von neuem laut, Ekkeh. z. 1116 S. 249.
3 Paschal an die Kardinäle J.W. 6301; Briefe Brunos L. d. 1, II S. 562 fi".
Johann war seit 1093 B. von Tusculum, Leo seit 1101 B. von Ostia und
Velletri, Bruno seit 1079 B. von Segni, seit 1107 A. von Monte Cassino.
Bruno und Johann von Tusculum hatten bereits gegen Gregor Opposition
gemacht, Mansi XX S. 577; vgl. oben S. 883, 4. Über den ersteren Gigalski,
Bruno, B. von Segni. Münster 1898.
* Epist. 2 S. 564. Auch er griff auf die Meinung zurück, daß die
Laieninvestitur Häresie sei.
— 904 —
den Kaiser, sondern auch gegen den Papst : auch er habe nicht
die Macht, die Kirche dem Kaiser auszuliefern ; sein Privilegium
sei dem heiligen Geist und dem kanonischen Recht zuwider; es
müsse aufgehoben werden-^. Bald sprachen die Extremen von der
Notwendigkeit ihn abzusetzen, damit der von ihm abgeschlossene
Vertrag vernichtet werden könnet
Mit nicht minderer Entschiedenheit trat die Kirche von Frank-
reich und Burgund, geführt von Guido von Vienne gegen die Ge-
währung der Investitur in die Schranken^. Mit unbarmherziger
Klarheit zerstörte Gottfried von Vendome die leichten Gründe, mit
denen Paschal seinen Schritt zu rechtfertigen suchte; auch er ver-
langte sofortige Zurücknahme*. Ebensowenig ließ Cluni einen
Zweifel an seiner Stellung^. Es gewann den Anschein, als drohe
ein Schisma Frankreichs. Joscerannus von Lyon berief eine franzö-
sische Generalsynode nach Anse; seine Absicht war, auf ihr die
Laieninvestitur für eine Häresie erklären zu lassen. Niemand
konnte zweifeln, daß das die Einleitung zur Absetzung des Papstes
war. Nun scheiterte zwar das Unternehmen an dem Widerspruch
des verständigen Ivo von Chartres^ Allein die Auü-egung unifer
den französischen Gregorianern beruhigte sich nicht.
Nur in Deutschland hielten sich die Gregorianer zurück. Das
erklärt sich leicht aus der Stellung der Bischöfe zur Livestitur
Überdies fehlte es ihnen, seitdem Gebhard von Konstanz tot war,
an einem hervorragenden Führer'. Den Erzbischof Adalbert von
Mainz, der am 15. August 1111 Ring und Stab aus der Hand
des Kaisers entgegengenommen hatte, und der dann in jähem
Gesinnungswechsel sich an die Spitze der gregorianischen Partei
1 De honore eccl. Die Hauptstellen sind praef. S. 568; c. 6 f. S. 576 f.;
18 S. 579; 28 S. 582; 118 S. 625 f.; 127 S. 627 f.; 142 S. 631.
2 Cod. Udalr. 161 S. 288. » Ekkeh. z. 1112 S. 246.
* Libell. 1, L. d. 1. II S. 680 ff., an den Papst selbst gerichtet. Er be-
harrte auf dem Satz, die Laieninvestitur sei Häresis, Libell. 2 S. 68-3 ff.
f* Simon. Gesta abb. s. Bert. 97 Scr. XIII S. 654.
ö S. die Briefe Ivos und Josceranns L. d. 1. II S. 649 ff. Ivo bestritt
nachdrücklich, daß die Laieninvestitur als Häresie betrachtet werden
könne, S. 658.
■^ Er starb am 10. November 1110. Heinrich ernannte sofort in der
Person Ulrichs I. einen neuen Bischof. Auch Paschal aber traf Fürsorge
für die Verwaltung der Konstanzer Diözese. Sein darauf bezügliches
Schreiben, das bei Amann, Praest. aliq. cod. Frib. not. gedruckt ist, ist un-
bekannt geblieben. Ich habe es im Anhang der 1. Aufl. dieses Buchs von
neuem abdrucken lassen.
— 905 —
zu schwingen suchte, nahm Heinrich in Verhaft ^. Konrad von
Salzburg, der ebenfalls ein Gegner der Investitur war. floh nach
Itaben-. Wido von Chm- aber, der in Schwaben jetzt in der ersten
Linie stand, war zu allem eher geneigt, als zur Opposition gegen
den Papst'". Indessen ist sicher, daß es auch unter den deutschen
Gregorianern nicht an Elementen fehlte, die zu einem stürmischen
Kampf gegen den Papst bereit waren. Man sieht es aus einer
anonymen Streitschrift, die in dieser Zeit an das Licht trat. Sie
behandelte die alte Frage, ob es zulässig sei, Messen verheirateter
Geistlicher zu besuchen. Schon der Ingrimm ihres Verfassers
gegen „die eselhafte Duldsamkeit" gewisser Katholiken zeigt den
Geist, in dem sie geschrieben ist, und ganz unverhohlen wird das
Schlagwort ausgegeben: Für die Wahrheit, wenn auch gegen die
Dekrete des Papstes Paschal*!
Paschal schien anfangs den Sturm aushalten zu wollen''; er
verbarg den Widerstrebenden seinen Unwillen nicht. Aber das
machte keinen Eindruck auf sie. Bruno von Segni schrieb so
knapp und klar, wie er pflegte: Der Papst hebt weder mich noch
meinen Rat; ich aber behaupte, was ich behauptet habe, und hoffe
zu Gott, daß ich dabei bis an das Ende beharren werde ^. Um
so mehr Eindiiick machte der Widerstand auf Paschal. Es dauerte
nicht ein Vierteljahr, bis seine Stimmung umschlug; schon sein
Schreiben an Johann von Tusculum aus dem Juli 1111 ließ er-
kennen, daß sein Gewissen seinen Tadlern recht gab "'. Bald sprach
er das offen aus * ; er trug sich mit dem Gedanken, zurückzutreten*^.
Das Ende war, daß er den Forderungen der Gregorianer nachgab
1 Ekkeh. z. 1112 S. 245 f.; Manifest Heinrichs bei GiesebrecM S. 1239
Nr. 14. - Vita Chuonr. 12 S. 69 f.
3 S. seine Briefe N.A. III S. 170 Nr. 3 u. 4.
* Die Schrift ist herausgegeben von Sdralek, Wolfenb. Fragmente
S. 148 ff., vgl.,S. 105 f., u. L. d. 1. III S. Iff.
5 Brief an Heinrich Cod. Udalr. 158 S. 283.
6 Ep. 3 S. 565;^vgl. J.W. 6802—6304.
' J.W. 6301 : Nos confisi de misericordia divina, pro animae nostrae
Salute cogitamus et commissum, quod pro fratribus atque filiis, pro excidio
urbis et universae provinciae fecimus, emendare curabimus, ut quod terreni
in me quoque correxisse ostendatur ecclesiae.
* Brun. ep. 2 an Paschal S. 564: Foedus illud . . ego non laudo. At
vero neque tu, sicut a pluribus referentibus audivi.
9 Brief Hildeberts von Le Mans, L. d. 1. II S. 670 : Et ad extremum
Signa relinquere, detrectare militiam, arma proicere, fugere et latere. Sackur
bezieht die Worte auf den Aufenthalt des Papstes auf der Insula Pontiana.
Sollte dabei nicht an Rücktrittsgedanken gedacht sein?
— 906 —
und die Heinrich erteilte Zusicherung kassieren Heß. Das geschah
am 21. März 1112 auf einer Synode im Lateran. Der Bischof
Gerhard von Angouleme hat den schhmmen Ruhm, den Weg
gezeigt zu haben, auf dem Paschal seinen Eid brechen konnte,
während er behauptete, er halte ihn^ Man kann diesen Papst
nur bedauern. Daß die Widerstandskraft seines Charakters nicht
so fest war, wie seine kirchlichen Ansichten, führte ihn zuerst da-
zu, daß er ihnen entgegenhandelte, und führte ihn sodann dazu, daß
er Wort und Eid brach. Er erscheint als unvergleichlich gewissen-
los. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach war er es nicht: er war
nur schwach. Keine gefährlichere Gabe gibt es für den Menschen,
als Schärfe des Intellekts, verbunden mit Schwäche des Charakters.
In Deutschland traten die Folgen dieser Wendung nicht sofort
an den Tag. Denn Heinrich ließ sich durch die Handlungen der
Gregorianer nicht schrecken; sie galten ihm nicht als durch die
kirchhche Autorität getragen -. Als Gerhard von Angouleme im
Auftrag der Lateransynode das Ansinnen an ihn stellte, auf die
Investitur zu verzichten, lehnte er es rundweg ab'^. Er fuhr, so-
weit die politische Lage es gestattete, fort, die Bischöfe zu ernennen *.
Und der deutsche Episkopat schien in seiner Majorität gewillt,
ihm die Treue zu halten: als er an Epiphanias 1114 seine Ver-
mählung mit Mathilde von England in Mainz feierte, zählte man
5 Erzbischöfe und 30 Bischöfe als Teilnehmer des Festes ^ Paschal
aber, mochte seine Gesinnung sein wie immer, unterließ jeden gegen
die Person des Kaisers gerichteten Schritt. Niemand war mit ihm
zufrieden: die kaiserlich Gesinnten sahen in seinem Verhalten nur
schlaue Verhüllung seiner eigentlichen Pläne**, den Gregorianern
1 CX I S, 570 ff. Nr. 399 f.; vgl. Gesta episc. et com. Engolism. 35
Scr. XXVI S. 823, und den Bericht Beralds von Farfa an den Kaiser, Cod.
Udalr. 162 S. 289.
2 Ekkeh. z. 1112 S. 246 über das Vorgehen Guidos von Vienne: Quia
coeptum eins apostolica indeque omni ecclesiastica auctoritate videbatur
carere. » Gesta ep. et com. Engolism. a. a. 0.
* Er hat während der Gefangenschaft des Papstes, also im Februar
oder März 1111, Udalrich von Konstanz investiert. Gas. mon. Petrish. 111,39
S. 658, am 15. Aug. 1111 Adalbert von Mainz, Ekkeh. S. 245; 1113 Gerhard
von Merseburg, ehr. ep. Mers. 13 S. 187. Zwar ist hier das Wort investieren
oder ernennen nicht gebraucht, aber die Worte datur nobis rector sagen
das gleiche; 1114 Burchard von Kamerijk, Gesta Burch. 1 Scr. XIV S. 212,
1115 Bruning in Hildesheim, Ann. Saxo S. 751, Ann. Patherbr. S. 129, 1117
Heinrich von Verdun ernannt, Laur. Gesta ep Vird. 24 S. 504.
5 Ekkeh. z. 1114 S. 247 f.
« S. den Brief des Abts von Farfa, Cod. Udalr. S. 289 Nr. 162.
— 907 —
aber tat er nicht entfernt genug: sie suchten ihn weiter zu drängen.
Zu diesem Zweck hielt im September 1112 Guido von Vienne
eine Synode; sie wandte zwar das "Wort. Häresie nicht auf das
päpsthche Privilegium an, aber sie erklärte es für nichtig und sie
exkommunizierte den Kaiser. Drohend forderte sie von Paschal
die^ Bestätigung ihrer Beschlüsse ^. Er war nicht mehr in der L^ge,
Widerstand zu leisten; sein erster Eidbruch zog den zweiten mit
logischer Notwendigkeit nach sich : er tat, was von ihm verlangt
wurde ^. So war der Kaiser wieder exkommuniziert; aber der Papst
brach den Verkehr mit dem Exkommunizierten nicht ab : er nannte
den, dessen Verfluchung er eben gut geheißen, seinen in Christo
geliebten Sohn und versicherte ihm, daß er für seine Ehre und sein
Heil aufrichtig besorgt sei ^ Er wagte es, einem deutschen Bischof
zu schreiben, der Bund mit dem Kaiser sei intakt*.
Das war ein so unnatürhcher Zustand, daß er nicht von
Dauer sein konnte. Die Erneuerung des offenen Kampfes war
unvermeidlich. Und die Lage war für die Gregorianer insofern
günstig, als seit dem Jahre 1112 die Einigkeit Heinrichs mit den
deutschen Fürsten in Brüche ging. Zwar die süddeutschen Her-
zoge hielten Frieden; aber die sächsischen Aristokraten standen
gegen den Kaiser im Felde, und nun erneuerte sich der Bund der
Kurie mit dem Aufruhr. Man ist an die Kämpfe Heinrichs IV.
erinnert; doch besteht ein großer Unterschied: er liegt in der
Haltung des Episkopats. Heinrich IV. hatte es vermocht, die
Bischöfe zu Bundesgenossen des Königtums im Kampf mit dem
Papst und den Fürsten zu machen. Auch als sie schließlich von
ihm abfielen, fielen sie nicht von dem Königtum ab. Heinrich V.
dagegen fand den Episkopat zum größeren Teil unter seinen Feinden.
Nicht nur in Sachsen standen geistliche und weltliche Große zu-
sammen ^, sondern mit ihnen verbunden waren jetzt die Erzbischöfe
von Mainz, Köln und Salzburg, die Bischöfe von "Würzburg®, Worms,
1 Mansi XXI S. 75 ff.: Si, . . nostrae paternitatis assertiones praedictas
roborare nolueritis, pro}4itius sit nobis Beus, quia nos a vestra subiectione
et obedientia repellitis.
2 J.W. 6330; vgl. Ekkeh. z. 1117 S. 258.
3 J.W. 6339 V. 25. Jan. 1113; vgl. 6263.
* J.W. 6363, an Wido von Chur.
^ Ekkeb. z. 1115 S. 248 f. Gegner Heinricbs waren Adelgot von
Magdeburg, Gesta arch. Magd. 24 S. 409 f., Heinrieb von Paderborn, Rein-
hard von Halberstadt, Ann. Patberb. z. 1118 S. 186; über Merseburg, Verden,
Hildeaheim, Münster, Osnabrück s. u.
* Brief Heinrichs an Hartwig von Regensburg Cod. Udalr. 175 S. 307;
vgl. Ekkeh. z. 1116 S. 249 fF.
— 908 —
Speier ^, Straßbiirg^. Konstanz^, Utrecht* u. a. Es ist vielleicht
der grösste, jedenfalls der verhängnisvollste Mißerfolg in der E,egie-
iTing des letzten fränkischen Königs, daß es ihm nicht gelungen ist,
die alte Verbindung zwischen Königtum und Episkopat aufrecht
zu erhaltend Sein ehemaliger Kanzler, Adalbert von Mainz, den
er im Jahre 1115 wieder frei geben mußtet war der Führer aller
seiner Gegner "'. Ein Mann von hervorragender geistiger Bedeutung
war er dem Kaiser Jahre lang außerordentlich nahe gestanden;
Heinrich selbst hat von ihm gesagt, er sei der Mitwisser aller Ge-
heimnisse des Reichs gewesen, ohne ihn habe er nichts beschlossen ^.
Alle seine Gedanken schienen in der Förderung der königlichen
Macht aufzugehen: noch im Jahre 1111 hatte er hervorragenden
Anteil an der Vergewaltigung des Papstes genommen ^ Jetzt da-
gegen gab er sich ganz als Vertreter der gregorianischen An-
schauungen^". Er unterwarf sich dem päpstlichen Legaten Dietrich;
er erklärte mit Nachdruck, daß seine Autorität in jeder Hinsicht
von Rom abhänge -"^ Aber wer möchte zweifeln, daß die kirchhchen
Gedanken für ihn nur Vorwand waren? Denn bei ihm war der
Bischof ganz in dem Fürsten untergegangen. Beseelt von dem
glühendsten Ehrgeiz dachte er nur daran, sein Territorium, sei es
auch auf Kosten des Reichs, zu erweitern. Nichts lag ihm ferner
als die Erinnerung an die Lehnstreue. So kam er in Zwiespalt
^ Sie unterschrieben nach der Befreiung Adalberts dessen berühmtes
Privilegium für Mainz. Guden. I S. 119. Auch Burchard von Worms war
ursprünglich kaiserlich gesinnt (s. u.).
- B. Konrad gehörte zu den Anhängern Heinrichs IV. (s. S. 889), dem
Sohn stand er gegenüber, ep. Mog. S. 393 f.
•■' Über B. Ulrich s. o., sein Abfall Gas. mon. Petrish. Fv , 7 S. 662.
* Genannt Ann. Patherbr. z. 1116 S. 132.
^ Entschieden kaiserlich waren Hermann von Augsburg, s. u. : er war
suspendiert, J.W. 6445; Hartwig von Regensburg, Cod. Udalr. 178 S. 313,
J.W. 6621 f.; Hugo von Brixen, J.W. 6569; Burchard von Münster, Cod.
üdalr. 160 S. 302. Von einer neutralen Partei kann man nicht reden. Es
gab einzelne, die sich neutral hielten, besonders Otto von Bamberg, auch
Brun von Trier; aber sie handelten nicht gemeinsam.
ß Ekkeh. z. 1115 S. 249; Ann. Hild. S. 63 f., Patherbr. S. 131; Cod.
Udalr. 177 S. 310 f.
' Über ihn Kolbe, Erzb. A. v. M. 1872.
* Manifest Heinrichs bei Giesebrecht HI S. 1239.
9 Vgl. Petr. Chron. Casin. HI, 38 S. 780, Otto Frising. VII, 14 S. 310.
10 Vgl. bes. die Briefe Cod. Uddlr. 187 ff. S. 323 ff.
11 Cod. Udalr. 187 S, 324; Ekkeh. z. 1115 S. 249; die Nachricht von
der Konsekration durch Dietrich ist irrig.
— 909 —
mit Heinrich; daß ihn dieser drei Jahre lang in strenger Haft
hielt, entzündete einen Hass in ihm, der nie wieder zu versöhnen
war. Es liegt eine "Welt zwischen der Gesinnung, die ihn beseelte,
und den Anschauungen der alten Bischöfe, die sich als Beamte
des Königs fühlten. Aber als Gegner war er gefährlich ; in welchem
Maße, kann man an dem gi'immigen Zorn des Kaisers wider ihn
ermessen: nie hat ein Fürst gegen einen Diener ein ähnliches
Manifest erlassen, -wie Heinrich gegen seinen früheren Kanzler^.
Bei anderen Prälaten wie bei Friedrich von Köln und Konrad von
Salzburg waren die kirchUchen Überzeugungen vielleicht stärker
ausgeprägt; ab^ sie erhielten doch auch bei ihnen, wenn ich so
sagen darf, einen Zug von Territoriahsmus : die Freiheit der Kirche
war schheßlich gedacht als die Unabhängigkeit des Episkopats vom
Hofe , von der Leitung und Beeinflussung durch den König '\
Diese Metropoliten erstrebten eine unverantwortliche, d. h. eine
fürstliche Stellung im Reich und zugleich den entscheidenden Ein-
fluß auf die Ernennung der Bischöfe.
Fragt man, wie es kam, daß der Episkopat sich jetzt im
Lager der kaiserlichen Gegner findet, so mag man an die früher
hervorgehobene Solidarität der fürsthchen Interessen erinnern.
Schon bei der Erhebung Heinrichs hatte sie sich wirksam erwiesen.
Aber sollte nicht besonders der Februarvertrag von 1111 von Ein-
fluss gewesen sein? Er schien das letzte Ziel der kaiserhchen
PoHtik zu enthüllen; was. man einst Heinrich lY. vorgeworfen
hatte, daß er allein Herr über alle sein wolle, ohne einen anderen
Herrn neben sich zu dulden^, das schien in noch höherem Maße
die Absicht des Sohnes; war damals zunächst das weltliche Fürsten-
tum bedroht, so glaubte sich jetzt der Episkopat in erster Linie
gefährdet.
Der Kampf wurde mit den alter Mitteln geführt. Die Ex-
kommunikation des Kaisers sollte ihn seiner TVaffen berauben.
Nachdem der Kardinallegat Kuno*, ein Deutscher, der ganz in
den gregorianischen Ideen lebte, sie im Jaln-e 1114 in Beauvais
und 1115 in Rheims verkündigt hatte, wurde sie zu Ostern 1115
in St. Gereon zu Köln wiederholt. Im Herbste fand sich, von den
sächsischen Fürsten eingeladen, der römische Legat Dietrich in
Niederdeutschland ein; er hielt am 8 September zu Goslar eine
1 S. S. 908 Anm. 8.
2 S. Friedrichs Brief an Otto von Bamberg Cod. Udalr. 167 S. 294,
über Konrad vita Chuonr. 5 S. 65 f.
3 Bruno de bello Sax. 60 S. 39.
* Über ihn und sein Wirken: Schöne, Kardinallegat Kuno. 1857.
— 910 —
Synode. Auch hier wurde der Bann über den Kaiser und die
von ihm investierten Bischöfe kundgegeben ^ Das wiederholte sich
in den Weihnachtstagen zu Köln: hier wurde jedermann für ex-
kommuniziert erklärt, der Gemeinschaft mit ihm pflegen würde ^.
Die Lateransynode vom März 1116 brachte die ausdrückhche Ver-
dammung des Investiturprivilegiums und die Anerkennung der Ex-
kommunikation Heinrichs durch den Papst ^. In Deutschland aber,
das Heinrich im Frühjahr 1116 verheß, griffen seine kirchhchen
Gegner schonungslos durch; sie begannen wie früher den Verkehr
mit den ihm treuen Männern als mit Exkommunizierten abzulehnen*
and sie unternahmen es, den Episkopat von allen zweifelhaften
Elementen zu reinigen. Damit wurde schon im Jahre 1115 in
Sachsen begonnen, indem der kaiserhch gesinnte Gerhard aus
Merseburg verjagt und ihm ein Gegenbischof gegenübergestellt
wurde. Im nächsten Jahre übertrugen die oppositionellen Bischöfe
das Bistum Verden, dessen Inhaber bei Heinrich in Itahen weilte,
einem Gegner des Kaisers Namens Thietmar'"^. Die gleichen Ab-
1 Ekkeh. z. 1115 S. 249; Ann. Patherb. S. 131; Transl. Auct. Scr. XII
S. 315; vgl. Cod. Udalr. 170 S. 303 u. 178 S. 314.
2 Auf Andringen Adalberts von Mainz berief der Legat Dietrich auf
Weihnachten 1115 eine Synode nach Köln, Ekkeh. S. 249. Der Legat starb
auf der Reise zur Synode, Ekkeh. z. 1116 S. 249, Chr. reg. CoL S. 57. Nach
Ekkeh. fand die Versammlung instante festo natalis domini statt, also
wahrscheinlich am 24. Dez., während Chr. reg. Col. das Weihnachtsfest
selbst nennt. Aus Ann. Patherb. z. 1116 S. 131 ergibt sich die Anwesen-
heit von 14 Bischöfen, des Herzogs Lothar und anderer Fürsten. D^r Be-
schluß bei Ekkeh., ergänzt durch Cod. Udalr. 178 S. 313.
3 Ekkeh. z. 1116 S. 249 f.; vgl. J.W. 6558 an Friedrich von Köln vom
24. April 1117. In vollem Widerspruch hierzu stehen die Erklärungen, die
Paschal an Heinrich richtete. Cod. Udalr. 175 S. 307 f. u. 178 S. 314.
•* Vgl. die Behandlung des Bischofs Erlung von Würzburg in Köln,
Ekkeh. z. 1116 S. 249, und bes. Cod. Udalr. 185 u. 188 f. S. 322 fif. Giese-
brecht III S. 1202 wird im Recht sein, indem er den Brief 185 Burchard IL
von Worms zuschreibt. Aber er irrt, indem er in ihm liest, daß Adalbert
den Schreiber gebannt habe. Das kann: Cum me de banno argueret, nicht
heißen. Offenbar handelte es sich um den Verkehr mit dem Kaiser, der
Burchard zum Vorwurf gemacht und um dessen willen er als exkommuni-
ziert behandelt wurde.
6 Chr. ep. Meraeb. 13 S. 187, vgl. Cod. Udalr. 164 f. S. 291 f. Hienaoh
war Gerhard in Gegenwart Adelgots von Magdeburg gewählt, und erhielt
er von diesem die Priesterweihe. Darauf jedoch versagte ihm der EB. die
Konsekration zum Bischof und vertrieb ihn aus der Stadt. Es geschah
nach der Chron. unter dem Einfluß Reinhards von Halberstadt. Paschal
ordnete eine neue Untersuchung an, die, wie es scheint, zur Absetzung
— 911 —
sichten faßte man alsbald in Metz ^. In Verdun wurde der vom
Kaiser ernannte Bischof Heinrich ^ zum Übertritt auf die päpsthche
Seite vermocht. Für Anfang Juli 1117 beriefen sodann die Erz-
bischöfe von Mainz, Köln, Salzburg und Magdeburg eine deutsche
Generalsynode nach Mainz. Offenbar sollte die Unterdrückung
gegnerische!* Bischöfe in größerem Stile in Gang gebracht werden.
Zwar unterbheb diese Synode, da der päpsthche Legat, in dessen
Gegenwart die Beratungen stattfinden sollten, nicht rechtzeitig ein-
traft. Dagegen fand in den Bogationstagen 1118 eine Synode in
Köln statt*; hier wurde mit den Maßregeln gegen die noch wider-
strebenden Bischöfe Avirkhch begonnen, indem Hermann von Augs-
burg mit dem Banne belegt ward^. Kurz danach wurde Bruning
von Hildesheim beseitigt, Münster'^ und Metz neu besetzt^, end-
lich auf einer größeren Synode zu Fritzlar am 28. Juli 1118 Otto
von Bamberg suspendiert^; man verzieh es ihm nicht, daß er sich
neutral hielt. Die dringende Aufforderung, den kirchhchen Frieden
zu wahren und zu fördern, die er einst an Adalbert gerichtet hatte,
war in den Wind geredet gewesen ^*^. Als Adelgot von Magde-
burg am 12. Juni 1119 starb, bekam auch er einen ohne Zu-
stimmmig Heinrichs gewählten Nachfolger. In demselben Jahr
führte. Ann. Patherb. z. 1116 S. 182, Annal. Saxo S. 753, vgl. Cod. Udalr.
177 S. 311. Der Heinrich treue Bischof Mazo ist am 14. Febr. 1116 in
Augsburg, am 1. Juli 1116 in Burgulia und am 3. Dez. 1116 in Savignano
in der Umgebung des Kaisers, Stumpf Nr. 3125, 3147, 3160. Er starb
25. Okt. 1117. 1 Vita Theog. 11, 3 S. 467.
2 Gesta ep. Vird. 24 S. 504 f.
" Schreiben Konrads von Salzburg an Hartwig von Regensburg und
dessen Antwort Cod. Udalr. 179f. S. 315 ff.
* Über diese Synode Ekkeh. mit falscher Jahresangabe (1119); Ann.
Patherb. z. 1118 S. 135; Chr. reg. Col. z. 1118 S. 58; Vita Theog. 11,13
S. 472. Briefe Adalberts Cod. Udalr. 187 S. 323 f. u. Ep. Mog. 43 S. 389;
Udalsc. de Egin. 23 S. 441. ^ Udalsc. 1. c.
* Adalbert an den Klerus von Hildesheim ep. Mog. 44 S. 389. Hie-
nach wurde die Wahl Brunings auf einer Synode in Gandersheim von dem
EB. und dem Legaten Kuno für nichtig, weil unkanonisch, erklärt. Kuno
war 6. Juli 1U8 in Corvey, Vit. Theog. II, 17 Scr. XII S. 474, am 28. Juli
in Fritzlar. Der Aufenthalt in Gandersheim kann zwischen die beiden Tage
fallen, aber auch vor den Tag in Corvey.
' Ekkeh. z. 1121 S. 256.
8 Am 7. Juli 1118, Vita Theog. II, 17 S. 475.
9 Ekkeh. irrig zu 1119; Ann. Patherbr. z. 1118 S. 135 f. ; Cod. Udalr.
187 S. 324, 189 S. 327; Gesta abb. Trud. XI, 2 S. 298.
10 Brief an Adalbert bei Pez. Thes. VI S. 302.
— 912 —
stellte -Friedricli von Köln in Lüttich dem vom Kaiser investierten
Bischof Alexander den Propst Friedrich als Gegenbischof entgegen
und erhielt Osnabrück einen antikaiserlichen Bischof ^ im nächsten
Jatr geschah das Gleiche in Metz. Bereits begann auch die
Hirschauer Agitation sich wieder zu regend
Der Einfluß des Königs auf die deutsche Kirche war im
Momente so gut wie beseitigt; Adalbert, dem 1118 die Legaten-
würde erneuert wurde ^, war mächtiger als er. So wurde die Lage,
so lange Paschal lebte, immer schwieriger*; es schien immer un-
möglicher, aus dem Widerstreit der einander bekämpfenden Inter-
essen einen Ausweg zu finden. Am 21. Januar 1118 ist er ge-
storben. Unter dem kurzen Pontifikate Gelasius' 11.^ verwirrten
sich die Verhältnisse mehr, als daß sie sich lichteten. Denn
während Gelasius keinen Zweifel daran Heß, daß er sich nie von
den Gregorianern trennen werde**, entschloß sich Heinrich, in der
Person Gregors VIII. einen Gegenpapst aufzustellen '. Damit
aber erhob sich die Gefähr eines neuen Schismas in unmittelbarer
Nähe. Mit unverhohlenem Schrecken hat man in Deutschland
diese Möglichkeit ins Auge gefaßt ^ Da war es denn ein Glück,
daß am 2. Februar 1119 in Kalixt 11.^ ein Mann die päpsthche
Würde erhielt, der die Verhältnisse mit größerem Blick als seine
beiden Vorgänger betrachtete. Als Erzbischof von Vienne hatte
er sich als schroffer Gegner Heinrichs bewährt. In Deutschland
1 Rudger von Magdeburg, Ekkeh. z. 1119 S. 255, Epist. Bamb. 22 S. 515;
Alexander und Friedrich von Lüttich, V. Frid. Scr. XII S. 502 ff., Aegid.
III, 20 S. 95, V. metr. Frid. Anal. BolL II S. 264 ff., Gesta abb. Trud. XI, 8
S. 299; vgl. die Bfe Anal. Boll. II S. 269 u. N.A. XXII S. 386 f.; Diethard
von Osnabrück, Osn. ÜB. I S. 197 Nr. 232; Stefan von Metz, Gcsta ep. Mett.
51 S. 544, cont. I R. 544 f.
■^ Vita Theog. 1,29 S. 463, vgl. ep. Mog. 41 S. 387.
" Er führt den Titel zum erstenmal in einer ürk. v. 20. Juni 1118,
Nass. ÜB. I S. 97 Nr. 168.
•^ Der Verkehr zwischen Kaiser und Papst wurde auch nach der
Lateransynode nicht abgebrochen. Aber irgend welches Ergebnis hatten
die mancherlei Verhandlungen nicht; man kann sie kaum für ernstgemeint
halten. & 24. Jan. 1118—29. Jan. 1119.
ö J.W. 6635 u. 6642. Am 18. Mai 1118 erneuerte Kuno von Präneste
als sein Legat zu Köln die Exkommunikation Heinrichs, Ekkeh. z. 1119
S. 254. Ann. Patherb. S. 135. ' Ann. Romani S. 478.
s Ekkeh. z. 1118 S. 254: Scisma crudeliter revixit. Vgl. die Excerpta
ex Widone, die wahrscheinlich damals der Osnabrücker Propst Thiedhard
herstellte, L. d. 1. I S. 462 ff.
M. Maurer, Papst Calixt IT. 1889; Robert, Hist. d. p. Calixte IL 1891.
— 913 —
war man vielleicht gerade deshalb nicht ohne Bedenken gegen seine
Anerkennung, doch wurde sie auf einem Tag in Tribur am 24. Juni
1119 ausgesprochen. Auch der Kaiser, der im Herbst 1118 nach
Deutschland zurückgekehrt war, erklärte sich unter dem Druck
der Fürsten zum Entgegenkommen bereit. Er versprach eine von
Kahxt berufene Synode zu besuchen, um Verhandlungen über den
Frieden zu führen^.
Man stand wieder auf demselben Punkte wie im Jahre 1111.
Konnte jetzt eine Basis für den Frieden gefunden werden^? Sie
war genau genommen in der Instruktion der Gesandten von 1109
bereits gegeben. Der Grund, weshalb die Gregorianer die Investitur
unbedingt verwarfen, war, daß Laien ein geisthches Amt nicht
übertragen könnten ^. Hier war irgend welche Konzession unmög-
hch. Aber in jenem Schriftstück war mit der klarsten Bestimmt-
heit dargelegt, daß dies bei der Investitur nicht beabsichtigt sei:
sie übertrage nur den Besitz; deshalb würden nach ihrem Vollzug
Ring und Stab auf den Altar gelegt, um bei der Konsekration
dem Ordinanden gereicht zu werden; mit ihnen empfange er das
Hirtenamt von der Autorität des Petrus. Wenn gleichwohl an
der Investitur mit dem Stab festgehalten worden war, so doch nur,
weil sie passend sei; keineswegs sollte der Stab als notwendiges
Symbol betrachtet werden*. Diese Gedanken wurden im Jahre
1109 nicht zum ersten Male ausgesprochen; sie waren allmähhch
zu der Klarheit gereift, mit der sie uns in der königlichen Denk-
schrift entgegentraten; sie waren seit 1111 vielfach von neuem er-
1 Ekkeh. z. 1119 S. 255 f.; Ann. Patherb. S. 136; über abweichende
Zeit- und Ortsangaben s. Richter III, 2 S. 608. Ekkeh. spricht bestimmt
von der Anerkennung Kalixts. Giesebrecht S. 1206 widerspricht, da Fried-
rich von Köln nach Order. Vital, erst in Rheims, Okt. 1119, seine Aner-
kennung angezeigt habe. Doch scheinen mir beide Nachrichten sich nicht
auszuschließen. Auch der Bericht der Paderb. Annalen widerspricht nicht;
denn wenn sie den Beschluß mitteilten: Omnis causa, quae hactenua
aecclesiam disturbaverat . . usque in praesentiam domni apostolici Calisti
difl'erretur ibique determinaretur, so liegt doch hierin die Anerkennung
Kalixts. Daß Männer, wie Bruning von Hildesheim, Kalixt nicht aner-
kannten, ist selbstverständlich, er wurde sofort als Eindringling erklärt,
J.W. 6717. Einladungsschreiben zu der Synode J.W. 6688, 6693, 6729,
Ann. Patherb. S. 136.
" Es ist bekanntlich das Verdienst Bernheims, die Entwickelung der
Anschauungen klar gelegt zu haben in seiner Untersuchung Zur Geschichte
des Wormser Konkordats 1878.
8 Vgl. z. B. disput. vel. def. S. 663 u. 665.
1 L. d. 1. II S. 501.
Hauek, Kirehengesehiehte. III. «^8
— 914 —
wogen worden. Und nicht umsonst: es hatte sich nach und nach
ein gewisses Einverständnis über die zugrunde Hegende Unter-
scheidung zwischen der geisthchen und weltHchen Seite bei der
Bestellung der Bischöfe und zwischen dem rein kirchlichen Besitz
und dem Keichsgut bei der Ausstattung der Bistümer gebildet.
Fragt man, wann diese Gedanken zuerst hervortraten, so wird
man weit zurückgeführt: schon die Kapläne des Herzogs Gottfried
hatten, um das Verbrechen der Simonie milder erscheinen zu lassen,
daran erinnert, daß ein Unterschied sei zwischen dem bischöilichen
Amt und den mit ihm verbundenen Temporalien^ Etwa zwei
Jahrzehnte später hatte Wido von Ferrara ohne solche Neben-
absichten den Gedanken entwickelt, jeder Bischof sei Träger eines
doppelten Rechtes, eines geistlichen und eines welthchen: geistüch .
sei die bischöfhche Amtsgewalt, dagegen s%in Gerichtsbann, seine
Höfe und Besitzungen, mit einem Wort, die_ Regalien seien weltlich;
jene stamme von dem heiligen Geist, diese seien von den Fürsten
und welthchen Herren der Kirche übertragen, deshalb sei die erstere
der kaiserhchen Macht nicht unterworfen, wohl aber sei dies bei
den letzteren der Fall; sie würden von den Fürsten immer von
neuem der Kirche bestätigt, und sie seien es, die durch die In-
vestitur übertragen werden^. Aber ganz rein hatte Wido diese
Gedanken nicht festgehalten^. Die Tatsache, daß der König den
Bischof bestellte, griff hindernd ein: er glaubte sie rechtfertigen zu
können durch die Erinnerung an den geistlichen tÜharakter des
Königtums : damit aber verstieß seine Theorie gegen den Satz der
Gregorianer, daß das geistliche Amt niemals von Laien übertragen
werden könnte. Diese Inkonsequenz wurde beseitigt durch die
Fassung, die wieder nach einer längeren Pause Ivo von Chartres
den Gedanken Widos gab^. Li der Ablehnung der sakramentalen
Kraft der Investitur war er mit ihm völlig einig: die Könige hätten
nicht entfernt die Absicht, eine geistliche Gabe zu übertragen, sie
verliehen den Erwählten lediglich die äußeren Güter, die die Kirche
durch ihre Munificenz erworben habe. Deshalb sei nicht abzusehen,
inwiefern die Vornahme oder die Unterlassung der Investitur dem
Glauben und der Religion schade oder nütze; die Art aber, wie
sie vollzogen wird, sei bedeutungslos; sie sei keineswegs an Ring
und Stab gebunden. Schon in diesem Satze lag ein Fortschritt;
denn er zeigte die Möglichkeit, daß die Fürsten auf den Gebrauch
der kirchUchen Symbole bei der Investitm- verzichten könnten. Weit
wichtiger war indes, daß Ivo darin einen anderen Weg einschlug
1 S. oben S. 671. 2 Lib. 1 S. 564 f. ^S. 566,
* Epist. ad Hug. S. 645f.
— 915 —
als sein italienischer Amtsgenosse, daß er die königliche Ernennung
der Bischöfe nicht billigte; er bestand auf der ^^ahl durch Klen's
und Volk, wurde jedoch der fürstlichen Macht dadurch gerecht,
daß er ihr die Bestätigung der Wahl vorbehielt. Die Trennung
der Gebiete ist also bei ihm konsequent durchgeführt. Seine Dar-
legungen gewannen dadurch an Gewicht, daß er sich für seine
Beurteilung des Kirchengutes auf die gi'oße Autorität Augustins
berufen konnte, und daß er es wagte, die päpstliche Politik der
letzten Zeit offen zu tadeln und an die vergessenen rehgiösen Auf-
gaben der Kirche zu erinnern. Kein Wunder, daß seine Gedanken
fortwirkten. Man begegnet einem Anklang bei Sigibert^. In der-
selben Zeit eignete sich Hugo von Fleury das Wesentliche, die
Unterscheidung einer doppelten Investitur, an; er überwies den
Gebrauch von Ring und Stab ausschheßlich dem Metropoliten zur
Übertragung der cura animarum und urteilte, würde man so ver-
fahren, dann werde das Wort des Herrn erfüllt: Gebt dem Kaiser,
was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist". Nach dem ent-
scheidungsvollen Jahre 1111 Heß sich der Farfenser Mönch Gregor
von Catina vernehmen. Hielt er an dem Eecht der königHchen
Investitur mit Ring und Stab fest,' so doch nur unter sehr nach-
drücklicher Betonung dessen, daß dabei an Übertragung einer geist-
lichen Gabe oder eines geistlichen Amtes nicht gedacht sei ". Gregor
und Hugo waren Gegner der gregorianischen Ideen über den Staat;
mit der Polemik dagegen beginnt der letztere sein Buch. Im Unter-
schied von Ivo schien ihnen demgemäß eine aktive Beteiligung der
Fürsten an der Wahl nicht nur zulässig, sondern notwendig.
SchließUch fand jedoch der Grundgedanke, den sie vertraten, auch
auf Seite der Gregorianer Annahme. Man darf darin eine Folge
des Februarvertrags von 1111 sehen. Denn gerade die beiden
Männer, die aus Anlaß dieses Vertrags das Wort erg»-iifen, Placidus
von Nonantula und Gottfried von Vendome, traten den dargelegten
Anschauungen sehr bestimmt nahe. Der erstere verwahrte sich
dagegen, daß er die Fürsten von der Bischofswahl ausschließen
wollte: er gab die Berechtigung des königlichen Konsenses zu; er
leugnete nur, daß die Fürsten das Recht hätten, kraft ihrer fürst-
lichen Gewalt Bischöfe zu bestellen und zu investieren. Aber die
letztere Behauptung verstand er nicht mehr im ursprünglich
gregorianischen Sinn, wonach sie jeden Einfluß des Königs auf
das Reichskirchen gut ausschloß. Der notwendige Friede schien ihm
1 Leod. ep. 7 S. 459. - De regia potest. 5 S. 472.
^ Orthod. defens. 5 S. 5-38; das Recht auf die Investitur begründet er
durcli die Konstant. Schenkung 4 S. 537.
58'
- 916 —
möglich, wenn zwischen den kirchhchen und staaÜichen Handlungen
und zwischen dem Kirchengut und den Regalien geschieden werde;
zu den kirchlichen Handlungen rechnete er die kanonische Wahl,
Investitur und Weihe. Nach Vollzug derselben sollte der Bischof
vom Kaiser die Übertragung nicht des Kirchenguts überhaupt, aber
der Regalien durch ein Präzept erbitten und erhalten ^. Im wesent-
lichen derselbe Vorschlag findet sich bei Gottfried von Vendome ^
Der anonyme Verfasser der disputatio vel defensio Paschalis papae
endlich macht den bestimmten Vorschlag, der König solle die
Investitur mit den Regahen mittelst des Szepters vollziehen^.
Eine bedeutende Annäherung der Anschauungen hatte dem-
nach stattgefimden. Immer aber war der Unterschied noch groß
genug; er trat an das Licht in der verschiedenen Ordnung der
Handlungen: königlicherseits forderte man die Vornahme der
Investitur mit den Regalien vor der Weihe, die G-regorianer be- •
trachteten es als selbstverständlich, daß sie erst nach der Konse-
kration erfolge. Dort war der Gedanke, daß die Versagung der
Investitur den Vollzug der Konsekration ausschließe, hier ging
man von der Vorstellung aus, daß sie nichts sei als eine Besitz-
bestätigung.
So standen die Parteien, als Kalixt die päpstHche Würde
übernahm; er zögerte nicht, seine Neigung zu einem Friedens-
schluß kund zu geben*. Und nun erwarben sich zwei französische
Theologen Wilhelm von Champeaux, Bischof von Chälons, und
der Abt Pontius von Cluni^, ein großes Verdienst um denselben,
indem sie den Beginn von Unterhandlungen vermittelten. • Sie be-
gaben sich im Herbst 1119 zum Kaiser nach Straßburg ^. Der
Erfolg ihrer Vorstellungen war, daß Heinrich im Einverständnis
1 De hon. ecci. 37 S. 585; 93 S. 615. "- Libell. 4 S. 691.
■■' L. d. 1. II S. 665.
* J.W. 6729 an Wido von Chur: Nos pacis et concordiae omnimod
operam damus.
s Er wirkte schon 1116 als Vermittler, Ekkeh. z. d. J. S. 249.
" Hessonis relatio, Cod. üdalr. 199 S. 353 u. L. d. I. III S. 21 ff.; Ekkeh.
■/.. 1119 S. 255; kurze Notizen in Anselms Fortsetzung der Chronik Sigiberts
z. 1119 S. 377 und in d. Ann. Mosom. z. 1120 Scr. III S. 162; vgl. auch
Ordr. Vit. Hist. eccl. XII Scr. XX S. 72. Einen zusammenfassenden Bericht
über die Vorgänge seit Paschais Tod gibt Gerhoh de invest. Antichr. 1, 26 flf.
S. 335. Er ist nicht frei von Irrtümern. Weder Hesso noch Ekkehard
lassen Wilhelm und Pontius von Kalixt bevollmächtigt sein: sie erbieten
sich lediglich zur Vermittelung : das entspricht der Stellung, die Cluni stets
eingenommen hatte. Über die Verhandlungen und über die Tendenz Hessos,
Haller in d. N. Heidelb. JB. II S. 147 ff.
— 917 —
mit den am Hofe anwesenden Großen seine Bereitwilligkeit ziim
Frieden mit dem Papste erklärte und den Verzicht auf die Investitur
nicht mehr geradezu ablehnte, vorausgesetzt, daß die Verpflichtung
der Bischöfe gegen das Eeich gesichert sei. Er gab den beiden
Prälaten Vollmacht, den Papst hievon in Kenntnis zu setzen. Sie
eilten nach Paris, wo Kalixt sich aufhielt. Dieser verbarg sich
die Schwierigkeit eines Übereinkommens nicht: möchte es, sagte
er, schon geschlossen sein, wenn es ohne Trug geschlossen werden
kann. Aber er ging auf weitere Verhandlungen ein : die bedeutendsten
Glieder der Kurie, Lambert von Ostia und den Kardinaldiakon
Gregor, betraute er neben Wilhelm und Pontius mit dem Auftrage,
sie zu führen. Sie trafen den Kaiser zwischen Verdun und Metz.
Alles schien nach Wunsch zu gehen; denn schneller als man er-
warten konnte, wurde ein Vertrag verabredet, nach welchem einer-
seits der Kaiser dem Papste die Investitur aller Kirchen überließ,
andererseits der Papst dem Kaiser und den Seinen Frieden ge-
• währte, d. h. die Exkommunikation aufhob \ Er sollte zu Mouzon
am 24. Oktober von beiden Fürsten persönlich vollzogen werden.
So gelobte Heinrich durch Handschlag, und so schwuren der Her-
zog Weif und andere Fürsten und Bischöfe. KaUxt verweilte zu
Rheims, wo er eine Synode um sich versammelt hatte '^i er ließ vor
ihr über den beabsichtigten Vertrag Bericht erstatten, nicht ohne
daß er auch jetzt seinem Zweifel an der Aufrichtigkeit Heinrichs
Ausdruck gegeben hätte. Doch brach er nach Mouzon auf. Als
nun aber vor der Zusammenkunft mit dem Kaiser die Vertrags-
urkunden von den Begleitern des Papstes noch einmal verlesen
wurden, erhoben sich schwerwiegende Bedenken: die Überlassung
der Investitur schien ungenügend, da dabei der Besitz der Kirche
nicht ausdrücklich genannt war: man fürchtete, daß Heinrich nur
die geistliche Investitur im Sinne habe; ebenso schien die Friedens-
zusicherung zu weit: es war nicht ausgeschlossen, daß Heinrich
darin die Anerkennung der kaiserlichen Gegenbischöfe fand. Mau
kam zu dem Beschluß, eine authentische Erklärung des Vertrags
von Heinrich zu fordern ^. Mit diesem Auftrag ging eine neue
Gesandtschaft in sein Lager. Sie trug ihm das päpstliche Ver-
ständnis desselben vor. Heinrich war ohne Zweifel im Recht,
wenn er erklärte, davon habe er nichts versprochen. Und kann
man sich wundern, daß ihm die Zusage, der Papst werde den
1 C.I. I S. 157 Nr. 104 f. ^ Mansi XXI S. 234 ff.
^ Haller lehnt diese Nachricht ab, nimmt vielmehr an, daß man den
Kaiser gewissermaßen überrumpeln wollte, um die Zusage, die man von An-
fang an nicht offen zu fordern wagte, ihm in letzter Stunde zu entreißen.
— 918 —
Bischöfen gebieten, ihre staatHchen Flüchten treuhch zu erfüllen,
nicht genügte? Die Unterredung wurde abgebrochen, ohne daß
ein Einverständnis erzielt war. Heinrich wünschte eine nochmalige
Zusammenkunft am nächsten Morgen; sie fand auch statt.. Aber
da er nun erklärte, ohne die Zustimmung der Fürsten den Ver-
trag nicht vollziehen zu können, so brachen die päpstlichen Ge-
sandten die Unterredung ab. Kalixt reiste nach Rheims zurück:
er warf alle Schuld an der Vereitelung des Friedens auf den Kaiser.
Auf der Synode erneuerte er das Investitui-verbot^; er sprach zu-
gleich den Bann über Heinrich aus, und entband alle, die ihm
geschworen hatten, von ihren Eiden. Es waren elf deutsche
Bischöfe hierbei anwesend".
Woran scheiterte der Friede? Nach dem Berichte des Straß-
burger Scholastikus Hesso verstanden die beiden Parteien, als der
Vertrag verabredet wurde, ihn nicht im gleichen Sinn. Heinrich
verzichtete auf die Handlung der Investitur in der Voraussetzung,
daß ihm in bezug auf die Übertragung der Regahen freie Hand
bleiben werde. Die Unterhändler glaubten die Investitur schlecht-
hin gewonnen und hielten eine eigene Übertragung der Regalien
" Giesebrechts Fassung des Investiturverbots, es beziehe sich nur auf
die Amtsgewalt der Bischöfe und Äbte, scheint mir unmöglich. Wozu denn
dann noch der Streit? Hessos hier recht unklarer Bericht ist doch klar
genug, dies Verständnis auszuschließen. Er bemerkt über den vorgeschlagenen
Kanon : Videbatur eis, quod sub hoc capitulo domnus papa decimas et cetera
ecclesiastica beneficia, quae antiquitus laici tenuerant, conaretur minuere
vel auferre. Die Laien fürchteten für die Lehen, die sie von der Kirche
hatten. Giesebrecht macht daraus: man besorgte eine große Einbuße der
Kirchen, indem sie alle Güter, welche sie bisher durch Investitur von Laien
besessen hätten, herauszugeben genötigt werden könnten. Aber das ist
eine ganz unmögliche Deutung. Allerdings ist auch gänzlich unklar, wie
die Laien das, was sie nach Hesso fürchteten, in dem Kanonestwurf finden
konnten. Wahrscheinlich hat Hesso die Hauptsache verschwiegen: die Laien
wollten sich die Übertragung der Kirchen, die in ihrem Eigentuni waren,
nicht entziehen lassen. Deshalb forderten sie die Ersetzung der Worte
omnium ecclesiarium durch episcopatuum et abbatiarum. Die Investitur
mit Reichskirchen war im bisherigen Sinn und Umfang verboten; die Ver-
gebung von Kirchen im Privatbesitz war freigegeben. Das war inkon-
sequent; aber diese Inkonsequenz ist sehr verständlich. Maurer folgt Giese-
brechts Fassung (S. 74). Wie unmöglich sie ist, beweist eine unwillkür-
liche Korrektur, die er vornimmt: statt des Zehnten Hessos, sagt er Güter.
Den Satz „Zehnten, die früher in der Hand von Laien waren und dem-
gemäß auch von ihnen vergeben wurden" hätte er schwerlich geschrieben.
* Adalbert von Mainz, mit 5 Suäraganen, Friedrich von Köln, je
2 Suffragane von Trier und Magdeburg, Mansi XXI S. 256.
— 919 —
fiii- überflüssig, obgleich sie die aus ihrem Besitz sich ergebenden
staatlichen Pflichten nicht bestritten \ Daß nun päpstlicherseits
gefordert wurde, Heinrich sollte ausdrücklich die Übergabe der
Regahen aufgeben, sprengte den Vertrag. Näherte man sich gegen-
seitig in der Anerkennung der Doppelstellung, die die Bischöfe
hatten, so konnte man doch nicht übereinkommen, da die Konse-
quenz, die sich aus ihr ergab, von der Umgebung des Papstes
abgelehnt wurde ^.
Die Exkommunikation des Kaisers und die Lösung der Unter-
tanen vom Treueide verfehlten ihre Wirkung. So sehr Adalbert
von Mainz sich bemühte, den Kampf in Gang zu bringen, kam es
doch nicht zum Abfall Deutschlands vom Kaiser^. Andererseits
war Kalixt schier überall anerkannt. Heinrich übte zwar sein In-
vestiturrecht*; aber er tat nichts, um die Obedienz Gregors VIII.
zu erweitern '". Die Verhältnisse schienen nicht von der Stelle rücken
zu wollen. Eine Änderung wurde hervorgebracht durch das Ein-
greifen der Fürsten. Als Heinrich im Frühjahr 1121 gegen Mainz
zog und es zwischen ihm und Adalbert zum Kampf zu kommen
schien, traten sie in die Mitte: sie forderten die Entscheidung de^
Streitfragen durch gütUches Übereinkommen der Fürsten beider
Parteien**. Wie die Verhältnisse im Augenblicke waren, kann
man nicht sagen, daß ihre Forderung die Spitze gegen Heinrich
1 Vgl. die Straßburger Erklärung Wilhelms, Hesso S. 354.
^ Giesebrechts Urteil, daß sich zu Rheiras die Prinzipien durchsetzten,
welche den Abschluß des Wormser Konkordats ermöglichten, ist eine Folge
seiner irrigen Deutung des 2. Kanons und fällt mit derselben. Auch seine
weitere Konstruktion ist nicht haltbar.
^ Die Kölner nahmen vor Weihnachten 1119 den Kaiser trotz des
Widerspruchs des EB. Friedrich auf, Chr. reg. Col. S. 59, vgl. ep. Mog. 45
S. 392. Die gegnerischen Bischöfe von Speier und Worms wurden verjagt,
Ekkeh. z. 1121 S. 258. Nach ann. Patherbr. z. 1120 S. 137 vertrugen sich
die sächsischen Fürsten zu Goslar, also im Januar d. J., s. Stumpf 3162 f.,
mit dem Kaiser. Eine weitere Friedenszusammenkunft fand an Allerheiligen
statt unter Widerspruch Adalberts und etlicher Bischöfe, Annal. Patherbr.
S. 138. Dann wurde der Friede allerdings durch die Wiedereinsetzung
Dietrichs in Münster 1121 gestört, ib. S. 139. Allein die Neigung zum
frieden war doch offenkundig. Gegen die Zusammenkunft an Allerheiligen
scheinen mir Bedenken nicht notwendig zu sein.
* Ernennung des Archidiakon Alexander zum Bischof von Lüttich.
Friedrich von Köln ließ ihm gegenüber den Dompropet Friedrich zum Bischof
wählen, den Kalixt weihte, Gesta abb. Trud. XI, 3 S. 299.
5 Vgl. die Klagen Gregors VUI. J.W. 7180.
« Ekkeh. z. 1121 S. 256f.
— 920 —
richtete: er hatte bei dem Abbruch der Verhandlungen in Mouzon
die Mitwirkung der Fürsten bei der "Regelung der Investiturfrage
gefordert. Nicht ihm, sondern dem Erzbischof und seiner extrem
gregorianischen Richtung traten die Fürsten entgegen \ ^Sie ver-
abredeten einen Friedenskongreß, Derselbe trat zu Würzburg
Michaelis 1121 zusammen. Hier kamen die friedlich gesinnten
Männer zu Wort, besonders Otto von Bamberg und Herzog Heinrich
von Baiern. In langwierigen Beratungen gelangte man schließUch
zu einer Verständigung^: der Kaiser sagte die Anerkennung Kalixts
und der kanonisch gewählten Bischöfe zu, die Fürsten aber ver-
sprachen, den Frieden zwischen ihm und der Kirche zu vermitteln,
besonders verpflichteten sie sich, in dem Kampf, den die Kirche über
die Investitur gegen den Kaiser und das Reich führe, dahin zu
arbeiten, daß dem Reiche seine Ehre gewahrt bleibe. Es unter-
liegt keinem Zweifei, daß sie entschlossen waren, das Reichs-
kirchengut dem Reiche zu erhaltend Die Verständigung mit dem
Papste sollte auf einer allgemeinen Synode stattfinden. Gesandte
des Kaisers und der Fürsten gingen nach Rom, um den Würz-
burger Vertrag dem Papste vorzulegen und die Berufung einer
Synode zu bewirkend
Alles kam darauf an, wie Kahxt sich zu dem Vorgehen der
Deutschen stellen würde. Es dauerte lange, bis eine Äußerung
seinerseits erfolgte. Erst am 19. Februar 1122 sandte er den
Bischof Azzo von Aqui mit einem Schreiben an den Kaiser^. Es
zeigte klar, daß er wenig geneigt war, entgegenkommende Schritte
zu tun. Zwar wiederholte er die Versicherung, daß die Kirche
nichts von dem Recht des Kaisers und des Reichs beanspruche,
aber zugleich verlangte er unter offenen Drohungen, daß Heinrich
seinen Widerstand aufgebe. Daraufhin ging eine neue Gesandt-
schaft, bestehend aus Brun von Speier und Erluf von Fulda, nach
Rom ; sie erreidite, daß Kalixt Lambert von Ostia und zwei weitere
Kardinäle mit Vollmacht zum Abschluß des kirchlichen Friedens
nach Deutschland sandte*. Es scheint, daß die Boten der Fürsten
^ Diese Annahme folgt aus dem Ergebnis der Vermittelung; auch daraus,
daß Heinrich von Baiern und Otto von Bamberg die Vertrauensmänner der
Fürsten waren, Ekkeh. z. 1121 S. 258.
« C.I. I S. 158 Nr. 106; vgl. Ekkeh. S. 257.
^ Die vorgetragene Deutung ergibt sich aus Ekkeh.: Regalia vel
fiscalia regno. Bezeichnend ist auch, dass der Investiturstreit als gegen
das Reich geführt betrachtet wird. Adalbert nennt später als seine Gegner
universa laicorum multitudo, ep. Bamb. 25 S. 519.
* Kalixt war seit dem Frühjahr 1120 in Italien. ■' J.W. 6950.
6 Ans. cont. Sigib. z. 1122 S. 378, Ekkeh. z. 1122 S. 259. Von den
— 921 —
ihn darüber aufklärten, daß. die Zahl der strengen Gregorianor
unter den deutschen Bischöfen geringer sei, als er dachte; die Ein-
wirkung des itahenischen Episkopats mag in der gleichen Richtung
sich bewegt haben ^.
Die deutschen Fürsten dachten, die Friedensverhandlungen
wieder zu Würzfeurg", die römischen Legaten, sie zu Mainz zu
haltend Es war ein Sieg des Kaisers, daß sie in "Worms, einer
Stadt, die in seiner Gewalt war^, stattfanden. Sie begannen am
8. September, und nicht ohne Schwierigkeit kamen sie zum Ziel'';
denn einerseits trat der Kaiser mit der Forderung hervor, daß die
Investitur als Recht des Reiches erhalten bleiben müsse, und lösten
die Fürsten ihre Zusage ein, indem sie ihm beistimmten ; anderer-
seits vertrat Adalbert von Mainz die gregorianische Forderung des
vorbehaltlosen Verzichtes auf die Investitur. Man erkennt den
Scharfblick Heinrichs darin, daß er jetzt mit der Investiturfi^ge die
Wahlfrage verband. Sie war in den bisherigen Streitigkeiten weit
weniger besprochen worden, tatsächhch hatte sie die größte Be-
deutung; denn nur wenn dem Kaiser eine mehr, als formelle Mit-
wirkung bei der Wahl zustand, war ihm der notwendige Einfluß
auf die Zusammensetzung des deutschen Episkopats gesichert. Des-
halb forderte'' Heinrich, daß die Wahlen der Bischöfe und Abte
in der Gegenwart des Königs stattfänden. Adalbert erkannte das
Bedenkliche der Forderung. Aber die päpstlichen Legaten und die
anwesenden Bischöfe gestanden sie zu'. Nun verzichtete Heinrich
auf die Investitur mit Ring und Stab, wogegen ihm die Investitur
mit dem Zepter eingeräumt wurde. Das in Mouzon abgelehnte
Zugeständnis wurde also jetzt gemacht. Eine Schwierigkeit blieb:
Boten gehörte Bruno von Speier bisher zu den Gegnern Heinrichs, Fulda
stand auf kaiserlicher Seite, s. Ekkeh. z. 1116 S. 252.
1 Nach Anselm sandte Kalixt seine Boten tarn consultu totius ßomani
senatus quam etiam omnium episcoporum Italicorum.
"2 Ekkeh. S. 259. Als Datum wurde der 1. Aug. ins Auge gefaßt.
3 S. die Berufungsschreiben Lamberts Cod. Udalr. 210 S. 383 ff. Das
von ihm gewählte Datum war der 8. Sept.
* Würzburger Abkommen Nr. 2.
* Das Folgende nach dem Briefe Adalberts Ep. Bamb. 25 S. 518 ff.
ö Ergibt sich aus dem sustinuimus Adalberts (S. 519).
' Bemheim S. 23 -sagt: In passiver Gegenwart des Königs. Ich
zweifele, ob diese Erklärung richtig ist. Denn wenn simonia et aliqua
violentia ausgeschlossen wird, so ist dabei die Voraussetzung, daß der
König mitwirkt. Das entsprach dem deutschen Herkommen. Auch bei der
Entscheidung zwiespältiger Wahlen scheint mir ein passives Verhalten des
Königs ausgeschlossen.
— 922 —
die Reihenfolge der Handlungen. Wir haben gesehen, daß man
in den beiden Lagern hierüber verschieden dachte: dieser Zwiespalt
wurde nicht gelöst; man verständigte sich vielmehr dahin, daß bei
deutschen Wahlen die Investitur mit den Regalien der Weihe
vorhergehen, bei italienischen ihr nächfolgen solle. Auf diese Be-
dingungen hin wurde am 23. September 1122 zu Lobwiesen bei
Worms der Vertrag abgeschlossen, der den langen kirchlichen Streit
beendete-^. Nun nahm Lambert von Ostia öffentlich und feierlich
den Kaiser wieder in die Gemeinschaft der Kii'che auf. Höfliche
Schreiben, die zwischen Kaiser und Papst gewechselt wurden,
besiegelten den Friedensschluß^; die Lateransynode von 1123 hat
ihn bestätigte Man feierte ihn in Rom wie einen Sieg: Kalixt
ließ den Text des Vertrags als Inschrift in einem der Gemächer
des Lateran anbringen*.
War der Sieg errungen? Eines ist einleuchtend: die großen
Fragen, an deren Lösung Gregor VII. seine ganze Energie gesetzt
hatte, waren nicht gelöst. Der Papst war nicht im Besitze der
Weltherrschaft, nicht einmal die unbedingte Macht über den deut-
schen Episkopat war erreicht: die Bischöfe blieben vom König
abhängig, in ihrer Erwählung und durch das Lehnsverhältnis ^.
Nur der italienische Episkopat war dem Einfluß des Kaisers mehr
als bisher entrückt. Dagegen war Urbans Ziel erreicht: ganz
Deutschland erkannte wieder die Obedienz des römischen Bischofs
an. Auch die Investitur war beseitigt. Aber beseitigt um den
Preis, der noch in Mouzon für viel zu hoch erklärt worden war:
der König investierte die Bischöfe mit den Besitzungen der Kirche.
Die Bevollmächtigten des Papstes hatten den Weg eingeschlagen,
den Jahrzehnte vorher die Parteigänger Heinrichs IV. gewiesen
hatten. Groß war somit der Sieg Roms nicht: statt daß cie Ver-
hältnisse neu geregelt wurden, waren sie nur einigermaßen ver-
schoben. Adalbert, der Vertreter der gregorianischen Theorie,
urteilte richtig, wenn er sich nicht als Sieger fiihlte. Mit mehr
1 C.I. I S. 159 f. Nr. 107 f. Der Ort bei Gerb, de invest. Ant. 1, 28
S. 338. 2 cj I s, 162 f. Nr. 109 f
3 Mansi XXI S. 287. Vit. Suger. 27 Scr. XXVI S. 53; Cont. Sigib.
Atreb. z. 1123 S. 443.
* Vita Calixti S. 322: Queir admodum in Lateranensi palatio tabula
privilegii repraesentat, pax ad velle papae ab imperatore simul et recepta
est et perpetuo annuente Domino stabilita. Über die Frage, ob die päpst-
lichen Zugeständnisse Heinrich nur persönlich oder in ihm dem Reich ge-
macht wurden, s. Beilage III.
^ Sie leisteten den Lehnseid s. Bernheim S. 27 f.
— 923 —
Recht konnte sich Heinrich als den Sieger betrachten; denn er
hatte mehr erreicht, als ihm in Mouzon versagt worden war. Aber
sein Sieg war nur persönlich; die Sache, die er als Kaiser vertrat,
hat im kirchlichen Streit verloren. Heinrich HE. bestellte die
Bischöfe im Reich, Heinrich V. belehnte die unter seiner Mitwirkung
Gewählten mit den Regalien: die Einbuße an Macht ist klar. Sie
ist nicht dm'ch den Wormser Vertrag herbeigeführt worden, sondern
sie war schon vorhanden, als man die Beratungen über ihn begann:
die Königsmacht hat darunter gehtten, daß infolge dei kirchlichen
Reform die Erinnerung an das alte Wahlrecht wieder lebendig
wurde. Das war an und für sich ein Nachteil. Gesteigert wurde
derselbe durch den gleichzeitig eintretenden Aufschwung der fürst-
lichen Macht. Denn die Territorialherren, deren Stimme oder deren
Einfluß bei den Bischofswahlen nun ausschlaggebend wurde, nützten
das "Wahlrecht aus im dynastischen Interesse. Schon darin liegt,
daß die Einbuße an Macht, welche das Königtum erlitt, nicht dem
Papsttum, sondern dem Fürstentum zugute kam. Zunächst dem
welthchen; aber auch dem geisthchen: bei zweifelhaften Wahlen
war der König an das Gutachten der Metropoliten und der Kom-
provinzialen gewiesen; nicht an das Urteil Roms: die geisthchen
Fürsten, nicht der Papst entschieden über den Eintritt in ihren
Stand. Der Wormser Friede war ein Werk der Fürsten und dem
Fürstentum ist sein Gewinn zugefallen. Denn er vollendete die
Bildung der bischöflichen Fürstenmacht.
Siebentes Kapitel.
Fortschritte des geistigen Lebens.
Die Frage liegt nahe, ob durch den langen Streit zwischen
Staat und Kirche die Entwickelung des geistigen Lebens in Deutsch-
land gehemmt oder gefördert wurde ^. Unwillkürlich ist man ge-
neigt, das erstere zu vermuten. Denn eine Zeit geräuschvollen
Kampfes scheint wenig geeignet, die wissenschaftliche und künst-
lerische Tätigkeit zu glücklicher Entfaltung zu führen. Schon
dadurch, daß das allgemeine Interesse auf einen Punkt gerichtet
wird, scheint die Gefahr gegeben, daß andere Seiten des geistigen
Lebens vernachlässigt werden und infolge davon verkümmern. Das
hat Deutschland erfahren. Denn kennt nicht jedermann die ver-
wüstenden Wirkungen, welche die theologischen Streitigkeiten der
Orthodoxie für das protestantische Deutschland hatten? Doch
Analogien trügen. Das elfte Jahrhundert war glücklicher als das
sechzehnte: es zeigt auf allen Gebieten des Kulturlebens große und
ununterbrochene Fortschritte.
Am klarsten hegt diese Tatsache zutage bei der kirchlichen
Kunst, in erster Linie der Architektur. Wii haben früher bemerkt,
einen wie kräftigen Anlauf zur national'^n Durchbildung des über-
lieferten Kirchenbaus die Ottonenzeit nahm-. Das elfte Jahrhundert
blieb hinter dem zehnten nicht zurück; es hat das, was jenes ver-
sprach, reichlich erfüllt. In mancher anderen Zeit mag mehr ge-
baut worden sein. Aber wenn viele neue Kirchen errichtet werden,
so sind sie in der Eegel nur bestimmt, dem rasch wachsenden
^ Ich beschränke mich auf diese Frage; mit der Charakteristik des
religiösen Zustandes hat das nächste Buch zu beginnen, s. ßd. IV S. 3 tf.
- Vgl. oben S. 834-337.
— 925 —
Bedürfnis zu genügen. Jetzt erneuerte man alte Bauten, um den
lebhaft erwachten Kunstsinn zu befriedigen. Er wurde nicht zurück-
gedämmt, als auf die glückliche Zeit Heinrichs II. und die glänzende
Heinrichs III. die unruhige, aufgeregte Epoche Heinrichs IV. folgte.
So wenig war an Erschöpfung des künstlerischen Vermögens und
Erlahmen des künstlerischen Interesses zu denken, daß gerade
während der Jahre des großen Streites die wichtigsten Probleme
gelöst und die Vollendetsten Werke geschaffen worden sind\
Was dabei dem heutigen Beschauer zuerst auffällt, ist das
stetige Festhalten der einmal eingeschlagenen Richtung. Die Ent-
wickeln g wird durch kein fremdartiges Element aufgehalten, ge-
kreuzt, von ihrer Linie abgelenkt. Zwischen den Leistungen der
Ottonenzeit und den Werken des elften Jahrhunderts ist kein
Spalt. Wenn man St, Michael in Hildesheim, die schönste Kirche,
die der treffliche Bernward hat erbauen lassen, mit der BasiHka
von Gernrode vergleicht, so findet man kaum ein neues künst-
lerisches Motiv: der reizvolle Wechsel in der Verwendung von
Säule und Pfeiler, die reiche Anlage eines doppelten Chors in Ost
und West und ihr entsprechend die Anordnung zweier Querschiffe,
selbst die Anlehnung der Treppentürme an das Querschiff — dies
alles ist schon an dem älteren Werk vorhanden. Aber während
der Meister von Gemrode gewissermaßen noch tastet, um das
richtige Verhältnis der einzelnen Baugheder zu finden, und während
er es nicht überall trifft, ist in St. Michael wie mit sicherem Griffe
die schönste Harmonie erreicht.
Der deutsche Süden und Westen folgten der in Sachsen sich
vollziehenden Fortbildung des Basihkenschemas mit ihrem unver-
kennbaren Streben nach malerischem B.eize nicht unmittelbar. Man
hielt an der einfacheren Gestalt der Säulen- oder der Pfeilerbasihka
fest. Nicht auf Erweichung oder Bereicherung der alten strengen
und schlichten Formen war die Absicht der Architekten gerichtet,
sondern auf die höchste Leistung, die innerhalb des überlieferten
Rahmens möglich war: es kam vor, daß sie wie eigensinnig auf
malerische Motive verzichteten^, um allein durch den herben Ernst
aller Baugheder und durch die Wucht der Masse zu wirken. Und
in der Tat erreichten die Säulenbasihken Poppos ^ in Stablo und
1 DeMo u. V. Bezold, Die kirchliche Baukunst des Abandlandes 1
S. 201 ff. u. 475 ff. Dohme, Gesch. d. deutschen Baukunst S. 28 ff. Kraus,
Gesch. d. christl. Kunst II, 1 S. 98 ff.
2 Auf den runden Ghorscbluß und die doppelchorige Anlage.
" Poppo war wahrscheinlich nicht selbst Architekt. Bei dem Bau
— 926 —
St. Truijen, in Limbui'g und Hersfeld durch ihre Weiträumigkeit
eine Größe des Eindrucks, durch die sie den sächsischen Bauten
überlegen sind, obgleich ihnen die harmonische Ghederung, die an
diesen erfreut, abgeht. Die künstlerische Tendenz Poppos wurde
durch die Hirschauer Bauschule aufgenommen. Dank dem weit-
reichenden Einfluß Wilhelms und seiner Nachfolger entstanden
nun in allen deutschen Gauen Säulenbasiliken von ähnlicher
Größe und gleichem Charakter, wie sie Poppo im Westen des Reichs
errichtet hatte •".
Währenddessen war auch die Pfeilerbasilika in die Ent-
wickelung hineingezogen worden. Sie ist an sich die kunstloseste,
man möchte sagen, elementarste Gestalt des übererbten Kirchen-
baus, eine dem deutschen Gefühl für das Starke angepaßte Um-
formung der altkirchhchen Basilika. Aber gerade hier geschah der
größte Fortschritt, technisch und ästhetisch gleich wertvoll. Zu-
nächst freilich wetteiferte man nur in bezug auf Weite und Höhe
mit den Säulenbasiliken: da der Pfeilerbau es ermöglichte, die
Maße noch größer zu nehmen, so konnten die Meister der Dome
von Mainz, Bamberg, Worms, Speier und Würzburg wirklich die
mächtigen Abteikirchen Poppos noch überbieten. Aber bald be-
gnügte man sich nicht mehr daran. Seit einem Jahrtausend war
die christliche Welt an flachgedeckte Kirchen gewöhnt. Sie hatte
der Norden von Italien überkommen und Jahrhunderte hindurch
reflexionslos festgehalten; die Aachener i alastkapelle blieb ein ver-
einzeltes Beispiel eines völhg überwölbten Raumes von bedeutendem
Umfang. Offenbar genügte der gradlinige Abschluß der weiten
Halle lange Zeit dem künstlerischen Empfinden; man suchte nicht
mehr. Schheßlich jedoch drängten praktische Rücksichten dazu,
die flache Holzdecke durch das Steingewölbe zu ersetzen. Je
größer die Fülle unschätzbarer Wertstücke wurde, die sich im
Innern der Kirchen, auf den Altären und an den Wänden an-
sammelten, um so verwüstender wirkten die häufigen Brände. Es
gab nur ein Mittel, ihnen zu wehren: man mußte das Innere der
Kirchen durch eine feuersichere Bedeckung schützen, d. h. über-
wölben. Am technischen Vermögen mangelte es nicht; denn an
den alten Sitzen der römischen Kultur am Rhein und an der
Donau war die Handwerkstradition niemals abgerissen. Die Bau-
von Stablo wird ein gewisser Hubald genannt, cuius ingenio et labore id
opus satis proceaait, Vita P. 22 S. 306.
1 S. Dohme S. 88 ff., Dehio u. v. Bezold S. 209 ff., Bär, Die Hirsauer
Bauschule, 1897. Die Hauptbauperiode umfaßt die Zeit von 1082 bis
ca. 1150.
— 927 —
arbeiter waren wohl imstande. Gewölbe zu errichten; an einzelnen
Teilen der Kirchen, besonders den Krypten, sodann den Turm-
hallen und wahrscheinh'öh auch den Seitenschiffen hatten sie längst
begonnen, ihre Kraft zu erproben. So war es mehr eine Frage
des technischen Mutes als des Könnens, ob man sich getraute,
über dem hochragenden breiten Mittelschiff ein auf den Pfeilern
schwebendes Gewölbe zu konstruieren. Mitten im Getümmel des
kirchenpolitischen Kampfes fanden die Architekten diesen Mut.
Im Jahre 1090 oder kurz danach begann die Überwölbung des
Doms in Speier, der ersten gewölbten Basihka, die Deutschland
kennt. Man weiß, daß kurz vorher die Mönche von Cluni die
Kirche ihrer Abtei hatten ebenfalls wölben lassend Aber das
Vorbild, das sie gafeen, war für die Architekten Heinrichs IV. doch
mehr Anstoß als Muster: es zeigte, was erreicht werden konnte;
aber es leistete nicht mehr. Denn die deutschen Meister ver-
schmähten es, denselben Weg einzuschlagen wie die Burgunder:
während diese von der Verwendung des Tonnengewölbes ausgingen,
griffen sie sofort zum Kreuzgewölbe und wagten es, dasselbe ein-
fach über den Pfeilern zu errichten. Wer hat diesen kühnen Ge-
danken gefaßt und durchgeführt? AVir wissen, daß längere Zeit
Otto, der spätere Kanzler Heinrichs und Bischof von Bamberg, den
Bau des Königsdomes leitete. Es ist wenigstens die Möghchkeit
nicht ausgeschlossen, daß ihm der Plan gehört". Wenn es so ist,
1 Seit 1088 ," s. Dehio u. v. Bezold S. 387 f. Auf den umstand, daß
die Länge der Kirche der von St. Peter gleich war, scheinen mir die Ver-
fasser zu großes Gewicht zu legen. Es ist bekannt, daß im 10. u. 11. Jhrh.
nicht selten die Maße berühmter Kirchen für Neubauten zugrunde gelegt
wurden. So war z. B. auch die Kirche von Petershausen nach dem Muster
der Peterskirche in Rom gebaut, vita Gebeh. 13 S. 587.
■^ Ebonis, vita Otton. I, 4 S. 593, Herbordi vita Otton. III, 36 S. 829.
Ich bin bedenklich, so bestimmt wie Dehio und von Bezold dem Kaiser
und Otto das Verdienst des Baues zuzueignen. Denn Ebo und Herbord
sprechen zunächst nur davon, daß Heinrich das Rechnungswesen des Baues
in die Hände Ottos legte; als Folge seines Eintritts bezeichnen sie Ersparung
an Mitteln und raschere Förderung der Arbeit. Das Technische war Sache
der Architekten, der magistri operis, wie Ebo sagt; Herbord nimmt seiner
Weise nach den Mund voller, und nennt sapientes et industrios architectos,
fabros et cementarios aliosque opifices regni sui vel etiam de aliis regnis,
spricht aber dann auch von den Meistern des Werks, die inbezug auf die
Kosten an Otto gewiesen wurden. Nur in einer Bemerkung Ebos ist eine
Teilnahme Ottos an der Bauleitung erwähnt: Ad indicium ingeniöse dili-
gentie-sue equam fenestrarum ecclesie mensuram prudenter a. se dispositam
imperatori -considerandam offerebat. Demnach ist es allerdings möglich.
— 928 —
dann kennt die Baugeschichte des deutschen Mittelalters keinen
größeren Namen als den seinen. Denn in der gewölbten Basilika
wurde ein Typus für den Kirchenbau geschaffen, der alles Bisherige
übertraf, und über den auch die Folgezeit nicht hinausgeführt hat.
Er eint die schlichte Würde der älteren Werke mit der harmo-
nischen Erhabenheit, die das gesteigerte künstlerische Empfinden
und die entwickeltere Kultur forderten. Erreicht er in Hinsicht
auf strenge Geschlossenheit die Vorzüge der Zentralbauten nicht,
so übertrifft er sie doch dadurch, daß bei ihm jenes Auseinander-
fallen des architektonischen und des kultischen Hauptpunktes ver-
mieden ist, woran sie leiden. Mögen wir uns auch daran erinnern,
daß die gewölbte Basilika die letzte künstlerische Gestaltung ist,
die allein aus der nationalen Entwickelung der deutschen Kunst
erzeugt ward. Alles Spätere: der gothische Bau und die Rennaissance,
Barok und Zopf, Klassizismus und Romantik, ist von außen im-
portiert, zum Teil umgebildet, zum Teil nur nachgeahmt worden.
Sie dagegen ist das Werk unseres Volkes: sie ist es, obgleich es
an fremden, französischen, italienischen und orientalischen Ein-
flüssen im elften Jahrhundert nicht fehltet Das nationale Em-
pfinden war mächtig genug, daß es aus seiner Richtung nicht
abgelenkt wurde.
Nichts ist begreiflicher, als daß der Dom von Speier die
Zeitgenossen in jeder Hinsicht befriedigte: mehr als alle Werke
der alten Könige, sagt der Biograph Heinrichs, sei er des Lobes
und der Bewunderung würdig; ebenso nennt ihn der Bamberger
Mönch Ebo ein großes und wunderbares Bauwerk'^. Er zeigte
daß auch der Plan der Überwölbung von ihm herrührt, aber überliefert ist
es nicht. Andererseits scheint mir Juritsch, der Otto , offenbar in Unter-
ordnung unter dem Speierer Bischof das Amt eines Bauaufsehers " bekleiden
läßt, Gesch. Ottos S. 22 f., seine Stellung am Bau zu sehr herabzudrücken.
Hatte er die Yerfügung über die Geldmittel, so konnte der Plan der Über-
wölbung, die viel größere Summen erforderte als eine flache Decke, ohne
ihn weder gefaßt noch ausgeführt werden.
^ Schon 1033 schickte Meinwerk von Paderborn den Abt Wino von
Helmwardshausen nach Jerusalem, um das Maß der Grabeskirche zu nehmen.
Seine Absicht war, die Kirche des Marienklosters nach diesem Vorbild zu
errichten, vita Meinw. 120 ff. ; 1076 erbaute man in St. Hubert ein Ora-
torium ebenfalls nach dem Vorbild des h. Grabes, ehr. s. Hub. 33 S. 589.
Für die Bartholomäuskapelle in Paderborn hatte Meinwerk griechische
Arbeiter, vita Memw. 155. Daß Adalbert von Hamburg den Dom von
Benevent nachahmen wollte, ist oben S. 651 erwähnt. Schon Bezelin-Ale-
brand hatte übrigens einen Turm ,opere italico munitam" gebaut, Adam
II, 67. Französische Einwirkungen sind bei Poppo selbstverständlich.
- Vita Heinr. 1 S. 10; Ebo 1,4 S. 593.
— 929 — ■
das verwirklicht, was das Jahrhundert unbewußt gesucht hatte:
deshalb wirkte er sofort als Vorbild. Noch während die Arbeiter
in Speier die Grewölbe fügten, heß Heinrich den im Wiederaufbau
begriffenen Mainzer Dom für die Wölbung umgestalten^. Die
gleichzeitig begonnene Abteikirche von Laach war von Anfang an
auf sie berechnet^; kann die in der waldigen Einsamkeit an dem
stillen Kratersee gelegene Kirche an Größe nicht mit den Domen
der alten Rheinstädte wetteifern, so verdient sie doch durch die
Originalität ihrer Konzeption und den unvergleichlichen Zauber
ihrer Verhältnisse neben jenen* genannt zu werden. Seit diesen
Bauten findet das ästhetische Gefühl sein Genügen nur noch an
gewölbten Kirchen.
Man kann die künstlerische Kraft eines Zeitalters würdigen^
wenn man fragt, welche neuen Ideen, Gestalten und Typen es
hervorgebracht hat. Sie läßt sich aber auch am Umfang des
künstlerischen Einflusses bemessen. Es hat in Deutschland niemals
an Kirchen gefehlt, die als Kunstwerke betrachtet werden mußten.
Zu den aus der Römerzeit stammenden Bauten hatte ein Jahr-
hundert um das andere neue, ihnen ebenbürtige gesellt. Aber ihre
Zahl war verhältnismäßig gering; erst im elften Jahrhundert schwoll
sie mächtig an. Das läßt sich nicht nur aus den literarischen
Notizen entnehmen, sondern man kann es unmittelbar von den
Denkmälern ablesen. Denn so vieles auch zugrunde gegangen,
umgestaltet, bis zur Unkenntlichkeit verändert ist, so ist die Menge
des Erhaltenen doch so groß, daß der Kirchenbau des elften Jahr-
hunderts in fast allen deutschen Gauen als die älteste, bestimmt
wahrnehmbare Schicht deutscher Kunst erscheint. Dieses Jahr-
hundert ist das erste, das zur Bildung des architektonischen
Charakters Deutschlands einen unverwischbaren Beitrag lieferte.
Nicht minder beachtenswert ist die Erhöhung der durchschnitt-
lichen Anforderungen, die an die künstlerische Ausführung gestellt
wurden. Schon den alten Beobachtern fiel es auf, daß sie im
Verlauf des elften Jahrhunderts stiegen. So macht der Biograph
Altmanns die Bemerkung, daß bis über das Jahr 1050 hinaus die
meisten Gotteshäuser in der Passauer Diözese Holzkirchen gewesen
seien, die des künstlerischen Schmuckes entbehrten; während der
Verwaltung Altmanns dagegen seien sie zum großen Teil aus Stein
neugebaut und mit Büchern, Bildern und anderem Schmuck aus-
gestattet worden^. Diese Schilderung paßte schwerhch nur auf
das Land zwischen dem Abhang der Alpen und dem Böhmerwald;
1 Vita Heinrici a. a. 0.; Schneider, D. Dom zu Mainz, Berlin 1886.
- Dehio u. v. Bezold S. 466 f. '^ Vita Altm. 17 S. 234.
Haisek, Kirchengeschichte. III. 59
— 930 —
denn auch in Nachrichten aus dem "Westen und Norden Deutsch-
lands wird gelegentUch bemerkt, daß hier oder dort eine Holzkirche
durch einen Steinbau ersetzt wurde ^.
In der kirchlichen Kunst ist mehr noch als in der profanen die
Architektur die Herrscherin, der Skulptur und Malerei dienen.
Man darf deshalb von Anfang an vermuten, daß die hohe Blüte
der Baukunst einen ähnlichen Aufschwung der Schwesterkünste
hervorrief. In der Tat rühmt der kunstverständige Biograph
Heinrichs IV. wie den Bau, so auch die Skulpturen des Doms zu
Speier. Durch eine spätere Nachricht erfahren wir, daß unter
anderen die Bilder der fränkischen Herrscher am Portal angebracht
waren ^. Auch sonst fehlt es nicht an Stimmen, welche die Werke
der Bildhauer und Maler preisen^. Aber, es ist schwieriger, eine
1 Adam 11,67 S. 88; vgl. III, 10 S. 102. Gesta abb. Trud. IX, 30 S. 289.
Nass. ÜB. I S. 60 Nr. 117. Neue Holzbauten scheinen nur provisorisch er-
richtet worden zu sein: Kirche zu Harzburg: accelerandi operis studio
Interim lignis elegantissime constructa, Lamb. z. 1074 S. 184.
• 2 Chron. pvaes. Spir. (Böhmer, Fontes IV S. 338).
^ Ich stelle eine Anzahl Notizen aus verschiedenen Gegenden Deutsch-
lands zusammen: Bardo von Mainz ließ um 1050 an dem Bogen über dem
Ostaltar im Dom eine honesta pictura anbringen, Vita brev. S. 529; im
übrigen war der Dom nur geweißt, ibid. Etwas später wurde das Kloster
Goseck ausgemalt, Chron. Gozec. 12 Scr. X S. 145. In Zwiefalten wurde
kurz vor 1100 ein Crucifixus als Wandgemälde hergestellt, Qrtl. Zwif. ehr.
1,14 Scr. X S. 81; 1109 malte der Mönch Berthold daselbst die Kirche; er
war auch als Glasmaler erfahren und fertigte nicht minder die Zeichnung
für die Kirchenleuchter, Berth. Zwif. ehr. 11 u. 46 S. 103 u. 120. Unter
Gebhard von Eichstätt (1042 — 1057) wurde die Blasiuskapelle daselbst mit
, bewundernswerten" Gemälden verziert, Anon. Haser. 30 S. 262. Unter den
Schülern Hartmanns von Göttweih waren pictores, sculptores, fusores et
aliis artibus praeclari, vita Altni. 41 S. 242. Über die Glasarbeiten in
Tegernsee s. die Briefe bei Meichelbeck, H. Fris. I, 2 S. 472 Nr. 1113, 7 und
Migne 141 S. 1314 ff. Nr. 4 u. 8. Die Kirclje in Brauweiler wurde unter
Abt Wolfhelm (f 1091) durch varios ornatus picturae vel fabricae seu
etiam musivi operis decore geschmückt, Vita Wolfh. 19 Scr. XII S. 189.
Im Touler Dom ließ Bischof Pibo picturam dominicae maiestatis imminen-
tem altari, also in der Halbkuppel des Chors, äußerst kunstreich ausführen,
Gesta ep. TuU. 47 S. 647. In St. Hubert wird um die Mitte des Jahr-
hunderts der praecentor Fulco gerühmt als kundig in illuminationibus
capitalium litterarum et incisionibus lignorum et lapidum. Gleichzeitig
wirkte dort der Maler Herbert, ehr. s. Hub. 8 ,Scr. VIH S. 573; für die
Herstellung von Glasmalereien berief man indes einen Franzosen, Roger
von Rheims, 19 S. 579. Was Niederdeutschland anlangt, so vgl. über die
Kunstpflege in Hildesheim unter Bernward das im Text Gesagte, unter
— 931 —
sichere Vorstellung von der Entwickelung dieser Künste zu gewinnen,
als von der der Architektur^. Denn die Zahl der erhaltenen
Werke ist viel geringer, und während dort das Bedeutende erhalten
blieb, sind hier zum überwiegenden Teil nur die Leistungen der
Kleinkunst auf uns gekommen.
Versuchen wir es trotz dieser Schwierigkeit ims ein Urteil zu
bilden, so kommt uns der Umstand zugute, daß w^enigstens von
einer hervorragenden deutschen Kunststätte die Hauptwerke er-
halten sind : von der Hildesheimer Gießhütte. Wer aber in den
Domtüren und der Bernwardssäule etwas Vollendetes, der Archi-
tektur Ebenbürtiges, erwartet, wird von den B,eliefs, welche die
Meister Bernwards herstellten, wenig beMedigt sein. Denn sie
sind in vieler Hinsicht zunächst ein Beweis für ihr Unvermögen.
Man kann sich kaum etwas Unvollkommeneres denken, als die
kurzen, plumpen, leblosen Gestalten, die sich auf der Säule drängen,
als die ungelenken, von ihren eigenen Bewegungen sozusagen
fortgewirbelten Figuren, welche die Flächen der Türflügel nicht
füllen, sondern leer lassen. Es scheint töricht, hier von einem
Fortschritt zu reden gegenüber den unvollkommenen, aber immer-
hin klar disponierten und anziehend gestalteten Werken der vor-
hergehenden Zeit. Und doch ist ein solcher vorhanden. Niemand
bezweifelt, daß der Gedanke zur Bernwardssäule im Anschauen der
Säulen Trajans und Mark Aureis entstand; ähnlich mögen die
Türen inspiriert sein durch die HolzreHefs am Portale von S. Sabina.
Aber hier wie dort ist keine Spur von sklavischer Nachahmung
zu bemerken: die deutschen Künstler suchten die Aufgabe, die sie
im Wetteifer mit antiken und altchristUchen Werken unternahmen,
selbständig zu lösen : weder im Gegenstand, noch in der Ausführung
schlössen sie sich dem gegebenen Vorbild an: ersetzten sie an der
Säule die Taten des Kaisers durch die des Herrn, so gaben sie
auf den Türen an Stelle der fast rätselhaft gehäuften Bilderfülle
wenige, aber in einem klaren Gedanken ausgewählte Szenen. Was
sie, abgesehen von diesem Anstoß, ihren Vorbildern verdankten,
war die Einsicht, daß das plastische Werk mehr sein kann als
ein Ornament am Bau, oder eine Verzierung auf dem Buchdeckel:
Godehard vita I Godeh. 37 S. 195; es ist besonders ein Maler Buno ge-
nannt, vita II, 29 S. 213 ; auch die Glasmalerei wurde gepflegt, ib. 35
S. 217; in Bremen arbeitete unter Adalbert ein italienischer Maler, Bruno
de hello Sax. 4.
1 Über die Skulptur s. Bode, Gesch. der deutschen Plastik S, 22 ff ,
über die Kleinkunst v. Falke, Gesch. des deutschen Kunstgewerbes S. 44 ff.,
über die Malerei Janitschek, Gesch. d. deutschen Malerei S. 78 ff.
59*
— 932 —
die Säule und die Türen wollen Kunstwerke für sich sein und sie
sind es auch. Lag nun aber nicht in diesem Anspruch die Voraus-
setzung für den Fortschritt der plastischen Kunst? Wir können
ihn nicht durch die Jahrzehnte hindurch verfolgen: es fehlen die
Zeugen. Aber wenn man das große Werk, das am Ausgang der
Zeit entstanden ist, mit der wir uns beschäftigen, das mächtige
Kelief der Extersteine, den Arbeiten der Hildesheimer gegenüber-
stellt, so ist klar, daß die Einsicht, welche die deutsche Plastik
Bernward verdankte, nicht wieder verloren gegangen ist. In den
Jahren, in denen die Sehnsucht nach der Beilegung des großen
Streits am lebhaftesten war, wagte es ein deutscher Künstler, das
schwermütige Bild des toten Gottes auf die Felswand zu meißeln:
Figuren weit über Menschengröße, ein Werk, für das er nirgends
ein Vorbild, einen Anstoß hatte: ein Gedanke, so selbständig, wie
die in den gleichen Jahren vollendete Wölbung des Doms zu
Speier. Niemand wird bestreiten, daß das westfälische Steinbild
viel unvollkommener ist, als das rheinische Münster: die kurzen,
schwerfälligen, der richtigen Verhältnisse entbehrenden Gestalten
sind kaum besser, jedenfalls nicht schöner als die der Bernwards-
säule. Und doch glaube ich darin nicht zu irren, daß, auf den
Gehalt des Bildes gesehen, der Fortschritt immens ist: die Kunst
ist in den Jahren des Streites national geworden: die stille, in sich
geschlossene Wehmut, die dieses Werk bei all seiner Unvollkommen-
heit verständlich und ergreifend ausspricht, ist kein Erbe aus der
altchristlichen Kunst: sie ist deutsch.
Daß das technische Bemühen dabei nicht stille stand, zeigen
die Werke des Kunsthandwerks, die geschnitzten Elfenbeinplatten
ebenso, wie die Lichtkronen und Leuchter der Gelbgießer, und
die Kelche, Reliquienachreine und Kreuze der Goldschmiede. Die
Produktivität in solchen Werken war ungemein groß. Das mußte
der Schulung der Hand und des Auges zugute kommen. Deshalb
mag es richtig sein, daß das Kunsthandwerk sich rascher gehoben
hat als die monumentale Kunst. In bewußter Absicht erstrebten
die Künstler vor allem Sicherheit der Technik. Dafür ist das
gewichtigste Zeugnis die erste Anweisung für die Kunstübung, die
wir aus dem Mittelalter besitzen. Wahrscheinlich gegen Ende des
elften Jahrhunderts schrieb der Mönch Theophilus seine Rezepte
füi- mancherlei Künste \ Wir wissen nichts von ihm; nur daß er
ein Deutscher war, muß man vermuten; denn von allen Landen
dünkte ihn Deutschland weitaus das kunstreichste^. Vielleicht war
* Theophili presb. et mon. libri III de diversis artibua ed. Hendrie 1847.
- Vgl. praef. S. 1: Quam — seine Schedula — si diligentiua Berseru-
— 933 —
er selbst als Künstler tätig; wenigstens stellte er den Wert der
Kunst sehr hoch; er meinte, daß zur Vollendung eines echten
Kunstwerks der siebenfältige Geist Gottes nicht minder notwendig
sei, wie zur Erlangung des ewigen Heilst Und wie freute ersieh
seiner Kenntnisse, wie sorgfältig war er in ihrer Mitteilung! dem
Maler und Glasarbeiter, dem Goldschmied und Erzgießer, dem
Orgelbauer und Steinschneider gab er eingehende und verständ-
liche Unterweisung: er hat damit zunächst dem Handwerk ge-
dient. Aber das Handwerk ist das Fundament der Kunst.
Kaum kann man es wagen, die Frage aufzuwerfen, ob die
Entwickelung der kirchlichen Malerei ein ähnliches Bild zeigt, wie
die der Skulptur. Denn in noch höherem Maße leidet die Forschung
hier unter dem Mangel an Denkmälern. So sicher es ist, daß die
Wandmalerei im elften Jahrhundert nicht minder reiche Pflege
fand, als in der Karolingerzeit ^, so sind doch von dieser vergäng-
lichsten aller Künste nur zwei größere Werke auf uns gekommen:
das jüngste Gericht an der Kirche zu Oberzell und die Darstellung
des gleichen Gegenstandes in Burgfelden in Württemberg, jenes
aus der Zeit Heinrichs II., diese aus der Heinrichs IV. ^. Und
teris, illic invenies, quicquid in diversorum colorum generibus et mixturis
habet Graecia, quicquid in electrorum operositate seu nigelli varietate
novit Tuscia, quicquid ductili vel fusili seu interrasili opere distinguit
Arabia, quicquid in vasorum diversitate seu gemmarum ossiumve sculptura
aura decorat Italia, quicquid in fenestrarum pretiosa varietate diligit Francia,
quicquid in auri, argenti cupri et ferri, lignorum lapidumque subtilitate
sollers laudat Germania. ^ Prol. z. 3. Buch S. 202.
* Ib. S. 204: Domum Dei tanto lepore decorasti et laquearia seu
parietes diverse opere, diversisque coloribus distinguens paradjsi Dei
speciem floribus variis vemantem, gramine foliisque virentem et sanctorum
animas diversi meriti coronis foventem quodammodo aspicientibus ostendisti,
quodque creatorem Deum in creatura laudant et mirabilem in suis operi-
bus praedicant, effecisti. Nee enim perpendere valet humanus oculus, cui
operi primum aciem infigat; si respicit laquearia, vernant quasi pallia; si
considerat parietes, est paradisi species ; si luminis abundantiam ex fenestris
intuetur, inestimabilem vitri decorem et operis pretiosissimi varietatem
miratur. Quod si forte Dominicae passionis effigiem liniamentis expressam
conspicatur fidelis anima, compungitur; si quanta sancti pertulerint in
suis corporibus cruciamina quantaque vitae aeternae perceperint praemia,
conspicit, vitae melioris observantiam arripit; si quanta sunt in coelis
gaudia, quantaque in tartareis flammis cruciamenta intuetur, spe de bonis
suis artibus animatur et de peccatorum consideratione fermidine concutitur.
Vgl. über die von Aribo geplante Ausmalung des Mainzer Doms oben S. 582
und die S. 930 Anm. 3 zusammengetragenen Stellen.
' Über das erstere Kraus, Die Wandgemälde in der Georgenkirche
— 934 —
doch genügen diese beiden Bilder, um die Ansicht wahrscheinHch
zu machen, daß dieselbe Erweiterung des Anschauungskreises und
die gleiche Vertiefung des künstlerischen Empfindens, die man an
den Werken der Schwesterkünste wahrnimmt, auch in der Malerei
nicht fehlte. Denn wer im Beginn des elften Jahrhunderts es
unternahm, das jüngste Gericht darzustellen, der konnte nicht einem
von alters her überlieferten, jedermann verständlichen Typus folgen.
"Wohl war seit der altchristlichen Zeit da und dort der Versuch
gemacht worden, die erhabene Vorstellung, mit der der christliche
Glaube die Tragödie der Weltgeschichte abschließen läßt, im Bilde
zu fassen^. Aber offenbar hatte noch keine Darstellung die Zeit-
genossen völlig befriedigt: man suchte noch nach dem Typus. Das
Reichenauer Bild zeigt ihn gefunden. Die Anordnung, die man
dort sieht: Christus in der Herrlichkeit in der Mitte, ihm zur Seite
Maria, die Fürbitterin, und der Engel mit dem anklagenden Kreuz,
weiterhin die würdigen Gestalten der zwölf Apostel, zu den Füßen
derselben die Toten aus den Gräbern sich erhebend, und über
ihnen den Himmel durcheilende Engel — wie oft ist sie seitdem
mit geringen Abänderungen variiert worden! Daß die Fortbildung
und Bereicherung des hier gegebenen Schemas sich mit erstaun-
Hcher Schnelligkeit vollzog, lehren die Reste des Wandbildes in
Burgfelden: wir finden fast die gleiche Disposition der Figuren,
aber an die Stelle der feierlichen Ruhe, die auf dem älteren Bilde
die Gestalten bindet, ist der jähe Sturm der Empfindungen ge-
treten, die sie erfüllen, bewegen, verzerren. Wir können hier nur
von diesen beiden Bildern reden; aber diese verschwindend geringen
Reste ungezählter Werke scheinen doch hinzureichen, um zu be-
weisen, daß der seit der Mitte des zwölften Jahrhunderts bemerk-
bare Aufschwung der Wandmalerei nicht improvisiert ist: er wurde
durch die Werke der vorhergehenden Zeit vorbereitet. Eine Be-
stätigung bietet die Buchmalerei. Unter der Regierung Heinrichs II.
stand diese bescheidene Kunst in hoher Blüte. Was im Zeitalter
der Karohnger und der Ottonen angelegt war, das kam in den
Jahren, in denen der letzte sächsische Herrscher in Deutschland
waltete, zu schöner Reife. Noch bewundert man die Prachtkodices,
zu Oberzeil; über das letztere Weber, Die Wandgemälde zu Burgfelden;
eine Lithographie auch in den Kunstdenkmalen Württembergs, Schwarz-
waldkreis 0. A. Balingen. Über das Alter des Oberzeller Bildes s. oben
S. 339 Anm. 2. Das Burgfelder Bild weist auch Weber der 2. Hälfte des
11. Jahrh.'s zu, S. 40ff.
1 S. Kraus a. a. 0. S. 17 S. und Voß, Das jüngste Gericht S. 35 ff.
' — 935 —
mit denen er seine Stiftungen in Bamberg ausstattete ^, die Bilder-
laandschriften, die aus Bernwards Schreibstube zu Hildesheim oder aus
den klösterhchen "Werkstätten in Regensburg ^ hervorgegangen sind.
Man freut sich, auf jedem Blatt den Spuren von dem Fortleben der
ältesten christlichen Kunst zu begegnen. Aber die Leistungen der
Buchmaler Heinrichs und Bernwards sind nicht richtig beurteilt,
wenn man nur auf ihren Zusammenhang mit den Miniaturen der
karolingischen und weiter zurück der altchristlichen Zeit achtet.
Nicht minder bemerkenswert ist das Vorwärtsdrängen der Künstler.
Es ist ja unzweifelhaft, daß Darstellungen, wie die des jüngsten
Gerichts in dem Evangelarium Heinrichs in München^ oder die
des Fleisch gewordenen Wortes in dem Evangelienbuche Bernwards *
sich überall an den Formen- und Gedankenkreis der früheren Zeit
anlehnen; aber als Konzeptionen sind sie neu. Und weit darüber
hinaus führen die Bilder der Bamberger Handschrift des Hohen-
lieds und der Weissagungen Daniels^, die der Zeit Heinrichs IV.
angehören mögen: sie sind das Vollkommenste, was die deutsche
Buchmalerei der Frühzeit geleistet hat, ebenso ausgezeichnet dm'ch
1 Vöge S. 8 Anm. 1.
'^ Swarzenski, D. Regensb. Buchmalerei S. 62 ff.
ä München, Staatsbibl. Cimel. 57.
* Beissel, Des h. Bernward Evangelienbuch, 1891. Auch das Münchener
Perikopenbuch Cim. 179 enthält neue Szenen, s. Swarzenski S. 145.
5 Die Handschrift enthält nicht einen Kommentar, wie gewöhnlich
angegeben wird, sondern den Text mit kurzen Glossen. Eines der 4 Bilder
ist vortrefflich wiedergegeben bei Leitschuh, Aus den Schätzen der k.
Bibliothek zu Bamberg I, Tfl. 10. Das Urteil von Janitschek, daß die
Technik genau mit der in der Bamberger Apokalypse übereinstimme, scheint
mir unrichtig. Ich verweise nur auf zwei charakteristische Verschieden-
heiten: in der Apokalypse fallen die Gewänder in fast geraden Linien, die
Falten sind wie gezogen; im Daniel sind alle Falten geschwungen. Recht
deutlich iät dieser Unterschied in der Darstellung des thronenden Christus
Dan. Min. 2 u. Apok. 10, 28, 47 oder der Seraphim Dan. 2 u. Apok. 13.
Sodann ist der Schatten unter den Augenbrauen hier und dort konsequent
verschieden gezeichnet. Ich halte die Danielhandschrift für jünger; sie
wird erst der Zeit Heinrichs IV. angehören. Für diesen Ansatz beweisend
ist 1. der künstlerische Charakter, 2. der Umstand, daß die Mönche in
hellen Kutten gehen; das geschah erst seit Poppo von Stablo und dem
Auftreten der Hirschauer; 3. folgende Glosse zu Daniel 12: Ex hoc loco
discimus, ne temere nos offeramus periculis, sed quantum in nobis est in-
sidias declinemus. ünde et Daniel non in foro, non in plateis faciebat
contra regis imperium sed in abscondito, ut Dei veri omnipotentis iussa
non neglegeret. Für diese Reflexion fehlte unter Heinrich IL jeder Anlaß;
sie bezeichnet aber genau die Maxime, nach der Otto von Bamberg handelte.
— 936 —
Selbständigkeit im Entwurf des Ganzen wie durch zartes Schön-
heitsgefühl in der Gestaltung des Einzelnen^. Die nächsten Jahi--
zehnte kamen auf diesem Wege nicht weiter. Aber sie suchten
nach neuen Yorwüi'fen und nach neuen Darstellungsmitteln. Schon
dadurch wurde der Bilderkreis erweitert, daß man bei den Minia-
tm-en der Psalterien begann, sich der reinen Wortülustration zuzu-
wenden^; nicht minder dadurch, daß man es unternahm, auch das
eine oder andere Heiligenleben in Bildern zu zeigen. Hier wie
dort strebte die Phantasie hinaus über die engen Schranken der
Überlieferung: sie fühlte sich stark genug, um sich frei zu bewegen.
Noch gelang es nur unvollkommen: die Bilder des Leipziger Psal-
ters^ stehen weit zurück hinter denen des Bamberger Hohenlieds,
und auch der niederdeutsche Mönch, der sich an die Schildermig des
Lebens Liudgers wagte, vermochte seine Aufgabe nicht zu bewältigen*.
Aber verloren waren die Bemühungen nicht. Ein Werk aus dem
Beginn der nächsten Epoche, der Bilderschmuck des Salzburger
Antiphonars aus dem 12. Jahrhundert^, zeigt, wohin die Ent-
wickelung führte: wohl sind hier zumeist die überheferten Gestalten
wiederholt; aber die Empfindung, die sie beseelt, ist neu: auf diesem
Wege lagen die Fortschritte des zwölften Jahrhunderts.
Von der Kunst wenden wir uns zu der Literatur. Sie be-
herrschte nicht in demselben Maße, wie später, das geistige Leben
des Mittelalters, aber sie war auch damals schon der vdchtigste
Faktor desselben. Welches Bild gewährt ihre Entwickelung? Es
ist früher dargestellt worden, daß sich in der Ottonenzeit trotz
ihrer Abhängigkeit von der karolingischen Kultur da und dort An-
sätze zu neuer, eigenartiger Produktivität zeigten^. Für die
weitere Entfaltmig derselben lagen die Verhältnisse im elften Jahr-
hundert insofern günstig, als das Schul- und Unterrichtswesen in
* Auch das Königsgebetbuch mit Miniaturen in Pommersfelden bei
Bamberg mag hier erwähnt werden; vgl. über dasselbe Endres u. Ebner in
der Festschrift zum 1100jährigen Jubiläum des deutchen Campo santo in
Rom S. 296 ff. Nach dem Stil der Bilder scheint es mir wahrscheinlicher,
daß es Heinrich IV., als daß es Heinrich V. angehörte; selbst Heinrich HL
als Besitzer ist nicht ausgeschlossen.
2 Vgl. Goldschmidt, Der Albanipsalter, 1895, S. 23.
^ Janitschek S. 91 f. Von seinen sechs Bildern bringen 4 typische
Szenen; über die beiden ei-sten möchte ich nicht ganz so scharf urteilen
wie Janitschek. * S. Janitschek S. 95 f.
* Lind, Ein Antiphonarium mit Bilderschmuck im Stift St. Peter, 1871:
Wickhoff, Beschr. Verzeichnis der ill. Handschr. in Österreich, H S. 32 ff.
« S. oben S. 308 f., 318 ff.
— 937 —
Deutschland sich m aufsteigender Linie entwickelte ^. Die formalen
Voraussetzungen für die literarische Tätigkeit waren also gegeben.
Doch kann man diesen Satz nicht ohne Einschränkung aussprechen.
Denn die Schulen bewahrten auch jetzt den Charakter von Fach-
schulen; ihr nächster Zweck war die Heranbildung des Klerus,
nur in verschwindendem Maße dienten sie der Laienbildung ''^. Da-
durch geschah dem AVert, den sie für die Nation hatten, der größte
Eintrag; vor allem hörte die Teilnahmlosigkeit nicht auf, mit der
die Laienwelt allem gegenüberstand, was mit der literarischen Kultur
zusammenhing. Nirgends war der Fortschritt schwieriger als an
diesem Punkte. Allein er bahnte sich an. Schon das war ein
Gewinn, daß man anfing, den Bildungsmangel der Laien in Deutsch-
land als schädlich und wenig rühmenswert zu betrachten ^. Daß
der Verkehr mit Italien im Lauf des elften Jahrhunderts immer
reger wurde, konnte diese Einsicht nur verstärken; denn jenseits
der Alpen hatte, dank den Resten der alten Kultur, die in allem
Verfall sich erhielten, die geistige Bildung der Laien nie ganz auf-
gehört*. Als dann endlich der kirchenpolitische Streit ausbrach,
so nötigte er den Laien die Teilnahme für die an den großen
Problemen sich abringende Gedankenarbeit gewissermaßen auf.
Noch war die Bildung Privilegium der Kleriker, aber es war doch
zu sehen, daß sie es nicht bleiben werde.
Auch in anderer Hinsicht bheben die Verhältnisse stationär.
Soviel wir sehen können, kam es in Deutschland nirgends zu einer
Veränderung oder Verbesserung des Lehrziels und der Lehrmethode^.
^ Specht, Gesch. des Unterrichtawesens in Deutschland S. 192 ff. Auch
Mirbt, Publizistik S. 104 ff. gibt eine Übersicht.
^ Ganz gefehlt hat die Rücksicht auf die weltlichen Verhältnisse nicht.
In Toul wurden bei dem Studiengang auch die forenses controversiae be-
rücksichtigt, vgl. Wib. vita Leon. I, 4 S. 131. Hersfeld war berühmt studiia
artium liberalium mundanarumque rerum, Gesta abb. Trud. 1,5 S. 232.
Auch Ekkehard setzt voraus, daß Laien vel alii minus docti einfaches Latein
verstehen, z. 1110 S. 243. Vgl. außerdem Othloh de trib. quaest. 14 S. 78:
Eadem caecitas, quae clericis ex liberalis scientiae evenit abusione, laicis
nascitur ex saecularis sapientiae praesumptione. Cum enim tantam peritiam
dicendi quaelibet et defendendi -habeant, ut in eis ipsum Tullium dispu-
tantem putares, tantaeque sapientiae talentum ex. Deo acciperent causa
defendendi simplices et pauperes, illi econtra, . . quorumque bona possunt
devorant. Anhang zu de trib. quaest. S. 136. Othloh setzt voraus, daß sein
Werk de cursu spir. auch von Laien gelesen wird, c. 2 S. 144.
ä Wipo Tetral. v. 183 ff. S. 61. * Wipo v. 197 ff.
5 Zur Methode vgl. z. B. vita Meinw. 160 S. 140: Ibi musici fuerunt
et dialectici, enituerunt rhetorici clarique grammatici; . . magistri artium
— 938 —
Hie blieb alles beim Alten. Abgesehen von der Gewandtheit im
lateinischen Ausdruck und der Überlieferung einer gewissen Summe
positiver Kenntnisse erstrebte der Unterricht nach wie vor die dia-
lektische Schulung an der Hand der aristotehschen Logik. Auch
die Bildungsmittel blieben die gleichen; die Kenntnis, welche die
abendländische Welt von der antiken und altchristlichen Literatur
besaß, wurde in dieser Zeit nicht wesentlich erweitert, ihr Ver-
ständnis wurde nicht geklärt und vertieft.
Daß die Bildungsanstalten sich stetig vermehrten, hat keine
allzu große Bedeutung. Die Tatsache ist zweifellos; sie war das
natürliche Ergebnis der immer wachsenden Menge geistUcher Stif-
tungen. Wo immer ein neues Bistum gegründet, ein neues Kloster
errichtet wurde, da trat auch eine neue Schule ins Leben. Wie die
Domstifter zu Mersebm-g, Zeitz, Naumburg^ und Bamberg sofort
ihre Schulmeister hatten, so ordnete schon der erste Abt von
Gembloux den Unterricht in seinem Kloster^, so war fast die
erste Sorge der Mönche in Paulinzelle die Eröffnung einer Schule*.
Wenn die Verhältnisse nur einigermaßen günstig waren, so kamen
auch junge Anstalten rasch zur Blüte, die Bamberger Domschule
z. B. nahm schon in dem Jahrhundert ihrer Gründung einen her-
vorragenden Platz unter den deutschen Bildungsstätten ein*. Doch,
wie gesagt, man darf die Wichtigkeit der Vermehrung der Schulen
exercebant trivium, quibus omne Studium erat circa quadruvium ; ubi mathe-
matici claruerunt et astronomici; habebantur phisici atque geometrici;
viguit Oratius magnus et Virgilius, Crispua ac Sallustius et Urbanus Statius;
ludusque fuit Omnibus insudare versibus et dictaminibus iocundisque canti-
bus. Quorum in scriptura et pictura iugis instantia claret multipliciter
hodierna experientia; dum studium nobilium clericorum usu perpenditur
utilium librorum. Vgl. Gozech. ep. ad Walch. 4 Migne 148 S. 887: Tu
vices absentis magistri inter auditorii nostri concelliones ita exsequebaris,
ut quaeque vel legende vel disputando perplexe intricata vel in theoso-
pbicis vel in sopbisticis occurrissent, ea nodosus ipse sagaciter enodares et
de bis ambigentibus ad votum satisfaceres. Vita Wolfh. 4 S. 183, wonach
in der Kölner Domscbule die h. Schrift, die Dichter, Redner und Philo-
sophen studiert wurden. Auch die Roheiten blieben die alten, vgl. die Be-
schwerden eines Hildesheimer Schülers bei Sudendorf, Reg. III S. 80 Nr. 18;
auch Gozech. 3 S. 887.
^ 1089 wird ein magister scholarum in Naumburg erwähnt, Cd. Sax.
1, 1 S. 354 Nr. 164, 1105 ein solcher in Merseburg, I, 2 S. 7 Nr. 7, 1140 in
Zeitz, S. 99 Nr. 137; die Erwähnung zeigt, daß trotz der Verlegung des
Bistums die Schule fortbestand.
^ Gesta abb. Gembl. 2 Scr. VIII S. 524.
3 Vita Paulin. 45 S. 92. * Hirsch, JB. II S. 111 ff.
— 939 —
nicht überschätzen ; denn sie erleichterte es nur den Klerikern, ihi-e
Ausbildung zu finden ^; aber sie öffnete den Zugang zur literarischen
Kultur nicht einer neuen Bevölkerungssehicht. Insofern veränderte
sie das Gesamtbild nicht. Vollends belanglos ist für die allgemeine
Betrachtung die Blüte der einen oder der anderen Schule. Denn
das schwankende Auf und Ab in der Entwickelung der einzelnen
Anstalten kompensierte sich gegenseitig.
Blieben somit in vieler Hinsicht die alten Zustände unver-
ändert, so ist gleichwohl ein großer Fortschritt unverkennbar: er
liegt in dem Erwachen des wissenschaftlichen Interesses. Man kann
es an etwas Äußerlichem wahrnehmen : an dem Wandern der Schüler
zu den namhaftesten Meistern. Nach Art der Studenten, erzählt
Norbert von Iburg über Benno von Osnabrück, besuchte er die
berühmtesten Lehrer; er nennt besonders Hermann den Lahmen
von Heichenau". Diese Studienreisen waren bald so gewöhnhch,
daß ein Mann, der nur eine einzige Schule besucht hatte, darum
angesehen wurde ^. Und suchte man zuerst nur deutsche Meister
auf, so dauerte es nicht lauge, bis das Studium in der Fremde in
Aufnahme kam. Mehr als in späteren Jahrhunderten war im
Mittelalter die Wissenschaft international: der Gedanke, Studien-
reisen ins Ausland zu imternehmen, lag also nicht ferne; in vielen
Fällen war seine Ausführung dadurch erleichtert, daß die Sprach-
grenzen und die politischen Grenzen sich nicht deckten. Bereits
in dieser Zeit aber zog vornehmlich Frankreich die Deutschen an.
Der in dem doppelsprachlichen Gebiet an der Grenze heimische
Olbert, der spätere Abt von Gembloux, ist einer der ersten, der
seine Studien zum großen Teil in Frankreich machte. Nachdem
er sie in Laubach begonnen, setzte er sie in St. Germain, Paris,
Troyes fort, um sie bei Fulbert in Chartres zu beschließen *. Unter
^ Ähnlich ist über die Vermehrung und das Anwachsen der Biblio-
theken zu urteilen. An Nachrichten darüber fehlt es nicht: Merseburg
Thietm.VI, 36 S. 155, IX, 13 S. 247; Magdeburg Thietm.VII, 17 S. 178; Hildes-
heim vita Bernw. 6 S. 760; Admont vita Gebeh. 18 S. 43; Gembloux Gesta
abb. Gembl. 42 S. 540; Goseck chron. Goz. 13 S. 146; Göttweih vita Altm.
42 f. S. 242. Dazu d. Katalog von Stablo aus d. J. 1105 bei Gottlieb S. 284 ff.
Er hat 283 Nummern; aber nichts, was nicht auch in älteren Bibliotheken
vorkommt.
^ More studentium, V. Bennon. 3 S. 4. Die Bezeichnung Student auch
in dem Hildesheimer Brief bei Sudendorf, Reg. III S. 4 Nr. 2. Nach Hers-
feld wurden Schüler aus St. Emmeram und Hildesheim gesandt, Othl. vis.
I, 5 S. 378.
^ Vgl. Anon. Haser. 28 S. 261 über den Eichstätter Scholaster Gunderam.
* Gesta abb. Gembl. 26 S. 536.
— 940 —
den Späteren haben Adalbero von Würzburg und Gebhard von
Sakburg in Paris, Friedrich von Köln in Angouleme studiert^.
Die gleichen Wege gingen viele namenlose Jünglinge; sie mußten
mitunter den Aufenthalt in der Fremde durch das armseligste Leben
erkaufen'; aber das hielt sie nicht ab, und das mindeiie auch ihre
Begeisterung nicht. Wenn er, schreibt ein Pariser Student in die
Heimat, Meister Wilhelm dozieren höre, dann dünke es ihn, daß
nicht ein Mensch, sondern ein Engel vom Himmel rede. Nie habe
er -eine ähnhche Schule gesehen, noch von ihr gehörte
Gingen die Schüler in die Fremde, so suchte man in der
Heimat die berühmtesten Lehrer zu gewinnen. In den höflichsten
Wendungen wm'den die Unterhandlungen mit den Männern, die
man ins Auge gefaßt hatte, begonnen, vorsichtig, unter Zuziehung
von Zeugen geführt und zum Abschluß gebracht *, Bei der Wahl
sah man weder auf vornehme Geburt'"^, noch auf die Zugehörigkeit
zum eigenen Stamm oder Volk. Der Austausch der Lehrkräfte
ist alte deutsche Sitte. Der berühmteste Lehrer von Konstanz
war der Sachse Bernhard^; in derselben Zeit wurde der Glanz der
Schule von Hildesheim durch den Schwaben Benno erneuert'; in
Würzburg war der Schotte David eine Säule für den Ruf der
Schule ^, in Halberstadt lehrte eine Zeitlang der Franzose MauriUus
aus Rheims ^, für Fulda wünschte Heinrich HI. die Berufung eines
Scholastikus aus Lüttich ^^. Literarische Leistungen galten nicht
als unbedingt notwendig; der tüchtige Lehrer konnte auch ohne
solche weitreichendes Ansehen erwerben^*. Wie man sich Mühe
1 Vita Adalber. 2 f. Scr. XII S. 130; Gesta Alber. 11 Scr. VIII S. 249.
Gesta pontif. Engol. S. 823. Eine Schilderung der Studien in Paris in dem
Briefe Cod. Udalr. 160 S. 285 ff.; über das Zuströmen zu Lanfranc, Williram
prolog. ed. Seemüller S. 2. Andere warnten vor Frankreich, s, den Brief
bei Sudendorf III S. 46 Nr. 28.
2 Sudendorf, Registr, III S. 1 Nr. 1.
3 Cod. Udalr. 160 S. 286.
* S. das charakteristische Berufungsschreiben Cod. Udalr. 110 S. 199
aus dem Jahr 1101 oder 1102; vgl. auch 114 S. 226.
^ Gesta pont. Camer. III, 61 S. 177: Qui honor — die Leitung der
Schulen — propter laborem rarus nobilibus committitur.
® Er ist im 6. Kapitel mehrfach genannt.
' Vita Benn. 5 S. 5. s Ekkeh. z. 1110 S. 243.
* Acta arch. Rothom. in Gallia ehr. XI S. 30.
^** Vita Theod. abb. 16 S. 45. Daß Anselm, der Peripatetiker, in Deutsch-
land nicht ankam, macht dem Urteil der Deutschen alle Ehre. Über diese
wenig anziehende Persönlichkeit Düramler, Ans. d. P. 1872.
1^ Z. B. Benno in Hildesheim vita Benn. 4 f. S. 5, Franko in Lüttich
— 941 —
gab, tüchtige Lehrer zu gewinnen, so trug man kein Bedenken,
untaugliche zu entlassen und säumige zu genauer Pflichterfüllung
anzuhalten: die Bamberger Domherren sperrten ihrem Scholaster
den Gehalt, weil er gewagt hatte, sich zwei Tage ohne Urlaub zu
entfernen ^.
Bei diesem lebhaften Interesse für die wissenschaftliche Unter-
weisung ist es leicht begreiflich, daß das Selbstgefühl der Gelehrten
sich mächtig steigerte. Von der herkömmlichen mönchischen De-
mut war bei gar manchem nicht mehr viel zu finden. Jener ge-
maßregelte Bamberger Schulmeister erklärte den Kanonikern, sie
sollten ihre Präbende nur behalten, er wolle lieber ins Wasser
gehen, als sich vor ihnen demütigen. Und der Italiener Anselm
prahlte damit, daß sein Ruhm in Italien und Deutschland gleich
ausgebreitet sei^. Bereits gewährte das Lehren nicht nur Ruhm,
sondern nicht minder Reichtum^. Wie früher schon in Itahen,
so begannen im elften Jahrhundert in Deutschland einzelne Lehrer
tätig zu sein, ohne daß ihnen die Zugehörigkeit zu irgendeiner
kirchlichen Korporation eine sichere Stellung gab; sie wagten es,
vom Lehrberuf zu leben*.
Mit dem Selbstgefühl der Lehrer stieg der Korporationsgeist
der Schüler. Jeder Scholar war eifrig bestrebt, den Ruhm des
Meisters, zu dessen Füßen er saß, auszubreiten und zu erhöhen,
seine vorzüglichen Eigenschaften als Mensch und als Lehrer zu
Gesta abb. Trud. II, 5 S. 237, der allerdings ein Buch über die Quadratur
des Zirkels schrieb, Wolzo in Worms, ÜB. d. St. Worms I S. 351 Nr. 8.
1 Cod. Udalr. 109 S. 197; vgl. 97 S. 136.
2 Ans. Rhetorim. S. 15.
^ Vita Benn. 4 S. 5. Vgl. auch in dem unten zu erwähnenden Würz-
burger Gedicht V. 48: Praeter mercedem licet eins visere sedem. Wilhelm
von Champeaux wird gerühmt, weil er umsonst lehrte. Cod. üdalr. 160
S. 286. Dagegen über einen gewissen Heribert Sudend. III Nr. 3 S. 8: Nun-
quam in lectione danda se venditare presumeret vel presumpsisset, nisi
fiducia parti cuiusdam libri, quam per me habuit, nee si adhuc in Francia
stetisset, tres obulos per legere suum habere potuisset.
* Benno wurde von seinen Eltern einem Magister in Straßburg zum
Unterricht übergeben. Lehrer an einer Stiftsschule scheint derselbe nicht
gewesen zu sein, V. Benn. 3 S. 4; vgl. Gozech. ep. 28 S. 900: Quidam facti
suae cuiusdam institutionis pseudomagistri, dum certum ignorant praesepe,
nee in sua, quae non habent, se possunt recipere, hac illac per villas
pagosque ürbesque circumcursant, novas Psalterii, Pauli, Apokalypsis
lectiones tradunt, iuventutem novorum cupidam, levitatis pedissequam, dis-
ciplinae refugam post se per voluptatum declivia trahunt. In Italien war
dergleichen längst üblich, s. Rather, Synod. 13 S. 564.
— 942 —
preisen ^. Und wie eifersüchtig waren sie auf den Ruf der Schule,
der sie angehörten! In jahrelangem Streit haderten die Würzburger
und Wormser Studenten ^. Wahrscheinhch im Lauf dieses Streites
entstand jenes hochtönende Lobgedicht auf Würzburg ^, das von
Interesse ist als eines der frühesten Erzeugnisse des Anstalts-
patriotismus, der in den deutschen Schulen herrschend blieb. Da
wird schon in dem Namen der Stadt eine Andeutung dafür ge-
funden, daß sie denen, die an dem Gebresten der Torheit leiden,
die heilkräftigen Kräuter der Wissenschaft darbietet. Dann wird
geschildert, wie die Schüler von überall her, auch aus weiter Ferne
nach Würzburg eilen, um den berühmten Lehrer — gemeint ist
wahrscheinhch David — zu hören : Reiche und Arme seien gleicher-
maßen füi' ihn begeistert: nur die törichte Jugend von Worms
verschmähe sein Auditorium.
In allen diesen Zügen spricht sich das steigende Interesse
für die geistige Arbeit aus. Die Frucht mangelte nicht. Man
kann sie in der zunehmenden Vertrautheit mit der lateinischen
Sprache wahrnehmen. Wohl hebten es auch die Schriftsteller
des elften Jahrhunderts, die eigene Rede durch Anspielung auf
klassische Stellen zu schmücken. Aber das fremde Gut hebt sich
nicht mehr unschön von dem eigenen Besitz ab. Schriftsteller wie
Sigibert, Lambert, Wenrich, der Biograph Heinrichs IV. bewegen
sich kaum gehemmt durch die fremde Form; sie haben gelernt zu
schreiben. Bedeutender ist das wachsende Vertrauen auf die
Dialektik: man bemerkt es überall; auch wer ganz unter dem Bann
der Autorität stand, stellte wenigstens ratio und auctoritas neben-
einander *. Vor allem aber fordert das Anschwellen der literarischen
Produktivität Beachtung^. Es trat in allen deutschen Gebieten
ein. Weniger als je kann man in dieser Zeit von einem Zentrum
1 Sudendorf, Reg. III Nr. 3 S. 7: Aliis quam pluribus Francigenis,
NormaDnis et Theutonicis ita bonum et gloriosum te commendavi, ut tibi
nondum viso, tantam fama noto fidelia sua servitia benigne poUiceantur.
Es handelt sich um einen französischen Lehrer.
2 S. d. Briefe bei Boos, ÜB. von Worms I S. 356 f. Nr. 19 f., c. 1025
bis 1035. Als Briefe der Wormser Geistlichkeit, N.A. III S. 326 Nr. 15,
329 Nr. 25 f., scheinen sie mir unverständlich.
3 Ztschr. f. deutsche Philol. XIV S. 434. Es steht im Kodex Froumunds,
gehört aber nicht zu dessen Gedichten, a. a. 0. S. 402 ff. Die Kombination
mit den Briefen der Lorscher Sammlung scheint mir naheliegend.
* Dietrich von Faderborn, Migne 147 S. 333; Bernhard von Konstanz,
lib. can. 9 L. d. 1. S. 482.
^ Von den Ann. Aug. z, M)41 für die Zeit Heinrichs III. hervorgehoben.
— 943 —
der geistigen Arbeit in Deutschland reden. Am ehesten möchte
man geneigt sein, als solches den Westen, mit Lüttich als Hauptort,
zu betrachtend Aber die Zahl und das Gewicht der Werke, die
diesseits des Rheins entstanden, sind so bedeutend, daß es nicht
möglich ist, diesen Gedanken festzuhalten. Die Lust zu schaffen
aber bewährte sich nach den verschiedensten Richtungen hin: am
frühesten in der intensiveren Beschäftigung mit der Geschichte,
sodann im Verlauf des großen Streites durch die Entstehung der
Streitschriftenliteratur, nicht zum mindesten endlich in dem Er-
wachen theologischer Forschung.
In den hundertundzwanzig Jahren, die zwischen dem Tode
Ottos III. und dem Wormser Konkordate liegen, sind in Deutsch-
land mindestens fünfmal so viel geschichtliche Werke geschrieben
worden, als in dem Jahrhundert vorher^. Und die Zahl nimmt
während der Jahre des Streites nicht ab, sondern sie wächst von
Vierteljahrhundert zu Vierteljahrhundert. Fast in demselben Maße
erweiterte sich der Umfang der einzelnen Schriften: die Mitteilungen
werden reichlicher und mannigfaltiger. Vor allen Dingen aber
steigert sich ihr literarischer Wert, Während vordem der Autor
von dem Stoff, den er behandelte, gewissermaßen geknechtet war,
beginnt er jetzt, sich ihm frei gegenüberzustellen: er versucht ihn
zu beherrschen, indem er ihn selbständig gestaltet und geistig
durchdringt. Darin liegt die Geburt schriftstellerischer Indi-
viduahtäten ^.
Am klarsten prägt sich, wie mich dünkt, diese Entwickelung
bei den Biographien aus. Der Quellpunkt der mittelalterlichen
Biographie liegt im Heihgenleben ; dann hatte Einhard in bewußter
Nachahmung des antiken Vorbilds die Persönlichkeit Karls d. Gr.
geschildert. Die sächsische Epoche hatte darüber nicht hinaus-
geführt. Achtet man nun auf die älteren Lebensbeschreibungen
1 Vgl. Ekkeh. z. 1110 S. 243; Gozech. ep. ad Walch. 34 S. 902.
2 In den Monumenta Germaniae füllen die Schriften der säclisischen
Zeit, Heinrich IL inbegriffen, den 3. und 4. Band der Scriptores, während
die Geschichtsquellen der fränkischen Zeit den 5. — 12. Band einnehmen.
" Zum Folgenden verweise ich auf Wattenbachs bekanntes Werk
über die Geschichtsquellen Deutschlands, und auf Gundlach, Heldenlieder
der deutschen Kaiserzeit II. 1896. Es kann natürlich nicht meine Absicht
sein, sämtliche historische Werke zu erwähnen; ich begnüge mich, dasjenige
hervorzuheben, was mir für die Gesamtent Wickelung charakteristisch zu
sein scheint. Ich verzichte auch darauf, die große Spezialliteratur über
die genannten historischen Schriften anzugeben, da sie in W.s Buche, das
in jedermanns Hand ist, sorgföltig verzeichnet ist.
— 944 —
aus der Zeit, die uns beschäftigt, so ist der Anschluß an die
Heihgenbiographien leicht zu bemerken. Wie oft ist Thangmars
Werk über Bernward gerühmt worden, und wer betrachtet nicht
gerne dieses liebevoll gezeichnete Bild eines trefflichen Mannes?
Aber trotz seiner Vorzüge ist doch unleugbar, daß es im wesent-
Uchen auf dem Standpunkt des Heihgenlebens verharrt. Das ist
nicht nur durch die von Thangmar selbst stark hervorgehobene
erbauhche Tendenz bedingt; wichtiger ist, daß für den Autor die
Individualität, die er schildert, und ihre Entwickelung kein Problem
büdet: sein Held ist ihm verständhch, da er ein Heiliger ist, und
sein Lebensgang verläuft rationell, da ihm wdderfährt, was einem
Heihgen widerfahren muß. So schildert er den frommen Jünghng,
der zu einem tugendreichen Bischof heranreift, den fehlerfreien
Mann, der doch, da der Gerechte nicht ohne Versuchung bleiben
kann, manches Übel ertragen muß, und der endlich, nachdem er
den guten Kampf gekämpft hat, die Krone der Gerechtigkeit er-
langt. Man sieht, dieser Heiligenbiograph verfährt nicht so plump
wie die älteren: nicht dadurch macht er seinen Helden zu einem
Heihgen, daß er ihm Wunder über Wunder zuschreibt; aber er
bleibt auf ihrer Spur, indem er ihn als ethisch vollkommen be-
trachtet: Leidenschaft, Selbstsucht, Trotz, Unlauterkeit sind wohl
in der Weit, aber an diese Persönlichkeit hat das Unrecht nie
herangereicht: sie leidet nur darunter, ohne daß das eigene Handeln
irgendwie den Gegensatz provozierte. Das ist Heihgenbiographie;
denn hier wird eine psychologisch unmöghche, eine gänzlich wunder-
bare Persönlichkeit geschildert. Daß der Schriftsteller dies tut,
verhindert ihn, die Pflicht der Wahrhaftigkeit vorbehaltlos zu er-
füllen. Thangmar war sich ihrer bewußte Er hat sich deshalb
gehütet, Bern ward Taten anzudichten, die er nie vollbrachte; aber
seiner Darstellung des Gandersheimer Streites kann man das Lob
unparteiischer Wahrhaftigkeit nicht erteilen. Schwerhch wollte er
seine Leser täuschen : aber er konnte das Wirkliche nicht erkennen,
da sein Blick durch sein Urteil über seinen Helden getrübt war.
Die Biographie Bernwards hat, wenn ich so sagen darf, den
Ton für HeiUgenleben höherer Gattung angeschlagen. Sie ent-
sprach den Forderungen des Zeitalters; deshalb fand Thangmar
mehr als einen Nachfolger: Wolfheri von Hildesheim hat sein in
doppelter Bearbeitung vorliegendes Werk über das Leben Godehards
genau auf denselben Ton gestimmt. Und kaum anders kann man
über Wiberts eingehende Schilderung des Lebens Leos IX., über
die Biographien Poppos und Altmanns urteilen. Lauter Werke,
1 Vffl. c. 14.
— 945 —
die viele nützliche und wertvolle Nachrichten enthalten. Aber so,
wie in ihnen diese Männer geschildert sind, waren sie nicht. Man
erkennt ihre Art nicht aus dem, was die Verfasser sagen und sagen
wollen, sondern man ahnt sie aus dem einen oder dem anderen
kleinen Zug, den sie wie unwillkürlich berichten. Die Aufgabe
der Biographie ist noch nicht erfaßt und noch nicht gelöst.
Andere Werke vermochten sich nicht über das Niveau der
alten Heiligenleben zu erheben. Dies Urteil trifft z. B. die Bio-
graphie Wilhelms von Hirschau. Bedeutender sind die aus dem-
selben Kreise hervorgegangenen Schriften über Udalrich von Zell
und Theoger von St. Georg im Schwarzwald.
Gleichwohl bezeichnet Thaiigmar nicht den Höhepunkt. Der
Fortschritt über ihn hinaus vollzog sich in doppelter Richtung:
einerseits durch erschöpfendere Verwertung der Quellen, anderer-
seits durch den Versuch, in das Geheimnis der Persönhchkeit
einzudringen.
^In ersterer Hinsicht wirkte Othloh von St. Emmeram^ bahn-
brechend, ohne daß man eigenthch sagen kann, daß er aus klarer
Einsicht in die Mängel der bisherigen Geschichtschreibung han-
delte. Denn in den Legenden der Heihgen Nikolaus, Alto und
Magnus ging er ganz im gewohnten Gleise: sie sind Dutzend-
ware, geschrieben aus Gefälligkeit gegen drängende Freundet
Aber schon in dem Leben WoKgangs erhob er sich über das Ge-
wöhnliche: der Widerspruch, der Quellen, die ihm zur Verfügung
standen, nötigte ihn, den Wert ihrer Nachrichten gegeneinander
abzuwägen^: er tat die ersten, recht unsicheren Tritte auf dem
Felde der Kritik, Vollends bedeutend wurde seine Biographie
des Bonifatius. Sie sollte ursprünglich nichts anderes werden als
die stiKstische Verbesserung eines alten ungefügen Werkes*. Aber
auch hier drängte die Aufgabe den Schriftsteller weiter. Sobald
1 Vgl. Dümmler in den Berl. SB. 1895 S. 1071 ff. Über Othloli als
theologischen Schriftsteller unten.
- De tentat. II Migne 146 S. 56. Der Prolog u. ein Stück der V. Nicol.
N.A. X S. 408 f.; über die V. Alt s. Bd. I S. 541 Anm. 2.' Bruchstücke aus
der ungedruckten V. Magni hat Dümmler, Berl. SB. 1895 S. 1098 heraus-
gegeben. '^ Vita Wolfk. Prol. Scr. IV S. 521.
^ Vorrede bei Jaffe, Bibl. III S. 482. Die Biographie herausgegeben
V. Levison, Vitae s. Bonif. 1905 S. 111 ff. Bemerkenswert ist die Notiz, daß
die Mönche von Fulda Leo IX. zu einer Überarbeitung veranlaßt hatten.
Sie hatten zu diesem Zweck ihm weitere Quellen und einen Schreiber
nach Rom geschickt. Aber Leo starb, aus der Revision wurde nichts,
jedoch die Bücher blieben in Rom. S. 111 f.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 60
— 946 —
er Hand anlegte, um das Werk Willibalds zu erneuern, bemerkte
er seine Dürftigkeit. Daneben lernte er in Fulda die Briefsamm-
lung des Bonifatius kennen. Bei ihrem Studium ging ihm, als
einem der ersten Männer, die Einsicht auf, daß die Geschicht-
schreibung, soweit es möglich ist, auf die ersten Quellen gegründet
werden muß^. In diesem Gedanken hat er nicht nur die Form
der alten Biographie geglättet, er hat sie aus den Briefen erweitert
und damit die erste, hauptsächlich auf urkundlichem Material be-
ruhende Biographie geschaffen, die es gibt. Die Einsicht, zu der er
gelangte, ist nicht wieder verloren gegangen. Möglicherweise lebte
in Begensburg noch mit ihm zusammen jener Paul, der später
Kanonikus in dem schönen Bernried am Starnberger See geworden
ist^. Er hat die Methode Othlohs übernommen. Seine Biographie
Gregors VII. erscheint in mancher Hinsicht wie eine Nachahmung
der vita Bonifatii. Denn auch sie schöpft vor allem aus der Brief-
sammlung Gregors. Der Fortschi-itt, der in diesen AVerken geschah,
ist sehr bedeutend. Man wird sagen dürfen, daß in der Literatur
der Heiligenleben die Grenzlinie zwischen Geschichte und Dichtung
noch nicht bestimmt gezogen ist. Indem Werke entstanden, die
auf dem sicheren Fundament authentischer Quellen beruhten, be-
gannen die beiden Gebiete klar auseinanderzutreten.
Doch weit bedeutender noch ist der Schritt vorwärts, der sich
an den Namen Adams von Bremen knüpft. Wir dürfen ihn in
diesem Zusammenhang erwähnen, da in seiner Gesclnchte der
Erzbischöfe von Hamburg das biographische Moment durchaus im
Vordergrunde steht.
Von seinem eigenen Leben wissen wir fast nichts. Nur daß
er in der Hamburger Erzdiözese ein Fremdhng war, berichtet er
selbst, er nennt sich einen Proselyten und Zugewanderten und
erwähnt, daß er im vierundzwanzigsten Amtsjahre Adalberts nach
Bremen gekommen sei^. Die Erinnerung daran blieb in Bremen
^ S. 113. Mihi, consideranti litteras omnes, quas de eo habetis, in
nullis maior tanti presulis auctoritas, quam in epistolis ab ipso vel ad
ipsum directis videtur esse. Ibi namque apertissime inspicifcur, quanta
veneratione primitus fuerit susceptus a pontifice Romano, qualiter eum or-
dinatum raiserit ad predicandum cunctis Germaniae populis, quanto etiam
labore eandem Germaniam ad fidem Christi converterit et quod non solum
a paganis et hereticis, sed etiam a pseudochristianis et pravis sacerdotibus
eam velut a luporum morsibus eripuerit, etc.
« Vgl. über ihn May, N.A. XII S. 333 ff. u. XIV S. 565 tf. , Greving,
P.'s V. B. Vita Greg., 1893. Er war 1102—1121 in Regensbmg.
3 Vorrede an Liemar S. 1 ; lU, 4 S. 98.
— 947 —
erhalten; ein jüngerer Bremer Geistlicüer, der sein Geschichtswerk
mit Glossen versah, findet, daß durch seine Sprache seine ober-
deutsche Herkunft bestätigt werdet Das ist alles, was über sein
äußeres Leben erkundet werden kann; aber so unbekannt uns das
ist, was ihm widerfuhr, so klar ist seine geistige Physiognomie im
Spiegel seines Werkes zu erkennen.' Er war ein an den Schriften
der Alten wohl gebildeter Mann, der nicht entfernt die Abneigung
gegen die heidnische Literatur teilte, die man bei anderen Zeit-
genossen bemerkt. Auch die Geschichtschreiber der späteren Zeit
hatte er gelesen: Gregor von Tours, den „sehr gelehrten" Einhard,
die Biographie des Bonifaz, Regino von Prüm, die Annalen von
Fulda u. a.^ Die Studien für seine Geschichte betrieb er mit
methodischer Sorgfalt: er übersah keine Quelle, in der er Nach-
richten finden konnte: wie in den Geschichtswerken, so sammelte
er sie im Archiv der Earche von Bremen; im Verkehr mit älteren
Zeitgenossen suchte er ungeschriebene Kunde ^. Doch mehr als
dem Studium verdankte er der Natur: sie hatte ihn mit dem frischen
Bück für das wirkliche Leben, mit dem scharfen Auge für das
Charakteristische ausgestattet. In hohem Maße eignete ihm die
wertvolle Gabe, zu fragen. Und dabei war er beseelt von jenem
Wohlwollen für die Menschen und erfüllt mit jener Freude an
dem, was ist, ohne die es kein Verständnis der Menschen und der
Verhältnisse gibt. So war er befähigt, auf allen Seiten die Schranken
der herkömmlichen Anschauungen zu durchbrechen: er ist der erste
unter den deutschen Geschichtschreibern, der sich den Zusammen-
hang von Land und Leuten, von geographischer Lage und Geschichte
deutlich machte^. Und wenn sein Werk von etwas klares Zeug-
1 Sdiol. 145 S. 182. Man pflegt an Obersachsen oder Thüringen zu
denken, soviel ich sehe, ohne jeden Schein von Grund. Eher möchte ich
vermuten, daß Adam ein Lothringer war; denn er setzt voraus, daß seine
Leser wissen, daß das Grab des h. Willibrord sich in Echternach befand
(I, 12 S. 9), und daß ihnen Halitgar von Cambrai nicht unbekannt ist (1, 17
S. 16). Aber die Verwechselung von Utrecht und Mastricht (I, 40 S. 29)
macht bedenklich.
2 Vgl. I, 1 S. 3; I, 3 S. 4; L 11 S. 8f.; 1, 24 S. 21; 1,42 S. 31 u. a.
Daß Adam Tacitus kannte, hat Manitius wahrscheinlich gemacht, N.A.
XXV S. 202 f.
^ Vorrede S. 2: De hiis, quae scribo, aliqua per scedulas dispersa
coilegi, multa vero mutuavi de hystoriis et privilegiis Romanorum, pleraque
seniorum, quibus res nota est, traditione didici. Charakteristisch für seinen
realistischen Sinn ist, daß ihm die Wundersucht anstößig war, vgl. I, 42 S. 31.
* Vgl. abgesehen von der descriptio insularum aquilonis S. 153 fl'., die
Schilderung Sachsens I, 1 S. 3.
60*
— 948 —
nis gibt, so davon, daß er in der Geschichte nicht nur eine Folge
von Ereignissen sah, sondern eine Verkettung von Ursachen und
Wirkungen. Er beobachtete, wie in diesem Spiel der Kräfte,
unter dem Zusammenwirken der Anlagen und Handlungen, der
Neigungen und Verhältnisse, der Erfolge und der Niederlagen der
Mann das wird, was er ist. Indem im Blick auf das wechselvolle
Leben Adalberts diese Einsicht sich ihm erschloß, hat er zuerst —
man darf sagen: seit Augustins Konfessionen — die Aufgabe der
Biographie erfaßt; in der Lebensbeschreibung Adalberts, die das
dritte Buch seiner Bistumsgeschichte füllt, hat er sie in einer fiir
seine Zeit mustergiltigen Weise gelöst. Sie bildet einen Höhe-
punkt der mittelalterlichen Geschichtschreibung. Wenn man ihren
Wert bemessen will, so muß man sie Einhards Vita Caroli gegeur
überstellen. Wohl ist sie lange nicht so durchsichtig und abgeklärt,
wie die nach dem Vorbilde der Alten vollendete Schrift des kunst-
begabten Freundes Karls d. Gr.; sie macht weit weniger den Ein-
druck des Klassischen. Aber niemand wird leugnen, daß sie trotz-
dem den Vorzug verdient: sie repräsentiert eine fortgeschrittnere
Fassung der Aufgabe der Biographie.
Ob die Zeitgenossen fähig waren, Adams Verdienst zu wür-
digen? Die Beantwortung dieser Frage scheint unmögHch; aber
vielleicht darf man den Eindruck, den sein Werk auf sie machte,
in dem Urteil finden, das Norbert von Iburg' über die landläufigen
Biographien seiner Zeit abgibt ; sie seien deshalb tadelnswert, weil
sie ihre Helden nur lobten, und statt ihre Taten zu erzählen, viel-
mehr das schilderten, was jene hätten tun sollen^. Denn hier
wird die Verschiedenheit zwischen Adam und der herkömmlichen
Heihgenbiographie berührt: er bot die Widergabe der WirkUchkeit,
sie ein gedachtes Ideal.
Die drei Kaiserbiographien dieser Zeit fallen aus der gezeich-
neten Entwickelungsreihe nicht heraus: Adalbold von Utrecht sah
die Aufgabe des Geschichtschreibers noch ausschließlich darin, ein
glänzendes Kaiserbild zu zeichnen. Viel frischer, reahstischer ist
die Schilderung Wipos; aber es läßt sich doch nicht leugnen, daß
sie hinter der Adams zurücksteht; denn darin wenigstens erinnert
Wipo an die Heiligenbiographien^ daß auch er als Lobredner schrieb,
nur schüchtern wagte er einen Tadel auszusprechen^; er suchte
die Persönhchkeit, von der er erzählte, nicht zu analysieren; sie
galt ihm nur als eine gegebene Tatsache, nicht als ein zu ergrün-
^ Vita Benn. 8 S. 10. Norberts eigenes Werk steht nicht auf der-
selben Höhe wie das Adams.
^ Vgl. c. 8 S. 23 über Konrads Simonie.
— 949 —
dendes Problem: so, wie er sie sah, schilderte er sie; aber warum
sie so war, das beschäftigte ihn nicht. Dagegen wurde diese Frage
von dem anonymen Biographen Heinrichs IV. erfaßte Freilich
stand er dem Manne, von dem er sprach, anders gegenüber als
Adam. Der letztere hat die großen Züge im Wesen Adaiberts
bewundernd anerkannt. Aber der Unterschied zwischen dem exzen-
trischen Bischof und dem ruhigen gelassenen Zeugen seiner Taten
war zu tief, als daß er sich ganz an ihn hätte hingeben können.
Dagegen der Biograph des unglücklichen Kaisers schrieb jedes
Wort als ein Parteigänger seines Herrn: den großen und den guten
Mann erblickte er in ihm; aber um so dringender wurde nun die
Frage: Woher der Widerstand, den er fand, warum das widrige
Geschick, dem er erlag? Diese Rätsel suchte er zu lösen. So
wurde seine Biographie zur Schilderung des tragischen Geschickes
eines Helden, der den Biesenkampf mit den widrigsten Verhältnissen,
mit den mächtigsten Feinden aufnehmen muß, der in diesem Kampfe
zum Unrecht gedrängt wird und schHeßlich erliegt ^
In anderer, aber nicht minder bedeutender Weise als in den
Biographien zeigt sich der Aufschwung der Historiographie in den
Darstellungen der Reichsgeschichte.
Unter ihnen ist das erste Werk, das über das Mittelmaß her-
vorragt, die Chronik Thietmars. Der Vergleich mit Widukinds
Sachsengeschichte drängt sich von selbst auf. Dabei ist der erste
Eindruck, daß der Schritt von Widukind zu Thietmar von einer
lebhafteren, individuellen Auffassung zu einer ziemlich verblaßten
führt. Doch das ist eine leicht erkennbare Täuschung: Widukind
erscheint nur deshalb als der lebhaftere, weil er die stark getärbte
* Giesebrechts Vermutung, daß Erlung von Würzburg der Verfasser
der Biographie sei, KZ. III S. 1050 ff., scheint mir ansprechend. Vgl. was
Holder-Egger, N.A. XXVI S. 176 f. zu ihrer Begründung sagt. Dagegen hält
P. V. Winterfeld, N.A. XXVII S. 513 f. die von Gundlach angenommene Ab-
fassung durch Gottschalk, s. u. S. 973, für möglich. Der Gegensatz der
Ansichten beruht auf dem verschiedenen Verständnis der Eingangsworte:
Quis dabit aquam capiti meo et fontem lacrimarum oculis meis, ut lugeam
non excidia captae urbis, non captivitatem vilis vulgi, non damna rerum
mearum sed mortem Heinrici imperatoris augusti. Da der Verf. Jeremias
nicht zitiert, sondern in Worten des Jeremias von sich selbst spricht, so
muß man an die Verwüstung einer Stadt denken, dadurch er betroffen
wurde. Das paßt besser auf Erlung.
•^ C. 6 S. 17: Cernens rex, apostolicum ad hoc tendere, ut se regno
privaret, nee alia sui oboedientia contentum, nisi ut regno renunciaret, ex
oboedientia in rebellionem, ex humilitate in tumorem relabi coactus, hoc
apostolico facere parabat, quod apostolicus sibi faciendum intenderat.
— 950 —
Stammesauffassung, also eine sagenartige Verarbeitung der Ge-
schichte wiedergab. Dagegen war Thietmar von dieser Abhängig-
keit von einem fremden Urteil frei: er gibt überall seine eigene
Auffassung. Aus seinem AVerke würde man nicht schließen, daß
er der Sprößling einer vornehmen sächsischen Famihe war, wenn
er nicht mannigfach von sich und seinen Verwandten gesprochen
hättet Aber er tat es, ohne seine Anschauung irgend mit der
ihren zu identifizieren. BHnde Voreingenommenheit für seine Lands-
leute trübte sein Urteil so wenig, daß wir gerade durch ihn, den
Sachsen, die unvergleichliche politische Unzuverlässigkeit des säch-
sischen Stammes kennen lernen-. Freihch betrachtete Thietmar
die Ereignisse unter dem Gesichtswinkel des Mersebiu-ger Bischofs.
Aber eigentümlich genug, wurde es ihm dadurch erleichtert, unab-
hängig zu urteilen. In den Reichsgeschichten pflegte den Herrschern
gegenüber der Tadel zu verstummen: so konnte er es nicht halten.
Denn das Merseburger Bistum hatte von den Königen nicht nur
Gunst erfahren, sondern das schhmmste Unrecht, die Unterdrückmig:
dadurch wurde er gewissermaßen genötigt, an den Handlungen der
Könige Ki-itik zu üben, wie an denen anderer Menschen. Auch
in dieser Hinsicht wurde die Geschichte bei ihm individueller als
bei den Alteren.
Hält man die annalistischen Werke des zehnten und elften
Jahrhunderts aneinander, so ist der Unterschied geringer als bei
dem Vergleich von Widukind und Thietmar. Das ist nicht auf-
fällig; denn längst hatte sich eine bestimmte Manier für diese, nur
von dem Interesse für das Einzelereignis beherrschten Aufzeich-
nungen der Reichsgeschichte gebildet. Doch ist auch an ihnen das
Aufsteigen der literarischen Bewegung wohl erkennbar: zwar wird
das Gesichtsfeld kaum weiter; aber das Interesse für den geschicht-
lichen Verlauf im einzelnen nimmt zu und infolgedessen "wird die
Darstellung anschaulicher, umfassender. Das zeigen z. B. die Alt-
aicher Annalen, verglichen mit der Fortsetzung Reginos. Sie aber
sind typisch für die ganze Klasse: die Augsburger und die scharf-
sinnig wiederhergestellten Paderborner Jahrbücher^ stehen nicht
bedeutend hinter ihnen zurück; die Regensburger Reichsannalen
haben sie, wenn man nach dem erhaltenen Bruchstück urteilen
darf, übertroffen. Und damit ist das vollendetste Beispiel dieser
nur sachlich bestimmten Geschichtswerke noch nicht genannt: es
ist die Chronik Herimanns von Reichenau.
^ Vgl. die Zusammenstellung in der Einleitung zu Kurzes Ausgabe
S. 17. - Vgl. oben S. 629.
^ Scheffer-Boichorst, Die Annales Patherbrunn. 1870.
— 951 —
Kaum kennt die Geschichte des hterarischen Lebens in
Deutschland ein rührenderes Bild als das dieses Mönches-^. Von
Jugend auf an alleii Gliedern gelähmt, selbst im Sprechen gehindert
Avurde er doch, dank seinem hervorragenden Talent, einer der ge-
lehrtesten Männer seiner Zeit. Sein Schüler Berthold hat geschil-
dert, wie er zusammengekrümmt, untähig, sich auch nur auf die
andere Seite zu wenden, in einem Tragstuhl mehr lag als saß. Und
diesen Krüppel hat er einen glücklichen Mann genannt. Er dachte
dabei an die immer gleichbleibende Heiterkeit seines Wesens, er
hätte auch an die Erfolge seines Lebens denken können. Denn
Herimann war die Bewunderung der Mitlebenden; Schüler von
überall her drängten sich um seinen Stuhl: sie lauschten seinen
mühsam hervorgebrachten, schwer verständlichen Worten, staunend
über den Geist und den Verstand, der sie erfüllte, und voll Ehr-
furcht vor dem fröhlichen Dulder, der die Dinge, die ihn umgaben,
so frisch auffaßte, und der in seinem heiteren Wohlwollen allen,
die ihm nahe traten, Freude bot.
Der lahme Mönch war ein vielseitiges Talent: man bewunderte
seine mathematische Begabung und sein mechanisches Geschick",
und was nicht immer mit diesen Anlagen verbunden ist, er be-
herrschte die Sprache. Seine feinen, ernsten und zugleich heiteren
Verse ^ lassen fast vergessen, daß die Poesie im elften Jahrhundert
ein Schulgegenstand war. Doch sein Hauptverdienst liegt auf dem
Gebiet der Geschichte. Dessen war er sich wohl bewußt: als er
seinen Tod nahe fühlte, übergab er seine Chronik seinem Schüler
Berthold wie ein Erbteil, indem er ihm zur Pflicht machte, sie zu
vollenden und zu publizieren: dies Werk galt ihm als die Leistung
seines Lebens. Seine Absicht dabei war, eine Weltgeschichte von
der Geburt Christi an zu geben. Als Grundlage benützte er eine
ältere Chronik, neben ihr eine Anzahl primärer Quellen; von 1043
an arbeitete er selbständig. Diesem nur zwölf Jahre umfassenden
Teil seines Werkes verdankt er seinen Euhm: er bietet das Muster
chronikalischer Aufzeichnung, zuverlässig in den mitgeteilten Tat-
sachen, wohl überlegt in der Auswahl der Notizen und völlig
zurückhaltend im Urteil.
Aber die Zeit für die Teilnahmlosigkeit den Vorgängen gegen-
über war vorbei. In den Kämpfen Heinrichs IV. zerbrach die
^ Das Folgende nach der Charakteristik, die Berthold S. 267 von
seinem Lehrer gibt.
2 Vgl. Berthold a. a. 0. Herimann schrieb über das Astrolabium,
herausgegeben von Pez, Thesaur. III S. 94, daraus bei Migne 142 S. 381.
^ Opusc.ad amiculas suas, herausg.v.Dümmler, Z. f.d. Altert. XIIIS.385ff.
— 952 —
Übereinstimmung in den fundamentalen Anschauungen und Urteilen,
die früher geherrscht hatte. Die Welt ward in Gegensätze zerspalten.
Das spiegelt sich in der Geschichtschreibung: es beginnt die Zeit
der Parteischriftsteller. Schon Herimanns Erbe Berthold vermochte
die objektive Stimmung seines Meisters nicht festzuhalten^. Sein
Beispiel zeigt zugleich, wie schwer es für einen Kleriker war,
einen sicheren Standpunkt zu finden. Im Beginn des Streites hatte
er keinen Zweifel an dem Recht des Königs; er folgte wohl der
in den B,eichsabteien im allgemeinen vorherrschenden Tendenz:
von dieser Überzeugung aus galt ihm die Wahl des Cadalus als
berechtigt und betrachtete er Alexander II. als Eindringling^.
Aber so entschieden er anfangs urteilte, so hat er doch für die
Dauer an dieser Ansicht nicht festgehalten. Vielleicht daß die
Ernennung Meginwards zum Abt von Reichenau und Ottos zum
Bischof von Konstanz ihn bedenklich gemacht hat. Das Mißlingen
Cadalus' kam hinzu: schließUch findet man ihn auf der Gegenseite ;
seit 1070 betrachtete er Alexander als rechtmäßigen Papst. Doch
hat er, wie es scheint, bald den Griffel niedergelegt: er wirkte
fernerhin nur als Lehrer und ging nun ganz mit den Gregorianem.
Man sieht es daraus, daß Bernold, ein ausgesprochener Parteimann,
zum Jahr 1088. seinen Tod anmerkt, indem er ihn als einen vor-
züghchen Theologen rühmt : er hätte es nimmermehr getan, wenn
Berthold an der Sache des exkommunizierten Kaisers noch irgend-
welches Recht gefunden hätte. Bertholds Werk wurde für die Jahre
1075 — 1080 in einem der schwäbischen Klöster fortgesetzt. Man
merkt den neuen Verfasser sofort au der Änderung des Stiles,
mehr noch an der entschiedenen und ungerechten Parteinahme:
der Anonymus erzählt nicht nur die Ereignisse, sondern er motiviert
alle Handlungen; mit dem Scharfsinn des Argwohns vermutet er
bei jedem Schritte des Königs irgendeinen unrechten Beweggrund.
Noch bezeichnender ist, daß er den Gesichtspunkt der Reichs-
geschichte aufgegeben hat. Seine Darstellung hat nicht mehr ein
Zentrum, den König; sie ist eine Ellipse mit zwei Brennpunkten:
den Taten des Königs treten regelmäßig die des Papstes gegen-
über. Auch sie werden motiviert, aber während Heinrich als ver-
schlagener und gewalttätiger Feind des götthchen und menschlichen
Rechts betrachtet wird, ist Gregor der Reformator, der Knecht
^ Die Annalen Bertholds sind nicht erhalten; wir kennen sie haupt-
sächlich aus der auf ihnen beruhenden Kompilation von St. Blasien, die
herkömmlich als Berthold zitiert wird.
2 Vgl. die fast gewiß dem Werke Bertholds angehörige Fortsetzung
Herimanns Scr. XIII ö. 730 z. 1061.
— 953 —
Gottes, der noch hofft, wo lüchts zu hoffen ist, der ein einziges
Ziel hat: den Acker des Herrn von dem Unkraut zu reinigen, das
ihn bedeckt. In ähnhchem Sinne hat der Mönch Bernold seit
1074 für das Kloster Schaffhausen eine Weltgeschichte verfaßt,
im Anfang ältere Quellen verarbeitend, seit 1075 unabhängig be-
richtend: in stets unveränderter Parteistellung, stets gleich unge-
recht gegen den König und gleich voreingenommen für die Päpste,
folgt er den ersten fünfundzwanzig Jahren des großen Streites.
Man kann nicht sagen, daß diese Parteigeschichten anziehend
sind; aber sie sind wei-tvoll. Und wer möchte leugnen, daß auch
sie einen Fortschritt der historischen Betrachtung bezeichnen? Wie
Adam von Bremen im Norden, so kamen diese Mönche des Südens
darüber hinaus, nur die Folge der Ereignisse zu betrachten, sie
suchten nach der Verkettung von Ursache und Wirkung; sie hatten
eine Ahnung von dem Ineinandergreifen allgemeiner Ideen und per-
sönlicher Motive: deshalb sind sie Historiker, nicht mehr nur Chro-
nisten: es wurde während des Streites nicht nur mehr geschrieben
als vorher. Es wurde auch mehr über die Dinge nachgedacht.
In der Reihe dieser reflektierenden Historiker nimmt Lambert
von Hersfeld einen hervorragenden Platz ein^. Auch von seiner
Persönlichkeit wissen wir wenig; nicht einmal daß er Lambert hieß,
ist über begründete Zweifel erhaben^: sicher ist nur, daß auch er
ein Oberdeutscher war, und nicht unwahrscheinlich ist, daß man
ihn als einen Zögling der Bamberger Schule betrachten darf^.
Nach seinen eigenen Angaben hat er im Jahre 1058 in Hersfeld
das Mönchsgelübde abgelegt; noch in demselben Jahre erhielt er
von Liutpold von Mainz in Aschaffenburg die Priesterweihe. Un-
mittelbar danach begab er sich, ohne auch nur die Erlaubnis des
Abtes einzuholen, auf eine Wallfahrt nach Palästina; am 17. Sep-
tember 1059 ist er zurückgekehrt*. Schon dieser eine Schritt läßt
ihn als einen Mann von energischem Willen erkennen. Und dem
entspricht, daß er in allen Kämpfen der Gegenwart lebhaft Partei
ergriff. Zunächst für sein Kloster; dann aber auch in den all-
1 Holder-Egger, Studien zu Lambert von Hersfeld N.A. XIX S. 141,
369, 507; ders. P. RE. XI S. 223; Dieffenbacher, D. Z. f. GW. VI S. 301 ff.;
Eigenbrodt, Lampert von Hersfeld, 1896; ders. Lamp. u. die Wortauslegung,
1896; Meyer v. Knonau II S. 785 ff. u. 791 ff.
2 Gundlach, Heldenlieder II S. 191 ff., glaubt in dem Abte Hartwig
von Hersfeld den Geschicbtschreiber finden zu sollen. Ihm stimmt Kurze,
D. Z. f. GW. N.F. n S. 174 ff. zu.
•'' Vermutung von Holder-Egger in der Einleitung zu seiner Ausgabe
der Werke Lamberts. * Ann. z. 1058 f. S. 73 ff.
— 954 —
gemeinen Verhältnissen. Weil er Parteimann war, wurde er Ge-
schieh tschreiber; demgemäß galt sein Interesse zunächst der Zeit-
geschichte und erst von ihr aus kam er zur Vergangenheit-^. Aber
auch das Vergangene vermochte er sich nicht zu vergegenwärtigen,
ohne Partei zu ergreifen: man sieht es aus seiner Biographie Luis.
Aus der dürftigen und dem Stifter seines Klosters nicht immer
günstigen Überlieferung wußte er das Lichtbild eines Heiligen ohne
Schatten zu gestalten. Noch weniger war es ihm möglich, objektiv
zu urteilen, wenn er von der Gegenwart sprach. Und gleichwohl
kann man nicht sagen, daß er in der großen Prinzipienfrage, ob
Herrschaft des Kaisers oder des Papstes, bestimmt Stellung ge-
nommen hat. Er war keineswegs ein Gregorianer in demselben
Sinne wie Bernold: er nahm keinen Anstoß an der Ernennung
der Bischöfe, wenn nur die Mitwirkung von Klerus und Volk nicht
gänzlich ausgeschlossen wurde-; für Heinrichs IH. Gericht über
die Päpste und die Erhebung Clemens' IL hatte er kein Wort
des Bedenkens, vielmehr betrachtete er die königliche Zustimmung
zur Papstwahl als notwendig ^. Dagegen kann man in seiner Dar-
stellung leicht zwischen den Zeilen lesen, daß die schroffe Durch-
führung des CöHbats ihm bedenklich erschien, obgleich er die Be-
rechtigung der Forderung natürlich anerkannte*. Für Gregors VII.
große Ideen scheint ihm die EmpfängUchkeit gänzlich gemangelt
zu haben. Es ist klar, daß aus dieser unsicheren Stellung zu den
prinzipiellen Fragen sich der Schein von UnparteiHchkeit erklärt,
der die späteren Historiker so lange getäuscht hat; denn unpar-
teiisch war Lambert mit nichten. Bedingt aber war sein Urteil
zunächst dadurch, daß er Mönch war; deshalb waren ihm alle
hervorragenden Mönche sympathisch; für Friedrich von Lothringen,
für Gregor VII. war er eingenommen, schon weil sie die Kutte
trugen. Dazu kam, daß er Hersfelder war: wer seiner Meinung
nach das Recht seines Klosters verletzt hatte, dem vergab er das
niemals. Als Mönch aber fühlte er sich im Gegensatz zu der
1 Inst. Herv. eccl. praef. S. 345: Ad hoc — zur Geschichtschreibung —
me accendunt studia rerum moderno tempore gestarum, quamquam sciam
me ad has describendas minus idoneum. Der letztere Satz ist ein Aus-
spruch der üblichen Bescheidenheit, der hier a,ber das Rechte traf.
" Nur dies ist ihm bei der Ernennung Konrads von Trier anstößig,
z. 1066 S. 102.
^ Sedem apostolicam, inconsulto rege et principibus, invasit, Bene-
dietus, z. 1058 S. 73. Man vergegenwärtige sich, daß dieser Satz nicht
gleichzeitig, sondern erst in den siebziger Jahren geschrieben ist.
•^ Z. 1074 S. 198 f.
— 955 —
Welt und den "Weltlichen: er war überzeugt, daß seine Standes-
genossen nicht genügend in Achtung stünden ^, und deshalb geneigt,
Menschen und Verhältnisse ungünstig zu beurteilen; er glaubte
sich berechtigt und verpflichtet, überall den strengsten moralischen
Maßstab anzulegen.
Hieraus erklärt sich seine Parteinahme gegen den König.
Prinzipiell war er von dem royalistischen Standpunkt nicht allzuweit
entfernt, aber er war überzeugt, daß Heinrich diu-ch die Ent-
scheidung über die thüringischen Zehnten sein Kloster geschädigt
habe-, und was er von seinem Leben hörte, gereichte ihm zum
größten Anstoß. So wandte er seine Sympathien den sächsisch-
thüringischen Empörern zu. Sie schienen ihm Recht und Moral
dem König gegenüber zu vertreten. Bedenklich war diese Be-
schränktheit der Auffassung, da sie bei Lambert verbunden war
mit großem schriftstellerischen Talent. Mehr als irgendein anderer
Zeitgenosse verwandte er Mühe darauf, die Gründe der Ereignisse
darzulegen. Aber sein Verfahren war durchaus pragmatisch :
er suchte die Motive der handelnden Personen nicht zu erkunden,
sondern er folgerte aus seinem vorgefaßten Urteil über sie, warum
sie so oder so gehandelt haben. Er folgte nicht dem wirklichen
Zusammenhang der Ereignisse, sondern er ersetzte ihn durch eigene
Kombinationen. Deshalb ist seine Darstellung von Anfang bis zu
Ende subjektiv gefärbt. Sie ist das gerade Gegenteil der älteren
Annalistik: hier ist der Schriftsteller der Herrscher über den Stoff;
aber er beweist seine Herrschaft, indem er das geschichtliche Bild
vergewaltigt.
Noch mögen die beiden Historiker genannt werden, die am
Ausgang der fränkischen Epoche schrieben, Frutolf und Sigibert.
Der erstere war Prior im Kloster Michelsberg bei Bamberg; die
Zeitgenossen kannten ihn als Verfasser einer Weltchronik; aber
erst die neueste Forschung hat ihm sein Recht auf den Hauptteil
des mit dem Namen Ekkehards von Aura bezeichneten Geschichts-
werks zurückgegeben^. Wenn man seine Chronik als Ganzes be-
1 Z. 1071 S. 128, 132. 2 Z. 1073 S. 141 fF.
" Breßlau, Bamberger Studien N.A. XXI S. 197 ff. Er hat bewies
daß die Rezension A der Micbelsberger Chronik, d. h. der bis 1099 bezw.
1101 reichende Teil, Frutolf angehört. Der Wechsel des Standpunkts in
der Chronik ist also nicht Folge einer Gesinnungsänderung des Verfassers,
sondern die Rezension B, die die Chronik bis 1106 fortsetzt, und in der
Frutolfs Werk tendentiös überarbeitet wird, ist das Werk eines anderen
Mannes. Frutolf war am 17. Jan. 1103 gestorben. Wer seine Arbeit nach
seinem Tode fortführte, wissen wir nicht; sicher ist nur, daß er es nicht
— 956 —
trachtet, so ist die Stelle, die ihr in der Entwickelung der mittel-
alterlichen Geschichtschreibung zukommt, leicht erkennbar. In
ihrem, alle älteren Werke übertreffenden Stoffreichtum zeigt sie
das wächsende Interesse für die Einzelheiten der Geschichte. Man
braucht sich nur an die kaum ein halbes Jahrhundert ältere Chronik
Herimanns zu erinnern, um das wahrzunehmen. Sodann ist be-
merkenswert, daß jene Ansätze zur Quellenkritik, die wir bei
Othloh beobachteten, auch bei Frutolf sich finden: entging es ihm
doch nicht, daß die Nachrichten über die ältesten römischen Bischöfe
unvereinbar sind; er legte die Widersprüche offen dar und suchte
sie durch eine dem elften Jahrhundert naheliegende Hypothese zu
lösend Dabei aber blieb er sich dessen bewußt, daß durch eine
Hypothese die weitere Forschung nicht abgeschnitten wird: er
wollte durch seine Darlegungen die Kundigen zu eingehenden
Untersuchungen veranlassen''*. Erwähnt man endlich, daß bei ihm
die Disharmonie zwischen den dürftigen Notizen über die Ver-
gangenheit und dem eingehenden Bericht .über die Gegenwart, an
der die früheren Werke leiden, zwar nicht ganz vermieden, jedoch
vermindert ist, so ist klar, daß er auch in formeller Hinsicht seine
Vorgänger übertrifft : seine Chronik ist das umfassendste und abge-
rundetste Geschichtswerk, das das elfte Jahrhundert hervorgebracht
hat. Daß ihre Bedeutung als Geschichtsquelle nur auf dem Teile
beruht, in dem er als Zeitgenosse berichtet, braucht man nicht
zu sagen. Das große Werk wurde nach Frutolfs Tode von
einem Michelsberger Mönch bis zum Jahre 1106 fortgesetzt. Um
dieselbe Zeit unternahm der Otto von Bamberg nahestehende Abt
Ekkehard von Aura gleichfalls eine Überarbeitung und Fortsetzung
der Chronik, die er Heinrich V. und dem Abt Erkenbert von
Corvey widmete. Endlich wurde nach Heinrichs Kaiserkrönung
auf dessen Wunsch aus der Weltchronik eine Kaiserchronik in
in Frutolfs Sinne tat; denn sein Standpunkt war dem Frutolfs gerade ent-
gegengesetzt. Daß Ekkehard von Aura mit zwei anderen Rezensionen und
Fortsetzungen D und E zu tun hatte, ist sicher. Das beweisen die Vor-
reden S. 10 u. S. 231. Doch halte ich es nicht für wahrscheinlich, daß ihm
die Fortsetzung bis 1125 angehört; die Änderung des Urteils über Hein-
rich V. spricht dagegen. Ausgeschlossen scheint mir, daß die Rezension C,
die Kaiserchronik, ihm gehört. Hier spricht ein anderer Mann.
^ Z. 46 S. 99. Er meinte, Linus und Cletus seien Chorbischöfe des
Petrus gewesen.
^ Ib.: Ut prudentiores ad hanc — die Wahrheit — subtilius investi-
gandam provocentur.
— 957 —
drei Büchern gestaltet und bis 1114 fortgeführte Der Überarbeiter
hat seinen Namen nicht genannt; wir wissen nicht, wo man ihn
zu suchen ha,t. Diese Fortsetzungen gewinnen dadurch besonderen
"Wert, daß in ihnen der Wandel der Gesinnungen sich abspiegelt,
der im Verlaufe des großen Kampfes eintrat. Frutolf lebte in
überwiegend kaiserhch gesinnter Umgebung und er selbst teilte
ihre Anschauungen: er vertrat den kaiserlich wibertistischen Stand-
punkt. Den Tod des Gegenpapstes führt er mit den Worten an:
Papst Wigpert, der auch Clemens heißt, ist gestorben. Sein Fort-
setzei: dagegen bekannte sich zu den Ansichten der Gregorianer.
Er 'erwähnt 'dasselbe Ereignis mit dem Satze: Wigbert, der Erz-
bischof von Ravenna, den man an die Stelle Hildebrand- Gregors
erhoben und Papst Clemens genannt hat, ist gestorben, und er
unterläßt nicht anzumerken, daß er Wibert selbst den Wunsch
habe äußern hören: Hätte ich doch nie den apostolischen Namen
angenommen^. Genau in derselben Weise schlägt das Urteil über
den Kaiser um. Auch Ekkehard schrieb als Gegner des alten
Kaisers; er war weit heftiger als der anonyme Mönch; dagegen
liebte er in dem Sohne den Wiederhersteller des Friedens. Ruhiger
ist die Haltung der Kaiserchronik. Während Ekkehard bei der
Erwähnung des Todes des Kaisers ihn als den archipyrata et
haeresiarcha, apostata persecutorque schmäht, schildert die von
Heinrich V. veranlaßte Chronik fast liebevoll, wie der Kaiser, nach-
dem er sein Haus bestellt und die letzte Ölung empfangen hatte,
verschied, als wenn er entschlummert wäre. An die Stelle der
Schmähworte Ekkehards tritt hier der Satz, daß es nach vieler
Urteil in der Gegenwart niemand gegeben habe, der des Kaiser-
tums würdiger war als der vierte Heinrich^.
Sigiberts. Chronik ist von geringerem Umfang als die Frutolfs
und bietet demgemäß weit weniger für die Zeitgeschichte. Aber
noch entschiedener tritt die wissenschafthche Tendenz hervor: der
ganze chronologische Aufbau ist in der Erkenntnis der Unvoll-
konunenheit der bisherigen Leistungen unternommen. Und weit
größer ist die wissenschaftliche Unbefangenheit: der gut kaiserlich
gesinnte Schriftsteiler sucht beiden Teilen gerecht zu werden. Doch
darf man den hochangesehenen Lehrer der Schule von Gembloux
nicht nur nach seiner Chronik beurteilen. Noch wichtiger vielleicht
ist, daß er es unternahm, in seinem Schriftstellerkatalog seiner Zeit
das zu leisten, was Hieronymus und Gennadius für die alte Kirche
1 Prolog der Kaiserchronik S. 8, Prolog Ekkehards an Erkenbert S. 10,
an Heinrich V. S. 231. "' Z. J. 1100 S. 218 u. 219.
3 Z. J. 1105 S. 239 u. 238 rechte Spalte.
— 958 —
geleistet hatten. Gewiß ist sein Werk genau ebenso unvollkommen,
wie seine Vorbilder: statt eine Geschichte der mittelalterlichen
Literatur bietet es lose, nicht einmal chronologisch geordnete
Notizen über zahlreiche kirchliche Schriftsteller und . ihre Werke.
Und doch gibt es kein Buch, das den Aufschwung, den die schrift-
stellerische Tätigkeit in der deutschen Kirche genommen hatte, so
prägnant bezeichnete als dieses: man war so weit, daß man es
wagte, neben die großen Namen der Vergangenheit die der Zeit-
genossen zu stellen; der Ruhm, ein kirchlicher Schriftsteller zu sein,
schien jedem anderen Ruhm mindestens gleich-^.
In dieser Weise entwickelte sich die klösterliche Geschicht-
schreibung. Sie gewann an wissenschaftlicher Haltung: die Auf-
gaben, die der Geschichtschreiber zu lösen hat, fingen an, erkannt
zu werden. Zugleich aber wurde die Geschichte in höherem Maße
als vorher ein Spiegel des Zeitalters, dem sie entstammte, und der
geistigen Bewegung, von der es erfüllt war. Sie wurde lebendig,
indem der Odem politischer Leidenschaft, Liebe und mehr noch
Haß, ihre Darstellung erregte, indem das Parteiinteresse die matten
Töne, mit denen die historische Kunst sich bisher begnügt hatte,
durch tiefere und leuchtendere Farben ersetzte. Eine Folge davon
war, daß auch von den historischen Werken ein Einfluß auf die
Zeitgenossen ausgeübt werden konnte: die Geschichtschreiber des
kirchlichen Streites arbeiteten in dieser Absicht: sie wollten nicht
mehr nur die Kunde von den Ereignissen den Späteren über-
mitteln, sondern sie versuchten die Anschauungen der Gegenwart
zu bestimmen.
Die letztere Absicht herrschte ausschließlich in der Streit-
schriffcenliteratur. Wir haben die einzelnen Werke, soweit sie auf
die Entwickelung der Verhältnisse einen Einfluß übten oder sie
charakterisieren, im Verlaufe der Darstellung kennen gelernt. Hier
haben wir nur nach der Bedeutung dieser Literaturgattung für das
geistige Leben zu firagen.
Dabei drängt sich eine Bemerkung sofort auf. Seit dem neun-
ten Jahrhundert hatte die Literatur aufgehört, ein Moment des
öffentlichen Lebens zu sein. Im Verlaufe des kirchlichen Streites
und durch ihn wurde sie es wieder; sie ist es seitdem geblieben.
Es gibt keine Größe in der Welt, deren Macht so ununterbrochen
gestiegen wäre, wie die ihre. Das beruht auf ihrem unmittelbaren
Zusammenhang mit der öffentlichen Meinung. Mit Recht ist be-
^ Vgl. c. 40 S. 558 über Justinian: Videtur illustrior fuisse aliis im-
peratoribus, per hoc quod etiam inter ecelesiasticos scriptores locum
acquisivit.
— 959 —
merkt worden, daß diese aus Imponderabilien resultierende Kraft
im elften Jahrhundert vorhanden war und sich wirksam bewiest
Man kann die Spuren ihrer Existenz schon in der Zeit Heinrichs IIL
und Leos IX. bemerken. Denn was beweisen die Reden des
Kaisers an das Volk, die Publizität, die der Papst allen seinen
Handlungen verlieh, anders, als daß beide Männer die Macht,
welche die allgemeine Überzeugung über den Einzelnen hat, kannten
und im Dienst ihrer Zwecke zu benützen strebten? Weit ge-
waltiger beweist sie sich in den Jahrzehnten des kirchlichen Streits.
Nicht Gregor allein hat die Massen zum Handehi aufgerufen,
sondern die Führer beider Parteien haben an das Urteil der All-
gemeinheit appelliert, indem sie ihren Streit in öffentlichen Schrifte)!
führten und die Welt zur Parteinahme aufriefen: hier ist kein unter-
schied zwischen Gregor VII. und Wibert, zwischen Heinrich IV.
und Heinrich V. Sie alle erkannten tatsächhch die Bedeutung der
öffentlichen Meinung an.
In diesen Verhältnissen lag für die kämpfenden Parteien die
Aufforderung, fast könnte man sagen, die Nötigung zu dem Versuch,
Einfluß auf die öffentliche Meinung, womöglich die Herrschaft über
sie zu gewinnen. Diesem Zweck diente die Streitschriftenliteratur:
Prälaten, wie der Kardinal Humbert und der Erzbischof Gebhard
von Salzbm'g, Gelehrte wie Sigibert von Gembloux und Bernold,
Mönche und Kleriker; wie der Hersfelder Anonymus und Manegold
haben sich gleich eifrig an ihr beteihgt: selbst der Name eines
Laien findet sich in der Reihe dieser Pubhzisten^. Schrieben sie
selbstverständlich zumeist in Prosa, so fehlen doch einzelne Bei-
spiele dafür nicht, daß auch die Kunst der Metrik in den Dienst der
Parteiinteressen genommen wurdet
Alle diese Schriften erstrebten eine Wirksamkeit in die Breite:
sie sollten nicht nur von den wenigen beachtet werden, welche die
lateinische Bildung beherrschten, sondern von allen. Das war die
offen ausgesprochene Absicht der Schriftsteller: gegenseitig warfen
sie sich den Vorwurf zu, den rechten Glauben der Ungebildeten
> Mirbt, Publiz. S. 121 ff.
'■' Graff Ludwig von Thüringen. Freilich hat er den Brief an Waltram
von Naumburg, der seinen Namen trägt, nicht selbst verfaßt; er ist von
Herrand von Halberstadt, L. d. 1. 11 3. 285tff.
3 Gedicht über die Einnahme Roms, L. d. 1. I S. 433, Altercatio inter
Urbanum et dementem, L. d. 1. II S. 170 ff., Querela in gratiam nothorum,
Bouq. XI S. 444 ff., Rhythmus de captiv. Paschalis p., L. d. 1. II S. 673 ff.,
und das Lorscher Spottgedicht, s. o. S. 872 Anm. 1. Deutschen Ursprungs
ist nur d'AS letztere.
— 960 —
und Uliteraten zu stören; jeder wollte zu dem Zwecke schreiben,
um aufklärend und belehrend gerade ihnen zu dienen ^. Man muß
fragen: wie war das möglich bei Schriften, die nicht in der Volks-
sprache geschrieben waren, die nur in verhältnismäßig wenigen
Exemplaren hergestellt werden konnten? Die Antwort liegt in der
großen Zahl der Kleriker und Mönche und in dem regen geistigen
Austausch: dieselbe Handschrift lief von Hand zu Hand, Männer
aber, die sie verstanden, die als Dolmetscher dienen, wenigstens
den Inhalt mitteilen konnten, fand man überall: nicht nur in
kirchlichen Amtern und Diensten, sondern in allerlei weltlichen
Beschäftigungen. In jedem reichen Haus gab es Kleriker, die als
Verwalter, als Schreiber, nicht selten auch als Arzte sich nützlich
machten; die einen leisteten ihre Arbeiten gegen Bezahlung, die ,
anderen wurden durch die Hoffnung auf die Erlangung irgend-
eines kirchlichen Benifiziums festgehalten^. Sie vornehmlich waren
die Vermittler zwischen den lateinisch schreibenden Literaten und
dem deutsch redenden Volke.
So ist die Literatur wieder zu einer Macht im öffentlichen
Leben geworden: wie groß ihr Einfluß war, haben wir beobachtet.
Wenn Humberts Schrift wider die Simonisten im Beginn des
Streites geradezu verhängnisvoll wirkte, so war es umgekehrt ein
Glück, daß im Verlaufe nicht nur die Parteimänner zu Worte
kamen, sondern auch solche, die für einen bilHgen Ausgleich der
Gegensätze eintraten. Durch ihre Erörterungen erhielt die öffent-
liche Meinung, welche die Beilegung des Streites forderte, solches
Gewicht, daß sie den Frieden gewissermaßen erzwang. Die
Literatur aber war es, durch die sie zu einer unabhängigen Macht
wurde.
Die Bedeutung der Streitschriften für das geistige Leben ist
damit jedoch noch nicht erschöpft. Nur zum geringsten Teil waren
sie bedeutende Leistungen; besonders läßt sich nicht leugnen, daß
die deutschen Werke im allgemeinen hinter den fremden zurück-
stehen. Weit weniger als die Romanen haben die deutschen
Schriftsteller Ideen gegeben; .sie haben sie nur verarbeitet. Und
dennoch diente auch ihre Tätigkeit der beginnenden Befreiung des
Geistes von der unbedingten Herrschaft des Überlieferten.
Der Satz kann seltsam erscheinen; denn auf allen leiten be-
rief man sich in diesem "Streit auf die historische Autorität. Wenn
1 Vgl. De un. eccl. I, 8 S. 18 und Gebeh. ep. 7 S. 266. Der Schotte
David, der auf Befehl Heinrichs V. eine Geschichte von dessen Romzug
schrieb, hat dabei auch an Laien als Leser gedacht, Ekkeh. z. 1110 S. 243.
2 Vgl. Humb. adv. Sim. III, 20 S. 224.
— 961 —
Gebhard von Salzburg sagte^, daß er viele und leuchtende Zeugen
für seine Lehre habe: die Apostel und ihre Nachfolger, die Päpste,
überdies die reiche Menge der katholischen Väter, so war das ein
Wort, das jedermann wiederholen konnte. Denn alle Schriftsteller,
die Wibertisten nicht minder wie die Gregorianer, bewiesen ihre
Säti; auf dieselbe Weise, und ihnen allen galt dasselbe als Autorität:
die Bibel und die ältere kirchhche Literatur, die päpstlichen Er-
lasse und die Beschlüsse der Konzilien. Sie alle waren überzeugt,
daß allein das Überheferte und daß alles Überlieferte berechtigt sei.
Aber der prinzipiell festgehaltene Satz ließ sich den Tatsachen
gegenüber nicht durchlühren. Die Einsicht war alt, daß die kirch-
lichen Rechtssätze sich vielfach widersprechen'^; durch die inten-
sivere Beschäftigung mit dem Altertum wurde sie verstärkt. Frei-
lich konnte man Widersprüche durch dialektische Künste beseitigen,
aber bei allen war das nicht möglich. Wider seinen Willen wurde
das Zeitalter zur Kritik der Überlieferung gedrängt; man wagte es
in einzelnen Fällen, ihre Sicherheit anzufechten^, in anderen, Ur-
kunden, die die großen Namen des Altertums vor sich hertrugen^
zu verwerfen*. Von dem Satze: Alles Überlieferte ist geheiligt,
kam man unvermerkt zu der Frage: Was ist die echte Überheferung?
Ich möchte die Bedeutung dessen nicht überschätzen: man war
noch sehr weit davon entfernt, an dem Recht des Autoritätsprinzipes
irre zu werden; man fragte nur nach der sicheren Autorität und
man stellte diese Frage nicht prinzipiell, sondern nur für den ein-
zelnen Fall. Aber lag nicht auch hierin schon ein Schritt, der
aus der bisherigen Unmündigkeit herausführte?
Wie die Entstehung der Publizistik, so ist die Fortbildung
der kirchenrechtlichen Literatur eine Wirkung des kirchhchen
Streites. Wir haben der Sammlung Burchärds von Worms früher
gedacht; sie repräsentiert das Reichskirchenrecht in seinem zwie-
spältigen Inhalt. Während des Streits begann mit den Werken
Anselms und Deusdedits die Kodifizierung des päpsthchen Rechts^
1 Ep. 7 S. 266.
2 S. oben S. 498 über Abbo von Fleury. Wido de schism. Hildebr. 11
S. 552.
3 Bernold über die Erzählung der Hist. tripart. von Paphnutius, de
incont. sacerd., L. d. 1. II S. 7. Man kann freilich nicht sagen, daß es sich
hier um histor. Kritik handelt.
* Humbert erkannte nur 50 apostol. Kanones an, adv. Sim. I, 8
S. 112; ebenso andere, Bern., de exe. vit. 17 S. 119; es kam auch vor, daß
sie überhaupt verworfen wurden, ib. 27 S. 124.
» S. oben S. 854.
Hauck, Kirchengeschichte. III. "* .
— 962 —
Auch sie begnügten sicli, zu sammeln; den Schritt über sie hinaus
bezeichnet Alger von Lüttich: an die Stelle der Sammlung tritt
bei ihm, man kann kaum sagen: die Untersuchung, aber wenigstens
die Verarbeitung des Stoffes^.
Und wie entwickelte sich nun in dieser Zeit, in der überall
bewußt oder unbewußt Neues sich regte, die Theologie?
Im Laufe des zehnten Jahrhunderts waren die ersten schwachen
Spuren davon hervorgetreten, daß die Theologie sich anschickte,
die bloß reproduzierende Methode zu verlassen. Noch vor der
Mitte des elften wurde der Bruch mit ihr in Frankreich vollzogen.
Nicht ohne Leidenschaftlichkeit setzte sich Berengar von Tours
der absoluten Herrschaft der Autorität entgegen: er wollte rationelle
Erkenntnis des kirchlichen Glaubens. Daß es ein Unrecht sei, die
Wahrheit mit Hilfe der Dialektik zu erkunden, gab er nicht zu;
im Gegenteil, das sei Pflicht: denn wer sich auf die Dialektik
stütze, stütze sich auf die Vernunft. Und bestehe nicht in ihrem
Besitze das götthche Ebenbild? Wie könne der Mensch, der auf
seine höchste Ehre verzichtet, von Tag zu Tag erneuert werden
zum Bilde Gottes? Besser sei es, mit der Vernunft zugrunde zu
gehen, als den Autoritäten zu weichen ^ Daß Berengar die Lehre
Badberts über das h. Abendmahl verwarf, und daß er es tat, weil
sie irrationell sei, gab gewaltigen Anstoß: es stürzte den rücksichts-
losen Dialektiker in die Kämpfe, in denen er zugrunde ging.
Denn bereits galt die Wandelmigslehre als kirchHches Dogma:
überall in Frankreich konnte man die Rede vernehmen, Berengar
sei von der Einheit des katholischen Glaubens abgefallen, er lehre
^ De miseric. et iustitia bei Martene et Durand, Thes. nov. V S. 1021 ff
Über seine Absicht sagt Alger in der Vorrede S. 1023: Quia praecepta
canonica variis personis, euntibus temporibus, vario ordine, varia discretione
contemperanda sunt, ut aliter haereticus aliter peccator, aliter subditus
aliter praelatus, sed et aliter et aliter arguendus sit quicynque varia infcen-
tione vel operatione vel conditione discretus, ad haec quantum dedit Deus
discernendum elaboravi, ut in canonibus adeo intentionis, utilitatis, veritatis
eluceret unitas, ut nuUam contrarietatis discordiam pararet aliqua eorum
diversitas. Für die Methode Algers bezeichnend ist z. B, 1, 83 S. 1058 f.,
wo die Verschiedenheit der Aussagen über die Exkommunikation behandelt
wird: Ex qua praeceptorum varietate sanctis, quorum unus est spiritus,
non dissensionis sed pacis, non est ulla contrarietas imputando, sed cum
omnes viae Domini sunt misericordia et veritas, maxima discretio est atten-
denda . ., ut sc. non dissone, sed concinne et concorditer utrumque esse
exequendum suo ordine, sua discretione demonstremuö.
* De Sacra coena ed. Vischer S. 100 ff.
— 963 —
anders wie die Kirche ^ Den Streit führten zunächst romanische
Theologen. Doch war Deutschland mehr als ein stummer Zu-
schauer. Man lauschte mit lebhaftem Interesse den Nachrichten
aus dem Nachbarlande und man nahm in dem Streit sehr ent-
schieden Stellung.
Die erste Äußerung kam von einem Landsmann und Studien-
freunde Berengars, dem Kanonikus Adelmann, der als Lehrer an
der Domschule zu Lüttich, dann in Speier tätig war. Er hatte als
Schüler Fulberts mit Berengar Freundschaft geschlossen. Deshalb
beunruhigten ihn die Gerüchte, die über jenen umliefen. Je weiter
er davon entfernt war, in die rasche Verurteilung des jüngeren
Freundes einzustimmen, um so mehr war er um ihn besorgt. Denn
das stand ihm fest, daß, wenn die Nachrichten über seine Lelire
begründet seien, er gegen den katholischen Glauben verstoße. In
einem freundlichen Schreiben suchte er ihn zu warnen, zurück-
zuhalten. Bemerkenswert ist sein prinzipieller Standpunkt. Es
fehlte ihm jedes Verständnis für die Gedankengänge Berengars;
denn seiner Überzeugung nach gab es innerhalb des Christentums
kein Problem, kein Recht der Untersuchung: Gott haßt diejenigen,
die zu weit gehen in der Forschung^. Das christliche Gemein-
wesen ist von den Vorfahren so trefflich geordnet, daß kein neuer
Häretiker mehr erstehen kann, ohne sofort überwunden zu werden.
Als Häresis aber galt ihm alles, was gegen die herrschende An-
schauung verstieß. Der Trugschluß: Was jetzt gelehrt wird, ist
wahr; also ist es stets gelehrt worden, ist das Fundament seiner
Gesamtanschauung: er berief sich auf Augustin, Hieronymus und
Ambrosius, ohne zu ahnen, wie verschieden sie gerade über das
Abendmahl dachten. Für ihn stand alles fest: wie die Betonung
der kirchlichen Lektionen, so die Grammatik, sO das Dogma'. Er
war der konsequenteste Vertreter der StabiHtät.
Etwas später lehrte in Mainz der Scholastikus Gozechin*.
1 Vgl. Adelmanns gleich zu erwähnenden Brief an Berengar, heraus-
gegeben von Schmid, Braunschweig 1770; ein größeres Bruchstück bei
Migne 143 S. 1289 ff. Der Brief ist wahrscheinlich i. J. 1049 geschrieben;
jedenfalls vor der römischen Synode. Von Adelmann hat Mabillon, Vet.
Anal. 2. Aufl. S. 382 Rythmi alph. de viris illustrib. herausgegeben. Er er-
wähnt in der Zuschrift seinen früheren Aufenthalt in Lüttich, am Schluß
der Verse seinen jetzigen in Speier. Nach Sigibert de scr. eccl. 153 S. 582
wurde er B. von Brescia.
- S. 23: Odit dominus nimios scrutatorea.
3 S. 31 f.: Berengar verachtet Donat, er accentuieit die kirchlichen
Lektionen eigentümlich; jenes ist audacia pervicax, dieses insolentia.
* Über ihn Holder-Egger im N.A. XIII S. 11 ff. Gozechin ist identisch
61*
— 964 —
Auch er war ein Lobredner des Alten, unzufrieden besonders mit
allen Neuerungen im Studien wesen; er urteilte, daß sie nur ge-
eignet seien, Zucht und Sitte zu zerstören. Polternd machte er
in einem Brief an seinen Schüler Walcher seiner Indignation über
Berengars verderbliche Neuerungen Luft: die vermessene Weise,
wie Berengar argumentierte, schien ihm unendlich weit abzuliegen
von der ehrfurchtsvollen Zurückhaltung, mit der die Alten die die
menschhche Vernunft übersteigenden Geheimnisse berührten. Er
konnte von der jungen Wissenschaft nur die verderblichste Frucht
erwartend Das sind zwei Äußerungen, aber die Stimmung, in
der Adelraann und Gozechin urteilten, war weit verbreitet. Der
letztere versichert, daß Huzmann von Speier, Meginhard von Bam-
berg und andere hervorragende Männer im Kummer über die
Wendung, welche die Wissenschaft genommen habe, der Theologie
Valet gesagt hätten^.
Lu Jahre 1088 Heß sich sodann Bernold vernehmend Er
verleugnete auch der dogmatischen Frage gegenüber den Historiker
nicht. Denn er war ledigHch darauf bedacht, die gegen Berengar
ergangenen kirchlichen Urteile zusammenzustellen. Damit aber
genügte er zugleich seinem dogmatischen Standpunkt. Denn ebenso
fest wie Adelmann war er davon überzeugt, daß die von Berengar
behandelte Frage einer Untersuchung überhaupt nicht bedürfe;
nach der Meinung der Väter genüge ja die Entscheidung einer
einzigen allgemeinen Synode gegen jede Häresie. Freilich war er
unterrichtet genug, um sich nicht zu verhehlen, daß Berengar einen
disputabeln Punkt berührt hatte; aber er beruhigte sich dabei,
daß der kathohsche Christ nicht alles, was er glaube, mit der
Vernunft erfassen müsse; denn wo bliebe sonst das Verdienst des
Glaubens ?
Schließlich trat auch der Abt Wolfhelm von Brauweiler in
die Reihe der Bestreiter Berengars ein. Man erwartet nicht, ihn
hier zu finden; denn er galt bei den entschiedenen Vertretern des
Alten als ein Freund der Philosophie. Aber in einem Brief an
den Abt Meginhard von Gladbach spricht er sich nicht minder
schroff als Gozechin aus: seiner Ansicht nach ist die ganze Frage
mit Goswin, dem Verfasser der passio s. Albani. Die Abfassungszeit der
epistola ad Walch. ergibt sich daraus, daß der Tod Heinrichs III. (1056)
und Liutpolds von Mainz (1059) c. 34 S. 903 erwähnt ist.
1 Vgl. c. 29 ff. S. 900 f.
^ Er nennt c. 33 S. 902 außer diesen Deutschen Drogo von Paris und
Herimann von Rheims.
' Migne 148 S. 1453, de Beringerii damnatione multiplici.
— 965 —
entschieden schon durch die Einsetzungsworte: denn da aer All-
mächtige sagt: Das ist mein Leib, so ist es schlechthin notwendig,
daß es so ist^
Für die Geschichte des Dogmas haben die Äußerungen der
Deutschen gegen Berengar im Vergleich mit den Werken Lan-
francs und Guitmunds kaum Bedeutung. Für unsere Betrachtung
sind sie von Wert; denn sie zeigen, daß die deutschen Theologen
des elften Jahrhunderts weit mehr geneigt waren, auf dem traditio-
nalistischen Standpunkt zu verharren, als der dialektischen Unter-
suchung der Kirchenlehre sich zuzuwenden.
Es ist kaum zu verwundern, daß sie auch an der alten Vor-
stellung der Übereinstimmung ihrer Autoritäten festhielten: kaum
einen Zwiespalt zwischen den Lehren der alten Philosophen und
den Dogmen der Kirche meinte z. B. Wolfhelm von Brauweiler
zugestehen zu müssen. Aber das war eine Anschauung, die das
verschärfte kirchliche Bewußtsein nicht mehr ertrug. Als Wolfhelm
bei einem Aufenthalte im Stift Lautenbach im Elsaß seine Meinung
kundgab, rief er den heftigsten Widerspruch des jungen Manegold
hervor: dieser behauptete, man finde eine Menge Sätze bei den
Philosophen, die dem Glauben und dem Heil der Menschen zu-
wider seien. Der im Gespräch im Klostergarten zu Lautenbach
begonnene Disput fand seine Fortsetzung in einer heftigen Streit-
schrift Manegolds gegen Wolfhelm ^. Hier sprach er ohne Rück-
halt: das weltliche Studium sei überflüssig, ja gefährlich; weder die
Philosophen führten ihre Schüler zu Gott, noch die Dichter, diese
Spaßmacher beim Hochzeitsfest des Götzendienstes'^. Nicht zum
Studium weltlicher Weisheit habe Gott die Liebhaber des ewigen
Lebens berufen, sondern zur Erwartung der Verheißung des Vaters :
sie sollten nichts wissen als den gekreuzigten Jesus*.
So weit die Ansichten Wolfhelms und Manegolds auseinander
gingen, die Konsequenz beider wäre das Festhalten an der bloß
^ Der Brief ist in die V.Wolf heims aufgenommen, Migne 154 S. 412 ff.
2 Muratori Opere XI, 1 S. 102 ff., auch Migne 155 S. 149 ff.
^ C. 9: loculatores ad nuptias idololatriae concurrentes. /
* C. 20 S. 127, 15 S. 121. Auch der S. 966 erwähnte Dietrich von
Ämorbach bemerkt: Non enim monachis vel niinistris s. altaris ullo modo
canonica auctoritate permittitur gentilium libros vel discere vel docere, zu
1. Ptr. 1, 13 Bl. 48. Ebenso schroff wie Manegold äuBert sich ein Kapellan
Heinrichs IV., der Mönch Gottschalk von Limburg; er sagt: De duobus
unum elige tibi, quod placet, aut cum dialectico argumentum rerum appa-
rentium, quod rationis est, aut cum catholico argumentum rerum non appa-
rentium, quod fidei est, op. 1, 12 S. 74.
— 966 —
reproduzierenden Methode in der Theologie gewesen. Allein sie
ließ sich in dieser Zeit nicht mehr behaupten ; auch in Deutschland
begann die Abkehr von ihr.
Das zeigt sich sehr bestimmt in der Exegese: die Schrift-
ausleger der karolingischen Zeit Alkuin, Rhaban, Walahfrid hatten
Exzerpte zusammengetragen. Genau nach ihrem Vorbilde legte
kurz vor der Mitte des elften Jahrhunderts Brun von Würzburg
den Psalter und neun biblische Hymnen aus\ Aber man hatte
doch nachgerade genug von den Alten gelernt, um nicht mehr ge-
nötigt zu sein, ihre Sätze und Worte zu wiederholen: man konnte
versuchen, ihre Gedanken zu einer halbwegs selbständigen Schrift-
auslegung zu gestalten.
In diesem Sinne selbständig wird man sich Aribos Auslegung,
der Stufenpsalmen denken dürfen^, und erklärte sein Zeitgenosse
Dietrich, der wahrscheinlich Mönch in Amorbach war, die katho-
lischen Briefe^. Als der Abt Richard von Fulda die Aufforderung
zu dieser Arbeit an ihn richtete, erschrak er fast; denn es dünkte
ihn, es liege in ihr eine Geringschätzung der Alten. Aber Folge
geleistet hat er ihr dann doch. Seine Auslegung blieb insofern
innerhalb des gewohnten Kreises stehen, als sie durchaus praktisch
gerichtet war: so wie sie war, sollte sie zur Erbauung der Brüder
in den Klöstern vorgelesen werden können. Aber gerade darin
liegt ihr Wert: denn Dietrich liebte direkte Beziehungen auf die
gegenwärtigen Verhältnisse. Man erkennt einen Mann, welcher
der kirchlichen Beform geneigt, doch nicht zum Parteigänger der
Lothringer wurde; das Höchste, was er kannte, war neben der
heiligen Schrift die Eegel Benedikts.
Etwas später lebte in Paderborn der Kanonikus Dietrich, ein
Schüler Lanfrancs. Von ihm bewogen hat Lanfranc gegen Be-
rengar geschrieben*. Auch er selbst aber war imstande, einen
theologischen Traktat zu verfassen. Wir besitzen 6ine Auslegung
des Vaterunsers, die er dem Gedächtnis des Bischofs Immad wid-
1 Migne 142 S. 49 ff. Über die Authentie s. S. 576 Anrn. 5. Die be-
nutzten Schriften sind die gewöhnlichen, s. Denzinger in d. Prolegora. S. 25.
2 Sigib. de scr. eccl. 140 S. 578. Ekkeh. S. 193.
3 Über ihn Dümmler in den Abh. der Berl. A. 1894. Im Anhang zu
der l.Aufl. dieses Buchs habe ich von dem noch ungedruckten Kommentar,
auf den zuerst Scheps, N.A. XIX S. 221, aufmerksam gemacht hat, das
Widmungsschreiben an Abt Richard von Fulda (1018—1039), und eine An-
zahl Stellen zur Charakteristik der Methode abdrucken lassen. Zahlreichere
Auszüge gibt Dümmler.
* Scheffer- Boichorst, Annal. Patherbr. S. 70.
— 967 —
mete\ An sich nicht von großem Wert dient sie doch der Kenn-
zeichnung der theologischen Lage. Schon in den ersten Zeilen stellt
Dietrich Vernunft und Autorität nebeneinander; beid« seien gleich
ehrfurchtsvoll anzunehmen; er unterläßt nicht, gelegentlich seine
dialektische Bildung zu zeigen. An der überkommenen Auslegung
hält er nicht unbedingt fest, vielmehr tritt er mit stark ausgeprägtem
Selbstgefühl für das Recht, eine eigene Meinung zu haben, ein; es
sei kein Tadel, daß eine Ansicht neu sei.
Während der Jahre des heftigsten Streites verfaßte der Mönch
Haimo, den man wahrscheinlich in Hirschau zu suchen hat, seinen
Kommentar zu den Psalmen ^ Sein exegetisches Verfahren ist
dasselbe wie das Dietrichs von Hersfeld: wie dieser folgte er mit
seinen Erläuterungen dem Texte Satz für Satz. Er prahlte nicht
mit Gelehrsamkeit, aber er zitierte doch gelegentlich ältere Autoren,
unterließ auch nicht anzumerken, wenn sie einander widersprachen^.
Daß seine eigene Auffassung durchaus von den Alteren abhängig
ist, lehrt schon der Vergleich seines Psalmenkommentars mit dem
Werke Bruns von Würzburg. Wie dieser benützte er besonders
Cassiodor; doch kann man nicht sagen, er habe ihn exzerpiert.
Denn Haimo schrieb nicht nur ab, sondern er verarbeitete die über-
kommenen Gedanken, und ähnlich wie Dietrich gab er seinem
Werk dadurch eine eigentümhche Färbung, daß er da und dort
in ausgesprochenem oder unausgesprochenem Bezug auf die Gegen-
wart schrieb^. Es war die Folge davon, daß der kirchliche
Streit alle Gedanken der Mitlebenden ergriff. Man kann diese
Bemerkung auch anderwärts machen: selbst in den bescheidenen
Glossen, mit denen ein Bamberger Kleriker den Daniel und das
hohe Lied versah, fehlte der Hinblick auf die Zeitlage nicht voll-
ständig^.
Während die Exegeten in dieser Weise schüchtern wagten,
wieder selbständige Schritte zu tun, suchten andere Theologen nach
neuen Gegenständen.
Unter den Gelehrten, die in der ersten Hälfte des elften Jahr-
hunderts wirkten, war Bern von B,eichenau der angesehenste ^ Wir
haben seine Schriften über das Quatemberfasten und die Zählung
1- Migne 147 S. 333. 2 Migne 116; vgl. Beilage 2.
' Zu Ps. 44 S. 352, Widerspruch zwischen Augustin und Hieronymus.
* Vgl. die oben S. 872 ff. gegebenen Auszüge.
"' Vgl. oben S. 935 Anm. 5.
0 Er war 1008—1048 Abt, s. Herim. Aug. z. 1048. Sein Ansehen be-
zeugt auch Sigibert de scr, eccl. 156 S. 583.
— m6S —
der Adventssonntage bereits erwähnt^. Umfänglicher sind seine
Untersuchungen über die Gestalt der Messe ^; er setzte durch sie
Arbeiten der KaroUngerzeit fort; aber er ging dabei einen neuen
Weg, indem er unbedenklich Einrichtungen^ die er vorfand, tadelte
und Änderungen als zulässig erklärte, auch wenn sie der römischen
Übung fremd waren ^. Später hat der Bamberger Mönch Frutolf
eine urafängHche Schrift über die kirchlichen Gottesdienste ge-
schrieben. Auch als Musikschriftsteller tritt er an die Seite Berns*.
Neben diesen Männern ist noch einmal Othloh von St. Emmeram
zu nennen. Man kennt ihn fast nur als Historiker, aber er ver-
dient auch um seiner theologischen Schriften willen Beachtung^.
Schon deshalb, weil in ihnen seine Persönlichkeit noch bestimmter
hervortritt als in jenen. Denn nicht ungern erzählt er von sich
und seinen Erlebnissen, und seine "Worte geben die anschaulichsten
Bilder: man sieht ihn vor sich, wie er als junges Schülerlein,
zitternd vor dem Stock des Lehrers, verstohlen die Hände faltet
und betet, daß Gott ihm das Verständnis für die Geheimnisse der
lateinischen Sprache öffnen möge*; man erfährt dann von seiner
Begeisterung für die weltliche Literatur, von seinem resoluten
Bruch mit diesen Studien und seinem Entschluß, in das Kloster
2U treten '. Oder er spricht davon, daß er nach der berühmten
Schule zu Hersfeld geschickt wurde, und ohne es zu suchen, zeich-
net er dabei ein Bild aus den Mußestunden in der Klosterschule:
die aus den verschiedensten Gegenden her stammenden Schüler
sitzen beisammen und unterhalten sich, indem sie von der Heimat
erzählen: der Sachse prahlt, der naive Süddeutsche hört bewundernd
zu*. Lidern endlich Othloh berichtet, wie er zum Schriftsteller
ward, und aus welchen Erwägungen er diese und jene Schrift ge-
1 S. oben S. 531, 5; 553 f.
2 De quibusdam rebus ad inissae officium pert., Migne 142 S. 1055 if.
8 C. 2 S. 1058, über daa Singen des Gloria in der Messe. Sein Grund-
satz S. 1060: His instruimur exeraplis, nil nos delinquere, si ea quae e*x
auctoritate pontificum, qui illum s. virum — Gregor I. — tempore prae-
cesserunt, instituta suscepimus et vel ex Gallicanarum ecclesiarum aut
Hispanicarum usu mutuavimus, fideli devotione servamus. Über die Ar-
beiten der Karolingerzeit s. Bd. II S. 644 und v£\. Mönchemeier, Arüalar
von Metz, 1898.
* Die Schrift de divinis officiis ist ungedruckt; man vgl. über sie
Breßlau, N.A. XXI S. 223 ff. Über das Breviarium de musica dens. S. 220ff.
5 Migne 146 S. 27 ff. Über die einzelnen Schriften Dümmler S. 1087 ff.
ö De cursu spirit. 23 S. 223.
' De doctr. spirit. 14 S. 277 ff. s visio 5 S. 357.
— 969 —
schrieben hat, nähert er sich der Aufgabe der Selbstbiographie ^
Ahnhch wie Adehnann und Gozechin war er wenig zufrieden mit
den Zuständen der Gegenwart; besonders gereichte auch ihm die
dialektische Richtung, die in der Theologie aufkam^ und die aus-
schließliche Benützung der klassischen Literatur im Unterricht zum
Anstoßt, Aber so vielfach er Mißbilligung und Tadel aussprach,
so war er doch nicht entfernt zu einem mißgestimmten Krittler
geworden. Will man sich vergegenwärtigen, was er war, so sind
die Züge, die dem Leser seiner Schriften am bestimmtesten ent-
gegentreten^ seine frische Auffassung der Wirklichkeit*, seine glück-
liche Anlage, in allen Dissonanzen des Daseins schließlich doch die
große Harmonie zu entdecken^, und seine redhche Absicht, mit dem,
was er vermochte und leistete, seinen Nebenmenschen zu nützen^.
Er war ein Gegner der dialektischen Richtung, nicht weil er ein
beschränkter Kopf, sondern weil er ein sachlicher Geist war, der
der Tyrannei der Worte und der Schulformen sich nicht fügen
wollte'. Dadurch ist nun besonders seine theologische Schrift-
1 De tentat. suis et scriptis S. 29 ff.
2 Vgl. z. ß. de trib. quaest. prql. S. 60 u. 62.
^ Übrigens zeigen die herkömmlichen Wendungen, mit denen die
Sache erwähnt wird, daß man Othloh nicht kennt. So sagt z. B. Giseke,
Die Hirsch. S. 12: Othloh eiferte in zelotischer Weise gegen alle weltliche
Wissenschaft, besonders aber gegen die Beschäftigung mit den Alten.
Othloh selbst beginnt den Prolog zu seiner Sprichwörtersammlung, in der
er das Verbrechen begeht, die Fabeln Avians fabulos zu nennen, und die
von ihm selbst gesammelten Sentenzen für nützlicher als die Catos zu er-
klären, mit der Bemerkung: Cum nuper illa quae dicuntur Senecae pro-
verbia per alphabeti ordinem distincta legissem, primo quidem mirabar
tantam cuiquam infidelium prudentiam inesse posse, quanta in quibusdam
eorundem proverbiorum dictis reperitur. Deinde non parum incitabar ad
hoc, ut eum aliquo simiii studio imitarer, und er wünscht, daß in den
Schulen zuerst seine eigenen Sentenzen gebraucht würden, damit die Schüler
in his aliquatenus instructi, postea saeculares litteras arti grammaticae
congruas securius discant (S. 299 ff.). Das scheint mir ziemlich das Gegen-
teil von zelotischem Eifern.
■* Er geht überall von tatsächlichen Verhältnissen aus und es steht
ihm immer die ganze Buntheit der wirklichen Welt vor Augen; vgl. z. B.
de adm. der. et laic. 7 S. 257.
5 Vgl. z. B. de trib. quaest. 43 ff, S. 119 ft'.
ö Vgl. z. B. die Vorrede zu de cursu spirituali S. 139 ff.
■^ S. prol. zu de trib. quaest. S. 60: Dialecticos quosdam ita simplices
inveni, ut omnia s. scripturae dicta iuxta dialecticae auctoritatem con-
stringenda me decernerent, magisque Boethio quam sanctis scriptoribus in
pluriniis dictis crederent. Unde et eundem Boethium secuti, me reprehen-
— 970 —
stellerei bestimmt. Er spekulierte nie. Auch wenrt er über die
Trinität sprach, tat .er es nicht: er suchte lediglich Analogien für
sie in der sichtbaren Welt^ Die letztere war für ihn überhaupt
erfüllt von sinnbildHchem Gehalte^. Doch das war mehr ein Spiel.
Die Fragen, die ihn wirklich beschäftigten, lagen auf einem ganz
anderen Gebiet, In seinem Dialog de tribus quaestionibus erörterte
er die fundamentalen religiösen Probleme. Denn sie machten ihm
Schwierigkeiten: Er glaubte an den Gott, dessen Güte die Welt
erfüllt, und er sah die Welt und das Menschenleben voll von Übel'^;
er glaubte an den Gott, der gerecht richtet, und er las in der
HeiHgen Schrift, daß durch eines Menschen Sünde alle verdammt
sind*; er war sich dessen bewußt, daß die Gnade frei und un-
verdient ist, und er hielt dennoch menschliche Leistungen für not-
wendig^: wie lösen sich diese Fragen? Nicht minder war sein
Nachdenken durch Tatsachen beschäftigt, die das Leben und die
Welt ihm zeigte: er bemerkte, daß Sünden segensreiche Folgen
haben ^, er sah, daß das jüdische Volk zum Unglauben wie ver-
urteilt ist, daß das Heidentum trotz Christi Erscheinung noch
fortexistiert': wie kann man diese widerspruchsvollen Tatsachen
verstehen? Der Grundgedanke, der in seinen Antworten immer
wiederkehrt, ist der der göttlichen Erziehung des Menschen-
geschlechts und des Einzelindividuums ^ : mag Gott das Böse zu-
lassen oder das Gute darbieten, immer ist seine Absicht mildes
Erbarmen: er zieht die Menschen zu sich^. So die religiösen
Fundamentalgedanken. Die ethische Richtung seiner Reflexion
wird durch das Werk über den geistlichen Wettlauf anschaulich.
Es entspricht seinem stark realistischen Zug, daß er nicht mit
allgemeinen Forderungen beginnt, sondern einem jeden vorhält, was
er nach Stand und Beruf zu. tun hat: der Mönch soll in frommer
Betrachtung leben; der Laie treu in der Ehe sein, seine Kinder
debant, quod personae nomen alicui nisi substantiae rational! ascriberem.
Quae reprehensio si iusta est, iustum est etiam, ut alia nomina et verba,
quae in litteris sacris inveniuntur aliter posita, quam dialectica doceat, re-
prehendantur, ut substantia, specieSj genus, sentire et habere aliaque plura.
1 Z. B. de admon. der. et laic. 2 S. 247 ff.
2 De trib. quaest. 33 S. 102. 3 c. 2 S. 63 f.
* C. 11 S. 73; 28 S. 96. ^ c. 16f. S. 81; c. 27 S. 94 f.
« C. 18 S. 83. ' C. 26 S. 93 f.
^ C. 2 S. 44: Haec vita schola maxima est. Sein Verhältnis zu
Augustin ist das gewöhnliche : die Entgegensetzung von gratia und meritum
ist augustinisch, z. B. c. 18 S. 84, die Lösung des Problems gleichwohl
pelagianisierend, c. 27 S. 94 f. » C. 23 S. 91.
— 971 —
wohl erziehen, die Grenzsteine seines Gutes nicht verrücken, seinem
Herrn treuen Dienst leisten, alten Aberglauben meiden und neue
Moden nicht annehmen; der Bischof hat seine große Verantwortung
immer im Sinne zu tragen, sich als Pastor und Rektor zu beweisen
und als Christi Stellvertreter auch Christi Wandel nachzuahmen-^.
Es ist besonders der Psalter, den Othloh als Handbuch der Moral
benützte ^.
Etwas jünger als er war der Abt Thiofrid von Echternach^.
Seine flores epitaphii sanctorum sind ein seltsames in barock über-
ladenem Stil geschriebenes Buch. Aber eigenartig ist es; und
zwar nicht nur in der Form. Denn wenn Thiofrid versuchte, den
Wert der Reliquien theoretisch zu begründen und dadurch ihre
Verehrung zu rechtfertigen, so wagte er sich an ein Unternehmen,
für das er ein direktes Vorbild nicht hatte: er mußte seinen Weg
selbst suchen*.
Wenige Jahre vor Thiofrids Tode wurde der Mönch Berengos
Abt in St. Maximin ^. Auch er war ein Schriftsteller. Seine Werke
über die Auffindung des Kreuzes Christi und über das Geheimnis
des Holzes des Herrn sind in formeller Hinsicht Parallelen zu den
Blüten Thiofrids: sie sind in bald schwülstiger bald hölzerner
Reimprosn geschrieben*"'. SachHch beweisen auch sie, daß, wer
jetzt al? theologischer Schriftsteller auftrat, sich verpflichtet fühlte,
etwas ihm Eigenes zu sagen. Auf den ersten Gegenstand wurde
Berengos durch seinen Lokalpatriotismus geführt — die Bürger
von Trier rühmten sich dessen, daß Konstantins Mutter Helena
1 C. 2 f. S. 143 ff. -^ C. 4 ff. S. 148 ff.
^ Seine flores epitaphii sanctorum sind Brun von Trier 1102 — 1124
gewidmet, Migne 157 S. 313; da Thiofrid 1110 starb, Cat. abb. Ept. Scr. XIII
S. 740, so sind sie annähernd zu datieren. Um Thiofrids Stil zu charakteri-
sieren, begnüge ich mich, die Adresse seines Widmungsbriefs zu wieder-
holen: Olivae uberi, pulchrae, speciosae, fructiferae in domo domini, s. Trev.
sedis archipraesuli Brunoni oleaster aridus, Efternacensis coenobii nullius
momenti ygumenos Th. psyches et somatis incorruptionem et internam
summi boni contemplationem.
* Bemerkt mag werden, daß auch Thiofrid auf Berengar Bezug nimmt
II, 3 S. 347 u. III, 2 S. 391.
5 Erste urkundliche Erwähnung 2. Mai 1107 MRh. ÜB. I S. 471 Nr. 412.
Seine Werke bei Migne 160.
^ Z. B.: Quum antiqua divinitas humano generi tempus praevideret
opportunum, ut filiosj qui erant dispersi, congregaret in unum, ad redimen-
dum hominem, quem propriae voluntatis arbitrium a Deo divisit, in vineam
ecclesiae primo et secundo servos, tertio filium misit. So geht es fast 100
Spalten lang fort.
— 972 —
aus ihrer Stadt stamme — ^ ; aber er begnügte sieb nun nicht damit,
eine blühende Wiederholung der bekannten Legende zu geben,
sondern in der bizarrsten Weise flocht er die Erzählung von der
Kxeuzauffindung und die Darlegung von allerhand alttestament-
lichen Vorbildern des Kreuzes Christi ineinander. Einen bedeuten-
deren Gegenstand behandelte er in den kurzen Reden, die in der
zweiten Schrift zusammengestellt sind: die Offenbarung Christi als
des wahrhaftigen Lichtes. Die ganze Schöpfung dünkte ihn voll
von geheimnisvollen Hindeutungen auf den Herrn und sein Werk
und er war überzeugt, daß Christus als das wahrhaftige Licht von
Anfang an in der heiligen G-eschichte geleuchtet habe. Davon
sprach er. Es sind Gedanken, die weit abliegen von der kirchen-
politischen Frage, die alle Gemüter erfüllte. Aber auch er lebte
in ihr: er konnte es nicht unterlassen, in seinen halbpoetischen
Reden ein nachdrückliches Wort für den Frieden der kämpfenden
Parteien zu sagen ^.
Wer urteilt, daß die sämtlichen hier erwähnten Schriften un-
bedeutend seien, wird schwerlich viel Widerspruch finden. Aber
für die Entwickelung des geistigen Lebens ist nicht allein das
Vollendete wertvoll. Auch Produktionen, die an sich geringhaltig
sind, haben Wert, wenn sie auf eine neue Bahn führen. Die
Werke, die wir uannten, haben der deutschen Kirche diesen Dienst
geleistet. Denn in ihnen vollzog sich die Abkehr von der niu*
reproduzierenden Methode in der Theologie. Die Zeit war vorüber,
in der die Schriftsteller bedrückt von dem Gefühl der jugendlichen
Unvollkommenheit der deutschen Kultur, nicht wagten, einen Satz
zu schi'eiben, der ihnen selbst gehörte: jetzt war Deutschland bereit
einzutreten in das große Gespräch der Wissenschaft der abend-
ländischen Welt. So blickt die Theologie der fränkischen Zeit
vorwärts, wie die der Ottonenzeit rückwärts. Der Augenblick für
eine neue produktive Epoche war gekommen. . Für sie aber war
bei dem engen Zusammenhang der europäischen Kulturwelt be-
stimmend, daß der Übergang zur produktiven Tätigkeit in Frank-
reich, überaupt in den romanischen Ländern sich eher vollzogen
^ Er rühmt die erhaltene (adhuc testatur) Pracht des Elternhauses
der Helena: Ubi pavimentum domus illius variis marmoribus et Pario quon-
dam lapide Stratum bene declarat, quantum ibi prae aliis videretur habere
primatum otc.
^ S. 1006: Multum eri-as, o Christiane, nimirum haeretice, qui more
phreneticorum regnum et sacerdotium soles agitare phrenetiee, dum duas
personas, que in ecclesia Dei semper fuere sublimes, diversis haeresibus ab
invicem separare non times etc.
— 973 —
hatte als in Deutschland. Während Othloh über die Rätsel des
religiösen Lebens nachsann und Berengos über die Symbohk der
Schöpfung träumte, schicktö sich die Theologie bei unserem Nach-
barvolke, bestimmt durch dessen hervorragende formale Begabung,
an, das überkommene Dogma mit Hilfe der Dialektik geistig zu
verarbeiten. Der Ton für die Scholastik war bereits angegeben.
Niemand wird den Gewinn leugnen, den sie der geistigen Schulung
der europäischen Welt gebracht hat. Und doch möchte man fast
bedauern, daß die deutsche Theologie nicht die Wege ging, auf
die Othloh hindeutete und die der Geistesart unseres Volkes ent-
sprachen. Denn so gewiß sie dabei an wissenschafthcher Haltung
gewann, so gewiß verlor sie an religiösem Gehalt.
Noch zwei Seiten der hterarischen Tätigkeit des deutschen
Klerus ziehen misere Aufmerksamkeit auf sich: die Poesie und die
deutschen Übersetzungen.
Es war längst herkömmlich, daß der des Latein mächtige
Kleriker seine Gewandtheit in der Metrik durch Gedichte des
verschiedensten Inhalts bewies. Zu der Poesie hatten diese Verse
nur ausnahmsweise eine Beziehung; im Durchschnitt waren sie so
hölzern, wie Schulleistungen zu sein pflegen, oder so lehrhaft, wie
die Gedichte alter Männer in der Regel sind\ WirkUches Leben
hatte nur die Sequenzendichtung. Auf den Wegen, die einstmals
Notker mit so viel Ruhm beschritten hatte, folgten ihm in St. Gallen
Ekkehart L u. IL, in Reichenau Hermann d. L., endlich der frucht-
barste und eigenartigste dieser Dichter der Mönch Gottschalk in
Limburg a. H. Er widmete seine Sequenzensammlung Kaiser
Heinrich IV. ^. Auf die übrige lateinische Dichtung wirkte fordernd
1 Das letztere gilt von der Sprichwörter-Dichtung, die an sich nicht
ohne Wert ist, s. die Zusammenstellung bei MüUenhoff und Scherer S. 57 ff.
Nr. 27, und Piper, Älteste deutsche Litt. S. 276 ff., ferner Wipo S. 52 ff.
Über Herimann s. oben S. 951.
2 Über Ekk. I. u. II. Gas. s. Gall. 80 S. 288 u. 109 S. 375, über Hermann
d. L. Gottschalk op. 2, 12 S. 105, über Gottschalk Dreves, Godescalcus Lintpur-
gensis, 1897. Hier ist zuerst Licht über diese rätselhafte Persönlichkeit
verbreitet. Dreves zeigt, daß der Sequenzendichter Mönch in Limburg a. H.,
Propst am Münster zu Aachen und Kapellan Heinrichs IV. war ; er sammelt
die ihm sicher und die ihm wahrscheilich gehörigen Sequenzen und gibt
einige Prosaschriften G.'s, 2 Reden, op. 3 u. 5, und 3 Abhandlungen zur
Rechtfertigung einiger in den Sequenzen und in op. 3 gebrauchten Wen-
dungen. P. v. Winterfeld identifiziert N.A. XXVII S. 509 G. mit dem G.
des Anonymus Mellicensis, und indem er statt Declinge de Clinge, d. h. von
Klingenmünster liest, gewinnt er die Nachricht, daß G. auch eine Zeitlang
dem letzteren Kloster angehört haben muß. Endlich hat Gundlach seine
— 974 —
die immer stärker hervortretende Neigung, Verhältnisse und Ereig-
nisse der Gegenwart in den . Gedichten zu behandehi. Man be-
merkt sie im Anfang des elften Jahrhunderts bei Froumund von
Tegernsee^ gelegentlich auch bei dem anonymen Scholastikus, der
dem Bischof Adalbold von Utrecht seinen seltsamen Liber prorae
et puppis widmete-; später herrscht sie bei Wipo, vor allem aber
in den schönen Kaiserliedern und in den im kirchlichen Streit
entstandenen Gedichten. Dadurch begann die Dichtkunst den
handwerksmäßigen Charakter abzustreifen; sie gewann lebendigen
Gehalte
Weit kräftiger als die lateinische Poesie setzte seit der Mitte
des elften Jahrhunderts die deutsche Dichtung ein*. Auch sie war
Kunstdichtung; aber es kam ihr zu gute, daß sie nicht schulmäßig
geübt wurde, infolgedessen bewahrte sie im Vergleich mit ihrer
lateinischen Schwester einen volkstümlicheren Zug. Ein Teil der
deutschen Lieder war für den Gesang bestimmt: mit den Worten
zugleich fand man die Weise ^. Andere waren rein lehrhaft, manch-
mal mehr gehobene Prosa als Lied. Reichliche Pflege fand end-
lich das biblische Epos.
Den Anfang der singbaren Lieder macht Ezzos Gesang von
den Wundern Christi. Ezzo war Scholastikus in Bamberg, ein
Begleiter des Bischofs Günther auf seiner Wallfahrt nach Jeru-
salem®. Von ihm wurde er zu seinem Werke aufgefordert. Es
früher ausgesprochene Ansicht, der Aachener Propst sei der Diktator einer
größeren Anzahl von Briefen und Urk. Heinrichs IV. und der Verfasser des
Carmen de hello Saxonico und der Vita Heinrici IV. (Ein Dictator aus der
Kanzlei Heinrichs IV. 1884. Wer ist der Verf. des Carm. d. b. S.? 1887,
Heldenlieder II S. 231 ff.) auch nach den Nachweisen von Dreves ausdrück-
lich aufrecht erhalten und mit ihnen kombiniert, Heldenlieder III S. 987 ff.
1 Migne 141 S. 1291 ff. Nerue Ausg. v. Seiler, Ztschi-. f. deutsche Phil.
XIV S. 406 ff. Fr. starb vor dem 20. Okt. 1012, s. OB. Arch. Bd. 50 S. 42;
Ztschr. f. deutsche Phil. XIV S. 404.
'^ Mitteilungen daraus von Bartsch, Germania XVIII S. 310 — 353 und
N.A. I S. 594 ff.
^ Daß dies noch entschiedener als von den erwähnten Liedern von
dem Ruodlieb gilt, brauche ich nicht hervorzuheben. Doch kann dieses
Gedicht rein weltlichen Charakters hier natürlich nicht besprochen werden.
* Scherer, Geschichte d. deutschen Dichtung im 11. und 12. Jahrh.
(Quellen und Forschungen XII, 1875); Piper, Die geistl. Dichtung des M.A.
1888; Kelle, Geschichte der deutschen Litteratur II, 1896. ,
^ S. den gleich zu erwähnenden Gesang Ezzos: Ezzo begunde scriben,
Wille vant die wise (Müllenhoff u. Scherer I S. 78 Nr. 31).
« Vita Altm. 3 S. 230. Die Quelle Ezzos ist Hrabans Schrift de laudib.
8. crucis, 8. Kelle in d. Wiener SB. Bd. 129, 1892, Nr. 1.
— 975 —
ist ein eigentümliches Lied: wenn man sagt, daß es die Grundtat-
sachen der Heilsgeschichte: Schöpfung, Fall und Erlösung der
Menschen, schildert, so erwartet man gereimte Prosa; aber das ist
es nicht. Es ist überall voll lebendiger und poetischer Anschauung;
es schildert z. B. die Wirkung von Adams Fall: Da ward es
Nacht und Dunkel; nebelfinstere Nacht beschattete die Sterne, bis
Gottes Sohn erschien, die wahre Sonne vom Himmel. Oder es wird
das heilige Kreuz angeredet: Deine Aste trugen die himmlische
Bürde, an dir floß das heilige Blut, deine Frucht ist süß und gut,
da damit alles Menschengeschlecht erlöst ist. Selbst die Klang-
farbe der Verse schmiegt sich ungesucht dem Inhalt an. Wer hört
nicht den Unterschied zwischen den dumpfen Versen:
Duo sih Adam duo beviel,
Duo was naht unde vinstri,
und den hellen:
Do irscein uns der gotes sun
in meniscHchemo bilde:
den tach braht er von himele.
Ähnlichen Inhalts ist das ebenfalls in Franken entstandene
Bruchstück von Christ und Antichrist^: nur daß es nicht Schuld
und Erlösung, sondern das Leben Christi und das Ende der Welt
parallelisiert. Bereits macht sich auch der Aufschwung der Marien-
verehrung bemerklich: es beginnen die weichen Lieder, die von der
Blume singen, die das Reis aus der Wurzel Jesse getragen hat-.
Und nach wie vor ergriff der Gedanke des Todes die Gemüter:
kein eindrucksvolleres Lied hat diese Zeit hervorgebracht, als das
Memento mori, schwäbischen, wahrscheinlich St. Gallischen Ur-
sprungs^. Da heißt es: Nun. denket, Weib und Mann, wohin ihr
fahren sollt. Ihr liebt diese Vergänglichkeit und wähnt, immer,
hier zu bleiben; aber sie mag euch noch so liebenswert dünken,
so werdet ihr sie doch nur eine kurze Weile haben, ihr mögt an
der Zeit noch so sehr hangen, so müßt ihr doch diesen Leib lassen.
Mit großer Kraft wird die Gleichheit aller vor dem Tode und der
Leichtsinn dem stets nahen Tode gegenüber geschildert; das ganze
Lied klingt aus in den Bittruf: Herr, hehrer König, erbarm dich
unser! du mußt uns den Sinn geben, daß wir die kurze Weile,
die wir hier sind, die Seele bewahren; denn wir müssen doch von
hinnen fahren.
Wie im Liede, so steht in der didaktischen Dichtung Franken
1 Müllenboff u. Scherer S. 100 Nr. 33.
- Ib. S. 141 ff. Nr. 38—40. Nr. 38 ist fränkisch, 39 u. 40 bairisch.
'^ Ib. S. 73 ff. Nr. 30b.
— 976 —
obenan. Dort entstand die gereimte Summa christlicher Lehre, die
durch die Fülle des knapp zusammengedrängten Stoffes dunkel
und schwer verstau dhch wird\ Ebenfalls fränkischen Ursprungs
ist das Stück von Himmel und Hölle^, in dem irgendein Kleriker
die Herrlichkeit des Himmels und den Graus der Hölle in nahezu
metrisch bewegter Prosa mit eindrucksvoller Kraft schildert. Gereimt,
aber ohne viel Schwung ist die Rede von dem heiligen Glauben,
eine Auslegung, oder sagen wir besser Umschreibung der konstan-
tinopohtanischen Formel, als deren Verfasser sich am Schluß „der
arme Hartmann" nennt ^. Man wird an Stücken, wie den beiden
zuletzt genannten, sich eine Vorstellung von dem bilden dürfen,
was die deutsche Predigt dieser Zeit zu leisten imstande war.
Den Stoff für die epischen Gedichte bot zumeist das alte
Testament: Genesis und Exodus wurden in Versen behandelt ^
Auch die Geschichte einzelner Personen der späteren Zeit: Salomos,
der drei Jünghnge im Feuerofen, Judiths^, wurde als dankbarer
Vorwurf ergriffen. Wie bei den didaktischen Liedern wird man
auch hier an die Predigt erinnert. Der Verfasser der Wiener
Genesis beginnt sein Gedicht geradezu mit den Worten: Nun
höret, meine Lieben, ich will eine Rede vor euch tun. Und ganz
wie man bei den meisten Predigten annehmen muß, ist der Lihalt
des Gedichtes Umschreibung des Textes und Nutzanwendung für
die Hörer.
Die deutsche Prosa dieser Zeit ist durch zwei berühmte Namen
vertreten: Notker den Deutschen und Williram von Ebersberg.
Notker^ war ein Neffe Ekkeharts I., von ihm in das Kloster
St. Gallen gebracht. Was man dort lernen konnte, hat er gelernt,
er brachte es zur Fertigkeit im Latein,, las klassische und theo-
logische Schriften und wußte Pechenschaft zu geben über die
Kenntnisse der Zeit in Mathematik, Astronomie und Musik. Sein
Wissen verwertete er im anspruchslosen Dienst des Klosters: er
1 MüUenhoff u. Scherer S. 114 Nr. 34. ^ jb. s. 67 flf. Nr. 30.
^ Herausgegeben von Maßmann, Deutsche Gedichte I S. Iff. Über
den Verf. v. 3736 ff.: üise rede . . di ih arme hartman uon deme heiligen
gelouben han getan.
* Wiener Genesis und Exodus bei Hoffmann, Fundgruben H S. 9 ff.,
über die Quellen, Avitus u. Hraban, s. Kelle 11 S. 22 ff. Diese Werke sind
bairisch. ^ MüUenhoff und Scherer S. 124ff. Nr. 35—37.
^ Ausgaben von Hattemer in den Denkmalen Bd. 11 u. 111. und von
C. Piper 1883—84; vgl. Holz, P. RE. XIV S. 220 f., Bächtold, Deutsche
Litteratur in der Schweiz S. 58 ff., über die Quellen der Paraphrase der
Psalmen Henrici in den Quellen und Forsch XXIX (1878).
— 977 —
war Lehrer. So ist er in der gleichen, engen Umgebung vom
Jünghng zum Greise geworden: von einem frischen Jünghng, der
trotz der Kutte der Lust, an einer AVoHsjagd teilzunehmen, nicht
widerstehen konnte, zu einem müden, resignierten Greis ^: die Not-
wendigkeit, nicht unser Wille regiert uns, schreibt er an Hugo
von Sitten, und den, was über ims verhängt ist, vermögen wir
nicht zu widerstehen '^. Er grämte sich um Jugenderinnerungen und
ängstete sich, ob ihm der Himmelspförtner die Türe aufschließen
werde. Und doch blieb die Grundstimmuiig seines Wesens heiter:
als er auf dem Sterbebette lag, ließ er Arme um sich versammeln
und sie speisen: das letzte, was er auf Erden sah, sollten die
fröhlichen Mienen der Gesättigten sein. Mehr als siebzigjährig ist
er an der Pest am 29. Juni 1022 gestorben 'l Seinen Ruhm ver-
dankt Notker seinen Übersetzungen. Wie er Lehrer war, so Avollte
er mit ihnen der Schule dienen; demgemäß übertrug er die AVerke
einer Reihe von Schulautoren: Cato, Virgil, Marcian Capeila,
Aristoteles. Seine Hauptwerke sind indes theologisch: er übersetzte
und erläuterte im Anschluß an Augustin die Psalmen, und über-
trug die Moralia Gregors. An seinem Todestag hat er die letztere
Arbeit vollendet. Man bezeichnet den Wert dieser Werke, wenn
man daran erinnert, daß sie die ersten theologischen Bücher in
deutscher Sprache waren. Wohl sind sie Übersetzungen; aber
Notker war von seinen Vorlagen kaum mehr abhängig als die
lateinischen Exegeten seiner Zeit, und als Übersetzer ins Deutsche
mußte er weit mehr selbständige Arbeit leisten als sie. Indem er
die wissenschaftlichen Kunstausdrücke der Alten deutsch wiedergab,
gestaltete er die deutsche Sprache zu einem Werkzeug wissenschaft-
licher Arbeit. Er war durchdrungen von dem Wert seines Unter-
nehmens; denn er erkannte klar, daß wir nur dasjenige vollkommen
verstehen, was wir in der eigenen Sprache ausdrücken könne]i.
Daß er etwas Ungewöhnliches wagte, das verhehlte er sich nicht,
und er sagte sich selbst, daß seine Übersetzungen die lateinisch
gebildeten Kleriker eher zurückstoßen als anziehen würden. Aber
er verließ sich darauf, daß ihr Recht sich nach und nach Aner-
kennung erringen werde. Allgemach, schreibt er aji Bischof Hugo,
werden diese Werke sich euch empfehlen, und ihr werdet imstande
sein, sie zu lesen, und bemerken, wie rasch man das, was in fremder
1 Vgl. das Stück aus dem liber beiied. Ekkeharts IV. Scr. II S. 57 f.
2 Piper I S. 859 ff.
■^ Necrol. Sangall. S. 476: Obitus Notkeri doctissirai atque benignis-
simi magistri.
* Ekkebart: Propter caritatem discipulorum plures libros exponens.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 30. IX. 1905.
62
— 978 —
Sprache nicht ganz oder nicht recht verstanden würde, in der
Muttersprache erfaßt.
Ganz anderer Art, als der Schwabe Notker, war der Franke
Wilhram\ Eiiner Familie entsprossen, aus der mehr als ein
Kii'chenfürst hervorgegangen war, glaubte auch er sich zu großen
Dingen berufen. Als er im Jahre 1048 die Abtei Ebersberg er-
hielt, sah er darin vermutlich nur das Angeld für höhere Wijrden.
Die Gunst Heinrichs III. schien die Erreichung seines Zieles zu
sichern. Und er wäre wohl für die halb kirchliche, halb weltüche
Tätigkeit eines Bischofs geeignet gewesen. Denn mit vielseitigem
Talent verband er die Kraft eines selbstbewußten Willens und den
Sinn für geordnete Administration: wie als Schriftsteller in zwei
Sprachen, so hat er als Architekt gewirkt; als Abt wußte er den
Besitz seines Klosters zu verjnehren und vertrat er die Rechte
desselben als ein stets wachsamer Verteidiger. Aber Heinrichs
frühzeitiger Tod zerstörte seine Hoffnungen. Er blieb Abt von
Ebersberg; ohne ein Bistum erlangt zu haben starb er nach nahezu
vierzigjähriger Amtsführung am 5. Januar 1085.
Seine äußere Stellung legte ihm nicht wie Notker den Ge-
danken nahe, durch deutsche Schriften dem Unterricht zu dienen.
So fühi't denn auch nichts auf die Annahme, daß er bei seiner
Paraphrase des Hohenliedes an die Unterweisung der Kleriker
dachte. Es widmete vielmehr sein Werk dem jungen König Hein-
rich IV. Darin scheint unmittelbar zu liegen, daß er sich als
Leser nicht nur Kleriker wünschte: er wollte auch den Laien ein
Buch deuten, das dem Mittelalter als sinnvolles, weil durch den
Zauberschlüssel der Allegorie lösbares Rätsel galt: was den Theo-
logen die lateinischen Kommentare darboten, sollte ihnen durch
erläuternde Umschreibung verständlich gemacht werden. Wenn
diese Annahme richtig ist, so beruht die Bedeutung von WiUirams
Werk auf seinem Zweck: er weist darauf hin, daß die Zeit im
Verschwinden begriffen war, in der allein die Kleriker als Träger
des geistigen Lebens in Betracht kamen.
Das erste Viertel des zwölften Jahrhunderts bildet den Über-
gang zu 'einer neuen Epoche der deutschen Kirchengeschichte.
Die Erscheinungen, die wir zuletzt an uns vorübergehen ließen.
^ Ausgabe von Seemüller in den Quellen und Forschungen XXVIll
(1878); vgl. Scherer in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie Bd. 53
S. 197 ff, Kelle urteilt: W. war ein Meister des Stils, II S. 58.
— 979 —
weisen sämtlich vorwärts. Der Wormser Vertrag dagegen weist
rückwärts: er ist der Grenzstein der Epoche, während welcher die
kirchhchen Verhältnisse Deutschlands vorwiegend durch die welt-
lichen Herrscher gelenkt und bestimmt wurden. Man kann es
tadehi, daß das Kirchliche in dieser Zeit wie eine Funktion des
Staatlichen erschien, daß zwei selbständige Lebensgebiete nicht nur
verbunden, sondern vielfach vermischt waren. Aber das ist das
Urteil der abstrakten Theorie, die nur rationelle Erscheinungen
anerkennen will, die Wirklichkeit ist erfüllt von irrationellen. Der
Wert des Wirklichen aber bemißt sich nicht nach seinem theore-
tischen Eecht, sondern nur nach seiner Ijeistung. Von diesem
Gesichtspunkte aus wird sich nicht bestreiten lassen, daß die staat-
liche Leitung der kirchlichen Tätigkeit sich in vieler Hinsicht heil-
sam bewies. In den Jahrzehnten, in denen sie am vollkommensten
verwirkhcht war, während der Regierung Karls d. Gr., ist mit einer
Energie an der Lösung der geisthchen und der geistigen Aufgaben
der Kjrche gearbeitet worden, die alles Frühere hinter sich ließ.
Im weiteren Verlaufe jedoch trat die Förderung der genuin kirch-
lichen Zwecke zurück; es kam dahin, daß die Rechte der Fürsten
in der Kirche nur oder fast nur deshalb betont wurden, weil sie
für die Macht des Königs im Reich unentbehrlich waren. Wir
haben bemerkt, daß der Grund in der Entstehung und den raschen
Fortschritten des territorialen Fürstentums lag. Doch wird da-
durch allein die Vernachlässigung der kirchlichen Aufgaben trotz
der fortdauernden Herrschaft der Könige in der Kirche nicht er-
klärt. Sie hängt damit zusammen, daß in demselben Maße, in
dem die politischen Aufgaben der Krone durch den Kampf mit
der fürstlichen Macht erschwert wurden, der Gedanke zurücktrat,
daß das Königtum die Lösung der Kulturaufgaben des Volkes zu
leiten habe Karls Regierung ist durch diesen Gedanken beherrscht.
Er tritt unter Heinrich III. noch einmal hervor; aber unter Hein-
rich IV. und V. findet man sich nirgend mehr an ihn erinnert.
Das Königtum wurde im Kampf um seine politische Stellmig zu
einer ausschließlich politischen Macht. Es ist leicht zu sehen, daß
diese Beschränkung der x^ufgabe des Herrschers für die Anwendung
seiner kirchlichen Gewalt von ausschlaggebender Bedeutung war:
er fühlte sich nicht mehr berufen und verpflichtet, die kirchliche
Tätigkeit auf bestimmte Ziele hinzulenken, d. h. sie zu regieren.
Das bheb zunächst den Bischöfen überlassen. Aber ihnen nicht
allein. Denn während das königliche Regiment in der Kirche er-
mattete, hatte die Ausbildung des päpstlichen begonnen; seit
Leo IX. war es eine Tatsache, im kirchlichen Streit hat es sich
behauptet. Es trat nicht einfach an die Stelle des könighchen;
62*
— 980 —
denn es hatte in vieler Hinsicht einen anderen Inhalt und durch-
weg eine andere Form. Aber es war vorhanden : die Frage für die
Zukunft war, ob es Größeres . leisten werde als jenes.
Noch an einen anderen Punkt mag erinnert werden. Seit
dem neunten Jahrhundert waren Könige und Fürsten, Päpste und
Bischöfe die einzigen Träger der kirchlichen Entwickelung. Im
elften Jahrhundert trat zuerst ein neuer, obwohl längst vorhandener
Faktor als mithandelnd ein: das Mönchtum. In derselben Zeit
begann die Literatur die stillen Schreibstuben in den gegen die
Außenwelt abgeschlossenen Klöstern zu verlassen: sie erwuchs
sofort zu einer Macht im öftenthchen Leben. Und nicht genug
daran : es regte sich in den Tiefen des Volks. Seitdem Karl d. Gr.
vergeblich versucht hatte, den Stand der Gemeinfreien vor der
Aufsaugung durch die Großen zu retten, hört man in der
Geschichte nichts mehr von dem deutschen Volk, bis sich die
schwäbischen Bauern und die Bürger in den Rheinstädten für
Heinrich IV. erhoben und bis später der Druck der öffentlichen
Meinung die Beendigung des Schismas erzwang. Das waren die
ersten Windstöße des kommenden Frühlings; sie kündeten den
Eintritt des Volkes als eines Faktors der kirchlichen Entwickelung
an. Das elfte Jahrhundert schließt die alte enge Zeit: neue Kräfte
standen auf dem Plan: die ganze Bewegung erweitert, vertieft,
kompliziert sich.
Bischofslisten.
I. Erzbistum Mainz.
1. Mainz.
Heriger. Die Quellen führen seine Erhebung z. 912, Cont. Reg.' S. 155,
Lamb. S. 32, oder z. 913 an, Ann. Col. S. 98, Herim. Aug. S. 112. Da
913 als Todesjahr Hattos feststeht, so ist das letztere Jahr richtig. H.
starb 1. Dez. 927, Ann. necr. Fald. Scr. XIII S. 193, Ann. Corb. S. 4,
Wirz. S. 241, Mar. Scot. S. 553. Unrichtig Cont. Reg. S. 158: 926.
Hildibert, Dez. 927, Ann. Corb., Wirz. u. a., vgl. Dipl. I S. 52 ff. Nr. 15
u. 17. Gest. 31. Mai 937, Ann. necr. Fuld. S. 195, Thietm. 11,34 S. 40,
Ann. Corb., Quedl. u. a. Unrichtig Cont. Reg. S. 159 u. a.: 936.
Friedrich, ernannt Juni 937, s. Dipl. I S. 99 Nr. 11, geweiht 9. Juli; der
Tag berechnet sich nach der Amtsdauer, Ser. Mog. Scr. XIII S. 315.
Gest. 25. Okt. 954, Ann. necr. Fuld. S. 198, Wilh. Mog. mem., Jaffe,
Bibl. III S. 706, Ann. Hild. S. 21, Quedl. S. 58, Cont. Reg. S. 168 u. a.
Unrichtig Ann. Wirz. S. 242: 953, Herim. Aug. S. 115: 955.
Wilhelm, gewählt 17. Dez., geweiht 24. Dez. 954, Wilh. mem. a. a. 0.,
Cont. Reg. S. 168 u. a. Gest. 2. März 968, Ann. necr. Fuld. S. 201,
Thietm. II, 18 S. 29, Ann. Wirz. S. 242 u. a. Unrichtig Ann. Corb. S. 5:
3. März 967.
Hatto IL, ernannt im Sommer 968, Ann. Wirz. S. 242, Hild. S. 23 u. a.,
vgl. Dipl. I S. 502 Nr. 366. Die Amtsdauer, 1 J. 8 W., führt auf den
23. Nov. als Weihetag. Gest. 18. Jan. 970, Ann. necr. Fuld. S. 201,
Wirz. S. 242 u. a., Necr. eccl. Mog., Jaffe, Bibl. III S. 722. Necr. Fuld.
Forsch. XVI S. 172: 17. Jan. Unrichtig Ann. Hild. S. 23 u. a.: 969.
Ruodbert, 970, Ann. Wirz., Hild. u a. Die Amtsdauer, 4 J. 10 M., führt
auf d. 8. oder 15. März als Weihetag. Gest. 13. Jan. 975, Ann. necr.
Fuld. S. 202, Hild. Unrichtig Ann. Wirz. S. 242 : 977.
Willigis, ernannt vor 25. Jan. 975, Thietm. 111,5 S. 50, Ann. Corb. S. 5,
Hild. S. 23, vgl. Dipl. II S. 109 Nr. 95. Nach d. Amtsdauer, 35 J. 6 M.
6 T., war d. 18. Aug. der Weihetag. Gest. 23. Febr. 1011, Ann. necr.
Fuld. S. 210, Wirz. S. 242, Mar. Scot. S. 555 u. a. Necr. eccl. Mog.
S. 723 u. a.
Erchanbald, geweiht 1. Apr. 1011, V. Bernw. 45 S. 778, Ann. Wirz. S. 242
u. a. Gest. 17. Aug. 1021, Ann. necr. Fuld. S. 211, s. Bonif. S. 118,
Mar. Scot. S. 556, Necr. eccl. Mog. S. 726. Unrichtig 'Ann. Wirz. S. 242,
Hild. S. 32 : 1020.
Aribo, 1021, Ann. s. Bonif. S. 118, August. S. 125; Mar. Scot. S. 556: 1022;
Weihetag nach der Amtsdauer, 9 J. 6 M. 5 T., 1. Okt. Gest. 6. Apr.
1031 zu Como, Ann. necr. Fuld. S. 311, Hild. S. 36, August. S. 125,
Salisb. S. 90 u. a. Necr. eccl. Mog. S. 724. Unrichtig Ann. Wirz.
S. 243: 1030.
Bardo, investiert 30. Mai, geweiht 29. Juni 1031, V. Bard. S. 544, Ann. Hild.
S. 36, August, u. a. Gest. 10. Juni 1051, Ann. necr. Fuld. S. 214, August.
S. 126, Herim. Aug. S. 130, Necr. eccl. Mog. S. 725. Ann. necr. Prüm.
— 982 —
S. 220 11. Juni 1061, ebenso Necr. Blidenst. S. 152 u. a. Unrichtig
Ann. Hild. S. 46, Wirz. S. 244: 1050.
Liutpold, 1051 vor d. 31. Juli, Ann. Aug. S. 126, Lamb. S. 63, vgl. St.
2410. Gest. 7. Dez. 1059, Lamb. S. 77, Ann. Hild. S. 47, Wirz. S. 244,
Ann. necr. Prüm. S. 221, Mar. Scot. S. 558, Necr. eccl. Mog. S. 728, s.
Maxim. Bonner JB. 57 S. 118. Unrichtig Ann. Weissenb. S. 51: 1058,
Ann. August. S. 127, Ann. necr. Fuld. S. 215: 1060.
Siegfried L, investiert 7. Jan. 1060, Ann. Altah. S. 55, August. S. 127,
Mar. Scot. S. 558; unrichtig Ann. Hild. S. 47 u. a.: 1059. Gest. 16. Febr.
1084, Ann. Bild. S. 49, Wirz. S. 245, Ann. necr. Prüm. S. 222 u. a.,
Necr. eccl. Mog. S. 723, Lauresh. S. 145.
Wernher, Wezelin, ernannt im Sept. oder Anf. Okt. 1084. Denn Hein-
rich IV., der sich Mitte Aug. in Eegensburg aufhielt, Ann. Aug. S. 180 f.,
Bern. S. 441, ging von da nach Franken, um das Mainzer Bistum zu
besetzen; am 4. Okt. fungierte Wezil bereits als EB. und Erzkanzler,
St. 2863. Der Ernennung folgte die Weihe sofort, Ann. Aug. S. 131.
Gest. 6. Aug. 1088, Ann. Aug. S. 183, Ottenb. S. 8, Hild. S. 49, Bern.
S. 448, Necr. eccl. Mog. S. 726.
Ruthard, ernannt 25. Juli 1089, Ann. Wirz. S. 246, Hild. S. 49. Gest.
2. Mai 1109, Ekkeh. S. 248, Ann. Hild. S. 58, Corb. S. 7, Necr. eccl.
Mog. S. 725.
Adalbert I., ernannt 1109, Ann. Corb. S. 7, s. Disib. S. 20, investiert
15. Aug. 1111, Ekkeh. S. 245, Ann. Hild. S. 62, Patherbr. S. 125, geweiht
25. Dez. 1115, Ann. Hild. S. 64, Patherbr. S. 132. Gest. 23. Juni 1137,
Ann. Hild. S. 69, Patherbr. S. 164, s. Disib. S. 25 u. a. Necr. Lauresh.
S. 147.
2. Augsburg.
Hiltin, 909. Er ist am 28. Dez. 909 Zeuge, St. Galler ÜB. II S. 362 Nr. 761.
Herim. Aug. setzt also seinen Amtsantritt mit Unrecht zu 910, S. 112.
Er fällt in das Frühjahr 909. Das Todesjahr ist nach Vit. Oudalr. 1
S. 387 d. J. 924. Doch ist wahrscheinlich 928 das richtige Jahr; denn
Hiltin starb am 8. November, Necrol. Merseb. N. Mtt. XI S. 244; wenn
928, so im noch nicht vollendeten 15. Amtsjahr, wenn erst 924, so nach
1572 Jahren. Bei den 15 Jahren der vita Oudalr. wird man die erste
Berechnung anzunehmen haben. Zur Bestätigung dient Herim. Aug.,
der wie den Amtsantritt so den Tod um ein Jahr zu spät ansetzt.
Udalrich, 28. Dez. 923 geweiht, V. Oudalr. 1 S. 387. Über das Jahr s. b.
Hiltin. Gest. 4. Juli 973, Ann. Sang. mai. S. 68, Ann. necr. Füld. S. 202,
V. Oudalr. 27 S. 414, Necr. Aug. Div. S. 277. Unrichtig nennen als
Todesjahr Ann. August. S. 124: 974, Wirz. S. 242: 975.
Heinrich L, 22. Sept. 978 investiert, V. Oudalr. 28 S. 415 f., gefallen in
der Schlacht gegen die Araber Mitte Juli 982, Ann. August. S. 124,
Vita. Oudalr. 28 S. 418 mit d. falschen Jahr 988. Über den Tag ist
die Überlieferung zwiespältig. Das Necrol. s. Udalr. S. 124, Faucens.
S. 83, Merseb. S. 237 haben den 13. Juli, ihn gibt Thietmar als Tag
der Schlacht III, 20 S. 61. Nun findet sich aber der Tod des Bischofs
im Necr. Merseb. auch z. 16. Juli eingetragen. Diesen Tag als Datum
der Niederlage haben die Gesta ep. Mett. 46 Scr. X S. 542; ferner findet
man, wie Uhlirz, JB. I S. 261 erinnert, bei dem arab. Geschichtschreiber
Ibn al Atir den 15. Juli als Schlachttag, u. ihn hat auch Lambert ann.
S. 44. Endlich der 14. Juli als Todestag Heinrichs hat das Zeugnis der
Ann. necr. Fuld. S. 205. Eine sichere Entscheidung scheint mir nicht
möglich.
Etich, 982, Ann. Aug. S. 124. Gest. 24. Juni 988, Ann. Aug., Einsidl. S. 143,
Lib. anniv. Aug. S. 64, Necr. Merseb. S. 286.
Liudolf, 989, Ann. Aug. S. 124; Ann. Einsidl. S. 143 schon zu 988. Gest.
27. Juli 996, Ann. Aug., Quedl. S. 73, Necr. Fauc. S. 84; Thietm. IV, 26
S. 79 nennt d. 25.
— 983 —
Gebhard, 996, Ann. Aug. S. 124, Quedl. S. 73. Gest. 8. Juli 1000, Ann.
necr. Fuld. S. 208. Die Augsb. JB. nennen als Todestag irrig d. 9. Juli
1001 S. 124.
Siegfried I. Sein Amtsantritt fällt in d. J. 1000; denn er nahm im Jan.
1001 an einer röra. Synode Anteil, V. Bernw. 22 S. 769; d. J. 1002 der
Augsb. JB. ist also irrig. Gest. 4. Mai 1006, Ann. necr. Fuld. S. 209,
Lib. anniv. S. 62, Necr. s. Udalr. S. 123. Die Augsb. JB. haben auch
für den Tod ein falsches Jahr, 1007, das Necr. Merseb. S. 239 einen
falschen Tag: 14. Aug.
Brun. Seine Ernennung fällt zwischen d. 4. u. 28. Mai 1006, s. Dipl. III
S. 140 Nr. 114, welche Urk. schon sein Nachfolger als Kanzler ausstellt.
Gest. 24. Apr. 1029, Ann. Aug. S. 125, Hüd. S. 35, Herim. Aug. S. 121.
Chr. Suev. univ. S. 70, Ann. necr. Fuld. S. 211, Lib. anniv. S. 61.
Eberhard, Eppo, 1029, Ann. Aug., Hild. u. a. Gest. 25. oder 26. Mai 1047,
Ann. Aug. S. 126, Ann. necr. Fuld. S. 213, Herim. Aug. S. 127, Lib.
anniv. S. 63, Necr. s. Udalr. S. 123.
Heinrich IL, ernannt 28. Mai 1047, Ann. Aug., Herim. Aug. u. a. Gest.
3. Sept. 1063, Ann. Aug. S. 127, Ann. necr. Fuld. S. 215, ßerth. S. 272
u. a., Lib. anniv. S. 67, Lib. anniv. s. Galli S. 480.
Embrich, 1063, Ann. Aug., Berth. u. a.; irrig Lamb.: 1064. Gest. 30. Juli
1077, Ann. Aug. S. 129, Berth. S. 296, Lib. anniv. S. 66, Necr. s. Udalr.
S. 125; Necr. Ottenb. S. 111: 31. Juli, Bern. S. 434: Anf. Juli.
Siegfried IL, investiert 8. Sept. 1077, Ann. Aug. S. 129, Berth. S. 301;
geweiht 2. Febr. 1085, Ann. Aug. S. 131, Ann. Saxo S. 723. Gest. 4. Dez,
1096, Ann. Aug. S. 135, Lib. anniv. S. 72.
Gregorianische Gegenbischöfe: Wigold, erwählt vor 8. Spt.
1077, geweiht 8. Apr. 1078, Berth. S. 301 u. 309. Gest. 11. Mai
1088, Ann. Aug. S. 133, Ekkeh. S. 207, Necr. Ottenb. S. 107.
Werinhar, gewählt u. gest. im Sommer 1088, Ann. Aug. S. 133.
Eggehard, gewählt im Sommer, gest. 24. Nov. 1088, Ann. Aug.
S. 133, Necr. Ottenb. S. 116, Aug. Div. S. 281.
Eberhard, wahrscheinlich von König Konrad ernannt 1094, bald
darauf gest., Ann. Aug. S. 134, vgl. Bern. z. 1093 S. 456.
Hermann, investiert Dez. 1096 oder Anf. 1097 u. alsbald geweiht, Udals.
de Eg. 12 f. S. 437 ff. , zur Weihe vgl. d. undat. Schreiben Ruothards
V. Mainz M.B. XXXllI, 1 S. 11 Nr. 12. Gest. 19. März 1132, Ann. Saxo
S. 767, Lib. anniv. S. 59, Necr. s. Udalr. S. 122, Fauc. S. 81.
3. Bamberg.
Eberhard, ernannt und geweiht 1. Nov. 1007, Thietm. VI, 32 S. 153. Gest.
12. oder 13. Aug. 1040, Ann. necr. Fuld. S. 212, Ekkeh. S. 195, Necr. s.
Mich. S. 564 u. 575.
Suitger, geweiht 25. Dez. 1040, Ann. Saxo z. 1041 S. 685, Herim. Aug.
S. 123; Papst 24. Dez. 1046, S. 590. Gest. 9. Okt. 1047, Herim. Aug.
S. 127, Bern. necr. Scr. V S. 392, Necr. s. Mich. S. 576.
Hartwich, ernannt Weihnachten 1047, Lamb. z. 1048 S. 61, Ann. Altah.
S. 44. Gest. 6. Nov. 1053, Herim. Aug. S. 133, Ann. necr. Fuld. S. 214,
Ann. Altah. S. 49, Necr. s. Petr. Bamb. S. 559, Necr. s. Mich. S. 578.
Adalbero, ernannt Weihnachten 1053, Herim. Aug. S. 133, Ann. Altah.
S. 49. Gest. 14. Febr. 1057, Ann. Altah. S. 54, Necr. s. P. S. 557, s.
Mich. S. 568.
Günther, ernannt und geweiht 30. März 1057, Ann. Altah. S. 54. Gest.
23. Juli 1065 zu Ödenburg, Ann. Altah. S. 70, Lamb. S. 99, Herim. ehr.
cont. Scr. XIII, 732 Necr. s. P. S. 559, s. Mich. S. 574.
Hermann, ernannt 1065 (S. 726), abgesetzt 1075 (S. 779), gest. 1084, Ann.
Hild. S. 94.
Ruotpert, ernannt und geweiht 30. Nov. 1075, Lamb. S. 240, Berth. S. 279,
Ekkeh. S. 201. Gest. 11. Juni 1102, Ekkeh. S. 224, Necr. s. P. S. 558,
s. Mich. S. 572.
— 984 —
Otto, investiert 25. Dez. 1102, Ekkeh. S. 224, Mon. Priefl. 6 S. 885, Ebo
1,8 S. 597, geweiht 13. Mai 1106 von Paschal IL, Cod. Udalr. 132 f.
S. 249f.; Ebo 1,11 S. 601. Gest. 30. Juni 1139, Ebo 111,26 S. 688 ff.,
Necr. Ursb. S. 134, Zwif. S. 255, s. Rudb. Salisb. S. 147.
4. CUur.
AValdo L, nach 913 (s. B.M. 2028), gest. 10. oder 11. Sept. 949, Ann.
Sangall. mai. S. 78, Lib. ann. s. Gall. S. 480, Necrol. Aug. Div. S. 279.
Hartbert, 949, Cont. Regin. S. 164. Gest. nach 966, 29. Dez., s. Dipl. I
S. 441 Nr. 326, Lib. ann. s. Galli S. 487; Lib. anniv. Cur. S. 620: 6. Jan.
Hiltebold, erste urk. Erwähnung 2. Jan. 976, Mohr I S. 93 Nr. 65, letzte
20. Okt. 988, ib. S. 98 Nr. 69, Todestag 8. Okt., Lib. ann. Cur. S. 641.
Waldo IL findet sich bei Mooj^er und anderwärts in den Listen; ich ver-
mag ihn nicht zu belegen. Der liber anniv. eccl. Cur. hat ihn nicht.
Udalrich L, 1002 zuerst erwähnt Thietm. V, 13 S. 114, im Mai 1024 zum
letztenmal ep. Mog. 25 S. 362. Gest. 22. Aug., L. a. s. Galli S. 479; L.
a. Cur. S. 637: 23. Aug.
Hartmann L, 19. Sept. 1030 erste, 26. Jan. 1036 letzte urk. Erwähnung,
Mohr T S. 113 Nr. 81, S. 116 Nr. 83. Todesmonat Nov., Not. necr. Eins.
S. 363.
Dietmar, 23. Jan. 1040 erste urk. Erwähnung, Mohr S. 125 Nr. 88. Gest.
28. oder 29 Jan. 1070, Berth. S. 275, Lib. anniv. Cur. S. 621, Necr. s.
Rudb. Salisb. S. 100.
Heinrich L, geweiht 24. Apr. 1070, Berth. S. 275, Mohr I S. 136 Nr. 97.
Gest. 23. Dez. 1078, Berth. S. 315, Lib. anniv. Cur. S. 646, Lib. ann. s.
Galli S. 487.
Norbert, ernannt Spätherbst 1079, Berth. S. 323, geweiht 2. Febr. 1085,
Ann. August. S. 131, Ann. Saxo S. 72S. Gest. 26. Jan. 1087, Ann. Aug.
S. 133, lib. anniv. Aug. S. 57, Cur. S. 621 mit d. J. 1088.
Udalrich,. 1087, Ann. Aug. Gest. 30. Juli 1095, ib. S. 134, L. a. Cur. S. 635
mit dem Jahr 1096.
Wido, 1095, Ann, Aug. Gest. 18. Mai 1122, Necr. Petrish. S. 671; L. a.
Cur. S. 630: 17. Mai.
5. Eichstätt.
Starchand, 933, s. Gundech. Lib. pont. Scr. VII S. 244. Gest. 11. oder
12. Febr. 966, Ann. necr. Fuld. S. 200, Cont. Reg. S. 177, Freis. Toten-
buch, Forsch. XV S. 162; L. p. S. 244: 11. Febr. 965.
Reginold, geweiht im Aug. 966, s. Ind. cons. ep. Scr. XIII S. 323 u. Cont.
Reg. S. 177. Gest. 4. Apr. 988 oder 989. Das erstere Jahr im Auct.
Garst. S. 567 und in den Ann. s. Rudb. S. 772, das letztere im L. p.
S. 244. Unrichtig Ann. necr. Fuld. S. 206: 991.
Megingoz, 989 oder 990, nach der Amtsdauer, 24 J., im L. p. und in der
Ser. ep. S. 336. Gest. 28. Apr. 1014, L. p., Necr. inf. mon. Ratisb. S. 484.
Gundechar L, 1014, nacii der Amtsdauer, 5 J., vgl. An. Has. 25 S. 260.
Gest. 20. Dez. 1019, L. p. S. 245.
Walter, 1019, nach der Amtsdauer, 2 J. Gest. 20. Dez. 1021, L. p. S. 245,
An. Haser. 26 S. 261.
Heribert, 1021 oder 1022, Amtsdauer 22 J. Gest. 24. Juli 1042, L. p.
S. 245, Ann. Altah. S. 32, Ann. necr. Prüm. S. 220, Necr. inf. mon. S. 484.
Gezmann, Aug. 1042, Ann. Altah. S. 82, Lamb. S. 58, Amtsdauer 2 M.
Gest. 17. Okt. 1042, L. p. S. 245, Ann. Altah., Lamb., An. Haser. 33
S. 263.
Gebhard L, Weihnachten 1042, Ann. Altah. z. 1043 S. 32, An. Haser. 34
S. 263, Lamb S. 58; zum Papst ernannt Sept. 1054. Gest. 28. Juli 1057,
L. p. S. 21., Ann. Aug. S. 127, Lamb. S. 70, An. Haser. 41 S. 266.
Gundechar IL, Gunzo. nominiert d. 20. Aug., investiert d. 5. Okt., ge-
weiht d. 27. Dez. 1057, L. p. S. 245, Ann. Altah. S. 54, August, z. 1058
— 985 —
5. 128, Lamb. S. 70. Gest. 1075, Ann. August. S. 128, Ann. necr. Prüm
. S. 222, 1. Aug. Necr. Baumb. S. 247.
Udalrieh L, Ende 1075, Ann. Aug. S. 128. Gest. 17. Nov. 1099, L. p. S. 250,
Ann. Wirz. S. 246, Hild. S. 50, s. Disib. S. 16 mit dem falschen Namen
Konrad.
Eberhard, wahrscheinlich 1099, 13 Amtsjahre; 1110 geweiht, Cod. Udalr
144 S. 260. Gest. 6. Jan. 1112, L. p. S. 250, Chr. reg. Col. S. 52, Ann.
Patherbr. S. 250, Ann. Saxo S. 750, Necrol. s. Emmer., M.B. XIV S. 366.
Udalrieh IL, wahrscheinlich 1112, 13 Amtsjahre. Gest. 2. Sept. 1125, L.
p. S. 250, Ekkeh. S. 265, Necr. Altah. sup. S. 575.
6. Halberstadt.
Bernhard, geweiht 8. Febr. 924. Die sächs. Quellen lassen B. Sigmund
923 sterben und verlegen demnach den Amtsantritt Bernhards in dieses
Jahr, Ann. Quedl. S. 52, Thietm. I, 22 S. 13 f. Dagegen geben die Ann.
necr. Fuld. S. 192 den 14. Jan. 924 als S.'s Todestag. Da die säch-
sischen Quellen auch über das Todesjahr B.'s im Unrecht sind, Thietm.
II, 18 S. 29, Ann. Corb. z. 967 S. 36, während die Angabe der Ann.
necr. Fuld.: 968, feststeht, so wird man den letzteren auch für das
Todesjahr Sigmunds zu folgen haben. Daß B. an seinem Ordinations-
tag starb, bemerkt Thietmar. Über den Tag herrscht keine Überein-
stimmung; Thietmar hat den 3. Febr., ebenso die Gesta ep. Halb. Scr.
XXIII S. 85; Ann. necr. Fuld. S. 200 den 9. Febr., Ann. Corb. den
6. März; wahrscheinlich ist der 3. Febr. richtig.
Hildiward, gewählt 30. März, geweiht 21. Dez. 968, Gesta S. 85, Ann. Saxo
S. 621, vgl. Ann. Quedl. z. 992. Gest. 25. Nov. 996, Thietm. IV, 26 S. 79,
Ann. Quedl. S. 73, Ann. necr. Fuld. S. 208, Gesta S. 88, Necr. Merseb.
S. 245.
Arnolf, geweiht 13. Dez. 996, Thietm. IV, 26 S. 79, Ann. Quedl. S. 73. Gest.
7. Sept. 1023, Ann. Quedl. S. 88, Hild. S. 34, Gesta S. 92, Ann. necr.
Fuld. S. 211, Ann. Saxo S. 675, Necr. s. Mich. Bamb. S. 562.
Brandag. ernannt 25. Dez. 1023, Ann. Quedl., Hild., Gesta. Gest. 27. Aug.
1036, Ann. Hild. S. 41, Gest. S. 93, Ann. necr. Fuld. S. 212.
Burchard 1., geweiht 18. bezw. 26. Dez. 1036, Ann. Hild., Gesta S. 94.
Gest. 18. Okt. 1059, Ann. Altah. S. 55, Gest. S. 96, Ann. necr. Prüm.
S. 221, Lamb. S. 76, Necr. Huysb. Harzz. V S. 136. Unrichtig Ann. Saxo
S. 692: 12. Okt. 1058.
Burchard IL, ernannt 25. Dez. 1059, Ann. Altah. z. 1060 S. 55, Lamb.
Gest. 7. Apr. 1088, Ann. Aug. S. 133, Hild. S. 49, Corb. S. 7, Ann. Saxo
S. 724, Necr. Huysb. S. 120, Bern. S. 447, Gesta S. 101. Die letzten
beiden mit abweichendem Todestag.
Kaiserl. Gegenbischof: Hamezo, ernannt 1085, Ann. Saxo
S. 723, Gest. arch. Magdb. S. 404; unrichtige Darstellung Gesta
S. 100.
Thietmar L, gewählt 25. Jan. 1089. Gest. 10. Febr. 1089, Gesta S. 101,
vgl. ÜB. d. H. Halberst. I S. 111 Nr. 146.
Herrand, Stephan, gewählt 1090, Ann. Saxo S. 726, Gesta S. 101, Ann.
Rosenv. S. 101, von Urban IL in Rom geweiht 29. Jan. 1094, Cod. Udalr.
82 f. S. 163, ÜB. I S. 77 Nr. 115. Gest. 23. oder 24. Okt. 1102, Gesta
S. 101, Ann. Rosenv. S. 102, Necr. Huysb. S. 136. Necr. Sanblas.: 22. Okt.
Gegenbischöfo: Thietmar IL, 1090 gewählt, Gesta S. 101,
Ann. Saxo z. 1100 S. 733. Gest. 1093. Denn Anf. 1094 ist nur
noch ein Gegenbischof vorhanden, ÜB. I S. 77 Nr 115, während
1090 zwei gewählt worden waren.
Friedrich, 1090 gewählt, Gesta S. 101, Ann. Saxo S. 733, abge-
setzt 1106, Ann. Patherbr. S. 113, Chr. reg. Col. S. 45.
Reinhard, ernannt im März, geweiht 31. März 1107, Ann. Patherb. S. 116,
Ann. Saxo S. 745, Ann. Hild. S. 60, vgl. ÜB. I S, 86 Nr. 124 ff. Gest.
27. Febr. 1123, Ann. Rosenv. S. 104, Ann. Saxo S. 759, Necr. Luneb.
- — 986 —
S. 365; Ann. Magdb. S. 182 mit 1. März; Gesta S. 105, Necr. Huysb.
S. 117: 2. März.
7. Hildesheini.
Sehard, 919, gest. 10. Okt. 928, Ann. necr. Fuld. S. 193, Chr. Hild. 9 S. 852,
Necr. Hild. Leibniz Scr. I S. 766.
Thiedhart, 928, Ann. Hild. S. 20. Gest. 13. Sept. 954, Ann. Hild. S. 21,
Ann. necr. Fuld. S. 198, Thietm. Zusatz zu 11, 12 S. 25, Necr. Hild. S. 766.
Otwin, 954, Ann. Hild., Thietm , Chr. Hild. 10 S. 852. Ann. Quedl. S. 58:
955. Gest. 1. Dez. 984, Ann. Hild. S. 24, Ann. necr. Fuld. S. 205,
Thietm. IV, 9 S. 69, Necr. Hild. S. 767.
Osdag, gewählt 985, Ann. Hild. S. 24, Thietm. IV, 9. Gest. 8. Nov. 989,
Ann. Hild. S. 25, Quedl. S. 25, Thietm. IV, 9, Necr. Hild. S. 767.
Ger dag, geweiht 19. Jan. 990, Ann. Hild. S. 25, Thietm. IV, 9. Gest. zu
Como 7. Dez. 992, Ann. Hild., Ann. necr. Fuld. S. 207, Chr. Hild. 12
S. 852, Necr. Hild. S. 767, Merseb. S. 245.
Bernward, geweiht 15. Jan. 993, Ann. Hild. S. 25, V. Bernw. 4 S. 759.
Gest. 20. Nov. 1022, Ann. Hild. S. 32, Quedl. S. 88, Lamb. S. 52, V. Bernw.
54 S. 781, Necr. s. Mich. Luneb. S. 88.
Godehard, geweiht 2. Dez. 1022, Vit. I God. 16 S. 179, Ann. Hild. Gest.
5. Mai 1038, Ann. Hild. S. 42, Necr. s. Rudb. Salisb. S. 132, Hild. S. 764.
Ann. necr. Fuld. S. 212: 13. Mai.
Thietm ar, geweiht 20. Aug. 1038, Ann. Hild.- S. 43. Gest. 14. No.v. 1044,
Lamb. S. 59, Ann. Hild. S. 46, Vit. II Godeh. 33 S. 215, Necr. Hild.
S. 767.
Azelin, 1044, Lamb., Ann. Hild., V. II God. 33. Gest. 8. März 1054, Ann.
Hild. S. 46, Lamb. S. 66, Necr. s. Mich. Hild. bei Leibniz 11 S. 104, wo
Chelinus verschrieben ist; Necr. Wettenb. S. 569: 9. März.
Hezelo, 1054, Ann. Hild., Lamb. Gest. 5. Aug. 1079, Ann. Hild. S. 48, Ann.
necr. Prüm. S. 222. Berth. S. 323, Necr. s. Mar. Fuld. Font. IV S. 453,
Necr. Hild. S. 765, Luneb. S. 57 u. ä.
Udo, 1079, Ann. Hild., Berth. Gest. 19. Okt. 1114, Ann. Hild. S. 63, Chr.
reg. Col. S. 55, Necr. Hild. S. 767.
Bruning, investiert 1115, Ann. Saxo S. 751, Chr. reg. Col. S. 56, Ann.
Fatherbr. S. 129; tritt 1119 zurück, Ann. Saxo S. 756, Chr. Hild. S. 855,
vgl. ÜB. I S. 158 f. Nr. 176 f.
Berthold, 1119. Die Wahl fand nach Mitte Juli und vor Mitte Okt. statt,'
ÜB. I S. 159 f. Nr. 177 f., vgl. auch Ann. Saxo z.* 1119 S. 756 und Ep.
Mog. 44 S. 389 f. Gest. 14. März 1130, Ann. Palid. S. 78, Ann. Saxo
S. 766, Necr. Hild. S. 766, Mollenb. S. 347.
8. Konstanz.
Nothing, erwählt 920, geweiht 921, Ann. Weing. S. 67. Gest. 934, Ann.
Sang. mai. S. 78, Chr. Suev. univ. S. 67 u. a. Todestag 21. Nov., Lib.
ann. s. Gall. S. 484; dagegen Necr. Aug. Div. S. 278: 12. Aug.
Konrad, erwählt 934, V. II Chuonr. 13 S. 438, Chr. Suev. univ. u. a. Die
Angabe der Ann. Sang. mai. S. 78: 935, bezieht sich vermutlich auf die
Weihe, schließt aber nicht aus, daß diese Weihnachten 934 stattfand.
Gest. 26. Nov. 975, Ann. necr. Fuld. S. 203, Chr. Suev. un. S. 68, der
Tag auch im L. a. s. Gall. S. 485, Necr. Einsidl. S. 361 u. a. Unrichtig
V. Chuonr. 11 S. 434 u. a.: 976.
Gamenolf, 975, Chr. Suev. un. Investitur und Weihe fanden wahrschein-
lich an Weihnachten statt, s. Cons. Erkenb. Scr. XIII S. 328 u. Dipl. II
S. 138 Nr. 122b. Gest. 22. Mai 979, Ann. necr. Fuld. S. 204, Chr. Suev.
un. u. a., L. a. s. Gall. S. 474, Necr. Einsidl. S. 360 u. a. Unrichtig
Ann. Einsidl. S. 143: 980.
Gebehard IL, 979, Ann. Sang. mai. S. 80, Chr. Suev. un. S. 68 u. a., vgL
Cons. Erkenb. S. 323. Gest. 27. Aug. 995, Ann. necr. Fuld. S. 507, Chr.
Suev. un. S. 69, Ann. Quedl. S. 73; der Tag V. Gebeh. 22 S. 589, c. 27
- 987 —
S. 590 das falsche Jahr 996, d. Tag L. a. s. Gall. S. 479 u. a. Necr.
Merseb. S. 240; 26.
Landbert, 995, Chr. Suev. un., Ann. Quedl. u. a. Gest. 16. Mai 1018,
Chr. Suev. un. S. 70, Ann. August. S. 124, Thietm. IX, 18 S. 250, L. a.
s. GalU S. 474, Necr. Merseb. S. 234 u. a.
Rudhard, prnannt 25. Mai 1018, Thietm., Ann. Aug. u. a. Gest. 28. Aug.
1022, Ann. Sang. mai. S. 82, Aug. S. 125, Chr. Suev. un. S. 70, Ann.
necr. Fuld. S. 211, L. a. s. Gall. S. 479 u. a.
Heimo, 1022, Chr. Suev. un., Ann. Sang, mai., Aug. Gest. 18. März 1026,
Chr. Suev. un., Ann. Sang, mai., Aug., L. a. s. Gall. S. 469.
Warmann, geweiht 20. Sept. 1026, vita I Godeh. 30 S. 189, Chr. Suev. un.
S. 70, Ann. Sang. mai. S. 83, Aug. S. 125 u. a. Gest. 10. Apr. 1034,
Chr. Suev, un., Ann. Sang, mai., Aug. u. a. L. a. s. Gall. S. 471.
Eberhard I., 1034, s. S. 547. -Gest. in Rom 25. Dez. 1046, Herim. Aug.
S. 126, Ann. Aug. S. 126 u. a L. a. s. Gall. S. 487.
Theoderich, ernannt 1047, Herim. Aug. S. 126, Ann. Aug. Gest. 22. Juni
1051, Herim. Aug. S. 130, Ann. Ältah. S. 47 u. a. L. a. s. Gall. S. 476.
Rumold, ernannt 1051, Herim. Aug., Ann. Altah. u. a. Gest. 4. Nov. 1069,
Berth. S. 274, Lamb. S. 111 u. a. L. a. s. Gall. S. 483.
Karl, ernannt Febr. 1070, Berth. S. 274, Ann. Aug. S. 128, Ann. Altah. z.
1071 S. 82, Lamb. z. 1069 S. 111; tritt zurück 18. Aug. 1071, Berth.
S. 275, Ann. Altah. S. 82, Lamb. S. 129, Ann. Aug. S. 128.
Otto 1., ernannt Aug. 1071, Berth. S. 275, Ann. Altah. S. 83: post paucos
dies; Lamb. S. 131. Gest. Anfang 1086, Bern. S. 444, Cas. mon. Petrish.
n,49 S. 648.
Päpstliche Gegenbischöfe: Pertolf, 1080, Bern. Epist. apol.
pro Gebeh. 7 S. 111. Gest. 1084, Ann. Aug. S. 131.
Gebehard HL, ge .vählt 21., geweiht 22. Dez. 1084, Bern. S. 441,
Cas. mon. Petrish. II, 49 S. 648, Ann. Aug. S. 131, De un. eccl.
11,24 S. 84. Gest. 12. Nov. 1110, Ann. Corb. S. 7, Necr. Zwif.
S. 264, Necr. Ottenb. S. 116 u. a.
Kaiserliche Gegenbischöfe: Thietbald, s. S. 856.
Sigefrid, s. S. 856.
Penno,
Udalrich, s, Regesta ep. Const. Nr. 664.
Arnold, ernannt und investiert 28. März 1092, Cas. s. Galli cont.
S. 85, Ann. Aug. z. 1084 S. 131; vertrieben 1105, Cas. mon.
Petrish. III, 36 S. 657.
Ulrich L, investiert zwischen d. 12. Febr. u. d. 12. Apr. 1111, Cas. mon.
Petrish. 111,39 S. 658. Gest. 27. Aug. 1127, Ann. s. Disib. S. 24, Neresh.
S. 21 u. a. Necr. Ottenb. S. 112, Zwif. S. 259 u. a.
9. Olmütz.
Jo4iann L, ernannt u. geweiht 1063, s. S. 734. Gest. 25. Nov. 1086, Cosm.
Chr. II, 37 S. 91.
Wezel, ernannt von Wratislaw nach 1086, Cosm. 11,41 S. 95. Tod un-
bekannt; aber nach dem Tode Gebhards v. Prag, wahrscheinlich 1091.
Andreas I., von Heinrich IV. investiert 4. Jan. 1092, Cosm. 11,49 S. 100.
Gest. 22. Mai 1096, Dudik, Gesch. Mährens II S. 489.
Heinrich, s. Dudik IV S. IIL
Peter, b. Dudik 1. c.
Johann H., gewählt 1104, Cosm. 111,17 S. 109. Gest. 19. Febr. 1126, Cosm.
contin. Saz. S. 157.
10. Paderborn.
Unwan, geweiht 25. Jan. 917, Necr. Heris. bei Wilmans KU. I S. 504. Das
Jahr ergibt sich aus den 19 Amtsjahren der vita Meinwerci 1 S. 107.
Gest 20. Juli 935, Necr. Päd. s. Erhard Reg. 535 S. 123. Letzte urk.
Erwähnung 11. Mai 935, Dipl. I S. 72 Nr. 38.
— 988 —
Dudo, 935, gest. 26. Juli 960, Necr. Heris., wenn Udo = Dudo, nach Necr.
Päd. Erhard I S. 130 Nr. 585, Osnabr. S. 126: 25; vita Meinw. 1 S. 107
25 Amtsjahre.
Folcmar, 961, vita Meinw. 6 S. 109. Gest. 17. Febr. 983, Ann. Corb. S. 5,
Ann. Patherbr. S. 93, Ann. Saxo S. 630, Ann. necr. Fald. S. 205. Der
Todestag im. Paderborner Nekrol., s. Erhard I S. 138 Nr. 651, wo aber
mit Unrecht 981 als Todesjahr angenommen ist.
Rethar, 983; die Weihe in Sp,eier, s. Consecr. episc. Scr. XIII S. 323, föllt
spätestens in den Anfang Mai; denn am 7. Juni 983 befand sich Willi-
gis bereits in Verona, Dipl. II S. 351 Nr. 298. Gest. 6. März 1009, Ann.
Quedl. S. 80, Hild. S. 30, Ann. necr. Fuld. S. 209, Necr. Heris
Meginwerk, geweiht 13. März 1009, vita Meinw. 11 S. 112, Ann. Quedl.,
Hild. Gest. 5. oder 6. Juni 1036, Ann. Hild. S. 40, Patherbr. S. 94,
Ann. necr. Fuld. S. 212, Necr. Heris.
Rudolf, 1036, Ann. Hild. S. 40, Patherbr. S. 94; Lamb. S. 54 unrichtig:
1035. Gest. 6. Nov. 1051, Ann. Patherbr. S. 94, Ann. necr. Fuld. S. 214,
Imad, geweiht 25. Dez. 1051, Ann. Patherbr. S. 94, Lamb. z. 1052 S. 63.
Gest. 3. Febr. 1076, Berth. S. 283, Ann. Patherbr. S. 97, Yburg. S. 436,
Necr. Heris., Ann. necr, Prüm. S. 222.
Poppo, ernannt 1076, Berth. S. 283, Lamb. S. 259, Ann. Patherbr. S. 97,
Yburg. S. 436. Gest. 28. Nov. 1083, Ann. Patherbr. S. 99, Yburg. S. 437;
der Tag bei Erhard S. 201 Nr. 1216 nach dem Necr. Abdingh.
Heinrich von Asloe, von König Hermann ernannt 1083, Ann. Patherbr.
S. 99, Yburg. S. 437, Gest. arch. Magdb. 23 S. 406; wird 1102 EB. von
Magdeburg.
Kaiser]. Gegenbischof: Heinrich von Werle, ernannt 1084,
Ann. Patherbr. S. 99, Yburg. S. 438; tritt 1105 auf die päpst-
liche Seite, s. S. 880. Gest. 14. Okt. 1127, Ann. Patherbr.
S. 151; Hild. S. 67, Chr. reg. Gol. S. 65, Necr. Heris.
11. Prag.
Deothmar. Seine Weihe fällt wahrscheinlich in den Anfang Jan. 976
Aus den consecr. Erkenb. S. 323 ist bekannt, daß sie in Brumath statt-
fand und von Willigis unter Assistenz Erchanbalds von Straßburg voll-
zogen wurde. Da Willigis Ende Jan. 975 sein Amt antrat und Deoth-
mar am 28. April 976 an einer Mainzer Synode als Bischof Anteil
nahm, Reg. Mog. I S. 119 Nr. 13, so muß sie zwischen diese beiden
Termine fallen. Nun waren Willigis und Erchanbald am 27. Dez. 975
zu Erstein im Elsaß in der Umgebung des Kaisers, Dipl. 11 S. 138
Nr. 122 b. Mitte Jan. 976 weilte der Hof in Bruchsal, S. 141 Nr. 125.
Die Annahme liegt nahe, daß die Weihe auf dem Weg von Erstein
nach Bruchsal in Brumath vorgenommen wurde. Gest. wahrscheinlich
2. Jan. 983. Doch stehen weder Tag noch Jahr ganz fest. Den Tag
gibt Cosm. 1,24 S. 50 mit falschem Jahr. Das Jahr hängt von der
Berechnung des Amtsantritts Adalberts ab.
Adalbert, gewählt 18. oder 19. Febr. 983, investiert 3., geweiht 29. Juni,
Canap. 7 f. S. 584, Cosm. I, 25 S. 50. Nach Canap. war der Wahltag
Adalberts ein Sonntag. Diese Angabe führt auf 982; denn in diesem
Jahr fiel der 19. Febr. auf einen Sonntag. Da aber nach der Erzählung
des Canaparius ausgeschlossen ist, daß zwischen der Wahl und der
Investitur mehr als ein Jahr liegt, so wird man einen Irrtum im
Monats- oder im Wochentag anzunehmen und als Jahr 983 anzusetzen
haben. Gest. 23. Apr. 997, Ann. Ottenb. S. 5, Lamb. S. 48, V. Adalb
30 S. 595, Prag. S. 119, vgl. Cosm. 1,31 S. 54.
Thieddag. crnannfc 997 (S. 266). Gest. 10. Juni 1017, Thietm. Vllf, 56
S. 227, Ann. Quedl. S. 84, Prag. S. 120, Cosm. 1,39 S. 62,
Ekkehard, geweiht 6. Okt. 1017, Thietm. VIII. 65 S. 232, Ann. Quedl., Prag.
S. 120. Gest. 3. Aug. 1023, Ann. Quedl. S. 89, Cosm. 1,40 S. 63.
— 989 —
Hizo, ernannt Weihnachten 1023, Ann. Quedl. S. 89, Prag. Gest 30. Jan
1030, Cosm. I, 41 S. 64, Ann. Prag. S. 120.
Severus, 1030, Ann. Prag., geweiht 29 Juni 1031, Ann. Saxo S. 678, Cosm.
1,41. Gest. 9. Dez. 1067, Cosm. 11,21 S. 80; Ann. Prag. S. 120: 1066.
Gebhard (Jaromir), ernannt 15. Juni 1068, geweiht 6. Juli, Cosm. II, 22 ff.,
S. 81 ff. Gest. 26. Juni 1089, Ann. Saxo S. 726; Cosm. 11,41 S. 96 läßt
den B. erst 1090 sterben.
Cosmas, gewählt 4. März 1090; Cosm. 11,42 S. 96: 1091 infolge des un-
richtigen Ansatzes von Gebhards Tod; investiert 4. Jan. 1092, 11,49
S. 100; geweiht 12. März 1094, III, 2 S. 103. Gest. 10. Dez. 1098, Cosm.
111,6 S. 104; Ann. Prag.: 1097.
Hermann, gewählt 28. Febr., investiert 20. Apr. 1099, Cosm. 111,8 S. 105,
geweiht 8. Apr. 1100, III, 10 S. 106. Gest. 17. Sept. 1122, Cosm. 111,49
S. 124, Ann Prag.
1*2. Speler.
Bernhard, wahrscheinlich 918 gewählt, nur durch den Bischofskatalog
bezeugt, Scr. XIII S. 319.
Amalrich, gest. 7. Mai 941, Ann. necr. Fuld. S. 196.
Reginbald I., wahrscheinlich. Sommer 941, s. S. 30, 6. Gest. 30. Juni 949,
Ann. necr. Fuld. S. 197; Ann. Weiss. S. 87: 950.
Godefrid, wahrscheinlich 950, s. Ann. Weiss. S. 37; Otto ist im Febr. 950
in Speier, B.O. 185. Gest. 16. oder 17. Mai 961, Ann. necr. Fuld. S. 199,
Necr. Spir. Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins XXVI S. 429, Necr. can.
Spir. Font. IV S. 321, Necr. Mers. S. 234.
'Otgar, 961, erste Erwähnung 963, Cent. Reg. S. 173. Gest. 13. Aug. 970.
Ann. Weiss. S. 41, Necr. Spir. S. 434, Necr. can. Spir.
Balderich, 970, Ann. Weiss. Gest. 15. Apr. 986, Ann. Weiss. S. 47, Necr.
can. Spir. S. 316, Weissenb. S. 310, Spir. S. 427, Mers. S. 232; Ann. necr.
Fuld. S. 206: 987.
Ruoppert, 986, Ann. Weiss. Gest. 10. Juli 1004, Ann. necr. Fuld. S. 209,
Necr. Spir. S. 432, Necr. can. Spir.
Walther, 1004, Ann. Weiss S. 47. Gest. 3. Dez. 1027, Ann. necr. Fuld.
S. 211, Necr. Spir. S. 442, Necr. can. Spir.
Reginger, 1028? Gest. 20. Mai 1032, Ann. necr. Fuld. S. 211, wenn Regi-
nold als verschrieben für Reginger betrachtet werden darf, Necr. Weiss.,
can. Spir. S. 317. Das Jahr steht auch abgesehen von diesem Eintrag
fest; denn R. wird zuletzt 21. Febr. 1032 urkundlich erwähnt, St. 2030,
sein Nachfolger Reginbold II weihte 1033 die Peterskirche in Weißen-
burg, Ann. Weiss. S. 49.
Reginbald IL, 1032? Gest. 13. Okt. 1039, Herim. Aug., Chr. Suev. un.
S. 71, Ann. necr. Fuld. S. 212, Aug. S. 125 u. a., Necr. Spir. S. 439 u. a.
Sigebod, Sibich, 1039, Lamb. S. 56. Gest. 11. oder 12. Apr. 1054, Ann.
necr. Fuld. S. 214, Lamb. S. 51, Necr. Weiss. S. 311; Necr. Spir. S. 426;
can. Spir. S. 316: 11. Apr.
Arnold L, 1054, Lamb. Gest. 2. Okt. 1055, Ann. necr. Fuld. S. 214, Chr.
Herim. cont. S. 731 u. a. Necr. Weiss. S. 313, Lamb. S. 70: 1056.
Konrad, ernannt 1056, Herim. cont. S. 731, Lamb., Berth. S. 270. Gest.
12. Dez. 1060, Herim. cont., Lamb. S. 77 u. a. Necr. Spir. S. 442.
Einhard IL, Ende Dezember 1060 B., Lamb. S. 77, Ann. Aug. S. 127;
Altah. S. 55 irrig zum Sommer. Gest. 23. März 1067, Lamb. S. 104,
Berth. S. 273, Necr. can. Spir. S. 316.
Heinrich L, Sommer 1067, Lamb. S. 104, Berth. S. 273, Ann. Weiss. S. 53;
die Jahreszeit ergibt sich aus dem Itinerar Heinrichs. Gest. 26. Febr.
1075, Bern. S. 430, vgl Berth. S. 278, Lamb. S. 227, Ann. s. Disib. S. 7;
Necr. can. Spir. S. 315.
Huzmann (Rüdiger), April oder Mai 1075, Lamb. S. 227, Berth. S. 278,
der Monatsansatz nach dem Itinerar Heinrichs. Gest. 22. Febr. 1090,
Ann. Saxo S. 726, Ann. Wirz. S. 246, Necr. Spir. S. 421, can. Spir. S. 315.
— 990 —
Johann L, 1090 B., Ann. Wirz., Spir. S. 82, Ann. Saxo S. 726. Gest. 26. Okt.
1104, Ann. August. S. 136, Ekkeh. S. 226, Ann. Hild. S. 52, Necr. Spir.
S. 440; Necr. eccl. metr. Mog.: 28. Okt.
Gebhard. ernannt 1. Nov.. Hist. Hirs. mon. 4 S. 257, Ekkeh. S. 229, Chron.
Lauresh. S. 430, geweiht 27. Dez. 1105, Ann. Hild. z. 1106 S. 55; tritt
zurück und stirbt kurz danach, 1. März 1107, Hist. Hirs. mon. S. 258,
Gesta ep. Vird. 22 S 504.
Brun, gest. 19. Okt. 1123, Ann. Disib. S. 23, Necr. Spir. S. 439.
13. Strassburg.
Gozfrid, Catal. ep. Scr. XHI S. 323, Böhmer, Font. HI S. 3; hieraach
amtierte er 8 Wochen lang und starb am 10. Nov. Als Jahr ergibt
sich aus dem Tode Otberts: 913.
Ricbwin, vor 916, s. Syn. Alth. 29 S. 625. Gest. 30. Aug. 933, Ann. necr.
Fuld. S. 194, Necr. Arg., Böhmer, Font. III S. XV.
Ruodhard, vor 939, Gont. Reg. S 161. Gest. 950, Cont. Reg. S. 164. Todes-
tag 15. Apr., Vers. Erch. S. 3.
Udo, 950, Cont. Reg. Gest.* 26. Aug. 965, Cont. Reg. S. 176, Necr. Arg.,
Vers. Erch.; Ann. necr. Fuld. S 200: 27. Aug.
Erchanbald, 17. Sept. 965 investiert, 24. geweiht, Vers. Erch.- Gest.
12. Okt. 991, Ann. Quedl. S. 68, Necr. Arg. 1. c; Ann. necr. Fuld. S. 206:
10. Okt., Necr. Arg. Font. IV S. 310: 11. Okt.
Widerolf, 991 oder 992? Gest. 999, Ann. necr. Fald. S. 208, vgl Herim.
Aug. z. 1000.
Ale wich, 1000, Herim. Aug., chron. Suev. univ. S. 69. Gest. 3. Febr. 1001,
Ann. necr. Fuld. S. 208; Necr. Weiss. Fontes IV S. 310.
Wernher L, von Otto IlL, also vor dem 24. Jan. 1002 ernannt, Dipl. III
S. 38 Nr. 34. Gest. 28. Okt. 1028, Ann. necr. Fuld. S. 211, Aug. S. 125,
Herim. Aug. z. 1027, Necr. Arg. S. XV, Hermetisv. S. 434; Ann. Hild.
S. 35, Lamb. S. 52 unrichtig: 1029.
Wilhelm, 1029, s. S. 547. Gest. 7. Nov. 1046, Herim. Aug. z. 1047 S. 126,
Necr. Arg. S. XV.
Herrand (Heremann, Hezilo), ernannt Weihnachten 1046, Herim. Aug.,
Ann. Aug. z. 1047 S. 126. Gest. 12. oder 13. Jan. 1065, Lamb. S. 93,
Necr. Arg. S. XV, Cal. Hon. Z. f. G. d. ORh. IV S. 251.
Wernher II., 1065, Lamb. Gest. 14. Nov. 1077, Berth. S. 301, Ann. necr.
Prüm. S. 222, Necr. can. Spir. Font. IV S. 325. Ann. Arg. unrichtig zu
1079 Scr. XVH S. 88.
Dietpald, ernannt 13. Mai 1078 oder in den nächsten Tagen, Berth. S. 311.
Gest. 2. Aug. 1082, Ann. August. S. 130, Arg. S. 88, Necr. can. Spir.
S. 322.
Otto, ernannt vor d. 21. März 1084, s. St. 2854, Ann. Arg. S. 88. Gest.
3. Aug. 1100, Bern. S. 467, Necr. Arg., Ann. necr. Prüm. S. 223.
Baldewin, Aug. 1100. Gest. Mitte Sept. 1100, Ann. Arg. S. 88, Wirz. S. 246.
Kuno, 1100 B., Ann. Arg. S. 88, abgesetzt 1123, Ann. Saxo S. 759, Ann.
Arg. S. 88.
14. Verden.
Adalward. erste Erwähnung 29. Juni 916, B.M. 2040. Gest. 27. Okt. 933-
Ann. necr. Fuld. S. 194, Necr. Merseb. S. 243, Mollenb., Wigand, Arch
V S. 376.
Amolong, erste Erwähnung 21. Sept. 937, Dipl. I S. 101 Nr. 14. Gest.
5. Mai 962, Thietm. 11,32 S. 38, Ann. Saxo S. 615, Necr. Merseb. S. 233.
Brun L, 962 ernannt, Thietm. II, 32 S. 38, Ann. Saxo S. 615. Gest. 976,
wahrscheinlich 27. Apr., Chr. ep. Verd. 16 bei Leibn. Scr. II S. 216.
Thietm. III, 6 S. 51 läßt Brun 9. März 975 sterben. Hier ist das Jahr
sicher unrichtig, da der B. Dipl. II S. 128 Nr. 114 am 28. Juni d. J.
als lebend genannt wird; das Jahr kann also nur 976 sein. Der Tag
— 991 —
ist, wie Kurze zu Thietm. Vl],35 iS. 189 ei'innert, der Todestag Bruns
von Querfurt, da Thietmar für diesen einen falschen Todestag angibt,
14. Febr., so nimmt Kurze an, er habe die beiden Tage vertauscht.
Aber diese Vermutung scheitert an der Angabe des Chr. ep. Verd. bei
Leipniz Scr. II S. 216.
Erp, ernannt 976, Thietm. 111,6 S. 51, Adam 11,5 S. 46; über seine Weihe
s. Consecr. Erkanb. Scr. XIII S. 323, 51. Gest. 19. Febr. 994, Ann. necr.
Fuld. S. 207, Ann. Quedl. S. 72, Chr. ep. Verd. S. 216, Necr. Luneb. S. 14.
Bernhar IL, 994 B., Ann. Quedl. S. 72, Thietm. IV, 19 S. 75. Über seinen
Tod sind die Angaben zwiespältig; der Tag, 25. Juli, ist sicher: Thietm.
VIII, 31 S. 211, Necr. Merseb. S. 238, Luneb. S. 54; aber die Angaben
über das Jahr differieren: 1014 haben Ann. Quedl. S. 82, Corb. S. 5;
in d. J. 1015 verlegt Thietmar B.'s Tod VIII, 31 S. 211, in d. J. 1013
Adam 11,44 S. 72. Von der letzteren Angabe kann man absehen; die
Entscheidung für die zweite gibt nicht, wie F. Wichmann annimmt,
die Urk. NEh. ÜB. I S. 91 f. Nr. 148; denn sie ist unecht. Somit ent-
scheidet für 1014 die im Chr. ep. Verd. S. 215 Nr. 19 benützte Urk.
Wichers.
Wicher, Wikkier, ernannt 24. Aug. 1014, Thietm. VIII, 31 S. 212, Ann.
Quedl. S. 82. Gest. 16. Aug. 1031, Ann. Hild. S. 36; Necr. Hild. S. 766,
Necr. Luneb. S. 60.
Thietmar L, B. 1031. Gest. 25. Juni 1034, Ann. Hild. S. 38, Necr. Hild.
S. 765, Luneb. S. 47.
Brun IL, B. 1034, Ann. Hild. S. 39; nach Gest. arch. Magdb. 19 S. 399 ge-
wählt. Gest. 21. Aug. 1049, Ann. Saxo S. 688, Necr. Weiss. S. 318;
Necr. Hild.: 20. Aug., Necr. Mers. S. 239: 19. Aug.
Sigebert, Sizzo, B. 1049, Ann. Saxo S. 688. Gest. 1060, Lamb. S. 77,
9. Okt. Necr. Luneb. S. 75, oder 10. Okt. Necr. Mollenb. S. 374.
Kichbert, B. 1060, Lamb. S. 77, letzte Erwähnung 24. Jan. 1076, C.L I
S. 106 Nr. 58. Gest. 29. Nov., Chr. ep. Verd. S. 216, Necr. Mollenb.
S. 381. Das Jahr ist unbekannt.
Hart wich, erste Erwähnung Mitte Jan. 1085, Ann. Magdb. S. 176, Ann.
Saxo S. 721. Gest. 14. Okt. 1097, Ann. Saxo S. 730, Chr. ep. Verd.,
Necr. Luneb. S. 76, Mollenb. S. 375. Das Necr. Verd. hat d. 4. Febr.
als Todestag.
Mazo, B. 1097, Ann. Saxo. Gest. wahrscheinlich 1117; denn er ist I.Juli
und 3. Dez. 1116 urkundlich nachweisbar, St. 3147 u. 3150. Todestag
25. Okt., Chr. ep. Verd.
Thietmar IL, geweiht Herbst 1116, Ann. Patherbr., Ann. Saxo S. 758.
Gest. 23. Sept. 1148, Ann. Palid. S. 84, Stad. S. 327, Necr. Hild. S. 766,
Luneb. S. 71, Chr. ep. Verd,
15. Worms.
Richowo, wahrscheinlich 914. Gest. 949 oder 950, Ann. necr. Fuld. S. 197;
Cent. Reg. S. 164.
Anno, wahrscheinlich Febr. 950, Cont. Reg. Otto ist im Febr. in Worms,
B 0. 182b. Gest. 979, Ann. necr. Fuld. S. 204; wenn der in dem jungen
Chron. Worm. bei Boos, Monum. Worm. S. 31 überlieferte Todestag,
24. Dez., richtig sein sollte, so müßte 978 als Todesjahr angenommen
werden.
Hildibold Seine Erhebung fällt zwischen d. 15. Jan. und 8. Febr. 979,
s Dipl. n S. 207 Nr. 182 u. S. 208 Nr. 183. Gest. 3. Aug. 998, Ann.
necr. Fuld. S. 208, Necr. Weiss. S. 812; Necr. Mers. S. 238: 4. Aug.
Franko, Aug. oder Sept. 998 ernannt, Thietm. IV, 61 S. 98. Gest. 28. Aug.
999, Ann. necr. Fuld. S. 208.
Erfo, gest. 999, vita Burch. 4 S. 834.
Razo, gest. 999, l. c. ..,-,, o
Burchard, ernannt Mitte Febr. 1000. Die Zeit ergibt sich daraus, daK
Otto III. am 6. Febr. noch in Regensburg weilte, Dipl. II S. 776 f.
— 992 —
Nr. 347 f., und daß er auf dem Wege von da nach Gnesen in Kirch -
berg Burchard ernannte, vita Burch. 5 S. 834; nach einigen Tagen fand
die Priester-, dann dio Bischofsweihe statt, 1. c. 6 S. 834, die letztere
also wahrscheinlich am 25. Gest. 20. Aug. 1025, Ann. necr. Fuld.
S. 211, Necr. Weiss. S. 313.
Azechö, 1025, ÜB. v. Worms I S. 352. Gest. 17. Jan. 1044, Ann. necr.
Fuld. S. 218, Lamb. S. 59, Necr. Weiss. S. 310.
Adaiger, ernannt vor, gest. nach d. 16. Juni 1044, Lamb. S. 59, ÜB. v.
Worms I S. 46 Nr. 52.
Arnold L, 1044, Lamb. Gest. 30. Apr. 1065, Lamb. S. 100, Ann. necr.
Prüm. S. 221, Necr. ine. loci Fontes IV S. 507.
Adalbero, 1065, Lamb. Gest. 6. Aug. 1070, Lamb. S. 117, Ann. Aug., L. an.
s. Galli S. 478.
Ad albert, 1070, Ann. Aug., Lamb. Gest. 6. Juli 1107, Schannat, Ep.
Worm. I S. 347.
Kaiserliche Gegenbischöfe: Thietmar, Zeit der Ernennung
unbekannt. Gest. 1085, Ann. Hild. S. 49, Ann. Wirz. S. 245.
Winither, 1085 erwähnt Chr. Lauresh. Scr. XXI S. 421, vgl.
Bern, z, 1088.
Ebbe, erwähnt Chr. Lauresh. S. 423.
Kunc, erwähnt 9. Nov. 1099, Remling ÜB. I S. 68 Nr. 69, und
6. Jan. 1100, Wirt. ÜB. I S. 320 Nr. 255.
Ebbo IL, von Schannat S. 348 f. genannt; ich kann ihn nicht belegen.
Burchard IL, wenn in d. ü. v. 18. Mai 1127, ÜB. v. Worms I S. 55 Nr. 63.
YII richtig ist, seit 1120; jedenfalls vor Sept. 1121, s. C.I. I S. 158
Nr. 106; die 60 Jahre Cod. Udalr. 172 S. 305 verstehe ich nicht. Gest.
6. Dez. 1149, Ann. s. Petri Erph. S. 20, Pegav. S. 258, Necr. can. Spir.
S. 326, ^. Mich. Bamb. S. 579.
16. Würzburg.
Burchard IL, nach der Amtsdauer B. seit 1. oder 2. Dez. 931, sicher vor
1. Juni 932, C.L I S. 3 Nr. 2. Gest. 24. oder 25. März 941, Ann. necr.
Fuld. S. 196, Ann. Wirz. S. 241, Cat. ep. S. 933, Necr. Weiss. S. 311,
Mers. S. 230.
Poppo L, ernannt wahrscheinlich im Sommer 941, s. S. 30,5. Die Amts-
dauer ist zu hoch. Geweiht vor d. 13. Dez. 941, Dipl. I S. 129 Nr. 44.
Gest. 14. oder 15. Febr. 961, Ann. necr. Fuld. S. 199, Cat. ep. S. 339,
Cont. Reg. S. 170, Ann. Wirz. S. 242, L. a. s. Galli S. 467.
Poppo IL, 961, Cont. Reg. Gest. 15, 21. oder 22. Juli 983. Das Jahr ist
durch die Übereinstimmung der Ann. necr. Fuld. S. 205 und der Ann.
Altah. S. 15 gesichert trotz des Widerspruchs der Würzb. Überlieferung,
die 984 gibt, s. Ann. Wirz. Scr. II S. 242 u. Cat. ep. Wirzeb. Scr. XIII
S. 339. Auch der Tag wird verschieden angegeben, Ann. necr. Fuld.:
15. Juli, die Würzb. Quellen: 22. Juli, ebenso das Nekr. v. Reichenau
(Necr. I S. 278) und das von Füssen (S. 84), das Merseb. Nekr. hat den
Eintrag doppelt z. 21. u. 22. Juli (S. 237), z. 21. der Lib. ann. s. Galli
S. 477. Eine sichere Entscheidung scheint mir nicht möglich.
Huc, 983 oder 984, Ann. Wirz.; die Amtsdauer führt auf den 1. .Jan. 984
als Ordinationstag. Gest. 29. Aug. 990, Ann. necr. Fuld. S. 207 ; Series
episc, Necr. Weiss.; L. a. s. Galli S. 478: 31. -Aug.
Brunward, wahrscheinlich 990. Gest. 20. Sept. 995, Ann. Wirz. S. 242,
Hild. S. 27, Thietm. IV, 28 S. 81, Ann. Quedl. z. 996, Necr. Mers. S. 241.
Heinrich L, 995 oder 996. Gest. 14. Nov. 1018, Cat. ep. S. 933, Ann. necr.
Fuld. S. 210, Quedl., Wirz. S. 242.
Meginhard, geweiht 1. Jan. 1019, nach der Amtsdauer des Katalogs, Ann.
s. Bonif. S. 118. Gest. 22. März 1034, Annmecr. Fuld. S. 211, Hild. S. 38,
Aug. S. 126, Cat. ep., Necr. Weiss. S. 311; Necr. Fuld. Forsch. XVI
S. 173: 23.
Brun, geweiht 14. Apr. 1034, Herim. Aug. S. 122, Ann. Hild., Aug. Gest.
— 993 —
26. oder 27. Mai 1045, Herim. Aug. S. 125, Ann. necr. Fuld. S. 213,
Corb. S. 6, Aug. S. 126 u. a. Necr. Weiss. S. 311.
Adalbero, erhoben 29. Juni 1045, Ann. Hild. z. 1090 S. 49. Wirz z 1045
S. 246, Aug. S. 126, Lamb. S. 59. Gest. 6. Okt. 1090, Ann. Hild., Wirz
S. 246, Ekkeh. S. 207, Bern. S. 450 u. a.
Kaiser]. Gegenbischof: Meginhard, 25. Mai 1085, Ann. Wirz.
S. 245,- Ekkeh. S. 206. Gest. 20. Juni 1088, Bern. S. 448, Ekkeh.
S. 207, Cat. ep. S. 339.
Emehard, ernannt 25. Juli 1089, Ann. Hild. S. 49, Wirz. S. 246, Cat. ep.
Wirz. S. 339; Ekkeh. irreführend bei 1088 S. 207. Geweiht 27. März
1098, Ann. Wirz. S. 245. Gest. 27. Febr. 1105, Cat. ep. S. 339, Ann. s.
Disib., Necr. s. Mar. Fuld.
Erlung, ernannt 1105 wahrscheinlich kurz nach Emehards Tod; denn
Erlung erscheint nach demselben nicht mehr als Kanzler, s. St. 2974
u. 2975, Ekkeh. S. 228. Gest. 28. Dez. 1121, Ekkeh. S. 258.
Gegenbischof Heinrichs V.: Euppert, ernannt Juli 1105,
Ekkeh. S. 228, geweiht 27. Dez. 1105, Ann. Hild. S. 55. Gest.
1106, Ekkeh. S. 241, Chr. reg. Col.
IL Erzbistum Köln.
1. Köln.
Wicfrid, 923 oder 924. Das erstere Jahr Cont. Eeg. S. 157, das letztere
nach dem Todesjahr Hermanns in d. Ann. necr. Fuld. S. 192. Da die
Fortsetzung Reginos in bezug auf das Todesjahr im Rechte ist, so ist
923 wahrscheinlicher. Gest. 9. Juli 953, Cont. Reg. S. 167, Ann. Col.
S. 98, Ann. necr. Fuld. S. 198, Chr. reg. Col. S. 27, Necr. Col. Font. 111
S. 343.
Brun, gewählt im Juli, V. Brun. 11 S. 12, bestätigt zw. d. 11. u. 20. Aug.,
Dipl. I S. 248 Nr. 166 vgl. mit S. 249 Nr. 168, geweiht 25. Sept. 953,
Cont. Reg., Ann. Col., Chr. reg. Col.. Ratherii Phrenes. Prooem. Migne
136 S. 136. Gest. 11. Okt. 965, Ann. necr. Fuld. S. 200, V. Brun. 45
S. 46, Cont. Reg. S. 176, Ann. Col. S. 98, Chr. reg. Col. S. 29 u. a., Necr.
Col. S. 343, s. Maxim. S. 117; s. Mart. S. 348: 10. Okt.
Folcmar, Poppo, 965, Cont. Reg., Ann. Col., Chr. reg. Col. u. a. Die Er-
hebung fällt wahrscheinlich in die Weihnachtszeit, die Otto in Köln
zubrachte. Gest. 18. Juli 967, Ann. Col. S. 98, Thietm. II, 24 S. 34,
Necr. Col. S. 343, Gladb. S. 360. Ann. necr. Fuld. S. 201 u. Chr. reg.
Col. S. 29 : 969, vgl. zur Chronologie Leipz. Progr. 1891 S. 28 Anm. 3.
Aus V. Brun. 42 S. 43 folgt nichts für die Abfassungszeit der V. und
für den Tod Folcmars. Denn in den Worten una cum diva matre,
sorore regina, nepotibus filiisque regibus ist diva "::icht von der ver-
storbenen zu verstehen. Die Bezeichnung steht den anderen regina
und regibus gleich und rühmt also die lebende als göttlich.
Gero, ernannt Ostern 969, Thietm. 11,24 S. 34, Chr. reg. Col. S. 29; Ann.
Col. S. 98 unrichtig: 967. Gest. 29. Juni 975, Ann. Col., Thietm. in,4
S. 50, Necr. Mers. S. 236, Gladb. S. 360. Jahr und Tag sind unsicher,
Ann. necr. Fuld. S. 203, Chr. reg. Col. S. 31 und Ann. s. Bonif. S. 118
haben 976, Necr. Col. S. 343: 28. Juni.
Warin, gewählt und geweiht 975, Ann. Col., Thietm. Gest. 21. Sept. 985,
Ann. Col. S. 99, Chr. reg. Col. S. 31, Necr. Col. S. 343.
Everger, 985, Ann. Col., Chr. reg. Col. Gest. 11. Juni 999, Ann. necr.
Fuld. S. 208, Col. S. 99, Necr. Col. 348. s. Mart. S. 347 f , Mers. S. 235
u. a. Chr. reg. Col. S. 32: 1000.
Heribert, geweiht Weihnachten 999, yVnn. Col., Bruniw. S. 725. Gest.
16. März 1021, Ann. necr. Fuld. S. 210, Chr. Suev. un. S. 70, Herim.
Aug. S. 120, Ann. Col. S. 99, Bruniw. S. 725, Aug. S. 125, Quedl. S. 86,
Hauck, Kirchengeschichte. HI. 6°
— 994 —
V. Herib. 12 S. 753, Necr. Col. S. 342, Weiss. S. 311. Ann. Corb. S. 5,
Hild. S. 32 u. a.; 1020.
Piligrim, geweiht 29. Juni 1021, Gest. pont. Cam. III, 17 S. 470, Herim.
Aug., Chr. Suev. un., Ann. Col., Aug., Bruniw. S. 725. Gest. 24. oder
25. Aug. 1036, Ann. necr. Fuld. S. 212, Herim. Aug. S. 122, Chr. Suev.
un. S. 71, Ann. Aug. S. 125, Bruniw. S. 725, Hild. S. 40 u. a. Necr.
Col. S. 343, Gladb. S. 360. Chr. reg. Col. S. 35 : 1035.
Heriniann IL, 1036, Herim. Aug., Chr. Suev. un., Ann. Bruniw., Aug.,
Hild. u. a. Gest. 11. Febr. 1056, Ann. necr. Fuld. S. 214, Herim. Cont.
S. 731, Ann. Bruniw., Aug. S. 127, Lamb. S. 68, Berth. S. 270, Necr.
Col. S. 342. Necr. Gladb. S. 358: 10. Febr. Chr. reg. Col. S. 37, Ann.
Hild. S. 46 u. a.: 1055.
Anno IL, geweiht 3. März 1056, Lamb. S. 68, V. Ann. 5 S. 469, Ann.
Bruniw., Aug., Berth. u. a. Gest. 4. Dez. 1075, Ann. Bruniw., Lamb.
S. 242, Ann. necr. Prüm. S. 222, Berth. S. 280, Necr. Col. S. 344, Gladb.
S. 362, s. Maxim. S. 118. Unrichtig Chr. reg. CoL S. 38: 1076, Ann.
Hild. S. 48 u. a.: 1077.
Hildolf, ernannt 6., geweiht 13. oder 20. März 1076, Lamb. S. 257, Chr.
reg. Col. S. 38, Berth. S. 280, Ann. Leod. S. 29 u. a.; die Brauweiler
Ann. erwähnen die Nachfolge Hildolfs schon z. 1075. Gest. 21. Juli
1078, Ann. Bruniw. S. 725, Berth. S. 313, Ann. Hild. S. 48, Necr. ine.
loci Font. IV S. 507. Unrichtig Chr. reg. Col.: 1079.
Sigewin, ernannt nach Weihnachten 1078, Berth. S. 315, Ann. Bruniw.,
Wirz. S. 245, Hild. S. 48, vgl. Chr. reg. Col. Gest. 81. Mai 1089, Chr.
reg. Col. S. 39, Ann. Bruniw. S. 726, Wirz. S. 246, Hild. S. 49, Necr.
Col. S. 343, s. Mart. S. 347, Gladb. S. 359.
Herimann III., ernannt 25. Juli 1089, Ann. Hild., Wirz., Bruniw., Leod.
S. 29, Chr. reg. Col. Gest. 21. oder 22. Nov. 1099, Ekkeh. S. 218, Ann.
necr. Prüm. S. 223, Bruniw., Hild. S. 50, Corb. S. 7, Chr. reg. Col. S. 40,
Necr. Col. S. 344, can. Spir. S. 326.
Friedrich L, ernannt 6. Jan., geweiht 11. Nov. 1100, Ekkeh. S. 218, Cat.
arch. Col. S. 341. Gest. 25. Okt. 1131, Ans. cont. Sig. S. 384, Ann.
Patherbr. S. 156 u. a. Ann. Bruniw. S. 726: 1132. Necr. Col. S. 344;
can. Spir. S. 325: 26.
2. Lütticli.
Kichar, gewählt 920, Ann. Flodo. S. 369, Lob. S. 238; in Rom geweiht
922, Gest. abb. Lob. c. 19 S. 63; Ann. Stab. S. 42: 921. Gest. 945,
Cont. Reg. S. 163, Ann. Flodo. S. 392 f., Leod. S. 16, Lob., Stab.
Gegenbischof: Hilduin, 920, s. o. S. 19, abgesetzt 922, J.W.
8564, Richer, Hist. I, 26 S. 26.
Ougo, 945, Cont. Reg. S. 163, Ann. Flodo., Lob. u. a. Gest. 26. Jan. 947,
Ann. Leod., Lob., Ann. necr. Fuld. S. 197, Necr. s. Maxim. S. 110.
Farabert, 947, Ann. Leod., Lob., Stab. Gest. 28. Aug. 953, Ann. Leod.,
Lob., vgl. Scr. Vn S. 201 n. 98.
Rather, geweiht 25. Sept. 958, Ann. Leod., Lob., Ratherii Phren. Prooem.
Migne 136 S. 136, verjagt 955, Ann. Leod., Lob.
Baldrich L, 955, Ann. Leod., Lob. Gest. 959, Ann. Leod., Lob., Stab.
Evraker, 959, Ann. Leod., Lob., Stab. Gest. 27. Okt. 971, Ann. Leod,
S. 17, Lob.
Notker, geweiht 23. Apr. 972, Ann. Leod., Lob., Stab. Der Tag ist wahr-
scheinlich unrichtig; denn der Sonntag Quasimodogeniti fiel nicht i. J.
972, sondern 971 auf den 23. Apr.; 971 war er der 14. Gest. 10. Apr.
1008, Ann. necr. Fuld. S. 209, Quedl. S. 79, Hild. S. 80, Leod. S. 18,
Aegid. Aur. Gest. II, 58 S. 63; dagegen haben die Ann. Stab. S. 43: 1007.
Baldrich H., 1008, vor d. 12. Sept., Ann Quedl. S. 79, Hild. S. 30 u. a.,
vgl. Dipl. m S. 221 Nr. 186. Gest. 29. Juli 1018, Ann. Quedl. S. 84,
Leod. S. 18, Thietm. IX. 28 S. 256, Necr. Weiss. S. 312; Mers. S. 238: 30.
Walbod, Fulmod, 1018, vor d. 26. Nov., Ann. Quedl. S. 84, Leod. S. 18,
— 995 —
vgl. Dipl. m S. 508 Nr. 396. Gest. 21. April 1021, Herim. Aug. S. 120,
Ann. Leod., Gest. ep. Leod. II, 35 S. 208 f. Aegid. II, 70 S. 68.
Durand, 1021, Ann. Leod. S. 18. Gest. 14. oder 23. Jan. 1025, Ann. necr.
Fuld. S. 211, Leod. S. 18, Aegid. II, 71 S. 69, vgl. Scr. VII S. 209 n. 50.
Reginard, 1025, Ann. Leod., Chr. s. Laur. Leod. 28 S. 271, Gest. ep. Leod.
11, 37 S. 209. Gest. 5. Dez. 1037, Ann. Leod., Sigib. auct. Gembl. S. 391,
Chr. s. Laur. 37 S. 274, V. Reg. 18 S. 578, Grabschrift N.A. XXII S. 376.
Nithard, 1037, s. S. 547. Gest. 16. Aug. 1042, Sigib. auct. Gembl. S. 391,
vgl. Scr. VII S. 210 n. 64.
Wazo, 1042, Ann. Leod., Gest. ep. Leod. 11,50 S. 219. Gest. 8. Juli 1048,
Herim. Aug. S. 128, Gest. II, 72 S. 234, Ann. Leod. 'S. 20, Necr. s. Maxim.
S. 114.
Dietwin, 1048, Ann, Leod., Herim. Aug. S 128. Gest. 23. Juni 1075, Ann.
Leod. cont. S. 28, s. Jac. Leod. S. 639, Lamb. S. 225, Berth. S. 281,
Aegid. III, 10 S. 88.
Heinrich, Sommer 1075, Berth. S. 281, Bern. S. 431, Lamb. S. 225 u. a.
Gest. 31. Mai 1091, Sigib. S. 366, Ann. Leod. cont. S. 28, Aegid. IE, 13
S. 90, Necr. s. Vitoni S. 141. Meyer v. Knonau IV S. 366 betrachtet d.
2. Nov. als Todestag auf Grund des Lib. defunct. v. Lüttich.
Otbert, ernannt im Winter 1091—92, geweiht 1. Febr. 1092, Chr. s. Laur.
45 f. S. 277, Sigib. z. 1091 S. 366, Ann. Leod. cont. S. 29. Gest. 31. Jan.
1119, Ann. s. Disib. S. 23, Aegid. III. 18 S. 94. Unrichtig Ann. Leod.
cont. S. 30, s. Jac. Leod. S. 640: 1118, vgl. NRh. ÜB. I S. 189 Nr. 289.
Alexander, 1119 investiert, tritt zurück. Gest. abb. Trud. X, 3 S. 299,
s. S. 904 Anm. 11.
Friedrich, gewählt 1119, geweiht 26. Okt. d. J. in Rheims, Hess. rel.
S. 426, V. Frid. 3 S. 503, Ans. cont. Sigib. S. 377, Ann. Parch. S. 605.
Unrichtig Ann. Leod. cont. S. 30 u. s. Jac. Leod. S. 640: 1118. Gest.
27. oder 28. Mai 1121, V. Frid. 8 S. 506, Gest. abb. Trud. XI, 12 S. 302,
Ann. Leod. cont. S. 30, s. Jac. Leod. S. 640, s. Disib. S. 23 u. a. Necr.
s. Vit. S. 140. Irrig Aegid. III, 21 S. 96: 30. Juni.
3. Minden.
Liuthar, 914? Gest. 27. Juli 927, Ann. necr. Fuld. S. 193, Necr. Visb. Font.
IV S. 498, Mollenb. S. 362.
Evergis, 927? Gest. 18. Okt. 950, Necr. Visb. S. 499, Mollenb. S. 375, vgl.
S. 43 Anm. 4.
Helmward, 950? Gest. 12. Febr. 958, Lerbeck Chr. ep. Mind. bei Leibniz
Scr. n S. 165, Necr. Halberst. N. Mitt. VIII S. 61.
Lantward, 958? Gest. 27. Sept. 969, Ann. necr. Fuld. S. 201, Necr. Visb.
S. 498. Mollenb. S. 371, Mers. S. 242.
Milo, 969? Gest. 18. Apr. 996, Ann. necr. Fuld. S. 208, Necr. Visb. S. 497,
Mollenb. S. 351.
Ramward, 996? Gest. 8. Okt. 1002, Necr. Visb. S. 499. Das Jahr ergibt
sich aus dem Vergleich von Thietm. V, 15 S. 115, wonach R. 25. Juli
1002 noch lebte, und Dipl. III S. 49 Nr. 42, wonach er im März 1003
tot war.
Thiedrich IL, vor 13. März 1003, Dipl. UT S. 50 Nr. 42. Gest. 19. Febr.
1022, Ann. Hild. S. 33, Necr. Visb.
Sigibert, 1022. Gest. 10. Okt. 1036, Ann. Hild. S. 41, Ann. necr. Fuld.
S. 212, Necr. Visb. S. 499, Mollenb. S. 374; L. a. s. GalH S. 482: 9. Okt.
Brun, geweiht 29. Mai 1037, Ann. Hild. Gest. 10. Febr. 1055, Necr. Visb.
S. 496, Mollenb. S. 344. Das Jahr ist daraus zu vermuten, daß Egilbert
1055 zuerst urkundet, Reg. Westf. 1 S. 173 Nr. 1067.
Egilbert, 1055, s. o. Gest. 1. Dez. 1080, Ann. Fatherbr. S. 98, Yburg.
S. 437, Necr. Visb. S. 499, Mollenb. S. 381.
Volcmar, von Heinrich IV. ei-nannt, wie es scheint noch 1080, Ann.
Patherbr. S. 98, Ann. Yburg. S. 437. Ermordet 29. Aug. 1095, Necr.
63*
— 996 —
Visb. S. 498, Mollenb. S. 367; bei Leibeck S. 174 ein Regest seines
Nachfolgers v. 9. Febr. 1096.
Sächsischer Gegenbischof: Reginhard, gewählt 1080, Ann.
Patherbr. S. 98 ; von Hartwig von Magdeburg geweiht, de unit.
eccl. 11,24 S. 84; geht 1085 in das Kl. Helmwardhausen, kehrt
aber bald zurück, Ann. Saxo S. 723. Gest. 25. Febr. unbe-
kannten Jahres, Lerbeck 1084, Erhard verbessert 1089, Necr.
Visb. S. 496.
Udalrich, Ende 1095 oder Anf. 1096, s. o. Gest. 7. Dez. 1097, Ann.
necr. Prüm. S. 223, Necr. Visb. S. 500, Mollenb. S. 382.
Widelo. Der Amtsantritt läßt sich nicht feststellen. Urkundlich ist W.
zuerst 10. Febr. 1099 nachzuweisen, NRh. ÜB. I S. 164 Nr. 254, zur
Datierung vgl. Meyer v. Knonau V S. 59. Gest. 28. Dez. 1120, Lerbeck
S. 174, Necr. Visb. S. 500, Mollenb. S. 384.
Sachs. Gegenbischof: Gottschalk, ernannt und geweiht in
der Osterzeit 1105, Ann. Hild. z. 1105 S. 52 f., Ann. Saxo z.
1105 S. 739. Gest. 15. Dez. 1112, Chr. reg. Col. S. 52, Necr.
Visb. S. 500, Mollenb. S. 383.
Sigeward, geweiht 30. März 1124, Reg. Westf. I S. 232 Nr. 1485. Gest.
28. Apr. 1141, Ann. Patherbr. S. 169, Chr. reg. Col. S. 78, Necr. Visb
S. 497; Mollenb. S. 352: 29.'
4. Münster.
Rumald, 922? Gest. 19. Juni, Jahr unsicher, Necr. Monast. GQ. d. B.
Münster I S. 348.
Hildibold, zuerst erwähnt 947, Flodo. ann. S. 394. Gest. 17. Nov. 969,
Ann. necr. Fuld. S. 201; Ann. Corb. S. 3: 967; Necr. s. Mar. Fuld., Mers.
S. 248: 18. Nov.
Duodo, 969? Gest. 15. Dez. 993, Ann. necr. Fuld. S. 207, Ann. Col. S. 99,
Quedl. S. 69, Necr. Mers. S. 246, wenn Duodo = Thiodo.
Switger, ernannt 993 oder 994, Thietm. IX, 25 S. 253, Ann. Quedl., Col.
Gest. 19. Nov. 1011, Ann. necr. Fuld. S. 210, Ann. Quedl., Thietm. IX, 26
S. 254; Necr. Mers. S. 244: 16. Nov.
Thiedrich, 1011, Ann. Quedl. Gest. 22. oder 23. Jan. 1022, Ann. Hild.
S. 32, Necr. Monast. S. 346.
Sigifrid, 1022, Ann. Hild. Gest. 27. Nov. 1032, Ann. Hild. S. 37.
Herimann, 1032, Ann. Hild. Gest. 21. Juli 1042, Lamb. S. 58, Ann. necr.
Prüm. S. 220, Necr. Monast. S. 348.
Rudpert, 1042, Lamb. Gest. 16. Nov. 1063, Necr. Monast. S. 349, Das
Jahr ergibt sich aus dem Amtsantritt seines Nachfolgers.
Friedrich, Febr. 1064 B., Gest. arch. Magdb. 21 S. 400; er amtiert 4. Febr.
1064 zuletzt als Kanzler, St. 2640. Gest. 18. Apr. 1084, Ann. necr.
Prüm. S. 222, Necr. Monast. S. 346.
Erp, erhielt das Bistum nach d. 30. Dez. 1084 und vor dem 11. Jan. 1085,
s. Reg. Westf. I ÜB. S. 129 Nr. 164 u. S. 106 Nr. 134. Gest. 9. oder
11. Nov. 1097, Necr. s. Maur. bei Erhard Reg. 1279, Necr. Mon. S. 349.
Das Jahr ist unsicher; seine Wahrscheinlichkeit beruht darauf, daß
Erp zum letztenmal 1096 nachweislich ist, Hamb. ÜB. I S. 116 Nr. 121.
Burchard. Der Amtsantritt läßt sich nicht feststellen. Urkundlich ist
Burchard als B. zuerst am 10. Febr. 1099 nachzuweisen, NRh. ÜB. I
S. 164, z. Jahr vgl. Meyer v. Knonau V S. 59. Gest. 19. März 1118,
Ann. Patherbr. S. 135, Chr. reg. Col. S. 58, Necr. Monast. S. 346.
Dietrich IL, gewählt, Ekkeh. z. 1121 S. 256. Die Wahl fand vor dem
28. Juli 1118 statt; denn Dietrich nahm bereits an der- Synode von
Fritzlar Anteil, Ann. Patherbr. S. 136. Gest. 28. Febr. 1127, Ann.
Patherbr. S. 150, Chr. reg. Col. S. 65, Ann. Saxo S. 765, Necr. Hild. S. 764.
5. Osnabrück.
Doddo I., vor 7. Nov, 921, C.L I S. 2 Nr. 1; zuletzt nachweislich 7. Juni
~ 997 —
948, CT. I S. 13 Nr. 6. Da sein Todestag d. 14. Mai oder 14. Juni ist,
Necr. Osnabr. Mtt. d. h. V. f. 0. lY S. 106, Mers. S. 234 u. 235, und
sein Nachfolger Drogo am 15. Apr. 950 vorkommt, Dipl. I S. 205 Nr. 123,
so ist das Todesjahr 949.
Drogo, zwischen d. Juni 949 u. Apr. 950, s. o. Gest. 7. Nov. 967, Ann.
Corb. S. 5; Necr. Osnabr. S. 188, Mers. S. 244.
Liudolf, B. seit Ende 967; die Nachricht von seiner Weihe durch Folcmar
von Köln, Scr. XIII S. 323, ist irrig. Gest. 978, Ann. necr. Fuld. S. 204.
Doddo IL, 978? Gest. 14. Mai oder 14. Juni 996, Osn. Ann., GQ. I S. 2;
die Ann. necr. Fuld. S. 207 verzeichnen z. 25. Juli dieses Jahres zum
2. Mal den Namen Liutolf; es liegt wohl eine Verwechselung vor.
Günther, ernannt 996. Gest. 24. oder 27. Nov. 998, Ann. necr. Fuld. S. 208,
Necr. Mers. S. 245: 24. Nov., Necr. Osnabr. S. 195: 27. Nov., vgl. Thietrc
IV, 69 S. 102, er nennt d. 24. als Todestag und behauptet ^ine fast vier-
jährige Amtsdauer.
Othilulf, 998? Gest. 17. Febr. 1003, Necr. Osnabr. S. 37; am 28. Juli
1002 war 0. Intervenient, Dipl. III S. 9 Nr. 8.
Thiedmar, ernannt 1003, Thietm. VEI, 67 S. 234. Gest. 18. Juni 1028,
Ann. Osnabr. S. 2, vita Meinw. 176 S. 145, Necr. Osnabr. S. 114.
Meginher, vor 27. Juli 1023, Dipl. III S. 625 Nr. 491. Gest. 1027, Ann.
Osnabr. S. 2.
Gozmar, 1027 oder 1028, s. St. 1974. Gest. 10. Dez. 1036 oder 1037, Ann.
Hild. S. 41, Osnabr. S. 2.
Alberich, 1036 oder 1037. Gest. 3. Dez. 1052, Ann. Osnabr. S. 2, Necr.
Osnabr. S. 207.
Benno L, 1052? Gest. 19. oder 20. Sept. 1068, Ann. Osnabr. S. 2; Lamb.
S. 104: 1067. Necr. Osnabr. S. 156 f.
Benno II., ernannt 23. Nov. 1068, geweiht 1. Febr. 1069, vita Benn. 11
S. 12 ff. Gest. 27. oder 28. Juli 1088, Ann. Osnabr. S. 2, vita Benn. 26
S. 35 u. 28 S. 39, Necr. Osnabr. S. 127, Mog. S. 726.
Marcward, erwähnt 1088, Osnabr. ÜB. I S. 175 Nr. 203, abgesetzt 1093,
Ann. Osnabr. S. 2. Gest. 18. Dez. 1107, s. Cat. Corb. Jaffe I S. 70.
Wido, 1093, Ann. Osnabr. S. 2, erwähnt 1094, Osnabr. ÜB. I S. 181 Nr. 209.
Gest. 11. Nov. 1101, Ann. Osnabr. S. 2, Necr. Osnabr. S. 189.
Johann, 1101. Gest. 13. Juli 1110, Ann. Osnabr. S. 2, Necr. Osnabr. S. 122,
Mog. S. 726.
Godescalk, 1110. Gest. 31. Dez. 1118 oder 1. Jan. 1119, Necr. Osnabr.
S. 15, MoUenfb. S. 343 Grabschr., s. Philippi, Reg. 231.
-Diethard, gewählt 1119, geweiht 11. Apr. 1120, Bruchstück der Iburger
Annalen, Osnabr. GQ. I S. 185. Gest. 11. Febr. 1137, s. Philippi, Reg. 257.
Kaiserl. Gegenbischof: Konrad, zuerst erwähnt 1119, St.
3161, zuletzt 1122, St. 3178 f.
6. Utrecht.*
Balderich, 1. März 918 konsekriert, Ann. s. Mar. Ultraiect. S. 1301. Das
nächste sichere Datum ist B.'s Anwesenheit bei dem Vertragsabschluß
zwischen Heinrich I. und Karl d. E. am 7. Nov. 921, C.I. I S. 2 Nr. 1.
Als Todesjahr geben Ann. Egm. S. 445 und Ann. s. Mar. S. 1301: 976,
in den Ann. necr. Fuld. S. 203 ist der Name doppelt eingetragen: zu
975 und zu 976. Als Todestag haben Necr. Gladb. Font. III S. 362 und
Necr. Mers'. S. 247 den 27. Dez. Daraus ergibt sich, wie Uhlirz S. 76
bemerkt, 975 als Todesjahr; denn Weihnachten war Jahresanfang. Das
Necr. Egm. Oork.B. I S. 332 hat unrichtig d. 10. Mai 977 als Todestag.
Volcmar, geweiht nach d. 8. Juni 976, Ann. s. Mar. 1. c, s. Dipl. II
S. 146,24 Nr. 129. Gest. 11. Dez. 991, Ann. necr. Fuld. S. 206, Necr.
Mers. S. 246. Unrichtig Ann. s. Mar. u. Necr. Egm.: 990.
Baldewin, 991? Gest. 995, Ann. necr. Fuld. S. 207, Hild. S. 26. Un-
richtig Ann. s. Mar. u. Necr. Egm.: 994. Hier 10. Mai als Todestag.
Ansfrid. Seine Erhebung fällt wahrscheinlich Ende Apr. oder Anf. Mai
— ■ 998 —
995; aus Thietm. IV, 35 S. 84 ergibt sich, daß sie in Aachen stattfand.
Dort verweilte Otto III. und Notker von Lüttich, der nach Thietm. be-
teiligt war, in der angegebenen Zeit, Dipl. II S. 576 f. Nr. 164 f., Ann.
Col. S. 99, Hild. S. 26, vgl. auch Alp. de divers, temp. I, 12 S. 706.
Gest. 3. Mai 1010, Ann. necr. Fuld. S. 209, Hild. S. 30, Quedl. S. 80,
Thietm. IV, 36 S. 84, Mers. S. 233. Unrichtig Ann. s. Mar.: 1009; Necr.
Bgm.: 1008 mit richtigem Tag.
Adalbold, 1010, Ann. Hild. Gest. 27. Nov. 1026; zwar haben Ann. s.
Mar., Egm. S, 446, Necr. Bgm.: 1027. Aber da Bernulf im Sept. 1027
Teilnehmer der Frankf. Synode war, C.I. I S. 86 Nr. 41, so muß man
A.'s Tod in d. J. 1026 verlegen.
Bernulf, 1026 oder 1027. Gest. 19. Juli 1054, Ann. Egm. S. 447, s. Mar.,
Necr. Bgm., L. a. s. Galli S. 477.
Wilhelm, 1054? Gest. 27, Apr. 1076, Lamb. S. 259, Berth. S. 283, Bern.
S. 433, Ann. s. Mar.; Egm. S. 448, Necr. Egm. S. 333 irrig 1075.
Konrad, ernannt vor 23. Mai 1076, s. St. 2792, Berth. S. 284, Lamb.
S. 259. Ermordet 13. Apr. 1099, Ann. Hild. S. 50, Aug. S. 135, Wirz.
S. 246, Egm. S. 448, s. Mar. S. 1301, Necr. Egm. mit falschem Tag,
Necr. Gladb. S. 358. Ann. Leod. Cont. S. 29 und Sigib. S. 367 irrig
zu 1098.
Burchard, geweiht 30. Mai 1100, Ann. s. Mar. S. 1302. Gest. 16. Mai
1112, Ann. Egm. S. 450, s. Mar., Necr. Arg. S. XV. Necr. Bgm.: 17. Juni.
Godebald, 1114, Ann. s. Mar. Gest. 12. Nov. 1127, Ann. Bgm. S. 452,
s. Mar., Chr. reg. Col. S. 65, Ann. Saxo S. 765; Necr. Bgm. S. 333: 1128.
III. Erzbistum Trier
1, Trier.
Ruotbertj geweiht 931, Ann. s. Maxim. S. 213; Cont. Reg. S. 158 irrig
z. 928. Gest. 18. oder 19. Mai 956, Cont. Reg. S. 169, Ann. Hild. S. 21,
riod. S. 403, Necr. s, Maxim. Bonner JB. 57 S. 113, AVeiss. S. 312.
Heinrich, 956, Cont. Reg., Ann. Hild., Flod. Gest. 3. Juli 964, Cont. Reg.
S. 174, Ann. necr. Fuld. S. 200, Necr. s. Max. S. 114, L. a. s. Galli S.
476. Unrichtig Ann. Hild. S. 22: 963.
Dietrich, ernannt vor 2. Juni 965, Cont. Reg. S. 176, vgl. Mansi XVIH
S. 492. Gest. 5. Juni 977. Ann. necr. Fuld. S. 204, Necr. s. Maxim.
S. 114.
Ekbert, ernannt zwischen 30. Juli u. 8. Sept. 977, vgl. Dipl. II S. 181 ff.
Nr. 161 u. 163. Gest. 8. oder 9. Dez. 993, Ann. necr. Fuld. S. 206, Necr.
s. Maxim. S. 118, Mers. S. 246,° Weiss. S. 314.
Liudolf, 994 geweiht, Ann. Quedl. S. 72, Col. S. 99. Gest. 7. Apr. 1008,
Ann. necr. Fuld. S. 209, Hild. S. 29, Corb. S. 5, Herim. Aug. S. 119, Chr.
Suev. un. S. 70 u. a. Necr. s. Maxim. S. 112, Luneb. S. 27; Mers.
S. 232: 6. Apr.
Megingoz, Frühjahr 1008 ernannt, Thietm. VI, 35 S. 154, Herim. Aug.,
Chr, Suev. un., Ann. Col. S. 99, Hild. u. a. Die Zeit ergibt sich an-
nähernd daraus, daß Heinrich IL am 18. u. 19. Mai in Mainz urkundet,
Dipl. III S. 211 ff. Nr. 177 ff., und seit d. 12. Sept. in Trier verweilt,
S. 221 ff. Nr. 186 f. Die Ernennung, die einen Mainzer traf, fand wahr-
scheinlich in Mainz statt, die Weihe fiel in Heinrichs Trierer Aufent-
halt, Thietm. a. a. 0. Im Okt. erhielt Megingoz das Pallium, MRh
ÜB. I S. 338 Nr. 286. Er starb 24. Dez. 1015, Thietm. VIII, 26 S. 208,
Ann. s. Euch. S. 10, Quedl., Aug. u. a. Necr. s. Max. S. 119, eccl. metr.
Mog.: 25. Dez.
Poppo, geweiht 1. Jan. 1016, Gest. Trev. cont. 1,1 S. 175, Thietm. VIII, 26
S. 209, Ann. s. Euch. S. 10, Quedl., Aug. u a. Gest. 16. Juni 1047, Ann.
necr. Fuld. S. 213, s. Euch. S. 10, Altah. S. 44, Herim. Aug. S. 127 u. a.
Necr. s. Maxim. S. 114, Weiss. S. 312.
— 999 —
Eberhard, geweiht 28. Juni 1047, Herim. Aug. S. 127, Gest. Trev. cont.
. I, 8 S. 181, Ann. s. Euch., MRh. ÜB. I S. 411 Nr. 354. Gest. 15. Apr.
1066, Gest. Trev. cont. 1,8 S. 182, Ann. s. Euch., Weiss. S. 71, Aug.
S. 128, Lamb. S. 102, Bern. S. 428, Ann. necr. Prüm. S. 221, Necr. s.
Maxim. S. 112, Weiss. S. 311.
Konrad, ernannt und investiert vor dem 18. Mai, ermordet 1. Juni 1066,
Vita et pass. Conr. 2 S. 215, Gest. Trev. cont. 1,9 S. 182, Ann. Aug.
S. 128, Weiss. S. 71, Herim. cont. S. 732, Lamb, S. 102 u. a. Necr.
Weiss. S. 811.
Uoto, gewählt 1066, Gest. Trev. cont. 1,9 S. 182, Ann. s. Euch. S. 10, Lamb.
S. 103, Bern. S. 428. Gest. 11. Nov. 1078, Bruno de bell. Sax. 76 S.60
u. 103 S. 74, Ann. necr. Prüm. S. 222; Ekkeh. S. 203 z. 1077; Necr. s.
Maxim. S. 118; s. Vit.: 13. Nov.; Ann. s. Euch.: 1079. Grabschrift bei
Kraus II S. 166.
Egilbert, ernannt 6. Jan. 1079, Gest. Trev. cont. 1,11 S. 184, wo 1078
genannt, aber 1079 gemeint ist, geweiht Okt. 1084 . in Mainz, I, 14
S. 186 f., die Zeit ergibt sich aus der Erhebung Wernhers von Mainz;
Ann. s. Euch. S. 10: 1083. Gest. 3. oder 5. Sept. 1101, 1,17 S. 191,
Ekkeh. S. 219, Mar. Scot. cont. I S. 562, Necr. s. Maxim. S. 116. Grab-
schrift Kraus II S. 167.
Brun, ernannt Weihnachten 1101, geweiht 6. Jan. 1102, MRh. ÜB. I
S. 492 Nr. 431, Gest. Trev. cont. 1,18 S. 192: 13. Jan. Gest. 25. Apr.
1124, I, 25 S. 198.
2. Metz.
Wigerich, geweiht 30. Jan. 917. Gest. 1. März 927, Ann. Flod. S. 877,
Cat. ep. Mett. Scr. XIII S. 306. Der Ordinationstag berechnet sich aus
der hier angegebenen Amtsdauer 10 Jahre 30 Tage. Cont. Reg. S. 158
irrig 925.
Benno, Frühjahr 927 ernannt, s. S. 19; tritt zurück 929, Ann. Flod. z. 929
S. 378, Mir. Glod. 46 S. 237 f., Vita Jo. Gorz. 40 S. 348.
Adalbero L, 929 gewählt. Mir. Glod., V. Jo. Gorz. 1. c. Gest. 26. Apr.
962; Cont. Reg. S. 172, Cat. ep. Mett. S. 306; Ann. Mett. breviss. Scr. III
S. 155 = Metzer Annalen bei Rose, Lat. Meerman Hdschr. S. 282.
Sedisvakanz.
Dietrich I., ernannt Anfang 965, Cont. Reg. S. 176, die eben angeführten
Metzer Annal. haben 963. Gest. 7. Sept. 984, Ann. necr. Fuld. S. 205,
vita Theod. 22, mit irriger Jahreszahl; Metzer Ann.: 983.
Adalbero IL, ernannt 16. Okt., geweiht 28. Dez. 984, vita Adalb. 2 u. 4
Scr. IV S. 660. Gest. 14. Dez. 1005, vita Adalb. 1 S. 659, 84 u. 37 S. 672,
Necr. Mers.; Ann. necr. Fuld. S. 209: 19. Dez. Der 14. Dez. 1005 als
Todestag steht fest, da dieser Tag i. J. 1005 wie die vita Adalb. an-
gibt, auf einen Freitag fiel; XIV Kai. Jan. in den Ann. necr. Fuld. ist
möglicherweise nur ein Schreibfehler statt XIX. Die Stelle Thietm.
VI, 18 S. 143 f wird mit Unrecht gegen das angenommene Datum ver-
wandt. Denn dort ist offenbar nicht Dietrich 11. von Metz, sondern
Dietrich IL von Minden gemeint. Nur er paßt zwischen die Kölner
Diözesanec.
Dietrich IL Die S. 402 f nach Sigib. z. 1009 S. 354, Thietm. VI, 35 S. 154
erzählten Ereignisse müssen sich alsbald nach Adalberos Tod ereignet
haben; denn Dietrich zählte 1030 als das 25. Jahr seines Episkopats,
Vita Deoder. 1,23 S. 483; 1006 war also das erste. Gest. 30. Apr. 1047,
Ann necr. Fuld. S. 213, Gest. ep. Mett. 48 S. 543, Necr. s. Maxim. S. 113;
Not, Ransh. Scr. IV S. 791: 2. Mai.
Adalbero IIL, ernannt 1047, Herim. Aug. S. 127, Ann. s. Vinc. S. 157;
Sigib. S. 358 unrichtig: 1046. Gest. 13. Nov. 1072, Lamb. S. 140, Gesta
S. 543, Necr. s. Vit. S. 148, s. Maxim. S. 118.
Herimann, wahrscheinlich Anf 1073 ernannt, Sigib. S. 362, Ann. s. Vinc.
Mett. S. 158, wogegen Lamb. 1072 nennt; Gest. S. 543, Hug. Flav. II
— 1000 —
S. 453. Gest. 4. Mai 1090, Ann. Hild. S. 49, Bern. S. 450, Gesta S. 543,
Necr. s. Vit. S. 139; Hug. Flav. ehr. II S. 472:. 7. Mai.
Kaiserliche Gegenbischöfe: Walo, ernannt und zurückge-
treten 1085, Bern. z. 1088 S. 448, Gest. abb. Trud. III, 15 S. 246,
Sigib. S. 365, Hug. Flav. II S. 471.
Bruno, ernannt 1085, Gest. abb. Trud. III, 15 S. 246, verjagt 1088,
Bern. S. 447, Gest. abb. Trud., Sigib., Hugo.
Poppe, gev^ählt 1090, wahrscheinlich unmittelbar nach Herimanns Tod,
da man dem Kaiser zuvorkommen mußte, Ann. s. Vinc. S. 158, vgl.
Gest. abb. Trud. VII, 11 S. 269, Gest. ep. Mett. 51 S. 543, Hug. Flav.
S. 473, geweiht 6. März 1093, Hug. Flav. S. 473, Chr. s. Hub. 71 S. 604f.;
Bern. S. 456 unrichtig: 27. März. 1097 verjagt nach Chr. s. Clem. Scr.
XXIV S. 500, wo er nur 8 Amtsjahre hat; 1103 gest., vgl. Chr. univ.
Mett. Scr. XXIV S. 514, Gall. ehr. XHI S. 736.
Kaiserl. Gegenbisehof: Adalbero IV., 1097 ernannt, Bern.
S. 456, vita Theog. 11,1 Scr. XII S. 466. Das Jahr Chron. s.
Clem. Scr. XXIV S. 500. 1117 oder 1118 abgesetzt, Gest.
Alberon. 4 S. 246; vgl. Gest. ep. Mett. 51 S. 543 f., vita Theog.
II, 2 ff. S. 466 f.
Theoger, geweiht 7. Juli 1118, vita Theog. II, 17 S. 474 f. Gest. 29. Apr.
1020, Ekkeh. S. 256, Necr. s. Vit. S. 139.
Stephan, 1120, s. S. 904 Anm. 11. Gest. 30. Dez. 1163, Gest. cont. 1
S. 544 f., Ann. s. Vinc. S. 158.
3. Toul.
Gauzlin, geweiht 17. März 922, Gest. ep. TuU. 31 S. 639, Ann. Flod. S. 370.
Gest. 7. Sept. 962, Ann. s. Ben. Div. Scr. V S. 41, vita Ger. 3 S. 493,
vgl. Mirac. Maus. 8 S. 511.
Gerard L, geweiht 29. März 963, Ann. s. Ben. Div. S. 41. Gest. 23. Apr.
994, ib., vita Ger. 22 S. 503.
Stephan, geweiht 24. Juni 994, Gesta 35 S. 642. Gest. 12. März 996,
Ann. necr. Fuld. S. 207; Ann. s. Ben. S. 41 mit falschem Jahr.
Berthold, geweiht 11. Okt. 996, Gesta 36 S. 642, Ann. s. Ben. S. 41. Gest.
24. oder 25 Aug. 1019, Necr. Weiss., Gesta 36 S. 642; die hier ange-
gebene 22jährige Amtsdauer würde auf 1018 als Todesjahr führen;
allein vgl. Gallia ehr. XHI Instr. S. 461 Nr. 17.
Herimann, geweiht 20. Dez. 1019. Gest. 1. Apr. 1026, Gesta 37 S. 643,
Wiberti vita Leon. 8 S. 135.
Brun, inthronisiert 20. Mai 1026, geweiht 9. Sept. 1027, vita Leon. 11
S. 140 u. 142, Dez. 1048 Papst, 19. Apr. ,1054 gest.
Udo, geweiht 18. Aug. 1051, Gesta 43 S. 645. Gest. 14. Juli 1069, ib. 44
S. 646, Lamb. S. 111.
Pibo, Bibo, nach d. 15. Aug. 1069 ernannt, Lamb. S. 111, vgl. St. 2724 f.
Gest. 24. Nov. 1107, Gesta 50 S. 648; Necr. s. Vit.: 23. Nov.
Richwin, spätestens 1109 gewählt, s. J.W. 6247. Gest. 7. Febr. 1126, Chr.
Alber. mon. tr. Font. Scr. XXIII S. 826; Necr. s. Vit. S. 136.
Gegenbischof: Konrad, s. Gallia ehr. XIII S. 995 f. Er lebte
noch im Jahr 1124, s. Gest. Trev. cont. 1,25 S. 198, Gest.
Godefr. 2 S. 201. Todestag 29. Apr., Necr. Hild. S. 764.
4. Verdun.
Hugo, 923 gewählt, Flod. ann. S. 373, verjagt 925, ib. S. 376.
Bernuin, 925 ernannt, Flod. S. 376, Ann. s. Ben. Div. Scr. V S. 40. Gest.
939, Ann. s. Ben. Div. S. 40; Ann. Vird. S. 8; 940; Ann. s. Viton. S.
526: 941.
Berengar, B. 940, Ann. s. Ben. Gest. 12. Aug. 959, Necr. s. Vit. S. 144.
Die Ann. s. Vit. verzeichnen seinen Tod schon z. 958 S. 526.
Wicfrid, B. 9o0 oder 'J60. D.u Vr.. :tz ergibt sich daraus, daß eine von
ihm am 25. Febr. anno VI. reornante Ottone rege filio domni Ottonis
— 1001 —
imperatoris d. i. 967 gehaltene vSynode, s. Baluzius Miscellanea IV S. 431,,
. in sein 8. Amtsjahr fällt. Gest. 31. Aug. 984, Ann. necr. Fuld. S. 205,
Necr. s. Vit. S. 145; Ann. s Vit. S. 526: 986.
Adalbero L, 984 gewählt, aber verläßt Verdun sofort, um B. von Metz
zu werden, Gest. ep. Vird. cont. 5 S. 47, s. o. S. 999.
Adalbero IL, Ende Okt. 984 B. Gest. 18. Apr. 988, Necr. s Vit. S. 139,
Hug. Flav. ehr. 1 S. 367; das Jahr wird bestätigt durch die dreieinhalb-
jährige Amtsdauer, Gest. ep Vird. cont. 6 S. 47; Ann. necr. Fuld. S. 206:
991; Ann. s. Vit. S. 526: 990.
Haimo, 988 B., Hug. Flav. I S. 367. Gest. 30. Apr. 1024, Hug. Flav. 11,16
_ S. 392, Necr. s. Vit. S. 139.
Raimbert, wahrscheinlich 1025 B., g. Gest. cont. 10: 14 Amtsjahre. Gest.
29. Apr. 1039, Ann. necr. Fuld.' S. 212, Ann. s. Vit., Necr. s. Vit. S. 139;
Hug. Flav. 11,30 S. 402: 1038.
Richard I., 1039 oder 1040 B.,- Hug. Flav. 11,30 S. 403. Gest. 7. Nov.
1046, Gesta 10 S. 50, Necr. s. Vit. S. 147, Ann. s. Ben. S. 41; Hug. Flav.
11,30 S. 405: 6. Nov.
Dietrich, geweiht Weihnachten 1046, Ann. Aug. z. 1047 S. 126, Herim.
Aug. Gest. 4. Mai 1089, Hug. Flav. S. 472, Ann. s. Vit. S. 526 u. Laur.
Gesta 10 S. 497 erwähnen den Tod zu 1088; das Jahr ist irrig, da die
Anwesenheit des Kaisers in Lothringen, der Richer investiert, für 1089
feststeht.
Richer, 1089, wahrscheinlich im Mai, investiert, Laur. Gesta 10 S. 497;
9. Apr. 1094 geweiht, Gesta 10, Hug. Flav. S. 473; Ann. s. Vit. S. 526
irrig 1095. Gest. 8. März 1107, Ann. s. Vit. S. 526, Necr. s. Vit. S. 137.
Richard IL, ernannt 1107. Gest. 1114, Laur. Gesta 15 S. 499 u. 22 S. 504,
Ann. s. Vit.
Sedisvakanz.
Heinrich, ernannt 1117, Laur. Gesta 24 S. 504, tritt zurück 1129, ib. 27
S. 505, Ann. s. Vit. S. 527, Ann. s. Disib. S. 24.
IV. Erzbistum Salzburg.
1. Salzburg.
Udalbert, Amtsantritt Sept. 923, Ann. Salisb. S. 89, Juvavia Anh. S. 122
Nr. 61. Gest. 14. Nov. 935, Auct. Garst. S. 566, Ann. s. Rudb. S. 771,
Necr. s. Rudb. S. 185.
Egilolf, 935 EB., Auct. Garst. Gest. 22. Aug. 939, Auct. Garst., Necr. s.
Rudb. S. 161. Unrichtig Ann. s. Rudb. S. 771: 940.
Herold, vor 29. Mai 1040 erhoben, s. DipL I S. 115 Nr. 29, tritt zurück
958, Cont. Reg. S. 169.
Friedrich, geweiht 18. Apr. 958, Cont. Reg. S. 169, Auct. Garst. S. 566.
Unrichtig Ann. s. Rudb. S. 772: 957, Ann. Admont. S. 574: 959. Gest.
1. Mai 991, Ann. necr. Fuld. S. 206, Ann. s. Rudb. br. S. 757, Quedl.
S. 68, Necr. s. Rudb. S. 131, Weiss. S. 311. Unrichtig Ann. s. Rudb.,
Admont., Auct. Gart.: 990.
Hartwich, geweiht 8. Nov. 991, Ann. s. Rudb. br. S. 757, vgl. Auct. Garst.
z. 990 S. 567. Gest. 5. oder 6. Dez. 1023, ib., Ann. necr. Fuld. S. 211,
Necr. s. Rudb. S. 190, Weltenb. S. 572 u. a.
Günther, geweiht 26. Jan. 1024, Ann. s. Rudb. br. S. 757, Ann. Salisb.
S. 90 Gest. 1. Nov. 1025, ib., Auct. Garst. S. 567, Necr. s. Rudb. S. 181,
Admont. S. 305. Unrichtig Ann. s. Rudb. S. 772: 1026.
Dietmar IL, geweiht 21. Dez. 1025, s. Rudb. ann. br. S. 757. Gest. 28. Juli
1041, ib., Necr. s. Rudb. S. 154, Ann. necr. Prüm. S. 220.
Baldewin, geweiht 25. Okt. 1041, s. Rudb. ann. br. S. 757, Ann. Salisb.
S. 90. Gest. 8. Apr. 1060, Ann. s. Rudb. br. S. 757, s. Rudb. S. 773,
Necr. s. Rudb. S. 123. Unrichtig Auct. Garet. S. 567, Ann. Admont.
S. 575: 1059.
— 1002 —
Gebehard, investiert 11. Juni 1060, geweiht 30. Juli 1060, vita Gebeh. 1
S. 35 u. 4 S. 37, s. Rudb. ann. br. S. 757, Auct. Garst. S. 568. Gest.
15. Juni 1088, vita Gebeh. 4 S. 37, Bern. S. 448, Ann. Aug. S. 133,
Necr. s. Rudb. S. 143 u. a.
Kaiserl. Gegenbischof: Perhtold, Mai 1085, vita II Gebeh. 8
S. 39, verjagt 1106. Ann. s. Rudb. S. 773 bei dem falschen
Jahr 1075.
Thiemo, gewählt 25. xMärz, geweiht 7. Apr. 1090, Ann. s. Rudb. S. 774,
Bern. S. 450, Pass. Thiem. 6 Scr. XI S. 55, Auct. Garst. S. 568; ermordet
im Herbst 1101, Passio Thiem. 11 S. 58. Der Todestag ist nicht sicher;
die Necr. s. Rudb. verzeichnen ihn zweimal z. 5. u. 28. Sept. S. 165 u.
172, z. 5. auch das Necr. Secc. S. 422, d. Necr. Adm. S 305 z. 30. Sept.,
Necr. sup. mon. S. 487 z. 19. Aug.
Konrad, ernannt 7. Jan., geweiht 21. Okt. 1106, vita Chuoni'. 5 S. 65,
Auct. Garst. S. 568, Ekkeh. S. 240. Gest. 8. oder 9. Apr. 1147, vita
II Gebeh. 20 S. 44, Cont. Adm. S. 581. Necr. s. Mich. Babenb. S. 501,
8. Rudb. S. 123, Michaelb. S. 214 u. a.
2. Brixen (Seben).
Nithard, auf der Synode zu Dingolfing 932, s. Leges III S. 482.
Wisund, bezeugt durch die Fälschung J.W. 3614 und einen undatierten
Tauschvertrag bei Redlich, Die Traditionsbücher d. H. Brixen S. 1 Nr. 2.
Hugo, ist wahrscheinlich zu streichen; denn der einzige Beleg, die Er-
wähnung auf der Augsburger Synode 952, Leges II S. 27 ist nur eine
Korrektur von Pertz.
Rihpert, erwähnt 967, Dipl. II S 21 Nr. 14 und in einigen undatierten
. Traditionen 8. 1 Nr. 2 — 4. Gest. 10. Dez. unbekannten Jahres, Necr.
Fris. Forsch. XV S. 165.
Albuin, erwähnt 7. Sept. 977, Dipl. II S. 183 Nr. 163. Gest. 3. oder
5. Febr. 1005 oder 1006, Necr. s. Rudb. S. 102, sup. mon. S. 585, das
Jahr ist nicht überliefert; Albuin ist zuletzt am 10. Apr. 1004, St. 1376,
sein Nachfolger zuerst am 1. Nov. 1007 bezeugt, s. u.
Adalbero, Amtsantritt und Todesiahr unbekannt; bezeugt 1. Nov. 1007
u. 22. Mai 1011, Dipl. III S. 171 Nr. 143 u. S. 263 Nr. 228.
Herward, ebenso, 24. Apr. 1020 bezeugt, Dipl. III S. 538 Nr. 424, Necr.
Osnabr. z. 7. Okt. S. 167.
Hartwig, ebenso, 1027 bezeugt St. 1956, erwähnt 1038, s. Sinnacher, Bei-
träge II S. 206. Todestag: 30. Jan., Necr. s. Rudb. S. 100.
Poppo, Amtsantritt unbekannt, 16. Jan. 1040 bezeugt, St. 2158 — 2160.
25. Dez. 1047 Papst, 9. Aug. 1048 gest.
Altwin, geweiht 1049, Ann. Salisb. S. 90. Gest. 28. Febr. 1097, Ann. Aug.
S. 136, Necr. s. Rudb. S. 110. Die Ann. necr. Prüm. S. 223 verzeichnen
den Tod zu 1096.
Anto, gefangen 1097, Ann. Aug. S. 135,
Hugo, gewählt aus der kais. Kapelle, s. Sinnacher III S. 10, zuerst er-
wähnt 4. Juli 1111, St. 3067, abgesetzt vor Aug. 1125, vita Chuonr.
Salisb, 21 S. 76.
3. Freisinn.
Wolfram, 926? B., Gesta ep. Fris. Scr. XXIV S. 320. Gest. 9. Juni 937,
Ser. ep. S. 358, Mart. Fris. Q. u. Er. VII S. 460, Abh. d. B. Akad. XIV,2
S. 47; Ann. s Stef. Fris. Scr. XIII S. 51: 938.
Lantbert, 937 B., s. Ann. s. Stef. S. 51, 940 erste Erwähnung, Dipl. I
S. 116 Nr. 30. Gest. 19. Sept. 957, Ser. ep., Mart. Fris., Ann. s. Stef.
Abraham, geweiht 21. Dez. 957, Miss. Fris. bei Lechner, Mittelalter!.
Kirchenfeste S. 23, Ann. s. Stef. Gest. 7. Juni 993, Ser. ep., Ann. s.
Stef., Mart. Fris. S. 459, Ann. necr. Fuld. S. 207. Miss. Fris. S. 15:
8. Juni, Necr. Fris. Forsch. XV S. 163: 26. Mai.
— 1003 —
Godescalc, 993 B., Ann. s. Stef., erste Erwähnung 995, Dipl. II S. 581
Nr. 170. Gest. 6. Mai 1005, Necr. Fris. 1. c, Necr. inf. mon. S. 484,
Ann. necr. Fuld. S. 209.
Egilbert, ernannt im Mai (vgl. Dipl. HI S. 121 f. Nr. 96 f.), geweiht 25.
oder 26. Aug. 1005, Mart. Fris. S. 463, Necr. Fris. Font. IV S. 587. Gest.
4. Nov. 1039, Ser. ep., Mart. Fris. S. 408, Ann. necr. Fuld. S. 212; Ann.
s. Stef. S. 52: 1040.
Nithard, Nitker, investiert 11. Nov., geweiht 21. Dez. 1039, Miss. Fris.
5. 22 f., das Jahr nach St. 2148. Gest. 6. Apr. 1052 oder 1053, Ser.
ep.; Herim. Aug. u. Ann. necr. Fuld. S. 214, vgl. "Wib. Vita Leon. 11,7
Migne 143 S. 495: 1052, ebenso Necr. Fris. S. 103; gleichwohl muß,
wenn die Urk. St. 2424 echt ist, der Tod mit Ann. s. Stef. in das Jahr
1053 gelegt werden.
Ellinhard, geweiht 15. -Nov. 1052 oder 1053, Mart. Fris. S. 469, Necr.
miss. Fris. Font. IV S. 586, Ann. s. Stef. Gest. 11. März 1078, Ann. s.
Stef., Ser. ep., Grabschrift bei Meichelbeck 1,1 S. 274.
Meginward, geweiht 22. März 1078, Ann. s. Stef. Gest. 28. Apr. 1098,
ib. S. 53, Ser. ep., Necr. can. Spir. S. 316.
Kaiserl. Gegen bischof: Herim ann, 1090, Ann. s. Stef., vgl.
Gest. ep. Fris. S. 321.
Heinrich, geweiht 28. Juni 1098, Ann. s. Stef., Meli. S. 500, Bf EB. Konrads
Meichelbeck I S. 300 f. Gest. 9. Okt. 1137, Ser. ep., Ann. s. Stef., MeU.
S. 503, Gest. ep. Fris. S. 821, Necr. s. Rudb. S. 175, Grabschrift bei
Meichelbeck 1, 1 S. 314.
4. Gurk.
Günther, geweiht 6. Mai 1072, vita Gebeh. 2 S. 26, Auct. Garst. S. 568,
Ann. s. Rudb. S. 773, vgl. Jasch, Gurker GQ. S. 68 fF. Nr. 27, 30 u. 32.
Gest. 15. Juni 1090, Chr. Gurc. Ser. XXIII S. 8, Necr. s. Rudb. S. 140,
Adm. S. 298.
Berthold, ernannt 1090, Chr. Gurc. 2 S. 8; exkommuniziert und vertrieben
1106 (da Hildibold 25 Jahre amtierte, Chr. Gurc. 3 S. 9, so fällt die
Vertreibung Bertholds in dieses Jahr).
Hildibold, 1106 B., s. o. Gest. 7. oder 8. Okt. 1131, Ann. s. Rudb. S. 775,
Chr. Gurc. S. 9, Necr. Gurc. S. 453, s. Rudb. S. 175, Adm. S. 304 u. a.
5. Fassau.
Gundbolt, 914 B., nach den 17 Amtsjahren der Kataloge S. 363, Hist'. ep.
Fat. Ser. XXV S. 621 : 915. .. Gest. 12. Mai wahrscheinlich 930, Necr. s.
Emmer. M.B. XIV S. 382. Über das Todesjahr gibt es keine sichere
Überlieferung; Ann. s. Emmer. S. 47: 929; Auct. Garst. S. 566: 930;
Hist. ep. Fat. Ser. XXV S. 621: 931; Auct. Cremif. S, 552: 932. Sicher
falsch ist 932; wahrscheinlich richtig 930; denn Gundbolt und Tuto
starben in demselben Jahr, Ann. s. Emmer., für den letztem aber steht
930 fest.-
Gerhard, zuerst' erwähnt 14. Jan. 932, M.G. Leges III S. 482; Hist. ep.
S. 621: 931. Gest. 3. Jan., wahrscheinlich 946, Auct. Cremif. S. 552.
Der Tag nach d. Necr. Altah. b. Köpke, Otto S. 78.
Adalbert, wahrscheinlich 946 B., 948 zuerst erwähnt, C.I. I S. 13 Nr. 6,
Ann. Flodo. S. 395; 25 Amtsjahre Ser. ep, S. 363; Hist. ep. S. 621: 945.
Gest. 15. Juni 971, Auct. Cremif. S. 552: 970; Necr. Fris. Forsch. XV
S. 163.
Piligrim, 971 B., Hist. ep. S. 621, 972 zuerst erwähnt, Dipl. II S. 36 Nr. 27.
Gest. 20. Mai 991, Ann. necr. Fuld. S. 206, Quedl. S. 68, Necr. Weiss.
S. 311.
Christian, wahrscheinlich 991 B., Hist ep.: 992, 27. Jan. 993 zuerst er-
wähnt, Dipl. n S. 523 Nr. 112. Gest. 20. oder 21. Sept. 1013, Auct.
Cremif. S. 552, Ann. Hild. S. 31, Pass. Necr. bei Dümmler, Piligrim
S..102, Necr. inf. mon. S. 484, Mers. S. 241.
— 1Ö04 —
Beringer, 1013 B., Ann. Hild., Eist. ep. Gest. 14. Juli 1045, Ann. Altah.
S. 40, Necr. s. Rudb. S. 150; Auct. Cremif. S. 553: 1046.
Engilbert, wahrscheinlich 1045 B., s. o.; Hist. ep.: 1046. Gest. 17. Mai
1065, Ann. Altah. S. 71, Larab. S. 100, Herim. cont. S. 732, Berth. S. 272,
Bern. S. 428, Necr. s. Rudb. S. 135.
Altmann. Die Ernennung fällt wahrscheinlich in den Hochsommer 1065,
weil vor die Rückkehr A.'s von seiner Pilgerfahrt, Lamb. S. 100, Ann.
Altah. S. 70, Herim. cont. S. 732, Berth. S. 272. Gest. 8. Aug. 1091,
Bern. S. 452, Ann. Meli. S. 500, Necr. s. Rudb. S. 157.
Kaiserliche Gegenbischöfe: Hermann, 1085 — 1087, Bern.
S. 446 f., vita Altm. 16 S. 234.
Thiemo, 1087— c. 1092, vita Altm. 16 S. 234.
Udalrich, geweiht 16. Mai 1092, Bern. S. 464, Ann. Aug. S. 134, Meli.
S. 500. Gest. 6. Aug. 1121, Ann. Meli. S. 50i, Necr. s. Rudb. S. 156.
Reginmar, 1121 B., Ann. Meli. S. 501. Gest. 30. Sept. 1138, Ann. Meli.
S. 503, Cont. Cremif. S. 545, Gotw. S. 602, Necr. s. Flor. s. Scr. XH
S. 226 n. 2.
6. Begensburg.
Isimgrim, wahrscheinlich 930 ß., Auct. Garst. S. 566; Ann. s. Emraer. min.
Scr. Xin S. 47: 933. Gest. 5. Febr. 940. Der Tag im Necr. Weltenb.
S. 568 ; als Jahr haben Auct. Garst. S. 566, Ann. s. Emmer. br. Scr. XVH
S. 571 u. Ratisp. S. 583: 942; allein nach Dipl. I S. 115 Nr. 29 war I.
am 29. Mai 940 bereits tot. Dazu stimmt die 11jährige Amtsdauer,
Ser. ep. S. 360.
Günther, gest. 8. Okt. nach halbjähriger Amtsführung, Thietm. H, 26 S. 35,
Ann. s. Emmer. min. S. 47, Auct. Garst. S. 566, Necr. Weltenb. S. 571.
Das Jahr ergibt sich aus dem Ansatz des Todesjahrs Isimgrims.
Michael, ernannt wahrscheinlich 940 oder 941; Thietm. 11,27 S. 36 er-
wähnt die Ernennung, aber ohne Jahr. Ann. s. Emmer. min. S. 47
nennen 944, dazu stimmen die 27 Amtsjahre der Kataloge S. 360; allein
eine so lange Erledigung des Bistums ist unwahrscheinlich, weil un-
veranlaßt. M. starb 23. Sept. 972, Ann. necr. Fuld. Cod. 1 b S. 202 —
jedoch geben Cod. 1. 2. 2 b den Tod zu 973 — , Auct. Garst. S. 566,
Mart. Fris. S. 466, Necr. Weltenb. S. 571, sup. mon. S. 487.
Wolfgang, investiert 25. Dez. 972, Othl. V. Wolfk. 14 S. 531, vgl. Arn.
de 8. Emmer. II, 2 f. S. 55.7, Ann. s. Emmer. min. S. 47, Einsidl. S. 145.
Gest. 31. Okt. 994, Ann. necr. Fuld. S. 207, Altah. S. 15, Einsidl. S. 144,
Lamb. S. 48, Necr. inf. mon. S. 485, Mers. S. 244, Mart. Fris. S. 467.
Thietm. nennt V, 42 S. 131 unrichtig d. 30. Sept. als Todestag.
Gebehard L, ernannt 994, Thietm. V, 43 S. 131, Lamb. S. 48, Ann. Altah,
Einsidl.; s. Emmer. min. S. 47: 995. Gest. 27. März 1023, Ann. Aug.
S. 125, Auct. Garst. S. 567, Herim. Aug. S. 120, Necr. inf. mon. S. 484,
Weltenb. S. 569.
Gebehard IL, ernannt 1023, Ann. s. Emmer. min. S. 48, Aug. S. 125,
Herim. Aug. S. 120. Gest. 16. oder 17. März 1036, Ann. Aug., Herim!
Aug., Chr. Suev. univ. S. 71, Auct. Garst. S. 567, Necr. inf. mon. S. 483,
sup. mon. S. 486, s. GaU. S. 469 u. a.
Gebehard III., ernannt 1036, Ann. s. Emmer. min. S. 48, Aug. S. 125,
Herim. Aug. S. 122, Chr. Suev. univ. Gest. 2. Dez. 1060, Ann. Aug.
S. 127, Altah. S. 66, Ann. necr. Prüm. S. 221 u. a. Necr. sup. mon.
S. 487, Weltenb. S. 572, s. Rudb. S. 189.
Otto, Ende 1060 oder Anf. 1061 B., Ann. s. Emmer. min. S. 48, Altah.
S. 66, Lamb. S. 77, Ann. Aug. S. 127, Berth. S. 271. Gest. 6. Juli 1089,
Ann. Aug. S. 133, Hild. S. 49, Ekkeh. S. 207, Auct. Garst. S. 568, Necr.
sup. mon. S. 486, Weltenb. S. 570.
Gebehard IV., ernannt 1089, Ann. Aug., Ekkeh., Auct. Garst. Ermordet
— 1005 —
14. oder 15. Juli 1105, Ekkeh. S. 228, Necr. sup. mon. S. 486, Weltenb.
S. 570.
Udalricli, 1105 von Heinrich IV. ernannt und von Heinrich V. vertrieben,
Ekkeh. S. 228 f.
Hartwich, im Sommer 1105 von Heinrich V. ernannt, Ekkeh. S. 229;
Auet. Garst. S. 568: 1106. Gest. 3. März 1126, Ann. s. Disib. S. 23,
Adm. S. 578, Auct. Garst. S. 569, Necr. sup. mon. S. 486, Weltenb. S. 569.
Unrichtig Cont. Meli. S. 502: 1128.
V. Erzbistum Hamburg. .
1. Hamburg-Bremen.
Reginward, nach dreivierteljähriger Ämtsdauer 1. Okt. 918 gest., Adam
I, 55 S. 38, Chr. Brem. Scr. VII S. 391, Ser. ep. Scr. XIH S. 345, Necr.
s. Mich. Luneb. S. 73, Mers. fe. 242.
Unni, 918 EB. Das Jahr ergibt sich aus den 18 Amtsjahren, Adam 1,56
S. 38. Gest. 17. Sept. 936, Cont. Reg. S. 159, Adam 1,64 S. 41 f., Ann.
Corb. S. 4, Necr. Luneb. S. 69.
Adaldag, zwischen 4. Febr. und 30. Juni 937 ernannt, vgl. Dipl. I S. 95
Nr. 7 u. S. 98 Nr. 11, V. II. Mahth. 8 Scr. IV S. 288; Cont. Reg. S. 159
unrichtig: 936. Gest. 29. Apr. 988, Ann. necr. Fuld. S. 206, Adam II, 26
S. 61, Necr. Mers. S. 233; Luneb. S. 31: 28. Apr.
Liäwizo L, ernannt 988, Thietm. IV, 18 S. 74. Gest. 4. Jan. 1013, Adam
11,44 S. 72, Ann. Quedl. S. 81, Thietm. VII, 28 S. 185 mit falschem Tag,
Necr. Luneb. S. 2.
Unwan, nach Thietm. VII, 29 S. 185 am 2. Febr. 1013 ernannt, aber vgl.
Necr. Heris. z. 25. Jan., Wilmans KU. I S. 504; über Hamb. ÜB. I S. 63
Nr. 59 s. Dipl IH S. 415; Ann. Quedl. S. 81. Gest. 26. oder 27. Jan. 1029,
Adam 11, 60 S. 82, Necr. Luneb. S. 7. Ann. Hild. S. 36: 1030.
Liäwizo n., ernannt 1029, Adam 11,61 S. 82, nach Ann. Hild. 1030. Gest.
24. oder 25. Aug. 1032, Ann. Hild. S. 37, Adam II, 65 S. 85, Necr.
Luneb. S. 62.
Herimann, 1032 EB., Adam 11,66, Ann. Hild. Gest. 18. Sept. 1035, Adam
n, 66, Ann. Hild. S. 39.
Alebrand-Bezelin, ernannt vor d. 16. Okt. 1035, Hamb. ÜB. I S. 69
Nr. 68, geweiht 21. Dez 1035, Ann. Hild. Gest. 15. Apr. 1043, Adam
n, 78 S. 94. Unrichtig Lamb. S. 60: 1045.
Adalbert, ernannt und geweiht Mai 1043, s. o. S. 649 Anm. 2. Gest.
16. März 1072, Adam 111,64 u. 66 S. 143 f., Ann. necr. Prüm. S. 222,
Bern. S. 429; Lamb. S. 134: 17. März.
Liemar, ernannt 27. Mai 1072, Lamb. S. 137, Adam S. 191 v. 41, Bern.
Gest. 16. Mai 1101, Ekkeh. S. 219, Ann. Stad. S 317, s. Disib. S. 19 u. a.
Bleiplatte im Grabe L.'s, s. Ztschr. f. vaterl. Gesch. Westfalens Bd. 54
S. 192.
Humbert, ernannt nach 1. Juli 1101, da er an diesem Tage noch als
Kanzler amtiert, St. 2954, aber noch i. J. 1101, Ann. Stad. S. 317. Gest.
10. Nov. 1104, Ann. Saxo S. 738, Ann. Rosenv. S. 102.
Friedrich, 1104 EB., Ann. Saxo S. 738. Gest. 30. Jan. 1123, Ann. Saxo
S. 759, Ann. Magdb. S.182, Rosenv. S. 104.
2. Mecklenburg.
Reginbert, erwähnt 992, Ann. Quedl. S. 69.
Bernhard, gest. 1023, Ann. Quedl. S. 89.
Johannes, ermordet 1066, Adam 111,50 S. 130.
3. Oldenburg.
Egward, geweiht 968, s. S. 107, Todestag 13. Febr., Necr. MoUenb.
S. 344; Jahr unbekannt.
— 1006 —
Wago, Adam 11,24 S. 59.
Ezico, ibid.; beide Bischöfe sind von Adaldag, also vor 988 geweiht. E.
scheint 990 infolge des Abfalls der Abodriten seine Diözese verlassen
zu haben; er ist 995 in der Mainzer Diözese tätig, S. 255.
Folcward, geweiht von Liäwizo L, Adam 11,44 S. 72, wahrscheinlich 990
nach Ezicos Flucht. Nach Adam ist anzunehmen, daß er überhaupt
nicht zur Tätigkeit kam.
Reginbert, geweiht zwischen d. 15. März u. 16. Okt. 992. Dieser Ansatz
ergibt sich daraus, daß er nach Thietm. VI, 43 S. 160 das Bistum nach
dem Tode seines Vaters, des Grafen Sigfrid, gest. am 15. März 992,
IV, 17 S. 74, erhielt, und am 16. Okt. d. J. als Bischof an der Weihe
des Halberstadter Domes Anteil nahm, Ann. Quedl. S. 69; Gest. ep.
Halb. Scr. XXIII S. 87. Todestag 16. April, Necr. Mers. S. 232.
Bernhard, geweiht zwischen d. 2. Febr. 1013 und d. 4. Juli 1014, vgl.
Adam II, 47 S. 74 u. Thietm. VIII, 8 S. 195. Gest. 13. Aug. 1023, Ann.
Hild. S. 34, Necr. Luneb. S. 59.
Reinhold, 1023 B., Ann. Hild. Gest. vielleicht 1032, Ann. necr. Fuld,
S. 211; jedoch ist wahrscheinlich Reginger von Speier gemeint.
Meinher, geweiht 1032, weil von Liäwizo IL, Adam 11,62 S. 83.
Abhelin-Stephan, geweiht von EB. Alebrand, also 1035—1043, Adam
II, 70 S. 89.
Ezzo, geweiht nach 1043, weil von Adalbert, Adam 111,20 S. 110, 1068
1072 u. 74 im Mainzer Erzbistum tätig, Zeuß, Trad. S. 802, Not Weiss.
Scr. XIII S. 47, Lamb. S. 174.
4. Ratzeburg.
Aristo, geweiht nach 1062, s. Hamb. ÜB. Nr. 90 S. 89, und vor 1066
Adam 111,50 S. 130f.
5. Schleswig.
Hored, geweiht 947, s. S. 100. 21. April vor 973 gest., Ser. ep. Scr. XIII
S. 349, Necr. Mers. S. 232.
Marco, Merka, wird vor 973 B. , s. o. S. 105 Anm. 5. Gest. 11. Nov.,
Ser. ep.
Adaldag, gest. 4. Mai, Amtsdauer 12 Jahre, Ser. ep.
Folgbert, erwähnt 988, Hamb. ÜB. I S. 57 Nr. 50. Gest. 14. Dez., Amts-
dauer 7 Jahre, Ser. ep.
Poppo, erwähnt vor 995, Adam Gesta 11,33 S. 65. Gest. 19. Juli, Amts-
dauer 5 Jahre, Ser. ep., vgl. S. 635 Anm. 2.
Ekkihard, erwähnt Herbst 1000, vita Bernw. 18 f. S. 766. Gest. 1026,
Ann. Hild. S. 34. Der Katalog gibt ihm nur 11 Jahre und läßt ihn
am 12. Febr. sterben.
Rudolf, ernannt 1026, Ann. Hild. cf. vita Godeh. 31 S. 190; Adam läßt
ihn erst unter Alebrand, also nach 1035 ordiniert werden, II, 70 S. 89.
Gest. 4. Nov., Amtsdauer 19 Jahre, Ser. ep. Das 52. Scholion zu Adam
II, 66 läßt von EB. Hermann einen B. Esiko ordiniert werden, also
1032 — 1035. Der Bischofskatalog kennt ihn nicht. Und wenn die
Amtsdauer Rudolfs richtig ist, so ist in der Schleswiger Reihe kein
Raum für ihn. Es liegt wahrscheinlich eine Verwechselung mit Ekki-
hard vor.
Ratolf, geweiht von Adalbert, Adam IV, 3 S. 156, wahrscheinlich 1045
(nach den 19 Amtsjahren seines Vorgängers).
— 1007 —
VI. Erzbistum Magdeburg.
1. Magdeburg,
Adalbert, ernannt 968, s. S. 127. Gest. 20. Juni 981, Thietm. 111,11 S. 54,
Ann. Weiss. S. 45. Ann. necr. Fuld. S. 204, Necr. Magdb. N. Mtt X 2
S. 262, Mers. S. 236.
Gisiler, ernannt 10. Sept. 981, Uß. d. H. Halberst. I S. 31 Nr. 47 f., Thietm
lir, 14 S. 56, Gest. 25. Jan. 1004, Thietm. V, 39 S. 129, Ann. necr. Fuld
S. 209, Gesta 14 S. 392; Necr. Magdb. S. 266: 27. Jan.
Tagino, gewählt und investiert 30. Jan., geweiht 2. Febr. 1004, Thietm.
V, 41 S. 130, 44 S. 132, Necr. Magdb. S. 260. Gest. 9. Juni 1012, Thietm.
VII, 1 S. 170, Ann. necr. Fuld. S. 210, Hild. S. 30, Quedl. S. 81, Gesta
15 S. 399, Necr. Magdb. S. 266, Mers. S. 235.
Walthard. geweiht 22. Juni. Gest. 12. Aug. 1012, Thietm. VII, 8 u. 12
S. 174 u. 176, Ann. Hild., Quedl., Gesta 16 S. 395 f., Necr. Magdb. S. 263,
Mers. S. 239. •
Gero, geweiht 22 Sept. 1012, Thietm. VII, 21 S. 181, Ann. Hild. S. 30. Gest.
22. Okt. 1023, Ann. Magdb. S. 168, Hild. S. 38, Quedl. S. 89, Ann. necr.
Fuld. S. 211; Gesta 18 S. 398: 1022. Necr. Magdb. S. 267, Mers. S. 248.
Hunfrid, ernannt 1023, Ann. Hild., Quedl. Gest. 28. Febr. 1051, Lamb.
S. 63, Ann. Saxo S. 688, Ann. necr. Fuld. S. 214, Gesta 19 S. 398, Necr.
Magdb. S. 266, Möllenb. S. 345.
Engelhard, ernannt 1051, Lamb., Ann. Saxo. Gest. 30. oder 31. Aug. 1063,
Herim. cont. S. 732, Berth. S. 272, Ann. Magdb. S. 174, Ann. Saxo
S. 694, Necr. Magdb. S. 267, Gesta 20 S. 399.
Werinhar, Wezel, ernannt wahrscheinlich im Sept. 1063, Berth. S. 272,
Ann. Magdb. S. 174, Ann. Saxo S. 694, Gesta 21 S. 400; Ann. Altah.
irrig z. 1062 S. 61. Gefallen 7. oder 8. Aug. 1078, Berth. S. 312, Ann.
Aug. S. 129, Rosenv. S. 100, Ekkeh. S. 203, Gesta 21 S. 403, Necr. Magdb.
S. 266, ine. loci, Font. IV S. 507.
Hartwig, auf Vorschlag Gregors VII., s. ep. coli. 26 S. 552 f., gewählt,
bezw. von König Rudolf eingesetzt 7. oder 8. Aug. 1079, Berth. S. 323,
Ann. Magdb. S. 175, Ann. Saxo S. 716, Gesta 21 S. 403. Gest. 17. Juni
1102, Ekkeh. S. 224, Ann. Magdb. S. 180, Rosenv. S. 102, Gesta 22 S. 405,
Necr. Magdb. S. 266, Hild. S. 765.
Kaiserl. Gegenbischof: Hartwig, 13. Juli 1085 geweiht,
s. S. 847.
Heinrich v. Asloe, gewählt im Juni 1102, Ann. Magdb. S. 180, Patherbv.
S. 107, Gesta 23 S. 406 f., geweiht 11. Juni 1105, Gesta S. 408 f., vgl,
Ann. Magdb. S. 181, Patherbr. S. 110 f., Ekkeh. S. 227 f. Gest 16. Apr.
1107, Ann. Magdb. S. 181, Rosenv. S. 103, vgl. Chr. reg. Col. S. 47;
Ann. Corb. S. 7 irrig zu 1106. Der Todestag im Necr. Hild. S. 764,
Magdb. S. 266. Der sächs. Annalist gibt S. 746. irrig d. 24. Febr. als
Tag der Beisetzung.
Adelgoz, investiert 2. Juni 1107, Ann. Magdb. S. 181, Chr. reg. Col. S. 47,
Ann. Saxo S. 746. Gest. 12. Juni 1119. Ekkeh. S. 2-55. Ann. s. Disib.
S. 23,- Rosenv. S. 104, Ann. Saxo S. 756, Gesta S. 409, Necr. Magdb.
S. 266, Necr. s. Rudb. S. 142.
Rotger, gewählt und geweiht Juni 1119, Ekkeh. S. 255, Gesta S. 411,
Ann, Rosenv. u. a. Gest. 19. oder 20. Dez. 1125, Ann. Magdb. S. 183,
Rosenv. S. 104, Zusatz zu Ekkeh. S. 264, Ann. Saxo S. 762, Chr. Mont.
Ser. S. 140, Fund. Grat. Dei 2 S. 686, Necr. Magdb. S. 267. Ann. Hild.
irrig: 1126.
2. Brandenburg.
Thiedmar, ernannt 949, Thietm. II, 22 S. 32, als erster Bischof bezeichnet.
Gest. wahrscheinlich 7. oder 8. Aug., Necr. Mers. S. 238, Hild. S. 766,
Luneb. S. 57; das Jahr ist unbekannt; spätestens 967, vgl. Dipl. I S. 503
Nr. 366 u. die Bemerkung zu Dodilo.
— 1008 —
Dodilo, geweiht zwischen d. 25. Sept. 965 u. d. 2. März 968, Indic. cons.
ep. Scr. XIII S. 323, ermordet 980, Thietm. III, 17 S. 58.
Folcmar I., verjagt 1. Juli 983, Thietm. 1. c.
Wigo, erwähnt zuerst 6. Febr. 1004, Thietm. VI, 1 S. 134, zuletzt 22. Febr.
1017, ib. VIII, 52 S. 225. Todestag: 14. Jan., Necr. Lüneb. S. 4.
Ezilo, gewählt, aber vor der Konsekration gestorben, e. Breßlau in den
Forsch, z. brandenb. u. preuß. Gesch. I, 2 S. 65.
Liuzo, konsekriert vor 1028, s. Gest. arch. Magdb. 18 S. 398,
Rudolf, scheint überhaupt nicht bezeugt zu sein; denn in der von Riedel
Cd. Brandenb. VIII S. 66 angezogenen Urkunde ist Rudolf von Pader-
born gemeint
Dankward, im Okt. 1049 auf der .Mainzer Synode, J.W. 4188. Gest.
zwischen 1057 und 1075, vielleicht 26. Sept. 1063, s. Breßlau S. 67.
Folcward, 19. Mai Todestag, Necr. Hild. S. 764.
Thiedo. erste Erwähnung 11. Juni 1069, Hamb. ÜB. I S. 97 Nr. 101, letzte
13. Juli 1085, De unit. «eccl. II, 28 S. 97.
Folcmar IL, von Hartwig von Magdeburg geweiht, also vor 1102, Gest.
arch. Magdb. 22 S. 406. Über den Todestag differieren die Angaben,
Necr. Mers. S. 246f.: 3. u. 10. Dez., Mollenb. S. 382: 10. Dez., Luneb.
S. 92: 3. Dez.
Hartbert, von Hartwig von Magdeburg geweiht, also vor 1102, Gest. ep.
Magdb. 1. c. Letzte Erwähnung 1122, M.B. 29,1 S. 242.
3. HaTelberg.
Dudo, 947, erster Bischof, Thietm. 11,22 S. 32, erwähnt 968, Dipl. I S. 503
Nr. 366. 29. Juni 983 Vernichtung des Bistums, Thietm. III, 17 S. 58.
Hilderich, von Gisiler, also nach 981 geweiht, Gest. arch. Magdb. 14
S. 392. Gest. 30. Okt. 1008, Ann. QuedL S. 79, Thietm. VI, 46 S. 161,
Necr. Mers. S. 243.
Erich, 1008 B., Ann. QuedL, vgl. Thietm. VI, 37 S. 156, von Tagino ge-
weiht, Gest. arch. 15 S. 394. Nov. 1028 genannt, Wichmann, Untersuch.
S. 136 Nr. 2.
Godescalc, geweiht von Hunfrid von Magdeburg, Gesta 19 S. 399. Gest.
1085, Ann. Saxo S. 723.
Wichmann, geweiht von Hartwig, Gesta 22 S. 406.
Ezelin, erste Erwähnung 26. Juli 1096, Ann. Fegav. S. 245, letzte 1108,
Cd. Brandenb. VI S. 388.
Bernhard, gest. 1118, Ann. Saxo S. 755.
Hemmo, 1118 B. Gest. 1120, ib. S. 755 f., Ann. Magdb. S. 182.
Gumbert, 1120 B. Gest. 1125, Ann. Saxo S. 762.
4. Geissen.
Burchard, geweiht Weihnachten 968, Thietm. E, 22 S. 32 mit falscher
Jahreszahl. B. starb 969, wenn Thietmar die Amtsdauer seiner Nach-
folger richtig angibt, s. IV, 6 S. 67 und VIH, 25 S. 208. Necr. Mers.
S. 242: 25. Sept.
Wolcold, 23 Amtsjahre, Thietm. IV, 6 S. 67, also 992 gest., 23. August,
ibid., Necr. Mers. S. 239.
Eid, 992 B., s. o., 23 Amtsjahre, Thietm. VIH, 25 S. 208. Gest. 20. Dez.
1015, Ann. QuedL S. 84, Thietm. VIII, 25 S. 207, Ann. necr. Fuld. S. 210.
Ann. Hild. S. 32 irrig 1017. Necr. Mers. S. 246.
Agilward, geweiht 18. März 1016, Thietm. VIII, 26 S. 209. Gest. 23. Apr.
1022, Ann. necr. Fuld. S. 211, oder 1023, Ann. QuedL S. 89, Necr. Mers.
S. 232. Als Todestag gibt ein Meißner Manuskript des 15. Jahrh. den
16. März (Posse, Markgr. von Meißen S. 89, vgl. S. 12 Anm. 6). Bei der
Jugend der Nachricht ist sie ohne Wert.
Huprecht, Weihnacht 1023, Ann. QuedL S. 89; nach dem Meißner Manuskr.
gest. 27. März 1024, Posse S. 89.
— 1009 —
Thiederich, 1027 u. 1029 erwähnt, vita Godeh. prior. 31 S. 190, 35 S. 193
Ann. Saxo S. 677.
Aico, 1040 erwähnt, Cd. Sax. 1,1 Nr. 88 S. 301.
Brun, erwähnt 1058, Gund. lib. pont. Eich. S. 246. Sein Tod muß vor d.
30. Aug. 1063 erfolgt sein; da nach Gest. arch. Magdb. 20 S. 399
Reginbert von dem an diesem Tag gestorbenen EB. Engelhard geweiht
wurde. Das Datum von St. 2636 erklärt sich also aus nachträglicher
Beurkundung.
Reginbert, vor 30. Aug. 1063 geweiht, s. o. Gest. 1066, Lamb. S. 104.
Kraft, gest. kurz nach der Investitur 1066, Lamb. 1. c.
Benno, erhält nach Lambert das Bistum i. J. 1066; als Todesdatum wird
d. 16. Juni 1106 angegeben, s. Cd. Sax. reg. II, 1 S. 17. Der Tag ist,
wie es scheint, eine spätere willkürliche Annahme. Das Jahr kann
richtig sein; denn B.'s Nachfolger Herwig wurde zwischen d. 28. Mai
1105 und dem 24. Apr. 1107 geweiht, s. u.
Kaiserl. Gegenbischof: Felix, 1085, Cd. Sax. 1,1 Nr. 157 f.
S. 346 f.
Herwig. Die Zeit seiner Weihe, zw. d. 28. Mai 1105 u. d. 24. Febr. 1107,
ergibt sich daraus, daß er sie von Eß. Heinrich von Magdeburg erhielt,
s. Gest. arch. Magdb. 23 S. 409. Gest. angeblich 27. Juni 1119, Cd. Sax.
II, 1 S. XVII. Da Herwig Ruotgor von Magdeburg weihte. Gest. arch.
Magdb. S. 411, so ist 1119 das früheste mögliche Todesjahr.
Godehold, zum erstenmal erwähnt Nov. 1122, Cd. Sax. reg. 1,2 S. 55
Nr. 65. Gest. 31. Aug. 1140, Ann. Magdb. S. 187, Cd. Sax. 11,1 S. XVIII.
5. Merseburg.
Boso, geweiht Weihnachten 968, vgl. Burchard von Meißen. Gest. 1. Nov.
970, Thietm. II, 36 S. 41, Necr. Mers. S. 244.
Gisiler, geweiht Juni 971, Thietm. II, 37 S. 42, nach Chr. ep. Mers. 2 S. 167:
Juli; 10. Sept. 981 EB. von Magdeburg. Das Bistum unterdrückt.
Wigbert, geweiht 6. Febr. 1004, nach der Amtsdauer v. 5 Jahren, 6 Wochen
u. 5 Tagen, Thietm. VI, 37 S. 156, Chr. ep. Mers. 2 S. 170. Gest.
24. März 1009, Ann. QuedL S. 80, Thietm. VI, 87 S. 156, Oal. Mers.
S. 982.
Thietmar, geweiht 24. Apr. 1009, Thietm. VI, 40 S. 158, Ann. QuedL S. 80.
Gest. 1. Dez. 1018, Ann. QuedL S. 84, Chr. ep. Mers. 4 S. 177; Ann.
Saxo S. 674: 1019, Ca!. Mers. S. 1005.
Bruno, gest. im Aug. 1036, Chr. ep. Mers. 5 S. 178: 7. Aug.; Cal. Mers.
S. 994: 8. Aug.; Ann. Hild. S. 40: 13. Aug.; Ann. necr. Fuld. S. 212:
27. Aug.
Hunold, 1036 B., Ann. Hild. S. 40. Gest. 5. Febr. 1050, Ann. necr Fuld.
S. 214, Ann. Saxo S. 688, Chr. ep. Mers. 6 S, 180, Cal. Mers. S. 979.
Alberich, urk. bezeugt 3. Aug. 1050, ÜB. d. H. Mers. I S. 63 Nr. 71. Gest.
2. Apr. unbekannten Jahres, Chr. ep. Mers. 7 S. 181, Cal. Mers. S. 983.
Ezelin, Amtsantritt unbekannt. Gest. 26. Okt. unbekannten Jahres, Chr.
ep. Mers. 8 S. 182, Cal. Mers. S. 1002.
Woffo, 1053 oder 1054 B., erwähnt 27. Dez. 1057, Gundech. lib. p. Eichst.
Scr. VII S. 246. Gest. 15. Apr. 1058 im 5. Amtsjahr, Chr. ep. Mers. 9
S. 183, Das Jahr ergibt sich aus dem Todesjahre Winthers. Necr. Mers.
Winther, vor d. 13. Sept. 1058 B., s. St. 2558. Gest. 24. März 1059 im
ersten Amtsjahr, Chr. ep. Mers. 10 S. 183, Ann. necr. Prüm S. 221, Cal.
Mers. S. 982!
Wetnher, wahrscheinlich 1059 B. Gest. 11. oder 12. Jan. 1093, Bern.
S. 455, vita- Wernh. 4 S. 248, Cal. Mers. S. 976.
Kaiserl. Gegenbischof: Eppo, 1085, Chr. ep. Mers. 11 S. 184.
Albuin, ernannt Juli 1097, Chr. ep. Mers. 12 S. 186, geweiht vor d. 23. Sept.
1097, s. Ann. Peg. z. 1104 S. 247. Gest. 23. Okt. 1112, Chr. L c; Cal.
Mers. S. 1001: 22.
Gerhard, erhielt das Bistum nach einer beinahe einjährigen Sedisvakanz.
Hauck, Kirchengeschichte. III. 64
— 1010 —
Chr. ep. Mers. 13 S. 187, also im Aug. oder Sept. 1113; er wurde bald
danach wieder entsetzt, Chr. ep. Mers. 13 S. 187, Cod. Udalr. 164 f.
S. 291.
Arnold, 1116 oder 1117 gewählt, von Kalixt auf der Synode von Rheims
1119 anerkannt, Chr ep. Mers. 13 S. 187, 29. Mai oder 12. Juni 1126
nacli neunjähriger Amtsführung getötet, ib., Ann. Saxo S. 763, Cal.
Mers. S. 989.
6. Zeitz-Naumburg.
Hug I., geweiht Weihnachten 968, s. Burchard von Meißen. Gest. 979,
Ann. necr. Fuld. S. 204.
Friedrich L, erwähnt 981, Thietm. 111,16 S. 57.
Hut=r IL, von Gisiler geweiht. Gest. ep. Magdb. 14 S. 362, zuletzt erwähnt
^1002, Thietm. V, 15 S. 115.
Hildiward, zuerst erwähnt 1004, Thietm. VI, 1 S. 134. Gest. 3. Aug. 1030,
Ann. necr. Fuld. S. 211, Necr. Mers. S. 238.
Cadalus, vor 16. Nov. 1030 ß.. Cd. Sax. 1,1 S. 293 Nr. 75. Gest. 1045
Ann. necr. Fuld. S. 213, Lamb. S. 59.
Eppo, Eberhard, ernannt 1045, Lamb. S. 59. Gest. 1079, Berth. S. 323;
nach einer nicht mehr vorhandenen Inschrift im Dom war d. 5. Mai
sein Todestag, s. Lepsius, Gesch. d. Bisch, von Naumburg I S. 26 f.
Günther, gewählt 1079, Berth. S. 323, nach d. 8. Aug., weil nach der
Besetzung von Magdeburg durch Hartwig, s. Ann. Saxo z. 1079 S. 716.
Gest. 1. Apr. 1090, Chr. Gozec. I, 22 S. 149, s. Mirbt, Publ. S. 55 ff.
Friedrich IL, 1090 gewählt, von Heinrich wird im Dez. die Bestätigung
versagt, Chr. Gozec. I, 22—25 S. 149.
Walram, ernannt Ende 1090 oder Anfang 1091, vgl. Chr. Gozec. 1. c, Ann.
Fegav. z. 1091 S. 244. Gest. 12. Apr. 1111, Necr. can. Babenb. Font.
IV, 505.
Dietrich, zuerst erwähnt 16. Juni 1112, MRh. ÜB. I S. 482 Nr. 422; von
einem sorbischen Mönch ermordet 27. Sept. 1123, Ekkeh. S. 261 f., Ann.
Magdb. S. 182, Grabschrift bei Lepsius I S. 36.
Klösterverzeichnis.
L Erzbistum Mainz.
1. Mainz.
9. oder 10. Jahrh.? Erfurt, St. Severus, Kanoniker. Ursprung unbe-
kannt. Die älteste Nachricht ist die Notiz über die Übertragfung der
Reliquien des Severus nach Erfurt durch EB. Otgar; dabei erscheint als
ursprünglicher Titel der Kirche: Sfc. Paul, Transl. s. Sev. Scr. XV S. 292,
Zusatz zu Lamb. 845 S. 24, s. Petr. Auct. Ekkeh. z. 836 S. 28.
9. oder 10. Jahrb.? Erfurt, St. Peter, Mons s. Petri. Ursprung unbe-
kannt. Man schrieb im 11. Jahrh. die Gründung Dagobert zu. Zusatz zu
Lamb. S. 10, s. Petri Auct. Ekkeh. z. 706 S. 25. Damals war St. Peter ein
Kollegiatstift ; EB. Siegfried I. stellte das Mönchsleben wieder her, Reg.
Mog. I S. 181 Nr. 3.
9. oder 10. Jahrb.? Grossburschla, Brustlaha, an d. Werra, Kr. Mühl-
hausen; von Fulda abhängig. Über den Ursprung fehlt, so viel ich sehe,
jede Nachricht. Die erste Erwähnung findet sich in dem Verzeichnis der
Mönche und Schüler der von Fulda abhängigen Klöster Scr. XIII S. 218.
Hier werden 40 Mönche und 18 Schüler genannt. Das Verzeichnis ist iaa
10. Jahrh. geschrieben, aber vielleicht älter. In den Ann. necr. Fuld. wird
zu 1008 der Brand der Jakobskirche in Burschla erwähnt, S. 209, 45. Viel-
leicht ist das Kloster infolgedessen eingegangen, denn später erscheint es
als Kanonikat, Wolf, Eichsfeld. KG. S. 18 Nr. 19 v. 1307. Hermann, Z. d.
Ver. f. thür. Gesch. VHI S. 109 Nr. 48 läßt es 980 gegründet sein.
vor 930 Rodenbach, Rotunbah, Kr. Büdingen, St. Nazarius. 930 an
Fulda übergeben, Dronke, G.d. S. 314 Nr. 677; 942 Abt Harricho, Nass. ÜB. I
S. 42 Nr. 87.
937—954 Mainz, St. Peter, Kanoniker. Von EB. Friedrieh gestiftet,
Urk. Siegfrieds I. Nass. ÜB. I S. 68 Nr. 127; Alber. ehr. z. 945 Scr. XXIII
S. 764. Eine Peterskirche gab es in Mainz lange vorher, s. Cd. Fuld. S. 60
Nr. 101 V 791.
946—950 Pöhlde, Palida, Kr. Osterode, St. Joh. B. u. Servatius, Kano-
niker (später Prämonstr.). Stiftung der Königin Mathilde, V. Mahth. ant. 11
S. 579, Auu. Magdb. z. 968 S. 148.
vor 952 Kusel, Cosla, Remigiusberg, Rheinpfalz. Gründung unbekannt.
Erste Erwähnung die Bestätigungsurk. f. St. Remi in Rheims, Dipl. I S. 237
Nr. 156.
960 Hildwardshausen, Hildiwardeshusun , Kr. Einbeck, St. Maria
u. Stefan, Nonnen (später Prämonstr.). Stiftungsurk. Dipl. I S. 284 Nr. 206.
961 — 965 Nordhausen, Northusen, St. Maria u. h. Kreuz, Nonnen.
Stiftung der Königin Mathilde, V. Mahth. ant. 14 S. 850, Ann. Magdb. z. 968
S. 148; Vgl. Dipl. I S. 535 Nr. 393, HI S. 481 Nr. 377.
vor 963 Bibra, Biberaha, Kr. Eckartsberga, St. Joh. B., Peter u. Paul.
Über die Gründung Dipl. I S. 499 Nr. 363, päpstliche Bestätigung v. 963
J.W. 3694.
vor 966 Hagenmünster, Hagenenmunistar, Haganonis monast., bei
64*
— 1012 —
Mainz. Das Münster kam 966 aus dem Besitze der Herz. Konrad u, Eber-
hard an St. Moritz in Magdeburg, Dipl. I S. 447 Nr. 333, II S. 41 f. Nr. 31 f.
u. S. 491 Nr. 82. Es läßt sich nicht entscheiden, ob an eine Kirche oder
an ein Kloster zu denken ist.
vor 966 Mainz, St. Gingolf, Kanoniker. Stiftung des späteren EB.
Dietrich v. Trier, Zusatz zu Gest. Trev. 29 S. 169, Dipl. I S. 435 Nr. 321.
vor 974 Aschaffenburg, Aascaffinburg, St. Peter u. Alex., Kanoniker.
Stiftung des Herzogs Otto v. Schwaben u. IBaiern. Älteste Urk. Dipl. II
S. 99 Nr. 84.
975—992 Mainz, St. Stefan, Kanoniker. Stiftung des EB. Willigis,
Ann. s. Disib. z. 975 S. 6, Ser. arch. Mog. Scr. XIII S. 315. Älteste Urk.
Dipl. II S. 518 Nr. 107 v. 992. Hier heißt die Kirche noviter constructa
et consecrata.
vor 979 Memleben, Mimelevo, Kr. Eckartsberga, St. Maria u. Trinit.
Gründung Ottos II. Gründungsjahr unbekannt, älteste Urk. v. 20. Mai 979
Dipl. II S. 217 Nr. 191, vgl. Nr. 194—196 u. Thietm. III, 1 S. 48.
980 Ohrdruf, Ordorf, (Herzogt. Gotha), St. Peter, Kanoniker. Von
Abt Gozbert von Hersfeld gegründet, Lamb. z. 980 S. 44, vgl. Dobenecker, .
Reg. Thur. I S. 115 Nr. 516.
987? Dorla, Turloh," Kr. Mühlhausen, St. Peter u. Paul, Kanoniker.
Marian. Scot. z. 987 S, 555, Reg. Thur. I S. 119 Nr. 537.
994 oder 995 Mainz, St. Viktor, Kanoniker. Über die ältere Zeit s.
Pass. s. Bonif. S. 482. Durch Willigis u. Burchard erneuert, Vit. Burch. 2
Scr. IV S. 833, Ser. arch. Mog. S. 315. Nach der Pass. fand die Weihe des
Neubaus am 5. Juni, wahrscheinlich 995, in Gegenwart Ottos III. statt, vgl.
zum Jahr Dipl. II S. 578 Nr. 166; Schenkung v. 17. Juli 997 S. 667 Nr. 251.
vor 1006 Bingen, Pinguia, St. Martin, Kanoniker. Gründung unbe-
kannt. Im angegeb. Jahr zuerst erwähnt, MRh. ÜB. I S. 337 Nr. 285. Die
Kirche war weit älter, s. Cd. Fuld. S. 62 Nr. 105 v. 793.
vor 1006 Göllingen, Gellingin, in Schwarzburg-Rudolstadt, St.Wig-
bert, von Hersfeld abhängig. Gründung unbekannt. 1006 zuerst erwähnt,
vita H Godeh. 8 S. 201, vgl. Ann. Hild. z. 1006 u. 1008 S. 29 f.
1008 — 1017 Kaufungen, Capungun, Cofunga, bei Kassel, St. Salvator
u. h. Kreuz, Nonnen. Stiftung der Königin Mathilde, Thietm. VIII, 54 S. 226,
IX, 18 S. 250, Dipl. in S. 479 Nr. 375 f.; vgl. die interpolierte Urk. S. 216
Nr. 182 v. 1008.
vor 1011 Jechaburg, Gicheburg in Schwarzburg-Sonderhausen, St.
Peter u. Paul, Kanoniker. Von Willigis gegründet nach dessen Grabschrift,
Reg. Mog. I S 143.
1011 — 1021 Mainz, St. Maria im Feld, ex campis, Kanoniker. Stiftung
des EB. Erchanbald, Ser. arch. S. 315. Die Kirche ist" älter, s. Cd. Fuld.
S. 126 Nr. 244 v. 808.
vor 1022 Heiligenstadt, RB. Erfurt, St. Aureus u. Justinus, Kano-
niker. Die älteste Urk. ist die Schenkung Heinrichs IL Dipl. III S. 613
Nr. 481 v. 1022; danach ist vielleicht Erchanbald der Stifter.
1012 — 1024 Johannisberg bei Hersfeld, von diesem Kloster abhängig.
Gegründet von Abt Arnold, s. die von Holder-Egger zu Lamb. Inst, flerv.
eccl. S. 350 angeführten Verse.
1030 St. Andreas bei Fulda, Neuenberg. Fuldische Propstei, von
dem Grafen Hartmann u. Abt Richard (1018 — 1031) gegründet und von EB.
Aribo (1021—1031) geweiht, Urk. Richards v. 1030 bei Schannat, Dioec.
Fuld. S. 249, Tradit. Fuld. S. 61 Nr. 26, V. Bard. mai. 6 S. 222.
1021—1031 Burghasungen, Kr. Wolfhagen, St. Peter u. PauL Als
Chorherrenstift von Eß. Aribo gegründet, Ann. Palid. z. 1022 S. 67, V. Meinw.
170 S. 145, Ann. Saxo z. 1021 S. 675, von EB. Siegfried 1082 in ein Bene-
diktinerkl. umgewandelt, Urk. S.'s bei Falckenheiner, Gesch. Hess. Städte
II, ÜB. S. 111 Nr. 1, Ann. Ottenb. S. 7, Hist. Hirs. mon. app. S. 263, vgL oben
S. 869 Anm. 10.
vor 1035 Naumburg, Nuenburg, bei Hanau, St. Cyriak, Propstei. Im
— 1013 ~
angef. Jahr zuerst erwäiint, Hess. ÜB. 11, 1 S. 34 Nr. 56, 1086 an Speier ver-
geben, S. 44 Nr. 68.
1036 Erfurt, St. Jakob, Schottenkloster. Von Walther v. Glisberg
gegründet, Zusatz zu Lamb. S. 54, Cron. s. Petri Erf. mod. S. 152.
1036 Mainz, St. Johann, Kanoniker. Die Kirche ist der alte Dom;
nach der Weihe des Neubaus, 10. Nov. 1086, gründete EB. Bardo an der
alten Kirche ein Chorherrenstift, V. Bard. brev. 10 S. 254.
vor 1049 Herrenbreitungen, Breidinge, Bretingen, Kr. Schmalkalden,
St. Maria, Doppelkl. Ursprung unbekannt; in späteren Fälschungen wird
er in die Zeit Heinrichs I. verlegt, Dipl. I S. 621 Nr. 458. Der erste sichere
Beleg ist die Datierung einer Urk. ,in monasterio Br." v. 1049, Dronke,
Cd. Fuld. S. 359 Nr. 249. Seit 1150 Augustinerchorherren, Henneb. ÜB. 1
S. 6 Nr. 9 u. 10,
1051 — 1059 Mainz, St. Jakob, in monte specioso. Von EB. Lupoid
gegründet, Lamb. z. 1059 S. 77, Ser. arch. S. 315, Urk. Siegfrieds L v. 4. Nov
1070, Würdtwein, Dipl. H S. 502. Die Benediktiner wurden 1177 durch
Prämonstr. ersetzt, J.W. 12918.
1055 Nörten, Nortzun, Northun, Kr. Einbeck, St. Maria u. Peter
Kanoniker. Von EB. Lupoid gegründet, verunechtete Stiftungsurk. bei Wolf,
Dipl. Gesch. des Petersstifts zu Nörten S. 5 S.
1069 Mainz, St. Maria zu den Staffeln, ad gradus, Liebfrauenstift,
Kanoniker. Von EB. Siegfried L gegründet, Ser. arch. S. 315, 23. Nov. 1069
geweiht, Mar. Scot. S. 560, vgl. Nass. ÜB. I S. 98 Nr. 169.
1071 Altenmünster bei Lorsch, St. Peter. Von Abt Udalrich er-
neuert, Ser. abb. S. 317, Chr. Lauresh. S. 419 f., vgl. die gefälschte Urk.
St. 2746.
1071 Saalfeld, St. Peter u. Paul. Von EB. Anno von Köln für
Kanoniker gegründet, 1071 Benediktinern übergeben, Stiftungsurk. v. 1071
Schultes, Cob. Saalf. Landesgesch. 2. Abt. ÜB. Nr. 1 ; vgl. V. Ann. 23 S. 476,
Ann. Hild. z. 1077 S. 48. Lamb. z. 1071 S. 132.
1074 Ravengirsburg, Rabengeresburc , Kr. Simmern, St. Christof,
Kanonikei*. Von dem G-rafen Berthold gegründet, von EB. Siegfried L be-
urkundet, MRh. ÜB. 1 S. 431 Nr. 374.
vor 1075 Eschwege, Eskenewege, RB. Kassel, St. Cyriak, Nonnen.
Gründung unbekannt. Von Heinrich IV. an Speier gegeben, Remling, ÜB. I
S. 56 Nr. 56, Winkelmann, Acta 1 S. 469 Nr. 582.
vor 1083 Northeim, in Hannover, St. Maria u. Blasius. Gründung
Ottos V. Northeim, s. Cd. Sax. 1,2 S. 43 Nr. 51.
1085 Reinhardsbrunn, im Herzogt. Gotha, St. Maria u. Joh. Ev.
Von Graf Ludwig L von Thüringen gestiftet, Cron. Reinh. S. 526, vgl. vita
II Gebeh. 11 S. 41, Chr. Gozec. II, 14 S. 154, 1089 von Heinrich IV. bestätigt,
St. 2898, 1102 von Paschal IL, J.W. 5906.
vor 1089 Ettersburg, Eiterisburc, bei Weimar, St. Justin u. Lorenz,
Kanoniker. Vor 1. Apr. des angef Jahres zuerst erwähnt. Reg. Thur. I S. 205
Nr. 964, vgl. Rein, Thur. sacra II S. 75 Nr. 1.
1089? Oldisleben, Udislewe, Großh. Weimar, St. Veit. Von Kuni-
gunde, der Gem. Wiprechts v. Groitsch, gegründet, s. Reg. Thur. I S. 212
Nr. 996, und vgl. Ann. Pegav. z. 1110 S. 250.
nach 1089 Johannisberg im Rheingau, St. Joh. u. Nik. Als Propstei
von St. Alban gegründet, seit 1130 selbstständig, Nass. ÜB. I S. 108 ff.
Nr. 179 f Die falsche Stiftungsurk. v. 1090 S. 75 Nr. 136.
1089 — 1109 Lippoldesberg, Kr. Hofgeismar, St. Maria u. Georg,
Nonnen. Von Graf Heinrich v. Northeim und EB. Ruthard gegründet, Chr.
Lipp. 5 Ser. XX S. 549.
1090—1100 Höchst, Hochstedin, am Main, St. Justin. Propstei von
St. Alban, Nass. ÜB. I S. 74 Nr. 135, S. 85 Nr. 147.
1093 Bursfeld, Kr. Göttingen, St. Thomas u. Nik. Von Graf Hein-
rich V. Northeim gegründet, von EB. Ruthard bestätigt. Reg. Mag. I S. 226
Nr. 14. 1103 Bestätigung Paschais IL, J.W. 5935.
— 1014 —
vor 1096 Fulda, Stift bei St. Michael. Stifter Abt Ruthar, Dronke,
Trad. S. 61,27.
11. Jahrb.? Einbeck, Embeke, in Hannover, St. Alexander, Kanoniker.
Der Ursprung des Stifts liegt im Dunkeln. Man schreibt die Gründung
dem Grafen Dietrich II. von Katelenburg zu, um 1060, s. Harland, Gesch.
d. St. Einbeck 1 S. 20.
um 1100 Reinhauseu. Kr. Göttingen, St. Maria u. Christof. Ge-
stiftet von dem Grafen Hermann v. Winzenburg, gefälschte Bestätigungsurk.
Adalberts I. Cd. Sax. 1,2 S. 33 Nr. 39. Schutzbrief Konrada HI. v. 1144,
St. 3480.
um 1100? Gerode, Gerinrode, im Eichsfeld, St. Michael. Gestiftet
von dem Grafen Widelo, 1124 an das Domstift zu Mainz übergeben, Guden. I
S. 60 Nr. 26.
1104 Falkenau, Falkenaha, ^ella an d. Werra bei Bischofsroda, St.
Georg. Von EB. Ruthard gegründet und St. Peter in Erfurt übergeben,
Guden. I S. 34 Nr. 17, vgl. Not. dedic. s. Fetri Erf. S. 436 f.
1102—1120 Steina, Mariensteine, Kr. Einbeck. Von EB. Rut-
hard begonnen, von EB. Adalbert vollendet, s. die Urk. Z. d. bist. Ver. f.
Niedersacbsen 1871 S. 100 Nr. 1 u. 2, u. bei Wenck 11,2 S. 738.
1105 oder 1106 Katelenburg, Kr. Osterrode, St. Johann. Von Graf
Dietrich von Katelenburg gegründet. Bestätigungsurk. Ruthards von Mainz,
Orig. Guelf. IV S. 546. Die Datierung ist unsicher.
1106 Paulinzelle, Schwarzburg-Rudolstadt, St. Maria, Doppelkl. Von
Paulina u. ihrem Sohne Werner gestiftet, s. Vit. Paulin. 18 ff. h. v. Mitzschke
S. 49 ff., vgl. die Urk. Heinrichs V. v. 1108 ÜB. d. Kl. Paulinzelle S.6 Nr. 6;
1114 von Heinrich V. bestätigt, S. 7 Nr. 7, ebenso v. Paschal IL, vit. Paul.
27 S. 61 f., vgl. die Fälschung J.W. 6399.
vor 1108 Langenselbold, Selbod, Kr. Hanau, St. Joh. B Als
Kanonikat gegründet, Schutzbrief Paschais IL J.W. 6207, 1139—1158 Prä-
monstratenser, Hess. ÜB. II, 1 S. 50 Nr. 77 u. S. 70 Nr. 97.
vor 1123 Sponheim, Kr. Kreuznach, St. Maria u. Martin. Von Graf
Meginhard gegründet; 1123 Weihe der Gebäude, Reg. Mag. S. 269 Nr. 125,
1125 von Heinrich V. bestätigt, St. 3207.
vor 1123 Breitenau, Bretenowe, Kr. .Melsungen, St. Maria. Gegr.
von Graf Werner, von EB. Adalbei-t I. bestätigt, Guden. I S. 60 Nr. 25.
1123 Erfurt, St. Gyriak, Nonnen. Durch Verlegung des auf dem,
Severiberg liegenden Kl. 's entstanden, Lib. cron. Erford. S. 778, Cron. Erf.
Engelh. S. 790; vgl. die Unterschr. Roricus in raonte s. Ciriaci primus unter
einer Urk. v. 1133, ÜB. der St. Erfurt I S. 8 Nr. 18.
2. Augsburg.
9. Jahrb.? Augsburg, St. Afra. Seit Erbauung des Domes ein selb-
ständiges Stift, als solches V. Oudalr. 4 S. 393 erwähnt, durch B. Brun
(1006—1029) Mönchski., Cat. ep. Aug. S. 280.
vor 924 Häbach, Hewibach, BA. Weilheim, Kanoniker. Erste Er-
wähnung V. Oudalr. 5 S. 393; durch Norbert von Chur 1085 erneuert, vgl.
Leidinger, N.A. XXIV S. 676.
924 — 973 Augsburg, St. Stefan, Nonnen. Stiftung Udalrichs, V. Oudalr.
19 S. 406.
um 950 D eggin gen, Teggingen, BA. Nördlingen, St. Mai-tin, Nonnen.
Gründung unbekannt; als Eigentum der Eltern Heinrichs IL erwähnt
DipL HI S. 460 Nr. 357.
10. Jahrb.? Diessen am Ammersee, St. Georg, Kanoniker. Sagen-
hafte Nachrichten über den Ursprung Scr. XVII S. 329; kurz vor 1132 nach
St. Stefan verlegt, J.W. 7533.
1002 Neuburg a. d. Donau, Nivanburch, St. Maria, Nonnen. Von
Heinrich IL gegründet, Auct. Garst. S. 567, Ann. s. Rudb. S. 772, vgl. Dipl.
m S. 193 Nr. 163.
1011 Kühbach, Chuibach, BA. Aichach, St. Magnus, Nonnen. Von
— 1015 -
Graf Adalberu (von Eberaberg, wenn nicht vielmehr von Kühbach?, s. v.
Oefele, Münch. SB. 1894 S. 269 ff.) gegründet, von Heinrich II. bestätigt,
Dipl. III S. 267 Nr. 230, vgl. die Urk. der K. Kunigunde S. 693 Nr. 1 und
Hißt. Weif. Weing. 7 S. 17.
vor 1020 Di essen am Ammersee, St. Stefan, Kanoniker. Gründerin
ist die vielleicht 1020 gestorbene Gräfin' Kunigunde, s. die fragliche Inschrift
M.B. VIII S. 120, u. Scr. XVII S. 329.
1026? Lietzheim, Liedesheim, BA. Dillingen, Nonnen. Steichele,
Bist. Augsb. III S. 759 teilt eine Urk. mit, nach der d. Kl. in diesem Jahr
gestiftet wurde. Weitere Urk. gibt es erst aus d. 14. Jahrh.
vor 1029 Augsburg, St. Moritz, Kanoniker. Wahrscheinlich eine
Stiftung des B. Bruno, der dort begraben liegt, s. Herim. Aug. z. 1029.
1030 Donauwörth, Heil. Kreuz, Nonnen. Von Manegold gestiftet,
s. Scr. XV S. 767, St. 2000 v. 17. Jan. 1030, von Leo IX. 3. Dez. 1049 ge-
weiht, J.W. 4207. Im Anf. des 12. Jahrh. wurden die Nonnen durch Mönche
ersetzt, 1135 ist D. Mönchski., s. J.W. 7719.
vor 1042 Gempfing, Gemphingin, BA. Neuburg a. D., Nonnen. Von
dem Grafen Leodegar von Lechsgemünd gestiftet als Filiale von St. Wal-
burg in Eichstätt, Anon. Haser. 31 S. 262; wie es scheint, bald wieder ein-
gegangen.
um 1070? Hohenwart, BA. Schrobenhausen , St. Georg, Nonnen.
Über den Ursprung fehlt jede sichere Kunde; die Klosterüberlieferung nennt
1074 als Gründungsjahr; aber sie ist erst im 14. Jahrh. bezeugt, s. Steichele
IV S. 868. Die älteste Tradition ist von 1208, M.B. XVII S. 101.
vor 1071 Augsburg, St. Gertrud, Kanoniker. Die Kirche wird im
angef. Jahr geweiht, Ann. August. S. 128, aber nach dens. zu 1077 S. 129,
handelte es sich dabei nur um einen Neubau. Möglicherweise hängt die
Organisation des Stifts mit dem Neubau der Kirche zusammen.
vor 1077? Augsburg, St. Peter, Kanoniker. Von B. Embrich be-
merken die Ann. Aug. z. 1077 S. 129, daß er zu den vorhandenen Kirchen
und Klöstern drei neue hinzufügte. Diese lassen sich nicht nachweisen.
Doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß St. Peter dazu gehörte.
1095 Neresheim, Nemistheim, Württemberg, St. Ulrich u. Afra, Kano-
niker. Gegründet von Graf Hartmann von Dillingen und Rom übergeben,
von Urban II. bestätigt, Wirt. ÜB. I S. 304 Nr. 246, Ann. Neresh. Scr. X
S. 21. Das Stift wurde im Anf. des 12. Jahrh. in ein Benediktinerkl. ver-
wandelt. Gas. mon. Petrish. III, 38 f. Scr. XX S. 657 f.
1102 Lorch, Loricha, OA. Welzheim, St. Maria. Von Herzog Fried-
rich von Schwaben gegründet und Rom übergeben. Urk. Friedrichs Wirt.
ÜB. I S. 334 Nr. 264.
vor 1122 Bernried, am Würmsee, St. Martin, Aug.-Chorherren. Von
Graf Otto von Scheiern gegründet und Rom übergeben, von Kalixt IL be-
stätigt, J.W. 6993, M.B. Vni S. 319 ff.
vor 1122 Echenbrunn, Echinbrunnen, BA. Dillingen, St. Peter u.
Paul. Von dem nobilis vir Gumpert gegründet und Rom übergeben, von
Kalixt IL 1122 bestätigt, J.W. 6959, desgl. von B. Hermann, Reg. Boic. I
S. 125.
3. Bamberg.
10. Jahrh.? Forchheim, St. Martin. 1002 und 1017 als abbatia be-
zeichnet, Dipl. III S. 3 Nr. 3 u. S. 476 Nr. 372; denn die Abtei Erlangen in
der letzten Urk. verdankt offenbar nur einer Vertauschung der beiden
Namen ihren Ursprung. Nach Dipl. II S. 148 Nr. 132 v. 976 wird man
St. Martin schon damals für eine Kollegiatkirche halten dürfen. 1353 wurde
das Stift erneuert, Ussermann S. 280.
1007 Bamberg, Domstift, St. Peter u. Georg, s. S. 424 ff.
1009 Bamberg, St. Stefan, Kanoniker, s. S. 428.
1015 Bamberg, St. Michael, s. S. 428.
— 1016 -
1057—1065 Bambergs, St. Gangolf, Kanoniker. Gründer B. Günther,
V. Heinr. 7 S. 794.
1065 — 1072 Bamberg, St. Jakob, Kanoniker. Gründer B. Hermann,
V. Heinr. 7 S. 794, 1072 wurde das Oratorium in der Krypta, 1109 die
Kirche geweiht, Not. s. Jac. Scr. XVII S. 637.
vor 1109 Weißennohe, Wizanaha, BA. Forchheim, St. Bonifaz. Von
Pfalzgraf Aribo IL gestiftet und Rom übergeben, von Paschal IL 1109 be-
stätigt, J.W. 6233.
1119 Michelfeld, BA. Eschenbach, St. Johann Ev. Stiftung Ottos
V. Bamberg, Ussermann, C. pr. S. 67 Nr. 70 f., Relat. de p. op. Ott. 3 u. 5
S. 1157 f., Mon. Priefl. 1,11 S. 886, Ebo 1,17 S. 833, Herb. 1,24 S. 758,
J.W. 7047.
4. Chur.
vor 926 ad Impidines, Müstail a. d. Albula (s. JB. f. Schweizer
Gesch. XV S. 164) St. Peter, Nonnen. Im angef. Jahr erwähnt, Dipl. I S. 48
Nr. 11, vgl. Lib. confr. Sangall. S. 144,29.
10. Jahrh,? Chur, St. Lucius, Kanoniker. Ursprung unbekannt; er-
wähnt in der unechten Bulle J.W. 3889, seit 1160 Prämonstratenserkl.,
Ann. Osterh. S. 541.
10. Jahrh.'? Livate, Clavades. Das Kl. stand in Konfraternität mit
Pfäfers, Confr. Fabar. S. 384 Sp. 112 f.
vor 1095 Schuls, apud Schulle, im Erigadin, St. Maria. Von Eber-
hard von Tarasp gegründet, alsbald nach St. Stefan, endlich nach Marien-
berg im Vintschgau verlegt, Mohr, Cd. I S. 146 Nr. 102 u. S. 170 Nr. 124.
nach 1095 Marienberg, S. Maria in monte, bei Burgeis durch Ver-
legung von Schuls entstanden, s. o. Die Verlegung fand vor 1125 statt,
s. Mohr I S. 157 Nr. 113.
5. Eiclislätt.
976 Bergen, Barigin, BA. Neuburg a. D., St. Maria, Nonnen. Von
der Herzogin Biletrud gestiftet, Auct. Garst. S. 566, Ann. s. Rudb. S. 772,
Anon. Haser. 14 S. 257 f., vgl. Dipl. II S. 155 Nr. 141, J.W. 3856.
10. Jahrh.. Auhausen a. d. Wörnitz, Ahusen, BA. Nördlingen, St.
Maria. Eine offenbar junge Inschrift bei Hirsching, Stifts- u. Closter-
lexikon I S. 234 gibt 958 als Todesjahr des angeblichen Stifters. Die Urk.
beginnen erst im 13, Jahrh., Falckenstein, Cd. Nordgav. S. 41 Nr. 31.
1021 — 1042 Eichstätt, mens vetus, d. h. der Willibaldsberg. Hier
gründet B. Heribert ein Mönchski., Anon. Haser. 30 S. 262.
1035 Eichstätt, St. Walburg. Von B. Heribert als Nonnenkl. er-
neuert, Anon. Haser. 30 f. S. 262, L^rk. Heriberts bei Lefflad, Regesten I
S. 12 Nr. 104.
11. Jahrh? Wilzburg, Wilciburg, BA. Weißenburg a. S., St. Peter
u. PauL Älteste Erwähnung um 1090 bei Ebo, V. Otton. I, 2- S. 591.
1102 Kastl, BA. Neumarkt in d. Oberpfalz, St. Peter. Von den
Grafen Beringer und Friedrich von Kastl gegründet, Schutzbf Paschais II.
J.W. 5917, an Petershausen gegeben, Gas. mon. Petrish. III, 33 u. 37 S. 657.
Vgl. auch den Cat. abb. Scr. XIII S. 337, wonach der erste Abt Altmana,
1108 eingesetzt wurde.
6. Halberstadt.
936 Quedlinburg, St. Servaz u. Dion., Nonnen. Stiftung der Königin
Mathilde, Dipl. I S. 89 Nr. 1, Thietm. 1,21 S. 13, Vit. I Mahth.-7 S. 577,
Ann. Quedl. z. 937, Ann. Magdb. z. 968 S. 148.
936 Groningen, Groninga, Kr. Oscbersleben, St. Veit, von Corvey
abhängig. Von Graf Sigfrid gegründet, von Abt Folkmar v. Corvey beurk.,
ÜB. d. H. Kalberst. I S. 8 Nr. 21, vgl. Nr. 20, Ann. Saxo z. 965 S.'619.
nach 942 Walbeck, Wallibici, bei Helmstedt, St. Maria u. Andreas,
— 1017 —
Kanoniker. Von Graf Liuthar von Walbeck, dem Großvater Thietmars von
Merseburg, gegründet, Thietm. VI, 43 S. 160.
vor 950 Frohse, Frasa, Kr. Kalbe, St. Cyriak. Stifter Markgr. Gero,
s. Dipl. I S. 211 Nr. 130; 961 Nonuenkl. u. Gernrode unterworfen, II S. 13 Nr. 4.
vor 961 Quedlinburg, St. Wiebert u. Jakob, in piano iuxta curtem
regiam, Kanoniker. Stiftung der Königin Mathilde, Vit. Mahth. ant. 11
S. 579, Ann. Magdb. z. 968 S. 148, vgl. Dipl. I S. 313 Nr. 228
961 Gernrode, Geronisroth, am Harz, St. Cyriak, Nonnen. Von
Markgraf Gero gestiftet, Dipl. I S. 314 Nr. 229, Cd. Anhalt. I S. 26 Nr. 36,
Thietm. II, 19 S. 29, Ann. Quedl. z. 1014 S. 82.
961 Hadm er sieben, Hathümersleva , Kr. Wanzleben, St. Feter u.
Stefan, Nonnen. Von B. Bernhard v. Halberstadt gestiftet, von Otto II. be-
stätigt, ÜB. I S. 15 Nr. 32.
970 Thankmarsfeld, Wüstung bei Ballenstedt in Anhalt, St. Maria.
Von EB. Gero v. Köln und seinem Bruder, MG. Thietmar, gegründet, Cd.
Anhalt. I S. 36 ff. Nr. 47 u. 49, Ann. Magdb. z 970 S. 151. I. J. 975 nach
München-Nienburg, Diöz. -Magdeburg, verlegt, Dipl. II S. 128 Nr. 114, Chr.
Mont. Ser. z. 1171 S. 153 f., Ann. Saxo z. 975 S. 626, Ann. Magdb. z. 971 S. 151.
975? Hagenrode, 3t. Joh., Propstei von Nienburg. Die Stiftung ist
wahrscheinlich weit jünger; denn was das Chr. Mont. Ser. z. 1171 S. 154
über die Entstehung sägt, ist Folgerung aus dem Namen, also unglaub-
würdig. Der Ort gehörte 983 dem Kl., Cd. Anhalt. I S. 55 Nr. 71, die Propstei
ist erst 1179 belegbar S. 419 Nr. 567.
979 Aisleben, Eleslebo, an d. Saale, St. Johann, Nonnen. Von Graf
Gero gegr., von Otto II. best., Dipl. II S. 216 Nr. 190, Privil. Benedikts VII.
V. 983 Gott. Nachr. 1902 S. 203, Ann. Magdb. z 979 S. 154, Thietm. HI, 9 S. 53.
vor 983 Arne bürg a. Elbe, Kr. Stendal, St. Maria u. Thomas. Von
Graf Brun von Arneburg gestiftet, 983 von Benedikt VII. als königliches
Kl. bestätigt, J.W. 3819. Die Abtei war schon 1006 aufgelöst; damals
kamen Güter an Magdeburg; es sollte in A. ein Stift errichtet werden,
Dipl. III S. 136 Nr. 111. Das scheint aber nicht geschehen zu sein.
vor 985 Gerbstedt, Gerbizstedi, Seekreis Mansfeld, St. Joh. B., Nonnen.
Von MG. Ricdag von Meißen gegründet, Ann. Saxo z. 985 S. 633; kommt
durch B. Friedrich 1064—84 an Münster, ÜB. d. Kl. d. Grafsch. Mansfeld
S. 1 Nr. 3.
986 Quedlinburg, St. Maria in monte occidentali, Münzenberg,
Nonnen. Stiftung der Königin Mathilde, Ann. Quedl. S. 67, Vit. Mahth.
ant. 11 S. 579. Der Abtei St. Servaz unterworfen, ÜB. d. Kl. d. Grafsch.
Mansfeld S. 536 Nr. 2.
991 Vitzenburg, a. Unstrut, Kr. Querfurt, St. Maria u. Dionys,
Nonnen. Von dem Edlen Brun gestiftet, von Otto III. privilegiert, Dipl. II
S. 475 Nr. 68, vgl. Ann. Pegav. z. 1110 S. 250.
992 Wal b eck, St. Andreas, Nonnen. Otto III. übergibt den seiner
Großmutter Adelheid gehör. Hof Walbeck behufs Gründung eines Nonnenkl.
an die Abtei St. Servaz in Quedlinburg, Dipl. II S. 489 Nr. 81; vgl. Ann.
Quedl. z. 997 S. 74 f., Ann. Saxo z. 992 S. 638, Ann. Magdb. z. 992 S. 158.
995 Stötterlingeburg, Kr. Halberstadt, St. Lorenz, Nonnen. Von
B. Hildeward gestiftet, Ann. Quedl. S. 73, Ann. Saxo z. 992 S. 638; 1107—
1109 erneuert, ÜB. I S. 95 Nr. 133.
996—1023 Halberstadt, St. Maria, Kanoniker. Von B. Arnulf ge-
gründet, ÜB. I S. 51 Nr. 69.
10. Jahrb. Kalbe a, d. Milde, Kr. Salzwedel, St. Lorenz, Nonnen;
s. S. 141 Anm. 1.
10. Jahrh. Hillersleben, Hilleslevo, Kr. Neuhaldensleben, St. Lorenz,
Nonnen. Gründung unbekannt. 1002 von den Slaven zerstört, s. Thietm.
IV, 52 S. 93, vgl.- Ann. Saxo S. 644, der die Zerstörung z. J. 999 berichtet.
Nun wurde das Kl. Kanonikat, 1096 übergab es Herrand von Halberstadt
an Mönche von Ilsenburg, ÜB. I S. 81 Nr. 118, vgl. Ann. Saxo z. 1110 S. 748,
Ann. Magdb. S. 181.
— 1018 —
10. Jabrh. Köibigk, Colebice, in Anhalt, St. Magnus u. Stefan. Ur-
sprung unbekannt. Das Kl. soll durch Heinrich 11. an Bamberg gekommen
sein, kam herunter und wurde 1142 als Prämonstratenserstift erneuert. Cd.
Anhalt. I S. 216 S. Nr. 293 u. 294.
1018 Ilsenburg, Elisinaburg, im Harz, St. Peter u. Paul. Die An-
fänge reichen in d. 10. Jahrh. zurück, s. Ann. Hild. z. 994 S. 26 und die
Notiz über eine Schenkung Ottos III. , ÜB. d. Kl. Ilsenb. I S. 2 Nr. 2.
Definitiv kam der Ort durch Heinrich II. in den Besitz des Bistums, S. 1
Nr. 1, woraufhin B. Arnulf die Gründung vollzog, S. 2 Nr. 2. Das Kl. wurde
1085 m'it Cluniacensern besetzt, S. 6 Nr. 5; vgl. Ann. Saxo z. 1088 S. 726.
1020 — 1036 Jena, wahrscheinlich Großjena bei Naumburg. Der MG.
Ekkehart erscheint als Eigentümer der abbatia in Jena tunc confirmata,
Chr. ep. Mers. 5 S. 178; sie scheint nicht zu dauernder Existenz gekommen
zu sein.
1023—1036 Halberstadt, St. Bonifaz, Boßleben, Kanoniker. Von B.
Brantag gegründet, Ann. Saxo z. 1036 S. 680, Ann, Magdb. z. 1086 S. 171,
Gest. ep. Halb. S. 93; vgl. ÜB. des Stifts St. Bon. S. 3 Nr. 3.
1023 — 1036 Halberstadt, St. Johann, Kanoniker. Von B. Brantag
gegründet, Ann. Saxo z. 1036 S. 680, Ann. Magdb. z. 1036 S. 171.
vor 1038 Wimmelburg, Wimodeburc, Seekreis Mansfeld, St. Cyriak.
Stifterin die Gräfin Christina, erste Erwähnung 1038, Ann. Hild. S. 43. W.
scheint ursprünglich Stift gewesen zu sein, wurde unter Burchard II.
1059—1088 mit Mönchen besetzt, Urk. B. Reinhards Uß. I S. 120 Nr. 150.
1041 Gosek, Abbatia Gozzicana, Kr. Querfurt, St. Maria u. Mich.
Von EB. Adalbert von Hamburg gestiftet und 1053 der Kirche in Bremen
übergeben, Hamb. ÜB. I S. 76 Nr. 76, Adam 111,9 S. 101, Chr. Gozec. 1,1'
u. 7 S. 141 S.
1046? Ballenstedt am Harz, St. Pankraz, Kanoniker. Unechte,
aber inhaltlich unanstößige Urk. Heinrichs III. vom Tag der Weihe Cd.
Anhalt. I S. 95 Nr. 120; die Kirche war von dem Kl. Nienburg abhängig,
s. Cd. Anhalt. I S. 118 Nr. 148, vgl. 146 v. 1073; 1123 in eine Bened.-Abtei
verwandelt, Ann. Magdb. S. 182, Ann. Saxo S. 760; vgl. Cd, Anhalt. I
S. 237 Nr. 319.
1059—1088 Halberstadt, St. Paul, Kanoniker. Von B. Burchard IL
gegründet, Ann. Saxo z. 1071 S. 698; vgl. ÜB. der Koll.-Stifter St. Bonif.
u. St. Paul S. 292 Nr. 2.
1084 Huysburg, Kr. Oschersleben, St. Maria, Doppelkl. Von B.
Burchard II. gegründet, Stiftungsurk. ÜB. I S. 74 Nr. 106; als Doppelkl. er-
scheint H. in der Urk. B. Reinhards v. 1118 S. 107 Nr. 142. 1156 wurden
die Nonnen entfernt, S. 215 Nr. 248.
1107 — 1123 Lodersburg, Ludesburc, Kr. Querfurt, St. Maria u. Bruno.
Von Dietrich v. Querfurt unter B. Reinhard gegründet, unter B. Rudolf
1146 nach Eilwardestorp verlegt; das Kl. heißt seitdem Marienzell, Uß. I
S. 179 Nr. 213.
1108 Osterwieck, Hosterwich, Kr. Halberstadt, Kanoniker nach der
Regel Aug.'s. Von B. Reinhard geordnet, ÜB. I S. 90 Nr. 130; 1112 nach
Hamersleben verlegt, S. 100 Nr. 136.
um 1110 Reinsdorf, Regenheresdorf, Kr. Querfurt, St. Joh. B, Von
Wiprecht v. Groitzsch und Otto v. Bamberg gestiftet, Ann. Pegav. z. 1110
S. 250, Mon. Priefi. 1, 11 S. 886 u. 13 S. 887, von Kalixt II. 1123 bestätigt,
I, 22 S. 887.
1112 Hamersleben, Hameresleve, Kr. Oschersleben, St. Pankraz,
Kanoniker naoh d. Regel Aug.'s. Durch Verlegung von Osterwieck ent-
standen, s. o. u. vgl. Ann. Magdb. z. 1109 S. 181.
1115 Braunschweig, St. Ägidien. Von der Markgr. Gertrud ge-
stiftet, Uß. I S. 105 Nr. 139.
1115? Rohrbach. Kr. Sangerhausen, St. Maria, Nonnen, v. Ledebur,
Corresp.-Bl. 1866 S. 65, und Hermann, Ztschr, d. Ver. f. thür. Gesch. 1871
— 1019 —
S. 147 Nr. 121, lassen das Kl. i. a. J. gegründet sein. Ich kenne keinen
Beleg.
vor 1120 Konradsburg, Kr. Aschersleben,. St. Sixt., Kanoniker. Ur-
sprung unbekannt. 1120 unterschreibt Rodolph, vicedominus et praepositus
in Conradesburg, eine Urk. des B. Reinhard, Uß. I S. 116 Nr. 147.
vor 1120 Schöningen, in Braunschweig, St. Lorenz. Nonnenkl. un-
bekannter Gründung, 1120 in ein Aug.-Chorherrenstift verwandelt, ÜB, I
S. 118 Nr. 149.
1120 Kaltenborn, Kr. Sangerhausen, St. Job., Kanoniker nach der
Regel Aug-'s. Von B. Reinhard, nach test. Bestimmung des Gr. Wichmann
gestiftet, ÜB. I S. 112 Nr. 147, von Honor. IL 1126 bestätigt, LW. 7247.
7. Hildesheim.
vor 973 Gandersheim, in superiore plaga civitatis, St. Maria, Nonnen,
von der Abtei abhängig. Die erste Gründung ist unbekannt, 973 erneuerte
die Äbt. Gerberg das Kl. für 30 Nonnen, Dipl. II S. 44 Nr. 35.
993 — 1002 Heiningen, Heningi, Kr. Liebenburg, St. Maria u. Peter,
Nonnen. Unter Otto III. und B. Bernward von der ingenua femina Hilde-
suit gegründet, von Heinrich IL bestätigt, Dipl. III S. 308 Nr. 261.
1003 ölsburg, Aisburg, im H. Braunschweig, Kanoniker. Stiftung
des Grafen Altmann, von Heinrich IL bestätigt; so Lüntzel, der I S. 340
Anm. 3 eine ungedruckte Bestätigungsurk. Heinrichs erwähnt.
1000 — 1007 Steterburg, Stederburg, H. Braunschweig, St. Jak. u.
Christoph, Nonnen. Von Frederun, der Tochter des Grafen Altmann, gestiftet,
von Heinrich IL bestätigt, Ann. Stederb. Scr. XVI S. 199, Dipl. III S. 151
Nr. 126. 1070 Weihe der Kirche, Ann. Sted. S. 202.
1011 — 1015 Hildesheim. St. Michael. Stiftung Bernwards, Urk. Bern-
wards v. 996, 1019 u. 1022 ÜB. d. H. Hildesh. I S. 27 Nr. 38, S. 55 Nr. 62
u. S. 63 Nr. 67, die letzte ist gefälscht; Urk. Heinrichs IL v. 1022 S. 610
Nr. 479 {., vgl. die Fälschung S. 304 Nr. 260. V. ßernw. 46 f. S. 778, Ann.
Hild. z. 1015 S. 31.
vor 1021 Ringelheim, Kr. Liebenburg, St. Abdon u. Sennen, Nonnen.
Gründung unbekannt; man schrieb sie im Kl. später der Zeit Ottos I. zu,
s. d. Fälschung Dipl. I S. 587 Nr. 435; die erste echte Urk. ist Dipl. III
S. 569 Nr. 447.
1023 Hildesheim, St. Maria u. Epiphan., Kanoniker. Von B. Gode-
hard 1023 in australi parte principalis ecclesiae gegründet, 1126 geweiht,
Ann. Hild. S. 34, Vita I Godeh. 37 S. 194, II, 18 S. 206. Das Stift brannte
noch unter Godehard ab, die Kongregation löste sich auf, Chr. Hild. 14
S. 853.
1024 Hildesheim, St. Barthol., an d. Sülze, in Sultia, Kanoniker.
Stiftung Godehards, Vita I Godeh. 37 S. 194. Vita 11,20 S. 207; seit B.
Bruning Regel Aug.'s, ÜB. I S. 230 Nr. 243.
1025 Hildesheim, St. Moritz. Von B. Godehard 1025 begonnen,
1028 geweiht, Ann. Hild. S. 34, Vita I Godeh. 37 S. 194, H, 21 S. 208, die
Kirche war Chorherrenstift; B. Hezilo entfernte die Kanoniker und übergab
das Kl. an Nonnen, Chr. Hild. 17 S. 854, vgl. ÜB. I S. 98 Nr. 100 v. 1058.
Doch müssen alsbald die Kan. zurückgeführt worden sein, ÜB. I S. 129 ff.
Nr. 135—137; vgl. S. 145 Nr. 157.
1029 Wrisb ergholzen, Holthuson, Kr. Marienberg in Hannover, St.
Benedikt. Von B. Godehard 21. März 1029 geweiht und mit den Mönchen
von St. Michael besetzt, diese wurden jedoch bald wieder zurückgeführt,
Vita I Godeh. 37 S. 194 L
1039—1056 Goslar, Georgenberg, Kanoniker. Von Heinrich IIL be-
gonnen, ÜB. d. St. Goslar I S. 194 Nr. 151, 1050 geweiht, Ann. Stederb.
S. 202. 1152 Regel Aug.'s, s. St. 3625.
vor 1047 Goslar, St. Simon u. Jud., Kanoniker. Stiftung Heinrichs 111.,
Urk. Heinrichs v. 1047 ÜB. d. St. G. I S. 127 Nr. 40, 1049 von Leo IX. in
- 1020 —
päpstl. Schutz genommen, S. 131 Nr. 43, 1050 geweiht, Ann. Stederb. S. 202,
Saxo S. 688; vgl. Lamb. z. 1051 S. 68.
vor 1056 Goslar, Petersberg, Kanoniker Stiftung Heinrichs III., Urk,
Heinrichs IV. v. 1062 ÜB. I S. 155 Nr. 82, Ann. Saxo z. 1056 S. 691, vgl.
V. Altm. 2 Scr. XII S. 230.
1068 — 90 Braunschweig, St. Cyriak, Kanoniker. Stiftung des MG.
Ekbert, Ann. s. Blas. z. 1090 Scr. XXIV S. 824.
um 1079 Hildesheim, H. Kreuz, Kanoniker. Stiftung d. B. Hezilo,
Chr. Hild. 17 S. 854, vgl. ÜB. d. St. H. I S. 13 Nr. 32.
1117 Riechenberg bei Goslar, St. Maria, Aug.-Chorherren. Von dem
Subdiakon Peter in Goslar gestiftet, 1122 geweiht, 1131 von B. Bernhard
beurkundet, ÜB. I S. 181 Nr. 198, das Jahr der Stiftung und Weihe Ann.
Stederb. S. 203.
1125 Marienrode, Backenrode, Betzigerode, Novale ßacconis, b. Hildes-
beim, St. Maria, Aug.-Chorherren. Von B. Berthold gestiftet, ÜB. I S, 163
Nr. 183, Chr. Hild. 19 S. 855, Cat. ep. S. 748.
S. Konstanz.
nach 900 Altdorf, OA. Ravensburg, St. Martin, Nonnen. Von dem
Weifen Heinrich gegründet, Hist. Weif. Weing. S. 15. Das Kl. kam im
Verlauf an Kanoniker^ 1036 führte die Gräfin Irmgard die Nonnen zurück,
Herim. Aug. S. 122. Nach der Klostertradition versetzte Weif IL (gest.
1055) die Nonnen nach Altomünster und die Mönche von dort nach Alt-
dorf, Hist. Weif. Weing. 10 S, 18; 1053 brannte das Kl. ab, Herim. Aug.:
irifolgedessen wurde es nach Weingarten verlegt, Hist. Weif. Weing. 12 S. 19.
934 Einsiedeln, Cella s. Meginradi, St. Maria u. Moritz, s. S. 376.
934 — 976 Konstanz, St. Moritz, Kanoniker. Stiftung des B. Konrad,
V. Chuonr. 6 S. 432, Hist. Weif. Weing. 5 S. 16.
vor 962 St. Blasien im Schwarzwald. Von dem Einsiedler Regin-
bert gegründet, Ann. s. Blas. Scr. XVII S. 275, Cont. Begin. z. 962 S. 172.
Dipl. II S. 350 Nr. 297.
nach 973 Hohentwiel, Mons Duellus, St. Maria, Georg u. Cyrill.
Von der Herzogin Hadwig errichtet, Ekkeh. Cas. s. Galli 94 S. 343, Cas.
mon. Petrish. 1, 43 f. S. 637 u. II, B S. 640, nach Stein a. Rh. verlegt, ib.,
vgl. auch die Fälschung Dipl. III S. 654 Nr. 511.
988 Petershausen bei Konstanz, St. Gregor. Gründung Gebhards II.
von Konstanz, 983 begonnen, 992 geweiht. V. Gebeh. 10 u. 13 S. 586 f.,
Cas. mon. Petrish. I, 9 S. 630 f., Dipl. II S. 538 Nr. 126.
vor 993 Sulzburg, Mons Salsuginis, Kr. Lörrach, St. Cyriak, Nonnen.
Gegründet von dem Grafen Birchtilo (Bezelinus) und an das Bistum Basel
übergeben, Dipl. II S. 540 Nr. 129, Geneal. Zaring. Scr. XHI S. 735, Trouillat,
Mon. de Bäle I S. 137 Nr. 83, Krüger S. 768.
vor 994 Waldkirch, Mon. Silvatense, im Breisgau, St. Maria u.
Margar., Nonnen. Stiftung unbekannt. Erste sichere Erwähnung Dipl. II
S. 568 Nr. 157; das Kl. stand in Konfraternität mit St. Gallen, Confr. Sang.
S. 144.
vor 1007 Stein a. Rhein, Kant. Schaff hausen, St. Maria, Georg u.
Cyrill. Durch Verlegung von Hohentwiel entstanden, s. o., 1007 bambergisch,
Dipl. m S. 195 Nr. 166.
1027 Muri im Aargau, St. Martin, Doppelkl. Von B. Werner und der
Gräfin Ita gegründet. Acta fundat. Quellen z. Schweiz. Gesch. III, 2 S. 16 ff.
Urk. Wernhers V. 1027 S. 107 Nr. 1. Propstei von Einsiedeln. Seit 1114
selbständig, Urk. Heinrichs V. S. 40.
vor 1036 Beromünster, Kant. Luzern, St. Michael, Kanoniker. Von
Graf Ulrich von Lenzburg gestiftet, Schweiz. ÜR. I S. 328 Nr. 1304, Schutz-
brief Heinrichs HI. v. 1045 S. 840 Nr. 1330.
1042 Isny, St. Georg, Doppelkl. Von Graf Manegold v. Veringen ge-
gründet, im angef. Jahr geweiht, Not. Isn. NA. VIII S. 158, vgl. Necr. Isn.
z. 7. Febr. S. 177.
— 1021 —
vor 1044 Embrach, Imbriaga, Kant. Zürich, St. Peter u. Paul, Kano-
niker. Von dem Besitzer, dem Straßb. Kanon. Hunfred, an Straßburg über-
geben, ÜB. V. Zürich I S. 126 Nr. 233.
1050 Schaffhausen, St. Salvator u. Alle Heiligen. Von dem Zürich-
gauischen Grafen Eberhard v. Neuenbürg gegründet, Leo IX. weiht 22. Nov.
1052 einen Altar, 3. Nov. 1064 Weihe der Kirche, Ann. Scafh. Scr.V S. 388,
Not. s. Salv. Scafh. Scr. XIII S. 721-, Urk. Eberhards von 1050 Quellen z.
Schweiz. Gesch. lU, 1 S. 6 Nr. S.
1058 Weingarten, OA. Ravensburg, St. Martin. Durch Verlegung
von Altdorf entstanden, s. o.
1072 Ulrichszeil am Feldberg, St. Peter, s. S. 865 Anm. 10.
vor 1078 Weilheim unter Teck, St. Peter, s.S. 869 Anm. 11. 1093
nach St. Peter im Schwarzwald verlegt, s. u.
1082 Reichenbach, OA. Freudenstadt, St. Gregor, s. S. 869 Anm. IL
vor 1083 Sindelfingen, OA. Böblingen, St. Martin, s. S. 869 Anm. 11.
1083—84 St. Georgen, Kr. Villingen im Schwarzwald, s. S. 869
Anm. 11.
nach 1084 Münsterlingen, Münsterlin, Monasteriolum, am ßoden-
see im Thurgau, St. Remigius u. Walburg, Nonnen. B. Gebhard IIT. ver-
legte hierher das in Verfall geratene Hospital von Kreuzlingen. 1125 war
es Nonnenkl., Urk. Heinrichs V. v. 1125 Thurg. ÜB. II S. 43 Nr. 19.
nach 1087 Bollschweil, Boleswiler, BA. Staufen, St. Fides, Nonnen,
von Cluni abhängig. Von Ulrich von Zell gegründet, V. Udalr. 32 S. 262,
1115 nach Sölden im Breisgau verlegt, Urk. des Abts Pontius von Cluni,
Mabill. Ann. ord. s. Bened. V S. 659 Nr. 90.
1089 Zwiefalten, ad duplices aquas, OA. Münsingen, St. Maria,
Doppelkl. Von den Grafen Liudulf u. Kono gegründet, s. S. 869 Anm. 11.
um 1090 Blaubeuren, St. Joh. B. Von den Grafen Heinrich, und
Hugo gegründet, s. S. 869 Anm. 11.
vor 1092 W'agenhausen, Vachinhusin, am Rhein bei Stein, St. Maria.
Von Abt Siegfried von St. Salvator in Schaffhausen erbaut, s. Thurg. ÜB. IL
S. 23 Nr. 8. Das Kl. erwarb den Ort Wagenhausen 1083, S. 17 Nr. 6; vgl.
Gas. mon. Petrish. 111, 27 S. 656.
vor 1092 Schaff hausen, St. Agnes, Nonnen. Von Abt Siegfried von
St. Salvator erbaut, s. Urk. v. Allerheil. S. 48 Nr. 26 und zum zeitl. Ansatz
S. 15 Nr. 6.
1093 St. Peter im Schwarzwald bei Freiburg. Durch Verlegung von
Weilheim u. T. entstanden, Bern. z. 1093 S. 456, Geneal. Zaring. S. 735f.,
Vit. Wilh. Hirs. 22 S. 219; J.W. 5545 v. 1095.
1093 Wiblingen, OA. Laupheim, St. Martin. Von dem Grafen Hart-
mann und seinem Bruder Otto gestiftet und Rom übergeben, 1093 geweiht,
Bern. S. 456, Bestätigungsurk. Urbans II. v. 1098 Wirt. Uß. I S. 808 Nr. 250.
1098 Ochaenhausen, OA. Biberach, St. Georg, von St. Blasien ab-
hängig. 1093 geweiht, Bern. S. 456 f. Stiftungsurk. des Abts Uto v. St.
Blasien, Wirt. ÜB. I S. 321 Nr. 256; vgl. die Urk. Lothars IIL S. 369 Nr. 288.
1095 Alpirsbach im Schwarzwald, OA. Oberndorf, St. Maria u.
Benedikt. Von Ruotmann v. Hausen, Adalbert v. Zollern u. Alwig v. Sulz
gegründet, Stiftungsurk. Wirt. ÜB. I S. 315 Nr. 254.
1096? Grafenhausen, Gravinhusin, BA. Bonndorf, St. Fides, von
St. Salvator in Schaff hausen abhängig. 1095 hatte St. Salv. zwar Besitz
in Gr., aber eine Zelle bestand noch nicht, s. Schweiz. UR. I S. 408 Nr. 1484.
Die letztere wird genannt in der falschen Urk. Heinrichs V. v. 1111 St. 3074.
Das Jahr 1096 als Weihejahr, Reg. Const. 584, ist also wahrscheinlich un-
richtig und ist die Zelle jünger, s. die Daten bei Krüger S. 205.
vor 1097 Beuron, Burun, OA. Sigmaringen, St. Martin, Aug.-Chor-
herren. Von einem gewissen Peregrin gegründet und Rom übergeben,
Urk. Urbans II. J.W. 5692.
vor 1097 Andelsbueh, Andoltisbuch St. Peter. Von dem Grafen
— 1022 —
Ulrich V. Bregenz gegründet; von Petershausen abhängig, 1097 nach Meherau
verlegt, Gas. mon. Petrish. III, 24 f. S. 654.
1097 Meherau, Augia maior, Bregenz, St. Peter u. Paul. Okt. 1097
von B. Gebhard III. geweiht.
1100—1108 Weitenan, Witenowa, BA. Schopfheim, St. Gangolf, von
St. Blasien abhängig. Die Kirche kam 1100 an das Kl., Gerbert, Hist. Silv.
nigr. III S. 38 Nr. 26, nach der Klostertradition entstand die Zelle vor 1108,
Gerbert 1 S. 408, urkundlich nachweislich ist sie 1126, Wirt. ÜB. I S. 371
Nr. 288.
1102? Kohlborg, Coloberc, OA. Nürtingen, St. Nikol. Zwiefaltische
Propstei. 1102 wird die Weihe der Kapelle erwähnt, Ann. Zwif. Scr. X
S. 55, vgl. Ortl. ehr. 1,6 S. 75 f.
1107 — 1113? Amtenhausen, BA. Engen, Nonnen, von St. Georg im
Schwarzwald abhängig. Von Theoger gestiftet, V. Theog. 1, 28 S. 462, vgl.
Fürstenb. ÜB. V S. 41 Nr. 69, 2.
1113 Wislikhofen, Wizlinchovin, im Aargau, St. Oswald, von St
Blasien abhängig. 1113 gestiftet und an St. Blasien übergeben, 1137 von
Innocenz IL bestätigt, Wirt. ÜB. II S. 2 Nr. 307, vgl. I S. 871 Nr. 288.
1115 Sölden, Seieden, BA. Freiburg i. B., St. Fides, Nonnen. Durch
Verlegung von Bollschweil entstanden, s. o.
1120 Engelberg, Mons angelorum, ob d. Wald, St. Maria. Von einem
gewissen Konrad i. a. J. gegründet, Ann. s. Blas. z. 1120 S. 278, Schutzbrief
Kalixts II. V. 1124 J.W. 7148, unechte Urk. Heinrichs V. v. 1124 St. 3202.
vor 1123 Kreuzungen, Crucelingen, bei Konstanz, St. Ulrich u. Afra,
Aug.-Chorherrn. B. Konrad stiftete das Hospital in Kreuzungen 935 — 976;
dasselbe geriet in Verfall u. wurde von B. Ulrich wiederhergestellt, Thurg.
ÜB. II, 1 S. 43 Nr. 19, S. 52 Nr. 21. Heinrich V. u. Honorius U. Urkunden
1125 für das KL, St. 3203, J.W. 7220; der Propst Heinrich wird schon
1123 erwähnt, Transl. Chuonr. 2 S. 444, vgl. c. 7 u. 10.
vor 1123 St. Märgen, Cella s. Mariae in Nigra silva, bei Freiburg i. Br.,
Kanoniker. Von dem Straßburger Propst Bruno gegründet, Urk. Honorius II.
V. 27. Nov. 1125 Uß. d. St. Freiburg I S. 213. Da Bruno 1123 B. wurde,
fällt die Gründung vor dieses Jahr.
vor 1126 Berau, Berowa, BA. Bonndorf, St. Pankraz, Nonnen; von
St. Blasien abhängig. Der Ursprung ist unbekannt. Als Zelle von St. Blasien
zum erstenmal 1126 genannt, Wirt. ÜB. I S. 369 Nr. 288, vgl. die Erwäh-
nung der Nonnen, Uß. v. Zürich I S. 164 Nr. 279 v. 1130.
vor 1126 Bürgein, Burgilun, BA. Müllheim, St. Johann. Im a. J. als
S. blasianische Zelle erwähnt Wirt. Uß. I S. 371 Nr. 288, Urk. des B.
Ulrich II. V. Konst. v. 1130, Schweiz. UR. I S. 510 Nr. 1668.
9. Olmütz.
um 1045 Raigern b. Brunn, St. Peter u. Paul, von Brewnow abhängig.
Annahme von Dudik X S. 322.
1077 Hradisch, Mon. Gradicense, bei Olmütz, St. Stefan. Von Herz.
Otto von Mähren gegründet, Ann. Gradic. S. 648, 1151 den Prämonstrat.
übergeben, Hugo I S. 749.
1109 Trebitsch, St. Maria, s. Dudik X S. 323.
10. Paderborn.
939 Schildesche, Sceldice, Kr. Bielefeld, St. Maria, Nonnen. Von
der matrona Martswith gegründet, Fund. Scr. XV S. 1045, Schutzbf Ottos I.
V. 940 Dipl. I S. 121 Nr. 35.
952 Geseckti, Gesiki, Kr. Lippstadt, St. Maria u. Cyriak, Nonnen.
Von Hoholt und seinen Verwandten noviter gegründet, Schutzbf Ottos L
Dipl. I S. 239 Nr. 158.
997 Helmmarshausen, Helmwardeshusen, Kr. Hofgeismar, St. Salv.,
Maria u. Peter. Von Graf Ekkard gegründet, von Otto III. bestätigt, Dipl. 11
S. 673 Nr. 256; Ann. Saxo z. 1000 S. 645, V. Meinw. 16 S. 114.
— 1023 —
1015 Paderborn, St. Maria, Peter u. Paul, Abdinghof. Stiftung des
B. Meinwerk, der das Kl. mit Cluniacensern besetzt, V. Meinw. 28 S. 118,
1031 geweiht, 180 S. 148, Ann. Saxo S. 679, vgl. die Urk. Heinrichs II. v.
1017 Dipl. ni S. 473 Nr. 370.
1034 Paderborn, St. Maria, Peter u. Andreas, Bußdorf, Kanoniker.
Stiftung Meinwerks, 1036 geweiht, V. Meinw. 217 S. 159.
11. Jahrb.? Atlon St. Maria. Es bestand hier eine Kongregation,
die aber i. J. 1123 längst aufgelöst war, Urk. Heinrichs v. Paderborn, Reg.
Westf. I S. 151 Nr. 194.
1101 Flechtorf, Flietorp, in Waldeck, St. Maria u. Landelin. Das
Kl. wurde vor 1101 von dem Grafen Erph in Bocka an d. Lippe gestiftet,
Seibertz, ÜB. I S. 41 Nr. 36, 1101 nach Flechtorf verlegt, I S. 42 Nr. 37 v. 1104.
11. Prag.
nach 967? Prag, St. Georg, Nonnen. Nach Cosm. ehr. 1,22 S. 48 f.
von Boleslav II. für seine Schwester Mlada-Maria errichtet. Die Kirche
war älter.
993 Brewnow, St. ßened., Bonif. u. Alex. Sowohl die Stiftungsurk.
Boleslavs II. wie der Schutzbf Johanns XV., Boczek I S. 101 ff. Nr. 117 u.
119, sind unecht. Doch wird die Stiftung durch den Herzog und den B.
Adalbert richtig sein. Dadurch erhält auch d. J. 993 Halt. Als Schutz-
beiliger erscheint später Adalbert, s. Cosm. cont. z. 1089 S. 154.
um 1010 Ostrow bei Prag, St. Job. B. Von Boleslav II. gegründet,
der erste Abt kam von Altaich, Auct. Ekkeh. Altah. S. 363, Erben, Reg.
S. 50 Nr. 119.
um 1035 Sazawa, H. Kreuz. Über die Gründung durch den Ein-
siedler Prokop Cosm. cont. Sazav. S. 149.
1039 Alt-Bunzlau, St. Cosm. u. Damian (St. Wenzel), Kanoniker.
Von H. Bracizlav I. gegründet, Cosm. II, 7 S. 72, 1046 geweiht, II, 13 S. 75.
1057 Leitmeritz, Lutomericum, St. Stefan, Kanoniker. Von Herzog
Spitignew II. gegründet, Frind I S. 128.
um 1070? Wissegrad, St. Peter, Kanoniker. Nach Cosm. cont,
Wissegr. S. 134 von H. Wratizlav errichtet, von Sobezlav 1129 wieder her-
gestellt. Lippert, Mtt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in B. XXXII S. 241
bezieht Greg. Reg. I, 61 S. 80 v. 1074 auf das Stift. Die Annahme ist nicht
unwahrscheinlich; dadurch erhält die Notiz des Fortsetzers der Chron. eine
Stütze; vgl. auch die Fälschung J.W. 4753
1086 Oppatowitz bei Königgrätz, St. Lorenz. Gründungsurk. Wratiz-
lavs. Erben, Reg. I S. 72 Nr. 166.
vor 1119 Melnik, am Einfluß der Moldau in die Elbe, St. Peter,
Kanoniker. Gründung unbekannt. Zwischen 1119 u. 1121 widmet Cosmas
seine Chronik dem Propst Severus v. Melnik, S. 31 f.
1115 Kladrau, St. Maria, Bened. u. Wolfg. Von H. Wladizlaw ge-
gründet, Cosm. HI, 58 S. 130, Gründungsurk., Erben I S. 89 Nr. 202.
12. Speier.
987 St. Lamprecht bei Neustadt a. H., Doppelkl. Von d. fränk.
Herzog Otto gestiftet, 987 beurk. Act. acad. Palat. VI S. 265, kommt 1065
an d. Bistum, St. 2681, schließlich an den Dominikanerorden, Würdtwein,
Subsid. dipl. X S. 314.
1016? Oberstenfeld, OA. Marbach, St. Maria, Job. u. Blasius, Nonnen.
Nach der unechten Stiftungsurk. Wirt. ÜB. I S. 249 Nr. 211 f. von dem
Grafen Adelhart gestiftet.
1024—1039 Speier, St. Job., später St. Wido, Kanoniker. Von Kon-
rad II. gegründet, Chr. praes. Spir., Böhmer, Fontes IV S. 332, Heinrich III.
überträgt die Widoreliq. nach St. Job., S. 334, Herim. Aug. z. 1047 S. 127.
1025 Limburg a. H., St. Joh. Ev. u. h. Kreuz. Von Konrad IL durch
Poppo von Stablo gegründet, V. Popp. 19 S. 305, Ekkeh. z. 1025 S. 195,
— 1024 —
1034 geweiht, Chr. Suev. univ. S. 71, vgl. St. 2030, 2045, 2070; vgl. oben
S. 501.
vor 1092 Spei er, St. Germanus. Bei der Kirche bestand ein Mönchski.
unbekannter Gründung, B. Johann verlegte 1092 die Mönche nach Sins-
heim, s. u., und machte St. Germanus zum Stift, Ann. Spir. S. 82.
1092 Sinsheim, Sunnesheim, Kr. Heidelberg, St. Maria u. Mich. Von
B. Johann gegründet, Stiftungsurk. Wirt. ÜB. I S. 318 Nr. 255 v. 1100,
Ekkeh. z. 1104 S. 226 Das Jahr nach der Chron. v. Sinsheim bei Mone.
QS. I S. 205. Sinsheim gehörte zur Diözese Worms, B. Johann ertauschte
es für Speier, Ann. Spir. S. 82, Würdtwein, Subsid. IV S. 329 Nr. 90.
vor 1110 Gottesau, Gotsawe, Augia Dei, bei Karlsruhe, St. Maria.
Von dem Grafen Berthold v. Hohenberg gegründet, von Heinrich V. be-
stätigt, Dümge, Reg. Bad. S. 28.
1103 Hert, Herdi, bei Germersheim, St. Maria, Aug.-Ghorherren. Von
dem ingenuus homo Herimann gestiftet und der Kirche von Speier über-
geben. Reg. Bad. S. 119 Nr. 72.
1116 Backnang, St. Pankraz, Aug.- Chorherren. Von dem MG. Hein-
rich gestiftet und Rom übergeben, Wirt. ÜB. I S. 343 ff. Nr. 271 u. 276.
vor 1122 Oden heim, Wigoldesberg, BA. Bruchsal, St. Peter u. Paul.
Von Eß. Brun von Trier, mit Zustimmung seines, Bruders, des Grafen Poppo,
gestiftet und der röm. Kirche übergeben, 1122 von Heinrich V. beurkundet,
Wirt. ÜB. I S. 350 Nr. 277.
13, Strassburg.
nach 973 Selz, Salsi, Kr. Weißenburg, St. Peter. Stiftung der Kaiserin
Adelheid, Odil. epit. Adalh. 10 S. 641, Ann. Arg. z. 999 S. 87; das Kl. war
991 bereits konstituiert, Dipl. II S. 483 Nr. 77, wurde 995 von Johann XV.
bestätigt, J.W. 3857, u. 996 geweiht, Epit. Adalh. 10 S. 641.
974 Altdorf, Altum coenob., Kr. Molsheim, St. Cyriak. Von dem
Grafen Hugo, Vater Leos IX., gegründet, von Leo 1049 geweiht, s. S. 606;
Urk. Leos J.W. 4206, Notit. Altorf. Scr. XV S. 992, Wib. V. Leon. 1, 1 S. 129.
1031 Straßburg, St. Peter, ante portam, Kanoniker. 1. a. J von
ß. Wilhelm begonnen, Ann. Arg. S. 88. In einer Urk. v. 1039 erscheint das
Stift als vollendet, ÜB. d. St. Straßb. I S. 45 Nr. 53.
1074? St. Walburg im Heiligenforst. Von dem Mönche Wibert ge-
gründet. Das Jahr nach einer offenbar jungen Inschrift, Gall. ehr. V S. 836,
Schutzbrief Heinrichs V. v. 1106 St. 3009.
1094 Schlettstadt, St. Fides. 1094 übergibt Hildegard, die Mutter
des Herz. Friedrich v. Schwaben, mit ihren Kindern die Kirche und die
Klostergebäude an das Kl. Conques, Diöz. Rodez, das sie mit Mönchen be-
setzt, Urk. Hildegards bei Würdtwein, Nova Subsid. VI S. 256 Nr. 109, vgl.
Fund. mon. s. Fid. Scr. XV S. 997.
11. Jahrb. Hugshofen, Hugonis curia, St. Michael. Von dem Grafen
Werner gegründet, 1061 an das Bist. Straßburg übertragen, ÜB. d. St.
Straßb. I S. 48 Nr. 57, von Kalixt IL 1122—24 bestätigt, J.W. 7130, vgl.
V. Theog. I, 28 S. 462.
nach 1100? Biblisheim, Kr. Weißenburg, St. Job. B., Nonnen. An-
gabe von Schöpf lin, Als. ill. II S. 449; u. v. Clauß, Topogr. Wörterb. S. 123.
Die älteste Urk. ist von 1310, Als. dipl. II S. 93 Nr. 851.
1109 Sankt Leonhard b. Börsch, Kr. Molsheim, Kanoniker. Von
einem gewissen Erkenbald gegründet, 1109 geweiht, Fundat. , Scr. XV
• S. 1000 f.
1115 Sindeisberg, Mons Sindenus, Kr. Zabern, St. Maria u. Blasius,
Nonnen. 1115 in Abhängigkeit von Maurmünster gestiftet, 1137 geweiht,
Not. fund. Scr. XV S. 1002; vgl. die Urk. des B Burkhard v. 1147, Als.
dipl. I S. 232 Nr. 279.
14. Verden.
? Bardowick bei Lüneburg, Kollegiatstift unbekannter Gründung.
— 1025 —
vor 956 Lüneburg, St. Michael. Stiftung Hermann Billungs, Chr.
s. Mich. Luneb. Scr. XXIII S. 394, Ann. Saxo z. 967 S. 621. wiederholt zu
970 S. 624, vgl. die Urk. Ottos I. v. 956 Dipl. I S. 266 Nr. 183. Nach ihr
befanden sich damals Kleriker in St. Mich. Hermanns Sohn Bernhard er-
setzte sie durch Mönche, s. Ann. Hild. z. 1011 S. 30. Das muß vor 992
geschehen sein; denn in diesem Jahr wird ein Abt v. Lüneb. erwähnt, Ann.
Quedl. S. 69; vgl. auch Bernhards ürk. bei Wedekind, Noten III S. 118
V. 1004.
973 Oldenstadt, üllesen, Kr. Ulzen, St. Maria u. Joh., Nonnen. Von
B. Brun gegründet, von Otto II. 973 bestätigt, Dipl. II S. 42 Nr. 33, vgl. III
S. 131 Nr. 107. 1142 Mönchski., Orig. Guelf. II S. 546 Nr. 84.
15. Wornis.
10. Jahrb.? Worms, St. Andreas, Kanoniker. Unbekarnter Gründung,
von B. Burchard erneuert, Vit. Burch. 17 S. 840.
10. Jahrb.? Worms, St. Maria, Nonnenmünster. Unbekannter Grün-
dung, von B. Burchard erneuert, Vit. Burch. 12 S. 837 f., vgl. ÜB. d. St.
Worms I S. 35 Nr. 45; 1236 wurden die Cisterz.-Ordnungen eingeführt,
S. 130 Nr. 183.
10. Jahrb.? Worms, St. Martin, Kanoniker. Unbekannter Gründung,
1016 zuerst erwähnt, ÜB. I S. 37 Nr. 45; über die Fälschung Dipl. II S. 862
Nr. 428 8. Breßlau, N.A. XXIH S. 158.
1002 Worms, St. Paul, Kanoniker. Stiftung Burchards, V. Burch. 9
S. 837, vgl. Dipl. III S. 23 Nr. 20; Stiftungsurk. ÜB. I S. 34 Nr. 43.
10. oder 11. Jahrb.? Wimpfen im Thal, Wimpina, St. Peter, Kano-
niker. Unbekannter Gründung. Die Kirche in Wimpfen war im 10. Jahrb.
im Besitz des Bistums, Dipl. I S. 425 Nr. 310 v. 965; das Stift ist zuerst
1068 nachweislich, ÜB. d. St. Worms I S. 47 Nr. 55.
vor 1125 Frankenthal in d. Rheinpfalz, St. Maria Magd., Aug.-Chor-
herren. Von dem Wormser Bürger Erkembert gegründet, 1125 von Bur-
chard n. beurkundet, Schannat, Prob. S. 65 Nr. 72.
16. Würz bürg. .
995—1018 Würzburg, St. Stefan, Kanoniker. Von B. Heinrich I.
gegründet, Ussermann, Cod. prob. S. 60 Nr. 20, seit 1057 Benediktinerkl.,
indem B. Adalbero die Mönche von Neumünster nach St. Stefan und die
Chorherren nach Neumünster verlegte, Ussermann S. 51.
996 Würzburg, Neumünster, St. Joh. Ev., Kilianszell. Von B. Hein-
rich 1. mit Unterstützung Ottos III. als Benediktinerkl. gestiftet, s. Dipl. II
S. 644 Nr. 229; Chorherrenstift seit 1057.
vor 1002 Würz bürg, Stift Haug, St. Joh. B., Kanoniker. Stifter ist
wahrscheinlich B. Heinrich I., s. die Schenkung Heinrichs H. Dipl. IH
S. 3 Nr. 3.
vor 1003 Petersberg bei Hersfeld, Kanoniker, s. S. 447 u. 456.
1003 Laufen am Neckar, Loafen, St. Reginiswind, Nonnen. Von B.
Heinrich im Auftrag Heinrichs IL gegründet, Dipl. III S. 74 Nr. 60.
vor 1015 Schwein fürt, Suinvordi. Von der Gräfin Eila von Walbeck
gegründet, Zusatz zu Thietm. VIII, 19 S. 204, vgl. 63 S. 231, Ann. Saxo zu
1015 S. 669; vgl. Cosm. 1,40 S. 62.
vor 1020 — 37 Öhringen, Oringowe, St. Peter, Kanoniker. Von Geb-
hard von Regensburg und seiner Mutter Adelheid gegründet, Wirt. ÜB. I
S. 254 Nr. 215 u. S. 263 Nr. 222.
1043 Theres, Thareisa, am Main o. Schweinfurt, St. Veit u. Stefan.
Von B. Suidgar v. Bamberg gegründet, J.W. 4150, der Ort war durch
Heinrich H. an Bamberg gekommen, Dipl. III S. 256 Nr. 219.
1058 Banz am Main o. Bambarg, St. Dionys. I. a. J. von der Gräfin
Albracbt an Fulda übergeben zur Besetzung mit Mönchen, Trad. Fuld.
S. 138 Nr. 60a; vgl. Österreicher, Gesch. d. Herrsch. Banz II S. 8 f. Nr. 4.
Hauck, Kircbengescliichte. III. 65
— 1026 —
1069 Heiden feld am Main u. Schweinfurt, Kanoniker. I. a. J. vom
Stifter, dem Grafen Hermann v. Banz, an Adalbero v. Würzburg übergeben,
Cod. Udalr. 35 S. 66; später Aug.-Regel, s. Ussermann, Prob. S. 35 Nr. 35.
1079—1088 Komburg, Kahenberch, bei Schwab. Hall, St. Maria u.
Nikol. Von d. Grafen Burchard, dem Bruder des B. Emehard, gegründet,
1088 geweiht; 1090 von EB. Ruthard v. Mainz beurkundet, Wirt. ÜB. I
S. 286 Nr. 239, vgl. S. 391 Nr. 1 und Fund. mon. Comb. S. 1028 ff. Hirschauer
Gewohnheiten s. Bern. z. 1091 S. 451, V. Wilh. 22 S. 219.
1085 — 1090 Schönrein, Sconenren, am Main, BA. Lohr, St. Johann.
Von den Grafen Ludwig u. Beringer von Thüringen gestiftet und Wilhelm
von Hirschau übergeben, von B. Embrich von Würzburg 1139 beurkundet.
Cd. Sax. 1,2 S. 92 Nr. 127.
1088 Triefenstein, ad petram stillantem, am Main, BA. Heidenfeld,
St. Peter u. Paul, Kanoniker nach d. Regel Aug.'s. Nach der Haustradition
von dem Kan. Gerung am Neumünster gestiftet, Ussermann S. 378 f., von
Kalixt II. 1123 bestätigt, J.W. 7067.
1102? Münchsteinach, Steinaha, BA. Neustadt a. A., St. Nikolaus.
Ussermann S. 423 f. gibt 1102 als Gründungsjahr. Nachweisen läßt sich das
Kl. im 12. Jahrh. nur durch die Namen seiner Äbte im Nekrolog von St.
Michael, Mon. Bamb. S. 561 ff.
1108 Aura, Uraugia, an d. Saale b. Kissingen, St. Lorenz. Von Otto
von Bamberg 1108 begonnen, 1122 beurkundet. Ussermann, Prob. S. 29
Nr. 28, vgl. de piis op. Ott. 3 S. 1157, Mon. Priefl. 1,9 u. 11 S. 886, Herb.
Dial. 1, 12 S. 713; Schutzbf Kalixts II. v. 1123 J.W. 7047.
1108 Klein-Komburg, Minus Kamberg, bei Schw. Hall, St. Ägid.,
Nonnen. Von dem Grafen Heinrich gegründet, Fund. 3 S. 1031.
nach 1121 Münchaurach, Uraha, BA. Höchstadt a. A., St. Peter.
Von dem Grafen Goswin im Verein mit Otto v. Bamberg gegründet, s. die
Urk. Friedrichs I. v. 1158, Ussermann, Prob. S. 41 Nr. 43 a, de piis op. Ott.
3 S. 1157, u. Herb. Dial. 1, 12 S. 713. Die Zeit ist nicht sicher. Da Her-
zogenaurach 1121 an Bamberg kam, s. Dipl. HI S. 580 Nr. 457, so wird die
Gründung des benachbarten Klosters nicht früher fallen.
n. Erzbistum Köln.
1. Kölu.
935 Königsdorf, Landkr. Köln, St. Maria, Nonnen. Angeblich
Stiftung Karls d. Gr., nach der Zerstörung durch die Normannen 935 von
Herzog Giselbert erneuert. 1103 mit Mönchen von St. Pantaleon besetzt,
Handschr. Fundat., s. Kunstdenkmäler IV, 1 S. 141.
953 — 965 Köln, St. Martin. Die Annahme, daß St. Martin eine
Stiftung des 8. Jahrh.'s gewesen sei, s. Bd. II S. 804, kann nicht mehr auf-
recht erhalten werden, nachdem Oppermann den Nachweis geführt hat,
daß das Chron. s. Mart. eine Fälschung ist, Westd. Z. XIX S. 271 ff. Jetzt
behält die Nachricht recht, nach der EB. Brun bei St. Martin ein Stift
gründete, Chr. Lauresh. Scr. XXI S. 390, und EB. Everger das Stift an
Schottenmönche gab. Mar. Scot. z. 975 S. 555, Chr. Gladb. Scr. IV S. 77,
vgl. Necr. s. Mart. S. 347.
953 — 965 Köln, St. Andreas. Eine ältere Kirche, die EB. Brun Kano-
nikern übergab, V. Brun. 34 S. 34.
955—965 Köln, St. Pantaleon. Stiftung Bruns, V. Brun. 27 f. S. 28,
Thietm. IV, 15 S. 73, Chr. reg. Col. z. 964 S. 29; Ennen u. Eckertz I S. 468
Nr. 14. Die Stiftungsurk. NRh. ÜB. I S. 61 Nr. 106 ist unecht. Die Kirche
war älter; sie gehörte dem Domstift, s. B.M. 1273 v. 866.
vor 965 Köln, H. Ewalde. Stift unbekannter Gründung; erwähnt V.
Brun. 49 S. 51, vgl. V. Annon. 1,37 S. 482. Die Urk. NRh. ÜB. I S. 142
Nr. 218 ist unecht.
— 1027 —
nach 965 Soest, St. Patroclus, Kanoniker. EB. Brun bestimmt ein
Legat zur Gründung, V. Brun. 49 S. 52.
10. Jahrh. Kerpen, Cerpene, Kr. Bergheim, St. Martin, Kanoniker.
Von dem Grafen Sigebod gegründet, s. N.A. XXVI S. 165 f.
vor 973 Vilich, Vilike, Kr. Bonn, St. Cornel. u. Cypr., Nonnen.
Unter Otto I. von dem nobilis vir Megingoz gegründet, 987 von ihm. Otto II.
übergeben, Dipl. II S. 431 Nr. 32.
974 München-Gladbach, St. Veit. Stiftung des EB. Gero, Chr.
Gladb. S. 74 ff. Der Ort gehörte zu Lüttich, wurde aber von EB. Everger
für Köln ertauscht. Eine Inschrift bei Böhmer, Font. III S. 353 nennt
schon 972 als Gründungsjahr.
997 Aachen, St. Adalbert, Kanoniker. Stiftung Ottos III., nach einer
verlorenen Urk. desselben, s. N.A. XXIII S. 150 f., und vgl. die Urk. Hein-
richs IL V. 6. u. 7. Juli 1005, Dipl. III S. 122 Nr. 98 f.
10. Jahrh. Steinfeld in der Eifel, Kr. Schieiden, Doppelkl. Von den
Vorfahren des Grafen Dietrich v. Ahr gegründet, von EB. Friedrich 1121
mit Aug.-Chorherren besetzt, NRh. ÜB. I S. 191 Nr. 292, seit ungeföhr 1135
Prämonstratenser, a. Bd. IV S. 360 Anm. 3.
vor 1000 Ö dingen, Odingi, Kr. Meschede, St. Salvator u. Maria,
Nonnen. Von einer gewissen Gerberg gegründet, Schutzbf Ottos III. v.
1000, Dipl. II S. 792 Nr. 863.
1002? Engelnthal, St. Maria ad vallem, bei Bonn, Nonnen. Binterim
u. Mooren I S. 94 Nr. 5, ohne Beleg.
1003 Deutz, Diutium, St. Maria. Stiftung des EB. Heribert, V. Her ib.
8 S. 746. Die Urk. H.'s NRh. ÜB. I S. 84 ff. Nr. 136 ff. sind großenteils ge-
fälscht, s. Oppermann, Westd. Z. XX S. 114; als echt erkennt 0. an Nr. 137,
141, 147.
vor 1015 Dietkirchen, Thietkiricha, bei Bonn, St. Peter, Nonnen.
Gründung unbekannt; die erste Erwähnung ist die Schenkung Heinrichs II.
V. 1015, DipL III S. 422 Nr. 333.
vor 1021 Zifflich, Saflika, Seblica, Kr. Kleve, St. Martin, Kanoniker.
Gegründet' von dem Grafen Balderich, älteste Urk. NRh. ÜB. I S. 98 Nr. 159.
Die Zeit der Gründung bemißt sich nach dem Todesjahre Balderichs, 1021,
Alp. de div. temp. 17 S. 718.
1021—1036 Köln, St. Aposteln, Kanoniker. Von EB. Piligrim ge-
gründet, Chr. reg. Col. z. 1035 S. 35, Catal. arch. Col. Scr. XXIV S. 339 f.
1024 Brauweiler, Bruniwilarense mon., bei Köln, St. Nikolaus. Von
dem PfG. Ezzo gestiftet, s. S. 503 Anm. 4; 1028 geweiht, Ann. Bruniw. S. 725,
Fundat. act. Scr. XIV S. 121 ff. Über die Urkk. s. Oppermann, Westd. Z.
XXII S. 184 ff.
1040 Rees, Ressa, am Rhein, St. Maria, Kanoniker. Von Irmingard,
einer Nichte Heinrichs III., gegründet, s. NRh. ÜB. I S. 109 Anm. 1, vgl.
Nr. 175. Die Urk. Annos, die die Übergabe an das EB. bestätigt, S. 144
Nr. 222, ist nach Oppermann gefälscht.
vor 1050 Neuß, Nussia, St. Maria, St. Quirin, Kanonissen. Nach einer
jungen Inschrift 825 gegründet. Kraus, Inschr. II S. 335 Nr. 49. Die Grün-
dung der Kirche im 9. Jahrh. ist nicht unwahrscheinlich, s. KD. III, 2 S. 68.
Daß eine congregatio canonicarum mit ihr verbunden war, ist damit jedoch
nicht gesagt. Vielleicht gab die Übertragung der Quirinus-Reliq. nach
Neuß Anlaß zur Gründung des Stifts. Aber sie läßt sich chronologisch
nicht festlegen; denn die Ann. Noves. bei Martene, Ampi. coli. IV S. 538
berichten sie zu 876, eine Neußer Inschrift KD. HI, 3 S. 69 zu 1050. Für
die Mitte des 12. Jahrh. 's ist das Stift nachweislich, s. Bruniw. mon. fund.
acta 9 S. 130.
1056 — 1059 Köln, St. Maria zu den Staffeln, ad gradus, Kanoniker.
Stiftung Annos IL, V. Ann. 16 S. 474, Ann. Hild. z. 1077 S. 48, Lamb. z.
1075 S. 244. Die Urkk. NRh. ÜB. I S. 125 ff. Nr. 195 u. 220 sind nach
Oppermann gefälscht.
65*
_ 1028 ~
1056 — 1075 Köln, Zu den Machab.. Kanoniker. Das Stift bestand
unter Anno 11., s. NRh. ÜB. I S. 211 Nr. 318.
1059 Köln, St. Georg, Kanoniker. Stiftung Annos II., V. Ann. 17
S. 474, Ann. Hild. z. 1077 S. 48, Lamb. z. 1075 S. 244. Die Stiftungsurk.
NRh. ÜB. I S. 135 Nr. 209 ist nach Oppermann verunechtet; vgl. J.W. 4401
V. 1. Mai 1059.
1064 Siegburg, St. Michael u. Moritz. Stiftung Annos IL, 1066 ge-
weiht, V. Ann. 18 ff. S. 475 tf., Ann. Hild, z. 1077 S, 48, Lamb. z. 1075 S. 244.
Die 4 Stiftungsurk. sind nach Opperraann, Westd. Z. XXI S. 59 ff. gefälscht;
ein interpolierter Text der echten Urk. ist in A = NRh. ÜB. I S. 129 Anm.
u. Westd. Z. S. 115 ff. erbalten.
1072 Grafschaft, Grascaft, Kr. Meschede, St. Alexander. Stiftung
Annos IL, V. Ann. 23 S. 476 u. 28 S. 478, Ann. Hild. z. 1077 S. 48, Lamb.
z. 1075 S. 244. Stiftungsurk. bei Seibertz I S. 32 Nr. 30.
1110 — 1117 Remagen, Apollinarisberg , St. Martin. Siegberger
Propstei, 1117 geweiht, NRh. ÜB. I S. 185 Nr. 284.
vor 1113 Wissel, Wischel, Kr. Kleve, St. Clemens, Kanoniker. Eine
junge Neußer Inschrift führt den Ursprung auf 825 zurück. Kraus, Inschr.
n S. 335 Nr. 49. Die Urkunden beginnen aber erst mit 1113, s. Westd. Z.
EH. U S. 131.
nach 1116 Fürstenberg, Vorstberg, bei Xanten, Kr. Mors, St. Maria.
Siegburger Propstei, NRh. ÜB. I S. 182 Nr. 280; die Stiftungsurk. S. 190
Nr. 290 ist gefälscht; vgl. V. Norb. 4 S. 673.
vor 1118 Dünnwald, Dunwald, Kr. Mühlheim, Aug.-Chorherren. 1118
beurkundet EB. Friedrich die Stiftung, NRh. ÜB. I S. 188 Nr. 288; sie scheint
aber nicht wirklich ins Leben getreten zu sein, s. Ann. Rod. z. 1129 S. 708.
Everwin v. Steinfeld verlegte die Nonnen von dort hierher 1138, s. Hugo I
S. 643. Doch vgl. NRh. Annalen 44 S. 18 f.
um 1122 Altenkamp, Mon. Campense, Kr. Mors, St. Maria, Gister-
aienser. Gründung des Eß. Friedrich, s. NRh. ÜB. S. 194 Nr. 297 ohne
Datum, Chr. Camp. z. 1122, NRh. Ann. 20 S. 263, J.W. 7997.
vor 1126 Rolandswert, Ruleicheswerd, St. Maria u. Clenk, Nonnen,
von Siegberg abhängig. Von EB. Friedrich und Abt Kuno gegründet,
NRh. ÜB. I S. 197 Nr. 301 v. 1126. Damals war Kuno schon B. v. Regens-
burg; die Gründung muß also einige Zeit vorhergehen.
2. Lfittich.
914 Brogne, Bronium, bei Namur, St. Eugen, später St. Gerhard,
Kanoniker, später Mönche, s. S. 347; vgl. Wauters 1 S. 331 v. 919.
920—945 Lüttich, St. Peter, in pede publici montis, Kanoniker. B.
Richar errichtete das Stift an der älteren, von ihm erweiterten Kirche,
Ans. Gesta ep. Leod. II, 22 S. 201.
940 Waulsort (Waussor) Walciodorus, an d. Maas, Prov. Namur, St.
Maria, s. o. S. 371.
vor 945 Hastiere, Hasteria, an d. Maas, Prov. Namur, St. Maria.
Ursprung unbekannt; im Besitze der Vorfahren des B. Adalbero I. v. Metz;
von ihm 945 an St. Glodesind gegeben, Calmet, Eist, de Lorr. I Pr. S. 359f.,
Hist. Walciod. mon. 17 S. 612, durch Dietrich L, 965—983, an Waulsort,
wird nun Mönchski., V. Deod. 6 S. 467, Hist. Wale. 18 S. 513.
um 945 Gembloux, Gemmelaus, Prov. Namur, St. Salvator, Peter u.
Exuperius, s. S. 370 f. u. vgl. Ann. Parch. z. 946 S. 599.
959—971 Lüttich, St. Paul, Kanoniker. Gründung Ebrakers, V. Bald.
18 Scr. IV S. 731, Ans. Gest. 11,24 S. 202, Chr. s. Laur. 5 S. 263; Ann.
Parch. z. 963 S. 600.
nach 962 Turne, Torna, an d. Maas, Limburg, Nonnen. Von Graf
Ansfrid, dem späteren B. v. Utrecht, gegründet u. an St. Lorenz in Lüttich
übergeben, Thietm. IV, 32 S. 83, Alp. de div. temp. 1, 16 S. 708.
965 Lüttich, St. Martin, Kanoniker. Gründung Ebrakers, Stiftungs-
— 1029 —
Urkunde Mansi XVIII S. 489 ff., vgl. B.O. 392, Ans. Gest. 11,24 S. 202; Ann.
Parch. z. 963 S. 600.
972—1008 Lüttich, H. Kreuz, Kanoniker. Von B. Notker gestiftet,
Ans. Gest. II, 26 S. 204, Chr. s. Laur. 7 S. 264.
972—1008 Lüttich, St. Dionys, Kanoniker. Von Nithard, dem Kustoa
des Domes, unter B. Notker gegründet. Ans. Gest. II, 27 S. 204.
kurz vor 997 Lüttich, St. Joh. Ev., Kanoniker. Von B. Notker ge-
stiftet, Urk. Ottos III. V. 997 Dipl. II S. 657 Nr. 240. vgl. über dieselbe
Bloch, N.A. XXIII S. 145 f., Ans. Gest. II, 27 S. 204, Chr. s. Laur. 7 S. 264,
V. Bald. 18 S. 731; Ann. Parch. z. 977 S. 600.
997 Luisberg, Luouesberg, bei Aachen, St. Salvatoru. Corona, Nonnen.
Von Otto m. gegründet. Dipl II S. 679 Nr. 262, von Heinrich 11. dem
Adalbertsstift in Aachen übergeben, Dipl. III S. 123 Nr. 99.
10. Jahrh. Huy, Hoiense mon., Prov. Lüttich. St. Maria. 1006 als
bischöfliche Kirche genannt, Dipl. III S. 141 Nr. 115, vgl. II S. 238 Nr. 210
u. S. 413 Nr. 16 und die Urk. Dietwins Wauters I S. 519 v. 1066, wodurch
St. Maria eximiert wird.
vor 1002 Burt scheid, Porcied, Purcetum, St. Apoll, n. Nik., Reichs-
abtei. Die Errichtung ist von Otto III. begonnen, von Heinrich IL vollendet,
Dipl. III S. 484 Nr. 880, vgl. S. 463 Nr. 360. 1018 geweiht, Gesta ep. Cam.
m, 35 S. 480 ; über die Zugehörigkeit zu Lüttich ib. S. 479 f. Das Kl.
kommt durch Friedrich U. an die Nonnen vom Salvatorsberg, Huill. Breh. 11
S. 232 f.
1002 Florennes, Florines, Prov. Namur, St. Gingolf, Kanoniker. Von
dem Vater des B. Gerard v. Cambrai gegründet und von diesem vollendet,
Gest. ep. Cam. III, 18 S 470, Ann. Floretf. S. 622, vgl. die vei-fälschten Urk.
bei Berliere. Docum. inedits I S. 7 Nr. 2 u. Dipl. III S. 493 Nr. 387. 1010
oder 1011 kommen Mönche nach Florennes, Auct. Gembl. Scr. VI S. 391,
Ann. Floreff. S. 622, Mirac. s. Geng. 8, Gest. ep. Cam. 111,18 S. 470. Die
Kirche wurde jetzt St. Johannes geweiht.
vor 1005 Aachen, St. Nikol. Von Heinrich II. gegründet, Dipl, IH
S. 122 Nr. 98.
1008 — 1018 Lüttich. St. Barthol.. Kanoniker. Von dem Propst Gott-
schalk gegründet, V. Bald. 6 S. 726, Ans. Gesta II, 31 S. 207.
1015 oder 1016 Lüttich, St. Jacob. Von B. Balderich begonnen, von
Walbod vollendet, 1030 geweiht. V. Bald. 18 f. S. 751, Ann. s. Jac. z. lOlS
u. 1030 S. 688, Urk. Balderichs v. 1016 bei Martene, Ampi. coli. I S. 377,
Ans. Gesta 11,31 S. 207, Chr. s. Laur. 13 S. 267, Gest. abb. Gembl. 35 S. 538.
vor 1040 Bilsen, Münsterbilsen, Belg. Limburg, St. Amour, Kanonissen.
Älteste urk. Erwähnung Wauters I S. 483.
nach 1069 Bouillon, Bulonium, Belg. Luxemburg, St. Peter. Von
Dietrich von St. Hubert nach Anordnung des Herzogs Gottfried gegründet,
Chr. s. Hub. 23 ff. S. 580 ff.
um 1087 Cons, Cella Cunensis, Dep. Meuse, St. Michael. Propstei von
St. Hubert, um 1087 erworben, Chr. s. Hub. 66 S. 601.
vor 1091 Mirwart, Mirvold, Bei. Luxemburg, St. Michael. Propstei
von St. Hubert, von Abt Dietrich gegründet, V. Theod. 28 S. 54, Chr. s.
Hub. 43 S. 591.
11. Jahrh. Im Condroz, Condrustri, d. h. dem Wald zwischen Huy
und Lüttich wird eine Propstei erwähnt, Chr. s. Hub. 9 S. 573. LTrsprung
und Ende unbekannt.
1101 Huy, H. Grab u. Joh. B., Novum monasterium, Kanoniker. Über
die Gründung durch niederländ. Wallfahrer berichtet Albrici chron. S. 815.
1104 Klosterrat, Rode, bei Aachen, St. Maria u. Gabriel, Aug. -Chor-
herren u. Chorfrauen. Von dem Grafen Ailbert gegründet, Ann. Rod. z.
1104 S. 701.
um 1100 Namur, St. Aubin, Kollegiatstift. Über die Entstehung in
dieser Zeit Wauters I S. 619.
— 1030 —
vor 1107 St. Symphoriaa, im Walde zwischen Huy u. Lüttich. I. a.
J. als Cluuiacenser Zelle erwähnt, Gest. abb. Trud. VlI, 7 S. 267. Die Kirche
war seit 1091 im Besitze von Cluni, Wauters 1 S. 576.
vor 112G Milien, Kr. Heinsberg, St. Maria, Gengulf u. Quirin. Sieg-
burger Propstei, unter Abt Kuno 1. gestiftet, NRh. ÜB. I S. 239 Nr. 351.
3. Minden.
955 Fischbeck, Viscbiki, Kr. Rinteln, St. Maria u. Johann, Nonnen.
Von der Matrone Helmburch gegründet, von Otto I. bestätigt, Dipl. I S. 256
Nr. 174, kommt 1147 durch Konrad IIl. an Corvey und wird mit Mönchen
besetzt, Chr. Corb. S. 54, 58 f., St. 3543 f., Wibaldi ep. 180 S. 301.
vor 967 Kemnade, Keminetan, Kr. Holzminden, St. Maria, Nonnen.
Von der Äbtissin Frederun und ihrer Schwester Imma mit Hilfe des Grafen
Gero gegründet, von Heinrich IL 1004 bestätigt, Dipl. III S. 109 Nr. 87,
vgl. S. 464 Nr. 362; wenn die Notiz Ann. Saxo z. 967 u. 970 S. 621 u. 624
richtig ist, so fällt die Stiftung vor 967. Das Kl. kam 1147 mit Fiechbeck
an Corvey und wurde mit Mönchen besetzt, s. o. 1194 war es verlassen
und wurde an Nonnen gegeben, Reg. Westf. II S. 84 Nr. 2333.
vor 986 Walsrode, Rode, Kr. Fallingbostel, Nonnen. Von dem Grafen
Walo gegründet, s. Dipl. II S. 425 Nr. 26. 1179 war das Kl. mit Mönchen
besetzt, J.W. 13295.
998 Widegenburg, Kr. Minden, St. Maria, Nonnen. Von B. Milo
gegründet, Schutzbf Ottos III. Dipl. II S. 546 Nr. 136.
nach 1022 Minden, St. Maria, in monte, Nonnen. Von B. Sigebert
begonnen, von B. Brun vollendet, Urk. Heinrichs III. v. 1043, Wilmans,
KU. II S. 251 Nr. 196.
vor 1033 Minden, St. Martin, Kanoniker. Von B. Sigebert gegründet.
Das Stift hatte zwei Bestätigungsurk. Konrads IL v. 1029 u. 1033, Wilmans,
KU. n S. 211 Nr. 172 u. S. 231 Nr. 185. Die zweite ist im Original er-
halten; gegen die Echtheit der ersten, nur abschriftlich erhaltenen, erhebt
Wilmans begründete Bedenken.
1043 Minden, St. Moritz, auf einer Weserinsel. Von B. Bruno ge-
gründet, Wilmans, KU. U S. 251 Nr. 196.
vor 1072 P]sbeck, Aspice, Kr. Hameln, Kanoniker. Von Adalbert v.
Bremen begonnen, Adam 111,9 S. 101.
4. Münster.
vor 973 Borghorst, Burghurst, Kr. Steinfurt, St. Nikomed, Nonnen.
Von den Nonnen ßertha und Hathwig unter Otto I. gegründet, Dipl. II
S, 101 Nr. 86, vgl. S. 455 Nr. 52.
10. Jahrh. Vreden, Fredena, Kr. Ahaus, St. Felicitas, Nonnen. 1014
von Heinrich IL an die Äbt. Adelheid von Quedlinburg übergeben, Ann.
Quedl. S. 82.
1040 Münster, St. Maria, Überwasser, Nonnen. Von B. Hermann
gestiftet, 1041 geweiht, Reg. Westf. I S. 403 Nr. 134 = Not. Mon. Scr. XVI
S. 439, Nr. 135 = St. 2202, Nr. 136. Ann. Saxo z. 1041 S. 685, Ann. Magdb.
S. 172.
1064—1084 Münster, St. Moritz, Kanoniker. Von B. Friedrich ge-
gründet, Reg. Westf. I S. 201 Nr. 1215.
5. Osnabrück.
vor 947 Engern, Angeri, Kr. Herford, St. Maria u. Lorenz, Kano-
niker. Von der Königin Mathilde gegründet, Vit. I. Mahth. 2 S. 575, Ann.
Magdb. z. 968 S. 148, Ann. Saxo z. 968 S. 621, Dipl. I S. 173 Nr. 91; S. 205
Nr. 123.
1011 Osnabrück, St. Johann, Kanoniker, Von B. Thietmar ge-
gründet und 1011 geweiht, Osnabr. ÜB. I S. 107 Nr. 122, Zusatz zu V. Meinw.
8 S. 111.
1067 — 1088 Gertrudenberg vor Osnabrück. B. Benno IL errichtet
— 1031 —
das KL, um die Nonnen von Herzebrock dorthin zu versetzen; seine Ab-
sicht acheitert an deren Widerspruch, V. Benn. 12 S. 14 f. Die K. gehörte
nun zur Präbende eines Domherrn; durch B. Udo wurde sie Doppelkl., B.
Philip führte die Benedikt.-Regel ein, Osnabr. ÜB. I S. 211 ff. Nr. 258, 268
u. 272, vgl. II S. 15 Nr. 22.
1077—1082 Iburg, Kr. Melle, St. Clemens. Von Benno II. gegründet,
V. Benn. 19 ff. S. 25 ff., Ann. Yburg. z. 1077 u. 1082 S. 437, vgl. Breßlau,
N.A. XXVIII S. 124. Iburg scheint Doppelkl. gewesen zu sein; denn der
Nonnenkonvent wurde 1136 — 1142 nach Gehrden, D. Paderborn, verlegt, s.
Bd. IV S. 949.
6. Utrecht.
? Emmerich, Embrich, Kr. Rees, St. Martin, Kanoniker. Unbekannten
Ursprungs, 1131 zuerst erwähnt, NRh. ÜB. I S. 200 Nr. 311.
? Oldenzaal, Oberijsel, Kanoniker, s. Moll, Kerkgeschiedenis I S. 317.
? Eist, Prov. Geldern, Kanoniker, s. Moll I S. 318.
? Dokkum, Friesland, St. Bonifaz, Kanoniker, s. Moll I S. 318, seit
Anfang des 13. Jahrh.'s Prämonstr., s. d. Bf des Abts Konrad v. Premontre,
OB. V. Groning. I S. 45 Nr. 66.
? Staveren, Stauria, in Friesland, St. Osulf, Kanoniker, s. Moll I
S. 318, später Benediktiner, s. Bd. IV S. 964.
892 Thiel, Tiala, Geldern, St. Walburg, Kanoniker. Von dem Grafen
Waltger gegründet, Alp. de div. temp. I, 8 S. 704, Dipl. I S. 206 Nr. 124;
vgl. I S. 23, 37 Nr. 24 u. Ann. Tiel. z. 892 S. 23; 1007 zerstört, von B. Adal-
bold wiederhergestellt, a. a. 0. z. 1026 S. 23, vgl. o. S. 487.
944 Utrecht. Nach Muller, Westd. Z. XVI S. 256 ff., gab es bis 944
in. Utrecht nur eine Kirche, St. Salvator, oder St. Martin, oder St. Maria.
Erst seitdem bestehen St. Salvator, die alte Kirche, und St. Martin, der
neue Dom, nebeneinander, s. Dipl. I S. 140 Nr. 58.
vor 968 Elten, Altena, Hochelten, Kr. Rees, St. Salv. u. Veit, Damen-
stift. Von dem Grafen Wichmann gegründet, 968 von Otto I. ausgestattet,
Dipl. I S. 491 Nr. 358, S. 540 Nr. 397.
um 1000 Hilwarenbeek, Kanoniker, s. Moll IL 1 S. 842.
1006 Hohorst, Heiligenberg, Prov. Utrecht, St. Paul. Von B. Ans-
frid gegründet, Thietm. IV, 36 S. 84, Alp. de div. temp. 1,14 S. 707; Stif-
tungsurk. A.S. Mai I S. 430, vgl. o. S. 487 ; um 1050 nach Utrecht verlegt.
um 1050 Utrecht, St. Paul, St. Maria u. h. Kreuz. Durch Verlegung
von Hohorst entstanden, vgl. die Urk. B. Bernulfs v. 1050, OB. v. Holland I
S. 51 Nr. 83.
vor 1085 Utrecht, St. Johann, Kanoniker, s. Bd. IV S. 964.
um 1090 Foswerd, in Friesland. Durch Verlegiing eines älteren KL
auf der Infeel Ameland entstanden; s. Moll I S. 322.
vor 1100 Utrecht, St. Peter, Kanoniker, b. Bd. IV S. 964.
vor 1113 Oostbroek bei Utrecht, Doppelkl., s. Bd. IV S. 964.
1118 Wassenberg, Kr. Heinsberg, St. Maria u. Georg, Kanoniker.
Von dem Grafen Gerhard gestiftet, NRh. ÜB. I S. 189 Nr. 289.
III. Erzbistum Trier.
1. Trier.
? Garden, Kr. Kochem, St. Maria u. Castor, Kanoniker. Unbekannten
Ursprungs.
? Dietkirchen a. Lahn, St. Lubentius, Kanoniker; ebenso.
? Wetzlar, St. Maria, Kanoniker; ebenso.
vor 940 Münster appel, BA. Kirchheimbolanden, Rheinpfalz. Appola,
von St. Maximin abhängige Zelle. I. a. J. erwähnt Dipl. I S. 117 Nr. 31;
der Ort Appula erscheint schon 893 im Besitz von St. Maximin, MRh. ÜB.
I S. 140 Nr. 133.
— 1032 —
vor 949 Koblenz. St. Florin, Kanoniker. Unbekannten Ursprungs.
Erste Erwähnung Dipl. I S. 198 Nr. 115.
vor 966 Kesselheim, Kescelenheim, am Rh., Kr. Koblenz, Nonnen.
Eigentum, also auch Stiftung der Konradiner. 966 von Otto I. an Magde-
burg geschenkt, Dipl. I S. 445 Nr. 331, und wohl infolgedessen eingegangen.
vor 966 Taben, Tavena, Kr. Saarburg, St. Cyriak, Propstei von St.
Maximin. Von Abt Wicker gegründet, Necr. s. Maxim, z. 8. Mai Bonner
JB. 57 S. 113, vgl. die Maximiner Fälschungen Dipl. H S. 597 Nr. 442 u. III
S. 637 Nr. 500.
10. Jahrh. Boppard, Bohbardo, am Rh., St. Peter, Kanoniker. Die
K. im Kastell Boppard wird 975 erwähnt, Dipl. II S. 115 Nr. 101. Sie
scheint schon damals eine KoUegiatkirche gewesen zu sein; 1000 wird der
Propst Nannichinus genannt, S. 800 Nr. 373.
1016 Prüm, Brumia, St. Maria, Kanoniker. Von Abt Urold gestiftet,
Schutzbrief Heinrichs IL, Dipl. III S. 461 Nr. 358.
1041 Trier, St. Simon in d. porta nigra, Kanoniker. Von EB. Poppo
gegründet, Gest. Trev. cont. 1.3 S. 177, MRh. Uß. I S. 382 Nr. 328.
1083 Luxemburg, Alt-Münster, St. Trinit. u. Maria. Von Konrad
von Luxemburg gegründet, Stiftungsurk. v. 1083 Publ. de la sect. histor.
de rinstit. grandd. de Luxemb. Bd. 44 S. 25. 1123 von EB. Brun bestätigt,
vgl. die ürk. des Grafen Wilhelm v. 1122 Gall. ehr. XIII Instr. S. 342 Nr. 68.
1093 Laach, St. Maria. Von PfG. Heinrich gestiftet, gefölschte
Stiftungsurk. MRh. ÜB. I S. 444 Nr. 388, 1112 von Heinrich V. bestätigt,
S. 481 Nr. 421; Gluniacensergewohnheiten S. 602 Nr. 544.
vor 1106 Hosingen, Luxemburg, Nonnen. Von Graf Gerhard von
Sponheim gegründet; so ßertholet, Hist. de Lux. III S. 334, wohl nach der
Haustradition. Urk. sind nicht vorhanden.
vor 1107 Springirsbach, Sprencheresbach, Kr. Wittlich, St. Maria,
Aug.-Chorherren. Von der inzwischen verstorbenen Witwe Benigna ge-
gründet, 1107 V. EB. Bruno beurkundet, MRh. ÜB. I S. 475 Nr. 415.
1107 Trier. Bei einer Marienkirche auf d. Berge bei Trier werden
in diesem Jahre 2 devotae feminae illic inclusae erwähnt, Transl. Modoaldi
23 S. 300. Es scheint nicht zur Gründung einer dauernden Niederlassung
gekommen zu sein.
1110 Hirzenach, Hertenowe, Kr. St. Goar, St. Maria, Joh. u. Barthol.
Siegburger Propstei, von EB. Friedrich v. Köln gestiftet, MRh. ÜB. II S. 24
Nr. 38 V. 4. Mai 1110, vgl. NRh. ÜB. I S. 175 Nr. 271 u. S. 179 Nr. 276.
1101 — 24 Lipporn, Lietprun, bei Goarshausen am Rhein, St. Florin.
Von dem Grafen Dudo von Laurinburg gegründet und an das Kl. Aller-
heiligen in Schaff hausen übergeben; von EB. Bruno bestätigt, undat. Ur-
kunden beider bei Wenck, Hist. Abb. S. 127 Nr. 1 u. 2. Ihre Echtheit ist
zweifelhaft. Die Briefe Cod. Udalr. 72 u. 80, die Roth, Visionen d. h.
Elisabeth S. VIII herbeizieht, haben keinen Bezug auf Lipporn; es handelt
flieh hier um Wagenhausen. Das beweist schon die lex Swevorum des
letzten Briefs.
2. Metz.
? St. Arnual, Kr. Saarbrücken. Stift unbekannter Gründung,
Schenkung Heinrichs. III. v. 1046, St. 2293.
um 950 Metz, St. Clemens (St. Felix), s. S. 359 f.
959 Varengeville, Waringisi villa, Gorzer Propstei, s. S. 466 f.
966 Vergaville, Kr. Chateau Salines, St. Maria, Nonnen, s. S. 369.
968 Metz, St. Vinzenz, in insula, in suburbio. Von B. Dietrich I.
begonnen, 1030 geweiht, Ann. s. Vinc. S. 157, vgl. S. 369.
984—1005 Metz, St. Maria, Nonnen, s. S. 369; vgl. MabiUon, Ann.
Ord. s. Bened. IV S. 19.
um 1020 Metz, Pucelles, Nonnen. Unter B. Dietrich entstanden,
Mabillon S. 166: Guius nulla fere supersunt vestigia.
— 1033 —
1024 "Viviers, Vivaria, Bibera, Kr. Chateau Salines, Priorat v. Mett-
lach, s. Kunst u. Alterfc. S. 1025.
1033 Busendorf, Bosonis villa. Kr. Bolchen, H. Kreuz, s. S. 504.
vor 1049 Hessen, Kr. Saarburg, St. Maria, Mart. u. Lorenz, Nonnen,
8. S. 606.
um 1070 Metz, St. Salvator infra urbem, Kanoniker. Adalbero III.
erweiterte die Kirche und gründete das Stift, Gall. ehr. XIII Pr. S. 399 Nr. 29,
Gest. ep. Mett. 49 S. 543.
1093 Diedersdorf, Tihecurth, Kr. Bolchen, St. Trinit. u. h. Kreuz,
Cluniacenserpriorafc. Von Gerhard v. Diedersdorf gegründet, 1093 durch B.
Poppo bestätigt, Calmet I Pr. S. 496.
1096 Pierremont, Dep. Vosges, St. Peter, Regul. -Kanoniker. Auf
Grund und Boden, den die MG. Mathilde schenkte, gegründet, 1106 von ihr
bestätigt,, Calmet I Pr. S. 504 u. 520._^
vor 1099 Insmingen, Asmigium, Kr. Chateau Salines, St. Maria, Kano-
niker. Ursprung unbekannt, 1099 von Graf Dietrich v. Bar an St. Mihiel
übertragen, Calmet I Pr. S. 515.
vor 1123 Vic, Vicum, Bodesius vicus, a. SeiUe, Kr. Chateau Salines,
St. Christoph. Priorat von Senones von Abt Anton gegründet, Richer.
Senon. Chr. II, 23 S. 283.
3. Toul.
934—965 Toul, St. Mansuet, s. S. 363.
935 Bouxieres, Buxerias, Dep. Meurthe, St. Maria, Nonnen, s. o.
S. 362, 1.
um 950 Acheri, auf dem Belmont in den Vogesen, von Moyen-moutier
abhängig, s. o. S. 368.
957 Bainville, Dep. Meurthe, St. Salvator u. Moritz; von St. Evre
abhängig, s. S. 369.
963—973 Toul, St. Gengulf, Nonnen, später Kanoniker, s. S. 369.
963 — 994 Bar-le-Duc, Mon. Barense, Dep. Meuse, St. Maximin. Von
dem Ritter Heselo gestiftet, von Gerhard I. geweiht, Fundat. Scr. XV S. 980 f.
963—994 Epinal, Dep. Vosges, St. Goerich, Nonnen, s. S. 369.
10. Jahrb.? Toul, St. Genovefa. In einem Zusatz zu einer Urk. Ottos 11.
v. 973 genannt, Dipl. II S. 73 Nr. 62.
996--1019 St. Salvator in den Vogesen, s. S. 369.
988 — 1024 Dieulouard, Gellani mons, Dep. Meurthe et Moselle, St.
Lorenz, Kanoniker. Von Propst Dudo von Verdun gestiftet, Gest. ep. Vird. 7
S. 47, 1028 von Konrad II. bestätigt, St. 1969.
1005 St. Belin, Brittiniaca curtis, St. Benignus; s. o. S. 467, vgl.
Vit. II Guill. 24 Migne 141 S. 865 u. Migne 143 S. 585 Nr. 2.
um 1015 — 1030 Poussay, Portus suavis, Dep. Vosges, St. Maria u.
Menna, Nonnen. Von B. Berthold begonnen, von seinen Nachfolgern voll-
endet, s. J.W. 4175 u. Wib. V. Leon. IX. 1. 13 S. 143.
um 1034 Hareville, Arevilla, Dep. Vosges, St. Kalixt, von St. Mihiel
abhängig. Von Abt Nanter gestiftet, Chr. s. Mich. 33 f. S. 85.
vor 1043 Deuilly, Daguliacus, St. Maria. Von Walter von Deuilly
gegründet und St. Evre übergeben, von B. Bruno beurkundet, Calmet I Pr.
S. 417 ff.
vor 1048 Bleurville, Bliderici villa, Dep. Vosges, St. Bertar u. Atalen,
Nonnen. Von dem Grafen Reinard gestiftet, von ß. Brun geweiht, beur-
kundet 1050, J.W. 4243.
1050 Chaligny, Cella de Calliniaco, Dep. Meurthe et Moselle. Von
Adalbero III. v. Metz mit Mönchen besetzt und an St. Vincenz übergeben,
s. J.W. 4242.
1051 — 1069 Toul, St. Salvator u. Anian, Kanoniker. Von B. Udo ge-
gründet, abhängig vom Dome, MRh. ÜB. I S. 425 Nr. 368, vgl. Gest. ep.
Tüll. 43 S. 646.
nach 1070 Chatenai, Cella Castiniacensis, Dep. Vosges, St. Peter u.
- 1034 —
Maria. Von der Mutter des Herzogs Dietrich gegründet und St. Evre über-
geben, s. Calmet I Pr. S. 536 f. u. Gall. ehr. XIII Instr. S. 470 Nr. 24.
1088 Bar-le-Duc, St. Maria, Propstei von St. Mihiel. Gegründet
von der Gräfin Sophie v. Bar, Gall. ehr. XIII Instr. S. 564 Nr. 16.
1091 Toul, St. Leo u. Nikolaus, Aug.-Chorherren. Von dem Dekan
Liutolf gegründet, von ürban 11. 1095 bestätigt, Gall. ehr. XIII Instr.
S. 472 Nr. 27, Bern, zu 1095 S. 463, Seheri Prim. Calm. I Scr. XII S. 326, 30.
vor 1094 Chamouzey, Calmusiacum , St. Maria, Leo u. Nik., Aug.-
Chorherren. In Le Chatelet, Dep. Vosges, gegründet, bald nach Ch. verlegt,
Seheri Prim. Calm. I S. 325 u. 326.
4. Verdun.
951 Verdun, St. Vanne, s. S. 366.
959 Amel, Amella, Dep. Meuse, St. Peter, Kanoniker, später Mönche,
s. S. 467.
973 Verdun, St. Paul, s. S. 369. Seit 1135 Prämonstrat., s. Hugo II
Prob. S. 326, St. 3314, Laur. Gesta 32 S. 510.
990 — 1024 Verdun, St. M. Magd., Vetus monasterium, Kanoniker.
Von dem Archidiak. Ermenfrid gegründet, von Leo IX. 1049 geweiht, Gest.
ep. Vird. 7 S. 50, Hug. Flav. ehr. z. 1011 S. 391, Laur. Gesta 3 f. S. 493,
J.W. 4193; vgl. die Besitzbestätigung Heinrichs III. v. 1040 N.A. XV S. 136.
Nach ihr war Ermenfrids Gründung nur eine Erneuerung.
990—1024 Verdun, St. Job. u. Maurus, Nonnen, s. S. 370.
990 — 1024 Verdun, St. Lorenz, Kanoniker. Von dem Propst Dudo
gestiftet, Hug. Flav. z. 1011 S. 391.
990 — 1024 Verdun, H. Kreuz, Kanoniker. Von dem Propst Amicus
gestiftet. Gest. ep. Vird. cont. 7 S. 47, vgl. Hug. Flav. z. 1011 S. 391. Die
Kirche gehörte dem Nonnenkl. St. Job. u. Maurus, s. J.W. 4190,
vor 1038 Verdun, St. Agerich. Von B. Raimbert begonnen. Gest. ep.
Vird. 10, Zusatz S. 51 not. 2, J.W. 4248, St. 2205.
1047 — 1088 Verdun, St. Maria, Novum monasterium. Von B. Dietrich
gegründet und geweiht, Hug. Flav. ehr. II S. 461.
11. Jahrb.? Verdun, St. Michael. Unbekannter Gründung. Die Kirche
wurde um 1065 erneuert und die Krypta von Udo v, Trier, Dietrich v.
Verdun und Udo v. Toul, also 1066—69 geweiht, Urk. Dietrichs von 1078
Gall. ehr. XHl Instr. S. 562 Nr. 14.
1107 — 1111 Palecroix, Cella ad Pauli crucem. 1107 wird das
alodium Pauli crucis an St. Vanne geschenkt, 1111 wird die Zelle erwähnt,
Laur. Gesta 13 8. 499 u. 20 S. 503.
um 1117 — 1127 La Chalade, Caladia, in den Argonnen, St. Sulpiz.
Der Anfang reicht unter B. Heinrich zurück; 1127 an Cisterzienser gegeben,
die Kirche wurde von Adalbero III., also nach 1131, geweiht, Urk. Alberos
Gall. ehr. XIH Instr. S. 568 Nr. 21, Laur. Gesta 32 S. 513.
IV. Erzbistum Salzburg.
1. Salzburg.
vor 975 Lieding, Liubedinga, im Gurktal, St. Maria, Mart. u. Gregor.
Von einer Witwe Imma begonnen, s. Dipl. H S. 123 Nr. 110. Es scheint,
daß die Stiftung nicht zustande kam oder bald wieder einging.
vor 977 Michaelbeuern, Biwern, bei Lauffen, Salzburg. Von dem
PfG. Hartwich gestiftet. Die Zeit ergibt sich aus Dipl. II S. 184 Nr. 164,
über die Stiftung s. J.W. 7840.
983 Pörtsehach am Wörther See in Kärnten, St. Lambert. Otto IL
macht eine Schenkung für die zu gründende Kongregation, Dipl. H S. 345
Nr. 292; es ist jedoch fraglich, ob die Gründung zustande kam.
987 Salzburg. Im angef. Jahr wurde das Benediktinerkl. St. Peter
— 1035 —
eine selbständige Abtei unter einem eigenen Abt, die Güter zwischen der
Abtei und dem Domstift geteilt, s. S. 382.
1002 — 1025 St. Georg am Längsee, Kärnten, Nonnen. Von d. Gräfin
Wichpurg gegründet, Lib. fundat. Kämt. GQ. S. 80 ff. Nr. 204, Stiftungsurk.
S. 86 Nr. 205.
vor 999 Seeon, Sewa, am Chiemsee, St. Lambert. Von dem PfG.
Aribo gegründet. Schutzbf Ottos III. Dipl. II S. 744 Nr. 318.
10. Jahrb.? Maria Saal, im Zollfeld, Kärnten. Stift unbekannter
Gründung. Die Kirche ist schon im 9. Jahrh. nachweislich. Kämt. GQ,
S. 11 Nr. 27; 927 erhielt sie der ChorB. Gotabert, S. 34 Nr. 90; vielleicht
ist das Stift durch ihn entstanden.
vor 1020 Goß, Gosse, an d. Mur, Steiermark, St. Maria u. Andreas,
Nonnen. Stiftung des PfG. Aribo, von seinem Sohn vollendet, s. S. 532.
vor 1028 Ossiach, Oscewach, Kärnten. Von den Eltern des Patr.
Poppe von Aquileja gegründet. Kämt. GQ. S. 102 Nr. 243a.
1074 Admont, Steiermark, St. Maria u. Blas. Von EB. Gebhard ge-
gründet und am 29. Sept. 1074 geweiht, V. Gebeh. 1 S. 25, Auct. Garst.
S. 668, vgl. ÜB. d. H. Steiermark I S. 85 Nr. 77.
vor 1088 Millstadt in Kärnten, St. Salvator, Doppelkl. Von PfG.
Aribo und seinem Bruder Boto gegründet, Necr. Milst. z. 18. u. z. 1. März
S. 457; Aribo ist 1102, Boto 1104 gest., b. Ekkeh. z. d. J. S. 224 u. 225. Das
KL zu Lebzeiten EB. Gebhards gegründet, J.W. 15930, vgl. auch 6962. Daß
das Kl. Doppelkl. war, ergibt die Notiz Necrol. 11 S. 455 Anm. 1.
vor 1091 St. Paul im Lavanttal, Kärnten. Von dem Grafen Engel-
bert gegründet, Fund. Scr. XV S. 1058. Schenkung Engelberts v. Mai 1091,
Kämt. GQ. S. 192 Nr. 496. vgl. V. Wilh. Hirs. 22 S. 219, Hist. Hirs. mon.
S. 263. Schutzbf Urbans II. v. 1099 J.W. 5784.
1096 St. Lamb recht, Obersteiermark. Von Herzog Markward und
seinem Sohne, H. Heinrich II. gestiftet, s. die Fälschung St. 2933 und die
Urkk. Heinrichs II. ÜB. d. H. Steiermark I S. 108 Nr. 94 f., Paschais IL
S. 114 Nr. 97.
1106—1147 Reichenhall, St. Zeno, Aug.- Chorherren. Stiftung Kon-
rads L V. Salzburg, V. Chuonr. 21 S. 75.
um 1111 Berchtesgaden, St. Joh. u. Mart., Aug.-Chorherren. Von
Graf Berengar von Sulzbach gegründet, Fund. Scr. XV S. 1064, J.W. 6433.
1115—1137 Admont, Nonnen. Von Abt Wolvold gestiftet, Vita II
Gebeh. 15 S. 42.
um 1115 Baumburg, BA. Traunstein, St. Margaret, Aug.-Chorherren.
Von Graf Berengar v. Sulzbach gegründet, Fund. Scr. XV S. 1061; Schutz-
brief Paschais IL J.W. 6434.
2. Brixen.
985 — 993 St. Georgenberg bei Schwaz, Kanoniker. Gründung un-
bekannt. Die angegebene Zeit ergibt sich aus den Traditionen, Acta Tirol. I
S. 9 ff. Nr. 18, 39, 46, 47. In der letzten Urk. sind die clerici inservientes s.
Georgio ausdrücklich genannt; seit 1138 erscheint Georgenb. als Kl., J.W.
7895, Act. Tir. I S. 108 Nr. 509.
vor 1039 Sonnenburg, Suanapurc, im Tal der Rienz, Nonnen. Von
dem Diakon Volkold gestiftet, Sinnacher li S. 379 Nr. 79.
3. Freising.
934 Ebersberg, St. Sebastian, Kanoniker, seit 990 Benediktiner,
s. S. 383.
1021 Weihenstefan b. Freising. B. Egilbert entfernte die Kano-
niker und führte die Benedikt.-Regel ein, Ann. s. Steph. Scr. XIII S. 51,
vgl. Dipl. HI S. 581 Nr. 459.
1052—1078 Freising, St. Andreas, Kanoniker. Von B. Eberhard ge-
gründet, Meichelbeck 1, 1 S. 254 f. u. 274.
1074 Rottenbuch, Raittenbuch, BA. Schongau, St. Maria, Aug. -Chor-
— 1036 —
herren u. Nonnen. Von Herzog Weif und Altmann von Passau gestiftet,
Meichelb. 1, 1 S. 266, vgl. Bern. z. 1091 S. 452, Schutzbf Urbans II. v. 1092
.T.W. 5428. Hundt- öewold III S. 99: Fuisse ibi etiam mon. raonialium,
structurae satis indicant.
1077 St. Margaret in d. Zell, Interior cella, BA. Miesbach. Im a. J.
geweiht, dann an Hirschau übergeben, Chr. Schir. u. Ann. Schir. Scr. XVII
S. 616 u. 629, 1087 nach Fischbachau, St. Martin, BA. Miesbach, Dedic.
Scr. XV S. 1068, V. Wilh. 22 S. 218, J.W. 5923, vor 1104 nach Eisenhofen,
üsenhoven, b. Freising, J.W. 5988, endlich nach Scheiern, Schira, St. Martin,
BA. Pfaffenhoven, verlegt. Die letzte Verlegung fand sicher vor 1123 statt,
vgl. den Schutzbf Kalixts IL v. 1123 J.W. 7027. Das Chron. u. die Ann.
Schir. geben abweichende aber unmögliche Zahlen.
vor 1086 Rott a. Inn, BA. Wasserburg, St. Marin u. Anian. Von
PfG. Kuno gegründet, V. Marini et Aniani Scr. XV S. 1069, vgl. N.A. XIU
S. 22 und die Fälschung St. 2767.
vor 1087 Attel a. Inn, BA. Wasserburg, St. Maria u. Mich. Von Graf
Engelbert erneuert, M.B. I S. 266 Nr. 1.
1098 Dietramszell, BA. München, St. Martin, Aug.-Chorherren. Von
A. Udalrich v. Tegernsee gegründet, 1102 von B. Heinrich v. Freising beur-
kundet, M.B. VI S. 163 Nr. 10, Fund. Scr. XV S. 1071 f.
1121 Beuerberg, BA. München, St. Peter, Aug.-Cherherren. Von
Otto V. Euraspurg gegründet. Schutzbf Kalixts II. J.W. 6898.
vor 1123 Scheiern, Schira, BA. Pfaffenhoven, s. St. Margar. in
der Zell.
4. Gurk.
1041 — 1043 Gurk, St. Maria, Nonnen. Von der Gräfin Hemma von
Friesach gegründet, V. Chuonr. 4 S. 64; bei der Errichtung des Bistums
aufgehoben, Vita II Gebeh. 5 S. 37 f.
5. Passau.
vor 976 St. Polten, an d. Traisen, Österr. u. Enns, St. Hippolyt,
Kanoniker. Wiederhergestellt, s. S. 161.
vor 976 Passau, St. Salvator u. Maria. Nindernburg, Nonnen. Die
Abtei kommt 976 an das Bistum, Dipl. II S. 153 Nr. 136.
997 Hengersberg, Helmgeresberch , BA. Deggendorf, St. Maria,
Kanoniker. Von A. Godehard von Altaich gegründet, Vita I Godeh. 12
S. 177.
1019 Rinchnach, Günterszeil, BA. Regen, St. Johann. Von dem Ein-
siedler Günter gegründet, s. S. 631, vgl. M.B. XI S. 142 Nr. 28 u. XXVIII, 2
S. 210. .
1049 Ardacker, an d. Donau unterh. Enns, Kanoniker. Von B. Nitker
von Freising gestiftet, St. 2362, 1063 von Anno von Köln geweiht, Arch. f.
Österr. Gesch. 46 S. 467.
um 1050 Erlach, Erla, Erlaha, OÖsterr., St. Maria, Ptr. u. Joh. B.,
Nonnen. Von einem gewissen Otto gestiftet, Stiftungsurk. ÜB. d. L. o.
Enns II S. 86 Nr. 67; vgl. S. 256 Nr. 171.
vor 1056 Lambach a. Traun, St. Maria u. Kilian. Von Arnold, dern
Vater Adalberos v. Würzburg, als Stift gegründet, von Adalbero 1056 mit
Mönchen besetzt, V. Adalb. 7 u. 10 S. 131 ff.; Vita II Gebeh. 4 S. 37, der
Stiftungsbf ÜB. d. L. o. Enns II S. 89 Nr. 70 ist gefälscht.
um 1060 Garsten a. Enns, OÖsterr., St. Maria. Als Stift von MGr.
Otachar v. Steier gegründet, 1107 von seinem gleichnamigen Sohn in ein
Mönchski. verwandelt, DB. d. L. o. Enns II S. 121 Nr. 10, Ann. Mellic. z.
1107 S. 500, Auct. Garst, z. 1107 S. 568; Ann. Admont. z. 1108 S. 577, der
ältere Otachar war 1088 bereits tot, ÜB. I S. 117 Nr. 82.
1067 Passau, St. Nikol., Aug.-Chorherren. Von B. Altmann gestiftet,
V. Altm. 8 S. 231, Bern. z. 1091 S. 452 verfälschte Stiftungsurk. M.B. 28, 2
S. 213 Nr. 11, vgl. IV S. 293, u. KG. IV S. 341 Anm. 1.
— 1037 —
1072 Göttwei^, Cotewicb, bei Mautern, UÖsterr., St. Maria. Yon
Altmann v. Passau als Stift gegründet, V. Altm. 10 S. 232, 27 f. S. 237 ff.,
Vita II Gebeh. 4 S. 87, Ann. Gotwic. S. 601, 1088 geweibt, Ann. Gotwic,
Stiftungsurk. Altmanns von 1083 Font. rer. Austr. 11,8 Bd. 51 S. 6 Nr. 5f,
1094 in ein Kl. (Üoppelkl., s. V. Altm. 27 S. 237) verwandelt, V. Altm. 38 f.
S. 241, Bern. S. 460, Auct. Garst. S. 568.
vor 1084 Rannshofen bei Braunau, OÖsterr., St. Pankraz, Aug.-Chor.
herren. Von Heinrieb IV. gegründet und ausgestattet, so nach der ürk-
Konrads III. ÜB. d. L. o. E. 11 S. 198 Nr. 134. Die ältesten Traditionen
werden der Zeit um 1070 zugeschriebeii, I S. 207 flf. Nr. 1, 29, 32. Der An-
satz ist zu früh, da Heinrich den Kaisertitel führt.
1084 Reichersperg am Inn, OÖsterr., St. Michael, Aug.-Cborherren.
Von Werinher v. Reichersperg gegründet, Magni Reich. Chron. S. 447, ÜB.
d. L. o. E. I S. 281 Nr. 3.
1089 Melk, Medilich, a. d. Donau, UÖsterr., H. Kreuz, St. Peter u.
Kolom. Von MGr. Liutpold III. gegründet, 1113 geweiht, Ann. Mellic. S. 500 f.
Es scheint vorher ein Stift in M. bestanden zu haben.
um 1090 Vornbach, Formbach am Inn, BA. Passau, St. Maria u.
Martin; als Stift gegründet, 1104 durch d. Grafen Ekbert Abtei, s. ÜB. d.
L. 0. E. S. 625 Nr. 1.
um 1100 Suben, Subuna am Inn b. Passau, St. Lambert, Kanoniker.
Von den Vorfahren des B. Altmann von Trient gegründet, s. ÜB. d. L. o.
E. I S. 425 Nr. 1 u. 3, 1142 von ihm an Salzburg gegeben, behufs Ein-
führung der Aug.-Regel, H S. 205 Nr. 139; V. Chuonr. 20 S. 75.
1109 Seitenstetten, UÖsterr., St. Veit. Von den Besitzern, Regin-
bert und Udalschalk, an Passau geschenkt, von Udalschalk 1116 in ein Kl.
verwandelt, M.B. 28,2 S. 218 Nr. 12, S. 219 Anm. Auct. Garst. S. 568 und
Ann. Admont. S. 577 führen die Gründung zu 1112 an.
1112 St. Georg a. Donau, am Einfluß der Traisen, UÖsterr., Kano-
niker. Stiftungsbrief Udalrichs von Passau, Österr. Arch. IX S. 239; 1244
nach Herzogenburg verlegt, S. 298 Nr. 40.
1114 Klosterneuburg, UÖsterr., St. Maria, Säkularkanoniker. Ge-
gründet von MG. Liutpold, Cont. Claustroneob. S. 609, M.B. 28, 2 S. 94 Nr. 124;
1138 Aug.-Ghorherren, Cont. Claustr. S. 611, 1136 geweiht, a. a. 0. S. 613,
Ann. Mellic. S. 502.
6. Regensbnrg.
973 — 994 Regensburg, St. Paul, Mittelmünster, Nonnen, s. S. 381.
999 Prül bei Regensburg, St. Barthol. u. Veit, s. S. 384.
1002 Regensburg, Alte Kapelle, St. Maria, Kanoniker. Von Hein-
rich IL erneuert, Dipl. III S. 29 Nr. 26, S. 31 Nr. 28.
1037 Geisenfeld, BA. Pfaffenhofen, St. Maria u. Zeno, Nonnen. Von
dem Grafen Eberhard von Ebersberg gestiftet, M.B. XIV S. 180 f. u. 272,
Chr. Ebersp. post. 34 Scr. XXV S. 871, Hist. Weif. Weing. 7 S. 17.
vor 1079 Regensburg, St. Peter, Schotten. Das älteste Datum ist
die 1079 vom Abt Marianus geschriebene Handschr. der paul. Briete, Mon.
palaeogr. Lief. 10, 1; seit 1111 St. Jacob, St. 2894 u. 3084.
1109 Prüfening, Priefling, a. d. Donau b. Regensburg, BA. Stadt-
amhof, St. Georg. Stiftung Ottos von Bamberg, Relat. de piis op. S. 1157,
Mon. Priefl. 1,10 S. 886, Herb. 1,13 S. 713, Ann. Pruven. S. 606, Ratisp.
S 585
1118 Reichenbach a. Regen, BA. Roding, St. Maria. Von MG.
Dietpald gegründet, 1135 geweiht, Ried, Cd. 1 S. 177 Nr. 190 u. 192; Scr.
XV S. 1078 f.; Auct. Altah. S. 365.
1121—1123 Ensdorf, Enzisdorf, BA. Amberg, St. Maria, Joh. u. Jak.
Von dem vir nobilis Friedrich und seinem Schwiegersohn, Otto v. Wittels-
bach, gegründet, von Otto v. Bamberg 1123 geweiht, Ried, Cd. I S. 178
— 1038 —
Nr. 194, Fundat. Scr. XV S. 1080 ff., Ann. Scheffel, mal. S. 336, Relat. Scr. XV
S. 1157, Mon. Priefl. 1,11 S. 886, Herb. 1,13 S. 713, vgl. J.W. 7047. Das
Jahr 1123 ist nicht sicher; die Bemerkung Chunone in episcopatum assumpto
führt auf 1126.
V. Erzbistum Hamburg.
1. Bremen-Uamburg.
938 — 973 Heeslingen, Kr. Rothenburg in Hannover, St. Veit, Nonnen.
Von dem Grafen Hed gestiftet, Thietm. II, 42 S. 44, vgl. Adam II, 11 S. 49
u. Brem. GQ. III Nr. 1 S. 5. Die Urk. Dipl. I S. 98 Nr. 11 beweist, daß
das Kl. 937 noch nicht bestand; nach llS6 nach Zeven, Zeeuena, verlegt,
Ann. Stad. S. 323.
983 Repesholt, Hripesholt, Ostfriesland, St. Mortiz, Kanoniker. Von
einem gewissen Wendila gestiftet, 983 von Otto II. bestätigt, Dipl. II S. 357
Nr. 302, vgl. Adam II, 11 S. 49.
1001 — 1010 Harsefeld, Rosenfeld, Kr. Stade, St. Maria, Kanoniker.
Von dem Grafen Heinrich v. Stade gegründet, Adam 11,43 Cod. 4 S. 71,
Ann. Saxo z. 1010 S. 661, Ann. Stad, z. 1144 S. 325, Albiani z. 1001 Scr. rer.
Dan. I S. 200; von dem MG. Udo als Kl. erneuert 1102, Hamb. UB.I S. 118
Nr. 126 f., Ann. Rosenv. z. 1102 S. 102, Palid. S. 72, Ann. Saxo z. 1101
S. 735 — auch z. 1087 S. 724 — Ann. Magdb. z. 1101 S. 180.
1013—1030 Hamburg, Domstift St. Maria. Von EB. Unwan errichtet,
Adam 11,47 S. 74, vgl. oben S. 639,1; um 1140 von EB. Adelbero erneuert,
Hamb. ÜB. I S. 152 Nr. 162, vgl. Nr. 235.
1045 — 1072 Bremen, St. Paul, Kanoniker. Stiftung Adalberts, Adam
111,9 S. 101; die Ann. Hamab. S. 382 geben 1051 als Gründungsjahr an.
1139 in ein Kl. verwandelt, Urk. Adalberos Hamb. UB.I S. 150 Nr. 161.
1045 — 59 Süllberg, Sollemberg, bei Blankenese a. d. Elbe, St. Jak.,
Sekund. und die Thebäer, Kanoniker. Von EB. Adalbert gegründet,
Adam III, 9 S. 101, 25 S. 113. Die Hamb. Ann. geben auch hier 1051 als
Gründungsjahr. Daß das Stift 1059 bestand, zeigt die Urk. Hamb. ÜB. I
S. 81 Nr. 80.
1045 — 1072 Bremen, St. Stefan, Kanoniker. Gründung Adalberts,
Adam III, 9 S. 101.
1045—1072 Bremen, St. Willehad, Kanoniker; ebenso. 1139 auf den
Stefansberg verlegt, ÜB. I S. 148 Nr. 160.
1045 — 1072 Losum, Liastimona, bei Bremen, Kanoniker. Gründung
Adalberts, Adam III, 9 S. 101. Der Hof Lesum kam 1062 in Besitz Ham-
burgs, ÜB. I S. 86 Nr. 87.
1124Rastede in Oldenburg, St. Maria. Von dem Grafen Huno ge-
gründet und Rom übergeben, von Kalixt II. 1124 bestätigt, Hamb. ÜB. I
S. 127 Nr. 138, vgl. Nr. 150.
2. Mecklenburg.
? Mecklenburg, Nonnen; s. S. 137 u. 656.
3. Oldenburg.
? Lübeck, s. S. 656.
? Oldenburg, s. S. 656.
4. Ratzeburg.
'? Ratzeburg, s. S. 656.
— 1039 —
V^. Erzbistum Magdeburg.
1. Magdeburg.
937 Magdeburg, St. Moritz, s. S. 110, seit 968 Domstift.
966 Magdeburg, St. Job. Bapt., Kl. Bergen, s. S. 129.
975 Münchea-Nienburg, Anhalt, St. Maria u. Cyprian. Durch Ver-
legung von Tbankmarsfeld, s. S. 1017, entstanden.
992 Magdeburg, St. Andreas, Nonnen. Stiftung der Kaiserin Adel-
heid, Ann. Magdb. S. 158.
10. Jahrh.? Kalbe an d. Saale, St. Lorenz, Nonnen, s. S. 141 Anm. 1.
1012—1023 Magdeburg, St. Job. Ev.p Kanoniker. Stiftung des Eß.
Gero, Ann. Magdb. ». 1023 S. 168, Ann. Saxo S. 676.
1013 Magdeburg, St. Peter u. Nik., Kanoniker. Von Propst Walt-
härd gegründet, Gest. arch. Magdb. 16 S. 395, vgl. 19 S. 398.
1016 Magdeburg, St. Maria, Kanoniker. Von EB. Gero gegründet,
Stiftungsurk. von 1016, Cd. Anhalt. I S. 78 Nr. 100, Ann. Magdb. z. 1023
S. 168, Ann. Saxö S. 675, seit 1129 Prämonstr., ÜB. S. 3 Nr. 3 f., V. Norb.
post. 18 S. 695 f.
1114 — 1121 Halle a. S., Neuwerk, St. Maria u. Alex., Aug.-Chor-
herren. 1114 von Eß. Adelgot in Gibichenstein gegründet, 1116 nach Neu-
werk verlegt, 1121 von EB. Roger vollendet, Cbr. Mont. Ser. z. 1144 S. 145,
■ Cd. Sax. I, 2 S. 53 Nr. 62.
2. Brandenburg.
3. Harelberg.
? Lenzen, Kr. Westprignitz, s. S, 656.
4. Meissen.
968 Meißen, Domstift, St. Joh. Ev. u. Donat, s. S. 130 u. vgl. J.W. 3724.
1114 Würzen, St. Maria, Kanoniker. Von B. Heinrich gestiftet. Cd.
Sax. I, 2 S. 38 Nr. 45.
vor 1119 Riesa, Rieszowa, St. Maria u. Joh. B. Von B. Dietrich v.
Naumburg gestiftet, von B. Udo 1168 als Bosauisehe Zelle erneuert, J.W.
6766, Cd. Sax. I, 2 S. 239 Nr. 350.
5. Merseburg.
968 Merseburg, Domstift, St. Lorenz, s. S. 130, vgl. ÜB. d. H. Merse-
burg I S. 7 Nr. 6.
1004 Aldenberg bei Merseburg, St. Peter, Kanoniker. Das Stift
wurde wahrscheinlich bei der Wiederherstellung des Bistums errichtet, seit
1091 mit Mönchen besetzt, V. Wernh. 4 S. 248, Chr. ep. Mers. 11 S. 184;
vgl. ÜB. I S. 71 Nr. 82.
1092 Pegau, Kr.H. Leipzig, St. Jakob. Von Wiprecht von Groitsch
gestiftet, 1092 mit Mönchen besetzt, 1096 geweiht, Ann. Peg. S. 244 f.,
J.W. 5969.
6. Zeitz-Nauniburg.
968 Zeitz, Domstift, St. Peter u. Paul, s. S. 130, seit 1032 Kollegiat-
stift, s. S. 555.
vor 1030 Naumburg, St. Maria u. Georg, s. S. 555 Anm. 2.
1032 Naumburg, Domstift, St. Peter u. Paul. Durch Verlegung des
Bischofssitzes entstanden, s. S. 554f.
um 1032 Naumburg, St. Moritz, Nonnen, später Kanoniker, s. S. 555
Anm. 2.
vor 1066 SchmöUn, Zmulna, S.Altenburg, Nonnen, dann Mönche.
Von der Kaiserin Agnes gegründet und an das Bistum übergeben, Cd,
— 1040 —
Sax. 1, 1 S. 328 Nr. 132. 1132 mit Cisterz. besetzt, s. Bd. IV S. 562 Anm. 1,
1140 nach Schulpforta verlegt, s. Cd. Sax. I, 2 S. 99 Nr. 138.
1114 Bosau, Bosowa, bei Zeitz, St. Maria u. Joh. B. Von B. Diet-
rich gegründet, s. Reg. Thur. I S. 238 Nr. 1102, Stiftungsark. Dietrichs bei
Schöttgen u. Kreysig II S. 419 Nr. 2, Ekkeh. z. 1123 S. 261.
1118 Zwickau, St. Maria. Als Bosauer Priorat von der Gräfin
Bertha gegründet. Cd. Sax. I, 2 S. 45 Nr. 53.
vor 1119 Zeitz, St. Stefan, Kanoniker nach d. Regel Aug.'a. Von
B. Dietrich gegründet, J.W. 6766, 1151 werden Nonnen, 1185 Nonnen und
Regularkanoniker erwähnt, Forsch. V S. 429, Lepsius S. 56.
Beilagen.
1. Die literarische Hinterlassenschaft Adalberts von Prag.
Unter dem Namen Adalberts von Prag gehen einige Schriftstücke,
die Voigt im Anhang seiner Biographie zusammengestellt hat S. 345 fF.
Sieht man von V u. VI, zwei Bruchstücken, die Brunos Vita Adalb. ent-
nommen sind, ab, so sind es folgende: 1. das angebliche Autograph seines
Mönchsgelübdes, 2. die Passio s. Gorgonii samt dem Widmungsbrief an
Bischof Milo von Minden, 3. eine Homilie auf den h. Alexius, 4. ein
böhmisches und ein polnisches Lied. Voigt betrachtet die Echtheit der
Professio als zweifelhaft, die der beiden Lieder als ganz ungewiß, dagegen
hat er kein Bedenken gegen die Authentie der in Monte Cassino dem
Prager Bischof zugeschriebenen Rede und des an Milo gerichteten Briefs,
und nimmt er auf Grund des letzteren die Passio Gorg. für A. in An-
spruch. Ebenso urteilt Eaindl über die letzten Stücke, Mtt. d. Inst. XIX
S. 537, vgl auch Wattenbach, N.A. XXIII S. 273 f. Zurückhaltender äußern
sich die ßollandisten ; sie erinnern Anal. Boll. XVIII S. 1 ff., daß der Brief
zwar einem Bischof Adalbert angehört, daß sich aber eigentlich nicht be-
weisen läßt, daß dieser Adalbert der Prager Bischof war. Und sie zeigen,
daß, wenn es sicher wäre, daß der Apostel der Preußen ihn geschrieben
hat, die Abfassung der Homilie durch ihn um so zweifelhafter würde.
Denn der Brief und die ihm beigegebene Passio Gorgonii sind in Reim-
prosa geschrieben, dagegen die Homilie nicht. Soll man annehmen, daß
Adalbert zwei Stilarten schrieb? Und wenn nicht, was gehört ihm dann?
In Frage kommen nach dem Gesagten nur die Homilie und der. Brief,
bezw. die Passio. Adalberts Anspruch auf die Homilie beruht ausschließ-
lich auf deren Überschrift: Omilia Venerabilis Adelberti Episcopi et Mar-
tins. Denn die Rede gibt sich zwar als in einer Bruderschaft Roms ge-
halten, S. 363, aber nicht eine Wendung deutet auf den geflohenen Bischof
als Verfasser. Eher könnte man sagen, daß die dreimal wiedei-holte
Erinnerung an des Heiligen Gebet für Rom auf einen geborenen Römer
hinweist. Doch auch wenn man zugibt, daß kein Grund nötigt, die
Richtigkeit der Überschrift zu verwerfen, so ist damit für Adalbert als
Schriftsteller wenig gewonnen. Denn die Homilie ist nicht eine Arbeit des
Redners: sie ist in ihrer ersten Hälfte wörtliche Wiederholung der Homilie
Bedas über Benedictus Biscopius, in ihrer zweiten Rekapitulation der
Alexiuslegende. Sie gibt uns also, auch wenn die Überschrift im Rechte
sein sollte, nichts, was zur Charakteristik Adalberts dient.
So bleibt der Brief an Milo nebst der Passio. Was ihn anlangt, so
steht er in einem höchst eigentümlichen Verhältnisse zu einem Briefe Milos
an die Gorzer Mönche, bei Voigt S. 349. Beide sind Begleitschreiben zu
der Passio Gorgonii; das eine Mal sendet der Bischof Milo das von ihm
entdeckte Werk den Mönchen von Gorze, das andere Mal widmet der
Bischof Adalbert das von ihm vei-faßte Werk seinem Freunde Milo. Die
zwei Briefe sind also Doppelgänger, und zwar berühren sie sich nicht nur
Hauck, Kirchengeschichte. III. 66
— 1042 —
inhaltlich, sondern sie trefifeu auch in so zahlreichen Wendungen zusammen,
daß man urteilen muß: Entweder hat Milo den Brief- seines Freundes
Adalbert benützt, als er den Mönchen in Gorze schrieb, oder der Bischof
Adalbert verwertete den Brief Milos, als er seine Widmung an diesen
abfaßte.
Betrachtet man jeden Brief für sich, so beginnt das Schreiben Milos
mit der Erinnerung an einen Aufenthalt in Lothringen, der schon einige
Zeit zurückliegt, und bei dem er das Kloster Gorze kennen lernte. Die
Mönche nahmen ihn nicht nur ehrenvoll auf, sie erwiesen ihm mehr als
gewöhnliche Freundlichkeit, es dünkte ihn fast, er sei einer der Ihren. Bei
den Gesprächen kam man auf den gemeinsamen Schutzheiligen, Gorgonius,
ÄU reden: die Gorzer beklagten, daß sie der Passio und der Miracula des
Heiligen entbehrten, auch Milo kannte sie nicht; er faßte aber den festen
Vorsatz, Nachforschungen nach diesen Schriften anzustellen. In die Heimat
zurückgekehrt, führt er seinen Vorsatz aus: er sucht in diesem und jenem
Buch, und entdeckt schließlich, daß er den Schatz besaß, den nicht zu be-
sitzen er beklagt hatte: er findet — man wird anzunehmen haben — in
dem, dem Martyrologium Ados vorangestellten Kalendarium, daß der Tag
des Gorgonius am 9. September gefeiert wurde, und unter diesem Tag
findet er — im Martyrologium selbst — eine kurze Passio des Heiligen, und
sie schickt er nun nach Gorze.
Es ist klar, daß dies alles Hand und Fuß hat: man steht Verhält-
nissen gegenüber, die vorstellbar sind. Sie sind es um so mehr, da fest-
steht, daß Milo von Minden Lothringen kannte: er befand sich im Sommer
973 im Gefolge Ottos II. daselbst, Dipl. II S. 57 Nr. 48. Wir wissen, daß
damals auch der Abt Johann von Gorze, Immos dritter Vorgänger, am Hof
erschien und von Otto einen Gunstbeweis erhielt, S. 64 Nr. 54. Daß der B.
mit ihm und dann auch mit dem Kloster Beziehungen anknüpfte, liegt also
im Bereiche der Möglichkeit. Wir wissen femer, daß Minden ursprünglich
Petrus und Gorgonius geweiht war, daß aber der Dienst des Gorgonius
eine Zeitlang außer Übung kam: in den JJ. 961, 973, 975 wird der Dom
nur als ecclesia constructa in honorem s. Petri bezeichnet, Dipl. I S. 312
Nr. 227, n S. 57 Nr. 48, S. 110 Nr. 96; dagegen erscheint 977 neben Petrus
wieder der Märtyrer Gorgonius, S. 165 Nr. 147. Schrieb Milo den Satz V
id. Sept. Gorgonii et Dorothei solemnitatem per singulos annos fuisse na-
talem nach 977, so verliert das anstößige fuisse alles Unverständliche. Er
spricht im Blick auf die Zeit, in der man Gorgonius in Minden zwar als
patronus betrachtete, da man Gorg.-Reliq. hatte, sein Fest jedoch nicht
feierte. Mit einem Wort: Milos Brief gibt für sich betrachtet keinen An-
laß zu Bedenken.
Und nun der Brief Adalberts. Er beginnt mit der Erklärung, daß A.
sich gedrungen fühle, seinem Freunde Milo ein Geschenk zu machen, um
die Freundschaft zu erhalten. Er bietet ihm deshalb ein opusculum suae
rusticitatis, also eine von ihm verfaßte Schrift, an und bittet, sie nicht
zurückzuweisen. Sodann erinnert er seinen Freund, daß sie über die Gesta
Gorgonii gesprochen hätten, ob man von seinem Martyrium irgendwo etwas
finden könne. Auch habe Milo gezweifelt, wessen Genosse Gorgonius im
Martyrium gewesen sei. Deshalb habe er in vielen Büchern eifrig gesucht
und den 28. Aug. als Tag des h. Dorotheus und Gorgonius gefunden. Ihre
Passio habe er begierig ergriffen und schicke sie ihm nun. Man wird nicht
sagen können, daß dieser Brief sich durch Klarheit und Vorstellbarkeit
auszeichnet: schon der Anlaß des Geschenkes ist so allgemein, daß er kein
Anlaß ist; sodann ist unaufgeklärt, wie der Schreiber zu seinem Interesse
für den Heiligen kommt. Endlich bleibt ganz im Unklaren, was er seinem
Freunde schickt, ob ein eigenes Werk oder ein von ihm gefundenes fremdes.
Denn zuerst sagt er dies und nachher das. Hätte man nur die beiden
Briefe, so wäre weitaus die einfachste und deshalb die wahrscheinlichste
Lösung, daß der Brief Milos echt und der des Bischofs Adalbert eine im
Anschluß an ihn verfaßte Stilübung ist.
— 1043 —
Aber so einfach liegt die Sache nicht. Sie wird durch den in der
angeführten Abhandlung Anal. Boll. XVIII S. 12 geführten Nachweis kom
pliziert, daß wir in der Passio Gorgonii kein altes Werk besitzen. Sie ist
in Reimprosa geschrieben und stammt demgemäß frühestens aus dem Ende
des 10. Jahrhunderts, ihre Vorlage ist die Passio des Heiligen im Martyro-
logium Ados, S. 14 f. Weiter haben die Neo-Bollandisten auch darauf auf-
merksam gemacht, daß wie die Passio so Adalberts Brief in Reiraprosa ge-
schrieben ist. Vermuten sie daraufhin, daß hier und dort derselbe Mann
schreibt, daß also die Passio Gorgonii das opus seiner rusticitas ist, so hat
diese Vermutung die allergrößte Wahrscheinlichkeit für sich. Auch ist sie
ja genau genommen durch die Wendung im Briefe gefordert. Allerdings
ist auch Milos Brief in Reimprosa geschrieben; aber der Mindener Bischof
erhebt nicht den Anspruch, die Passio geschrieben, sondern nur, sie ge-
funden zu haben. Nun kann er die frühestens in seiner Zeit geschriebene
Passio nicht als ein altes Werk entdeckt haben: ist sein Brief wahrhaftig,
so hat er nicht sie, sondern eine Abschrift des Stückes aus Ado nach Loth-
ringen geschickt.
Wir stehen also einerseits einem Briefe gegenüber, dessen Inhalt für
sich kein Bedenken erregt, im Gegenteil durch urkundliche Notizen eine
ungesuchte Bestätigung findet, andererseits einem Schreiben, dessen Ur-
heber sich einen bekannten Namen gibt, ohne doch klar zu sagen, daß er
der Träger des Namens ist, an den jeder Leser zuerst denkt. Daß er der
Verfasser der Passio ist, die er bevorwortet, sagt er selbst und seinen An-
spruch bestätigt seine Weise zu reden. Ist bei dieser Sachlage wirklich die
einzige oder wenigstens die wahrscheinlichste Lösung die Annahme, daß
Milo die von ihm in Lothringen vermißte Vita weder gesucht noch ge-
funden, sondern von einem Freunde erhalten hat, und daß er dann dieses
ihm durch einen glücklichen Zufall in die Hand gespielte Werk als die
Frucht seines Suchens nach Gorze schickte? Ich gestehe, daß mir die
Wahrscheinlichkeit nicht gar groß scheint. Denn der Ruhm, den Milo
durch seine Lüge erhaschte : Repperi quod prius me non habere vehementer
extimui, ist so unbedeutend, daß man sich nicht vorstellen kann, daß er
um seinetwillen die Wahrheit sollte außer acht gelassen haben. Liegt es
dem gegenüber nicht näher anzunehmen, daß die Prefatio Adelberti epis-
copi in passionem s. Gorgonii ein betrügerisches Machwerk ist? Der
anonyme Verfasser der Passio suchte seinem Werke größeres Ansehen zu
geben, indem er ihm den Namen des Bischofs Adelbert anheftete; vielleicht
glaubte er auch den Ruhm Adelberts von Prag dadurch erhöhen zu können,
daß er ihn als Schriftsteller erscheinen ließ. Den Brief Milos muß er ge-
kannt haben : er mag mit dem Exemplar der älteren Passio Gorgonii, das
er für sein Werk benützte, in seine Hand gekommen sein. Und er diente
ihm dann für die Erfindung seiner Parallelgeschichte. Mit dem Prager
Bischof aber haben Brief und Passio nichts zu tun: er war kein Literat.
2. Der dem Bischof Haimo von Halberstadt zugeschriebene
Psalmenkommentar.
In der ersten Auflage dieses Werkes Bd. II S. 597 f. habe ich daran
erinnert, daß in den unter Haimos Namen gedruckten Kommentaren sich
Stellen finden, die von dem Bischof des neunten Jahrhunderts nicht ge-
schrieben sein können. Ich habe sodann auf manchfache Berührungen der
Gedanken mit den im Kreise der Hirschauer herrschenden Ansichten auf-
merksam gemacht, vgl. Bd. III S. 865, und daraufhin die Vermutung aus-
gesprochen, daß die Kommentare dem Hirschauer Mönch Haimo angehören.
Gegen meine Vermutung erhob Dümmler brieflich den Einwand, daß es
66*
— 1044 —
Handschriften der Haimokommentare gebe, die älter seien als der Hirschauer
Mönch, die Hypothese sei also undurchführbar. Das Gleiche erinnerte
Traube Poet. lat. III S. 422 Anm. 4. Er nannte als ältere Handschriften
den Cod. Laud. 37 und Harleianus 3026. Der letztere enthält die expositio
in apocal., der erstere den Jesajaskommentar. Ich bin der Sache weiter
nachgegangen und habe gefunden, daß es außer diesen beiden Handschriften
noch eine größere Anzahl anderer gibt, die vor das elfte Jahrhundert
zurückgehen. Ich nenne aus dem neunten: Epythoma succinctae expositio-
nis s. libr. Apocalypsis in Valenciennes, Catal. gener. Bd. 25 S. 226 Nr. 92,
Tractat. in Cant. cant. in Angers Bd. 31 S. 286 Nr. 290, Comm. in Genes.
in Rouen Bd. I S. 343 Nr. 1377, aus dem zehnten, Comm. in Jes. in Trier,
Keuffer, Verz. d Handschr. der Stadtbibl. zu Trier Bd. I S. 54 Nr. 64, ders.
in Vercelli, Bloch, N.A. XXII S. 122, Expos, s. evang. sec. Luc. in München,
Catal. cod. Latin. Bibl. Monac. 1,3 S. 74 Nr. 6217, Tract. in Cant. cant. da-
selbst Bd. 11,3 S. 198 Nr. 18665 u. 11,4 S. 4 Nr. 21539. Die Kommentare
zu Jes., d. H. Lied, Genes., Luc. stammen demnach sicher nicht aus dem
Kreise der Hirschauer, sie sind älter.
Die Stellen, von denen meine Vermutung ausging, stehen im Psalmen-
kommentar. Die wichtigste ist die Bemerkung zu Ps. 90 S. 510: Non time-
bimus a gravissima persecutione manifesta, qualis esset persecutio, si ali-
quis nefandus episcopus praedicaret et praeciperet fornicationem vel simo-
niam sicut Guibertus demens. Sodann kommt in Betracht zu Ps. 48, 12:
Tabernacula eoi'um duratura in progenie et progenie vocaverunt nomina
sua i. e. praenomina sua, ut dicatur palatium Tiberii, turris Crescentii et
hoc faciebant, ut memoria eorum ha.beretur, quae tarnen non erat nisi in
terris suis. Auch die Zusammenstellung monachi et boni canonici zu Ps.
101 S. 535, und zu Ps. 103 S. 547 ist bemerkenswert; denn sie setzt den
Gegensatz zwischen Regulär- und Säkularkanonikern voraus. Diese Stellen
beweisen, daß der Psalmenkommentar kein Werk des 9. Jahrhunderts ist.
Der Name turris Crescentii für die Engelsburg ist damals so unmöglich wie
die Polemik gegen Wibert und der Seitenhieb auf die Säkularkanoniker.
Der Psalmenkommentar, so wie er uns vorliegt, stammt sicher nicht von
einem Autor der Karolingerzeit; er ist frühestens ein Werk des ausgehenden
elften Jahrhunderts.
Dieses ist die Sachlage: man muß demnach den Psalmenkommentar
aus der Reihe der übrigen Kommentare ausscheiden und annehmen, daß
unter demselben Autornamen uns Werke verschiedener Verfasser überliefert
sind. Dies wird bestätigt durch die Angaben der mittelalterlichen Literar-
historiker: weder Sigibert noch der Anonymus Mellicensis nennen den
Psalmenkommentar. Der erstere sagt de scr. eccl. 135: Haymo exposuit
totum Paulum apostolum, apocalypsin, Isaiam, Cantica cant. et alia, der
letztere nennt c. 76 S. 80 als Werke des Mönchs Haimo von Auxerre die
Kommentare super apostol., in libr. apocal., super Cant. cant., super textum
duodecim prophetarum et super evangelia. Auch in den Consuet. Farf.
(um 1010) S. 186 wird Aynio super ep. pauli und super apocal. erwähnt.
Der Psalmenkommentar ist zum erstenmal von Erasmus aus einer
Handschrift des Augustinerchorherren stifts Marbach im Elsaß, Diözese Basel,
herausgegeben. Über den Verbleib dieser Handschrift etwas zu erkunden,
•ist mir nicht gelungen. Überhaupt waren Nachforschungen nach Hand-
schriften des Psalmenkommentars last ergebnislos. Zwar nennen die Hand-
schriftenverzeichnisse der Bibliotheken in Dresden, München und Bamberg
Handschriften mit dem Psalmenkommentar Haimos. Aber mit Unrecht.
Die Dresdener Handschrift A Nr. 60, Katal. d. Handschr. I S. 19 enthält
lediglich die Glossa ordinaria des Walahfrid Strabo. Die Münchener, Nr.
13583 11,2 S. 115 ist ein Bruchstück; sie beginnt in der Auslegung des
110. Ps. und erklärt das Buch zu Ende; doch fehlt der Schluß. Zum Namen
Haimos kam sie dadurch, daß eine Hand des 15. Jahrb. 's am unteren Rand
des 1. Blatts bemerkt hat: D. Haymonis. Aber mit Haimo hat dieser
Kommentar nichts zu tun; er enthält scholastische Exegese des 12. Jahr-
1045
hunderts; man braucht nur die erste Seite zu Ende zu lesen, so findet man
die Interlinearglosse des Magister Anselm von Laon zitiert. Endlich ent-
hält auch die Bamberger Handschrift Nr. 57 (B 11, 19) nicht den von Eras-
mus herausgegebenen Kommentar. Sie wird am Schlüsse als Liber s. Mich,
in monte Babenb. scriptus a. d. J. 1186 bezeichnet; aber auch sie ist ein
Bruchstück; denn es fehlt ihr der Anfang. Sie enthält überhaupt keinen
Psalmenkommentar, sondern die Homilien zu den Psalmen, die unter der»
Titel Hieronymi breviarium in psalmos gehen, Migne 26 S. 821 ff. Die
einzige mir bekannt gewordene Handschrift der Haimonschen Psalmenaus-
legung befindet sich im Kloster Maria Einsiedeln, Catal. cod. manuscr. Mon.
Einsidl. descr. G. Meier Bd. I S. 336. Dank dem Entgegenkommen der Ver-
waltung der dortigen Bibliothek konnte ich sie einsehen. Sie enthält auf
acht Blättern, wovon eins verletzt ist, ein kleines Bruchstück des Kommen-
tars, nämlich die Auslegung von Ps. 109,1 — 118,9, und ist in einer klaren,
aber stark abkürzenden Schrift des 12. Jahrhunderts geschrieben. Der Text
zeigt eine Menge Abweichungen von dem bei Erasmus bezw. bei Migne.
Aber sie betreffen stets nur Worte, nicht die Auffassung als solche; auch
finden sich nirgends größere Stücke, die bei Erasmus fehlen, oder fehlen
solche, die man bei Erasmus liest. Dessen Text wird also im großen und
ganzen, als der im 12. Jahrhundert verbreitete bestätigt.
Man muß und kann demnach bei der Beurteilung des Psalmen-
kommentars nach wie vor den Druck des Erasmus zugrunde legen. Gigalski,
Bruno von Segni S. 228, der den Kommentar trotz Wibert und dem Cres-
centiusturm als Werk des Halberstädter Bischofs betrachtet, bezeichnet ihn
als einen kürzeren Auszug des Kommentars von Cassiodor mit Benützung
von Augustinus. Aber diese Charakteristik ist irreführend. Der Kommen-
tar gehört nicht in die Reihe der exzerpierenden, sondern der bearbeitenden
Werke und er folgt Cassiodor, den er benützt, keineswegs überall. Die Art
der Benützung zeigen folgende Beispiele:
1. Berührung in Wort und Gedanke^ Ps. 1,5.
Cassiodor S. 31 B: Et folium eins
non decidet. Id est sermo ipsius
nuUo casu a veritate discedit . . .
sicut in evangelio legitur: Coelum
et terra transibunt etc. Et intuere
domini verba foliis arboris comparata,
quia sicut illa fructus tegunt, sie
promissiones suas et ista custodiunt.
Haimo S. 199D: Et folium eius,
i. e. sermo eius nullo casu a veritate
defluet i. e. decidet. Sic etenim do-
minus ait: Coelum et terra etc. Ser-
mo significatur per folium, quia sicut
folium protegit et decorat fructum
sie verba Christi dona decorant et
protegunt.
2, Übernahme des Gedankens mit selbständiger Ausführung, Ps. 90.
Cassiodor S. 650 C: Divisio psalmi.
in prima parte Psalmista profitetur
omnem fidelissimum divina protecti-
one vallari, (v. 1 — 6). Secunda lau-
dem decantat domino salvatori, (v.
7 — 13). Tertia verba sunt patris ad
omnem fidelem, quem in se devo-
tissime sperare cognoscit et in mun-
do isto defensionem et in futuro illi
praemia compromittens, (v. 14 — 16).
Haimo S. 508 D: Modus. In pri-
ma parte ostenditur, qualis sit ille
qui a Deo liberatur scilicet sperans
omnino in domino. Ostenditur in
eadem parte, qualis sit protectio Dei
et a quantis periculis et quam infi-
nitis fiat illa Dei protectio, (v. 1 — 6).
In secunda parte ostendit quod
Christus malos qui suos hie multis
tentationibus persequuntur tandem
damnabit et suos remunerabit, (v.
7 — 18). In tertia parte inducit pro-
pheta Deum promittentem membris
Christi et in hac vita protectionem
et post hanc se datürum aeternitatem
(v. 14—16).
3. Übernahme des Gedankens mit abweichender Ausführung, Ps. 51.
Beide beziehen den Ps. auf den Antichrist, Cassiodor zerlegt ihn jedoch
in vier, Haimo dagegen in drei Teile, s. S. 373 B.
— 1046 —
Der Psalmenkommentar ist somit eine vergleichsweise selbständige
Leistung. Läßt sich nun die Zeit söiner Entstehung bestimmen? Der
terminus post quem ist durch die Erwähnung Wiberts gegeben: nach 1080.
Der terminus ante quem ergibt sich aus dem literarischen Abhängigkeits-
verhältnis, in dem die Kommentare Brunos von Segni und Honorius' von
Autun zu ihm stehen. Zwar sind die meisten der Stellen, die Gigalski
S. 229 S. gesammelt hat, um die Abhängigkeit Brunos von Haimo darzutun,
nicht beweisend ; denn sie erklären sich aus der anerkannten Benützung
Cassiodors bei beiden. Aber seine Bemerkung, daß Bruno den Haimo-
kommentar kannte, ist trotzdem richtig. Den Beweis "bieten Stellen wie
die Auslegung von Ps. 100,8. Das Verständnis ist verschieden; denn nach
Haimo spricht David vel quicunque iustus, nach Bruno die Kirche. Um so
bezeichnender ist das Zusammentreffen im Wort, das sich hier nicht aus
der Benützung Cassiodors erklärt, der völlig andere Wege geht.
Haimo S. 532C: Ideo separabam | Bruno S. 181 A: Ecclesia omnea
me a talibus, quia interficiebam i. e. i peccatores se in matutino interfe-
interficiendos intelligebamomnespec- i cisse dicit, quia eos in iudicio dam-
catores terrae in matutino i. e. in | nandos et interficiendos esse iudicavit.
iudicio. i
Daß auch Honorius die Auslegung Haimos kannte, zeigt z. B. die
Auslegung von Ps. 1. Aus Cassiodors Worten: Lex domini est in decli-
nandis peccatis sancta praeceptio S. 29B macht Haimo: Lex Dei est in
devitandis peccatis bonisque perpetrandis sancta praeceptio, S. 198 C, und
dieser Gedanke erhält bei Honorius die Form: Lex domini est mala devi-
tare et bona facere, S. 276 B. Aus Haimos Satz: Quoniam novit dominus i.
e. approbat iustos et viam iustorum, S. 200 D, wird bei Honorius: Quoniam
novit dominus vitam iustorum i. e. approbat vitam illorum.
Bruno schrieb seinen Kommentar in der Zeit von 1100 — 1110 (Gigalski
S. 226), der des Honorius ist jedenfalls nicht älter. Somit ist der Haimo-
kommentar zwischen 1080 und 1110 verfaßt.
Doch trägt er den Namen Haimos mit Recht? Nach dem oben Ge-
sagten mangelt das handschriftliche Zeugnis und die Bestätigung durch die
mittelalterlichen Literarhistoriker, unsere einzige Autorität ist Erasmus, der
den Verfasser seines Kommentars Haymo, monachus, abbas et episcopus
nennt. Das Bedenken liegt nahe, daß Erasmus mit seiner Marbacher Hand-
schrift ebenso verfuhr, wie man vor und nach ihm mit den Handschriften
in Dresden, Bamberg und München verfahren ist : er kann einem anonymen
Werk den Namen eines bekannten Exegeten gegeben haben. Aber das
Bedenken ist wahrscheinlich grundlos. Die Berliner Bibliothek besitzt einen
ungedruckten Psalmenkommentar aus dem 12. Jahrhundert, in dem der
Haimokommentar benützt und genannt ist, s. Rose, Die Meerman-Handschr.
S. 7 Nr. 7. Es steht somit fest, daß unser Psalmenkommentar im 12. Jahrh.
als Werk eines Haimo bekannt war; nur die Bezeichnung des Verfassers
als monachus, abbas et episcopus wird auf Rechnung des Erasmus kommen.
Ich fasse zusammen: Wir stehen einem Werke gegenüber, das
zwischen 1080 und 1110 entstanden ist, das aus dem Kreise der heftigsten
Gregorianer hervorging, das in Siidwestdeutschland bekannt war und dessen
Verfasser den Namen Haimo trug. Fragt man, wer dieser Haimo war, so
scheint mir alles für den Mönch von Hirschau zu sprechen: er war in dieser
Zeit literarisch tätig, er gehörte der gregorianischen Partei an, daß sein
Werk nach Marbach und Maria Einsiedeln kam, ist bei den engen Be-
ziehungen dieser Klöster zu Hirschau verständlich; selbst die Zusammen-
stellung monachi et boni canonici findet durch das Zusammengehen Mane-
golds mit den Hirschauern eine ungesuchte Erklärung. Ich glaube somit
meine frühere Hypothese mit Einschränkung auf den Psalmenkommentar
festhalten zu sollen.
Unbeantwortet muß ich die Frage lassen, wer der Verfasser der
übrigen Kommentare war. Hier müßte zunächst festgestellt werden, was
die Handschaiften wirklich enthalten. Denn meine Erfahrungen beim
— 1047 —
Psalmenkömmentar beweisen, daß dieser Name sehv verschiedenes Gut deckt.
Daß es bei den übrigen Kommentaren nicht anders ist, lehrt eine freund-
liche Mitteilung des Herrn Bibliothekar Dr. Fischer in Bamberg über Cod.
Bamb. 89 B. II, 20 saec. XI. Auch dort ist die Bezeichnung Haymonis ex-
positiones von neuer Hand und sind die Kommentare nicht die unter
Haimos Namen gedruckten.
3. Zum Wormser Konkordat.
Man hat längst bemerkt, daß die beiden Urkunden, in denen der
Worraser Friedensschluß niedergelegt ist, sich nicht genau entsprechen.
Der Kaiser überläßt die Investitur Gott, den Aposteln und der katholischen
Kirche, dagegen gesteht der Papst Kaiser Heinrich V. zu, daß die Wahlen
der deutschen Bischöfe und Äbte in seiner Gegenwart stattfinden. Dort ein
Verzicht .-^u gunsten der Kirche als solcher, hier ein Zugeständnis an eine
einzelue, namentlich genannte Person. Die verschiedene Formulierung der
gegenseitigen Zugeständnisse führte zu einer sehr verschiedenen Wertung
ihrer Bedeutung. Der Unterschied ist jüngst von Schäfer mit großer Be-
stimmtheit dahin ausgesprochen worden, daß die kaiserliche Urkunde ein
Zugeständnis für alle Zeiten enthalte, eine völkerrechtlich bindende, dauernde
Verpflichtung, deren Lösung nur mit Einwilligung des Urkundenempfängera
möglich war, während der Inhalt der päpstlichen Urkunde mit dem Tode
eines der beiden Vertragsschließenden seine Bedeutung verlor, Abbandl. der
Berliner Akademie 1905. Schäfer beweist nicht eigentlich sein Verständnis
des Vertrags, er setzt es auf Grund des Wortlauts als unanfechtbar voraus.
Er erklärt: Wer es anders ansieht, muß sich gegenwärtig halten, daß er
sich mit dem Inhalt der urkundlichen Quellen im Widerspruch befindet, S. 7.
Ist dies Verständnis des Wormser Konkordats wirklich unanfechtbar?
Am 12. April 1111 räumte, wie bekannt, Papst Paschal II. Heinrich V.
die Investitur der Bischöfe ein. Sein Zugeständnis hat folgenden Wort-
laut: Illam dignitatis prerogativam, quam predecessores aostri ?estris pre-
decessoribus catholicis imperatoribus concesserunt et pr.v^'egiorum paginis
confirmaverunt, nos quoque dilectioni tuae concedimus ei ^. asentis privüegii
pagina confirmamus, ut regni tui episcopis vel abbatib.is libere preter vio-
lentiam et simoniam electis investituram virgae et anuli conferas. Man
üieht: dio Formulierung ist dieselbe, wie in der päpstlichen Urkunde von
1122: was der Papst zugesteht, gesteht er dem mit ihm verhandelijtden
Kaiser zu. Hat man nun auch über das Privilegium von Uli zu urteilen,
es habe nur persönliches Recht schaffen sollen, das mit dem Tode des
Kaisers erlosch? Niemand wird das für wahrscheinlich halten. Denn
Heinrich V. hätte sich dann mit einem kleinen Zugeständnis begnügt,
während er in der Lage war, das größte zu erzwingen. Doch braucht man
hier nicht zu fragen, was wahrscheinlich und was unwahrscheinlich ist.
Denn hier kennen wir die Bedeutung des päpstlichen Zugeständnisses ganz
genau. Es ist die Ausführung der Zusage: Domnus papa Paschalis coneedet
domno regi Heinrico et regno eins et privilegio suo sub anathemate con-
firmabit et corroborabit, episcopo vel abbate libere electo sine simonia
assensu regis, quod domnus rex illum anulo et virga investiat, Nr. 91 S. 142.
Das Zugeständnis war dem König und dem Reiche gemacht. Trotz der
Fassung des Privilegiums erlosch es also nicht mit dem Tode Heinrichs,
Wie die persönliche Fassung des Privilegiums zu verstehen ist, braucht
man nun auch nicht zu erraten. Denn hierüber gibt die römische Relation
authentische Auskunft, Sie wurde so wenig als eine Einschränkung des
Zugeständnisses betrachtet, daß sie vielmehr als eine Verschärfung erschien,
Nr. 99 S. 149: Restabat illa exactionis et extorsionis portio, ut de investi-
ture permissione Privilegium regi personaliter scriberetur.
— 1048 —
Icli ziehe aus dem Gesagten nicht den Schluß: Was 1111 der Fall war,
war auch 1122 der Fall; wie dort das persönliche Privilegium Ausführung
des dem Reiche gemachten Zugeständnisses war, so auch hier. Denn dieser
Schluß wäre voreilig. Aber soviel scheint mir der Vorgang von 1111 aller-
dings zu beweisen, daß die persönliche Fassung eines Privilegiums nicht
ohne weiteres zu der Annahme einer bloß persönlichen Geltung desselben
führt. Trotz der Fassung der Wormser Urkunde muß die Frage, wie sie
gemeint war, erst untersucht werden.
Beginnen wir mit der Frage: Wie haben sie die Zeitgenossen ver-
standen? In der Chronik Ekkehards werden die beiden Urkunden mit
folgenden Worten eingeleitet: Qualiter (Heinricus) aecclesiasticas investi-
turas, caeteraque spiritalia negotia, quae tanto tempore reges Teutonici
administraverant, quaeque ipse, ne regni diminueretur honor, nunquam vita
comite dimissurum proposuerat, humiliatus pro Christo coram multitudine
masima abnegaverit et in manus domni episcopi Ostiensis ac per ipsum
domino nostro Jesu Christo suaeque in perpetuum ius aecclesiae dimiserit,
rursumque qualia sibi ob honorem regni conservandum auctoritas aposto-
lica concesserit, utriusque partis melius edocebunt scripta, Scr. VI S. 259 f.
Hier sind die beiden Urkunden als inhaltlich entsprechend gedacht: wie
der Kaiser sein Zugeständnis an die Kirche macht, so der Papst das Seine
ob honorem regni conservandam. Dieselbe Vorstellung • herrscht in der
Paderborner Fortsetzung der Hildesheimer Annalen S. 66, bezw. in den
Paderborner Annalen S. 141 : Imperator ut ecclesiasticae iusticiae satisfaceret,
investituras ecclesiasticarum dignitatum s. Petro remisit, ita dumtaxat ut
libera electione precedente et canonum gravitate conservata imperialis^ auc-
toritas quod sui iuris est in constituendis episcopis sive abbatibus vel abba-
tissis non amitteret et si in constituendis his dignitatibus discordia, ut sepe
fit, oboriretur imperialis potestas consilio sapientum contrariet. Nicht minder
begegnet man ihr in den Ann. Eosenv. S. 104: Canonica auctoritate sanc-
citum est, ne amplius sibi regalis potestas usurparet investire spiritualia
sed Libera electio fieret a clero et populo et sie insigniretur regalibus per
sceptrum, und in der Summa des Honorius Scr. X S. 131 : Heinricus eccle-
siae concessit, ut iure ecclesiastico episcopos et abbates electione cleri et
populi constituat, electus a rege regalia accipiat, und ist sie in der be-
kannten Bemerkung Ottos von Freising vorausgesetzt; die gleiche Auf-
fassung ist in jüngere Werke (Kölner Königschronik, sächsischer Annalist)
übergegangen. Die angeführten Stellen sind, wenn mir nichts entgangen
ist, die sämtlichen Aussagen von Zeitgenossen, die über die Bedeutung des
Wormser Konkordats handeln; denn die bloße Erwähnung des Friedens-
schlusses oder des Verzichtes auf Ring und Stab sagt nichts. Keinem dieser
Männer kommt auch nur der Gedanke, daß die Geltung des päpstlichen
Privilegiums mit dem Tode Heinrichs zu Ende sein könnte; sie alle be-
trachten es in derselben Weise als dem regnum gewährt, wie der Verzicht
Heinrichs der Kirche zu gut gemacht ist.
Es stehen sich also nicht nur verschiedene Ansichten der Gelehrten
der Gegenwart gegenüber, sondern das Verständnis des Wormser Konkor-
dats bei denen, die es miterlebten, und bei Späteren.
Welches ist im Rechte? Hier muß man, wie ich glaube, ausgehen
von dem Würzburger Abkommen von 1121. Durch dasselbe verpflichteten
sich die Fürsten in bezug auf die Investitur: sine dolo et sine simulatione
elaborare intendunt, ut in hoc regnum honorem suum retineat, Nr. 106
S. 158. Es handelte sich für sie zuvörderst um das Reich; sie sagen kein
Wort vom Kaiser. Nun wird nirgends der Vorwurf erhoben, daß sie ihre
Zusage brachen. Schon dies präjudiziert dem Verständnis der Wormser Ur-
kunde; denn in Verhandlungen mit den Fürsten ist der Vertrag zustande
gekommen, den sie verlautbart. Auch zeigt , wie mich dünkt, ihr Inhalt,
daß die Fürsten ihrem Versprechen gerecht wurden. Das liegt darin, daß
der Kaiser nicht auf die Investitur an und für sich, sondern auf omnem
— 1049 —
investituram per anulum et baculum verzichtete. In dem Abkommen von
1119 hatte es geheißen: Dimitto omnem investituram omnium ecclesiarum,
Nr. 104 S. 157. Aber an diesem Satz war das Abkommen gescheitert.
Man fürchtete päpstlicheraeits , daß der Kaiser trotzdem die Bischöfe mit
dem Kirchengut investieren würde, d. h., daß er seinen Verzicht nur von
der geistlichen, nicht aber von der weltlichen Investitur verstehe, Hess. rel.
S. 25; man wollte ihm überhaupt keine Investitur zugestehen. Verstän-
digte man sich nun in Worms über die Formel „Investitur mit Ring und
Stab", so scheint mir einleuchtend, daß durch das Eingreifen der Fürsten
die kaiserliche Fassung Recht behielt. Verständlich war die Wormser
Formel für jedermann ; man hatte ja seit Jahren von dem unterschied zwischen
der geistlichen und der weltlichen Investitur gesprochen und geschrieben.
Dem Verzichte auf die geistliche Investitur in der kaiserlichen Urkunde,
entspricht die Anerkennung der weltlichen in der päpstlichen. Kalixt sagt
nicht, er räume sie ein oder gestehe sie zu, sondern er sagt nur: Electus
regalia per sceptrum a te recipiat et quae ex his iure tibi debet faciat.
Das ist schwerlich zufällig. Denn auch die entschiedensten Gregorianer haben
nie geleugnet, daß die Bischöfe die Regalien vom Reiche haben und dem
Reiche dafür verpflichtet seien. Man vergleiche die Schilderung, die Bert-
hold von der Einsetzung Wigolds von Augsburg gibt, oben S. 841 Anm. 5.
In der Form des Satzes liegt also, daß der Papst ein von dem Kaiser
beanspruchtes Recht auch seinerseits anerkennt; aber er schafft nicht dieses
Recht durch sein Privilegium. Das hatten die päpstlichen Unterhändler
schon bei der Besprechung v. 24. Okt. 1119 unumwunden anerkannt: Non
enim domnus papa statum imperii aut coronam regni in quolibet imminuere
adtemptat. Immo palam omnibus denunciat, ut in exhibitione miliciae et
ceteris omnibus, in quibus tibi et antecessoribus tuis servire consueverant,
modis omnibus deserviant, Hess. rel. S. 25. Der Satz „quae ex his iure tibi
debet, faciat" ist diese denuntiatio; sie ist nur etwas verschärft, indem an
die Stelle der consuetudo das ins tritt. Das Neue, was in Worms erreicht
wurde, ist die Anerkennung der weltlichen Investitur; 1119 war sie zurück-
gewiesen worden; jetzt wurde zwar das Wort vermieden, aber es wurde
anerkannt, daß der Bischof die Regalien vom König empfängt. Es ist dem
Sachverhalte nach klar, daß von einer päpstlichen Gewährung dieses Rechtes
nicht die Rede sein kann. Ist dies richtig, dann ist ausgeschlossen, daß
die Belehnung mit dem Szepter als mit dem Tode Heinrichs hinfällig be-
trachtet wurde: sie war ihrer Natur nach Königsrecht und dauerte deshalb
unangesehen die Person des Königs. Bezüglich des zweiten Satzes der
päpstlichen Urkunde wird also das Verständnis der Zeitgenossen dem der
Späteren gegenüber im Rechte sein. Was den ersten Satz anlangt, so sind
wir über seine Entstehung durch den Brief Adalberts von Mainz an den
Papst unterrichtet, ©p. Bamb. 25 S. 519. Wir erfahren hier, daß das Zu-
geständnis in bezug auf die Wahl der Preis war, durch den der Verzicht
auf Ring und Stab erkauft wurde. An sich ist die Möglichkeit natürlich
nicht ausgeschlossen, daß es sich hier um ein persönliches Zugeständnis
handelte. Aber wenn Adalbert seinen Bericht damit beginnt, daß das Reich
den Besitz von Riug und Stab in Anspruch nahm, wenn er bemerkt, daß
alle Laien ihn als destructor imperii schalten, weil er dies nicht gelten
ließ, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Verzicht auf ein Reichsrecht
den Fürsten durch ein persönliches Zugeständnis an Heinrich abgekauft
werden konnte, so gering, daß man sie als nicht vorhanden betrachten darf.
Es ist demnach auch in bezug auf diesen Satz nahezu sicher, daß das im
12. Jahrhundert herrschende Verständnis richtig war.
Das Wormser Konkordat sollte der Friedensschluß zwischen dem
regnum und dem sacerdotium , nicht nur der zwischen Heinrich V. und
Kalixt 11. sein. Natürlich ist das Verständnis des Wormser Konkordats
maßgebend für die Beurteilung der Kirchenpolitik der Nachfolger Hein-
richs V. Doch habe ich davon hier nicht zu handeln.
Literaturübersicht.
Die Bd. I, 3. 4 S. 603 ff., Bd. II, 2 S. 811 ff. u. Bd. IV, i- 2 S. 984ff. angeführten
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I
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Kaiserin, Königin. Kd. = Kardinal. KL. = Kardinallegat. L. = Lehrer.
M. = Mönch. MG. = Markgraf. N. = Nonne. P. = Papst. PG. = Pfalz-
graf. Pr. = Priester.
Aachen 23 f. 25. 27. 256.
338. 54L
Aachener Statuten 697 f
Aorhus 58, 5. 99. 106.
255. 635,2. 660.
Abbo, A. 262,4. 263. 498.
529
Abendmahl 36. 38. 50.641 .
Aberglaube 166. 535.
Abodriten 72, 1. 76. 108.
136 f. 253. 647 f. 654.
734 f.
Abraham, B. 57,1.2. 154.
159. 319. 328. 382. 395.
Abteien, königl. 56,1 . 450.
Adalbero
B. V. Augsburg 49. B.
V. Basel 459. 546. L,
B.V.Metz 19.353-361.
368, 3. 447, 3. IL, B. v.
Metz 252, 3. 337.361,1.
365. 368 f. 404. 464.
467. 567,4. III, B. v.
Metz 597. B. v. Worms
726. B. V. Würzburg
580.611. 668. 736. 738.
773. 775,3. 791.792,2.
798.821.839—850.862.
940. 1025. EB.v.Rheims
469. H. V.Kärnten 65 f
542. Neffe Ulrichs v.
Augsb. 50—52. 68,5.
Propst in Trier 402.488.
Adalbert
A. V. Gorze 354, 1. A.
V. Hornbach 360, 6. A.
V. Weißenburg 30. 314.
385, s. A. EB. V
deburg. B. v. Passau
28,4. 161—163. 166.
B. V. Prag 176. 185, 2.
200. 243. 257. 266.
271 f 328.415,3. B. v.
Worms790. 798. 800,2.
815. 839 ff. 888. D. in
Metz 322. EB. v. Ham-
burg 82. 607. 649—664.
707. 720 f. 724. 729 f
735. 751. 946. 1018.
EB. V. Magdeburg 30.
55,1. 127 ff. 138. 144.
EB. V. Mainz 893. 896
—922.1014. EB.v.Ra-
venna 408. 522. G. v.
Calw 867. G. in Loth-
ringen 504, 1. G. V.
Marchtal 50. G. im
Thurgau 8. M. in St.
Emmeram 379. MG. v.
Ivrea 214. Sohn Be-
rengars 221.
Adalbold, Adelbold, B.
324, 2. 406, 4. 431, 2.
486 f. 503,3. 948. 974.
Adaldag, EB. 28. 52. 91
— 94.100.103.105.110.
136 f. 208,6. 646.
Adalgar, EB. 52, 4. 80, 2.
Adalward
B.v.Sictona 662. 663,5.
B. V.Verden 12. 14,3.
17,3. 18,4. 83. 91.
Adam 89,3. 946—948.
Adel 490 f. 629, 4.
Hauck, Kirchengeschichte. III.
Adelart, Adalard,A. 485,4.
503,5.
Adelgot,Adelgoz,EB. 893.
895. 907,5. 910,5. 911.
Adelheid
Ä.v Gandersheim 577,6.
Gemahlin Ottos L 216 ff.
258, 1. 385. 461. 1024.
Gemahlin Heinrichs IV.
862. MG. 807, 1.
Adelmann, L. 963.
Adso 322,3.
Adventius, B. 354, 1.
Adventszeit 531, 5. 553f.
Afrika 614.
Aga 63.
Agapetn., P. 45,7.68,3.
93. 99,2. 115 ff. 207.
210,7. 218. 220.
Agilward, B. 404, 3.
Agnes
Gemahlin Heinrichs lU.
498. 576. 666—672. 698
—702. 706—715. 731.
771. 794,4.
Akklamation 54.
Alawich, A. 386.
Alba 750.
Alberade, Ä. 548, 8.
Alberich
B. V. Osnabrück 546, 7.
B. V. Wendila 660,2.
Konsul 212 f 218.220.
d. j. 521. 559.
Albin, A. 547, 1.
Albuin, Albwin, Alboin
B. V. Brixen 162, 1.
67
— 1058
Einsiedler 322. Schrift-
steller 802, 2.
Alebrand -Bezelin, EB.
566. 648,. 648. 651.
Alemar, L. 327, 3.
Aletram, A. 371.
Alexander
B. V. Lüttich 912, 1.
919,4. IL, P. 659,2.
662. 704—753.
Alf ker, A. 459, 5.
Alfons, K. 757.
Alger 962.
Almerich, L. 571, 6.
Almosen 293. 396.
Altenburg 131,3.
Altmann
A. V. Ebersberg 577. B.
V. Passau 668.780.794,4.
798f. 805,6.817. 839 ff.
862. 929.
Altmark 71.
Altwin, B. 729. 791, 2.
798.
Amalar 39, 2. 1
Amalrich, B. 28. 110, 3.
Amalung, Amolong, B.
28. 95. 110,3.
Ambrosius 284. 321.
Anatrog 648, 5.
Ancona 691.
Andernach 26.
Andreas
A. V. Montfaueon 351.
B. V. Olmütz 883,3.
Angilbert, A. 370,3.
Angilram 439.
Anno
A. V. St. Gallen 276, 2.
A. V. St. Moritz, B. v.
Worms 38. 110. 112.
B. v: Freising 57,1.2.
EB. V. Köln 94, 5. 580.
668.698.712—730.736.
738. 751 f. 772. 781.
786. 864.
Anonymus
collectio Anseimo de-
dicata 439. de corpore
et "sang. dom. 319 f.
de exord. vel interpr.
ac offic. ep. 53, 1. de
discord. pap. et reg. 855.
de investitura ep. 896.
de ordin. pontif. 599.
de unitate eccl. 855.
de vitanda missa 905.
Divers, sent. patr. 610,
Ecbasis captivi 318.
Über prorae et puppis
974. vita Heinrici 949.
Anselm
L, B. V. Lucca 667. 672.
693. 695 f. 699. 703, s.
Alexander IL P. IL, B.v.
Lucca 771. 839. 854.
857. 961. EB. v. Can-
terbury 895. d. Peri-
patetiker 940, 10. 941.
Ansfrid, G. u. B. 371. 486.
Anskar
EB. V. Hamburg 33.
654. MG.v.Spoleto214.
Ansteus, A. 337. 359.
Answer 735.
Antrieb, L. 328.
Anund Jakob 662.
Apokryphen 300.
Appellationen 260. 362.
431. 440. 534. 536. 694.
744.
Aquileja 65. 159. 558.
Arbo, G. 150,8.
Archidiakon 436.
Archimbald, A. 362. 369.
Architektur s. Baukunst.
Archiv, röm. 37, 1.
Ardennergrafen 490.
Arduin, K. 408. 497, 3.
Arezzo 523. 897.
Ariald 693. 749.
Aribert, EB. 560. 575.
Aribo, Aripo
EB. V. Mainz 404,4.
406, 3. 5. 407, 3. 418.
531—540. 547—552.
556. 561. 966. 1012.
Maler 379. PG. 384, 4.
482.
Aristoteles 331. 938. 977.
Arn, B. 625,4.
Arnold
A. V. Hersfeld 504, 10.
513. 1012. A.v. Weißen-
burg 577. B V. Frei-
sing 57, 1.2. B.V.Kon-
stanz 876. 883,3. 888.
B. V. Speier 577. EB.
V. Ravenna 406,6. 522.
524. 2. Kan. in Paris
322'.
Arnulf, Arnolf
B. V. Halberstadt 400 f.
412. 417. 420. 427. 436.
530. 1017 f. B. V. Metz
109. B.V. Orleans 262, 4.
264. EB. V. Rheims
264.469. G.v. Flandern
349. H. v. Baiem 8 f.
12. 14f. 17. 18,6. 156.
171. 213. 276,2. 278.
K. 76. 187. 211. PG.
50. Stifter v. Bainville
369, 3.
Aschaffenburg 327.
Asfred 81, 1.
Askese 305. 356 f. 372 f.
448 f. 762.
Astrik, Aschric, Anasta-
sius, EB. 271. 430, 3.
Atto
B. v. Vercelli 229. 330.
EB. V.Mailand 750.786.
Aufgebot V. 981. 32, 3.
Auga 63.
Augsburg 19. 30,2. 32,3.
49 ff. 276,2. 281. 317.
336. 583. 615,4. 680.
746. 806,3. 807.
Augustin 284. 291.297,6.
327. 356. 767. 967,3.
Avo, A. 297,4.
Avoco, B. 659.
Azecho, B. 546, 7. 547.
565.
Azelin, B. 610,3.
Azo, Azzo
B. v. Aqui 920. Pro-
tosceiniar 221. 234 L
2.38.
Babenberger 7.
Babylon 488.
Baiern 4 ff. 12. 17. 26.
50. 65. 150. 277—279.
324. 336. 426,1. 621.
846 ff. 870 f. 889.
Baldrich, Balderich
B. V. Lüttich 287,3.
289, 1. 404. 406, 4. 484.
B. V. Speier 323. 325.
B. V. Utrecht 28. 42.
110,3. G. 398,2.
Balduin, MG. 478. 500.
504, 3.
Bamberg 278, 3. 396. 418
—428. 450. 524. 603, 3.
607. 611,4. 615. 711.
736 f. 825. 926. 935.
Bardo, A., EB. 504, 10.
514, 1. 533. 546, 7. 613.
930,3. 1013.
Basel 458, 2. 705.
Baukunst 334—337. 482.
507. 532. 545. 621. 661.
924—930, 8. Kirchen-
bau.
— 1059
Beatrix, MGin.670 f. 707.
788.
Beauvais 909.
Babo 394. 436.
Beda 310.
Belxem 251. 280,2.
Benodikt
A. V. Aniane 343. Kd.
129,2. L. 282. Levita
439. V., P. 92. 208.
235—238. 373. VI., P.
177, 3. 178. VII., P.
126,1.3. 144. 180,3.
196. 210, 7. 414. VIII.,
P. 434. 518—540. 688.
IX., P. 559 f. 569-571.
582-590. X., P. 679
—681.
Benediktinerregel 345.
355. 360 ff. 375 ff. 452.
966.
Benevent 352. 615. 688.
690.
Benno
B.V.Meißen 841 ff. 845.
849. 850. B. V. Metz 19.
353. 376. B. v. Osna-
brück 811. 841. 939 f.
941,4.
Beno, Kd. 854.
Benzo, B. 682. 686. 707.
721. 823 f. 854.
Berengar, Beringer
B. V. Cambrai 31. B.
V. Passau 631,3. B. v.
Verdun 31. 366. 467.
Kanon, in Tours 962 —
965. 971, 4. Lektor
416, 2. MG. V. Ivrea, K.
214. 221. 229. 231.
Berengos 971 f.
Bergeil 63.
Berhtold, Berthold, Perh-
told. Bertald
B. V. Gurk 846, 2. 889.
B.v. Toul369.465.489.
EB. V. Besan9on 613.
EB. V. Salzburg 846.
889. Gesch.-Schr. 952.
H.v.Baiem 10,1.18,6.
26. 28. 152. 156. 324.
H. V. Kärnten 777. 798.
H. V. Zähringen 862.
841. Maler 930, 3.
Bern
A. V. Reichenau 482, 5.
486,2. 493,1. 52^,3.
531,4. 559. 562. 620.
967f. B.v.Chalons58,5.
Bernacer, Pr. 350.
Berner, Pr. 352.
Bernhar, A. 447. 455.
Bernhard, Bernard
A.v.St.Maximin501,2.
A. v. St. Viktor 812 ff,
868. B. V. Halberstadt
28. 95.110,3.121. 123. 1
1017. B. V. Oldenburgi
647 f. B. V. Schonen I
642,2. G. 77. I., H. v.
Sachsen 66. 250. H.,
H. V. Sachsen 66. 638.
648. 655. 657. Kd. 741.
813.815,4. 817. L.802, 2.
803. 851 f. 940. 942, 4.
Bernold 802 f. 853. 874.
884. 952. 964.
Bemuin, ß. 19.
Bemward,B.269f. 276,2.
332. 399 f. 415,3.431.
448. 925. 935.
Bertha, K. 747.
Bertolf, ß. 841.
Besan90n 614.
Bessungen 63, 7.
Betto, A. 354, 1.
Bezelin s. Alebrand.
Bibliotheken 279, 2. 280.
282,4. 300. 327 f. 329 f.
378. 380. 383. 502,4.
620. 939,1.
Bibo s. Pipo.
Bilderhandschriften s.
Prachthandschriften.
Biographie 943—949.
Birka 81.
Bischöfe
Eid 54. Gericht über
die B. 441 f. 772. Stel-
lung 6 ff. 17 ff. 27 ff.
32 ff'. 65 ff. 68,1. 69,1.
440 f. 611. 764 f. Wahl
18 ff. 28 ff. 53. 209. 397 ff.
436. 441. 546. 564 f.
576. 613. 667. 677. 726
—728. 821 f. 892 f.
Weihe 53. 435.
Bischofsstab 52 f.
Boethius 285, 4. 297, 6.
298.300. 301,7. 319,1.
331,2. 383,6. 486,2.
Böhmen s. Tschechen.
Boloslav, Boleslaus
L, H. 190—195. IL, H.
195.201.246. 249. 266.
IIL, H. 267. Chabry
626, 3. 632. 635.
Boliliut 352.
Bonifatius
B. v. Albano 669. 682.
690. EB. 37. 39, 2. 608.
946. MG. 622.
Bonizo, B. 853 f.
Bor 136,2.
Boriwoi 183,2. 185 f.
Bosau 98,4.
Bo30,B. 95f.98.130. 139.
Botfeld 622.
ßovo
L, A. V. Corvey 297.
IL, A. V. Corvey 297.
lU., A. V. Corvey 298.
A. V. Gorze 354,1.
Brandenburg 35,1. 58,5.
75. 78. 90. 96. 102 f.
108. 123. 137. 251 f. 630.
Branthog, Brandag, B.
403. 456,5. 1018.
Breisach 35.
Bremen 93. 276, 2. 280, 2.
566.578.638.651.660,5.
Breslau 272.
Britten 351. 355.
Brixen 64. 162. 450.
Brotwin 104, 1.
Bruderschaften 491. 497.
545. 643.
Brumath 198.
Brun, Bruno
B. V.Augsburg 406, 4. 5.
571,6. 1014f. B. V.
Langres 464. B. v.
Minden 546, 7. 548, 8.
B.v.S6gni833,4. 884,2.
903. 905. B. V. Speier
920. B. V. Straßburg
1022. B. V. Toul 466.
467.2. 488. 490. 506.
546, 7. 576, s. Leo IX.
ß. V. Verden 172. 1025.
B. V. Verona 791. B.
V. Würzburg 546, 7. 576.
966. EB. V. Köln 26.
29,1. 30,2.3. 31. 33.
41—46. 93. 103. 116,5.
208,6.7.326.336.368,4.
6.7. 373 f. EB. v. Trier
883.3. 888. 890,6. 891.
894ff. 908,5. 1024. H. 6.
Maler 930, 3. v. Quer-
furt 177. 200.261. 393.
436. 629-631. 646.
Brunicho, Pr. 439.
Bruning, B. 906,4. 911.
913, 1.
Bücherpreise 331, 6.
Budetsch 186.
67*
— 1060
Buno, Maler 930,3.
Bunzlau 192.
Burchard, Burkhari, Pur-
chard
A. V. Hersfeld 20, s. B.
V. Würzb. I., A. V. St.
Gallen 316. IL, A. v.
St. Gallen 511. B. v.
Basel 793. 799, 10. L,
B. v.Halberstadt546,7.
698. IL, B. V. Halber-
stadt 668. 718. 721,5.
735. 776. 784. 841 ff.
847. 1018. V. Kamerijk
906, 4. B. V. Lausanne
791. B. V. MeiBen 130.
B. V. Münster 908,5.
B.v Passau 12,5. 162,3.
L, B. V. Worms 279, 4.
409, 5. 415, 3. 416 f.
437—442. 562. 567.594.
1025. IL, B. V. Worms
908,1. 910,4. IL, B. v.
Würzburg28. 83. 110,3.
BG. V. Regensburg 154.
EB. V. Lyon 560. G. 7.
d.j.G.16. H.V.Schwaben
20. 49. M. in Reiche-
nau 316.
Burg 138,1.
Burgfelden 933 f.
Burgund 217. 463 f. 544.
Burgward 78.
Bußwesen 536. 573,2.
Cadalus, Xadeloh
B. T. Naumburg 555.
582,4. 627. B.V.Parma
703. 705,s. flonoriusll.
Cadore 63.
Cambrai s. Kamerijk.
Camerarii 447, 1.
Camerino 622. 671. 710.
Canossa 808 ff.
Canterbury 642.
Cassiodorius 284. 967.
Castiglione 750.
Cato 969,3. 977.
Catullus 285,4.
Cencius 794.
Chalons 894.
Chartres 439.
Chnuba 80.
Cholomann, Koloman 169.
Chorbischöfe 155. 209,6.
Chrisma 39, 2.
Christian, B. 65. 453.
Christina, Ä. 299.
Christusbilder 276,1.
Chrysostomus 284.
Chuniberfc, L. 324. 340, 2.
Churl7, 3. 32,3.58,2.5.63.
€hutizi 97. 132.
Cicero 285,4.
Cieruisti 103,1.
Circipanen 657.
Clemens IL, P. 590-594.
Cluniacenser 460ff. 561 f.
Colditz 8. Koldilz.
Cölibat 69,1. 529. 566—
568. 774—783.
Columba 284.
Constantin, A. 369,7.
Cosmas
B. V. Prag 883, 3. Ge-
schichtschr. 89.
Credo 434.
Cremona 560. 750.
Crescentier 517 f. 570.
Crescentius
B. V. Silva cand. 609.
G. V. MonticelH 678.
Crossen 131,3.
Cyrül, B. 321, 2.
Dagobert 61.
Dalbye 660.
Daleminzier 73 f. 78r 84.
108. 132 f.
Dalmatien 768.
Damasus IL 594.
Damiani 497,1. 563. 583.
593. 598. 672 f. 679.
682. 696. 702. 709. 716.
721. 744. 748. 751.
Dänen 70. 76. 80 f. 106.
250. 254 f. 634—644.
658—661. 768.
Dankwart, B. 630,2.
Dassiri 103.
David, L. 940. 942. |
Dedi 554, 4. 714.
Derlingau 112.
Desiderius, A. 569. 689 f.
827, 8. Viktor IE.
Desseri 104,1.
Deusdedit, £d. 768, 9. 854.
878 f. 901. 961.
Deutsche Bildung 974 —
978.
Deventer 42.
Dialektik 942. 962. 973.
Dictatus Gregorii 768, 9.
Dietach 167.
Dietbald, Dietbold, Diet-
pold
B. v. Straß bürg 820.
G. 50.
Diethard, B. 912,1.
Dieto, Dioto
B. v. Brandenburg 841.
B. V. Würzbui^ 12.
Dietrich, Thiedrich, Thia-
drich, Theoderich
A. V. St. Hubert 474, 2.
478. 776. A. v. Stablo
730. L, B.V.Metz 145,1.
337.368f.n., B.V.Metz
404 f. 430. 435. 489.
503, 1. L, B. V. Minden
7. U., B.v. Minden 324,4.
430,1. B. v. Münster
919, 3. B. v. Naumburg
98,4. 135. B.v. Verdun
597. 775. 790,5. 797 f.
811. 824,5. 825. 828.
834. EB. V. Trier 370.
1012. G.V.Holland 500.
G. V. Katetenburg 836.
1014. H V. Lothringen
404. 429,2. Kanon, in
Paderborn 942, 4. 966 f.
Legat 909. MG. 141, 1.
251. -M.' in Amorbach
966. Vogt V. Trier.728.
Dionysius
Exiguus 284. 439. B.
V. Piacenza 766,1.
Diözesansynoden 38. 47.
581. 663.
Disziplin, kirchl. 38.68, 1.
69,1. 581. 742 f.
Dobrowa 201.
Dodilo, B. 138.
Dorla 415, 2.
Domburg 96,3.
Dracholf, B. 12. 18, 6.
57,1.2.
Dragomir 188 f. 193.
Drenthe 63.
Drogo, G. 688.
Drontheim 661.
Druhtmar,M. u. A. 327,2.
457.
Duisburg 81, 2.
Durand, B. 324, 2. 406, 4.
433. 485. 545.
Durham 640.
Ebergi8,B.28.43,4.110,3.
Eberhard, Eburhard,
Everard
A.v. Einsiedeln 48. 376.
A. V. Tegemsee 454, 4.
L, B.V. Augsburg 546, 7.
IL, B. V. Augsburg 863.
B. V. Bamberg 404, 2.
— 1061
406,4.415,3.425.428,1.
430.3. 431,2. B. v.
Eichstätt 888. B.V.Kon-
stanz 546,7. 561. B.
V. Naumburg 821. B.
V. Parma 713,3. EB. v.
Trier 597. 600 f. 605.
607.721,5. G. 725. 735.
786. 788. 793. G. v.
Ebersberg 383. G. v.
Neuenbürg 725,5. 1021.
H. V. Franken 12. 16.
17,3. 20. 26. 28. 92.
Ebermannstadt 419, 3.
Ebo 928.
Eburnant, M. 360,6.
Edgith Ulf.
Egbert, Ekbert
EB. V. Trier 340. 370.
MG. V.Meißen 820. 848.
1020.
Eggolsheim 422.
Egilbert, Eilbert
A. V. Cateau-Cambresis
484. B. V. Freising
406.4. 542,3. 571,6.
B.V.Minden 713,3. 841.
EB. V. Trier 820. 825.
839. 863. Stifter v.
Waulsort 371. 375.
Egilmar, B. 209,1.
Egilulf, A. 123.
Egino, B. 660,3.
Egward, B. 105. 107.
Ehewesen 68,1. 249. 430.
498. 506. 533 f. 535 f.
545. 602.
Eichstätt 18. 32, 3. 58, 2.
61. 329. 427.
Eid, im allg. 766. 796.
der Bisch. 54. 595. 642.
645. 662, der Kleriker
578
Eid, B. 625.
Eigenkirchen 68, 1. 535. !
Eilenburg 140. |
Eil ward 626,1. «j
Einhard, B. 668. 728 f. j
Einold 351 f. 354. 368,3. |
Einsiedler 374. 452. 472. I
Ekkehard, Ekkehart, Ek- i
kihart, Eggehard '
A. V. Aura 956. L, A. i
V. Reichenau 316. 385. j
444. IL, A. V. Reiche- ,
nau 741. B. v. Prag i
404, 2. B. V. Schleswig
255. 643. G. 450, 2. L.
in Magdeburg 328, 4.
MG. 75, 2. 400. 554. I
626. 820, 1. l., M. in i
St. Gallen 280. 324. i
331. 532. 973. IL, M. I
323. 340. 973. IV., M.
343. 509. 531.
Elias, A. 482, 1.
Ellinger, A. 514. 547, 1.
577. I
EUinhart, Ellenhard
B. 717,1. 729. 791.1
Kanonik. 893.
EUo, A. V. Brauweiler
503, 4.
Elnod, EB. 642. |
Elsaß 605. I
Elster, Schlacht a. d. 828. i
Embrich, B. 531, 1. 773. j
775.3. 790,6. 1015. |
Emehard, B. 880.
Emund Gamul 662. |
Engelsburg 212. |
Engilbert, A. 149. 277. I
England 637. 645 f. 661.!
Ennsburg 162. 166. i
Entführung 67, 1. j
Eppo, B. 846,3. :
Erchanger 11. 14 f.
Erenbert, A. 505,2. !
Erfurt 738,2. |
Erich !
B. 406,4. G. 124.
Erigaudus, A. 354, 1.
Erkanbald, Erkenbald, 1
Erchanbald |
A.V.Fulda, EB. V.Mainz :
405.407,3.430,3.431,2.1
435. 456, 6. 459. 530. I
533. 1012. B. V. Eich- i
statt 329. B. v. Straß- I
bürg 323 f. :
Erkanbert, Erkambert, |
Erchanbert, Erken- j
bert
A. V. Altaich 384. 451. |
A. V. Corvey 956. B. !
V. Freising 57, 1.
Erlaf 161.
Erlangen 422. i
Erlembald 749 f. 786. '
Erlewin, Erluin |
A. V. Gembloux u. Lau- i
bach 345. 370. B. v. i
Kamerijk 324, 2. '
Erluf A. 920.
Erlung, B. 883, 3. 888. I
910.4. 949,1. I
Ermenald-, B. 125, 5. !
Ermenfrid, Propst 742,1. ;
Ernst
H. V. Schwaben 488.
d. J. H. V. Schwaben
542.
Erp, B. 415, 3. 841.
Erzbistum 611. 743. 765.
Erzguß 416.
Etich, B. 415,3.
Everaker, B. 125,5. 323.
371.
Everger, EB. 374. 480,1.
Evergisil 46.
Everhelm, A. v. Hautmont
504, 2.
Exegese 966 f.
Exemption 557.
Exkommunikation 68. 1.
814, 3.
Extersteine 932.
Eytra 131,2.
Eziko, B. 253. 415, 3.
Ezzo
PG. 491. 503,4. Scho-
lastikus 974 f.
Fälschungen 93,4. 99. 104,
2. 133,3. 158: 162,4.
165,5. 166,2. 167,4.
168, 2. 178 f. 374, 3.
424, 1. 554, 2.
Fasten 68, 1. 293. 358.
430. 535. 553.
Feldkirchen 156,5.
Felix, B. 109.
Fermo 787.
Festtage 68,1. 69,1. 535.
Fingenius, A. 369. 467 f.
Finnen 663, 3.
Flarchheim, Schi, bei 820.
Florenz 587. 680.
Folcbert, Folgbert, B.
255, 4.
Folcmar, Volkmar
A. V. Corvey 309. B. v.
Brandenburg 251. B. v.
Minden 841. 995. EB.v.
Köln 31,3. 315,1.
Folcward, Volkward 253 f.
646.
Folcwin,Folcuin, Fulcuin
A. V. Hautmont 476.2.
504,7. A. V. Laubach
326. 336.
Fol mar, A. 502,4.
Forchheim 422. 810, 1.
Formosus 93. 204. 206.
Franco, L. 940, 11.
Franken 4 f. 26. 70. 262.
279. 282 f. 314 f. 336.
— 1062 —
410.2. 421. 426,1.847.
869. 888.
Frankreich 53,1.217.463f.
584. 599. 612 f. 619.
661.721.939. 962. 972f.
Freising 10,1. 18,6. 58,5.
63. 159. 328.
Friedrich, Friturich
A. V. St. Hubert 365.
368. B. V. Halberstadt
887. 891. B. V. Lüttich
912, 1. 919, 4. B. V.
Münster 721, 5. 799.
841. 843,3. EB. V.Köln
883.3. 888. 909. 912.
940. EB. V. Mainz 28.
34-39. 94. 105. 110.
116. 208.7. 210. 218.
374 f. 1011. EB. V.Salz-
burg 29, 4. 157 f. 163.
180. 225. 382 f. 452. G.
V. Verdun 470. 490. H.
V. Lothringen 353, 2.
366.730. H.V.Schwaben
1015. Kd. 458,3. 610.
622. 668 f., 8. Stephan
IX. KL. 270. M. in
Fulda 567.
Friesach 156, 5.
Friesen 4.
Friesenfeld 127. 143,4.
Friesland 660,5.
Fritzlar 819.
Froumund 161. 319, 1.
Frutoif, Gesch.-Schr. 955.
968. V
Fulbert 939. 963.
Fulco, Künstler 930, 3.
Fulda 611.
Fulmod, B. 404,4.
Fünen, Fuhnen 101, 2.
635. 642.
Fürth 426, 1.
Gamenolf, B. 415, 3.
Gaudentius, EB 272.
Gaukler 393. 619. 733.
Gauzlin, B. 361—364.
368, 3. 369, 8.
Gebhard, Gebehard
B. V. Augsb. 317. B.
V. Eichstätt 580. 613.
621. 930, s. Viktor IL
IL, B. V. Konstanz 377.
415, 3. 1020. III., B. V.
Konstanz 841.845.860. i
862. 876. 882. 887. 890f.
893. 1021. B. V. Prag |
741. 772. 776. L, B. v.
Regensb. 278,9. 384.
411.430.459. m.,B.v.
Regensb. 546,7. 578,4.
B. v. Speier 888. EB.
V. Salzburg 668. 728.
740. 748,1. 764,6. 772.
791.798.824.829.839.
843. 849. 940.
Geddo, L. 328,4.
Gedichte, latein. 973 f.,
deutsche 974 f.
Geilo, A. 373.
Geisa 171 f.
Gelasius
L, P. 766. IL, P. 912.
Genadius 957.
Gerald, Kerald
B. V. Ostia 771. 812.
859. M. in St. Gallen
281. 316,1. 324. 340.
Gerberg, Ä. 299.
Gerbert
EB., als. Papst Silvester
n. 241. 257 f. 262 ff.
275. 319,2.328,4. 332f.
469.
Gerbrand, B. 642.
Gerburg, Gerberg
L,Ä.v.Gandersh.299,8.
IL,Ä.v. Gandersh. 269.
299,8. 301.
Gerhard, Gerard, Girard
A. V. Brogne 346—350.
357. 364. 368, 3. A. v.
St. Gallen 446, 4. 508.
B. V. Angouleme 906.
B. V. Florenz 680 f., s.
Nikolaus IL B.v.Kame-
rijk 404,4. 431,2.434.
478. 483. 489 f. 495.
498. 505. 561. 581,4.
B. V. Merseburg 906,4.
910. B. V. Toul 337.
363,4. 368 f. 565. 604.
607. G. 367. G. v. Ga-
leria 678. 702. Pr. 34,1.
39. 317.
Gerichtsbarbeit 59f. 408.
444. 575.
Germanisierung 97f. 138.
140. 143. 154 f. 159.
419.
Gero
EB. V.Köln 29,2. 31,3.
374. 1017. EB. V.Magde-
burg 402.406,3. 518,3.
530.634. MG. 75,2. 77.
90.103.110,2.200.1017.
Gerstungen 836. 8i3.
Geschichtschreibung 283.
308—317. 372 f. 943—
958.
Gesichte 472. 479 f. 492.
495. 761,5.
Girard, G. 678.
Giselbrecht, Giselbert
A. 871. 882. H. 17,3.
20. 26. 42. 348 f. 364.
367, 7.
Gisiler, Gisilher,B. u.EB.
97. 142 ff. 251. 267 f.
400. 410.
Gisla, K. 547.
Glandschach 157, 4.
Glasgemälde 383. 930, 3.
Glaubensbekenntnis 37.
208.
Glocken 383.
Glomuziquell 84.
Gnesen 272.
Gneus 648, 5.
Godehart, Godehard, Go-
tahart, A. u. B. 160, 7.
164,3. 324,4. 404,1.
406,5. 407,3. 418. 451
—455. 459. 504. 549—
552. 631. 1019.
Goldmacher 650.
Goldschmiedekunst 341.
932.
Gorm, K. 80 f. 99.
Görschen 139.
Görtschitz 156, 5.
Goslar622.732. 813. 919,3.
Gotabert 155.
Gotebald, B. 637. 646.
Gottesdienst 38. 166. 434.
535.
Gottesfrieden 490. 581.
843. 845.
Gottesurteil 210,1. 563.
Gottfried, Gotefrid
A. V. Vendöme 904.
915 f. B.v. Speier 30,3.
44. EB. V. Mailand 750.
786. 6.470,1. D.Bärt.,
H.v. Lothr. 483,3.605.
619.668.670—672.680.
688.691.709.718.721,5.
730. 745 f. 751. 760,9.
D. Buckel., H. v. Lothr.
760,9. 798.
Gottorper Runensteine
81,1.
Gottschalk, Goddescalc
B. V. Freising 328. 453.
B. V. Minden 887. M.
— 1063 —
949, 1. 965, 4. 973 f.
Wen(ienfürst654— 657.
735.
Gozbert
A. V. Hersf. 1012. Ä.
V. Tegernsee 382. 451.
Gozechin , Goswin 783.
963 f.
Gozmar 327, 3.
Grado 558. 582.
Graisehaft 62. 410. 426.
444. 487, 3. 543.
Gregor
A. V. Einsiedeln 376.
B. V. Nazianz 323, 8.
B. V. Tours 947 B. v.
Vercelli 618. 722,3. 770.
G. V. Tusculum 678.
Kd. 741. 917. M. in
Farfa 915, I., P. 39, 2.
284. 322. 331,2. 356.
II.,P. 37,1. III., P. 37,1.
V., P. 259—264. 559.
VI., P. 570 f. 583—590.
Vn-., P. 753-838. 959,
s. Hildebrand. VIE., P.
912. 919. Gewählter P.
518.
Greifenstein 168.
Griechen 43. 281,5. 338.
355. 525. 709.-
Griechische Sprache u.
Literatur 42'. 281. 285.
298. 323. 331,2. 616,1.
Grimmersieben 142, 2.
Grimsloben 78.
Großjena 554, 3.
Grundherrschaft 59 ff.
Gualbert 875, 3.
Gubbio 673.
Guido s. Wido.
Gumpold, B. 184,1. 275.
Gundachar
I., B. V. Eich8tätt404,2.
406. 408. 427. IL, B. v.
Eichstätt 667, 8. 668.
Gunilde, K. 543. 643.
Günther, Günther
B.V.Bamberg 668.711.
718,3. 734. 974. 1016.
B. V. Gurk 791,2. B.
v.Naumburg821, 2.841.
845. 849. B. v. Regens-
burg 30, 3. EB. V. Salz-
burg 324, 2. 406.3. Ein-
siedler 585. 630 f. Ka-
nonik. 821,2.
Guntram, A. 485, 5. 503, 5.
509.
Gunzizi 119.
Gunzo 330.
Gurk 748.
Hadamar,A.38.93,4.115.
336. 343. 387.
Hadwig, H. 338. 1020.
Haimo, Heimo, Heymo
B. V. Verdun 276, 2.
324, 2. 370. 470 f. 480.
489.M.inHirschau967.
Hakon, K. 644.
Halberstadt 29. 30,1. 79.
114. 403. 407,5. 412.
Halinard
A. in Dijon 56L EB.
V. Lyon 595. 6Ö1, 1.
Halle a. S. 72.
Hamburg 29. 30, 1.58,2.5.
60.64.66. 80. 92 f. 99 f.
105.136 f. 235. 253.402 f.
407.578.634—664.735.
Hamezo, B. 846,3.
Hammelburg 86, 3.
Hammerstein, Otto v. 431.
434. 522. 533.
Handauflegung 39,1.
Handel 71.
Handschriften 23. 934 f.
Harald
Blauzahn, K. 81. 99.
101.106.250.Hardradr.
K. 661.
Häretiker 433. 568.
Harlungerberg 84.
Hartaknut 648, 6. 658.
Hartbert, B. 50,1. 218.
375,7.
Hartmann
A.v.St.Gallen280.283.
G.v.Dillingen 798.1015.
1021. Pr. V. St. Blasien
893. „Der arme* 976.
Hartwig, Hartwich
A.v.Her8f.,EB. V.Mag-
deburg 513, 5. 845. 847.
865. A. V. Tegernsee
382. ß. V. Regensb.
892,4. 908,5. B. v. Ver-
den 841. 845. 849. EB.
V. Magdeburg 821,2.
841. 847. 849. 877. EB.
V. Salzburg 430, 3.
Harzburg 771. 930.
Harzgau 112.
Hatheburch 21, 7.
Hatto
A.V.Fulda 223. L,EB.v.
Mainz7. lOf. 30,4. 105,
1.123.125,5.126.208,6.
U., EB. V. Mainz 415.
Hathumod, Ä. 299. 310.
Hauwidis, Ä. 361.
Havelberg 35,1. 58, 5.78.
102 ff. 108. 123. 137.
251. 630.
Hazecha 325.
Heilige, im allg.: 396.604,
einzelne: Agnes 304.
Alto 945. Christopho-
rus 45,7. 325. Clemens
185,2. Cyriak 110,2.
Dionysius 304. 607. Eli-
fiu845,7. Emmeraml87.
Eugenius 347. Evergi-
Sil 46. Fridolin 323, 4.
Gallus 323,4. Gerhard
604. 607. Glodesinde
252, 3. Gongolf 303.
Gorgonius355.617.Gre-
gor45,7.Hilarius323,4.
Innocenz 110. Kuth-
bert 640. Lampert 396.
Lorenz 114. 137,4. Mag-
nus 945. Marcus 283.
Maria 245. 304. Martin
448. 452. Maurus 370,1.
Maximin 364. Moritz
110,5 396. Nikolaus945.
Pantaleon 45, 7. Pa-
troclus 45, 7. Pelagius
303. Petrus 762—765.
Privatus 45,7. Pusinna
299. Remigius 604 f.
Stefan 109. 252, 3. Ul-
rich 48. 553. Veit 191.
296.310. Wigbert283.
Heiligenstadt 660, 5.
Heinrich
L, B. v. Augsburg 65.
IL, B. V. Augsburg 666.
715. B. V. Chur 790.
B. V. Freising 889. B.
V. Lüttich 785. 799. 815.
843. B. V. Paderborn
842.845.849.887.907,5.
B. V. Speier 726. 773.
775, 3. 778. 785. B. v.
Verdun 906,4. 911. B.
V. Würzburg 420—427.
436. 449. 1025. EB. v.
Aquileja816,5.820.EB.
V. Magdeb. 888.892,4
894,4. EB. V. Trier 31.
45, 1. 326. EB. v. Ra-
venna 738. 751,5. 764.
L, H. V. Baiern 22, 5.
26. 40 f. 124. 153. 162.
1064 —
194 f. 218. 247. 301.
IL, H. V. Baiern 65.
154. Iß8. 181. 196. 382.
IV., H; V. Baiern s. IL,
K.IX.,H.v. Baiern 920.
H. V. Burgund 464. L,
K. llf. 13,2. 16flF. 18,6.
21. 58,5. 62. 73 f. 76.
82. 87 ff, 189. 211. 213.
277. 280,2. 364. IL, K
63.98.104.2.169.170,1.
278,2.391—442.448—
540. 565 626 ff. 633.
643. 648. 1014. LH., K.
497.5. 498. 565. 571—
622. 626 f. 633. 643.
688.731. 959.978.1019f.
IV., K. 666. 705. 721
—886. 973. 978. V., K.
885—923. 956.
Helfta 131,2.
Helmold 85. 89, 3.
Heppenheim 730.
Heribert, Herbert
A. V. St. Arnulf 359.
365. A. V. St. Vinzenz
503,1. ß. V. Eichstätt
1016. EB. V. Köln 322.
397 f. 422. 427. 430,3.
482. L. 941,3. Maler,
M. in St. Gallen 340.
Maler in St. Hubert
930, 3.
Heribrand,A.502, 2.505,3.
Heric,Erich,K.634f. 646.
Herifrid, B. 52, 4.
Heriger
A. V. Hohorst 503,3.
A. V. Laubach 319,2.
326. 485,1. 486,2. EB.
V. Mainz 12. 18, 4. 83.
Hermann, Herimann
B. V. Augsburg 880.
883,3. 889. 891. 908,5.
911. B.v Bamberg 726.
739. 773. 775,3. 778 f.
1016. B. V. Metz 479.
775,3. 776,-791. 792,2.
798.804. 813.829. 839f.
845. 849. B. v. Passau
846,3.B. v.Toul466, 3.
480. 596. B. V. Wilton
601. EB. V. Hamburg
648.6. L, EB. v. Köln
19. 206. 208,6. 210,1.
IL, EB. V. Köln 546,7.
G. V. Eenham 490. G.
v.Winzenburg891.896.
1014. H. V. Sachsen
23,2. 24. 66. 77. 107.
124. 223. 1025. L, H.
V. Schwaben 26. 214.
IL, H. V. Schwaben
392 f. 400. K. 831. 843.
847. 850. MG. 554. 629.
Patr. V. Aquileja 582,3.
D. Lahme 620. 939.
I 951. 973.
j Herold, EB. 39. 225.
Herrand
A. V. Tegernsee 577.
620,10. B. V. Halberst.
850.863.871.876,1017.
Herzogenaurach 426,1.
Herzogenberg 170,1.
Herzogtum 3 ff. 20, 25 f.
64 ff. 544.
Hessengau 112. 127. 132.
143.
Hesso 916,6.
Heueldun 103,1.
Heveller 75. 110.
Hezii
B. V. Hildesheim 729.
732.784.B.v.Toul324,2.
Hieronymus 284. 297,6.
321. 331,2.957. 967,3.
Hilarius 321,2. 323,4.
Hildebald, Hildibald,Hil-
dibold
B. V. Worms 63. 397.
L. 352.
Hildebert, Hildibert
A. V. Fulda 20. EB. v.
Mainz 27. 83.
Hüdebrand 272, 1. 590.
597. 669. 672. 679—
752, 8. Gregor VII.
Hildegund, G. 467, 1.
Hildesheim 209,2. 268—
^70. 276. 399. 407. 410.
414. 925. 931 f. 935.
Hildiwart, Hildiward, B.
29, 3. 54. 123, 1. 124.
125,5.126.252,3.1017.
Hildrad, A. 367,6.
Hilduin, B. 19 f. 206.
Hiltin, B. 12. 49.
Himbrico, A. 278,9.
Himiltrud, Ä. 361.-
Hir8chauer866— 877. 912.
926.
Hitto, B. 57, 1.
Hofrecht Burchards 438.
Heger, EB. 52,4. 80,2.
Hohbuki 71,2.
Homagium 54, 4.
Homer 331.
Homiliar 379.
Honorius IL, P. 707. 719.
738. 744. 751.
Honorius III., P. 84. 1.
Horaz285, 4. 331,2.383,1.
Hored, B. 100.
Hraban,EB. 33. 317.974,6.
Hrotsuith
Ä. V. Gandersh. 299,8.
N. 117,4.208.299—308.
Hubald,Baumeister925,3.
Hubert
B.v. Palestrina771. B.
V. Parma 125, 5.
Hucbald, M. 42.
Hugo, Huogo, Ugo
A. V. Gluni 580. 618.
807. 860. 864 f. A. v.
Farfa539,2.A.v.Fleury
915.A.V. Laubach 485.
A. V. St. Maximin 365.
375. L, B. V. Brixen
(Seben) 28,4. IL, B. v.
Brixen 889. 908,5. B.
V. Die 772,1. B.V.Naum-
burg (Zeitz) 130. B. v.
Verdun 19. EB. v. Be-
san90n 614. EB. v.
Lyon 863. 877. G. v.
Egisheim 562. 1024. K.
v. Frankreich 262,4.
K. v. Italien 212 ff. D.
Weiße, Kd. 458,3.609.
754,2. 788. 791. 792,3.
826. 845.
Humbert
A. V. Echternach 502,1.
505, 3. 548, 2. A. v. St.
Aper 350 363. A. v.
St. Vanne 366. 467, 4.
D. in Mainz 612. EB.
V.Hamburg 883,3. Kd.
608. 669. 673. 679. 686.
690. 703. 960.
Hunfrid
EB. V. Magdeb. 119,4.
634. EB. V. Ravenna
613. 615.
Huprecht, B. §26,1.
Huy 63.
Huzmann B. 785. 793. 799.
805. 814. 825. 964.
Jahna 74. 89.
Jaropolk 768.
Jerusalem 488. 734. 749.
953. 974.
Imma, G. 638.
Immad, B 966.
1065 —
Immed, G. 637.
Immo
A.v. Gorze456f.458,l•
465.559.A.v.St.Gallen
508. A. V. Waußor 372.
D. in Worms 565.
Immunität 12. 59 if.
Inthronisation 54. 679, 2.
Investitur 52—56. 246.
577. 667. 677. 771. 777f.
784 ff. 820 ff. 878ff. 889
—923.
Johann
A. V. Fecamp 603. A.
V. Gorze 352 ff. 368,3.
A. V. St. Arnulf 872 f.
A.v. St. Maximin u. Lim-
burg 501,2. 510. 513.
A. V. St. Vaast 504, 8.
B. V. Auxerre 262, 4. B.
V. Mecklenburg 735. B.
V. Olmütz 734. 741. B.
V.Porto 845. B.v. Speier
1024. "B. V. Tusculum
903. 905. B. V. Velletri
679, 8. Benedikt X. Ca-
labr. 332. Canaparius
200. Crescentius 243.
517. D., röm. 221. 234.
EB. V. Aquileja 427.
430,3. L. 332. Maler
338. Vm., P. 207. IX.,
P. 205. X., P. 13. 205.
XL, P. 206. 212, 5. XIL,
P. 118. 120, 3.122. 220 ff.
XIII.,P. 40,1. 123. 128.
157,3. 238. XV., P. 48,9.
261 f. 553. XVIIL, P.
424. 516 f. XIX., P. 496.
555 f. 559. 561.
Jordan, B. 202.
Jordanis 309.
Joscerannus, EB. 904.
Irmgard, G. 431. 536.
Isidor 284.
Italien 211 ff'. 338. 434f.
464. 544. 563 f. 619.651.
Island 663,3.
Juden 37. 39. 94,3. 114,3.
210.291,1. 433,2.526.
650, 5. 760. 880, 7.
Judith, H. 153 f.
Jütland 659.
Juvenal 331,2.
Ivo. B. 862,2. 904. 914.
Ivois 530.
Kaddroe 360.
Eadeloh s. Gadalus.
Kaiserswerth 715.
Kaisertum 219. 243. 258
—265. 526 f. 555.
Kalixt IL 912—923. s.
Wido EB.
Kamerijk 29. 32,3. 58,5.
63. 410. 471.
Kanoniker 279.
Kanonisation 48. 604.
Kanonisches Recht 3 17 f.
437. 498 f. 561 f. 575 f.
599. 766,5. 802.
Kapelle, kgl. 577.
Kardinäle 608. 685. 833.
857.
Karl
B.v. Konztanz 726.728.
740. d. D., K. 57.1. d.
E., K. 19, 1. 62. d. Gr.,
K. 54,3. 56. 61. 71. 79.
278. 343. 541.575. HL,
K. 206.
Karnburg 156, 5.
Kärnten 65. 150. 154. 159.
Karolinger 61 f.
Katharer 433.
Kaufungen 830.
Kirchberg 96. 140.
Kirchen,inkorp.68,1.492f. !
Kirchenbauten: allg. 334
! —337. Im Wendenland I
' 94. 625, 2. 656. Mainz i
: 415f. 532. Worms 438.1
1 Bremen 638. Utrecht!
! 487. Poppos 507. |
I Kirchengeräte 276, 1.
j 279,2. 341. 507. 932.
i Kirchengut 8 ff. 16,1. 18.
i 28.55,2.56—58.225,8.
I 409 f. 434. 523. 547.
553,2. 675. 784. 833.
I Kirchenrecht 317 f. 498.
I 854. 961 f.
Kizo 252,2.
Klerus 37.
Klöster, im allg. 67, 1.
275—282. 577 ff. 728 ff.
Klöster u. Stifter
Aachen: St. Adalbert
1027, St. Maria 61, 8.
St. Nikol. 1029. Ab-
dington 209,2. Acheri
1033.Admont870.l035.
Aldenbergl039.Alpirs-
bach 1021. Alsleben
1017. Altaichs.Nieder-
altaich. Alt-Bunzlau
1023. Altdorf b.Ravens-
burg 1020. Altdorf i.
Eis. 606. 870, 3. 1024.
Altenkampl028. Alten-
münster b. Lorsch 1013.
Altkirch 866. Amel
467. 1034. Amorbach
870, 3. Amtenhausen
1022. Andelsbuch 1021.
Andlau 458, 3. 606.
Ansbach 58,5. Ardacker
1036. Arras: St. Vaast
474. 1. 476, 2. 478. 501.
504.Arneburg386.1017.
Aschaffenburg: St. Pe-
ter 419,3. 1012. Aspach
870.3. Atlon 1023. Attel
870,3.1036. Augeburg:
St. Gertrud 1015. St.
Moritz 1015. St. Peter
1015. St.Stefan 48.1014.
St. Ulrich u. Afra 48.
871. 1014. Auhausen
1016. Aulne 289,1. Aura
1026. Backnang 1024.
Bainville 369. 1033.
Ballenstedt 1018. Bam-
berg: St. Gangulf 1016.
St. Jakob 1016. St. Mi-
chael 428. 870,3. 955.
1015. St. Peter U.Georg
1015, St. Stephan 422.
428. 524. 1015. Banz
1025. Bardowick 1024.
Bar-le-Ducl033f. Basel:
St. Alban 866. Baum-
burgl035.Beaulieu366.
473,8. 474,4. 475. 476,2.
501.507. Beinwil870,3.
Belmont369.Benedikt-
beuern 277 f. 377. 514.
729.870,3. Beraul022.
Berchtesgaden 1035.
Berg im Donaugau 278.
381.4. Bergen b. Magde-
burg 129 f. 141. 142,1.
459.870.3. 1039. Bergen
D.Eichstätt425,4.711,8.
1016. Bergh St.Winnoc
475,1.478. Bergholzzell
606. Bernried 1015. Be-
romünsterl020. Beuer-
bergl036. Beuronl021.
Beze464,3. Biblisheim
1024. Bibra 1011. Bi-
burg 870,3. Billi-Berc-
lau 478. Bilsen 1029.
Bingen 1012. Bischofs-
berg 282. Blandigni
386,6. Blaubeuren 870.
1021. Bleurville 1033.
- 1066
Bleidenstadt415. 870,3.
Boll8chweill021. Bon-
moutier 363,6. Bonn:
St. Cass. u. Flor. 46, 6.
Boppard 1032. Borg-
horst 1030. Bo8au98,4.
870,3. 1040. Bouillon
1029. Bouxiöres 363 f.
368f.386,6.1033. Braun-
schweig: St. Ägid. 1018.
St. Cyriak 1020. Brau-
weiler 483. 503. 713.
930,3. 1027. Breitenau
870,3. 1014. Bremen:
St. Paul 652,2. 1038,
St. Stefan 652,2. 1038,
St.Willehad652,2.1038.
Breteuil 475,1. Brew-
now 249. 734. 1023.
Brogrne 347 f. 1028.
Brunshausen 269. Bü-
cken 639, 1. Bürgein
1022. Burghasungen i.
Hasungen. Bursfeld
1013. Biirtscheid 438,
1029. Busendorf 504.
606. 1033. Cambrai s.
Kamerijk. Canterbury:
Christusk. 640. Gar'den
1031.Cateau-Gambre8i8
483 f. Chaligny 1033.
Chalons s.M.: St. Peter
475.1. St. Urban 475,1.
Chammünster 381, 4.
Chamouzey 1034. Cha-
tenai 1033. Chiem8ee:
Frauen Wort 728. Chur:
St. Lucius 1016. Cluni
222. 344. 357. 366. 385.
448. 460 ff. 470. 504.
557. 597,-2. 865 f. 871.
897. 904. 927. 1018.
Conques 1024. Cons
1029. Corbie 475, 1.
Corvey 58,1.60,2.209,
1. 2. 280. 296. 309. 434.
444.2. 456 f. 548. 577.
729f. 870,3. Deggingen
425, 4. 870, 3. 1014.
Denaifl 478. Deuilly
492,5.1033. Deutz482.
1027. Diedersdprf 1033.
Diessön : St.Georgl014.
St. Stephan 1015. Diet-
kircben b. Bonn 1027.
Dietkirchen a. L. 1031.
Dietramszell 1036.
Dieulouardl033. Dijon :
St. Benignus 463> 466.
Disentis450. Disiboden-
berg415. Dokkuml031.
Donauwörth 606. 608,3.
1015. Dorlal012. Dünn-
wald 1028. Ebersberg
383. 577. 978. 1035.
EchenbrunnlOlS. Ech-
ternach 840.370.386,6.
444.2. 502. 505,3. 507.
513. 548. Egmont 729.
Eichstätt: St. Walburg
1016. Wilibaldsberg
1016. Einbeck 1014.
Eieenhofen 1036. Ein-
siedeln 48. 175. 336.
376f. 384f. 386,6. 454,4.
865. 1020. Elchingen
870.3. Ellwangen 32, 3.
50,1.375,7.458,3. Eist
1031. Eltenl031. Emb-
rach 1021. Emmerich
1031. Enfonvelle 363,6.
Engelberg 1022. En-
gelnthal 1027. Engem
130.1030.En8dorf870,3.
1037. Epinal 337. 369.
1033. Erfurt: St. Cyriak
1014.St.Peter 870.1011.
StSeveruslOlLErlach
1036. Esbeck 652,2.
1030. Eschwege 1013.
Essen577. Etival344,8.
363,6. 492,5. Etters-
burg 1013. Falkenau
I014.-Farfa241.497,3.
523.4. 577. Fecamp
464,2.494. Feucbtwan-
gen 49. 328. 383. Fisch-
bachau 1036. Fischbeck
1030. Flavigny 445,4.
Flechtorf 1023. Fleury
360 f. 366. 371. 469.
Florennes 474,2. 476.2.
1029. Forchheim 1015.
Foewerd 1 03 1 . Fr anken-
thal 1025. Frauenwört
728. Freising: St. An-
dreas 1035. St. Veit 277.
FrohselOn. Fructuaria
465,4.497.713.864.871.
Fulda:St Salv.32,3.38,6.
58,5. 61,3. 63,7. 208,8.
279, 3. 282 f. 336. 394.
407,5.444.447,1.450,8.
456 f. .524. 577. 611.
615. 731, 2. 732. 736.
785. 946. St. Michael
1014.Für8tenbergl028.
Füssen 50. 383. 841.
Gandersheim:St.Innoc.
u.Anast 60. 63,7 209,2.
268-270.280.299.307.
400. 414. 444,4. 533.
548— 551.577.St.Mana
1019. Garsten871.1036.
Geisenfeld 1037. Gem-
bloux 370. 372. 386, 6.
485. Gempfing 1015.
Gengenbach 425, 4.
Gent:St.Bavo349.434,5.
478. Blandinium 249.
St. Peter 475, 1. Gerb-
stedt 1017. Gernrode
90.334.608,3.611.925.
1017. Gerode 1014.
Gertrudenberg 1030.
Geseckel022.Göllingen
513. 631,2..1012. Gorze
277. 279,3. 353 f. 368;
370 f. 386,6. 447. 464.
492, 5, Goseck 652, 2.
930,3. 1018. Goslar:
Georgenberg 545, 2.
1019. St. Maria 102O.
St. Peter 729. 1020. St.
Sim.u.Jud. 742,1. 1019.
Goß. 482. 532. 1035.
Gottesau 1024. Gött-
weig 871. 930,3. 1036.
Grafenhausen 1021.
Grafschaft 713, 1. 864.
1028. Groningen 1016.
Großburschla 1011.
Großjena 554, 3. 1018.
Grüningen 865. Gurk
1036. Häbach 50. 1014.
Hadmersleben 95, 2.
1017. Hagenmünster
122,2.1011. Hagenrode
1017. Halberstadt: St.
Bonif. 1018. St. Joh.
1018. St. Maria 1017.
St. Paul 1018. Hallea.S.
1039. Hamburg: Dom-
stift 639. 1038. Hamers-
leben 1018. Harevüle
1033. Harsefeld 871.
1038. Haslach 425,4.
Haspres 478. Hasungen
532. 869. 1012. Haut-
mont 474,1.476,2.504.
Heeslingen 1038. Hei-
denfeld 1025. Heiligen-
stadt 1012. Heiningen
1019. Helfta 143, 3.
Helmmarshausen 450.
1022. Hengersberg
453,2. 1036. Herbitz-
— 1067
heim 361, 1. Herford
59,4. 60,3. 209,1. 280.
299. 444,2. Herrenbrei-
tungen 1013. Hersfeld
32,3. 143. 277. 282 f.
394. 444. 447. 450.
455. 463,2. 502. 504.
507. 513. 548. 631,2.
731, 2. 869. 926. Hert
1024. Hesse 606. 1033.
Hildesheim : St. Barth.
1019. H. Kreuz 1020.
St. Mar. 1019. St. Mi-
chael 399,2. 925. 1019.
St. Moritz 1019. Hild-
wardshausenlOll. Hil-
lersleben 871.1017. Hil-
warenbeek 1031. Hir-
schau 380. 813. 866 ff.
Hirzenach 1032. Höchst
1013. Hohentwiell020.
Hohenwart 1015. Ho-
horst 487. 503. 1031.
Holzkirchen 282. Hom-
blieres475,l.Hombach
360. 870,3. Hosingen
1032. Hostieres 502.
Hradi8chl022. Hugsho-
fen870,3. 1024. Hünfeld
282.Huyl029.Huysburg
871. 1018. Iburg 1031.
Jechaburg 415. 1012.
Ilsenburg848.871.1018.
Impidine8,adl016. Ins-
mingen 1033. Johannis-
berg b. Hersfeld 1012.
Johannisberg i. Rhein-
gau 1013. Isen 279, 1.
Isny 1020. Jumieges
464.2. Kalbe a.S. 141,1.
1039. Kalbe a. Milde
141,1. 1017. Kaltenborn
1019. Kamerijk:St.Ma-
lia 474,1. 476,2. Kastl
871.1016. Katelenburg
1014. Kaufungen 1012.
Kemnade 1030. Kemp-
ten 32,3. 49. 61,5. 444.
458.3. 548. 729. 871.
Kerpen 1027. Kessel-
heim 122,2. 1032. Kit-
zingen 425, 4. 711,8.
Kladrau 1023. Klein-
Komburg 1026. Klin-
genmünster 365. Klo-
sterneuburg 1037. Klo-
sterrat 1029. Koblenz:
St. Florin 450. 1032.
Kochelsee 278. Kohl-
bergl022.Kölbigkl018.
Köln: St. Andreas 45.
1026. St. Apost. 482.
1027. St. Cäcilia 45, 6. I
46. St. Ewald 45,6. 1026.
St. Georg 713, 1. 1028.
St.Gereon45,6.St.Kuni-
bert 45, 6. Machab.
1028. St. Maria auf d.
Kap. 45,6. St. Maria z.
Stiegen 713. 742, 1,
1027. St .Martin 45. 374.
482 f. 1026. St. Panta-
leon 45. 336. 374. 383.
482 f 864. 1026. St. Se-
verin 45,6.482. St. Ur-
sula 45,6. 209,2. Kom-
burg869. 1026. Königs-
dorf 1026. Konradsburg
1019.Konstanz: St. Mo-
ritz 39, 5. 1020. Korneli-
münster, Jnden 32, 3.
344,3.365.444,2.458,3.
729. Korvey s. Corvey.
Kremsmünster 152.165.
277.279,2.870. Kreuz-
ungen 1022. Kühbach
1014.Kusell011.Laach
929. 1032. La Chalade
1034. Lambach 850. I
1036. Langenau 870. 3.
Langenselbold 1014.
Laubach, Lobbes 285.
345.371.474,2. 476,2.
481. 484. Laufen 1025.
Lautenbach 965. Leit-
meritzl023.Lenzen656.
1039.Lesum652,2.1038.
Liedingl034. Liesborn
450. Lietzheim 1015.
Limburg a. H. 501.507.
577.729. 926. 1023. Lip-
poldesberg 1013. Lip-
pom 1032. Livate 1016.
Lobbes s. Laubach. Lo-
cedia 461. 479. Loders-
burglOlS. Longueville
360.Lorch 1015. Lorsch
32,3.43.58,5.340.374.
394.444.548.577.611.
729 f. 785. 869. 870,3.
Lübeck656. 1038. Luis-
berg 1029. Lüneburg
654. 1025. Lüttich: St.
Barthol. 1029. St. Dio-
nysl029.St.Jakob338.
484.871.1029. St. Joh.
336. H. Kreuz 1029. St.
Lorenz 371. 474,2.476,2.
481. 484. 502. 512,2.
871. 1029. St. Martin
371. 1029. St. Paul 371.
1028. St. Peter 367, 8.
1028. Luxemburg 1032.
Magdeburg: St. An-
dreas 141. 1039. St. Jo-
hann Ev. 1039. St. Jo-
hann d. Tfr. s. Bergen.
St. Lorenz 141, 1. St.
Maria 1039. St. Moritz
60,2.110.384.1039. St.
Peter 1039. Mainz: St.
Alban 276, 1. 323. St.
Üingolf 1012. St. Jakob
1013. St. Joh. 1013. St.
Maria im Feld 1012.
St. Maria z. d. Staffeln
1013. St. Ptr37. 1011.
St. Stephan 416. 1012.
StrViktor 41 6.437. 1012.
Mallersdorf 870,3. Mal-
medy 344,3. 367 f. 458,1.
501.729f.736.738.Mal-
mesbury 209, 1. Mar-
chiennes478.504.Maria
Saal 1035. Marienberg
1016. Marienrode 1020.
Marienzell 1018. Maro-
ailles484.Mattseel66,2.
Maurmünster 458, 3.
Mecklenburg 137. 656.
1038. Meherau 870, 3.
1022. Meinradszelle48.
Mei£enl039.Melkl037.
Melnikl023.Memleben
141, 1. 143, 4. 386. 450.
1012. Merseburg 1039. .
Mestris, Meseritz 27 1>4.
Metelen 60. Metten
381,4.458.3. Mettlach
365. 870, 3. Metz: St.
Arnulf 359. 375. 464.
605. St. Felix 359. 467.
1032.St.Glodesind361.
St. Maria 369. 1032. St.
Martin 350. St. Peter
350. 361. 492, 5. Pu-
celles 1032. St. Salva-
tor 350. 1033. St. Sym-
phorian 337. 350. 369.
467. St. Vincenz 337.
369. 474, 3. 502. 1032.
Michaelbeuern 384.
1034. Michelfeld 870, 3.
1016. Milien 1030. Mill-
stadt 1035. Minden: St.
Maria 1030. St. Martin
1030. St. Moritz 1080.
— 1068
Mii-wart 1029. Mogli-
ano: St. Angelo 450,7.
Molemes464,3. MöUen-
beck 548, 8. Mondsee
459. Monte Amiata 262.
MonteCassino352.617.
668. 688. 864. Montfau-
con 351. 468. Mosbach
565. Moutierender
209,2. Mouzon 475,1.
Moyen-moutier 344, 3,
345. 360,6. 363. 369.
487. 606. Münchaurach
1026. München-Glad-
bach 374. 1027. Mün-
chen-Nienburg 141.
142,1.2. 458,3. 1017.
1039. Münohsmunster
277.279.870,3.Mütich-
steinach 1026. Münster
in Westfalen: St. Maria
1030, St. Moritz 1030.
Münster im Gregorien-
tal 458, 3. Münster-
appel 370. 1031. Mün-
stereifel 61, 8. Mün-
sterlingen 1021. Mur-
bach 32, 3. 446, 3. 458.
Muri871.1020.Namur:
St. Aubin 1029. Naum-
burg a. S. : Domstift
1039. St. Maria U.Georg
555, 2. 1039. St. Moritz
555,2. 1039. Naumburg
b. Hanau. 1012. Neres-
heim 47, 6. 1015. Neu-
burg a. D. 425,4. 711,8.
1014. Neuenheer8e6C,3.
Neuhausen 279,4. Neu-
münster 361, 1. 369.
Nenß 1027. Niederalt-
aich 9. 160. 163.. 169.
324. -383. 444,2 451 f.
631. 729. 865. Nenan-
tula 450,7. Nordhausen
315. 1011. Nörten 1013.
Northeim. 1013. Nova-
lese 546, Oberstenfeld
1023. Ochsenhausen
871. 1021. Odenheim
870, 3. 1024. Odilien-
berg606."Ödingenl027.
Öhlenberg606. Ohrdruf
327.1012. Öhren 446, 3.
Öhringen 1025. Olden-
burg 656. 1038. Olden-
stadt 1025. Oldenzaal
1031. Oldisleben 1013.
Ölsburg 1019. Oost-
broek 1031. Ordruf s. i
Ohrdruf. Oppatowitz |
1023. Osnabrück: St.
Job. 1030. Ossiach 1035. I
Osterhofen425,4.0ster- i
wieck 1018. Ostrow j
1023. Ottenbeuren 49. I
458,3. Otting278. Öt- |
ting 166, 2. Ottmars- I
heim 606. 608, 3. Pader- |
born: Abdinghof 866, 2.}
1023. Bußdorf 1023. |
Palecroix 1034. Passau :
St. Maria 166^ 1036. St.
Nik. 742,1. 865. 875,3.
1036. Paulinzelle 870,3.
1014.P-egaul039.Peter-
lihgen 385. 386,6. 866,2.
Petersberg b. Hersfeld
447. 456. 1025. Peters-
hausen 336.337,6.377.
869. 870 927,1. 1020.
Pfäfer3 7. 386,3. Pfalzl
489. Pierremont 1033.
Pöhlde 143, 3. 1011.
PoUing 9. 729. Pört-
schach 1034. Poussay
1033. Prag: St. Georg
1023. Prüfening 870,3.
1037. Prül 384. 870, 3.
1037. Prüm : St. Maria
1032, St. Salvator 32, 3.
60,8. 344,3. 364. 367.
434.444,2.446,3.458,1.
Quedlinburg. St. Mar.
1017. St. Servaz 24,7.
335.577. 1016. St. Wi-
pert 335. 1017. Raigern
1022, Raitenhaslach
278. Rameslo 639, 1.
Rannshofen 1037. Ras-
dorf 282. Rastedel038.
Ratzeburg 656: 1038.
Ravengirsburg 1013.
R©e8l027. Regensburg:
St. Enj-meram 12. 58,5.
83. 194. 276, 2. 378fF.
386,6. 452. 459. 514.
870.3. St. Jakob 870,3.
1037. St. Maria 278. 396.
425.4, 1037, T^ieder-
münster382. Obermün-
ster 381. St. Paul 381,
1037. Reichenau 32, S.
48. 60,3. 61,5. 83.280.
283. 316. 336. 338. 340.
385. 444,2. 456 f. 548,
606. 726 728. 737. 865.
Reichenbach a. R. 1037.
Reichenbach i. Schw.
870,3. 1021, Reichen-
hall 1035. Reichersperg
1037. Reinhardsbrunn
870. 1013. Reinhausen
1014. Reinsdorf 1018,
Remagen 1028.Remire-
mont 363,6. 458,3.480'.
606. Repesholt 639, 1.
1038.Rheims:St.Remi-
gius469.Rheinau458,3.
729 f. Riechenberg s.
Goslar, St. Maria. Riesa
1039. Rinchnach 631.
1036. Ringelheim 1019.
Rodenbach 1011. Ro-
ding 381, 4. Rolands-
wert 1028. Rohrbach
1018, Rom: St, Alessio
248. 266. 272. St. An-
dreas 524,6. St Maria
auf d. Aventin 222,
597,2.St. Paul 600. La-
teran 597, Rosacium
870,3, Rott870, 3. 1036.
Rottenbuch 1035.
Rouen: St. Ouen 464,2,
RufFach : St. Mark, 606,
Rüggisberg 865. Saal-
feld 94, 5. 713, 1. 864.
1013.Salona3614.Salz-
bürg:St.Peter382.San-
dau278.St.Amand349.
475, 1. St. Andreas b.
Fulda 1012. St. Arnual
1032. St. Avold 361,1.
St. Bavo 492, 5. St.
Belin 467. 1033. St. Ber-
tin 349. 475, 1.478. 871.
St. Blasien 802. 866.
871. 1020. St. Penis 296.
347. St. Die 344,3. 363.6.
606. St. Florian 166.
^t. Gallen 7. 32, 2. 48.
58,5 277.279,4. 280 f.
283.315f. 331.340.343.
385 444. 446. 502. 507
—512. St. Georg a. Do-
nau 1037. St. Georg a,
Längsee 1035. St. Georg
im Schwarzwald 870.
102L St. Georgenberg
1035. St. Germain des
pres 464, 2. St. Gislen
345. 348. 502 505,3.
St.Goar450.4. St. Gre-
gor s. Reichenbach.
St. Hubert 368. 474, 2.
478. 930,3. St. Josse
1069 —
475, 1. St. Lambert 871. {
St. Eambrecht, Steier-
mark 1035. St. Lam- |
precht 729. 1023. St.
Leonhardl024.St.Mar- |
garet870.1086.St.Mär-|
gen 1022. St. Maurice |
48. St. Michel in d Nor- [
mandie464,2.St.Micbel
beiTonnerre 464,3. St.
Mihiel 282. 352. 365.
474, 4. 476, 2. St. Paul
(Lavant) 870. 1035. St.
Peter im Schwarzwald
1021. St. Polten 152.
IBOf. 163.166. 277.1036.
St. Quentin 475,1. St.
Riquier 475,1. St. Sal-
vator 369. 1033. St. Sa-
tumin a. Rhone 462.
St. Symphorian D. Lüt-
tich 1030. St. Thierri
484. 501. St. Thomas
in Umbrien 594. St.
Truijen 276, 1. 503. 1
505.3. 871. 893. 926.
St. Vaast s. Arras. St. |
Vincenz a. Volturno i
577. St. Walburg 1024. I
St. Wandrille 475,1.!
Sazawa 1023. Schaff- \
hausen: St. Agnes 1021.
Allerheiligen 725, 5. i
870. 1021. Scheftlarnj
279, 1-. Scheiern 1036. i
Schildesche 450. 1022. 1
Schlettstadt 1024. I
Schmölln 1039. Schö-
nau 381,4. Schöningen
1019. Schönrein 869. 1
1026. Schulpfortal040. j
Schulä 1016. Schuttern 1
425. 4. Schwarzach a. i
M.779,5. 870,3. Schwar-
zach a. Rh. 450. 870,3.
Schweinfurt 1025.
Seeon 384. 482. 870,3.
1035. Seitenstetten
1037. Seligenstadt 449.
729. Selz 1024. Senones
344, 3. 345. 363. Sieg-
burg 713,1. 742.1.752.
864. 1028. Sindelfingen
870. 1021. Sindeisberg
1024. Sinsheim 864.
1024. Soest 45, 6. 374.
1027. Sölden 1022. Son-
nenburg 1035. Soracte
229. Speier: St. Germ.
1024.St.Joh.l023.Spo-
leto: St. Eufemia 450,7.
Sponheiml014. Spring-
irsbach 1032. Stablo
82. 2. 323, 8. 344, 3. 367 f.
386,6.444,2.458,1.501.
507. 730. 736. 738. 925.
Stade 652,2. Staffelsee
49. Staveren 1031. Stein
a.Rh.425,4.1020.Steina
1014. Steinfeld 1027.
Steterburg 1019. Stöt-
tprlin^eburg 1017.
Stra,ßburg: St. Peter
1024. St. Stefan 449.
Suben 1037. Süllberg
652.2. 1038. Sulzburg
1020. Taben 370. 1032.
Tegernbach 278. Te-
gernsee 9. 160. 169.
319,1.328. 382 f. 386, 6.
451. 453 f. 548. 577.
869. 930,3. Thankmars-
feld .141. 374, 7. 1017.
Theres 870, 3. 1025.
Thiel 487. 1031. Thier-
haupten 278. Toul : St.
Aper 318. 362 f. 366.
369.464.467.480.492,5.
497. St. Gengulf 337. 1
369. 1033. St. Genovefa |
1033.St.Germain363,6.
St. Leo 1034. St. Man- !
suet 363. 467. 492, 5.
1033. St. Martin 363, 6.
St. Salv. 742, 1. 1033.
Trier: St. Euchar 370.
489.503.505,3. St.Maria
370.489. St. Martin 370.
St. Maximin 110. 844,3.
355.364 370.372ff.375.
878. 382. 384 f. 386, 6.
444,2.446.447,1.449,3.
458,1.489.2.501.505,3.
548. St. Paulin 340.
489, 2. 605. St. Simon
1032. Traunkirchen
150, 8. Trebitsch 1022.
Triefenstein 1026.
Turne 371. Ulrichszeil
1021. Utrecht: St. Job.
1031. St. Mart. 1031.
St. Paul 1031. St. Peter
1.031. Vallombrosa 875,
8. Varangeville 369.467.
1032. Verdun: St. Age-
rich474,4.1034. St. Jo-
hann u. Maurus 370.
474.4.476.2.492,4.1034.
H.Kreuzl034.St.Lorenz
1034. St. Maria 1034.
St.Mar.Mgd. 605. 742,1.
1034. St. Michael 1034.
St.Paul 369. 386,6.492.
1034. St.Vanne366.386,
fi.467ff.491f. 847. 1034.
Vergaville 492,5. 1032
Vergy 464, 2. Vezeiai
462.2. 479. 496. Vic
363,6. 1033. Vüich
729. 1027. Vitzenburg
1017. Viviers 1033.
Vornbach 1037. Vreden
1030. Wagenhausen
1021. Walbeck 1016.
1017. Waldkirch 1020.
Walsrode 1080. Waslo-
gium s. Beauiieu^ Was-
senberglOSl. Wausaor,
Waulsort360.371f.375.
502. Weihenstephan
277. 870.3. 1035. Weil-
burg 58,5.61,8. Weil-
heim 870. 1021. Wein-
garten 1021. Wei£enb.
32,3. 128. 130. 142. 314.
373. 385. 444. 502. 504.
507,2. 577. Weißennohe
1016. Weitenau 1022.
Weltenburg 381,4. 870.
3.Werden6U.458,3.Wes-
sobrunn 279, 1. 870, 3.
Wetzlar 1031. Wiblin-
gen871.1021.Widegen-
burg 1080. Wiesensteig
49. Wilzburg 1016.
Wimmelburg 1018.
Wimpfen 1025. Wislik-
hofenl022. Wissegrad
1023.Wissell028.Wof-
feiiheim 606. 608, 3.
742,1. Worms: St. An-
dreas 1025. St. Maria
1025 St. Martin 1025.
St.Paul 438. 1025. Wris-
bergholzenl019.Wun8-
torf 548,8. Würzburg:
St. Johann (Stift Hang)
422. 1025. Neumünster
1025. St. Stefan 1025.
Würzen 1039. Xanten:
St. Vict. 45. 6. Zeitz;
Domstift 555. 1039, St.
Stefan 1040. Ziffüch
1027. Zürich 17. Zur-
zach 386. Zwiefalten
863. 980, 3. 1021. Zwi-
ckau 1040.
1070
Klostergewohnheiten :
Cluni 362,1. 466. 513,5.
864. 868. Fleury 362.
Hirschau 868f. Regens-
burg, St. Erum. 379,3.
St. Benign. in Dijon466.
St. Vanne 476.
Klostergut 443ff.449.728 f.
Klosterrefarm 449 — 515.
Knut, K. 639—644. 655.
Koblenz 402.
Kohren 628.
Kolberg 272.
Kolditz 78. 625.
Köln 29. 31,3.44. 62. 93.
326. 336. 341,1. 482.
578. 752. 909. 919,3.
Kolocsa 271,4.
Kolonisation 97 f. 153 ff.
157. 169. 627.
Königswahl u. Krönung
25. 27.
Königtum 64 ff. 440f. 449.
572—579. 582. 675.
766—769. 801 f.
Konrad, Chuonrat, Euno,
Cono, Chuono
A. V. Busendorf 504, 1.
B. V. Konstanz 39. 336.
1020.1022. B.v. Straß-
burg 889. B.V.Utrecht
799. 836. 842. Chorb.
18, 6. EB. V. Salzburg
889 f. 892,4. 905. 909.
EB.v. Trier 713,3. 728.
736. G. V. Luxemburg
605. H., d. Rote 26. 35.
62. 262. KL. 909. 912,6.
L, K. 5. 8. 12. 16. 18,2.
20. 58,5. 156.211. U.,
K. 63. 65. 408. 483. 488.
497. 501. 541—571.
626 ff. 643. 688. 1028.
K., Sohn Heinrichs IV.
861. Propst 567, 3.
Konradiner 4 f.
Konsekration der B. 743.
Konstantin, B. 281,5.
Konstantinische Schen-
kung 264. 690. 768, 3.
Konstantinopel 557. 757.
Konstanz 58, 2. 5. 276, 2.
281. 336. 393. 728.
736. 841 f.
Krain 154. 159.
Krakau 272.
Krems 170, 1.
Kreuzzüge 757.
Kunigunde,K.539.G,1013.
Kunst 23. 276,1. 333—
342. 399. 487 f. 508.
577. 924—936.
Laienäbte 349,6. 354,1.
367, 7. 445 f.
Laienbildung 21, 4. 274.
937.
Laienbrüder 875.
Laienvereine 876.
Landerich, G. 479.
Landulf
E.V. Benevent 787. Pa-
tarener 693 ff. 748.
Lanfranc 940, 1. 966.
Langenzenn 35, 2. 36.
426, 1.
Langres 62. 205.
Lantpert, Landbert, Lam-
pert, Lambert
A. V. Waussor 485, 5.
502,6.510. B.v. Freising
28,4.57,1.2. B.V. Kon-
stanz 400, 3. B.V.Ostia
917.920. Einsiedler 351.
M. in Hersfeld 865.
953—955.
Lateinische Literatur 28 1 .
285. 297. 304f. 938. 947.
Lausitz 74f. 103.133.544.
626.
Lavanttal 156, 5.
Lechfeld 153.
Leduin, M., A. 473. 478.
490. 495. 504, 8.
Legaten, päpstl. 13. 37.
68,3. 517. 741. 771 f.
811. 812 f. 815. 817.
836. 840. 843. 890. 909.
Leibnitz 157, 5.
Leipzig 625.
Leitzkau 630.
Lenzen 75. 89. 735.
Leo
B.v.Vercelli265,2.479.
528, 5. Legat 262. I,.
in Lüttich 323. I., P.
284. VE., P. 37. 210.
355. VIIL, P. 233—238.
373. IX., P. 458,3.493,1.
595—620. 661. 689.
959.al024.
Lessin 157, 4.
Lesum 660, 5.
Lewy Hradek 185,2.
Liäwizo, Lievizo, Liben-
tius
L, EB.v. Hamburg 235.
254 f. 270,1. 634,2.
635.637. IL, EB.v.Ham-
burg546,7. 566. 643,4.
648.
Liafdag, B. 100. 644.
Libutius 128.
Liemar, EB. 775. 776 f.
790,3. 820. 823. 839.
841. 844.
Lietbert, B. 578.
Liezizi 104,1. 110.
Linagga 104,1.
,' Linoner 76.
I Linz 167, 5.
i Litania maior 69,1.
j Literar. Bildung 274—
333. 372 f. 936—962.
i Liudfrith, L. 324.
i Liudger, G. 632, 5.
Liudmilla 188 f.
Liudolf, Ludolf
B.v. Augsburg 415,3. B.
V.Osnabrück 31. EB.v.
Trier 402. H.V.Franken
U.Schwaben 26. 50. 139.
H. V. Sachsen 4 f. 269.
Liutbert, EB. 58,4. 209.
210.
Liutfred
A. V. Murbach 446,3.
A. V. S.Vincenzo 577, 6.
Liuthar
A. V. Reichenau 23, 5.
G. V. Walbeck 1017.
. M. 23.
Liuthard, A. 502,4.
Liutizen s. Wilzen.
Liutold, A. 820.
Liutpold, Liutbold,
Lupoid
EB. V. Mainz 580. 612.
731.953.1013. MG. 4t.
7.150.162.488. v.Baben-
berg,. MG. 154. MG.
840. 846.
Liutprand, B. 207.
Livius 309.
Lobdengau 63.
Loburg 137,4.
Lobwiesen 922.
Lodoin, A. 354,1.
Lombardei 815. 823.861.
Lommatzsch 84.
Lonnerstadt 423,2.
Lorch 161. 166. 178f.
Lothar, K. v. Italien 215.
Lothringen 4f. 20. 26. 44.
I 282. 317. 344—373.
I 463—507. 604 f. 824.
! Lovo 153.
— 1071
Lucan 285,4. 331,2.
Lucca 588. 618.
Lndhelm, B. 344,5.
Ludwig^
G.V.Thüringen 876.959.
1013. K., d. D.53.57,1.
K., d. Fr. 56.57,1. 61.
76. IV., K. 8. 10. 52,4.
57,1. 61. 140,8. 211.
IV.,K.v.Frankreich217.
Luna 520.
Lund 660.
Lungau 156,2.5.
Lüttich 19.58,2. 63.286.
323. 336. 366 f. 370.
410,2. 471. 884. 943.
Lützen- 84.
Macrobius 297,6.
Madalwin 150,7. 162,3.
Magdeburg 29,6. 30. 58,
2. 5. 62. 72. 108ff. 135.
145,3.201. 209,2. 225.
239. 272. 400 ff. 410 ff.
633.f. 727.
Maggenrod 143,2.
Magnus
B.v. Wendila 660,2. H.
V. Sachsen 735. 784. K.
V. Norwegen 648,6. 654.
658. 661.
Mähren 182—184. 734.
Mahthild, Mehthüd, Ma-
thilde
Ä. V. Andlau 606. Ä. v.
Quedlinburg628.K.906.
K. 17,3. 21,4. 92. 123.
299,5. 315. 1011 f. 1016 f.
MG. 788. 807,1. 827.
Maüand 560. 691—697.
'705.748—751.770.786.
Mainwenden 4 18 f.
Mainz 20. 35. 37. 58,2.
62f. 83. 105. 114. 197.
268—270. 326. 336.
414 ff. 444. 532. 812.
825.881.894. 919.921.
926. 929. 930,1.
Majolus, A. 375,7. 385 f.
462.
Mais 10,1. 18,6.
Malerei 23.337—341.379.
532. 654. 930,3. 933—
936.
Manegold 852. 874. 965.
Manichäer 433. 568.
Mantua 722 f.
Marco, B. 106.
Marienburg 104,2. 138,1.
Mariendienst 245. 304.
761 f.
Mariapfarr 156,5.
Maria Rain 156,5.
Maria Saal 156,4.
Maria Wörth 156,5.
Marinus
B.v. Bomarzo, Leg. 68, 3.
103. B. V. Sutri 235,6.
238. P. 207.
Marktrecht 61. 444.
Markward, Markwart
B.v.Hildesheira 7. MG.
154.
Marozia 212.
Martianus Capeila 285,4.
300. 330. 977.
Matfrid, G. 367.
Mathildische Schenkung
827.
Maurilius, L. 940.
Mecklenburg 254. 657.
660,5. 735.
Meginbert, B. 12.
Meginfred, L. 328.4.
Megingaud, Megingoz
B.v.Eichstätt407. 453.
EB.v. Trier 402. 430.3.
435.
Meginhard. Meinhard
A. V. Gladbach 964. B.
V. Würzburg 846.3. G.
150,8. L. (?) in Bam-
berg 964.
Meginher, A. 698.
i Meginrat. Meinrad 376.
Meginward. Meinward
A. V. Reichenau 726, 3.
I 728. 952. B. v. Freising
I , 847.
i Meginwerk. Meinwerk, B.
I 276,2. 393,4. 404,1.
! 405. 406.4. 407,3. 415,3.
I 459 f. 638. 1023.
! Meiningen 423.
]Meißeno8,5. 74. 77f.l23.
! 130 ff. 440. 145, 3. 247.
255. 412 f. 625—627. ^
Melfi 690. .
Meirichstadt 815.
I Mergesbach 415, 2.
Merowinger 61.
Merseburg77. 88. 98.114.
121. 123. 130ff. 142ff.
267 f. 405. 410f. 627 f.
Messe 434. 523,3. 968.
Methodius 185.
Metz 19. 31,3. 109. 337.
350. 369. 471. 604 f.
629. 911.
Michael, B." 153,4. 191,5.
194 f. 328.
Milo, B. 63.
Milziener 74.
Minden 29. 63. 407, 5.
Misarez 104, 1.
Miseco 141, 1. 201. 626.
Mistav 107.
Mistizlav 647.
Mistui 253.
Mlada 195.
Möckern 137,4.
Molk 170.
Mönchtum 38. 222. 343
—387. 443—515. 864
—876.
Moosburg 158.
Morizani, Moracini 103,1.
HO. 119.
Mouzon 917. 921.
Mühlhausen 423,2. 737,4.
Münster 450.
Münzrecht 61. 444.
Murizi 104, 1.
Musik 620.
Mysach, A. 485, 1.
Naarn 167, 5.
Nanter, A. 485, 5.
Naumburg 554 f. 627.
Nazarius 693.
Neletiza, Neletice, Nie-
litizi 98.104,1.119.130.
Neuburg a. D. 12.
Nibelungenlied 164.
Nikolaitismus s. Priester-
ehe, Unzucht.
Nikolaus
L, P. 441. 678. n., P.
681—702. 742, 1.
Nilus 257.
Nimptsch 629.
Niseni 133.
Nithard, B. 546,7.
Nitker, Nizo. B. 580.612.
Nitzow 104.
Nizizi 130.
Nordgau 427.
Nordthüringgau 112.127.
Nöring 153, 1.
Normannen 7. 42. 76. 344.
370,3. 399.
Normannen in Süditalien
688—691. 710. 745 f.
768. 787. 827.
! Norpert, Norbert
A.v.St.Gallen508.513,3.
- 1072 —
A. V. Iburg 939. 948.
B. V. Chur 820. 1014.
Norwegen 644 — 646.661 f.
Noting, B. 283,3.
Notker, Notger
A. V. St. Gallen 512.
B. V. Lüttich 323. 326.
336.372. M.,d.Deut8che
508.976— 978. M., Pfef-
ferkorn 316. 340,2. M.,
d. Stammler 280. 285.
Novara 330.
Nudiczi 119. 130.
Nürnberg 771.
Oberzell 933 f.
Octavian s. Johann XII.
Oda 141, 1.
Odalbert, Odelbert, Odil-
bert
A. V. Gorze 337. KB.
V. Salzburg 18,6. 57,1.
156.
Odalrich, Odelrich
B. V. Bergamo 125, 5.
Pr. in Rheims 618, 5.
Odense 250,2. 660.
Oder 79.
Odilo
A. V. Cluni 448. 460.
462. 470. 477. 505. 515.
580. 585. A. V. Stablo
367,7. 368.
Odinkar
B. V. Fünen 635. 646.
B. V. Ripen 635.
Odo 8. Otto.
Ohtric 144. 244. 275,3.
328.
Olaf
d. Dicke. K. 644 f. 661.
Schoßkönig,K.636.646.
662, 3. Trygvason, K.
636. 644 f.
Olbert, A. 439. 485. 939.
Oldenburg 85. 105fiF.646f.
657. 660.
Olmütz 734. 741. 846,3.
Oppenheim 800.
Ordulf, Ordolf, H. 735.
Orkaden 663,3.
Orlagau 94, 5.
Orosius 509, 2.
Oedag, B. 268, 2. 269.
Osmund, B. 662 f.
Osnabrück 58, 5.
Osterwitz 166, 5.
Ostfalen 280, 2.
Ostfranken 83,2.
Ostmark 150. 152 ff. 167.
169. 181. 243. 381,4.
Ostrom. Reich 338.
Otbert
B. V. Lüttich 883, 3.
888. 891. MG. 222.
Otgar, B. 234.
Othelbold, A. 434, 5.
Othelrich, B. 400.
Othloh,M.945f.968— 971.
Otto, Odo
A. V. Cluni 222. 361.
367, 6. A. V. Ilsenburg
882. ß. V. Bamberg
883,3.888. 890,6.891.
908,5. 911. 920. 927 f.
B. V. Konstanz 740 f.
773. 775,3. 799. B. v.
Ostia 812, 3. 836. 843.
s.Urban II. B.v. Regens-
burg 668,6. 734. 791.
B. V. Straßburg 880.
G. V. Thüringen 732.
G. V. Hammerstein 431.
434. 535 f. 548. 552.
H. V. Baiern (Otto v.
Northeim) 714. 722.
729f. 732. 745.784.1013.
H. V. Franken 438. H.
V. Lothringen 26. H.
V. Sachsen 5. 73. H.
V. Schwaben 65. L, K.
20ff. 275. 330. 355. 373.
384 f. 461. IL, K. 30,2.
62 ff. 97. 104, 2. 144.
172. 181. 183. 223. 240
—243. 275. 332. 382.
386. 443. 627. III., K.
62 ff. 104,2. 255—273.
275. 332. 338. 386. 398.
627. 635.
Otwin, B. 327.
Oudalgis 164.
Ovidius 285,4.
Paderborn 58,2. 60. 63 f.
276, 2. 405/. 408. 410.
450; 548,9.
Paderga 63.
Pahlen 660; 5.
Palestrina 594.
Pallium 30. 208. 225. 516.
518,3.527.538.614.698.
707. 718. 739. 862.
Pannonien 150 f. 157 f.
Papsttum 203—239. 259
—265. 440 f. 495 f. 516
-623. 660 f. 665—721.
736—752. 762—769.
Papstwahl 232. 236. 683
—700. 716—719. 723.
Paris 439 939.
Parma 722.
Paschal IL, P. 881—912.
Pa88au58. 63,6. 160. 181.
383. 840. 929.
Pastoralanweisung 562.
Pataria 691—697. 748—
751. 786.
Patriarchat, nord. 658 —
661.
Patriciat, röm. 222,2. 591.
745.
Paulus Diaconus 309.
Pavia 215. 217. 261, 5.
294. 385.
Perhtrich 278.
Persius 285, 4. 331, 2.
Peter
ArchiD., röm. 583,2.
Bibliothekar, röm. 610.
B. V. Albano 817. 819.
B. V. Florenz 671. 720.
B. V. Orta 13. Crassus
823 f. Kanzler, röm. 845.
Petschenegen 630.
Pettau 158.
Pfarreien 660,4.
Philipp, M. 281, 5.
Philosophie 965.
Piacenza 587. 750. 786.
Pibo,Bibo,Phibo,B 566,6.
776. 797. 805. 860. 863.
930, 3.
Piligrim
B. V. Passau 151. 163
— 180.208,7.271.324,4.
EB. V. Köln 406, 3. 5.
433. 482. 531. 539,2.
EB.v.Salzburgl2.150,8.
Pisa 520.
Pistoja 125.
Placidus, M. 903.
Piatonismus 298. 331.
Plauen 135.
Plautus 285,4.
Pleichfeld, Schi, bei 847.
Plinius 285,4.
Plön 85.
Ploni 103, 1.
Ploth 104, 1.
Pöhlde 143,3.
Polaber 76.
Polen200— 202. 246.270.
272. 393. 544. 572. 624.
628. 770.
Pommersfelden 936, 1.
Pontius, A. 916.
1073 -
Poppo
A V. Lorsch 457. A.
V. Stablo 458,1.476,2.
483. 485,4. 487. 489.
499— 508.576.580.925 f.
B. V. Brixen 594, als
P. Damasus II. B. v.
Metz 863. B. v. Pader-
born 841. B. V. Schles-
wig 101, 5. 255. 635.
L, B. V. Würzburg 31.
282.330. II.. B.v. Würz-
burg 31.95. EB.vAqui-
leja 406,5. 558. 582, 3.
EB. V. Trier 101, 5.
402. 404. 406,5. 431,2.
435. 487 f. 503,2. MG.
V. Krain 154.
Posen 201. 272-
Prachthandschriften 339
—341. 360,6. 365,5.
379. 934—936.
Prag 87, 3. 186. 189. 191.
194—200. 243. 266.
582, 2.
Predigt u. Prediger 38.
47. 414.
Preußen 266. 630.
Prie8terkinder529 f. 567 f.
575.
Prie8terehel67.247.431 f.
528. 566 f. 602 f. 618,
671. 692. 771. 804,6.
Priesterstand 494. 565 —
568.
Pritzerbe 104.
Privatmessen 68,1.
Privilegien 516.
Prosper 284.
Prunvvart, B. 177.
Pseudocyprian 284.
Pseudodionysius 39, 2.
Pseudoisidor 34. 39, 2.
210,5. 262,4. 263. 269.
285. 317.435. 437. 439 f.
535,1.537. 598. 615,9.
658. 782. 836.
Püchau 413,3. 627,1.
Pythagoras 331.
Quatember 531,5. 553.
Quedlinburg 385.
Radbert Paschasius 284.
Radüod
B. v. Utrecht 42. EB.
V. Trier 370, 3.
Radenzgau 423. 2. 425.
Rading, Klerik. 350.
Radla 271, 3.
Rado, A. 428, 1.
RafFelstädterZollordnung
150, 7.
Raidulf, G. 688.
Raimbert 474, 4.
Rainulf, G. 688.
Ramesloh 660, 5.
Ramwold, A. 378. 380f.
386. 395. 398. 452. 484.
Rangau 63.
Kanshofen 453.
Rather B. 284— 295. 345 f.
Ratibor 648. 5. 654.
Ratmund 383. 451.
Ratzeburg 657. 660,5. 735.
Ravenna 125. 710. 827.
Recknitz 90.
Redarier 75 f. 85.88.628.
657.
Redigast 85.
Rednitzwenden 83.
Reformen 37 f.
Regensburg 12. 29,6. 31.
58,2. 65. 160. 184. 192.
194 f. 276,2. 341,2.
378. 607. 819. 935.
Reginald, B. 125,5. 329.
Reginar, Reiner.
G. V. Hennegau 498.
H. 4. 5,2.
Reginard, Reinhard
B.v. Halberstadt 141,1.-
892. 895. 907,5. 1018 f.
B. v. Lüttich 481. 485.
545. 562. B. v. Minden
841.
Reginbert
B. V. Fünen 642, 2. B.
v. Mecklenburg 254. B.
v. Oldenburg 1006.
Reginbrand, B. 100.
Regino, A. 317. 367. 370.
439. 947.
Reginward, KB. 80, 2.
Reichenhall 426.
Reichsabteien 450.
Reichsversammlungen u.
Hoftage
926 Worms 18. 937
Magdeburg 28. 951
Frankfurt 67, 1. 952
Augsburg 68, 4. 1006
Pöhlde417. 1048Worms
595. 1061 Basel 705.
1064 Kaiserswert 721.
1066 Tribur 725. 744.
1076 Worms 799, Mainz
799, Tribur 800, Oppen-
Hauck, Kirchengeschichte. III.
heim 800. 1080 Brixen
825. 1084 Mainz 843.
1100 Mainz 881. 1119
Tribur 913. 1121 Würz-
burg 920. 1122 Worms
921.
Reifnitz 160.
Reiner, M. 485, 3.
Reliquien45. 47. 110.194.
252, 3. 253. 283. 296.
299.310.347.374.379.
396. 472 f. 574. 582.
604. 607.
ReOrdinationen 601, 2.
860, 2.
Rereger 76.
Rethar, B. 408,2.
Rethra 85. 632.
Rheims 68,3. 262 f. 434.
603.3. 604.
Riaciani 103,1.
Ribe s. Ripen.
Ricdag, A. 459,6.
Richar, Richer
A. V. Monte Cassino
577,6. A. V. Prüm, B.
V. Lüttich 19,1. A. V.
St. Moritz in Magdeb.
127. B. V. Lüttich 367.
B. V. Verdun 863. 895.
M. in Gembloux 372.
Richard
A. V. Fulda 966. 1012.
A. V. St. Euchar 503,2.
A. V. St.Vanne 366,3.
467—481. 489. 495 ff.
557.580. I., B.V. Verdun
481. II., B. V. Verdun
892.4. G.v.Aver8a689.
704f. 745. 787. H. v. d.
Norman die 464.
Richardis, Rikkardis 300.
606.
Richbert, Rihpert
ß. V. Brixen 162, 1. B.
V. Verden 668,6.
Richeza, K. 713,4.
Richwin, B. 209,4.
Rihkarius, L. 319.
Rimbert, EB. 52,4. 80.
654.
Ripen , Ribe 58, 5. 99.
106. 654. 659 f.
Riwin, B. 18,4.
Robert
B. V. Chartres 764. B.
V. Metz 354, 1. Guia-
card, G. 689. 765, 1.
787. 827. 830. 835. K.
. 68
1074
V. Frankreich 263. 464.
530.
Rochlitz 78. 62b.
Roderich, A. 475,1. 478.
490.
Roding, M. 473, 8. 496.
Roeskild 660.
Roger, Glasmaler 930.
Roland
Propst 587. Kanonikus
795.
Rom 203.212ff.219— 239.
243.256.265.569—571.
582—592.640.680.702.
720.722.793.830—835.
Romanua, P. 204.
Römische Klöster 611.
Romreisen 195. 486. 496.
500. 536. 552. 607. 698.
764.
Romulf, EB. 262,4.
Rotland, Klerik. 350.
Rudolf, Rodulf
A. V. Hersfeld 502, 3.
514.1. A. V. Hostieres
505.2. A. V. St.Vanne
874. B. V. Paderborn
546,7. B. V. Schleswig
643. B. V. Würzburg 7.
H.V.Schwaben, K. 726.
729. 777. 798. 810—
828. K.v. Burgund 110.
213
Rumoid, B. 729 f. 742.
Ruotbert, Ruotpert, Ru-
pert
A. F. Deutz 404. A. v.
Reichenau 726,3. 741.
B. V. Cambrai 29,5. B.
V. Bamberg 779, 5. 785.
820. 823. 880. EB. v.
Trier 19. 287, 3. 364 f.
B.v.Würzburg 888.891.
Ruotger, Rudger, Rotger
EB.v.Magdeburg912,l.
EB. V. Trier 19. 317.
Kl. in Köln 33. 46. 315.
Ruothard,Ruodhard,Rad-
hard, Ruthard
B. V. Kamerijk 324,2.
B. V. Konstanz 404,2.
B. V. Paderborn 415,3.
B. V. Straßburg 35. 39.
EB. V. Mainz 880. 887.
889. 893. 895. 1013 f.
Ruotmann, A. 385.
Rußland 128. 768.
Rutherich, A. 365.
Saalfeld 94,5.
Saaz 393.
Sachsen 4 f. 6. 73 f. 279.
280,2. 296—314. 307
—314. 334—336. 392.
768. 770. 783 f. 798 f.
847 If. 887 f. 907. 925.
Sakramente 782.
Säkularisationen 9. 11.
278.
Salacho, A. 350. 360,6.
Sallust 285,4. 309. 331,2.
Salomo
111., B.7f.l0f. 14.281,5.
K. 272,1.
Salzburg 29. 58. 60,3. 155ff.
169. 178. 180. 278. 382.
847. 936.
St. Gallen 276,2.
Sandrat, A. 374. 385. 504.
Sarazenen 203. 520.
Schenkungen 57.
Schkeuditz 78.
Schlesien 84.
Schleswig 58,5. 60,2. 80f.
99. 106. 255. 635,2. 659f.
Schloßborn 415,2.
Schonen 101,2. 635. 642.
660.
Schönering 167,5.
Schotten 43.369.371.374.
465. 482 f.
Schulwesen 280—282.322
—329 372,1. 582.936
—942.
Schulen, einzelne:
Altaichl64.324. Angou-
leme 940. Aschaffen-
burg327.Augsburg281.
382,7. Bamberg 668,4.
938.941.953. Bischofs-
berg 282. Bremen 328.
BudGtschl87f. Chartres
939. Einsiedeln 377.
Fecamp 494. Fulda 282.
940. Gandersheim 300.
Gembloux 938. 957.
Gorze 372,1. 397. Hal-
berstadt327. 940. Hers-
feld 282. 937, 2. 968.
Hildesheim 327. 395.
940. Hofschule 43, 5.
Holzkirchen 282. Hün-
feld282.Köln326.937,5.
Konstanz 281. 940. Lau-
bach 285. 939. Lüttich
323.940.11.963. Magde-
burg 244. 327. Mainz
822. 326. 531. Merse-
burg827. 938. Metz 282.
Mouzon 478. Moyen-
moutier 372, 1. Naum-
burg 938. Ohrdruf327.
Paderborn 327. Paris
439. 939 f. Paulinzelle
938. Rasdorf 282. Re-
gensburg 328. Reiche-
nau 175. 281. Rheims
469. Salzburg 324. 452.
St. Gallen 280 f. 322 ff.
508.St.Germain939.St.
Mihiel 282. 352. St.
Vanne471. Speier 323.
963. Stablo 478. Straß-
burg 323. Tegernsee
328. Toul 282. 937, 2.
Trier 175. 326. Troyes
939. Utrecht 42. 283.
Verdun478.Worms397.
940,11. 942. Würzburg
175.282.940.942. Zeitz
988.
Schutzprivilegien 111.
209. 608. 742.
Schwaben 4. 11. 20. 26.
65. 279. 283. 336. 392.
426,1. 869 f.
Schwabmünchen 50.
Schweden 81. 101,2. 254.
630. 635. 646 f. 662 f.
Schwerin 647.
Schwerter, die beiden
673, 2. 856.
Sehen 159 f. 162.
Sederich 648, 3.
Sedulius 319, 1.
Seeland 101, 2. 635. 642.
659.
Segeberg 85.
Selibur 107.
Sendgericht 47. 419. 436.
553, 2.
Sendrecht der Mainwen-
den 418.
Seneca 285, 4.
Sequenzen 316. 978 f.
Sergius IV., P. 516 f.
Serimunt 130. 138f.
Setleboresdorfl31,4. 140.
627.
Severus, B. 734.
Sictona 663, 5.
Siena 681
Sierning 167, 5.
Sigehard
EB. V. Aquileja 713, 3.
798. M. 372.
Sigerich, G. 369.
— 1075 —
Sigeward, A. 577.
Sigewin,EB. 820. 839.843.
Sigfrid, Siegfried
A. V. Gorze362,1.498f.
506.513,1.561.576.580.
617. A. V. Schaffhausen
1021 A. V. Tegernsee
620,3. ß. V. Augsburg
820. 841. EB. V. Mainz
667f. 698. 714.717.720.
721. 5. 724, 1.729. 732 ff.
736. 739 f. 743. 747.772
-775. 779. 786. 790.
795. 799. 813,4. 815.
839. 1011 ff. G. 77. 251.
Sohn Geros 90.
Sigibert
A. 362,1. M. 783. 884,7.
955. 957 f.
Sigibod. Sigebod, ß.566,6.
580. 603.
Sigrith 655.
Silva Candida 609, 4.
Silvester II. P. 256.486, 2.
Silvester III., P. 570.
583—589.
Simon, A. 505, 3.
Simonie 494. 523. 527. 545.
553,2. 557. 563—66.
570. 575. 584. 593. 600.
603. 608. 618,2. 671.
674 f. 688.692.699.714.
717. 719,2. 726 ff. 739.
771—779. 878-880.
Sintpert, M. 278.
Siriaudus, A. 369,7.
Siusile 119.
Skandinavien 634 — 647.
Skara 646. 663. 5.
Sklaven 68, 1. 87.
Skulptur341f. 930— 932.
Slaven s. Wenden.
Slavische Liturgie 185.
188.
Smeldinger 76.
Sobottin 271, 4.
Sonntagsfeier 68, 1.
Sophie, Ä. 269 f. 417, 6.
Sorben 71, 2f. 72,1. 73 f.
78. 84. 97. 108. 624.
Sorethfeld 63.
Spanien 757. 768.
Speier 30. 32, 3. 58, 2. 5.
62. 323. 444. 728. 926
—929 f.
Spitignev 186 f.
Spoleto 622.671.710.787.
Stade 660, 5.
Städtewesen 276.
iStaggo, B. 255,6. 415.6.
j Starchand 329.
lStatius285,4.331,2.383,l.
! Steiermark 150.
I Steinheim 415, 2.
! Steinkirchen 161. 182.
[ Stephan
A.v. St. Lorenz, Lüttich
481.485,2. B. v. Metz
912,1. Kd. 609. 700.
K. s. Wajk. L. 282. 7.
330. III., P. 37. 1. V..
P. 208,8. 209.6. 210,5.
VL, P. 204. IX., P. 670
—678. 689. 694.
Steuern 61.
Stinkil. B. 663.
Stoinef 90.
Stormarn 735.
Straßburg 61. 323. 393.
449. 916.
Streitschriften 783. 828.
851—856. 958—961.
Studienreisen 939.
Suidgar,B. 580. 590. 1025,
s. Clemens IL
Sünde, Sündenvergebung
305. 761. 765f.
Susali 132.
Sutn 588. 708. 899.
Swein, Suein, Swend
K., Gabelbart 250. 255.
634. K., Estridson 137.
254. 648,6. 657 f. 663.
Symbol 523, 3. 641.
Symeon
Grieche 281, 5. Eremit
489.
Synodalwesen 18. 28. 38.
47. 68. 260. 428—433.
440 f. 534 f. 559. 578.
663. 765.
Synoden
325 Nicäa 210. 859
Savonieres 54,3. 915 —
931 Trier 317. 916
Hohenaltheim 9,1.13tf.
205.209,4. 922 Koblenz
68,1. 929Duisburg68,l.
932 Erfurt 18.68,1 358.
Regensburg 18, 3. Din-
golfing 18, 3. 279, 1.
942 Bonn 68. 948 Mou-
zon 207. Ingelheim 28,
4. 68. 100. 161. 209.3.
c. 951 Mainz 38. 208.
952 Augsburg 28,4. 38.
68 f. 375. 385. 529, 1.
958 Ingelheim 68. 962
Rom 120. 225. 963 Rom
232. 964 Rom 236. 318.
967 Ravenna 40,1. 123.
238.971— 991Enn8burg
u. Mautern 168. 972
Ingelheim 51. 68. 981
Rom 145. c. 985 Lorch
152,2. 168. Mistelbach
167,5.Mauternl68. 990
Ansa 529. 1. 992 Rom
248. 995 Mouzon 262,4.
996 Rom 260,3. 266,1.
997 Pavia 263.267. 998
Rom 260, 3. 267. 1000
Quedlinb. 267. Aachen
267. Gandersheim 269.
Poitiers 529, 1. 1001
Rom 269. 399. Pöhlde
270. Frankfurt 270.271,
4. 1003 Diedenhofen?
429,2. 1004 Mainz? 429,
2. lü05Dortmund635,5.
1006 Merseburg? 430.
1007Frankfurt397,419,
j 4. 424 f. Mainz 423,
I Rom424. 1012Bamberg
I 430. Koblenz 431. 1014
I Ravenna 433,1. 521 f.
! Rom 522 f. 1018 Nim-
wegen 431. 1019 Goslar
431.567. 1020Bamberg
432,2. 527f. 1022 Pavia
i 432,2.528. 1022 unbek.
Orts 433. 1023 Mainz
433. 534. Aachen 433.
Selisrenstadt 534—536.
I 5.53,1. 1024 Höchst 534,
6. 539. 1025 Grona 549.
' 1026Seligenstadt534,6.
i 549.1027Frankfart540,
; 1. 549. 552. Rom 557.
1028 Geisleden 534, 6.
550. Pöhlde 550. 1033
i Konstanz 559. 1036
Tribur552f. 561. 1043
! Konstanz 573. 1046 Pa-
' via 578,1.586. Sutri588f.
1047Rom593. 1049 Rom
600. 774,5. Pavia 602.
i Mainz 602 f. 774, 5.
Rheims 602. 612f. 1050
Salerno 602. Sipont
i 602. 688,4. Rom 602.
I 774,5. Vercelli 601,2.
602.1051Rom601,2.602.
' 1053 Mantua 602. Rom
602. 1055 Florenz 622.
1059Sutri68 I.Bamberg
581,2. 711. Worms 667.
1076 —
699, Benevent u. Melfi
690. Rom 684. 696f. 732.
774,5. 1060 Rom 699.
1061 unbek. Orts 700.
1062Augsburg717.1063
Rom 719. 772,3. 774,5.
Parma720. 1064Mantua
721—724. 1069Frank-
furt748.1071Mainz740.
743. 1073 Rom751. 1074
Rom 773 f. 787. 1075
Rom 775. 777 f. 787.
Mainz 780. Erfurt 780.
Pa88au780. 1076Worms
790, Piacenza 793. Rom
794 J'avia799. 1078Rom
777.811.814.816.1079
Rom 766. 1080 Rom 766.
821. 1081 Rom 829. 1083
Rom832f. Bamberg843.
1085 Quedlinburg 843 f.
860,2, Mainz 844f. 846,3.
1086Ravenna857. 1087
Benevent858. 1089Rom
861. 1094 Konstanis876.
Autun877. 1095 Piacen-
za 860,2. 877. Clermont
877. 1105 Nordhausen
887.1 106 Gua8talla891.
1107 Troves 895. 11Q8
Benevent 896. 1 1 lORom
897. 1112 Rom 906. Vi-
enne 907. 1115 Goalar
909 f. 1116 Rom 910.
1118 Köln 911. Fritzlar
911. 1119 Rheims 917f.
1123 Rom 922.
Tacitus 309.5. 947,2.
Tagino 119,4. 400 f. 406,
3.5. 411. 415,3. 430,3.
459. 634.
Taocha 139.
Tausch vertrage 28,5. 57f.
Terentiu8285,4.304.831,2.
Territorialgewalt der
Bischöfe 59ff.409f.487.
Teuchem 139.
Thankmar, Thangmar
268,2. 327. 944.
Thedald, EB. 786. 789,5.
Theobald, A. 524,2.
Theoderich s. Dietrich.
Theodora 204 f.
Theologie 286. 318—322.
962-978.
Theophano 241. 258,1.
Theophüus, M. 932 f.
Thiadhelm, L. 328.
Thieddag, B. 266.
Thiedo, B. 83.
Thiemo, EB. 862 f. 882.
Thietbald, A. 508.
Thiethard, B. 28. 110,3.
Thietmar, Thiedmar,The-
otmar, Deothmar,
Dietmar
B. V. Brandenburg 105.
B. V. Hildesheim 547.
B. V. Merseburg 32. 54.
66. 135 f. 401. 404,3.
405. 407,3. 413. 417.
430,3. 436. 628. 949 f.
B. V. Osnabrück 404,1.
B. V. Prag 198 ff. 415,3.
B. V. Worms 846,3. EB.
V. Salzburg 7. 150 f.
Thiofrid, A. 971.
Tholosanten 657.
Tholenz 104,1.
Thurgot, B. 647.
Thüringen 4. 731 f. 736 P.
780. 812.
Tito, A. 382.
Tollense 85.
Toscana 587. 708. 823.
827.
Totenbund 430, 1.
Toul 17,3. 30,2. 62. 337.
351 f. 361. 491. 565.
596. 615. 930,3.
Traismauer 163.
Traungau 150.
Treben 139.
Treveresga 63.
Tribur 800.
Trier 19. 31,3. 32,3. 58,5.
61. 63. -326. 364. 370.
402.450. 487f. 728. 971.
Troyes 439.
Tschechen 72,1.184—200.
243—249. 266.572f.734.
Tucharin 139.
Tudo, Tnto, Tuoto
B. V. Havelberg 105.
B. V. Regensburg 12.
187. 191.
Tugumir 90 f. 102.
TuUn 169, 170,1.
Tunglo 73,1.
Tuotilo 276,1.
Turin 750.
Tusculum, G. v 518. 570.
Udalfrid, ß. 12. 18, 3.
Udalgis, L. 324.
Udalrich, Ulrich
L, A. V. St. Gallen 508.
III.,A.v. St. Gallen 820.
865. A. V. St. Emmeram
577. A. V. Lorsch 1013.
A. V. Tegernsee 566, 4.
B. V. Augsb. 19. 28. 47.
51.110,3.276,2.317,2.
336. 375,7. 377. 1014.
B. V. Basel 545. B. v.
Konstanz 904,7. 1022.
B. V. Padua 818f. B.
v. Passau 862. 889. B.
V. Regensfcurg 883, 3.
889.G.v.Ebersberg383.
G. V. Lenzburg 1020.
Prior V. Grüningen u.
Zell 866. 875. 1021.
üdalrici «p. de cont. der.
781.
Udo, Uto, Uodo, Uoto
Abodritenfürst 648, 3.
654. A. V. St. Blasien
1021. A.V.Prüm 458,1.
B. V. Freising 7. 57,1.
150. B. V. Hildesheim
836. 887. 894,4. B. v.
Naumburg 135,7. B. v.
Straßburg 38 f. B. v.
Toul 610. EB. V. Trier
736. 739 f. 776. 790.
798ff.806.813 f. Kanzler
610. G. V. Stade 735.
Ulm 799. 876.
Ungarn 50. 74. 83. 147 ff.
170ff. 231. 243. 270f.
275-280.344.572.624.
768.
Unger, B. 272 f.
Universalien 332.
Unni, EB. 13. 80 f. 654.
Unwan, EB. 66. 406. 637
644
Unzucht 566. 682 f. 739.
774.
Urban U., P. 858—881.
Urold, A. 505, 3. 513.
Utrecht 58, 5. 61.63 f. 410.
486 f. 796.
Yarro 285,4.
Venedig 558.
Verden 83 f. 95. 660.
Verdun 19. 276,2. 350.
365—367.369.471.481.
605. 743.
Verona 286 f. 289,1.
Vikariat, päpstl. 37. 117.
210. 375.
107-
Viktor
L. in Straßburg 323.
n., P. 621. 666—669.
689. in., P. 857-858.
Villach 155,1- 160.
Virgil 297, 6. 331, 2. 977.
Visionen s. Gesichte.
Visitation 47. 459.
Vivilo 180.
Vogt 59 f. 444.
Volkfeld 423, 2. 425.
Volkold, B. 247. 255. 414.
415, 5.
Vukraner Vucri 76. 103.
Wachau 160.
Wachenrod 423, 2.
Wagrien 71. 76. 105. 253.
648.
Wahlprivilegien 29. 382.
385. 400. 407 f. 667.
Wajk, K. 177,1. 271.
Wal
A., B. V. Metz 754, 4.
846,3. 847. B. v. Ripen
659.
Walcher, B. 859, 6.
Waldo
B. V. Chur 18,4. 83.
B. V. Como222. 229,4.
B. V. Freising 57, 1. 2.
Waldpert, EB. 222.
Waldsazin 63.
Wallfahrten 47. 350.352.
448. 472. 488. 500. 640.
734. 953. 974.
Walram, Waltram
A. V. St. Vanne471,3.
B. V. Naumburg 876.
Walsleben 91.
Walthard, EB. 518, 3.
Waltbariuslied 280. 324.
Walther
" B. V. Eichstätt 404, 2.
B.v. Speier 325.429,2.
439. 521.
Waltherd, Pr.,EB. 400 ff.
Waltolf, B. 668, 2.
Wanzlo 104,1.
Warin
A. V. Corvey 297. EB.
V. Köln 993.
Warinbert, Klerik. 350.
Warmann, B. 559.
Wamaber 76.
Wasserburg 280.
Wazo, B. 484. 562. 574
579. 598.
Wederich. M. 874.
Weihen der Simonisten
594. 601. 674 f. 699^4.
719, 2. 777, 4. 878.
Weitaha 139.
Welatalen s. Wilzen.
Weif, H. 798. 815.2. 830.
862. 917. 1020.
Welser Haide 152.
Weltende 491.
Wenden 70ff-82ff. 134ff.
171. 250—255. 418 f.
554,4. 624. 647-657.
711. 731, 2. 734—736.
Wendila 660.
Wendilgart, Ä. 299, 9.
Wenilo, EB. 54, 3.
Wenrich 828. 852.
Wenzel
A. V. Altaich 723. H.
187—193.
Weomad 61, 2. 6.
Werben 633. 648, 4.
Wernher, Werinhar,
Werner, Wezil
A. V. Fulda 54. A. v.
Reichenau 456, 4. B.
V. Merseburg 136, 3.
784,1.815.841.845.849.
B. V. Straßburg 739.
773 f. 775,3. 778. 799,10.
EB. V. Magdeb. 119,4.
713,3. 727. 784. 790,3.
815.821,2. EB. V.Mainz
836. 839.844,1. 860,2.
G. 725. 729.
Westfalen 812.
Wibert, Wipert, Guibert
Biograph Leos IX. 944.
Einsiedler585. Kanzler,
EB. V. Ravenna als P.
Clemens ITI. 681. 686.
703. 705. 717, 1. 7.22,3.
751,5.787.826.828.831.
833.837.844.850. 857.
881. 959.
Wibold, B. 29, 5.
Wiborad 48, 11.
Wiborg 660.
Wiebert, Wigbert
B. V. Merseburg 328.
404, 3. 407, 3. 412. 627.
Stifter v.Gembloux370.
Wicfrid, Wigfrid
B. V. Verdun 46. 368 f.
EB. V. Köln 27. 93.
Widelo, B. 887. 891.
Widei-ad, A. 732. 738.
I Widger, EB. 578.
Wido Guido
Bibl. 129, 2. B. v. Chur
863. 889. 891. 893 905.
B. v. Ferrara 856. 914.
B. V. Osnabrück 855.
EB. V.Mailand 692. 696.
722, 3. 749 f. EB. v.
Vienne 904. 907. 912,
s. Kalixt n. MG. v.
Tuscien212.M.v.Arezzo
594.
Widrich, Widericus
A. V. Gorze 354, 1. Pr.
V. St. Aper 467,2. 480.
Widukind v. Corvey 33.
308—314.
Wieselburg 161.
Wigerich, B. 19. 354, 1.
Wigo,ß.401.630,4. 1008.
Wigold, ß. 821, 2. 841.
Wikker, Wigger,Wikkier
A.v.St.Maximin372,5.
B. V. Verden 404, 1.
Pr. 550.
Wilderod, B. 263, 3.
Wildeshausen 660, 5.
Wilhelm
A. V. Dijon 461-467.
478f. 494. 497.557.568.
A.v.Hirschau 380.821,2.
848, 2. 867—870. 875.
B. v.Chälons916f. 940.
941,3. ß. V. Roeskfld
660,3. B. V. Straßburg
546,7. 553. 1024. B. v.
Ütrecht713, 3. 729.734.
■779. 792. 797. EB. v.
Mainz22,1.31.39.40,l.
113,3. 115,2. 117. 120.
123 127. 210. G. V.
Burgund 747. G. v.
Thüringen 732. Der
Eisenarm, G. 688.
Willigis 198. 210,7. 248.
255, 6. 266. 268—270.
327. 336. 397.411.414
—418. 424. 437. 455.
459. 530. 637. 1012.
Williram, A. 976. 978.
Wilmar, B. 84,7.
Wilzen 7 1,2 f. 72,1. 75 f.
84.108.188,3.247.251.
628 f. 647. 657. 734 f.
Wingarteiba 63.
Winither
A. V. Lorsch 869,4. B.
V. Merseburg 668,6. B.
V. Worms 846, 3.
— 1078 —
Wipo Gesch. -Sehr. 571, 6.
582. 620. 656. 948. 974.
Witigowo,A. 316.336.339.
456, 4.
Wittstock 104, 2.
Wolbod,Wolpod,ß. 406,4.
484. 502,7.
Wolfdio, Pr. 377.
Wolfgang, B. 80, 4. 160.
174ff. 182. 196. 318.
319.1. 326. 328. 330.
341.2. 377 f. 381 f. 395.
411. 607.
Wolfhelm,A. 930,3. 964f.
Wolfheri 944.
Wolfram, B. 57,1.2.
Wolzo, L. 910.11.
Worms 32,3. 58,5. 61.
i 63. 394. 410. 438. 612.
I 727. 812. 921. 926.
i Wörthsee 159.
Wosze 104,1.
I Wracen. ß. 183,1.
I Wratislav
böhm. Fürst 186 fl". H.
734. 741.
Würzburg 20. 29 f. 58,2.
61. 83. 330. 410. 418ff.
444. 611. 615. 812.849.
921. 926.
Wunder 473.
Würzen 140. 413,3.
Yppo 735.
Zacharias
B.v.Seben 7.150. P. 39,2.
i Zamcici 103,1.
'Zehnten 68,1. 140,3. 249.
I 553,2. 602. 627,1. 698.
I 731 f. 737 f.
Zeitz 77. 96. 98. 123.
I ISOff. 145,3. 412. 554.
I 627 f.
iZemzizi 103,1. 104.1.
Zeno, B. 284.
Ziesar 104.
Zitice 119.
Zobten 84.
! Zoll 61. 444.
Zpriauuani 103,1.
Ztrahquaz 194. 266.
Zutibure 84,6.
Zwenkau 78. 131,2.
S. 51
Z.
25 V.
0.
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Berichtigungen.
lies 972 statt 962.
, Mönche statt Kanoniker.
, Taginos statt Daginos.
„ des Bisch, statt der Burg.
„ Heinrichs IL von Baiern statt Heinrichs d. Zänkers.
, Prüm statt Prün.
, 2357 statt 2857.
„ Chalons statt Chartres.
, II statt V.
„ Wigo statt Wipo.
„ Kraaz statt Kranz.
, 677 statt 675.
0
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