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Full text of "Krankenpflege fèur Mediciner : mit 368 Holzschnitten im Text"

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Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2011  with  funding  from 

LYRASIS  IVIembers  and  Sloan  Foundation 


http://www.archive.org/details/krankenpflegefurOOmend 


Handbuch 


der 


in  sechs  Bänden. 

Bearbeitet  von 

Prof.  Dr.  Angeeek,  Münclien ;  Prof.  Dr.  Babes,  Bukarest ;  Prof.  Dr.  BÄiz,  Tokio :  Prof.  Dr. 
J.  BAtnsE,  Münclien ;  Prof.  Dr.  Bähmler,  Freiburg  i.  B. ;  Prof.  Dr.  Biedekt,  Hagenau  ; 
Prof.  Dr.  BcfSWÄi^^GEE,  Jena;  Prof.  Dr.  BEfz,  Bonn;  Prof.  Dr.  H.  Buch2<ee,  München; 
Prof.  Dr.  BtiEKiSTEE,  Göttingen;  Dozent  Dr.  Dahlgren,  Upsala;  Prof.  Dr.  Edixger, 
Frankfurt  a.  M.;  Oberarzt  Dr.  Eichhoff,  Elberfeld;  Prof.  Dr.  EMMurGHAUS,  Frei- 
burg i.  Br. ;  San.-Eat  Dr.  Eelentmeyee,  Bendorf;  Prof.  Dr.  Eveesbusch,  Erlangen;  Prof. 
Dr.  Feojimel,  Erlangen;  Prof.  Dr.  GAifGHOFi^E,  Pra^  Prof.  Dr.  GAEET^^:E,  Jena; 
Prof.  Dr.  Gaeee,  Rostock;  Prof.  Dr.  Geasee,  Erlangen;  Dozent  Dr.  Gusipeecht,  Jena; 
Dr.  H.  GüTZMAJSTN,  BerHn  Prof.  Dr.  Hagenbach-Bueckhahdt,  Basel;  Dr.  Aem.  Ha2»"sen, 
Bergen;  Prof.  Dr.  v.  Heineke,  Erlangen;  Prof.  Dr.  Hexschest,  Upsala;  Prof.  Dr. 
Heubnee,  Berlin;  Dr.  v.  Hoessles",  Neu-Wittelsbacli  bei  München;  Prof.  Dr.  HusEMAins', 
Göttingen;  Prof.  Dr.  v.  Jüegexsex,  Tübingen;  Prof.  Dr.  Kaposi,  Wien;  Dr.  Kahtuus, 
Alexandrien;  Dozent  Dr.  KAUEJiAJfif,  Zürich;  Prof.  Dr.  Kiesselbach,  Erlangen;  Dozent 
Dr.  Kopp,  München ;  Prof.  Dr.  Leichtensteen,  Köln ;  Prof.  Dr.  Lenhaetz,  Hamburg;  Prol 
Dr.  V.  Leube,  Würzburg;  Prof.  Dr.  v.  Liebeemeistee,  Tübingen ;  Prof.  Dr.  Litte>",  Berlin; 
Prof.  Dr.  Madelung,  Strassbiu-g ;  Prof.  Dr.  Maeagliano,  G«nua ;  Dozent  Dr.  Mexdel- 
SOHK,  Berlin ;  Prof.  Dr.  v.  Meeing,  Halle ;  Med.-Eat  Dr.  G.  Merkel,  Nürnberg ;  Dr.  P. 
J.  MöBltrs,  Leipzig;  Prof.  Dr.  Moeli,  Berlin ;  Prof.  Dr.  Pexzoldt,  Erlangen ;  Sanitätsrat 
Dr.  E.  Pfeifpee,  Wiesbaden ;  Geh.  Hofrat  Dr.  L.  Pfelffee,  Weimar;  Prof.  Dr.  F.  J.  Pick, 
Prag;  Sanitätsrat  Dr.  Ramdohe,  Leipzig;  Prof.  Dr.  Riedel.  Jena;  Prof.  Dr.  J.  Rosenbach, 
Gattungen  Prof.  Dr.  Rumpf,  Hamburg ;  Prof.  Dr.  Scheck.  München ;  Prof.  Dr.  Schede, 
Bonn;  Hofrat  Dr.  A.  Schmid,  Reichenhall;  Prof.  Dr.  Schöxboex,  Würzburg;  Geh.  Eeg.- 
und  Obermedizinalrat  Dr.  Schuchaedt,  Gotha;  Prof.  Dr.  0.  Seifeet,  Würzburg;  Prof. 
Dr.  Sonutenbueg,  Berlin;  Prof.  Dr.  Stzntzing,  Jena;  Prof.  Dr.  v.  SteOmpell,  Erlangen; 
Prof.  Dr.  TuczEK,  Marburg;  Prof.  Dr.  O.  Vieeoedt,  Heidelberg;  Dozent  Dr.  Paul 
Wagnee,  Leipzig ;  Prof.  Dr.  v.  Winckel,  München ;  Medizinalrat  Dr.  Wollnee,  Fürth ; 
Prof.  Dr.  Ziehen,  Jena;  Prof.  Dr.  v.  Ziemssen,  München, 

herausgegeben  von 

Dr.  F.  Penzoldt  und   Dr.  R.  Stintzing, 


Professor  in  Erlangen. 


Professor  in  .Jena. 


Erster  Supplementband. 

Drittes  (Sehluss-)Heft: 

Martin  Mendelsohn,  Krankenpflege  für  Jlediciner. 

Mit  368  Holzschnitten  im  Text. 


-¥'^H^-t- 


J  e  n  a, 

Verlag  von  Gustav  Fischer. 
1899. 


Krankenpflege  für  Mediciner. 


Von 


Dr.  Martin  Mendelsohn, 

Privatdocent  der  inneren  Medioin  an  der  Universität  Berlin. 


Mit   368   Holzschnitten   im   Text. 


— *-CI>9— <3<^®>-9C3-0- 


Jena, 

Verlag  von  Gustav  Fischer. 
1899. 


lOCKED  CAGE 


Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


Vorwort. 


, die   günstige  Gelegenheit  ist   flüchtig;    die  Erfahrung 

trügerisch ;  das  Urteil  schwierig  und  unsicher.  Und  danim  kann 
es  nimmermehr  genügen ,  daß  nur  der  Arzt  zweckentsprechend, 
daß  nur  er  zeitgemäß  handle  :  nein,  gleichenmaßen  muß  das  auch 
der  Kranke  und  muß  das  seine  Umgebung ;  und  selbst  dann  noch 
kann  Ersprießliches  nur  zustande  kommen,  wenn  die  äußeren 
Verhältnisse  und  Umstände  des  Kranken  passend  gestaltet  werden." 
Der  erste  Aphorismus  des  HiPPOKEATES. 

Noch  bis  vor  wenigen  Jahren  wäre  in  allen  den  Lehrbüchern, 
Sammelwerken,  Handbüchern  der  inneren  Medizin,  in  den  größten 
und  umfangreichsten  wie  in  den  kleinsten  und  kompendiösesten,  auch 
nur  das  bloße  Wort  „Krankenpflege"  vergeblich  gesucht  worden, 
geschweige  daß  von  irgend  einer  Anweisung  dazu  oder  gar  von  einer 
wissenschaftlichen  Begründung  der  Krankenpfiegemaßnahmen  je  die 
Rede  gewesen  wäre.  Die  Krankenpflege  war  eben  bis  vor  kurzem 
keine  Methode  der  wissenschaftlichen  Medizin ;  denn  weder  wurde  sie 
ihrer  Bedeutung  entsprechend  gelehrt,  noch  war  sie  in  der  für  Aerzte 
bestimmten  medizinischen  Litteratur  irgendwie  vertreten  oder  auch 
nur  angedeutet ;  so  daß  nur  empirisch  die  im  Leben  stehenden  Aerzte 
aus  der  harten  Notwendigkeit  heraus,  ein  jeder  für  sich  allein,  sie  sich 
zu  eigen  machten  und  übten  und  pflegten.  Während  so  die  Kranken- 
pflege durch  Generationen  hindurch  und  noch  bis  vor  einigen  wenigen 
Jahren  von  der  wissenschaftlichen  Medizin  als  eine  nebeusächliche, 
einem  untergeordneten  Dienstpersonal  allein  und  ausschließhch  anheim- 
fallende Bethätigung  augesehen  wurde,  ist  die  Anerkennung  der 
Krankenpflege  als  eines  integrierenden  Teiles  der  medizinischen 
Therapeutik  nunmehr  eine  allgemeine.  Hat  doch  sogar  die  letzt- 
jährige „Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte"  in  all- 
gemeiner Sitzung  die  Stellung  der  Krankenpflege  in  der  wissen- 
schaftlichen Therapie  zum  Gegenstande  eines  jener  Vorträge  gemacht, 
die  seit  jeher  stets  und  ausschließlich  nur  Themen  aus  dem  an- 
erkannten und  unbestrittenen  wissenschaftlichen  Bereiche  der  Medizin 
und  der  Naturwissenschaft  behandeln ;  hat  doch  in  den  letzten  Jahren 
eine  eigene  „Zeitschrift  für  Krankenpflege"  in  ausschließlich  medi- 
zinischem  Kreise   Beachtung   und   Verbreitung   gefunden;    und   auch 


VI  Vorwort. 

sonst  ist  allenthalben  die  neugewonnene  Erkenntnis,  daß  die  Krauken- 
pflege nicht  etwa  nur  einen  humanitären  Inhalt,  sondern  vielmehr 
einen  erheblichen  und  bedeutenden  Heilwert  in  sich  schließe,  in 
stetig  zunehmender  Ausbreitung  begriffen.  Die  Handbücher  der  inneren 
Medizin  und  insbesondere  der  Therapie  mögen  und  können  die  Kranken- 
pflege nicht  mehr  entbehren. 

Ich  übergebe  hiermit  die  erste  „Krankenpflege  für  Medi- 
ziner", welche  die  wissenschaftliche  medizinische  Litteratur  aufzu- 
weisen hat,  den  Fachgenossen.  Schon  äußerlich  zeigt  das  Buch,  daß 
ihm  eine  ungewöhuHch  große  Zahl  von  bildlichen  Darstellungen  bei- 
gegeben sind.  Nicht  ohne  Grund.  Es  kam  mir  darauf  an,  zu  zeigen, 
wie  umfassend  das  ,,Instrumentarium  der  inneren  Medizin"', 
wie  ich  es  nennen  möchte,  schon  jetzt  ist,  besonders  soweit  es  die 
Krankenpflege  betrifft;  ein  Instrumentarium,  welches  an  Umfang  wie 
an  Heilwert  in  nichts  hinter  demjenigen  der  Chirurgie  zurückzustehen 
braucht.  Diesen  bildlichen  Darstellungen  des  Werkes  liegen  Originale 
aus  der  Krankenpflegesammlung  im  Königl.  Charite- 
krankenhause  zu  Berlin  zu  Grunde;  es  konnte  aus  ihr  natür- 
lich nur  ein  relativ  geringfügiger  Teil  aller  der  vielfachen  in  der 
Krankenpflege  zur  Verfügung  stehenden  Objekte  hier  wiedergegeben 
werden.  Denn  Herr  Dr.  Gustav  Fischer  in  Jena  hat  ohnedies 
schon  in  liberalster  Weise  der  kostspieligen  Reproduktion  so  vieler 
Stücke  zugestimmt,  wofür  ich  ihm  verbindlichsten  Dank  zu  sagen 
auch  an  dieser  Stelle  nicht  verfeMen  möchte. 

Berlin,  ün  März  1899. 

Martin  Mendelsohii. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Vorwort V 

Inhaltsverzeiclinis VII 

Verzeichnis  der  Abbildungen VIII 

Kapitel  I.  Die  Krankenpflege 147    (1) 

Kapitel  IL  Die  Wirkung  auf  die  Ernährung 158    (12) 

Kapitel  LEI.       Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit  (Asepsis  der 

inneren  Medizin) 192    (46) 

Kapitel  IV.        Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit   .     .     .  222    (76) 

Kapitel  V.  Die  Wirkung  auf  den  Schlaf 255    (109) 

Kapitel  VI.        Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur    .     .  289    (143) 

Kapitel  VII.       Die  Wirkung  auf  das  Herz 302    (156) 

Kapitel  VIII.     Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung  ...  336    (190) 

Kapitel  IX.        Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung        .     .  361    (215) 

Kapitel  X.  Die  Wirkung  auf  den  Auswurf 373    (228) 

Kapitel  XI.        Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung     .  393    (247) 
Kapitel  XII.      Die  Wirkung  auf  die  Körperoberfläche  (Lokale 

Wirkung) 404    (258) 

Kapitel  XIII.     Die  Wirkung  auf  die  Geschlechtssphäre  .     .  409    (263) 

Kapitel  XIV.     Die  Wirkung  auf  die  Blutstillung    ....  414    (268) 

Schluß 416    (270) 

Register 418    (272) 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 


Fig.  1.     Eßgefäß  159  (13).  Fig.  54, 
Fig.  2.    SpeisenscMssel  160  (14). 

Fig.  3.     Speisenthermometer  161  (15).  Fig.  56. 
Fig.  4.     Speiseschalen     (Menagen)     mit 

Warmwasserfiillung    162   (16).  Fig.  57. 

Fig.  5.     Wärmehaltender  Kasten  162  (16).  Fig.  58- 
Fig.  6—9.       Speisenwärmer  163, 164  (17, 

18).  Fig.  61. 

Fig.  10.  MUchkochtopf  165  (19).  Fig.  62. 

Fig.  11,  12.     Schnabeltassen  166  (20).  Fig.  63. 

Fig.  13,  14.     Einnehmeschalen    166  (20).  Fig.  64. 
Fig.  15.     Gläsernes    Einnehmegefäß    166 

(20).  Fig.  65. 

Fig.  16,  17.    Gläserne  Blaßgefäße  167  (21).  Fig.  66. 

Fig.  18.    Verschlußpfropf  167  (21).  Fig.  67. 

Fig.  19.    Tropfkork  167  (21).  Fig.  68. 

Fig.  20.     Geteiltes  Einnehmeglas  168  (22).  Fig.  69. 

Fig.  21.    Kefir-Bereitungsgefäß  168  (22).  Fig.  70. 

Fig.  22.    Eßbrettchen  168  (22).  Fig.  71. 

Fig.  23—26.    Krankenbetttische  169,  170,  Fig.  72. 

171,  172  (23,  24,  25,  26).  Fig.  73. 

Fig.  27.     Nackenluftkissen  173  (27).  Fig.  74- 

Fig.  28—30.    Verstellbare  Rückenlehnen  Fig.  79, 

173,  174  (27,  28). 

Fig.  81.    Eückenlehne  175  (29).  Fig.  81. 

Fig.  32.    Gesäßstütze  176  (30).  Fig.  82. 

Fig.  33.    Bettdecke  176  (30).  Fig.  83. 

Fig.  34,  35.     Krankenbetten  177  (31).  Fig.  84. 

Fig.  36.     Saugröhrchen  179  (33).  Fig.  85. 

Fig.  37.    Trinkgefäß  180  (34).  Fig.  86. 

Fig.  38.    Milchprüfer  181  (35).  Fig.  87, 
Fig.  39.     Flaschenöffner  182  (36). 

Fig.  40.    Zahnfugenreiniger  184  (38).  Fig.  89. 

Fig.  41.    Diätwaage  184  (38).  Fig.  90, 

Fig.  42.     Speisenwaage  185  (39).  Ilg.  92- 

Fig.  43.    Eisbecher  186  (4U).  Fig.  96, 

Fig.  44—46.   Fleisehsaftpressen   187,  188  Fig.  98, 

(41,  42). 

Fig.  47.     Fleischschneidegerät  190  (44).  Fig.  100. 

Fig.  48.    Speisenzerkleinerungsgerät   190  Fig.  101. 

(44).  Fig.  102. 

Fig.  49.     Brodschneidegerät  191  (45).  Fig.  103. 

Fig.  50.    Fruchtsaftpresse  191  (45).  Fig.  104, 
Fig.  51.    Citronenpresse  192  (46). 

Fig.  52,  53.     Badewannen  194,   195    (48,  Fig.  105, 

49).  Fig.  106, 


55.     Heizbare  Badewannen    195, 
196  (49,  50). 
Kopfstütze  für  Badewannen  197 

(51). 
Kopfdouche  197  (51). 
-60.    Douchevorrichtungen     198, 
199  (52,  53). 
üebergießungsgerät  199  (53). 
Armbadewanne  200  (54). 
Eumpfbadewanne  200  (54). 
Lager    für    Körperwaschungen 

200  (54). 
Handbürste  201  (55). 
Fußzehen-Reiniger  201  (55). 
Kopfbürste  202  (56). 
Augenspülglas  202  (56). 
Augendouche  203  (57). 
Augentropfglas  203  (57). 
Gummibläser  203  (57). 
Doppelirrigator  204  (58). 
Heizbarer  Irrigator  204  (58). 
-78.    Irrigatoren  205,  206,  59,  60). 
80.     Schlauchansatz     für     Irri- 
gatoren 207  (61). 
Schlauchleitung  208  (62). 
Krankenhemd  209  (63). 
Bettspanner  211  (65). 
Lakenspann  Vorrichtung  212  (66). 
Spülunterlage  213  (67). 
Spülbecken  214  (68). 
88.     Formalin    -    Desinfektions- 
lampen 216  (79). 
Ventilator  217  (71). 
91.     Verschlußdeckel  218  (72). 
-95.    Räucherturbinen    219    (73). 
97.     Luftanfeuchter  220  (74). 
99.     Metallene      Krankenbetten 

226  (80). 
.     Spiralfeder-Polsterung227(81). 
Metallener  Bettboden  228  (82). 
,    Krankentisch  228  (82). 
KeUkissen  229  (83). 
Improvisierte  Eückenlehne  230 
(84). 
,    Gesäßstütze  231  (85). 
.    Gesäß-  und  Fußstütze  231  (85). 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 


IX 


51 


Fig.  ]07.     Dreiteilige  Matratze  232  (86). 
Fig.  108.     Nackenluftkissen  233  (87) 
Fig.  109.     Bettdecke  234  (88). 
Fig.  110.    Keifentrage  234  (88). 
Fig.  111,  112.     Schutzkapseln  235  (89). 
Fig.  113,  114.    Milchsauger  236  (90). 
Fig.  115.    Warzenhütchen  236  (90). 
Fig.  116—119.    Wasserkissen     237,     238 

(91,  92). 
Fig.  120,  121.     Luftkissen  239  (93). 
Fig.  122.     Fersenluftkissen  240  (94). 
Fig.  123,  124.    Luftkissen   240,  241   (94, 

95). 
Fig.  125.    Verstellbare  Eückenlehne  243 

(97). 
Fig.  126.    Mechanisches    Bettgestell   244 

(98). 
Fig.  127-129.   Verstellbare  Rückenlehne 

244,  245  (98,  99). 
Fig.  180.     Betthandhabe  246'  (10()). 
Fig.  131.     Bettschnur  247  (101). 
Fig.  132.    Eückenlehne  247  (101). 
Fig.  133—135.    Krankenheber    248, 

(102,  103). 
Fig.  136.    Bettspanner  249  (103). 
Fig.  137,  138.    Krankenheber    250, 
(104,  105). 
140.    Kranken  Waagen  252,  253 

(106,  107). 
Massierrollen  257  (111). 
Massierkugeln  257  (111). 
Massiergerät  257  (111). 
Fernzünder  262  (116). 
146.      Kranken  -  Schreibtische 

263,  264  (117,  118). 
Kranken-Lesetisch  264   (118). 
Krankenbett  265  (119). 
Kranken-Lesetisch  265    (119). 
Kranken-Lesepult  266  (120). 
Schreibtafel    für    BHnde    266 
(120). 
Fig.  152—155.    Krankenbetten    274,  275 

(128,  129). 
Fig.  156.     Krankenheber  276  (130). 
Fig.  157.    Niveausteller  277  (131). 
Fig.  158.     Umschlagwärmer  277  (131). 
Fig.  159.    Thermophor  278  (132). 
Fig.  160,  löl.     Wärmekompressen 

279  (132,  133). 
Fig.  162.     Wärmeflasche  279  (133). 
Fig.  163.    AVärmedose  280  (134). 
Fig.  164.    Leibwärmer  280  (134). 
Fig.  165.    Wärraekissen  281  (135). 
Fig.  166.     Wärmetasche  281  (135). 
Fig.  167.    Wärmekasten  282  (136). 
Fig.  168.    Bettwärmegerät  282  (136). 
Fig.  169.    Nachtlampen  285  (139). 
Fig.  170.    Beleuchtungsvorrichtung     für 

Krankenzimmer  286  (140). 
Fig.  171,  172.     Eisbeutel  293  (147). 
Fig.  173,  174.     Eisspalter  293  (147). 
Fig.  175.    Eiszerkleinerimgsgerät 

(148). 
Flg.  176,  177.    Eismaschinen     294, 

(148,  149). 
Fig.  178.    Eisbehälter  295  (149). 


Fig.  139, 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


141. 
142. 
143. 
144. 
145, 

147. 
148. 
149. 
150. 
151. 


278, 


294 
295 


Fig. 
Fiff. 

Fig. 
Fig. 

Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Flg. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Flg. 


179. 
180. 
181. 
182, 

184, 
186. 
187. 
188- 
192. 
193. 
194- 
197- 
201. 
202. 
203- 


Fig.  207, 


Fig. 
Fig. 


209. 
210, 


249      Fig.  212—214. 


Fig.  215,  216, 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 

Fig. 

Fig. 

Fig. 
Fig. 

Fig. 
Fig. 


217. 
218. 
219. 
220, 

222- 

226. 

227. 
228, 

230. 
231, 


Fig.  233—241. 


Fig. 

Fig. 

Fig. 
Fig. 
Fig. 

Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


233- 

242, 

244- 

248, 
250. 
251- 

259, 
261, 
263- 
266. 
267. 
268. 
269- 


Eisbecher  295  (149). 
Eeifentrage  296  (150). 
Eisbeutel-Träger  296  (150). 
183.    Kühlröhren      297,      298 

(151,  152). 
185.    Kühlkappen  298  (152). 
Kühlvorrichtung  299  (153). 
Schlauch-Leitung  299  (153). 
-191.    Herzflasche  300  (154). 
Herz-Eisbeutel  300  (154). 
Kühlvorrichtimg  300  (154). 
-196.    Eisbeutel  301  (155). 
-200.    Herzflaschen   306   (160). 
Herz-Eisbeutel  306  (160). 
Bettfahrer  311  (165). 
-206.    Bettfahrer  212,  213   (166, 

167). 
208.    Laufstühle  314,  315  (168, 
169). 
Krücken  315  (169). 
211.    Aufheben    des    Kranken 
316  (170). 
Handgriffe  317,  318  (171, 

172). 
Tragen  des  Kranken  319, 
320  (173,  174). 
Tragsitz  321  (175). 
Tragtuoh  321  (175). 
Tragkranz  322  (176). 
221.    Tragbahren  322,  323  (176, 

177). 
-225.    Fahrstühle  323,  324,  325 
(177,  178,  179). 
Boden  für  Krankenwagen  326 

(180). 
Krankenwagen  326  (180). 
229.     Fußstütze  329,  330  (183, 

184). 
Eeifentrage  331  (185). 
232.  Verstellbare  Eüclcenlehnen 
334  (188). 
Irrigatoren  337,  338  (191, 

192). 
Heizbare  IiTigatoren  339 

(1931. 
Clysopompe      340,      341 

(194,  195). 
Mastdarmkissen  342  (196). 
Massierkugel  344  (198). 
258.    Bettschüsseln  (347,   348, 
349  (201,  202,  203). 
Unterstecher  349  (203). 
Steckbecken  350  (204). 
Bettschüsseln    351    (205). 
Steckbecken  352  (206). 
Bettschüssel  352  (206). 
Dreiteilige  Matratze  353  (207). 


243. 
-247. 


249. 


260, 
262, 
-265. 


-272. 


Kranken- 
355,     356 


Fig.  273-275. 


Fig. 
Fig. 


358 


276. 

277, 


Fig.  279. 


Mechanische 
betten    354, 
(208,  209,  210). 
Trockenbetten    357, 
|211,  212). 
Zimmerkiosett  359  (213). 
278.    Verschlußdeckel  359,  360 
(213,  214). 
Bettschüssel  360  (214). 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 


Fie. 
Fii. 
Flg. 
Fig. 
Fig. 

Fig. 

Fiff. 
Fig. 


280- 
283- 
286- 
290, 
292- 

296, 

298. 
299, 


-282.    Uringläser  365  (219).  Fig.  338. 

-285.     Glasenten  366  (220).  Fig.  339. 

-289.     Uringefäße  367  (221).  Fig.  340. 

291.     Unterstecher  368  (222).  Fig.  341. 

-295.    Urinale    368,    369,    370  Fig.  342. 

(222,  223,  224).  Fig.  343. 

297.     Eespiratoren  375  (229).  Fig.  344. 

Geradehalter  375  (229).  Fig.  345. 

300.      Hydropathische    Westen  Fig.  346. 

376  (230).  Fig.  347- 
Fie.  301.     IrLhalationsvorrichtung     377 

(231).  Fig.  352. 

Fig.  302.    Eäucherturbine  378  (232).  Fig.  353. 

Fig.  303.     Eäucherscliale  378  (232).  Fig.  354, 
Fig.  304.    Käuclierlampe  378  (232). 

Fig.  305.    Eäuchergefäß  378  (232).  Fig.  356. 

Fig.  306,  307.     Luftanfeuchter  379  (233).  Fig.  357. 

Fig.  308,  309.     InhalationsvorricMungen  Fig.  358. 

380,  381  (234,  235).  Fig.  359, 
Fig.  310—315.     Inhalationsapparate  382, 

383,  384  (236,  237,  238).  Fig.  361. 

Fig.  316—319.     Inhalationsflasclien     385  Fig.  362. 

(239).  Fig.  363. 
Fig.  320.    Nasenspüler  386  (240). 

Fig.  321.    Inhalationsapparat  386  (240).  Fig.  364. 

Flg.  322-324.     Zerstäuber  387  (241).  Fig.  365. 

Fig.  325.   jMineralwasserwärmer  388  (242).  Fig.  366. 

Fig.  326—329.    Spucknäpfe  389, 390  (243,  Fig.  367. 

244).  Fig.  368. 
Fig.  330—337.    Speigefäße  390,  391  (244, 
245). 


Speiflasche  392  (246). 

Speigefäß  392  (246). 

Leibwärmer  394  (248). 

Wärmetasche  394  (248). 

Wärmeflasche  395  (249). 

AVärmedose  395  (249). 

Wärmekasten  396  (250). 

Wärmekissen  396  (250). 

Schwitzbett  396  (250). 
-351.  SchwitzvorricMungen  397 
398,  399  (251,  252,  253) 

Schnabeltassen  399  (253). 

Getränkewärmer  400  (254). 
355.    Schwitzvorrichtungen  400, 
401  (254,  255). 

Sandbadewanne  403  (257). 

Heißluftkasten  405  (259). 

UmscMagwärmer  406  (260). 
360.    Wärmekompressen     406, 
407  (260,  261). 

Thermophor  407  (261). 

Wärmeröhren  408  (262). 

Lakenspannvorrichtung       411 
(265). 

Bettdecke  412  (266). 

Eeifentrage  413  (267). 

Luftkissen  414  (268). 

Fußstütze  415  (269). 

Verstellbarer   KeUrähmen  415 
(269). 


KAPITEL  I. 
Die  Krankenpflege. 

Vorbemerkung. 

Wer  über  „Krankenpflege"  in  zusammenhängender  Darstellung  zu 
schreiben  unternimmt,  muß  zuvor  klar  präcisiereu,  über  welche  der 
drei  verschiedenartigen,  wenn  auch  ihrem  inneren  Wesen  nach  mit- 
einander verwandten  Disciplinen  gehandelt  werden  soll,  welche  die 
deutsche  Sprache  in  dem  Sammelwort  „Krankenpflege",  sehr  zu  unpaß, 
miteinander  verschmolzen  und  zusammengefaßt  hat.  In  der  That  sind 
es  drei  differente  Disciplinen:  die  Krankenversorgung,  die  Kranken- 
wartung und  die  Hypurgie,  deren  jede  gemeinhin  als  Krankenpflege 
bezeichnet  wird ;  und  diese  sprachliche  Ungenauigkeit  schafft  mancherlei 
Ungewißheit  und  Unklarheit.  Denn  die  Kranken  Versorgung  ist 
eine  öffentliche  Angelegenheit,  eine  soziale  Maßnahme  der  Gesellschaft ; 
ihre  Hauptvertreter  sind  ihrem  Berufe  nach  Verwaltungsbeamte,  Archi- 
tekten, Militärs,  geistliche  Personen,  humanitäre  Genossenschaften  etc., 
und  nur  zum  kleinsten  Teile  Aerzte;  die  Kranken  Wartung  ist  eine 
Dienstleistung,  eine  ohne  nähere  Kenntnis  der  Indikationen  und  der 
Folgewirkungen  vorgenommene  technische  Ausübung  eines  eigenen 
Hilfspersonals;  ihre  Vertreter  bilden  den  besonderen  Berufszweig  der 
Krankenwärter  und  Krankenwärterinnen;  und  nur  die  Hypurgie  ist 
eine  therapeutische  Methode,  eine  wissenschaftlich -therapeutische  Dis- 
ciplin,  wie  die  Pharmakologie,  die  Hydrotherapie  und  alle  die  anderen 
therapeutischen  Heilmethoden ;  sie  ist  eine  Methode  lediglich  des 
wissenschaftUchen  und  ausübenden  Mediziners.  Und  es  versteht  sich, 
daß  in  einer  für  Aerzte  bestimmten  Darstellung  nur  von  dieser,  von 
der  Hypurgie,  hier  die  Rede  sein  wird. 

Die  Krankenver sorgung  umfaßt  alle  die  Institutionen  und 
Vorsorgen,  welche  es  ermöglichen,  daß  ein  jeder  Kranke,  auch  in  der 
bedrängtesten  Situation  und  gegenüber  einem  noch  so  gehäuften  Be- 
dürfnisse, ein  zureichendes  Unterkommen,  eine  möghchst  ausreichende 
Behandlung  und  Verpflegung  finde.  Eine  solche  Krankenfürsorge  um- 
faßt in  materiellem  Betracht  die  Summe  aller  Krankenhäuser  und  der 
ihnen  ähnlichen  und  gleichwertigen  Institutionen ,  insbesondere  der 
Baracken  und  der  vielfachen  anderweitigen  für  die  Improvisation  und 
das  unmittelbare  Bedürfnis  bestimmten  Einriclitungen  zur  Unter- 
bringung von  Kranken;  in  persönlicher  Hinsicht  gehören  zu  ihr  die 
Organisationen  geistlicher  und  weltlicher  Krankenpflege,  die  Ver- 
einigungen und  Verbände  zur  Hilfeleistung  an  Kranken  und  Verwun- 
deten, das  gesamte  Samariterwesen  und  die  Kriegskrankenpflege  und 
was  sonst  von  derartigen  Einrichtungen  ins  Leben  gerufen  und  weiter 
gebildet  ist.  Eine  solche  Krankenpflege  hat  demnach  ihren  Schwer- 
punkt und  ihre  ganze  Bedeutung  in  der  Vorsorge;  sie  will  entweder, 
wie   das    die   Krankenhäuser   thun,    dem    einzelnen    Kranken,    der    in 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Krankh.    Suppl.  1.    Heft  3.  11 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  I  1 


148  M.    MENDELSOHN, 

seinen  unzulänglichen  sozialen  Verhältnissen,  in  -seinem  oft  kaum  für 
den  Aufenthalt  in  gesunden  Tagen  ausreichenden  Wohnräume  eine 
Krankheit  keinesfalls  unter  zureichenden  Bedingungen  durchmachen 
kann,  eine  Möglichkeit  gewähren,  während  seines  Darniederliegeus  einen 
angemessenen  und  zweckentsprechenden  Aufenthaltsort  zu  finden ;  eine 
Krankenfttrsorge,  welche  an  sich  schon  für  die  unteren  sozialen  Klassen 
durch  die  Verhütung  und  Vermeidung  von  Not  und  Sorge  während 
der  erwerbslosen  Epoche,  durch  die  Herbeiführung  eines  seelischen 
Euhezustandes  zu  einem  thatsächlichen  Heilfaktor  wird,  und  die  hier 
um  so  wirksamer  sein  muß,  als  sie  schon  äußerlich  diese  Kranken 
in  Eruähruugs-  und  Aufenthaltsverhältnisse  bringt,  welche  oft  außer- 
ordentlich hoch  über  die  ihnen  gewohnten  Lebensbedingungen  hinaus- 
ragen. Oder  aber  sie  erfüllt  die  Aufgabe,  in  Zeiten  gehäuften  Be- 
dürfnisses, bei  Epidemien  sowohl  wie  in  Kriegszeiten,  trotz  der  außer- 
ordentlichen Ansprüche,  welche  au  die  Krankenpflege  herantreten,  allen 
Hilfsbedürftigen  eine  ausreichende  Unterkunft  und  zureichende  Be- 
handlung und  Pflege  zu  bereiten,  eine  Krankenfürsorge,  welche,  gleicher- 
maßen wie  die  Arraenverpflegung,  aus  der  sozialen  Notwendigkeit  her- 
vorgegangen und  entstanden  ist.  Die  Krankenversorgung  ist  daher 
ein  soziales  Werk  der  Gesellschaft ;  und  wenn  auch  vielfach  die  sach- 
verständige Mitwü'kung  der  Aerzte  bei  ihrer  thatsächlichen  Aus- 
führung sich  notwendig  erweist,  so  fällt  sie  dennoch  nicht  in  deren 
eigentliche  Berufsausübung,  sondern  in  diejenige  der  Verwaltungs- 
beamten, der  Organisationen,  der  Magistrate. 

Und  ebenso  bildet  die  Krankenwartung  den  Berufsinhalt  einer 
anderen  Berufsklasse  als  der  Aerzte.  Auch  während  des  Ablaufes 
einer  Krankheit  macht  der  Lebensprozeß  und  machen  die  Lebens- 
gewohnheiten eine  Reihe  von  täglichen  ^Verrichtungen  in  steter  und 
regelmäßiger  Wiederkehr  immer  und  immer  aufs  neue  notwendig, 
welche  in  den  Tagen  der  Gesundheit  und  der  vollen  Leistungsfähigkeit 
ein  Jeder  selbständig  und  zum  Teil  fast  unbewußt  und  automatisch 
vorzunehmen  pflegt,  die  in  der  Krankheit  jedoch  aus  dem  doppelten 
Anlaß:  einmal  der  herabgesetzten  Körperkraft  und  Leistungsfähigkeit, 
sodann  aber  der  gezwungenen  und  ungewohnten  Körperhaltung  in  der 
Bettlage,  ohne  die  Beihilfe  unterstützender  Personen  gar  nicht  oder 
doch  nur  unzureichend  und  unter  Anstrengungen  ausgeführt  werden 
können.  Für  diese  Besorgungen,  für  diese  einfachsten  und  natür- 
lichen Vornahmen  der  Säuberung  und  des  Ankleidens,  der  Einnahme 
der  Nahrung  und  der  Ausgabe  ihrer  Residuen  und  der  vielfachen 
ähnlichen  Verrichtungen  mehr  bedarf  es  hier  der  unterstützenden  Mit- 
wii-kung  Dritter ;  und  es  werden  darum  zu  diesem  Behufe  Wärter  und 
Krankenpflegerinnen  eigens  ausgebildet,  deren  wesenthchste  Aufgabe 
es  ist,  alle  diese  Unterstützungen  und  Handreichungen  an  dem 
leistungsunfähigen  Kranken  in  gerade  derselben  Weise  vorzunehmen 
und  auszuüben,  wie  das  von  selten  der  Kinderwärterin  an  dem  ebenso 
hilflosen  Kinde  zu  geschehen  pflegt;  nicht  ohne  zureichenden  Grund 
spricht  man  darum ,  wie  hier  von  Krankenpflegerinnen ,  so  dort 
gleichermaßen  von  Kinderpflegerinnen.  Eine  solche  Krankenpflege  ist 
aber,  soweit  die  rein  technische  Ausübung  durch  das  Pflegepersonal 
in  Betracht  kommt,  nichts  anderes  als  eine  Dienstleistung,  eine  Aus- 
führung gewöhnlicher  täglicher  Verrichtungen  oder  durch  den  Arzt 
angeordneter  besonderer  Maßnahmen;  und  auch  sie  gehört,  so  großen 
Wert  diese  Krankenwartung  besitzt  und   so  ungünstige  Rückwirkung 


Die  Krankenpflege.  149 

ihre  Unterlassung  und  ihre  unsachgemäße  und  unvollständige  Aus- 
führung auch  zeitigt,  nicht  zur  direkten  ärztlichen  Berufsausübung, 
sondern  vielmehr  zu  derjenigen  der  Krankenpfleger  und  Kranken- 
wärterinnen. 

Wohl  aber  sind  in  jeder  einzigen  der  vielfachen  Maßnahmen  und 
Anwendungen  der  Krankenpflege  eine  sehr  große  Summe  von  Reizen 
und  Einwirkungen  auf  den  kranken  Organismus  enthalten ,  welche 
•durch  die  von  ihnen  ausgelösten  Reaktionen  sehr  wesentlichen  Ein- 
.fluß  auf  den  Ablauf  des  Krankheitsprozesses  nehmen.  Diese  Er- 
:kenntnis,  welche  zuerst  betont  und  begründet  zu  haben,  ich  für  mich 
in  Anspruch  nehmen  kann,  die  Erkenntnis,  daß  die  Kranken- 
pflege nicht  nur  dem  Kranken  s  ubj  ektiv  Erleichterung 
und  Tröstung  bringt,  daß  sie  nicht  nur  objektiv  den 
Heilungs  pr  0  zeß  im  allgemeinen  günstig  beeinflußt, 
sondern  daß  sie  in  genau  erkennbarem  und  exakt 
nachweisbarem  Zusammenhange  physiologische  Ein- 
wirkungen auf  denkrankenOrgani'smus  auszuüben  ver- 
mag, welche  in  bewußter  Anwendung  zu  Heilfaktoren 
werden,  macht  aus  den  Handgriffen  und  Vornahmen 
der  Krankenpflege  ausgesprochene  und  that sächliche 
Heilmittel  der  Krankenpflege;  und  sie  erhebt  die 
humanitäre,  praktisch-empirische  Disciplin  zu  einer 
wissenschaftlichen  therapeutischen  Methode  des  Arztes. 
Dazu  genügt  aber  keineswegs ,  daß  nur  die  Mittel  der  Kranken- 
pflege an  sich,  daß  ihre  Anwendung  und  ihr  Gebrauch  allein  gekannt 
wird,  sondern  die  Art  ihrer  Einwirkung  auf  den  kranken  Organismus, 
die  Reaktionen ,  welche  sie  hervorrufen ,  müssen  ebenso  in  exakter 
Weise  beherrscht  werden,  wie  das  für  eine  wissenschaftliche  Anwen- 
dung der  übrigen  Heildisciplinen  in  der  Therapie  die  notwendige  Vor- 
aussetzung ist.  Die  bloße  Kenntnis  der  Zubereitung  und  Verabfolgung 
von  Arzneien  genügt  nur  dazu,  ein  guter  Apotheker  zu  sein ;  und  die 
bloße  Kenntnis  der  Handhabung  der  Krankenpflegemittel  allein  macht 
den,  der  sich  damit  beschäftigt,  selbst  wenn  er  ein  Arzt  wäre,  nur  zu 
einem  guten  Krankenwärter,  zu  nichts  weiter.  Für  den  wissenschaft- 
lichen Therapeuten  dagegen  ist  es  unerläßlich,  hier,  wie  überall,  Ur- 
sache und  Wirkung  auf  das  genaueste  zu  beherrschen  und  zu  ver- 
wenden ;  denn  nur  das  unterscheidet  ihn  ja  von  Routinier  und  Pfuscher, 
daß  er  a  priori  weiß,  von  welchen  Reaktionen  im  kranken  Organismus 
eine  jede  seiner  therapeutischen  Vornahmen,  und  wäre  sie  die  an- 
scheinend geringste,  gefolgt  ist.  Und  so  habe  ich,  um  diesen  Zu- 
sammenhang für  die  wissenschaftliche  Krankenpflege  auch  äußerlich 
schon  zum  Ausdruck  zu  bringen,  den  Namen  Hypurgie  zu  ihrer 
Kennzeichnung  vorgeschlagen ;  und  die  nachfolgenden  Blätter  werden, 
unbeschadet  der  notwendigen  Darlegungen  über  Gebrauch  und  Verwen- 
dung der  Heilmittel  der  Krankenpflege,  da  sie  an  Aerzte  sich  wenden, 
vornehmlich  die  Einwirkungen  dieser  Heilmittel  auf  den  Organismus, 
die  Hypurgie,  umfassen. 

Die  Heilwirkung  der  Krankenpflege. 

Eine  jede  Heileinwirkung  der  inneren  Medizin  besteht  ihrem  Wesen 
nach  ausnahmslos  in  der  Einwirkung  von  Reizen,  sei  es  auf  den 
.ganzen  Organismus,  oder  auf  einzelne  seiner  Organe,  oder  auf  einzelne 

11* 
3  1* 


150  M.   MENDELSOHN, 

Zellen;  iiud  der  hierdurch  entstehende  Effekt  besteht  eben  in  der 
Reaktion  auf  diesen  Reiz.  Die  Größe  dieser  Reaktion  ist,  wie  ohne- 
weiteres einleuchtet,  demnach  gleichzeitig  von  zwei  Faktoren  ab- 
hängig: sowohl  von  der  Größe  des  Reizes,  als  ganz  insbesondere  von 
der  Irritabilität  des  gereizten  Objektes,  von  dessen  mehr  oder  minder- 
vorhandenem  Vermögen,  auf  Reize  zu  reagieren.  Und  so  ist  es  ver- 
ständlich ,  daß  unter  Umständen  und  richtig  angewandt 
sehr  kleine  Reize  schon  sehr  wesentliche  Ausschläge- 
und  Reaktionen,  sehr  wichtige  Heilein  Wirkungen  aus- 
zuüben vermögen. 

Die  einzelnen  Reize,  deren  sich  die  Therapie  solchermaßen  be- 
dient, werden  in  derselben  anthropozentrischen  Weise  als  optische,, 
thermische,  mechanische,  chemische  etc.  Reize  unterschieden,  wie  das 
die  Naturwissenschaft  überhaupt  für  die  verschiedenen  Formen,  unter 
denen  die  in  der  Natur  waltenden  Kräfte  für  den  Menschen  in  die 
Erscheinung  treten,  zu  thun  gewohnt  ist.  Und  diese  Reize  werden 
von  den  einzelneu  Methoden  der  Therapie  aus  eigenen,  verschieden- 
artigen Vehikeln  auf  den  menschlichen  Körper  übertragen.  So  über- 
mittelt die  Pharmakologie  mit  ihren  Arzneikörpern  vornehmlich  die 
chemische  Bewegung;  die  Massage  mit  ihren  Geräten  die  mechanische;: 
die  Hydrotherapie  mit  ihren  Wasserapplikationen  in  erster  Linie  die- 
thermische  Bewegung ;  und  ebenso  üben  alle  die  anderen  anerkannten 
und  gebräuchlichen  Heilmethoden  mit  ihren  einzelnen  Heilmitteln,, 
natürlich  vielfach  auch  in  kombinierter  Weise,  immer  die  gleiche  Ein- 
wirkung aus:  die  Uebertragung  gewisser  chemischer  und  physikalischer 
Kräfte,  die  Uebermittlung  von  Reizen  auf  den  kranken  Organismus. 
W^ie  verschieden  auch  die  einzelnen  Methoden  sein  mögen,  das  wesent- 
liche an  ihnen  ist  immer  nur  diese  Reizeinwirkung,  nicht  die  äußere 
Einkleidung,  von  der  sie  ausgeht;  und  wer  darum  einer  einzelnen 
Heilmethode  besondere  Wirkungen  zuschreibt,  übersieht  über  der  zu- 
fälligen Form  der  Anwendung  den  wesentlichen  Inhalt  seines  Handelns. 

Alle  die  gebräuchlichen  Heilmethoden  aber  haben,  mit  ganz  ge- 
ringfügigen Ausnahmen,  der  Krankenpflege  gegenüber  die  Besonderheit,, 
daß  sie  ihre  Einwirkungen  immer  nur  dem  kranken  Organismus  direkt,, 
nur  in  unmittelbarem  Kontakt  mit  ihm  applizieren,  die  Objekte,  welche 
außerhalb  des  Organismus,  wenn  auch  in  seiner  Umgebung,  sich  be- 
finden, dagegen  außer  acht  lassen.  Von  diesen  gehen  aber  nicht 
mindere  Reize  auf  den  gewissermaßen  in  ihrem  Brennpunkte  befind- 
lichen kranken  Organismus  aus ;  und  diese  Reize,  welche  nur  mittelbar,, 
darum  aber  ebenso  wesentlich  wie  die  anderen,  auf  den  Kranken  Ein- 
fluß nehmen,  zu  handhaben  und  zu  regeln,  ist  ausschließliches  Gebiet 
der  wissenschaftlichen  Krankenpflege,  der  Hypurgie,  die  daneben  aller- 
dings in  nicht  geringer  Zahl  auch  über  Reize  aus  direkter  Applikation 
her  verfügt.  Ich  habe  darum  die  Reizeinwirkungen  der  internen 
Therapie  unterschieden  in  esoterische  Therapie,  welche  ihre  Heil- 
mittel am  kranken  Organismus  selbst  von  innen  oder  von  außen  her 
zur  Anwendung  bringt,  und  in  ex ot er i sehe  Therapie,  welche  ihre 
Reizeinwirkungen  aus  der  Umgebung  des  Kranken   her  ihm   zuführt. 

Die  Heilmittel  der  Krankenpflege  finden  in  wesentlich  verscMedenen  Bereichen 
Anwendung  am  Kranken.  Gerade  so,  wie  man  in  der  Anwendungsart  der  phar- 
makodynamischen  Heilmittel  einen  prinzipiellen  Unterschied  macht,  je  nachdem  dies© 
Heilmittel  innerlich  oder  äußerhch  zur  Verwendung  kommen,  je  nachdem  sie  also 
in  das  Innere  des  Organismus  eingeführt  oder  nur   der  Körperoberfläche   äußerlich 


Die  Krankenpflege.  151 

appliziert  werden,  lassen  sich  aucli  in  der  Anwendungsart  der  Krankenpflege-Heil- 
mittel ähnliclie  topographisch-dynamisclie  Unterschiede  erkennen. 

Die  erste  dieser  „Zonen",  wie  ich  sie  nennen  möchte,  diejenige  nächste  Um- 
gebung des  kranken  Organismus,  welche  immer  und  überall  da  ist  und  deren  Be- 
sorgung in  der  Krankenpflege  die  erste  und  unerläßlichste  Aufgabe  bildet,  ist  die 
Körperoberfläche  selber:  die  Anwendungsart  einer  erheblichen  Zahl  von  Heil- 
mitteln der  Krankenpflege  geschieht  in  unmittelbarer  Einwirkung  auf  die  Körper- 
■oberfläche  selbst,  eine  Einwirkung,  welche  ausschließhch  die  Heilmittel  esoterischer 
Wirkungsart  umfaßt.  Wenn  aber  für  den  gesunden  wie  für  den  kranken  Menschen 
<lie  eigene  Körperoberfläche,  sowie  alles,  was  sonst  unmittelbar  an  und  auf  ihr 
vor  sich  geht,  das  nächste  und  oft  das  einzige  wesentliche  Miheu  bildet,  so  kommt 
für  den  kranken  Menschen  als  eine  weitere  Zone  der  Krankenpflegeeinflüssen 
zugänglichen  Umgebung  das  Krankenbett  hinzu.  Wie  man  denkranken  Menschen 
nur  darum  in  das  Krankenbett  legt,  um  ihm  eine  besondere,  beeinflußbare  Um- 
gebung zu  schaffen,  so  finden  eine  erhebliche  Anzahl  von  Krankenpflegemitteln 
nunmehr  in  dieser  weiteren  Zone  ihre  Anwendung.  In  der  naturgemäßen  Fortführung 
■dieser  Betrachtungsweise  muß  sodann  eine  eigenartige,  weitere  Anwendungsart  von 
Krankenpflegeheilmitteln  in  der  Umgebung  dritter  Ordnung  für  den  Kranken  vor 
sich  gehen:  im  Krankenzimmer,  innerhalb  des  gesamten  begrenzten  und  abge- 
schlossenen Luftraumes,  in  welchem  der  Kranke  während  des  Ablaufs  seiner  Krank- 
heit den  Aufenthalt  hat  und  dessen  mehr  oder  minder  zweckmäßige  und  mannig- 
fach regulierbare  Eigenschaften  auf  den  in  ihm  befindlichen  Kranken  wesentliche 
und  wichtige  Einwirkungen  ausüben.  Und  schließlich  lassen  sich  die  Grenzen  der 
Umgebung  noch  weiter  ziehen ,  wenn  diese  auch  selbstverständlich  mit  der  zu- 
nehmenden Entfernung  vom  Mittelpunkte,  den  der  Kranke  darstellt,  entsprechend 
an  Intensität  der  Einwirkung  einbülBt;  so  lassen  sich  als  vierte  Zone  im  Milieu  des 
Kranken  das  Krankenhaus,  die  Kuranstalt  oder  das  Wohnhaus,  das  ganze  Gebäude 
also,  in  dem  der  Kranke  sich  befindet,  und  als  fünfte  der  Aufenthaltsort,  der 
Kurort  auffassen,  die  gesamte  weiteste  Umgebung  mit  allen  ihren  klimatischen  Ein- 
flüssen ;  Zonen,  in  denen  ebenfalls  Heilmittel  der  Krankenpflege  ihre  Einwirkung  haben. 

Es  ließen  sich  daher  hinsichtlich  ihrer  topographischen  Anwendung  die  Heil- 
mittel der  Krankenpflege  in  die  fünf  Gruppen  einteilen,  welche  aus  diesen  konzen- 
trischen Kreisen,  aus  diesen  einzelnen  Zonen  der  Umgebung  des  Kranken  sich  er- 
geben, in  denen  die  Verwendung  der  betreffenden  Krankenpflegeheilmittel  vor  sich 
geht:  die  Anwendungsart  in  und  an  der  Körperoberoberfläche,  die  Anwendung  im 
Krankenbette,  die  Anwendung  im  Krankenzimmer,  welche  die  drei  ersten  und  wich- 
tigsten Gruppen  darstellen ;  und  ümen  schließen  sich  die  Anwendung  in  der  Kur- 
anstalt und  im  Kurort  an,  welche  die  vierte  und  fünfte  dieser  Gruppen  bilden. 
Die  erste  und  zu  ihrem  größten  Teile  die  zweite  Gruppe  umfassen  die  Heilmittel 
esoterischer,  die  übrigen  Gruppen  diejenigen  exoterischer  Therapie. 

Sind  so  die  Anwendungen  und  Mittel  der  Krankenpflege  that- 
sächliche  Heilmittel,  deren  Einwirkung  auf  den  kranken  Körper  der 
Arzt  in  demselben  wissenscliaftliclien  Zusammenhange  kennen  muß, 
wie  diejenigen  der  andersartigen  Heilmittel,  so  hat  die  Thatsache,  daß 
die  Erkenntnis  dieser  ihrer  Wirksamkeit  ganz  neuerdings  erst  ge- 
wonnen worden,  wohl  darin  ihren  Grund,  daß  sehr  viele  dieser  Ein- 
wirkungen quantitativ  anscheinend  geringfügige  sind  und  darum  der 
Würdigung  sich  leicht  entziehen  konnten.  Nun  ist  aber  einmal  die 
Größe  der  Reaktion  eben  ganz  und  gar  nicht  allein  nur  von  der 
Größe  des  sie  hervorrufenden  Reizes  abhängig;  vor  allem  aber  stellen 
die  Heilmittel  der  Krankenpflege  durch  ihre  stete  und 
ununterbrochen  andauernde  Einwirkung  gewisser- 
maßen die  Applikation  von  Mitteln  in  kleinen  Dosen, 
dafür  aber  in  immer  wieder  sich  erneuernder  Darreichung  dar.  So 
bilden  sich  zum  Teil  Heilmittel,  deren  H  e  i  1  e  i  n  w  i  r  k  u  n  g  durch 
die     Summatiou     vielfacher     kleiner     Dosen     zustande 


152  M.    MENDELSOHN, 

kommt;  und  bis  zu  welchem  schwerwiegenden  Maße  sie  das  vermögen^ 
soll  eben  die  nachstehende  Darstellung  darthun. 

Die  Heilmittel  der  Krankenpflege. 

Die  Heilmittel,  über  welche  die  Krankenpflege  verfügt,  werden 
im  Nachstehenden  eine  Darlegung  und  Beschreibung  finden.  Sollte 
bei  der  Erörterung  einer  Heilmethode  systematisch  zu  Werke  gegangen 
werden,  so  müßten  zuerst  die  Heilmittel,  mit  welchen  sie  operiert,  an 
sich  geschildert  und  beschrieben  werden,  wie  das  beispielsweise  die 
Pharmakopoe  für  die  arzneilichen  Heilmittel  thut;  alsdann  müßten  die 
Formen  der  Anwendung,  die  Verabreichung  und  der  Gebrauch  dieser 
Mittel  eine  Darstellung  erfahren,  so  wie  die  Wissenschaft  der  Arznei- 
bereitungs-  und  Arzneiverordnungslehre  den  Gebrauch  der  Arznei- 
mittel kennen  lehrt;  und  zu  dritt,  als  Hauptteil  für  den  wissenschaft- 
lichen Arzt,  hätte  die  Wirkungsweise  dieser  Mittel  eine  Erörterung 
zu  finden,  durch  welche  der  Gegenstand  erst  der  wissenschaftlichen 
Therapie  eingeordnet  wird,  —  um  in  dem  Beispiele  zu  bleiben,  müßte 
ebenso,  wie  die  Pharmakodynamik  die  Wirkung  der  arzneilichen  Heil- 
mittel erforscht  und  lehrt,  eine  Dynamik  der  betreft'enden  Disciplin, 
hier  also  eine  Hypurgodynamik,  sich  anreihen.  Erst  damit  ist  eine 
Methode  reif,  von  der  medizinischen  Klinik  für  die  Ziele  der  Therapie 
mit  verwendet  zu  werden ;  denn  das  Wesen  der  Klinik  besteht  darin,, 
für  jeden  Krankheitszustand  die  wünschenswerten  physiologischen  Ver- 
änderungen, welche  ihn  zum  Besseren  zu  führen  vermögen,  zu  er- 
kennen und  herbeizuführen ;  und  sie  entnimmt  zu  diesem  Zwecke  aus 
allen  den  einzelnen  sogenannten  Heilmethoden  —  deren  jede  ja  nur 
verschiedene  Vehikel  benutzt  für  die  im  großen  Ganzen  in  ihnen 
allen  in  gleicher  Weise  enthaltenen  und  wirksamen  Keize  —  jedesmal 
alle  diejenigen  Anwendungen  und  Mittel,  deren  von  ihnen  ausgehende 
Reize  eben  die  anzustrebende  physiologische  Reaktion  erwiesenermaßen 
im  Gefolge  haben. 

In  der  nachfolgenden  Darstellung  wird  von  einer  solchen  dreifach 
geteilten  Erörterung,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden.  Abstand  ge- 
nommen. Da  in  einer  Krankenpflege  für  Mediziner,  in  einer  Hypurgie,. 
die  physiologischen  Effekte  der  Krankenpflegeheilmittel  im  Vordergrunde 
stehen  müssen,  so  ist  die  allgemeine  Einteilung  des  Stoffes  nach  dieser 
ihrer  Wirkung  geschehen ;  die  einzelnen  Mittel,  deren  sich  die  Kranken- 
pflege für  ihr  Wirken  bedient,  sind  dieser  Erörterung  eingefügt.  Natür- 
lich haben  auch  von  ihnen  viele  eine  mehrfache  Wirkung,  ebenso  wie 
unter  den  arzneilichen  Heilmitteln  die  Ipecacuauha  sowohl  unter  die 
,Emetica'  wie  unter  die  ,Epectorantia'  gehört ;  die  Einreihung  ist  daher 
immer  nach  der  hauptsächlichsten,  der  vorwiegendsten  Wirkung  erfolgt. 

Es  erübrigt  daher  nur,  in  aller  Kürze  diejenigen  Gruppen  zu 
kennzeichnen,  in  welche  ich  die  Heilmittel  der  Krankenpflege  selbst, 
ihrer  Natur  und  Beschaffenheit  nach,  gebracht  habe,  um  die  für  eine 
Uebersicht  über  sie  als  Heilmittel  notwendige  Einteilung  und 
Gruppierung  zu  gewinnen. 

Alle  Mittel  der  Krankenpflege  lassen  sich  zunächst  in  die  zwei 
großen  Gruppen  sondern:  in  die  materiellen  Heilmittel  und  in 
die  immateriellen  Heilmittel.  Hiervon  umfassen  die  ersten, 
die  materiellen  Heilmittel,  alle  gegenständlichen  Apparate,  alle  Geräte 
und  greifbaren  körperüchen  Gegenstände,  welche  in  immer  steigender 


Die  Krankenpflege.  153 

Zahl  und  immer  fortschreitender  Vollkommenheit  für  die  Zwecke  der 
Krankenpflege  zur  Herstellung  und  Verwendung  gelangen  und  welche 
in  ihrer  Gesamtheit  die  technische  Grundlage  der  Krankenpflegeaus- 
übung, soweit  diese  eben  materieller  Hilfsmittel  sich  bedient,  dar- 
stellen. Zu  der  zweiten,  immateriellen  Gruppe  der  Heilmittel  der 
Krankenpflege  dagegen  gehört  die  Summe  der  vielfachen  Einwirkungen 
auf  den  Kranken,  der  zahlreichen  Manipulationen  mit  ihm,  welche  ohne 
besondere  materielle  Geräte  ins  Werk  gesetzt  werden. 

Die  materiellen  Heilmittel  der  Krankenpflege  müßten, 
wollte  man  sie  systematisch  beschreiben,  nur  ihrer  äußeren  Beschafl'en- 
heit  nach,  zunächst  noch  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Verwendung,  eine 
Darstellung  erfahren;  das  Einteilungsprinzip  könnte  eine  beliebige 
äußere  Grundlage  haben,  wie  eine  solche  beispielsweise  das  Her- 
stellungsmaterial abgeben  könnte,  und  es  ließen  sich  demnach  diese 
materiellen  Heilmittel  in  Geräte  aus  Glas,  aus  Metall,  aus  Gummi  und 
aus  andersartigen  Materialien  unterscheiden,  ähnlich  wie  die  Heilmittel 
der  Pharmakologie  entweder  pflanzlicher  oder  mineralischer  oder  anders- 
artiger Herkunft  sind.  Ich  habe  dieses  Prinzip  an  einem  anderen 
Orte  durchgeführt  *). 

Die  Materialien,  aus  denen  die  Hilfsmittel  der  Krankenpflege  hergestellt 
werden,  sind  im  wesentlichen  die  drei  prinzipiell  verschiedenen :  Glas,  Metall  und 
Gummi;  alle  anderen  gleichfalls  zur  Verwendung  kommenden  Stoffe  sind  diesen 
drei  Hauptmaterialien  verwandt,  so  das  Porzellan,  welches  an  Stelle  des  Glases  zur 
Anwendung  kommen  kann,  oder  Flanelle  und  andere  Stoffarten,  welche  den  Gummi 
ersetzen.  Doch  sind  das  Glas,  das  Metall  und  der  Gummi  im  wesentlichen  che  Materialien 
der  speciellen,  eigens  für  den  Zweck  der  Krankenpflege  hergestellten  Geräte,  während 
naturgemäß  die  große  Zahl  derjenigen  Dinge,  welche  außerdem  in  der  Krankenpflege 
besondere  Beschaffenheit  erfordern,  dabei  jedoch  in  ähnlicher  Weise  auch  im  ge- 
wöhnlichen Leben  und  im  Zustande  der  Gesundheit  zur  Verwendung  kommen,  aus 
den  gleichen  oder  ähnlichen  Materialien,  wie  diese  normalen  Gebrauchsgegenstände 
sich  zusammensetzen,  also,  um  ein  Beispiel  anzuführen,  in  erster  Linie  die  Kranken- 
nnd  Bettwäsche. 

Die  einzelnen,  eigens  für  den  Zweck  der  Krankenpflege  konstruierten  und  her- 
gestellten Geräte  aus  diesen  Materialien  unterscheiden  sich  hinsichtlich  ihrer  äußeren 
Form  nach  zwei  Richtungen  hin;  entweder  ist  das  AVesentliche  an  ihrer  Gestalt 
eine  Fläche,  und  zwar  eine  solche,  welche  mit  einem  größeren  oder  geringeren  Teil 
der  Körperoberfläche  übereinstimmt  und  ihr  angepaßt  ist,  oder  aber  sie  bilden  Hohl- 
räume, sie  sind  Behältnisse  irgendwelcher  Art  und  verschiedenen  Umfanges  und 
Inhaltes,  in  denen  der  gänzlich  oder  teilweise  abgeschlossene  Innenraum  den  Haupt- 
teil des  Gerätes  darstellt.  Natürüch  trifft  der  eine  oder  der  andere  dieser  beiden 
Typen  nicht  ausnahmslos  für  alle  in  der  Krankenpflege  znr  Verwendung  kommenden 
Geräte  zu;  doch  ist  er  für  die  hauptsächlichsten  vorhanden,  und  auch  die  Kranken- 
pflege-Utensilien im  weiteren  Sinne  des  Wortes  haben  zum  großen  Teile  Form  und 
Gestalt  der  Behältnisse,  der  zweiten  Gruppe. 

Die  Gummigeräte  nehmen  einen  breiten  Raum  unter  den  Krankenpflege- 
apparaten ein.  Zwar  ist  der  Gummi  weit  entfernt  davon,  ein  tadelloses  Material  dar- 
zubieten ;  er  hat  jedoch  eine  Eigenschaft,  welche  gerade  für  die  Zwecke  der  Kranken- 
pflege ihn  vor  der  Hand  unersetzlich  erscheinen  läßt :  er  stellt  ein  Material  dar,  das 
gleichzeitig  äußerst  weich  und  jeder  Körperform  und  allen  anderen  Oberflächen  gänz- 
üch  anschmiegbar  ist,  und  dabei  für  Flüssigkeiten  undurchlässig  ist,  selbst  wenn  es 
nur  in  relativ  dünnen  Schichten  zur  Verwendung  kommt.  Da  die  Technik  zur  Zeit 
über  kein  anderes  Material  verfügt,  welches  in  gleichem  Maße  die  beiden  Eigen- 
schaften besitzt,   die   einander   a   priori    ja   ausschließen :    Dünnheit   und   völligste 


*)    Martin    Mendelsohn  ,     Die    Krankenpflege     (Hypurgie).      Wien    und 
Leipzig  1897. 


154  M.   MENDELSOHN, 

Weichheit  des  Materials  bei  gänzlicher  Undurchlässigkeit  für  AV asser,  so  muß  für 
alle  diejenigen  Geräte  der  Krankenpflege,  welche  mit  der  Körperoberfläche  in  Be- 
rührung kommen  und  gleichzeitig  \'on  ihr  oder  von  einer  anderen  Unterlage  Flüssig- 
keiten dauernd  abhalten  sollen,  das  Material  aus  Gummi  bestehen.  Trotzdem  ist  es 
aber  keineswegs  ein  ideales  Material,  denn  es  hat  den  sehr  großen  Nachteil,  daß  es 
je  nach  der  Art  und  der  Güte  der  Herstellung  außerordentlich  verschiedene  Geräte 
liefert;  und  wenn  man  auch  bei  allen  Dingen  der  Technik  und  der  Industrie,  wie 
es  sich  von  selbst  versteht,  auf  das  Geschick  und  die  Gewissenhaftigkeit  des  Her- 
stellers angewiesen  ist  und  die  Qualität  der  Erzeugnisse  selbstverständlich  hiervon 
abhängig  ist  und  immer  und  überall  in  einer  gewissen  Breite  hin  und  her  schwankt, 
so  kenne  ich  keinerlei  medizinische  Geräte,  die  derart  verschiedenartig,  von  den  vor- 
trefflichsten und  geradezu  vollendeten  Produkten  bis  zu  gänzlich  unbrauchbaren  Gegen- 
ständen hergestellt  werden,  wie  die  Gummi-Utensilien  der  Krankenpflege.  Ein  wirklich 
gutes  Gummigerät  hält  sich  sehr  lange  Zeit  in  unveränderter  Beschaffenheit  weich  und 
schmiegsam,  ohne  daß  es  möglich  wäre,  ihm  eine  besondere  Behandlung  angedeihen 
zu  lassen;  andere  werden  in  der  allerkürzesten  Frist  hart,  manche  sehr  bald,  so  daß 
sie  völlig  zu  starren  Körpern  werden,  die  jeden,  auch  den  geringsten  Eindruck  ver- 
weigern. Und  da  solch  schlechtes  Material,  wie  bekannt,  mit  zunehmender  Härte 
auch  entsprechend  brüchig  wird,  so  gehen  damit  gerade  die  beiden  wesentlichen 
Eigenschaften  des  Gummis,  die  Anschmiegbarkeit  an  die  gegebene  Oberfläche  und 
die  Zurückhaltung  von  Flüssigkeit,  verloren.  Es  gilt  daher  nirgends  so  sehi-  wie 
bei  der  Beschaffung  und  der  Empfehlung  von  Giimmigeräten  für  die  Krankenpflege 
der  Grundsatz,  daß  der  teuerste  Gegenstand  der  billigste  ist ;  wohlfeüe  und  dem- 
entsprechend minderwertige  Gummigeräte  büßen  in  der  kürzesten  Zeit  ihre  Ver- 
wendungsfähigkeit gänzlich  ein  und  sind  von  vornherein  imzweckmäßige  und  nicht 
selten  sogar  schädliche  Mittel.  Braucht  man  aber  wirklich  gut  hergestellte  Gummi- 
sachen, außer  daß  man  sie  rein  hält  und  möglichst  ungefaltet  aufbewahrt,  nicht 
eigens  zu  behandeln  und  zu  konservieren,  so  ist  es  für  weniger  vollendete  Er- 
zeugnisse nötig,  sie  besonders  vor  stäi'kerer  Kälteeinwirkung  zu  schützen;  schlechte 
Gummigeräte  werden  gerade  in  ungeheizten  Eäumen  sehr  schnell  hart  und  brüchig, 
und  wenn  sie  auch  beim  Wiedereinbringen  in  wärmere  Temperatur  wieder  weicher 
werden,  so  geschieht  das  doch  nie  mehr  bis  zum  ursprüngUchen  Grade  derElasticilät; 
nach  langem  Verweilen  in  der  Kälte,  z.  B.  nach  einer  Ueberwinterung  in  unge- 
heiztem Kaume  oder  nach  häufigem  Wechsel  derart,  bleiben  sie  dauernd  unbrauchbar. 
In  etwas  lassen  sich  diese  Nachteile  mindern  dadurch,  daß  man  Gummi-UtensiUen 
von  Zeit  zu  Zeit  mit  Glycerin  bestreicht,  wodurch  sie  ihre  Geschmeidigkeit  be- 
wahren. Das  Wesentliche  aber  und  das  allerbeste  Mittel  für  eine  Konservierung  von 
Gummigeräten  ist  eine  ständige  und  andauernde  Benutzung;  es  ist  eine  alte  Er- 
fahrung, daß  Gummigeräte,  wenn  sie  ununterbrochen  im  Gebrauche  sind,  viel  länger 
verwendungsfähig  bleiben  als  dort,  wo  sie  zu  vorübergehender  Benutzung  angeschafft 
sind  und  nach  längerer  Muße  wieder  zur  Verwendung  kommen  sollen.  Der  Grund 
liegt  wohl  darin,  daß  das  Material,  selbst  wenn  es  von  größter  Güte  ist,  dort  am 
ehesten  schadhaft  wird,  wo  es  in  Falten  gelegt  ist ;  bei  einer  andauernden  Benutzung 
ändern  sich  diese  Stellen,  an  denen  der  Gummi  gefaltet  ist,  ununterbrochen  und 
machen  immer  neuen  und  anderen  Einbiegungen  Platz ;  und  so  kommt  es,  daß  hier 
ein  Brüchigwerden  sehr  viel  später  eintritt.  Ein  großes  Wasserbett  aus  Gummi, 
das  dauernd  gefüllt  ist  und  aui  dem  dauernd  ein  Kranker  lagert,  bleibt  ganz  er- 
heblich länger  wasserdicht  als  ein  unbenutztes  imd  leeres,  das  zusammengefaltet 
fortgelegt  ist. 

Aus  Gummi  werden,  entsprechend  seinen  heiden  Haupteigenschaften,  fast  aus- 
schließlich Gegenstände  hergestellt,  deren  Formen  der  Körperoberfläche  angepaßt 
sind  und  die  gleichzeitig  Behältnisse  sind,  Behältnisse  von  allerdings  verschieden- 
artigem Zweck  und  Bedeutung.  Außerdem  aber  spielt  das  Material  eine  sehr  erheb- 
liche Rolle  in  der  Bereitung  von  Bestandteilen  des  Krankenbettes  selber.  Die 
Gummigeräte  kommen  hauptsächlich  in  Gebrauch  in  der  ersten  Zone  der  Anwen- 
dung der  Krankenpflegeheilmittel :  am  Körper  des  Kranken  selber.  Es  ergiebt  sich 
das  auch  schon  a  priori  aus  dem  Material;  denn  seine  leichte  und  die  völlige  An- 
schmiegbarkeit an  eine  gegebene  Oberfläche  macht  sie  zu  solcher  Verwendung  ganz 
besonders   geeignet.     ^Vllerdings  werden  Gummigeräte   auch  sonst  noch  benutzt,   wo 


Die  Krankenpflege.  155 

€s  darauf  ankommt,  leicht  in  ihrer  Form  yeränderliche  und  bewegliche  Geräte  zu 
verwenden,  wie  beispielsweise  also  die  Gummischläuche  zur  Fortleitung  von  Flüssig- 
keit zwischen  zwei  gegebenen  Punkten;  ihre  hauptsächlichste  und  wichtigste  An- 
wendungsweise  aber  finden  sie  am  Körper  des  Kranken,  unter  unmittelbarer  Auf- 
lagerung auf  dessen  Oberfläche.  Denn  schließlich  sind  fast  alle  materiellen  Heil- 
mittel der  Krankenpflege,  fast  alle  Geräte,  deren  sieh  die  Krankenpflege  bedient, 
und  ganz  besonders  die  in  der  ersten  Zone  der  Verwendmig  von  Krankenheilmitteln 
luimittelljar  auf  der  Körperoberfläche  des  Kranken  selber  zur  Wirksamkeit  gelangen- 
den, wie  schon  angedeutet,  nur  Behältnisse,  nur  die  äußeren  Träger  imd  Bewahrer 
eines  in  ihnen  eingeschlossenen  und  das  Wesentliche  der  ganzen  Vornahme  dar- 
stellenden Stoffes,  ob  dieser  in  dem  Geräte  nun  aufgenommen  und  bewahrt  werden 
soll,  oder  ob  er,  von  vornherein  in  dieses  eingebracht,  durch  seine  besonderen  Eigen- 
schaften, durch  seine  Temperatur  vielleicht,  eigene  Einwirkungen  auf  benachbarte 
Körperstellen  auszuüben  hat.  Wo  es  daher  darauf  ankommt,  Flüssigkeiten  in  Be- 
hältnisse einzuschheßen,  und  das  in  unmittelbarem  vind  protrahiertem  Kontakt  mit 
der  Körperoberfläche,  sind  che  Geräte  aus  Gummi  trotz  der  Kostspieligkeit  und 
geringen  Haltbarkeit  des  Materials  durchaus  unentbehrlich;  denn  der  Gummi  allein 
hat  eben  die  hierfür  unerläßhchen  Eigenschaften. 

Als  Ersatz  für  das  Gummimaterial  kommt  nicht  selten  auch  wasserdichte 
Leinwand,  die  entweder  mit  einem  Gummiüberzug  versehen  oder  sonst  geeignet 
imprägniert  ist,  zur  Verwendung;  oder  Sehweinsblasen,  welche  einen  natürhchen 
.Behälter  darstellen,  weich  sind  und  für  Wasser  undurchlässig,  werden  gebraucht; 
oder  aber,  natürlich  seiner  geringen  Widerstandsfähigkeit  entsprechend  nur  bei 
kleinen  und  wenig  belasteten  Behältnissen,  Guttaperchapapier.  Auch  ist  neuerdings 
•das  bekannte  japanische  ßeispapier,  in  mehreren  Lagen  aufeinandergelegt  und  mit 
japanischem  Lack  verklebt  und  durchtränkt,  zur  Herstellung  kleinerer  Geräte  mit 
Erfolg  verwendet  worden;  es  zeichnet  sich  durch  seme  Wohlfeilheit  und  Kom- 
pendiosität  aus. 

Die  "\^erwendimg  der  Glasgeräte  sowie  des  diesem  Material  nahestehenden 
Porzellans  ist  für  die  Krankenpflege  eine  recht  umfassende.  Die  beiden  Eigen- 
schaften des  Glases,  welche  auch  sonst  seine  so  überaus  weite  Verwendung  für  die 
Geräte  des  täglichen  Lebens  sichern,  sind  hier  ebenfalls  maßgebend:  seine  Wider- 
standsfähigkeit gegenüber  der  Berührung  mit  allen  hier  zu  ihm  in  Beziehung 
kommenden  Flüssigkeiten  und  anderen  Substanzen,  welche  es  ermöghcht,  Glasgeräte 
nicht  nur  lange  Zeit  in  unverändertem  Zustande  zu  erhalten,  sondern  vor  allem 
auch  sie  ohne  besondere  Schwierigkeit  gänzlich  zu  reinigen  und  von  allen  anhaften- 
den Stoffen  zu  befreien;  und  außerdem  die  völlige  Durchsichtigkeit  der  Glasgefäße. 
Das  Glas  findet  demgemäß  in  der  Krankenpflege  überall  bei  der  Herstellung  von 
solchen  Geräten  Verwendung,  welche  entweder  scharfe  Stoffe  in  sich  airfnehmen 
■oder  solche  unangenehm  wirkende  Ausscheidungsprodukte,  deren  Entfemimg  bei  der 
Reinigung  des  Behältnisses  bis  auf  die  allerletzten  Mengen  wünschenswert  ist;  so- 
3änn  aber  für  alle  diejenigen  Geräte,  welche  Dinge  enthalten,  deren  Beurteilung 
nach  Qualität  und  Quantität  infolge  der  Durchsichtigkeit  der  Glaswandungen  ge- 
währleistet sein  soll.  Nur  dort,  wo  diese  Möglichkeit  einer  Besichtigung  weniger 
wichtig  erscheint,  kann  das  Glas  durch  das  undurchsichtige  Porzellan  oder  durch 
dessen  Surrogate,  wie  Majolika,  Fayence  und  andere,  ersetzt  werden.  Doch  ähnlich 
wie  bei  dem  Gummi  ist  es  auch  mit  dem  Glase,  indem  diesem,  wie  allbekannt,  bei 
seinen  großen  Vorzügen  der  erhebliche  Nachteil  der  leichten  Zerbrechlichkeit  an- 
haftet, ein  Uebelstand,  der  gerade  in  der  Krankenpflege  volle  Würdigung  erheischt, 
da  bei  der  herabgesetzten  Fertigkeit  in  der  Handhabung  der  Geräte,  wie  sie  die 
Krankheit  mit  sich  bringt,  ein  Glasgerät  dem  Kranken  niemals  selbständig  über- 
lassen werden  darf,  wo  es,  wenn  es  zerbrochen,  Verletzungen  bewirken  oder  sonst, 
wie  etwa  dm-ch  die  Verschüttung  seines  Inhaltes,  Nachteile  hervorrufen  könnte. 
Auch  die  Glasgeräte  sind  fast  ausschließhch.  Behältnisse,  Gefäße,  Utensilien  also,  bei 
denen  das  Material  nur  indirekt  von  Bedeutung  ist  und  keine  immittelbare  Ein- 
wirkung ausübt,  sondern  bei  denen  die  dauernde  oder  vorübergehende  Beherbergung 
eines  Inhaltes  das  Wesenthche  ist. 

Ln  Gegensatze  zu  den  Gummi-Utensilien  ist  die  Anwendungsweise  der  aus  Glas 
hergestellten  Krankenpflegeheilmittel  keine  vorwiegend  am  Körper  des  Kranken,   in 


156  M.   MENDELSOHN, 

unmittelbarer  Berührang  mit  diesem  vor  sich  gehende,  sondern  die  Glasgeräte  finden 
ihre  Hanptanwendung  in  dem  weiteren  Umkreise  des  Kranken.  Auch  bei  diesen 
Behältnissen  ist  der  Inhalt  das  Wesentliche.  Die  Glasbehältnisse  dienen  vorzugsweise 
entweder  zur  Aufnahme  von  Ausscheidungsprodukten  aus  dem  Körper,  deren  gründliche 
und  bis  auf  die  letzten  Keste  sich  erstreckende  Entfernung  aus  den  Gefäßen  für  diese 
ein  widerstandsfähiges  ilaterial  notwendig  macht,  ein  Material,  das  dann  aber  zugleich, 
bei  der  Wichtigkeit  der  Beurteilung  dieser  Ausscheidungen  für  die  Diagnostik,  ihre 
möglichst  eingehende  Besichtigung  durch  die  Wandungen  des  Gefäßes  hindm-ch  ge- 
stattet; und  in  zweiter  Hinsicht  werden  sie  verwendet,  wo  es  darauf  ankommt,  einen 
in  ihnen  enthaltenen  flüssigen  Inhalt  dem  menschlichen  Organismus  auf  irgend 
einem  Wege,  sei  es  nun  nach  dem  Verdauungstraktus  oder  nach  einer  anderen 
Körperöffnung  hin,  zuzuführen  und  hierbei  während  der  ganzen  Dauer  des  Vor- 
ganges über  Art  und  Menge  des  jeweiligen  Inhalts  des  Gefäßes  orientiert  zu  bleiben. 

Die  Metall  gerate  finden  in  der  Krankenpflege  als  eigene  und  besondere 
Geräte  ebenfalls  eine  nicht  nnlaeträehthche  Verwendung,  wenn,  wie  allerdings  be- 
merkt werden  muß,  auch  sehr  viele  der  aus  Metall  gefertigten  Utensilien  besser 
aus  Glas  oder  Porzellan  hergestellt  werden,  und  öfters  von  gleichartigen  Geräten  die 
gläsernen  den  Vorzug  vor  den  aus  Metall  gefertigten  haben.  Seine  Verwendung 
verdankt  das  Metall  seiner  großen  Widerstandsfähigkeit,  insbesondere  dort,  wo  es 
darauf  ankommt,  die  Krankenpflegegeräte  höheren  Temperaturen  auszusetzen;  wo 
Füllungen  mit  heißem  Wasser  in  Frage  kommen  oder  gar  die  Entwicklung  von 
Dampf  innerhalb  eines  geschlossenen  Behältnisses,  wird  das  Metall  sich  für  gewöhn- 
lich also  kaum  entbehren  lassen.  Andererseits  hat  es  für  die  allgemeinere  Ver- 
wendung einen  großen  Nachteil  in  seinem  starken  Wärmeleitungsvermögen,  wodurch 
es  bei  jeder  direkten  Berührung  mit  der  Körperobertläche  kalt  erscheint  und  dadurch 
störend  und  belästigend  wirkt,  während  Metall  umgekehrt  gerade  aus  dieser  seiner  be- 
sonderen Eigenschaft  heraus  überall  da  Verwendung  findet,  wo  es  sich  darum 
handelt,  Wärme  von  dem  Behältnis  her  an  die  Umgebung  abzugeben.  Als  Mate- 
rialien kommen  für  die  metallenen  Krankenpflegegeräte  Eisenblech  und  Zinkblech, 
auch  Kupfer,  zur  Verwendung,  entweder  im  Naturzustände  oder  lackiert  oder  verzinnt, 
bei  besseren  Apparaten  auch  vernickelt,  und  auch  das  sogenannte  emaillierte  Metall- 
geschirr wird  benutzt. 

Ganz  wird  auch  das  Holz  nicht  durch  das  Metall  verdrängt.  Besonders 
Krankentische  werden,  wenn  sie  auch  nicht  selten  aus  Metall  hergestellt  werden,  für 
gewöhnlich  doch  nur  aus  Holz  gefertigt.  Eine  andere  Verwendimg  findet  das  Holz 
auch  zu  Rückenlehnen  und  verstellbaren  Keilrahmen  und  zu  manchen  anderen  Ge- 
räten mehr. 

Natürlich  ist  mit  diesen  Materialien  die  Fülle  der  Herstellungsmöglichkeiten, 
über  welche  die  mannigfachen  Geräte  der  Krankenpflege  verfügen,  nicht  erschöpft; 
nur  daß  die  aus  anderen  Materialien  gefertigten  Hilfsmittel  solche  zu  sein  pflegen, 
die.  ohne  besondere  Gestaltung  für  die  Zwecke  der  Krankenpflege,  auch  sonst  im 
täglichen  Leben  Gebrauch  und  Benutzung  finden.  Das  sind  in  erster  Linie  die 
einzelnen  Webestoffe,  aus  denen  Leibwäsche  und  Bekleidung  gefertigt  wird  und  unter 
denen  besonders  das  Leinen  und  die  Wolle  in  Betracht  kommen ;  doch  auch  die- 
Füllmaterialien:  Bettfedern.  Roßhaare  und  ähnliche  Substanzen,  wirken  wesent- 
lich mit.  Und  auch  außer  diesen  wäre  noch  eine  große  Zahl  der  verschieden- 
artigsten Dinge  zu  nennen,  welche  die  materiellen  Mittel  der  Krankenpflege  bilden, 
des  gesamten  Inventars,  dessen  sich  diese  therapeutische  Disciplin  bedient,  um  ihi'e 
^^'irkungcn  auszuüben.  Es  kommt  aber  an  dieser  Stelle  nicht  darauf  an,  eine  mög- 
lichst vollständige  Beschreibung  dieser  Utensilien  zu  geben,  sondern  mehr  die  Typen 
festzustellen,  nach  denen  sie  gebildet  sind,  sowie  ihre  Herkunft  darzulegen  und  die 
Materialien,  aus  denen  sie  sich  rekrutieren. 

Die  immateriellen  Heilmittel  lassen  sich  in  die  drei  großen 
Gruppen  der  somatischen,  der  psychischen  nnd  der  hygienischen  Mittel 
einteilen.  Von  diesen  sind  die  somatischen  Mittel  alle  den 
Körper  des  Kranken  direkt  betreffenden  Vornahmen,  wie  beispielsweise 
die  Lageveränderungen  des  Körpers,  seine  Reinigung  und  die  viel- 
fachen anderen  somatischen  Maßnahmen.    Die  psychischen  Mittel 


Die  Krankenpflege.  157 

umfassen  das  sehr  große  Gebiet  der  direkten  und  indirekten  Ein- 
wirkung auf  die  Psyche  des  Kranken,  ob  diese  nun  in  aktiver  Art 
durch  die  eigene  Bethätigung  des  Patienten  oder  passiv  durch  seine 
Umgebung  beeinflußt  wird.  Und  die  hygienischen  Mittel  sind 
alle  die  Einrichtungen  und  Gestaltungen  des  Aufenthaltsranmes  des 
Kranken,  welche  für  den  gesunden  Menschen  in  das  Gebiet  der  Hygiene 
fallen,  die  für  die  Tage  der  Krankheit  jedoch  eigene  Besonderheiten 
und  Abweichungen  nötig  machen.  Je  nachdem  diese  letzteren  Heilmittel, 
welche  die  Gestaltung  der  Umgebung  des  Kranken  zusammensetzen, 
durch  ihre  Paickwirkung  sein  körperliches  oder  sein  psychisches  Be- 
finden vornehmlich  beeinflussen,  lassen  sie  sich  in  s  omatisch - 
hygienische  und  in  psychisch-hygienische  Mittel  sondern. 
Allen  Heilmitteln  der  Krankenpflege  kommen  vor  den  anders- 
artigen Mitteln  der  allgemeinen  Therapie  die  beiden  großen  Vor- 
züge zu,  daß  sie  einmal  so  gut  wie  gar  keine  schädlichen 
Nebenwirkungen  haben,  und  daß  zu  zweit  keine  Gewöhnung 
an  sie  und  keine  A b  s  c h  w ä c h  u  n  g  ihrer  Wirksamkeit 
statthat. 


Ehe  nun  die  einzelnen  Krankenpflegemittel  und  ihre  Wirkungen 
zur  Beschreibung  gelangen,  muß  erinnert  werden,  daß  kein  Heilmittel 
der  Therapie,  es  sei  welcher  Art  auch  immer,  eine  Funktion  des 
Körpers  in  ihrer  Totalität  beeinflußt.  Keines  der  unendlich  vielen 
Abführmittel  wirkt,  wie  verschiedenartig  sie  im  einzelnen  auch  ihre 
Effekte  ausüben,  etwa  gleichzeitig  auf  alle  diejenigen  Momente  ein, 
welche  zum  Zustandekommen  der  Defakation  notwendig  sind,  sondern 
die  Wirkung  ist  immer  nur  eine  partielle;  ich  habe  entsprechend 
dieser  partiellen  Einwirkung  eine  jede  einzelne  der  durch  die  Heilmittel 
der  Kraukenpflege  zu  beeinflussenden  Gesaratfunktionen  in  eine  Reihe 
von  Teilaktionen  zerlegt,  welche  isoliert  Objekt  der  therapeutischen 
Wirkungen  sind.  Fast  immer  genügt  es  auch  in  der  That,  nur  die 
eine  oder  die  andere  dieser  Teilaktionen  anzuregen  und  zu  verstärken, 
um  die  Gesamtfunktion  damit  zu  heben  ;  und  es  wird  sich  vielfach 
zeigen,  daß  gerade  d i e  K r a n k e n p f  1  e g e m i 1 1 e  1  auf  solche  T e i  1  - 
aktionen  der  verschiedenartigen  Gesamtf  unktioneu 
wichtige  Einflußnahme  auszuüben  vermögen,  welche 
andersartigen  therapeutischen  Mitteln  nur  in  ge- 
ringerem Maße  oder  auch  gar  nicht  zugänglich  sind. 

Vor  allem  ist  auch  für  eine  richtige  Würdigung  der  Heilwirksam- 
keit der  Krankenpflegemittel  unerläßlich,  daß  man  als  Aufgabe  einer 
jeden  internen  Therapie  anerkennt,  nicht  sowohl  die  anatomische 
Restitutio  in  integrum  anzustreben,  als  vielmehr  das  die  Krankheit 
ihrem  eigentlichsten  Wesen  nach  bildende  Mißverhältnis  zwischen 
Funktionsanspruch  und  Funktionsgröße  —  sei  es  des  Organismus, 
sei  es  der  Organe,  sei  es  der  Zellen  —  zum  größtmöglichen  Ausgleich 
zu  bringen.  Die  innere  Therapie  hat  nicht  nur  die  Auf- 
gabe, die  unzureichende  Funktion  zu  heben,  sondern 
in  gleichem  Maße  auch  den  für  jede  einzeln  e  Leistung 
des  Organismus  a  1 1  z  u  g  r  o  ß  e  n  Anspruch  nach  Möglichkeit 
herabzusetzen.  Erst  wenn  man  sich  dieses  Zusammenhanges  stets 
erinnert,  wird  man  die  therapeutische  Bedeutung 'der  Krankenpflege- 
heilmittel in  ihrem  großen  Umfange  richtig  zu  würdigen  wissen. 


158  M.    MENDELSOHN, 

KAPITEL  IL 
Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 

Die  erste  imd  wichtigste  Einflußnahme,  welche  jede '  auf  eine 
Regelung  und  Hebung  der  Ernährung  hinzielende  Therapie  auszuüben 
hat  und  ohne  welche  alle  Vorschriften  der  speciellen  Ernährungstherapie, 
alle  medikamentösen  Unterstützungsmittel  der  Ernährung  und  alle 
übrigen  nach  dem  gleichen  Ziele  gerichteten  Maßnahmen  illusorisch 
werden,  ist  die  der  Krankenpflege  zufallende  Leistung,  dem  Kranken 
das  erforderliche  Speisequantum  t  hat  sächlich  einzu- 
verleiben. Es  ist  mehr  als  selbstverständlich,  daß  erst  mit  einer 
solchen  vollständigen  Nahrungsaufnahme  der  im  Heilplane  angestrebte 
Ernährungseffekt  erreicht  werden  kann ;  und  die  der  Krankenpflege 
zufallende  Sorge  für  die  thatsächliche  Speisenaufuahme  verhält  sich  zu 
den  zur  Ernährungstherapie  gehörenden  bloßen  Diätvorschriften,  wie 
in  der  Chirurgie  der  Entschluß  zu  einer  Operation  zu  deren  thatsäch- 
licher  Ausführung. 

Hierbei  erfordert  von  selten  des  Arztes  höchste  Beachtung  die 
Thatsache,  daß  es  bei  Gesunden  und  mehr  noch  bei  Kranken  schon 
eines  in  sehr  bedeutendem  Grade  auftretenden  Verlangens  nach  Nahrung 
bedarf,  daß  es  bei  beiden  schon  bis  zum  ausgesprochenen  Hunger- 
gefühl kommen  muß,  ehe  jemand  veranlaßt  wird,  aus  freien  Stücken, 
spontan,  in  selbständiger  Initiative  um  Nahrung  zu  bitten,  solche  sich 
zu  verlangen.  Wir  warten  keineswegs  in  gesunden  Tagen  das  Auf- 
treten von  Hunger  oder  auch  nur  von  stärkeren  Regungen  des  Appetits 
ab,  ehe  wir  Nahrung  zu  uns  nehmen ;  Empirie  und  Gewohnheit  und 
besonders  das  ein  für  allemal  festgestellte  durchschnittliche  Bedürfnis 
haben  es  überall  dahin  gebracht,  daß  mehrfach  des  Tages  in  immer 
gleichmäßig  wiederkehrenden  Zeitintervallen  die  Mahlzeiten  eingenommen 
werden;  daß  das  Nahrungsbedürfnis  befriedigt  wird,  ehe 
es  sich  selber  meldet.  Mit  der  Unterbrechung  und  der  tief- 
greifenden Veränderung  der  gewohnten  Lebensweise,  welche  eine  jede 
Krankheit  mit  sich  bringt,  hört  für  den  Kranken  die  ihm  sonst  selbst- 
verständliche Einteilung,  diese  beinahe  unbewußte  Regelmäßigkeit  der 
Einverleibung  der  nötigen  Speisem  engen  auf;  aber  es  darf  darum  nicht 
etwa,  und  umsoweniger  als  ja  thatsächlich  aus  den  mannigfachsten 
besonderen  Krankheitszuständen  eine  Verminderung  in  der  Aufnahme 
der  Nahrung  und  in  der  Neigung  dazu  ohnedies  häufig  resultiert, 
will  man  eine  ausreichende  Ernährung  herbeiführen,  will  man  alles 
das  erzielen,  was  den  Ernährungseffekt  überhaupt  unterstützen  und 
fördern  kann,  nun  gewartet  werden,  bis  der  Kranke  von  selbst  nach 
Nahrung  begehrt ;  es  darf  die  thatsächliche  Nahrungszufuhr  nicht  etwa 
nur  in  dem  bestehen,  was  bei  bereits  deutlich  auftretendem  Bedürfnis 
nach  Nahrung  von  dem  Kranken  ausdrücklich  gefordert  und  verlangt 
wird,  und  was  für  gewöhnlich  auch  nicht  einmal,  da  der  Appetit  und 
die  Neigung  für  eine  gewisse  Speise  bald  wieder  entschwunden  zu  sein 
pflegt,  stets  etwa  in  toto  konsumiert  wird. 

Die  hier  erforderliche  Krankenpflegemaßnahme  läßt  sich  mit  dem  einen  Worte 
des  Anbie teils  präcisieren.  Die  erste  Voraussetzung  für  eine  ausreichende 
Nahrungsaufnahme  ist  die  qualitative  und  quantitative  Festsetzung  der  für  den  Tag 
notwendigen   Speisen  und  Getränke,   deren   Verteilung  auf  angemessene  Zeiträume 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


159 


Fm.  1.     Eß^efäß. 


und  ihre  Darbietung  an  diesen,  auch  ohne  daß  der  Kranke  danach  verlangt.  Die 
Bestimmung  dieser  Zeitpunkte,  zu  welchen  den  Kranken  die  einzelnen  Speisen  an- 
zubieten und  einzuverleiben 
sind,  muß  auch  soweit  als 
möglich  seine  Gewohn- 
heiten aus  gesunden  Tagen 
her  berücksichtigen ,  und 
ebenso  sehr  seine  Wünsche ; 
denn  mancher  Kranke  weiß 
am  besten  selber,  zu  wel- 
chen Tageszeiten  er  Appetit 
zu  haben  pflegt  und  wann 
nicht.  Auch  haben  viele 
chronische  Kranke,  deren 
Siechtum  über  Jahr  und 
Tag  sich  erstreckt,  gewisse 
im  Laufe  jedes  Tages  mit 
ziemhcher  Kegelmäßigkeit 
wiederkehrende      Perioden 

eines  ausgesprocheneren  Schwächezustandes,  welche  für  die  Einnahme  von  Nahrung 
vorwiegende  Berücksichtigung  erheischen;  und  nicht  selten  kommen  bizarre  Appetite 
vor  bei  kranken  Kindern,  bei  Hysterischen  und  bei  anderen  Patienten,  welche,  wenn 
sonst  das  notwendige  Kostmaß  nicht  beigebracht  werden  kann,  mit  Vorteil  für  eine 
ausreichende  jSTahi'ungsaufnahme   sich  benutzen  lassen. 

Hierbei  ist  als  zweites  hypurgisches  JMoment  die  größtmögliche  Regelmäßig- 
keit in  der  Darreichung  der  Speisen  und  in  der  Innehaltung  der  für  diese 
.  bestimmten  Zeitpunkte  zu  beachten.  Diese  ßegelmäßigkeit  ist ,  wenn  sie  beim 
Kranken  auch  erheblich  geringere  Zeitintervalle  umfaßt,  in  Parallele  zu  setzen  mit 
derjenigen  Pünktlichkeit,  welche  die  Gesundheitspflege  für  die  tägliche  Einnahme 
der  Mahlzeiten  fordert.  Denn  die  klinische  Erfahrung  zeigt,  daß  selbst  völlig  ge- 
sunde und  leistungsfähige  Verdauungsorgane  in  ihrem  Funktionieren  ganz  aus- 
nehmend von  der  Gewohnheit  und  Regelmäßigkeit  abhängig  sind,  imd  daß  diese 
Periodicität  eine  vorwiegende  Einwirkung  ausübt  auf  den  zusammengesetzten,  in  seinem 
feineren  Zusammenhange  uns  noch  nicht  durchsichtigen  Vorgang  der  Entstehung 
des  Appetits  oder  des  Widerwillens  gegen  eine  zureichende  Nahrimgsaufnahme.. 
Vor  allem  darf  auch  die  möglichste  Regelmäßigkeit  nicht  durch  das  Dazwischen- 
essen  von  Kleinigkeiten  gestört  werden,  eine  Vorsorge,  die  besonders  dort  ein- 
zusetzen hat,  wo  dritte  besuchende  Personen  dem  Kranken  Süßigkeiten  und  andere 
Genußmittel,  welche  außerhalb  des  Kostplanes  stehen,  überbringen.  Auch  ist  die 
Einhaltung  einer  regelmäßigen  Verabfolgung  darum  notwendig,  als  ein  jedes  Warten  - 
lassen  den  Kranken  psychisch  alteriert  und  eine  solche  Alteration,  wie  bekannt,, 
gleichfalls  den  substilen  Zustand  des  Appetits  zu  stören  geeignet  ist. 

Des  weiteren  wirkt  die  Krankenpflege  ein  auf  die  Erhöhung  der 
Ernährung  durch  eine  systematische  Steigerung  des  Appetits. 
Aus  welchen  Momenten  sich  der  komplizierte  Begriff  des  Appetits  zu- 
sammensetzt, ist  noch  nicht  ausreichend  klargestellt;  zwar  wirken 
sicherlich  Reize  mäßigen  Grades  auch  von  der  Magenschleimhaut  aus 
so,  daß  sie  ihn  anregen;  Reize  allerdings,  die,  wenn  sie  sich  steigern, 
diesen  ihren  Effekt  selber  zerstören  und  bei  noch  stärker  werdender 
Intensität  Uebelkeit  und  endUch  sogar  Erbrechen  erzeugen  können. 
Aber  das  Bedürfnis  nach  Nahrungsaufnahme  kann  sicherlich  auf  den 
verschiedensten  Reflexbahnen  ausgelöst  werden,  und  es  ist  allgemein 
bekannt,  wie  beispielsweise  psychische  Vorstellungen  ohne  materielles 
Substrat  das  Verlangen  nach  dem  Genüsse  bestimmter  Speisen  auslösen 
können,  wie  dieses  überhaupt  in  hohem  Maße  abhängig  ist  von  Vor- 
stellungen und  von  äußeren  Einflüssen  der  Umgebung,  und  wie  in  der 
Gravidität  auf  den  von  dem  gereizten  Uterus  ausgehenden  Nervenbahnen 


160 


M.    M  ENDELSOHN, 


nicht  nur  bei  starker  Irritation  Erbrechen  hervorgernfen  wird,  sondern 
auch  sonst  jene  merkwürdigen  und  eigenartigen  Gelüste  und  Neigungen 
nach  Aufnahme  besonderer  Speisen,  wie  sie  gerade  den  Zustand  der 
Gravidität  kennzeichnen  und  für  ihn  charakteristisch  sind,  entstehen. 

Die  therapeutische  Wirkung  aller  derjenigen  exoterischen  Kranken- 
pfiegemittel,  welche  den  außerordentlich  vielgestaltigen  Reflex  der 
Appetitanregung  durch  die  gleichzeitige  Erregung  der  verschiedensten 
Sinnesorgane  auslösen,  beschränkt  sich  aber  nicht  allein  auf  diese 
Steigerung  des  Appetits  und  auf  eine  dementsprechende  größere 
Nahrungsaufnahme,  sondern  es  läßt  sich  direkt  und  experimentell 
nachweisen,  daß  sie  auch  einen  ausnehmenden  Einfluß  auf  die 
Sekretion  des  Magensaftes  und  damit  auf  die  Verdauung  und 
die  Assimilation  der  eingenommenen  Nahrung  ausübt.  Nach  Paw- 
Low's*)  Feststellungen  tritt  an  Tieren  mit  eröffnetem  Magen  und 
durchschnittener  und  nach  außen  geleiteter  Speiseröhre  genau  5  Minuten 
nach  dem  Beginn  einer  Scheinfütterung  eine  reichliche  Sekretion  aus 
der  Magenwunde  auf,  trotzdem  alles  Genossene  sofort  nach  dem 
Schlucken  den  Körper  wieder  verlassen  hat.  Und  schon  das  bloße 
Zurechtsetzen  der  Speisen,  ohne  daß  die  Tiere  dazu  können,  führt 
jedesmal  in  denselben  Zeiten  und  in  den  gleichen  Quantitäten  zu 
reichlicher  Magensaftproduktion.  So  übt  hier  in  exoterischer  Therapie, 
ohne  den  Körper  des  Kranken  auch  nur  zu  berühren,  ein  außerhalb 
im  Räume  befindliches  Objekt  einen  wesentlichen  und  stark  wirkenden 
therapeutischen  Reiz  aus,  den  gleichen  Reiz,  nur  auf  anderen  Nerven- 
bahnen, den  sonst  ein  esoterisch  wirkendes  Stomachicum  vom  Magen 
aus  erzeugt. 

Eine  solche  Anregung  des  Appetits  führt  die  Krankenpflege  zunächst  durch 
eine  appetitliche  und  saubere  Zurichtung  der  dem  Kranken  vorgesetzten 
Speisen  und  Getränke  herbei.    Alles,  -was  ihm  gereicht  wird,  Gefäße  sowohl  wie  Eß- 


Figg.  1  und  2. 
Aus  MetaU  (Süber). 
Die  flache  Schüssel 
(Fig.  2)  eignet  sich 
mehr  für  festere  Spei- 
sen, die  tiefe,  napf- 
artige (Fig.  1)  für 
breiige  und  flüssige 
Nahrung.  Sind  die 
Geräte  vor  der  Ein- 
bringung der  Speisen 
durch  Eintauehen  in 
heißes  Wasser  aus- 
reichend erwärmt 
worden,  so  bleiben 
die  darin  befindlichen 
Nahningsmittel,  auch 
ohne  daß  sie  zugedeclrt 
zu  werden  brauchten, 
eine  Stunde  und  län- 
ger   genügend   warm. 


Fig.  2.     Speisensohüssel. 


*)  J.  P.  Pawlow,  Die  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen.  Autorisierte  Uebersetzung 
aus  dem  Kussischen  von  Dr.  A.  Walthee  in  St.  Petersburg.     Wiesbaden  1898. 


H 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährnng. 


161 


gerate,  müssen  auf  das  peinlicliste  sauber  sein  ;  das  ganze  Arrangement,  die  Auf-' 
Stellung  und  Anordnung  sowohl  wie  die  Art,  in  welcher  die  eigentlichen  Speisen 
auf  den  Schüsseln  und  Tellern  aufgelegt  sind,  ebenso  auch  die  Anbringung  der 
vielen  kleinen  Hilfsmittel,  welche  auch  auf  der  Tafel  der  Gesunden  ihren  regel- 
mäßigen Platz  finden,  muß  so  geschehen,  daß  der  Gesamteindruck  ein  freundlicher 
und  appetitanregender  ist.  Wo  es  irgend  der  Krankheitszustand  ermöglicht,  hat 
auch  im  Bette  ein  Kranker,  und  selbst  in  Kjankehhäusern,  um  eine  Anregung  seiner 
Eßlust  dadurch  zu  erfahren,  Anspruch  darauf,  in  appetitlicher  Zurichtung,  auf  dem 
Eßbrette,  sein  Gedeck  zu  erhalten,  mit  sauberem  Tischzeug  und  allem  dem  kleinen 
Zubehör,  wie  es  sonst  auf  gedeckten  Tischen  Platz  findet;  selbst  Blumen  oder 
sonstige  den  Kranken  erfreuende  Dinge  können  nebenher  Aufstellung  finden.  Ganz 
unerläßlich  ist  dabei  die  weitgehende  Sauberkeit  auch  der  verwendeten  Wäsche 
sowie  der  ganzen  Zurichtung;  läßt  sich  durch  eine  Außerachtlassung  dieses  ersten 
hygienischen  Grundsatzes  doch  selbst  ein  Gesunder  in  der  Nahrungsaufnahme  stören. 
Besonders  ist  dabei  zu  beachten,  daß  die  Trinkgescbirre  nicht  an  ihrem  unteren 
Eande  von  übergelaufener  Flüssigkeit  naß,  daß  die  Unterschalen  der  Tassen  trocken 
sind,  da  ein  Abtropfen  beim  Trinken  unangenehm  wirkt  und  dem  Kranken,  der  sich 
dabei  unnötig  nach  vorn  überbeugen  muß,  Anstrengung  verursacht  und  das  Trinken 
erschwert.  Auch  ist  ein  weiteres  positives  Moment  zur  Erhöhung  der  Eßlust  die 
Abwechslung  in  der  Herrichtung;  nicht  etwa  nur  ein  Wechsel  der  Speisen 
selber  oder  eine  Bevorzugung  der  Lieblingsspeisen,  sondern  auch  kleinere  Neuerungen 
tind  Ueberraschungen  in  der  Herrichtung  selber,  die  jedoch  niemals  in  die  Gewohn- 
heiten des  Kranken  störend  eingreifen  dürfen. 

Noch  wichtiger  ist  die  negative  Seite  dieser  Einrichtungen.  Hier  ist  mit  Sorg- 
falt imd  Energie  darauf  zu  halten,  daß  nichts  Appetitstörendes  oder  etwa  gar 
Ekelerregendes  dem  Patienten  zur  Erscheinung  komme.  Leider  ist  dieser  wesentüche 
Grundsatz  der  Krankenpflege  in  den  öffentlichen  Krankenhäusern  aus  äußeren 
Gründen  bisher  noch  recht  wenig  durchgeführt ;  noch  immer  befinden  sich  in  diesen 
auf  der  gleichen  Tischplatte  oder  doch  auf  demselben  allseitig  offenen  Krankentisch 
die  Speisen  und  die  Getränke  in  unmittelbarster  Nachbarschaft  und  nicht  selten 
sogar  in  direktem  Kontakt  mit  den  Uringläsern  und  Speigefäßen  und  mannigfachen 
anderen  heterogenen  Gegenständen.  Das  muß  natürUch  alles,  wo  es  irgend  sich 
vermeiden  läßt,  hintangehalten  werden.  Die  Speisen  selber  dürfen 
vor  allem  nichts  an  sich  haben,  was  den  Appetit  störend  be- 
einflussen könnte ;  niemals  darf  ein  nicht  ganz  geratenes  Gericht 
dem  Kranken  vorgesetzt  werden ,  dürfen  etwa  äußerlich  iman- 
sehnliche  oder  mißratene  Speisen  aufgetragen,  dürfen  angebrannte 
oder  erkaltete  und  im  eigenen  Fett  geronnene  Speisen  ihm  prä- 
sentiert werden.  Um  ein  solches  vorzeitiges  Erkalten  von 
Speisen  zu  verhüten,  zumal  bei  Kranken,  welche  langsam  essen, 
oder  bei  Kindern,  sind  besondere  Speisegefäße  mit  Vorteil  zu 
verwenden.  Diese  Schüsseln  oder  Schalen  aus  Metall  sind  doppel- 
"wandig;  essigsaures  Natron,  ein  in  der  Wärme  leicht  lösliches 
Salz ,  welches  eine  große  Präcipitationswärme  besitzt  und  also 
bei  jedem  AuskrystalHsieren  aus  seinen  Lösungen  sehr  erhebliche 
Mengen  von  Wärme  frei  werden  läßt,  wird  in  den  doppelten 
Wandungen  der  Speisenbehältnisse  mit  einer  entsprechenden 
Quantität  Glycerin  hermetisch  und  dauernd  eingeschlossen.  Wird 
ein  solches  Gerät  auf  eine  Minute  in  kochendes  Wasser  gesetzt 
oder  damit  vor  dem  Gebrauch  an  gefüllt,  so  genügt  diese  Er- 
wärmung, um  das  Salz  in  dem  Glycerin  zu  lösen ;  beginnt  nach 
der  Einbringung  der  Speisen  und  dem  Verschließen  des  Behält- 

Fig.  3.  Speisenthermometer.  Der-  Speiseuthermometer ,  welchen  die  Kieler 
Kochschule  angegeben  und  eingeführt  hat,  trägt  auf  einer  Seite  der  mit  Wemgeist 
gefüllten  Thermometerröhre  die  Gradeinteilung,  auf  der  anderen  Seite  die  Namen  der 
hauptsächlichsten  und  gebräuchlichsten  Getränke  sowie  einiger  Speisen,  und  zwar  an  den- 
jenigen Stellen,  welche  der  für  diese  einzelnen  Nahrungsmittel  besten  und  zuträglichsten 
Temperatur  entsprechen.     Er  kann  daher  auch  vom  Küchenpersonal  benutzt  werden. 


IS 


162 


M.    MENDELSOHN, 


nisses  von  außen  her  die  Abkühlung,  so  krystallisieren  dem  Erkalten  entsprechende 
Mengen  des  essigsauren  Natrons  aus,  entwickeln  dabei  aber  immer  wieder  aufs  neue 

eine   ausreichende  Präcipitations- 


wärme,  um  die  schheßliche  Ab- 
kühlung nur  sehr  allmählich  vor 
sich  gehen  zu  lassen.  Es  können 
Behältnisse  der  mannigfachsten 
Art,  Kannen  und  ähnliche  Geräte, 
so  eingerichtet  werden.  Ich  ver- 
wende sie  seit  einigen  Jahren  mit 
Erfolg  *). 

Für  die  Einwirkungen,  welche 
aus  der  ganzen  weiteren,  abge- 
schlossenen Sphäre  seines  Auf- 
enthaltsraumes auf  den  Kran- 
ken hervorgehen,  gilt  naturgemäß 
das  Gleiche.  Auch  hier  gehört  zu 
den  positiven  Gestaltungen,  daß 
der  Kranke  nicht  nur  ein  die 
wichtigsten  hygienischen  Anforde- 
rungen erfüllendes,  sondern  dabei 
auch  helles  und  freundliches  Zim- 
mer zur  Verfügung  habe,  und  daß 

Fig.  4.  Speisenschalen  (Menagen)  mit  Warm wasserf üllung.  In  die 
doppelten  Wandungen  dieser  auch  in  den  Haushalten  gebräuchlichen  Speiseschalen, 
welche  in  beliebiger  Anzahl  übereinander  gesetzt  werden  können  und  dabei  eine  jede 
mit  ihrem  Boden  den  Deckelversehluß  für  die  darunter  befindliche  abgeben,  läßt  sich 
heißes  Wasser  vor  dem  Gebrauche  einfüllen;  die  Speisen  bleiben  dadurch,  allerdings  uur 
für  einige  Zeit,  warm.  Diese  Menagen  eignen  sich  besonders  dort,  wo  die  Speisen  von 
der  Küche  nach  dem  Krankenzimmer  über  die  Straße,  durchs  Freie ,  oder  über  lange 
und  kalte  Korridore  getragen  werden  müssen;  in  erster  Linie  also  für  Krankenhäuser, 
aber  auch  für  die  Krankenpflege  im  Hause. 

er,  wo  es  sonst  irgend  angebracht  und  mögUch 
ist,  sogar  ein  anderes  Zimmer  zum  Essen  als  zum 
sonstigen  Aufenthalte  benutze,  aus  den  gleichen, 
hier  nur  noch  subtileren  Gründen,  aus  denen 
auch  wir  nicht  im  Schlafzimmer  essen.  Jeden- 
falls darf  während  des  Eßaktes  selber  das  Zimmer 
nicht  verdunkelt  bleiben,  denn  der  Kranke  muß, 
um  ohne  Widerstreben  und  in  ausreichendem 
Maße  die  Nahrungsaufnahme  zu  vollziehen,  sehen 
können,  was  er  ißt;  und  doch  pflegt  die  Um- 
gebung ein  Krankenzimmer  oft  in  ganz  über- 
mäßiger Weise  dunkel  zu  halten,  woniger  viel- 
leicht aus  alleiniger  Rücksicht  für  den  Kranken, 
als  um  sich  selber  seinen  unerfreulichen  An- 
lilick  zu  ersparen.  Diese  und  alle  die  vielfachen 
anderen  psychisch-hygienischen  Heilmittel  üben 
natürlich  auch  anderweitige  Einwirkungen,  als 
gerade  nur  die  Hebung  des  Appetits  aus  und 
lassen  sich  hier  nur  andeuten ;  auch  hier  wieder 
hat  eine  thunUchste  Abwechslung  der  in  der 
Sphäre  des  Kranken  befindlichen  Dinge  Einfluß 
auf  seine    Stimmung    und    seine    Eßlust,    Ein- 

Fig.  5.  Wärmehaltender  Kasten.  Das  Behältnis  ist  ebenso  wie  die  in  Figg.  1 
und  "2  wiedergegebenen  Eßgeräte,  mit  essigsaurem  Natron  in  seinen  doppelten  Wandungen 

■}  JMartin  Mesdelsohn,  Gerätschaften  der  Krankenpflege,  Demonstration  in 
der  Sitzung  der  Berliner  medizinischen  Geseßschaft  vom  IS.  März  1896.  Berhner 
khnische  Wochenschrift,  1890,  No.  14. 

i6 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


163 


erfüllt;  es  vermag,  da  es  sich  hermetisch  rerschließen  läßt  und  außen  mit  schlechten 
Wärmeleitern  umgeben  ist,  eine  mit  warmer  Flüssigkeit,  Milch,  Thee,  Suppe  etc.  gefüllte 
Flasche  während  der  Dauer  einer  ganzen  Nacht  wann  zu   erhalten. 

Wirkungen  exoterisclier  Therapie ;  vor  allem  anderen  ist  es  die  Regelung  der  Zimmer- 
luft und  der  Temperatur,  welche  in  erster  Linie  von  Wesenheit  sind.  Auch  hier 
wieder  sind  negative  Momente  auszuschließen.  Ganz  besonders  haben  unter  diesen  für 
die  Ernährungstherapie  alle  Verschlechterungen  der  Zimmerluft  durch  üble  Gerüche, 
zumal  durch  solche,  welche  von  den  Speisen  herstammen,  Bedeutung;  nie  darf 
Speisengeruch  in  das  Krankenzimmer  dringen,  und  ebensowenig  darf  der  Kranke 
außerhalb  der  eigentlichen  Speiseneinnahme  jemals  vou  den  für  ihn  bestimmten  oder 
von  anderen  Speisen  irgend  etwas  zu  riechen  oder  auch  nur  zu  sehen  bekommen. 
Das  gilt  sowohl  für  die  noch  nicht  zubereiteten  Speisen,  welche  manchmal  dem 
Kranken  zuvor  gezeigt  werden,  als  auch  für  die  auf  einmal  nicht  ganz  von  ihm 
verzehrten ;  sie  müssen  stets  alsbald  wieder  aus  dem  Zimmer  entfernt  werden ;  die 
Anschauung,  daß  der  Kranke  jederzeit  etwas  zum  Essen  unmittelbar  zur  Verfügung 
und  zur  Hand  haben  müsse,  ist  eine  durchaus  verkehrte. 

Auch  alle  sonstige  psychische  Eegelung  von  selten  der  Krankenpflege  hat  für 
die  Ernährungstherapie  eine  wesentliche  Bedeutung;  und  mehr  noch  als  im  gewöhn- 
licben  Leben  wird  der  Appetit  eines  Kran- 
ken nicht  allein  nur  durch  unappetitliche 
oder  ekelerregende  materielle  Objekte 
herabgesetzt,  sondern  gleichermaßen  auch 
durch  psychische  Verstimmung. 
Alle  die  Faktoren,  welche  als  psychische 
Heilmittel  der  Hypurgie  bezeichnet  werden 
können,  beanspruchen  daher  hier  die  vollste 
Berücksichtigung.  Und  unter  diesen  viel- 
fachen Momenten ,  welche  unnötige  Er- 
regung und  Verstimmung  von  Kranken 
fernzuhalten  und  einen  dem  HeUplane 
möglichst  angemessenen  psychischen  Zu- 
stand in  ihm  zu  erwecken  vermögen, 
nimmt  eine  wichtige  Stellung  das  Be- 
streben ein,  ein  gewisses  Gefühl  der  Sicher- 
heit in  dem  Patienten  hervorzurufen,  das 
Bewußtsein,  daß  er  nie  in  hilflose  Situa- 
tionen geraten  kann,  eine  Aufgabe  der 
Krankenpflege,  welche  sie  durch  eine  große 
Zahl  von  Einrichtungen  und  "\^ornahmen 
unschwer  zu  erfüUeu  in  der  Lage  ist. 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  der  Umgebung  bei  der  Speisenaufnahme 
selbst  ist  es  angebracht,  mit  dem  Kranken  niemals  unnötigerweise  vom  Essen  zu 
sprechen;  ähnlich  wie  der 
stete  Anblick  von  Speisen 
den  Appetit  herabsetzt,  und 
wie  in  gleichem  psychischen 
Zusammenhange  bekannter- 
maßen Personen ,  welche 
Speisen  regelmäßig  zube- 
reiten ,  gewöhnlich  nichts 
oder  nur  wenig  davon  essen 
wollen ,  seheint  auch  das 
häufige  und  wiederholte  Hin- 
lenken der  Aufmerksamkeit 
auf  die  Nalu'ungsaufnahme 
einen  ähnlichen  schädigen- 
den Elfekt  auszuüben.  Auch 
während     des     eigentlichen 

Handbuch  der  spcc.  Therapie  inn.  Kianltli 
Mendelsohii,  Krankenpflege. 


S  p  e  i  s  e  n  w  ä  r  m  e  r. 


164 


M.  MENDELSOHN, 


Kg.  S.     Speisen  wärmer. 


Eßaktes  unterbleibt  es  aus  dem  gleichen  Grunde  am  besten,  mit  dem  Kranken  vom 
Essen   zu    sprechen.    Daß   eine  eigene  psvehische  Thätigkeit  des  Bj-anken  während 

des  Essens  einer  ausreichenden  Speisen- 
aufnaime  hinderlich  ist,  wird  noch  er- 
örtert werden ;  auch  eine  Ablenkung 
durch  eine  intensivere  Unterhaltung 
dabei  ist  unangebracht,  wie  überhaupt  in 
dem  Kranken  stets  der  Eindruck  er- 
halten-werden  muß,  daß  seine  Xahiungs- 
aufnahme  eine  wichtige  und  .mit  vollei 
Aufmerksamkeit  zu  vollziehende  Auf- 
gabe sei.  Darum  ist  es  selbstverständ- 
lich, daß  auch  sonst  jede  wie  immer 
geartete  Thätigkeit  dritter  Personen  im 
Krankenzimmer  während  des  Eßaktes 
welche  die  Aufmerksamkeit  abzulenken 
geeignet  ist,  oder  ein  geschäftiges  Han- 
tieren, ein  Ab-  und  Zugehen  der  Pflegerin 
und  der  sonstigen  Jlitglieder  der  Um- 
gebung, oder  etwa  gar  die  Anwesenheit 
dritter,  besuchender  Personen  durchaus 
zu  vermeiden  sind. 

Außerdem  spricht  eine  möglichste 
Abwechslung  innerhalb  desEahmens 
der  erlaubten  Speisen  sehr  wesentlich 
mit,  den  Appetit  zu  fördern,  wieder 
unter  aller  zulässiger  Eücksicht  auf  die 
Neigungen  des  Kranken,  für  den,  wofern 
sie  überhaupt  gegeben  werden  dürfen  seine  Lieblingsspeisen  in  erster  Linie 
auszuwählen  oder,  unter  sonst  gleichartigen  Speisen,  die  voraussichtlich  am   wohl- 

schmeckendsten    zu    bereiten    sind.     Doch    ist 

auch  hier,  wie  bei  Allem  im  Leben,  der  Be- 
griff der  Delikatesse  ein  äußerst  relativer;  er 
unterscheidet  sich  nach  sozialer  Gepflogenheit 
und  individueller  Neigung  aufs  erheblichste 
und  es  sind  diese  Momente  sorgfältig  zu  er- 
wägen, wenn  man  so  die  Absicht  hat,  dem 
Kranken  etwas  Gutes  zu  erweisen  imd  damit 
den  Xähreffekt  zu  erhöhen  und  die  Heilwirkung 
zu  steigern.  Aber  eine  thunhchste  Abwechslung 
ist  in  jedem  Falle  ein  unterstützender  Faktor; 
und  wo  die  Zahl  der  an  sich  möglichen  Speisen 
eine  beschränkte  ist,  läßt  sich  immer  noch  viel 
erreichen  durch  die  verschiedene  Gestaltung  der 
Temperatur,  durch  eine  schärfere  oder  mehr 
blande  Zubereitung,  und  insbesondere  durch 
eine  wechselnde  Beimengung  von  Gewürzen,  so- 
weit sie  überhaupt  zulässig  sind. 
Fig.  9.     S  p  e  i  s  e  n  w  ä  r  m  e  r. 

Fig.  6,  7,  8,  9.  Die  Heizung  'der  Speissnwärmer  gescMeht  entweder  durch  Petroleum 
(Fig.  6)  oder  durch  Elelstricität  (Fig!  9)  oder  durch  Gas  (Fig.  7)  oder  dui-ch  Spiritus  (Fig.  8). 
Sie  sind  nur'  Notbehelfe,  in  erster  Hinsicht  dafür,  daß  fertiggewordene  Speisen,  welche 
der  Kranke  niclit  alsbald  einnimmt,  bis  zur  Dai'reiehung  warm  erhalten  werden,  nicht 
jedoch  dazu,  daß  bereits  erkaltet  gewesene  Nahrung  nun  wieder  aufs  neue  warm  gemacht 
werde.     Sie  dürfen  ausschließlich  nur  außerhalb  des  Krankenzimmei-s  Verwendung  finden. 

Um  den  für  die  Therapie  so  wichtigen  Effekt  einer  ausreichenden 
Speisenaufnahme  herbeizuführen,  ist  des  weiteren  unerläßliche  Aufgabe 
der  Krankenpflege,    daß   die  Einverleibung   der   Speisen   und 


iS 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


165 


Getränke  für  den  Kranken  so  bequem 
nur  möglich  gestaltet  werde.  Denn  nur 
erreicht  werden,  daß  der 
Kranke  thatsächlich  die  not- 
wendige Nahrung  aufnimmt. 
Das  ist  ja  überhaupt  eine 
der  wesentlichsten  Leistun- 
gen der  Hypurgie,  daß  die 
Mittel  der  Krankenpflege 
alle  wichtigen  und  unerläß- 
lichen Vornahmen  dem  Kran- 
ken so  erleichtern  und  mil- 
dern können,  daß  er  sie  that- 
sächlich ausführt,  während 
ohne  solche  in  diesem  Zu- 
sammenhange unmittelbar 
therapeutisch  wirkende  Mit- 
hilfe der  Krankenpflege  diese 


und   so   leicht  als 
so   kann   es  häufig 


Vornahmen 


oder  zum 


Fig.  10.  Jlilchkoclitopf.  Der  von  Prof.  Dr.  med.  FLÜGGE  angegebene  Milclikoch- 
topf  besitzt  zwei  Deckel ;  einen  irdenen,  der  auf  einer  vorspiingenden  Kante  einige  Centi- 
meter  unterhalb  des  oberen  Topfrandes  aufliegt,  von  der  Mitte  aus  nach  außen  hin  leicht 
geneigt  abfällt  und  eine  größere  centrale  und  mehrere  seitliche  Oeffnungeu  hat;  und  einen 
ebenfalls  mit  centraler  Oeffnung  versehenen  äußeren,  obenauf  nihenden  metallenen  Deckel. 
Kocht  die  Milch  über,  so  läuft  sie  durch  die  Oeffnungen  des  inneren  Deckels  wieder  in 
den  Topf  zurück.  Das  Gerät  kann  daher  während  des  Kochens  sich  selbst  überlassen 
bleiben. 


Teil  unterlassen  werden.  Es  trifft  das  in  ganz  hervorragendem  Maße 
auch  für  die  Nahrungsaufnahme  zu,  und  die  vielfachen  Hilfsmittel, 
über  welche  die  Krankenpflege  verfügt,  um  den  Akt  der  Nahrungs- 
aufnahme zu  erleichtern  und  zu  gestalten,  dienen  in  weitestem  Maße 
der  Hebung  der  Ernährung  selber. 

Diese  Erleichterungen  und  Unterstützungen  während  des  Eßaktes 
betreffen  entweder  die  Herrichtung  der  Nahrung,  die  Hilfs- 
mittel und  die  Geräte  zu  ihrer  Einverleibung ;  oder  aber  sie  erstrecken 
sich  auf  den  Körper  des  Kranken  und  insbesondere  auf  seine  Körper- 
haltung und  seine  Mitwirkung  bei  der  Speiseneinnahme  und  sind 
hierbei  nun  wieder  verschieden,  je  nachdem  die  Nahrungsaufnahme 
eine  aktive  oder  passive  ist,  je  nachdem  der  Kranke  selber  ißt  oder 
gefüttert  wird.  Sie  betreffen  also  entweder  das  Objekt  der  Nahrung, 
oder  das  Subjekt  der  zu  ernährenden  Person. 

Die  Geräte,  welche  der  eigentUchen  Herrichtung  der  Nahrung  zum  Zwecke 
der  Nahrungsaufnahme  dienen,  sind  einmal  die  Behältnisse,  in  welchen  die  Nahrung 
vor  der  zu  ernährenden  Person  erscheint,  und  neben  diesen  die  Unterstützungsmittel, 
auf  welchen  die  Behältnisse  Platz  finden  und  von  denen  sie  getragen  werden;  also 
lediglich  nur  Modifikationen  der  einfachsten  Geräte  des  Eßaktes  im  täghchen  Leben : 
der  Teller  und  Gläser,  aus  denen  wir  essen  und  trinken,  und  der  Tische,  auf 
welchen  diese  Platz  finden ;  Modifikationen,  welche  die  Krankenpüege  nötig  macht. 
Haben  alle  die  Geräte,  weiche  den  Zustand  der  Nahrung  selbst,  die  Erwärmung, 
die  Zerkleinerung  etc.  besorgen,  gleichsam  den  genießbaren  Kern  des  Ganzen,  näm- 
lich die  Nahrung  selber,  zum  Objekt  ihrer  Einwirkimg,  so  sind  diese  Geräte  hier 
gewissermaßen  mit  der  Hülle  zu  vergleichen,  da  sie  Gerätschaften  sind,  welche 
diesen  Kern  bergen  und  tragen. 


19 


12* 


166 


M.   MENDEIiSOHN, 


Fig.   11.     Schnabeltasse.  Fig.   12.     Schnabeltassen. 

Fig.  11,  12.  Sie  sind  fast  immer  aus  Porzellan  (Fig.  12),  selten  aus  Glas  (Fig.  11) 
hergestellt,  um  auch  zur  Einnahme  warmer  Flüssigkeit  Verwendung  finden  zu  können. 
Die  Schiffclienform  ist  für  geringe,  schluckweise  nur  zu  nehmende  Flüssigkeiten  bestimmt, 
die  dem  Kranken  eingeflößt  werden ;  die  halbgedeckte  größere  Sehale  für  erheblichere 
Flüssigkeitsquanten,  Suppen,  Thees  geeignet,  zumal  wenn  der  Kranke  sie  aktiv  einnimmt. 


Auch  für  den  Kranken 
werden  als  Eß-  und  Trink- 
geräte die  üblichen  Teller 
und  Gläser  vielfach  benutzt; 
sie  müssen  hier  möglichst 
widerstandsfähig  sein  und  fest 
und  sicher  auf  der  Unterlage 
aufruhen.  Daher  sind  Trink- 
becher aus  zu  dünnem  oder  gar 


Fi".  13.  Einnehmeschalen.  Außer  für  Arzneien  auch  für  Wein,  Cognak  und 
andere  differente  Getränke  verwertbar;  die  offenen  unter  ihnen  tragen  eine  auf  der  Innen- 
fläche angebrachte  Skala,  welche  eine  ganz  exakte  Dosierung  ermöglicht.  Bei  sehr 
schwachen  Kranken  müssen  die  oben  gedeckten  Einnahmeschalen  Anwendung  finden, 
deren  enge  vordere  Oeffnung  leicht  zwischen  die  Lippen  genommen  werden  kann,  so  daß 
der  Kranke  ihren  Inhalt  gewissermaßen  aussaugt. 

zerspnmgenem  Glase  ebenso 
zu  vermeiden,  wie  solche  auf 
hohem  Fuße,  natürlich  ist 
auch  ganz  besonders  zu  be- 
achten, daß  der  obere  Eand 
der  Trinkgefäße  intakt  ist. 

Alle  Speisengeräte  des 
täghchen  Lebens  sind  aber 
auf  eine  aufrechte  Haltung 
des  Oberkörpers  berechnet.  In 

Fig.  14.  Einnehmeschale.  Die  größeren,  offenen  Formen  der  Einnahmeschalen 
sind  nur  für  den  selbstthätigen  Gebrauch  solcher  Kranker  geeignet,  welche  ohne  Mühe 
das  Gerät  zu  handhaben  und  benutzen  vermögen. 


der  horizontalen  Position  oder  der  dieser  an- 
genäherten Körperlage,  welche  Kj'anke  einzu- 
nehmen pflegen  und  aus  der  sie  nicht  immer 
und  jedesmal  herausgenommen  werden  können, 
ist  zum  Trinken  ein  gewöhnliches  Trinkglas 
nicht  verwendbar,  da  die  Lippen  den  Eand 
und  den  Flüssigkeitsspiegel  erst  bei  einer  so 
starken  Neigung  des  Glases  genügend  um- 
fassen  könnten ,    daß   schon  zuvor   der  Inhalt 


15.     Gläsernes  Einnehmegefäß.     Diese  Gefäße,    welche   auch    imter  dem 


Die  Wirkuna;  auf  die  ErnähruDs;. 


167 


Namen  „Aizneilöffel  mit  hohlem  Stiel"  bekannt  sind,  sind  nichts  anderes  als  ganz  kleine 
Sehnabeltassen  aus  Glas.  Sie  können  daher  nur  für  kalte  Flüssigkeiten  Verwehdung  finden. 
Sehr  wertvoll  ist  ihre  Skala,  die  sie  tragen,  und  durch  welche  alle  quantitativen  Kon- 
trollen der  Ernähi-ung  leicht  möglich  sind. 


Fig.  16.     Gläserne  Maßgefäße.  Fig.  17.     Gläserne  Maßgefäße. 

Fig.  16,  17.  Für  alle  Formen  der  Darbietung  flüssiger  Nahnmg,  in  welchen  die 
Einnahme  der  Getränke  aus  Gefäßen  ohne  Cjuantitative  Einteilung  erfolgt,  ist  es  zweck- 
mäßig, zumal  bei  differeuten  Getränken  oder  Arzneien,  im  Krankenzimmer  kleinere 
gläserne  Maßgefäße  zur  Hand  zu  haben,  welche  eine  quantitative  Kontrolle  resp.  ein 
vorheriges  Abmessen  bestimmter  Mengen  ermöglichen.  Sie  sind  entweder  so  gestaltet 
(Fig.  16),  daß  sie  ein  unmittelbares  Trinken  direkt  gestatten  und  tragen  dann  neben  der 
Kubik-  und  Gramm-Einteilung  auch  Teilstriche,  welche  einem  Eßlöffel,  einem  Kinder- 
löffel, einem  Theelöffel  entsprechen;  oder  es  sind  (Fig.  17)  größere  Maßgeläße,  aus  denen 
der  Inhalt  nach  Bedarf  in  Schnabeltassen  etc.  vor  der  Einnahme  übergefüllt  wird. 

nebenher  auslaufen  müßte.  Es  können  daher  hier  nur  Ge- 
fäße angewandt  werden,  welche  so  beschaffen  sind,  daß  der 
Kranke  beim  Trinken  den  Rand  oder  die  Oeffnung  des  Ge- 
rätes nicht  nur  an  die  Lippen  zu  legen,  sondern  sie  zwischen 
diese  in  den  Mund  hineinzuführen  vermag.  Während  man 
daher  ein  einfaches  Trinkglas,  wenn  es  angewendet  würde, 
nur    zum    kleinsten   Teile   anfüllen    dürfte,   um    gleich    von 

Fig.  18.  Verschlußpfropf.  Für  Weine,  stark  wirkende  (besonders  äußerliche) 
Arzneien  und  ähnliche  Flüssigkeiten,  die  entweder  nur  zu  bestimmten  Zeiten  und  in 
bestimmten  Mengen  oder  überhaupt  nicht  innerlich  genommen  werden  sollen,  empfiehlt 
sich,  um  mißbräuchlicher  oder  irrtümlicher  Einnahme  zu  begegnen,  die  Verwendung  von 
Verschlußpfropfen,  welche  nur  durcli  einen  in  der  Venvahrung  der  Pflegerin  bleibenden 
Schlüssel  zu  öffnen  sind.     Sie  j^assen  auf  jede  Flasche. 

vornherein  eine  genügend  starke  Anfangsneigung 
des  Glases  erzielen  zu  können,  lassen  sich  die  zur 
Entnahme  von  Flüssigkeit  in  liegender  Position 
eigens  konstruierten  ,,Schnabeltassen"  vöUig  füllen, 
da  ihre  Ausflußöffnung  von  den  Lippen  des  Kranken 
gänzlich  umschlossen  wird  und  er  so  das  Maß  der 
jedesmal  zu  schluckenden  Flüssigkeitsmenge  selber 
bemessen  kann.  Handelt  es  sich  nur  um  geringe 
Mengen  von  jedesmal  aufzunehmender  Flüssigkeit, 
um  Wein  also  oder  um  ähnliche,  stärker  wirkende 
Genußmittel,  so  werden  die  kleinen,  oben  offen  ge- 
stalteten oder  abgedeckten  ELnnehmeschalen  und 
Einnehmelöffel  bevorzugt,  kleine  flache  Porzellan- 
schalen,    nach    Art    eines    Löffels    gestaltet    und 

Fig.  19.     Tropf  kork.     In  einem  weit  durchbohrten  Korkpfropf   sitzt  ein  triehter- 


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168 


M.   MENDELSOHN, 


fö]-miger,  mit  Ausfliißrinne  versehener  Glaseinsatz,  der  seinerseits  durch  einen  zweiten, 
kleineren  Pfropfen  verschließbar  ist.  Durch  die  sehr  wohlfeUe  und  einfache  Einrichtung 
kann  jede  beliebige   Flasche  zur  Tropfflasche  umgewandelt  werden. 


Fig.  ;20.  Fig.  21.  ■ 

Fig.  20.  Geteiltes  Ei  nnehmeglas.  Eine  mittlere  Scheidewand,  welche  das 
Glas  in  zwei  Hälften  teilt,  gestattet  das  Mischen  zweier  Flüssigkeiten  erst  im  Augenblick 
der  Einnahme  eines  jeden  Schluckes.  Das  Glas  ist  in  erster  Linie  für  Brausepulver  und 
ähnliche  Mischungen  bestimmt,  kann  jedoch  auch  mit  Torteil  so  verwendet  werden,  daß 
in  die  eine  Hälfte  Geschmackskorrigentien  gebracht  werden. 

Fig.  21.  Kefir-Bereitungsgefäß.  Die  Kefirkömer  kommen  in  das  innere, 
siebartige  Behältnis,  die  Milch  in  das  Glasgefäß.  Ein  oben  angebrachter  Hahnauslaß 
gestattet»  die  bei  der  Gärung  entstehende  überschüssige  Kohlensäure  zu  entfernen. 

maiiclimal  auch  an  der  inneren  Fläche  durch  Teilstriche  graduiert,  deren  kurzer 
Handgriff  sie  sicherer  handhaben  läßt ,  als  die  langen  Stiele  der  gebräuchhchen 
Eßlöffel,  zweckmäßige  Hilfsmittel,  die  schon  seit  geraumer  Zeit  im  Gebrauche  sind. 
!?odann  bedarf  der  Kranke  besonderer  Geräte  zur  Aufstellung  der 
K"ahrung.  Wollte  man  Speisengefäße  einem  Kranken,  wie  sonst,  auf  einem  Eß- 
tisch aufstellen,  so  würde  dieser  nur  unvollkommen  seitlich  an  das  Bett  sich|heran- 


Fig.  22.  Eßbrettchen.  Das  kleine,  einem  Bänkchen  ähnelnde  Gerät  wird  über 
den  Kranken  fort  gestellt  und  ruht  mit  seinen  Füßen  auf  dem  Bettboden  auf.  Die  Füße 
sind  zusammenlegbar,  so  daß  es  beim  üSTichtgebrauch  leicht  im  Krankenzimmer  Platz 
finden  kann.  Auch  läßt  sich  die  obere  Platte  in  mehr  oder  minder  geneigte  Stellung 
bringen,  um  als  Lesepult  und  Sehreibpult  im  Bette  zu  dienen. 


Die  Wirkuuff  auf  die  Ernähruna;. 


169 


rücken  lassen  und  der  EJranke  könnte,  wenn  er  selbständig  ißt,  nur  in  äußerst  un- 
bequemer Position,  nach  der  Seite  hin,  an  die  Speisen  heran  gelangen.  Es  ist  daher 
nötig,  ihm  eine  Eßfläche  zu  schaffen,  welche  er  auch  beim  Verharren  in  der  nor- 
malen Bettlage  unmittelbar  vor  sich  hat,  und  diesen  Zweck  erfüllen  entweder  Eß- 
bretter  und  Eßbänkchen,  welche  im  Krankenbette  selber  Aufstellung  finden,  oder 
Betttische,  deren  eigenartige  Konstruktion  ihnen  gestattet,  neben  dem  Bette  auf  dem 
Boden  aufzustehen  und  dabei  dennoch  die  eigentliche  Tischplatte  vor  dem  Kranken 
verlaufen  zu  lassen. 

Zunächst  läßt  sich  jedes  einfache  Eßbrett  des  Haushaltes  in  das  Bett  setzen  und, 
beiderseits  vom  Kranken,  durch  untergestopfte  Kissen  vor  dem  Umfallen  bewahren; 
doch  ist  diese  primitive  Vornahme,  da  bei  ihr  die  Last  des  Ganzen  unmittelbar  auf  dem 
Körper  des  Kranken  aufruht,  häufig  imanwendbar.  Es  sind  dann  Eßbretter  eigener 
Konstruktion  nötig,  Eßbretter  von  beinahe  der  Breite  des  Bettgestelles,  welche  beider- 
seits Füße  haben,  die  rechts  und  links  vom  Körper  des  Kranken  auf  der  Matratze 


Fig.  23.     Krankenbetttisch. 

aufstehen  und  hoch  genug  sind,  um  das  Eßbrett  selber  frei  über  dem  Körper  des 
Kranken  zu  tragen.  Sie  lassen  fast  alle  ihre  Hauptfläche  auch  in  verschiedenartige 
Neigimgen  bringen,  um  gleichzeitig  als  Lese-  und  Schreibunterlage  zu  dienen ;  be- 
sonders mannigfach  erfüllen  diesen  Zweck  die  nach  verschiedenen  Eichtungen  hin 
regulierbaren  Bettpulte,  die  mehrfachen  Zwecken  dienstbar  gemacht  werden  können. 
An  Kinderbetten,  zumal  an  solchen,  die  in  Kinderhospitälem  Verwendung  finden, 
sind  nicht  selten,  da  hier  die  Seitenwände  höher  sind  als  das  Bett  selber,  diese 
Eßbretter  direkt  mit  den  Bettseitenwänden  verbunden. 

Um  die  Platte  eines  auf  dem  Boden  aufstehenden  Tisches  über  ein  Krankenbett 
von  der  Seite  her  hinüberreichen  zu  lassen,  ist  es  nötig,  daß  der  Hauptsockel,  auf 
welchem  der  Tisch  ruht,  nicht,  wie  sonst,  in  der  Mittelachse  sich  befindet,  sondern  an 


23 


170 


M.   MENDELSOHN, 


einer  Seite.  Ein  solcher  Tisch  müßte  jedoch,  schon  ohne  beschwert  zu  sein,  nach  der 
nicht  unterstützten  Seite  hin  umfallen,  wenn  das  nicht  dadurch  verhütet  würde,  daß, 
parallel  mit  der  Hauptrichtimg  der  Tischplatte  und  fast  ebenso  weit  wie  diese,  eine 
untere  Fußplatte  oder  ein  entsprechend  langer  und  ebenso  gerichteter  Stab  angebracht 
wäre,  welcher  einem  Umfallen  entgegenwirkt.  Denn  wird,  wo  eine  solche  Vorrichtung 
vorhanden,  auf  das  freie  Ende  der  Tischplatte  ein  Druck  nach  unten  hin  ausgeübt, 
so  wäre  ein  Heruntergehen  nur  möglich,  wenn  gleichzeitig  dabei  die  Fußplatte  und 
mit  ihr  der  ganze  Tisch  sich  nach  oben  hin  vom  Boden  ablöste,  was  die  Schwere 
des  ganzen  Gerätes  nicht  zuläßt.  Ein  solcher  Eßtisch  kann  daher  von  der  Seite 
her  über  das  Bett  und  über  den  Kranken  fortgeschoben  werden  und  sollte  aus- 
giebigere Verwendung  als  bisher  finden,  um  so  mehr,  als  diese  Eßtische  auch  in  einer 


.^^""^^55? 


Fig.  24.     Krankenbetttiseh. 

Fig.  23,  24.  Die  Krankenbetttische  werden  entweder  ganz  aus  Holz  oder  ganz 
aus  Metall  gefertigt  oder  sie  tragen  eine  Holzplatte  auf  eisernem  Stativ.  Diese  letztere 
Form  (Fig.  23)  ist  die  stabilste.  Die  Tische  müssen  mit  ihrem  tragenden  Fuße  bis  un- 
mittelbar an  die  Seitenwand  des  Bettes  herangeschoben  werden,  damit  die  aufgestellten 
Gegenstände  möglichst  nach  diesem  Fuße  hin  Platz  finden  können ;  auch  der  festeste 
Krankenbetttisch  ist  immer  nur  einer  gewissen  Belastung  gewachsen  und  schwankt  bei 
starker  Inanspruchnahme  des  freien  Endes  sehr  erheblich,  Insbesondere  gUt  das  für  die 
ganz  und  gar  aus  Metall  gefertigten  Betttische,  bei  denen,  um  das  Ganze  in  seiner  Hand- 
habung nicht  so  schwer  werden  zu  lassen,  Platten  und  Stützen  so  dünn  werden,  daß  sie 
federn  und  schwanken. 

Sehr  wichtig  ist  die  Einstellung  der  Tischplatte  in  eine  richtige,  dem  Kranken 
bequeme  Höhe.  Sie  geschieht  entweder  durch  Kurbel  oder  Schraubeudrehung  mit  HUfe 
eines  Zahnrades.  Die  Reibung  hierbei  muß  so  bemessen  werden,  daß  auch  ohne  Fest- 
stellung der  Schraube  etc.  der  Tisch  bei  jeder  vorkommenden  Belastung  ohne  weiteres 
teststeht.  Bei  gewissen  Konstitutionen  wird  dies  dadurch  erreicht,  daß  die  tragende 
Metallsäule  in  einer  Kugelarretierung  gleitet,  welche  beim  Zufassen  an  bestimmten  Stellen 
zum  Zwecke  des'  Emporhebens  oder  Senkens  der  Platte  geöffnet  wird;  doch  ist  diese 
Handhabung  sehr  kompliziert  und  für  den  nicht  Eingeweihten  überhaupt  unmöglich,  so 
daß  der  Nachteil  aller  dieser  Betttische :  nur  von  außen  her  durch  dritte  Personen  auf- 
gestellt werden  zu  können,  hei  ihnen  besonders  hervortritt. 


H 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


171 


einfachen  und  wohlfeilen  Form  herzustellen  sind,  wo  sie  dann,  da  hier  die  Fußplatte 
fortfällt,  durch  eine  einfache  Klammer  an  der  oberen  Kante  der  Bettseitenwand  be- 
festigt werden. 

Für  die  unerläßliche  Verstelibarkeit  dieser  Tische  nach  verschiedenen  Höhen 
hin  suchen  mannigfache  Vorrichtungen  die  hier  in  der  gleichzeitigen  Beweglichkeit 
und  Fixierbarkeit  liegenden  Schwierigkeiten  zu  überwinden;  aber  alle  derartigen, 
zumal  automatischen  Feststellungen  der  Tische  sind  noch  recht  problematisch,  und 
die  Aufgabe,  Betttische  herzu- 
stellen, welche  auch  ohne  Mit- 
hilfe dritter  Personen  vom  Kran- 
kenbette aus  leicht  verstellbar 
sind,  ist  bisher  noch  eine  un- 
gelöste. Doch  erfüllt,  wenn 
auch  in  anderer  Weise,  zum 
Teil  der  eigenartige,  von  Dr. 
med.  Beedt*)  zunächst  zu 
eigenem  Gebrauche  in  langer 
Krankheit  konstruierte  Bett- 
tisch (Kg.  26)  diese  Anforde- 
rungen. Dieser  Tisch  besitzt 
eine  kreisrunde  Tischplatte, 
welche  auf  einer  centralen 
Metallsäule  ruht  und  die,  was 
das  Wesentlichste  daran  ist,  un- 
beschadet ihrer  Verstellbarkeit 
und  Fixierbarkeit  in  jeder  Höhe, 
schon  durch  ein  leichtes  An- 
stoßen nach  der  einen  wie  nach 
der  anderen  Richtung  hin,  dreh- 
bar ist.  Zudem  besitzt  der  Tisch 
eine  abnehmbare  und ,  ebenso 
wie  die  Eßplatten  der  anderen 
Betitische,  langgestreckte  Auf- 
satzplatte, welche  auf  der  runden 
Tischplatte  durch  eine  einfache 
Vorrichtung  befestigt  werden 
kann ;  ist  er  mit  dieser  Aufsatz- 
platte armiert,  so  stellt  er  einen 
Betttisoh  dar  wie  die  anderen 
üblichen,  nur  daß  der  Kranke, 
wenn     er    seiner    nicht    mehr 

Fig.  25.  Krankenbetttisoh.  Eine  sehr  einfache  und  wohlfeile  Form  von  Bett- 
tischen sind  diejenigen,  welche  seitlich  an  die  Bettwand  angeschraubt  werden.  Eine 
Klammer  greift  von  außen  her  über  die  obere  Kante  der  Seiten  wand  des  Bettes  und 
fixiert  den  Tisch.  Diese  Tische  sind  im  übiigen  nicht  verstellbar;  ilire  Höhe  muß  daher 
ein  für  allemal  den  gegebenen  Verliältnissen  angepaßt  sein. 

bedarf,  durch  ein  einfaches  Fortstoßen  die  Eßplatte  seitlich  aus  seiner  Nähe  bringen 
kann.  Und  ohne  die  Aufsatzplatte  können  an  der  Circumerenz  des  nahe  lan  das 
Bett  herangerückten  kreisrunden  Tisches  Gebrauchsgegenstände  imd  Getränke  Auf- 
stellung finden,  welche  auf  das  leichteste  der  Kranke  je  nach  Bedarf  an  sich  heran- 
drehen und  von  der  Platte  entnehmen  kann. 

Die  Körperhaltung  beim  Eßakt  ist  sodann  ein  weiteres 
Moment,  welches  für  die  mehr  oder  minder  leichte  und  bequeme  Ein- 


*)  A.  Bredt,  Ueber  einen  Tisch  für  bettlägerige  Kranke.  Zeitschr.  f.  Kranken- 
pflege, Bd.  XVI,  1894,  S.  261. 


25 


172 


M.   MENDELSOHN, 


Yerleibung  der  Speisen  und  'dadurch  also  für  das  'Maß  der  jedes- 
maligen Nahrungsaufnahme  überhaupt  von  Wesentlichkeit  ist.  Sie  ist 
eine  verschiedene,  je  nachdem  der  Kranke  außer  Bett  oder  in  der 
Bettlage  die  Nahrung  einnimmt:  und  im  Bette  wiederum  danach,  ob 
er  selbständig  aufrecht  sitzt  oder  aber  mehr  der  horizontalen  Position 
angenähert  im  Bette  liegt,  eine  Situation,  die  besonders  dann  be- 
deutungsvoll wird,  wenn  der 
Kranke  bewußtlos  oder  zu 
schwach  ist,  als  daß  eine 
unterstützende ,  selbständige 
Mitwirkung  seinerseits  beim 
Eßakte  erfolgen  könnte. 

Kranke,  welche  es  vermögen, 
verlassen  das  Bett  zweckmäßig,  um 
wenigstens  die  Hauptmahlzeit  außer- 
halb ihres  Krankenbettes  einzu- 
nehmen; und  -n-enn  zumal  in  der 
Kekonvalescenz  der  Kräftezustand 
es  gestattet,  sollen  Kranke  zum 
Essen  überhaupt  aufstehen,  da  die 
aufrechte  Körperhaltimg  im  Bette, 
wie  sehr  sie  auch  mit  allen  Hilfs- 
mitteln der  Technik  und  des  Kom- 
forts unterstützt  wird,  stets  eine 
mehr  oder  minder  erhebliche  Körper- 
anstrengung bedeutet,  welche  nicht 
nur  an  sich  schädliche  Rückwir- 
kungen haben  kann,  sondern  auch 
vom  Essen  ablenkt  und  den  Appetit 
herabsetzt.  Nur  wirklich  Schwache 
bleiben  daher  auch  in  der  Eekon- 
valescenz  im  Bette. 


Fig.  26.  Krankenbett! isch.  Die  Abbildung  zeigt  den  im  Texte  erwähnten 
Krankenbetttisch  von  Dr.  med.  BEEDT  mit  der  aufgelegten  Ansatzplatte.  Der  Tisch  selber 
trägt  nur  eine  kreisrande,  um  die  Mittelachse  drehbare  Platte;  die  Aiifsatzplatte  ist,  soweit 
sie  die  Tischplatte  deckt,  ebenfalls  kreisrund  und  von  gleicher  Größe,  erstreckt  sich  jedoch 
seitlich  in  der  Fonn  der  üblichen  Kraukenbetttischplatlen  über  die  ganze  Breite  des  Bettes 
und  trägt  außerdem  noch  ein  kleines  Lesepiüt.  Die  Arretierung  in  jeder  Höhe  geschieht 
durch  einen  Gewichtsbebel,  welcher  ein  besonderes  Feststellen  überflüssig  macht. 

Wo  Kranke  zum  Essen  das  Bett  verlassen,  ist  einmal  eine  ausreichend 
unterstützte  Sitzvorrichtung  und  sodann  ihre  Bekleidimg  notwendiges  Objekt  der 
Sorgfalt.  Wie  auch  der  individuellen  Gewohnheit  entsprechend  der  in  Gebrauch  ge- 
zogene Sitz  beschaffen  sein  mag.  eine  Rückenlehne  und  sonstige  Unterstützungsmittel 
sind  an  ihm  nicht  zu  entbehren,  um  in  den  Eßpausen  ein  zureichendes  Ausruhen 
des  Kranken  zu  ermöglichen;  auch  sind  Armlehnen  für  solchen  Zweck  recht  ge- 
eignet, ebenso  wie  auch  die  Füße,  der  Höhe  des  Sitzes  entsprechend,  einer  eventuellen 
Unterstützung  bedürfen,  und  dieser  selber  in  seiner  Höhe  derjenigen  des  Tisches  an- 
gepaßt sein  muß,  um  ein  "Vornüberbeugen  bei  zu  niedriger  Tischplatte  und  ein  zu 
angestrengtes  Erheben  der  Arme  bei  zu  hoher  Tischfläche  zu  verhüten. 

Die  Sorge  für  eine  ausreichende  Bekleidung  wird  erfahrungsgemäß  hierbei 
häufig  nicht  genügend  ausgeübt;  insbesondere  wird  die  imtere  Körperhälfte  nicht 
warm  genug  gehalten.  Es  ist  unerläßlich,  daß,  wer  das  Bett  verläßt,  um  seine 
Mahlzeit  einzunehmen,  nicht  nur  die  Füße  selber,  und  zwar  mit  Strümpfen  und 
ausreichend  warmen  Schuhen,  bekleidet,  sondern  auch  die  unteren  Extremitäten  in 
genügendem  Maße  einhüUt,  und  nicht  etwa  nur  mit  Unterkleidern ;  besonders  müssen 


26 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


173 


Frauen  sich,  entspreciiend  warm  anziehen   und  keinesfalls  etwa,   wie   es  vielfach  ge- 
schieht, nur  ein  Hauskleid  und  allenfalls  ein  Unterkleid  flüchtig  überwerfen. 


Fig.  27.  Nackenluf tkissen.  Das  Gerät,  welches  nicht  zu  jjrall  aufgeblasen 
werden  darf,  kommt  nicht  im  Liegen,  sondern  nur  beim  Geneigt-  oder  Aufrechtsitzen  des 
Kranken  zur  Ausfüllung  der  Nackeuexkayation  zur  Verwendung.  Es  muß  ebenso  wie 
jedes  andere  Bettstück  mit  einem  leineneu  TJeberzuge  versehen  werden  und  ist  seitlieh 
durch  Bänder  oder  mittels  Verbandnadeln,  die  natürlich  nur  den  Ueberzug,  nicht  das 
Kissen,  durchstechen  dürfen,  an  der  geeigneten  Stelle  der  Rückenlehne  zu  fixieren,  nicht 
aber    dem  aufrecht  im  Bette  sitzenden  Kranken  zu  eigener  Festhaltung  zu  überlassen. 

Muß  der  Kranke  die  Nahrung  im  Bette  genießen,  so  hat  er  dabei  eine 
möglichst  aufrechte  Körperhaltung  einzunehmen.  Abgesehen  von  der  auch  hier  wieder 
notwendigen  Sorgfalt  für  eine  zureichende  Bekleidung,  da  kein  Kranker  nur  im 
Hemd  aufrecht  im  Bette  sitzen  darf,  sondern  für  diesen  Zweck  mit  weichen  Jacken 
oder  Tüchern,  die  mittels  Verbandnadeln  in  ihrer  Lage  erhalten  werden,  zu  bekleiden 
ist  —  abgesehen  von  dieser  Vorsorge  ist  die  wichtigste  Kegel  für  die  aktive  auf- 
rechte Speiseneinnahme  im  Bette  die,  daß  der  Kranke  dabei  allseitig  und  ausreichend 
unterstützt  wird.  Auch  hier  muß  also  eine  Kückenlehne  geschaffen  werden,  eine 
solche  jedoch,  an  welche  der  Kranke  dauernd  und   kontinuirlich  während  des  ganzen 


Fig.  28.     Verstellbare  Rückenlehne. 

Eßakte.s  sich  sicher  anzulehnen  vermag.  Das  Einfachste  hierfür  ist,  dem  Kranken, 
nachdem  man  ihn  aufgerichtet  hat,  das  Kopfkissen  in  den  Kücken  zu  legen  und 
den  freien  Raum  zwischen  diesem  und  dem  Bette  durch  Matratzenkeilkissen,  durch 
Decken  und  durch  andere  Hilfsmittel  so  auszufüllen,  daß  ein  festes  und  unnach- 
giebiges Widerlager  entsteht.    Im  Notfalle,   aber  auch  nur  in  diesem,  läßt  sich  ein 


174 


M.    MENDELSOHN. 


_ tungekehrter  Stuhl  so  mit  dem  oberen  Eande  der  Stuhllehne  und  der  vorderen 
Kante  des  Sitzes  auf  der  Matratze  niederlegen,  daß  die  nach  vorn  hin  gerichtete 
Stuhllehne  mitsamt  den  beiden  Hinterfüßen  eine  schiefe  Ebene  abgiebt,  auf  welcher 
dann  weichere  Polster  zur  Unterlage  für  das  Kopfkissen  Platz  finden  können.     Vor 

allem  aber  ist  hierbei  nötig, 
die  Exkavation  des  Nackens 
genügend  auszufüllen.  Kecht 
zweckentsprechend  sind  hier- 
für die  eigens  für  den  Ge- 
brauch der  Krankenpflege  her- 
gestellten Nackenluftkissen, 
Gummirollen,  die  bis  zu  jeder 
beliebigen  Füllung  aufgeblasen 
und,  mit  leinenem  Ueberzuge 
versehen,  dem  Kranken  unter 
den  Nacken  gelegt  werden 
können.  Wo  die  äußeren  Ver- 
hältnisse einen  solchen  Kom- 
fort erlauben ,  empfiehlt  es 
sich,  besonders  für  die  selbst- 
thätige  Nahnmgseinnahme  im 
Fig.  29.     V  e  r  s  t  e  11  b  a  r  e  E  ü  c  k  e  n  1  e  h  n  e.  ^^^^^  Pvückenlehnen  mit  Arm- 

stützen anzuwenden.  Diese 
Geräte  können,  während  der  Kranke  darauf  ruht,  bis  zu  beliebiger  Neigung  auf- 
gerichtet werden  und  seinen  Oberkörper  mit   anheben;    dabei  gewähren    die   gleich- 


Fig.  30.  Verstellbare  Kückenlehne. 
Fig.  28,  29,  30.  Die  auch  ,,Keilralimen''  genannten  verstellbaren  Eückenlehnen 
Tferden  vom  Kopfende  des  Bettes  her  durch  dritte  Personen  vei-stellt.  Es  dient  dazu  ein 
Giurt,  welcher  an  der  unteren  Fläche  des  oberen  Eahniens  befestigt  ist  und  zum  Bettkopf- 
ende heraushängt.  Ein  jedes  Anheben  oder  Niederlassen  hat  langsam  und  allmählich 
zu  geschehen ;  beim  Autheben  gleitet  die  tragende  Stütze  auf  den  Zahnstangen  des  unteren 
Eahmens  von  selber  in  die  entsprechende  Stellung ;  beim  Herunterlassen  ist  sie  zunächst 
anzuheben,  was  mittels  eines  zweiten  an  ihr  befindlichen  und  mit  dem  ei'sten  zusammen- 
hängenden Gtu"tes  geschieht.  Die  Eückenlehnen  werden  aus  Holz  oder  aus  Metall  in  den 
verschiedenartigsten  Formen  gefertigt.  Je  starrer  ihre  tragende  Fläche  ist,  desto  mehr 
muß  sie  durch  nachgiebiges  Material  überpolstert  werden;  zweckmäßig  sind  die  ein  Keil- 
kissen in  fester  Verbindung  tragenden  Exemplare  (Fig.  30) ,  da  sie  ein  Herabgleiten  des 
Kissens  bei  steilerer  Stellung  verhüten ;  doch  ist  allerdings  ihre  Eeinigvmg  eine  schwierige. 
Die  mit  seitlichen  Euhepolstem  für  den  Kopf  und  seitlichen  verstellbaren  Armstützen 
versehenen  Rückenlehnen  (Fig.  28)  sind  für  Dyspnoische  und  ähnliche  Kranke  wertvoll, 
für  den  allgemeinen  Gebrauch  behindern  sie  die  freie  Beweglichkeit  des  Kranken,  der  ge- 
wissermaßen allseitig  in  ihnen  eingeschlossen  ist,  allzusehr. 


28 


Die  Wirkung  auf  die  Ernähruna'. 


175 


falls  verstellbaren  Armstützen  einen  genügenden  Schutz  gegen  das  Herabsinken  des 
Körpers"  und  die  seitlicb  in  Kopfhöhe  angebrachten  Polster  einen  ebensolchen  gegen 
ein  Hinübergleiten  des  Kranken  nach  außen  hin. 

Aber  auch  ohne  eine  derartige  mechanische  Vorrichtung  darf  das  Aufsetzen 
der  Kranken  im  Bett  niemals  selbständig  erfolgen,  sondern  sie  sind  stets  dabei  zu 
unterstützen,   da  die  plötzbche  und  große  An- 
strengung des  Aufrichtens  eine  starke  Erhöhung 
des   Blutdruckes    mit  allen   ihren  nicht  selten 
verhängnisvollen  Konsequenzen   auf  das  Herz 
und  die  Wandungen   der  Blutgefäße  bewirken 
kann.    Es  muß  daher,  um  eine  solche  imver- 
mittelte  Anspannung  der  Kräfte  zu  verhüten, 
ein  jedes   Aufrichten   eines   Kranken   in  sach- 
gemäßer   Weise   entweder   passiv,    dm-ch   eine 
mehr  oder  minder  vollständige  Unterstützung 
und  ein  direktes  Aufheben  des  Körpers  durch 
die  Krankenpflegerin,  geschehen,  oder  aber  es 
sind    eigene    Vorrichtungen    und    Handhaben 
nötig,  welche  das  selbständige  und  aktive  Auf- 
richten dem  Kranken  erleichtern.    Denn  so  ver- 
mag  er    den    wesentlichsten   Teil    der    aufzu- 
wendenden Kraft  mit  seiner  Armmuskvdatur  zu 
leisten,  während  sonst  nur  die  erhebhch  schwi 
cheren  und  imgeübteren  Bauchmuskeln,  welcl 
besonders   durch   die  dabei   erfolgende    unve: 
meidhche  Anspannung  der  Bauchpresse  in  eir 
nachteilige   und   übermäßige  Funktion    tretei 
neben    den    Muskeln    des   Rumpfes    das   Au 
richten  besorgen.    Solche  Geräte  sind  entwed« 
eine    einfache   Bettschnur,    welche   mit   ihre 
freien  Enden  um  die  Pfosten  des  Bettfußende 
geschlungen   wird   und,    nach   gehöriger   Eii 
stellimg,  dem  Kranken  einen   bequem  ergrei: 
baren  Handgriff  darbietet;   oder  aber  sie  sin  1 
eine  ähnliche  Vorrichtung  wie  die  von  Dr.  med 
Ohstmann*)  angegebene  Kückenlehne  für  beti 
lägerige  Kranke ;  auch  bei  ihr  wird  der  Eieme 
um  das  Fußende  des  Bettes  geschlungen,  wäl 
rend  das  mittlere  Zwischenstück  zum  Anfassen 
und  zum   Aufrichten  dient,  das  hintere,    ge- 
polsterte dagegen  eine  Lehne  darbietet,  welche 
nach  geschehenem  Aufrichten,  wenn  der  Riemen 
entsprechend  geschnallt  ist,  dem  Kranken  als 
Rückenlehne  dienen  kann. 

Nicht  immer  gestattet  der  Krankheits- 
zustand und  insbesondere  die  allgemeine  Pro- 
stration ein  vollständiges  Aufrichten  des  Kran- 
ken; es  kann  dann  nur  in  einer  mehr  oder 
minder  geneigten  Körperhalt  un  g  die 
Nahrung  eingenommen  werden.  Auf  die 
besondere  Sorgfalt,  die  hier  nötig  wird,  und 
zwar  in  erster  Linie  hinsichthch  der  Verhütung 
eines  Verschluckens,  sei  nochmals  mit  Nach- 
druck hingewiesen.  Auch  hier,  wenn  kein 
völliges   Aufrechtsitzen  sich   ermöglichen  läßt. 


l"ig.  d1.  iiück oulehne.  Das  von 
Dr.  med.OHETMÄNN  angegebene  Gerät 
ist  aus  Leder;  die  eigentliche  Rücken- 
lehne trägt  eine  Polsterung.  Es  ist 
nicht  nur  für  jedes  Bett,  sondern  auch 
für  jede  Körperhaltung  des  Kranken. 
verstellbar. 


*)  Ohetmann,  Zur  bequemen  Lagerung  der  Kranken.    Zeitschr.  für  Kranken- 
pflege 1896,  No.  2,  S.  45. 


29 


176 


M.   MENDELSOHN, 


kann  durcli  eine  mäßige  Erhöhung  des  Oherkörpers  aus  seiner  geneigten  Lage 
immer  noch  eine  wertvolle  Erleichterimg  des  Eßaktes  herbeigeführt  werden ;  für  die  stete 
Ermöglichung  dieser  Aufgabe  sind  die  beschriebenen  verstellbaren  Keürahmen  äußerst 
zweckdienlich.  Bei  diesen  Kranken  aber  bietet  das  Herabsinken  des  Oberkörpers  aus 
seiner  erhöhten  Position,  das  Hinuntergleiten  von  einer  wenn  auch  nur  mäßigen 
Neigung,  eine  Hauptschwierigkeit  für  die  Durchführung  einer  erhöhten  Körperlage, 
wie  in  der  Krankenpflege  überhaupt,  so  auch  bei  der  Darreichung  der  Nahrung; 
eine  Schwierigkeit,  die  mit  Sicherheit  zu  überwinden  bisher  keineswegs  gelungen  ist. 
Am  besten  noch  wird  ein  Herabsinken  verhütet  durch  ein  in  England  hergestelltes 
Gerät,  ein  weiches  Drahtgeflecht,  welches  unterhalb  der  Nates  quer  über  die  Matratze 
gelegt,  unter  einer  nur  mäßigen  Neigung  von  einer  Seite  des  Bettes  zur  anderen 
hinüberzieht,  und  auf  dem  der  Kranke  gewissermaßen  im  Liegen  sitzt ;  dabei  ist  die 


Fig.  32.  Gesäßstütze.  Das  Gerät  hat  die  ungefähre  Breite  eines  Krankenbettes ; 
es  mrd  unterhalb  der  Nates  des  Kranken  mit  Hilfe  der  seitlich  an  ihm  angebrachten 
Bänder  so  befestigt,  daß  diese  um  das  Kopfende  des  Bettes  herumgeführt  und  dort  mit- 
einander vereinigt  werden;  so  kann  die  Gesäßstütze  nicht  abwärts  gedrängt  werden. 


Fig.  33.  Bettdecke.  Die  an  der  Bettdecke  angebrachten  Aermel  sind  relativ 
kurz  und  sehr  weit,  so  daß  der  Kranke  ohne  weiteres  mit  den  Armen  zu  ihnen  hinaus- 
und  wieder  in  sie  hineinsehlüpfen  kann.  Das  inmitten  der  Aermel  angebrachten  muffeu- 
artige  Schutzstück  ist  entbehrlich. 


■30 


Die   Wirkung  auf  die  Ernährung. 


177 


Fig.  34.     Krankenbett. 


Fig.  35.  Krankenbett. 
Fig.  34,  35.  Der  aus  Metallgeflecbt  hergestellte  Bettboden  des  Krankenbettes  ruht 
in  der  normalen  Stellung  mit  einer  an  seiner  unteren  Fläche  befindlichen  großen  kreis- 
förmigen Scheibe  auf  einer  gleich  großen  zweiten  Kreisscheibe  auf,  welche  zum  Bettgestelle 
gehört  (Fig.  34).  Die  beiden  Scheiben  gleiten  aufeinander;  so  daß  sich  der  Bettboden 
durch  eine  Drehung  um  90°  quer  zur  Längsachse  des  Bettes  stellen  läßt  (Fig.  35)  und 
danach  durch  eine  einfache  Vorrichtung  mit  dem  Kopfteil  angehoben,  'mit  dem  Fußteil 
htrab  gelassen  und  in  dieser  Lage  fixiert  werden  kacn. 


31 


178  M.  meKdelsohn, 

obere  Kante  des  Geflechts  so  weich  und  nachgiebig  gestaltet,  daß  ihr  Druck,  der 
natürhch  durch  darüber  gelegte  Betttücher  abgeschwächt  werden  muß,  nicht  unan- 
genehm zur  Perception  kommt.  Recht  zweckmäßig  ist  auch  für  diejenigen  Fälle,  in 
welchen  der  Kranke  zwar  zu  einem  gewissen  Teile  selbstthätig,  aber  doch  in  relativ 
geneigter  Körperhaltung,  die  Nahrung  einzunehmen  gezwungen  ist,  die  Anwendung 
einer  ganz  neuerdings  hergestellten  Bettdecke,  welche  an  ihrer  oberen  Cirkumferenz 
einen  Ausschnitt  trägt  und  hinter  diesem  am  Nacken  des  Kranken  befestigt  werden 
kann,  einer  Decke,  die  zudem  noch  als  besonderen  Vorzug  zwei  in  ihre  Oberfläche 
eingelassene  Aermel  besitzt,  so  daß  der  Kranke,  ohne  sich  zu  entblößen,  unter  der 
Decke  bleiben  und  dabei  dennoch  zu  essen  und  auch  sonst  so  weit  als  nötig  mit 
seinen  Armen  sich  frei  zu  bewegen  vermag. 

Handelt  es  sich  um  sehr  schwer  kranke  oder  bewußtlose  Patienten,  so  ist  die 
Prostration  natürlich  eine  erhebUche.  Bei  diesen,  wie  überhaupt  bei  niedrig  und 
hingestreckt  liegenden  Kranken,  wird  es  nötig,  da  für  die  ganze  Dauer  des  Eß- 
aktes  eine  Erhaltung  des  Oberkörpers  in  aufrechter  Position  nicht  möghch  ist,  wenigstens 
so  weit  als  thunlich  eine  solche  während  eines  jeden  einzelnen  Kau-  ufld  Schluck- 
aktes herbeizuführen.  Hier  muß  daher  ein  Anheben  des  Kopfes  bei  jedem  Einflößen 
eines  Schluckes  Flüssigkeit  wenigstens  zu  einem  kleinen  Teile  die  Erhöhung  des 
Oberkörpers  ersetzen.  Dieses  Aufheben  hat  aber,  ebenso  wie  das  Aufrichten  des 
ganzen  Oberkörpers,  niemals  etwa  durch  ein  unmittelbares  Herunterfassen  imter 
Kopf  oder  Eücken  zu  geschehen,  sondern  einzig  und  allein  nur  durch  ein  solches 
unter  das  Kopfkissen,  welches  mitsamt  dem  darauf  ruhenden  Körper  aufgerichtet 
wird;  eine  Vermeidung  dieser  Vorsicht  würde,  wenn  man  hinter  den  Eücken  faßt 
und  den  Kranken  selber  direkt  anhebt,  diesen  zwingen,  unter  nicht  unerheblicher 
Muskelanspannung  die  Last  des  Kopfes  selber  zu  tragen,  und  es  würde  außerdem, 
da  sein  ganzes  Gewicht  nun  auf  einzelnen  Druckpunkten  nur  ruht,  welche  die  unter 
die  Körperfläche  greifenden  Finger  der  aufhebenden  Hand  an  ihren  Kontakt- 
stellen bilden,  die  Manipulationen  unangenehm  und  selbst  schmerzhaft  für  den 
Kranken  sein.  lind  ist  ein  Aufrichten,  welcher  Art  auch  immer,  ganz  und  gar  nicht 
möglich,  wie  bei  bewußtlosen  Kranken,  denen  sich  dann  natürlich  nur  flüssige  Nahrung 
einflößen  läßt,  so  geschieht,  wenn  sie  auf  eine  Berührung  ihrer  Zähne  mit  dem  Löffel 
den  Mund  öffnen,  die  Einbringung  der  einzelnen,  hier  ganz  besonders  klein  zu  be- 
messenden Flüssigkeitsquantitäten  in  der  üblichen  Weise;  sie  schlucken,  ist  die 
Flüssigkeit  erst  auf  der  Zunge,  sie  dann  auch  ohne  weiteres.  Gelingt  es  dagegen 
nicht,  selbst  bei  leichtem  Nachhelfen,  die  Kiefer  zu  öffnen,  so  kann  man  solchen 
Kranken  den  Kopf  zur  Seite  legen,  mit  zwei  Fingern  der  linken  Hand  den  Mund- 
winkel auseinanderspreizen  imd,  wenn  einzelne  Backenzähne  fehlen  sollten,  durch 
diese  Lücken,  sonst  dagegen  hinter  dem  letzten  Backenzahn  die  Flüssigkeit  von  der 
Seite  her  auf  die  Zunge  bringen. 

Wo  der  Zustand  ein  so  schwerer  ist,  daß  keinerlei  Anheben  möghch  ist, 
oder  wo  die  äußeren  Verhältnisse  überhaupt  einen  derartigen  Komfort  gestatten, 
können  mechanische  Einrichtungen  von  manchmal  komplizierter  Natur 
unterstützend  rmd  vorteilhaft  mitwirken.  Bekannt  sind  die  verschiedenen  Kranken- 
hebeapparate, welche  hier  und  da  auch  für  die  Vornahme  der  Ernährung  heran- 
gezogen werden  können;  Vortreffliches  leisten  die  verschiedenen  mechanischen 
Betten,  von  denen  besonders  kunstvoll  gefertigte  Exemplare*)  durch  ein  einfaches 
Lösen  einer  Schraube  an  der  Außenseite  des  Bettes  das  Kopfende  der  Matratze  mit 
allem  Zubehör  nach  oben,  das  Fußende  dagegen  nach  unten  sinken  lassen,  so  daß 
der  Kranke,  gänzlich  ohne  sein  Zuthun,  in  eine  völlig  sitzende  Position  gerät,  eine 
Vorrichtung,  die,  wie  ersichtlich,  nicht  nur  für  den  Eßakt,  sondern  auch  für  die 
Defäkation  von  großer  Bedeutung  ist  und  dort  nähere  Besprechung  finden  wird. 

Die  Gestaltung  der  eigentlichen  Speiseneinnahme  hat 
sodann  ihre  wichtige  Folgewirkung  auf  Appetit,  Verdauung  und 
Ausnützung   der   Speisen.     Sie   soll   nicht  allzu  langsam   erfolgen, 


*)  Maktin  Mendelsohn,  Gerätschaften  der  Krankenpflege.  Demonstration  in 
der  Sitzung  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft  vom  18.  März  1896.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1896,  No.  14. 

32 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


179 


da  der  Kranke  sonst  darüber  ermüdet,  aber  auch  nicht  zu  schnell  ge- 
schehen: es  darf  nicht  zu  hastig  gegessen  werden,  und  nicht  ohne 
Grund  haben  die  Alten  das  Essen  mit  religiösen  Gebräuchen  umgeben, 
die  eine  relativ  lange  Zeit  für  die  Mahlzeit  nötig  machten.  Denn  selbst 
abgesehen  von  der  sonst  eintretenden  Unmöglichkeit  eines  ausreichen- 
den Zerkauens,  welches  in  der  Krankenpflege  allerdings  in  überwiegen- 
dem Maße  bei  der  breiigen  oder  flüssigen  Konsistenz  ihrer  Speisen  in 
Fortfall  kommt,  hat  ein  zu  schnell  sich  folgendes  Hinunterschlucken 
von  Nahrung  unregelmäßig  ablaufende  Kontraktion  der  Magenmusku- 
latur zur  Folge;  wenn  auch  das  Zeitintervall  von  50 — 80  Sekunden, 
das  nach  Baumont's  direkten  Beobachtungen  nötig  ist,  um  die  Magen- 
muskulatur nach  der  Einverleibung  eines  Bissens  wieder  zur  Ruhe 
kommen  zu  lassen,  als  Zwischenzeit  für  je  zwei  Bissen  ein  etwas  zu 
groß  bemessenes  sein  dürfte,  so  ist  doch  eine  langsame  Einnahme  der 
Speisen  durchaus  notwendig.  Diese  Einnahme  der  Speisen  selber  kann 
nun  in  drei  verschiedenen  Formen  vor  sich  gehen:  der  Kranke  kann 
die  Speisen  selbständig  einführen,  sie  können  ihm  passiv  gegeben 
werden ;  und  es  kann  schheßlich  dazu  kommen,  daß  sie  ihm  gegen 
seinen  Willen  zwangsweise  beigebracht  werden  müssen. 

Die  aktive  Speiseneinfülirung  geschielit,  wo  es  angeht,  mit  den  übhchen 
Eßgeräten;  auch  hier  ist  den  Gewohnheiten  des  Kranken  möglichst  Rechnung  zu 
tragen,  so  daß  also  Messer  und  Gabel  und  die  sonstige  Zurichtung,  wo  der  Krank- 
heitszustand eine  solche  Selbständigkeit  gestattet,  ihm  bleiben.  Sonst  ist,  um  bei 
Personen,  deren  Hände  zittern,  und  bei  unsicherem  Hantieren  überhaupt  Ver- 
letzungen zu  vermeiden,  nur  der  Löffel  angemessen,  am  besten  die  zwischen  Thee- 
löffel  imd  Eßlöffel  stehende  Größe  des  sogenannten  Dessertlöffels,  da  der  eine  von 
diesen  zu  wenig  faßt,  der  andere  für  schwache  Personen  schwer  zw  handhaben  ist. 
Flüssigkeiten  werden  bei  der  selbstän- 
digen Einnahme,  wenn  nicht  eigene 
Geräte  dafür  da  sind,  am  besten  durch 
gläserne  Saugröhrchen  genommen ;  es 
sind  auch  Gummischläuche  im  Ge- 
brauch, welche  ein  Ansaugen  der  Nah- 
rung von  einem  nebenstehenden  Tische 
aus  gestatten,  doch  sind  sie  insofern 
unzweckmäßig,  als  sie  der  Nahrung 
einen  Gummigeschmack  mitteilen.  Was 
man  einem  Kranken  an  Flüssigkeit 
auch  darreiche,  immer  fülle  man  das 
Trinkgefäß  nur  halbvoll;  auch  setze 
man  es  zunächst  vor  ihm  nieder  oder 
bringe  es  unmittelbar  vor  ihn,  ehe  es 
gefüllt  wird,  damit  ein  Ueberlaufen  ver- 
mieden wird.  Die  festen  Speisen  müssen 

Fig.  36.  Saugröhrchen.  Jedes  beliebige  stumpf  gebogene  Eöhrchen  kann  zum 
Zwecke  der  Flüssigkeitsaufnahme  verwendet  werden.  Glas  ist  wegen  der  absoluten  Ge- 
schmacklosigkeit und  der  leichten  Reinigung  und  Kontrolle  am  besten  zu  verwenden;  es 
ist  dabei  auf  das  sorgsamste  darauf  zu  achten,  daß  beide  freien  Enden,  insbesondere  das 
für  den  Mund  bestimmte,  rund  geschmolzen  sind  und  keine  scharfen  Kanten  haben. 

dem  Kranken  häufig  in  ausreichend  kleine  Bissen  zerschnitten  werden,  die  er  daun 
mit  dem  Löffel,  nicht  mit  der  Gabel  nimmt;  keinesfalls  soll,  außer  bei  schon  kräftigen 
ßekonvalescenten ,  ein  unmittelbares  Abbeißen  der  einzelnen  Bissen  von  einem 
größeren  Speisenstücke  erfolgen,  da  hierdurch  immer  die  Kräfte  des  Kranken  ohne 
Not  in  Anspruch  genommen  werden. 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn,  Krankh     Suppl,  I,    Hett  3.1 
Mendelsohn,  Krankenpflege. 


33 


13 
3 


180 


M.    MENDELSOHN, 


Die  passive  Speiseneinführung,  das  Füttern  des  Kranken,  geschieht 
ausschließlich  nur  entweder  mittels  der  Schnabeltassen  oder  des  Löffels.  Und  zwar 
ist  hierbei  ganz  besonders  der  Zustand  der  Nahrung  hinsichtlich  ihrer  Temperatur, 
ihrer  Konsistenz  und  ihres  Volimiens  zu  beachten,  und  vor  allem  auch  die  soeben 
geschilderte  Körperhaltung  des  Patienten,  welche  je  nach  seinem  Kräftezustande 
verschiedenartige  Beeinflussung  und  Unterstützung  erheischt. 

Wird  es  schon  bei  der  selbständigen  Nahmngseinnahme  oft  nötig,  so  können  bei 
dem  Füttern  der  Patienten,  bei  der  passiven  Darreichung  der  Nahrung,  ein  gewisser 
Nachdruck  und  Zuspruch,  mehr  oder  minder  weitgehende  Bemühungen,  den 
Kranken  zu  einer  ausreichenden  Einnahme  zu  veranlassen,  nur  selten  entbehrt  werden. 
Es  ist  ein  eigentümlicher  Zusammenhang  bei  vielfachen  und  verschiedenartigen  Krank- 
heiten, daß  gerade  eine  Herabsetzung  des  Appetits,  und  oft  in  gänzhchem  Maße, 
durch  sie  herbeigeführt  wird  und  in  den  Vordergrund  tritt;  aber  daß  diese  Ab- 
neigung, zu  essen,  keineswegs  identisch  ist  mit  einem  thatsächlich  mangelnden  Be- 
dürfnis zur  Nahrungsaufnahme  oder  mit  einem  imzureichenden  Vermögen,  die  ein- 
mal einverleibte  Nahrung  auch  zu  verdauen  und  zu  assimiheren;  und  da  der  Appetit 
überhaupt  von  Vorstellungen  imd  Einbildungen  und  vielfachen  anderen  psychischen 
Momenten  abhängig  ist,  ein  Zusammenhang,  der  in  der  Krankenpflege  von  größter 
Bedeutung  wird,  ist  während  der  Darreichung  der  Nahrung  ein  freundlicher  Zu- 
spruch, in  der  Einnahme  fortzufahren,  oft  unerläßlich.  Wie  weit  dieser  zu  gehen 
hat,   wie  er  das  einemal  zurückhaltender  und  schonender,  in  anderem  Falle  wieder 

energischer  ausgesprochen  werden 
muß,  hängt  zu  sehr  von  der  In- 
dividualität des  Kranken  und  dem 
Takte  und  der  Veranlagung  der 
pflegenden  Person  ab,  als  daß  es 
sich  in  Regeln  bringen  ließe;  niu: 
ist  zu  betonen,  daß,  wenn  nicht 
gerade  ein  quantitativer  Zweck  der 
Ernährungstherapie  verfolgt  werden 
soll,  die  Nötigung  bei  der  einzelnen 
Speiseneinnahme  keine  zu  weit- 
gehende sein  darf ,  sondern  die 
Pflege  sich  damit  begnügen  muß, 
zunächst  das  Erreichbare  zu 
schaffen.  Ueberhaupt  ist  hier  immer 
Fig.  37.  Trinkgefäß.  Das  kleine  Glasgefäß  abzuwägen,  welches  das  wichtigere 
ist  durch  seine  Form  und  die  Gestalt  seines,  von  Moment  ist:  ob  der  Verzicht  auf 
der  unteren  Circumferenz  ausgehenden  Ausfluß-  die  Einnahme  eines  gewissen,  wenn 
rohi-es  für  ein  Trinken  in  jeder  Körperhaltung  ge-  ^^^^  erwünschten  Nahrungsquan- 
eigaet.  tums,    oder    die    Fernhaltung    der 

mit  jeder  energischen  Nahrungsdar- 
reichung unumgänglich  verknüpften  Erregung  des  Patienten,  die  Vermeidung  der 
Steigerung  seiner  Abneigung  gegen  die  Nahrungsaufnahme  und  die  Verhütimg  der 
schließhch  dauernd  sich  ausbildenden  Unruhe  und  selbst  Angst  vor  der  jedesmaligen 
nächsten  Mahlzeit. 

Sodann  darf  auch  bei  der  passiven  Einführung  der  Speisen  die  Art  der 
Verabfolgung  den  Appetit  des  Kranken  nicht  stören.  Es  ist  nicht  zu  gestatten, 
daß  die  Pflegerin  etwa  zum  Abkühlen  einer  Suppe  in  sie  hineinblase;  und  noch 
weniger  darf  sie  mit  demselben  Löffel,  der  zum  Füttern  des  Kranken  dient,  vor 
seinen  Augen  die  Speisen  kosten.  Auch,  daß  die  einzelnen  Bissen,  bei  aller  Sorg- 
falt für  ihre  vorhergehende  Zerkleinerung,  nicht  übertrieben  kleine  sein  dürfen, 
hat  seine  besondere  Bedeutung  für  das  Schlucken ;  kleine  Bissen ,  insbesondere 
Körner,  schlucken  sich  schlecht  imd  lassen  den  Kranken  häufig  sich  verschlucken, 
so  daß  Suppen  und  ähnliche  Speisen  vor  der  Darreichung  durchzusieben  sind. 

Die  gezwungene  Speiseneinführung,  die  Zustände,  in  denen  der 
Patient  der  Ernährung  widerstrebt,  fallen  in  die  künstliche  Ernährimg,  welche  in 
diesem  Werke  eine  besondere  Besprechung  nicht  erfährt;  sie  sind  im  wesentlichen 
der  speciellen  Therapie  der  Geisteskrankheiten  zuzurechnen. 


34 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährimg. 


181 


Bedarf  so  der  Eßakt  an  sich,  der  lokale  Vorgang  der  Einver- 
leibung der  Nahrung,  nach  vielfacher  Richtung  hin  der  Beachtung  und 
Besorgung,  so  ist  das  des  weiteren  auch  für  die  Person  des  Essenden 
selber,  für  das  Verhalten  während  der  Nahrungsaufnahme 
nötig;  und  zwar  kommt  hier  einmal  deren  allgemeiner  Zustand  zur 
Geltung,  sodann  aber  besonders  auch  das  körperliche  Verhalten  bei  der 
Nahrungsaufnahme  in  den  verschiedenen  möglichen  Situationen. 

Der  Einfluß  psychischer  Erregungsvorgänge  übt  im 
ganzen  menschlichen  Organismus  sehr  weitgehende  Einwirkungen  auf 
die  Qualität  der  Sekretion  der  verschiedenen  Drüsen  und  auf  die  Aus- 
lösung der  automatischen  und  reflektorischen  Bewegungsvorgänge  aus. 
So  wird  dieser  Einfluß  der  verschiedenen  Erregungszustände  des  Nerven- 
systems auch  wesentlich  maßgebend  für  die  A  b  s  o  n  d  e  r  u  n  g  d  e  r  V  e  r  - 
dauungssekrete  und  für  den  Ablauf  der  peristaltischen  Be- 
wegungen des  Verdauungskanals.  Darum  ist  der  psychische 
Zustand, .  in  welchem  der  Kranke  die  Nahrungsaufnahme  unternimmt, 
von  nicht  zu  vernachlässigender  Bedeutung. 

Schon  im  täglichen  Leben  darf  niemals  unmittelbar  nach  vorangegangener  An- 
strengung und  Geschäftigkeit  eine  zumal  größere  Mahlzeit  eingenommen  werden; 
immer  ist  erst  eine  kurze  Zeit  der  Beruhigung  und  der  Erholung  einzuschieben. 
Und  vornehmlich  wird  das  notwendig,  wenn  außergewöhnliche  psychische  Emotionen 
stattgefunden  haben.  Für  Kranke  trifft  das  natürlich 
in  noch  erhöhtem  Maße  zu;  ob  nun  die  Erregung 
aus  anderen  Ursachen  erfolgt  oder  in  ausgesprochenem 
Maße  aus  der  Abneigung  und  aus  der  Furcht  vor 
der  Nahrungsaufnahme  selber  resultiert  —  sowie  sie 
eine  stark  ausgesprochene  oder  hochgradige  ist,  muß 
die  Nahrungsdarreichung  verschoben  und  es  soll  mög- 
lichst zugewartet  werden.  Wie  sehr  die  Nichtachtung 
dieser  Vorsicht  als  deutlich  wirksamer  krankheits- 
erregender Faktor  in  die  Erscheinung  treten  kann, 
lehrt  ja  die  Aetiologie  der  nervösen  Dyspepsie.  Da- 
gegen ist  andererseits,  zumal  für  Kranke,  eine  an- 
gemessene und  einfache,  zerstreuende  und  leichte 
Bethätigung,  beispielsweise  harmlose  Lektüre  oder 
Blumenpflegc  und  ähnliche  Dinge  mehr,  eine  ange- 
messene Ueberleitung    zu   dem    Eßakt.     Zu   diesem 

Fig.  38.  Mite  hp  rufe  r.  Eine  kleine  Kngel,  welche  au  einem  Faden  hängt,  ist 
in  ihrem  Gewicht  so  kalibriert,  daß  sie  bei  ausreichender,  einer  genügend  guten  Be- 
schaffenheit der  Milch  entsprechender  Dichte  der  Flüssigkeit  gerade  zur  Hälfte  unter  die 
Oberfläche  einsinkt,  keinesfalls  jedoch  auf  den  Boden  des  Gefäßes  sinken  darf. 

selber  muß  ein  Kranker  dann  immer  erst  entsprechend  vorbereitet  werden ;  man 
darf  ihn  sozusagen  nicht  mit  dem  Essen  überfallen,  sondern  hat  seine  Aufmerksam- 
keit durch  die  für  die  Nahrungsaufnahme  nötigen  vorbereitenden  ]Manipulationen 
auf  diese  hinüberzuleiten. 

Für  das  allgemeine  Verhalten  beim  Essen  selber  ist  in  noch 
höherem  Maße  nicht  nur  jede  psychische  Emotion  zu  vermeiden,  sondern 
sogar  geistige  Thätigkeit  überhaupt  fernzuhalten.  Das  gilt  für  Ge- 
sunde wie  für  Kranke.  Denn  bei  jeder  erheblicheren  psychischen  Kon- 
zentration wird  der  Blutafflux  zum  Gehirn  gesteigert  und  dadurch 
der  Säftestrom  vom  Digestionsapparat  abgeleitet:  daher 
empfiehlt  es  sich  auch  nicht,  was  so  häufig  geschieht,  beim  Essen  zu 
lesen.  Auch  lenkt  eine  geistige  Beschäftigung  oder  eine  sonstige  Be- 
thätigung vom  eigentlichen  Eßakte   ab,   läßt  das  Kauen,   da  ihm  nicht 

13* 

35 


182 


M.    MENDELSOHN. 


genügend  Aufmerksamkeit  geschenkt  wird,   nur  unzureichend  vor  sich 

gehen  und  verhindert  aus  demselben 
Grunde  eine  genügende  Speisenein- 
nahme überhaupt. 

Die  gleichen  Gründe,  wie  sie  während 
der  Nahrungsaufnahme  selber  maßgebend 
sind,  verbieten  eine  besondere  geistige 
Thätigkeit  unmittelbar  nach  der 
Nahrungsaufnahme.  Unsere  Schulen 
mit  ihren  gleich  nach  der  Mittagszeit  be- 
ginnenden Unterrichtsstunden  berücksich- 
tigen auch  für  den  Zustand  der  Gesundheit 
dieses  hygienische  Moment  nicht  immer; 
vor  allem  aber  ist  für  den  Kranken  zu  ver- 
meiden, daß  bald  nach  einer  größeren  Mahl- 
zeit irgend  welche  geistige  Thätigkeit  auf- 
genommen wird. 

Fig.  39.  Flaschenöffner.  In  dem  Gerät  bohrt  sich,  wenn  der  Hebel  herunter- 
gedrückt wird,  ein  Propfenzieher  selbstthätig  in  den  K"rk  und  steigt  ebenso  wieder  nach 
oben,  den  Pfropfen  entfernend ;  der  Flaschenöffner  dürfte  für  Krankenhäuser,  wo  eine 
große  Zahl  von  Flaschen  gleichzeitig  zu  öffnen  sind,  aber  auch  sonst  für  kohlensäure- 
haltige Getränke,  Mineralwasser,  Champagner  etc.,  in  der  Krankenpflege  zweckmäßig  zur 
Verwendung  kommen. 


Der  Verdauungsakt  nimmt  von  der  Gesamtblutmasse  einen  so 
erheblichen  Teil  in  Anspruch,  daß  mit  Notwendigkeit  sich  ein  mehr 
oder  minder  ausgesprochenes  Müdigkeits  gefühl  nach  größereu 
Mahlzeiten  einstellt,  welches  unsere  Kultur  durch  die  aualeptische 
Wirkung  des  Kaffees  zu  bekämpfen  sucht;  beim  Säugling  ist  es  so 
überwältigend,  daß  er  in  unmittelbarstem  Anschlüsse  an  jede  zureichende 
Nahrungseinnahme  einschläft,  und  auch  anämische  und  chlorotische 
Personen  sowie  Fettleibige  und  Magenkranke  können,  selbst  unter 
Aufbietung  großer  Energie,  diesem  Ermüdungsgefühl  für  gewöhnlich 
nicht  widerstehen,  sondern  verfallen  in  einen  wenn  auch  nicht  immer 
tiefen  Schlaf.  Diese  viel  ventilierte  Frage :  ob  man  nach  Tische  schlafen 
solle  oder  nicht,  welche  in  den  bekannten  und  berühmten  Regeln  der 
medizinischen  Schule  von  Salerno  verneint  wurde:  „post  coenam 
stabis  aut  passus  mille  meabis"  —  darf  keinesfalls  nach  der  einen 
oder  der  anderen  Seite  hin  ausschließlich  entschieden  werden.  Aller- 
dings vermindert  ein  tiefer  Schlaf  die  Bewegungsenergie  des  Magens 
und  schädigt  durch  diese  Beeinträchtigung  der  motorischen  Funktion 
des  Organs  die  Verdauung.  Für  viele,  zumal  für  schwächliche  Per- 
sonen, ist  jedoch  eine  jede,  selbst  eine  mäßige  Körperbewegung  nach 
größeren  Mahlzeiten  eine  Qual,  und  kann  ihnen  ein  nicht  zu  lange 
währendes  Schlafen  schon  gestattet  werden;  nur  bei  vorhandener 
Arteriosklerose  oder  bei  ausgesprochener  Fettleibigkeit  wäre,  da  in 
der  Verdauung  der  Blutdruck  gesteigert  ist,  ein  Schlaf  in  horizontaler 
Lage  zu  vermeiden.  Das  hat  natürlich  bei  außer  Bett  befindlichen 
Patienten  auch  für  das  Schlafengehen  nach  dem  Abendessen  Geltung, 
welches,  wenn  möglich,  nie  früher  als  zwei  Stunden  nach  der  letzten 
Speiseneinnahme  erfolgen  sollte. 

In  somatischer  Hinsicht  ist  die  Sorgfalt  auf  die  möglichste  Ver- 
meidung j  eglicher  Kompression  des  Magens  zurichten;  sie 


36 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung.  183 

kann   schon   durch   eine   unzweckmäßige   Körperhaltung  herbeigeführt 
werden,  aber  auch  durch  einschnürende  Kleidung. 

Frauen  sollen  daher  bei  eng  angelegtem  Korsett  nicht  essen,  wie  überhaupt 
beim  Essen  die  Kleider  eher  zu  lockern  sind,  insbesondere  bei  Kranken,  da  die 
Kompression  des  Magens  nicht  allein  seine  Kapacität  verringert  und  damit  die  An- 
füllung  erschwert,  sondern  auch  die  Sekretion  herabsetzt  und  in  noch  höherem  Maße 
seine  Motilität  beeinträchtigt. 

Von  weiterem  somatischem  Verhalten  nach  der  Speiseneinnahme 
ist  zu  berücksichtigen,  daß  körperliche  Anstrengungen  oder 
etwa  gar  Körperübungen  jedenfalls  unzuträglich  sind,  da  auch  sie 
einmal  sowohl  direkte  Kompressionen  des  Magens  herbeiführen  können, 
vor  allem  aber  den  Blutafflux  nach  den  übermäßig  thätigen  Muskeln 
hin  und  von  den  verdauenden  Organen  fort  leiten  würden.  Eine 
solche  Kompression  ist  überhaupt  auch  noch  nach  dem  Essen  zu  ver- 
meiden; sie  kann,  wie  schon  erwähnt,  mit  Leichtigkeit  durch  eine 
unzweckmäßige,  nach  vorn  übergebeugte  Körperhaltung  entstehen,  so 
daß  also  beispielsweise  ein  Lesen  oder  Schreiben  nach  der  Mahlzeit 
aus  dreifacher  Ursache  schädlich  wirkt:  aus  der  vorn  übergebeugten 
Haltung,  aus  der  möglichen  Kompression  der  Magengegend  gegen  die 
vordere  Tischkante  und  aus  der  geistigen  Anspannung  dabei. 

Eine  wesentliche  direkte  Erhöhung  des  Ernährungseffekts  bewirken 
sodann  die  somatischen  Heilmittel,  welche  die  so  wichtige  Mund- 
pflege des  Kranken  betreffen,  diejenigen  Vornahmen,  welche  die 
Mundhöhle  stets  rein  und  feucht  erhalten;  Heilmittel,  denen  sich  zu 
dem  gleichen  Zwecke  die  Maßnahmen  für  eine  zweckentsprechende 
Lagerung,  insbesondere  während  des  Schlafes  hinzugesellen,  da  bei 
deren  Außerachtlassen  die  Austrocknung  der  Mundhöhle,  wenn  die 
Eespiration  durch  sie  und  nicht  durch  die  Nase  erfolgt,  schneller  vor 
sich  geht.  Eine  sorgsame  Mundpflege,  ein  gewissenhaft  überwachtes 
Feuchthalten  des  Mundes  erleichtert  das  Kauen  und  die  Be- 
wegungen der  Zunge,  befördert  die  Zerkleinerung  und  die  Auflösung 
der  Speisen  und  unterstützt  insbesondere  den  Schluckakt 
sehr  wesentlich,  indem  dadurch  nicht  nur  die  Wände  des  von  dem 
Bissen  zu  passierenden  Weges  schlüpfrig  gemacht,  sondern  dieser 
selber  auch  besser  plastisch  geformt  und  ein  Verschlucken  so  verhütet 
wird.  Außerdem  aber  haben  dieselben  Heilmittel  der  Krankenpflege, 
welche  imstande  sind,  ein  Austrocknen  der  Mundhöhle  zu 
verhüten,  gleichzeitig  die  sehr  wesentliche  Bedeutung,  daß  dadurch 
das  Durstgefühl  für  den  Kranken  verringert  wird.  Wenn  auch  das 
präsumptive  Durstcentrum  im  Occipitallappen  des  Großhirns  für  ge- 
wöhnlich in  allgemeiner  Weise  durch  das  ihn  passierende  Blut  gereizt 
wird,  indem  dieses  entweder  zu  arm  an  Wasser  ist  oder  aber  indem 
in  zu  reichlichem  Maße  lösliche  Salze,  welche  Wasser  verlangen,  im 
Kreislaufe  enthalten  sind,  so  giebt  es  dennoch  außerdem  eine  rein 
lokale  Auslösung  der  Durstempfindung,  welche  von  der  Rachenhöhle 
her  ihren  Ausgangspunkt  nimmt  und  die,  wenn  die  Schleimhaut  hier 
durch  die  Verdunstung  ihres  sonst  auf  ihr  vorhandenen  feuchten  Ueber- 
zuges  gereizt  wird,  aus  diesem  lokalen  Anlaß  eintritt,  was  durch 
nichts  so  evident  dargethan  wird  als  durch  die  Thatsache  des  an- 
dauernden Bestehens  von  quälendem  Durst  und  Hunger  bei  Ernährung 
durch  die  Schlundsonde. 

Alle  diese  Maßnahmen  der  Hypurgie  haben  somit  neben  ihrer 
dahingehenden  Einwirkung,  daß  sie  unangenehme  Geschmacks- 

37 


184 


M.    MENDELSOHN, 


empfindungen  in  der  Mundhöhle  beseitigen  und  so  zur 
Erhöhung  des  Appetits  beitragen,  hier  noch  die  weitere  Bedeutung 
für  die  Ernährung,  als  durch  ihre  Anwendung  eine  un gemessene 
Wasser  aufnähme  unterbleibt,  wie  sie  oft-  bei  solchen  Kranken 
sonst  geschieht,  wo  dann  allein  schon  die  starke  AnfüUung  des  Magens 
durch  die  aufgenommene  Flüssigkeit  nun  wiederum  dem  Bedürfnis 
nach  Nahrungsaufnahme  und  seiner  Ausführung  sich  hindernd  in  den 
Weg  stellt,  die  übermäßige  Belastung  des  Kreislaufes  und  des  Herzens 
jedoch  zudem  noch  oft  Rückwirkungen  auf  den  Allgemeinzustand  und 
das  subjektive  Befinden  ausübt,  welche  ihrerseits  nun  gleichfalls  die 
Nahrungsaufnahme  ungünstig  beeinflussen. 


Wenn  die  Mundpflege  auch  aus  leicht  ersicht- 
lichen Gründen  in  erster  Linie  unmittelbar  nach  einer 
Mahlzeit  nachfolgen  soll  und  besonders  auch  im  An- 
schlüsse an  einen  jeden  Schlaf  zu  geschehen  hat,  so 
hat  sie  ebenso  sehr  auch  als  eine  vorbereitende  Mani- 
pulation einzutreten  und  ist  darum  in  gleichem  Maße 
vor  der  Nahrungsaufnahme  geboten,  da  eben  eine  Ver- 
nachlässigung der  Mundpflege  wesentliche  Rückwirkung 
auf   Appetit   und    Geschmack  hat.     Sie   ist,   auch  bei 


Fig.  40.  Z  ahn  fug  e  nr  einig  e  r.  Ein  über  zwei  kleine  Röllchen  frei  ausgespannter 
Seidenfaden  wird  zwischen  die  Zahnfugen  gebracht ;  er  wickelt  sicli  von  zwei  größeren 
Pvollen  auf  resp.  ab,  sodaß  immer  neue  Teile  des  Fadens  jedesmalig  in  Gebi'auch  gelangen. 

Kranken,    wenn  angängig,   mit  Zahnbürste  und  Spülwasser   vorzunehmen,  und  nur 
Schwerkranken  oder  Bewußtlosen   wird  in  der   bekannten    Weise,   ähnlich   wie   bei 

kleinen  Eandern,  mittels  eines  über 
den  Finger  gestreiften  und  mit  Bor- 
wasser getränkten  Leinwandstück- 
chens die  Mundhöhle  ausgewaschen  *). 
Recht  zweckmäßige  Hilfsmittel  für 
diese  Aufgabe  der  Krankenpflege 
bilden  die  kleinen  sogenannten  Zahn- 
fugenreiniger, kleine  Geräte,  an  wel- 
chen sich  ein  verschiebbarer  Seiden- 
faden frei  ausspannt,  der  zwischen 
die  einzelnen  Zähne  gebracht  werden 
kann  und  zur  Entfernimg  von  Speisen- 
resten dient. 

Eine  solche  Beseitiguug  störender 
Reize  in  Rachen  und  Hals  imd  damit 
des  auftretenden  Durstgefühls  ist 
übrigens  nicht  allein  dadurch  zu  er- 
zielen, daß  man  dem  Kranken  häufig 
die  Mundhöhle  auswäscht  und  an- 
feuchtet, sondern  auch  durch  die 
öftere    Darreichung     schleimiger 

Fig.  41.  Diätwaage.  Die  in  Form  einer  Briefwaage  gebildete  Diätwaage,  welche 
zwei  auswechselbare  Aufsatzschaaleu,  für  Flüssigkeiten  wie  für  feste  Speisen,  trägt,  stellt 
die  einfachste  Form  der  Kontrolle  einer  jedesmaligen  Nahrungsaufnahme  dar.  Es  empfiehlt 
sich,  um  eine  stete  Reinigung  zu  ermöglichen,  eine  größere  Anzahl  von  Aufsatzstücken  zur 
Verfügung  zu  haben. 


*)  Ottomae,  Rosenbach,  Ueber  die  Pflege  des  Mundes  bei  Kranken.  Zeitschrift 
für  Krankenpflege,  Bd.  XVI,  1894,  No.  4,  S.  r28.  —  Aufrecht,  Zur  Pflege  der 
Mundschleimhaut  bei  Schwerkranken.  Zeitschrift  für  Krankenpflege,  Bd.  XVI,  1894, 
No.  6,  S.  218. 


38 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung. 


185 


Getränke,  welche  |die  'Mundhöhle  und  den  Eachen  mit  einer  feinen  feuchten 
Decke  überziehen;  oder  man  giebt  ihm  moussierende  Getränke,  deren  Kohlensäure, 
oder  verabfolgt  Fruchtsäfte  oder  Pflanzensäuren,  die,  wie  alle  Säuren  überlaupt,  eine 
Vermehrung  der  Speichelsekretion 
herbeiführen,  oder  beseitigt  sonst- 
wie diesen  lokalen  Reiz ;  ein  Effekt, 
der  so  viel  sicherer  und  schonender 
und  dabei  in  gleich  wissenschaft- 
lichem und  physiologisch  begrün- 
detem Zusammenhange  allein 
durch  die  hypurgischen  Heilmittel 
herbeigeführt  wird,  als  wenn  man, 
wie  das  unter  Umständen  ganz  be- 
rechtigt sein  kann,  die  den  Reiz 
auslösenden  Momente  bestehen 
läßt  und  dafür  durch  Opium  die 
Reizbarkeit  des  Durstcentrums 
herabsetzt  oder  lähmt.  Der  gleiche 
therapeutische  Effekt  läßt  sich 
auch  nicht  selten  durch  ein  striktes 
Verbot  des  Trinkens  auf 
psychischem  Wege  erreichen  *),  da 
nicht  wenige  Kranke,  wenn  man 
ihnen  strenge  untersagt  zu  trinken, 
alsbald  in  einer  Art  von  Suggestion 
nun  auch  aufhören,  heftigen  Durst 
zu  empfinden. 

Fig.  42.  Speisenwaage.  Für  größere  Nahrungsmengen,  deren  quantitative  Fest- 
stellung in  der  Ernährungstherapie  nötig  wird ,  sind  die  üblichen  Federwaagen  zwecli- 
mäßig  zu  verwenden.  Natürlich  muß  das  Gewicht  des  Tellers  jedesmal  in  Abzug  ge- 
bracht werden. 

Mit  allen  diesen  Hilfsmitteln  der  Krankenpflege,  welche  in  oft 
außerordentlich  hohem  Maße  die  thatsächliche  Nahrungsaufnahme  zu 
vermehren  vermögen,  ist  ihre  Wirksamkeit  noch  nicht  erschöpft.  Ihnen 
schließen  sich  diejenigen  Maßnahmen  an,  welche  dafür  Sorge  tragen, 
daß  sämtliche  einverleibten  Speisen  auch  thatsächlich  im 
Organismus  verbleiben.  An  dieser  Sorge  für  das  thatsächliche 
Verbleiben  der  in  den  Magen  gelangten  Speisen  in  diesem  und  für 
die  Vermeidung  ihrer  baldigen  Wiederaustreibung,  an  der  Ver- 
hütung des  Erbrechens  haben  zunächst  psychische  Heilmittel 
ihren  Anteil.  Denn  unter  Umständen  wird  auch  das  Erbrechen 
allein  durch  geistige  Vorstellungen  hervorgerufen, 
durch  Ekel  und  Abscheu,  durch  Erinnerungen  an  ähnliche  vorange- 
gangene Ereignisse,  durch  Idiosynkrasie  gegen  gewisse  Speisen;  und 
dazu  kommt  thatsächlicher  oder  wenigstens  in  der  Vorstellung  des 
Kranken  vorherrschender  unangenehmer  Geschmack  oder  mehr  noch 
widerwärtiger  Geruch  der  dargebotenen  Speisen,  und  eine  unappetit- 
liche Zurichtung  überhaupt.  Alle  die  psychischen  Heilmittel,  welche 
solchen  Konsequenzen  vorbeugen  können,  sind  daher  hier  am  Platze ; 
und  es  gilt  auch  nach  geschehener  Einverleibung  der  Speisen  von  der 
Verhütung  des  Erbrechens  alles  das,  was  soeben  erst  über  die  An- 
regung des  Appetits  gesagt  worden  ist. 


*)  C.  A.  Ewald,  Soll  man  zum  Essen  trinken?  Zeitschrift  für  Krankenpflege, 
Bd.  XX,  1898,  No.  1,  S.  1. 


39 


186 


M.   MENDELSOHN, 


Wenn  aber  das  Brechcentrum  in  der  Medulla  oblongata  solcher- 
maßen auf  mannigfachen  psychischen  oder  sinnlichen  Wegen  gereizt 
werden  kann,  so  ist  außerdem  eine  Reizung  dieses  Centrums  auf 
reflektorischem  Wege  von  mannigfachen  lokalen  Ausgangspunkten 
her  gleichermaßen  möglich.  Daß  der  Glossopharyngeus  mit  besonderer 
Leichtigkeit  diesen  Reflexakt  auslöst,  ergiebt  sich  nicht  nur  aus  der 
klinischen  Beobachtung,  daß  Personen  mit  Kongestionen  des  Gaumens 
und  Schlundes,  insbesondere  Kinder,  nicht  selten  allein  hierdurch  zu 
häufigem  Brechen  veranlaßt  werden,  sondern  auch  aus  der  viel  ver- 
breiteten und  überall  geübten  direkten  Herbeiführung  des  Erbrechens 
dadurch,  daß  man  den  Gaumen  mit  dem  Finger  oder  mit  einem  Feder- 
bart kitzelt. 

Natürlich  können  Auflagerungen  von  Schleim  oder  von 
ähnlichen  Dingen,  wenn  sie  nicht  sorgfältig  durch  eine  ausreichende 
Mundpflege  entfernt  werden,  bei  Kranken  ebenso  Erbrechen  von  diesen 
Abschnitten  der  Mund-  und  Rachenhöhle  aus  hervorrufen  oder  doch 
wenigstens  die  Neigung  dazu  erhebhch  steigern,  so  daß  also  die  zuvor 
erwähnten  hypurgischen  Mittel  der  Säuberung  und  Reinigung  auch  nach 
dieser  Richtung  hin  wirksam  sind.  Ein  weiterer  Ausgangspunkt  für 
den  reflektorisch  ausgelösten  Brechakt  ist  sodann  der  Magen  selber; 
wenn  auch  die  Reizbarkeit  der  Nervenendigungen  im 
Magen  therapeutisch  im  wesentlichen  durch  arzneiliche  Einwirkung 
herabgesetzt  zu  werden  pflegt,  so  ist  diese  Wirkung  in  eben  demselben 
Maße,  wenn  nicht  in  noch  höherem,  durch  die  Anwendung  von  Kälte 
zu  erreichen. 

Bei  den  eigenartigen  günstigen  Verhältnissen,  welche  gerade  der  Mageu  dar- 
bietet, indem  er  gestattet,  das  Heilmittel  in  das  zu  beeinflussende  Organ  direkt 
hineinzubringen,  kommt  diese  am  besten  per  os  durch  Verschlucken  von  Eis- 
stückchen zur  Anwendung,  eine  Applikation,  welche  eigentlich  nicht  mehr  ganz 
streng  in  den  Bereich  der  Krankenpflege  allem  gehört;  es  kann  aber  auch  die  An- 
wendung von  außen  her  geschehen,  so  daß  diejenigen  materiellen  Heilmittel  der  Hypurgie, 
welche  zur  JKälteapphkation  dienen,  hier,  indem  sie  Erbrechen  verhüten,  als  Unter- 
stützungsmittel der  Ernährung  wirken  können.  Auch  mirde,  falls  der  Mageninhalt 
durch  eine  besonders  konzentrierte  oder  stark  reizende  Baschaffenheit  das  lokale  Irri- 
tamentum  abgiebt,  diu-ch  Zufuhr  von  Wasser  eine  Verdünnung  und  Milderung 

dieser  reizenden  Einwirkung  des  Magen- 
inhaltes herbeigeführt  werden ,  eine  Maß- 
nahme, die  bei  dem  sogenannten  Aufstoßen 
allgemein  gebräuchlich  ist,  bei  welchem  es 
sich  ja  physiologisch  um  den  gleichen  Vor- 
gang wie  beim  Erbrechen  handelt,  nur  daß 
hierbei  die  Cardia  geschlossen  bleibt.  Und 
auch  noch  einige  weitere  allgemeine  Maß- 
nahmen können  zur  Herabsetzung  und 
Unterdrückung  eines  auftretenden  Brech- 
reizes dienen.  Da  das  Brechcentrum  in  sehr 
nahen  räumlichen  Beziehungen  zum  At- 
mungscentrum steht  und  teilweise  sogar  mit 
ihm  zusammenhängt,  wofür  auch  die  günstige 
Wirkung  derjenigen  Narcotica  bei  Brech- 
neigung   spricht ,     welche    nachgewiesener- 

Fig.  43.  Eisbecher.  Der  Glasbeeher  trägt  einen  oberen,  mit  centraler  Abfluß- 
öffnung versehenen  Einsatz,  in  welchem  die  für  den  Gebrauch  als  EispiUen  bestimmten 
Eisstückchen  aufbewahrt  werden,  während  das  Schmelzwasser  sieh  in  dem  unteren  Be- 
hältnis ansammelt. 


40 


Die  Wirkung  auf  die  Ernäbrung. 


187 


maßen  die  Reizbarkeit  des  Atmungscentrums  vermindern ,  so  genügen  manchmal, 
allerdings  nur  bei  mäßigen  Graden  von  Breclmeigung,  eine  Anzahl  ausgiebiger  und 
tieferKespirationen,  lun  eine  auftauchende  Brechneigung  zu  unterdrücken  und 
somit  als  den  Ernährungseffekt  fördernd  zu  wirken. 

Unter  denjenigen  Maßnahmen  der  Krankenpflege,  welche  das  Ob- 
jekt der  Nahrung  selber  betreffen,  welche  die  Gestaltung  ihres  allge- 
meinen Zustand  im  Auge  haben,  sind  nun  des  weiteren  die  beiden  erst 
im  Augenbhcke  der  Einverleibung  entstehenden  Momente  für  den  Ge- 
samteifekt  der  Ernährung  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung: 
die  Konsistenz  und  die  Menge  des  jedesmal  zur  Einnahme  gelangenden 
Nahrungsquantums.  Denn  gerade  die  Hypurgie  ist  es,  der  die  Sorge 
obliegt,  daß  die  Speisen  nicht  nur  im  Verdauungstractus  bleiben  und 
ihn  folgerichtig  passieren,  sondern  daß  sie  dort  auch  in  einem  Zu- 
stande anlangen,  welcher  sie  für  die  vorhandenen  Ver- 
dauungssekrete  möglichst  ausnutzbar  macht. 

Zunächst  ist  mit  großer  Sorgfalt  darauf  zu  achten,  daß  dieSpeisen 
möglichst  zerkleinert  in  den  Mag  engelangen  und  dort  nicht 
unförmige  Klumpen,  welche  nur  an  ihrer  Oberfläche  mit  den  Ver- 
dauungssäften in  Beziehung  treten  können,  bilden.  Besonders  ist  eine 
fehlerhafte  und  unzweckmäßige  Art  zu  essen,  die  Speisen  gar  nicht  oder 
nur  wenig  gekaut  zu  verschlingen,  eine  vielen  Individuen  anhaftende 
Gewohnheit,  welche  sie  auch  in  den  Tagen  der  Krankheit,  wenn  sie 
nicht  besonders  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  nur  schwer  ab- 
legen oder  bessern. 

Die  nächstliegende  Einwirkung  von  selten  der  Krankenpflege  ist  hier,  wenn 
uiu-  sonst  alle  für  ein  völliges  und  ergiebiges  Durchkauen  der  Speisen  not- 
wendigen Voraussetzungen  da  sind,  der  immer  erneute  und  ohne  Ermüdung  vorzu- 
hringende  Zuspruch  und  die  Ermahnung,  langsam  zu  essen,  das  Genossene  imd  die 
in  den  Mund  eingebrachten  Bissen  gut  durchzukauen  und  diesem  Kauakt  selber 
sowohl  als  dem  sich  ihm  anschließenden  Vorgange  des  Schluckens  der  Speisen  nicht 
allein  die  notwendige  Aufmerksamkeit  und  Sorgfalt  zuzuwenden,  sondern  auch  ihn 
mit  aller  Buhe  und  ohne  Hast  vorzunehmen. 

Allerdings  sind  die  unerläßlichen  Voraussetzungen  für  eine  voll- 
ständige Leistung  derart  sehr  häufig  ganz  und  gar  nicht  vorhanden ; 
die  Zäh ne  sind  mangelhaft  oder  fehlen  auch  wie  bei  alten  Leuten 
ganz  und  gar.  Zwar  können  diese  durch  Gewohnheit  und  Uebung  dahin 
gelangen,  auch  mit  den  zahnlosen  Kiefern  zu  kauen;  das  wird  aber 
unmöglich,  wenn  einzelne  Zähne  stehen  geblieben  sind  und  vielleicht 
gar  so,  daß  sie  einen  Schluß  der 
Kiefer  verhindern,  für  das  Kau- 
geschäft also  nicht  mehr  nutzbar 
sind. 

Außer  der  allgemeinen  Mundpflege 
besteht  bei  bettlägerigen  Kranken,  und 
auch  bei  anderen,  die  Verpflichtung, 
auf  Zahnprothesen  und  künstliche 
Zähne  mit  Sorgfalt  zu  achten;  wo  sie 
nicht  ausnehmend  gut  gearbeitet  sind 
und  unverrückbar  festsitzen ,  dürfen  sie 
überhaupt  nur  bei  aufgerichtetem  Ober- 
körper und  ausschließlich  für  die  Zeit  des 
eigentlichen  Eßaktes  im  Munde  belassen 
werden,  in  der  Rückenlage  dagegen  überhaupt  nicht.  Denn  diese  Prothesen  oder 
einzelne,  locker  gewordene  Stücke  davon  verschluckt  sonst  so  mancher  Kranke  beim 
Essen;   sie  können  die  bekannten  und  oft  schnell  tötlich  endigenden  Erscheinungen 


Fleischsaft  13  r  esse. 


188 


M.    MENDELSOHN, 


Fig.  45.     Fleisch  Saftpresse. 


hervorrufen,  welche  gewöhnlich  durch  Erstickung  oder  auch  durch  Periearditis  und 
andere  Folgewirkungen  zum  Tode  führen,  wenn  sie  auch  manchmal  außerordentlich 
lange,   bis  zu  mehreren  Jahren,   ohne  schwere  Erscheinungen   im  Oesophagus  sitzen 

bleiben  können,  öfters  auch  in  den  Magen 
gelangen,  und  selbst  der  Hindurchgang 
ganzer  Zahnplatten  durch  den  Darm  vor- 
kommt. Es  sind  übrigens  auch  Thee- 
löffel  in  voller  Größe  verschluckt  und 
lange  Zeit  im  Oesophagus  zurückgehalten 
worden. 

Auch  ohne  daß  ausgesprochen  ka- 
riöse Zähne  in  der  Mimdhöhle  sich 
vorfinden,  sind  die  Zähne  dort,  wo  sich 
das  Zahnfleisch  von  den  Zahnkronen 
retrahiert  hat,  an  ihrer  nun  fehlerhaft 
freiliegenden  Circumferenz  ausnehmend 
empfindlich  imd  oft  schmerzhaft,  eine 
Reizung,  die  auf  den  sauren  Mund- 
höhlensaft zurückzuführen  ist ,  wie  er 
sich  unter  der  Einwirkung  zersetzender 
Vorgänge  der  in  der  Mundhöhle  zurück- 
gebliebenen Speisereste  ausbildet;  so  daß 
hier  nicht  nur  die  Reinigung  an  sich, 
sondern  die  ja  vielfach  und  allgemein 
geübte  Ausspülung  der  Mundhöhle  mit 
antiseptischer  und  schwach  alkalischer 
Flüssigkeit  oder  das  Bürsten  der  Zähne 
mit  kalkhaltigen  Pulvern  zweckmäßig 
wirkt. 

Es  bedarf  keiner  weiteren  Auseinandersetzung,  daß  bei  allem  vor- 
handenen Willen  eine  Empfindlichkeit  oder  Schmerzhaftigkeit  der  Zähne 

das  Kauen  stark 
beeinträchtigen 
muß ;  daß  alle  die  er- 
wähnten, auf  ihre  Be- 
seitigung hin  gerich- 
teten Heilmittel  der 
Krankenpflege  in  die- 
sem Sinne  also  als 
Stomachica,  als  Unter- 
stützungs-  und  Förde- 
ruugsmittel  der  Er- 
nährung gelten  müs- 
sen. Denn  eine  voll- 
ständige Y  e  r  d  a  u  u  n  g 
durch  den  Magen- 
saft ist  eben  nur  dann 
möglich,  wenn  ein  aus- 

Figg.  44,  45,  46.  Für  die  Gewinnung  mäßiger  Mengen  von  Fleischsaft  genügt  eine 
kleine,  dnrch  Hebelwirkung  funktionierende  Presse  {Fig.  44),  weiche  geringe  Portionen 
gehackten  Fleisches ,  die  immer  wieder  aufs  neue  dazwischen  zu  bringen  sind ,  nach- 
einander ausgepresst,  wobei  der  Saft  in  dem  hohl  gestalteten  Stiel  abläuft  und  aufgefangen 
wird.  Bequemer  und  vollständiger  in  der  AVirkung  ist  eine  neuerdings  von  Dr.  med.KLEIX 
angegebene  Fleischsaftpresse  (Fig.  45),  bei  welcher  in  einer  Trommel  das  Fleisch  zwischen 
zwei  halbkugelig  gestalteten  Flächen,  deren  obere,  konvese  gerieft,  deren  untere,  konkave 
durchlöchert  {Fig.  4ö)  ist,  eingebracht  und  durch  ein  einfaches  Zusammenpressen  dieser 
Kugelfläehen   mittels   einer    Schraubenvorrichfung   völlig  zermahlen   und  ausgepresst  wird. 


Fig.  46.      Fleischsaftpresse. 


42 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährung.  189 

giebiges  Kauen  der  Speisen  vorangegangen  ist,  da  sonst  das  Ver- 
dauungssekret die  zusammengeballten  Mengen  von  EiweiJSsubstanzeu 
nur  schwer  durchdringt ;  ein  Nachteil,  der  ja  häufig  den  ersten  und 
hauirtsächlichsten  Grund  zur  Entstehung  chronischer  Dyspepsien  ab- 
giebt  und  der  nicht  allein  nur  in  dieser  Richtung  zur  Geltung  kommt, 
sondern  auch  durch  die  hierbei  nicht  unwesentlich  herabgesetzte  Aus- 
nützung der  Speisen  im  Darm  die  Ernährung  zu  beeinträchtigen  ge- 
eignet ist. 

So  ist  die  Bedeutung  einer  ausreichend  weichen  Konsistenz  der 
Nahrung  eine  sehr  große;  es  ist  kaum  zuviel  gesagt,  daß  fast  alle 
sogenannten  schwer  verdaulichen  Speisen  diese  ihre  Schwerverdau- 
lichkeit in  einer  relativ  oder  absolut  zu  festen  Konsistenz  haben. 
Gerade  diejenigen  Speisen,  welche,  wie  geräuchertes  Gänsefleisch  oder 
Hummerfleisch,  allgemein  als  schwer  verdaulich  gelten,  haben  eine  der- 
artig zähe  Konsistenz,  daß  selbst  kleine  Stücke  davon  nur  bei  ganz 
sorgfältigem  Zerkauen  in  einen  genügend  weichen  Zustand  über- 
geführt werden  können,  eine  Vornahme,  die  jedoch  fast  niemals  aus- 
reichend geschieht;  und  auch  jede  andere  harte  Speise,  welche  in 
größeren,  unzerkauten  Stücken  heruntergeschluckt  wird,  wie  beispiels- 
weise ganze  Kartoffeln,  hat  lediglich  durch  diese  ihre  unzweckmäßige 
Konsistenz  erheblichen  Einfluß  auf  die  Bekömmlichkeit  der  Nahrung. 
Die  zu  konsistenten  Ingesta  erregen  durch  ihren  ungewohnten  und  zu 
intensiven  D  r  u  c  k  r  e  i  z  auf  reflektorischem  Wege  Kontraktionen  des 
Magens,  welche,  da  die  Magenwandungen  hier  auf  einen  unnachgiebigen 
und  resistenten  Inhalt  treffen,  als  unbehaglich  und  unangenehm  empfunden 
werden,  und  die  bei  besonders  festen  Ingestis,  zumal  wenn  eine  der- 
artige Nahrungsaufnahme  wiederholt  und  häufig  statt  hat,  auch  zur  nicht 
unbeträchtlichen  S  c h  m  e r  z  e  m  p  f  i n  du  n  g  werden  können.  Die  Sorg- 
falt um  ein  ausreichendes  Zerkauen  aller  Speisen  ist  daher  eine 
dringende,  und  das  besonders  darum,  weil  diese  schädlichen  Konsistenz- 
grade keineswegs  in  einer  ausgesprochenen  Härte  bestehen,  vielmehr 
gerade  bei  einer  im  allgemeinen  weichen  Beschaffenheit  die  Zähigkeit 
in  der  Konsistenz  vorzuherrschen  pflegt;  während  aber  eine  direkt 
harte  Speise  zu  reichlichem  Zerkauen  unmittelbar  anreizt,  verleiten 
diese  weichen,  dabei  jedoh  zähen  und  festen  Speisen,  als  deren  deutliche 
Beispiele  hart  gesottene  Eier  oder  eingemachte  Gurken  gelten  können, 
eben  wegen  ihrer  Nachgiebigkeit  und  anscheinenden  Weichheit  zu  einer 
Einverleibung  in  durchaus  unzureichend  zerkautem  Zustande. 

Die  weitere  Bedeutung  des  Konsistenz  der  Speisen  liegt  in  deren 
Einfluß  auf  ihre  Ausnützung  im  Darme.  Auch  diese  Ausnützung 
kann  sehr  erheblich  dadurch  geschädigt  werden,  daß  Fleischstücke  un- 
zerkaut  in  den  Darm  gelangen ;  es  läßt  sich  recht  häufig  beobachten, 
daß  bei  Personen  mit  defekten  Zähnen  Fleisch  und  andere  Nahrungs- 
mittel so  gut  wie  ohne  jede  Beeinflussung  durch  die  Verdauungssäfte 
in  fast  unverändertem  Zustande  den  Darm  wieder  verlassen,  während 
die  Beschaffung  einer  gut  funktionierenden  Zahnprothese  dies  mit  einem 
Schlage  ändert. 

Bei  allen  denjenigen  Personen,  wo  ein  ausreichendes  Kauen  voraussichtlich 
nicht  stattfindet  oder  überhaupt  unmöglich  ist,  hat  die  Krankenpflege  ihre  chesbe- 
züglichen  Heilmittel  darin,  daß  sie  einmal  Sorge  trägt,  dal3  überhaupt  nicht  etwa 
harte  und  schon  an  sich  schwer  zerkaubare  Speisen  solchen  Kranken  vorge- 
setzt werden,  daß  sie  aber  vor  allem  bei  jegUcher  Art  von  Nahrung  das,  was  der 
Kranke  mit  seinen    Zähnen  selber   nicht   leisten  kann,    vorweg  ihm   abnimmt,   daß 

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M.    MENDELSOHN, 


Fig.  47.  Fleischschneidegerät.  Das  in  Stücken  in  einen  oberen  Trichter  ein- 
gebrachte Fleisch  wird  durch  ein  spiraliges  Messer  zerschnitten,  was  durch  Kurbeldrebung 
bewirkt,  wird,  und  gelangt  an  dem  freien  Ende  erst  dann  nach  außen,  wenn  es  die  zum 
Passieren  eines  vorgelegten  Siebes  genügend  feine  Konsistenz  erreicht  hat. 

sie  also  alle  Speisen  nur  entsprechend  zerkleinert  und,  wenn  es  sein  muß,  gewiegt 
und  fein  zerhackt  zur  Darreichung  bringt,  ja  unter  Umständen  sogar  von  jeder  einiger- 
maßen festen  Nahrung  Abstand 
nimmt  und  sie  lediglich  durch 
breiige  oder  flüssige  Speisen  ersetzt. 
Die  Herstellung  einer  ge- 
eigneten Konsistenz  der  Speisen, 
wie  sie  für  die  Ernährung  zweck- 
mäßig ist,  geschieht  nach  zwei 
Möglichkeiten  hin :  entweder  wird 
die  Konsistenz  dtirch  rein  mecha- 
nische Maßnahmen  verändert,  oder 
aber  sie  wird  durch  den  Akt  des 
Kochens  imd  der  verschiedenen 
übrigen  gebräuchlichen  Zuberei- 
tungsarten  der  Speisen  im  gleichen 
Sinne  beeinflußt.  Soweit  bei  einer 
gemischten  Konsistenz  eio  Nah- 
rungsmittel harte  und  ungenieß- 
bare Bestandteile  enthält,  kommt 
nur  allein  deren  mechanische  Be- 
seitigung in  Betracht,  die  aller- 
dings, wenn  die  Vermischung  eß- 
barer und  Bngenießbarer  Bestand- 
teile eine  besonders  innige  ist,  erst 
während   des  Eßaktes    selber   ae- 


j  gagiBSQMgi^i^gaöw'/yjyjyy^gg'&S'^^^ 


schehen  kann. 


Fig.  48.  Spe  isen  zerklei  n  er  un  g  sge  r  ät.  Zum  Zerreiben  und  Zermahlen 
trockener  Substanzen  gelangen  diese  zwisclien  zwei  cylinderförmige  und  siebartig  durch- 
brochene Eeibeflächen,  welche  die  Krankennahrung  in  jede  erforderliche  Konsistenz  zu 
biingen  vermögen. 

44 


Die  Wirkung  auf  die  Ernährii 


191 


Für  die  mechani- 
sclie  Zerkleinerung 
genügt,  zumalbei  der  ani- 
malischen Nahrung,  viel- 
fach ein  Zerschneiden  in 
ausreichend  kleine  Stücke, 
oder,  wo  die  Konsistenz 
der  Speisen  eine  zu  zähe 
oder  zu  feste  ist,  eine  Be- 
einflussung durch  die  me- 
ehanischen  Vornahmen  des 
Mahlens  oder  Zerreibens, 
des  Schabens  und  Zer- 
hackens  oder  des  Zer- 
stoßens.  Kommt  es  darauf 
an,  so  kann  danach  noch, 
je  nach  der  gewünschten 
Feinheit ,  die  zerkleinerte 
Speise  durch  ein  Sieb  hin- 
diu-chgetrieben  werden, 
selbst  durch  ein  solches 
mit  feinstem  Drahtgeflecht. 
Wo  der  Kauapparat  nicht 
ausreicht,  insbesondere  bei 
jungen  Kindern  und  dort, 
WC  die  Zähne  schadhaft 
und  leistungsunfähig  sind, 
muß  darum  andauernd  auf 
das  sorgfältigste  die  Kon- 
sistenz der  Nahrung  durch 
mechanische  Maßnahmen 
eine    breiartige    Umwand- 

Fig.  49.  Brodschn  eide  gerät.  Das  Gerät  ermöglicht  nicht  nur  die  in  Kranken- 
häasem  erforderliche  schnelle  Herstellung  einer  großen  Zahl  von  ehizclnen  Brotetücken, 
sondern  gestatte^   auch  die  Herstellung  sehr  dünner    und  regelmäßig  geschnittener  Stücke: 


lung  erfahren  wie  sie  sonst 
die  Zähne  leisten  würden. 
Dasselbe  gut  insbesondere 
auch  von  vegetabUischei 
Kost,  vor  allem  von  Kar- 
toffeln, welche  immer  niu 
kleingeschnitten  und  gul 
zerkaut  genossen  werden 
dürfen,  am  besten  jedoch 
schon  von  vornherein  in 
breiartiger  Form  zubereitet 
werden  . 


Fig.  50.  Fruehtsaft- 
p  r'e  s  s  e.  Mittels  Kiu-bel 
drehung  wird  zur  Herstellung 
von  Limonaden  etc.  au;- 
allen  in  Betracht  kommenden 
Früchten  der  Saft  vollständig 
ausgepresst  und  gelangt  klar 
zum  Abtließen. 


45 


192 


M.    MENDELSOHN, 


Auch  die  Wirkungen  zu  großer  Speisenmengen  sind 
mehrfache.  Zunächst  bemerkenswert  sind  die  subjektiven  Erscheinungen, 
welche  die  Salernitanische  Weisheit  in  dem  Lehrsatze:  „Plenus  venter 
non  studet  libenter"  formuliert  hat :  M  ü  d  i  g  k  e  i  t  und  S  c  h  1  ä  f  r  i  g  k  e  i  t . 
sowie  mehr  oder  minder  herabgesetzte  geistige  und  körperliche  Leistungs- 
fähigkeit,   ein  Zustand,   welcher  dadurch  hervorgerufen  wird,    daß   die 


darch    die    Ueberladung    des    Magens    zu 


übermäßiger 


Leistung 


ge- 


zwungenen Verdauungsorgane  mit  samt  den  Unterleibsdrüsen  einen 
solchen  Blutafflux  erfahren  müssen,  daß  dem  Gehirn  und  den  übrigen 
Organen  die  für  ihre  volle  Leistungsfähigheit  nötige  Blutzufuhr  beein- 
trächtigt wird.  Des  weiteren  entstehen,  abgesehen  von  Dilatation  des 
Magens  und  der  Verdauungsorgane,  durch  häufig  eingeführte  zu  große 
Nahrungsvolumina  in  der  gleichen  Weise  wie  durch  eine  zu  feste  Kon- 
sistenz der  Ingesta  auch  hier  nicht  selten  Beschwerden  und  auch 
Schmerzen  im  Magen  selber,  indem  die  Wände  des  Organs  bei 
ihren  Bewegungen  auf  einen  zu  kompakten  Widerstand  stoßen.  Und 
schließlich  hat  ein  zu  großes  einmaliges  Speisenvolumeu  den  Nachteil, 
daß  es  nicht  völlig  zur  Ausnutzung  gelangt. 

Unterliegt  so  die  auf  einmal  elügeführte  Öpeisenmenge  nicht  unwesentlichen 
Beschränkungen,  so  hat  die  Ernährung  hierbei  noch  die  weitere  Aufgabe,  zumal  bei 

kranken  und  schwachen  Personen  Sorge  zu 
tragen,  daß  auch  die  Aufnahme  eines 
einzelnen  Bissens  stets  in  einem  ange- 
messenen Volumen  vor  sich  gehe.  Zu  geringe 
Flüssigkeits mengen  und  zu  kleine  Bissen 
schlucken  sich  schlecht,  wie  eine  beträcht- 
liche Zahl  von  Personen  hekanntlich  nicht 
Pillen  zu  schlucken  vermögen.  Wichtiger 
aber  noch  sind  die  zu  großen  Bissen,  zumal 
fester  Speisen,  welche  sich  im  Oesophagus 
einklemmen  können  und  die  manchmal  sogar 
schon  einen  plötzlichen  Tod  herbeigeführt 
haben. 

Fig.  51.  Citronenpresse.  Die  Hiilfte  einer  Citrone  wird  in  die  Presse  hinein- 
gegeben; beim  Schließen  läuft  der  Saft  durch  den  hohen  Stiel  und  durch  dessen  unteres 
Ansatzstück  ab. 


KAPITEL  IIL 

Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 

(,,Asepsis  der  inneren  Medizin.") 


.  Auch  die  innere  Medizin  hat  ihre  Asepsis,  ebenso 
gut  und  eben  in  dem  g  1  e i c h e n  U m f a n g e  und  in  ganz  und 
gar  derselben  Bedeutung  und  Wichtigkeit,  wie  die 
Chirurgie.  Diese  Asepsis  zu  schaffen  und  sie  mit  allen  ihren 
wichtigen  therapeutischen  Konsequenzen  während  einer  Erkrankung 
durchzuführen,  ist  allein  Objekt  der  Krankenpflege. 

Die  Arzneikörper,  welche  in  der  Pharmakologie  als  Antiseptica 
bezeichnet  werden,  haben  die  besondere  Eigenschaft,  daß  sie  Mikro- 
organismen, welche  Infektion  oder  Fäulnis  hervorrufen  können, 
in  dieser  ihrer  ungünstigen  Thätigkeit  auf  die  radikale  Weise  hemmen, 
daß    sie    sie    vernichten   und    damit   natürlich    auch  in   ihren    Folge- 


46 


Die  Wirkung  durcli  Reinlichkeit.  193 

Wirkungen  beseitigen;  und  wenn  unter  der  Einwirkung  dieser  Bak- 
terien unangenehme  und  faule  Gerüche  entstanden  sind,  so  werden 
auch  diese  durch  die  direkte  Zerstörung  der  Zersetzungserreger  mittels 
solcher  als  Desodorantia  bezeichneten  Antiseptica  aufgehoben.  In  der 
Chirurgie  und  in  der  Geburtshilfe  und  sogar  in  der  allerdings  noch 
ziemlich  problematischen  inneren  Antisepsis  innerhalb  des  mensch- 
lichen Körpers  hat,  wie  allgemein  bekannt,  die  Entwicklung  der  Therapie 
in  der  letzten  Epoche  den  so  großen  und  wesentlichen  Schritt  gethan, 
wie  man  ihn  zu  bezeichnen  pflegt:  von  der  Antisepsis  zur  Asepsis 
übergegangen  zu  sein ;  also  nicht  erst  Krankheitserreger  eindringen  zu 
lassen,  um  sie  dann  in  loco  zu  zerstören,  sondern  die  weitestgehende 
Sorgfalt  danach  hin  zu  verwenden,  solche  schädliche  Stoffe  überhaupt 
erst  gar  nicht  mit  dem  Körper  in  Berührung  kommen  und  auf  ihn 
einwirken  zu  lassen.  Wenn  man  den  außerordentlichen  Fortschritt, 
welcher  hierin  liegt,  anerkennt  —  und  es  wird  unmöglich  sein,  ihn 
nicht  anzuerkennen  — ,  so  kann  es  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß 
auch  eine  große  Zahl  der  Heilmittel  der  Krankenpflege  in  diesem  Sinne 
als  wahre  Antiseptica  anzusehen  sind.  Denn  das  Punctum  saliens 
aller  antiseptischen  oder  vielmehr  aseptischen  Therapie  ist  nur  die  mög- 
lichst frühzeitige  Beseitigung  der  Infektionskeime  und  überhaupt  der 
Mikroorganismen,  ehe  sie  mit  dem  kranken  Körper  in  irgend  welchen 
Kontakt  geraten  können;  der  Weg,  auf  welchem,  und  die  Mittel,  mit 
denen,  ehe  sie  oder  ihre  Produkte  an  den  Kranken  herankommen, 
ihre  Beseitigung  erreicht  wird,  ist  für  die  prinzipielle  Zugehörigkeit 
der  betreffenden  Maßnahmen  zur  therapeutischen  Asepsis  nebensäch- 
lich. Und  so  macht  es  keinen  Unterschied,  ob  außerhalb  des  Körpers 
des  Kranken  derartige  Keime  durch  pharmakod3'namische  Agentien, 
durch  chemische  Substanzen  oder  Gifte,  welche  sie  zerstören,  unschäd- 
lich gemacht  werden ;  oder  ob  sie  durch  mechanische  Methoden,  durch 
Reinigung  und  Säuberung  und  andere  Mittel  der  Krankenpflege  ent- 
fernt und  beseitigt  werden. 

Diese  ,, Asepsis  der  inneren  Medizin"  hat  als  Gegenstand 
ihrer  Bethätigung  ebenso  wie  die  der  Chirurgie  die  beiden  großen  Ge- 
biete: einmal  das  esoterische,  dasjenige  des  Körpers  des  Kranken 
selber ;  und  sodann  das  exoterische  Gebiet,  welches  dessen  engere  und 
weitere  Umgebung,  vor  allem  das  Krankenbett  und  das  Krankenzimmer 
umfaßt.  Zunächst  schaffen  die  allgemein  hygienischen  Maßnahmen  der 
Reinigung,  der  Lüftung,  der  Beleuchtung  im  Krankenzimmer  Bedingungen, 
welche  entweder  vorhandene  Keime  in  möglichst  weitgehendem  Maße 
eliminieren,  oder  aber,  was  ebenfalls  sehr  wesentlich  in  Betracht  kommt, 
den  etwa  zurückbleibenden  die  Möglichkeit  einer  Weiterentwicklung  und 
Propagation  erheblich  einschränken.  Weitgehende  Reinigung,  Säuberung, 
Lüftung  und  Beleuchtung,  die  möglichst  ausgedehnte  Anwendung  aller 
dieser  und  ähnlicher  Heilmittel  der  Krankenpflege  machen  die  eigentliche 
chemische  Desinfektion  sehr  wesentlich  entbehrlich ;  und  damit  bedeutet 
die  Krankenpflege  genau  den  gleichen  Fortschritt  von  der  Antisepsis  zur 
Asepsis  in  der  inneren  Medizin,  der  sich  in  der  operativen  Medizin 
bereits  vollzogen  hat.  Und  wenn  in  der  Krankenpflege  empfohlen 
wird,  üble  Gerüche  im  Krankenzimmer  nicht  durch  Räucherungen 
oder  durch  Desinficientien  zu  bekämpfen,  sondern  durch  Ventilation 
und  Lufterneuerung,  so  ist  auch  hier  der  gleiche  Vorgang  erkennbar: 
das  Bestreben,  schädliche  Objekte  der  Umgebung  nicht  an  Ort  und 
Stelle   zu    zerstören,    sondern   sie   möglichst   in    toto    zu    eliminieren. 


194 


M.    MENDELSOHN, 


Nicht  minder  aber  gilt  das  für  die  andere  Gruppe  von  Antiseptica. 
welche  die  Krankenpflege  zur  Verfügung  hat:  die  saubere  Zurichtung 
des  Lagers,  die  immer  erneute  Versorgung  mit  reiner  Leib-  und  Bett- 
wäsche, die  sorgfältige  Reinhaltung  des  Körpers  des  Kranken.  Die 
thatsächlich  aseptische  "Wirkungsweise  aller  dieser  Heilmaßnahmen 
bedarf  keiner  eingehenden  Ausführung;  am  deutlichsten  in  ihrer  weit- 
tragenden Bedeutung  werden  sie  vielleicht,  wenn  man  sich  eine  Ent- 
bindung in  einem  Krankenbett,  in  welchem  diese  wichtigsten  Heilmittel 
der  Krankenpflege  vernachlässigt  werden,  vorstellt,  eine  Entbindung, 
bei  welcher  Arzt  und  Hebamme  ihre  Hände  und  auch  die  Geburts- 
wege der  Frau  nach  allen  Vorschriften  und  Regeln  ihrer  Kunst  des- 
infizieren und  aseptisch  machen,  und  wo  doch  die  Nichtanwendung  der 
aseptisch  wirkenden  Maßnahmen  der  Krankenpflege  trotz  alledem  sehr 
leicht  eine  Infektion  verschulden  kann. 

Diese  Wirkung  der  Asepsis  besitzt  in  erster  Linie  die  so  überaus 
wichtige  Reinigung  des  Kranken  selber.  Die  vollständigste  und 
allgemeinste  Form  der  Körperreinigung,  die  vollendeteste  Herbeiführung 
einer  Asepsis  ist  die  des  Vollbades,  welches  in  der  Krankenpflege  ge- 
wöhnlich in  eigenen  transportablen  Badewannen  verabfolgt  wird.  Diese 
einfachen  Bäder  bedürfen  hier  einer  kurzen  Besprechung,  da  sie  eben 
Objekt  der  Krankenpflege  sind,  während  die  besonders  gestalteten 
Wasserapplikationen  der  therapeutischen  Disciplin  der  Hydrotherapie 
anheimfallen. 

Die  Badewanne,  die  zwar  oft  auch  aus  Holz,  ebenso  oft  jedoch,  und  in 
besseren  Haushalten  ausschließlich,  aus  Metall  hergestellt  ist,  wird  in  den  meisten 
Fällen  aus  Zinkblech,  nicht  selten  auch  aus  Kupfer  und  aus  ähnlichen  Metallen  ge- 
fertigt. 

Bei  der  Anwendung  von  Vollbädern,  bei  jeder  Benutzung  dieses  so  wichtigen 
Gerätes  in  der  Kjankenpflege,  hat  als  Grundsatz  zu  gelten,  daß,  wenn  irgend  mögüch. 


Fig.  52.  Badewanne.  Das  von  JJr.  med.  EISFELD  angegebene  Gerät  ist  in  üeinem 
unteren  Teile  so  gestaltet,  daß  es  der  ungefähren  Körperform  entspricht;  der  Badende 
nimmt  eine,  der  Mitte  zwischen  Liegen  und  Sitzen  entsprechende  Körperhaltung  ein. 
Durch  die  Fonn  des  Bodens  ist  die  zur  Tölligen  Bedeckung  des  Körpers  erforderliche 
Wassermenge  eine  erheblich  geringere,  als  bei  flachen  Boden. 


Die  Wirkung  durch  Reinliclikeit. 


195 


die  eigeütliche  Manipulation  des  Badens  in  einem  Nebenraume  des  Kjaukenzimmers 
vorgenommen  wird,  natürlich  in  nächster  Nähe  von  diesem  und  in  so  unmittelbarem 
Zusammenhange  mit  ihm,  daß  der  Kranke  durch  den  Transport  zur  Badewanne  keinerlei 
Temperaturdifferenzen  ausgesetzt  ist  imd  der  Weg  vom  Bett  zur  Badewanne  überhaupt 
möghchst  kurz  gestaltet  wird.  Nur  wo  der  Zustand  des  Kranken  einen  solchen 
Transport  verbietet,  wird  die  Badewanne  in  das  Krankenzimmer  selbst  hinein  gebracht}; 


Fig.  53.  Badewanne.  Das  auch  unter  dem  Namen  Wellenbadsehaukel  bekannte 
Gerät  hat  den  Vorteil  bequemer  Handhabung  und  leichter  Transportfähigkeit  von  einem 
ßaum  in  den  anderen  und  der  geringeren  Eaumiuanspruchnahme  für  die  Aufbewahrung 
Avährend  der  Zeit  der  Nichtbenutzung,  da  es  liochgestellt  werden  kann  und  so  nur  wenig 
Platz  einnimmt.  Wenn  es  zur  Körperreinigung  oder  zur  Badeapplikation  von  Kranken 
benutzt  wird,  so  muß  die  wiegende  Bewegung  des  Gerätes  durch  die  Pflegerin  vorge- 
nommen werden.  Diese  Formen  der  Badewannen  geben  auch  die  Möglichkeit  dadurch, 
daß  das  Gerät  mit  seinem  konvexen  Ende  auf  den  Boden  und  mit  dem  anderen  Ende 
hoch  gestellt  wird,  die  Wanne  als  Kinderbadewanne  oder  als  Sitzbadewanne  zu  benutzen. 


Fig.  54.     Heizbare  Badewanne. 


Handbuch  der  spec.  Therapie  inii.  KrankJi.     Suppl.  I.    Hell  3. 
Mendelsohn,  Krankenpflege.  ig 


14 
4 


196 


M.    MENDELSOHN, 


am  besten  geht  sie  dann  auf  Eollen,  und  wird  parallel  zu  einer  der  Seitenwände 
des  Bettes  aufgestellt,  das  Kopfende  der  Badewanne  dem  P^ußende  des  Bettes  ent- 
sprechend, so  daß  die  pflegende  Person,  welche  nun  zwischen  beide  Geräte  tritt, 
nachdem  sie  den  Kranken  erfaßt  hat,  sich  nur  umzuwenden  braucht,  um  ihn  in 
richtiger  Position  in  die  Wanne  einzubringen.  Da  ein  jedes  Bad  hinsichtlich  seiner 
Zeitdauer  genau  bemessen  sein  muß,  so  ist  die  Aufstellung  einer  Uhr  in  dem  Bade- 
raum nicht  unwesentlich;  jedenfalls  muß  bei  Beginn  des  Bades  die  Zeit  genau  fest- 
gestellt werden.  Während  des  Aufenthaltes  des  Kranken  in  der  Wanne  darf  er  nie- 
mals und  unter  keinen  Umständen,  auch  wenn  er  anscheinend  kräftig  genug  ist,  ohne 
Aufsicht  und  allein  gelassen  werden ;  plötzliche  Zufälle ,  Ohnmachtsanwandluugen 
und  andere  unvorhergesehene  Ereignisse  haben  schon  bei  solcher  Achtlosigkeit  den 
Tod  des  Ertrinkens  herbeigeführt.  Handelt  es  sich  um  sehr  schwere,  sehr  unbeholfene 
und  sehr  schwache  Kranke,  so  ist  es  nicht  unzweckmäßig,  eine  Badestütze  zu  ver- 
wenden, ein  starkes  Segeltuch,  das  entweder  in  einen  eigenen,  der  Form  der  Bade- 
wanne ungefähr  angepaßten  Metallrahmen  gespannt  ist  oder  über  den  Rand  der 
Badewanne   hinweggelegt   wird   und  hier   durch  Traggurte,   die   an   dem  Tuch  sich 


Fig.  55.     Heizbare  Badewanne. 

Fig.  54,  55.  Die  in  der  Krankenpflege  verwertbaren  Badegeräte  lassen  die  not- 
wendige Heizung  entweder  so  geschehen,  daß  ein  gewisses  Wasserquantum  außerhalb  der 
Wanne  auf  eine  relativ  hohe  Temperatur  gebracht  wird,  dann  in  die  Wanne  gebracht  und 
hier  durch  Mischung  mit  kaltem  Wasser  die  erforderliche  Gesamttemperatur  herbeigeführt, 
wird ,  Vorrichtungen ,  welche  gewöhnlich  die  Wanne  mit  dem  dazu  gehörigen  Ofen 
stabil  machen  und  ihre  Benutzung  nur  im  Aufstellungsraume  ermöglichen  (Fig.  54) ;  oder 
aber  die  Erwärmung  der  Flüssigkeit  geschieht  in  der  Wanne  selber,  durch  darunter  an- 
gebrachte Ideine  Heizvorriclitungen,  welche  mit  der  auf  Bädern  gehenden  Wanne  trans- 
portiert werden  können  (Fig.  55).  Auch  in  diesem  letzteren  Falle  ist  es  in  der  Kranken- 
pflege geboten,  die  unter  der  Wanne  befindliche  Heizvorrichtung  nur  zum  Zwecke  der 
Erhaltung  der  gewünschten  Temperatur,  nicht  zur  Erzeugung  und  Herbeifühi-ung  der 
notwendigen  Hitzegrade  zu  benutzen;  auch  eine  solche  Wanne  ist  also  mit  bereits  warmem 
Wasser  anzufüllen  und  die  Venrendung  der  Heizvorrichtung  im  Krankenzimmer  auf  das 
mindeste  Maß  einzuschränken. 

befinden,  mit  Metallringen  auf  der  Außenseite  der  Badewanne  befestigt  wird.  Diese 
Unterlage,  welche  gewöhnlich  aus  Segeltuch  ist,  kann  auch  durch  jedes  feste  Bett- 
laken ersetzt  werden;  auch  das  Netz  einer  Hängematte  läßt  sich  nicht  unvorteilhaft 
dazu  verwenden.  Ob  jedoch  eine  solche  Vorrichtung  angewandt  wird  oder  nicht, 
immer  sind  kranke  Personen  beim  Baden  zu  halten  und  zu  unterstützen,  insbesondere 
auch  der  Oberkörper  und  der  Kopf,  indem  man  sie  unter  die  Achseln  faßt  und  den 
Kopf  für  sich  stützt;  neuerdings  ist  sogar  eine  recht  gute,  aus  Metall  gefertigte 
Kopfstütze  für  Badewannen,  welche  über  den  Rand  einer  jeden  Badewanne  gehängt 
werden  kann   und   die  verstellbar  ist,   angegeben   worden.     Auch   die   unteren  Ex- 


5° 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


197 


tremitäten  Schwerkranker  können  manchmal  dem  Auftrieb  des  Wassers  nicht  wider- 
stehen und  müssen  dann  an  den  Knieen  nach  unten  gehalten  werden.    Ist  das  Bad 

beendet,    was,    wie   gesagt,    nach 

genau  festgestellter  und  prompt 
innezuhaltender  Zeitdauer  zu  ge- 
schehen hat,  so  wird  der  Kranke 
auf  ein  vorher  erwärmtes  Bett- 
tuch, das  auf  zweckmäßiger  Unter- 
lage, am  besten  auf  einem  Divau 
oder  einem  Hilfsbett  ausgebreitet 
ist,  gelagert,  sofort  allseitig  ein- 
gehüllt und  womöghch  von  meh- 
reren Personen  trocken  gerieben. 
Die  Dauer  eines  jeden  ein- 
zelnen Bades  eines  Kranken  kann 
eine  sehr  verschiedene  sein;  sie 
hängt  nicht  unwesentlich  von  der 
Temperatur  des  Bades  ab.  Kalte 
Bäder,  welche  in  den  Grenzen 
zwischen  16°  R  und  20°  R  liegen, 
dürfen   nur   eine  kurze  Zeit  ein- 

Fig.  56.  Kopfstütze  für  Badewannen.  Das  Gerät  ist  verstellbar;  zum  Ge- 
brauch wird  die  für  die  Unterstützung  des  Kopfes  bestimmte  Fläche  mit  einem  Stücke 
Flanells  oder  ähnlichen  Stoffes  überdeckt,  um  die  Berührung  des  Kopfes  mit  dem  kalten 
Metall  zu  venueiden.  a 

vrirken,  1  Minute  genügt  oft  schon,  das  höchste  sind  5  Minuten;  bei  lauwarmen 
Bädern  bis  zu  25°  R  kann  die  Dauer  des  einzelnen  Bades  bis  zu  10  Minuten 
ansteigen,  und  darf  bei  warmen  Bädern  von 
26»,  27°  und  28°  R  bis  zu  15  Mmuten  betragen. 
Wo  es  zweckmäßig  befunden  wird,  noch  höhere 
Temperatur  anzuwenden,  die  dann  schon  als 
heiße  Bäder  bezeichnet  werden  müßten,  ist 
die  Zeitdauer  nun  wiederum  niedriger,  ungefähr 
auf  5  Minuten  zu  bemessen.  Diese  Angaben 
sind  natürlich  lediglich  imgefähre  Anhalts- 
punkte; besonders  zu  beachten  ist,  daß  Kinder 
nicht  nur  empfindlicher  gegen  eine  Abkühlung 
durch  Bäder  sind,  so  daß  bei  ihnen  die  Tem- 
peratur höher  genommen  werden  muß  als  bei 
Erwachsenen,  sondern  daß  sie  auch  nur  kürzere, 
nur  die  halbe  Zeit  wie  diese,  im  Wasser  zu- 
bringen dürfen. 

Wird  aus  besonderen  Krankheitsursachen, 
wie  bei  Verbrennungen  oder  bei  Decubitus  oder 
wenn  ähnUche  Zustände  es  erheischen,  die  An- 
wendung sehr  protrahierter  Bäder  oder  gar  so- 
genannter Dauerbäder  von  ununterbrochener 
Einwirkung  nötig,  so  wird  der  Kranke  in  der 
bereits  erwähnten  Weise  auf  einer  Unterlage 
innerhalb  des  Wassers ,  auf  einem  Segeltuche 
oder  etwas  ähnUchem  gelagert,  der  Kopf  durch 
ein  Luftkissen  unterstützt,  der  Körper  auf  alle 
Fälle  durch  Gurte,  die  unter  den  Achseln  hin- 
durchgeführt werden,  gegen  ein  etwaiges  Unter- 
sinken geschützt  imd  der  größte  Teil  der  oberen 

Fig.  57.  Kopfdouche.  Das  sehr  einfache  Gerät  läßt  sich  überall  aufstellen  resp. 
in  jede  Badewanne  hineinstellen  und  durch  einen  einfachen  Schlauch  mit  der  Wasser- 
leitung verbinden. 


51 


14* 
4* 


198 


M.   MENDELSOHN, 


OeffmiDg  der  Badewanne  mit  Holzbrettera  imd  darüber  gebreiteten  Tüchern  oder 
mit  ähnlichen  Vorkehrungen  überdeckt,  um  eine  Abkühkuig  möglichst  zu  verhüten. 
Denn  die  Temperatur  dieser  Bäder  muß  eine  gleichmäßige  imd  andauernde  sein 
und  ungefähr  27°  oder  28°  R  betragen,  so  daß  also  stets,  selbstverständlich  mit 
aller  Vorsicht,  damit  der  Kranke  nicht  direkt  von  dem  neu  hinzufließenden  warmen 
Wasser  getroffen  wird,  durch  Hinzuschütten  wärmeren  Wassers  imd  Ablassen  des. 
abgekühlten  die  Temperatur  immer  wieder  hergestellt  wird.  Noch  besser  ist  es 
freilich,  diese  Regelung,  die  sonst  durch  ein  persönliches  üeberwachen  zu  geschehen 
hätte,  auf  mechanischem  Wege  durch  einen  Thermostaten  vollführen  zu  lassen,  der 
in  der  bekannten  Weise   bei  jedem  Herabsinken  der  Temperatur  des  Wassers  unter 

einen  bestimmten  Wärmegrad,  auf  den  er  ein- 
gestellt ist,  den  Hahn  der  dazu  gehörigen  Gas- 
flamme weiter  aufdreht,  bis  die  Temperatur  wieder- 
die  gewünschte  konstante  Höhe  erreicht  hat. 


Fig.  58.     D  ouclie  vorri  c  htun  g.  Fig.  59.     Douche  v  orrieh  t  uiig. 

Fig.  58,  59.  Zum  Applizieren  von  bestimmt  temperierten  und  quantitativ  be- 
messenen Wassermengen  dienen  Behältnisse,  welche  entweder  auf  einem  Stativ  in  der 
nötigen  Höhe  feststehen  und  an  seitlichen  Auslässen  die  bekannten  gießkannenförmigen, 
Douehenansätze  tragen  (Fig.  58),  oder  aber  es  sind  eimerförmige  Behältnisse,  welche  zur- 
Füllung  auf  den  Boden  gestellt  werden  und  feststehen ;  sie  wei-den  mittels  einer  Schnur, 
welche  über  einer  Rolle  an  der  Decke  läuft,  in  beliebige  Höhe  emporgewunden  ;  durch 
eine  zweite  Schnur  kann  das  verschließende  Ventil  gelöst  werden  und  die  Douche  tritt 
in  Thätigkeit  (Fig.  59).  Sie  sind  in  der  Krankenpflege  sehr  verwendbar ,  da  sie  in  völlig 
bereitem  Zustande    in  das  Zimmer  hineingebracht  werden  können. 

Andere  Badeeinrichtuugen  haben  ihre  besonderen  Bestimmungen ;  so  die  Geräte 
für  Bumpfbäder,  für  Fußbäder  und  für  Hand-  und  Armbäder.  Die 
flachen,  den  ganzen  Vorderarm  in  sich  aufnehmenden  eigenen  Zinkblechgeräte  für 
diesen  letzteren  Zweck  bedürfen  hinsichtlich  ihrer  Anwendungsweise  keiner  be- 
sonderen Erörterung;  für  Fußbäder  sind  eigene  Geräte  nicht  nötig,  jeder  Kübel 
oder  Eimer,  welcher  gestattet,  daß  das  Bein  bis  zur  halben  Wade  in  ihn  eintaucht, 
genügt   für  diesen   Zweck.     Für   Sitzbäder   sind  dagegen   improvisierte  Hausgeräte- 


52 


Die  Wirkung  durch.  Reinlichkeit. 


1Ö9 


nicht  sehr  zweckmäßig,  da  die  Vorderliiante,    über  welche  die  Oberschenkel  hinweg 
hängen,  lästig  wird;  hier  finden  besser  die  sogenannten  Sitzbadewannen  Verwendung. 

Es  ist  bei  deren  Gebrauch  besonders  darauf  zu 
achten,  daß  solche  Sitzbäder  nicht  Anlaß  zur 
Erkältung  werden,  da  hierbei  eine  Entblößung  des 
Körpers,  besonders  ohne  daß  dieser  in  das  Wasser 
eintaucht,  erforderlich  ist.  Sobald  daher  der  Kranke 
das  Hemd  abgelegt  hat,  ist  der  aus  dem  Wasser 
hervorragende  größte  Teil  des  Überkörpers  durch 
wollene  Decken  zu  schützen,  die  um  ihn  geschlungen 
und  durch  Verbandnadeln  zusammengesteckt  werden; 
sie  werden  am  besten  sehr  groß  gewählt,  so  daß  sie, 
wenn  der  Kranke  Platz  genommen  hat,  über  ihn 
und  die  Wanne  ringsherum  bis  zum  Boden  her- 
niederhängen und  das  Ganze  umhüllen.  Natürlich 
ist,  zumal  für  die  entblößten  Füße,  ein  Teppich 
oder  eine  Decke  vor  der  Sitzbadewanne  auszubreiten. 
Diese  Sitzbadewannen,  ebenso  wie  alle  anderen  Bade- 
geräte und  insbesondere  auch  die  großen  Wannen 
für  Vollbäder  dürfen,  was  nicht  immer  beachtet  wird, 


Fig.  60. 


Fig.  61. 


Fig.  60.  Douchevorrieht ung.  Die  Doudievorrichtung  ist  liier  an  einem  sehr 
großen,  Irrigator-ähnlichen  Behältnisse  angebracht,  welches  mittels  Kurbel  und  Kette  auf 
einer  an  der  Wand  befestigten  und  mit  Höhenskala  versehenen  Bahn  auf-  und  nieder- 
gleitet. Fallhöhe  und  Menge  des  ausströmenden  Wassers  sind  ganz  exakt  zu  bemessen. 
Ein  zweiter,  unten  mit  Hahn  versehener  Auslaß  läßt  das  Gerät  für  Ausspülungen  etc. 
•verwerten. 

Fig.  61.  U  ebergießungsgerät.  Eine  etwas  gröbere  Form  der  Kopfdouche  wird 
dadurch  vorgenommen ,  daß  ein  zunächst  im  umgekehrten  Zustande  angefülltes  kegel- 
förmiges Behältnis  von  dem  Kranken  selber  an  beiden  Henkeln  in  geneigter  Stellung  über 
■den  Kopf  gehoben  wird;  bei  senkrechter  Aufrichtung  des  Behältnisses  öffnet  sich  der 
untere,  durch  einen  Gewichtshebel  bis  dahin  zugehaltene  A''erschluß  und  die  Wassermenge 
■stürzt  in  einem  Gusse  heraus. 

und  ganz  besonders  dann,  wenn  die  Verabfolgung  des  Bades  im  Krankenzimmer 
selber  stattfindet,  nur  halb  mit  Wasser  gefüllt  werden,  um  beim  Hineinbringen  des 
Körpers  des  Badenden  ein  Ueberlaufen  und  eine  Durchnässimg  des  Zimmers  zu  ver- 
hüten. 


53 


200 


M.   MENDELSOHN, 


Abgesehen  von  allgemeinen  oder  lokalen  Badeapplikationen  spielt 
nun  aber  zur  Herbeiführung  einer  ausreichenden  Asepsis  die  regel- 
mäßige und  oft  wiederholte  partielle  Körperr einigung  eine- 
ausnehmend wichtige  Rolle  unter  den  therapeutischen  Maßnahmen  der 
Krankenpflege.  Der  gesunde  Mensch  wäscht  sich  im  täglichen  Leben 
mehr  oder  minder  regelmäßig  und  häufig  und  mehr  oder  minder  aus- 
gedehnt, am  häufigsten  die  Hände,  oft  das  Gesicht,  die  übrigen  Körper- 
teile je  nach  sozialem  Bedürfnis  und  anerzogener  Gewohnheit.  Das 
Gerät,  welches  hierzu  dient,  wird  auch  im  großen  Ganzen  in  der 
Krankenpflege  als  eben  solches  verwendet,  nur  daß  auch  hier  wieder 
sehr  häufig  die  Manipulation  eine 
passive  für  den  Kranken  wird,  die 
er  infolge  seiner  Krankheit  eben- 
sowenig selbständig  vorzunehmen 
vermag ,  wie  das 
Kinder  können. 


Fig.  62.  Fig.  63. 

Fig.  62.  Arm  b  ade  wanne.  Das  kleine  Gerät  ist  für  einen  wie  für  beide  Vorder- 
arme, EUenbogengelenke  nnd  Hälften  der  Oberarme  verwendbar;  ein  darüber  gelegter 
Deckel  läßt  die  Temperatur  der  Badeflüssigkeit  lange  erbalten  bleiben.  Bei  schmerzbaften 
Affektionen,  Ankylosen  und  sonstigen  Besonderheiten  können  eine  Anzalil  mehr  oder 
minder  tief  in  das  Innere  herabhängender  Schnüre,  welche  an  Knöpfen  an  der  Aussen- 
seite  des  Geräts  eingehängt  sind  und  von  einer  Seite  zur  anderen  hinüberziehen,  dem 
Vorderarm  zum  Ruhelager   dienen. 

Fig.  63.  Rumpf  bade  wanne.  Die  Form  des  Geräts  macht  eine  besondere 
Unterstützung  des  Badenden  notwendig,  am  besten  manuell  durch  eine  mithelfende  Person. 


Fig.  64.  Lager  für  Körperwaschungen.  Das  auch  imter  dem  Naniem 
Massagebank  bekannte  und  von  ZEGGEßT  angegebene  Lager  für  Körperwasehungen  l)e- 
steht  aus  einer  Eeihe    von  oben    rund   und  glatt  gestalteten  Holzstäben,   auf   welchen  der 


54 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


201 


Backte  Körper  ohne  besondere  Druckeuijrfindung  bequem  aufruht ;  das  beim  Waschen  ab- 
fliei3ende  Wasser  kann  durch  die  Zwisclienräume  der  Stäbe  in  darunter  gestellte  Blech- 
kästen ablaufen.  Das  Gerät  ist  in  mannigfachen  Kombinationen  für  die  verschiedensten 
Körperhaltungen  verstellbar  xmd  kann  auch,  wenn  es  mit  entsprechender  Stoffumkleidung 
versehen  wird,  für  Schwitzbäder  Verwendung  finden. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  der  Körper  eines  Kranken  auf  das  peinlichste 
sauber  gehalten  werden  muß.  Daher  ist  es  nicht  nur  in  Krankenhäusern  ein  zweck- 
mäßiger Brauch,  sondern  empfiehlt  sich  auch  sonst  im  Beginn  einer  voraussichthch 
längere  Zeit  währenden  Erkrankung,  zimächst  den  ganzen  Körper  des  Krauken  zu 
reinigen,  und  zwar  am  einfachsten  und  gründlichsten  durch  ein  Bad,  welches  dem 
Kranken  appliziert  wird.  Wo  das  nicht  möglich  ist,  kann  eine  allgemeine 
Waschung  des  ganzen  Körpers  erfolgen,  die  entweder  im  Krankenbette  selber, 
wobei  dann  Gummiunterlagen  zu  benatzen  sind,  oder  auf  einem  Reservebette  an 
Stelle  des  Badens  geschieht,  derart,  daß  mit  einem  weichen  Seifenlappen  der  Körper 
Ghed  für  Glied  gewaschen  wird;  jedoch  so,  daß  der  zuvor  entblößte  Kranke  dabei 
völlig  in  Decken  eingehüllt  wird  und  immer  nur  der  gerade  der  Waschung  unter- 
worfene Körperteil  frei  gemacht,  gewaschen  und  getrocknet  wird,  sodann  sogleich 
mit  Tüchern  gänzlich  abge- 
rieben und  von  Feuchtigkeit 
befreit  wird,  um  gleich  wieder 
bedeckt  zu  werden. 

Abgesehen  von  einer  ersten 
allgemeinen  und  gründlichen 
Waschung,  welche  bei  länge- 
ren Krankheiten  nach  Bedarf 
in  regelmäßigen  Zwischen- 
räumen zu  wiederholen  ist,  hat 
auch  die  tägliche  Säube- 
rung und  Reinigung 
ebenfalls  sehr  regelmäßig  und 
mit  aller  Sorgfalt  zu  ge- 
schehen.   AVo  es  möglich  ist, 

Fig.  65.  Handbürste.  Die  von  Dr.  med.  BOCK  angegebene,  zur  Eeiuigung  der 
Hände  bestimmte  Bürste  ist  ebenso  gestaltet,  wie  die  allgemein  gebräuchlichen,  einfachen 
und  wohlfeilen  Handbürsten;  nur  daß  jede  Längsreihe  von  Borsten-Büscheln  mit  ihrem 
zugehörigen  Teile  des  Bürsteflkörpers  für  sich  gefertigt  und  selbständig  gearbeitet  ist,  so 
daß  die  für  gewöhnlich  durch  zwei  Schrauben  zusammengehaltene  Bürste  sieh  leicht  durch 
deren  Lösung  in  eine  Anzahl  einzelner  Längsstreifen  zerlegen  läßt.  Die  einfache  Ein- 
richtung ist  sehr  wertvoll;  gerade  in  der  Tiefe  der  Bürste  sammeln  sich  zwischen  den 
einzelnen  Borsten-Büscheln  oft  enorme  Jlengen  unreinlicher  und  schmutziger  Abfallstoffe, 
durch  Seife  zu  einer  zusammenhängenden  nnd  festen  Jlasse  verklebt,  an,  die  durch  die 
gewöhnliche  Reinigung  der  Bürsten  nicht  zu  entfernen  sind,  liier  dagegen  mit  leichter 
Mühe  abgelöst  werden  können. 

überläßt  man  auch  diese  Verrichtung  dem  Krauken  selber;  man  bringt  ihm  zur 
gewohnten  Zeit,  tägheh  zur  gleichen  Stunde,  nachdem  man  den  Oberkörper  in  der- 
selben Weise  wie  zur  Nahrungsaufnahme  aufgerichtet  und  in  eine 
bequeme  imd  unterstützte  Position  gebracht  hat,  das  notwendige  Gerät 
für  die  Waschung,  Schüssel,  Wasser,  Kamm,  Handtuch,  Seife  und 
was  sonst  dazu  gehört,  und  stellt  ihm  alles  thunlichst  zur  Hand,  ins- 
besondere ist  man  ihm  auch  beim  Weggießen  des  verbrauchten  Wassers 
und  bei  seiner  Erneuerung  behilflich.  Wo  der  Kranke  die  AA'aschung 
nicht  selber  vornehmen  kann,  muß  sie  durch  die  Wartung  geschehen. 
Befinden  sich  mehrere  Kranke  in  demselben  Räume,  so  kann  ein  all- 
gemeines Waschgerät  für  eine  klehie  Anzahl  von  Personen  zugleich 
dienen;  es  ist  jedoch  imbedingt  erforderlich,    daß  jeder  sein  eigenes 

Fig.  66.  Fußzehen-Reiniger.  Ein  einfaches,  auswechselbares,  über  einen  bogen- 
förmigen Handgriff  gespanntes  Flanellstück  erlaubt  ohne  Belästigung  die  oft  vernachlässigte 
Reinigung  der  Zehenzwischenräume  vorzunehmen,  sei  es  durch  den  Kranken  selber,  sei 
es  durch  dritte  Personen. 


55 


202 


M.    MENDELSOHN, 


Handtuch  hat  und  womöghch  auch,  wenn  das  auch  nicht  ganz  und  gar  "notwendig  ist, 
seinen  eigenen  Kamm.  Werden  zum  Waschen  des  Gesichtes  Schwämme  oder  so- 
genannte kieifenlappen  verwendet,  so  ist  darauf  zu  halten,  daß  diese  nicht  etwa  bei 
mehreren  Kranlcen  gleichzeitige  Anwendung  erfahren.  Im  übrigen  hat  sich  die  täg- 
liche Reinigung  nicht  nur  auf  das  Waschen  der  Hände  und  des  Gesichtes  zu  er- 
strecken,  sondern   auch   das    Haar  ist   alle  Tage  sorgfältig   durchzukämmen    und 

eventuell  auch  der  Kopf  zu  wa- 
schen ;  wenn  es  nötig  ist,  darf  bei 
weiblichen  Patienten  auch  nicht 
verabsäumt  werden,  das  Haar  in 
zwei  Zöpfe  zu  flechten  und  seitlich 
hoch  zu  stecken,  damit  die  Zöpfe 
nicht  unter  die  Kranke  geraten 
und  sie  di'ücken,  oder  sich  irgend- 
wo festklemmen  und  bei  Be- 
wegungen einen  schmerzhaften 
Zug  verursachen. 

Fig.  67.  Kopf  bürste.  Für  Kiankenluiuser,  in  denen  es  iiiclit  möglieh  ist,  für 
jeden  Kranken  eigene  Geräte  für  die  Kürperieinigung  zu  halten,  sowie  für  alle  in  Betracht 
kommenden  Haaraffektionen,  sind  ganz  aus  Metall  hergestellte  Kopfbürsten,  wegen  der 
Möglichkeit,  sie  vollständig  nach  jedem  Gebrauch  zu  desinfizieren,  sehr  vorteilhaft.  Solche 
Bürsten  tragen  an  Stelle  der  Borsten  oder  Haare  aus  feinem  Metalldrahtgefertigte  , Borsten'  ; 
diese  Drähte  dürfen  an  ihrem  freien  Ende  nicht  scharf  abgeschnitten  sein,  sondern 
müssen  abgerundete  Enden  haben. 


Besondere  Wichtigkeit  und  besondere  Schwierigkeit  besitzt  die 
Reinigung  der  nicht  ohne  weiteres  zugänglichen  Körperhöhlen;  vor 
allem  der  Mundhöhle,  sodann  aber  auch  die  Reinigung  der 
übrigen  K  ö  r  p  e  r  e  i  n  g  ä  n  g  e.  Welche  große  Bedeutung  die  Säuberung 
und  Reinigung  der  Mundhöhle  für  die  Hebung  der  Ernährung  hat,  ist 
dort  bereits  dargelegt  worden;  sie  hat  aber  auch  sonst  eine  aus- 
nehmende Wichtigkeit,  zumal  bei  fiebernden  und  bewußtlosen  Kranken, 
wie  in  der  Krankenpflege  überhaupt. 

Jeder  Kranke  muß  mit  Hilfe  der  Zahnbürste  täglich  in  der  übhchen  Weise 
seine  Mundhöhle  säubern;  bei  fiebernden  Kranken,  insbesondere  bei  Typhus- 
kranken, gehört  die  Pflege  des  Mundes  und  seine  Säuberung  zu  den  allerwichtigsten 
und  allerwesentlichsten  Aufgaben  der  Krankenpflege.  Ist  der  Kranke  nicht  allein 
imstande,  durch  regelmäßiges  und  nach  Bedarf  ausreichend  wiederholtes  Ausspülen 
Zunge  und  Bachen  sauber  zu  halten,  so  muß  ein  sorgfältiges  und  oft  wiederholtes 
Auswaschen  des  Mundes  erfolgen;  in  der  AVeise,  daß  ein  Leinwandläppchen  über 
den  Finger  gezogen  wird,  dieser  in  Wasser  oder  noch  besser  in  eine  alkalische 
Lösung,  welche  den  Schleim  löst,   gewöhnlich  in   eine  dünne  Boraslösung,   getaucht 

wird,  und  so  unter  vorsichtigem  aber  energi- 
schem Eingehen  in  die  Mundhöhle,  bei  geschlos- 
sen gehaltenem  und  nicht  freiwillig  geöffnetem 
Munde  am  besten  vom  Mundwinkel  her,  Zunge, 
Gaimien,  Backentaschen  und  Zahnfleisch  immer 
und  immer  wieder  abgewischt  imd  gesäubert 
werden.  Natürlich  sind  auch  die  Lippen,  wenn 
sie  trocken  sind ,  anzufeuchten  und  besonders 
von  anhaftendem  Schleime  und  Borkenbelage  zu 
befreien.  lieber  die  Blundpflege  vor  und  nach 
Fig.  68.  Augen  spülglas.  Die  kleinen  Glasgefäße  haben  eine  obere  Circum- 
ferenz,  welche  dem  bei  weit  geöffnetem  Auge  freiliegenden  Teile  des  Bulbus  entspricht. 
Sie  werden  mit  Wasser,  antiseptisoher  oder  adstringirender  Lösung  angefüllt,  dann  unter 
Herabneigen  des  Kopfes  gegen  das  geöffnete  Auge  angelehnt,  so  daß  sie  allseitig  schließen, 
und  lassen  danach,  wenn  nun  der  Kopf  hintenübergeneigt  wird,  die  Flüssigkeit  auf  die 
A.ugenoberfläche  xmd  in  die  Konjunktivalsäcke  fließen. 


-•,b 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


203 


■der  Nahrungsaufnahme  und  über  ihre  Bedeutung  für  die  Ernährung  ist  bereits  in  dem 

entsprechenden  Kapitel  gesprochen  worden. 
Ebenso  sind  auch  die  Augen  auszu- 
waschen, an  jedem  Morgen  und  auch 
sonst  nach  längerem  Schlaf. 


Fig.  69.  Fig.  70. 

Fig.  69.  Augendoii  olae.  Ein  einfacher  Irrigator  mit  metallenem  langen  Ausfluß- 
rohr trägt  an  dessen  unterem  Ende  einen  mit  Verschlußhahn  versehenen,  gabelig  geteilten 
imd  nach  oben  zurücligebogenen  Auslaß,  dessen  beide  freien  Spitzen  in  einer  der  Distanz 
der  beiden  Augen  entsprechenden  Breite  von  einander  abstehen.  Bei  mehr  oder  minder 
weitem  Oeffnen  des  Hahnes  treffen  die  Flüssigkeitsstrahlen  auf  die  darüber  gehaltenen 
Augen  mit  entsprechender  Intensität.  Der  Hahn  ist  immer  anfangs  nur  langsam  und  all- 
mählich zu  öffnen,  um  einen  allzu  heftigen  Anprall  der  Flüssigkeit  zu  verhüten. 

Fig.  70.  Augentropfglas.  Das  zur  Einbringung  von  Flüssigkeit  in  den  Kon- 
juiiKtivalsack  bestimmte  Fläschchen  ist  aus  ganz  dünnem  Glase  gefertigt  und  mit  einem 
so  kapillaren,  nach  oben  gerichteten  Ausflußansatz  versehen,  daß  die  Wärme  der  Hand 
genügt,  um,  wenn  das  Gefäß  ganz  und  gar  voll  gefüllt  ist,  nacli  einander  eine  Anzahl 
von  Tropfen  durch  den  Ausflul5ansatz  hinauszntreiben. 

Die  Eeinigung  der  übrigen  Körperhöhlen,  insbesondere  die  der  weib- 
lichen Geschlechtsöffnungen,  geschieht  jetzt  allgemein  und  ausschließlieh  nur  mit 
Hilfe  von  Irrigatoren,  deren  Ansatzschlauch  sich  beliebig  dirigieren  und  einführen  läßt. 
Diese  aus  Glas  oder  Metall  gefertigten  Gefäße,  welche  mit  einer  unteren  Auslauf- 
öffnung versehen  sind,  um  aus  ihr  Flüssigkeit  auszulassen,   werden  aus  mehrfachem 


Fig.  71.  Gummibläser.  Zum  Ausspritzen  enger  Kürperhöhlen,  des  äusseren 
Ohres,  der  Nase,  bei  kleinen  Kindern  auch  zum  Zwecke  der  Mastdarmeingießung,  sind 
kleine  weiche  Gummiballons  mit  entsprechend  feinen,  geraden  oder  gekrümiüten  Ansatz- 
stücken vielfach  zweckmäßig  zu  verwenden. 


57 


204 


M.    MENDELSOHN, 


Material,  insbesondere  aus  Metal],  hergestellt;  ebenso  häufig  bestehen  sie  aus  Glas,' 
und  das  gerade  darum,  um  mit  Hilfe  einer  Skala  den  Flüssigkeitszustand  im  Inneren 
verfolgen  zu  können.  Sie  sind  entweder  trichterförmig,  mit  einer  hinteren  abge- 
flachten Wandung,  mit  welcher  sie,  wenn  man  sie  an  die  Wand  hängt,  dieser  an- 
liegen, Formen,  welche  jedoch  nur,  wenn  sie  aufgehängt  werden,  sich  benutzen 
lassen,  da  das  trichterförmig  zulaufende  untere  Ende  ein  Hinstellen  nicht  gestattet; 
oder  sie  sind  cylindrische  Gefäße  mit  unterer  Bodenfläche,  welche  selbständig  stehen 

und  die  Ausflußöffnung  unmittelbar 
oberhalb  des  Bodens  tragen ,  und  die 
außerdem,  da  ihre  Hinterwand  eben  ge- 
staltet ist,  angehängt  werden  können. 
Einen  unteren  Verschluß  tragen  diese 
Gefäße  nicht;  dieser  liegt  der  bequemeren 
Handhabung  wegen  erst  am  peripheren 
Ende  des  anzusetzenden  Gummi- 
schlauches. 


Fig.  72.  Fig.  73. 

Fig.  72.  Doppelirrigator.  Zwei  Irrigatoren  auf  einem  gemeinsamen  Stativ  ver- 
einigen ihre  Auslaßsehläuche  zu  einem  einzigen  Schlanclie ;  ein  Dreiwegeliahn  läßt  je  nach 
Belieben  in  der  sich  mischenden  Flüssigkeit  den  Inhalt  des  einen  oder  des  anderen  Irri- 
gators überwiegen,  so  daß  bei  vorheriger  AnfüUung  des  einen  Beliältnisses  mit  heißer,  des 
anderen  mit  kalter  Flüssigkeit  die  aBlaufende  und  zur  Verwendung  gelangende  Lösxmg 
jede  Temperatur  annehmen  kann. 

Fig.  73.  Heizbarer  Irrigator.  Eine  kleine  Spirituslampe  unter  dem  von  Dr. 
med.  STRAUSS  angegebenen  Gerät  bringt  die  in  diesem  Platz  findende  Flüssigkeitsmenge 
in  kurzer  Zeit  auf  eine  ausreichende  Temperatur,  welche  durch  einen  in  die  Flüssigkeit 
tauchenden  Thenuometer  kontrolliert  werden  kann.  Das  beigegebene  kleine  Jlaßgefäß  ist  für 
das  Abmessen  der  zur  Verwendung  kommenden  Spiritusmeuge  empirisch  graduiert  und  an 
den  Teilstrichen  seiner  Skala  mit  der  Angabe  der  Temperaturgrade  versehen,  auf  welche 
die  entsprechende  Spiritusmenge  den  Inhalt  des  Irrigators  zu  erwärmen  vennag;  natürlich 
sind  diese  Angaben  nur  ganz  ungefähre  und  approximative. 

Diese  Irrigatoren  finden  ihre  Anwendung  ebenfalls  nicht  in  unmittelbarer  Be- 
rührung mit  dem  Körper  des  Kranken,  sondern  haben  viehnehr  den  Zweck,  Flüssig- 
keiten in  bestimmter  Dosierung  und  unter  bestimmbarem  Drucke  an  den  Körper 
des  Kranken  heranzuführen  oder  ihm  durch  eine  seiner  natürlichrn  oder  durch  eine 


58 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


205 


künstliche  Oeffnung  der  Körperoberfläche  einzuverleiben.  Sie  sind  zu  diesem  Zwecke 
an  ihrem  unteren  Ende  mit  seinem  mehr  oder  minder  langen  Gummischlaueh  mon- 
tiert, der  seinerseits  nun  an  seinem  peripheren  Teile  ein  Ansatzstück  trägt,  welches 
den  Ausfluß  der  Flüssigkeit  vermittelt  und  das  insbesondere  entweder  selber  einen 
Hahn  besitzt  oder  doch  so  an  dem  Schlauche  angebracht  ist,  daß  kurz  über  ihm 
der  weiche  Gummischlauch  durch  eine  Quetschhahnvorrichtung  je  nach  Bedarf  zu- 
sammengedrückt oder  geöffnet  werden  kann.  Natürlich  hängt  der  Druck,  unter 
welchem  aus  einem  solchen  Gerät  die  Flüssigkeit  ausströmt,  von  der  Höhe  ab,  in 
welcher  sich  der  Flüssigkeitsspiegel  im  Irrigator  über  der  Ausflußöffnung  befindet; 
und  da  ein  jeder  plötzliche  Anprall  einer  Flüssigkeit,  zumal  einer  differenten,  zu 
vermeiden  ist,  so  ergiebt  sich  als  Kegel,  daß  beim  Beginn  einer  Verwendung  des 
Irrigators  dieser  selber  nur  um  weniges  höher  als  die  Ausflußöffnung  gehalten 
werden  darf  und  erst,  nachdem  das  Ausfheßen  begonnen,  zu  der  gewünschten  Höhe 
emporzuheben  ist.  Soll  der  Ausfluß  unterbrochen  werden,  so  ist  das  Gefäß  tiefer 
zu  senken,  als  die  Ausflußöffnung  sich  befindet;  auch  ohne  AbschUiß  durch  einen 
Hahn  und  ohne  Zusammenpressen  des  Gummischlauches  hört  dann  das  Ausfließen 
auf.  Diese  Vorsichtsmaßregel  ist  besonders  da  am  Platze,  wo  mehrere  Personen, 
wie  das  bei  Operationen  vielfach  geschieht,  mit  dem  Irrigator  zu  thun  haben ;  nimmt 
man  Jemandem  einen  solchen  Irrigator  aus  der  Hand,  so  muß  man  das  mit  der 
einen  Hand  ergriffene  Gefäß  sofort  tief  senken  und  mit  der  anderen  Hand  den 
Schlauch  unmittelbar  oberhalb  des  Aus- 
flußrohres ergreifen,  um  ihn  sogleich  mit 
diesem  von  oben  her  in  den  In-igator 
hineinzustecken. 


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Fig.  74.     Irrigator. 


Fig.  75.     Irrigator. 


Im  übrigen  bedarf  die  Anwendungsweise  dieser  Geräte  keiner  besonderen  de- 
taillierton Vorschriften ;  sie  ist  bekannt  und  vielfach  geübt,  und  ergiebt  sich  in  ihrer 
Euifachheit  von  selber.  Daß  man  in  Glasgefäße  nicht  zu  heiße  Lösungen,  welche 
die  Gefäße  zimi  Zerspringen  bringen  könnten,  hineinschüttet ;  daß  man  Mischungen 
von  Flüssigkeiten,  um  eine  bestimmte  Temperatur  zu  erzielen,  nicht  erst  im  Irrigator, 
sondern  vorher  bereitet,  damit  keine  ungleichen,  zu  heißen  oder  zu  kalten  Flüssig- 
keitsmengen mit  einander  abwechseln ;  daß  man  bei  einer  Verwendung  von  Flüssig- 
keit in  größerem  Umfange,  als  die  einmalige  Kapazität  des  Irrigators  beträgt,  das 
Nachfüllen  so  vorzunehmen  hat,  daß  es  rechtzeitig  geschieht,  ehe  noch  die  vorher- 
gehende Flüssigkeitsportion  ganz  hindnrchgelanfen  ist  und  dann  bei  einem  späteren 
Einfüllen  Luft  mitgerissen  würde;  alles  das  und  ähnliche  Vorsichtsmaßregeln  sind 
so  einfach  und  selbstverständlich,  daß  sie  keiner  besonderen  Ausführiuig  bedürfen  ; 
ebensowenig  wie  die  Angabe,   daß  der  Irrigator,  je  nach  seiner  Gestalt,  entweder  in 


59 


206 


M.   MENDELSOHN, 


einer  bestimmten  Höhe  an  die  Wand  gehängt  werden  kann,  oder  auf  emen  Tisch 
oder  einen  Schrank  oder  auf  eine  sonstige,  einer  zweckmäßigen  Höhe  entsprechende 
Fläche  niedergesetzt  wird,  oder  aber  von  einer  helfenden  Person  während  der 
Manipulation  gehalten  werden  muß. 


Fi?.  76.     Ir  ri  e  ator. 


Fig.  77.     Irrigator. 


so 
daß  ein 


verbreitet   diese   Geräte  nun  auch  sind,  es   kann   leicht  der  Fall  eintreten, 
solcher  Irrigator   schnell  zur   Hand   sein   soll  und   nicht   beschafft  werden 

kann.     Für  die  solchermaßen  nötig  werden- 
I'  n  Improvisationen  kann   man   sich  jeder 
lößeren    Weinflasche    oder    Champagner- 
.  I  ische ,   deren  Boden  allerdings   zuvor  ab- 
.  sprengt   sein    muß,    bedienen.     Ein   der- 
iiiiges  Absprengen  läßt  sich  auf   einfache 
\it    auch    ohne    besonderes    Werkzeug   so 
1  zielen,   daß   man  zwischen  zwei   nahe  zu 
i'iander   gespannten  Schnüren   die  Flasche 
li  ht  an    ihrem   Boden   so    lange  hin   und 
li  r  reibt,  bis  in  ihrer  ganzen  Circumferenz 
iiii     geriebene    Partie    heiß     geworden    ist; 
-    ßt  man    dann    p)lötzlich    kaltes   Wasser 
d  irüber,   so    springt   der  Flasehenboden  an 
I  !■  durch  die  Reibung  erhitzten  Stelle  rings 
herum  glatt  ab.     Die   umgekehrte   Flasche 
wird  dann  an  ihrem  nach  unten  gerichteten 
Halse  durch   einen  gut  schließenden  Kork 
geschlossen  imd  dieser  von  einem  Glasröhr- 
chen oder,  wenn  ein  solches  nicht  zur  Hand, 
von    einer   sauberen   Federpose   durchbohrt 
I-,  mid     das     Ganze     als     improvisierter 

Fig.  74,  75,  76,  77,  78.  Die  Irrigatoren,  von  denen  außer  zu  ganz  besonderen 
Zwecken  keiner  ohne  Flüssigkeitsskala  verwendet  werden  sollte,  sind  entweder  nur  an  der 
Wand  hängend  oder  auf  einer  senkrechten  Bahn  gleitend  verwendbar  (Fig.  74),  oder  sie 
stehen  selbständig  auf  (Fig.  75).  Bei  allen  Vorzügen  des  Glases,  insbesondere  denen  der 
Durchsichtigkeit  und  der  dadurch  ermöglicliten  Kontrolle  des  jeweiligen  Inhaltes  und  der 
absoluten  Reinigungsmöglichkeit,  sind  am  zweckmäßigsten,  weil  alle  Aufgaben  am  leiclitesten 
erfüllend,  die  Kombinationen  von  Glas  und  MetaU,   die  Irrigatoren,  an  denen   das  eigent- 


6o 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


207 


liehe  Behältnis  aus  Glas  besteht,  das  Stativ  für  dieses,  die  Skala  etc.  dagegen  aus  Metall 
'Fig.  76).  Für  die  ambulante  Venvendung,  aber  nur  für  diese,  sind  ganz  aus  weichem  Gvimmi 
oder  wasserdichtem  Stoff  gefertigte,  völlig  zusammenlegbare  Irrigatoren  zur  Verfügung 
(Fig.  77);  diese  dürfen  jedoch  wegen  der  Schwierigkeit,  sie  sauber  zu  halten,  und  der  Un- 
möglichkeit einer  Kontrolle  des  jeweiligen  Inhalts  nur  ausnahmsweise  zur  Anwendung 
gelangen.  Das  gleiclie  gilt  von  den  ebenfalls  zusammenlegbaren  Behältnissen,  welche  in 
ihrem  oberen  Teile  aus  Metall,  ihrem  unteren  Teile  aus  Gummi  bestehen  (Fig.  78)  und 
bei  denen  der  ganze  weiche  Teil  einschließlich  des  Schlauches  und  des  Abflußrohres  von 
unten  her  in  den  Metallteil  eingestülpt  werden  kann ,  welcher  oben  und  unten  je  einen 
um  Scharniere  drehbaren  Metalldeokel  trägt,  so  daß  das  Ganze  im  geschlossenen  Zustande 
einer  Dose  ähnlieh  ist. 

Irrigator  benutzt.  Sehr  zweckmäßig  sind  auch  für  die  gleiche  Verwendung  kurze, 
metallene  zweischenklige  Röhren,  welche  mit  einem  ihrer  Schenkel  über  den  Rand 
eines  jeden  beliebigen  Gefäßes,  eines  Topfes  oder  eines  Bierseidels  oder  eines  ähnhchen 
Geschirrs  gehängt  werden  können,  während  an  ihrem  äußeren  Schenkel  der  Schlauch 
angebracht  wird;  es  bedarf  hier  allerdings  eines  erstmaligen  Ansaugens,  um  dann 
durch  Heberwirkung  ein  weiteres  spontanes  Ausüießen  der  Flüssigkeit  zu  erzielen. 
Die  Gummischläuche,  welche  an  den  Irrigatoren  wie  in  der  Krankenpflege 
überhaupt  außerordentlich  viel  in  Gebrauch  genommen  werden,  kommen,  wie  sich 
das  ja  auch  aus  der  Eigen- 
art dieser  Krankenpflege- 
Utensilien  ergiebt:  nur  als 
Behältnisse  für  einen,  selber 
das  Wesentliche  an  der 
ganzen  Vornahme  und  Ein- 
richtung darstellenden  In- 
halt zu  dienen,  überall  da 
zur  Verwendung,  wo  es  sich 
um  den  Transport  eines 
solchen  flüssigen  Inhaltes, 
um  seine  Fortführung  und 
Einbringung  handelt,  sei 
es  vom  Körper  des  Kran- 
ken nach  außen  hin,  sei  es 
umgekehrt  aus  einem  Behältnisse  der  Kraukenpflege  zum  Organismus  des  Kranken 
oder  in  diesen  hinein ;  aber  auch  in  den  weiteren  entfernteren  Zonen  der  Anwendungsart 
der  Krankenpflegemittel,  kommen  überall  für  solchen  Zweck  die  Gummischläuche  in 
mannigfachster  Form  und 
Gestaltung  zur  Anwen- 
dung. Ueber  ihre  Ge- 
brauchsanwendung, die  all- 
täghch  und  bekannt  ist, 
braucht  nicht  viel  gesagt 
zu  werden ;  es  ist  dafür 
Sorge  zu  tragen,  daß  überall 
da,  wo  sie  einen  flüssigen 
Inhalt  fortleiten  sollen, 
zuvor  die  Luft  aus  ihrem 
Innern  verdrängt  wird ;  so- 
dann muß  bei  der  Ver- 
wendung  solcher  Gummi- 

Fig.  79,  80.  Die  gläsernen  Ansatzstücke  dienen  zu  Scheidenauspülungen ;  sie  tragen 
oberhalb  des  peripheren ,  eigentlichen  Ausflußrolires  eine  birnenförmige  Ansclrwellung, 
welche  eine  gänzliche  Ausfüllung  der  Vulva  und  damit  einen  vollständigen  Abschluß  der 
Vagina  bewirkt  (Fig.  79).  Ohne  einen  solchen  Abscliluß  läuft  jede  eingeführte  Flüssigkeits- 
menge  alsbald  wieder  all,  ohne  die  ganze  Innenfläche  der  Scheide,  insbesondere  deren 
höhere  Abschnitte,  zu  treffen.  Bei  der  von  Dr.  med.  FRIED  LIEB  angegebenen  Modifikation 
(Fig.  80)  läßt  sicli  die  Ausspülung  auch  in  der  Bettlage  vornehmen,  da  hier  ein  lie- 
sonderes,  mit  einem  Gummischlauch  zu  armierendes  Abflußrohr  den  Abfluß  besorgt ;  sonst 
ist  dieser  durch  zeitweises  Lüften  des  Ansatzstückes  herbeizuführen. 


Fig.  80.     Schlauchansatz  für  Irrigatoren. 


6i 


208 


M.    IIEKDELSOHX. 


scliläuclie,  zumal  läugerer.  acht  gegeben  werden,    daß   sie  nicht   abknicken,    sondern 
überall  nur  in  flachem  Bogen  fortlaufend  gehalten  werden ;  und  wo  sie  an  ein  festes 

anderes  Bohr,  eicen  Ausfluß  oder  ein  sonstiges  Glas- 
oder Metallrohr,  durch  Hinüberstreifen  angesetzt  wer- 
den sollen,  muß  dieses  letztere  angefeuchtet  werden, 
wodurch  ein  leichteres  Hinüberstreifen  ermöglicht  wird : 
auch  kann  man  vorher  das  freie  Ende  des  Gumnil- 
schlauches  um  so  viel  umstülpen,  als  man  es  hinüber- 
streifen will,  und  dann  über  das  dagegen  gehaltene 
feste  Ansatzstück  wieder  zurückstreifeu. 

Die  nächste  größere  Gruppe  von  Maß- 
uahmen  der  Krankenpflege,  welche  der  hypur- 
gischeu  Asepsis  dienen,  betrifi't  die  unmittel- 
baren .  dem  Organismus  des  Kranken  auf- 
liegenden äußeren  Bedeckungen:  die  Kran- 
kenwäsche und  die  Krankenbeklei- 
d  u  n  g. 

Fig.  81.  Schlauch-Leitung.  Eine  wmkelig  gebogene  Röhre  liegt  auf  einem 
kleinen  Träger  auf,  dessen  unteres,  mit  Klammem  vei'sehenes  Ende  sieh  federnd  über 
den  Rand  eines  jeden  beliebigen  Gefäßes  aufsetzen  läßt.  Versieht  man  die  beiden  freien 
Enden  des  Winkelrohres  mit  je  einem  kürzeren  und  längeren  Schlauch,  so  läßt  sich  das 
Ganze  an  jedem  Gefäß  als  improvisierte  Irrigatorvorriehtung  verwenden.  Allerdings  ist 
ein  erstmaliges  Ansaugen  der  Flüssigkeit,  um   die  Heberwirkung  hcrzustelleu,   von   nöten. 

Diese  Krankenwäsche  und  Krankenbekleidung  ist  ein  Typus  für  diejenigen 
technischen  Hilfsmittel  der  Krankenpflege,  welche,  obwohl  im  täglichen  Leben  dauernd 
in  gleicher  Form  und  Gestalt  verwendet,  für  die  Krankenpflege  eine  eigene  und  her- 
vorragende Bedeutung  gewinnen.  Die  Besonderheiten,  welche  für  die  Leibwäsche 
gerade  aus  der  Krankheit  her  entstehen,  liegen  einmal  darin,  daß  bei  einem  bett- 
lägerigen Kranken  dem  größten  Teile  der  Aufgaben,  welche  sonst  die  Kleidung  er- 
füllt, hier  durch  das  Bett  entsprochen  wird,  so  daß  als  einzige  eigentliche  Bekleidimg 
nur  die  Leibwäsche  zurückbleibt;  besonders  wichtig  ist  die  Anwendimg  der  Kranken- 
wäsche sodann  auch  darum,  weil  bei  der  erhöhten  Inanspruchnahme  imd  dem 
oft  sehr  häufig  notwendig  werdenden  Wechsel  der  einzelnen  Wäschestücke  der 
Kranke  diese  Maßnahmen  dennoch  nicht  selbständig  vornehmen  kann,  sondern  auf 
dritte  Personen  dabei  angewiesen  ist.  Es  ist  daher  eine  wichtige  Eegel.  daß  ein 
Kranker  im  Bette  ausschließlich  nur  mit  Leibwäsche  bekleidet  ist;  nie  und  nimmer 
dürfen  Kranke  in  Kleidern  zu  Bett  liegen,  sondern  lediglich  mit  dem  Hemd  an- 
gethan,  allenfalls  nur  noch  mit  einem  Halstuch;  Frauen  werden  dazu,  da  deren 
Hemden  die  Arme  und  den  Oberteil  der  Brust  freizulassen  pflegen,  noch  mit  einer 
Nachtjacke  bekleidet  und  zum  Schutze  ihres  langen  und,  wenn  es  in  Verwirrung 
geraten,  schwer  wieder  in  Ordnung  zu  bringenden  Haares  mit  einer  Nachthaube 
versehen.  Strümpfe  oder  gar  Hosen  dürfen  jedoch  niemals  im  Bett  getragen  werden, 
am  allerwenigsten  etwa  zugleich  mit  Strimapfbändern  oder  anderen  einschnürenden 
und  die  Zirkulation  hemmenden  Vorrichtungen. 

Ein  weiterer  ziemlich  selbstverständlicher,  aber  noch  nicht  überall  zur  Aus- 
führung kommender  Grundsatz,  auf  dessen  Befolgung  die  Krankenpflege  streng  zu 
achten  hat,  ist  sodann,  daß  Leibwäsche,  sobald  sie  irgendwie  beschmutzt  oder  durch- 
näßt ist,  sofort  erneuert  werden  muß.  Das  für  die  Krankenpflege  überhaupt  so 
wichtige  Prinzip  peinlichster  Sauberkeit  hat  an  keiner  Stelle  eine  so  weitgehende 
imd  sorgfältige  Anwendung  zu  finden  wie  am  Körper  des  Kranken  selber,  und  in 
erster  Linie  an  der  Leibwäsche,  mit  welcher  er  bekleidet  ist.  NatürUch  hat  die 
Eegel,  jedes  unsaubere  oder  naß  gewordene  Wäschestück  sofort  zu  ersetzen,  ihre 
Ausnahmen:  es  kommt  unter  Umständen  vor,  daß  man,  wie  so  oft.  im  Leben  und 
in  der  Krankenbehandlung,  erwägen  muß,  welches  von  zwei  Liebeln  das  kleinere  sei ; 
und  wo  man  dann  zu  dem  Entschlüsse  kommen  wird,  es  sei  vorzuziehen,  dem 
Kranken  die  Beschwerden  eines  L'mkleidens  zu  ersparen  imd  ihn  heber  für  eine 
kurze  Zeit  noch  in  der  alten  Wäsche  zu  belassen.     Aber  auch  wo   keine  besondere 


62 


Die  Wirkung  durcli  Eeinlichkeit. 


209 


Befleckung  mit  Schweiß,  mit  Auswurfsstoffen,  mit  Blut  oder  Eiter,  mit  Speisen, 
Arzneien  oder  mit  einer  der  anderen  so  zahlreichen  Möglichkeiten  für  eine  Verun- 
.  reinigung  auf  der  Wäsche  bemerkbar  ist,  muß  diese  doch  alle  zwei  oder  drei  Tage 
bei  einem  bettlägerigen  Kranken  erneuert  werden;  und  auch  dort,  wo  ein  Wechsel 
in  diesem  Maße  sich  nicht  gestattet,  ist  als  weitester  Zeitpunkt  für  die  neu  zu 
wechselnde  Wäsche  die  Frist  von  einer  Woche  anzusehen. 

Im  allgemeinen  dienen  selbstverständlich  diejenigen  Hemden  und  die  anderen 
Wäschestücke,  welche  auch  sonst  der  Kranke  im  Gebrauch  hat,  ebenfaUs  für  die 
Zeit  der  Krankheit  zu  seiner  Bekleidimg;  es  ist  jedoch,  wo  eine  Wahl  mögUch  ist, 
Ton  Wichtigkeit,  solche  Hemden  auszuwählen,  deren  Brustschlitz  möglichst  weit  ist 
und  die  auch  hinreichend  weite  Aermel  haben,  da  hierdurch  das  Aus-  uud  Anziehen 


Fig.  82.  Krankenhemd.  Das  Hemd  läßt  sich  durcli  Lösen  sämtlicher  Bänder 
vollständig  in  der  Fläche  ausbreiten;  es  wird  so  unter  den  Rücken  des  Kranken  ge- 
schoben und  danach  über  seinen  Rumpf  und  die  beiden  Arme  zusammengeschlagen  und 
mit  Hilfe  der  Bänder  fixiert. 


erhebhch  erleichtert  wird.  Nötigenfalls  ist  ein  zu  kiu'zer  Brustlatz  ohne  vieles  Be- 
denken mit  der  Schere  zu  vergrößern.  Für  sehr  schwer  kranke  Personen  oder  für 
solche,  die  sich  nicht  viel  bewegen  dürfen,  empfiehlt  es  sich,  die  Hemden  in  der 
hinteren  Mittellinie  von  oben  bis  unten  hin  völlig  durchzuschneiden,  so  daß  sie  also 
wie  die  Hemden  kleiner  Kinder  hier  gänzlich  auseinandergebreitet  werden  können 
und  sich  ohne  weiteres  von  oben  her  über  die  Arme  des  Ki'anken  ziehen  lassen, 
welchen  man  danach,  wenn  es  möglich  ist,  erst  auf  die  eine,  dann  auf  die  andere  Seite 
dreht,  und  dem  man  so  die  beiden  hinteren  Hälften  des  geschlitzten  Hemdes  an  einander 
hringt  oder,  wenn  auch  diese  Bewegung  nicht  ganz  ausführbar  ist,  doch  wenigstens 
diese  Hemdenpartien  von  der  Seite  her  unterschieben  kann.  Auch  Hemden  mit  ge- 
schlitzten Aermeln  und  ebenso  Nachtjacken  derart,  bei  welchen  der  Aermel  in  der 
ganzen  Länge  an  der  Außenseite  bis  über  die  Schulter  hinweg  und  zum  Kragen  hinauf 
durchgeschnitten  ist,  finden  in  ähnlicher  AVeise  vorteilhafte  Verwendung.  Die  Ver- 
einigung der  aufgeschlitzten  Stellen  darf  niemals  durch  Knöpfe  versehen  werden, 
sondern  nur  durch  Bänder,  die  jederseits  an  entsprechenden  Stellen  des  Schlitzes 
angenäht  sind  und  mit  einander  verknüpft  werden  können ;  wie  überhaupt  jeglicher 
Knopf  an  der  Krankenkleidung  perhorresciert  werden  muß,  da  er  den  KIranken  drückt 
und  überall  an  seinerstatt  doppelte  Bändchen  zum  Verschlusse  zu  dienen  haben. 

Wo  derartig  geschlitzte  Hemden  nicht  vorhanden  oder  doch  nicht  nötig  sind, 
hat  das  Wechseln  des  Hemdes  bei  Kranken  unter  Beobachtimg  solcher  Vor- 
sichtsmaßregeln zu  geschehen,  daß  er  möglichst  wenig  davon  behelhgt  wird.  Es 
wird  hier  immer  noch  vieles  falsch  gehandhabt;  immer  und  überall  kann  man  sehen, 

63 


210  M.   MENDELSOHN, 

daß  unkundige  Pflegerinnen  versuchen,  auch  einen  Kranken  in  derselben  Weise,, 
wie  es  wohl  der  Gesunde  zu  thun  pflegt,  ein  Hemd  ausziehen  zu  lassen:  dadurch,, 
daß  man  zuerst  einen  Arm  aus  dem  Aermel  zieht,  dann  den  Ellbogen  krümmt,  und 
nun  versucht,  diesen  einen  Arm  aus  dem  vorderen  Brustschutz  des  Hemdes  heraus- 
zubringen. Das  ist  gänzlich  unstatthaft.  Ein  jedes  Ausziehen  eloes  Hemdes  bei 
einem  bettlägerigen  Kranken  muß  so  erfolgen,  daß  man  zunächst  den  Kumpf  und 
den  Rückenteil  des  Hemdes  von  der  Last  des  auf  ihm  ruhenden  Körpers  befreit, 
daß  man  also  das  Hemd  von  seinem  unteren  Bande  her  unter  dem  Kranken,  indem 
man  diesen  leise  anhebt,  nach  oben  hinauf  zusammenstreift,  bis  es  oberhalb 
der  Schulterblätter  zusammengeschoben  hohl  imter  dem  Nacken  Hegt;  alsdann 
werden  die  beiden  gerade  gestreckten  Arme  des  Kranken  soweit  als  möglich  nach 
oberhalb,  über  den  Kopf  hinaus,  beiderseits  auf  die  Kissen  gelegt,  der  vordere  Teil 
des  Hemdes  nun  gerade  so  wie  zuvor  der  hintere  von  unten  her  nach  oben  hin  zu- 
sammengestreift, und  zwar  dieser  sogleich  bis  über  den  Kopf  des  Kranken  hinaus,, 
derart,  daß  sein  Gesicht  dabei  gar  nicht  in  Berühnmg  mit  dem  Hemde  kommt; 
und  jetzt  ist  es  ein  leichtes,  von  hinten,  vom  Kopfende  des  Bettes  her,  diu-ch  Zug 
an  den  Handöffnungen  der  Aermel  das  Ganze  herunterzuziehen.  Auf  diese  Weise 
kann  eine  einzelne  Person  jeden  Kranken  ohne  Beschwerden  für  ihn  im  Bette  um- 
kleiden. Das  Anziehen  des  Hemdes  hat  in  genau  der  gleichen  Weise,  nur  in  natür- 
hch  lungekehrter  Reihenfolge  zu  geschehen;  es  ist  also  zuvor  der  ganze  RumpfteE 
des  Hemdes  rund  herum  zusammenzuschieben,  bis  er  allseitig  nur  einen  Kranz 
bildet,  an  welchem  die  beiden  Aermel  hängen  und  der  zunächst  mit  diesen  von 
hinten  her  über  die  auch  hier  wiederum  nach  oben  gerichteten,  ausgestreckten  Arme 
gestreift  wird;  dann  erhebt  man  den  Kopf  etwas,  zieht  das  noch  immer  so  zu- 
sammengefaltet gehaltene  Hemd  über  den  Kopf,  läßt  es  unter  dem  Nacken  liegen, 
breitet  den  vorderen  Teü  des  Hemdes  nach  imten  über  den  Kranken  aus  und  zieht 
nun  erst  unter  leichtem  Anheben  des  Kranken  den  unter  dem  Nacken  befindhchen 
Hemdenteil  glatt  nach  imten  hin  aus,  womit  die  Manipulution  beendet  ist. 

Daß  ein  jedes  frisches  Hemd,  wie  überhaupt  jeder  Gegenstand,  der  mit  dem 
Körper  des  Kranken  in  unmittelbare  Berührung  kommt,  vorher  erwärmt  werden 
mirli,  bedarf  keines  besonderen  Hinweises. 

Eng  mit  der  Krankenwäsche  und  Krankenkleidung  in  Zusammen- 
hang steht  und  dem  gleichen  Zwecke  der  Asepsis  dient  alsdann  die 
Bettwäsche,  die  oberste,  für  die  Zwecke  der  Asepsis  auswechselbar 
gestaltete  Schicht  des  Krankenbettes. 

Die  Bettwäsche,  und  zwar  Laken  wie  LTeberzüge,  muß  ebenso  wie  die  Leib- 
wäsche des  Kranken  stets  erneuert  werden,  sowie  sie  auch  nur  im  geringsten  un- 
sauber geworden ;  es  ist  darum  ein  unbedingtes  Erfordernis,  daß  die  Bettwäsche 
eines  Kranken  nicht  aus  farbigem  oder  gemustertem  Stoffe  besteht,  sondern  einzig  und 
allein  nur  aus  weißem  Gewebe.  Ledighch  auf  solchem  läßt  sich  ein  Unsauberwerden 
genügend  erkennen;  es  ist  ja  bekannt,  daß  aus  dem  umgekehrten  Grunde  Taschen- 
tücher von  bunter  Farbe  gewählt  zu  werden  pflegen,  eben  damit  ihr  Schmutzigsetn 
nicht  allzuschnell  bemerkbar  wird.  Gleichviel  also,  ob  man  wollene  oder  baumwollene 
oder  gar  seidene  Bettwäsche  in  Verwendimg  nimmt,  immer  muß  sie  weiß  und  farblos 
sein,  immer  ist  sie  beim  ersten  Anschein  eines  Schmutzigwerdens,  wo  nur  irgend 
thunhch,  zu  wechseln  und  zu  erneuern. 

Abgesehen  von  dieser  Erneuerung  der  Bettwäsche,  von  diesem 
Ersetzen  der  einzelnen  schmutzig  gewordenen  Stücke  durch  andere. 
ist  es  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  Krankenpflege,  die  Beschaffen- 
heit und  die  Verwendung  der  Bettwäschestücke  im  Krankenbette  so  zu 
überwachen  und  zu  regeln,  daß  sie  dem  Kranken  möglichste  Behaglich- 
keit gewähren  und  Ünzuträglichkeiten,  in  allerwichtigstem  Betracht 
die  Entstehung  von  Decubitus,  von  ihm  fernhalten. 

Notwendig  hierbei  ist,  daß  besonders  zu  dem  wichtigen  Zwecke  der  Verhütung 
eines.  Decubitus  das  Betttuch  nicht  nur  selber  stets  sauber  ist,  sondern  vor  allem 
frei  von  Ablagerungen  fremdartiger  Dinge,  die  von  irgend  einer  Stelle  des 

64 


Die  Wirkung  durch.  Reinlichkeit. 


211 


■  Bettes  her  in  dieses  liineinfallen  und  dann  um  so  schneller,  je  unruhiger  der  Kranke 
ist  und  je  mehr  er  sich  hiu  und  her  bewegt,  nach  dem  tiefsten  Punkte  der  Unterlage 
hingleiten,  also  gerade  nach  der  wichtigsten  Stelle,  auf  welcher  der  Kranke  eben 
aufliegt  lind  die  er  durch  den  Druck  seines  Körpers  zur  tiefsten  gestaltet.  Sodann 
aber  hat  das  Betttuch  stets  glatt  zu  liegen,  keine  Falten  zu  werfen,  die  ebenso 
wirken  würden  wie  Fremdkörper  und  einen  isolierten  lokalen  Druck  mit  allen  den 
möglichen  schädlichen  Konsequenzen  eines  solchen  ausüben  können.  Es  sind  daher 
nicht  nur  täglich  und,  wo  es  not  thut,  noch  öfter  alle  Speisckrümel  oder  Schnupf- 
tabakpartikel oder  ähnliche  Verunreinigungen  von  dem  Betttuch  zu  entfernen, 
sondern  dieses  selber  muß  ganz  besonders  auch  stets  straff  und  glatt  gehalten  werden. 

Das  einfachste  zu  einem  solchen  Glätten  des  Betttuches  ist,  daß  zwei  Per- 
sonen gleichzeitig,  eine  jede  von  je  einer  Seite  des  Bettes  her,  das  Betttuch  an  seinem 
entsprechenden  Kande  anfassen  und  langsam  aber  energisch  glatt  ziehen;  der  über- 
.stehende  Teil  wird  alsdann  in  der  bekannton  Weise  unter  die  Matratze  gestopft. 
Wo  bei  unruhigen  Kranken  dieses  Unierstecken  keinen  genügenden  Halt  gewährt, 
empfiehlt  es  sich,  um  das  Betttuch  straff  zu  halten,  es  mit  Verbandnadeln  an  den 
beiden  Seiten  der  Matratze  an  diese  anzustecken.  Bei  sehr  unsauberen  Kranken,  wo 
nicht  nur  ein  Straffhalten ,  sondern  auch  die  sehr  wichtige  Erneuerung  der  Bett- 
wäsche, insbesondere  der  von  dem  Kranken  unmittelbar  in  Mitleidenschaft  genommenen 
Unterlage  immer  und  immer  wieder  nötig  wird,  kann  man  zwei  oder  mehrere  Bettbezüge 
der  Länge  nach  aoeinander  nähen,  so  daß  eine  sehr  lange  Bahn  entsteht,  das  Ganze  von 
einer  Seite  her  aufrollen  und  das  freie  Ende  qner  über  die  Matratze  hinweglegen,  so  daß 
es  über  die  eine  Seite  des  Bettes  ein  wenig  hinüberreicht,  während  die  Hauptmasse  zu- 
sammengerollt auf  der  anderen  Seite  am  Boden  oder  auf  einer  Unterlage  liegt ;  so  kann 
nach  Bedarf  das  Laken  immer  weiter  unter  dem  Kranken  hinweg  nach  der  anderen  Seite 
hinübergezogen  werden,  wo  es  entweder  ebenfalls  aufgerollt  oder,  wenn  es  allzu  sehr 
beschmutzt  und  vielleicht  gar  übelriechend  geworden  ist,  in  einen  hier  aufgestellten 
Kübel  mit  Wasser  oder  mit  desinfizierender  Flüssigkeit  eingebracht  vrird. 

Auch  sind  einige  eigene  Geräte  angegeben  worden,  welche  das  Betttuch  des 
Kranken  glatt  und  straff  gespannt  halten  sollen.  Der  eine  dieser  Bettspanner  beruht 
auf  ungefähr  dem  gleichen  Prinzipe,  wie  die  eben  beschriebene  einfache  Maß- 
nahme: das  nur  in  der  Mitte  befindliche,  von  einer  Seite  zur  anderen  herüber- 
ziehende Bettlaken  ist  doppelt  gefaltet,  indem  die  beiden  Laken  außen  an  den  Seiten 
zusammenhängen  und  das  Ganze  so  gewissermaßen  eine  schlauchförmige  Gestalt  be- 


Fig.  83.  Bettspanner.  Beim  Gebrauche  des  von  Dr.  med.  GkOTJAHU  ange- 
gebenen, im  Text  beschriebenen  Bettspanners  ist  es  zweckmäßig,  ein  recht  großes  Kopfkissen 
oder  Oberbett  zuvor  so  zusammenzusehütteln,  daß  der  Federinhalt  die  eine  Hälfte  des 
Bettstückes  prall  ausfüllt,  und  danach  die  leere  Hälfte  der  Hülle  umzuschlagen.  Das  so 
gestaltete,  sehr  pralle  Kissen  wird  dann  unter  den  Bettspanner  gebracht  und  dieser  mit 
Hülfe  der  an  den  Seitenwänden  des  Bettes  befindlichen  Eiemen  über  ihm  möglichst  fest- 
gespannt. 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Krankh.    Suppl.  I.    Helt  3.  l  ^ 

Meodieliso  h  u_,  Krankenpflege.  ^-  k 


212 


M.   MENDELSOHN, 


sitzt;  hier  sind  beiderseits  Stäbe  hindurchgesteckt,  welche  durch  darunter  befindliche, 
an  den  Außenwänden  des  Bettgestelles  selber  befestigte  Kiemen  nach  unten  hin  mehr 
oder  minder  festgezogen  werden  können  und  dabei  natürUch  das  Laken  spannen,  das 
auch  bei  dieser  Vorrichtung  gleichzeitig  mit  seinen  einzelnen  Partien  nacheinander 
unter  den  Kranken  gebracht  werden  kann.  Eine  andere  Einrichtung  dieser  Art  be- 
steht darin,  daß  das  gewöhnliche  Bettlaken  an  seinem  Kopfende  ebenso  wie  an  seinem 
Fußende  um  je  einen  keilförmig  gestalteten,  so  breit  wie  das  Bett  selber  geformten 
Holzklotz  herumgeschlagen  und  durch  diesen,  der  je  nach  Bedarf  mehr  oder  weniger 
tief  zwischen  Matratze  und  Bettwand  hineingedrückt  werden  kann,  in  der  nötigen 
Spannung  erhalten  wird. 


Fig.  84.  L  ak  enspannyorriehtiing.  Beim  Gebrauche  der  emlauheu  \  ujucutimg, 
die  nur  in  Holzbettgestellen  sich  verwenden  läßt,  da  metallene  Bettgestelle  die  zur 
FixieruD"  notwendigen  Zwischenräume  zwischen  Bettwand  und  Matratze  nicht  besitzen, 
ist  darauf  zu  achten,  daß  die  Holzplatten,  welche  oben  und  unten  das  Bettlaken  einge- 
klemmt halten,  so  tief  an  den  Innenwänden  des  Kopfendes  und  des  Fußendes  des  Bettes 
nach  unten  geschoben  werden,  daß  das  Laken  thatsächlich  auf  der  Matratze  aufruht  und 
nicht  etwa  frei  über  diese  hinweggespannt  bleibt. 

So  sehr  jedoch  alle  diese  Vorrichttmgen  auch  ihren  Zweck  erfüllen  mögen, 
niemals  darf,  wozu  sie  vielleicht  Anlaß  geben  könnten,  das  möglichst  häufige  In- 
ordnungbringen  des  Krankenlagers  versäumt  werden  ;  ob  man  nun  neue  Bettwäsche 
wählt  oder  die  in  Gebrauch  befindlichen  Stücke  im  Bett  läßt,  mindestens  einmal 
täglich  muß  das  Bett  gemacht  werden,  ist  ein  LTmbetten  erforderlich.  Wenn  der 
Kranke  ohnedies  täglich  aus  welchem  Gnmde  auch  immer  sein  Bett  verläßt,  so  bei- 
spielsweise zum  Baden  oder  zum  Verbandswechsel  oder  aus  sonstigem  Anlaß,  so 
muß  naturgemäß  die  Gelegenheit  benutzt  werden,  um  in  dieser  Zeit  das  Umbetten 
vorzunehmen.  Auch  sonst  ist,  wenn  irgend  möglich,  das  LTmbetten  so  zu  gestalten, 
daß  der  Kranke  dazu  gänzlich  aus  dem  Bette  entfernt  wird ;  daß  er  also,  wo  er  es 
kann,  das  Bett  selbständig  verläßt.  Wo  das  nicht  möglich  ist,  muß  der  Kranke  für 
die  Zeit  des  Umbettens  am  besten  auf  ein  zweites  vielleicht  zur  Verfügung  stehendes 
Bett  gelegt  werden,  oder  aber  auf  einen  Divan  oder  einen  ähnlichen  Notbehelf.  Das 
allerbeste  sind  ja  in  der  That  Wechselbetten,  also  zwei  vollständige  Bettgestelle  und 
Betteinrichtungen  für  einen  Kranken,  der  nach  je  24  Stunden  immer  von  dem  einen 
Bett  in  das  andere  kommt,  während  das  augenbUcklich  leere  mit  aller  Muße  und 
Sorgfalt  wieder  in  Stand  gesetzt  wird.  Dieser  Komfort  ist  auch  gar  nicht  so  schwer, 
als  man  vielleicht  glauben  möchte,  [durchzuführen;  insbesondere  läßt  sich  bei  Er- 
krankungen einer  Ehehälfte  der  gesunde  Teil  leicht  anderweitig  unterbringen  und 
können  die   beiden  vorhandenen  Betten  so   allein  für  den  Kranken   zur  Benutzung 

66 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


213 


kommen.  Wie  man  einen  solchen  Kranken  aus  einem  Bett  in  das  andere  trans- 
portiert, wie  man  ihn  anfaßt  und  trägt,  gehört  zu  denjenigen  somatischen  Heilmitteln 
der  Krankenpflege,  deren  hauptsächlichste  Wirkung  auf  die  Erreichung  möglichster 
Schmerzfrelheit  gerichtet  ist,  und  findet  sich  daher  dort  näher  besprochen.  Immer 
und  in  allen  Fällen  wird  sich  allerdings  eine  gänzliche  Entfernung  des  Kranken  aus 
seinem  Bette  nicht  durchführen  lassen ;  wenn  es  nötig  wird,  das  Betttuch  in  solchem 
FaUe  zu  wechseln,  so  rolle  man  es  sowohl  vom  Kopfende  als  vom  Fußende  her,  wo 
beiderseits  der  Kranke  niu-  aufliegt,  nach  der  Mitte  hin  so  weit,  als  dies  ohne  be- 
sondere Schwierigkeiten  möglich  ist,  zusammen  und  ziehe  dann  diese  Doppelrolle, 
indem  der  Rumpf  des  Kranken  durch  eine  zweite  Person  ein  wenig  angehoben  wird, 
nach  der  Seite  hin  heraus  ;  die  Einbringung  des  frischen  Betttuches  geschieht  in 
der  gleichen  Weise,  indem  dies  ebenso  zusammengerollt  und  von  einer  Bettseite  her 
unter  den  Kranken  gebracht  wird,   und  nun  erst  aufgerollt  und  straff  gezogen  wird. 

Im  übrigen  hat  sich  bei  einem  jeden  Umbetten,  wie  es  sich  wieder  von  selbst 
versteht,  die  Erneuerung  und  Auffrischimg  der  Bettstücke  nicht  allein  auf  die  Bett- 
wäsche zu  erstrecken ,  sondern  Kissen ,  Matratze  und  überhaupt  alle  beweglichen 
Bettstücke  sind  aus  dem  Bettgestelle  herauszunehmen,  einige  Male  durchzuschütteln 
und  mit  der  flachen  Hand  zu  klopfen,  um  die  in  ihnen  befindliche  Luft  zu  er- 
neuern; dann  sind  sie,  wo  es  angeht,  umgekehrt,  also  mit  der  zuvor  oben  befindlichen 
Seite  mm  nach  imten  hin,  wieder  au  Ort  und  Stelle  zu  hringen.  Die  Bettdecke 
bleibt  so  lange  offen  über  dem  Fußende  zurückgeschlagen,  als  der  Kranke  nicht  im 
Bette  ist. 

Die  Reinigung  des  Körpers  mit  den  verschiedensten  Flüssigkeiten  erfordert 
sodann,  zumal  dort  wo  Ausspülungen  vorgenommen  werden,  eigene  Schichten,  wass  er- 
undurchlässige Unterlagen  ;  hierzu  wird  der  Gummi  in  der  Krankenpflege 
häufig  zur  Anwendung  gezogen,  um  Bestandteile  des  Krankenlagers,  insbesondere  des 
Krankenbettes,  die  sonst  in  den  Tagen  der  Gesundheit  aus  anderem  Stoffe  zweckmäßig 
gefertigt  sind,  nun  zu  ersetzen.  So  stehen  in  der  Krankenpflege  Gummistoffe  oder 
entsprechend  imprägnierte  andersartige  Gewebsstoffe  zur  Verfügung,  welche  in  aus- 
reichend großen  Ab- 
schnitten entweder  den 
ganzen  Umfang  eines 
Bettlakens  einnehmen 
oder  doch  einen  wesent- 
lichen Teil  eines  solchen 
bilden  können,  und  die 
in  der  That  zum  Ersatz 
einer  derartigen  Bett- 
unterlage  Verwendimg 
finden.  Diese  Stoffe  wer- 
den, wie  der  Gummi  über- 
haupt, in  sehr  verschie- 
denartiger Güte  herge- 
stellt ;  ihre  hauptsäch- 
hchste  Eigenschaft  muß 
neben  der  selbstverständ- 
hchen  Wasserundiirch- 
läßigkeit  die  sein,  daß  sie 

Fig.  85.  Spülunterlage.  Ein  rechteckig  geformtes  Luftkissen  ist  so  gestaltet, 
daß  an  einer  größeren  Zalü  von  Stellen  seine  beiden  Wände  miteinander  verschmolzen 
und  hier  gleielizeitig  durchbohrt  sind,  so  daß  nach  dem  Aufblasen  diese  Stellen  tiefer 
liegen  als  die  übrige,  vielfach  konvex  gestaltete  Oberfläche.  Jede  das  so  aufgeblasene 
Kissen  von  oben  her  treffende  Flüssigkeit  muß  nach  diesen  tieferliegenden  Oeffnungen 
fließen  und  durch  diese  hin  durchtreten.  Das  ganze  Kissen  wird  in  eine  sackartige  Hülle 
aus  wasserdichtem  Stoff  hineingethan,  welche  es  auf  der  oberen  Seite  jedoch  nur  ringsherum 
mit  einem  schmalen  Rande  umgiebt  und  von  deren  einer  Ecke  ein  Abflußschlauch  sich 
nach  unten  hin  erstreckt.  Ein  solches  Kissen  läßt  den  Kranken  auf  einer  weichen  Unter- 
lage ruhen  und  leitet  dabei  alle  von  oben  her  auttreffende  Flüssigkeit  hindurch  und 
mittels  des  Schlauches  nach  außen  ab. 


67 


15* 
5* 


214 


M.    MENDELSOHN, 


völlig  glatt  und  faltenlos  sich  auf  einer  Unterlage  ausbreiten  lassen.  Es  sind 
eben  Bettlaken,  nur  daß  sie  hier,  wo  die  Eigenschaft  der  Wasserundurchlässigkeit 
wertvoll  ist,  an  Stelle  der  sonstigen  aus  Leinwand  gefertigten,  welche  diese  Eigen- 
schaft nicht  besitzen,  zur  Verwendung  kommen.  Denkt  man  sich  solche  Laken  aus 
Gummistoff  in  einem  Bette  zweifach  übereinandergelegt  und  zwischen  diese  beiden 
Schichten  Luft  oder  Wasser  eingebracht,  was  sich  nur  ermöglichen  läßt,  wenn  man 
die  beiden  Gummitafeln  rundiun  miteinander  verschmilzt,  so  entstehen  die  an  anderer 
Stelle  beschriebenen  besonderen  Gummibehältnisse,  die  Luft-  und  Wasserkissen. 
Die  wasserdichten  Stoffe,  welche  weniger  als  Ersatz  wie  vielmehr  zur  Kompletierung 
des  eigenthchen  Betttuches  in  Anwendung  gezogen  werden,  denn  auch  hier  darf  der 


Fig.  86.  Spulbecken.  Ein  sehr  flaches  Becken,  dessen  Bodenfläche  aus  zwei 
nach  der  Mitte  hin  leicht  abfallenden  schiefen  Ebenen  besteht,  ist  dazu  bestimmt,  bei  weib- 
lichen Ausspülungen  xmd  bei  ähnlichen  Vornahmen  im  Bette  die  abfließende  Flüssigkeit 
aufzunehmen  und  fortzuleiten,  ohne  das  Bett  naß  werden  zu  lassen.  Zu  diesem  Zwecke 
ist  es  an  einem  seiner  Enden  mit  einer  leicht  konkav  gestalteten  Polsterung  versehen,  mit 
welcher  das  Ganze  unter  das  Kreuzbein  der  Kranken  geschoben  wird,  so  daß  sich  das 
Becken  dann  von  hier  aus  nach  dem  Fußende  des  Bettes  zu  erstreckt.  Beiderseits  sind 
an  den  tiefsten  Stellen  der  Bodenfläche  Auslässe  angebracht,  aus  denen  mittels  angesetzter 
Schläuche  Spülwasser  und  andere  Flüssigkeit  sogleich  aus  dem  Bett  in  untenstehende  Ge- 
fäße geleitet  werden  kann. 


Körper  nicht  direkt  auf  die  Unterlage  gelegt  werden,  sondern  muß  durch  die  dar- 
über gebreitete  Leinenschicht  von  dieser  getrennt  sein,  kommen  überall  da  zur 
Ingebrauchnahme ,  wo  bettlägerige  Ki-anke  entweder  Flüssigkeiten,  sei  es  aus  ihren 
natürhchen  Körperöffnungen,  sei  es  aus  Wunden,  absondern,  welche  in  die  Matratze 
hineinfließen  und  Verunreinigungen  abgeben  könnten,  oder  aber,  wo  häufig  und 
reichhch  an  den  Kranken  Manipulationen  vorgenommen  werden  müssen,  deren  in 
Gebrauch  gezogene  Flüssigkeit  gleichfalls  von  dem  Bettboden  abgehalten  werden  soll ; 
besonders  also  bei  der  Enthindung  und  bei  Krankheiten,  [welche  die  regelmäßige 
Ausspülimg  von  Scheide  und  Mastdarm  notwendig  machen. 

Dienen  alle  diese  Maßnahmen  der  eigentlichen  Köri^erreinigung 
und  der  Gestaltung  derjenigen  materiellen  Objekte,  welche  mit  dem 
Körper  in  einen  unmittelbaren  Kontakt  kommen ,  so  ist  für  eine 
ausreichende  Asepsis  des  weiteren  wichtig,  daß  auch  der  ganze  den 
Kranken  umgebende  Raum,  der  gesamte  Inhalt  des 
Krankenzimmers,  eben  so  rein  und  sauber  gehalten  wird, 
wie  das  für  jedes  Operationszimmer  in  rigorosester 
Weise  und  berechtigt  gefordert  wird.  Denn  die  Rück- 
wirkungen der  Umgebung  auf  den  in  ihrem  Mittelpunkte  befind- 
lichen Kranken  sind  hier  wie  dort  von  der  gleichen  Bedeutung;  und 
die  Asepsis  der  inneren  Medien  ist  kein  geringerer  Heilfaktor  als  die- 
jenige der  Chirurgie. 

Die  Sorge  für  eine  solche  EeinUchkeit  hat  sich  nun  nicht  allein  nur  auf 
eine  vöUige  und  selbst  peinliche  Säuberung,  nicht  nur  auf  eine  vollständige  Keinigung 
der  das   Krankenzimmer    erfüllenden   Objekte  und   des    Linenraumes   selber  zu   er- 


68 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit.  215 

strecken,  sondern  sie  hat  gewissermaßen  schon  vor  dem  Beginn  der  Erkrankung 
ihren  Anfang  und  oft  sogar  den  vresentlichsten  Teil  ihrer  Ausführung  zu  nehmen : 
in  der  Wahl  und  Einrichtung  des  Zimmers,  welches  für  den  Aufenthalt 
des  Kranken  bestimmt  wird.  Während  in  der  Gesundheitspflege  die  Aufgabe  der 
Eeinigung  nur  darin  besteht,  die  vorhandenen  Räume  und  Gegenstände  möglichst 
von  Verunreinigungen  frei  zu  halten  oder  solche  von  ihnen  zu  entfernen,  hat  die 
Krankenpflege  die  Möghchkeit,  alle  diejenigen  Objekte  überhaupt  aus  den  von  ihr 
benutzten  Kävimen  auszuschließen,  welcher  einer  solchen  hier  mehr  als  sonst  nötigen 
Eeinigung  erheblichere  Schwierigkeiten  bereiten  würden.  In  Krankenhäusern,  deren 
Aufenthaltsräume  ja  von  vornherein  für  den  alleinigen  Zweck  der  Beherbergung  von 
Kranken  hergestellt  werden  und'  dementsprechend  eingerichtet  sind,  fallen  diese 
Präliminarien  der  Reinigung  selbstverständlich  fort;  in  den  Wohnhäusern  ist  dagegen 
beim  Beginne  jeder  ernsteren  Erkrankung  das  geeignetste  Krankenzimmer  unter  dem 
Gesichtspimkte  der  möglichsten  Zweckmäßigkeit  erst  auszusuchen  und  einzurichten. 
Denn  noch  immer  besteht  bei  uns  die  zweckwidrige  Eigentümlichkeit,  auf  die  ich 
schon  wiederholt  hingewiesen  habe*)-  daß  in  ziemlich  bescheidenen  Wohnungen 
eigene  Fremdenzimmer,  in  besseren  Häusern  besondere  Räume  für  die  verschieden- 
artigsten Bethätigimgen  eingerichtet  sind,  nirgend  aber,  auch  in  den  vornehmsten 
Häusern  nicht,  für  die  Tage  der  Krankheit  eigene  zweckentsprechend  hergestellte 
Krankenzimmer  zu  finden  wären.  Und  doch  wäre  das  ein  Komfort  von  nicht  zu 
unterschätzender  Bedeutung. 

Nun  muß  man  sich  natürlich  überall  im  Leben,  und  nirgends  mehr  als  in  der 
Krankenpflege,  nach  den  gegebenen  Verhältnissen  richten;  wo  eine  Auswahl  unter 
mehreren  Räumen  nicht  möglich  ist,  bleibt  eben  nichts  anderes  übrig  als  den  einen 
vorhandenen  so  zweckmäßig  als  möglich  herzurichten ;  wo  jedoch  mehrere  Zimmer 
zur  Verfügung  stehen,  spricht  bei  der  Auswahl  die  mehr  oder  minder  leichte  Mög- 
hchkeit einer  vollständigen  Reinigung  und  Reinhaltung  des  gesamten  Innenraums 
in  entscheidender  Weise  mit.  Denn  zunächst  besteht  als  erste  Aufgabe,  als  wesent- 
lichste Unterstützung  und  oft  sogar  als  Voraussetzung  für  die  spätere  völhge  Sauber- 
haltung des  Krankenzimmers  der  Ausschluß  aller  schwer  zu  reinigenden 
oder  Verunreinigungen  leicht  in  sich  aufnehmenden  Gegenstände; 
und  es  hat  daher  in  betreff  derjenigen  Eigenschaften,  welche  in  der  unmittelbaren 
imd  nicht  beweglichen  Ausstattung  der  AVohnräume  liegen,  die  AVahl  des  Kranken- 
zimmers nach  dessen  Bauart  und  Auskleidung  mit  leicht  rein  zu  erhaltenden  Ma- 
terialien zu  geschehen,  während  das  Mobiliar  und  die  sonstigen  beweglichen  Objekte, 
insofern  sie  hier  störend  sind,  aus  dem  Krankenzimmer  entfernt  werden  müssen.  Wo 
dalier  ein  Zimmer,  dessen  Wände  Oelanstrich  haben  und  das  sonst  geeignet  ist,  zur 
Verfügung  steht,  verdient  es  den  Vorzug  vor  einem  solchen  mit  tapezierten  Wänden; 
sind  Tapeten  nicht  zu  vermeiden,  so  würden  wiederum  die  gefirnißten,  -waschbaren 
Holz-  oder  Ledertapeten  eine  bessere  Bekleidung  abgeben  als  das  einfache  Papier.  Haben 
die  Dielen  Parquetboden,  so  eignet  sich  cheser,  besonders  wenn  er  gut  gewichst  oder 
gehöhnt  ist ,  recht  wohl ;  imd  auch  Oelanstrich  oder  einfach  geölte  Dielen  er- 
leichtern die  Reinigung  in  ausreichender  Weise. 

Wird  man  so  in  den  privaten  Wohnungen  die  unverrückbaren  Einrichtungen 
der  Zimmer  immer  nur  in  einem  geringen  Maße  auswählen  können,  so  ist  der 
Thätigteit  des  Arztes  eine  dankbare  und  erfolgreichere  Aufgabe  in  der  Beseitigung 
des  übrigen  störenden  Inventars  im  Krankenzimmer  gegeben.  Hier  ist  das  erste 
Erfordernis,  alles,  was  Schmutz  imd  Staub  in  sich  aufnehmen  und  festhalten  kann, 
hinauszuschaffen,  und  insbesondere  die  Teppiche,  welche  ganz  und  gar  nicht  in  ein 
Krankenzimmer  gehören;  sie  nehmen  nicht  nur  den  Staub  aus  der  Luft,  sondern 
auch  allen  Schmutz  von  den  Füßen  der  Umhergehenden  auf  und  sind  zudem  völlig 
überflüssig  im  Krankenzimmer,  da  der  Kranke  ihrer  nicht  bedarf,  und  der  einzige 
Vorteil,  den  sie  gewähren  könnten :  den  Schall  der  Schritte  zu  dämpfen,  auch  durch 
Filzschuhe  imd  auf  andere  Weise  genügend  erreicht  werden  kann.  Nicht  minder 
sind  die  Bettteppiche  und  Bettvorlagen  bei  einem  bettlägerigen  Kranken  überflüssig; 
um  so  mehr,  als  sie  bei  den  Handreichungen  in  und  am   Bette  noch  mehr  als  die 


Martin  Mendelsohn,   Der  Komfort  des  Kranken.     Zweite  Auflage,   Berlin 
1892. 

6c) 


216 


M.   MENDELSOHN, 


Fig.  87.     Foriiialin- 
D  es  Infektion  slampe. 


Zimmerteppiche  der!  Gefahi-  einer  Durclinässiiug  und  Beschmutzung  ausgesetzt  sind. 
Auch  die  Bettvorhänge  und  Betthimmel  sind  zu  entfernen,  nicht  nur  aus  Gründen 

der  Eeinlichkeit,  sondern  noch  mehr  aus  solchen 
der  Lüftung  und  Lufterneuerung;  und  in  gleicher 
Reihe  mit  ihnen  rangieren  die  Thürportieren,  die 
schweren  Stoffgarchnen  an  den  Fenstern,  kurz  alle 
freihängenden  und  fliegenden  oder  flatternden 
Stoffe,  welche  in  einem  Krankenzimmer  nichts 
zu  thun  haben.  In  Einklang  mit  diesen  Vor- 
schriften steht  sodann  das  Gebot,  auch  alle 
Polstermöbel,  die  in  einem  Krankenzimmer  keinen 
Platz  finden  dürfen,  besonders  solche  mit  Samt- 
überzug, aus  ihm  zu  entfernen;  der  Kranke 
braucht  sie  nicht  und  die  Gesunden  können 
auf  HolzstiUilen  sitzen,  üeber  die  weiteren  Ob- 
jekte lassen  sich  natürHch,  da  ihre  Zahl  und  Art 
aufs  äußerste  nach  den  gerade  vorliegenden  Ver- 
hältnissen wechselt,  allgemeine  Regeln  nicht 
geben;  jedenfalls  sind  alleNippes,  alle  Stoff-  und 
Papier-Gegenstände,  Fächer,  und  aller  zerbrech- 
licher Kram,  wie  sie  in  den  Wohnzimmern  auf- 
gestellt zu  sein  pflegen,  hier  ganz  und  gar  über- 
flüssig. Mit  besonderer  Strenge  muß  auch  darauf 
geachtet  werden,  daß  Tieren  jeglicher  Art  der 
Zutritt  oder  der,  Aufenthalt  im  Ki'ankenzimmer 
versagt  bleibt,  eine  Aufgabe,  die  nicht  immer  gar  so  leicht  zu  erfüllen  ist,  da  nicht 
nur  die  Bauern  sich  Turteltauben   in   den  Krankenzimmern  halten,   welche  im  Rufe 

stehen,  Gesundheit  zu  bringen  und 
natürlich  aUes  beschmutzen,  sondern 
auch  in  nicht  bäuerlichen  Haus- 
halten Kanarienvögel  und  Schoß- 
hündchen und  mancherlei  anderes 
Getier  bei  den  Kranken  gar  nicht  so 
selten  anzutreffen  ist. 

Das  was  nun  im  Krankenzimmer 
zu  belassen  ist,  muß  stets  und  an- 
dauernd der  sorgfältigsten  Reinigimg 
unterliegen;  aber  auch  diese  Zim- 
merreinigung bedarf  nicht  bloß 
hinsichtlich  ihrer  thatsächlichen  Aus- 
führung, sondern  fast  mehr  noch  in 
Bezug  auf  die  Art,  wie  sie  vor  sich 
geht,  der  ärztlichen  Aufsicht  und  Kon 
trolle.  Was  man  im  täglichen  Leben 
unter  Abstäuben  versteht,  ist  ja  keine 
Entfernung  des  Staubes  aus  dem 
Zimmer,  sondern  nur  eine  Durch- 
wirbelung:  er  wird  von  einem  Gegen- 
stände abgeklopft,  um  sich  auf  einem 
anderen  niederzulassen.  Die  Ent- 
fernung des  Staubes  von  den  Objekten 
im  Krankenzimmer  muß  mit  einem 
feuchten  Lappen  geschehen,  und  alle 
Gegenstände,  welche  solche  Berührung 
nicht  aushalten,   gehören   eben  nicht 

werden  kleinere 
Geräte  verwendet,  an  denen  aus  einem  oberen,  zur  Auf- 


Fig. 


88.     Formalin- Des  Infektion  slampe, 
Fig.  87,  88.     Je  nach   der  Größe    des   zu  desinfizierenden  Eaumes 


(Fig.   87)  oder  größere  (Fig. 

nähme  des  Desinfektionsmittels  bestimmten  Gefäße  mittels  der  darunter  befuidlichen  Flamme 
die  Verdampfung  in  regulierbarer  Geschwindigkeit  vor  sich  geht. 

70 


Die  Wirkung  durch  Reinlichkeit. 


217 


//■'Äifr^^ 


in  ein  Krankenzimmer.  Auch  der  Fußboden  ist  feucht  aufzunehmen,  nicht  etwa 
■  nur  auszukehren ;  darum  empfiehlt  sich  eben  der  bereits  erwähnte  Oelanstrich. 
Und  ganz  besondere  Kontrolle  verlangt  dabei  der  unter  dem  Bett  befindhche  Teil  des 
Fußbodens,  der  ebenfalls  täglich  in  der  gleichen  Weise  gereinigt  werden  muß ;  liegt 
hier,  wie  es  manchmal  vorkommt,  sehr  viel  Staub,  so  muß  mau  diesen  mit  feuchtem 
Sägemehl  oder  noch  besser  mit  feuchten  Theeblättern  aufnehmen.  Selbst  die  Wände 
sind  zu  reinigen,  und  zwar,  wenn  irgend  möglich,  was  allerdings  von  ihrer  Be- 
kleidung abhängt,  ebenfalls  feucht;  natürUch  braucht  eine  solche  Eeinigung  nicht 
allzu  häufig  zu  geschehen,  am  besten  macht  man  sie  vorher  ab,  ehe  man  den  Kranken 
überhaupt  in  das  betreffende  Zimmer  bringt.  Eine  eigen thche  Desinf  ektioin  des 
Zimmers  und  seiner  Wände  geschieht  am  besten  durch  Formalin. 

Die  zweite  dieser  Sorgen  der  Asepsis  ist  die  für  eine  ausreichende  Luft- 
erneuerung im  Krankcnz^immer  sowie  für  die  genügende  Reinhaltung  der 
Zimmerlutt.  Auch  hier  ist  zunächst  vorher,  schon  bei  der  Wahl 
des  Krankenzimmers,  mancherlei  zu  beachten,  was  diesem  Faktor 
Rechnung  trägt  und  die  später  nötigen  Maßnahmen  erleichtert. 
So  muß  es  natürlich  in  allererster  Linie  geräumig  genug  sein,  da- 
mit sein  Luffcmaß  nicht  allzu  schnell  verbraucht  wird.  Ganz  be- 
sondere Beachtung  verdient  auch  die  unmittelbare  Umgebung  des 
Krankenzimmers  unter  dem  Gesichtspunkte  der  Lüftung,  damit 
nicht  etwa  die  zur  Erneuerung  m  das  Zimmer  eintretende  Luft 
aus  Räumen  oder  von  Orten  herkommt,  an  denen  sie  ungünstig 
beeinflußt  worden  oder  gar  verdorben  ist.  Es  muß  also  ein 
Krankenzimmer  möglichst  so  gewählt  werden,  daß  seine  Fenster 
ins  wirklich  Freie  gehen,  nicht  in  einen  engen  Hof,  zu  dem  Wind 
und  Luftbewegung  so  gut  wie  gar  kernen  Zugang  haben,  oder  gar 
in  Nebenräume,  auf  Gänge  und  Korridore,  welche  mit  Küche  und 
Speisekammer,  mit  Waschhaus  und  Souterrain  kommunizieren  und 
deren  verdorbene  Luft  |in  das  Krankenzimmer  gelangen  lassen. 
Das  ist  überhaupt  eine  wichtige,  leider  nur  zu  oft  vernachlässigte 
Regel:  sich  zu  überzeugen,  daß  die  Luft,  welche  zum  Zwecke 
der  Erneueruug  in  ein  Zimmer  gelassen  wird,  auch  thatsächlich 
gute  und  reine  Luft  ist. 

Und  auch  sonst  muß  die  Lüftung  zweckdienlich  und  sach- 
verständig vorgenommen  werden.  Sie  hat  durch  die  Fenster  zu 
geschehen,  die,  wenn  der  Kranke  im  Bett  und  zugedeckt  ist,  un- 
bedenklich ganz  weit  geöffnet  werden  können,  ohne  daß  Gefahr 
für  den  Kranken  da  wäre,  sich  zu  erkälten;  wer  im  Bett  liegt, 
erkältet  sich  nicht.  Dabei  sind  beim  Oeffnen  der  Fenster  stets  die 
oberen,  nicht  die  unteren  Flügel  zu  öffnen;  und  auch  hierauf  ist 
von   vornherein   die  Aufmerksamkeit   zu  richten,  daß  diese  oberen 


Fig.  89.  Ventilator.  Kleine  Gehäuse  mit  den  üblichen  Ventilationsrädern, 
welche  mittels  einer  Kette  geöffnet,  geschlossen  und  reguliert  werden  können,  lassen  sich 
in  geeignete  Fenster  oder  Thüröffnungen  der  Krankenzimmer  mülielos  einfügen. 

Flügel,  die  vielfach  bei  uns  entweder  durch  langen  Nichtgebrauch  verquollen  oder 
durch  Vorhänge  und  Gardinen  im  Oeffnen  behindert  sind,  sich  leicht  und  gänzlich 
bewegen  lassen.  Wie  weit  man  die  oberen  Fensterflügel  öffnet,  hängt  wesentlich 
von  der  Jahreszeit  und  Temperatur  ab;  es  genügt,  sie  manchmal  nur  eine  Hand 
breit  zu  öffnen,  ein  anderes  Mal  wieder  macht  man  sie  ganz  auf.  Was  aber  im 
Sommer  wie  im  Winter  geschehen  muß,  ist:  sich  nicht  nur  auf  einmaliges  Lüften 
innerhalb  eines  ganzen  Tages  zu  beschränken,  sondern  die  Lüftung  regelmäßig 
vorzunehmen,  unter  Umständen  alle  Stunden.  Hierfür  ist,  wie  so  oft,  die  Nase  ein 
feineres  Reagens  als  alle  anderen  bekannten  Mittel:  wenn  man  aus  dem  Freien 
in  das  Krankenzimmer  hineintritt  und  spürt  nur  den  geringsten  Unterschied  in 
der  Luft  beim  Eintreten,  so  muß  alsbald  eine  Lüftung  erfolgen.  Im  übrigen  lassen 
»sich;  wie  aus  der  Natur  der  Sache  hervorgeht,  präzise  Vorschriften  über  die  Dauer 
der  Lüftung  nicht  geben ;   als  Grundsatz  ist   nur  festzuhalten,   daß  eben  nach  Mög- 


71 


218 


M.   MENDELSOHN, 


Fis 


Verschlußdeckel. 


lichkeit  alle  stärkeren  Temperaturunterscliiede,  welclie  dem  Kranken  verhängnisvoll 
werden  können,  vermieden  werden  müssen.  Auch  sind  stets,  um  keine  unnötige 
Zugluft  zu  erzeugen,  so  lange  die  Fenster  offen  sind,  die  Thüren,  zumal  wenn  sie 
gegenüber  liegen  und  das  Bett  sich  dazwischen  befindet,  abzuschließen  und,  wenn 
sie  benutzt  werden  sollen,  erst  nach  vorhergegangenem  Schließen  der  Fenster  frei  zu 

geben;    auch  sonst  sind  die 

Thüren  stets  zuzuhalten. 
Darum  bedient  man  sich  ja 
gerade  der  oberen  mid  nicht 
der  unteren  Fenslerflügel, 
um  bei  etwa  entstehender 
Zugluft  diese  nicht  im 
Niveau  des  Kranken ,  son- 
dern über  ihn  hinwegziehen 
lassen.  Im  allgemeinen 
pflegt  die  Lüftung  der 
Krankenzimmer  eine  unzu- 
reichende zu  sein,  für  ge- 
wöhnlich pflegen  auch  die 
Thüren  des  Krankenzim- 
mers, welche  zu  schlecht  ven- 
tilierten Nebenräumen  füh- 
ren, nicht  genügend  ge- 
schlossen gehalten  zu  werden. 
Die  Fenster  sind  dazu  da, 
daß  sie  aufgemacht,  die 
Thüren  dazu  da,  daß  sie  zu- 
gemacht werden. 

Daß  man  außer  einer  zweckmäßig  veranstalteten  und  regelmäßig  wiederholten 
Luftemeuerung  auch  sonst  alles  vermeiden  muß,  was  die  Luft  im  Kranken- 
zimmer verderben  kann,  ist  zu  selbstverständlich,  als  daß  es  des  ausführ- 
licheren gesagt  zu  werden  brauchte:  im  Krankenzimmer  darf  unter  keinerlei  Vorwand 
etwa  ein  Feuer  angemacht  oder  irgend  etwas  gewärmt  oder  gekocht  werden,  seien  es 
nun  Nahrung   oder  Arzneien    oder   Umschläge   oder   irgend    welche  anderen  Dinge'; 

im  Krankenzimmer  darf 
nichts  von  Auswurfs- 
stoffen, was  verdunstet 
oder  üblen  Geruch  er- 
zeugt ,  unbedeckt  und 
unverschlossen  sein  oder 
auch  nur  eine  Minute 
länger  als  unbedingt  nötig 
verweilen ;  im  Kranken- 
zimmer dürfen  keine 
Oefen  rauchen ,  dürfen 
keine  sonstigen  Dünste 
oder  schlechten  Gerüche 
entwickelt  werden. 
Fig.  90,  91.  Die  auf  einem  Metallrahmen  nach  Art  eines  Trommelfelles  ausge- 
spannten sehr  elastischen  Gummiseheiben  (Fig.  90)  passen  auf  ein  jedes  Gefäß.  Wenn  sie 
auf  ein  solches  gelegt  und  in  der  Mitte  stark  eingedrückt  werden,  so  bleibt  der  einge- 
drückte Teil  der  Gummischeibe  in  der  Tiefe  stehen  (Fig.  91),  und  der  Verschluß  'ist 
durch  Ansaugung  ein  vollkommener. 

Das  gilt  auch  in  erster  Linie  und  ganz  besonders  von  dem  vielfach  ver- 
breiteten Unfuge  des  Räucherns  im  Krankenzimmer:  dadurch,  daß  mau  einen 
schlimmen  Geruch  durch  einen  anderen  verdeckt,  den  man  künstlich  erzeugt,  hat 
man  die  verdorbene  Luft  noch  nicht  aus  dem  Zimmer  gebracht;  es  giebt  über- 
haupt  nur   ein   einziges    erlaubtes   Vorgehen   hierbei,   und   das   ist,   die   verdorbene 


Fig.  91.     Verschlußdeckel. 


72 


Die  WirkuBS  durch  Reinlichkeit. 


219 


Luft  so  schnell  wie  möglich  zu  erneuern.  Allerdings  tragen  hierzu  manche 
Räucherungen  indirekt  wenigstens  bei;  nach  ihrer  Ausführung  ist  nun  der  Geruch 
im  Zimmer  so  ganz  und  gar  unerträglich,  daß  man  sich  jetzt  doch  zu  entschließen 
pflegt,  die  Fenster  zu  öffnen. 

Wenn  aber  so  alle  künstlichen  Beeinflussungen  der  Zimmerluft,  alle  Käucherungen 
und  sonstigen  Verschleierungen  vom  Uebel  sind  und  durchaus  einer  natürlichen  Er- 
neuerung der  Luft  weichen  müssen,   so  kann  es  manchmal  nötig  werden,  wenn   sie 


Fig.  92.     Eäneher  tnrbin  e. 


Fia-.  93.     Eäueliersehale. 


Fig.  94.     Räucherlampe. 


Fig.  95.     Räuchergefäß. 


Fig.  92,  93,  94,  95.  Die  Verdampfung  der  der  Zimmerluft  beizumischenden  Flüssig- 
keit geschieht  entweder  frei  aus  einer  offenen  Schale  (Fig.  93)  oder  aus  einem  ge- 
schlossenen und  nur  mit  entsprechenden  Oeffnungeu  versehenen  Behältnis  (Fig.  95)  oder 
so,  daß  sie  der  verbrennenden  Substanz  beigemischt  ist  und  direkt  aus  der  Flamme  her 
verdampft  (Fig.  94).  In  anderen  Geräten  (Fig.  92)  wird  die  zu  verdampfende  Flüssigkeit 
in  einen  kugelförmigen ,  um  seine  Achse  leicht  drehbaren  kleinen  Metallkessel  gegeben ; 
in  den  darunter  befindliehen  Kelch  kommt  Spiritus,  welcher  entzündet  wird  und  den 
Kessel  erhitzt;  der  ganze  obere  Teil  gerät  durch  die  Rüekstoßwirkung  des  austretenden 
Dampfes  in  schnelle  Eotierung,  wodurch  die  Dämpfe  weit  fortgeschleudert  werden. 


73 


220 


M.   MENDELSOHN, 


Luft  anfeuchter. 


allzu  trocken  ist,  auf  künstlichem  Woge  einen  etwas  stärkeren  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Luft  herbeizuführen.    Das  einfachste  Verfahren  hierzu  ist,  eine  Schale  mit  Wasser 

auf  den  geheizten  Ofen  zu  setzen,  von  wo 
aus  es  verdunstet ;  aber  dabei  ist  der  üebel- 
stand,  daß  bei  zu  reichlicher  Verdunstung 
sich  der  Wasserdampf  an  den  kälteren  Ob- 
jekten im  Zimmer  und  auch  auf  dem  Kran- 
kenbette kondensiert  tmd  alles  durchfeuchtet. 
Es  ist  daher  notwendig,  daß  die  Verdunstung 
geregelt  und  langsam  gestaltet  wird;  und 
dazu  sind  eigene  Verdunstungsapparate  her- 
gestellt, von  denen  die  einen  auf  breiten 
Stoffbändern  mittels  deren  Kapillarität 
Flüssigkeit  aus  einem  Gefäß  in  eine  unter- 
stehende Schale  leiten,  wobei  AVasser  in 
ausreichendem  Maße  verdunstet,  während 
andere  größere  Geräte  in  der  Form  von 
Ofenschirmen  im  wesentlichen  aus  einer 
großen  porösen  Filterplatte  bestehen ,  in 
welche  von  oben  her  allmählich  Flüssigkeit 
eintritt,  um  auf  den  beiden  großen  Flächen 
der  Platte  in  das  Zimmer  hinein  zu  ver- 
dunsten. 

Mit  der  Reinigung  und  der  Lüftung  hängt  ferner  die  gerade  für  das  Kranken- 
zimmer so  besonders  wichtige  Frage  einer  richtigen  Heizimg  zusammen;  unter  Um- 
ständen ist  übrigens  auch  das  umgekehrte  Problem  zu  lösen:  eine  allzu  hohe  Tem- 
peratur niedriger  zu  gestalten.  Auch  dieses  Moment  bedarf  recht  häufig  schon  bei  der 
Wahl  des  Krankenzimmers  einer  Beachtung;  denn  um  die  Temperatur  eines 
Krankenzimmers  im  heiJJen  Sommer  herabzusetzen,  ist  das  einfachste  mid  wirk- 
samste Mittel  das  einer  ausgiebigen  Lüftung.  Doch  muß  ausdrücklich  darauf  aufmerk- 
sam  gemacht   werden,   daß  Abkühlung  und   Lüftung   zwei    durchaus    verschiedene 

Begriffe  sind,  so  sehr  sie  auch  in 
praxi  oft  mit  einander  konfundiert  zu 
werden  pflegen.  Bei  ausreichendem 
Schutze  des  Kranken  im  Bett  vor 
direkter  Zugluft  kann  man  ruhig  alle 
Fenster  weit  öffnen ;  es  empfiehlt 
sich  das  besonders  in  lauen  Sommer- 
nächten, in  denen  so  auf  das  aller- 
wirksamste  eine  auch  über  den  Tag 
hin  teilweise  noch  vorhaltende  Herab- 
setzung der  hohen  Zinunertemperatur 
erzielt  werden  kann  und  wobei  der 
Arzt  dem  so  weit  verbreiteten  Vor- 
urteile entgegenzutreten  vermag,  daß 
die  Nachtluft  giftig  sei.  Auch  sonst 
läßt  sich  die  Hitze  im  Sommer  ein 
wenig  durch  das  Aufhängen  von 
nassen  Tüchern  oder  das  Aufstellen 
von  Kübeln  mit  Eis  oder  das  An- 
bringen frischer  Baumzweige  im  Kran- 
kenzimmer mildern ;  ebenso  kann  von 
Zeit  zu  Zeit  der  Fußboden  des  Zim- 
mers mit  Wasser  besprengt  werden, 
natürlich  mit  Maß  und  ohne  etwa  das 
ganze  Zimmer  unter  Wasser  zu  setzen. 

Fig.  96,  97.  Die  großen  Behältnisse,  welche  zur  Anfeuchtung  der  Zimmerluft  durch 
Wasserverdunstung  dienen  (Fig.  96)  sind  direkt  zu  füllen  und  müssen  natürlich  öfters  in 
ihrem  Wassergehalt  erneuert  werden;  die  Flüssigkeit  verdunstet  von  den  breiten  nach 
außen   herüberhängenden  Stoffbändern,   nur  der  üeberschuß  tropft   in   die   untere   Schale, 


Luf  tan  feucht  er. 


Die  Wirkung  durcli  Reinlichkeit.  221 

deren  Inhalt  von  Zeit  zu  Zeit  in  das  große  Gefäß  zurückgegossen  werden  muß.  Bei  den 
einem  großen  Ofenschirm  ähnlichen  Geräten  (Fig.  97)  "wird  die  Verdunstungsflüssigkeit  in 
das  obere  trommelartige  cylindrische  Behältnis  gegossen,  von  welchem  aus  sie  mit  Hülfe 
von  Dochten  auf  die  große,  aus  eigenartigem,  porösen  Material  hergestellte  Platte  allmählich 
übergeleitet  wird  und  in  den  zahlreichen  Kapillarräumen  dieser  Platte  langsam  nach  unten 
fließt,  wobei  der  größte  Teil  der  Flüssigkeit  auf  den  beiden  großen  Flächen  in  die  Zimmer- 
luft hinein  verdunstet.  AVas  von  Ihr  nicht  verdunstet  wird,  sammelt  sich  in  dem  zweiten 
unten  befindlichen  Behältnis  an,  aus  welchem  es  wieder  in  das  obere  gebracht  werden  muß. 

Hinsichtlicli  der  künstlichen  Erhöhimg  der  Temperatur  im  Winter  bleibt  für  ge- 
wöhnlich nicht  viel  anderes  übrig,  als  sich  der  in  jedem  Falle  vorhandenen  Einrichtungen 
zu  bedienen ;  es  sei  daher  nur  darauf  hingewiesen,  daß  Kachelöfen  von  allen  im  Zimmer 
selbst  aufgestellten  Heizkörpern  die  zweckmäßigsten  sind,  weniger  also  die  eisernen  Oefen. 
Auch  das  Brennmaterial  wird  nicht  immer  nach  Wunsch  eigens  beschafft  werden  können. 
Ist  der  Ofen  vom  Gange  oder  vom  Nebenzimmer  aus  heizbar,  eine  Einrichtung,  die  ihre 
sehr  großen  Vorteile  hinsichtlich  der  Sauberkeit  beim  Feuermachen  hat,  aber  vregen 
der  hier  mangelnden  gleichzeitigen  Ventilationswirkung  durch  den  Ofen  auch  nicht 
gerade  zu  empfehlen  ist,  so  ist  die  Art  des  Brennmaterials  gleichgiltig;  verbrennt 
das  Feuerungsmaterial  dagegen  auf  Kosten  der  Luft  des  Krankenzimmers,  so  ver- 
brauchen Steinkohlen  zu  viel  Sauerstoff,  während  trockenes  buchenes  Holz  die 
Luft  bei  weitem  weniger  schädigt  und  als  das  beste  Heizmaterial  angesprochen 
werden  muß.  Auch  verunreinigen  die  anderen  Brennstoffe  die  Luft  noch  ander- 
weitig; Torf,  Tannenholz  und  jedes  andere  naße  Holz  durch  Rauch  und  allerlei  Ge- 
rüche, Steinkohlen  und  Coaks  durch  Staub  und  Schmutz.  Es  ist  sogar  nicht  über- 
flüssig, darauf  hinzuweisen,  daß  die  Art  des  Feueranmachens  im  Krankenzimmer  keine 
Nachteile  mit  sich  bringen  darf:  glühende  Kohlen,  Kienspäne,  Schwefelhölzer  sind 
wegen  ihrer  lästigen  Dünste  durchaus  zu  vermeiden ,  und  nur  schwedische  Zünd- 
hölzer dürfen  zur  Anwendung  kommen. 

Daß  die  Temperatur  in  einem  Krankenzimmer  nur  möglichst  geringen 
Schwankungen  ausgesetzt  sein  soll,  ist  bereits  gesagt  worden ;  es  ergiebt  sich  daraus, 
daß  es  keineswegs  genügt,  in  24  Stunden  nur  einmal  zu  heizen,  sondern  die  Heizung 
muß  sich  in  dieser  Zeit  öfter  wiederholen  und  so  verteilen,  daß  immer  nur  relativ 
wenig  Feuerungsmaterial  zur  Verwendung  kommt,  gerade  nur  so  viel,  um  die  eben 
abgesunkene  Temperatur  wieder  auf  den  normalen  Stand  zu  bringen.  Dieser  ist  bei 
Erwachsenen  ungefähr  14°,  bei  Kindern  höher,  bis  zu  19";  korpulente  und  plethori- 
sche Personen  sind  ein  wenig  kühler  zu  halten,  anämische  wärmer  als  diese  Durch- 
schnittstemperatur, wie  überhaupt  Neigung  und  Gewöhnung  aus  gesunden  Tagen  her 
stets  in  Eechnung  gezogen  werden  müssen.  Des  Nachts  kann  die  Temperatur 
ein  wenig  kühler  sein  wie  am  Tage,  aber  immer  sind  alle  größeren  Schwankungen 
zu  vermeiden.  Um  diese  wichtige  Kontrolle  daher  jederzeit  ausüben  zu  können, 
muß  ein  Thermometer  in  jedem  Krankenzimmer  aufgestellt  sein ;  und  da  es  sich  hier 
immer  nur  um  den  Kranken  handelt  und  um  die  Einwirkung  der  Umgebung  gerade 
auf  ihn,  so  muß  auch  das  Thermometer  die  Lufttemperatur,  wie  sie  in  der  unmittel- 
baren Umgebung  des  Kranken  ist,  anzeigen  und  keine  andere.  Es  ist  daher  ganz  dicht 
in  seiner  Nähe  anzubringen  und  darf  weder  nahe  am  Ofen  noch  etwa  am  Fenster 
sich  befinden ,  auch  nicht  unmittelbar  an  der  Zimmerwand  aufgehängt  werden, 
da  diese  immer  kühler  ist  als  die  Innenluft  und  so  eine  üeberheizung  des  Zimmers 
die  Folge  einer  solchermaßen  zustande  kommenden  allzu  niedrigen  Anzeige  des 
Thermometers  sein  würde. 

Außerdem  kommen  für  die  Zwecke  und  für  die  Wirkung  der 
Asepsis  in  dem  weitestgehenden  Maße  hier  alle  materiellen  Heilmittel 
der  Krankenpflege  in  Betracht,  zu  denen  sich  auch  einige  somatische 
Heilmittel  hinzugesellen,  welche  es  ermöglichen,  die  Auswurfs- 
stoffe  des  Kranken  in  vollkommener  Weise  aufzufangen 
und  für  ihn  durch  schnelle  und  gänzliche  Beseitigung  un- 
schädlich zu  machen.  Auch  damit  wird  die  Möglichkeit  einer  Ent- 
stehung von  Infektion  und  Fäulnis  schon  im  Keime  beseitigt. 

Alle  diese  Heilmittel  der  Krankenpflege  sind  in  den  Kapiteln  der  Einwirkung 
auf  die  Defäkation,  die  Diurese,  die  Expektoration  eingehend  beschrieben,  so  daß  es 
sich  erübrigt,  auch  hier  an  dieser  Stelle  des  genaueren  auf  sie  einzugehen. 


222  M.    MENDELSOHN, 

KAPITEL  IV. 
Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 

Die  Krankenpflege  verfügt  über  eine  sehr  fgroße  Zahl  von  Maß- 
nahmen, welche  dahin  zielen,  dem  Kranken  in  seinem  Zustande 
möglichste  Schmerzfreiheit  zu  gewährleisten.  Diese 
eminent  wichtige  therapeutische  Einwirkung  haben  sie  natürlich  nicht 
allein  dort,  wo  sie  thatsäch liehe  schmerzhafte  Reize  in 
minderem  Maße  oder  gar  nicht  zur  Perception  kommen 
lassen,  sondern  ebenso  auch  überall  da,  wo  sie  das  Zustande- 
kommen derartiger  schmerzhafter  Reize  von  vornherein 
verhindern,  wo  sie  solche  schmerzhaften  Einwirkungen  ganz  und 
gar  in  Fortfall  bringen. 

Um  die  „Funktion"  der  Schmerzempfindung  Zustandekommen  zu 
lassen,  sind,  gleichermaßen  wie  bei  den  andersartigen  Funktionen, 
mehrere  verschiedene  Teilaktionen  notwendig.  So  gehört  hier  zum 
Zustandekommen  der  Schmerzempfindung  und  auch  jeder  anderen  nur 
in  quantitativer  Hinsicht  verschiedenen,  geringeren  oder  doch  minder 
ausgesprochenen  Empfindung  zuerst  und  am  selbstverständlichsten  der 
äußere  Reiz,  die  Quelle  der  Reizung  überhaupt ;  sodann  als  zweites 
Moment  die  Reizbarkeit  der  peripheren  Enden  der  sensiblen  Nerven, 
welche  den  Schmerzeindruck  aufnehmen  und  die  nicht  etwa  nur  an 
der  äußeren  Körperoberfläche  allein  vorhanden  sind;  dazu  tritt  alsdann 
als  dritte  Teilaktion  das  ausreichende  Leitungsvermögen  und  die  ge- 
nügende Reizbarkeit  auch  der  weiteren  centripetalen  Nervenbahnen  der 
grauen  Substanz  des  Rückenmarks,  welche  die  schmerzhaften  Eindrücke 
übertragen;  und  schließlich  als  vierter  Faktor  die  genügende  Reizbar- 
keit der  Gehirncentren ,  welche  die  schmerzhaften  Reize  empfangen 
und  zur  Empfindung  bringen.  Ob  diese  letzteren  thatsächlich  in  der 
Gegend  des  Hippocampus  sich  befinden,  kann  an  dieser  Stelle  uner- 
örtert  bleiben;  um  so  mehr,  als  diese  specielle  Lokalisation  für  die 
Darlegungen  hier  ohne  alle  Bedeutung  ist. 

Wollte  man  die  Wirkungsweise  der  arzneilichen  Heilmittel,  welche 
als  Anästhetica  Verwendung  finden,  pharuiakodynamisch  im  speciellen 
betrachten,  so  zeigt  sich,  das  gerade  diejenigen,  welche  als  sogenannte 
Anodyna  hervorragend  wirksam  sind,  welche  also  die  Schmerzempfindung 
auflieben,  auf  die  centralen  dieser  Teilaktionen  wirken,  nicht  aber  auf 
die  peripherischen :  sie  haben,  wenn  sie  nicht  in  besonders  großen 
Dosen  zur  Verwendung  kommen,  eine  Wirkung  nur  auf  die  Gehirn- 
centren ,  in  denen  der  Schmerz  zur  Perception  gelangt,  und  auf  die 
Leitungsbahnen,  welche  die  schmerzhaften  Eindrücke  fortpflanzen,  so 
daß  sie  also  schmerzlindernd  sind,  ohne  zunächst  die  Reflexthätigkeit 
aufzuheben.  Es  sind  das  ja  allgemein  bekannte  Verhältnisse,  schon 
darum  allgemein  bekannt,  weil  sie  bei  dem  Zustandekommen  jeder 
Narkose  im  Vordergrunde  der  Erörterung  stehen ;  es  muß  hier  aber 
aus  dem  Grunde  besonders  auf  sie  hingewiesen  werden,  weil  sich  auch 
an  ihnen  wieder  zeigt,  wie  unsere  gesamten  therapeutischen  Hilfs- 
mittel, indem  sie  eine  bestimmte  physiologische  Funktion  beeinflussen, 
welche  sie  zustandezubringen  oder  einzuschränken  suchen,  immer 
nur  in  dem  Sinne  wirken,    daß   sie  von  dieser  Funktion  nur  das  eine 


Die  Wirkung  auf  die  Sclimerzfreiheit.  223 

oder  das  andere  von  dem,  was  ich  die  Teilaktionen  der  Funktionen 
nenne,  beeinflussen,  also  immer  nur  partiell  wirken,  niemals  aber  oder 
fast  niemals  auf  die  ganze  Funktion  gleichzeitig  in  allen  ihren  einzelnen 
Teilaktionen.  Nichtsdestoweniger  genügt,  wie  sich  ja  au  hundertfachen 
Beispielen  nachweisen  läßt,  schon  die  partielle  Einwirkung  auf  eine 
solche  einzelne  Teilaktion,  um  damit  die  ganze  Funktion  zu  beein- 
flussen. Die  Therapie,  zumal  die  allein  arzneiliche,  ist  indessen  im 
allgemeinen  bisher  immer  nur  bestrebt  gewesen,  lediglich  diejenigen 
Teilaktionen ,  welche  einer  arzneilichen,  einer  medikamentösen  Ein- 
wirkung zugänglich  sind,  zu  beeinflussen,  die  anderen  Teilaktionen 
dagegen,  welche  sich  pharmakod3'namischer  Beeinflussung  entziehen, 
entweder  ganz  zu  vernachlässigen  oder  doch  erst  in  zweiter  Reihe 
in  Angriff  zu  nehmen ;  für  die  Heilmittel  der  Hypurgie  ist  das  in 
systematischer  und  exakter  Bearbeitung  überhaupt  erst  jetzt  ge- 
schehen. Wie  jedoch  in  dieser  ganzen  Darstellung  hier  nachzuweisen 
versucht  wird,  vermögen  gerade  die  Heilmittel  der  Krankenpflege 
Teilaktionen  zu  beeinflussen,  welche  den  Hilfsmitteln  anderer  thera- 
peutischer Disziplinen  mehr  oder  minder  unzugänglich  sind:  aber  auch 
bei  diesen  Heilmitteln  der  Hypurgie  zeigt  sich,  daß  es  oft  genügt,  nur 
auf  eine  einzelne  Teilaktion  einzuwirken,  um  durch  diese  nur  partielle 
Heileinwirkung  dennoch  die  ganze  Funktion  zu  dem  gewünschten  Heil- 
effekt zu  führen. 

Das  tritt  ganz  besonders  bei  hypurgischer  Inangriffnahme  dei' 
Schmerzempfindung  zu  Tage.  Da  es  möglich  ist,  durch  die  Heilmittel  der 
Krankenpflege  gerade  die  beiden  periphersten  der  vier  Teilaktionen,  aus 
denen  die  gesamte  Schmerzempflndung  sich  zusammensetzt,  therapeutisch 
zu  beeinflussen,  so  genügt  sehr  oft  eine  derartige  Einwirkung,  um  den 
ganzen  gewollten  Endeffekt  herbeizuführen,  zum  mindesten  aber  um 
ihn,  der  auch  durch  andere,  vielleicht  medikamentöse  Heilmittel  sonst 
noch  angestrebt  worden  ist,  zu  fördern  und  seinen  Eintritt  sicherer 
und  vollständiger  herbeizuführen.  Als  solche  schmerzherabsetzenden 
Heilmittel  der  Krankenpflege  sind  nun  diejenigen  ihrer  Mittel  zu 
bezeichnen,  welche  entweder  die  äußeren  Reize,  von  denen  die  Schmerz- 
empfindung ausgehen  kann,  in  Fortfall  bringen  oder  doch  mildern, 
oder  aber,  die  imstande  sind,  die  Reizbarkeit  der  sensiblen  Endigungen 
der  Nerven,  auf  welche  diese  Reize  zunächst  einwirken,  in  gerade  der- 
selben Weise  herabsetzen,  wie  das  die  arzneilichen  lokalen  Anästhetica. 
die  evidentesten  Beispiele  einer  partiellen  Therapie,  thun. 

Die  Gruppe,  welche  die  erste  Teilaktion  der  Schmerzempfindung, 
den  äußeren  Reiz,  durch  ihre  Maßnahmen  beseitigt  oder 
mildert,  umfaßt  eine  sehr  große  Zahl  von  Heilmitteln  der  Kranken- 
pflege, die  sich  jedoch  ihrerseits  wiederum  hinsichtUch  ihrer  Wirkung 
nach  zwei  verschiedenen  Richtungen  hin  unterscheiden  lassen.  Beide 
Male  wirken  diese  Heilmittel  derart  als  Anästhetica,  das  sie  die  äußeren 
Reize  auf  die  Nervenendigungen .  deren  Perception  als  Schmerz- 
empfindung zum  Ausdruck  kommt,  möglichst  beseitigen  und  ein- 
schränken ;  aber  die  eine,  die  größere  Gruppe  von  ihnen,  umfaßt  ledig- 
lich alle  diejenigen  Mittel  der  Krankenpflege ,  welche  sich  auf 
diesen  äußeren  Reiz  selber  erstrecken,  welche  also  mit  materiellen 
Hilfsmitteln  diese  störenden  Reize  möglichst  auszuschließen  bestrebt 
sind,  während  die  zweite  Gruppe  dieser  hypurgischen  Heilmittel  dort 
in  Betracht  kommt,  wo  die  Sensibilität  der  peripheren  Eudigungen 
der  sensiblen  Nerven,   seien   es   nun  solche   der   äußeren  Körperober- 

77 


224  M.    MENDELSOHN, 

fläche,  seien  es  tiefer  gelegene,  durch  Druck  und  insbesondere  durch 
Entzündungsvorgänge  in  der  Umgebung  dieser  Nervenendigungen 
derart  gesteigert  ist,  daß  hier  schon  ganz  geringfügige  Reize,  die  sonst 
irrelevant  wären  und  ohne  besondere  Beachtung  blieben,  eine  Schnierz- 
einpfindung  erzeugen.  Im  wesentlichen  sind  es  also  nur  quantitative, 
nicht  prinzipielle  Unterschiede,  welche  diese  beiden  Gruppen  hypurgi- 
scher  Heilmittel  charakterisieren. 

Der  ersten  von  diesen  sind  alle  diejenigen  Geräte  und  Handgrift'e 
der  Krankenpflege  zuzuzählen,  welche  dem  Kranken  ein  möglichst 
zweck  mäßigesLagerzu  bereiten  imstande  sind.  Die  Deduktion 
mag  trivial  erscheinen,  daß  ein  Kranker,  bei  welchem  eine  drückende 
Falte  im  Bettlaken  ausgeglichen  und  beseitigt  ist,  nun  keinen  Druck- 
schmerz mehr  empfindet;  die  Schmerzempfindung  ist  jedoch  hier  ebenso 
folgerichtig  beseitigt,  wie  sie  aufhört,  wenn  sie  durch  einen  cariösen 
Zahn  verursacht  ist  und  dieser  entfernt  wird;  und  daß  hier  die  Be- 
seitigung des  Schmerzes  allein  durch  die  Entfernung  des 
Reizes  eine  so  einfache,  so  außerhalb  jedes  Eingriftes  in  den  Organismus 
des  Kranken  selber  mögliche  ist,  darf  kein  Anlaß  sein,  eine  derartige 
Methode  etwa  m  ihrer  Wirksamkeit  und  Bedeutung  gering  zu  schätzen, 
sondern  ist  vielmehr  gerade  einer  ihrer  wesentlichsten  Vorzüge.  Denn 
wie  man  bekanntlich ,  um  noch  eine  zweite  Analogie  beizubringen, 
einen  schmerzenden  eingewachsenen  Nagel  entfernt,  um  den  Schmerz 
zu  beseitigen,  und  daher  diese  therapeutische  Maßnahme  der  Chirurgie 
als  ein  chirurgisches  Anästheticum  bezeichnet  werden  könnte,  so  ist 
die  interne  Therapie  gehalten,  ebenso  auch  die  Beseitigung  von  ganz 
und  gar  exoterischen  Reizen  als  ausgesprochen  hypurgische  Anästhetica 
im  weitesten  nur  möglichen  Umfange  anzuwenden. 

Daher  snid  in  erster  Linie  diejenigen  somatischen  Vornahmen  als 
solche  Heilmittel  gegen  den  Schmerz  zu  bezeichnen,  deren  Gesamtheit 
zu  dem  Begriff'e  des  Umbettens  gehört,  und  welche  durch  materielle 
Geräte,  durch  die  sogenannten  Bettspanner  und  ähnliche  Einrichtungen, 
unterstützt  werden ;  sodann  kommen  hierzu  die  gesamten  Vorrichtungen, 
welche  für  die  Lagerung  des  Kranken  dienen  und  ihm  eine  besonders 
weiche  und  den  Druck  des  Körpers  gleichmäßig  aufnehmende  Unter- 
lage schaffen,  in  erster  Linie  also  die  großen  Luft-  und  Wasserkisseu 
und  die  übrigen  elastischen  Bettunterlagen. 

Da  die  therapeutische  Wirkung  aller  dieser  Geräte  und  Maßnahmen  gleicher- 
maßen auch  für  die  Reinlichkeit  in  Betracht  kommt,  so  sind  die  Maßnahmen  des 
Umbettens,  der  Gebrauch  der  Bettspanner  und  die  ähnlichen  Vornahmen  bereits  in 
dem  Kapitel  der  Wirkung  durch  ßeinlichkeit  zur  Besprechung  gelangt,  während  die 
Luft-  und  Wasserkissen  und  die  ähnlichen  Geräte  in  diesem  Kapitel  hier  erörtert  werden. 

Die  Wichtigkeit  und  die  Wirksamkeit  aller  dieser  Heilmittel  ist 
leicht  zu  erweisen.  Die  Druckwirkungen  der  einzelnen  äußerlichen 
Reize  sind  ja  bei  der  andauernden  Bettlage  dadurch  erheblich  gesteigert, 
daß  die  ganze  Schwere  des  Körpers  als  Gegendruck  mit- 
wirkt. Und  dazu  kommt,  daß  naturgemäß  der  Körper  nicht  mit 
allen  seinen  abhängigen  Teilen  gleichmäßig  aufliegt,  sondern  daß  viel- 
mehr, ähnlich  wie  auf  niederen  Füßen  ein  großes  Möbelstück,  der 
Gesamtkörper  auf  einzelnen,  scharf  begrenzten  Druck- 
punkten die  nächste  und  hauptsächlichste  Unter  Stützung 
findet.  Aber  es  ist  dabei  ein  unglücklicher  Zufall,  daß  gerade 
diese  Stellen,  in  allererstem  Betracht  die  Kreuzbeingegend,  alsdann 
die  Schulterblätter   und   die  Fersen,   und   schließlich  das   Hinterhaupt, 

78 


Die  Wirkung  auf  die  Sclimerzfreiheit.  225 

solche  Körperpartien  sind,  an  welchen  Knochen  von  ausgesprochener 
Prominenz  und  von  mehr  oder  minder  scharfkantiger  Bildung  un- 
mittelbar unter  der  äußeren  Decke  verlaufen.  Wollte  man  teleologisch 
denken,  so  könnte  man  meinen,  daß  diese  fünf  oder  sechs  knöchernen 
Füße,  auf  denen  der  Körper  im  Liegen  ruht,  zweckmäßig  so  angebracht 
sind,  daß  sie  eine  möglichst  widerstandsfähige  Auflagerung  ermöglichen ; 
daß  eine  solche  Betrachtung  falsch  wäre,  geht  schon  daraus  hervor, 
daß  wir  zum  Sitzen  gerade  der  am  meisten  mit  Muskel-  und  Fett- 
massen überdeckten  Nates  uns  bedienen.  Zudem  aber  ist  das  Auf- 
liegen des  Körpers  vornehmlich  an  diesen  einzelnen  Stellen  insofern 
ein  äusserst  unzweckmäßiges,  als  die  betroffenen,  ganz  kleinen  Haut- 
partien, und  zwar  um  so  mehr,  je  weniger  elastisch  und  je  widerstands- 
fähiger die  Unterlage  ist,  auf  welcher  der  Körper  im  Bette  ruht,  von 
obenher  durch  die  unmittelbar  auf  ihnen  lastenden  scharfen  Knochen- 
flächen einen  erheblichen  Druck  erfahren,  einen  Druck,  der  außer- 
ordentlich verstärkt  wird  durch  die  Gesamtschwere  des  Körpers,  welcher 
auf  diesen  Knochenpartien  lastet  und  an  ihnen  zur  Wirkung  kommt. 
Wenn  jemand  auf  einer  harten  Unterlage  auf  dem  Rücken  liegt,  so 
sind  die  Endigungen  der  sensiblen  Nerven  in  der  sein  Kreuzbein  be- 
deckenden Hautpartie  ganz  genau  in  der  gleichen  Situation,  als  wenn 
auf  sie  bei  aufrechter  Körperhaltung  durch  äußere  Einwirkung  von  der 
Oberfläche  her  ein  Druck  ausgeübt  wird,  welcher  ungefähr  dem  Körper- 
gewichte der  betreffenden  Person  entspricht;  ein  Druck,  der  jedenfalls, 
zumal  bei  andauernder  Einwirkung,  als  ein  recht  erheblicher  empfunden 
werden  muß. 

So  bilden  denn  eine  eigene  Gruppe  hypurgischer  Schmerzlinderungs- 
Mittel  alle  die  materiellen  Heilmittel  und  diejenigen  Vorkehrungen, 
welche  den  Druck  von  diesen  so  über  Gebühr  belasteten 
Kör  per  Partien  dauernd  oder  zeitweilig  zu  entfernen 
V  e  r  m  ö  g  e  n  u  n  d  i  h  n  a  u  f  a  n  d  e  r  e  u  n  d  V  0  r  allen  Dingen  auf 
größere  Körperpartien  zu  verteilen  in  der  Lage  sind;  also 
die  Gummikränze,  die  Luftkränze  und  ähnliche  Vorrichtungen,  welche  für 
die  Lagerung  in  Betracht  kommen ;  aber  auch  die  entsprechenden  Heil- 
mittel, welche  bei  mehr  vorübergehender  Anwendung  gleichermaßen 
dieselben  Schädlichkeiten  der  äußeren  Druckreize  entfernen ,  zweck- 
mäßig geformte  und  den  individuellen  Köi*perverhältnissen  angepaßte 
Stechbecken  oder  dreiteihge  Matratzen,  welche  ebenfalls  den  bei  der 
Defäkation  notwendigerweise  entstehenden  Druck  auf  einzelne  Körper- 
stellen beseitigen,  und  die  sonstigen  hierher  gehörigen  Geräte,  welche 
ähnliche  Einwirkungen  besitzen. 

Die  wesentlichste  Bedeutung  hat  somit  hier  zunächst  das  eigentliche  Lager 
des  Kranken,  welches  sich  aus  dem  Bettgestell  und  den  auf  diesem  ruheuden 
Bettstiicken  zusammensetzt.  Außer  seiner  eigenen  Zusammensetzung  und  Beschaffen- 
heit ist  auch  seine  Aufstellung  im  Krankenzimmer  von  Wichtigkeit  und  Bedeutung. 

Diese  ytellung  des  Krankenbettes  im  Zimmer,  die  natürlich  in  privaten 
Wohnräumen  weit  geringeren  Beschränkungen  imterliegt  und  weniger  an  eine  be- 
stimmte Einteilung  des  gegebenen  Raumes  gebunden  ist  als  die  Aufstellung  der 
Krankenbetten  in  den  Sälen  eines  Hospitals,  hat  nach  zwei  Seiten  hin  eine  Bedeutung: 
sowohl  für  den  Kranken  selbst,  als  für  diejenigen  Personen  seiner  Umgebung,  welche 
sich  mit  ihm  beschäftigen  müssen.  Es  ist  daher,  wo  es  irgend  durchführbar  ist,  zu 
versuchen,  das  Bett  so  aufzustellen,  daß  es  von  beiden  Seiten  her  direkt  zugänglich 
ist;  am  allerbesten  ist  eine  völlig  freie  Aufstellung  in  der  Mitte  eines  geräumigen  und 
hellen  Zimmers.  Ist  das  nicht  angängig,  so  soll  doch  nur  das  Kopfende  allein  un- 
mittelbar an  der  Wand  stehen;   und  wo  die  äußeren  Verhältnisse  auch  eine  solche 

79 


226 


M.   MENDELSOHN, 


Aufstellung  nicht  zulassen,  muß  wenigstens  die  Längsseite  des  Bettes  ein  wenig  von 
der  Wand  abgerückt  und  diese,  zumal  wenn  sie  die  Außenwand  des  Hauses  ist,  mit 
Teppichen  oder  mit  Bettsehirmen  bedeckt  werden.    Außerdem  ist  die   Stellung   des 


Fig.  98.     Metallenes  Krankenbett. 


Fig.  99.     Metallenes  Krankenbett. 

Fig.  98,  99.  Die  beiden  Hauptt^'pen  metallener,  in  Krankenbäusern  üblicher  Kranken- 
betten unterscheiden  sich  nur  dadurch,  daß  sie  einmal  die  Rückenstütze  in  fester  Verbindung 
tragen  oder  aber  die  nötige  Elevation  entweder  durch  eigene  Geräte  oder  durch  weiche 
Bettstücke  besorgen ;  und  zu  zweit  dadurch,  daß  der  metallene  Bettbaden  entweder  mit 
dem  übrigen  Gestell  ein  einheitliches  Ganzes  bildet  (Fig.  98)  oder  aber  in  dieses  hinein- 
gehängt ist  (Fig.  99),  wo  dann  gewöhnlich  noch  metallene,  höher  laufende  Seitenstangen 
für   Roßhaarmatratzen  und  ähnliehe  Betteinlagen  seitlichen  Schutz  abgeben. 


So 


Die  Wirkung,  auf  die  Schmerzfreiheit. 


227 


Bettes  so  zu  "wählen,  daß  der  Kranke,  ohne  ganz  direkt  in  das  Fenster  hineinsehen 
zu  müssen,  doch  von  der  Welt  und  von  dem,  was  außerhalb  seines  Krankenzimmers 
vorgeht,  nach  Möglichkeit  Notiz  zu  nehmen  vermag;  eine  Zerstreuung  und  Er- 
leichterung, die  gar  nicht  genug  gewürdigt  werden  kann.  Aber,  was  nicht  immer  ohne 
weiteres  Beachtung  zu  finden  pflegt:  diese  Aufstellung  des  Bettes  mit  Eücksicht  auf 
eine  freie  Aussicht  zum  Fenster  hinaus  darf  nicht  etwa  auf  Kosten  anderer  Unzuträg- 
hchkeiten,  wie  sie  die  neue  Nachbarschaft  des  Bettes  nun  herbeiführen  könnte,  ge- 
schehen; die  Nähe  des  geheizten  Ofens  ist  zu  vermeiden,  und  ebenso  auch  die  unmittel- 
bare Stellung  des  Bettes  nahe  zur  Zimmerthür;  wo  sich  aber  das  eine  oder  das  andere 
nicht  umgehen  läßt,  da  ist  doch  wenigstens  darauf  zu  halten,  daß  durch  geeignete 
Vorrichtungen,  durch  Ofen-  imd  Bettschirme  der  nötige  Schutz  gegen  übermäßige 
'Wärme  oder  Zugluft  herbeigeführt  wird.  Unter  allen  Umständen  zu  imterlasseu 
ist  eine  Stellung  des  Bettes  in  einen  Alkoven  hinein ;  und  ebenso  ist  die  in  Privat- 
häusern sehr  verbreitete  Gepflogenheit,  die  Betten  mit  einem  sogenannten  Betthimmel 
zu  umgeben,  wegen  der  mangelhaften  Erneuerung  des  so  wichtigen  Luftraumes 
gerade  unmittelbar  oberhalb  des  Bettes  äußerst  unzweckmäßig,  so  daß,  wo  es  irgend 
angeht,  für  die  Tage  der  Krankheit  eine  solche  Einrichtung  zu  entfernen  ist,  oder 
aber  die  Bettgestelle  aus  ihnen  herauszunehmen  und  anderweitig  angemessener  auf- 
zustellen sind. 

Im  übrigen  ist  über  die  Handhabung  der  eigentlichen  Bettgestelle  nicht 
viel  vorzuschreiben.  Die  Größenverhältnisse  der  Bettgestelle  werden  ja,  zumal  an 
den  eigens  für  Kranke  bestimmten  Betten,  von  den  Herstellern  zweckentsprechend 
gewählt;  es  muß  als  Regel  dienen,  daß  ein  Ki-ankenbett  für  eine  erwachsene  Person 
eine  Länge  von  2  m  haben  muß  und  1  m  breit  zu  sein  hat.  Das  sind  Größen- 
verhältnisse, welche  auch  sonst  an  den  in  Privathäusern  befindlichen  Betten  vor- 
herrschend sind.  Nicht  so  dagegen  ist  es  mit  der  Höhe  des  Bettgestelles,  die  sehr 
vielfachen  Schwankungen  unterworfen  ist  und  die  m  den  einzelnen  Ländern  und 
Gegenden  sehr  different  zu  sein  pflegt.  Man  wird  daher  sehen  müssen,  die  ge- 
gebene Höhe  zu  einer  möglichst  zweckmäßigen  umzugestalten;  am  besten  ist  es, 
wenn  der  Bettboden  ungefähr  60 — 70  cm  über  dem  Zimmerboden  sich  befindet,  so 
daß,  wenn  man  die  Dicke  der  darauf  gelegten  Polstermatratze  dazu  rechnet,  die 
Ebene,  auf  welcher  der  Kranke  ruht,  in  einer  Höhe  von  ungefähr  8ö  cm  über  dem 
Fußboden  belegen  ist.  Eine  solche  Lagerung  hat  den  großen  Vorteil,  daß  die  Hand- 
habung und  Lagerung  des  Kranken  für  die  Personen,  welche  die  Pflege  ausüben, 
hierdurch  sehr  erleichtert  wird,  da  sie  sich  bei  einer  solchen  Höhe  des  Lagers  nicht 
so  sehr  zu  bücken  haben  wie  bei  einer  niedrigen  Lagerstatt. 

Handelt  es  sich  darum,  was  oft  vorkommen  kann,  zumal  wenn  man  bei  der 
Aufstellung  des  Krankenbettes  im  Zimmer  alle  die 
hierfür  notwendigen  Momente  berücksichtigt,  das  Bett 
innerhalb  des  Zimmers  von  einer  zur  anderen  Stelle 
umzustellen,  so  ist  es  nicht  unzweckmäßig,  die  beiden 
dem  Kopfende  entsprechenden  Bettfüße  unten  mit 
Rollen  zu  versehen;  es  wird  dadurch  die  leichte  Be- 
weghchkeit  des  Bettes  auch  durch  eine  einzelne  Person 
und  ohne  jede  besondere  Kraftanwendung  gewährleistet, 
indem  man  es  am  Fußende  anhebt  und  fortrollen 
kann,  ohne  daß  gleichzeitig  em  unsicheres  Stehen  oder 
ein  Fortrollen  schon  bei  leichtem  Gegenstoßen  an  das 
Bett  möglich  wäre,  wie  es  bei  vier  Rollen  an  allen  vier 
Bettfüßen  der  Fall  sein  würde. 

Bettgestelle,  welche  ausschheßlich  für  Kranke  be- 
stimmt sind,  werden  bis  auf  das  kleine  Fußbrett  am 
unteren  Ende,  das,  wenn  es  aus  Metall  wäre,  kalt  und 
imangenehm  sich  anfühlen  würde,  für  Krankenanstalten 

Fig.  100.  Spiralfeder-Polsterung.  Die  mit  ihrer  Längsachse  nach  oben 
gerichteten  Spiralfedern  stehen  mit  ihrer  Basis  entweder  auf  den  Kreuzungsstellen  breiter, 
den  Bettboden  büdender  und  sich  kreuzender,  straffgespannter  Bänder  senkrecht  auf  oder 
sie  ruhen  besser  auf  einem  weitmaschigen  Drahtgeflecht,  welclies  durch  seine  eigene 
Elaslicität  diejenige  der  ganzen  Vorrichtung  erhöht. 

Handbuch  der  speu.  Theiaijie  inii.  Kiaokli,     ^uppl.  1.     Hi-U  3.  1  (^ 

Mendelsolin,   Krankenpflege.  gl  (-1 


228 


M.   MENDELS9HN, 


uur  nocli  ausscMießlicli  aus  Metall  gefertigt;   und  insbesondere  sind  es  die  Be.tt- 
böden  und  sonstigen  elastisclien  Unterlagen,  deren  Technik  in  neuester  Zeit   eine 


W///i'y'^,^^^^yy','y<ziii:m^w'/iWM/m//////wmW0//.^^^^^ 


Fig.  101.  Metallener  Bet  tbo  den.  Die  elastischen,  zwischen  dem  Umfassuncrs- 
rahmen  ausgespannten  Spiralfedergeflechte  werden  in  den  mannigfachsten  Formen  und 
Yai-iationen  hergestellt;  zweckmäßig  sind  diejenigen  Bettböden,  welche  eine  schwach  kon- 
vexe, nicht  ebene  obere  Fläche  besitzen,  sowie  am  Kopf-  und  am  Fußende  eigene  Feder- 
vorriehtungen  an  der  Unterseite,  welche  dem  Ton  oben  nach  unten  gerichteten  Drucke 
bei  der  Belastung  entgegenwirken. 

sehr  große  Vollendung  erreicht  hat.     Während  friLher  die  Sprungfedermatratzen   so 
konstruiert  waren,  daiä  auf  einen  Boden  elastischer  Gurte    eine  große   Anzahl    von 

Spiralfedern  mit  ihrer  Längsachse  von  unten 
nach  oben  gerichtet  aufgesetzt  vraren,  und 
über  diese  daim  eine  gemeinsame,  gewöhn- 
lich aus  starkem  Stoff  gefertigte  Bedeckung 
gelegt  war,  bestehen  jetzt  die  Bettböden  aus 
einem  einfachen  Metallrahmen,  in  dem  ein 
System  langer  schmaler  Spiralfedern,  welche 
durch  Ringe  imd  Ketten  mit  einander  ver- 
bunden sind,  von  einem  Rande  des  Rahmen^ 
nach  dem  anderen  hinziehen,  so  daß  das 
Ganze  ein  flaches  elastisches  Geflecht  bildet, 
welches  innerhalb  des  Rahmens  ausgespannt 
ist.  Bei  der  früheren  Anordnung  nahm  ein 
Druck  an  irgend  einem  Pimkte  der  Matratze 
nur  die  eine  oder  die  wenigen  immittelbar 
durch  Um  getroffenen  Spiralfedern  in  An- 
spruch, während  die  anderen  gänzlich  un- 
beteiligt blieben ;  hier  jedoch  wirkt  ein  jeder 
Druck  auf  das  ganze  System,  jede  einzelne 
Feder  wird  in  Mitleidenschaft  gezogen,  an 
welcher  Stelle  auch  immer  die  Matratze 
_                                            _  eingedrückt  wird;    und   deren    Haltbarkeit 

1^:  ist  infolgedessen  nicht   nirr   eine  erheblich 

l^p'  größere,    da   nicht   mehr   einzelne   isolierte 

^^=^  ^    ^        -  '  ""    --"    ^~--"-  -'"'-i      Stellen  vornehmlich  in  Anspruch  genommen 

Fig.  102.  Kranken  tisch.  Für  Hospitäler  eignen  sich  metallene  Krankentische  mit 
Glasj^latten  am  besten.  Sie  gehen  auf  Rädern,  um  auch  von  den  Kranken  unter  Umständen 
leicht  bewegt  werden  zu  können ;  außer  der  oberen  Tischplatte  sind  noch  zwei  andere  Glas- 
platten als  Regale  zwischen  den  Füßen  angebracht ;  die  Schublade  ist  gleichfalls  aus  Metall. 


82 


Die  Wirkung  auf  die  Sohmerzfreiheit. 


229 


und  abgenutzt  werden,  sondern  der  elastische  Widerstand,  den  sie  bietet,  ist  auch 
ein  bedeutend  gleichmäßigerer. 

Diese  modernen  metallenen  Bettböden  mit  ihren  den  Druck  gleichmäßig 
auf  alle  Partien  verteilenden  Einrichtungen  bieten  ein  ebenes  und  gleichförmig 
elastisches  Lager  dar.  Wo  noch  die  alten  Spiralfedermatratzen  mit  neben  einander 
gestellten,  nach  aufwärts  gerichteten  Spiralfedern  im  Gebrauche  sind,  muß  darauf 
geachtet  werden,  daß  im  Krankenbett  eine  solche  Matratze  ein  gleichmäßiges  und 
ebenes  Niveau  bildet  und  nicht  einzelne  Federn  zusammengedrückt  sind  und  den 
Dienst  versagen,  was  allerdings  gewöhnlich  an  den  wichtigsten  Stellen  der  Matratze, 
die  eben  dem  Drucke  des  Körpers  vorher  am  meisten  ausgesetzt  waren,  der  Fall  zu 
sein  pflegt;  mit  ganz  besonderer  Sorgfalt  muß  auch  festgestellt  werden,  ob  nicht  eine 
oder  die  andere  der  Spiralfedern  an  ihrem  oberen  Ende  seithch  unter  den  dicken 
Gurten,  welche  sie  zu  überdecken  pflegen,  hervorgeglitten  ist  und  mit  ihrem  scharfen 
Ende  die  Stoffbedeckung  der  Matratze  durchstochen  hat  und  über  diese  hervorragt  ; 
ein  bei  diesen  Matratzen  gar  nicht  so  seltenes  Vorkommnis,  das  nicht  nur  zu  sehr 
unangenehmen  Belästigungen,    sondern  zu  direkten  Verletzungen  Anlaß  geben  kann. 

Der  Kopf  teil  der  Bettböden  pflegt  allgemein  und  besonders  in  den  für  die 
Krankenanstalten  eigens  hergestellton  eisernen  Exemplaren  verstellbar  zu  sein,  unter 
mehr  oder  minder  großem  Winkel  geneigt  aufgestellt  werden  zu  können.  Er  ersetzt 
durch  diese  Vorrichtung  die  in  den  Frivathäusern  beliebte  und  noch  immer  allgemein 
übliche  Einrichtung  der  sogenannten  Keilkissen,  und  hat  vor  diesen,  die  er  über- 
flüssig macht,  wenigstens  den  Vorzug,  daß  die  Neigung,  unter  welcher  der  Ober- 
körper aufgerichtet  wird,  nach  Zweckmäßigkeit  und  Bedürfnis  und  Gewöhnung  des 


-Fig.  103-  Keilkissen.  Für  die  Krankenpflege  werden  die  üblichen  Keilkissen, 
am  besten  mit  Eoßhaarfüllnng,  vorteOhatt  auf  einem  verstellbaren  Keilrahmen  befestigt, 
wodurch  ein  Herabgleiten  des  Kissens  bei  höherer  Aufrichtung,  allerdings  auf  Kosten  der 
leichten  und  ausgiebigen  Säuberung  und  Eeinigung,  mit  Sicherheit  vermieden  wird. 


Kranken  jederzeit  eingerichtet  und  gestaltet  werden  kann.  Diese  gleichmäßige, 
schon  von  der  Mitte  der  Wirbelsäule  her  beginnende  Hochlagerung  des  Oberkörpers 
ist  jedoch  keineswegs  eine  natürliche  oder  auch  nur  eine  bequeme  Lagerung,  so  sehr 
und  so  allgemein  verbreitet  sie  auch  sein  mag;  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen, 
daß  außer  der  leichten  Aufrichtung  des  oberen  Körpers  außerdem  noch  eine  be- 
sondere Höherlagerung  des  Kopfes  notwendig  ist,  ein  Bedürfnis,  das  auch  sonst 
die  meisten  Menschen,  zumal  in  der  Seitenlage  des  Körpers,  dadurch  unwillkürlich 
zu  befriedigen  suchen,  daß  sie  den  einen  Zipfel  des  Kopfkissens  umschlagen  und 
noch  besonders  zur  Erhöhung  des  Lagers  unter  den  Kopf  ziehen.  Jedenfalls  ist  es 
notwendig,  daß  man  zwar  den  Kopf  und  auch  den  Oberkörper  durch  Bettstücke, 
durch  Kopfkissen  und  anderweitige  Unterlagen,  von  denen  gleich  noch  zu  sprechen  sein 
wird,  entsprechend  lagern  muß,  daß  jedoch  der  eigentUche  Bettboden  unterhalb  der 

83  lö* 

J  6* 


230 


M.    MEXDELSOHX, 


Kopfkissen,  ob  er  nun  durch  eine  hier  oben  verstellbare  eiserne  Matratze  oder  durch 
eigene  Keilrahmen  oder  aber  durch  Keilpolster  gebildet  wird,  niemals  unter  einem 
irgendwie  erheblichen  AVinkel  aufgestellt  werden  darf,  sondern  nur  immer  einen 
flachen  Anstieg  erhalten   soll.     Und  das  um  so  mehr,  als  schwache  Kranke,  wenn  sie 

mit  dem  Oberkörper  zu  hoch  gelagert 
sind,  leicht  heruntergleiten  und  dabei 
nun  in  eine  besonders  unzweckmäßige 
Position  geraten.  Es  ist  daher  auch 
nicht  vorteilhaft,  wie  es  vielfach  ge- 
schieht, eine  solche  künstliche  Rücken- 
lehne im  Bett  dadurch  zu  improvisieren, 
daß  man  einen  umgekehrten  Stuhl  in 
das  Bett  hinein,  die  Beine  nach  oben 
imd  mit  der  oberen  Kante  der  Lehne 
imd  der  vorderen  Kante  des  Sitzes  auf 
den  Bettboden  aufstellt,  so  daß  die 
schiefe  Ebene,  welche  nun  Lehne  und 
Hinterbeine  bilden,  ziu-  L^nterlage  für 
das  Kopfkissen  dient;  denn  nicht  nur 
pflegen  diese  Neigungen  allzu  steile 
zu  sein ,  sondern  wegen  des  großen 
Baumes,  den  der  Stuhl  im  Bett  be- 
ansprucht, wird  der  Kranke  auch  un- 
gebührlich weit  nach  dem  Fußende  des 
Bettes  hingedrängt.  Mit  Vorteil  läßt 
sich  dariun  das  bereits  kurz  erwähnte, 
neuerdings  in  Amerika  hergestellte,  nicht 
unzweckmäßige  Gerät  verwenden,  wel- 
ches unmittelbar  unterhalb  der  Nates 
^:=s '     des  Kranken  quer  über  das  Bett  gespannt 

Fig.  104.  Improvisierte  Eückenlehne.  Es  dürfen  zu  dieser  einfachen  und 
viel  gebrauchten,  darum  aber  keineswegs  empfehlenswerten  Einrichtung  keine  zu  großen 
Stühle  genommen  werden ;  auch  müssen  sie  imter  allen  XTmständen  sowohl  mit  der  vorderen 
Sitzkante  als  besondei-s  dem  obei-en  Rande  der  StuliUehne  eine  gerade,  keine  geschweifte 
Kaute  bUden. 

wird,  und  zwar  so,  daß  die  gepolsterte  Matratze  oder  doch  wenigstens  eine 
dickere  Decke  darüber  hinweggelegt  wird;  das  Gerät  selbst  besteht  aus  einem  sehr 
weichen  aber  doch  festen  Drahtgeflecht,  welches  mit  freier  oberer  Kante,  unter 
spitzem  Winkel  nach  oben  und  hinten  hin  geneigt ,  quer  von  einer  Seite  des 
Bettes  zur  anderen  sich  hinzieht  und  auf  welchem  der  liegende  Kranke,  indem 
er  das  nachgiebige  Geflecht  nach  Bedarf  imd,  ohne  dadurch  gestört  zu  werden, 
mit  seinen  Oberschenkeln  niederdrückt,  gewissermaßen  im  Liegen  sitzt,  jedenfalls 
aber,  wenn  er  abwärts  rutschen  wollte,  durch  die  recht  sinnreiche  Vorrichtimg  auf- 
gehalten werden  würde.  Das  Gerät  ist  noch  wenig  bekannt;  vio  man  es  verwendet, 
wird   ein  höheres  Aufrichten    des  Oberkörpers   auch   bei   schwachen  Personen   eher 


Fig.  105.     Gesäßstütze. 


84 


Die  Wirkuno;  auf  die  Schmerzfreiheit. 


231 


möglich  sein;  im  allgemoinen  Jedoch  muß  man  die  Neigung  des  Körpers  sorgfältig 
so  bemessen,  daß  womöglich  überhaupt  kein  Herabsinken  stattfindet. 

Auf  diesem  Gerüst,  welches  das  Bettgestell  bildet,  ruhen  nun  dieiBettstücke 
auf,  das  gesarate  weiche  Zubehör  imd  die  Ausstattung  des  eigentlichen  Bettgestelles,  zu 
welchem  außer  dem  Gestelle  selber  stets  auch  noch  der  elastische  Bettboden  zugehört, 
der  oft  mit  dem  Bettgestelle  ein  zusammengehöriges  Ganzes  bildet  und  häufig  auch  am 
Kopfende  einen  leichten  Anstieg  zeigt.  Unmittelbar  auf  einem  solchen  Bettboden  kann 
nun  der  Kranke  nicht  liegen ;  zwar  geschieht  das  mannigfach  bei  den  Bottmatratzen  alten 
Systems,  welche  aus  aufrechtstehenden  Spiralfedern  mit  darüber  gelegtem  Stoffüber- 
zuee  bestehen,  im  gewöhnlichen  Leben:  doch  darf  das  für  Kranke  nicht  statthalien. 


Fig.  106.  Gesäß-  und  Fußstütze. 
Fig  10.5,  106.  Das  Gerät  hat  die  ungefähre  Breite  eines  Krankenbettes;  es  wird 
unterhalb  der  Nates  des  Kranken  mit  Hilfe  der  seitlich  an  ihm  angebrachten  Bänder  so 
befestigt,  daß  diese  um  das  Kopfende  des  Bettes  henimgeführt  und  dort  miteinander  ver- 
einigt werden;  so  kann  die  Gesäßstütze  nicht  abwärts  gedrängt  werden.  In  der  gleichen 
AVcise  kann  eine  verstellbare  Kuhcfliiclio  für  die  Füße  angebracht  und  vom  Kopfende  dos 
Bettes  her  in  beliebiger  Weise  kürzer  oder  länger  gestellt  werden. 

Ueberhaupt  ist  der  Begriff  der  „Matratze"  in  der  Krankenpflege  in  doppeltem  Sinne 
in  Gebrauch,  und  muß  bei  jeder  Erörterung  zunächst  immer  erst  klargestellt  werden, 
welches  der  beiden  verschiedenartigen  Objekte,  die  man  gemeinhin  als  Matratze  zu 
bezeichnen  pflegt,  in  jedem  Falle  gemeint  ist,  ob  der  elastische,  gewöhnlich  aus 
MetaU  bestehende  Bettboden,  oder  die  selbständige,  auf  diesem  ruhende  Polstervor- 
richtung. Da  auch  die  elastischen  Bettböden  für  sich  hergestellt  und  unalshängig 
von  einem  bestimmten  BettgesteUe  verwendet  werden  können,  so  sind  sie  allgemein 
als  „eiserne  Matratzen"  bekannt;  sie  sind  aber  keine  Matratzen,  sondern  Bettböden, 
und  auf  ihnen  ruht  die  eigentliche  Matratze  erst  auf. 

Diese  Matratzen  sind  Polster,  in  Ausdehnung  und  Gestalt  dem  Bettboden 
in  seinem  ganzen  Umfange  entsprechend ;  sie  sind  von  einem  festen,  gewöhnlich  nicht 
wasserdichten  Stoffe  umhüllt  und  tragen  je  nach  dem  Werte,  welcher  für  das  ein- 
zelne Exemplar  aufgewendet  werden  kann,  eine  verschiedenartige,  mehr  oder  minder 
kostbare  Füllimg.  Das  beste  und  auch  für  die  Zwecke  der  Krankenpflege  geeignetste 
Füllmaterial  derart  ist  das  Roßhaar;  nur  daß  eine  gute  Roßhaarmatratze  einen  ziem- 
hchen  Wert  besitzt.  Auch  gute  WoUe,  Schafwolle,  wird  zur  Füllung  benutzt  und 
findet  in  letzter  Zeit  mehr  Verbreitung;  weitere  Füllmaterialien  sind  sodann  India- 
faser,  Seegras,  Capok,  Hirsespreu,  Haferspreu,  denen  sich  die  minderwertigen,  jedoch 


85 


232 


M.   MENDELSOHN, 


vielfach  noch  zur  Verwendung  kommenden  Notbehelfe  für  die  Füllung  anschließen 
in  erster  Linie  das  Stroh,  aber  auch  Laub,  Moos,  Heu  tmd  manches  andere  ähnliche 
Material.  Die  Gestalt  einer  solchen  Matratze  muß  bei  guter  Füllung  so  sein,  daß 
sie  in  ihrem  mittelsten  Teile,  der  naturgemäß  am  meisten  in  Anspruch  genommen 
wird,  dicker  ist  als  nach  den  Seiten  hin,  daß  die  Oberfläche  also  keine  Ebene, 
sondern  eine  leicht  konvexe  Fläche  darstellt;  dadurch  wird  verhütet,  daß  das  Füll- 
material durch  die  Körperschwere  mehr  oder  minder  vollständig  nach  den  Seiten 
hin  zusammengedrängt  wird  und  so  in  der  Mitte  ein  Eindruck  oder  eine  Aushöhlung 
entsteht,  welche  dem  Kranken  Unebenheiten  und  Unbequemlichkeiten  bereitet.  Noch 
sicherer  wird  das  verhütet,  wenn  die  Matratze  „bombiert"  ist,  d.  h.  wenn  sie  nach 
geschehener  allgemeiner  Füllung  nun  durch  zwei  Reihen  paralleler,  sich  senkrecht 
schneidender  Nähte  in  eine  Anzahl  von  Feldern  geteilt  wird,  derart,  daß  die  Nähte 
durch  die  ganze  Dicke  der  Matratze  hindurchgesteppt  werden,  so  daß  das  in  einem 
jeden  einzelnen  der  auf  diese  Weise  entstandenen  Abschnitte  befindliche  Füllmaterial 
in  diesem  verbleiben  muß  und  nicht  aus  ihm  verdrängt  werden  kann.  Es  werden 
auch  Bettstücke  derart,  und  in  noch  zweckmäßiger  Weise  als  diese  bombierten,  von 
vornherein  so  hergestellt,  daß  die  Hülle  des  Bettstückes  von  einer  Seitenwandung 
aus  in  eine  größere  Zahl  radiär  gestellter  Zellen  eingeteilt  wird,  daß  also  von  dieser 
Stelle  aus  Scheidewände  in  den  Hohlraum  des  Bezugs  eingefügt  werden,  welche 
strahlenförmig  langgestreckte  Zellen  in  dem  Innenraum  absondern ;  von  der  gemein- 
samen Oeffnung  aus  wird  eine  jede  einzelne  dieser  Zellen  für  sich  gefüllt  und  läßt 
sich  selbständig  wieder  im  Falle  einer  Beschmutzung  oder  Durchtränkung  des  In- 
haltes entleeren  und  erneuern. 

Gewöhnlich  sind  die  Matratzen,  mögen  sie  nun  eine  derartige  besondere  Vor- 
richtung aufweisen  oder  nicht,  einheitliche  Stücke  von  der  ganzen  Größe  des  Bett- 
gestelles ;  häufig  wird  jedoch  die  Matratze  auch  so  gearbeitet,  daß  sie  aus  drei  gleichen 


Fig.  107.  Dreiteilige  M  atratze.  Die  „Zellenelnteilung"  der  mit  dieser  ver- 
sehenen Matratzen  kann  entweder  radiär  angebracht  sein,  so  daß  von  einem  geraeinsamen 
Ausgangspunkte  in  die  einzelnen  Zellen  eingegangen  werden  kann,  wie  das  an  dem  linken 
Drittel  dargethan  ist ;  oder  aber  die  Zellen  gehen  parallel  von  einer  Seitenwand  zu  der 
anderen,  -wie  es  die  beiden  rechten  Drittel  der  Matratze  zeigen. 

Stücken  besteht,  welche  dem  Kopfende,  der  Mitte  und  dem  Fußende  entsprechen 
lind  die  natürlich  sehr  sorgfältig,  und  das  besonders  an  den  aneinander  liegenden 
Kanten,  gearbeitet  und  zugepaßt  sein  müssen,  vuu  dem  Kranken  hier  keine  Druck- 
empfindung zu  verursachen.  Eine  solche  Vorrichtung  sogenannter  „dreiteiliger 
Matratzen"  hat  den  Vorteil ,  daß  das  mittlere  Stück  selbständig  herausgezogen 
werden  kann,  und  so  der  Kranke  im  Liegen  seine  Bedürfnisse  befriedigen  und  auch 
völlig  gesäubert  zu  werden  vermag. 

Auch  die  anderen  zur  Ausstattung  des  Krankenbettes  gehörigen  Bettstücke  werden 
mit  dem  verschiedenartigsten  Füllmaterial  versehen,  insbesondere  die  Kopfkissen ; 
bei  diesen  ist  die  FüUimg  mit  Federn,  wie  sie  im  täglichen  Leben  ja  allgemein  ge- 
bräuchlich ist,  auch  in  der  Krankenpflege  im  großen  Ganzen  zuzulassen,  wenn  sie 
auch  manchmal,  zumal  bei  stark  fiebernden  Kranken,  nicht  ganz  opportun  erscheint. 
Immer  aber  müssen  solche  Federkissen  relativ  prall  und  voll  gestopft  sein,  um  dem 

86 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 


233 


Kopfe  eine  genügende  Masse  entgegenzusetzen,  damit  dieser  nicht  zu  tief  einsinkt  und 
an  beiden  Seiten  das  Bettlcissen  dann  in  die  Höhe  ragt  und  dem  Kranken  die  Luft  be- 
nimmt. Solche  Federfüllung  aber  etwa  als  Unterlage  für  den  ganzen  Körper  zu  ver- 
wenden, muß  in  der  Krankenpflege  ganz  imd  gar  vermieden  werden ;  es  ist  früher 
mehr,  jetzt  weniger,  aber  immer  noch  hier  und  da  Gebrauch,  sogenannte  Unterbetten 
außer  dem  Bettboden  und  der  gepolsterten  Matratze  zu  benutzen,  flache  Feder- 
betten, welche  über  die  eigentliche  Matratze  gelegt  werden.  Sie  sind  aus  jedem 
Krankenbette  immer  und  überall  zu  entfernen. 

Im  übrigen  sind ,  wie  bereits  vorher  angedeutet  worden ,  unsere  gebräuch- 
lichen Kopfkissen  keineswegs  zweckmäßige  Einrichtungen.  Die  ganze  Gestalt 
des  Körpers,  die  Niveaudifferenzen,  welche  zwischen  Rumpf  und  etwas  erhöhtem 
Kopfe  bestehen  und  die  auch  schon  in  der  Eückeulage  deutlich  ausgesprochen  sind, 


Fig.  108.  Nackenliiftkissen.  Das  Gerät,  welches  nicht  zu  prall  aufgeblasen 
werden  darf,  kommt  nicht  im  Liegen,  sondern  nur  beim  Geneigt-  oder  Aufrechtsitzen  des 
Kranken  zur  Ausfüllung  der  Naekenexkavation  zur  Verwendung.  Es  muß  ebenso  wie 
jedes  andere  Bettstück  mit  einem  leinenen  Ueberzuge  versehen  werden  und  ist  seitlich 
durch  Bänder  oder  mittels  Verbandnadeln,  die  natürlich  nur  den  Ueberzug,  nicht  das 
Kissen,  durchstechen  dürfen,  an  der  geeigneten  Stelle  der  Rückenlehne  zu  fixieren,  nicht 
aber   dem  aufrecht  im  Bette  sitzenden  Kranken  zu  eigener  Festhaltung  zvi  überlassen. 

ganz  besonders  aber  erheblich  werden  in  der  Seitenlage  des  Körpers,  wo  der  Kopf 
um  die  ganze  Breite  der  Schulter  höher  steht  als  der  Oberkörper,  erheischen,  daß 
ein  dem  Kopfe  als  Stütze  und  Unterlage  dienendes  Kissen  nicht  gleichzeitig  auch 
den  oberen  Teil  des  Oberkörpers  aufnehme,  sondern  daß  es  erst  am  Halse  mit  seiner 
unteren  Kante  beginnen  darf,  also  nur  ausschließlich  dem  Kopfe  als  Unterlage  zu 
dienen  hat.  Es  ist  schon  mehrfach  in  Krankenhäusern  der  Versuch  gemacht  worden, 
allerdings  ohne  daß  sich  die  Einrichtung  allgemein  eingebürgert  hätte,  statt  der 
Kopfkissen  viereckige  schmale  Polster  von  ungefähr  20  cm  Dicke,  und  zwar  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  überall  gleich  dick  und  so  breit  wie  das  ganze  Bett,  zu  ver- 
wenden, auf  welche  der  Kranke  allein  den  Kopf  legt  und  damit,  zumal  in  der  Seiten- 
lage, eine  dem  natürlichen  Höherstand  des  Kopfes  entsprechende  Unterstützung  für 
diesen  findet.  In  Privathäusern  pflegt  man  den  Schwierigkeiten,  welche  für  eine 
zweckmäßige  Unterstützung  durch  unsere  Kopfkissen  entstehen,  dadurch  zu  be- 
gegnen, daß  man  außer  den  eigentlichen  Kopfkissen  noch  weitere  kleine  Hilfsmittel 
ähnlicher  Art  anwendet:  ganz  kleine  Federkissen,  welche  nur  so  groß  sind,  daß 
der  Kopf  allein  darauf  Platz  findet,  oder  aber  verschiedenartige  Gebilde  nach  Form 
und  Art  der  sogenannten  Schlummerrollen,  welche  in  Rollenform  dem  Hals  und 
Nacken  eine  Unterstützung  gewähren  und  im  allgemeinen  ebenfalls  mit  Federn  ge- 
füllt oder  mit  einem  der  anderen  Materialien  gepolstert  sind,  am  besten  jedoch  als 
Luftkissen  gestaltet  und  aus  Gummi  hergestellt  werden,  wo  sie  dann  je  nach  Be- 
dürfnis mehr  oder  minder  stark  aufgeblasen  zur  Verwendung  kommen  können. 

Ebensowenig  wie  etwa  für  Unterbetten  darf  für  die  Bedeckung  des  Kranken, 
für  die  Bettdecken,  das  Material  der  Bettfedern  herangezogen  werden;  auch  Ober- 
betten aller  Art  und  Form  sind   zu  vermeiden.    Allerdings  ist   das  eine  Regel,   die 

87 


234 


M.    MENDELSOHN, 


unter  Umständen  wohl  ihre  Ausnahme  finden  kann;  für  gewöhnlich  jedoch  sind  nur 
Decken  zu  verwenden,  Decken  mit  entsprechendem  Wäscheüberzuge,  die  gewöhnlieh 
tresteppt  zu  sein  pflegen  und  dann  also  mit  AVolle  oder  mit  "Watte  angefüllt  sind, 
die  jedoch  auch  Torteilhaft  nur  als  einfache  wollene  Decken  zur  Anwendung  kommen. 
In  Krankenhäusern  ist  die  Verwendung  solcher  wollener  Decken  allgemein  übhch; 
die  verschiedenen  Anforderungen  an  ein  Warmhalten  werden  dabei  m  der  einfachsten 
Weise  dadurch  gelöst,  daß  man  je  nach  Bedarf  zwei  und  auch  drei  Exemplare 
solcher  Decken  übereinander  legt  mtd  semeinsam  verwendet. 


Fig.  109.  Bettdecke.  Die  an  der  Bettdecke  angebrachten  Aermel  sind  relativ 
kurz  und  sehr  weit,  so  daß  der  Kranke  ohne  weiteres  mit  den  Annen  zu  ihnen  hinaiis- 
imd  wieder  in  sie  hineinsehlüpfen  kann.  Das  inmitten  der  Aermel  angebrachte  muäen- 
artige  Sehutzstüek  ist  entbehrlieh. 


Fig.  110.  E  eifentrage.  Um  den  Druck  der  Bettdecke  vom  Rumpfe  oder  den 
unteren  Extremitäten  fernzuhalten,  dienen  metallene  oder  aus  andersartigem  Material  her- 
gestellte Bogen,  welche  über  den  Körper  des  Kranken  fort,  gestellt  werden  und  ihn  so  vom 
Drucke  der  Bettdecke  entlasten.  Sind  sie  aus  Metall,  so  müssen  sie  mit  Stoff  umwickelt 
werden,  um  unangenehme  Kälteempfindungen  bei  Beiührung  mit  dem  Köi-per  zu  venneiden. 


Die  Wirkuna;  auf  die  Fclmierzfreihcit. 


235 


Wo  der  Druct  der  Bettdecke,  auch  einer  leichten,  zu  scliwer  für  den 
Kranken  ist,  oder  wo  besondere  Krankheitszustände  diesen  Druck  schmerzhaft 
empfinden  lassen,  müssen  die  Anbringung  meh- 
rerer Eeifen,  welche  von  einer  Stelle  des  Bettes 
nach  der  anderen  hin  über  den  Kranken  hinweg- 
ziehen, oder  ähnliche  Vorrichtungen  dem  Körper 
die  Last  der  Bettdecke  abnehmen  und  sie  selbst- 
ständig tragen.  Auch  die  kleineren  Schutzgeräte, 
Warzenhütohen  für  die  weibliche  Brust  und  ähn- 
liche Hilfsmittel,  wirken  in  gleichem  Sinne. 

Nun  darf  alles  dieses  Bettmaterial  immer 
noch  nicht  direkt  dem  Kranken  zur  Bedeckung 
dienen,  sondern  hat  nur  als  Unterlage  für  die 
eigentliche  dritte  Schicht,  auf  der  er  unmittelbar 
airfruht  und  von  der  er  überdeckt  wird :  für  die 
Bettwäsche  zu  dienen,  mit  der  allein  der 
Körper  des  Kranken  in  direkten  Kontakt  kommt. 

Die  ch'ei  Schichten,  welche  ein  jedes  Kran- 
kenlager, sei  es  das  primitivste  oder  das  kom- 
plizierteste, zusammensetzen,  sind  stets  eine 
unterste,  und  zwar  eine  feste  Schicht,  der  so- 
genannte Bettbodeu,  der  in  den  einfachsten  Ver- 
hältnissen ganz  fest  und  starr  ist,  sonst  jedoch 
möglichst  elastisch  gestaltet  wird,  immer  aber  die  solide,  wenn  auch  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  nachgiebige  Unterlage  des  Ganzen   darstellt.    Dieser   festen  Schicht 


Fig.   111.     Schiitzkapsel. 


Fig.  112.  Schutzkapsoln. 
Fig.  111,  112.  Zum  Schutze  der  alteriertcn  Haut,  insbesondere  auch  zum  Sdmtze 
der  Impfpiisteln  und  ähnlicher  lokaler  Atfektionan,  dienen  halbkugelige  oder  ovnlgestaltete, 
kapselartige,  durchsichtige,  aus  Celluloid  gefertigte  Bedeckungen,  welche  entweder  mittels 
einer  HcftpflasteiTorrichtiing  direkt  auf  die  Körperoherfläche  geklelit  werden  oder  auf  eine 
in  der  Glitte  ausgeschnittene  zweite  Heftpflastei"fläche  gebracht  werden;  sie  können  \on 
dieser  teilweise  abgehoben  und  zum  Zwecke  der  Besichtigung  tuid  Behandlung  zurürk- 
gcklappt  werden  (Fig.  112).  Auch  aus  Hörn  oder  Elfenbein  etc.  werden  sie  hergestellt 
tmd  mit  Gummibändern  um  den  Arm  etc.  befestigt  (Fig.   111). 

89 


236 


M.   MEND^LSOHN, 


rulit  nun  die  ;cwcito  weiche  Schicht  auf,  die  sich  eben  aus  mannigfachen  und  oft 
sehr  verschiedcTinrtia;  zusamrtiengesetzten  Utensihen  aufbaut  und  die  das  eigentliche 
Ti'eichc  Lager  darstellt ,  auf  und  in  dem  der  Kranke  ruht,  während  die  unterste 
Schicht  diese  trügt,  und  zwar  in  möglichst  zweckmäßiger  und  elastischer  Anordnung. 


Fig.   113.     Milehsauger. 


Fig.  114.  Milehsauger. 


Fig.  113,  114.  Das  Absaugen  von  Milch  durch  Milehsauger,  wobei  ein  Ausdrücken 
und  eine  sonstige  Alteration  der  jMnmnia  Tennieden  wird,  geschieht  am  besten  durch  ein- 
fache Luftverdünnung  mittels  Gummiballons  (Fig.  114).  Doch  sind  auch  Milchsauger  an- 
gegeben worden,  bei  welchen  von  der  die  AVarze  bedeckenden  Glasglocke  zwei  Gummi- 
sehläuche  ausgehen  (Fig.  113);  aus  dem  einen  saugt  die  Mutter  die  Milch  in  die  Glas- 
glocke   an  dem  anderen  saugt  das  Kind  gleichzeitig  die  Milch  aus  dieser  ein. 

Diese  Eigentümlichkeit  der  zweiten  Schicht,  das  Weiche  der  gesamten  Unterlage  zu 
bilden,  wird  von  ihr  ganz  und  gar  in  Anspruch  genommen,  und  das  in  dem  Maße, 
daß  alle  außergewöhnlichen,  künstlichen  Hilfsmittel  für  eine  weichere  Gestaltung  des 
Lagers,  wie  beispielsweise  Luft-  oder  Wasserkissen,  immer  nur  dieser  zweiten  Schicht 
einzufügen  sind  und  niemals  etwa  unmittelbar  unter  den  Krauken  gebracht  werden 
dürfen.  Die  dritte,  oberste,  mit  dem  Körper  in  unmittelbarem  Kontakt  stehende 
Schicht  dagegen  hat  die  Aufgabe,  die  Berührungsfläche  zwischen  dem  Kranken  und 
seinem  Lager  zu  einer  glatten  und  vor  allem  zu  einer  stets  reinen 
gestalten  zu  lassen.  Diese  Aufgabe  erfüllt  die  Bettwäsche,  welche 
über  die  Bettstücke  der  zweiten  Schicht  gebreitet  wird  oder  diese 
von  allen  Seiten  her  überzieht,  und  die  im  Gegensatze  zu  den 
stabilen,  dauernd  in  Benutzung  befindlichen  und  darum  immer 
auch  nur  in  einem  einzigen  Exemplar  vorhandenen  Bettstücken 
selber  möglich  oft  gewechselt  und  erneuert  wird.  Es  ist  über 
sie  in  dem  Kapitel  von  der  Keinlichkeit  die  Rede  gewesen. 

Fig.  115.  Warzenhütchen.  Die  zum  Schutze  der  Bnistwarze  auf  diese  gestellten 
und  durch  Aspiration  selbstthätig  haftenden  Warzenhütchen  sind  entweder  ganz  aus  Gummi 
gefertigt  oder  sie  bestehen  aus  Glas  und  tragen  nur  einen  wie  bei  den  Saugpipetten  üb- 
lichen Gummiansatz. 

Die  eben  erwähnten  Hilfsmittel  der  zweiten  Schicht  haben  gerade  für  die 
Schaffung  einer  möglichsten  Schmerzfreiheit  eine  außerordentlich  große  Bedeutung; 
es  sind  das  die  aus  Gummi  hergestellten  Wasserbetten  und  Luftkissen. 

Alle  die  hierfür  in  Betracht  kommenden  Gummibehältnisse  zeichnen  sich 
dadurch  aus,  daß  sie  eine  möglichst  große  und  gleichmäßige  äußere  elastische  Fläche 
darbieten,  welche  eine  schwach  konvexe  Wölbung  zeigt,  die  dadurch  erzeugt  wird, 
daß  das  betreffende  Gummibehältnis  bis  zu  einem  gewissen  Grade  durch  eine  An- 
füllung  mit  Luft  oder  mit  Wasser  ausgedehnt  wird  und  seine  Wandungen  so  in 
Spannung  versetzt  werden.  Diese  konvexe  Oberfläche  ist  in  ihrer  Gestalt  abhängig 
von  dem  Grade  und  der  Spannung  der  Anfüllung  und  dementsprechend  mehr  oder 
weniger  leicht  an  ihren  einzelnen  Stellen  eindrückbar,  wobei  jedoch  das  ganze  Be- 
hältnis stets  eine  sehr  elastische  Oberfläche  darbietet.  Es  ergiebt  sich  ohne  weiteres, 
daß  diese  Behältnisse  allseitig  verschlossen  sein  müssen  und  nur  eine  einzige  An- 
füllungsöffnung  haben  können ;  und  da  deren  Verschluß  nicht  nur  den  Wiederabfluß 


90 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreilieit. 


237 


von  eingebraclitem  Wasser  und  selbst  den  Austritt  vcm  Luft  zu  verhüten  hat,  sondern 
sogar  auch  einem  relativ  großen,  auf  das  Gumraibehältnis  wirkenden  und  dieses 
komprimierendem  Drucke  gegenüber  dicht  bleiben  muß,  so  kann  dieser  Verschluß 
eben  nur  ein  hermetischer,  ein  ventilartiger  sein ;  er  besteht  gewöhnlich  aus  einem 
Schraubenventil. 

Die  Form  dieser  Behältnisse  zeigt  zwei  Typen.  Entweder  bilden  sie  ein- 
fache Kissen  von  rechteckigem  Umfange,  der  von  der  vollen  Größe  einer  ganzen 
Matratze  bis  zu  der  eines  Kopfkissen«  und  eines 
noch  kleineren  rechteckigen  Kissens  heruntergeht; 
solche  Behältnisse  bestehen  aus  zwei  gleich  großen 
Gummiplatten,  welche  rundum  an  ihrer  Circum- 
ferenz  miteinander  luftdicht  verschmolzen  sind,  das 
Ventil  tragen  sie  gewöhnlich  an  der  Mitte  der  einen 
Schmalseite  oder  an  einer  Ecke.  Füllt  man  ein 
solches  Behältnis,  dessen  beide  Wände  zunächst  sich 
berühren,  mit  Luft  oder  mit  Wasser  an,  so  entsteht 
ein  Kissen  mit  konvexer  Oberfläche,  dessen  Tiefen- 
durchmesser in  der  Mitte  am  größten  ist,  während 
es  nach  den  vier  Kanten  hier  abfällt.  Die  zweite 
Form  derartiger  Behältnisse  ist  die  kreisrunde,  und 
zwar  sind  sie  entweder  ebenso  beschaffen  wie  die 
viereckigen  Kissen,  also  aus  zwei  kreisrunden  mit 
einander  verschmolzenen  Scheiben  bestehend,  oder 
aber  sie  sind,  wie  das  gewöhnlich  der  Fall  ist,  ring- 
förmig gestaltet,  d.  h.  es  sind  nicht  zwei  völlige 
Gummischeiben  miteinander  in  Verbindung  gebracht, 
sondern  aus  diesen  ist  zuvor  der  Centralteil  kreis- 
förmig ausgeschnitten,  so  daß  hier  zwei  ringförmige 
Streifen  aufeinander  gelegt  sind,  welche  sowohl  mit 
ihrer  inneren  als  mit  ihrer  äuSeren  Peripherie  in- 
einander übergehen.  Wird  ein  solches  Behältnis 
angefüllt,  so  daß  seine  Wände  sich  von  einander  ent- 
fernen, so  muß  ein  Ring  entstehen,  dessen  Ober- 
fläche konvex  ist  und  die  sowohl  nach  außen  wie 
nach  innen  hin  rundhch  abfällt.  Diese  ringförmigen 
Behältnisse  haben  für  gewöhnlich  die  Größe  eines 
runden   Sitzkissens;    sie   sind   jedoch   auch   kleiner 

vorhanden,  und   selbst  von  so  geringer  Größe  zu   haben,  daß   nur  eine   Ferse  auf 
ihrer  Fläche  Platz  findet. 


Fig.  116.     Wasserkissen. 


Fig.  117.     Wasserkissen. 
91 


■2?>S 


M.   MElS-DfiLSOHN, 


Die  Luft-  uiid  Wasserkissen  dienen  ausschließlich  dem  Zwecke,  eine  elastische 
Unterlage  darzubieten;  auch  hier  wiederum  ist,  wie  sich  das  immer  und  immer  wieder 
in  der  Kranbenpflege   findet,   das  eigentliche  Gerät   selber   erst  in  zweiter  Linie  von 

Bedeutung,  das  Wesenthche  viel- 
mehr ist  auch  hier  der  Inhalt,  der 
entweder  aus  Luft  oder  aus  Wasser 
besteht;  und  die  Vorrichtung  selbst 
hat  nur  die  Bedeutung,  diese  Luft 
oder  dieses  Wasser  allseitig  abzu- 
schließen und  so  zu  ermöglichen, 
daß  solche  nachgiebigen  und  nicht 
greifbaren  Medien  zur  Unterlage  für 
den  Kranken  werden  können.  In 
Wirklichkeit  liegt  der  Kranke  hier 
auf  Luft  oder  Wasser,  nicht  auf  den 
Kissen. 

Und  das  trifft  sogar  in  dem 
Maße  zu  ,  daß  es  nicht  einmal  er- 
laubt ist,  die  Oberfläche  des  Köq^ers 
in  unmittelbare  Berührung  mit  dem 
Kissen,  mit  dem  Giunmistoffe  zu 
bringen;  über  diese  Gummikissen 
muß  stets  Leinen  in  ein-  oder  mehr- 
facher Schicht  gebreitet  werden,  auf  welches  der  Kranke  gelegt  wird,  da  die  Berührung 
des  Gummi  mit  der  Körperoberfläche  eine  unangenehme,  brennende  Empfindung  zeitigt, 
eine  Maßnahme,  die  sich  durch  ein  einfaches  Darüberbreiten  von  zusammengefalteten 
Laken  erzielen  läßt  oder  noch  einfacher  dadurch,  daß  man  das  Gummikissen  in  einen 
Leinenüberzug  steckt,  ebenso  wie  das  mit  den  Federkissen  der  übhchen  Kopfkissen 
geschieht. 

Bei  der  Verwendimg  dieser  Kissen,  von  denen  die  für  die  Füllung  mit  Luft  be- 
stimmten die  weit  gebräuchhcheren  sind,  geschieht  die  Antüllung  mit  Luft  dadurch, 
daß  man  die  an   der  einen  Kante   angebrachte,  mit  rundem  Mundstücke   versehene 


Wasse  rkissen. 


Fig.  119.  Wasserkissen. 
Fig.  116,  117,  118,  119.  Die  GummiwasserMssen  haben  sowohl  an  den^ldeineren 
Exemplaren  (Fig.  119)  wie  an  den  größeren  (Fig.  116)  für  gewöhnlich  nur  ein  kurzes 
Ansatz-  und  Verschlußstück  für  die  Füllung,  welches  mit  einer  GummihüUe  iimgelien  zu 
sein  pflegt.  Ausnahmsweise  wird  dieses  Ansatzstück  auch  relativ  laug  und  sclilaucbfönnig 
gestaltet  (Fig.  117),  was  den  Vorteil  hat,  daß  bei  der  Füllung  das  Kissen  selber  nicht 
gelialten  zu  werden  braucht,  sondern  neben  der  Wasserzufuhrstclle  niedergelegt  werdeu, 
auch,  während  der  ScUauchansatz  zum  Bette  heraushängt,  auf  diesem  in  situ  ganz  oder 
teilweise  entleert  werden  kann.  Keinesfalls  dürfen  diese  Kissen  an  dem  schlauchartigen 
Ansatzstücke  getragen  werden,  da  das  Gewicht  eines  gefüllten  Wasserkissens  oder  gar 
Wasserbettes  ein  ausserordentlich  hohes  ist.  Die  an  dem  Wasserkissen  angebrachten  Trag- 
gurte (Fig.  116,  119)  halten  ihm  nicht  immer  stand.  Zweckmäßig  ist  daher  eine  Kon- 
straktion, bei  welcher  die  vier  Ecken  des  Wasserkissens  in  dicke  Gummiringe  auslaufen 
(Fig.  118),  an  welchen  das  Kissen  gefaßt  und  gehandhabt  werden  kann. 


92 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 


239 


Veatilsehraube  aufdreht,  das  Ansatzstück  zwischen  die  Lippen  ninunt  und  die  Luft 
mit  dem  iVIunde  einbläst;  ist  das  Kissen  genügend  gefüllt,  so  verschließt  man  die 
Oeffnuug  mit  dem  Zeigefinger  der  linken  Hand  und  dreht  dann  die  Schraube  zu. 
Ne'uerdings  sind  sogar  Luftkissen  aus  Gummi  gefertigt  worden,  welche  sich  von 
selber  wieder  füllen ,  wenn  die  Luft  aus  ihnen  herausgedrückt  worden  ;  die  Kon- 
fio-uratiou  der  Behältnisse  ist  eine  solche,  daß  sie,   ähnhch  wie  die  zu  Einblasungen 


rig.   120.     Luftkissen. 

dienenden  Gummiballons,  falls  sie  eingedrückt  worden  sind,  stets  wieder  zu  ihrer 
normalen,  hohlen  Gestalt  zurückzukehren  sich  bestreben,  so  daß  also  zum  Zwecke 
einer  ausreichenden  AnfüUung  mit  Luft  nichts  weiter  vonnöten  ist,  als  die  Ventil - 
schraube  weit  zu  öffnen  imd  sie,  nach  geschehenem  Lufteintritt,  fest  und  vollständig 
wieder  zu  verschließen.  Die  IMeinung,  daß  bei  solcher  spontaner  Anfüllung  keine 
genügende  Luftmenge  in  das  Kissen  gelange,  wäre  irrig;  denn  ein  Luftkissen  darf 
niemals  bis  an  die  Grenze  der  möglichen  LuftfüUung  ausgedehnt  werden.  Ein  auf- 
blasbares Luftkissen  ist  durchaus  nicht  dazu  angethan,  die  volle  Kraft  der  Lungen 
des  Aufblasenden  zu  erproben.  Und  zwar  darf  der  FüUnngsgrad  nur  ein  mäßiger 
sem,  einmal  im  Interesse  des 
Gerätes  selber,  das  bei  zu 
starker  Anspannung  leicht 
ausreißt  und  bricht,  vor 
allem  aber  des  Kranken 
wegen ,  der  auf  einem  nur 
mäßig  aufgeblasenen  Luft- 
kissen eine  viel  weichere  und 
bequemere  Unterlage  hat, 
als  auf  einem  prall  gefüllten 
Behältnisse.  Man  thut  gut, 
sich  gelegentlich  einmal  durch 
persönHches  Niederlegen  auf 
ein  in  verschiedenen  Graden 
bis  zur  höchsten  Spannung 
aufgeblasenes  Luftkissen  von 
der  Verschiedenheit  der 
Elasticität  mid  der  Weichheit 
bei  den  einzelnen  Füllungs- 
graden zu  überzeugen. 


Luftkissen. 


Fig.  120,  121.  Die  für  (Luftkissen  uneiiäßliclie  äußere  ümkleidung  des  Gummis 
mit  Leinen  oder  anderem  Stoff  kann  schon  von  vornherein  fest  über  dem  eigentlichen 
Gummikissen  angebraclit  sein  (Fig.  121);  zweckmäßiger  ist  ein  auswechselbarer  Ueberzug, 
in  den  das  Gumnügerät  lose  hineingegeben  wird. 

Geschieht  die  Anfüllung  mit  AVasser,  so  ist  die  gleiche  Vorsicht 
zu  beobachten.  Die  Wasserkissen  sind,  obwohl  bei  weitem  zweckmäßiger  als 
die   Luftkissen,    m    der    Krankenpflege    dennoch    weniger   im   Gebrauche,   weil    sie 


93 


240 


U.    MENDELSOHN. 


teurer  sind;  Wasserkissen  von  der  Größe  einer  Matratze,  wie  sie  für  die  gäuz- 
licie  Aufnahme  des  ganzen  Körpers  hergestellt  werden  und  auch  unter  dem 
Kamen   Gummibetten   bekannt   sind,  kosten    eme  sehr   beträchtliche  Summe.     Bei 

diesen  Wasserkissen  geschieht  die  Füllung  ent- 
weder durch  einen  Trichter,  der  in  die  mit  einer 
Verschlußschraube  versehene  Oeffuung  eingeführt 
wird,  oder  durch  einen  Schlauch,  in  den  vielfach 
diese  Oeffnung  direkt  übergeht  imd  der,  mehr 
oder  minder  lang,  an  semem  freien  Ende  dann 
eine  trichterförmige  Mündimg  hat;  ein  solcher 
Schlauch  läßt  sich  auch  unmittelbar  mit  der 
AVasserleitung  verbinden.  Allerdings  könnte  das 
in  praxi  nur  dann  geschehen,  wenn  vorher  eine 
richtig  bemessene  Menge  warmen  Wassers  bereits 
eingefüllt  ist;  denn  diese  Wasserkissen  müssen 
mit  lauwarmen  Wasser  von  bestimmter  Tem- 
peratur gefüllt  werden,  die  nur  wenig  unter  der 
menschlichen  Körpertemperatur  hegt ;  am  besten 
mit  Wasser  von  35°.    Es  ist  das  eine  Vorschlaft, 

Fig.  122.  Ferseu-Luftkisseu.  Ganz  kleine  Exemplare  von  Luftkissen  dienen 
zur  elastischen  und  nachgiebigen  Unterstützung  der  Fersen;  auch  sie  dürfen  nicht  un- 
mittelbar mit  der  Körperobei*flilche  in  Xuntakt  kommen. 

die  unbedingt  beachtet  ^^erden  muß;  und  da  zu  warmes  oder  gar  heißes  Wasser, 
das  diese  Gummibehältnisse  gar  nicht  aushalten  würden,  überhaupt  nicht  in  sie 
eingebracht  werden  darf,  so  empfiehlt  es  sich,  das  vorher  genau  temperierte  Wasser 
direkt  und  unmittelbar  in  das  Behältnis  einzufüllen.  Außerdem  ist  zweierlei  zu 
beachten:  auch  hier  wieder  darf  die  Anfüllung,  eben  aus  denselben  Gründen,  wie 
sie  für  die  Luftfüllung  maßgebend  sind,  keine  allzu  starke  sein,  darf  jedoch  anderer- 
seits, wenn  das  Gerät  seinen  Zweck  erfüllen  soll,  nicht  zu  gering  bemessen  werden; 
einen  verläßlichen  Maßstab  hat  man  darin,  daß  man  mit  den  aufgelegten  Vorder- 
armen die  Oberfläche  eindrückt,  wobei,  wenn  die  Füllung  richtig  bemessen  ist,  che 
Arme  zwar  der  Unterfläche  des  Kissens  ziemhch  nahe  herangebracht  werden  können, 
keinesfalls  aber  diese  Unterlage   direkt  berühi'en   dürfen.     Das  zweite.  Moment,  auf 


Fig.  123.  Luftkissen.  Das  Gerät  findet  gleichzeitige  Verwendung  als  Steckbecken, 
da  seine  mittlere  Oeffnung  durch  eine  untere  Gummiplatte  abgeschlossen  ist  uiid  so  ein 
ausreichend  großer  centraler  Hohlraum  für  die  Aufnahme  der  Exkremente  entsteht.  Es 
dai-f  nur  im  Notfall  und  nur  vombergehend  gebraucht  werden ,  wegen  seiner  unsicheren 
Handhabung  und  schwierigen  Säuberung. 


94 


Die  Wirkung  auf  die  Sclimerzfreiheit. 


241 


das  bei  der  Füllung  zu  achten  ist,  besteht  dai'in,  daß  vor  dem  Verschließen  der 
Verschlußschraube  nach  der  Wassereinbriugung  alle  Luft  aus  dem  Kissen  heraus- 
gebracht werden  muß,  was  dadurch  geschieht,  daß  mau  die  Oeffnung  nach  oben 
hält,  die  Luft  herausstreicht  und  dann  in  dieser  Lage  die  Schraube  schließt;  da, 
wenn  dies  versäumt  vnrd,  die  Oberfläche  eines  zumal  größeren  Kissens  keine  Ebene, 
sondern  eine  mehr  oder  minder  konvexe  imd  damit  unzweckmäßige  Fläche  \vird.  Daß 
auch  alle  diese  Behältnisse  ebenfalls  rein  gehalten  werden  müssen,  versteht  sich;  in 
den  Wasserkissen  ist  nach  einigen,  spätestens  nach  ^der  AVochen  das  Wasser  zu  er- 
neuem; insbesondere  müssen  diejenigen  Wasserki'änze,  welche  gleichzeitig  da- 
durch, daß  ihre  centrale  Oeffnung  an  der  unteren  Fläche  einen  Boden  trägt,  zur 
Benufzimg  als  Stechbecken  geeignet  sind,  einer  Reinigung  und  einer  Auswaschung 
mit  desinfizierender  Lösung  häufig  unterworfen  werden,  wie  überhaupt  derartige 
Gummiutensilien,  auch  wenn  sie  nicht  gebraucht  werden,  alle  3  bis  4  Monate  mit 
lauwarmem  Wasser  abgewaschen  werden  müssen,  um  den  ausgeschlagenen  Schwefel 
zu  entfernen. 

Alle  die  Maßnahmen  und  Gerätschaften  für  die  besonderen  Ver- 
richtungen des  Kranken,  hauptsächlich  für  die  Defäkation  und  Harnentleerung 
sowie  für  die  Unterstützung  bei  der  Nahrungsaufnahme,  welche,  abgesehen  von 
seiner  permanenten  Lagerung,   durch  ihre    Anwendung  bei   allen  diesen  einzelnen. 


Fig.  124.  Luftkissen.  Das  Gerät  ist  ausschließlieh  lür  Siteehbecken  bestimmt; 
es  dient  auf  ihnen  als  Sitzfläche  und  ist  abnehmbar  und  auszuwechseln.  Bei  aller 
Zweckmäßigkeit  ist  seine  Venrendung  auf  einzelne  Fälle  und  kurzdauernde  Zeiträume  be- 
schränkt, da  auch  hier  trotz  aller  Sorgfalt  während  der  Handhabung  Verunreinigungen 
des  Gummi  unvenneidlieh  sind  und  die  schwierige  Reinigung  in  jedem  Falle  eine  größere 
Anzahl  dieser  nicht  gerade  wohlfeilen  Geräte  erfordert. 


vorübergehenden  Vorrichtungen  schmerzbereitende  Druckreize  fernzuhalten  und  so  zu 
vermeiden  vermögen,  finden  nicht  an  dieser  Stelle,  sondern  in  den  diesen  einzelnen 
Verrichtungen  gewidmeten  Kapiteln  Lhi'e  Erörterung. 

Auf  einem  komplizierteren  Wege,  aber  schließlich  auch  nur  durch 
die  Fernhaltung  schädlicher  Reize,  wirken  des  weiteren  alle  diejenigen 
Heilmittel  der  Krankenpflege ,  welche  bei  erhöhter  Reizbar- 
keit der  sensiblen  Nervenendigungen  einen  jeden,  hier 
ja  schon  bei  ganz  geringer  Intensität  schmerzhaft  wirkenden 
Reiz  beseitigen  und  vermeid  en  lassen.  Wie  schon  angedeutet, 
braucht  das  nicht  nur  auf  die  sensiblen  Nervenendigungen  an  der 
Körperoberfläche  sich  zu  erstrecken,  sondern  auch  an  einer  inneren 
Körperpartie  kann  der  gleiche  Vorgang  durch  Körperbewegungen 
aktiver  oder  auch  passiver  Art   infolge  der   damit  verbundenen  Köni- 


gs 


242  M     MENDELSOHN, 

yression  oder  Dehnung  oder  Zerrung  der  Nervenendigungen  statt- 
haben. Immer  aber  wirken  auch  diese  Heihnittel  nur  auf  die  gleiche 
Teilaktion  ein  :  nur  auf  die  Beseitigung  des  äußeren  Reizes  ;  und  wenn 
auch  die  Hypurgie  und  mehr  noch  die  anderen  therapeutischen  Dis- 
ciplinen  Heilmittel  besitzen ,  um  die  weitere  Teilaktion  der  Gesamt- 
funktion des  Schmerzes :  die  gesteigerte  Reizbarkeit  der  Nerven- 
endigungen, herabzusetzen,  und  wenn  diese  therapeutische  Herabsetzung 
der  Reizbarkeit  der  Nervenendigungen  natürlich  hier  nebenher  gleich- 
falls zur  Anwendung  kommen  muß ,  so  schallt  die  Krankenpflege 
hier  im  weitestgehenden  Maße  Anästhesie,  indem  sie  den  äußeren  Reiz, 
der  bei  der  gesteigerten  Irritabilität  der  sensiblen  Nervenendigungen 
auch  bei  geringfügiger  Einwirkung  schmerzhaft  wirken  muß,  beseitigt 
und  in  Fortfall  bringt. 

Diese  gesteigerte  Erregbarkeit  der  peripheren  Nerven  kann  in  der 
Krankenpflege  in  zweierlei  Hinsicht  in  Betracht  kommen:  in  mecha- 
nischem und  in  p  a  t  h  o  g  n  o  m  o  n  i  s c  h  e  m  Sinne.  So  weit  das  erstere 
Moment  hier  zur  Geltung  kommt,  das  vorzugsweise  bei  dem  soge- 
nannten Decubitus,  ob  er  nun  schon  in  vollendeter  Ausbildung  da  ist 
oder  sich  erst  vorbereitet,  von  Bedeutung  ist,  so  sind  hier  die  Heil- 
mittel die  gleichen  wie  die  eben  bereits  besprochenen;  die  erhöhte 
Erregbarkeit  der  Nervenendigungen  an  den  betreffenden  Körperpartien 
ist  hier  durch  den  dauernden  mechanischen  Insult  zustande  gekommen ; 
und  wenn  gar  bei  ausgebildetem  Decubitus  ein  Teil  dieser  Nerven- 
endigungen bloßgelegt  ist,  so  ergiebt  sich  ohne  weiteres,  daß  hier 
alle  diejenigen  Krankenpflegemittel,  welche  jeden  Druckreiz  von 
diesen  K  ö  r  p  e  r  s  t  e  1 1  e  n  abzuhalten  vermögen,  eine  gleichwertige 
therapeutische  Wirkung  ausüben,  wie  andersartige  Anästhetica.  Und 
überall  dort,  wo,  sei  es  an  der  Körperoberfläche  oder  im  Inneren,  aus 
krankhaften  lokalen  oder  allgemeinen  Bedingungen  eine  erhöhte  Reiz- 
Itarkeit  der  Nervenendigungen  besteht,  müssen  in  nicht  minderem  Maße 
auch  alle  diejenigen  Maßnahmen  der  Krankenpflege  als  Anästhetica 
wirken,  welche  geeignet  sind,  solche  Körperbewegungen  hintan- 
zuh  alten  oder  zu  regeln,  die  eine  reizende  und  schmerzhafte 
Einwirkung  auf  die  Nervenendigungen  ausüben  können.  In  allererster 
Linie  gehören  hierher  die  entzündlichen  Reize,  welche  bei  lokalen  Ent- 
zündungen auf  die  sensiblen  Nerven  der  befallenen  Körperregion  aus- 
geübt werden ;  unter  diesen  mag  als  ein  prägnantes  Beispiel  der  akute 
Gelenkrheumatismus  dienen :  aber  eine  jede  Entzündung,  welcher  Art 
auch  immer,  hat  die  gleichen  Konsequenzen  für  das  Zustandekommen 
der  Schmerzemptindung  und  für  die  Hilfsmittel  ihrer  Beseitigung. 

Daher  sind,  wenn  man  sie  bei  solchen  Zuständen  umsichtig  ver- 
wendet ,  alle  Heilmittel ,  welche  solchen  Kranken  entbehrliche 
Körperbewegungen  thatsächlich  zu  ersparen  vermögen, 
wirkliche  schmerzbeseitigende  Heilmittel;  wenn  ein  Kranker  der  an 
akutem  Gelenkrheumatismus  darniederliegt,  mit  Zuhilfenahme  aller  so- 
matischen Heilmittel  der  Krankenpflege  ernährt  und  bekleidet  wird, 
wenn  er  in  ein  mechanisches  Bett  kommt,  das  ihm  jede  aktive  Muskel- 
anspannung abnimmt,  ihm  ohne  sein  Zuthun  zum  Aufrichten  verhilft, 
ihn  zur  Defäkation  ohne  jede  Körperbewegung  gelangen  läßt,  so  sind 
diese  Heilmittel  ebensolche  Anästhetica  von  ebenso  bedeutender  und 
gleichermaßen  therapeutisch  ebenso  zu  würdigender  Wirkung,  wie  die 
Salicylsäure  und  das  Morphium.  Und  des  weiteren  gehören  hierzu  auch 
alle   die   psychischen   Heilmittel    der   Kraukenpflege,    welche   Erreg- 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfrsilieit. 


243 


IUI  gen  fernzuhalteü  vermögen.  Sie  können  nach  zweierlei  Hin- 
sicht wirksam  werden,  indem  auch  sie,  wenn  die  Krankenwartung,  der 
Umgang  mit  dem  Kranken  in  jeder  Hinsicht  zweckmäßig  gestaltet 
wird ,  vielfach  unnütze  Bewegungen  des  Körpers  dem  Kranken  er- 
sparen, vor  allem  dann,  wenn  dafür  Sorge  getragen  wird,  daß  er  nicht 
•erschreckt  wird;  zudem  aber  wirken  sie  auch  noch  insofern  günstig, 
als  durch  das  Fernhalten  aller  Erregungen  die  Herzaktion  und  damit 
die  Blutzufuhr  nach  dem  kongestionierten  und  schmerzhaften  Organe 
in  Schranken  gehalten  bleibt  und  so  dessen  Schmerzhaftigkeit  gelindert 
wird,  gleichfalls  wiederum  durch  hypurgische  Heilmittel. 

Da  alle  diese  psychischen  Einflußnahmen  auf  die  Fernhaltung 
von  Erregungen  ebenso  sehr  auch  der  Einwirkung  auf  den  Schlaf  zu  statten 
kommen,  so  sind  sie  in  dem  Kapitel  der  Einwirkung  auf  den  Schlaf  im  Zusammen- 
hange zur  Erörterung  gelangt. 

Somit  sind  von  der  größten  Wichtigkeit  unter  diesen  vielfachen 
Einwirkungen  diejenigen  Maßnahmen,  welche  bei  den  so  mannigfachen 
Körperbewegungen,  die  auch  der  Kranke  selber  ausüben  oder  doch 
an  sich  vornehmen  lassen  muß,  Anwendung  finden.  Wenn  diese 
Körperbewegungen  in  zweckmäßiger  und  geeigneter 
Weise  unter  m  ög  liehst  er  Schonung  des  Kranken  geschehen, 
so  bilden  sie  in  hervorragendem  Grade  schmerzlindernde  und 
schmerzverhütende  Maßregeln. 

Die  in  der  Krankenpflege  wichtigste  und  häufigste  Bewegung  derart  ist  die 
Aufrichtung  des  Oberkörpers  aus  der  horizontalen  zur  sitzenden  Position. 
Es  ist  sehr  häufig  wünschenswert,  daß  der  Kranke  aufgesetzt  wird;  und  sodann, 
daß  er  in  dieser  sitzenden  Position  ohne  eigene  Anstrengung  erhalten  bleibt,  daß  er 
also  in  ihr  so  fixiert  wird,  daß  er  bequem  darin  ausharren  kann.  Kaum  jemals  darf, 
auch  einem  relativ  kräftigen  Kranken  nicht,  zugegeben  werden,  daß  er  sich  selbst- 
ständig aufsetzt;  dazu  ist  die  Wartung  eben  da,  daß  sie  ihn  unterstützt  und  ihm 
•die  Anstrengung  abnimmt. 
Aber  auch  ein  solches  pas- 
sives Aufrichten  des  Ober- 
körpers eines  Kranken  kann 
immer  nur  dann  einen  Wert 
haben,  wenn  die  Manipulation 
selber  nicht  etwa  ihm  Be- 
schwerden oder  gar  Schmerzen 
verursacht ;  das  würde  aber 
der  Fall  sein,  wenn  man  den 
nur  mit  dem  Hemd  beklei- 
deten Kranken  direkt  unter 
den  Bücken  fassen  wollte  und 
so  die  ganze  Körperlast  der 
relativ  kleinen  ünterstützungs- 
fläche,  wie  sie  die  eine  oder 
auch  beide  Hände  des  Auf- 
hebenden darbieten,  aufbürden 
wollte,  was  an  dieser  Körper- 
stelle, auf  der  durch  keine  Kleidung  geschützten  Eückenfläche  des  Kranken,  zumal 
bei  mageren  Personen  und  bei  sehr  empfindlichen  Kranken ,  nicht  unerhebliche 
Schmerzen  hervorrufen  müßte.  Auch  würde,  wenn  man  unter  den  "Rücken  greifen 
imd  diesen  heben  wollte,  der  Kopf  des  Kranken  keine  Unterstützung  finden,  so  daß 
er  diesen  nicht  ohne  Anstrengung  während  des  ganzen  Aktes  des  Aufhebens  balan- 
cieren müßte.  Es  ist  daher,  um  diesen  Unzuträglichkeiten  zu  begegnen,  beim  Auf- 
richten der  Oberkörper  des  Kranken  nicht  selber  zu  heben,  sondern  stets  das 
Kopfkissen  anzuheben,  auf  welchem  dieser  ruht  und  unter  das  man  herunter- 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Krankh     Suppl.  I.    Heft  3,  ^7 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  q7  n 


Fi?.   125.     Verstellbare  Rückenlehne. 


244 


M.    MENDELSOHN, 


Fig.  126.  Mechanisches  Bettgestell.  Das  metallene,  von  Dr.  med.  GEOHAM 
angegebene  Bettgestell  ruht,  statt  der  üblichen  vier  Füße,  auf  einem  mittleren,  nach  Fonn 
eines  Sägebocks  gestalteten,  massiven  eisernen  Stativ,  auf  welchem  es  mittels  einer  Ead- 
kurbel    mit  leichtestem  Kraftaufwand  in  jede  gewünschte  Neigung  gebracht;  werden  kann. 


Fig.   127.     Verstellbare  ßückenlehne. 

Fig.  125,  127.  Die  auch  „Keilrahmen"  genannten  verstellbaren  Rückenlehnen 
werden  vom  Kopfende  des  Bettes  her  durch  dritte  Personen  verstellt.  Es  dient  dazu  ein 
Gurt,  welcher  an  der  unteren  Fläche  des  oberen  Eahmens  befestigt  ist  und  zum  Bettkopf- 
ende heraushängt.  Ein  jedes  Anlieben  oder  Niederlassen  hat  langsam  und  allmählich 
zu  geschehen ;  beim  Auflieben  gleitet  die  tragende  Stütze  auf  den  Zahnstangen  des  untereu 
Eahmens  von  selber  in  die  entsprechende  Stellung;  beim  Herunterlassen  ist  sie  zunächst 
anzuheben,  was  mittels  eines  zweiten  an  ihr  befindlichen  und  mit  dem  ersten  zusammen- 
hängenden Gurtes  geschieht.  Die  Paickenlehnen  werden  aus  Holz  oder  aus  Metall  in  den 
verschiedenartigsten  Formen  gefertigt.  Je  starrer  iiire  tragende  Fläche  ist,  desto  mehr 
muß  sie  durch  nachgiebiges  Material  überpolstert  werden;  zweckmäßig  sind  die  ein  Keil- 
kissen in  fester  Verbindung  tragenden  Exemplare  (Fig.  103),  da  sie  ein  Herabgleiten  des 
Kissens  bei  steilerer  Stellung  verhüten ;  doch  ist  allei'dings  ihre  Eeinigung  eine  schwierige. 
Die  mit  seitlichen  Euhepolstern  für  den  Kopf  und  seitlichen  verstellbaren  Armstützen 
versehenen  Eückenlehnen  (Fig.  127)  sind  für  Dyspnoische  und  ähnliche  Kranke  wertvoll, 
für  den  allgemeinen  Gebrauch  beliindern  sie  die  freie  Beweglichkeit  des  Kranken,  der  ge- 
wissermaßen allseitig  in  ihnen  eingeschlossen  ist,  allzusehr. 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 


245 


faßt,  um  es  mitsamt  dem  darauf  ruhenden  Kranken  emporzuheben,  der  so  für  seinen 
ganzen  Oberkörper  und  den  Kopf  dauernd  die  nötige  Unterstützung  findet  und 
zudem  durch  das  zwischen  Körper  und  aufhebender  Hand  befindliche  Kopfkissen 
vor  unmittelbarem  schmerzhaftem  Druck  geschützt  bleibt. 

Ist  der  Kranke  auf  welche  Art  auch  immer  einmal  aufgerichtet,  so  muß  nicht 
nur  das  Kopfkissen  durch  dahinter  gestellte  andere  Kissen  in  dieser  Lage,  die  der 
Lehne  eines  Sessels  entspricht,  fixiert  werden,  wobei  hier  unter  Umständen  -der  be- 


Fig.  129.  Vcrstollhare  ßückonlehue. 
Fig.  128,  129.  Die  von  Dr.  med.  BrADT  angegebene  Rückenlehne  hat  vor  anderen 
derartigen  verstellbaren  Geräten  den  Vorzug  voraus,  daß  sie  auch  von  dem  Patienten 
selber,  während  er  darauf  ruht,  in  verschiedene  Neigujignn  gebracht  werden  kann,  sowie 
daß  dies  Verstellen  durch  die  am  Geräte  angebrachte  meehanisebe  Vorrichtung  ganz 
gleichmäßig  und  langsam,  unter  gänzlicher  Schonung  des  ruhenden  Patienten  geschieht. 
Für  die  Verstellung  der  Lehne  durch  den  Kranken  selber  kommen  diejenigen  Geräte  zur 
Verivendung,  an  denen  der  Handgriff  der  Sclu-aubeuvori-ichtung  an  der  vorderen  Kante 
augebracht  ist  (Fig.  129);  für  Bedienung  durch  dritte  Personen  ist  der  Handgriff  seitlich 
oder  hinten  befestigt  (Fig.  128).  Bcidemalc  geschieht  das  Heben  oder  Senken  der  Eücken- 
fläche  dadurch,- daß  mittels  einer  Schraube  ohne  Ende  und  eventuell  mittels  Uebertragung 
durch  eine  ebensolche  Kette  die  beiderseitigen  Fußpunkte  der  Stützen  für  die  Eücken- 
fläche  der  vorderen  Kante  des  Gerätes  angenähert  oder  von  ihr  entfernt  werden. 


09 


17* 

7* 


246  M.   JIENDELSOHN. 

reits  erwähnte  und  sonst  nicht  recht  zweckmäßige  umgekehrt  in  das  Bett  Hneiu- 
gesetzte  Stuhl  oder  Keihrahmen  und  andere  mechanische  Vorrichtungen  ganz  gute 
Dienste  leisten  können ,  sondern  auch  seitlich  sind  kleine  Kissen  anzubringen, 
welche  den  aufgerichteten  Kranken  allseitig  unterstützen  imd  ein 
Heruntergleiten  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  hin  verhüten.  Und  auch  dort, 
wo  die  Nahrungsaufnahme  nicht  selliständig  geschieht,  wo  der  Kranke  gefüttert 
werden  muß,  ist,  wenn  es  irgend  angeht,  dieses  Verbringen  des  Kranken  in  die 
sitzende  Position  durchaus  zweckmäßig  imd  vorteilhaft.  TTo  ein  solches  Aufrichten 
häufig  vorkommt,  läßt  es  sich  durch  eine  einfache  Anordnung  für  den  Kranken 
sehr  erleichtern :  indem  man  eine  Schnur  um  das  Fußende  des  Bettes  schlingt  und 
deren  freies  Ende  ihm  zurechtlegt,  so  daß  er  es  mit  den  Händen  ergreifen  kann; 
aiu  besten,  indem  hier  ein  kurzer  dicker  Stab  als  Handgriff  quer  angeknüpft  ist  oder 
die  Schnur  an  ihrem  freien  Ende  eine  weite  Schlinge  bUdet  oder  ein  großer  Ring 
zur  Handhabe  dient. 

Schwieriger  als  dieses  Aufsitzen  im  Bette  ist  nun  die  Erhebung  des  einen  oder 
des  anderen  Körperteils  nach  oben  oder  gar  das  Aufheben  des  ganzen  Körjiers.    Auch 

dieses  soll,  dem  hier  so  häufig  schon  proklamierten 
Grundsatze  der  Krankenpflege  entsprechend,  niemals 
dem  Kranken  allein  überlassen  bleiben ;  aber  die  oft 
schwierige  Manipulation  erfordert  doch  bei  allem 
guten  AVillen  der  Pflege  mehr  als  manche  andere 
Bethätigung  der  Krankenpflege  mcht  selten  auch 
die  Mitwirkung  des  Kranken  in  einem  ziemhch 
weitgehenden  Maße.  Besonders  wichtig  ist  die  Auf- 
hebung der  Beckenpartie,  der  schwersten  Stelle  des 
ganzen  Körpers,  welche  fast  allein  das  Gewicht  der 
ganzen  Person  zu  tragen  hat  und  die  eben  darum 
aiich  hauptsächlich  Sitz  des  Decubitus  wird ;  aber 
gerade  deswegen  ist  ihre  Anhebung  besonders 
wichtig  und  zumal  für  die  Defäkation  uu  Bette 
unerläßlich. 

Fig.  130.  Betthandhabe.  Bei  einer  im  übrigen  nicht  empfehlenswerten,  aber 
immerhin  vielfacli  statthabenden  Stellung  des  Krankenbettes  mit  der  einen  Längsseite  an 
der  Zimmerwand,  können  die  von  Dr.  med.  Ohrtjiaxx  angegebenen,  an  dieser  "Wand 
passend  angebraeliten  Gurte  mit  unteren  Eingen  nicht  nur  zur  Aufrichtung  und  Bewegtmg 
des  Kranken,  der  an  ihneu  einen  Halt  findet,  dienen,  sondern  sie  vermögen  auch  das 
Taschentuch  und  andere  kleine  notwendige  Gegenstände  aufzunehmen,  so  daß  sie  dem 
Kranken  jederzeit  ztir  Hand  sind. 

Diese  Anhebung  der  Beckenpartie  kann  durch  das  eigene Thrm  des  Kranken 
oder  durch  dritte  Personen  oder  dureh  besondere  Geräte  erfolgen.  Wird  niu-  eine 
ganz  kurze  Zeit  dauernde  imd  nur  flache  Erhebung  notwendig,  so  kann  der  Kranke 
diese  allein  dadurch  bewerkstelligen,  daß  er  ,,den  Rücken  krumm  macht";  noch 
ausgiebiger  wird  sie,  wenn  man  einen  sogenannten  Aufheber  über  ihm  anbringt, 
ein  in  der  Gegend  seiner  Brust  von  oben  her  herunterhängendes  Seil  mit  ent- 
sprechendem Handgriff,  das  entweder  an  der  Zimmerdecke  mit  einem  Haken  be- 
festigt oder  an  einer  galgenartigen  Vorrichtung  am  Kopfende  des  Bettes  angehängt 
ist,  und  welches  er  erfaßt,  um  sich  an  ihm  mit  den  Armen  hochzuziehen,  indem 
gleichzeitig  die  Füße  kräftig  gegen  die  untere  Bettwand  angestemmt  werden.  Auf 
solche  Weise  wird  der  Oberkörper  und  der  Rumpf  angehoben  und  von  der  Unter- 
lage entfernt. 

Besser  in  ihrem  Effekte  imd  weniger  anstrengend  für  den  Kranken  als  di&se 
Prozedur,  die  nur  im  Notfälle  und  nur  beim  Mangel  ausreichender  pflegender  Per- 
sonen zugelassen  werden  darf,  ist  die  Aufhebung  des  Rumpfes  durch  dritte  Per- 
sonen. Hier  sind  zwei  Handgriffe  besonders  zweckmäßig,  je  nachdem  nur  eine  oder 
aber  zwei  Personen  gleichzeitig  zur  Verfügung  sind,  um  den  Kranken  aufzidieben. 
Sind  zwei  Personen  gemeinsam  thätig,  so  stellen  sie  sich  in  der  Höhe  des  Beckens  des 
Kranken  zu  beiden  Seiten  des  Bettes  auf,  mit  dem  Gesicht  einander  zugewandt, 
greifen  mit  den  flachen  Händen  unter  das  Kreuz  und  unter  die  Nates  des  Kranken. 


Die  Wirkung  auf  die  Sohmerzfreiheit. 


247 


mit  den  Fingerspitzen  bis  zur  Mttellinie  des  Körpers  hin,  und  heben  ihn  nun  gleich- 
mäßig auf  den  flachen  Händen  in  die  Höhe.  Eine  einzelne  Person  dagegen  hebt 
am  besten,  so  gefährUch  das  auch  aussehen  mag,  den  Kranken  so,  daß  sie  sich  über 
ihn  weg,  in  der  Höhe  seiner  Oberschenkel,  in  das  Bett  hineinstellt  oder  aber  auf 
die  beiden  Seitenwände  des  Bettgestelles  tritt,  das  Gesicht  dem  Kopfende  des  Bettes 


Fig.  131.  Fig.  132. 

Fig.  131.  Bettschnur.  Eine  in  sich  geschlossene,  starke  Schnur,  welche  einen 
für  das  gleichzeitige  Hineingreifen  beider  Hände  genügend  großen,  mit  weichem  TJeberzuge 
"Versehenen  Handgriff  trägt.,  läßt  sieh  durch  drei  darüber  gestreifte  Holzringe  so  gestalten, 
daß  zwei  periphere  Schleifen  für  die  Befestigung  an  den  beiden  Bettfiißen  des  Fußendes 
des  Bettes  entstehen,  während  der  dritte  Bing  zur  Verstellung  in  jede  gewünschte  Länge 
dient. 

Fig.  132.  Rückenlehne.  Die  von  Dr.  med.  OHBTMANIf  angegebene  Büekeu- 
lehne  dient  gleichzeitig  als  Bettschnur;  ihr  mittlerer,  vor  dem  Kranken  befindlicher 
Riemen  wird  als  Handhabe  zum  Aufrichten  des  Oberköi-pers  benutzt  und  läßt  sich  ebenso 
wie  das  hinter  dem  Eä'anken  befindliche,  zur  Unterstützung  des  Rückens  dienende  Polster- 
kissen, kürzer  oder  länger  schnallen. 


248 


M.   MENDELSOHN, 


Fig.  133.  Krankenhebel-.  Der  große  aus  Holz  hergestellte  Apparat  wird  von 
der  einen  offenen  Seite  her  an  und  über  das  Bett  geschoben  ;  durch  zwei  danach  einzu- 
fügende Querbalken  wird  auch  diese  vierte  Wand  geschlossen.  Auch  liier  muß,  wie  bei 
den  meisten  dieser  Kranl^enhebcr,  die  tragende  Fläche  jedesmal  erst  unter  den  Kranken 
gebracht  werden.  Das  Hinaufwinden  geschieht  gleichzeitig  durch  zwei  Personen  am 
Kopf-  und  Fußende. 


Fig.  134.  Krankenheber.  Das  von  Dr.  med.  GEOHAM  angegebene  Bettgestell 
läßt  sich  im  Ganzen  in  jede  beliebige  Lage  bringen,  in  wagereehte  wie  in  geneigte.  Auch 
kann  innerhalb  des  Bettgestelles  der  Kranke  zum  Zwecke  des  Wäsche-  und  Verband- 
wechseins im  Ganzen  angehoben  werden  und  ebenso  trägt  es  besondere  Vorrichtungen  für 
einzelne  Bethätigungen,  sowie  auch  für  Lesen,  Schreiben  und  ähnliche  Thätigkeiten.  Die 
mechanische  Uebertragung  ist  eine  so  vortreffliche,  daß  die  Bewegung  des  belasteten  Bettes 
mit  ganz  unbedeutendem  Kraftaufwande  geschelien  kann.  So  dient  es  auch  als  Kranken- 
heber. 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 


249 


zugewandt,  und  dann  sich  gegen  den  Kranken-  hin  nach  vorn  überneigt,  von  beiden 
■Seiten  her  mit  den  flachen  Händen  unter  den  Körper  greift  und  ihn  emporhebt. 

Ein  jedes  solches  Anheben    wie  überhaupt  das  Anheben   jedes   einzelnen 
Xörperteiles  muß   derart  geschehen,   daß  immer   nur  die  völlig  flach  gehaltenen 


Fig.  135.  Krankenheber.  Der  große  von  Dr.  med.  BECK  angegebene  Kranken- 
heber  wird  über  das  Bett  gerollt;  zangenartige  Vorrichtungen  fassen  den  Kranken,  nach- 
dem die  Stützen,  auf  denen  er  beim  Aufhellen  aufruht,  unter  seinen  Körper  geschoben 
worden  sind,  und  werden  mit  ihm  emporgehoben.  Nachteile  des  Gerätes  sind  seine 
außerordentliche  Größe  und  Schwere,  durcli  die  der  Kranke  erschreckt  wird,  sowie  die 
Notwendigkeit,  bei  jedem  Aufheben  die  tragenden  Unterlagen  immer  wieder  unter  dem 
JKranken   zu  bringen. 


Fig.  136.  Der  von  Dr  med.  GrOTJAHN  angegebene  „Bettspanner"  läßt  sich  im 
iJ^otfalle  auch  als  Krankenheber  verwenden.  Zu  diesem  Zwecke  werden  die  beiden  seit- 
lichen Holzstäbe,  welche  die  Spannvorrichtung  halten,  ausgehakt  und  mittels  dieser  Stäbe 
■das  dazwischen  gespannte  Tuch,  und  auf  ihm  der  Kranke,  emporgehoben. 


103 


250 


M.    MENDELSOHN, 


Hände  unter  die  betreffende  KörpersteUe  heruntergeschoben  werden,  so  daß  der 
Körper  frei  auf  der  flachgehaltenen  Hand  aufliegt,  daß  niemals  jedoch  etwa  eine  Ex- 
tremität von  oben  her  gefaßt  und  ergriffen  und,  wie  es  dann  nicht  anders  sein  kann, 
unter  Zusammendrücken  und  Schließen  der  Finger  aufgehoben  wird.  Niemals  darf 
von  oben  her  gefaßt,  immer  muß  die  flache  Hand  unter  den  betroffenden  Körperteil 
geschoben  werden.  Auch  wird  man  stets  und  ausnahmslos  beide  Hände  und  nicht 
nur  eine  zum  Aufheben  verwenden ;  an  den  Extremitäten  so,  daß  die  eine  unter  die 
Jlitte,  die  andere  unter  das  periphere  Ende  der  Extremität  geschoben  wird.  Eine 
zweite  wichtige  Eegel  ist  sodann,  die  besonders  für  den  Decubitus  Geltung  hat,  eine 
jede  Wunde  oder  eine  irgendwie  verletzte  Stelle  absolut  zu  schonen,  also  niemals 
an  oder  unter  einer  solchen  direkt  eine  Aufhebung  zu  bewerkstelligen,  sondern  immer 
nur  in  deren  Nachbarschaft. 


Fig.  137.  Krankenheber.  Der  von  Dr.  med.  MENDELSOHN  angegebene  Kj'anken- 
liebeapparat  ist  in  dieser  Form  mit  dem  metallenen  Bettgestell  untrennbar  verbunden.  Der 
Kranke  ruht  dauernd  auf  einem  Metallrahmen  von  der  ganzen  Größe  des  Bettbodens  auf, 
welcher  mit  breiten  Leinvvandbändern  der  Quere  nach  überspannt  ist;  dieser  Rahmen  läßt 
sich  in  jeder  Höhe  durch  einfache  Kurbeldrehung  aufheben  und  fixieren.  Zur  Bedienung 
genügt  eine  einzelne  Person.  Die  Leinwandstreifen  sind  beiderseits  abknöpfbar,  so,  daß 
jede  Stelle  der  unteren  Körperobeiiläohe  frei  gemacht  und  der  Besichtigung  und  Ein- 
wirkung zugänglich  gemacht  werden  kann. 


Wo  es  die  besondere  Unbeholfenheit  und  das  große  Körpergewicht  des  Patienten 
oder  die  gerade  vorhegende  Affektion  oder  der  Mangel  an  geeigneten  Hilfskräften 
nötig  macht,  ist  zur  Aufhebung  des  Kranken,  und  zwar  des  ganzen  Körpers,  eine 
eigene  Vorrichtung  durch  besondere  Geräte  erforderlich.  Diese  sogenannten  Kranken- 
heber sind  gleichfalls  in  vielfachen  Konstruktionen  vorhanden;  sie  haben  gewöhn- 
lich den  Nachteil,  daß  ihre  Herstellungskosten  außerordentlich  hoch  sich  belaufen 
und  daß  sie,  wo  sie  in  ausreichender  Größe  und  Stabilität  gefertigt  sind,  durch  die 
Umständlichkeit  ihres  Transportes,  durch  ihre  Unbequemlichkeit  und  mehr  noch 
durch  ihren  kolossalen  Gesamteindruck,  wenn  sie  über  den  Kranken  hinweggestellt 
werden,  diesem  unheimlich  und  schreckhaft  sind,  so  daß  ihre  Verwendung  erklär- 
licherweise bisher  nicht  die  an  sich  wünschenswerte  Verbreitung  gefunden  hat.  Das 
größte  Modell  dieser  Geräte  ist  so  eingerichtet,  daß  ein  halbes  Dutzend   großer  ge- 

104 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 


251 


polsterter  Zangen,  deren  Branchen  von  beiden  Seiten  her  um  und  unter  den  Kranken 
greifen,  heim  Anheben  nach  Art  der  an  Lastkrahnen  befindhchen  Greitvorrichtungen 
sich  schheßen  und  den  Körper  von  oben  her  umfassen  und  festhalten,  während  sie 
durch  Kurbeldrehungen  empor- 
gehoben werden.  Zweckmäßiger 
vielleicht  erscheint  eine  von  mir 
angegebene  Vorrichtung ,  welche 
den  Hebeapparat  für  den  Kranken 
nicht  zu  einem  besonderen  Gerät 
gestaltet,  sondern  ihn  am  Kranken- 
bette selber  anbringt:  die  vier 
Füße  des  Bettes  sind  nach  oben- 
hin entsprechend  verlängert;  von 
hier  aus  hängt  in  Gurten  ein  der 
ganzen  Circumferenz  des  Bettes 
angepaßter  Eahmen  aus  Eisenrohr, 
über  welchen  quer  hinweg  vom 
Kopfende  bis  zum  Fußende  hin 
handbreite  Streifen  ganz  dünnen 
aber  festen  Stoffes  gespannt  sind, 
die  sich,  ein  jeder  für  sich,  auf 
beiden  Seiten  des  Rahmens  von 
diesem  abknöpfen  lassen.  Der 
Rahmen  liegt  für  gewöhnlich  un- 
mittelbar der  Matratze  und  dem 
Bettlaken  auf,  so  daß  der  Kranke 
dauernd  auf  diesen  dünnen  Stoff- 
streifen, die  gewissermaßen  ein 
zweites  Betttuch  bilden,  ruht. 
Wird  durch  Drehen  einer  Kurbel 
der  ganze  Rahmen  und  mit  ihm 
der  Kranke  emporgehoben,  so 
kann  man  einen  jeden  einzelnen 
der  erwähnten  Stoffstreifen  ab- 
knöpfen imd  so  die  entsprechende 
Körperstelle  an  ihrer  unteren 
Fläche  freilegen;    sei  es  nun  zum 

Fig.  138.  Kranken  heb  er.  Um  den  von  Dr.  med.  MEXDELSOHN  angegebeneu 
Krankenheber  auch  an  jedem  beliebigen  Bette  verwenden  zu  können,  sind  die  beiden  dem 
Fußende  und  dem  Kopfende  des  in  Fig.  137  dargestellten  Krankenhebers  entsprechenden 
Abschnitte  für  sich  hergestellt  und  lassen  sich  an  jedem  Bette  durch  Schrauben  am 
Kopf-  und  Fußende  fixieren.  So  braucht  dieses  das  eigentliche  Heben  bewerkstelligende 
Gerüst  nur  in  diesem  einen  Exemplar  für  einen  Krankensaal  vorhanden  zu  sein,  während 
der  Bettrahmen,  auf  welchem  der  Kranke  dauernd  aufliegt  und  welcher  den  Vorzug  der 
ganzen  Einrichtung  darstellt,  weil  die  tragende  Fläche  eben  hier  nicht  jedesmal  erst  unter 
dem  Kranken  gebracht  zu  werden  braucht,  allerdings  in  ebenso  vielen  Exemplaren  in  den 
einzelnen  Betten  vorhanden    sein  muß,    als  ein  Aufheben   von  Kranken  erforderlich  wird. 

Zwecke  der  Defäkation  oder  der  Verhütung  des  Decubitus  oder  des  Verbandwechsels 
an  welcher  Stelle  des  Körpers  oder  Extremitäten  auch  immer.  Neuerdings  habe 
ich*)  das  Gerät  unabhängig  von  der  einzelnen  Bettstatt,  zur  beliebigen  Verwendung 
an  jedem  Bettgestelle ,  herstellen  lassen ;  auf  der  tragenden  Unterlage  liegt  der 
Kranke  dauernd  auf,  die  Hebevorrichtung  wird  nach  Bedarf  am  Bette  durch  ein- 
fache Schraubenvorrichtungen  befestigt  oder  von  ihm  entfernt.  Aber  so  zweckmäßig 
auch  diese  Krankenheber  wirken  und  welche  oft  unersetzlichen  Dienste  sie  auch 
leisten,  wo  sie  sich  verwenden  lassen,  —  ihre  Benutzung  in  der  Krankenpflege  ist 
noch  keineswegs  eine  ausgedehnte. 


*)  Martin  Mendelsohn,  Demonstration  eines  Krankenhebers.    Verhandlungen 
des  Kongresses  für  innere  Medizin,  XVI.  Kongreß,  pag.  552.    Wiesbaden  1898. 


105 


252 


M.   MENDELSOHN, 


Außer  dieser  Locomotion  des  Kranken  innerhalb  seines  Bettes 
sind  in  der  Krankenpflege  die  beiden  anderen  möglichen  Formen:  der  Transport 
des  Kranken  mitsamt  seinem  Bette,  sowie  die  Fortbewegung  des 
Kranken  aus  dem  Bette  heraus  oder  nach  dem  Bette  zurück,  von  nicht 
minderer  Bedeutung,  sowohl  an  sich  als  insbesondere  auch  in  Hinsicht  ihrer  Rück- 
wirkung auf  eine  mehr  oder  minder  vollständige  Schmerzfreiheit.  Sie  finden  ihre 
Besprechung  bei  denjenigen  Maßnahmen,  welche  geeignet  sind,  Rückwirkungen  auf 
die  Herzaktion  auszuüben. 


Fig.  139.  Krankenwage.  Eine  Wiegevorrichtung ,  welche  Prof.  Dr.  med. 
V.  JACKSCH  konstruiert  bat,  ermöglicM  in  einfacher  Weise  die  Aufhebung  eines  ganzen 
Bettgestelles  mit  dem  Kranken  und  sonstigem  Inhalt  in  schonendster  und  selbst  bei 
schmerzhaften  Affektionen  durchaus  schmerzfreier  "Weise ;  die  Feststellung  dieses  Gesamt- 
gewichtes geschieht  mit  Hilfe  von  Laufgewichten. 


Die  Aufnahme  eines  schmerzhaften  Reizes  seitens  der  sensiblen 
Nervenendigungen  hängt  hinsichtlich  der  Intensität  des  Endeffektes, 
der  Schmerzperception ,  auch  von  der  Irritabilität  dieser 
Nervenendigungen  ab.  Auf  der  Beeinflussung  dieser  Irritabilität, 
auf  der  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  der  peripheren 
Nervenendigungen  beruht  ja  die  Wirkung  der  medikamentösen 
lokalen  Anästhetica,  in  erster  Linie  des  Cocains,  welche  auf  die 
Schmerzempfindung  auch  nur  partiell,  damit  aber  für  einen  völligen 
Effekt  gänzlich  ausreichend  wirken. 

Ebenso  steht  auch  der  Hypurgie  eine  Anzahl  von  Heilmitteln  zur 
Verfügung,  welche  im  gleichen  Sinne  wirken :  die  materiellen  Geräte, 
welche  lokale  Kälte  zu  applizieren  imstande  sind  und  gleichfalls  durch 
diese  Kälteeinwirkung  die  Reizbarkeit  der  Nerven- 
endigungen herabzusetzen  vermögen.  Gleichermaßen  wirkt 
auch  Wärme,  und  zwar  ebenso  trockene  Hitze  als  auch  feuchte 
Wärme,  lokal  auf  die  Körperoberfläche  appliziert,  als  Anästheticum ; 
und  dieser  anscheinende  Widerspruch,   daß  zwei  so  gänzlich  einander 

io6 


Die  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit. 


253 


entgegengesetzte  Einwirkungen  wie  die  Wärmeentziehung  und  die 
Wärmezufuhr  dennoch  denselben  physiologischen  Effekt  ausüben,  er- 
klärt sich  dadurch,  daß  zunächst  die  Kälteeinwirkung  eine  Kon- 
traktion der  A  r  t  e  r  i  e  n  w  a  n  d  u  n  g  e  n  der  entsprechenden 
Körperpartie  auf  reflektorischem  Wege  erzeugt,  wodurch  die  Blutzufuhr 
dahin  und  somit  der  Druck  des  umgebenden  Gewebes  auf  die  Nerven- 
endigungen geringer  wird,  wäh- 
rend die  Wärme  die  Kapil- 
laren des  Kollateralkreis- 
1  a  u  f  e  s  erweitert  und  so 
gleichermaßen  für  eine  Vermin- 
derung der  Flüssigkeitszufuhr 
thätig  ist.  Diese  Seite  der  Kälte- 
einwirkung ist  daher  mehr  unter 
die  bereits  besprochene  anästhe- 
tische Einwirkung:  unter  die 
Entfernung  der  äußeren  schmerz- 
haften Reize  zu  rechnen:  außer 
ihr  hat  die  Kälte  aber  noch  einen 
direkten  und  sehr  ausgesproche- 
nen Einfluß  unmittelbarer  Art 
auf  die  Nervenendigungen  selber, 
welche  in  ihrer  Reizbarkeit  da- 
durch erheblich  herabgesetzt  wer- 
den. Und  so  wirken  die  Kälte- 
applizierenden  Heilmittel  der 
Krankenpflege  auch  direkt  auf 
diese  zweite  Teilaktion,  auf  die 
Herabsetzung  der  Irritabilität  der 
Nervenendigungen  selber ,  als 
thatsächliche  lokale  Anästhetica, 
als    schmerzstillende   Heilmittel. 

Fig.  140.  Kranken  wage.  Die  in  Form  eines  Lelinstubles  gestaltete,  mit  Fuß- 
brett versehene  und  auf  EoUen  laufende,  von  Dr.  med.  FIEDLER  angegebene  Krankenwage 
ermöglicht  bei  Kranken,  deren  Zustand  gestattet,  sie  in  einen  solchen  Stuhl  zu  setzen,  ein 
sehr  schnelles  Feststellen  des  Köi-pergewichts  mit  Hilfe  von  Laufgewichten,  welche  hinter 
der  Rückenlehne  augebracht  sind.  Die  Geräte  lassen  den  Vorgang  des  Wiegens  mit  größt- 
möglicher Schonung  für  den  Krauken  geschehen,  insbesondere  auch  durch  die  Schnellig- 
keit und  die  Kürze  der  Zeitdauer,  welche  sie  nur  beanspruchen. 

Es  sind  das  alle  die  materielleii  Heilmittel,  alle  jeneKühlapparate  und  sonstigen 
Vorriolitungen,  deren  wesentliches  Merkmal  ist,  daß  sie  einen  Hohlraum  haben, 
welcher  mit  der  wärmeentziehenden  Substanz  angefüllt  wird  und  seine  niedere 
Temperatur  auf  die  Umgebung  zu  übertragen  vermag ;  ob  sie  nun  aus  Gummi  be- 
stehen, wodurch  sie  den  Vorzug  größtmöglicher  Anschmiegbarkeit  an  die  gegebene 
Körperoberfläche  mit  gleichzeitiger  Wasserundurchlässigkeit  haben,  oder  aus  JVIetall 
gefertigt  sind  und  so  möglichst  gute  Wärmeleiter  darstellen.  Die  Füllung  braucht 
nicht  immer  aus  dem  am  stärksten  wärmeentziehenden  Material:  aus  Eis,  zu  be- 
stehen ;  häufig  ist  eine  milde  und  protrahierte  Wärmeentziehung  mehr  angebracht, 
wie  sie  dann  durch  kühles  Wasser,  das  verschieden  temperiert  sein  kann,  geschehen 
mag  und,  was  die  Einwirkung  dieser  Heilmittel  zu  einer  besonders  exakt  regulier- 
baren macht,  bis  auf  die  feinsten  Differenzen  der  Temperatur  genau  eingestellt  zu 
werden  vermag.  Andererseits  gehören  die  hydropathischen  Umschläge,  die  Bett- 
wärmevorrichtungen  und  die  sonstigen  Geräte  derart  hierher. 

Diese  Mittel  sind,  da  sie  neben  der  schmerzstillenden  Wirkung  vielfache  andere 
Effekte   hervorzubringen  vermögen ,   ihrem    Wesen  und  ihrer  Anwendung   nach   an 


10/ 


254  M.   MENDELSOHN, 

anderen  Stellen  dieses  Buches  besprochen,  insbesondere  gelegenthch  der  Darstellung- 
der  wärmeentziehenden  und  auf  das  Herz  Einfluß  nehmenden  Einwirkung  der  Heil- 
mittel der  Krankenpflege. 

Aber  auch  auf  die  mehr  centralwärts  sich  abspielenden  Teilaktionen 
der  Schmerzempfindung  vermag,  so  sehr  sie  auch  solcher  Einwirkung 
fern  zu  liegen  scheinen,  die  Krankenpflege  einen  anästhesierenden 
Einfluß  auszuüben.  Es  ist  eine  bekannte  Thatsache,  daß  die  sen- 
sorischen Reize,  welche  für  gewöhnlich  Schmerzem- 
pfindungerzeugen, auch  auf  m  otorische  Bahnen  abge- 
lenkt werden  können;  so  pflegen  kämpfende  Soldaten  in  der  An- 
strengung der  Schlacht  den  Schmerz  ihrer  Wunden  nicht  zu  spüren: 
und  das  „Zusammenbeißen  der  Zähne"  bei  starker  Schmerzempfindung 
hat  den  gleichen  Zweck  und  den  gleichen  Effekt.  Schließlich  ist  auch  das 
Schreien  beim  Schmerz  nichts  anderes,  als  eine  derartige  Ablenkung. 
Auch  ist  es  allgemein  üblich,  daß  man  Frauen  während  der  Ent- 
bindung Handgriffe  am  Fußende  ihres  Bettes  anbringt,  an  welchen  sie 
mit  möglichster  Anspannung  während  des  Auftretens  der  "Wehen  ziehen 
sollen,  um  die  Schmerzempfindung  zu  verringern,  die  auch  hier  nach 
motorischen  Bahnen  abgelenkt  wird.  Eine  solche  Maßnahme  der  Kranken- 
pflege, die  natürlich  auch  durch  andere  ähnliche  ersetzt  werden  könnte, 
gehört  ebenfalls  in  gewissem  Sinne  zu  den  hier  in  Rede  stehenden 
Heileinwirkungen,  und  wirkt  ausgesprochenermaßen  therapeutisch  mit 
zur  Erzielung  emer  Herabsetzung  der  Schmerzempfindung. 

So  zeigt  sich  also  auch  bei  den  Anästheticis,  daß  der  gewollte 
Endeffekt:  die  Linderung  oder  die  Beseitigung  der  Schmerzempfindung 
ebenfalls  ausreichend  erzielt  werden  kann,  wenn  auch  nur  an  einer 
der  vier  Teilaktionen,  aus  denen  die  Gesamtfunktion  der  Schmerz- 
empfindung sich  zusammensetzt,  eine  partielle  anästhesierende  Ein- 
wirkung stattfindet.  Auch  die  medikamentösen  Anästhetica  wirken 
nur  auf  eine  oder  auf  einzelne  dieser  Teilaktionen  ein;  und  gerade 
ebenso  vermögen  dies,  wenn  auch  vornehmlich  auf  andere  der  Teil- 
aktionen aber  dabei  mit  demselbeh  Gesamteffekt,  die  Heilmittel  der 
Krankenpflege.  Wo  und  wann  der  Therapeut  die  einen  oder  die 
anderen  dieser  gleichberechtigten  Heilmittel  zur  Verwendung  zu  bringen 
oder  sie  mit  einander  zu  kombinieren  hat,  hängt  natürlich  von  den 
individuellen  gerade  vorliegenden  Verhältnissen  ab ;  spielt  doch  hier 
die  persönliche,  individuelle  Irritabilität  die  allergrößte  Rolle.  Aber 
es  ist  vielleicht  auch  an  dieser  Stelle  gestattet,  an  jene  Prinzessin  aus 
dem  Märchen  zu  erinnern,  welche  vor  Schmerzen  nicht  schlafen  konnte, 
weil  eine  Erbse  unter  ihren  vielfach  übereinander  geschichteten  Ma- 
tratzen lag.  Die  besonders  hochgespannte  Irritabilität  ihrer  Nerven- 
endigungen ließ  sie  diesen  für  die  große  Mehrzahl  aller  anderen,  weniger 
fein  organisierten  Individuen  gar  nicht  fühlbaren  Druck  sogar  schon 
als  Schmerz  empfinden ;  hätte  sie  gegen  diesen  Schmerz  einen  Arzt 
konsultiert,  so  würde  er  ihr,  wenn  er  nichts  als  nur  Pharmacoiater  wäre, 
Chloralhydrat  verabfolgt  oder  den  Rücken  mit  Cocain  gepinselt  haben, 
wenn  er  dagegen  auch  die  Hilfsmittel  der  Krankenpflege  beherrschte, 
so  hätte  sich  bei  einer  so  ,, irritablen  Persönlichkeit"  seine  Sorgfalt 
sogar  trotz  der  vielfachen  Lage  von  Matratzen  bis  auf  den  Bettbodeu 
erstreckt;  und  er  hätte  hier  mit  der  Entfernung  der  Störung  den 
gleichen  Endeffekt  erzielt,  wie  ihn  ein  anderer  nur  mit  medikamentösen 
Heilmitteln  zu  erreichen  anstrebt:  die  Schmerzlosigkeit,  die  Anästhesie. 

io8 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  255 


KAPITEL  V. 
Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 

Das  Vermögeu  der  Krankenpflegemitte],  auf  das  Zustandekommen 
des  Schlafes  Einfluß  zu  nehmen,  ist  ein  überaus  großes  und  umfassen- 
des. Sie  sind  in  diesem  Betracht  geradezu  souveräne  Heilmittel,  Heil- 
mittel von  um  so  größerer  Bedeutung,  als  sie  einmal  keine  schäd- 
lichen Nebenwirkungen  haben,  zweitens  keine  Gewöhnung 
an  sie  eintritt,  so  daß  sie  ihre  Wirksamkeit  dauernd  behalten,  und 
drittens  derjenige  Schlaf,  den  sie  hervorbringen,  ein  dem  natür- 
lichen Schlafe  durchaus  gleicher  ist,  was  bei  den  medi- 
kamentösen Narcoticis  bekanntlich  durchaus  nicht  der  Fall  ist. 

Die  Erzeugung  eines  ausreichenden  Schlafes ,  und  zwar,  wenn 
irgend  ausführbar,  eines  solchen,  welcher  eben  dem  natürlichen  Schlafe 
möglichst  nahe  kommt,  ist  eine  der  häufigsten  und  wichtigsten  Auf- 
gaben der  Therapie.  Nun  kommt  der  natürliche  Schlaf,  in  der  Kranken- 
pflege also  der  mit  Hilfe  der  narkotisch  wirksamen  Heilmittel  der 
Hypurgie  gewollte  und  erstrebte  therapeutische  Effekt,  durch  ein  funk- 
tionelles Ausruhen  der  Gehirnzellen  zustande,  durch  ein  Herabgehen 
in  ihrem  Funktionieren ;  eine  Funktionsherabsetzung,  welche  stets  mit 
einem  gewissen  Zustande  von  Anämie  verbunden  ist,  und  die  zum 
Teil  von  dieser  Anämie  abhängt,  zum  Teil  durch  direkt  wirkende  Sub- 
stanzen hervorgerufen  wird,  welche  Produkte  der  allgemeinen  Gewebs- 
abnutzung  während  des  Lebensprozesses  und  des  Stoffwechsels  sind  und 
die  sich  in  den  Zellen  des  Gehirns  und  in  deren  Umgebung  anhäufen. 
So  setzt  sich  die  Gesamtfunktion  des  Schlafes  zunächst  zusammen: 
einmal  aus  dem  einfachen  Herab  gehen  des  Funktionierens 
der  Gehirnzellen;  und  zweitens  aus  der  diese  begleitenden  oder 
gar  sie  veranlassenden  relativen  Anämie  des  Gehirnes. 

Die  Krankenpflege  jedoch  fügt  der  Gesamtfunktion  noch  eine 
weitere  Teilaktion  hinzu.  Will  man  sich  ausnahmslos  aller  Hilfsmittel 
bedienen,  welche  die  Funktion  des  Schlafes  herbeizuführen  imstande 
sind,  so  setzt  sie  sich  nicht  nur  aus  diesen  beiden  Teilaktionen  zu- 
sammen, sondern  zudem  noch  aus  einer  dritten:  der  möglichsten 
Fernhaltung  aller  Reize,  welche  die  Gehirnzellen  treffen 
können.  Diese  befinden  sich  hier  zwar  bereits  in  einem  aus  den 
beiden  anderen  Momenten  her  resultierenden  geringeren  und  herab- 
gesetzten Funktionszustande;  aber  trotz  dieser  Herabsetzung  können 
sie,  wenn  sie  übermäßige  Reize  von  außen  her  empfangen,  eben  wegen 
dieser  zu  starken  Reizung  nicht  bis  zu  demjenigen  Ruhezustande  ge- 
langen, welchen  der  Schlaf  darstellt.  Denn  beim  natürlichen  Schlaf 
wird  durch  die  Erraüdungsprodukte,  welche  im  Blute  kreisen,  nur  die 
funktionelle  Thätigkeit  der  Gehirnzellen  herabgesetzt,  nicht  aber  werden 
■die  Nervenbahnen,  durch  welche  diese  mit  der  Körperobertiäche  ver- 
bunden sind,  gleichermaßen  mit  beeinflußt;  so  daß  hier  also  nur  eine 
■einfache  Verminderung  in  der  Thätigkeit,  in  der  Funktionsausübung 
dieser  Zellen  da  ist,  ein  Ruhestand,  weiter  nichts ;  ein  Ruhezustand,  der 
aber   bei  derjenigen  Besonderheit   des  Funktionierens,   welche   gerade 

109 


256  M.    MENDELSOHN, 

das  Gehirn  vor  allen  anderen  Organen  auszeichnet,  eben  von  einem 
gewissen  Grade  seines  Bestehens  an  mit  Bewußtlosigkeit,  mit  Schlaf, 
einhergeht.  Im  übrigen  bleiben  gewisse  andere  Funktionen  des  Nerven- 
systems während  des  Schlafes  in  Thätigkeit,  so  daß  bei  einer  An- 
wendung äußerer  Reize  Reflexbewegungen  auftreten;  und  auch  die 
psychische  Sphäre  vermag  teilweise  in  Funktion  zu  bleiben,  wo  dann 
diese  Thätigkeit  in  den  Träumen  ihren  Ausdruck  finden  kann,  welche 
ebenfalls  durch  äußere  Reize  hervorgerufen  und  unterhalten  werden 
und  auf  deren  Zustandekommen  oder  Fernbleiben  die  Krankenpflege 
nicht  unwesentlichen  Einfluß  nehmen  kann. 

So  setzt  sich  also  der  gewollte  Endeffekt,  die  therapeutisch  herbei- 
zuführende Gesamtfunktion:  der  Eintritt  und  die  Unterhaltung  des 
Schlafes ,  aus  drei  Teilaktionen  zusammen :  einmal  aus  der  direkten 
Herabsetzung  der  funktionellen  Thätigkeit  der  Nervenzellen  durch  die 
Ermüdungsprodukte;  sodann  aus  der  diese  Herabsetzung  der  Thätig- 
keit wesentlich  unterstützenden  und  bei  plötzlichem  Eintritt  sogar 
im  vollsten  Wachen  zur  Bewußtlosigkeit  und  zur  Ohnmacht  führenden 
Anämie  des  Gehirnes ;  und  drittens  aus  dem  Fernhalten  aller  Reize 
auf  diese,  durch  die  beiden  anderen  Teilaktionen  in  ihrer  Thätigkeit 
zwar  bereits  herabgesetzten  Zellen,  die  aber  sonst  trotzdem,  wenn  der 
abzuhaltende  äußere  Reiz  nur  stark  genug  auf  sie  einwirkt,  über  das 
für  den  Eintritt  von  Schlaf  notwendige  und  erforderliche  Maß  von  Un- 
thätigkeit  durch  ihn  herausgehoben  werden  würden. 

Ueberblickt  man,  welche  Heilmittel  hier  die  medikamentöse  und 
auch  die  andersartige  Therapie  anzuwenden  pflegt,  um  die  Gesamt- 
funktion des  Schlafes  partiell  zu  beeinflussen,  so  zeigt  sich,  daß  auch 
hier  im  wesentlichen  nur  die  beiden  ersten  Teilaktionen  zu  berück- 
sichtigen und  auf  sie  einzuwirken  unternommen  wird,  ob  man  nun 
Bromkalium  verabfolgt,  welches  ebenso  wie  die  Milchsäure,  also 
eines  der  natürlichen  und  normalen  Produkte  der  Gewebsabnutzung, 
die  Gehirnzellen  wesentlich  in  ihrer  Funktion  lähmt;  oder  ob  man 
Chloralhydrat  giebt,  welches  zudem  außer  seiner  direkten  Einwirkung 
auf  das  Gehirn  Gefäßerweiterung  hervorruft  und  damit  einen  Teil 
des  Blutes  aus  dem  Gehirn  entführt,  weshalb  es  ja  auch  gerade 
bei  der  Schlaflosigkeit  der  Kranken  mit  Morbus  Brightii  nicht  ohne 
Nutzen  verwendet  wird ,  bei  denen  die  erhöhte  Spannung  im  Blutge- 
fäßsystem durch  diesen  Arzneikörper  eine  Herabsetzung  erfährt.  Läßt 
man  aber  die  dritte  Teilaktion,  die  Fernhaltung  erregender  Reize,, 
gänzlich  unbeeinflußt,  so  muß  es  natürlich  vielfach  nötig  werden,  die 
beiden  anderen  Momente  der  Gesamtfunktion  mehr  als  für  sie  erforder- 
lich in  übertriebenem  Maße  zu  beeinflussen,  um  die  mangelnde  Regelung 
der  dritten  Teilaktion  auszugleichen.  Und  gerade  die  Regelung  dieser 
dritten  Teilaktion  ist  es,  welche  im  wesentlichen  den  Heilmitteln  der 
Krankenpflege  obliegt  und  in  denen  sie  das  Wirksamste  leisten. 

Indes  vermögen  die  Krankenpflegeheilmittel  unter  den  drei  Teil- 
aktionen, welche  sämtlich  zum  Zustandekommen  des  Effekts  des  Schlafes 
nötig  sind,  nicht  nur  vornehmlich  diese  dritte,  die  Fernhaltung  er- 
regender Reize,  zu  regeln  und  zu  beeinflussen,  sondern  auch  die  beiden 
anderen  Momente  erfahren  durch  sie  eine  Einwirkung,  welche  häufig 
sogar  eine  ausreichende  ist,  um  eine  medikamentöse  oder  andersartige 
Therapie  entbehrlich  zu  machen  oder  doch  wesentlich   einzuschränken. 

Eine  therapeutische  Einwirkung  auf  das  Herab  gehen  des 
Funktionier ens    der    Gehirnzellen   ist   in   der   Hypurgie    zu- 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 


257 


nächst  in  einer  gleichsam  prophylaktischen  Art  der  Beeinflussung 
möglich:  indem  entweder  für  die  Schaffung  der  natürlichen 
E  r  m  ü  d  u  n  g  s  p  r  0  d  u  k  t e ,  welche  aus  der  Gewebsabnutzung  entstehen, 
in  ausreichender  Weise  durch  die  Verwendung  der  somatischen  Heil- 
mittel gesorgt  wird ;  oder  aber  indem  gewissermaßen  durch  eine  Hygiene 
geistiger  Art  unter  weitestgehender  Anwendung  der  psychischen  Heil- 
mittel der  Krankenpflege  die  Erregbarkeit  der  Gehirnzellen 
auf  einem  möglichst  geringen  Niveau  erhalten  wird. 
Zu  den  Krankenpflegeheilmitteln,  welche  in  solchem  Sinne  eine  narko- 
tische Einwirkung  auszuüben  vermögen,  würden  also  alle  die  soma- 
tischen Einwirkungen  aktiver  Art  gehören,  die  Eegelung  der  körper- 
lichen Bewegungen  in  der  Zeit,  welche  dem  Schlafe  mehr  oder  minder 
unmittelbar  vorangeht,  und  die  erfahrungsgemäß  auch  rein  empirisch 
als  von  Bedeutung  für  das  Zustandekommen  des  Schlafes  erkannt  sind. 

Diese  Begelung  ist 
nun  eine  durchaus  in- 
dividuelle und  genau  zu 
dosierende ,  und  kann 
von  der  einfachen  Re- 
gelung der  Körper- 
bewegung im  Zimmer 
und  im  Freien  bis  zu 
gymnastischen  Maß- 
nahmen sich  erstrecken ; 
und  ebenso  auch  die 
mit  ähnlichen  physio- 
logischen Effekten  ein- 
hergehende passive  Ein- 
wirkung der  Massage 
umfassen ,  welche  die 
Zersetzungsprodukteder 

Fig.  141.  M  assierrollen.  Die  an  Handgriffen  befestigten  und  drehbar-beweg- 
lichen Rollen  sind  mit  Längs-  und  Quereinkerbungen  versehen,  welche  au  den  einzelnen 
Exemplaren  mehr  oder  minder  scharfe  oder  auch  glatte  Flächen  aussparen ;  dementsprechend 
ist  die  Massageeinwirkung  eine  mehr  oder  minder  intensive. 

Gewebe  in  erhöhtem  Maße  den  Gehirnzellen  zuzuführen  vermag  und  damit  ebenso, 
als   wäre  beispielsweise  Müchsäure   auf  medikamentösem  Wege  einverleibt  worden, 
narkotische  Einwirkungen  ausübt.    Für   das  Maß  dieser  Körperbewegung,   für   den 
in  jedem  einzelnen  Krankheitsfalle  und  bei  jedem  indivi- 
duellen Zustande  von   Schlaflosigkeit   erforderlichen   und 


Fig.  142.  Massierkugeln.  Auf  einer  bandförmigen,  biegsamen  Drahtunterlage 
sind  eine  Anzahl  gleich  großer  Kugeln  angebracht;  das  Gerät  kann  zur  Massage  des 
Rückens  von  dem  Kranken  selber  benutzt  werden. 

Fig.  143.  Massiergerät.  Das  in  Form  einer  Kopfbürste  gestaltete  Gerät  trägt 
aus  Gummi  gefertigte  kurze  Stäbe,  mit  welchen  die  Massiereinwirkungen  vorgenommen 
werden. 


258  M.    MENDELSOHN, 

angemessenen  Wechsel  von  Euhe  und  Bewegung  quantitative  Vorschriften 
und  Regeki  zu  geben,  ist  in  dieser  allgemeinen  Darstellung  der  Krankenpflege  hier 
nicht  möglich;  es  hängt  das  allzu  sehr  von  der  therapeutisch  zu  beeinflussenden 
Persönlichkeit  und  ihrer  gerade  vorliegenden  Affektion  ab.  Die  Einwirkungen  und 
Maßnahmen  aber  der  Massage  und  der  Heilgymnastik  sind  zu  eigenen  thera- 
peutischen Methoden  ausgebildet,  welche  ihre  besonderen  Heilvorschriften  haben;  nur 
wegen  des  Hinweises  auf  sie  sind  an  dieser  Stelle  einige  wenige,  kleine  Abbildungen 
aus  dem  Heilmittelschatze  der  Massage  wiedergegeben. 

Aber  auch  die  ps5"chischen  Heilmittel  der  Krankenpflege  stellen 
nicht  minder  wirksame  und  für  sich  allein  schon  zur  Herbeiführung 
einer  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  der  Gehirnzellen 
gänzlich  ausreichende  Narcotica  dar.  Der  physiologische  Zusammenhang 
zwischen  Ursache  und  Wirkung  ist  allerdings,  wie  das  in  der  kom- 
plizierten und  einer  exakten  Feststellung  äußerst  schwer  zugänglichen 
Natur  dieser  Funktion  seinen  Grund  hat,  noch  wenig  bekannt;  aber 
zweifellos  bestehen  die  weitestgehenden  Verschiedenheiten 
in  der  Erregbarkeit  derjenigen  Zellen,  welche  den  Sitz 
der  psj'chischen  Funktion  des  Menschen  bilden  und  deren 
herabgesetztes  oder  zeitweise  ganz  eingestelltes  Funktionieren  für  ihn 
den  Schlafzustand  darstellt.  Und  diese  Verschiedenheit  der  Erregbarkeit 
ist  nicht  nur  eine  individuelle,  die  bei  einer  jeden  Persönlichkeit  eine 
andere  ist,  und  deren  Gesamtausdruck  wir  in  der  Bezeichnung  „Tem- 
perament" zusammenzufassen  pflegen ;  auch  bei  jedem  einzelnen 
Menschen  finden  innerhalb  des  Ablaufes  seines  Lebens  die  allergrößten 
Unterschiede  in  der  Erregbarkeit  dieser  psychischen  Gentren  statt, 
Unterschiede,  die  wiederum  unter  dem  Begrifl:'  der  „Stimmung"  zu- 
sammengefaßt zu  Averden  pflegen.  Während  diese  individuellen  Ver- 
schiedenheiten, wie  sie  im  Temperament  ihren  Ausdruck  finden,  zum 
größten  Teile  angeboren  sind  und  eben  eine  persönliche  Funktion  der 
Materie  bei  den  betreffenden  Individuen  darstellen,  zum  nicht  uner- 
heblichen .Teile  jedoch  auch  durch  die  sämtlichen  während  der  zurück- 
gelegten Dauer  des  Lebens  entstandenen  äußeren  Einflüsse  insbesondere 
der  Erziehung  eine  entsprechende  Beeinflussung  erfahren  haben,  wird 
im  Gegensatze  hierzu  die  Erregbarkeit,  wie  sie  in  der  so- 
genannten Stimmung  ihren  Ausdruck  findet,  durch  un- 
mittelbare, dem  jeweiligen  Zustande  zeitlich  kurz  vor- 
hergehende Reize  und  Eindrücke  hervorgerufen.  Gerade 
die  echten  Narcotica.  das  Opium,  der  indische  Hanf,  der  Alkohol, 
wirken  ja  so,  daß  sie  zunächst  ein  excitierendes  Stadium  haben,  daß 
sie  eben  die  Hemmungscentren  im  Gehirn  außer  Thätigkeit  setzen, 
in  welchen  die  andauernde  Schulung  durch  Uebung  und  durch  äußere 
Anleitung  die  Fähigkeit  einer  Niederhaltung  der  Eindrücke  von  außen 
her,  die  psychische  Funktion  der  Selbstbeherrschung,  entwickelt  hat. 
Die  vorübergehenden  zufälligen  Einwii'kungen  auf  die  Gehirnzellen  nun 
sind  derart,  daß  sie  „nachklingen"  ;  äußere  Reize  psychischer  Art,  welche 
in  diesen  Zellen  eine  deprimierende  Empfindung  hervorrufen,  wirken 
hier  durch  Stunden  und  Tage  lang  noch  fort,  beeinflussen  nach  dieser 
Richtung  hin  die  Stimmung,  machen  für  diese  ganze  Zeit  das  Indi- 
viduum „verstimmt"  ;  und  ebenso  wirken  auch  psychische  Reize, 
welche  erregender  Art  sind,  fort,  ebenfalls  je  nach  der  Natur 
der  so  verschiedenartig  möglichen  Einwirkung  und  je  nach  der  Indi- 
vidualität der  betreffenden  Personen  verschiedenartig  lange  Zeit  hin- 
durch. Der  Effekt  eines  jeden  derartigen  Reizes  ist  eben  hier  ein 
lange  währender  und  nachhaltiger. 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  259 

Ist  dem  aber  so,  ist  das  Verhalten  der  psj'chischen  Centren  ein 
so  sehr  der  Nachwirkung  unterworfenes,  so  ergiebt  sich  hieraus,  daß 
eine  Regelung  der  psychischen  Reize,  welche  einen  Kranken 
treffen  können,  wenn  sie  nach  der  Richtung  hin  geschieht,  daß  die 
Gehirnzellen  über  einen  mittleren  Erregungszustand 
nicht  hinausgelan  gen,  direkt  für  die  Entstehung  des  Schlafes 
günstig  mitwirken  muß  ;  daß  die  systematische  Fernhaltung  aufregender 
Eindrücke  zu  den  direkten  Narcoticis  zu  zählen  ist.  Es  gehören  zu 
diesen  also  alle  die  psychischen  Heilmittel  der  Krankenpflege,  welche 
direkte  äußere  Erregungen  fern  zu  halten  vermögen,  somit  in  erster 
Linie  die  allgemeine  Behandlung  des  Kranken,  der  Umgang  mit 
dem  Kranken  von  selten  seiner  Umgebung;  sodann  aber 
auch  die  eigene  Bethätigung  des  Kranken,  der  gerade  in 
den  Stunden,  welche  der  für  den  Schlaf  bestimmten  Zeit  vorangehen, 
hinsichtlich  seiner  Lektüre  und  seiner  sonstigen  Beschäftigung  von 
allem,  was  ihn  erregen  kann,  frei  bleiben  muß  ;  und  drittens  wirken 
zu  solchem  narkotischen  Effekt  mit  alle  diejenigen  Zerstreuungen 
und  der  ganze  I{;omfort  des  Kranken,  welcher  ihn  ab- 
lenkt und  verhindert,  daß  aus  dem  Nachdenken  über  seinen  Zustand 
und  der  geistigen  Konzentration  auf  einen  möglichen  schlimmen  Aus- 
gang Erregungszustände  seiner  Gehirnzellen  entstehen,  welche  von  den 
anderen ,  an  sich  in  ausreichendem  Maße  vor  sich  gehenden  Teil- 
aktionen, die  zum  Zustandekommen  eines  Schlafes  nötig  sind,  nicht 
mehr  überwunden  werden  können.  Es  sind  also  auch  für  die  erste 
Teilaktion  im  Zustandekommen  des  Schlafs,  für  das  Herabgehen  des 
Funktionierens  der  Gehirnzellen ,  Heilmittel  der  Krankenpflege  zur 
Genüge  vorhanden. 

Alle  psychischen  Einwirkungen  auf  einen  Kranken,' 
und  damit  auf  den  Krankheitsprozeß,  können  aus  drei  wesentlich  von 
einander  differenten  Richtungen  her  erfolgen :  aus  seiner  gesamten 
gegenständlichen,  unpersönlichen  Umgebung  her;  aus  seiner  eigenen, 
aktiven,  körperlichen  und  psychischen  Bethätigung;  und  aus  der  un- 
mittelbaren, passiven  Einwirkung  durch  dritte  Personen,  mit  denen 
ihn  die  Krankenpflege  und  die  Familie  dauernd  umgiebt  und  welche 
Besuche  und  anclere  Zufälligkeiten  gelegentlich  in  seine  Nähe  bringen. 
Die  therapeutische  Anwendung,  die  Regelung  der  psychischen  Faktoren 
der  Hypurgie  hat  daher  nach  diesen  drei  Gesichtspunkten  zu  erfolgen. 

Die  ersten  unter  diesen  betreffen  die  psychisch-hygienisclien  Heilmittel  der 
Krankenpflege,  im  wesentUclien  materielle  Objekte,  die  jedooli  wegen  der  psychischen 
Eiickwirkung,  die  sie  auf  den  Kranken  ausüben,  hier  von  oft  erheblichster  Be- 
deutung werden  ;  es  sind  in  der  Hauptsache  alle  diejenigen  Momente,  aus  denen  sich 
■der  Komfort  des  Krankenzimmers*)  zusammensetzt,  die  freundliche  und  die 
Psyche  anregende  Einrichtung  des  Krankenzimmers,  die  vorteilhafte  und  zweck- 
mäßige Gestaltung  der  ganzen  gegenständlichen  Umgebung  des 
Kranken.  Mit  diesen  psychischen  Heilfaktoren,  mit  der  aagemessenen  und  behag- 
lichen Einrichtung  der  gesamten  äußeren  Umgebung  des  Kranken,  Dingen,  in  denen 
immer  noch  sehr  viel  versäumt  und  sehr  viel  unterlassen  wird,  könnte  die  ärztliche 
Thätigkeit  noch  viele  und  wichtige  Erfolge  sich  zu  nutze  machen. 

Ganz  abgesehen  von  den  rein  hygienischen  Gesichtspunkten,  von  den  sozusagen 
physikalisch  zweckmäßigen  Maßnahmen,  die  an  anderer  Stelle  erörtert  sind  und  die 
ebenso  wie  für  den  gesunden  so  in  noch  höherem  Maße  für  den  kranken  Organismus 


*)  Martin  Mendelsohn,  Der  Komfort  des  Kranken.  Zweite  Auflage.    Berlin 
1S92. 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn,  Krankh.    Supp].  I.    Hef  3.  IQ 

Mendelsohn.  Krankenpflege.  II -3  ö 


260  M.   MENDELSOHN, 

eine  Bedeutung  in  physischer  Hinsicht  haben,  muß  auch,  wo  irgend  eine  Auswahl 
des  Krankenraumes  möglich  oder  eine  wenn  auch  noch  so  bescheidene  Umge- 
staltung und  Zurichtung  des  zur  Verfügung  stehenden  Wohnraumes  ausführbar  ist, 
die  Einrichtung  des  Kranli:enzimmers  unter  dem  Gesichtspunkte  geschehen, 
diesen  für  oft  lange  Zeit  einzigen  Aufenthaltsort  des  Kranken  ihm  so  behaglich 
wie  möglich  zu  gestalten,  ihm  so  viel  Komfort  als  nur  denkbar  zu  schaffen. 
Wird  doch  in  selbst  bescheidenen  Haushalten  eine  Blume,  eine  Topfpflanze  immer  und 
überall  so  aufgestellt,  daß  sie  innerhalb  der  nun  einmal  gegebenen  Wohnräume  den  für 
sie  vorteilhaften  Platz  erhält;  und  ebenso  und  in  noch  viel  höherem  Maße  muß  es  zur 
selbstverständlichen  Gepflogenheit  werden,  einem  Kranken  innerhalb  seiner  Wohnung 
den  allerbesten  Baum  anzuweisen.  Auch  abgesehen  von  dem  Luftraum  und  von 
ähnhchen  rein  hygienischen  Vorteilen  ist  zum  Aufenthalt  für  den  Kranken  ein  ge- 
räumiges und  helles,  ein  freundliches  Zimmer  zu  wählen;  wie  die  Wohnungs- 
verhältnisse heutzutage  nun  einmal  liegen,  wird  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  der  soge- 
nannte Salon  am  ehesten  diesen  Anforderungen  entsprechen,  der  auch  unbedenklich 
dann  zum  Krankenzimmer  gewählt  werden  mag.  Wo  es  die  äußeren  Umstände 
irgendwie  gestatten,  sollten  zwei  aneinanderstoßende  Zimmer  für  den  Kranken  zur 
Verfügung  gestellt  werden ;  es  kann  dann,  zumal  wenn  eines  davon  nach  Norden,  das 
andere  nach  Süden  hegt,  für  die  Nacht  sowohl  wie  für  den  Tag  je  ein  besonderer  Baum 
von  dem  Kjanken  benutzt  werden;  eine  Einrichtung,  die  ihm  nicht  nur  erspart,  der 
nötigen  Säuberung  und  Beinigung  des  Zimmers  mit  allen  ihren  Nachteilen  täglich 
selber  beizuwohnen,  sondern  die  auch  vor  allem  der  Gepflogenheit  aus  gesunden 
Tagen,  gesonderte  Wohn-  und  Schlafräume  zu  benutzen,  entspricht. 

Auch  die  Zimmereinrichtung,  die  Gestaltung  des  gesamten  Kranken- 
raumes, muß  so  freundlich  und  behaglich  wie  möglich  gewählt  werden,  da  bekannt- 
hch  die  äußeren  Dinge  der  Umgebung  von  dem  allergrößten  Einfloß  auf  die 
Stimmung  zumal  eines  Kranken  sind.  So  müssen  aus  diesen  Gesichtspunkten  sogar 
die  Farben,  welche  an  den  Wänden  und  in  der  Zimmereinrichtung  vorherrschen, 
Beachtung  erfordern,  da  düstere  und  dunkle  Farben  eine  gedrückte  Stimmung  zu 
fördern  geeignet  sind;  aber  auch  eme  allzu  grelle  und  helle  oder  übermäßig  bunte 
Ausstattung  ist  zu  vermeiden,  denn  sie  wirkt  unruhig  und  macht  den  Kranken 
reizbar.  Am  geeignetsten  sind  die  zarten  und  blassen  Nuancen,  rosa,  hellblau  und 
grünlich.  Auch  die  Muster  der  Tapeten  sollen  in  einem  Krankenzimmer  gleichfalls 
nur  angedeutet  sein,  kleine  aber  deuthch  erkennbare  Zeichnungen  haben,  und  be- 
sonders nicht  komplizierte  oder  gar  fratzenhafte  Darstellungen  bilden,  da  diese  auf 
fiebernde  Kranke,  zumal  bei  unbestimmter  Beleuchtung,  sehr  ungünstig  einwirken 
und  ihm  Schreckbilder  vortäuschen  können.  Das  gilt  alles  gleichermaßen  auch  für 
Fenstervorhänge,  für  Gardinen  und  Thürportiferen,  soweit  man  diese  im  Zimmer 
beläßt;  insbesondere  die  Gardinen  müssen  so  gewählt  sein,  daß  ebenfalls,  was  bei 
den  meist  üblichen  dünnen  Stoffen  nur  allzu  leicht  eintritt,  eine  übermäßig  grelle 
und  störende  Beleuchtung  des  Krankenzimmers  vermieden  wird,  also  gleichfalls  wieder 
am  besten  blaue,  grüne  oder  graue  Stoffe  in  lichten  Farben,  während  dunkle 
Gardinen,  braune  oder  etwa  gar  schwarze  zu  unfreundüch  wirken  und  die  Stimmung 
zu  ungünstig  beeinflussen. 

Sodann  ist  es  nötig,  daß  eine  gewisse  Abwechslung  im  Krankenzimmer 
herrsche,  daß  der  zu  oft  wochenlangem  beständigem  Hinblicken  auf  eine  und  die- 
selbe Stelle  der  gegenüberliegenden  Wand  verurteilte  Kranke  hier  Objekte  antrifft, 
die,  wenn  auch  immer  nur  in  bescheidenstem  Maße,  ein  gewisses  Interesse  in  ihm 
erwecken  können.  Das  trifft  in  allererster  Linie  für  eine  Wanduhr  zu;  fast  jeder 
Kranke  legt  Wert  darauf,  die  Zeiteinteilung  zu  kennen,  zu  wissen,  wie  weit  die 
Stunden  vorgerückt  sind;  zu  diesem  Behufe  muß  in  jedem  Krankenzimmer  eine 
große  Uhr  mit  deutlichem  und  leicht  erkennbarem  Zifferblatt  und  markanten  Zeigern 
so  aufgehängt  sein,  daß  sie  der  Kranke,  auch  ohne  den  Kopf  erheben  zu  müssen, 
auf  das  bequemste  erblicken  kann;  eine  Uhr  natürlich  ohne  Schlagwerk,  das,  wo  es 
vorhanden  ist,  abgestellt  werden  muß;  eine  Uhr  auch  mit  möglichst  geräuschlosem 
und  leisem  Gang. 

Ebenso  gehören  sodann,  um  zur  Zerstreuung  des  Kranken  zu  dienen,  Bilder 
in  ein  Krankenzimmer,  Bilder  mit  deutlich  erkennbaren  Zeichnungen,  die  allerdings 
wenn  sie  ihren  Zweck  erfüllen  sollen;  so  hängen  müssen,  daß  sie  vom  Kranken  über~ 

"4 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  261 

jehen  werden  können;  ja  es  wird  oft  nötig,  um  diese  einfachste  Form  der  Abwechs- 
lung und  Zerstreuung  dem  Kranken  ausreichend  zugute  kommen  zu  lassen,  mit 
diesen  Bildern  zu  wechseln,  stets  nach  einigen  Tagen  andere  an  die  Stelle  der  bisher 
aufgehängten  zu  bringen,  ob  man  nun  die  im  Krankenzimmer  selber  bereits  be- 
findlichen Bilder  mit  einander  austauscht,  also  nur  ihren  Aufhängungsort  wechselt, 
oder  häufiger  neue  von  außen  her  in  das  Zimmer  bringt. 

Drittens  aber  und  als  wichtiges  Inventar  des  Krankenzimmers  sind  frische, 
bunte  Bliunen  notwendig.  Die  Befürchtung,  starke  Blumendüfte  könnten  schädigend 
für  den  Kranken  sein,  wie  sie  vielfach  verbreitet  und  äußerst  übertrieben  herrscht, 
läßt  sich  sehr  leicht  dadurch  vermeiden,  daß  man  Blumen,  die  nicht  duften,  ver- 
wendet; es  ist  gar  nicht  nötig,  daß  man  stark  duftende  Blumen,  die  allerdings  aus 
naheliegenden  Gründen  sonst  beliebt  und  üblich  sind,  wählt,  sondern  harmlose  bunte 
Blüten  erfüllen  hier  ihren  Zweck  gerade  so  gut  und  noch  besser;  am  geeignetsten 
sind  Feldblumen,  welche  sehr  ansprechend  wirken.  Aber  nichts  steht  entgegen, 
auch  duftende  Blumen ,  nur  mit  Maß ,  dem  Kranken  hinzustellen.  Wo  abge- 
schnittene Blmnen,  Blütensträuße  imd  Bouquetts  im  Krankenzimmer  Aufsteilung 
finden,  ist  allerdings  auf  zwei  Momente  sehr  zu  achten  :  zunächst,  daß  die  einzelnen 
Exemplare  dieser  immer  nur  kiu:ze  Zeit  im  Zimmer  verbleiben  und  noch  ehe  sie 
anfangen  einzutrocknen  und  zu  verwelken,  hinausgeschafft  werden;  abgeschnittene 
Blumen  verbreiten  nach  einiger  Zeit  einen  lästigen  imd  unangenehmen  Geruch. 
Sodann  aber  ist  das  Wasser,  in  welchem  sie  aufbewahrt  werden,  häufig  und  mehr- 
mals des  Tages  zu  erneuem  und  sind  dabei  auch  die  Gefäße  aufs  sauberste  zu  reinigen, 
da  in  solchem  Wasser  sich  niedere  Organismen  schnell  und  sehr  reichlich  entwickeln. 
Viel  besser  noch  als  abgeschnittene  Blumen  sind  Topfpflanzen,  und  unter  diesen 
wieder  am  zweckmäßigsten  die  grünen  Topfgewächse  imd  Schlingpflanzen,  welche, 
zumal  im  Sommer,  in  keinem  Krankenzimmer  fehlen  sollten,  da  sie,  ganz  abgesehen 
von  ihrem  erfreulichen  Anbhcke,  zur  Abkühlung  der  Zimmertemperatur  beizutragen 
vermögen  und  auch  durch  die  Absorption  der  Kohlensäure  von  selten  des  Chloro- 
phylls die  Zimmerluft  verbessern. 

Diese  kurzen  Andeutungen  mögen  genügen,  um  darauf  hinzuweisen,  daß  die 
Ausstattung,  die  Einrichtung  des  Krankenzimmers  nach  solchen  Gesichtspunkten 
erfolgen  muß,  daß  der  Kranke  einen  freundlichen  und  behaglichen 
Aufenthalt  in  ihm  findet;  das  übrige  muß  in  diesen  so  unendhch  verschieden- 
artigen Verhältnissen  des  Einzelnen  Geschick  und  Einsicht  überlassen  bleiben. 

Immer  aber  hat  die  Anordnung  und  Anbringung  gegenständlicher 
Objekte  und  zweckmäßiger  Einrichtungen,  welche  die  Psyche  des 
Kranken  zu  beeinflussen  vermögen,  noch  eine  ganz  besondere  Aufgabe 
nach  der  Richtung  hin  zu  erfüllen ,  daß  alle  nur  möglichen  Vor- 
kehrungen getroffen  werden,  welche  in  dem  Kranken  das  Be- 
wußtsein der  Sicherheit,  des  Beistandes  erwecken  und 
befestigen,  die  Gewißheit,  daß  er.  auch  wenn  er  vorübergehend 
allein  gelassen  wird,  keinen  Augenblick  der  nötigen  Hilfe  und  des 
Beistandes  zu  entbehren  braucht,  daß  er  nicht  hilflos  in  schlimme 
Situationen  geraten  kann.  Schließlich  sind  ja  alle  Krankengeräte  mehr 
oder  minder  nach  dem  Ziele  hin  gefertigt,  daß  sie  dem  Kranken 
Erleichterung  und  Unterstützung  bei  den  notwendigen  Vornahmen  und 
Verrichtungen  gewähren ;  und  eine  ganze  Zahl  von  ihnen  erfüllt  den 
Zweck  so,  daß  sie  den  Kranken  für  die  betretfenden  Verrichtungen 
selbständig  machen,  daß  er  sich  selber  mittels  dieser  Geräte  zu  helfen 
weiß.  In  ganz  besonderem  Maße  wird  das  für  eine  bestimmte  Vor- 
nahme nötig,  welche  die  Voraussetzung  für  alle  weiteren  zweckmäßigen 
Hantierungen  während  eines  erheblichen  Teiles  der  gesamten  Kranken- 
zeit bildet :  für  die  Erleuchtung,  für  die  ausreichende  Erleuchtung  des 
Krankenzimmers  während  der  Nachtzeit.  Das  Gefühl,  daß  der  Kranke 
durch  einen  einfachen  Handgriff  selber  in  der  Lage   ist,   von   seinem 

18* 
"5 


262 


M.   MENDELSOHN, 


Bette  aus  nachts  das  Krankenzimmer  zu  erleuchten,  hat  etwas  außer- 
ordentlich Beruhigendes  für  ihn. 

Neuerdings  sind,  seitdem  das  elektrische  Licht  mit  Hilfe  zweckmäßiger  Batterien 
oder  kleiner  Accumulatoren  auch  für  wenig  umfangreiche  und  transportable  Geräte 
dienstbar  gemacht  ist,  eine  ganze  Anzahl  solcher  Fernzünder  hergestellt  worden, 
welche  entweder  eigene  Lampen  oder  die  vorhandenen  Beleuchtungskörper  in  Thätig- 

keit  setzen,  und  bei 
denen  eine  kleine  Holz- 
birne welche  dem  Kran- 
ken direkt  ins  Bett  ge- 
legt wird,  durch  einen 
einfachen  Druck  auf 
den  einzigen  an  ihr  be- 
findlichen Knopf,  wo- 
durch jede  Ueberlegung 
ülier  Zu-  oder  Auf- 
drehen unnötig  ge- 
macht wird ,  abwech- 
selnd das  Entflammen 
oder  das  Erlöschen  des 

Beleuchtungskörpers 
bewirkt. 

Fig.  144.  Fernzünder.  Die  kleine,  hier  genügende  elektrische  Batteiie  findet 
in  dem  Holzkasten,  welcher  die  Glühlampe  trägt,  ausreichenden  Platz,  so  daß  dieser  an 
jeder  beliebigen  Stelle  der  Wand  im  Krankenzimmer,  am  besten  hinter  dem  Kopfende 
des  Bettes,  aufgehängt  werden  kann. 

Eine  zweite  und  noch  wichtigere  Vorkehrung  derart  ist,  daß  der  Kranke  ohne 
Anstrengung  die  Personen  seiner  Umgebung  zu  sich  rufen  kann. 
Wenn  nicht  anders,  so  wird  eine  einfache  Tischglocke  so  in  die  Nähe  des  Kranken 
gestellt,  daß  er  sie  leicht  und  ohne  jede  Mühe  angreifen  kann;  es  ist  das  eine  un- 
erläßliche und  unbedingt  zu  erfüllende  Vornahme.  Zweckmäßiger  sind,  zumal  für 
die  Nachtzeit  und  besonders  dort,  wo  die  betreffenden  Personen  sich  nicht  im  Neben- 
zimmer, sondern  in  den  vom  Krankenzimmer  weiter  entfernten  Eäumen  aufhalten, 
elektrische  Glocken,  wie  sie  zu  diesem  Behuf e  in  transportabler  Form  direkt  hergestellt 
werden,  Glocken  mit  eigenem  Stativ,  welche  überall,  auf  jedem  Tische,  Platz  finden 
und  die  mit  mehr  oder  minder  langem  Leitungsdraht  versehen  sind,  an  dessen  anderem 
Ende  wiederum  eine  Druckbirne  sich  befindet,  die  dem  Kranken  ins  Bett  gegeben 
wird,  während  die  Drähte  selbst  durch  mehrere  Zimmer  hindurch  am  Fußboden 
entlang  gehen  und  auch  bei  verschlossenen  Thüren  durch  deren  untere  Fugen  hin- 
durch ziehen  können. 

Zu  diesen  materiellen  Vornahmen  gesellen  sich  sodann  psychische  Mittel, 
welche  dieses  Gefühl  der  Sicherheit,  dies  Bewußtsein  des  Kranken,  er  werde  keines- 
falls hilflos  einem  unvorhergesehenen  Zufalle  überlassen  bleiben ,  verstärken  und 
eindringUcher  machen  und  so  diesen  wichtigen  psychischen  Heilfaktor  zur  Geltimg 
bringen.  Auch  abgesehen  von  allen  mechanischen  Hilfsmitteln  muß  das  Verhalten 
der  Umgebung  des  Kranken  so  sein,  daß  über  diesen  Punkt  in  dem  Kranken  die 
vollständigste  Sicherheit  und  Beruhigung  erweckt  wird  und  bestehen  bleibt.  Es  ist 
ja  keineswegs  immer  mögUch  oder  auch  nur  geboten,  den  Kranken  nicht  etwa  einen 
Augenblick  allein  zu  lassen;  wenn  das  aber  geschieht,  muß  immer  imd  in  jedem 
Falle  Sorge  dafür  getragen  sein,  einmal,  daß  er  auf  irgend  eine  Weise  die  unter- 
brochene Kommunikation  mit  den  Personen  seiner  Umgebung,  und  zwar  ohne  alle 
Anstrengung  für  ihn,  wieder  herzustellen  vermag,  und  außerdem,  daß  er  nicht  nur 
für  die  Zeit  des  Alleinseins  alles  notwendige  zur  Hand  erhält, 
sondern  auch,  wo  es  möglich  ist,  Zerstreuung  und  Beschäftigung  hat.  Es  genügt 
ja,  hierauf  kurz  hinzuweisen.  Es  sind  also  Arzneien,  deren  Einnehmen  eventuell  in 
der  nächsten  Zeit  fällig  ist,  Getränke,  Eisstückchen  und  andere  Dinge,  welche  regel- 
mäßig von  dem  Kranken  genommen  werden,  so  in  seinem  Bereiche  aufzustellen,   daß 


IIÖ 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 


263 


er  für  die  Zeit  der  Abwesenheit  sich  ohne  Mühe  ihrer  bedienen  kann ;  und  diese 
Vorsorge  hat  eben  nicht  nur  ilire  physische,  sondern  auch  ihre  psychische  Be- 
deutung. 

Neben  diesen  wichtigen  und  einflußreichen  psychischen  Rück- 
wirkungen der  äußeren ,  gegenständlichen  Umgebung  des  Kranken 
auf  ihn  gliedern  sich  nun  die  weiteren,  die  rein  psychischen  Ein- 
wirkungen auf  den  Kranken  nach  zweifacher  Hinsicht.  Die  eine  Gruppe 
dieser  Einwirkungen  umfaßt  die  eigene  Beschäftigung  des  Kranken; 
über  sie  lassen  sich  naturgemäß  nur  allgemeine  Regeln,  keine  de- 
taillierten Vorschriften  aufstellen,  zumal  sie  auch  nicht  selten  durch  das 
eigene  und  oft  zutreffende  Urteil  des  Kranken  über  seine  Leistungs- 
fähigkeit geregelt  wird.  Die  andere  Gruppe  dagegen  enthält  die  passive 
psychische  Beeinflussung  des  Kranken  durch  die  Personen  seiner  Um- 
gebung; sie  stellt  den  Umgang  mit  dem  Kranken  im  weiteren  Sinne 
des  Wortes  dar  und  in  ihr  kommen  alle  die  feinen  Nuancen,  über 
welche  die  Krankenpflege  verfügt,  am  meisten  zum  Ausdruck  und  zur 
Anwendung. 

Bedürfen  so  in  der  großen  Gruppe  der  psychischen  Einwirkungen 
auf  den  Kranken  einer  Regelung  zuerst  diejenigen  Einwirkungen, 
die  aus  der  eigenen  Bethätigung,  aus  der  unmittelbaren 
Beschäftigung  des  Kranken  entstehen  können,  so  ist  es, 
wie  überhaupt  bei  psychischen  Dingen,  schwer,  bestimmte  und  all- 
gemein giltige  Regeln  zu  geben.  Aber  es  ist  in  einer  Darstellung 
wie  diese  hier  unerläßlich,  auf  die  Bedeutung  hinzuweisen,  welche  eine 
zweckmäßig  geleitete  Beschäftigung  des  Kranken  für  ihn  hat. 

Zunächst  hat  eine  jede  Bethätigung  des  Kranken,  welcher  Art  sie  auch  sei,  unter 
dem  Gesichtspunkte  der  rein  physischen  MögMchkeit  und  Zulässigkeit  zu  erfolgen; 
es  muß  jede  körperliche  Ueberanstrengung,  jede  Ermüdung  ver- 
mieden werden;  und  so  trifft  für  diese  „Beschäftigung"  auch  alles  das  zu,  was 
für  die  anderen  täglichen  und  unerläßMchen  Verrichtungen  gilt :  daß  alle  rein  gegen- 


Fig.   145.     Kranken-Schreibtisch. 
H7 


264 


M.    MENDELSOHN, 


Fig.  146.  Kranken-Schreibtisch. 
Fig.  145,  146.  Das  in  den  nötigen  Grenzen  höher  oder  niedriger  stellbare  Sehreib- 
tischehen  läßt  sich  in  den  verschiedensten  Kombinationen,  neben  dem  Bett,  im  Bette,  auf 
einem  anderen  Tisch  etc.  verwenden.  Wird  es  über  den  Kranken  fort  in  das  Bett  hinein- 
gesetzt, so  muß  die  eine  untere  Verbindungsstange  entfernt  werden  (Fig.  146),  es  kann  dann 
über  die  Bettdecke  oder  das  Federbett  hinweg  gesetzt  werden  und  steht  ausreichend  fest,  um 
im  -  Bette  verwendet  zu  werden. 


Fig.   147.     Kranken-Lesetisch.     Das   kleine   Gerät   ist   zusammenlegbar   und  so 
leicht,  daß  es,  bei  entsprechender  Aufstellung,  für  den  jedesmaligen  Gebrauch  im  Notfalle 

ii8 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 


265 


vom  Kranken  selbst  zur  Hand  genommen  werden  kann, 
erfolgt   durch   die    seitlieh  angebrachte  Knrijel. 


Die  Verstellanff  des  Tischniveaus 


.ständlichen  Handhabungen  und  Ausführungen  dem  Kranken  möglichst  bequem  ge- 
macht, daß  sie  mit  möglichst  geringer  Anstrengung  für  ihn  vor  sich  gehen  und  ein- 
gerichtet werden.  Was  er  also  auch  thue,  ob  er  liest  oder  ein  Unterhaltungsspiel 
spielt,  ob  er  schreibt  oder  raucht  oder  was  auch  immer  er  vornimmt,  er  muß  zu- 
nächst so  niedergesetzt  oder  aufgerichtet  werden,  daß  er  die  betreffende  Vornahme 
ohne  jede  Anstrengung,  besonders  ohne  etwa  jedesmal  sich  nach  einer  bestimmten 
Seite  hinwenden  zu  müssen,  ausführen  kann;  dann  aber  auch,  daß  er  in  der  be- 
treffenden Position   sicher  und  bequem  ruht,   daß  er  also,   wenn    er   beispielsweise 


Fig.  148.  Krankenbett.  Das  von  Dr.  med.  GEOHAM  angegebene,  für  die  ver- 
schiedensten Zwecke  der  Krankenpflege  eingerichtete  mechanische  Bett  trägt  neben  seinen 
besonderen  Einrichtungen  für  Extension  etc.  auch  Vorrichtungen,  welche  dem  Kranken 
eine  Tischfläche  schaffen,  deren  er  sich,  da  durch  die  Neigung  des  gesamten  Bettgestelles 
tler  Körper  in  eine  der  sitzenden  angenäherte  Position  gebracht  wird,  zum  Essen,  Lesen, 
Schreiben  ebenso  bequem  bedienen  kann,  wie  er  das  aus  gesunden  Tagen  her  gewohnt  ist. 


Fig.  149.  Kranken-Lesetisch.  Das  einfache  Gerät,  welches  die  Form  eines 
Sägeblicks  hat,  wird  über  den  Kranken  fort  gestellt  und  kann  durch  die  verschiedenartige 
Stellung  seiner  Tischplatte  zum  Lesen,  Essen,  Schreiben  dienen. 

119 


266 


M.    MENDELSOHN, 


aufgesetzt  Tvorden  ist,  allseitig  ausreichend  unterstützt  wird,  um  in  dieser  neuen 
Lage  bequem  zu  verharren.  Weiter  gehört  dazu,  daß  der  gesamte  Apparat,  welcher 
für  diese  Zwecke  vorhanden  ist,  auch  benutzt  wird,  daß,  wo  es  möglich  ist,  Lese- 
tischchen für  das  Bett  verwendet  wer- 
den ;  und  es  sei  noch  besonders  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  man  Kranken, 
welche  im  Bette  lesen  wollen  und  ein 
solches  Gerät  nicht  zur  Verfügung- 
haben, nicht  etwa,  wie  es  allerdings 
vielfach  und  gerade  in  Krankenhäusern 
geschieht,  die  großen  und  außerordent- 
lich schweren  Bände  ganzer  Jahrgänge 
von  Zeitschriften  überläßt,  mit  deren 
physischer  Bewältigung  sie  große  Mühe 
und  Not  haben;  wenn  em  Kranker  im 
Bette  liegt ,  so  müssen  ihm  einzelne 
ungebundene  Hefte  für  diesen  Zweck 
dargeboten  werden.  Daß  auch  die  Be- 
leuchtung eine  ausreichende  sein  muß. 
zumal  wenn  künsthche  Beleuchtung 
notwendig  wird,  bedarf  kaiun  einer 
ausdrücklichen  Erwähnung. 

Wenn  so  eine  jede  Beschäftigung 
des  Kranken  nach  der  physischen  Seite 
hin  aller  Regelung  bedarf,  so  ist  das 
auch  für  die  Art  der  Beschäftigung 
im     gleichen    Maße    der    Fall.      Daß 


Fig.  150.  Kranken-Lesepult.  Das  Gerät,  welches  einen  relativ  schweren, 
eisernen  Fuß  hat,  mrd  neben  dem  Bette  aufgestellt;  sein  mehrfach  mit  Scharnieren  ver- 
sehener und  winklig  drehbarer  Querarm,  auf  dessen  freiem  Ende  das  eigentliche  Lesepult 
aufruht,  kann  in  jede  Höhe  und  jede  Stellung  vor  das  Gesicht  des  Kranken  gebracht 
werden. 


Fig.  151.  Schreibtafel  für  Blinde.  Die  von  Di",  med.  >fOETH  angegebene  treff- 
hche  Vorrichtung  besteht  darin,  daß  der  sclireibende  Griffel  zwischen  zwei  pai'aÜelen  Drahten, 
die  von  links  nach  rechts  über  die  Tafel  ziehen  und  welche  nach  oben  wie  nach  unten 
für  die  Höhe  der  Buchstaben  genügend  ausschlagen,  geführt  irird ;  so  wird  die  Zeile  genau 
in  gerader  Richtung  ausgeführt.      Die  Breite   der  Zeile   ist  durch  kleine   auf  den  Drähten 


Die  Wirkung  auf  rleti   Schlaf.  267 

verstellbare  Sehrauben  reguliert;  die  rechte  dem  Ende  der  Zeile  entsprechende  Schraube 
ist  nicht  absolut  fixiert,  sondern  läßt  sieh  gegen  den  Widerstand  einer  kleinen  Spiralfeder 
noch  um  einige  Centimeter  nach  rechts  verdrängen,  so  daß  der  Schreibende,  wenn  er  den 
AViderstand  fühlt,  immer  noch  Eaum  genug  hat,  das  Wort  oder  die  Silbe  abzusehließen. 
Ist  die  Zeile  beendet,  so  wird  die  ganze  Führung  durch  Drehen  an  einer  seitlieh  oben 
angebrachten  Kurbel  um  die  Breite  einer  Zeile  nach  unten  geschoben ;  eine  Zahnvor- 
richtung sorgt  dafür,  daß  da-s  immer  in  gleichen  Breiten  geschieht ;  auch  kündigt  ein  leises 
Glockensigiial  das  thatsächliche  Eintreffen  in  die  neue  Stellung  ein. 

einem  Kranken  eine  jede  mögliche  Zerstreuung  und  Ablenkung  geboten 
werde,  ist  ein  wichtiger  Faktor  der  Krankenpflege;  gerade  solche  Kranke,  welche 
geneigt  hsind,  ihren  eigenen  Zustand  schwer  aufzufassen  und  über  den  möglichen 
Ausgang  ihrer  Krankheit  zu  grübeln  und  sich  Sorgen  darüber  zu  machen,  be- 
dürfen einer  solchen  Zerstreuung  in  besonderem  Grade.  In  der  Irrenpflege  hat 
diese  Beschäftigung  der  Kranken  eine  ganz  besondere  Bedeutung  gewonnen;  es 
werden  hier  eigens  ausgedehnte  Einrichtungen  getroffen,  um  diese  Patienten  mög- 
lichst ausgiebig  mit  leichten  gärtnerischen  und  landwirtschafthchen  Arbeiten  zu  be- 
schäftigen und  ihnen  damit  eine  ausreichende  Zerstreuung  zu  gewähren.  Ebenso  ist 
man  ja  auch  von  jeher  bemuht,  für  Blinde  geeignete  Einrichtungen  zu  treffen, 
welche  es  eimöglichen,  daß  diese  trotz  ihres  Defekts  in  ausreichender  Weise  Be- 
schäftigung und  Zerstreuung  finden.  Und  auch  sonst  ist  Zerstreuung  des  Kranken 
auch  ohne  die  Mitwirkung  Dritter  geboten  und  notwendig;  sie  kann  sowohl 
physischer  wie  psychischer  Art  sein,  sie  kann  in  mechanischen  Bethätigungen 
bestehen,  also  beispielsweise  bei  Frauen  in  leichten  Handarbeiten,  oder  in  geistiger 
Beschäftigung,  wozu  in  erster  Linie  hauptsächlich  das  Lesen  und  auch 
das  Schreiben  gehört.  Gerade  das  Lesen  des  Kranken  ist  nun  aber  in  quantitativer 
wie  in  qualitativer  Hinsicht  sehr  sorgfältig  zu  überwachen,  gerade  das  Lesen  wird 
leicht  übertrieben,  da  in  der  Einsamkeit  des  Krankenzimmers  bei  dem  Mangel  ander- 
weitiger Zerstreuungen  eine  zumal  spannende  Lektüre  gern  über  das  gebotene  Maß 
fortgesetzt  wird;  auch  der  Gegenstand  der  Lektüre  ist  nicht  ganz  gleichgUtig. 
Man  wird  bei  unruhigen  und  nervösen  Kranken  riorge  zu  tragen  haben,  daß  sie 
keine  erregende  Lektüre  erhalten,  und  hat  mit  besonderer  Aufmerksamkeit  darüber 
zu  wachen,  daß  nicht  etwa  medizinische  Abhandlungen  oder  auch  andere  Dar- 
stellungen, in  denen  von  ähnlichen  Zuständen  wie  die  vorhegende  Krankheit  und 
vielleicht  gar  von  solchen  mit  unglückhchem  Ausgange  die  Rede  ist,  dem  Kranken 
in  die  Hände  kommen  und  ihm  zur  Quelle  von  Grübeleien  und  Beunruhigungen 
werden.  Diese  kurzen  Andeutungen  mögen  genügen;  bindende  Eegeln,  die  für  alle 
Verhältnisse  Geltung  hätten ,  lassen  sich  für  diese  Dinge  nun  einmal  nicht  auf- 
stellen. 

Die  hauptsächlichste  Ablenkung  und  Zerstreuung  des  Kranken  geschieht  nun  aber 
nicht  so,  daß  er  sich  allein  und  persönlich  beschäftigt,  daß  er  dabei  nur  sich  selber  über- 
lassen ist,  sondern  die  Hauptaufgabe  hierfür  fällt  auch  hier  wieder  der  direkten  Mit- 
wirkung der  mit  der  Pflege  betrauten  Persönlichkeiten  zu.  Es  umfaßt  daher  diese  Gruppe 
der  psychischen  Beeinflussung  des  Kranken  seine  „Behandlung"  im  eigentlichen  Sinne 
des  Wortes.  Sie  erstreckt  sich  aui  alles,  was  den  Umgang  mit  dem  Kranken,  den 
Verkehr  mit  ihm,  das  Verhalten  und  Benehmen  der  Umgebung  gegen  den  Patienten 
bildet.  Und  hierbei  müssen  von  vornherein  zwei  Momente  scharf  von  einander  ge- 
schieden werden:  einmal  der  Verkehr  mit  dem  Kranken  im  allgemeinen,  seine  Be- 
handlimg,  Zerstreuung,  Ablenkung,  Beschäftigung,  wie  dies  alles  auch  einem  Ge- 
sunden gegenüber  geschehen  könnte;  und  außerdem  das  Verhalten  der  Umgebung 
zum  Kranken  hinsichtlich  seiner  Krankheit  selber,  also  das  bewußte  Benehmen  und 
die  wohlüberlegte  Art,  in  welcher  man  zu  dem  Kranken  über  seinen  Zustand  und 
dessen  Ausgang  nicht  nur  spricht  und  sich  direkt  äußert,  sondern  überhaupt  sich 
anstellt  und  sich  benimmt.  Es  ist  ja  nur  menschlich,  daß  jemand  von  wichtigen 
Dingen,  die  ihn  betreffen,  zumal  wenn  sie  zweifelhaften  Ausganges  sind,  dauernd  und 
ununterbrochen  in  seiner  Psyche  beschäftigt  wird,  daß  sie  ihn  beunruhigen,  daß  er 
darüber  grübelt;  und  wenn  auch  die  Charaktere  und  das  Temperament  bei  den 
einzelnen  Individuen  in  sehr  verschiedenem  Maße  diese  Stimmungen  aufkommen 
lassen  oder  bekämpfen,  einem  jeden  Kranken  ist  die  Beschäftigung  mit  seiner  Krank- 
heit doch  eine  so  wichtige,  daß  die  Krankenpflege  die  Aufgabe  hat,  die  Dinge  auch 


268  M.   MENDELSOHN, 

nach  dieser  Richtung  hin  auf  ein  richtiges  Maß  zurückzuführen  und  einzuschränken. 
Es  wird  gleich  hiervon  noch  des  Näheren  die  Rede  sein. 

Das  gleiche  gilt  von  dem  Berufe  und  den  Geschäften  des  Kranken.  Das 
ganze  Leben  ist  nun  einmal  nur  ein  immerwährender  Kompromiß ;  das  Vollkommene, 
das  wir  auch  sonst  das  Ideal  nennen,  ist  nirgend  anzutreffen.  So  wäre  es  natürlich  das 
beste,  wenn  ein  Kranker  während  seiner  Krankheit  von  jeder  geschäftlichen  Mitteilmig, 
von  jeder  EntschUeßung  ernsterer  Natur,  von  jeder  Kenntnis  und  Anteilnahme  an  be- 
ruflichen Dingen  ganz  und  gar  ferngehalten  würde.  Aber  auch  das  ist  nun  einmal 
nicht  möglich;  und  so  muß  denn  auch  hier  Takt  und  Urteil  des  Arztes  den  Ent- 
scheid geben,  was  davon  zugelassen  werden  darf  und  was  nicht.  In  erster  Linie 
würde  hier  die  Sorge  sich  auf  die  Briefschaften  zu  erstrecken  haben,  da  eine  unan- 
gebrachte Nachricht  kaum  unvermittelter  und  schroffer  Jemanden  gegenübertritt  als 
durch  schriftliche  Uebermittlimg.  Das  hat  nun  aber  auch  wieder  seine  Schwierig- 
keiten, und  es  wäre  ganz  falsch,  etwa  die  gesamte  Korrespondenz  eines  ernster 
Kranken  ihm  vorzuenthalten,  ihn  gleichsam  unter  Kuratel  zu  stellen;  er  würde  da- 
durch nur  unnötig  mißtrauisch  werden  und  seinen  Zustand  für  schwerer  erachten, 
als  er  thatsächlich  ist.  Hier  muß  vielmehr  die  Famihe,  die  nächste  Umgebung 
helfend  mit  eingTeifen,  unauffällig  diejenigen  Stücke,  welche  Bedeutmig  haben  können, 
eliminieren,  Sorge  tragen,  daß  eine  sachverständige  Person  von  ihrem  Inhalt  Kenntnis 
nimmt,  und,  wo  es  nicht  anders  geht,  durch  mündliche  Mitteilung,  durch  ein  all- 
mähliches, in  verschiedenen  Unterredungen  ganz  langsam  bis  zum  Kern  der  Sache 
vorschreitendes  Vorbereiten  dem  Kranken  die  wichtigen  und  oft  unangenehmen 
Nachrichten  beibringen.  Immer  aber  wird,  wo  es  möglich  ist,  die  Einsetzung 
«ines  zuverlässigen  Stellvertreters,  einer  Persönlichkeit,  welche  die  beruf- 
lichen und  geschäftlichen  Angelegenheiten  des  Kranken  nicht  nur  thatsächlich  ge- 
wissenhaft ausführt,  sondern  zu  welcher  der  Kranke  Selbstvertrauen  hat,  besonders 
günstig  und  vorteilhaft  einwirken. 

Alles  allerdings  läßt  sich  nicht  immer  durch  andere  erledigen,  alles  kann  man 
nicht  von  dem  Kranken  fernhalten.  Und  ganz  besonders  wird  das  Pflicht,  wo  der 
ungünstige,  letzte,  verhängnisvolle  Ausgang  wahrscheinlich  wird.  Wahrscheinlich 
nur,  nicht  sicher.  Denn  kein  Kranker  ist,  so  lange  noch  Leben  in  ihm  ist,  aufzu- 
geben. Aber  wenn  die  Situation  einen  verhängnisvollen  Ausgang  zu  nehmen  scheint, 
so  erwächst  dem  Arzte  die  Pflicht,  nicht  nur  gegen  die  Ueberlebenden,  deren 
wichtigste  Interessen  dabei  auf  dem  Spiele  stehen,  sondern  auch  gegen  den  Sterben- 
den ,  die  imabweislichen  Bestimmungen  und  Verfügungen  vornehmen  zu  lassen ; 
gegen  ihn,  weil  auch  hier  wieder  diese  Erledigung  der  letzten  Pflicht,  diese  Ueber- 
zeugung  von  der  Bicherstellung  seiner  Angehörigen  ihm  Beruhigung  und  Genug- 
thuung,  ihm  Euthanasie*)  schafft.  So  hat  denn  der  Arzt  hier  viele  und  oft  nicht 
leichte  Aufgaben  ;  aber  sie  lassen  sich  nicht  in  einem  Buche  vorschi-eiben. 

Haben  so  nicht  nur  in  allen  Aeußerlichkeiten,  sondern  vor  allem  in 
ihrer  psychischen  Einwirkung  auf  den  Kranken  ausnahmslos  alle  Persön- 
lichkeiten der  Umgebung  des  Kranken  und  besonders  diejenigen,  welche 
die  Pflege  direkt  zu  bethätigen  haben,  das  Krankenpflegei^ersonal  also, 
sorgsam  acht  zu  geben  und  ihr  Benehmen  überlegt  und  zweckmäßig 
zu  gestalten,  so  ist  das  in  noch  viel  höherem  Maße  nötig  hinsicht- 
lich der  Art,  wie  sie  überhaupt  sich  im  Krankenzimmer 
"bewegen  und  wie  sie  hantieren.  Hier  ist  der  Ort  gekommen, 
um  es  auszusprechen,  daß  die  Krankenpflege  in  ihrer  thatsächlichen 
Ausübung,  so  sehr  es  auch  für  die  Medizin  wünschenswert  ist  und 
unser  Bestreben  sein  muß,  sie  immer  mehr  und  mehr  auf  exakte  Grund- 
lagen zu  stellen,  sie  zu  einer  Wissenschaft  zu  machen,  doch  ebenso  einer 
natürlichen  Veranlagung  bei  denen,  welche  sie  ausüben,  bedarf,  wie  diese 
natürliche  Veranlagung  für  die  ärztliche  Thätigkeit  im  ganzen  und  für 


*)  Martin  Mendelsohn,  Euthanasie,  Encyklopädie  der  Therapie,  herausgegeben 
von  OscAE  Liebeeich,  Maetix  Mexdelsohn,  Aethue  Wüezbueg.  Bd.  II. 
ßeriin  1898. 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  269 

jeden  künstlerischen  Beruf  überhaupt  die  notwendige  Voraussetzung  ist. 
Gerade  das  Beste  läßt  sich  hier  wie  dort  nicht  geben  und  nicht 
nehmen ;  es  muß  angeboren  sein,  es  muß  in  natürlicher  Veranlagung 
vorhanden  sein.  Die  Handgriffe,  das  bischen  Aeußerliche,  was  dazu 
gehört,  kann  schließlich  jeder  erlernen ;  aber  gerade  die  Feinheiten  der 
Krankenpflege,  gerade  diejenigen  Momente,  von  denen  hier  die  Rede 
ist,  die  ununterbrochen,  in  jeder  Minute  der  Anwesenheit  der  Pflegerin 
beim  Kranken  zur  Geltung  kommen  müssen,  die  mit  einem  Worte  in 
der  Persönlichkeit  der  Pflegerin  liegen,  sie  können  wohl,  wo 
die  Anlage  für  sie  da  ist,  ausgebildet  und  vertieft,  nicht  aber,  wo  sie 
gar  nicht  vorhanden  sind,  etwa  geschaffen  werden. 

Und  so  ist  es  ein  ganz  falsclier  und  für  den  Mediziner  unhaltbarer  iätandpimkt, 
dem  nian  jedoch  leider  in  den  Werken  über  Krankenpflege  auf  Schritt  und  Tritt 
noch  begegnet  und  den  selbst  ärzthche  Autoren  nicht  verlassen,  wenn  man  als  diese 
notwendigen  persönlichen  Eigenschaften  des  Pflegeberufs  immer  luid 
iuuner  wieder  nur  die  Barmherzigkeit,  die  Mildthätigkeit,  das  Mitleid  der  Pflegerin 
vorführt ;  die  wissenschaftliche  KJrankenpflege  hat  mit  diesen  in  ethischer  Hinsicht  ja 
zweifellos  sehr  wertvollen  und  sehr  anerkennungswerten  Eigenschaften  ganz  und  gar 
nichts  zu  thun.  Und  wenn  ein  Arzt  ein  verbreitetes  und  vielfach  zu  Rate  gezogenes  Werk 
über  Krankenpflege  mit  den  Worten  beginnt :  „eine  der  schönsten  Bethätigungeri 
der  Nächstenliebe  ist  die  Pflege  der  Kranken",  so  zeigt  er  damit,  daß  er  wohl  ein 
humaues,  nicht  aber,  daß  er  ein  wissenschaftliches  Werk  zu  schreiben  vor  hat.  Die 
Nächstenhebe  und  alle  die  anderen  ihr  ähnlichen  Eigenschaften  sind  Momente  des 
Charakters;  und  der  Charakter  hat  nichts  mit  der  Ausübung  einer  künstlerischen 
Thätigkeit  zu  schaffen.  Was  hier  Not  thut,  das  sind  Fähigkeiten  und  Fertigkeiten, 
das  ist  in  erster  Linie  Geschickhchkeit  und  Gewandtheit,  ist  das  Verständnis  und 
das  Vermögen,  alle  notwendigen  Manipulationen  mit  Eidie,  Umsicht  und  vollem 
Sachverständnis  in  möghchst  schonender  Weise  vorzimehmen,  Eigenschaften,  welche 
die  Kranken  sehr  richtig  zu  würdigen  wissen  imd  die  sie  bekanntlich  als  die  „weiche 
Hand",  welche  die  Pflegerin  habe,  zu  bezeichnen  pflegen.  Was  hier  Not  thut,  das 
ist  vor  allem  Takt  und  eine  möghchst  ausgesprochene  intuitive,  künstlerische  Sicher- 
heit in  der  Wahl  und  in  der  Ausfiüirmig  der  nötigen  Maßnahmen. 

Und  darum  hat  es  eine  außerordentUche  Bedeutung,  eine  Bedeutung,  welche 
in  ihrer  großen  sozialen  Tragweite  noch  lange  nicht  genug  gewürdigt  ist,  woher,  aus 
welchen  Gesellschaftskreisen,  aus  welchem  Materiale  sich  die  PersönUchkeiten  der 
ausübenden  Krankenpflege,  das  berufsmäßige  Krankenpflegepersonal,  reki-utiert.  Wer 
nur  ein  gutes  Herz  hat,  wer  nur  barmherzig  ist,  taugt  darum  noch  lange  nicht  zur 
Krankenpflege.  Was  aber  notwendig  ist  und  wohin  gestrebt  werden  muß,  das  ist, 
daß  der  Beruf  der  Krankenpflegerinnen  auch  gesellschaftlich  auf 
ein  Niveau  gehoben  werde,  dessen  Ansehen  und  Wertschätzung  auch 
Persönlichkeiten  aus  den  gebildeten,  ja  aus  den  ersten  Gesell- 
schaftsklassen gestattet,  diesen  Beruf  auszuüben.  AehnMch  wie  die 
Lehrerin,  wie  die  Künstlerin  dadurch,  daß  sie  üu'e  Thätigkeit  ausübt,  sich  sozial 
nicht  degradiert,  müßte  in  der  Meinung  und  der  Anschauung  weitester  Kreise  da- 
für Propaganda  gemacht  werden,  daß  auch  der  so  wichtige  Beruf  der  Kranken- 
pfegerinnen  sich  sehr  wohl  mit  einer  bevorzugten  sozialen  Stellung  verträgt.  Ge- 
bildete Krankenpflegerinnen,  das  ist  das  Desiderat. 

Und  nicht  nur  die  eigens  die  Pflege  betreibende  Persönlichkeit, 
auch  die  gesamte  Umgebung  des  Kranken,  jeder,  der  auf 
irgend  eine  Weise  mit  ihm  in  Berührung  kommt,  muß  in  seinem  Ver- 
halten und  seinem  Benehmen  angemessen  zu  Werke  gehen.  Man  kann 
gewissermaßen  ebenso,  wie  in  der  gegenständlichen  materiellen  Um- 
gebung des  Kranken  zuvor  fünf  Zonen  unterschieden  worden  sind, 
Zonen  konzentrischer  Art,  von  denen  immer  wieder  auf  die  Person  des 
Kranken  aus  ihren  verschieden  belegenen  Grenzen  Einwirkungen  aus- 
gehen können,   so   auch  hinsichtlich   der   persönlichen  Umgebung  des 


270  M.    MENDELSOHN, 

Kranken  drei  verschiedene  Grade  und  Abstufungen  unterscheiden:  zu- 
nächst die  Person  der  ausübenden  Pflegerin  selber:  sodann  die 
Familienangehörigen  und  die  sonstigen  Mitglieder  des  Hauses, 
insbesondere  auch  das  ständige  Dienstpersonal;  und  drittens  alle  die- 
jenigen, welche  nur  mehr  zufällig  und  vorübergehend  mit  ihm  in  Be- 
rührung kommen,  Personen,  die  man  allgemein  als  Besucher  be- 
zeichnen kann.  Die  ausübenden  Pfleger  wissen  oder  sollten  es 
wenigstens  wissen,  wie  sie  sich  zu  verhalten  haben :  die  Angehörigen 
des  Hausstandes  bedürfen  schon  einer  Anweisung  und  Ueberwachung 
hierin,  wenn  sie  auch  durch  die  ständige  Beobachtung  und  das  Zusammen- 
sein mit  der  berufsmäßigen  Pflegerm  bei  sonst  vorhandenem  guten 
Willen  wenigstens  in  der  Hauptsache  das  Richtige  zu  thun  bald  er- 
lernen; die  Besucher  aber,  die  vielen  verschiedenartigen  Persönlich- 
keiten, welche  vorübergehend  mit  dem  Kranken  in  Berührung  kommen, 
bedürfen  dieser  Kontrolle  und  Ueberwachung  Uires  Verhaltens  durch 
die  Pflege  auf  das  Ällerdringendste. 

Mancherlei,  was  so  in  dem  L'mgange  mit  Kraiiken  Beachtung  verdient,  ist  in 
den  vorhergehenden  Erörterungen  schon  kurz  gestreift  worden.  So  haben  viele 
verschiedenartige  störende  Momente  Erwähnung  gefunden,  deren  Beseitigung  auch 
an  den  Personen  der  Umgebung  nötig  ist,  um  in  dem  Kranken  nicht  das  Gefühl  der 
Unnihe  zu  erzeugen  und  um  Störungen  zu  vermeiden.  Es  ist  unbedingt  not- 
wendig, daß  das  Schuhwerk  der  Personen,  welche  sich  im  Krankenzimmer  bewegen, 
nicht  knarre,  vielmehr  lautlos  und  weich  sein  muß ;  und  auch  die  sonstige  Kleidung 
hat  sich  dem  anzupassen:  gesteifte  Unterröcke,  welche  krachen,  oder  etwa  Kleider 
aus  Seidenstoffen  oder  solche  mit  seidenem  Futter,  welche  bei  jedem  Schritt  rauschen, 
sind  zumal  auf  die  Dauer  für  den  Kranken  unerträglich,  ebenso  wie  angehängte 
Schlüsselbunde  mit  ihrem  Klirren  oder  ähnliche  störende  Geräusche. 

Muß  so  der  rein  äußeren  Euhe  durch  das  Benehmen  der  Umgebimg  im 
Krankenzimmer  aufs  sorgfältigste  Rechnung  getragen  werden,  sollen  so  die  betreffen- 
den Personen  schon  in  ihrer  Tracht  und  Kleidung  alles  vermeiden,  was  Unruhe  er- 
zeugt, so  müssen  sie  das  in  noch  höherem  Maße  durch  ihr  allgemeines  Verhalten 
thun.  Sie  haben  sich  gleichmäßig  vmd  ruhig  im  Krankenzimmer  zu  bewegen, 
nicht  hastig  und  nicht  überstürzt;  aber  was  dringend  nötig  ist:  der  Kranke  muß  in  der 
Lage  sein,  einer  jeden  Bewegung  und  Hantierung,  welche  in  seinem  Zimmer  geschieht, 
mit  den  Augen  folgen  zu  können,  er  darf  nie  über  irgend  etwas  im  unklaren  imd  un- 
gewissen bleiben,  da  er  sonst  sofort  anfängt  zu  grübeln  imd  sich  beunruhigt.  Was  auch 
im  Krankenzimmer  geschehe,  es  gehe  offen  und  vor  den  Augen  des  Kranken 
vor  sich.  Und  so  ist  auch  ein  Uebertreiben  in  der  Lautlosigkeit  der  Schritte  und  der 
Bewegungen  durchaus  vom  Uebel ;  es  wäre  ganz  falsch,  im  Kjankenzimmer  lautlos 
uniherzuschleichen,  um  dann  plötzlich  vor  dem  erschreckten  Klranken  aufzutauchen, 
der  nicht  weiß,  woher  die  Person,  die  vor  ihm  steht,  mit  einem  Male  gekommen  ist. 
Diese  Vermeidung  aller  unbestimmten  Situationen,  diese  Beseitigung  aller  Ungewiß- 
heiten hat  sich  auch  auf  den  Raum  außerhalb  des  Krankenzimmers  und  dessen  unmittel- 
bare Umgebung  zu  erstrecken:  und  insbesondere  muß  der  Arzt  bei  seinen  Besuchen 
stets  eingedenk  sein,  daß  er,  wie  immer  auch  der  vorliegende  Zustand  beschaffen  sei, 
von  dem  Kranken  stets  aufs  sehnhchste  erwartet  wird:  wenn  er  geschellt  hat  und  in 
che  Wohnung  tritt,  so  begebe  der  Arztsich  unverzüglich  und  ohne  jedes 
Säumen  zum  Kranken,  der  fast  immer  weiß,  daß  der  Arzt  es  ist,  der  ge- 
kommen, der  in  Erwartung  des  Arztes  sich  verzehrt,  und  zudem,  wenn  längere  Unter- 
redimgen  vorher  stattfinden,  nun  der  Meinung  sein  muß,  es  gehe  ihm  schlecht,  da 
sein  Zustand  solche  Aussprache  bedinge,  und  ganz  besonders  davon  mitgenommen 
wird,  wenn,  wie  dies  manchmal  geschieht,  diese  Präliminarien  unmittelbar  vor  der 
Thür  des  Krankenzimmers  geführt  werden,  wo  er  dann  halbe  "Worte  auffängt  imd 
falsch  ausdeutet.  AA'enn  der  Arzt  mit  den  Angehörigen  etwas  ohne  das  Beisein  des 
Kranken  zu  besprechen  hat,  so  thue  er  dies  nachher,  nach  der  ärztlichen  Visite, 
nachdem  er  sich  verabschiedet  und  die  Meinimg  hervorgerufen  hat,  er  sei  überhaupt 
schon  von  dannen  gegangen. 

124 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  271 

Ebenso  müssen,  wenn  mehrere  Personell  darin  verweilen,  die  Gespräche 
im  Kranlcenzimmer  durchaus  klar  und  deutlich  geführt  werden;  nicht  etwa 
übermäßig  laut,  nicht  unter  Schreien  und  lautem  Lachen,  doch  aber  so,  daß  der 
Kranke  jedem  Worte  der  Unterhaltung  zu  folgen  vermag,  damit  er  sich  nicht  an- 
strengt und  nicht  der  Meinung  ist,  es  sei  in  dem  halblauten  Gespräch  von  ihm  und 
seinem  Zustande  die  Kede.  Das  trifft  auch  für  eine  jede  direkte  Unterhaltung 
und  für  das  Sprechen  mit  dem  Kranken  selbst  zu;  auch  hier  ist  das  manchmal 
aus  dem  falsch  verstandenen  Begriff  einer  größtmöglichen  Schonung  bis  zum  laut- 
losen Flüstern  herabgestimmte  Dämpfen  der  Stimme  ganz  und  gar  falsch,  da  es  den 
Kranken  nur  anstrengt,  den  leisen  Worten  zu  folgen ;  man  spreche  ridiig,  aber  deut- 
lich und  vernehmlich  mit  dem  Kranken ,  der  niemals  durch  ein  solches  :^prechen 
gestört  wird. 

Und  nicht  nur,  wie  man  zu  dem  Kranken  spricht,  auch  was  man  sagt,  er- 
fordert Beachtung;  wenn  es  auch  oft  nötig  wird,  bestimmt  und  gemessen  mit  einem 
widerstrebenden  Kranken  zu  reden,  so  muß  im  allgemeinen  doch  der  Grundsatz 
der  Nachgiebigkeit  vorherrschend  sein,  daß  man  einem  Kranken  so  viel  wie 
möglich  nachzugeben  hat,  daß  man  ihm  nicht  widerspricht,  daß  man  seinem  Zustand 
und  seinem  Leiden  vieles  zugute  hält ,  was  mau  einem  Gesunden  gegenüber  kaum 
hnigehen  lassen  würde.  Es  ist  nur  natürlich,  daß  manche  Kranke  mißmutig  und 
launisch,  ja  direkt  böswillig  und  gehässig  werden,  daß  sie,  statt  dankbar  für  die 
Pflege  sich  zu  äußern,  im  Gegenteil  stets  unzufrieden  sind,  daß  man  ihnen  nichts 
recht  machen  kann,  daß  sie  sogar  schelten  und  zornig  werden.  Immer  muß  man 
sie  dann  gewähren  lassen,  immer  sich  nur  desto  nachgiebiger  zeigen ;  und  werm  die 
Demut  in  der  That  ein  notwendiges  Erfordernis  der  Krankenpflege  sein  sollte,  hier 
ist  sie  am  Platze  und  muß  sie  geübt  werden.  Dieses  Entgegenkommen,  dieses  Ein- 
gehen auf  den  Zustand  des  Kranken  muß  auch  sonst  geschehen,  nicht  nur  in  Dingen, 
welche  die  Umgebung  persönlich  betreffen ;  mögen  bei  Unterhaltungen  und  Ge- 
sprächen die  Ansichten  des  Patienten  noch  so  absurd  sein,  mag  er  bei  geselliger 
Zerstreuung,  bei  Unterhaltungsspielen  vielleicht  noch  so  offenkundig  im  Unrecht 
sein,  stets  ist  ihm  nachzugeben,  stets  ist  ein  jeder  ernstere  Disput  zu  vermeiden. 

Diese  Schonung  ist  umsomehr  am  Platze  und  kann  um  so  eher  in  Frage 
kommen,  je  fremdartiger  die  einzelnen  Persönlichkeiten  zn  dem  Kranken  stehen. 
Gerade  der  sogenannte  Besuch,  die  Personen,  welche  ohne  Kenntnis  sowohl  des  Um- 
ganges mit  Kranken  überhaupt  als  der  gerade  vorliegenden  Situation  in  das  Kranken- 
zimmer hineingeschneit  kommen,  pflegen  oft  in  der  verkehrtesten  Weise  sich  zu  be- 
nehmen, und  es  ist  daher  Aufgabe  der  Pflege,  alle  diese  Besuche  zu  über- 
wachen, nicht  nur  quantitativ,  nicht  nur  in  der  Hinsicht,  daß  nicht  zu  viel  Personen 
mit  einem  Male  das  Krankenzimmer  betreten,  daß  die  Besuche  nicht  über  Gebühr 
ausgedehnt  werden,  sondern  ebenso  sehr  auch  in  der  Art  der  entstehenden  Unter- 
haltung, in  der  alles  das,  was  eben  angedeutet  wurde,  sorgfältig  zu  berücksichtigen 
ist.  Ja  die  Zulassung  der  einzelnen  Persönlichkeiten,  welche  als  Besuche  erscheinen , 
hat  sogar  unter  dem  Gesichtspunkte  Regelung  zu  erfahren,  inwieweit  durch  sein 
gesellschaftliches  und  persönliches  Verhältnis  zu  dem  Besuchenden  der  Kranke  sich 
Zwang  auferlegen  muß ,  sich  geniert  fühlt.  Man  kann  oft  eine  gleichgiltige, 
eine  gleichstehende  Persönlichkeit  ganz  gut  mit  dem  Kranken  zusammenkommen 
lassen,  während  vielleicht  ein  Vorgesetzter  oder  eine  vornehme  Dame  oder  andere 
Personen,  welche  besondere  Rücksichten  zwar  nicht  direkt  fordern,  denen  sie  der 
Kranke  aber  aus  eigenem  Bestreben  zu  erweisen  bemüht  ist,  noch  nicht  in  das 
Krankenzimmer  gehören.  Das  gilt  ganz  besonders  von  Personen ,  welche  dem 
Kranken  unsympatisch  sind,  von  solchen,  welche  vielleicht,  ohne  gerade  die  ausge- 
sprochene Absicht  dazu  zu  haben ,  doch  die  manchen  Individuen  innewohnende 
Eigentümlichkeit  besitzen  und  nicht  verleugnen  können,  mit  jedem  Worte,  das  sie 
unter  äußerlich  großer  Freundlichkeit  und  Zuvorkommenheit  sagen,  andeie  zu 
kränken  und  zu  verletzen.  Das  alles  sind  Dinge,  zu  deren  Beurteilung  und  Regelung 
ein  großer  Takt  und  ein  gewisses  Maß  von  psychologischem  LTrteil  gehört ;  sie 
müssen  in  jedem  Falle,   so  weit  als  das  nur  möglich  ist,   Berücksichtigung  erfahren. 

Und  ganz  besondere  Vorsicht,  ganz  sorgfältiges  Achten  auf  jedes  Wort,  das 
mau  mit  ihm  spricht,  ist  dort  dringend  geboten,  wo  Gespräche  über  den  Zu- 
stand des  Kranken,  über  seine  eigene  Krankheit  staltfinden.    Jeder  Kranke  hat, 

125 


272  M.    MENDELSOHN, 

wie  könnte  das  auch  anders  sein,  ein  immer  aufs  neue  zutage  tretendes  Interesse, 
über  sich  und  seine  Krankheit  und  deren  Ausgang  zu  sprechen  und  die  Ansichten 
anderer  darüber  zu  vernehmen  und  sie  mit  seiner  Meinung  zu  vergleichen.  Es  wäre 
verkehrt  und  ganz  und  gar  vom  Uebel,  solche  Aussprache  etwa  kiu-zer  Hand  al> 
schneiden  zu  wollen.  Man  gehe  ruhig  auf  diese  Gespräche  ein,  dehne  sie  allerdintrs 
nicht  zu  lange  aus  und  suche  unvermerkt  und  unauffäUig  nach  einer  Weile  auf  einen 
anderen  Gegentand  hinüberzuleiten ;  dabei  vermag  man  dem  Eranken,  was  ihn  ängstigt 
oder  ihm  Sorgen  macht,  auf  eine  unauffällige  und  natürhche  Weise  zu  erklären,  kann 
ihm  darlegen,  daß  alles,  was  ihm  persönhch  auffällt,  naturgemäß  zu  den  Aeußenmgen 
seiner  Krankheit  gehört,  daß  es  keine  besondere  oder  schwere  Bedeutung  hat;  kurz, 
man  spreche  mit  ihm  über  alles,  suche  es  ihm  jedoch,  und  zwar  ohne  zu  übertreiben, 
als  relativ  harmlos  und  ungefährlich  hinzustellen.  Sehr  gern  erinnern  sich  Kranke 
anderer,  ähnlicher  Zustände  bei  dritten  Personen,  selbst  wenn  diese  in  weiter  Zeit 
zurückliegen;  pessimistisch  angelegte  Naturen  pflegen  gerade  imgünstige  Bilder  von 
ähnhchen  Vorgängen  oder  doch  wenigstens  von  solchen,  welche  sie  für  identisch  mit 
dem  ihrigen  halten,  aus  ihrer  Erinnerung  hervorzuholen  und  sie  gewissermaßen  zu 
sammeln.  Man  suche  dann  stets  darzuthim,  daß  in  diesen  Fällen  besondere  um- 
stände obgewaltet  haben,  welche  den  tragischen  Ausgang  verschuldet,  vielleicht  ein 
hohes  Alter  der  betreffenden  Person  oder  schlechte  äußere  Verhältnisse  oder  vorher- 
gegangene andere  Krankheiten,  welche  hier  nicht  vorhegen,  und  ähnliche  Momente 
derart,  mit  denen  der  Kranke  überzeugt  werden  kann,  daß  er  in  einer  günstigeren 
Lage  sich  befindet  und  weit  bessere  Chancen  der  Heilung  hat  wie  jene  ihm  bekannten 
anderen  Personen.  Ganz  besonders  hüte  man  sich  davor,  daß  etwa  eine  Todes- 
nachricht über  einen  Bekannten  oder  einen  anderen  Näherstehenden  einem  Kranken 
mitgeteilt  wird;  im  Hinbhck  hierauf  sind  sogar  die  Zeitungen,  ehe  sie  dem 
Kranken  überlassen  werden,  täghch  durchzusehen.  So  muß  also  durch  stetes  und 
verständiges  Behandeln  des  Themas  der  eigenen  Ki-ankheit  allmählich  der  Eindruck 
in  dem  Kranken  erweckt  werden ,  daß  seine  Krankheit  nicht  zu  besonderen  Be- 
fürchtungen Anlaß  zu  geben  braucht.  Aber  auch  das  umgekehrte  kann,  wenn  auch 
für  gewöhnlich  nur  in  Ausnahmefällen,  nötig  werden:  bei  jenen  indolenten  oder 
störrischen  Naturen,  welche  jede  zweckmäßige  Maßnahme,  jede  ärzthche  Anordnung 
verschmähen  und  von  sich  weisen,  weil  sie  meinen,  es  ginge  auch  ohne  diese.  Hier 
thut  man  gut,  den  Zustand  ernster  zu  schildern,  als  er  thatsächUch  ist,  auf  die  ver- 
häagnisvoUen  Eventualitäten  hinzuweisen,  welche  aus  einer  Unterlassung  sich  ergeben 
könnten,  kurz,  in  dem  Kranken  zwar  nicht  Angst  imd  Schrecken,  aber  doch  die 
Vorstellung  zu  erwecken,  daß  sein  Leiden  nicht  allzu  leicht  genommen  werden  dürfe. 
Ganz  und  gar  und  auf  das  strengste  verboten  ist  hierbei  natürlich  die  merkwürdiger- 
weise nicht  nur  in  imgebildeten  Kreisen  sehr  verbreitete  Art,  daß  Dritte  dem  Kranken 
aus  eigener  Erfahrung  oder  vom  Hörensagen  alle  schmerzhaften  Erfahrungen  und 
alle  bösen  Zufälle,  die  ihm  noch  bevorstehen,  eingehend  schildern  und  ihn  so  unnütz 
ängstigen  und  quälen.  Daß  einem  Kranken  so  von  seinen  besten  Freunden  mit 
aller  Seelenruhe  der  ungünstige,  tödthche  Ausgang  ins  Gesicht  gesagt  wird,  kommt 
gar  nicht  so  selten  vor,  wenn  es  auch  manchmal  nur  in  der  Form  geschieht,  daß 
man  sich  von  ihm,  wenn  er  nicht  mehr  sein  würde,  dieses  oder  jenes  mehr  oder 
minder  wertvolle  Andenken  ausbittet. 

Hier  hat  der  Arzt  mit  unerbittlicher  Strenge  darüber  zu  wachen, 
daß  das  angemessene  geschehe;  und  außerdem  ist  es  seine  Aufgabe. 
und  nicht  sowohl  in  seinem  eigenen  als  mehr  noch  im  Interesse  des 
Kranken,  dafür  zu  sorgen,  daß  nicht  durch  unnützes  Gerede  das 
Vertrauen  des  Kranken  zu  ihm,  dem  Arzte,  erschüttert  oder 
untergraben  werde;  denn  auch  diese  Zuversicht,  diese  Beruhigung  ist 
ein  Heilfaktor  für  den  Kranken,  welchen  die  Krankenpflege  nicht  ent- 
behren kann. 

Das  zweite  unentbehrliche  und  wesentliche  Moment,  welches  zum 
Zustandekommen  des  Schlafeintrittes  mitwirkt,  ist  die  Behinder  un  g 
des  Blutzuflu  sses  zum  Gehirn,  die  partielle  Anämie  des  Ge- 
hirns.   Hier  smd  es  vornehmlich  somatische  Heilmittel,  welche  dergestalt 

126 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  273 

narkotisch  wirken.  Es  ergiebt  sich  ohne  weiteres,  daß  die  Blutmenge  im 
Gehirn  sehr  wesentlich  von  der  Körperlage  abhängt,  wie  es  ja  darum 
das  wirksamste  Mittel  bei  Ohnmächten  ist.  den  Körper  horizontal 
niederzulegen  und  so  durch  den  stärkeren  Blutzufluß  zum  Gehirn  die 
Funktion  der  Gehirnzellen  wieder  bis  auf  die  Höhe  des  Bewußtseins 
zu  erheben ;  auch  die  häufigen  empirisch  für  jeden  einzelnen  ent- 
standenen und  leicht  festzustellenden  Eigentümlichkeiten,  nach  welchen 
die  verschiedenen  Individuen  nur  in  einer  von  ihnen  durch  Gewöhnung 
ein  für  allemal  erlangten  Körperhaltung  leicht  und  schnell  Schlaf  finden 
können,  in  anderer,  ungewohnter,  wenn  auch  ebenso  zweckmäßiger 
Position  dagegen  nicht,  ist  gleichfalls  auf  die  in  der  gewohnten  Lage 
für  das  Zustandekommen  des  Schlafes  günstigen  Cirkulationsverhältnisse 
im  Gehirn  zurückzuführen.  So  können  auch  Herzkranke  nicht  auf  der 
linken  Seite  liegend  schlafen;  und  für  manche  andere  Aifektion  gelten 
ähnliche  Einschränkungen. 

Da  so  eine  partielle  Gehirnanämie,  eine  Beschränkung  der  Blut- 
zufuhr zum  Gehirn,  beim  Zustandekommen  des  Schlafes  von  Wesent- 
lichkeit ist,  so  wirken  unter  diesem  Gesichtspunkte  einer  Beeinflussung 
der  Blutzufuhr  zum  Gehirn  auch  ein  Teil  der  somatischen  Heilmittel 
der  Krankenpflege:  die  Regelung  der  Körperlage  vor  dem 
Einschlafen,  als  Schlafmittel  der  Hypurgie.  Gar  nicht  so  selten  läßt 
sich  beobachten,  daß  Personen,  welche  am  Abend  im  Zimmer  auf-  und 
abgehen  oder  aufrechtsitzen  oder  umherstehen,  schläfrig  werden  und  sehr 
ausgesprochene  Neigung  zeigen  einzuschlafen ;  sobald  sie  sich  jedoch 
niedergelegt  haben,  verschwindet  das  Schlafbedürfnis,  und  sie  vermögen 
nun  nicht  zum  Schlafen  zu  kommen.  Die  Ursache  hierfür  liegt  dann 
darin,  daß  bei  der  aufrechten  Körperhaltung  ein  erheblich  größerer 
Teil  des  Blutes  bei  diesen  Individuen,  welche  sich  durch  einen  be- 
sonders geringen  Gefäßtonus  auszeichnen,  aus  dem  Gehirn  in  den 
übrigen  Körper  abgeflossen  ist,  beim  Niederlegen  jedoch  in  das  Gehirn 
hineinfließt;  wenn  man  bei  solchen  Personen  die  Körperhaltung  zu 
einer  fast  sitzenden  macht  und  sie  dabei  nach  allen  für  die  Anwen- 
dungsweise der  somatischen  Heilmittel  der  Krankenpflege  erforderlichen 
Pegeln  bequem  und  sicher  bettet,  so  kann  man  nicht  selten  allein  auf 
diesem  therapeutischen  Wege,  ohne  die  Zuhilfenahme  medikamentöser 
Substanzen,  den  Eintritt  von  Schlaf  zuwege  bringen  und  ihn  aus- 
reichend lange  unterhalten.  Für  die  narkotische  Einwirkung  dieser 
somatischen  Heilmittel  spricht  ferner  auch  die  umgekehrte  Beobachtung, 
daß  Personen,  welche  in  einer  mit  dem  Kopfe  nach  abwärts  geneigten 
Körperhaltung  schlafen,  früher  erwachen,  als  ihrer  sonstigen  Durch- 
schnittszeit entspricht;  und  das  bei  Enuresis  nocturna*)  sehr  zweck- 
mäßige Heilmittel:  die  Kranken  mit  erhöhtem  Fußende  des  Bettes 
schlafen  zu  lassen,  hat  wahrscheinlich  nicht  nur  durch  seine  besondere 
Einwirkung  auf  den  Flüssigkeitsstand  in  der  Blase  seine  Bedeutung, 
sondern  auch  dadurch,  daß  in  dieser  Lage  der  Schlaf  der  Kinder  ein 
minder  fester  ist  und  sie  daher  durch  das  Andrängen  der  reflektorisch 
gereizten  Detrusoren  der  Blasenmuskulatur  leichter  erweckt  werden 
und  ihre  Harnblase  selbständig  zu  entleeren  vermögen,  ehe  deren 
Muskelverschluß  im  Schlafe  durchbrochen  worden  ist;  ein  Verhältnis, 
das  sich  so  durch  eine  einfache  Maßnahme  der  Krankenpflege  zu  einem 
wesentlich  günstigeren  gestalten  läßt. 

*)  Martin  Mendelsohn  ,  Enuresis.     Eeal-Encyclopädie  der  eesamteu    Heil- 
kunde, herausgegeben  von  A.  Eulenbdeg.     Dritte  Auflage,  Band  Vtl.     Wien  189.Ö. 

127 


274 


M.    MENDELSOHN. 


Die  Hilfsmittel,  welche  eine  Aufrichtung  und  Erhöhung  des  Oberkörpers 
herbeiführen,  sind  ihrer  mannigfachen  anderweitigen  therapeutischen  Einwirl^uug 
entsprechend,   zum   größten  Teile  an   anderen  Stellen   dieses  Buches  zur  Erörterung 


Fig.  152.  Krankenbett.  Das  von  JltJLLER  angegebene  und  in  erster  Linie  für 
die  Defäkation  bestimmte  Krankenbett  läßt  durch  eine  einfache,  am  Kopfende  des  Bettes 
angebrachte  Kiemen  Vorrichtung  das  obere,  dem  Kopfteile  entsprechende  Drittel  des  Bett- 
bodens und  der  zugehörigen  Matratze  mehr  oder  minder  hoch  stellen,  so  daß  ein  Schlafen 
mit  erhöhtem  Oberköi-per  darin  auf  leichte  Weise  und  regulierbar  ermöglicht  wird. 


^^-^  "v*/  .',^>*     ^m 


Fig.  153.  Krankenbett.  Das  mehrfach  erwähnte,  von  Dr.  med.  GEOHäM  an- 
gegebene Krankenbett  gestattet  eine  Gesamtneigung  des  Bettgestelles  [unt«r  jedem  Winkel. 
Es  ist  für  die  Regelung  der  Körperlage  behufs  Herbeiführung  eines  ergiebigen  Schlafes 
insofern  von  besonderem  Vorteil,  als  auch  nach  erfolgtem  Einschlafen  noch  eine  weitere 
Hochstellimg  des  Oberkörpers  und  damit  eine  weitere  Verminderung  des  Blutzuflusses 
zum  Gehirn  erfolgen  kann,  ohne  daß  der  Kranke  dadurch  erwacht. 


128 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 


275 


Fig.  155.  Kraukenbett. 
Fig.  154,  155.  Der  aus  Metallgeflecht  hergestellte  Bettboden  des  Krankenbettes  ruht 
in  der  normalen  Stellung  mit  einer  an  seiner  unteren  Fläche  belindiichen  großen  iircis- 
förmigen  Scheibe  auf  einer  gleich  großen  zweiten  Kreisscheibe  auf,  welche  zum  Bettgestelle 
gehört  (Fig.  154).  Die  beiden  Scheiben  gleiten  aufeinander;  so  daß  sich  der  Bettboden 
durch  eine  Drehung  um  90°  quer  zur  Längsachse  des  Bettes  stellen  läßt  (Fig.  155)  und 
<lanach  durch  eine  einfache  Vorrichtung  mit  dem  Kopfteil  augelioben,  mit  dem  Fußteil 
herab  gelassen  und  in  dieser  Lage  fixiert  werden  liaiin,  so  daß  ein  Schlafen  mit  erhöhtem 
Oberliörper  möglich  ist. 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  KraüUh.    Suppl.  1.    Helt  3.  ]_g 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  j2n  9 


276 


M.   MENDELSOHN, 


gekommen,  insbesondere  bei  der  Einwirkung  auf  die  Ernährung,  be  der  Fernhaltunff 
von  Schmerzempfindung  und  bei  der  Einflußnabme  auf  die  Defäkation.  Die  wich- 
tigsten unter  ihnen  sind  die  ver- 
stellbaren Rückenlehnen, 
die  mechanischen  Kranken- 
betten und  einzelne  der  soge- 
nannten Krankenheber.  Auch 
<ind  besondere  Geräte  zum  Höher- 
>tellen  des  Kopfendes  eines  jeden 
Bettes  vorhanden. 

Eine  weitere  für  die 
Hypurgie  verwendbare  Mög- 
lichlieit,  um  den  Blutzufluß 
nach  dem  Gehirn  einzu- 
schränlien  und  nach  anderen 
Ivörperpartien  abzulenken, 
ergiebt  sich  alsdann  aus  der 
physiologischen  Thatsache. 
daß  Wärme  die  Blut- 
gefäße erschlaffen 
macht,  eine  Thatsache, 
welche  mit  Hilfe  der  Heil- 
mittel der  Krankenpflege  an 
verschiedenen  Körperstellen 
dazu  benutzt  werden  kann, 
um  nach  diesen  Blut 
aus  dem  Gehirn  he r a b  - 
zuleiten  und  so  einen 
narkotischen  Eifekt  zu  er- 
zielen. Die  Wärmeappli- 
kation ist,  außer  bei  Kin- 
dern, nicht  auf  den  ganzen 
Körper,    sondern    nur    auf 

Fig.  156.  Krankenheber.  Da  an  der  zweiten,  geteilten  Konstruktion  des  von 
Dr.  MENDELSOHN  angegebenen  Krankenhebers  Kopfende  vmd  Fußende  für  sich  allein  be- 
weglich sind  und  das  Gei'ät  zudem  mit  einem  verstellbaren  Kopfteil  versehen  ist,  so  kann 
es  für  die  Regelung  der  Köi^perlage  zum  Zwecke  des  Schlafens  und  für  die  dauernde 
Hochlagerung  des  Oberkörpers  ebenfalls  mit  Vorteil  Verwendung  finden. 


einzelne  Körperpartieen  auszudehnen ;  besonders  geeignet  hierzu  ist 
das  Abdomen,  da  die  Darmgefäße  in  der  Lage  sind,  ausnehmend  große 
Mengen  von  Blut  aufzunehmen ;  und  außerdem  die  Füße,  da  sie  die 
peripherste  und  vom  Gehirn  am  weitesten  entfernte  und  darum  für 
den  narkotischen  Eff'ekt  wirksamste  Körperpartie  bilden.  Wie  sehr  die 
Blutgefäße  des  Darmkanals,  wenn  dieser  erwärmt  und  damit  Blut  aus 
dem  Gehirn  abgeleitet  wird,  geeignet  sind,  den  Schlaf  zu  befördern, 
ergiebt  sich  schon  aus  der  unbewußten  Gepflogenheit  von  Tieren  sowohl 
wie  von  Menschen,  welche  frieren  und  deren  Darmgefäße  kontrahiert 
sind,  daß  sie,  um  zu  schlafen,  die  Beine  gegen  den  Leib  ziehen  und 
so  mit  den  voluminösen  Oberschenkeln  ihr  Abdomen  zu  erwärmen 
suchen;  sie  schaifen  sich  damit  eine  natürlich  zustande  kommende 
Gehirnanämie. 

Für  die   Wärraeapplikation   zum   Zwecke   der 
1  e  i  t  u  n  g  aus   dem  Gehirn   hat   die  Hypurgie  zweierlei 


Blutab- 
Heilmittel 


Die  Wirkung  auf  den  SchlEuf. 


kung  ebenfalls 

Blutgefäße 

übrigens 


zur  Verfügung:  einmal  solche,  welche  selbst  Wärme  in  sich  entlialten 
und  diese  an  den  Organismus  abgeben,  also  Wärmeflaschen,  Leibwärmer 
und  ähnliche  Geräte,  die  mit  warmem  Wasser  gefüllt  werden,  und  so 
das  Plus  an  Temperatur  von  außen  her  dem  Kranken  beibringen: 
oder  aber  sie  bedient  sich  der  Anwendung  der  feuchten  Wärme  in 
Form  der  PRiESSNiTz'schen  Umschläge  und  ähnHcher  Einrichtungen, 
in  welchen    der  Körper   die  ursprünglich    nur  lauwarm    oder    gar  kalt 

auf  ihn  gebrachte  Flüssigkeit,  da  sie 

am  Verdunsten  und  somit  an  der  Ab- 
kühlung gehindert  ist,  bis  auf  seine 
eigene  Temperatur  erwärmt  und  sich 
so  mit  einer  warmen  Dunsthülle  um- 
giebt,  deren  physiologische  Einwir- 
eine  Relaxation  der 
ist.  Eine  solche  kann 
auch  auf  dem  Wege  der 
Reaktion  hervorgerufen  werden,  da- 
durch, daß  man  solche  „kalten  Füße" 
vor  dem  Zubettegehen  mit  kaltem 
Wasser  wäscht  und  sofort  sorgfältig 
trocken  reiben  läßt,  wonach  sie, 
ebenso  wie  die  direkte  Applikation 
von  Wärme,  d  u  r  c  h  d  i  e  reaktive 
Erschlaffung  der  Blutgefäße 
einen  immerhin  in  Betracht  kom- 
menden Teil  des  Gesamtblutes  aus 
dem  Gehirn  ableiten. 

Fig.  157.  Niveausteller.  Die  von  Dr.  med.  jACOBSOHM  angegebene  Vorrichtung 
dient  dazu,   das  eine  Bettende  durch  Schraubendrehung   höher   zu  stellen    als    das  andere. 

In  erster  Linie  kommen  hier  warme  Umschläge  unter  Verwendune: 
dichter  Gummistoffe  und 
dadurch  bethätigen,  daß 
sie  entweder  die  in  dem 
Umschlage  enthaltene 
Feuchtigkeit  in  diesem 
zurückhalten  und  zur 
Verwendimg  gelangen 
lassen  oder  aber  die  Um- 
gebung vorDurchnässung 
schützen.  Es  sind  ins- 
besondere die  vielfach  ge- 
brauchten und  bekannten 
Peiessnitz 'sehen  Um- 
schläge, zu  deren  wesent- 
licher Einrichtung  diese 
Bedeckung  mit  wasser- 
dichtem Stoffe  unerläß- 
lich gehört.  Man  macht 
solche  Umschläge  derart, 
daß   man  ein  Leinentuch 

Fig.  158.  XJmschlagwärmer.  Der  auf  dem  Untersatz  befindliche  Kasten  ist 
doppelwandig  und  wird  vor  dem  Gebrauch  innerhalb  dieser  do])pelten  Wandungen  mit 
Wasser  gefüllt ;  die  Einfüllungsöffnung  darf  während  des  Erliitzens  nicht  verschlossen 
werden.  Die  zu  erwärmenden  Umschläge  kommen  in  den  eigentlichen  Innenraum.  Zur 
Aufbewahrung  lassen  sich  Untergestell  und  Lampe  in  dem  Kasten  unterbringen. 

10* 
■3^  9* 


wasser- 
Zeuge  in  Frage,   wo  diese  ihre  Wasserundurchlässickcit 


278 


M.    MENDELSOHN, 


von  einer  dem  zu  bedeckenden  Körperabschnitte  entsprechenden  Größe,  also  ein 
Taschentuch,  wenn  man  den  Umschlag  um  den  Hals  legen,  ein  Handtuch,  wenn  man 
Brust  oder  Leib  damit  bedecken  will,  in  lauwarmes  Wasser  einbringt,  dann  aus- 
windet, so  daß  die  Leinwand,  welche  übrigens  auch  durch  Parchent  oder  andere  Stoffe 


Pig.  iri9.  Thermophor.  Das  von  Prof.  Dr.  roeil.  QUINCKE  angegebene,  sehr  sinn- 
reiche und  zweckmäßige  Gerät  ermöglicht  es,  beliebig  lange  Zeit  warme  Umschläge  in  loco 
auf  konstanter  Temperatur  zu  erhalten.  Für  die  einzelnen  Körperteüe  sind  entsprechende 
doppelwandige  Schalen  von  geeigneter  Form  hergestellt,  welche  als  Unterlage  resp.  Auf- 
lage für  den  Umschlag  dienen  und  welche  die  Temperatur  des  durch  ihren  Innenraum 
dauernd  cirkulierenden  AVassers  diesem  mitteilen.  Beim  Geljrauche  muß  das  Behältnis, 
in  welchem  durch  eine  Spiritusflamme  das  Wasser  erwärmt  wird,  niedriger  stehen  als  das 
Niveau,  in  welchem  sich  der  Umschlag  befindet,  da  nur  so  eine  dauernde  Cirkulation 
durch  den  ganzen  Apparat  hindurch  vor  sich  geht. 

ersetzt  werden  kann,  zwar  noch  ausgesprochen  naß  ist,  jedoch  nicht  mehr  trieft  und 
beim  Auseinanderbreiten  kein  Wasser  mehr  abfheßen  läßt,  danach  dieses  naße  Tuch 
in  vierfacher  oder  achtfacher  Lage  zusammenlegt  und  so,  der  zu  bedeckenden  Körper- 
form angemessen  und  entsprechend  zusammengefaltet,  es  direkt  auf  die  Körperober- 
fläche auflegt.  Hierüber  kommt  dann  die  Bedeckung  mit  dem  wasserdichten  Stoffe,  die 
das  wesentliche  an  der  Manipulation  ist ,  da  sie  bestimmt  ist,  die  feuchte  Wärme 
des  aus  dem  Uiuschlage  verdunstenden  Wassers  an  der  Körperoberfläche  festzuhalten 
und  zu  bewahren.    Es  ist  daher  wichtig,  daß  diese  Bedeckung  mit  einem  durchaus 

wasserdichten  Stoffe  geschieht,  mit 
Gumiuileinwand  oder  einem  ihrer 
Surrogate,  mit  Pergamentpapier  oder 
Wachspapier  und  ähnlichen  wasser- 
dichten Bedeckungen.  !N^ur  dort,  wo 
diese  nicht  zur  Hand  sind  oder  nicht 
alsbald  beschafft  werden  können,  ist 
es  erlaubt,  dicken  Wollstoff  in  mehr- 
facher Schicht  an  ihrer  Stelle  zu 
verwenden ,  der  aber  immer  nur 
einen  unvollkommenen  Ersatz  dar- 
stellt. Auch  muß  außer  dieser 
Wasserundurchlässigkeit  die  be- 
■  deckende  Schicht  aus  dem  gleichen 


Fig.  160.     W  ä  r  m  e  k  o  m  p  r  e  s  s  e. 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 


279 


Grunde  die  weitere  Eigenschaft  haben,  daß  sie  größer  ist  als  ihre  feuchte  Unterlage, 
für  die  sie  die  Bedeckung  abgiebt,  daß  sie  also  auf  allen  Seiten  über  diese  hinans- 
reicht.  Der  wasserdichte  Stoff  wird  mit  Flanell-  oder  Wollenbinden,  die  über  ihn 
gelegt  werden,  in  seiner  Lage  unverrückbar  festgehalten.  Solche  Umschläge  werden 
überhaupt,  und  insbesondere  dort,  wo  sie  zur  Beförderung  des  Schlafes  beitragen 
sollen,  nur  alle  12  oder  alle  24  Stunden  gewechselt,  da  in  ihnen  eben  die  feuchte 
Wärme  zur  andauernden  Wirkung  gelangen  soll. 

Wo  man  heiße  Umsehläge  zur  Wirkung  kommen  lassen  will,  werden  üblicher 
Weise  Breiumschläge  angewandt;  ein  dicker  Brei  von  Hafergrütze  oder  von  Lein- 
samen mrd  gekocht  und  in  Leinen- 
hüllen eingeschlagen.  Der  Brei  darf 
nicht  anbrennen;  wenn  er  außer- 
t  halb  des  Krankenzimmers  warm 
gehalten  werden  soll,  so  wird  der 
ihn  enthaltende  Topf  daher  zweck- 
mäßig nicht  direkt,  sondern  in  einem 
zweiten  mit  Wasser  gefüllten  Topf 
über  das  Feuer  gestellt.  Da  solcher 
Brei  sich  schnell  zersetzt  und  sauer 
wird,  so  muß  alle  Tage  neuer  zur 
Verwendung  kommen,  ein  Uebel- 
stand,  der  sich  jedoch  vermeiden 
läßt,    wenn  man  dem  Brei  2  Proz.  ^'S-  ^^l.     Wilrmekompresse. 

Fig.  160,  161.  Zu  Wännekompresseu  wählt  man  zweckmäßig  allseitig  geschlossene 
Gummisäcke  (Fig.  160) ,  deren  Inneres  nar  von  einer  Stelle  aus  durch  die  Oeffnung  des 
Schraubenverschlusses  zugänglich  ist ;  man  füllt  sie  am  besten  mit  essigsaurem  Natron,  das 
mit  etwas  Glycerln  angerührt  ist.  Eine  so  gefüllte  Kompresse  ist  auf  einige  Minuten  in 
heißes  Wasser  zu  legen  und  danach  in  eine  passende  I'ilz-  oder  Stoffhülle  zu  geben 
(Fig.   161);  sie  bleibt  dann  mehrere  Stunden  lang  warm. 

Borsäure  zusetzt.  Keinesfalls  dürfen  solche  Breiumschläge  zu  heiß  aufgelegt  werden, 
sie  sind  immer  erst  an  der  eigenen  Haut  zu  prüfen;  auch  muß  die  Hautstelle,  auf 
welche  sie  gebracht  werden  sollen,  vorher  mit  Lauohn  oder  mit  Ocl  oder  sonst  einem 
Fette  bestrichen  sein. 

Um  im  Krankenzimmer  stets  heiße  derartige  Umschläge  zur  Hand  zu  haben, 
die  ausgewechselt  werden  können,  sind  Kataplasmenwärmer  im  Gebrauche, 
kleine  Bleehkasten  mit  doppelten  Wandungen,  zwischen  denen  heißes  Wasser  sich 
befindet,  das  durch  eine  untergestellte  Spirituslampe  auf  seiner  Temperatur  erhalten 
wird.  Zweckmäßigerist  der  „Thermophor"  genannte  Kataplasmenwärmer  von  QuiNCJtE, 
in  welchem  eigenartig  geformte,  einer  jeden  Körperstelle  angepaßte  hohle  IMetall- 
schalen,  in  denen  heißes  Wasser 
zirkuliert ,  dem  aufliegenden 
Kataplasma  an  Ort  und  Stelle 
die  gewünschte  Temperatur 
übertragen  und  erhalten. 

Auch  alle  diese  Umschläge 
lassen  sich  zweckmäßig  zum 
Schutze  der  Umgebung  mit 
wasserdichten  Stoffen  be- 
decken. Man  kann  sich  auch 
aus  Gmumi  Kataplasmen,  all- 
seitig geschlossene  Gummi- 
behältnisse,  herstellen  lassen 
und  diese  Kataplasmen 
mit  krystallisiertera 
essigsauren  Natron  und 

Fig.  162.  Wärmeflasche.  Das  Gerät  ist  ans  Metall  gearbeitet;  es  muß  einen 
oberen  Handgriff  aus  Wärme  schlecht  leitendem  Material  besitzen.  Behältuifse  aus  Kupfer 
eignen  sicli  am  besten,  sind  jedoch  nielit  so  wohlfeil  wie  solche  aus  Zinn  oder  anderem 
Metall.     Diese  Geräte  sind  zum  Erwärmen  des  Bettes  bestimmt. 


280 


M.    MENDELSOHN. 


Glyceriü  aufüUen;  maa  tauclit  die  so  gefüllten  Behältnisse  in  ganz  heißes  Wasser, 
wodurch  das  in  ihnen  enthaltene  Salz  gelöst  nird ;  da  das  essigsaure  Natron  eine  außer- 
ordentlich hohe  Präcipitations-'Warnie  entwickelt,  so  teilt  es  diese  Wärme,  wenn  das 
Kataplasma  mm  auf  den  Körper  aufgelegt  ist  und  das  Salz  jetzt  allmählich  beim  Ab- 
kühlen des  Umschlages  aus  seiner  Lösung  auskrvstallisiert,  dem  Gummibehältnisse 
mit  imd  erhält  es  so  mehrere  Stunden  lang,  da  das  Auskrystallisieren  nur  allmäh- 
lich \'or  sich  geht,  in  einer  ausreichenden  AVämie. 

Wegen  seiner  Eigenschaft  des  hervorragenden  Wärmeleitungsvermögens  findet 
das  Metall   in  der  Krankenpflege  eine  besondere  Anwendung  in  den  metallenen 

Wärmeflaschen.  Diese  einfachen 
Bettwärmer,  welche  aus  ovalen  oder 
runden,  flachen,  allseitig  geschlos- 
senen Behältnissen  bestehen,  die  an 
ihrer  oberen  Fläche  ein  abschraub- 
bares Verschlußstück  tragen  imd  an 
diesem  der  bequemeren  Handhabung 
wegen  mit  einem  Kinge  versehen 
zu  sein  pflegen,  werden  mit  heißem 
Wasser  gefüllt  und  kommen  gewöhn- 
lich am  Fußende,  jedoch  unter  be- 
sonderen Umständen  auch  anderswo, 
in  das  Innere  des  Bettes,  um   dies 

Fig.  lOiJ.  AVi;  iiu  i.-d  CSC.  D.is  vuu  Dr.  med.  ilAJEAVSKI  angegebene  Gerät  ist 
zu  dem  Zwecke  kuusiniieit,  die  Teuiiieraturerhöhang,  welche  beim  Löschen  des  Kalkes 
entsteht,  als  'Wärmequelle  für  die  Krankenpflege  nutzbar  zu  machen.  Die  Dose  ist  aus 
Zinkblech,  von  kreisrunder  Form,  mit  abnehmbarem  und  durch  Bajonettverschluß  festge- 
haltenem Deckel.  Vor  dem  Gebrauch  wird  die  Dose  ztir  Hälfte  mit  grob  zerstoßenem, 
frisch  gebranntem  Kalk  von  guter  Qualität  gefüUt :  dazu  werden  allmählich  60  Geirichts- 
prozente  Wasser  zugesetzt;  sobald  die  Entwicklung  der  Wasserdämpfe  abnimmt,  wird  die 
Dose  geschlossen  und  ist  gebrauchsfähig.  Die  Anfangstemperattu-  von  100"  C  sinkt  so 
allmählich  ab,  daß  sie  nach  4  Stunden  noch  höher  als  .37  "  C  ist.  Sach  dem  Erkalten  kann 
der  gelöschte  Kalk  zu  Desinfektionszwecken  Verwendimg  finden,  so  daß  die  Füllung  der 
'W'ärmcdose  hierdurch  wohlfeiler  wird.  Eine  besondere  Bedeutung  hat  diese  Verwendung 
des  frisch  gelöscliten  Kalkes  zu  Erwärmungszwecken  überall  da,  wo  heißes  Wasser  nicht 
schnell  und  ausreichend  genug  zur  Verfügung  steht. 


zu   wärmen.     Es  ist  auch  hier   wieder   eine  der  ersten   Regeln ,    niemals    chese  so- 
genannten Wärmeflaschen,  zumal  wenti  sie  mit  ganz  heißem  Wasser  gefüllt  sind,  in 

das  Bett  einzubringen,  ohne  sie 
vorher  mehrfach  mit  dicken,  am 
besten  wollenen  Tüchern  um- 
hüllt zu  haben.  Dieser  Schutz 
des  Kranken  vor  Verbrennung 
ist  ein  außerordentlich  wichtiger : 
es  muß  sich  jeder,  der  solche 
Wärmeflaschen  zurHand  nimmt, 
zur  Regel  machen,  sie  niemals 
in  das  Bett  einzulegen,  ohne 
zuvor  durch  längeres,  nicht 
durch  flüchtiges  und  oberfläch- 
liches Auflegen  der  Hände  fest- 
zustellen, daß  die  durch  Tücher- 
umhüllung regulierte  Wärme- 
abeabe  des    Gerätes   selbst  bei 


Fig.  1G4.  Leibwärmer.  Das  aus  Weißblech  hergestellte  und  zur  Füllung  mit 
warmem  Wasser  bestimmte  Gerät  wird  mit  HUfe  eines  Gürtels,  welcher  durch  die  beiden 
auf  der  Konvexität  befindlichen  Oesen  gezogen  wird,  auf  dem  Körper  festgehalten  und 
kann  so  auch  ambulant  verwendet  werden. 


134 


Die  AVirkung  auf  den  Schlaf. 


281 


"unmittelbarer  Berührung  mit  der  Körperoberfläche   erträglich  ist.     Aber  noch  nach 

■einer  zweiten  Richtung  liin  ist  die  Gefahr  vorhanden,  daß  durch  diese  Gerate,  wenn 

sie  imachtsam  behandelt  werden,  der  Krankesich  vcrljrenneii  kinii     l"i  nnn     llnfreiu 

Verschlusse   des    Gefäßes    nach    geschehener    Ein- 

füUung,   wonach  dann  das  heiße  AVasser  innerhalb 

des    Bettes    auslaufen    und    dfn  Körper   schädigen 

kann.     Ein    absolut  wasserdichter  Schkiß  der  Auf- 

satzschrauben    sowie   ein    sorgfältiges   Zuschrauben 

<lieser  ist  daher  die  zweite  A'oraussetzung   für  eine 

ohne  schädliche  Konsequenzen  verlaufende  Benutzung 

solcher  Wärmeflasehen.  Auch  darf  inan  sie,  ebenfalls 

um  ein  Zersprengen  mid  damit  ein  Verbrennen  des 

Kranken  zu  verhüten,  nicht  zu  voll  füllen;  und  vor 

allem   nicht,   wenn   sie  ganz   und  gar  mit  AVasser 

angefüllt  sind,    etwa  um   sie  warm    zu  halten,   auf 

den  Ofen  stellen,  wo  sie  bei  steigender  Temperatur 

mit   Sicherheit   zersprengt    werden   würden.     Aber 

auch  ganz  leer   und  ungefüllt  dürfen    sie   niemals 

auf   oder  in  den  Ofen  kommen,   denn  sie  würden 

zerschmelzen. 

Diese  metallenen  AVärmeflaschen  werden  in  der 
Krankenpflege  vielfach  durch  andere  ähnliche  Uten- 
«ihen  ersetzt;  sogiebt  es  Wärmeflaschen  aus  Gummi, 
■welche  mit  einer  wollenen  Hülle  umgeben  sind, 
ebenfalls  damit  die  'Wärmeabgabe  reguliert  wird, 
und  die  von  manchen  Kranken  wegen  ihrer  leichten 
Handhabung  und  besseren  Anschmiegbarkeit  den 
metallenen  AVärmeflaschen  vorgezogen  werden.  In 
ganz  einfacher  Weise  können  alsdann  die  AA^ärme- 
f laschen   durch  jene  Krücken  ersetzt   werden ,   wie 

Fig.  165.  Würmekissen.  Die  kleineren  Exemplare  der  Gummi-Wasserkissen, 
■welche  durch  ihre  Kojupendiosität  und  ihr  infolgedessen  auch  im  gefüllten  Zustande 
nur  geringes  Gesamtgewicht,  ohne  allzu  sehr  zu  beschweren  oder  zu  drücken,  auch  auf 
den  Körper  gelegt  und  auf  ihm  getragen  werden  können,  dienen  im  Gegensatz  zu  den 
großen  Wasserkissen  zur  Füllung  mit  warmem,  nicht  mit  kaltem,  Wasser  und  finden  dem- 
entsprechend als  Wämiekissen  Verwendung. 

man  sie  für  AVeißbier  oder  für  natürliche  Mineralwässer  zu  verwenden  pflegt;  aber 
es  muß  auch  hier  wieder,  und  bei  den  primitiven  A^erhältnissen  dieser  Flaschen  in 
ganz  besonders  sorgfältiger  Weise, 
Sorge  getragen  werden,  einmal  daß 
die  Füllung  nicht  zu  heiß  ist  und 
nicht  zu  reichhch  geschieht,  sodann 
■daß  die  Flasche  nicht  ohne  eine  zu- 
reichende Umhüllung  mit  Tüchern  in 
das  Bett  gebracht  wird,  vor  allem 
aber,  daß  der  A'^erschluß  sicher  und 
fest  ist,  der  hier  durch  einen  gewöhn- 
lichen Korkpfropfen  vorgenommen  zu 
■werden  pflegt,  immer  aber  zur  Siche- 
rung noch  durch  Bindfäden,  die  über 
den  Kork  hinweggehen  und  um  den 
Hals  der  Flasche  zusammengeknüpft 
werden,   in   seiner  Lage   festgehalten 

Fig.  166.  Wärmetasehe.  Das  für  den  unmittelbaren  Gebrauch  am  Körper  her- 
gestellte Gerät,  in  dessen  Filzhülle  ein  durchlöcherter  Metalleinsatz  sich  befüidet,  der  das 
glimmende  Kohlenmaterial  in  sich  schließt,  ist  wegen  der  Verbrcnnimgsgefahr,  der  Kohlcn- 
oxydiMitwickelung  und  der  Belästigung  durch  den  dauernd  entstehenden  Qualm  zu  un- 
mirtelbarer  Ajiplikation  nicht  geeignet. 


135 


282 


M.   MENDELSOHX, 


■werden  muß.  !N"ocli  einfachere  Improvisationen  für  den  gleichen  Zweck  sind  heiß 
gemachte  Ziegelsteine  oder  auch,  wie  e,s  mancherorts  nicht  selten  geschieht,  Bügel- 
eisen,   welche   in   das   Bett  gelegt  werden;   imnaer   dürfen    auch    diese    Geräte   nur 

unter  den  mehrfach  erwähnten  Kau- 
telen  benutzt  werden.  Alle  solche- 
Wärmevorrichtungen  müssen,  wenn 
ihre  Wirkung  anfängt  nachzulassen, 
in  ihrer  Füllung  oder  Erwärmung 
erneuert  werden,  was  durchschnitt- 
lich, da  die  notwendige  Umhüllung 
einen  sehr  erheblichen  Schutz  gegen 
allzu  schnelle  Abkühlung  des  Ge- 
rätes gewährt,  nur  alle  6  Stunden 
ungefähr  notwendig  zu  werden 
pflegt. 

Fig.  167.  Wärmekasten.  Da.«  Gerät  dient  in  erster  Linie  zur  Erwäi-mnng  der 
Füße;  es  ist  darum  mit  dickem  Stoffiiberzug  versehen.  Ein  im  Inneren  befiniUielier 
Metallkasten  läßt  in  diesem  eine  dauernde  Heizung  durch  geeignetes,  glimmendes  Brenn- 
material geschehen.  Für  den  Gebrauch  im  Bette  oder  in  abgeschlossenen  Räumen  sind 
diese  Wärmekästen  ganz  ungeeignet. 

Ein  weiterer  Weg  steht  der  Krankenpflege,  um  zur  Erzielung  des  gleichen 
Effekts  der  Ableitung  von  Blut  nach  dem  Verdauungstraktus  zu  gelangen,  dahin 
offen,  warme  Getränke  darzureichen.  Warme  Getränke,  welche  vor  dem  Zu- 
bettegehen  genommen  werden,  wirken  ebenfalls  so,  daß  sie  das  Blut  vom  Gehirn 
zum  Magen  hin  ableiten;  solche  warme  Flüssigkeiten  sind  Wein  oder  Grog,  auch 
Bouillon  imd  verschiedenartige  Suppen,  sowie  warme  Milch  und  ähnliche  Getränke; 
indes  ist  die  Einwirkung  dieser  warmen  Getränke  insofern  keine  einheitliche,  als- 
sie,  zumal  die  alkoholhaltigen,  gleichzeitig  die  Herzaktion  beeinflussen  und  anregen, 
und  mit  einer  Erhöhung  dieser  auch  eine  reichlichere  Durchströmung  des  Gehirns- 
mit  Blut,  also  der  dem  hier  gewollten  entgegengesetzte  Effekt  einhergeht.  Wirken 
doch  schwarzer  Kaffee  und  ähnliche  Stimulatien  gerade  dadurch  schlafvertreibend, 
daß  sie  die  Herzaktion  erhöhen. 


Fig.  16S.  Bett  wärmegerät.  Auch  für  das  einfache  ErwäiTaen  der  Kranken- 
betten läßt  sich  mit  Vorteil  der  in  ei"ster  Linie  als  Schwitzapparat  konstruierte  und  in 
Gebrauch  gezogene  „Plr^nis  ä  l'air  chaud"  verwenden. 


1^6 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  283 

Dieser  Zusammenhang  zwischen  Herzthätigkeit  und  Blutgehalt  des 
Gehirnes  läßt  sich  nach  anderer  Richtung  hin  noch  für  den  narkotischen 
Effekt  therapeutisch  heranziehen;  da  Kälte  die  Herzaktion  be- 
ruhigt und  herabsetzt,  so  kann  die  Anwendung  dieses  Be- 
ruhigungsmittels in  der  Krankenpflege  gleichfalls  zu  Zwecken  der 
Schlafherbeiführung  dienen. 

Wenn  man  Jemandem,  der  im  warmen  Lager  schon  längere  Zeit  zugebracht 
hat,  die  Brust  mit  kühlen  Flüssigkeiten  oder  Spirituosen,  welche  leicht  verdunsten 
und  damit  Abkühlung  erzeugen,  wäscht,  oder  ihn  auch  nur  mit  dem  Oberkörper 
in  leichter  Kleidung  der  Abkühlung  durch  die  Luft  aussetzt,  so 
wird  damit  oft  der  bis  dahin  ausbleibende  Schlaf  erzielt,  eben  auf  dem  Wege  einer 
Beruhigung  der  Herzaktion  durch  die  Abkühlung  und  einer  dadurch  yeranlaßten 
Einschränkung  der  Blutzufuhr  zum  Gehirn. 

So  wirken  die  Heilmittel  der  Hypurgie,  welche  hier  Verwendung 
finden  können,  indem  sie  ebenso  wie  eine  große  Zahl  der  medikamen- 
tösen Narcotica  die  Blutzufuhr  zum  Gehirn  verringern,  als  hypurgische 
echte  Schlafmittel,  die  auch  für  sich  allein  oft  ausreichende  und  ge- 
nügende Einwirkung  auf  das  Zustandekommen  des  Schlafes  entfalten 
und  seinen  Eintritt  allein  für  sich  herbeizuführen  vermögen. 

Wenn  so  die  Einwirkungen  der  Heilmittel  der  Krankenpflege  bei 
den  eben  abgehandelten  beiden  Teilaktionen  für  das  Zustandekommen 
des  Schlafes  solche  sind,  welche  ebenso  und  in  noch  stärkerem  Maße 
auch  auf  arzneilichem  oder  anderweitigem  therapeutischen  Wege  herbei- 
geführt werden  können,  so  nimmt  die  Krankenpflege  nun  von  der 
dritten  Teilaktion:  der  Fernhaltung  erregender  Reize,  fast 
das  ganze  Gebiet  für  ihre  Heilmittel  allein  in  Anspruch. 

Die  den  Schlafeintritt  hemmende  oder  den  vorhandenen  Schlaf 
unterbrechende  Erregung  des  Gehirns  und  seiner  Zellen 
kann  von  allen  den  verschiedenen  Zonen,  innerhalb  deren  die 
Krankenpflegeheilmittel  überhaupt  ihre  Anwendung  erfahren ,  aus- 
gehen und  aus  ihnen  allen  auf  den  Kranken  einwirken ;  sie  kann 
also  von  der  Körperoberfläche  des  Kranken  selbst  ihren  Ausgang 
nehmeu;  oder  aber  von  seiner  unmittelbaren  Umgebung,  welche 
das  Krankenbett  repräsentiert;  sie  kann  aus  der  dritten  Zone, 
dem  nächsten  abgeschlossenen  Lufträume,  dem  Krankenzimmer, 
stammen ;  oder  schließlich  auch  aus  dessen  beiden  weiteren  Um- 
gebungen :  dem  Gebäudekomplex,  in  welchem  das  Krankenzimmer  sich 
befindet,  und  dem  weiteren  Umkreise  der  ganzen  Anlage.  Und  dem- 
entsprechend kommen  für  diesen  narkotischen  Effekt  Heilmittel  aus 
allen  diesen  Anwendungszonen  in  Betracht.  Denn  von  überall  her 
können  Reize  auf  den  Kranken  ausgehen,  welche  Erregungen  hervor- 
rufen, die  den  sonst  zustande  kommenden  Schlaf  thatsächlich  nicht 
eintreten  lassen  oder  ihn,  wenn  er  da  ist,  vorzeitig  unterbrechen. 

Unter  diesen  sind  die  einfachsten  und  die  am  leichtesten  in  ihrer 
Wirkung  zu  übersehenden  Regelungen  von  seilen  der  Hypurgie  die- 
jenigen ,  welche  die  peripheren  Zonen  betreft'en.  Alle  Reize,  welche 
auf  die  Gehirnzellen  von  außen  her  einwirken  können  und  welche  diese, 
wenn  sie  sich  auch  bereits  aus  den  beiden  anderen  Teilaktionen  her 
in  einem  ausreichend  niederen  Funktionieren  befinden,  trotzdem  nun 
wieder  bis  über  den  zum  Zustandekommen  des  Schlafes 
not  wendigen  Ruhezustand  hinausheben,  können  in  dreifach 
verschiedener  Weise  zu  den  Centralorganen  gelangen :  entweder  durch  die 
Psyche  oder  durch  die  specifischen  nervösen  Leitungen  der  Sinnes- 

137 


284  M.    MENDELSOHN, 

Organe,  oder  schließlich  auf  dem  allgemeinen  Wege  jeglicher  ner 
vösen  centripetalen  Leitung,  wie  sie  von  jedem  Punkte  der  Körper- 
oberfläche oder  auch  des  Körperinnern  her  bei  ausreichender  Intensität 
als  Schraerzempfindung  zum  Bewußtsein  kommen,  aber  auch  bei  geringem 
Grade  der  Reizeinwirkung  immerhin  entsprechende  centrale  Erregungen 
erzeugen.  Demgemäß  können  aus  den  äußeren  Zonen  der  Um- 
gebung des  Kranken  Erregungen  derart  im  wesentlichen  nur  auf  dem 
zweiten  dieser  Wege  auf  die  Sinnesorgane  einwirken ,  wenn  auch  das 
psychische  Moment  sehr  häufig  gleichzeitig  damit  in  Aktion  tritt  und 
nicht  selten  sogar,  der  Natur  der  Sache  nach,  über  die  rein  sinnliche  Er- 
regung prävaliert.  Denn  es  ist  klar,  daß  ein  verdächtiges  Geräusch  im 
Zimmer,  Avelches  ein  Kranker  vielleicht,  wenn  auch  irrtümlich,  aus  der 
Anwesenheit  eines  Tieres  in  diesem  sich  erklärt  und  dem  vorzubeugen 
die  Krankenpflege  verabsäumt  hat,  oder  ein  starker  Lichtschein  durch 
das  Fenster,  der  etwa  als  Feuerbrunst  aufgefaßt  werden  könnte, 
nicht  allein  durch  die  Gehörs-  und  Gesichtsempfindungen  wirksam 
wird,  sondern  in  noch  höherem  Maße  durch  die  psychischen  Er- 
regungen, welche  notwendigerweise  damit  verbunden  sind. 

Somit  gehören  unter  die  schlafbefördernden  Krankenpflegeheil- 
niittel,  welche  in  diesem  Zusammenhange  therapeutische  Einwirkung 
auszuüben  vermögen,  alle  diejenigen  psychischen  Heilmittel  und  die  in 
der  Zwischen  Stellung  zwischen  ihnen  und  den  rein  somatischen  Heil- 
mitteln stehenden  Maßnahmen  rein  hygienischer,  aber  den  Verhältnissen 
der  Krankenpflege  angepaßter  Art,  wie  sie  die  Regelung  der  Be- 
leuchtung, wie  sie  die  Sorge  für  Ruhe  und  alle  die  anderen 
hierher  gehörigen  ähnlichen  Vorkehrungen  und  Gestaltungen  der 
weiteren  Umgebung  des  Kranken  umfassen. 

So  ist  besonders  für  Euhe  im  KraDkenzimmer  Sorge  zu  tragen,  dahin 
zu  wirken,  daß  alle  unnötige  Unruhe  und  jeder  überflüssige  Lärm  unterlassen  und 
vermieden  wird.  Schon  im  Krankenzimmer  selber  und  ebensowohl  auch  in  den  ihm 
benachbarten  Räumen  kann  Unruhe  dadurch  entstehen,  daß  einzelne  Objekte  nicht  fest 
und  stabil  angebracht  sind,  daß  beispielsweise  die  Zipfel  von  Gardinen  und  Vor- 
hängen hin  und  her  flattern,  daß  Einrichtungsutensilien,  welche  benutzt  werden, 
knarren  und  quietschen,  daß  Porzellan-  oder  Metallgegenstände  klirren,  zumal  bei 
Bewegungen  oder  beim  Umhergehen  im  Zimmer.  Alles  das  hat,  so  unbedeutend  und 
ungelebrt  es  auch  zunächst  erscheinen  mag,  für  den  Kranken  eine  große  Wichtig- 
keit; es  ist  immer  imd  in  allen  Fällen  abzustellen.  Ist  doch  sogar  sorgsam  darauf 
zu  achten,  daß  auch  die  Stiefelsohlen  der  Personen  in  der  Umgebung  des  Kranken 
nicht  knarren  dürfen. 

Ebenso  ist  ein  ganz  besonderer  Wert  auch  darauf  zu  legen,  daß  weder  die 
zum  Krankenzimmer  selbst  führenden  Thüren,  noch  andere  in  der  Nähe  befindhchen 
Thüren  kreischen  und  quietschen;  wenn  sie  ein  wenig  mit  Oel  geschmiert  werden, 
läßt  sich  diesem  Uebelstande  immer  mit  Sicherheit  abhelfen.  Allerdings  kann  auch 
eine  ganz  und  gar  geräuschlose  Thür  durch  eine  schlechte  Handhabung  Unruhe  er- 
zeugen. Wenn  sie  selbstverständlich  auch  niemals  etwa  ins  Schloß  geworfen  werden 
darf,  so  ist  auch  nicht  einmal  gestattet,  sie  ins  Schloß  zudrücken;  auch  kann,  wenn 
man  die  Thür  während  des  ganzen  Aktes  des  Oeffnens  und  Wiederschließens  auch 
nur  einen  Augenblick  aus  der  Hand  läßt,  sei  es  durch  Zugluft,  sei  es  durch  etwa 
an  ihr  angebrachte  Vorrichtungen  oder  durch  eine  etwaige  schiefe  Stellung  der  Auf- 
hängungspunkte der  Thür  von  selber  ein  Zuschlagen  oder  ein  Zufallen  entstehen; 
auch  der  Drücker,  der  ebenso  geräuschlos  gehen  maß  wie  die  ganze  Thür 
in  ihren  Angeln,  kann  durch  sein  plötzliches  Zurückschnellen  Störung  verursachen. 
Die  einzige  zweckentsprechende  Handhabung  einer  Thür,  die  in  ein  Kranken- 
zimmer führt,  ist  die,  daß  man  langsam  den  Drücker  herunterdrückt,  ihn  in  dieser 
Lage  beläßt  und  festhält,   während   man  die  Thür  öffnet,   alsdann   ohne  ihn  los  zu 

138 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf. 


285 


lassen  den  herabgedrüokten  Drücker  der  anderen  Seite  beim  Hinduix'htrclen  mit  der 
zweiten  Hand  ergreift  und  in  der  gleichen  Weise  die  Thür  zum  Schluß  bringt, 
um  nun  erst  langsam  den  Handgriff  wieder  in  die  Höhe  gehen  zu  lassen.  Auf  diese 
Weise  läßt  sich  ein  absolut  geräuschloses  Oeffnen  und  Schließen  der  Thür  eines 
jeden  Krankenzimmers  erzielen. 

Daß  Thürglocken  und  sonstige  Schellen,  also  insbesondere  auch  die  Telephon- 
glocken, bei  Kranken,  welche  dadurch  erschrecken  und  darimter  leiden,  außer  Thätig- 
keit  gesetzt  werden  müssen,  ist  allgemein  üblich;  bei  den  Thürglocken  alten  Systems 
umwindet  man  den  Klöppel  mit  Tuch  oder  mit  Watte,  die  elektrischen  Glocken 
werden  einfach  durch  ein  Lösen  der  Schrauben  an  den  Zuleitungsdrähten  außer 
Thätigkeit  gesetzt,  das  Telephon  ist  abzuhängen.  Zudem  läßt  man,  wo  zwei  Auf- 
gänge zur  Wohnung  vorhanden  sind,  je  nach  Erfordernis  denjenigen,  welcher  dem 
Krankenzimmer  benachbart  ist,  unbenutzt. 

Unruhe  und  Störungen  aus  der  weiteren  Umgebung  sind  unter  unseren 
modernen  Verhältnissen  allerdings  nur  in  sehr  eingeschränktem  Maße  in  Schranken 
zuhalten;  in  den  Jlietshäusern  mit  ihren  vollgefüllten  Wohnungen,  in  welchen  in  den 
Großstädten  oft  eine  ganze  Anzahl  von  Familien  und  Parteien  eng  zusammenhängende 
Zimmer  mit  einander  teilen ,  ist  das  noch  erhebhch  schwieriger  als  unter  ein- 
fachen Verhältnissen.  Hier  hängt  alles  von  dem  guten  Willen  der  weiteren  Um- 
gebung ab.  Wenn  auch  bei  ganz  bevorzugten  Personen,  auf  der  Höhe  des  Lebens, 
sich  die  Abhaltung  von  störendem  Geräusch  sogar  bis  auf  die  Straße  erstreckt,  wo 
das  Pflaster  mit  Stroh  bedeckt  wird,  um  den  Wagenlärm  auszuschalten,  wo  viel- 
leicht der  ganze  Verkehr  sistiert  und  in  andere  Bahnen  gelenkt  wird,  so  ist  umge- 
kehrt auch  unter  sonst  günstigen  sozialen  Verhältnissen  bei  der  immer  mehr  Aus- 
breitung gewinnenden  Bauart  der  Häuser  mit  Materialien  aus  guten  Schallleitern, 
mit  Eisenträgern  und  dementsprechend  dümien  Wandungen,  ein  Geräusch  und  ein 
Lärm,  der  in  irgend  einer  Etage  entsteht,  durch  das  ganze  Haus  hindurch  hörbar 
und  fühlbar.  Diese  Verhältnisse  lassen  sich  eben  nur  andeuten;  der  Arzt  hat  auf 
sie  zu  achten  und  sie  zu  regeln,  so  weit  es  im  Bereiche  der  Möglichkeit  liegt;  oft, 
sehr  oft  vielleicht,  wird  diese  Möglichkeit  versagen.  Dann  aber  sorge  man  wenigstens 
dafiu-,  daß  kein  plötzliches  lautes  Geräusch  den  Kranken,  zumal  wenn  er  schläft 
oder  einschlafen  wUl,  erschreckt.  Denn  es  ist  überhaupt  hier  als  Thatsache  festzu- 
halten, daß  eine  Gewöhnung  an  Störungen  selbst  erheblicher  Art,  wenn  diese  nur 
kontinuierlich  sind  und  nicht  unerwartet  und  plötzlich  einsetzen,  in  sehr  weitgehendem 
Umfange  vorkommen  kann,  in  einem  solchen  sogar,  daß  das  zufällige  Aufhören  und 
Ausbleiben  eines  sonst  regelmäßig  vorhandenen 
und  gewohnten  Geräusches  deutlich  empfunden 
wird;  ein  Vorgang,  der  sich  bis  zu  dem  Grade 
steigern  kann,  daß  bei  einem  solchen  Cessieren 
einer  gewohnten  Störung  der  Kranke  sogar  aus 
dem  Schlafe  erwacht. 

Daß  die  ganze  Einrichtung  und  Umgebung 
eines  Kranken  eine  freundliche,  behaglich  heitere 
Einwirkung  in  ihm  erwecke,  ist  in  diesen  Aus- 
führungen hier  wiederholentlich  als  notwendig 
betont  worden.  Das  kann  aber  selbst  bei  sonst 
entsprechender  Einrichtung  nur  dann  thatsächlich 
zutreffen,  wenn  die  natürliche  Beleuch- 
tung d  e  s  Z  i  m  m  e  r  s ,  die  Anlage  seiner  Fenster 
ebenso  wie  die  bereits  erörterte  Stellung  des 
Bettes  innerhalb  des  Zimmers  in  seinem  Verhält- 
nisse zu  den  Fenstern  derartige  sind,  daß  dieser 
freundliche  Gesamteindruck  des  Ganzen  möglich 
wird  und  dem  Kranken  zur  Perception  kommt. 

Fig.  169.  Naehtlampeu.  Sehr  kleine  Lampen  mit  allseitig  geschlossener  matter 
Glocke  sind  für  die  Beleuchtung  der  Krankenzimmer  zweekmiißig.  Sie  sind  leicht  beweg- 
lich und  können,  da  der  obere  Teil  an  ihrem  Stativ  schwebend  aufgehängt  ist,  auch  an 
beliebigen  Stellen  der  Wand,  insbesondere  hinter  dem  Kopfende  des  Bettes,  angehraelit 
werden. 


ijO 


286 


M.   MENDELSOHN, 


Es  muß  daher  ein  jedes  Krankenzimmer  reichlich  natürliches  Licht  empfangen,  als» 
hohe  und  weite  Fenster  haben ;  denn  es  ist  sehr  einfach  und  eher  möglich,  ein  Zuviel 
an  natürlicher  Belichtung  durch  Gardinen  und  ähnhche  Vorrichtungen  abzuhalten, 
als  etwa  umgeliehrt  durch  l5:ünstliche  Maßnahmen  mehr  Licht  in  ein  Zimmer  hinein 
zu  bringen.  Nur  soll  die  Sonne  nicht  unmittelbar  auf  den  Kranken  strahlen,  ihn 
nicht  blenden  oder  ihn  etwa  direkt  ins  Gesicht  treffen ;  die  Anordnung  muß  aber  doch 
so  geschehen,  daß  jedenfalls  direktes  Sonnenlicht  unmittelbar  in  das  Zimmer  hinein- 
fällt: wenn  der  Kranke  schon  verhindert  ist,  die  Sonne  selber  zu  sehen,  so  soll  es 
sie  wenigstens   scheinen  sehen.    Und  darum   ist  die  häufig  aufgestellte  Forderung: 


Fig.  170.  B  eleu  chtuDgä-Yorri  cht  ung  für  Krankenzimmer.  Um  die 
vielen  und  großen  Vorzüge  dos  elektrischen  Lichtes,  welches  wenig  oder  gar  keine  Ver- 
brennungsprodukte bildet,  auch  Kraukenzimmern  zu  gute  kommen  zu  lassen,  ist  es  not- 
wendig, die  Wirkung  der  einen,  intensiven  Lichtquelle  über  den  gauzen  zu  beleuchtenden 
Raum  zu  verteilen;  ein  Erfordernis,  das  für  jeden  Krankenraum,  gleichviel  durch  welche 
Art  der  Beleuchtung  er  erhellt  wird,  Geltung  hat.  Die  von  Dr.  med.  SCHULTZE  ange- 
gebene BeleuchtungsvorrichtHng  für  Krankenzimmer  besteht  in  einem  eigenartigen  großen 
Reflektor,  welcher  beweglich  unter  der  Decke  angebracht  ist  und  eine  Glühlichtlampe  in 
sich  schließt;  die  Lichtquelle  ist  dabei  von  drei  Kegelmantelsegmenten  umgeben,  von  denen 
zwei  mit  iliren  Spitzen  nach  unten,  eines  nach  oben  gerichtet  ist,  und  die  auf  ihren  der 
Lampe  zugewendeten  Flächen  mit  einem  nicht  spiegelnden,  das  Licht  diffus  reflektierenden 
Ueberzuge  versehen  sind.  Durch  diese  Anordnung  der  reflektierenden  Flächen  wird  eine 
direkte  Bestrahlung  nur  für  die  Zimmerdecke  und  die  oberen  Abschnitte  der  Seitenwände 
möglich,  während  der  ganze  übrige  Raum  nur  Lieht  erhält,  welches  von  diesen  zurück- 
geworfen wird  ;  und  zwar  bildet  dies  eine  überall  gleichmäßige,  fast  völlig  schattenlose 
Beleuchtung.  Wie  weit  sich  die  direkte  Beleuchtung  der  Seitenwände  von  der  Zimmer- 
decke her  an  diesen  nach  unten  hin  erstreckt,  hängt  von  der  mehr  oder  minder  hohen 
Axifliängung  des  Apparates  ab.  Die  Beleuchtung  ist  bei  höchster  Aufhängung  des  Appa- 
rates ein  Dämmerlicht,  das  noch  alle  nicht  zu  kleinen  Gegenstände  deutlich  erkennen 
und  die  notwendigen  Verrichtungen  der  Krankenpflege  ausführen  läßt ;  bei  niederster 
Aufhängung  des  Apparates  dagegen  ist  der  Saal  so  hell  erleuchtet,  daß  man  überall  ge- 
wöhnliche Schrift  lesen  kann.  Die  Regelung  geschieht  auf  einfachste  Weise  durch  eine 
über  eine  Rolle  laufende  Schnur  mittels  einer  kleinen  Winde. 


140 


Die  Wirkung  auf  den  Schlaf.  287 

ein  gut  gelegenes  Krankenzimmer  solle  mit  seinen  Fenstern  nach.  Norden  hin  gerichtet 
sein,  keineswegs  in  dieser  Allgemeinheit  anzuerkennen,  wenn  auch  sicherlich  Jahres- 
zeit und  Oertlichkeit  im  einzelnen  Berücksichtigung  erheischen,  und  man  ohnedies 
im  heißen  Sommer  kein  Zimmer  für  den  Kranken  wählen  wird,  dessen  Hauptwand 
<3em  Anprall   der  Sonnenstrahlen  ungeschützt  ausgesetzt  ist. 

Im  Krankenzimmer  muß  die  künstliche  Beleuchtung  des  Nachts 
eine  allerdings  nur  mäßige  Helle  schaffen,  welche  in  sehr  zweckmäßiger  und  für  die 
meisten  Fälle  völlig  ausreichender  Weise  durch  die  bekannten  Schwimmerchen  erzielt 
wird,  kleine  Kerzchen,  welche  auf  einem  Korkschwimmer  ruhen,  das  Ganze  in  irgend 
einem  beliebigen  Gefäße,  gewöhnlich  einem  Trinkglase,  auf  Brennöl  schwimmend, 
welches  man  aus  Gründen  der  Sparsamkeit  nicht  ganz  und  gar  mit  Gel  erfüllt, 
sondern  zum  überwiegendsten  Teile  mit  Wasser,  auf  dem  dann  das  darüber  gegebene 
Brennöl  steht.  Hier  besteht  das  eigentliche,  den  Zwecken  der  Beleuchtung  dienende 
Gerät  also  aus  einem  gewöhnlichen  Trinkglase.  Von  sonstigen  Beleuchtungsarten 
findet  am  besten  das  elektrische  Licht  Verwendung,  aus  Gründen,  die  nicht  weiter 
auseinandergesetzt  zu  werden  brauchen;  nur  daß  die  üblichen,  durchscheinenden 
Glasbirnen  für  das  Krankenzimmer  besser  durch  solche  aus  Milchglas  ersetzt  werden. 
Eine  ganz  vortreffliche  Verwertung  des  elektrischen  Lichtes  für  das  Krankenzimmer 
gestattet  eine  sinnreiche,  von  Dr.  med.  Schultze  angegebene  Beleuchtungsvorrichtung. 
Die  Verwendung  von  Petroleumlampen  ist  weniger  zu  empfehlen,  schon  des  Geruches 
wegen,  der  besonders,  wenn  die  Lampen  zu  hoch  geschraubt  sind,  sich  in  sehr  un- 
angenehmer Weise  geltend  macht;  viel  besser  sind  die  alten,  jetzt  allerdings  sehr  aus 
der  Mode  gekommenen  Moderateurlampen,  welche  keinerlei  Qualm  erzeugen.  Auch 
dicke  Wachskerzen  mit  dünnem  Docht  sind  gar  nicht  übel;  Gas  dagegen  ist  unzweck- 
mäßig, schon  wegen  der  Hitze,  welche  es  verursacht,  tmd  wegen  der  Luftverderbnis 
durch  die  starke  Kohlen säureentwickelun g ;  wo  es  nicht  zu  umgehen  ist,  dürfte  das 
jetzt  so  sehr  in  Aufnahme  gekommene  Gasglühlicht  die  Nachteile,  welche  das 
Leuchtgas  an  sich  hat,  erheblich  einschränken,  wenn  es  natürhch  auch  nicht  die  große 
Gefahr  für  ein  Krankenzimmer  zu  beseitigen  vermag,  welche  eine  jede  Gaszufuhr 
zu  einem  solchen  hat:  daß  ausströmendes  Gas  Intoxikationen  erzeugt. 

Als  eine  wichtige  Regel  der  Anwendung,  welcher  Lampen  auch  immer  als  Be- 
leuchtungskörper muß  jedoch  stets  die  festgehalten  werden,  daß  niemals  eine 
Lampe  im  Krankenzimmer  selber  angezündet  oder  gelöscht  werden 
darf;  es  hat  dies  immer  außerhalb  des  Krankenzimmers  zu  geschehen,  die  Lampe 
ist  bereits  brennend  herein  zu  bringen  und  ebenso  wieder  hinaus  zu  tragen.  Auch 
muß,  ob  es  nun  eine  Lampe  oder  ein  anderes  Beleuchtungsgerät  sei,  die  Stelle  des 
Zimmers,  an  welcher  das  Krankenbett  und  insbesondere  das  Gesicht  des  Kranken 
sich  befindet,  vor  der  direkten  und  unmittelbaren  Beleuchtung  ge 
schützt  werden,  am  besten  durch  einen  Lampenschirm,  welcher  an  der  dem 
Kranken  zugekehrten  Seite  an  die  Lampenglocke  gehängt  wird  und  den  man  auch 
dadurch  improvisieren  kann,  daß  man  ein  Stück  Stoff,  am  angemessensten  aus 
grüner  Farbe,  in  ähnhcher  Weise  an  der  Lampenglocke  befestigt ;  oder  indem  vor 
die  Lampe  ein  großes,  mit  festem  Deckel  versehenes  und  halbaufgeklapptes  Buch 
gestellt  wird. 

In  noch  höherem  Maße  als  diese  Fernhaltung  aller  störenden 
exoterischen  Reize  aus  der  weiteren  Umgebung  des  Kranken  her  sind 
diejenigen  Heilmittel  der  Hypurgie  schlaf  befördernde,  deren  Einfluß 
in  der  unmittelbaren  Umgebung  des  Kranken  wirksam 
ist  und  die  es  vermögen,  äußere  Reize,  welche  auf  dem  Wege  der 
centripetalen  Nervenleitung  die  Zellen  der  Centralorgane  treffen  und 
erregen  können,  fernzuhalten  oder  abzuschwächen  und  zu  mildern. 
Solche  Reize  brauchen  nicht  immer  von  der  äußeren  Oberfläche  des 
Körpers  auszugehen ,  sondern  können  auch  von  mehr  inneren 
Oberflächen  aus  wirken:  vom  Schlünde  und  den  obersten  Partien 
der  Luftwege  bis  zur  Epiglottis  hin.  Oft  entstehen  sie  hier  dadurch, 
daß  Schleimpartikelchen  oder  Auswurfsteilchen  an  diesen  Stellen  fest- 

141 


288  M.    MENDELSOHN, 

haften :   oder  aber  die  Schleimhaut  ist  kongestioniert   und  durch  diese 
Hyperämie  empfängUcher  für  sonst  gleichgiltige  Reize. 

Unter  solchen  Verhältnissen  sind  schleimige  Getränke,  Leinsamenthee, 
Gummischleim  und  ähnliche  Zubereitimgen,  wie  man  sie  hier  zu  verwenden  pflegt, 
insofern  zweckmäßig,  als  sie  die  Wandungen  dieser  obersten  Luftwege  mit  einer  dünnen 
anhaftenden  Flüssigkeitsschicht  überziehen,  welche  reizmildernd  wirkt  und  neue  Eeize 
fern  hält;  auch  Gurgelungen  vermögen  hier  gleiche  Effekte  zu  erzielen. 

Da  nun  aber  die  Aufgabe,  erregende  Reize,  von  der 
äußeren  Oberfläche  des  Körpers  fernzuhalten,  hier  gerade 
die  vornehmste  und,  wenn  sie  zweckentsprechend  gelöst  wird,  in  ihren 
günstigen  narkotischen  Einwirkungen  die  wirksamste  ist,  so  haben 
von  den  Heilmitteln  der  Hypurgie  die  größte  Bedeutung  diejenigen, 
welche  dieser  Aufgabe  genügen  können.  Schon  aus  der  bereits  ge- 
schilderten Klasse  von  Heilmitteln  hygienischer  Art  gehört  die  Regelung 
der  Lüftung  und  Heizung  des  Krankenzimmers  hierher; 
besonders  hohe  Lufttemperaturen  schaffen  Erregungs- 
zustände der  Centralorgane,  bei  welchen  der  Schlaf  nur  unvoll- 
kommen zustande  kommt.  Vor  allem  sind  es  auch  die  vielen  materiellen 
Geräte  und  die  somatischen  Vornahmen,  welche  dadurch,  daß  sie 
mechanische  Reize,  Druckwirkungen  und  ähnliche 
Störungen  möglichst  beseitigen,  zur  Beförderung  des  Schlafes 
mitwirken;  die  derartigen  Heilmittel  haben  zwar  in  erster  Linie  anästhe- 
sierenden Eifekt  und  durch  diese  ihre  Wirkung  üben  sie  erst  indirekt 
narkotischen  Einfluß  aus ;  aber  sie  müssen  auch  in  diesem  Betracht  er- 
wähnt werden.  Und  es  sei  nochmals  auch  an  dieser  Stelle  hier  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  es  sich  keineswegs  um  so  starke  Reize  oder 
vielmehr  um  deren  Beseitigung  durch  die  Heilmittel  der  Krankenpflege 
zu  handeln  braucht,  welche  etwa  als  ausgesprochene  Schmerzempfindung 
zur  Perception  kommen ;  ein  jeder  der  vielen  und  mannigfachen  Reize,  wie 
sie  ununterbrochen  und  dauernd  auf  die  Nervenendigungen  an  unserer 
Körperoberfläche  einwirken,  wie  sie  nicht  nur  aus  der  diese  umgebenden 
Luft,  sondern  aus  den  Bewegungen,  aus  dem  direkten  Kontakt  mit 
allen  möglichen  Dingen  entspringen,  wie  sie  besonders  bei  den  bett- 
lägerigen Kranken  durch  die  unvermeidliche  innige  Beiührung  mit  den 
mannigfachsten  Objekten  seiner  Kleidung,  seines  Lagers,  seiner 
Krankenpflegegeräte  in  ganz  verstärktem  Maße  da  sind,  um  so  mehr 
als  die  Schwere  des  eigenen  Körpers  die  einfache  Kontaktwirkung  hier 
vielfach  durch  den  hinzutretenden  Druckeffekt  vergrößert,  sie  alle 
gehören  hierher ;  und  alles,  was  von  den  Hilfsmitteln  und  Heilmitteln 
der  Krankenpflege  zur  Verfügung  steht,  um  diese,  wenn  auch  an- 
scheinend so  geringen  Reize  zu  beseitigen  oder  zu 
mildern,  hat  einen  oft  weitgehenden  Effekt  auf  den  Ein- 
tritt und  die  Dauer  und  Intensität  des  Schlafes;  und  alle 
diese  Mittel  müssen  mit  vollem  Rechte  den  therapeutischen  Schlaf- 
mitteln zugerechnet  werden. 

Alle  die  vielfachen,  hier  in  solchem  Zusammenhange  zur  Wirkung  kommenden 
Heilmittel  sind,  da  ihre  wesentlichste  und  unmittelbarste  Einwirkimg  zunächst  die- 
ienige  auf  die  Schmerzfreiheit  ist,  in  der  Hauptsache  in  dem  diese  therapeutische 
Einflußnahme  behandelnden  Kapitel  und  an  anderen  Orten  des  Werkes  erörtert,  so 
daß  ihre  Besprechung  an  dieser  Stelle  hier  sich  erübrigt. 


142 


Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur.  289 


KAPITEL  VI. 
Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur. 

Das  Bestreben,  dem  Körper  in  Krankheiten  Wärme  zu  entziehen, 
tritt  in  wechselnder  Intensität  in  den  verschiedenen  Perioden  der  Ent- 
wicklung der  Therapie  immer  wieder  zu  Tage;  und  insbesondere  dort, 
wo  es  sich  wie  bei  den  fieberhaften  Krankheiten  um  abnorm  erhöhte 
Temperaturen  handelt,  welche  durch  therapeutische  Beeinflussung  zur 
Norm  zurückgeführt  werden  sollen.  Wie  weit  ein  solches  Bestreben 
angebracht  und  gerechtfertigt  ist,  in  welchem  Maße  eine  derartige 
Herabsetzung  der  gesteigerten  Körpertemperatur  nützlich  oder  schäd- 
lich wirkt,  zu  erörtern,  ist  hier  nicht  angebracht;  jedenfalls  bedient 
sich  die  Therapie,  und  in  der  neuesten  Zeit  mehr  denn  je,  einer  großen 
Reihe  von  Arzneikörpern,  welche  als  Antipj'retica  bezeichnet  werden, 
und  deren  augenfälligste  Wirkung  im  menschlichen  Körper  eine  Herab- 
setzung der  Temperatur  ist,  eine  Herabsetzung,  die  übrigens  bei  diesen 
medikamentösen  Heilmitteln  ebenso  wie  bei  allen  anderen  derartigen 
Heilmitteln  um  so  prompter  und  um  so  ergiebiger  stattfindet,  je  mehr 
die  ursprüngliche  Temperatur  über  die  Norm  hinaus  erhöht  war, 
während  bei  normaler  Temperatur  das  Wärmeregulierungsvermögen 
des  Körpers  stark  genug  ist,  um  hier  gar  keine  oder  nur  geringfügige 
Einwirkungen  durch  künstliche  AntipjTese  zustande  kommen  zu  lassen. 

Nun  kann  eine  Herabsetzung  übermäßig  erhöhter 
Temperatur  durch  zweierlei  principiell  verschiedene  Einwirkungen 
vor  sich  gehen,  eine  Zweiteilung,  welche  sich  von  selber  ergiebt:  da- 
durch, daß  die  vermehrte  W  ä  r  m  e  p  r  o  d  u  k  t  i  o  n  einge- 
schränkt, in  Schranken  gehalten  wird ;  oder  aber,  daß  der  erhöhten 
W  ä  r  m  e  b  i  1  d  u  n  g  auch  eine  vermehrte  Wärmeabgabe 
nach  außen  hin  entspricht,  die  ihr  die  Wage  hält.  Während 
in  der  Gesundheit  der  Körper  über  ausreichende  Regulationsvor- 
richtungen verfügt,  um  die  Bilanz  der  durch  die  Lebensvorgänge  ent- 
stehenden ,  durch  die  Oxydation  in  den  thätigen  Muskeln  und  den 
großen  Körperdrüsen  produzierten  Wärme,  und  der  an  der  Körper- 
oberfläche und  zum  Teil  auch  durch  die  Lungen  vor  sich  gehenden 
Wärmeabgabe  stets  auf  demselben  Stande,  auf  der  Höhe  der  normalen 
Körpertemperatur  zu  erhalten,  geht  dieses  Regulationsvermögen  bei 
den  fieberhaften  Krankheiten  verloren ;  und  es  kann  an  dieser  Stelle 
hier  ununtersucht  bleiben,  ob  durch  eine  Vermehrung  der  Wärme- 
produktion oder  durch  eine  Verminderung  der  Wärmeabgabe.  Jeden- 
falls sind  therapeutische  Einwirkungen  nach  dieser  Richtung  hin  denkbar, 
umsomehr  als  ein  die  Wärmeproduktion  regelndes  Wärmecentrum  auf- 
gefunden worden  ist,  so  daß  also  arzneiliche  Beeinflussungen  dieses 
Centrums  einen  die  Wärmeproduktion  herabsetzenden  Eflekt  haben 
könnten ;  und  in  der  That  scheinen  arzneiliche  Antipyretica  auch  nach 
dieser  Richtung  hin  wirksam  zu  sein.  Besonders  aber  muß  ein  jeder 
pharmakodynamisch  wirksamer  Körper,  wenn  er  die  Oxydation  ver- 
mindert, damit  auch  die  von  ihr  ausgehende  Wärmeproduktion  herab- 
setzen. 

143 


290  M.    MENDELSOHN, 

Von  den  beiden  Teilaktionen  des  gewollten  Endeffekts^  der  Auti 
pyrese,  von  der  Herbeiführung  einer  Verminderung  der  Wärme- 
produktion einerseits  also,  oder  der  Steigerung  der  Wärmeabgabe  auf 
der  anderen  Seite,  haben  die  Heilmittel  der  Krankenpflege  im  Gegen- 
satz zu  den  medikamentösen  Mitteln  nur  eine  Einwirkung  auf  die 
zweite  Teilaktion,  nur  einen  Einfluß  auf  die  Herabsetzung  der 
Körpertemperatur  durch  die  Steigerung  der  Wärmeab- 
gabe. Diese  Wärmeabgabe  findet  von  der  gesamten  Körperoberfläche 
aus  statt  und  hängt  auch  hier  wiederum  von  zwei  verschiedenen 
Faktoren  ab:  einmal  von  dem  Grade,  in  welchem  das  den  Körper 
umgebende  Medium,  dieLuft,  im  Stande  ist,  Wärme  auf- 
zunehmen, uud  sodann  von  dem  Maße,  in  welchem  d er  K ö r p e r 
selber  vermag  oder  befähigt  wird,  an  seiner  Oberfläche 
Wärme  abzugeben.  Es  liegen  also  auch  hier  die  Dinge  so,  was 
gerade  für  die  Heilmittel  der  Krankenpflege  von  größter  Bedeutung 
ist,  daß  für  die  AntipjTese  ebenso  wie  für  die  Diaphorese  das  Maß 
der  von  der  Körperoberfläche  verdunstenden  Flüssigkeit  zum  wesent- 
lichsten Teile  davon  abhängt,  wieviel  die  umgebende  Luft  überhaupt 
von  diesem  Wasserdampf  noch  in  sich  aufzunehmen  vermag,  daß  also 
die  exoterische  Gestaltung,  die  Regelung  der  Verhältnisse  der  un- 
mittelbaren Umgebung  des  Körpers  des  Kranken  sehr  wesentlich  mit- 
wirken bei  dem  Zustandekommen  des  schliesslichen,  therapeutisch  ge- 
wollten Endeffekts. 

In  Bezug  auf  eine  Steigerung  der  Wärmeabgabe  vermögen  die 
Heilmittel  der  Krankenpflege  nach  beiden  möglichen  Richtungen  hin 
wirksam  zu  sein ,  indem  sie  häufig  sowohl  das  umgebende 
Medium  derart  b  eeinfluss  en,  daß  die  Wärmeabgabe  an 
dieses  erleichtert  und  gesteigert  wird,  als  sie  auch  den 
Körper  selber  zu  vermehrter  Wärmeabgabe  veran- 
lassen können. 

Die  Einwirkung  der  Krankenpflegeheilheilmittel  hinsichtlich  der 
größeren  Aufnahmefähigkeit  von  Wärme  in  die  den 
Körper  umgebenden  Medien  beruht  darauf,  daß  die  Wärme- 
kapacität  einer  feuchten  Luft  erheblich  größer  ist  als  die  einer 
trockenen,  daß  also  dieselbe,  nach  Temperatur  und  auch  nach  allen 
sonstigen  Verhältnissen  gänzlich  gleiche  Luft,  wenn  sie  feucht  und  mit 
Wasserdampf  ausreichend  gesättigt  ist,  erheblich  viel  mehr  Wärme 
von  einem  mit  ihr  in  Kontakt  stehenden  Objekte  entnimmt,  als  wenn 
sie  trocken  ist.  Dazu  kommt  noch  ein  zweites  Moment,  daß  nämlich 
eine  mäßig  bewegte  Luft,  bei  welcher  immer  neue  Luftmengen  mit 
dem  Wärme  abgebenden  Objekt  in  Berührung  kommen,  ein  größeres 
Abkühlungsvermögen  entfaltet  als  eine  ruhige  und  stagnierende  Luft. 
Das  sind  Blrscheinungen,  die  schon  aus  der  subjektiven  Empfindung, 
welche  sie  im  Körper  erzeugen,  sich  erkennen  lassen ;  ganz  außer- 
gewöhnlich tiefe  Temperaturen  werden  von  uns  nicht  in  dem  Maße 
kalt  empfunden  wie  nur  relativ  mäßige  Kältegrade,  weil  bei  diesen 
letzteren  die  Luft  feuchter  ist  als  bei  großer  Kälte,  und  daher  ihr 
Wärmeentziehungsvermögen  hier  ein  stärkeres  und  für  uns  empfind- 
licheres ist.  Und  ebenso  erweckt  bei  selbst  recht  hoher  Aussen- 
temperatur  dennoch  jeder  Windhauch  und  jeder  Luftzug  auf  der  Ober- 
fläche des  Körpers  das  Gefühl  der  Abkühlung,  eben  weil  hier  sich 
durch  die  Summation  der  an  sich  nur  kleinen  Mengen  von  Wärme- 
aufnahme, welche  ein  jedes  Luftquantum  leisten  kann,  im  ganzen  doch 

144 


Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur.  291 

ein  abkühlender  Ettekt  herausbildet,  da  eben  diese  wärnieentziehenden 
Luftquanten  immer  wieder  sich  erneuern. 

Es  sind  dalier  in  der  Krankenpflege  alle  diejenigen 
Heilmittel,  welche  der  Luft  die  beiden  Eigenschaften 
eines  gewissen  Feuchtigkeitsgehaltes  und  einer  mög- 
lichsten Erneuerung  und  selbst  mäßigen  Bewegung  zu 
erteilen  vermögen,  durch  die  fördernde  Einwirkung  auf  diese  Teil- 
aktion der  Antipyrese  als  wärmeentziehende  Mittel,  als  Hilfsmittel  einer 
Herabsetzung  der  Körpertemperatur  anzusehen.  Das  sind  einmal  die 
hygienischen  Einrichtungen  der  Ventilation,  welche  für  regel- 
mäßige Lufterneuerung  sorgen,  Maßnahmen,  die,  zumal  wenn  ein  gewisser 
Wärmegrad  der  Luft  dabei  eingehalten  werden  soll,  gar  nicht  immer 
so  einfach,  wie  es  zunächst  scheinen  könnte,  ins  Werk  zu  setzen  sind 
oder  sich  etwa  gar  von  selber  ergeben.  Sodann  gehören  die  für  die 
Zwecke  der  Krankenpflege  eigens  konstruierten  Geräte,  die  Luft- 
anfeuchter  und  Verdunstungsapparate,  welche  der  Zimmer- 
luft einen  bestimmten  Feuchtigkeitsgehalt  verleihen,  und  die  anderen 
nach  gleicher  Richtung  wirkenden  Vornahmen  hierher.  Zu  dritt  aber 
wii'ken  auch  alle  die  Bestandteile  des  Krankenbettes  selber,  alle  die 
vielfachen  und  verschiedenartigen  Einrichtungen,  welche  für  die  Lagerung 
und  Bedeckung  des  Kranken  in  Betracht  kommen  und  zu 
denen  natürlich  auch  die  Bettkleidung  des  Kranken  selber  gehört,  auf 
diesen  und  seine  Wärmeabgabe  und  die  ihn  unmittelbar  umgebenden 
Schichten  der  Luft;  denn  es  kommt  ja  nur  indirekt  darauf  an,  daß 
die  notwendigen  Eigenschaften  der  Luft  in  der  gesamten  Zimmer- 
luft vorhanden  sind ,  wesentlich  und  von  Einfluß  werden  sie  nur  in 
der  nächsten  und  unmittelbaren  Umgebung  des  Kranken.  Und  so 
wirken  daher  alle  Krankenpflegeeinrichtungen,  welche  einen  leichten 
und  größtmöglichen  Austausch  der  im  Bette  des  Kranken  und  inner- 
halb seiner  Bekleidung  befindlichen  Luftschichten  mit  der  nach  Mög- 
lichkeit für  die  Zwecke  der  Antipyrese  günstig  gestalteten  Zimnierluft 
herbeiführen  und  fördern  helfen,  ebenfalls  als  Antipyretica. 

Alle  diese  Maßnahmen  und  Geräte  sind  in  ihrer  Art  und  Anwendung  in  den 
Kapiteln  beschrieben  und  erörtert  worden,  welche  von  der  Wirkung  auf  die  Schmerz- 
freiheit, die  Eeinlichkeit  und  die  Expektoration  handeln.  Es  ist  daher  nicht  von- 
nöten,  sie  hier  nochmals  zu  beschreiben,  trotz  ihrer  sehr  wesentlichen  Einflußnahme 
auf  die  Körpertemperatur  des  Kranken. 

Nach  der  zweiten  Richtung  hin,  die  Kör  per  ob  er  fläche  zu 
befähigen,  stärker  Wärme  abzugeben,  sind  unter  den  Heil- 
mitteln der  Krankenpflege  zunächst  alle  diejenigen  wirksam,  welche 
ihre  besondere  Bedeutung  und  Besprechung  bei  der  Wirkung  auf  die 
Diaphorese  finden,  da  sie  imstande  sind,  die  Schweißsekretion  zu  ver- 
mehren, so  daß  größere  Mengen  von  Schweiß  auf  der  Haut  verdunsten. 
Denn  eine  jede  Verdampfung  von  Wasser  bindet  große  Mengen  von 
Wärme;  und  so  wird  durch  die  Heilmittel  der  Kraukenpflege,  welche 
auf  die  Erhöhung  der  Schweißsekretion  wirksamen  Einfluß 
haben,  ebenfalls  auch  eine  Steigerung  der  Wärmeabgabe  und  damit 
eine  Antipyrese  bewirkt. 

Denselben  Effekt  in  gewissem  Maße  auszuüben  vermag  der  Genuß  von 
Alkohol,  insofern  als  dieser  die  Gefäße  der  Hautoberfläche  erweitert  imd  mit 
dieser  Erweiterung  auch  eine  Erhöhung  der  Wärmeabgabe  herbeiführt ;  ein  Vorgang, 
der  identisch  mit  der  Wirkung  mancher  arzneilicher  Antipyretica  ist,  indem  diese  im 
gleichen  Sinne  auf  das  vasomotorische  Centrum  einwirken  und  damit  ihren  anti- 
pyretischen Einfluß  ausüben. 

Handbucli  der  spec.  Therapie  inn.  Krankli.     Suppl.  I.    Hefl  3.  OQ 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  _.-  •^/\ 


292  M.    MENDELSOHN, 

Die  allerraächtigste  Antipyrese  aber  besitzt  die  Krankenpflege 
in  der  Möglichkeit,  direkte  und  unmittelbare  AVärmeent Ziehungen 
durch  Kontakt  hervorzurufen,  und  beherrscht  damit  die  zweite 
Teilaktion  der  Antip.yrese,  welche  ihr  zugänglich  ist,  fast  vollständig 
und  ausschließlich.  Es  ist  selbstverständlich,  daß,  wie  sehr  auch  die 
Wärmeregulationsvorrichtungen  im  Körper  einem  solchen  gewünschten 
Effekte  entgegenarbeiten  mögen,  bei  einem  direkten  Kontakt  des 
fiebernden  Organismus  mit  einem  wesentlich  kühleren  Medium  eine 
Wärmeentziehung  an  der  beeinflußten  Körperstelle  vor  sich  gehen 
muß,  deren  Intensität  von  der  zur  Verwendung  kommenden  Temperatur- 
differenz  und  von  der  Zeitdauer  der  Einwirkung  abhängt. 

Da  wir  in  dem  Wasser  in  der  Form  von  Bädern  ein  solches 
Mittel  besitzen,  welches  nicht  nur  auf  das  genaueste  in  seiner  Tem- 
peratur reguliert  zur  Anwendung  gelangen  kann,  sondern  auch  ganz 
nach  Erfordernis  einzelnen  Körperpartien  oder  auch  der  gesamten 
Oberfläche  sich  applizieren  lässt,  so  hat  hier  durch  direkte  Wärme- 
entziehung die  Krankenpflege  in  dem  kalten  Bade  ein  Heilmittel, 
welches  zu  den  mächtigsten  Antipyreticis  zu  zählen  ist. 

Ueber  Bereitung  unrt  Anwendung  kalter  Bäder  ist  bei  der  Wirkung  durch  Rein- 
lichkeit in  dem  betreffenden  Kapitel  das  Notwendige  gesagt. 

Für  geringere  und  nur  lokale  AVärmeentziehuugen,  die  dann  aller- 
dings nicht  mehr  als  Antiimese,  sondern  als  lokale  Antiphlogose  an- 
zusehen sind,  stehen  sodann  der  Krankenpflege  die  materiellen  Heil- 
mittel der  kühlen  und  kalten  Umschläge,  vor  allem  aber  der  Eis- 
applikationen zur  Verfügung,  welche  an  den  einzelnen  Körperstellen 
antiphlogistische  Einwirkungen  ausüben  und  in  ihrer  Intensität  eben- 
falls durch  die  Art  und  die  Dicke  der  zwischen  sie  und  die  Körper- 
oberfläche gebrachten  Schichten  von  mehr  oder  minder  gut  wärme- 
leitendem Material  reguliert  werden  können.  Allerdings  ist  schließlich 
auch  ein  kühles  Vollbad,  welches  ein  starkes  Antipyreticum  bildet, 
nur  ein  Heilmittel  der  lokalen  Antiphlogose,  wenn  auch  die  lokale 
Applikation  hier  die  g  e  s  a  m  t  e  K  ö  r  p  e  r  o  b  e  r  f  1  ä  c  he  b  e  t  r  i  f  f  t ; 
und  andererseits  gehen  auch  die  Heilmittel  der  lokalen 
Antiphlogose  in  die  AV i r k u n g  der  allgemeinen  A n t i - 
pyretica  über,  als  unter  jeder  so  beeinflußten  Körperpartie  Blut 
cirkuliert  und,  wenn  ihm  da  Wärme  entzogen  ist.  mit  diesem  Wärme- 
verlust weiter  in  die  anderen  Körperteile  wandert:  so  daß  man  also 
durch  eine  Eiski-avatte,  welche  den  Hals  ganz  umschließt,  wo  hier  die 
beiderseitigen  Carotiden  der  Einwirkung  unterliegen  und  durch  diese 
ein  außerordentlich  großer  Teil  des  gesamten  Körperblutes  überhaupt 
hindurchströmt,  trotz  ihrer  nur  lokalen  Applikation  dennoch  ein 
hypurgisches  Antipyreticum  zur  Einwirkung  gelangen  läßt.  Und  ganz 
besonders  wird  wie  bekannt  und  wie  überall  geübt  ,  die  allgemeine 
Antipyrese  durch  lokale  Antiphlogose  mittels  der  auf  den  Schädel 
applizierten  Eisbeutel  herbeigeführt,  deren  auf  das  Gehirn  ausgeübte 
wärmeentziehende  Wirkung  hier  die  allgemeine  Antipyrese  beträchtlich 
fördert.  So  sind  alle  diese  Heilmittel  der  Krankenpflege,  zu  denen 
kalte  Waschungen ,  feuchte  Einwickelungen ,  Douchen  und  die  ander- 
weitigen ähnlichen  Maßnahmen  noch  hinzukommen ,  durch  direkte 
Wärmeentziehung  wirksame  und  wichtige  Antipyretica. 

Solcher  für  die  Wärmeentziehung  bestimmter,  gewöhnlich  aus 
Gummi  gefertigter  Geräte,  welche  in  ihrer  Hauptform  einzelnen  Partien  der 
Körperoberfläche  in  ihrer  Gestalt  entsprechen,  giebt  es  fa-st  für  jede  einzelne  Körper- 

146 


Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur. 


29.: 


stelle;  da  das  Material  ein  sehr 
schmiegsames  ist,  so  bedürfen  die 
großen,  ungefähr  ebenen  oder  nur 
mäßig  konkav  und  konvex  gewölb- 
ten Flächen  des  Eückens  und  des 
Leibes  sowie  der  Brust  keine  bis 
ins  einzelne  gehende  Nachbildung 
ihrer  Formation.  Es  giebt  dement- 
sprechend größere  und  kleinere, 
kreisrunde  oder  ovale  oder  recht- 
pckig  geformte  Gummitaschen  und 
Eisbeutel,  welche  entweder  in 
ihrer  ursprünglichen  Gestalt  schon 
eine  relativ  große  ebene  Fläche  dar- 
bieten, was  das  Zweckmäßigere  ist, 
oder  aber  zunächst  nur  weiche 
und  keine  besonders  ausgedehnte 
Flächenform  zeigende  Beutel  bilden, 
die  erst  bei  der  Auflegung  gegen 
eine  Fläche  sich  der  Form  dieser 
adaptieren.  Diese  beiden  Gruppen 
von  Behältnissen,  die  also  entweder 
eine  platte  taschenartige  Form  oder 
mehr  die  Gestalt  eines  Beutels  haben, 
besitzen  einen  einzigen  großen  In- 
nenraum ;  dieser  ist  bei  allen  von 
außen  her  zugänglich ;  die  Oeffnung 
nach  dem  Innenraum  trägt  einen 
wasserdichten  Verschluß,  einen  Ver- 


Fig.   171.     Eisbeutel. 


Fia-.   172.     Eisbeutel. 


Fig.  171,  172.  Die  SchraubeuverscUlüsse  der  weiten  Einfüllimgsöffimügen  der 
Gummibeutel  werden  zweckmäßig  mit  kleinen  Gummikappen  nach  der  Füllung  überdeckt, 
um  im  Falle  eines  undichten  Verschlusses  eine  Benetzung  des  Kranken  zu  verhüten.  Eis- 
beutel von  allgemeiner  Form  sind  entweder  kreisrund  (Fig.  171)  oder  länglich-oval  (Fig.  172) 
gestaltet. 

Schluß,  der  auf  die  mannigfachste  Art  erzielt  werden  kann,  gewöhnlich  dadurch, 
dal3  in  die  Oeffnung  ein  kreisrunder  Bing  eingesetzt  ist,  der  im  Inneren  ein  Gewinde 
trägt,  und  in  dieses  sich  ein  kreis- 
runder Deckel  hineinschrauben 
läßt;  aber  auch  auf  mannigfache 
andere,  einfachere  Art,  die  ja  das 
weiche  Material  zuläßt,  z.  B.  da- 
durch, daß  zwei  mit  einem  an 
ihrem  anderen  Ende  mit  einem 
Scharnier  verbundene  Stäbchen  die 
weichen     Ränder     der    Oeffnung 


Fig.  173,  174.  Die  zum  Spalten 
des  Eises  dienenden  kleinen  Geräte 
tragen  mehrere  Spitzen  oder  nur  eine 
einzige.  Sie  werden  entweder  durch 
unmittelbaren  Druck  zur  Venven- 
dung  gebracht  (Fig.  174)  oder  aber 
ihr  schwerer,  als  Handgriff  dienender 
peripherer  Teil  ist  auf  den  eigent- 
lichen Stahlstachel  beweglich  auf- 
gesetzt, so  daß  nur  nötig  ist,  ihn 
etivas  anzuhehen  und  fallen  zu  lassen, 
um  ein  Spalten  selbst  dicker  Eis- 
stücke zu  erzielen. ' 


E  i  s  s  p  a  1 1 


H7 


l(t.    Ji,isspaiter. 

20* 

20* 


294 


M.   MENDELSOHN, 


Fig. 
Behältnis 
rotiorende 


175. 
eingeb: 
Walz< 


zwischen  sicli  fassen,  zusammen- 
klemmen  und  so,  indem  ein  Ring 
über  die  beiden  freien ,  nunmehr 
aneinandergeklappten  Enden  der 
Stäbchen  gestreift  wird,  diese  fest- 
halten und  verschließen.  Auf  die 
einfachste,  aber  auch  primitivste  Art 
läßt  sich  bei  einem  solchen  beutei- 
förmigen Behältnisse  ein  Verschluß 
durch  ein  Abbinden  der  freien 
Ränder  erzielen. 

Diese  einfachen  Gummibehält- 
nisse mit  einzelner,  weiter  Oeffnung 
und  wasserdichtem  Verschluß,  die- 
nen zur  Aufnahme  von  Eis,  welches 
in  ihrem  Inneren  Platz  findet;  die 
Eisbeutel  werden  dann  an  irgend 
einer  Stelle  mit  der  Körperober- 
fläche in  Berührimg  gebracht.  Zur 
Füllung  wird  kleingeschlage- 
nes Eis  benutzt;  es  ist  zweckmäßig, 
die  einzelnen  Eisstückchen  von  un- 
gefähr Haselnußgröße  vor  dem  Ein- 
bringen in  das  Gummibehältnis  erst 
Eiszci'kloinerungsgeriit.  Die  Eisstücke  werden  hier  in  das  obere 
rächt  und  iliuch  zwei  mit  scharfen  Vorsprüngen  versehene,  gegeneinander 


Stücke  geschnitten. 


auf  einen  Augenblick  in 
warmes  Wasser  zu  tauchen, 
damit  die  scharfen ,  beim 
Zerschlagen  entstandenen 
Kanten  und  Spitzen  sich  ab- 
schmelzen und  der  Gummi- 
beutel durch  sie  nicht  be- 
schädigt wird.  Das  Zer- 
schlagen des  Eises  muß 
selbstverständlich  außerhalb 
des  Krankenzimmers  ge- 
schehen; es  ist  keineswegs 
nötig,  daß  das  mit  Hämmern 
und  Meißeln  unter  lautem 
Lärmen  vor  sich  geht;  es 
giebt  zwar  eigene  Eisspalter 
doch  thut  jede  Ahle  und 
selbst  eine  große  Tuchnadel 
die  gleichen  Dienste,  da  man 
nur  nötig  hat,  mit  einer 
Spitze  in  das  Eis  hineinzu- 
bohren oder  zu  stechen,  um 
es  zu  spalten,  und  man  -  so 
mit  leichtester  Mühe  selbst 
sehr  dicke  Eisstücke  glatt 
auseinandertrennen  kann. 

Fig.  176.  Eismaschine.  Bei  der  von  Prof.  Dr.  med.  LIEBEEICH  für  die  Zwecke 
der  Krankenpflege  eigens  angegebeneu  Eismaschine  findet  die  Rotation  des  ganzen 
Gerätes  um  eine  horizontale  Achse  statt.  Als  Kältemischung  wird  hier  Ammoniumnitrat 
verwendet;  es  werden  3  kg  des  Salzes  mit  5  kg  Wasser  zusammengebracht  und  damit 
ungefähr  .500  g  Eis  erzielt.  Das  Ammoniumnitrat  kann  aus  seiner  Lösung  immer  wieder 
abgedampft  und  aufs  neue  verwendet  werden. 


Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur. 


295 


Bei  der  Füllung  des  Eisbeutels  ist  mancherlei  zu  beachten:  er  darf  zu- 
nächst nicht  zu  voll  gefüllt  werden,  damit  er  nicht  zu  schwer  wird  und  dann  den 
Kranken   drückt  und  durch  sein  Gewicht  und   seine  Schwere  belästigt  und   hindert; 

man    füllt  ihn   allerhöchstens  bis       " 

zur  Hälfte  seiner  eigentlichen  Ka- 
pazität an.  Sodann  muß,  wenn  er 
nun  geschlossen  wird,  aus  dem 
Beutel  die  Luft  ausgedrückt  wer- 
den, ehe  der  Verschluß  definitiv 
geschieht,  da  sonst  das  Gumnii- 
gerät  sich  nicht  überall  der  Körper- 
oberfläche anlegt;  dass  jedesmal 
die  Wasserdichtheit  des  Ver- 
schlusses kontrolliert  wird,  ist 
selbstverständhch.  Liegt  ein  sol- 
cher Eisbeutel  eine  Weile,  eine 
halbe  Stunde  oder  eine  ganze,  selten 
länger,  so  fühlt  er  sich  warm  und 
Tor  allem  weich  von  geschmolze- 
nem Wasser  an ;  sobald  dies  ein- 
tritt, muß  der  Inhalt  fortgegossen 
und  durch  neuen  ersetzt  werden. 
Dieser  Ersatz  geschieht  am 
besten  außerhalb  des  Kranken- 
zimmers, das  sich  zur  Aufbe- 
wahrung    des     Eisvorrates 

Fig.  177.  Eismaschine.  Die  zur  Heislelluiig  ciin'b  iiiöglic/list  ausgiebigen  Kon- 
taktes zwisehen  der  Kältemisehung  und  der  zu  gefrierenden  Flüssigkeit  notwendige  Be- 
wegung wird  bei  den  größeren  Eismaschinen  dureh  eine  doppelte  Uebcrtragung  so  erzielt, 
daß  die  beiden  Behidtnisse  in  entgegengesetztem  Sinne  gegeneinander  rotieren. 

Überhaupt   nicht  eignet;    wo   kein  eigener  Eisschrank   zur  Verfügung  ist,   wird  das 
Eis,   welches  immer  erst  in  den  nötigen   Mengen  unmittelbar   vor   der  EinfüUung 

zerkleinert  wird,  an   einem   kühlen    Orte 


auf  Stroh  gelegt  oder  in  ein  irdenes  oder 


Fig.  178.  Fig.  179. 

Fig.  178.  Eisbohälter.  Das  doppehvandige  Gerät,  welches  auf  Bädern  läuft  und 
in  geschlossenem  Zustande  einen  kleinen  Betttiseh  repräsentiert,  ist  zur  Aufnahme  und  zur 
Bewahrung  kleiner  Eismcngen  unmittelbar  am  Krankenbette  bestimmt.  Auch  'köniien 
klcini»  Behältnisse,  Arzneiflasehen,  Getränke  etc.  in.' ihm  kalt 'gestellt  werdeii.". !   .■  '" 

Fig.  179.  Eisbecher.  Der  Glasbecher  trägt  einen  oberen,  mit  centraler  Abfluß- 
öffnung versehenen  Einsatz,  in  welchem  die  für  den  Gebrauch  als  Eispillen  l)estimniten 
Eisstückchen  aufbewahrt  werden,  während  das  Schmelzwasser  sich  in  dem  unteren  Be: 
hältnis  ansammelt. 


149 


296 


M.   MENDELSOHJJ, 


Fig.  ISO.  Reifentrage.  Um  den  Druck  der  Bettdecke  vom  Riioipfe  oder  den 
unteren  Extremitäten  fernzuhalten,  dienen  metallene  oder  aus  andersartigem  Material  her- 
gestellte Bogen,  welche  über  den  Köri^er  des  Kranken  fort  gestellt  werden  und  ihn  so  vom 
Drucke  der  Bettdecke  entlasten.  Sind  sie  aus  Jletall,  so  müssen  sie  mit  Stoff  umwickelt 
werden,  um  unangenehme  Kälteeniptindungen  bei  Berührung  mit  dem  Körper  zu  vermeiden. 
Sie  lassen  sich  sehr  zweckmäßig  zur  Aufhängung  von  Eisbeuteln  verwenden. 

metallenes  Sieb  ,  unter  welches  ein  Eimer  gestellt  wird.  Auch  kann  man  Eis,  um 
es  relativ  lange  Zeit  vor  dem  Verflüssigen  zu  bewahren,  zwischen  zwei  Lagen  eines 
starken  Tuches  mit  einem  Hammer  klein  schlagen ;  bindet  man  hierauf   über  einen 

gewöhnlichen,  nicht  glasierten, 
ungefähr  1  —  2  Liter  Inhalt 
fassenden  Blumentopf,  der  auf 
einen  Porzellan teller  gestellt 
wird,  ein  Stück  weißen  Fla- 
nells so,  daß  es  trichterförmig, 
doch  ohne  den  Boden  zu  be- 
rühren ,  in  das  Innere  des 
Topfes  eingestülpt  ist,  so  hält 
sich  in  diesem  Flanelltrichter 
das  zerkleinerte  Eis  tagelang. 
Die  Applikation  des 
gefüllten  Eisbeutels  auf 
die  Körperoberfläche  muß 
sanft  und  vorsichtiggeschehen ; 
als  wichtige  mid  niemals  außer 
acht  zu  lassende  Regel  ist  fest- 
zuhalten, daß  das  mit  Eis 
gefüllte  Gummibehältnis  nie- 
mals unmittelbar  auf  die 
Haut  aufgelegt  werden 
darf,  da  die  unmittelbare 
starke  Abkühlung  Kältegan- 
grän erzeugen  würde.  Es  muß 
vielmehr  stets  eine  schützende 
Zwischenschicht  angebracht 
werden,  entweder  eine  einfache 
oder  doppelte  Lage  von  Flanell 
oder  ein  gewöhnliches  Lein- 
tuch in  vierfacher  Schicht.  Ist 
die    Menge     der     Eisfüllung 

Fig.  181.  Eisbeutel-Träger.  Das  Gerät  läßt  sich  sowohl  an  der  Hinterwand 
des  Bettkopfendes  wie  an  den  seitlichen  Bettpfosten  ansehrauben  und  in  jeder  Höhe  be- 
festigen ;  es  bleibt  dabei  um  seine  Längsachse  drehbar,  so  daß  es  bei  jeder  Lage  des  Kopfes 
in  zweckmäßiger  Aufhängung  über  dem  Schädel  angebracht  werden  kann. 


ISO 


Die  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur. 


29'; 


entsprechend  gewählt  worden  und  liegt  der  Kranke  ruhig,  so  genügt_  für  gewöhn- 
lich ein  einfaches  Auflegen  des  Gummibehältnisses;  oft  jedoch  wird  es  nötig,  den 
Eisbeutel  mit  Tüchern  oder  Binden  zu  befestigen,  damit  er  nicht  herunter  gleitet ;  und 
noch  zweckmäßiger  ist  es,  um  den  Druck  des  immerhin  nicht  unbeträchthchen  Ge- 
wichtes möglichst  auszuschalten,  den  Eisbeutel  nicht  aufzulegen,  sondern  aufzuhängen, 
so  daß  er  selbständig  getragen  wird  und  nur  mit  seiner  unteren  Fläche  den  Körper 
des  Kranken  berührt.  Eine  solche  Aufhängung  des  Eisbeutels  geschieht  am 
besten,  wo  es  sich  um  den  Rumpf  oder  die  Extremitäten  handelt,  von  einem  Bügel  oder 
Eeifen  aus,  der  von  einer  Seitenwand  des  Bettes  zur  anderen  hinüber  geht  oder,  zur 
Applikation  auf  den  Kopf  des  Kranken,  von  einem  eigenen  „Eisbeutel -Träger"  her, 
einer  galgenartigen  Vorrichtung,  die  am  Kopfende  des  Bettes  verstellbar  sich  an- 
bringen läßt  und  von  welcher  der  Eisbeutel  an  einer  Schnur  herabhängt.  Weniger 
zweckmäßig  ist  die  in  den  Krankenanstalten  viel  beliebte  Art  des  Anbindens  des 
Eisbeutels  an  eine  Leine,  welche  von  der  Kopftafel  des  Bettes  nach  dem  Fußende 
hin  gespannt  wird  und  die  eine  Anbringung  des  Eisbeutels  nur  in  der  Mittelachse 
dos  Bettes  geschehen  läßt. 


Fig.   182.     Kühlröhr(Mi. 

Eine  andere  Art  ähnlicher  Behältnisse,  die  sogenannten  Kühlröhren  und 
Kühlschläuche,  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  eben  beschriebenen  Taschen 
und  Beuteln,  daß  sie  zwar  ebenfalls  eine  mehr  oder  minder  große,  im  wesentlichen 
flächenhafte  Form  haben,  jedoch  derart  hergestellt  sind,  daß  diese  durch  ein 
konzentrisches  Aneinanderreihen  eines  einzigen  dünnen,  sehr  langen  Gummischlauches 
erzeugt  wird.  So  giebt  es  kleinere  und  größere,  kreisrunde  oder  auch  rechteckige 
Scheiben  aus  Gummi,  welche  derart  aus  einem  einzigen  langen  Gummischlaucho 
gebildet  sind,  dessen  eines  freies  Ende  sich  im  Centrum  der  Scheibe  befindet,  von 
welchem  aus  der  Schlauch  in  immer  größer  werdenden  und  in  der  Fläche  aneinander 
liegenden  Windungen  konzentrisch  weiter  geführt  ist,  bis  er  nach  mehr  oder  minder 
großer  Ausdehnung  des  Ganzen  nun  mit  dem  anderen  Ende  frei  an  der  Peripherie 
endet.  Es  muß  also  Flüssigkeit,  welche  in  eines  der  beiden  offenen  und  freien 
Enden  eingebracht  wird,  die  Ringe,  welche  die  Scheiben  zusammensetzen,   passiereu, 

151 


298 


M.   MEJfDELSOHN, 


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Fig.  183.    Kühl  röhren« 


Fig.  182,  183,  184,  185.  Die  von 
Leiter  angegebenen  Kühlröhren  wer- 
den entweder  aus  Gummi  hergestellt 
und  in  fläclicnartiger  Aneinander- 
leguug  gestaltet  (Fig.  182,  183),  oder 
aber  es  liommen  biegsame  Jletall- 
röhreu  zur  Vei'wendung  (Fig.  184); 
für  den  Kopf  ist  eine  Kappenforni 
besonders  zweckmäßig  (Fig.  184,  185). 
Nachdem  es  möglich  geworden.  Alu- 
minium zu  löten ,  werden  sie  in 
neuerer  Zeit  auch  nacli  der  Angabe 
von  Prof.  Dr.  med.  GÄRTNER  aus 
Aluminiumrohr  gefertigt  und  bilden 
so  besonders  leichte  und  l)equeme 
Geräte. 


Fig.  184.     Kühlkappc. 


Fig.  18Ö.     Kühlkappe. 


J^2 


Bie  Wirkung  auf  die  ^KörpertetQperatuf. 


299 


bis  sie  aus  dem  anderen  Ende  des  Schlauclies  austreten  kann.  Bei  diesen  von 
Leiter  angegebenen  Kühlröhren  und  Kühlschläuchen  ist  Wasserfüllung  die 
Eegel.  Die  aus  einem  solchen  Gummischlauche  gebildete  Fläche,  welche  sich  der 
Körperoberfläche,  falls  sie  nicht  von  vornherein  eine  dieser  entsprechend  gebildete 
Form  hat,  sehr  innig  anschmiegt,  wird  in  gleicher  Weise  appliziert  wie  die  Eis- 
beutel; dabei  wird  das  eine  Ende  des  Schlauches  mit  einem  hochstehenden  Gefäße 
in  Verbindung  gebracht, 
während  der  andere 
Schlauch  nach  unten 
hängt  und  in  einen  Eimer 
taucht;  es  ist  zweck- 
mäßig, daß  in  das  obere 
freie  Ende  ein  spitz- 
winkelig gebogenes  Glas- 
oder Hartgummirohr  ein- 
gesetzt ist,  welches  mit 
seinem  Winkel  auf  dem 
Eande  des  Gefäßes  liegt, 
während  das  ßohr  selber 
bis  nahe  zum  Boden  des 
Behälters  reicht ;  noch 
besser  ist  ein  großer 
Glasirrigator,  der  an  die 
Wand  gehängt  oder  ent- 
sprechend aufgestellt  wird 
und  mit  welchem  eine 
direkte  Verbindung  des 
Gummischlauches  mög- 
lich   ist.      Ein     solcher 

Fig..  186..  I  Kühlvorrichtung.  Nach  der  Angabe  •  von'  Dr.  med.  .KttHL  wird  cino 
konkav-konvexe  Metallkapsel,  welche  auf  den  Schädel  aufgelegt  wird,  in  ähnlicher  Weise 
wie  die  Schlauchleitungen  der  Kühlröhren  (Fig.  182 — 185)  durch  kaltes,  genau  temperiertes 
Wasser  durchströmt.  Die  Metallkapscl,  welche  auf  den  Schädel  aufgelegt  wird,  ist  bei 
jedem  Gebrauche  sorgsam  mit  Leinen-  oder  Flanelltüehcrn  zu  umwickeln. 

Irriga,tor  erübrigt  auch  das  immerhin  unangenehme  Ansaugen  der  Flüssigkeit  am 
Beginne  der  Manipulation,  welches  bei  einer  Hebervorrichtung  nötig  wird.  Immer 
muß  hier  eine  dauernde  Aufsicht  dahin  stattfinden,  daß 
das  von  oben  herabfließende  Wasser  rechtzeitig  erneuert 
und  das  unten  angesammelte  fortgeschafft  wird,  um 
ein  Ueberlaufen  zu  verhüten;  es  ist  darum  besonders 
die  Schnelligkeit,  mit  welcher  die  Wasserleitung  funk- 
tioniert, zu  regeln,  indem  man  an  dem  absteigenden 
Schenkel  des  Gerätes  entweder  einen  Quetschhahn  mit 
Schraubenvorrichtung  anbringt  oder  eine  einfache 
Fadenschlinge  so  weit  zuschnürt,  bis  der  Abfluß 
genügend  langsam  geschieht. 

Diesen  allgemeinen  Gummibehältnissen  mit  mehr 
oder  minder  großer  Oberfläche  stehen  eine  große  An- 
zahl speciell  geformter  ähnlicher  Apparate  zur  Seite, 
deren  Hauptform  eine  ganz  besondere  Gestaltung  hat. 
Die  größten  hiervon,  welche  ebenfalls  sowohl  als  einheit- 
liche Taschen  sowie  als  Röhrensystem  existieren,  sind 

Fig.  187.  SciräuelV-Leitung.  Eine  winkelig  gebogene  Röhre  liegt  auf  einem 
kleineu  Träger  auf,  dessen  unteres,  mit  Klammem  versehenes  Ende  sich  federnd  über  den 
Rand  eines  jeden  beliebigen  Gefäßes  aufsetzen  läßt.  Versieht  man  die  beiden  freien  Enden 
des  Winkeli'ohres  mit  je  einem  kürzeren  und  längeren  Sclilauch,  so  läßt  sich  das  Ganze 
an  jedem  Gefäß  als  improvisierte  Irrigatorvorrichtung  verwenden.  Allerdings  ist  ein  ei-st- 
maliges  Ansaugen  der  Flüssiglceit,  um  die  Heberwirkung  herzustellen,  von  nöten.  Für  die 
Schlauchleitungen  der  Kühlröhren  läßt  sich  die  einfache  Vorrichtung  vorteilhaft  verwenden. 


153 


300 


M.   MENßELSOHN, 


die  KüWkappen,  Taschen  von  Halbkugelform  mit  innerer  konkaver  Fläche,  welche 
ungefähr  an  Größe  und  Inuenraum  der  Schädeloborfläche  eines  Menschen  entspricht. 

Andere  wiederum  bilden  lauge 
oder  zu  Halbkreisen  ge- 
krümmte Streifen,  zeigen  also 
ungefähr  die  Form  einer  Hals- 
binde. Wieder  andere  sind 
kleine  ovale  Gebilde  mit  einer 
Hauptfläche  von  flach  kon- 
kaver Aushöhlung,  an  unge- 
fährer Größe  und  Gestalt  einer 
Orbita  entsprechend ;  und 
ebenso  giebt  es  kleine  Gummi- 
behältnisse, welche  die  Fül- 
lungsöffnung, die  hier  bei  ihrer 
Kleinheit  durch  einen  ein- 
fachen   Stopfen    verschlossen 


Fiff.  189.     Hcrzflasche. 


30.     Herzflasche.  Fig.  191.     Herzflasche. 

Fig.  188,  189,  190,  191.  Die  Hei-ztlaschen  werden  entweder  aus  Metall,  aus  dünnem 
Zinkblech  hei-gestellt  (Fig.  188,  189)  oder  aus  Guuimi  (Fig.  190,  191).  Die  letzteren 
werden  durch  Schraubenvorriehtungen  ebenso  wie  die  Gummieisbeutel  verschlossen,  die 
Metallflaschen  durch  einen  beliebigen  Pfropf.  W.ährend  die  für  Männer  bestimmten  Ge- 
räte einfache  Flaschen  darstellen  (Fig.  188,  190),  sind  die  für  Aveibliche  Kranke  herge- 
stellten Exemplare  (Fig.  189,   191)   mit  ihrer  Hauptfläche  der   weiblichen  Brust  angepaßt. 


Fig.  192.  Fig.  19.3. 

Fig.  192.  Herz-Eisbeutel.  Die  aus  Pergamentpapier  gefertigten,  eine  einfache 
Düte  badenden  Herzeisbeutel  sind  von  Dr.  med.  BEEHMER  angegeben.  Sie  zeichnen  sich 
durch  Wohlfeilheit  aus,  so  daß  sie  nach  Bedarf  sich  oft  erneuern  lassen,  werden  jedoch 
von  empfindlichen  Kranken,  da  Pergamentpapier  sich  in  sehr  steife  und  harte  Falten 
legt,  nicht  immer  gut  ertragen. 

Fig.  193.  Kühlvorrichtung.  Das  kleine,  von  Dr.  med.  GOMPERZ  angegebene 
Gerät,   ist  für  die  Applikation  auf   das  Auge  bestimmt.     Es  ist    aus  Aluminium  gefertigt, 

154 


l)ie  Wirkung  auf  die  Eörperteaiperatur. 


301 


wird  beim  Gebrauehe  mit  Stoff  umwickelt  und  mittels  eines  hindurchgezogenen  Bandes 
fixiert.  Die  Abkühlung  wird  durch  kühles  Wasser  besorgt,  welches  in  dem  kleinen,  am 
Geräte  angebracliten  Metallrohre  cirkuliert. 

werden  kaun ,  an  ihrem  oberen 
Ende  tragen  und  bei  ihrer  ganzen 
Konfiguration  zutreffend  Gummi- 
flaschen genannt  werden,  welche 
in  ihrer  Hauptfläche  der  Größe 
und  dem  Umfang  des  Herzens  an- 
gepaßt sind.  Noch  andere  von 
specielleren  Formen  aufzuzählen, 
würde  zu  weit  führen.  Zu  diesen 
kleinen  Behältnissen  kommen  dann 
hie  und  da  noch  Tragbänder, 
Gurte,  Bandagen  und  ähnliehe 
Hängevorrichtungen  hinzu.  Diese 
kleineren  Eisbehältnisse  für 
das  Herz,  die  Augen,  den 
Hals,  die  Herzflaschen,  Eishals- 
biuden  und  die  anderen  kleineren 
Gummibehältnisse  für  bestimmte 
Organe  und  Körperteile  werden 
ganz  erheblich  geringer  gefüllt 
Fig.   194.     Eisbeutel.     Die 


auch  Ei^l^iavatcn 
ausschließlichen  Gebrauch  am  Halse  bestimmt,  den  »ic 
ferenz  oder  nur  zu  seinem  größeren  Teile  bedecken. 

als  die  großen  Eisbeutel;  oft  nicht  einmal  mit  Eis,  son- 
dern nur  mit  kühlem  Wasser,  das  ebenfalls  häufig  erneuert 
werden  muß;  sie  halten  sich  au  der  für  sie  bestimmten 
Körperstelle  entweder  von  selber  fest,  wie  die  Eishalsliinden, 
die  ebenso  wie  die  Hemdenkragen  um  den  Hals  geknöpft 
werden;  oder  sie  haben  Oesen,  durch  welche  Bänder  ge- 
zogen werden  können,  die  sie  in  ihrer  Lage  festhalten. 

Will  man  in  einfacher  Weise  die  Wärmeentziehung 
durch  kalte  Umschläge  erzielen,  so  wird  eine  in  kaltes 
Wasser  getauchte  und  zweckmäßig  sogar  auf  Eis  gelagerte 
Kompresse  alle  2  Minuten  gewechselt ;  immer  wieder  aufs 
neue,  ehe  sie  warm  wird.  Es  ergiebt  sich  von  selltcr,  daß 
man  mehrere  der- 
artige Kompressen 
gleichzeitig  vorrätig 
haben  soll,  zweck- 
mäßig sogar  in  ver- 
schiedenen Schüs- 
seln, durch  welche 
hindurch  eine  jede 
Kompresse  den  glei- 
chen Turnus  durch- 
macht, so  daß  sie 
alle  aus  der  letzten, 
saubersten  Schüssel 
erst  wieder  zur  Ver- 
wendung   gelangen. 

Fig.   195.     Eisbeutel. 


gl  nannten  GummibiM 
entweder  in  seiner 


WMm'/'d'ß// 


Fig.  196. 


Fig.   195. 

Das  kleine  Gerät  ist  für  den  Gebrauch  am  Damm  bestimmt, 
gegen  welchen  es  fest  angelagert  getragen  wird;  es  kann  auch  durch  kühles  Wasser  ge- 
füllt werden. 

Fig.  196.  Eisbeutel.  Das  Gerät  wird  entweder  mit  Eis  oder  häufiger  noch  mit 
kühlem  Wasser  gefüllt  und  dient  ausschließlieh  zur  Applikation  am  Rücken,  auf  welchem 
es  durch  Bänder  und  Gurte  mittels  eigener,  an  ihm  angebrachter  Schlaufen  befestigt  wird. 
Die  Kältewirkung  kommt  beiderseits  von  der  Wirbelsäule  zur  Geltung,  während  diese 
selber  in  den  Hohlraum  des  Geräts  zu  liegen  kommt, 

155 


302      .  M.   MENDELSOHN, 


KAPITEL  VII. 
Die  Wirkung  auf  das  Herz. 

Auch  die  in  fast  jeder  internen  Therapie  so  überaus  bedeutungs- 
volle Einwirkung  auf  die  Herzaktion  ist  in  erheblichstem  Maße  den 
Heilmitteln  der  Krankenpflege  zugänglich.  Auch  hier,  bei  der  soge- 
nannten tonisierenden  und  excitierenden  Einwirkung  der  Therapie,  ist 
der  gewollte  Endefl'ekt :  die  Schonung  und  die  Kräftigung  der 
Herzaktion,  wiederum  von  drei  Teilaktionen  abhängig,  die  jede  für 
sich  einer  Beeinflussung  unterworfen  werden  können  und  deren  einzelne 
isolierte  P'örderung  und  Hebung  genügt,  um  gleichzeitig  damit  auch 
die  Gesamtfunktion  selber  zu  heben  und  zu  fördern. 

Allerdings  ist  diese  Einwirkung  hier  zum  Teil  eine  weniger  un- 
mittelbare und  komphziertere,  als  sie  sonst  den  Heilmitteln  der 
Hypurgie  zu  eigen  ist.  Denn  das  Herz  ist  ein  automatisch  in  immer 
sich  erneuernde  Thätigkeit  tretender  Muskel,  ein  Muskel,  der  mit  jeder 
seiner  Kontraktionen  ein  bestimmtes  Maß  von  Arbeitsleistung  zu  voll- 
l)ringen  hat:  eine  gewisse  Menge  Blutes  weiter  zu  führen,  und  zwar  in 
einem  elastischen,  immer  mehr  und  mehr  sich  verzweigenden  Köhren- 
systeme;  ein  Muskel  also,  der  einer  Reihe  vou  Wider- 
ständen gegenüber  diese  Fortführun  g  des  Blutes  zu  be- 
sorgen hat.  Es  ergiebt  sich  aus  dieser  einfachen  Betrachtung  der 
Herzaktion,  daß  eine  tonisierende,  eine  excitierende ,  überhaupt  eine 
fördernde  Einwii'kung  auf  sie  durch  die  Beeinflussung  dreier  Teil- 
aktionen, aus  denen  die  Gesamtfunktion  sich  zusammensetzt,  herbei- 
geführt werden  kann :  einmal,  was  das  nächstliegende  und  am  leichtesten 
zu  übersehende  ist,  aus  einer  unmittelbaren  und  direkten  Stärkung 
und  Kräftigung  der  Muskulatur  des  Herzens  selber; 
zweitens  sodann  durch  eine  Vermehrung  und  Verstärkung  der 
Impulse,  welche  diese  Muskulatur  zur  Anregung  ihrer  Thätigkeit 
erhält  und  denen  sie  gehorcht;  und  drittens  durch  eine  Ver- 
minderung der  Widerstände,  welche  bei  der  eigentlichen  Ar- 
beitsleistung des  Herzens  sich  dem  jedesmaligen  Weitertransport  der 
fortzuschaff'enden  Blutmenge  entgegenstellen  und  mit  deren  Ver- 
minderung das  Herz  der  jetzt  nur  noch  geringer  zu  leistenden  Arbeit 
in  höherem  Maße  gewachsen  ist,  als  zuvor,  ehe  es  durch  die  vorge- 
nommene Einwirkung  eine  analeptische  Beeinflussung  erfahren  hat, 
die  sich  also  hier  gar  nicht  auf  das  Cor  selbst  zu  erstrecken  braucht. 

Die  Hypurgie  besitzt  für  eine  jede  dieser  drei  Teilaktionen  wirk- 
same und  wesentliche  Heilmittel ;  alle  drei  vermögen  durch  diese  Mittel 
der  Krankenpflege  günstig  beeinflußt  zu  werden.  Aber  es  besteht 
hierbei  ein  Unterschied.  Während  die  Gestaltung  der  vielfachen  und 
außerordentlich  verschiedenartigen  Impulse,  welche  auf  die  Herzaktion 
einen  Einfluß  ausüben  und  von  denen  ihre  Intensität  mehr  oder  minder 
direkt  abhängig  ist,  der  unmittelbaren  Einwirkung  durch  die  Krankeu- 
pflegeheilmittel  unterliegt,  und  ebenso  auch  die  dritte  Teilaktion :  die 
Herabsetzung  zu  großer  Widerstände  für  die  Zirkulation  des  Blutes, 
unmittelbar    in    Beziehung    zu    den    Krankenpflegeheilmitteln    gesetzt 

156 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  303 

werden  kann,  ist  die  direkte  Kräftigung  und  Stärkung  der  Herz- 
muskulatur, wie  sie  auf  medikamentösem  Wege  durch  den  merk- 
würdigen Arzneikörper  der  Digitalis  erzielt  wird,  zwar  ebenfalls  den 
Heilmitteln  der  Krankenpflege  zugänglich,  aber  nur  mehr  in  indirekter 
Weise,  nur  auf  dem  Wege  einer  allmählichen  und  systematischen 
Schulung  und  Uebung  des  Herzmuskels,  so  daß  also  in  Bezug  auf 
diese  Teilaktion  die  Krankenpflegeheilmittel  weniger  eine  unmittelbar 
heilende  als  vielmehr  eine  mittelbar  prophylaktische  Heilwirkung  aus- 
übeu,  die,  wie  bekannt,  zu  einer  eigenen,  specialistischen  Methode 
neuerdings  mehr  und  mehr  ausgebildet  worden  ist. 

Die  Regel ungundBeeinflussung  der  Impulse,  welche 
der  Her zmuskel  für  seine  Thätigkeit  empfängt  und  von 
denen  er  in  der  Quantität  und  Intensität  seiner  Arbeitsleistung  ab- 
hängig ist,  kann  nach  zweifacher  Hinsicht  erfolgen,  nach  zwei  einander 
gänzlich  entgegengesetzten  Richtungen  hin,  die  jedoch  beide  zu  dem 
gleichen  Endresultat  der  Stärkung  und  Kräftigung  der  Herzaktion 
führen:  sie  kann  sowohl  in  einer  Anregung  als  in  einer  Herabsetzuug 
dieser  Impulse  vor  sich  gehen;  und  diese  Contradictio  in  adjecto,  die 
sonst  in  der  Therapie  sich  nirgend  findet,  hat  ihren  Grund  in  der 
Eigenartigkeit  der  Leistung  des  Herzmuskels,  in  der  Besonderheit 
gerade  dieses  Organes;  nie  und  nimmer  während  der  ganzen  Dauer 
des  Lebens  ausruhen  zu  können,  sondern  in  ununterbrochener,  wenn 
auch  Schwankungen  unterworfener  Thätigkeit  dauernd  zu  verharren. 
Ein  Stillstehen,  und  wäre  es  für  kurze  Frist,  giebt  es  hier  nicht. 

So  können  in  der  That  die  beiden  wesentlichsten  Prinzipien  der 
allgemeinen  Therapie,  die  Schonung  sowohl  als  die  syste- 
matische Inanspruchnahme,  hier,  eine  jede  füi-  sich,  den 
gleichen  Endeffekt  herbeiführen ,  allerdings  mit  außerordentlichen 
Unterschieden  hinsichtlich  der  Zeitdauer  der  Wirkung  und  der  spä- 
teren Folgezustände.  Denn  das  große  Gesetz  von  der  Reaktion 
gegen  eine  übermäßige  Inanspruchnahme,  von  der  unerläßlichen  nach- 
folgenden Herabsetzung  einer  jeden  Funktion,  nachdem  sie  zuvor  über- 
mäßig gesteigert  war ,  das  Gesetz  von  der  Ermüdung  und 
Erschöpfung,  welches  die  ganze  Physiologie  durchdringt ,  trifft 
ebenso  auch  und  ganz  besonders  auf  das  Herz  zu :  und  man  könnte 
meinen,  daß  einem  Jeden  für  jedes  seiner  Organe  ein  gewisses  und 
ganz  bestimmtes  Maß  von  Leistung  mit  auf  den  Weg  gegeben  ist,  das 
nicht  vor  der  Zeit  verbraucht  werden  darf,  das  durch  eine  eigenartige 
Selbstregulierung  vor  vorzeitiger  Verschwendung  geschützt  wird,  da- 
durch, daß  naturgemäß  einer  jeden  größeren  Verausgabung  ein  ge- 
zwungenes Maßhalten  nachfolgen  muß,  bis  die  erschütterte  Bilanz  wieder 
hergestellt  ist.  Das  hat  nun  für  alle  anderen  Organe  nicht  viel  zu 
sagen ;  sie  können  ohne  weiteres  in  Ruhe  verharren,  sie  können  ohne 
Schaden  für  die  Gesamtökonomie  des  Organismus  die  reaktive  Herab- 
setzung und  selbst  die  gänzliche  Ausschaltung  ihrer  Funktionsleistung, 
welche  ihrer  erhöhten  Thätigkeit  zu  folgen  pflegt,  durchmachen ;  sie 
können  in  dem  regelmäßig  wiederkehrenden  Turnus  von  Leistung  und 
Ruhe,  wie  ihn  Wachen  und  Schlaf  herbeiführen,  in  ein  zeitweiliges 
Aufhören  ihrer  Funktion  eintreten,  ohne  daß  schädliche  Folgen  für 
sie  selbst  oder  für  den  Gesamtorganismus  hieraus  resultieren. 

Ganz  anders  aber  wirkt  dieses  Gesetz  der  einer  jeden  erhöhten 
Inanspruchnahme  nachfolgenden  reaktiven  Funktions- 
herabsetzung, wenn  das  Herz  davon  betroffen  wird,  auf  den  Gesamt- 

157 


304  M.   M ENDELSOHN, 

Organismus  zurück.  Daß  diese  Verminderung  der  Intensität  des  Funk- 
tionierens  keine  gänzliche,  keine  völlige  Ruhestellung  sein  kann,  versteht 
sich ;  aber  auch  eine  selbst  geringfügige  Herabsetzung  unter  die  Norm  der 
zu  erfüllenden  Arbeitsleistung  hat  hier  schon  erhebliche  Unzuträglich- 
keiteu  im  Gefolge.  Und  aus  dieser  Reaktion  nun,  welche  jeder,  auch 
der  therapeutiscli  gewollten  uud  künstlich  herbeigeführten  Anregung 
der  Herzaktiou  folgen  muß.  erklärt  sich  leicht  der  hier  vorliegende 
anscheinende  Widerspruch:  daß  zwei  nach  gänzlich  entgegengesetzter 
Richtung  hin  wirkende  Beeinflussungen  dennoch  denselben  Endeffekt 
haben,  daß  sie  beide  tonisierenden.  excitierenden  Einfluß  auf  das  Herz 
ausüben.  Denn  wenn  man,  sei  es  auf  medikamentösem,  sei  es  auf 
andersartigem  therapeutischen  Wege,  also  vielleicht  durch  Verabfolguug 
der  sogenannten  arzneilichen  Excitantien,  des  Kampfers  oder  des 
Moschus  oder  ähnlicher  Arzneikörper,  das  Herz  stimuliert,  so  übt  man 
zweifellos  damit  eine  excitiereude  Wii'kung  aus,  aber  eine  excitie- 
r  e  n  d  e  W  i  r  k  u  n  g  von  nur  vorübergehender  Natur,  eine  Wir- 
kung, von  der  man  gewiß  ist,  daß  ihr  die  reaktive  Herabmiuderung  der 
Funktion  mit  dem  Aufhören  des  stimulierenden  Einflusses  mit  Sicherheit 
nachfolgen  wird.  Wo  ein  Herz  durch  die  inzwischen  vorgeschrittene 
günstige  Veränderung  des  Gesamtzustandes  dann  diese  Herabminderung 
ohne  Schaden  für  das  Ganze  ertragen  kann,  läßt  sich  nichts  dagegen 
einwenden,  daß  solche  unmittelbar  stimulierend  wii'kenden  Agentien' 
zur  Verwendung  gekommen  sind:  ja  sie  bilden  häufig  das  einzige 
und  letzte  Hilfsmittel  von  oft  unbestritten  lebensrettender  AVirkung, 
wenn  sie  eben  für  eine  voraussichtlich  nur  kurze  Zeit,  innerhalb  deren 
das  unter  der  Einwii'kung  der  vorliegenden  Krankheit  zu  erliegen 
drohende  Herz  aufrecht  erhalten  werden  muß,  zur  Verwendung  zu 
kommen  brauchen,  wenn  sie,  bis  demnächst  günstigere  Gesamtbedingungen 
vorliegen,  wie  beispielsweise  nach  einer  zu  erwartenden  Krisis  bei  Pneu- 
monie, nur  für  eine  gewisse  Zeit  die  Aufgabe  haben,  wenn  der  Ausdruck 
gestattet  ist,  das  Herz  über  Wasser  zu  halten.  Ganz  anders  liegen 
jedoch  die  Dinge,  wenn  eine  solche  günstige  Wendung  in  absehbarer 
Zeit  nicht  erwartet  werden  kann  oder  gar  mit  Sicherheit  nicht  eintreten 
wird.  Dann  hängt  alles  davon  ab,  das  Herz  zu  schonen,  es  vor 
einer  zu  sehr  gesteigerten  unnötigen  Inanspruchnahme  zu  bewahren, 
um  eben  nicht  als  deren  Konsequeinz  die  reaktive  Herabsetzung  seiner 
Funktion  eintreten  zu  sehen :  und  so  ergiebt  sich  denn  hier  für  die 
Heilmittel  der  Krankenpflege  und  für  ihre  Wirkung,  die,  wie  gesagt, 
auf  den  ersten  Blick  anscheinend  widerspruchsvolle  Thatsache.  daß 
gerade  diejenigen  Reize,  diejenigen  Impulse,  welche  auf  das  Herz  und 
seine  Aktion  eine  steigernde  Wirkung  ausüben,  durch  ihre  Ein- 
schränkung auf  das  nur  notwendige  Maß,  durch  ihre  therapeutisch 
herbeigeführte  Herabsetzung  des  Funktionierens  des  Herzens  dennoch 
eine  tonisierende,  eine  analeptische  Wirkung  entfalten.  Es  ist  eben  in 
der  Therapie  wie  im  Leben  der  schließliche  Endeflekt,  der  entscheidet. 
Zunächst  kann  die  Herzthätigkeit  durch  Abkühlung  ge- 
mildert werden,  welche,  von  der  Körperoberfläche  her  in  dii-ektem 
Kontakt  appliziert,  durch  die  Brustwandung  fortgeleitet  wird  und  auf 
das  Herz  einwirkt. 

Diesem  Zwecke  dienen  die  sogenannten  Herzflaschen  oder  Herzeisbeutel, 
welche,  mit  kühlem  Wasser  gefüllt,  der  Herzgegend  aufgelegt  und  auf  ihr  stunden- 
lang oder  auch  dauernd  getragen  werden,  sei  es  mi  Bette,  sei  es  im  Umhergehen. 
Sie  sollen  niemals  länger  getragen  werden,  als  bis  der  beabsichtigte  Effekt  eingetreten 

158 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  305 

ist  und  bestehen  bleibt;  alsdann  sind  sie,  bis  ihre  erneute  Benntzimg  \vieder  not- 
wendig wird,  zu  entfernen.  Die  kleinen  nützlieheu  Geräte  sind  in  ihrer  Handhabung 
in  dem  Kapitel  der  Wirkung  auf  die  Körpertemperatur  näher  beschrieben. 

Die  von  außen  her  die  Herzaktion  treffenden  und  sie  beein- 
flussenden Impulse  können  von  den  mannigfachsten  Punkten  des  Körpers 
ihren  Ausgang  nehmen.  Kein  Organ  ist  in  solchem  Maße  in 
seiner  Funktion  abhängig  von  der  Qualität  und  der 
Intensität  der  übrigen  so  sehr  mannigfachen  und  ver- 
schiedenartigen Funktionen  des  menschlichen  Organis- 
mus wie  das  Herz;  eine  jede  dieser  anderen  Funktionen  wirkt  auf 
die  Thätigkeit  des  Herzens  zurück,  einer  jeden  Steigerung  dieser 
unzähligen  anderen  Funktionen  entspricht  auch  eine  Steigerung 
der  Herzthätigkeit ,  und  zwar  ebensowohl  der  psychischen  wie  der 
somatischen  Funktionen  des  Körpers.  Die  Wege,  auf  denen  dieser 
Zusammenhang  hergestellt  wird,  der  automatisch  funktionierende 
nervöse  Apparat,  wie  er  im  Herzen  selber  belegen  ist,  die  Nerven- 
bahnen, welche  von  der  Körperoberfläche  her  zum  Centralnervensystem 
und  von  diesem  zum  Herzen  führen ,  alle  diese  komplizierten  Ver- 
hältnisse bedürfen  hier  keiner  eingehenden  Darstellung;  es  genügt  die 
durch  vielfache  Erfahrung  erwiesene  Thatsache,  daß  sowohl  von 
]isychischenwievon  motorischen  wie  auch  von  sensiblen 
Impulsen  aus  die  Herzthätigkeit  stimuliert,  daß  sie  zu 
erhöhter  Leistung  angefacht  wird. 

So  ist  es  für  die  Hypurgie  von  größter  Bedeutung ,  daß  jede 
])sychische  Erregung  die  Herzaktion  erheblich  steigert; 
aber  auch  geringfügigere  psychische  Vorgänge  üben  einen  entsprechenden 
Einfluß  aus,  der  sich  bis  zu  den  feinsten  Unterschieden  bemerkbar  macht 
und  verfolgen  läßt.  Läßt  sich  doch  selbst  jeder  Wechsel  der  Gedanken, 
jede  Steigerung  der  Intensität  psychischer  Vorgänge  am  Herzen  direkt 
nachweisen  durch  eine  entsprechende  Funktionssteigerung  dieses  Organs. 
Auch  für  die  Sinneseindrücke  und  ihre  Aufnahme  in  der  Psyche  sind 
diese  Beeinflussungen  experimentell  festgestellt  worden,  bis  zu  einem 
solchen  Grade  in  der  Feinheit  der  Reizdifferenzen,  das  beispielsweise  das 
Hören  musikalischer  Töne  von  verschiedener  Höhe  und  Klangfarbe 
oder  die  Vorführung  verschiedenartiger  Farben  Schwankungen  in  der 
Herzaktion  mit  sich  brachten,  deren  allerdings  außerordentlich  geringe 
Differenz  dennoch  durch  entsprechend  feine  Apparate  den  Untersuchern 
festzustellen  geglückt  sein  soll.  Jedenfalls  giebt  das  psychische  Moment 
einen  äußerst  wirksamen  und  vielfach  in  Frage  kommenden  Reiz  für 
das  Herz  und  seine  Arbeitsleistung  ab ;  und  da  es  in  zweifacher  Hin- 
sicht zur  Geltung  kommen  kann,  sowohl  in  psychischer  Ein- 
wirkung von  außen  her  als  auch  in  dem  s e  1  b  s  1 1 h  ä t i  g e n 
Denk  vor  gange  des  Kranken,  so  müssen  vom  Standpunkte  der 
Krankenpflege  aus  alle  diejenigen  Heilmittel,  welche  die  Intensität  der 
psychischen  Einwirkungen  und  Vorgänge  zu  mildern  vermögen,  alle 
die  hier  nicht  wieder  im  einzelnen  aufzuzählenden  psychischen  Kranken- 
pflegeheilmittel als  tonisierende  Heilmittel  für  das  Herz  wirksam  sein. 
Es  kann  kaum  bestritten  werden .  daß  sehr  häufig  die  Fernhaltung 
eines  aufregenden  Besuches  vom  Krankenbette,  die  angemessene  Be- 
schäftigung und  die  Ablenkung  des  Patienten  von  grüblerischen  und 
erregenden  Gedanken  manche  Flasche  Digitalisinfus  entbehrlich  macht 
und   daß   solche  hypurgische   Heilmittel    nicht    selten    in    einer   ange- 

15') 


306 


M.   MENDELSOHN, 


inesseueren  Weise  Ionisierend  wirkt  als  diese.     Und  die  hypurgischen 
Heilmittel  haben  niemals  schädliche  Nebenwirkungen. 


Fig.  199,    Herzflasche.     Fig.  200.   Herz flasclio.     Fig.  201.     H  er  z-E  isbeiitcl. 

Fig.  197,  198,  199,  200.  Herzflaschen  werden  entweder  aus  Metall  (Fig.  199,  200) 
"der  aus  Gummi  (Fig.  197,  198)  hergestellt;  die  Metallflaschen  werden  mit  einem  ein- 
lachen Pfr(ipf(Mi  verschlossen,  für  die  Gummiflaschen  ist  der  übliche  Verschluß  der  Gummi- 
eisbeutel  nötig.  Der  verschiedenen  Konfiguration  der  männlichen  und  der  weiblichen 
Brust  entsprechend  sind  die  für  Männer  bestimmten  Herzflasehen  einfache  Beutel  (Fig. 
198,  200),  während  die  weiblichen  Herzflaschen  eine  konkave  Auflagerungsfläche  haben 
(Fig.  197,  199).  Sie  werden  mittels  Bänder  am  Körper  fixiert,  welche  durch  die  Oesen 
oder  die  .Schlaufen  des  Geräts  hindurchgezogen  werden. 

.  ,.  Fig.  201.  Herz-Eisboutel.  Die  von  Dr.  med.  BßEHMEE  angegebene  einfache 
Herzflasche  ist  eine  Düte  aus  Pergamentpapier.  Der  Verschluß  geschieht  durch  eine  Holz- 
klammer, über  welche  ein  Eing  gestreift  ist,  der  ihre  Brauehen  zusammenhält. 

Ganz  besonders  gilt  dies  von  den  psychischen  Heilmittelu.  Es  muß  im  Verlauf 
dieser  Darstellung  der  Krankenpflegeheilmittel  des  öfteren  auf  diese  psychischen 
Heilmittel  der  Hypurgie  zurückgegriffen  werden;  aber  es  besteht  ja  gerade  die 
Aufgabe  zu  zeigen, 'in  wie  mannigfacher  und  wichtiger  Hinsicht  sie  als  wahre  Heil- 
mittel gelten  müssen.  Gewiß  hat  man  mit  einigen  allgemeinen  Bezeichnimgen,  wie 
der  Schaffung  möglichster  Gemütsruhe  für  den  Kranken,  der  Fernhaltung  erregender 
Einflüsse,  der  Loslösung  von  Geschäften  während  der  Krankheit  und  mit  ähnlichen 
vagen  Begriffen  schon  immer  manipuliert;  aber  ich  möchte  ja  hier  gerade  zeigen,  wie 
es  die  Aufgabe  der  nächsten  Zvikunft  ist,  diese  Indikationen  exakter  zu  stellen,  in- 
dem hier  eben  alle  die  therapeutischen  Konsequenzen,  welche  aus  der  bewußten  An- 
wendimg der  gesamten  Krankenpflegeheilmitlel  sich  ergeben  können,  zunächst  einmal 
festgestellt  und  in  ein  System  gebracht  werden.  Ist  aber  erst  einmal  anerkannt,  daß 
die  Heilmittel  der  Krankenpflege  durch  die  Summation  ihrer  vielfältigen,  wenn  auch 

i6o 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  307 

im  einzelnen  oft  nur  geringfügigen  Einwirkungen  insgesamt,  wo  sie  zur  konsequenten 
und  systematischen  Durchführung  gelangen,  einen  großen  und  oft  durch  keinerlei 
andere  therapeutische  Maßnahmen  erreichbaren,  häufig  sogar  geradezu  unersetzlichen 
Heileffekt  ausüben,  so  wird  allen  diesen  bisher  nur  in  unbestimmter  Weise  ange- 
ordneten und  in  noch  unbestimmterer  Weise  zur  Ausführung  gebrachten  allgemeinen 
Krankenpflegemaßnahmen  eine  weit  höhere  Beachtung  und  eine  weit  genauere 
Dosierung  zu  teil  werden;  es  werden  dann  besonders  auch  ganz  nach  individuellen 
Indikationen  diese  psychischen  Momente  geregelt  werden  können.  Und  zwar 
gehört  zu  ihnen  nicht  nur  alles  das,  was  in  psychischer  Hinsicht  der  Kranke  selber 
thut  und  läßt,  nicht  nur  die  Art,  in  der  seine  gesamte  Umgebung  be- 
wußt oder  unbewußt  auf  ihn  einwirkt,  sondern  auch  die  ganze 
Begelung  des  gegenständlichen  Milieus  des  Kranken,  von  der  in  der 
Besprechung  der  Wirkung  der  KrankenpflegeheiLmittel  auf  den  Schlaf  eingehend  die 
Eede  war,  eine  Regelung,  welche  in  allgemeiner  Empirie  schon  jetzt  ihre  Triumphe 
feiert  bei  der  Verbringung  von  Kranken  in  eigene  Krankenzimmer,  in  eigene  Kranken- 
anstalten, in  eigene  Krankenkurorte  und  Bäder,  in  denen  zweifeOos  gerade  diese 
psychischen  Krankenpflegeheilmittel,  welche  dem  hier  aus  vielen  schädlichen  Ein- 
wirkungen geistiger  Art  losgelösten  Kranken  ganz  von  selber  und  ohne  weiteres 
an  solchen  Kurorten  sich  darbieten,  oft  von  größerer  Wirksamkeit  für  den  schließ- 
lichen Effekt  der  ganzen  Maßnahmen  sind,  als  die  gleichzeitig  ihm  verabfolgten 
Trinkwässer  nnd  die  Mineralbäder.  Sie  werden  nur  nicht  immer,  da  jedermann 
glaubt,  ihre  Verwendung  zu  verstehen,  exakt  und  bewußt  verwendet  und  ausreichend 
wertgeschätzt. 

In  praxi  sind  die  psychischen  Momente,  welche  hier  einer  Regelung  bedürfen, 
die  gleichen,  wie  sie  durch  Fernhaltung  vermeidbarer  Erregungen  auch 
auf  das  Zustandekommen  des  Schlafes  nicht  unwichtigen  Einfluß  nehmen  und  wie 
sie  in  ihrer  praktischen  Anwendung  bereits  in  dem  der  Wirkung  auf  den  Schlaf 
gewidmeten  Kapitel  eine  Darlegung  gefunden  haben;  es  kann  daher  hier  auf  diese 
'Verwiesen  werden. 

War  schon  bei  der  Einwirkung  von  Reizen  auf  die  Sinnesorgane 
von  sensiblen  Eindrücken  gesprochen  worden,  welche  der  Herzaktion 
mehr  oder  minder  intensive  Impulse  zu  erteilen  vermögen,  so  ist  das 
gleiche  und  im  besonderen  Maße  bei  solchen  Reizen  derart  der  Fall, 
welche  von  jedem  Punkte  der  ganzen  Körperoberfläche  ausgehende 
Einwirkungen  ausüben,  die  bei  geringerer  Intensität  ohne  Beachtung 
bleiben,  bei  stärkerer  und  stärkster  Einwirkung  sich  bis  zur  ausge- 
sprochenen Schmerzempfindung  in  deren  verschiedensten  Stärkegraden 
steigern  können,  immer  aber  als  eine  Begleiterscheinung  und  eine 
Konsequenz  dieser  in  den  betreffenden  Nervengebieten  ablaufenden 
Erregung  eine  entsprechende  Beeinflussung  der  Herzaktion  mit  sich 
bringen.  Es  sind  daher  auch  alle  diejenigen  mannigfachen  Heilmittel, 
über  welche  die  Krankenpflege  im  allergrößten  Maßstabe  verfügt  und 
denen  die  Fähigkeit  zukommt,  unnötige  Reize  von  der  Körper- 
oberfläche des  Kranken  fernzuhalten,  in  dem  hier  mehr- 
fach betonten  Sinne  als  Tonica  für  das  Herz  zu  bezeichnen,  als 
Mittel,  welche  das  Herz  vor  unnötigen  und  überflüssigen 
Anstrengungen  bewahren  und  damit  auch  die  einer  solchen 
gesteigerten  Thätigkeit  nachfolgende  Erschlaffung  und  Herabsetzung 
der  Herzarbeit  verhüten. 

Auch  diese  Maßnahmen  haben  des  notwendigen  Zusammenhanges  wegen  an 
anderen  Stellen  ihre  Erörterung  gefunden,  insbesondere  in  dem  Kapitel,  welches  von 
der  Einflußnahme  auf  die  Schmerzempfindung  handelt.  Sie  umfassen  im  wesent- 
lichen die  Lagerung  des  Kranken,  die  Körperhaltung,  die  Bedeckung  und 
Kleidung  und  überhaupt  die  Gestaltung  alles  dessen ,  was  mit  der  Körperoberfläche 
des  Kranken  in  direkten  Kontakt  kommt. 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Kraokh.    Suppl.  I.    Heft  3.  Ol 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  l6l  IT 


308  M.   MENDELSOHN, 

Alle  diese  Zusammenhänge  haben  ihre  weitgehende  Bedeutung. 
Denn  das  Wesen  der  wirklichen,  auf  wissenschaftlicher  Erkenntnis 
basierten  therapeutischen  Kunst  beruht  auch  in  der  Beachtung 
der  Kleinigkeiten;  sie  ist  eine  Kunst,  die  gerade,  in  je  größerem 
Umfange  sie  wissenschaftlich  begründet  wird  und  je  mehr  sie  in  wissen- 
schaftlicher Weise  über  ph3'siologische  Zusammenhänge  von  Ursache 
und  Wü-kung  verfügt,  durch  die  Heranziehung  aller  dieser  im  ein- 
zelnen allerdings  nur  schwachen,  aber  doch  deutliche  Effekte  herbei- 
führenden Heilmittel  therapeutische  Wirkungen  erzielen  kann,  von 
deren  Umfang  der  Therapeut,  der  nur  einer  einzigen  Methode  sich 
bedient  und  die  anderen  geringschätzt,  der  sozusagen  nur  mit  grobem 
Geschütz  arbeitet,  nur  einzelne  starke  Einwirkungen  und  ebenso  hoch- 
gradige diesen  entsprechende  Reaktionen  als  thatsäcliliche  therapeu- 
tische Einwirkungen  anerkennt,  in  seiner  Schulweisheit  sich  nichts 
träumen  läßt.  Und  diese  Einwirkungen  der  Krankenpflegeheilmittel 
sind  nicht  einmal  gar  so  geringfügige;  schon  darum  nicht,  als  sie  ja, 
wenn  der  Ausdruck  erlaubt  ist,  clironische  sind,  als  die  sachgemäße 
Verwendung  auch  nur  eines  einzelnen  dieser  Krankenpflegeheilmittel 
während  der  ganzen  Dauer  einer  Krankheitsperiode  immer  und  immer 
wieder  die  entsprechenden  geringfügigen  Einwirkungen  ausübt,  welche 
sich  schließlich  zu  gewaltigen  Effekten  summieren  können.  Es  wirken 
beim  Zustandekommen  des  schließlichen  Resultats  zwar  auch  noch 
andere  Momente  mit:  aber  es  ist  durch  weit  ausgedehnte  Unter- 
suchungen beispielsweise  festgestellt  worden,  daß  bei  möglichster  Aus- 
schließung aller  andersartigen  Einwirkungen  der  Puls  eines  gesunden 
erwachsenen  Menschen  in  der  Minute  bei  horizontaler  Ruhelage 
65,01  Schläge  beträgt,  während  das  gleiche  Individuum  unter  den 
nämlichen  Bedingungen  bei  aufrechter  Körperstellung  74,00  Schläge 
aufweist,  ein  Unterschied  also,  der,  wenn  man  ihn  auf  24  Stunden 
berechnet,  nicht  weniger  als  12969  Kontraktionen  für  das  Herz  aus- 
macht, eine  Ersparnis,  die  natürlich  von  der  weitestgehenden  Bedeutung 
ist,  wenn  sie  auch  thatsächlich  niemals  in  solchem  Umfange  durch  die 
Ausschaltung  aller  einwirkenden  Schädlichkeiten  erreicht  werden  kann. 
Auch  sind  es,  wie  schon  gesagt,  im  wesentlichen  andere  Momente,  welche 
hier  die  Erleichterung  und  Herabsetzung  der  Herzaktion  herbeiführen; 
aber  es  mag  gestattet  sein,  an  dieser  Stelle  einmal  Zahlen  angeführt 
zu  haben,  damit  sich  aus  ihnen  ein  Bild  ergiebt  und  ein  Beispiel  dar- 
thut,  bis  zu  welchem  Grade  die  Wirkungen  dieser  anscheinend  unbe- 
deutenden Einflüsse,  die  in  der  Therapie  noch  immer  nicht  ganz  die 
ihnen  gebührende  Würdigung  und  Beachtung  finden,  sich  zu  erstrecken 
vermögen. 

Da  aber  thatsächlich  solche  Zusammenhänge  bestehen,  so  ist  es 
darum  durchaus  zulässig,  alle  diejenigen  Krankenpflegeheilmittel  gegen- 
ständlicher und  somatischer  Art,  welche  stärkere  sensible  Reize  und 
insbesondere  Schmerzempfindungen  von  dem  Kranken  fern  halten, 
ebenfalls  zu  der  Gruppe  Ionisierend  wirkender  Heilmittel  zu  zählen; 
in  erster  Linie  die  Krankenpflegemittel,  welche  die  Lagerung  des 
Kranken  versehen,  alle  die  bereits  mehrfach  erwähnten  Vorrichtungen, 
welche  einmal  den  Druck  des  Körpers  auf  möglichst  viele  Stellen  ver- 
teilen und  damit  die  besonders  in  Anspruch  genommenen  Körper- 
partien entlasten,  und  sodann  alle  diejenigen  Maßnahmen,  als  deren 
Beispiel  die  Sorge  für  ein  glattes  und  faltenloses  Lager  gelten  mag, 
alle  diejenigen  Vorkehrungen,   welche  störende  und  schmerzhafte  Ein- 

l62 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  309 

drücke  aus  unzweckmäßiger  Lagerung  her  zu  verhüten  suchen.  Sodann 
ist  auch  die  ganze  somatische  Krankenwartung,  insofern  diese  roh  und 
plump  geschehen  kann  oder  aber  zweckentsprechend  vorgenommen  wird, 
in  der  gleichen  Richtung  wirksam ;  ein  mit  allen  Regeln  der  Kranken- 
pflege erfolgender  Wechsel  des  Hemdes  eines  bettlägerigen  Kranken 
ist  auch  für  sein  Herz  bedeutsam,  das  dabei  eben  eine  erhebliche 
größere  Schonung  erfährt,  als  wenn  der  Kranke  scharf  angefaßt  und 
umhergezerrt  wird;  ganz  abgesehen  davon,  daß  dann  noch  psychische 
Impulse,  welche  aus  der  Angst  vor  der  Manipulation  hervorgehen, 
gleichermaßen  wirksam  werden.  Und  in  ganz  hervorragendem  Maße 
wird  diese  Einwirkung  auf  die  Fernhaltung  sensibler  Reize  mit  ihren 
Rückwirkungen  auf  die  Herzaktion  überall  dort  von  Bedeutung  sein, 
wo  der  Krankheitszustand  selber  starke  Reizungen  einzelner  Gruppen 
sensibler  Nerven  mit  sich  bringt,  die  bei  jeder  Bewegung  aktiver  oder 
passiver  Art  aufs  erheblichste  gesteigert  werden  und  deren  Schonung 
durch  eine  angemessene  somatische  Krankenpflege  und  die  Verwendung 
der  geeigneten  Krankenpflegeheilmittel  ebenfalls  als  ein  Tonicum  für 
das  Herz  erachtet  werden  muß,  ein  Tonicum  von  oft  weittragender 
Wirkung. 

Sodann  vermögen  auf  einem  weiteren  Wege,  dessen  Regelung 
ebenfalls  zu  den  Aufgaben  der  Krankenpflege  gehört,  Impulse  zur 
Verstärkung  der  Herzaktion  gegeben  werden:  durch  die 
Einverleibung  gewisser  Genuß  mittel.  Die  Diätetik  hat  sich 
zwar  zu  einer  eigenen  Wissenschaft  gestaltet,  die  in  einer  Darstellung 
der  Krankenpflege  keinen  Platz  zu  finden  braucht,  sondern  nach  eigenen 
Regeln  gelehrt  werden  muß;  nichtsdestoweniger  kann  die  Krankenpflege 
auf  einzelne  der  eigentlichen  Diätetik  augehörende  Dinge  nicht  verzichten, 
um  so  mehr  als  die  ganze  Technik  der  Ernährung,  die  Verabfolgung 
der  Speisen  an  den  Kranken,  ihre  Darreichung  und  ihre  Einverleibung 
ganz  und  gar  in  das  Gebiet  der  Krankenpflege  fällt;  und  außerdem 
auch  die  Zahl  und  Ordnung  der  Mahlzeiten  und  die  Aufeinanderfolge 
der  Speisen,  das  Verhältnis  zwischen  fester  Nahrung  und  Getränk  und 
eine  Reihe  anderer  ähnlicher  Dinge  zum  mindesten  beiden  Disciplinen 
zugleich  angehört.  Außerdem  aber  hat  die  Krankenpflege  eine 
Regelung  auch  derjenigen  diätetischen  Objekte  vorzu- 
nehmen, welche  ohne  weiteres  in  der  täglichen  Auf- 
nahme eines  jeden  Menschen  liegen,  die  ohne  besondere 
Vorschrift  und  ohne  eigene  Anordnung  von  fast  jeder- 
mann genossen  zu  werden  pflegen  und  deren  Gebrauch,  wenn 
die  Krankenpflege  nicht  sorgsam  acht  giebt,  auch  in  den  Tagen  der 
Krankheit  ohne  Ziel  und  ohne  Regel  und  oft  im  Uebermaß  weiterge- 
führt zu  werden  pflegt. 

Es  sind  das  die  Getränke,  von  der  einfachen  Flüssigkeitsaufnahme,  dem 
Trinkwasser,  an  bis  zu  den  kompliziertesten,  zusammengesetzten  Getränken;  und 
unter  diesen  wieder  in  erster  Linie  die  sogenannten  Genußmittel,  der  Kaffee  und  der 
Alkohol.  Gerade  für  das  Herz  haben  diese  beiden  Genußmitlei  eine  große  Be- 
deutung, da  sie  beide  ausgesprochene  Keizmittel  für  das  Herz  sind  und  in  der 
That  als  solche  den  medikamentösen  Escitantien  völlig  gleichwertig  und  oft  sogar 
auf  das  erheblichste  überlegen  als  unmittelbar  wirkende  Analeptica  vielfach  zur  Ver- 
wendung kommen.  Gerade  darum  aber  und  gerade  weil  nach  einer  künstlichen 
Steigerung  die  reaktive  Herabsetzung  der  Funktion  dieser  nachzufolgen  pflegt,  be- 
darf die  Aufnahme  der  Coffein-  und  alkoholhaltigen  Getränke  in  der  Krankenpflege 
eine    sorgsame    Ueberwachung    und    Regelung.     Es    genügt,    an   dieser   Stelle   auf 

21* 
163 

11* 


310  M.   MENDELSOHN, 

diese  Verhältnisse  hinzuweisen,  ohne  des  näheren  auf  die  pharmakodynamischen 
Wirkungen  der  in  Eede  stehenden  Genußmittel  einzugehen,  deren  Darlegung  Objekt 
der  Arzneimittellehre  ist ;  aber  überall,  wo  auf  längere  Zeit  hinaus  eine  Uebermüdung 
des  Herzens  vermieden  werden  muß,  darf  die  Aufnahme  dieser  einem  jeden  Kranken 
in  jeder  nur  gewollten  Menge  zugänglichen  Excitantien  nicht  ohne  Regelung  und 
Dosierung  geschehen,  eine  Regelung,  die,  ohne  jeden  Eingriff  in  das  besondere  Gebiet 
der  Diätetik  und  der  Ernährungstherapie,  allein  der  Krankenpflege  zusteht. 

Schließlich  wird  sodann  durch  die  ganze  Gruppe  somatischer  Heil- 
mittel und  technischer  Geräte,  welche  geeignet  sind,  körperliche  An- 
strengungen,  eigene  Muskelbethätigungen  dem  Kranken 
zu  ersparen  oder  solche  auf  ein  Mindestmaß  zu  reduzieren,  wenn 
sie  ausgedehnte  Verwendung  findet,  auf  angemessene  Weise  ein  über- 
mäßiges Funktionieren  des  Herzens  verhütet.  Wie  durch 
psychische,  wie  durch  sensible  Impulse,  so  vermögen  in  noch  höherem 
Maße  die  nervösen  Regulationsapparate,  welche  die  Arbeit  des  Herzens 
in  Beziehung  setzen  zu  aller  andersartigen  Funktion  im  lebenden  Orga- 
nismus, durch  motorische  Leistungen  ausgelöst  und  gesteigert  zu  werden. 
Auf  welchem  Wege  dieser  Zusammenhang  vor  sich  geht  zu  verfolgen,  ist 
zwar  von  höchstem  Interesse,  kommt  hier  jedoch  erst  in  zweiter  Linie 
in  Betracht ;  wahrscheinlich  sind  es  die  beiden  Momente  einmal  der  ledig- 
lich auf  nervösen  Bahnen  erfolgenden  Reflexeinwirkung  auf  das  Herz 
wodurch  dieses  unmittelbar  zu  verstärkter  Aktion  angetrieben  wird, 
und  zweitens  eine  mittelbar  ausgelöste  Steigerung  der  Herzthätigkeit, 
indem  direkt  durch  die  Muskelkontraktionen  Behinderungen  in  der 
Cirkulation  gesetzt  werden,  welche  eine  Steigerung  des  Blutdruckes 
zur  Folge  haben  und  hierdurch,  und  zwar  ebenfalls  auf  nervös-reflek- 
torischem Wege,  die  Erhöhung  der  Herzaktion  und  der  Frequenz 
herbeigeführt  wird. 

Auch  hier,  wo  sie  auf  die  erste  Teilaktion  der  Gesamtfunktion  des  Blutkreis- 
laufes Einfluß  nehmen,  sind  diejenigen  Krankenpflegeheilmittel,  die  im  wesentlichen 
der  somatischen  Gruppe  angehören ,  zu  denen  aber  auch  alle  die  Geräte  und  Uten- 
silien gehören,  welche  körperliche  Anstrengung  dem  Kranken  ersparen,  in  erster 
Linie  wirksam;  also  alle  die  mechanischen  Einrichtungen  für  passive 
Veränderung  der  Lage  des  Kranken,  die  Aufrichte-  und  Hebeapparate, 
auch  die  Handhaben,  welche  dem  Kranken  Unterstützung  bei  aktiver  Bethätigung 
darbieten,  und  überhaupt  die  vielfachen  Geräte  für  die  täglichen  Bedürf- 
nisse, welche  bei  zweckmäßiger  Gestaltung  und  Verwendung  die  mit  jeder  dieser 
Bethätigungen  naturgemäß  verbundene  Muskelanstrengung  wesentlich  reduzieren. 
Sie  sind  sämtlich  bereits  an  anderen  Stellen  des  Werkes  erörtert  und  beschrieben 
worden. 

Alle  diese  Heilmittel  wirken  auch  in  einem  zweiten  Betracht 
günstig  auf  die  Herzaktion  ein:  auf  die  Beseitigung  und  Vermeidung 
unnötiger  Widerstände  für  den  Kreislauf,  welche  wir  als  die  dritte 
Teilaktion  der  Gesamtfunktion  bezeichnet  haben. 

Die  wesentlichste  und  häufigste  Form  der  Ersparung 
unnötiger  Körperanstrengung  geschieht  bei  der  in  der 
Krankenpflege  so  häufig  notwendig  werdenden  Dislokation  des 
Körpers;  wenn  auch  gerade  diese  Verrichtung  ihre  sehr  ausge- 
sprochene Einschränkung  durch  die  Krankheit  findet,  so  ist  sie  keines- 
wegs etwa  gänzlich  durch  sie  aufgehoben.  Sehr  oft  wird  es  vielmehr 
geradezu  nötig,  daß  der  Kranke,  selbst  der  schwer  und  bettlägerige 
Kranke,  seine  Lage  verändert ;  und  der  minder  Kranke  oder  der  außer 
Bett  befindliche  hat  zu  weiterer  Körperbewegung  noch  reichlich  mehr 
Gelegenheit  und  Anlaß.     Immer  ist  diese  zu  unterstützen  und  zu  über- 

164 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


311 


wachen ;  und  das  besonders  auch  im  Hinblick  auf  die  Rückwirkung  der 
körperlichen  Anstrengung  auf  die  Herzfunktion. 

Die  Bewegung,  welche  ein  Kranker  ausführt  oder  die  mit  ihm 
ausgeführt  wird,  kann  nach  drei  verschiedenen  Möglichkeiten  hin  er- 
folgen: entweder  wird  der  Kranke  mitsamt  dem  ganzen 
Bette  bewegt,  es  findet  dann  also  eigentlich  keine  Dislokation  des 
Kranken,  sondern  eine  solche  des  ganzen  Bettes  statt;  oder  aber  es 
kann,  wie  das  bei  der  Vornahme  der  verschiedenen  Verrichtungen, 
insbesondere  bei  der  Defäkation  vor  allem  notwendig  wird,  der 
Kranke  innerhalb  des  Bettes  mit  dem  ganzen  Körper 
oder  einem  erheblichen  Teile  dieses  bewegt  werden 
oder  sich  selber  bewegen,  gewöhnlich  in  der  Richtung  nach  oben  hin, 
so  daß  die  auf  der  Unterlage  aufruhende  untere  Fläche  des  Körpers 
oder  der  einzelnen  Körperstelle  frei  wird;  und  schließlich  kann  der 
Kranke  vom  Bett  aus  nach  einem  dritten  Ort  sich  be- 
wegen oder  geführt  oder  getragen  werden,  und  ebenso  auch  um- 
gekehrt von  diesem  her  zum  Bette  hin. 

Von  diesen  drei  Möglichkeiten  hat  die  Lokomotion  des 
Kranken  innerhalb  seines  Bettes  bereits  dort  eine  Besprechung 
gefunden,  wo  von  der  Wirkung  auf  die  Schmerzfreiheit  die  Rede  war,  so 
daß  nur  die  beiden  anderen  Formen  der  Bewegung  hier  zur  Erörterung 
kommen,   zunächst  die  Dislokation  des  Kranken  im  Bette. 

Wird  das  ganze  Bett  mitsamt  dem  Kranken  bewegt,  wie  es  in 
Krankenhäusern  beim  Verlegen  von  Kranken  aus  einem  Saal  iu  den  anderen  oder 
aus  sonstigen  Gründen  geschieht, 
oder  wie  es  auch  in  der  Privat- 
wohnung  gelegentlich  der  Rei- 
nigung des  Krankenzimmers  oder 
zum  Behufe  der  richtigen ,  in 
ihren  Grundzügen  bereits  erörter- 
ten Aufstellung  des  Kranken- 
bettes im  Krankenzimmer  nötig 
wird,  so  ist  der  einfachste  Modus 
eines  solchen  Transportes  das 
Tragen  des  Bettes,  das  von 
zwei  Personen  besorgt  werden 
muß,  indem  eine  am  Kopfende, 
die  andere  am  Fußende  den 
unteren  Hand  der  Bettwand  um- 
faßt, beide  mit  dem  Gesicht  nach 
der  einzuschlagenden  Eiehtung 
hin  gewandt  und,  nachdem  sie 
auf  ein  verabredetes  Zeichen  lang- 
sam und  ganz  gleichmäßig  das 
Bett  angehoben  haben ,  so  mit 
kurzen  und  nicht  großen  Schritten 
vorwärts  sehreitend,  daß  der  eine 

Fig.  202.  Bettfahrer.  Die  beiden  Paare  des  Gerätes  sind  für  Kopf-  und  Fuß- 
ende des  Bettes  bestimmt.  Die  unteren  beiden  Haken  werden  so  gestellt,  daß  sie  etwas 
höher  stehen  als  die  untere  Bettkante;  man  fährt  von  vorn  resp.  hinten  her  das  schräg 
geneigte  Gerät  mit  den  Rädern  unter  das  Bett  bis  hart  an  die  Bettkante  heran  und  stellt 
es  dann  aufrecht;  durcli  Hebelwirkung  wird  das  Bett  so  angehoben.  Der  an  der  oberen 
Stange  befindliche ,  mit  seiner  Krümmung  nach  abwärts  gerichtete  Haken  wird  alsdann 
über  die  obere  Bettkante  geschoben  luid  durch  Sehraubendruck  fixiert.  Das  Anheben  des 
Bettes  in  verschiedenen  Pliasen,  die  vorübergehende  Schrägstellung  dabei  und  die  nicht 
unbeträchtliche  Erschütterung  sind  Nachteile  des  im  übrigen  wenig  Baum  beanspruchenden 
und  wohlfeilen  Gerätes.  , 

165 


312 


M.    MENDELSOHN, 


Träger  den  linken  Fiiß  aufsetzt,  wenn  gleichzeitig  der  andere  mit  dem  rechten 
schreitet.  Nur  auf  diese  Weise  läßt  sich  ein  Hin-  und  Herschwanken  des  Bettes 
vermeiden,  das  notwendig  erfolgen  würde,  wenn  beide  Träger  gleichzeitig  mit  dem- 
selben Fuße  auftreten  wollten.  Ist  die  bereits  erwähnte  Vorrichtung  zweier  Hellen 
an  den  zwei  Füßen  des  Kopfendes  des  Bettes  Torhanden,  so  genügt  für  die  Ver- 
stellung des  Bettes  innerhalb  des  Zimmers  eine  einzige  Person,  indem  sie  das  Bett 
am  Fußende  anhebt  und  auf  den  EoUen ,  ähnlich  wie  einen  Schubkarren,  vor  sich 
her  schiebt. 


Fig.  203.     Bettfahrer. 


Fig.   204.     Bettfahrer. 

Für  einen  ausgedehnteren  Gebrauch,  wie  er  allerdings  nur  in  Krankenhäusern 
vorkommt  und  auch  bei  dem  nicht  unbeträchtUchen  Werte  die,ser  Geräte  nur  dort 
statthaben  kann,  giebt  es  eigene  Bettfahrer,  Vorrichtungen,  die  unter  ein  jedes 
Krankenbett  geschoben  werden  können,  dieses  dabei  anheben  und  es  dann  auf  Eädem 
weiter  rollen  lassen.  Es  sind  von  diesen  Bettfahrern  mannigfache  Konstruktionen 
angegeben;  sie  bestehen  entweder  aus  zwei  getrennten  Paaren  von  Rädern  mit  dazu 
gehörigem  Gestell,   je  ein  Paar  für  das   Fußende   und   eines   für   das  Kopfende  des 

i66 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


313 


Fig.  205.     Bettfahrer. 

Fig.  203,  204,  205.  Das  von  Prof.  Dr.  med.  LICHTHEIM  angegebene,  vorzügliche 
Gerät  wird  vom  Kopfende,  nicht  vom  Fußende  her,  da  sonst  das  schwere  Kopfende  des 
Bettes  leicht  überkippt,  unter  das  Bett  gefahren  (Fig.  203).  Ein  am  äußeren  Rande  des 
Geräts  durch  einfaches  Hineinstecken  in  eine  Hülse  leicht  zu  befestigender  und  im  Falle 
des  Nichtgebrauchs  bequem  zu  entfernender  Hebel  bewirlct  durch  seine  Annäherung  an 
die  Handhabe  des  Gerätes  zunächst  eine  Außendrehung  der  in  der  Anfangsstellung  mehr 
nach  inuen  hin  gerichteten,  das  Bett  unterstützenden  Arme,  so  daß  vorher  das  Gerät 
schmal  genug  war,  um  unter  das  Bett  gefahren  werden  zu  können,  jetzt  dagegen  die  unter- 
stützenden Arme  nach  ihrer  Außendrehung  beiderseits  unter  die  seitlichen  Bettkanten 
fassen  (Fig.  204).  Wird  der  Hebel  ganz  dem  Griffe  des  Geräts  angenähert,  an  welchem 
er  sich  dann  selbständig  durch  das  Einschnappen  einer  Feder  fixiert  (Fig.  205) ,  so  wird 
durch  diesen  zweiten  Teil  der  Hebelbewegung  das  Bett  emporgehoben  und  ist  zur  Be- 
wegung nach  jeder  Eichtung  nun  fähig.  Das  Niederlassen  geschieht  in  derselben  einfachen 
Weise.  Es  gehört  nur  eine  ganz  minimale  Kraft  zur  Handhabung  dieses  Geräts  an  einem 
selbst  schwer  belasteten  Bette.  Allerdings  ist  der  Herstellungspreis  dieses  vorzüglichsten 
aller  Bettfahrer  ein  relativ  sehr  hoher. 

Bettes,  welche  an  einer  höher  als  der  untere  Bettrand  belegenen  Stelle  horizontal 
angebrachte  Haken  haben,  die  bei  schräg  unter  das  Bettgestelle  gerolltem  Gerät 
unter  die  untere  Kante  der  Bettwand  greifen  und,  wenn  man  sie  nun  gerade 
richtet  und  auch  an  der  oberen  Bettkante  befestigt,  das  Bett  anheben  und  auf 
vier  Rädern  stehen  lassen. 
Andere,  kostspielige  Bett- 
fahier  bilden  einen  ein- 
heitlichen, niedrigen,  fla- 
chen, viereckigen  Wagen, 
der  im  ganzen  unter  das 
Bettgestelle  gerollt  wird 
und  dort  entweder  durch 
Hebel-  oder  durch 
Schraubenwirkung  das 
Bett  emporhebt  und 
weiter  fahren  läßt. 

Fig.  206.  Bettfahrer.  Einfaches,  von  Dr.  med.  JACOBSOHN  angegebenes  Gerät, 
welches  unter  das  Krankenbett  gefahren  wird  und  bei  dem  die  Hebung  durch  Kurbel- 
drehung geschieht.  Die  seitliche  Verlängerung  der  beiden ,  zur  unmittelbaren  Aufnahme 
des  Bettes  bestimmten  Querstäbe  muß  an  allen  vier  Ecken  nach  dem  Herunterbringen 
des  Gerätes  unter  das  Bett  durch  jedesmaliges  direktes  manuelles  Heratisziehen  geschehen. 


167 


314 


M.   MENDELSOHN, 


Die  dritte  der  verschiedenen  Mögliclikeiten  einer  Dislokation  des 
Kranken  ist  sodann  die  Bewegung  des  Kranken  aus  dem 
Bette  nach  einem  entfernteren  Punkte  hin  und  umgekehrt. 
Auch  diese  Verrichtung  kann  entweder  als  selbstthätige  Be- 
wegung des  Kranken  geschehen,  wobei  dieser  alsdann  nur  wie 
bei  jedem  Akte  der  Krankenpflege  zu  unterstützen  wäre;  oder  sie  ist 
eine  passive  Bewegung  des  Kranken,  indem  er  getragen, 
transportiert  wird;  dieser  passive  Transport  kann  ohne  besondere 
Geräte,  nur  durch  die  Arme  der  tragenden  Person,  geschehen,  oder 
aber  man  bedient  sich  dazu  geeigneter  Vorrichtungen,  er  geht  mit 
mechanischen  Hilfsmitteln,  mit  eigenen  Geräten  für  den 
Krankentransport  vor  sich. 

Eine  jede  aktive  Bewegung  kranker  oder  sehr  geschwäcliter  Per- 
sonen hat  von  vornherein  ihre  natürlichen  Grenzen;  es  handelt  sich  hier  immer  nur 
um  wenig  umfangreiche  Bewegungen  innerhalb  des  Krankenzimmers  oder  doch  nur  um 
solche  von  einem  Räume  in  einen  benachbarten  anderen.  Wenn  ein  Kranker  sehr  schwach 
und  allgemein  hinfällig  ist,  so  unterstützt  man  ihn  beim  selbständigen  Gehen  am 
besten  in  der  Weise,  daß  man  neben  ihn  schreitet,  den  zugekehrten  Arm  des  Kranken 
um  den  eigenen  Nacken  legt  und  ihn  hier  mit  der  eigenen  abgewandten  Hand  am 
Handgelenk  faßt  und  testhält,  während  man  den  freien  benachbarten  eigenen  Arm 
von  hinten  her  um  die  Taille  des  Kranken  legt  und  ihn  damit  an  den  eigenen 
Körper  anpreßt;  so  hält  und  trägt  man  beim  Vorwärtsgehen  den  Kranken  nicht 
nur  selbst,  sondern  unterstützt  auf  diese  Weise  auch  schwere  und  gewichtige 
Kranke  ausreichend.  Liegt  die  Behinderung  für  das  Gehen  weniger  in  dem  all- 
gemeinen Zustande  als  in  einer  lokalen  Schmerzhaftigkeit  oder  in  einer  sonstigen 
Unbrauchbarkeit  eines  der  beiden  Beine,  so  geschieht  das  Führen  in  derselben  Weise, 
nur  dass  man  dann  stets  an  der  Seite  der  gesunden  Extremität  zu  gehen  hat.  Das- 
selbe ist  auch  nötig,  wenn  der  Kranke  nicht  den  Arm  um  den  Nacken  des  Führers 

schlingt,  sondern  ihn  in  dessen 
winklig  gebogenen  Arm  einhakt 
und  hier  sich  auf  ihn  stützt. 

Für  ganz  kurze  Strecken  kann 
sich,  falls  die  Behmderung  des 
einen  Beines  unterhalb  des  Knies 
ihren  Sitz  hat,  der  Kranke  vorüber- 
gehend so  helfen,  daß  er  aus  irgend 
einem  Stuhl  gewissermaßen  einen 
künstlichen  Stelzfuß  improvisiert; 
er  tritt  von  vorne  her  an  den 
Stuhl  heran,  kniet  mit  dem  Beine 
auf  dessen  Sitz  nieder  und  ergreift 
mit  beiden  Händen  die  Stuhl- 
lehne; indem  das  Bein  un verrückt 
auf  und  am  Stuhle  bleibt  und 
immer  mit  ihm  gemeinsam  bei 
jedem  Schritt  nach  vorn  gesetzt 
wird,  läßt  sich  für  kurze  Zeit  eine 
ganz  leidliche  Lokomotion  herbei- 
führen. 

Sonst  dienen  zur  Unter- 
stützung aktiver  Gehver- 
suche, besonders  wenn  sie  voraus- 

Fig.  207.  Laufstuhl.  Der  Kranke,  welcher  Gehübungen  macht  oder  in  der  Re- 
konvalescenz  ünteretützung  braucht,  tritt  von  der  vorderen  offenen  Seite  her  in  das  Gerät 
hinein,  welches  er  danach  schließt.  Die  Armstützen  sind  verstellbar,  der  herunterhängende 
Gurt,  welcher  gleichfalls  dem  Körper  angepaßt  werden  kann,  ist  dazu  bestimmt,  beim 
Ausruhen  dem  Kranken  als  Sitz  zu  dienen. 


i68 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


315 


sichtlich  längere  Zeit  mit  solcher  Hilfe  vorgenommen  werden  müssen ,  wie  in  der 
Eekonvalescenz  von  schweren  Krankheiten  oder  bei  und  nach  lokalen  Erkrankungen 
der  unteren  Extremitäten,  eigene  Vorrich- 
tungen, die  im  ganzen  denen  entsprechen,  mit 
deren  Hilfe  kleine  Kinder  laufen  zu  lernen 
pflegen.  Es  sind  das  entweder  barrenähnliche 
längere  Laufbarren ,  welche  von  einer  be- 
stimmten Stelle  des  Zimmers,  gewöhnlich  vom 
Bette  aus,  nach  einem  anderen  vom  Kranken 
häufig  aufgesuchten  Punkte,  vielleicht  einem 
am  Fenster  aufgestellten  Lehnstuhle,  führen  ; 
oder  es  sind  Laufstühle,  die  den  kleinen 
Gehkörbchen  der  Kinder  ähneln,  Gestelle,  in 
welche  der  Kranke  hineintritt  und  die  ent- 
sprechende Armstützen  besitzen,  so  daß  von 
diesen  die  Hauptlast  des  Körpers  getragen 
wird,  während  das  ganze  Gerät  leicht  auf 
kleinen  Eädern   nach  allen   Eichtungen   hin 

Fig.  208.  Lauf  stuhl.  Das  kleine  für  Kinder  bestimmte  Gerät  gestattet  gleich- 
zeitig sowohl  Sitzen  wie  Gehen,  da  der  sehwebend  an  federnden  Spiralen  aufgehängte 
Sitz  beim  Gehen  durch  den  Körper  nacli  hinten  geschoben  wird.  Es  hat  für  die  Kranlien- 
pflege  die  weitere  Bedeutung,  daß  die  darin  befindlichen  Kinder  vorübergehend  an  Ort 
und  Stelle  fixiert  sind,  so  daß  sie  eventuell  ohne  Aufsicht  bleiben  können. 

fortgeschoben  werden  kann.  Doch  sind  das  alles 
nur  Notbehelfe  für  die  verbreitetste  und  bekannteste 
Art  der  Unterstützung  bei  aktiver  Fortbewegung: 
der  Krücken;  nur  daß  das  Gehen  mit  diesen  gelernt 
sein  will  und  sie  daher  nur  dort  in  Frage  kommen, 
wo  voraussichtlich  auf  lange  Zeit  hinaus  oder  gar 
für  immer  ihr  Gebrauch  erforderlich  sein  wird. 

Eine  jede  Krücke,  welche  zur  Unterstützung 
des  Körpers  beim  Gehen  angewendet  wird ,  muß 
zunächst  eine  zweckmäßige  Form  ihres  obersten 
Querstückes  haben;  das  Achselstück  trägt  die  ganze 
Last  und  übt  einen  entsprechenden  Gegendruck  auf 
die  Unterstützungsstelle  aus;  wenn  die  Polsterung 
nicht  genügend  ist,  so  kann  hier  nicht  nur  ein  sehr 
starker  Schmelz  durch  die  Krücke  verursacht  wer- 
den, sondern  auch  ausgesprochene  Drucklähmung. 
Sehr  empfehlenswert  sind  die  sogenannten  Eiemen- 
schweben:  der  Querteil  des  Achselstückes  besteht 
nur  aus  einem  von  vorn  nach  hinten  aufgehängten 
und  möglichst  straff  gespannten  ledernen  Bande, 
das  zwischen  den  oberen  freien  Enden  der  beiden 
divergierenden,  die  Krücke  bildenden  Holzsäulen  aus- 
gespannt ist  und  zwischen  diesen  bei  wechselnder 
Belastung  federt;  dadurch  wird  der  Druck  möglichst 
verteilt  und  keine  einzelne  Stelle  über  Gebühr  be- 
lastet. Eine  jede  Krücke  muß ,  was  wichtig  zu 
beachten  ist,  an  ihrem  unteren  Ende  gegen  ein 
Abgleiten  auf  glatter  Unterlage  gesichert  sein;  man 
kann  sie  zu  diesem  Behufe  mit  Colophonium  be- 
streichen, um  die  Eeibung  am  Boden  möglichst  groß 
zu  gestalten,   oder  aber  kleine  Gummikappen   über 

Fig.  209.  Krücken.  Das  Material  ist  am  besten  Bambusrohr  oder  anderes  festes, 
aber  leichtes  Holz  oder  Rohr.  Auch  hohle  Metallkrücken  werden  hergestellt.  Das  untere 
Ende  besteht  zweckmäßig  aus  einer  Metallhülse,  in  welche  weicher  Gummi  eingelassen 
ist,  der  mit  einer  konvexen  Kappe  aus  der  Hülse  nach  unten  hervorragt. 


169 


316 


M.   MENDELSOHN, 


Fig.  210.     Aufheben  des  Kranken. 

das  freie  Ende  streifen.    Bei  Benutzung  nur  einer  Krücke  muß  auch  diese  an  der 
gesunden,  nicht  an  der  Isranken  Seite  getragen  werden;  denn  es  handelt 

sich  ja  darum,  das  unzureichend 
funktionierende  Bein  nach  MögUch- 
keit  zu  entlasten;  und  das  geschieht 
eben  dadurch,  daß  das  normale  Bein 
für  sich  auftritt  und  allein  die  Last 
des  Körpers  trägt,  während  die  an 
'  r  ]  er  Seite  befindliche  Krücke  gleich- 
/  11  ig  mit  dem  affizierten  Beine  auf- 
-1   iitzt  wird  und  dieses  entlastet. 

Die  passive  Lokomotion 
1  1 II  es  Kranken,  das  Tragen  des 
«I  Kranken  ,  geschieht  auf  kleine  Ent- 
fernungen hin,  wie  sie  in  der  Kranken- 
pflege häufig  vorkommen,  insbeson- 
dere bei  dem  Transport  des  Kranken 
beim  Umbetten,  beim  Baden,  bei  der 
"^'erbringtmg  auf  den  Operationstisch 
und  dem  Ueberführen  nach  ähnlichen 
nahehegenden  Punkten  immer  derart, 
daß  der  Körper  des  Kranken  ohne 
Zuhilfenahme  von  Geräten  von 
der  pflegenden  Person  gefaßt,  ge- 
tragen und  dann  niedergelegt  wird. 
Schon  das  Aufheben  des 
Kranken  erfordert  hierbei  Aufmerk- 
samkeit. Es  ist  immer  daran  zu  den- 
ken, daß  das  Aufheben  eines  ganzen 


Aufheben  des  Kranken. 


Fig.  210,  211.  Beim  Aufheben  des  Kranken,  gleichviel  ob  es  vom  Fußboden 
(Fig.  210)  oder  vom  Bette  (Fig.  211)  oder  einem  sonstigen  erhöhten  Niveau  aus  geschieht, 
ist  es  wichtig,  daß  die  rechte  Hand  oder  beide  Hände  der  aufhebenden  Pei'son  unter  das 
Gesäß  des  Kranken  fassen,  während  dieser  selbst  seine  Arme  um  den  Nacken  des  Pflegers 
schlingt  und  so  für  die  Sicherung  des  Oberkörpers  zimäehst  selbst  Sorge  trägt. 


I/O 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


317 


Fig.  212.     Handgriff. 


Körpers,  insbesondere  eines  schweren,  sehr  erheblich  dadurch  erleichtert  wird,  dass  der 
aufzuhebende  Kranke  von  vornherein  relativ  hoch  gelagert  wird,  daß  also  nur  noch 
ein  möglichst  geringfügiges  weiteres  Anheben  bis  zur  vollen  Höhe  des  Tragens  not- 
wendig wird:  es  ist  sehr  viel  leichter,  einen  Kranken  von  einem  Operationstische 
oder  von  einem  hohen  Bette  her  aufzuheben,  als  etwa  vom  Boden  des  Zimmers 
oder  aus  einer  Badewanne  her.  Wo  es  daher  möglich  ist,  lasse  man  vor  dem  eigent- 
lichen Eingreifen  des  Patienten  die  Lagevorrichtung,  auf  der  er  ruht,  mög- 
lichst hoch  stellen;  soll  er  von  einer  Tragbahre  aufgenommen  werden,  so  würde 
diese  zunächst  auf  Stühle  zu  stellen 
sein,  ehe  der  Körper  herabgenom- 
men wird.  Läßt  sich  ein  solches 
Höherstellen  des  Körpers  nicht 
ohne  weiteres  herbeiführen,  liegt 
der  ohnmächtig  gewordene  oder 
aus  anderen  Gründen  zu  Boden 
gesunkene  Kranke  vielleicht  ganz 
flach  auf  dem  Fußboden,  so  muß 
der  Ausgleich  auf  andere  Weise  ge- 
schaffen werden;  hier  kniet  der 
Ti'äger,  ehe  er  den  Kranken  er- 
greift, bei  ihm  nieder  imd  erhebt 
sich  erst,  nachdem  er  ihn  ergriffen 
hat.  Beteiligen  sich  mehrere  Per- 
sonen daran,  einen  Kranken  zu 
tragen,  was  bei  schweren  Indivi- 
duen unerläßlich  ist,  so  ist  durch- 
aus notwendig,  dafür  Sorge  zu 
tragen,  daß  die  gemeinsame  Hand- 

habimg  eine  einheitliche  wird;  es  muß  nach  einem  vorher  vereinbarten  Kommando 
das  Aufheben  des  Kranken  von  selten  aller  beteiligten  Personen  in  genau  dem 
gleichen  Augenblicke  vor  sich  gehen.  Auch  die  Bemerkung  dürfte  nicht  überflüssig 
sein,  daß  ein  jeder  derartige  Krankentransport  nicht  begonnen  werden  sollte,  ehe 
dafür  Sorge  getragen  und  festgestellt  ist, 
daß  alle  für  denjenigen  Zweck,  zu  wel- 
chem der  Transport  geschieht,  not- 
wendigen Vorbereitungen  auch  voll- 
ständig getroffen  sind,  daß  also  der 
Träger  nicht  durch  das  Fehlen  dieser 
oder  jener  nötigen  Vorbereitung  ge- 
zwungen wird,  den  Transport  zu  unter- 
brechen. 

Zum  Forttragen  des  Kranken 
gehört,  und  das  muß  einer  jeden,  zumal 
weiblichen  Kranke  pflegenden  Person 
eingeschärft  werden,  nicht  sowohl  eine 
besondere  Körperkraft,  als  vielmehr  ein 
richtiges  Anfassen  und  eine  gewisse  Ge- 
schicklichkeit; es  ist  erstaunlich,  wie 
manchmal  ganz  zierliche  und  schwäch- 
liche Pflegerinnen  imstande  sind,  anscheinend  ohne  Mühe  selbst  schwere  Kranke 
zu  tragen.  Ein  solches  richtiges  Anfassen  hat  nicht  nur  für  die  Möglichkeit  eines 
Tragens  von  selten  der  Pflegerin  überhaupt  und  deren  Schonung  vor  allzu  großer 
Anstrengimg,  also  für  ein  Moment,  das  in  der  Krankenpflege  eine  sehr  wichtige 
Eolle  spielt,  sondern  vor  allem  auch  für  den  Kranken  selber  eine  erhebliche  Be- 
deutung, der,  wenn  er  falsch  und  unzweckmäßig  angefaßt  wird,  nicht  nur  das 
Gefühl  der  Unsicherheit  beim  Tragen  hat,  so  daß  er  sich  ängstigt  imd  fürchtet, 
fallen  gelassen  zu  werden,  sondern  dem  auch  durch  die  Unbequemlichkeit  hierbei 
direkte  Schädigungen  erwachsen  können.  * 


Hands 


1/1 


318 


M.   MENDELSOHN, 


Wenn  eine  einzelne  Person  eine  andere  zu  tragen  versucht,  so  liegt  es 
nur  nahe,  daß  sie,  um  mit  ihren  beiden  Armen  die  Verrichtung  des  Tragens  auszuüben, 
den  Kranken  dort  zu  heben  versucht,  wo  die  Arme  am  festesten  und  sichersten 
imterfassen  liönnen:  unter  den  Achseln  vmd  unter  den  Knien  des  Kranken.  Man 
kann  sehr  häufig  sehen,  daß  jemand  einen  Kranken  derart  aufzuheben  unternimmt, 
daß  er  mit  dem  einen  Arm  um  den  Rücken  des  Kranken  herumfaßt,  unter  beiden 
Schultern  fort,  während  er  mit  dem  anderen  Arm  unter  die  Knie  greift  und  mm 
anhebt;  dabei  sinkt  aber  der  ganze  ununterstützte  Rumpf  mit  seiner  vollen  Schwere 
nach  unten,  imd  auch  der  Träger  hat  durch  das  Schwanken  der  an  zwei  so  weit 
auseinander  liegenden  Punkten  unterstützten  Last  das  Gefühl  eines  außerordentUchen 
Gewichtes  und  ermüdet  sehr  schnell.  Auch  kann  bei  solchem  Gebahren,  was  die 
Uuzweckmäßigkeit  erhöht,  der  Tragende  nur  mit  vornübergeneigtem  Körper  sich 
fortbewegen.  Ganz  anders  dagegen  ist  der  Vorgang  und  unvergleichlich  viel  an- 
genehmer und  leichter  für  die  beteiligten  Personen,  wenn  der  Körper  des  Kranken 
auch  hier  an  demjenigen  Punkte  hauptsächliche  Unterstützung  erfährt,  der  auch 
sonst  beim  Ruhen  des  Körpers  auf  der  Unterlage  aufzuUegen  pflegt  und  die  Haupt- 
las fnimmt:  dem  Gesäß.  Will  man  einen  Kranken  zweck- 
mäßig tragen,  so  mußman 
ihn  so  aufnehmen,  daß  er 
auf  einem  Vorderarme  des 
Trägers,  am  besten  dem 
rechten,  gewissermaßen 
sitzt;  die  seitUch  nach  dem  an- 
deren ,  freibleibenden  Arme  des 
Tragenden  hingewandte  untere 
Körperhälfte  des  Kranken  wird 
durch  diesen  anderen  Arm  so 
unterstützt,  daß  dieser  nicht  in 
die  Kniekehlen,  wohl  aber  oberhalb 
der  Knie  unter  beide  Oberschenkel 
des  Patienten  greift,  wobei  beide 
Arme  in  gleicher  Höhe  gehalten 
werden  müssen,  so  daß  sie  zu- 
sammen gewissermaßen  einen  Sitz 
darstellen,  von  welchem  die  Unter- 
schenkel des  Getragenen  frei  herab- 
hängen. Der  hierbei  entsprechend 
und  gerade  nach  oben  gerichtete 
Oberkörper  des  Kranken  trägt  in 
214.     Handgriff.  solcher  Position,  so  wie  bei  jedem 

Fif?.  212,  213,  214.  Falls  zwei  Personen  einen  Krauken  auf  relativ  große  Ent- 
fernungen ohne  Zuhilfenahme  von  besonderen  Tragegeräten  zu  tragen  haben,  kommt  es 
hauptsäcUich  darauf  an,  die  Hände  so  zu  verschränken,  daß  der  Kranke  auf  ihnen  einen 
Sitz  findet.  Ein  gegenseitiges  Erfassen  der  Hände,  wie  es  im  gewöhnliehen  Leben  zum 
Zwecke  der  Begrüßung  geschieht,  darf'  hier  nicht  stattfinden ;  eine  solche,  von  zwei  vei'- 
schiedenen  Personen  gleichzeitig  abliängige  Verbindung  würde  niclit  gleichmäßig  fest  sein, 
auch  bieten  die  Handflächen  keine  geeignete  Form  dar,  um  ein  festes  Fassen  und  Halten 
zu  gewährleisten.  Ein  solches  kann  vielmehr  immer  nur  dadurch  erzielt  werden,  daß 
eine  Hand  nicht  die  andere  Hand  sondern  den  anderen  Vorderami  unmittelbai-  am  Hand- 
gelenk umfaßt  und  hält;  ein  Abgleiten  wird  durch  die  erheblich  breiter  am  Vorderarm 
ansitzende  Hand  vermieden.  Kann  sich  der  Kj'anke  zwischen  seinen  beiden  Trägem  selber 
durch  beiderseitiges  Umfassen  an  ihrem  Halse  festhalten,  so  wird  ein  sehr  stabiler,  der- 
artiger Tragsitz  durch  ein  gegenseitiges,  viermaliges  Erfassen  der  vier  Handgelenke  erzielt 
(Fig.  212).  Wo  dagegen  der  Kranke  auch  einer  Unterstützung-"des  Rückens  bedarf,  faßt 
die  rechte  Hand  des  einen  Trägers  das  linke  Handgelenk  des  anderen,  während  dessen 
linke  Hand,  flach  ausgestreclrt  und  aufruhend,  den  unmittelbaren  Sitz  für  den  Kranken 
abgiebt  (Fig.  213).  Hier  sind  dann  die  beiden  anderen  Hände  für  die  BUdung  einer 
Rückenlehne  frei;  indem  sie  sich  entweder  direkt  erfassen  (Fig.  213)  oder  aber,  unter 
Aneinauderlegen  der  beiderseitigen  Arme,  eine  jede  Hand  die  entsprechende  Schulter  des 
Partners  faßt  und  hält  (Fig.  214). 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


319 


Sitzen,  sein  Gewicht  selber,  nur  daß  der  Kranke  die  Arme  um  den  Nacken 
des  Tragenden  schlingt  und  so  ein  Vomüberfaüen  oder  ein  Heruntergleiten 
verhütet.  Immer  muß  so  getragen  werden;  unterstützt  man  in  dieser  Weise  den 
Kranken  unter  Gesäß  und  Oberschenkel  und  läßt  seine  Arme  um  den  eigenen 
Nacken  schlingen,  so  können  auch  zarte  Personen  relativ  schwere  Kranke  tragen, 
besonders  wenn  sie  die  beim  Tragen  notwendige  richtige  Körperhaltung  einnehmen: 
den  Oberkörper  nicht  nach  vorn,  sondern  vielmehr  nach  hinten  hin 
überzubiegen.  Daß  man  beim  Aufnehmen  eines  Kranken,  der  sehr  niedrig,  viel- 
leicht gar  am  Boden  selber  Hegt,  sich  das  Aufheben  dadurch  erleichtern  kann,  daß 
man  selber  niederkniet,  ist  bereits  gesagt  worden:  man  kniet  zunächst  mit  beiden 
Knien  zu  Boden,  faßt  mit  den  flachen  Händen  imter  den  Kranken,  um  ihn  ein 
wenig  zu  heben,  stellt  dann  das  eine  Knie  auf  und  hebt  den  Körper  des  Krauken 
auf  dieses  Knie  herauf;  nun  erst  steht  man  selbst  ganz  auf  und  hebt  dabei  den 
Kranken  bis  zur  nötigen  Höhe. 


Fig.   215.     Tragen  des  Krauken. 

Sind  mehrere  Personen,  um  einen  Kranken  zu  tragen,  zur  gleich- 
zeitigen Verfügung,  so  ist  nicht  immer  von  vornherein  gesagt,  daß  diese  in  der  gemein- 
samen Aktion  den  Transport  besser,  schneller  und  zweckmäßiger  bewerkstelligen  als  ein 
einziger  Träger ;  bei  kleinen  und  nicht  besonders  schweren  Kranken  dürfte  das  Tragen 
durch  eine  einzelne  Person  immer  vorzuziehen  sein.  Auch  bei  zwei  Trägern  findet 
man  oft,  daß  sie  einen  Kranken  nicht  forttragen,  sondern  dahinschleppen;  sie  pflegen 
sich  dann  am  Kopfende  und  Fußende  des  Kranken,  mit  einander  zugewandten  Ge- 
sichtern, hinzustellen,  die  eine  Person  greift  unter  die  Arme  des  Kranken,  die  andere 
erfaßt  ihn  an  den  Fußknöcheln ;  und  so  versuchen  sie  ihn  mit  beiderseits  weit  nach 
vorn  übergebeugtem  Oberkörper  und  mit  kurzen  trippelnden  Schritten,  wobei  der 
eine  Träger  natürlich  rückwärts  gehen  muß,  dahinzuschleppen.  Auch  hier  ist  wieder 
der  schwerste  Punkt  des  Körpers  ununterstützt ;  auch  hier  sind  wieder  die  beiden 
Unterstützungspunkte  für  die  Last  viel  zu  weit  auseinander  gerückt.  Je  nach  der 
Zahl  der  vorhandenen  Träger  oder  Trägerinnen  finden  diese  vielmehr,  wenn  es 
ordentlich  zugeht,  an  einer  oder  an  beiden  Seiten  des  Körpers  des  Kranken  zunächst 


173 


320 


M.    MENDELSOHN, 


Aufstellung,  wobei  aber  vor  allem  das  Gesäß,  die  schwerste  und  centrale  Partie  des 
Körpers,  unterstützt  wird  und  wo  wieder  der  Körper  nicht  durch  Zugreifen  gefaßt 
wild,  sondern  auf  den  flachen  Armen  und  Händen  der  tragenden  Per- 
sonen aufliegt.  Außerdem  müssen  sowohl  der  Kopf  wie  die  unteren  Extremitäten 
durch  eine  zweite  Person  für  sich  getragen  werden  ;  so  daß  sich  also  für  solche  Trans- 
porte einer  erwachsenen  Person  das  Bild  ergiebt,  daß  drei  Träger  neben  einander  ihre 
sechs  Vorderarme  mit  flach  gehaltenen  Händen  parallel  vor  sich  hinstrecken  und  auf 
dieser  Unterstützung  der  Kranke  wie  auf  einem  Lager  in  horizontaler  Position  ruht ; 
sind  noch  mehr  Träger  zur  Verfügung,  so  können  je  zwei  und  zwei  oder  selbst  drei 
von  beiden  Seiten  des  Kranken  her  in  der  gleichen  Weise  einander  gegenübertreten. 
Als  eine  wichtige  Regel  bei  diesem  Tragen  ist  zu  erachten,  daß  nicht  etwa  ein  Arm 
des  Kranken  frei  herunterhängt,  was  besonders  dann  leicht  geschehen  kann,  wenn 
die  Träger  nur  auf  einer  Seite  aufgestellt  sind ;  auch  ist  beim  Passieren  von  Thüren 
oder  sonstigen  engen  Stellen  sorgsam  vorzusehen,  daß  nicht  der  Kopf  oder  die 
Extremitäten  oder  andere  vorstehende  Körperteile  gestoßen  und  beschädigt  werden, 
was  besonders  beim  Herabhängen  eines  Armes  sich  leicht  ereignen  kann. 


Fig.  216.     Tragen  des  Kranken. 

Fig.  215,  216.  Bei  jedem  Tragen  eines  Kranken  auf  den  Armen,  ob  es- nun  durch 
eine  Pei'son  (Fig.  215)  oder  durch  mehrere  (Fig.  216)  geschieht,  ist  das  Hintenüberbeugen 
des  Oberkörpere  von  selten  des  Trägers  sehr  wesentlich.  Es  wird  dadurch  der  Zug, 
welchen  die  zu  tragende  Last  nach  vom  und  unten  hin  ausübt,  fast  gänzlich  kompensiert. 

Beim  Niederlegen  des  Kranken  sind  wiederum  die  gleichen  Vorsichts- 
maßregeln zu  üben  wie  beim  Aufheben.     Soll  der  zu  transportierende  Kranke  in  ein 


1/4 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


321 


Bett  oder  auf  eine  ähnliche  Unterlage  gebracht  werden,  welche  nicht  von  beiden 
.  Seiten  her  frei  zugänglich  ist,  so  müssen  die  tragenden  Personen  sämtlich  nur  von 
einer  Seite  her  ihn  tragen,  damit  man,  was  keiner  besonderen  Erörterung  bedarf, 
mit  der  Last  über  das  Bett  hinübergelangen  und  sie  auf  dieses  niederlegen  kann. 
Beim  Tragen  eines  Kranken  von  einer  Ruhestätte  auf  die  andere,  zumal  wenn  beide 
Lager  einander  sehr  benachbart  sind,  wie  das  in  erster  Linie  häufig  beim  Umbetten 
der  Fall  ist,  sei  es  nun,  daß  der  Kranke  in  ein  zweites  Bett,  in  ein  sogenanntes 
Wechselbett  oder  auf  einen  Divan  oder  auf  eine  ähnliche  interimistische  Unterlage 
kommt,  muß,  auch  wenn  eine  Person  nur,  was  hier  die  Eegel  und  oft  gar  nicht 
anders  möglich  ist,  den  Transport  besorgt,  wo  sich  die  Handhabung  und  Besorgung 
dieses  ümlagerns  zwischen  den  beiden  Ruhestätten  abspielt,  das  zweite  Bett  so 
stellt  sein,  daß  sein  Kopfende  nach  der  entgegengesetzten  Seite  ge- 
gericlitet  ist,  wie  dasjenige  des  ersten  Lagers.  In  solchem  FaUe  hat  sich  die 
tragende  Person,  nachdem  sie  den  Kranken  aufgenommen,  nur  einfach  um  ihre 
eigene  Achse  herumzudrehen,  um  den  Kranken  richtig  in  das  zweite  Bett  legen  zu 
können.  Stehen  beide  Betten  frei,  sind  sie  also  beide  von  je  zwei  Seiten  zugänghch, 
so  ist  eine  solche  entgegengesetzte  Aufstellung  nicht  nötig;  nur  kann  man  auch  hier 
nicht  etwa  allein  innerhalb  des  Raiunes  zwischen  den  beiden  Betten  den  Transport 
bewerkstelligen,  sondern  muß  um  das  zweite  Bett  heriungehen  imd  in  dieses  den 
Kranken  von  derselben  Seite  her  hineinlegen,  an  welcher  man  ihn  aus  dem  ersten  Bette 
entnommen  hat.  Immer  aber  sind  diese  Verhältnisse ,  welche  die  verschiedensten 
Kombinationen  aufweisen  können,  vorher,  ehe  man  den  Kranken  aufgehoben  hat, 
aufs  genaueste  zu  überlegen,  um  nicht  sich  und  ihm  während  des  Tragens  unvor- 
hergesehene Schwierigkeiten  zu  bereiten. 

Für  einigermaßen  weitere  Distanzen  nun  oder  dort,  wo  derartige  Transporte  sich 
häufig  wiederholen,  wie  dies  in  Hospitälern  der  Fall  ist,  stehen  eine  ganze  Anzahl  ver- 
schiedenartiger Geräte  zur  Verfügung,  welche  dieses  Transportieren  erleichtern.    Es 


Fig.  217.     Tragsitz. 


Fig.  218.     Tragtuch. 


Fig.  217,  218.  Die  zum  Tragen  von  Kranken  bestimmten,  aus  festem  Segeltuch  ge- 
fertigten Tücher  werden  entweder  durch  zwei  einfache  Stangen,  welche  jederseits  Hand- 
grUfe  tragen,  begrenzt;  zum  Tragen  von  Kranken  werden  sie  an  diesen  gefaßt  und  ge- 
spannt erhalten  (Fig.  218);  oder  sie  werden  mittels  mehrerer  Holzstäbe,  welche  durch  ge- 
eignet angebrachte  Schlaufen  gesteckt  werden,  zu  einer  Art  von  Sessel  geformt  (Fig.  217). 
Im  Allgemeinen  findet  der  Kranke  auf  diesen  Tragtüchem  nicht  die  genügende  Sicherheit 
und  Unterstützung,  so  daß  sie  nur,  wo  kein  anderes,  zweckmäßigeres  Gerät  zur  Hand  ist, 
Verwendung  finden  sollten ;  doch  ist  andererseits  ihre  Wohlfeilheit  und  besonders  die  be- 
queme und  leichte  Art  ihres  Jlitführens,  da  sie  zusammenlegbai'  sind,  ein  erheblicher 
Vorzug. 

handelt  sich  bei  allen  diesen  Geräten  eigentlich  immer  nur  darum,  einen  Sitz  oder  eine 
Unterlage  für  den  Kranken  zu  schaffen,  die  der  Träger  entweder  unmittelbar  mit  den 
Händen  faßt  und  die  er  außerdem  noch  an  einem  Schultergurt  zu  tragen  vermag, 
oder  welche  an  geeigneten  Handgriffen  mehrere  Personen  zu  fassen  und  zu  trans- 
portieren imstande  sind.  Schon  jeder  einfache  Stuhl  kann  auf  kurze  Distanz  zu 
solchem  Transport  benutzt  werden;  man  setzt  den  Kranken  darauf  und  faßt  von  zwei 


175 


322 


M.    MENDELSOHN, 


gegenüberliegenden  Seiten  her  unmittelbar  unter  die  Kanten  des  Stahlsitzes,  indem 
man  das  Ganze  gegen  seinen  nach  hinten  übergeneigten  Körper  anlehnt.  Sonst  giebt 
es  eigens  hergerichtete  Sitztragen,  die  nichts  weiter  sind  als  ein  viereckiges  Stück 
festen  Tuches,  das  an  zwei  gegenüberliegenden  Seiten  mittels  hilldurchgesteckter 
Holzstäbe  feste  Handgriffe  darbietet;  der  Kranke  wird  auf  dieses  Tuch  gesetzt  und 
in  der  gleichen  Weise  vor  sich  her  getragen.     Diese  Sitztragen  lassen  sich  auch  mit 

Schultergurten  versehen,  die  der  Tra- 
gende umhängt;  er  trägt  dann  die  Last 
selber  mit  den  Schultern  und  hat  die 
Hände  frei,  um  die  Stellung  und  die 
Lage  des  Kranken  zu  sichern.  Ebenso 
können  diese  Tragsitze  auch  von  zwei 
Personen  erfaßt  oder  umgehängt  wer- 
den; in  primitiver  Weise  werden  sie 
ersetzt  durch  einen  flachen  Strohkranz, 
der  den  Sitz  für  den  Kranken  darbietet 
und  an  zwei  gegenüberliegenden  Punkten 
mit  den  Händen  erfaßt  wird. 

Fig.  219.  Tragkranz.  Das  nur  im  Notfalle  zu  verwendende,  improvisierte  Hilfs- 
mittel der  Krankenpflege  läßt  sich  überall  durch  ein  einfaches  Zusammenflechten  von 
Stroh  beschaffen. 

Für  solche  Kranke,  welche  auch  während  des  Transportierens  in  der  horizon- 
talen Lage  belassen  werden  müssen  oder  die  so  schwach  sind,  daß  sie  die  bei  der 
eben  besprochenen  Form  des  Tragens  immerhin  nötige  aktive  imd  persönhche  Bei- 
hilfe nicht  leisten  können,  dienen  die  eigentlichen  Tragbahren,  flache  Lager  mit  er- 
höhtem Kopfteil,  die  entweder  aus  festem  Stoffe  oder  aus  Drahtgeflecht  oder  aus 
Metallplatten  bestehen,  mit  zwei  seitlichen,  von  vom  nach  hinten  gerichteten  Trag- 
stäben, deren  vordere  wie  hintere  Enden  je  eine  Person  beim  Tragen  erfaßt.  Neuer- 
dings werden  diese  Tragbahren  nicht  unzweckmäßig  aus  Aluminium  hergestellt,  was 
ihre  Mitführung  und  Handhabung  sehr  erleichtert ;  sie  sind  in  den  allerverschiedensten 
Formen  und  Konstruktionen  zur  Verfügung,  in  denen  das  Hauptgewicht  auf  die 
beiden  Momente  gelegt  wird,  daß  sie  selber  möglichst  wenig  Gewicht  haben,  und  daß 
sie  leicht  transportabel  und  mitführbar  sind;  Vorzüge,  die  besonders  für  die  zusammen- 
legbaren Tragbahren  zutreffen.  Eine  besondere  Form  dieser  Tragbahren  ist  nach  dem 
hübschen  Gedanken  konstruiert,  die  beiden  Seitenstangen  aus  Eöhren  zu  verfertigen, 
welche  nach  dem  Prinzipe  eines  Fernrohres  in  einander  greifen  und  die  zusammen- 
schiebbar sind.  Unter  den  mit  Stoff  bezogenen  Tragbahren  giebt  es  zweckmäßige 
Formen,  welche  nicht  eine  einfache  glatte  und  ebene  Fläche  darbieten,  sondern  zwei- 
mal winklig  gekrümmt  sind,   und  an  denen  die  vorderen  und  die  hinteren  Griffe  so 


T*  \/. 


Fig.  220.  Tragbahre.  Die  aus  Eisen  gefertigten  Tragbahren  verwenden  zu  den 
eigentlichen  Tragstangen  Gasrohr  oder  Manuesmann-Eohr ;  die  Tragflächen  sind  bei  ihnen 
aus  möglichst  weit  auseinander  stehendem  Geflecht  von  Eisenbändern  hei"gestellt,  um  das 
Gewicht  der  Tragbahre  zu  einem  möglichst  geringen  zu  machen.  Bei  den  gänzlich  aus 
Aluminium  gefertigten  Geräten  ist,  entsprechend  dem  geringen  Gewichte  und  der  minderen 
Festigkeit  dieses  Metalls,  die  tragende  Fläche  homogen  gestaltet. 


,176 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


323 


Fig.  221.     Tragbahre.     Das  Gerät  ist  zura  Transport  auf  Treppen  bestimmt.  Die 

Form  der  Bahre  gestattet  dem  Kranl^en  eine  beinahe  sitzende  Stellung  einzunehmen.  Die 

ans  starkem  Segeltuch  gefertigte  Sitzfläehe   ist  mittels  einer   fortlaufenden  Schnur  an  dem 
metallenen  Tragstangen  befestigt  und  auswechselbar. 


.ingebracht  sind,  daß  die  ganze  Tragbahre  während  des  Gebrauches  mit  ihrem 
hinteren,  dem  Kopfende  entsprechenden  Teile  höher  steht  als  vorn;  ähnliche  Be- 
sonderheiten in  der  Anbringung  der  Griffe,  die  dann  ebenfalls  am  Kopfende  erheb- 
lich höher  stehen  wie  am  Fußende,  zeigen  diejenigen  Tragbahren  oder  Tragstühle, 

welche  dazu  bestimmt  sind,  beim  

Transport  auf  Treppen  verwendet 
zu  werden:  da  der  eine  Träger 
stets  um  eine  ganze  Anzahl  von 
Stufen  tiefer  sich  befindet  als  der 
andere,  so  muß  diese  Niveau- 
differenz auch  in  der  Anbringung 
der  Griffe  zum  Ausdruck  kom- 
men, um  den  Bitz  trotzdem  in  der 
richtigen  Lage  zu  erhalten.  Im 
übrigen  bestehen  die.se  Tragstühle 
aus  einfachen ,  wenn  auch  um- 
fangreichen Lehnslühlen,  deren 
Sitz  so  weit  nach  vorn  und  unten 
hin  verlängert  ist,  daß  auch  die 
unteren  Extremitäten  darauf  Platz 
finden;  an  beiden  Seiten  sind 
Stangen,  welche  sich  auch  ent- 
fernen lassen,  hindurchgesteckt,  an 
denen  das  ganze  aufgehoben  wird. 
Alle  diese  Tragbahren  lassen  sich 
ferner  auch  auf  eigene  Räderge- 
stelle setzen  und  so,  wenn  auch 
immer   nur   auf  ebenen  Flächen, 

Fig.  222.  Fahrstuhl.  Für  die  Lokomotion  von  Kranken  innerhalb  des  Zimmers 
oder  der  Etage  sind  Stühle,  welche  auf  ganz  kleinen  Eädei-n  laufen,  vorteilhaft;  sie  müssen 
ein  Fußbrett  tragen.  Das  stabile  und  feste  Gerät  ist,  ausschließlich  nur  für  das  Zimmer 
bestellt,  für  Kranke,  welche  tagsüber  außer  Bett  sind,  aber  olme  sicli  selbständig  bewegen 
zu  können,  in  ihrem  Stuhle  häufig  den  Standort  im  Zimmer  wechseln.  Der  äußere  Ein- 
druck solcher  Fahrstühle  ist  der  eines  gewöhnlichen  Zimmerstuhls;  viele  Kranken  mögen 
nicht,  daß  die  vou  ihnen  benutzten  Geräte  sofort  beim  ersten  Anblick  als  Krankengerät 
erscheinen. 


Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Krankh.     Suppl.  I.    Helt  3. 
Mendelsohn,  Krankenpflege.  lyj 


22 

12 


324 


M.   MENDEtSOHN, 


Fig.  223.  Falirstuhl.  Die  Rader  sind  mit  pneumatischen  Reifen  umgeben  und 
auch  sonst  ebenso  gestaltet  wie  das  an  den  Fahrrädern  der  Radfahrer  üblich  ist,  da  hier- 
durch, neben  der  Wirkung  der  Federn  des  Wagens,  ein  möglichster  Ausgleich  jeder  Er- 
schütterung infolge  von  Unebenheiten  des  Bodens  herbeigeführt  wird.  Diese  Kranken- 
fahr-iitühle  sind  besonders  für  den  Gebrauch  im  Freien  benutzbai'  und  sehr  ■wertvolle  und 
zweckmäßige  Geräte. 

dahinfahren ;  oder  sie 
tragen  von  vornherein 
zwei  Räder  an  ihren 
Seiten  und  bilden  die 
sogenannten  Räder- " 
bahnen. 

Was  dieseTragbahren 
für  den  Transport  in 
horizontaler  Lage  sind, 
das  sind  die  Kranken- 
fahrstühle für  den 
sitzenden  Patienten. 
Diese  Erankenfahr- 
stühle ,  Fauteuils  auf 
Rädern  mit  daran  be- 
festigter Fußstütze^ 
welche  in  jeder  Höhe- 
verstellbar  ist,  mit  Arm- 
lehnen und  davor  an- 
gebrachten ebenfalls 
verstellbaren  Tischchen, 
sind  in  allen  Konstruk- 
tionen und  in  der  ver- 
schiedenartigsten Bau- 
art,   die   bis   zur   sehr 

Fig.  224.  Fahrstuhl.  Das  Gerät  ist  zum  Selbstfahren  bestimmt,  aber  nur  im 
Zimmer  oder  auf  ganz  ebenen  Wegen  brauchbar.  Die  Vorderräder  sind  verhältnismäßig 
sehr  groß ;    sie  tragen    auf   ihrer   Achse ,   von  außen    her  auf   sie  aufgesetzt ,    zwei    weitere- 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


325 


ßäder,  welche  einen  nur  etwas  geringeren  Durchmesser  haben  als  sie  selber,  den  Boden 
also  nicht  berähren,  und  die  an  ihrer  inneren  Peripherie  eine  Anzahl  von  Handgriffen 
tragen,  welche  der  Ejanke  abwechselnd  ergreift  und  an  denen  er  durch  Drehung  der 
Vorderräder  den  Stuhl,  und  sich  auf  diesem,  fortbewegt.  Die  Richtung  der  Fahrt  läßt 
sich,  bei  der  Größe  der  Vorderräder,  sehr  leicht  durch  ein  etwas  schnelleres  Drehen  des 
einen  oder  des  anderen  Rades  bestimmen. 

kostspieligen  und  luxuriösen  Ausstattung  geht,  vorhanden.  Sie  tragen  seitlich  zwei 
große  Räder,  welche  die  eigentliche  Lokomotion  vermitteln,  und  außerdem  noch 
ein  oder  besser  noch  zwei  kleine  Eäder  vor  oder  Iiinter  dem  Sessel,  mit  welchem 
die  Direktion  des  Stuhles  erzielt  wird.  Die  Stuhlbewegung  selbst  geschieht  ge- 
wöhnlich so,  daß  an  einem  hinter  der  Lehne  angebrachten  Griffe  eine  zweite  Person 
den  Stuhl  vor  sich  herschiebt,  wobei  der  Kranke  selbständig  mittels  einer  an  dem 


Fig.  225.  Fahrstuhl.  Der  von  Prof.  Dr.  med.  HBLFEEICH  konstruierte  Fahr- 
stuhl findet  besonders  für  solche  Kranke  zum  Selbstfahren  zweckmäßige  Verwendung 
welche  am  Gehen  behindert,  sind,  deren  Zustand  jedoch  eine  gewisse  Belhätigimg  der  Arme 
gestattet.  Zwei  mit  Handgriffen  versehene  Hebel  wirken  durch  entsprecheude  Ueber- 
tragungen  auf  die  Drehung  der  Hinterräder;  diese  wird  durch  eine  ruderartige  Hin-  und 
Herbewegung  der  Hebelarme  bewirkt.  Ein  sinnreicher,  im  Inneren  der  Hebelarme  ver- 
laufender Mechanismus  gestattet  eine  leichte  und  präzise  Steuening;  dadurch,  daß  der 
eine  oder  der  andere  Handgriff  ein  wenig  gedreht  mrd,  erfolgt  eine  Abweichung  des 
Wagens  nach  rechts  oder  nach  links. 

vorderen  Lenkrade  angebrachten  Stange  mit  seinen  Händen  die  Eichtung  leiten 
kann ;  auch  giebt  es  Zimmerfahrstiihle  für  ausreichend  kräftige,  aber  an  den  unteren 
Extremitäten  behinderte  Kranke,  deren  beide  seitliche  Räder  so  hoch  sind,  daß  sie 
von  dem  im  Stuhle  sitzenden  Kranken  an  ihrer  oberen  Cirkumferenz  gefaßt  werden 
und  gedreht  werden  können,  imd  so  das  Fortbewegen  auf  kurze  Strecken  auf  diese 
Art  von  dem  Kranken  allein  sich  bewerkstelligen  läßt,  eine  selbstthätige  Lokomotion, 
die  auch  noch  durch  andere  kompliziertere  Konstruktionen  ermöghcht  wird. 

22* 
12* 


326 


M.    MENDELSOHN, 


Fig.  226.  Boden  für  Krankenwagen.  Der  von  Dr.  med.  MEYER  ange- 
gebene Boden,  der  in  jeden  Wagen  eingelegt  weiden  kann,  bestellt  aus  zwei  Holzplatten, 
welche  an  ihren  vier  Ecken  so  aufeinander  gelagert  sind ,  daß  an  ihnen  befestigte 
metalleneJHalbkugeln  zwischen  sich  je  einen  solid  gestalteten  Gummiball  fassen.  Kach  der 
Mitte  zu  gehen  diagonal  von  jeder  der  vier  Ecken  Spiralfedern  aus ,  welche  den  oberen 
Boden  an  dem  unteren  fixieren ,  ohpe  jedoch  ein  !Sachgeben  dieses  nach  jeder  der  hori- 
zontalen Eichtungen  zu  verhindern,  während  die  nötige  Elasticität  in  senkrechter  Eichtung 
durch  die  Gummibälle  geschaffen  wird.  Der  Boden  soll  jeden  beliebigen  Wagen  für 
Krankentransportzwecke  geeignet  machen ;  der  Ea-anke  soll  in  seinem  Bette  auf  den  Boden 
gestellt  und  transportiert  werden  können. 


Fig.  227.  Krankenwagen.  Der  leichte,  von  Dr.  med.  HÖXIG  angegebene  Wagen 
wird  durch  zwei  Eadfahrer  bewegt.  Er  ist  natürlich  nur  auf  entsprechend  fahrbaren 
Wegen  zu  benutzen. 

Ganz  besonders  wichtige  Einflußnahme  vermag  nun  des  weiteren 
die  Hypurgie  auf  dasjenige  Moment  zu  nehmen,  von  welchem  das 
Maß  der  jedesmal  aufzuwendenden  Herzarbeit  und  damit  die  Schonung 
des  Herzens  abhängt:  auf  die  B  eseitigung  von  Wider  ständen 
in   der   Blutbahn,   welche  sich  der  Lei^stun^'  des  Herzens 


i8o 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  327 

entgegen  stellen  und  diese  unter  Umständen  zu  einer  unzu- 
reichenden werden  lassen,  während  eine  teilweise  Beseitigung  oder  Ver- 
minderung dieser  Widerstände  das  gerade  voi'handene  Mai5  von  Herz- 
thätigkeit,  ohne  diese  selber  zu  beeinflussen,  doch  nun  zu  einem  ge- 
nügenden und  ausreichenden  macht ;  so  daß  also  in  solchem  Sinne 
auch  diese  Krankenpflegemittel  therapeutische  Einflußnahme  auf  die 
Herzthätigkeit  besitzen.  Eine  derartige  wichtige  und  umfangreiche 
ungünstige  Einwirkung  kommt,  im  Gegensatz  zu  allen  den  bisher 
behandelten  Einflüssen,  nicht  durch  eine  direkte  Reflexwirkung  auf  das 
Herz  zustande,  sondern  dadurch,  daß  der  Blutdruck  in  einem 
mehr  oder  minder  großen  Teilgebiete  des  arteriellen 
Systems  eine  Steigerung  erfährt. 

Die  Herzthätigkeit  steht  mit  jeder  neuen  Herzkontraktion  immer 
wieder  der  gleichen  Aufgabe  gegenüber :  eine  bestimmte  Menge  Blutes 
in  ein  elastisches  Röhrensystem  hineinzupressen,  welches  nach  viel- 
facher Verzweigung  die  in  ihm  enthaltene  Flüssigkeit  in  ein  anderes 
ausdehnbares  Röhrensystem,  die  Venen,  ausfließen  lassen  kann ;  und 
zwar  befinden  sich  diese  Arterien  unter  einer  durch  besondere  ner- 
vöse Apparate  aufrecht  erhaltenen  Tension,  sind  sie  elastisch  und  üben 
sie  einen  bestimmten  Druck  auf  die  in  ihnen  enthaltene  Flüssigkeits- 
menge aus,  während  die  Venen  erheblich  ausdehnbarer  sind,  je  nach 
der  Menge  von  Flüssigkeit,  die  ihnen  zuströmt  und  die  sie  durch 
keinen  besonderen  Gegendruck  ihrer  Wandungen  in  Schranken  halten. 
Kann  man  sich  daher  doch,  wie  sehr  zutrefi"end  bemerkt  worden  ist, 
in  seine  eigenen  Venen  hinein  verbluten;  und  Tierexperimente  haben 
gezeigt,  daß  nach  der  Durchschneidung  der  Medulla  oblongata  die 
Blutgefäße  derart  erschlaffen,  daß,  um  in  den  Arterien  den  zuvor  vor- 
handenen Blutdruck  auch  nur  einigermaßen  wieder  herzustellen,  die 
Einleitung  noch  genau  der  gleichen  Menge  Blutes,  als  das  Tier  über- 
haupt besitzt,  zu  der  bereits  vorhandenen  nötig  ist.  Darum  sind  ja 
auch  im  Tode,  wo  die  Venen  vollständig  sich  ausdehnen,  die  Arterien 
gänzlich  leer.  Von  diesem  „Blutdrucke"  aber,  der  in  den  Arterien 
herrscht  und  der  die  Ursache  ist,  daß  der  Kreislauf  in  konti- 
nuierlichem Flusse  vor  sich  geht,  indem  die  Arterienwände,  welche 
durch  die  neue  während  der  Herzsystole  in  die  Aorta  hineingeworfene 
Blutmenge  ausgedehnt  worden  sind,  durch  ihre  nachfolgende  Kon- 
traktion die  überschüssige  Blutmenge  nach  den  Venen  zu  weiter 
treiben ,  —  von  diesem  Blutdrucke  hängt  wesentlich  die  Leistung 
des  Herzens  ab;  denn  sein  Widerstand  allein  ist  es,  den  bei  jeder 
Kontraktion  der  Ventrikel  vorfindet  und  gegen  den  seine  Aufgabe  zu 
erfüllen  ihm  obliegt.  Die  Weiterbeförderung  des  Blutes  während  der 
Diastole  besorgt  dann  schon  die  Arterienwandung.  Wenn  man  sich 
vorstellen  wollte,  daß  an  einer  beliebigen  Stelle  des  arteriellen  Systems 
dieses  zeitweilig  abgeschlossen  würde,  so  müßte  durch  solche  Kom- 
pression der  Blutdruck  mit  jeder  neuen  Systole,  indem  immer  mehr 
und  mehr  Blut  in  die  Aorta  hineingeworfen  wird  und  die  Arterien- 
wandungen ihrer  immer  stärkeren  passiven  Ausdehnung  durch  diese 
anwachsende  Blutmenge  sich  mehr  und  mehr  widersetzen,  der  Blut- 
druck andauernd  ansteigen  und  damit  die  Leistung  des  Herzens  für 
eine  jede  folgende  Phase  eine  immer  schwierigere  und  eine  immer 
größere  Kraft  beanspruchende  werden ,  bis  sie  schließlich  unüber- 
windlichem Widerstände  begegnete  und  versagen  müßte. 

Dieser  einfache  und  auf  rein  mechanischen  Verhältnissen  beruhende 


328  M.   MENDELSOHN, 

Zusammenhang  hat  aber  zur  Folge,  daß  alle  Anlässe,  welche 
den  Blutdruck  steigern,  gleichzeitig  auch  stärkere  An- 
forderungen an  dieHerzthätigkeit  hervorrufen  müssen: 
und  daß  daher  alle  diejenigen  Heilmittel  der  Krankenpflege,  welche 
es  vermögen,  ein  solches  Ansteigen  des  Blutdruckes  in  Schranken 
zu  halten,  bei  der  erheblichen  Bedeutung,  welche  ein  jedes  Uebermaß 
dieses  Zustandes  durch  seine  Rückwirkung  auf  das  Herz  gewinnt, 
als  eigentliche  Tonica  für  das  Herz  zu  erachten  sind.  Dazu  kommt 
noch,  daß  bei  mannigfachen  Krankheitszuständen  diese  blutdruckherab- 
setzende Wirkung  geradezu  die  wichtigste  und  wesentlichste  Indikation 
sein  kann  und  die  Rückwirkung  auf  das  Herz  erst  in  zweiter  Linie  in 
Betracht  kommt;  besonders  wichtig  sind  diese  Verhältnisse  bei  der 
Arteriosklerose  und  bei  anderen  Affektionen  der  Arterien,  zumal  wenn 
Apoplexien  drohen  oder  derartige  Anfälle  bereits  stattgehabt  haben,  aber 
auch  für  alle  Zustände  von  Herzschwäche  oder  organischen  Herz- 
affektionen besteht  hier  die  gleiche  Bedeutung  einer  Regelung 
und  Verhütung  der  blutdrucksteigernden  Momente. 

Zu  den  Krankenpflegeheilmitteln,  welche  eine  solche  Einwirkung 
haben,  gehören  zunächst  die  bei  der  Regelung  der  ersten  Teilaktion  bereits 
erwähnten  somatischen  und  materiellen  Mittel,  welche  körperliche 
muskuläre  Leistung  mildern  und  erleichtern  können. 
Diese  Heilmittel  sind  eben  angegeben  worden.  Eine  jede  Muskel- 
aktion steigert  den  Blutdruck;  sie  steigert  ihn  im  Verhältnis 
zur  Dauer  und  Größe  der  vor  sich  gehenden  Muskelarbeit.  Diese 
physiologische  Thatsache  ist  durch  vielfache  experimentelle  Nachweise 
erhärtet;  sie  ist  überdies  in  ihrer  gerade  hier  in  Betracht  kommenden 
Rückwirkung  auf  das  Herz  durch  zahlreiche  klinische  Beobachtungen 
festgestellt  und  in  neuerer  Zeit  wieder  von  besonderem  Interesse  geworden 
durch  das  immer  größere  Ausbreitung  gewinnende  Radfahren,  durch 
die  bei  der  Uebertreibung  dieser  an  sich  zweckmäßigen  Hebung  zur 
Beobachtung  gelangenden  Herzaffektionen  und  selbst  plötzlichen 
Herzparalysen  infolge  des  übermäßig  gesteigerten  Blutdruckes*). 
Wenn  auch  in  der  Krankenpflege  durch  Muskelthätigkeit  allein  nur 
selten  derartig  starke  Einwirkungen  vorkommen  können,  so  ist  doch 
auch  hier  wiederum  zu  beachten,  einmal,  daß  eben,  wie  schon  viel- 
fach erwähnt,  in  der  Therapie  die  kleinen  Ursachen  mit  ihren  kleinen 
Wirkungen  sich  zu  großen  Effekten  summieren,  besonders  aber,  daß 
hier  wie  immer  im  Leben  alles  relativ  ist,  daß  für  ein  geschwächtes, 
vielleicht  gar  schon  der  Gefahr  des  Versagens  nahe  gerücktes  Herz 
eine  objektiv  selbst  so  geringfügige  Rückwirkung,  wie  sie  aus  dem 
Aufheben  eines  Geschirrs  vom  Fußboden  zum  Bette  oder  aus  dem 
selbstthätigen  Aufrichten  oder  Aufstehen  des  Patienten  sich  ergiebt, 
zur  schlimmsten  Katastrophe  werden  kann,  ein  Vorgang,  der  klinisch 
gar  nicht  so  selten  zur  Beobachtung  gelangt.  Jedenfalls  also  wirken, 
in  wie  verschiedener  Intensität  auch  immer  Konsequenzen  sich  daran 
knüpfen  mögen,  alle  diese  Heilmittel  durch  Vermeidung  einer 
Erhöhung  des  Blutdruckes  als  Herztonica. 

Insbesondere  kommt  hier  als  Heilmittel  derart  die  eventuelle  Anordnung  voll- 
ständiger Bettruhe  in  Betracht;  wenn  die  jedesmalige  Muskelarbeit,  welche  beim 
Erheben  aus  dem  Bette  vom  Kranken  geleistet  wird,  oder  beim  teilweisen  Ankleiden, 
beim  Hinübergehen  vom  Bett  zum  Lehnstuhl   oder  zu  sonstigem  Euhelager,  bei  der 

*)  MAETrtf  MEmjEi^soHS,  Der  Einfluß  des  Eadf ahrens  auf  den  menschlichen 
Organismus.     Berlin  1896. 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


329 


freien  Ausübung  aller  der  Bethätigungen ,  welche  ein  zeitweiliger  Aufenthalt  außer 
Bett  einem  Kranken  ermöglicht ,  und  bei  allen  den  anderen  Vornahmen ,  wie  sie 
hier  leichter  und  häufiger  zu  geschehen  pflegen  als  im  Bette,  —  wenn  die  jedesmalige 
Muskelarbeit  auch  im  einzelnen  immer  nur  eine  geringe  ist,  insgesamt  ist  sie  ganz 
erheblich  und  die  öummation  ihrer  Rückwirkung  auf  das  Herz  fällt  unter  Umständen 
ganz  beträchtlich  ins  Gewicht.  Die  Ausschaltung  aller  dieser  Thätigkeit  erleichtert 
ihm  daher  seine  unerläßliche  imd  ohne  jede  Unterbrechung  notwendige  Aufgabe 
derart,  daß  sie  als  ein  direktes  Herztonicum  anzusehen  ist. 

Gleichermaßen  wirken  alle  die  Heilmittel,  welche  solchen  Effekt 
hervorrufen,  nun  noch  in  einem  weiteren  Zusammenhange.  Wenn  die 
somatischen  und  die  übrigen  hierher  gehörigen  Heilmittel  der  Kranken- 
pflege hauptsächlich  i  h  r  e  W  i  r  k  s  a  m  k  e  i  t  d  u  r  c  h  d  i  e  V  e  r  m  e  i  d  u  n  g 
unnötiger  Muskelaktionen  ausüben,  so  haben  sie  außerdem 
noch  eine  andersartige  Einwirkung,  von  der  aus  eben- 
falls die  Herzaktion  beeinflußt  wird:  die  auf  die 
Körperhaltung  und  Lage  des  Patienten.  Leider  wissen  wir 
über  diesen  gar  wichtigen  Punkt  durch  exakte  Feststellung  noch 
viel  zu  wenig;  aber  es  ist  eine  vielfache  Beobachtung  des  täglichen 
Lebens,  daß  die  einzelnen  Individuen  in  der  Bettlage  mit  Vorhebe 
eine  bestimmte  Art  der  Lagerung  wählen,  in  welche  sie  immer  wieder 
zurückkehren,  wenn  sie  in  eine  andere  Position  geraten  sind,  und 
ohne  die  sie  beispielsweise  häufig,  wie  schon  vorher  erwähnt  werden 
mußte,  nicht  einschlafen  können.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen, 
daß  das  innerhalb  der  Brusthöhle  in  gewissem  Maße  be- 
wegliche und  unsymmetrisch  aufgehängte  Herz  in  der 
Freiheit  seiner  Bewegungen  Verschiedenheiten  der  Be- 
einflussung erfahren  muß  je  nach  der  Lage,  in  welcher 
der  Körper  sich  befindet,  Verschiedenheiten,  die  auch  durch 
das  Verhältnis  anderer  schwerer  Organe  zu  nahe  gelegenen  größeren 
Gefäßstämmen  noch 
schärfer  ausgeprägt  sein 


können,  und  die  in  der 
Gesundheit  häufig  zu 
geringfügig  sind ,  um 
bemerkt  zu  werden,  je- 
doch auch  da  schon  in 
den  mehr  unbewußten 
Gepflogenheiten  der  La- 
gerung ihren  Ausdruck 
finden,  die  in  den  Tagen 
der  Krankheit  aber 
unter  Umständen  we- 
sentlich werden  und, 
wenn  man  sie  vernach- 
lässigt, ungünstige  Piück- 
wirkungen  ausüben  kön- 
nen. 


Bei 


genügender 


Fig.  228.  Fußstütze.  Das  von  Dr.  med.  MENDELSOKN  in  Voi-schlag  gebrachte 
Gerät  ist  zur  Auflagerung  eines  Beines  in  der  Bettlage  bestimmt.  Es  wird  über  das  Fuß- 
ende des  Bettes  fortgestellt;  die  große  Lederfläche,  welclie  zur  Unterlage  für  das  Beiu 
dient,  kann  auf  ein  beliebiges  Niveau  eingestellt  werden.  Das  Gerät  hat  den  A'orteil,  daß 
der  Kranke  unbescliadet  der  fortbestehenden  HocMagerung  des  einen  Beines,  jede  beliebige 
Bettlage  einnehmen  kann,  insbesondere  sich  auch  auf  die  Seite  zu  legen  vermag,  so  daß 
er  eine  viel  größere  Freiheit  der  Bewegungen  hat,  als  mit  andei'sartigen  Hochlagerangs- 
vorriehtungen. 

i8.^ 


330 


M.   MENDELSOHN, 


Beachtung  und  Regelung  lassen  sie  sich  jedoch  dem  Heilplane  unter- 
stützend und  fördernd  einfügen. 

Unter  diesen  die  Körperlage  regelnden  Momenten  nehmen  einen  wesentlichen  Platz 
das  Herabhängen  der  großen  Extremitäten  und  die  Zustände  fehler- 
hafter Lagerungen  überhaupt  ein;  denn  der  Blutdruck  ist  zum  Teil  auch  von 
der  Schwere  abhängig  und  so  liönnen  durch  eine  derartige  fehlerhafte  Lagerung 
Schwierigkeiten  für   das   Herz  geschaffen  werden ,   welche  sich  durch  die  sorgsame 

Verwendung  der  Heilmittel  der 
Krankenpflege  vermeiden  lassen. 
Insbesondere  sind  plötzliche 
Lageveränderungen, vor  allem 
der  schnelle  Uebergang  aus 
der  horizontalen  Position  in 
die  aufrechte,  zu  vermeiden: 
es  kann  dadurch  geradezu  zm-  Syn- 
kope kommen ,  indem  das  Herz  den 
durch  die  Lageveränderung  gegebenen 
neuen  Bedingungen  für  die  Blut- 
bewegung nicht  so  schnell  gewachsen 
ist  und  das  Gehirn  zunächst  nur  un- 
genügend mit  Blut  versorgt,  ein  Zu- 
stand, der  sich  bis  zur  thatsächlichen 
Ohnmacht  steigern  kann. 

Fig.  229.  Fußstütze.  Das  Gerät  ist  für  den  Gebrauch  außer  Bett  bestimmt. 
Die  gepolsterte,  für  die  Aufnahme  der  Füße  bestimmte  Fläche  wird  durch  zwei  entgegen- 
gesetzt gerichtete  Zahnstangen  gestützt,  so  daß  ihre  Verstellung  in  jede  Höhe  und  in  jede 
Neigimg  möglich  ist. 

Noch  andere  Gruppen  von  Heilmitteln  der  Krankenpflege  wirken 
entlastend  auf  das  Herz,  und  zwar  insofern,  als  sie  durch  eine  sorgfältige 
Regelung  und  durch  eine  Einschränkung  der  Flüssigkeits- 
zufuhr das  Gefäßsystem  vor  zu  starker  Anfüllung  be- 
wahren. Wenn  auch  keineswegs  eine  größere  per  os  aufgenommene 
Flüssigkeitsmenge  sofort  und  im  gleichen  Verhältnis  den  Flüssigkeits- 
inhalt des  Blutgefäßsystems  vermehrt,  wenn  auch  keineswegs  die 
Kraftanstrengung  und  die  Anforderungen,  welche  an  die  Leistungs- 
fähigkeit des  Herzens  gestellt  werden,  in  unmittelbarem  Verhältnis 
stehen  zu  der  jeweiligen  FlüssigkeitsanftiUung  des  Gefäßsystems,  so 
vermehrt  ein  großer  Flüssigkeitszufluß  dennoch  den  Blutdruck  und  das 
Herz  wird  so  unnötig  belastet. 

Eine  Einschränkung  der  oft  unmäßig  und  ohne  jede  Kontrolle 
erfolgenden  VV  asseraufnahme  von  selten  Gesunder  wie  Kranker  ist  daher 
geboten,  wenn  sie  auch  nicht  inimer  gleich  in  der  rigorosen  und  systematischen 
Anordnung  der  OERTEL'schen  Kur  vorgenommen  zu  werden  braucht;  und  zwar 
handelt  es  sich  hier  um  die  Beschränkung  jeglicher,  auch  der  harmlosen  Flüssigkeit, 
ganz  abgesehen  von  der  bereits  besprochenen  unmittelbar  die  Herzthätigkeit  an- 
regenden Wirkung  von  Flüssigkeiten,  wie  Alkohol  und  Kaffee.  Denn  schon  die 
mechanische  Entlastung  des  Kreislaufs  wirkt  tonisierend  auf  das  Herz,  indem  sie  die 
Anforderungen  an  seine  Leistungen  mindert. 

Noch  einfacher  in  ihrer  Mechanik  zu  übersehen,  aber  darum  von 
nicht  geringerer  Wirkung  sind  die  mannigfachen  Möglich- 
keiten einer  Entstehung  von  lokaler  Stauung  und  einer 
dadurch  bedingten  stärkeren  Inanspruchnahme  des 
Herzens,  Möglichkeiten,  welche  durch  sorgfältige  Anwendung  der 
verschiedenartigen  Krankenpflegeheilmittel  wesentUch  eingeschränkt  und 
oft   auch   ganz    vermieden    werden    können.     Es    sind    das    alles    rein 


Die  Wirkung  auf  das  Herz. 


331 


mechanische  Behinderungen  für  den  Kreislauf,  deren 
Beseitigung  angestrebt  und  erreicht  werden  kann;  und  zwar  können 
solche  Kompressionen  sowohl  von  außen  her  durch  fremde  Objekte  der 
Umgebung,  insbesondere  durch  Bestandteile  der  Kleidung  und  der 
Lagerung,  hervorgerufen  werden,  als  auch  innerhalb  des  Organismus 
dadurch,  daß  einzelne  Organe  in  besondere  Zustände  geraten,  in 
welchen  sie  auf  die  Blutgefäße  ihrer  Umgebung  eine  mechanische  Be- 
hinderung ausüben. 

Ueber  das  Korsett  und  das  Schnüren  der  Frauen,  wie  über  Kompressionen 
des  Körpers  durch  einschnürende  Kleidung  überhaupt,  ist  eine  außerordent- 
lich reichhaltige  Litteratur  abgefaßt  worden,  so  daß  des  näheren  hier  auf  diesen  Zu- 
sammenhang nicht  eingegangen  zu  werden  braucht.  Doch  ist  es  ohne  weiteres  ver- 
ständhch,  daß  bei  der  starken  Behinderung,  welche  ein  übermäßig  zusammengeschnürtes 
Korsett  auf  den  Kückfluß  des  Blutes  aus  der  Pfortader  und  der  Vena  cava  ausüben 
muß,  die  Herzarbeit  diesen  Widerständen  gegenüber  stärker  in  Anspruch  genommen 
wird.  Aber  auch  andere  Körperpartien  sind  oft  der  gleichen  Einzwängung  unterworfen, 
so  der  Hals  durch  zu  enge  Kragen,  ein  üebelstand ,  der  sich  am  häufigsten  beim 
Militär  an  den  Uniformen  bemerkbar  macht,  und  an  den  unteren  Extremitäten  durch 
die  Strumpfbänder,  die  häufig  sehr  stark  einschnüren  und  bis  jetzt  nur  zum  kleinsten 
Teile  durch  an  der  Außenseite  der  Schenkel  verlaufende  Tragbänder  ersetzt  sind. 
Eine  jede  Maßnahme  der  Krankenpflege,  welche  eine  derartige  Einschnürung  ver- 
hindert, die  ebenso  auch  bei  unzweckmäßiger  Leibwäsche  vorkommen  kann,  eine 
jede  Beseitigung  solcher  einschnürender  Kleidungs-  und  Wäschestücke  übt  demnach 
zu  ihrem  TeUe  einen  tonisierenden  Einfluß  auf  das  Herz  aus,  nicht  immer  einen 
stark  in  die  Augen  fallenden,  wohl  aber  stets  einen  solchen,  daß  er  Beachtung 
verdient. 

Aber  auch  in  der  Bettlage  kommen  Kompressionen  vor;  doch  kann  im  einzelnen, 
bei  der  unendlichen  Mannigfaltigkeit  aller  der  vielen  derartigen  Möglichkeiten,  auf 
sie  hier  nicht  besonders  und  detailliert  eingegangen  werden.  Eine  derartige  Kom- 
pression durch  eine  fehlerhafte  Lagerung  des  Kranken  im  Bette 
kann,  insbesondere  an  den  Extremitäten ,  entweder  dadurch  erfolgen,  daß  sie  auf 
einer  Kante  oder  einer  sonstigen  Hervorragung  aufliegen  und  an  dieser  Stelle  kom- 
primiert werden ,  oder  einem  ähnlichen  Drucke  in  der  Weise  ausgesetzt  sind ,  daß 
sie  im  Schlafe  von  dem  eigenen  Körper  des  Kranken  zusammengedrückt  werden, 
Uebelstände,  denen  die  Heilmittel  der  Krankenpflege,  wenn  sie  ausreichend  ver- 
wendet werden,  durchaus  erfolgreich  begegnen  können.  Die  einzelnen  Maßnahmen 
hierfür  sind  an  anderen  Stellen  des  Werkes  ausgiebig  besprochen. 


Fig.  230.  Reife  ntrage.  Um  den  Druck  der  Bettdecke,  der  sonstigen  Bettstücke 
lind  eventuell  auch  oberhalb  des  Köi-pers  angebrachter  Krankenpllegegeräte  vom  Eumpfe 
oder  den  unteren  Extremitäten  fernzuhalten ,  dienen  metallene  oder  aus  andersartigem 
Material  hergestellte  Bogen,  welche  über  den  Körper  des  Kranken  fort  gestellt  werden  und 
ihn  so  vom  Drucke  der  Bettdecke  entlasten.  Sind  sie  aus  Jletall,  so  müssen  sie  mit  Stoff 
umwickelt  werden,  um  unangenehme  Kälteempfindungen  bei  Berührung  mit  dem  Köi-per 
zu  veiTneiden. 

185 


332  M.    MENDELSOHN, 

Wichtiger  noch,  weil  nicht  ebenso  einfach  abzustellen,  ist  die 
Kompression  von  innen  her  mit  ihrer  dadurch  ent- 
stehenden Belastung  des  Herzens. 

Auch  hier  spielt,  zunächst  wieder  die  Diätetik  insofern  in  die 
Krankenpflege  hinüber,  als  dieHäufigkeit  und  der  Umfang  der 
einzelnen  Mahlzeiten  und  besonders  die  Menge  der 
jedesmal  auf  genommenen  Nähr  ung  Behinderungen  für 
das  Herz  zu  schaffen  vermag,  welche  unter  einer  zweckmäßigen 
Regelung  der  Mahlzeiten  ausbleiben.  Zunächst  stellt  das  Verdauungs- 
geschäft an  sich  schon  erhöhte  und  oft  sehr  weitgehende  Anforderungen 
an  die  Herzthätigkeit ;  wie  eine  jede  gesteigerte  Funktion,  au  welchem 
Punkte  des  menschlichen  Körpers  sie  sich  auch  abspielen  und  welcher 
Art  sie  auch  sein  mag,  eine  entsprechende  Steigerung  der  Herz- 
thätigkeit mit  sich  führt,  so  auch  hier;  und  das  in  erhöhtem  Maße, 
als  durch  den  Afilux  der  Verdauuugssäfte  zu  den  thätigen  Digestions- 
organen nicht  unbeträchtliche  Differenzen  in  der  Blutverteilung  her- 
vorgerufen werden  ^  unter  diesem  Gesichtspunkte  hatte  die  Beeinflussung 
der  Nahrungsaufnahme  durch  die  Krankenpflege  schon  in  der  vorher- 
gehenden Darlegung  ihre  Erwähnung  finden  können.  Hier  aber  ist  es 
besonders  die  mechanische  Konsequenz  einer  allzu  reichlichen  und  allzu 
häufigen  Nahrungsaufnahme,  welche  wirksam  wird;  zunächst  dadurch, 
daß  ein  stark  angefüllter  Magen,  —  und  eine  „starke"  An- 
füllung  ist  auch  hier  wieder  je  nach  der  Individualität  und  besonders 
nach  dem  vorliegenden  Krankheitszustand  unter  Umständen  schon  bei 
relativ  mäßiger  Speisenzufuhr  gegeben,  —  direkt  auf  das  Dia- 
phragma und  damit  auf  das  Herz  drückt  und  so  mechanisch 
seine  Thätigkeit  behindert;  des  weiteren  aber  noch  insofern,  als  mit 
der  Verdauung  Kongestionen  der  Leber  und  der  Milz  einher- 
gehen und  diese  solchermaßen  vergrößerten  Organe  den  Druck  auf  das 
Diaphragma  noch  erhöhen,  ein  Vorgang,  der  desto  intensiver 
in  die  Erscheinung  treten  muß,  je  stärker  die  AnfüUung,  je  ausge- 
sprochener die  Verdauung  und  je  häufiger  die  Wiederholung  derartiger 
Ereignisse  ist. 

Diese  Regelung,  welche  ebenfalls  der  Krankenpflege  möglich  ist 
und  ihr  unterliegt,  ist  also  gleichfalls  ein  Mittel,  das  Herz  in  gewissem 
Sinne  zu  schonen.  Und  gleichermaßen  triift  das  zu  für  noch  anders- 
artige, ebenfalls  somatische  Heilmittel  der  Krankenpflege.  Einmal 
können  diese,  wie  bereits  vorher  erörtert  und  in  der  Folge  auch  noch 
näher  ausgeführt  werden  wird,  dazu  beitragen ,  eine  Entleerung  des 
Darms  herbeizuführen,  das  Zustandekommen  einer  Obstipation  zu  ver- 
hindern. Eine  Anfüllung  des  Darms,  zumal  eine  übermäßig  starke, 
hat  zweierlei  hier  in  Betracht  kommende  Konsequenzen:  einmal  wird 
rein  mechanisch  durch  die  Kotmassen  ein  Druck  auf  die 
Darmgefäße  ausgeübt;  sodann  aber  ist  der  Blutdruck  ge- 
steigert durch  die  Resorption  von  Flüssigkeit  aus  dem 
Darmkanal  und  die  mangelnde  Ausscheidung  solcher  aus  den  Blut- 
gefäßen in  das  Darmlumen  hinein.  Werden  doch  gerade  unter  diesen 
beiden  so  sehr  wichtigen  Indikationen  medikamentöse  Abführmittel  ge- 
geben, einmal  daß  sie  diuretisch  wirken  sollen,  wie  bei  Oedemen,  so- 
dann daß  sie  den  Blutdruck  herabsetzen,  so  bei  Schrumpfniere  und  bei 
Gehirnapoplexie.  So  ist  auch  der  bei  Obstipation  häufig  vorhandene 
hämmernde,  unter  den  einzelnen  Pulsationen  an  Intensität  zunehmende 
Kopfschmerz  ein  Ausdruck  dieser  Ueberfüllung  des  Blutgefäßsystems. 

i86 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  333 

Alle  die  Ausgabe  der  Faeces  fördernden  und  erleichternden  Mittel 
der  Krankenpflege  sind  daher  ebenfalls  unter  dem  Gesichtspunkte  einer 
schonenden  Einwirkung  auf  das  Herz  zu  betrachten,  wie  das  auch 
des  ferneren  für  die  Hilfsmittel  zur  Verhütung  andersartiger  über- 
mäßiger Anfüllung  der  Fall  ist.  Denn  auch  die  übermäßig  gefüllte 
Harnblase  vermag  in  ähnlicher  Weise  zu  wirken,  so  daß  auch  die 
somatische  Beeinflussung  der  Harnentleerung  durch  die  Krankenpflege 
hierher  gehört.  Wenn  die  Harnblase  stark  gefüllt  ist, 
so  steigt  dadurch  der  intraabdominale  Druck,  oft 
in  erheblicher  Weise ;  es  werden  durch  ihn  die  großen  Gefäße, 
arterielle  sowohl  wie  venöse,  beeinflußt  und  zwar  im  Sinne  einer 
Steigerung  des  Blutdruckes,  die  also  durch  geeignete  Anwendung 
der  Krankenpflegemaßnahmen ,  welche  die  Harnentleerung  entweder 
regelmäßig  gestalten  oder  sie  erleichtern  und  ausgiebiger  herbeiführen, 
zu  ihrem  Teile  vermieden  werden  kann.  Wie  groß  dieser  Einfluß  des 
gesteigerten  intraabdominalen  Druckes  auf  den  Blutdruck  sein  kann, 
läßt  sich  in  der  klinischen  Beobachtung  immer  und  immer  wieder  fest- 
stellen ;  so  darf  beispielsweise  bei  Entleerung  der  Bauchhöhle  von 
ascitischer  Flüssigkeit  kein  zu  schneller  Abfluß  stattfinden,  da  die 
plötzliche  Entlastung  infolge  der  schnellen  mit  ihr  verbundenen  Herab- 
setzung des  Blutdruckes  Synkope  herbeiführen  könnte.  Weniger  all- 
gemein bekannt,  aber  dennoch  gar  nicht  so  selten  zur  Beobachtung 
gelangend  ist  der  gleiche  Vorgang  bei  einer  übermäßig  angefüllten  und 
schnell  und  gänzlich  entleerten  Harnblase,  allerdings  nur  bei  Individuen, 
deren  sonstige  Körperökonomie  sie  in  der  Blutversorgung  ihres  Ge- 
hirns schon  an  die  Grenze  des  eben  Notwendigen  hat  gelangen  lassen ; 
wenn  solche  Personen  des  Morgens  schnell  aus  dem  Bette  springen 
und  damii  ein  plötzlicher  Uebergang  in  eine  andere  Körperhaltung, 
dessen  Einfluß  auf  die  Girkulation  schon  erwähnt  wurde,  stattfindet, 
und  wenn  sie  nun  unmittelbar  dabei  ihre  stark  angefüllte  Blase  gänz- 
lich entleeren,  so  stellt  sich  gar  nicht  so  selten  während  des  Aktes 
des  Harnlassens  Schwindelgefüld  und  sogar  auch  Ohnmacht  ein. 

Eine  gleiche  Steigerung  des  intraabdominalen  Druckes 
wird,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  d  u  r  c  h  j  e  d  e  stärkere 
Anspannung  der  Bauch  presse  herbeigeführt.  Auch  das  ist 
wieder  ein  Zusammenhang,  unter  welchem  die  Heilmittel  der  Kranken- 
pflege oft  in  außerordentlicher  Weise  auf  das  Herz  zurückwirken 
können ;  und  es  ist  nicht  zu  viel  gesagt ,  daß  sie  manchmal  sogar 
hier  direkt  von  lebensrettender  Wirkung  sein  können.  Denn  das 
Herz  kann  keine  Pausen  in  seiner  Thätigkeit  machen  und  jede  uner- 
füllbare Anforderung,  die,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  an  dies 
Organ  gestellt  wird,  bringt  es  zum  dauernden  Einstellen  seiner  Thätig- 
keit. Die  stärkste  Anspannung  der  Bauchpresse  pflegt  bei  Kranken 
gewöhnlich  in  dem  Bestreben  herbeigeführt  zu  werden,  eine  Defäkation 
unter  schwierigen  Verhältnissen  vorzunehmen ;  wenn  bei  harten  Kot- 
massen schon  in  der  aufrecht  sitzenden  Position  des  Gesunden  zur 
Erzielung  der  Austreibung  der  Faeces  oft  eine  außerordentlich  beträcht- 
liche Anspannung  der  Bauchpresse  notwendig  wird,  so  ist  das  auch 
unter  sonst  einer  Expulsion  nicht  gerade  übermäßig  ungünstigen  Be- 
dingungen in  bei  weitem  verstärktem  Maße  der  Fall,  wenn  der  bett- 
lägerige Kranke  in  seiner  horizontalen  Lage  belassen  wird  oder  un- 
zweckmäßige Geräte  an  ihm  zur  Verwendung  kommen;  Verhältnisse, 
Avelche  bei  der  Besprechung  der   die  Stuhlentleerung  fördernden  Heil- 

i8; 


334 


M.    MENDELSOHN, 


mittel  der  Krankenpflege  eingehendere  Erörterung  finden  müssen. 
Es  wäre  durchaus  fehlerhaft,  diese  Steigerung  des  intraabdominalen 
Druckes,  weil  sie  nur  eine  momentane  und  vorübergehende  ist,  für 
gering  zu  achten  ;  abgesehen  von  aller  therapeutischen  Erwägung  mahnt 
bereits  der  gar  nicht  so  seltene  Vorgang,  daß  Herzkranke  und  Personen 
mit  anderen  Leiden,  in  welchen  eine  Erhöhung  des  Blutdruckes  ver- 
hängnisvoll werden  kann,  plötzlich  während  der  Defäkation  den  Exitus 
erleiden,  zur  sorgfältigen  Beachtung  der.  hier  notwendigen  Maßnahmen, 
die  von  solchem  Gesichtspunkte  aus  ebenfalls  zu  den  unter  Um- 
ständen unmittelbar  lebensrettenden  Heilmitteln  gezählt  werden  können. 

Diese  Heilmittel  der  Krankenpflege,   welche  'die  Defäkation  erleichtern, 
sind    darum   gleichzeitig    auch    wesentliche   Tonica    für    das    Herz;    ihnen 

gesellen  sich  die  anderen 
Krankenpflegeheilmittel 
hinzu,  welche  für  die 
Unterstützung  der 
Expektoration  und 
der  NahruDgs-  und 
Flüssigkeits  -  Aufnahme 
zur  Verfügung  sind, 
Mittel  ebenfalls  wieder 
sowohl  somatischer  als 
materieller  Art,  deren 
ähnlich  gerichtete  Ein- 
wirkung insofern  hier  in 
Betracht  kommt,  als  sie 
ein  fehlerhaftes  Schlu- 
cken und  damit  das 
Eintreten  von  reflek- 
torischen Hustenstößen 
mit  ihrer  Inanspruch- 
nahme der  Bauchpresse 
verhüten,  oder  dort,  wo 
der  Hustenakt  bei  der 
Expektoration  unver- 
meidlich ist,  ihn  wenig- 
stens nach  Möglichkeit 
einschränken  und  er- 
leichtern. Auch  alle  die 
Heilmittel  der  Kranken- 
pflege, welche  Erbre- 
chen verhüten  kön- 
nen, den  komplizierten 
Keflexakt,  bei  welchem 
die  Bauchpresse  ganz 
besonders  stark  in 
Thätigkeit  tritt  und 
wobei  der  Blutdruck 
außerordentHch  hoch 
ansteigt,  haben  dieselbe 

Fig.  232.     Verstellbare  Rückenlehne.  Schonende     und     toni- 

Fig.  231,  232.  Die  von  Dr.  med.  BKADT  angegebene  Rückenlehne  hat  vor  anderen 
derartigen  verstellbaren  Geräten  den  Vorzug  voraus,  daß  sie  auch  von  dem  Patienten 
selber,  während  er  darauf  ruht,  in  verschiedene  Neigungen  gebracht  werden  kann,  sowie 
dai3  dies  Verstellen  durch  die  am  Geräte  angebrachte  mechanische  Vorrichtung  ganz 
gleichmäßig  und  langsam ,  unier  gänzlicher  Schonung  des  nihenden  Patienten  geschieht. 
Für  die  Verstellung  der  Lehne  durch  den  Kranken  selber  kommen  diejenigen  Geräte  zur 


Die  Wirkung  auf  das  Herz.  ß35 

"Verwendung,  an  denen  der  Handgriff  der  Schraubenvorriclitung  an  der  vorderen  Kante 
angebracht  ist  (Fig.  231);  für  Bedienung  durch  dritte  Personen  ist  der  Handgriff  seitlich 
oder  hinten  befestigt  (Fig.  232).  Beidemale  geschieht  das  Heben  oder  Senken  der  Rücken- 
fläche dadurch,  daß  mittels  einer  Schraube  ohne  Ende  und  eventuell  mittels  üebertragung 
durch  eine  ebensolche  Kette  die  beiderseitigen  Fußpunkte  der  Stützen  für  die  Rücken- 
fläche der  vorderen  Kante  des  Gerätes  angenähert  oder  von  ihr  entfernt  werden. 

sierende  Wirkung  auf  das  Herz  und  können  darum  elienfalls  als  Herz-Tonica  von 
nicht  unbeträchtlicher  Wirksamkeit  angesehen  werden.  Alle  diese  Heilmittel  sind 
in  den  betreffenden  Kapiteln  des  näheren  erörtert. 

Auch  die  e i g e u e  K r  a f t  u n d  d i e  L e  i s  t u n  g s f ä lii g  k e i t  des 
Herzmuskels  selber  kann  durch  die  Heilmittel  der  Kraukenpflege 
eine  Förderung  erfahren,  allerdings  nur  allmählich,  allerdings  nur  im 
Gegensatze  zu  allen  den  bisher  erwähnten  Mitteln,  deren  Wesen  die 
Schonung  ist,  hier  nun  gerade  umgekehrt  durch  systematische  üebung. 
durch  ein  kompensatorisches  Anpassen  an  allmählich  steigende  und 
unter  großer  Vorsicht  und  Kontrolle  bewußt  herbeigeführte,  immer 
stärker  werdende  Widerstände.  Es  ist  bereits  gesagt  worden ,  daß 
diese  Art  der  Einwirkung  mehr  als  eine  prophylaktische  zu  bezeichnen 
ist.  Auf  die  Methoden ,  nach  welchen  eine  solche  Uebung  und 
Kräftigung  des  Herzmuskels  zu  erfolgen  hat.  ist  hier  einzugehen  nicht 
am  Platze;  es  gehört  das  zur  speciellen  Besprechung  der  Therapie 
der  Kreislaufstörungen.  Aber  im  Interesse  des  Zusammenhanges  und 
der  Würdigung  der  hypurgischen  Heilmittel  muß  auch  hier  darauf  hin- 
gewiesen werden,  daß  selbst  für  diese  Teilaktion  der  Einwirkung  auf 
das  Herz  Heilmittel  der  Krankenpflege  zur  Verfügung  und  wirksam 
sind.  Das  ist  ganz  besonders  aus  dem  therapeutischen  Grundsatze 
her  der  Fall,  daß  die  Einwirkungen  von  Heilmitteln  auf  einzelne  Organe, 
wie  eigenartig  und,  wenn  man  es  so  nennen  will,  specitisch  der  Zusammen- 
hang zwischen  dem  Mittel  und  dem  betreffenden  Organe,  zwischen 
Ursache  und  Wirkung  auch  sein  mag,  keinesfalls  allein  oder  vorwiegend 
nur  bei  den  unmittelbaren  Erkrankungen  dieses  Organs  selbst,  nur  etwa 
bei  seinen  eigenen  lokalen  Atfektionen  in  Anspruch  und  in  Verwendung 
gezogen  werden,  was  eine  „specifische  Therapie"  wäre,  wie  sie  nicht 
sein  soll.  So  sind  auch  die  Krankenpflegeheilmittel,  welche  eine  be- 
sondere Funktion  zu  beeinflussen  vermögen,  nicht  etwa  nur  in  An- 
wendung zu  ziehen,  wo  die  vorhegende  Affektion  in  einer  Störung  gerade 
dieser  Funktion  besteht ;  als  ob  etwa  die  hypurgischen  Einwirkungen 
auf  das  Herz  und  die  Cirkulation,  welche  möglich  sind .  nur  anwendbar 
wären  als  Einwirkungen  auf  ein  krankes  Herz,  als  Einwirkungen  auf 
eine  gestörte  Cirkulation.  Es  giebt  keine  lokal  begrenzten  Störungen 
in  der  menschlichen  Pathologie;  und  es  giebt  keine  Therapie,  welche 
die  Abstellung  einer  Störung  nur  an  dem  vornehmlich  in  Mitleiden- 
schaft gezogenen  Organe  anfassen  dürfte.  Sie  muß  vielmehr  überall 
da  einsetzen,  wo  irgend  eine  Beeinflussung  überhaupt  möglich  ist. 
die,  wenn  auch  erst  durch  eine  ganze  Kette  von  Folge  Wirkungen, 
schließlich  dann  an  dem  sogenannten  Locus  aflfectus  dennoch  einen 
merklichen  Effekt  herbeiführt.  So  können  auch  die  Heilmittel  der 
Krankenpflege,  welche  auf  das  Herz  tonisierend  wirken,  bei  vielfachen 
und  verschiedenartigen  Aft'ektionen  in  Anwendung  gezogen  werden, 
und  nicht  etwa  nur  bei  Erkrankungen  des  Herzens.  Allerdings  sind 
bei  diesen  so  komplizierten  Verhältnissen  noch  zahlreiche  andere  Be- 
dingungen da,  welche  Berücksichtigung  erfordern  und  eigene  und 
specielle  Maßnahmen  nötig  machen;  aber  sie  alle  können  der  Mit- 
wirkung der  hypurgischen  Heilmittel  nicht  entraten. 


336  M.   MENDELSOHN, 


KAPITEL  VIII. 
Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 

Auf  die  Stuhlentleer iiDg  nehmen  die  Heilmittel  der  Krankenpflege 
einen  wesentlichen  Einfluß.  Auch  die  Funktion  der  Fortschaffung  der 
unausgenutzt  bleibenden  Nahrungsstoffe  aus  dem  Darmkanal  setzt 
sich  aus  mehreren  Teilaktionen  zusammen,  welche  eine  jede  für  sich 
therapeutisch  angeregt  werden  können.  Diese  Fortschaffung  der  Faeces 
kann  in  ausreichendem  Maße  nur  dann  geschehen,  wenn  auch  sie 
wiederum  einmal  selber  in  demjenigen  Zustande  einer  bestimmten 
Konsistenz  sind,  welche  ein  möglichst  ungehindertes 
Passieren  durch  den  Darmkanal  begünstigt  und  vor  allem 
auch  die  letzte  Austreibung  an  der  engen  Pforte  des  Anus  ungehindert 
vor  sich  gehen  läßt;  sodann,  wenn  die  den  Transport  von  oben  nach 
unten  hin  besorgende  mechanische  Kraft  des  Darms  eine  zu- 
längliche ist;  und  schließlich  —  und  nicht  minder  wichtig  als 
diese  beiden  Teilaktionen  —  wenn  die  der  eigentlichen 
Expulsion  der  Faeces  dienenden  Kräfte  ausreichend 
in  Thätigkeit  treten  können  und  in  zweckmäßiger  und  er- 
schöpfender Weise  auf  das  zu  bewegende  Objekt  einwirken.  Eine  jede 
dieser  Teilaktionen  ist,  so  sehr  auch  hier  wieder  medikamentöse  Be- 
einflussungen beliebt  und  in  allererster  Verwendung  sind,  der  Ein- 
wirkung auch  der  Heihnittel  der  Hypurgie  zugänglich,  allerdings  in 
sehr  verschiedenem  Maße;  die  dritte  Teilaktion,  die  eigentliche  Expulsion 
der  Faeces  jedoch  dergestalt,  daß  sie  ganz  ausschließlich  und  allein 
Domäne  der  h5'purgischen  Therapie  ist  und  durch  kein  andersartiges 
Heilmittel  günstig  gestaltet  werden  kann. 

Die  Voraussetzung  für  ein  ungehindertes  Passieren  der  Faeces  durch 
den  Darmkanal  ist,  daß  ihre  Konsistenz,  daß  der  Festigkeitszustand 
des  in  ihm  eingeschlossenen  und  durch  ihn  zu  bewegenden  Inhaltes 
kein  allzu  großer  sei,  daß  die  Faeces  nicht  harte  Massen  darstellen, 
welche  der  Fortbewegung  durch  die  peristaltische  Aktion  der  Darm- 
muskulatur sich  widersetzen.  Der  Grad  dieser  Konsistenz  der 
Faeces  aber  hängt  von  der  Bilanz  zweier  sich  ergänzenden  Faktoren 
ab:  von  der  Resorption  von  Flüssigkeit  aus  dem  Darminhalt  und  von 
der  Verflüssigung,  welche  umgekehrt  der  Darminhalt  durch  die  Se- 
kretion von  der  Schleimhaut  aus  erfährt.  Auf  diese  Teilaktion,  für 
welche  gerade  medikamentöse  Heilmittel  in  wirksamster  Weise  zur 
Verfügung  stehen,  größeren  Einfluß  zu  nehmen,  sind  die  Heilmittel 
der  Hypurgie  nicht  in  der  Lage.  Allerdings  geht  mit  jeder  Anregung 
der  Darmthätigkeit  überhaupt,  wie  sie  durch  hj'purgische  Heilmittel 
möglich  ist  und  wie  sie  sogleich  besprochen  werden  soll,  eine  Erhöhung 
auch  dieser  beiden  Momente  gleichzeitig  einher;  im  wesentlichen  jedoch 
erstreckt  sich  diese  Hebung  der  Darmthätigkeit   allein  auf  die  mecha- 


nische Seite  der  Funktion  und  die  Hauptförderung  erfährt  dabei  die 
andere  Teilaktion:  die  Verstärkung  der  peristaltisch  ablaufenden 
Muskelthätigkeit  des  Darmkanals.  Immerhin  ist  es  zulässig,  wenn  auch 
nur  in  den  unteren  Darmabschnitten,  die  direkte  und  unmittel- 
bar  eVe  r  fl  ü  ssi  gangdesDarm  Inhalt  es  du  rchEinläufe  und 

190 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung, 


337 


Eingießungen  von  Flüssigkeit  in  den  Mastdarm  zu  den 
Bethätigungen  der  Krankenpflege  zu  rechnen ;  die  Klysmata  sind  in 
der  That  ein  weitverbreitetes  und  auch  ohne  ärztliche  Anordnung 
vielfach  ohne  weiteres  zur  Herbeiführung  von  Stuhlentleerung  ange- 
wandtes mechanisches  Heilmittel  der  Hypurgie. 

Ueber  die  zu  solchen  Eingießungen  heute  fast  ausschließlich  nur  noch  ver- 
wendeten Irrigatoren  ist  bereits  bei  der  Einflußnahme  auf  die  Körperreinigung 
gesprochen  worden.  Diese  Irrigatoren  stehen  in  so  reichlicher  Form  und  Zahl  in 
der  Kranlvenpflege  zur  Verfügung,  daß  eine  vollständige  bildliche  Wiedergabe  der 
einzelnen  Formen  unmöglich  ist. 


Fiff.  233.  Irris'ator. 


Fiff.  234.     Irrigator. 


Fig.  235.     Irrigator. 


Fig.  231).     Irrigator. 


Fig.  237.     Irrigator. 


iqi 


338 


M.    MENDELSOHN, 


Fig.  238.     Irrigator. 


I'i'j.    J  ■'.!.      I  1  ri'.;  :i  luv. 


Fig.  240.     Irrigator. 


Fig.   241.     Irrigator. 


Fig.  233 — 241.  Die  Irrigatoren,  TOn  denen  außer  zu  ganz  besonderen  Zwecken 
keiner  ohne  Flüssigkeitsskala  vervvendet  werden  sollte,  sind  entweder  nur  an  der  Wand 
hängend  oder  auf  einer  senkrechten  Bahn  gleitend  verwendbar  (Fig.  233 — 235,  287),  oder 
sie  stehen  selbständig  auf  (Fig.  236,  238 — 241).  Bei  allen  Vorzügen  des  Glases,  insbe- 
sondere denen  der  Durchsichtigkeit  und  der  dadurch  ermöglichten  Kontrolle  des  jeweiligen 
Inhaltes  und  der  absoluten  Reinigungsmöglichkeit  (Fig.  235,  236)  und  bei  aller  Haltbar- 
keit und  WohlfeiLheit  der  nur  aus  Metall  (Fig.  238)  oder  aus  Email  (Fig.  241)  ge- 
fertigten Geräte  sind  am  zweckmäßigsten,  weil  alle  Aufgaben  am  leichtesten  erfüllend, 
die  Kombinationen  von  Glas  und  Metall ,  die  Irrigatoren ,  an  denen  das  eigentliche  Be- 
liältnis    aus    Glas    besteht,    das    Stativ    für    dieses,    die    Skala    etc.    dagegen    aus    Metall 


192 


Die^  Wirkung  auf  die  Stuhleutleerung. 


(rig.  239,  240).  Für  die  ambulante  Venvenduug,  aber  nur  für  diese,  sind  ganz  aus  weichem 
Gnmmi  oder  wasserdichtem  Stoff  gefertigte  (Fig.  234),  völlig  zusammenlegbare  Irrigatoren 
zur  Verfügung  (Fig.  233) ;  diese  dürfen  jedoch  wegen  der  Schwierigkeit,  sie  sauber  zu 
halten,  und  der  Unmöglichkeit  einer  Kontrolle  des  jeweiligen  Inhalts  nur  ausnahmsweise 
zur  Anwendung  gelangen.  Das  gleiche  gilt  von  den  ebenfalls  zusammenlegbaren  Behält- 
nissen, welche  in  ihrem  oberen  Teile  aus  Metall,  ihrem  unteren  Teile  aus  Gummi  bestehen 
(Fig.  237)  und  bei  denen  der  ganze  weiche  Teil  einschließlich  des  Schlauches  und  des 
Abflußrohres  von  unten  her  in  den  Jletallteil  eingestülpt  werden  kann,  welcher  oben 
und  unten  je  einen  um  Scharniere  drehbaren  Metalldeckel  trägt,  so  daß  das  Ganze  im 
geschlossenen  Zustande  einer  Dose  ähnlich  ist. 

Eng  m  Beziehung  mit  den  Irrigatoren  stehen  hinsichtlich  der  Art  ihrer  Ver- 
wendung die  Spritzen,  welche  in  der  Krankenpflege  den  gleichen  Zweck  erfüllen: 
Flüssigkeiten  nach  einem  bestimmten  Punkte  der  Körperoberfläche  zu  dirigieren, 
luid  das  ebenfalls  in  abgemessener  Menge  imd  unter  bestimmtem  Drucke,  der  hier 
subjektiv  durch  die  Kraft  des  Ausübenden  bemessen  wird,  während  der  Maßstab,  die 
Skala  für  die  Menge  der  zur  Verwendung  kommenden  Flüssigkeit  hier  nicht  wie  bei 
Irrigatoren  auf  der  äußeren  Glaswand  angebracht  ist,  sondern  an  dem  Stempel  derden 
Spritze,  und  von  diesem  an  seiner  Eintrittsstelle  in  die  hintere  Spritzenwandung  ab- 
gelesen wird.  Diese  Spritzen,  deren  nähere  Beschreibung  unnötig  erscheint  und  die 
in  allen  Größen  und  Ausführungen  zur  Verwendung  kommen,  sind  früher  vielfach 
ganz  und  gar  aus  Glas  hergestellt  worden,  während  jetzt  nur  noch  die  Wandung 
hieraus  zu  bestehen  pflegt,  das  vordere  Ansatzstück  und  der  hintere  Verschluß  da- 
gegen gewöhnhch  aus  Hartgummi  und  der  Stempel  aus  Metall  gearbeitet  sind.  Das 
einzige,  was  bei  ihrer  Verwendung  einer  besonderen  Erwähnung  bedarf,  ist,  daß  der 
Kolben  ebenmäßig  imd  leicht  gleitet  und  dabei  doch  gut  schließt,  also  keine  Flüssig- 
keit hinter  sich  treten  läßt.  Gewöhnhch  sind  die  Spritzenkolben,  wenn  das  Gerät 
längere  Zeit,   zumal   in  warmer  Jahreszeit,  nicht  benutzt  worden  ist,   eingetrocknet, 

so  daß  sie  den  flüssigkeitsdichten  Kontakt 
zwischen  Stempel  und  innerer  Glaswand 
nicht  mehr  aufrecht  erhalten,  ein  üebel- 
stand,  welchem  in  den  letzten  Jahren  eine 
sehr  erhebhche  Anzahl  der  verschieden- 
artigsten   Konstruktionen    von    Spritzen - 


Fig.  242.     Heizbarer  Irrigator. 


Fig.  243.     Heizbarer  Irrigator. 


Fig.  242,  243.  Eine  kleine  Spirituslampe  unter  dem  Gerät  bringt  die  in  diesem 
Platz  findende  Flüssigkeitsmenge  in  kiu'zer  Zeit  auf  eine  ausreichende  Temperatur,  welche 
durch  einen  in  die  Flüssigkeit  tauchenden  Thermometer  kontrolliert  werden  kann.  Das 
dem  von  Dr.  med.  Steauss  konstruierten  Gerät  (Fig.  242)  beigegebene  kleine  Maßgefäß 
ist  für  das  Abmessen  der  zur  Venvendung  kommenden  Spiritusmenge  empirisch  graduiert 
und  an  den  Teilstrichen  seiner  Skala  mit  der  Angabe  der  Temperaturgrade  versehen,  bis 
auf  welche  die  entsprechende  Spiritusmenge  den  Inhalt  des  Irrigators  zu  envärmen  vermag ;. 
natürlich  sind  diese  Angaben  nur  ganz  ungefähre  und  approximative. 

Handbucb  der  spec.  TheriiiJie  iiiii,  Kr.inkh.    Suppl.  I.    Heft  3.  23 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  i^J  lo 


340 


M.    MENDELSOHN. 


stempeln  abzuhelfen  sich  bemüht  hat,   die  alle  im  wesentlichen  darauf  hinauslaufen, 
daß  durch  eine  Schi-aubenvorrichtung  der  Stempel  reguliert,  daß  er  enger  oder  weiter 

gestellt  werden  kann.  Trotz  aller  dieser  Neuerungen 
sind  jedoch  immer  noch  die  mit  Le<leriimhiillung  ver- 
sehenen Spritzenstempel  bei  weitem  am  meisten  im 
Gebrauch  und  in  Anwendung.  Sind  diese  durch  Ein- 
trocknung undicht  geworden,  so  muß  der  Stempel  aus 
der  Spritze  herausgezogen  und  in  Flüssigkeit  getaucht 
werden ,  und  zwar  genügt  nicht  das  einfache  Ein- 
tauchen ,  sondern  gleichzeitig  muß  der  Lederbelag, 
welcher  nur  in  der  Mitte  des  Kolbens  rundherum  fest 
angeheftet  ist,  an  dessen  vorderem  Ende  sowohl .  wie 
am  hinteren  von  der  Unterlage  abgespreizt  und  damit 
solchermaßen  in  seiner  äußeren  Circumferenz  erweitert 
werden,  daß  er  nun  beim  Wiedereinführen  überall  der 
Glaswand  anliegt.  Oft  genügt  es  auch,  allein  die  nach 
hinten  gekehrte  Hälfte  des  Lederbelages  derartig  auf- 
zuspreizen,  um  den  Kolben  wieder  dicht  zu  gestalten, 

Fig.  244.  Schlauch-Leitung.  Eine  winkelig  gebogene  Bohre  liegt  auf  einem 
kleinen  Träger  auf,  dessen  unteres,  mit  Klammern  versehenes  Ende  sich  federnd  über  den 
Rand  eines  jeden  beliebigen  Gefäßes  aufsetzen  läßt.  Versieht  man  die  beiden  freien  Enden 
des  Winkelrohres  mit  je  einem  kürzeren  und  längeren  Schlauch ,  so  läßt  sich  das  Ganze 
an  jedem  Gefäß  als  improvisierte  Irrigatorvorrichtung  verwenden.  Allerdings  ist  ein 
erstmaliges  Ansaugen  der  Flüssigkeit,  um  die  Heberwirkung  herzustellen,  von  nöten. 

was  dann  den  Vorteil  hat 
daß  die  Wiedereinführung  des 
Stempels  in  die  Spritze  er- 
heblich leichter  gelingt,  als 
wenn  auch  der  nach  vorn 
gekehrte  Lederteü  ausein- 
andergedehnt worden  ist. 

Daß  der  Stempel  der  Spritze 
gut  und  glatt  gleitet,  hat  nicht 
bloß  für  ein  jedes  ManipuUeren 
mit  Spritzen ,  für  die  Be- 
urteilung des  Widerstandes,  unter  welchem  hierbei  die  Flüssigkeit  einläuft,  für  die 
o-anze  Handhabung  überhaupt  seine  Bedeutung,  sondern  ganz  besonders  überall 
'^  dort,    wo  mit   Hilfe  einer  Spritze,   was 

allerdings  heute  bereits  ungewöhnlich  ge- 
worden, aber  doch  immerhin  noch  ge- 
schieht, Flüssigkeiten  unmittel- 
bar in  Körperöffnungen  einge- 
führt werden  sollen.  Handelt  es  sich 
darum,  ein  Klysma  mittelst  der  Spritze 
zu  verabfolgen,  wozu  früher  derartige 
„Ellystierspritzen"  ausschheßlich  dienten, 
so  kann  leicht  bei  der  Notwendigkeit, 
hierbei  einen  stärkeren  Druck  auszuüben, 
wie  sie  sich  aus  einem  übermäßigen 
Widerstände  durch  einen  schlecht  gehen- 
den Kolben  ergiebt,  der  stark  angewandte 
Druck  nicht  fdlein  nur  zwischen  Kolben 
und  Spritze  wirksam  werden,  sondern  das 
ganze  Instrument  betreffen  und  dieses 
gewaltsam  in  das  Körperinnere  hinein- 
drängen, so  daß  es  im  Eectum  mit  seiner 
harten  Spitze  Verletzungen  von  oft  er- 
Fi".  246.     Clvsopomp.  heblicher  Bedeutung  schaffen  kann.     Es 


Fig.  245.     Clvsopomp. 


194 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 


341 


ist  daher  notwendig,  daß  überall  da,  wo  solche  Manipulationen  unmittelbar  mit  einer 
Spritze  vorgenommen  werden,  zwischen  dem  harten  peripheren  Ausflußstücke  der 
Spritze,  welches  zur  Ein- 
führung in  den  Körper  ge- 
langt:, und  der  Spitze  selber 
■ein  kurzes  Verbindungsstück 
aus  weichem  Gmumischlauche 
eingeschaltet  wird ,  welches 
verhütet,  daß  ein  zu  starker, 
auf  das  Gerät  ausgeübter 
Druck  sieh  bis  auf  die  vordere, 
in  den  Körper  eingebrachte 
■Spitze  überträgt. 

Für  die  Anregung  der 
eigentlichen  motorischen 
Darmthätigkeit  selber,  im 
"wesentlichen  also  f  ü  r 
eine  Erhöhung  der 
Peristaltik,  stehen 
der  Krankenpflege 
erheblichere  Heil- 
mittel    zu     Gebote. 


Fig.  247.     Clysopomp. 


Fig.  245,  246,  247.  Die  jetzt  obsoleten  Geräte,  welche  zur  Einbringung  von  Flüssig- 
keit in  den  Mastdann  dienen,  sind  zum  Teil  einfache  Ballonpumpen  aus  Gummi  (Fig.  245) ; 
das  eine  Ende  wird  in  den  Anus  eingefügt,  das  andere  taucht  in  das  Gefäß  mit  Flüssig- 
keit; geeignete  Ventile  veranlassen,  daß  beim  Zusammendrücken  des  Gummiballes 
Flüssigkeit  aus  der  Schüssel  angesogen  und  in  den  Mastdarm  gespritzt  wird.  In  anderen 
derartigen  Geräten  geschieht  das  Gleiche  durch  ein  direktes  Pumpen  (Fig.  247);  das  unten 
offene  Behältnis  wird  in  die  Flüssigkeit  hineingestellt  und  diese  durch  Pumpbewegungen 
fortgeleitet.  Selbstthätiger  aber  weniger  einfach  sind  die  Clysopompe ,  welche  durch 
Federkraft  den  Austritt  der  Flüssigkeit  herbeiführen  (Fig.  246);  in  dem  völlig  ge- 
schlossenen eylindrischen  Metallgefäß  gleitet  ein  Stempel,  der  wie  der  Kolben  einer  Spritze 
völlig  hermetisch  schließt.  Dieser  Stempel  wird  durch  eine  starke  Feder  nach  dem  Boden 
des  Behältnisses  gedrückt;  zieht  man  ihn  entgegen  dieser  Federkraft  mit  Hilfe  eines 
Zahnrades  und  einer  Zahnstange  nach  oben  hinauf  und  setzt  dabei  das  Gerät  in  die  ein- 
zuspritzende Flüssigkeit  hinein,  nachdem  der  Hahn  der  unten  befindlichen  Ausflußöffnung 
geöffnet  worden  ist,  so  wird  der  Innenraum  durch  Ansaugen  mit  Flüssigkeit  erfüllt;  ein 
Schließen  des  Hahnes  läßt  das  Ganze  in  der  betreffenden  Situation  feststehen,  da  die 
Flüssigkeit  nun  allseitig  abgeschlossen  ist.  Nach  dem  Anfügen  des  Ansatzschlauches  und 
seiner  Einführung  in  den  Mastdarm  genügt  ein  Oeffnen  des  Hahnes,  um  selbstthätig  die 
Flüssigkeit  ausspritzen  zu  lassen.  Alle  die  Geräte  werden  jetzt  durch  die  einfachen  Irri- 
gatoren ersetzt. 


Auch   hier   ist   wieder   eine    zweifache   Art    der   Einwirkung   möglich, 


welche 
kulatur 


sich 

ist, 


aus   der   Besonderheit   ergiebt,    daß    es    wiederum    Mus- 


bei  dem  Funktionieren 
daß    daher    wiederum 
Muskelthätigkeit    ganz 
kommenden    Funktion 
eben   die  für 


welche  die    in    Rede    stehende   Aktion    besorgt,   wie 


das 
und 


ausgelösten 


des  Herzens  ausführlicher  besprochen  ist, 
die    Intensität    der    reflektorisch 
und    gar    den    Grad    der    gesamten    zustande 
überhaupt   bestimmt.     Da   das   Muskelgewebe 

Besonderheit 


eine  therapeutische  Einwirkung  treffliche 

Uebung 


besitzt,  durch  systematisch  gesteigerte  Uebung  und  Thätigkeit  sich 
selber  zu  kräftigen  und  so  allmählich  zu  größerer  Leistungsfähigkeit 
zu  gelangen,  so  können  auch  hier  wieder  die  Heilmittel  der  Kranken- 
pflege insofern  wirksam  sein,  als  sie  einmal  direkt  und  unmittelbar 
eine  einzelne  Aktion  in  der  Darmmuscularis  auslösen 
oder  eine  Steigerung  dieser :  oder  aber 


195 


sie  durch  allmähliche  Einwirkung 
23* 

13* 


342 


M.   MENDELSOHN, 


Erkenntnis  noch  so  gut  wie  ganz  verschlossen 
wiederkehrende  Erfahrung, 


zu  e i n  e m  i m  ni  e r  h ö h e r e n  M a ß e  V  0  n  ni ö g  1  i c h e r  Leistungs- 
fähigkeit bringen,  welche  dann  dauernder  Besitz  des  in  seinem 
Funktionieren  gehobenen  Organs  bleibt. 

Wenn  mau  sie,  was  sehr  wohl  angeht,  dii'ekt  als  ein  Heilmittel 
bezeichnen  will,  so  spielt  eine  wesentliche  Rolle  unter  diesen  Heil- 
mitteln, welche  den  Ablauf  der  motorischen  Thätigkeit 
des  Darms  unterstützen,  die  Regelmäßigkeit  in  der  Vor- 
nah m  e  d  e  r  F  u  n  k  t  i  0  n  d  e  r  St  u  h  1  e  n  1 1  e  e  r  u  n  g.  In  welcher  Weise 
alle  diese  feinen  Zusammenhänge  sich  thatsächlich  gestalten,  ist  unserer 
'  aber  es  lehrt  die  immer 

daß  eine  Reihe  von  unbewußt  und  auto- 
matisch vor  sich  gehenden  Thätigkeiten  des  menschlichen 
Organismus  in  einem  regelmäßigen  Turnus  einen 
höchsten  Punkt  ihrer  Auslösbarkeit  erreichen; 
und  nierzu  gehört  in  allererster  Linie  die  Defäkation,  oder  vielmehr 
die  gerade  hier  in  Rede  stehende  Teilaktion  dieser  Gesamtfunktion: 
der  Ablauf  der,  Peristaltik  des  Darms.  Es  giebt  eine  ganze  Anzahl 
von  Personen,  die,  wenn  sie  mit  großer  Sorgfalt  und  Regelmäßigkeit 
täglich  zur  gleichen  Stunde  ihre  Defäkation  vornehmen,  einen  durchaus, 
geregelten,  ausreichenden  und  sogar  reichlichen  Stuhl  produzieren,  die 
jedoch  sofort,  wenn  sie  aus  äußeren  L^rsachen  diese  Regelmäßigkeit 
haben  unterbrechen  müssen,  in  Schwierigkeiten  gelangen,  obstipiert 
werden,  und  erst  nach  geraumer  Zeit,  meist  nicht  ohne  eine  dazwischen- 
tretende notwendige  Unterstützung  durch  medikamentöse  Beeinflussung^ 
wieder  auf  den  alten  Stand  zurückgelangen.  Bei  dem  anscheinend 
so  einfachen  Ablauf  der  motorischen  Leistung  des  Darmes  wirken  eben 
eine  Unzahl  der  verschiedenartigsten  Faktoren  mit,  Reize  und  Impulse,^ 
deren  jeder  einzelne  nur  von  geringfügiger  Art  und  von  mäßiger 
Rückwirkung  auf  den  Darm  ist,  die  in  ilirer  Gesamtheit  jedoch  sich 
wiederum  zu  sehr  wesentlicher  Einwirkung  summieren. 

So  kommt  es  vor,  daß  manclie  Personen  lediglich  durch,  einen  Ortswechsel, 
andere  wieder  durch  eine  veränderte  Art  von  Thätigkeit  oder  durch  ander- 
weitige psychische  und  körperliche  Faktoren  wesentliche  Veränderungen  in  dieser 
Funktion  nach  der  günstigen  oder  nachteiligen  Seite  hin  erfahren.  Alle  diese  Momente 
sind  in  ihrer  direkten  und  unmittelbaren  Einwirkung 
noch   zu   wenig   bekannt, 


um    Gegenstand    bewußter 


Fig.  248. 

Fig.  248.  Mastdarmkissen.  Derartige  ilastdaimkissen  sind  für  Häioorrhoidarier 
bestimmt.  Das  ziemlich  hart  gepolsteite  Gummikissen  übt  einen  regulierbaren,  äußeren 
Dnick    auf    den  Anus  aus,  der  angenehm  empfunden   wird. 

Fig.  249.  ilastdarmkühler.  Der  kleine,  nach  Art  eines  Suspensorivmis  auf- 
gehängte und  am  Damm  zu  befestigende  Gummibeutel  wird  mit  kühlem  Wasser  gefüllt 
nnd  mittels  der  Tragebänder  fest  gegen  den  Damm  angelegt. 


196 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung.  343 

therapeutischer  Anwendung  zu  sein,  höchstens  daß  man  die  in  der  direkten  Be- 
handlung der  Obstipation  gemachten  Erfahrungen  teilweise  auf  die  Krankenpflege 
übertragen  kann ,  daß  eine  Einwirkung  auf  die  Gesamtkonstitution  bestimmter 
Persönlichkeiten,  auch  ohne  daß  eine  unmittelbare  Beeinflussung  des  Darmes  statt- 
findet, gleichzeitig  von  emer  Regelung  der  Darmthätigkeit  gefolgt  ist:  daß  sehr 
irritable  Personen,  daß  anämische  und  nervöse  Individuen  durch  Kräftigung  und 
Abhärtung,  daß  umgekehrt  Fettleibige  und  sehr  Kräftige  durch  eine  vorsichtig 
eingeleitete  Entziehungskur  zu  der  vorher  vermißten  Eegehnäßigkeit  ihrer  Stuhl- 
Entleerung  gelangen.  Es  würden  daher  in  diesem  Sinne  eine  Anzahl  von  Heilmitteln 
der  Hypurgie  bei  entsprechender  Anwendung  auch  auf  die  Defäkation  zurück- 
zuwirken vermögen;  von  den  Heilmitteln,  welche  in  diesem  Sinne  wirken,  ist  jedoch 
das  am  einfachsten  anzuwendende  und  in  seinem  Zusammenhange  am  deutlichsten 
zu  übersehende  die  Eegelmäßiigkeit  in  der  Vornahme  der  Stuhlent- 
leerung, die  Gewöhnung  an  einen  Ablauf  der  Fimktion  in  zeitlich  regelmäßig 
wiederkehrenden  Intervallen. 

Sodann  kann  und  zwar  noch  wirksamer  als  durch  die  eben  er- 
örterten Maßnahmen,  die  Darmperistaltik  angeregt  werden 
durch  unmittelbar  auf  sie  einwirkende,  reflektorisch 
übermittelte  Reize,  die  von  mannigfachen  Körperstellen  ausgehen 
können,  am  häufigsten  jedoch  entweder  von  der  Darmsclileimhaut  selber, 
also  von  innen  her,  oder  von  der  Oberfläche  des  Unterleibes,  also  von 
außen  her,  ihren  Ausgangspunkt  nehmen.  Und  wenn  sich  auch  nicht  ver- 
kennen läßt,  daß  diese  Anregung  der  Darmperistaltik  vom  inneren  Lumen 
des  Darms  aus  in  der  Hauptsache  allerdings  Aufgabe  arzneilicher  Ein- 
wirkung ist,  so  wird  sie  doch  auch  in  gar  nicht  unbeträchtlichem 
Maße  durch  die  Art  der  genossenen  Speisen  bedingt,  indem  unverdau- 
liche Bestandteile,  so  die  Cellulose  und  sonstige  Residuen  aus  den 
eingeführten  Nahrungsstoffen ,  einen  Anreiz  für  die  Darmperistaltik 
abgeben,  welcher  einer  leicht  verdaulichen  Kost  nicht  zukommt;  so 
daß  aus  diesem  Zusammenhange  her  grobes  Brot  und  Gemüse  und 
selbst  die  direkte  Einführung  von  ausgesprochen  unverdaulichen  Dingen 
als  ein  oft  ausreichendes  Mittel  zur  Behebung  von  Stuhlverstopfung 
angewandt  wird.  Und  wenn  auch  diese  Einwirkungen  wieder  in  das 
Gebiet  der  Diätetik  gehören,  so  hat  die  lü-ankenpflege  doch  die  Auf- 
gabe, ihr  Augenmei'k  auch  auf  diejenigen  Kleinigkeiten  der  Nahrungs- 
aufnahme zu  richten,  welche  bei  der  allgemeinen  Verbreitung  der  be- 
treifenden Genußmittel  überhaupt  keiner  Anordnung  durch  den 
Arzt  zu  unterliegen  pflegen,  sondern  von  den  Kranken  nach  Willkür 
und  ohne  viele  Ueberlegung  genossen  werden. 

So  ist  es  bekannt,  daß  manche  Personen  dadurch,  daß  sie  des  Morgens 
nüchtern  ein  Glas  Wasser  zu  sich  nehmen,  den  sonst  ausbleibenden  Stuhl- 
gang herbeiführen,  daß  Personen,  welche  an  Tabakrauchen  gewöhnt  sind,  mit  der  Unter- 
brechung dieses  Einflusses  auch  Stuhlverstopfung  erleiden,  daß  eine  große  Zahl  von 
anscheinend  unwesentlichen  Genußmitteln,  wie  Zucker,  Honig,  Backpflaumen,  Obst, 
Pfefferkuchen  und  viele  ähnUche  Dinge,  bei  bestimmten  Individuen,  die  an  sie 
gewöhnt  sind  und  auf  sie  reagieren,  den  Stuhlgang  in  erwünschter  Weise  regeln. 
Diese  Dinge  sind  Objekte  der  Krankenpflege;  und  werden  sie  entsprechend  der  vor- 
liegenden Gewöhnung  und  nach  der  Individualität  des  Kranken  angewandt,  so  können 
sie  ebenfaUs  zu  den  Purgantien  zählen,  indem  sie  den  Ablauf  der  Peristaltik  im- 
gestört  imterhalten. 

Und  sie  sind  nicht  die  einzigen;  auch  andere  Reize  noch  vermag 
zur  Erhöhung  der  Peristaltik  die  Hypurgie  zu  verwenden.  Kälte 
regt  die  Peristaltik  an;  zwar  wird  auf  einer  so  ausgedehnten 
Eläche,  wie  sie  das  Abdomen  darstellt,  die  Einwirkung  der  Kälte 
wegen   der  vielfachen   anderweitigen   Konsequenzen   ihrer   Anwendung 

ig- 


?Ai 


M.    MENDELSOHN, 


nur  mit  Vorsicht  und  in  mäßiger  Weise  zur  Anwendung  gelangen 
dürfen ;  aber  leichte  Abkühlungen  des  Abdomens  haben 
einen  deutlichen  Effekt  auf  die  Steigerung  der,  Darm- 
peristaltik, und  wo  sie  sich  vorsichtig  vornehmen  lassen,  tragen 
sie  wohl  zum  Zustandekommen  der  Stuhlentleerung  bei.  Außerdem 
vermögen  das  auch  mechanische  Reize  von  außen  her,  welche  einmal 
auf  reflektorischem  Wege  die  Darmmuskulatur  zur  Thätigkeit  anregen 
und  zudem  eine  nicht  unerhebliche  Einwirkung  auf  die  Blutcirkulation 
im  Darmgebiete  herbeiführen. 

Daß  man  nach  dem  Essen  nicht  stehen  soll,  sondern  1000  Schritte 
gehen,  ist  ja  ein  Grundsatz,  der,  nachdem  ihn  die  salernitanische  Schule  in  Eeime 
gebracht  hat,  sogar  sprichwörtlich  geworden ;  weit  besser  als  das  die  ganze  Körper- 
muskulatur und  mit  ihr  das  Herz  stark  in  Anspruch  nehmende  Gehen  nach  ge- 
schehener Nahrungsaufnahme  ist  Fahren  oder  Reiten,  Bewegungen,  welche  dann  am 
meisten  auf  die  Darmperistaltik  wirken,  wenn  sie  mit  möglichst  starken  Erschütte- 
rungen verbunden  sind  und  die  sich  auch  dort  ermöghchen  lassen,  wo  ein  unüber- 
windliches Müdigkeitsgefühl  nach  der  Nahrungsaufnahme  die  Patienten  nicht  zu 
aktiver  Körperbewegung  gelangen  läßt. 

Eine  solche  Art  der  Einflußnahme  auf  die  Muskulatur  des  Darmes 
steht  schon  der  weiteren  Gruppe  von  Heilmitteln  sehr  nahe,  welche 
in  den  vorstehenden  Darlegungen  als  solche  von  prophylaktischer  Ein- 
Avirkung  bezeichnet  worden  sind  und  welche  die  Muskulatur  des 
Darmes  durch  eine  immer  aufs  neue  er  folgen  de  Inan- 
spruchnahme und  gleichzeitige 
Steigerung  der  Reize  allmäh- 
immer  größeren 


lieh  zu  einer 

Leistungsfähigkeit  zu  brin- 
gen suchen.  Diese  Anregung  der 
Thätigkeit  der  Darmmuskulatur  kann 
auf  zweifache  Weise  erfolgen;  sie  kann 
passiver  Einwirkung  unterliegen  oder 
aus  aktiver  Bethätigung  des  Kranken 
selber  hervorgehen. 

Beide  Einwirkungen  haben  als  eigene 
therapeutische  Methoden,  als  Massage 
einerseits,  als  Heilgymnastik  auf  der 
anderen  Seite,  erhebliche  Ausdehnung  und 
Vertiefung  gefunden,  und  ist  an  dieser  Stelle 
nicht  von  nöten,  des  näheren  auf  die  be- 
treffenden Zusammenhänge  einzugehen;  nur 
daß  eben  auch  die  Heilmittel  von  solcher 
Ein\virkung  auf  den  Darm  an  dieser  Stelle 
hier  nicht  fehlen  dürfen ,  da  sie  ebenfalls, 
zumal  in  ihi-en  einfacheren  und  ohne  mate- 
riellen Apparat  vor  sich  gehenden  Formen,  zu 
einem  gewissen  Teile  der  Hypurgie  wohl  zu- 
zurechnen sind. 

Fig.  250.  llassierkugel.  Eine  schwere  und  große,  mit  Leder  überzogene  MetaUr 
kugel  ist  von  Dr.  med.  AUERBACH  so  mit  einem  Handgriff  versehen  worden,  daß  sie 
leicht  rollt  und  bequem  dirigiert  werden  kann.  Das  Gerät  ist  in  erster  Linie  zur  Massage 
des  Abdomen  durch  die  Patienten  selbst  bestimmt. 

Wenn  nun  auch  diese  Heilmittel  immerhin  mit  zur  Krankenpflege 
gehören,  so  üben  sie  zu  ihrem  Teile  auf  den  Gesamteffekt  der  Darm- 


iqS 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung.  345 

funktion  doch  immer  nur  einen  mäßigen  Eintiviß  aus  und  ihre  Wirkung 
wird  durch  andersartige  theraiDeutische  Maßnahmen  nicht  nur  über- 
troffen, sondern  ist  durch  diese  oft  auch  leichter  und  einfacher  zu  er- 
zielen. Sie  können,  was  besonders  ins  Gewicht  fällt,  ihrer  Natur 
nach  im  großen  Ganzen  nur  bei  nicht  bettlägerigen  Kranken  zur  An- 
wendung gebracht  werden.  Gegenüber  diesen  Einschränkungen  nun 
ist  die  therapeutische  Einwirkung  auf  die  dritte  Teil- 
aktion: auf  die  eigentliche  Expulsion  der  Exkremente 
durchaus  Objekt  der  K  r  a  n  k  e  n  p  f  1  e  g  e  h  e  i  1  m  i  1 1  e  1 ;  die  Hypurgie 
allein  vermag  diese  wichtige  und  trotz  ihrer  vielfachen  Vernachlässigung 
für  einen  ausreichenden  Gesamtefl'ekt  unentbehrliche  und  unerläßliche 
Teilaktion  zweckentsprechend  zu  regeln  und  zu  gestalten.  Worauf  die 
Bedeutung  einer  Erleichterung  der  Expression  der  Faeces  für  das 
Zustandekommen  der  Gesamtfunktion  der  Stuhlentleerung  beruht,  ist 
schon  vorher  kurz  angedeutet  worden ;  diese  Bedeutung  tritt  in 
doppelter  Hinsicht  in  die  Erscheinung. 

Denn  es  ist  überhaupt  eines  der  wesentlichsten  Momente  für 
die  Wirksamkeit  der  Heilmittel  der  Krankenpflege,  daß 
sie  durch  die  von  ihnen  herbeigeführte  Erleichterung 
und  Bequemlichkeit,  daß  sie  durch  die  Beseitigung 
der  sonst  damit  verknüpften  Empfindlichkeit  und  An- 
strengung gewisse  notwendige  Vornahmen  durch  den 
Kranken  viel  häufiger  geschehen  machen,  als  das  ohne 
ihre  Anwendung  der  Fall  sein  würde,  wo  der  Kranke  dann 
diese  ihm  lästigen  Thätigkeiten  so  weit  als  irgend  thunlich  unter- 
drückt. Es  bedarf  keiner  Ausführung,  daß  ein  Kranker,  der  ohne  die 
nötige  somatische  Hilfeleistung  und  ohne  den  zweckentsprechenden 
materiellen  Apparat,  unter  Unbequemlichkeiten  und  Anstrengungen 
und  womöglich  gar  unter  Schmerzen,  seine  Defäkation  vollziehen  müßte, 
es  häufig  vorzieht,  ein  auftretendes  Bedürfnis  zur  Stuhlentleerung  zu 
unterdrücken,  anstatt  ihm  Folge  zu  geben ;  und  es  ist  einleuchtend, 
daß  ein  solcher  Vorgang  nicht  nur  an  sich  der  Stuhlentleerung  hinder- 
lich ist,  sondern  daß  bei  einer  Funktion,  die,  wie  eben  erst  erörtert, 
in  so  hohem  Grade  von  ihrer  regelmäßigen  Vornahme  auch  für  die 
weitere  Folge  abhängig  ist,  die  aus  einer  Unterdrückung  erwachsene 
Schädigung  als  eine  erhebliche  angesehen  werden  muß,  so  daß  also 
die  Außerachtlassung  dieser  notwendigen  hypurgischen  Maßnahmen 
einen  Circulus  vitiosus  mit  Notwendigkeit  erzeugen  muß. 

Und  auch  aus  einem  zweiten  Zusammenhange  ist  es  geboten,  daß 
die  Heilmittel  der  Hypurgie,  welche  die  Expression  der 
Faeces  zu  erleichtern  vermögen,  zur  Anwendung  kommeu. 
Man  muß  sich  immer  vor  Augen  halten,  daß  diese  mechanische  Thätig- 
keit  der  Bauchpresse  überhaupt  erst  den  eigentlichen  gewollten  Effekt 
darstellt,  daß  alle  anderen  Maßnahmen,  wie  die  Anregung  der  Peri- 
staltik, wie  die  Verflüssigung  der  Faeces  und  die  ähnlichen  Prozeduren 
nur  Mittel  zum  Zweck  sind,  wenn  auch  notwendige  Mittel;  und  daß 
es  kommen  kann,  daß  diese  Momente  in  gänzlich  ausreichender  Weise 
vorhanden  sind,  daß  also  die  Exkremente  genügend  weit  nach  dem 
peripheren  Darmende  hingeschafft  werden,  daß  sie  in  ausreichend 
flüssigen  Zustande  sich  befinden,  und  d  a  ß  d  e  n  n  o  c  h ,  eben  mangels 
einer  zweckmäßigen  und  genügenden  Unter  Stützung  der 
die  letzte  Expulsion  bewirkenden  mechanischen  Kräfte, 
der  schließliche   gewollte  Endeffekt   ganz   und   gar  au s- 

199 


346 


M.   MENDELSOHN. 


bleibt.  Es  haben  daher  diese  Heihnittel  der  Krankenpflege  ihren  recht 
wesentlichen  Einfluß  auf  die  Defäkation,  sie  wirken  geradezu  als  wahre 
Purgantia ;  und  es  gehören  zu  den  Heilmitteln,  welche  solche  Wii-kungen 
erzeugen  können,  sowohl  somatische  als  materielle  Mittel  der  Hypurgie. 

Eine  der  wichtigsten  unter  diesen  ist  die  V  e  r  b  r  i  n  g  u  n  g  des 
Oberkörpers  des  Kranken  in  eine  erhöhte  Position,  in 
welcher  die  Bauchpresse  ihre  Anstrengungen  nicht 
fiutzlos  erschöpft,  sondern  sie  für  den  gewollten  Eff'ekt  aus- 
nutzt; es  ist  das  nur  bei  senkrecht  geneigtem  Oberkörper  oder  doch 
bei  einer  dieser  Haltung  nahe  kommenden  Position  möglich,  da  nur 
so  die  Feststellung  des  Zwerchfells,  welche  eine  der  ersten  Voraus- 
setzungen für  die  Wirksamkeit  der  Bauchpresse  ist.  von  Belang  werden 
kann ,  und  da  nur  so  die  großen  Organe  der  Abdominalhöhle  für 
den  Druck  wirksam  gemacht  werden  und  mitwirken.  Vor  allem 
sind  die  Richtung,  in  welcher  der  Druck  wirkt,  und  die 
Resultante  aus  den  verschiedenen  bei  der  Bauchpresse 
zur  Wirkung  kommenden  Kräften  andere  in  der  hori- 
zontalen als  in  der  sitzenden  Körperlage:  während  sie  in 
dieser  nach  dem  kleinen  Becken  hin,  nach  dem  Anus,  dem  Austritts- 
punkt der  Faeces  hin  gerichtet  ist,  wirkt  im  Liegen  die  Thätigkeit 
der  Bauchpresse  mehr  nach  der  Lendenwirbelsäule  hin,  so  daß  also  ein 
großer,  wenn  nicht  der  gesamte  Teil  der  aufgewendeten  Kraft  für  den 
gewollten  Zweck  verloren  geht.  Die  Einwirkung  dieser  somatischen 
Heilmittel  ist  demnach  eine  ganz  außerordentliche ;  sie  wird  naturgemäß 
noch  erhöht  und  verstärkt  durch  die  Anwendung  aller  mechanischen 
Hilfsmittel,  welche  in  großer  Zahl  zur  Verfügung  stehen,  der  mecha- 
nischen Betten  und  der  anderen  hierher  gehörigen  Geräte,  welche  die 
Vornahme  der  Defäkation  erleichtern  und  weniger  anstrengend  machen, 
indem  sie,  oft  ganz  passiv  für  ihn  und  ohne  jedes  Zuthun  von  seiner 
Seite,  den  Oberkörper  des  Kranken  in  die  erhöhte  Position  überführen. 

Außer  diesen  Mitteln  sind  auch  alle  die  eigentlichen  Geräte  für 
die  Aufnahme  der  Faeces,  die  Steckbecken  und  Unterstecher  und 
die  ähnlichen  materiellen  Heilmittel  der  Krankenpflege,  hier  von  wesent- 
licher Mitwirkung;  je  mehr  sie  der  Körperform  des  Kranken,  der  mit 
dem  ganzen  Drucke  seines  Körpergewichtes  auf  ihrer  Oberfläche 
während  des  Aktes  der  Defäkation  verharren  muß,  angepaßt  sind,  je 
sicherer  ihre  Anbringung  im  Bette  und  ihre  ganze  Handhabung  ist, 
je  zweckmäßiger  sie  überhaupt  ihre  Bestimmung  zu  erfüllen  vermögen, 
desto  mehr  tragen  sie  zu  einem  thatsächlichen  Zustandekommen  der 
Defäkation  bei,  desto  mehr  wirken  sie  als  eigentliche  Purgantien. 
Denn  sie  machen  so  nicht  nur  vielerlei  Muskelthätigkeit,  welche  auf 
das  Balancieren  und  das  "\' erharren  des  Körpers  in  der  iunsicheren 
und  ungewohnten  Situation  verwendet  werden  muß,  nach  Möglichkeit 
überflüssig  und  lassen  somit  die  gesamte  Muskelaktion 
derExpulsion  der  Faeces  zugute  kommen,  sondern  sie  er- 
sparen auch  u  n  n  ö  t  i  g  e  D  r  u  c  k  u  n  d  S  c  h  m  e  r  z  e  m  p  f  i  n  d  u  n  g  e  n 
und  lenken  die  Aufmerksamkeit  des  Kranken  nicht  von  dem  eigentlichen 
Zweck  seiner  augenbhckhchen  Thätigkeit  ab,  eine  Ablenkung,  die  leicht 
das  Zustandekommen  des  gewollten  Endeffekts  hintanstellen  kann. 

Porzellan,  jedoch  auch  Steingut  und  ähnliche  Stoffe,  bilden  das  Hauptmaterial 
der  sogenannten  Bett  schusseln,  runder  und  ovaler,  ganz  flacher  Schüsseln  mit 
breitem,  flächenhaftem,  leicht  konkav  oder  leicht  konvex  gestaltetem  oberen  Eande, 
der  sich  nach  innen  über  die  niedrige  Seiten  wand  des  Gefäßes  hinüberschlägt,  um 
ein  Ausschütten  von  Flüssiffkeit  aus  der  flachen  Schüssel  zu   verhüten.     Da  dem- 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 


347 


entsprechend  die  Entleerung  solcher  Gefäße  und  ihre  Reinigung  erschwert,  wenn 
nicht  unmöglich  wäre,  ist  bei  allen  diesen  Schüsseln  der  dicke  Stiel,  welcher  recht- 
■winklig  unter  leichtem  Ansteigen  nach  oben  an  ihnen  angesetzt  ist,  hohl  gebildet  und 


Fig.  251.     Bettschüssel. 


Fi?.  252.     Bettschüssel. 


kommuniziert  mit  dem  Innenraum,  so  daß  ein  Ausgießen  des  Inhaltes  durch  diesen 
Stiel  möglich  ist;  nur  muß  dieser  stets  an  seinem  freien  Ende  verschlossen  sein, 
was  entweder  durch  einen  Pfropf  geschieht   oder  durch  eine  eigene  Schraubenver- 


Fig.  2.53.     Bettschüssel. 

«chlußvorrichtuDg ;  oft  wird  auch  ein  solcher  Verschluß  nur  durch  eine  einfache 
Oummikappe  hergestellt,  oder  er  unterbleibt  gänzlich,  was  allerdings  nur  bei  relativ 
ihoher  Eichtung  des  Stieles,  wodurch  ein  Ausfließen  vermieden  wird,  geschehen  darf. 


Fig.  254.     Bettschüssel. 


Diese  Bettschüsseln  zeigen  die  mannigfachsten  Formen ,  die  sich  in  der  Hauptsache 
dadurch  unterscheiden,  daß  ihre  obere  Fläche  mehr  oder  minder  genau  der  Kon- 
figuration der  menschlichen  Sitzfläche  angepaßt  ist. 


348 


M.    MENDELSOHN, 


Die  allergrößte  Sauberkeit  und  eine  immer  zu  wiederholende  eingehende 
.Reinigung  dieser  aus  Porzellan  oder  Steingut  gefertigten.jBettschüsseln  ist  in  höchstem 

Maße  geboten  und  notwendig, 
eben  weil  sie  zur  Aufnahme 
der  Fäkalien  im  Bette  dienen. 
Da  ihre  Handhabung  nur  un- 
mittelbar an  der  Körperober- 
fläche vor  sich  gehen  kann, 
so  muß  auch  bei  ihnen  dafür 
Sorge  getragen  werden ,  daß 
der  Patient  nicht  durch  zu 
erhebliche  Temperaturdiffe- 
renzen zwischen  den  ihm 
untergeführten  Geräten  und 
dem  Körper  erschreckt  und 
gestört  wird,  wie  das  ebenso  für 
die  Uringefäße  nötig  ist.  Die 
eigentliche  Handhabung  dieser 
Defäkationsschüsseln  besteht 
schließlich    nur    darin,     das 

Fig.  251,  252,  253,  254,  255.  unter  den  Bettsehüsseln  sind  die  flachen,  nmden, 
kleinen,  aus  Porzellan  gefertigten  Geräte  nur  für  Kinder  oder  ganz  leichte  Personen  ver- 
wendhar  (Fig.  251);  größere,  annähernd  herzfönnig  gestaltete  Bettschüsseln  sind  aus 
Fayence  und  nur  für  sehr  weiche  Unterbetten  etc.  berechnet,  in  welche  das  relativ  hohe 
Gerät  einsinkt  (Fig.  252);  bei  seiner  konvexen  üntei-fläche  steht  es  auf  fester  Unterlage 
nur  unsicher  auf.  Die  Sitzfläche  des  in  England  üblichen  Geräts  ist  recht  zweckent- 
sprechend, das  Fehlen  eigener  Handhaben  dagegen  beschwerlich.  Andere,  aus  Fayence  her- 
gestellte Geräte  sind  runde  Schüsseln  mit  hohlem  Stiel,  der  mit  seiner  freien  Oeffnung 
so  hoch  ragt,  daß  ein  einfacher  Gummikappenverschluß  ausreicht  (Fig.  253) ;  oder  sie  sind 
aus  Email  gefertigt,  als  sehr  einfache  und  wohlfeile,  dauerhafte  Geräte,  die  jedoch  nur 
geringe  Bequemlichkeit  dai-bieten  (Fig.  254).  Wieder  andere  Bettschüsseln  sind  aus  Weiß- 
blech; auch  der  Verschluß  des  Stieles  besteht  bei  ihnen  aus  einer  aus  Blech  gearbeiteten. 
Kappe  (Fig.  255). 

Gerät  so  an  Ort  imd  Stelle,  also  uuter  den  Körper  des  Kranken  zu  bringen,  daß 
dieser  möghchst  wenig  durch  die  Manipulation  gequält  wird;  dazu  kommt" noch 
die  richtige  Unterstützung  des  Körpers  bei  d  em  eigentlichen  Akte  der 
Defäkation.  Bei  der  Unzahl  der  verschiedenen  Formen  von  Bettschüsseln  und 
Steckbecken  ist  die  Art  de.s  Unterschiebens  zum  Teil  durch  die  eigenartige  Gestalt 
des  gerade  zur  Verwendung  kommenden  Gerätes  gegeben :  die  wesentlichste  Kegel 
dabei  ist  die,   das  Gerät  von  vorne  her,   also  vom  Fußende  des  Bettes   her,  in   der 


Fig.  255.     Bettschüssel. 


Fig.  256.     Bettschüssel. 
202 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 


349 


Mittellinie  des  Körpers  dem  Kranken  unterzuschieben,  eine  Maßnahrae,  die  sehr 
wesentlich  dadurch  erleichtert  wird,  daß  der  Kranke,  wenn  möglich  selbstthätig 
oder  durch  eine  zweite  Person 
unterstützt,  mit  der  Mitte 
seines  Körpers  sich  ein  wenig 
anhebt  oder  angehoben  wird, 
was  alles  übrigens  auch  eine 
einzige  Person  mit  der  frei- 
bleibenden einen  Hand  bei 
ausreichender  Uebung  und 
Geschicklichkeit  bewerkstel- 
ligen kann.  Ist  dieses  An- 
heben aus  irgend  welchen 
Gründen  nicht  ausführbar, 
so  ist  es  immer  noch  von 
Vorteil,  wenn  der  Kranke 
sich  ein  wenig  auf  die  eine 
Seite  dreht,  wozu  weniger 
Kraft  gehört  als  zum  Empor- 
heben, und  dann  das  Gerät 
in     der     erwähnten    Weise 


B  ettschüssel. 


Fig.  256,  257.  Besondere  Formen  von  Porzellan-Bettschüsseln  sind  auf  das  gleich- 
zeitige Auffangen  von  Urin  bei  männlichen  Kranken  berechnet.  Sie  erreichen  das  am 
einfachsten  durch  eine  schiffskielarlige  Auiwärtsstülpnug  des  Vorderteils  (Fig.  256).  Auch 
die  von  Dr.  med.  OPPENHEIM  konstruierte  Bettschüssel  ist  nur  für  Männer  bestimmt  und 
soll  während  der  Defäkation  gleichzeitig  den  Urin  auffangen;  sie  trägt  hierfür  eine  be- 
sondere, kleine  Abteilung  (Fig.  257).  Das  Gerät  ist  nur  mit  Vorteil  verwendbar,  wenn 
es  in  seinen  -Maßen  für  den  betreffenden  Kranken  passend  ist. 


Fig.  258.  Bettschüssel.  Das  Gerät  ist  für  die  gleichzeitige  Aufnahme  von  Faeces 
und  XJrin  bestimmt.  Entsprechend  dieser  doppelten  Aufgabe  hat  der  Band  eine  ovale  in 
der  Mitte  eingezogene  und  hinten  breiter  als  vorn  gestaltete  Foim,  welche  an  den  soge- 
nannten Bidets  allgemein  bekannt  ist ;  das  Gerät  wird,  da  hierzu  noch  der  als  Handhabe 
und  als  Ausgußrohr  dienende  Stiel  hinzukommt,  seiner  äußeren  Erscheinung  entsprechend, 
vulgär  als  „Violine"  bezeichnet» 


Fig.  259.     TJnterstecher.  Fig.  -60.     Unterstecher. 

Fig.  259,  260.  Das  nicht  unzweckmäßige,  aus  Porzellan  gefertigte  Gerät  ist  in  seinem 
vorderen  engen  Teile  sehr  schwer  rein  zu  halten.  Es  läßt  sicli  jedoch  bei  sehr  schweren 
Körpeni   und   bei  Kranken,  die  nicht  viel  bewegt  werden  dürfen,   mit  Vorteil  verwenden. 


350 


M.  MENDELSOHN, 


Die  größeren  Exemplax"e  mit  ebener  Bodenfläehe  (Fig.  259)  sind  auch  für  die  Defäkation 
bestimmt;  die  ganz  Ideinen  Untersteclier  mit  abgeiimdeten  Kanten  (Fig.  260)  dagegen 
aussclüießlicli  nur  für  die  Hamatifnahme. 

imtergeschoben  wird.  Bei  Kindern  und  bei  leichten  Personen  würden  demnach  die 
eigentlichen  Bettschüsseln,  also  Geräte,  welche  rund  hemm  in  ihrem  ganzen  Um- 
fange überall  die  gleiche,  wenn  auch  nur  eine  geringe  Höhe  haben,  zur  Verwendung 
kommen  können,  da  auf  diesen,  wenn  sie  einmal  unter  den  Körper  gebracht  sind, 
ein  festes  und  gleichmäßiges  Liegen  ermöglicht  ist;  bei  schweren  und  unbeholfenen 
Personen  würden  dagegen  die  sogenannten  Steckbecken  tmd  Unterstecher  mehr 


Fig.  261.     Steckbecken. 


Fig.  262.  Steckbecken. 
Fig.  261,  262.  Die  von  Dr.  med.  EISFELD  angegebenen  Steckbecken  lassen  die  Kreuz- 
beingegend auf  einer  dieser  Köi'perform  entspreclienden  vorderen  konkaven  Fläche  auf- 
ruhen. Diese  Steckbecken  sind  entweder  offene  (Fig.  261)  oder  durch  einen  aufstellbaren 
Deckel  geschlossene  (Fig.  262),  dessen  vordere  Kante,  wenn  er  hochgest«llt  ist,  beim  Ge- 
brauche als  Stütze  für  die  Oberschenkel  dient. 


204 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerun^ 


351 


angebracht  sein  ,  welche  davon  ihren  Namen  haben,  daß  sie  nach  der  einen,  und 
zwar  nach  der  beim  Gebrauche  dem  Kopfende  des  Kranken  zugekehrten  Seite  hin, 
flach  abfallen,  in  ihrem  Durchschnitt  also  eine  keilförmige  Gestalt  besitzen  und  bei 


Fig.  263.     Bettschüssel. 


Fig.  264.     Bettschüssel. 


Fig.  263,  264,  265.  Die  Sitzüäche  der  kreisnmden  (Fig.  263)  oder  querovalen 
(Fig.  265)  oder  viereckigen  (Fig.  264)  Geräte  ist  mit  einer  Polstening  versehen,  die  mit  einem 
lackierten  Glanzlederüberzug  übei'deckt  ist.  Der  Ueberzug  ist  am  Geräte  angebi'acht  und 
nicht  auswechselbar,  läßt  sich  jedoch  bequem  abwaschen  und  reinigen  und  stellt  eine  ein- 
fache und  wohlfeile  Form  einer  weichen  Sitzfläche  am  Steckbecken  dar. 


^05 


352 


M.    MENDELSOHN, 


denen  gar  kein  oder  doch  niu-  ein  sehr  mäßiges  Anheben  des  Krauken  nötig  ist,  da 
die  Analöffnimg,  wenn]]bei  gespreizten  Beinen  die  KJniee  hochgestellt  werden,  genügend 
weit  nach  oben  sich  befindet,  um  das  Gerät  mit  seinem  vorderen,  niedrigen,  zn- 
geschärften  Teile  ausreichend  vordringen  zu  lassen,  so  daß  die  Mastdarmöffnung  über 
den  Hohlraum  des  Steckbeckens  zu  liegen  kommt.  Diese  Hochstellimg  der  Knie 
bei  gespreizten  Beinen  ist  die  erste  Voraussetzung  sowohl  für  die  Unterbringung 
des  Gerätes  als  auch  für  den  Akt  selber.  Allerdings  trägt  diese  Position  dazu  bei, 
das  Unbequeme  der  ganzen  Situation  einer  Defäkatiou  in  einer  solchen  Körperlage 
zu  mehren;  es  ist  das  überhaupt  eine  der  wichtigsten,  aber  in  zweckmäßiger  Weise 
auch  am  schwierigsten  zu  beeinflussenden  Aufgaben  der  ganzen  Krankenpflege,  die 
Defäkation  in  horizontaler  Lage  zu  erleichtern;  denn  zweifellos  ist  diese  ungewohnte 
Körperhaltimg  für  jeden  bettlägerigen  Kranken  die  Ursache  erheblich  stärkerer 
Anstrengung   bei   diesem  Akte,   als   normaler  Weise  für   ihn    nötig   ist,   und  viele 


Fig.  266.  Steck'becken.  Ein  der  Foi-m  der  Sitztläche  genau  angepaßtes  Gumrui- 
luftkissen  bedeckt  an  diesen  Geräten  die  Sitzfläehe  und  läßt  den  Kranken  weich  aufnihen. 
Das  Luftkissen  ist  abnehmbar  und  kann  ausgewechselt  werden. 


Fig.  267.  Bettscliüssel.  Das  Gerät  stellt  ein  Gummiluftkissen  dar,  dessen  centrale 
Oeffnung  unten  durch  eine  Gummifläche  abgeschlossen  ist.  Es  ist  bei  sehr  empfindlichen 
Patienten  ausnahmsweise  anwendbar;  seine  sehr  schwierige  Eeinigung  verbietet  einen  aus- 
gedehnten Gebrauch. 


2o6 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 


353 


Personen  sind  überhaupt  nicht  imstande,  in  dieser  Position  ihre  Defäkation  zu  voll- 
ziehen. Wo  es  daher  irgend  möglich  ist,  wird  man  gut  thun,  den  Überkörper  des 
Kranken  möglichst  aufzuheben  und  zu  unterstützen,  so  daß  er  wenigstens  annähernd 
in  eine  sitzende  Stellung  gebracht  wird,  wenn  das  auch  nicht  immer  angängig  ist, 
zumal  nicht  bei  sehr  fettleibigen  Personen,  und  wenn  auf  alle  Fälle  auch  immer 
■die  nicht  viel  in  ihrer  Lage  veränderten  imteren  Extremitäten  einer  stärkeren  Empor- 
hebung des  Oberkörpers  im  Wege  sind.  Ueberall  da,  wo  man  diese  Erleichterung 
der  Defäkation  durch  ein  Emporheben  des  Oberkörpers  vornehmen  kaim,  ist  es  nötig, 
nicht  Steckbecken,  sondern  Bettschüsseln  zur  Verwendung  gelangen,  zu  lassen,  denn 
der  Kranke  sitzt  dann  direkt  auf  dem  Gerät  und  daher  muß  dieses  eme  gleich- 
förmige und  einem  solchen  Sitze  entsprechende   Oberfläche  haben. 

Aber  auch  sonst,  wenn  der  Körper  in  der  horizontalen  Lage  bleibt,  liegt  der 
Kranke  auf  der  Bettschüssel  auf,  imd  der  obere  Band  des  Gerätes  ist  daher  nach 
Form  und  Gestalt  wie  nach  Material  nicht  ohne  Bedeutung  für  ihn.  Die  mannig- 
fachsten und  verschiedenartigsten  Konstruktionen,  wie  sie  besonders  auch  von  Aerzten 
angegeben  sind,  suchen  diese  Oberfläche  der  Steckbecken  der  betreffenden 
Körperform  möglichst  anzupassen,  damit  der  Druck  an  dem  auf  dem  harten 
Geräte  hegenden  Körper  möglichst  wenig  zur  Geltung  kommt;  doch  scheitern  diese 
Versuche  schon  an  den  so  sehr  ausgeprägten  Verschiedenheiten  der  Körperform  der 
einzelnen  Kranken.  Zum  Teil  gehindert  wird  der  Kontakt  zwischen  Gerät  und 
Körper  durch  die  besonders  an  MetaUgeräten  übliche  imd  vielfach  auch  sonst  an- 
gebrachte Umkleidungdes  oberen  Bandes  mit  einem  gepolsterten  Lederkranze, 
dessen  Oberfläche  lackiert  ist;  noch  viel  zweckmäßiger  sind  die  ganz  neuerdings  kon- 
struierten Steckbecken  mit  darüber  gelegten  und  dem  Gerät  angepaßten  Luftkissen; 
nur  daß  allen  diesen  Einrichtungen  die  Schwierigkeit  anhaftet,  sie  ausreichend  zu 
reinigen. 

Man  ist  daher  dazu  gekommen,  Einrichtungen  zu  treffen,  welche  es  ermöglichen, 
daß  die  Bettschüssel  überhaupt  nicht  in  direkte  Berührung  mit  dem 
Körper  des  Kranken  kommt,  daß  sie  also  nicht  mitten  zwischen  Matratze  und 
Patient  hineingeschoben  wird,  sondern  daß  für  den  Zweck  der  Defäkation  der  unter- 
halb des  Beckens  des  Kranken  befindliche  Kaum  der  Matratze  in  Fortfall  gebracht 
wird  und  hier  ein  zur  Aufnahme  der  Faeces  geeignetes,  mm  natürUch  gar  nicht  erst  be- 
sonders gestaltetes  oder  irgend  welcher  Körperform  angepaßtes  Gerät  Platz  findet.  Sehr 
zweckmäßige,  aber  gleichzeitig  auch  sehr  kostbare  und  daher  kaiun  zur  allgemeinen 
Verwendimg  kommende  mechanische  Bettgestelle  besorgen  dies  in  vollendeter 
Weise,  indem  auch  gleichzeitig  die  Matratze  in  ihrem  oberen  Teile  nach  der  Höhe 
sich   emporhebt,    während    das   untere   Ende   herabsinkt,   und  so  der  Kranke  ganz 


Fig.  268.  Dreiteilige  Matratze.  Zu  dreiteiligen  Matratzen  kann  jede  beliebige 
Füllung  vei'wendet  werden ;  am  besten  ist  die  mit  Roßhaar.  Zweckmäßig  ist,  die  Matratze 
in  drei  gleiche  Drittel  zu  zerlegen  und  nicht  etwa  das  mittlere  Drittel  schmäler  zu  ge- 
stalten, da  die  einzelnen  Teile  so  beliebig  mit  einander  vertauscht  werden  können  und 
nach  einander  als  mittleres,  am  meisten  in  Anspruch  genommenes  Drittel  dienen  können. 
Ueberall,  wo  dreiteilige  Mati'atzen  zur  Verwendung  kommen,  muß  das  Bettgestell  so  ge- 
wählt werden,  daß  die  seitliche  Herausziehnng  des  mittleren  Matratzenstückes  nicht  durch 
die  seitliche  Wand  des  Bettgestelles  behindert  wird. 


20; 


354 


M.   MENDELSOHN, 


passiv  und  ohne  besonderes  Zuthim  in  die  sitzende  Position  gebracht  wird.  Doch 
sind  das  Geräte,  welche  nur  da,  wo  die  Krankenpflege  mit  dem  allerdings  überall 
erwünschten  Komfort  vor  sich  gehen  kann,  in  Anwendung  kommen  werden.  Das 
einfachste  für  den  m  Rede  stehenden  Zweck  sind  die  auch  schon  an  anderer  Stelle  er- 
wähnten sogenannten  dreiteiligen  Matratzen,  Polster,  wie  jede  andere  Matratze, 
nur  daß  der  mittelste  Teil  für  sich  allein  gearbeitet  ist  imd  nach  der  Seite  hin  heraus- 
gezogen werden  kann,  an  dessen  Stelle  dann,  ebenfalls  von  der  Seite  her,  die  Bett- 
schüssel unter  den  Kranken  geschoben  wird.  Außerdem  giebt  es  die  verschieden- 
artigsten Vorrichtungen  an  den  eben  erwähnten  mechanischen  Betten,  bei  denen 
dann  ein  nur  kleiner,  unter  den  Nates  des  Kranken  befindlicher  Teil  der  Matratze 
nach  unten  hin  herausgezogen  und  an  seine  Stelle  von  unten  her  ein  Geschirr  ein- 
gebracht wird.  Alle  diese  Maßnahmen  haben  jedoch  den  Uebelstand,  daß  die  Ord- 
nung der  Bettwäsche,  durch  welche  hindurch  gleichfalls  ein  Weg  geschaffen 
werden  muß,  Schwierigkeiten  macht,  und  daß  die  benachbarten  Matratzenteile  leicht 
einer  Beschmutzung  unterMegen,  deren  Behebung  dann  mit  Störungen  für  den 
Kranken  verknüpft  ist.  Die  Technik  der  Defäkation  in  der  Bettlage  ist  noch  keines- 
wegs zu  dem  wünschenswerten  Grade  der  Vervollkommnung  gelangt. 


Fig.  269.  Mechanisches  Krankenbett.  Die  von  MÜLLER  angegebene,  sehr 
einfache  Vorrichtung  für  die  Defäkation  von  Kranken  in  der  Bettlage  besteht  darin,  daß 
unter  Verwendung  einer  dreiteiligen  Matratze  der  hölzerne  Bettboden  in  gleichfalls  drei 
Drittel  geteilt  ist,  von  welchem  nur  das  dem  Fußende  entsprechende  fest  eingefügt  ist, 
das  mittlere  Drittel  dagegen  sich  frei  nach  unten  bewegen  läßt,  während  das  zum  Kopf- 
ende gehörige  Drittel  um  seine  vordere,  an  Scharnieren  befestigte  Kante  nach  oben  hin 
drehbar  ist.  Das  mittlere  Drittel  des  Bettbodeus  ist  jederseits  durch  je  zwei  Lederriemen 
befestigt,  welche  über  die  obere  Bettkante  fort  außen  an  den  Seitenwänden  des  Bettes 
henmterhängen  und  hier  durch  Oesen  hindurchgehen,  in  welchen  sie  mittels  Schrauben 
fixiert  werden  können.  Soll  eine  Defäkation  geschehen,  so  wird  nach  Lösen  der  beider- 
seitigen Schrauben  das  mittlere  Drittel  mitsamt  dem  Bettboden,  und  zwai'  beiderseits  vom 
Kranken,  nach  unten  gedrückt,  dann  unter  dem  Bett  die  Matratze  entfernt,  durch  eine 
Bettschüssel  ersetzt  und  wieder  unter  den  Kranken  gebracht.  In  gleicher  Weise  ^vie  an 
den  Seitenwänden  des  Bettes  befinden  sich  an  der  äußeren  Kopfn-and  Lederriemen,  welche 
an  der  oberen  Kante  des  Bettbodens  befestigt  sind  und  eine  mäßige  Aufrichtung  des  Kopf- 
endes der  Matratze  gestatten.  Die  zwar  primitive,  aber  leicht  herzustellende  Einrichtung 
kann  häufig  komplizieile  und  kostspielige  Krankenbetten  mit  Vorteil  ersetzen. 

20S 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 


355 


Ein  anderes,  ebenfalls  sonst,  zumal  in  Kinderstuben,  nicht  selten  auch  in  gesunden 
Tagen  übliches  Gerät  ist  das  Zimmerklosett,  dessen  Hauptbestandteil,  der  innere 
Eimer,  gewöhnlich  aus  Porzellan  zu  bestehen  pflegt,  wenn  auch  andere  Materialien, 
vor  allem  Metall,  hierzu  dienen.  Eine  gewisse  Bedeutung  haben  diese  Zimmerklosetts 
bei  solchen  Kranken,  welche  in  der  Lage  sind,  das  Bett,  nicht  aber  das  Zimmer  zu 
verlassen,  oder  die  im  Bett  auf  keine  Weise  in  der  dortigen  unbequemen  Position  ihre 
Defäkation  vollziehen   können.     Die  Zimmerklosetts,  welche  sich  sonst  von  anderen 


Fig.  270.     Mechanisches  Krankenbett. 


Fig.  271.     Mechanisches  Krankenbett. 
Handbacli  der  spec.  Tlierapie  inn.  Kratikh,    Suppl.  I.    Heft  3.  C)A 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  200  -lA 


356 


M.    MENDELSOHN, 


nicht  unterscheiden,  haben  eigentlich  nur  eine  Indikation  zu  erfüllen :  die  unangenehme 
Rückwirkung  der  Auswurfsstoffe,  welche  durch  deren  vorübergehenden  Aufenthalt 
im  Zimmer  entstehen  könnte,  zu  verhindern.  öelbstverständUch  ist  ein  solches  Gerät 
auf  keinen  Fall  dauernd  im  Krankenzimmer  zu  belassen  ;  es  heißt  Zimmerklosett 
nicht  etwa  darum,  weil  es  sich  dauernd  im  Zimmer  aufhielte  und  einen  Bestandteil 
von  dessen  Mobilien  bildete,  sondern  nur  weil  es  vorübergehend  zum  Zwecke  der 
Benutzung  in  ein  Zimmer  hineingebracht  werden  kann.  Aber  da  selbst  bei  vor- 
handener besonderer  Wartung  unmittelbar  nach  geschehenem  Akte  die  Pflegerin  zu- 
nächst mit  der  Person  des  Kranken  sich  zu  beschäftigen  hat,  so  vergeht  beim  besten 
Willen,  selbst  bei  sorgfältiger  Beachtung  der  Notwendigkeit  einer  möglichst  schnellen 
Herausschaffung  des  gebrauchten  Gerätes  aus  dem  Krankenzimmer,  immer  eine  mehr 
oder  minder  lange  Zeit,  in  der  es  in  unmittelbarer  Nähe  des  Kranken  sich  befindet ; 
und  zu  diasem  Behuf e  ist  durch  die  Einrichtung  des  Gerätes  Sorge  zu  tragen,  daß 
keinerlei  Ausdünstungen  das  Zimmer  verunreinigen.  Es  sind  auch  hier 
mannigfache  Vorrichtungen  zu  diesem  Zwecke  geschaffen,  von  denen  sich  die  Torfstreu- 
klosetts einer  besonderen  Vorliebe  erfreuen;  sobald  nach  geschehenem  Gebrauche  der 
Deckel  des  Klosetts  wieder  geschlossen  wird,  fällt  eine  abgemessene  Menge  dieser  desinii- 
zierenden  und  desodorierenden  Substanz  auf  die  Faeces  und  überdeckt  sie  ganz ;  eine 
Vorrichtung,  die  übrigens  auch  für  Steckbecken  getroffen  ist,  wo  die  Torfstreu  von 
der  Seite  her  durch  Lösen  einer  Feder  mit  ziemlicher  Vehemenz   über  den  ganzen 


Fig.  272.     Mechanisches  Krankenbett. 

Fig.  270,  271,  272.  Bei  dem  von  EeQELIN  konstruierten  und  von  Dr.  med. 
MENDELSOHN  eingeführten  mechanischen  Bette  (Fig.  270)  ruht  der  gesondert  hergestellte, 
quadratische,  genau  eingepaßte  centrale  Teil  der  Matratze,  welcher  ganz  und  gar  heraus- 
nehmbar ist  (Fig.  271,  272),  auf  einem  Sehlitten,  der  an  zwei  Handhaben  von  einer  der 
Bettseiten  her  sich  herabsenken  und  seitlich  herausfahren  läßt  (Fig.  271).  Hier  kann  ihm 
das  Mittelstück  der  Matratze  entnommen  und  durch  eine  gleich  hohe  eingepaßte  Bett- 
schüssel ersetzt  werden.  Mit  dieser  beladen  wird  der  Schlitten  wieder  an  Ort  und  Stelle 
gebracht  (Fig.  272).  Außerdem  sorgt  eine  unter  dem  Bette  angebrachte  mechanische 
Vorrichtung  dafür,  daß,  wenn  au  der  äußeren  Bettwand  des  Kopfendes  eine  Schraube 
gelockert  wird ,  sich  in  einfachster  Weise  von  hinten  her  das  obere  Drittel  der  Matratze 
nach  oben  erheben  läßt,  während  gleichzeitig  das  untere  Drittel  selbstthätig  in  ent- 
sprechendem Maße  nach  unten  sinkt,  so  daß  der  Kranke  ohne  sein  Dazuthun  in  eine 
mehr  oder  minder  aufrechte  und,  wenn  er  es  wünscht,  gänzlich  sitzende  Position  gebracht 
wird  (Fig.  272).     Die  aufgerichtete  Matratze  läßt  sich  in  jeder  Lage  feststellen. 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleer ung. 


357 


Fig.  273.  Troekeubett.  Das  von  StuttGARDTER  konstruierte  und  von  Prof. 
Dr.  med.  V.  ZiEMMSSEN  eingeführte  Trockenbett  ist,  zumal  für  unreinliche  Kranke,  so- 
wohl in  Hinsicht  der  Einfacliheit  der  Konstruktion  als  der  Sicherheit  des  Erfolges  muster- 
giltig;  es  können  Kinder  mit  Incontinentia  urinae  et  alvi  jahrelang  darauf  liegen,  ohne 
daß  Entzündungen  oder  Dekubitus  entsteht.  Das  wesentlichste  daran  ist  ein  in  der  Mitte 
angebrachtes  feines  Gitter  aus  Roßhaar,  unter  welchem  entsprechende ,  aus  Gummistoff, 
Kissen  und  sonstigen  Bettstücken  bestellende  Unterlagen  sich  befinden.  Da  Eoßhaar  nicht 
nur  das  vortrefflichste  Polsterungsmaterial  ist,  sondern  für  den  hier  in  Rede  stehenden  Zweck 
die  besonders  wertvolle  Eigenschaft  hat,  keine  Flüssigkeit  aufzusaugen,  so  fließen  alle  auf 
das  Roßhaargitter  auftreffenden  Ausscheidungen  durch  dieses  hindurch,  um  so  mehr  als  es 
elastisch  ist  und  durch  die  Schwere  des  Körpers  trichterförmig  eingestülpt  wird.  Daß  das 
nicht  in  zu  starkem  Maße  geschieht,  wird  durch  eine  an  allen  vier  Ecken  befindliche 
Aufhängung  des  Roßhaargitters  an  einem  zwischen  die  Matratze  eingeschobenen  Holzgestell 
bewirkt,  welches  auch  die  untergestellte  Bettschüssel  trägt. 


Fig.    274.      Trockenbett.      Die    Mitte    des    Bettes    trägt 


einen    entsprechend   ge- 

24* 

14- 


358 


M.    MENDELSOHN, 


stalteten  Ausschnitt,  dessen  oberer  Eaud  durch  ein  Luftkissen  bedeckt  wird.  In  einem 
an  der  Unterseite  des  Bettes  angebrachten  und  ausziehbaren  Kasten  befindet  sich  die 
unter  der  centralen  Oeffnung  stehende  Bettschüssel,  während  beiderseits  von  dieser  halb- 
kreisförmige, geschlossene  Metallbehältnisse  liegen,  welche  von  Zeit  zu  Zeit  mit  wannem 
"Wasser  gefüllt  werden  und  so,  bei  der  in  der  Matratze  dauernd  vorhandenen  Oeffnung,  die 
Innentemperatur  des  Bettes  warm  erhalten  sollen.  Das  bisher  noch  wenig  erprobte  Gerät 
dürfte  bei  Incontinentia  alvi  etc.  angemessene  Dienste  leisten. 

Boden  des  Steckbeckens  hinübergestreut  wird;  nur  daß  hier  das  plötzlicbe  und  er- 
hebliche Geräusch  und  die  mit  dem  Schnellen  der  Feder  verbundene  Erschütterung 
den  Kranken  erhebUch  erschrecken  und  bei  schwer  erkrankten  oder  sehr  empfind- 
Hchen  Personen  den  Gebranch  solcher  Geräte  ganz  verbieten  kann.  Eine  sehr  ein- 
fache und  primitive,  aber  darum  keineswegs  unzweckmäßige  Vorrichtung,  den  üblen 
Geruch  eines  Zimmerklosetts  zurückzuhalten,  bildet  der  Wasser  Verschluß,  bei  dem 
der  Deckel,  welcher  den  Eimer  überdeckt,  größer  ist  Ss  dieser  und  rundherum  einen 
etwas  nach  abwärts  gebogenen  Eand  trägt;  dieser  Kand  taucht  in  eine  ringförmige, 
in  das  Sitzbrett  oder  in  die  obere  Fläche  des  Eimers  eingegrabene  Einne,  in  welcher 
sich  Wasser  befindet,  und  bildet  so  einen  völhgen  und  luftdichten  Verschluß. 


Fig.  275.  Trockenbett.  Das  von  Dr.  med.  Saijdee  angegebene  Bettgestell  für 
unreinliche  Kranke  besteht  aus  einem  großen,  viereckigen,  an  der  einen  Seite  in  deren 
oberer  Hälfte  aufklappbarem  Holzkasten;  auch  der  Boden  ist  aus  Holz.  Auf  ihm  liegt 
eine  Gummidecke  auf,  um  das  Hindurchträufeln  von  Harn  durch  den  Holzboden  zu  ver- 
hüten. Das  ganze  Bett  wird  mit  Moos  erfüllt ,  welches  Material  vor  der  ebenfalls  zur 
Anwendung  kommenden  HolzwoUe  neben  der  beiden  Stoffen  zukommenden  großen  Auf- 
saugefähigkeit den  Vorzug  der  Elastieität  voraus  hat.  Der  Kranke  darf  nur  kurze  Hemden 
haben,  welche  die  Nates  freilassen;  er  muß  mit  diesen  gewissermaßen  im  Moose  liegen. 
Das  Moos  ist  regelmäßig  zu  erneuem,  doch  läßt  sich  das  verunreinigte  Material  wieder 
auswaschen  und  verwenden. 


Schließlich  haben  auch  psychische  Einwirkungen  einen 
gar  nicht  ganz  zu  unterschätzenden  Einfluß  auf  den 
Ablauf  oder   auf  den   Eintritt   einer   ausreichenden  De- 


Die  Wirkung  auf  die  Stuhlentleerung. 


359 


fäkation;  wenn  berücksichtigt  wird,  daß  auch  hier  vielfache  psychische 
Hemmungen  und  Auslösungen  obwalten ,  die  insbesondere  eintreten, 
wenn  die  Aufmerksamkeit  besonders  stark  nach  anderer  Eichtung  hin 
in  Anspruch  genommen  wird,  und 
die  auch  oft  schon  wirksam  werden, 
wenn  irgend  eine  lange  bestehende 
Gewohnheit  bei  der  Vornahme  der 
Defäkation  nun  geändert  Averden  oder 
in  Fortfall  kommen  soll,  Schwierig- 
keiten, die  es  oft  überhaupt  unmög- 
lich machen,  eigene  Krankenpflege- 
geräte im  Bette  des  Kranken  zu  ver- 
wenden oder  auch  nur  Zimmerklosetts 
benutzen  zu  lassen,  so  wird  aus  alle- 
dem ebenfalls  entnommen  werden 
können,  daß  auch  in  diesem  Sinne 
den  Heilmitteln  der  Krankenpflege  eine 
thatsächliche  therapeutische  Wirkung 
auf  die  Stuhlentleerung  zugesprochen 
werden  darf;  eine  Wirkung,  die  sich 
zwar  nicht  so  exakt  übersehen  und 
analysieren  läßt  wie  die  anderen  hier 
zur  Geltung  kommenden  Einflüsse  und 
Zusammenhänge,  deren  thatsächliches 
Vorhandensein  jedoch  die  klinische 
Beobachtung  zweifellos  festgestellt  hat. 


Fig.  276.  Zimmei'klosett.  Der  kastenförmige  Deckel  ist  mit  Torfstreuijulver 
angefüllt,  von  welchem  bei  jedem  Schließen  selbstthätig  eine  ausreichende  Menge  in  das 
Innere  des  Eimers  hinabfällt. 

Zu  diesen  psychischen  Ablenkungen  gehört  in  erster  Linie  das  Lesen  während 
der  Defäkation,  das  sehr  viele  Personen  aus  gesunden  Tagen  her  als  eine,  auch 

in   der  Krankheit   schwer 

oder  gar  nicht  ablegbare 
Angewohnheit  besitzen  und 
das  sehr  geeignet  ist,  die 
Aufmerksamkeit  unter  Um- 
ständen in  solchem  Grade 
abzulenken ,  daß  daraus 
Verzögerungen  und,  hier 
und  da  vielleicht  auch  Ver- 
eitelungen der  Defäkation 
zustande  kommen.  Das 
kann  um  so  eher  der  Fall 
werden,  wenn  auch  weitere 
Momente  der  Ablenkung 
noch  dadurch  hinzutreten, 
daß  das  Halten  luid  Ba- 
lancieren größerer,  einge- 
bundener und  schwerer 
Bücher  in  stärkerem  Maße 
Aufmerksamkeit  in  An- 
spruch  nimmt    und   diese 

Fig.  277.     Verschlußdecke]. 


213 


360 


M.   MENDELSOHN. 


Fig.  278.     Verschlußdectel. 

Fig.  277,  278.  Die  auf  einem  Metallrahmen  nacli  Ai-t  eines  Trommelfelleä  ausge- 
spannten selir  elastischen  Gummiselieiben  (Fig.  277)  passen  auf  ein  jedes  Gefäß.  Wenn 
sie  auf  ein  solches  gelegt  und  in  der  Jlitte  stark  eingedrückt  Trerden,  so  bleibt  der  ein- 
gedrückte Teil  der  Gummiseheibe  in  der  Tiefe  stehen  (Fig.  278),  und  der  Yei-schluß  ist 
durch  Ansaugung  ein  Tollkommener. 


Fig.  279.  Be ttscbüssel.  An  dem  aus  Email  und  Metall  gefeitigten  Gerät  ist 
der  seitliche  metallene  Kasten  zur  Anfüllung  mit  Torfstreupiilver  bestimmt.  Nach  Lösung 
der  unter  ihm  angebrachten  Feder  schnellt  von  der  äußeren  Seitenwand  des  Kastens  her 
eine  iletaUseheibe  nach  dem  Steckbecken  hin  und  überschüttet  so  den  Inhalt  der  Bett- 
schüssel mit  dem  Torfstreupulver. 

von  dem  Akte  der  Defäkation  ablenkt.  Auch  hinsichtlich  des  Tabakrauchens 
während  der  Defakation  von  selten  solcher  Patienten,  denen  es  an  sich  gestattet  ist, 
können  ähnliche  Zusammenhänge  wirksam  werden.  Im  höchsten  Maße  aber  ist  das 
der  Fall  durch  die  Gegenwart  dritter  Personen  im  Zimmer,  während  der 
Kranke  seine  Stuhlentleerung  Torzunehmen  versucht.  Nicht  nur  daß  hier  durch 
Gespräche,  oder  durch  das  Ab-  und  Zugehen  und  das  sonstige  Hantieren  der  Um- 
gebung des  Kranken  seine  Aufmerksamkeit  abgezogen  wird,  tritt  vor  AJIem  das  sehr 
erklärhche  psychische  Moment  des  Genierens  vor  den  Anwesenden ,  wie  sehr  diese 
dem  Kranken  auch  persönlich  nahe  stehen  mögen,  als  psychische  Hemmung  in  den 
Vordergrimd  und  macht  oft  das  Zustandekommen  einer  StuMentleerung,  die  sonst 
erfolgt  wäre,  ganz  und  gar  unmöglich. 


214 


Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung.  361 


KAPITEL  IX. 
Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung. 

Will  man  für  die  so  wichtige  Funktion  einer  ausreichenden  Diurese 
in  klinischem  Betracht  Maß  und  Beurteilung  gewinnen,  so  kann  immer 
nur  diejenige  Menge  dafür  als  maßgebend  erachtet 
werden,  welche  thatsächlich  ausgeschieden  und  aus 
dem  Körper  eliminiert  ist;  die  Gesamtfunktion  der  Diurese 
umfaßt  daher  nicht  nur  die  Harnbildung  und  Abscheid uug  inner- 
halb der  Niereu,  sondern  auch  die  thatsächliche  Exkretion 
des  Harns  aus  den  Harn  wegen.  Dementsprechend  sind  bei 
der  Einteilung  dieser  Gesamtfunktion  in  Teilaktionen  zunächst  sowohl 
die  Momente  zu  berücksichtigen,  welche  auf  die  Harnbildung  einwirken, 
als  auch  diejenigen,  welche  die  Harnausscheidung  aus  den  Harnwegen 
befördern ;  denn  auch  diese  letztere  hat  einen  gewissen  Einfluß  auf  die 
Gesamtmenge  des  innerhalb  eines  einheitlichen  Zeitraumes  produzierten 
Harnes,  ein  Einfluß  der  in  quantitativer  Hinsicht  allerdings  zurück- 
tritt hinter  die  anderen  hier  zur  Geltung  kommenden  Einwirkungen, 
der  aber  dennoch  in  Beachtung  gezogen  zu  werden  verdient.  Denn 
in  demselben  Zusammenhange,  in  welchem  Versäumnisse  in  der 
therapeutischen  Unterstützung  der  eigentlichen  Expulsion  der  Fäcal- 
massen  hindernd  auf  den  Ablauf  der  Gesamtfunktion  der  Stuhlentleerung 
einwirken,  wie  sie  aber  dabei  nicht  nur  das  sonst  mögliche  Zustande- 
kommen dieser  Funktion  in  dem  einzelnen  Falle  verhindern,  sondern 
sogar  für  die  Folge  die  Defäkation  überhaupt  hemmen  und  herab- 
setzen, so  besteht  auch  hier  ein  ähnliches  Verhältnis,  indem  unter 
sonst  ganz  gleichartigen  Umständen  eine  seltene,  ver- 
zögerte und  übermäßig  lange  zurückgehaltene  Aus- 
treibung des  Harns  aus  der  Blase  auch  die  Gesamtmenge 
des  Harns  selber,  welche  in  der  Zeiteinheit  produziert 
wird,  herabsetzt  und  verringert.  Es  ist  also  auch  hier  eine 
ganz  und  gar  nur  der  Beeinflussung  durch  die  Heilmittel  der  Krankenpflege 
anheimfallende  Teilaktion  der  Gesamtfunktion ,  welche  diesen  wesent- 
lichen Einfluß  ausübt;  eine  Teilaktion,  deren  therapeutische  Inangriif- 
nahme  für  gewöhnlich  nicht  die  Beachtung  findet,  die  sie  beanspruchen 
muß.  Sie  ist  ausschließlich  und  allein  in  ihrer  Regelung  den  Heil- 
mitteln der  Krankenpflege  unterworfen ;  die  übrigen  Teilaktionen  sind 
das  nur  in  minderem  Maße,  wenn  sie  auch  immerhin  zu  einem  be- 
scheidenen Teile  eine  gewisse  Beeinflussung  durch  hypurgische  Mittel 
erfahren  können. 

Die  Quantität  der  Harnbildung  in  den  Nieren,  welche  in  der  Zeit- 
einheit vor  sich  geht,  hängt  im  wesentlichen  von  zwei  sie  beeinflussenden 
Momenten  ab ;  einmal  von  dem  Maße  der  sekretorischen  Funktion  der 
Niereuepithelien,  die  als  eine  specifische  aufzufassen  ist  und  ebenso 
wie  alle  derartigen  Einrichtungen  im  menschlichen  Organismus  unter 
nervösen  Einflüssen  steht  und  von  diesen  hinsichtlich  der  Intensität 
ihrer  Leistungen  abhängig  ist;  und  außerdem  von  dem  Blutdruck  und 
der  Blutgeschwindigkeit,   welche   in   den  Nierengefäßen  herrschen,   die 

215 


362  M.   MENDELSOHN, 

das  Material,  aus  dem  der  Harn  entnommen  wird,  den  Nieren  zu- 
führen, und  wobei  je  nach  der  Menge  dieses  dargebotenen  Materials, 
die  eben  von  der  Blutgeschwindigkeit  abhängig  ist,  und  besonders 
nach  dem  Blutdrucke,  der  in  den  Gefäßen  herrscht,  und  der  als  vis 
a  tergo  wirkt,  sowohl  der  aus  den  Nierenepithelien ,  wie  der  in  den 
Glomerulis  abgesonderte  Harn  variiert.  Diese  beiden  Teilaktionen,  die 
Anregung  der  sekretorischen  Thätigkeit  der  Nieren- 
epithelien  auf  der  einen  Seite  und  dazu  die  Erhöhung  von 
Blutdruck  und  Blut  gesch  windigkeit ,  bilden  denn  auch  in 
der  Hauptsache  die  Angriffspunkte,  an  welchen  die  medikamentöse 
Beeinflussung  der  Diurese  ansetzt;  ob  diese  nun  den  Blutdruck  im 
allgemeinen  erhöht,  wie  durch  die  Digitalis,  oder  nur  örtlich  in  der 
Niere,  wie  das  beispielsweise  die  Nitrite  thun;  oder  ob  sie  eine  un- 
mittelbare Einwirkung  auf  die  absondernden  Nierenepithelien  oder  auch 
deren  Nerven  ausübt,  wofür  als  Typen  das  Kalomel  und  das  Kalium 
aceticum  dienen  können.  Wenn  auch  andere  nebensächlichere  und 
hier  außer  Erörterung  bleibende  Momente  noch  mitwirken,  diesen 
beiden  Teilaktionen  wendet  sich  im  wesenthchen  die  diuretische 
Therapie  fast  immer  nur  allein  zu;  und  für  ihre  Beeinflussung 
besitzt  sie  in  der  That  sowohl  in  medikamentösen  als  in  anders- 
artigen Heilmitteln  sehr  wirksame  Möglichkeiten  einer  Hebung  der 
Funktion  der  Harnbildung.  Dagegen  haben  die  hypurgischen  Heil- 
mittel gerade  diesen  beiden  Teilaktionen  gegenüber  geringere  Wirk- 
samkeit, nur  daß  eben  auch  alle  diejenigen  Maßnahmen  der  Kranken- 
pflege, welche  als  Tonica  für  das  Herz  gelten  können  und  die  als  solche 
bereits  bei  der  Darstellung  der  Wirksamkeit  hypurgischer  Heilmittel  auf 
das  Herz  ihre  Besprechung  gefunden  haben,  indem  sie  direkt  oder 
indirekt  eine  Steigerung  des  Blutdruckes  und  der  Blutgeschwindigkeit 
herbeiführen  oder  doch  wenigstens  eine  Herabsetzung  dieser  beiden 
Faktoren  verhüten  können,  damit  auch  auf  die  Diurese  günstige  Ein- 
wirkungen ausüben. 

Doch  kann  eine  besondere  Förderung  und  Unterstützung  der 
Diurese,  welche  der  Hypurgie  zugehört  und  die  durch  eine  Steigerung 
der  zweiten  Teilaktion,  durch  die  Anregung  der  sekretorischen  Funktion 
der  Nierenepithelien,  zustande  kommt,  von  der  Krankenpflege  geleistet 
werden:  durch  die  Zufuhr  von  Flüssigkeit  in  einer  aus- 
reichenden Menge  dort,  w^o  ohne  diese  Flüssigkeitszu- 
fuhr eine  ausreichende  Diurese  nicht  zu  Stande  käme. 
Denn  auch  hier  wieder  muß  die  oft  genug  außer  acht  gelassene  Vor- 
aussetzung betont  werden:  daß  ein  Arzneikörper,  welcher  aus  dem 
Organismus  irgend  etwas  herausschaffen  soll,  immer  nur  dann  wirken 
kann ,  wenn  er  genügendes  Material  hierzu  vorfindet ;  ein  Emeticum 
bei  gänzlich  leerem  Magen  zu  geben,  wäre  sinnlos.  So  kommt  es  gar 
nicht  selten  vor,  daß  medikamentöse  Diuretica  ihre  Wirkung 
einstellen,  weil  der  betreffende  Kranke  keine  genügen  de 
Zufuhr  von  Flüssigkeit  erhält,  eine  Unterlassung,  die  außer- 
ordentlich verhängnisvoll  werden  und  für  sich  zur  Urämie  führen 
kann.  Denn  die  wichtigste  Aufgabe  der  Nieren  und  das  hauptsäch- 
lichste Ziel,  zu  welchem  hin  eine  Steigerung  der  Diurese  therapeutisch 
bewerkstelligt  wird,  ist  die  Ausfuhr  der  löslichen  Endprodukte  des 
Stoffwechsels  aus  dem  Blute ,  eine  Ausfuhr ,  die  nur  bei  aus- 
reichendem Vorhandensein  der  notwendigen  Menge  von  Flüssigkeit, 
welche  für   sie   das  Lösungsmittel   abgiebt,   in   einer  genügenden  und 

216 


Die  Wirkung  auf  die  Haraentleerung.  363 

vollkommenen  Weise  vor  sich  gehen  kann.  Die  Möglichkeit  aber, 
einem  Kranken  reichliche  Mengen  von  Wasser  beizubringen ,  hängt 
ganz  und  gar  von  dem  einzelnen  Krankheitszustande  ab,  davon,  ob 
Oedeme  oder  Ascites  da  sind  oder  nicht,  ob  die  Behinderung  der 
Diurese  auf  einem  mangelhaften  Funktionieren  des  Herzens  beruht 
oder  ob  sie  in  einer  Affektion  der  Nieren  selber  ihren  Grund  hat,  und 
von  einer  Reihe  ähnlicher  Umstände,  deren  eingehendere  Erörterung 
Aufgabe  der  speciellen  Therapie  ist.  Abgesehen  hiervon  aber  ist  es 
oft  geboten ,  eine  ausreichende  Flüssigkeitsmenge  einzuführen ;  oft 
sogar  eine  über  die  Norm  große:  denn  die  möglichste  Durch- 
spülung des  Organismus,  die  reichliche  Zufuhr  von 
Wasser  ist  das  einfachste  und  wirksamste  Diureticum, 
das  trotz  seiner  Einfachheit  oft  allein  für  den  gewünschten  Endeffekt 
ausreicht. 

Wenn  man  bedenkt,  dalä  diese  therapeutische  Indikation  einer 
ausreich  en  den  Flüs  sigkeitszufuhr  nicht  selten  für  be- 
wußtlose und  komatöse  Patienten  maßgebend  wird,  so 
ergiebt  sich,  daß  die  Beibringung  einer  genügenden  Flüssigkeitsmenge 
eine  Aufgabe  gerade  der  Krankenpflege  ist  und  keineswegs  eine  ein- 
fache und  leichte.  Und  auch  sonst  ist  die  Einteilung  und  Darreichung 
der  zu  genießenden  Flüssigkeitsmenge  als  ein  somatisches  Heilmittel 
der  Krankenpflege  mit  diuretischem  Effekt  anzusehen,  wie  sehr  dieses 
Heilmittel  auch  zum  wesentlichen  Teile  bereits  der  Ernährungstherapie 
zugehört. 

Hier  verwischen  sich  mannigfach  die  trennenden  Linien  zwischen  den  einzelnen 
Disciplinen  |der  Therapie;  um  so  mehr  als  wegen  der  in  ihnen  enthaltenen  Salze 
und  ihrer  besondere  pharmakodynamische  Einwirkungen  ausübenden  eigenartigen 
Bestandteile  statt  des  einfachen  Trinkwassers  hier  für  gewöhnlich  Mineral- 
wässer zur  Verwendung  zu  kommen  pflegen,  die  schon  mehr  als  medikamentöse 
Heilmittel  anzusehen  sind,  wenn  auch  in  vielen  von  ihnen  der  Wassergehalt  eine 
wesentliche  und  oft  sogar  die  hauptsächlichste  Eolle  beim  Zustandekommen  des 
therapeutischen  Effekts  spielt. 

Mit  Hilfe  der  regelmäßigen  Entleerung  der  Harnblase 
führen  die  Krankenpflegeheilmittel  diuretische  Wirk- 
ungen in  erheblichem  Umfange  herbei.  Denn  wird  die 
richtige  Entleerung  der  Blase  versäumt,  sammelt  sich  Harn  über  die 
Norm  hinaus  in  ihr  an ,  so  ist  die  Konsequenz  hiervon  ein  immer 
geringer  werdender  Zufluß  von  neuem  Harn  aus  den  Nieren  her; 
es  ist  durch  Beobachtungen  festgestellt,  daß  unter  sonst  gleichen 
Bedingungen  dasselbe  Individuum  nicht  unbeträchtlich 
größere  Mengen  von  Harn  insgesamt  entleerte,  wenn  es 
in  kurzen  Intervallen  und  häufig  die  einzelnen  Blasen- 
entleerungen vornahm,  als  bei  nur  seltenen  Expulsionen  des 
Harns  innerhalb  des  gleichen  Zeitraumes.  Die  Thatsache  selber  ist  nach- 
gewiesen und  nicht  anzuzweifeln ;  der  Zusammenhang  kann  ein  mehr- 
facher sein   und  resultiert   aus  mehreren   ihn  bedingenden  Momenten. 

Am  einfachsten  zu  übersehen  sind  die  rein  mechanischen  Mo- 
mente der  Behinderung,  welche  wirksam  sein  müssen, 
wenn  die  Harnblase  stark  oder  übermäßig  angefüllt  ist. 
Die  Harnwege  stellen  von  den  Harnkanälchen  her  bis  zum  Sphinkter 
der  Blase  einen  einheitlichen  langgestreckten  Hohlraum  dar,  der  zwar 
an  der  Uebergangsstelle  der  Ureteren  in  die  Harnblase  eine  Art  von 
klappenartigem  Ventil  besitzt,   welches   die  Rückstauung  hindern  soll, 

217 


364  M.    MENDELSOHN, 

in  welchem  jedoch  trotz  dieser  Vorrichtung  eine  Steigerung  des  Druckes 
in  dem  unteren  Abschnitte  des  Hohlraumes,  in  der  Blase,  sich  auch 
gleichzeitig  in  einer  Drucksteigerung  im  oberen  Teile  der  Haruwege 
geltend  machen  muß.  Denn  jede  neu  aus  dem  Ureter  in  die  Harn- 
blase abtiießende  kleinste  Harnportion  hat,  um  in  dieses  Reservoir 
überhaupt  hineingelangen  zu  können,  den  in  ihm  herrschenden  Druck 
zu  überwinden ;  und  so  kommt  es.  daß  bei  einem  sehr  gesteigerten 
Drucke  innerhalb  der  stark  angefüllten  Harnblase  nur  ein  geringer 
Teil  einer  solchen  Harnportion  in  diese  übertreten  kann ,  ein  mit 
wachsendem  Drucke  dagegen  immer  größer  werdender  Rest  im  Ureter 
zurückbleiben  muß.  Je  stärker  aber  die  Ausdehnung  und 
der  Druck  ist,  welche  im  Ureter  und  damit  auch  in  dem 
mit  ihm  kommunizierenden  Nierenbecken  und  den  Harn- 
k  a  n  ä 1 c  h  e  n  herrschen,  desto  geringer  wird  die  H  a  r  n - 
absoüderung  durch  die  Kieren;  denn  der  zunehmende  Druck 
lastet  innerhalb  der  Harnkanälchen  nicht  nur  unmittelbar  auf  den  se- 
cernierenden  Epithelien,  sondern  komprimiert  im  Nierenbecken  auch 
die  Nierenpapillen  und  die  aus  ihnen  zutage  tretenden  Harnkanälchen 
und  hemmt  somit  wiederum  die  Harnabsonderung. 

Zu  dem  rein  mechanischen  Moment  einer  solchen  Herabsetzung 
der  Diurese  infolge  einer  derartigen  Rückstauung  des  Harns  in  den 
Harnwegen  bei  vernachlässigter  und  aufgeschobener  Entleerung  der 
Harnblase  tritt  unter  diesen  Verhältnissen  noch  eine  zweite  anders- 
artige Behinderung  dadurch  hinzu,  daß  eine  Verminderung  des 
Gegendruckes  in  den  Harnkanälchen  die  Blutzirkulation 
innerhalb  der  Niere  begünstigt,  eine  Verstärkung  dieses  Gegen- 
druckes dagegen  sie  herabsetzt.  Da  aber  von  dem  Blutdruck  und  der 
Blutgeschwindigkeit  innerhalb  der  Niere  die  Größe  der  Diurese  direkt 
abhängt,  so  muß  auch  hierdurch  diese  eine  Einschränkung  erfahren 
und  die  Harnbildung  absinken. 

Sodann  käme  schließlich  als  ein  dritter  Zusammenhang  der 
Behinderung  die  viel  diskutierte,  bisher  aber  immer  noch  nicht  gänz- 
lich klar  gestellte  Frage  einer  eventuellen  Resorption  von 
Flüssigkeit  durch  die  Schleimhaut  der  Harnblase  in  Be- 
tracht. Denn  wenn  die  Harnblase  überhaupt  das  Vermögen  hat,  in 
ihr  enthaltene  Flüssigkeit  zu  resorbieren,  so  muß  das  natürlich  bei  nur 
selten  erfolgender  Entleerung  der  Harnblase  in  um  so  höherem  Maße 
geschehen,  als  einmal,  und  besonders  in  größeren  und  ungewöhnlichen 
Mengen,  Flüssigkeit  lange  Zeit  hindurch  innerhalb  der  Blase  zurück- 
gehalten ist ,  sodann  aber  auch  bei  stärkeren  A  n  f  ü  1 1  u  n  g  s  - 
zuständen  der  Druck  zwischen  B  laseucon  tentum  und 
Blasenwandung  mehr  und  mehr  ansteigt  und  damit  eine 
Resorption  begünstigt  wird.  Mit  einer  solchen  Resorption 
würde  aber  ein  Teil  des  durch  die  Nieren  bereits  eliminierten  Wassers 
wieder  in  den  Körper  zurückkehren .  und  damit  die  thatsächlich  aus- 
geschiedene Harnmenge  eine  entsprechende  Einbuße  erleiden,  die 
Diurese  zum  Absinken  gelangen. 

Bei  diesem  Zusammenhange  der  einzelnen  Behinderungen  müssen 
diejenigen  Heilmittel  der  Krankenpflege,  welche  eine 
regelmäßige  und  in  genügend  kurzen  Zwischenräumen 
vor  sich  gehende  Entleerung  der  Harnblase  herbei- 
führen, einen  diuretischen  Effekt  ausüben.  Diese  Heil- 
mittel sind  somatischer  und  materieller  Art;  sie  bestehen  in  allen  den- 

2l8 


Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung. 


365 


jenigen  Handreichungen  und  in  der  Benutzung  aller  derjenigen  Geräte, 
welche  den  Akt  des  Harnlassens  dem  Kranken  erleichtern 
und  in  seiner  gezwungenen  Position  ihm  oft  überhaupt 
erst  ermöglichen.  Auch  hier  kommt  wieder  in  Betracht,  daß 
eine  notwendige  Vornahme,  wenn  sie  möglichst  bequem  gestaltet  wird, 
von  dem  Kranken  viel  leichter  und  eher  ausgeübt  wird,  als  wenn  solche 
Vorsorge  unterbleibt  oder  etwa  gar  dem  Patienten  Belästigungen  und 
Schmerzen  daraus  erwachsen. 

Die  in  der  Krankenpflege  zur  Aufnahme  des  Harns  bestimmten  Geräte 
sind  für  die  allgemeine  Verwendung  aus  Glas  gefertigt.  Ueber  die  Anwendungsweise 
der  einfachen  üringläser  ist  nichts  Besonderes 
zu  sagen;  sie  werden  dem  Kranken  so  zurecht- 
gestellt, daß  er  sie  bequem  erreichen  kann,  und 
müssen,  wo  ihr  Ergreifen  und  ihre  Handhabung 
ihm  Schwierigkeiten  machen  kennte,  jedesmal,  wie 
oft  auch  ihr  Gebrauch  notwendig  werden  mag,  ihm 
dargereicht  und  vorgehalten  werden.  Dabei  müssen 
die  für  die  Urinaufnahme  bestimmten  Gläser,  da 
sie  mit  einer  größeren  Fläche  ihrer  Außenseite  zu 
der  empfindlichen  Haut  des  Kranken  iu  Berührung 
kommen  oder  doch  wenigstens  kommen  können, 
zuvor  erwärmt  werden,  ehe  man  sie  darreicht; 
am  einfachsten  durch  vorherige  AnfüUung  mit  mäßig 
warmem  Wasser;  es  genügt  jedoch  auch,  die  leeren 
Gläser,  aber  ohne  daß  sie  dort  mit  dem  Körper 
des  Kranken  in  unmittelbare  Berührung  kommen, 
für  kurze  Zeit  unter  die  Bettdecke  zu  halten  und 
sie  so  ein  wenig  anzuwärmen.  Fig.  280.     Uringlas. 


Fig.  281.     Uringlas.  Fig.  282.     Uringlas. 

Fig.  280,  281,  282.  Die  in  Krankenhäusern  üblichen  Uringläser  (Fig.  280)  sind 
von  dem  Kranken  schwer  zu  handhaben ,  da  sie  bei  relativ  großer  Circumferenz  keinen 
besonderen  Handgriff  besitzen.  Sie  werden  besser  als  große  Schalen  mit  Henkel  lierge- 
stellt  (Fig.  282)  oder  in  Becheriorm  mit  Ausguß  (Fig.  281),  der  für  die  Entnahme  von 
Urinproben  zum  Zwecke  der  Untersuchung  vorteilhaft  und  bequem  ist. 

Die  als  Enten  oder  Glasenten  bezeichneten  Geräte  sind  zur  Urinaufnahme 
innerhalb  des  Bettes  selber  eigens  hergestellt  und  entsprechen  in  der  That  dieser 
Aufgabe  in  sehr  vollkommener  AVeise  durch  die  eigenartige  Gestalt,  welche  sie  haben. 
Denn  es  müssen  Geräte  sein,  welche  einen  ausreichend  weiten  Hohlraum  zur  Aufnahme 
auch  größerer  Mengen  Harnes  besitzen,  in  den  von  oben  her,  also  durch  eine  an  der 
Oberseite  befmdMche  Einflußöffnung,  der  Harn  hineiugelassen  wird ;  bei  alledem 
aber  dürfen  sie,  was  diesen  Erfordernissen  eigentlich  widerspricht,  doch  nur  eine  im 
ganzen  so  unbeträchthche  Höhe  haben,   daß  das  ganze  Gerät  bequem   zwischen  die 


219 


366 


M.    MENbELSOHN, 


Glasente. 


Füße  des  Kranken  unter  die  Bettdecke  geschoben  werden  kann,  dort  mit  breiter 
Basis  auf  dem  Bettboden  aufzuliegen  vermag,   ohne  umzufallen  und  dabei,   was   das 

wichtigste  ist,  in  dieser  Situation 
seine  Einmündungsöffnung  immer 
noch  nur  in  einer  derartigen  Höhe 
über  der  Bettunterlage  hat,  daß 
das  Orificium  externum  der  männ- 
lichen wie  der  weibüchen  Harn- 
röhre bequem  und  ohne  eine  not- 
wendig werdende  Erhebung  des 
Körpers    des  Kranken   auf   diese 
Emflußöffnung  trifft.    FüUt  man 
J  ein  soiches;Gefäß  durch  das  An- 
satzronr,    so   Kann  man   es  flach 
hinlegen,'^  ohne  [daß   etwas    aus- 
fließt.  Diese  Betturinale  aus    Glas   erfüllen    alle   diese  [Erfordernisse  in   recht  aus- 
reichender Weise;   und  das  Material   des  Glases   bietet  seiner   eigensten  Beschaffen- 
heit nach   noch  die  weiteren  beiden 
Vorzüge  dar,  daß  es  bei  seiner  Durch- 
sichtigkeit   die    diagnostisch    oft    so 
überaus  wichtige  Beurteilung  des  auf- 
gesammelten   Harnes    ohne    weiteres 
ermöglicht,    und  außerdem  bei  seiner 
großen    AViderstandsfähigkeit    gegen 
scharfe    Substanzen    eine    minutiöse 
Säuberung    der    Geräte    durch   Che- 
mikalien   durchaus    zidäßt.      Solche 
„Glasenten''    werden    auch   aus  Tor- 
zellan    und   anderen  Surrogaten  her- 
gestellt. 

Diese  Harngeräte  dürfen  den 
KTanken,'mehr^noch  wie  die  einfachen 
Uringläser,  immer  nur  im  erwärmten  Zustande  eingelegt  werden,  manchmal  genügt 
es,   wie  schon  vorher  aneedeutet  worden ,    daß   man   sie  an    einer,    vom  Körper  des 

Kranken  nicht  selbst  in  Gebrauch 
gezogenen  Stelle  des  Bettes  einige 
^linuten  vor  der  Inanspruch- 
nahme unter  die  Bettdecke  bringt ; 
zweckmäßig  ist  die  mehrmalige, 
der  Benutzimg  unmittelbar  voraus- 
gehende Ausspülung  mit  lau- 
warmem Wasser.  Daß  die  pein- 
lichste Sauberkeit  zu  herr- 
schen hat,  gerade  bei  Geräten, 
welche  mit  Auswurfsstoffen  des 
Kranken  angefüllt  werden,  ist 
eigentlich  selbstverständhch ;  als- 
bald nach  jeder  Benutzung  müssen 
Fig.  285.     Glasente.  dig   Enten,    und  zwar   außerhalb 

Fig.  283,  284,  285.  Die  männlichen  Glaseuten  (Fig.  283)  tragen  einen  geraden 
cylindrischen  Ansatz,  dessen  oberer  Rand,  was  nicht  bei  allen  Exemplaren  der  Fall  ist, 
rund  geschliffen  sein  muß.  Die  Ansatzstücke  der  weiblichen  Enten  sind  verschieden 
geformt  (Fig.  284,  285);  für  längeren  Gebrauch  empfiehlt  es  sich,  ein  Gerät  auszuwählen, 
welches  für  den  Kranken  in  seinen  Maßen  passend  ist. 

des  Krankenzimmers,  entleert  und  gesäubert  werden,  und  das  ganz  besonders  bei 
zersetztem  Harne,  da  jeder  Harn  bei  längerem  Verweilen  außerhalb  des  Körpers, 
zumal  bei  niederer  Temperatur,  Harnsäure  und  andere  Krystalle  ausfallen  läßt. 
Und  da  dieses  Ausfallen  krystallinischer  Elemente  bei  alkalischem   Harne  mit  Not- 


Fig.  284.     Glasente. 


Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung. 


367 


\vendigkeit  vor  sioli  geht  und  besonders  bei  ammoniakalisch  zersetztem  Harne  in 
großem  Maße  stattfindet,  so  ist  je  nacli  der  Natur  dieser  Bildungen,  welche  den 
Innenwänden  der  betreffenden  Gefäße  sehr  fest  anhaften  und  oft  nur  mit  Mühe  von 
ihnen  entfernt  werden  können,  häufig  heißes  "SVasser  nicht  ausreichend  zur  gänz- 
lichen Eeinigung,  zumal  deren  ausgiebige  Anwendung  sich  bei  Glasgeräten  der 
Gefahr  des  Zerspringens  wegen  ver- 
bietet; es  muß  dann  die  Eeinigung, 
je  nach  der  Art  der  festhaftenden 
Harnsedimente,  entweder  mit  Soda- 
lösiuig  oder  mit  dünner  Salzsäure 
erfolgen. 


Fig.  286.  Fig. 

Fig.  286.  Uringefäß.  Das  von  Prof.  Dr.  med.  SÄNGER  angegebene  Gerät  ist 
aus  Porzellan  gefertigt  und  ausscMießlieh  für  das  Harnlassen  weiblicher  Kranker  in  der 
Bettlage  bestimmt.  Es  wird  so  unter  die  Kranke  geschoben,  daß  es  mit  seinem  schmalen, 
zugespitzten  Teil   zwischen   die  Nates  zu  liegen  kommt. 

Fig.  287.  Uringefäß.  Das  aus  Glas  oder  Porzellan  gefertigte,  ausschließlieh  nur 
fiii'  weibliche  Kranke  bestimmte  Gerät  wird  nach  dem  gleichen  Prinzip  wie  die  Glas- 
enten benutzt,  die  Handhabung  jedoch  ist  leichter,  da  der  oben  angebrachte  Handgriff 
und  die  vom  kielartig  gestaltete  Form  des  Geräts  es  leicht  und  bequem  an  Ort  und  Stelle 
schieben  läßt. 

Eine  besondere  Form  von  harnaufnehmenden  Geräten  sind  die  sogenannten 
Urinale,  in  der  Hauptsache  mehr  oder  minder  langgestreckte,  in  den  beideu 
anderen  Dimensionen  jedoch  schmale  Behältnisse,  welche  im  großen  und  ganzen 
in  den  Eaum  hinein jiassen,  welehen,  ohne  daß  sie  besonders  gespreizt  zu  werden 
brauchen,  die  Innenflächen  der  Oberschenkel  beim  Gehen,  Sitzen  oder  Liegen 
zwischen  sich  frei  lassen.  Diese  Behältnisse,  welche  die  verschiedensten  Größen 
haben,  sind  im  wesentlichen  Schläuche  von 
relativ  weitem  Umfange,  mit  oberer  Oeff- 
nung  und  unterem  Verschluß ;  der  Ver- 
schluß   kann    ein   definitiver   sein    oder  aber 


Fig.  288.     Uringefäß.  Fig.  289.     Uringefäß. 

Fig.  288,  289.  Für  sehr  empfinrlliche  Kranke  und  ebenso  auch  bei  ambulatorischem 
Gebrauch  und  auf  der  Keise  lassen  sich  mit  Vorteil  aus  festcrem  (Fig.  288)  oder  aus  ganz 
weichem  (Fig.  289)  Gummimaterial  hergestellte  und  mit  Handgriff  versehene  Behältnisse 
veiTvenden ,  welche  bei  ihrer  Nachgiebigkeit  und  Zusammendrückbarkeit  in  einer  jeden 
Lage  des  Ki'anken  für  seine  Urinentleenmg  gebraucht  werden  können  imd  die  ziidem  auf 
das  Bequemste  zusammengelegt  xind  mitgeführt  werden  können. 


368 


M.    MENDELSOHN, 


welche  hermetisch  verschließbar  ist,  auch  hier 
wieder  für  gewöhnhch  durch  ein  eingeschraubtes  Verschlußstück,  häufiger  jedoch 
durch  einen  Hahn  mit  kurzem,  nach  unten  gerichtetem  Ausflußansatz,  welcher 
erlaubt,   daß  eine  im  Innern   des  Behältnisses   befindliche  Flüssigkeit  ohne  weiteres 


li„ 


11       I   i]i    rstecher. 


Fig.  290.     ünterstecher. 

Fig.  290,  291.  Die  aus  Porzellan  gefei-tigten  kleinen  Geräte  entsprechen  in  ihrer 
FoiTB  und  Anwendung  den  für  die  Defäkation  bestimmten  gröiäeren  Steckbecken,  nur  daß 
sie  kleiner  und  ausschließlieh  zum  Auffangen  von  Harn  verwendbar  sind. 


abgelassen  werden  kann,  und  der  auch  durch  einen  angesetzten  Schlauch  in  be- 
liebiger Ausdehnung  verlängert  werden  kann.  Ein  solches  Behältnis  trägt  einen 
Aufsatzteil,  der  trichterförmig  ist  und  dessen  oberer  Rand  entweder  einen  großen 
ovalen  Schütz  darstellt  oder  einen  kleinen  rmiden  Trichtereingang.  AUe  diese  Geräte 
haben  entweder  Gürtel  oder  Bänder  in  dauernder  Befestigung  an  ihrem  oberen  Teile, 
so  daß  sie  selber  von  diesen  frei  nach  unten  herabhängen,  oder  sie  tragen  an  ihrem 
oberen  Teile  Oesen  oder  Knopflöcher  oder  Knöpfe,  um  derartige  Bänder  an  sich 
befestigen  zu  lassen.  Die  Aufgabe  solcher  Behältnisse  ist  die,  an  Kranken,  und 
zwar  meist  an  solchen,  welche  nicht  bettlägerig  sind,  den  ausfließenden  Harn  auf- 
zunehmen und  zu  bewahren;  sie  kommen  daher  nur  bei  solchen  Personen  zur 
Anwendung,  welche  aus  krankhaiften  Ursachen  ihren  Harn  entweder 


Fig.    292.     TJrinal. 


Fig.  293.     Urinal. 


Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung. 


369 


überhaupt  nicht  zurückhalten  können  oder  in  nur  so  ungenügendem 
Maße  und  mit  so  geringer  und  schnell  sich  erschöpfender  Widerstandskraft,  daß  eine 
solche  Vorrichtung  geboten  ist.  Sie  werden  mit  Hilfe  der  erwähnten  Bänder  oder 
Gurte,  die  an  dem  oberen  Teile  des  Gerätes  sich  befinden,  mittels  eines  um  den  Leib 
geschlungenen  Gürtels  am  Körper  befestigt,  und  ihre  nach  oben  gerichtete  trichterförmige 
Oeffnung  ist  entweder  dem  männlichen  oder  dem  weiblichen  Körper  angepaßt,  wobei  sie 
in  beiden  Fällen  über  die  äußeren  Genitalien  fort  faßen ;  die  länger  gebildeten  und  ent- 
sprechend schmäleren  männhchen  Behältnisse  werden  in  dem  einen  Hosenbein  ge- 
tragen. Bei  diesen  Urinalen  zeigen  sich  die  beiden  besonderen  Eigenschaften  des 
Gummimaterials :  die  Anschmiegbarkeit  mid  die  Wasserundurchlässigkeit ,  nach 
anderer  Richtung  hin  wertvoll  und  notwendig,  als  beispielsweise  bei  den  Eistseutein, 
so  daß  diese  beiden  Gruppen  von  Gummigeräten  gewissermaßen  als  Typen  für  die  Ver- 
wendung des  Gummi  in  der  Krankenpflege  dienen  können :  während  die  Wasserdichtig- 
keit bei  den  Eisbeuteln  dazu  dient,  flüssige  oder  zu  Flüssigkeiten  werdende  feste  Stoffe 
von  außen  her  an  den  Körper  heranzubringen  und  an  diesem  ihre  Wirkungen  ent- 
falten zu  lassen,  ermöglicht  sie  bei  den  Urinalen,  Flüssigkeiten  vom  Körper  her 
aufzunehmen  und  zu  be- 
wahren; während  die  An- 
schmiegbarkeit der  Eisbeutel 
einen  möglichst  vollständigen 
Kontakt  zwischen  den  Ober- 
flächen des  Körpers  und  des 
Gerätes  herbeiführt ,  sucht 
sie  bei  den  Urinalen ,  wo 
das  Behältnis  notgedrungen 
dauernd  in  unmittelbarer 
Nähe  und  in  direkter  Be- 
rührung mit  dem  Körper  ge- 
tragen werden  muß ,  durch 
eine  möglichste  Anpassung 
an  den  verfügbaren  Eaum 
die  Störungen  und  Belästig- 
ungen, welche  aus  diesem 
Kontakt  hervorgehen ,  auf 
ein  Mindestmaß  zu  be- 
schränken. 

Fig.  292,  293,  294.  Die  für  das  ununterbrochene  Auffangen  des  Harns  bei  Incon- 
tinentia urinae  bestimmten  männlichen  ürinale  werden  nach  Art  der  Suspensorien  an 
Tragbändem  und  Traggurten  am  Körper  befestigt  und  haben  entweder  bei  ambulatorischen 
Kranken  Recipienten  zur  Aufnahme  und  Bewahrung  des  Harns,  oder  Schlanehansätze, 
welche  bei  bettlägerigen  Kranken  den  Harn  alsbald  fortleiten  (Fig.  292).  Die  weiblichen 
Urinale  tragen,  ihrer  relativ  großen  Anlagerungsfläche  am  Körper  entsprechend,  mit  Vorteil 
auf  ihrem  oberen  Bande  eine  glatte,  sehlauchartige  Vorrichtung,  welche  nach  Art  eines 
Luftkissens  mit  Hilfe  eines  kleinen  Ansatzscblauehes  aufblasbar  ist  (Fig.  293,  294).  Die 
Behältnisse  au  den  weibhchen  Urinalen  sind  für  den  Gebrauch  ambulatorischer  Kranker 
bestimmt  (Fig.  293)  oder  aber  für  die  Auffangung  des  Harnes  in  der  Ruhelage  (Fig.  294), 
■wo  sie  dann  mit  Vorteil  einen  kleinen ,  von  ihrem  oberen  Band  ausgehenden  feinen 
Scblauchansatz  tragen,  welcher  die  Luft  aus  dem  Behältnis  in  dem  Maße  entweichen  läßt, 
als  der  Urin  sich  in  ihm  ansammelt. 

Beim  Gebrauch  der  Urinale  ist  es  unbedingt  erforderlich,  daß  der  angesammelte 
Urin,  so  häufig  als  es  ohne  besondere  Belästigung  für  den  Trager  nur  geschehen 
kann,  aus  dem  Behältnisse  entleert  wird,  was,  ohne  daß  es  abgenommen  zu  werden 
brauchte,  mit  Hilfe  eines  an  seinem  unteren  Ende  angesetzten  Schlauches  durch 
einfache  Oeffnimg  des  Verschlußhahnes  geschehen  kann.  Besser  ist  es  jedoch, 
mehrere  Exemplare  des  Gerätes  in  häufiger  Abwechslung  zu  benutzen,  da  kaum 
ein  anderes  Utensil  der  Krankenpflege  in  solchem  Maße  einer  minutiösen  Eeinigung 
bedarf  wie  diese  Urinale.  Es  versteht  sich  ja  auch  ohne  weiteres:  eine  jede  Zer- 
setzung des  Harnes  muß  soweit  als  irgend  möglich  verhütet  werden.  ^  Darum 
müssen  diese  Geräte  tägUch  und  wenn  möglich  sogar  noch  öfter  mit  desmfizierenden 


Fig.  294.     Urinal. 


370 


M.   M  ENDELSOHN, 


und  desodorierenden  Lösungen,  insbesondere  solchen  von  übermangansaurem  Kali, 
gewaschen  werden;  auch  thut  man  gut,  stets  eine  kleine  Menge  solcher  Flüssigkeit 
in  dem  Behälter  vor  dessen  Gebrauchsanlegung  zurückzulassen.  Leider  ist  es  nicht 
immer  möglich,  diese  Zersetzung  zu  bekämpfen;  und  ganz  illusorisch  sind  natürlich 
derartige  Bestrebungen,  wenn  der  Harn  bereits  in  zersetztem  Zustande  aus  der 
Blase  entleert  wird.  In  solchen  Fällen  kann  man,  wenn  seine  direkte  medikamentöse 
Beeinflussung,  welche  immer  die  erste  Indikation  bildet,  durch  Said  oder  Uro- 
tropin  oder  Balsame  und  ähnliche  Arzneimittel  im  Stiche  läßt,  den  üblen  Geruch 
des  zersetzt  entleerten  Harnes  dadurch  verdecken  oder  wenigstens  einschränken, 
daß  man  dem  Kjanken  Terpentin  verabfolgt ,  welches  dem  normalen  Harne 
einen    angenehmen    Veilchengeruch    verleiht    und    das    bei    alkalischer    Zersetzung 

des  Harnes  wenigstens  den 
widerlichen  Geruch  ein 
wenig  mildert.  Leider  läßt 
sich  eine  solche  Darreich- 
ung aber  nicht  andauernd 
und  lange  genug  vor- 
nehmen ;  und  ebenso  ent- 
spricht auch  die  allgemein 
gegebene  Vorschrift,  der- 
artigen Kranken  mit  Incon- 
tinentia urinae  nur  wenig 
zu  trinken  zu  geben,  mehr 
einer  theoretischen  Idee  als 
einem  praktisch  durchführ- 
baren Erfahrungssatz. 

Fig.  295.  Urinal.  Das  von  Dr.  med.  HOTTINGER  angegebene,  auch  „Pessar-Urinar" 
genannte  kleine  Gerät  ist  ein  Gummiring  nach  Art  und  Form  der  Oeclusiv-Pessare,  welcher 
in  einen  Gummitrichter  übergeht ;  dieser  setzt  sich  in  einen  ableitenden  Gummischlaueh 
von  beliebiger  Länge  fort.  Das  Urinal  ist  nur  bei  Frauen  mit  Vesico-Vaginalfisteln  ver- 
wendbar, leistet  aber  treffliche  Dienste,  falls  die  Fistel,  pathologisch  oder  arteficiell,  groß 
genug  ist,  um  dem  Harn  ausreichend  Durchtritt  zu  gewähren.  Das  Gerät  wird  wie  ein  Pessar 
eingelegt;  der  Ableitungsschlauch  mündet  in  ein  Gummireservoir,  wie  es  an  Urinalen 
üblich  ist  (Fig.  293)  und  das  mit  Hilfe  von  Bändern  an  einem  Oberschenkel  befestigt 
und  getragen  wird. 

Auch  die  Katheter,  welche  eigenthch  ein  Gerät  der  speciellen  Therapie  sind, 
können  hier  durch  die  Kranken  selber  zur  Anwendung  kommen  und  müssen  in  ihrer 
Handhabung  bestimmten  Vorsichtsmaßregeln  unterliegen.  Ist  es  schon  in  Anbetracht 
der  schwierigen  Konservierung  und  der  schnell  verloren  gehenden  Elastizität  des  Gummis 
geboten,  bei  einem  jeden  Gummischlauche  überhaupt,  ehe  man  ihn  in  Gebrauch  nimmt, 
nachzusehen  und  zu  ermitteln,  ob  er  nicht  brüchig  und  leck  geworden  ist,  so  ist  bei 
solchen  Gummigeräten,  wie  den  hier  in  Rede  stehenden,  welche  in  das  Körperinnere 
unmittelbar  eingeführt  werden,  diese  vorherige  Feststellimg  ein  unbedingtes  Er- 
fordernis, dessen  Unterlassung  geradezu  ein  Kunstfehler  ist.  Sie  hat  sich  darauf 
zu  erstrecken,  einmal  ob  die  hier  besonders  und  auf  das  sorgfältigste  glatt  gebildete 
Oberfläche  der  Geräte  nicht  an  einzelnen  Stehen  rauh  und  uneben  geworden  ist, 
was  bei  der  Einführung  Schmerzen  und  Verletzungen  bereiten  könnte,  eine  Prüfung, 
die  nicht  nur  durch  die  einfache  Besichtigung,  ^sondern  auch  durch  ein  Hindurch- 
ziehen des  Instruments  zwischen  zwei  Fingerkuppen  geschehen  muß;  außerdem 
ist  die  ausreichende  und  erhaltene  Elastizität  des  Gummigerätes  vor  der  Einführung 
dadurch  zu  prüfen,  daß  man  es  an  seinen  beiden  freien  Enden  faßt  und  ziemlich 
kräftig  in  die  Länge  zieht,  wobei  brüchig  und  hart  gewordene  Stellen  durchreißen 
und  damit  ein  Abbrechen  des  Katheters  schon  vor  der  Einführung  und  außerhalb 
des  Körpers  sich  ereignet,  das  sonst,  ohne  diese  Prüfung,  nicht  selten  und  dann 
mit  fatalen  Konsequenzen  innerhalb  der  Blase  erfolgen  kann.  Daß  diese 
Geräte  besonders  gut  gereinigt  und  desinfiziert  werden  müssen,  daß  sie  nur  aus- 
reichend  eingeölt   zur  Einführung   gelangen   dürfen   und   manche   andere   derartige 


224 


Die  Wirkung  auf  die  Harnentleerung.  371 

Vorsichtsmaßregel  mehr,  gehört  schon  in  das  Gebiet  der  specieUen  ärztlichen  Technik 
imd  kann  daher  an  dieser  Stelle  füglich  übergangen  werden. 

Außer  diesen  besonderen  Krankenpflegegeräten  werden  nun  auch  hier  die  all- 
gemein üblichen  Geschirre  benutzt;  und  da  hat  die  Pflege  die  Aufgabe,  darauf  zu 
achten,  daß  die  Körperlage  und  Körperhaltung  beim  Urinlassen  wieder- 
um mit  möglichst  wenig  Anstrengung  für  den  Kranken  verbunden  ist. 
Wo  es  sich  machen  läßt,  hebe  man  zum  Zwecke  des  Harnlassens  dem  Kranken  die 
Beine  seitlich  aus  dem  Bette  heraus  und  setze  ihn  so,  daß  er  auf  den  Bettrand  zu 
sitzen  kommt;  er  kann  in  dieser  Stellung  ganz  bequem  Urin  lassen.  Auch  hier 
wieder  sind  die  beiden  niemals  außer  acht  zu  lassenden  Aufgaben  zu  erfüllen,  ihn 
durch  imtergelegte  Teppiche  oder  über  die  Beine  gebreitete  Decken  vor  Erkältung 
zu  schützen  und  den  Oberkörper  nicht  sich  selber  zu  überlassen,  ihn  vielmehr  bei 
nur  kurzer  Dauer  des  Verweilens  in  der  aufrechten  Haltung  zu  stützen  und 
zu  halten,  für  eine  längere  Zeit  jedoch  durch  Kissen  und  Polster  ihm  eine  aus- 
reichende Lehne  zu  schaffen.  Das  gilt  auch  für  die  Defäkation  im  Bette,  wenn 
der  Kranke  dabei,  was  ihm  gewohnter  ist,  den  Oberkörper  aufzurichten  wünscht; 
auch  bei  einer  Vornahme  dieser  Verrichtung  außerhalb  des  Bettes,  insbesondere 
bei  der  Benutzung  eines  Zimmerklosetts,  hat  ein  solcher  Schutz  vor  Erkältung 
und  die  Sorge  für  eine  ausreichende  Unterstützung  des  Oberkörpers  immer  zu  ge- 
schehen. 

Daß  für  alle  anderen,  ähnlichen  Zwecke  dem  Kranken  die  notwendigen  Geräte 
zurecht  gelegt  werden,  daß  er  also  nicht  nötig  hat,  sie  etwa  erst  vom  Boden  auf- 
zuheben; daß  sie  während  des  Gebrauches  ihm  möglichst  gehalten  und  gestützt 
werden,  ziunal  das  mit  der  fortschreitenden  Anf  üllung  immer  schwerer 
werdende  Uringefäß;  daß  sie  sodann  nach  vorgenommenem  Gebrauch  aus  der 
Hand  genommen ,  geleert ,  gereinigt  und  wieder  zureoht  gesteht  werden ,  das 
alles  sind  Notwendigkeiten,  die  keiner  eingehenden  Erörterung  bedürfen.  Gerade 
das  kennzeichnet  ja  die  aufmerksame  Wartung,  daß  sie  nicht  bis  zu  der  letzten 
Minute  wartet,  bis  der  Kranke  ein  Begehr  nach  irgend  einem  Gerät  zeigt  oder  gar 
ausspricht,  sondern  daß  sie  von  selber  unter  dauernder  sachverständiger  Beobachtung 
ihm  das  Gerät  aus  freiem  Antrieb  reicht,  ohne  dazu  aufgefordert  zu  sein. 

In  manchen  Fällen  kommt  zu  diesen  Heilmitteln  auch  noch  eine 
psychische  Einwirkung  auf  die  Harnentleerung  hinzu. 
Der  Reflexakt,  welcher  das  Harnlassen  einleitet:  die  Auslösung  des 
Eeizes  entweder  von  den  ausreichend  stark  gespannten  Blasen- 
wandungen oder  von  der  Schleimhaut  der  hinteren  Harnröhre  aus, 
in  welche  die  ersten  Tropfen  Harnes  hineingelangt  sind,  und  die 
reflektorische  Einwirkung  auf  die  Anspannung  der  Blasendetrusoren 
und  die  Erschlaifung  und  Ueberwindung  der  Schließmuskulatur  — 
die  Auslösung  dieses  Reizes  kann  durch  psychische  Einflüsse  eine 
Hemmung  erfahren,  die  oft  überwindlich  ist.  Ganz  besonders  trägt  zu 
ihrem  Zustandekommen  die  Anwesenheit  dritter  Personen  bei  der  Vor- 
nahme der  Urinentleerung  bei;  ein  Vorgang,  den  gerade  Aerzte  sehr 
häufig  zu  sehen  Gelegenheit  haben,  wenn  ein  Kranker  vor  ihnen  Urin 
lassen  soll,  und  sich  hierbei  beobachtet  weiß.  Nun  ist  allerdings  für 
die  Krankenpflege  das  Begehren ,  einen  Kranken  bei  der  Vornahme 
einer  immerhin  umständlichen  und  eine  gewisse  Anstrengung  er- 
fordernden Handlung  allein  zu  lassen,  gewissermaßen  eine  Gontradictio 
in  adjecto ;  aber  oftmals  muß  man  sich  zu  dieser  Notwendigkeit  ent- 
schließen und  fördert  dann  dadurch  mehr  das  Zustandekommen  der 
Harnentleerung  als  durch  eine  persönliche  Beihilfe. 

Ein  gar  nicht  übles  Unterstützungsmittel  für  die  Anregimg  der  Harnentleerung, 
das  übrigens  schon  Boeehave  anwandte,  ist  die  durch  das  Gehör  vermittelte  Vor- 
steUuug  des  Plätscherns,  des  Herunt erfallens  von  Flüssigkeit  in  andere 
Flüssigkeit.     Manchmal  genügt  es,   einen  Wasserhahn,   der   im  Zimmer  ist,  auf- 

HandUuch  der  spec.  Therapie  inn.  Krankh.    Suppl.  I.    lieft  3.  25 

Mendelsohn,  Krankenpflege.  .pc  1  f; 


372  M.   MENDELSOHN, 

zudrehen,  um  die  Auslösung  des  Eeflexaktes  zu  veranlassen;  auch  schon  die  bloße 
Vorstellung  von  ähnlichen  Dingen  wirkt  oft  ausreichend,  und  manche  Kranke  helfen 
sich  dadurch,  daß  sie  beim  Beginn  einer  Vornahme  der  Harnentleerung  das  Geräusch 
eines  Wasserfalles  oder  ähnhcher  flüssiger  oder   fUeßender  Objekte  sich  vorstellen. 

Ein  weiteres  Moment,  welches  den  Beginn  einer  Entleerung  der 
Harnblase  fördert  und  begünstigt,  bilden  auch  Reize,  welche  von 
der  äußeren  Kör  per  Oberfläche  ausgehen,  insbesondere 
künstlich  herbeigeführte  Kältewirkung;  ein  Eintauchen  der  Hände  des 
Kranken  in  kaltes  Wasser  oder  die  Applikation  von  nassen  Schwämmen 
am  Damme  pflegt  solchen,  die  Harnentleerung  begünstigenden  Einfluß 
auszuüben.  Jedenfalls  aber  ist  die  Regelmäßigkeit  der  Harnentleerung 
ein  wesentliches  Moment  für  die  Gesamtdiurese ;  und  alle  Heilmittel 
der  Krankenpflege,  welche  diese  Regelmäßigkeit  fördern,  wirken  damit 
gleichzeitig  auch  als  ausgesprochene  Diuretica,  da  bei  ihrer  sorgsamen 
Anwendung  die  Gesamtmenge  des  aus  dem  Körper  eliminierten  Harnes 
eine  immerhin  in  Betracht  kommende  Steigerung  erfährt. 


226 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf.  373 


KAPITEL  X. 
Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 

Eine  Exi^ektoration  giebt  es  im  normalen  und  gesunden  Zustande 
überhaupt  nicht;  wo  sie  in  krankhaften  Zuständen  vorkommt,  besteht 
die  Funktion  der  Expektoration  darin,  daß  das  auf  der  Schleim- 
haut der  Luftwege  entstehende  Sekret  aus  diesen  und 
aus. dem  Körper  herausgeschafft  wird.  Dies  Sela-et  ist  in 
normalen  Verhältnissen  immer  nur  ein  sehr  geringfügiges ;  es  besteht 
nur  aus  einer  dünnen  Lösung  von  Mucin  und  wird  ebenso  wie  Staub- 
teilchen und  andere  kleinere  körperliche  Objekte  durch  die  Cilien,  mit 
denen  die  Epithelien  dieser  Schleimhäute  ausgestattet  sind,  nach  oben 
hin  zur  Mundhöhle  bewegt  und  so  aus  den  Luftwegen  entfernt.  Schon 
hieraus  ergiebt  sich,  daß  diese  dünne  Mucinlösung  keine  besonders  fest 
anhaftenden  Eigenschaften  besitzen  kann,  da  ihr  Kontakt  sonst  durch 
die  geringe  Kraft  des  Flimmerepithels  nicht  überwunden  werden  könnte, 
zumal  in  einer  der  Schwere  entgegengesetzten  Richtung.  Anders  da- 
gegen gestalten  sich  diese  Verhältnisse,  wenn  aus  pathologischen 
Gründen  die  Sekretion  eine  reichliche  und  eine  andersartige  wird; 
denn  alsdann  reicht  die  Kraft  des  Flimmerepithels  nicht  mehr  zur 
Entfernung  des  Sputums  aus,  und  es  müssen  stärkere  mechanische 
Kräfte  hierfür  nutzbar  gemacht  werden.  Und  da  deren  Wirksam- 
keit sehr  wesentlich  einmal  von  der  Menge  des  vorhandenen  Sekrets 
und  der  Schnelligkeit,  mit  welcher  sich  dieses  wieder  erneuert,  ganz 
besonders  aber  von  der  Konsistenz  und  der  Zähigkeit  des  patho- 
logischen Sekrets,  mit  der  es  an  den  Wänden  der  Luftwege  anhaftet, 
abhängt,  eine  Adhärenz,  deren  üeberwindung  zum  Zwecke  der  Ab- 
lösung und  Losstoßung  größere  oder  geringere  Kraftentfaltung  nötig 
macht,  so  ergeben  sich  daher  für  den  gewollten  Endeffekt:  für  die 
größtmöglichste  oder  gänzliche  Befreiung  der  Schleimhäute  der  Luft- 
wege von  abgesondertem  Sekret,  drei  verschiedene  Teilaktionen  der 
Gesamtfunktion  der  Expektoration,  welche  eine  jede  für  sich  gesonderter 
therapeutischer  Beeinflussung  unterliegen  und  dabei  die  Gesamtfunktion 
in  toto  heben. 

Die  Entfernung  eines  anormal  gebildeten  Sekretes  kann  zunächst 
auf  dem  Wege  erfolgen,  daß  die  erneute  Bildung  von  Sekret 
eingeschränkt  und  herabgesetzt  wird.  Denn  die  Befreiung 
eines  Bronchus  von  Sekret  ist  erreicht,  ob  nun  die  pathologische 
Sekretion  überhaupt  verhütet  oder  ob  das  dennoch  abgesonderte  Sekret 
expektoriert  wird.  Abgesehen  von  dieser  prophylaktischen  Teilaktion, 
erhalten  sodann  für  die  eigentliche  Herausschaffung  des  gebildeten 
Sekrets  zwei  weitere  Teilaktionen  Geltung:  die  bis  zu  einem  gewissen 
Maße  notwendige  Verflüssigung  des  Sekrets  und  der  mechanische  Akt 
seiner  Hinausschaffung,  und  zwar  nicht  nur  bis  zum  Verlassen  der 
eigentlichen  Luftwege,  sondern  bis  zur  gänzHchen  Entfernung  aus  dem 
Körper.  Denn  die  allzu  feste  Konsistenz,  die  zu  große  Zähigkeit 
und  Klebrigkeit  eines  Sekretes  kann  selbst  bei  relativ 
starker    Einwirkung    des    Expektorationsmechanism[us 

25* 

227 

15 


374  M.    MENDELSOHN, 

diesem  trotzen  und  die  Entfernung  unmöglich  machen; 
während  andererseits  wiederum  die  Bedingungen  in  dieser  Hinsicht  für 
die  Expektoration  ganz  günstig  liegen  können,  aber,  was  gerade  für 
die  Krankenpflege  besondere  Bedeutung  hat,  durch  die  unzu- 
reichende Kraft  der  motorischen  Aktion  und  durch 
•die  ausbleibende  oder  unzweckmäßige  Unterstützung, 
"\velche  der  Kranke  dabei  erfährt,  trotzdem  keine  Eli- 
mination zustande  kommt,  so  daß  sich  also  auch  hier  wieder 
der  für  alle  therapeutische  Dynamik  und  insbesondere  für  die  der  Heil- 
mittel der  Krankenpflege  giltige  Erfahrungssatz  zeigt,  daß  die  Unter- 
stützung einer  einzigen  dieser  Teilaktionen  auf  die  Gesamtfunktion 
einen  allgemein  fördernden  Einfluß  hat. 

Die  erste  Teilaktion  ist  somit  eine  prophylaktische ;  eine  prophy- 
laktische allerdings  nur  unter  dem  Gesichtspunkte  der  Bildung  von 
Auswurf,  nicht  des  diesen  bedingenden  Krankheitszustandes.  Denn  in 
diesem  Betracht  sind  vielmehr  die  hierauf  gerichteten  Maßnahmen 
gerade  die  eigentlichen  und  thatsächlichen  Heilmittel,  welche  den 
Krankheitszustand  selbst  beheben  und  eben  nur  für  das  Symptom  einer 
zu  expektorierenden  übermäßigen  Sekretbildung  prophylaktische  Heil- 
mittel darstellen.  Nun  hängt  der  Grad  der  Sekretion  der  Schleim- 
häute sehr  wesentlich,  wenn  auch  nicht  ausschließlich,  von  dem  Füllungs- 
zustande ab,  welchen  ihre  Blutgefäße  haben;  eine  jede  Kongestion 
der  Schleimhaut  der  Luftwege  steigert  die  Bildung 
des  Sekrets  erheblich.  Eine  solche  Kongestion  nach  den 
Schleimhäuten  der  Luftwege  aber  wird  auf  reflektorischem  Wege 
hervorgerufen,  und  zwar  einmal  durch  Reizung  der  Luftwege 
selber,  sodann  aber  auch  durch  Reize,  welche  die  Körperoberfläche 
treffen,  und  von  denen  die  Kälteeinwirkung,  und  zwar  die  unver- 
mittelte und  plötzlich  erfolgende,  den  wesentlichsten  und  stärksten 
Reiz  abgiebt.  Die  sogenannten  Erkältungen  beruhen  ja  darauf,  daß 
eine  einzelne  Partie  der  Körperoberfläche  oder  auch  diese  in  ihrer 
Gesamtheit  stark  abkühlenden  Einflüssen  ausgesetzt  war,  denen  eine 
starke  Kongestion  der  Schleimhäute  des  Respirationstraktus  nachfolgte, 
welche,  wenn  sie  lange  genug  bestand,  zum  Katarrh  sich  steigert. 
Es  hat  daher  die  Krankenpflege  die  Aufgabe,  will  sie  die  Expektoration 
einschränken,  mit  den  für  sie  verfügbaren  Mitteln  zunächst  alle 
diejenigen  Reize  möglichst  auszuschalten,  welche  die 
Schleimhaut  der  Luftwege  selber  treffen  können  und  damit 
die  Sekretion  in  diesen  vermehren ;  und  diese  Mittel  sind  in  den 
somatisch-hygienischen  Mitteln  der  Hypurgie,  in  der  sorgsamen  und 
gesteigerten  Anwendung  der  diesbezüglichen  Vorschriften  im  Kranken- 
zimmer zur  Verfügung. 

Die  Sorge  für  eine  möglicliste  Entfernung  des  Staubes  im  Zimmer, 
der  Schutz  vor  Belästigung  durcli  Eauch  und  durch  andere  Luftverunreinigungen  aus 
der  Umgebung,  alle  diese  hier  nicht  wieder  im  einzelnen  aufzuzählenden  Faktoren, 
welche  bei  der  Wirkung  durch  Keinlichkeit  besprochen  sind  und  die  nicht  nur  eine 
Anwendung  innerhalb  des  eigentlichen  Krankenzimmers  zu  erfahren  haben,  sondern 
nach  denen  der  ganze  Aufenthaltsort,  die  gesamte  Umgebung  des 
Kranken  im  weitesten  Bereich  zu  wählen  ist,  kommen  hier  als  Heilmittel 
in  Betracht.  Die  Klimatologie,  die  Behandlung  insbesondere  von  Kranken  mit 
Affektionen  der  Eespirationsorgane  in  eigenen  Heilanstalten  und  in  besonders  be- 
legenen Kurorten ,  ist  schließlich  nichts  anderes  als  die  Anwendung  von  Kranken- 
pflegeheilmitteln in  der  vierten  und  fünften  Zone  der  Applikation  hypurgischer  Mittel, 
wie  sie  Eingangs  unterschieden  wurden. 

228 


Die  Wirkung;  aiif  den  Auswurf. 


375 


Solchen  Schutz  vor  unmittelbar  die  Schleimhäute  treffenden  und  da  sekretions- 
steigernden  Eeizimgen  bietet  ferner  das  Tragen  von  Eespiratoren  dar,   welche 
gleichfalls   zu   den   materiellen   Heilmitteln    der 
Krankenpflege  zu  zählen  sind   und  die  schließ- 
lich nicht  anders  wirken,  als  daß  sie  den  Mund 
verstopfen   und   so  den  Kranken   zwingen,  nun 


Fig.  296.     Eespiratoren.  Fig.  297.     Respirator. 

Fig.  296,  297.  Die  Respiratoren  bestehen  entweder  aus  Drahtgaze  (Fig.  296  oben) 
oder  aus  durchbroclienem  Celluloid  (Fig.  296  unten)  oder  aus  einem  Metfülgehäuse  mit 
Drahtgitter  (Fig.  297);  in  die  Bebältnisse  resp.  zwischen  die  beiden  Platten  der  Geräte 
wird  Watte  in  dünner  Schicht  gelegt,  welche  als  Filter  dient  und  die  oft  zu  erneuern  ist. 
Die  größeren  Geräte  derart  (Fig.  297)  können  auch  als  Inbalationsmasken  zum  Einatmen 
medikamentöser,  flüchtiger  Substanzen  dienen. 

die  zweckmäßigere  At- 
mung durch  die  Nase  vor- 
zunehmen; die  zweckmäßigere 
Atmung  durch  die  Nase  insofern, 
als  die  Nasenmuscheln  nicht  nur 
große  Wärmeflaschen  darstellen, 
an  denen  die  eintretende  Luft  sich 
erwärmt  und  somit  nicht  den 
gleichen  Keiz  wie  eine  kalte  Luft 
auf  die  Schleimhaut  ausübt,  son- 
dern als  die  Luft  hier  auch 
bei  dem  Hinüberstreifen  von  den 
ihr  anhaftenden  Verunreinigungen 
und  körperlichen  Beimischungen 
wesentlich  befreit  wird. 


Ebenso  wirkt  des  wei- 
teren eine  jede  Maßnahme 
der  Krankenpflege,  welche 
störende  Reize  von 
der  Körperoberfläche 
fernzuhalten  vermag; 
alle  Vorkehrungen,  welche 
die  Prophylaxe  unter  dem 
Begriffe    des    Schutzes    vor 


Erkältungen   zusammenfaßt,    \m 


Fig.  298.     Geradehalter.     Der   von  Dr.  med.  Zeukee    angegebene  Geradebalter 
für  Lungenkranke  hat  die  Aufgabe,  die  typische  eingesunkene  Brust  beim  Habitus  phthisicus 


229 


376 


M.    MENDELSOHN, 


aufzurichten  und  auszudehnen,  um  dadurch  eine  tiefere  und  ergiebigere  Atmung  herbei- 
zuführen. Das  Gerät  venneidet  seiner  Konstniktion  nach  jeden  cirkulären  Druck  auf 
den  Thorax ;  es  findet  seinen  festen  Halt  auf  den  Beckenkämmen  und  läßt  die  Brust 
gänzlich  frei.  Die  weich  gepolsterten  Armkiücken  müssen  nach  dem  Körper  modelliert 
sein ;  sie  werden  in  Rücksicht  auf  die  mögliche  Di-uckempfindlichkeit  fettarmer  Kranker 
dadurch  elastisch  gestaltet,  daß  die  von  ihnen  herabsteigenden  Stahlschieneu  mit  den  von 
den  Stahlbügeln  aufsteigenden  Schienen,  welche  sich  eine  Strecke  weit  decken,  dui'ch 
Gummizüge  verbunden  sind.  Der  Geradehalter  ist  aus  Celluloid-Acetonmisehung  her- 
gestellt. 

sind  hier  als  Aufgaben  der  Krankenpflege  in  gesteigertem  Maße  an- 
zuwenden notwendig. 

Zu  den  Heilmitteln  dieser  Art  würden  demnach  in  erster  Linie  die  Wahl  und 
Beschaffenheit  der  Krankenkleidung  gehören,  sodann  die  hygienischen  Maß- 
nahmen, welche  die 
Lüftung  und  Hei- 
zung des  Kranken- 
zimmers betreffen, 
und  schließlich  der 
ganze  materielle  Ap- 
parat, welcher,  wie  bei- 
spielsweise für  die  De- 
fäkation,  dem  Kranken 
gestattet,  unabweis- 
liche  Vornahmen 
im  Krankenbette 
oder  doch  wenig- 
stens im  Kranken- 
zimmer vor  sich 
gehen  zu  lassen 
und  der  somit,  da  er 
ein  Verlassen  dieser  den 
Bedürfnissen  des  Kran- 
ken angepaßten  und  für 
sie  zweckmäßig  ge- 
stalteten Aufenthalts 
medien  vermeidet,  da- 
mit auch  eine  sonst 
leicht  mögliche  Ab- 
kühlung des  Körpers 
oder  einer  seiner  Teile 
verhütet ,  und  somit 
gleichfalls  ein  prophy- 
laktisches Heilmittel 
gegen  eine  erhöhte  Se- 
kretion, ein  Expek- 
torans  von  vorbeugen- 
der AVirkung  darstellt. 
AJle  diese  Mittel  sind 
in  anderen  Kapiteln  des 
Werkes  erörtert. 


Fig. 


Fig.  300.     Hydropathische  Weste. 
299,  300.     Die  von  Dr.  med.  Silbeestein   angegebene   hydropathische  Weste 


ist  zu  dem  Zwecke  konstmiei't,  den  Hustenreiz,  durch  welchen  Lungenkranke,  vornehm- 
lich Phthisiker,  für  einen  großen  TeU  der  Nacht  im  Schlafe  gestört  werden,  einzuschränken 
und  zu  beseitigen.  Während  hydropathische  Umsehläge  auf  den  ganzen  Thorax  schwierig 
und  umständlieh  anzubringen  sind,  wird  hier  in  einfachster  Weise  eine  ärmellose  Weste 
aus  hydrophilem  Stoff  (Fig.  299)  auf  den  bloßen  Köi-])er  gezogen  und  darüber  eine  aus 
dickem  Flanell  oder  wasserdichtem  Gewebe  gefertigte  größere,  die  erste  wesentlich  über- 
deckende zweite  Weste,  welche  mit  Bändern  fest  zusammen  gehalten  wird.  Die  Vor- 
richtung stellt  eine  sehr  einfache  rmd  bequeme  Form  der  hydropathischen  Einwirkimg  auf 
den  Thorax  dar. 

230 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


377 


Eine  direkte  Beeinflussung  kann  sodann  diese  erste  Teilaktion, 
die  Einschränkung  einer  Bildung  von  Sekretion ,  durch  eine  Reihe 
pharmakodynamischer  Einwirkungen  erfahren,  welche  im  wesentlichen 
zu  der  Gruppe  der  Adstringentien  gehören,  und  die  als  solche  nicht 
Objekt  der  Krankenpflege  sondern  der  Arzneimittel  wären,  wenn  nicht 
ihre  Anwendungsform  zum  Teile  auch  sie  dieser  therapeutischen  Dis- 
ziplin zuwiese.  Es  ist  nur  natürlich,  daß  Arzneikörper,  welche  un- 
mittelbar auf  die  Oberfläche  der  Luftwege  gebracht  werden  sollen, 
durch  Inhalation  hierhergeführt  werden.  Trotzdem  würden  die 
Inhalationsapparate  und  die  ähnlichen  materiellen  Heilmittel  der 
Krankenpflege  nicht  dieser  sondern  der  Pharmakologie  zuzurechnen 
sein,  wenn  sie  nicht  auch  ohne  Anwendung  von  pharmakodynamisch 
wirksamen  Arzneikörpern,  einzig  und  allein  nur  zum  Zwecke 
einer  Steigerung  des  Feuchtigkeit  geh  altes  der  in- 
halierten Luft,  eine  besondere  und  nicht  die  unbeträchlichste 
Wirksamkeit  ausübten.  Auch  bringt  es  die  besondere  Eigentüm- 
lichkeit eines  der  gebräuchlichsten  und  wirksamsten  Arzneikörper, 
des  Terpentins,  mit  sich ,  daß  er  hier  unter  den  Heilmitteln  der 
Krankenpflege  erwähnt  werden  muß:  das  Terpentin  verdunstet  sehr 
leicht  in  die  Zimmerluft  und  wird  mit  dieser  inspiriert  und  von  den 
Schleimhäuten  der  Luftwege  aus  dem  Körper  zugeführt,  ein  Vorgang, 
der  sich  auch  schon  dort  abspielt,  wo  sich  Personen  nur  in  Räumen 
aufhalten ,  in  denen 
mit  terpentinhaltigen 
Materialien  hantiert 
wird,  und  wo  dann 
der  bekannte  Veilchen- 
geruch des  Harnes  die 
thatsächlich  erfolgte 
Resorption  des  Ter- 
pentins darthut. 

Das  Terpentin  ist  eines 
der  wichtigsten  sekretions- 
besehränkenden  Heilmittel 
der  Sohleimliäute  der  Luft- 
wege; und  wenn  man  es, 
anstatt  es  direkt  zu  verab- 
folgen, auf  den  Boden 
des  Krankenzimmers 
sprengen  lä(3t,  so  wird 
es  mit  dieser  besonderen 
Anwendmigsweise ,  da  es 
sich,  der  Zimmerluft 
beimischt,  gleicher- 
maßen auch  ein  Heilmittel 
der  Krankenpflege.  Denn 
die  Krankenpflege  besteht 

Ftg.  301.  Inhalat! onsvorriehtung.  Die  für  die  Einatmung  von  Lignosulfit  be- 
stimmte Vorrichtung  ist  aus  Holz  und  besteht  aus  einer  oberen  und  einer  unteren  Holz- 
schale mit  reichlich  dazwischen  angebrachten  und  in  den  Löchern  der  tragenden  Säulen 
befestigten  Tannenzweigen.  Die  Inhalationsflüssigkeit  wird  in  die  obere  Schale  gegossen 
und  träufelt  langsam  auf  die  Zweige,  auf  welchen  sie  sich  verteilt  und  zum  Teil  ver- 
dunstet, zum  Teil  in  die  untei-e  Schale  abtropft.  Von  Zeit  zu  Zeit  wird  die  hier  an- 
gesammelte Flüssigkeit  aus  einem  Hahn  in  ein  Holzgefäß  abgelassen  und  in  die  obere  , 
Schale  zurückgegeben. 


231 


378 


M.    MENDELSOHN, 


in  der  zweckmäßigen  Gestaltung  der  Umgebung  des  Kranken,  die  auf  ihn  einwirkt, 
in  der  Umwandlung  aller  der  Einflüsse  seiner^Umgebung  zu  solchen,  die  auf  seinen 
Krankheitszustand  die  günstigste  Einwirkung  ausüben  oder  denen  dieser  sich  am 
besten  anpassen  kann. 


Fig.  303.     Räu  oh  erschale. 


Fig.  304.     Eäucherlampe.  Fig.  305.     Käuchergef äß. 

Fig.  302,  303,  304,  305.  Die  Verdampfung  der  der  Zimmerluft  beizumischenden 
Flüssigkeit  geschieht  entweder  frei  aus  einer  offenen  Schale  (Fig.  303)  oder  aus  einem 
geschlossenen  und  nur  mit  entsprechenden  Oeffnungen  versehenen  Behältnis  (Fig.  305) 
oder  so,  daß  sie  der  verbrennenden  Substanz  beigemischt  ist  und  direkt  aus  der  Flamme 
her  verdampft  (Fig.  304).  In  anderen  Geräten  (Fig.  302)  wird  die  zu  verdampfende 
Flüssigkeit  in  einen  kugelfönnigen,  um  seine  Achse  leicht  drehbaren  kleinen  Jletallkessel 
gegeben ;  in  den  darunter  befindlichen  Kelch  kommt  Spiritus,  welcher  entzündet  wird  und 
den  Kessel  erhitzt ;  der  ganze  obere  Teil  gerät  durch  die  Rückstoßwirkung  des  austretenden 
Dampfes  in  schnelle  ßotienmg,  wodurch  die  Dämpfe  weit  fortgeschleudert  werden. 

Die  Konsistenz  der  aus  den  Luftwegen  herauszuschaffenden  Sputa 
"oder  vielmehr  die  Verflüssigung  einer  zu  zähen  B  eschaffen- 


232 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


379 


heit  der  Sekrete  in  den  Luftwegen  bildet  sodann  die  zweite 
Teilaktion  bei  der  Expektoration.  Für  diese  Einwirkung  stehen,  ähn- 
lich wie  dies  bei  den  Abführmitteln  der  Fall  ist,  eine  Anzahl  medi- 
kamentöser Heilmittel  zur  Verfügung,  welche  das  Sekret  flüssiger  ge- 
stalten; aber  gerade  auch  hier  sind  die  Heilmittel  der  Krankenpflege 
besonders  wirksam  und  das  oft  in  dem  Maße,  daß  ohne  ihre  Mitwirkung 
der  beabsichtigte  Eifekt  nicht  in  ausreichender  Weise  zustande  kommt. 
Bei  der  Verflüssigung  der  Sekrete  durch  diese  Heilmittel  ist  zu  unter- 
scheiden, ob  es  sich  darum  handelt,  ein  zunächst  genügend 
flüssig  abgesondertes  Sekret  vor  der  Ein  dickung,  ehe 
es  expektoriert  wird,  zu  bewahren,  ein  fehlerhafter  Vorgang, 
der  aber  gerade  durch  die  anderweitigen  Heilmaßnahmen,  welche  auf 
die  gänzliche  Beseitigung  der  krankhaften  Absonderung  hinzielen,  be- 
sonders gefördert  zu  werden  pflegt;  oder  aber  ob  ein  Sekret  von 
vornherein  in  so  zäher  und  klebriger  Konsistenz  ent- 
steht, daß  es  ohne  eine  direkte  Verflüssigung  nur  schwer  von  der 
Schleimhaut  sich  ablösen  läßt. 


Die 


Eintrocknung 


eines   ursprünglich   ausreichend  wasserhaltigen 


Feuchtigkeits- 


und für  eine_Expektoration  genügend  flüssigen  Sekretes  hängt  ganz 
v  0  n   d  e  m 
g  e  h  a  1 1  e 


der  Luft  ab, 
welche  in  dem  ßespira- 
tionsstrome  darüber  hin- 


Fig.  306.     Luftanfeuohter. 


Fig.  307.     Luftanfeuchter. 


Fig.  306,  807.  Die  großen  Behältnisse,  welche  zur  Anfeuchtung  dei-  Zimmerluft 
durch  Wasserverdunstung  dienen  (Fig.  306)  sind  direkt  zu  füllen  und  müssen  öfters 
in  ihrem  Wassergehalt  erneuert  werden;  die  Flüssigkeit  verdunstet  von  den  breiten 
nach  außen  herüberhängenden  Stotfbändern ,  nur  der  Ueberschuß  tropft  in  die  untere 
Schale,  deren  Inhalt  von  Zeit  zii  Zeit  in  das  große  Gefäß  zurückgegossen  werden  muß. 
Bei  den  einem  großen  Ofenschirm  ähnlichen  Geräten  (Fig.  307)  wird  die  Verdunstungs- 
flüssigkeit in  das  obere,  trommelartige,  cylindrische  Behältnis  gegossen,  von  welchem  aus 
sie  mit  Hilfe  von  Dochten  auf  die  große,  aus  eigenartigem  poi'ösen  Slaterial  hergestellte 
Platte  allmählich  übergeleitet  wird  und  in  den  zahlreichen  iCapUlarräumen  dieser  Platte 
langsam  nach  unten  fließt,  wobei  der  größte  Teil  der  Flüssigkeit  auf  den  beiden  großen 
Flächen  in  die  Zimmerluft  hinein  verdunstet.  Was  von  ihr  nicht  verdunstet  wird,  sammelt 
sich  in  dem  zweiten  unten  befindlichen  Behältnis  an,  aus  welchem  es  wieder  in  das  obere 
gebracht  werden  muß. 


233 


380 


M.    MENDELSOHN, 


streicht;  je  feuchter  sie  ist.  je  mehr  Wasser  sie  schon  selber  enthält, 
um  so  weniger  Feuchtigkeit  kann  sie  aus  dem  Sputum  aufnehmen,  und 
ist  die  Respirationsluft,  wenn  sie  auf  das  Sputum  trifft,  bereits  ganz 
mit  Wasserdampf  gesättigt,  so  kann  eine  Verdunstung  und  damit  eine 
eindickende  Einwirkung  auf  das  Sekret  überhaupt  nicht  stattfinden. 
Umgekehrt  entzieht  eine  sehr  trockne  Luft  den  auf  den  Respirations- 
schleimhäuten liegenden  Sekretmassen  erheblich  Flüssigkeit.  Und  da, 
wie  nebenbei  bemerkt  sein  mag  und  wie  bei  der  Diaphorese  besprochen 
ist,  mit  jeder  Verdunstung  eine  starke  Bindung  von  Wärme  verknüpft 
ist,  welche  auf  Kosten  der  Oberfläche,  von  welcher  die  Verdunstung 
ausgeht,  erfolgt,  und  wobei  durch  die  Regulationsvorkehrungen  des 
Organismus  eine  erhebliche  Hebung  und  Steigerung  des  Stoffwechsels 
überhaupt  stattfinden  muß,  so  ergeben  sich  hieraus  und  aus  der 
direkten  Einwirkung  des  Feuchtigkeitsgehaltes  der  Luft  auf  die  Sekrete 
in  den  Luftwegen  die  hauptsächlichsten  Indikationen,  welche  für  die- 
KHmatologie  maßgebend  sind  und  in  dieser  Disciplin  eine  specielle 
Darstellung  erfahren.  In  der  Krankenpflege  handelt  es  sich  daher  zu- 
nächst darum,  der  Luft  des  Krankenzimmers,  falls  sie  zu 
trocken  ist,  einen  größeren  Feuchtigkeitsgehalt  zu 
verleihen. 

Das  kann  nicht  nur  durch  die  bei  der  Heizung  und  Lüftung  im  Kapitel 
der  Wirkung  durch  Reinlichkeit  besprochenen  hygienischen  Maßnahmen  geschehen, 
sondern  es  sind  besondere  materielle  Heilmittel  der  Krankenpflege  für  diesen  Zweck 
vorhanden,  solche,  von  denen  ebenfalls  dort  mid  auch  an  anderen  Stellen  bereits  die 
Eede  war,  Luftanfeuchter  und  Verdunstungsapparate  und  andere,  die 
sämtlich  nach  dieser  Richtung  hin  wirksam  sind. 

Ist  das  abgesonderte  Sekret  in  den  Luftwegen  nun  aber  von  vorn- 
herein so  dickflüssig  und  so  zäh,  daß  es  auch  ohne  durch  Verdunstung 
eingedickt  zu  sein,  nur  schwer  expektoriert  werden  kann,  so  wird  es 
nötig,  zur  Verdünnung  des  Sekrets  Flüssigkeit  direkt 
mit  ihm  in  Kontakt  zu  bringen.  In  größerem  Maßstabe  ist  das 
nicht  möglich;  ein  jeder  größere  Wassertropfen  würde  auf  der  Schleim- 
haut der  Respirationswege   als  starker  Reiz   wirken   und  Hustenstöße 


Fig.  308.     Inhalationsvorriohtu'ng. 
234 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


381 


auslösen.  Wohl  aber  können  in  fein  verstäubter  Form  Wasserteilchen 
mit  dem  Luftstrom  inhaliert  werden.  Diesem  Zwecke  dienen  alle  die 
vielfachen  und  verschiedenartigen  Inhalationsapparate  und  Zer- 
stäuber, bei  welchen  entweder  ein  einfacher  Luftstrom  Wasser- 
stäubchen  mit  sich  reißt  oder  aber  Wasserdampf  erzeugt  und  eingeatmet 
wird.  Ohne  weiteres  läßt  sich  mit  dieser  Einwirkung  auch  der  be- 
sondere Einfluß  passend  wirkender  Arzneikörper  verbinden,  wie  es 
thatsächlich  auch  vielfach  geschieht ;  für  die  Verflüssigung  der  Sekrete 
jedoch  kommt  in  erster  Linie  die  Einbringung  von  fein  ver- 
teilter Flüssigkeit  als  solcher  in  die  Luftwege  in  Betracht, 
über  deren  Grenzen,  insbesondere  über  deren  thatsächliches  Eindringen 
in  die  tiefer  gelegenen  Luftwege  allerdings  noch  exakte  Feststellungen 


Fig.  309.     Inhalationsvorrichtung. 

Fig.  308,  309.  Das  große  Gerät,  welches  an  der  Zimmerdecke  angebracht  und  durch 
Dampfkraft  in  Betrieb  gesetzt  wird,  ist  dazu  bestimmt,  große  abgeschlossene  Räume,  in 
denen  sich  eine  Anzahl  von  Personen  gleichzeitig  auibalten  können ,  mit  Wasserdampf 
und   anderen  zerstäubenden  Flüssigkeiten,  Sole  etc.  zu  erfüllen. 


235 


382 


M.    MENDE^LSOHN, 


Inli  alationsapparat. 


nötig  sind,  die  jedocli,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  gerade  auf  die  Beein- 
flussung dieser  Teilaktion:  auf  die  Verflüssigung  der  Sekrete,  sehr 
vorteilhaft  einzuwirken  imstande  ist. 

Die  Inhalationsapparate,  die  Zerstäuber  und  Sprays,  werden  gewöhnlich 
aus  Metall  hergestellt;  ein  anderes  Material  würde  die  im  Innern  der  kleinen 
Kessel  entstehende  Dampfspannung  nicht  auszuhalten  vermögen.  Sie  sind  in  der 
einfachen  Weise  konstruiert,  daß  ein  kleiner,  mit  Sicherheitsventil  versehener  Metall- 
kessel über  einer  Lampe 
angebracht  ist;  aus  seiner 
einzigen  oberen  Oeffnung 
geht  ein  horizontal  gerich- 
tetes enges  Glasrohr  ab, 
dessen  feine  Spitze  im- 
mittelbar  über  der  Spitze 
eines  zweiten ,  senkrecht 
gestellten  Eöhrchens  sich 
befindet,  das  in  ein  darunter 
belegenes  Gefäß  eintaucht; 
strömt  Dampf  aus  dem 
Kessel  aus,  so  saugt  er 
infolge  der  entstehenden 
Luftverdünnung  beim  Aus- 
strömen durch  das  senk- 
rechte ßöhrchen  die  in 
dem  dazu  gehörigen  Gefäß 
befindhche  Flüssigkeit  an 
und  reißt  sie  fein  verteilt 
mit  sich  fort. 

Die  Anwendung  dieser  Inhalationsapparate  geschieht  derart,  daß  in  den  Kessel, 
welcher  ihren  Hauptteil  bildet,  Wasser  gegeben  wird,  am  besten  bereits  heißes,  jedoch 
kemeswegs  etwa  so,  daß  der  ganze  Raum  damit  vollgefüllt  wird,  sondern 
nur  ungefähr  bis  zur  Hälfte;  und  daß  dann  nach  geschehenem  Zuschrauben  der 
Oeffnung  die  kleine  Spiritusflamme,  welche  unter  dem  Kessel  sich  befindet,  entzündet 

wird.  Eine  Anzahl  solcher 
Inhalationsapparate  trägt  an 
ihrem  Ausströmungsrohr  einen 
Hahn;  wenn  auch  stets  darauf 
zu  achten  ist,  daß  keinesfalls 
wegen  der  nicht  unerheblichen 
Gefahr  einer  Esplosion  ein 
Apparat  ohne  Sicherheits- 
ventil zur  Verwendung  kommt 
und  auch,  wo  ein  solches  an- 
gebracht ist,  stets  seine  Funk- 
tionsfähigkeit und  Nachgiebig- 
keit geprüft  werden  muß,  so 
ist  es  auch  bei  vorhandenem 
Sicherheitsventile  immer  ge- 
raten, diesen  Hahn,  wenigstens 
teilweise  von  vornherein  zu 
öffnen.  Sobald  die  Dampf- 
entwicklung ausreichend  ge- 
worden, strömt  der  Dampf  aus 
dem  horizontalen  Ausström- 
ungsrohre heraus ;  da  sich,  wie 
oben  erwähnt,  dessen  Spitze 
unmittelbar    über    derjenigen 

t  des   zweiten   senkrecht  herab- 

lonsap  jiar  at.  "       ^^^i-^j^^ 

236 


Uü^i^im^ 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


383 


steigenden  und  in  einen  Becher  eintauchenden  Kapillarrohres  befindet,  so  saugt  der 
über  diese  zweite  Oetfnung  schnell  dahinziehende  Dampf  infolge  der  entstehenden 
Luftverdünnung  die  in  dem  Becher  befindUche  Flüssigkeit  durch  das  Kapillarrohr 
nach  oben  und  reißt  sie  hier  in  fein  verteiltem  Zustande  mit  sich  fort.  Es  kommt 
daher  die  eigentliche,  einzuatmende  medikamentöse  Flüssigkeit,  wenn  man  sich 
nicht,  wie  es  vielfach  ausreichend  ist,  allein  auf  die  Einatmung  von  heißen  Wasser- 
dämpfen beschränken  will,  in  dieses  Becherglas  hinein ;  sie  kann  aus  den  verschieden- 
artigsten Lösungen  mit  den  mannigfachsten  Zusätzen  bestehen. 


Fig.  312.     Inhalationsapparat. 

Den  Apparat,  während  er  in  Thätigkeit  ist,  allzunahe  an  den  Kranken  heran- 
zusetzen,  empfiehlt  sich  nicht,  auch  muß  der  Oberkörper,  da  der  Dampf  mit 
wachsender  Entfernung  von  der  Austrittsöffnung  in  immer  größerer  Divergenz  sich 
verbreitet,  vor  der  Durchnässung  durch  ein  uni gebundenes  Tuch,  am  besten  aus 
wasserdichtem  Stoff,  geschützt  werden.    Dort,  wo  es  nicht  auf  eine  solche  Zerstäubung 


Fig.  313.     Inhalationsapimrat. 
237 


384 


M.   MENDELSOHN, 


mittels  heißen  Dampfes,  also  nicht  auf  eme  mit  starkem  Innendrucke  verbundene 
Dampfentwicklung  ankommt,  sondern  derselbe  Vorgang  durch  mechanisch  erzeugte 
Kompression  von  Luft  hervorge- 
rufen wird ,  genügen  statt  der 
Metallgefäße  hier,  wo  sie  keinen 
außergewöhnlichen  Druck  auszu- 
halten haben,  Glasgeräte:  die  so- 
genannten Zerstäuber,  wie  sie 
auch  in  der  Parfümerie  eine  all- 
gemein bekannte  Verwendung 
finden;  Geräte,  in  denen  der 
nötige  Druck  im  Innern  durch 
Kompression  der  Luft  mittels  eines 
Gummiballons  hervorgerufen  wird. 
Diese  Glasgeräte  können  unter 
Umständen  auch  für  die  Zwecke 
der  Krankenpflege  in  Gebrauch 
gezogen  werden. 


Mit  alledem  ist  aber  noch 
immer  nicht  die  that- 
sächliche  Heraus- 
schaff uug  des  Spu- 
tums aus  dem  Körper 
erzielt.  Diese  geschieht  erst  durch  die  motorische  Aktion, 
welche  als  Husten  bezeichnet  wir'd,  und  die  in  automatischer 

Weise    eben    dadurch 


Fig.  314.     Inhalationsapparat. 


Fig.  315.     Inhalationsapparat. 


zustande  kommt,  daß 
der  starke  und  un- 
gewöhnliche Reiz,  wel- 
chen ein  Fremdkörper 
in  den  Luftwegen  aus- 
übt, zu  der  eigen- 
artigen und  kompli- 
zierten Form  der  Ex- 
spiration führt,  welche 
den  Husten  kenn- 
zeichnet. Während 
sonst  unter  normalen 
Verhältnissen  in  der 
Respiration  die  Phase 
der  Exspiration  über- 
haupt keiner  beson- 
deren nervösen  An- 
reizung  unterliegt,  son- 
dern rein  mechanisch 
nur  durch  die  Schwere 


Fig.  310,  311,  312,  313,  314,  315.  Die  Inhalationsapparate  der  verschiedenen 
Formen  und  Konstruktionen  sind  entweder  nur  zur  Wasserdampf entwicklung  bestimmt 
(Fig.  311,  312)  oder  zur  gleichzeitigen  Mitführang  noch  anderweitiger,  vornehmlich 
medikamentöser  Flüssigkeiten  (Fig.  310,  313,  314,  315).  Die  Spitze,  aus  welcher  die 
Flüssigkeit  ausströmt,  endet  entweder  ganz  frei  in  siebaitiger  Durchbrechung  (Fig.  311) 
oder  in  eine  große  Halbkugel  aus  Glas  (Fig.  312),  in  welche  der  Kranke  den  Kopf  hinein- 
hhlt,  oder  in  cylindrische  Ansätze  (Fig.  310,  313,  314,  315^,  welche  dem  Munde  genähert 
oder  auch  in  ihn  eingeführt  werden.  Das  Sicherheitsventil  wird  entweder  durch  Feder- 
kraft geschlossen  gehalten  (Fig.  313)  oder  recht  zweckmäßig  durch  einen  mit  einem  ver- 
stellbaren Gewicht  belasteten  Hebel  (Fig.  315). 


238 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


385 


der  Thoraxwandungen,  durch  die  Rückkehr  des  Diaphragma  in  seine 
Gleichgewichtslage  und  durch  das  Zusammenfallen  der  elastischen  und 
durch  die  Inspiration  ausgedehnt  gewesenen  Lungenalveolen  zustande 
kommt,  geht  hier  beim  Husten  ein  eigenartiger  Reflexakt  vor  sich,  der 
die  Exspirationsmuskeln  zu  forcierter  Kontraktion   antreibt.     Doch  ist 


Fig.  316.     Inhalationsflasehe. 


Fi?.  317.     Inhalationsflasche. 


dieser  Akt  gegenüber  der  einfachen  Respiration,  obwohl  ihm  offenbar 
dasselbe  Centrum  vorsteht  wie  dieser,  insofern  modifiziert,  als  er  mit 
einer  tiefen  Inspiration  beginnt,  alsdann  sich  die  Glottis  schließt  und 
nun  erst  die  sehr   starke  Thätigkeit  der  Exspirationsmuskeln  eintritt, 


Fig.  318.     Inhalationsflasehe.  Fig.  319.     Inhalationsflasehe. 

Fig.  316,  317,  318,  319.  Für  die  Inhalation  von  medikamentösen  Flüssigkeiten, 
insbesondere  von  Salmiak  ete. ,  dienen  eigene  flasehenartige  Geräte,  deren  Sclüanchende 
direkt  in  den  Mund  genommen  wird  xmd  bei  denen  die  verdampfende,  zu  inlialierende 
Flüssigkeit  durch  ein  getrenntes  Einbringen  der  sie  entwickelnden  chemischen  Substanzen 
erst  im  Augenblicke  des  Gebrauchs  entsteht. 


239 


386 


M.    MENDELSOHN, 


welche  den  Verschluß  der  Glottis  durchbricht  und  die  in  den  Luft- 
wegen enthaltenen  Sekretionsmassen  oder  eventuelle  Fremdkörper 
hinausschleudert.      Da   dieser  Akt   ein   Reflexvorgang  ist,   ein   Reflex, 


Fig.  320.  Nasenspüle r.  Die  Ideinen,  aueli  Nasenscliiffclien  genannten  Geräte 
werden  mit  Wasser  oder  medikamentöser  Flüssigkeit  gefüllt  und  mit  ihrem  olivenförraigeu 
duroIiboUrten  Ende  in  ein  Nasenloch  gebracht,  während  die  freie  Oeffnung  des  luftzti- 
führenden  Ansatzrohres  mit  dem  Zeigefinger  verschlossen  gehalten  wird.  Durcli  zeitweises 
kurzes  Lüften  dieses  Versclilusses  fließen  kleine  Mengen  von  Flüssigkeit  bei  nach  liinten 
übergeneigtem  Kopfe  des  Kranken  ein.  Es  darf  während  der  Prozedur  nicht  geschluckt 
werden,  da  sonst  leicht  die  Flüssigkeit  in  die  Tuba  Eustachii  gepreßt  werden  und 
Mittelohrkatarrli  erzeugen  kann. 

dessen  aufsteigender  Schenkel  im  wesentlichen  durch  den  Vagus  und 
hier  wieder  durch  den  Nervus  laryugeus  superior,  jedoch  auch  durch 
den  Glossopharyngeus  gebildet  wird,  so  ist  es  ohne  weiteres  ersichtlich, 

daß  Einwirkungen,  welche  auf 
diese  Nervenendigungen  einen 
Reiz  ausüben,  auch  zum  Hu- 
sten und  damit  zur  Expek- 
toration führen  müssen. 

Solche  Reize  werden  auch 
thatsächlich  durch  Arznei- 
körper in  therapeutischer 
Anwendung  ausgeübt;  die 
Hypurgie  kennt  eine  solche  un- 
mittelbar wirkende  Beeinflus- 
sung nicht,  nur  daß  vielleicht 
in  einzelnen  außergewöhnlichen 


Fällen,  insbesondere  bei  Kin- 
dern ,  wo  Erstickungsgefahr 
bestehen  könnte,  durch  die 
m  echanische  Herbeifüh- 
rung von  Erbrechen 
gleichzeitig  auch  eine  reich- 
liche Expektoration  erzielt 
wird ;  ein  Vorgang,  der  hier 
und  da  auch  auf  medikamen- 
tösem Wege  sehr  häufig  durch 
die  Darreichung  von  Brech- 
mitteln  zum  Zwecke   der  Ex- 

Fig.  321.  Inhalatiousapparat.  Das  Gerät  ist  für  die  Einatmung  durch  die 
Nase  bestimmt  und  trägt  dementsprechend  am  freien  Ende  des  Schlauches  ein  Ansatz- 
stück, welches  mit  zwei  durchbohrten,  in  die  Nasenlöcher  einzuführenden,  stöpselai-tigen 
Gummistücken  versehen  ist. 


240 


Eie  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


387 


pektoratiou  herbeigeführt  wird  und  bei  welchem  der  Effekt  sich  durch 
'den  Zusammenhang  erklärt,  den  die  hier  in  Betracht  kommenden 
Nervenbahnen  gleich- 
zeitig auf  die  Auslösung 
sowohl  von  Husten  wie 
von  Erbrechen  besitzen. 
Weit  wichtiger  jedoch 
als  die  Anregung  und 
Auslösung  des  mecha- 
nischen Aktes  der  Ex- 
pektoration an  sich  ist 
für  die  Hypurgie,  daß 
-auch  hier  wiederum  aus- 
reichende Vorsorge  ge- 
troffen wird,  daß,  wenn 
•er  nur  sonst  geschehen 
könnte,  dieser  Akt  der 
Expektoration  auch 
thatsächlich  zur 
A  u  s  f  üh  r  u  n  g  k  0  m  m  t , 
daß  er  nicht  unter- 
drückt w  i  r  d.  Wie  das  schon^bei 
und  Bethätigungen,   welche  für  den 

gehoben  werden  mußte,  trifft  es  gerade  für  die  Vornahme  der  Ex- 
pektoration in  besonderem  Maße  zu,  daß  viele  Kranke,  wenn  sie  die 
Ausübung  des  Aushustens  irgendwie  unterdrücken  und  vermeiden 
können,  das  nur  zu  gern  thun;  und  um  so  mehr,  wenn  der 
Akt  für  sie  mit  Schmerzen  oder  Unbequemlichkeiten  verknüpft  ist. 
■die  durch  die  Heilmittel  der 
Krankenpflege 


ganz    oder   teil- 
weise  erspart  werden  könnten. 


I^Fig.  322.     Zerstäuber. 

mannigfachen  anderen  Funktionen 
Kranken  unerläßlich  sind,  hervor- 
gerade für   die  Vornahme   der 


Fig.  323.     Zerstäuber.  Fig.  324.     Zerstäuber. 

Fig.  322,  323,  324.  Die  durch  einfachen  Luftdruck  das  Zerstäuben  von  wässriger 
•oder  medikamentöser  Flüssigkeit  zum  Zwecke  der  Inhalation  bewerkstelligenden  Geräte 
sind  entweder  für  die  Nase  bestimmt  (Fig.  323)  oder  aber  sie  tragen  ein  rechtwinklig  an- 
gesetztes Äusführungsrohr ,  welches  ein  tiefes  Einbringen  in  die  geöffnete  Mundhöhle  ge- 
stattet (Fig.  322,  324). 


Es  kommen  daher  hier  als  Expektorantien,  insofern  nämlich,  als  sie  eine  sonst 
unterlassene  Expektoration  thatsächlich  herbeiführen,  zunächst  die  somatischen 
Heilmittel  der  Krankenwartung  in  Betracht,  die  hier  besonders  wichtig 
■sind:    die    Unterstützung    und    Wartung    des    Kranken    während   des 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Kranich.    ?uppl,  I,    Heft  JJ.  Ofi 


Mendelsohn,  Krankenpflege. 


241 


16 


388 


M.    MENDELSOHN, 


Hustens,    die    Darreichung    der    Speigefäße,    die    Abtrocknung    und 
Entfernung   etwa   an  den  Lippen  anliaftenden  Sputums,  und  für  viele 

Fälle ,  so  etwa  bei  der  Lungengangrän, 
aber  auch  sonst  dort ,  wo  der  Kranke 
Widerwillen  und  Ekel  vor  seinem  Sputum 
empfindet,  die  immer  wieder  erneute  Eei- 
nigung  und  Pflege  der  Mundhöhle 
des  Kranken. 

Als  eine  weitere  Unterstützung 
der  mechanischen  Kraft  der  Expek- 
toration kommt  sodann  die  Lage- 
rung des  Kranken  und  seine 
Körperhaltung  während  des 
Hustenaktes  zur  Geltung. 
Es  ist  schon  bei  den  Purgantien 
davon  die  Rede  gewesen,  daß  die 
Bauchpresse  bei  aufgerich- 
tetem Oberkörper  erheblich 
wirksamer  ist  als  in  der 
horizontalen  Lage;  so  weit 
das  Zwerchfell  an  der  verstärkten 
Exspiration  des  Hustens  teilnimmt, 
muß  das  auch  hier  von  Geltung 
sein.  Ja  die  Verschiedenheit  der  Mit- 
wirkung des  Zwerchfells  unter  diesen 
diiferenten  Verhältnissen  der  Körper- 
lage läßt  sich  schon  aus  der  That- 
sache     entnehmen,     daß     von     den 


Fig.  325.  Mineralwasser  wärmer.  Für  ein  Erwärmen  auf  eine  bestimmte  Tem- 
peratur eignen  sich  besondere  mit  einem  Thermometer  versehene  Jlineralwasserwärmer, 
aus  denen,  ohne  daß  ein  Oeffnen  des  Gefäßes  notwendig  würde,  das  "Wasser  direkt  ge- 
trunken werden  kann. 

Atmungsmuskeln  das  Zwerchfell  am  Tage  thätiger  ist  als  die  Thorax- 
muskeln, während  umgekehrt  des  Nachts  die  Zwerchfellbewegung  eine 
geringere  wird  und  die  Exkursionen  des  Thorax  au  Größe  zunehmen ; 
ein  Unterschied,  der  wohl  im  wesentlichen  auf  die  verschiedenen  Be- 
dingungen der  Haltung  und  der  Körperlage  zurückzuführen  ist. 

Ganz  besonders  aber  muß  ein  Vorgang,  der  wie  das  Husten  dar- 
auf beruht,  daß  ein  nachgiebiges  Organ,  die  Lunge,  plötzlich  von  allen 
zugänglichen  Seiten  her  eine  Kompression  erfährt,  dadurch  wesentlich 
gefördert  werden,  daß  auf  keiner  dieser  Seiten  ein  einzelner 
anderweitiger  Druck  lastet.  Liegt  der  Körper  aber  unzweck- 
mäßig während  des  Hustens,  beispielsweise  auf  einer  Seite,  so  übt  er 
mit  d  e  m  g  a  n  z  e  n  K  ö  r  p  e  r  g  e  w  i  c  h  t  e  i  n  e  K  o  m  p  r  e  s  s  i  o  n  d  i  e  s  e  r 
Thorax  Partien  aus;  und  deren  Mitwirkung  bei  der  Kraft  der 
mechanischen  Aktion  der  Expektoration  kommt  damit  pro  rata  in 
Wegfall. 

Es  wirken  unter  diesem  Gesichtspunkt  die  somatischen  Heilmittel,  das  Auf- 
richten und  Aufsetzen  des  Kranken  bei  genügender  Unterstützung,  die  auf- 
recht gerichtete,  zweckmäßig  angeordnete  Lagerung  des  Kranken  und  die  ähnlichen 
derartigen  Maßnahmen  als  Heilmittel,  welche  die  Expektoration  fördern,  als  Ex- 
pektorantien. 


242 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


389 


Und  selbst  mit  der  Ablösung '  und  Emportreibung  des  Sekrets 
durch  den  forcierten  Exspirationsstoß  ist  die  Gesamtfunktion  noch  nicht 
erfüllt :  damit  hat  das  Sputum  erst  die  Luftwege  verlassen  und  ist  durch 


pue  knüpfe. 

die  Glottis  hindurchgeschleudert  worden,  b  e  f  i  n  d  e  t  s  i  c  h  a  b  e  r  im  m  e  r 
noch   in    der    Rachenhöhle.     Denn    erst   wenn    es    den    Körper 
überhaupt  verlassen  hat,  ist  der  Expektorationsakt  vollendet.    Und  zu 
diesem    Zwecke   haben    die    Heil- 
mittel   der     Krankenpflege    noch 


weitere   wesentliche   Aufgaben 


zu 


erfüllen.  Sehr  viele  Kranke  pflegen 
oft,  sei  es  aus  Schwäche  oder  aus 
Unaufmerksamkeit  oder  aus  Be- 
quemlichkeit oder  aus  welchen 
Gründen  auch  immer,  das  in  die 
Rachenhöhle  gelangte  S  p  u  t  u  m 
nicht  auszuspeien,  sondern 
hinunterzuschlucken,  eine 
Maßnahme,  die  ganz  abgesehen  von  ihrer  Unappetitlichkeit  insofern 
ihre  nicht  unerhebliche  Bedeutung  hat,  als  einmal  das  verschluckte 
Sputum   an  sich  für   die  Thätigkeit  des  Magens   und  für  den  Appetit 


Fig.  327.     Spucknapf. 


Fig.  328.     Spucknäpfe. 

Fig.  326,  327,  328.  Das ' Material  der  in  Krankenliäiisern  und  Krankenzimmern 
yenvendbareu,  am  Boden  stehenden  Spucknäpfe  ist  entweder  emailliertes  MotaU  (Fig.  326 
vorn ,  Fig.  328  rechts) ,  oder  Glas  (Fig.  328  links) ;  oder  aber  sie  werden  als  massive 
schwere  Glasblocke  (Fig.  327)  hergestellt.  Auch  sind  Metallbehältnisse  mit  Glas  oder 
Porzellaueinsatz  (Fig.  326  hinten)  viel  gebrauelit.  Spucknäpfe  mit  oberem  Einsatz,  der 
für  die  Eeinisvmg  eutfernbar  ist,  sind  den  anderen  vorzuziehen. 


nicht  gleichgiltig  ist,  besonders  aber  dort,  wo  es  infektiöse  Bestandteile 
enthält,  in  erster  Linie  bei  der  Tuberkulose,  auch  Uebertragungen  nach 
dem  Verdauungstraktus  leicht  hieraus  entstehen  können. 

26* 
l(j* 


243 


590 


M.   MENDELSOHN. 


'^/mm^^/m.mmmämrm 


'      Bitte 

den  Spucknapf  zu  benutzen. 

dadurcliden.Aus™rf  Krankheiten 
übertraien  werdeTi  lws£^=^a| 


Die  zu  allen  diesen  Maßnahmen  der  Krankenwarlung  unerläßliclien  und  unent- 
behrliclien  Speigläser  sind  mit  etwas  Wasser  oder,  wenn  nötig,  mit  desinfizierender 

oder  desorierender  Flüssigkeit  anzu- 
füllen, um  das  spätere  Ausgießen  zu 
erleichtern ;  wo  auf  dem  inneren  oberen 
Eande  oder,  wenn  er  als  solcher  ge- 
staltet ist ,  auf  dem  oberen  Glas- 
trichter sich  Sputumbestandteile  fest- 
gesetzt haben,  oder  wo  etwa  gar, 
was  allerdings  bei  emem  oberen 
breiten  Eande  nicht  gerade  häufig 
geschieht,  solche  an  der  Außenfläche 
des  Gefäßes  kleben,  müssen  diese 
sofort  durch  Abspülen  oder  durch 
sonstige  Eeinigung  entfernt  werden. 
Die  Anfüllung  des  Gefäßes  mit 
Flüssigkeit  ist  nur  da  zu  unterlassen, 
wo  besondere  diagnostische  Gründe 
und  Absichten  es  verlaieten.  Da  der 
Anblick  von  Sputum  für  die  Krauken 

Fig.  329.  Spucknapf.  Das  in  einen  drehbaren  Metallarm  eingesetzte  Gerät  wild 
an  der  Wand  angebracht  und  ist  für  die  Korridore  von  Kraiikeuliäusem  und  anderen  viel 
frequentierten  Gebäuden  hergestellt. 

immer  etwas  Unangenehmes  hat,  so  wählt  man  zweckmäßig  dort,  wo  derartige 
Sensationen  vermieden  (werden  soUen,  Speigefäße  aus  gefärbtem  Glase  oder  aber 
solche  Glasbehälter,  welche  von  Metall  oder  anderen  undurchsichtigen  Hüllen  um- 
geben-sind,  Hüllen,  die  man  sonst  auch  auf  einfache  Weise  mit  Hilfe  eines  Stückes 
Kartons  oder  Papiers  improvisieren  kann. 


Fig.  330.     Speigefäß. 


Fig.  331.     Speigefäß. 


Sehr  zweckmäßig  sind,  wo  esjsich  um  Auswurf  handelt,  der  unschädlich  ge- 
macht werden  soll,  kleine  Speigefäße  aus  Papier,  deren  jedes  Exemplar  nur 
ein  paar  Pfennige  kostet  und  die  täglich  mit  ihrem  Inhalte  verbrannt  und  durch  neue 
ersetzt  werden.  Auch  Metallgefäße  erfüllen  den  Zweck,  undurchsichtig  zu  sein: 
es  giebt  unter  ihnen  komphziert  gebaute,  aber  recht  vorteilhaft  zur  Verwendung 
gelangende  eigenartige  Gefäße,  deren  Besonderheit  darin  besteht,  daß  die  kurze  Auf- 
satzröhre, welche  sie  tragen,  rechtwinklig  abgebogen  ist,  und  zwar  nach  derjenigen 
Seite  hin,  an  welcher  am  Gefäße  selber  seitlich  der  Henkel  sich  befindet.  Nimmt 
man  ein  solches  Gefäß  vom  Tische,  auf  welchem  es  aufrecht  steht,  fort  und  hält  es 
frei  an   seinem  Handgriffe,   so  bietet   der  rechtwinkhg  angesetzte  freie  Endteil  das 


244 


Die  Wirkung  auf  den  Auswurf. 


391 


Aufsatzstüokes  nun  eine  nach  oben  gerichtete  Aufnahmeöffnung  für  das  Sputum  dar. 
Und  da  dieser  Aufsatzteil  durch  eine  geeignet  angebrachte,  schräg  geneigte  und 
siebartig  durchbrochene  Scheidewand  von  dem  eigentlichen  Innenraume  des  Gefäßes 


Fig.  334.     Speigefäß.  Fig.  335.     Speigefäß. 

Fig.  330 — 335.  Die  für  den  unmittelbaren  Gebrauch  des  Kranken  am  Bette  be- 
stimmten Speigefäße  sind  gewöhnlich  aus  Glas.  Da  ein  persönliches  Ergreifen  und  Hand- 
haben durch  den  Kranken  selbst  bei  sorgsamster  Pflege  häufig  vorkommt,  so  sind  die 
Geräte  ohne  Henkel  (Fig.  335)  nicht  zweckmäßig.  Außer  verschiedenartig  gefärbtem  Glase 
W'ird  auch  Porzellan  als  Material  für  Speigefäße  verwendet  (Fig.  333) ,  oder  Email  und 
Metall  (Fig.  331).  Eecht  zweckentsprechend  sind  die  becherförmigen  Speigefäße  aus 
Metall  mit  Glaseinsatz  (Fig.  330),  welche  nur  an  einer  Seite  ein  Glasfenster  tragen,  durch 
welches  das  Sputum  zu  diagnostischen  Zwecken  besichtigt  werden  kann,  während  bei 
richtiger  Aufstellung  die  Metallwand  den  Anblick  des  Sputums  dem  Kranken  entzieht. 

getrennt  ist,  so  fließt  bei  solcher  Handhabung,  also  bei  der  Verbringung  des  Gefäßes 
von  der  aufrechten  Stellung,  die  es  in  der  Euhe  hat,  in  die  wagerechte,  welche  es  in 
der  Hand  annimmt,  Wasser  oder  eine  Desinfektionsflüssigkeit,  mit  welcher  das  Gefäß 

vorher  gefüllt  worden,  allein  jin 
den  Ansatzteil,  ohne  das  bereits  in 
dem  Gefäße  vorhandene  Sputum 
mit  in  diesen  hinüberzimehmen, 
so  daß  der  Patient,  wenn  er  das 
Speigefäß  benutzt,   immer  nur  die 


Fig.  836.  Fig.  337. 

Fig.  336.  Speigefäß.  Das  aus  Metall  gefertigte  Speigefäß  steht  außer  Gebrauch 
aufrecht  (Fig.  links),  zum  Gebrauche  wird  es  so  am  Henkel  erfaßt,  daß  seine  Oeffnnng 
sich  nach  oben  wendet  (Fig.  rechts). 

Fig.  337.  Speigefäß.  Das  kleine,  napfförmige  Gerät  ist  aus  Papier  mache  ge- 
fertigt. Das  mit  Deckel  versehene  Behältnis  wird  täglich  mitsamt  seinem  Inhalt  verbraunt 
und  durch  ein  neues  ersetzt. 

245 


392 


M.    MENDELSOHN, 


klare  Flüssigkeit  vor  Augen  bekommt,  niemals  jedoch  das  bereits  früher  entleerte 
Sputum  wiedersieht.  Aus  diesem  Grunde  ist  die  Verwendung  solcher  Geräte  nicht 
unzweckmäßig,  da  'sie  den,  wenn  auch  nur  vorübergehenden,  so  doch  immerhin  für 

viele  Kranke  widerlichen  Anblick  des  Spu- 
tums beim  Hineingeben  in  das  Glas  dem 
Auge  entziehen,  ein  Anblick,  der  auch  dann 
unvermeidUch  ist,  wenn  dieses  aus  gefärbtem 
Materiale  besteht  und  mit  einem  trichter- 
förmigen, nur  in  der  Mitte  offenen  Deckel 
geschlossen  ist. 

Wenn  eine  aufmerksame  Kranken- 
wartung bei  jedem  Hustenakt  nicht 
nur  auffordert,  das  Sputum  auszu- 
speien,  sondern  aucli  die  zu  seiner 
Auffangung  bestimmten  Geräte  dem 
Kranken  stets  mundgerecht,  auch 
ohne  daß  dieser  es  verlangt,  hinhält, 
wenn  die  genügende  Vorsorge  ge- 
troffen wird,  daß  auch  bei  vorüber- 
gehender Abwesenheit  des  pflegen- 
den   Personals    der    Kranke    ohne 

Fig.  o'-jS.  Spciilasche.  Die  von  Dr.  med.  DETTWEILEE  angegebene  Speiflasche 
ist  für  den  ambulanten  Gebrauch  bestimmt  und  ivird  vom  Kranken  in  der  Tasche  ge- 
tragen. In  den  aus  blauem  Glase  gefertigten  Körper  der  Flasche  gelangt  das  Sputum 
durch  einen  trichterföi'nügen  Einsatz  hindurch,  durch  -svelchen  selbst  bei  stärkeren  Köi'per- 
bewegungen  ein  Verschütten  verhütet  wird.  Die  untere,  durch  Schraubenversehluß  abge- 
schlossene Oeffnung  ermöglicht  ein  ausreichendes  Reinigen  des  kleinen  und  zweckmäßigen 
Geräts,  während  der  obere  Vei-schluß  durch  Einschnappen  einer  Feder  gebildet  wird  und 
sich  selbstthätig  beim  Druck  auf  diese  Feder  öffnet :  so  daß  also  zur  Handhabung  der 
Taschenflasche  nur  eine  einzige  Hand  benötigt  wird. 


wenn    die 
Ausspeien 


Beschwerden    und   leicht    die    Speigefäße    ergreifen    kann , 
Lagerung   zumal    des   Kopfes   so    gewählt   wird,    daß   das 
erleichtert   wird   und   nicht   etwa  in   horizontaler   Richtung    oder 
nach   oben   hin   nur   unter    besonderer   Anstrengung   sich   vornehmen 
läßt,   so   wird   dadurch   nicht   allein   das   immer   wiederkehrende  Auf- 

fangen  des  Sputums 

durch  das  Taschen- 
tuch mit  allen  den 
nachteiligen  Kon- 
sequenzen dieser 
Unsauberkeit  ein- 
geschränkt und  ver- 
mieden, sondern  es 
wird  durch  die  Heil- 
mittel der  Kranken- 
pflege auch  eine  un- 
mittelbare Förder- 
ung der  Expekto- 
ration selbst  er- 
zielt. 

Fig.  339.  Speigefäß.  Das  Speibehältnis  ist  aus  Papier  mache  hergestellt  und 
hat  ganz  die  Form  einer  Cigarrentasche ;  es  wird  wie  eine  solche  in  der  Rocktasche  ge- 
tragen. Eine  vom  oberen  Eande  des  Behältnisses  ausgehende,  in  den  Innenraum  hinein 
sich  erstreckende,  tilchterförmige  Vorrichtung  verhindert  ein  Verschütten  des  Inhalts.  Das 
sehr  wohlfeile  Gerät  wird  täglich  mitsamt  dem  angesammelten  Sputum  verbrannt  imd 
durch  ein  neues  ersetzt. 

246 


Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung.  393 


KAPITEL  XI. 
Die  Wirkung  auf  die  Schweifsabsonderung. 

Die  in  der  Therapie  oft  nötig  werdende  Steigerung  der  Diaphorese, 
die  Herbeiführung  einer  stärkeren  Sekretion  aus  den  Schweißdrüsen 
der  Haut,  setzt  sich  ebenso  wie  die  anderen  bisher  betrachteten  Ge- 
saintfunktionen  aus  einer  Reihe  von  Teilaktionen  zusammen,  deren 
Steigerung,  wenn  von  dieser  auch  nur  eine  oder  die  andere  der  ein- 
zelnen Teilaktionen  betroffen  wird,  dennoch  die  Erhöhung  und  Ver- 
stärkung der  Gesamtfunktion  im  Gefolge  hat.  Die  Schweißdrüsen 
sondern  Sekret  unter  dem  Einfluß  und  der  Eegulierung  eines  beson- 
deren nervösen  Apparates  ab,  der  auf  verschiedenartige  Weise  gereizt 
werden  und  damit  die  Drüsen  in  gesteigerte  Thätigkeit  versetzen  kann ; 
<labei  muß  ein  eigenes  Centrum  in  der  Medulla  oblongata  für  diese 
Funktion  angenommen  werden,  ein  Gentrum,  welches  entweder  auf 
reflektorischem  Wege  von  der  Oberfläche  des  Körpers  her  seine  Im- 
pulse erhält  oder  aber  sie  direkt  aus  dem  cirkulierenden  Blut  auf- 
nimmt und  auch  vom  Großhirn  aus  durch  psychische  Einflüsse  gereizt 
werden  kann ;  ja  es  genügt  sogar  eine  Einwirkung  nur  auf  den  peri- 
pheren Teil  des  absteigenden  Schenkels  eines  solchen  Reflexbogens, 
also  nur  eine  unmittelbare  und  direkte  Beeinflussung  der  Endigungen 
der  sekretorischen  Drüsennerven,  um  eine  gesteigerte  Schweißbildung 
zu  erzeugen,  eine  Einwirkung,  welche  gerade  dem  zu  diesem  Behüte 
viel  verwandten  Pilocarpin  in  ganz  eigenartigem  und  unbekannten 
Zusammenhange  zukommt. 

Dieser  nervöse  Reiz  für  die  Thätigkeit  der  Drüsen- 
«pithelien  aber,  wie  beschaffen  er  auch  sein  mag,  bildet  stets  nur 
eine  der  Teilaktionen  der  Gesamtfunktion.  Die  Drüsenepithelien  der 
schweißbildenden  Organe  haben  ebenso  wie  die  ihnen  auch  in  vielfacher 
anderer  Hinsicht  verwandten  Nierenepithelien  die  Aufgabe,  aus  der  in 
ihrem  Bereiche  cirkulierenden  Blutflüssigkeit  einen  Teil  der  Flüssigkeit 
zu  entnehmen  und  ihn  in  das  Lumen  der  Drüse  hinein  zu  secernieren, 
aus  welchem  er  abfließt,  um  dann  an  der  Oberfläche  der  Epidermis 
zu  verdunsten.  Die  zweite  Teilaktion  ergiebt  sich  daher  aus  dem 
einer  einzelneu  Schweißdrüse  jedesmal  zu  Gebote 
stehenden  Quantum  von  Blutflüssigkeit,  indem  mit  einer 
Vermehrung  dieser  ceteris  paribus  auch  die  produzierte  Schweißmenge 
ansteigen  und  mit  einer  Verminderung  absinken  muß.  Sodann  bildet 
der  Akt  des  Abflusses  des  gebildeten  Sekrets  aus  dem 
allerdings  einfachsten  Lumen  der  Schweißdrüsen  die 
dritte  Teilaktion.  Und  die  vierte  ergiebt  sich  aus  den  Bedingungen, 
welche  die  zu  Tage  tretende  kleinste  Sekret  menge 
an  der  Oberfläche  des  Körpers  vorfindet,  aus  dem  Ver- 
hältnis der  diese  umgebenden  Luftschicht  zu  ihr,  insbesondere  in  Be- 
zug auf  Temperatur  und  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft.  Auf  jede  dieser 
vier  Teilaktionen  vermögen  die  Heilmittel  der  Krankenpflege  eine  Ein- 
wirkung auszuüben. 

247 


394 


M.    MENDELSOHN, 


Ganz  besonders  wirksam  sind  die  liypurgischen  Heilmittel  auf  die 
erste  Teilaktion,  auf  die  Reizung  der  sekretorischen  Nerven  und  damit 
die  Anregu  ng  der  eigen  tliclien  sekretorischen  Thätig- 
keit  der  Dr  üsenepitheli  en.  Denn  das  stärkste  und  wesent- 
lichste Reizmittel  für  diese  sekretorischen  Nerven  ist 
die  Wärme,  ein  Heilmittel,  das  durchaus  zu  denen  der  Kranken- 
pflege gehört;  und  zwar  kann  sie  unter  den  erwähnten  verschiedenen 
Möglichkeiten  der  Reizübertragung  entweder  reflektorisch  von 
der  Körperoberfläche  aus  einwirken,  oder  aber  un- 
mittelbar auf  das  Centrum  der  S  chweii5  Sekretion  einen 
Reiz  ausüben,  indem  dem  Blute  eine  höhere  Temperatur 

mitgeteilt    wird    und 

diese 


dadurch  unmittel- 
bar das  Reflexcentrum  er- 
regt und  die  Schweiß- 
sekretion steigert.  In 
solchem  Zusammenhange- 
wirken schweißtreibend  die 
beiden  bekannten  und  zu 
derartigem  Zwecke  ganz 
allgemein  zur  Verwen- 
dung gelangenden  und  ge- 
bräuchlichen Gruppen  von 
Heilmitteln  der  Kranken- 
pflege: die  reichliche  Zu- 
fuhr heißer  Getränke  und 

Fig.  340.  Leib  wärm  er.  Das  aus  Weißblecli  hergestellte  und  zur  Füllung  mit 
warmem  Wasser  bestimmte  Gerät  wird  mit  Hilfe  eines  Gürtels,  welcher  durch  die  beiden- 
auf  der  Konvexität  befindlichen  Oesen  gezogen  mrd,  auf  dem  Köi-per  festgehalten  und 
kann  so  auch  ambulant  verwendet  werden. 

die  Applikation  von  Wärme  auf  eine  lokal  begrenzte  Partie  der 
Körperoberfläche   oder   auf  diese   in  ihrer  Gesamtheit. 

Die hypurgischen  Heilmittel,  die  Geräte,  welche  der  Wärme applika tion 
dienen,   sind  mannigfache;    alle   die   materiellen   Heilmittel,   welche  entweder   ge- 
schlossene   Behältnisse,     aus     guten 
Wärmeleitern   bestehend,    darstellen. 


rs^^ssv;ss\%'«m 


in  welche  heiße  Flüssigkeit  einge- 
bracht wird,  oder  die  direkt  in  da? 
Bettinnere  erhitzte  Luft  eiabringen,, 
oder  aber  solche  Geräte,  die  heißen 
Wasserdampf  produzieren  und  ihn 
der  Körperoberfläche  mitteilen,  sie 
aUe  und  die  ähnlichen  Heilmittel 
finden  zur  Schweißerzeugung  Ver- 
wendung und  wirken  hierbei  in  der 
Weise,  daß  durch  die  Wärmeappli- 
kation reflektorisch  die  Thätigkeit 
der  Schweißdrüsen  erhöht  wird. 

Fig.  341.  Wärmetasche.  Das  für  den  unmittelbaren  Gebrauch  am  Körper  her- 
gestellte Gerät,  in  dessen  Filzhülle  ein  durchlöcherter  Metalleinsatz  sich  befindet,  der  das- 
glimmende  Kohlenmaterial  in  sich  schließt,  ist  wegen  der  Verbrennungsgefalir,  der  Kohlen- 
oxydentwickelung  und  der  Belästigung  durch  den  dauernd  entstehenden  Qualm  zu  un- 
mittelbarer Applikation  nicht  geeignet. 


248 


Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung. 


395 


Ein  eigener  Bettwärmeapparat,  den  sein  Erfinder  „Ph&ix  ä  l'air  chaud" 
genannt  hat  und  der  bei  forcierter  Anwendung  auch  als  Schwitzapparat  dienen  kann, 
zumal  er  kaiun  etwas  anderes  ist  als  das  QurNCKE'sche  Schwitzbett,  bringt 
heißgemachte  Luft  unmittel- 
bar in  das  Bett  des  Kranken 
und  kann  daher  im  Anschluß 
an  die  anderweitigen  Bett- 
wärmegräte hier  erwähnt  wer- 
den. Mttels  einer  neben  dem 
Fußende  des  Bettes  am  Zim- 
merboden aufgestellten  Spiri- 
tuslampe wird  die  Luft  in 
einem  darüber  befindlichen, 
metfdlenen,  schornsteinartigen 
Eohre  erhitzt;  dies  Rohr 
mündet  in  einen  Holzkasten, 
welcher  am  Fußende  des 
Bettes  in  dieses  hineingelegt 
ist  und  dessen  dem  Kopfende 

Fig.  342.  Wärmeflasche.  Das  Gerät  ist  aus  Metall  gearbeitet;  es  muß  einen 
oberen  Handgriff  aus  Wärme  sehleebt  leitendem  Material  besitzen.  Behältnisse  aus  Kupfer 
eignen  sich  am  besten,  sind  jedoch  nicht  so  wohlfeil  wie  solche  aus  Zinn  oder  anderem 
Metall.     Diese  Geräte  sind  zum  Erwärmen  des  Bettes  bestimmt. 

zugekehrte  Wand  sich  öffnen  und  schheßen  läßt.  Durch  diese  Oeffnung  strömt  die 
heiße  Luft  in  den  Innenraum  des  Bettes  hinein ,  der  künstlich  dadurch  vergrößert 
wird ,  daß  zwei  Stangen,  an  beiden  Seiten  des  Bettes  entlang,  einerseits  auf  dem 
Kopfkissen  andererseits  auf  dem  Kasten  des  Apparates  aufliegen  und  so  die  über 
diese  gebreitete  und  beiderseits  von  ihnen  herabhängende  Bettdecke  den  zu  heizenden 
Innenraum  des  Bettes  größer  gestaltet  und  begrenzt. 

Für  die  Schweißerzeugung  außer  Bett  sind  eine  große  Zahl  der  ver- 
schiedenartigsten Geräte  zur  Ver- 
fügung, welche  mit  heißer  trockner 
Luft  oder  mit  Wasserdampf  die 
Diaphorese  des  allseitig  einge- 
schlossenen Körpers  anregen.  Sie 
wirken  entweder  auf  diesen  im 
Ganzen  ein,  so  daß  der  Patient 
völlig,  mit  alleiniger  Ausnahme 
des  Kopfes,  in  den  Apparat  einge- 
schlossen wird;  oder  sie  dienen 
partiellen  Gebrauche  und  sind  für 
die  Aufnahme  einzelner  Körper- 
teile, insbesondere  der  Extremi- 
täten, eingerichtet. 

Fig.  343.  Wärmedose.  Das  von  Dr.  med.  Majewsei  angegebene  Gerät  ist  zu 
dem  Zwecke  konstruiert,  die  Temperaturerhöhung,  welche  beim  Löschen  des  Kalkes  ent- 
steht, als  Wärmequelle  für  die  Krankenpflege  nutzbar  zu  machen.  Die  Dose  ist  au& 
Zinkblech,  von  kreisrander  Foim,  mit  abnehmbarem  und  durch  Bajonettverschluß  festge- 
haltenem Deekel.  Vor  dem  Gebrauch  ^ard  die  Dose  zur  Hälfte  mit  grob  zerstoßenem, 
frisch  gebranntem  Kalk  von  guter  Qualität  gefüllt;  dazu  werden  allmählich  60  Gewichts- 
prozente Wasser  zugesetzt;  sobald  die  Entwickelung  der  Wasserdämpfe  abnimmt,  wird  die 
Dose  geschlossen  und  ist  gebrauchsfähig.  Die  Anfangstemperatur  von  100  "  C  sinkt  so 
allmählich  ab,  daß  sie  nach  4  Stunden  noch  höher  als  37"  C  ist.  Nach  dem  Erkalten 
kann  der  gelöschte  Kalk  zu  Desinfektionszwecken  Verwendung  finden,  so  daß  die  Füllung 
der  Wärmedose  hierdurch  wohlfeiler  wird.  Eine  besondere  Bedeutung  hat  diese  Ver- 
wendung des  frisch  gelöschten  Kalkes  zu  Erwärmungszwecken  überall  da,  wo  heißes 
Wasser  nicht  schnell  und  ausreichend  genug  zur  Verfügung  steht. 


249 


396 


M.    MENDELSOHN, 


Fig.  344. 

Fig.  344.  Wärmekasten.  Da.«  Gerät  dient 
in  erster  Linie  zur  Erwärmung  der  Füße;  es  ist 
darum  mit  dioliem  Stoffüberzug  versehen.  Ein 
im  Inneren  befindliclier  Metallliasten  läßt  in  diesem 
eine  dauernde  Heizung  durch  geeignetes,  glim- 
mendes Brennmaterial  geschehen.  Für  den  Ge- 
brauch im  Bette  oder  in  abgeschlossenen  Räumen 
sind  diese  Wärmekäslen  ganz  ungeeignet. 

Fig.  345.  Wärmekissen.  Die  kleineren 
Exemjilare  der  Gummi- Wasserkissen,  welche  durch 
ihre  Kompendiosität  und  ihr  infolgedessen  auch  im 
gefüllten  Zustande  nur  geringes  Gesaratgewicht,  ohne 
allzu  sehr  zu  beschweren  oder  zu  drücken,  auch  auf 
den  Körper  gelegt  und  auf  ihm  getragen  werden 
können,  dienen  im  Gegensatze  zu  den  großen  Wasser- 
kissen zur  Füllung  mit  warmem,  nicht  mit  kaltem 
Wasser  und  finden  dementsprechend  als  Wärme- 
kissen Verwendung. 


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Fig.  345. 


Fig.  346.  Schwitzbett.  Das  von  Prof.  Dr.  med.  QUINCKE  eingeführte  Sehwitz- 
bett ist  auf  leichteste  Art  dadurch  herzurichten,  daß  ein  unter  dem  Namen  „Phenix  ä 
l'air  chaud"  hergestellter  Holzkasten  an  das  Fußende  des  Bettes  gelegt  wird ;  ein  durch 
eine  Spirituslampe  geheizter  Schornstein  führt  heiße  Luft  in  ihn  ein,  die  aus  dem  Kasten 
ausströmt.  Zwei  von  diesem  bis  zum  Kopfkissen  reichende  Stangen  halten,  wenn  die  Bett- 
decke über  das  Ganze  gebreitet  ist,  einen  für  die  Erwärmung  genügenden  Inneuraum  im 
Bette  frei.  Wenn  das  Gerät  in  Thätigkeit  tritt,  während  der  Kranke  sieh  im  Bette  befindet, 
so  ist  nur  die  Hälfte  der  vorderen  Kastenwand  zu  öffnen ;  der  Kranke  muß  sich  dann 
in    derjenigen   Betthälfte  aufhalten,  welche  der  geschlossenen  Seite  des  Kastens  entsi^rieht. 


Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung.  397 


Fig.  347.     Schwitz-Vorriclitung. 


Fig.  348.     Scliwitz-Vorriclilung. 

2sl 


398 


M.   MENDELSOHN, 


Die  Zufuhr  heißer  Getränke  dagegen,  wie  sie  hier  vielfach 
geschieht,  erteilt  dem  Körperblut  eine  höhere  Temperatur,  und  zwar 
um   so   eher  und   schneller,   je  unmittelbarer   die  Resorption  der  ge- 


rj".  349.     S  chwitz-Yorriclitung. 


Fig.  350.     Sctwitz-Vorrichtung. 


nosseuen  heii5eu  Flüssigkeit  im  Magen  vor  sich  geht,  was  bei  alkohol- 
haltigen Flüssigkeiten  in  nicht  unbeträchthch  stärkerem  ]Maße  der  Fall 
ist   als  bei  alkoholfreien,    weshalb   gerade   diese  heißen   alkoholischen 


Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung. 


399 


Oetränke  hier  eine  besondere  allgemeine  Verwendung  finden.  Durch 
diese  erhöhte  Temperatur  wird  das  Reflexcentruin  der  Me- 
dulla  oblongata,  welches  der  Schweißsekretion  vorsteht 
un  d  das  für  eine  so 
V er ä n d e r 1 6  Beschaf- 
fenheit des  Blutes 
sehr  empfindlich 
ist,  erregt  und  damit 
die  Schweißsekretiou  ge- 
steigert. Wirkt  doch  auch 
eine  venöse  Veränderung 
des  Blutes  gleichermaßen 
auf  dieses  Centrum,  das 
in  den  letzten  Phasen 
des  Lebens  gerade  durch 
dieses  Venöswerden  des 
Blutes  gereizt  und  zur 
Produktion  des  Todes- 
schweißes veranlaßt  wird. 
Die  Temperatur  des  Blu- 
tes jedoch  ist  ein  noch 
stärkeres  Irritamentum 
und  alle  die  Heilmittel 
der  Krankenpflege,  welche 
eine  solche  erhöhte  Tem- 
peratur des  Blutes  herbei- 
führen oder  die  reflek- 
torisch von  außen,  von 
der  Körperoberfläche  her, 
den  gleichen  Reiz  veran- 
lassen, sind  als  schweiß- 
treibende Mittel  anzu- 
sehen. 


Fig.  351.     Schwitz-Vorriclitunj 


Fig.  347—351.  Zur  Erzeugung  therapeutischer  Diaphorese  dienen  Sitzbäder,  bei 
welchen  der  Kranlie  in  einem  Kasten  völlig  eingeschlossen  ist  und  in  denen  aus  einem 
eigenen  Behältnis  unter  ihm  Wasserdampf  entwickelt  %vird  (Fig.  351).  Eine  solche  Vor- 
richtung kann  durch  ein  einfaches  Gestell,  über  welches  wasserdichter  Stoff  entsprechend 
t'ebreitet  ist,  in  einfachster  Weise  improvisiert  werden  (Fig.  347,  348),  indem  aus  einem 
Behältnis  mittels  Schlauches  der  Wasserdampf  in  den  abgeschlossenen  Raum  geleitet  wird. 
Andere  Vorrichtungen  lassen  den  gleichen  Abscliluß  des  ganzen  Körpers  im  Liegen  zu 
(Fig.  349,  350);  auch  können  ebenso  partielle  Erhitzungen  einer  Extremität  vorgenommen 
werden   (Fig.  357),  sei  es  durch  Wasserdampf,  sei  es  durch  heiße  Luft. 


Für  die  Ein  ahme  heißer  Ge- 
tränke im  Bett  gilt  als  Regel,  daß  sie 
möglichst  schnell  hintereinander  erfolgen 
soll,  daß  also  die  ganze,  zur  Einnahme 
"bestimmte  Flüssigkeitsmenge ,  wenn 
irgend  thunhch,  auf  einmal  von  dem 
Kranken  genossen  wird.  Auch  soll  schon 
•die  Aufnahme  des  heißen  Getränks  so 
vor  sich  gehen,  daß  der  EJranke  allseitig 
bedeckt   ist  und   auch   die  Arme  unter 

Fig.  352.     Schnabeltassen.     Für  den  Selbstgebraucli  durch  den  Kranken 
sich  besser  doppelheukelige  Schnabeltassen,  die  er  mit  beiden  Händen  gleichzeitig  er 
und  balancieren  kann,  als  solche  mit  nur  einem  Henkel. 


eignen 
Etreifen 


400 


M.   MENDELSOHN, 


der  Bettdecke  hat.  Schnabeltassen,  in  denen  ihm  die  Flüssigkeit  dargereicht  wird^ 
sind   daher   hier  kaum   zu    entbehi-en.     Noch  besser   sind   eigene   Getränkewärmer. 

deren  Porzellanbehältnis  ein  unmittel- 
bares Trinken  der  erwärmten  Flüssig- 
keit, ohne  ein  Umschütten  in  ein  anderes 
Gefäß,  gestattet. 

Die  zweite  Teilaktion  der  Dia- 
phorese  besteht  iu  einer  reich- 
lichen Darbietung  des  Materials, 
aus  welchem  die  Drüsenzellen  den 
Schweiß  entnehmen :  wenn  sie  er- 
höht werden  soll  also  aus  einer 
gesteigerten  Zirkulation 
in  dem  Bereiche  dieser 
Schweißdrüsen:  in  der 
Haut.  Auch  diese  Teilaktion  der 
Blutzirkulation  in  der  Haut  wird 
auf  hyi^urgischem  Wege  gefördert, 
und  zwar  durch  dieselben  beiden 
Arten  von  Heilmitteln,  die  eben 
genannt  wurden  und  welche  die 
eben  besprochene  erste  Teilaktion 
fördern :  durch  die  innere  Zufuhr 

Fig.  353.      Geti-änkewärmer.      Das    Gerät  wird   durch  Spiritus    geheizt    und   ist 
neben  dem  Krankenzimmer,  nicht  in  diesem  selbst,  aufzustellen  und  zu  benutzen. 

von  Wärme  zum  Blute,  wie  es  durch  die  heißen  Getränke  geschieht, 
und  durch  die  äußere  Apphkation  der  Wärme  auf  die  Körperober- 
fläche.    Während   die   ersteren   die   Herzaktion   anregen   und  steigern 


Fig.  354.     Schwi  tz  -  V  orrichtung. 
254 


'Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung. 


401 


und  somit  die  Gesanitzirkulation  heben,  hat  die  Applikation  der 
Wärme  auf  die  äußere  Haut  hier  den  Effekt,  daß  sie  den  Tonus  der 
Blutgefäße  herabsetzt  und  mit  deren  Erschlaffung  und  Weiterwerden 
nun  auch  größere  Mengen  von  Blut  und  Sehweißdrüsen  zugeführt 
werden  als  zuvor. 

Auch  der  un  gehinderte  Abfluß  des  gesteigert  gebildeten 
Schweißes,  die  dritte  Teilaktion  der  Gesamtfunktion,  muß  gewähr- 
leistet und  gefördert  werden,  da  sonst,  ähnlich  wie  bei  der  Harnsekretion, 
durch  Rückstauung  ein  Minus  in  der  Gesamtproduktion  eintritt,  weil 
auch  hierbei  durch  eine  mehr  oder  minder  ausgesprochene  Beein- 
trächtigung des  ausführenden  Lumens  eine  Verminderung  der  sonst 
zutage  tretenden  Schweißmenge  entstehen  muß.  Diese  Betrachtungs- 
weise darf  nicht  kleinlich  erscheinen ;  denn  Avenn  man  erwägt, 
daß  die  Gesamtzahl  aller  Knäueldrüsen  eines  Durchschnittsmenschen 
an  2500000  beträgt,  und  daß  ihnen  insgesamt  eine  sekretorische 
Flächenausbreitung  von  ungefähr  1080  qm  zukommt ,  so  werden 
die  greifbaren  Beeinträch- 
tigungen ,  welche  aus  einem 
mangelhaften  Abfluß  sich  er- 
geben müssen,  schon  um  vieles 
verständlicher  und  die  unter- 
stützende Mitwirkung,  welche 
eine  Förderung  dieser  Teil- 
aktion auf  die  Gesamtfunktion 
ausüben  muß ,  durchaus  er- 
sichtlich. Diese  Teilaktion  kön- 
nen die  somatischen  Mittel  der 
Körperreinigung  fördern ;  es 
sind  dies  die  Bäder  und 
Waschungen  und  eine 
regelmäßige  und  ge 
ordnete  Hautpflege. 

Wesentlicli  dabei  ist,  daß  dies 
Waschungen  nicht  ohne  Zuhilf ( 
nähme  von  Seife  stattfinden ;  währen 
die   Benetzung   und    Abspükmg   dt 
Haut   und  das  mechanische  Momei 
des  Waschens  und  Reibens  d  i  e  A  b 
stoßung     der     verbrauchte 
oberflächlichen      Epithelie 
fördert  und  damit  die  Drüsenlumin 
in  der  That  auch  freier  macht,  vei 
seift  die  Seife  nicht  nur  das  Fett  i 
den  Talgdrüsen    und   entfernt  es  s( 
sondern  eröffnet   auch  die  Lu- 
mina    der     Schweißdrüsen, 
deren    Sekrete    ein    öliges   Fett    bei- 
gemischt ist,  welches  bei  mangelnder 
Reinigimg    den    Ausführimgsgängen 
zum  Teil  anhaftet. 


Fig.  355.     Seh witz-Vorrichtuns 


Fig.  354,  355.  Zu  Steigerung  der  Diaphorese  und  gleichzeitigen  Reinigung  und 
Eröffnung  der  Haut  dienen  Wasserdanipfbiider ,  welche  in  Wasserbädern  vor  sich  gehen, 
wobei  sie  oben  durch  einen  Verschluß  aus  wasserdichtem  Stoff,  der  nur  den  Kopf  freilaßt, 
abgeschlossen  sind  (Fig.  354);  sie  können  auch  mit  Brausevorrichtung  kombiniert  werden 

(Fig.  355). 


255 


402  M.    MENDELSOHN, 

Außerdem  wirkt  die  schon  für  die  anderen  Teilaktionen  als  wesent- 
lich erkannte  äußere  Wärmeapplikation  insofern  auch  hier  unterstützend, 
als  sie  zumal  in  der  Form  der  feuchten  Wärme  die  Epi- 
dermis 1  o  c  k  e  r  t  und  aufquellen  macht,  und  somit  ebenfalls 
zur  Erleichterung  des  Schweißaustrittes  beiträgt  und  damit  auch  die 
Vermehrung  des  gebildeten  und  eliminierten  Schweißes  auf  diesen 
-rein  mechanischen  Wegen  fördert  und  unterstützt. 

Mit  dem  Austreten  des  Schweißes  an  die  Oberfläche  ist  die 
Diaphorese  nur  anscheinend  vollendet;  in  therapeutischer  Hinsicht 
wird  nun  noch  der  weitere  Verbleib  der  aus  dem  Körper  eliminierten 
Flüssigkeit  von  sehr  erheblicher  Wichtigkeit.  Denn  die  Haupte 
bedeutung  in  dem  Vorgange  der  Schweißsekretion  liegt  neben  der 
unterstützenden  Regulierung  der  Flüssigkeitsbilanz  des  Körpers  und 
neben  der  Elimination  von  löslichen  Auswurfstoffen,  Leistungen,  die 
in  gleichem  und  noch  höherem  Maße  auch  die  Nieren  vollführen,  in 
der  Unterstützung  der  Wärmeregulation  des  Organismus.  Der  wesent- 
lichste physiologische  Effekt  bei  der  Schweißsekretion 
besteht  in  der  nach  dem  erfolgten  Z u t a g e t r e t e n  des 
Schweißes  auf  der  Körper  Oberfläche  vor  sich  gehenden 
Verdunstung  und  in  der  mit  dieser  einhergehenden 
Wärmeentziehung  des  Körpers.  Der  Vorgang  der  Ver- 
dampfung des  Wassers  bindet  außerordentlich  viel  Wärme;  diese 
Wärmeentziehung,  welche  bei  der  Schweißverdunstung  der  Körper 
an  seiner  Oberfläche  erfährt,  ist  wieder  der  hauptsächlichste  Faktor 
in  der  günstigen  Beeinflussung  der  sogenannten  Erkältung  durch  die 
Erzeugung  einer  gesteigerten  Schweißsekretion,  eine  Einwirkung,  die 
gerade  hier  oft  in  erstaunlicher  Weise  vor  sich  geht. 

Wo  es  daher  darauf  ankommt ,  eine  möglichst  ergiebige 
und  schnelle  Verdunstung  des  Schweißes  herbeizu- 
führen, sind  alle  diejenigen  Mittel  und  Maßnahmen,  welche  diese 
Verdunstung  fördern  können ,  als  Unterstützungsmittel  der  gesamten 
Funktion  anzusehen.  Und  da  die  Verdampfung  einer  Flüssig- 
keit sehr  wesentlich  von  dem  Grade  des  Feuchtigkeits- 
gehaltes der  Luft  abhängt,  welchen  diese,  die  umgebende  Luft, 
in  die  hinein  die  Verdampfung  stattfinden  soll,  gerade  besitzt,  so  wird 
hiernach  sich  die  Entscheidung  richten,  ob  als  diaphoretisches  Heilmittel 
trockene  oder  feuchte  Wärme  der  Körper  o  berfläche  zu 
applizieren  ist;  ob  die  Wärmewirkung,  welche  in  der  bereits  ge- 
schilderten Weise  die  übrigen  Teilaktionen  steigert,  durch  eine  einfache 
Erhitzung  der  den  Kranken  umgebenden  Luftschicht  herbeizuführen 
ist ,  oder  ob  die  Einleitung  von  feuchter  Wärme,  von  heißem  Wasser- 
dampf in  die  Umgebung  seines  Körpers  hier  aus  den  beregten  Gründen 
den  Vorzug  verdient.  Zudem  ist  auch  bei  allen  nicht  im  Bette  be- 
findlichen Kranken  die  Besonderheit  ihrer  Kleidung  ebenfalls  der  Be- 
achtung zu  unterwerfen,  derjenigen  Medien ,  welche  die  nächste,  die 
Körperoberfläche  umfließende  Luftschicht  nach  außen  hin  abschließen 
und  von  deren  Beschaffenheit  undinsbesondereWasser- 
durchlässigkeit  die  Art  und  der  Grad  der  Verdunstung 
des  Schweißes  gleichfalls  abhängt.  Auf  diese  Unterschiede 
hier  des  näheren  einzugehen,  erübrigt  sich;  die  Qualitäten  der  Kleidung 
gerade  in  dem  angeführten  Sinne,  die  für  Gesunde  wie  für  Kranke 
die  gleiche  Geltung  haben ,  sind  so  sehr  Objekt  der  hygienischen 
Wissenschaft  und   so    eingehend   von   dieser    studiert   und    behandelt, 

256 


Die  Wirkung  auf  die  Schweißabsonderung. 


403 


■daß    an    dieser    Stelle    hier    einfach    auf    sie    zu    verweisen    gestattet 
sein  mag. 

Ganz  besondere  Aufmerksamkeit  erfordert  bei  bettlägerigen  Kranken  die  Be- 
seitigung des  hervortretenden  Schweißes,  der  manchmal  in  sehr  großen 
Mengen  zu  Tage  tritt  und  zwar  hier  und  da  durch  die  in  der  früheren  Therapie 
von  großer  Wichtigkeit  gewesenen  Speckeinreibungen  ganz  zweckmäßig  gemildert 
werden  kann,  öfters  auch  auf  arzneilichem  Wege  eingeschränkt  wird,  für  gewöhnhch 
jedoch  als  ein  erwünschter  und  auch  nicht  unzweckmäßiger  Vorgang  in  dem  Krank- 
heitsprozesse, ohne  daß  daher  künstlich  gegen  ihn  angekämpft  würde,  so  reichlich, 
als  er  nur  will,  abgesondert  wird.  Eine  solche  profuse  Schweißsekretion  ist  manch- 
mal imstande,  in  kurzer  Zeit  die  gesamte  Leib-  und  Bettwäsche  ganz  und  gar  zu 
<lurchtränken  und   zu  durchnässen;   in   solchen  Fällen   muß   jedesmal   die  Wäsche, 


Fig.  356.  Sandbade  wanne.  Der  Hauptraum  des  Geräts  dient  zur  Aufnahme 
•des  Körpers,  der  von  heißem  Sande  ganz  umgeben  und  bedeckt  wird ;  der  Nebenraum  ist 
das  Behältnis  für  denjenigen  Sand,  mit  welchem  nach  dem  Einsteigen  der  Kranke  über- 
deckt wird.  Zur  Erleichterung  dieses  Einsteigens  ist  die  vordere  Wand  herunterklappbar. 
Der  Sand  Avird  durch  Dampfzirkulation  erwärmt. 

sowie  sie  naß  geworden,  durch  neue  ersetzt  werden;  und  diese  neuen  Wäschestücke 
müssen  sämtlich  nicht  nur  völlig  trocken,  sondern  direkt  gewärmt  verabfolgt  werden. 
Der  Wäschewechsel,  der  auch  hier  in  der  bereits  geschilderten  Weise  vorgenoirmaen 
"wird,  erfordert  insofern  besondere  Vorsicht,  als  der  schweißbedeckte  Kranke  dabei 
möglichst  wenig  entblößt  werden  darf  und  unmittelbar  vor  dem  Wäschewechsel  soweit 
als  thunlich  von  seinem  Schweiße  zu  befreien  ist.  Es  muß  daher,  wenn  irgend 
angängig,  unter  der  Decke  zunächst  mit  trockenen  und  warmen  Tüchern  der  ganze 
Körper  abgerieben  und  vom  Schweiße  befreit  werden  ;  dann  erst  ist,  und  zwar  so 
schnell  als  möglich,  das  alte  Hemd  herabzustreifen  und  durch  ein  neues  zu  ersetzen  ; 
wenn  thunlich,  alles  unter  dem  Schutze  der  darüber  liegen  bleibenden  Bettdecke. 
Dieser  Schutz  eines  stark  schwitzenden  Kranken  vor  der  Abkühlung 
durch  die  Zimmerluft  ist  auch  sonst  sehr  sorgfältig  zu  überwachen;  es  darf 
ein  solcher  Patient  niemals  bloß  liegen,  auch  darf  die  Lufttemperatur  im  Zimmer 
nicht  zu  kühl  gehalten  werden  imd  ganz  besonders  ist  hier  wie  überhaupt  jede 
Zugluft  sorgsam  zu  vermeiden. 


Handbuch  der  spec.  Therapie  inn.  Krankh.     Suppl.  I.    Heft  3. 
Mendelsohn,  Krankenpflege.  ^^^ 


-1( 

17 


404  M.    MENDELSOHN, 


KAPITEL  XII. 

Die  Wirkung  auf  die  Körperoberfläche. 

(Lokale  Wirkung.) 

Der  Zustand  der  Körperoberfläche  bedarf,  zumal  in  langwierigen 
Krankheiten,  sorgfältiger  therapeutischer  Beeinflussung,  mehr  noch  in 
vorwiegend  prophylaktischer  Art  als  in  unmittelbar  therapeutischer 
Beziehung.  Ganz  besonders  gilt  das  für  diejenigen  Körper- 
steilen,  welche  dem  Drucke  des  aufruhenden  Körpers 
ausgesetzt  sind;  es  ist  hiervon  schon  bei  der  Wirkung  d^r 
Krankenpäegemittel  auf  die  Schmerzfreiheit  und  die  Reinlichkeit  ein- 
gehender die  Rede  gewesen.  Außer  dieser  subjektiven  Einwirkung 
können  aber  die  Krankenpflegemittel,  ebenso  wie  es  Gruppen  von 
Arzneikörpern  giebt,  welche  als  Hautreize  wirken,  und  solche,  welche 
die  Gewebe  und  die  oberflächlichen  Epithelschichten  erweichen  und  auf- 
lockern, wie  es  also  Rubefacientia  und  Emollientia  in  der  Pharmakologie 
giebt,  auch  diese  physiologischen  Effekte  direkt  herbeiführen.  Es  ist 
daher  notwendig,  auch  hierauf  an  dieser  Stelle  kurz  hinzuweisen. 

Die  Hautreize,  welche  therapeutisch  an  einzelnen- 
Stellen  der  Körperoberfläche  zur  Einwirkung  kommen,, 
haben  den  Zweck,  an  der  Applikationsstelle  und  den  darunter  liegenden 
Geweben  einen  Blutafflux  herbeizuführen,  sei  es  nun  um  durch 
die  vermehrte  Blutzufuhr  an  dieser  Stelle  selber  eine 
Einwirkung  auszuüben  oder  aber  auf  entferntere  Organe 
oder  Körperstellen  entlastend  einzuwirken;  und  sie 
können  diese  letztere  Einwirkung  um  so  sicherer  herbeiführen ,  als 
eine  Erweiterung  der  Gefäße  an  der  direkt  beeinflußten  Stelle  einer 
Gefäßkontraktion  in  entfernteren  Organen  oder  Körperpartien  ent- 
spricht, und  hierbei  ganz  bestimmte  Beziehungen  obwalten,  indem 
diese  Verminderung  der  Blutzufuhr  in  solchen  Organen  sich  haupt- 
sächlich geltend  macht,  welche  in  einem  bestimmten  Nervenkonnex 
mit  der  gereizten  Stelle  stehen. 

Solchen  gefäßerweiternden  lokalen  Reiz  kann  unter  den 
Krankenpflegeheilraitteln  die  Beeinflussung  einzelner  Bezirke  der  Ober- 
haut einmal  durch  Wärme  und  sodann  durch  mechanische 
Friktion  abgeben.  Es  ist  bekannt,  daß  Wärme  die  Blutgefäße  zur 
Erweiterung  bringt;  die  direkte  Applikation  von  trockener  Wärme  auf 
die  Haut  erzeugt  an  dieser  Stelle  Rötung  und  Erweiterung  der  Gefäße : 
und  es  ist  interessant,  daß  die  Einwirkung  der  Wärme,  wenn  sie  immer- 
mehr und  mehr  bis  zum  schädlichen  Uebermaß  hinaus  gesteigert  wird, 
auf  der  Haut  dieselben  drei  Stadien  lokaler  Einwirkung  nach  einander 
erzeugt,  nach  welchen  die  arzneilichen  Reizmittel  derart  ihre  prin- 
zipielle Einteilung  gefunden  haben.  Während  es  hier  je  nach  der 
Intensität  der  ihnen  innewohnenden  Reizwirkung  Rubefacientia  giebt, 
welche  die  Haut  nur  röten,  Vesicantia,  welche  Blasenbildung  an  ihr 
hervorrufen,  und  Caustica,  welche  das  betroffene  Gewebe  überhaupt 
zerstören,  so  lassen  sich  durch  gesteigerte  Grade  von  dü'ekter  Wärme- 

258 


Die  Wirkung  auf  die  Körperoberfläche. 


405 


einwirkung  nach  einander  durch  dieses  einzige  Agens  ganz  die  gleichen 
Effekte  erzeugen,  weil  ja  auch  diese  drei  pharmakodynamisch  ver- 
schiedenen Gruppen  von  Arzneikörpern  nur  quantitativ  verschiedene, 
nicht  aber  prinzipiell  differente  Wirkungen  haben. 

Alle  diejenigeu  verscMedentlich  bereits  aufgeführten  Krankenpflegeheihnittel, 
welche  zur  Applikation  lokaler  trockener  Wärme  geeignet  sind,  wirken 
daher  annähernd  so,  wie  die  arzneilichen  Eubefacientien. 


Fig.  357.  Heißluftkasten.  Das  Gerät  wird  durch  eine  einfache  Spiritusflamme 
in  Gang  erhalten,  wobei  die  frische  Luft  durch  eine  Sclilauchleitung  in  den  Kasten  ein- 
führt wird.     Dieser  ist  zur  Aufnahme  einer  der  Extremitäten  bestimmt. 


Einen  ähnlichen  Effekt  üben  auch  mechanische  Reize  an  der  Applikation.s- 
steUe  aus;  und  wenn  auch  die  Massage  als  eigene  therapeutische  Disciplin  diese 
Einwirkimgen  eingehender  studiert  und  dargestellt  hat,  so  gehört  das  einfache 
Frottieren  imd  das  Eeiben  einzelner  Körperstellen  doch  mehr  in  das  Gebiet  der 
Krankenpflege  imd  verdient  darum  hier  eine  kurze  Erwähnung,  indem  alle  diese 
Maßnabmen,  das  Frottieren  mit  einem  rauhen  Tuche  oder  einem  Stücke  Flanell, 
oder  das  Reiben  mit  der  Hand  oder  mit  Bürsten  ebenfalls  in  ihrer  Wirkung  als 
Rubefacientia  zur  Geltung  kommen. 

Gleichermaßen  ist  das  auch  mit  dem  physiologischen  Effekt  der 
Fall,  welchem  die  nach  umgekehrten  Ziele  gerichteten  Arzneikörper, 
die  sogenannten  Emollientia,  dienen.  Dieser  Effekt  ist  eine  Er- 
weichung und  Auflockerung  der  beeinflußten  Teile  der 
Körper  Oberfläche;  er  muß  besonders  dort  angestrebt  werden,  wo 
eine   Spannung  vorhanden   ist,    welche    Schmerzen   her- 

27* 
^  17* 


406 


M.    MENDELSOHN, 


vorrnft.  In  dieser  Hinsicht  ist  übrigens  über  die  "Wirkung  der  hier- 
her gehörigen  Ki'ankenpflegemittel  das  wesenthche  bereits  bei  der 
Wii-kuhg  auf  die  Schmerzfreiheit  besprochen  worden. 


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Fig.  358.  Umselilagwärmer.  Der  auf  dem  Uutei-satz  befindliehe  Kasten  ist 
doppelwandig  und  wird  Tor  dem  Gebrauch  innerhalb  dieser  doppelten  Wandungen  mit 
Wasser  gefiÜlt;  die  Einfüllungsöffnung  darf  wahrend  des  Erhitzen.«  nicht  Tcrsclilosseu 
werden.  Die  zu  erwärmenden  Umschläge  kommen  in  den  eigentlichen  Innenraum.  Zur 
Aufbewahrung  lassen  sich  Untergestell  und  Lampe  in  dem  Kasten  unterbringen. 

Jedenfalls  Ycrmögen  gerade  hier,  gerade  nach  solchem  entspannen- 
den Effekte  hin.  die  Heilmittel  der  Krankenpflege,  deren  wirksamste 
die  Wärme  und  die  Feuchtigkeit  sind.  Effekte  zu  erzielen,  wie  sie 
andersartigen  therapeutischen  Einwirkungen  herbeizuführen  kaum  mög- 
lich ist.  Die  feuchte  Wärme,  welche  entweder  durch  Spray- 
apparate dii-ekt  appliziert  wird  oder  noch  allgemeiner  durch  die  ver- 
schiedenartigen Umscliläge  zur  Anwendung  gelangt,  ist  ein  souveränes 
Emolliens. 

Dabei  ist  die  Art  und  das  Material  derUmschläge  erst  in  zweiter  Linie 
von  Wesenheit;  sie  pflegen  sich  gewöhnlich  nach  äußeren  Verhältnissen  zu  richten 
und  sind  auch  von  dem  Orte  der  Applikation  abhängig,  insbesondere  hinsichthch  ihrer 

Größe  und  Schwere,  wenn  es  sich 
darum  handelt,  sie  auf  eine  ent- 
zündete und  schmerzhafte  Köri^er- 
stelle  aufzulegen.  Sonst  kommt 
es  bei  allen  den  hierzu  verwen- 
deten ^laterialien,  ob  es  nun  Brei 
oder  Hafergrütze  oder  sonst  irgend 
eine  andere  derartige  Substanz  ist, 
immer  nur  darauf  an,  daß  Ma- 
terialien benutzt  werden,  welche 
imstande  sind,  Feuchtigkeit  so- 
wohl wie  Wärme  möglichst  lange 
zurückzuhalten  nnd  einwirken  zu 
lassen. 


Fig.  359.     "Wärm  ekumpresse. 


Dabei  ist  der  Einfluß  dieser  feuchten  Wärme  nicht  nur  der  eines 
Emolliens  für  die  obersten  Zellschichteu  der  Haut,   sondern  sie  wirkt 


260 


Die  Wirkung  auf  die  Körperoberfläche. 


407 


insofern  auch  noch  entspannend  und  damit  gleichzeitig  schmerzlindernd 
auf  kongestionierte  Körperpartien,  als  durch  die  feuchte  Wäi-Jme 
die  Kapillaren  erweitert  werden  und  das  Blut  leichter 
und  reichlicher  nun 
nach  den  Kollateralen 
hinfließt.  Je  nachdem 
intensivere  oder  mäßigere 
Grade  von  Wärme  ange- 
Avendet  werden,  ist  die  Wir- 
kung mehr  die  einer  Ent- 
spannung und  Lockerung 
der  obersten  Zellschichten 
oder  die  einer  solchen  Ent- 
spannung    mehr      in      der 

Tiefe.  •  Fig.  360.     Wärmekoinpresse. 

Fig.  359,  360.  Zu  Würmekompressen  wählt  man  zweckmäßig  allseitig  geschlossene 
Gummisäcke  (Fig.  359),  deren  Inneres  nur  von  einer  Stelle  aus  durch  die  Oeffnung  des 
Schraubenverschlusses  zugänglich  ist;  man  füUt  sie  am  besten  mit  essigsaurem  Natron, 
das  mit  etwas  Glycerin  angerührt  ist.  Eine  so  gefüllte  Kompresse  ist  auf  einige  Minuten 
in  heißes  Wasser  zu  legen  und  danach  in  eine  passende  Filz-  oder  Stoffhülle  zu  geben 
(Fig.  360);  sie  bleibt  dann  mehrere  Stunden  lang  warm. 

In  dem  ersten  Falle  wird  das  wärmeabgebende  Material  ziemlich  un- 
mittelbar auf  die  Hautfläche  zu  applizieren  sein,  woraus  sich  von  selber 
ergiebt,   daß   in   solchem   Falle  auch   nur    mäßige  Wärmegrade  angewandt   werden 


Fig.  361.  Thermophor.  Das  von  Prof.  Dr.  med.  QUINCKE  angegebene,  sehr  sinn- 
reiche und  zweelonäßige  Gerät  ennöglicht  es,  beliebig  lange  Zeit  warme  Umschläge  in  loco 
auf  konstanter  Temperatur  zu  erhalten.  Für  die  einzelnen  Körperteile  sind  entsprechende 
doppelwandige  Schalen  von  geeigneter  Form,  hergestellt,  welche  als  Unterlage  resji.  Auf- 
lage für  den  Umschlag  dienen  und  welche  die  Temperatur  des  durch  ihren  Innenraum 
dauernd  cirkulierenden  AVassers  diesem  mitteilen.  Beim  Gebrauche  muß  das  Behältnis, 
in  welchem  durch  eine  Spiritusflamme  das  Wasser  erwärmt  wird,  niedriger  stehen  als  das 
Niveau,  in  welchem  sich  der  Umsehlag  befindet,  da  nur  so  eine  dauernde  Cirkulation 
durch  den  ganzen  Apparat  hindurch  vor  sich  geht. 


261 


408 


M.   MENDELSOHN, 


dürfen,  um  keine  Verbrennung  herbeizuführen;  bei  einer  tiefer  gerichteten  Ein- 
wirkung jedoch,  zu  welcher  die  AppUkation  stärkerer  Hitze  notwendig  wird,  muß 
durch  zwischengeschobene  dicke  Lagen  von  Stoffen,  am  besten  von 
Flanell,  der  direkte  Kontakt  und  die  unmittelbare  Einwirkung  der  heißen  Heilmittel 
auf  die  Oberhaut  vermieden  werden. 


Fig.  362.  Wärineröhren.  Die  von  LEITER  konstruierten  und  neuertliugs  nach 
den  Angaben  von  Prof.  Dr.  med.  GäETNER  auch  aus  Aluminium  hergestellteu,  sogenannten 
KüMröhren  lassen  sieh  auch  mit  warmem  Wasser,  das  durch  sie  zirkuliert,  verwenden 
und  dienen  dann  in  derselben  Weise  als  bequemer  und  e.xakt  zu  regulierender  Ersatz  für 
warme  und  heiße  Umschläge,  wie  sie  bei  Füllung  mit  kaltem  Wasser  kalte  Kompressen 
oder  Eisbeutel  zu  ersetzen  vermögen. 


202 


Die  Wirkung  auf  die  GeschlecMssphäre.  409 


KAPITEL  XIII. 
Die  Wirkung  auf  die  Gescblechtssphäre. 

Das  Zustandekommen  eines  erhöhten  Geschlechtstriebes  setzt  sich 
-ebenso  wie  dasjenige  der  normalen  und  nicht  übermäßig  gesteigerten 
Gesamtfunktion  aus  drei  Teilaktionen  zusammen,  welche,  wenn  man 
gegen  ein  solches  Uebermaß  therapeutisch  ankämpfen  will,  eine  jede 
für  sich  gesonderter  Einwirkung  zugänglich  sind,  und  von  denen  be- 
sonders zwei  dieser  Teilaktionen  sehr  wesentlich  durch  die  Heilmittel 
der  Krankenpflege  geregelt  werden  können. 

Die  Aeußerung  des  Geschlechtstriebes,  welche  in  der  Ei-ektion 
ihren  Ausdruck  findet,  verläuft  auf  dem  Wege  eines  Reflexaktes;  die 
drei  Teilaktionen  der  Gesamtfunktion  setzen  sich  hinsichtlich  der  Inten- 
sität des  Endeffekts  zusammen,  einmal  aus  der  Natur  und  der 
StärkedesveranlassendenEeizes;  sodann  aus  der  Leichtigkeit, 
mit  welcher  die  Reflexbahn  diesen  Reiz  auf  das  Geschlechtsorgan  über- 
mittelt, also  aus  der  größeren  oder  geringeren  Erreg- 
barkeit der  beiden  für  die  Geschlechtsfunktion  vor- 
handenen N  e  r  v  e  n  c  e  n  t  r  e  n ;  und  schließlich  aus  dem  Grade 
der  entstehenden  Erektion,  welche  durch  die  Erweiterung 
der  Arterien  und  die  Steigerung  des  Blutzuflusses  in  dem  erektilen 
Gewebe  der  Geschlechtswerkzeuge  unter  gleichzeitiger  Behinderung 
iles  venösen  Abflusses  dortselbst  zustande  kommt.  Auch  hier  wieder 
kann,  wie  gesagt,  eine  jede  dieser  Teilaktionen  für  sich  allein  beeinflußt 
werden:  wenn  es  sich  also  um  eine  Herabsetzung  der  Gesamtfunktion, 
um  eine  Wirkung  der  angewandten  Heilmittel  der  Krankenpflege  nach 
derselben  Richtung  hin,  wie  sie  die  sogenannten  Anaphrodisiaca  be- 
wirken, handeln  soll,  so  kann  eine  Milderung  und  Mäßigung  einer  jeden 
dieser  drei  Teilaktionen  unabhängig  von  den  beiden  anderen  besorgt, 
und  damit  auch  die  Herabsetzung  der  Gesamtfunktion  mehr  oder  minder 
vollständig  erzielt  werden. 

Für  die  Beeinflussung  der  Erregbarkeit  der  beiden 
Cent  reu  stehen  der  Krankenpflege  kaum  Heilmittel  zur  Verfügung. 
Während  das  Geschlechtscentrum  im  Gehirn  mehr  dem  allgemeinen 
Geschlechtstriebe  und  den  Empfindungen  des  Geschlechtsgenusses  vor- 
steht, ist  das  im  Lendenmark  belegene  zweite  Gentrum  der  Ausgangs- 
punkt für  das  Zustandekommen  der  Erektion;  da  aber  beide  Centren 
miteinander  in  Beziehung  stehen,  da  bereits  einfache  Geschlechtsvor- 
stellungen, welche  auf  das  Gehirncentrum  wirken,  durch  eine  Ueber- 
mittelung  auf  das  Rückenmarkscentrum  Erektion  hervorrufen,  da  ebenso 
umgekehrt  rein  äußerliche  Reize,  welche  zum  Rückenmarkscentrum 
gelangen,  von  diesem  aus  auch  im  Gehirncentrum  Geschlechtsempfin- 
dungen erzeugen,  so  muß  eine  jede  erhöhte  Reizbarkeit  eines  jeden 
dieser  beiden  Centren  für  das  Zustandekommen  des  erhöhten  Ge- 
schlechtstriebes von  ungefähr  gleicher  Bedeutung  sein.  Eine  solche 
erhöhte  Reizbarkeit  der  Centren  zu  mildern  oder  herabzusetzen,  ist 
jedoch  im  wesentlichen  Objekt  arzneilicher  Beeinflussung. 

Die  Kraukenpflege  verfügt  hier  von  eigenen  Heilmitteln  höchstens 
über   die  allgemeine  Einwirkung  der   Kälte,   wie   sie    in   kühlen 

263 


410  M.   MENDELSOHN, 

Bädern  und  Waschungen  sich  geltend  macht,  und  durch  welche  die 
Erregbarkeit  der  Nervencentren  herabgesetzt  werden  kann;  zudem 
käme  Vermeidung  des  Alkohols  in  Betracht,  der  allerdings  nur 
das  Gehirncentrum  in  seiner  Erregbarkeit  steigert,  nicht  aber  das  im 
Rückenmark  belegene,  so  daß  sich  daher  das  oft  zur  Beobachtung 
kommende  Ergebnis  zeigt,  daß  starker  Alkoholgenuß  zwar  die  Neigung 
und  die  Begierde  zur  Geschlechtsausübung  steigert,  die  thatsächliche- 
Vornahme  dagegen  hindert. 

Viel  Avesentlicher  ist  die  Einwirkung  der  Heilmittel  der 
Krankenpflege  auf  die  Fernhaltung  der  mannigfachen 
Reize,  welche  imstande  sind,  das  eine  oder  das  andere 
dieser  Geschlechtscentren  zu  erregen  und  damit  die 
Erektion  auszulösen. 

Das  Lendenmarkcentrum  wird  im  wesentlichen  nur  durch  Reize 
erregt,  welche  durch  direkten  Kontakt  auf  die  sen- 
siblen Nerven  d er Ges chlechts or gan e  und  deren  nähere 
Umgebung  übertragen  werden;  das  Gehirncentrum  dagegen 
kann  auf  mannigfache  Art  in  Erregung  versetzt  werden.  Zunächst 
sind  es  psychische  Vorstellungen  und  Bilder,  welche  im 
allermannigfachsten  Umfange  und  in  jeder  nur  möglichen  Intensität 
und  Extensität  hier  sich  geltend  machen  können,  gleichviel  ob  sie 
spontan  entstehen,  oder  durch  Unterhaltung  oder  Lektüre 
erweckt  werden,  oder  gar  durch  die  sinnliche  Wahr- 
nehmung bildlicher  oder  realer  Objekte  hervor  gerufen 
werden.  Außer  diesen  psychischen  Reizen  wirken  sodann,  und 
zwar  besonders  von  einer  Anzahl  verschiedener,  räumlich  getrennter 
Körper  stellen  her,  physische,  insbesondere  mechanische  Reizungen 
der  sensiblen  Nerven  erregend  auf  das  Gehirncentrum.  Diese 
Stellen  sind  die  Brüste,  sodann  das  äußere  Auge  und  die  innere  Partie 
der  Gehörmuschel;  außerdem  diejenigen  Körperstellen,  welche  im 
weiteren  Umkreise  um  die  Geschlechtsorgane  herum  liegen  und  von 
denen  solche  Reize  ebenfalls  erfolgreich  ausgehen  können.  Es  ergiebt 
sich  aus  dieser  Vielfältigkeit  der  möglichen  Reizeinwirkungen,  daß  die 
Heilmittel  der  Krankenpflege,  wenn  sie  diese  Reize  zu  mildern  oder 
ganz  zu  beseitigen  vermögen,  damit  eine  thatsächliche  Wirksamkeit  als 
Anaphrodisiaca  ausüben  müssen. 

Zuerst  sind  nach  dieser  Eichtiing  hin  die  psychischen  Heilmittel 
der  Krankenpflege  anzuwenden,  insofern  sie  die  geistige  Beschäf tigung- 
regeln  und  weder  psychische  Vorstellungen  derart  von  außen  her  auf  den  Kranken, 
einwirken  lassen,  noch  etwa  sinnliche  Erregungen,  welche  durch  Ver- 
mittlung des  Gesichtssinnes  entstehen  könnten,  aufkommen  lassen,, 
also  auch  den  Verkehr  und  den  Besuch  von  Personen  des  anderen  Ge- 
schlechtes daraufhin  überwachen.  Andererseits  aber  muß  auch  durch  eine  sach- 
gemäße Ablenkung  und  Zerstreuung  die  eigene  Phantasie  des  Kranken  von 
derartigen  Vorstellimgen  und  Gedanken  ferngehalten  werden. 

Noch  unmittelbarer  und  exakter  gestalten  sich  diese  Einwirkungen,, 
wo  sie  als  direkte  mechanische  Reize  zur  Geltung  kommen. 

Soweit  diese  von  den  äußeren  Geschlechtsorganen  selbst  ihren  Ausgang  nehmen^ 
läßt  sich  durch  deren  Säuberungund  Reinhaltung,  durch  Waschen  mit  kühlem 
Wasser  und  durch  ähnhche  Vornabmen,  welche  die  Entfernung  reizender  Auflage- 
rungen bezwecken,  mancher  Reiz  beseitigen.  Insbesondere  hat  die  Krankenpflege 
hier  die  Reibung  der  Bettwäsche  und  der  Bettbedeckungen  mög- 
1  ichst  einzuschränken,  wo  es  notwendig  ist,  durch  Anbringimg  geeigneter  gegen- 

264 


Die  Wirkung  auf  die  Geschlechtssphäre. 


411 


ständlicher  Geräte ;  und  bei  einzelnen  Individuen,  insbesondere  bei  kleinen  Kindern, 
ist  sogar  eine  besondere  Vorkehrung  nötig,  daß  die  Hände  nicht,  sei  es  be- 
wußt oder  während  des  Schlafes,  mit  den  Genitalien  in  unmittel- 
bare Berührung  gelangen.  Bei  nicht  bettlägerigen  Kranken,  welche  umher- 
gehen, sind  ähnliche  Maßnahmen  hinsichtUch  ihrer  Kleidung  am  Platze;  aber  gerade 


Fig.  363.  Lakenspann  Vorrichtung.  Beim  Gebrauche  der  einfachen  Vor- 
richtung, die  nur  in  Holzbettstellen  sich  verwenden  läßt,  da  metallene  Bettgestelle  die  zur 
Fixierung  notwendigen  Zwischenräume  zwischen  Bettwand  und  Matratze  nicht  besitzen, 
ist  darauf  zu  achten,  daß  die  Holzplatten,  welche  oben  und  unten  das  Bettlaken  einge- 
klemmt halten,  so  tief  an  den  Innenwänden  des  Kojjfendes  und  des  Fußendes  des  Bettes 
nach  unten  geschoben  werden,  daß  das  Laken  thatsächlich  auf  der  Matratze  autraht  und 
nicht  etwa  frei  über  diese  hinweggespannt  bleibt. 

für  die  Kranken  im  Bette  werden  die  erwähnten  Einwirkungen  schon  darum  häufiger 
und  mit  besonderer  Aufmerksamkeit  zur  Anwendung  kommen  müssen,  als  es  sich 
hier  oft  um  Individuen  handelt,  bei  denen  eine  mehr  oder  minder  lange  dauernde 
Krankheit  mit  ihrer  Versagung  des  sonst  vielleicht  in  regelmäßigen  Intervallen  ge- 
wohnten Geschlechtsgenusses  die  Anwendung  dieser  Maßnahmen  vim  so  wichtiger 
erscheinen  läßt. 

Sodann  können  die  Heilmittel  der  KrankenpÜege  eine  wesentliche 
Wirksamkeit  auch  auf  die  Einschränkung  derjenigen  Reize 
ausüben,  welche  aus  der  näheren  Umgebung  der  Ge- 
schlechts organe  ihren  Ausgang  nehmen.  Das  sind  in  erster 
Linie  Blase  und  Harnröhre.  Auch  die  übermäßige  Ausdehnung 
der  Blase  erzeugt  einen  derartigen  mechanischen  Effekt;  den  gleichen 
hat  auch  die  Reizung  der  Blasenschleimhaut  durch  einen  besonders  stark 
sauren  Harn  zur  Folge.  Es  wirken  daher  in  solchen  Fällen  die  somatischen 
und  materiellen  Heilmittel  der  Krankenpflege,  welche  eine  ausreichende 
Entleerung  der  Blase  herbeiführen  und  die  bereits  bei  der  Besprechung 
der  Wirkung  auf  die  Diurese  näher  präcisiert  sind,  hier  gleichzeitig  auch 
als  Anaphrodisiaca ;  und  sie  thun  dies  ebenso  bei  einem  stark  sauren 
oder  sonst  irritierenden  Harne,  dessen  Beeinflussung  des  weitereu 
noch  durch  die  allerdings  mehr  dem  Gebiete  der  Diätetik  zufallende 
Regelung  der  Kost,  durch  die  Vermeidung  reizender  und  erregender 
Speisen,  reichlichen  Fleisches,  starker  Gewürze  und  ähnlicher  Nahrungs- 

265 


412 


m;  mendelsohn, 


Stoffe  gefördert  wird.  Diese  Einwirkungen  liaben  ihre  Analogie  ein- 
mal in  den  täglich  zur  Beobachtung  kommenden,  ohne  subjektive 
Erregung  verlaufenden  Erektionen  alter,  impotenter  Männer,  bei  denen 
die  hypertrophierte  Prostata  den  mechanischen  Effekt  abgiebt ;  und 
außerdem  in  der  bekannten,  Erektionen  hervorrufenden  Wirkung  der 
Kanthariden,  welche  nur  dadurch  zustande  kommt,  daß  die  scharf 
reizende  Substanz  in  den  Harn  hinein  ausgeschieden  wird  und  von 
diesem  aus  den  Reflex  auslöst.    Da  auch  unter  Umständen  Fäkalmassen. 


Fig.  OÖ4.  Bettdecke.  Die  au  der  Bettdecke  angebrachteu  Aermel  sind  relativ 
kurz  und  sehr  weit,  so  daß  der  Kranke  oline  weiteres  mit  den  Armen  za  ihnen  hinaus- 
und  wieder  in  sie  hineinschlüpfen  kann.  Das  inmitten  der  Aermel  angebrachte  muffen- 
artige Schutzstück  ist  entbehrlich.  Die  Decke  ist  ganz  besonders  geeignet,  den  unmittel- 
baren Kontakt  der  Hände  mit  dem  Körper  im  Schlafen  wie  im  AVachen  zu  verhüten. 


welche  im  Rectum  stagnieren ,  und  selbst  ein  durch  Speisen  und  vor 
allem  durch  Gasentwicklung  aufgeblähter  Darm  ähnliche 
Folgezustände  zeitigen  kann,  so  ergiebt  sich  hieraus,  daß  in  der  That 
das  oft  hier  geübte  Verbot  der  Ueberladung  des  Magens,  insbesondere 
bei  der  Abendmahlzeit,  sowie  überhaupt  einer  Nahrungsaufnahme  in 
den  Stunden  vor  dem  Zubettegehen  seine  wohlbegründete  Berech- 
tigung hat;  und  daß  auch  die  Heilmittel  der  Krankenpflege,  welche 
eine  geregelte  Stuhlentleerung  herbeiführen,  in  diesem  Sinne  dazu  bei- 
tragen, Reizungen  der  Geschlechtssphäre  zu  vermeiden. 

Auch  die  dritte  Teilaktion,  die  Erektion,  können  die  Heilmittel  der 
Krankenpflege  beeinflussen.  Die  E  rektion  ,  kommt  aus  einem 
gesteigerten  Blutzu flusse  und  einem  gehinderten  Ab- 
flüsse in  den  G eschl echt s wer kzeu  gen  zustande:  es  muß 
daher  alles,  was  diese  Teilaktion  au  sich,  diesen  Blutzufluß  zu  den 
Genitalien  und  im  weiteren  Sinne  zu  dem  Becken  überhaupt,  begünstigt, 

266 


Die  Wirkung  auf  die  Geschlecttsspliäre. 


413 


auch  ohne  daß  der  sonst  vor  sich  gehende  Reflexakt  und  die  Thätig- 
keit  der  Geschlechtscentren  dabei  in  Mitwirkung  kommen,  zur  Förderung 
und  Erhöhung  der  Geschlechtserregung  beitragen,  so  daß  also  alle 
diejenigen  Heilmittel  der  Krankenpflege,  welche  einer 
gesteigerten  Blutzufuhr  zu  den  Genitalien  entgegen- 
arbeiten, ebenfalls  als  Anaphrodisiaca  wirken  müssen. 

Hier  hat  die  Krankenpflege  verschiedenartige  Heilmittel  zur 
Verfügung,  die,  je  nachdem  die  betreflFende  Persönlichkeit  sich 
außerhalb^  des  Bettes  oder  in  diesem  befindet,  nach  der  einen  oder  der 
hin  zur  Verwendung  kommen.  Allen  aber  ist  die 
gemeinsam,  daß  sie  einen  Blutzufluß  zum  Becken 
und  zu  den  Geschlechtsorganen  verhüten.  Bei  Personen, 
welche  zu  Bette  liegen,  erklärt  sich  hieraus  das  Verbot,  Federbetten 
lind  Polster,  zumal  in  der  Umgebung  der  Geschlechtsorgane,  zu  ver- 
wenden; die  hierdurch  erzeugte  stärkere  Wärmeretention  übt  im  Ge- 
biete der  Geschlechtsorgane  einen  kongestionierenden  Einfluß  aus. 

Solche  Kranke  dürfen  sich  daher  nur  harter  Matratzen,  auch  keiner 
warmer  Decken,  und  überhaupt  nur  ganz  leichter  und  im  Notfalle  sogar  dem 
Körper  nicht  direkt  aufliegender  Bedeckung  bedienen.  Auch  alle  körper- 
lichen Bethätigungen,  welche  eine  solche  Kongestion  nach  dem  Becken  hin  befördern, 
sind  bei  nicht  bettlägerigen  Personen  einzuschränken  oder  ganz  auszuschalten;  in 
allererster  Linie  das  Radfahren   und  das    anhaltende  Arbeiten  an  der  Nähmaschine, 


anderen  Richtung 
Wirkung 


Fig.  365.  Eeifentrage.  Um  den  Druck  der  Bettdecke  vom  Eiimpfe  oder  den 
unteren  Extremitäten  fernzuhalten,  dienen  metallene  oder  aus  andersartigem  Material  her- 
gestellte Bogen,  welche  über  den  Körper  des  Kranken  fort  gestellt  werden  und  ihn  so  vom 
Drucke  der  Bettdecke  entlasten.  Sind  sie  aus  Metall,  so  müssen  sie  mit  Stoff  umwickelt 
werden,  iim  unangenehme  Kälteempfindungen  bei  Berührung  mit  dem  Körper  zu  vermeiden. 

während  andererseits  körperliche  Beschäftigungen  imd  Sportübungen,  welche  nur  den 
Oberkörper  betreffen,  also  Hanteln  und  Eudern  und  ähnliche  Vornahmen,  nicht 
jedoch  Uebungen  des  ganzen  Körpers  oder  starkes  Gehen  und  sonstige  Inanspruch- 
nahme der  unteren  Extremitäten,  durch  die  Ablenkung  des  Blutes  von  günstigem 
Einfluß  sind ;  einem  Einflüsse,  den  auch  angestrengte  geistige  Thätigkeit  haben  soll. 

Die  Heilmittel  der  Krankenpflege  sind  demnach  auf  sehr  wesent- 
liche Teilaktionen  der  erhöhten  Geschlechtsreizung  von  Wirksamkeit : 
und  es  ist  von  Interesse,  daß  ein  Teil  der  auf  die  Herabminderung 
der  geschlechtlichen  Erregung  wirkenden  hypurgischen  Heilmittel  in 
einer  ganz  direkten  und  unmittelbaren  Weise  wirksam  ist,  indem  auch 
diese  wieder  gerade  den  thatsächlicheu  Endeff'ekt  der  Gesamtfunktiou : 
die  Kongestion  in  den  Geschlechtsorganen,  in  unmittelbarer  Einwirkung 
mildern  und  beseitigen. 


267 


414 


M.    MENDELSOHN^ 


KAPITEL  XIV. 
Die  Wirkung  auf  die  Blutstillung. 


Um   eine 


Blutung 


aus   einem    eröffneten  Gefäße   zum  Stehen  zu- 


bringen, ist  es  bekanntermaßen  notwendig,  am  Orte  des  Blutaus- 
trittes eine  Gerinnung  des  Blutes  herbeizuführen;  eine^ 
Gerinnung,  welche  desto  eher  und  leichter  vor  sich  geht,  wenn  an 
dieser  Stelle  das  bluten  de  Gefäß  sich  möglichst  kontrahiert 
und  somit  in  der  Zeiteinheit  nur  geringere  Mengen  Blutes  austreten 
lassen  kann;  und  wenn  zudem  dieser  Blutaustritt  noch  dadurch  eine 
Einschränkung  erfährt,  daß  der  Blutdruck  hier  so  gering  als 
nur  ausführbar  gestaltet  wird. 

Diesen  Effekt  herbeizuführen  besitzt  die  Krankeni^flege  zwei  vor- 
trefflich wirkende  Heilmittel :  die  Anwendung  der  Kälte  und  die- 
mit  einer  zweckmäßigen  Lagerung  verbundene  absolute  Ruhe- 
■stellung  des  Körpers  des  Kranken. 


Fig.  366.  Luftkissen.  Das  eigeutlicli  für  die  Unterstützung  des  Naekens  herge- 
stellte Luftkissen  kann  zweckmäßig  auch  für  Hoehlagerung  von  Extremitäten  als  elastische- 
und  schonende  Unterstützung  Verwendung  finden. 

Ein  jeder  lokale  Kältereiz  führt  Refle.\kontraktionen 
der  Gefäße  herbei,  und  das  nicht  nur,  wenn  auch  hier  vornehm- 
lich, an  der  der  Kälteeinwirkung  unmittelbar  unterworfenen  Stelle, 
sondern  auch  an  anderen  Organen  und  in  mehr  centralwärts  belegenen 
Körperbezirken ,  die ,  wie  schon  bei  der  Besprechung  der  lokalen 
Wirkung  auf  die  Körperoberfläche  ausgeführt  worden  ist,  mit  der  un- 
mittelbar beeinflußten  Stelle  der  Körperoberfläche  in  einem  gewissen 
Nervenkonnex  stehen.  Es  ist  daher  die  Anwendung  des  Eises 
in  der  Form  der  dieser  Applikation  dienenden  materiellen  Heilmittel 
der  Krankenpflege  das  unschätzbarste  Stypticum,  welches  die  Therapie 
kennt,  ein  Stypticum,  das  nicht  nur  an  der  Applikationsstelle  durch 
die  entstehende  Gefäßkontraktion  günstig  einwirkt,  sondern  auch  an 
entfernter   gelegenen  Punkten   des  Körpers.     Hat   doch  der  bekannte. 

268 


Die  Wirkung  auf  die  Blutstillung. 


415 


populäre  Gebrauch'^^des  Auflegens  eines  großen,  kalten  Schlüssels  in 
den  Nacken  bei  Nasenblüten  den  gleichen,  begründeten  Zusammenhang ; 
und  die  wirksame  Beeinflussung  einer  Hämoptoe  oder  einer  Hämat- 
emesis  durch  aufgelegte  Eisbeutel  von  der  Körperoberfläche  her  ist 
gleichermaßen  der  klinischen  Beobachtung  immer  wieder  aufs  neue 
erkennbar. 

Die  lokalen  Kälteapplikationen  sind  bei  der  Wirkung  auf  die  Körper- 
temperatur eingehend  be.schriebeu  und  dargelegt  worden. 


Fig.  367.  Fußstütze.  Das  von  Dr.  med.  MENDELSOHJf  angegebene  Gerät,  dessen 
tragende  Lederfläche  in  jeder  Höhe  festgestellt  werden  kann  nnd  das  am  Fußende  des  Bettes 
über  dieses  fort  gestellt  ■n'ird,  läßt  sich  zweckmäßig  zur  Hochlagerung  der  unteren  Extre- 
mitäten verwenden. 

Die  zweite  Förderung  des  Zustandekommens  eine's  blutstillenden 
Koagulums  ist  die  möglichste  Erniedrigung  des  Blutdruckes  an  der 
blutenden  Körperstelle.     Ist   diese   so   belegen,   daß  die  Stelle  der 


Fig.  368.  Verstellbarer  Keilrahmen.  Diejenigen  verstellbaren  Keilrahmeu, 
welche  ein  gepolstertes  Keilkissen  in  fester  Verbindung  tragen,  lassen  sich  vorteilhaft  zur 
Herstellung  einer  schiefen  Ebene  bei  der  Hochlagerung  der  Extremitäten  verwenden. 

269 


416  M.    MENDELSOHN, 

Blutung  gegen  den  übrigen  Körper  hoch  gelagert 
werden  kann ,  so  wirkt  dies  günstig,  da  in  herabhängenden 
CrliederndieSchwere  den  lokalen  Blutdruck  steigert  und 
umgekehrt  die  Hochlagerung  ihn  ermäßigt.  Vor  allem  aber  stellt  die 
absolute  Körperruhe  ein  wesentliches  und  wichtiges  Stypticum 
dar,  indem  mit  jeder,  auch  der  geringsten  Muskelaktion,  die  Herz- 
thätigkeit  verstärkt  und  der  allgemeine  Blutdruck  erhöht  wird.  Es 
wü'kt  daher  die  Ruhelagerung  als  ein  sehr  wirksames  Stypticum:  und 
wo  es  nötig,  kann  die  Herabsetzung  des  Blutdruckes  noch  dadurch 
eine  weitere  Förderung  erfahren,  daß  nur  kühle  und  selbst  eiskalte 
Speisen  und  Getränke  genossen  werden,  deren  Resorption  gleich- 
falls in  diesem  Sinne  wirksam  ist. 

Für  diese  Ruhestellung  bieten  die  mechanischen  Bettgestelle,  die  Kopf- 
stützen und  sonstigen  mechanischen  Hilfsmittel,  welche  bei  der  AVirkung  auf  die 
Schmerzfreiheit  und  auf  das  Herz  ihre  Erörterung  gefunden  haben,  wertTolle  Unter- 
stützungen dar.  Auch  entsprechend  gestaltete  Luftkissen,  eigene  Fußstützen 
und  verstellbare  Keilrahmen,  welche  am  Fußende  des  Bettes  als  schiefe 
Ebenen  dienen  können,  la.ssen  sich  zweckmäßig  verwenden. 


Schluss. 


Die  vorliegende  Darstellung  der  Krankenpflege  und  ihrer  Mittel 
ist  bestrebt  darzuthun,  daß  die  Mittel  der  Krankenpflege 
im  vollsten  Maße  wirksame  Heilmittel  sind,  daß  ihre  An- 
wendung oder  ihre  Unterlassung  von  Effekten  im  kranken  Organismus 
gefolgt  ist,  welche  für  diesen,  für  seine  Rückkehr  zuni  Zustande  der 
Gesundheit,  von  mehr  oder  minder  wesentlicher,  oft  von  überaus 
wichtiger,  niemals  von  gleich  giltiger  Folgewirkung  sind.  So  hat  die 
Krankenpflege,  soweit  sie  in  der  bewußten  Verwendung  ihrer  Maß- 
nahmen zu  solchen  therapeutischen  Zielen  hin  besteht,  so  hat  die 
Hypurgie  ein  volles  Recht  darauf,  den  andersartigen 
therapeutischen  wissenschaftlichen  Methoden  als 
gleichwertig  an  die  Seite  zu  treten. 

Die  innere  Klinik  —  welche  darum  auch  „specielle  Pathologie  und 
Therapie"  genannt  wird  —  erfüllt  in  der  einen  dieser  ihrer  beiden 
Hälften  die  Aufgabe,  das  Wesen  eines  jeden  Krankheitszustandes  nach 
Möglichkeit  zu  erkennen,  ein  jedes  funktionelle  Abweichen  von  der 
Norm  festzustellen.  Die  andere  Hälfte  der  Aufgaben  der  inneren 
Medizin  ist  die  specielle  Therapie:  die  Aufgabe,  für  jeden  solcher- 
maßen seinem  Wesen  nach  erkannten  Krankheitszustand  diejenigen 
Einwirkungen  vorzunehmen,  welche  die  funktionellen  Abweichungen 
von  der  Norm  so  beeinflussen,  daß  sie  dieser  Norm  wieder  nach  Mög- 
lichkeit angenähert  werden.  Zu  diesem  Behufe  entnimmt  sie,  die 
specielle  Therapie,  aus  den  vielen  einzelnen  Heilmethoden,  welche 
die  allgemeine  Therapie  zusammensetzen,  in  einem  jeden  Falle 
alle  diejenigen  Heilmittel  und  bringt  sie  in  möglichst  vielfacher  Kom- 
bination zur  Anwendung,  von  welchen  eben  innerhalb  jener  einzelnen 
Heilmethoden  bereits  wissenschaftlich  erforscht  und  festgestellt  ist,  daß 
sie  diese  jedesmalig  gewollte  physiologische  Reaktion,    die  jedesmalig 


Schluß.  417 

angestrebte  Einflußnahme  auf  die  einzelnen  Funktionen  auch  thatsäch- 
lich  hervorzurufen  vermögen.  Die  Klinik  darf  hierbei,  will 
sie  ihren  wissenschaftlichen  Charakter  nicht  in  Frage 
stellen,  ausnahmslos  nur  solcher  Mittel  sich  bedienen, 
welche  die  allgemeine  Therapie,  und  innerhalb  dieser 
die  einzelnen  Heilmethoden,  in  ihrer  Wirkung  und  in 
ihrem  physiologischen  Effekte  bereits  erforscht  und 
festgelegt  haben. 

Einer  großen  Zahl  von  Maßnahmen  und  Einwirkungen  bedient 
sich  die  klinische  Medizin  immer  noch  nur  aus  allgemeiner 
Empirie  heraus,  ohne  in  wissenschaftlich -exakter 
Weise  über  den  Zusammenhang  von  Einwirkung  und 
Effekt  Klarheit  zu  haben.  Viele  dieser  Maßnahmen  bilden  in  ihrer 
Gesamtheit  dasjenige,  was  wir  Krankenpflege  zu  nennen  gewohnt  sind. 
Und  wie  die  wissenschaftliche  klinische  Medizin  es  verschmäht,  ein  Medi- 
kament anzuwenden,  über  dessen  Zusammenhang  und  dessen  physio- 
logischen Effekt  sie  nichts  weiß ;  wie  sie  es  verschmäht ,  die  mannig- 
fachen andersartigen,  in  ihren  Reaktionen  noch  nicht  ausreichend  klar- 
gestellten Heilmittel,  mit  denen  unwissenschaftliche  Therapeuten  unter 
zufällig  günstiger  Konstellation  nicht  selten  zu  großen  Erfolgen  ge- 
langen, zu  gebrauchen ;  so  sollte  sie  es  auch  verschmähen,  die  vielfachen 
Heilmittel  der  Therapie,  mit  denen  sie  selber  bisher  nur  rein  empirisch 
ihre  Erfolge  erzielt  hat,  zu  verwenden,  ehe  sie  auch  hier  über  ihre 
Zusammensetzung  und  ihren  physiologischen  Effekt  sich  Klarheit  ver- 
schafft hat.  Diese  gewaltige  Feststellung  aber  ist  nach  Umfang  wie 
nach  Inhalt  eine  vollständige  und  geschlossene  wissenschaftliche  Dis- 
ciplin ;  und  darum  muß  auch  ihre  Umsetzung  in  die  thatsächliche 
ärztliche  Anwendung,  muß  auch  die  wissenschaftliche  Krankenpflege, 
die  Hypurgie,  eine  eigene  therapeutische  Methode  sein. 


27  r 


Register. 


L)ie   ersten   Zahlen    entsprechen    der   oberen,    die   eingeklammerten    der   unter   dem 

Texte  befindhchen  Paginierung    einer  jeden   Seite.     Ist   die  Seitenzahl  fettgedruckt, 

so  ist  dort   das   betreffende  Stichwort   hauptsächlich  abgehandelt.     Ein  *  hinter  der 

Seitenzahl  bedeutet  eine  dort  wiedergegebene  Abbildung  des  Gegenstandes. 


Abfluß  des  Schweißes  401  (255). 
Abkühlung  403  (257). 

—  des  Abdomens  344  (198). 

—  des  Oberkörpers  283  (137). 

—  der  Zimmerluft  220  (74). 
Ablenkung   259    (IIB),    263    (117),    267 

(1211. 
Absolute  Ruhe  414  (268). 
Abstäuben  216  (70). 
AbtrocknuBg  403  (257). 
Abwechslung  260  (114). 

—  in  der  Speisenbereitung  161  (15) ,  164 
(18). 

Aktive  Bewegung  314  (168). 

Alkohol  291  (145),  309  (163). 

Alkoven  227  (81). 

Allgemeine  Therapie  416  (270). 

Anästhesie  222  (76). 

Anbieten  der  Speisen  158  (12). 

Anhebung  des  Rumpfes  246  (100). 

Anregung  der  Herzaktion  303  (157). 

Appetitsanregung  159  (13). 

Armbadewanne  200*  (54*). 

Armbäder  198  (52), 

Arzneilööel  166*  (20*). 

Asepsis     der    inneren    Medizin     192   ff. 

(46  ifX 
Atmung  375  (229). 
Atmungsluft  377  (231). 
Aufbewahrung  von  Eis  295  (149). 
Aufblähung  des  Darms  412  (266). 
Aufheben   des   Kranken  316  (170),  316* 

(170*). 
Auflockerung  der  Epidermis  405  (259). 
Aufrichtung   des    Oberkörpers  243   (97), 

346  (200). 
Aufsetzen  im  Bett  175  (29). 
Auftrieb  des  Badewassers  19T  (51). 
Augendouche  203*  (57*). 
Augenspülglas  202*  (56*). 
Augentropfglas  203*  (57*). 


Auslösbarkeit   der  Funktionen  342  (196)i 

Ausnützung  der  Speisen  1S9  (43). 

Ausspeien  389  (243). 

Ausstoßimg  des  Sputums  384  (238). 

Auswaschen  der  Augen  203  (57). 

—  des  Mundes  202  "(56). 

Auswurf  373  ff.  (227  ff.). 

Bäder  194  (48),  401  (255). 
Badewannen  194*  (48*),  195*  (49*). 
Bauchpresse  333  (187),  346*  (200*),  388 

(242). 
Beachtung  der  Kleinigkeiten  308  (162). 
Beistand  261  (115). 
Beleuchtung  260  (114),  285  (139). 
Beleuchtungsvorrichtung  286*  (140  *> 
Berührung  der  Genitalien  411  (265). 
Berufsmäßige  Krankenpflege  269  (123). 
Beruhigung  262  (116). 
Beschäftigung  259  (113),   263  (117),  267 

(121). 
Bett  177*  (31*),  265*  (119*),  274*  (128*), 

275*  (129*),  354*  (208*),  357*  (211*), 

358*  (212*). 
Bettboden  227  (81),  228  (82),  228*  (82*). 
Bettdecken    176*   (30*),    233   (87),    234* 

(88*),  412*  (266*). 
Betterwärmung  280  (134). 
Bettiahrer  311*   (166*),    312  (166),   312* 

(166*),  313*  (167*). 
Bettfedern  232  (861. 
Bettfüße  227  (81). 
BettgesteUe   226*  (80*),  227  (81),    244* 

(98*). 
Betthandhabe  246  *  (100*). 
Betthimmel  216  (70),  227  (81). 
Betthöhe  227  (81). 
Bettmachen  211  (65),  212  (66). 
Bettruhe  328  (182). 
Bettschirni  227  (81). 
Bettschnur  247*  (101*). 


Register. 


419 


Bettschüsseln  346  (200),  347  *  (201  *),  348  * 

(202*),  349*  (208*),  351*  (205*),  352* 

(205*),  360*  (214*). 
Bettspanner  211  (65),  211*  (65*),  224  (78), 

249*  (103*). 
Bettstücke  231  (85),  402  (256). 
Betttisch    169*   (23*),    170*   (24*),    171* 

(25*),  172*  (26*). 
Betttuch  211  (64). 
Bettvorhänge  216  (70). 
Bettvorlagen  215  (69). 
Bettwärmegeräte   253  (107),   282*  (136*), 

395  (249). 
Bettwäsche  210  (64),  235  (89). 
Bewegung  263  (107),  310  (164),  344  (198). 
Bewußtlosigkeit  256  illO),  363  (217). 
Bewußtsein  der  Sicherheit   163  (17),  261 

(115). 
Bilder  260  (114). 
Blasenentleerung  363  (217). 
Blumen  261  (115). 
Blutableitung  276  (130). 
Blutafflux  zu  den   Genitalien  412  (266). 
Blutdruck  362  (216). 

Blutdrucksteigerung  327  (181),  416  (270). 
BlutfüDung  der  Darmgefäße  276  (130). 
Blutgeschwindigkeit  362  (216). 
Blutstillung  414  (268). 
Bluttemperatur  394  (248). 
Blutzufuhr  243  (97),  253  (107),  272  (126), 

413  (267). 
Bombierte  Matratzen  232  (86). 
Brechreiz  186  (40). 
Breiumschläge  279  (133). 
Brotschneidegerät  191*  (45*). 

Capok  231  (85). 
Celluloidkapseln  235  (89). 
Chlorophyll  261  (115). 
Citronenpresse  192*  (46*). 

Darmmuscularis  341  (195). 

Darreichung  der  Geräte  388  (242). 

Dauerbäder  197  (51). 

Decubitus  210  (64). 

Defäkation  336  (190). 

Diätwage  184*  (38*). 

Diaphorese  393  ff.  (247  ff.). 

Dielen  215  (69). 

Dislokation  des  Körpers  310  (164). 

Diurese  361  ff.  (215  ff.). 

Doppelirrigator  204*  (58*). 

Douchevorrichtung     198*     (52*),     199* 

(53*). 
Dreiteilige    Matratzen    232    (86),     232* 

(86*),  353*  (207*),  354  (208). 
Druck  der  Bettdecke  235  (89),  413  (267). 
—  des    aufruhenden  Körpers    331  (185), 

388  (242),  404  (258). 
Druckpunkte  224  (78). 
Druckreiz    des    Körpers    224    (78),    242 

(96). 
Druckrichtung  der  Bauchpresse  346  (200). 
Drucksteigerung  in  den  Harnwegen  364 

(218). 
Durchspülung  des  Organismus  363  (217). 

Handbuch  der  spec.  Therapie  inu.  Krankh.     Suppl.  I. 


Mendel  söhn,  Krankenpflege. 


2/3 


Durstgefühl  183  (37). 
Dynamik     der     Krankenpflegeheilmittel 
152  (6). 

Eingießungen  337  (191). 
Einlaufe  337  (191). 
Einnehmegefäß  166*  (20*). 
Einnehmegläser  166*   (20*),   167*  (21*), 

168*  (22*). 
Einnehmeschale  166*  (20*). 
Eintrocknung  des  Sputums  379  (233). 
Einverleibung    der    Nahrung    158    (12), 

165  (19). 
Eis  294  (148). 
Eisapplikation  414  (268). 
Eisbecher  186*  (40*),  295*  (149*). 
Eisbehälter  295*  (149*). 
Eisbeutel   293  (147),   293*    (147*),   301* 

(155). 
Eisbeutelträger  296*  (150*). 
Eiserne  Matratze  228*  (82*). 
Eismaschine  294*  (148*),  295*  (149*). 
Eispillen   186  (40). 
Eisspalter  293*  (147*). 
Eiszerkleinerungsgerät  294*  (148*). 
Elektrisches  Licht  287  (141). 
Enten  365  (219),  366*  (220*). 
Entlastung  des  Kreislaufes  330  (184). 
Entleerung  der  Harnblase  363  (217). 
Erbrechen  185  (39). 
Erektionscentren  409  (263). 
Erkältung  374  (228),  403  (257). 
Erkalten  der  Speisen  161  (15). 
Erleichterung    des     Funktionierens    345 

(199). 
Ermüdung  263  (117),  303  (157). 
Ermüdungsprodukte  255  (109). 
Ermüdungsreaktion  303  (157). 
Ernährung  158  ff.  (12  ff.). 
Erregbarkeit  der  Gehirnzellen   257  (111), 

283  (137). 
Erregende  Nahrung  411  (265). 
Erregung  305  (159). 
Erschöpfung  303  (157). 
Erweichung  der  Oberhaut  405  (259). 
Esoterische  Therapie  150  (4). 
Eßbretter  168  (22),  168  *  (22  *). 
Eßgefäß  159*  (13*). 
Eßgerät  159*  (13*). 
Essigsaures  Natron  279  (133). 
Eßtische  169  (23),  169*  (23*J,  170*  (24*), 

171*  (25*),  172*  (26*). 
Euthanasie  268  (122). 
Exkremente  336  (190). 
Exkretion  des  Harns  361  (215). 
Exoterische  Therapie  150  (4). 

345  (199). 
Expektoration  373  (227). 
Expulsion     der    Exkremente    333    (187), 

Faeces  336  (190). 

Fahrstuhl  323*  (177*),  .324*  (178*),  325* 

(179*). 
Farben  260  (114). 
Federfüllung  232  (86). 
Fenstervorhänge  260  (114). 
Heft  3.  28 

18 


420 


Register. 


Fernlialtung  äußerer  Reize  255  (109). 
-  —  erregender  Reize  283  (137),  307  (161), 

410  (264). 
Fernzünder  262  (116),  262*  (116*). 
Fersenluftkissen  241*  (95*). 
Feuchte  Wärme  252  (106),  402  (256),  406 

(260). 
Feuchtigkeitsgehalt   der   Zimmerluft  220 

(74),  291   (145),  377  (231),  402  (256). 
Filzschuhe  215  (69). 
Flaschenöffner  182*  (36*). 
Fleischsaftpresse  187*  (41*),   188*  (42*). 
Fleischschneidegerät  190*  (44*). 
Flimmerepithel  der  Luftwege  373  (227). 
Flüssigkeitsaufnahme     309     (163),     330 

(184),  343  (197). 
Flüssigkeitszufuhr  862  (216). 
Formahn-Desinfektionslampe  216*  (70*). 
Fruchtsaftpresse  191*  (45"). 
Führen  des  Kranken  314  (168). 
Füllmateriahen  156  (10),  231  (85). 
Funktionelle  Therapie  157  (11). 
Funktionieren  der  Gehirnzellen  255  (109). 
Funktionsanspruch    und    -Leistung    157 

(11). 
Fußbäder  198  (52). 
Fußbodenreinigung  217  (71). 
Fußstütze  231*  (85*),  329*  (183*),  830* 

(184*),  415*  (269*). 
Fußzehenreiniger  201*  (55*). 
Füttern  180  (34). 

GasUcht  287  (141). 

Gefäßerweiterung  404  (258). 

Gefäßkontraktion  414  (268). 

Gehimanämie  255  (109),  272  (136). 

Gehübungen  315  (169). 

Geistige  Thätigkeit  182  (36),  305  (159). 

Genußmittel  309  (163). 

Geradehalter  375*  (229*). 

Gesamtfunktion  157  (111. 

Gesäßstütze    176    (30),    176*    (30*),    230 

(84),  230*  (84*),  231*  (85*). 
Geschlechtssphäre  409  ff.  (263  ff.). 
Geschmacksempfindungen  184  (38). 
Gespräche  im  Krankenzimmer  271  (125). 
Getränke   185  (39),  282  (136),   309  (163). 
Getränkewärmer    162*  (16*),' 164*  (18*), 

400*  (254*). 
Gewöhnimg  157  (10). 
Gewürze  411  (265). 
Glasenten  365  (219),  366*  (220*). 
Glasgeräte  155  (9). 
Glocken  262  (116). 
Gummibläser  203*  (57*). 
Gummigeräte  153  (7). 
Giunmikränze  236  (90). 
Gummischläuche  207  (61). 
Guttaperchapapier  155  (9). 

Haferspreu  231  (85). 
Handbürste  201*  (55*). 
Handgriff  317*  (171*),  318*  (172*). 
Harnbildung  361  (215). 
Harnentleerung  361  ff.  (215  ff.). 
Harngläser  365  (219),  365*  (219*). 


Harnlassen  363  (21i). 

Hautspannung  405  (^259). 

Hebeapparate  310  (164). 

Heilmethoden  417  (271). 

Heilmittel  der  Krankenpflege  152  (6). 

Heilwirkung  der  Krankenpflege  149  (3). 

Heiße  Bäder  197  (51). 

—  Getränke  282  (136),  398  (252). 

—  Umschläge  279  (133). 
Heißluftkasten  405*  (259*). 
Heizbare  Badewanne  196*  (50*). 
Heizbarer    Irrigator    204*    (58*),    339* 

(193*). 
Heizung  221  (75),  288  (142),  376  (230). 
Hemden  209  (63). 

Herabhängen  der  Extremitäten  330  (184). 
Herrichtung  der  Nahrung  165  (19). 
Herz  302  ff.  (156  ff.). 
Herzaktion  und  Körperlage  329  i'183). 
Herzeisbeutel  300*  (154*),  306*  (160*). 
Herzflaschen  300*  (154*),  301  (155),  304 

(158),  306*  (160*). 
Herzthätigkeit  283  (137),  302  (156). 
Hirsespreu  231  (85). 

HochsteUung  des  Bettfußendes  273  (127). 
Hochlagerung  416  (270). 
Holzgeräte  lo6  (10). 
Husten  384  (238). 
Hustenreiz  287  (141). 
Hydropathische  Umschläge  253  (107),  277 

(131). 
Hydropathische  Weste  376*  (230*). 
Hygienische  Heümittel  157  (11). 
Hrpurgie  147  (1),   149  (8),   152  (6),    416 

(270). 

Immaterielle  Heümittel  156  (10). 
Incontinentia  urinae  368  (222). 
Indiafaser  231  (85). 
Inhalationsappai-ate  378*  (232*),  881  (235), 

382*  (236*),  383*  (287*),  884*  (288*), 

386*  (240  *j. 
Inhalationsflasche  385*  (239*). 
Inhalationsvorrichtimg  377*  (231  *),  380* 

(234*),  381*  (235*). 
Intensität  des  Schlafes  288  (142). 
Intraabdominaldruck  833  (187). 
Irrigatoren   204   (57),    204*    (58*),.  205* 

(59*),    206*    (60*).     337     (191,     337* 

(191*),  338*  (192*),  839*  (192*). 
Irritabihtät  252  (106). 

Japanisches  Papier  155  (9). 

Kaffee  309  (163). 

Kälte  252  (106),  409  (268),  414  (268),  415 

269). 
Kälteeinwirkung  343  (197). 
Kalte  Bäder  197  (51). 
— -  Umschläge  801  (155). 
Kataplasmen  279  (133). 
Katheter  370  (224). 
Kauen  183  (37),  187  (41),  189  (43). 
Kefirbereitungsgefäß  168*  (22*). 
Keilkissen  229*  (83*). 
Keih-ahmen  173*  (27*),  174*  (28*),  415* 
(269*). 


2-4 


Register. 


421 


KlosettverscMuß  358  (212). 
Klysopomp  340*  (194*),  341*  (195*). 
Klystierspritzen  339  (193). 
Kolateralireislauf  253  (107),  407  (261). 
Komatöse  Kranke  363  (217). 
Komfort  259  (113). 
Kommunikation   mit  der  Umgebung  262 

(116). 
Kompressen  279  (133). 
Kompression  der  Blutgefäße  331  (185). 

—  des  Magens  182  (36;. 

—  des  Thorax  388  (242). 
Kongestion  der  Bronchialschleimhaut  374 

(228). 

—  innerer  Organe  332  (186). 
Konsistenz  der  Faeces  336  (190). 

—  der  Speisen  187  (41),  190  (44). 

—  des  Sputums  373  (227). 
Kontaktwirkimg  auf  die  Geschlechtsorgane 

410  (264). 
Kopfbürste  202*  (56*). 
Kopfdouche  197  *  (51  *). 
Kopfkissen  233  (87). 
Kopfsäuberung  202  (56). 
Kopfstütze  197*  (51*). 
Körperbewegung  182  (36),  241  (95),  257 

(111). 
Körperhaltung  beim  Essen  171  (25). 

—  beim  Urinieren  371   (225). 
Körperlage  308  (162). 

—  im  Schlaf  273  (127). 

—  und  Herzaktion  329  (183). 
Körperhöhe  Anstrengung   138   (37),   310 

(164),  328  (182). 
Körperoberfläche  307  (161),  404  (258). 
Körperreinigung  194  (48),  200  (54). 
Körperruhe  242  (96),  258  (112). 
Körpertemperatur  289  ff.  (143  ff.). 
Krankenbesuche  270  (124). 


Krankenbett  177*  (31*), 


(81),   226* 


265*  (119*),  274*  (128*),  275* 

(129*),  354*  (208*),  355*  (209*),  356* 

(210*). 
Krankenfahrstühle  324  (178). 
Krankenhäuser  147  (1). 
Krankenheber    250    (104),    248*    (102*), 

249*  (103*),  250*  (104*),  251*  (105*), 

276  (130),  276*  (130*). 
Krankenhemd  209*  (63*). 
Krankenkleidung  376  (230). 
Krankenpflege  147  (1). 
Krankentisch    169*    (23*),    170*    (24*), 

171*  (25*),  172*  (26*),  228*  (82*). 
Krankenversorgung  147  (1). 
Krankenwaage  252*  (106*),  253*  (107*). 
Krankenwäsche  208  (62). 
Krankenwagen  326*  (180*). 
Krankenwartung  147  (1),  148  (2). 
Krankenzimmer   162  (16),  215  (69),  260 

(114). 
Knegskrankenpflege  147  (1). 
Krücken  315  (169),  315*  (169*). 
Kühlapparate  253  (107). 
Kühlkappen  298*  (152*^,  300  (154). 
Kühköhren  297*  (151*),'  297  |151),  298* 

(152*). 


275 


Kühlschläuche  297  (151). 
Kühlvorrichtung  299  *  (153*),  300*  (154*). 
Künsthche  Beleuchtimg  287  (141). 
Kupfergeräte  156  (10). 

Lagerung  224  (78),   225  (79),   307  (161), 

330  (184). 
Lageveränderung  330  (184). 
Laken  211  (65). 
Lakenspann  Vorrichtung  212*  (66*),  411* 

(265*). 
Lampen  219*  (73*),  287  (141). 
Laufstuhl   314*  (168*),   315   (169),   315* 

(169*). 
Lauwarme  Bäder  197  (51). 
Leib  wärmer  280*  (134*),  394*  (248*). 
Leibwäsche  208  (62). 
Leiter'sche  Eöhren  298  (152). 
Lesen  266  (120),  359  (213). 
Lesepult  266*  (120*). 
Lesetiseh  264*  (118*),  265*  (119*). 
Lieblingsspeisen  164  (18). 
Lokalanästhesie  253  (107). 
Lokale  Wirkung  der  Krankenpflegemittel 

404  (258). 
Lokomotion  im  Bett  253(107),  310(164). 
Luftanfeuchter  220*  (74*),  291  (145). 
Luftbewegune  290  (144). 
Luftkissen  214  (68),  224  (78),  236  (90), 

239*    (93*),    240*   (94*),   241*   (95*), 

414*  (268*). 
Lufttemperatur  288  (142). 
Luftverderbnis  218  (72). 
Lüftung  217  (71),  288  (142),  376  (230). 

Magensaitsekretion  160  (14). 
Maßgefäße  167*  (21*). 
Maßglas  167*  (21*). 
Massiergerät  257*  (111*). 
Massierkugehi  257*  (111*),  344*  (198*). 
MassierroUen  257*  (111*). 
Mastdarmkissen  342*  (196*). 
Mastdarmkühler  342*  (196*). 
Materiahen  der  Krankenpflegegeräte  153 

(7). 

MaterieUe  Heilmittel  153  (7). 

Matratze  231  (85),  232*  (86*). 

Mechanische   Behinderungen    des   Kreis- 
laufes 331  (185). 

—  BettgesteUe  353  (207). 

—  Kjätte  bei  der  Expression  der  Faeces 
345  (199). 

—  Krankenbetten  177*  (31*;,  276  (130), 
354*  (208*),  355*  (209*),  356*  (210*). 

—  Eeize  410  (264). 
Menagen  162*  (16*). 
MetaUgeräte  156  (10). 
Milchkochtopf  165'  (19*). 
Milchprüfer  181*  (35*). 
Milchsauger  236*  (90*). 
Mineralwasserwärmer  388*  (242*). 
Moderateurlampen  287  (141). 
Moos  232  (86). 

Motorische  Thätigkeit  des   Darmes  342 

(196). 
Mucin  373  (227). 

28* 

18* 


422 


Register. 


Mundpflege  183  (37),  184  (38),  202  (56), 
-    388  (242). 
Muskelanstrengung  310  (164). 

Nachgiebigkeit  267  (121),  271  (125). 
NacMlampe  285*  (139*). 
Nachtlichte  287  (141). 
Nackenluftkissen   173*  (27*),  233*  (87*;. 
Nahrungsbedürinis  158  (12). 
Nasenatmung  375  (229). 
Nasenspüler  386*  (240*). 
Nebenwirkungen  der  Heilmittel  157  (11), 

255  (109). 
Niederlegen  des  Kranken  320  (174). 
Niveausteller  277*  (131*). 

Obstipation  332  (186). 
OeUampen  287  (141). 
Ofenschirm  227  (81). 
Ohnmacht  256  (110),  273  (127). 
Organisationen  für  Krankenpflege  147(1). 
Ortswechsel  342  (196). 

Passive  Bewegung  316  (170). 
Peristaltik  des  Darmes  341  (195). 
Personen  der  Umgebimg  269  (123). 
Petroleumbeleuchtung  287  (141). 
Pflegepersonal  148  (2),  269  (123). 
Phenix  ä  l'air  chaud  396*  (250*). 
Polster  227  *  (81  *). 
Polstermöbel  216  (70). 
Porzellangeräte  155  (9). 
Psychische   Auslösungen    185    (39),    305 
(159),  371  (225). 

—  Einwirkungen  259  (113). 

—  Heilmittel  156  (10),  262  (116),  306 
(160). 

—  Hemmungen  159  (13),  161  (15),  163 
(17),  180  (34),  305  (159),  359  (213), 
371  (225). 

—  Eeize  258  (112). 

—  Vorstellungen  410  (2t)4). 
Psychisch-hygienische  Heilmittel  157  (11). 

Radfahren  328  (182). 
Käuchergefäß  219*  (73*). 
Räucherlampe  219*  (73*). 
Eäucherschale  219*  (73*). 
Eäucherturbine  219*  (73*). 
Eäucherungen  218  (72). 
Reifentrage  234*  (88*),  296*  (150*). 
Eeflexbewegimg  256  (110). 
Eeflexcentren    der   Schweißsekretion  399 

(253). 
Eeflexkontraktion     der    Blutgefäße    414 

(2ö8). 
Eegelmäßigkeit  in  der  Nahrungsaufnahme 

159  (13). 

—  m  der  Stuhlentleerung  342  (196). 
Reinigung  von  Gummigeräten  241  (95). 

—  der  Körpereingänge  203  (57). 
Eemlichkeit  192  ff.  (46  ff.). 
Eeizbarkeit  252  (106). 

Eeize  und  Reaktionen  150  (4). 
Reizlose  Kost  411  (265). 


Eesorption  im  Darm  332  (186). 

—  in  der  Harnblase  364  (218). 
Eespiratoren  375  (229),  375*  (229*). 
Roßhaar  231  (85). 

Rückenlehnen  173*  (27*),  174*  (28*), 
175*  (29*),  229  (83),  276  (130),  231* 
(85*),  243*  (97*),  244*  (98*),  245* 
(99*),  247*  (101*),  334*  (188*). 

Ruhezustand  des  Gehirns  255  (109),  283 
(137). 

Rumpf badewanne  200*  (54*). 

Eumpfbäder  198  (52). 

Samariterwesen  147  (1). 
Sandbadewanne  403*  (257*). 
Saugröhrchen  179*  (33*). 
Schlaf  255  ff.  (109  ff.). 

—  nach  dem  Essen  182  (36). 
Schlafbedürfnis  273  (127). 
Schlaflosigkeit  256  (110  . 
Schlauchansatz  207*  (61*). 
Schlauchleitung  208*  (62*),  299*  (153*). 
Schleimhaut  der  Luftwege  374  (228). 
Schleimige  Getränke  288  (142). 
Schmerzempfindung  222  (76),  254  (108). 
Schmerzfreiheit  222  ff.  (76  ff.). 
Schmerzstillung  253  (107). 
Schnabeltassen  166*  (20*),  167  (21),  390* 

(253*). 
Schonung    des    Herzens    302   (15ö),   304 
(158). 

—  des  Kranken  243  (97). 
Schreiben  265  (119). 
Schreibtafel  für  Bhnde  266*  (120*). 
Schreibtisch  263*  (117*),  a64*  (118*). 
Schutz  gegen  Druckwirkung  225  (79). 

—  vor  Erkältung  371  (225),  403  (257). 
Schutzkapsel  235*  (89*). 
Schweinsblasen  155  (9). 
Schweißabsonderung  393  ff.  (247  ff.). 
Schweißdrüsen  393  (247). 
Schweißsekretion  291  (145). 

Schwere  des  Körpers  224  (78),  288  (142). 
Schwer  verdauliche  Speisen  189  (43). 
Schwitzbett  396*  (250*). 
Schwitzvorrichtung    397*     (251*),    398* 

(252*),  399*  (253*),  400*  (254*),  401* 

(255*). 
SeegTas  231  (85). 

Sekretbildung  in  den  Luftwegen  373  (227). 
Selbstbeherrschung  258  (112). 
Sensible  Eeize  30Ö  (162),  410  (264). 
Sitzbäder  199  (53). 
Sitzkissen  237  (91). 
Sitztra.gen  322  (176). 
Somatische  Heilmittel  156  (10). 
Somatisch  -  hygienische    Heilmittel     157 

(11). 
Specielle  Therapie  416  (270).  ' 

Speiflasche  392*  (246*). 
Speigefäße  390*  (244*),  391*  (245*),  392* 

(246*). 
Speigläser  390  (244),  390*  (244*),  391* 

(245*),  392*  (246*). 


276 


Register. 


423 


Öpeisenemnahme  178  (32). 
Speisengeräte  165  (19). 
Speisenschalen  159*  (13*),  162*  (16*). 
Speisenschüssel  160*  (14*). 
Speisenthermometer  161*  (15*). 
Speisenwaage  184*  (38*),  185*  (39*). 
Speisenwärmer   162*    (16*),    168*  (17*), 

164*  (18*). 
Speisenzerkleinerungsgerät  190*  (44*). 
Spiralfederpolsterung  227*  (81*). 
Spritzen  339  (193). 
Spucknäpfe  889*  (243*),  390  (244). 
Spülbecken  214*  (68*). 
Spülunterlage  213*  (67*). 
Sputum  373  ff.  (227  ff.). 
Staub  374  (228). 
Steckbecken  240*  (94*),  346  (200),  350* 

(204*),  352*  (206*). 
Stellung  des  Krankenbettes   im  Zimmer 

225  (79). 
Stimmung  258  (112). 
Stroh  232  (86). 

Stuhlentleerung  336  ff.  (190  ff.). 
Summation  der  Effekte  308  (162). 

Taschenflasche    für    Sputum    392    (246), 

892*  (243*). 
Tapeten  215  (69). 
Teilaktion  157  (11). 
Temperament  258  (112). 
Temperatur    des    Krankenzimmers    221 

Temperaturherabsetzung  289  (143). 

Teppiche  215  (69). 

Thermophor  278*  (132*),  407*  (261). 

Thermostat  198  (52). 

Thürdrücker  285  (139). 

Thürporti&ren  216  (70). 

Tisch  228*  (82*). 

Toristreuklosett  356  (210). 

Tragbahren  322  (176),  323*  (177*). 

Tragegeräte  321  (175). 

Tragen  des  Bettes  311  (165). 

—  des  Kranken   316  (170),  819*  (173*), 
320*  (174*). 

Tragkranz  322*  (176*). 

Tragsitz  321*  (175*). 

Tragstühle  323  (177). 

Tragtuch  321*  (175*). 

Trinken  beim  Essen  185  (39). 

Trinkgefäße  179*  (33*),  180*  (34*). 

Trinkwasser  868  (217). 

Trockenbett  357*  (211*),  858*  (212*). 

Trockene  Wärme  406  (260). 

Tropfkork  167*  (21*). 

Ueberanstrengung  268  (117). 

—  des  Herzens  810  (164). 
Ueberfüllung   der   Harnblase   333   (187), 

364  (218),  411  (265). 

—  des  Darms  412  (266). 
üebergießungsgerät  199*  (53*). 
Uebung  des  ilerzens  885  (189). 
Uhr  260  (114). 


Umbetten  212  (66),  224  (78),  321  (175). 
Umgang  mit  dem  Kranken  267  (121). 
Umgebung   des   Kranken    168    (17),  259 

(118),  807  (161),  360  (214). 
Umschläge  277  (131),  406  (260). 
Umschlagwärmer     277*     (131*),      406* 

(260*). 
Unruhe  284  (138). 
Unterdrückung  wichtiger  Funktionen  345 

(199). 
Unterstecher  350  (204),  368*  (222*). 
Unterstützung  des  Oberkörpers  246  (100), 

348  (202),  349*  (203*). 
Urinale    367    (221),    368*   (222*),    369* 

(223*),  870*  (224*). 
Uringefäß  367*  (221*). 
Uringläser  365  (219),  865*  (219*) 

Tentilation  217  (71),  291  (145). 
Ventüator  217*  (71*). 
Verdauung  185  (89),  187  (41). 
Verdauungsakt  182  (36). 
Verdimstung  des  Schweißes  402  (256). 
Verdunstungsapparate  291  (145). 
Verflüssigung  der  Faeoes  336  (190). 

—  des  Sputums  378  (232). 
Verhalten    bei    der    Nahrungsaufnahme 

181  (35). 

—  im  Krankenzimmer  270  (124). 
Verhütung  des  Erbrechens  334  (188). 
Vermeidung  unnötiger  Körperanstrengung 

329  (183). 
Verschlußdeckel  218*  (72*),  359*  (213*), 

360*  (214*). 
Verschlußpfropf  167*  (21*). 
Verschlucken  des  Sputums  389  (243). 
Verunreinigung  der  Zimmerluft  356  (210). 
VoUbäder  194  (48). 
Volumen  der  Speisen  192  (46). 
Vorhänge  216  (70). 

Wärmeabgabe  289  (143). 
Wärmeapplikation  276  (130),   394  (249), 

404  (258). 
Warme  Bäder  197  (51). 

—  Getränke  282  (136). 

—  Umschläge  278  (132). 
Wärmedose  280*  (184*),  395*  (249*). 
Wärmeentziehung  292  (146). 
Wärmeflasche    279*    (188*),    280    (134), 

395*  (249*). 
Wärmefüllung  279  (133). 
Wärmehaltende  Kasten  162*  (16*). 
Wärmekapacität  der  Luft  290  (144). 
Wärmekasten  896*  (250*). 

—  für  Speisen  162*   (16*),  282*   (136*). 
Wärmekissen  281*  (135*). 
Wärmekompressen    278*    (182*),     279* 

(188*),  406*  (260*),  407*  (261*). 
Wärmemischung  160  (14),  161  (16). 
Wärmeproduktion  289  (143). 
Wärmeröhren  408*  (262*). 
Wärmestrahlung  290  (144). 
Wärmetasche  281*  (135*),  394*  (248*). 


277 


424 


Register. 


Wartenlassen  159  (13'). 
Warzenhütchen  235  (89),  236*  (90*). 
Wäschewechsel  209  (63). 
Waschungen  201  (55),  401  (255). 
Wasseraufnahme  184  (38),  330  (184). 
Wasserbetten  154  (8),  214  (68),  236  (90). 
Wasserdichte  Stoffe  155  (9). 
—  Unterlage  213  (67). 
Wasserdurchlässigkeit  der  Bettstücke  402 

(256). 
Wassergehalt    der   Zimmerluft   220  (74), 

380  (234). 
Wasserkissen  214  (68),  224  ^78),  236  (90), 

237*  (91*),  238*  (92*). 
Wassermatratzen  240  (94). 
Wassertrinken  343  (197). 
Webestoffe  156  (10). 
■Wechsel  des  Hemdes  209  (63). 
Widerstände  im  Kreislauf  302  (156),  326 

(180). 


Wissenschaftliche  Kraukenpflege  416  (2 . 0)- 
Wollene  Decken  234  (88). 

Zähne  187  (41). 
Zahnfugenreiniger  184*  (38*). 
Zähigkeit  des  Sputums  379  (233). 
ZeUenemteilung  an  Matratzen  232  (Sß.. 
ZerkleineruDg  der  Speisen   187  (41),  191 

(451. 
Zerstäuber  381  (235),  387*  (241*). 
Zerstreuung   259    (113),    263  (117),   267 

(121). 
Zimmereinrichtung  215  (69),  260  (114  . 
Zimmerklosett  355  (209),  359*  (213",. 
Zimmerluft  374  (228). 
Zimmerreinigung  216  (70). 
Zonen  der  Krankenpflege  151  (5). 
Zugluft  218  (72). 
Zurichtung  der  Speisen  160  (14). 
Zuspruch  180  (34). 
Zustand  des  Kranken  271  (125). 


Frommannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Pohle)  in  Jena.  —  1914 


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