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Full text of "Lucian und Menipp"

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LUCIAN  UND  MENIPP 


VON 


RUDOLF  HELM 


1906 

LEIPZIG  UND  BERLIN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER 


Y 


ALLE  EECHTE,  EINSCHLIESSLICH  DES  ÜBEESETZÜNGSEECHTS,  VOEBEHALTEX. 


MEINER  LIEBEN  FRAU 


WEIHNACHTEN  1905 


Inlialtsverzeiclinis. 


Seite 

Einleitimg 1 —  16 

Kapitel  I.     Die  Nekyomantie 17 —  62 

„      n.     Die  Niederfahrt 63 —  79 

„     1X1.     Der  Ikaromenipp 80—114 

„     IV.     Die  Widerlegung  des  Zeus 115—132 

„      V.     Der  tragische  Zeus 133—151 

„     VI.     Die  Götterversammlung 152 — 165 

„    Vn.     Charon 166—174 

„  Vm.     Totengespräche 175—214 

„     IX.     Satumalienschriften 215 — 226 

„      X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten 227 — 253 

„     XI.     Das  Gastmahl 254—274 

„    XII.     Der  Doppeltverklagte      275—291 

„  Xin.     Der  Fischer 292—306 

„  XIV.     Die  Ausreißer .    .  307—321 

„    XV.     Der  Hahn .    .  322—336 

Schluß 337—347 

Anhang  I.    'Über  die  Trauer'.     'Von  den  Opfern' 848—358 

„       II.    'über  die  Bilder'.     'Von  den  Arten  der  Liebe' 364—356 

„     ni.    'Über  den  Parasiten' 357 — 364 

„     IV.    'Über  den  Tanz' 365—370 

„      V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie 371—886 

Register 887—392 


Einleitung. 

Auch  die  Wertschätzung  der  Literaturgrößen  ist  der  Mode  unter- 
worfen. Lucian  ist  nicht  der  Größten  einer,  und  doch  hat  auch  er 
es  im  Wandel  der  Jahrhunderte  mehr  als  einmal  erfahren.*)  Zu  seinen 
Lebzeiten  bald  bewundert  und  beklatscht,  bald  mit  regem  Haß  verfolgt, 
den  er  sich  nicht  gescheut  hatte  zu  säen,  hat  ihn  christlicher  Fana- 
tismus in  der  Legende  ein  Opfer  rasender  Hunde  werden  lassen.-) 
Wegen  seines  Teregrinus'  und  des  Kapitels  über  die  Christen  ist  ihm 
die  Ehre  widerfahren,  von  der  katholischen  Kirche  auf  den  Index 
gesetzt  zu  werden.  Die  Zeitgenossen  haben  von  ihm  geschwiegen; 
ihnen  war  er  vermutlich  doch  nur  einer  von  den  kleinen  unter  den 
Sophisten,  noch  dazu  einer,  der  sich  selbst  als  abtrünnig  ausgab,  und 
gegenüber  den  begeisterten  Prunkreden  der  andern  erschienen  nach 
dem  Maßstab  der  Zeit  seine  Werke  wie  Eintagsfliegen,  die  wolü  eine 
Weile  allen  ein  Lächeln  abzwingen  konnten,  aber  schon  ein  Jahr 
darauf  der  Vergessenheit  anheimfallen  mußten.  Die  späteren  Jahr- 
hunderte haben  es  mit  Lucian  nicht  besser  gemacht;  selbst  wenn  sie 
ihn  benutzten,  genannt  haben  sie  ihn  nicht.')     Philostratos  hat  den 


1)  Eine  Zusammenstellung  von  Urteilen  über  Lucian  hat  Jacob,  Charakte- 
ristik Lncians  von  Samosata,  Hambg.  1832,  S.  1  ff.,  gegeben,  sowie  Keits,  de 
aetate  vita  scriptisque  Luciani  (in  der  Ausgabe  von  Lehmann  I  p.  IX  ff.). 

2)  Suid.  8.  V.  Aovxiavo's':  avrov  ßkaa(fT](itt  röv  XQiarbv  6  naftuiuQOi.  di6  nal 
r/'^s  ZvTTTis  Ttoipug  Scgyiovaag  iv  rw  na(t6rri  dedojxfv ,  uml  vorher:  TfXevTi)a(ti  di 
avrov  Xoyog  vtco  nwcbv,  intl  xar«  ri^s  ftirj-O'n'atf  ilvtriiaev.  Auch  der  Scholiast 
zu  De  mort.  Peregr.  11—18  eifert  in  Schmähungen  und  Ver\*'(in8chungen  aller  Art. 

8)  Über  etwaige  Benutzung  durch  Julian  worden  wir  in  Kap.U  reden;  genannt 
hat  er  ihn  nicht.  Ob  der  große  Ttregor  die  Krzilhlung  von  dem  f&Uchlich  in 
den  liudeM  fjcnifcnt'D  und  dann  ZtirückKeHandton  auH  Lucians  PhilopHeudeM  hat, 
int  doch  wohl  fraglich.  PhilopH.  25  erziihlt  Kleodom,  wie  er  tioberknink  in  dio 
t^nterwidt  gelangt  toi,  Pluto  aber  Keinen  Führer  zornig  angefahren  habe:  Sein 
Fa<len  ist  noch  nicht  zu  Ende  gesponnen;  ah  di  dii  röv  x^^*^"  Jrmvlov  iy^  '~ 
i¥  ynxavoiv  r,nh'  (Jintt  netzt  dor  Erzllhlor  hiusu.  Hei  (Sregor,  Dialog  IV  3(1,  iNt 
OS  der  ^«^Kct'w   2^T((fapog,   der  sterben    muß,   «   nliiaiav  ai^roO  natotndtv.     Die 

Halm,  I.uciaii  und  .Monipp.  1 


2  Einleitung. 

Abgefallenen  in  der  Lebensbeschreibung  der  Sophisten  nicht  einmal 
einer  Erwähnung  gewürdigt  und  ihn  so  die  mannigfaltigen  Kränkungen 
entgelten  lassen,  die  er  den  Rhetoren  angetan.^)  Eunapios  führt 
ihn  nur  um  des  ^Demonax'  willen  an.^)  Unter  den  Kirchenvätern 
hat  Laetanz  (I  9,  8)  wegen  seines  Spottes  gegen  Götter  und  Menschen 
tadelnd  von  ihm  gesprochen.  Der  Patriarch  Photius  hat  ihn  im 
9.  Jahrhundert,  allerdings  nur  vom  sprachlichen  Gesichtspunkt  aus, 
mit  Vergnügen  gelesen.^)  Nachahmer  hat  er  in  großer  Zahl  gefunden, 
und  es  scheint,  daß  er,  in  Byzanz  jedenfalls,  eigentlich  niemals  ge- 
storben ist>) 

Dann  hat  ihn  die  Renaissance  übernommen^),  angezogen  durch 
die  schöne,  gefällige  Form,  der  sie  selber  huldigte,  und  nun  hat  er 
in  ungeschwächter  Jugendkraft  zunächst  einen  Siegeszug  durch  die 
Literatur  ausgeführt.  Reuchlin^),  Erasmus"^),  Ulrich  von  Hütten^)  über- 
setzen oder  benutzen  ihn;  der  biedere  Hans  Sachs  verwertet  in  seiner 
pedantisch  moralisierenden  Weise  die  ^Totengespräche '.  ^)     Unter  den 

Wundergescliiclite  kehrt  auch  bei  Plutarch  (Euseb.  Praep.  evang.  XI  36  p.  563) 
wieder;  da  sie  volkstümlich  ist  (Rohde,  Psyche  IP  S.  364;  Radermacher,  Festschr. 
f.  Theod.  Gomperz  Wien  1902  S.  204),  so  ist  die  Entlehnung  nicht  so  sicher  zu 
konstatieren.    Vgl.  Reitzenstein,  Hellenist.  Wundererzählungen,  Leipzig  1906,  S.  5  f. 

1)  Vgl.  Solanus  zu  ap.  pro  merc.  cond.  15. 

2)  Vitae  soph.  prooem.  9:  Aovniavos  6  i%  2!cc^oodrcov  avrjQ  onovdaiog  ig  ra 
ysXaG&fivciL. 

3)  Bibl.  cod.  128:  ovv&'^yir]  xs  avxa  ovtag  rjQiio6xai^  mors  doaetv  tbv  avccyi- 
vcoöytovTcc  ^7}  Xoyovs  XsysLV,  äXXä  ^iXog  n  tsqtcvov  xcoglg  ^^Lrpccvovg  adfjg  rotg  diolv^ 
ivaTtoßrd^tLv  twv  ccagocctav. 

4)  Rentsch,  Lucianstudien,  Plauen  Progr.  1895  S.  15  ff.:  Das  Totengespräch 
in  der  Litteratur;  vgl.  die  von  Hase  besprochenen  Nachahmungen  Notices  et 
extraits  de  la  bibliotheque  imperiale  t.  VHI  192  ff.;  Krumbacher,  Geschichte  der 
byzant.  Litteratur^  S.  756. 

5)  R.  Förster,  Lncian  in  der  Renaissance,  Kiel  1886;  0.  Waser,  Charon,. 
Charun,  Charos,  Berlin  1898,  S.  52. 

.     6)  L.  Geiger,  Reuchlin,  Leipzig  1871,  S.  94.  99. 

7)  Erasmus  'Colloquia  familiaria',  darin  ein  'convivium  profanum',  ^conv. 
religiosum',  ^conv.  poeticum',  ^conv.  fabulosum',  Mispar  convivium',  ^vrjcpdXLOir 
6viL7t6aiov\  Sharon'. 

8)  Hütten,  Thalarismus',  '^Arminius',  im  Anschluß  an  die  Hetärendialoge 
das  ins  Christliche  gewandte  Gespräch  adolescentis  et  scorti;  aber  die  Anleh- 
nung geht  über  die  Benutzung  der  Form  und  der  Titel  hinaus  und  zeigt  sich 
auch  in  sonstigen  Reminiszenzen.  Li  der  Vorrede  zum  nagiag  iynm^Lov  sagt 
er  selbst:  nosque  clamitabunt  veterem  comoediam  aut  Lucianum  quempiam  re- 
ferre,  was  sich  dem  Leser  in  der  Tat  bestätigt.  Die  Nachahmung  Huttens  würde 
eine  eigene  Untersuchung  verlohnen. 

9)  ^Charon  mit  den  abgeschiedenen  Geistern'  nach  dial.  mort.  X;  aber  auch 


Nachleben  Lucians.  3 

Spaniern  verrät  Cervantes  die  Kenntnis  seiner  Schriften^);  von  den 
Franzosen  hat  Rabelais,  der  ihn  auch  namentlich  nennt,  sich  mit 
seinem  Geiste  vollgesogen  und  seine  witzigen  Einfälle  ins  Gigantische 
und  Groteske  gesteigert.-)  Wer  vieles  bringt,  wird  manchem  etwas 
bringen;  selbst  der  strenggläubige  und  zum  Asketentum  neigende 
Thomas  More,  der  spätere  Kanzler  Heinrichs  VIU.  und  Gegner  der 
Reformation,  fand  in  Lucians  ^Nekyomantie'  und  Xügenfreund'  sowie 
in  dem  'Kjniker'  etwas,  was  seiner  Abneigung  gegen  heuchlerischen 
Schein  und  seiner  Auffassung  von  der  Nichtigkeit  aller  irdischen 
Güter  entgegenkam,  und  übersetzte  diese  Dialoge,  wie  er  den  tvQavvo- 
xTÖvog  im  Wetteifer  mit  Erasmus  zu  Stilübungen  benutzte.^)  Dann 
kam  eine  Zeit,  da  Lucian  zurücktrat  und  höchstens  in  der  stillen 
Stube  einzelner  Gelehrter  sein  Dasein  fristete.  Das  18.  Jahrhundert 
zog  ihn  wieder  aus  dieser  Vergessenheit  hervor.  Voltaire  hat  ihn 
gekannt  und  nachgeahmt.^)  Unsere  großen  Dichter  haben  ihm  ihren 
Tribut  gezollt.  Wieland,  der  für  Lucians  leichte  Art  sehr  viel  Ver- 
ständnis hatte,  hat  ihn,  in  bezug  auf  den  Ton,  den  er  getroffen, 
geradezu  musterhaft,  übersetzt.  Goethe  hat  sich  an  ihn  gehalten  in 
der  gegen  Wieland  gerichteten  satirischen  Farce  'Götter,  Helden  und 
Wieland';  und  mit  Schiller  zusammen  hat  er  das  Motiv  der  'Toten- 
gespräche' in  den  Xenien  wiederbenutzt,  wo  Lucian  auf  des  Dichters 
Erinnerung  an  seine  Verspottung  der  Philosophen  in  richtiger  Selbst- 
erkenntnis von  sich  sagen  muß:  'Rede  leiser,  mein  Freund!  Zwar 
hab'  ich  die  Narren  gezüchtigt,  aber  mit  vielem  Geschwätz  oft  auch 
die  Guten  geplagt.' 

Hs  ist  nur  eine  ganz  kurze  Übersicht  in  großen  Zügen,  ohne 
irgend  welchen  Anspruch  auf  Vollständigkeit,  aber  sie  legt  doch  ge- 
nügend Zeugnis  ab  von  der  nachhaltigen  Wirkung,  die  der  Spötter 
von  Samosata  auf  manche  Perioden  der  Literatur  späterer  Zeiten  aus- 
geübt hat.     Doch  nicht  nur  dies  Nachleben,   das  er  in   der  Schrift- 

der  'ToxariH*  ist  benutzt  in  'Clinias  und  Agathokles*  (H.  Sachs  her.  v.  Tittmann, 
III  Einleite,'.  S.  XX XIV  ff.),  das  19.  Göttergespräch  in  'Drey  Artzney  ftir  die  lieb» 
(Stiefel,  Hans-Sachaforscbungen,  Nürnb.  1894,  8.  174). 

1    I)arütj<;r  bei  Gelegenheit  des  Schsuspielervergleichs  Kap.  I. 

*2'  Ein  paar  Nachahmungen  sind  zusammengestellt  Kap.  I.  Vgl.  Croiset, 
Iliftoire  de  la  litterature  grecque  V,  Paris  1899,  S.  616. 

8/  (i  Th.  Uudbart,  Thomas  Moru»,  Augsbg.  1862,  S.  29  it 

4)  Voltaire,  Paris  1H77— H6  Bd.  XXXVII  284,  schreibt  in  einem  Brief  an 
Friedrich  d.  dr.  6.  Juni  1751:  j'ai  tAchü  de  Tdcrirc  li  la  nmiii»  ro  de  Lucicn.  Die 
dann  f(dgondo  C'harakteriNtik  ist  ni«  ]it  ühermilßig  treHVnd,  aber  durch  den 
(icgciiMatz  KU  Fonienello  eingegel«  dtaire  dort  bespricbi 

!• 


4  Einleitung. 

stellerei  aller  Völker  geführt  hat,  sichert  ihm  ein  Interesse.  Er  steht 
vor  uns  als  das  Spiegelbild  der  einen  der  beiden  Zeitströmungen,  die 
das  zweite  Jahrhundert  n.  Chr.  bewegen.  Der  Glaube  an  die  Götter 
und  ihre  Hilfe,  an  all  die  Vorstellungen  vom  Leben  der  Seele  nach  dem 
Tode  ist,  nicht  zum  wenigsten  dank  der  Bestrebungen  der  Philosophen, 
bei  den  einen  gänzlich  erschüttert.^)  *Daß  es  Manen  gibt  und  ein 
Reich  unter  der  Erde  und  ein  Wasser  und  dunkle  Frösche  im  sty- 
gischen  Sumpf,  und  daß  so  viel  Tausende  in  einem  Kahn  überfahren, 
das  glauben  auch  Knaben  nicht'  sagt  Juvenal  (11  149  ff.).  Religiöser 
Indifferentismus  und  Freigeisterei  nehmen  selbst  unter  äußerlicher 
Beibehaltung  der  vom  Staate  gebotenen  Formen  überall  zu;  wenn  wir 
heute  verhältnismäßig  selten  konstatieren  können,  wie  weit  Atheismus 
und  Materialismus  in  den  religiösen  Anschauungen  jener  Zeit  ihre 
zersetzende  Kraft  bewährt  haben,  so  ist  das  selbstverständlich,  weil 
es  zu  allen  Zeiten  ebenso  ist;  nicht  jeder  hält  sich  für  berufen,  seine 
Meinung  im  Kampf  gegen  die  Ansicht,  die  noch  öffentliche  Geltung 
hat,  zum  Ausdruck  zu  bringen,  und  Gleichgültigkeit  verlangt  über- 
haupt nicht  ausgesprochen  zu  werden,  sondern  begnügt  sich  schon 
mit  einem  erhabenen  Lächeln.  Im  geheimen  kann  die  Zahl  derer 
nicht  so  ganz  klein  gewesen  sein,  die  über  den  alten  Glauben  gering 
dachten;  sonst  hätte  Lucian,  wenn  er  über  die  Ansicht  der  Philo- 
sophen von  der  Vorsehung  spottet,  nicht  den  Beifall  finden  können, 
von  dem  er  selbst  spricht^);  waren  doch  seine  Satiren  mehr  als  nur 
lustige  Szenen,  wie  etwa  bei  Aristophanes,  bei  dem  ja  auch  die  Götter 
hier  und  da  scharf  mitgenommen  werden.  Durch  die  Einmischung 
der  Philosophie  haben  sie  einen  bedeutenden  Zug  ins  Ernste  erhalten; 
wo  die  göttliche  Vorsehung  so  wie  hier  heruntergerissen  wird,  kann 
nicht  leicht  mehr  ein  gläubiges  Gemüt  die  verbindende  Brücke  vom 
fröhlichen  Lachen  zur  andachtsvollen  Verehrung  schlagen.  Auf  der 
andern  Seite  steht  eine  starke  Reaktion  gegen  diesen  Unglauben  und 
die  Gleichgültigkeit.^)  Eine  tiefe  Sehnsucht  nach  religiöser  Befrie- 
digung erfüllt  die  Menschen;  man  hat  das  Jahrhundert  selbst  als  das 
des  Pietismus  bezeichnet.  Das  innere  Verlangen  des  Herzens  führt 
zur  Annahme   aller  erdenklichen  Kulte   des  Orients,  aller  irgend  vor- 


1)  Friedländer,  Sittengeschichte  Roms  IIP  S.  509  ff. 

2)  Piscat.  25 :  ta  GTtovdcciotccta ^nl  iXsvccgilw   ^ls^lSv,  mats  avrbv  ^sv 

TiQOtslöd'ccL  xccl  i'jtaivsZod-ccL  TtQog  xcbv  d'sarcbv,  ij^&g  dh  vßQi^sod'aL. 

3)  Croiset,  Essai  sur  la  vie  et  les  oeuvres  de  Lucien,  Paris  1882,  S.  177  ff.; 
Martha,  Les  moralistes  sous  Fempire  Romain^,  Paris  1872,  S.  369.  381;  Harnack, 
Mission  und  Ausbreitung  des  Christentums,  Leipzig  1902,  S.  16  ff. 


ZeitströmuDgen  im  zweiten  Jahrhundert.  5 

handenen  Mysterien;  man  will  keine  Möglichkeit  vorübergehen  lassen, 
der  ewigen  Seligkeit  teilliaftig  zu  werden,  und  ein  Weg  genügt  nicht 
mehr;  ein  Synkretismus  aller  Religionen  macht  sich  bemerkbar,  unter 
den  Schriftstellern  jener  Zeit  haben  wir  zwei  interessante  Beispiele 
für  diese  Richtung.  Apuleius  bekennt,  daß  er  sich  in  die  meisten 
Geheimkulte  in  Griechenland  hat  einweihen  lassen^);  er  führt  auf 
allen  seinen  Reisen  ein  Götterbild  mit  sich,  das  er  vor  den  profanen 
Augen  der  Laien  verhüllt,  vor  dem  er  seine  Andacht  ven-ichtet.-)  Ein 
geistig  hochstehender  Mann  wie  Aristides  wii*ft  sich  ganz  der  Priester- 
schaft in  die  Arme  und  erhofft  von  dem  durch  Inkubation  und  Träume 
geotfenbarten  Rate  des  Asklepios  Heilung  von  seiner  langwierigen 
Kj-ankheit;  er  preist  diesen  seinen  Heiland,  der  oft  schon  Menschen 
in  Meeresnot  die  Hand  gereicht,  der  einem  Faustkämpfer  Kunstgriffe 
gezeigt  hat,  um  einen  berühmten  Gegner  zu  überwinden,  der  dem 
Redner  selber  Stoß'  und  Gedanken,  ja  die  Form  seiner  Vorträge  ein- 
gegeben hat^);  er  zeigt  uns,  wie  die  Menge  wundergläubig  von  ihm 
Errettung  aus  körperlichen  Leiden  erwartet  und  durch  Weihgeschenke 
im  Tempel  die  Heilung  einzelner  Gliedmaßen  und  des  Gottes  über- 
natürliche Kraft  bekannte;  und  das  waren,  wie  er  hervorhebt,  nicht 
nur  Frauen,  die  durch  ihre  Anlage  zum  Glauben  neigen.  "*)  Zugleich 
schoß  das  Unkraut  des  Aberglaubens  mächtig  in  die  Höhe;  daß 
Zauberei  und  Magie  wie  in  den  Zeiten  des  finstersten  Mittelalters 
geübt  und  geglaubt  wurden,  lehren  deutlich  die  Voraussetzungen,  die 
der  Prozeß  des  Apuleius  hat.  Wie  leicht  die  Masse  jedem  neuen 
Kult,  jedem  neuen  Wundertäter  entgegenkam,  zeigt  das  Beispiel  des 
Betrügers  Alexander  von  Abonuteichos,  den  Lucian  in  einer  eigenen 
Schrift  gebrandmarkt  hat.^)  Wir  müssen  uns  vergegenwärtigen,  daß 
dieses  Jahrhundert  mit  seiner  Neigung  zu  allem  übersinnlichen,  seiner 
ungestümen  Sehnsucht  nach  innerer  Befriedigung  den  Boden  darbot, 
auf  dem  das  aus  dem  Osten  Tordringende  Christentum  die  günstigste 


1;  Apol.  &6  (02,  20  H):  sacrorum  pleraque  initia  in  Graecia  participavi. 

2)  Apol.  63  ff. 

8)  XaXiu  ilg  'AaxXriniov  10.  U  (XLII  Keil  Hd.  II  887). 

4;  Ebendort  7:  xal  ^Arj  roi)  aomctrog  aixtdiVTai  rivtt,  xal  avÖQtg  At'yw  xal 
ywalntg,  ngovoiu  rof»  &tov  yivia^ai  aqilat  xav  na(fcc  rf/tf  (pvcstag  diceqd'cnut'Tiav 
xal  xttxuK'/ovaiv  uXlog  &XXo  n,  o^  ^h*  (<nb  axo^axog  ovx<oal  (pQäJiovxti,  ol  äi  iv 
xolg  ^va&rniuaiv  i^i^yovnivoi.  i]\ilv  xolvvv  ovxi  ^^QOf  ro^  ffeu^crro;,  ftU*  iinav 
xb  a&fta  atfv^tls  xt  xal  av^Tti^ias  aixbf  Wwxf  dui^foci'.  &aitfQ  //po^<?j^*K'  tttf^jf"'« 
Xiytxui  övfinXdaui  xbv  &v(yQionov. 

b)  Zeller,  Vortrilgo  u.  Abhandig.,  Lei) 


6  Einleitung. 

Nahrung  fand   und    schnell    über  die  andern  Religionen,  auch   über 
den  Sonnenkult  des  Mithras,  den  Sieg  errang.^) 

Wer  sich  diese  Strömungen  des  zweiten  Jahrhunderts  klar  vor 
Augen  führt,  für  den  wird  die  Gestalt  Lucians  eines  eigenen  Reizes 
nicht  entbehren,  selbst  wenn  man  von  einer  Überschätzung  seiner 
persönlichen  Eigenschaften  weit  entfernt  ist.  Einen  Kämpfer  für 
Wahrheit  und  Vernunft  gegen  Aberglauben  und  Dunkelmännertum 
darf  man  in  ihm  nimmermehr  sehen.  ^)  Wohl  lag  der  Spott  in  seiner 
Natur,  aber  eine  Art  leichtfertigen  Spottes;  daß  er  sich  gegen  die  Theo- 
krasie,  gegen  Aftei*philosophen  und  Scheinweisheit  wandte,  war  in 
gewisser  Weise  ein  Spiel  des  Zufalls,  der  ihn  gerade  dafür  ein  passen- 
des Vorbild  und  damit  eine  nachhaltige  Anregung  finden  ließ  und  der 
ihm  zugleich  im  Geschmack  des  Publikums  die  gehörige  Resonanz 
für  seine  Spaße  bot.  Daß  es  ihm  mit  der  Sache  ganz  ernst  war,  daß 
er  wirklich  seine  Persönlichkeit  mit  Ausdauer  in  die  Wagschale  werfen 
wollte  imd  mit  Mannesmut  seine  Ansicht  verfechten,  kann  man  mit 
Fug  bezweifeln.  Ihm  kam  es  vor  allem  darauf  an,  zum  Lachen  zu 
reizen.  Man  hat  ihn  mit  Euripides,  dem  Aufklärer,  vergleichen  wollen, 
mit  dem  doch  die  einzige  Übereinstimmung  darin  besteht,  daß  sich 
die  gleiche  Legende  an  beider  Tod  geheftet  hat.  Man  hat  ihn  mit 
Ulrich  von  Hütten  zusammengestellt.^)  Beide  hatten  einen  heiligen 
Ernst,  der  dem  leichtfertigen  Syrer  abgeht;  er  besitzt  nichts  von  der 
sich  im  inneren  Widerspruch  verzehrenden  Seele  des  Tragikers,  nichts 
von  der  begeisterten  Treue  und  Überzeugtheit  des  ritterlichen  Tfaffen- 


1)  Harnack  a.  a.  0.  S.  18  ff. 

2)  Die  richtige  Erkenntnis  hat  wohl  zuerst  Bayle  gehabt  Dictionnaire  hist. 
et  crit.  in^  Amsterdam  1740  unter  Teriers',  der  deshalb  von  Jacob  (a.  a.  0.  S.  6) 
wie  von  Wieland  I  36,  die  ihren  Schützling  verteidigen  wollten,  energisch  be- 
kämpft ist;  er  sagt  von  Lucian  bei  Gelegenheit  von  Pariere'  in  Lucians  Geist 
geschriebenem  ^cymbalum  mundi' :  '"Lucien  qui  s'est  tant  moque  des  faux  dieux 
du  paganisme  et  qui  a  repandu  tous  les  agremens  imaginables  sur  la  description 
qu'il  a  faite  des  folies  et  des  impostures  de  la  religion  des  Grecs,  ne  laisse  pas 
d'etre  digne  de  detestation  puisqu'au  lieu  de  faire  cela  par  un  bon  motif,  il 
n'a  cherche  qu'ä  contenter  son  humeur  moqueuse  et  qu'ä  ouvrir  la  carriere  a 
Bon  style  satirique  et  qu'il  n'a  point  t^moigne  moins  d'indifference  ou  moins 
d'aversion  pour  la  verite  que  pour  le  mensonge'  (vgl.  Martha  a.  a.  0.  S.  360). 
Eine  Charakteristik,  die  Licht  und  Schatten  gut  verteilt,  gibt  jetzt  von  Wila- 
mowitz  in  Kultur  der  Gegenwart  I  8  S.  172  f.;  bei  aller  Anerkennung  des  Form- 
talentes und  des  Reizes,  den  der  Schalk  ausübt,  wird  darin  die  Journalistennatur 
Lucians  treffend  hervorgehoben. 

3)  0.  Schmidt,  Lucians  Satiren  gegen  den  Glauben  seiner  Zeit,  Solothurn 
1900,   S.  45. 


Lucians  Stellung  in  seiner  Zeit.  7 

feindes'.  Selbst  gegen  die  Parallele  mit  dem  Spötter  Voltaire  hat 
man  mit  Recht  Einspruch  erhoben.  ^)  Ein  passenderer  Vergleich  drängt 
sieh  auf,  obschon  auch  er  hinkt  wie  alle  Vergleiche,  der  mit  Heinrich 
Heine,  der  Spottdrossel  im  deutschen  Dichterwalde,  der  ihm  nur  an 
Charakterlosigkeit,  an  Genialität  und  Originalität,  aber  auch  an  Malice 
weit  überlegen  ist.  An  Lucian  ist  ja  immer  etwas  von  der  Eierschale 
der  Sophistik  hängen  geblieben;  und  wie  die  Sophistik  nach  Brot 
ging  gleich  der  Dichtkunst  in  manchen  Epochen  der  Literaturgeschichte, 
so  hat  auch  er  den  Mantel  nach  dem  Winde  zu  hängen  gewußt.  In 
proteusartiger  Verwandlung  schuf  er  bald  das,  worüber  die  Menschen 
lachten  —  daß  es  nicht  die  ernsteren  waren,  gesteht  er  selbst  zu  — ^), 
bald  wandte  er  sich  an  die  schöne  Mätresse  eines  Wüstlings,  wie  Lucius 
Verus  es  war,  bald  tändelte  er  mit  der  Philosophie,  bald  spielte  er 
sich  als  Vorkämpfer  für  Geistesfreiheit  und  Vernunft  auch  gegen  diese 
auf.  Daß  der  vornehme  Arrian  und  der  reiche,  mit  dem  römischen 
Hof  in  enger  Berührung  stehende  Herodes  Atticus^)  bei  ihm  so  gut 
weggekommen  sind,  ist  wohl  kein  Zufall  und  beruht  nicht  auf  Über- 
zeugung. Daß  er  wirklich  ohne  Nebengedanken  für  ein  Ideal  ein- 
getreten wäre,  wird  man  kaum  behaupten  können;  wie  ein  echter 
Sophist  haschte  er  nach  dem  Erfolg  und  dem  Ruhme,  ganz  gleich 
wie  er  sein  Ziel  erreichen  konnte.  Er  war  kein  Charakter,  und  das 
setzt  sein  Verdienst  ohne  Zweifel  wesentlich  herab  und  trägt  auch 
heute  noch  dazu  bei,  das  Urteil  über  ihn  niedrig  zu  stimmen.  Aber 
trotz  aller  Mängel  seiner  Person,  trotz  einer  gewissen  Unlauterkeit 
seiner  Gesinnung,  daß  er  sich  nicht  der  Reaktion  und  dem  Pietismus 
angeschlossen  hat,  macht  ihn  zu  einer  für  die  Geschichte  der  Kultur 
und  der  geistigen  Strömungen  des  zweiten  Jahrhunderts  hervorragen- 
den Gestalt. 

Aber  das  ist  es  nicht  allein;  nicht  nur  dieser  Schein  historischer 
Bedeutung  reizt  auch  heute  noch,  sich  mit  ihm  zu  befassen;  seine 
Werke  selber  haben  etwas,  was  die  Jahrhunderte  überdauert.  Das 
zeigen  nicht  sowohl  die  Übersetzungen  und  Nachahmungen  wie  die 
begeisterten  Aussprüche  seiner  Verehrer.  Die  Herausgeber  haben  sich 
überboten  Lobreden  auf  ihn  zu  halten  und  seine  Liebe  zur  Wahrheit, 
seinen   Haß   gegen  Betrug  und   Unnatur   ins   rechte  Licht  zu  setzen, 

1;  Hiebe  Jacob  u.  a.  0.  H.  41).  114.  173.  192;  Mtirtlm  ii.  ».  0.  S.  868;  Bemays, 
Lurliin  u.  die  Kyniker,  Berlin  187»,  8.  42,  104. 

BacchtM  6:  ol  fUv  oifSk  rrjv  &9XtiP  &fpiiiPo(ivxMt  ig  oÜhv  diop  na^x**^ 

/'',ii„ii  yvvat%iloig  %al  axtffti^iutai  acctvffinoli 

.     xund.  2.  Porcfffin.  19/20. 


8  Einleitung. 

allerdings  stets  ohne  daran  zu  denken,  wieviel  davon  etwa  auf  Rech- 
nung seiner  Vorbilder  zu  schreiben  ist.  Wieland  hat  sich  zu  dem 
überschwenglichen  Ausspruch  verstiegen  (Übersetzg.  I  S.  XXI):  'Wie 
ein  Leser  von  offnem  und  gesundem  Kopf  die  Bekanntschaft  Lucians 
aus  seinen  Werken  machen  könnte,  ohne  ihn  lieb  zu  gewinnen,  das 
wäre  mir  in  der  Tat  unbegreiflich.'  Die  Darstellung  von  Jacob  in 
seiner  ^Charakteristik  Lucians  von  Samosata'  läuft  auf  eine  unbe- 
schränkte, allerdings  recht  kritiklose  Verherrlichung  desselben  hinaus; 
aber  selbst  sein  Rezensent  C.  F.  Hermann^)  steht  an  Begeisterung 
nicht  sehr  hinter  ihm  zurück,  wenn  er  seine  Schriftstellerei  dem 
freien  Flug  des  Adlers  vergleicht  und  von  der  'idealen  Richtung' 
spricht,  ^die  sein  herrlicher  Geist  von  früher  Jugend  an  nahm'. 
Joh.  Scherr  nennt  ihn  den  geistvollsten  Essayisten  des  Altertums, 
dem  seine  Schreibweise  auch  in  ferner  Zukunft  noch  dankbare  Leser 
sichern  wird.^)  Theodor  Gomperz  weiß  in  seiner  Lebensbeschreibung 
von  seinem  Großvater  zu  berichten,  daß  Lucian  zu  seinen  Lieblings- 
schriftstellern gehört  hat^);  und  er  selber  pflegt  diese  gewissermaßen 
traditionelle  Verehrung,  indem  er  ihn  gegen  Bernays^  scharfes,  aber 
nicht  unrichtiges  Urteil  zu  verteidigen  sucht^)  und  ihm  wie  einem 
andern  Polybius  eine  wahrhaftige  Begeisterung  für  das  römische  Welt- 
reich, eine  Anerkennung  der  römischen  Bureaukratie  zuschreibt,  die 
er  nie  besessen  und  höchstens  aus  praktischen  Gründen  im  Alter  vor- 
gespiegelt hat.  ^)  Der  Eindruck,  den  man  von  Lucian  hat,  wird  ja 
zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden  sein;  aber  im  ganzen  wird  es 
wohl  keinen  geben,  der  nicht  einmal,  selbst  wenn  er  sich  später  von 
ihm  abgewendet,  aufrichtiges  Gefallen  an  den  Satiren  gefunden  hat^), 
zumal  wenn  er  nur  einzelne  liest.  Vor  wenigen  Jahren  hat  man  in 
einem  Berliner  Theater  den  Versuch  gemacht,  drei  derselben  auf  der 
Bühne  aufzuführen,  und  so  groß  auch  der  Unterschied  zwischen  Drama 
und  mimischem  Dialog  ist,  sie  fanden  beim  Publikum  Anklang.  Und. 
in  einer  modernen  Sammlung,  die  sich  'Bücher  der  Weisheit  und 
Schönheit'  betitelt,  kann  man  neben  der  Bibel  und  Kants  'Kritik  der 


1)  Gesammelte  Abhandlungen  S.  208.  210. 

2)  Illustrierte  Geschichte  der  Weltlitteratur  ^o,  Stuttg.  1899,  I  S.  485;  Neues 
Historienbuch,  Leipzig  1884,  S.  7  6  f. 

3)  Th.  Gomperz,  Essays  und  Erinnerungen,  Stuttg.  1905,  S.  5. 

4)  Ebendort  S.  113  f. 

5)  Über  das  Amt,  das  Lucian  beim  Präfekten  von  Ägypten  übernommen 
hat,  handelt  jetzt  0.  Hirschfeld,  Kaiserl.  Verwaltungsbeamte  ^,  Berlin  1905, 
S.  331  Anm.  2. 

6)  Vgl.  Norden,  Antike  Kunstprosa,  Leipzig  1898,  S.  394. 


Modernes  Interesse  an  Lucian.  9 

reinen  Vernunft'  Lucian  finden.^)  Erst  die  gleichmäßige  Wieder- 
holung desselben  Motivs  in  mehreren  Schriften  läßt  das  Interesse 
erkalten,  und  dem  übersättigten  Gaumen  beginnt  der  Witz  schal  zu 
erscheinen.  Dazu  kommt,  daß  dann  das  beständig  Zersetzende  eine 
Wirkung  ausübt  wie  der  wiederholte  Genuß  eines  stark  gewürzten 
Gerichtes.  Auf  die  Dauer  befriedigt  der  Geist,  der  stets  verneint, 
nicht;  man  empfindet  das,  was  Bernays  treffend  als  'nihilistische  Öde' 
bezeichnet  hat-)  und  was  schon  der  Patriarch  Photius  bemängelt  hat.^) 
Aber  für  kurze  Zeit  reißt  Lucian  auf  jeden  Fall  den  Leser  mit  sich. 
Es  ist  kein  schweres  Geschütz,  das  er  auffährt-,  leichtfertigem  Gesindel 
könnte,  wie  die  beiden  Dichterfürsten  ihre  Xenien,  so  auch  er  seine 
Schriften  zum  großen  Teile  vergleichen.  Aber  sie  haben  doch  Witz 
und  haben  eine  gefällige  Anmut  der  Darstellung,  der  man  auch  heute 
noch  mit  Vergnügen  sich  hingibt.  Mit  bewundernswerter  Plastik 
zaubern  sie  dem  Leser  die  lustigen  Bilder  vor.  Nicht  tiefer  Gedanken- 
reichtum belastet  sie  und  erschwert  die  Lektüre,  sondern  in  behag- 
licher Breite  sind  sie  ausgesponnen,  so  recht  zu  einer  Erholungs- 
lektüre nach  dem  Getriebe  der  Arbeit  geeignet.  Man  hat  dabei  die 
Empfindung  wie  bei  einem  gut  geschriebenen  Feuilleton artikel,  der 
zu  augenblicklicher  Belustigung  beiträgt;  zu  mehr  macht  sie  immer 
erst  die  eigene  Stimmung  des  Lesers  und  die  äußeren  Zeitverhältnisse, 
die  ihn  umgeben  und  die  scheinbar  in  jenen  sich  widerspiegeln. 

Wenn  wir  von  Lucian  reden,  so  ist  das  Bild  seiner  Persönlich- 
keit meist  nur  aus  der  einen  Klasse  seiner  Schriften  genommen;  und 
das  ist  natürlich.  Aber  Lucian  war  zunächst  Sophist.  Uns  mutet 
es  seltsam  an,  das  Geistesleben  jener  Zeit,  das  Gefallen  fand  an  den 
Erzeugnissen  der  Rhetoren,  die  an  den  Gedanken  der  früheren  Jahr- 
hunderte zehrten  und  })ei  denen  die  Form  so  sehr  den  Lihalt  über- 
wog.*; Aber  damals  durchzogen  die  Wanden-edner  die  ganze  zivili- 
sierte Welt,  wie  Lucian  selber  durch  lonien,  Hellas,  Italien  bis  nach 


1)  Hiicher  der  WeiHheit  und  Schönheit,  hrsg.  von  J.  E.  Freiherr  v.  Grotthuß« 
V<rlag  von  Greincr  u.  Pfeiffer,  Stuttg. 

2)  a.  ».  0.  S.  44.    Qomperz  erhebt  gegen  dies  Urteil,  wie  mir  Bcheint,  mit 
Unrecht  Widemprueh. 

a^  (od.  128   (\y  96a,  86  Bekkei  ..q    aXXav   xco^ox^Vui 

d6^ag  avxöv  f^v  d^fiäCht.  ot>  xU^riat,  TcXijv  ti  ti^  ainov  Ao|«r  ifftt  rö  ji»j(^ 

4)  Mommsen,    iWm.  Genchichte  V  88ftff.;    Friodlllnder,    Sitten^;L  . 
HI«  461  ff.;  V.  Arnim,  Dio  von  Pruna,  Berlin  1898,  8.  168;  Kohde,  (kriech  ll 
Leipiig  1900.  S   810  ff.;  Hurckhardt,  Griech.  Kulturgofchichte,  Üerliu-Sf 
III "  s.  ana  i\ 


10  Einleitung. 

Gallien  gekommen  ist*);  keine  festliche  Gelegenheit  ging  vorüber; 
ohne  daß  eine  solche  Berühmtheit  ihre  Stimme  erschallen  ließ,  die 
Städte  luden  sie  ein,  und  man  riß  sich  nm  sie,  wie  heute  etwa  um 
eine  Primadonna.  Die  Themen  waren  aus  den  verschiedensten  Ge- 
bieten, der  Geschichte,  der  Moral,  der  Philosophie,  der  Wissenschaft 
überhaupt  genommen;  gern  ließen  sich  die  Hellenen  durch  die  prunk- 
vollen Worte  in  die  Zeiten  ihrer  einstigen  Hen-lichkeit  versetzen,  da 
sie  noch  politische  Bedeutung  hatten;  Marathon  und  Kynägirus,  Xerxes 
und  Leonidas,  die  Schlachten  von  Salamis,  Artemision  und  Platää, 
das  ist  es,  wovon  man  sprechen  muß,  wenn  man  Beifall  ernten  will, 
sagt  höhnisch  Lucian.^)  Oft  zeigte  der  Redner  seine  Fähigkeit,  ex 
tempore  zu  reden,  indem  er  sich  aus  dem  Publikum  den  Stoff  geben 
ließ^);  in  Gegenden  der  Sprachmischung  richtete  er  sich  nach  seinen 
Zuhörern  und  wechselte  wohl  gar  innerhalb  eines  Vortrags,  halb 
lateinisch,  halb  griechisch  redend,  um  seine  Fertigkeit  in  beiden 
Sprachen  zu  beweisen/)  Selbst  die  so  zum  Praktischen  neigenden 
Römer  verschlossen  sich,  nachdem  der  Rede  die  politische  Bedeutung 
genommen  war,  dieser  zwecklosen  Kunstübung  der  Schöni-ederei  nicht. 
Während  Männer  wie  Tacitus  den  Verfall  der  Redekunst  richtig  be- 
urteilten^), kann  sein  Freund  Plinius  sich  nicht  genug  tun,  um  den 
Rhetor  Isäus  zu  rühmen  und  dessen  Schulberedsamkeit  über  die 
gerichtliche  zu  stellen,  wie  er  auch  täglich  geht,  um  die  Deklama- 
tionen mit  anzuhören^),  allerdings  poetische,  die  indessen  von  denen 
der  Sophisten  nur  durch  die  Form  verschieden  waren;  auch  die  Ge- 
dichte jener  Zeiten  sind  ja  nur  versifizierte  Rhetorik,  und  die  Grenzen 
zwischen  Poesie  und  Prosa  sind  verwischt.  Es  ist  eine  eigentümliche 
Erscheinung,  wenn  man  sieht,  daß  in  der  ersten  Kaiserzeit  selbst 
Senatoren  sich  in  die  Rhetorenschule  begeben,  um  bei  phantastischen 
Aufgaben  dem  leeren  Schemen  nutzloser  Sententiae  und  spitzfindiger 
Colores  nachzujagen."^)     Rhetoren  und  Sophisten  sind  die  Träger  der 


1)  Bis  acc.  27. 

2)  Rhetor.  praecept.  18. 

3)  Lucian  pseudolog.  5;  Plin.  ep.  II  3,  2:  poscit  controversias  plures,  electio- 
nem.  auditoribus  permittit. 

4)  Apul.  de  deo  Socr.  prolog.  p.  4,  8  Goldb. 

5)  Tac.  dial.  36  ff. 

6)  Ep.  n  3.  I  13,  1:  toto  mense  Aprili  nuUus  fere  dies,  quo  non  recitaret 
aliquis,  5:  equidem  prope  nemini  defui. 

7)  Seneca  rhet.  controv.  I  3, 11.  Wenn  Dolabella  und  andere  Cäsarianer 
sich  bei  Cicero  übten,  so  hatte  das  doch  noch  einen  praktischen  Zweck  in  jener 
Zeit  (Quint.  XH  11,  6). 


Epideiktische  Rhetorik.  H 

Bildung;  sie  bieten  dem  nach  geistiger  Nakrung  dürstenden  Publikum 
in  ikren  epideiktischen  Vorträgen,  was  es  braucht,  und  ernten  dafür 
begeisterten  Dank.  Die  Schilderung,  die  Apuleius  in  einem  seiner 
Vorträge^)  von  einer  Vorlesung  des  Komikers  Philemon  gibt,  ist 
zweifellos  entlehnt  aus  seiner  eigenen  Zeit;  eine  ungeheuere  Menschen- 
menge strömt  zusammen,  jeder  sucht  dem  Redner  so  nahe  als  möglich 
seinen  Platz  zu  finden;  wer  später  kommt,  winkt  seinen  Freunden  zu, 
sie  möchten  ihm  einen  Sitz  verschaffen;  wer  zuletzt  kommt,  ist  unwillig, 
daß  er  stehen  muß.  Das  Theater  ist  so  gefüllt,  daß  man  über  Raum- 
mangel klagt.  Ähnlich  ist  die  Darstellung,  die  Aristides^)  gibt.  Das 
Buleuterion  war  gedrängt  voll,  so  daß  man  nichts  als  Menschenköpfe 
sah;  nicht  eine  Hand  hätte  man  durch  die  zusammengepferchte  Menge 
strecken  können.  So  riß  man  sich  damals  um  einen  Platz,  um  mit 
anzuhören,  ob  Pythagoras  mit  Recht  als  Barbar  von  den  eleusinischen 
Mysterien  ausgeschlossen  werden  müßte,  da  er  ja  die  Seele  des  Troers 
Eupborbos  besaßt),  oder  um  Agamemnons  Erwägungen  zu  vernehmen, 
ob  er  die  Iphigenie  opfern  solle*),  oder  die  fingierte  Verteidigung 
des  entdeckten  Ehebrechers  zu  bewundern^);  wenn  das  Thema  der 
großen  Zeit  griechischer  Blüte  entnommen  war,  so  konnte  sich  wenig- 
stens noch  das  Nationalgefühl  daran  berauschen,  obschon  auch  das 
eine  ziemlich  zwecklose  Romantik  war.  Uns  läßt  diese  Art  der 
Rhetorik  kalt,  wenn  sie  nicht  wenigstens  die  Zeitgeschichte  behandelt 
und  so  die  Reden  als  historische  Zeugnisse  von  Wert  sind.  Es  ist 
selten,  daß  wir  uns  wirklich  ergriffen  und  erwärmt  fühlen,  wie  etwa, 
wenn  Libanius  seinem  frühzeitig  dahingeschwundenen  Ideal,  dem  Kaiser 
Julian,  nachweint;  da  kommt  es  ihm  von  Herzen,  und  darum  weiß 
er  Töne  zu  finden,  die  auch  noch  heute  dem  Leser  zu  Herzen  gehen. 
Auch  Lucian  hat  sich  dieser  epideiktischen  Rhetorik  in  die  Arme 
geworfen,  nachdem  ihn  sein  eigenes  Ungeschick,  als  er  bei  seinem 
Oheim  in  der  Lehre  war,  davor  bewahrt  hatte,  das  Büdhauergo werbe 
betreiben  zu  müssen.  Daß  er  auch  vor  Gericht  Reden  gehalten  hat, 
darf  man    •'"-    ""inon   ♦*it:f*nrii   Worten  schließen*^):   M]>pr  (bis  war  ihm 


1)  Florida  16  (170, 6  £f.  vdViiet). 

2)  ItQb^^  X6yos  e  82  (LI.  Keil  Bd.  II  459). 
H)  Luciun  pseudolog.  5. 

4)  Sen.  rhet.  Huas.  IM. 

6)  Philoiitrat.  vit.  lophiHt.  I  26,  10  uu«^    .« ..   i  ..nnen  des  Polemon. 

0)  Piicai.  9,  Sf)  bis  acc.  82 :  naX&s  tliB  ^loi  ....  rohg  ävStfcc^  xovg  dinaaräi 
^(Tifffittv  l&v\  vgl  Croisct  a.  a.  0.  S.  23;  Suida«  ».  v.  A^%i(Kv6i'.  dtnriyoQog  iv 
'AfTioxtia  t^g  2^v(fl(tg. 


12  Einleitung. 

sicherlich  nur  eine  Stufe  auf  dem  Wege  zum  Ruhm,  in  den  seine 
Seele  sich  hineinträumte.  Er  schildert  im  ^Traum',  wie  nach  seinem 
Fiasko  in  der  Kunst  des  Phidias  die  rhetorische  Bildung  zugleich 
mit  der  Bildhauerkunst  ihm  im  Schlaf  erschien  und  ihn  wie  in  des 
Prodikos  bekannter  Fabel  im  Redewettstreit  jener  zu  entführen  suchte; 
dabei  weist  sie  darauf  hin,  wie  geehrt  er  sein  werde,  wenn  er  ihr 
folge,  von  allen  beneidet  und  gepriesen,  unter  die  ersten  gerechnet, 
im  Prachtgewand  einherwandernd,  wie  man  in  der  Fremde  mit  an- 
erkennender Bewunderung  die  Blicke  auf  ihn  lenken  werde:  Das  ist 
er.^)  —  Seltsame  Täuschung!  Wir  besitzen  sophistische  Reden  von 
ihm,  wie  den  'Tyrannenmörder'  und  den  ^Enterbten',  beide  völlig 
befangen  in  der  phantastischen  Spitzfindigkeit  der  Rhetorenschule. 
Es  hat  jemand  nicht  den  Tyrannen,  sondern  dessen  Sohn  getötet; 
jedoch  hat  sich  der  Vater  vor  Schmerz  über  diesen  Verlust  mit  dem 
Schwerte  des  Mörders,  das  dieser  zurückgelassen  hatte,  selber  das 
Leben  genommen.  Nun  fordert  der  Täter  als  Befi*eier  des  Volkes  den 
Preis  für  Tyrannenmord  und  erweist  die  Berechtigung  seines  Ver- 
langens. Oder:  ein  Sohn,  der  ausgestoßen  war,  ist  Arzt  geworden 
und  heilt  seinen  Vater,  der  ihn  zum  Dank  dafür  wieder  in  die  Familie 
aufnimmt.  Als  er  aber  seine  ebenfalls  erkrankte  Stiefmutter  behauptet 
nicht  heilen  zu  können,  weil  die  ärztliche  Kunst  hier  versagt,  soll 
er  abermals  verstoßen  werden.  Dagegen  verteidigt  er  sich.  Es  sind 
Themen,  um  nichts  besser  als  diejenigen,  die  Seneca  in  dem  lang- 
weiligen Buch  der  Controversien  und  Suasorien  zusammengetragen 
hat  und  bei  denen  ihm  allmählich  selber  nicht  wohl  geworden  ist. 
Anderes  von  Lucian  ist  witziger  und  verrät  doch  schon  ex  ungue 
leonem,  wie  die  Thalarisreden'  über  die  Frage,  ob  das  Weihgeschenk 
des  Tyrannen  in  Delphi  angenommen  werden  soll  oder  nicht,  in  denen 
priesterliche  Gewinnsucht  gut  gezeichnet  ist,  oder  der  ^Streit  des 
Sigma  gegen  das  Tau'  vor  dem  Gerichtshof  der  Vokale  und  das  kleine 
Prachtstück,  das  Tob  auf  die  Fliege',  das  schon  ganz  satirisch  ist 
in  der  Parodie  der  Enkomien.  Immerhin,  wenn  Lucian  weiter  nichts 
geschrieben  hätte  als  diese  zum  Teil  interesseloser  Kasuistik  entnom- 
menen Vorträge,  den  Beifall  seiner  Zeitgenossen  würde  er  ja  wohl 
erlangt  haben,  aber  die  Nachwelt  hätte  sich  nicht  um  ihn  gekümmert 
und  würde  d'en  Verlust  seiner  Reden  leicht  verschmerzen,  wie  bei 
Polemon,  Herodes  Atticus  und  anderen  dieser  ephemeren  Größen;  nur 
in  der  Literaturgeschichte  der  Fachgelehrten  würde  er  ein  nicht  über- 

1)  Somnium  11. 


Lucians  schriftstellerische  Entwicklung.  13 

mäßig  helles  Dasein  genießen;  allenfaUs  die  cTQolaXiaij  wie  ^Har- 
monides',  ^Zeuxis',  'Herakles',  ^Dionysos',  die  in  geistreicher  Weise 
irgend  einer  Anekdote  oder  Erzählung  eine  persönliche  Wendung  zu 
geben  wissen,  fesseln  auch  heute  noch  durch  ihre  Technik  den  Leser. 
Andere  seiner  Schriften  würden  ihm  ein  kulturhistorisches  Interesse 
sichern.  Von  dem  Schwänner  Peregrinus  erhalten  wir  durch  ihn  ein 
Zerrbild  allerdings,  aber  doch  immerhin  ein  Bild,  das  uns  mehr  lehrt 
als  die  wenigen  Bemerkungen,  die  wir  sonst  über  ihn  haben;  der 
Bericht  über  den  Betrüger  Alexander  von  Abonuteichos  trägt  nicht 
unwesentlich  dazu  bei,  das  Gemälde  von  dem  religiösen  Zustand  im 
zweiten  Jahrhundert  zu  vervollständigen.  Aber  seinen  Ruf  verdankt 
Lucian  nicht  diesen,  wenn  auch  interessanten  Zeichnungen,  auch  nicht 
den  Versuchen  im  platonischen  Dialog,  wie  sie  'Anacharsis'  und  'Hermo- 
timos'  uns  vor  Augen  führen,  sondern  der  genialen  Idee,  den  Menipp 
wieder  aufleben  zu  lassen,  auf  die  ihn  sein  Interesse  für  das  Komische 
gebracht  hat.  Mit  den  kleinen  Szenen,  welche  'Hetärengespräche', 
'Göttergespräche'  usw.  enthalten,  befand  er  sich  noch  ganz  im  Fahr- 
wasser der  Sophistik*);  aber  es  war  doch  schon  ein  neuer  Kurs,  den 
er  einschlug,  indem  er  den  Dialog  ausschließlich  komisch  verwandte. 
Daß  er  und  seine  Zuhörer  das  deutlich  empfunden  haben,  zeigt  die  Vor- 
rede: 'Prometheus  iv  XöyoLg^');  man  entnimmt  daraus,  daß  ihm  die 
Neuheit  dessen,  was  er  bot,  die  Vereinigung  von  Komödie  und  Dialog 
diesen  Ehrentitel  eingetragen  hatte.  Verständlich  wird  das  erst,  wenn 
man  bedenkt,  daß  die  einzelnen  Stilgattungen  bei  den  Alten  streng 
voneinander  gesondert  waren;  es  war  also  in  der  Tat  etwas  Neues, 
diese  Vereinigung  verschiedener  Stilgenres,  und  man  begreift,  daß  er 
die  Hoffnung  ausspricht,  das  Neue  möchte  ein  harmonisches  Ganzes 
geben.  Von  hier  aus  war  der  Fortschritt  leicht  zu  den  größeren 
Dialogen,  sobald  die  einzelne  Szene  zu  einer  Reihenfolge  von  Szenen 
ausgedehnt  und  der  satirische  Ton  verstärkt  wurde,  den  die  alte 
Komödie  ja  schon  an  die  Hand  gab.'')  Es  war  damit  gegenüber  dem 
ernsten,  philosophischen  der  komische  Dialog  geschaft'en,  zu  dem  sich 
ja  bei  Piaton  selbst  schon  Ansätze  finden  —  jeder  denkt  besonders 
an  den  Euthydem  —  und  auf  den  die  sokratische  Ironie  bei  ihm  leicht 
liinrülimi  K(»nnte.     Die  Ep^wicklimir  ])ei  Lucian  ist  s<>  iKifürlicli,  daß 

1,  ich  vorweise  auf  daa  wuh  huj»   S  111  zu  «Ion  'Toteng«'s|>r:M  h,  i,      ,  i 

2)  Wir  kommen  darauf  bei  HcHprechunj^  «log  'Doppt'lf  \<  i  l^lJl_;^<  n"  ui  ..  k 
8)  Vorupottunj^«*!!  uiul   Purodion    auf  die  IMiilotK)plien  in  di-r  KonuMÜ»»  hulu» 

ich    im   letzten  Anhang   /iiHtiiiiriii.iM'iv,fi.llt     i'inzoluoü    wird    l>il    Iliv^imTlmutf   «ler 

einzelnen  Dialoge  «twüIh 


14  Einleitung. 

er  aus  sich  diesen  satirischen  Dialog  größeren  Umfangs  hätte  schaffen 
können. 

Daß  er  eine  Anregung  dazu  gehabt  hat,  hat  er  uns  selbst  be- 
kannt; es  sind  die  beiden  Stellen  aus  dem  'Fischer'  (26)  und  dem 
'Doppeltverklagten'  (33),  die  hier  in  Betracht  kommen,  die  erste  nach 
der  zweiten  geschaffen  und  nicht  viel  mehr  als  eine  Wiederholung. 
Im  'Doppeltverklagten'  beschwert  sich  der  Dialogos  über  die  Miß- 
handlung, die  ihm  zuteil  geworden:  der  syrische  Rhetor  hat  ihm 
beigesellt,  was  sonst  in  Jamben  ausgedrückt  ist,  was  der  Kjnismus 
mit  seiner  scharfen  Zunge  vorbringt,  was  Eupolis  und  Aristophanes 
gewagt  haben,  ja,  er  hat  schließlich  den  Menipp  ausgegraben,  den  heim- 
lich und  unter  Lachen  beißenden  Hund,  und  hat  ihn  eingeführt;  und 
nun  ist  der  Dialog  zu  einer  wunderlichen  Mischung  geworden;  er 
wandelt  weder  zu  Fuß  noch  auf  Metren  daher,  sondern  wie  ein  Hippo- 
kentaur  bietet  er  eine  fremdartige,  zusammengesetzte  Erscheinung. 
Dieser  Menipp  also  war  es,  der,  zu  Lucians  Zeit  in  weiterem  Kreise 
nicht  mehr  bekannt,  ihm  die  Anregung  zur  Weiterbildung  seiner 
Dialoge  gegeben  hat;  und  man  erkennt  leicht  bei  oberflächlicher 
Musterung  der  einzelnen  Schriften,  welche  von  ihnen  einen  Hauch 
vom  Geiste  jenes  Kynikers  spüren  lassen.  Gerade  die  Ahnung,  die 
aus  diesen  aufsteigt  von  der  Lebendigkeit,  dem  Witz  und  der  Ge- 
staltungskraft des  Schriftstellers,  der  hier  nachgeahmt  ist,  erweckt 
den  Wunsch  in  die  Tiefe  zu  dringen,  um  ein  Bild  von  ihm  zu  ge- 
winnen. Nur  wenige  Titel  und  Bruchstücke  sind  von  ihm  erhalten.^) 
Varros  menippische  Satiren,  die  nach  seinem  Muster  geschaffen  sind, 
liegen  uns  ebenfalls  nur  in  Trümmern  vor,  und  keine  einzige  hat 
bisher  eine  einwandsfreie  Rekonstruktion  gestattet.  Senecas  Satire 
auf  den  toten  Claudius  ist  so  aktuell,  daß  sie  zunächst  zwar  für  die 
Form  und  vielleicht  für  einzelne  Motive,  aber  weniger  für  den  Inhalt 
im  ganzen  als  Fundgrube  gelten  kann.  Sonstige  Nachahmungen  kann 
man  wohl  erschließen,  aber  sie  lassen  ans  doch  nimmermehr  die  Um- 
risse des  alten  Kynikers  scharf  erkennen.  Hier  bei  Lucian  allein 
haben  wir  intakt  erhaltene  Werke,  die  uns  die  Möglichkeit  gewähren, 
seine  Gestalt  etwas  fester  zu  fassen.  So  ist  es  begreiflich,  daß  hier 
die  Kritik  immer  wieder  eingesetzt  hat,  um  das  Material  zu  ergrün- 
den, das  der  findige  Samosataner  als  Bausteine  für  seine  Satiren 
benutzt  hat.^) 

1)  Zusammengestellt  bei  Riese,  Varron.  sat,  Menipp.,  Lips.  1865,  S.  245  f.; 
Wachsmuth,  Sillographi  Graeci^,  Lips.  1885,  S.  78  fi. 

2)  Wasmannsdorf,  Luciani  scripta  quae  ad  Menippum  speetant,  Diss.  Jena 


Lucian  und  Menipp.  15 

Die  vorliegende  Arbeit  will  einen  neuen  Versuch  machen,  auf- 
zuspüren, wieviel  Lucian  seinem  Vorbilde  verdankt.  Daß  dabei  der 
Ertrag  größer  ist  für  ihn  selbst,  für  das  Verständnis  seiner  Arbeitsweise, 
auch  die  Erkenntnis  der  Reihenfolge  seiner  Schriften,  wird  niemand 
wundernehmen.  Eine  Analyse  der  Lucianischen  Satiren  lehrt  uns  aber 
doch  auch  für  Menipp  mehr  als  man  bisher  gefunden  hat.  Drei  Wege 
sind  es,  auf  denen  wir  zum  Original  vorzudringen  vermögen,  ab- 
gesehen von  der  Form,  d.  h.  abgesehen  davon,  daß  die  größere  Zahl 
eingemischter  Verse  die  Nachahmung  zeigt,  da  wir  wissen,  daß  dies 
die  Eigeuart  Menippischer  Satiren  war.^)  Aber  mehr  kommt  es  auf 
den  Inhalt,  auf  die  benutzten  Motive  an.  Hier  weisen  uns  zunächst 
die  Gedanken  selber  hin  und  wieder  auf  Menippisches  Gut  hin;  wo 
die  Ideen  der  kynischen  Schule  klar  zutage  treten,  wo  man  sogar  die 
eigentümliche  Färbung  erblickt,  durch  die  Menipp  dem  strengen  Rigo- 
rismus der  Kyniker  ein  milderes  Aussehen  verliehen  hat,  darf  man 
an  seine  Nachwirkung  glauben.  Es  gibt  Bilder,  Vergleiche  meist 
typischer  Art,  denen  man  das  Kynische  ansehen  kann.  Als  Bestäti- 
gung kommt  das  zweite  hinzu,  Parallelen  aus  der  übrigen  Literatur, 
die  man  als  von  Menipp  beeinflußt  annehmen  kann.  Sie  erstrecken 
sich  nicht  nur  auf  einzelne  Aussprüche,  sondern  auch  auf  Motive,  auf 
die  Gestaltung  des  Ganzen  und  führen  uns  darum  weiter;  denn  nicht 
der  einzelne  Gedanke,  der  ja  auch  in  einer  kynischen  Diatribe  wieder- 
kehren konnte,  ist  es,  der  uns  lockt;  wir  möchten  die  Inszenierung 
bei  Menipp,  die  Einkleidung,  die  er  seinen  lustigen  Bosheiten  und 
seinen  tiefsinnigen  Spaßen  gegeben  hat,  wiederfinden.  Eine  wesent- 
liche Stütze  dazu  bietet  uns  das  dritte  Indizium,  die  chronologischen 
An  pielungen.  Es  ist  eine  bekannte  Sitte  der  Sophisten,  daß  sie  ihre 
ii'  -])iele  aus  der  älteren  Zeit  nehmen;  es  hängt  das  mit  der  Koniautik 
dieser  ganzen  Richtung  zusammen.  Stofife  der  Gegenwart  meidet  man*), 
sie  würden  dem  hohen  Fluge  hinderlich  sein,  den  der  damalige  Redner 
nimmt,  wie  sie  etwa  noch  jetzt  sich  nicht  zum  Epos  schicken  wollen. 
Die  Chrysostomos  hebt  in  einer  Rede  diese  Eigentümlichkeit  ausdrück- 
lich hervor'):  'Vielleicht  siehst  du  mit  Verachtung  auf  mich  und  hältst 

1M74;  Wildonow,  De  Menippo  Cynico,  Diss.  Halle  1881;  W.  Knaucr,  De  LuciRno 
Menippeo,    Disa.  Halle   i""i      u.;»....    !  iteratur   bei  Susemil'      \i..v...,,i.    i  ;♦. 
Ge«ch.  I  8.  44. 

1)  ProViiiB  zu  V«  r;'  ;  \  I  1  I  _•;;  Haften)  n&gi  von  Alcmpp;  i>  nuiMiue 
omnigeno  carminc  fiiiii.i-  n.i  •  \|  ii.iai;  v^jl.  Luc.  bin  aco.  «13:  oirt  nt^ö^  tifn 
oft'  inl  Ttav  inttifotv  (i^fiifXu. 

2)  llohdf,  Uricch,  llomau ',  .S.  :i47. 

8)  XXI  11  niQl  %ttXXov^  (II  606  R  II  )iOU.  :i        \ 


1 6  Einleitung. 

meine  Worte  für  Geschwätz,  weil  ich  nicht  von  Kyros  und  Alkibiades 
spreche,  sondern  des  Nero  und  dieser  jüngeren  und  ruhmlosen  Er- 
eignisse Erwähnung  tue.'  Noch  bei  Libanius  zeigt  sich  in  gewisser 
Weise  die  Nachwirkung  dieser  Gewohnheit  der  Sophisten;  er  hat 
grundsätzlich  alles  Römische  vernachlässigt.  Aber  es  ist  ja  klar,  daß 
ßich  diese  Sitte  nur  auf  sophistische  Prunkreden  beziehen  kann. 
Lucian  selber  hat  sich  über  diejenigen,  die  nie  über  die  alten  Zeiten 
der  attischen  Herrlichkeit  hinauskommen,  lustig  gemacht  und  erklärt, 
daß  er  die  ccQKjtecov  enaCvovg  satt  gehabt  habe.^)  Sollte  er  da  trotz- 
dem in  denselben  Fehler  verfallen  sein?  Wir  werden  aber  auch  sehen, 
daß  4ie  historischen  Anspielungen  gar  nicht  auf  der  Stufe  jener  in 
den  Reden  der  Sophisten  immer  wieder  vorgebrachten  Verherrlichung 
alter  Helden  stehen  und  sich  von  dort  aus  nicht  begreifen  lassen,  aber 
auch  sonst  nicht  als  Erfindung  Lucians;  darum,  wo  uns  Anspielungen 
begegnen,  die  mit  seiner  Lebenszeit  nichts  zu  schaffen  haben,  wird 
man   mit  Recht  glauben  auf  Menipps  Fährte  zu  sein. 

Schwer  wäre  es  vielleicht  dennoch,  zu  einigermaßen  sicheren 
Schlüssen  zu  kommen,  wenn  nicht  der  Gang  der  Untersuchung  deut- 
lich erwiese,  wie  gering  im  ganzen  das  Repertoire  ist,  das  Lucian  zu 
Gebote  steht,  wie  er  dieselben  Gedanken  wieder  und  wieder  verarbeitet, 
vielleicht  in  etwas  anderer  Form,  mit  einer  neuen  Nuance,  aber  im 
Grunde  doch  dieselben,  wie  er  die  gleichen  Motive  wendet  und  dreht 
und  sie  nach  allen  Seiten  benutzt,  ehe  er  sie  endgültig  beiseite  wirft. 
Wer  das  beachtet,  wird  Lucians  eigene  Fähigkeit  zu  poetischer,  phan- 
tastischer Gestaltung  nicht  gar  zu  hoch  anschlagen  und,  da  er  selbst 
uns  die  Komödie  und  Menipp  als  seine  Vorbilder  angibt,  auch  schwa- 
chen Argumenten  mehr  und  mehr  die  Beweiskraft  nicht  absprechen. 
Erst  die  Vorstellung,  die  man  aus  sämtlichen  Satiren  schöpft,  gibt 
die  Möglichkeit,  im  einzelnen  über  mehr  oder  minder  große  Wahr- 
scheinlichkeit bei  dem  Rückschluß  auf  die  Satire  Menipps  richtig  zu 
urteilen.  Daß  es  dabei  immer  noch  nicht  gelingen  kann,  das  Dom- 
röschen selber  aus  seiner  Umgebung  herauszuheben  und  zu  neuem 
Leben  zu  erwecken,  ist  selbstverständlich;  aber  es  ist  auch  schon 
etwas,  durch  das  Gestrüpp  bis  ins  Schloß  zu  dringen  und  den  Zauber 
so  weit  zu  lösen,  daß  man  den  Schimmer  ihrer  Gestalt  mit  den 
Augen  wahrnehmen  und  den  Reiz  ihrer  Erscheinung  empfinden  kann. 
Versuchen  wir,  ob  uns  das  wenigstens  beschieden  ist! 


1)  Rhetor.  praecept.  18;  bis  acc.  32. 


Kapitel  I. 
Die  Nekyomantie. 

Unter  deu  größeren  satirischen  Dialogen  Lucians  sind  zwei,  in 
denen  er  dem  Menipp  selber  die  Hauptrolle  gegeben  hat,  ohne  daß 
er  sich  doch  bemüht  hätte,  auch  nur  im  geringsten  die  Persönlich- 
keit als  Individuum  zu  zeichnen  und  nach  Ort  oder  Zeit  zu  fixieren. 
Der  eine  ist  der  ^Menipp'  oder  die  *Nekjomantie\  Menipp  kehrt  heim, 
geschmückt  mit  Pilos,  Leier  und  Löwenhaut,  und  gibt  dem  Philonides 
auf  seine  Fragen  Auskunft,  zunächst  immer  in  Versen;  er  erzählt, 
daß  er  aus  der  Unterwelt  komme;  wie  er  hört,  daß  die  Menschen 
auf  der  Erde  noch  immer  auf  unrechte  Weise  nach  Reichtum  haschen, 
bedauert  er  die  Armen,  die  nicht  ahnen,  welch  ein  Beschluß  gegen 
sie  im  Orkus  gefaßt  ist.  Auf  Bitten  des  Freundes,  der  sich  auf  seine 
Schweigsamkeit  und  Kenntnis  der  Mystenpflichten  beruft,  bequemt  er 
sich  dazu,  diesem  den  Beschluß  zu  berichten;  doch  ist  er  einverstanden, 
lieber  von  Anfang  an  den  Grund  seiner  Niederfahrt  und  den  Verlauf 
zu  erzählen.  So  erklärt  er  denn,  wie  er  an  dem  Widerspruch  der 
unmoralischen  Mythologie  und  der  irdischen  Gesetze  Anstoß  genommen 
habe,  ^wie  ihn  dann  die  einander  ganz  entgegengesetzten  Lehren  der  Phi- 
losophen in  der  Moral,  weiter  ihre  ganz  auseinandergehenden  Angaben 
betreflfe  der  Entstehung  der  Welt,  endlich  vor  allem  die  Disharmonie 
zwischen  ihrer  Lehre  und  ihrem  Lebenswandel  in  Verwirrung  gebracht 
hätten;  so  sei  er  in  schlafloser  Nacht  auf  den  Gedanken  gekommen 
nach  Babylon  zu  wandern  und  einen  Magier  aufzusuchen,  der  mit 
Zauberformeln  und  Weihen  die  Tore  der  Unterwelt  zu  öffnen  verstehe, 
um  dann  den  Böotier  Tiresias  zu  befragen,  welches  Leben  das  beste 
sei.  Er  sei  also  zu  Mithrobarzanes  gegangen;  der  habe  ihn  einen 
ganzen  Monat  vor))ereitet  und  dann  in  dieser  Ausstattung,  die  er  noch 
trage,  selbst  mit  dem  Gewände  des  Magiers  angetan,  hinabgeleitet 
und  ihn  g(>heißen  sich  Herakles  oder  ()dysH<>us  oder  Orpheus  zu 
nennen.  Unten  angelangt,  hätten  sie  eine  (im he  gegraben  und  ge- 
opfert, und  mit  lauter  Stimme   habe  der  Magier  die  Gottheiten  der 

'  I  t<tiol«o  tiod  Mcaipp,  • 


18  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

Unterwelt  angerufen,  so  daß  sich  der  Boden  auftat  und  das  Reich 
des  Pluto  sichtbar  wurde.  Dem  Kerberos  gegenüber  bewährt  sich 
nun  nach  Menipps  Erzählung  die  Leier,  dem  Charon  gegenüber  die 
Löwenhaut.  So  können  sie  zunächst  einer  Gerichtsszene  beiwohnen, 
bei  der  jeder  von  seinem  eigenen  Schatten  verklagt  wird;  da  sind  sie 
Zeugen,  wie  der  Tyrann  Dionys  von  Ari stipp,  der  dort  unten  viel 
gilt,  gerettet  wird.  Dann  kommen  sie  zur  Stätte,  wo  die  Strafen  voll- 
zogen werden  und  neben  den  modernen  Sündern  auch  Ixion,  Sisyphos, 
Tantalos  und  Tityos  weilen.  Weiter  gehf  s  ins  acherusische  Feld,  wo 
die  übrigen  Toten  sich  aufhalten,  alle  gleich  im  Aussehen,  bar  der 
irdischen  Schönheit,  so  daß  Nireus  und  Thersites  nicht  zu  unter- 
scheiden sind.  Da  erscheint  Menipp  das  Leben  wie  ein  Aufzug,  bei 
dem  Tyche  die  Ausrüstung  verteilt,  oft  auch  während  des  Ganges 
wechseln  heißt,  jedem  aber  am  Ende  sein  Kostüm  wieder  abnimmt; 
noch  deutlicher  wird  das  durch  die  Erinnerung  an  die  Schauspieler 
gemacht,  die,  wenn  sie  von  der  Bühne  abtreten,  nicht  mehr  Könige, 
sondern  arme  Menschen  sind.  Auf  eine  Zwischenfrage  des  Philonides 
gibt  Menipp  an,  daß  auch  die  Besitzer  von  Prachtgräbern  wie  Mau- 
solos dort  unten  nicht  mehr  Platz  haben  als  die  andern,  daß  Philipp 
von  Macedonien  in  einem  Winkel  Sandalen  flickte  und  Tyrannen  am 
Dreiweg  bettelten.  Eine  weitere  Frage  gibt  Anlaß  zu  erzählen,  wie 
Sokrates  dort  mit  den  zum  Schwatzen  Geneigten,  Palamedes,  Odysseus, 
Nestor,  herumwandelt,  Diogenes  aber  sich  das  Vergnügen  macht,  Leute 
wie  Sardanapal  und  Midas  bei  ihren  Klagen  zu  verspotten.  Ein  plötz- 
licher Einfall  bringt  die  beiden  Unterredner  auf  den  Ausgangspunkt 
ihres  Gespräches  zurück,  den  Beschluß  gegen  die  Reichen,  den  Menipp 
nun  vorbringt.  Die  Seelen  der  Reichen  sollen  danach  in  Eselskörper 
fahren  und  25  Myriaden  von  Jahren  beständig  darin  zubringen.  Es 
fehlt  aber  noch  der  Bescheid  des  Tiresias,  um  dessentwillen  Menipp 
hinabgezogen  war;  so  sagt  er  in  Kürze  dem  Freunde,  wie  er  zwar 
den  Seher  gefragt,  der  aber  ihm  nach  vielen  Bitten  nichts  weiter 
mitgeteilt  habe  als  ganz  im  geheimen:  ^Das  Leben  der  Laien  ist  das 
beste';  darauf  sei  Tiresias  verschwunden,  er  aber  habe  den  Mithro- 
barzanes,  da  es  schon  spät  war,  aufgefordert  zurückzukehren,  und  dieser 
habe  ihm  einen  Weg  gewiesen  durch  das  Heiligtum  des  Trophonios; 
so  sei  er,  ohne  selbst  zu  wissen  wie,  nach  Lebadeia  gekommen. 

Daß   hier  Menippbenutzung   vorliegt,   wird  wahrscheinlich    nicht 
nur  durch  die  Nachi-icht,  daß  Menipp  eine  Nekyia  geschrieben  hat^j. 


1)  Diog.  Laert.  VI  101. 


Von  Menipp  beeinflußte  Parallelen.  19 

Ton  deren  Art  nnd  Umfang  wir  uns  ja  keine  Vorstellung  machen 
können^  sondern  eben  dadurch,  daß  Lucian  dem  Kyniker  die  Hauptrolle 
in  dem  Dialog  zuerteilt  hat.  Die  Benutzung  von  Versen  des  Homer 
und  Euripides  \)  zu  parodischen  Zwecken  entspricht  dem  Brauch  menip- 
pischer  Satire.  Ein  weiteres  Argument  bietet  Horaz  sat.  II  5,  wo  in 
ähnlicher  Weise  wie  in  der  'Nekyomantie'  Ulixes  zu  Tiresias  kommt 
und  sich  Rats  erholt  über  die  beste  Art,  sein  Vermögen  wieder  auf- 
zubessern.^) Allerdings  kommt  man  über  ein  paar  äußerliche  Ähnlich- 
keiten nicht  hinaus^)  und  ein  sehr  wesentlicher  Unterschied  ist 
zwischen  beiden  Dialogen:  Horaz  knüpft  unmittelbar  an  die  home- 
rische Szene  an,  die,  wie  Norden  gezeigt  hat*),  eine  richtige  Nekyo- 
mantie  ist,  Lucian  dagegen  hat  eine  xaraßKöcg^  er  führt  seinen  Menipp 
durch  die  ganze  Unterwelt,  wie  Vergil  Aeneis  VI  den  Aneas  von  der 
Sibylle  geleiten  läßt.  Bei  der  Selbständigkeit,  mit  der  Horaz  in  seinen 
Satiren  fremdem  Vorbilde  nachgeht  und  die  es  so  schwer  macht,  das 
Bionische  Gut  wirklich  bei  ihm  herauszuschälen,  wäre  es  durchaus 
nicht  verwunderlich,  daß  er  nicht  mehr  als  die  Anregung  zu  dieser 
Parodie  au.s  Menipp  übernahm;  ist  ja  doch  auch  das  Laster  der  Erb- 
schleicherei, zu  der  Tiresias  bei  ihm  rät,  so  speziell  seiner  Zeit,  in  der 
Kinderlosigkeit  bei  Vornehmen  fast  die  Regel  war,  angemessen^),  daß 
man  nur  die  ganz  allgemeinsten  Entlehnungen  aus  seiner  Quelle  an- 
nehmen kann.  Also  auch  Horaz  kann  uns  nicht  weiter  als  bis  zu 
allgemeinen  Vermutungen  führen.  Noch  weniger  Varro,  der  in  der 
Satire  Jtegl  i^aycoy^g  eine  Art  Nekyia  —  doch  wohl  nach  menippischem 


1)  1:  Od.  XI  168.  4;  9:  Od.  XI  6;  10:  11.  XX  61;  (11:  Od.  XXIV  13);  21 :  Zu- 
sammensetzung aus  Od.  XI  627,  XXIV  13;  1:  Eur.  Herc.  für.  628.  4;  Hecub.  1.  2; 
Andrem,  fr.  149  ine.  fab.  936  Nauck '.  Daß  gerade  diese  beiden  Dichter  in  der 
menippiflchen  Satirc  mehrfach  verwendet  sind,  werden  wir  öfter  bemerken.  Vgl. 
Joel,  Der  echte  und  der  xenophont.  Sokratcs  II',  Berlin  1901,  S.  890;  Hense, 
Rhein.  Muh.  LXI  (1906)  8.  11  f. 

2)  Siehe  Kießlings  Ausgabe  liinlcil^'.  /u  Sal.  11  ..;  Dietericli.  >.«ks...,  Lv,^>,.. 
1898,  8. 142  Anm.;  Th.  Fritzsche,  Menipp  und  Horaz,  Güstrow  1871,  S.  29;  Heinze, 
De  Horalio  Bionis  imitatore,  Honn  18H9,  S.  H;  Hense,  Festschrift  für  Th.  Üomperz, 
Wien  1902,  8.  19.H  und  die  dort  zitierten  Gelehrten. 

8)  Sie  gipfeln  darin,  daß  Menipp  auch  den  Pilos  hat  und  Odysseus  vor- 
stellen soll,  daß  er  um  Hat  fragt  und  dieser  erteilt  wird;  die  einzige  wörtliche 
Übereinstimmung  findet  sieh  in  dem  6  dk  y^^^ff^S  Necyom.  21  und  'quid  rides?' 
Kiit  II  Tj,  8.  Tbcr  Ähnlichkoiten  im  Ausdruck  mit  anderen  Dialogen  Lucians 
werden  wir  in  Kap.  VIII  handeln. 

4)  Aeneis  Huch  VI  orkl.  v.  Kd.  Norden,  Leipzig  19(».M,  S.  196. 

6)  Siehe  Frii'diftnder,  Sitt^'ngeschichte  Ilomf  I"  ^  Mi»r  Wir  kommen 
darauf  hei  den  'Totengespräohen*  zurflck. 


20  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

Vorbild  —  geschaffen  hat.  Es  läßt  darin  jemand  die  berühmten  Selbst- 
mörder Revue  passieren^);  aber  mehr  als  daß  es  sich  um  eine  Szene 
im  Hades  handelt,  können  wir  nicht  erkennen. 

Daß  in  Lucians  ^Nekyomantie'  älteres  Gut  verwandt  ist,  lehrt 
aber  sowohl  die  äußere  Gestaltung  der  Erzählung,  wie  auch  die  Art 
einzelner  Gedanken.  Menipp  geht  zur  Unterwelt,  um  Tiresias  zu 
befragen,  welches  das  beste  Leben  sei.  Wieland  hat  an  diesem  Motiv 
Anstoß  genommen,  indem  er  nur  die  Odyssee  daneben  hält,  in  der 
ja  allerdings  der  Prophet  besser  angebracht  war,  weil  er  Zukünftiges 
angeben,  die  weiteren  Schicksale  des  Helden  voraussagen  und  seine 
Mahnungen  daran  knüpfen  konnte.  Wenn  der  Vorwurf  berechtigt  ist, 
so  hat  Lucian  bei  diesem  Motiv  zweifellos  Vorgänger  gehabt.  Man 
braucht  nur  auf  Aneas  zu  verweisen,  für  den  ein  eigentliches  Motiv 
zu  seiner  Hadesfahrt  doch  auch  nicht  vorhanden  war;  die  pietas  des 
Helden  allein  und  der  Wunsch,  seinen  Vater  wiederzusehen,  ist  ja  für 
die  Komposition  nur  ein  schwaches  Mittel.^)  Aber  näher  noch  liegt  der 
Vergleich  mit  Timons  Sillen,  in  deren  zweitem  Buch  der  Verfasser 
ebenfalls  eine  Unterweltswanderung  unternahm  und  sich  von  Xeno- 
phanes  unterweisen  oder  geleiten  ließ.  ^)  War  es  kein  Seher,  so  mußte 
es  ein  Fachmann  sein,  der  Auskunft  gab.  In  Aristophanes'  'Gerytades' 
erbitten   die  Hadesfahrer  bei  den  verstorbenen  Dichtern  Rat.*)     Für 

1)  Nach  Hirzels  Vermutung  Der  Dialog.  Leipzig  1895,  I  449. 

2)  Vgl.  Norden  a.  a.  0.  S.  .^43;  Heinze,  Virgils  epische  Technik,  Lpzg.  1903, 
S.  428  f. 

3)  Die  Parallele  Xenophanes-Tiresias  zieht  schon  0.  Jahn  Herrn.  II  (1867)  237. 
Wachsmuth,  Sillogr.  Graec.  S.  43  rekonstruiert  die  Einleitung  etwa  so:  ^sed  pla- 
cita  vestra  (der  Philosophen)  omnia  inter  se  pugnant:  quis  igitur  probandus  est? 
hoc  ut  cognoscerem,  nuper  in  Orcum  profectus  sum  et  narrabo  vobis  quae  ibi 
expertus  sum'.  Diese  Kombination  bleibt  nach  Vergleich  mit  Lucians  ''Nekyo- 
mantie' für  den  Teil  der  Sillen,  der  durch  die  Nekyia  gebildet  wird,  bestehen, 
auch  wenn  im  übrigen  Wachsmuths  Vermutungen  über  die  Sillen  vor  der  Rekon- 
struktion von  H.  Diels,  Poet.  Philosoph.  Frgmt.,  Berlin  1901,  S.  182  ff.  weichen 
müssen,  über  die  wir  zu  Lucians  '^Fischer'  mehr  zu  reden  haben  werden.  —  Für 
Krates  läßt  sich  eine  Hadesfahrt  aus  den  Fragmenten  nicht  erweisen  (Ettig, 
Acheruntica,  Leipz.  Studien  XUI  S.  319);  die  Benutzung  einzelner  Verse  aus 
Homer  Od.  XI  spricht  noch  nicht  für  die  Verwertung  des  Motivs,  das  iv  MsyaQOig 
fr.  1  Diels  S.  217  läßt  die  Frage  auch  nicht  entscheiden,  da  es  sowohl  Name 
wie  Appellativum  sein  kann,  obwohl  Stilpons  Geburt  in  Megara  (Diog.  Laert.  II 
113)  doch  für  die  Auffassung  als  Städtenamen  spricht,  die  Diels  auch  bevorzugt 
hat  (Wachsmuth,  Sillogr.  Gr.  S.  72  f.).  —  Sammlungen  von  Hadesfahrten  bei  Rohde, 
Griech.  Roman ^  Lpzg.  1900,  S.  279,  3  (^  S.  260).  Diels,  Archiv  f.  Gesch.  d.  Philo- 
sophie III  (1890)  S.  469. 

4)  Comicor.  Attic.  frgmt.  ed.  Kock  I  S.  427. 


Veranlassung  zur  Hadesfahrt.  21 

Lucian  gab  es  keinen  Fachmann,  er  brauchte  nur  einen ^  der  beson- 
deren Verstand  hat  und  selbst  nicht  durch  irgendwelche  Einbildungen 
geblendet  ist.  Nun  ist  es  ja  ein  alter  Glaube,  daß  die  Seele,  wenn 
sie  sich  vom  Körper  löst,  in  einen  Zustand  erhöhten  Lebens  und 
größerer  Erkenntnisfähigkeit  zurückkehrt^):  darum  die  Weissagungen 
Sterbender,  darum  die  Beschwörung  Gestorbener.  Der  Sage  nach  paßte 
aber  keiner  dazu  so  gut,  Auskunft  über  jede  Frage  zu  geben,  auch 
diejenige,  die  nur  Sache  des  Verstandes  ist,  als  Tiresias,  tov  re  (pQavsg 
e^iTtsdoC  eiöLV  x(p  xal  Tsd-vr^ätL  voov  nÖQS  IleQöefpovua  oI'g)  ^envv- 
ö^ai'^  ihm  ist  allein  von  den  Toten  die  'Helligkeit  seines  Geistes' 
geblieben");  und  eine  Frage  mit  bezug  auf  den  Vorzug  dieses  oder 
jenes  Lebens  konnte  er  jedenfalls  aus  eigener  Erfahrung  beantworten, 
die  Frage,  die  Lucian  im  'Hahn'  (19)  seinen  MikyUos  stellen  läßt; 
dazu  berechtigte  ihn  die  bekannte  Entscheidung  des  Streites  zwischen 
Zeus  und  Hera.  Auch  bei  Horaz  gibt  Tiresias  Unterweisungen  über 
ein  rein  praktisches  Unternehmen,  und  es  ist  ja  klar,  daß  die  Parodie 
um  so  stärker  wurde,  je  weiter  der  Gegenstand  der  Frage  von  dem 
alten  Seher  ursprünglich  ablag.  Menipp  aber,  der,  obwohl  aus  Gadara 
stammend,  seinen  Wohnsitz  in  Theben  aufgeschlagen  hatte ^),  mußte 
sich  erst  recht  veranlaßt  fühlen,  gerade  seinen  klugen  Limdsmann  auf- 
zusuchen. Dieser  Umstand  und  die  Wiederkehr  des  Tiresias  bei  Horaz, 
sowie  die  vermutliche  Gleichartigkeit  des  Motivs  bei  Timon  lassen 
daran  denken,  daß  auch  bei  Menipp  ein  ähnlicher  Grund  für  die 
Hadesfahrt,  die  doch  irgendwie  motiviert  sein  mußte,  angegeben  war, 
und  daß  vielleicht  auch  dort  Tiresias  diis  Ziel  der  Wanderung  war. 

Der  Lucianische  Menipp  geht  nun  nicht  als  gewöhnlicher  Mensch 
zur  Unterwelt,  sondern  in  einem  besonderen  Kostüm,  durch  das  er 
den  Eindruck  alter  Heroen  wachrufen  will.  Bei  Aristophanes  in  den 
'Fröschen*  benutzt  Dionysos  im  gleichen  Falle  die  Löwenliaut  des 
Herakles^;,  wodurch  die  xardßuöig  ^HQaxXeovg  parodiert  wird;  von 
den  'Gerytades'  desselben  Dichters,  die  ebenfalls  in  den  Hades  führten, 
wissen  wir  leider  nichts  Genaueres,  als  daß  es  drei  gewesen  zu  sein 
scheinen,  der  Komödiendichter  Sannyrion,  der  Tragiker   Meletos  und 

1)  Ilohde,  Pnychc,  FroibuiK  i.  li    If^UM,  I«  8.  oft  Anai.  1  >      '    *'»   «8 

nach  Posidoniaii.  2)  liohde,  ebenda  I'  117  Anm.  '2 

8)  Diojf,  Laert.  VI  üO;    Hir/.cl,    l)iuloj(,    Lp/.j^    1895,  11  ^^.  .ilT  i.h 

Koauer  (■.  o.  8.  16;  8,  16,  der  aber  nur  H<'i»piel«'  fflr  <H<'  Hefniptinp  ion 

TirefiBH  anführt 

4;  P,  Hchulxe,   <.juae  r»»!«'  Inu.r.  «».Int    uif;  Luciau.  iL  i'^un',... 
Berlin  1HH8,  8.  29 


22  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

der  Lyriker  Kinesias,  die  als  Gesjindte  geschickt  wurden,  um  bei 
den  verstorbenen  Koryphäen  der  Dichtkunst  sich  Rats  zu  erholen; 
es  scheint  aber  nicht,  daß  sie  ausstaffiert  waren,  vielmehr  waren  sie 
wegen  ihrer  Klapperdürre  ausgewählt,  da  sie  leicht  für  Tote  angesehen 
werden  konnten.^)  So  wird  es  nur  Zufall  sein,  daß  bei  Lucian  gerade 
drei  Verkleidungen  gehäuft  werden;  denn  er  fügt  zur  Löwenhaut  die 
Kopfbedeckung  des  Odysseus  und  die  Leier  des  Orpheus  hinzu,  so 
daß  nun  die  drei  berühmten  naraßccöeig  sämtlich  parodiert  sind.  Die- 
selben sind,  wie  Norden  nachgewiesen  hat^),  von  Yergil  benutzt  worden, 
wodurch  sich  die  Übereinstimmungen  zwischen  beiden  erklären. 

Die  Vorbereitung  auf  den  Gang  in  den  Hades  findet  entsprechend 
den  Vorschriften  der  Zauberlehre ^)  statt,  die  sich  zum  Teil  mit  den 
für  die  Aufnahme  in  die  Mysterien  bestehenden  Vorschriften  decken.*) 
Es  ist  zunächst    auffällig,   daß    alle   diese  Vorschriften    mit   völligem 


1)  Kock  I  S.  427.  Über  des  Pherekrates  TCQaTtccrccXoi  (Kock  I  S.  167;  Meineke, 
Historia  critica  comicor.  Graecor.  S.  84  f.)  ist  nichts  zu  sagen. 

2)  Aeneis  Buch  VI;  die  Stellen  sind  im  Register  S.  468  unter  xatccßaGig 
verzeichnet. 

3)  Kroll,  Antiker  Aberglaube,  Hambg.  1897,  benutzt  deshalb  mit  Recht 
gerade  diese  Stelle,  um  eine  ganze  Anzahl  von  Erscheinungen  zu  beleuchten, 
S.  30  ff.  Über  alle  diese  Zauberriten  bei  Lucian  und  ihre  Ähnlichkeit  mit  dem 
Mysterienwesen  verweise  ich  auf  die  kurze  Zusammenstellung  bei  A.  Dieterich, 
Abraxas,  Lpzg.  1891,  S.  157  Anm.  2,  wo  die  Reinigungen,  die  Grube,  die  Fackeln, 
die  Spende  von  Milch  und  Honig,  das  Schlafen  auf  Binsen,  auch  die  Verwendung 
von  Zwiebeln  erwähnt  sind.  Für  die  ganze  Nekromantie  gibt  eine  fleißige 
Sammlung  Fahz  in  den  Religionsgeschichtlichen  Versuchen,  her.  von  Dieterich  und 
Wünsch,  11  S.  110  ff.  Zu  erinnern  ist  auch  an  die  magische  Verwendung  der 
Mithrasliturgie :  A.  Dieterich,  Mithrasliturgie,  Lpzg.  1903,  S.  16  ff.  und  den  Papyrus 
Mimaut  bei  Reitzenstein  Poimandres,  Leipzig  1904,  S.  146  ff. 

4)  Auch  durch  die  Mysterien  werden  ja  die  Eingeweihten  mit  den  Schrecken 
der  Unterwelt  vertraut  gemacht  (Rohde,  Psyche^  I  301,  II  400  Anm.  1;  Stengel, 
Griech.  Kultusaltertümer  ^,  München  1898,  S.  164;  Anrieh,  Antikes  Mysterienwesen, 
Göttingen  1894,  S.  33.  42;  Cumont,  Textes  et  monuments  relatifs  aux  mysteres 
de  Mithra,  Bruxelles  1899,  I  fo.  321).  Für  die  Isismysterien  zeugt  Apul.  met. 
XI  23:  accessi  confinium  mortis  et  calcato  Proserpinae  limine  per  omnia  vectus 
elementa  remeavi;  von  den  &ai(i6vcov  ^&ovicov  nvöäv  ov^ßolcc  und  07/jftg  ixtccgdr- 
tovöai  rovg  rsXov^^vovg  bei  den  heiligsten  Weihen,  sowie  den  itaraTiXri^SLg  dicc 
x&v  Xsyo^svoov  und  dtä  xcav  dsLxvv^ivojv ,  von  den  aQQT]T(ov  cpcc6^dt(ov  del^etg 
spricht  Proklos  in  Alcibiad.  I  39  f.  61. 142  Creuzer,  und  Lucian  gibt  den  Beleg  für 
die  eleusinischen  Mysterien  wenigstens  seiner  Zeit,  Catapl.  22  (Maaß,  Orpheus, 
München  1895,  S.  95  f.).  Für  die  dionysischen  Weihen  haben  wir  das  Zeugnis 
des  Origenes  c.  Gels.  IV  9:  rotg  iv  rcctg  Ba-aiiytccig  rsXstcctg  xa  g)d6ncctcc  jcccl  dsl- 
^lata  TfQosLödyovai,  und  Celsus  hatte  nach  Origenes  c.  Gels.  Vlll  48  von  den  KoXdasig 
bei  den  Mysterien  gesprochen,  die  den  christlichen  ewigen  Strafen  entsprächen. 


Vorbereitung  zur  Hadesfahrt.  23 

Ernst  vorgetragen  werden  und  man  dabei  den  Schalk  nirgends  recht 
herausfühlt.  Für  die  Zeitgenossen  wird  der  Witz  klarer  gewesen  sein; 
er  beruhte  offenbar  entweder  in  der  Häufung  aller  sonst  bei  Zauberei 
nötigen  Gebräuche  oder  in  der  Profanierung  der  Mysterien  geh  rauche 
oder  in  beidem  zusammen.  Vorgeführt  würde  die  Szene  gewiß 
mehr  wirken^  und  man  muß  daran  denken,  daß  schon  Aristophanes 
in  den  'Wolken'  die  Einweihung  der  orphischen  Mysten  in  dieser 
Weise  profaniert  und  zum  Gespött  macht.  ^)  Das  zweite  Jahr- 
hundert n.  Chr.  zeigt  aber  ein  Aufblühen  des  Mysterienwesens*), 
das  die  Satire  herausfordern  und  selbst  Jahrhunderte  alte  Verhöhnungen 
wieder  aktuell  erscheinen  lassen  konnte.  Es  ist  nicht  unwahrschein- 
lich, obwohl  ja  in  gewisser  Hinsicht  alle  Mysterien  sich  ähneln, 
daß  Lucian  besonders  die  Mithrasmysterien  vorgeschwebt  haben,  wie 
Cumont^j  vermutet  hat,  zumal  er  es  selbst  durch  den  Namen  des 
Magiers  Mithrobarzanes  angedeutet  hat.  Auf  Mysterien  werden  wir 
auch  gleich  in  dem  einleitenden  Zwiegespräch  hingewiesen  durch  die 
Worte  Menipps,  mit  denen  er  sich  weigert  über  das  Gehörte  Auskunft 
zu  geben  und  in  denen  ä7c6QQi]ra  so  recht  Mysterienausdruck  ist.*) 
Es  ist  aber  eine  feinere  Art  der  Satire,  die  Lucian  verwandt  hat  und 
vielleicht  eben  mit  Rücksicht  auf  den  Gegenstand  verwenden  mußte.'') 


1)  Siehe  A.  Dieterich,  Rhein.  Mus.  XL VIII  1 1893)  S.  275  S.  Man  kann  auch 
erinnern  an  kathartiscbe  Dichtungen  wie  die  des  Empedokles  und  Epimenides, 
die  ja  durch  Askese  den  Verkehr  mit  den  Göttern  zu  erreichen  lehrten  (Diels, 
Parmenides'  Lehrgedicht,  Berlin  1897,  S.14  ff.).  Hier  haben  wir  die  Parodie  dieser 
asketischen  Vorschriften. 

2)  Wendland,  Zeitschr.  f.  neutestamenfcl.  Wissenschaft  V  (1904)  S.  353;  ich 
erinnere  an  das  oben  erwähnte  Beispiel  des  Apuleius  (s.  S.  6). 

3)  A.a.O.  (8.  S.  22  Anm.  4)  I  323  Anm.  6,  II  28.  Auch  Bousset,  Archiv  filr 
ReligionswiKHensch.  IV  104  f ,  bringt  Luciaus  Darstellung  in  vager  Weise  mit  der 
Religion  des  Mithras  in  Verbindung. 

4)  Necyom.  2:  ov  ^iy.ii  ixtp^gsiv  ccvtä  ngös  tinccvTccs  ovSk  t«  ocnoggurcc 
i^ayoQSvtiv;  l'hilonides  antwortet:  ngb^^  yug  dSora  atan&v  ifftii  rd  t  älla  xal 
icQÖg  neiivrm^vov;  über  ««dppijra  als  Mysterienausdruck  s.  Wobbermin,  Reli- 
gionsgeschichtl.  Studien,  Berlin  1896,  S.  157,  ixtpigsiv  ebenso  Lobeck,  Aglaopha- 
inus  I  55. 

5)  Interessant  ist  es  dagegen  die  groteske  .\rt  xu  halten,  mit  der  Habelais 
im  '(iarganiua  und  PantagrueP  derartige  Vorbereitungen  verhöhnt,  sicher  im 
Anschluß  an  Lucian,  den  er  Buch  II  Kap.  1  ('ab  und  zu  sprechen  sie  [die  Pm- 
■agiere  in  der  Arche  Noahs  mit  dem  darauf  sitzenden  Kiesen  Ilurtuly]  auch  mit- 
einander, wie  nach  Luciuns  Bericht  Icaromenippus  mit  Juppitr'^  mu\  Buch  IV 
Kap.  15  ('Das  ist  ja  das  reine  Symposion  der  Lapiihcn,  wie  eH  tter  Philosoph 
von  Hamosatti  beschreibt')  zitiert  und  den  er  auch  sonst  verwertet  hat.  Ucutach 
(Lucianstudien  8.  20y  und  K.  FOniter  (Lucian  in  der  ReniiiHHaneo  8. 16/16  [s.S.  S]) 


24  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

Menipp  wird  zunächst  gereinigt,  indem  er  einen  Monat  lang  vom 
Neumond  an^)  täglicli  zum  Euphrat  geführt  wird;   so  wird  auch  der 

fuhren  die  Benutzung  unserer  'Nekyomantie'  Buch  11  Kap.  30  an,  wo  dem  ge- 
töteten Epistemon  der  Kopf  wieder  aufgesetzt  wird  und  er  nun  von  seinen 
Erlebnissen  in  der  Unterwelt  berichten  kann;  wir  werden  später  auf  diese 
ünterweltszene  verweisen.  Es  ist  aber  zweifellos,  daß  auch  die  ganze  Reise 
des  Pantagruel  und  Panurg  nach  dem  Flaschenorakel,  die  das  4.  und  5.  Buch 
füllt,  nach  Lucians  'Wahren  Geschichten'  erfunden  ist,  nur  daß  Rabelais  dabei 
aktuelle  Satire  auf  Pabst  und  Geistlichkeit,  Inquisition,  Alchemisten  und  Markt- 
schreier, Richter,  Schlemmer  und  alles  Mögliche  schaflFt.  Am  deutlichsten  spricht 
ja  für  die  Entlehnung  das  Land  Laternien  Buch  V  Kap.  32.  33,  wie  Rabelais 
mit  einem  Wortspiel  auf  den  Lateran  gesagt  hat,  das  der  Lucianischen  Lychno- 
polis  ('Wahr.  Gesch.'  I  29)  seine  Entstehung  verdankt  und  in  dessen  Hafen  die 
Lychnobier  wohnen.  Der  Aufenthalt  in  Pantagruels  Mund  (Buch  II  Kap.  32), 
wo  der  Erzähler  Felsen,  Wiesen  und  Wälder,  ja  ganze  Städte  sah  und  zuerst 
auf  einen  Mann  stieß,  der  Kohl  pflanzte,  ist  nach  Lucians  'Wahr.  Gesch'.  I  30  ff. 
ersonnen,  wo  die  Fahrenden  mitsamt  dem  Schiff  von  einem  Ungeheuer  ver- 
schluckt werden,  in  dessen  Innerem  Ebenen  und  Höhen  sind,  LTtavbv  iivgidvögco 
TidXsi  ivoL-KEiv^  und  man  einen  Alten  trifft,  der  zugleich  mit  einem  Jüngling 
seinen  Gemüsegarten  bestellt.  Auch  die  Namengebung  für  die  Nonne  und  den 
Mönch  (Buch  III  Kap.  19)  in  der  Novelle  nach  Art  des  Boccaccio  entspricht  der 
von  Lucian  bei  Gelegenheit  des  Volksbeschlusses  in  der  'Nekyomantie'  (20)  an- 
gewandten, wie  er  ja  auch  sonst  ganz  wie  Lucian  Namen  gibt,  die  in  gewisser 
Weise  die  Träger  charakterisieren  (s.  Schneegans,  Groteske  Satire,  Straßbg.  1894, 
S.  263,  der  übrigens  die  Lucianbenutzung  nicht  erwähnt).  Was  Rabelais  von 
dem  ungeheuren  laborator  naturae  Buch  II  Kap.  1  oder  von  dem  Lothringer  in 
dem  Kapitel  über  die  Bedeutung  des  Hosenlatzes  (III  8)  erzählt,  hat  sein  Vor- 
bild an  den  Männern  in  den  'Wahr.  Gesch.'  II  45,  die  an  den  ccldotcc  —  ^Laydlcc 
Sh  (pEQOvGiv  —  die  Segel  anspannen  and  dann  rücklings  liegend  das  Meer  durch- 
fahren. Nach  den  Vorbereitungen  Menipps  sind  diejenigen  ersonnen,  die  Panurg 
über  sich  ergehen  lassen  muß,  ehe  er  das  heilige  Wort  der  Flasche  vernehmen 
darf;  ich  kann  es  mir  nicht  versagen,  zur  Beurteilung  des  Unterschiedes  die 
Stelle  hier  abzudrucken  nach  der  Übersetzung  von  Gelbcke  (Lpzg.  Bibliogr.  In- 
stitut, n  S.  331):  'Hierauf  tat  sie  ihm  einen  grünen  Mantel  um,  setzte  ihm  ein 
schönes  weißes  Käppchen  auf,  darüber  einen  Hypokras-Filtriersack  mit  drei  Spieß- 
lein statt  der  Quaste  am  Zipfel,  bündelte  ihm  zwei  altfränkische  Hosenlätz'  an, 
umgürtete  ihn  mit  drei  aneinander  gebundenen  Dudelsäcken,  wusch  ihm  das 
Gesicht  dreimal  in  besagter  Quelle,  warf  ihm  dann  eine  Handvoll  Mehl  ins 
Gesicht,  steckte  ihm  an  die  rechte  Seite  des  Hypokras-Filters  drei  Hahnenfedern, 
ließ  ihn  neunmal  um  die  Quelle  herumgehen,  drei  putzige  kleine  Sprünge  machen 
und  zuletzt  siebenmal  mit  dem  Hintern  gegen  den  Fußboden  stoßen,'  wobei  sie 
ununterbrochen  weiß  Gott  was  für  Beschwörungen  in  etruskischer  Sprache  mur- 
melte und  dabei  etwas  aus  einem  Ritualbuch  las,  das  einer  ihrer  Mystagogen 
ihr  vorhielt.' 

1)  Über  den  Einfluß  des  Mondes  auf  die  Zauberei  und  die  Bedeutung  des 
Neumondes  s.  Röscher,  Selene  und  Verwandtes,  Lpzg.  1890,  S.  84  ff.;  Nachträge, 
Lpzg.  1895,  S.  30. 


Vorbereitung  zur  Hadesfabrt.  25 

aus  Eselsgestalt  wieder  entzauberte  Lucius  bei  Apuleius  (met.  XI  23) 
vor  der  Aufnahme  in  die  Isismysterien  vom  Priester  zum  Bade  ge- 
leitet, der  ihn  prius  sueto  lavacro  traditum,  praefatus  deum  veniam, 
purissime  circumrorans  abluit.  Der  Magier  spricht  dann  eine  lange 
Zauberformel,  die  dem  Unkundigen  nicht  verständlich  ist  und  aus  der 
nur  die  Namen  bestimmter  Gottheiten  heraustönen.  Unverständliche 
Worte  gehören  zu  jeder  magischen  Beschwörung,  wie  uns  die  Zauber- 
papvri  zeigen.  M  Die  Formel  wird  mit  dem  Gesicht  gegen  Osten  ge- 
sprochen, ^ie  das  erforderlich  ist,  und  zwar  gegen  die  aufgehende 
Sonne.*)    Nach  der  Beschwörung  speit  der  Magier  dem  Menipp  drei- 

1)  Necyom.  9:  naQa^iiyvvg  OL\ia  xal  ßccQßagixd  riva  xal  &arnLa  6v6^ccxa  xal 
nolvavXXttpa ;  vgl.  Anaxilas  Kock  II  S.  26»  fr.  18,  7:  'Ecpfarncc  ygäfipiaTa:  Menander 
Kock  III  S.  108  fr.  371:  'Eqiioicc  xoig  yanovatv  ovrog  TtfQiTturst  liyaiv  aif^iqpccp- 
uctxcc;  Apul.  met.  III  21:  multumque  cum  lucema  secreto  conlocuta;  vgl.  A.  Die- 
terich, Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl.  XVI  767  ff.;  Rhein.  Mus.  LVI  (1901)  S.  77  ff.; 
Mithrasliturgie  S.  32  ff.,  wo  die  6v6iiccxu  aarfiia  in  ihrer  Bedeutung  für  den  Kult 
behandelt  sind;  Abraxas  S.  22.  42;  Lobeck,  Aglaophamus  II  1163.  1330;  Wünsch, 
Sethian.  Verfluchungstafeln,  Lpzg.  1898,  S.  77  (Antikes  Zaubergerät  aus  Pergamon, 
Jahrb.  d.  Kaiserl.  Deutsch.  Archäol.  Instituts  Ergzgsh.  VI  [1905J  S.  28  ff".);  Heim, 
Incantamenta  magica.  Jahrb.  f.  klass.  Phil:  Suppl.  XIX  S.ö26;  Audollent,  Defixionum 
tabellae,  Paris  1904,  S.  LXVIIff.;  Wessely, 'Egjacm  ygä^iiata,  Progr.  Wien  1886; 
Reitzenstein  (b.  S.  22  Anm.  2)  S.  66  f ;  Ed.  Meyer,  Geschichte  des  Altertums,  Stattg. 
1884  I  S.  143:  'So  ist  den  späteren  Zeiten  des  Neuen  Reichs  die  Entdeckung 
vorbehalten  geblieben,  daß  die  für  Zauberzwecke  und  ein  glückliches  Leben  nach 
dem  Tode  wirksamsten  Namen  der  unbekannten  Götter  und  Dämonen  in  absolut 
Hinnlosen  Zusammenstellungen  von  Buchstaben  beständen.'  (Vgl.  auch  die  Anmer- 
kung dazu.)  Dieser  ägyptische  Einfluß  zeigt  sich,  wenn  Lucjm»  riiHopg.  31  sagt: 
ulyvnridj^tov  r^  (ftov^  (vgl.  auch  9  und  12,  dial.  meretr.  4,  ö  . 

2t  Vgl.  Cumont  I  S.  12H;  Kroll,  Antiker  Aberglaube  f^.  i:J.  uegen  Osten 
wendet  sich  der  Zauberer  Apul.  met.  II  28,  der  den  toten  Jüngling  beschwört; 
nach  Osten  muß  der  Anblick  frei  sein  für  Zaubereien  im  Hause  der  PamphiU 
Apul.  met.  III  17.  In  dem  Leydoner  Zauberpapyrus  VI  16  (Dieterich  S.  806i  heißt  es: 
xotfi«b  nffbg  ivaroXctg  txmv  ri]v  xtffxxXiiv^  VII 1 :  ßX^novri  nghg  avaroX^v.  Ein  votnm 
contra  soleni  orientem  bei  Heim,  Incantamenta  magica  36,  conversus  ad  'orientem 
rogabis  deum'  ebendort  36,  'sub  divo  orientem  spectans'  101,  (nctd^^^otTO  xgbg 
((vaxoXdg  ijXiov  106;  Parthey,  Berliner  Zaubcrpapyrus,  Abhdlg.  d.  Berl.  Aka<l.  d. 
Wisi.  1H66  S.  162,  80:  xQÜ^  ^^  iv  xotg  &vtxxoXixoli\  Kratinus,  XHiftavig  Kock  I  83 
fr.  282,  wo  auch  die  Meerzwiebel  vorkommt.  Und  nicht  nur  in  der  ZaubenM,  bei 
allen   Kulthai  *'  .    bei   heiligen    VortrHgen,    beim    Gebet    spielt  der   Osten 

eine  Hauptr«  n,  Das^Trmplum,  Berlin  1869.  8.  168  f).    Die  Tempel  sind 

meist  nach  Outen  uri.-ntiert    NisHen  173  ff  ;  Rhein.  Mu».  XL  (1886)  S.  H29:  St4«nge!, 
Gricch.  KultuHaltertamcr',  München  1898,  8.  26).     Auch  die  ältesten  christlichen 
Kirchen    schließen  sich   dem   an,   wie   sich    der  Betende   nach    Osten  wendet 
TertuUiau.  c.  Valeniinian.  8  ap«'   i'     H.iuck,   Kealeneyclopidie   fflr  Protestant 
Kirche  X  792  (Kircbenbau). 


26  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

mal  ins  Antlitz;  die  abwehrende  Kraft  des  Speichels  in  der  Zauberei 
ist  allgemein  bekannt.^)  Auf  dem  Rückweg  darf  der  Zauberer  keinen 
ansehen.  Die  Speise  Menipps  in  dieser  Zeit  sind  Früchte,  sein  Trank 
Milch,  ein  Honiggemisch  und  Wasser,  wie  derjenige,  der  sich  in  die 
Isismysterien  einweihen  läßt,  kein  Fleisch  essen  darf  und  sich  des 
Weines  enthalten  muß;  seine  Lagerstätte  bildet  das  Gras  unter  freiem 
Himmel.^)  Nachdem  diese  Vorbereitung  vollzogen  ist,  wird  er  um 
Mitternacht  am  Tigris  gereinigt^)  und  geweiht  mit  Fackeln  und  Meer- 
zwiebeln. So  spricht  von  der  Entsühnung  durch  Fackeln  TibuU  I  2 : 
*et  me  lustravit  taedis'  und  Claudian  de  VI.  Honorii  cons.  324:  lustra- 
lem  sie  triste  facem  ....  circum  membra  rotat  doctus  purganda  sa- 
cerdos'*),  und  in  gleicher  Weise  reinigt  der  Magier  Lucians  im  Thi- 
lopseudes'  12  das  Haus  ^eCcp  xal  dadl  .  .  .  TCSQLEXd'av  sg  tQtg]  die 
Meerzwiebel  hatte   bei   den   Pjthagoreern    apotropäische    Kraft ^),    als 


1)  Kroll  (s.  S.  22  Anm.  3)  S.  23.  30  f.  Heim  (s.  S.  25  Anm.  1)  S.  489  Anm.  2  führt 
Literatur  an.  Theokr.  VI  39:  tglg  el?  i^ov  ^tctvgcc  ycolTtov  (VII  127).  Plin.  n.  bist. 
XXVni  35  ff.   Für  die  Dreizahl  vgl.  Diels,  Sibyllin.  Blätter,  Berl.  1890,  S.  40  Anm.  1. 

2)  Vgl.  Apul.  met.  XI  23.  Über  die  Bedeutung  von  Milch  und  Honig  hat 
Usener,  Rhein.  Mus.  LVII  (1902)  S.  177  ff.,  gehandelt,  der  darauf  hinweist,  daß  in 
dem  Berl.  Zauberpapyrus,  Parthey,  Abb.  d.  Berl.  Akad.  1865  S.  120,  20 f.,  empfohlen 
wird  Milch  und  Honig  zu  trinken.  (Vgl.  Reitzenstein  [s.  S.  22]  S.  228.)  Usener  führt 
den  Gebrauch  des  Trankes  von  Milch  und  Honig  in  der  alten  christlichen  Kirche  auf 
die  Mysterien  zurück.  Auf  unsere  Stelle  verweist  in  dem  richtigen  Zusammenhang 
A.  Dieterich,  Mithrasliturgie  S.  172.  (Vgl.  auch  Leydener  Zauberpapyrus  VH  1  [Die- 
terich 806];  Norden,  Vergil  Aen.  VI  S.  299f.)  Über  das  Fasten  bei  den  eleusinischen 
Mysterien  s.  Diels,  Festschrift  für  Gomperz  S.  6,  beim  orphischen  Kult  Rohde,  Psyche 
IP  S.  128,  über  die  Enthaltung  von  Fleisch  und  Wein  zur  Vorbereitung  aaf  die 
Incubation  Deubner,  de  incubatione,  Lips.  1900,  S.  16  f.  Auch  die  von  Porphy- 
rios  de  abstin.  IV  7  nach  dem  Stoiker  Chairemon  geschilderte  Sekte  enthält  sich 
während  der  ayvslai  des  Fleisches  und  schläft  auf  einem  Lager  aus  Palmblättem 
(Wendland,  Die  Therapeuten,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.,  Suppl.  XXH  S.  754).  Wegen  des 
Lagers  vgl.  Parthey,  Berlin.  Zauberpapyrus  150,  22:  hto)  dh  i)  atQco^vr]  xcc^ul  i) 
iTtl  Kccd'aQcöv  ^Qslcov  r)  inl  ipidd'ov  ■kol^o)  ^8  iTtl  tov  Se^lov  tcXsvqov  xcciicci  ts 
Tial  iv  vTtald^QO).  Bezeichnend  sind  auch  die  Vorschriften  für  die  das  Heiligtum 
des  Trophonios  Aufsuchenden  bei  Kratinus  Kock  I  S.  79. 

3)  So  fand  bei  den  Mysterien  von  Agrai  die  vorbereitende  Reinigung  im 
Ilissus  statt,  Polyaen.  strateg.  V  17. 

4)  Daß  die  Fackel  bei  jeglichem  Sühnekultus  eine  Rolle  spielt,  ist  bekannt ; 
ebenso  bei  den  Mysterien,  s.  Diels,  Sibyll.  Blätter  47  f.;  Anrieh  a.  a.  0.  S.  214, 
der  weitere  Belege  beibringt.  Vgl.  Lucian.  Alexand.  39  catapl.  22.  Daß  sie  auch 
bei  Zaubereien  in  Betracht  kommt,  zeigt  Apul.  apol.  57  (S.  65, 8H.):  "^taedae 
fumo';  vgl.  Deubner  a.  a.  0.  S.  26  f. 

5)  Plin.  n.  h.  XX  101 :  Pythagoras  scillam  in  limine  quoque  ianuae  suspen- 
sam  contra  malorum  medicamentorum  introitum  pollere  tradit. 


Vorbereitung  zur  Hadesfahrt.  27 

reinigend  kam  sie  in  Anwendung  bei  den  Sühiiopfern  in  den  ionischen 
Städten  Kleinasiens  ^)-,  daß  sie  in  den  Mysterien  eine  Rolle  gespielt 
hat,  kann  man  aus  Lucians  ^Alexander'  (47)  schließen,  wo  in  einer 
begeisterten  Verherrlichung  von  Epikurs  xvQiai  dö^ai  gesagt  wird, 
dies  Buch  gebe  Frieden,  Seelenruhe  und  Freiheit,  es  erlöse  vom  Aber- 
glauben und  Schreckbildern,  von  vergeblicher  Hoffiiung  und  eitler 
Begierde  und  reinige  den  Sinn  ovx  v^b  öaöl  xal  axCkh]  xal  xalg 
tOLavxaig  g)XvaQtatg^  aXkä  X6y(p  6()^c5  xal  ah]^BCa  xal  TiaQQriGici')]  auch 
im  modernen  Aberglauben  wird  die  Zwiebel  noch  verwandt,  um  Unheil 
abzuwehren.^)  Auf  diese  Weise  gegen  die  Schrecken  der  Unterwelt 
gefeit,  kehrt  Menipp  ins  Haus  zurück;  doch  muß  er  dabei  rück- 
wärts schreiten.^)     Dann  kann   die  Fahrt  beginnen.     Die  ganze  Dar- 

1)  Hipponax  fr.  5  Bergk;  üsener,  Der  Stoff  d.  griech.  Epos  iSitz.-Ber  d.  k. 
Akad.  d.  Wiss.  in  Wien  CXXXVII  [1897])  S.  59  f.  Vgl.  auch  Rieß  Pauly-Wissowa 
I  «7,  50  ff. 

2)  Auch  Dio  Chrysost.  48,  17  (II  93,  10  v.  A.)  zeigt,  daß  die  öxiXla  für  reli- 
giöse Reinigungen  gebräuchlich  war,  wenn  er  sagt:  /aj;  ßxiXXjj  uridh  vöccri^  Clemens 
Alexand.  Strom.  VII  4,  26  (843  P.)  a-nUXccv  xs  xai  ^tiov  SsÖiaai  ngog  rmv  yoi/reav 
xarayor,r&vd-ivreg  xurä  xivccis  ccxad-dQTOvg  xad-ccQ^ovg;  interessant  ist  auch  die  von 
Clemens  an  derselben  Stelle  berichtete  Verspottung  einer  solchen  Reinigangsszene 
bei  Diphilos  (Kock  II  S.  577):    JjQOLtLöag   äyvi^wv  v.ovQag   xccl  xbv   nccxig*  avxmv 

Ugolxov xal  ygavv  nifiuxriv dadl  iiiä  G%iXXij   xe   ^m   xoßoc   cmyLOcxa.   (faxav. 

Vgl.  auch  Aristoph.  Danaid.  fr.  255  Kock  I  S.  456;  Kratin.  Chiron  Kock  I  S.  83 
fr.  232  fMeineke,  Frg.  Com.  Graec.  II  1  S.  151). 

3)  Wuttke,  Der  deutsche  Volksaberglaube  der  Gegenwart',  Berlin  1900, 
S.  328:  Unmittelbar,  ohne  weiteres  Zutun,  wird  die  Krankheit  angezogen  von 
weißen  Zwiebeln,  die  man  in  der  Stube  über  die  Tür  hilngt  (Böhmen)'.  Warzen 
werden  durch  Bestreichen  mit  einer  Zwiebel  vertrieben  (S.  381.  389).  Auch 
Wunden  werden  in  Böhmen  geheilt  durch  Einreiben  mit  einer  Zwiebel,  die  <lanu 
ins  Feuer  geworfen  wird  fS.  345). 

4)  Necyom,  7:  inocvuyti  ig  xi]v  oixiav,  tog  h^ov,  avccnoöi^ovxa.  Im  Berliner 
ZsuberpapyruB  121,  37  gibt  Parthey  ccvunodiaccg  als  sicher  herzustellendes  Wort 
an,  wenn  auch  der  Zusammenbang  der  ganzen  Stelle  wegen  der  Lücken  nicht 
verständlich  ist.  Wessely,  Griech.  Zauberpapyrus  von  Paris  u.  London.  Denkschr. 
d.  Wiener  Akad.  XXXVI  (1888)  S.  45,  44:  «i/a:ro<5tfwi'  ÄveX^f,  S.  1(>7,  2493:  civu 
nodlCcav  Kuxußri&i.  Das  RückwiLrtsgeheu  ist  bei  Zauberhandlungen  häutig  wie 
daa  Räckwürtswürfen.  Mit  abgewandtem  Gesicht  müssen  Deukalion  und  Pyrrba 
die  Steine  werfen,  aus  denen  Menschen  entstehen,  Ovid  met.  I  888;  rfiokwürt« 
wirft  man  an  den  Lemurien  die  Bohnen,  die  dazu  dienen,  die  böten  Geister  zu 
beruhigen,  Ovid  fast.  V  437;  auch  sonst  ist  es  verboten  sich  umsusehen,  Orid 
fast.  VI  161.  Im  deutschen  Aberglauben  ist  es  oft  vorgeschrieben.  Handlungen 
umgekehrt  vorzunehmen,  rückw&rti  bu  gehen  oder  etwas  rückwilrt«  su  werfen 
und  dergleichen  (Wuttko  a.  a.  O.  S.  188  f.);  besonders  bebe  ich  dio  von  Wuttke 
H.  846  geschilderte  Beschaffung  eines  Zauberspiegels  hervor:  'sobald  eine  Wöch- 
nerin gestorben  und  an  einem  Charfreitag  beerdigt  ist,  geht  man,  nur  mit  einem 


28  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

Stellung  ist,  wie  man  sieht,  nicht  von  Lucian  erfunden;  es  sind  die 
Züge,  wie  sie  in  Schilderungen  von  Zauberei  herkömmlich  sind,  nur 
gehäuft,  um  komisch  zu  wirken.  Aber  selbst  die  Zusammenstellung 
wird  wohl  kaum  Lucian  geschaffen  haben.  Der  Titel  'Necyomantia' 
unter  des  Laberius  Mimen  bürgt  für  ein  griechisches  Vorbild^)  und 
legt  den  Gedanken  nahe,  daß  auch  derartige  Vorbereitungen  schon 
vor  Lucian  satirisch  geschildert  waren. 

Was  nun  folgt,  hat  Norden^)  treffend  mit  der  Vergilischen  Szene 
im  6.  Buche  der  Aneis  verglichen.  Mit  Morgengrauen  fahren  die 
beiden  ab,  nachdem  sie  mit  den  gehörigen  Opfern  versehen  sind;  dies 
zunächst  nach  Homer,  was  durch  das  Zitat  aus  Homers  ^Nekyia'  (5) 
deutlich  gezeigt  wird.  Aber  die  Schilderung  der  Lokalität  stimmt 
nicht  ganz  mit  der  Odyssee  überein;  es  ist  ein  Sumpf,  den  sie  durch- 
fahren, wie  Yergil  von  dem  lacus  niger  (237)  spricht  und  Aristophanes 
in  den  ^Fröschen'  (137)  von  der  U^vr]  (isyccXr].  Dann  geht's  in  eine 
Gegend,  die  als  SQrj^ov  xal  vk&deg  xal  avTJXiOv  bezeichnet  wird  wie 
bei  Vergil  von  den  nemorum  tenebrae,  bei  Homer  vom  Hain  der 
Proserpina  die  Rede  ist.  Es  wird  eine  Grube  gegraben^),  die  Schafe 
werden  geschlachtet  und  ihr  Blut  herumgespritzt,  entsprechend  dem 
Opfer  bei  Homer  35  und  Vergil  224.  Bei  Homer  kommen  nun  die 
Seelen,  durch  den   Blutgeruch   gelockt,  heran;  bei  Vergil  und  Lucian 


Mantel  bekleidet,  11  ühr  nachts  an  die  Kirchhof smauer,  läßt  den  Mantel  fallen, 
springt  ganz  nackt  über  die  Mauer,  macht  ein  Loch  in  das  Grab  der  Wöchnerin, 
steckt  den  (mitgebrachten)  Spiegel  hinein,  das  Glas  nach  unten,  im  Namen 
Gottes  usw.  und  geht  dann  rückwärts  schreitend  zurück,  nach  dem  Grab  ge- 
richtet und  macht  dies  drei  Nächte  nacheinander.'  Auch  eine  Wünschelrute 
kann  nur  gewonnen  werden,  indem  man  rückwärts  auf  den  Strauch  zugeht 
(S.  109).  Der  erste  beladene  Erntewagen  muß  rückwärts  in  die  Scheune  ge- 
schoben werden  (S.  423).  In  der  Christnacht  muß  das  Vieh  rücklings  aus  dem 
Stall  gezogen  werden,  damit  nicht  die  besten  Tiere  sterben  (S.  68). 

1)  Daß  die  Römer  aus  Eigenem  derartige  Stoffe  schufen,  wird  bei  der  Ab- 
hängigkeit der  gesamten  römischen  Poesie  niemand  glauben  (vgl.  H.  Reich, 
Deutsche  Litteraturzeitung  1903  S.  2686;  v.  Wilamowitz,  Kultur  der  Gegenwart 
I  8  S.  125);  hier  spricht  schon  der  griechische  Titel  eine  beredte  Sprache  (vgl. 
Kock  in  S.  701). 

2)  a.  a.  0.  (s.  S.  19  Anm.  5)  S.  195. 

3)  ßad-gov  ojQv^diied'a  (Philops.  14:  ßod'Qov  ogv^d^isvog)  wie  Homer  Od.  XI  25: 
ßod-Qov  ÖQv^a.   Die  Grube  ist  charakteristisch  für  die  Beschwörung  der  Einwohner 

der  Unterwelt.    Philostr.  vit.  Apoll.  IV  16:  ovxl  ßod-gov 'Odvaaicog  ögv^d^svog 

ov8h  ccQv&v  ai'iiccöi  'xpvxay(0Yr]6ccg  ig  didXs^Lv  rov  ji^il^icog  rjX&ov.  Stat.  Theb.  IV 
451:  tellure  cavata.  Hör.  sat.  I  8,  26:  scalpere  terram  unguibus  (vgl.  Kießlings 
Anmerkung).    Ovid  met.  VH  243:  egesta  scrobibus  tellure  duabus. 


Beschwörung.  29 

werden  die  Götter  der  Unterwelt  mit  lauter  Stimme^)  angerufen.  Der 
Vers,  den  Lucian  dabei  benutzt,  ist  nicht  homerisch;  man  wird  darin 
ein  Zitat  aus  einer  andern  epischen  xaTcißaatg,  wie  der  des  Orpheus*), 
sehen  können.  Sofort  erhebt  sich  ein  Erdbeben^),  der  Boden  tut  sich 
auf  und  das  Bellen  des  Kerberos  wird  vernehmlich;  bei  Homer  war 
eine  solche  Schilderung  wegen  der  anderen  Lokalität  unmöglich;  sie 
stimmt  aber  zu  Vergil*),  nur  daß  hier  Hekate  selber  erscheinend  ge- 
dacht ist  wie  bei  Lucian,  Philops.  22y  begleitet  von  dem  wilden  Heere 
der  Geister  und  dem  Schwärm  ihrer  Hunde.  ^)  Durch  die  Öffnung 
steigen  dann  sowohl  Menipp  und  sein  Begleiter  wie  Aneas  mit  der 
Sibylle  hinab. 

Auch    diese    Szene    also    stammt    nicht    aus    Luciaus    Erfindung, 

1)  Auch  Odysseus  befiehlt  seinen  Gefährten,  als  schon  die  Seelen  heran- 
nahen:   iTttv^aad-uL  dsotaiv,    Icpd-iuo)   t*  l4i&T]   %al  ircaiv^  UBQascpovBirj.     Aber 

bezeichnender  ist  Vergils  voce  vocans  Hecaten  caeloque  Ereboque  potentem  (247); 
ist  8ie  doch  die  Göttin  der  Zauberei  (Ov.  met.  VII  194;  Theokr.  11  14;  Eur.  Med. 
396flF.  Weckl.;  Fahz  (s.  S.  22  Anm.  3)  S.  116  f;  Preller -Robert,  Griech.  Mytho- 
logie, Berlin  1894,  I  S.  326;  Röscher,  Lex.  d.  Mythologie  I  2  S.  1894  f).  Lucian 
malt  das  weiter  aus  9;  ovx^t'  i]QB^ctia  ry  qpcov^,  Tta^^^y^^^S  ^^  «S  olog  rs  ^v 
&vaxQaYo)v  dcciuoväg  ts  6^ov  ndvtag  ine^ouro  xal  TLoivag  xal  'EQivvag  xal 
vvxiuv  'EytdxTiv  xal  inaivi]v  ÜBQGi-cpovsLcev,  indem  er  die  Erinyen  mitnennt  wie 
Horaz  sat.  I  8,  34,  der  nach  Fritzsche  (Des  Q.  Hör.  Place.  Sermonen  S.  31)  aus 
Menipps  Beschwörungsszene  geschöpft  hätte.  Das  Schreien  gehört  zur  Beschwö- 
rung: Stat.  Theb,  IV  472:  exclamat  (tremuere  rogi  et  vox  impulit  ignem);  Luc. 
Phars.  VI  688  schildert  mit  rhetorischer  Übertreibung  die  Stimme  der  Zauberin 
wie  Bellen  der  Hunde,  Heulen  der  Wölfe,  Schreien  des  Uhus,  Zischen  der  Schlangen, 
wie  Meeresbrandung,  Waldesrauschen  und  Donnerschlag:  tot  rerum  vox  una  fuit; 
und  die  Beschwörung  läßt  er  beginnen:  Eumenides  Stygiumque  nefas  Poenaeqae 
nocentum  ganz  entsprechend  Lucian.  uliilare  nennt  Horaz  sat.  I  8,  26  wie  Ovid 
met.  Vn  190  das  Sprechen  d^T  Zauberin,  was  Kioßlin^^  nicht  ganz  richtig  auf 
die  Feierlichkeit  deutet. 

2)  Die  Bezeichnung  ul.^  *  '>c*"'  ^^^^  bei  Homer  nicht  vorkommt,  hat  sich  in 
späteren  Beschwörungen  erhalten,  so  für  die  Semele- Hekate- Artemis -Persephone 
in  dem  Hymnus  bei  Abel,  (Jrphica  S.  294  Vers  47,  in  dem  Hymnus  bei  Wessely, 
Denkschr.  d.  k  Akad.  d.  Wiss.  Wien.  (1888)  XXXVI  2  S.  80  V.  18.  25  und  auf  dem 
Zaubertisch,  den  Wünsch  bespricht  ^Antikes  Zaubergerilt  aus  Porgamon,  Jahrb.  d. 
K.  DcuUch.  Archäol.  Institutfi,  Ergänzuugsh.  VI,  vgl.  S.  23). 

8)  Das    Erdbeben,    verbunden    mit   lautem  Getöse,  ist   für  diese    \ 
Zaul>enM    typi»<h.     Verg.  Aon.  IV  490:    niugire    vidobis    sub    pedibus    terrum    il 
desccnden!  montibu»   omos;   Ovid  mot.  VII  20r):    iubeoqtte   tremescere  MumtfH  et 
mugire  sei  um. 

4)  VI  2ft6:  Hub  pediburi  mugirr  »«oluiii  «t  iiis»ti  r.M«|»t!»  ....iv.n  vilvurmn  vi- 
•aeque  canes  ulularc  per  umbram  udvontimtr  .La 

6)  Vgl.  Wünsch,  Jahrb.  f.  klasH.  Phil.,  Öuppl.  XX\  1 
II  •  8.  H2ff. 


30  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

sondern  beruht  auf  überlieferter  Unterweltsbeschwörung.  Charakteri- 
stisch ist,  daß  hier  wie  bei  Vergil  die  Beschwörung  stattfindet,  nicht 
um  einen  Toten  an  die  Oberwelt  zu  rufen,  wie  bei  Lucan  VI  413  ff. 
und  Silin  s  XIII  397  ff.,  sondern  um  die  Hadesfahrt  eines  Lebenden 
zu  ermöglichen.  Eine  Beziehung  Lucians  zu  Vergil  ist  ausgeschlossen; 
es  sind  zwei  verschiedene  Ableitungen  derselben  Darstellung,  die  eine 
vom  ernsten,  erhabenen,  die  andere  vom  komischen  Standpunkt.  Wir 
wissen,  daß  der  Mimus  schon  im  ersten  Jahrhundert  v.  Chr.  sich  in 
Rom  solcher  Themen  bemächtigt  hatte;  Laberius  schrieb,  wie  eben 
erwähnt,  eine  ^Nekyomantie'  mid  einen  'Arvernersee'^);  und  natürlich 
hatte  der  Mimus  eine  ernste  Vorlage,  die  er  travestierte.  Daß  Lucian 
wirklich  aus  dem  Mimus  geschöpft  haben  müßte,  ist  natürlich  damit 
nicht  behauptet^);  es  kann  sehr  wohl  auch  andere  derartige  Darstel- 
lungen gegeben  haben.  ^) 

Die  weitere  Darstellung  ist  zunächst  durch  das  aristophanische 
Motiv  der  Verkleidung  gegeben.  Kerberos  läßt  sich  durch  die  Leier 
rühren,  wie  das  in  der  orphischen  Katabasis  geschildert  war*);  Charon 
erschrickt  vor  der  Löwenhaut  und  setzt  die  Ankommenden  willig  über. 
Dann  im  Dunkel  geht  Mithrobarzanes  voran,  Menipp  folgt;  auch  diese 
Hervorhebung  genau  wie  bei  Vergil.^)  Sie  kommen  zu  den  lugentes 
campi,  partem  fusi  in  omnem.^)    Hier  schwirren  die  Schatten  umher 

1)  Ribbeck,  Poet,  scaen.  fr.  II  v.  55  ff.  62  ff.,  vgl.  Mommsen,  Rom.  Geschichte 
III 8  S.  591;  Ettig,  Acheruntica  S.  348. 

2)  Nachdem  wir  jetzt  durch  Reichs  Verdienst  (Der  Mimus,  Berlin  1903) 
einen  Begriff  von  der  Bedeutung  des  Mimus  für  die  nachklassische  Zeit  bekom- 
men haben,  liegt  die  Gefahr  nahe,  auch  da  den  Mimus  zu  wittern,  wo  andere 
Beziehungen  zur  Erklärung  ausreichen  (vgl.  A.  Körte,  Rhein.  Mus.  LX  [1905]  S.  416; 
Sudhaus,  Hermes  XLI  (1906)  S.  274.)    Für  Lucian  kommt  er  kaum  in  Betracht. 

3)  Von  Phrynichos'  'Mysten'  (Kock  I  S.  380)  wissen  wir  leider  nichts.  Eine 
travestierende  Darstellung  der  '"Nekyia'  hat  nach  Athen.  IV  160 ^c  der  Phlyako- 
graph  Sopatros  geschrieben,  der  nach  Ath.  11  71^  Zeitgenosse  Alexanders  des 
Großen  war  und  bis  in  die  Regierungszeit  des  Ptolemaeus  Philadelphus  lebte; 
man  sieht,  wie  häufig  in  jener  Zeit,  die  mit  Menipps  Lebenszeit  sich  berührt 
(vgl.  Kap.  III),  die  komische  Verwendung  der  Nekyia  war  (vgl.  S.  20). 

4)  Vgl.  Verg.  georg.  IV  483;  tenuitque  inhians  tria  Cerberus  ora. 

5)  Aen.  VI  262  f.:  ille  ducem  haud  timidis  vadentem  passibus  aequat; 
Necyom.  11:  fiTrd/xrjr  &'  iyca  yiatoniv  ixö^svog  ccvtov. 

6)  Aen.  VI  441;  Necyom.  11:  TCQÖg  Xsi^imvcc  iihyiatov.  Daß  die  Wiese  mit 
Asphodelos  bewachsen  ist,  kann  direkt  aus  Homer  stammen  (XI  539);  aber  sie 
fand  sich  jedenfalls  auch  in  orphischen  Gedichten,  wie  Diodor  I  92  ff,  zeigt. 
So  auch  in  Piatons  Unterweltsmythus  Gorgias  524  A  {div.d6ov6i  iv  reo  Xsnimvi), 
der  deutliche  Spuren  der  Übereinstimmung  mit  Diodors  Bericht  von  der  Ent- 
stehung der  orphischen  Lehren  bietet  (523  B),  wie  wir  im  folgenden  sehen  werden. 


Totengericht.  31 

wie  in  der  Aneis,  hier  ist  der  Richtplatz  des  Minos.^)  Charakteristisch 
ist,  daß  bei  Lucian  ausdrücklich  Ankläger  genannt  werden.  Der 
homerische  Dichter,  der  den  Abschnitt  508  ff.  später^)  in  die  Nekyia 
eingeschoben  hat,  weiß  nur  von  dem  Minos,  der,  mit  goldenem  Zepter 
versehen,  Recht  spricht  über  die  Toten,  offenbar  ihre  Streitigkeiten 
schlichtend,  wie  er  im  Leben  sich  durch  gerechten  Schiedsspruch  aus- 
gezeichnet hatte.")  Spätere  Zeit  wußte  von  einem  Gericht  über  die 
eben  Verstorbenen,  die  sich  für  ihren  Lebenswandel  zu  rechtfertigen 
haben.  Wie  man  sich  dabei  die  Erkenntnis  der  Schuld  zu  denken 
habe,  ist  nicht  gesagt;  zahlreiche  Stellen  reden  darüber  so  allgemein 
wie  Vergil  Aen.  VI  431.^)  Eine  genauere  Ausführung  dieses  Ge- 
dankens ist  es,  wenn  Minos  oder  ein  anderer  Richter  die  Seelen 
zwingt,  selber  ihre  Verbrechen  und  ihre  Schuld  zu  bekennen;  so  bei 
Vergil  Aen.  VI  nö?,  Statins  Theb.  IV  530  ff.  und,  wahrscheinlich  nach 
alexandrinischem  Vorbild,  Culex  376 f.')    In  dem  platonischen  Mythus 


1)  Necyom.  11:  xorr'  ökiyov  Sk  Ttgo'Cdvxsg  nuQuyiyvoiLiO^a  tiqos  t6  tov  Mi- 
v(oog  ÖLKaarrigioVy  Aen.  VI  431 :  nee  vero  hae  sine  sorte  datae,  sine  iudice  sedes ; 
quaesitor  Minos  umam  movet. 

2)  Vgl.  Rohde,  Kleine  Schriften  II  260.  280  f  (nach  Aristarchs  Vorgang); 
v.Wilamowitz,  Homer. Untersuchungen,  Berlin  1884,  S.  199ff.;  Norden  a.  a.  0.  S.  196. 

3)  Nägelsbach,  Homerische  Theologie ^  Nürnberg  1884,  S.  376;  Kohde, 
Psyche  I'  S.  310  Anm.;  Ruhl,  De  mortuorum  iudicio,  Religionswissensch.  Versuche 
her.v.  Dieterich  u.  Wünsch,  II  S.  34 ff.;  Radermacher,  Das  Jenseits,  Bonn  1903,  S.  104. 

4)  Aesch.  Suppl.  230  Weil;  Ymux.  273;  Pindar  Ol.  II  107  ff.;  Plat.  Phaedr.  249  A 
(Gorg.  623  B);  rep.  X  614  C;  Axioch.  371  C;  Properz  IV  11, 19;  Sen.  Herc.  f.  733  ff. 

6)  Aen.  VI  667:  castigatfiue  auditfjue  dolos  subigitque  fateri  (Rhadamanthus) 
(8.  Norden  S.  269,  der  auf  die  etwas  anders  geartete  Stelle  bei  Plutarcb  de 
Buperßtit  7  [168  D)  hinweist);  Stat.  Theb.  IV  630  ff.:  arbiter  hos  dura  versat 
fortynius  urna  vera  minis  poscens  adigitque  expromero  vitas  usque  retro  et 
tandcm  poenurum  lucra  fateri;  Culex  376:  ergo  iam  causam  mortis,  iam  dicere 
vitae  verberibus  soevae  cogunt  sub  iudice  Poenae.  (Für  griechisches  Vorbihl  spricht 
Leo,  Culex,  Berlin  1891,  8.  17;  Maaß,  Orpheus  224  ff.;  erwiesen  ist  das  durch  die 
feine  Beobachtung  von  Zielinski,  Philolog.  LX  (1901)  S.  3,  daß  es  sich  aus  dem 
griechischen  Femininum  ^/xTrtV  erklilrt,  wenn  dem  culex  nur  Heroinen  in  der  Unter- 
welt entg<*genkommen,  um  ihm  das  (»eleit  zu  geben.)  Claudian.  in  Rufin.  II  47^: 
quo«  nolle  fateri  viderit  (Minos^  ad  rigidi  transmittit  vorbera  fratris,  der  indessen 
nicht  nnr  auf  Statian  und  Vergil  zurückgeht  (Ruhl  8.  66);  denn  von  der  Stmf- 
verwandlung  der  8eelc  de«  Räubers  in  einen  Wolf,  des  Betnlger«  in  einen  Tu  i 
des  d«*m  Müßi^^'gang  und  Wein  Ergebenen  in  ein  Schwein  weiß  Vergil  u 
Claudian  folgt  du  der  Lehre  der  Platonikor  ^Pliito  Phaedo  HlKff;  Plutunh  «b' 
«eni  num.  vind.  667  E  ff;  Plotin  IV  8,  12,  bekllmpft  von  Porphyrion  und  Proklos 
[Zeller,  Phil.  d.  Griechen "  IH  8, 666, 818])  (Ettig,  Achenintioa  H.  886).  Auch  Plutarch 
de  ser.  num.  vind.  666  F  berichtet:  attonäp  odx  i»iu¥ov^  &XX*  6fiolojtfv  irttynaiS' 
Hifor  hnb  rAv  itptart'oxtov  rulg  tt^wifUii^. 


32  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

Gorgias  524  E  fehlen  die  Ankläger  zwar  auch,  aber  der  Unterwelts- 
richter erkennt  auch  ohne  sie  die  Vergehungen  der  Seele  an  den  ihr 
aufgebrannten  Merkmalen.  Lucian  hat  dieses  Motiv  später  in  der 
'Niederfahrt'  (23  ff.)  mit  dem  in  unserem  Dialog  verwandten  verquickt. 
Von  Anklägern  bei  einem  Totengericht  weiß  Diodor  I  92  zu  erzählen, 
wo  er  die  Unterweltsvorstellungen  der  Ägypter  mit  der  Lehre  des 
Orpheus  vergleicht.  Danach  wird  bei  den  Ägyptern  über  den  Toten 
abgeurteilt,  ehe  er  bestattet  wird.  Da  steht  es  jedem  frei,  Anklage 
zu  erheben,  der  irgend  etwas  Schlechtes  von  dem  Verstorbenen  weiß; 
und  wenn  die  42  Richter  ihm  zustimmen,  so  wird  der  Tote  von  der 
gewöhnlichen  Bestattung  ausgeschlossen,  andernfalls  nach  einer  Lob- 
preisung den  Göttern  der  Unterwelt  empfohlen,  damit  er  hinfort  unter 
den  Frommen  weilen  könne.  Ist  diese  Form  des  Gerichts  bei  den 
Ägyptern  auch  bisher  nicht  erwiesen^),  so  geht  sie  doch  auf  die  An- 
schauung von  dem  ägyptischen  Totengericht,  das  42  Richter  in  der 
Unterwelt  abhalten,  zurück;  und  beachtenswert  ist  jedenfalls,  daß  nach 
dem  platonischen  Mythus  im  Gorgias  das  Gericht  auch  ursprünglich 
am  Todestag  auf  Erden  stattgefunden  hätte.  ^)  Diodor  behauptet,  daß 
Orpheus  aus  seinem  Aufenthalt  in  Ägypten  seine  Ansichten  über  die 
Vorgänge  im  Hades  geschöpft  habe;  es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
daß  auch  Lucians  Darstellung  der  Gedanke  an  orphische  Lehren  zu- 
grunde liegt.  ^) 

Daß  Lucian  in  einer  Vorlage  auch  die  Ankläger  vorfand,  möchte 
man  aus  ihrer  Existenz  in  einer  andern  menippischen  Satire  schließen, 
die  wir  mehrfach  Anlaß  haben  werden  heranzuziehen.  Seneca  läßt 
in  der  Apokolokyntosis  (13  f.)  die  von  Claudius  Gemordeten  auftreten: 
'in  ins  eamus',  und  dann  bringt  Pedo  Pompejus  ihre  Beschuldigungen 


1)  Wiedemann,  Religion  d.  alt.  Ägypter,  Münster  1890,  S.  131;  Ed.  Meyer, 
Geschichte  des  Altertums  I  S.  565. 

2)  Keinesfalls  darf  man  mit  Dieterich  (Nekyia,  Leipzig  1893,  S.  118),  scheint 
mir,  in  dieser  platonischen  Ausschmückung  etwas  wie  eine  volkstümliche  Fabel 
oder  gar  wie  ein  attisches  Volksmärchen  sehen  (vgl.  Rohde,  Psyche  P  S.  310); 
daran  hindert  die  ursprünglich  ungriechische  Anschauung  vom  Totengericht, 
sowie  die  Ähnlichkeit  mit  dem  Bericht  Diodors,  auch  mit  den  Persern  (Söder- 
blom.  La  vie  future  d'apres  le  mazdeisme,  Paris  1901,  S.  95.  136  ff. ;  Ruhl  S.  45). 
Der  ägyptische  Einfluß  in  den  Anschauungen  betreffs  des  ünterweltsgerichtes, 
der  über  Kreta  zum  Festland  gelangt  ist,  hat  nichts  Auffälliges  (Rohde,  Psyche 
I^  S.  310  Anm.  ^delleicht  nicht  ohne  ägyptischen  Einfluß'). 

3)  Lucian  gibt  hier  ganz  kurz  an,  was  er  'Niederfahrt'  22  ff.  ausführlich 
schildert.  Dort  glaubt  auch  Norden  S.  268  durch  Vergleichung  mit  Vergil  VI 
566  ff.  die  Motive  der  orphischen  Katabasis  wahrnehmen  zu  können. 


Totengericht.  33 

gegen  den  gestorbenen  Kaiser  vor.  Es  findet  wie  bei  Lucian  eine 
vollständige  Gerichtsszene  statt,  die  der  Verfasser  mit  römischem 
Kolorit  gezeichnet  hat.  ^)  Ob  Lucian  den  ebenso  witzigen  wie  tief- 
sinnigen Einfall,  die  eigenen  Schatten  zu  Anklägern  zu  machen,  selber 
gehabt  hat,  muß  noch  dahingestellt  bleiben;  wie  er  die  Fiktion  in  der 
^ Niederfahrt'  (27)  ergänzt  hat,  werden  wir  später  sehen.  Daß  die 
Taten  Anklage  gegen  den  Menschen  erheben,  ist  eine  Vorstellung,  die 
sich  in  der  Apokalypse  des  Paulus  findet.^)  Eine  der  Lucianischen 
gleiche  scheint  nicht  vorzukommen,  so  leicht  sie  sich  auch  aus  witzi- 
ger Verdrehung  der  die  Klage  erhebenden  GxiaCy  d.  h.  anderer  Ver- 
storbener ergab;  man  möchte  auch  an  den  sprichwörtlichen  Ausdruck: 
'seinen  eigenen  Schatten  fürchten'  denken^),  der  eine  ähnliche  Er- 
findung nahe  legte. 

Mit  dem  platonischen,  auf  orphische  Lehren  zurückgehenden 
Mythus  im  Gorgias  berührt  Lucian  sich  bei  der  Gerichtsszene  auch 
darin,  daß  die  Toten  nackt  sind,  wenn  sie  abgeurteilt  werden*);  dies 
Motiv  der  Entkleidung  ist  in  der  'Niederfahrt'  und  in  den  'Toten- 
gesprächen' dann  weiter  ausgesponnen.  Auch  daß  Menipp  an  jeden, 
den  er  erkennt,  herantritt  und  ihn  im  Gespräch  daran  erinnert,  wie 
aufgeblasen  und  hochmütig  er  auf  Erden  war  und  wie  dieser  Stolz 
so  recht  im  Kontrast  steht  zu  seiner  jetzigen  Nichtigkeit,  erinnert  an 
Piaton,  der  im  Schlußmythus  der  'Republik'  erzählen  läßt,  daß  die 
Seelen  sich  gegenseitig  begrüßen,  soweit  sie  sich  erkennen,  sich  aus- 
fr;i«r,.ii    iiMcl)    fhin,   was   sie   erlebt,   und   einander  Bericht    erstatten.'') 

1;  iiijuiibcli  geataltet  auch  Properz  IV  11,  19flf.  das  Unterweltagericht  (vgl. 
Rothstein  zu  (1«t  Stelle). 

2)  Die  Stelle  erinnert  etwas  an  die  'Niederfahrt'  (27)  (Apocalypees  apo- 
crvphae  ed.  Tischendorf  S.  47):  Eine  Stimme  sprach:  Gestehe  deine  Sünden: 
und  jene  Seele  saj^e:  Ich  habe  nicht  gesündigt,  gerechter  Richter.  Und  der 
Herr  sprach  zu  jener  Seele:  Du  meinst,  daß  du,  wo  du  auch  seist  auf  Erden, 
den  Menschen  verborgen  bleiben  kannst;  oi»x  oldccg  ori,  i]vi%ct  av  ritf  riXtvrTi]aij, 
ffiTtQoad'fv  XQ^iovaiv  ai  nod^etg  a^oi>,  xav  rs  ayccd'ccl  x&v  re  rtovrigal  (vgl.  Maaß, 
Oq)heua  S.  217  f.,  der  an  Apocalyps.  Infum  II.  l  {  orintKTt  •  rcc  yuQ  fQytt  ctv- 
T<bv  &xoXovd'tt  ^t'  avTtbv). 

8)  Plato  l'haed.  101  I):  av  rfi  dtdiüt^  ixv  x6  Ihyötitiov  ri^i»  favroO  tfxiai», 
wozu  der  Scholiast  ArJHtophanes  Hab}  Ion.  fr.  77  (Kock  I  411)  anfQhrt. 

4)  Necyom.  12:  ol  di:  (tnodvaä^voi  xa  Xa^itQU  inflva  ndvxce^  nkovxovf  Uyot 
xai  Y^VTi  xal  AvvaaxBiaf^  yv^yol  xuxm  vtvamdxif  nuQfiax^iaaav;  Plat.  (»org.  528  K: 
fntixa  yvfivohs  xgixiov  änuvxmv  xovxmv^  vorher  aber  waren  sie  628  V :  i\{upi9C^' 
rot  .  .  rtiniiarü  xt  xaiä  xtti  yivr\  xctX  nXovxova. 

ö;  .Nc<  vom.  12:  ^l  xiva  yvutQlüaini  avxiav,  ngoatutv  Stv  ijovx^  nag  imtftifivfiaxov; 
Plat.  rep.  X  614  E:   xal  icanoii;ta9€(i  xt   (tkXiiXcc^  oaca    y*'*'>V'(^"*  *f*^  nvr^dr»9&at. 

ff-'         T       lau  und  MtDipp.  3 


34  Kapitel  I.    Die  Nekyomautie. 

Es  wird  sich  später  zeigen,  daß  das  die  Anregung  für  die  'Toten- 
gespräche' gegeben  hat,  aber  auch  hier  ist  doch  schon  ganz  kurz  die 
Verwendung  dieses  Motivs  zu  erkennen;  und  es  ist  von  Wert  das  zu 
beachten,  vreil  es  zum  mindesten  lehrt,  daß  ausführlichere  Unter- 
redungen mit  Toten  in  der  Art  der  homerischen  ^Nekyia'  hier  in  der 
Vorlage  Lucians  stehen  konnten.  Auch  über  das  Gericht  selber  gibt 
der  Erzähler  Menipp  hier  weiter  keine  Einzelheiten,  bis  auf  die  eine, 
die  allerdings  auffällig  genug  ist.  Der  Tyrann  Dionys  wird  durch 
das  Zeugnis  des  Aristipp  von  der  schrecklichsten  Strafe  befreit,  denn 
Aristipp  gilt  hier  etwas;  man  fühlt  sich  an  die  Ehrenstellung  erinnert,, 
die  in  des  Aristophon  Tythagoristen'  den  Anhängern  des  Pythagoras 
im  Hades  zugeschrieben  wird.^)  In  der  Hervorhebung  des  Aristipp 
hat  man  einen  engen  Anschluß  an  Menipp  erkennen  wollen,  der  ja 
dem  strengen  Kynismus  das  hedonische  Moment  beigemischt  hat.  ^) 

Die  Wanderung  der  beiden  Hadesfahrer  geht  dann  ganz  in  der 
Weise  der  Nekyia  Vergils  weiter  zur  Stätte,  an  der  die  Strafen  voll- 
zogen werden;  auch  hier  ist  die  Übereinstimmung  mit  dem  römischen 
Dichter  zu  beachten;  man  hört  das  Niedersausen  der  Geißelschläge 
und  das  Seufzen  der  Geplagten.^)  Bezeichnend  für  die  Tendenz  bei 
Lucian  ist,  daß  den  Armen  bei  den  Folterqualen  Erleichterung 
gewährt  wird,  so  daß  sie  sich  nach  der  Tortur  eine  Weile  erholen 
dürfen,  während  die  Reichen  und  Vornehmen  ununterbrochen  der 
Exekution  ausgesetzt  sind.  Man  erkennt  darin  die  kynische  Quelle, 
die  sich  der  Sache  der  Mittellosen  annimmt,  Vergil  hat  aus  eigener 
Erfindung*)  den  Kunstgriff  angewandt,  die  Sibylle  erzählen  zu  lassen, 
was  auf  der  Richtstätte  innerhalb  der  grausigen  Mauern  vor  sich 
geht;  Lucian,  der  ja  kürzer  sein  konnte,  läßt  den  Menipp  selber  im 
Fluge  die  typischen  Sünder  sehen,  den  Ixion,  Sisyphus,  Tantalus,, 
Tityus.  Dann  geht's  zum  Gefilde  der  Reinen  oder  schon  Entsühnten 
bei  Vergil  wie  bei  Lucian.     Der    Plan    der  Wanderung    ist  also   bei 


1)  Kock  II  S.  280  fr.  12.  Lucian  wiederholt  den  Gedanken  später  in  den 
'Wahren  Geschichten'  II  18:  ol  {livzoi  aiicp'  'AqiatiTCjtov  xs  y.ccl  'EtiUovqov  tä 
TCQ&xa  Ttag'  ccvtolg  icfiqovxo  rj^stg  rs  övtsg  xorl  y(,£xaQL6iiivoi  ticcI  öv^nonyKÖTccroL. 

2)  Dümmler,  Akademika,  Gießen  1889,  S.  172.  208.  282;  Hirzel,  Dialog  II 
319  Anm.  5;  Hense,  Teles,  Freiburg  i.  B.  1889,  Prolegg.  p.  LXI,  LXIV  f.  und  Fest- 
schrift für  Th.  Gomperz,  Wien  1902,  S.  192. 

3)  Necyom.  14:  noXlcc  xal  iXsSLvä  ^v  yial  ccTcovaat  xort  tdstv  ^aatlyav  ts 
yccQ  oiiov  ij^otpog  tj-kovsto  xccl  ol^toyr}  x&v  iitl  xov  Ttvgbg  ÖTtxoaiiivoav  -nccl  öXQißXcci 
•Kccl  yivcpcovsg  xai  XQOxoi]  Verg.  Aen.  VI  557  ff.:  hinc  exaudiri  gemitus  et  saeva 
sonare  verbera,  tum  Stridor  ferri  tractaeque  catenae. 

4)  Siehe  Norden  a.  a.  0.  (S.  19  Anm.  5)  S.  351. 


Richtstätte.    Parodierter  Volksbeschluß.  35 

beiden  gleich,  und  mau  sieht,  daß  der  griechische  Satiriker  so  wenig 
der  Erfinder  dieser  Unter weltsführung  gewesen  ist  wie  der  Vorberei- 
tungen, die  nötig  waren,  um  sie  zu  ermöurlichen. 

Hinfort  muß  sich  der  Weg  der  beiden  Schriftsteller  trennen; 
der  Dichter  eilt  auf  seine  Heldenschau  zu,  die  den  Höhe-  und  Ziel- 
punkt der  Hadesfahrt  bildet,  für  den  Satiriker  bietet  sich  hier  Gelegen- 
heit die  Vergänglichkeit  des  Irdischen  zum  Ausdruck  zu  bringen. 
Schönheit  vergeht,  Reichtum  schwindet,  Macht  zerfallt;  dafür  bringt 
er  typische  Beispiele.  Und  hier  begegnet  uns  die  dem  schönheitsdur- 
stigen Sinn  der  Griechen  ursprünglich  fremdartige  Vorstellung^)  von  dem 
Toten  als  einem  hohläugigen  Skelett,  die  nur  ein  das  Häßliche  suchen- 
der Kyniker  schaffen  konnte.  Mit  der  Fiktion,  daß  Sokrates  wie  im 
Leben,  die  Menschen  prüfend  und  ihrer  Torheit  überführend,  herum- 
geht, knüpft  Lucian  an  den  Schluß  der  platonischen  Apologie  an, 
wo  Sokrates  sich  freut  in  der  Unterwelt  den  Palamedes  zu  treffen 
und  mit  Odysseus  reden  zu  können.^) 

Die  Erzählung  geht  zu  Ende.  Zwei  Dinge  waren  es,  die  dazu 
dienten,  die  Spannung  wach  zu  erhalten.  Das  eine  war  der  Volks- 
beschluß gegen  die  Reichen,  den  der  berichtende  Menipp  bis  jetzt 
zurückgehalten  hat,  um  ihn  nun  am  Schluß  vorzubringen.  Ihre  Seelen 
sollen  hinfort  in  Eselsleiber  zurückkehren,  damit  die  Armen  sich  an 
ihnen  rächen  und  sie  ordentlich  bepacken  und  schinden  können.  Man 
muß  dabei  an  Situationen  denken,  wie  sie  der  vielgeplagte  Lucius 
durchzumachen  hat,  als  er,  zum  Esel  verwandelt,  Holz  zu  schleppen 
hat  und  tüchtig  geprügelt  wird.^)  Eine  Anregung  zu  diesem  Beschluß 
bot  die  Ansicht  der  Platoniker,  da  schon  Piaton  (Phaed.  81  E)  tovg 
yaöTQi^aQylag  tf.  xal  vßQSig  xcd  (pikoTCoöCag  ^f^elerrjxotag^  das  sind 
doch  die  Reichen  vor  allem,  €ig  xä  oviov  yevtj  xcd  töv  toLOvrcjv  d'rjgCiov 
bei  einem  neuen  Leben  gelangen  läßt.  Auch  Plutarch*)  hat  von  der 
Seelenwanderungslehre  Gebrauch  gemacht  und  in  gleich  spottendem 
Tone  wie   Lucian,   wenn  er  Nero  zuerst  die  Gefahr  drohen  läßt  in 


1)  Über  I)ar«tellunj<on  vgl.  Winnefeld,  Troja  u.  Ilion,  Athen  1902,  11  S.  4 »:.  i 

2)  Necyom.  18:  6  ntv  IkoxQdtrii  xaxtt  ntQ^Qx^rai  ditXiyxmv  awaiTit^- 
avpiiai  S*  ai;rm  TlaXani^drig  xal  'OSvaaeifs  xal  N^armQ  xal  ti  tig  ällog 
Xälof  vtxQÖg;  Plat.  apol.  41  A:  O-aviucatf)  ctv  fti]  ii  dtaxQißij  avx6^t,  on^n  ivrv- 
Xot^t  IJaXuiitldit  xal  Alavxi  .  . .  xal  tt  xtg  alXog  xtbv  naXatüv  Siu  xQtaiv 
iiAixov  xiifvrixt'V  ....  inl  n6am  A'  av  xt^  "o  i^fxuöat  T()r  f.T)  Tgoiav 
u'fVL'/övxa  xijv  noXXi}v  axffaxuiv  i^'OSvaaia  .  ■  y.tl  dtaXiyuo&ai  xol  ivvttvat 
xal  iitruUiv  ä^LTixuvov  av  hti]  ti>dai^ovlag.  Lucian  bat  den  (io<innkt'n  Npfttor  in 
den  'Wahren  (i«iichiclit«n'  II  17  und  den  'Totongenprftchon*  2o,  4  wiederholt. 

»)  Apul.  met.  VII  17;  Aovxtog  ^  övog  29  f.  4    I>«'  »«crÄ  nun»,  vind,  667  )f\ 

8» 


36  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

eine  Schlange  nach  Pindarischein  Muster  verwandelt  zu  werden,  und 
ihn  dann  zAim  Dank  für  die  Befreiung  von  Hellas  zum  Dasein 
eines  singenden  Sumpftiers  begnadigen  läßt.  Es  ist  nicht  unmöglich, 
daß  bei  Lucian  irgend  eine  Verbindung  mit  der  Komödie  vorliegt; 
denn  die  Seelenwanderung  findet  darin  in  der  verschiedensten  Weise 
Verwendung,  auch  ohne  daß  sie  das  Hauptmotiv  bildete;  man  braucht 
nur  das  große  Fragment  aus  Meflanders  'Theophorumena'  zu  lesen, 
wo  allerdings  ein  zweites  Leben  als  Esel  immer  noch  für  besser  als 
ein  menschliches  Dasein  erklärt  wird^),  in  dem  doch  nur  die  Un- 
gerechtigkeit zu  Hause  ist,  ein  Gedanke,  der  in  Lucilius^  Weiber- 
satire Buch  XXX  (974  Marx)  wiederkehrt. 

Die  Form  des  Dekrets  schließt  sich  genau  an  das  Herkommen 
an;  so  wird  zum  Schluß  als  Antragsteller  genannt  'Schädler,  der  Sohn 
des  Beinrich,  aus  Totenheim  von  der  Phyle  Säfteleer'  (Kqki'lcov  I^xe- 
lexCovog  Nsxvöiavg  q)vXf}g  lä^ißarridog).^)  Auch  diese  witzige  Um- 
formung eines  Volksbeschlusses  hat  ihre  Parallelen.  Unter  den  Frag- 
menten des  Komikers  Archippos  findet  sich  ein  Vertrag,  der  in  ähn- 
licher Weise  mit  den  Namen  spielt,  die  dort  zugleich  Fische  und 
Menschen  bezeichnen.^)  Noch  mehr  fühlt  man  sich  an  die  lex  Tap- 
pula'  erinnert,  deren  Antragsteller  Tappo,  ^Bruder  Lüderlich',  aus  der 
bezeichnenden  Tribus  Satureia  ist,  während  als  Beisitzer  M.  Multi- 
vorus,  ^Vielfraß',  P.  Properocius,  'Eilebald',  Mero,  'Weinrich',  genannt 
sind;  auch  hier  ist  völlig  der  Kurialstil  nachgeahmt.^)  Ribbeck  hat 
dies  Erzeugnis  witziger  Parodie  auf  Nachahmung  des  Tischreglements 
zurückgeführt,  das  die  geistreiche  Hetäre  Gnathaina  für  ihre  und 
ihrer  Tochter  Liebhaber  aufgestellt  hatte  im  Anschluß  an  die  von 
den  Philosophen  für  ihre  Syssitien  gegebenen  Verordnungen;  Kalli- 
machos  hatte  diese  heitere  Umwandlung  gesetzlicher  Formeln  in  seine 
Sammlung    von    vöiiol    aufgenommen,    und    daher   hat   Athenäus    den 


1)  Kock  III  S.  64  V.  18  f.:  övov  ysvicQ'ai  %Qstrrov  ?)  tovs  ^SLQOvccg  oq&v  kccv- 
rov  ^(ovrccg  litKpavicrsQOv. 

2)  Die  Bildung  solcher  komischen  Namen  oder  die  Verwendung  vorhandener 
mit  Doppelsinn  ist  seit  alters  in  der  Komödie  zu  Haus.  Es  genügt  an  Aristo- 
phanes' Acharn.  808  (Tpayatxam),  Ritter  78  f.  (6  itQ(oy,x6g  iattv  ccvtöxQrni'  iv  Xccoatv, 
Tcü  x^i^q'  ^^  AkcoXols,  6  vovg  d'  tv  Klanidcöv)  zu  erinnern,  sowie  an  die  zitierte 
Stelle  des  Archippos  oder  an  Plautus'  Perbibesia,  Peredia  Cure.  444  und  die 
Namen  Capt.  160  ff.  3)  Kock  I  S.  684  fr.  27. 

4)  Vgl.  Ribbeck,  Geschichte  der  römischen  Dichtung  I  232;  die  lex  ist 
jetzt  zu  lesen  Petron.  ed.  Buecheler  *,  Berlin  1904,  S.  241  (vgl.  Premerstein,  Hermes 
XXXIX  (1904)  S.  327  ff.);  wir  kommen  darauf  bei  den  Saturnalienschriften  Kap.  IX 
zurück. 


Parodien  von  Dekreten,  Gesetzen  usw.  37 

Anfang  erhaltend)  Auch  das  Testament  des  Ferkels  M.  Grunnius 
Corocotta-)  gehört  in  dieselbe  Gattung  von  Travestien  gesetzlicher 
Formeln,  wie  ja  nicht  nur  der  Name  des  Erblassers  und  seiner  Eltern 
Verrinus  Lardinus  und  Veturina  Scrofa  zeigt,  sondern  auch  die  Namen 
der  Zeugen  Lardio,  Ofellicus,  Cyminatus,  Lucanicus,  Tergillus,  Celsinus, 
Nuptialicus,  endlich  die  Bezeichnung  des  Datums  sub  die  XVI  kal. 
lucerninas  Clibanato  et  Piperato  coss.  Schließlich  möchte  man  an 
das  Parasiten gesetz  erinnern,  das  am  Schluß  des  Querolus  (Peiper 
S.  59  f.)  erhalten  ist  und  sich  mit  Lucians  Saturualiengesetzen  be- 
rührt; wenn  auch  aus  späterer  Zeit  stammend,  läßt  es  doch  auf 
ältere  Vorbilder  schließen.  Also  diese  Travestie  gesetzlicher  Formen 
ist  schon  vor  Lucian  auf  römischem  und  griechischem  Boden  geübt 
worden,  und  sollte  er  diesen  Volksbeschluß  in  die  Hadesfahrt  selber 
eingelegt  haben  —  denn  zur  Motivierung  ist  er  neben  der  Antwort 
des  Tiresias  nicht  erforderlich  — ,  so  standen  ihm  doch  für  die  Art 
Anregungen  und  Vorbilder  zur  Seite.  ^) 

Das  Hauptmotiv  für  die  ganze  Wanderung  war  die  Absicht,  bei 
Tiresias  Auskunft  über  das  beste  Leben  zu  erbitten.  Der  gibt  ihm 
denn  auch  nach  einigem  Sträuben  den  Rat  (21):  'Das  Leben  der 
Ungelehrten,  der  Laien,  ist  das  beste.  Du  wirst  klüger  sein,  wenn 
du  all  die  philosophischen  Torheiten  beiseite  läßt  und  nur  darauf 
ausgehst,  die  Gegenwart  stets  recht  zu  fassen  und  meist  lachend 
und  ohne  Sorgen  dahin  zu  wandern.'  Die  Mahnung  ist  echt  ky- 
nisch*);  und  wenn  der  iÖLcoribv  ßCog  eingefügt  ist,  so  ist  das  nur 
ein  kleiner  Schritt  weiter  zur  Ablehnung  aller  fürs  gewöhnliche 
Leben  über  das  notwendige  Maß  hinausgehenden  Beschäftigungen  und 
Tüfteleien.  Der  Ausdruck  to  :xttQov  sv  d-t^£vog^  der  ähnlich  im 
26.  Totengespräch  wiederkehrt^),  enthält  aber  sogar  in  dieser  Form 
alte  Weisheit.     Genau    ebenso    sagt    Mark    Aurel    in    seinen    Selbst- 

I;  Ath.  XIII  öHfjb;  Zdt  6  v6nog  l'aos  iyQdfpri  %a)  u»o/os". 

2)  In  Buechelers  Petronausgabe  ^  S.  248. 

8)  Auf  die  Verwendung  solcher  Psephismata  m  <ui  l^>lll^.ll.il  Literatur 
hchließt  W.  Schmid,  Phil.  L  (18ül)  S.  804.  Vgl.  Hense,  Musoniufl  (Lips.  leOft) 
S.  123,  1  Anm.  Über  die  Henutznng  der  j^esetzlichcn  Formen  der  Volksversamm- 
lung 7.U  Hatirischen,  komiHchon  Zwecken  verweiHO  ich  auf  Kap.  VI. 

4)  Necyom.  21 :  tfjg  &<pffOövvris  navaäiuvos  xoO  ^tTttoQoXoyitv  nal  rUi]  xal 
OQXus  iniaxontlv  %u\  %axttnxvctt9  x&v  aotpdtv  tovtwv  avlloyiandtv  %al  t«  toiaOr« 
Xfiffov  fJYTiaüiitvos,  H.  Zeller,  Die  IMiilosophic  der  (triochen  II,  1*  8.  2H8  tT. 

:>)  Wir  werden  (Iber  den  (icdankcn  bei  (ielegonheit  dicHen  Totongesprftchs 
und  der  ßuov  nQüatg  zu  «prcchen  haben;  daß  er  bei  Menipp  vorkam,  scheint 
iich»r 


38  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

betrachtungen  VI  2  (63,  20  Stich  ^):  ocqxsI  xal  hnl  ravrrjg  zb  nagbv 
Bv  d^aöd-av  im  Anschluß  an  eine  alte  sprichwörtliche  Wendung^);  daß 
der  Gedanke  in  dieser  Form  in  den  Schatz  kynischer  und  stoischer 
Lebensweisheit  übergegangen  ist,  liegt  auf  der  Hand,  und  wir  werden 
ihm  in  der  ^loysvovg  TtQäöig  wieder  begegnen. 

Es  bleibt  nur  noch  die  Rückkehr;  und  noch  einmal  werden  wir 
an  Vergil  erinnert,  weil  das  gleiche  Motiv  benutzt  ist.  Dort  mahnt 
die  Sibylle  (VI  539):  ^Die  Nacht  kommt  näher',  und  es  ist  Gefahr 
vorhanden,  daß  Aneas  die  ganze  ihm  gewährte  Zeit  im  Gespräch  mit 
Deiphobus  vei-plaudert  ^) ;  und  am  Schluß  wird  Aneas  durch  das  Tor 
der  falschen  Träume  entlassen,  d.  h.  nach  der  Deutung  von  Everett^): 
vor  Mitternacht.  Norden  weiß  andere  Beispiele  dafür  anzuführen  aus 
mittelalterlichen  Apokalypsen,  daß  die  Vision  an  einem  Tage  beendet 
sein  muß.  Auch  bei  Lucian  schwebt  der  Gedanke  vor,  wenn  aus- 
drücklich darauf  aufmerksam  gemacht  wird,  daß  Menipp  zur  Eile 
antreibt,  weil  es  schon  spät  war.*)  Ebenso  stimmen  die  beiden  Hades- 
fahrten darin  überein,  daß  Aneas  wie  Menipp  nicht  auf  demselben 
Wege,  sondern  auf  einem  kürzeren  heimkehren  oder  —  denn  dabei 
hätten  sie  ja  doch  wieder  an  den  Ausgangspunkt  gelangen  können  — 
daß  beide  an  anderer  Stelle  die  Oberwelt  wieder  betreten  als  wo  sie 
hinabgestiegen  sind.  Die  poetische  Komposition  verlangte  nur,  daß 
eine  nochmalige  Erwähnung  all  der  geschilderten  Punkte  nicht  wieder 
stattfand;  aber  das  hätte  sich  auch  durch  kurze  Zusammenfassung 
des  Rückwegs  erreichen  lassen.  Die  Übereinstimmung  der  beiden 
Schriftsteller  lehrt  also  auch  hier,  daß  für  Lucian  eine  Quelle  vorlag, 
an  die  er  sich  hielt. 

Wir  haben  die  äußere  Gestaltung  der  Hadesfahrt  verfolgt  und 
die  Spuren  älteren  Gutes,  oftmals  auch  direkt  kynischen  Einfluß 
beobachtet.  Auch  die  Vorgeschichte  derselben  zeigt  uns  Motive, 
die  uns  auf  eine  Benutzung  früherer  Literatur  hinweisen.  Gleich  im 
Anfang:  Menipp  hat  sich  zunächst  an  die  Dichter  gehalten,  um  aus 
ihnen  Belehrung  zu  schöpfen;  da  drängt  sich  ihm  der  Widerspruch 
der  homerischen  und  hesiodischen  Dichtung  mit  den  auf  Erden  herr- 

1)  Plat.  Gorgias  499  C:  yiatcc  xbv  naXaibv  loyov  xb  -jiccQbv  sv  Ttoislv  (vgl. 
Gercke  zu  d.  Stelle  und  Fritzsche,  Lucianus  (Rostock  1869)  11  2  S.  3).  Das  Wort 
wird  schon  auf  Pittakos  zurückgeführt  Diog.  L.  I  77,  als  aristippische  Lebens- 
regel erwähnt  es  Diog.  L.  11  66. 

2)  yi  537:  et  fors  omne  da  tum  traherent  per  talia  tempus. 

3)  Classical  Review  XIV  (1900)  S.  153  f.,  vgl.  Norden  a.  a.  0.  S.  339  f. 

4)  Necyom.  22:  iya  ö^  —  y.ccl  yccQ  rjdri  oips  rjv  —  aye  ät],  m  Mid^QoßaQ^civri^ 
cprifii,  xi  dicc^iXXo^EV, 


Widersprüche  zwischen  Dichtung  und  Gesetz.  39 

sehenden  Gesetzen  der  Moral  auf.  Der  Gedanke  fand  sich  auch  in 
Xenophanes'  Sillen  und  steht  in  genau  derselben  Weise  bei  Piaton 
im  ^Staat',  wo  ebenso  Hesiod  und  Homer  als  Verbreiter  lügenhafter 
Erzählungen  bezeichnet  werden;  auch  im  Ausdruck  kommt  Lucian 
diesem  seinem  Vorgänger  nahe^)  und  bei  der  Kenntnis  von  Piaton, 
die  er  besessen,  und  der  Begeisterung,  die  er  einmal  für  ihn  empfun- 
den hat  und  für  den  Schriftsteller  immer  empfand^),  ist  bewußte  An- 
lehnung an  diese  Stelle  der  ^Republik'  nicht  unwahrscheinlich,  obwohl 
das  natürlich  eine  Anregung  für  den  Gedanken  von  anderer  Seite 
nicht  ausschließt.  Man  fühlt  sich  etwas  an  die  Erzählung  bei  Sextus 
Empiricus  erinnert,  wie  Epikur  zur  Philosophie  getrieben  wurde,  indem 
er  von  den  Dichtem  und  den  Grammatikern,  die  sie  interpretierten, 
weil  sie  ihm  keine  Auskunft  geben  konnten,  fortschritt  zu  den  Philo- 
sophen.^) 


1)  Necyom.3:  äxQi  fitv  iv  Ttaialv  Tjr,  dytovav'OfirjQov  xccl'HGiodov  TtoXt- 
fiovg  xal  GrdßiLs  ÖLr^yov^ivwv  ov  y,6vov  ratv  rjfiid-icov,  ccXXä  xat  avroir  ijdi]  rebv 
-ö-f  cor,  ixL  äh  xal  not^siccg  ccvräv  xai  ßiag  xccl  dgrcayccg  xal  Ttccrigcov  i^sldasig 
xai  ddsX(pä)V  yduovg^  Ttävtcc  tccvtcc  ivoiii^ov  ilvcci  ■KOiXd.  xai  ov  naQiQyoig  ixvföpiTiv 
TCQog  ccvrd-  intl  di  sig  dvdgccg  reXstv  ijQ^d^iriv^TtdXLV  ccv  ivtcevd'a  i'inovov  räv  voiimv 
rdvavtiu  xolg  Ttoir]xatg  xiXhvovxav^  ftTjT«  fiotjjevfiv  ftr/rf  öxccotd^siv  ^ifrt  uQTrd^aiv. 
Plat.  rep.  n  377  D:   ovg  'Haiodog  xs  . . .   xal  '^O^r]Qog  r}y,lv   iXiyixT\v  ...  ovxoi 

ydg  Ttov  iivd^ovg  xoig  dvd^göjTtoig  ipsv^ng  avvxid-svxsg  ^Xsyov  xe  xai  Xiyovaiv 

Sxccv  dud^f]  xig  xccHtbg  ra>  Xoyco  Ttegl  d-eäiv  X8  xal  rjgoiojv   oloi   slat xcc  dk 

drj  xov  Kqovov  tgya   xal   ndd'r]  vnb  xov  vNog ovde  ifxr^or  raoi 

dxovovxt,  (og  ddindiv  xd  iaiccxa  o'bSlv  uv  d'ccvfiaoxbv  rtotoT,  ot'J*  av  dStxovvxcc 
nuxtga   noXa^cav   navxl   XQono)^   dXXu   Sgar]   ccv   ontg   d^tu)v   oi   ngtbxoi   xf   xal   fii- 

yiaxoi o{>dh «ff  d'Bol  &€olg    noXEfiovöi    xt    xal    inißovX&vovat    xccl 

Hdxopxai.  Xenoph.  Sill.  fr.  U  (Diels,  Poet.  Phil.  Frgrat.  S.  39):  :tdvxa  »eoia' 
dv^drixav  "Ourtgdg  9*  'HaioÖog  rf,  ooacc  nag*  dv^gutnoiaiv  dveldea  xal  ^6yog  iariv, 
xliifXBtv  ftoi;ff j''fiv  Tf  xal  dXXrjXovg  dnaxfvBiv. 

2)  Siehe  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altertum  IX  (1902)  S.  204  f. 

8;  Sext.  Kmp.  adv.  math.  X  19  (P  637):  xojiitd^  yug  fuigaxiaxog  av  i'igfxo 
xbv  inavayivmaxovxa  avxta  yga\i,^Laxiaxi]V  ^i^oi  /iir  ngatxiaxa  xdog  yivtx^,  ix 
riVoff  xb  x«os  iyivixo^  Btmg  ngtbxov  iyivsxo-  xovrov  Sk  slndvtog  ^i)  at&rot^  fgyov 
tlvcci  TU  TotaOra  dtSdaxHv,  dXXu  xibv  xaXov^ivav  cpiloadtpcav,  *to/wi%  fqprjfffv  6 
'Kitixovgog,  in'  ixtlvovg  /ioi  ßadiaxiov  iaxir,  itnt-g  ccvxol  tiiv  xdtv  övxtov  dXi\&ftav 
iauaiv\  Man  vergleiche  damit  Necyom.  4:  ind  dh  Ati]7r6govi\  ido^d  ^ot  iX&övra 
naget   xovg   »aXoviiivovg  xovxovg   (fiXoaotpovg   iyxngioai    xk    i^iavrbv  xal  div^^f^vai 

airtibv (i.  Diog.  L.  X  2).  —  Übrigen«  berflckiichtigt  Lucian  die  allegorische 

Deutung  (Cic.  de  n.  deor.II  24,04:  phvHica  ratio  non  inelegans  inclufla  e*X  in  impiM 
fahula«;,  wie  iie  von  den  Stoikern  <lurchg«*ftlhrt,  »pllter  von  den  Xeuplutonikem 
wieder  aufgenommen   iit,  gar  nicht  (Sallust.   de  dÜM   et   mundo  'i:   dXlu  <^ 
HOtxtlug   xal   xXonccg   xai  nutigav  dtaiiovg  xal  xriv  dXXiiP  droniuv  iv  folg  «• 
flgiljiuaai9;  ^  nal  roOto  &^iov  ^^avuaros^  tva  Stä  tlls  tpmvoiidvrig  inoniag  tv&ifg  i; 


40  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

Menipp  ist  aus  dem  Regen  in  die  Traufe  gekommen.  Die  Lehren 
der  Philosophen  stehen  in  unentwirrbarem  Widerspruch  zueinander  (4). 
Das  Thema  ist  alt.  Es  bildete  für  Timon  wahrscheinlich  den  fiktiven 
Anlaß  für  seine  *Nekyia'  in  den  Sillen,  auf  jeden  Fall  stellte  er  im 
ersten  Buch,  dem  Philosophenkampf,  den  Streit  der  verschiedenen 
Sekten  satirisch  dar.  ^)  Soweit  dabei  die  verschiedenen  Theorien  be- 
treffs der  Weltenstehung  in  Frage  kamen,  haben  wir  das  ausdrückliche 
Zeugnis  des  Diogenes  Laertius,  daß  auch  Menipps  Satiren  sich  damit 
befaßt  haben  ^),  und  Varro  läßt  z.  B.  in  den  'Eumeniden'  im  Anschluß 
an  Menipp  die  Lehren  der  Philosophen  Revue  passieren,  um  zu  dem 
Schluß  zu  kommen,  daß  ihre  Ansichten  den  Fieberphantasien  der 
Kranken  gleichen.^)  Wie  Menipp  griff  Bion  die  Dogmen  der  Philo- 
sophen an,  und  aus  ihm  konnte  man  nach  Angabe  seines  Biographen 
den  Stoff  schöpfen,  wenn  man  es  auf  die  Philosophie  abgesehen  hatte.*) 
Nicht  weniger  zog  Krates  über  die  Anhänger  der  anderen  Schulen 
her,  obwohl  es  aus  den  wenigen  Fragmenten  nicht  möglich  ist,  zu 
sehen,  ob  er  die  Lehren  verspottet  hat  oder  nur  das  hochmütige, 
streitbare  und  streitsüchtige  Wesen  einzelner.^)  Aber  es  wird  sich 
wohl  überhaupt  schwer  eine  Grenze  ziehen  lassen,  sondern  der  Spott 
griff,  wie  schon  bei  dem  Haupt  der  kynischen  Schule  Diogenes^),  von 
dem  einen  Gebiet  auf  das  andere  über.  So  hebt  der  Lucianische 
Menipp  neben  dem  Widerspruch  der  Sekten  untereinander  den  scharfen 
Kontrast  zwischen  Lehre  und  Lebenswandel  bei  den  einzelnen  her- 
vor (5).  Der  Gedanke,  daß  die  Weisheit  der  Philosophen  im  prak- 
tischen Leben  jämmerlich  Schiffbruch  leidet,  oder  daß  ihr  finsteres 
Aussehen  sie  am  Wohlleben  nicht  hindert,  ist  schon  in  der  Komödie 
oft  genug  hervorgehoben  worden^)  und  hat  sich  dann   immer  wieder 

'^v^T]  tovg  nhv  loyovg  rjyrjGrirca  Ttgo-AccXv^iiarcc,  xb  8'  aArj-ö'f?  aTtoggritov  slvca 
vofiiarj).  Überhaupt  hat  Lucian,  was  auffällt,  die  allegorische  Erklärungsweise 
niemals  in  den  Kreis  seiner  Satire  gezogen. 

1)  Siehe  Wachsmuth,  Sillographi  Graeci,  S.  43;  Diels,  Poet.  Philosoph. 
Frgmt.  S.  183. 

2)  Diog.  L.  VI  101  nennt  unter  Menipps  Werken:  Ttgbg  tovg  (pvGiTiovg 
■aal  na&rj^atLyiOvg  Kai  yQa[L^ariv,ovg. 

3)  Vahlen,  Coniectanea  in  Yarron.,  Lips.  1858,  S.  180  f.;  Ribbeck,  Rhein. 
Mus.  XIV  (1859)  S.  109;  Buecheler  fr.  VI  (in  Petronii  Saturae  ^  S.  177). 

4)  Diog.  Laert.  IV  47  r  TiXsiGtag  a(poQy,äg  Ssdco-nag  tolg  §ovXo^ivoLg  y.ad^vmtä- 
^ead'ai  (piXoao(piag. 

5)  Diels,  Poet.  Phil.  Fr.  S.  217. 

6)  Man  vergleiche  den  Spott  gegen  Piaton  nach  Diog.  Laert.  VI  24.  26.  40. 

7)  Anaxippus,  Kock  III  S.  299  fr.  4:  tovg  ys  (piXoaoopovg  iv  rotg  Xoyoig  cpQO- 
vovvtag   hvgiav.fo   ^ovov,   iv   rolci    d'   ^gyoig  iivxag  avorirovg  ogo),   noch  deutlicher 


Widersprüche  der  Philosophen,  Lehre  und  Leben.  41 

fortgepflanzt;  Römer  und  Griechen  haben  ihn  gleichmäßig  zum  Aus- 
druck gebracht.  Cicero  hat  diesen  rojtog  unumwunden  in  den  Tuscu- 
lanen  benutzt.^)  Seneca  weiß,  daß,  wer  sich  den  Bemühungen,  ihn 
zur  Philosophie  zu  bekehren,  widersetzen  will,  genug  Gegengrüude 
finden  wird,  wenn  er  die  Geschichte  der  Philosophen  sich  ansieht.^) 
Quintilian  will  immerhin  zugeben,  daß  in  alter  Zeit  viele  auch  so 
gelebt  haben,  wie  sie  lehrten,  zu  seiner  Zeit  aber  sei  Philosophie  der 
Deckmantel  für  Laster.^)  Auch  für  die  römischen  Satiriker  ist  dieser 
Gegensatz  mehrfach  das  Thema;  bekannt  ist  die  äußerst  krasse 
Schilderung  Juvenals  von  denen,  qui  Curios  simulant  et  Bacchanalia 
vivunt  (11).  Der  Stoiker  Epiktet  ruft:  'Zeigt  mir  einen  wirklichen 
Stoiker,  ich  möchte  ihn  sehen!'  und  wirft  der  ganzen  Sekte  offen 
den  heuchlerischen  Schein  vor,  mit  dem  sie  sich  umgeben.*)  Eine 
charakteristische  Schilderung  von  dem  Treiben  der  Philosophen  ent- 
wirft Aristides  in  der  Rede  vireQ  rdv  rerragov^),  die  sich  mit  der 
hier  von  Lucian  angedeuteten,  an  andern  Stellen  ausführlicher  ge- 
gebenen Darstellung  in  allen  Punkten  deckt.  Der  Stoiker  Euphrates, 
der  aus  der  Lebensbeschreibung  des  Apollonios  von  Tyana  wegen 
seiner  Feindschaft  mit  diesem   bekannt  ist^),  bietet,  obwohl  gehässig 


Baton  in  S.  328  fr.  i»,  i'ä:  ol  yovv  ras,-  öcpgvg  iTtriQ-Kortg  xal  tÖv  (fgovi^ov  ^ijroöv- 
Ttff  iv  ToTg  ntgindroig  xal  ralg  öiatgißaTg  mantg  &7iod8Sgax6ra,  ovrag^  iuv 
y/Mvxia^og  uixoig  Tcagaxfdfj,  i'aaaiv  ov  det  ngtbrov  uipccß^cci  xönov.    Vgl.  Anhang. 

1)  Tu8C.  II  4,  11:  quotuB  enim  quisque  philosophorum  invenitur  qui  sit  ita 
moratus,  ita  animo  ac  vita  constitutus,  ut  ratio  postulat?  ....  videre  licet  alios 
tanta  levitate  et  iuctatione,  ut  üb  fuerit  non  didicisse  melius;  alios  pecuniae 
cupidoB,  gloriae  nonnullos,  multos  libidinum  servos,  ut  cum  eorum  vita  mira- 
biliter  pugnet  oratio.    (Vgl.  Lact.  div.  inst.  III  16,  9  S.) 

2)  Epist.  29,5  (\).  87,  17  H.):  obiciet  philosophis  congiaria,  amicas,  gulam. 
ostendet  mihi  alium  in  adulterio,  alium  in  popina,  alium  in  aula.  Vgl.  Fried- 
liinder,  Sittengeschichte  Roms  III*»  684  ff. 

3)  Quint.  inst.  or.  I  praef.  15:  non  enim  virtute  ac  studiis,  ut  haberentur 
philoHophi,  laborabant,  sed  vultum  et  tristitiam  et  dissentientem  a  ceteris  habi- 
tinn  pi'HsimiH  moribuH  praetendebant. 

4)  II  19,  24  und  28  (ntgi&^ntvoi   oxfjti«   iXlotgiov   ntgiTtnrtlTf  xU:tTat)\  III 

7,    17:     XftJ      i/iyri>\      ••IUI      i'JJi/      ll^•'^^ll^^'       uWtt     f\V     ■rtttiiiritn'     (\it]      T\     H;      (il'll.    N.    A. 

XVII   19  . 

6)  AriHiKKH  ro<  .  iMiMiori  ii  :i\»M  ri.  l'ie  Mi'iir  ini  ncHprniinMi  von 
Lncian  und  die  Kynikcr,  Berlin  1879,  B.  100  ff.;  Norden,  Jnhrb.  f.  kl:t 
logic  Siippl.  XIX  404  ff.;  Friedlander,  Sittengesch.  Honis"  III  «hu. 

6;  In  dem  Briefwechsel  Kpistologr.  («raeci  rec.  liercher,  l^arin  Ih?.;, 
(3:   &ytov  tpogrlSa  fitöri^v  4cQyvQiov,  igvclov^  ontv&v  navtodttnAv^  h^n'ftmv  nomi- 
ioiv,  ndanov  toO  Xoinof\   tvtpov   x«i    iXaCovtittg  xu\  xoKodaifioi  '      Kf»<fpar»itf 

fXußt  xul  niikiv  fXußfv.    'Kninovgoi  di  ot»x  uv  (Xaßtv.)   Vgl.  IM.  VpoU.  I  18. 


42  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

gezeichnet,  ein  deutliches  Exempel,  wie  man  sich  in  der  Kaiserzeit 
die  Stoiker  vorstellte.  Und  als  unter  Mark  Aurel  die  Anhänger  der 
Philosophie  großen  Einfluß  hatten,  ging  das  Gerede,  daß  viele  unter 
ihrem  Schutz  den  Staat  sowohl  wie  Privatleute  ruinierten.^)  Daß  man 
die  Scheinheiligkeit  der  Philosophen  auch  bildlich  darstellte,  zeigt 
das  Bronzegefäß  von  Herstal  aus  Domitians  Zeit,  das  uns  zugleich 
ihren  Ernst  nach  außen  und  ihre  Laszivität  im  stillen  vorführt.^) 

Eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  dieser  Einleitung  Lucians  zeigt  der 
Dialog  Justins  mit  dem  Juden  Tryphon  im  Anfang.  Dort  ist  ebenso, 
nur  mit  größerer  Ausführlichkeit,  das  nutzlose  Herumziehen  bei  allen 
Philosophen  geschildert,  an  das  sich  dann  der  Gang  in  die  Einsam- 
keit anschließt,  der  vor  der  suchenden  Seele  das  wahre  Heil  auf- 
leuchten läßt;  bei  jeder  Schule  ist  angegeben,  was  den  Erzähler  ab- 
geschreckt hat,  darunter  die  Honorarforderung,  die  Lucian  mehrfach 
zum  Gegenstand  seiner  Satire  gemacht  hat.^)  Noch  auffälliger  aber 
ist  die  Übereinstimmung  in  dem  Paräneticus,  der  unter  Justins  Namen 
geht,  ihm  aber  von  der  neueren  Kritik  meist  abgesprochen  wird.*) 
Lucian  läßt  den  Menipp  von  dem  Eindruck  berichten,  den  die  Fabeln 
der  Dichter  auf  ihn  machten;  als  er  von  Homer  und  Hesiod  vernahm, 
wie  die  Götter  sich  bekriegten,  wie  sie  Ehebruch,  Raub  und  Gewalt- 
tätigkeit aller  Art  verübten,  da  hielt  er  das  alles  für  schön  (3).  Pseudo- 
justin  mustert,  vven  die  Griechen  als  Lehrmeister  der  Frömmigkeit 
anführen  können:  erstens  die  Dichter.  Homer  eröffnet  den  Reigen 
mit  seinen  lächerlichen  Anschauungen  von  Zeus  (2);  dabei  kommen 
die  unten  erwähnten  Berührungen  mit  dem  tragischen  Zeus'  vor. 
Folgerichtig  geht  es  weiter  zu  den  andern  Göttern,  bei  denen  der 
gegenseitige   Kampf  hervorgehoben   wird.     Und,   heißt  es  weiter,  das 


1)  Capitolin.  Antonin.  philos.  23  vgl.  Cassius  Dio  LH  36,  4. 

2)  Demarteau,  Bulletin  de  l'institut  archeologique  liegeois  XXTX  1 :  Cumont, 
Annales  de  la  societä  d'archeologie  de  Bruxelles  XIV  3.  4;  Jahrb.  d.  D.  Archaeol. 
Instituts  XVI  (1901)  Archäol.  Anzeiger  S.  16. 

3)  Vgl.  besonders  Luc.  necyom.  6:  ocpaXslg  ovv  ticcl  rfj6ds  rfjs  ilitido?  ht 
liäXXov  idvG%iQccivov',  Justin  2:  idvGcpogovv  ovv,  ag  tö  slxög,  a7toxv%o3v  xf\g  iXni- 
8og^  xat  uäXXov  rj  i%i6tcc6Q'ai  xi  avxbv  (p6iiriv\  Luc.  6:  v,ul  (lol  tcoxe  öiayQVJCvovvxi 
rovxcov  ivsjta  ^do^sv  ig  BaßvX&va  iXd'OvxK  8srid-i~]val  xivog  xa>v  ^idyav;  Just.  3: 
KCüi  nov  ovtcog  dtaxsuiBvov  insl  Mo^4  noxs  noXXfig  -qgsiiiag  i^rpoqriQ'fivaL. 

4)  Als  echt  verteidigt  von  Semisch,  Justin  der  Märtyrer,  Breslau  1840, 
S.  105  ff.,  neuerdings  von  Widman,  Forschungen  zur  christl.  Litteratur-  u.  Dogmen- 
geschichte, hr.  V.  Ehrhard  und  Kirsch,  III  1  (vgl.  Bonwetsch,  Gott.  Gel.  Anz.  167 
[1905]  S.  169  ff.);  für  unecht  hält  die  Rede  Harnack,  Geschichte  der  altchristl. 
Litteratur  IL  Teil  I  513. 


lustin.  dial.  c.  Tryph.,  coh.  ad  gent.  43 

hat  euch  betreffs  der  Götter  nicht  nur  Homer,  sondern  auch  Hesiod 
gelehrt.  Bei  Lucian  wird  Menipp  durch  die  bestehenden  Gesetze 
darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  das  vielbesungene  Treiben  der 
Götter  unrecht  ist;  in  seiner  Verlegenheit  wendet  er  sich  an  die 
Philosophen,  woran  sich  dann  die  zusammenfassende  Aufzählung  der 
verschiedenen  Dogmen  knüpft  (4).  PseudoJustin  fährt  fort  (3):  Lassen 
wir  aber  die  Dichter!  Wen  glaubt  ihr  dann  als  Lehrer  der  Frömmig- 
keit zu  haben?  Ihr  nennt  die  Philosophen;  denn  zu  denen  pflegt  ihr 
ja  wie  zu  einem  festen  Wall#  eure  Zuflucht  zu  nehmen.  Und  nun 
werden  nacheinander  die  Meinungen  zunächst  der  Physiker  aufgezählt, 
wie  Diels  gelehrt  hat,  nach  des  sog.  Plutarch  EpitomeM;  hier  herrscht 
also  große  Ausführlichkeit,  wo  Lucian  nur  eine  ganz  knappe  Über- 
sicht gegeben  hat.  Aber  beachtenswert  ist,  daß  beide  den  Widerspruch 
aller  untereinander  besonders  betonen,  und  daß  sie  beide  in  ähnlicher 
Weise  abschließen  mit  der  Bemerkung,  daß  diese  verschiedenartigen 
Ansichten  sämtlich  mit  gleicher  Energie  und  gleicher  Überzeugung 
verfochten  werden.*) 

1)  Doxographi  Oraeci  coli.  H.  Diels,  Berlin  1879,  S.  17. 

2)  Xtic.  nee.  4:  xal  t6  ndvrtov  SctonotTatov,  öri  nsgl  twv  avtav  ivavximxccra 
ixaatog  Xiyatv  ocpodga  vittöavtas  xai  md'avovg  koyovg  iTtoQi^sro;  Ps.  Just.  4:  dgäxf 
xoivvv  XTjv  Scxcc^iccv  xd)v  ttccq*  v^lv  vo^iG^'ivxoiv  yeysvijad'cci  aocp&v  ....  x&v  ^(v 
vdojQ  6cno(friva^itvoiv  &Qxh^  anävrwv  bIvcci,  rdtv  öh  cciQcc,  xibv  Sh  nvQj  xibr  61 
ailo  XI  xdv  TiQOtLQriiiivcov ^  xai  nuvx(ov  xovxojv  Ttid-ccvoTg  xioi  Xoyotg  ngog  xa- 
xaaxtvr]v  x&v  ^ir]  nctiwg  do^dvxcav  avxotg  XQ^i'-^*'^^  ^^^  ^^  i'Siov  Soyucc  TtQOXi^o- 
xtQOv  imxHQOvvxmv  ^«txvvvat;  dann  x&v  iirid*  iavxovg  nstöai  dt^vrid'ivxav  xb  fii] 
':tQbg  &XXf)Xovg  axaoid^Biv  fiijd'  ivccvxiot  xfig  &XXi]l<iiv  (faivsa9ai  dd|ijff.  —  Ich  füg^ 
gleich  hier  hinzu,  was  im  übrigen  in  der  Cohortatio  an  Lucian  erinnert.  Den 
Zeus  sehen  wir  geschildert  als  iQiövxa  xai  axBxXiä^ovxcc  xai  oXotfVQoufvov  (2)  wie 
im  tragischen  Zeus'  (2)  seine  axfvay^ioi  und  däxQvcc  erwilhnt  sind,  und  die  bei 
Lucian  aus  Homer  zitierten  Liebschaften  des  Zeus  sind  hier  durch  «lie  Homor- 
verse  selber  belegt  (11.  XIV  315  ff);  ebenso  wird  aus  der  Rede  des  Damis  dort 
(40)  die  Nachstellung  der  Götter  gegen  Zeus  erwähnt  (Coh.  2:  x«i  el  fti)  xbv  op 
Hqiuqswv  xaX^ovai  imibiiaocv  oi  fidxuQig  d^iol,  iö^öexo  av  'bn'  a-bx&v  6  Zfi'v;  Luc. 

lupp.  tr.  40:    xai    ii'  yf   iiij    xbv    BgidQUov    r;   H^xtg   imdXfChV ,  in&mdrjxo  «i» 

iinlv  b  ßÜxiaxo;  7,8vg).  Das  berühmte  goldene  Seil  (II.  VIII  18  ff.),  das  Lucian  im 
'trag.  Zeus*  45  und  sonst  verspotten  läßt,  erwähnt  der  Verf.  der  Mahnrede  Kap.  24 
(auch  Aristides  ntgl  r.  nngatp».  46  [II  15«,  17  ff.  Keil);  etg  Jla  15  [II  848,  3  K.): 
I  1  iiiiuH  IV  192,17  Reiski'i.  Die  Verspottung  der  Philosophen  aus  dem  'Ikanv 
"  ' '"l'P*  i^)'  0*  inl  yfjg  /i«^7]xor(^%  &XX'  olfih  d^vxtQOV  roö  nXtiaiov  df^o^Kurfv'  .. 
ofKüt  o'UQttvo(i  Tt  niffaxa  dtoQ&v  Itpaaxov  kehrt  wieder  Cohortat.  80:  tir,d^  xa  inl 
yfjt  yvibvai  dwantvot,  xic  iv  ovQurotg  ag  iuiQanoxtg  fldipat  inayytXXovrai;  der 
Ausdruck  Icar.  «:  noXXdxig^  il  tvjjoi,  iirjAh  bfröaoi  atdStot  Af#y«p<^fy  *A9i^ii 
tiaiv  &xQißws  iniaxdiihvoi  xb  ^xa^v  xf^g  a§Xifitn]g  xai  xo^  ijXiov  {»^^c  6n6to>r 
titl  nrix<oi'  xb  ntyt&og  ixöXfuav  Xiynv  ist  sehr  verwandt  mit  l'uhort.  86:  xai  n§ifl 


44  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

Aber  mit  Hilfe  dieser  Parallelen  gelingt  es  kaum,  eine  bestimmte 
Vorlage  zai  erkennen;  die  Ähnlichkeit  mit  Justin  mag  zu  allgemein 
sein,  um  einen  Schluß  auf  ein  gemeinsames  Vorbild  zuzulassen,  und 
die  mit  der  Cohortatio  mag  sich  durch  Benutzung  Lucians  erklären.*) 
Anderes  weist  uns  in  ganz  bestimmter  Richtung  weiter.  Sicherlich 
aus  kynischer  Darstellung  stammt  ein  Gleichnis^),  das  Lucian  dann 
später  in  freierer  Form  immer  wieder  verwendet  hat.  Die  Menschen 
scheinen  Menipp  einem  langen  Festzug  vergleichbar  (16),  bei  dem 
Tyche  die  Rollen  verteilt  und  den  ein«n  als  König  ausstaffiert,  den 
andern  als   Sklaven,   den   einen   schön,   den   andern   mißgestaltet   und 


TOVTtov  nLöTSvsGd^ai  kavrov  öiä  ^oxtfiorrjra  cpgciascog  cc^l&v^  ovds  X7]v  xov  EvQLTtov 
(pvöiv  xov  övxog  iv  XccX-nidi  yvavuL  dvvri&sls  •  •  •  •  (s-  später  Kap.  XII).  Die  Er- 
wälmung  des  Platonischen  Wortes  von  dem  Flügel  wagen  des  Zeus  (Coh.  31 : 
Tcxrivov  'aq^ux.  iXavvHv  xov  Jia)  erinnert  an  den  Bis  accus.  33,  der  Ausdruck 
Coh.  36:  XTjpco  xä  mxcc  cpga^d^svog  X7]v  in  x&v  Sslqi^vcov  avx&v  ivo^loveav  7}ästccv 
(fsvyhco  ßXdßrjv  an  Stellen  wie  Epist.  Saturn.  32:  mOTtsg  xovg  'Odv6oi(og  kxaigovg 
xriga  ßsßvad'cct.  xcc  cora  oder  Imag.  14:  -kccI  rjv  -ktiqoj  inLCfga^rj  xä  mxcc.  Auch  bei 
müTtSQ  XL  dsXscxQ  xrjv  svyXaxxiav  7tQOL6%6^svoi  (Coh.  36)  kann  man  denken  an 
Bis  acc.  20 :  dsHaxa  xotg  ävoiqxoig  ngoxslrovoa  oder  Dial.  mar.  14,  1 :  y.ccd'a.neQ 
dsXsuQ  TiQod-üg  X7]v  oiOQTjv.   Die  letzten  Stellen  wollen  natürlich  nicht  viel  besagen. 

1)  Benutzung  Lucians  scheint  auch  in  einer  andern  christlichen  Schrift 
vorzuliegen,  auf  die  schon  Hemsterhuys  hingedeutet  hat.  Der  Anfang  der  ersten 
Klemenshomilie ,  der  identisch  ist  mit  dem  Anfang  des  Klemensromanes,  er- 
innert lebhaft  an  die  Einleitung  der  'Nekyomantie'.  Auch  dort  ist  der  Verfasser 
in  großer  Verlegenheit,  weil  er  über  den  Tod  und  die  Entstehung  der  Welt 
nachdenkt:  yial  aqä  tcoxs  ytyovsv  6  "noGiiog  -nccl  ngb  xov  ysvEa&ai  xi  dga  xal  riv 
(epit.  de  gestis  S.  Petri  1;  Migne  patr.  graecolat.  11  S.  472).  Infolgedessen  ständige 
Unruhe:  xavxd  xs  v.al  xa  xovxoig  o^oia  ovx  olda  7t6&sv  ditavßxfog  diBvd^v^ovusvog 
äitccvGxov  bI%ov  ätl  xi]v  Xvnr\v  (2).  Da  begibt  er  sich  zu  den  Philosophen  mit 
dem  bekannten  Mißerfolg:  i-A  TtaiSbg  ovv  iv  xoiovxoig  cov  XoyiC^otg,  slg  xdg  x&v 
(pLXoa6q)cov  icpoixcov  diccxQLßdg,  &6xb  xi  ßißcciov  iyisl&sv  ^icc^alv.  ccXXd  xccl  ovxccg 
ovShv  8XSQ0V  tcuq'  civxotg  xb  6nov8ut,6^Bvov  srngcov  rj  doy^dxav  dvaansvccg  y.al 
-ncixaGxsvdg^  ^QiSdg  xs  xal  avXXoyiGiiCbv  xB%vag  xat  8r]  y.cu  Xri^^dxcov  iitivolccg  (3). 
Darauf  in  der  üblichen  Weise  noch  stärkerer  Kummer:  nag'  o  y.al  hi  fi&XXov 
iv  xolg  ngdyiLccGiv  IXiyyicov,  y.al  ccTtb  xov  xfig  ipvxfig  ßdd-ovg  ioxivcc^ov.  Und  so 
verfällt  der  Erzähler  auf  dieselbe  Auskunft  wie  Menipp,  nur  daß  er  nach  Ägypten 
gehen  will:  xovxav  ovv  x&v  XoyiO^mv  öxgscpövxoav  fiov  xr]v  t^v^riv  ^sig  Aiyvnxov 
TCOQEVGo^ai^  SLTtov,  71C/1  xolg  x&v  ddvxcov  LEQOcpdvxaig  ycal  jcgocf^xcag  q}LXiajd"i]ao^ai  Ttal 
^dyov  ^rixi]6ocg  yial  svgmv  %Qrnici6L  nsiGoi  noXXotg  ipvxfig  ccvaTtotiTcrjv  xrjv  Xsyoiiivriv 
vs-HQOfiavxsiav  iQydoccöd'Cii,  i^iov  Sfid^sv  mg  tceqI  nqdy^axog  xivog  Ttvv%^dvs6%'ai 
ßovXonivov  7}  Sh  TtsvöLg  ^axca  Ttegl  xov  iia^slv  ocqu  sl  dd-dvccxog  7\  ipvxt]^  (5).  Es 
bleibt  dann  bei  der  Absicht,  da  Bamabas  und  Petrus  den  Wunsch  besser  be- 
friedigen. Hamack,  Geschichte  der  altchristl.  Litteratur  II.  Teil  Bd.  II  S.  530  ff. 
zeigt,  daß  der  Klemensroman  zwischen  225 — 300  verfaßt  ist. 

2)  Siehe  Weber,  Leipz.  Stud.  X  S.  188  f. 


Schauspielervergleich  bei  Lucian.  45 

lächerlich  macht;  mitunter  läßt  sie  auch  während  des  Umzugs  die 
einzelnen  wechseln,  so  daß  der  Tyrann  zum  Sklaven,  der  Sklave  zum 
Tyrannen  wird,  auf  jeden  Fall  muß  jeder,  wenn  der  Festzug  vorbei 
ist,  sein  Kostüm  abliefern.  Daß  dies  Gleichnis  nicht  von  Lucian 
stammt,  zeigt  Dio  Chrysostomus'  Rede  LXIV,  wo  am  Schluß  dasselbe 
Bild  gebraucht  ist  und  zwar  in  einer  Knappheit,  die  deutlich  verrät, 
daß  es  schon  übernommen  ist.^)  Wir  finden  es  in  Kürze  auch  schon 
bei  Teles,  nur  daß  dort  weniger  an  den  Festzug  als  schon  ans 
Theater  gedacht  ist^),  wohin  uns  Lucian  gleich  führt.  Das  Gleichnis 
von  dem  Festzug  hat  etwas  Gesuchtes  und  Künstliches,  da  bei  diesem 
in  Wahrheit  ein  Wechsel  wie  der  geschilderte  ausgeschlossen  ist.  W^ir 
haben  es  offenbar  dabei  mit  einer  rhetorischen  L^mwandlung  des 
andern  Vergleichs,  zu  dem  uns  Teles  leitet,  zu  tun,  der  zum  Überfluß 
nun  unmittelbar  darauf  hinzugefügt  ist.  Das  Leben  gleicht  der  Tra- 
gödie, in  der  die  Schauspieler  bald  voller  Stolz  und  mit  hochtraben- 
den Worten  als  Kreon  oder  Agamemnon  auftreten,  bald  als  Sklaven 
und,  wenn  die  Vorstellung  vorüber  ist,  auf  jeden  Fall  in  ihrer  arm- 
seligen bürgerlichen  Stellung  als  Polos  und  Satyros  zum  Vorschein 
kommen.  Lucian  liebt  diesen  Vergleich  des  Lebens  mit  der  Bühne. 
Dieselbe  Bedeutung,  die  Wechselfälle  des  Schicksals  anschaulich  zu 
machen,  hat  er  ihm  schon  früher  im  ^Nigrinus'  (20)  gegeben,  wo, 
um  die  eintretenden  Veränderungen  zu  bezeichnen,  nur  allgemein  die 
Typen  des  Sklaven,  Bettlers,  Reichen,  Königs  genannt  sind  und  der 
Schluß  hinzugefügt  ist  avidlv  avrav  alvai  ßsßcaov.  Diesem  Gedanken- 
kreis gehört  auch  die  Verwendung  im  'Schiff*  (46)  an,  wo  die  arm 
gewordenen  Reichen  den  Schauspielern  gleichgestellt  werden,  die 
hungernd  aus  dem  Theater  kommen,  nachdem  sie  noch  eben  Aga- 
memnon oder  Kreon  dargestellt  haben.  Etwas  anders  ist  das  Bild 
gewandt  im  'Hahn'  (2()),  wenn  gezeigt  wird,  daß  der  Prunk  an  und 
für  sich  schon  nichts  als  Schein  ist;  denn  wenn  so  ein  großartig 
au.sstafHcrter  Kekrops,  Sisyphus  oder  Telephus  auf  der  Bühne  etwa 
fallt,  so  sieht  man  hinter  der  Maske  den  eigenen  blutigen  Kopf,  sieht 
unter  den  Prachtgewändem  die  eigenen  Lumpen  und  den  formlosen 
Kothurn.  Drittens  dient  der  Vergleich  bei  Lucian  dazu,  um  die  An- 
maßung y.u  Hchildem,  mit  der  jemand  sich  etwas  zugemutet  hat,  was 
♦•r    nicht    wirklifli    Ifistot      So    habnn   oft  Schatispioler,  heißt   es    im 

1;  AL.i    ..  ;.....;    ;,    ,,...,    .,..ir    äv&QÜtni"                 -•   SiatpiQft*'   »«         i, 

riiugrialaig  ^«r.  II  841  H  II  165,  8)t  v.  Arnim) 

2)  7}  Tvxfi   Uli'  Ttg   ovaa    navtaSunu    noiti    nQuamna,    r.  i.  ;  m, 

jrr»Xoß,  (f>vYÜdo^%  ^  .    (Telet  VI  (40,2  H.)  auM  Stob.  flor.  lOs.  sj 


46  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

^Nigrinus'  (11),  die  Maske  Agamemnons  oder  Kreons  oder  des 
Herakles  vor  und  spielen  weichlich  und  weibisch  wie  Hekabe  oder 
Polyxena;  es  handelt  sich  da  um  eine  richtige  Wiedergabe  dessen, 
was  Nigrinus  gesagt  hat^  und  Lucian  fürchtet,  er  könne  dessen  Rolle 
nicht  ordentlich  spielen;  später,  im  'Rhetorenlehrer '  (12)  hat  er  sich 
zum  Teil  wörtlich  an  diese  Stelle  angeschlossen.^)  Kommt  mala  fides 
hinzu,  liegt  also  heuchlerische  Aneignung  einer  fremden  Maske  vor, 
so  paßt  das  Bild,  wie  im  'Fischer'  (31),  auf  die  falschen  Philosophen, 
die  den  Schauspielern  gleichen,  welche  einen  Theseus,  Achill  oder 
Herakles  darstellen  und  weibischer  denn  Helena  und  Polyxena 
spielen.  Aber  es  war  gar  nicht  nötig  erst  das  Spiel  hervorzuheben; 
auch  die  ursprüngliche  Form  des  Vergleiches  läßt  sich  so  verwenden, 
um  Anmaßung  und  Heuchelei  zu  geißeln.  Allgemein  heißt  es  im 
'Ikaromenipp'  (29):  Die  scheinheiligen  Philosophen  sind  den  tragischen 
Schauspielern  gleich,  die  nach  Abnahme  der  Masken  und  Kostüme 
armselige,  für  sieben  Drachmen  gedungene  Menschen  sind;  und  in  der 
'Apologie'  (5)  läßt  sich  der  Satiriker  selber  den  Vorwurf  machen:  er, 
der  früher  so  frei  tat  und  nun  ein  Amt  angenommen  habe,  gleiche 
den  Schauspielern,  die  auf  der  Bühne  Agamemnon  oder  Kreon 
oder  Herakles  darstellen,  draußen  aber  nur  Polos  oder  Aristodem 
seien  in  ihrer  wirklichen  Gestalt.^) 

Es  sei  vergönnt  einen  Augenblick  bei  diesem  Vergleich  zu  ver- 
weilen, der  sich  auf  bestimmte  typische  Formen  zurückführen  läßt, 
die  er  in  kynischer  Darstellung  erhalten  hat,  um  so  mehr  als  eine 
solche  Topik  der  Vergleiche  herzustellen  sehr  wünschenswert  wäre 
und  man  erst  in  letzter  Zeit  damit  den  Anfang  gemacht  hat.^)    Über 

1)  Nigr.  11:  Lv'  ovv  [lt]  xa/  avtbg  iXiyx(0}ica  nolv  fisi^ov  r^g  i\iccvxov  Kscpa- 

Xijg  TtQOöoüTCstov  jtSQLTisifisvos   ,   ccnb   yviivov   aot,   ßovXo^iaL   tov^ov  Ttgoßcoicov 

TtQOßXaXsiv^  ivcc  iirj  GvyxataaTrdöoy  nov  Ttsßav  xov  rjQioa  ov  V7Cov.Qivoiiai^ 
rhet.  praec.  12:  y^Xotov  yaq  vnhg  roiovtov  Qi^rogog  i^h  Ttoiuad'ai  rovg  Xöyovis 
(pccvXov  vTtOTtQLTTjv  L6(og  Tcbv  xoiovx(ov  %al  x7\Xiy.ovx(ov ,  ftij  v.al  avvxQLipoi  nov 
7tsaa>v  xbv  rjQcaa  ov  vTio>.Qivoyiai.  Die  Vorstellung  findet  sich  schon  in 
Piatos  'Charmides'  162  D. 

2)  Lucian  schließt  dabei  das  Bild  von  dem  Affen  an,  der  seine  Dressur 
vergißt,  und  zeigt  dadurch  deutlich,  daß  er  aus  seinem  eigenen  ""Fischer'  (vgl.  36) 
geschöpft  hat.  —  Ohne  jede  moralische  Verwendung  steht  der  Schauspielerver- 
gleich Nigi-in.  9,  wo   sich   der  Erzähler  dem  Boten  in   der  Tragödie  gleichstellt. 

3)  Außer  den  im  folgenden  Angeführten  sind  zu  nennen  Frachter,  Hierokles, 
Lpz.  1901,  Sachregister  'Vergleiche';  E.  Weber,  Leipz.  Stud.  X  173  ff.;  H.  Weber, 
De  Senecae  phil.  dicendi  genere  Bioneo,  Diss.  Marbg.  1895,  S.  39  f.  59  f.;  Eichen- 
berg, De  Persii  saturae  natura,  Diss.  Breslau  1905,  S.  15ff. ;  B,enner,  Festschrift 
des  hist.-phil.  Vereins,  München  1905,  S.  54. 


Schauspielervergleich.  47 

unsern  Vergleich  haben  zur  selben  Zeit  Hense  und  Dümmler  ge- 
handelt^); jener  bietet  weit  mehr  Material,  dieser  hat  das  Verdienst, 
wenigstens  versuchsweise  die  vorkommenden  Stellen  nach  Kategorien 
geordnet  zu  haben,  allerdings  wie  das  bei  nicht  ausreichendem 
Material  begreiflich  war,  indem  er  manches  übersah.  Er  sondert 
die  Nutzanwendung,  die  durch  den  Vergleich  des  Lebens  mit  der 
Bühne  gegeben  wird,  in  folgende  zwei  Klassen:  1)  Nimm  dir  von 
der  Bühne  die  Lehre,  daß  die  großen  Unglücksfälle  die  Reichen 
und  Mächtigen  treffen.  2)  Nimm  dir  am  guten  Schauspieler  ein  Bei- 
spiel und  spiele  gleich  ihm  alle  Rollen,  welche  dir  das  Glück  zuerteilt, 
gleich  gut.  Er  hätte  hinzufügen  müssen  2b):  Nimm  dir  am  Schau- 
spieler die  Lehre,  rechtzeitig  aufzuhören,  ferner,  wenn  er  unsere  Lucian- 
stelle,  die  ihm  bekannt  war,  richtig  in  ihrem  Zusammenhang  beurteilt 
hätte,  v5)  Nimm  dir  am  Schauspieler  die  Lehre,  daß  die  Rollen  im 
Leben  wechseln;  endlich  4):  Nimm  dir  am  Schauspieler  die  Lehre, 
daß  der  äußere  Prunk  nur  leerer  Schein  ist.  Dazu  kommen  dann 
noch  zahlreiche  Verwendungen  allgemeinerer  Art,  auch  ohne  daß  eine 
moralische  Nutzanwendung  eingeschlossen  wäre. 

1)  Für  den  ersten  Gebrauch,  der  weitaus  am  seltensten  ist,  führt 
Dümmler  an  Dio  Chrysostomus  XIII  20  (427  R.  184,  24  v.  A.):  ovda 
oTi  Tievr^g  xCg  iönv^  ovdslg  ävaxa  tovtov  xQaycydCav  sÖida^s.  rov- 
vuvxCov  yaQ  TtSQi  tovg  ^Argiag  xal  tovg  '^ya^s^vovag  xal  tovg 
OldlTCodag  Ilöol  rig  ccv  xaöag  tag  rgaycodCag^  oC  TtXslöxa  ixsxtr^vto 
XQrjuura  xqi)6ov  xal  agyvQov  xal  yfig  xal  ßoöxrjfiaTcov.  Der  Gedanke 
wird  von  Dümmler  auf  Antisthenes  zurückgeführt;  er  findet  sich  wieder 
bei  Älian  v.  bist.  II  11:  Eoxgdxr^g  lÖojv  xaxä  tijv  dgxijv  xöv  rpt«- 
xoma  xovg  ivöol^ovg  dvaigov^svovg  xal  xovg  ßad'vxaxcc  nkot^xovvxag 
vno  xG)v  xvgdvvcov  inißovltvoiiivovg  —  ^AvTiöd^ivet  (paöl  :teQtrvx6t^a 
flztlv  fiTi  xl  öoi  ^fxa^sXtLf  oxL  ^aya  xal  ae^vbv  ovdlv  iysvo^ed-a  iv 
xa  ßico  xal  xoiovxot  oLovg  iv  xfj  xQaymÖCa  xovg  {Lovdgxovg  6Q&fi€Vy 
\ljQiag  xi  ixtCvovg  xal  Svtöxag  xal  ^Aya^t^vovag  xal  AiyCö^ovg' 
ovxoL  nlv  yäg  d7io6q)axT6^avoL  xal  ixxQaycjdov^svoi  xal  :toi'r^Qä  öetnva 
dtmvovvxsg  txdöxoxs  ixxaXvnxovxai.  Dümmler  sieht  in  der  Erwäh- 
nung de«  Antisthenes  eine  Spur  davon,  daß  der  Vergleich  bei  diesem 
Htand.  Daß  er  auf  kynische  Quelle  zurückgeht,  erweist  auch  Epiktet 
in  einer  durchaus  von  kynischen  Gedanken  (erfüllten  Diatribe,  in 
welcher   Diogenes  ausführlich  zitiert  wird,  I  24,  15,  wo  es  allgemein 

1)  Henie,  Tele«  praef.  p.  XCIII  ff.;  Dömmler,  Akademika,  (ließen  IW*«,  8. 8  ff. 
Vgl  auch  T.  WilaniowitK,  Herme«  XXI  (1886)  8.  026;  Knauer  a.  a.  0.  8.  U  f. 
^M.  oben  H.  16);  H.  Schätze,  luvenaliii  ethicui,  DisM.  Greifswatd  1906,  8.  60. 


48  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

heißt:  sv  tolg  7cXov6Coig  xal  ßaöiXsvöL  oial  rvQccvvoig  ai  tQwyaydCai  tÖTtov 
iiovöiv^  ovdslg  Ö6  Jtevrjg  xQay&dCav  öv^nkriQol  d  ^ri  d)g  ;|;o()£t>Ttjff. ^) 
2)  Die  zweite  Benutzungsart  des  Vergleichs  ist  uns  direkt  als 
kynisch  bezeugt.  Wir  finden  sie  bei  Ariston  von  Chios,  der  ja 
von  der  stoischen  Schule  zur  kynischen  zurückkehrte.  Nach  Dio- 
genes L.  VII  160  sagte  er,  der  Weise  müsse  es  dem  guten  Schau- 
spieler nachtun,  bg  av  rs  SeQoCtov  av  re  '^ya^s^vovog  jzqööco- 
jtov  avaXdßri^  excctSQOv  vjtoxQivelxaL  TtgoöriTiovrcog.'^)  Ähnlich  stand 
es  bei  Bion;  denn  Teles  beruft  sich  ausdrücklich  auf  ihn  (II  S.  3,  2  ff.  H.; 
vgl.  II  S.  11,0  ff.,  VI  S.  40,  2  ff.),  wenn  er  denselben  Vergleich  anführt ; 
doch  spricht  er  allgemein  von  König  und  Bettler.  Eine  deutliche 
Verbindung  mit  dieser  Fassung  zeigt  (Arrian-)Epiktet  (Stob.  flor.  97, 28, 
Epictet.  ed.  Schenkl  S.  412),  wenn  er  mahnt,  wie  Polos  den  Tyrannen 
Odipus  ebenso  wie  den  verbannten  und  bettelnden  spiele,  oder  den 
Odysseus  in  Lumpen  wie  den  im  Purpurmantel,  so  müsse  der  Weise 
jede  Rolle,  die  ihm  die  Gottheit  zuerteilt,  ordentlich  spielen^);  wir 
müssen  beachten,  daß  wir  hier  den  Schauspieler  Polos  finden,  der  bei 
Lucian  ebenso  genannt  ist.  Hierher  gehört  auch  der  Anfang  der 
7.  Rede  des  Maximus  von  Tyrus,  dessen  Vorträge  ja  durchaus  auf 
der  kynischen  Diatribe  fußen*)  und  den  wir  mehrfach  für  kynische 
Gedanken  heranziehen  werden-,  er  spricht  von  dem  Drama  und  den 
verschiedenen  Rollen,  die  dem  einzelnen,  zufallen,  und  nachdem  er 
als  Beispiel  Agamemnon,  Achill,  Telephus^),  Palamedes  angeführt 
hat,  fährt  er  fort:    TTJlscpöv  tiva  vtcoÖvo^evoi  iq  naXa^7]dr]v  ij  äXl'  ort 


1)  Himerius  ecl.  IV  Ende  (Wernsdorf  S.  122):  dst  ysv^od-ccL  xal  ah  (der  Reiche) 
IL^Qog  tov  ÖQU^cctos'  ovdslg  oldsv  vipriXi]v  xqayoidiuv,  orcov  ^i]  nintovai  tvqccvvol. 

2)  So  auch  später  Synesius,  nur  daß  er  Kreon  und  Telephus  einsetzt 
de  prov.  13  (Migne  patrol.  Gr.  LXVI  1241  C):  oaxis  xaXmg  i^r^a-KTiGs  rj]v  cpcüvijv, 
öiioiag  VTtoycQivsltca  tov  rs  Kgiovra  y,aX  tbv  TriXstpov. 

3)  Schenkl  führt  in  der  adnotatio  noch  allgemeine  Verwendungen  des  Ver- 
gleichs bei  Epiktet  an;  unserer  Stelle  entspricht  enchirid.  17  mit  dem  Schluß: 
cbv  yccQ  tovt'  ^öTt,  ro  dod'sv  VTtov.givaad'aL  TCQOöcoTtov  xaXcog,  i^X^^aad-ui  S'  ccvrb 
ccXXov. 

4)  Vgl.  Hobein,  De  Maxime  Tyrio,  Diss.  Götting.  1895,  S.  83  ff. 

5)  Daß  der  Telephus  schon  in  kynischen  Darstellungen  dieser  Art  eine 
Bedeutung  gehabt  hat,  zeigt  die  Erzählung  bei  Diog.  L.  VI  87,  daß  Krates  durch 
die  Aufführung  dieses  Dramas  zur  Philosophie  geleitet  sei.  Auch  im  34.  Diogenes- 
brief (2)  sind  Telephus  und  Odysseus  als  Parallele  für  den  kynischen  Bettler 
aufgestellt;  und  daß  Odysseus  in  dieser  Weise  als  Ideal  verwertet  wurde,  be- 
weist die  Ablehnung,  die  er  im  19.  Brief  des  Kxates  erfährt:  jat/  Xiy^  t^ov  'OSvo- 
csu  TfuT^qa  xfig  xvvtx?)?  (Epiktet  HI  24, 12  ff.;  Norden,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl. 
XIX  S.  394). 


Schauapielervergleich.  49 

nsQ  av  t6  öq&hcc  id^eh]^  ovdev  :r?.}]a^£X6g  ovÖs  £%co  rgoTiov  voui^ovrai 
ütoulv^  alXoxe  aXkoi  (patvö^svoi  ol  avTot\  um  dann  damit  das  Leben 
zu  vergleichen  und  die  q:vöLg  rcjv  jtQay^cctcjv  dji^  ÖQaucctovQyel  6 
d-eög.  Allerdings  will  er  weniger  die  Nutzanwendung  daraus  ziehen, 
daß  der  Philosoph  jede  Rolle  spielen  müsse,  als  eine  Empfehlung  der 
Philosophen  vorbringen,  die  in  jeder  Rolle  sich  zurecht  finden.^) 
Statt  der  Rollen  konnte  mau  auch  von  den  einzelnen  Teilen  des 
Dramas  reden;  so  hat  sich  ebenfalls  Bion  ausgedrückt,  wie  man  wieder 
aus  Teles  erschließen  kann  (S.  11,  5  H.:  vgl.  40,  2),  der  verlangt,  daß 
der  Weise  die  ganze  Lebenszeit  gut  verbringen  soll,  wie  der  gute 
Schauspieler  Prolog,  Mitte  und  Ende  des  Stückes  gleich  trefflich  dar- 
stellt. Auch  negativ  ist  der  Vergleich  gefaßt  worden  bei  Epiktet 
diss.  IV  2,  10:  'Man  kann  nicht  Thersites  und  Agamemnon  zu- 
gleich vorstellen.'  Dabei  mag  an  die  Verwendung  erinnert  sein,  die 
dieser  Ausspruch  auch  außerhalb  der  philosophischen  Kreise  gefunden 
hat.  Der  witzige  und  den  Kynikeru  geistesverwandte  Demades,  der 
mythologische  Vergleiche  geliebt  zu  haben  ^)  scheint,  sagte  nach  Dio- 
dor  XVI  87  zu  Philipp:  'König,  das  Schicksal  hat  dir  die  Rolle 
Agamemnons  gegeben,  und  du  schämst  dich  nicht,  wie  Thersites 
zu  handeln?'  Ganz  ohne  bestimmte  Angaben  verwertet  Cicero  den 
Vergleich,  den  er  für  den  Cato  maior  wohl  aus  dem  von  ihm  ge- 
nannten Ariston  entlehnt  hat^);  Cato  18,  64  wird  einfach  verglichen: 
quibus  (auctoritatis  praemiis)  qui  splendide  usi  sunt,  ii  mihi  videntur 
fabulam  aetatis  peregisse  nee  tamquam  inexercitati  histrioues  in  ex- 
tremo  actu  corruisse;  dagegen  Paradoxa  III  26  in  der  stoischen  Dar- 
legung Ott  Loa  xä  afiaQtrluaxa  v.al  xä  xccxoQd^co^axa  liegt  die  moralische 
Nutzanwendung  vor:  Wie  der  Schauspieler  ausgezischt  wird,  wenn  er 
den  Rhythmus  verläßt  und  eine  Silbe  zu  viel  oder  zu  wenig  spricht, 
80  dürfe  der  Mensch  auch  nicht  einen  kleinen  Fehler  im  Leben 
begehen. 

1)  Umj^ekehrt  sajft  Cicero  de  off,  I  31,  114,  wie  der  Schauspieler  nur  die 
Holle  übernehme,  zu  der  er  befähigt  Moi,  80  münse  der  Weise  «ich  mit  dem 
befasHen,  wozu  er  Talent  habe. 

2)  Vgl,  Diel«,  Jrmddfta,  Rhein,  Mu«.  XXIX  ^IbTJ    <    in    ti    \11.  iil  tV   \1 
Oratorei  Att.  ed,  Baitcr-Sauppe,  II  S,  »lö  fr,  I. 

3)  FiS  verflchlilgt  hier  nicht,  duß  das  nichtfi  der  Stoiker  \v  ai.  -  iKlcrn  dor 
reri|»at<jtiker,  der  ja  nach  Strabo  X  6,  ti  Nachahmer  Bioua  g<  u.  h. n  s.-in  «oll; 
auf  jeden  Fall  wflrden  wir  dadurch  auf  die  kynischc  Quelle  zuriickK'*  ^^  •  •  n 
(b,  8ai»eniihl,  (»e»chicht«  d.  (triech.  Litt.  d.  Alcxandrineneit  I  iS,  151  Ann».  Tuo; 
(«ercke  in  Pauly-Wiiisowa.  Ilealencjclop&die  II  'jr>A  und  Archiv  f.  Oeschichte  d. 
I'hiloiophie  V  [IHV2'     •  ; 

Helm,  Lud»»  lind  M  i 


50  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

2b)  Die  ordnungsmäßige  Durchführung  der  Rolle  verlangt,  daß 
der  Schauspieler  rechtzeitig  abtritt.  So  sagt  Cicero  im  Cato  maior 
19,  70:  neque  enim  histrioni,  ut  placeat,  peragenda  fabula  est,  modo 
in  quocumque  fuerit  actu  probetur,  neque  sapienti  usque  ad  Tlau- 
dite'  veniendum  est.^)  Daß  der  Gedanke  ihm  vorlag  und  aus  bioni- 
öcher  Literatur  geflossen  ist,  möchte  man  aus  der  Wiederholung  des- 
selben bei  Epiktet  IV  1,  165  schließen,  wo  es  heißt:  Auch  der  gute 
Schauspieler  hört  auf,  wenn's  nötig  ist,  und  spielt  nicht  weiter;  so 
zog  es  Sokrates  vor,  aus  dem  Leben  zu  scheiden  statt  sich  schimpflich 
retten  zu  lassen.  Auch  der  stoische  Philosoph  auf  dem  römischen 
Kaiserthron  verwendet  dies  der  Schule  geläufige  Bild,  allerdings  in 
anderer  Art  (III  8  Stich ^  S.  26,  22):  Der  Weise  muß  stets  bereit 
sein  aus  dem  Leben  zu  scheiden;  wenn  ihn  das  Verhängnis  trifft,  so 
ist  sein  Leben  nicht  unvollendet,  Vie  man  sagen  könnte  von  dem 
Tragöden,  daß  er  davongehe,  bevor  er  das  Schauspiel  zu  Ende  geführt 
habe'.  2) 

3)  Die  Rollen  im  Leben  wechseln,  so  daß  kein  Glück  dauernd 
ist.  Dahin  gehört  unsere  LuciansteUe  Necyom.  16;  es  ist  die  Rede 
von  den  Schauspielern,  die  bald  Kreon,  bald  Priamus  darstellen:  xal 
6  avtög^  sl  Tvxoi^  ^LXQbv  e^TC^oödsv  iidXa  öE^ivcog  rb  tov  KsKQOjrqg  rj 
^EQ8xd'S(og  ^xri^a  ^i^rjöd^svog  iiet  bXiyov  OLxetrjg  7tQoy]k%'8v  vjtb  tov 
noiritov  x87cslev6^£vog'  ijdrj  ös  utSQccg  e%ovzog  tov  dQci^cctog  äitoövcd- 
lisvog  6xa6tog  avrav  trjv  xQvöÖJtaötov  exeivrjv  iöd-T^ta  xul  rö  TtQOöa- 
Tcslov  ä7to&£^£vog  acil  xazaßäg  änb  töv  ifißatav  nsvtjg  xal  taiteivbg 
7i£QL£i6iv^  ovxst  ^^ya^8^vcx)v  6  ^Atgicog  ovÖ8  Kq8(ov  6  M8voiyJ(og^ 
äXlä  JJüXog  XaQiüXiovg  Zovvi8vg  6vo^a^6^8Vog  tj  UdtvQog  @8oy8t- 
tovog  Magad-covLog.     Der  Vergleich   enthält   eine   gewisse   rhetorische 

1)  Entsprechend  ist  23,  85:  senectus  autem  aetatis  est  peractio  tamquam 
fabulae,  cuius  defectionem  fugere  debemus,  praesertim  adiuncta  satietate.  Auch 
Seneca  epist.  77,  20  (S.  275,  4  H.):  quomodo  fabula,  sie  vita  non  quam  diu,  sed 
quam  bene  acta  sit,  refert.  nihil  ad  rem  pertinet,  quo  loco  desinas.  quocumque 
voles  desine;  tantum  bonam  clausulam  impone.  Der  Brief  zeigt  auch  sonst 
kynischen  Einfluß,  da  die  Erzählung  von  dem  lakonischen  Knaben  gebracht 
wird  (14),  die  auch  Philo  de  lib.  sap.  17  (463  M.)  verwendet  hat,  dessen  Dar- 
stellung zweifellos  auf  populäre  kynische  Vorträge  zurückgeht;  vgl.  Wendland, 
Archiv  f.  Geschichte  d.  Philosophie  I  (1888)  S.  509  ff.;  Hense,  Rhein.  Mus.  XL VII 
(1892)  219  ff.  226  (s.  Kap.  X). 

2)  Im  Zusammenhang  damit  steht  auch  der  Schuß  der  Selbstbetrachtungen  r 
Wenn  einen  die  Natur  abruft,  so  ist  das:  olov  sl  Ttcoiicpdbv  änolvsi  rj}g  a%rivf}$ 
6  nccQaXaßoav  GtQcctri'yos.  —  'AXX'  ovy.  sliiov  xu  nivts  ^egr},  aXXä  tä  tgicc.  —  KccXmg 
SLJtas.  iv  fiivtoi  ta  ßi<p  rä  rgia  oXov  tb  dgäiid  iön.  rb  yäg  reXsiov  i-Kttvog  ögi^si 
6  toTS  fi£v  rf]s  Gv/yigiöBcog,  vvv  öh  tfig  öiaXvOicog  al'tLog'  6v  ds  uvalxiog  cciKportQcov. 


Schauspielervergleich.  51 

Fülle,  da  Lucian  sich  nicht  genug  tun  kann  Königsrollen  zu  nennen, 
ist  aber  im  Zusammenhang  ganz  einfach  zu  verstehen.  Im  Leben 
herrscht  ein  beständiger  Wechsel,  so  daß  schon  da  der  Glanz  ver- 
geht, auf  jeden  Fall  aber  schwindet  er  mit  dem  Tode.^)  Dümmler 
hat  behauptet,  daß  diese  nach  seiner  Ansicht  ungenaue  Form  des 
Gleichnisses  nicht  aus  einem  der  alten  Kyniker  stamme.  Aber  auf 
diesen  Wechsel  der  Rollen  auf  der  Bühne  bezieht  sich  die  aus  bioni- 
scher  Diatribe  entlehnte  Vorstellung  bei  Maximus  Tyrius  XXI  1  und 
Horaz  sat.  I  1,  löff.^);  und  beweisend  ist  die  Benutzung  des  zweiten 
Teiles  des  Gleichnisses  in  derselben  Form  bei  Seneca''),  der  ohne 
Nennung  von  Schauspielern  und  Königsrollen  in  ganz  abgeblaßtem 
Ausdruck  sagt  (epist.  76,31  S.  268,4  H.):  nemo  ex  istis,  quos  purpuratos 
vides,  felix  est,  non  magis  quam  ex  illis,  quibus  sceptrum  et  chlamy- 
dem  in  scaena  fabulae  adsignant:  cum  praesente  populo  lati  incesse- 
runt  et  coturnati,  simul  exierunt,  excalceantur  et  ad  staturam  suam 
redeunt. 


1)  Ebenso,  wie  wir  sahen,  Nigrin.  20,  navig.  46  (apolog.  5).  Von  der  Ver- 
mischung zweier  Fassungen,  die  Dümmler  S.  8  herauskonstruiert,  ist  also  nicht 
die  Kede.  Auch  das  Tiivri?  und  xccnEivös  bietet  nicht  den  geringsten  Anstoß, 
obwohl  man  zugeben  kann,  daß  Lucian  das  mehr  aus  den  Verhältnissen  seiner 
Zeit  heraus  gesagt  hat;  immerhin,  wenn  Dümmler  auch  ein  Jahreseinkommen 
von  3—4  Talenten  herausrechnet  für  Polos,  so  ist  das  eben  immer  noch  nichts 
gegen  den  Prunk  des  Königs,  den  er  auf  der  Bühne  vertrat.  —  Nachgeahmt  ist 
der  Vergleich,  doch  wohl  in  Anlehnung  an  Lucian,  von  Cervantes,  Don  Quichotte 
Buch  VIII  Kap.  5:  'Hast  du  nämlich  nicht  schon  eine  Komödie  vorstellen  sehen, 
in  welcher  Könige  auftreten,  Kaiser  und  Päpste,  Ritter,  Damen  und  verschiedene 
andere  Personen?  Einer  spielt  den  Raufer,  ein  anderer  den  Verständigen,  noch 
einer  den  Verliebten,  und  wenn  die  Komödie  nun  zu  Ende  ist  und  sie  ihre 
Kleider  ausziehen,  sind  sich  alle  Schauspieler  gleich.  Ebenso  geht  es  in  der 
Komödie  und  der  Darstellung  dieser  Welt,  wo  etliche  Kaiser  spielen,  andere 
Päpste  und  kurz  ebenso  viele  Figuren  als  nur  in  der  Komödie  auftreten  können; 
wenn  es  aber  zu  Ende  ist,  wenn  das  Leben  nämlich  aus  ist,  zieht  der  Tod  allen 
die  Kleider  aus,  nach  welchen  sie  sich  unterscliieden,  und  in  ihren  Gräboni  sind 
sie  gleich.'  Und  wie  bei  Lucian  die  Vergleiche  gehäuft  sind,  indem  noch  der 
gleichartige  von  dem  Festaufzug  hinzugefügt  ist,  so  läßt  Cervantes  den  Sancho 
Pansa  noch  den  Vergleich  von  den  Steinen  im  Schachspiel  anschließen,  deren 
vemchiedcne  Bedeutung  aufhört,  wenn  sie  nach  dem  Spiel  alle  zusammen  im 
Kaiten  liegen. 

2)  kt  xig  ^tibv  toaniQ  iv  ÖQafiaTt.  vironQitäg  änoSvaag  ^xaatov  roO  Ttaffovrog 
(iiov  xai  axiifi^rog  nfxuiKpiiüt-i  tu  xoO  nlriaiov  usw.  Kioßling  denkt  au  eine 
meuippiscbo  Burleske  zu  der  Horazvtello;  wahrHchoinlicher  ist  mir  daii  Vor- 
kommen in  einer  kyniichen  Diatribe  (vgl.  Gorcke,  Archiv  f.  CJeHcb.  d.  Phil.  V 
S.  209). 

3)  Die  Stelle  bat  schon  Herne  aufgefunden  Telei  praef.  XCIII. 


52  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

4)  Ein  anderer  Brief  Senecas  enthält  dasselbe  Bild,  in  breiterer 
Weise  ausgeführt  (80,  7  S.  290, 19  H.);  hier  sind  auch  bestimmte  Rollen, 
von  denen  eine  die  des  Atreu s  ist,  sogar  mit  hochtönenden  Versen  bei- 
gebracht, und  hier  ist,  wie  das  Lucian  im  'Ikaromenipp'  (29)  tut,  das 
Spielhonorar  hinzugesetzt,  um  dadurch  recht  den  Kontrast  zwischen 
der  falschen  Pracht  der  Theaterwelt  und  der  einfachen  Stellung  im 
wirklichen  Leben  zu  dokumentieren;  aber  hier  ist  der  Schriftsteller 
nicht  ganz  konsequent  in  der  Deutung  des  Bildes  geblieben;  während 
er  zunächst  sagt:  ^nuUa  soUicitudo  in  alto  est',  was  auf  die  erste  Art 
des  Vergleiches  gehen  würde,  kommt  er  dann  darauf,  daß  der  äußere 
Prunk  nur  Schein  ist:  'omnium  istorum  felicitas  personata  est';  er  ist 
also  von  dem  vorschwebenden  Gedanken  des  Wechsels  im  Schicksal 
abgebogen.  Ähnlich  sagt  Petron  (80),  daß  nach  Schluß  des  Stückes 
die  Personen  ihr  wahres  Aussehen  erhalten;  vera  redit  facies,  dum 
simulata  perit.  Drastischer  hat  Lucian  den  Vergleich,  wie  wir  oben 
sahen,  im  'Hahn'  (26)  gestaltet,  wenn  er  zeigt^  daß  schon  bestimmte 
Vorgänge  auf  der  Bühne  das  Trügerische  der  äußeren  Pracht  erkennen 
lassen.  Dieser  Schein  braucht  sich  aber  nicht  nur  auf  die  Lebens- 
stellung zu  beziehen,  sondern  läßt  auch  die  Deutung  zu  auf  den 
Gegensatz  des  Äußeren  von  Personen  zu  ihrem  wahren  Wert.  Dieser 
Gedanke  liegt  der  Ikaromenippstelle  (29)  zugrunde;  das  Bild  ist  dann 
von  Themistius  XXI  (251'^)  ebenfalls  auf  den  moralischen  Wert  be- 
zogen (i^aTcarä  v^äg  xal  TCQOöfoitov  ^Aya^i^vovog  vTCOTCQLvetat  MC- 
d'ai'Kog  ng  hv  evdod^av  iq  &sccQicov)  und  ähnlich  von  Johannes  Chry- 
sostomus  I  De  Lazaro  IL  3  und  VI  5  benutzt.^) 

Außer  in  diesen  vier  typischen  Formen  ist  der  Vergleich  mit  der 
Bühne  natürlich  noch  oft,  zum  Teil  ganz  verblaßt,  angebracht  worden.  ^) 
Erwähnen  will  ich  noch  die  Benutzung  bei  Plutarch  praec.  ger.  reip.  21 
(816  F):  Wie  der  Protagonist  Theodoros  oder  Polos  sich  dem  Trita- 


1)  Darauf  hat  Reich  hingewiesen  Der  Mimus,  Berlin  1903,  I  S.  197.  —  Lucian 
hat  außer  diesem  Bilde  später  noch  ein  anderes  nicht  sehr  geschicktes  benutzt,  als 
ihm  der  eine  Vergleich  gar  zu  abgenutzt  schien,  de  merc.  cond.  41;  es  ist  das 
Bild  von  der  Buchrolle,  die  ein  Prachtstück  von  außen  ist,  mit  Purpur  verziert 
und  goldenen  Knöpfen  an  den  Stäben,  innen  aber  die  Frevel  des  Thyestes, 
Ödipus  oder  Tereus  enthält.  Geschickter  ist  das  Bild  von  den  tragischen  Ge- 
wändern, die  außen  glänzend,  aber  nur  aus  Lumpen  zusammengenäht  sind 
(Saturn.  28)  oder  wie  Aristides  (46,  ;^07  II  S.  398  Dindorl)  statt  dessen  sagt,  von 
dem  Mantel  der  lo:  rfjs  r^ayix?)?  ßobg  töäv  i^iccricov  rjTtriusvcov  ovShv  diccrpsQOvtsg, 
xä  (ihv  l'|co  Gs^vol,  tä  dh  ^vdov  aXXog  ccv  si^sir}  tig. 

2)  Sen.  ep.  77,  20:  quo  modo  fabula,  sie  vita;  Cic.  Cat.  m.  18,  65:  cum  in 
vita,  tum  in  scaena:  Maximus  Tyr.  XIX  9:  iv  ra  ßlov  ögä^ccxi. 


Schauspielervergleich.  53 

gonisten,  der  nach  Demosthenes  (Tcegl  r.  TcaQa^QsößeCag  247)  meist 
die  Tyrannen  zu  spielen  hatte,  auf  der  Bühne  fügen  muß,  so  sollen 
sieh  im  Staat  auch  die  Reichen  den  Herrschenden  unterordnen,  selbst 
wenn  diese  arm  sind.  Beachtenswert  ist  auch  da  die  Erwähnung  des 
Polos,  den  Lucian  nennt.  Im  übrigen  ist  der  mimus  vitae  gradezu 
sprichwörtlich  geworden;  so  sprach  Augustus  davon  an  seinem  Sterbe- 
tage (Suet.  Aug.  99);  so  nennt  Mark  Aurel  am  Schluß  seiner  Selbst- 
betrachtungen 12,36  (167,  6  Stich)  das  Leben  ein  Drama,  und  Clemens 
Alexandrinus  benutzt  denselben  Ausdruck.^)  Das  Treiben  der  Welt 
sieht  sich  wie  im  Theater  aus  der  Höhe  der  Lucianische  Nigrinus  an  (^18) 
In  dieser  allgemeinen  Weise  ist  das  Bild  schon  bei  Piaton  zu  finden, 
der  Philebus  50  B  von  des  Lebens  tgayadia  xal  xco^ctdCcc  redet  und 
im  Staat  577  B  von  der  TQccyix}]  6x£vtj  äußerer  Pracht.  Aber  die 
weiteren  rein  rhetorischen  Verwendungen  des  Vergleiches  haben  für 
unsem  Zweck  kein  Interesse,  da  sie  nicht  mehr  das  Leben,  sondern 
nur  einzelne  Situationen")  oder  Berufe  angehen.^)  Für  die  typischen 
Formen  und  für  Lucian  ist  es  klar,  daß  alle  Fäden  auf  die  kynische 
Schriftstellerei  hinauslaufen,  sei  es  nun  die  Diatribe  oder  der  mimische 
Dialog  des  Menipp. 

Außer  diesem  Vergleich  sind  ein  paar  Beispiele  zu  beachten,  die 
in  der  philosophischen  Diatribe  wie  von  den  Khetoren  typisch  ge- 
braucht werden.  Um  die  Gleichheit  nach  dem  Tode  zu  beweisen, 
werden  der  häßliche  Thersites  und  der  schöne  Nireus,  der  Bettler 
Iros  und  der  Phäakenkönig,  der  Koch  Pyrrhias  und  Agamemnon  zu- 
sammengestellt (15).     Es    ist  bezeichnend,  daß  sie  dem  Homer  ent- 


1)  Strom.  VII  11,  66  (870  P):  &pLeii(p(bs  . .  .  vnoxgivoiisvog  t6  dga^icc  toO  jJt'ov, 
oTTtQ  UV  6  9^tbg  &y(ovlaaad'at.  TtagdoxV'»  ^^  ^^  ngaxr^ci  xd  re  vnoiifvetia  yvoagl^fiy 
der  christliche  Weise. 

2)  Einen  Vergleich  in  einem  einzelnen  Punkt  enthalt  auch  das  bei  Ful- 
gentius  mit.  II  4  (43, 10  H.)  erhaltene  Wort  des  Kynikers  Diogenes,  natürlich  nicht 
des  alten,  sondern  etwa  des  Kynikers  unter  Vespasian  (Zeller,  Phil.  d.  Griechen 
III  1»  S.  708;  Pauly-Wissowa,  Real-Encyclop.  V  730  Nr.  25).  Auf  Kleobul  führt 
FulgentiuH  den  Vergleich  zurück  niit.  II  14  (56,  12  H.)  (vgl.  lleich,  [S.  62  Anm.  1] 

I  2  S.  709  f.,  der  aus  AugUHtin  ein  weiteres  Ht'ispiel  zitiert). 

8;  So  der  Vergleich  des  Redners  mit  dem  den  Zorn  nur  danteilenden,  aber 
nicht  empfindenden  Sciiauspieler  Seu.  de  ira  II  17,  1  oder  der  Qegeuiatz  bei 
Sotion  (Stob.  III  20,  54»  S.  550  Hense),  daß  dem  Schauspieler,  obwohl  er  nicht 
zürnt,  die  Mauke  des  Zoniigen  wohl  ansteht,  dem  rechten  Philoiophen  aber  nicht, 
uelbMt  wenn  er  zürnt.  Auch  (ic.Tusc.  IV  25,55,  Lael.  20,  U7,  Plut.  de  ter.  oom.  vind. 
554  |{,  Justin,  ad  Zon.  et  Seren,  6,  hiog.  Laert,  VII  2<»,  Aristid.  #/tf  'Pmnr,v  (20,71 

II  s.  in.  16  Keil). 


54  Kapitel  I.     Die  Nekyomantie. 

nommen  sind  mit  der  einen  Ausnahme,  für  die  sich  dort  kein  Name 
vorfand.  Das  erste  Paar  ist  oft  als  Vertreter  der  Schönheit  und 
Häßlichkeit  angeführt.  Nireus  gilt  als  Muster  formvollendeten  Aus- 
sehens bei  Horaz  c.  III  20,  15,  epod.  15,  22  und  andern  Augusteem^), 
wie  bei  Lucian  selber  Tim.  23,  Pro  imag.  2,  später  bei  Libanius  im 
*Timon'  (IV  Reiske  S.  190,  8);  Thersites  steht  als  Gegensatz  dem 
schönen  Achill  gegenüber  Juvenal  8,  2G9,  Epiktet  II  23,  32,  Lucian 
Pro  imag.  20  und  in  der  Homerparodie  in  Lucians  'Charon'  22;  Die 
Chrysostomus  LXVI  21  (II  356  R.  II  166  v.  A.)  stellt  ihn  aUgemein  dem 
xaXög  gegenüber;  aber  er  findet  sich  auch  direkt  als  Gegenstück  zu 
Nireus  bei  Ovid  ex  Ponto  IV  13,  16,  und  für  Maximus  Tyrius  bilden 
Nireus  und  Achill  einerseits,  Thersites  andererseits  die  beiden  Extreme 
(XL  2),  wie  er  den  Thersites  allein  VII  5  als  Typus  der  Häßlichkeit 
anführt.^)  Zu  verweisen  ist  auch  auf  den  oben  besprochenen  Schau- 
spielervergleich, wo  Thersites  und  Agamemnon  als  Gegensätze  ge- 
braucht sind  (Diodor  XVI  87,  Ariston  bei  Diog.  L.  VII  160,  Epiktet 
IV  2,  10)  und  zum  Teil  direkt  auf  die  häßliche,  bucklige  Gestalt  des 
einen  und  die  stattliche  des  andern  hingewiesen  wird.  Der  Bettler 
Iros  ist  bei  Dio  Chrysostomus  LXVI  20  (II  355  R.  II  166  v.  A.),  bei 
Properz  HI  5,  17,  Ovid  trist.  HI  7,  42,  Martial  V  39,  8  (vgl.  VI  77,  1, 
XII  32,  9)  der  stärkste  Gegensatz  zu  dem  reichen  Krösus,  bei  Libanius 
XVIII  140  zu  Kallias,  in  Lucians  'Charon'  22  zu  dem  Herrscher 
Agamemnon.  Ebenso  ist  Alkinoos  sprichwörtlich  wegen  seiner  Gärten, 
deren  Fruchtbarkeit  natürlich  das  Besitztum  des  Königs  vermehrt^); 
der  König  wie  sein  Volk  sind  typisch  für  wohlbegüterte,  etwas  zu 
sehr  der  Pflege  des  Körpers  ergebene  Menschen  bei  Horaz  epist.  I  2,  28 
und  115,  24;  daß  da  nicht  einfache  Homerreminiszenz  vorliegt,  sondern 
Alkinoos  als  Vertreter  der  (piXridovCa  schon  von  Piaton  angesehen 
wurde,  wenn  er  ihn  im  Staat  X  614  B  einem  älxi^og  ccvrJQ  gegen- 
überstellt, hat  Kießling  gezeigt.  Agamemnon  endlich  als  Repräsen- 
tanten der  Macht  fanden  wir  schon  oben  in  dem  Vergleich  des  Lebens 
mit  einem  Schauspiel,  wie  in  der  eben  erwähnten  Homerparodie  in 
Lucians    ^Charon'  22.     Erfunden    ist,    wohl   nach    dem   Vorgang    der 


1)  Vgl.  Otto,  Sprichwörter  der  Römer,  Lpzg.  1890,  S.  243  f.;  Hense,  Teles 
praef.  XCI  f. 

2)  Über  den  typischen  Thersites  der  Bühne  vgl.  Dieterich,  Pulcinella,  Lpzg. 
1897,  S.  152  f.,  der  auch  auf  Clemens  Alexandr.  Paed.  IE  4,  30  hinweist  für  die 
typische  Verwendung  des  Namens  im  gewöhnlichen  Leben. 

3)  Siehe  Otto  a.  a.  0.  S.  12;  Priap.  60:  esses  antiquo  ditior  Alcinoo;  Liba- 
nius XVni  225. 


Typische  Beispiele.  55 

Komödie,  der  Koch  Pyrrhias^),  nur  um  einen  elenden  Sklaven  dem 
edlen  König  gegenüberzustellen,  so  wie  Mark  Aurel  (VI  24  S.  70,  4  ff. 
Stich)  Alexander  den  Großen  und  seinen  Maultiertreiber  zusammen 
nennt,  um  ihre  Gleichheit  nach  dem  Tode  zu  behaupten.  Typisch 
sind  weiter  Krösus,  Polykrates  (16),  Darius  und  Xei-xes  (17)  für  Reich- 
tum und  Macht.  Für  Krösus  genügt  es  auf  die  sprichwörtliche  Ver- 
wendung zu  verweisen.^)  Polykrates  findet  sich  bei  Maximus  Tyrius 
1  5,  auch  mit  Krösus  zusammen  V  5  und  in  Lucians  'Schiff'  2Q.^) 
Auf  welchem  Boden  diese  zum  Zweck  moralischer  Belehrung  zu- 
sammengestellten Typen  erwachsen  sind,  zeigt  deutlich  die  Stelle  des 
Maximus  Tyrius  III  9,  an  der  Xerxes^),  Sardanapal,  Alexander,  Krösus, 
Kambyses,  Smindyrides^)  in  Gegensatz  zu  Diogenes  gebracht  werden 
und  nachgewiesen  wird,  daß  dieser  mehr  rjdovtj  hatte  als  jene  von 
Pracht  umgebenen  Großen.  Wenn  Darius  sonst  nicht  in  dieser  Reihe 
genannt  wird,  so  mag  ihn  Lucian  eingefügt  haben,  wie  wir  später 
sehen  werden,  daß  er  hier  und  da  seine  Vorlage  zu  erweitern  sucht; 
als  Persarum  rex  paßte  ja  auch  er.  Auch  Sardanapal  und  Midas  (18) 
sind  Typen,  wie  sie  die  kynische  Diatribe  benutzt;  den  Sardanapal 
zählt  Maximus  Tyrius  an  der  eben  zitierten  Stelle  (III  9)  mit  andern 
von  Lucian  erwähnten  auf;  er  hat  ihn  auch  sonst  als  Weichling  I  5, 
XIII  7,  XXI  8,  Midas  ist  sprichwörtlich «)  z.  B.  Catull  24,  4,  Martial 
VI  !^G,  4,  mit  Krösus  und  Tantalus  zusammen  erscheint  er  als  Typus 
des  Reichen  bei  Philemon  (II  530  Kock). 

1)  Lucian  benutzt  denselben  Namen  typisch  als  Sklavennamen  Timon  22, 
de  merc.  cond.  23.  Die  Entlehnung  aus  der  Komödie  hat  mit  Recht  Wünsch, 
Rhein.  Mus.  LV  (1900;  S.  04  gefolgert  auf  Grund  der  von  Ziebarth,  Nachr.  d.  Gott. 
Ges.  d.  Wiss.  1899  S.  110  veröffentlichten  Fluchtafel,  auf  der  der  Koch  Pyrrhias 
sich  findet.  Da  die  dort  auch  genannten  Seuthes  und  Lamprias  Namen  der 
Komödie  sind,  wird  man  mit  Wahrscheinlichkeit  für  den  dritten,  Pyrrhias,  das 
gleiche  annehmen  (s.  auch  Aristoph.  ran.  730  Terenz  Andria). 

2)  Otto  a.  a.  0.  S.  98.;  Wendland,  Philo»  Schrift  über  die  Vorsehung,  Berlin 
1892,  S.  20  Anm.  6;  Weyman,  Archiv  f.  lat.  Lex.  XU!  269. 

3)  Polykrates,  Krösus,  Kyros,  Priamus,  Dionys  als  Bilder  vergiluglichen 
(»lückes  bei  Galen  Protrept.  4  (160, 10  Marqu.),  Polykrates  bei  Philo  de  prov.  II  6. 

4)  Krösus,  Xerxes,  Alexander,  Kyros  sind  ebenso  zusammen  genannt  Philo 
«!«•  prov.  I  66.  Über  Philo  als  Fortpflanzer  der  stoisch-kynischon  Diatribe  siehe 
Wendland,  Philo  und  die  stoisch-kynischo  Diatribe,  Berlin  189').  über  Verspot- 
tung des  Xorxos  in  kynischer  Diatribe  s.  Epictct  III  23,  3H;  Schütze,  Juvenalis 
ethicu«,  Diss.  (irfswld.  1906,  S.  63  Aum.  2;  H.  Weher,  De  Sonocae  phil.  diceudi 
genere  Bioneo,  Diss.  Marburg  1896,  S.  47  f. 

6)  S.  Hcrodot  VI  127. 

0)  Siehe  Otto  a.a.O.  S.  222;  Paroemiogr.  Graeci  I  8.  816.  Verspottung  de« 
Hardanapal  leitens  der  Kyniker  •.  Schütze  a.  a.  O.  8.  89;  Weber,  Lpi.  Stud.  X  94. 


56  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

Wesentlich  für  die  Beurteilung  der  Abhängigkeit  Lucians  von 
seiner  Quelle  ist  endlich  die  Verwendung  von  Zitaten  und  historischem 
Material,  da  ein  Schriftsteller,  je  freier  er  mit  dem  ihm  Gegebenen 
schaltet,  um  so  mehr  die  Einwirkungen  seiner  eigenen  Zeit  oder  der 
letzt  verflossenen  zeigen  wird.  Man  braucht  nur  daran  zu  denken,  in 
wie  selbständiger  Weise  Horaz  die  Nekyia  gestaltet  hat.  Bei  Lucian 
dagegen  finden  wir  aus  dem  Kreise  der  Philosophen  nur  ältere,  die 
lange  Zeit  vorausliegen,  Sokrates,  Diogenes^),  die  beiden  von  den 
Kynikern  oft  zusammengestellten,  und  —  Aristipp  ^),  aus  dem  Kreise  der 
Dichter  nur  Homer,  Hesiod  und  Euripides.  Die  Beispiele,  die  benutzt 
werden,  sind,  wie  wir  sahen,  Typen  aus  der  Mythologie  oder  der 
älteren  Geschichte;  etwas  weiter  herab  kommt  man  mit  Mausolus 
(gestorben  351)  (17),  Dionys  von  Syrakus  und  seinem  Ankläger  Dion 
(gestorben  353)  (13),  der  auch  vor  Minos^  Richterstuhl  noch  den 
grausamen  Tyrannen  wegen  seiner  Schandtaten  verfolgt.  Die  letzte 
historische  Persönlichkeit,  die  uns  in  der  Unterwelt  vorgeführt  wird, 
ist  Philipp  von  Macedonien,  der  in  einer  Ecke  sitzt  und  für  Geld 
Schuhe  flickt,  um  so  recht  die  Wandelbarkeit  irdischen  Glückes  zii 
bezeugen.^)  Es  muß  stutzig  machen,  daß  wir  auf  diese  Weise  nicht 
über  das  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  hinausgelangen.  Gab  es  in 
den  nächsten  vier  Jahrhunderten  bis  zu  Lucian  denn  keinen  Philo- 
sophen, keinen  König  oder  Reichen,  der  es  verdient  hätte,  dem  Publi- 
kum der  Kaiserzeit  als  komische  Figur  oder  als  warnendes  Beispiel 
vorgeführt  zu  werden?  Dio  Chrysostomus  hat  es  nicht  unterlassen 
in  scharfer  Weise  über  Nero  herzuziehen;  in  Plutarchs  Hadesfahrt 
des  Thespesios  aus  Soloi  (de  ser.  num.  vind.  22  S.  567  P)  wird  Nero 
gezeigt,  von  glühenden  Nägeln  durchbohrt;  und  mit  Recht  ist  er  dann 


1)  Vgl.  Demonax  5  und  den  Vergleich  in  dem  ^Totengespräch'  21. 

2)  Demonax  (62)  antwortet  auf  die  Frage,  wer  von  den  Philosophen  ihm 
am  meisten  gefalle:  nävtsis  iilv  d'ccv(ia6Toi,  iyoi  ds  IJaKgatriv  ^iv  aißco,  ^av^La^co 
8h  ^Loyivriv  xat  cpiXiö  'AgiGtinTCov. 

3)  Die  Szene,  die  ein  großartiges  Motiv,  das  in  Dantes  Inferno  so  ergreifen- 
den Ausdruck  gefunden  hat,  ins  Burleske  verzerrt,  ist  von  Rabelais,  Gargantua 
und  Pantagruel  Buch  II  Kap.  30,  benutzt  und  noch  überboten  worden,  aber  mit 
Verwendung  des  platonischen  Motivs,  daß  ein  zum  Leben  wieder  Erweckter 
über  die  Unterwelt  berichtet.  Interessant  im  Gegensatz  zu  Lucian  ist,  daß  da 
nicht  nur  Alexander  alte  Hosen  flickt,  Xerxes  Senf  in  den  Straßen  ausruft, 
Darius  Abtrittsreiniger,  Hannibal  Koch  und  Priamus  Lumpensammler  ist,  sondern 
auch  Papst  Julius  Pastetchen  verkauft,  aber  ohne  seinen  großen  abscheulichen 
Bart,  Papst  Bonifacius  HE.  Töpfe  abschäumt,  Nicolaus  III.  Papiermüller,  Alexander 
Rattenfänger  ist  und  Papst  Sixtus  gar  die  venerisch  Kranken  zu  besorgen  hat. 


Historisches  Material.  57 

in  den  durch  Nachahmung  des  Phitarch  und  Lucian  entstandenen 
Leiden  des  Timarion  im  12.  Jahrhundert  an  die  Stelle  der  typischen 
Sünder  getreten.^) 

Aber  noch  eins  ist  auffällig.  In  dem  Schauspielervergleich  werden 
bestimmte  Namen  genannt.  Polos  und  Satyros  sind  es,  die  durch 
den  Gegensatz  zwischen  ihrem  bescheidenen  Privatleben  und  dem 
Pomp,  den  sie  auf  der  Bühne  entfalten,  dazu  dienen  müssen,  um  die 
Parallele  zu  erhärten,  daß  von  den  Großen  dieser  Welt  schließlich 
doch  nur  ein  armseliges  Menschlein  übrig  bleibt;  beide  werden  mit 
Angabe  ihres  Vaters  und  des  Demos  genannt.  Auch  Plutarch  spricht 
von  beiden.  Polos  war  nach  ihm  (Demosth.  2S)  ein  Schüler  des 
Archias,  den  Antipater  benutzte,  um  die  flüchtigen  Gegner  aufzuspüren 
zu  jener  Zeit,  als  auch  Demosthenes  den  Tod  fand  (322);  dieses 
Ereignis  gibt  auch  den  Anlaß  zur  Erwähnung  der  beiden,  wobei 
allerdings  Plutarch  den  Schauspieler  Polos  Agineten  nennt,  während 
er  bei  Lucian  Siinier  heißt.  ^)  Im  Leben  der  10  Redner  wird  ein 
witziges  Wort  des  Demosthenes  ihm  gegenüber  angeführt  (848  B 
V  S.  189,  25  Bern.).  Offenbar  hatte  er  einen  Namen,  der  ihn  lange 
überlebte.  Plutarch  de  glor.  Ath.  348  F  (II  464,  5  Bern.)  nennt  ihn 
unter  Athens  großen  tragischen  Schauspielern  und  in  den  praec. 
ger.  reip.  816  F  in  eben  jenem  Vergleich  bezeichnet  er  Polos  als 
Protagonisten  zusammen  mit  Theodoros,  offenbar  demselben,  bei 
dem  nach  Demosthenes  (tisqI  t.  7tciQa:tQ£öß.  246)  Aeschines  Tritagonist 
war  und  der  zur  Zeit  der  Abfassimg  der  aristotelischen  Politik  VII 
1336**  27  schon  tot  war.^)  Nach  Plutarch  an  seni  resp.  ger.  3  (785  B) 
wurde  Polos  70  Jahre  alt,  war  aber  noch  bis  kurz  vor  seinem  Tode 
auf  der  Bühne  tätig  und  zwar  mit  geradezu  erstaunlicher  Kraft,  wie 
durch    das  Zeugnis  des  Eratosthenes  und  Philochoros  bewiesen  wird. 


1)  Allerdings  hhl  .jm-i  ai^.-n  i  i>.-iiit.ibuiig  in»  l  iLiMuciiMiie,  wenn  68 
heißt:  xul  xov  -nüxiarov  Ktgavu  xo;rpoi'  ävQ'Qdmivov  TagdaaovTcc  eng  xai  rt  ri)? 
dvö(o6ias  (fduvuv  xicnl  rijv  Sioöov  Kllissen,  Analektcn  der  mittel-  und  neugrie- 
chischen Literatur  IV,  Leipz.  1800,  Ti^ia(fi(oy  tß  S  Ol.  Man  denkt  an  die  Strafe 
im  Schlammpfuhl:  Dieterich,  Nekyia  S.  81  tV 

2;  Schilfer,  Demosthenes  u.  seine  Zeit,  Lj-/;.;  ie^^ö,  1-  S  -.IUI.  liuitna  f.wci 
berühmte  Schauspieler  des  Namens  Polos  an,  von  denen  <ler  ältere,  von  Sanion, 
noch  vor  Sokrates  gespielt  hätte  (Stob.  flor.  97,  2H);  dann  würde  Polos  noch 
einige  Jahrzehnte  Tilter  sein.  Mir  scheint  das  eine  Zeugnis  (Kpiktet  Schenkl 
S.  412)  in  sich  nicht  klar  und  zuverltUsig  genug,  um  darauf  einen  Schluß  xu 
bauen.    (Vgl.  Hense,  Teles  praef.  XCV.) 

8)  Siehe  Susemihl,  Aristoteles'  Politik,  griechisch  und  deutsch,  Lpxg.  1879, 
II  S  208. 


58  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

Der  andere  Schauspieler  Lucians,  Satyros,  wird  ebenfalls  von  Plutarch, 
aber  nur  im  Leben  des  Demosthenes  (7  IV  S.  214,  19  ff.  Sint.)  erwähnt; 
darnach  soll  er  dem  Redner  eine  Stelle  des  Euripides  und  Sophokles 
vordeklamiert  und  ihm  erst  einen  Begriff  von  wirklicher  Vortrags- 
kunst gegeben  haben,  als  dieser  sich  über  gänzlichen  Mißerfolg  be- 
klagte.^) Wir  kommen  also  mit  den  beiden  Schauspielern  wieder  in 
die  Zeit  bis  zum  Schluß  des  4.  Jahrhunderts.^)  Wir  finden  weiter 
den  Polos  auch  bei  Plutarch  und,  wie  wir  oben  sahen,  bei  Epiktet 
(Schenkl  S.  412)  wie  bei  Lucian  in  jenem  typischen  Vergleich,  der 
kynischer  Diatribe  entnommen  ist.  Und  drittens:  Wir  haben  bei 
Lucian,  und  eben  nur  bei  ihm  eine  Bezeichnung  der  Schauspieler, 
die  in  dieser  Ausführlichkeit  nur  für  ein  Publikum  berechnet  sein 
konnte,  das  sie  noch  persönlich  oder  doch  dem  Namen  nach  kannte. 
Dem  Mimen  flicht  die  Nachwelt  keine  Kränze,  und  über  ein  paar 
Jahrzehnte  hinaus  erhält  sich  sein  Gedächtnis  kaum.  Der  Schluß 
läßt  sich  wohl  nicht  abweisen,  daß  dieses  Stehenbleiben  innerhalb 
einer  bestimmten  Periode  der  Geschichte  nur  dadurch  zu  erklären  ist, 
daß  der  Schriftsteller  sich  nicht  die  Mühe  gab,  zu  den  vorgefundenen 
Namen  irgend  emen  der  späteren  Zeit  aus  eigenem  Vermögen  hinzu- 
zufügen, sondern  sich  so  sklavisch  an  seine  Quelle  hielt,  daß  er  auch 
die  volle  Bezeichnung  der  Schauspieler  herübernahm,  die  bei  seinem 
Publikum  kein  Interesse  mehr  erweckte.  Lehrreich  ist  in  dieser  Hinsicht 
die  verblaßte  Art,  in  der  Seneca  ep.  76,  31  das  Schauspielergleichnis 
anführt,  da  Polos  und  Satyros  für  ihn  und  seine  Leser  nur  Schemen 

1)  Daß  dies  ein  tragischer  Schauspieler  war,  zeigt,  daß  er  Tragödien  wählt, 
um  seine  Kunst  zu  zeigen;  also  wird  es  wohl  unser  Satyros  sein.  Daneben  wird  ein 
Komiker  Satyros  genannt,  den  Athenäus  XIII  591  E  Olynthier  nennt  und  dessen 
Edelmut  Demosthenes  7t.  x.  TtccQDcnQSGß.  193  fF.  und  Äschines  (15G  f.)  erwähnen. 
Sie  können  nicht  identisch  sein,  da  nicht  dieselben  Schauspieler  in  Tragödien 
imd  Komödien  wirkten  (Schäfer,  Demosth.-  I  246).  An  dem  ZusammentretFen  der 
Namen  darf  man  keinen  Anstoß  nehmen,  auch  Theodore  haben  wir  in  kurzer 
Zeit  mehrere. 

2)  S.  Dümmler,  Akademika,  Gießen  1889,  S.  8,  der  ebenfalls  auf  den  Gedanken 
gekommen  ist,  die  Schauspielernamen  als  Zeitbestimmung  zu  benutzen  und  für  die 
ursprüngliche  Quelle  des  Gleichnisses  Antisthenes'  Archelaos  hält;  dafür  ist  das 
Argument,  soweit  die  Namen  dabei  in  Betracht  kommen,  allerdings  nui*  von  zweifel- 
haftem Wert;  denn  wenn  auch  Antisthenes  noch  366  lebte  (Natorp  bei  Pauly- 
Wissowa,  Realencyclop.  I  2539),  eher  kann  des  Polos  schauspielerische  Tätigkeit 
doch  kaum  begonnen  haben,  falls  man  nicht  an  den  älteren  glaubt,  den  Sokrates 
hörte  (s.  S.  57  Anm.  2),  und  es  dauerte  doch  wohl  einige  Zeit,  bis  er  zu  dem  Rufe 
kam,  der  hier  vorausgesetzt  ist.  Auch  kommt  der  Polos  bei  Dio  ja  gar  nicht 
vor,  es  ist  also  fraglich,  ob  er  in  dessen  Quelle  stand.  Der  Vergleich  ist  aber 
nicht  untrennbar  mit  den  Namen  der  Schauspieler  verbunden. 


Historisches  Material.  59 

gewesen  wären  ^  oder  wie  Themistios  (s.  oben  S.  o2)  die  Namen  der 
Schauspieler  durch  andere  ersetzt. 

Aber  ein  Einwand  bleibt:  Es  tritt  ja  Menipp  auf  in  dem  Dialog; 
sollte  also  Lucian  nicht  mit  Bewußtsein  Anspielungen  und  Darstel- 
lungen vermieden  haben,  die  über  dessen  Lebenszeit  hinausgingen? 
Wir  werden  sehen,  daß  wegen  der  gleichen  Eigentümlichkeit  in  andern 
Dialogen  dieser  Einwurf  an  Kraft  einbüßt.  Aber  Lucian  hat  sich  den 
Menipp  überhaupt  nicht  fest  lokalisiert  oder  zeitlich  begrenzt;  er  weiß 
überhaupt  nichts  von  ihm;  er  erwähnt  seinen  freiwilligen  Tod  (dial. 
mort.  10,  11)  und  versetzt  ihn  (dial.  mort.  1,  1)  nach  Korinth  in  die 
Nähe  des  Kraneion  oder  ins  Lykeion  nach  Athen  oder  läßt  ihn  dort 
wenigstens  suchen,  offenbar  weil  an  beiden  Plätzen  der  Sprecher  im 
Dialoge  Diogenes,  an  dem  letzten  dauernd  die  athenischen  Philosophen 
ihr  Heim  aufgeschlagen  hatten.^)  Er  weiß  nichts  von  seinem  Geburts- 
ort, nichts  von  dem  Bürgerrecht  und  Aufenthalt  in  Theben,  von  dem 
Diogenes  Laertius  berichtet;  und  doch  ist  er  nicht  über  seine  Lebens- 
zeit mit  historischen  Anspielungen  oder  Zitaten  hinausgegangen.  Ja, 
es  scheint  fast,  als  ob  er  auch,  ohne  es  zu  merken,  die  Tatsache  bei- 
behalten hat,  daß  Menipp  nach  Böotien  gehört;  denn  er  läßt  ihn  zum 
Schluß  durch  das  Heiligtum  des  Trophonios  emporsteigen  mit  der 
Bemerkung,  daß  dort  oi  ano  BotcorCag  hinabsteigen.  Es  mag  ja  sein, 
daß  damit  im  Vorbeigehen  eine  Verspottung  des  Trophoniosheiligtums 
beabsichtigt  war,  wie  ja  diese  Verhöhnung  in  der  Komödie  zu  Hause ^) 
und  auch  zu  Lucians  Zeit  durchaus  aktuell  war.^)  Aber  gesagt  ist 
nichts,  was  satirisch  wäre,  und  mit  mehr  Begründung  läßt  jeden- 
falls Plutarch  (de  genio  Socratis)  seinen  Böoter  die  Orakelstätte  des 
Trophonios  aufsuchen,  um  direkte  Auskunft  über  das  Daimonion  des 
Sokrates  zu  erhalten.  Für  den  in  Korinth  oder  Athen  stationierten 
Menipp  Lucians  hätte  auch  ein  anderer  Aufstieg  als  der  böotische 
seine  Aufgabe  erfüllt.*) 

1 )  Siehe  Dio  Chrysost.  VI  Anfg. ;  Diog.  L.  VI  88.  77 ;  Kock,  Com.  Att.  fr.  11 S.  68. 

2)  Kratino«,  KephiHodor,  Alexis,  Menander  schrieben  Stücke  dieses  Inhalte 
^Kock  I  70.800,  II  388,  III  182,  vgl.  Diols,  Parmenides' l.ehrK'ed,  Berl.  1897,  S.  17  ff.); 

•  .ilir^rheinlirh  war  auch  die  Vorbereitung,  wie  si«»  Liiciau  für  seine  Katabasis 
.-<(  iiil<i«-rt,  (togcDstand  der  Komödienverspottung;  man  möchte  den  Vers  des 
KratinoB:  o^  öhop  &Qaa^\  oi)%  vnvov  Xaxftv  (ligof  in  dieser  Weise  deuten  (Kock 
I  8.  79  fr.  218;. 

8)  Das  zeigt  Aristidef  8H,  81  (LI  818  Keil)  Maximus  Tyrius  XIV  2.  In  dem 
Lamprit  -  ^181)  wird  eine  Plutarchschrift  ntgl  rfji  tlg  Tgotpaviov  naraßd- 

1)  Die  lleziehung  des  Orakel«  in  Lebadeia  auf  den  wirklichen  Menipp  be- 


60  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

Dieses  Stehenbleiben  mit  historischen  Anspielungen  innerhalb 
einer  bestimmten  Zeitgrenze  ist  aber  um  so  auffälliger,  als  sich  der 
Schriftsteller  in  zwei  Punkten  diese  Reserve  nicht  auferlegt  hat.  Man 
muß  daran  denken,  daß  Lucian  diese  Satiren  nach  Sophistensitte  für 
den  Vortrag  berechnet  hatte,  dann  wird  man  um  so  mehr  verstehen, 
wenn  er  hier  und  in  andern  Dialogen  Anspielungen  auf  den  Ort  oder 
den  Zeitpunkt  der  Vorlesung  einfließen  läßt,  die  für  den  Hörer  einen 
gewissen  Reiz  haben  mußten.  Zu  diesen  Bemerkungen  gehört  die, 
daß  der  Kahn  Charons,  als  Menipp  herankam,  ganz  mit  Toten  besetzt 
war,  die  ihren  Wunden  erlegen  waren  und  die,  wie  es  schien,  aus 
einem  Kriege  kamen  (10).  Natürlich  könnte  diese  Anspielung  auf  Zeit- 
verhältnisse schon  aus  Menipp  stammen.  Aber  es  wäre  doch  auf- 
fällig, wenn  Lucian  die  Bevorzugung  einer  Klasse  von  Toten  beibehalten 
hätte,  ohne  in  seiner  eigenen  Umgebung  dafür  den  Anlaß  zu  finden. 
Als  solchen  hat  man  den  Partherkrieg  erkannt.^)  Es  ist  aber  wahr- 
scheinlich, daß  dann  ein  ganz  bestimmtes  Ereignis  dem  Verfasser  vor- 
geschwebt hat,  und  als  dieses  ergibt  sich  die  Niederlage  der  Römer 
bei  Elegeia  im  Jahre  16P)  oder  die  gleich  darauf  folgende  des  Statt- 
halters Aelius  Attidius  Cornelianus.  Wer  die  Worte  Lucians  liest, 
indem  er  an  diese  furchtbare  Schlacht  denkt,  für  den  gewinnen  sie 
jedenfalls  einen  eigenen  Witz.  Ein  Urteil  wird  man  sich  erst  erlauben 
dürfen,  wenn  man  Ahnliches  in  andern  Dialogen  beachtet. 

Das  zweite,  was  seltsam  kontrastiert  mit  jener  Umgebung,  die 
uns  kaum  weiter  als  bis  zum  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  führt, 
ist  eine  Schilderung,  die  nur  ins  zweite  Jahrhundert  n.  Chr.,  aber  nicht 
in  Menipps  Zeit  paßt.  Lucian  verspottet  die  Vornehmen  (12),  die 
bei  Lebzeiten  so  aufgeblasen  waren,  wenn  sich  des  Morgens  die  Menge, 
um  ihre  Aufwartung  zu  machen,  an  ihren  Türen  drängte  und  sich 
von  den  Sklaven  schlechte  Behandlung  gefallen  lassen  mußte;  wenn 
dann  der  Herr  kam,  wie  eine  Sonne  aufgehend  im  Purpur  oder  mit 
goldverbrämtem  Gewände,  dann  glaubte  er  die  Leute  schon  glücklich 
zu  machen,  falls  er  ihnen  die  Brust  oder  die  Hand  zum  Küssen  dar- 
bot.   Das  ist  die  Darstellung,  die  JuvenaP)  und  andere  vom  Morgen- 

obachtet  schon  Hirzel,  Der  Dialog  II  317.  —  Hadeseingänge,  Tlutonien'  zählt 
Rohde  auf  Psyche  I^  213  f.;  Waser,  Charon,  Charun,  Charos,  Berlin  1898,  S.  61  tf. 

1)  Du  Soul  zu  der  Stelle;  dann  Fritzsche  in  seiner  Ausgabe.  Einspruch 
erhebt  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLIII  (1888)  S.  196. 

2)  Siehe  Stein  in  Pauly-Wissowa,  Realencyclopädie  III  1841;  Schiller,  Ge- 
schichte d.  röm.  Kaiserzeit,  Gotha  1883,  I  2  S.  639;  Mommsen,  Römische  Geschichte 
V^  S.  406.     Wir  erhalten  damit  als  Abfassungszeit  der  'Nekyomantie'  161/2. 

3)  Er  allerdings  noch  schärfer  III  184  f.:   quid   das,  ut  Cossum  aliquando 


Anspielungen  auf  Lucians  Zeit.  61 

besucli  der  Klienten  bei  ihrem  Patron  mit  so  beweglichen  Klagen 
entworfen  und  die  Lucian  selber  den  Nigrinus  (21  ff.)  als  zeitgemäß 
geben  läßt^),  zum  Teil  mit  denselben  Worten.  Es  sind  durchaus 
römische  Verhältnisse,  die  hier  den  Hintergrund  bilden,  für  die  bei 
Menipp  sich  keine  Vorlage  fand. 

Wenn  so  das  Bestreben,  auch  in  die  Gegenwart  zu  greifen,  durchaus 
nicht  prinzipiell  abgelehnt  ist,  wenn  andererseits  Menipp  selbst  nur 
eine  schemenhafte  Person  für  Lucian  ist  und  trotzdem  nur  dasjenige 
historische  Material  herangezogen  ist,  das  seiner  Zeit  vorausliegt,  so  wird 
das  wohl  in  der  Übernahme  aus  der  benutzten  Quelle  begründet  sein. 
Was  hier  noch  zweifelhaft  ist,  wird  bei  der  Betrachtung  des  'Ikaro- 
menipp'  zur  Gewißheit  werden.  Worin  Lucians  Tätigkeit  bestand, 
als  er  Menipps  'Nekyia'  überarbeitete,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis. 
Das  Herausheben  der  auf  die  Mithrasmysterien  bezüglichen  Verspot- 
tungen mag  ihm  angehören,  während  Menipp   vielleicht  an  die  Eleu- 


salutes?  ut  te  respiciat  clauso  Veiento  labello.  Im  übrigen  vgl.  Friedländer, 
Sittengeschichte  Roms,  Lpzg.  1888,  PS.  382  ff.  Die  Frage,  ob  Lucian  römische 
Schriftsteller  vei'wertet  haben  kann  oder  nicht,  ist  nicht  abhängig  von  der  Stelle 
vnkg  rov  iv  ry  TtQooayoQtvoi-i  ntaia^aTo?  13,  obwohl  mir  scheint,  daß  unbefangene 
Deutung  des  ei'  n  xayw  tt/j  'Foj^aloov  cpcoviig  inatca  eine,  wenn  auch  vielleicht 
beschränkte,  Kenntnis  des  Lateinischen  ihm  einräumen  muß.  Aber  Lucian  hat 
auch  mit  Römern  verkehrt.  Den  nachherigen  Konsul  Rutilianus  kann  er  vor 
der  Heirat  mit  der  Tochter  des  Alexander  von  Abonuteichos  warnen  (Alexander  54), 
bei  Sacerdos  in  Tion  erfährt  er  ein  Orakel,  das  diesem  gegeben  war  (ebend.  48); 
der  Statthalter  von  Kappadocien  gibt  ihm  gar  zwei  Legionssoldaten  zur  Be- 
deckung mit  (ebend.  55)  Wäre  es  da  wunderbar,  wenn  er  durch  Vermittlung 
solcher  Freunde  auch  mit  römischen  Schriftstellern  bekannt  geworden  ist,  wenig- 
stens  dem  Inhalt  nach?  Ich  verweise  auf  das,  was  zu  den  'Totengesprächen'  und 
den  'Satumalienschriften'  bemerkt  ist. 

1)  Nee.  12:  noXloi  ^liv  StaQ-tv  inl  rä>v  nvXötvoiv  TtaQEian'jxsßccv  t»jv  :t()6odov 
ttitxov  ntQmivovjki  lo^ov^evoi  rt  xal  &7CoxXti6(i£voi  Ttgo^i  rd)V  olxsTdiv; 
Nigr.  '22 :  wxtbg  iihv  i^ceviaxu^itvoi  iiiai]g  (vgl.  Juv.  V  22  f.),  TtBQid-iovrig  dh  iv 
xvxXtp  rijv  n6Xiv  xccl  TtQOs  rcöv  olxsrcbv  &noxXtt6nsvoif  23:  orav  ....  rovf  nv- 
Xätvag  Sta^tv  in'nXi^aioai  xul  nQotX&6vxag  wantQ  Stonoxag  Ttgoasinoiai^  nee.  12: 
tiidu'niovug  &txo  xctl  (laxuQiovg  &7toq)aivtiv  xovg  nQoasinovxccg^  ?)v  xb  oxi)9og 
7)  xijv  dt^iäv  TtQOXtivcav  doli]  xaxarpiXdv^  Nigr.  21:  7C(bg  yctg  oi  /eZofoc  fihv 
Ol  nXr/vxoifvxtg  a'öxol  xal  xug  noQtpvgidag  ngorpaivovxfg  xal  xovg  daxxvXiovg  ngo- 
xtlvovxig  ....  &yaTt&v  iciiohvxtg  oxi  fiövov  uvxohg  TCQoa^ßXtxjfap;  (ganz  wie  bei 
Juvenalj  ....  dtt  TiQoatXd'dvxtt  ....  xb  axfj^og  f)  rr;v  dfitäv  nccxatpiXhtv^ 
iriXtoxbv  xol  ntQißXtnxov  xolg  nT]il  rovrov  xvyxcivovoiv.  Übrigens  fügt  Nigrinus 
(21)  mit  f'pigrummatiMchnr  Hoitheit  hinzu:  inaivib  dt  y«  xavxtig  aitxovg  tl^s  Scnccv- 
dgtani€(g,  ori  fif]d^  xolg  arofittoiv  r}n&g  n{totjiivxai  wie  Martial  II  Sl:  Bmia  das 
uIüm.  tiiÜM  (IiiH.  Postume,  di*\tr!iiii    Dicis:  'utrum  uiavii«'''    flit^i*  *    Mulo  mauiim. 


.62  Kapitel  I.    Die  Nekyomantie. 

sinien  oder  andere  dachte  ^)  und  zurückhaltender  war.  Aber  das  Haupt- 
sächlichste wird  wohl  eine  andere  Gruppierung  des  vorhandenen  Stoffes 
und  eine  Verkürzung  der  Darstellung  gewesen  sein;  denn  wir  werden 
in  andern  Dialogen  Lucians  Motive  wiederfinden,  die  aus  der  'Nekyia' 
stammen.  Und  diese  Art  der  Arbeitsweise,  die  Vorlage  zu  zerpflücken 
und  die  einzelnen  Bestandteile  immer  wieder  anders  zusammenzu- 
setzen, wird  uns  bei  ihm  im  Laufe  unserer  Untersuchung  immer 
deutlicher  entgegentreten. 


1)  Ich  verweise  auf  das,  was  zur  'Niederfahrt'  Kap.  II  zu  sagen  ist.  Zu 
Menipps  Zeit  hatte  der  Mithraskult  noch  nicht  die  Bedeutung  wie  im  2.  Jahr- 
hundert n.  Chr.,  wo  die  eigentlich  hellenische  Welt  ihm  auch  noch  verschlossen 
ist;  dagegen  hat  sich  die  römische  ihm  aufgetan,  und  Lucian  gibt  auch  mit 
dieser  Mithrasverspottung  im  Grunde  etwas,  was  sich  auf  römisches  Leben  be- 
zieht (Cumont,  Textes  et  monuments  figures  relatifs  aux  mysteres  de  Mithra, 
Bruxelles  1899,  I  241  ff.)  oder  was  erst  durch  diese  Beziehung  ins  rechte  Licht 
gerückt  wird. 


Kapitel  IL 
Die  Nierterfalirt. 

Lucian  hat  uns,  abgesehen  von  den  'Totengesprächeu',  die  uns 
später  beschäftigen  werden,  noch  einmal  in  der  'Niederfahrt'  in  die 
Unterwelt  versetzt.  Klotho  und  Charon  harren  am  Totenfluß  der  ab- 
geschiedenen Seelen,  die  Hermes  herbeiführen  soll;  der  Fährmann  hat 
den  Gott  im  Verdacht,  daß  er  sich  mit  Absicht  seinem  trüben  Amte 
entziehe.  Während  sie  plaudern,  kommt  der  Seelengeleiter  an  mit 
seinem  Zuge  und  erklärt  die  Verzögerung;  ein  Tyrann  ist  aus  der 
Schar  der  Toten  entlaufen,  aber  Aakus  hat  am  Eingang  der  Unter- 
welt durch  Vergleichung  der  ihm  von  Atropos  gegebenen  Liste  das 
Fehlen  einer  Seele  festgestellt,  und  so  ist  der  Flüchtling  unter  Bei- 
hilfe des  Kynikers,  der  unter  den  Verstorbenen  weilt,  wieder  ein- 
gefangen worden.  Während  Klotho  die  Liste  zur  Kontrolle  vornimmt, 
werden  nun  die  Seelen  in  den  Kahn  verladen,  zuerst  die  unmün- 
digen Kinder,  dann  die  mehr  als  sechzigjährigen  Greise,  die  im 
Kriege  Verwundeten,  darunter  Gobares,  des  Oxyartes  Sohn,  die  Selbst- 
mörder aus  Liebesgram  wie  der  Philosoph  Theagcnes  usw.,  nach 
Kategorien  geordnet.  Kyniskos,  der  Vertreter  der  Kyniker,  der  beim 
Verschlucken  eines  rohen  Tintenfisches  gestorben  ist,  meldet  sich  von 
selbst  und  beschwert  sich,  daß  man  ihn  so  lange  im  Leben  gelassen 
hat.  Endlich  kommt  der  gefesselte  Tyrann  Megapenthes,  der,  uner- 
schöpflich an  Argumenten,  immer  wieder  um  einen  kleinen  Aufschub 
bittet,  um  noch  einmal  zur  Oberwelt  zurückzukehren.  A})er  selbst 
ein  Bestechungsversuch  hat  Klotho  gegenüber  keinen  Erfolg.  Und 
als  er  zu  seiner  Beruhigung  wenigstens  die  Vorgänge  auf  Erden  nach 
seinem  Tode  hören  möchte,  willfährt  man  ihm  zwar,  a}>er  sein  Leid 
vergrößert  sich  nur  dadurch.  Endlich  hilft  Kyniskos  den  Tyrannen 
auf«  Schiff  »chlepp«'n  und  an  den  Mast  binden,  er,  dtT  zu  Lebzeiten 
beinahe    vmi    j«iM'iri    iiiih    Knuz  t'«*.schhiirt'n    wiln'.      /iiht/.t    dräntft   sich 


64  Kapitel  II.    Die  Niederfahrt. 

der  Schuster  Mikyllos  herbei,  unzufrieden,  daß  er  nicht  eher  hat 
sterben  dürfen,  aber  voller  Freude,  daß  hier  unten  die  Armen  lachen 
und  die  Reichen  weinen;  er  denkt  mit  Vergnügen  daran,  wie  der 
Tyrann,  den  er  bei  Lebzeiten  sah,  aus  seiner  Macht,  wie  sein  Nachbar, 
der  Wucherer  Guiphon,  aus  seinem  Reichtum  gerissen  wurde,  ohne 
davon  einen  Genuß  gehabt  zu  haben.  Weil  der  Kahn  voll  ist,  will 
Charon  diesen  letzten  Ankömmling  nicht  mitnehmen;  aber  kurz  ent- 
schlossen, schwimmt  er  nach,  und  da  das  in  diesem  Reich  nicht  zu- 
lässig ist,  so  muß  man  ihn  aufnehmen,  und  auf  den  Schultern  des 
Tyrannen  findet  er  seinen  Platz.  Die  Fahrt  geht  vor  sich;  Kyniskos, 
der  nicht  im  Besitz  des  Fahrgelds  ist,  macht  sich  durch  Rudern 
nützlich;  die  Toten  stimmen  ihre  Klage  an,  in  die  Mikyllos  auf 
Geheiß  spottend  einstimmt.  Beim  Abschied  fordert  Charon  seinen 
Lohn,  aber  von  dem  Schuster  verlangt  er  den  Obolos  umsonst. 
Hermes  führt  seine  Schar  darauf  durch  die  Finsternis  weiter;  die 
beiden  Geistesverwandten,  Mikyllos  und  Kyniskos,  wandern  mitein- 
ander, Hand  in  Hand.  Tisiphone  kommt  ihnen  entgegen  mit  leuch- 
tender Fackel,  so  daß  sie  der  eleusinischen  Mysterien  gedenken  müssen, 
und  nimmt  sie  in  Empfang,  um  sie  zum  Totenrichter  Rhadamanthys 
zu  geleiten.  Dort  bittet  Kyniskos  darum,  zuerst  abgeurteilt  zu  werden; 
da  kein  Kläger  auftritt,  muß  er  sich  entkleiden,  damit  die  Brandmale 
auf  seinem  Rücken  sichtbar  werden,  die  jeder  Seele  durch  ihre  bösen 
Taten  aufgeprägt  werden  und  so  als  Zeugen  wider  sie  dienen  können. 
Aber  es  sind  nur  wenige  bei  ihm,  und  nur  alte,  fast  vergangene 
Spuren  lassen  sich  in  größerer  Menge  erkennen.  Der  Philosoph  er- 
klärt, daß  er  früher  schlecht  gewesen  sei,  aber  durch  die  Beschäftigung 
mit  der  Philosophie  seine  Seele  gereinigt  habe.  Er  wird  gerecht  be- 
funden und  mit  ihm  der  Schuster  Mikyllos.  Nun  beginnt  Kyniskos, 
getreu  seiner  Tätigkeit  im  Leben,  die  Anklage  gegen  den  Tyrannen. 
Die  Morde  gibt  dieser  zu;  als  er  die  übrigen  Schandtaten  leugnet, 
werden  Bett  und  Lampe  als  Zeugen  vorgeladen.  Durch  sie  und 
seine  Brandmale  wird  er  überführt.  Rhadamanthys  zweifelt,  ob  er 
ihn  in  den  Pyriphlegethon  werfen  oder  dem  Kerberos  übergeben 
soll;  Kyniskos  aber  schlägt  ihm  eine  neue  Strafe  vor:  nie  soll 
es  ihm  vergönnt  sein,  den  befreienden  Lethetrunk  zu  schlürfen, 
damit  ihm  die  Erinnerung  an  sein  verlorenes  Erdenglück  eine  ewige 
Plage  sei. 

Der  Dialog  zerfällt  in  drei  Teile,  von  denen  der  erste,  das  scherz- 
hafte Gespräch  zwischen  Klotho  und  Charon,  nur  die  Einleitung  bildet. 
Der   Zusammenhang    dieses   Stückes  mit    den   "^Götter-'   und  ^Meeres- 


Kyniskos  —  Mikyllos.  65 

gesprächen' ^)  verleugnet  sich  nicht.  Den  Hauptbestandteil  bilden  die 
beiden  Szenen  bei  der  Überfahrt  und  vor  dem  Richterstuhl  des  Rha- 
damanthjs.  In  diesen  fällt  auf,  daß  der  Verfasser  eine  überflüssige 
Dublette  in  seinem  Kyniskos  und  Mikyllos  geschaffen  hat.  Beide 
sind  gern  aus  dem  Leben  geschieden  und  klagen  darüber,  daß  sie 
nicht  eher  abberufen  sind  (7,  14  r);  beide  haben  den  notwendigen 
Obolos  nicht,  um  Charon  seine  Mühe  zu  lohnen  (19,  21);  beide  ver- 
höhnen den  Tyrannen,  der  eine,  indem  er  ihn  schlägt  (13),  der  andere, 
indem  er  sich  auf  seine  Schultern  setzt  (19);  beide  werden  von  Rha- 
damanthys  vor  den  andern  abgeurteilt  und  freigesprochen  (24,  25).*) 
Wohl  hat  sich  der  Schriftsteller  Mühe  gegeben,  diese  Wiederholung 
nicht  gar  zu  deutlich  empfinden  zu  lassen;  Kyniskos  allein  ist  es,  der 
den  Megapenthes  fangen  hilft  und  der  ihn  anklagt;  Kyniskos  bekennt 
sofort,  daß  er  seinen  Obolos  nicht  hat,  und  muß  dafür  rudern,  Mikyl- 
los dagegen  sagt  das  zwar  auch,  ehe  er  einsteigt,  aber  sein  Geständnis 
wird  offenbar  überhört,  und  so  ist  am  Schluß  der  Fahrt  Gelegenheit 
zu  der  Szene,  in  der  Charon  von  ihm  umsonst  seinen  Fährlohn  fordert. 
Weiter  zeigt  Kyniskos  seine  Verspottung  des  Tyrannen  beim  Ein- 
steigen, Mikyllos  erst,  nachdem  das  Schiff  schon  in  Bewegung  ist; 
und  Mikyllos  allein  hat  den  großen  Vortrag  zu  halten  über  den  Unter- 
schied zwischen  Reichen  und  Armen;  er  allein  und  nicht  auch  Ky- 
niskos wird  ausdrücklich  ermahnt  dem  Brauche  gemäß  in  den  Klage- 
gesang der  Toten  einzustimmen  und  tut  das  dann  ironisch.  Aber  trotz 
dieser  deutlich  erkennbaren  Verteilung  kommt  man  über  das  Störende 
dieser  Dublette  nicht  hinweg,  die  von  künstlerischem  Gesichtspunkt 
lästig,  für  die  Ökonomie  des  Dialogs  überflüssig  war;  immer  fragt 
mau  sich,  warum  nun  gerade  Mikyllos  und  nicht  Kyniskos  dies  sagt 


1)  Über  diese  aophistischen  Gespräche  werden  wir  bei  Gelegenheit  der 
'Totengespräche*  Kap.  V^III  zu  reden  haben. 

2)  Kyniskos  sagt  von  seinen  Versuchen,  das  Leben  zu  enden  (7):  nolläxig 
intiQÜ^riv  xb  vf)na  diccKÖtJ^ag  iXQ-BtVy  &XX'  ov-a.  old^'  onas  ciQQi]xrov  ^v.  In 
Mikyllos*  Rede  heißt  es,  daß  bei  den  Reichen  die  Seele  bestilndig  am  Leben 
hängt  (li),  iiäXXov  di  wantQ  äggritiTog  ris  ovroff  6  dea^og  iaxiv.  Auch  diese 
Wiederholung  ist  vielleicht  nicht  ohne  Bedeutung  für  die  weiteren  Schlüsse. 
Im  übrigen  schließt  bich  des  Mikyllos  Rede  an  die  Komödie  an;  mau  denkt  an 
des  AntiphancH  WorU»  in  den  Diplasioi  (Kock  II  S.  46):  oMfl;  ffroworf,  co  rff'o.Tor*, 
icni^uv*  uno^avtlv  Tcgö^vfiog  inv ^  xovg  yXixoftivovi  dk  ^t)v  xaxaana  xov  axtXovf 
&xo9Tas  6  Xd(f<av  inl  xb  noQ^iitUv  x*  &fti  aixiCoiiivovs  xorl  srccvr'  fxot^or^*  6i(f(y6- 
voDg.  6  dh  Xnt6g  iaxiv  a^avctaictg  tpägfutnov. 

B)  Die  Dubleit«>  hat  Bold«>rman,  Studia  Lucianea,  Disi.  Lugd.  Bat.  1008,  S.  98 
)>enierkt,  ohne  indmiton  die  richtige  Folgerung  daraus  su  ziehen. 

II  «Im,  Laoian  tinil  Mootpp  6 


66  Kapitel  II.    Die  Niederfahrt. 

und  umgekehrt.  Am  auffälligsten  ist  diese  Doppelgestalt  ein  und 
desselben  Typus  beim  Gericht.  Kyniskos  läßt  sich  zuerst  aburteilen, 
um  dann  seinerseits  den  Tyrannen  anklagen  zu  können;  aber  warum 
muß  auch  Mikyllos  vor  diesem  an  die  Reihe  kommen?  An  den 
wenigen  Worten,  mit  denen  er  abgetan  wird  (25),  sieht  man  recht, 
daß  die  Figur  des  Mikyllos  dabei  nicht  mehr  am  Platz  ist.  Fragt 
man  sich  aber,  wer  von  beiden  der  ursprüngliche  ist,  so  ist  die  Ant- 
wort nicht  schwer.  Kyniskos  ist  eine  schemenhafte  Figur,  Mikyllos 
ist  durchaus  individuell  charakterisiert,  nicht  nur  seinem  Gewerbe 
nach.  Mikyllos  konnte  nicht  entbehrt  werden,  weil  er  das  richtige 
Gegenbild  zu  dem  Tyrannen  darstellte;  auf  der  einen  Seite  arm- 
seliges Leben  und  eine  gewisse  Freude  zu  sterben,  auf  der  andern 
Pracht  und  Herrlichkeit,  aber  ein  ewiges  Klagen  und  Jammern  nach 
dem  Tode  und  ein  Zurückwünschen  des  alten  Prunks.^)  Ich  vermute 
also,  daß  Lucian  in  seiner  Vorlage  nur  die  Rolle  des  Mikyllos  vor- 
fand; die  Person,  die  diese  vertrat,  war  es,  die  entsprechend  dem  Vor- 
trag, den  Mikyllos  jetzt  hält  (15/6),  den  mit  allen  Fasern  ins  Leben 
sich  zurücksehnenden  Tyrannen  am  Entlaufen  hindert,  die  ihn  dann 
vor  dem  Richter  stuhl  des  Rhadamanthys  verklagt.  Und  eine  Spur 
dieses  Zusammenhanges  scheint  mir  auch  noch  in  der  Rede  des  Mi- 
kyllos vor  Klotho  enthalten  zu  sein;  danach  hätte  dieser  auf  der 
Oberwelt  neben  einem  Tyrannen  gewohnt  und  da  gesehen,  wie  ge- 
waltig dieser  während  seines  Lebens  tat  und  wie  klein  und  lächerlich 
er  nach  seinem  Tode  war.^)  Auch  dieser  Tyrann  ist  eine  Dublette 
von  dem,  der  uns  in  eigener  Person  vorgeführt  wird;  verständlich 
wird  das  ohne  weiteres,  wenn  er  ursprünglich  der  Tyrann  war,  den 
Mikyllos  nachher  anklagt  und  über  dessen  Leben  er  Bescheid  wußte 

1)  Es  ist  der  in  solchen  Erzählungen  immer  wiederkehrende  Gegensatz 
vom  reichen  und  vom  armen  Mann,  wie  er  jedem  aus  der  Geschichte  vom 
Bettler  Lazarus  (Luc.  16,  19  fif.)  bekannt  ist,  oder  wie  er  sich  in  dem  ägypti- 
schen Märchen  wiederfindet,  das  eine  Unterweltswanderung  schildert,  vom  Prinzen 
Chamoes  und  seinem  Sohne  Si-usire  (vgl.  Erman,  Die  Ägyptische  Religion,  Berlin 
1905,  S.  230  ff.  nach  Griffith,  Stories  of  the  High  Priests,  Oxford  1900,  S.  42  ff.). 
Der  zauberkundige  Sohn  führt  dort  seinen  Vater  einmal  in  die  Unterwelt.  Ehe 
sie  eintreten,  sehen  sie  zwei  Leichenbegängnisse,  das  eines  Reichen  und  das  eines 
Armen  (wie  Mikyllos  und  der  Tyrann  dem  Menipp  begegnen  s.  S.  72)  (vgl.  Griffith 
S.  149);  den  Reichen  finden  sie  nachher  unter  den  Verdammten,  in  seinem 
rechten  Auge  drehte  sich  die  Angel  einer  Tür  und  er  betete  und  jammerte;  am 
Throne  des  Osiris  aber  sehen  sie  in  prächtigen  Kleidern  den  Armen  stehen, 
dessen  gute  Taten  zahlreicher  gewesen  waren  als  seine  bösen  (Griffith  151.  153). 

2)  Catapl.  16:  TtccQOLK&v  avoi  Tvgdvva  ndvv  ccKQiß&s  scoqcov  tu  yi^voiisvcc 
vn    avtov. 


Vergleich  mit  der  Nekyomantie.  67 

wegen  seiner  Nachbarschaft.  Als  Lucian  den  Kyniskos  einfügte  und 
ihm  die  Anklage  übertrug,  machte  er  aus  dem  bestimmten  Tyrannen, 
der  Nachbar  des  Mikyllos  gewesen  war,  einen  beliebigen;  er  nahm 
dem  Schuster  die  Rolle  des  Anklägers,  ließ  ihn  aber  doch  vor  dem 
Megapenthes  aburteilen,  obwohl  er  nun  ebenso  gut  nachher  hätte 
an  die  Reihe  kommen  können. 

Betrachten  wir  die  gleichartigen  Szenen  aus  der  'Nekyomantie', 
so  fällt  uns  zunächst  auf,  daß  beide  sich  in  gewisser  Weise  ergänzen, 
die  Szene  am  Totenfluß  dort  (10)  ist  ungeheuer  kurz.  Von  den  ver- 
schiedenen Toten,  die  in  der  'Niederfahrt'  erwähnt  werden,  finden  wir 
nur  die  im  Kriege  Gefallenen.  La  der  'Niederfahrt'  dagegen  sind  die 
Seelen  in  einer  gewissen  Weise  klassifiziert,  die  wenigstens  etwas  an 
die  Darstellung  bei  Vergil  Aen.  VI  426  ff.  erinnert.^)  Weiter  nimmt 
Tisiphone  die  Toten  am  andern  Ufer  des  Flusses  in  Empfang,  um  sie 
dem  Rhadamanthys  zuzuführen,  imd  in  derselben  Weise  tritt  Tisiphone 
bei  Vergil  als  Schergin  des  Rhadamanthys  auf,  der  über  die  schweren 
Verbrecher  zu  richten  hat  (Aen.  VI  566  ff.)-^)  Und  drittens:  die  Zählung 
der  Seelen  findet  sich  in  der  'Niederfahrt',  sogar  zweimal;  Aakus  kon- 
trolliert nach  der  ihm  gegebenen  Liste,  wie  dann  beim  Einsteigen  noch 
einmal  Klotho  (4,5);  auch  diese  Dublette  beruht  wohl  auf  Lucians 
Erfindung,  sie  verschwindet,  wenn  man  die  ihm  gehörige  Einleitungs- 
szene tilgt,  sehr  leicht.  Daß  aber  die  Vorstellung,  die  hier  zum  Aus- 
druck gebracht  ist,  durchaus  angemessen  ist  und  tief  im  Glauben  des 
Volkes  wurzelt,  hat  Norden  gezeigt.^)  Wenn  hier  speziell  Aakus 
dazu  ausersehen  ist,  die  Scharen  der  Toten  zu  zählen,  so  liegt  das 
daran,  daß  ihm  die  Rolle  des  Pförtners  in  der  Unterwelt  übertragen 
war,  wohl  schon  von  Kritias  im  Tirithous',  sicherlich  in  der  Über- 
lieferung von  Aristophanes'  Fröschen,  die  V.  464  den  d-egd^tav  als 
Aiakos  bezeichnete.*)     Lucian  ist  diese  Anschauung,   die  dem  Aiakos 


1)  Vgl  Norden,  Vergil  Aeneis  Buch  VI  S.  11  f. 

2)  Norden  a.  a.  S.  268. 

8)  A.  a.  0.  S.  265;  auch  bei  Vergil  hat  sich  in  dem  Ausdruck  explebo 
nnmerum  VI  545  eine  Spur  dieser  Anschauung  erhalten. 

4)  Nauck,  Trag.  Graec.  Fragm.'  Eur.  fr.  5ül.  Aristophanes'  Frösche  erkl. 
V.  Kock*  S.  88  und  101.  Vgl.  Hiller,  Hermes  VIII  (1874)  S.  454  f.;;  v.  Wilamowitz, 
Herakles»,  Berlin  1896,  I  158  Anm.  70  (der  aus  der  Benutzung  des  von  Welcker  in 
den  'Pirithous'  eingereihten  Verses  fr.  986  Nauck  bei  Lucian  'Nckyom.'  1  den  Schluß 
zieht,  daß  Lucian  dies  Drama  noch  gelesen  habe,  vorausgesetzt  allerdings,  daß  er 
den  Verl  nicht  schon  mit  aus  seiner  Vorlage  entlehnt  hat);  Wörner  in  Hotchert 
Mjth.  Lexikon  I  112;  Hadermacher,  Das  Jenseits  8.  104  Anm.  4;  Rein,  Aiakot  in 
der  ünt<jrwelt,  Acta  societ.  ■eient.  Fennicae,  XXXII  2  (1908)  S.  5  und  82  ff. 


68  Kapitel  II.     Die  Niederfahrt. 

das  Amt  in  der  Unterwelt  gibt,  das  Hermes  im  Himmel  hat,  auch 
sonst  geläufig^);  waim  sie  geschaffen  wurde  und  wie  lange  vor  Lucians 
Zeit  schon  Aiakos  als  xksidovx^S  fungiert  hat,  mag  zweifelhaft  blei- 
ben, aber  das  Amt  des  Zählens  ist  im  übrigen  auch  unabhängig  von 
dem  Namen.  Wir  haben  also  in  der  'Niederfahrt'  Ergänzungen  zur 
'Nekyomantie',  die  sich  teilweise  wieder  mit  Vergil  berühren  wie  die 
übrige  Darstellung  dort;  es  ist  danach  nicht  unwahrscheinlich,  daß 
sie  mit  jener  zusammengehörten  und  erst  von  Lucian  losgelöst  wurden. 

Aber  in  einer  Hinsicht  stimmen  beide  Schilderungen  überein. 
Charons  Kahn  ist  so  voll,  daß  er  nicht  eine  Person  mehr  mitnehmen 
kann.^)  In  der  'Niederfahrt'  führt  das  zu  der  ergötzlichen  Erfindung, 
daß  Mikyllos  auf  den  Schultern  des  Tyrannen  sitzen  muß,  wodurch 
so  recht  die  Vergänglichkeit  irdischer  Pracht  gezeichnet  wird.  In 
der  'Nekyomantie'  ist  das  Motiv  ganz  überflüssig;  denn  Charon  nimmt 
den  Menipp  trotzdem  freundlich  auf  in  seinem  Nachen.^)  Es  sieht 
so  aus,  als  hat  Lucian  dort  das  Motiv  der  Fülle  des  Kahns  aus  einer 
anders  gearteten  Szene  beibehalten^),  ohne  es  weiter  zu  verwenden, 
und  diese  Szene  kann  nur  so  gestaltet  gewesen  sein,  wie  sie  uns  in 
der  'Niederfahrt'  vorliegt. 

Auch  bei  den  Gerichtsszenen,  die  ja  ebenso  in  den  beiden  Dia- 
logen wiederkehren,  beobachten  wir  einen  gewissen  Zusammenhang. 
In  der  'Nekyomantie'  (11)  haben  wir  nur  eine  ganz  kurz  zusammen- 
fassende Schilderung;  die  Darstellung  macht  geradezu  den  Eindruck 
einer  Inhaltsangabe.  In  der  ^Niederfahrt'  haben  wir  eine  weit  aus- 
gesponnene Szene;  und  auch  hier  erkennen  wir  in  einem  Punkt  eine 
deutliche  Ergänzung.  In  dem  ersten  Dialog  sind  es  die  Schatten,  die 
als  Ankläger  und  als  Zeugen  auftreten,  denn  beides  hat  Lucian  ver- 
mengt.^) Wieland  hat  daran  Anstoß  genommen,  daß  die  Schatten  als 
Zeugen  ja  nicht  ausreichen  für  alles,  was  des  Nachts  begangen  ist.^) 


1)  Charon  2,  de  luctu  4,  Totengespr.  20,  1. 

2)  Necyom.  10:  ^il-hqov  ^hv  ovS'  insQuioid-rifiEV  rjv  yccg  nXfiQsg  TqSri  tb  noQ- 
d'^istov,  catapl.  18:  nXfiQsg  iqdii  tb  öxcapog'  avtov  TtsQiiievs  slg  cc^qiov. 

3)  Necyom.  10:  slosdE^ccto  ^s  äo^svog  kccI  äiSTtOQd-iisvGs. 

4)  Einen  weiteren  Beleg  für  die  Entlehnung  des  Motivs  bietet  dann  das 
10.  und  22,  ''Totengespräch',  in  denen  die  Überfahrt  abermals  behandelt  ist,  und 
da  ist  es  beachtenswerterweise  Menipp,  der  die  Szene  durchmacht,  und  nicht  ein 
unbestimmter  Kyniker.  Davon  bei  Besprechung  der  Sammlung  der  ^Toten- 
gespräche' ! 

5)  Necyom.  11:  ccvtat  rolvvv^  insidav  ccnoQ'dvai^sv ,  yiccxriyoQOVGl  te  xal 
TiccraiiciQtvQOVGi  aal  8iEXiy%ov6i.  xk  nsTtQccyiiiva  rjiitv  Ttccgcc  tbv  ßiov. 

6)  Übersetzung,  Leipzig  1788,  HS.  344:    "^Der  Fehler  ist  nur  der,    daß  sie 


Vergleich  mit  der  Xekyomantie.  69 

Sollte  es  mm  ein  Zufall  sein,  daß  in  der  'Niederfahrt'  bei  dem  Pro- 
zeß gegen  den  Tyrannen  Ruhebett  und  Lampe  ^)  als  Belastungszeugen 
auftreten  und  daß  die  liampe  gleich  im  Beginn  ihrer  Rede  sagt:  "Was 
bei  Tage  geschah,  weiß  ich  nicht;  was  er  aber  des  Nachts  tat,  das 
schäme  ich  mich  zu  sagen'  (27)?  Vereinigt  man  beide  Szenen,  so 
erhält  man  einen  tadellosen  Vorgang ;  es  erhebt  jemand  die  Anklage  und 
ruft  als  Zeugen  den  Schatten  an;  der  kann  nur  für  den  Tag  etwas 
beweisen,  also  wird  für  die  Vorgänge  der  Nacht  die  Lampe  aufgefordert, 
Zeugnis  abzulegen.  So  ist  die  Szene  als  Ganzes  vorzüglich,  und  eine 
Spur  dieses  Zusammenhangs  entdeckt  man  wieder  darin,  daß  Lucian 
die  Schatten  in  der  ^Nekyomantie'  zwar  als  Ankläger  auftreten  läßt,  aber 
trotzdem  das  Wort  nicht  unterdrückt  hat,  nach  dem  sie  Zeugen  sind.^) 
Versucht  man  einmal  die  Szene  am  Totenfluß  und  die  Gerichts- 
szene sich  in  die  'Nekyomantie'  eingefügt  vorzustellen,  so  ist  auch 
sofort  klar,  daß  der  Kyniskos  nicht  vorhanden  war;  denn  der  war  ja 
Menipp  selber,  und  Menipp  lebte.  Nun  wird  auch  der  Gedanke  be- 
greiflicher,  daß  Kyniskos   nicht   in   das  Jammern    der  Toten   mitein- 


gerade  da,  wo  man  aus  Ermangelung  anderer  Zeugen  ihrer  am  nötigsten  hätte, 
nämlich  bei  Verbrechen,  die  im  Dunkeln  begangen  werden,  ganz  unbrauchbar  sind.* 

1)  Veranlaßt  ist  das  Motiv  dadurch,  daß  Liebende  in  der  Komödie  in  Er- 
innerung an  gemeinsam  verlebtes  Glück  ausriefen:  w  cpiXTärri  xUvri  und  Bccxxls 
»tov  a  ^voVwrtv,  B^Sa^LOv  Xvxvs  Plut.  de  garrul.  22  (513  F)  (Kock  HI  438).  Ruhl 
(Religionsgesch.  Versuche  her.  v.  Dieterich  u.  Wünsch  11)  S.  61  fügt  hinzu  Bett  und 
Tür  bei  Catull  6,  6  und  67,  sowie  Anthol.  Pal.  V  7,  wo  wenigstens  ähnliche  Per- 
sonifikationen vorliegen.  Daß  das  Motiv  aus  dramatischer  Darstellung  stammt, 
zeigt  deutlich  die  parodistische  Gerichtsszene  in  Aristophanes'  Wespen  y36  tf.,  wo 
Schüssel,  Mörserkeule,  Käseraspel,  Herd  und  Topf  als  Zeugen  aufgerufen  werden 
und  die  Käseraspel  auch  wirklich  Red'  und  Antwort  stehen  muß  i963  ff.)  Auch 
die  parodistische  Anrede  der  Praxagora  an  die  Lampe  als  sehenden  Zeugen  aller 
Heimlichkeiten  im  Beginn  von  Aristophanes'  Ekklesiazusen  bot  die  Anregung  zu 
der  bei  Lucian  vorliegenden  Fiktion,  besonders  V.  7fF. :  ool  yu^  jnöro)  rf»;Ao%fv 
kixoxioi,  intl  %äv  xotai  dafucrioioiv  *A(pQoditrig  TQoncov  nfiQioiitvaioi  nXriaiov  naga- 
ararflg^  XoQdovfih'cav  rt  aioiiocTtav  {ntaxäxT\v  öcpd^aXy.6v  ovdelg  rbv  abv  i^ei^yii 
Söfiojv.  Ahnlich  scheint  in  den  Phormophoren  des  Hermipp  ein  Gesprilch  mit  der 
Lampe  vorzuliegen  (Kock  I  S.  248).  Ein  Henkelkrug  spricht  bei  Aristophanes 
(Kock  I  S.  643)  fr.  698.  Aus  dem  Titt'l  xXivj}  eines  Stückes  des  Nikostratos  (Kock 
n  8.  228)  läßt  sich  bei  der  geringen  Anzahl  von  Bruchstflcken  nicht«  entnehmen. 
Die  poetische  Personifikation  der  Kline  liegt  in  den  Versen  des  Philiskos  vor  au« 
den  Philargyroi  (Kock  H  K.  448):  tlg  r6  \itxanblaui  ^^dius  &  ßovXtxai  m^ctpohg 
fx^'*'  tttit^kv  i]  %Xlvri  X6'/ov9.  Noch  näher  steht  Apul.  met.  I  16:  grubsttulo  . . .  qui 
mecum  tot  aerumnas  exanclasti  conscius  et  arbitor  (juae  nnrtr  genta  sunt,  quem 
solnm  . .    t4*stem  innocentiao  citare  poRMum. 

2)  Necyoni    n     «' rfrfiapri'pofflf,  rntni»)    *J7:  ^(^rv^i/co.  ..^   ^..v»  uuroi. 


70  Kapitel  H.     Die  Niederfahrt. 

zustimmen  braucht  wie  Mikyllos  (20)  und  daß  er  bei  der  Überfahrt 
selber  rudern  muß;  das  Vorbild  zu  dieser  Fiktion  bietet  der  Dionysos 
in  Aristophanes'  Tröschen',  der  ebenfalls  den  Charon  unterstützen 
muß,  während  die  Frösche  dazu  die  Melodien  singen,  wie  hier  die 
wehklagenden  Toten  das  Ruderlied  ersetzen;  aber  Dionysos  lebt,  als 
er  rudert,  und  so  lebte  Menipp,  als  ihm  von  Charon  der  Auftrag 
wurde  ^),  den  nun  in  der  'Niederfahrt'  sein  abgeblaßtes  Ebenbild,  der 
tote  Kyniskos,  erhält.  Beachtenswert  ist  jedenfalls,  daß  Lucian  in 
der  Wiederholung  dieser  Szene  tatsächlich  Menipp  auftreten  läßt 
('Totengespr.'  22, 2),  der  sich  durch  Ausschöpfen  des  Kahns  und  Rudern 
die  Überfahrt  verdient.  Wenn  er  die  Szenen  herauslöste  aus  der  Um- 
gebung, in  welcher  sie  in  der  menippischen  Vorlage  standen,  so  lag 
es  für  ihn  sehr  nahe,  den  lebenden  Kyniker,  der  ihnen  beiwohnte, 
durch  einen  gestorbenen  zu  ersetzen,  den  er  nun  mit  den  herkömm- 
lichen Zügen  ausstattete  und  mit  dem  farblosen  Namen  Kyniskos  ver- 
sah. Um  ihm  etwas  Wirklichkeit  zu  verleihen,  gab  er  ihm  die 
Todesart  des  Diogenes,  der  an  einem  unverdauten  Polypen  gestorben 
sein  soll.^)  Im  übrigen  griff  er  in  die  jüngste  Zeit  zurück,  wenn  er 
die  Gefahr  schildert,  in  die  den  Kyniker  die  Schmähungen  gegen  den 
Tyrannen  gebracht  hatten  (13).  So  war  ja  Demetrius  wegen  seiner 
Beschimpfungen  Vespasians  verbannt  worden^);  und  auch  von  Nero 
ist  berichtet,  daß  er  den  Kyniker  Isidorus  aus  Rom  und  Italien  aus- 
wies, weil  er  ihn  auf  der  Straße  mit  lauter  Stimme  schmähte.^)  Ebenso 
wurden  unter  Vespasian  Opfer  ihres  derben  Freimuts  Diogenes  und 
Heras,  von  denen  der  eine  ausgepeitscht,  der  andere  hingerichtet 
wurde.^)  Wenn  endlich  Lucian  die  Klotho  dem  Kyniskos  auf  seine 
Frage  sagen  läßt,  sie  habe  ihn  so  lange  auf  Erden  gelassen  als  Arzt 
und  Aufseher  menschlicher  Vergehungen,  so  ist  der  Gedanke  kynisch, 
wie  wir  später  noch  sehen  werden.^)  Frage  und  Antwort  würden 
auch  für  den  lebenden  Menipp  angebracht  sein. 


1)  Über  die  neuerdings  von  Furtwängler  vorgebrachte  Deutung  dieser  Stelle, 
Archiv  f.  Religionswissensch.  YIII  S.  201  f.,  verweise  ich  auf  das  zu  den  ^Toten- 
gesprächen'  Gesagte. 

2)  Diog.  Laert.  YI  76. 

3)  Cass.  Dio  LXYI  13.     Zeller,  Phil.  d.  Griechen  *  III  1  S.  767  ff. 

4)  Sueton  Nero  39. 

5)  Cass.  Dio  LXVI  15. 

6)  Ich  will  hier  nur  auf  Epiktet  IV  8,  30  hinweisen,  wo  der  Kyniker,  mit 
Stab  und  Binde  von  Zeus  belehnt,  den  Menschen  zuruft:  ^Mich  hat  Zeus  euch 
als  Beispiel  gesandt,  ihr  Menschen,  damit  ihr  seht,  daß  ihr  das  Glück  da  sucht, 
wo  es  nicht  ist.'  Mehr  über  diesen  kynischen  Topos  zum  ^Ikaromenipp'  (Kap.  III). 


Kyniskos  —  Menipp.     Mysterienverspottung.  71 

Eine  Spur  der  Benutzung  früheren  Gutes  scheint  sich  mir  aber 
auch  in  der  Art  zu  zeigen,  wie  die  eleusinischen  Mysterien  verspottet 
werden.  Es  ist  bekannt,  daß  Diogenes  die  Aufnahme  in  die  Mysterien 
ablehnte  und  ziemlich  deutlich  erklärte,  daß  er  es  für  Torheit  halte, 
anzunehmen,  Agesilaos  und  Epaminondas  säßen  im  Schlamm,  weil 
sie  nicht  Mysten  seien,  irgendwelche  minderwertige  Menschen  aber 
weilten  auf  der  Insel  der  Seligen*);  und  ebenso  ist  im  Leben  des 
Demonax  (11)  berichtet,  daß  er  sich  nicht  in  die  Mysterien  einweihen 
lassen  wollte.  Unter  Yarros  menippischen  Satiren  trägt  eine  den 
Titel  'Mysteria'.  Der  Spott  war  hier  nahegelegt  durch  Aristophanes' 
'Frösche',  in  denen  sofort  nach  dem  Eingang  in  die  Unterwelt  Dio- 
nysos und  Xanthias  die  Gesänge  der  Mysten  vernehmen  (V.  313) 
und  den  Rauch  ihrer  Fackeln  verspüren.  Auch  sonst  war  ja  Aristo- 
phanes in  satirischer  Behandlung  der  Mysterien  vorangegangen,  als 
er  orphische  Zeremonien  in  den  'Wolken'  witzig  parodierte.-)  Eine 
Verhöhnung  der  Mysterien  ist  also  durch  die  Komödie  angeregt  und 
ist  auch  durchaus  in  kynischer  Art,  so  daß  es  naheliegt,  den  Ver- 
gleich der  fackeltragenden  ^)  Tisiphone,  der  plötzlichen  Erleuchtung 
im  schwärzesten  Dunkel  mit  den  dQcj^usva  in  Eleusis  (22)  für  die 
kynische  Quelle  anzunehmen.  Das  Gespräch  bei  Lucian  selber  ist 
aber  ungeschickt.  Mikyllos  sagt:  'Hör  mal  —  du  bist  doch  natür- 
lich in  die  eleusinischen  Mysterien  eingeweiht*)  —  ist  das  hier  nicht 
ganz  ähnlich  wie  dortV  So  passend  an  und  für  sich  die  Gleichstellung 
ist,  um  die  Geheimnisse  der  Weihen  herabzuziehen,  so  unpassend  ist 
es,  daß  Mikyllos  von  dem  Kyniker  als  natürlich  voraussetzt,  daß  er 
zu  den  Mysten  gehöre.  Man  würde  es  verstehen,  wenn  Mikyllos  die 
Worte  zu  einem  andern  spräche,  man  würde  es  auch  hinnehmen,  wenn 
etwa  Menipp,  d.  i.  Kyniskos,  auf  die  Ähnlichkeit  mit  den  eleusinischen 
Mysterien  einfach  hinwiese,  ähnlich  wie  er  in  der  'Nekyomantie'  die 

1)  Dio^.  i.acrt.  VI  89.     Plut.  de  aud.  poet.  21  F. 

2)  Vgl.  Dieterich,  Rhein.  Mua.  XLVIIl  (1898)  S.  276  und  oben  S.  28. 

3)  Über  die  Bedeutung  der  Fackoln  für  die  Mysterien  vgl.  oben  S.  26, 
auch  Wobbemiin,  Ueligionsgesch.  Studien,  Berlin  1896,  S.  168,  über  die  Beleuch- 
tung der  Encheioung  des  Gottes  ebenda  S.  168.  Clemens  Alex,  protrept.  2,  12: 
Jr]ui  AI  xal  K6qt]  Aq&(uc  i'jdr)  iyBvia9^r\v  (ivarinov,  xal  riiv  7tXdvi]v  xal  Ti)v  ccgna- 
yriv  xul  TO  niv^og  ai)xutv  'EXtvoU  dadovxet  (vgl.  2,22),  Aristid.  22,11  (II  »1,9 
Keil)  klagt:  a  düdtg^  v(p'  ouov  &v6(fü)v  uniafirfts^  o>  Äfit-i;  x«l  &<ffyyi)t  i)n(Qa^  fl 
Tus  ffoaaff^ÖQovf  vvHta^  i^tlkts.  Luc,  navig.  11:  vn6  XaiinQÜ  rfj  Ö^öl  %ai  avtoli 
titiXiafiivoig.     An  unsere  Szene  erinnert  sehr  lebhaft  Himerius  XXUI  8  Wnsdf.: 

'i  SudoOxov  nvQ  fiX^nn,  /tXXä  rüg  *KQtvva)V  nal  Iloiv&v  XanTtdidas. 
l    (utupl.  22:  ixkXia&i\i  yuQ  to  Kvvia%t  öt^Xop  ori  tu  'EXivclput. 


72  Kapitel  IT.    Die  Niederfahrt. 

den  Mysten  auferlegte  Scliweigsamkeit  verspottet^);  aber  daß  in  dieser 
Weise  das  Bewußtsein  von  dem  Widerspruchsvollen  der  Darstellung  im 
Leser  geweckt  wird,  ist  anstößig  und  nur  durch  die  etwas  fehlerhafte 
Ausführung  eines  vorgefundenen  Motivs  erklärlich. 

Für  die  Szene  am  Totenfluß  müssen  wir  uns  mit  der  Tatsache 
begnügen,  daß  sie  in  Menipps  *Nekyia'  sehr  wohl  eingefügt  sein 
konnte;  man  braucht  sich  nur  vorzustellen,  daß,  während  Hermes  mit 
seiner  Schar  herankommt,  Menipp  ans  Ufer  tritt  und  so  Zeuge  der 
Unterredung  mit  Megapenthes  wird.^)  Jedenfalls  muß  man  daran 
erinnern,  daß  eine  derartige  Begegnung,  wie  sie  hier  zwischen  Menipp 
und  der  Totenschar,  bezw.  dem  Mikyllos  entstehen  würde,  durchaus 
zu  dem  parodierten  homerischen  Vorbild  paßt,  wo  Elpenor  dem  Odysseus 
begegnet;  auch  Vergil  fügte  deshalb  die  Palinurusepisode  in  die  Unter- 
weltswanderung ein.  Für  die  Gerichtsszene  dagegen  haben  wir  noch 
ein  anderes  Argument,  das  es  jedenfalls  wahrscheinlich  macht,  daß 
eine  solche  bei  Menipp  vorkam;  und  dann  wird  man  sie  mit  voller 
Berechtigung  in  die  'Nekyia'  versetzen.  Wir  haben  die  schon  er- 
wähnte Darstellung  Senecas  in  der  Apokolokyntosis  13  ff.,  in  der 
Claudius  die  Rolle  des  Megapenthes  übernommen  hat;  beim  Tode 
beider  ist  die  Freude  auf  Erden  ziemlich  gleich;  in  der  'Niederfahrt' 
eilen  nun  die  von  dem  Tyrannen  Gemordeten  ungerufen  herbei^),  um 
sich  an  ihm  zu  rächen  (26):  ebenso  fliegen  die  von  Claudius  Getöteten 
heran,  um  den  Kaiser,  der  herabkam,  zu  verklagen.  Der  Tyrami  Me- 
gapenthes hat  nicht  einmal  seine  nächsten  Freunde  geschont*),  die 
ihn  nun  umdrängen,  gerade  wie  Claudius  jetzt  seine  Freunde  und  Ver- 
wandten sieht,  die  ihn  zur  Anklagebank  geleiten.  In  gleicher  Weise 
folgt  die  Überlegung,  welche  Strafe  dieser  Frevel  würdig  sei^),  und 
beide  Male  bemüht  man  sich  eine  Vergeltung  zu  finden,  wie  sie  bis- 
her noch   nicht   zur  Anwendung   gekommen   ist.^)     Bei  Megapenthes 


1)  Siehe  oben  S.  23. 

2)  Für  den  Tyrannen  erinnert  Fritzsche,  Ausgabe  III  2  S.  121  an  Aeschylus' 
Satyrdrama  Siavcpog  Squnitris.  Das  Satyrdrama  als  Vorlage  für  Menipp  wird 
uns  bei  der  Jioyivovg  TtgäCLg  begegnen  (s.  Kap.  X). 

3)  Catapl.  26:  axZTjrot,  dtg  OQccg,  TtagsiaL  yiccl  TtSQLatdvtsg  ay%ovGiv  ccvtov, 
apocol.  13:  convolant et  agmine  facto  Claudio  occurrunt. 

4)  Catapl.  26:  og  ys  iir}Sh  rmv  olxsiotdtaiv  ccTtiaxsto.  Claudius  ruft  apo- 
col. 13:  Tidvta  cplXcov  TcX-^gr,,  wie  er  die  von  ihm  Gemordeten  sieht,  und  es  wird 
ausdrücklich  hervorgehoben:  omnes  plane  consanguinei. 

5)  Catapl.  2^:  rivcc  ccv  ovv  -Kolao^slri  tQOTtov',  apocol.  14:  de  genere  poenae 
diu  disputatum  est. 

6)  Catapl.  28:    iym   60l  ■Kctivriv   Ttva  v.a.1  TtgtTtovaav   avra  ri^cagiccv  V7to~ 


Gerichtsszene.  73 

besteht  sie  darin,  daß  er  dauernd  die  Erinnerung  an  sein  früheres 
Leben  behalten  soll,  bei  Claudius  nach  einigen  Intermezzi,  daß  er  eine 
der  törichten  Beschäftigungen,  denen  er  auf  Erden  nachging,  auch 
jetzt  fortsetzen,  nämlich  dauernd  als  Gehülfe  bei  dem  Totengericht 
Untersuchungen  anstellen  muß.^) 

Ein  anderes  Zeugnis  kann  ich  nicht  ohne  Vorbehalt  anführen, 
weil  es  möglicherweise  auf  Luciannachahmung  zurückzuführen  ist.  Eine 
Gerichtsszene  besitzen  wir  auch  in  dem  'Symposion'  Julians,  das 
seinen  menippischen  Charakter  ja  schon  äußerlich  nicht  verleugnet; 
es  sind  Verse  in  die  Prosa  eingemischt.  Dort  wird  (309  C)  dasselbe 
Motiv  verwandt,  das  hier  den  Ausschlag  gibt  bei  der  Verurteilung 
der  Seelen,  das  Motiv  der  Brandmale,  die  durch  Schlechtigkeiten 
während  des  Lebens  aufgeprägt  sind  und  die  der  scharfsichtige  Richter 
auch  bei  dem  Fehlen  anderer  Zeugen  benutzt,  um  danach  seinen 
Spruch  zu  fällen.  Im  'Symposion'  ist  es  Tiberius,  der  auf  diese  Weise 
gekennzeichnet  ist,  da  er  auf  dem  Rücken  zahllose  Wunden  und  Male 
trägt.  Aus  Piatons  'Gorgias'  oder  'Staat'  allein  scheint  dieses  Motiv 
bei  Julian  nicht  zu  stammen^);   man   könnte   daran  denken,   daß  der 

&^oo^ai.  Die  Neuheit  des  Verfahrens  ist  bei  Seneca  schon  vorher  als  auffällig 
bemerkt  worden,  da  Claudius  untersagt  wird  sich  zu  verteidigen:  stupebant 
omnes  novitate  rei  attoniti  (14^;  aber  es  folgt  auch  nachher:  placuit  novam 
poenam  constitui  debere. 

1)  Nach  dieser  Vergleichung  glaube  ich,  daß  Senecas  Satire  trotz  der  zum 
Schluß  auffälligen  Kürze  so  endete,  wie  wir  sie  jetzt  haben  (vgl.  Buecheler, 
Symbola  Philologorum  Bonnensium,  Lips.  18G4 — 1867,  S.  37).  Apokolokyntosis 
heißt  sie  nicht,  weil  Claudius  in  einen  Kürbis  verwandelt  wird  —  was  wäre  das 
auch  für  eine  Strafe?  — ,  sondern  weil  er  durch  die  Schrift  nicht  als  Unsterb- 
licher (cl^avaTOff) ,  sondern  als  ein  Dümmling  (xoXoxvvttj,  Cucurbita)  hingestellt 
wird.  Der  Titel  bedeutet  also  nur:  Verhunzung  des  Claudius  als  Dummkopf 
(8.  Otto,  Sprichwörter  der  Itömer  S.  100;  Sonny,  Archiv  f.  lat.  Lexikographie 
IX  68  f.).  Daß  der  Kürbis  auch  in  Deutschland  den  aufgeblasenen  Dummkopf 
bezeichnet,  lehrt  die  interessante  Kapuzinerpredigt  des  Kuraten  Joseph  Linden- 
tbaler  zu  Kappel  im  Patznauncrtal,  die  er  gegen  die  Sucht  der  Kappler  hielt, 
itich,  wenn  sie  aus  der  Fremde  zurückkamen,  als  große  Herren  aufzuspielen, 
aus  der  ich  folgende  Sllt/e  entnehme  (Münchn.  Neueste  Nachr.  68.  Jahrg.  1U06 
Nr.  402  veröffentlicht  von  A.  Weiskopf):  'Im  steifen  Krawattl  steckt  da«  ehrwür- 
dige Haupt  wie  ein  Kürbinkopf.'  'Wart  nur,  verliebter  Kürbissch&del,  der  Teufel 
wird  dich  und  dein  Mädchen  schon  noch  uuf  oinen  andern  Tan/  fühnMi,  da 
geht  der  Walzer  auf  feurige  Kohlen.' 

2)  ßei  Piaton  uteht  Kep.  X  614C:  rot v        i       s i^rofrcrv'  x«<    toitoiv 

ip  r&  6nia^tv  armtlu  nättiov  oby  fn^rt^nr  >2iC:  wie  der  KOrptr,  fMttfTi- 

yiag  »t  ri;  ^v  Mal   ^tvr\  tl%9   x&v   nXi,  adbfftar»  i)  hnh  fMWtlfmv 

T)  tikiuit'  TQuvutiruiv  fibf ,  di«*iio  Spuren  i'ode  Beigt»   to  werden 


74  Kapitel  11.    Die  Niederfahrt. 

kaiserliche  Philosoph  die  Szene  aus  Menipps  Unterwelt  mit  dessen 
Götterhimmel  vereinigt  habe;  denn  wir  werden  sehen,  daß  auch  da 
Ähnlichkeiten  mit  Menipps  Satire  vorliegen,  wie  wir  sie  konstruieren 
müssen.  Aber  es  ist  doch  möglich,  daß  Lucian  der  Vermittler  ge- 
wesen ist.^)     Auch  der  Fluchtversuch   eines  Schuldigen,   wie   ihn  bei 


auch  bei  der  Seele  nach  dem  Tode  deutlich  rcc  rt  ttjs  cpv6£cog  xal  ro:  7Tad"t]uata; 
und  Rhadamanthys  sieht  dann  (524 E)  die  Seele  diccyLS^aatiyaiLivriv  v.ul  ovXöav 
ybsüxr]v  v-Ttb  inioQ7iiä>v  xal  Scdiyiiag.  Bei  Lucian  catapl.  24  heißt  es:  entsprechend 
den  Schandtaten  cccpavi]  axiyiiccxa  i-nl  xfig  -tpv%fig  tisqkp^qel,  und  Kyniskos  ist  frei 
nXijv  xovxoav  x&v  xqicov  r)  xbxxÜqcov  &^ccvQ(bv  Ttccvv  y,al  ccacicpuiv  oxLy^ccxoiv;  aber 
dann  sieht  man  aus  früherer  Zeit  l'xvr]  ^ihv  zal  arnislcc  TtoXXa.  xiöv  iy-uccv- 
ficcxcav.  Der  Tyrann  (28)  nslidvog  v.ccl  y.ccxdyQcccpos^  ^äXXov  dt  tivccveos  iaxiv 
ScTcb  x(üv  öxiy^dxoav.  Julian  sagt  von  Tiberius  309  C:  co(p%-r]G(xv  dyxsiXccl  xaxa  xbv 
v&xov  iivQiai,  xavr^(>£g  xivss  xal  Ifff/xara  xccl  nXriyccl  ^aXsTtcil  Tcal  iioaXanag 
vno  xs  ccxoXccaLKg  xal  wftorrjro?  ip&Qcci  xivsg  "AuI  Xsi^V^s?  olov  iyns-icavfiivcci. 
Dieselbe  Vorstellung  findet  sich  auch  Plutarch  de  ser.  num.  vind.  564  D:  xovg  ^isv 
monsQ  7]  ■Ka%^ccQGixdx7\  nccvöiXrivog^  ^v  ;fpwfto:  Xslov  xal  avvs^sg  yiccl  öfiaXhg  iivxag' 
kxiQcov  de  (poXidag  xivag  ÖLaxge^ovoccg  ?)  ^ooXconag  ccguLOvg'  dXXovg  ds  ^ofiidf]  noi- 
v.iXovg  xal  icxonovg  xjjv  öipLv  müTiSQ  ol  ^x^ig  iH-Xdö^ccGi  ttaxEöxiy^iivovg.  Auch 
Themistius  XX  234 cd  sagt  von  seinem  Vater:  xat  ovxs  ^iingoad'sv  o^xs  OTnadsv 
^oXvö^cc  i^svQSv  6  'Pccöd^av^vg  t)  6  Mivag  iv6t67\^a6[iivov  xs  xat  iyysygaii^evov 
xji  tpvxi)-  'AccQ-i^ovGi  os  TtaQCC  ^Jco-ngdxsi.  xal  ÜXdxajvi  ccyccyovxsg  yial  xd  cd  jratdtxa 
xbv  ^stov  'AQiaxoxiXriy,  oo  xal  iv&dds  iv  xfj  ^exot-KijöSL  ^vvstvcci,  xd  iioXXd  iTtsxsiQBig, 
wobei  die  Vorstellung  von  Lucian  catapl.  mit  der  aus  'Totengespr.'  20,  4  u.  a. 
vereinigt  ist. 

1)  Es  ist  auffällig,  daß  Julian  Motive  aus  den  verschiedensten  Satiren 
Lucians  vereinigt  hat.  Das  Ganze  ist  ein  "^Symposion',  das  Romulus  den  Göttern 
und  Kaisern  gibt  an  den  ^ Saturnalien ' ;  es  ist  eine  "^  Götterversammlung'  mit 
einzelnen  Zügen  aus  der  ^ünterweltsschilderung' ;  der  Wettkampf  zwischen  den 
Kaisern  stimmt  zum  ^ Totengespräch'  12,  wo  Alexander,  Hannibal,  Scipio  um 
den  Vorrang  streiten;  und  das  nachfolgende  Verhör  mit  den  Fragen:  üoI  Sh  xig 
iyivsxo  a-KOTtbg  xov  ßiov  (331  C)  oder  6v  dh  .  .  .  xl  tidXXiöxov  ivo^L^sg  elvca 
(332 C)  usw.  erinnert  an  die  ^ßiav  TtgäOLg'  mit  den  Fragen:  xi  dh  yiyv(iiay.8i 
ILoXicxa  oder  xi  iidXioxcc  sldcog  xvy%dvBig  usw.  An  die  ^  Götterversammlung'  ge- 
mahnt auch  die  Rolle  des  Silen,  die  der  des  Momos  nachgebildet  ist,  ferner  die 
Verspottung  des  Oktavian  als  Göttermachers  (332  D),  die  sich  ja  mit  dem  lucia- 
nischen  Dialog  berührt.  Auf  die  Darstellung  der  Versammlung  im  ^tragischen 
Zeus'  oder  eine  gleichartige  Szene  nimmt  Bezug  308  B:  rj'pt^f  81  ovdsig,  dXX* 
07t£Q  'O^riQog  ÖQ^-cbg  noicav  ^cpr\  .  .  .  ^%siv  iv.a6xov  xatv  &8a)v  d'govov,  das  ist  ein 
ausdrücklicher  Gegensatz  gegen  den  Streit  um  den  Platz,  der  ^trag.  Zeus'  9  IF. 
stattfindet.  Daß  auch  bei  Mark  Aurel  der  Spott  des  Silen  nicht  unterbleibt 
und  die  stoischen  Paradoxa  mitnimmt  (328  C),  obwohl  dieser  Kaiser  den  Preis 
erhält,  paßt  zu  der  Behandlung,  die  die  Stoiker  bei  Lucian  erfahren  (vgl.  Neue 
Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  [1902]  S.  266  ff.).  Hermes  hat  die  Rolle  des  Ausrufers 
(318 D  330 A)  wie  in  den  Satiren  Lucians,  etwa  im  ^tragischen  Zeus'  und  der 
^ßicov  7tQä6ig\    In  dem  Wettstreit  hebt  Alexander  die  d-Qccavxrig  des  Caesar  her- 


Lucian  und  Julian.  75 

Lucian  der  Tvrami  Megapenthes  ausführt^  hat  bei  Julian  seine  Parallele 
in  dem  entlaufenden  Aurelian.^) 


vor  (322 B),  wie  bei  Lucian  Alexander  die  des  Hannibal  (Totengespr.  12,  4),  und 
beide  Male  möchte  er  eigentlich  nicht  antworten  (325  A,  Totengespr.  12,  4);  auch 
das  HQr,TC(L  und  fcipTjxa  kehrt  zufällig  beide  Male  am  Schluß  wieder.  Alexanders 
Gottheit  wird  verhöhnt  (830D)  wie  im  ^ Totengespräch'  13  una'l4.  Auch  die 
kurze  Einleitung  von  Julians  Dialog  hat  etwas  Ähnlichkeit  mit  dem  ^Nigrinus', 
wenn  der  Zuhörer  sagt  (307  A):    rovtl  ^kv    ovv   ijör]   ^vd-iyia>g  aiicc  xal  griTOQtxcbs 

i^siQyaatcii  aoL  t6  TtgooifiLOv.     &XXd  ^ol  tbv  Xoyov  avrbv ijdt]  dit^sXd'S'y   so 

wehrt  der  Zuhörer  bei  Lucian  die  lange  Vorrede  ab  (Nigr.  8):  Xiys  i^  ocqxtjs 
ccvaXaßüJv  i'jöri  rä  slgriuiva  und  (10):  utg  sv  y^  ■  ■  •  xal  xcctu  xbv  zdiv  gritÖQav 
vofiov  TctTtQooialaGxcü  601.  Ausgeschlossen  ist  aber  natürlich  auch  bei  Julian 
nicht,  daß  er  direkt  auf  Menipp  zurückging;  denn  besondere  deutliche  Be- 
ziehungen auf  Lucian  vermag  ich  weiter  nicht  zu  entdecken.  Zitiert  hat  ihn 
Julian  nirgends,  während  er  Krates  (VI  199  A,D  VII  213  B)  und  Oinomaos  (VI  187  C 
199  A  MI  209 B)  anfühi-t  (vgl.  W.  Schwarz,  Phil.  LI  [1892]  S.  044 tf.)  und  diesen 
wegen  seiner  Lästerungen  gegen  die  Götter  und  seines  Gebelfers  gegen  die 
Menschen  tadelt  (211 A).  Julian  hat  zwei  Reden  über  den  Kynismus  geschrieben 
(VI,  Vn).  In  der  ersten  spricht  er  davon,  daß  die  Götter  wegen  ihrer  Allwissen- 
heit Verehrung  verdienen  (184  B);  aber  Lucians  Polemik  in  der  'Widerlegung 
des  Zeus'  berührt  er  nicht.  Wo  er  die  Einheit  aller  Philosophie  vertritt  und 
die  verschiedenen  Sekten  nur  als  verschiedene  Pfade  zum  gleichen  Ziel  erklärt 
(184C),  denkt  er  an  den  'Hermotimos'  (25  ff.)  nicht,  wo  ja  derselbe  Vergleich 
mit  den  verschiedenen  Wegen,  der  in  gewisser  Weise  auf  Piatons  'Menon'  97  A 
zurückgeht,  gebraucht  ist  und  geleugnet  wird,  daß  alle  nach  dem  einen  Ziel 
Korinth  führen;  Julian  behauptet,  daß  man  auf  vielen  Wegen  nach  Athen  gelangen 
kann,  selbst,  wie  der  pylische  Greis  (Od.  III  174)  sagt,  das  Meer  durchschneidend, 
während  bei  Lucian  Lykinos  es  gerade  für  unmöglich  erklärt,  seine  Hoffnung  den 
Binnen  anzuvertrauen  und  das  ägäische  und  ionische  Meer  aufs  Geratewohl  zu  durch- 
fahren; auch  dem  homerischen  Teukros  half  der  Zufall  nicht,  da  er  statt  der 
Taube  den  Faden  traf.  Man  empfindet  da  die  Berührung  im  Gedanken,  ohne 
Anspielungen  fassen  zu  können,  da  selbst  der  Name  der  Stadt  ein  anderer  ist. 
Auch  auf  den  'Cynicus'  in  Lucians  Schriften  fehlen  Beziehungen,  l^nd  wie 
Julian  seine  Quellen  benutzt,  dafür  geben  sonst  ein  lehrreiches  Beispiel  die  Be- 
obachtungen Frachters  über  die  Verwertung  des  Dio  Chrysost.  (Archiv  f.  Gesch. 
d.  Phil.  \  [1892J  42  ff.).  Auch  die  zweite  Hede,  die  sich  gegen  die  Auswüchse  des 
KjnismuH  wendet,  hätte  aus  Lucian  schöpfen  können.  Aber  auch  hier  keine 
sichere  FIntlehnung.  Daß  in  dem  Mythos  Helios  auf  dem  Berge  sitzt  (280 D)  wie 
die  Tugend  und  Wahrheit  Herrn.  2,  beweist  nicht»,  da  es  ein  geläufiges  Bild  ist 
(vgl.  auch  Hcnse,  SynkriMis,  Fn'ilmrg  i.  Br.  1H93,  S.  17).  »So  ftirdert  es  denn  auch 
nicht,  wenn  drei  sprichwörtliche  Wendungen  bei  beiden  Autoren  vorkommen; 
&va  noTufi&v  (Jul.  VI  Anfg.  Luc.  dial.  mort.  ft,  2),  ov  cpQovrls'InnoxXsld^  (Jul.  182B 
Luc.  apol.  15),  riiv  axätpiiv  axdrpriv  Xiymv  (Jul.  20HA  Luc.  lupp.  trag.  8S). 

1)  Julian  8131):  xovroti  i7tnai6Qu\i9v  AvQi\Xiuvbi  mantg  Anodtdifoünnv  xoifi 
ttQyovrag  ainöv  nuQu  rü  Mivmf  noXJutl  y^Q  a^^  övpiütattxo  dinctt  xAp  iidinnv 
<p6pav. 


76  Kapitel  ü.    Die  Niederfahrt. 

Gern  möchten  wir  weitere  Indizien  aus  Lucians  Dialog  selber  ge- 
winnen zum  Beweise  dafür,  daß  er  nicht  Eigenes,  sondern  Entlehntes 
vorbringt.  Da  bietet  sich  uns  wieder  die  Verwendung  von  Namen, 
die  etwaige  Anspielung  auf  historische  Ereignisse  dar.  Leider  ist 
auch  da  Sicheres  nicht  zu  gewinnen.  Eine  Anzahl  von  Namen  ist 
deutlich  erfunden,  so  die  angeblichen  Perser  Heramithras  und  Indo- 
patres  (21).  Ebenso  entstammen  der  Phantasie  des  Schriftstellers  die 
z.  T.  mit  Bedeutung  gesetzten  Namen  des  Tyrannen  Megapenthes, 
seines  Vorgängers  Kydimachos,  seines  Vetters  und  Erben  Megakles, 
des  von  ihm  beraubten  Kleokritos,  seines  Kebsweibes  Glykerion  usw. 
Ob  der  Philosoph  Theagenes  (6)  mit  Absicht  so  genannt  ist  in  An- 
spielung auf  den  von  Lucian  auch  im  Teregrinus'  verhöhnten  kynischen 
Philosophen,  muß  zweifelhaft  bleiben.  Der  schöne  Megillus  (22),  der 
im  'Totengespräch'  1,  3  wiederkehrt  mit  dem  Zusatz  Mer  Korinther', 
führt  ebensowenig  weiter  wie  der  Name  der  Hetäre  Simmiche.  Nur 
das  eine  mag  uns  bei  ihnen  auffallen,  daß  Lucian  hier  zur  Illustrierung 
desselben  Gedankens,  den  er  'Nekyomantie'  15  ausgedrückt  hatte,  um 
die  Vergänglichkeit  der  Schönheit  und  die  Gleichheit  aller  Menschen 
nach  dem  Tode  zu  schildern,  zu  so  wenig  typischen  Namen  greifen 
muß.  Man  erkennt  daraus,  daß  die  ausführlichere  Darstellung  der 
'Nekyomantie'  vorhergegangen  war  und  hier  nur  in  Kürze  derselbe 
Gedanke  wiederholt  werden  sollte,  weil  er  für  das  Gespräch  selbst 
nicht  gut  fehlen  konnte.  Bei  dem  Schuster  Mikyllos  (14)  ist  es 
zweifelhaft,  wie  weit  seine  Person  einen  historischen  Untergrund  hat. 
Sein  ganzes  Benehmen  läßt  darauf  schließen,  daß  er  in  derselben 
Ideenwelt  gedacht  ist,  wie  wir  ihn  im  'Hahn'  finden,  zumal  auch  der 
Wucherer  Gniphon  hier  (17)  als  sein  Nachbar  wiederkehrt,  den  er 
dort  (30)  des  Nachts  beobachtet  hatte.^)  Er  ist  jedenfalls  eine  be- 
kannte Persönlichkeit  in  der  kynischen  Literatur,  die  ihre  Parallele 
an  dem  Schuster  Simon  aus  Phaedrus'  Dialog  hat^),  und  zweifel- 
los identisch  mit  dem  Mikkylos  aus  den  Versen  des  Krates.^)     Frag- 

1)  Daß  es  nahe  liegt,  danach  den  'Hahn'  vor  die  'Niederfahrt'  zu  setzen, 
werden  wir  später  bei  Besprechung  jenes  Dialogs  sehen,  Kap.  XV. 

2)  Diog.  Laert.  II  105;  v.  Wilamowitz,  Hermes  XIV  (1879)  S.  187. 

3)  Siehe  Dümmler  Akademika,  Gießen  1889,  S.  243  Anm.  1.  Diels,  Poet.  Phil. 
Frgm.  S.  217.  Wachsmuth,  Sillogr.  Graeci  S.  194  f.  zweifelt  daran,  ohne  ersicht- 
lichen Grund.  Mikkylos  ist  das  Abbild  eines  Menschen,  der  mit  seiner  Hände 
Arbeit  sich  so  viel  verschafft,  um  den  Hunger  stillen  zu  können,  wie  Plutarch  de 
vit.  aer.  allen.  7  830  C  zeigt.  Auch  des  Kallimachus  Epigr.  26  (v.  Wil.)  zeichnet 
denselben.  Der  Charakter  stimmt  überein  mit  dem  unseres  Mikyllos.  (Für  die 
Form  vgl.  Lobeck,  Pathol.  sermon.  Graeci  prol.,  Lips.  1843,  S.  136.)     Neuerdings 


Historisches  Material.  77 

lieh  kann  nur  sein,  ob  ihn  Lucian  daher  nahm  oder  ob  er  auch  bei 
Menipp  eine  Rolle  spielte.  Historisch  ist  die  Phryne  (22)  ^  mit  der 
wir  in  die  Zeit  des  Hyperides  kommen;  aber  sie  war  durch  ihren 
Prozeß  so  bekannt,  daß  auch  Lucian  sie  als  Muster  der  Schönheit  aus 
eigenem  Wissen  nennen  konnte.^)  Ob  unter  dem  Oxyartes,  dessen 
Sohn  Gobares  in  Mysien  gefallen  ist  (6),  der  Baktrerfürst  zu  ver- 
stehen ist,  mit  dessen  Tochter  Roxane  Alexander  sich  vermählte,  ist 
sehr  zweifelhaft.  Es  bleibt  uns  der  Arzt  Agathokles,  der  mitsamt 
den  Fieberkranken  zur  Unterwelt  kommt.  Daß  der  Name  für  einen 
Mediziner  typisch  wäre,  wird  niemand  behaupten-),  und  wir  finden 
ihn  sonst,  um  den  Stoiker  zu  bezeichnen,  der  ja  das  dyad-öv  oder  die 
dgerrj  beständig  im  Munde  führt  ('Ikaromenipp'  16).  So  wird  man 
darauf  gebracht,  hinter  diesem  Xamen  einen  wirklichen  Arzt  zu  ver- 
muten; und  es  hat  einen  hervorragenden  Mediziner  Agathokles  ge- 
geben, der  nach  Plinius  N.  H.  XXII  90  über  die  medizinische  Wirkung 
der  Gänsedistel  (sonchos)  gehandelt  hat;  Xeros  Leibarzt  Andromachos 
führte  eine  Pille  von  ihm  gegen  Hautentzündungen  an  (Galen  XIII, 
832  K.).  Seine  Lebenszeit  muß  aber  früher  liegen,  da  er  in  den  Schollen 
zu  Nikanders  Theriaka  622  als  Verfasser  eines  Werkes  tcsq!  diaCti]g 
genannt  wird  und  zwar  in  einer  Stelle,  die  ausdrücklich  auf  Demetrios 
zurückgeführt  wird.  Dadurch  wird  bewiesen,  daß  er  vor  Demetrios 
Chloros  gelebt  hat;  dessen  Zeit  steht  zwar  nicht  fest,  aber  da  schon 
Antigonos  im  1.  Jahrh.  v.  Chr.  gegen  ihn  polemisiert  hat^),  so  hat 
er  wohl  noch  im  2.  Jahrh.  gelebt.  Für  Agathokles  haben  wir  keinen 
Termin,  wie  weit  wir  hinaufgehen  dürfen;  aber  daß  Lucian  den  Namen 
eines  200  bis  30(J  Jahre  älteren,  sonst  nicht  übermäßig  berühmten 
Mannes    selber    eingefügt    hätte,    ist  unwahrscheinlich;    so   bleibt   — 

bat  Voghera,  Studi  ital.  di  fil.  class.  XI  (1903)  11  Anm.  2  gegen  die  Identifizierung 
Einspruch  erhoben,  weil  Krates  nach  dem  Zusammenhang  bei  Plutarch  einen 
Philosophen  bezeichne.  Nötig  ist  das  nicht,  und  im  übrigen  war  ja  der  Mik- 
kjlos  philosophisch   angehaucht. 

1)  Siehe  Posidipp  III  339  Kock.  Sext.  Empir.  adv.  muth.  II  4.  Quiutiliau. 
II  16,9  [Plut]  X  orat.  Hyperid.  849  E. 

2)  Man  vergleiche  damit  den  Arzt  im  gallus  (10),  der  seinem  Beruf  den 
ehrenden  Namen  Archibios  verdankt,  oder  den  im  'Lexiphanes*  (18),  der  gleichfalls 
den  auszeichnenden  Namen  Sopolis  trägt.  Bei  dem  Archibios  könnte  man  allerdings 
auch  an  die  Penon  des  Arztes  aus  dem  1.  Jahrhundert  denken,  von  dem  jetzt 
ein  Fragment  in  den  Berlin.  Klassikertexteii  Heft  III  (Berl.  1906)  S.  22  ff.  veröffent- 
licht ist  (vgl.  Wellmann  in  Pauly-Wissowa,  Rcal-Kncyclopftdie  11  466,  der  die 
Stelle  aus  dem  gall  ntif.il.rt  •  ul.or  l...i  ,l«.r  lt...|..i.»iing  des  Namens  icheint  mir 
daM  nicht  nötig. 

8)  Siehe  Wilamuwu/.,  tAwii  n-rliu  1P89.  I  S   189  Anm.  188. 


78  Kapitel  II.    Die  Niederfahrt. 

immer  die  Identität  vorausgesetzt  —  nur  der  Schluß  übrig,  daß  er 
ihn  in  seiner  Quelle,  also  doch  wohl  Menipp,  vorgefunden  hat.  Man 
muß  danach  annehmen,  daß  Agathokles  ungefähr  ein  Zeitgenosse  des 
Nikias  und  Erasistratos  war,  da,  wie  wir  noch  weiter  sehen  werden, 
die  Zeitanspielungen  in  Lucians  Satiren  nicht  über  die  erste  Hälfte 
des  3.  Jahrhunderts  hinausführen.  Es  leuchtet  ein,  welche  Freude  es 
den  Lesern  Menipps  machen  mußte,  wenn  sie  unter  den  zur  Unterwelt 
Hinabziehenden  plötzlich  eine  bekannte  Persönlichkeit  ihrer  Zeit  wie- 
derfanden und  mit  den  Fieberkranken  den  Arzt  selber  in  der  Schar 
der  Toten  wandern  sahen.  Menipp  hat  sich  auch  sonst  mit  den  Ärzten 
befaßt  und  Knaack  hat  gezeigt,  daß  das  Zitat  aus  dem  Arzt  Mnesi- 
theus*)  in  Varros  'Hydrokyon'  aus  einer  menippischen  Satire  ge- 
flossen ist.^) 

Diese  Deutung  des  Agathokles  mag  nur  einen  geringen  Grad  von 
Wahrscheinlichkeit  haben  •,  aber  so  viel  steht  fest,  daß  nichts  gegen  die 
Annahme  spricht,  die  sich  uns  oben  aus  der  Komposition  der  ^Nieder- 
fahrt'  selber  aufdrängte,  daß  im  Gegenteil  die  Ähnlichkeit  der  Ge- 
richtsszene mit  der  bei  Seneca,  das  Fehlen  jeder  Anspielung,  die  über 
Menipps  Zeit  hinausgeht,  den  Gedanken  nahelegt,  daß  Lucian  auch 
hier  nur  einem  Vorbilde  nachgeht.  Daß  die  hier  gelieferte  Darstellung 
nur  ein  Ausschnitt  aus  einer  großem  Satire  Menipps  ist,  wird  durch 
die  Tatsache  erwiesen,  daß  sich  die  Szene  am  Totenfluß  und  vor  Ge- 
richt in  die  'Nekyomantie'  einordnen  läßt.  Dazu  kommt  das  Fehlen 
der  Umrahmung,  die  wir  in  der  'Nekyomantie'  haben,  und  die  Ein- 
führung des  Kyniskos.  Beides  werden  wir  später  in  der  'Widerlegung 
des  Zeus'  ebenfalls  finden,  deren  Ähnlichkeit  mit  unserer  Satire 
HirzeP)  schon  richtig  erkannt  hat;  und  diese  Übereinstimmung  erhebt 
die  Vermutung  fast  zur  Gewißheit.  Die  knappe  Zusammenfassung 
allgemeiner  Gedanken,  die  wir  in  der  'Nekyomantie'  ausführlich  dar- 
gestellt und  mit  typischen  Beispielen  belegt  fanden,  paßt  zu  der  Vor- 
aussetzung; der  Schriftsteller  kann  diese  Sentenzen  nicht  ganz  unter- 
drücken, weil  der  Zusammenhang  darauf  führt,  aber  er  berührt  sie  in 
aller  Kürze.  Weiter  erklärt  sich  so  das  Fehlen  des  charakteristischen 
Merkmals  menippischer  Satire;  es  ist  kein  Vers  in  dem  Dialog  vor- 
handen, weil  wir  nicht  eine  ganze  Satire  benutzt  finden,  sondern  nur 
zwei  Bruchstücke  daraus  haben,  die  Lucian  selber,  wohl  hier  und  da 

1)  Vgl.  Sprengel-Rosenbaum,  Geschichte  der  Arzneikunde  ^,  Leipzig  1846,  I 
S.  478  f. 

2)  Hermes  XYIE  (1883)  S.  148  ff. 

3)  Der  Dialog  H  S.  322  f. 


Ausschnitte  aus  Menipps  Nekyia.  79 

erweitert,  zusammengefügt  und  mit  der  von  ihm  erfundenen  Einleitung 
versehen  hat.  Xur  die  Erwähnung  (14)  des  Kyklopengeschenkes 
(Od.  IX  369)  entspricht  völlig  der  witzigen  Dichterbenutzung  durch 
die  Kyniker.  Wir  gewinnen  so  deutlich  einen  Einblick  in  die  Tätig- 
keit Lucians,  die  wir  jedenfalls  in  bezug  auf  eigene  Phantasie  nicht 
überschätzen  dürfen;  er  zerpflückte  Menipps  Satiren,  von  deren  Länge 
und  Mannigfaltigkeit  wir  uns  ja  am  besten  einen  BegriflF  machen 
können  aus  Yarros  ^Eumeniden',  wo  schon  in  einer  Szene,  der  Gallen- 
szene, drei  verschiedene  Metra  zur  Anwendung  kamen  ^);  was  er  dann 
bei  der  einen  Gelegenheit  nicht  verwerten  konnte,  putzte  er  später 
in  irgend  einer  Weise  auf  und  gestaltete  es  zu  einem  eigenen  Dialog. 
Ob  wir  also  schon  alles  wiedergewonnen  haben,  was  in  Menipps 
'Nekyia'  stand,  muß  vorläufig  zweifelhaft  bleiben;  wir  werden  später 
sehen,  daß  auch  die  'Totengespräche'  Motive  enthalten,  die  sich 
wohl  in  den  Zusammenhang  jener  Satire  würden  einreihen  lassen. 


1)  Siehe  Bücheier,  Rhein.  Mus.  XX  (1865)  S.  427. 


Kapitel  III. 
Der  Ikaromenipp. 

Geheimnisvoll  ist  dem  Sterblichen  die  Erde  und  was  sie  birgt, 
geheimnisvoll  aber  auch  der  weite  Himmelsraum,  der  sich  über  ihm 
wölbt.  Wer  den  Menschen  entrückt  zu  sein  wünscht,  hat  diese  beiden 
Ziele,  in  der  Tiefe  zu  versinken  oder  als  Vogel  sich  emporschwingen 
zu  können.^)  Die  religiöse  Phantasie  führt  das  menschliche  Träumen 
und  die  philosophische  Spekulation  hinab  in  die  Gründe,  aber  auch 
in  den  Äther  hinauf.^)  Die  Schlangen,  die  sich  im  Boden  verkriechen, 
sind  ebenso  die  Verkörperung  der  Seele  wie  die  in  den  Lüften  sich 
wiegenden  Vögel.^)  So  verlangt  die  religiöse  Vision  wie  deren  Pa- 
rodie nach  der  Darstellung  der  Unterwelt  ein  Gegenstück  aus  dem 
Himmel.^)  Auch  Lucian  führt  uns  nicht  nur  in  den  Hades,  er  leitet 
uns  ebenso  in  yier  größeren  Dialogen  zu  den  Überirdischen  oder  läßt 
uns  wenigstens  einem  Gespräch  mit  den  Göttern  beiwohnen;  die  vier 
Dialoge  sind  der  'Ikaromenipp',  der  'tragische  Zeus',  die  'Widerlegung 
des  Zeus'  und  die  'Götterversammlung'. 

Im  'Ikaromenipp'  berichtet  Menipp,  wie  in  der  'Nekyomantie'  von 
seinem  Gang  in  die  Unterwelt,  so  hier  von  seiner  Luftreise,  die  ihn 
zum  Wohnsitz  der  Himmlischen  gebracht  hat.  Wir  finden  ihn  zu 
Beginn  des  Dialogs,  wie  er  die  zurückgelegte  Entfernung  berechnet. 
Dem  Freunde  erzählt  er,  wie  er  einen  Adler-  und  einen  Geierflügel 
genommen  —  aber  er  wül  lieber  den  Hergang  von  Anfang  an  wieder- 


1)  Vgl.  Weicker,  Der  Seelenvogel,  Leipzig  1902,  S.  28  f 

2)  Vgl.  Plat.  rep.  X  614 C.  Plut.  de  fac.  lun.  27.  942  D.  Heinze,  Xenokrates, 
Leipzig  1892,  S.  123  ff.    Röscher,  Selene  u.  Verwandtes,  Leipzig  1890,  S.  90, 121  ff. 

3)  Rohde,  Psyche  P  244  Anm.  4.     Weicker  a.  a.  0.  S.  30. 

4)  Der  Wundermann  Empedotimos  blickte  nicht  nur  in  die  Unterwelt, 
sondern  sah  sich  auch  in  den  Himmel  versetzt  (Serv.  in  georg.  I  34  Diels;  Par- 
menides'  Lehrged.,  Berlin  1897,  S.  16  f.),  und  Herakleides  Pontikos  schrieb  tcsqI 
Töav  iv  ''AiSov  wie  er  einen  Mann  vom  Monde  kommen  ließ. 


Inhalt.  81 

geben.  Vom  Leben  der  Menschen  hat  er  seinen  Blick  auf  die  große 
Welt  gewandt  und  über  ihre  Erschaffung,  ihren  Schöpfer  und  ihr 
Endziel  nachgedacht;  da  er  aber  auf  seine  Fragen  keine  Antwort  fand, 
so  hat  er  sich  zu  den  Philosophen  begeben.  Deren  verschiedene  Be- 
hauptungen haben  ihn  jedoch  erst  recht  in  Verwirrung  gesetzt;  nicht 
nur  über  die  Entstehung  und  Zusammensetzung  der  Welt  waren  sie 
ganz  uneins,  auch  über  das  Wesen  der  Götter  und  ihre  Einwirkung  auf 
die  Vorgänge  auf  Erden;  ja,  manche  leugneten  überhaupt  ihre  Existenz. 
Um  dieser  Ungewißheit  zu  entgehen,  beschloß  er  zum  Himmel  zu 
wandern,  wie  Asop  ja  manchmal  Tiere  dorthin  gelangen  läßt.  Mit 
einem  Adler-  und  einem  Geierflügel  übte  er  sich,  dann  flog  er  auf 
und  kam  zum  Monde.  Von  dort  betrachtete  er  die  Erde  und  nach- 
dem ihm  der  halb  verbrannte,  vom  Rauch  des  Ätna  hierhergetragene 
Empedokles  geraten  hatte,  nur  den  Adlerflügel  zu  rühren,  wurde  er 
scharfsichtig  genug,  um  selbst  die  verborgenen  Handlungen  der  Menschen 
zuerkennen.  Seine  Wahrnehmungen  werden  ausführlich  geschildert.  Als 
Menipp  dann  seine  Reise  fortsetzen  will,  gibt  ihm  Selene  den  Auftrag 
an  Zeus,  er  solle  dahin  wirken,  daß  endlich  das  Geschwätz  der  Physiker 
betreffs  des  Mondes  aufhöre,  und  Stoa,  Akademie  und  die  Wandelgänge 
der  Peripatetiker  vernichten.  Menipp  gelangt  dann  am  dritten  Tag  zur 
Wohnung  des  Zeus;  er  wird  vor  den  Göttervater  geleitet  und  berichtet 
zaghaft  sein  Begehr.  Der  lächelt  und  bietet  ihm  Gastfreundschaft  an 
für  diesen  Tag;  den  nächsten  Tag  soll  er  Antwort  erhalten.  Er  muß 
dann  den  Zeus  begleiten,  der  gerade  gehen  will,  um  die  Gebete  der 
Menschen  zu  vernehmen.  Auf  dem  Wege  läßt  sich  der  Göttervater 
über  die  Zustände  auf  der  Erde  berichten.  Es  folgt  die  ergötzliche 
Szene,  in  der  Zeus  an  dem  dazu  bestimmten  Platz  durch  Mündungen, 
von  denen  er  die  Deckel  abhebt,  die  menschlichen  Wünsche  anhört; 
dann  vernimmt  er  die  Eide,  gibt  sich  mit  den  Vorzeichen  ab,  ordnet 
da«  Wetter  an,  und  endlich  kehrt  er  mit  Menipp  zum  Symposion  zu- 
rück. Am  nächsten  Morgen  beruft  er  eine  Versammlung,  in  der  er 
sich  über  das  Unwesen  der  I^hilosophen  ausläßt,  dem  ein  Ende  gemacht 
werden  muß.  Die  Götter  wünschen  Veniichtung  dieser  Frevler;  aber 
es  ist  die  Zeit  des  Festes,  und  Feindseligkeiten  sind  untersagt.  So 
muß  die  Exekution  aufs  nächste  Frühjahr  verschoben  werden.  Menipp 
werden  die  Flügel  konfisziert,  und  er  wird  von  Hermes  hinabgebracht. 
So  ki'hrt  er  heim,  ohne  eine  Antwort  auf  seine  Frage  erhalten  zu 
haben,  ja,  ohne  daß  diese»  überhaupt  im  Götterrate  berührt  wäre. 

Auch  hier  legt  der  Name  Menipp«,  der  ja  der  Träger  der  Hand- 
hiui(  ist,  ohne  weiteres  die  Vernnitunif  nahe,  daß  LuiMan  omo  menip- 

•  («Im,  LuoImi  und  Manipp. 


82  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

pische  Satire  zum  Vorbild  nahm,  obwohl  uns  der  nur  lückenhaft 
überlieferte  oder  nachlässig  verfaßte  Schriftenkatalog  bei  Diogenes 
Laertius  keine  Bestätigung  bietet.  Auch  hier  spricht  die  Form  des 
Dialogs  in  noch  höherem  Maße  als  bei  der  'Nekyomantie'  für  die 
Entlehnung;  denn  es  sind  Verse  weit  zahlreicher  durch  das  Ganze 
verstreut,  und  zwar  in  der  Menipp  und  den  Kynikem  charakteristischen 
AVeise  nicht  als  Zitate,  sondern  so,  daß  sie  des  Schriftstellers  eigene 
Worte  ersetzen.  Menipp  erzählt  (10):  Schon  wollte  ich  einem  oder 
dem  andern  Glauben  schenken,  stSQog  da  ^s  d-v^bg  eQvxBv  (Od.  IX  302), 
Den  über  sein  Erscheinen  erschrockenen  Reisenden  beschwichtigt 
Empedokles  (13):  ovrig  xol  %-e6g  el^i,,  xC  ^^  äd'avdtoiöiv  itöxsig  (Od. 
XVI  187).  Dann  (19)  fliegt  er  auf  da^ar'  ig  aiyioxoio  z/tog  iiBxä 
daCiiovag  akXovg  (II.  1 222)^  und  witzig  bezeichnet  er  den  Himmel  (22) : 
6v^a  iihv  ovxe  ßoCbv  ovx  avÖQCbv  (paCvEXo  EQya  (Od.  X  98).  Zeus  tritt 
ihm  mit  der  bekannten  Frage  entgegen  (23):  xCg  Ttöd^sv  stg  ccvöqcjv^ 
utöd-L  xoi  nohg  riöa  xoKijEg  (Od.  1 170;  XIV  187).  Auf  dem  Wege  (24) 
sagt  der  Herrscher  des  Olymps,  auch  schon  ein  laudator  temporis 
acti:  Ja,  früher  war  ich  alles,  ^söxal  de  ^ihg  TCädai  [ihv  ayviai^  Ttäöai 
ö'ävd^QcoTCcov  äyoQuC  (Arat  Phaen.  2  f.);  dann  heißt  es  von  ihm  (25), 
daß  er  den  Betenden  nicht  jeden  Wunsch  gewährte,  «AA'  axegov  {ilv 
sdcoxe  7tax7]Q ,  exsqov  ö  ^avivsvös  (nach  II.  XVI 250).  Wenn  Menipp 
seine  Gedanken  in  der  Nacht  schildert  (28),  so  benutzt  er  spaßig  die 
ersten  beiden  Verse  aus  dem  Anfang  des  zweiten  Buches  der  Ilias, 
indem  er  nur  ZiCa  verändert  in  £/i/£,  also  eine  Verwendung  ganz  nach 
dem  Muster  des  Krates  und  der  Sillen  Timons.  Um  die  Nichtigkeit 
der  Philosophen  zu  zeigen,  nennt  sie  der  Göttervater  (30):  ovxe  %ox 
Bv  jtoXb^G)  BvaQid'^LOi  ovx  Bvl  ßovlfj  (IL  II 202).  Und  endlich  wird, 
um  eine  Kontrastwirkung  zu  erzielen,  nach  dem  nichtssagenden  Be- 
schluß des  Zeus  (33)  der  berühmte  gewichtige  Vers  hinzugefügt:  ij 
Kccl  xvavBTiöLv  B7Ü  öcpQvöL  vBvöB  KqovCov  (II.  I  528).  Dabei  sehen 
wir  noch  ab  von  kleineren  Zitaten,  wie  wenn  Zeus  (29)  die  Philo- 
sophen als  BX(o0iov  a%%'og  ccQovQrjg  bezeichnet  (II.  XVIII  104)  oder 
wenn  an  Homers  Schildbeschreibung  erinnert  wird  (16)  und  parodistisch 
die  Schilderimg  der  Tätigkeit  des  Zeus  (II.  XIII  4  ff.)  verwertet  wird 
(11).  Nicht  immer  hat  Lucian  in  dieser  Fülle  Verse  in  den  Dialog 
eingeflochten.  Immerhin  könnte  man  das  als  besonders  weitgehende 
Nachahmung  erkennen,  auch  ohne  daß  deshalb  ein  direkt  benutzbares 
Vorbild  vorlag. 

Die  Einleitung  stimmt  in  gewisser  Weise  mit  der  zur  Hadesfahrt 
überein.     Verzagen  am  eigenen  Wissen  treibt  Menipp   zu  den  Philo- 


Menippische  Form.     Doxographische  Zusammenstellung.  83 

sophen;  bei  ihnen  findet  er  nur  Widersprüche,  und  so  sinnt  er  ent- 
täuscht auf  ein  anderes  Mittel,  zur  Erkenntnis  zu  kommen.  Aber  in 
diesem  Dialog  nehmen  unter  den  Bedenken  und  Fragen,  die  seine 
Seele  bewegen,  die  physikalischen  den  größten  Raum  ein ;  wie  es  um  die 
Erde,  um  Sonne,  Mond  und  Sterne  steht,  was  Donner,  Regen,  Hagel 
und  Schnee  veranlaßt,  möchte  er  wissen;  und  das  ist  natürlich,  denn 
es  soll  hier  die  Reise  zum  Himmel  motiviert  werden.  Man  erkennt, 
daß  die  Einleitungen  zum  'Ikaromenipp'  und  zur  'Nekyomantie'  in 
ganz  absichtlicher  und  bewußter  Weise  voneinander  abweichen*);  dort 
die  Frage  nach  der  besten  Art  des  Lebens,  da  ja  Tiresias  befragt 
werden  soll,  hier  nach  den  letzten  Gründen  aller  Himmelserscheinungen 
und  alles  Seins  überhaupt,  da  die  Götter  im  Olymp  um  Auskunft 
angegangen  werden  sollen.  Menipp  führt  in  kurzem  Umriß  die  Ant- 
worten der  Philosophen  an,  die  ihm  zuteil  geworden  sind.  Obwohl 
diese  Auslassungen  nicht  immer  nur  auf  eine  bestimmte,  einzelne 
Person  gemünzt  sind,  so  läßt  sich  doch  mehrfach  erkennen,  wem 
dieser  Spott  gelten  soll.  Menipp  erfährt  etwas  von  agyaC  und  xiX% 
von  vXri  und  Ideen,  vom  Leeren  und  von  Atomen  (5).  Der  Begriff 
VLQX^  gebt  auf  Anaximander  zurück^),  xiloq  wird  von  Aristoteles  meta- 
phys.  13  983a  31;  phys.  H3  194b  32  als  xo  ov  ivsxa  bestimmt»), 
wo  es  unmittelbar  neben  die  ccqxyI  ^^?  xivrjöeog  oder  zrlg  ^exaßoXrlg 
(vgl.  195a  10/11)  gesetzt  ist,  und  der  vXrj  wird  es  gegenübergestellt 
phys.  119  200a  33;  vXrj  ist  von  Aristoteles  geprägter  Kunstausdruck*), 
die  Ideen  zielen  auf  Piaton,  das  Leere  und  die  Atome  auf  die  Ato- 
mistik des  Leukipp  und  Demokrit^),  die  dann  Epikur  übernommen 
hat;  und  man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  in  diesen  philosophischen 
Termini  einen  Hinweis  auf  Aristoteles,  Piaton  und  die  Epikureer 
findet.  Es  folgen  dann  in  Menipps  Darstellung  Einzelheiten.  Die 
Philosophen,  die  oft  auf  der  Erde  nicht  die  Entfernung  von  Megara 


1)  Dadurch  wird  das  Argiiment  hinfällig,  das  ich  glaubte  für  die  spätere 
AbfatBOog  der  'Nekyomantie'  gefunden  zu  haben  in  Neue  Jahrb.  IX  (1902) 
S.  864;  allerdingH  aus  dem  Namen  folgt  auch  nichts,  wie  wir  sehen  werden; 
eher  könnte  man  vielleicht  in  der  kürzeren  Anführung  des  Schauspielerver- 
gleicbe«  im  'Ikaromenipp'  finrn  Hinweis  für  die  spätere  Abfassung  finden;  doch 
u.  S.  114. 

2)  Diels,  Düxograpl.  m  .  is79,  S.  470,  6.  Diels,  Elemontum, 
Leipzig  18Ü'J,  S.  :n. 

3)  Sext.  Kmp.  Pyrrh.  1  IJ,  Jw;  ru  oü  xdifiv  Ttdvta  nffdtttxai  r\  ^ttt^lfra»,  ttinb 
61  ovdtvbs  ^vtnu. 

A)  Hieho  Zeller,  Die  Phil  Griechen  EMS.  7S1  Anm.  8. 

ö)  Zellcr  a.  a.  0.  P  2  S.  b^i l 

6» 


84  Kapitel  ni.    Der  Ikaromenipp. 

nach  Athen  wissen*),  wollen  berechnen  können,  wie  weit  es  vom 
Mond  bis  zur  Sonne  ist  (6).  Daß  sich  Empedokles  mit  solchen  Fragen 
befaßt  hat,  lehrt  uns  Aetius^),  und  so  scheint  es  fast  kein  Zufall  zu 
sein,  daß  wir  ihn  im  'Ikaromenipp'  (13)  auf  dem  Monde  finden. 
Wenn  Lucian  vom  Messen  der  Sonne  spricht,  so  kann  das  auch  auf 
Anaximander  gehen.^)  ^  Man  braucht  aber  hier  nicht  einmal  ausschließ- 
lich an  Philosophen  zu  denken,  da  in  diesem  Fall  ihre  Berechnungen 
mit  denen  der  Mathematiker  und  Astronomen  identisch  sind,  und  der 
berühmte  Eudoxos  von  Knidos  kann  jedenfalls  auch  unter  die  Philo- 
sophen gerechnet  werden.  Aber  es  ist  wohl  am  natürlichsten,  die 
Bemerkungen  Lucians  hauptsächlich  auf  Aristoteles*)  und  seine  Schule 
zu  beziehen,  auf  den  ja  auch  die  nächsten  Angaben  passen,  daß  die 
Philosophen  die  Höhe  der  Luft,  die  Tiefe  des  Meeres^)  und  den  Um- 
fang der  Erde  berechnen.^)  Daß  etwa  Posidonius'  Studien  dabei  mit 
in  Betracht  gezogen  sind,  wäre  wohl  möglich,  ist  aber  unwahrschein- 
lich. Der  Spott  betreiffs  der  Benutzung  von  Dreiecken  und  Vierecken, 
von  KvxXog  und  ocpalga  ist  offenbar  nächst  den  Pythagoreern  gegen 
Piaton  gerichtet.'^)     An  Einzelheiten  wird  noch  die  Ansicht  erwähnt, 


1)  Über  die  Übereinstimmung  mit  [Justin]  cohort.  36,  s.  Kap.  I  S.  43. 

2)  Aet.  II  31,  1.  (Diels,  Doxogr.  Graeci  S.  362.)  Zeller  a.  a.  0.  P  2  S.  789. 
Auf  diese  Studien  zielt  auch  der  Anfang  des  Dialoges  hin,  wenn  Menipp  seine 
Reise  berechnet. 

3)  Zeller  P  1  S.  224.  Ob  die  Bemerkung  auch  auf  die  Pythagoreer  paßt, 
muß  nach  dem  zweifelhaft  sein,  was  Tannery,  Archiv  f.  Geschichte  d.  Philosophie 
IV  (1891)  1  ff. auseinandersetzt;  nach  Eudem  hätten  die  Pythagoreer  (Simpl.  de  caelo 
212a  [471,  5  Heiberg])  sich  nur  mit  der  Reihenfolge  der  Planeten  abgegeben, 
und  die  bei  Plinius  n.  bist.  II  83  stehende  Angabe  geht  auf  Varro  und  durch 
dessen  Vermittlung  auf  wenig  ältere  griechische  Quellen  zurück. 

4)  Vgl.  Meteorol.  I  8,  345  b  1  ff. 

5)  Meteorol.  II  1,  354  a  19  ff.  So  wird  in  der  ßlcov  itQ&üig  (26)  direkt  dem 
peripatetischen  Bios  nachgerühmt,  er  wüßte  alles,  selbst  icp'  bitoGov  ßdQ-os  rj  d-ä- 
Xccttcc  VTfb  tov  rß-iov  ycataXdiLTtstaL. 

6)  De  caelo  297b  30  ff.,  wo  Aristoteles  zwar  nur  die  Kleinheit  der  Erde 
beweist,  aber  auch  die  Berechnungen  der  Mathematiker  über  ihren  Umfang  in 
Zahlen  angibt.  IIsqIoöoi  scheint  trotz  des  Plurals  neben  ßäd-i]  und  vi^rj  —  man 
möchte  auf  Vorlage  aus  der  Komödie  schließen  nach  dem  auffälligen  Numerus  — 
auf  den  Umfang  zu  gehen  (Ar.  av.  206)  und  nicht  auf  Erdumdrehungen,  wie  sie  die 
Pythagoreer  annahmen  (Zeller  I^  S.  419).  Die  Verspottung  dieser  Berechnungen, 
und  zwar  von  Feuer  (Sonne)  und  Äther,  Wasser,  Erde  findet  sich  wieder  bei  Her- 
mias,  Irris.  gentil.  phil.  17  (Diels,  Doxogr.  Gr.  S.  655),  wo  das  slg  tov  ccLd^tQcc  avtbv 
civtbs  ccvsQxoiiccL  für  das  Motiv  der  Himmelfahrt  beachtenswert  ist. 

7)  Zeller  a.  a.  0.  I^  S.  405  ff.  Das  Verbum  SLa6X7]uccti^co ,  das  Lucian  ge- 
braucht, findet   sich  bei  Piaton  Tim.  53  B;    für  die  Dreiecke  und  Vierecke  vgl. 


Doxographische  Zusammenstellung.  85 

daß  die  Sonne  ein  feuriger  Stein  sei^\  daß  der  Mond  bewohnt  sei^), 
daß  er  ein  Spiegel  sei.^j  Die  Angabe,  daß  einige  meinten,  die 
Gestirne  würden  vom  Wasser  genährt,  das  die  Sonne  emporziehe  und 
dann  an  sie  verteile,  geht  auf  Heraklits  dann  von  den  Stoikern  über- 
nommene Lehre ^),  von  der  auch  Aristoteles  sagt:  ysXoiOL  Ttdvxeg  oöoc 
Tüv  :TQÖTeQOv  v:ttXaßov  rbv  riliov  TQecpeöd-aL  xü  vy^a})  Aristoteles 
zeigt,  daß  Heraklit  das  nur  von  der  Sonne  ausgesagt  hat^),  während 
man  diese  Annahme  später  auf  die  übrigen  Gestirne  übertrug.  Unsere 
Stelle  fußt  noch  auf  dem  aroziov,  das  Aristoteles  herausfindet,  und 
löst  es  in  witziger  Weise  mit  der  Vermutung,  die  Sonne  verteile  die 
Feuchtigkeit  an  die  Gestirne.')  Weiter  ist  die  Rede  von  den  ver- 
schiedenen Auffassungen  betreffs  der  Entstehung  der  Welt  (8);  der 
aristotelischea,  daß  die  Welt  ungeworden  und  unvergänglich  ist*^), 
wird  mit  deutlichem  Hinweis  auf  Piatons  Timäus  die  Ansicht  der- 
jenigen gegenübergestellt,  die  von  einer  Schöpfung  der  Welt  reden 
und  von  ihrem  Schöpfer,  ohne  sich  den  Kopf  darüber  zu  zerbrechen, 

besonders  Tim.  55 B;  für  %v%Xog  denke  man  etwa  an  Tim.  34 B:  xvxil«  8r]  -kvxXov 
öTQt(p6u£vov  oigavov  ?vcc  ^övov  ^Qr^LOv  ■auTiatriGf,  für  aq)atQcc  an  GcpaigoBi^Bg 
Tim.  33  B;  zusammengestellt  yivxXov  xal  ocfuiQctg  bei  Plat.  Phileb.  62  A.  Über 
ocpcdga  bei  den  Pjthagoreern  s.  Zeller  a.  a.  0.  P  S.  414  Anm.  1. 

1)  Auf  Anaxagoras  und  Demokrit  zurückgeführt  von  Aetius  II  20,  6f  (Diels, 
Doxogr.  Gr.  S.  349,  6.)  Vgl.  Xen.  memor.  IV  7,  7.  Diog.  L.  II  8.  Zeller  a.  a.  0. 
PS.  lÖ03f 

2)  Ansicht  der  Pythagoreer  nach  Aetius  11  30, 1  (Diels,  Doxogr.  Gr.  S.  361, 4), 
des  Anaxagoras  nach  Diog.  L.  II  8.     (Vgl.  Zeller  a.  a.  0.  P  426.  1008.) 

3)  Darüber  spottet  schon  Aristophanes  in  den  Wolken  749  ff. :  yvvafxa 
<faQfiaxid'  ti  7CQid(itvog  GattcckrtV  xad^iXoi^i  vvxtcoq  rijv  G£Xi]vr,v ,  hircf  fih  oriVr;i' 
xa&ttQ^aiii'  ig  Xo(ftlov  arQoyyvXov^  maniQ  xccxonxQOV 

4)  Aetius  U  17,  4  (Diels,  Doxogr.  Gr.  S.  346,  18).  II  20,  4  (S.  349,  1).  11  2;{,  5 
'S.  363,  8).  Diog.  L.  VII  145  [v.  Arnim,  Stoic.  vet.  fragm.  II  196].  Plut.  Stoic.  rep. 
41  (1063 A)  aus  Chrysipps  tc^qI  cpvascag  I:  oi  d'  &or^QBg  ix  d-ccXciaarig  jifr«  rov 
riXiov  ävänxovxaL.  Cic.  de  nat.  deor.  U  16,  40:  cum  sol  igneus  sit  Oceanique 
alatur  amoribus  (nach  Kleanthes)  (vgl.  II  46,  118)  [v.  Arnim,  Stoic.  vet.  fragm.  I 
S.  113].  Clem.  Alex.  Strom.  VIII  2,  4:  tpctalv  ovv  ol  ZrioCxol  toöt'  slvai  äva^ifitc 
votQÖv  i%  ^alatzicav  vSütwv.     Stob.  ecl.  I  25,  8'  (211,  18  Wachsmuth).   6  (214,  1). 

6)  Meteorol.  II  2,  364  b  88. 

6)  Meteorol.  II  2,  855  a  18:  £ro;rov  Öi  xal  tö  iiövov  (pQovxiaai  tot)  i}Xiot\ 
x&p  dk  &XXtop  äoxQmp  nuQiitlv  uixohg  xr^v  utatruflav.    (Vgl.  Zeller  a.  a.  0.  I*  686.) 

7)  Icarom.  7:  iSaxonoxtlv  Öh  xovg  iioxigag  Tof>  iiXlov  xu^dnfQ  I^iovm  xivi 
ri,v  lx\iädu  ix  tfig  9aXaxxris  dvaantbvxog  xcel  unaoiv  ctvxolg  xb  itoxbv  i^  Tdov 
St((vtfiovxog.     Verwandt    iHt  die   Verspottung   in   Aristophanes'  Wolken  127U  tf.: 

TTÖxtga   VOfliCttg  XUlvbv  iil   xbv   Jlu    rur    vt^out    Ixilarur*.    T/  rör    Tiiof  fAx^if   xäxto- 

&ip  xainb  toC^'  vSutQ  itäXtv . 


86  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

woher  dieser  gekommen  sei  und  wo  er  während  des  Schöpfungsakfces 
gestanden  habe,  während  es  doch  weder  Zeit  noch  Ort  gab,  bevor 
etwas  da  war.  Auch  dieser  Einwurf  gründet  sich  auf  aristotelische 
Anschauung,  die  Raum  und  Zeit  von  den  Formen  des  sinnlichen  Daseins 
nicht  schied,  einen  Raum  außer  der  Welt  nicht  anerkannte^)  und  ebenso 
die  Zeit  leugnete,  wo  keine  sinnlichen  Erscheinungen  seien.  Das 
Folgende  berührt  in  Kürze  den  Streit  zwischen  denen,  die  alles  für 
endlich  halten,  und  die  ihm  Unendlichkeit  zuschreiben,  zwischen  denen, 
die  nur  eine  Welt  annehmen,  und  die  an  viele  glauben;  das  bezieht 
sich  auf  des  Anaxagoras,  Piaton  und  der  Pythagoreer  einzige  Welt 
im  Gegensatz  zu  den  vielen  des  Anaximander,  Anaximenes  u.  a.,  wie 
der  Atomisten.^)  Von  den  Entstehungsprinzipien  wird  des  Heraklit 
ütöXe^og  besonders  angeführt.^)  Menipp  geht  dann  über  zu  den  theo- 
logischen Anschauungen  der  Philosophen  (9),  wobei  er  die  Zahl  der 
Pythagoreer  und  die  Schwüre  des  Sokrates  bei  Hund,  Gans*),  Platane 
hervorhebt.  Einheit  und  Vielheit,  Körperlichkeit  und  Körperlosigkeit 
der  Gottheit  sind  die  nächsten  Widersprüche;  so  wird  der  vovg  des 
Anaxagoras^),  der  körperlose  Gott  des  Aristoteles,  andererseits  die  von 
Xenokrates  nach  Piaton  ausgebildete,  auch  von  den  Stoikern  auf- 
genommene Dämonenlehre ^)  gestreift;  denn  an  diese  ist  bei  der  Be- 
merkung zu  denken,  daß  manche  die  Götter  in  Klassen  geteilt 
und  ihnen  einen  ersten,  zweiten  und  dritten  Grad  der  Göttlichkeit 
zuerteilt  haben.  Natürlich  wird  auch  der  Gegensatz  der  Auffassung 
betreffs  der  Fürsorge  der  Götter  für  die  Welt  und  der  Vorsehung, 
wie  er  besonders  zwischen  Stoikern  und  Epikureern  herrscht,  nicht 
unerwähnt  gelassen.'^)     Den  Beschluß  in  dieser  Aufzählung  bilden  die 

1)  Ganz  deutlich  de  caelo  I  9,  279  a,  16:  ^|to  dh  tov  ovqccvov  dsSsiKtca  ort 
o^t'  ^6Xi  ovte  ivdixstuL  yBriöQ-ai  ö&iia.  (pavsgöv  agcc  ort  o^ts  tOTtog  o^re  v.svbv 
o^tE  XQOvog  iarlv  ^^co&sv.     (Vgl.  Zeller  a.  a.  0.  IP  2  S.  394  f.  402  f.) 

2)  Siehe  Aetius  II  1,  2.  3  (Diels,  Doxogr.  Gr.  S.  327  b  5)  E  4  (S.  330,  15). 

3)  Dann  wieder  von  Lucian  benutzt  nöag  dsl  latoglav  ovyyQ.  2. 

4)  Daß  diese  Verspottung  schon  in  der  alten  Komödie  vorkommt,  lehrt 
Kratinos  231  (Kock  I  S.  83). 

5)  Siehe  Zeller  a.  a.  0.  I^  S.  993  ff.  für  Anaxagoras,  H«  2  S.  362  ff.  für 
Aristoteles. 

6)  Siehe  Heinze,  Xenokrates,  Leipzig  1892,  S.  78  ff.  Krische,  Forschungen, 
Götting.  1840,  S.  322  f  Zeller  a.  a.  0.  III»  1  S.  318  ff.  Wachsmuth,  Die  Ansichten 
der  Stoiker  über  Mantik  und  Dämonen,  Berlin  1860.  Aetius  I  8  (Diels,  Doxogr. 
Gr.  S.  307,  4  und  Index  S.  735). 

7)  Icarom.  9:  slra  -kccI  ngovosiv  rmv  "kccO^'  ij^äg  TtgccyuccTav  ov  nuaiv  ido- 
Tiovv  ol  ^£01,  &XX*  riadv  xivsg  oi  tr]g  öv^Ttdorig  iTttneXsiccg  avrovg  iccpiivtsg.  Zu 
vergleichen  ist  auch  Aetius  Plac.  I  25.     Plat.  Tim.  30  B.  44  C,  wenngleich  Lucian 


Doxographische  Zusammenstellung.  87 

Atheisten,  die  das  Vorhandensein  der  Götter  überhaupt  in  Abrede 
stellen,  wobei  man  an  die  beiden  berühmten  Atheisten,  Diagoras  von 
Melos  und  Theodoros,  den  Lehrer  Bions,  zu  denken  hat. 

Derartige  doxographische  Zusammenstellungen  gab  es  gewiß  in 
Menge,  und  Lucian  brauchte  nicht  lange  zu  suchen,  wenn  er  sich  nach 
einer  Quelle  umsah.  Ähnlich  ist  die  Übersicht  in  Philodems  tceqI 
evöeßelag,  bei  Cicero  de  nat.  deor.  I  10, 25  ff.^)  und  ac.  prior.  II  37, 118  ff., 
und  bei  Aetius  fanden  sich  ja  sowohl  die  übrigen  Placita  wie  die 
Ansichten  :zeQl  ^eov  (I  7  Diels  S.  297  ff.)  vereinigt.  Aus  ähnlicher 
Quelle  hat  etwa  Lucians  Zeitgenosse  Athenagoras  in  seiner  Schrift 
'für  die  Christen'  (5 ff.)  geschöpft,  wo  er  zu  dem  gleichen  Schluß  wie 
unser  Satiriker  kommt,  daß  alle  Philosophen  im  Widerspruch  zuein- 
ander stehen^),  oder  Clemens  Alexandrinus  Protrept.  5,  64 ff.  Wichtig 
ist  es  vielleicht,  an  die  gleichartigen  doxographischen  Zusammen- 
fassungen bei  Sextus  Empiricus  zu  erinnern,  adv.  math.  IX  359  ff.  und 
Pyrrh.  III  24,  218,  von  denen  die  letzte  der  Lucianischen  ziemlich 
nahekommt^);  auch  die  kurze  Summierung  der  Dogmen  adv.  math. 
YIII  24  muß  man  heranziehen.'*)  Man  kann  deshalb  an  eine  skep- 
tische Quelle  Lucians  denken,  da  er  ja  im  'Hermotimos'  und,  wie  wir 
sehen  werden,  auch  sonst  sehr  deutlich  skeptische  Einflüsse  veiTät 
und  der  Streit  der  Philosophen^)  untereinander  wie  schon  in  Timons 


bei  der  ngdvoia  an  die  Stoiker  allein  gedacht  hat.  Das  Thema  kehrt  im 
'tragischen  Zeus'  und  in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  wieder. 

1)  Siehe  Diels,  Doxographi  Graeci  S.  529  ff.  (S.  121  ff.). 

2)  Pro  Christ.  7:  dio  xal  aXXog  äXXag  iSoynuttaEv  uiix&v  %a\  tcsqX  %so^  xal 
TXkc/i   vXr\9  xal  tcbqX  slSätv  xal  rtsgl  ndG^uv. 

3)  Icarora.  9:  nsgl  iiiv  yuQ  ribv  d-Edtv  xi  xqt]  xai  XiyBiv.  Sext.  218:  xal  xa 
TtiQl  tvasßiiag  de  xal  d'fibv  7tS7TXi]Q(i)rai   TtoXXi^g   dicctftoviag^   Icar. :    oi   ^Iv  .  .  .  ivl 

^6v(o    Tr}v    xibv    oX(üv    &Qxi]v    &nivEiiov ,    ol  öl    ^(inaXiv  .  .  .  noXXovg  .  .  . 

ainovg  &ni<pccivov.  Sext.  219:  ol  fihv  ?vcc  (pccölv  bIvcci  Q'i6vy  oi  dk  TtoXXovg  xal  dta- 
(pOQOvg  xatg  fiopqpar?,  Icarom.:  ol  ^ikv  dcam^axov  xi  xal  a^ogcpov  i]yovvxcn  sivai 
rb  %ilov^  ol  dl  tag  Ttfgl  Om^iaxog  avxov  6i£voovvxo.    Sext.  218:  kQiaxoxiXr]g  ^hv  daä' 

(laxov  tlmv  xbv  d-BÖv  elvai *Eni'KOVQog  6h  &v9'Q(07r6iiOQ(fov,  Icarom.:  ftra 

xal    TtQovoelv   xutv   xad^'   17^^;  «pay/iarwr   oi  n&aiv   fdoxovv  ol  &eoi.     Sext.  219: 

xal  oi  nlv  TTQOvotTv  Xü)v  xad'   TjH&g^  ol  dl  ^li]  ngovostv^  Icar.:  §vtoi  dl ovdl 

XT}v  ^QX^'i*'  i^vai  'O'fovff  xivag  iniaxivov.  Sext.  21H:  d^tovg  yccg  ol  ^tlr  T'>;)n/  rj^ccatv 
itpai^  tivhg  dh  (^6x  elvut. 

4)  TJq&xov  \i\v  ixQflv  Uli  oxaaicc^fiv  xovg  doyfiaxixovg,  oJov  xov^  iitr  iv  tivai 
Xiyovxug  aroixttov,  xovg  61  Avo  xal  xovg  ^Iv  ccQi&^ir]xd^  xovg  dl  &7t(iQct  i^Luc. 
Icar.  6:  iaxaaiai,ov  ngbg  avxovg  mgl  xmv  Xoyoav). 

6)  Vgl.  auch  Goedeckemejer,  Geschichte  des  griech.  Skeptiiismus,  Leipiig 
1906,  8.  26  f.  Über  den  Tropos  dmb  tfjg  dtatpuvlag  der  Skeptiker  Tgl.  Prftobter, 
Phil    M    1892)  S.  284. 


88  Kapitel  III.    Der  Ikaromenipp.  \ 

Sillen  für  die  Skeptiker  die  Basis  ihrer  Argumentation  bildete.  Aber 
in  der  Ablehnung  der  naturwissenschaftlichen  Forschungen  wie  der 
theologischen  Spekulationen  gehen  Kynismus  und  Skepsis  Hand  in 
Hand;  wie  sich  dann  später  als  dritter  im  Bunde  die  christliche  Apo- 
logetik anschließt,  die  sich  das  von  jenen  gegen  den  Polytheismus 
aufgehäufte  Material  zunutze  macht.  Wir  hören  von  Diogenes' 
Tadel  gegen  die  Mathematiker^),  wir  hören,  wie  er  jemand  verhöhnte, 
der  TCEQL  riUov  (pvösag  xal  övvd^ecog  sprach.^)  Wir  wissen  auch,  daß 
Menipp  selber  gegen  Physiker  und  Mathematiker  geschrie])en  hat.^) 
Es  lag  dabei  nahe,  den  Spott  der  Komödie  zu  verwerten,  den  Sokrates 
in  den  'Wolken'  über  sich  ergehen  lassen  muß;  da  finden  wir  ja  das 
^rfTOvvtog  avtov  xTjg  asl7]V7]g  xäg  böovg  xal  rag  TCSQicpOQccg  (172 f.), 
da  finden  wir  das  äsQoßaxCb  xal  ute^icpQovcj  xbv  yXiov  (225)  und  für 
zweckloses  Messen  ist  in  der  Berechnung  der  Weite  des  Flohsprungs 
dort  (144  ff.)  der  Typus  gegeben,  wie  ja  auch  das  yrjv  ava^ETQfjöai, 
noch  ausdrücklich  verhöhnt  wird  (203  ff.).  Berührungen  zwischen 
Kynikem  und  Skeptikern  finden  sich  auch  sonst;  und  man  hat  über 
Bilder  streiten  können,  ob  sie  kynisch  oder  skeptisch  seien.^)  Die 
doxographische  Quelle,  auf  welche  die  Darstellung  im  Grunde  zurück- 
geht, werden  wir  natürlich  nicht  ermitteln  können.  Daß  sie  ganz  in 
der  Art  von  Theophrasts  cpvöixal  86^ai  war,  darauf  deutet  die  dop- 
pelte an  Aristoteles  sich  anschließende  Polemik  hin.  Jedenfalls  ist 
zu  beachten,  daß  keine  der  Anspielungen,  soweit  ich  sehe,  über  das 
3.  Jahrh.  hinausweist,  ja,  wenn  man  von  dem  stoisch -epikureischen 
Streit  über  die  TtQovoia  absieht,  nicht  einmal  über  das  4.  Jahrh.  Man 
wird  auch  erwägen  müssen,  daß  eine  Begründung  der  Art  wie  bei 
Lucian  für  das  Motiv  der  Himmelsreise  erforderlich  war,   und   sollte 

1)  Diog.  L.  YI  28:  aTCoßXsnsLV  ftfr  Ttgbg  xbv  ijXiov  "ncscl  rrjv  asXi^v7}v,  rä  S'  iv 
tiogI  Ttgayficcrcc  TCccQOQäv. 

2)  Diog.  L.  VI  39  (=  Diog.  epist.  38)  Diogenes  fragt:  Troatalo?  Ttccgsi  anb 
xovQuvov ; 

3)  Diog.  L.  VI  101.  Ich  will  schon  hier  darauf  verweisen,  daß  sich  in 
A^'arros  Satire  'Marcipor',  die  wir  nachher  mit  dem  ^Ikaromenipp'  zu  vergleichen 
haben,  der  Hinweis  auf  die  astrologi  auch  findet  fr.  XII  (280)  Buecheler. 

4)  Das  Bild  von  den  Menschen,  die  in  dunklem  Raum  Gold  suchen  und 
nun  nicht  wissen  können,  ob  das  wirklich  Gold  ist,  was  sie  erfassen,  steht  bei 
Sext.  Emp.  adv.  math.  VII  52  wie  in  etwas  verallgemeinerter  Form  im  ^Hermo- 
timos'  49  (Frachter,  Phil.  LI  [1892]   S.  287);    dasselbe    kehrt   bei    dem   oft  auf 

.  kynische  Quellen  zurückgehenden  Maximus  von  Tyrus  35,  5  wieder  und  ist  von 
Hobein,  De  Maximo  Tyrio,  Diss.  Götting.  1895,  S.  87  für  die  Kyniker  in  Anspruch 
genommen  worden.  Über  das  Skeptische  in  der  Lehre  der  Kyniker  vgl.  Zeller 
a.  a.  0.  UM  S.  288  fF. 


Doxographische  Zusammenstellung.  89 

sich  dies  Motiv  als  menippiscli  erweisen,  so  ist  damit  die  Anregung 
auch  für  diesen  Teil  der  Darstellung  erwiesen.^)  Allerdings  nur  die 
Anregung  im  großen  und  ganzen;  denn  an  und  für  sieh  konnte  Lucian 
sehr  wohl  die  gegebene  kynische  Form  durch  Zutaten  aus  anderen, 
skeptischen  Quellen  erweitem. 

Noch  an  zwei  anderen  Stellen,  abgesehen  von  der  ganz  allgemein 
gehaltenen  Rede  des  Zeus  am  Schluß  (29 ff.),  berührt  der  ^Ikaromenipp' 
philosophische  Spekulationen.  Als  Zeus  die  Wünsche  der  Menschen 
anhört  (25),  ergeht  es  ihm  wie  Pyrrhon,  er  weiß  nicht,  nach  welcher 
Seite  er  Gewährung  versprechen  soll,  weil  ihm  auf  beiden  Seiten  die 
gleichen  Opfer  versprochen  werden;  infolgedessen  STCsixev  ext  xal 
dieöxe:TTeTo.  Auch  hier  ist  beachtenswert,  daß,  obwohl  der  Satz  als 
'Jxccdri^ulKov  bezeichnet  ist,  Pyrrhon  genannt  wird  und  nicht  etwa 
die  späteren  Anhänger  der  neueren  Akademie,  z.  B.  Karneades,  dessen 
Xame  bei  Lucian  bezeichnenderweise  ebenso  fehlt  wie  der  des  Posi- 
donius  unter  den  Stoikern.  Allerdings  muß  man  auch  hier  in  Betracht 
ziehen,  daß  Favorin,  der  sich  der  akademischen  Schule  zuzählte,  zehn 
Bücher  UvQQcoveiwv  xQOTcav  geschrieben  hat  und  Lucian  eine  gewisse 
Kenntnis  dieses  Grammatikers  und  Philosophen  gehabt  hat,  da  er  ihn 
im  Eunuchen  (7;  erwähnt.-)  Jedoch  hat  Menipp  einen  'Arkesilaos' 
geschrieben^),  in  dem  er  doch  wohl  die  skeptische  Anschauung  ver- 
höhnte. Und  wie  ganz  anders  mußte  ein  solcher  Witz  im  3.  Jahrh. 
wirken,  als  eben  Arkesilaos  die  Lehre  des  wenige  Jahrzehnte  älteren 
Pyrrhon  übernommen  hatte!  Damals  war  er  aktuell,  und  Zeus  als 
Skeptiker  war  ein  Bild,  das  man  gewiß  mit  Lachen  aufnahm. 

Das  andere,  was  in  diesem  Zusammenhang  noch  zu  beachten  ist, 
ist  die  Szene  auf  dem  Monde  mit  dem  'Physiker'  Empedokles,  wie 
er  mit  absichtlicher  Wiederholung  auch  in  seiner  Selbstvorstellung 
genannt  wird  (13).  Diese  Bezeichnung  mahnt  uns  an  Menipps  Schrift 
gegen  die  Physiker.  Während  aber  von  Empedokles  selbst  nichts 
weiter  vorgebracht  wird  als  die  auch  sonst  benutzte  Legende  von 
seinem  Tode*j,    werden    die  Ansichten   der  Physiker  über  den  Mond 


1)  Vgl.  Rnins,  Rhein.  Mus.  XLIIl  (lh«8)  S.  192  tf.,  tki  vi.uaui  i..i.>s.  ..-.i .  ,.»u 
(lieHC  An^itfo  auf  die  do^maÜBchen  Philosophen  in  den  Rahmen  der  kynischen 
Satire  völlig  hineinpassen.     Vgl.  Sen.  de  benef.  VII  1,  auch  oben  S.  40. 

2)  Vgl.  Zeller  a.  a.  0.  III "  2  S.  64  ff.  Goedeckemeyer  a.  a.  0.  8.  24«  ff.  Luc. 
C'un.  7:  'Axttdri^Mtibq  »iyvobxot  i%  Ktlx&v  öl/yor  n^b  i^iAv  iiionin^öat  iv  xots 
"EiXr^aiv. 

H)  Athen.  XIV  664 1 : 

4)  Toteng«q;)r.  «0,  4.     v,       .         .hll21.     Peregr.  1.     Kugit. '.'. 


90  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

im  Zusammenhang  lächerlich  gemacht,  wenn  Selene  dem  fortfliegen- 
den Menipp  (20)  eine  Beschwerde  an  den  Göttervater  mitgibt  wegen 
all  des  törichten  Zeuges,  das  man  über  sie  verbreite.  Sein  Vorbild 
mag  dieser  Auftrag  ursprünglich  in  Aristophanes'  Wolken  haben,  wo 
Selene  in  ähnlicher  Weise  (V.  607  ff.)  dem  Wolkenchor  eine  Botschaft 
mitgegeben  hat,  in  der  sie  über  Undank  klagt  und  ihre  Entrüstung 
über  schlechte  Behandlung  ausspricht,  dort  allerdings,  weil  man  sich 
bei  der  Feststellung  des  Kalenders  nicht  genügend  um  sie  kümmert. 
Die  kurze  Zusammenfassung  der  Ansichten  über  den  Mond  lehnt  sich 
völlig  an  das  doxographische  Material  an,  das  uns  noch  zu  Gebote 
steht.  Man  braucht  nur  zu  vergleichen  (20):  olg  ovdav  exEQOv  sötiv 
SQyov  t)  xcciLcc  TCokvTCQayiiovHv  1)  rCg  d^i,  =  Aetii  Plac.  II  25  (Diels 
S.  355)  TtEQL  ovöCag  asXTJvr^gf  2)  xal  jtrjXCxr]  =  Aet.  Plac.  II  26  (Diels 
S.  357)  cteQL  ^syad'ovg  6sX7]vrjg,  3)  xal  dv  rivxiva  altCav  dixoto^og  r) 
a^cpCzvQtog  yCyvofica  =  Aet.  Plac.  II  27  (Diels  S.  357)  tteqI  öyYi^ccxog 
ö8Xrjvr]g  {6%riiiaxCleCd'ai  d'  avxriv  TCoXXayßig^  xccl  yaQ  navöeXrivov  yt- 
yvouBVTjv  xal  8i%6xo^ov  xal  äiKpixvQxov)^  4)  ol  ö\  xaxonxQov  dCxr]v 
S7tiXQ8^a6d-at  xfi  d-aXdxxT]  =  Aet.  Plac.  II  25,14  (Diels  S.  357)  {Ilvd-a- 

yÖQag  xaxoTtXQOSLÖlg  öa^a) 5)  xä  xsXsvxala  d\  xal  xb  (pag  avxb 

xkoTtL^aiov  xs  xal  vöd'ov  sivaC  iioC  cpa^iv  ävcjd'sv  '^xov  TCagä  xov 
^HUov  =  Aet.  Plac.  II  28  nagl  cpcjxtö^av  öeXrlvrjg.  Über  die  Zeit,  der 
diese  doxographische  Quelle  angehört,  läßt  sich  natürlich  auch  hier 
nichts  sagen;  es  könnten  ebensowohl  Theophrasts  (pvöixal  do^ai'^) 
wie  eine  der  späteren  Sammlungen  zugrunde  liegen.  Wir  müssen 
uns  daran  genügen  lassen,  daß  der  Abschnitt  dem  Kyniker,  der  gegen 
die  Physiker  schrieb,  wohl  angemessen  sein  würde. 

Stimmt  die  Ablehnung  der  naturwissenschaftlichen  Studien  und 
der  theologischen  Spekulationen  im  allgemeinen  zur  kynischen  Rich- 
tung, die  nur  auf  die  Moral  Gewicht  legt,  so  finden  sich  in  dem  Dia- 
log doch  auch  einige  Gedanken,  die  wir  direkt  als  kynisch  bezeichnen 
müssen.  Menip{)  schaut  auf  die  Erde  und  betrachtet  die  menschlichen 
Irrungen  (15  — 19).  Diese  Beobachtung  der  Menschen  ist  Aufgabe 
des  Kynikers,  wie  Norden  gezeigt  hat;  er  verweist  dafür  besonders'^) 

1)  Über  die  entsprechende  Anordnung,  in  der  ein  Kapitel  tvsqI  osX'^vrig 
handelte,  vgl.  Diels,  Doxographi  Graeci  S.  153.  Usener,  Analecta  Theophrastea, 
Bonner  Diss.  1858,  S.  26  f.,  sowie  das  Fragment  nsQl  aiod'T]ascog. 

2)  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl.  XIX  378  ff.;  vgl.  Weber,  Leipz.  Stud.  X  203, 
212.  Heinze,  Rhein.  Mus.  XLV  (1890)  S.  504  Anm.  ^x  TCSQKOTtfjg  ist  daher  ein 
geläufiger  Ausdruck  bei  Lucian  conv.  11  de  merc.  cond.  15.  piscat.  15.  Charon  2, 
obwohl  er  auch  sonst  sich  findet;  Libanius  11,  106,  wozu  Förster  zwei  Lucian- 
stellen  anführt,  hat  ihn  kaum  von  diesem. 


Kynische  Gedanken.  91 

auf  den  kynisch  empfundenen  17.  Hippokratesbrief  (Littre  IX  S.  374u 
(bffsXe  dvvauig  vjifiQX^  ^'^^  ccTzdvtcjv  olxTJöLag  clvccxakviijavTCc  ^r^dev 
äcpstrac  xcbv  evtbg  7caQaxdkvy.iiaj  sl^'  ovrag  OQfjv  xa  :rQr^6a6^8va 
evöov  '  iöoifiEV  dv  ovg  ^hv  söd'Covtag,  ovg  de  i^eovtag^  irsQovg  öe 
al)(LT}öL  ötQsßXeovTCigy  und  nun  gellt  die  Aufzählung  verschiedener 
menschlicher  Handlungen  ganze  Zeilen  weiter.^)  Bei  Maximus  Tyrius 
21, 9  wird  das  Leben  des  Diogenes  unter  die  :tQaxrixoL  gerechnet, 
weil  er  cccpeaevog  avrov  öxoXijg  Tts^i/jeL  i:tiöxo7tcjv  tä  ribv  7tl)]öCov. 
Besonders  charakteristisch  ist,  was  Diogenes  L.  (VI  102)  von  Menedem 
berichtet:  ovtogy  xud-d  cpr^öiv  'I:t:iößoTog^  elg  roöovtov  tSQareCag  ijXaöev 
(oöTS  'EQivvog  dvaXußcov  Cxfiyba  TteQLrjsL  kiyav  hnCcixo%og  d(plx^ai 
i^  ^AlÖov  tg)v  d^agravo^svcDV ^  o:t(og  Jidliv  xaxicov  xavxa  d%ayyilXoL 
xolg  kxEL  daCuoöLV'^  und  wir  haben  in  der  'Niederfahrt'  (7)  gesehen, 
wie  die  Parze  den  Kyniker  als  €(poQov  xal  Iccxqov  xav  dvd-QcjTCivov 
duaQXYjfidxcov  im  Leben  ließ. 

AVie  diese  Musterung  menschlichen  Treibens  mit  der  Erkenntnis, 
daß  aUes  eitel  Torheit  ist,  durchaus  kynisch  gedacht  ist,  so  im  ein- 
zelnen die  Verspottung  der  menschlichen  Wünsche,  Gebete  und  Opfer, 
die  in  der  Szene  mit  Zeus  (25)  angebracht  ist.  Es  ist  im  ganzen 
ein  schon  von  Sokrates  ausgesprochener  Gedanke,  daß  die  Menschen 
nur  allgemein  um  das  Gute  bitten  sollen,  aber  nicht  um  bestimmte 
Güter,  die  ihnen  als  solche  erscheinen^),  sowie  daß  die  Götter  sich 
nicht  durch  Gebete  und  Opfer  bestimmen  lassen^);  die  späteren  Phi- 
losophen haben  das  übernommen.  Piaton  sagt  es  ganz  energisch,  daß 
die  Gottheit  durch  Geschenke  nicht  zu  bewegen  ist*);  und  der  Aus- 
fühning  des  Gedankens,  daß  man  nicht  um  irdische  Güter,  sondern 
nur  um  das  Gute  bitten  soll,  ist  der  2.  Alkibiades  gewidmet.  Daß 
die  Gebete  überflüssig  seien,  wird  in  der  Sammlung  von  Aristipp- 
aussprüchen  (Gnomolog.  Vat.  32  ed.  Sternbach,  Wien.  Stud.  IX  [1887] 

1)  Diog.  L.  VI  43:  tiutdaxonog  ti)s  cfjs  inlriarlas;  Epiktet  I  24,  6:  xara<rxo- 
noi  ((TtoöraXtlg  Jioyivr\g  &iXa  7](itv  ScnrjyysXxtv,  lU  22,  24:  reo  yctQ  Övti  xcerdoxo- 
Ttög  ionv  6  KvvfKÖs  tov  tiva  iarl  toTs  &v^QÖ}7tois  cpiXa  xal  xivcc  noXt^iicc^  xal  Set 
tt^bv  äxQifiüJi  xuraaxf^dfiBvov  iXd'Ovr*  &nccyyttXai  iXjid'i).     Vgl.  oben  S.  70. 

2)  Xen.  luem.  I  3,  2:  xal  i<;;|r*TO  dl  »pOtf  xovg  9tov<;  »'-r^'»:«-  rryud^cc  Sidövai, 
mg  rovg  d'tohg  xdXXiara  sld&cag  bnolu  &ycc%ä  iari. 

3)  Kbondort  3:  of're  yocg  rotg  d^eolg  fcpi]  xaX&g  ?;|ffi»',  n  ra<>  ^fycuaii  {yvttiaig 
fi&XXov  Ti  xulg  (itxQulg  l^^^Q^^  •  •  ■  ^^^'  ^'^^  "^^^i  ccv&Qwnotg  (iiiov  flvai  C'/>'i  ^^  ^^ 
nuQu  T(ov  novriQwv  fi&XXov  tfV  x»;|^ap«TfiA'tt  rofg  i^tolg  T/  ra  rcccQct  rdiv  XQ^^^^*'- 

*)  ^-'•Ktf-  ^  'J05D:  xb  di  7tttguixt}xoifg  av  9iobg  tlvui  xotaiv  <5^ixoOtfi,  ^«^o- 
fihovg  d&Qtt^  oift»  «vi  avyxto(fr]xiov  navtl  x*  ui  nocxä  dvvccfiiv  XQ6ntf>  iXtfutiop. 
Vgl.  IV  Tir,  i:  rep.  II  864  B  ff. 


92  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

S.  190)  gesagt.  Besonders  aber  in  stoisch -kynischer  Schriftstellerei 
ist  wiederholt  der  Wert  der  Gebete  und  Opfer  erörtert  worden.^) 
Schon  Diogenes  ereiferte  sich  über  das  Opfer  für  die  eigene  Gesund- 
heit, wenn  man  zugleich  beim  Schmaus  seine  Gesundheit  selbst  ruiniere, 
ein  Gedanke,  der  sich  dann  in  des  Persius  schönster  Satire  über  die 
Verkehrtheit  menschlicher  Wünsche  und  bei  Clemens  Alexandrinus 
wiederfindet^);  Diogenes  tadelte  auch  die  Gebete,  weil  die  Menschen 
nicht  um  das  wirklich  Gute  bäten,  sondern  nur  um  das,  was  ihnen 
gut  schiene,  besonders  diejenigen,  die  sich  Söhne  wünschten,  ohne  zu- 
gleich auch  darum  zu  flehen,  daß  diese  gut  und  tugendhaft  würden.^) 
Varros  Marcipor  bietet  in  den  Fragmenten  noch  den  deutlichen  Be- 
weis, daß  die  Torheit  menschlichen  Begehrens  in  der  menippischen 
Satire  verspottet  wurde.*)  Bion  lacht  über  diejenigen,  die  sich  Kinder- 
glück von  Zeus  erbäten,  während  der  Göttervater  doch  selber  kein 
Glück  mit  seinen  Kindern  gehabt  habe,  da  er  darunter  so  mißgestaltete 
wie  die  Litai  habe,  wozu  höchstwahrscheinlich  die  Homerverse  (II.  IX 
502  ff.)  von  diesen  lahmen,  runzligen  und  schielenden  Töchtern  des 
Zeus  angeführt  wurden.^)  Auch  Maximus  Tyrius  (11,3  f.)  verwirft  nach 
kynischer  Weise  das  Gebet  und  wendet  sich  entschieden  gegen  die 
Auffassung,  als  ob  die  Gottheit  durch  Geschenke  und  Opfer  bestech- 
lich sei,  besonders  gegen  den  schon  von  Piaton  zurückgewiesenen 
Homervers  (IL  IX  497):  6rQ6j:tol  de  re  xal  d'sol  avtoC]  er  vesr 
wendet  dabei  das  Bild  vom  Arzte,  der  auch  zu  essen  und  trinken 
gibt,  wenn  es  nützt,  nicht  wenn  der  Kranke  will.  An  unserer 
Lucianstelle    wird    einmal    in    drastischer  Weise    gezeigt,    in    welche 


1)  Vgl.  Binder,  Dio  Chrysostomus  und  Posidonius,  Tübinger  Diss.  1905, 
S.  81  ff.  und  die  dort  aufgezählten  Belege  aus  Dio,  Seneca  usw.;  Joel  (S.  19 
Anm.  1)  n  2  S.  776. 

2)  Diog.  L.  VI  28.    Pers.  II  41  ff.    Clemens  Alex.  Strom.  Vn  4,  25  (843  P). 

3)  Diog.  L.  VI  42.  63.  Auch  Julian  VI  199  B  ist  für  die  Götterverehrung 
des  Diogenes  zu  beachten.. 

4)  Ed.  Buecheler,  Marcipor  fr.  X,  XIII,  XV.  Besonders  der  Vergleich  der 
Törichtes  wünschenden  Menscnen  mit  Kindern  ist  beachtenswert,  den  auch  der 
kynisch  schillernde  Ariston  von  Chius  bei  Seneca  ep.  115,  8  hat.  (Vgl.  Hense, 
Festschrift  für  Th.  Gomperz,  Wien  1902,  S.  187  f.)  Auch  Horaz  sat.  I  l  hat  ja, 
vk>  er  die  törichten  Wünsche  ad  absurdum  führt,  kynische  Darstellungsweise. 
(Vgl.  Kießling  zu  Vers  16  mit  der  Berichtigung,  die  wir  zu  der  ^ßlcov  Ttgäaig^ 
gegeben  haben,  Kap.  X.)  Über  diesen  Vergleich  s.  H.  Weber,  De  Senecae  phil. 
dicendi  gen.  Bion.,  Diss.  Marburg  1895,  S.  40.  Eichenberg,  De  Persii  saturae 
natura,  Diss.  Breslau  1905,  S.  17.  Renner,  Festschrift  des  hist.-phil.  Vereins, 
München  1905,  S   54  ff. 

5)  Clemens  Alexandrin.  protrept.  IV  56  (49  P).    Hense,  Teles  proleg.  S.  LXIII. 


Kynische  Gedanken.     Chorvergleich.  93 

Lage  Zeus  käme,  wenn  er  alle  Wünsche  erhören  wollte;  denn  der 
eine  bittet  um  Nordwind,  der  andere  um  Südwind,  der  eine  um 
Regen,  der  andere  um  Sonnenschein,  ganz  zu  geschweigen  von  den 
gottlosen  Wünschen  um  den  baldigen  Tod  des  Vaters,  um  ihn  zu 
beerben,  um  Gelingen  der  Nachstellung  gegen  den  Bruder  und  ähn- 
liches. Daß  auch  Zeus  dabei  mitgenommen  wird,  entspricht  kynischer 
Satire.  Auch  Bion  zog  ja  als  würdiger  Schüler  des  Theodoros  die 
Götter  in  den  Bereich  seiner  Witze. ^)  Menipps  Götterbriefe  hatten 
zweifellos  ähnliche  Tendenz;  daß  auch  sie  vielleicht  sich  mit  den 
Wünschen  der  Menschen  befaßten,  werden  wir  später  sehen.^) 

In  das  Gebiet  der  stoisch -kynischen  Diatribe  gehört  auch  der 
Vergleich  mit  dem  Chor,  der  zwar  nicht  ganz  die  Bedeutung  gewonnen 
hat  wie  der  mit  dem  Schauspiel,  aber  doch  recht  häufig  ist.  Menipp 
vergleicht  das  Leben  und  Treiben  der  Menschen,  das  er  vom  Monde 
mitansieht  (17),  zahlreichen  Chören,  bei  denen  ein  jeder  singt,  was 
er  will,  und  so  die  lächerlichste  Disharmonie  zustande  kommt.  Der 
Vergleich  mit  dem  Chor  ist  allerdings  älter  als  die  Diatribe;  er  findet 
sich  schon  bei  Xenophon,  der  die  Ordnung  eines  richtig  geleiteten 
Hauswesens  dem  Zusammenarbeiten  der  Choreuten  gegenüberstellt"^), 
er  ist  außerhalb  der  kynischen  Schule  auch  von  dem  Verfasser  der  Schrift 
TCtQi  xüöfiov  (6  399  a  14  ff.)  angewandt,  um  die  Regierung  Gottes  zu  ver- 
sinnbildlichen. Er  hat  aber  in  den  populären  Vorträgen  der  Kyniker 
und  Stoiker  besonders  Verwendung  gefunden.  Das  zeigt  der  von  den 
Kynikern  so  stark  beeinflußte  Dio  Chrysostomus,  der  (14,4  [II  437  R. 
U  227,  23  V.  A.])  die  wahre  Freiheit  durch  den  Gehorsam  der  Chor- 
mitglieder zeichnet  und  die  Notwendigkeit  des  gemeinsamen  Zusammen- 
wirkens für  die  Politik  mit  der  einheitlichen  Tätigkeit  des  Chores  er- 
weist (48, 7  |1I  239  R.  II  89,23  v.  A.]),  während  er  an  einer  dritten  Stelle 
die  Herstellung  der  Ordnung  beim  Gelage  mit  dem  Walten  eines  Chor- 
führers vergleicht,  der  seine  Leute  in  den  gehörigen  Rhythmus  bringt 
(27,  4  [II  528  R.  II  284, 15  v.  A.]).^)  Mehrfach  hat  das*  Bild  der  von 
Frachter  so  glücklich  als  Stoiker  wiederentdeckte  und  jetzt  durch  den 

1;  Hense  a.  a.  0.  S.  LXII.     Diog.  L.  IV  54. 

2)  Vgl  Kap.  IX  'Satumalicngosprllche*.  Lucian  hat  in  hohem  Alier  belbst 
in  der  Weise  der  Diatribe  über  die  Torheit  von  Wünschen  und  Opfern  gehandelt 
und  dabei,  wie  denn  sein  Stoff  und  seine  Gedanken  üherhaupt  ziemlich  eng 
begrenzt  waren,  sich  Helbsi  reichlich  auHgeschrieben  in  tler  Hede  ntffl  Ovaubv. 
Vgl.  den  Anhang  dariiber. 

8)  Xen.  oeconom.  H,  8. 

4)  über  den  Vergleich  vom  Chorreigen  der  Sterne  s.  Binder,  Dio  Chryio- 
Htomus  und  Posidonius,  Tflbing.  Diu.  1906,  S.  88  tf. 


94  Kapitel  EI.    Der  Ikaromenipp. 

Berliner  Papyrus  uns  noch  näher  gerückte  Hierokles^);  er  verwertet 
es  ebenso  wie  Dio,  um  das  erforderliche  einstimmige  Verhalten  zu 
Gunsten  des  Vaterlandes  damit  zu  malen  (Stob.  flor.  39,  35  III  S.  733, 2 
Hense)  und  die  wünschenswerte  Erzeugung  von  Bürgern  in  der  Ehe 
durch  die  Notwendigkeit  des  Ersatzes  von  ausscheidenden  Chormitglie- 
dern zu  zeigen  (Stob.  flor.  75, 14  III  S.  73, 24  Mein.).  In  stoischer  Weise 
finden  wir  dieselbe  Vergleichung  von  dem  schaffenden  Gott,  der  die  Har- 
monie herstellt,  ganz  ähnlich  wie  in  :t£Ql  köö^iov  bei  Maximus  Tyrius 
19,  3.    Die  Stoiker  haben  das  Bild  natürlich  in  ihrer  Weise  gewandelt.^) 

Ein  zweiter  Vergleich,  der  sich  in  derselben  Musterung  aus  der 
Höhe  findet  (19),  ist  schon  von  anderer  Seite  ^)  vermutungsweise  auf 
Menipp  zurückgeführt  worden:  Menipp  erscheinen,  als  er  vom  Monde 
herabblickt,  die  Städte  wie  Ameisenhaufen  und  die  Menschen  wie 
Ameisen;  und  vortrefflich  paßt  zu  dieser  kynischen  Quelle  die  Be- 
ziehung auf  die  alten  Mythen  und  die  sagenhaften  Myrmidonen.  Lucian 
hat  das  Bild  im  Hermotimos  (5)  wieder  benutzt,  wo  dem  bis  zur 
Höhe  vorgedrungenen  Weisen  die  Zurückgebliebenen  dort  unten,  die 
den  steilen  Fels  der  Tugend  nicht  erklimmen  können,  den  Eindruck 
eines  Ameisengewimmels  machen.  Der  Vergleich  hängt  eng  zusammen 
mit  dem  Motiv  des  Hinabschauens  auf  das  Getriebe  der  Menschen, 
wie  es  Pflicht  des  xatdöxoTtog  und  scpoQog  ist.  Daß  auch  der  Schau- 
spielervergleich in  Kürze  im  'Ikaromenipp'  wiederholt  ist  (29),  haben 
wir  oben  gesehen. 

Aber  daß  kynische  Gedanken  und  Bilder  übernommen  sind  von 
Lucian,  ist  ja  im  Grunde  selbstverständlich;  mehr  lehren  uns  die  li- 
terarischen und  vor  allem  die  historischen  Anspielungen.  Die  ersten 
haben  wir,  soweit  sie  die  Lehren  der  Philosophen  angehen,  schon  be- 
sprochen. Zitiert  werden  Homer,  Hesiods  Theogonie  (27),  Äsops 
Fabeln  (10),  Pindars  Hymnen  (27),  Piatons  Gesetze  und  Chrysipps 
Syllogismen  (24),  endlich  der  Anfang  von  Arats  Phainomena  (24). 
Also  die  spätesten  Zitate  führen  uns  doch  nicht  über  das  3.  Jahrh. 
hinaus.  Bei  Chrysipp,  der  außerordentlich  schreibselig  war  und  gewiß 
früh  angefangen  hat  zu  Schriftstellern,  können  wir  natürlich  nicht  zu 
einer  bestimmteren  Begrenzung  der  Zeit  gelangen  als  sie  sein  Leben 


1)  Prächter,  Hierokles,  Leipzig  1901,  S.  37  hat  die  Belege  für  diesen  Ver- 
gleich gesammelt. 

2)  Ganz  frei  hat  den  Chor  mit  seinen  vielen  Stimmen  Seneca  verglichen 
ep.  84,  10.  Epiktet  fr.  I  16  (S.  404  Schenkl)  führt  den  Choreuten  wenigstens  als 
Beispiel  auf. 

3)  Frachter,  Archiv  f.  Geschichte  d.  Philos.  XI  (1898)  S.  511. 


Zitate  und  Anspielungen.  95 

uns  bietet,  das  etwa  von  280,  im  äußersten  Falle  von  290  bis  208/4 
reicht.  Aber  da  von  den  Syllogismen  Chrysipps  weiter  nichts  gesagt 
ist,  als  daß  sie  sehr  langweilig  waren,  so  ist  wohl  wahrscheinlich,  daß 
hier  eine  eigene  Bemerkung  Lucians  vorliegt;  denn  die  Nüchternheit 
und  Formlosigkeit  seiner  Schriften  war  geradezu  sprichwörtlich.^) 
Auch  war  die  Beschäftigung  mit  Chrysipp  im  1.  und  2.  Jahrhundert 
unserer  Zeitrechnung  sehr  rege^),  und  allein  Plutarchs  Polemik  gegen 
ihn  konnte  den  Begriff  seiner  Langweiligkeit  beibringen.  Zu  Lucians 
Zeit  selber  waren  zu  den  Schriften  Chrysipps  über  die  Schlüsse  Galens 
Kommentare  erschienen,  die  der  berühmte  Arzt  nach  seiner  Angabe 
noch  als  Knabe  verfaßt  hat,  wohl  etwa  146 — 50.^)  Bei  Arat  sind  wir 
in  der  Lage  die  Abfassungszeit  der  Phainomena  ungefähr  bestimmen 
zu  können;  sie  fallen  nach  dem  Hymnus  auf  den  arkadischen  Pan, 
der  zu  Ehren  des  Sieges  über  die  Kelten  im  Jahre  277  verfaßt  ist, 
und  werden  danach  von  Susemihl^)  in  die  Jahre  276 — 4  gesetzt. 
Natürlich  ist  es  auch  hier  denkbar,  daß  Lucian  die  Verse  aus  eigener 
Belesenheit  eingefügt  hat,  die  dazu  nicht  einmal  sehr  groß  gewesen 
zu  sein  braucht;  denn  gerade  im  2.  Jahrhundert  sind  die  Anfangs- 
verse der  Phainomena  mehrfach  zitiert  und  benutzt  worden,  was  für 
allgemeine  Bekanntschaft  in  jener  Zeit  bürgt.  ^)    So  hilft  uns  die  Vor- 

1)  Diog.  L.  VII  180:  TTiv  Xiliv  ov  Tiardagd-coae.  Cic.  de  or.  I  12,  50:  ieiune  et 
exiliter.  Dionys.  Hai  de  comp.  verb.  4  (S.  31  R.  11  21, 13  U.-R.):  o^jt«  uq^iovIoc 
ItiQOVL  awrax^ivrag  i^-^viyxs  Xoyovg  (oiSsis).  Epictet.  disB.  I  17,  16:  iQ^oucci  xal 
initr^xüi  xi  Xiyti  ovrog  ö  i^riyrixiig  tf/g  cpvascog  (Chrysipp).  aQ^oiicct  ^i]  vofiv  xi  Xiyfty 
f/^Tw  xöv  f^riyovusvov;  enchir.  49  (S.  457, 1  Schenkl)  zeigt  ebenfalls  die  Schwierig- 
keit der  fhrysippauHlegung.    Für  sein  Leben  s.  Jacoby,  Apollodors  Chronik  S.  371. 

2)  Siehe  von  Arnim,  Pauly-Wiesowa,  Real-Encyclopädie  III  2606. 

3)  ntgl  xwv  ldi(ov  ßißXlcov  11  (XIX  ed.  Kühn  S.  43  I.  Mueller  119,2):  ht  dh 
Ttatg  utv;  man  wird  den  Ausdruck  nicht  zu  sehr  pressen  dürfen.  (Vgl.  Baguet, 
De  Chrysippi  vita  doctrina  et  reliquiis  Annal.  Lovan.  IV  [1822J  S.  138.) 

4)  Gesch.  d.  griech.  Lit.  i.  d.  Alexandr.-Zeit  I  S.  289  f.  Es  stimmt  dazu,  daß 
Tbeokrit  XVII  1  im  Enkomion  auf  Ptolemäus  den  Anfang  des  Arateischeu  Ge- 
dichtes zitiert;  denn  anzunehmen,  daß  die  beiden  Dichter  zufllllig  ungefähr 
zur  selben  Zeit  diese  Worte  ^x  Jibg  agxfö^foO^ct  aus  einem  älteren  Hymnus  über- 

'•n  hahen  (vgl.  Fritzsche,  Theocriti  idyllia  II  S.  78  zu  der  Stelle,  Vahlen, 
Ml.  Herolin.  1886,  S.  16),  entbehrt  der  Wahrscheinlichkeit.  Da«  Gedicht  auf 
l'toh'iniuiH  i«t  aber  nach  dem  XVI  auf  Hieron  verfaßt,  das  «einerseits  auf  276—271 
fixiert  worden  ist  (Helm,  Fleckeiseng  Jahrb.  166  [18'J7J  S.  'MO  ff.;  Prott,  Rhein.  Mus. 
LIII  f  1898)  8.  476;  Legrand,  fttude  sur  Th«?ocrite,  Paris  1H9H,  S.  62;  C.  F.  Lehmann, 
Kilo  III  S.  612;  V.  Wilamowitz,  Phil.  Untersuchung.  XVIII  S  166  ff.).  Maaß,  Aratea. 
I'  r!u  1892,  S.  «14  tf,  846  f.  wollte  die  Phainomena  Mchon  vor  280  ansetzen. 

:.;  Clera.  Alex.  Strom.  V  101  (709 P),   Aristides   in  lovem  26  (II  »46,  4  Keil), 
rapimaO'i'  '<•'-'    '«K''!      !..*•;«.,   ,;iM.rt  dioselhen  Worte  im 'Promethcuii*  14 


96  Kapitel  III.    Der  Ikaromenipp. 

Stellung  nicht  viel,  wie  ganz  anders  es  kurz  nach  Veröffentlichung 
der  betreifenden  Worte  wirken  mußte,  wenn  Zeus  wehmütig  der  jetzigen 
Zeit  die  vergangene  gegenüberstellt,  wo  ^eöral  .  .  .  ^ibg  Ttäöai  ^fv 
äyviaC^  jtccöat,  d*  ccvd-gdjjtav  dyoQai.  Allerdings  müßte  es  da  ein  Witz 
von  zündender  Kraft  gewesen  sein,  während  es  zu  Lucians  Zeit  eine 
nicht  üble,  aber  doch  immer  nur  eine  literarische  Reminiszenz  war. 
Indessen  beweisen  läßt  sich  damit  nichts. 

Nun  enthält  unser  Dialog  aber  auch  eine  Anzahl  geschichtlicher 
Anspielungen,  deren  Bedeutung  man  zum  Teil  längst  erkannt  und 
deshalb  für  die  Fixierung  der  Lebenszeit  Menipps  verwertet  hat^), 
ohne  doch  daraus  weitere  Folgerungen  zu  ziehen^);  denn  daß  Lucian 
sich  nicht  irgendwie  absichtlich  bemüht  hat  den  Menipp  in  diesen 
Dialogen,  in  denen  er  auftritt,  in  eine  bestimmte  Örtlichkeit  und  Zeit 
zu  versetzen,  um  ihn  als  Individuum  hervortreten  zu  lassen,  haben 
wir  schon  bemerkt,  und  die  Beziehungen,  die  wir  zu  besprechen 
haben,  gehen  auch  weit  über  das  Maß  und  die  Art  dessen  hinaus, 
was  einer  solchen  literarischen  Absicht  entspräche.  Wichtig  ist  zu- 
nächst, was  Menipp  alles  vom  Monde  aus  erkennt.  Die  Namen  der 
Vertreter  der  philosophischen  Sekten,  die  nicht  im  Einklang  mit  ihrer 
Lehre  handeln  (16),  sind  erfunden  und  bieten  keinen  Anhalt;  der 
Stoiker,  der  die  Tugend  und  das  Gute  im  Munde  führt,  heißt  Aga- 
thokles,  der  Epikureer,  der  von  den  Göttern  und  ihrem  Wirken 
nichts  wissen  will,  Hermodor,  der  Kyniker,  der  Herakles,  den  von  Hera 
verfolgten  Helden,  zu  seinem  Ideal  gemacht  hat,  wird  Herophilos 
genannt  und  mit  witzigem  Spott  der  nach  Ruhm  haschende  Rhetor 
Kleinias.  Dagegen  wird  auf  eine  Anzahl  historisch  bekannter  Er- 
eignisse hingewiesen.  Die  Erwähnung  des  Kampfes  der  Argiver  und 
Spartaner  um  Kjnuria  aus  dem  6.  Jahrhundert  ist  nur  eine  geschicht- 
liche Reminiszenz  (18).  Aber  Menipp  gewahrt  auch  das  Beisammen- 
sein des  Ptolemäus  und  seiner  Schwester  (15),  und  das  ist  eine  Ver- 
spottung der  Geschwisterehe  des  Ptolemäus  Philadelphus  und  der 
Arsinoe,  die  in  den  Jahren  279 — 74  vollzogen  wurde.  ^).  Weiter  be- 
obachtet   er    die  Nachstellungen,  die  Lysimachos   von   seinem   Sohne 


und  benutzt  sie  schon  im  'Nigrinus'  16.     (Vgl.  Maaß,  Arati  Phaenomena,  Berlin 
1893,  S.  3  und  Maaß,  Aratea,  S.  251  if.) 

1)  Vgl.  Susemihl  a.  a.  0.  I  44. 

2)  Am  besten  hat  die  Tatsachen  Wieland  erkannt  und  in  den  Anmerkungen 
zu  seiner  Übersetzung  zum  Ausdruck  gebracht. 

3)  Vgl.  V.  Prott,  Rhein.  Mus.  LEI  (1898)  S.  462.     Wiedemann,  Phil.  XL  VE 
(1889)  S.  84.    ü.  Köhler,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akad.  d.  Wiss.  1895,  S.  971. 


Historische  Anspielungen.  97 

bereitet  werden;  die  Worte  beziehen  sich  auf  die  Verleumdungeu,  die 
Arsinoe  gegen  ihren  Stiefsohn  Agathokles  ausstreute,  um  dessen  Nach- 
folge auf  den  Thron  zu  verhindern,  und  die  schließlich  den  Lysi- 
machos  bewogen,  seinen  Sohn  zu  töten ^):  das  Ereignis  fällt  in  die 
Zeit  nach  287  und  vor  281,  da  in  diesem  Jahre  Lysimachos  fiel. 
Außerdem  sieht  Menipp  die  heimliche  Liebe  des  Antiochus  zu  seiner 
Stiefmutter  Stratonike,  die  Droysen  etwa  ins  Jahr  293  verlegt.') 
Weiter  voraus  liegt  die  Ermordung  des  Alexander  von  Thessalien 
durch  sein  Weib,  die  etwa  359  stattfand.^)  Wenn  dann  weiter  der 
Ehebruch  des  Antigonos  mit  seiner  Schwiegertochter  erwähnt  wird 
und  der  Giftmord,  den  des  Attalos  Sohn  an  seinem  Vater  vollführt 
oder  versucht  hat,  so  versagt  unsere  geschichtliche  Kenntnis,  so  weit 
ich  sehe,  die  Beziehungen  herzustellen.  Bei  Antigonos  könnte  man 
allenfalls  an  irgendwelchen  Hofklatsch  denken,  von  dem  Lucian  natür- 
lich nichts  mehr  wissen  konnte.  Plutarch  erzählt  (Demetr.  14),  daß 
Antigonos  seinem  Sohne  Demetrios  riet,  die  Phila  aus  politischen 
Gründen  zu  heiraten,  obwohl  sie  älter  war.  Demetrios  kümmerte 
sich  dann  nicht  um  sie,  als  die  Hochzeit  stattgefunden  hatte,  weil  er 
sich  nicht  an  sie  gewöhnen  konnte,  sondern  lebte  höchst  ungezwungen 
mit  andern  Frauen.  Aus  diesem  Benehmen  und  dem  Altersunter- 
schied konnte  sich  leicht  ein  Gerede  ergeben,  daß  in  Wahrheit  Anti- 
gonos sich  die  Phila  zum  Weibe  genommen  habe.  Daß  Demetrios 
von  den  Komikern  und  sonstigen  Spöttern  zur  Zielscheibe  des  Witzes 
gemacht  wurde,  lehrt  uns  Plutarch  (Demetr.  27).  Ein  solches  Gerede 
würde  uns,  falls  es  richtig  vermutet  ist,  etwa  ins  letzte  Jahrzehnt  des 
4.  Jahrhunderts  führen,  da  die  Vermählung  des  Demetrios  mit  der 
Phila  vor  319  stattgefunden  haben  muß^);  zu  Lucians  Zeit  hätte  es 
sicherlich  nicht  auf  Verständnis  beim  Publikum  rechnen  dürfen.  Aber 
die  Vermutung  nmß  zweifelhaft  bleiben,  weil  wir  auch  mit  dem  Attalos 
nichts  anzufangen  wissen.  Attalos  I.  ist  wegen  seines  glücklichen 
Familienlebens  mit  seiner  Gemahlin  Apollouis  und  seinen  vier  Söhnen 
gepriesen  worden.^)   Attalos  II.  starb  im  hohen  Alter  von  82  Jahren; 

1)  Siehe  PauBan.  I  10, 8.  Droysen,  Gesch.  des  Hellenisrnns'  II  2  S.822f.  Niese, 
(icHch.  d.  griech.  Staaten  I,  (Jotha  1898,  S.  402.  Wilcken  (Pauly-Wissowa,  I  767) 
«et/.t  den  Tod  284  an. 

t)  A.  a.  0.  II  2  S.  298,   Niese  a.  a.  0.  S.  891.  Wilcken,  Pauly-Win-owa  I  2i6i. 

8)  Clinton,  Fasti  Hellenicilir  '»-♦  i>*n  ^"•'  i  '  ^  H4»u'  I'auly-Wissowa, 
RealeDcyclop&die  I  1409  (Kaerst) 

4)  Ihr  Sohn  Antif^onoti  (tonuii      i    i  '         i/i^liliiiK 

h)  Polyb.  XXII  20.  StralM)  XIII  l.  J  h.ji  U  il  .>.'n  in  Pauly-Wissowa  U  216«. 
1 1  •        ,  ('ttoian  and  Mvnipp.  > 


98  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

offiziell  hatte  er  überhaupt  keinen  Sohn,  da  das  seiner  kurzen  Ver- 
bindung mit  Stratonike  entstammte  Kind  von  Eumenes  als  sein  eigenes 
anerkannt  war,  als  dieser,  der  tot  geglaubt  war,  zu  den  Seinen  zurück- 
kehrte. Attalos  III.  aber  starb,  ohne  Leibeserben  zu  hinterlassen. 
Welchem  dieser  drei  also  sollte  der  Sohn  den  Giftbecher  einschenken? 
Man  müßte  denn  auch  hier  irgend  einen  Klatsch  annehmen;  aber 
wahrscheinlicher  ist,  daß  eine  Erfindung  Lucians  vorliegt,  der  nach 
Rhetorenart  die  Beispiele  häufen  wollte;  und  wo  ein  Ptolemäus,  Lysi- 
machus,  Antiochus  paßten,  da  konnte  auch  flugs  ein  Antigonus  und 
Attalus  angebracht  werden.^)  Ganz  ebenso  steht  es  mit  dem  an  der- 
selben Stelle  angeführten  Arsakes,  der  sein  Weib  tötet  und  von  dem 
Eunuchen  Arbakes  angegriffen  wird,  und  dem  Meder  Spatinus,  die 
auch  nicht  zu  identifizieren  sind.  Der  Arsakes  ist  offenbar  nach  dem 
Feldherrn  geschaffen,  der  gegen  Sardanapal  das  Schwert  zog,  entrüstet 
über  dessen  weibisches  Wesen,  nachdem  er  diesen  durch  Vermittlung 
eines  Eunuchen  hatte  sehen  können^);  aus  diesem  Eunuchen  ist  hier 
der  Arbakes  geworden.  Die  Vermutung,  daß  Lucian  hier  seiner  eigenen 
Phantasie  freien  Spielraum  gelassen  und  an  die  ihm  vorliegenden 
Beispiele  aus  der  Geschichte  zur  Ergänzung  andere  eigener  Erfindung 
gefügt  hat,  erhält  eine  gewisse  Stütze  durch  den  des  Sophisten  wür- 
digen ParaUelismus  der  Beispiele;  die  Geschwisterehe  steht  für  sich, 
da  sie  schon  wechselseitig  ist;  dann  aber  der  Sohn  Antiochos,  der 
seine  Stiefmutter  liebt,  und  als  Gegenbild  der  Vater  Antigonos,  der 
seiner  Schwiegertochter  nachstellt,  Alexander  von  Thessalien,  der  von 
seinem  Weibe  ermordet  wird,  und  der  Arsakes,  der  sein  Weib  tot- 
schlägt, Lysimachos,  der  seinen  ihm  angeblich  nach  dem  Leben  trach- 
tenden Sohn  ermordet,  und  der  Vater  Attalos,  der  von  seinem  Sohn 
ums  Leben  gebracht  wird!  Soweit  aber  die  Anspielungen  datierbar 
sind,  gehen  sie  über  das  Jahr  270  nicht  hinaus. 

Aber  wir  haben  noch  mehr  Bestätigungen  für  die  Annahme,  daß 
Lucian  hier  den  Menipp  ausgeschrieben  hat.  Wie  Zeus  mit  dem  zum 
Himmel  gekommenen  Menschenkind  die  Stätte  aufsucht,  an  der  er 
die  Gebete  entgegenzunehmen  pflegt,  erkundigt  er  sich  unter  anderem 
danach,  ob  die  Athener  denn  das  Olympieion  nicht  endlich  einmal 
zu  vollenden  gedächten  (24).     Das  Olympieion  war  schon  von  Pisi- 


1)  Attalos  in.  hatte  nach  Plutarch  Demetr,  20  Interesse  für  Pflanzen, 
namentlich  Giftpflanzen;  aber  das  wird  mit  dem  Giftbecher,  den  nach  unserer 
Stelle  (15)  dem  Attalos  sein  Sohn  reicht,  nichts  zu  tan  haben.  Attalos'  11.  hohes 
Alter  bezeugt  [Lucian J  Macrob.  12. 

2)  Siehe  F.  Cauer  in  Pauly-Wissowa  11  405/6. 


Historische  Anspielungen.  99 

stratus  begonnen,  lag  dann  aber  unvollendet,  bis  Antiochiis  IV. 
Epiphanes  die  Fortsetzung  unternahm,  obne  indessen  weit  zu  kommen. 
So  blieb  der  Tempel  bis  zu  Hadrians  Zeit,  der  ihn  im  Jahre  129 
oder  130  einweihen  konnte.  Also,  als  Lucian  den  'Ikaromenipp' 
schrieb,  stand  der  Zeustempel  mehr  denn  30  Jahre  in  strahlender 
Pracht;  eine  solche  Frage,  wie  er  den  Zeus  stellen  läßt,  hatte  für 
seine  Hörer  und  Leser  jeden  Witz  verloren,  und  es  erscheint  aus- 
geschlossen, daß  er  sie  in  einer  gewissen  Altertumskrämerei  selber 
ersann.  ^) 

Dadurch  wird  vielleicht  auch  bestimmt,  was  man  von  den  Diasien 
zu  halten  hat.  Zeus  fragt  (24)  auf  dem  gemeinsamen  Gange,  weshalb 
die  Athener  so  viele  Jahre  dieses  Fest  nicht  gefeiert  hätten.  Die 
Diasien  waren  im  7.  Jahrhundert  das  größte  Zeusfest,  bis  sie  durch 
die  Olympien,  die  von  den  Pisistratiden  zugleich  mit  dem  Bau  des 
Olympieions  eingeführt  wurden,  mehr  und  mehr  in  Schatten  gestellt 
und  verdrängt  wurden.*)  Zu  Aristophanes'  Zeit  waren  sie  noch  vor- 
handen.^) Dann  ist  von  dem  Fest  nichts  mehr  zu  hören,  und  auch 
inschriftlich  ist  es  nicht  belegt.  Erst  Plutarch  erwähnt  die  Diasien 
wieder;  aber  da  sind  sie  von  der  ursprünglichen  Bedeutung  weit  ent- 
fernt und  ein  heiteres  Volksfest  voller  Belustigungen.*)  Hier,  bei 
Lucian,  kann  nur  von  dem  alten  Fest  die  Rede  sein,  wie  die  Ver- 
bindung mit  dem  Olympieion  und  Phidias  nahe  legt;  und  wenn  wirk- 
lich in  der  Zeit  Lucians  ein  Volksfest  dieses  Namens  existierte,  so 
ist  erst  recht  klar,  wie  wenig  die  Frage  des  Zeus  am  Platze  war; 
donn    ^'^    '^^    unmöglich,    einen    Grund    zu    ersinnen    in   jenen  Tagen 

ij  Die  richtige  Beurteilung  hat  auch  hier  Wieland  angebahnt:  Übersetzung, 
Leipzig  1788,  Bd.  I  S.  228.  Die  Stelle  erscheint  so  autf  illlig,  daß  man  glauben 
möchte,  als  Lucian  sie  schrieb,  besaß  er  noch  keine  genaue  Kenntnis  von  Athen, 
da«  wegen  seiner  Armut  damals  keinen  geeigneten  Boden  für  einen  Sophisten 
bot  (vgl.  Rhein.  Mu8.  LVI  [lüOlJ  S.  867). 

2;  Mommsen,  Fe«te  der  Stadt  Athen,  Leipzig  1898,  S.  422.  425.  466.  Stengel 
in  l'auly-Wissowa,  Healencyclopildie  V  846  ff.  Daremberg-Saglio,  Dictionnaire  des 
anti<|uit<*8,  Pari«  18U2,  II  1  S.  160.  Lucian  erwähnt  die  Diasien  noch  im  'Timon*  7. 
Aus  liuciannachahmung  stammt  wohl  die  Erwilhnung  im  'Charidem*  1. 

8j  Aristoph.  Wolken  864. 

4j  Plut.  de  tranquill,  an.  20  (4771)):  ovx  manhQ  ol  :roUol  Kqdvici  xal  Jidata 
%ul  Tlava^i'ivaia  xal  roiuvtag  &i.Xag  i)iiiQas  negtiitvovaiv,  iv*  f}aO-(bat  nctl  iva- 
ntfit^iaöi  divritbv  y^ltora,  ^i^ig  xal  6Qxf\ttxttli  iita&ovs  nUauvTEf.  Ilior  ist  aller- 
dings auch  fraglich,  wie  weit  Plutarch  etwa  seine  Quollo  daboi  auHgesclirieben 
hat.  Die  Sttdle  zeigt  jedenfalls,  daß  die  Darstellung  der  Diasiou  ul«  einen  Volkj- 
f«'st*'M  hei  dem  I  ius  Makrembolites  nicht  unberfrhtigt  ist,  falls 

Plutarch  dabei  >i «Würdigkeit  beizumessen  ist. 


100  Kapitel  IIL     Der  Ikaromenipp. 

politischer  Abhäugigkeit  und  Ruhe,  warum  dieses  Volksfest  hätte  aus- 
fallen sollen.  Sieht  man  aber  eine  Beziehung  auf  die  alten  Diasien 
in  der  Frage,  so  war  diese  für  Menipp  witzig,  da  sie  vielleicht  100 
bis  150  Jahre  nicht  mehr  bestanden,  für  Lucian  war  sie  weder  witzig 
noch  durfte  sie  auf  ein  besonderes  Interesse  im  Publikum  rechnen, 
wenn  das  Fest  auch  nur  400  Jahre  lang  ausgesetzt  war. 

Zweifeln  kann  man  bei  der  Erkundigung  des  Zeus  (24),  ob  noch 
jemand  von  des  Phidias  Nachkommen  übrig  sei.  Diese  waren  bekannt- 
lich als  Phädrynten  des  Götterbildes  in  Olympia  eingesetzt^):  Zeus 
hatte  also  ein  Interesse  nach  ihnen  zu  forschen.  Immerhin  sieht  die 
harmlose  Frage  nicht  so  aus,  als  ob  sie  ursprünglich  550  Jahre  nach 
Phidias'  Tode  geschrieben  ist,  zumal  in  dieser  Kürze  ohne  jede  Be- 
gTÜndung,  warum  sie  gestellt  ist.^)  Mir  scheint  deshalb,  daß  man  mit 
Recht  auch  hierin  eine  Entlehnung  aus  Menipp  sieht.  ^) 

Mögen  hier  Zweifel  übrig  bleiben,  mehr  Sicherheit  denn  alles 
übrige  bietet  uns  die  Erwähnung  des  Kolosses  von  Rhodos,  der  dem 
Menipp,  als  er  auf  dem  Monde  weilt,  als  das  Wahrzeichen  der  Erde 
erscheint,  wie  heute  dem  Reisenden  die  Frauentürme  in  München 
oder  die  Peterskuppel  in  Rom;  er  hätte  die  Erde  nicht  gefunden, 
wenn  sich  ihm  nicht  das  Riesenstandbild  und  der  Leuchtturm  vom 
Pharus  gezeigt  hätten  (12).  Der  Koloß  des  Helios  stürzte  aber  infolge 
eines  Erdbebens  schon  gegen  Ende  des  dritten  vorchristlichen  Jahr- 
hunderts zusammen,  und  Plinius  (n.  h.  XXXIV  41)  berichtet,  daß  er 
nur  56  Jahre  aufrecht  gestanden  hat.  Auch  hier  wird  man  schwer- 
lich glauben  dürfen,  daß  Lucian,  um  das  historische  Kolorit  zu  wahren, 
den  Koloß  als  stehend  angenommen  hat.  Das  setzt  Studien  voraus, 
die  man  ihm  nicht  zutrauen  kann.  Es  kann  vielmehr  keinem  Zweifel 
unterliegen,  daß  er  dies  Motiv  aus  seiner  Vorlage  übernahm,  und  man 
hat  daran  einen  sichern  Anhaltspunkt,  daß  Menipp  vor  dem  Jahre  227 
geschrieben  hat,  das  man  ungefähr  als  den  Termin  des  Einsturzes 
des  Kolosses  bezeichnet*),  und  nach  283.  Weniger  läßt  sich  aus  der 
Erwähnung  des  Leuchtturms  von  Alexandria  schließen,  weil  er  nicht 
so  bald  wieder  zugrunde  ging;  erbaut  wurde  er  unter  Ptolemäus  Soter 


1)  Pausan.  V  14,  5. 

2)  Icarom,  24:  sl'  tig  hi  XsiTtstaL  tav  anb  ^siölov. 

3)  Wieland,  Lucianübersetzung  I  S.  228:  ^Da  Menipp  im  Jahrhundert 
Alexanders  des  Großen  lebt'  —  das  ist  allerdings  zu  modifizieren,  wie  wir  schon 
sahen  —  ^so  war  die  Frage  Juppiters  (nach  dem  Olympieion)  ebenso  natürlich 
als  der  Anteil,  den  er  an  der  Nachkommenschaft  des  Phidias  nimmt.' 

4)  Siehe  Polyb.  Y  88  und  die  Anmerkung  Schweighäusers. 


Historische  Anspielungen.  101 

und  Philadelphus,  also  um  285,  von  dem  Knidier  Sostratos.^)  Aber 
wenn  er  auch  keine  zweifellose  Stütze  für  die  Argumentation  bildet, 
so  viel  ist  doch  klar,  daß  diese  Erwähnung  zugleich  mit  dem  Kolossal- 
standbild von  Rhodos  gewinnt,  wenn  sie  bald  nach  Vollendung  des 
allgemein  angestaunten  Weltwunders  erfolgte  und  in  so  witziger  Weise 
als  ein  neues  Kennzeichen  der  Erde  angegeben  wurde. 

Endlich  fühlt  sich  Zeus  durch  einen  Diebstahl  in  Dodona  in 
besondere  Aufregung  versetzt  (24);  nach  dem  Jahre  219  würde  dort 
ein  Tempelraub  kaum  irgendwie  in  Betracht  kommen,  nachdem  die 
Atoler  jdie  Hallen  verbrannt,  die  Weihgeschenke  zum  Teil  vernichtet 
und  das  Heiligtum  eingerissen  hatten.^)  Auch  hier  sehen  wir,  daß 
Lucian  aus  eigener  Erfindung  das  nicht  hätte  zufügen  können,  weil 
es  für  seine  Zeit  interesselos  war;  auch  hier  haben  wir  einen  Terminus 
ante  quem  für  den  historischen  Menipp;  denn  die  Worte  auf  jenen 
räuberischen  Überfall  selber  zu  beziehen,  verbietet  der  Ausdruck.^) 
Ins  dritte  Jahrhundert  führt  uns  vielleicht  auch  noch  die  Aufzählung 
der  Heiligtümer  und  Kultusstätten,  durch  deren  Pflege  sich  Zeus  (24) 
beeinträchtigt  fühlt.  Zwar  das  Apolloheiligtum  zu  Delphi,  das  der 
Bendis  in  Thracien,  des  Anubis  in  Ägypten  und  der  Artemis  in 
Ephesos  sind  alt,  aber  der  Asklepioskult  in  Pergamon  ist  erst  aus 
dem  dritten  Jahrhundert  bezeugt'*),  obwohl  damit  nicht  die  Entstehungs- 
zeit gegeben  ist.  Da  indessen  das  Asklepiosheiligtum  zu  Pergamon 
erst  in  der  römischen  Kaiserzeit  besonders  in  Aufschwung  kam  und, 
wie  Aristides'  Beispiel  lehrt,  begeisterte  Verehrer  fand,  auch  durch 
die  Inkubation  berühmt  war,  so  ist  es  leicht  möglich,  daß  hier  ein 
Zusatz  Lucians  vorliegt.  Witzig  allerdings  wird  die  ganze  Bemerkung 
des  Zeus  erst,  wenn  wenigstens  einer  der  Kulte  erst  neuerdings  be- 
liebt geworden  ist;  und  daß  Delphi  in  dieser  Aufzählung  genannt  ist, 
dessen  Orakel  zu  Lucians  Zeit  auf  jeden  Fall  nur  noch  eine  geringere 
Bedeutung  hatte,    gibt    immerhin    zu    denken,    selbst    wenn    es    nicht 


1)  Strabo  XVII  1,  6  (791).  Luc.  de  bist,  cunscrib.  G2.  Plin.  n.  bist.  XXXVI  83. 
l^umbrofo,  L'Egitto  dei  Oreci  e  dei  Bomani,  Roma  1896,  S.  118  if. 

2)  Siehe  Polyb.  IV  67 :  rag  tt  aroäs  {vi7tQr\at  x«l  TtoXXu  x&v  ccva^ii^axtav 
diitp^iigi,  nariaKU^B  dk  nal  rifV  ItQav  oixiav. 

'A)  Icarom.  24:  */  awilritf^^iiauv  oi  xuv  fv  Jioddavtj  vfwv  afavXri%6Tft. 
Da«  avlluiißävnv  paßt  uicbt  einem  Heereszug  gegeniiber,  und  avk&v  genügt 
nicht;  auch  Diodor  Frgm.  XXVI  7,  der  das  Verbum  gebraucht,  sagt  doch:  tb 
ittgl  Jeodatvfjv  \utvxtlov  tfvlvjtfa^  ivinifr\9%  xb  Uq6v.  (Vgl.  Carapanotf  Dodone 
et  !!<?•  ruinei,  Parii»  187H,  8.  170  ff.) 

4;  Siehe  ThramtT  iu  Paulj-Wiiiowa  II  9  8.  1661  und  1674. 


102  Kapitel  III.    Der  Ikaromenipp. 

ganz  schwieg.^)  Beachtenswert  scheint  mir  auch,  daß  Zeus  in  seiner 
Rede  (29)  sagt,  die  Philosophen  slg  0vatr]aaT(c  öiaLQsd-Bvrsg  hätten 
sich  ov  TtQO  Ttolkov  im  Leben  eingefunden.  Sollten  die  450  Jahre 
vor  ihm  wie  ein  Tag  gewesen  sein?  Denn  daß  Lucian  um  der  histo- 
rischen Treue  willen  auf  diesen  Zusatz  ov  TtQO  TtoXkov  gekommen 
sei,  wird  kaum  ein  Leser  des  'Ikaromenipp'  glauben. 

Aber  man  könnte  die  Entlehnung  der  einzelnen  Gedanken,  sowie 
der  historischen  und  literarischen  Anspielungen  aus  Menipp  zugeben 
und  doch  das  eigentliche  Motiv  des  ganzen  Dialogs,  die  Luftreise  und 
Himmelfahrt,  als  Lucians  Erfindung  in  Anspruch  nehmen;  denn  hier 
sind  wir  ja  nicht  so  glücklich,  einen  entsprechenden  Titel  unter  Me- 
nipps  Schriften  in  dem  kurzen  Verzeichnis  bei  Diogenes  L.  zu  besitzen 
wie  bei  der  ^Nekyomantie'.  Die  Himmelfahrt  ist  ein  altes  Motiv.^) 
Von  dem  Wundermann  und  Verfasser  der  Arimaspeia,  Aristeas,  erzählt 
Herodot  (IV  14 f.),  er  sei  bei  einem  Walker  in  Prokonnesos  gestorben, 
während  er  zu  gleicher  Zeit  in  Kyzikos  mit  einem  Einwohner  sich 
unterhalten  habe.  Daß  man  ihm  bei  dieser  Gelegenheit  auch  eine 
Luftreise  zuschrieb,  zeigt  die  Sage,  daß  seine  Seele  in  Rabengestalt 
aus  seinem  Munde  geflogen  sei.^)  Genauer  schildert  diesen  Flug  durch 
den  Äther  Maximus  Tyrius  in  einer  Weise,  die  uns  deutlich  zeigt, 
wie  leicht  der  Übergang  zu  der  von  Lucian  gegebenen  kynischen 
Darstellung  war;  es  heißt  (16,  2):  rj  de  i^vxrj  SKÖvöa  tov  öaucctos 
BTcXaväxo  6v  XG)  ccld'SQL  oQVid^og  ÖLKTjv  Ttccvta  VTtOTtta  d^scoaevri,  yy]v  xai 
Q-dlattav  xal  Ttota^ovg  xal  TtöXetg  xal  sd-vr]  dvÖQav  Kai  ^tad-rjuata 
Tcccl  (pviSeig  TtavtoLccg})    Man  muß  weiter  an  die  von  Diels  in  der  Ein- 


1)  Vgl.  Luc.  Phars.  V  112.  luv.  VI  555  (mit  Friedländers  Anm.).  Cic.  de  div. 
n  117.    Plut.  de  defect  orac.    Hiller  v.  Gärtringen  in  Pauly -Wissowa  IV  S.  2578  flf. 

2)  Vgl.  Rohde,  Psyche  11  ^  92  ff.  Bousset,  Die  Himmelsreise  der  Seele,  Archiv 
f.  Religionswissensch.  IV  253  f.  Dieterich,  Mithrasliturgie  S.  183  ff.  An  des 
Herakleides  Pontikos  oben  erwähnte  Erfindung  von  dem  Manne,  der  vom  Mond 
gefallen  ist,  erinnert  Hirzel,  Der  Dialog  I  328  Anm.  1. 

3)  Plin.n.hist.Vni74.  Apoll.mirabil.2.3  (Paradoxogr.  ed. Westermann  S.  104). 

4)  Man  halte  daneben  Luc.  Icarom.  15:  ■Kccrccxvipag  yovv  ig  trjv  yfjv  iätQcov 
ccccp&g  tag  TtoXsig,  tovg  ävd-goDTtovg ,  xa  yiyvo^svoc  v.al  ov  xcc  iv  vnccid'QCo  ^lovov, 
icXXci  "aal  bitoGcc  oiv,oi  ^ngatrov  oloiisvoi  Xccvd'dvsiv.  Bei  Maximus  findet  sich 
dieselbe  Darstellung  noch  einmal  38,  3:  ^cpccoyis  rriv  ipvxf]v  ccvta  yiccrccXiTtovoccv 
tb  öcöiia,  uvantäGav  evQ'v  tov  ald-egog^  7tSQL7toXf]6aL  tr]v  yfjv  xr]v  'EXXddcc  xal 
xriv  ßägßccQOv  xccl  vi]Oovg  ndoag  ytccl  Ttota^iovg  -nccl  Öqti,  ysvioQ'cc.i  dh  tfjg  nsQL- 
TtoXt^oscog  avtji  xigiia.  x^v  'TnsQßoQSOiv  yfiv  i-noTttsvacci  &s  Ttccvta  ^^fjg  v6\iaia  y,ai 
ijd'71  noXitL-aa  %al  cpvasig  ^agicov  Kai  dc^gcov  ^staßoXäg  Kai  &va%vGEig  %'aXdttrig 
•KOI  Tcoxafimv  ixßoXdg,  ysvioQ'ai  Ss  avxy  yial  xi]v  xov  ovqavov  d-sav  noXv  xijg 
vegd'ev  aacpsGxsQav. 


Himmelfahi-ten.  103 

leitung  zum  Pannenides  aufgezählten  Visionen^),  wie  die  Katharmen 
des  Epimenides,  oder  die  Himmelfahrt  des  Syrakusaners  Empedotimos, 
den  Flug  des  Musaios  durch  die  Luft  (Pausan.  I  22,7)^  endlich  an  des 
Parmenides  Himmelfahrt  selber  denken,  und  wenn  dergleichen  Erfin- 
dungen einer  ekstatischen  Poesie  ihr  Dasein  verdankten^),  so  leuchtet 
von  vornherein  ein,  daß  die  kynische  Schriftstellerei  sich  dieses 
mystischen  Elementes  geradezu  parodistisch  bedienen  mußte,  nicht 
anders  als  bei  den  Unterweltsvisionen.  Wir  sehen  auch,  daß  schon 
in  kynischen  Apophthegmata  der  Keim  zu  einer  solchen  Himmels- 
reise gelegt  ist;  wenn  Diogenes  die  meteorologischen  Studien  ver- 
höhnte mit  dem  Witzwort:  :toötalog  nccQSL  cc:tb  xov  ovqccvov-^  (s.  oben 
S.  88)  oder  nach  Tertullians  Fassung  (ad  nat.  H  2),  die  allerdings  erst 
eine  Weiterbildung  ist,  consultus  quid  in  caelis  agatur,  antwortete: 
'nunquam  ascendi*,  so  lag  die  Darstellung  einer  Himmelfahrt  zu  dem 
von  dem  Lucianischen  Menipp  bezeichneten  Zweck  nicht  mehr  fern.^) 
Es  ist  aber  wahrscheinlich,  daß  dieses  Witzwort  des  Kynikers  der 
Komödie  entlehnt  war,  wie  Kock  (Rhein.  Mus.  XLIH  [1888]  S.  53  f.) 
vermutet  hat;  darauf  führt  die  Ähnlichkeit  mit  dem  vom  Scholiasten 
zu  Euripides  Hec.  32  angezogenen  Worten :  Ttoötalog  d'  ä:i  ovquvov 
;r«()ft;  TQLZulog.*) 

An  die  Komödie  hat  sich  überhaupt  die  kynische  Burleske  ohne 
Zweifel  angeschlossen.  Für  die  Art,  wie  die  Himmelfahrt  ausgeführt 
wurde,  lag  ein  Vorbild  in  des  Aristophanes  lustigem  Motiv  aus  dem 
'Frieden'  vor*^);  der  Reise  des  Trygaios  auf  dem  Mistkäfer  ist  die  Me- 
nipps  mit  einem  Adler-  und  einem  Geierflügel  völlig  ebenbürtig. 
Lucian  erinnert  an  dieses  Vorbild,  wenn  er  den  Freund  Menipps  bei 

1)  Diels,  Parmenides'  Lehrgedicht,  Berlin  1897,  S.  14  ff. 

2;  Vgl.  Diels  a.  a.  0.  S.  21. 

3)  Ähnlich  sind  Fiktionen,  wie  die  Lucians  in  der  Diatribe  negl  ^vatdip  8: 
(f^hQt  dir  rjdri  xovx(ov  icrpi^ivoi  tcbv  Xdytov  ig  ccinbv  iiviXd^omhv  xov  oi^gavhv  Ttoirirtx&s 
Civanxä[ihvoi  xuxu  xi]v  avxi]v  '0/t»jpöj  xal  'Uatodco  oöuv  xa)  ^taoi'o^ied^a ,  üJiiog  txct- 
axov  diaxtxoafirixai  xcbv  ävio  oder  Ciceros  d(^  nat.  deor.  I  8,  18:  tamquani  modo 
ex  df.'onim  concilio  et  ex  Kpicuri  intermundiis  descendisset,  dann  in  Pseiido- 
justins  Cohortatio  6:  Illdxav  .  .  .  üg  &v(oQ^tv  xccxtXriXv^otg  xccl  xu  iv  ovQavotg 
unuvru  (txQtli(bg  itoQaxoag  xov  ivioxccxca  d-fitv  iv  xfj  TivgötSn  oioicc  bIvcci  Xiyn;  bei 
HenniaH  int  diene  Fonn  in  die  Tatsache  umgesetzt  17  (Diels,  Doxogr.  Gr.  S.  6ö6): 
hlg  TOP  ui^tQu  uvTov  aifxbg  äviQx^l^^''  ^^^  '-rpffv  ä^x^^iat,  sodann  ndXiP 

i^  ovifuvov  xuxafiaivoi. 

i)  Daher  stammt  wohl,  durch  Vermittlung,  das  Lucianisohe  (22):  iicc  xAv 
f'ttxtQtov  ntxöiitvog  XQixalog  inXriaUtccc  rw  ovQoivm;  doch  vgl.  unten  S.  106. 

:*)  Siehe  F.  Schulze,  Quac  ratio  intcrcedat  inter  Luc.  et  comicos  Oraeoor. 
poet,  Berlin  18«3,  S.  29     Norden,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl.  XVIU  8.  270. 


104  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

dessen  ersten  Bemerkungen  an  einen  Aufstieg  mit  Hilfe  einer  Leiter 
denken  läßt  (2),  sowie  Trygaios  zunächst  mit  einer  feinen  Leiter  zum 
Ziel  zu  gelangen  hofft  (V.  69  f.).  Parodisch  verwertet  hat  die  Komödie 
die  Fahrt  durch  die  Luft  sicherlich  auch  bei  der  Behandlung  der 
Bellerophonsage,  wie  in  des  Eubulos  ' Beller ophontes'  (Kock  II  S.  171); 
aber  ob  sie  hier  als  Muster  in  Betracht  kam,  läßt  sich  nicht  sagen. 
Die  Anregung  von  Aristophanes  dagegen  wirkt  auch  sonst  fort,  wie 
wir  schon  oben  bei  der  Episode  mit  Selene  bemerkten.  Die  Beobach- 
tung der  Menschen  aus  der  Vogelperspektive  findet  sich  schon  bei 
ihm  angedeutet,  selbst  auf  den  Charakter  ausgedehnt,  wenn  Trygaios 
nach  seiner  Rückkehr  sagt  (V.  821  f.):  *  Winzig  wart  ihr  von  oben 
anzusehen,  vom  Himmel  aus  betrachtet  schient  ihr  mir  niederträchtig, 
jedoch  von  hier  bei  weitem  niederträchtiger  noch';  und  wenn  Zeus 
den  Hunger  aUen  Göttern  drohen  sieht,  faUs  das  Treiben  der  Epikureer 
um  sich  greift  (32),  so  ist  das  nach  Aristophanes'  *  Vögeln'  (V.  1514  ff.) 
erfunden.  Aber  auch  Aristophanes,  so  weit  wir  sehen,  bot  zwar  die 
Reise  gen  Himmel,  aber  nicht  das  Motiv  der  Flügel.  Es  wäre  nicht 
undenkbar,  daß  für  die  Annahme  der  Flügel  zur  Luftfahrt  ein  Märchen- 
motiv maßgebend  gewesen  ist;  bei  Aristophanes,  der  ja  auch  sonst 
Märchenhaftes^)  benutzt,  ist  die  Rede  von  dem  Zauberkraut,  das 
Schwingen  wachsen  läßt,  und  die  Flügel  Verteilung,  die  Pisthetärus 
vornimmt,  um  die  Herbeiströmenden  zu  Bürgern  des  neuen  Vogel- 
staates zu  macheu  ^),  weist  in  dieselbe  Richtung  märchenhafter  Vorgänge. 
Es  scheint  mir  aber  nicht  unmöglich,  daß  Lucian  Motive,  die  er 
vorfand,  in  derselben  Weise  wie  bei  der  ^Nekyomantie'  verwandt  hat, 
nämlich  zur  Verspottung  der  Mithrasreligion,  die  ihm  als  Orientalen 
gewiß  vertraut  war.  Die  Himmelsreise  der  Seele,  auch  in  der  Ekstase 
und  nicht  erst  nach  ihrer  Loslösung  von  dem  irdischen  Leibe,  fand 
sich  ja  in  den  Mithrasmysterien  ^),  und  die  von  Dieterich  interpretierte 
Liturgie  zeigt,  wie  der  Myste  in  seligem  Schauen  durch  mehrfache 
Gebete  zu  seinem  Herren  vordringt.  Aber  mehr  als  diese  allgemeine 
Tatsache  bedeutet  es,  wenn  der  höchste  Grad  der  Mysten  des  Mithras 
den  Namen  der  ahtoC  trägt,  ein  anderer  den  der  isQaxsgj  wenn  ein 
niederer  Grad  als  xÖQaKsg  bezeichnet  wird.*)  Daß  es  sich  nicht  nur 
um  Namen  handelt,  sondern  um  wirkliche  beim  Gottesdienst  in  Ver- 

1)  Vgl.  Zielinski,  Die  Märchenkomödie  in  Athen,  St.  Petersburg  1885. 

2)  Aristoph.  Vögel  654  f.,  1325  tf. 

3)  Bousset,  Die  Himmelsreise  der  Seele,  Archiv  f.  Religionswiss.  IV  166  ff. 
Dieterich,  Mithrasliturgie,  Leipzig  1903. 

4)  Ob  Lucians  Ausdruck  (2):  sl'  ys  ngog  rotg  alloig  iXsXriQ'u?  ijii&g  Uga^  Tt? 
^  yioXotbg  i^  ccvd'QWTtov  ysvoiisvog  damit  zu  tun  hat? 


Mysterienverspottung.  105 

kleidung  vorgeführte  Vorstellungen^),  beweist  die  von  Dieterich  (S.  69) 
herangezogene  Stelle  aus  der  Schrift,  die  Augustins  Namen  trägt, 
Quaest.  vet.  et  novi  testamenti  (Migne,  Patr.  Lat.  XXXIV  p.  2214  II  5f.): 
alii  autem  sicut  aves  alas  percutiunt  vocem  coracis  imitautes.  Das 
Schauen  der  Seligen  ist  ziemlich  deutlich  persifliert  in  den  Worten 
des  Empedokles  in  der  Mondszene  (14):  'Der  Adler  allein  kann  der 
Sonne  entgegenschauen  und  in  die  Strahlen  blicken.'  Man  höre  nur 
das  Feierliche  (15):  xccjceidij  xdxLöta  i:tt£Qv^ccnrjVj  avtCxa  }ie  gjö^  zs 
7t((Uj:oXv  :r£QL8Xa^il'€  xal  rcc  rsag  Xavd'dvovva  Tcdvra  diEcpaCvero.^) 
Der  Spott  ist  ja  klar,  wenn  nun  statt  eines  einheitlichen  Flügelpaares 
dem  Menipp  ein  verschiedenartiges  zuerteilt  wird,  von  dem  nur  ein 
Flügel  ihn  in  die  höchsten  Regionen  emporträgt,  wie  er  bei  der  Rück- 
kehr nur  an  einem  Ohr  gehalten  wird.  Warum  der  Geierflügel  neben 
dem  AdlerflügeP)  genommen  ist,  entzieht  sich  noch  unserer  Kenntnis; 
man  begreift  jedoch  ohne  weiteres,  daß  neben  dem  König  der  Vögel 
der  Geier  eine  klägliche  Gestalt  ist  wie  in  dem  Traum  bei  Alkiphron 
111  59  (Parasitenbrief  23)."*)    Und  ist  es  Zufall,  daß  Lucian,  wo  er  die 

1)  Porphyr,  de  abstin.  IV  16  (S.  264  N,).  Cumont  a.  a.  0.  [s.  S.  22  Anm.  4J 
II  S.  42.  I  S.  315.  Dieterich  a.  a.  0.  S.  2,  7:  oncag  iya  fiovog  alr]xbs  o'ÖQavbv  §ciivo) 
%al  %cctonxhv(a  nävtcc  (dazu  Dieterichs  Bemerkung  S.  54,  151,  184). 

2)  Vgl.  die  Mithrasliturgie  bei  Dieterich  10,  lU  f.  14,  12  oder  Apul.  met. 
XI  23:  nocte  media  vidi  solem  candido  coruscantem  lumine;  vgl.  Ev.  Luc.  2,  9.  Act. 
apost.  9, 3.  22, 6.  Poimandres  I  ',328, 13  Reitzenstein).  Anrieh  (s.  S.  22  A.  4)  S.  33  Anm.  2. 
Mysterienverspottung  kann  auch  in  dem  xQixalog  (22)  liegen;  drei  Tage  braucht 
Menipp,  um  zum  Himmel  zu  gelangen;  vielleicht  bezog  sich  das  auf  dreitägige  Dauer 
irgendwelcher  Vorbereitungen  oder  dergl.  (vgl.  Apul.  met.  XI  24.  Diels,  Sibylliu. 
Blätter  S.  40.  Dieterich,  Mithrasliturgie  18,  15).  Gleiche  Parodie  begegnet  uns 
in  der  'Nekyomantie'  und  der  'Niederfahrt'.  Charakteristisch  ist  auch,  wie  Zeus 
in  der  'Götterversammlung*  (11)  daraufhinweist,  daß  die  fremden  orientalischen 
Götter  keiner  begreifen  kann,  der  nicht  eingeweiht  ist.  Wenn  Menipp  Icarom.  18 
dem  I^mpedokles  aus  Dankbarkeit  iv  xaig  ror/irjrta<g  ngb^  xi}v  öiXi'jvriv  xfflg 
i'/xuviov  TiQOGtvxea^ai  will,  so  ist  das  ebenfalls  eine  derartige  Parodie.  Lucian 
berührt  sich  da  mit  den  Stoffen  des  Mimus,  der  die  Verhöhnung  der  Mysterien 
nicht  scheute  (s.  Reich,  Der  Mimus  I  S.  81  ff.). 

8)  Für  die  Zusammcnfügung  von  Adler-  und  Geierflügel  ist  es  lehrreich  zu 
vergleichen,  was  Carlyle  in  seiner  großartigen  Darstellung  der  französischen 
Revolution  (Bd.  I  Buch  III  Kap.  8  .\nfg.j  von  Mirabeau  sagt:  'Kr  wittert  und  er 
Hpäht  aus  »einer  Feme  hier  eine  reichere  Beute;  wie  ein  Adler,  oder  sagen  wir 
lieber  ein  Geier,  oder  besser  noch  eine  Kreuzung  dieser  beiden,  putzt  it  seine 
.Srhwingen  zum  Fluge  in  die  Heimat'  Sperber-  tind  Ibisflügel  trügt  der  .Magier 
bei  R«'it/rnst<>in,  Poiniandrei,  Leipz.  1904,  S.  16H 

4;  Ale.  parasit.  28,  4  (ed.  Schepers  S.  H7j:  tixu  ^tUoiru  i  ((*/»•  täi»  :rrlo>i'. 
u\s  u'i  *ilQui  itptax&ötf  xtQttvva  fiXri^ipxa  ntotlv  xal  xit  b{>fn>f  oix^r«  »iVai  töv 
Anntr^  xal  ^iyttp  ittx6v^  f^a  dl  :rtxvov  6d<üS6x€<. 


106  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

Selbstverbrennung  des  Peregrinus  verspottet  (de  morte  Peregr.  39)^ 
ihn  in  Gestalt  eines  Geiers  gen  Himmel  fliegen  läßt?  Hat  er  dort 
dieselbe  Verzerrung  des  Mystischen  beliebt,  indem  er  den  Geier  an 
Stelle  des  für  diesen  Fall  üblichen  Adlers  setzt  ^),  so  ist  auch  klar, 
wie  der  Satiriker  hier  zu  der  Vereinigung  der  beiden  Flügel  kam; 
den  Adlerflügel  brauchte  er,  um  Menipp  zum  Olymp  zu  erheben,  er 
machte  ihn  aber  lächerlich,  indem  er  den  Flügel  des  Aasvogels  da- 
nebenstellte. Bei  dieser  Beziehung  des  ganzen  Motivs  aufs  Mystische 
leuchtet  auch  ein,  daß  die  Abnahme  der  Flügel  durch  Zeus  wirkliche 
Folgen  hat;  wer  der  Weihen  des  ccstög  entkleidet  ist,  wem  die  geistig- 
religiösen Schwingen  genommen  sind,  der  kann  eben  nicht  mehr  zu 
Gott  vordringen,  dem  ist  der  Flug  in  die  Höhe  und  das  Schauen 
des  Himmels  versagt.  Angeregt  war  auch  dies  Motiv  der  Flügelent- 
ziehung für  Lucian  oder  sein  Original  durch  die  Komödie,  in  der  dem 
Eros  die  Schwingen  genommen  werden.  Aus  Aristophons  Tythago- 
ristes'  haben  sich  zufällig  die  Verse  erhalten,  die  schildern,  wie  dem 
Schelm  auf  Götterbeschluß  die  Flügel  konfisziert  werden,  damit  er 
nicht  wieder  zum  Himmel  emporfliegen  könne.^)  Und  im  Trieden' 
wird  ja  dem  Trygaios  gleichfalls  sein  Pegasus  genommen  (V.  720  ff.), 
so  daß  er  ohne  ihn  heimkehren  muß.  So  mag  Lucian  dazu  gekommen 
sein,  gerade  in  dieser  Weise  die  Luftreise  zu  gestalten,  und  es  ist 
möglich,  daß  er  so  bei  gleichzeitiger  Verwendung  längst  vor  ihm 
komisch  benutzter  Motive  auch  sein  eigenes  Ingenium  hat  walten  las- 
sen.^)    Ausgeschlossen  ist  es  natürlich  nicht,    daß    schon    Menipp    in 

1)  Siehe  Dieterich,  Mitkrasliturgie  S.  184.  Weicker,  Der  Seelenvogel  S.  22,  27. 
Nach  Artemidor  I  8  (14, 17)  wäre  übrigens  der  Geier  auch  ein  heiliger  Vogel  gewesen. 

2)  Kock  II  S.  280  fr.  11:  slt'  ov  di-uccicog  ^ot'  ccvs^ri(pL6aevos  V7tb  tä)V  d-scbv 
T(bv  dm&sx'  stycotco?  t'  "Eqcos]  irdgccrts  y,a%slvovg  yäg  i^ßdXXav  atdosis^  6r'  7]v 
ftfr'  ccvtöbv  cog  ök  Xiav  rjv  d'gaövg  ytccl  GoßccQogj  ocTCO-noxpavtss  ccvrov  tu  ntsgcc, 
i'vcc  firj  7citr\xcci  Ttgbg  tbv  ovQavbv  ticcXlv,  Ssvq'  ccvtbv  icpvyddsvaccv  eng  rj^iag  xarca. 

3)  Hense  hat  in  der  Festschrift  für  Th.  Gomperz,  Wien  1902,  S.  191  ff.  die 
Verschiedenheit  der  Flügel  als  eine  Kritik  des  echten,  mit  dem  hedonischen  Prinzip 
gepaarten  Kynismus  Menipps  erklärt;  nach  der  Auffassung,  die  ich  von  Lucian  als 
Benutzer  älteren  Gutes  gewonnen  habe,  halte  ich  diese  geistvolle  Art  der  Erfindung 
bei  ihm  für  ausgeschlossen,  erst  recht  die  Phantasien,  in  denen  sich  Knauer  (s.  S.  15) 
S.  24  ff.  ergeht  (vgl.  Reitzenstein,  Hellenist.  Wundererzählungen,  Leipz.  1906,  S.  21). 
Daß  also  diese  Art  der  Flugmittel  bei  Menipp  nicht  schon  vorhanden  war,  läßt 
sich  daraus  nicht  folgern,  so  wenig  sich  das  Umgekehrte  erweisen  läßt.  Man  darf 
auch  an  solche  phantastischen  Motive  nicht  den  Maßstab  strenger  Logik  legen. 
Es  ist  z.  B.  zwecklos,  daß  Zeus  dem  Menipp  die  Flügel  abnehmen  läßt,  als  ob 
er  nicht  trotzdem  jederzeit  das  Experiment  wiederholen  könnte.  Das  bemerkt 
schon  der  Scholiast:  (ed.  Rabe  S.  109,  18)  xal  rl  tb  y,(oXvov  v,ocl  av&ig  ccvccXußovtcc 
dsrov  TCtiQvyccg  "aal  yvnäv  avaTttfjvccL  tavrcag  xat  TtdXiv; 


Mysterienverspottung.     Seneea  apocol.  107 

Anlehnung  an  Dädalus  das  Motiv  des  Fluges  mit  Vogelschwingen  be- 
nutzt hat,  möglich  auch,  daß  es  sich  hei  ihm  um  eine  Reise  im  Traum 
handelte  oder  daß  beides  vereinigt  war.^) 

Aber  vielleicht  scheint  es  noch  immer  zweifelhaft,  ob  wirklich 
Menipp  einen  solchen  Aufstieg  zum  Olymp  geschrieben  hat  und  ob 
nicht  Lucian  selber  der  Vater  des  Gedankens  war.  Da  ist  zunächst 
die  Ähnlichkeit  zu  beachten,  die  auch  hier  Senecas  Satire  auf  den 
toten  Kaiser  Claudius  bietet;  sind  es  auch  nur  kleine  Züge,  so  haben 
sie  doch  einigen  Wert,  nachdem  wir  schon  früher  gesehen  haben,  daß 
der  A^erfasser  der  Apokolokyntosis  Menipps  Werke  benutzt  hat;  auch 
die  schwachen  Beweisgründe  stützen  sich  gegenseitig.  Claudius'  Seele 
steigt  auf  einfache  Weise  zum  Himmel  empor,  da  er  tot  ist,  und 
boshaft  läßt  Seneea  ihr  nicht  den  Merkur  entgegenkommen,  sondern 
den  Herkules,  der  glaubt,  diesem  Scheusal  gegenüber  seine  dreizehnte 
Tat  ausführen  zu  müssen;  doch  ist  auch  hier  ein  nicht  genannter 
Pförtner  gedacht,  offenbar  doch  der  Hermes  des  Lucian,  der  ja  schon 
aus  Aristophanes'  'Frieden'  stammt,  wo  er  ebenso  des  Amtes  als 
Schließer  im  Haus  der  Götter  waltet  (V.  180  ff.).  Im  'Ikaromenipp' 
(22)  heißt  es:  vTtccxovöag  ds  6  ^EQfifjg  xal  rovvo^a  ^x:tvd'6(xsvog  icTcr^Ei 
y,axu  07tovöi]v  (pQccöcov  ta  z/i^,  bei  Seneea  (5)  einfach:  'nuntiatur  lovi 
venisse  quendam.'  Lucian  läßt  dann  Zeus  selbst  den  homerischen  Vers: 
rCg  Tcödsv  elg  ävÖQaVy  no^i  xoi  ütoXig  riöl  toTcfisg]  dem  Menipp  ent- 
gegenrufen (28):  auch  in  der  Apokolokyntosis  bedient  sich  Herkules 
desselben  Homerzitates  (5),  während  bei  Aristophanes  (180)  Hermes 
fragt:    no^sv   ßgotov   fis  TtQoöeßaXs^)]   Zeus  spricht  die  Worte,    mit 

1)  An  Dädalos  erinnerC  Lncian  in  der  Einleitung  (2);  daß  das  Ganze  eine 
Vision  im  Traum  gewesen  sein  könnte,  wird  nahe  gelegt  durch  die  Bemerkung 
des  Freundes  (1):  iiccxqöv  xiva  xbv  övsiqov  X^ysig.  Im  Traum  traf  Epimenides 
mit  den  Göttern  zusammen,  als  er  in  der  Idäischeu  Grotte  schlief  (Maximus 
Tyrius  1«,  1  Maaß,  Aratea  844  f.  Diel«,  Parmeuides  14).  Über  das  Traummotiv 
bei  Dichtem  vgl.  Dilthey,  De  Callimachi  Cydippa,  Lips.  1863,  S.  15.  Vahlen, 
Ennianue  poesis  reliquiae',  Lips.  1908  S.  CXLVII.  Auch  das  Somnium  Scipionis 
int  heranzuziehen,  auf  das  Fritzsche  zu  Ikarom.  18  hinweist  wegen  VI  16:  iam 
ipsa  terra  ita  mihi  parva  visa  est,  ut  me  imperii  nostri,  quo  quasi  punctum  i'ius 
n  .   paeniteret.     Ist  da  etwa  Cicero  außer  von  Posidonius  durch  Varrod 

\  fii^  von  Menipp  beeinflußt? 

"Z)  Gerade  diese  Abweichung  in  der  Fssiong  der  Frage  läßt  die  überein- 
ftimmung  bei  den  beiden  andern  um  so  schwerwiegender  erscheinen.  Mau 
möchte  vermuten,  daß  auch  bei  Menipp  schon  wie  bei  Seneea  Herkules  Ver- 
wendung gefunden  hatte,  Lucian  aber  diese  Person  überging.  So  erklärt  sich 
um  leichieHten  der  eigentümliche  ZuHammenhang  swischen  AriMtophanes  und 
Seneea,  wenn  bei  jenem  der  erschreckte  Hermes  beim  Anblick  des  Beiters  auf 


108  Kapitel  III.    Der  Ikaromenipp. 

denen  er  den  Eindringling  begrüßt,  furchtbar  und  titanenhaft,  so 
daß  dieser  beinahe  vor  Angst  gestorben  wäre;  auch  Herkules  erhebt 
sich,  wie  es  heißt,  zu  tragischem  Pathos,  um  schrecklicher  zu  er- 
scheinen, nur  daß  der  Satiriker  seiner  Tendenz  entsprechend  ihn  trotz- 
dem das  Scheusal,  das  vor  ihm  steht,  selber  fürchten  läßt.^)  Der 
Besuch  bei  den  Göttern  nimmt  in  beiden  Satireu  ein  Ende,  indem 
Hermes  nicht  ganz  sanft  den  Fremdling  zur  Erde  hinabexpediert-,  bei 
Seneca  (11):  Cyllenius  illum  coUo  obtorto  trahit  ad  inferos  a  caelo 
entsprechend  der  Schlechtigkeit  des  Claudius,  bei  Lucian  geht  man 
etwas  milder  mit  dem  Menipp  um  (34):  i^h  öe  6  KvXXrjviog^  xov 
ÖE^LOV  C3tbg  ccTCOKQe^döag  ....  xated-rjxs  (peQov  ig  xov  KsQa^SLXov.^) 
Darf  man  vielleicht  schon  aus  diesen  kleinen  Übereinstimmungen 
auf  ein  gemeinsames  Vorbild  für  Lucian  und  Seneca  schließen,  so 
kommt  noch  als  Stütze  Varro  hinzu,  der  in  seinen  Menippischen  Sa- 
tiren mehrfach  die  Luftreise  geschildert  zu  haben  scheint.  Ein  Bei- 
spiel bietet  der  Marcipor,  in  dem  die  dort  Erzählenden  einen  jähen 
Absturz  bei  plötzlichem  Sturm  erlebt  haben:  'at  nos  caduci  naufragi 
ut  ciconiae,  quarum  bipennis  fulminis  plumas  vapor  perussit,  alte 
maesti  in  terram  cecidimus.'  ^)  Hier  könnte  indessen  fraglich  erscheinen, 
ob  es  sich  um  eine  wirklich  ausgeführte  komische  Luftreise  handelt 
oder  etwa  nur  ein  Versuch  vorliegt;  der  Fall  erinnert  an  die  vergeb- 
lichen Versuche  des  Trygaios  in  Aristophanes'  Trieden'  (V.  69  ff.).*) 
Sicherer  gehen  wir  bei  Varros  Endymiones,  die  ja  schon  durch  den 
Titel  zeigen,  daß  sie  etwas  mit  dem  Monde  zu  tun  haben;  hier  haben 
wir  dieselbe  Beobachtung  des  menschlichen  Treibens  aus  der  Höhe, 
die    wir    im  ^Ikaromenipp'  fanden^):    ^animum   mitto  speculatum  tota 

dem  Mistkäfer  ausruft:  wvcc|  '^HQccKXsig,  xovtl  xi  iati  xb  yiamv;,  bei  Seneca  aber 
dem  Heros  die  Rolle  ausführlich  zuerteilt  wird,  dem  Scheusal  Claudius  entgegen- 
zutreten. 

1)  Icarom.  23:  ^dXa  cpoßsQöbs  ^Qi^iv  xs  -aul  xixav&dEg  dg  ifth  ccTtiämv  gjTjöt, 
Sen.  7 :  et  quo  terribilior  esset,  tragicus  fit haec  satis  animose  et  fortiter. 

2)  Die  Übereinstimmung  in  dem  KvXXi]VLog  wird  nicht  mehr  so  geringfügig 
erscheinen,  wenn  man  hört,  daß  diese  Bezeichnung  bei  Lucian,  obwohl  Hermes  so 
oft  vorkommt,  m.  W.  nur  zweimal  in  den  Dialogen  wiederkehrt,  Char.  1  und 
wo  eine  Heimatsangabe  direkt  erforderlich  war,  'Göttergespr.'  22,  1. 

3)  Buecheler  fr.  272.  Marcipor  IV;  vgl.  Hense  a.  a.  0.  (s.  S.  106  Anm.  3)  S.  187, 
Norden,  Jahrb.  f  klass.  Phil.  Suppl.  XVHI  S.  269. 

4)  "Knsixa  XsTtxä  xXi/x-axta  noiov^iBvog  TtQog  xavx'  a.vhQQL%äx'  av  ig  xov 
ovgavov,  tag  ^vvsxgißr}  xfjg  ■KBcpaXfjg  -nccxccQQVsig. 

5)  Endym.  fr.  Y  (105).  Die  Parallele  hebt  Hirzel,  Der  Dialog  I  S.  450  hervor. 
Hense  a.  a  0.  S.  189  Anm,  findet  sie  wenig  einleuchtend  und  zwar  nach  seiner 
Bemerkung  besonders  wegen  der  Yerschiedenartigkeit  des  Schlusses.     Daß  aber 


Yarro.    Himmelfahrt  bei  Menipp.  109 

urbe^  ut  quid  facerent  homines,  cum  experrecti  siut,  me  faceret  cer- 
tiorem' ;  und  an  den  Schluß  der  Lucianischen  Satire,  bei  der  ja  Menipp 
auch  ungeheuer  schnell  zur  Erde  herabexpediert  wird,  während  ilin 
Hermes  am  Ohr  hält,  erinnert  der  Satz,  der  offenbar  ebenso  den  Aus- 
gang der  Erzählung  bei  Varro  bildete  (fr.  VIII  [108]):  'sie  ad  vos 
citius  opinione  vertilabundus  miser  decidi';  wenngleich  da  eine  andere 
Art  des  Herabkommens  gewählt  zu  sein  scheint,  so  genügt  es,  daß 
die  Situation  an  und  für  sich,  der  Aufenthalt  in  der  Höhe  der  gleiche 
war.  Ob  Merkur,  den  auch  Varro  (fr.  I  [101])  erwähnt,  eine  ähnliche 
Rolle  spielte  wie  Hermes  bei  Lucian,  ist  gleichgültig;  und  wenn  er's 
tat,  so  konnte  sich  das  Fragment  ebenso  auf  die  erste  Begegnung 
mit  dem  Himmelspfortner  wie  auf  die  Rückkehr  zur  Erde  beziehen. 
Aber  der  sicherste  Zeuge  für  die  Entlehnung  auch  des  Motivs  der 
Himmelfahrt  scheint  mir  Lucian  selber,  wenn  wir  die  früher  l)espro- 
chenen  historischen  Entlehnungen  vom  richtigen  Gesichtspunkte  aus 
erwägen.  Wir  sahen,  daß  sie  zum  Teil  derart  waren,  daß  sie  nicht 
Lucians  Erfindung  entstammen  können.  Prüft  man  sie  aber  darauf- 
hin, so  wird  klar,  daß  sie  nur  in  derjenigen  Situation  im  Original 
vorkommen  konnten,  in  der  sie  uns  jetzt  der  Nachahmer  zeigt.  Die 
auffällige  Frage  nach  dem  Olympieion,  nach  den  Diasien  und  den 
Nachkommen  des  Phidias  (24)  setzt  ein  Gespräch  mit  dem  olympischen 
Zeus  voraus,  in  dessen  Nähe  der  Sprecher  doch  irgendwie  gelangt 
sein  mußte,  entweder,  indem  der  Gott  zu  ihm  herniederstieg,  oder 
indem  er  zum  Himmel  emporflog.  Die  Entscheidung  zwischen  den 
beiden  Möglichkeiten  bietet  die  andere  Stelle  (12  und  15).  Der  Über- 
blick über  die  historischen  Ereignisse,  über  die  Verirrungen  der  Men- 
schen, vor  allem  der  Witz  mit  dem  Koloß  von  Rhodos,  der  nicht 
Lucians  Geiste  entsprungen  sein  kann,  war  nur  bei  Darstellung  eines 
Aufenthalts  in  der  Höhe  möglich  wie  in  Varros  *Endymiones'  mid  in 
der  Schilderung  des  Maximus  Tyrius  16,  2,  ist  also  mit  der  Fiktion 
der  Luftreise  so  eng  verbunden,  daß  er  ohne  dieselbe  unmöglich  wäre, 
ßeides  zusammen  gibt  uns,  soviel  ich  sehe,  eine  unumstößliche  Ge- 
wißheit; und   wenn   man  das  Menippische  Oritjinal   berücksichtigt,    so 


in  dicHer  Satire  der  in  der  Höhe  Weilende  ebenfalb  als  initryioTtog  auftritt,  läßt 
»ich  nicht  leu^icn;  wie  er  zur  Erde  berabkouimt,  können  wir  aus  dem  Verti- 
labundus* auch  nicht  »eher  entnehmen;  die  LucianiHche  Situation  ist  nicht 
einmal  aosfi^schlofisen  dabei.  Aber  man  mufi  jedem  Nachahmer  Menipps,  und 
vor  allem  Varro,  auch  selbständige  Änderungen  sutrauen.  Nur  auf  das  Haupt- 
motiv des  Aufenthalt«  in  der  Hohc  kommt  ee  an,  and  das  gibt  auch  Hense 
8,  11>0  alM  Ulis  M»'iii|)j,  entlehnt   /.ii 


110  Kapitel  III.     Der  Ikaromenipp. 

ist  auch  klar,  warum  in  der  Rede  des  Zeus  (29  f.)  über  die  Philosophen 
die  Kyniker  felilen,  während  Stoiker,  Akademiker,  Epikureer,  Peripa- 
tetiker  aufgeführt  werden.^) 

Es  kann  nach  diesen  äußeren  und  inneren  Zeugnissen  keinem 
Zweifel  unterliegen,  daß  Lucian  auch  im  'Ikaromenipp'  sich  an  sein 
Vorbild  ziemlich  eng  angeschlossen  hat,  und  der  ohne  eigentliche  Be- 
gründung vorgebrachte  Widerspruch^)  gegen  die  Annahme,  daß  schon 
bei  Menipp  eine  Hades-  und  Himmelfahrt  miteinander  korrespondiert 
hätten,  muß  gegenüber  diesen  Argumenten  nach  meiner  Ansicht  ver- 
stummen; denn  man  sieht,  daß  nicht  allein  die  allenfalls  leicht  zu 
findenden  chronologischen  Angaben  aus  der  Diadochenzeit,  sondern 
gerade  die  versteckteren  Beziehungen,  die  Lucian  sicher  nicht  erfunden 
hat  und  keinen  Grund  zu  erfinden  hatte,  als  feste  Stütze  für  die  Yer- 
mutunff  dienen.  Worin  die  Umarbeitunsf  bestand  neben  einzelnen 
Einfügungen  und  der  sprachlichen  Umänderung,  wird  sich  uns  ebenso 
wie  bei  der  'Nekyomantie'  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  später 
ergeben.  Daß  auch  der  Name  der  Satire  —  und  zwar  ungeschickt  — 
geändert  ist,  möchte  ich  daraus  entnehmen,  daß  er  bei  dem  Verlaufe 
derselben  nicht  paßt.  Nicht  dem  Ikarus  müßte  sich,  genau  genommen, 
der  Emporfliegende  vergleichen,  sondern  dem  Dädalus;  man  möchte 
glauben,  daß  die  jetzt  von  dem  Freunde  nachträglich  ausgesprochene 
Befürchtung  (3),  es  hätte  dem  Menipp  wie  Ikarus  gehen  können,  sich 
schon  im  Original  fand  und  dadurch  den  Anlaß  gab  zu  dem  von 
Lucian  gewählten  Titel.  Daß  dieser  im  Grunde,  ob  nun  durch  Me- 
nipps  Vermittlung  oder  ohne  diese,  auf  die  Komödie  zurückgeht,  ist 
klar.  Aristophanes'  'Aiolosikon'  ist  eine  passende  Parallele  für  diese 
Bildung  von  Doppelnamen,  bei  denen  der  erste  die  mythische  Per- 
sönlichkeit, die  zum  Vergleich  herangezogen  ist,  der  zweite  die  infolge 
ihrer  Schäbigkeit  oft  in  grellem  Kontrast  dazu  stehende  der  fingierten 
Wirklichkeit  bezeichnet  (Kock  I  S.  392).  Der  mythische  König  Aeolus 
und  der  Koch  Sikon!  Eubulos  schrieb  eine  Komödie  UcpiyyoxaQicov, 
in  welcher  der  Sklave  Karion  sich  wie  eine  Sphinx  benahm  (Kock 
II  S.  201).  Orestautokleides  war  der  Titel  eines  Stückes  des  Timokles, 
in  dem  Autokleides  wegen  seiner  Zuneigung  zu  Knaben  von  den 
Dirnen  verfolgt  wurde  wie   Orest  von   den  Furien  (Kock  II  S.  462). 


1)  Einen  Augenblick  scheint  es  so  (30/31),  als  seien  in  die  Schilderung 
des  unmoralischen  Lebenswandels  auch  die  Kyniker  mit  eingeschlossen,  wenn 
es  nicht  32  weiterginge:  ol  dh  öi]  'ETtL-novQSLOL  ccvt&v  iByd^iBvoi. 

2)  Vgl.Hirzel,  Der  Dialog  H  S.  318.  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLIE  (1888)  S.  192. 
Hense,  Festschrift  für  Gomperz  S.  191. 


Titel.    Beziehungen  auf  Lucians  Zeit.  Hl 

Etwas  anders^  obwohl  dasselbe  Bestreben  des  komischen  Gegensatzes 
vorhanden  ist,  liegt  die  Sache  bei  den  Titeln^),  die  zwei  mythologische 
Namen  zusammenfügen,  wie  bei  des  Kratinos  'Dionysalexandros',  bei 
dem  uns  die  jüngst  aufgefundene  Hypothesis  deutlich  zeigt,  daß  es 
sich  um  den  Trojaner  Paris  handelt,  dessen  Rolle  in  diesem  Falle 
Dionysos  spielt.^) 

Der  Beziehungen  auf  die  Gegenwart  sind  im  'Ikaromenipp'  wenig. 
Die  Darstellung  des  Treibens  der  Philosophen  soll  natürlich  Lucians 
Zeit  selber  treffen.  Sonst  finde  ich  nur  an  zwei  oder  drei  Stellen, 
daß  der  Verfasser  seine  eigenen  Verhältnisse  berücksichtigt.  Sie  gehen 
alle  Olympia  an.  Unter  den  Wünschen,  die  Zeus  entgegennimmt,  be- 
findet sich  das  Gebet  um  einen  Sieg  bei  den  olympischen  Spielen  (25); 
in  seiner  Klage  darüber,  daß  man  ihn  jetzt  vernachlässige,  bemerkt 
er,  daß  man  genug  getan  zu  haben  glaube,  wenn  man  ihm  alle  fünf 
Jahre  in  Olympia  opfere  (24);  und  in  seiner  Rede  am  Schluß  lehnt 
Zeus  eine  sofortige  Bestrafung  der  Frevler  ab,  weil  Festzeit  ist  und 
Einstellung  aller  Feindseligkeiten  verkündet  ist.  Wir  wissen,  daß 
Lucian  mehrfach  zur  Zeit  der  Spiele  in  Olympia  gewesen  ist.  In  der 
Schmähschrift  gegen  Timarch  (Pseudolog.  5)  wird  dessen  schwindelhaftes 
Gebahreu  in  Olympia  geschildert,  wie  es  nur  ein  Augenzeuge  tun  kann. 
Dem  Tod  des  Peregrinus  an  der  heiligen  Festesstätte  hat  Lucian 
selber  beigewohnt;  und  in  dem  Bericht  darüber  (35)  erwähnt  er  die 
Großartigkeit  der  Spiele,  die  er  beurteilen  könne,  da  er  sie  viermal 
mitangesehen  habe.  Daß  er,  der  Sophist,  nicht  nur,  um  seine  Schau- 
lust zu  befriedigen,  die  Festversammlung  aufsuchte,  ist  selbstverständ- 
lich. Die  Zeit  der  olympischen  Spiele,  zu  denen  man  aus  ganz 
Griechenland  herbeiströmte,  war  ja  zugleich  die  beste  Gelegenheit  für 
Künstler  und  Literaten  aller  Art,  ihre  Werke  einer  größeren  Menge 
zu  präsentieren.')  Es  bedarf  keines  Beweises  dafür,  daß  auch  Lucian 
hier  Vorträge  gehalten  hat.  Wir  werden  uns  nur  in  seinen  Schriften 
nach  Indizien  umzutun  haben,  die  auf  eine  Rezitation  in  Olympia 
schließen  lassen.    Mir  scheint,  der  *Ikaromenipp*  bietet  sie.    In  Athen 


1)  Vgl  Grauert  in  Niebuhn  Rhein.  Mub.  U  1828  S.  60  if ,  der  die  beiden  Arten 
von  Tit«ln  nicht  genau  scheidet;  für  die  erste  ist  ein  tretfliches  Beispiel  aus 
einer  Komödie  selber  das  von  ihm  aiiK  AristophnncH'  'Frönchen*  499  angeftthrte 

2)  Oxyrhynchus  Pap.  668  Bd.  IV  S.69;  vgl.Crüi«et,  Uevue  des  dtudei  Gieoquet 
XVII  (lö04i  S.  207. 

8)  Siehe  SchOmann,  Griech.  Altertümer*  11  8.  61».  Lncian  xeigt  das  in  jener 
Stelle  gegen  Timarch. 


112  Kapitel  III.    Der  Ikaromenipp. 

ist  er  offenbar  nicht  vorgelesen,  trotzdem  der  Menipp  darin  von  Athen 
ausgeht  und  dorthin  zurückkehrt^);  die  Bemerkung  über  das  Olym- 
pieion  (24),  in  der  die  spätere  Vollendung  nicht  im  geringsten  an- 
gedeutet ist,  verrät  eine  höchstens  oberflächliche  Kenntnis  der  Stadt. 
Athen  scheint  ihm  überhaupt  zu  arm  gewesen  zu  sein^),  um  sich 
dort  aufzuhalten;  seine  Kunst  ging  nach  Golde.  Seine  TtQokaXiaC 
zeigen  ihn  in  Macedonien  (Herodot.  7  Scjth.  8),  lonien  und  Korinth 
werden  genannt  (de  bist,  conscrib.  14, 17),  aber  Athen  nennt  selbst  die 
Rhetorik  nicht,  wo  sie  seine  Wanderungen  über  Hellas  und  Italien 
bis  nach  Gallien  aufzählt  (bis  acc.  27);  und  wenn  er  sich,  wie  man 
annimmt^),  jemals  in  Athen  niedergelassen  hat,  so  ist  das  erst  un- 
gefähr zur  Zeit  des  Todes  des  Peregrinus  etwa  um  die  Mitte  der 
sechziger  Jahre  geschehen.^)  Hält  man  dagegen  Olympia  für  den  Ort, 
an  dem  Lucian  den  ^Ikaromenipp'  vortrug,  so  empfindet  man  den 
Scherz  der  Anspielung,  daß  jemand  den  Sieg  in  Olympia  sich  wünscht, 
daß  der  Göttervater  von  dem  Opfer  'm  Olympia  spricht,  mit  dem  man 
glaube,  sich  seiner  Schuld  ihm  gegenüber  entledigt  zu  haben,  so  ver- 
breitet sich  vielleicht  auch  etwas  Licht  über  die  rätselhaften  Worte 
am  Schluß  der  Rede  des  Zeus;  als  ihm  alle  Götter  zurufen,  er  solle 
die  Philosophen  vernichten,  mit  dem  Blitz  erschlagen,  sagt  er:  ^Jawohl, 
es  soll  geschehen,  wie  ihr  wünscht.  Nur  geht's  jetzt  nicht  an.  Es 
ist  Festzeit  diese  vier  Monate,  und  der  Gottesfriede  ist  schon  ver- 
kündet. Aber  im  nächsten  Jahr,  sowie  der  Frühling  anfängt,  sollen 
sie  durch  einen  schrecklichen  Donnerschlag  zu  gründe  gehen.'  Fritzsche 
hat,  nicht  mit  Unrecht,  geglaubt,  hieraus  eine  Zeitbestimmung  ent- 
nehmen zu  können;  nur  hat  er  vöUig  fehlgegriffen,  wenn  er  dabei 
aufs  Jahr  180  kam;  denn  damals  konnte  Lucian  einen  solchen  Dialog 
überhaupt  nicht  mehr  schreiben.  Fritzsche  deutet  nach  dem  Vorgang 
von  Gesner  die  Worte  auf  den  Tod  Mark  Aureis,  der  bisher  die  Phi- 
losophen beschützt  habe,  während  sie  nun  dem  Verderben  preisgegeben 
seien ^):  zu  Lebzeiten  des  Philosophenkaisers  hätte  die  Androhung  des 


1)  Was  an  athenischer  Lokalfarbe  sich  findet,  wie  die  Entfernung  von 
Megara  nach  Athen  (6),  die  Flugübungen  von  Athen  aus  (11)  und  die  Bückkehr 
zum  Kerameikos  (34),  kann  schon  aus  Menipp  entlehnt  sein,  von  dessen  Aufent- 
halt in  Athen  Lucian  wohl  eine  dunkle  Kenntnis  hatte  nach  Totengespr.  1. 

2)  Siehe  S.  99  Anm.  1.     Fugitiv.  24. 

3)  Der  ^Eunuch'  scheint  seinen  Aufenthalt  in  Athen  nach  176  voraus- 
zusetzen, das  ^Schiff'  schon  etwa  165. 

4)  Vgl.  Croiset^  Essai  sur  la  vie  et  les  ceuvres  de  Lucien,  Paris  1882,  S.  20  ff. 

5)  Dagegen  spricht  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLHI  (1888)  S.  190  f. 


Beziehungen  auf  Olympia.  113 

Unterganges  aller  philosophischen  Sekten  überhaupt  nicht  vorgebracht 
werden  können.  Das  Argument,  das  dann  W.  Schmid  weiter  aus- 
gebeutet hat,  um  alle  gegen  die  Philosophen  gerichteten  Satiren  nach 
180  zu  setzen^),  hat  aber  bei  des  Kaisers  Charakter  und  der  Harm- 
losigkeit dieses  Scherzes  gar  keine  Beweiskraft.  Die  Dauer  des 
Götterfriedens  erklärt  Fritzsche  durch  die  Landestrauer,  das  iustitium, 
das  dem  Tode  des  Kaisers  folgte;  vielleicht,  meint  er,  schloß  Com- 
modus  unmittelbar  darauf  Frieden  mit  den  Markomannen,  so  daß  sich 
die  supplicatio  an  die  Landestrauer  anschloß.  Mag  auch  isgo^iivia 
da  angebracht  sein-),  iytexeiQia  scheint  nicht  am  Platze  zu  sein; 
und  es  ist  seltsam  gedacht,  daß  Zeus  die  beiden  in  keinem  Zusammen- 
hang stehenden  Ereignisse  gleich  zusammengefaßt  haben  sollte:  Uqo- 
^r^vLU  yccQ  sötlv,  ag  i'öie^  ur]vcöv  tovtcov  rszrciQcov.  Noch  weniger 
kann  man,  wie  Du  Soul  wollte,  an  die  Saturnalien  denken.  Das  Nächst- 
liegende ist  doch  wohl,  die  Worte  auf  die  olympischen  Spiele  zu  be- 
ziehen.^) über  die  Dauer  der  Ekecheirie  wissen  wir  allerdings  nichts 
Bestimmtes;  diejenige  für  die  Eleusinien  betrug  schon  zwei  Monate*), 
hier  mußte  sie  ohne  Zweifel  noch  länger  sein,  da  es  sich  nicht  nur 
um  die  Reise  hin  und  zurück  handelte,  sondern  die  Rosse  auch  nach 
ihrer  Ankunft  nicht  unmittelbar  zum  Rennen  verwandt  werden  konnten; 
so  hat  eine  ixsx^t'Qicc  von  rund  vier  Monaten  für  Olympia  vielleicht 
nichts  Auffälliges,  wobei  es  immerhin  möglich  ist,  daß  sie  in  Wahr- 
heit etwas  kürzer  war.^)  Fanden  die  Spiele  nun  etwa  im  August 
oder  gar  Anfang  September*^)  statt,  so  ist  es  begreiflich,  daß  Zeus 
meint,  für  ein  Gewitter  werde  es  zu  spät  im  Jahre,  und  daß  er  die 
Exekution   auf  die  Zeit  verschiebt,    in  der  ihm  die  ersten  Frühlings- 

1)  Phil.  L  (1891)  S.  305.  Vgl.  Neue  Jahrb.  f  d.  klass.  Altert.  IX  (1902)  S.  277. 

2)  D.  Magie,  De  Romanor.  vocabulis  soUemnibus  iu  Graecum  couversis, 
Lipu.  1U06,  S.  163. 

3)  Siehe  Pseudolog.  8:  iv  rotavr^  ^ogrfj  xal  le^ofirjvta  ebenfalls  vou  deu 
Olympien. 

4)  Siehe  Stengel,  Griech  KultuBaltertümer',  Manchen  1898,  S.  163.  Ditten- 
berger,  Sylloge,  Lips.  1900,  II«  646,  60.  80. 

6)  Die  4  gehört  ja  zu  den  Hundzahlen,  wie  Hirzel,  Sitz.- Berichte  der  S&chs. 
Ge«ell8ch.  d.  WiHtjenach.  18Hß,  S.  62  i\.  gezeigt  hat;  so  könnte  Zeus  sich  allenfail« 
auch  so  auHdrfickeu,  wenn  die  ixtxHffiu  nur  etwa  drei  Monate  wilhrte,  wio  daH 
jetzt  Weniger,  Klio  V  (lÜOö),  S.  209  flf.  vermutet,  weil  auf  den  Inschriaen  3  Thoo- 
koloi  genannt  werden  und  Pausanias  V  iTi.  «l  andeutet,  djiß  in  jodoin  .Afonut  das 
Amt  wechselte. 

6;  Hiebe  A.  Mouimsen,  Ober  die  Zeit  der  Olyajpieu,  Leipzig  isyi,  S.  2ö.  61, 
Ungcr,  Zeitrechnung  der  Griechen  und  liöniOr  in  Iw.  Müllort  Handbuch  I*, 
Mönchen  l«92,  S.  778.     Weniger,  Klio  V  (I906i.  S.  6  ff. 

Htilm,  Lttoian  und  Mublpp  8 


114  Kapitel  III.    Der  Ikaromenipp. 

gewitter  die  günstige  Gelegenheit  geben  werden.^)  In  Olympia  ge- 
sprochen, mußten  diese  Worte  eine  große  komische  Wirkung  ausüben. 
Wir  würden  damit  zugleich  eine  gewisse  Zeitbestimmung  gewinnen. 
Nach  der  ganzen  Entwicklung  Lucians,  wie  sie  sich  uns  darstellt,  kann 
der  Dialog  nach  165,  dem  Todesjahr  des  Peregrinus ^) ,  nicht  mehr 
geschrieben  sein;  es  würden  uns  also  die  Jahre  157  und  161  allein 
zu  Gebote  stehen.  Und  als  das  Wahrscheinlichste  ergibt  sich,  daß 
der  'Ikaromenipp'  in  demselben  Jahre  wie  die  'Nekyomantie'  abgefaßt 
ist.^)  Wir  werden  sehen,  wie  die  Folgerungen,  die  sich  aus  dem  Dia- 
log 'Über  die  Bilder'  ergeben,  dazu  stimmen. 


1)  Natürlich  darf  man  dem  Witz  nicht  mit  scharfer  Sonde  zu  Leibe  gehen 
und  sagen,  selbst  nach  Ablauf  der  ixsxeiQia  war  noch  Gewitterzeit.  Daß  die 
Gewitter  im  Frühjahr  und  Herbst  am  häufigsten  sind,  liest  man  bei  Arrian  Stob, 
ecl.  phys.  I  S.  238,  5  Wachsmuth.  Serv.  in  Georg.  I  311  (vgl.  Neumann-Partsch, 
Physikal.  Geographie  von  Griechenland,  Breslau  1885,  S.  72). 

2)  Das  Jahr  165  gibt  Hieronymus-Eusebius  als  Todesjahr  des  Peregrinus 
an.  Der  Ansatz  von  Nissen  auf  167  (Rhein.  Mus.  XLIII  [1888]  S.  254  f.)  entbehrt 
der  Berechtigung;  die  Spiele,  die  Nero  auf  67  verschoben  hatte,  sind  nachträg- 
lich annulliert  worden,  und  es  gibt  kein  Indizium  dafür,  daß  mit  67  eine  neue 
Ära  der  Olympien  begonnen  habe.  Die  Stelle  des  Statins  Silv.  IV  4,  32  beweist 
nichts  dafür,  daß  95  Spiele  abgehalten  seien,  wie  A.  Mommsen,  Die  Zeit  der  Olym- 
pien, Lpz.  1891,  S.  97  if.  gezeigt  hat.  Croiset  (Memoires  de  l'academie  de  Montpellier 
sect.  des  lettresYI  [1880]  S.  490  f.)  nimmt  einen  Irrtum  des  Eusebius  an  und  setzt 
den  Tod  des  Peregrinus  ins  Jahr  169.  (Vgl.  dagegen  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLIII 
[1888]  S.  183  Anm.)  Begründung  dafür  ist,  daß  Lucian  164  auf  der  Fahrt  von 
Asien  nach  Griechenland  mit  Peregrinus  zusammengefahren  sei  (Peregr.  43)  und 
von  dieser  Reise  in  der  Schrift  über  das  Lebensende  des  Peregrinus  als  TcäXca 
geschehen  spreche.  Das  erste  ist  richtig;  das  zweite  dagegen  nicht.  Lucian 
sagt  nur:  ixsTvcc  ^hv  yccQ  TtdlccL  0L6&a  svd-vg  äxov6ag  ^lov,  und  das  ist  etwas 
wesentlich  anderes.  Er  hat  es  dem  Freunde  gleich  164  gesagt;  wenn  er  dann 
auch  nur  Herbst  165  die  Schrift  verfaßte,  konnte  er  im  Gegensatz  zu  den 
andern  dem  Freunde  neuen  Tatsachen  ohne  Zweifel  von  der  einen  ihm  be- 
kannten sagen:  iyistva  tcccXccl  olad'cc.  Man  könnte  aber  vielleicht  auch  in  dem 
TtdXai  einen  Hinweis  darauf  sehen,  daß  die  Schrift  nicht  schon  165,  sondern  erst 
später  verfaßt  ist.  Ich  verweise  dafür  auf  das  zu  den  dgaTchat  Gesagte  und 
Neue  Jahrb.  f.  d.  klass  Altert.  IX  (1902)  S.  355  ff. 

3)  Vgl.  Bolderman,  Studia  Lucianea,  Diss.  Lugd.  Bat.  1893,  S.  91  f. 


Kapitel  IV. 
Die  Widerlegung  des  Zeus. 

Auch  in  die  Göttersphäre  führt  wie  in  den  Hades  nicht  nur  ein 
Dialog.  Wir  haben  zunächst  zwei,  die  in  deutlicher  Beziehung  zu 
dem  eben  besprochenen  stehen,  beide  durch  den  Titel  miteinander 
verbunden,  'die  Widerlegung  des  Zeus'  und  'der  tragische  Zeus'.  'Die 
Widerlegung  des  Zeus'  ist  gegen  die  Dogmen  der  Stoiker,  aber  auch 
gegen  die  Lehren  der  Epikureer  gerichtet.^)  Wir  finden  Zeus  im 
Gespräch  mit  dem  uns  schon  bekannten  Kyniskos.  Dieser  will  nicht 
die  törichten  Wünsche  der  Menschen  um  Reichtum,  Herrschaft  und  der- 
gleichen vorbringen,  sondern  nur  um  Beantwortung  einer  Frage  bittet 
er:  Gibt  es  wirklich  gegenüber  dem,  was  Heimarmene  und  Moiren 
beschlossen  haben,  kein  Entrinnen?  Zeus  sagt:  Nein.  Wie  paßt  dazu  aber 
das  homerische  v:i^q  fiotgav?  Der  Göttervater  gebraucht  die  Ausflucht, 
daß  die  Dichter  nicht  in  allem  Glauben  verdienen,  sondern  nur  dann,  wenn 
die  Musen  ihnen  die  Gedanken  eingeben.  Auf  die  weitere  Frage  nach 
dem  Verhältnis  der  Moiren  zu  Heimarmene  und  Tyche  weigert  er  sich 
zu  en^'idern,  bekennt  aber  auf  Verlangen,  daß  auch  die  Götter  den 
Moiren  unterworfen  sind.  Kyniskos  folgert  daraus  logisch,  daß  dann 
(Jpfer  und  Gebete  an  die  Götter  zwecklos  sind,  da  ja  auch  sie  nichts 
zu  ändern  vermögen.  Aber,  sagt  Zeus,  indem  er  sich  die  epikureische 
Anschauung  schleunigst  zu  eigen  macht,  man  ehrt  die  Götter,  weil 
sie  besser  sind.  Worin  denn,  fragt  der  dreiste  Kyniskos,  wenn  sie 
Sklaven  der  Moiren  sind  wie  die  Menschen?  Und  als  er  auf  die 
Ewigkeit  und  den  Besitz  aller  Güter  hingewiesen  wird,  der  den  Himm- 
lischen zustehe,  macht  er  seinerseits  auf  die  Leiden  des  Hephaistos, 
die  Qual  des  Prometheus  und  Kronos,  auf  den  Dienst  des  Poseidon 
und  Apollo  bei  Admet  aufmerksam.     Da  Zeus  Drohungen  ausspricht. 


1)  L  Brom,  Khciii.  .Mum.  .\I.1V  ^ih80)  S.  874  ff.  zeigt  richtig,  daß  u  weniger 
gegen  die  OOiter  alt  gegen  die  Stoiker  geht. 

8* 


116  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

SO  wendet  sich  das  Gespräch,  und  man  kommt  auf  die  Pronoia,  die 
nun  plötzlich  neben  Moiren  und  Göttern  auftaucht;  aber  der  Gott 
lehnt  es  ab,  darüber  zu  reden,  indem  er  es  tadelt,  daß  die  Fürsorge 
der  Götter  geleugnet  wird.  Worin  besteht  diese,  fragt  unbeirrt  Ky- 
niskos,  da  ihr  ja  auch  ntir  Diener  der  Moiren  seid,  also  nur  ihr  Werk- 
zeug und  deshalb  auch  der  Verehrung  unwürdig?  Zeus  begründet 
die  Berechtigung  auf  Verehrung  seitens  der  Menschen  mit  den  Orakeln. 
Aber  diese  sind  nach  Behauptung  seines  Gegners  überflüssig,  da  an 
der  Notwendigkeit  nun  einmal  nichts  zu  ändern  ist,  dann  aber  auch 
oft  zweideutig  und  darum  zwecklos.  Zeus  sieht  nun  ein,  daß  ihm 
die  Fürsorge  für  die  Erde  abgestritten,  das  Recht  auf  Opfer  geleugnet 
wird,  und  er  droht  mit  dem  Blitz,  was  den  frechen  Kyniskos  nur 
veranlaßt  zu  fragen,  wie  es  denn  kommt,  daß  so  oft  die  schuldlosen 
Eichen  getroffen  werden,  während  Übeltäter  und  Meineidige  frei  her- 
umgehen. Und  nun  kommt  die  Frage  der  Vergeltung  für  gute  und 
böse  Taten,  bei  der  natürlich  Zeus  auf  die  Strafen  in  der  Unterwelt 
verweist.  Kyniskos  jagt  endlich  den  Gott  völlig  in  die  Enge,  indem 
er  zum  Ausgang  des  Gesprächs  zurückkehrt.  Wenn  alles  vom  Schick- 
sal abhängt,  so  darf  der  Böse  nicht  gestraft  und  der  Gute  nicht  be- 
lohnt werden;  denn  die  Schuld  trägt  nicht  er,  sondern  die  Heimarmene 
und  die  Moira.  Mit  einer  scherzhaften  Bemerkung  über  das  nicht 
beneidenswerte  Los  der  Moiren,  das  ein  ungünstiges  Schicksal  über 
sie  verhängt  zu  haben  scheine,  schließt  der  Dialog. 

Die  kleine  Schrift  weicht  von  den  bisher  besprochenen  ab,  es 
fehlt  ihr  der  Rahmen;  wir  sehen  Zeus  und  den  Kyniskos  im  Gespräch, 
ohne  zu  wissen,  wie  dasselbe  möglich  geworden  ist,  ohne  zu  erfahren, 
ob  Zeus  sich  zu  dem  Fragenden  hinabbegeben  oder  dieser  auf  irgend 
eine  wunderbare  Weise  zu  jenem  emporgelangt  ist.  Man  könnte  daran 
denken,  daß  Kyniskos  sich  ans  Heiligtum  des  Zeus  gewandt  hat; 
nahegelegt  wird  das  vielleicht  durch  Maximus  Tyrius  und  dessen 
Fiktion  (41,  2) :  cpsQs  ^l^tjöcc^evol  tovg  dscDQOvg  SKsCvovgj  tovg  xol- 
vovg^  tovg  vtcsq  xov  ysvovg  sjil  tä  ^avtsla  ötaXivxagj  EQcb^sd'a  rhv 
^Ca^  xCg  rvbv  dvd-Q(o:tiV(DV  dya&cjv  jtati]Q  xal  xo^rjyög^  tCv£g  ocQXocCj 
xCvBg  Ttrjyai,  :t6%-ev  OQ^rjd^svta  qsi.  Aber  eine  solche  Situation  ist 
nicht  im  entferntesten  angedeutet,  und  daß  der  Gott,  wenn  auch  in 
seinem  eigenen  Tempel,  sich  zu  dem  Fragesteller  hinabbemüht  hat, 
ist  durch  nichts  klargemacht.  So  hat  sich  also  Kyniskos  zu  Zeus 
begeben.  Daß  das  der  Fall  ist,  geht  aus  den  Worten  des  Gottes  (16) 
hervor:  6v  dh  TtokvnQdy^cov  ng  sl  xal  ovx  otd^  ödsv  tavta  iJKSig  fiOL 
öv^7t€(poQr]}CG)g.     Wir  erkennen  also,    daß    wir    uns  dieselbe  Situation 


Anfang  des  Dialogs.  117 

zu  denken  haben,  wie  sie  im  'Ikaromenipp'  vorliegt,  wo  ja  Zeus  mit 
dem  Kyniker  längere  Zeit  sich  allein  unterhält,  als  er  zur  Stätte  der 
Wünsche  wandert  und  mit  ihm  dann  von  dort  zurückkehrt.^;  Sollte 
es  nun  ein  Zufall  sein,  daß  dieser  Dialog  eben  an  die  Wünsche  der 
übrigen  Menschen  anknüpft:  iya  de  a  Zev  xä  luv  xoiavxa  ovx  ^vo- 
Xlri0(o  6£  jtXovxov  xal  xqvöCov  xal  ßaöiXeCag  alxav  usw.?  Man  könnte 
sogar  versucht  sein,  in  dem  de  noch  den  Überrest  der  früher  vor- 
handenen Anknüpfung  zu  sehen,  wie  bei  Apuleius'  Roman  der  Anfang 
'at  ego'  höchst  wahrscheinlich  darauf  zurückzuführen  ist^),  daß  wir 
hier  die  Bearbeitung  eines  Teiles  aus  einer  größeren  Sammlung 
von  Metamorphosen  haben,  bei  der  jeder  Erzähler  wie  in  ^Tausend 
und  eine  Nacht',  in  Boccaccios  ^Decamerone'  oder  wie  oft  in  Ovids 
'Metamorphosen'  eine  Geschichte  zum  besten  gibt,  so  daß  der  be- 
wußte Gegensatz  der  einzelnen  sich  von  selbst  ergibt.  Aber  der 
Schluß  ist  zweifelhaft  für  Lucian,  weil  hier  Nachahmunor  vorliegen 
könnte.  Xenophon  hat,  wenigstens  nach  der  heutigen  Überlieferung, 
mehrere  seiner  Dialoge  in  dieser  Weise  mit  Ös  beginnen  lassen,  falls 
es  nicht  sein  Redaktor  war,  offenbar,  indem  er  sie  dadurch  gewisser- 
maßen in  einen  Zusammenhang  bringen  wollte,  wie  er  ja  die  Hellenika 
durch  dt  an  Thukydides'  Geschichtswerk  anschließt.  So  hängen 
'Oeconomicus'  und  'Apologie'  mit  den  äTtofivii^ovsv^iaxa  zusammen, 
zumal  in  jener  Schrift  bei  dem  Anfang:  iixovöa  de  Tioxe  avxov  vor- 
ausgesetzt wird,  daß  man  unter  avxov  Sokrates  versteht.  Auch  bei 
Dio  Chrysostomos  findet  sich  in  der  75.  und  76.  Rede  das  öt  im  An- 
fang, dort  allerdings  nicht  unwahrscheinlich  von  Arnim'*)  erklärt 
durch  die  Annahme,  daß  die  TtgoXakud  in  der  Überlieferung  fort- 
gelassen sind.  Lucian  hat  diese  Art  zu  beginnen  bei  den  kleinen  Ge- 
sprächen, aber  mit  anderer  Absicht,  ein  paarmal  angewandt"*);  da  hat 
es  den  Zweck,  uns  unmittelbar  in  das  Gespräch  einzuführen  und  den 
Anschein  zu  erwecken,  daß  schon  mehreres  vorher  behandelt  ist,  wir 


1)  Hirzel,   Der  Dialog  II  322   erkennt    lichtig    den  Zusammenhang   dieses 

Dialogs  mit  dem  'Ikaromenipp',  denkt  sich  aber  Kyniskos  auf  Krden  im  Gebet  mit 

Zeus  redend.    Es  ist  ein  Verdienst  der  Dissertation  von  Knauer  (s.  oben  S.  15),  das 

'.A  der  'Widerlegung  des  Zeus',  des  'Ikaromenipp*  und  der  'Götterver- 

^''  S.  48  richtig  dargestellt  zu  haben. 

-.';  Leo,  Herrn.  \L  (1U06)  8.  ßor»  deutet  das  'at'  ebenso  wie  das  im  folgenden 
besprochene  iiXa;  mich  hindert  daran,  die  Hrscheinungon  gant  gleich  xu  setsen, 
(itiH  'ego\  das  mit  bewußter  Gegenüberstellung  gesagt  ist. 

8}  Lehen  und  Werke  des  Dio  von  Frusa,  Berlin  1808,  8.  166. 

4;  Dial.  mort   7.  18,  dial.  deor.  16,  meretr.  7.  8.  11.  18. 


H8  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

also  gleich  in  die  Mitte  der  Unterhaltung  eingeführt  werden.^)  Von 
den  platonischen  Dialogen  zeigt  nur  der  kleinere  Hippias  diese  Art 
des  Anfangs,  und  da  erkennt  man,,  daß  dieselbe  Absicht  vorliegt,  uns 
mit  größerer  Lebendigkeit  sofort  mitten  in  das  Wechselgespräch  zu 
versetzen.^)  Von  den  umfangreicheren  Gesprächen  Lucians  hat  allein 
der  'Anacharsis'  noch  diese  Eigenart;  und  auch  da  ist  ja  ohne  weiteres 
klar,  daß  die  Redenden  sich  im  Gymnasion  befinden  und  schon  vorher 
miteinander  gesprochen  haben.^)  Bei  unserem  Dialog  fällt  das  de 
darum  auf,  weil  man  sich  nicht  ohne  weiteres  in  die  Situation  denken 
kann;  klar  wird  es  erst,  sobald  man  sich  an  den  ^Ikaromenipp'  er- 
innert. Und  daß  Kyniskos  sich  in  einer  ähnlichen  Absicht  wie  dort 
Menipp  dem  Zeus  genähert  haben  muß,  ergibt  der  Satz  (10):  na^ä 
tivog  yccQ  ccv  aXXov  rcclrjd^tg  t]  TtaQa  0ov  ^cc^ol^l;^  der  ja  ganz  auf- 
fällig mit  dem  Beweggrund  übereinstimmt,  durch  den  Menipp  zu  seiner 
Luftreise  getrieben  ist.  Wenn  wir  nun  erwägen,  wie  der  Kyniskos 
in  der  'Xiederfahrt'  Lucian  als  Ersatz  gedient  hat,  um  nicht  denselben 
Namen  wiederzunehmen,  den  er  in  der  'Nekyomantie'  gewählt  hatte, 
und  dadurch  etwas  dem  Anschein  der  Wiederholung  zu  entgehen,  so 
drängt  sich  die  Vermutung  auf,  daß  auch  hier  dieser  Name  nur  dazu 
dient,  den  Menipp  der  Luftreise  zu  vertreten;  und  man  fühlt  sich  in 
dieser  Annahme  bestärkt,  wenn  man  das  Verhältnis  dieser  beiden 
Dialoge  dem  Inhalte  nach  überlegt.  Wir  wiesen  darauf  hin,  daß  ja 
die  Hauptsache  im  'Ikaromenipp'  fehlt;  der  Anlaß,  der  ihn  zum 
Himmel  geführt  hat,  der  Zweifel  an  den  Dogmen  der  Philosophen, 
an  ihren  Anschauungen  betreffs  der  Götter  ist  in  keiner  Weise  be- 
handelt. Hier  wird  wenigstens  ein  Teil  dieser  Fragen  im  Zwiegespräch 
mit  Zeus  erläutert :  die  dort  (9)  geäußerten  Zweifel  betreffs  des  Wesens 

1)  Etwas  anders  liegt  es  bei  äXXa  am  Anfang  der  Reden,  das  gleich  größere 
Lebhaftigkeit  bezeichnen  soll,  bei  Dio  Chrys.  12.  15.  29,  Lucian  bis  acc,  Aristides 
5.  9 ;  denn  ccXXä  wird  auch  sonst  gesetzt,  wenn  man  zu  sprechen  beginnt  (Kühner, 
Griech.  Gramm. ^  E  2  S.  287  f.).  Schmid,  Der  Atticismus,  Stuttg.  1887,  I  S.  180  urteilt 
nach  meinem  Empfinden  nicht  ganz  richtig,  wenn  er  ocXXd  und  8e  zusammenwirft. 

2)  Der  Kunstgriff  ist  auch  später  noch  beobachtet  worden;  so  fängt  Eras- 
mus  den  Dialog  auf  die  Franziskaner,  den  er  in  echt  menippischer  Weise 
7ftcoxo7tXov6LOL  betitelt  hat,  an:  ^atqui  pastorem  decet  hospitalitas',  und  der 
Herausgeber  Rabus,  Ulm  1712,  fügt  die  richtige  Anmerkung  hinzu:  more  comi- 
corum  ex  abrupto  orditur  colloquium,  quasi  iam  antea  collocuti  fuissent. 

3)  Es  entspricht  dies  ds  dem  Anfang  mit  ""et',  wie  er  sich  bei  den  Elegikern 
findet,  um  uns  auch  mitten  in  ein  Selbstgespräch  zu  versetzen  (s.  Properz  I  17,  1 
und  Rothsteins  Anmerkung  dazu),  auch  dem  ''ergo',  das  wenigstens  eine  längere 
Überlegung  vorspiegelt,  deren  Schluß  laut  gesagt  wird  (s.  Norden»  Vergils  Aeneis 
VI  S.  246  f.). 


Zusammenhang  mit  dem  Ikaromenipp.  119 

der  Götter  und  ihrer  Einwirkung  auf  die  irdischen  Vorgänge,  ob  die 
Welt  sorgsam  regiert  oder  herren-  und  führerlos  ist,  finden  hier  ihre 
Erledigung.  Da  läßt  sich  der  Gedanke  kaum  abweisen,  daß  wir  in 
der  'Widerlegung  des  Zeus'  nur  einen  Ausschnitt  aus  der  größeren 
Satire  Menipps  haben,  den  Lucian  bei  der  Hersteilung  seines  'Ikaro- 
menipp' übergangen  und  dann  in  einem  besonderen  Dialog  nachgeholt 
hat.  Daß  er  sich  dann  dabei  sehr  verbreitert  hat,  ist  selbstverständ- 
lich, und  dazu  stimmt  wieder,  daß  auch  diese  Schrift  wie  die  'Nieder- 
fahrt' das  eigentlich  menippische  Gepräge  nicht  aufweist;  an  Versen 
finden  sich  in  die  Prosa  eingemischt  nur  das  Laiosorakel  (13:  Eur. 
Phoen.  18  f.)  und  zwei  Homerverse  (2:  II.  XX  336,  4:  II.  AlII  24). 

Prüfen  wir  daraufhin  die  Anspielungen  und  Erwähnungen,  die 
in  dem  Dialog  enthalten  sind.  Hier  war  ja  nun  Lucian  ganz  un- 
gehindert, auch  in  die  Gegenwart  zu  greifen  oder  wenigstens  die  letzt- 
vergangenen Jahrhunderte  zu  streifen,  der  Kyniskos  legte  ihm  keinen 
Zwang  auf;  aber  auch  hier  weist  nichts  über  Menipp  hinaus,  und 
die  Beispiele  sind  auch  nicht  alle  derart,  daß  sie  aus  dem  Brauche  der 
Sophisten  allein  erklärt  werden  können.  Wir  haben  zunächst  eine 
Anzahl  mythischer  Namen  wie  Tityos  und  Tantalos  (17,  18),  Sisyphos 
(18),  Laios  (13).  Auf  historischen  Boden  kommen  wir  mit  dem  Bei- 
spiel des  Krösus,  dessen  Sohn  den  Tod  von  der  Lanze  des  Adrast  fand  und 
dadurch  den  ihm  gegebenen  Schicksalsspruch  erfüllte  (12),  und  von 
demselben  Krösus  wird  das  zweideutige  Orakel  vom  Halysflusse  an- 
geführt (14).  Charakteristisch  sind  die  Beispiele,  die  zum  Erweis  der 
Ungerechtigkeit  im  menschlichen  Leben  gewählt  sind  (16).  Am 
weitesten  zurück  liegt  Sardanapal,  übrigens  eine  typische  Gestalt  der 
Diatribe^),  der  trotz  seiner  weibischen  Natur  herrschte,  während  viele 
wackere  Perser  durch  ihn  umkamen;  näher  an  Lucians  Zeit  kommen 
wir  mit  Aristides  und  Phokion,  Kallias  und  Alkibiades,  die  je  zwei 
Beispiele  schlecht  behandelter  Tugend  und  glückbegünstigter  Schlech- 
tigkeit darstellen.  Aristides  starb  467,  Phokion  Ml 8,  Alkibiades  404. 
Bei  Kallias  haben  wir  an  den  Sohn  des  Hipponikos  zu  denken,  den 
Gönner  der  Sophisten,  der  421  von  Eupolis  in  den  'Schmeichlern' 
verspottet  wurde')  und  auch  Krntinos  zur  Zielscheibe  des  Witzes 
diente.^'     Anrli  «Um«  sind  sämtlich  typische  Personen.    Aber  den  ohne 

1;  \  yl.  lt.  bcliütze,  luvenÄÜa  ethicus,  Di»«.  Greifswald  IVOö,  S.  6». 

2)  MaximuH  Tyr.  20,  7;   Kock  1  S.  296. 

8;  Kock  I  8.  110  f.  VkI.  Kirchner,  Prosopographia  Attica  I  8.  680  f.  Nr  7H2«. 
Telei  IVB  8.  86,  18  ff.  H.,  der  cbento  Ari^tide«  und  KuUius  /.imammenitiUt.  denkt 
An  den  Oroßvat4'r  (Kirchner  a.  a.  0.  8.  619  f.  Nr.  7>*-»r. . 


120  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

ihr  Verdienst  mit  Reichtum  übermäßig  Gesegneten  gesellt  Lucian 
dann  den  Meidias  und  den  Ägineten  Charops  bei;  der  erste  ist  der 
bekannte  Reiche,  der,  auf  sein  Geld  protzend,  dem  Demosthenes 
ein  gut  Teil  seines  Lebens  in  gehässigster  Feindseligkeit  verbittert 
hat,  der  einmal  von  dem  Redner  wegen  Beschimpfung  belangt  wurde 
im  Jahre  363,  dann  im  Jahre  348  abermals  von  ihm  angeklagt 
wurde,  weil  er  ihn  als  Choregen  öffentlich  geohrfeigt  hatte. ^)  Un- 
bekannt ist  der  mit  ihm  zusammengestellte  Charops;  man  könnte 
an  eine  Erfindung  Lucians  denken,  wenn  nicht  seine  Charakteristik 
als  xCvatdog  ävd-QcoTtog  und  als  Mörder  seiner  Mutter,  die  er  ver- 
hungern ließ,  zu  bestimmt  erschiene.  Den  Beschluß  bilden  Sokrates 
und  sein  Ankläger  Meletos,  die  deutlich  die  Ungerechtigkeit  des 
Schicksals  gegenüber  den  Menschen  erweisen:  Sokrates  wurde  den 
Schergen  übergeben,  Meletos,  der  es  weit  eher  verdient  hätte, 
nicht. ^)  Man  muß  beachten,  daß  diese  Beziehungen  nur  bis  zur 
Zeit  des  Demosthenes  hinabführen  und  daß  zwei  der  Beispiele  nicht 
zu  den  typischen  gehören,  also  ihre  Anführung  nicht  aus  sich  selbst 
rechtfertigen. 

Der  Dialog  ist  gegen  die  Stoiker  und  ihre  Lehre  von  der  eC^aQ- 
liivri  gerichtet,  wie  sie  Chrysipp  in  einem  eigenen  Werke  dargelegt 
hatte  ^);  die  epikureische  Anschauung  von  den  Göttern  wird  eingefloch- 
ten,  weil  sie  sich  von  selber  ergab.  Die  stoische  Lehre  wird  getroffen, 
weil  sie  den  Zwiespalt  zwischen  dem  Fatum  und  den  volkstümlichen 
Göttern  nicht  zu  überbrücken  vermag.  Das  witzige  Vorspiel,  daß 
Homer  mit  seinem  vjteQ  ^öqov  Torheiten  geredet  habe,  enthält  nicht 
nur  einen  Hieb  auf  Chrysipps  Verwertung  von  Dichterzitaten  zum 
Beweis  für  das  Verhängnis^),  sondern  lehnt  sich  direkt  an  Zenos  Homer- 
kommentare an,  in  denen  er  gesagt  hatte :  ort  tu  (ihv  Kaxä  do^av^  xä 
öa  Ttax  dkr^dsiäv  'y8'yQa(p6v^)j  darin  übrigens  schon  An tisthenes  folgend.^) 


1)  Siehe  Schäfer,  Demosthenes  und  seine  Zeit,  Leipz.  1885,  II- S.  86  ff.; 
Kirchner,  Prosopogr,  Att.  11  S.  56  f 

2)  Von  einer  späteren  Bestrafung  des  Meletos,  wenn  sie  stattfand  (Diog. 
Laert.  II  4.3),  weiß  der  Schriftsteller  so  wenig,  wie  er  des  Alkibiades  Sturz  be- 
rücksichtigt.    Das  würde  ja  die  rhetorischen  Gegensätze  unmöglich  machen. 

3)  Gercke,  Chrysippea,  Jahrb.  f  klass.  Phil.  Suppl.  XIV  S.  715  ff.;  v.  Arnim, 
Stoic.  vet.  fragmenta  11  S.  264  ff. 

4)  Auf  das  Zitat  von  Homer  11.  XX  127:  ugöcc  ol  cctaa  ysivo^^vm  iTtevr^as 
Xivtp  nimmt  gleich  c.  1  bezug:  daß  es  sich  auch  bei  Chrysipp  benutzt  fand, 
lehrt  Diogenian  bei  Euseb    praep.  ev.  VI  8,2  (262 b). 

5)  Dio  Chrysost.  53,  4  (II  276  R.  11  110,  29  v.  Arnim). 

6)  Siehe  Dümmler,  Antisthenica,  Bonn.  Diss.  1882,  S.  24.  Dio  a.  a.  0.:  6  äh 


Götter  und  Schicksal.  121 

Der  ganze  Gedanke,  daß  auch  die  Götter  Sklaven  sind,  weil  sie 
der  Moira  unterworfen  sind  —  ö^oöovXoi  rav  ävd-QGinov  nennt 
sie  Kyniskos  (7)  —  kehrt  bei  Libanius  in  der  Rede  tcbql  öovksCag 
wieder^),  die  mit  ihrer  Schilderung  menschlicher  Unfreiheit,  auch  sonst 
mit  manchen  Einzelheiten  deutlich  ihre  Entstehung  aus  der  kynischen 
Diatribe  verrät.^)  Aus  dem  Zugeständnis,  daß  auch  die  Götter  dem 
Fatuni  sich  fügen  müssen,  folgt  von  selbst,  daß  Opfer  und  Gebete 
ihnen  gegenüber  überflüssig  sind.  Der  Gedanke  ist  ähnlich  von  Maxi- 
mus Tyrius  (11,5)  in  dem  Vortrag  eC  dal  svxsöd-at,  ausgesprochen; 
das  Schicksal  ist  etwas  Unwandelbares,  Tyrannisches;  selbst  Zeus  ist 

ihm  unterworfen,  darum:   rtra änoiva  ddrtf^  tfj  sl^aQ^avt]  ixkv- 

(JÖ^uf^a  iavtovg  xijg  dvdyxr^g  xal  xov  deöuov^  xCva  iQ'^^ov^  rCvu  d'€- 
guTCEucv^  xCva  d-vcUcv^  xCva  svxriv'^)  Und  Seneca  setzt  sich  mit  der 
Vigida  secta'  derjenigen  auseinander,  die  da  fragen  (nat.  quaest.  II  35): 
'expiationes  procurationesque  quo  pertinent,  si  inmutabilia  sunt  fata?'*) 
Man  muß  sich  vergegenwärtigen,  daß  die  Kyniker  die  Opfer  sowohl 
wie  die  Gebete  im  herkömmlichen  Sinne  ablehnten;  und  von  Dioffenes 
wissen  wir,    daß  er  den  Tempeln  fernblieb.^)     Wir  befinden  uns  also 

Xoyog  ovxos  kvxia^ivovs  icxl  TCQÖxeqov,  ort,  ra  ^hv  «yö^/;,  rar  de  äXri&sicc  sCQr]Tai 
Tffl  TioiTiT^.  über  den  Inhalt  von  Oinomaos'  nsgl  ti)g  xa-O**  "OjuTjpov  (piXoaütpiag 
(Suidas  8.  V.  Olvöiuco?)  ist  nichts  bekannt;  ich  möchte  glauben,  daß  die  Schrift, 
wie  nach  Lahrs  De  Aristarch.  stud.  Hom.'\  Lpzg.  1882,  S.  205  der  Kyniker  Zoilus 
seine  Ironie  über  die  studia  doctorum  ergoß,  so  die  Neigung,  Philosophisches 
aus  Homer  zu  schöpfen,  verspottete.  (Saarmann,  De  Oenomao  Gadareno,  Tübing. 
Diss.  1887,  S.  9;  Wendlands  Besprechung  Berl.  phil.  Woch.  1887  Sp.  1270.) 

1)  Lib.  26,  7:   A^yti   Sh   xal  i]  UvQ^ict :  xi]v   nengoi^^vriv  iioigriv  &Svvcc- 

Tor  iaxiv  &noff>vyBlv  xal  -^tw;  und  dann  wird  die  Gewalt  der  Moiren  geschildert; 
t'j*  geschieht  oaa  ol  alaa  ytivo^vM  i7iivr\GB  Xivoj. 

2    Ich  verweise  auf  das  zur  ßiav  jtQ&ai^  Kap.  X  Gesagte. 

Lucian  lupp.  conf.  6:  el  .  .  .  ndvxcav  al  MoTgaL  xQaxoÜat,  xal  ovdhv  otv 
1 7t  urdtvbg  ^dXayBlr]  x&v  una^  do^dvxcav  a^rafg,  xirog  ivfxct  v/zfr  oi  &v9^go}itoi 
9vo\itv  xal  ixctxo^pug  ngoaäyofifv  .  .  .;  In  Kürze  faßt  alle  Folgerungen  aus  der 
Annahme  der  fi/iap/u'rrj  Alexander  von  Aphrodisias  zusammen  de  fato  20,  67 
'  lUO,  26  Bruns):  xut  yug  xovxo  nfntaxBvx6xt  ovx  iTtixt^^aat  ritu,  ovx  inociviccii 
Ttva,  o^  avußovXt^aai  nvt,  o^  ngoxgi^mc^ai  ttva,  oi)x  tf'latfO'at  ^tolgy  o^  %dgtv 
ttvrolg  yv&vui  Tttgi  xivtov,  oix  &XXo  rt  noietv  olov  xb  xätv  6(pBtXonha}V  ti>X6YOig 
yivBö^ai  vnb  xätv  toO  noiBtv  ixaaxov  vtv  noiof'Oiv  xi]v  i^ovaiav  (^i^^tv^  nt- 
rTiaxBVx6x(OP. 

Aj  Anden  ist  die  BegHlndung  bei  Sen.  epint    i  i    i     1 1   .  1 1  II       non  Runt  nH 
caelum  elevandae  manu«    nee  exorandus  aedituuh.    ut    n        t  i    m  ; 
qoAti  magiM  exaudiri  |HisfimuH,  admittai. 

6)  Zeller,   Die  Phil.  d.  Griechen  II  ♦  32.»    \nin    i  i        ,    \      i       i 

•cl       ■         i-M  mit  seiner  Armut,   or»  ^r;  irgoaijn  ^»^di  H^tgdnivt  toi-g  rti- 
XU  .    iiTidh  tohg  ßtonovg  (n.  oben  8.  91  f.). 


122  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

mit  dem  Gedanken  der  Zwecklosigkeit  der  Opfer  durchaus  auf  kyui- 
schem  Boden. 

Mit  dem  letzten  Schluß  war  das  eigentliche  Thema  gewonnen: 
Wodurch  ist  die  übliche  Verehrung  der  Götter  seitens  der  Menschen 
berechtigt?  Daß  sie  das  Schicksal  der  Menschen  ändern  können,  ist 
ja  nun  ausgeschlossen.  Die  erste  Antwort  ist:  Dadurch,  daß  sie 
besser  sind  als  die  Menschen  und  diese  die  höheren  Vorzüge  in  ihnen 
anerkennen,  die  dann  noch  von  Zeus  nach  epikureischer  Anschauung 
genauer  defiuiei-t  werden  als  Ewigkeit  und  Glückseligkeit.^)  Kyniskos 
beruft  sich  dagegen  einfach  auf  die  Unglücklichen  unter  den  Göttern, 
Avie  den  lahmen  Hephaistos,  den  gefesselten  Kronos,  den  gemarterten 
Prometheus  und  die  beiden  zum  Herrendienst  Verurteilten,  Apoll  und 
Poseidon.  Er  bat  sich  die  Widerlegung  bequem  gemacht,  indem  er 
als  Beweis  die  Dichtermythologie  heranzieht,  offenbar  mit  Absicht, 
um  die  stoische  Methode  ad  absurdum  zu  führen.  Ernster  ist  das- 
selbe Problem  bei  Maximus  Tyrius  10  behandelt,  wo  nach  einer  Ver- 
gleichung  der  Anschauungen  von  Dichtern  und  Philosophen  über  die 
Götter  die  epikureische  Auffassung  von  den  sorglosen  Göttern  allein 
verworfen  wird,  weil  in  der  Tätigkeit  selber  ein  Gut  liegt  und  ihr 
Fehlen  den  Göttern  das  Wichtigste  nehmen  würde. ^) 

Das  zweite  Argument  des  Zeus  ist  die  TtQovoLa,  mit  der  er  auf 
dem  Plan  erscheint,  obwohl  sie  ja  eigentlich  durch  die  angenommene 
Stellung  des  Fatums  abgetan  ist^)-,  aber  Chrysipp  hatte  sie  selbst  bei 
der  Annahme  des  Fatums  ausdrücklich  zu  erweisen  gesucht*),  natür- 
lich als  dasselbe,  nur  von  einem  andern  Gesichtspunkt  gesehen,  und 
so    durfte    sie    nicht    fehlen.     Kyniskos    faßt    die  Pronoia  als  Person. 


1)  Diog.  L.  X  123  (üsener,  Epicurea  59,  16):  rbv  %ebv  ^mov  acp^ccQtov  xort 
yLccKaqiov^  Cic.  de  nat.  d.  I  17,  45:  cum  et  aeterna  esset  et  beatissima. 

2)  So  aucli  Cic.  de  nat.  d.  I  37,  102:  at  ipsi  .  .  .  pueri,  etiam  cum  cessant, 
exercitatione  aliqua  ludicra  delectantur ;  deum  sie  feriatum  volumus  cessatione 
torpere,  ut,  ßi  se  commoverit,  vereamur  ne  beatus  esse  non  possit?  Haec  oratio 
non  modo  deos  spoliat  motu  et  actione  divina,  sed  etiam  homines  inertis  efficit, 
si  quidem  agens  aliquid  ne  deus  quidem  esse  beatus  potest.  Ygl.  auch  I  41, 116. 

3)  Alexander  Aplirod.  de  fato  17,  61  (188,  1  Bruns):  Tt&g  d'  av  aoi^oisv 
xoiuvxa  Xiyovtsg  r^v  vnb  rmv  d-a&v  yLvo^Bvr]v  x&tv  Q'vrixcbv  TiQovoiav. 

4)  Chalcid.  in  Plat.  Tim.  144 :  nommlli  putant  praesumi  diflferentiam  pro- 
videntiae  fatique,  cum  reapse  una  sit:  quippe  providentiam  dei  fore  voluntatem, 
voluntatem  porro  eins  seriem  esse  causarum;  et  ex  eo  quidem,  quia  voluntas 
Providentia  est,  porro  quia  eadem  series  causarum  est,  fatum  cognominatum. 
ex  quo  fieri  ut  quae  secundum  fatum  sunt  etiam  ex  Providentia  sint  eodemque 
modo  quae  secundum  providentiam  ex  fato,  ut  putat  Chrysippus  (Gercke, 
Chrysippea  S.  719,  v.  Arnim,  Stoic.  vet.  fr.  11  S.  268). 


Epikureische  Götter,  Vorsehung,  Mantik.  123 

Daß  diese  Verspottung  der  Pronoia  als  Persönlichkeit  älter  ist  als 
Lucian,  zeigt  die  Rede  des  Epikureers  Velleius  in  Ciceros  de  nat. 
deor.  I  8,  18 ff.,  wo  sie  als  'anus  fatidica'  bezeichnet  wird^)  in  einer 
Stelle,  die  durch  das  Hamquam  ex  deorum  concilio'  uns  schon  früher 
an  uienippischen  Ton  erinnert  hat.  Und  wenn  Zeus  jede  Auskunft 
darüber  ablehnt  (10):  ijdrj  6ot  xal  TtQÖtSQov  6(pi]v  ov  d-s^Ltov  elvai 
Tcdvra  ös  eiÖivai^  so  scheint  es,  als  ob  damit  ein  wirklich  von  den 
Stoikern  vorgebrachter  Ausweg  verhöhnt  wird;  denn  ebenso  läßt  Cicero 
seinen  Bruder  de  divin.  I  18,  35  sagen  betreffs  der  von  den  Stoikern 
verteidigten  Weissagung,  deren  natürlichen  Grund  er  nicht  zu  er- 
mitteLu  vermag:  'non  enim  me  deus  ista  scire,  sed  bis  tantum  modo 
uti  voluit.'  Über  die  jtQÖvoLa  scheint  schon  Menander  gespottet  zu 
haben,  wenn  er  die  Tvir^  als  diejenige  ausgibt,  der  man  den  Namen 
:iq6volu  mit  Recht  beilegen  würde  ^),  wie  auch  das  Fatum,  wenigstens 
in  der  römischen  Posse,  also  doch  wohl  auch  bei  den  Griechen,  den 
Gegenstand  der  Witze  gebildet  hat.^)  Mit  der  boshaften  Bemerkung, 
daß  die  Götter  bei  der  vorher  aufgestellten  Ansicht  vom  Fatum  nur 
Werkzeuge  in  dessen  Hand  seien,  daß  im  übrigen  die  :rQ6voLa  nur 
diesem  zukommen  würde,  aber  auch  dieses,  weil  es  unabänderlich  sei, 
keine  Opfer  verdiene,  ist  das  Argument  abgetan.  Wirkliche  philo- 
sophische Gedanken  sind,  wie  man  sieht,  von  Lucian  hier  überhaupt 
nicht  behandelt. 

Es  folgt  drittens  die  Mantik,  über  die  Chrysipp  ja  ebenfalls  zwei 
Bücher  geschrieben  und  die  er  mit  zahllosen  Beispielen  belegt  hatte.*) 
Zweierlei  wird  gegen  diesen  Grund  der  Götterverehrung  geltend  ge- 
macht ;  erstens :  die  Weissagung  ist  zwecklos,  da  der  Mensch  am  Ver- 
hängnis doch  nichts  ändern  kann,  zweitens:  die  Orakel  sind  oft  dunkel 
und  trügerisch;  beide  Einwände  finden  sich  auch  nach  akademischer 
Quelle  in  Ciceros  Schrift  de  divinatione;  in  aller  Kürze  heißt  es 
II  8,20:  *8i  omnia  fato,  quid  mihi  divinatio  prodest^)?'  entsprechend 

1)  Vgl.  Cio.  de  nat.  d.  II  2U,  73:  existumas  ab  iig  providentiam  fingi  quasi 
quandani  deam  singularem  ([uae  muu<him  omnem  gubemet  ot  regat. 

2)  Kock  III  S.  Vid\  allordinge  handelt  es  sich  da  mehr  um  die  menschliche 
itifovoia  (vgl.  S.  140  fr.  486).  Auch  Nikostratos  sagte  (Kock  U  S.  226  fr.  19): 
T177J  xii  dvrft&v  7tQdYiici^\  ^  7C(f6voia  dh  TV(pX6v  rt  ytAarrtwuTov  taxiVy  &  ndttg. 
Da«  Zitat  fand  sich  ofTenbar  auch  in  der  Diatribe,  aus  der  Libauius  ntifl  Sov- 
Jitias  (25,  11^  schupfte. 

8;  Cic.  do  div.  II  10,  26. 
4)  Cic.  de  div.  I  8,  0.  lü,  87. 

b)  Ähnlich  tagt  Soneca  Aber  das  Yotlxiv.  i.<t.  .  |..^i.  ^.^, 

15  (851, 18  iT.  H.):  sive  quicquid  evcuit  faciunt,  m  i  uotitia  pro- 


124  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

dem  Wort   des  Kyniskos  (12):   äxQriötov TtQosLÖivai  tä  iieXkovza 

olg  ys  t6  (pvXd^aöd^aL  a-^rd:  ndvxcog  &övvuxov^  und  dann  wird  das  an 
dem  Beispiel  des  Deiotarus  ebenso  erwiesen  wie  bei  Lucian  (12)  am 
Beispiel  des  Sohnes  des  Krösus.  Scharf  lehnt  Cicero  ab,  daß  uns  die 
Weissagung  irgendwie  zu  größerer  Vorsicht  anleiten  könnte  (21):  *si 
fato  omnia  fiunt,  nihil  nos  admonere  potest  ut  cautiores  simus;  quo- 
quo  enim  modo  nos  gesserimus,  fiet  tamen  illud  quod  futurum  est.' 
Ja.  er  steigert  seine  Gegenargumente  sogar  bis  zu  der  Behauptung 
(22):  ^ego  ne  utilem  quidem  arbitror  esse  nobis  futurarum  rerum 
scientiam',  denn  der  Mensch  würde  keine  ruhige  Stunde  haben,  wenn 
er  alles  vorherwüßte,  was  ihn  im  Leben  treffen  wird.^)  Auch  bei 
Maximus  Tjrius  haben  wir  einen  Vortrag  über  die  Mantik  (19);  es 
ist  bezeichnend,  daß  wir  hier  (5)  trotz  der  andern  Tendenz  —  Maximus 
neigt  schließlich  zur  Verteidigung  der  stoischen  Ansicht  von  der 
Willensfreiheit  trotz  der  Richtigkeit  der  Mantik  —  dieselben  Beispiele 
wiederfinden,  die  Lucian  benutzt,  das  Laiosorakel,  das  dem  Krösus 
gegebene  Orakel  betreffs  des  Überschreitens  des  Halys  (Herodot  1  53); 
ja,  die  Versuchung  des  delphischen  Gottes,  die  sich  Krösus  erlaubte, 
indem  er  eine  Schildkröte  unter  das  Opferfleisch  mischte,  wird  bei  Maxi- 
mus auch  angeführt  (19,  3)^),  allerdings  ernstlich  mit  der  Versicherung, 
daß  die  Gottheit  alles  wisse,  während  bei  Lucian  damit  der  GroU  des 
Apollo  erklärt  wird,  der  ihn  zu  einem  zweideutigen  Orakelspruch  ver- 
anlaßte.  Die  dem  Krösus  gewordene  Antwort  gehört  bei  Lucian  in 
den  zweiten  Einwand,  die  Undeutlichkeit  oder  Zweideutigkeit  der 
Orakel.  Zu  demselben  Zweck  wird  sie  bei  Cicero  de  div.  11  56,  115 
vorgebracht.  Es  ist  klar,  daß  die  beiden  Orakelsprüche  in  diesen 
Untersuchungen  typisch  sind.  Das  Laiosorakel  wird  ebenso  bei  dem 
Kyniker  Oinomaos  erörtert  und  daran  der  Widerspruch  zwischen 
eigenem  Wollen   und  dem  Verhängnis  gezeigt^);    und  Alexander  von 


ficiet?  sive  significant,  quid  refert  providere  quod  effugere  non  possis?  scias  ista, 
nescias,  fient.  Auch  der  Epikureer  Diogenian  kämpft  gegen  die  Orakelsprüche 
als  nutzlos:  x6  ys  ccj^qsIov  ^osßd^ccL  rr}v  TtQOccyoQSvßiv  navtl  nov  SfjXov  av  siri 
(Euseb.  praep.  ev.  IV  3,  10  [138  d])  oder:  rt  yccg  öcpsXog  fj^iTv  rjv  TTQO^Dcvd-dvELv 
rä  TtdvTcog  iöoiisva  ävex^gf],  a  ovöh  ngocpvXd^aod'cci  dvvurbv  ccv  slt]  (IV  3,  7 
[138  b.]). 

1)  Ebenso  de  nat.  d.  in  6, 14:  saepe  autem  ne  utile  quidem  est  scire,  quid 
futurum  sit;  miserum  est  enim  nihil  proficientem  angi  nee  habere  ne  spei  qui- 
dem extremum  et  tamen  commune  solacium.  Vgl.  de  div.  II  51, 105,  Gell.  XIV  1, 36. 

2)  Maximus  liebt  diese  auf  Krösus  bezüglichen  Orakel,  da  er  sie  auch 
11,  2.    17,  6.   35,  7  wieder  vorbringt. 

3)  Euseb.  praep.  evang.  VI  7,  22  (258  a). 


Mantik.  125 

Aphrodisias  zieht  gleichfalls,  um  das  aroziov  zu  beweisen,  das  bei 
der  Mantik  und  der  Anuahme  der  ti^aQ^evr]  besteht,  das  Laiosorakel 
mit  den  Euripidesversen  heran;  er  widerlegt  dabei  die  Ansicht,  als  sei 
das  Orakel  nötig  gewesen,  um  das  Schicksal  zu  erfüllen,  da  sonst 
Laios  den  Ödipus  nicht  ausgesetzt  hätte.^)  Epiktet  (III  1,  16  ff.)  be- 
nutzt den  Laios  als  Beispiel  für  Menschen,  die  dem  Besseren  nicht 
folgen  wollen,  und  erklärt,  Apoll  mußte,  obwohl  er  das  vorauswußte, 
das  Orakel  geben,  weil  er  die  Quelle  der  Wahrheit  ist.  Beide  Sprüche, 
der  für  Laios  und  der  für  Krösus,  finden  sich  bei  Dio  Chrysostomos 
in  derselben  Reihenfolge  und  unmittelbar  hintereinander  wieder  in  der 
10.  Rede  (24  ff.  304  R.  I  113,26  v.  Arnim)  als  Argument  dafür,  daß  die 
Menschen  die  Orakel  nicht  zu  gebrauchen  wissen,  und  zugleich  in  feiner 
Beweisführung  auch  dafür,  daß  die  Menschen  überhaupt  kein  Orakel 
nötig  haben;  denn  wer  Verstand  hat,  wird  von  selber  wissen,  was  er 
zu  tun  hat.^)  Die  kynische  Richtung  dieser  Rede  verrät  sich  nicht 
nur  dadurch,  daß  Diogenes  darin  der  Sprecher  ist,  sondern  noch  mehr 
durch  die  Verteidigung  der  Ehe  des  Ödipus^),  wie  ja  schon  Antisthenes 
an  solchen  Verbindungen  keinen  Anstoß  nahm.^)  Wir  wissen  ja  auch 
sonst,  daß  die  Mantik,  wie  von  Karneades  und  den  Epikureern,  so 
auch  von  den  Kynikem  abgelehnt  wurde. ^)  Von  Diogenes  wird  das 
Wort  berichtet  (Diog.  L.  VI  24) :  Beim  Anblick  von  Steuermännern, 
Ärzten  und  Philosophen  erscheine  ihm  der  Mensch  als  das  verstän- 
digste Geschöpf;  wenn  er  dagegen  Traumdeuter  und  Wahrsager  sehe, 
und  Menschen,  die  nach  ihnen  sich  richten,  so  käme  es  ihm  so  vor, 
als  gäbe  es  nichts  Törichteres  als  den  Menschen.  Und  die  Gedanken, 
die  Dio  in  der  10.  Rede  dem  Diogenes  .gegen  die  Mantik  in  den  Mund 
legt,  sind  für  diesen  durchaus  angemessen.  Gegen  den  Betrug  des 
Orakelwesens  ist  der  ganze  Abschnitt  gerichtet,  den  uns  Eusebius  aus 


1)  .\lex.  Aphr.  31,  97f.  (S.  202,8  Bruns).  Der  Schluß  ist  (S.  202,  25):  sira 
rig  xuvxa  Xiycov  n&g  J)  Oto^ei  (iccvrixijv  rj  negl  d^füjv  i-vai-ßi-T^  diSciaxsi  nQoXi'jil^stg 
^  XQriaiiiov  XI  dtixvvaiv  ll%ovöav  ttJi'  iucvxLH'qv; 

2)  10,  28:  YQÜfi^axa  6'  tldöag^  xctX  ^t]  xov  ittui  f.t-f.crutioiy  xaxoc  Xi^önop 
yQutiftig  xal  ivayvmay  o^oiag  Öh  älXo  ortoOv  TtQÜXTSiv,  fäv  avußovksvatj  6ot  ni} 
ini&ta^v(p^  ovx  olog  xf  fffft,  xal  ^t)v  SQ^utg  ov  dvvijay  ^i}  intoxdiuvog,  ourf*  ccv 
%axu  xifV  i^^iigav  ixüatT]v  xüv  'Anöllio  ivo^X^g  xal  ool  ^ovo)  axoXa^rj.  rnvv  di 
fx^ov  yvütajj  &ito  Oiuvxov  oxi  aoi  ngccxriov  iaxl  xai  ontag. 

Z}  10,30:  oi  de  &XfxxQv6veg  ovx  &Yccvaxxoi>atv  inl  xovxoig  oi>äh  oi  ».  i.»  ovÖh 
x&v  Övtov  oifdilg^  ovdl;  ol  Uigaai.     Vgl.  Weber,  Leipz.  Stud.  XI  S.  141  ff. 

4;  Dflmmlcr,  AnÜHihenica,  DisH.  Bonn.  1882,  8.  6. 

/>)  Vgl.  KuMcli.  pnu'p  cv.  IV  2,  18  (186  b).  8,  14  (189  bo).  Ck.  de  nat.  deor. 
II  66,  162. 


126  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

der  'Schwindlerentlarvung'  des  Oinomaos  erhalten  hat  (praep.  ev.  VI  7 
255 b).^)  Eine  Abweisung  der  W^eissager  durch  den  Kyniker  Demonax 
ist  in  dessen  Lebensbesehreibung  (37)  enthalten.  Auch  diesen  Ab- 
schnitt schließt  Kyniskos  damit,  daß,  wenn  in  der  Mantik  überhaupt 
ein  Verdienst  läge,  dieses  dem  Schicksal  zukäme,  das  durch  die  Ver- 
mittlung der  Götter  waltet. 

Wie  zu  der  Erörterung  der  ^tQOvoLu  ein  kleiner  Salto  mortale 
führte,  so  wird  durch  die  Drohung  des  Zeus  mit  dem  Blitzstrahl  ein 
vierter  Punkt  angeregt,  der  schon  in  Aristophanes'  ^Wolken'  (399  ff.) 
in  gleicher  Weise  gestaltet  ist^):  Warum  trifft  der  Blitz  so  oft  Un- 
schuldige, seien  es  Menschen  oder  Gegenstände,  während  er  die  Räuber 
und  Übeltäter  verschont?^)  Und  weiter:  Warum  geht  es  den  Guten 
so  oft  schlecht,  den  Schlechten  aber  gut  auf  Erden?  Zeus^  eigene 
Theodicee  fällt  sehr  mangelhaft  aus  •,  über  die  zwecklosen  Blitze  äußert 
er  sich  gar  nicht;  und  doch  war  dieser  Vorwurf  nicht  ungewöhnlich. 
Er  kehrt  z.  B.  wieder  bei  Lucrez  VI  396  ff.  und  Cicero  de  div.  II 
19,  44 f.;  Philo  de  Providentia  I  38  sucht  das  Argument  zu  entkräften, 
indem  er  die  vergeblichen  Blitzschläge  gleichsam  als  Mahnungen  und 
Warnungszeichen  ausgibt.^)    Der  Zeus  benimmt  sich  überhaupt  recht 


1)  Auf  einzelne  Übereinstimmungen  mit  Plutarch  de  Pyth.  orac.  macht 
Wendland  aufmerksam,  Berl.  phil.  Woch.  1887  S.  1271;  so  finden  sich  unter  den 
Vorwürfen  gegen  die  Orakel  c.  24  die  yläacai  ■xccl  Ttsgicpgccasis  xo:l  äöcccptia,  was 
sich  ja  auch  mit  Lucian  (14)  berührt.  Dagegen  die  Entrüstung  des  Kynikers 
Didymus  in  Plutarchs  de  def.  orac.  7  ist  ganz  anders  geartet  und  von  Saai-mann, 
Adnot.  ad  Oen.  cyn.  fr.,  Progr.  Dortmund  1889,  S.  36  und  Wendland  a.  a.  0.  nicht 
mit  Recht  gleichgestellt.  Der  Kyniker  ereifert  sich  über  die  Verworfenheit  und 
Frechheit  der  Mensehen,  die  ihre  sündigen  Gedanken  den  Göttern  gegenüber 
äußern  und  zu  Fragen  gestalten,  die  schon  längst  die  Götter  hätten  veran- 
lassen müssen  alle  Orakelstätten  zu  schließen.  Die  Entrüstung  ist  dieselbe  wie 
Pers.  n  21  ff. 

2)  Ucog ,   slnsQ   ßdXXsi   tovg   irtLOQyiOvg,    dfit'  ov%l  ^Ji^iav'   ivB7tQr\G£v^ 

ovSh  KXscovvfiov  ovSh  Gscoqov;  v-aitoi  Gcpodgcc  y'  si'o'  iTtiogxot.  ccXlcc  tbv  avtov 
ys  vsoov  ßdXXsi  xccl  Hovviov^  ay.QOv  'J&rivBtov,  -nal  ta?  dgvg  tag  ^sydXag'  vi 
nad-mv;  ov  yccQ  di]  Sgvg  y'  iitLOQ-nst. 

3)  lupp.  conf.  16:  rt  drjnoxE  tovg  IsgoGvXovg  xal  Xrjßtccg  atpivtsg  xai  xoaov- 
Tovg  vßQLGxag  xal  ßialovg  xaX  iTtiOQy-ovg  Sqvv  tiva  TtoXXäxig  ytsgavvovTS  r}  Xid^ov 
i)  vsoag  latbv  ovdlv  ccdL7tov6rig; 

4)  De  prov.  I  38:  in  ligna  ac  saxa  fulmina  mittit,  haud  materiam  dolore 
volens  afficere,  sed  prudentem  providentiae  disciplinam  ostendere  hominibus,  und 
I  54:  benignitatis  est  argumentum  id  quoque,  quod  super  saxa  lignaque  identidem 
cadant  fulmina;  monitionis  enim  causa  ita  disponit  Providentia  nolens  penitus 
delere  genus  humanum.  (Vgl.  Wendland,  Philos  Schrift  über  die  Vorsehung, 
Berlin  1892,  S.  13.      Seneca  quaest.  nat.  11  42,  1.  51.)     Der  Vorwurf  liegt  auch 


Theodicee.  127 

einfältig,  oder  Lucian  hat  es  sich  sehr  leicht  gemacht.  Keiner  der 
sonst  üblichen  Auswege  wird  eingeschlagen.  Zeus  ist  nicht  auf  die 
Erklärung  gekommen,  die  der  treffliche  Arethas^)  in  seinem  Kom- 
mentar zum  Lucian  vorbringt,  wenn  er  zur  Verteidigung  der  ungerech- 
ten Verteilung  in  der  Welt  sagt:  Die  Weisen  selber  ziehen  ein  ge- 
rechtes und  tugendhaftes  Handeln  den  äußeren  Gütern,  den  Adiaphora, 
vor,  und  die  Götter  sollten  törichter  als  die  Menschen  urteilen  und 
sie  in  ihrer  Tugend  durch  Verleihung  von  Reichtum  stören?  Er 
weist  auch  nicht  darauf  hin,  daß  äußerliches  Unglück  für  den  Weisen 
ja  gar  keine  Kränkung  ist,  wie  das  nach  stoischem  Vorbild  Philo ^) 
zur  Rechtfertigung  anführt.  Er  erklärt  nicht  das  Leid  als  Schulung 
des  Guten,  die  ihm  zur  Ausbildung  förderlich  ist,  während  sie  ihm 
nichts  anhaben  könne,  wie  Seneca^)  das  tut.  Er  beruft  sich  nur  auf 
die  Vergeltung  nach  dem  Tode;  worauf  ihm  der  Kyniker  natürlich 
antwortet:  Das  Jenseits  soll  mich  wenig  kümmern.  Wir  befinden  uns 
mit  dem  ganzen  Gedanken,  wenngleich  auch  die  Epikureer^)  und  Kar- 
neades  dieselben  Argumente  gegen  die  göttliche  Vorsehung  ins  Feld 
führten,  doch  auch  auf  kynischem  Gebiet.  Cicero  de  nat.  deor. 
III  34,  83^)  beruft  sich  in  der  Rede  des  Skeptikers,  nachdem  er  ebenso 
Beispiele  der  göttlichen  Ungerechtigkeit  aufgezählt  hat,  seiner  Ge- 
wohnheit gemäß  meist  aus  der  römischen  Geschichte,  obwohl  auch 
Sokrates'  Tod  vorkommt  wie  bei  Lucian,  auf  einen  Ausspruch  des 
Diogenes,  der  gesagt  habe,  das  äußere  Glück  des  Harpalos  lege  ein 
deutliches  Zeugnis  ab  für  die  Nichtexistenz  der  Götter.^)    Gegen  Zeus' 

dfr  Argumentation  bei  PersiuB  II  24  ff.  zugrunde:  ignovisse  putas  (sc.  lovem)» 
quia,  cum  tonat,  ocius  ilex  Rulfure  didcutitur  sacro  quam  tuque  domusque? 

1 )  Rabe,  Gott.  Nachr.  1003,  S.  646  f  Schol  in  Luc.  81,  26.  Ähnlich  wider- 
legt Philo  (Euseb.  praep.  ev.  VIII  14,  22  [3'.>0  a])  den  bei  dem  herkömmlichen  Vor- 
wurf vorachwebenden  Gedanken,  daß  die  äußeren  Güter  wirklich  Güter  sind: 
rlg  S*  o^x  UV  &Xoy^acii  vo^iov  tvtxu  ngovoias  rä)v  yvr]aiiov\ 

2)  Phil,  de  prov.  I  62  (vgl.  Wendland  a.  a.  0.  S.  19  f.). 

8)  Disl.  I  (de  provid.)  2,  1:  nihil  accidere  bono  viro  mali  potesi  nee 

hoc  dico:  non  sentit  illa,  sed  vincit  et  alioqui  quietus  placidusque  coutra  in- 
cnrrentia  attoUitur.     omnia  adversa  exercitatiouos  putat. 

4!  L'Hener,  Epicurea  fr.  870  (Lact.  div.  inst.  III  17,  8).    Wendland  a.  a.  0.  S.  49. 

6i  Mit  Benutzung  der  Cicerostelle  auch  Minucius  Felix  6,  12:  quodsi  mun- 
duM  divina  Providentia  et  alicuius  numinis  aucioritate  regcretiir,  numquam  mere- 
retur  Phalaris  et  Dionysins  regnum,  numquam  Rutilius  et  CamilluB  ezilium, 
numquam  Socrates  venonum. 

Hl  Verallgemeinert  auch  Cic.  de  n.  deor.  III  80,88:  iuprobonim  protperitstet 
•ccunda^que  res  redarguunt,  ut  L)iogen(>H  «linliat  vim  omn«»m  deonim  ac  poio> 
Dtatem      Vgl.  Wendland  a.  a.  0.  S.  48. 


128  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

Argument  von  der  Strafe  nach  dem  Tode  greift  Kyniskos  wieder  auf 
die  Heimarmene  zurück  und  hebt  das  axoTtov  hervor,  das  Alexander 
von  Aphrodisias  (de  fato  13ff.)  erwähnt,  wo  die  el^aQ^evr]  als  im 
Gegensatz  zu  dem  i(p'  inilv  alvai  stehend  erwiesen  wird.  Hier  wird  die 
Konsequenz  gezogen,  die  auch  Alexander  (16,59)  gezogen  hat^):  Gesetzt 
einmal,  die  Bestrafung  und  Belohnung  erfolgte  nach  dem  Tode,  wie 
kann  irgend  eine  Sühne  eintreten  für  das,  was  der  Mensch  ja  unter  dem 
Zwange  des  Verhängnisses  getan  hat?  Auch  diese  Erwägungen  betreffs 
der  Bestrafung  der  Bösen  bewegen  sich  auf  kynischem  Gebiet.  Bion 
hat  darüber  gehandelt  und  im  Kampf  gegen  die  Stoiker^)  die  An- 
nahme abgewiesen,  als  könnten  die  Götter  Kinder  und  Enkel  die 
Sünden  vergangener  Geschlechter  büßen  lassen.^)  Der  Gedanke,  daß 
Vergeltung  für  menschliches  Handeln  ungerechtfertigt  sei,  weil  ja  das 
Schicksal,  nicht  der  eigene  Wille  herrscht,  überhaupt  der  ganze  Kon- 
flikt in  der  stoischen  Lehre  zwischen  Willensfreiheit  und  Verhängnis, 
kehrt  bei  dem  Kyniker  Oinomaos  wieder.*)  Den  Konflikt  hat  auch 
Maximus  Tyrius  in  jener  19.  Rede  (8)  besprochen,  aber  er  schließt 
sich  den  Versuchen  der  Stoiker  an,  ihn  zu  beseitigen,  wenn  er  sagt, 
der  Mensch  sei  gleichsam  ein  Amphibium,  und  freier  Wille  und  Zwang 
in  ihm  vereint,  wie  ein  gefesselter  Mann  doch  freiwillig  zu  folgen 
vermöge;  das  Bild  erinnert  an  das  bei  Hippolytos  (refut.  haer.  1,21 
[Diels  Doxogr.  Gr.  571, 12ff.])  angeführte  von  dem  an  den  Wagen  ge- 
bundenen Hund,  der  auch  in  der  Lage  ist,  freiwillig  zu  folgen. 

Es   sind   im   ganzen   eigentlich   nur   zwei  Motive   in  dem  Dialog. 


1)  Aiyoisv  ccv  ycco  Styiccicog  TtQog  avrovg^  si  ccixiwvxo  ccvrovs,  ort  fir/  olov  ts 
riv  uvxolg  r&v  nsQLSGtoirojv  ovxcov  xolovxcov  ccXXoTov  xl  itgccxtsiv.  oJg  Tcäg  iitixi- 
li7]60V6iv  svXoycog  ol  Siä  x&v  Soy^dxcov  xovxcov  avxotg  Siddo-iKxXoL  ysyovorsg;  usw.; 
vgl.  19,  64. 

2)  Cotta  bei  Cic.  de  deor.  nat.  III  38,  90:  quem  vos  praeclare  defenditis,  cum 
dicitis  eam  vim  deorum  esse,  ut  etiamsi  quis  morte  poenas  sceleris  effugerit,  ex- 
petantur  eae  poenae  a  liberis,  a  nepotibus,  a  posteris  (Wendland  a.  a.  0.  S.  49). 

3)  Plutarch  de  ser.  num  vind.  19  (561  C).  Ygl.  Philo  de  prov.  II  7;  Wend- 
land a.  a.  0.  S  49  f.  weist  mit  Recht  hier  größere  Stücke  der  Darstellung  bei 
Philo  der  kynischen  Diatribe  und  Bion  zu. 

4)  Eüs.  praep.  ev.  YI  7,  23  (258  b):  i-Kstvo  ydg  di]  xb  v,ccxccyeXcc6z6xaxov 
andvxcov,  xb  ^ity^cc  xccl  r}  övvodog  xov  xccl  inl  xotg  ccv&QÖiTtoLg  xi  slvcci  xorl  sigfibv 
ovdhv  Tjxxov  slvai,  35  (260  b)  xl  cclxtoi  ij^etg^  dXX'  ov%  i]  viisxtQcc  d.väyy.ri.  Ahn- 
lich ist  der  Gedanke  auch  ausgedrückt  bei  Plut.  de  Stoic.  repugn.  35:  i]  fisv 
Ttccaicc  Ttdvxcog  aviyAXr\xög  icxi  xaxcc  xbv  XQvaiTtnov  Xoyov^  6  ds  Zsvg  iyxlrixiog. 
Philo  de  prov.  I  80:  quae  illa  est  iustitia  eos  qui  inviti  peccarunt  poenis  tradere, 
quum  ea  facinora  non  voluntarie  peregerint,  haud  habentes  ipsi  potestatem  supra 
mores  proprios  (Wendland  a.  a.  0.  S.  24  ff.). 


Quellen  des  Dialogs.  129 

Das  erste  ist  ziemlich  plump  und  possenhaft.  Zeus  wird  lächerlich 
gemacht,  weil  seine  Stellung  neben  dem  Fatum  ihn  jeder  Macht  be- 
raubt. Aber  die  Stoiker  stellten  ihn  auch  nicht  neben  oder  unter  das 
Fatum,  sondern  identifizierten  ihn  damit.  Nur  durch  eine  beabsich- 
tigte Verzerrung  stoischer  Lehre  ist  der  größte  Teil  des  Dialogs 
möglich;  oder,  wie  Bruns^)  sagt,  es  ist  nicht  die  Gottheit  ersten 
Ranges,  die  hier  verspottet  wird,  sondern  es  ist  der  Repräsentant 
der  niederen  oder  gewordenen  Götter,  mit  dem  wir  es  zu  tun  haben. 
Das  andere  Motiv  ist  der  Widerspruch  zwischen  Verhängnis  und 
Willensfreiheit,  der  in  der  Tat  in  der  stoischen  Lehre  vorhanden 
ist.  In  das  erste  ist  hineingearbeitet,  was  über  Mantik,  Vorsehungs- 
glauben usw.  zu  sagen  war.  Daß  die  vorgebrachten  Argumente  im 
ganzen  zu  der  kjnischen  Richtung  stimmen,  ist  klar  und  ist  von 
Bruns  durch  Vergleichung  des  Oinomaos  erst  recht  beleuchtet  worden.^) 
Die  Beweisgründe  finden  sich  zum  Teil  auch  bei  den  Epikureern;  aber 
es  ist  bezeichnend,  daß  auch  diese  mit  ihren  theologischen  Ansichten 
verhöhnt  werden.^)  Wir  wissen,  daß  Menipp  seine  Angriffe  gegen 
die  Epikureer  gerichtet  hat*),  und  wir  können  ebenso  sicher  sagen, 
daß  Lucian  eine  gewisse  Zuneigung  für  sie  hat^),  obwohl  das  bei 
ihm  nicht  viel  beweist.  Immerhin  scheint  es,  als  übernahm  er  auch 
dies  Motiv,  weil  er^s  vorfand,  wenn  nicht  aus  kynischen,  dann  aus 
akademischen  Schriften.  Auch  die  gewählten  Beispiele  stammen  aus 
kyni.schen  Quellen;  die  Gegenüberstellung  von  Aristides  und  Kallias 
findet  sich  ebenso  bei  Teles  IV  B  S.  36,  10  ff.  H.;  Kallias  und  Alki- 
})iade8  kommen  wie  hier,  wenngleich  in  anderem  Sinne,  zusammen 
als  Beispiele  vor  bei  Maximus  Tyrius  39,  5,  und  ebendort  ist  So- 
krates  der  Typus  des  Armen,  Häßlichen,  Entehrten,  der  von  Kallias 


1)  Rhein.  Mus.  XLIV  (1889)  S.  876. 

2)  Vgl.  a.  a.  0.  8.  886  ff.     Knauer  a.  a.  O.  [oben  S.  15)  8.  89  ff. 

8)  Bmn>  hat  hier  nach  meiner  Ansicht  einen  Fehlschluß  getan;  er  findet 
et  merkwürdig,  daß,  diese  epikureische  Ansicht  zu  widerlegen,  der  Kyniker 
nicht  in  eigener  Person  spricht,  sondern  die  xardgaroL  öocpiatai  für  sich  reden 
läßt,  d.  h.  die  Epikureer,  und  benutzt  das  als  Argument  für  kynisrhen  Ursprung 
des  (iunzon,  da  Lucian  den  Sprecher  zum  Kyniker  mache,  während  er  sich  doch  auf 
eine  epikurolHche  Meinung  beruft.  Aber  in  Wahrheit  wird  ja,  wie  Bruns  nelbst 
sagt,  die  epikureische  An»icht  widerlegt.  Wie  kann  man  also  für  diese  Wider- 
legung sich  auf  einen  Epikureer  berufen?  Kyniskos  kommt  nur  darauf,  den 
Ausdruck  aotpiötul  tn  benutten,  weil  Zeus  ihn  gebraucht  (6)  hat,  der  allerdinga 
mit  Bezug  aaf  die  Kpikureer. 

4)  Diog.  L.  VI  101. 

r>    Siehe  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altertum  TX  ri90S^  8.  168  ff. 
i^aeUa  uDd  M«il|>i'  ^ 


130  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

im  Besitz,  von  Alkibiades  an  Schönheit  übertroffen  wird;  auf  die 
Anführung  bei  Philo  und  Cicero  wiesen  wir  schon  hin.  Aristides, 
Sokrates  und  Phokion  werden  als  Gute,  denen  es  schlecht  ergangen 
ist,  bei  Plutarch  de  profect.  in  virtut.  15  (84  F)  genannt. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  nicht  jeder  Gedanke  aus  der  *  Wider- 
legung des  Zeus'  sich  in  dieser  Form  und  in  dieser  Breite  bei  Menipp 
gefunden  hat^);  im  Gegenteil,  das  Fehlen  des  eigentlichen  Charakteristi- 
kums menippischer  Satire,  das  Farblose  des  Ganzen,  die  Oberflächlichkeit 
der  Gründe  beweist  deutlich,  daß  die  Entlehnungen  nur  sehr  gering  sein 
können.  Und  wer  die  Argumentation  im  'tragischen  Zeus'  geprüft  hat, 
wird  keinen  Zweifel  haben,  daß  Lucian  sehr  vieles  aus  skeptisch-akademi- 
scher Quelle  ergänzt  hat,  was  in  der  kynischen  höchstens  angedeutet 
war,  wie  wir  diese  Möglichkeit  auch  für  den  'Ikaromenipp'  offen  lassen 
mußten.  Bruns  hat  einige  Ähnlichkeiten  zwischen  Lucian  und  Oino- 
maos  nachgewiesen')  und  möchte  danach  es  für  denkbar  halten,  daß 
Lucian  jenen  benutzt  und  aus  ihm  die  Anregung  zu  seiner  Kompo- 
sition empfangen  hat.  Denkbar  wäre  das^)-,  dann  hätte  Lucian  eben 
kombiniert,  was  ihm  aus  jenem  und  aus  Menipps  Himmelfahrt  ver- 
wertbar schien.  Aber  beweisen  läßt  sich  diese  Benutzung  nicht,  und 
Bruns  selber  gibt  es  zu,  daß  beiden  Schriften  ein  gemeinsames  Vor- 
bild zugrunde  liegen  kann,  das  schon  bis  in  menippische  Zeit  reicht.*) 

1)  Sehr  richtig  sagt  Bruns  a.  a.  0.  388:  "^Ich  behaupte  damit  aber  keines- 
wegs, daß  diese  andere  dem  Oenomaus  ähnliche  Schrift  (das  gemeinsame  Vor- 
bild) etwa  eine  größere  wörtliche  Ähnlichkeit  mit  dem  luppiter  confutatus 
gehabt  haben  müsse.' 

2)  Die  Schrift  heißt  Zavg  iXeyxofisvos  und  als  iXiy%(ov  bezeichnet  sich  der 
Sprecher  Eus.  pr.  ev.  YI  7,8.  Wenn  Oinomaos  den  Gott  anredet:  r\  o  Hya  ov 
övvlrig;  (33),  so  stimmt  das  zu  der  Rolle,  die  Zeus  in  Lucians  Satire  spielt.  Bei 
Lucian  (6)  heißt  es:  sl'  coi  gxoIt]  tcc  toiavta  Xtiqhv,  bei  Oinomaos  (9):  ccXX'  insl 
a^oXiiv  aysiv  ioliia^sv. 

3)  Vorausgesetzt  ist  natürlich  dann,  daß  der  Ansatz  des  Eusebius  richtig 
ist,  der  den  Oinomaos  unter  Hadrian  aufführt,  was  ja  trotz  der  selbstbewußten 
Verteidigung  von  Buresch,  Klaros,  Leipzig  1889,  S.  63  ff.  nicht  ganz  sicher  ist, 
da  Suidas  ihn  kurz  vor  Porphyrios  setzt.  (Vgl.  Rohde,  Rhein.  Mus.  XXXIII 
[1878]  S.  170  f.  Saarmann,  De  Oenomao  Gadareno,  Diss.  Lips.  1887,  S.  5  f.  20  und 
die  Anzeige  von  Wendland,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1887  Sp.  1269.) 

4)  An  eine  Darstellung  wie  die  des  Oinomaos  knüpft  Maximus  Tyrius  41  an 
im  Vortrag:  tov  ^sov  tcc  ccyad'a  Tcoiovvtog  TtoQ'Ev  ta.  xccxcc.  Besonders  das  (3) 
Zev  Tial  'ÄTtoXXov  ycal  oGtig  äXXog  d'sbg  ^avtiyibg  y,du  ■uri^s^av  tf]g  rav  ccvQ'QmTtaiv 
äyiXr\g  deoiiivoig  SLTtccts,  tig  v,av,öiv  ciQ%ri^  xig  aitiu,  Tt&g  cpvXcc^mfisQ'a,  nag  Xad-o)- 
lisv.  Bei  beiden  ist  die  Darstellung  von  der  gleichen  Lebhaftigkeit  beseelt,  die 
eine  direkte  Anrede  der  Götter  veranlaßt.  Auch  der  Inhalt  steht  sehr  nahe 
und  berührt  sich  wie  der  bei  Oinomaos  mit  Lucian. 


Quellen  des  Dialogs.  131 

Schließlich  erstreckt  sich  die  Berührung  zwischen  beiden  doch  nur 
auf  einen  kleinen  Teil  der  *  Widerlegung  des  Zeus';  und  die  Be- 
nutzung skeptisch -akademischer  Schriften  ist  für  den  Verfasser  des 
^Hermotimos'  selbstverständlich.  Aber  abgesehen  von  den  Einzel- 
heiten, das  Motiv  der  Unterredung  des  Zeus  mit  dem  Kyniker  stammt 
aus  Menipp.  Ich  glaube  nicht,  daß  der  Geist  unseres  Zwiegesprächs 
in  einem  unvereinbaren  Widerspruch  steht  zu  der  Unterredung  im 
^Ikaromenipp',  die  Menipp  auf  dem  Weg  zu  der  Opferstätte  mit  Zeus 
hat  (^Ikarom.'  24),  und  zu  seinen  Worten:  'Alle  Menschen  haben 
die  frommste  Auffassung  von  dir  und  halten  dich  für  den  Götter- 
könig'; das  ist  ja  nur  eine  captatio  benevolentiae  von  seiner  Seite, 
um  gnädige  Auskunft  zu  erhalten,  und  stimmt  im  übrigen  nicht  ein- 
mal zu  dem  Anfang  des  Dialoges,  wie  ihn  Lucian  gestaltet  hat.  Ein 
gewisser  Widerspruch  zeigt  sich  ja  auch  schon  in  der  Eigenartigkeit 
der  Komposition  unserer  Satire,  die  es  verlangte,  daß  derjeuige,  dessen 
Existenz  im  Grunde  geleugnet  wird,  durch  die  dem  Ganzen  gegebene 
Fiktion  als  existierendes  Wesen  anerkannt  werden  mußte.  Es  scheint 
mir  wohl  möglich,  daß  unmittelbar  im  Anschluß  an  den  Besuch  der 
Gebet-  und  Opferstätte  Menipp  seine  Zweifel  äußerte,  dem  Zeus  nach- 
wies, daß  die  von  ihm  gewährten  Versprechen  keinen  Sinn  hätten, 
da  ja  die  Moire  darüber  entscheide,  und  sich  den  Grund  für  die 
Götterverehrung  angeben  ließ,  um  seine  Gegenargumente  vorzubringen. 
Lucian  hätte  dann  diese  kleine  Szene  weiter  ausgesponnen  mit  der 
Routine,  die  er  sich  nach  dem  Vorbilde  Piatons  angeeignet  hatte. 
So  wurde  mit  Übertreibung  der  sokratischen  Ironie  der  Zeus  zu  dem 
Dümmling  wie  der  Hermotimos  im  gleichnamigen  Dialog.  Ein  oder 
das  andere  Argument  wurde,  sei  es  aus  ähnlichen  kynischen  oder  gar 
Menippischen,  sei  es  aus  skeptischen  Schriften  hinzugefügt,  dem 
Ganzen  ein  Titel  gegeben,  der  an  Komödientitel  anklangt),  und  die 
Satire  war  fertig. 

Aber  in  Einzelheiten  wird  man  sich  bescheiden  müssen.  Leider 
reichen  auch  die  Varronischen  Fragmente  nicht  hin,  um  unserer  Ver- 
mutung eine  feste  Stütze  zu  geben;  vielleicht  führt  auf  eine  ähnliche 
Kritik,  wie  sie  in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  vorliegt,  Varroa  'Cyni- 
cus*,  von  dem  das  einzige  Fragment  heißt:  'si  mehercole  pergunt  et 
deorum  cura  non  satisfacitur  rei  publicae';  aber  es  ist  fraglich,  ob 
auch  hier  deq  Göttern  Vernachlässigung  der  irdischen  Vorgänge  vor- 
geworfen  nnd  ihnen  der  Verlust  der  Verehrung  seitens  der  Menschen 

1)  Man  denkt  an  Platont  Z§hg  xanov^itpoi. 


132  Kapitel  IV.    Die  Widerlegung  des  Zeus. 

angedroht  wird.^)  Immerhin,  wer  Lucians  Arbeitsweise  durchschaut 
hat,  wird  nicht  zweifeln  können,  daß  die  Anregung  zu  unserm  Dialog 
und  die  äußere  Situation  aus  dem  'Ikaromenipp'  und  seinem  Vorbild 
übernommen  ist.  In  bezug  auf  die  Abfassungszeit  der  beiden  Schriften 
wird  dadurch  klar,  daß  die  *  Widerlegung  des  Zeus'  später  geschrie- 
ben ist.*) 


1)  Der  Gedanke  wiü-de  erläutert  durch  die  Worte  des  Momus  in  Lucians 
*trag.  Zeus'  22:  toiyaQovv  stHOta  vvv  Ttdcxo^sv  v,cci  hi  nsLöo^sd'cc,  inuSav  xar' 
öXiyov  ol  ävQ-QcoTtOi  ccvcc-hvjitovtss  svqi6v.(ü6iv  ovdhv  ücpslog  6V,  sl  %'voitv  rniiv  xal 
tccg  nofi-Jtag  TciiinoLSv. 

2)  Die  spätere  Abfassung  des  lupp.  conf.  vermutet  auch  Hirzel,  Der  Dialog 
II,  S.  321  f.     Hense,  Festschr.  f.  Gomperz  S.  193. 


Kapitel  Y. 
Der  tragische  Zeus. 

In  den  Olymp  führt  uns  weiter  der  'tragische  Zeus*,  der  ja  schon 
durch  den  Namen  deutlich  an  die  eben  besprochene  Satire  anknüpft. 
Zeus  ist  in  Gedanken  versunken  und  sitzt  kummervoll  da;  Athene 
und  Hermes  fragen  ihn  nach  dem  Grunde  seiner  trüben  Stimmung; 
er  antwortet  nur  mit  allgemeinen  Ausdrücken  seiner  Verzweiflung. 
Hera  vermutet,  daß  eine  neue  Liebschaft  ihn  quäle;  da  weist  er  den 
Verdacht  von  sich;  nicht  um  ihn,  nein,  um  die  Existenz  der  Götter 
handelt  es  sich,  ob  sie  noch  fürder  geehrt  werden  sollen  oder  nicht. 
Die  neue  Gefahr  droht  nicht  von  den  Giganten  oder  Titanen:  alles 
hängt  vom  Redekampf  des  Epikureers  Damis  und  des  Stoikers  Timo- 
kles  ab,  die  miteinander  über  das  Dasein  der  Götter  und  ihre  Ein- 
wirkung auf  die  Welt  disputieren.  Hermes  rät  eine  Versammlung 
der  Götter  zu  berufen  und  dringt  mit  diesem  Vorschlag  durch.  Er 
ruft  als  Herold  die  Himmlischen  herbei,  von  Zeus  belehrt,  in  poeti- 
scher Rede.  Sie  kommen  in  Scharen  und  sollen  sich  nun  ordnen  je 
nach  dem  Stoff,  aus  dem  sie,  d.  h.  ihre  berühmten  Standbilder  gefertigt 
sind.  Weü  dadurch  gerade  die  Barbarengötter  den  Vorsitz  erhalten, 
erhebt  sich  ein  Streit,  in  den  Zeus  beständig  eingreifen  muß,  so  daß 
endlich  bestimmt  wird,  es  sollen  alle  durcheinander  sitzen,  die  Platz- 
frage aber  soll  ein  andermal  erledigt  werden.  Endlich  ist  Schweigen 
hergestellt,  und  Zeus  soll  reden;  aber  er  hat  den  Anfang  vergessen. 
Hermes  rät  ihm  mit  einer  Demosthenischen  Volksrede  zu  beginnen, 
und  so  fängt  er  denn  mit  den  Worten  der  1.  olynthischen  Rede  au; 
dann  erzählt  er,  wie  er  gestern  nach  dem  spärlichon  Opfer  bei  Mnesi 
theoB  auf  den  Kerameikos  gegangen  sei.  Auf  seinem  Spaziergange 
habe  er  an  der  Stoa  Poikile  einen  ungeheuren  Menschenauflauf  an 
getroffen,  der  durch  die  Disputation  des  Damis  und  Tiniokles  ver- 
anlaßt war.  Die  Nacht  habe  der  Unterredung  ein  Ende  gemai'ht,  und 
00  sei  die  Fortaetzung  auf  heute  Terschoben.    Gegenüber  dieser  Gefahr, 


134  Kapitel  V,    Der  tragische  Zeus. 

die  droht,  alle  Götter  der  Opfer  zu  berauben,  sollen  die  einzelnen 
ihre  Meinung  sagen  und  auf  Abwehr  sinnen.  Als  erster  tritt  Momus 
auf;  er  findet  es  begreiflich,  wenn  man  an  den  Göttern  zweifelt,  da 
sie  die  Guten  auf  Erden  leiden  lassen  und  die  Bösen  durch  äußere 
Güter  belohnen,  da  sie  sich  durch  Orakelsprüche  diskreditieren,  da  sie 
endlich  die  Erzählungen  des  Epos  zulassen,  als  ob  sie  gegenseitig  von 
Liebe  und  Haß  erfüllt  wären,  an  Kämpfen  teilnähmen  und  Wunden 
davontrügen.  Zeus  hat  nichts  für  die  Erde  getan,  wohl  aber  Theseus, 
wohl  Eurystheus,  indem  er  sie  durch  Herakles  von  Ungeheuern  reinigen 
ließ.  An  den  Göttern  liegt  es  also  zuerst  sich  zu  ändern,  wenn  sie 
Verehrung  von  Seiten  der  Menschen  erwarten  wollen.  Zeus  geht  auf 
diese  Rede  nicht  ein;  auch  Poseidon,  der  den  Damis  unschädlich  zu 
machen  droht,  kann  er  nicht  zustimmen,  da  die  Moiren  darüber  zu 
bestimmen  haben.  Es  bittet  darauf  Apoll  ums  Wort,  wenn  er  es 
wagen  dürfe  trotz  seiner  Jugend  und  Bartlosigkeit  zu  reden.  Momus 
gesteht  ihm  das  spottend  zu,  da  er  ja  seinem  Alter  nach  fast  zum 
Rat  des  Kronos  gehöre  und  einen  so  bärtigen  Sohn  habe  wie  den 
Asklepios.  Apoll  läßt  sich  dann  auf  Erlaubnis  des  Zeus  über  den 
braven  Stoiker  Timokles  aus,  der  im  Kreise  der  Seinen  sehr  über- 
zeugend zu  sprechen  wisse,  aber  vor  andern  seine  Rede  nicht  so  ein- 
zurichten vermöge,  daß  ihn  die  Hörer  verstehen,  und  das  sei  doch 
die  Hauptsache.  Die  letzte  Bemerkung  trägt  ihm  den  Spott  des 
Momus  ein  wegen  seiner  eigenen  dunkeln  Orakelsprüche.  Er  schlägt 
dann  vor,  dem  Timokles  einen  Beistand  beim  Reden  zu  geben.  Momus 
höhnt  diesen  Rat  und  fordert  den  Apoll  auf,  lieber  seine  Weissage- 
kun«t  zu  zeigen  und  zu  verraten,  wie  die  Sache  ablaufen  wird.  Der 
Sehergott  hat  zwar  seinen  Orakelapparat  nicht  zur  Stelle,  aber  auf 
Zureden  des  Zeus  entschließt  er  sich  doch.  Unter  schrecklichen 
Augenverdrehungen,  während  sein  Haar  sich  sträubt,  bringt  er  die 
Verse  heraus,  über  die  sich  Momus  vor  Lachen  schüttelt  und  die 
dann  unbeachtet  bleiben.  Herakles  als  Metöke  im  Götterrat  macht 
darauf  den  Vorschlag,  falls  Damis  siege,  wolle  er  die  Stoa  einwerfen, 
daß  sie  über  dessen  Kopfe  zusammenbreche.  Auch  er  wird  auf  die 
Moiren  verwiesen.  Der  Heros  sträubt  sich  gegen  diese  Auffassung, 
die  ihm  selber  das  Verdienst  seiner  Taten  rauben  und  jedem  Tempel- 
räuber Straflosigkeit  zusichern  würde.  Wenn  dem  so  ist,  so  will  er  lieber 
als  Idol  in  der  Unterwelt  die  Schatten  schrecken  als  hier  die  himm- 
lischen Ehren  genießen.  Unterdessen  kommt  der  Bruder  des  Hermes, 
Hermagoras,  der  Hermes  vom  Markt,  der  sich  täglich  mit  Pech  über- 
schmieren lassen  muß  behufs  Abformung,  und  dieser  Hermagoras  er- 


Inhalt.  135 

zählt,  zunächst  in  Versen,  daß  die  Disputation  begonnen  habe.  So  gibt 
denn  Zeus  den  Befehl  das  Tor  zu  öffnen  und  vom  Himmel  herab  zuzu- 
hören. Es  beginnt  der  zweite  Teil  der  Satire,  der  zugleich  im  Himmel 
und  auf  Erden  spielt.  Während  Zeus  rät  für  Timokles  zu  beten, 
beginnt  dieser,  fragend  und  schimpfend,  die  göttliche  Vorsehung  zu 
vertreten,  die  Damis  ruhig,  aber  fest  leugnet.  Endlich  läßt  er  sich 
dazu  bringen,  seine  Gründe  für  die  Annahme  göttlicher  Vorsehung 
anzuführen,  zuerst  die  Ordnung  im  Weltall.  Die  erkennt  der  Epi- 
kureer an,  bezweifelt  aber  die  Beweiskraft  dieses  Arguments.  Nun 
flüchtet  Timokles  zu  dem  Zeugnis  des  Homer;  aber  da  kommt  er 
gut  an,  denn  Damis  zählt  ihm  diejenigen  Geschichten  her,  die  für 
die  Götter  wenig  schmeichelhaft  sind.  So  greift  denn  Timokles  zum 
Euripides,  der  ja  die  Götter  einschreiten  läßt,  um  die  Guten  zu  be- 
lohnen und  die  Bösen  zu  bestrafen;  doch  Damis  lacht  ihn  erst 
recht  aus,  und  der  freisinnige  Euripides  macht  es  ihm  nicht  schwer, 
Belege  gegen  diese  Ansicht  vorzubringen.  Es  folgt  der  Beweis  ex 
consensu  gentium,  der  von  dem  Epikureer  entkräftet  wird  durch  den 
Hinweis  auf  die  Verschiedenartigkeit  der  von  den  einzelnen  Völkern 
angenommenen  Götter,  wobei  besonders  die  ägyptischen  Gottheiten 
dazu  herhalten  müssen,  um  diesen  Volksglauben  ins  rechte  Licht  zu 
stellen.  Hier  findet  Momus  droben  in  der  Götterversammlimg  Gelegen- 
heit auf  seine  früher  ausgesprochenen  Vorwürfe  zurückzukommen; 
Zeus  verspricht  denn  auch,  wenn  diese  Gefahr  nur  erst  vorüber  sei, 
die  Angelegenheit  zu  ordnen.  Unterdessen  führt  Timokles  die  Omkel 
als  Argument  für  das  Vorhandensein  der  göttlichen  Vorsehung  an, 
Damis  verspottet  sie  mit  ein  paar  Beispielen;  weiter  das  Vorhanden- 
sein der  Altäre,  auch  hier  denkt  der  Epikureer  nur  an  die  blutigen 
Menschenopfer  der  taurischen  Artemis,  die  nicht  dazu  angetan  sind, 
den  Glauben  an  göttliches  Wohlwollen  den  Menschen  gegenüber  auf- 
kommen zu  lassen.  Auch  der  Donner  des  Zeus  wird  von  ihm  an- 
gezweifelt, da  die  Kreter  Zeus'  Grab  zeigen.  In  kurzer  Rede  und 
Gegenrede  wird  so  Schlag  auf  Schlag  der  ganze  Haufe  von  Beweisen 
zertrümmert,  während  in  höchst  lebendiger  Weise  ein  Zwiegespräch 
zwischen  Zeus  und  Momus  jedesmal  den  Eindruck  der  Götter  wieder- 
gibt. Als  eine  Hauptstütze  holt  der  Stoiker  endlich  den  Vergleich 
der  Weit  mit  dem  Schiff  hervor,  um  auf  das  Vorhandensein  eines 
göttlichen  Steuermanns   schließen   zu   können;   ab»M-   Dan  f,  wie 

wesentlich  die  Onlnung  auf  dem  Schiff  von  dn-  I'n.-i.in  ^  \d  Un- 
gerechtigkeit im  menHfhliehcn  Leben  verHc):  ^o  bleibt  denn 
dem  Timokles  nur  der  eine  Notanker,  seine  S^Uogiituien;  er  folgert: 


136  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

Wenn's  Altäre  gibt,  gibt's  auch  Götter;  nun  gibt's  Altäre,  also  auch 
Götter.  Aber  da  birst  der  Epikureer  schier  vor  Lachen  und  gibt  es 
spottend  auf,  weiter  zu  disputieren ;  er  geht  davon,  während  der  Stoiker 
noch  durch  Geschirapf  das  Gewicht  seiner  Argumente  zu  vergrößern 
sucht.  Die  Götter  aber  im  Himmel  trösten  sich  leicht  über  ihre 
Niederlage;  sie  denken  an  die  Masse  des  Volkes,  die  trotzdem  an  sie 
glauben  wird;  denn  die  Dummen  sterben  ja  niemals  aus. 

Der  ^tragische  Zeus'  ist  eine  der  kunstvollsten  Satiren  Lucians 
durch  die  doppelte  Szenerie  und  die  gleichzeitige  Parodie  auf  Götter 
und  Philosophen.  Es  ist  zugleich  eine  menippische  Satire  in  echtem 
Stil.  Die  Götter  reden  anfangs  nur  in  Versen,  epischen  wie  tragischen; 
Hermes  ruft  mit  Versen  die  Himmlischen  zur  Versammlung  (6);  Zeus 
beginnt  seine  Ansprache  zunächst  poetisch  (14)^);  Momus  verwünscht 
in  einem  Hexameter  die  übrigen  Götter  (19)^),  Orakel  werden  in 
Versen  angeführt  (20)  und  persifliert  (31);  auch  der  Hermes  vom 
Markt  verkündet  den  Beginn  des  Redekampfes  in  jambischen  Tri- 
metern  (34),  und  auch  sonst  werden  noch  Verse  zitiert.  Das  Charak- 
teristische ist  aber,  daß  die  Zitate  unter  diesen  Versen  nur  einen 
Bruchteil  bilden,  und  auch  die  werden  nur  selten  als  Zitate  ein 
geleitet,  sondern  fast  immer  in  die  Rede  selber  eingeflochten.  Oft 
genug  aber,  vor  allem  am  Anfang  sind  es  Verse,  die  jeden  Anschein 
des  Zitates  meiden,  der  Handlung  selber  dienen  und  wohl  mit 
Reminiszenzen  irgend  welcher  bekannten  Dichterworte  hergestellt 
sind.  So  sind  deutliche  Homerparodie  die  Worte  der  Athene^),  mit 
denen  sie  den  Kroniden  bittet  ihr  den  Grund  seines  Kummers  mitzu- 
teilen, die  Aufforderung  des  Zeus  für  Damis  zu  beten*),  der  Herolds- 
ruf des  Hermes^),  die  Besorgnis  des  Zeus  vor  der  alles  vernichtenden 


1)  Benutzt  sind  unverändert  die  Worte  aus  II.  VIII  5.  XIX  101. 

2)  Benutzt  ist  IL  VII  99. 

3)  Neil  I  TfdtsQ  Tj^hsQS,  Kgovldrif  vnats  yiQaLovtcov  (Od.  I  45,81.  XXIV  47.3) 
yovvoviiui  68  (II.  XXI  74.     Od.  XXII  .312  u.  s.)   ^sä   yXccvyiaTag   (Od.  I  44) 

tQiroyivsLa  (II.  IV  515) 
i^ccvSa,  [LT]  y.BvQ's  vom  ivcc  sl'öo^isv  (II.  I  363)  ijÖT]. 
tig  ft?)rt?  ddciivSL  6s  \  liocxa  cpQiva  xat  %cctä  Q'v^ov  (II.  I  193) 
ri   rl   ßccQV   axEvd%Hg  (vgl.  II.  I  364:    ßuQv  6Tevdx(ov)    o}Xq6s    ti  cov   bIIb 

TCocQSidg;  (vgl.  IL  III  35). 

4)  lupp.  trag.  34:  üiyT]  icp'  tj^lslchv,  ivcc  [lt]  Tgasg  ys  Ttvd'covrccL  (vgL  IL 
Vn  195). 

5)  lupp.  trag.  6:  /x»jt£  r^?  ovv  d-i^XsLu  ^sbg  ....  jitTjTf  rig  agcriv  (II.  VIII  7) 
fi»/r'  avxäiv  notaiimv  ^isveto)  voöcp'  'Slyisccvoto  (vgl.  IL  XX  7  fF.),  sodann  slg  ayogijv 
(Od.  Vm  12),    O660i    TS    x^vras    dccivva^'  Hccto^ßag  {\gl.  II.  IT  6'S6). 


Menippische  Form.  137 

Redekunst  des  Epikureers^);  und  deutliche  Euripidesparodie  enthält 
die  Antwort  des  Zeus,  die  den  Anfang  des  Orestes  nur  wenig  ver- 
ändert (Ij;  Phönissen  V.  117  wird  von  Zeus  ebenso  zur  Antwort  um- 
gemodelt (3);  andere  Parodien  lassen  sich  heute  nicht  mehr  sicher 
feststellen^),  weil  die  Überlieferung  uns  nicht  die  entsprechenden 
Verse  der  Tragiker  erhalten  hat.  Die  Parodie  des  Orakels  (31)  ist 
nach  dem  Muster  der  aristophanischen  in  den  'Rittern'  (197  ff.)  ver- 
fertigt. 3) 

Was  sonst  an  Zitaten  vorkommt,  die  nur  dem  Inhalt  nach  wieder- 
gegeben sind,  bezieht  sich  ebenso  auf  die  alte  klassische  Literatur.  Ohne 
irgend  welche  Verweisung  werden  aus  der  Mythologie  erwähnt  Prome- 
theus als  Menschenbilduer  (1),  die  Geliebten  des  Zeus  (2,5),  Danae, 
Semele,  Europe,  Antiope,  in  Erinnerung  an  'Göttergespräch'  24,  2, 
der  Sturm  der  Giganten  und  Titanen  auf  den  Olymp  (3),  die  Taten 
des  Theseus  und  Herakles  (21).  Ausdrücklich  auf  Homer  (40)  als 
Gewährsmann  wird  hingedeutet  für  die  Verschwörimg  der  Götter  gegen 
Zeus  und  seine  Errettung  durch  Briareos  und  Thetis  (II.  I  396  ff.),  Aga- 
memnons  Traumbild  (11.  II  10 ff.),  die  Verwundung  von  Aphrodite  imd 
Ares  (II.  V  336,  855  ff.),  Artemis'  Groll  wegen  der  Übergebung  seitens 
des  Oneus  (II.  XX  72),  der  sie  zur  Entsendung  des  Ebers  veranlaßt. 
Auch   das    bei  Lucian    so  beliebte  Zitat ^)  von  der  Vermessenheit  des 

1)  lupp.  trag.  44:  II.  XV  137  mit  Veränderung  des  Wortes  iiccgipsi  in  ndgitrst. 

2)  Eur.  fr.  Nauck '  \)Sd  und  940  sind  nicht  ohne  Grund  aus  den  Antangs- 
versen  des  Dialogs  hergestellt;  für  940  ist  ja  eine  der  Lucianischen  Ausdrucks- 
weise  ähnliche  durch  den  Scholiasten  (Habe  S.  249,  7)  bezeugt:  tovto  di}  t6  T(bp 
TQuyojd(bv  ngof  olxtlov  x^Qf^^'  ^Q^^S-  Auch  des  Zeus  Antwort  (2):  ovx  oi6d'\  iitsl 
TOI  x'üv  (xcbxvfff  iity^  ist  zweifellos,  wenn  auch  mit  einer  kleinen  Änderung,  aus 
einer  Tragödie  übernommen,  und  nicht  ohne  Grund  hat  Porson  den  Vers  für 
Euripides  in  Ansjjruch  genommen  (Nauck '  adespota  293). 

8)  Mit  Aristophanes  stimmt  die  äußere,  übrigen.s  homerische  Form  &IV 
oxuv  —  dii  TOT*  wie  das  Bild  vom  Ergreifen  (jidgiinj)  eines  Tieres  durch  einen 
Vogel,  nur  daß  Lucian  den  Spott  weiter  treibt  und  nicht  eine  Schlange,  sondern 
eine  Heuschrecke  die  Beute  sein  läßt.  Die  Fonn  des  Satzes  ist  als  Orakelform 
belegt  durch  die  Sprüche  bei  Hendeß,  Oracula  Graeca,  Halle  1877,  7.  97.  161. 
166  (&Xi'  6n6tav)  (vgl.  das  von  Diels,  Sibjllin.  Blätter  133,  herausgegebene 
Sibyllcnorak(>l  zum  Silkularfest  und  das  Sibyllenorakel,  sowie  das  parodierende 
Bakisorakel  in  Lucians  Peregrin.  29,  80).  101.  106.  110  «JU'  OTav).  148.  106.  SIS 
(dri  t6u);  auch  das  parodierende  Orakel  in  Aristophanes*  'VOgeln*  988/986  hat 
die  Form  a{fxuQ  inijv  . . .  . ,  dt)  tot«.  Aus  Hendeß  97  (Hdt.  I  66)  erkennt  man 
auch  den  Anlaß,  die  Maulesel  in  den  Spruch  zu  bringen;  da«  alyvnibg  /«fi^^ 
vvxos  stammt  aus  Homer  (Od.  XXU  802)    (:  y.  Leeuwon  zu  Aristoph.  cqu.  197). 

4;  Dial.  deor.  21,  1.  Hi<rniut  3.  lupp  conf  4.  irng'  11  Quomodo  liiiit  cun- 
•er.  8,  vgl.  Kap.  I  8.  43 


138  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

Zeus,  der  die  ganze  Erde  am  goldenen  Seil  emporziehen  will  (II. 
YIII  18),  kehrt  hier  wieder  (45).  Mit  Namen  genannt  sind  von  Dich- 
tem nur  Homer  und  Euripides  (1,41),  Menander  wird  nur  als  6 
xcöftixdg  (53,  vielleicht  auch  32,  38)^)  bezeichnet.  Von  Demosthenes 
wird  ein  Ausspruch  (1.  olynth.  Rede  16)  in  etwas  veränderter  Form 
zitiert  (23)  und  in  köstlichster  Weise  die  1.  olynthische  Rede  par- 
odiert, die  es  dem  erschreckten  Zeus  allein  ermöglicht,  vor  der  Ver- 
sammlung der  Himmlischen  seinen  Gedanken  Ausdruck  zu  verleihen 
(15).  Von  Philosophen  sind  nur  Epikur  und  Metrodor  genannt.^)  Die 
als  Verfertiger  von  Götterbildnissen  genannten  Künstler  gehen  nicht 
übers  4.  Jahrh.  hinaus;  wir  finden  (7)  zusammen  genannt  Phidias, 
Alkamenes,  Myron,  Polyklet,  Euphranor,  und  dann  werden  noch  Praxi- 
teles und  Lysipp  (9  f.,  12)  hinzugefügt. 

Die  historischen  Beziehungen  sind  nicht  anders  geartet  wie  in 
den  bisher  besprochenen  Dialogen.  Zeus  vergleicht  sich  zum  Schluß  (53) 
mit  Darius  und  erinnert  an  dessen  Wort  über  Zopyrus  nach  der  Ein- 
nahme Babylons  (Hdt.  III  160);  auch  er  möchte  lieber  einen  Bundes- 
genossen wie  den  Epikureer  Damis  haben  als  10000  Städte  wie  Ba- 
bylon. Den  Orakelspruch  des  Apollo  findet  Momus  so  klar,  daß  es 
keines  Themistokles  bedürfe'^),  ihn  zu  deuten  (31),  wie  einst  zu  dem 
Spruch  von  den  hölzernen  Mauern;  Themistokles  gehört  in  diesem 
Zusammenhang  zu  den  typischen  Beispielen,  wie  Maximus  Tyrius  19,  1 
zeigt.  Unter  den  Schlechten,  die  sich  auf  Erden  im  Wohlleben  ergötzten, 
gewahren  wir  wieder  Sardanapal,  Kallias,  Meidias,  unter  den  Guten, 
die  zu  leiden  hatten,  abermals  Sokrates,  Aristides  und  Phokion  (48). 
Aber  auch  unsere  Bekannten,  die  Schauspieler,  kehren  hier  wieder; 
dem  Polos  und  Satyros  ist  noch  ein  anderer  Vertreter  der  demosthe- 
nischen  Zeit  beigesellt,  Aristodem.  Dieser  wurde  nach  dem  Fall  von 
Olynth  als  Gesandter  an  Philipp  abgeschickt.*)  Demosthenes  behauptet, 
daß  Aschines,  als  er  noch  Schauspieler  war,  bei  jenem  die  Rolle  des 
Tritagonisten  übernommen  habe.     Die  Namen  werden  genannt,  als  ob 


1)  Siehe  Kock  III  S.  52  fr.  179.  S.  165  fr.  545  (vgl.  S.  451)  S.  497  fr.  476. 

2)  Epikur  und  Metrodor  sind  270  und  277  gestorben  (Susemihl,  Gesch.  d. 
Litt.  i.d.  Alexandrinerzeit  I  S.  94.  99;  Jacoby,  Apollod.  Chronik  S.  354);  sie  bilden 
die  letzte  Erwähnung  auf  literarischem  Gebiet.  Daß  Metrodor  genannt  ist,  dessen 
Schriften  schon  zu  Ciceros  Zeit  nur  seine  Schüler  noch  lasen  (Tusc.  II  3,  8), 
könnte  zu  denken  geben.  Aber  Lucian  führt  beide  auch  Alexand.  17  an,  und 
so  kann  man  glauben,  daß  beider  Namen  gleichsam  zusammengehören. 

3)  Lucilius  nimmt  in  ähnlichem  Sinne  den  Karneades  (V.  31  Marx). 

4)  Siehe  Aesch.  tisqI  TtccgccTtQSGß.  15.     Demosth.  tiiqI  TiccQUTiQEßß.  12. 


Historische  Beziehungen.  139 

sie  allbekannt  und  eine  Bezeichnung  für  den  Begriff  Schauspieler 
wären:  Wenn  du  die  Tätigkeit  der  Götter  bei  Euripides  auf  der  Bühne 
als  Beweis  göttlicher  Einwirkung  aufs  menschliche  Leben  ausgeben 
willst,  sagt  Damis  (41),  so  mußt  du  vielmehr  Polos  und  Aristodem 
und  Satjros  für  Götter  halten.  Und  ebenso  legt  Hera  dem  beständig 
in  tragischem  Pathos  Tragödien verse  deklamierenden  Zeus  die  Frage 
vor  (3),  warum  er  plötzlich  den  Göttern  als  Polos  und  Aristodemos 
erscheine.  War  der  Schluß  bei  der  'Nekyomantie'  richtig,  so  muß 
er's  auch  hier  sein.  Wohl  könnte  Lucian  die  Schauspielernamen, 
nachdem  er  sie  einmal  verwandt  hatte,  in  sein  Repertoire  aufgenommen 
haben;  aber  er  fügt  hier  den  Aristodem  hinzu,  den  er  vorher  in  keiner 
Schrift  und  erst  im  Alter  wieder  in  der  'Apologie'  (5)  mit  Polos  zu- 
sammen nennt.  Doch  konnte  Lucian  die  Namen  aUe  in  Menipps 
'Xekyia'  gefunden  und  erst  hier  zusammen  verwertet  haben.  Und 
ebenso  ungewiß  ist  das  Argument,  das  uns  das  Auftreten  des  Helios- 
kolosses von  Rhodos  (11)  bietet;  er  streitet  mit  um  den  Platz,  und 
während  das  Material  der  berühmtesten  Bildnisse  jedes  Gottes  den 
Maßstab  für  die  Reihenfolge  der  einzelnen  abgeben  soll,  ist  Hermes 
bei  ihm  im  Zweifel,  ob  er  das  Material  oder  die  Größe  berücksichtigen 
soll;  kein  Wort  davon,  daß  der  Koloß  gestürzt  ist;  und  wie  leicht 
hätte  der  Satiriker  gerade  daran  seine  Witze  knüpfen  können.  Dabei 
fehlt  hier  der  Grund,  den  im  'Ikaromenipp'  die  Rücksicht  auf  den 
auftretenden  Menipp  bilden  konnte.  So  möchte  man  schließen,  daß 
da.s  Original  dieser  Szene  vor  227  v.  Chr.  verfaßt  ist,  —  wenn  nicht 
etwa  die  Riesenstatue  schon  zu  des  Schriftstellers  Requisiten  gehörte, 
die  er  nach  eigenem  Belieben  und  ohne  weiteres  Nachdenken  ver- 
wandte. 

Der  historischen  Beziehungen  sind  wenig,  wie  man  sieht;  das 
hängt  offenbar  damit  zusammen,  daß  dieser  Dialog  sehr  viel  Lucia- 
niscbes  enthält,  obwohl  gerade  er  in  der  äußeren  Form  am  meisten 
an  Menipp  erinnert.  Betrachten  wir  die  einzelnen  Szenen,  so  haben 
wir  am  Anfang  ein  etwas  ausgesponnenes  Göttergespräch,  das  seinen 
Zusammenhang  mit  den  andern  nicht  verleugnet  und  in  das  die  home- 
rischen Motive  deutlich  hineinspielen.  Da.s  Verhalten  der  Hera  zum  Zeus 
JHt  nach  den  bekannten  Szenen  gestaltet,  in  denen  der  Zwist  des  Qötter- 
paares  gcHciiildcrt  int*)  und  die  dem  5.  und  18.  'Göttergespräch*  zum 
Vorbild   gedient  haben.*)     Als   zweite  Szene  folgt   die  Berufung  und 

1)11.  If>20f  IV;nf.  VIII  408.  Vgl.  NeiÜe,  Gött«rburleike  bei  Homer, 
N«Mje  Jiihrb.  f.  d.  klaa».  Altert  XV  (1006;  8.  168. 

1'    .Man  Tergl.  lupp.  trag.  S:    $ha  ßovXivtt^ai  taÜQov   r^  tfcfrt«^or  if  x^**'^** 


140  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

Versammlung  aller  Götter;  der  Ton  ist  völlig  burlesk.  Hermes  als 
Herold,  wie  auch  sonst  bei  Lucian,  voller  Scheu,  in  Versen  zu 
sprechen,  durch  die  schlechten  Verse  in  den  Orakelsprüchen  Apolls 
abgeschreckt,  dann  die  komische  Idee,  daß  gleichsam  die  Statuen  der 
Götter  erscheinen  und  nach  ihrem  Material  geordnet  werden,  endlich 
der  Streit  um  die  Plätze,  der  sich  schließlich  doch  nicht  lösen  läßt! 
Sonst  haben  die  Götter  ihre  bestimmten  Sitze,  wie  Plutarch  Quaest. 
conv.  I  4  zu  beweisen  sucht.^)  Hier  ist  das  Motiv  aus  der  Volksver- 
sammlung hineingetragen,  mit  der  ja  diese  Götterberatung  identifiziert 
wird;  man  denke  an  die  Szene  im  Anfang  der  ^Achamer',  wie  sie  von 
Dikaiopolis  mit  schildernden  Worten  begleitet  wird.^)  Auch  hier  wirken 
die  'Göttergespräche'  nach,  wenn  sich  die  Zeussöhne  Dionysos  und 
Herakles  um  den  Vorrang  streiten  (12),  wie  dort  (13)  Herakles  und 
Asklepios.  In  der  burlesken  Vorstellung  der  belebten  Standbilder 
liegt  aber  ein  tiefer  Sinn;  es  ist  der  echt  kynische  Protest  gegen  die 
beim  Volk  im  Altertum  wie  heutzutage  sich  leicht  einbürgernde  x\n- 
schauung,  daß  die  Statue  selber  die  Gottheit  sei.  Mit  einem  Vorwurf, 
den  man  auch  heute  angesichts  des  abgeküßten  Fußes  von  St.  Petrus 
im  Petersdome  zu  Rom  erheben  könnte,  heißt  es  in  der  Schrift  über 
die  Opfer,  die  durchaus  den  Geist  der  kynisehen  Diatribe^)  zeigt  (11): 
*Die  in  den  Tempel  strömen,  glauben  nicht  mehr  das  indische  Elfen- 
bein zu  sehen  oder  das  in  Thracien  gewonnene  Gold,  sondern  den 
Kronossohn  selber,  den  Phidias  auf  irgend  eine  Weise  vom  Olymp 
auf  die  Erde  versetzt  hat.' 

In  der  Beratung  selbst  begegnen  wir  bekannten,  auch  von  Lucian 
schon  benutzten  Motiven.  Zeus'  Furcht,  die  Götter  könnten  Hungers 
sterben,  wenn  die  Menschen  aus  Unglauben  ihnen  nicht  mehr  opfern 
(18),  erinnert  an  die  entsprechenden  Besorgnisse  in  Aristophanes' 
'Vögeln'  (151 5ff.),  war  aber  auch  schon  im  Ikaromenipp'  (32)  ge- 
äußert   worden.*)      Von  da  ab  ruft  uns  Momus  immer  aufs  neue  die 


ysvo^svov  Qvfivai  dia.  xov  ögncpov,  dial.  deor.  5,  2:    inl   rrjv   yfiv   y.ätu  iiOLX^vacov 
XQV6L0V  r)  6cctvQog  7]  TccvQog  Ysvo^isvog. 

1)  617  BC:  Poseidon,  obwohl  zuletzt  gekommen,  l^ev  ccq'  iv  ^taaoLOLv;  und 
Athene  scheint  dauernd  ihren  Platz  neben  dem  Vater  zu  haben.  Gegen  eine 
Darstellung  wie  die  Lucians  polemisiert  im  geheimen,  wie  wir  oben  (S.  74) 
sahen,  Julian. 

2)  V.  24:  slr'  oiaxiovvrca  nobg  äotcslg  iX^ovtsg  cclX-^loig  tceql  xov  Ttgmxov 
^vXov  und  V.  41  f.:  ov-n  rjyoQsvov'  xovx'  ixslv'  ovyo)  ' Xiyov  ig  X7\v  TCQOsSqlccv 
TT«?  a.vT]Q  djoxi^sxocL.     Über  die  Parodierung  der  Volksversammlung  vgl.  Kap.  VI. 

3)  Vgl.  Anhang  I. 

4)  learom.  32:  ov  iisxQLcog  ijfiäv  %Dc%'dnxovxoci  {irixs  iTti^sXslad'ca  xäv  ccvd'gco- 


Beziehungen  zur  'Widerlegung  des  Zeus'.  141 

^Widerlegung  des  Zeus'  ins  Gedächtnis,  deren  Motive  aufs  ergiebigste 
wieder  verarbeitet  sind.^)  Gleich  im  Beginn  der  Versammlung  (14) 
müssen  wir  an  jenen  Dialog  (4)  denken,  wenn  Hermes  dem  Zeus 
Mut  macht  mit  der  Erwähnung  seiner  früheren  Großsprecherei;  auf- 
fälligerweise ist  dasselbe  Homerzitat  noch  einmal  in  derselben  Satire 
verwendet  (45),  wo  Momus  höhnisch  an  diese  Prahlerei  erinnert.^) 
Derselbe  Momus  macht  sich  dann  gegen  die  Götter  die  Argumente 
des  Kyniskos  zu  eigen:  man  muß  an  der  Einwirkung  der  Himmlischen 
zweifeln,  da  sie  es  zulassen,  daß  die  Guten  leiden,  die  Schlechten  reich 
und  geehrt  sind,  Tempelräuber  frei  ausgehen,  aber  Unschuldige  er- 
schlagen werden  (19),  ein  Gedanke,  der  in  der  *  Widerlegung  des  Zeus' 
(16)  teilweise  mit  denselben  Worten  ausgedrückt  war.^)  Der  zweite 
Vorwurf,  den  Momus  den  Himmlischen  macht  und  den  er  nachher 
noch  einmal  dem  Wahrsagergott  gegenüber  wiederholt  (28),  bezieht 
sich  auf  die  dunkeln  und  darum  nutzlosen  Orakel  (20),  und  als  Bei- 
spiel gilt  wieder  das  Halvsorakel  wie  im  vorigen  Dialog  (14),  während 
auf  den  ebendort  erwähnten  Spruch  des  delphischen  Gottes,  als  Krösus 
ihn  auf  die  Probe  stellte,  bei  den  Weissagekünsten  Apolls  mit  Spott 
hingewiesen  wird  (30).  Auch  das  Verhältnis  der  Götter  zur  Moire 
wird  wieder  in  den  Bereich  der  Satire  gezogen;  Poseidons  Vorschlag, 
den  lästigen  Damis  zu  beseitigen,  muß  Zeus  ablehnen  (25);  denn  die 
Moiren,   nicht    die  Götter    bestimmen  dem  einen  den  Tod  durch  den 


nivcav  Xiyovrsg  Tovg  d^sovg  (i-^b  oXag  rä  ytyvöfwva  ini,a%onstv'  mffrB  mga  ifilp 
Xoyi^fO&ai,  di6ri  rfv  uticc^  ovzol  tcbIöcci  rhv  ßiov  Svvr,d'(üöii\  ov  y^tTQitog  nfivrjoBTS. 
TIS  '/(iQ  *^>'  ^T(  d^vGtifv  viilv.  lupp.  trag.  18:  tl  d'  ovxot  Ttbiö&eisv  7}  ^rjdf  oXug 
iifiug  ilvui  ri  ovxug  ScTiQOvoTjTovg  ilvai  a(f(bv  avTcbr,  aö'vr«  xccl  &ytQaöTcc  xal  &xi- 
/irjT«  r^Uv  latai  r&x  yfig  %ul  ^iäxr]v  iv  ovgav^  xa&BÖoviiBd'a  Xi(iä}  ^jjrd^tcvot. 

1)  Siehe  Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  326.    Knauer  a.  a.  0.  [oben  S.  16]  S.  46  ff. 

2)  lupp.  trag.  14:  iötditiv  ys  axovcav  oov  SrniriyoQOvvxog  xal  ^uiXiaTCc 
öiT&TB  intiXotrig  ävacndotiv  ix  ßüQ-QCOv  Ti]V  yfjv  xal  xiiv  d-dXaxxcev  ai^totg  d'folg 
xr}v  aBiQccv  ixtivriv  rijv  ;i;(>t'ö7}v  xud^tig.     lupp.  conf.  4:    Iqpfjffd"«    yccQ   ai)xbg  fihv 

xj]v   ötiQccv   xa^rjativ    ii    ovgavov ah   d^,    dnöxcev    i^'^Xi^O'^g, 

Qudicag  unuvtag  ui)x^  %av  yaiji  igvocet,  ait^  x(  d-aXdeajj,  x6xs  fihv  &ri 
^avfUiaiog  id6%9ig  {loi  xijv  ßiav  xal  vjtitpgixxov  fifra^v  dxovtov  r&v  indiv, 
lu]!]).  trag.  45:  &XXcc  tfv,  co  Zef),  dnoxav  i&fX'^afjg^  anQijv  XQ^''^^^^^  nad'tlf 
uxapxag  a(>xoifg  u^x^  xtv  yair)  igvöaig  avx^  xt  9'aXdac^, 

9}  lupp.  conf.  16:  vjttQtnXovrovi»   Mcidiag  und  CharopHi xalol  x^ytt^ 

dol   &pSffig  AvtaxoXon Isopto  .  iia  fii)  .  .  .  Xiy  <i/of^i>ov; 

.  .  xal  tf)tQon4vovg  tohg  xQriaxovg  tv  ntvitt  xal  v6üotg,  ^^VV  ^'^"K  '^'  ^o^S 
liiv  xif^OToig  .  .  .  .  ip  ntpltt  xal  v 690 ig  .  .  xctxatp^itgofi4vov<f ,  jtttfinop^QOX^g 
dh  .  .  .  .  vnf9nXovxo^t'T<j  äpaaxoXoJnCoiiit  •  ovgovilip 

/tdixotpxag. 


142  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

Blitzschlag,  dem  andern  durchs  Schwert,  dem  dritten  durchs  Fieber. 
Würden  sonst  die  Götter,  wenn's  in  ihrer  Macht  läge,  die  Tempel- 
räuber ungestraft  davonlaufen  lassen?  Gerade  diese  Fortführung  des 
Gedankens  ist  bezeichnend,  weil  sie  sich  in  der  'Widerlegung  des 
Zeus'  (15/6)  ebenso  findet  und  zwar  dort  als  beweiskräftiges  Argument 
des  Kyniskos^  hier  als  eine  überflüssige  und  widerspruchsvolle  Selbst- 
verspottung des  Gottes.^)  In  drastischer  Weise  wird  dasselbe  von 
Zeus  noch  einmal  dem  Herakles  gegenüber  ausgesprochen  (32),  als 
dieser,  falls  Damis  siegt,  die  Stoa  einzureißen  droht,  damit  sie  den 
Frevler  unter  ihren  Trümmern  begrabe;  aber  Herakles  will  sich  das 
nicht  gefallen  lassen,  daß  seine  Taten  auf  diese  Weise  dem  Schicksal 
angerechnet  werden,  nicht  seiner  persönlichen  Tapferkeit.  Da  ist  ein 
krasses  Beispiel  vor  Augen  geführt,  wohin  dieser  Glaube  an  das  Fatum 
bringen  muß,  und  so  eine  Erläuterung  zu  dem  Schluß  des  Gesprächs 
zwischen  Zeus  und  Kyniskos  (18)  gegeben;  und  derjenige,  der  so 
energisch  Einspruch  erhebt  gegen  die  Macht  des  Fatums,  ist  Herakles, 
der  Schutzheilige  der  Kyniker.^)  Der  Spott  auf  den  Anthropomor- 
phismus  der  Götter  war  in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  (8)  durch  den 
Hinweis  auf  den  lahmen  Hephaistos  wenigstens  schon  berührt;  hier 
richtet  sich  die  Satire  gegen  den  bartlosen  Apollo,  der  einen  so  bär- 
tigen Sohn  wie  Asklepios  hat  (26).  Daß  dieser  Spott  alt  ist,  zeigt 
die  Anekdote  bei  Cicero  de  nat.  deor.  III  34,  83,  nach  der  Dionys  dem 
Äskulap  in  Epidaurus  den  goldenen  Bart  abnehmen  ließ,  weil  es  sich 
für  den  Sohn  nicht  schicke,  einen  langen  Bart  zu  tragen,  wenn  der 
Vater  unbärtig  sei.  Derselbe  Angriff  kehrt  bei  den  christlichen  Apo- 
logeten wieder.^) 

Der  zweite  Teil  des  Dialoges  enthält  die  Disputation  zwischen 
den  Vertretern  der  feindlichen  Schulen,  die  sich  mit  den  Vorwürfen 
des  Momus  nahe  berührt;  und  das  ist  der  Hauptfehler  dieser  Satire. 
Auch  hier  kehren  die  Gedanken  aus  der  'Widerlegung  des  Zeus'  ständig 


1)  lupp.  conf.  15  f.:    'üccl   6s   ovdhv   ccltidöoiica  rf]s  Tr^rjy/)?,  ccXXä  trjv  KXtod'co 

TT/v    dia    60V    xitQooGY.ovG(xv tl   d'^Ttoxs    tovg    IsQOGvXovg   ....    dcpivtss 

.  .  .  .  ÖQvv  rtvcc  TtoXiccTiLg  ytSQccvvovts.     lupp.  trag.  25:    iniX^XriaaL  co?  ovdhv  tmv 

tOLOvtcov  icp'  7]\il^  ißtiv,  aXX'  al  Motgai  k-adörcp  iiti'nXcod'ovaL ;  i'jtel  ei'  yi 

iioi  in'  i^ovoLas  tb  itgayiia  rjv,  sl'ocGa  av  oisi  xovg  IsgoavXovg  Ttgariv  dnsX^stv 
ScxsQavvoirovg;  Widerspruchsvoll  ist  Zeus'  Gedankengang  hier,  weil  bei  dem 
Zugeständnis  der  eigenen  Ohnmacht  des  Momus  Einwurf  (19)  überhaupt  nicht 
gemacht  werden  konnte. 

2)  Siehe  Hirzel,  Der  Dialog  11  S.  327. 

3)  Minuc.  Felix  22,  5:  Vulcanus  claudus  deus  et  debilis,  Apollo  tot  aetati- 
bus  levis,  Aesculapius  bene  barbatus,  etsi  semper  adulescentis  ApoUinis  filius. 


Beziehungen  zur  'Widerlegung  des  Zeus'.  143 

wieder;  die  Rolle  des  Gottes  dort  hat  hier  der  Stoiker,  sein  irdischer 
Verfechter,  die  des  Kyniskos  der  Epikureer  übernommen.  Gleich  die 
ersten  Worte,  die  das  Thema  enthalten  (35^,  erinnern  an  das,  was 
Zeus  dort  (6)  den  verwünschten  Sophisten  vorwirft.  Homer  tritt  hier 
(39)  wie  dort  (1)  als  Zeuge  auf,  und  beide  Male  werden  gegen  die 
Götter  diejenigen  Erzählungen  vorgebracht,  die  ihr  Ansehen  zu  ver- 
ringern geeignet  sind.  In  beiden  Dialogen  werden  die  Orakel  als 
Beweis  für  die  Betätigung  der  Götter  herangezogen,  und  beide  Male 
muß  das  Krösusorakel  herhalten,  obwohl  es  schon  in  den  Vorwürfen 
des  Momus  (20)  Verwendung  gefunden  hatte;  ja,  sogar  die  Fassung 
der  Worte  ist  fast  die  gleiche.^)  Auch  daß  Zeus  den  Donner 
wirkt,  wird  bezweifelt,  hier  (45),  weil  auf  Kreta  das  Grab  des  Zeus 
gezeigt  wird,  dort  (15),  weil  in  Wahrheit  die  Moire  verantwort- 
lich ist. 

Die  Argumente,  die  Timokles  für  das  Vorhandensein  der  Götter 
anbringt,  entsprechen  den  tÖTtoL,  wie  sie  Sextus  Empiricus  adv.  math. 
IX  zusammengestellt  hat.^)  Der  Stoiker  beginnt  mit  dem  zweiten 
(38):  7]  tahg  tiqCjtov  täv  yLVo^svcov  £:t£iö€v.  Der  Epikureer  setzt 
an  Stelle  der  Gottheit,  welche  diese  Ordnung  im  Weltall  bewirkt,  die 
dvayxri.  Es  folgt  das  nächste  Beweismittel,  ex  consensu  gentium. 
Timokles  beruft  sich  zuerst  auf  die  Dichter  (39 ff.);  auch  bei  Sextus 
werden  Poeten  und  Schriftsteller  als  Zeugen  an  dieser  Stelle  ein- 
gereiht*); daß  er  ebenso  wie  Lucian  über  den  Brauch  spottet,  sie  auf 
diese  Weise  zu  benutzen,  zeigt  er  adv.  math.  I  280.^)     Es  ist  besou- 


1)  lapp.  conf.  6:  ol  firidh  ngovoelv  r}it&s  t&v  ävd'Qio'Ttav  (pccaiv^  trag.  85:  ri 
q>TJS  ....  d^sovg  fii]  klvoci  uriih  ngovoslv  Scvd'QmTtav; 

2)  lupp.  conf.  14:  xal  &H(piio^cc  xccl  iTCa^fpOTSQi^ovxa  roti  TioXlolg  jtpfiv 
(lot^uTB  oi)  Ttdw  icnoöutpovvng y  bI  6  xbv  ZAlvv  diaficcs  tijv  avtoö  &QX^^ 
xaraXvati  rj  Ti]v  tov  Kvqov,  trag.  43:  &XQiß&g  cJfiqprfx?]?  t^v  xal  (ftnQOöoynog^ 
oloi  klai  tfbv  'Eq^iüv  fviot,  dirrol  xofl  &\t>(f>oxiQ(a^iv  o^olol  . .  .  xi  Y^Q'y  ^i&Xkov 
6  Kgolaos  Siaßäg  xbv^AXvv  xrjv  avxov  <5:pjr?;r  ?)  xi^v  Kvqov  xaxaXvaei; 

3)  Sext.  Kmp.  adv.  math.  IX  00:  ol  xoivvv  d^eovt  Sc^ioüvxbs  tlvai.  :rfipf&rrat  x6 
itQoxtlfuvov  xaxaaxBvdtBtv  ix  xhaadgav  Tpojrwv,  ivbg  ^Iv  xf\i  Ttuffä  näaiv  Scv^Qm- 
noig  avy.(pa>vias,  dtvxi^ov  di  xf^g  xoa\uxfig  dictxd^foig^  xgixov  ih  xätv  &KoXovd'ovi<- 
xiov  äröntav  xolg  dvaiQohai  x6  9t[ov^  xfxüqtov  dk  xccl  xdevxaiov  xi)^  xcbv  drxt- 
ntnxovxoiv  Xöytov  virt^aiQ^asojg. 

4)  A.  a.  O.  IX  03:  ndgioxi.  triv  noirixixi}v  dff&p  nt]6lv  ^^y«  ^/jdi  Xcningöv 
ixfpiffovcav ^  iv  ot  Uli  &i6g  icxiv  6  ti}»  iiovalccv  xal  x6  XQatog  xAp  yirofiiyaav 
TtQuy^dxtov  ivt^iiivog. 

hj  A.  a.  ().  I  2H():  notr\xixolq  t§  ^QXVQlotg  {^Avrai  o^x  ol  fp^tlng  q>iAo- 
aotpotfVTtg   —    rorrcof    yuQ    ö    Xdyog    a^dgxfig    ictl    itQÖg    n»t9m  —  iXX     ol    TÖr 


144  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

ders  in  der  Stoa  üblich,  die  Dichter  als  Zeugen  zu  vernehmen,  und 
gerade  Homer  und  Euripides  waren  offenbar  besonders  beliebt.^)  Es  ist 
dem  Epikureer  ein  Leichtes,  aus  den  Dichtern  Gegenbeweise  zu  bringen. 
Interessant  ist  es,  daß  Lucian  dabei  diejenigen  Euripidesverse^)  ver- 
wendet, die  von  den  Stoikern  selber  benutzt  sind.  Das  beweist  Cicero 
de  nat.  deor.  II  25,  65,  wo  der  Stoiker  dies  Zitat  seiner  Erklärung 
volkstümlicher  Auffassung  der  Götter  ex  ratione  physica  einfügt;  diese 
Erklärungsweise  wird  von  Cicero  schon  auf  Zeno,  Kleanthes  und 
Chrysipp  zurückgeführt  (II  24,  63).^)  Es  ist  danach  sehr  wahrschein- 
lich, daß  schon  sie  diese  Verse  als  Beleg  benutzt  haben  für  die  Ur- 
kraft,  den  Äther  oder  das  alles  durchdringende  Feuer,  während  die 
Gegner  dieselben  Worte  verwandten,  um  ihnen  den  Widerspruch  zwi- 
schen ihrem  Pantheismus  und  dem  Beibehalten  der  Volksreligion  zu 
demonstrieren.  Möglich  ist  auch  hier  wie  in  der  'Widerlegung  des 
Zeus'  die  Argumentation  des  Gegners  nur,  weil  er  sich  den  Zeus  in  der 
Persönlichkeit  des  Volksglaubens  denkt. 

Der  zweite  Teil  dieses  Beweises  ex  consensu  gentium  wird  ge- 
bildet durch  die  allgemeine  r&v  ds&v  swoia,  wie  Sextus  Empiricus 
IX  62  sagt,  der  sie  widerlegt,  indem  er  zeigt,  daß  die  ebenso  allgemein 
herrschende  Ansicht  von  den  Vorgängen  im  Hades  falsch  ist,  also  die 
Allgemeinheit  auch  in  dem  andern  Falle  nichts  besagt.  Bei  Lucian  wird 
die  Verschiedenheit  der  Anschauung  von  den  Göttern  bei  den  einzelnen 
Völkern,  indem  das  Lächerliche  dabei  hervorgehoben  wird,  schon 
allein  als  Gegenargument  betrachtet  (42).  So  opfern  die  Skythen  dem 
Schwert,  natürlich  nur  als  einem  Symbol  des  Kriegsgottes  (Hdt.  IV  62 
Clem.  AI.  protr.  IV  46, 1  V  64, 5),  die  Thraker  dem  Zamolxis,  einem  ehe- 
maligen Menschen  (Hdt.  IV  94 — 96),  der  in  Samos  Sklave  gewesen  war, 
die  Phrygier  verehren  den  Mond  (s.  Roschers  Lex.d.Myth.  II  2  S.  2708  ff.), 
die  Äthioper  den  Tag  (Hdt.  III  18),  die  KyUenier  den  Phales  (siehe 
Röscher  III  2  S.  2242),  die  Assyrer  die  Tauben  (hier  liegt  eine  Ver- 
wechslung mit  den  Syrern  vor:  Xen.  An.  I  4,  9  [Luc]  de  dea  Syr.  14 
Sext.  Emp.  Pyrrh.  IH  223  Clem.  AI.  protr.  II  39,  8),    die    Perser    das 


aig  o,rt  av  &iXco6iv   aSovtccg  dsi^ai.     Das   zeigt  ja  eben  Lucian   am  Homer  und 
Euripides. 

1)  Man  sehe  nur  den  Index  von  Gercke  nach  zu  seinen  Chrysippea  Fleck- 
eisens Jahrb.  Suppl.  XIY  S.  758  und  denke  an  die  ^Medea  des  Chrysipp'  (Diog. 
L.  VII  180). 

2)  Nauck,  Trag.  Gr.  Frgm.^    Eurip.  fr.  941. 

3)  Hie  locus  a  Zenone  tractatus  post  a  Cleanthe  et  Chrysippo  pluribus 
verbis  explicatus  est. 


Widerlegung  der  Gottesbeweise.  145 

Feuer  (Hdt.  I  131  Clem.  AI.  protr.  V  65,  1),  die  Ägypter  das  Wasser, 
gemeint  ist  der  Nil  (Pliit.  de  Is.  et  Osir.  5).  Die  mannigfachen  Götter 
der  Ägypter  fordern  aber  bei  Lucian  noch  besonders  den  Hohn  heraus. 
In  Memphis,  bemerkt  Damis,  halten  sie  den  Stier  für  heilig  (Diodor 
185)^),  in  Pelusion  die  Zwiebel^),  sonst  Ibis  (Hdt.  II  65  Plut.  de  Is. 
et  Osir.  73  Clem.  AI.  protr.  V  65, 2),  Krokodil  (Hdt.  II 69  Plut.  de  Is.  75), 
Hundsaffen^),  Katzen^)  (Hdt.  H  67),  Affen  (Strab.  XVH  1,40  [812]). 
Als  das  Lächerlichste  aber  erscheint  ihm  die  Verehrung  der  rechten 
Schulter  im  einen,  der  Unken  im  andern  Dorf,  sowie  die  Anbetung 
eines  halben  Kopfes,  eines  irdenen  Trinkgefäßes;  gemeint  ist  die  Heili- 
gung der  einzelnen  Gliedmaßen  des  zerstückelten  Osiris  (Diodor  I  21,5  ff. 
Plut.  de  Is.  18),  die  nur  durch  die  angenommene  Halbierung  des  Kopfes 
ins  Groteske  verzerrt  ist,  und  bei  dem  Trinkgefäß  ist  offenbar  an  das 
im  Festzug  des  Osiris  vorangetragene  Wassergefäß  gedacht  (Plut.  de 
Is.  36).  Auch  diese  Art  der  Polemik  hat  aber  Lucian  nicht  etwa  erst 
aus  der  Komödie  geschöpft  oder  selber  geschaffen;  sie  findet  sich 
auch  bei  Cicero,  der  den  Akademiker  auf  dieselbe  Weise  die  An- 
sichten der  Barbarenvölker  gegen  die  Stoiker  verwenden  läßt,  um  den 
Schluß  ex  consensu  gentium  zu  entkräften.^)  Allerdings  weist  dort 
auch  der  Epikureer  die  Fabeln  der  Dichter  und  die  ungeheuerlichen 
Erfindungen  der  Ägypter  als  unvereinbar  mit  einer  reineren  Gottes- 
auffaflsung  zurück^);  aber  da  kann  der  Gegner  gerade  die  ägyptischen 


1)  Vgl.  Partheys  Ausgabe  von  Plut.  de  Is.  et  Osir,  Berlin  1860,  S.  261  ff. 

2)  Die  Bemerkung  beruht  ottenbar  darauf,  daß  die  Zwiebel  von  den 
Priestern  nicht  gegessen  wird  (Plut.  de  Is.  et  Osir.  8.  Min.  Felix  28,  9.  Seit. 
Emp.  Pyrrh.  III  224.  Juv.  XV  9,  der  in  den  vorhergehenden  Versen  auch  die 
heiligen  Tiere  aufzählt). 

3)  Thots  heihger  Affe:  Plut.  de  Is.  73  (Parthey  8.  166). 

4)  Ibis,  xva)v  und  cct^Xovgog  sind  auch  bei  Timokles  in  den  Alyvnttoi  ge- 
nannt, die  offenbar  der  Verspottung  ägyptischer  Gottheiten  dienten  (Kock 
II  8.  461).  Auch  Antipha^s  (Kock  U  S.  71)  und  Anaxandrides  (Kock  11  S.  160) 
vor<?potteten  diese  ägyptischen  Göttertiere  (Ath.  VII  299  e  — 300  b). 

fj)  De  nat.  deor.  III  16,  89:  Nee  vero  volgi  atque  imperitorum  inscitiam  de- 
Hjii'ore  poHsum,  cum  ea  considero  quae  dicuntur  a  Stoicis;  sunt  cnim  illa  im- 
]»orit^»rura:  piscem  Syri  venerantur,  omne  fere  genus  bostiarum  Aegyptii  con- 
H«<ravenint.  III  19,  47:  quid  autem  dicis,  si  di  Hunt  illi,  quos  colimus  et  acoe- 
piiuiiN,  nir  non  eodem  in  genere  Senipim  Isimque  nuuioromus?  quod  si  facimoi, 
(Mir  l.iirl.uronim  dcos  rcpudiemus?  boves  igitur  et  imjuos,  ibis,  accipitret,  Mpi- 
'ia-i.  '  '  ^y  pisoef,  canei,  InpoR,  felis,    multas  praotonMi  boluai«  in  deomm 

inirii'  MOinUS. 

».    !'••  imt.  deor.  I  16,43:    cum    poetanini    nutoni    orror»'    ooniungore    \\tt% 
)»ott4ht;i  II  !  '..riiii,   Aegyptiorum(|')'<  <?•  ••■•■bMu  gonorr  (iiMiiiMitiatu. 
II     Im  I  iuni|>p  10 


146  Kapitel  V,    Der  tragische  Zeus. 

Götter  als  Argument  gegen  die  Epikureer  ins  Feld  führen:  jene  haben 
doch  eine  Berechtigung,  da  sie  den  Menschen  nützen,  die  epikureischen 
dagegen  nicht.')  Bei  Lucian  staunt  man,  daß  ein  Anhänger  der  epi- 
kureischen Schule  diese  Argumente  gegen  den  Götterglauben  im  all- 
gemeinen vortragen  muß.  Die  Epikureer  haben  ja  selber  die  Götter 
der  Yolksreligion  mit  ihrem  Anthropomorphismus  beibehalten  und 
den  Schluß  ex  consensu  gentium  mitgemacht.^)  Als  Argument  gegen 
die  Existenz  der  Götter  durfte  also  Damis  den  ganzen  Abschnitt  über- 
haupt nicht  vorbringen;  in  seinem  ganzen  Umfang  paßt  er  nur  für 
Karneades^),  aus  dessen  Lehren  durch  Vermittlung  des  Klitomachus 
sowohl  Cicero  wie  Sextus  geschöpft  haben.^) 

Der  dritte  Beweis  für  das  Dasein  der  Götter  wird  von  Sextus. 
bezeichnet  als  die  äzojta,  die  sich  beim  Aufgeben  dieses  Glaubens  er- 
geben würden.  Darunter  zählt  er  selber  das  Aufhören  der  Mantik 
(IX  132)  mit  auf.  So  führt  denn  auch  Timokles  die  Weissagungen 
als  deutliche  Betätigungen  der  Götter  und  ihrer  Fürsorge  an  (43). 
Damis  bekämpft  diese  Ansicht  mit  den  Argumenten,  die  wir  aus  der 
*  Widerlegung  des  Zeus'  kennen. 

Was  weiter  folgt,  schließt  sich  nicht  einer  durchsichtigen  Dis- 
position an.  Der  Epikureer  wird  an  die  Altäre  erinnert  (44),  die  bei 
seiner  Anschauung  beseitigt  würden;  worauf  er  meint,  um  Altäre  wie 
den  der  tauri?chen  Artemis  mit  den  Menschenopfern  sei  es  nicht, 
schade.  Dasselbe  Argument  wird  am  Schluß  der  Disputation  noch 
einmal  vorgebracht  in  der  Form  eines  Syllogismus  (51),  um  dadurch 
am  Ende  einen  Haupteffekt  zu  erzielen;  aus  dem  Vorhandensein  der 
Altäre  wird  auf  die  Existenz  der  Götter  geschlossen.  Das  ist  im 
Grunde  nur  die  Wiederholung  des  Beweises  ex  consensu  gentium; 
aber  zugleich  wird  der  Glaube  der  Stoiker  verspottet,  derartige  außer- 
halb der  menschlichen  Erkenntnis  liegende  Dinge  durch  eine  einfache 
Schlußformel  bindend  beweisen  zu  können. 

Den  letzten  Baustein  in  dem  Gottesbeweis  des  Timokles  bildet 
endlich    der  Vergleich   mit  dem  Schiff  (46 ff.);    auch  das  ist  nur  eine 

1)  De  nat.  deor,  I  36,  100  f.  Die  epikureischen  Götter  sind  ganz  überflüssig, 
da  sie  nicht  wirken;  ipsi  qui  inridentur  Aegyptii  nuUam  beluam  nisi  ob  aliquam 
utilitatem,  quam  ex  ea  caperent,  consecraverunt;  und  nun  folgt  die  Begründung 
im  einzelnen. 

2)  Cic.  de  nat.  deor.  I  16,  43:  quae  est  enim  gens  aut  quod  genus  hominum, 
quod  non  habeat  sine  doctrina  anticipationem  quandam  deorum?  quam  appellat 
7tQ6Xr]ipiv  Epicurus.    Vgl.  I  23,  62.         3)  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.  UI  1  ^  S.  505. 

4)  Siehe  Hirzel,  Untersuchungen  zu  Ciceros  phil.  Schriften,  Leipz.  1877,  I  32  ff. 
Vick,  Hermes  XXXVH  (1902)  S.  228  ff. 


Widerlegung  der  Gottesbeweise.  |47 

Wiederholung  des  Argumentes  aus  der  xoö^ixri  diccTa^ig.  Sextus 
Empiricus  (1X27)  gibt  denselben  Vergleich:  Wie  derjenige,  der  vom 
Schiffswesen  etwas  versteht,  sobald  er  aus  der  Feme  ein  Fahrzeug 
vom  Winde  getrieben  und  mit  allen  Segeln  wohl  ausgestattet  erblickt, 
daraus  den  Schluß  zieht,  daß  jemand  da  ist,  der  es  lenkt  und  in  die 
Häfen  leitet,  so  suchte  man  beim  Anblick  des  Himmels  und  beim 
Anschauen  der  Sonne  und  Gestirne  nach  einem  Schöpfer  dieser  herr- 
lichen Ordnung.  Und  auch  hier  zeigt  Cicero  in  der  Darstellung  des 
Stoikers  de  nat.  deor.  H  34, 87  Übereinstimmung  mit  Sextus.^)  Der 
Vergleich  der  Welt  mit  dem  Schiff  und  des  Weltenlenkers  mit  dem 
Steuermann^)  ist  bei  den  Stoikern  sehr  beliebt,  wie  sie  überhaupt 
Bilder  aus  der  Seefahrt  häufig  verwenden^),  und  ist  dann  von  den 
christlichen  Apologeten  weiter  verwertet.*)  Es  ist  bezeichnend,  daß 
Athenagoras  in  seiner  Schrift  für  die  Christen  (^22  S.  28, 23  Schwartz) 
dem  Stoiker  Mark  Aurel  gegenüber  sich  ihn  zu  eigen  macht.  Widerlegt 
wird  der  aus  dem  Vergleich  gezogene  Schluß  von  Darais,  indem  er  nach- 
weist, wie  ungleich  die  verglichenen  Dinge  sind;  und  das  Hauptargu- 
ment gegen  die  Ordnung  auf  dem  Weltenschiff  ist  das  von  Sextus 
Empiricus  für  solche  Fälle  als  das  gewöhnliche  bezeichnete^),  die  Un- 
gerechtigkeit in  der  Verteilung  der  Lebenslose,  die  hier  durch  die 
bekannten,  wie  wir  oben  sahen,  aus  der  'Widerlegung  des  Zeus'  über- 
nommenen Typen  gezeigt  wird. 

Wir  finden  also  im  'tragischen  Zeus'  nur  wenig  neue  Gedanken, 
die  aus  der  skeptischen  Polemik  entnommen  sind;  sonst  sind  es  die 
alten  Motive.  Wir  haben  die  Götterversammlung,  ausführlicher  dar- 
gestellt und  mit  den  witzigen  Pointen  versehen,  die  wir  im  'Ikaro- 
menipp'  nur  kurz  angedeutet  sahen,  und  wir  haben,  nur  auf  die  Erde 
übertragen,   eine  Dublette    zu    der  Unterredung   zwischen    Zeus   und 

1)  Cic.  de  nat.  d.  II  84,  87:  Cumqne  procnl  cursum  navigii  videris,  uon 
<lnbitare,    quin    id    ratione    at^iue    arte    movoatur,    Sext.  Emp.   IX  27:    «^«    rra 

iftdaaad'ai  nÖQQbi&iv  vccvv  ovifim  di(ov,o\iivriv avvii,aiv  ort   ^art  r/c  o  xartr- 

9vvmv  tavtriv. 

2)  Auch  in  lupp.  conf.  11  findet  1  '  vom  .^(luii,  jii»ci  »umh  m 
weiientlich  anderem  Sinne. 

8)  Vgl.  Prftchter,   Der  Stoiker  IlitrukleH,    Leipzig  i  W'ondland, 

PhiloM  Schrift  «her  die  Vor«ohung  S.  28.      II    W.V.oi ,  1'  1    dicoudi 

genere  Bionco,  IHhu.  Marburg  1896,  S.  67. 

4)  Clem.  AI.  protr.  X  100,4:  rbv  oigutim   xi  |ift<i  »ri^i    n.  v  «..^..,. 

6)  Scxt.  Emp.  Pvrrh.  I  82:    Ötuv  ngög  rbv  xuTattxtvdÜovTa ,  ur»  iarl  n96voia 

AuxitT,  toifg  dh  nuxoh^'  kvnffayttv. 


148  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

Kyniskos,  zu  der  ebenfalls  schon  im  'Ikuromenipp'  die  Anregung  ge- 
geben war.  Für  das  Motiv,  das  in  der  Götterversammlung  die  Haupt- 
sache bildet,  den  Streit  um  die  Sitze,  könnte  man  in  jenem  Dialog 
sich  sehr  wohl  den  Platz  denken.  Und  wenn  Momus  hier  und  dann 
in  der  'Götterversammlung'  betitelten  Satire  gerade  diese  Rolle  spielt, 
so  ist  es  wohl  kein  Zufall,  daß  in  der  kurzen  Zeusrede  im  'Ikaro- 
menipp'  (31)  sich  die  Erwähnung  seines  Namens  und  seiner  Tadelsucht 
erhalten  hat;  man  möchte  das  vielmehr  als  durch  das  Original 
veranlaßt  und  somit  als  Überbleibsel  der  ausführlicheren  Rolle  an- 
sehen, die  Momus  im  Menippischen  Vorbilde  des  'Ikaromenipp'  gespielt 
hat.^)  Der  Momus  ist  durchaus  keine  sehr  häufig  auftretende  Per- 
sönlichkeit.^) Hesiod  (theog.  214)  führt  ihn  mit  Moros  und  Thanatos, 
Hypnos  und  den  Träumen  als  Sohn  der  Nacht  an.  In  den  Kyprien 
war  Momos  Ratgeber  des  Zeus  und  gab  ihm  Mittel  und  Wege  an, 
die  gar  zu  sehr  belastete  Erde  von  der  Masse  der  Menschen  zu  be- 
freien.^) Sophokles  und  Achaios  schrieben  Satyrdramen  des  Namens. 
Bekannter  ist  nur  die  Fabel  (Bahr.  59),  in  der  Momos  die  Werke 
von  Zeus,  Poseidon  und  Athene,  den  Menschen,  den  Stier  und 
das  Haus,  kritisiert.*)  Als  Persönlichkeit  in  bestimmter  Situation 
tritt  er  uns  sonst  vor  Lucian  nicht  entgegen.^)  Beachtenswert  ist 
vielleicht,  daß  Kallimachos  ihn  häufiger  anführt^);  das  geschieht 
in  dem  Zeitalter  Menipps.  Aber  mehr  als  vermuten  kann  man 
hier  nicht. 

Für  die  Disputation  des  Stoikers  und  Epikureers  lag  Lucian  auf 
jeden  Fall    das  Vorbild   der  Wirklichkeit  vor;    aber    wahrscheinlicher 


1)  Zeus  wirft  ja  dort  dem  Momus  gleichsam  vor,  daß  er  den  Menschen  ein 
schlechtes  Beispiel  gegeben  habe;  nun  sagt  mancher:  Si67t£Q  6  Mat^og  rä  vnb 
rcbv  aXXcov  yiyvoybsva  GvAOcpccvtcb. 

2)  Vgl.  Tümpel  in  Roschers  Myth.  Lex.  II  2  S.  3117  ff. 

3)  Schol.  zu  II.  I  5:  Gv^ßovlcp  xa>  Mm^a  j^Qr]Od^8vos. 

4)  Ausführlich  bei  Arisc.  part.  an.  III  2,  663a,  35  und  Lucian  Hermot.  20. 

5)  Aristides  49,  136  (II  S.  184,  18  ff.  Keil)  berichtet,  Momus  habe,  weil  er 
sonst  an  der  Aphrodite  nichts  zu  tadeln  fand,  wenigstens  ihren  Schuh  getadelt.  — 
Hasenclever,  Festschr.  z.  25jähr.  Bestehen  des  hist.-phil.  Vereins,  München  1905, 
S.  74  ff.  meint,  daß  in  Momus  bei  Lucian  die  historische  Persönlichkeit  des 
Demosthenes  aufgegangen  ist,  weil  '^ Göttervers.'  2  die  Worte  aus  Ttsgl  t&v  iv 
XsQQovqao)  24  benutzt  und  im  ^trag.  Zeus'  23  die  Worte  der  1  olynth.  Rede 
(I  16)  auf  Momus  bezogen  sind.  Der  Schluß  ist  ebenso  falsch  wie  die  weitere 
Konsequenz,  daß  hinter  den  übrigen  Göttern  sich  das  große  athenische  Publikum 
verstecke. 

6)  Hymn.  E  113.     Epigr.  fr.  70  (Schneider  11  222). 


Momus.     Philosophendisputation.  149 

ist  es,  daß  er  auch  hier  schon  literarisch  fixierte  Muster  hatte.  Cicero 
benutzt  in  der  Darstelhing  des  Streites  zwischen  Epikureer  und  Stoiker 
Ausdrücke,  die  an  das  Mimische  der  Menippischen  Satire  gemahnen-, 
mit  Vorliebe  gebraucht  er  das  Verbum  clamare^),  und  in  dem  von 
Augustin  c.  acad.  III  7,  15  ff.  erhaltenen  Fragment  gibt  er  völlig  die 
Schilderung  einer  Disputation  mit  Streit  und  Geschrei,  wie  sie  bei 
Lucian  vorliegt;  dem  Stoiker  erscheinen  die  Epikureer  mit  ihrer  Ansicht 
von  der  Lust  wie  das  liebe  Vieh;  und  diese  wieder  stürzen  auf  ihre 
Gegner  wie  Bacchanten,  bereit,  sie  mit  Mund  und  Nägeln  zu  zerfleischen. 
Zeno  nennt  den  Epikur  Bestie,  und  dieser  sagt  von  jenem,  er  sei  ver- 
rückt.^) Man  muß  beachten,  daß  das  in  den  Academica  stand,  die 
Varro,  dem  Verfasser  menippischer  Satiren,  gewidmet  sind.  Da  ist 
es  vielleicht  auch  nicht  geringfügig,  daß  die  spitze  Bemerkung,  der 
Epikureer  rede,  als  ob  er  gerade  aus  der  Mitte  der  Götter  käme  und 
deshalb  genau  Bescheid  wüßte,  bei  Cicero  de  nat.  deor.  I  8,  18  lebhaft 
an  den  ähnlichen  Spott  des  Damis  gegenüber  Timokles  erinnert.*) 
Unschwer  ließen  sich  die  Bäche  finden,  mittels  deren  beiden  Schrift- 

1)  De  nat.  deor.  I  34,  95.     Ac.  post.  fr.  20  (S.  89,  7.  23.  2G  Mueller). 

2)  Man  muß  die  ganze  Stelle  nachlesen,  um  den  Eindruck  zu  gewinnen: 
clamat  Zeno,  et  tota  illa  porticus  tumultuatur,  hominem  natum  ad  nihil 
aliud  6886  quam  honestatem,  ipsam  suo  splendore  ad  86  animos  ducere  nulle 
pror8U8  commodo  extrinsecus  posito  et  quasi  lenocinante  merc^de,  voluptatemque 
illam  Epicuri  solis  inter  se  pecoribus  esse  communem,  in  quorum  societatem  et 
hominem  et  »apientem  trudere  nefas  esse.  Contra  ille  convocata  de  hortulis  in 
auxilium  quasi  Liber  turba  temulentorum,  quaerentium  tantum  quem  in- 
comptis  unguibus  bacchantes  asperoque  ore  discerpant,  voluptatis  nomen, 
suavitatem,  quietem  teste  populo  exaggerans  instat  acriter,  ut  nisi  ea  beatus 
nemo  esse  posse  videatnr.  In  quorum  rixam  si  Academicus  incurrerit,  utrosque 
audiet  traben tes  se  ad  suas  partes,  sed  si  in  illos  aut  in  istos  concesserit,  ab 
eis,  quos  deseret,  insanus,  imperitus  temerariusque  clamabitur,  itaque 
cum  et  hac  et  illac  aurem  diligenter  adraoverit,  interrogatus,  quid  ci  videatur, 
dubitare  se  dicet.  Roga  nunc  Stoicum  quis  sit  melior,  Epicurusne,  ({ui  delirare 
illum  clamat,  an  Academicus....,  nemo  dubitat  Academicum  praelatum  iri. 
Kursus  te  ad  illum  converte  et  quaere,  quem  magis  amet,  Zenonem,  a  quo 
bestia  vocatur,  an  Arcesilan  ....,  nonne  apertum  est  totam  illam  porticum 
icHaoam,  Academicos  autem  prae  illis  modostos  cautosquc  honünes  videri 
Epicuro?     Vgl,  üsener,  Epicurea,  Leipz.  18M7,  S.  LXX. 

8)  Cic.  de  nat  deor.  18,  18:  Velleius  fident4^>r  sane  ....  tamquum  modo  ex 
deonun  concilio  et  ex  Epicuri  intermundiis  descendisset,  Luc.  lupp.  tr.  46:  §1 
d*  6  Zthf  6  ßgorrtüv  ftfn,  av  (tfutvov  av  tiddris  ixetd'ir  rtoO-tv  nitQcc  tAp  9§Ap 
atptyiiivof.  Auch  hier  geht,  genau  wie  wir  oben  sahen,  i^üoudojuHiin  mit 
Lucian,  wenn  or  Fariinet.  6  von  Piaton  sjigt:  ots  <5fco^H'  xuxth)lv{^üig  xai  ra  iv 
oi>Quvois  unuvxu  icxfftßwf  ico^axiäff,  x6v  avtardrui  9^tov  iv  tfj  nvQiodn  ovai^  f/ra* 
lifti.     Vgl.  oben  8.  43  ff. 


150  Kapitel  V.    Der  tragische  Zeus. 

stellern  derartige  Motive  aus  einer  gemeinsamen  Urquelle  zugeströmt 
sind,  wenn  man  an  eine  Einwirkung  Varros  auf  Cicero  denkt. ^)  Bei 
Varro  scheint  eine  Disputation  zwischen  Stoiker  und  Epikureer  in  der 
Xoyo^axtci  vorgelegen  zu  haben.  Man  könnte  auch  in  Menipps  ^Sym- 
posion'  sich  derartige  Redekämpfe  vorstellen,  die  dann  für  Lucian 
wenigstens  ein  Muster  abgaben.^) 

So  sehen  wir,  wie  Lucian  die  beiden  alten  Motive  wiederbenutzt 
hat;  die  Götterversammlung  hat  er  ausgestaltet,  die  Form  der  Dis- 
putation hat  er  mit  einem  Trank  aus  skeptischer  Quelle  gefüllt.  Die 
geschickte  Gruppierung  beider  Motive,  die  packende  Inszenierung  ist 
sein  Verdienst.^)  Dazu  hat  er  noch  ein  paar  Hiebe  auf  die  Sophisten 
neu  angebracht,  zu  denen  er  selber  einmal  sich  gezählt  hat  und 
deren  Angehöriger  er  im  Grunde  Zeit  seines  Lebens  geblieben  ist.  Er 
spottet  über  diejenigen,  die,  wenn  die  Säulenhalle  mit  ihren  Gemälden 
vernichtet  wäre,  nicht  mehr  Gelegenheit  haben  würden,  über  die  Ma- 
rathonkämpfer zu  sprechen.  Von  Polemon,  dem  Haupt  der  Rhetoren- 
schule  in  Smyrna,  die  Lucian  vermutlich  selber  in  seiner  Jugend 
besucht  hat,  besitzen  wir  noch  die  Reden  auf  die  Marathonkämpfer 
Kallimachus  und  Kynägirus,  deren  Väter  sich  um  die  Ehre  streiten, 
die  Grabrede  zu  halten;  gerade  den  Kynägirus  empfiehlt  Lucian  aus 
Hohn  als  wirksamen  Stoff  auch  dem  Rhetorenschüler  (rhet.  praec.  18). 
Noch  deutlicher  wird  der  Hieb,  wenn  Hermes  dem  Zeus  vorschlägt, 
sich  bei  seiner  Ansprache  an  eine  Demosthenische  Rede  zu  halten  (14). 
Sowohl  für  Polemon,  wie  für  Herodes  Atticus  ist  Demosthenes  das 
Vorbild;  ÄHus  Aristides  (26,  19  H  S.  430,  21  Keü)  träumt  sogar  von 
ihm  und  bildet  sich  ein,  ihn  übertroffen  zu  haben.  Lucian  spottet 
im  'Rhetorenlehrer'  (21)  darüber,  daß  sich  jeder  dem  großen  Päanier 
vergleicht.  In  unserem  Dialog  bemerkt  er  boshaft,  daß  Zeus  ja  nur 
ein  paar  Phrasen  des  Demosthenes  mit  geringen  Veränderungen  an- 
einanderzureihen brauche;  denn  so  reden  ja  heutzutage  die  meisten. 
Allerdings  ist  auch   da   vielleicht   eine  Entlehnung   aus  Menipp*)  nur 

1)  Es  ist  bezeichnend,  daß  Cicero  ac.  post.  I  4,  14  ganz  in  Menippischer 
Weise  einen  Vers  zur  Schilderung  der  Handlung  einfügt. 

2)  Ygl.  Kap.  XI. 

3)  Auf  diese  Weise  wird  wohl  auch  Knauer  (s.  oben  S.  15)  S.  38  sein 
Urteil  verstanden  wissen  wollen:  luppiter  tragoedus  Luciano  soli  tribuendus  est. 
Im  übrigen  verbreitert  er  nur  etwas  die  schon  von  Bolderman,  Studia  Lucianea, 
Lugd.  Bat.  1893,  S.  80  aufgestellte  Parallele,  die  ihre  Berechtigung  hat:  deorum 
conc.  =  lupp.  trag.  1 — 35,  lupp.  conf.  =  lupp.  trag.  35  —  fin. 

4)  Daß  auch  das  plötzliche  Abbrechen  (15)  ßovXo^cci  ds  i]dri  ....  avta  v^iv 
SriXoäGca  acccpoäg  auf  ein  Menippisches  Motiv  zurückzugehen  scheint,  und  die  Ahn- 


Beziehungen  auf  Lucians  Zeit.  151 

durch  die  Zeitumstände  wieder  aktuell  geworden.^)  Ganz  allgemein  auf 
das  endlose  Geschwätz  der  Sophisten  geht  die  nicht  weniger  boshafte 
Bemerkung  (14),  die  Hermes  macht,  nachdem  es  ihm  endlich  gelungen, 
Ruhe  herzustellen:  'Sie  sind  stummer  geworden  als  die  —  Sophisten'; 
die  Umbiegung  des  üblichen  Ausdrucks:  'stummer  als  die  Fische'  ist 
übeiTaschend  und  um  so  wirkungsvoller.  Diese  Angriffe  trugen  gewiß 
mit  dazu  bei,  die  ohnehin  schon  große  Lebhaftigkeit  der  Satire  zu 
erhöhen  und  die  Lachlust  des  Publikums  herauszufordern. 


lichkeit  mit  Seneca  apocoloc.  1  wird  noch  zu  Kap.  XII  bemerkt  werden,  wo  die 
Rede  der  Rhetorik  im  'Doppeltverklagten'  eine  gleiche  Erscheinung  zeigt. 
1)  Ygl.  S.  159. 


Kapitel  VI. 
Die  Götterversammlung. 

Wir  kommen  zum  letzten  Dialog,  der  zu  dem  Olymp  in  Be- 
ziehungen steht,  zur  ^Götterversammlung'.  Zeus  gibt  gleich  im  Beginn 
das  Thema;  es  gilt  die  Unwürdigen,  die  Metöken  und  Fremdlinge, 
aus  dem  Götterhimmel  auszustoßen.  Der  uns  schon  bekannte  Momus 
tritt  auf  und  klagt  zunächst,  daß  einige,  nicht  zufrieden,  selbst  unter 
die  Olympischen  aufgenommen  zu  sein,  auch  noch  einen  ganzen 
Schwärm  von  Anhängern  mitgebracht  haben;  als  Beispiel  nennt  er 
Dionysos  mit  Pan,  Silen  und  Satyrn.  Zeus  verbietet  ihm  darauf 
sofort,  seine  andern  Söhne,  Asklepios  und  Herakles,  in  gleicher  Weise 
anzugreifen.  Infolgedessen  wendet  sich  Momus  gegen  Zeus  selber; 
von  seinem  Grab  in  Kreta  und  ähnlichen  Fabeln  will  er  nicht  reden, 
aber  seine  Liebschaften  mit  irdischen  Weibern  sind  schuld  daran,  daß 
der  Himmel  mit  Halbgöttern  bevölkert  werde.  Ihm  haben's  alle  nach- 
gemacht, selbst  die  Göttinnen;  man  brauche  ja  nur  an  Anchises, 
Tithonus,  Endymion  u.  a.  zu  denken.  Auch  hier  fällt  Zeus  ein  und 
untersagt,  etwa  auch  noch  gegen  Ganymedes  Injurien  zu  richten. 
Momus  folgt  dem  Wink;  aber  Attis,  Korybas,  Sabazios,  Mithras,  Za- 
molxis  und  die  ägyptischen  Götter  wie  der  hundsköpfige  Anubis,  der 
Apis,  woher  haben  sie,  fragt  er,  eine  Berechtigung  zur  Aufnahme? 
Zeus  erklärt  diese  Gottheiten  als  nur  dem  Eingeweihten  verständlich. 
Momus  mag  sich  zwar  dabei  nicht  beruhigen;  er  geht  aber  weiter 
zu  Trophonius,  Amphilochus,  die  Orakelstätten  haben,  zu  Polydamas, 
Theagenes,  Hektor  und  Protesilaus,  denen  man  Opfer  darbringt. 
Endlich  kommen  die  vergötterten  Begriffe  an  die  ^^Reihe  wie  Tugend, 
Natur,  Schicksal,  Glück,  die  dahin  führen,  daß  den  Göttern  kein  Opfer 
mehr  zuteil  wird,  weil  die  Menschen  ja  wissen,  daß  doch  alles  vom 
Schicksal  und  der  Tyche  bestimmt  wird.  Dann  liest  Momus  mit  Zeus' 
Erlaubnis  ein  Dekret  vor  in  den  Formen  attischer  Volksbeschlüsse, 
in   dem   zu   einem   bestimmten   Termin   eine  Prüfung   der  Götter  und 


Inhalt.     Beziehungen  zum  'trag.  Zeus'.  153 

ihrer  Berechtigung  durch  eine  Siebenerkommission  angeordnet  wird. 
Dabei  sollen  die  falschen  Götter  ausgemerzt  und  im  Fall  ihrer  Rück- 
kehr mit  dem  Sturz  in  den  Tartarus  bedroht  werden.  Außerdem 
aber  soll  hinfort  jeder  Gott  nur  seines  Amtes  walten  und  sich  nicht 
Übergriffe  in  den  Beruf  des  andern  erlauben.  An  die  Philosophen 
soll  ein  Verbot  ergehen,  leere  Begriffe  zu  bilden  und  über  Dinge  zu 
reden,  die  sie  nicht  verstehen.  In  die  durch  Vertreibung  ihres  In- 
habers leer  gewordenen  Tempel  sollen  Standbilder  alter  Götter  gestellt 
und  sie  zu  Besitzern  gemacht  werden.  Zeus  nimmt  den  Beschluß 
an  und  bekräftigt,  daß  es  also  geschehen   soll. 

Die  kleine  Szene  enthält  nach  dem  'tragischen  Zeus'  nichts 
Neues;  sie  hat  sich  aus  ihm  entwickelt,  und  wir  sind  dort  schon  auf 
sie  vorbereitet  worden,  wenn  Zeus  (42)  den  Momus  beschwichtigt,  er 
wolle  die  Frage  nach  all  den  seltsamen  Göttern,  wie  sie  die  Ägypter 
z.  B.  haben,  und  nach  ihrer  Berechtigung  erledigen,  sobald  die  augen- 
blickliche Gefahr  beseitigt  sei.  Hier  haben  wir  die  Erfüllung  des 
Versprechens.  Aber  auch  im  einzelnen  wird  kaum  etwas  geboten, 
was  nicht  schon  der  umfangreichere  Dialog  gebracht  hätte.  Dem 
ausführlicheren  Angriff,  dem  ja  Zeus  zum  Teil  vorbeugt,  gegen  Hera- 
kles, Dionysos,  Asklepios^),  Ganymed  (4  ff.)  entspricht  dort  der  kurze 
Seitenhieb,  wenn  Momus  sagt  {'21):  'Ich  kann  ja  offen  reden;  denn 
wir  sind  ja  unter  ans  und  kein  Mensch  zugegen  außer  Herakles, 
Dionysos,  Ganymed  und  Asklepios.'  Der  Vorwurf  gegen  die  fremd- 
ländischen Götter  (10  ff'.)  ist  im  ganzen  derselbe  wie  im  'tragischen 
Zeus'  (8,  42),  nur  etwas  kürzer  gehalten  in  bezug  auf  die  ägyptischen, 
etwas  erweitert  in  bezug  auf  die  andern.  Beim  Streit  um  die  Plätze 
fanden  wir  dort  Anubis,  Attis  und  Mithras,  die  hier  wiederkehren, 
aus  der  Rede  des  Damis  sind  uns  bekannt  als  Gottheiten  die  hier 
wiedergenannten  Zamolxis,  Apis,  Ibis,  Affe;  aber  dort  ist  Damis 
weit  redseliger  in  der  Aufzählung  seltsamer  Götterkulte,  hier  küi-zt 
Momus  ab  mit  xal  cUka  :r()Xkoi  yiXotoTf-Qa-);  neu  hinzu  konmit  die 
Erwähnung  des  Bockes   als  Gegenstand  der  Verehrung  in  Ägypten^), 

1)  Dieselbe  ZuBammenstellaDg  des  Herakles,  Dionysos,  Asklepios,  dann 
auch  die  Erwähnung  des  Grabes  des  Zeus  hat  Celsus  bei  Orig.  c.  Cels.  III  42.  48 
(Keim,  Celsus*  Wahres  Wort,  Zflrich  1878,  S.  39  f),  um  heidnische  und  christliche 
Lehre  gogenüher/aistcUon.  Das  Abbrechen  bei  Erwiliinun^  dos  in  jtMier  Zeit 
mächtigen  .\HkIcpioH  ist  vielleicht  bezeichnend  fiir  Lucians  VorHicht  (Vgl.  v.  Wila- 
mowit%.  Die  Kultur  der  Gegenwart  I  Abt.  VIII,  Berlin-Leipz.  11U>:»,  S    I7:r 

2)  lupp.  tr.  42:  rttlna  %ibt  ov  yHtof  iottp; 

3}  Plut.  de  Is.  73,  Farthey  S.  261;  Hcrodot  II  4«;    nuiU   l.w  il   und 

tweifello«  nicht  zufällig  in  demMolben  Gedankmgnng  Cfl-UM  bei  Orn  III  17 


154  Kapitel  VI.     Die  Götterversammlung. 

sowie  des  Sabazios  und  Korybas,  die  uns  jedoch  schon  im  'Ikaromenipp' 
(27)  als  Teilnehmer  am  himmlischen  Symposion  begegnet  sind.  Die 
Anspielung  auf  das  Grab  des  Zeus  (6)  hörten  wir  ebenso^)  im  'tragi- 
schen Zeus'  (45).  Auch  die  ganze  Rolle^  die  Momus  hier  spielt,  hat 
ja  ihr  Vorbild  in  jenem  Dialog.  Die  drohende  Gefahr,  die  Momus 
in  Aussicht  stellt  (13),  es  möchte  infolge  der  aufklärenden  Reden 
der  Philosophen  niemand  den  Göttern  mehr  opfern,  führt  uns  ebenso 
zum  'Ikaromenipp'  (32)  wie  zum  'tragischen  Zeus'  (18),  wo  diese  Angst 
ja  hauptsächlich  den  Göttervater  zur  Berufung  der  Versammlung  ver- 
anlaßt, wie  endlich  zur  'Widerlegung  des  Zeus'  zurück,  wo  ja  die 
Zwecklosigkeit  der  Hekatomben  gefolgert  war  (off.);  an  den  letzten 
Dialog  (15,  4)  erinnert  besonders  der  Hinweis  (13)  auf  die  Bedeutung 
des  selbst  den  Göttern  übergeordneten  Fatums,  die  ja  im  'tragischen 
Zeus'  (25,  32)  nur  nebenbei  gestreift  war.  Das  einzige  ganz  Neue, 
das  hier  gebracht  wird,  ist  die  Aufzählung  der  verschiedenen  Orakel 
und  wundertätigen  Stätten  in  Kap.  12.  Wir  lesen  hier  von  Trophonius 
und  Amphilochus  ^),  die  beide  Verehrung  genießen  und  Weissagungen 
geben  (Paus.  I  34, 2  f.);  für  den  letzten,  den  Momus  als  Sohn  des  Mutter- 
mörders Alkmaion  bezeichnet^),  wird  ausdrücklich  Cilicien  als  Gegend 
des  Kultes  bezeichnet,  und  hier  opferte  ihm  Alexander  der  Große*); 
das  Heiligtum  genoß  also  damals  bedeutenden  Ruf.  Unter  den  Wunder- 
tätern figuriert  weiter  in  der  Aufzählung  des  Momus  Polydamas  in 
Olympia  (Paus.  VI  5),  Theagenes  in  Thasos  (Paus.  VI  11),  Hektor  in 


(Keim  S.  36  und  290):  die  ägyptischen  Tempel  sind  außen  prachtvoll,  aber,  wie 
Celsus  sagt  (Koetschau  S.  215^20):  ^vdotBQ(o  yivoiitvo)  d'acoQslTai  TCQoaKvvov^isvog 
ailovQog  r)  Tt/'O'rjxo?  t)  y,QO'/.6dsLXos  ri  tQciyog  ?)  -avcov,  wie  Lucian  sagt:  ivdov  ob 
7\v  ^r}tjjs  tov  ^sov^  7]  Tti%'r\y.6g  ietiv  r\  Ißig  t)  tgayog  r)  ailovQog.  Der  Unterschied 
ist  nur,  daß  Celsus  einfach  diese  Götterverehrung  mit  der  christlichen  zusammen- 
stellt, Lucian  den  Gedanken  nur  als  Vergleich  benutzt  für  äußerlich  hübsche, 
innerlich  minderwertige  Menschen.  Für  die  Identität  des  Celsus  mit  dem  Adres- 
saten von  Lucians  ^Alexander  von  Abonuteichos'  beweist  die  Übereinstimmung 
natürlich  um  so  weniger,  als  die  Schrift  des  Celsus  erst  177 — 180  geschrieben  ist 
(K.  J.  Neumann,  Der  römische  Staat  u.  die  allgemeine  Kirche  I,  Lpz.  1890,  S.  58 
Anm.  1 ;  Harnack,  Altchristi.  Literaturgeschichte,  Lpz.  1893,  I  S.  869). 

1)  Deor.  conc.  6:  iv  Kq-tixti  ^hv  ov  ^övov  xovxo  ccv.ovöca  ^ativ,  aXXä  -äuI  aXlo 
XL  TtSQL  60V  Xiyovöi  y.a\  xäcpov  iTtidsiv.vvovGiv  ^  lupp.  tr.  45:  oi  ys  i%  KqrixYig 
^xovxsg  äXXcc  rj^ilv  diriyovvxca,  xäcpov  xivä  ycsid^L  dsUvvaO'ca. 

2)  Die  Zusammenstellung  der  beiden  ist  gewöhnlich.  Aristides  7,  21  (II 
S.  318  Keil):  kiixpiccgaog  y,sv  yccg  vmI  Tgocpäviog  iv  Boicoxia  kccI  k^cpiXoxog  iv 
AixaXia  xQr}6^codov6L  xs  xocl  (faivovxai-^  auch  bei  Celsus  Orig.  EU  34  (Keim  S.  38/9). 

3)  Röscher,  Myth.  Lex.  I  S.  306;  Immisch,  Jahrb.  f.  kl.  Phil.  Suppl.  XYII  S.  185. 

4)  Strabo  XIV  5,  17  (676);  Arrian  Anab.  II  5,  9. 


Wundertätige  Stätten.  155 

Ilion  (Philostr.  heroic.  2, 10,  vgl.  Röscher,  Myth.  Lex.  I  2  S.  1927)  und 
Protesilaos  auf  dem  thrakischen  Chersones  (Paus.  I  34,  2).  Irgend  einen 
zeitliclieu  Hinweis  finden  wir  nicht;  allenfalls  könnte  der  Wortlaut 
bei  Polydamas  darauf  führen;  dieser  war  Sieger  in  Olympia  in  der 
93.  Olympiade  (408  v.  Chr.)^).  Momus  sagt:  ^Schon  heilt  auch  des 
Athleten  Polydamas  Bildsäule  in  Olympia  die  Fiebernden.'  Das  ^Schon' 
gibt  500  Jahre  nach  Polydamas  kaum  rechten  Sinn,  da  die  Wunder- 
kraft doch  nicht  so  spät  eingesetzt  haben  wird,  sondern  sieht  ganz 
so  aus,  als  ab  ob  hier  nicht  Lucians  eigene  Rede,  sondern  eine  um 
mehr  als  400  Jahre  ältere  vorliegt. 

Man  sieht,  die  *  Götterversammlung'  ist  ziemlich  kahl,  und  histo- 
rische Anspielungen  fehlen  ebenso  völlig  wie  Zitate.  Es  fehlt  auch  die 
Umrahmung,  die  andere  Dialoge  haben.  Beim  'tragischen  Zeus'  führt 
uns  erst  der  Kummer  und  die  Sorge  des  Göttervaters  zu  der  Berufung 
einer  Versammlung;  hier  werden  wir  mitten  in  die  tobende  Masse 
hineingesetzt,  und  die  Beratung  beginnt.  Wir  haben  wieder  denselben 
Unterschied,  den  wir  schon  oben  beobachtet  haben;  auch  die  ^Wider- 
legung des  Zeus'  entbehrte  dieser  Einleitung  und  kennzeichnete  sich 
dadurch  als  erweiterter  Ausschnitt  aus  einem  größeren  Dialog,  aus 
dem  die  Umrahmung  nicht  ohne  starke  Wiederholungen  hätte  mit- 
herübergenommen  werden  können.  Auch  hier  liegt  die  Sache  ebenso. 
Die  Beziehung  auf  den  'tragischen  Zeus'  zeigt  zum  mindesten,  daß 
wir  hier  nur  einen  Gedanken  ausgesponnen  finden,  der  dort  in  einem 
größeren  Zusammenhang  berührt  war.  Daß  die  'Götterversammlung' 
jenem  Dialog  gefolgt  ist,  wird  dadurch  so  gut  wie  sicher.  Wäre  sie 
vorangegangen,  so  würde  sie  die  äußere  Umrahmung  mit  dem  Streit 
um  die  Plätze  erhalten  haben,  die  jetzt  in  jenem  Dialog  vorweg- 
genommen war;  für  die  spätere  Abfassung  spricht  auch  die  zu- 
sammenfassende Kürze  bei  Aufzählung  der  ägyptischen  Gottheiten. 
Auch  in  unserm  Dialog  werden  wir  also  auf  die  Versammlung  der 
Götter  zurückgewiesen,  die  im  *Ikaronienij)p'  so  dürftig  behandelt 
war,  die  aber  in  der  Menippischen  Vorlage  hcichstwahrscheinlich  einen 
bedeutenderen  Umfang  hatte  und  allerlei  Anregungen  mannigfachster 
Art  bot.'O 

1)  Easeb.  ohron.  I  S.  208  Schoene. 

2)  Da«  VcrhiUtniM  von  'QOttervenammluDg*,  'Widerlegung  des  Zeui*  und 
'Iksromenipp'  hat  Kiiauer  (s.  oben  S.  16)  S.  46  ff.  richtig  erfaßt:  deomm  con- 
Hiliiim  et  lovem  confuiatum  ex  una  Menippi  tatura,  quae  deorum  concilium  qtiod 
in  Icaromcnippo  invenitur  planiu«  futiaiiqae  deicribebai,  eaae  depronipiu;  be- 
treff« ih'H  'traj<.  Zeu»'  n.  oben  S.  160. 


156  Kapitel  VI.    Die  Götterversammlnng. 

Ob  nun  erst  auf  Lucian,  oder  schon  auf  Menipp,  sicherlicli  kann 
man  bei  dem  ganzen  Motiv,  das  unser  Dialog  behandelt,  die  Einwir- 
kung der  Komödie  konstatieren,  die  sich  mehrfach  mit  dem  Eindringen 
der  fremden  Kulte  beschäftigt  hat.  Bei  Apollophanes  in  den  'Kretern' 
fand  sich  eine  Aufzählung  der  d-sol  levLXOL,  die  doch  nur  dem  Zwecke 
gedient  haben  kann,  sich  darüber  lustig  zu  machen  (K.  I  S.  799). 
Aristophanes  hat  den  Kult  der  Bendis  besonders  in  den  'Lemnierinnen* 
verhöhnt  (Kock  I  S.  488,  489  fr.  365,  368),  und  Kratinus  schrieb  seine 
'Thrakerinnen'  mit  Bezug  auf  sie  (Kock  I  S.  34 ff.  fr.  80,  82);  vom 
Bendiskult  aber  redet  Zeus  im  'Ikaromenipp'  24,  und  Bendis  macht 
mit  Anubis,  Attis,  Mithras,  Men  im  'tragischen  Zeus'  (8)  den  alten  Göttern 
den  Platz  streitig;  und  wenn  sie  in  der  gleichartigen  Aufzählung 
'Götter Versammlung'  9  fehlt,  so  ist  das  nur  Zufall,  da  Attis,  Sabazios 
und  Mithras  dort  wiederkehren.  Eine  Verspottung  der  ägyptischen 
Götter  haben  wir  in  des  Anaxandrides  'Städten';  dort  erklärt  ein 
Bürger,  warum  er  keine  Kampfgemeinschaft  mit  den  Ägyptern  mag 
(Kock  II  S.  150):  'Du  verehrst  ein  Rind,  ich  opfere  es;  du  hältst  den 
Aal  für  eine  große  Gottheit,  wir  für  den  größten  Leckerbissen  beim 
Mahle;  du  ißt  kein  Schweinefleisch,  ich  freue  mich  besonders  drüber. 
Du  ehrst  den  Hund,  ich  schlag'  ihn,  find'  ich  ihn,  wie  er  meine  Kost 
verzehrt.  Siehst  du,  daß  eine  Katze  krank  ist,  weinst  du;  ich  schlag' 
sie  tot  und  häute  sie  ab  mit  Freuden.'  Diese  heiligen  Tiere  zählt 
Momus  in  der  'Götterversammlung'  (10)  und  der  verwünschte  Damis 
im  'tragischen  Zeus'  (42)  auf.  Daß  besonders  Trophonius,  den  Momus 
ebenso  unter  den  fremden  Eindringlingen  nennt  ('Göttervers.'  12), 
wiederholt  in  der  Komödie  verspottet  worden  ist,  dafür  zeugen  die 
zahlreichen  Stücke,  die  wir  oben  angeführt  haben.-^)  Auch  andere 
Dramen,  in  denen  der  Aberglaube  der  Lächerlichkeit  preisgegeben 
wurde,  wie  Aristophanes'  'Amphiaraus',  'Polyidus'  und  die  'Telmesser' 
könnten  in  Betracht  kommen;  aber  besonders  zwei  Stücke  verdienen 
hier  Erwähnung.^)  Das  eine  von  Aristophanes  hat  man  vermutungs- 
weise als  die  'Hören'  bezeichnet.  In  den  'Hören'  wurde  verächtlich 
von  Sabazios  gesprochen,  dem  Phryger,  dem  Flötenspieler  (Kock  I 
S.  535),  der  ja  im  'Ikaromenipp'  (27)  sich  auch  im  Kreise  der  Himm- 
lischen aufhält.  Diese  Erwähnung  bildet  die  Brücke,  um  den  'Hören' 
zuzuschreiben,  was  Cicero  de  legg.  II  15,  37  berichtet,  ohne  den  Namen 
des  Stückes  zu  nennen:  Bei  Aristophanes  würden  Sabazios  und  andere 


1)  S.  59  Anm.  2.    Vgl.  den  Index  bei  Kock  III  S.  707. 

2)  Vgl.  Bolderman,  Studia  Lucianea,  Lugd.  Bat.  1903,  S.  79. 


Komödienvorbild.     Philosophische  Quelle.  157 

Götter  als  Fremde  venu'teilt  und  aus  dem  Staate  gejagt.  Es  kommt 
nicht  darauf  an,  ob  sie  aus  dem  Staat  Athen  oder  dem  Götterstaat 
verwiesen  werden,  das  Motiv  ist  das  gleiche,  das  unserer  'Götterver- 
sammlung' zugrunde  liegt.  In  anderer  Hinsicht  läßt  sich  das  zweite 
Stück  heranziehen,  des  Euphron  d-Ecov  ayoQcc]  man  sieht  ja  sofort,  wie 
der  Titel  zu  unserem  d^sav  ixxXr^öCa  stimmt.  Das  einzige  erhaltene 
Bruchstück  lehrt  leider  nichts  über  den  Inhalt:  aber  die  Anschauung 
von  der  Göttergemeinde,  die  auf  der  Agora  tagt,  scheint  doch  durch 
den  Titel  nahegelegt  zu  sein  (Kock  III  S.  320).  So  wäre  es  möglich, 
daß  Lucian  über  sein  Menippisches  Vorbild  hinaus  zur  Komödie  griff 
und  daraus  das  Motiv  ergänzte. 

Aber  auch  hier  kommt  wie  bei  den  vorigen  Dialogen  eine  aka- 
demisch-skeptische Quelle  hinzu,  aus  der  Lucian  den  Gedankengang 
des  Momus  umgestaltet  hat.  Es  wäre  sonst  ein  seltsamer  Zufall,  daß 
die  Deduktion  des  Akademikers  Cotta  in  Ciceros  3.  Buch  de  natura 
deorum  in  den  Hauptzügen  mit  der  des  Momus  übereinstimmt.  Da 
wird  zunächst  (III  17,  43)  eine  Polemik  des  Kameades  angeführt,  die 
dem  Pan  und  den  Satyrn,  gegen  die  ja  auch  Momus  (4)  seine  An- 
griffe richtet,  die  Gottheit  abspricht.  Darauf  werden  den  anerkannten 
Göttern  die  neuen  wie  Herkules,  Asklepius,  Liber,  Castor  und  PoUux 
gegenübergestellt  (III  18,45),  wie  Momus  (Of.)  diese  Halbgötter  ihrer 
Würde  beraubt,  indem  er  zeigt,  daß  ihre  Verwandten  Menschen  ge- 
bliel)en  sind;  genau  so  folgert  auch  Cotta,  daß,  was  dem  Herkules  und 
den  andern  recht,  auch  dem  Theseus  oder  Orpheus  und  Rhesus  billig 
sei.  Diese  Art  der  Schlüsse  wird  von  Sextus  Empiricus  direkt  auf 
Kameades  und  Klitomachus  zurückgeführt.^)  Weiter  nennt  er  die 
Furien;  wenn  man  die  für  Gottheiten  ansehe,  so  könne  man  auch 
Honos,  Fides,  Spes  usw.  dafür  halten  'omniaque  quae  cogitatione 
nobismet  ipsi  possumus  fingere'  (III  18,  47);  das  berührt  sich  mit 
den  ^tvu  övo^ata  oder,  wie  Momus  auch  sagt  (13),  xsvä  :TQccy^dt(ov 
dvo^ata  vnh  ßkaxätv  dv&Qioxcov  tav  (piXotSotpcov  inivorfiivxa.  Ferner, 
sagt  Cotta,  wenn  jene,  die  wir  als  solche  übernomtncn  haben,  Götter 
sind,  warum  niclit  Serapis  und  Isis?  Wanini  sollen  wir  die  Gott- 
heiten der  Barbaren  zurückweisen?  Boves  igitur  et  equos,  ibis,  ac- 
(Mpitres,  aspidas,  crocodilos,  pisces,  canes,  lui)08,  felis,  multas  prnetcrea 
beluas  in  deorum  numerura  reponemus  (III  19,47).  Ebenso  zählt 
MomuH  auf:  xal  6  noixCkos  ovtos  tavQog  6  Me^itpCtrjg  srQoöxvvil- 
Tat . . . . ,  alöxvvonai  dl  tßiÖag  xal  md-ijxovs  elTcetv  xal  tQayovg  xal 


Vi  Sexl.  Emp    a.lv    iimtli    FX    1R2,   vt/1.  Miirx    Ijirilii   roll  .  Lip«.  1006,  IIS.  17. 


158  Kapitel  VI.    Die  Götterversammliing. 

ccXXa  TtoXXa  yeloidtega  (10)  und  sucht  so  ihre  Gottheit  zu  widerlegen. 
Endlich  werden  auch  bei  Cicero  (III  19,  49)  Amphiaraus  und  Tro- 
phonius  als  solche  zweifelhaften  Götter  genannt,  wie  Momus  (12)  den 
Trophonius  und  Amphilochus  neben  wundertätigen  Statuen  und  Opfer 
heischenden  Heroen  anführt.  Es  ist  danach  klar,  daß  diese  Aftergötter 
in  der  akademischen  Beweisführung  gegen  die  stoische  Theologie  einen 
ziemlich  breiten  Raum  einnahmen  und  daß  daher  vervollständigt 
werden  konnte,  was  in  der  Darstellung  Menipps  etwa  nur  angedeu- 
tet war. 

Unsere  Vermutung  betreffs  der  weitgehenden  Benutzung  einer 
Menippischen  Götterversammlung  durch  Lucian  oder  einer  lebhaften 
Anregung  durch  dieselbe  würde  eine  starke  Stütze  erhalten,  wenn  sich 
auch  anderweitig  erweisen  ließe,  daß  bei  Menipp  eine  solche  existiert 
haben  muß.  Ich  glaube,  daß  Spuren  von  der  Nachwirkung  dieser  auch 
sonst  nicht  mangeln.  Beginnen  wir  mit  des  Lucilius  Götterversamm- 
lung im  1.  Buch  seiner  Satiren;  sie  enthielt  eine  Homer-  oder  Ennius- 
parodie^),  wie  bei  Lucian  ja  zum  größten  Teil  das  alte  Heldenepos 
parodiert  ist.  Daß  es  sich  um  einen  Spott  bei  Lucilius  handelt,  ist, 
wenn  wir's  nicht  aus  den  Fragmenten  ersehen  würden,  durch  Lactanz 
deutlich  bezeugt.^)  Es  ist  von  vornherein  nicht  sehr  wahrscheinlich, 
daß  der  Römer  eine  Verspottung  der  Götter  vorgenommen  hätte,  wenn 
ihm  nicht  ein  griechisches  Vorbild  vorgelegen  hätte;  dies  in  dem 
etwa  ein  Jahrhundert  älteren  Menipp  zu  sehen,  ist  eine«  naheliegende 
Vermutung,  da  die  Römer  bei  ihren  Nachahmungen  sich  gern  an  die 
griechischen  Schriftsteller  anschlössen,  die  ihnen  ziemlich  kurz  vor- 
ausgingen. Das  Charakteristische  der  Götterberatung  bei  Lucilius  war, 
daß  auf  die  Götter  dabei  völlig  die  irdischen  Formen,  natürlich  einer 
Senatssitzung,  übertragen  waren;  die  Götter  sagten  einzeln  ihre  Mei- 
nung, und  dann  wurde  abgestimmt^);  das  entspricht  ganz  der  Art, 
wie  Zeus  in  der  Lucianischen  Götterversammlung  (19)  zunächst  an- 
ordnet: orco  ÖoKsl  avareivdro  xriv  xslQcc,  sich  dann  aber  eines  Besseren 
besinnt  und  fortfährt:  iiäXlov  ds  ovxco  yiyviöd'coj  d.  h.  ^ohne  Ab- 
stimmung, auf  meinen  WiUen  hin';  TcleCovg  yaQ  old'  on  eöovrai  ol 
^ij  %£LQorovYJ6ovtsg'^  und  in  gleicher  Art  hat  Seneca  in  seiner  menip- 
pischen Satire,  die  wir  gleich  betrachten  werden,  die  Beratung  über 
den  Claudius    abgeschlossen,    er    natürlich    wie  Lucilius  in  römischer 

1)  Über  die  Götterversammlungen  in  Ennius'  Annalen  im  1.  und  8.  Buch 
s.  Vahlen,  Ennian.  poes.  reliq.  ^  praef.  S.  CLIX  und  CLXXXIX. 

2)  Lact.  inst.  div.  IV  3, 12 :  quod  Lucilius  in  deorum  concilio  inridet.  Ygl.  I  9,  8. 

3)  Serv.  Aen.  X  104;  Marx  a.  a.  0.  I  S.  3  H  S.  3  f. 


Lucilins'  Götterversammlung.  159 

Weise  (apoc.  11):  pedibus  in  hanc  sententiam  itum  est.  In  der  vor- 
aufgehenden Schilderung  der  Sitzung  finden  sich  trotz  der  geringen 
Anzahl  von  Bruchstücken  bei  Lucilius  einige  Züge,  die  uns  an  Lucian 
erinnern.  Die  Götter  scheinen  sich  selbst  angegriffen  oder  über  die 
Benennung  seitens  der  Menschen  beschwert  zu  haben.  Apoll  will 
nicht  immer  Mer  Schöne'  genannt  werden,  und  daß  alle  Götter  'Vater' 
heißen,  war  zur  Zielscheibe  des  Spottes  gemacht.^)  Dabei  gedenkt 
man  der  Szene  im  'tragischen  Zeus'  (26)^  da  Apoll  ums  Wort  bittet,  ob- 
wohl er  zu  den  Jungen  und  Unbärtigen  gehört^),  Momus  ihn  aber  ob 
dieser  Entschuldigung  verhöhnt,  weil  er  der  Vater  eines  so  großen  und 
bärtigen  Sohnes  wie  Asklepios  sei.  unter  die  Vorwürfe  gehört  auch 
V.  32:  stulte  saltatum  te  inter  venisse  cinaedos,  was  nach  der  Er- 
klärung von  Marx  die  Bedeutung  hat  von  yXavx'  sig  'Ad^rjvag  und 
durch  die  eigentümliche  Ausdrucksweise  ganz  zum  Ton  der  Rede  des 
Momus  im  'tragischen  Zeus'  (19 ff.)  stimmt.  Auf  einen  ehelichen 
Zwist  zwischen  Zeus  und  Hera,  wie  er  im  Anfang  dieses  Lucianischen 
Dialoges  durch  Heras  Eifersucht  wenigstens  begonnen  wird,  möchte 
ich  V.  24 f.  deuten^):  'daß  ich  meine  Gestalt  der  Schönheit  der  Leda 
und  Dia  vergleichen  konnte.'  Die  Namen  stammen  aus  einem  Kata- 
log der  Liebschaften  des  Zeus,  der  Versschluß  direkt  aus  der  Auf- 
zählung bei  Homer  (D.  XIV  317);  imd  so  schmäht  ja  auch  Hera 
bei  Lucian  (tr.  Zeus  2),  indem  sie  ihrem  ungetreuen  Gemahl  seine 
Lieben  vorhält.  Bei  beiden  Schriftstellern  macheu  sich  die  Götter 
die  Künste  der  Rhetorik  zu  eigen ;  so  beginnt  einer  bei  Lucilius 
(V.  26)  —  und  das  ist  vielleicht  einer  der  auffallendsten  Züge  — : 
veUem  cumprimis,  fieri  si  forte  potisset,  was  nach  Ciceros  Zeugnis 
dem  Anfang  einer  alten  Rede  entsprach,  Zeus  aber  bei  Lucian  benutzt 
das  Proömium  der  1.  oWnthischen  Rede:  äprl  :toXlC}v  av  w  ävögsg 
^&()l  xQ-riadrav  usw.  Beachtenswert  ist,  daß  Apolls  Sehergabe  bei 
dem  römischen  (V.  33  ff.)  ebenso  verspottet  ist^)  wie  bei  dem  griechi- 


1)  Marx  a.  a.  (».  I  .-.  -i  V.  üu  11*. 

2)  Auch  im  'Ikuromenipp*  28  kehrt  dieselbe  Verspottung  wieder;  so  lieht 
Midi  Hu<h  hier  deutlich  ein  Faden  von  einer  Lucianischen  GOitervertammlung 
zur  ;iii«i»Tn. 

Auf  Apollo,  der  sich  den  Beinamen  'pulcher'  verbittet,  bezieht  die  Worte 
.Marx  a.  a.  0.  U  S.  18. 

4)  Siehe  Marx  a.  a.  0.  II  8.  18.  Das  von  Apoll  bei  Lucian  vorgebrachte 
<'nik<'l,  spottet  Momoi  ("tr.  Zeus*  81),  ibt  so  klar,  dafi  es  keines  Themistoklee 
ix  larf;  Xepton  tagt  mit  aktuellem  Hinweis  auf  einen  su  Lucilius*  Zeit  honror> 
rji-.iul    schurfMinnigen    ThiloMophen  V.  81  M  :    Die    Sache    kann    nicht  entwirrt 

w.T.ljMi,    twiti    f'jir»M':uli»n    ^i    iiiMiim    OrCUS    H'"'»**"* 


160  Kapitel  VI.    Die  Götterversammlung. 

sehen  Satiriker  (tr.  Zeus  30  ff.).  Gegenüber  der  drohenden  Gefahr, 
welche  die  Disputation  des  siegreichen  Epikureers  im  tragischen  Zeus' 
über  den  Götterhimmel  heraufbeschwört,  gesteht  Zeus  ein  (42),  daß 
Momus  mit  seinen  früheren  Mahnungen  recht  gehabt  hat^);  bei  Lu- 
cilius  scheint  einer  der  Götter  eine  ähnliche  Zustimmung  zu  erhalten 
(V.  30):  concilio  antiquo  sapiens  vir  solus  fuisti.  Auch  insofern  be- 
steht eine  Ähnlichkeit  zwischen  den  beiden  Szenen,  als  es  sich  in 
beiden,  auch  im  'Ikaromenipp'  (33),  um  die  Vernichtung  eines  oder 
mehrerer  Menschen  handelt;  allerlei  Vorschläge  werden  gemacht,  aber 
immer  wieder  verworfen^),  nur  daß  im  'tragischen  Zeus'  diese  Be- 
ratung abgebrochen  werden  muß,  weil  die  Disputation  beginnt,  im 
'Ikaromenipp'  die  Ausführung  der  Strafe  witzig  verschoben  wird,  bei 
Lucilius  dagegen  man  zu  dem  Beschluß  kommt,  Lupus  soll  an  einem 
Fischgericht  zugrunde  gehen.  Die  Vergleichungspunkte  mögen  im 
einzelnen  gering  und  unsicher  sein,  da  nur  wenig  Bruchstücke  des 
Lucilius  zur  Verfügung  stehen ;  immerhin  wird  man  gerade  mit  Rück- 
sicht auf  diese  kleine  Anzahl  doch  eine  beachtenswerte  Übereinstimmung 
in  den  Motiven  zugeben  müssen,  die  um  so  auffälliger  ist,  wenn  man 
bedenkt,  daß  Lucilius  doch  weit  freier  mit  dem  Gebotenen  umgehen 
mußte,  weil  er  alles  auf  römische  Verhältnisse  imd  auf  ein  bestimm- 
tes geschichtliches  Faktum  übertrug;  wörtliche  Übereinstimmungen 
darf  man  da  nicht  erwarten.  Daß  bei  Lucilius  Menippnachahmung 
vorliegt,  hat  nach  andern  F.  Leo  in  seinem  Aufsatz  über  die  literar- 
historische Auffassung    der  Satura^)    bei   den  Römern  und  bei  Varro 


1)  lupp.  trag.  42:  ^Isy^S  oo  Möbels  xcu  iTtsvi^as  OQd-öbs. 

2)  Vgl.  Ribbeck,  Geschichte  der  röm.  Dichtung  I  S.  237;  man  fühlt  sich  bei 
dieser  Beratung  an  die  der  Räuber  bei  Apuleius  met.  VI  31  erinnert.  Aber  mehr 
noch  stimmen  Einzelheiten  aus  dem  Psychemärchen  zu  der  Menippischen  Satire. 
Da  haben  wir  den  Mercur  als  Ausrufer  (met.  VI  7  f.  und  23),  wie  bei  Lucian. 
Da  ist  zum  Schluß  die  Götterversammlung,  in  der  Juppiter  die  Seinen  anredet 
(VI  23):  Dei  conscripti  Musarum  albo,  und  dann  mit  einem  Demosthenischen 
Anfang  fortfährt:  ...  profecto  scitis  omnes  (vgl.  Marx  a.  a.  0.  11  S.  15).  Da  ist 
endlich  die  Schilderung  vom  Göttermahl  (VI  24),  die  mit  dem  im  ""Ikaromenipp'  27 
Ähnlichkeiten  aufweist  in  der  Schilderung  dessen,  was  die  einzelnen  Götter  dar- 
bieten, und  der  Kurzweil,  die  den  Schmaus  begleitet:  iv  dh  reo  Ssinva  o  xs  'Aitol- 
X(ov  i'KLd'ccQLGS  ■nccl  ö  ^JslXrivog  xo^daxa  a)p;^7j(>a'ro  xat  ccl  MovGca  avaaräöab  tfjs 
TS  'HoLoSov  ©soyovLccg  fjCav  rj^itv  xccl  X7]v  TiQmrriv  d)di]v  rmv  vnvcov  tüv  HivdccQOV^ 
bei  Apuleius:  Musaeque  uoce  canora  personabant;  ....  Apollo  cantauit  ad  citha- 
ram,  Venus  suaui  musicae  suppari  gressu  formonsa  saltauit,  scaena  sibi  sie  concin- 
nata,  ut  Musae  quidem  chorum  canerent  aut  tibias  inflarent,  Saturus  et  Paniscus 
ad  fistulam  dicerent.  [Marbg.  1888,  S.  23. 

3)  Herm.  XXIV  (1889)  S.  84;  vgl.  Birt,   Zwei  polit.  Satiren  des  alten  Rom, 


Senecas  Apokolokyntosis.  161 

hervorgehoben,  und  daß  Quintilians  stolzes  Wort:  'satira  tota  nostra 
est'  nur  sehr  bedingt  und  zum  kleinsten  Teil  walir  ist,  weiß  jeder 
Kenner  der  römischen  Satire;  die  Gleichartigkeit  des  Lucilius  und  Lu- 
cian,  die  sich  durch  gemeinsame  Quelle  aufs  leichteste  erklärt,  hat 
schon  Lactanz  erkannt,  wenn  er  beiden  die  Bezeichnung  zukommen 
läßt:  qui  diis  et  hominibus  non  pepercit  (div.  inst.  I  9,8). 

Das  zweite  Beispiel  einer  Götterversammlung,  die  mit  Wahrschein- 
lichkeit auf  Menipp  zurückzuführen  ist,  bietet  Senecas  menippische 
Satire.  Wir  haben  schon  oben  auf  Einzelheiten  hingewiesen,  die  zu 
Lucians  'Ikaromenipp'  stimmen.  Leider  ist  der  Anfang  der  eigent- 
lichen Götterberatung,  die  sich  um  des  Claudius  Aufnahme  dreht,  in 
der  Überlieferung  verloren  gegangen.  Nachdem  man  zunächst  in  Clau- 
dius' Gegenwart  verhandelt  hat,  mahnt  Juppiter,  die  alte,  gute  Sitte 
zu  wahren,  die  verbietet,  in  Anwesenheit  von  Privatpersonen  Sitzungen 
in  der  Curie  abzuhalten  (9);  bei  Lucian  erwähnt  Momus  mit  einem 
gewissen  Hohn,  daß  er  ja  offen  reden  könne:  ^övol  yccQ  iö^sv  xai 
ovdslg  ci.v^QG):iog  TtccQsön  rw  ^vkXöyG)  (lupp.  tr.  21).  Für  die  Ver- 
handlung sind  die  üblichen  Formen  beratender  Versammlungen  ge- 
wählt, hier  des  Senates,  dort  der  Ekklesie;  darum  redet  Zeus  in 
komischer  Weise  die  Anwesenden  mit  g)  avögeg  ^£o^(15)  und  'patres 
conscripti'  (apoc.  9)  an.  Der  Gegenstand  der  Beratung  bei  Seneca  ist 
dem  der  'Götterversammlung'  sehr  ähnlich;  es  handelt  sich  um  die 
Reinigung  des  Götterhimmels  oder  um  die  Reinhaltung-  von  Elementen, 
die  nicht  hineingehören.  Der  Antrag  des  Momus,  daß  die  falschen 
Götter  ausgesondert  und  hinfort  keine  neuen,  etwa  von  den  Philoso- 
phen, geschalFen  werden  sollen,  daß,  wer  sich  der  endgültigen  Ent- 
scheidung nicht  fügt,  in  den  Tartarus  geworfen  werden  soll  (Göttervers. 
14  f.),  hat  seine  vollständige  Parallele  an  der  gleichartigen  Rede  des 
Janas  bei  Seneca  (9).  Augustus  benutzt  mit  satirischer  Anspielung 
die  homerische  Erzählung,  daß  Juppiter  den  Vulcan  zur  Erde  ge- 
schleudert und  ihm  dabei  das  Bein  gebrochen  habe,  daß  er  die  Juno 
zwischen  Himmel  und  Erde  schweben  ließ  (11),  bei  Lucian  spielen 
dagegen  die  vermessenen  Worte  des  Zeus,  daß  er  die  Erde  und  alle 
Götter  an  einer  goldenen  Kette  empor/iehen  könne,  eine  besondere 
Rolle *j,  und  wenn  auch  nicht  der  Hergang  der  Bestrafung,  so  wird 
doch  die  Lahmheit  de»  Hephaistos  erwähnt  (lupp.  conf.  8);  den  Vers 
über  Hephaistos,  den  Seneca  zitiert  (Hom.  II.  1591),  hat  Lucian  zwar 
nicht   hier,    ab.  <'haron*  (1)  benutzt.     Wenn   Janus  (9)    sagt: 

1     S.  oben  S.  187  Anm.  4. 

II. ■!-,,.     I..ir,.,.     MI..I     M....I  1  11 


162  Kapitel  VI.    Die  Götterversammlung. 

'Einst  war's  etwas  Großes,  ein  Gott  zu  werden,  jetzt  habt  ihr's  gemein 
gemacht'  und  wenn  Augustus  in  gerechter  Entrüstung  ausruft  (11): 
'dum  tales  deos  facitis,  nemo  vos  deos  esse  credet',  so  ist  das  dem 
Gedanken  des  Momus  entsprechend  (Göttervers.  12):  «g?'  ov  ö'ovv 
Toöovtoi  ysyöva^sv,  ^jtiöedcoxs  ^äXXov  imoQ'aCa  xai  IsgoövXCa  xal 
ökcog  TiaraTtscpQovrixaöiv  rjfjL&v  ei)  Tcoiovvteg.  Der  Fortgang  der  Satire 
lehnt  sich,  wie  wir  schon  sahen,  an  die  Menippische  Unterweltsdar- 
stellung an.  Auch  hier  darf  man  nicht  genauere  Übereinstimmungen 
erwarten  bei  der  ausgesprochen  römischen  Färbung,  die  Seneca  seiner 
Darstellung  gibt,  und  bei  der  eigenartigen  persönlichen  Beziehung  auf 
den  toten  Kaiser,  der  hier  Menipps  Rolle  in  Himmel  und  Orkus  über- 
nehmen muß ;  schon  dadurch  ergab  sich  ja  eine  völlige  Umänderung 
der  Hauptmotive.  Aber  daß  Seneca  seine  durchaus  in  menippisches 
Gewand  gekleidete  Satire  in  den  Olymp  wie  in  die  Unterwelt  gelangen 
läßt,  kann  wohl  zum  Beweise  dafür  dienen,  daß  die  beiden  großen 
Satiren  des  Kynikers  Menipp,  die  wir  aus  Lucian  erkannt  haben^ 
wirklich  vorlagen;  und  das  Vorkommen  der  Beratung  der  Himm- 
lischen in  den  Formen  der  Senatssitzung  kann  Zeugnis  ablegen  für 
die  bei  Menipp  existierende  Götterversammlung. 

Eine  dritte  Schrift  hat  Birt^)  in  diesen  Zusammenhang  gerückt, 
die  Varronische  Satire  mit  dem  Titel  'Pseudulus  Apollo  tcbqI  ^a&tv 
diayvG)6E(og^  '^  aber  leider  lassen  die  Fragmente  gar  keinen  Schluß  auf 
den  Inhalt  zu,  und  aus  dem  Titel  kann  man  wohl  allenfalls  eine  Son- 
derung ^)  der  Götter  entnehmen,  ob  diese  uns  aber  in  den  Olymp 
führte,  ist  doch  recht  zweifelhaft.  Varro  ist  ganz  besonders  frei  mit 
dem  von  Menipp  entlehnten  Gute  umgegangen;  und  Ciceros  Zeugnis 
Ac.  I  2,  8:  'Menippum  imitati,  non  interpretati'  wird  gerade  durch  eine 
Vergleichung  Varros  mit  Lucian  außer  Zweifel  gestellt.  So  wird  es 
geratener  sein,  von  einer  Verwertung  jener  Satire  abzusehen.  Ebenso 
müssen  wir  auch  darauf  verzichten,  aus  der  Ähnlichkeit  von  Julians 
Kaisersatire  Folgerungen  zu  ziehen,  weil  es,  wie  wir  oben^)  sahen, 
zu  nahe  liegt,  daß  sie  mit  Erinnerung  an  Lucian  geschrieben  ist. 

Es  ist  auf  jeden  Fall  zweifellos,  daß  Lucian  auch  in  dieser  Satire 
alte  Motive    verarbeitet   hat;    auch    die  Form  der  Volksversammlung, 


1)  Zwei  polit.  Sat.  (s.  S.  160)  S.  31  und  24. 

2)  Daß  die  Schrift  gegen  Serapis  gerichtet  war,  vermutet  Bücheier,  Rhein. 
Mus.  XIV  (1859)  S.  430;  und  es  ist  nicht  unmöglich,  daß  so  das  Menippische 
Motiv  wieder  benutzt  war  (Tertullian  ad  nat.  I  10:  Serapem  et  Isidem  et  Arpo- 
craten  et  Anubem  probibitos  Capitolio  Varro  commemorat). 

3)  Siehe  S.  73  jBF. 


VaiTO.     Parodie  der  Volksversammlung.  1()3 

die  er  dem  Ganzen  gegeben  hat,  ist  durch  Menipps  Vermittlung  schon 
aus  der  Komödie  entlehnt,  die  es  liebt,  die  bekannten  Formeln  auf 
die  Bühne  zu  bringen.^)  Der  Herold  im  'tragischen  Zeus'  (18)  ver- 
kündet Stille  mit  den  Worten:  axovs  oCya  und  fährt  dann  fort  mit 
der  Aufforderung  zur  Meinungsäußerung:  xCg  äyogeveiv  ßovkerat  rör 
xskdav  d-sibv,  olg  e^eön'^  beides  kehrt  in  der  'Götterversammlung'  (1) 
genau  so  wieder;  beides  hat  in  der  Komödie  des  Aristophanes  und 
Kratinos  seine  Belege.-)  Das  Dekret  der  Götter  selber,  ganz  in  den 
staatsrechtlichen  Formen  gehalten  wie  jenes  komische  in  der  'Nekyo- 
mantie'  (20),  hatte  ebenfalls  in  Komödien  wie  den  'Thesmophoriazusen' 
rSTBflP. )  seine  Parallelen.  Wenn  Herakles  und  die  übrigen  Zeussöhne 
hier  unter  die  Metöken  gerechnet  werden,  so  erinnert  das  lebhaft  an 
die  Szene  in  Aristophanes'  'Vögeln'  (1649 ff.),  in  welcher  der  Heros 
als  vod^ogj  erbunfähig  und  nicht  in  die  Phratrie  aufgenommen  erwiesen 
wird.  Die  ganze  Auffassung  dieser  Aftergötter  im  Olymp  als  Metöken, 
die  sich  widerrechtlich  Bürgerrecht  angemaßt  haben,  möchte  man 
geneigt  sein  einer  früheren  Zeit  zuzuweisen;  denn  der  rechtliche  Be- 
griff der  Metöken  ist  zu  Lucians  Zeit  verschwunden.^)  Verwandt  ist 
jedenfalls  die  Anschauimg,  die  schon  Cicero  hat,  wenn  er  von  diesen 
erst  später  aufgenommenen  Göttern  den  Ausdruck  gebraucht:  'novi  et 
adscripticii  cives'  (de  nat.  deor.  III  15,  39). 

Noch  eine  andere  Beobachtung  zeigt  die  Abhängigkeit  Lucians 
von  älteren  Quellen.  Wenn  Fehlangaben  in  grammatischen  und  lexi- 
kographischen Studien  wesentlich  sind,  so  mögen  sie  auch  hier  nicht 
ganz  wertlos  sein.     Nicht   nur  der  Verehrung  des  Antinous,    die  bei 


1>  Vgl.  oben  S.  86  tf. 

2)  Der  Herold  in  den  'Thesmophoriazusen'  (878)  beginnt  die  Vorlesung  des 
Dekret«  mit  der  Mahnung  uxovt  itäg;  bei  der  nächsten  llednerin  übernimmt  es 
der  (.'hör  mit  oiyu  aimna  nQ6afxt  xbv  vovv  (882)  Stille  zu  erwirken.  In  den 
'Acharnern'  ruft  der  Herold  das  xd^r^ao  öiya  (69,  68)  dem  störenden  Dikaiopolis 
zu.  In  Kratinos'  Dramen  kam  das  feierliche:  uxovs  aiya  ngöatx^  ^ov  voOv  (Kock 
I  H.  90  fr.  ine.  fab.  2H4)  ebenso  vor.  Die  Aufforderung:  tig  ScyoQSVHV  ßovlsxai; 
spricht  der  Herold  au«  Acharn.  46,  Thesmoph.  870,  Praxagora  in  den  'Ekkle- 
MJazusen*  180.  Vgl.  Aoschin.  I  28:  fiizu  tuvtcc  intQmrn  6  xt^qv^'  tig  ityoQtvtiv 
ßovlttai  rätv  vn^g  ntvTi]xovxa  hri  ytyovÖTotv:  intiAuv  di  o^ot  ndvteg  coroxri, 
r6x'  ^dri  xtXtvti  Uyttv  xibv  kV^rtvaiav  xbv  ßovX6(itvot\  olg  i^taxi.  Hormaun- 
Thumser,  Oriech.  Staatealieri.  I  2  8.  618;  Buiolt,  Griech.  Staats-  u.  HechUaltert', 
Manchen  1892.  S.  260. 

8)  Siehe  v  Wilamowitz,  Herrn.  XXH  (1887)  8.  968;  Clero,  U«  miSi^iiM 
Athi^'niens,  Paris  1H98,  H  868  f.  Die  Bezeichnung  als  Metöke  findet  sich  aber  noch 
'M     \\   I.   dir  i'n  Kv/iliiu    T>i«t«.nl.i.rger,  Sylloge*  866,  26). 

1 1  • 


164  Kapitel  VI.    Die  Götterversammlung. 

Celsus  (Orig.  c.  Geis.  III  36)  Erwähnung  gefunden  hat^  wird  mit  keinem 
Worte  gedacht,  was  der  Neigung  der  Sophisten^),  die  Gegenwart  zu 
meiden,  und  Lucians  Vorsicht,  nicht  etwa  beim  Kaiser  anzustoßen, 
entspringen  könnte,  sondern  auch  der  Gott  Serapis  ist  bei  der  Auf- 
zählung exotischer  Gottheiten  von  Lucian  nirgends  genannt,  während 
Tertullian^),  Aristides^),  Clemens  von  Alexandrien*),  Celsus^),  Sextus 
Empiricus^)  seine  Bedeutung  in  jener  Zeit  beweisen.  Sollte  diese 
Tatsache  nicht  ins  richtige  Licht  gerückt  werden,  wenn  man  sich 
vergegenwärtigt,  daß  der  Serapiskult  erst  unter  Ptolemäus  Soter 
geschaffen  ist'),  sich  also  erst  später  ausgebreitet  hat  und  zu 
Menipps  Zeit  für  außerägyptische  Länder  überhaupt  nicht  vor- 
handen war? 

So  erkennen  wir  denn  in  allen  diesen  Dialogen,  die  auf  den  Olymp 
Bezug  haben,  einen  engen  Zusammenhang  untereinander  und  mit  dem 
Menippischen  Vorbild,  das  sich  ergibt.  Auch  in  der  eben  besprochenen 
Satire  werden  wir  auf  die  Versammlung  der  Götter  zurückgeführt,  die 
im  'Ikaromenipp'  so  dürftig  behandelt  war,  aber  in  der  Vorlage  höchst- 
wahrscheinKch  einen  bedeutenderen  Umfang  hatte.  Und  auch  was 
nicht  direkt  nachgeahmt  ist,  hat  sich  doch  aus  jener  Quelle  entwickelt. 
Wenn  man  sich  klar  macht,  was  denn  in  diesen  drei  Dialogen,  die 
mit  dem  ^Ikaromenipp'  zusammenhängen,  behandelt  wird,  so  sieht  man, 
es  sind  gerade  die,  oder  doch  denen  sehr  naheliegende  Besprechungen, 
die  wir  in  jener  Schrift  vergeblich  erwartet  haben;  es  wird  das  Pro- 
blem erörtert  von  der  Bedeutung  der  Götter,  von  jtQÖvoia  und  ^oIqk, 
in  zweiter  Linie  die  Frage  nach  der  Bevölkerung  des  Götterhimmels 
mit  allerlei  seltsamen,  ungriechischen  Wesen.  Es  zeigt  sich  dieselbe 
Erscheinung,  die  wir  in  den  'Totengesprächen'  so  deutlich  gewahren: 


1)  S.  oben  S.  15. 

2)  Ad  nat.  I  10  wird  das  Serapeum  neben  dem  Capitol  genannt. 

3)  Ich  verweise  besonders  aus  der  Lobrede  sig  Zccgamv  auf  die  Worte 
(8,  14  n  S.  356  Keil) :    as   yccQ   di]   %aq  rig  iv  Ttccvtl  xcclqw  ^or\%'ov   "naXet,   UdguTCi 

xal  ndvra  yaQ  Ttavraj^ov  diä  aov  ts  xat  diä  ah  rjiilv  yiyvBtai  a  ^dXt6r'  av 

ruitv  yiyvBöQ'ai  ßovloiusd'a. 

4)  Protrept.  IV  52,  4  (S.  40,  28  Stählin)  wird  Serapis  mit  dem  olympischen 
Zeus,  dem  epidaurischen  Asklepios  und  der  Athene  Polias  zusammengestellt 
(vgl.  S.  41, 12). 

.5)  Orig.  c.  Geis.  V  34  (H  37,  5  Koetschau),  37  (II  41,  17),  38  (H  42,  23). 

6)  Pyrrh.  hjp.  EI  220  wird  die  Tatsache,  daß  dem  Serapis  kein  Ferkel 
geopfert  wird,  als  bekannt  hingestellt. 

7)  Vgl.  Bouche-Leclercq,  Histoire  des  Laj?ides,  Paris  1903,  I  S.  113  ff. ;  Orig. 
c.  Gels.  V  38  (n  42,  23  ff.  K.)  und  die  von  Koetschau  zitierten  Belege. 


Anregung  durch  Menipp.  165 

eine  Anregung  wirkt  immer  weiter  und  gibt  Anlaß  zu  immer  neuen 
Nachträgen,  immer  neuen  Betrachtungen  des  gleichen  Gegenstandes 
von  anderer  Seite.  Auch  die  Form  für  die  'Widerlegung  des  Zeus' 
und  für  die  'Götterversammlung'  ergab  sich  aus  Menipp  von  selbst. 
Nur  im  'tragischen  Zeus'  zeigt  sich  eine  größere  Freiheit  mit  dem 
alten  Gute  zu  schalten,  nur  hier  hat  Lucian  eigene  Erfindungsgabe 
bewiesen,  als  er  geschickt  die  irdische  Disputation  mit  der  Versamm- 
lung der  Olympier  vereinte. 


Kapitel  Vn. 
Charoii. 

Es  liegt  nahe,  nachdem  wir  Lucians  Abhängigkeit  von  der  Me- 
nippischen  Himmel-  und  Hadesfahrt  festgestellt  haben,  auch  die  übrigen 
auf  die  Unterwelt  bezüglichen  Dialoge  mit  Rücksicht  auf  etwaige 
Anlehnung  an  ein  älteres  Vorbild  zu  prüfen.  Es  bleibt  uns  der 
^Charon'  und  die  'Totengespräche'.  Der  'Charon'  wiederholt  ein  uns 
schon  bekanntes  Motiv.  Der  greise  Fährmann  der  Unterwelt  will  sich 
einmal  die  Welt  und  die  Menschen  besehen,  Hermes  muß  ihm  dabei 
als  Cicerone  dienen.  Sie  türmen  auf  den  Olymp  den  Ossa  und  Pelion, 
dann  darauf  den  Parnaß,  auf  dessen  zwei  Spitzen  sie  Platz  nehmen. 
Charon  beklagt  sich,  daß  er  zu  wenig  vom  Treiben  der  Menschen 
selber  sieht;  mit  einem  als  Zauberformel  gebrauchten  Homervers  macht 
der  Gott  ihn  scharfsichtig  wie  Lynkeus,  und  nun  beginnt  die  Beobach- 
tung der  Sterblichen  nach  dem  Muster  der  Teichoskopie  •,  sogar  ihre 
Gespräche  werden  belauscht.  Ergriffen  von  der  Nutzlosigkeit  ihres 
Sorgens  und  Mühens,  möchte  Charon,  der  hier  Menipps  Rolle  hat, 
ihnen  zurufen:  Ihr  Toren,  was  quält  ihr  euch!  Ihr  werdet  ja  nicht 
ewig  leben.  Aber  Hermes  zeigt  ihm,  daß  die  Mahnung  vergeblich 
sein  würde.  Staunend  sieht  der  Fährmann  des  Hades  die  Grabstätten 
der  Menschen  und  hört  von  ihren  Bestattungsgebräuchen,  verwundert 
sieht  er  die  großen  Städte,  die  in  Trümmer  sinken,  und  kopfschüttelnd 
erblickt  er  Argiver  und  Spartaner,  wie  sie  um  ein  Fleckchen  Landes 
in  blutigem  Kampfe  ringen.  Dann  kehrt  er  in  die  Tiefe  zurück  voll 
Bedauern  über  diese  unglücklichen  Menschen,  die  alles  Erdenkliche 
tun  und  sich  um  den  Charon  nicht  kümmern,  dem  sie  doch  ver- 
fallen sind. 

Wie  Charon  hier  der  Kyniker  ist  und  kynische  Gedanken  vertritt, 
so  haben  wir  deutlich  auch  die  Wiederholung  des  Motivs,  das  wir 
im  'Ikaromenipp'  beobachtet  und  bei  dem  wir  uns  an  die  Aufgabe 
des  Kynikers    als    xat döxoTtog    erinnert   haben. ^)     Auch  Menipp  kann 

1)  Siehe  oben  S.  90  f. 


Beziehungen  zum  'Ikaromenipp'.     Herodotbenutzung.  167 

zunächst  vom  Monde  nichts  sehen,  wird  dann  aber  scharfsichtiger  als 
Lynkeus^),  und  was  er  sieht,  ist  mit  denselben  Worten  bezeichnet*) 
Die  Bilder,  die  zum  Vergleich  für  das  menschliche  Treiben  heran- 
gezogen werden,  sind  mit  Absicht  verschieden  gewählt,  im  'Ikaro- 
raenipp'  (IT)  der  in  Verwirrung  geratene  Chor,  bei  dem  jeder  nach 
Belieben  sein  eignes  Lied  singt,  der  Mischtrank  (IT),  der  Ameisen- 
haufen (19),  hier  der  Wespenschwarm  (15),  die  Wasserblasen  (19).^) 
Aber  in  beiden  Schriften  findet  sich  dabei  die  Beziehung  auf  Homer, 
hier  fChar.  19)  auf  seinen  Vergleich  der  Menschen  mit  Blättern  (IL 
VI  146),  dort  (Ikar.  16)  auf  seine  Schildbeschreibung  und  die  dabei 
angebrachte  Darstellung  menschlichen  Lebeus  (II.  XVIII  49 1  ff.  i;  und 
in  beiden  wird  die  Beobachtung  geschlossen  mit  der  Erwähnung  des 
Kampfes  zwischen  Argivern  und  Spartanern  um  Kynuria  (Ikar.  18, 
(Jharon  24).  Daß  die  doppelte  Behandlung  desselben  Motivs  nicht 
ohne  Anlehnung  der  einen  Schrift  an  die  andere  erfolgt  ist,  leucht  t 
danach  ein.  Welche  sich  näher  an  das  nachgeahmte  Menippische 
Vorbild  anschließt,  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  da  wir  im  'Ikaromenipp' 
die  auf  Menipps  Lebenszeit  weisenden  Anspielungen  haben. 

Um  den  dort  schon  ausgebeuteten  Stoff,  den  er  nicht  gut  wieder- 
holen konnte,  anderweitig  zu  ersetzen,  hat  Lucian  in  diesem  neuen 
Dialog  zur  Wiedergabe  von  Herodoterzählungen  gegriffen.  Das  geht 
80  weit,  daß  selbst  das  aUbekanute  Gespräch  zwischen  Solon  und 
Krösus  (Hdt.  I  30  ff.)  eingeflochten  und  also  von  Hermes  und  Charon 
gerade  belauscht  wird  (10).  Erwähnung  finden  (11)  die  goldenen 
Plinthen,  die  Krösus  dem  Gotte  in  Delphi  weiht  (Hdt.  I  50),  dann 
der  Untergang  seines  Reiches  (Hdt.  I  84 ö'.),  der  Tod  seines  Feindes 
Kyros  durch  Tomyris  (Hdt.  I  214),  und  in  aller  Kürze  wird  daran 
der  Tod  des  Kambyses  und  die  Geschichte  des  Polykrates  angefügt  (14), 


1)  Icar.  12:    xu&dneQ  Avy-Kfvg  rttf  ätpvoi  y^vontvoi^,  Charon  7:  Tvtplbs  6  Avy- 
xivg  ixttvoi  ats  ngog  i[iA.    Die  Steigerung  ist  bezeichnend. 

2;  Icar.  12:  unag  6  xätv  icv^ffvoniov  ßiog  ijöi]  ^oi  xarecpor/vero,  oi  xara  (9t^ 
fxovov  xal  noXfig^  &Xiä  xccl  avrol  att(fu}g  ol  nXiovxig^  oi  noXmoiivxsg^  ol  yfioi 
xtg,  oi  dixuiiöfuvoii  Char.  15:  rijv  dh  7tXri&vv  ÖQug^  w  XÜqcjv,  xoxfg  jiXiovxug  . 
TOiJff  TfoXtfiovvxagy    xovg  dixuio(i^vovg,    xohg  ystoffYOÜvxttg^   xovg  davtil^ovxttg^   xovg 
nffoaatxoi>vxag;   der  Schluß  Htammt  aus  Ikar.  10:   xi   yccQ  av  xovg  aXXovg  Xiyoiftt^ 
xoitg  xoixoiQvxotfVxag,  xohg  dtxa^oiiivovg^  xovg  dccvil^ovxotg^  xovg  i%ttixoii%'xng\ 

8)  Wie  «ehr  der  Vergleich   zur  kyninchen   AnHchauung  von  dem  g«r 
Wert  alleM  Irdischen  paßt,   ist  klar;    or  int  aber  Hprichw^^rtlich.     So  Mngt 
ror.  rutt.  I  1,  1:  cogitans  CNiie  properundum,  (|uo(l,  ut  diritur,  ei  est  humo  1>uUh. 
eo  magi«  senex,  Petrun.  42:  noi  nun  pluriH  huiiiuh  <|uam  bullae  (v^I    Fri<  «lläiKlir 
/.  d.  Stelle).    Otto,  Archiv  f.  Ut.  Lexikogr.  IV  S  2» 


168  Kapitel  VIT.     Charon. 

selbst  die  berühmte  Erzählung  vom  Ringe,  den  der  Koch  wieder- 
bringt (Hdt.  III  40  ff.,  122ff.).  Man  empfindet  klar  den  Zusammenhang 
mit  Lucians  früherer  sophistischer  Tätigkeit,  den  wir  bei  den  ^Toten- 
gesprächen'  noch  eingehender  beleuchten  werden;  man  sieht,  wie  er 
aus  seiner  literarischen  Kenntnis  den  Stoff  gesucht  hat,  den  er  für 
den  verbrauchten  einsetzen  könnte.  Die  Abfassung  des  'Charon'  nach 
dem  'Ikaromenipp'  ist  danach  sicher. 

Aber  einzelnes  fällt  aus  dem  Rahmen  Herodotischer  Erzählungen 
heraus.  So  gleich  zum  Beginn  der  Erdenschau  die  Erwähnung  des 
Milon  von  Kroton,  dessen  übermäßig  kraftvolle  Erscheinung  einen 
scharfen  Kontrast  bildet  zu  seinem  künftigen  Aussehen  nach  dem 
Tode  und  der  deshalb  als  krasses  Beispiel  des  Hinsehwindens  aller 
Stärke  für  kjnische  Darstellung  besonders  geeignet  ist.  Kynisch  scheint 
ja  auch  das  Wortspiel  zu  sein,  mit  dem  Hermes  ihn  einführt.^)  Milo 
war  das  typische  Beispiel  für  Körperkraft  und  findet  sich  so  z.  B.  bei 
Maximus  Tyrius  7, 5,  Cic.  Cato  m.  10,  33  und  neben  Krösus,  so  daß  Kraft 
und  Reichtum  zusammenstehen,  bei  Epiktet  I,  2, 37 ;  und  Juvenal  hat  ihn 
in  seiner  poetischen  Diatribe  über  die  Verkehrtheit  menschlicher 
Wünsche  als  warnendes  Exempel  angeführt,  daß  auch  die  körperliche 
Stärke  zum  Verderben  werden  kann  (10,  11).  Unabhängig  von  Herodot 
ist  auch  die  Aufzählung  der  großen  Städte  hinzugefügt  (23),  die  soweit 
zugrunde  gegangen  sind  oder  gehen  werden,  daß  kaum  eine  Spur 
übrig  ist.  Der  Gedanke  ist  auch  sonst  ausgesprochen  worden,  um 
die  Hinfälligkeit  alles  Irdischen  zu  bezeichnen.  Verwandt  ist  die 
Ausführung  in  Ovids  Metamorphosen  (XV  424 ff.),  wo  Troja,  Sparta, 
Mykene,  Athen  und  Theben  als  Bilder  der  Vergänglichkeit  aufgezählt 
werden.  Lykurg  (in  Leoer.  62)  hebt  von  demselben  Troja,  das  auch 
bei  Lucian  eine  Rolle  spielt,  und  von  Messene  hervor,  wie  es  zu  einem 
Nichts  herabgesunken  ist.^)    Es  scheint  also  auch  dieser  Gedanke  von 


1)  Char.  8:  MiXcav  ovtog  ö  iy,  Kqotojvos  a&Xriti]?'  i'Jtiv.QOXovai  d'  avxm  oi 
"EXXrivsg^  und  nachher  sagt  Charon:  oliico^Excci  ij^tv  SriXad'^,  (is^vri^^vog  rav 
arscpdvav  tovrav  "Kai  tov  'hqotov.  Verallgemeinert  zum  Typus  kehrt  dieser 
TtdxiGTOs  Scv-qg  mit  seinen  GticpKvoi  im  ^ Totengespräch'  10,  5  wieder:  üv  dk  ö  nccxvg, 
6  7CoXv6(XQ7ios  tig  f?;  ^aiiccaiag  6  d-O^ZrjTTjs ;  ihm  gilt  dann  der  Zuruf:  rovg  gts- 
(fdvovg  xovxovg  ocTiÖQQLipov. 

2)  An  Lykurg  erinnert  auch  das  Wort  des  Hermes  (23) :  cctio&vjjgxovol  yäg 
CO  TtOQ^^sv  xal  TtoXsLg  wgtisq  ccvd-QcoTtoL]  denn  er  sagt  an  derselben  Stelle  (61): 
TtoXsmg  iaxi  ^dvccxog  dvdaxuxov  ysvia^ai.  Die  gleiche  Anschauung,  obwohl  von 
Nachahmung  nicht  die  Rede  ist,  zeigt  Libanius  12,  50,  wo  Förster  unsere  Lucian- 
stelle  notiert  hat:  xb  XQVl^^  '^'^^  TtoXscov  ov  xavxbv  dvd'Qwncp  Ttda^Si,  xotg  nhv  yag 
dXvxog  7]  xsXsvxri,  xdg  8h  ^Gxiv  dvccßimaccod'ai. 


Typische  Beispiele.     Kynische  Gedanken.  169 

unserem  Satiriker,  sei  es  nun  aus  sophistischem  Vorrat^),  sei  es  aus 
der  kynischen  Diatribe,  entlehnt  zu  sein. 

Kynisch-stoisch  ist  auch  der  in  das  Gespräch  zwischen  Krösus 
und  Solon  eingelegte  Gedanke,  daß  für  die  Götter  das  Gold  wertlos 
ist  (12).  Die  Stoiker  haben  diesen  äußeren  Tand  für  unvereinbar  mit 
einer  wahren  Verehrung  der  Gottheit  erklärt,  niemand  schöner  als 
Persius  in  dem  herrlichen  Geburtstagsgedicht  an  Macrinus  mit  den 
wenigen  Worten  (2,  68 f.):  'at  vos  dicite,  pontifices:  in  sancto  quid 
facit  aurum?'  Die  Kyniker  heben  es  aufs  schärfste  hervor,  daß  die 
Götter  überhaupt  nichts  bedürfen^),  nach  dem  Vorgang  des  Sokrates^), 
der  sich  bei  Piaton  im  Euthyphron  (14  E)  ganz  ähnlich  wie  Persius 
äußert:  (pQdöov  de  ^ot^  rCg  i}  aipslsca  rolg  d'solg  tvyxdvei  ovöa  djib 
r(bv  öcoQcov  ojv  Ttag'  r^uojv  XafißdvovöLv.^)  Speziell  Gold  und  Silber 
nimmt  Piaton  in  den  Gesetzen  (XII  955 E)  aus  von  dem,  was  man 
den  Göttern  weihen  dürfe. ^)  An  unserer  Stelle  ist  diese  Ausführung 
verbunden  mit  einer  anderen  durchaus  kynischen:  Gold  und  Silber 
verdienen  die  ihnen  gezollte  Wertschätzung  um  so  weniger,  je  mehr 
sie  an  Nutzen  hinter  dem  Eisen  und  dem  Erz  zurückstehen;  aus  Eisen 
schmiedet  man  Waffen  und  Ackergeräte,  aus  Gold  nur  Schmuckstücke. 
Besonders  bei  Reden  gegen  den  Tafelluxus  findet  sich  der  Gedanke 
wieder;  so  sagt  der  Stoiker  Musonius  (S.  111,  11  Hense,  Stob.  flor. 
85,  20):  tä  xeQa^tä  xal  tä  öLÖr^Qä  xal  oöa  toucvta^  jtoXXg)  xq€lttg> 
tCiv  icQyvQdv  ta  xal  xQvöaVy  und  von  ihm  hat  es  Clemens  von  Alexan- 
drien  übernommen,  nur  durch  jenes  Piatonzitat  verstärkt  (Paedag. 
II  H,  35  1 188  PJ*^),  aus  ihm  hat  auch  TertuUian  (de  cult.  fem.  I  5)  seine 
Ausführungen  geschöpft.')  Lucian  hat  sich  sehr  kurz  gefaßt,  aber 
doch  kehren  z.  T.  dieselben  Ausdrücke  wieder,  die  sich  auch  sonst  in 


1)  Babylon  und  Ninus  als  Beispiele  vergangener  Größe  fuhrt  auch  Himerius 
an  n  82. 

2)  Luc.  Gyn.  12:  oi  &£oi  ....  oiösvbg  yuQ  diovxca.  Vgl.  Zfller,  Die  riiil. 
d.  Griech.  II  ♦  S.  829. 

3)  Xen.  uiem.  I  0,  10:  t6  ^lIv  ^iJiÖBvbi  dha&ai  ^ttov  hlvai. 

4)  Vgl.  Val.  Milio,  Lr  H'A\\r(^  di  .Vulo  ]*»'rsio  Flacco  tradotte  ••  commontate. 
MeHxina  1905,  S.  1* 

6)    Die  Stelle  inixMi  «    iruniif»  i  aiMm^.   n  .),.)ii  .  Ih8  P)   Wttrtlicl»    litiMii/i    wwldoU: 

XQvaos  %i  ycLQ  ttna^anXätg  xal  &QyvQOf  lAia  re  xal  drmoaia  iatlv  i7ti(fVnt'or  xxi^fuc 
io  der  Darlegung  gegen  den  Luxuh  im  (iPHchirr. 

6)  Vgl.  F.  Wendland,  guaoHÜoneH  MiiHonianae,  Dia».  Berlin  1886,  S.  89  ff. 

T)  (juodüi  de  qualitate  uiui  gloria  est  auro  et  argento,  atquin  inagii  ferro 
fi  aeri,  quoruni  ita  diapoNita  eit  oteniilitaii,  ut  et  propriaM  operai  plorei  et  ne- 
riHHiiriorea  cxhibeant  rcbu*  hiimani«  et Vgl.  Wundland  a.  a.  0.  8.  iS ff. 


170  Kapitel  VH.    Charon. 

dieser  Darlegung  finden.  Das  Erz,  sagt  Hermes,  ov  jtdvv  öjiovdä- 
^srai  Vit  avTüv  dem  Golde  gegenüber,  wie  es  bei  Musonius  (S.  110,8 
Hense)  umgekehrt  von  goldenen  und  silbernen  Trinkgefäßen  u.  dergl. 
heißt:  koI  öJtovdd^srai  xavra  Tcdvra.  Die  Mühe  des  Auffindens 
und  der  geringe  Erfolg  der  Arbeit  wird  wenigstens  angedeutet:  öXiyov 
ix  Ttollov  xov  ßdd-ovg  ol  iisraXksvovrsg  dvoQvtxovöi  wie  bei  TertuUian 
(de  cult.  fem.  15):  in  maledictorum  metallorum  feralibus  officinis  poe- 
nali  opera  deplorata  nomen  terrae  in  igni  reliquit.  Das  Gold  wird 
als  ein  ßaQv  xtfjua  bezeichnet  ganz  entsprechend  wie  bei  Musonius 
vom  Gegenteil,  dem  eisernen  und  irdenen  Geschirr  gesagt  ist  (S.  111, 

12 Hense):  i)  TitfiOL^  rovrcov  ev^aQSörsoa i]  te  x^rjöig  iiXsCcov iq 

TS  q)vkaxrj  rirrcov  oder  bei  ihm  (S.  111,  8)  und  nach  seinem  Vorbild 
bei  Clemens  II  3,  38  (190  P):  et  ö\  xal  xrcy^s^a  ^rj  xalsnCog  /.ccl  %qg)- 
^Bvoi  svxökcog  Bitaivov^ev  %al  cpvXdrto^sv  QaöCag.  Die  Anlehnung 
an  ein  älteres  Original  ist  danach  für  Lucian  sicher;  er  wie  Musonius 
gehen  auf  die  kynische  Schriftstellerei  zurück.  Ob  der  Gedanke  bei 
Menipp  sich  fand  oder  aus  der  kynischen  Diatribe  hineingearbeitet 
ist,  muß  natürlich  dahingestellt  bleiben.  Wir  kommen  beim  ^Gast- 
mahr  darauf  zurück. 

In  den  kynischen  Ideen  kreis  gehört  endlich  auch  der  Hinweis  auf 
die  Torheit  des  Totenkultus,  als  ob  die  Verstorbenen  essen  und  trinken 
könnten  und  also  von  den  ihnen  dargebrachten  Spenden  irgend  einen 
Genuß  hätten  {22).  Es  ist  bekannt,  wie  wenig  Diogenes  auf  die  Art 
gab,  wie  er  etwa  bestattet  würde,  ja,  daß  er  seine  Bestattung  ge- 
radezu verbot.^)  Unter  den  Schriften  Lucians  selber  befindet  sich  in 
der  Art  kynischer  Diatriben  nicht  nur  eine  Rede  itsQi  d-vöt&v,  die 
mit  dem  kurz  zuvor  besprochenen  Stoff  sich  berührt,  sondern  auch 
eine  TtsQi  Ttsvd-ovg,  die  in  den  Gedanken  mit  den  Ausführungen  des 
^Charon'  sich  kreuzt.^)  Man  sieht  auch  hier,  wie  Lucian  arbeitet  und 
wie  er  die  Lücke,  die  durch  einmalige  Benutzung  des  Motivs  entstan- 
den war,  durch  anderswoher  entlehnte  Ergänzungen  zu   füllen  wußte. 

Daß  er  sich  bei  der  Gestaltung  des  Stoffes  dieser  Erdenschau  der 
Anlehnung  an  ein  kynisches  Vorbild  bewußt  war,  zeigt  deutlich  der 

1)  Siehe  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.  II  ^  1  S.  319  Anm.  4. 

2)  Ich  verweise  für  die  beiden  Schriften  auf  den  Anhang,  da,  was  über 
sie  zu  sagen  ist,  die  Anmerkung  sprengen  würde.  Die  Übereinstimmung  zeigt 
sich  Charon  22:  ti  ovv  instvoL  orecpccvovGL  tovg  iL^ovg  .  .  .  .,  oi  ds  %at  ....  slg 
xa  OQvy^iaxa  olvov  xai  ^sliy.Qccxov  ....  ^x;f^ov(>tv;  de  luctu  19:  xi  ds  ö  vTthg  xov 
rdcpov  lid^og  iaxscpccvcotisvog;  t)  xi  v^itv  dvvuxcci  xov  d%Q0cxov  iTtixEiv;.,  Char.  22: 
xcc  7CQ0  xcbv  Ttölscov  iüslva  xd  ^miicixa  oqag  y.ct.1  xdg  axijXccg  xal  TivgcciilSccg; 
de  luct.  22:    ^maccxcc    ^hv   yccQ   ytal   Tivgcc^idsg   yiccl   öxfiXca Ttag  ov  TtSQixxd\ 


Kynische  Gedanken.     Homerparodie.  171 

Umstand,  daß  er  die  in  dieser  Schriftstellerei  beliebte  Homei-parodie  ge- 
wählt hat.  Charon  bedient  sich  der  dem  veränderten  Gegenstand  ent- 
sprechend zugestutzten  Fragen,  mit  denen  in  der  Teichoskopie  Priamos 
von  der  Helena  Auskunft  heischt  über  die  Fürsten  der  Griechen;  so 
benutzt  er  die  Worte,  mit  denen  Aias  bezeichnet  wird  (IL  III  226  f.), 
für  seinen  Milo  (8).  Besonders  charakteristisch  aber  ist  die  Umwand- 
lung der  Homerverse  in  Kap.  22,  mit  denen  Charon  die  Vergänglich- 
keit alles  Irdischen  und  die  Gleichheit  aller  nach  dem  Tode  ausdrückt.^) 
Sie  sind  ein  schlagendes  Beispiel  der  bei  den  Kynikern  üblichen  par- 
odischen  Verwendung  von  Homerischen  Versen  und  Versteilen,  wie 
wir  sie  in  dem  bekannten  Lobe  des  Krates  auf  seinen  Ranzen  haben.^) 
Durchaus  kynisch  ist  auch  der  Vergleich  des  von  den  HoflPnungen 
umgaukelten  und  angelockten,  immer  betrogenen  Menschen  mit  dem 
unglücklichen  Tantalus,  der  umsonst  nach  dem  Tropfen  Wasser  hascht 
(15).  Der  Vergleich  kehi-t  in  ähnlicher  Weise  bei  Maximus  Tyrius 
(4,  4),  wieder,  sowie  bei  Horaz  (sat.  I  1,  68),  wo  er  zweifellos  auf 
kynische  Darstellung  zurückgeht^),  auch  in  dem  von  Fulgentius  zitier- 
ten Petronfragment  (82).  Den  kynischen  Ursprung  beweist  auch 
Teles  IV  a  (S.  25  H.),  bei  dem  derselbe  Vergleich  sich  findet,  um  die 
ÖvösljtLörCa  der  Menschen  zu  geißeln.  Man  sieht,  daß  die  Ausführung 
dieser  ganzen  Szene  sich  eng  an  Menipps  Himmelfahrt  angelehnt 
haben  muß,  wenn  man  des  Aufenthaltes  auf  dem  Monde  dort  gedenkt. 
Erkannten  wir  in  dem  zweiten  Teil  unseres  Dialoges  das  Motiv 
aus  dem  ^Ikaromenipp'  wieder,  so  ist  der  erste  Teil,  der  zugleich  die 
Begründung  für  jenen  enthält,  neu;  aber  er  knüpft  doch  auch  an 
Motive  aus  der  'Nekyomantie'  und  der  'Niederfahrt'  an,  insofern  dort 
Hermes  und  Charon  in  Berührung  miteinander  kommen.  An  die 
'Xekyomantie'  erinnert  ja  auch  im  Schluß  der  Hinweis  des  Churou 
auf  den  einen  Fuß  Landes,  den  Äakus  den  Toten  zuerteilt.*)  Andrer- 
seits zieht  sich  von  hier  wie  von  dem  Anfang  der  'Niederfahrt'  ein 
deutlicher  Faden  zu  den  'Götterge8i)rächen'.  Hermes  ist  dargestellt 
in  der  Art  des  aus  der  Komödie  bekannten  vielgephigten  Dieners,  der 

1  Die  VefHO  sind  zusainmenj^estückcU  und  zurechtgemacht  aus  11.  IX  810  f. 
o.l    .\  521,  XI  673. 

2)  Poet.  phil.  fragm.  ed.  Diels  S.  21H 

8)  Vgl.  KießlingH  Anmerkung  zu  der  Stelle  und  liuin/.o,  hr  Hörnt  '>  m  nis 
imitaiore,  IJihh.  Honn  1MH9.  S.  20.     (Otto,  Sprichwörter  der  Küiiut,  S.  aio  .\jjih. 

4;  Char.  21:  ^oyttf  uv  nodudov  Haßoitv  ronov  nccgu  ruff  .lioxov,  iumvoui  17: 
innduv  yÜQ  .  .  .  6  AltCKÜi  anoutToh(f>i  ixüorfo  ror  n'irtov  ditiioat  Ah  tu  fn-yitfrov 
or  nUov  noa6i). 


172  Kapitel  VII.     Charon. 

beständig  der  Gefahr  ausgesetzt  ist,  gescholten  oder  gar  geschlagen 
zu  werden;  nur  mit  Not  und  Mühe  läßt  er  sich  überreden,  dem  Charon 
seine  Zeit  zu  widmen,  aber  mit  dem  sichern  Bewußtsein,  daß  ihm 
seine  Pflichtversäumnis  einige  Ohrfeigen  einbringen  wird.  Das  ist 
die  Zeichnung,  wie  sie  unter  den  'Göttergesprächen'  Dialog  24  enthält, 
wo  sich  auch  dieselben  oder  ähnliche  Ausdrücke  wiederfinden.^)  Auch 
die  Auffassung  des  Zeus  ist  die  gleiche.  Dabei  hat  sich  Lucian  (1) 
die  Beziehung  auf  den  Homervers  nicht  entgehen  lassen,  der  die  Be- 
strafung des  Hephaistos  schildert  (IL  I  591)  und  den  wir  oben  in 
Senecas  menippischer  Satire  (11)  verwertet  fanden.  Homer  muß  über- 
haupt in  dieser  ganzen  Szene  die  Kosten  der  Darstellung  tragen; 
seine  Verse  werden  gleichsam  als  Zauberformel  benutzt.  Wenn  die 
Worte  über  den  Versuch  der  Aloiden,  den  Himmel  zu  stürmen  (Od. 
XI  315  f.),  zitiert  werden,  so  ist  damit  allein  die  schwere  Arbeit  getan, 
den  einen  Berg  auf  den  andern  zu  türmen  (4).  Die  Beziehung  auf 
Otos  und  Ephialtes  findet  sich  auch  im  'Ikaromenipp'  (23),  so  daß 
es  also  nicht  unmöglich  wäre,  daß  Lucian  aus  jener  Menippischen 
Vorlage  die  Anregung  auch  zu  der  Gestaltung  dieser  Situation  schöpfte. 
Dieselbe  Art,  den  Homer  zu  persiflieren,  wird  gleich  darauf  (7)  bei  dem 
zweiten  Wunder  angewandt,  durch  das  einfach  infolge  des  Zitates  von 
Ilias  V.  127  f.  dem  Charon  der  Schleier  von  den  Augen  genommen 
wird,  der  ihm  bis  dahin  den  Ausblick  auf  die  Erde  entzog.  Aber 
recht  begreifen  kann  man  diese  Erfindung  wohl  erst,  wenn  man  darin 
eine  Verspottung  der  magischen  Verwendung  sieht,  welche  die  Homer- 
verse zu  finden  pflegten.^) 

Sicherlich  auf  ein  älteres  Vorbild  läßt  sich  die  geschmacklose 
Fiktion  zurückführen,  mit  der  Charon  (7)  seine  Kenntnis  homerischer 
Brocken  begründet.  Als  Homer  über  den  Totenfluß  fuhr,  sang  er  von 
dem  Unwetter,  das  Poseidon  heraufbeschwor;  infolgedessen  —  also 
zum  dritten  Male  diese  Art  der  Verspottung  —  brach  auch  wirk- 
lich ein  Sturm  aus,  der  das  Schiff  beinahe  umwarf  Homer  wurde 
seekrank    und    gab    die    meisten    seiner    Gesänge    mitsamt    der    Cha- 

1)  Maia  rät  (dial.  deor.  24,  2)  ihrem  Sohn,  seinen  Auftrag  zu  erfüllen,  ^^ 
■aal  nXr]yag  ßQadvvcov  Xdßrjs'  o^v^oXol  yccg  ol  i^üvTsg.  Hermes  ahnt  (Char.  2): 
tovto  tb  TCQ&y^a  Ttlriycov  ccitiov  y.ccraotiJ6STccl  ^ol  und  nennt  den  Zeus  selber 
o^v^vnos  (1). 

2)  Siehe  Heim,  Incantamenta  magica,  Jahrb.  f,  klass.  Phil.  Suppl.  XIX 
S.  514  ff.  495  ff.,  wo  mit  Recht  unsere  Stelle  angeführt  ist;  verglichen  wird  die 
Heilung  der  Augen  mit  Hilfe  des  Verses:  TjeXiog  og  Ttdvr'  itpoQu  xorl  'jtdvr  In- 
av,ovsi  bei  Marcell.  de  med.  YHI  58.  Man  denke  auch  an  die  inaSi]  'Ogcpicog 
Eur.  Cycl.  646. 


Homerverse  als  Zauberformel.  173 

rybdis  und  Skj'lla,  mitsamt  den  Kyklopen  von  sich.  Dabei  hat 
der  Fährmann  einiges  erhascht  und  behalten.  Ist  es  Zufall,  daß 
diese  wenig  anziehende  Erfindung  sich  in  einer  anderen  Schrift 
wiederfindet,  die  wenigstens  äußerlich  die  Form  der  menippischen 
Satire  angenommen  hat?  Bei  Martianus  Capella  II  135 ff.  muß  die 
Philologie  vor  ihrer  Vermählung  mit  Merkur  erst  ihre  Buchweisheit 
von  sich  geben,  die  die  Musen  sorgsam  auffangen.  Daß  Martianus 
diesen  Gedanken  nicht  aus  Lucian  hat,  ist  ja  selbstverständlich.^)  Er 
läßt  sich  aber  auch  über  Lucians  Zeit  hinaus  verfolgen.  Allan  (v.  h. 
Xin  22)  sowie  der  Scholiast  zu  unserer  Stelle  wissen  von  einem  Maler 
Galaton,  der  die  Szene  gemalt  hatte,  wie  Homer  sich  übergibt  imd 
die  andern  Dichter  das  zu  sich  nehmen,  was  er  von  sich  gegeben. 
Es  handelt  sich  dabei  schließlich  nur  um  eine  sehr  grobe  verhöhnende 
Weiterbildung  des  schon  von  Aschylos  angeführten  Wortes  (Ath.  VIII 
347  e),  seine  Dramen  seien  te^dxr]  röv  ^O^riQov  ^eydkcov  ÖEizivcav. 
Watzinger  hat  in  seiner  Besprechung  der  Homerapotheose*)  das  Bild 
als  eine  Parodie  auf  die  in  Alexandria  herrschende  übertriebene  Homer- 
verehrung bezeichnet  und  etwa  in  die  Zeiten  des  Ptolemäus  Philopator 
gesetzt.  Es  dünkt  mich  bei  der  ganzen  Art  des  Bildes  nicht  unwahr- 
scheinlich, daß  es  zuerst  literarisch  geschaffen  wurde,  ehe  es  der  Pinsel 
des  Malers  an  der  Wand  gestaltete.  Daß  es  die  Spottlust  eines  Ky- 
nikers  erfand,  der  sich  über  alles  ästhetische  Empfinden  hinwegsetzte, 
ist  wohl  möglich.  Wenn  nicht  literarische  Anregung  vorliegt,  so 
müßte  man  annehmen,  daß  Lucian  in  anderer  Weise  zur  Kenntnis 
dieses  Bildes  gelangt  ist.  Indessen  ließe  sich  leicht  denken,  daß  Charon 
in  der  'Nekyia',  als  er  Menipp  überfuhr,  Homer  zitierte  und  dafür 
die  Begründung  beibrachte,  die  nun  Lucian  liefert. 

Bei  der  größeren  Freiheit,  die  sich  in  der  Komposition  dieses 
Dialoges  zeigt,  ist  es  begreiflich,  daß  Zeitanspielungen  nicht  vor- 
kommen, die  irgend  einen  Schluß  auf  Entlehnung  aus  Menipp  zuließen; 
denn  die  historischen  Beispiele  sind  ja,  wie  wir  sahen,  von  Lucian 
selber  aus  Herodot  eingefügt;  auch  die  Aufzählung  der  untergegange- 
nen Städte  scheidet  in  dieser  Hinsicht  aus,  von  denen  übrigens  nur 
Babylon    in  Betracht   kommen    könnte.")     Man    erkennt  deutlich  den 

1    Vgl.  Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  846. 

2)  WinckelmaimHprogramm,  Berlin  lÜüS,  S.  '2' 

8)  Die  Hiadt  prunkt  noch   mit  ihren   Rchönen    1< 
Umfang;    aber  bald  {oi>  n*tu  jrolv)   wird  auch  ihro  Stif 
die  Ninivei  (28).     Da0  der  Auispnioh  sich  nicht  im 
bezieht,  zeigt  c.  9,  wo  et  von  Kyrof  beißt:  Uoav{u,  . 


174  Kapitel  yil.     Charon. 

sophistischen  Charakter  des  ganzen  Dialogs,  der  im  Grunde  nichts  ist 
als  ein  ausführlicherer  Götterdialog  oder  ein  Mittelding  zwischen 
Götter-  und  Unterweltsdialog,  weiter  ausgesponnen  in  der  Art  des 
Trometheus'  und  der  'i^sayv  KQLöog''  (dial.  deor.  20).  Das  Menippische 
Motiv,  das  die  Himmelfahrt  lieferte,  ist  z.  T.  mit  sophistischen  Ge- 
danken gefüllt,  z.  T.  mit  kynischen,  die  aus  Menipp  selber  oder  aus 
Diatriben  stammen. 


-nccl  BaßvXavcc  -jtccQsaxriaccxo.  Für  die  Folge  aber  paßt  die  Prophezeiung  ebenso 
wenig  auf  Menipps  wie  auf  Lucians  Zeit;  denn  verschwunden  war  die  Ansied- 
lung  auch  im  2.  Jahrhundert  n,  Chr  noch  nicht,  obwohl  auch  Maximus  Tyrius- 
22,  G,  wo  er  sehenswerte  Stätten  aufzählt,  von  Baßvlav  %Bi^Bvr\  redet.  Be- 
rechtigt zu  dieser  rhetorischen  Übertreibung  war  jedoch  auch  schon  Menipp, 
nachdem  die  Stürme  der  Diadochenkämpfe  über  die  Stadt  dahingebraust  waren 
(s.  Baumstark,  Pauly-Wissowa  Realencyclop.  II  2  S.  2679  f.);  schon  Strabo  bezieht 
auf  Babylon  den  Komikervers:  'Eine  große  Einöde  ist  die  große  Stadt',  fall» 
nicht,  wie  Baumstark  mit  Recht  als  möglich  annimmt,  schon  die  Quelle 
des  Geographen  dieses  Zitat  auf  Babylon  angewandt  hatte.  Plinius  sagt  (n.  h. 
VI  122):  ad  solitudinem  rediit. 


Kapitel  VIII. 
Totengespräche. 

Die  'Totengespräche'  ^)  tragen  ebenso  wie  der  Sharon'  das  Zeichen 
einer  gewissen  Verbindung  mit  der  menippischen  Satire  an  der  Stirn. 
Aber  behielt  jener  Dialog  die  menippische  Form  ziemlich  deutlich 
bei,  so  haben  diese  sich  derselben  völlig  begeben;  und  ihr  Haupt- 
gewicht liegt  dort,  wohin  uns  auch  der  erste  Teil  des  'Charon'  schon 
wi(?s,  wenn  wir  die  Ähnlichkeit  mit  den  'Göttergesprächen'  konstatieren 
mußten.  Es  ist  nötig  weiter  auszugreifen  und  in  eine  frühere  Periode 
der  Schriftstellerei  Lucians  zurückzublicken,  in  die  Zeit  seiner  soplii- 
stischen  Tätigkeit. 

Wir  haben  unter  den  Reden  Dios  von  Prusa  ein  paar,  die  so  recht 
zur  Erkenntnis  dieser  Literaturgattung  beitragen.  Hierher  gehört  die 
59.(42.)  Rede,  das  Gespräch  zwischen  Odjsseus  und  Philoktet.  Odjsseus 
•setzt  auseinander,  wie  seine  Klugheit  ihm  zur  Last  wird,  da  er  zu 
allem  Schwierigen  ausgesucht  wird,  wie  er  nun  auch  die  bedenkliche 
Aufgabe  hat  übernehmen  müssen  den  Philoktet  ins  Griechenlager  zu 
schaffen;  unter  Äthanes  Schutz  ist  er  zu  diesem  Zwecke  gekommen. 
Philoktet  tritt  auf,  und  Odysseus  sucht  ihn  für  sich  zu  gewannen, 
indem  er  sich  als  Freund  des  Palamedes  hinstellt  und  vorgibt  mit  in 
dessen  Untergang  hineingezogen  zu  sein.  So  begrüßt  ihn  Philoktet 
als  Gefährten  im  Elend.  Der  Dialog  ist  nichts  anderes  als  die  Para- 
phrase einer  dramatischen  Szene  und  zwar  aus  Euripides'  Philoktet.^) 
Auch  die  vorhergehende  Schrift  (58  v.  A.  |41 1),  die  eine  Unterredung 
zwischen  Achill  und  Chiron  enthält  und  die  Kunst  des  Bogenschießens 
vf'rteidigt,  gehört  in  diese  Gattung,  wie  v.  Arnim  richtig  erwiesen  hat.') 
Wir  sehen,  daß  derartige  Wiedergaben  poetischer  Szenen  in  Prosa  in 
den  Hereich  sophistischer  Tätigkeit  fielen.  Es  ist  selbstverständlich,  daß 
man    daliei    mit    größerer   oder   geringerer  Freiheit  zu  Werke  gehen 


1)  Hirzel,  Der  Dialog  II  8.  819  f    Kimuor  (■.  8. 16)  8.  4  ff.    Waauianntdorf  S.  IS. 
8)  V.  Arnim,  Leben  u.  Werke  def  Dio  von  Pruta,  Berlin  1898,  8.  164  f. 
H)  Khendort  S.  166  f. 


176  Kapitel  VIII.    Totengespräche. 

konnte;  auch  Dio  weicht  von  Euripides'  Philoktet  ab,  indem  er  den 
Diomedes  fortließ,  der  als  Begleiter  des  Odysseus  vorkam  und  mit 
Übergebung  der  Parodos  des  Chores  sofort  die  Begegnung  mit  Phi- 
loktet anschloß.  Man  muß  sich  vor  Augen  halten,  daß  die  Benutzung 
des  Dialoges  in  der  Sophistenliteratur  alt  ist.  Nach  Philostratus^)  hat 
schon  Hippias,  wie  gering  auch  immer  das  eigentlich  Dialogische  ge- 
wesen sein  mag,  doch  das  Motiv  des  Dialogs  in  dem  Vortrag  benutzt, 
in  dem  Nestor  dem  Neoptolemos  Unterweisungen  gab.  Einen  Ausläufer 
dieser  sophistischen  Literatur  haben  wir  bei  Dio  Chrysostomus  (2)  in 
der  Unterredung  zwischen  Philipp  und  Alexander,  von  wo  uns  die  Zu- 
sammenstellung der  Personen  sofort  zu  Lucian  hinüberführt.^)  Auch 
hat  sich  der  Dialog  bei  den  Sophisten  bis  zu  Himerius  erhalten,  der 
für  seine  Schrift  ^Diogenes'  oder  das  Tropemptikon'  die  Form  des 
Zwiegespräches  gewählt  hat. 

Unter  Lucians  Werken  gehören  hierher  die  Hetärendialoge. 
Jeder  Leser  hat  sofort  die  Empfindung,  daß  sie,  obwohl  keine  Para- 
phrasen, beständig  Szenen  der  neuen  Komödie  zur  Grundlage  haben; 
aber  die  Namen  sind  geändert,  die  Motive  hier  und  da  verschoben  und 
erweitert.  So  kann  es  nicht  wundernehmen,  daß  sich  kein  einziges 
Gespräch  mit  Sicherheit  auf  ein  bestimmtes  Stück  zurückführen  läßt^), 
obwohl  die  Personennamen  aus  der  Komödie  entlehnt  sind.*)  Da  die 
Stoffe  die  im  Mimus  vorherrschenden  sind,  Kuppelei,  Unterweisung 
der  jungen  Mädchen  in  ihrem  neuen  Gewerbe,  Eifersuchtsszenen,  wahre 
Liebe  mitten  im  Sumpf  tiefster  Gemeinheit  und  ähnliches,  so  wäre 
hier  auch  die  Anregung  durch  das  zeitgenössische  Schauspiel  nicht 
gerade  ganz  undenkbar,  obwohl  dessen  Einfluß  nicht  überschätzt 
werden  darf.^)  Von  Satire  ist  bei  diesen  Dialogen  keine  Rede,  und 
mit  der  menippischen  Schriftstellerei  haben  sie  nichts  zu  tun.  Wir 
müssen  zufrieden  sein,  daß  die  zufällige  Existenz  ähnlicher  Erzeug- 
nisse bei  Dio  uns  über  die  ganze  Gattung  und  ihren  Ursprung  richtig 
urteilen  läßt. 

Lucian  führte  seine  Neigung,   ein  einmal  gewonnenes  Motiv  bis 

1)  Philostrat.  vit.  sophist.  I  11  (S.  14,  4  Kayser).  Hirzel,  Der  Dialog  I  S.  59. 
Dümmler,  Akaderaika  S.  259  hält  es  für  möglich,  daß  der  größte  Teil  des  Dialoges 
zusammenhängender  Vortrag  des  Nestor  war;  noch  energischer  spricht  dafür 
Norden,  Herm.  XL  (1905)  S.  523.  Aber  ein  schwacher  Ansatz  zum  Dialogischen 
lag  doch  zum  mindesten  in  der  gedachten  Situation  vor. 

2)  Totengespräch  13.  14, 

3)  Siehe  Leo,  Plautin.  Forschungen,  Berlin  1895,  S.  127  ff.  134. 

4)  Siehe  Wendel,  Fleckeisens  Jahrbücher  Suppl.  XXVI  S.  39  Anm.  84. 

5)  Vgl.  oben  S.  30  Anm.  2. 


Hetären-  und  Meeresdialoge.  177 

aufs  äußerste  auszubeuten,  zu  den  Meeres-  und  Göttergesprächen, 
in  denen  ja  die  Liebschaften  eine  Hauptrolle  spielen.  Unter  den 
Meeres dialogen  ist  die  aus  alexandrini scher  Poesie  entnommene 
Liebe  des  Poljphem  zur  Galatea  an  die  erste  Stelle  gesetzt;  der  enge 
Anschluß  verrät  sich  darin,  daß  selbst  der  junge  Bär  als  Geschenk 
des  werbenden  Liebhabers  aus  der  alexandrinischen  Fassung^)  bei- 
behalten ist;  aber  doch  ist  die  ganze  Situation  nach  eigener  Pha)itasie 
frei  umgewandelt  in  ein  Zwiegespräch  zwischen  Galatea  und  Doris 
und  sogar  die  Stimmung  der  Galatea  gegenüber  dem  ungeschlachten 
Liebhaber  wesentlich  verschoben.  Dagegen  schließt  sich  die  Unter- 
redung zwischen  Polyphem  und  Poseidon  (2)  völlig  an  Homers 
Odyssee  IX  an.  Auf  Homer  gehen  auch  noch  andere  Szenen  zurück 
wie  die  zwischen  Xanthos  und  Thalatta  (11).  Es  ist  aber  bei  den 
Meeresgesprächen  sehr  fraglich,  ob  man  stets  auf  eine  bestimmte 
literarische  Quelle  schließen  darf;  die  tändelnden  Szenen  sind  im  Grunde 
so  wenig  vertieft  durch  genauere  Charakteristik  oder  eingehendere 
Angabe  von  Nebenumständen,  daß  die  leiseste  Anregung  irgend  welches 
mythologischen  Handbuches  genügte.  Für  die  Schilderung  der  an 
Perseus^  Hand  vom  Felsen  schreitenden  Andromeda  (14,  3)  und  der 
vom  Stier  über  das  Meer  getragenen  Europa  (15,  2)  hat  man  trotz 
der  für  den  letzten  Fall  ähnlichen  Darstellung  in  Moschos'  Europe 
(125  ff.)  die  deutliche  Empfindung,  daß  der  Schriftsteller  Bilder  schildert, 
die  er  mit  eigenen  Augen  gesehen  hat.^)  Es  mündet  hier  also  ein 
anderer  Kanal  sophistischer  Tätigkeit:  das  Bestreben,  die  Kunst  in 
der  Wiedergabe  von  Gemälden  zu  zeigen,  vereint  sich  mit  dem,  nur 
den  Inhalt  literarischer  Werke  nachzugestalteu.  Lucian  selber  hat  in 
der  Beschreibung  des  Bildes  des  Apelles,  das  die  Verleumdung  dar- 
stellt, ein  Muster  solcher  Sophistenkunst  gegeben,  wie  er  überhaupt 
Bilder  gern  schildert');  er  hat  in  dem  Vortrag  jtSQl  xov  otxov  (22  ff.) 

1)  Theokr.  XI  40  f.    Ovid  met  XHI  883  ff. 

2)  Vgl.  lilümner,  ArcbEolog.  Studien  zu  Lucian,  Breslau  1867,  S.  77  ff.,  der 
dieHC  Dialoge  noch  fVir  «ntinffh  h?llt  und  ROgar  oin^  Verspottung  der  Kunst 
darin  sieht. 

8  Calumn.  non  tcm.  cred.  2  ff.;  die  Hochzeit  .Mi  ximirrs  Herodot  fi  ff., 
da«  KentaurengemiUdc  Zeuxis  4  ff.,  Orest  und  I^ylatirs  T(i\aiiH  G,  Herakh's 
Hercul.  1  ff.;  vgl.  Förster,  Lucian  in  der  Itcnaissance,  Kiel  1H8(>,  S.  lOff.  He- 
Monders  für  die  kunstvollen  sophistischen  Einleitungen  sind  solclie  iii<f(ftian^^ 
sehr  geeignet;  so  liebt  sie  auch  Himerios,  Ecl.  XIII  (208  WenisdorfK  XIV 
'241),  XXXII,  11  (802;.  XXXVI  4  (808;,  der  auch  sonst  an  Lucian  erinnert  Kr 
begründet  den  Vergleich  mit  den  Göttern  bei  Schilderung  des  ÜaHÜius  i^lll  7i  mit 
Homers  Beschreibung  des  Agamemnon  (IL  II  477  *,  wie  Lucian  diese  SU*)Ie  Pro 

ff  -'m      I.iirUn   Uli'l    M--  12 


178  Kapitel  VIII.    Totengespräche. 

eine  ausfülirliche  Aufzählung  der  in  dem  Saal  vorhandenen  Wand- 
gemälde nach  ihrem  Inhalt  geliefert.  In  der  späteren  sophistischen 
Literatur  haben  wir  an  den  beiden  Philostratos  ja  das  charakteristischste 
Beispiel  dieser  Gattung. 

Man  hat  diese  kleinen  Werke  gröblich  verkannt,  wenn  man  sie 
als  Satiren  ausgab.^)  Da  ergab  sich  die  Frage  von  selbst,  wie  sie 
Blümner  a.  a.  0.  S.  81  stellt:  'Wenn  die  Fabel  von  Perseus,  von  der  Europa 
usw.  in  allem  Ernste  erzählt  wird,  fast  wie  von  einem  Mythographen 
oder  wie  eine  in  Prosa  umgesetzte  Dichterstelle,  wo  liegt  da  der 
Spott?'  Jetzt  hat  man  längst  richtig  erkannt,  daß  Lucian  hier  nur 
Sophist  ist  und  den  in  der  Schule  üblichen  Aufgaben  nachgeht^); 
aber  er  zeigt  doch  dabei  eine  gewisse  Freiheit  und  Phantasie,  die 
man  anerkennen  muß,  indem  er  von  der  einfachen  Wiedergabe  einer 
dramatischen  Szene,  von  der  einfachen  Beschreibung  eines  Bildes 
fortschritt  zu  selbständig  konzipierten  kleinen  Szenen;  und  seine  her- 
vorragende Befähigung,  die  Wechselrede  zu  gestalten,  ermöglichte  es 
ihm,  über  alles  die  zierliche  Anmut  auszubreiten,  die  wir  jetzt  noch 
empfinden.     Das  war  sein  eigenstes  Verdienst. 

Gehen  wir  weiter  zu  den  Göttergesprächen,  so  haben  wir 
hier  dieselbe  rein  sophistische  Absicht;  auf  den  Unterschied  dieser 
Schriften  etwa  von  der  'Widerlegung  des  Zeus'  hat  K.  F.  Hermann 
klar  und  deutlich  hingewiesen.^)  Man  tut  unrecht,  wenn  man  darin 
einen  beabsichtigten  Kampf  gegen  den  alten  Götterglauben  zu  finden 
meint*)  und  Lucian  wohl  gar  zumutet,  er  habe  wie  ein  anderer  Don 
Quixote  gegen  Windmühlen  gestritten.  Daß  er  auch  hier  das  Komische 
bevorzugt  und  diejenigen  Szenen  sich  aussucht,  die  zu  humoristischer 
Behandlung  Anlaß   geben,   beruht  auf  seiner  Veranlagung,    die  selbst 

imag.  25  benutzt;  er  verwendet  auch  den  Dädalusmythus  XIV  35  (vgl.  Icaro- 
menipp  2  f.),  den  Dionysoszug  XIV  26  (vgl.  Bacch.),  den  Anacharsis,  der  im  Ge- 
spräch mit  Selon  begriffen  und  bestrebt  ist,  athenische  Einrichtungen  kennen  zu 
lernen  XXX  1  (vgl.  Anacharsis  und  Scytha) ;  über  den  Vergleich  der  Mysterien- 
fackeln mit  denen  der  Eumeniden  s.  S.  71;  auch  das  Bild  vom  einsam  wachen- 
den Steuermann  (XIV  32)  stimmt  zu  Lucian  bis  acc.  2,  lupp.  trag.  46. 

1)  Martha,  Les  moralistes  sous  l'empire  Romain,  Paris  1872,  S.  351  schreibt 
bei  dieser  Auffassung  mit  Recht  wie  Blümner:  'On  se  demande:  oü  est  la  satire?' 
Aber  die  Konsequenzen  daraus  hat  er  nicht  gezogen. 

2)  Hirzel,  Der  Dialog  II  295. 

3)  Gesammelte  Abhandl.  S.  212  ff.,  in  der  Anzeige  von  Jacob,  Charakteristik 
Lucians  von  Samosata. 

4)  Siehe  Martha,  Les  moralistes  S.  344/5.  Die  Anschauung  von  Lucian  als 
idealem  Kämpfer  gegen  Aberglauben  und  Aberwitz  beruht  ja  zum  guten  Teil 
auf  dieser  falschen  Auffassung. 


Göttergespräche.  179 

sophistischen  Stoffen  etwas  Interessantes  abzugewinnen  weiß  und  zum 
Beispiel  den  köstlichen  'Prozeß  des  Sigma  gegen  das  Tau'  geschaffen 
hat,  im  Grunde  nichts  als  eine  sophistische  Übung,  aber  mit  recht 
humoristischer  Tendenz.  Man  muß  sich  dem  gegenüber  nur  einmal 
solche  Besprechungen  wie  die  in  Plutarchs  'Quaestiones  convivales'  ver- 
gegenwärtigen: 'Warum  das  Alpha  im  Alphabet  die  erste  Stelle  ein- 
nimmt'(IX  2)  oder  das  'Gespräch  über  die  Vokale  und  Halbvokale' (IX  3), 
und  man  empfindet,  was  Lucian  aus  einem  solchen  Thema  gemacht  hat. 
In  diese  Gattung  freierer  sophistischer  Szenen  mit  recht  humo- 
ristischem Beigeschmack  gehören  die  beiden  Wochenstuben  des  Zeus 
(Göttergespr.  8  und  9),  die  sich  zweifellos  nicht  eng  an  ein  litera- 
risches Vorbild  halten,  so  daß  sie  nur  die  Paraphrase  einer  poetischen 
Szene  böten;  sondern  Lucian  hat  auf  irgend  eine  geringe  Anregung 
hin  mit  eigener  Phantasie  witzig  diese  kleinen  Gespräche  geschaffen. 
Im  allgemeinen  folgte  er  bei  den  'Göttergesprächen'  einer  Zusammen- 
stellung ihrer  Liebschaften;  so  ist  behandelt  Zeus'  Verhältnis  zu  lo, 
Ganymed,  Semele,  Alkmene,  das  Verhältnis  Heras  zu  Ixion,  Selenes  zu 
Endymion,  Apollos  zu  Hyakinth.  Auch  hier  ist  schon  charakteristisch, 
was  wir  noch  mehr  bei  den  'Totengesprächen'  beobachten  werden, 
wie  derselbe  Stoff  von  verschiedenen  Seiten  erschöpft  wird.  Die  Lieb- 
schaften des  Zeus  gaben  Anlaß  eine  Szene  darzustellen,  in  w^elcher 
der  Göttervater  sich  bei  dem  kleinen  Schelm  Eros  beschwert,  aller- 
dings nicht,  daß  er  überhaupt  in  ihm  die  Liebe  erweckt,  sondern  daß 
er  ihm  die  Erfüllung  seiner  Wünsche  so  schwer  macht  und  immer 
erst  durch  Verwandlungen  ermöglicht  (2).  Der  Raub  des  Ganymedes  (4) 
ruft  eine  Eifersuchtsszene  seitens  der  Hera  hervor  (5).  Die  Geburt 
des  Dionysos  (0)  hat  das  Gespräch  18  angeregt,  in  dem  Hera  diesen 
Weichling  schmäht.  Weiter  hat  die  Behandlung  der  verliebten 
Götter  den  Schriftsteller  dazu  geführt,  auch  einmal  die  von  der  Liebe 
nicht  berührten  in  einem  Dialog  zwischen  Aphrodite  und  Eros  (19) 
aufzuzählen.  Schon  diese  Ausnutzung  des  Stoffes  nach  mehreren 
Richtungen  zeigt  klar,  daß  wir  meist  nicht  mehr  die  Paraphrase  einer 
draroatischen  Szene  vor  uns  haben.  Möglich  wäre  der  Gedanke  etwa 
bei  der  Klage  des  Hermes  gegenüber  der  Maia  (24),  wo  wenigstens 
diw  Motiv  der  Beschwerde  aus  der  Komödie  entlehnt  sein  könnto; 
da«  Gespräch  zwischen  Pnn  und  Hermes  (22)  erinnert  an  Dramen  wie 
die  Ilavbg  yovaC  de»  Araros*j  und  Philiskos  oder  Stücke  mit  dorn  Titel 
'I*an'.  win  von  Amphi^.  und  konnte  einem  solcheu  entstuuuncn.     Aber 

I      Kn.l    II   'J17     .IM      M.l      III   :\M 


180  Kapitel  VIII.    Totengesprilche. 

für  die  meisten  dieser  harmlosen  Szenen  würde  man  gewiß  zu  weit 
gehen,  wenn  man  eine  Einwirkung  der  Parodien  der  mittleren  Ko- 
mödie^) annähme,  die  ja  mythologische  Stoffe  vielfach  behandelt  hat.^) 
Sicher  ist  der  Einfluß  Homers  in  dieser  Hinsicht;  fast  keine  der 
Szenen  mit  burleskem  Anstrich^)  aus  Ilias  und  Odyssee  hat  Lucian  nicht 
irgendwo  benutzt.  Auch  alexandrinische  Dichter  haben  hier  wie  bei 
den  'Meeresgesprächen'  eingewirkt.^)  Sicher  ist  ferner  der  Einfluß  von 
Kunstwerken  der  Plastik  und  Malerei  zu  konstatieren,  wie  er  sich  ja 
bei  Selene  und  Endymion  (11)  jedem  sofort  aufdrängt.^)  Man  sieht,  die 
Motive  ergaben  sich  für  Lucian  von  selber,  wenn  er  nur  mit  offnen 
Augen  um  sich' blickte  und  seinen  künstlerischen  Interessen  nachging. 
Und  noch  eine  Anregung,  die  wir  schon  erwähnten,  bot  ihm  die  Gegen- 
wart, ohne  daß  er  erst  literarische  Studien  zu  machen  brauchte;  ich 
meine  Mimen ^)  oder  vielmehr  Pantomimen,  die  ja  lebende  Bilder 
waren.  Gerade  für  die  ausführlichste  Szene  in  den  'Götterdialogen', 
das  Urteil  des  Paris  (20),  haben  wir  in  Apuleius'  Metamorphosen 
(X  30 ff.)  den  trefflichsten  Beweis,  daß  der  Stoff  pantomimisch  auf- 
geführt wurde;  denn  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  dieser 
Zeitgenosse  Lucian s  seine  außerordentlich  plastische  Schilderung  nach 
eigener  Anschauung  geliefert  hat.  Gerade  die  von  Lucian  bevor- 
zugten Stoffe,  Liebesgeschichten  pikantester  Art,  wie  Ares  und  Aphro- 
dite im  Netz  des  Hephaistos,  gehören  zu  den  beliebtesten  Sujets  des 
Pantomimus '^) ;  in  der  Schrift  jtsQi  oQXT^öfojg,  die  unter  den  Luciani- 
schen  überliefert  ist,  wird  (37  ff.)  eine  ganze  Reihe  von  den  Stoffen, 
die  in  den  'Götter-  und  Meeresgesprächen'  behandelt  sind,  als  für 
Pantomimen  geeignet  aufgezählt.^) 

1)  Denis,  La  com.  Grecque,  Par.  1886, 11 354.  Meineke,  Hist.  crit.  com.  Graec.  283. 

2)  Eine  Anzahl  möglicher  Benutzungen  von  Komödien  zählt  Bolderman 
auf:  Studia  Lucianea,  Lugd.  Bat.  1903,  S.  76. 

3)  Vgl.  Nestle,  Die  Götterburleske  bei  Homer,  Neue  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed. 
XY  (1905)  S.  161  ff.;  der  auf  Lucian  nur  im  Vorbeigehen  hinweist.  Ich  erinnere 
besonders  an  Göttergespr.  15  und  17  (Hom.  Od.  VIII  266—369). 

4)  Siehe  Knaack,  Quaest.  Phaethont.  (Kießling  u,  v.  Wilamowitz,  Phil.  Unter- 
suchg.  VIR)  S.  24,  Herm.  XXXVII  (1902)  S.  606,  der  aus  der  Übereinstimmung 
von  dial.  deor.  25  und  Ovid  met.  II  130  ff.  die  alexandrinische  Quelle  folgert. 

5)  Blümner  a.  a.  0.  S.  69  ff.  Für  9,  die  Geburt  des  Dionysos,  muß  man  etwa 
an  des  Ktesilochos  Bild  denken,  das  den  Zeus  in  Kindesnöten  mit  Bacchus  dar- 
stellte (Plin.  n.  hist.  XXXV  140). 

6)  Vgl.  Schmid,  Bursians  Jahresberichte  108  S.  247:  ^Hetären-,  See-  und 
Göttergespräche  sind  attizistisch  zubereitete  ^^fto^.' 

7)  Friedländer,  Sittengeschichte  Roms  11^  S.  452  f. 

8)  J'^lov  nXdvriv  dial.  mar.  10,  Jlovvgov  a^q)OT^Qag  trag  yovccg  dial.  deor.  9, 


Göttergespräche.     Trometheus'.  181 

Diese  Dialoge,  die  an  und  für  sich  nur  Erzeugnisse  der  Sophisten- 
tätigkeit sind  und  mit  Satire  oder  Menipp  noch  nicht  das  geringste 
zu  schaffen  haben,  kann  man  aber  in  gewisser  Hinsicht  als  Vor- 
bereitung für  die  späteren  meuippischen  Satiren  bezeichnen.  Die  fort- 
schreitende Vervollkommnung  zeigen  die  größeren  Szenen.  Von  den 
Göttergesprächen'  gehört  hierher  das  20.,  d-eöv  XQiöLg  betitelt-,  hier 
haben  wir  schon  eine  zusammenhängende  Reihe  von  Szenen,  und  wenn 
die  'ßCüJV  TiQciöig^  der  'Doppeltverklagte',  die  ^Entlaufenen'  in  gleicher 
Weise  wie  dies  Parisurteil  und  der  'Timon'  nachher  den  Auftrag  des 
Zeus  an  Hermes  enthalten,  so  werden  wir  den  Zusammenhang  mit 
diesen  sophistischen  Leistungen  nicht  verkennen.  Die  Wanderung  des 
Hermes  mit  den  Göttinnen  hat  in  den  beiden  letzten  Dialogen  ebenso 
wie  die  ähnliche  aus  dem  'Timon'  nachgewirkt.^)  Als  dritte  Szene 
schließt  sich  dann  das  eigentliche  Urteil  an. 

Zu  diesen  größeren  Gesprächen  sophistischer  Gattung,  wenn  auch 
wohl  etwas  später  geschrieben,  ist  auch  der  'Prometheus'  zu  rechnen. 
Den  Hauptbestandteil  bildet  die  Verteidigungsrede  des  gefesselten 
Titanen,  in  der  er  zeigt,  daß  er  unschuldig  leidet.  Zu  den  bei  Hesiod 
vorhandenen  Klagepunkten  des  Betrugs  beim  Opfer  und  der  Ent- 
wendung des  Feuers  tritt  der  dritte  der  Erschaffung  der  Menschen, 
den  wir  bei  Apollodor  I  45  (7,  1)  finden.  Die  Rede  des  Prometheus  ist 
scharf  gegliedert  und  steigt  von  dem  unwichtigsten  Punkt,  dem  Betrug 
beim  Opfer,  bis  zum  Feuerraub;  sie  steht  völlig  auf  derselben  Stufe 
wie  des  Gorgias  Talamedes',  des  Antisthenes  'Odysseus'  oder  Lucians 
Thalarisreden'.  Die  Auffassung  des  Prometheus  als  Sophisten^)  findet 
sich  ebenso  bei  Dio  8, 33  (I  286  R.  I  102, 3  v.  A.)  und  ist  von  Buecheler») 

lo  d.  mar.  7  deor.  3,  Javdris  nuQQ^ivivciv  mar.  12,  Perseus  und  Andromeda  mar.  14, 
xhv  'Tü-KLv&ov  xal  zbv  xov  knölXtovo?  ccvrsQccaTijv  ZitpvQov  deor.  14,  xov  Ilägidog 
iiviaiibv  . .  .  fisxä  xriv  inl  xdt  ;t»j7ö)  ngiaiv  deor,  20,  llavbg  yovccl  deor.  22,  Europe 
mar.  16,  4fui^av  deor.  26,  ngh  nävxoav  äh  xä  mgi  xovg  iQOiXccg  aixcbv  (der  Götter) 
xal  aixoi)  xov  Jt6(i  (8,  oben);  den  Pantomiraus  Ares  und  Aphrodite  (dial.  deor. 
16,  17)  beschreibt  ntgl  dgx-  6«^i  wie  er  zu  Ni'roa  Zeit  aufgeführt  wurde.  Über 
die  Hercin/iehung  der  Götter  in  den  Hereich  des  Minius  8.  H.  Reich,  Der  Mimus, 
Horiin  1U08,  I  S.  111  ff.  über  dio  Kchtlirit.'^fra^M'  iIlm-  Schrift  n^^<)/  nnviat«)^  w(Mih*M 
wir  Bpilter  sprechen  (s.  Anhang') 

1)  Am  bezeichnendsten  bi»  acc  '.»:   r/.Ä«   fitTK^v   ).(r/u)v    t^ot^  TTAt^on  ^uiitv  rfj 

'AxtiK^ xai  iitfiniQ  iiaxu(itßi^%aiisv  .  .  .   deor.  dial.  20,  6:  ikka  iifratv  loyott' 

ijdri  noXh  7tQ0i6mti  aTttanuactfitr  xätr  ättrigtov /:r*i  Ai  xor  i» . .  .  . 

2)  Prom.  20;  ov  gt'tdiov  m  llgofirii^tv  nghs  ovxto  y^watov  f?<<  ,  iitXXä- 
a^ui^  Dio  8,  88:  xbv  Sh  Ugo^^f^iu,  cotfuaxi^v  riva,  i{io\  doxttv^  natttlaßüiv  vn6 
d6irig  ^iifoXivftivov. 

li)  Rhein.  Mus.  XXVII  (1879)  8.  460  Anra.  1. 


182  Kapitel  Vm.    Totengespräche. 

wenigstens  vermutungsweise  auf  Antisthenes  zurückgeführt  worden. 
Aber  auch  hier  hat  Lucian  mehrere  Aufgaben  der  sophistischen 
Tätigkeit  miteinander  vereint,  indem  er  diese  Rede  in  einen  Rahmen 
spannte,  der  eine  dramatische  Szene  wiedergab.  Es  ist  ungefähr  der 
Anfang  des  äschyleischen  'Prometheus'*),  nur  daß  an  Stelle  des  etwas 
farblosen  Kratos  für  den  Dialog  Hermes  eingesetzt  ist.  Im  einzelnen 
verrät  sich  allerdings  die  humoristische  Neigung  des  Schriftstellers, 
so,  wenn  Hesiod  (3)  und  Homer  (4)  von  den  Göttern  zitiert  werden, 
wenn  die  Anklagepunkte  auf  Hermes  und  Hephaistos  verteilt  werden, 
Hephaistos  dann  aber  auch  sein  Teil  dem  redegewaltigeren  Bruder 
überträgt.  Der  Stoff  ist  aber  auch  vor  Lucian  komisch  behandelt 
worden.  Abgesehen  von  dem  Satyrdrama  des  Aschylos,  kennen  wir 
den  Trometheus'  des  Sophron^)  oder  Epicharm;  und  unter  Varros 
Satiren  steht  der  Trometheus  Über'.  Auch  hier  ist  Übereinstimmung 
mit  Aschylos  zu  bemerken^);  auch  hier  ist  der  Vorwurf  wegen  der 
Schöpfung  der  Menschen  besprochen,  allerdings  in  weit  drastischerer 
Weise  als  bei  Lucian.  Es  wäre  nicht  unmöglich,  daß  Menipp  in 
irgend  einer  Weise  dem  Römer  wie  dem  Griechen  die  Anregung  ge- 
geben hat.^)  Allerdings  ist  spezifisch  Menippisches  abgesehen  von  den 
Zitaten  aus  Homer,  Hesiod  und  Arat  (14)  und  der  Auffassung  des 
Hermes  als  öto^yXog^  sowie  der  allgemeinen  Stimmung  nicht  zu  be- 
obachten, und  die  sophistische  Ausführung  des  Hauptteils  ist  jeden- 
falls Lucians  Eigentum. 

Gewaltig  ist  der  Fortschritt,  den  der  ^Timon'  verrät,  zumal  der 


1)  Ähnlichkeit  zeigt  der  Ausdruck  cpctgccy^  Luc.  1.  Aesch,  Y.  15,  das  Mit- 
leid des  Hephaistos  V.  14  ff.  und  Luc.  1  (rbv  ad'Xiov  tovrovl),  die  Furcht  dem 
Befehl   des  Zeus   zuwiderzuhandeln  V.  17    (svooQLci^sLv   y^Q   Ttatgog    Xoyovg    ßccQv) 

Luc.  2:   tovto  qprjg xb  %at£%sr\6atb  ccvtl   6ov   ävaav.oXo7Ci6%"rivKi   ccvtl-acc  (idXa 

TtccQayiovaccvxccs  tov  i'^tLray^ccrog;  endlich  das  Hervorheben  der  Entfernung  von 
den  Menschen  V.  20:  7CQ067ta66ccXsvaco  ro5d'  ccTtccvd-QmTCco  ndycp,  Luc.  1:  ovts  yccQ 
tccTiSLvbv  ytccl  Ttgöcysiov  icv86TavQ&a^ai  XQri,,  co?  \ir]  ina^vvsLv  avxa>  xk  TtXdo^axa 
avxov.  Andererseits  ist  vom  avaaxavQovv  und  dvao'KoXonl^uv  die  Rede,  zeigt  sich 
also  noch  eine  Spur  von  der  Vorstellung  wie  bei  Hesiod  Theog.  522  und  in  der 
älteren  Kunst,  während  Äschylus  den  Titanen  einfach  anschmieden  läßt  (Bethe, 
Prolegom.  zur  Geschichte  des  Theaters,  Leipzig  1896,  S.  94). 

2)  Poet.  Graec.  Fragm.  VI  1  S.  163.  Kaibel  s.  Bergk,  Griech.  Literatur- 
gesch.  IV  S.  40Anm.  71. 

3)  J.  Vahlen,  In  M.  Ter.  Varronis  sat.  Men.  coniectanea,  Lips.  1858,  S.  168. 

4)  Ich  sage  das  trotz  des  Einspruchs  von  Hirzel,  Der  Dialog  11  2'J6  Aum.  1; 
aber  wer  Lucians  und  Varros  Arbeitsweise  erkannt  hat,  wird  die  vorsichtige 
Fassung  oben  verstehen.  An  eine  Satire  Menipps  Prometheus'  braucht  deshalb 
nicht  gedacht  zu  werden,  wie  Riese,  Varr.  Sat.  Menipp,  Lips.  1865,  S.  25  tut. 


Trometheus',  'Timon'.  183 

Gedankengang  über  das  rein  Sophistische  hinausgeht  und  durchaus  sati- 
risch ist,  so  daß  es  schon  darum  höchst  wahrscheinlich  wird,  daß  dieser 
Dialog  zeitlich  mit  den  menippischen  zusammenfällt,  obgleich  er  seiner 
Gattung  nach  mit  den  eben  besprochenen  eng  zusammenhängt.  Formell 
fällt  schon  die  Fülle  der  Szenen  auf,  die  dieser  Dialog  gegenüber  den 
andern  bietet.  Wir  sehen  Timon  allein  mit  Hacke  und  Karst  arbeiten, 
während  er  den  Zeus  mit  seinen  Schmähungen  zu  wecken  sucht.  Wir 
hören  die  Zwiesprache  des  aufmerksam  gewordenen  Gottes  mit  seinem 
allzeit  bereiten  Diener  Hermes,  die  Verhandlung  mit  Plutos,  der  in 
Hermes'  Begleitung  zu  dem  ungerechterweise  Vergessenen  gehen  soll 
und  nun  schildert,  wie  er  früher  von  ihm  schnöde  behandelt  worden 
ist,  sodann  die  Wanderung  nach  Attika,  auf  der  Plutos  seine  Lahm- 
heit und  Blindheit  begründet.  Wir  gelangen  mit  den  beiden  zu  Timon, 
wo  ihnen  zunächst  die  Penia  mit  ihrer  Begleitung  entgegentritt,  die 
indessen  das  Feld  räumen  muß.  Es  folgt  das  Gespräch  mit  dem  Men- 
schenfeind selber,  das  Emporrirfen  des  Thesauros  und  die  Auffindung 
des  Schatzes,  die  bei  dem  wieder  reich  Gewordenen  nur  den  Beschluß 
hervorruft,  nun  erst  recht  jeglichen  Umgang  zu  meiden.  Daran 
reihen  sich  dann  die  Szenen  mit  den  Schmeichlern  und  dem  Philo- 
sophen, die,  durch  die  Kunde  von  Timons  neuem  Glücke  herbeigelockt, 
sich  wieder  einfinden,  um  an  seinem  Gut  teilzunehmen,  aber  von  dem 
Erbosten  mit  Schlägen  und  Steinwürfen  verjagt  werden. 

Es  ist  klar,  daß  dieser  Dialog  mehr  noch  als  der  Trometheus' 
hoch  über  den  .sophistischen  steht,  von  denen  wir  sprachen;  er  zeigt 
auch  zahlreiche  Berührungspunkte  mit  den  eigentlichen  Satiren.  Wir 
sehen  Lucian  also  schon  völlig  im  Banne  Menipps;  nicht  nur  in  der 
äußern  Routine;  denn  die  doppelte  Szenerie,  im  Himmel  und  auf  Erden, 
finden  wir  ebenso  im  'tragischen  Zeus',  sie  kehrt  auch  im  'Doppelt- 
verklagten' und  den  'Ausreißern'  wieder,  wo  auch  die  Wanderung 
vom  Göttersitz  zu  den  Menschen  in  gleicher  Weise  geschildert  ist  wie 
hier*);  und  die  Form  des  Volksbeschlusses  (42 ff.)  ist  hier  nachgeahmt 
wie  in  der  'Nekyomantie'  (20)  und  in  der  'Götterversammlung'  (14  ff.). 
Aber  auch  der  Vorwurf,  der  gegen  Zeus  gerichtet  wird  (2),  daß  er 
die  Frevler  und  Meineidigen  nicht  beachte  und  strafe*),  steht  in  der 

1)  Siehe  oben  zur  ^b&v  ngiaig  S.  181. 

2)  Daß  er  die  Teinpolräuber  nicht  beatraft  hat,  wird  im  'tr.  Zeug'  durch 
die  Moira  bejfriindet  (26):  »Paaa  äv,  ofet,  xovs  UqoovXovs  nQan]v  intk^ttv  inuifotv 
vdnovg  ix  IIiöT\s  dvo  yMv  xdtv  nXoxonktov  (tnoxHifuvxa^;  damit  ist  su  Tergleicheo 
Tim.  4:  iib  liyhiv,  noaäxis  »J^ij  aov  x6v  vtwv  aiavlijHaöiv,  ol  dh  Kcri  ai>x^  tfo« 
xicf   x'^Q^t  'Olvuniaüiv  imß»ßXi^0i, ecW  ,  .  .  .  ittdlhiao  roiw    nln^ti- 


184  Kapitel  Vni.    Totengespräche. 

'Widerlegung  des  Zeus'  (16)  und  im  'tragischen  Zeus'  (19).  Die 
Klage  des  Göttervaters  (9)  über  die  Philosophen  und  ihre  Redekämpfe 
erinnert  an  seine  Worte  in  der  Versammlung  am  Schluß  des  'Ikaro- 
meuipp'  (29)^);  dem  Verfasser  scheint  auch  sonst,  als  er  unsern  Dia- 
log schrieb,  die  Darstellung  der  olympischen  Szenen  vorgeschwebt  zu 
haben.^)  Überhaupt  ist  die  Schilderung  des  Treibens  der  Philosophen 
an  dieser  Stelle  wie  in  der  Rede  Timons  (54  ff.)  ganz  gleichartig  denen, 
die  wir  in  den  gegen  die  Philosophen  gerichteten  Satiren^)  finden;  wie 
ihre  Lehre  des  Morgens  zu  ihrem  Benehmen  am  Abend  in  einem  sehr 
scharfen  Widerspruch  steht,  ist  in  ganz  ähnlicher  Weise  im  'Toten- 
gespräch' 10  (11)  und  'Hermotimos'  (11)  gezeichnet.  Ebenso  ist  der  Geiz- 
hals, den  Plutos  (14)  beschreibt,  mit  denselben  Farben  gemalt  wie  der 
Simon*)  im  'Hahn'  (29flP.);  auch  der  plötzlich  durch  Erbschaft  reich 
Gewordene,  den  Hermes  und  Plutos  in  ihrem  Zwiegespräch  (20  f.) 
vorführen,  hat  die  Züge  des  Simon,  selbst  bis  auf  die  Sucht,  durch 
einen  volltönenderen  Namen  seiner  neuen  sozialen  Stellung  gerecht  zu 
werden.  So  ist  es  gewiß  kein  Zufall,  so  geläufig  auch  sonst  der  eine 
oder  der  andere  sein  mag^),  daß  die  beiden  im  'Hahn'  (7,  14)  zitierten 
Verse  des  Pindar  und  Euripides,  die  das  Gold  preisen,  im  Timon  (41) 


1)  Tim.  9:  tioXvv  ijdri  %q6vov  ovo'  ccjtißXstpcc  ig  ttjv  'Attiycqv,  Tcal  yiäXiGxa 
i^  ov  (piXoaocpia  xccl  Xoycov  ^Qidsg  insTtoXaöccv  ocvtotg,  Icar.  29:  yivog  yäq  xi 
ccvd'gmTtcov  iatlv  ov  itQO  TtoXXov  xa  ßlo)  iniTtoXä^ov  aQyov  cfiX6vEiy.ov  usw. 

2)  Die  Worte  in  Kap.  9:  ovds  iita-KOvEiv  ^an  xöbv  8v%öiv.  (ogxs  t)  iTtL- 
ßvßdfisvov  XQV  '^^  ^''^^  'naO'fiG^ai.  7)  usw.  setzen  die  Situation  von  Icarom.  25 
voraus:  ^vQ^oc  Msl  ccvxov  yicc& s^o^svov  diav,ov6ai  xöbv  ev^öiv.  Vgl.  auch  ehen- 
dort:  xat  avxbg  inrjxovov  a\ia  xcav  8v%(üv  und  inaTtovcov  dh  ö  Z8vg  y.ccl  ttJv 
£v%r]v  .  .  .  i^sxdlo3V. 

3)  Tim.  9:  ^ci%oiiiv(ov  yag  ngog  aXXriXovg  y.al  v.s%Qciy6xa)V  ovdh  iTCcc'novsLv 
^6X1  xcbv  Bv%(öv,  b.  acc.  11:  a-KOvco  ys  ccvxmv  ccsl  TiE'HQcxyoxcov  -Aal   aQSxriv  xivcc 

xorl    ccööi^axa    dta^LÖvxcov^    Tim.  9:    ccQSXijv    xivcx.     ■neu     ccaöo^axa    xccl 

Xi]QOvg  iisydXrj  xjj  cpcovy  ^vvslqovxcov,   gall.  11:  ccqsxi^v  xivcc  Ttgog  /x£   Sis^ioiv 

Ticc)  diddoTccov xoiccvxcc  noXXä  ovdhv  dso^isvo)  iiQOCcpiXoöocpaiV   gvvsIqs, 

Necyom,  4,  Icar.  8;  Tim.  54:  iyiTtsxdaccg  yovv  xbv  jtmyova  ticcI  xäg  ocpQvg  dvaxsivccg, 
Icarom.  29:  xccg  ötpgvg  indgccvxsg  xai  Ttmycovccg  iniGnacdnEvoi. 

4)  Tim.  14:   xov  yccc-Aoöcä^ova dB67t6xr\v   ngög   d^avgov  xl v.ccl 

diipccXiov  &QvccXXidLov  inaygvTCvstv  idöag  xotg  xoTiOLg,  gall.  29:  ogat 
.  .  .  TCQog  cc^avQdv  xs  v,al  diipmöav  xr\v  d'QVccXXida,  Hl:  ogäg  inccygv- 
7f vovvxcc  oiccl  ccvxov  .  .  .  .,  &vaXoyL^6^£VOV  xovg  rdxov?;  Tim.  14:  dXXä  cpvXdx- 
XELV  iygriyoQoxag ,  g^-ll.  29:  ccQtaxov  ovv  ayQvnvov  avxov  dicc(f)vXdxx8LV  anccvxoc. 
Und  für  das  ig  x6  6r\{LSlov  xal  xov  \io%Xbv  d6yi,aQ8aiivy.x\  ßXinovxag  Tim.  14  bietet 
ja  Simons  Benehmen  gall.  29  die  beste  Illustration. 

5)  Der  Euripidesvers  wird  z.  B.  auch  von  Sext.  Empir.  adv.  math.  XI  122 
zitiert.     (Nauck,  Trag.  Graec.  fr.^  S.  456  fr.  324.) 


'Timon'.  185 

nebeneinander  wiederkehren  und  die  Verwandlung  des  Zeus  in  Gold 
in  beiden  Schriften  (Tim.  41  Hahn  13)  als  Beweis  für  seinen  Wert 
beigebracht  wird,  um  so  mehr,  als  das  im  'Timon'  ziemlich  gesucht 
erscheinen  muß.^)  Nimmt  man  endlich  den  Ausfall  gegen  die  Dichter 
(1),  die  aus  Versnot  all  die  schönen  Beinamen  für  Zeus  erfunden 
haben,  noch  hinzu,  so  leuchtet  ein,  daß  dieser  Dialog  mit  den  sophi- 
stischen nur  entfernt  zusammenhängt,  vielmehr  von  Lucian  nach  meh- 
reren menippischen  verfaßt  ist  und  daß  der  Schriftsteller,  weil  er 
sich  dort  für  eine  Weile  erschöpft  hatte,  zu  diesem  allgemein  mensch- 
lichen Stojffe  und  der  sophistischen  Wiedergabe  eines  Dramas  zurück- 
griff;  immerhin  ist  der  'Timon'  hoch  erhaben  über  die  früheren  Er- 
zeugnisse dieser  Art,  weil  er  sich  nicht  einfach  auf  die,  wenn  auch 
noch  so  freie  Nachge^staltung  einer  Szene  beschränkt  hat. 

Es  erscheint  mir  zweifellos,  daß  Lucian  eine  Komödie  als  Vorlage 
gehabt  hat-),  —  nur  richtig  verstanden;  denn  das  ist  nach  dem  früher 
über    die   sophistischen  Dialoge  Gesagten  ohne  weiteres  klar,    daß  er 


1)  Man  muß  die  Stellen  vergleichen,  um  zu  sehen,  daß,  so  richtig  das 
Argument  im  'Hahn'  ist,  so  unberechtigt  und  unvermittelt  Timon  auaruft:  vvv 
nti^o^uci  yh  xai  Jla  noth  ysviü^ai  xQvaov.  Für  die  Zeitbestimmung  ist  das  von 
Wert.     Vgl.  den  Anhang  über  die  Schrift  'Vom  Parasiten'. 

2)  Leo,  Die  griech.-röm.  Biographie,  Leipz.  1901,  S.  116  f.  lehnt  das  ab,  na- 
türlich nur  für  die  erste  der  beiden  oben  besprochenen  Möglichkeiten;  zugrunde 
liegt  nach  ihm  die  Biographie  Timons,  wie  sie  von  Neanthes  festgelegt  worden 
ist.  Aber  auffällig  wäre  dann,  daß  Lucian  nicht  die  bei  Plutarch  Anton.  70 
aus  Neanthes  berichteten  Erzählungen,  überhaupt  nichts  Anekdotenhaftes  be- 
nutzt hat  (nicht  einmal  das  Aufhängen  am  Feigenbaum ,  das  so  leicht  verwert- 
bar war).  Ich  glaube  hier  so  wenig  an  eine  Biographie  wie  bei  Polemon  im 
'bis  acc'  oder  bei  den  Bemerkungen  aus  Diogenes'  Leben  in  Epiktets  Vorträgen. 
Daß  die  Hinzufügung  des  Vaternamens  Echekratides  und  des  Demos  KoXlxnöis 
Lucian»  Erfindung  ist,  wie  Leo  will,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  halte  ich  nicht  für 
wahrscheinlich;  der  Vatemamo  würde  dann  wohl  bezeichnender  sein  (Sondag, 
De  nominibuB  apud  Alciphronera  propriis,  Diss.  Bonn  1905,  S.  78).  Daß  Alkiphron» 
Bauernbrief  82  *III  84j  auf  Lucian  zurückgeht  —  aber  nicht  nur  auf  ihn,  wie 
der  Ap(>niautoM  zeigt  — ,  ist  bekannt,  und  wird  auch  durch  den  Namen  des 
Briefücbreibers  Gnatbon  erwiesen,  der  dem  Gnathonides  bei  jenem  (Tim.  401 
seine  ExiMtenz  verdankt.  An  Alkiphron  scheint  sich  Libanius,  der  mit  Lucian 
trotz  ni«  Einnprurh  kaum  Berührungspunkte  hat  (h.  Binder,  Über  Timon 
»ien  |»en,  l'rogr.  Tim  lHr»6,  S,  14),  in  Heiner  Deklamation  'Timon'  aa- 
geMchloHHcn  zu  haben.  Der  Satz  IV  194,  20  f.  Heiiikc:  01^x  i-itl  ti)9  iox'*^'*'i  «»«*'ffi 
xi  d^  oiVx  Ifiaklf^'  xtttt  ßdiXotf  TtQOötovTu  fif;  entspricht  dem  l>ei  Alkiphron  2: 
naTulaßwp  yäff  ttjV  iö^ttttuv  xufg  ßdtXoig  xovg  nuQt6vTaf  (inXXn.  Libanius  hat 
wolil  auch  ftlr  seinen  'I'arnsiten'  Anregnugen  aus  Alkiphron  ivgl.  Parasitenbrief 
34  und  aH;  empfangen. 


186  Kapitel  VIII.    Totengespräche. 

sie  nicht  einfach  paraphrasiert  hat.  Es  gibt  zwei  Möglichkeiten:  ent- 
weder könnte  eine  Komödie  'Timon'  selber  das  Vorbild  sein,  oder 
Lucian  hat  irgend  ein  anderes  Stück  mit  der  Timonlegende  kombi- 
niert. Die  Berechtigung  zu  der  ersten  Annahme  gibt  weniger  die 
Hervorhebung,  deren  Timon  schon  bei  Aristophanes,  bei  Phrynichos, 
auch  bei  Plato  gewürdigt  worden  ist^),  als  das  Vorhandensein  einer 
gleichnamigen  Komödie  des  Antiphanes.^)  Dafür  spricht  auch,  was 
an  chronologischen  Bestimmungen  eingestreut  ist  und  was  Lucian 
kaum  selbständig  zur  Belebung  'eingefügt  haben  würde;  wir  hören 
von  Perikles  und  Anaxagoras  (10),  doch  eine  Anspielung  auf  den 
Prozeß,  in  den  der  Philosoph  verwickelt  wurde  und  der  seine  Ver- 
bannung zur  Folge  hatte,  von  dem  reichen  Kallias  und  Hipponikos 
(24),  von  Hyperbolos  und  Kleon  (30)^),  vom  peloponnesischen  Krieg 
(50)*),  und  selbst  die  Erwähnung  der  Diasien  (7)  möchte  man  nach 
dem,  was  wir  zu  'Ikaromenipp'  24  beobachteten,  für  entlehnt  aus  der 
Vorlage  halten,  falls  sie  der  Schriftsteller  nicht  bloß  aus  seiner  Er- 
innerung an  jenen  Dialog  übernommen  hat,  wie  wir  ja  mehrfach  Re- 
miniszenzen aus  anderen  Schriften  erkannten.  Eine  Vermutung  bis  ins 
einzelne,  wie  weit  nun  etwa  eigene  Erfindung  Lucians  vorliegt,  wie 
weit  Benutzung  dieser  angenommenen  Quelle,  würde  unmöglich  sein, 
schon  eben  deshalb,  weil  er  sich  selber  ausgeschrieben  und  anderswo 
benutzte  Motive  wieder  verwandt  hat.    Es  ist  aber  wahrscheinlich,  wie 


1)  Aristoph.  Vö^el  1549.  Lysistr.  808.  Phryn.  Monotrop.  Kock  I  S.  375, 
Plato  nach  Plutarch  Kock  I  S.  660. 

2)  Kock  Com.  fr.  11  S.  100.  Ob  das  die  einzige  Komödie  gewesen  ist,  in 
der  Timon  die  Hauptrolle  spielte,  ist  natürlich  fraglich,  und  darum  nicht  Anti- 
phanes  als  sicheres  Vorbild  anzusetzen.  Daß  Timon  aber  in  diesem  Stück  die 
Hauptperson  war,  scheint  mir  die  natürlichere  Annahme  (vgl.  Meineke  hist.  crit. 
com.  Graec.  S.  327  f.;  anders  Hirzel,  Der  Dialog  H  298,  auch  Leo,  Gr.-röm.  Biogr. 
116  Anm.  4).  Piccolomini,  Studi  di  fil.  greca  I  fasc.  3  S.  69  des  Sonderabdrucks 
Sulla  leggenda  di  Timone  il  misantropo  glaubt,  daß  auf  Antiphanes  die  Fabel 
von  dem  Undank  der  Freunde  und  der  Verarmung  Timons  zurückgeht,  die 
jedenfalls  vorlucianisch  ist,  da  Antonius  sie  kannte  (Plut.  Ant.  69),  den  Um- 
schwung durch  Auffinden  des  Schatzes  will  er  Lucians  Phantasie  zuschreiben, 
S.  40,  67  f.,  70. 

3)  Obwohl  die  Namen  zum  Teil  typisch  sind,  s.  oben  S.  119.  138.  Max. 
Tyr.  11,  7.  13,  4.  Besonders  Kleon  und  Hyperbolos,  aber  auch  Kallias  und 
Hipponikos  sind  durch  die  Komödie  auch  für  die  Folgezeit  allbekannt  geworden. 

4)  Damit  wird  natürlich  nicht  erwiesen,  wie  Hirzel  S.  299  anzudeuten 
scheint,  daß  die  etwaige  Vorlage  der  alten  Komödie  angehörte,  wenn  die  Vor- 
lage selbst  ein  "^Timon'  war;  die  Erwähnungen  würden  dann  ja  durch  die 
Person  des  Helden  und  seine  Zeit  veranlaßt. 


'Timon'  und  die  Komödie.  187 

Hirzel  (Dialog  II  S.  300)  mit  Recht  hervorhebt,  daß  die  in  den  'Götter- 
gesprächen' erworbene  Fähigkeit  hier  in  der  Unterredung  des  Zeus 
mit  seinem  Diener  in  eigener,  von  dem  Vorbild  unabhängiger  Gestal- 
tung sich  äußerte.  Dagegen  müßte  man  den  Monolog  des  Timon  im 
Anfang  wohl  auf  die  gleichnamige  Komödie  zurückführen;  und  ebenso 
müßte  die  Auffindung  des  Goldes^)  doch  wohl  auch  dort  vorhanden 
gewesen  sein;  denn  erst  sie  bietet  ja  den  Stoff  zu  komischen  Szenen, 
da  sie  die  Menschen,  die  sich  von  dem  Armen  mit  Verachtung  ab- 
gewandt hatten,  dem  Reichen  nun  aufs  neue  als  Schmeichler  zuführt. 
Darum  halte  ich  Piccolominis  Hypothese,  Antiphanes  habe  zwar  die 
Armut,  aber  nicht  den  Umschwung  gehabt,  für  unbegründet;  denn  ich 
vermag  mir  dabei  den  Inhalt  des  Dramas  nicht  vorzustellen.  Timons 
ernsthafte  Person  allein  kann  man  sich  nur  schwer  als  Träger  einer 
lustigen  Handlung  denken ;  seine  charakteristische  Eigenschaft  ist  und 
bleibt  der  Menschenhaß.  Timon  selber  macht  wie  bei  Shakespeare 
das  Drama  eher  zum  tragischen,  und  je  mehr  man  seinen  Charakter 
beleuchtet,  um  so  mehr  tritt  die  Komik  der  gemeinen  Menschenseelen 
hinter  der  ergreifenden  Tragik  des  durch  den  Undank  um  seinen 
Glauben  an  die  Menschen  betrogenen,  nun  in  grimmem  Haß  sich  ver- 
zehrenden Unglücklichen^)  zurück,  wie  er  nach  dem  Zeugnis  Plutarchs 

1;  Vj?l.  Kock,  Rhein.  Mus.  XLm  (1888)  S.  49.  Sie  findet  sich  allerdings, 
wie  Hemsterhuys  in  seiner  Zusammenstellung  der  Zeugnisse  über  Timon  (Lucian 
ed.  Lehmann  I,  Lips.  1822,  S.  351  ff.)  hervorhebt,  sonst  nicht  belegt,  wenn  man 
nicht  die  bei  dem  Horazscholiasten  zu  Sat.  I  1,  64  ff.  vorkommende  f  illschliche 
Beziehung  auf  Timon  als  Beweis  für  die  zweite  Periode  seines  Reichtums  an- 
nehmen will.  Man  könnte  bei  den  durch  die  Auffindung  des  Schatzes  ver- 
anlaßtt-n  Szenen  an  Verse  denken,  wie  sie  unter  Antiphanes'  Fragmenten  stehen 
(232  Kock\  gipfelnd  in  den  Worten:  nXovTog  dk  ßäauvög  iöriv  av^Qionov  rpdn^wr. 

2)  Hirzel  S.  800  scheint  mir  den  Timon  nicht  ganz  richtig  zu  beurteilen, 
wenn  er  sagt,  daß  sich  die  Misanthropie  als  bloßer  Schein  erweist,  unti^r  dem 
sich  gemeiner  Geiz  verbirgt,  und  dafür  Kap.  44  anführt,  wo  Lucian  den  Timon 
selbst  erklären  lasse,  daß  Misanthropos  ein  bloßer  Name  sei.  Davon  enthalten 
die  Wort«  nichts,  die  im  Gegenteil  den  Höhepunkt  seiner  Verwünschungen 
bilden:  'Kinc  Freude  soll  es  mir  sein,  der  Meuächenhasser  zu  heißen,  und  die 
Kennzeichen  meiner  Art  sollen  sein  mürrisches  Wesen,  Hartherzigkeit,  Unfreund- 
lichkeit, Grimm,  MengchenHcheu.'  Die  scheinbare  Wandlung,  daß  Timon  zunächst 
den  Reichtum  abwehrt,  dann  aber  freudig  begrüßt,  war  in  einem  nrama  'Timon' 
durch  den  Gang  »lor  Handlung  selber  bedingt.  Auch  Shakespeare  int  ja  trotz 
aller  Vertiefung  des  Psychologischen  um  diese  Klippe  nicht  herumgt«kommen. 
H*'i  Lucian  (und  eventuell  auch  in  der  Komödie)  war  diese  Rcheinbare  Wand- 
lung durch  die  Anrufung  de»  Zeui  im  Anfang  erleicht<>rt,  die  ja  doch  (tercohtig- 
keit  verlangt  und  damit  selbstvcrNtllndlich  AufbeMserung  seines  Lose«.  Krst 
dies«-  bietet  ihm  Gelegeniieit,  sich  an   seinen  Feinden   zu  rilcheu  ^40:    vn6ax^Ql 


188  Kapitel  VIII.    Totengesprilche. 

schon  vor  Lucian,  also  doch  wohl  durch  die  Komödie  geschaffen  war. 
Das  Lachen  konnte  nur  durch  Szenen  der  Art  erregt  werden,  wie  sie 
sich  bei  Lucian  an  die  Auffindung  des  Schatzes  knüpfen. 

Man  muß  das  im  Auge  behalten,  wenn  man  Übereinstimmungen 
mit  Aristophanes  beobachtet,  bei  denen  es  schwer  ist  zu  sagen,  wie 
weit  sie  etwa  in  der  griechischen  Komödie  *Timon'  vorhanden  gewesen 
sein  mögen,  wie  weit  sie  der  spätere  Satiriker  erst  durch  Kontamina- 
tion geschaffen  haben  mag.  Allerdings  sind  diese  Übereinstimmungen, 
wie  gleich  im  voraus  gesagt  werden  muß,  so  allgemeiner  Art,  daß  es 
höchst  unwahrscheinlich  ist,  direkte  Aristophanesbenutzung  bei  Lucian 
anzunehmen.  Plutos  beklagt  sich  in  der  gleichnamigen  Komödie  über 
die  schlechte  Behandlung,  die  ihm  zuteil  wird,  da  man  ihn,  wo  er 
hinkommt,  entweder  vergräbt,  ohne  seine  Gaben  auch  nur  irgendeinem 
mitzuteilen,  oder  mit  verschwenderischen  Händen  seine  Mittel  ausstreut 
und  ihn  so  zur  Tür  hinaustreibt  (V.  234|F.).  Der  Gedanke  ist  ähnlich 
in  der  Zwiesprache,  die  Zeus  und  Plutos  im  'Timon'  (12 — 14)  pflegen, 
aber  Wortanklänge  sind  kaum  beizubringen.^)  Beachtenswert  ist  viel- 
leicht bei  beiden  Schriftstellern  der  Hinweis  auf  die  außerordentlich 
geringe  Anzahl  von  guten  Menschen,  die  einen  Besuch  des  Plutos 
verdienen  würden.^)  Ebenso  geht  bei  beiden  dem  Einzug  des  Plutos 
die  Vertreibung  der  Penia  voraus;  aber  von  dem  langen  Redekampf 
bei  Aristophanes,  der  den  Sophisten  besonders  hätte  locken  müssen, 
hat  Lucian  jedenfalls  auffälligerweise  keine  Verwendung  gemacht,  und 
kaum  eine  Andeutung  des  Gedankens,  wieviel  Gutes  die  Armut  schafft, 
kehrt  wieder.^)     Noch  allgemeiner  ist  die  Übereinstimmung,   daß  der 


....  OTTcos  ol  TioXcciisg  ixstvoi  8iaQQccy(ö6iv  vtco  rov  (p&ovov).  Es  ist  nicht  Geiz^ 
sondern  Freude,  die  lungernden  Menschen  nun  kränken  zu  können,  was  ihn 
erfüllt.  Wenn  er  das  Gold  dabei  gar  zu  eifrig  begrüßt,  so  mag  das  bei  Lucian 
daran  liegen,  daß  ihm,  wie  wir  gezeigt  haben,  die  Stelle  aus  dem  ^Hahn'  ins 
Gedächtnis  kam.  An  und  für  sich  sind  Menschenhaß  und  Abneigung  gegen  das 
Geld  nicht  unbedingt  verbunden. 

1)  Allenfalls  Yers  243  f.:  TtoQVccioi  xort  ■nvßoLCi  TiagccßsßXri^ivog  yv^vbg  d-vQcc^* 

i^ETtsGov  und  Tim.  12:  i^smd'Si  ^s  rf^g  oiy.iag avd'ig  ovv  äniX%(o  nccgccGiroig 

v.a.1  y,6Xa^i  y,ccI  ktccLQcag  ■jiaQCcdod"r}66n£vog; 

2)  Vers  97ff. :  dtg  rovg  diyiaiovg  d'  ccv  ßadi^oig;  —  ndw  ^sv  ovv  TtoXXov 
yaQ  ccvrovg  ov%  hÖQcc-K^  iyo)  %()oa'ou.  —  •aal  ^aviid  y'  ovösv  ovd'  iyo)  yccg 
ö  ßXinav,  bei  Luc.  Tim.  25:  rvcpXbv  övra  sidayg  ^TtsiiTtsv  (Zeus)  äva^ritrj6ovt<x 
dvesvQSxov  ovtco  XQVl^^  ^^^  ^Q^  noXXov  ixXsXoL-jtbg  iy,  rov  ßiov,  onsq  ovo'  ö  Avy- 
y,svg  av  i^evQOL  Qccdiag  (nämlich  rov  TtXovralv  oc^iovg). 

3)  Ar.  Plut.  469  f. :  ayad-äv  undvrcov  ovaccv  airiav  i[ih  viilv  di  ia4  rs  ^mvrccg 
viiäg,  Tim.  33:  rdxcc  si'osrai  olccv  ftf  ovöav  cc7toX8Lipsi,  äy(xd'r]v  ovvEQybv  ■koI  di8d- 
azaXov  rüv  agiorojv.     Eine  ähnliche  Darstellung  fand  sich  bei  Pherekrates  in  den 


^Timon'  und  Aristophanea.  189 

reich  Gewordene  sofort  von  allerlei  angeblichen  Freunden  umdrängt 
wird;  auch  bei  Aristophanes  haben  nicht  alle  Glück  damit,  sondern 
der  Sykophant  wird  mit  Schimpf  und  Schanden  fortgejagt  (V.  850  ff.) 
gerade  wie  die  guten  Freunde  Timons  (46  ff.).  Aber  man  hat  mit 
Recht  darauf  hingewiesen,  daß  das  Vorbild  für  diese  Szene  weit  eher 
in  Aristophanes'  Vögeln  zu  suchen  ist,  wo  in  ähnlicher  Weise  der 
Priester  (V.  864 ff.),  der  Dichter  (904ff.),  der  Orakelkünder  (960ff.), 
der  Landmesser  (992  ff.),  der  Aufseher  (1021  ff.),  der  Verkäufer  von 
Volksbeschlüssen  (1035  ff.)  nacheinander  abgefertigt  werden.^)  Mit 
neuen  Dithyramben  erscheint  ja  auch  Gnathonides  (Tim.  46),  mit 
einem  Volksbeschluß  der  Rhetor  Demeas  (50  ff.).  Aber  auch  hier 
kommt  der  Satiriker  weder  in  den  Motiven  noch  etwa  im  Ausdruck 
dem  Meister  der  alten  Komödie  so  nahe,  daß  man  mit  Sicherheit 
direkte  Entlehnung  annehmen  könnte. 

Andererseits  sagt  uns  das  einzige  Fragment,  das  aus  des  Anti- 
phanes  Komödie  'Timon'  überliefert  ist,  nichts  für  die  Beurteilung 
der  Lucianischen  Satire.  Unter  den  Adespota  weisen  ein  paar  Frag- 
mente darauf  hin,  daß  er  auch  das  Verhältnis  von  Reichtum  und  Ar- 
mut beleuchtet  hatte.  Fragment  258  (Kock)  scheint  aus  einer  ähn- 
lichen Rechtfertigung  der  Armut  zu  stammen^),  wie  sie  Aristophanes 
liefert,  obwohl  hier  oft'enbar  nicht  die  Argumente  gegen  den  Sozialis- 
mus wie  im  Tlutos',  sondern  die  Vorzüge  der  Armut  behandelt  sind  wie 
in  Lucians  'Hahn\  Ein  anderes  Fragment  (259  Kock)  spricht  davon, 
daß  der  Reichtum  auch  selber  blind  macht,  ein  Gedanke,  an  den  sich 
bei  Lucian  wenigstens  noch  ein  Anklang  findet.^)  Es  wäre  nach 
diesen    wenigen  Berührungspunkten    verwegen    behaupten    zu    wollen, 


'Persern'  (Kock  I  S.  181  ff.).  Auch  die  kynische  Schriftstcllerei  bot  mehrfach 
Verherrlichungen  der  Penia  gegenüber  Anklagen  oder  Verkleinerungen  des  Plutos, 
2.  B.  Tele«  II  (8.  4,  6  ff.  Hense)  und  ans  späterer  Zeit  Stob.  flor.  91,  83.  98,  81 
(III  S.  177. 186  Mein.)  (vgl.  von  Wilamowitz,  Phil.  Untersuch.  IV  293 ff.  Weber,  Leipz. 
Stud.  X  S,  166  ff.).  Für  den  Miinus  scheint  das  Thema  Laberius'  'Pauportas' 
Ifil'beck,  Scaen.  Poes.  Fr.'  II  S.  352;  zu  bezeugen,  wo  offenbar  jemand  die  Wohl- 
lialM-nheit  gegenüber  <lor  Anmit  i-nlnnen  will.  Lucian  hat  das  Thema  aber  nicht 
weiter  auRgeführt. 

1)  Siehe  Hirzei,  I>. .  .'..u.-k  H  jui».     i'i.  lolomini  S.  72.     An  Acham.  1020  ff. 
erinnert  auch  Holdemian,  Stndia  Lucian.,  DiHs.  Lugd.  Bat.  1898,  S.  74. 

2)  Kuithi  Ti^rtaiyai  ^i&iXov  ^  nXovxBtv  nanAf  tö  fUv  yocQ  fXiov,  tb  d'   '^ 

8)  *0  dl  nloOtog  fjtiäg  Ka9dn$Q  latgbg  Ka%ht  ndvtag  ßUnovtag  nagalctfimv 
Tv<pi,ohg  noitl,  Tim.  27:   tl  iiij  rvtpXol   xal  ainol  nävr-      -'-v    —  o^  tv^^"' 
&XX*  if  ayvoia  nal  i)  Andrri  ....  intaiudCovatv  avtov. 


190  Kapitel  YIU.    Totengespräche. 

daß  gerade  des  Antiphanes  Komödie  die  Quelle  gewesen  sei;  aber  die 
Möglichkeit  muß  man  doch  zugeben. 

Es  ist  jedoch  auch  denkbar,  wenn  man  Lucian  eine  größere  Selb- 
ständigkeit zutraut,  daß  er  die  Person  Timons  in  den  Hergang  einer 
andern  Komödie  einfügte;  denn  wenn  er  den  Umschwung  in  Timons 
Lage  nicht  bei  Antiphanes  oder  einem  andern  Verfasser  eines  Stückes 
'Timon'  vorfand,  aus  eigener  Phantasie  hat  er  ihn  nicht.  Man  wird 
um  so  eher  für  diesen  ganzen  Teil  der  Satire  Komödienbenutzung 
annehmen  müssen,  als  der  plötzlich  reich  Gewordene  in  Nachwirkung 
der  Komödie  eine  stehende  Person  der  Posse  geworden  ist^);  man 
muß  auch  des  Archippos  Tlutos'  erwähnen,  der  sich  mit  ähnlichen 
Motiven  böfaßt  hat;  denn  es  war  jemand  vorgeführt,  der  unerwartet 
zu  großem  Reichtum  gelangt  war.^)  Dabei  ergaben  sich  doch  wohl 
von  selbst  ähnliche  Situationen  der  herandrängenden  Schmeichler,  wie 
wir  sie  im  ^Timon'  finden.  Für  eine  solche  Szene  plötzlichen  Reich- 
tums bei  Menander  spricht  das  Fragment  bei  Eustathius  (S.  1833,  58 
in  Hom.  Od.  XVIII  l).^)  Daß  wir  im  letzten  Teil  der  Satire  Typen 
der  Komödie  vor  uns  haben,  haben  wir  schon  gesehen ;  auch  der  geld- 
gierige Philosoph  ist  in  der  neuen  Komödie  zu  Hause.  Der  Bericht 
der  Hetäre  in  Phönikides'  Drama*)  über  den  knauserigen  Liebhaber 
hat  seine  deutliche  Parallele  in  dem  Benehmen  des  Philosophen  bei 
Lucian.  So  sehr  wir  bei  den  wenigen  Berührungen  mit  erhaltenen 
Komödien  oder  Fragmenten  auch  im  Unsicheren  tasten  mögen,  das 
Gesamturteil  steht  jedenfalls  fest,  und  wir  sehen,  wie  Lucian  bei  der 
Abfassung  dieser  Satire  sich  zwar  im  Zusammenhang  befindet  mit 
der  sophistischen  Tätigkeit,  aber  doch  durch  Einschiebungen  neuer 
Teile,  Vereinigungen  und  Umgestaltungen  eigene  Wirksamkeit  verrät 
und  sich  von  einer  einfachen  Paraphrase  meilenweit  entfernt. 

Es  war  nötig  so  weit  auszuholen,  um  die  Art  dieser  sophistischen 
Dialoge  und  die  Entwicklung,  die  sie  bei  Lucian  erfahren,  genau  zu 
zeigen.  Wie  der  'Timon'  auf  einer  Anzahl  früher  geschriebener  Sa- 
tiren fußt  und  seine  Abfassung  ohne  jene  jedenfalls  nicht  in  dieser 
Weise  erfolgt  wäre,  so  sind  die  Totengespräche  nicht  denkbar  ohne 


1)  Cic.  Phil.  II  65:  persona  de  mimo,  modo  egens,  repente  dives. 

2)  Kock  ni  S.  687  fr.  37  vgl.  Meineke  bist.  crit.  S.  208  f. 

3)  Kock  in  S.  207  fr.  731:  ccv&gcoTts,  niQvei  ntio^o?  rjod'cc  yiccl  vsyigog,  vvvl 
dh  nXovtslg  und  Tim.  5:  mOTceg  xivä  oxTqlriv  ttccXcclov  vs'hqov  vtitlccv  vtco  tov 
XQovov  ccvccratQcciniivriv  TtocqiQiovxai  haben  doch  eine  gewisse  Ähnlichkeit  im 
Vergleich. 

4)  Kock  in  S.  334,  Vers  16—21  ist  zu  vergleichen  mit  Tim.  56. 


Beziehungen  zur  ^Niederfahrt'.  191 

die  menippischen  Satiren,  welche  uns  in  die  Unterwelt  geführt  hahen, 
und  bilden  gleichsam  eine  Ergänzung  zu  jenen.  Auch  aus  anderem 
Grunde  ist  es  nötig,  sie  zu  besprechen,  wenngleich  sie  der  Form  nach 
und  z.  T.  auch  dem  Inhalt  nach  nicht  mehr  zur  Gattung  der  menip- 
pischen Satiren  gehören;  denn  gerade  hier  und  in  den  'Kronosbriefen' 
zeigt  sich  am  deutlichsten,  wie  Lucian  jedes  Motiv  von  allen  irgend 
erdenklichen  Seiten  aus  zu  behandeln  sucht.  Das  kann  als  Bestäti- 
gung dienen  für  die  von  uns  beobachtete  Ausnutzung  einer  Menipp- 
satire  für  mehrere  Schriften  in  der  Weise,  daß  immer  wieder  ein 
noch  nicht  völlig  ausgeführtes  Motiv  neu  aufgenommen  wird. 

Beginnen  wir  mit  den  an  die  ^Niederfahrt'  sich  anschließenden 
Szenen!  Gespräch  XXVII  wiederholt  in  gewisser  Weise  das  eine 
Motiv  daraus,  nur  mit  größerer  Ausmalung  und  Häufung  der 
Typen.  Die  drei  Kyniker,  Antisthenes,  Diogenes  und  Krates,  gehen 
an  den  Eingang  der  Unterwelt,  um  das  Benehmen  der  ankommenden 
Toten  zu  sehen  und  zu  belachen.  Auf  dem  Wege  erzählen  sie  sich, 
was  sie  selber  geschaut  haben,  als  sie  herabkamen.  Krates  weiß  zu 
berichten  von  einem  Reichen,  einem  Mederfürsten  Arsakes  und  einem 
armenischen  Reiter  Oroetas,  —  offenbar  mit  einem  Seitenhieb  auf  die 
über  den  Partherkrieg  umlaufenden  Darstellungen,  die  Lucian  selber 
in  der  Schrift  ^Wie  man  Geschichte  schreiben  muß'  verspottet,  — 
Diogenes  von  dem  Wucherer  Blepsias,  der  Hungers  gestorben,  dem 
Söldnerführer  Lampis,  der  sich  aus  unglücklicher  Liebe  das  Leben  ge- 
nommen, und  dem  reichen  Damis,  der  von  seinem  Sohn  vergiftet  ist. 
Alle  fordern  den  Spott  der  Kyniker  heraus.  Aber  in  dem  Totenreigen 
würde  etwas  fehlen,  wenn  nicht  auch  ein  Armer  aufträte,  der  eben- 
falls am  Leben  hängt.  Lucian  läßt  also  einen  Menschen  dieses  Typus 
eben  ankommen,  als  sie  an  den  Eingang  zum  Hades  gelangen.  Neun- 
zigjährig und  Zeit  seines  Lebens  vom  höchsten  Elend  bedrückt,  klagt 
er  doch,  daß  er  von  der  Erde  hat  scheiden  müssen.  Dieses  Bestreben, 
den  Stoff  völlig  auszuschöpfen,  ist  ebenso  beachtenswert  wie  die 
Wiederholung  aus  andern  Dialogen,  für  die  schon  die  Namen  lehr- 
reich sind.  Einen  Arsakes  fanden  wir  im  'Ikaromenipp'  (15),  einen 
Oroetas  im  'Charon'  (14),  ein  geldgieriger  Blepsias  begegnet  im  'Timou* 
(58)  und  Damis  heißt  der  Epikureer  im  'tragischen  Zeus'.  Auch  die 
Motive  sind  z.  T.  aus  andern  Dialogen  entnonnnen.  Wie  der  Wucherer 
sich   abzehrt    in   seinem  Geiz,    wird  uns  im  *Habn'  vorgeführt*);  der 


•11:    tjdr}  xafc<ixli]xöra,    81:    inrixTiun'  uXov'  vnit   rihv   iir/Ktit 


192  Kapitel  VIII.    Totengespräohe. 

Giftbecher  spielte  auch  'Ikaromenipp'  15  eine  Rolle  wie  in  der  'Nieder- 
fahrt' 11,  der  Selbstmord  aus  Liebe  begegnete  uns  in  der  'Niederfahrt' 
6  mit  denselben  Worten^);  er  hängt  dem  Sujet  nach  mit  den  'He- 
tärendialogen' zusammen,  wo  wenigstens  der  ^evayog  (9,4)  sich  findet 
wie  hier  (7).  Auch  zu  der  Todesart  des  Arsakes  erscheint  eine  Pa- 
rallele in  der  bramarbasierenden  Rede  des  Leontichos  (Hetärend.  13, 1 ), 
der  Roß  und  Reiter  mit  einem  Lanzen wurf  durchbohrt  haben  will. 
So  stückelt  Lucian,  was  er  anderswo  verarbeitet  hatte,  hier  aufs  neue 
zusammen.  Daß  er  dabei  etwas  von  Menipp  hat,  kann  für  all  jene 
Punkte,  wo  Ausbeutung  seiner  eigenen  SchriftsteUerei  vorliegt,  ge- 
leugnet werden ;  für  einen  Punkt  wäre  es  möglich.  Die  Hetäre  Myrtion, 
um  derentwillen  sich  Lampis  getötet  hat,  war  im  3.  Jahrh.  v.  Chr.  eine 
berühmte  Persönlichkeit;  Ptolemäus  Euergetes  zählte  sie  nach  Athen. 
Xin576f.  in  seinen 'Denkwürdigkeiten'  unter  den  Liebschaften  seines 
Vaters  Philadelphus  auf.  Schon  ältere  Erklärer  haben  auf  sie  auf- 
merksam gemacht,  den  Gedanken  an  sie  aber  wieder  fallen  lassen, 
weil  Diogenes  hier  der  Redende  ist.  Es  wäre  aber  nicht  undenkbar, 
daß  in  der  Menippischen  Szene,  die  wir  ja  glaubten  aus  der  'Nieder- 
fahrt' erkennen  zu  können^),  wie  der  zeitgenössische  Arzt  Agathokles, 
so  die  gleichzeitige  Hetäre  Myrtion  vorkam,  so  daß  Lucian  auch 
hier  nachträglich  etwas  aus  Menipps  'Nekyia'  benutzt  hätte,  was  er 
zunächst  überging. 

An  die  gleiche  Szene  der  'Niederfahrt',  an  die  wir  uns  eben  er- 
innert fühlten,  schließt  sich  noch  augenscheinlicher  Dialog  X  an,  der 
eine  Überfahrt  in  Charons  Kahn  ganz  in  der  dort  vorgeführten  Weise 
wiedergibt.  Hermes  und  Charon  verhandeln  miteinander-,  der  morsche 
Kahn  verträgt  es  nicht,  daß  man  so  viel  unnötigen  Ballast  mitbringt. 
Es  muß  also  jeder  das  überflüssige  Gepäck  vor  dem  Einsteigen  nieder- 
legen. Die  Szene  hat  Hans  Sachs  dazu  begeistert,  die  Tragödie  'Charon 
mit  den  abgeschiedenen  Geistern'  zu  schaffen,  indem  er  dabei  die 
Moral  des   Griechen   noch    etwas    ins   Biedere    steigerte.      Als    erster 


oi%qbg  ccsl  v.a.1  avx\iriqog  rjv ,  dial.  mort.  27,  7:  6  8h  BXsiplccg  Xt^o»  cc&Xios 
iXiysTO  ccTtsGv.Xri'ii^vaL  y,cä  id^Xov  oixQog  ig  vTtegßoXrjv  ....  (pcavo^svog.  Für  das 
rcc  j^Qi]uatci  icpvXatxB  xolg  ovdsv  'jtQOG'ijY.ovGi  vlriQovo^ioig  ist  zu  vergleichen  gall.  31: 

ov   Ss'^asL   ^Et'  oXlyov   Ttdvtcc   ravta  -naraXinovza  oiXcpriv  rj  i^Tcldcc ysviaO'aL^ 

catapl.  17 :  ort  ilt]  ccTtslavos  t&v  ;jjprjfiarcöi',  aXX'  aysvßrog  avr&v  ccTtsQ'ccvs  reo  ccöätco 
^Po8o%dQBi  rijv  ovoiav  TcatccXinrnv. 

1)  Catapl.  6:  di'  ^Qcota  ccvtovg  UTthcpcc^ccv  STttcc  ■aal  ö  (piXoaocpog  0sayhrig 
ÖLcc  rr]v  htcciQccv  trjv  Msyccgo&sv^  dial.  m.  27,  7:  Sl'  IcQcota  MvQtiov  rfjg  ktaigccg 
4c7t06(pd^ag  kccvrov. 

2)  Siehe  S.  67  ff.,  77. 


Beziehungen  zur  ^Niederfahrt'  und  'Nekyomantie'.  193 

erscheint  Menipp,  der  Ranzen  und  Stab  fröhlich  in  die  Fluten  wirft 
und  den  Platz  neben  dem  Steuermann  erhält,  um  alles  zu  überschauen.^) 
Der  schöne  Charmolaos  muß  seine  Schönheit  lassen.  Schwerer  geht's 
mit  dem  Tyrannen  von  Gela  Lampichos,  der  nur  mit  Widerstreben 
sich  nacheinander  seines  Reichtums,  seines  Diadems,  seiner  Hoffart, 
seiner  Gewalttätigkeit  entäußert.  Es  folgt  der  aufgeschwemmte  Athlet 
Damasias,  der  Muskeln,  Kranz  und  Siegesurkunden  zurücklassen  muß, 
der  reiche  und  vornehme  Kraton,  sowie  ein  unbekannter  Krieger,  der 
nun  auf  Waffen  und  Siegesdenkmäler  verzichten  muß.  Den  Schluß 
bilden  der  falsche,  scheinheilige  Philosoph,  der  hinter  äußerer  Würde 
innere  Gehaltlosigkeit  verbirgt  und  dessen  Bart  mit  einem  Beil  be- 
seitigt werden  muß,  und  der  Rhetor  mit  all  seinen  Antithesen,  Pari- 
sosen,  Perioden  usw.  Die  Fahrt  hebt  an,  zugleich  das  Klagen,  bei 
dem  sich  besonders  der  Philosoph  hervortut;  von  der  Erde  schallt 
das  Frohlocken  über  den  Tod  des  Tyrannen,  die  Leichenrede  für 
Kraton  und  die  Totenklage  der  Mutter  um  den  gestorbenen  Damasias. 
So  kommen  sie  an,  um  sich  zur  Stätte  des  Gerichts  führen  zu  lassen. 
Das  Ganze  ist  eine  Wiederholung  der  Szene,  die  schon  kurz  in  der 
'Nekyomantie'  (10)  angedeutet,  ausführlich  in  der  'Niederfahrt'  (off.) 
geschildert  war  und  die  wir  glaubten  der  Menippischen  Hadesfahrt  zu- 
schreiben zu  dürfen.  Die  Fahrt,  das  Jammern^),  der  Gang  zum  Gericht 
erinnern  ja  sofort  an  jene  Stellen,  und  z.  T.  berührt  sich  der  Wortlaut. 
Der  geringe  Raum  in  Charons  Kahn  im  Gegensatz  zu  der  Fülle  der 
Andrängenden  wird  alle  drei  Male  hervorgehoben.  Menipp  nimmt  hier 
die  Stelle  ein,  die  in  der  'Niederfahrt'  der  Kyniskos  hat.^j  Sonst  wird 
dort  in  besonderer  Weise  nur  der  Tyrann  behandelt;  hier  dagegen 
wird  die  Ergänzung  in  Gestalt  der  übrigen  Typen  hinzugefügt;  schon 
die  Namen  veiTaten  sofort  das  Typische,  Charmolaos  der  Schöne, 
Lampichos  der  Tyrann,  Damasias  der  Athlet*),  Kraton  der  vermögende, 

1)  2-  '■■  •.,.<. n\,i  ünccvrag  mit  Bezup  ""*  ''"'  ^"♦•'"'"-  •1'-'  Kyuikere, 
1.  S.  90  t 

2)  Hier  aar:  n  olitotj^ets;^  weil  schon  iu  der  'JSiederlaliit'  '2i)  ausführlich 
gegeben. 

8)  Wir  benutzten  da»  oben  fllr  die  Argumentation  betreffs  der  'Nieder- 
fahrt* S.  70. 

4)  Lucian  hat  den  Namen  im  'Lexiphanes'  11  wieder  benutzt;  an  einen 
der  Sieger  im  Lauf  zu  Olympia  braucht  man  nicht  zu  denken  (Pauly-Wittowa, 
iteaUKncycl  IV  208714).  Sollte  es  Zufall  sein,  daß  in  dem  eben  besprochenen 
Dialog  XXVII  LampiH  und  Damis  (trotz  der  verschiedenen  Ableitungl)  sich 
linden?  Oder  ist  auch  die  Wiederkehr  der  Namen  ein  Zeogoii*  ftlr  dio  mehrfache 
AuMlieutung  einer  V'orla^»*? 

Uclni,  Luolao  uml  M«Dip|i  1'^ 


194  Kapitel  VIII.    Totengespräche. 

einflußreiche  Bürger.  Die  Schilderung  des  Philosophen  berührt  sich 
mit  der  im  'Timon'  (54)  und  ist  von  Alkiphron  (Parasitenbrief  28,  2 
[III  64])  benutzt  in  einer  Stelle,  die  sonst  gewisse  Ähnlichkeit  mit 
der  Szene  von  dem  Bauernlümmel  im  'Hermotimos'  (80 ff.)  hat.^) 
Möglich  geworden  ist  diese  Wiederholung  desselben  Stoffes  nur  durch 
Hervorkehrung  des  neuen  Motivs,  daß  der  überflüssige  Ballast  zurück- 
gelassen wird;  angedeutet  war  auch  das  schon  in  der  'Niederfahrt', 
wo  Mikyllos  triumphierend  von  dem  Tyrannen  erzählt  (16):  sjtd  ds 
ccTti^avsVy  avTÖg  rs  TiayyBkoiog  lo(pd"rj  ^ol  ccjtodvöd^evog  f^v  tqv- 
q)7]v  usw.  und  ebenso  in  der  'Nekyomantie'  12.^)  Es  zeigt  sich  auch  hier, 
wie  Lucian  an  einem  einzelnen  Punkt  einsetzt,  um  von  dort  aus  einen 
anders  behandelten  Stoff  aufs  neue  vorzunehmen.  Daß  er  sich  dabei 
an  eine  ähnliche  Menippdarstellung  anlehnte,  scheint  kaum  zweifelhaft. 
Daß  das  Wehklagen  der  Zurückbleibenden  bzw.  ihr  Spott  ans  Ohr 
der  Toten  klingt,  mag  auch  schon  bei  Menipp  gestanden  haben-, 
wenigstens  läßt  Seneca,  allerdings  mit  etwas  veränderter  Situation, 
auch  den  Claudius  (apocol.  12)  die  Klageanapäste  vernehmen.  W^enn 
die  Gerichtsszene  mit  der  Entkleidung  und  Prüfung  der  Brandmale 
in  der  'Niederfahrt',  wie  wir  oben  glaubten,  aus  Menipps  Hadesfahrt 
stammt,  so  könnte  man  vermuten,  daß  dort  vor  der  Fahrt  nur  wirk- 
lich unnützer  Tand  zurückgelassen  wurde,  Lucian  aber  das  Motiv  bis 
auf  die  Kleidung  erst  zum  Zweck  unserer  Szene  ausgedehnt  hat;  ob- 
wohl die  Entkleidung  erst  vor  dem  Richterstuhl  für  das  in  der  *Nieder- 
fahrt'  verwandte  Motiv  nicht  unbedingt  erforderlich  war. 

In  denselben  Gedankenkreis  gehört  weiter  Gespräch  IV,  das  zu- 
gleich an  die  'Götterdialoge'  erinnert.  Jeder  tiefere  Gedanke  liegt 
fem.  Es  ist  eine  komische  Abrechnung  zwischen  Hermes  und  Charon. 
Der  Gott  hat  für  Ausbesserung  und  Ausrüstung  des  Kahnes  allerlei 
Auslagen  gemacht  und  dringt  nun  bei  dem  Fährmann  auf  Erstattung 
dieser  Schulden.  Es  liegt  auf  der  Hand,  wie  leicht  sich  diese  Szene 
aus  der  Begegnung  zwischen  beiden  in  der  'Niederfahrt'  ergeben  konnte, 
auch  ohne  daß  noch  eine  besondere  Vorlage  existierte.  Die  Komik 
wird  erhöht  dadurch,  daß  Charon  nicht  zahlen  kann,  weil  sein  Geschäft 
augenblicklich    nicht    blüht;    es    sterben    zu  wenig,    denn  es  herrscht 


1)  Ale.  III  64,  2 :  vvxTcoQ  $8  nBQfKCiXvnxovxa  tT]v  %B(pccX7]v  TQLßcovi(p  xori  ntgl 
XccncarvTCsla  alXov^svov^  dial.  mort.  X  11:  vvktojq  i^iav  axavTccg  lavO-dvar  xa> 
lliccxia)  tr}v  xacpccXijv  TtocxsiX'^cocg  nsglsiaiv  iv  v,v'kX(o  xä  xa^ixvjisla. 

2)  Ygl.  dial.  mort.  10,  3:  ccitööv^i  .  .  .  xo  %äXXog  xai  xä  %8iXri  a.vxolg  cpiXri- 
ftafft,  necyom.  12:  ol  Ss  änodvGäiisvoi  xä  Xa^ngä  i-KSlvcc  nävxa,  itXovxovg  Xiya 
-Kcd  yivri  %al  ävvaöxslccg  (nach  Plato  Gorgias  523  C  ff.). 


Beziehungen  zur  'Niederfahrt'  und  'Nekyomantie'.  195 

Friede.  Notwendig  ist  es  nicht,  daß  diese  Bemerkung  zu  den  Ver- 
hältnissen der  Abfassungszeit  des  Gespräches  stimmen  muß,  aber  doch 
nach  den  Beobachtungen,  die  wir  sonst  in  dieser  Hinsicht  machen,  sehr 
wahrscheinlich.  Du  Soul  schloß  daraus,  daß  die  'Totengespräche' 
erst  nach  Ende  der  Markomannen  kriege  unter  Commodus  geschrieben 
seien;  richtiger  nahm  Nissen  (Rhein.  Mus.  XLIII  [1888]  244)  die  Zeit 
zwischen  diesen  und  dem  Partherkrieg  an,  etwa  1G6/7.  Nur  darf  man 
eine  Folgerung  allein  für  dies  eine  Gespräch  ziehen;  denn  daß  alle 
30  zugleich  entstanden  sind,  ist  durch  nichts  verbürgt,  und  zeitliche 
Zwischenräume  selbst  über  ein  paar  Jahre  sind  nicht  unmöglich,  wenn- 
gleich nicht  wahrscheinlich. 

In  Menipps  'Nekyia'  fanden  sich  natürlich  auch  die  großen  Büßer 
erwähnt,  die  ja  seit  Homer  zu  jeder  Katabasis  gehören  und  auch  in  der 
'Nekyomantie'  (14)  ihren  Platz  gefunden  haben.  Der  dabei  genannte 
Tantalus  forderte  eine  eigene  Besprechung  heraus,  sobald  man  den  My- 
thus kritisch  betrachtete.  Das  ist  im  Gespräch  XVII  geschehen.  Es 
ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  Lucian  den  Gedanken,  den  er  ausführt, 
schon  bei  Menipp  vorfand,  da  er  ihn  aber  in  der  'Nekyomantie'  über- 
gangen hatte,  hier  in  einem  besondern  Dialog  nachtrug.  Wenigstens 
begegnet  er  ims  schon  bei  Dio  ähnlich  in  einer  der  von  kynischem 
Wesen  durchtränkten  Heden,  der  VI,  die  gleich  zum  Beginn  angibt, 
aus  welcher  Quelle  sie  geschöpft  ist,  wenn  sie  mit  dem  Namen  des 
Diogenes  anhebt.M  Dio  vergleicht  dort  den  Tyrannen  mit  Tantalus-); 
über  dem  Haupte  beider  hängt  die  drohende  Gefahr,  aber  Tantalus 
braucht  nicht  mehr  zu  fürchten,  daß  er  noch  einmal  sterben  muß, 
dem  irdischen  Herrscher  dräut  die  Furcht  während  seines  ganzen 
Lebens.  Lucian  hat  den  Gedanken,  so  weit  er  Tantalus  anging,  zu 
einer  Kritik  der  Sage  gewandt,  indem  er  bei  der  gewöhnlichen  Auf- 
fassung von  dem  ewig  Dürstenden  und  Hungernden  bleibt.*)    Menipp 


1)  Weber,  '■  -  •  ^  -  -  llabu,  De  Dion.  Chr.  orat.  Uött.  Diss. 
1896  S.  10  ff. 

2)  Der  Vergleuli  sciieint  sclum  uul  die  Sokratiker  zurückzugehen;  denn 
Xenophoii  oecon.  21,  12  Btellt  ebeimo  da«  Leben  derer,  denen  das  dxoiTcar  xvquv- 
vtlv  zuteil  {geworden  i^t,  dem  TantahiH  gleich,  der  fürchtet,  zweimal  den  Tod 
zu  erleiden.  Dio  oder  »eine  unmittelbare  Vorlage  hat  also  demgegenüber  neu 
hervorgehoben,  daß  der  Tyrann  noch  schlimmer  dran  i8t,  weil  die  Besorgnis  für 
Tantalus  in  Wahrheit  ausgeschlosnen  ist 

8)  XVII  2:  r\  AiAiut  ^i^  ivdiiu  roß  jtotoö  d»o^av|;ff,  Dio  Chrys.  VI  66 
(l  216  E  I  94,  11  V.  A.):  oif  yäff  dif]  In  tpofitirai  6  TüvtaXog  iiii  ano^dvjjy  Xen. 
oecon.  21,  12:  möntg  6  TuvxuXos  iv  "Aidov  Hyktai  röv  <t*i  ^fföfoi'  diargißhiv  g^o- 
^ovfi«roff  lii)  dls  &7f(»&dv^;  die  Stellen  hat  schon  Hemsterhuji  vereinigt 

13* 


196  Kapitel  VIII.     Totengespräche. 

weist  dem  Tantalus  nach,  wie  töricht  es  ist,  sich  um  Hunger  und  Durst 
zu  grämen,  da  er  ja  keinen  zweiten  Tod  erleiden  kann  und  es  keinen 
zweiten  Hades  gibt.  Die  gleiche  Kritik  des  Mythus  zeigen  die  den 
Kynikern  vielfach  so  verwandten  Skeptiker,  so  Sextus  Empiricus  adv. 
math.  IX  69 f.,  wo  im  Anschluß  an  den  Tityosmythus  auch  die  Tan- 
talossage  als  in  sich  widerspruchsvoll  erwiesen  wird ;  'denn  wenn  Tan- 
talos  ohne  Speise  und  Trank  blieb,  während  er  ihrer  bedurfte,  wie 
konnte  er  bestehen?  Wenn  er  aber  unsterblich  war,  so  konnte  er 
überhaupt  nicht  in  solcher  Verfassung  sein;  denn  die  Natur  der  Un- 
sterblichen verträgt  sich  nicht  mit  Schmerzen  und  Prüfungen.'^)  Man 
muß  sich  erinnern,  daß  Bion  die  Danaidensage  einer  ähnlichen  Kritik 
unterwarf,  wenn  er  (Diog.  L.  lY  50)  meinte,  ihre  Strafe  würde  weit 
größer  sein,  wenn  sie  in  ganzen  und  nicht  durchlöcherten  Gefäßen 
Wasser  tragen  müßten. 

Das  Motiv  der  Herumführung  in  der  Unterwelt  benutzt  Lucian 
im  Gespräch  XVHI,  um  eine  Andeutung  aus  der  'Nekyomantie'  (15) 
etwas  deutlicher  auszuführen.  Dort  heißt  es  kurz:  'Ich  wußte  nicht, 
woran  ich  Thersites  von  dem  schönen  Nireus  unterscheiden  sollte'; 
hier  läßt  sich  Menipp  von  Hermes  die  berühmten  männlichen  und 
weiblichen  Schönheiten  der  Oberwelt  zeigen.  Zu  Nireus  kommen  Hya- 
kinth,  Narziß,  Achill,  von  Frauen  Tyro,  Leda  und  Helena  hinzu.  Bei 
der  letzten  wird  besonders  hervorgehoben,  wie  töricht  es  war,  um  einer 
so  kurze  Zeit  währenden  Schönheit  willen  so  viel  Mühsal  zu  übernehmen 
und  so  viel  Verderben  über  die  Erde  bringen.  Die  Erwähnung  der  Tyro 
und  Leda  stammt  direkt   aus  Homers  Nekyia  (Od.  XI  235  ff.,  298  ff.). 

Und  noch  einmal  ist  derselbe  Stoff  im  Gespräch  XXV  behandelt 
mit  noch  näherem  Anschluß  an  die  SteUe  der  'Nekyomantie';  denn 
hier  streiten  sich  Nireus  und  Thersites  selber,  wer  der  Schönere  von 
beiden  ist,  und  Menipp  wird  zum  Schiedsrichter  gewählt.  Da  er- 
halten wir  nun  die  Antwort  auf  die  in  der  'Nekyomantie'  gestellte 
Frage;  der  Schädel  des  Nireus  ist  daran  von  dem  des  Thersites 
zu   unterscheiden,    daß    er   leichter   zerbrechlich  ist.^)     Das   Gespräch 

1)  Mit  Reclit  hat  Hemsterhuys  den  Blick  auf  die  bei  Photius  bibl.  cod.  250 
(S.  443  Bekker)  erhaltene  Angabe  über  den  Peripatetiker  Agatharchidas  gelenkt; 
von  ihm  ist  im  1.  Buch  negl  rf]g  iQvd-g&s  ^ccXccöarig  bei  Gelegenheit  der  Perseus^ 
sage  eine  kritisierende  Aufzählung  anderer  nicht  minder  unglaublicher  Mythen 
gegeben ;  da  wird  in  ganz  gleicher  Weise  der  Widerspruch  zwischen  der  Körper- 
losigkeit  der  Toten  und  der  Furcht  vor  Gefahren,  die  nur  dem  Körper  drohen 
können,  klar  gelegt.  Am  ähnlichsten  ist  unserer  Stelle  443*»,  7:  htiqovg  8e 
cpoßslad'ca  xbv  aidriQOV  ovxhL  Svva^iBvovg  TQ(od'f]vca. 

2)  Necyom.  15:  rjTtOQOvv  ngog  iiLocvtov,  m  xivi  diaKgivccL^L  xov  QBQ6itr\v 


Beziehungen  zur  'Xekyomantie'.  197 

ist   bezeichnend    wie    wenige    für    die    stets    ergänzende    Arbeitsweise 
Lucians. 

Eine  vollständigere  Periegese,  wie  in  der  'Nekyomantie',  nur  in 
kleinerem  Stil^  liefert  Gespräch  XX;  Menipp  läßt  sich  von  Äakus  die 
Unterwelt  weisen.  Sein  Hauptinteresse  erwecken  die  Kriegshelden  von 
Troja,  sodann  Kyros,  Krösus,  Sardanapal,  Midas,  Xerxes;  es  sind  die 
früher  beobachteten  typischen  Beispiele,  die  wir  in  der  'Nekyomantie' 
15  f,  sowie  im  ^tragischen  Zeus'  48  fanden.  Selbst  die  Beziehung  auf  das 
homerische  ä^evr^vcc  xaQrjva  ist  von  dort  herübergenomraen.^)  Dem  Sar- 
danapal  möchte  Menipp  einen  Schlag  ins  Gesicht  versetzen,  wie  das  in 
der  'Nekyomantie'  17  angedeutet  ist.^)  Dann  folgt  die  Besichtigung 
der  Philosophen;  die  Verspottung  des  Pythagoras  lehnt  sich  deutlich  an 
den  'Hahn'  und  die  'Versteigerung  der  Lebensarten'  an.^)  Der  halb- 
verbrannte Enipedokles  ist  uns  schon  im  'Ikaromenipp'  13  begegnet.^) 
Sokrates  sehen  wir  mit  Nestor  und  Palamedes  plaudern  wie  in  der 
'Nekyomantie'  18.  Und  zum  Schluß  geht  Menipp  zu  Krösus  und 
Sardanapal,  um  sich  an  ihrem  Wehklagen  zu  ergötzen,  gerade  wie  es 
dort  (18)  Diogenes    mit  Sardanapal  und  Midas  macht.^)     Äakus  aber 


&nb  xov  xaXov  Nigiag,  dial.  mort.  XXV2:  tb  dh  xqccvIov  ravtr]  ^6vov  av  dia- 
xQivoiT*  icnb  xov  Gsgolrov  ycguviov,  ort  s^d^gvnrov  rb  6Öv. 

1)  XX  2:  xovig  Trccvra  xal  Xfigog  JtoXvg^  Sc^isvrivci  ag  CcXrid^ibg  xaprjva, 
necyom.  15:  tijgcoTiibvTag  -/.cd  oäg  (priaiv  "OuriQog  uuivr^vovg. 

2)  XX  2:  xbv  LugdavdnuXXov  ....  naxd^ai  (iol  natu  xöggrig  inixgsipov^ 
necyom.  17:  inb  xoi  xv%6vxog  vßgij^oiiivovg  xal  xuxä  xöggrig  ^cxioiidvovg. 

3)  Das  Bohnenverbot  wird  in  gleicher  Weise  verhöhnt  gall.  5:  (gall.  4:  t6 
iaov  i]Ot§r\xivai  xvdyiovg  rpuyövTa  toj  civ  ii  xr}v  xsfpccXijV  xov  naxgbg  iöriööxsig) 
TOT*  (ihv  ovx  r,ad^i.ov  xwv  xvdutov,  icfiXoaörpovv  yäg'  vvv  dh  gjayoiit'  &v.  dial. 
mort.  XX  3:  uXXa  nagu  vtxgoig  ddyiiaxa.  '^fiad'ov  yap,  ag  ovdkv  taov  xvafiot  xctl 
xfq>aXal  xoxijcav  iv^ads.  Die  Anrede:  %alQB  m  E^tpogßs  ?)  "AnoXXov  t)  on  Stv 
i^iXrig  hat  ihre  Vorlage  gall.  20:  w  Tlv^ayögu  i]  oxt.  (läXiaxct  x^^Q^^S  xceXor^isvog 
—  dtoiati  (iiv  ovöiv ,  i'jv  t'  Evq;ogßov  i'jv  xh  Uv^ayögav  »)  'iOTtuaiccv  xaX^g  ...; 
in  den  'Wahr.  Geschieht.*  II  21  ist  wieder  darauf  Bezug  genommen:  ivtSoiä^sxo 
dh  ixi  noxtgov  llv&uyoguv  ^  Ev(pogßov  XQ'l  c<vzbv  övo^ä^Btv.  Der  goUlene 
Schenkel  findet  in  gleicher  Weise  Erwähnung  XX  8:  oix  hi  X9^^^^9  ^  M^P<^ff 
faxt  aoi;  und  vit.  auct.  0:  w  'HgäxXtig,  jrpuffof'ff  uvx(p  &  ^irigog  iaxt,  dann  'Wahr. 
(je»ch.*  II  21:  f/V  dl  xgvaot^g  öXov  xb  dt^ibv  imirofiov.    Man  beachte  die  Steigerung. 

4)  Icarom.  IJl:  äv&gaxiag  xig  idtlv  xal  ffrrorfoi)  nX^tog  xal  xaxiOjrxriiUpoSf 
dann:  iml  yug  ig  xovg  xgaxi)gag  inatnuv  tpigtov  ivtßctXot\  dial.  mort.  XX  4:  &  6h 
anodoü  nUag  ....  xig  iaxtv;  —  'K^ntdoxXfjg  .  .  .  -^iLlitp&og  inb  xf)g  AixvrtS 
■nagtöv.  —  xi  na^utv  auvxbv  ig  xovg  xQttxfigag  ir^ßaXtg;  Dann  wieder  benutzt 
'Wahre  Gesch.*  II  21:  b  iiifxoi  'EiintdoxXf)g  ^fX^t  |jiv  xctl  ohxog,  ntQUip^htg  xorl 
ro  Cänta  oXov  6tnTr,iiivog. 

6)  Necyom.  IM:  Jioyivr^g  nugoixtl  ^\v  ZagdavunülXtp  xA'Aaov^iqt  nal  Mid^ 


198  Kapitel  VIII.     Totengespräche. 

verabschiedet  sich,  um  aufzupassen,  daß  nicht  etwa  ein  Toter  heim- 
lich davonläuft;  wir  fühlen  uns  an  die  Szene  der  'Niederfahrt'  (3) 
erinnert.  Man  sieht  deutlich,  wie  das  Ganze,  abgesehen  von  kleinen 
Nachträgen,  nichts  ist  als  eine  Zusammenfassung  aller  sonst  benutzten 
Motive,  die  durch  geschickte  Gruppierung  noch  einmal  komisch  wirk- 
sam schienen.     Selbst  die  'Ausreißer'  sind  schon  verwertet. \) 

An  die  letzten  Gedanken  dieses  Gesprächs  schließt  unmittelbar 
Dialog  II  an;  auch  hier  sind  die  Fäden  der  Phantasie  nur  zu  deutlich. 
Krösus,  Midas,  Sardanapal  —  wir  finden  also  die  Namen  aus  der 
'Nekjomantie'  (18)  und  dem  20.  Gespräch  (2)  bezeichnenderweise  ver- 
eint —  erheben  beim  Gott  der  Unterwelt  Beschwerde,  daß  Menipp  sie 
ob  ihres  Klagens  beständig  verspottet;  sie  erklären  dies  Klagen  für 
völlig  berechtigt,  während  Menipp  sie  auf  das  kynische^)  Losungs- 
wort yvcbd^L  öccvtöv  hinweist. 

Auch  Gespräch  XXII  verrät  deutlich  seine  Entstehung  aus  der 
'Niederfahrt'.  Dort  wirft  sich  Mikyllos  ins  Wasser,  um  Charons  Kahn 
nachzuschwimmen,  zumal  es  ihm  auch  an  dem  notwendigen  Obolus 
mangelt,  den  er  dem  Fährmann  entrichten  müßte  (18)^);  er  erreicht 
dadurch,  daß  er  in  den  vollen  Kahn  noch  aufgenommen  wird;  beim 
Aussteigen  weist  er  dann  den  seinen  Lohn  heischenden  Charon  zurück 
(21).     In   unserem  Gespräch  ist  die  Szene  mehr  ausgeführt,   und   an 


TM  ^Qvyl  .  .  .  ccnovcov   Sh   oiii(o^6vx(ov   ccvTmv ysXa  rs  v-ccl  xhQnBTcci,   dial. 

m.  XX  6:  inü  TtccQcc  xbv  KqoIüov  ycca  xbv  ZccQÖccvdnccXXov  ccTtsi^i  TtXrioiov  oiyciqaojv 
avxä>v  ^oLTccc  yovv  ov%  oXiycc  ysXdöBoQ'cci  oi\Lco^6vx(ov  dy.ovcov.  Diese  Beobachtung 
wird  wohl  zeigen,  was  es  mit  der  Bemerkung  von  I.  Bruns  auf  sich  hat  (Rhein. 
Mus.  XLm  [1888J  S.  192),  die  auch  Hense  (Festschr.  f.  Gomperz  S.  190)  gebilligt 
hat:  ^Die  Figur  des  Menippos,  wie  er  sonst  bekannt  ist  und  von  Lucian  in  den 
^Totengesprächen'  geschildert  wird  als  cynischer  Zelot,  ist  hier  (im  ^Ikaromenipp') 
ganz  umgewandelt  zu  der  komischen  Gestalt  eines  behaglich  fabulierenden 
Aufschneiders,  der  in  gar  keiner  Beziehung  zur  Philosophie  steht.'  Der  Zelot 
kam  erst  heraus  durch  einseitige  Wiederholung  von  Motiven  der  ^Nekyia'  und 
der  Aufschneider  ohne  Beziehung  zur  Philosophie  durch  Fortlassung  der  in  der 
Himmelfahrt  erörterten  Probleme,   die  jetzt  die  "^Widerlegung  des  Zeus'  bietet. 

1)  Empedokles  sagt  (4),  ihn  habe  ^sXccyxolicc  xLg  in  den  Ätna  getrieben; 
Menipp  erwidert:  ov  fiä  z/i'o:,  dXXä  Tisvo^o^icc  xort  xvcpog  v-ccl  tioXXtj  ycoQv^cc,  xccvxd 
6s  ccnrivd-gayicoösv.  Fug.  2  fragt  Apollo  betreffs  des  Peregrinus:  xi  xb  ayccd-bv 
aTtccv^QccTiOid'fjvaL',  und  nach  Erwähnung  des  Empedokles  geht  es  weiter:  ^sXay- 
XoXiccv  XLvu  dEivr]v  XsysL?.  Die  '"Ausreißer'  müssen  ja  dem  Anfang  nach  Ende 
165  oder  spätestens  Anfang  166  geschrieben  sein;  dazu  stimmt  der  Nissensche 
Ansatz  für  die  '^ Totengespräche'. 

2)  Siehe  Weber,  Leipz.  Stud.  X  S.  101. 

3)  Catapl.  18:  "AXXcog  xs  ov6h  xbv  ößoXbv   'i^^  xcc  ■jtOQ%[istci.  ycaxccßccXEtv. 


Beziehungen  zur  'Niederfahrt'  und  'Nekyomantie'.  199 

des  Mikyllos  Stelle  tritt  Menipp.  Gleich  der  Anfang  erinnert  auch 
im  Wortlaut^)  an  die  Stelle  der  'Niederfahrt',  und  in  ganz  ähnlicher 
Weise  macht  der  Ferge  seinem  Unmut  über  diese  Fahrt  ohne  Gewinn 
Luft.  Die  weitere  Ausschmückimg  besteht  nur  darin,  daß  Menipp 
verlangt,  Hermes  solle  für  ihn  auslegen;  doch  der  Gott  weigert  sich. 
Da  beruft  sich  Menipp  auf  seine  Hilfe  beim  Rudern  und  seinen  Ge- 
sang im  Gegensatz  zu  dem  Wehklagen  der  andern;  auch  das  ist  nur 
eine  Reminiszenz  aus  der  'Niederfahrt'  (19)  und  zwar  an  den  Kynis- 
kos,  der  gleichfalls  ohne  den  schuldigen  Fährlohn  übersetzt,  sich  ihn 
aber  durch  seine  Unterstützung  des  Charon  verdient.^)  Auch  in  dem 
Ranzen  des  Kynikers  findet  sich  nichts,  woran  sich  Charon  schadlos 
halten  könnte.  Mit  einem  Lob  seitens  des  Hermes,  einer  Drohung 
seitens  des  greisen  Fährmanns  endet  das  kleine  Gespräch. 

Endlich  gehört  in  diesen  Gedankenkreis  der  XXIV.  Dialog,  eine 
Unterredung  zwischen  Diogenes  und  Mausolus,  in  welcher  der  Kyniker 
dem  einstigen  Tyrannen  klar  macht,  daß  er  keinen  Grund  hat,  auf 
irgend  etwas  stolz  zu  sein,  daß  der  Tod  alles  gleich  macht.  Der  Gedanke 
ist  angedeutet  in  der  'Nekyomantie'  (17),  und  gleich  die  hiesigen  Ein- 
gangsworte spielen  auf  jene  Darlegung  an^);  an  beiden  Stellen  wird 
ganz  gleichmäßig  auf  die  Zwecklosigkeit  des  großen  Grabmals  hin- 
gewiesen, das  nur  den  einen  Erfolg  hat,  die  Toten  mehr  zu  drücken.*) 
Auch  die  Bemerkung  von  der  Gleichheit  der  Schädel  (2)  ist  uns  ja 
schon   in   der  'Nekyomantie'  wie  in  den  'Totengesprächen'  begegnet. 

1)  Catapl.  21:  &yB  drj  tu  nogd'iitlcc  Ttgatrov  r}(ilv  ccnoöoTS'  -Kai  gv  dög' 
nugä  nuvxoiv  f^dri  ix(o.  dbg  xccl  av  tov  dßoXov^  m  MixvXXs^  dial.  mort.  XXII  1 : 
&n6Sos  w  xardparf  tu  noQ^yiSlu. 

2)  Catapl.  19:  tuIXu  Öl  ^vtIbIv^  i]v  id^iXrjg^  ixotiiog  xccl  ngoaxamog  Hvai^ 
dial.  mort.  XXII  2:  xal  yuQ  ijvTXriaa  x«i  Tfjg  xd}7n]g  ßvvBTnXußd^riv.  Beide  Male  tut 
der  Kyniker  nach  Lucians  Darstellung,  wenn  er  dem  Charon  hilft,  etwas  Auf- 
fälliges, etwas  Ungewöhnliches,  das  ihn  von  den  gewöhnlichen  Toten  unterscheidet. 
Ich  kann  also  Furtwängler,  Archiv  für  Religionswissenschaft  VIII  S.  1U7  u.  201 
nicht  beistimmen,  wenn  er  Lucian  als  Zeugen  einer  volkstümlichen  Vorstellung 
bezeichnet,  die  er  dort  aus  einem  srhwarxfigurigen  Vasenbild  erschließt  und  die 
das  Rudern  der  toten  Seelen  selber  voraussetzt. 

8)  Neoyom.  17:  il  yoifv  i^taam  xbv  MavamXov  ccMv  —  Hym  dh  rbv 
KßQtt  . . .  —  §v  oW   "-'       ■■  fnuvaoi  yeXobv,   dial.  mort    W'TV  1:    .'    Kf'n.    f-r) 

tivt  itiyu  tfifovtlg 

4)  Ndcyom.  17:  fuouvioi'  urfoXavMP  xofi  ^tvii^arog,  nuff'  oaov  t(iu{tvyt^To 
tfiXmotxov  &x9og  inixtliitvog^  dial.  mort.  XXIV  1  MauHolus:  rb  dh  fi^ytarov 
oti  h  'AXixaQvaaaa)  nvfma  namUyt^tg  l;(o)  intxBiiitvoVt  dann  DiogeoM  (9): 
oifx  6if&  Sri  AnoXuvutg  ai&roO,  nXi}v  tl  ^r;  roOro  rptjg,  ort  iUtXXo¥  ^fM&f  äx^otpo* 
9»tg  {>ifb  tfiXixovtotg  Xl^otg  nnj^oiiivog. 


200  Kapitel  VIII.     Totengespräche. 

Wie  diese  an  die  Unterweltsdialoge,  so  reihen  sich  ein  paar  Dia- 
loge an  die  ^Widerlegung  des  Zeus'  an.  Die  Frage  nach  der  Ein- 
wirkung der  Moira  behandelt  mit  deutlicher  Polemik  gegen  die  Stoa 
Gespräch  XIX.  Protesilaos  verfolgt  die  Helena  als  Ursache  seines 
frühen  Todes  ^);  Aakus  weist  ihn  vielmehr  an  Menelaos,  der  den  Zug 
gegen  Troja  angeregt  habe,  Menelaos  an  Paris,  dieser  an  Eros.  Für 
den  Eros  aber  wirft  Aakus  sein  Wort  in  die  Wagschale;  denn  er  ist 
nur  an  Paris'  Liebe  schuld,  die  Ursache  zu  Protesilaos'  frühem  Tode 
dagegen  liegt  in  seinem  eigenen  Benehmen  und  seinem  Ehrgeiz,  der 
ihn  zuerst  ans  Land  trieb.  So  erkennt  Protesilaos,  daß  vielmehr  die 
Moire  es  ist,  die  alles  so  gelenkt  hat.  Die  Frage,  die  in  gewisser 
Weise  mit  der  ältesten  Sophistik  sich  berührt,  erinnert  an  die  Themen, 
die  Perikles  mit  Protagoras  besprochen  hat^);  aber  der  Schluß  macht 
das  Ganze  zu  einer  Illustration  des  stoischen  Satzes,  der  in  der  ^Wider- 
legung des  Zeus'  (7)  ausgesprochen  war:  Tcdvrcc  g)rig  ix  xav  Molqcjv 
yLyveöd-ai.  Der  Gedanke  war  von  Chrysipp  verfochten  worden,  indem 
er  zum  Beleg  fast  die  ganze  'Medea'  des  Euripides  zitierte,  so  daß 
jemand  den  Witz  machen  konnte,  er  habe  des  Chrysipp  Medea  in 
Händen^);  gegen  ihn  hatte  Kameades  polemisiert,  dessen  Polemik 
durch  Klitomachus  zu  Cicero'*)  und  weiter  zu  Clemens  von  Alexandria 
gelangt  ist.  Es  ist  nicht  unmöglich,  daß  Lucian  auch  hier  aus  skep- 
tischer Quelle  geschöpft  hat.^) 

1)  Man  fühlt  sich  betreffs  des  Beispiels  an  Epiktet  I  28,  12  erinnert:  iq^dvri 
tip  jiXs^dv&Qa)  iTtdysLV  rov  MsvsXdov  tijv  yvvcctyia,  icpdvri  '^V  'EXiv^  dyioXovd'f]6aL 
ccvxcp.  sl  ovv  iq)dvri  reo  MsvsXdo)  Tta&stv  ort  -nsgöog  iotl  xoiccvxrig  yvvcctxog  omgri- 
Q"i]vai^  tl  av  iybvsto'  ccTtoXajXsi  t]  'IXidg  ov  ^ovov  aXXä  y,al  i]  OSvaasicc. 

2)  Plutarch  Pericl.  c.  36. 

3)  Diog.  Laert.  VII  180. 

4)  Cic.  de  fat.  15, 34 ff.:  ^nec  quod  in  campum  descenderim,  id  fuisse  causae, 
cur  pila  luderem,  nee  Hecubam  causam  interitus  fuisse  Troianis,  quod  Alexan- 
drum genuerit,  nee  Tyndareum  Agamemnoni,  quod  Clytaemestram'  bezieht  sich 
auf  den  troischen  Sagenkreis;  das  weitere  geht  auf  die  Medeasage,  die  Cicero 
nach  Ennius  zitiert.  Dem  Gehalte  nach  stimmt  zu  unserer  Darstellung,  ob- 
wohl von  der  Medea  die  Rede  ist,  Clemens  Alex.  Strom.  VIII  9,  27  (930  P):  ov 
yctQ  av  itsxvoyitovriasv  M?jdfia,  st  ftrj  agylo^r}^  ov8'  av  oiQyiaQ'ri^  sl  ^i]  i^'^Xcoösv^ 
ovds  rovTo,  sl  ^r]  rjgdod'ri,  ovöh  rovto,  sl  fir]  'Idöcov  ^nXsvösv  slg  KoXxovg,  ovdh 
rovTO,  sl  iLT]  jigyoi  y.arsöTisvdGd'ri,  ov6s  rouro,  sl  iirj  xa  |vAa  ^x  xov  Th\üov  ix\ir\%"r\. 
iv  xovxoig  yccQ  aitaciv  xov  8i'  o  xvy%dvovxog^  ov  ndvxa  xfjg  x£v,voy.xoviag  alxia 
xvyxdvsL,  [LÖvri  Sh  t]  M^dsia.  Über  Ciceros  Quelle  s.  Schmekel,  Die  Philosophie 
der  mittleren  Stoa,  Berlin  1892  S.  171.  Über  Clemens  Christiane  von  Wedel, 
Symbolae  ad  Clement.  AI.  ström,  librum  VIII,  Berl.  Diss.  1905,  S.  27  f. 

5)  S.  oben  S.  87,  143 ff.,  157,  auch  K.  Frachter,  Archiv  f.  Gesch.  d.  Philosophie 
X  (1898)  S.  505  ff. 


Beziehungen  zur  'Widerlegung  des  Zeus'.  201 

Bei  dem  Namen  des  Protesilaos  fiel  dem  Schriftsteller  ein,  daß 
sich  auch  die  Bitte  um  Rückkehr  auf  die  Oberwelt  für  eine  besondere 
DarsteUuDg  eigene;  erinnert  wurde  er  an  diese  Gestalt  schon  durch 
seinen  eigenen  Dialog  'Charon',  in  dem  der  Fährmann  (1)  sich  mit 
dem  Helden  vergleicht,  weil  er  für  einen  Tag  aus  dem  Orkus  Urlaub 
erhalten  hat.  So  entstand  Dialog  XXIII  ohne  jede  satirische  oder 
kynische  Tendenz,  ganz  in  der  Art  der  früheren  sophistischen  Ge- 
spräche, nur  um  Protesilaos'  Gesuch  an  den  Beherrscher  der  Toten 
darzustellen.  Für  die  Erkenntnis,  wie  Lucian  die  Motive  ausnutzt,  ist 
auch  das  außerordentlich  lehrreich. 

Deutlich  auf  die  ^Widerlegung  des  Zeus'  greift  Dialog  XXX  zu- 
rück, wo  sich  der  Räuber  Sostratos  gegen  die  Strafe  wehrt,  die  ihm 
Minos  bei  dem  Urteilsspruch  zudiktiert.  Er  fragt:  Habe  ich  im  Leben 
freiwillig  gehandelt  oder  wie  die  Moire  es  bestimmte?  Minos  muß 
das  letzte  zugeben.  Dann  ist  aber  der  Räuber  nur  ein  Werkzeug  in 
der  Hand  einer  höheren  Macht  ^)  und  verdient  so  wenig  Strafe  für 
seine  Untat  wie  der  Gute  Belohnung  für  das,  was  er  auf  höheren 
Antrieb  Edles  getan  hat.  Minos  sieht  das  ein  und  entbindet  den  So- 
stratos von  der  über  ihn  verhängten  Buße.  Es  sind  die  Gedanken, 
die  in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  (18)  allgemein  ausgesprochen  sind 
und  dort  den  Schluß  der  Unterredung  bilden,  hier  an  einem  bestimm- 
ten Beispiele  nachgewiesen,  z.  T.  mit  Wiederholung  der  gleichen 
Worte.^)  Als  Sophist  wird  dort  (19)  Kyniskos,  hier  (3)  Sostratos 
bezeichnet.^)  Als  Totenrichter  fungiert  beide  Male  Minos;  auch  die 
Art,  wie  Zeus  und  Minos  zu  Anfang  um  Antwort  gebeten  w^erden, 
stimmt  überein.*)  Den  Namen  Sostratos  lieferte  ofi'enbar  eine  bekannte 
Persönlichkeit.^) 

1)  Vgl.  Aescb.  Choephor.  910:  i}  tiotQcc  tovtiov  w  ttxvov  nagairla. 

2)  lupp.  conf.  18:  Oi)6iva  xoivvvy  oj  Zfv,  oiJre  ri^iiäv  o^rs  xoXd^Biv  ccircip 

ngoor/xH,  disl.  mort.  XXX  8:  oimovv  dgas  oniog  &äi.xa  noifts  xoXd^uv  il)(i&s xal 

rovrofff  ri^cbv;   lupp.  conf.  18:    ovdhv  ixdvrtg  ol  ävd'QUinoi  noiov^v^   &lXa.   rtvt 

üvuyxrj  ccKfvxTO)  xtxtktvaii^voi xul  iiv  (fovtvrj  rttf,  ixilvri  iatlv  i)  tpovBv- 

ovaa,  xal  ^v  ItgoavXfj,  'nQoaxuxay\iivov  ccvTÜdQa^  dial.  mort.  XXX  2:  ovxoiiv  xal 
oi  xQ^^'^ol  UTtuvxhi  xul  ol  novTiQol  doxovvxfg  ii\uti  ixdvf]  vnriQtxoitvxig  xaitxce 
idQ&iitp;  —  val^  Tjj  Kkto^ol,  f;  txdaxm  inexa^f  ynvvTi^ivxt  xoc  ngaxxia.  —  fi 
xoiwv   Avttynaa^ilg   tu  /.ow  tpovkvaett  r/jd  ,    xlva  alxtdöfj  toO 

tfdvov; 

8)  ^ifaahg  yug  tl  xal  aotpiaxijs  und  o(>  l^öxrjg  fuivov,  <  //i.  y>  )  ifo<piüti/jg  xig 
tJvm  Aoxttg. 

•  lapp.  conf.  1:  itn6xQival  futi  nif6s  uva  oi)  xaXi>nriv  fQmxf\ci¥s  dial.  mort. 
\.\A  1:  Ofuotf  itn6xifivai  not,  &  Mivttg'  ßgaxh  yu^  xt  ^^tjtfofmi  99. 

6)   Vgl.   Alexand.  4:     hniff    tbv    Evgvßaxov    ^    ^ffVPtavdap    7}   *A9iüx6drni09 


202  Kapitel  VIII.    Totengespräche. 

Eine  Reminiszenz  an  die  'Götterversammlung'  (12)  enthält  das 
III.  Gespräch.  Dort  führt  Momus  voller  Entrüstung  unter  den  neuen 
Göttern  Trophonios  und  Amphilochos  an,  die  jetzt  orakelten;  daran 
knüpft  unmittelbar  die  Anrede  Menipps  in  unserem  Dialoge  an:  Tro- 
phonios und  Amphilochos,  wie  ihr  dazu  gekommen  seid,  daß  man 
euch  Tempel  baute  und  euch  für  Propheten  hält,  begreife  ich  nicht. 
Amphilochos  erwidert  einfach:  Was  können  wir  für  die  Dummheit 
der  Menschen !  Aber  Trophonios  beruft  sich  darauf,  daß  er  ein  Heros 
sei.  Menipp  höhnt  über  diese  Doppelnatur  in  einer  Person;  denn  vor 
ihm  stehe  ein  ganzer  Toter,  wie  könne  da  zu  gleicher  Zeit  der  Heros 
in  Böotien  weissagen?  Der  Spott  ist  eine  gewisse  Dublette  zu  der 
über  des  Herakles  göttliches  und  menschliches  Wesen  (XVI).  Das 
Trophoniosorakel  kommt  auch  am  Schluß  der  'Nekyomantie'  (22)  vor, 
und  die  Worte  sind  z.  T.  dieselben.^) 

Zu  der  Satire  'der  Hahn'  führt  uns  die  Unterhaltung  zwischen  Tire- 
sias  und  Menipp  im  Dialog  XXVHI.  Erörtert  wird  die  Frage,  ob  das 
Leben  des  Weibes  oder  des  Mannes  angenehmer  sei.  Menipp  verspottet 
die  ganze  Verwandlung  des  Tiresias  und  fragt  ihn  schließlich,  ob  er  auch 
als  Weib  geweissagt  habe.  Dieser  berichtet  darauf  vom  Streit  des  Zeus 
und  der  Hera,  aber  Menipp  erklärt  das  für  Lügen,  wie  sie  ja  bei  einem 
Wahrsager  natürlich  sind.  Die  Hauptfrage  kehrt  im  'Hahn'  (19) 
ebenso  wieder,  nachdem  dieser  seine  mannigfachen  Verwandlungen, 
darunter  auch  in  die  Person  der  Aspasia,  erzählt  hat;  schon  die  Worte 
zeigen  die  Anlehnung.-)  An  beiden  Stellen  wird  auf  den  bekannten 
Ausspruch  der  euripideischen  Medea  (V.  251)  verwiesen:  rptg  av  %aQ 
ccönida  öxrivai  d^eXoL^^  av  ^älXov  ?j  texsIv  aita^,  aber  in  unserem 
Dialog  nur  allgemein,  ohne  das  Zitat  wiederanzubringen,  ein  deutlicher 

7]  Zco6xQccxov\  das  zeigt  jedenfalls,  daß  der  Name  typisch  war  für  einen  Be- 
trüger und  Schurken.  De  Soul  hat  ihn  identifiziert  mit  dem  Räuber  aas  der 
Zeit  Philipps  (Philippi  epistula  Demosth.  XII  13,  s.  Fritzsche,  Prolegom.  III  2 
S.  XXIX). 

1)  Necyom.  22:  ^aXeTtSii  iidXcc  Sia  tov  Gtoybiov  avsQTtvaag  ovy.  old' 
OTtcog  iv  Aeßadsicc  yiyvo^icci^  dial.  mort.  III  2 :  sl  jir;  i?  Asßdäsiav  itagilQ'Oi  v.ccl 
iöSQTtvöco  Siä  tov  6toiilov  tccnsivov  övtog  ig  tb  anijXccLov.  Ein  Wider- 
spruch zwischen  dieser  Stelle  und  dem  Schluß  der  ""Nekyomantie',  wie  ihn  Hirzel, 
Der  Dialog  II  320,  1  annimmt,  besteht  nicht;  denn  Menipp  sagt  gar  nicht,  daß 
er  nie  in  Lebadeia  gewesen  sei.  Wenn  es  der  Fall  wäre,  so  könnte  man  noch 
mit  größerem  Recht  das  Gespräch  für  einen  Ausschnitt  aus  Menipi^s  Hades- 
fahrt halten,  wofür  man  die  Möglichkeit  auch  jetzt  konstatieren  kann. 

2)  Gall.  19:  TL  ovv;  notSQog  ö  ßiog  ijdicov  ooi  rjv^  ots  ävT]Q  i]ad'a, 
?)  ots  68  6  UsQLylfig  cotcvsv,  dial.  mort.  XXVIII  1:  sint  ftot,  dnotsgov  rjäiovog 
i7tSLQdd"rig  t(bv  ßicov^  ots  ccv7]q  rjüd-cc,  ^  6  yvvcci-KBiog  ä^sivov  7]v; 


Beziehungen  zur  'Götterversammlung'  und  zum  '^Hahn'.  203 

Beweis,  wenn  es  dessen  sonst  noch  bedürfte,  an  welcher  Stelle  die 
Priorität  liegt.  Daß  ein  Spott  dieser  Art  sich  auch  in  Menipps  'Nekyia' 
befand,  ist  jedenfalls  sehr  gut  möglich.^) 

Mit  dem  'Hahn',  der  ja  das  Glück  der  Armen  lehrt  im  Gegensatz 
zu  dem  Unglück  des  Reichtums,  hängt  in  gewisser  Weise  auch  die  Reihe 
von  Dialogen  zusammen,  die  sich  mit  der  Erbschleicherei  befassen. 
Es  ist  gewiß  kein  Zufall,  daß  der  Name  des  Eukrates,  der  dort  (9  ff.) 
den  vermögenden,  Neid  erweckenden  Mann  repräsentiert,  im  Dialog  V 
sich  wiederfindet.  Da  gibt  Pluton  dem  Hermes  den  Auftrag,  den 
Eukrates  inmitten  seiner  Besitztümer  recht  lange  leben  zu  lassen,  da- 
mit die  Erbschleicher,  die  ihn  umschwärmen,  vor  ihm  sterben.  Das- 
selbe Motiv  ließ  sich  auch  verwerten,  indem  man  den  so  früh  aus 
dem  Leben  Gerissenen  und  um  den  Erfolg  seiner  Kriecherei  Betrogenen 
in  den  Vordergrund  stellte.  Das  geschieht  im  Gespräch  VI,  wo  sich 
Terpsion  über  seinen  Tod  und  das  lange  Leben  des  Theokritos  beklagt 
und  wenigstens  hofft,  daß  seine  Nebenbuhler  das  gleiche  Mißgeschick 
treffen  wird.  Es  gehört  auch  nicht  viel  Phantasie  dazu,  sich  vor- 
zustellen, daß  der  Erbschleicher  das  Leben  des  Alten  durch  künstliche 
Mittel  zu  verkürzen  sucht,  z.  B.  durch  das  romanhafte  Mittel  des  Gift- 
trankes, und  dabei  selber  durch  ein  Versehen  ums  Leben  gekommen 
ist.  Das  berichtet  Kallidemides  dem  Zenophantos  im  VIL  Dialog.  Der 
vorzeitige  Tod  war  dem  Erbschleicher  besonders  schmerzlich,  wenn  er, 
um  dem  Alten  zu  schmeicheln,  diesen  in  seinem  Testament  zum  Erben 
eingesetzt  hatte  und  nun  mitansehen  muß,  daß  ganz  im  Gegensatz  zu 
seinen  Erwartungen  jenem  seine  Güter  zufallen.  Das  ist  die  Klage 
des  Knemon^)  im  Gespräch  VHL  Man  konnte  aber  auch  einmal  die 
Kehrseite  der  Medaille  betrachten,  d.  h.  den  Alten  einführen,  der  durch 
die  Bemühungen  derer,  die  ihn  zu  beerben  hoffen,  ein  sorgloses  und 
höchst  angenehmes  Dasein  führt;  so  sehen  wir  im  Gespräch  IX  den 
Greis  Polystratos  zum  Orkus  kommen  und  über  sein  glückliches  Los 
auf  Erden  berichten.  Das  Motiv  der  gegenseitigen  Erbschleicherei 
hat  dann  noch  zu  einem  neuen  Gespräch,  dem  XL,  Veranlassung  ge- 
geben, in  dem  Krates  und  Diogenes  sich  von  dem  reichen  Moirichos 
und  AriHteas    erzählen,    die    beide    an  einem  Tage  starben,   nachdem 


1)  Daß  Menipp  nicht  Bezug  nimmt  auf  leino  frühere  Unterredung  mit 
'lircHiaü  in  der  ^Nekyomantie*,  würde  gut  dazu  itimmen  (s.  Hirzel,  Der  Dialog 
n  :■.■'(),  1). 

2)  Den  Namen  denkt  Ribbeck  Agroikoii  (Abbundl  d.  Siichit.  (tesoUscb.  d. 
N\  i'^H  X  1886)  8.  U  au«  Meoandan  JvükoIos  genommen;  auf  keinen  Fall  itammt 
daber  mehr  all  der  Name. 


204  Kapitel  VIII.     Totengespräche. 

jeder  von  beiden  darauf  gerechnet  hatte,  den  andern  zu  beerben.  Es 
ist  das  also  ein  Gegenstück  zu  Dialog  VIII,  wo  der  Jüngere  zuerst 
aus  dem  Leben  geschieden  war.  Die  Unterredung  erhebt  sich  über 
die  andern  dieser  Gattung  durch  die  Träger  des  Gesprächs  wie  durch 
den  Gegensatz,  den  die  beiden  über  äußere  Güter  erhabenen  Kyniker 
zu  diesem  eitlen,  geldgierigen  Treiben  der  Menschen  bilden.  Daß  in 
diesen  Schlußteil  ein  kynisches  Vorbild  hineinwirkt,  ist  durch  die  Ge- 
danken schon  bedingt^),  scheint  aber  auch  noch  einen  Beweis  zu 
finden  in  dem  Vergleich  mit  dem  Geldbeutel,  der  in  etwas  anderer 
Verwendung  schon  von  Bion  gebraucht  war.^)  So  ist  das  Motiv  der 
Erbschleicherei  von  allen  Seiten  beleuchtet,  und  aUe  Eventualitäten 
sind  ausgenutzt,  indem  dafür  die  Anregung  aus  Piatons  Staat  (X  614  E) 
verwendet  ist,  wo  von  der  Begrüßung  der  Bekannten  und  der  gegen- 
seitigen Berichterstattung  im  Reiche  der  Toten  die  Rede  ist.^)  In 
ihrer  Farblosigkeit  erinnern  diese  Dialoge  mit  Ausnahme  des  letzten 
völlig  an  die  sophistischen  ^Hetärengespräche'.  Ein  kynisches  Vorbild 
hatte  Lucian  dafür  nicht.  Die  Unsitte,  sich  auf  unehrenhafte  Weise 
um  das  Erbe  der  Reichen  zu  bemühen,  kam  in  der  Kaiserzeit  in  Blüte-, 
wir  sehen  das  aus  Horaz,  aus  dem  letzten  erhaltenen  Teil  des  Petro- 
nischen  Romans,  aus  Martial.^)  Hier  bringt  Lucian  also  einmal 
aktuelle  Satire  mit  Benutzung  derjenigen  Formen  und  Situationen,  die 
er  aus  Menipps  'Nekyia'  abgeleitet  hatte;  aber  wieder  beachten  wir, 
wie  er  diese  Quelle,  die  sich  ihm  eröffnet,  selbst  zum  Überdruß  des 
Lesers  vollständig  ausschöpft,  bis  sie  versiegt. 

Bei    diesem    durchaus    römischen    Stoff  kann    es    nicht    wunder- 
nehmen, daß  sich  einige  nahe  Berührungen  mit  Horaz  finden,  die  man 


1)  Wenn  Diogenes  von  Antisthenes  und  Krates  von  Diogenes  unter  anderem 
die  Freiheit  geerbt  hat,  so  erinnert  das  an  die  wahre  Freiheit,  die  in  der  Jto- 
ysvovg  TtQäoig  Menipps  hervorgehoben  war;  s.  darüber  Kap.  X. 

2)  Stob.  flor.  91,  32  III  176  Mein.  (vgl.  Sen.  epist.  87,  18.  Plut.  de  cup  div. 
526  D):  Biav  ^Xsysv  mansQ  tu  (pccvXcc  tätv  ßaXXavticov,  ■nav  ^ridsvbg  rjv  a^icc, 
roöovTOV  iatlv  ä^ia  ooov  iv  savrotg  xb  vouiGiicc  %f^,  ovtco  yi.ccl  räv  nXovolav  rovg 
ovÖEvog  cc^Lovg  ^ccQTtovod'aL  tag  Schlag  ä)v  x^TtrrjvTat.  In  unserem  Dialog  (4)  werden 
die  Menschen,  welche  die  kynische  Weisheit  nicht  annehmen,  erklärt  als  dLSQQvr}- 
KOtsg  VTtb  tQvcpfjg^  Jta&dnsQ  tu  Gud'gu  töbv  ßccXXuvticov  möts  sl'  Ttots  xat  i^ßdXoL  tig 
ig  uvtovg  t)  ootpiuv  t)  jcuggrialuv  5)  ccXi^d'Siuv,  i^iTtintsv  sv&vg  %al  diiggst. 

3)  Kai  u67td^S6^ccL  ts  aXX'^Xovg  oauL  yvcoQi\Lui  xal  nvvQ'dvEGd'cci  tdg  ts  ix 
tfjg  Yfjg  TjxovGag  Ttugu  tav  htigcov  tu  i-asl,  obwohl  da  nicht  von  irdischen  Vor- 
gängen die  Rede  ist.     Vgl.  oben  S.  33. 

4)  Für  die  allbekannte  Tatsache  genügt  es  zu  verweisen  auf  Friedländer, 
Sittengeschichte  Roms  P  S.  413  ff. 


Lucian  und  Horaz.  205 

hier  nicht  durch  gemeinsames  menippisches  Vorbild  erklären  kann. 
Der  Vergleich  des  verfolgten  Reichen  mit  dem  Fisch,  der  an  dem 
Köder  anbeißt,  liegt  Hör.  sat.  II  5,  24  wie  Totengespr.  VI  4  und  VIII 
vor^):  Lucian  hat  das  Bild  übrigens  auch  'Timon'  22^  wo  er  bestimmt 
den  Thunfisch  nennt,  wie  Horaz  sat.  II  5,  44;  und  ^Timon'  und  'Toten- 
gespräche' liegen  ja  zeitlich  nur  wenige  Jahre  auseinander.^)  Auch 
das  'corvum  deludet  hiantem'  (V.  56)  ist  im  'Timon'  durch  tovg  ^ccti]v 
xsxv^orag  wiedergegeben,  wie  im  5.  'Totengespräch'  durch  das  tcqo- 
aJtLTcoöav  avrov  uatyjv  kmxavovrsg.  Im  8.  Gespräch  findet  sich 
die  Veröffentlichung  des  Testaments  zum  Zweck,  den  andern  zu  fangen, 
bei  Horaz  sat.  II  5,  51  warnt  Tiresias  direkt  sich  bloßzustellen  durch 
das  Lesen  des  Testaments,  wenn  es  einem  hingereicht  wird.  Das 
9.  Gespräch  erinnert  sehr  deutlich  an  das  Testament  des  Coranus, 
aus  dem  sein  Schwiegervater  ersieht  (V.  69):  'nil  sibi  legatum  praeter 
plorare  suisque',  wie  Polystratos  rühmt  (IX  3):  aklag  dh  rag  aXr^d^eig 
diad-tlxag  i^xav  sxalvug  xatikvxov  oI^cj^slv  oi%a6i  (pQccöag.  Ich  halte 
es  für  ebenso  gut  möglich,  daß  Lucian  eine  gewisse  Kenntnis  von 
Horaz ^)  besessen  hat,  wie  er  mit  dem  Inhalt  des  Juvenal  vertraut 
gewesen  zu  sein  scheint.*) 

Haben  wir  in  diesen  auf  die  Erbschleicherei  bezüglichen  Satiren 
etwas  Neues,  so  ist  uns  auch  das  Motiv  des  Wettstreites  in  der 
Unterwelt  bisher  noch  nicht  begegnet,  das  in  Gespräch  XII  den  Stoff 
bildet.  Das  Vorbild  liefern  Aristophanes'  'Frösche';  die  Ähnlichkeit 
zeigt  sich  bis  in  Einzelheiten  der  Inszenierung;  so  kommt  auch  hier 
nach  Beginn  der  Disputation  zwischen  zweien  ein  dritter  hinzu,  der 
sich  dem  einen  unterordnet,  den  andern  aber  für  geringer  erklärt. 
Alexander  und  Hannibal  erörtern  vor  Minos  wie  dort  Äschylus  und 
Euripides  vor  Dionysos,  wem  der  Vorrang  gebühre;  dem  Sophokles 
dort  entspricht  dann  Scipio^),  der  sich  völlig  hinter  Alexander  stellt, 


1)  Horaz:   hi  uafer  udub  et  alur   insidiatorem   praeroso  fu^erit  hämo,  dial. 
m.  VI  4:    6   dh  toaovrdv    iu)t    diXtccQ   naraniüiv    itpeiott'jxti    d'anrofi^voit^  VIII  (x^i 

(ZantQ   Ttff   Xdßga^   %al   tö   &YxtaTQov   tc5   itltari.   avYxccTaaTidaoci ;   es  ist  zu 
i«;d,  (laß  boi  Hura/  wie  bei  Lucian  nicht  dor  Erbschleicher  der  schnappende 
Fisch  ist,  was  dorh  w(;lil  der  nUher  liegende  Vergleich  wäre. 

2)  8iehc  üben  S.  188  tf..    Vgl.  den  Anhang  über  die  'Schrift  vom  Parasiten'. 
8)  Vgl.  Heinrich,  Lukian  und  Horaz,  Graz  1886,  8.  17/^.    A.  T.  H.  FriUtche, 

Des  Q.  Horatius  Flaocus  Hennonen  S.  88.  Th.  Frituche,  Menipp  und  Horai, 
Güstrow  1H71,  S.  29.  Wieland  zu  Timon  88,  Üborsetsung  I  2S.  75  Waimaimt* 
dorf  a.  a.  O.  (s.  S   Uj  S.  40. 

4)  Siehe  8.  00  und  218  ff. 

6)  Dafi  Scipio  hier  kein  fremdes  Einschiebsel  ist,  wie  nach  Croiaatt  (Ettai 


206  Kapitel  VIII.    Totengespräche. 

aber  vor  dem  Punier  den  Preis  beansprucht.  Gleich  ist  die  Abneigung 
des  Gewaltigeren,  hier  des  Alexander,  dort  des  Äschylus,  sich  gegen- 
über den  anmaßenden  Forderungen  des  Nebenbuhlers  7A1  verteidigen^); 
gleich,  daß  der  Unterliegende  zuerst  das  Wort  ergreift,  was  nach 
einer  feinen  Beobachtung  Henses^)  der  gewöhnlichen  Form  einer 
solchen  Synkrisis  entspricht.  Daß  dieser  Wettkampf  sich  bei  Menipp 
nicht  vorfand,  ist  klar;  er  ist,  gerade  wie  die  auf  die  Saturnalien  be- 
züglichen Schriften,  eine  Konzession  an  die  Römer,  wie  sie  Lucian 
gemacht  hat,  nachdem  er  mit  römischem  Wesen  in  nähere  Berührung 
gekommen  war.^)  Immerhin  könnte  man  vermuten,  daß  sich  bei 
Menipp  wenigstens  die  Andeutung  eines  derartigen  Wettkampfes  fand*); 
die  Szene  paßte  jedenfalls  in  die  'Nekyia'^)  und  war  durch  Aristo- 
phanes  nahe  gelegt.  Andererseits  liegt  hier  deutlich  die  Einwirkung 
der  Sophistik  vor.  Nach  Liv.  XXXV  14.  Appian  Syr.  10.  Plutarch  Tit. 
Flamin.  21  kam  Scipio  als  Gesandter  in  Ephesus  mit  Hannibal  zu- 
sammen und  fragte  ihn,  wen  er  für  den  größten  Feldherrn  halte;  der 
nannte  Alexander  und  begründete  das  ähnlich,  wie  in  unserem  Dialog 
der  Makedonenkönig  sich  selbst  preist.  Als  zweiten  bezeichnete  er 
Pyrrhus^),  als  dritten  sich.  Scipio  fragte  lachend:  'Wie  erst,  wenn 
du  mich  besiegt  hättest!',  worauf  Hannibal  erwiderte:  ^Dann  würde 
ich  für  mich  die  erste  Stelle  in  Anspruch  nehmen.'  Bei  Plutarch 
Pyrrh.  8   wird  berichtet,   Hannibal  habe  den  Pyrrhus  als  den  ersten, 


sur  la  vie  et  les  ceuvres  de  Lucien,  Paris  1892,  S.  60  Anm.)  Verdächtigung  des 
Dialogs  Thimme,  Quaest.  Lucian.  capita  IV,  Diss.  Göttingen  1884,  S.  34  —  38 
wollte,  ist  danach  klar  (vgl.  Nissen,  Rhein.  Mus.  XLIII  [1888]  S.  245.  Hirzel, 
Der  Dialog  II  319  Anm.  1). 

1)  Ar.  ran.  1006  ff.:  d^viiov^iaL  ^ihv  rfj  6vvtv%'La  ....  si  TtQog  tovtov  dsi 
li'  ccvtiHyBiv.  tva  [lt]  cpdc^r]  d'  ccTtOQslv  fis  .  .  . .,  Lucian  dial.  mort.  XII  4:  tXQfiv 
[ihv  ....  \irid'  ccTtoyiQLvaad'ca    TiQÖg    avögu   ovt(o   d'gccövv Oficog   ds  oga 

2)  Hense,  Die  Synkrisis  in  der  antiken  Literatur,  Freiburg  i.  Br.  1893,  S.  16. 

3)  Vgl.  Croiset  a.  a.  0.  S.  32. 

4)  Julian,  Symposion  31 7  ff.  mit  dem  Wettkampf  zwischen  Alexander, 
Caesar,  Oktavian,  Trajan,  Mark  Aurel  und  Konstantin  wage  ich  nicht  als  Beweis 
für  eine  solche  Szene  bei  Menipp  heranzuziehen,  weil,  wie  oben  (Kap.  11  S.  73  ff.) 
gezeigt,  die  Benutzung  Lucians  bei  ihm  denkbar  wäre.  Über  die  Übereinstim- 
mung betreffs  der  Person  Alexanders  haben  wir  dort  (s.  S.  74  Anm.  1)  gesprochen. 

5)  Nach  Maximus  Tyrius  20,  8  haben  die  Schmeichler  Alexanders  Philipp 
und  Herakles  in  Vergessenheit  gebracht;  die  beiden  würden  sich  etwa  als  Partner 
für  Alexander  in  diesem  Wettstreit  geeignet  haben;  wir  kommen  darauf  bei 
Dialog  XrV  (S.  208)  zurück. 

6)  So  auch  Lucian  pro  lapsu  inter  salut.  11:  Uvqqov  .  .  .  .  ävSgbg  iierä 
'AX^^ccvägov  tä  dBvtSQcc  iv  GxqatTqylaig  ivsyxaiiivov. 


Synkrisis.     Alexanderdialoge.  207 

Scipio  als  den  zweiten  und  sich  als  den  dritten  Feldherrn  der 
Welt  bezeichnet.  Die  Form  dieser  Anekdote  lehnt  sich  zum  Teil  sehr 
an  die  Aufzählung  der  glücklichen  Sterblichen  durch  Solon  und  sein 
Gespräch  mit  Krösus  an  (Herodot  I  30  fi'.).  Die  Vergleichung  großer 
Männer,  wie  wir  sie  in  diesem  Dialog  Lucians  haben,  entspricht  den 
Neigungen  der  Rhetorik,  denen  auch  Plutarch  Rechnung  trägt  bei 
der  Anordnung  seiner  Lebensbeschreibungen;  Lucian  hat  also  ein 
Motiv  der  rhetorischen  Übungen,  wie  es  jene  Anekdote  darbot,  ver- 
wertet und  in  die  Unterwelt  verlegt,  vielleicht  angeregt  durch  eine 
Bemerkung  Menipps.^) 

Um  Alexander  dreht  sich  auch  Gespräch  XIII.  Diogenes  trifft 
mit  dem  König  zusammen,  der  ja  am  gleichen  Tage  gestorben  ist,  und 
wundert  sich,  daß  der  Gott  ebenfalls  aus  dem  Leben  geschieden  ist. 
Alexander  muß  seine  Menschlichkeit  zugeben.  Auf  die  Frage  nach 
seiner  Grabstätte  berichtet  er,  daß  er  noch  in  Babylon  ruhe,  Ptole- 
mäus  ihn  aber  später  nach  Ägypten  bringen  und  zum  Gott  erheben 
wolle.  Diogenes  verspottet  ihn  deshalb,  und  als  er  ihn  bei  der  Er- 
wähnung der  verlorenen  irdischen  Güter  weinen  sieht,  fragt  er  ihn, 
ob  ihn  denn  Aristoteles  nicht  unterwiesen  habe,  alle  Erdengüter  für 
nichtig  zu  halten;  aber  der  König  erwidert  mit  Schmähungen  auf  den 
Philosophen,  der  selbst  seinen  Vorteil  gesucht  und  auch  ihn  gelehrt 
habe  äußeres  Glück  als  Gut  zu  betrachten.  Da  rät  ihm  der  Kyniker 
recht  viel  Lethewasser  zu  trinken.  Neu  ist  hier  die  Schärfe  der 
gegen  Aristoteles  gerichteten  Satire;  in  der  Xebensartenversteigerung' 
verhält  sie  sich  noch  sehr  milde  und  hat  für  die  Auffassung  der 
äußeren  Güter  in  wenig  kynischer  Weise  noch  etwas  wie  Zustimmung 
übrig,  was  allerdings  mit  auf  die  Inszenierung  des  Ganzen  kommen 
mag;  hier  wird  Aristoteles  als  der  geriebenste  aller  Schmeichler  be- 
zeichnet (5).  Daß  diese  Anschauung  sich  auch  sonst  findet,  zeigt 
Tatian  in  seiner  Herabsetzung  der  griechischen  Philosophie.*)  Aus- 
geschlossen ist  es  nicht,  daß  schon  in  Menipps  'Nekyia'  die  Anregung 
zu  unserem  Dialog  gegeben  war;  wie  jetzt  in  Lucians  'Nekyomantie'  (17) 
I*hilipp  unter  den  Großen  der  Geschichte  mitverspottet  wird,  liegt  es 
nahe,  auch  die  Erwähnung  seines  Sohnes  dort  vorauszusetzen,  sobald 
.......   ,.jn,.   tiinfangreiche  Totenschau  in  der  Art  der   homerischen  an- 

1,  Ih'u  Wettstreit  /wiichen  Hannibtil  und  Alexander  hat  J^ucian  ipäter 
wieder  angebracht  'Wahr«*  ^'0H<'liirht«'n'  II  *.».  <l(»rt  olmo  »lei»  Srii»io.  und  cV>rn«o 
entuchieden. 

2;  Tat    ••  '  '  -■' ..,*- 

inoXdntvfv. 


208  Kapitel  Vm,    Totengespräche. 

nimmt,  und  dabei  konnte  sich  auch  der  Angriff  auf  Aristoteles  schon 
finden. 

Die  Sage  von  der  göttlichen  Abstammung  Alexanders  ließ  sich 
auch  noch  von  einer  anderen  Seite  verspotten,  wenn  man  den  dadurch 
gekränkten  Philipp  zum  Teilnehmer  des  Gespräches  machte.  Diese 
Verwertung  desselben  Stoffes  hat  sich  Lucian  auch  hier  nicht  ent- 
gehen lassen,  sondern  in  Dialog  XIV  vorgebracht.  Philipp  macht 
seinem  Sohn  spottend  jenes  Gerücht  zum  Vorwurf,  während  Alexander 
sich  damit  entschuldigt,  die  Staatsraison  habe  ihn  veranlaßt,  das 
Orakel,  das  ihn  zum  Gotte  machte,  anzunehmen.  Das  folgende  ent- 
stammt einem  Wettstreit,  wie  wir  ihn  in  XII  zwischen  anderen  Per- 
sonen fanden;  Philipp  hebt  seine  eigenen  Taten  hervor  und  setzt 
Alexander  herab;  selbst  in  den  Beweisen  persönlicher  Tapferkeit,  die 
jener  gegeben  hat,  sieht  er  nur  Torheit,  und  den  Vergleich  mit  Herakles 
und  Dionysos  verweist  er  ihm,  indem  er  wie  ein  Kyniker  ihm  rät, 
den  Hochmut  abzulegen,  und  ihm  das  yvad-L  öavröv  zuruft.  Daß 
dieser  Schluß  der  Person  Philipps  nicht  ganz  zukommt,  empfindet 
man  sofort;  doch  wohl  könnte  Menipp  so  in  den  Streit  eingegriffen 
haben.  Auch  hier  ist  die  Wiederholung  aus  XII  und  XIII  charakte- 
ristisch für  die  Ausbeutung  eines  Motivs  von  verschiedenen  Seiten; 
aber  vielleicht  bietet  sie  auch  eine  Stütze  für  die  Annahme,  daß  bei 
Menipp  gerade  diese  beiden  Personen  in  einem  Wettstreit  begriffen 
waren,  als  der  Hadesfahrer  dazukam.  Auf  Menipp  führt  Prächter^) 
die  Erwähnung  des  von  Herakles  nicht  genommenen,  aber  von 
Alexander  eroberten  Aornosfelsens  zurück,  deren  Erwähnung  Philipp 
als  tvq)og  seitens  seines  Sohnes  zurückweist.  Andererseits  muß  man 
auch  hier  bemerken,  daß  für  die  Zusammenstellung  von  Philipp  und 
Alexander  sophistische  Vorbilder  vorhanden  waren.  Dio  Chryso- 
stomus  (11)  läßt  die  beiden  sich  über  das  Thema  ^Homer  als  Erzieher 
der  Könige'  unterhalten;  allerdings  fehlt  da  gerade  das  Wesentliche 
des  Wettstreits.  Beachtenswert  ist  das  von  Lucian  auch  im  'Zeuxis' 
(10)  benutzte  Xenophonzitat  ^),  das  durch  die  Vorliebe  dieser  Zeit  für 
Xenophon  begründet  ist,  auch  als  ein  Zeichen  der  Achtung  für 
Arrian  aufgefaßt  werden  kann,  der  sich  ja  in  allem  den  vornehmen 
Athener  zum  Vorbild  genommen  hatte;  Arrian  schätzte  unser  Schrift- 


1)  Archiv  f.  Geschichte  der  Philosophie  XI  (1898)  512;  auch  dabei  kommen 
Herakles,  Alexander  und  Philipp  in  Berührung,  was  vielleicht  als  Bestätigung 
der  oben  (S.  206  Anm.  5)  ausgesprochenen  Vermutung  dienen  kann. 

2)  Dial.  mort.  XIY  2  nach  Xen.  An.  I  8,  19 :  TtQiv  Sh  to^sv^cc  i^L-nvEtad-ai  ix- 
%Xivov6iv  ol  ßccQßaQOi. 


Anschluß  an  Homers  Nekyia.  209 

steller,  wohl  nicht  ohne  Grund,  und  von  ihm  hatte  er  auch  die  Ehr- 
furcht vor  Epiktet  gelernt^);  so  könnte  er  immerhin  auch  zu  der 
Anführung  des  Aornosfelseus,  die  im  'Hermotimos'  (4)  und  'Rhetoren- 
lehrer'  (7)  wiederkehrt,  den  Aulaß  geboten  haben.-) 

Eine  Anzahl  von  Dialogen  geht  auf  die  homerische  Nekyia 
zurück^),  ob  durch  das  Mittelglied  der  Menippischen,  muß  zweifelhaft 
bleiben;  denn  eine  einfache  Erwähnung,  eine  kurze  Verspottung  etwa 
reichte,  wie  wir  sahen,  ja  aus,  einen  Dialog  anzuregen.  Schon  im 
Gespräch  XVIII  beobachteten  wir  die  Aufzählung  der  Heroinen  nach 
Homer  neben  dem  Anschluß  an  die  Menippische,  bezw.  Lucianische 
'Nekyomantie',  in  Gespräch  XVH  die  Vorführung  des  Tantalus  von 
den  Büßern  der  homerischen  Unterwelt.  An  Homer  lehnt  sich  nun 
völlig  Dialog  XV  an.  Den  Inhalt  bildet  das  bekannte  Wort  Achills 
(Od.  XI  489  ff.):  'Lieber  möchte  ich  auf  Erden  Tagelöhner  sein  bei  einem 
armen  Maim  als  unter  den  Toten  herrschen.'  Partner  Achills  in  der 
Unterredung  ist  Antilochus,  der  den  Helden  durch  den  Hinweis  auf 
das  gleiche  Schicksal  aller  zu  trösten  sucht.  Das  Gespräch  ist  nach 
Odysseus'  Hadesbesuch  und  mit  Beziehung  auf  ihn  angesetzt '^V,  und  das 
ist  jedenfalls  Lucians  eigenste  Inszenierung.^)  Daß  sich  der  Dialog  un- 
mittelbar an  den  Alexanderdialog  anreiht,  legt  den  Gedanken  nahe, 
Lucian  sei  mit  dadurch  angeregt,  da  ja  Alexanders  Vorbild  Achill  war  und 
auch  bei  Dio  Chrysostomus  4,  50  (I  158  R  I  64,  21  v.  A.)  Alexander  und 
Achill  zusammengestellt  und  dieselben  Homerverse  dabei  zitiert  werden. 

Unmittelbar  auf  Achill  folgt  bei  Homer  Aias,  der  grollend  fern 
bleibt  und  des  Odysseus  Anrede  nicht  erwidert.  Lucian  stellt  ihn  im 
XXIX.  Gespräch  mit  Agamemnon  zusammen,  der  ja  gleichfalls  in  der 
homerischen  Nekyia  385  ff.  auftritt;  und  den  Stoff  der  Unterhaltung 
bietet  eben  der  Groll  gegen  Odysseus.  Das  Gespräch  ist  harmlos  und 
nur  durch  Homer  veranlaßt. 

In  der  Odyssee  bildet  den  Beschluß  bei  der  Aufzählung  der 
Helden  in  der  Unterwelt  Herakles,  dessen  Schattenbild  im  Hades  weilt, 
während  er  selbst  im  Olymp  bei  den  seligen  Göttern  der  Unsterb- 
lichkeit   genießt.      Diese    Sage    reizt    zum    Spott    wie    der   orakelnde 

1)  Arrian  wird  anerkennend  erwähnt  Alexand.  2;  über  die  £piktet?erehrung 
Tgl.  Neue  Jahrb.  f.  d.  klana.  Altert.  IX  (1908)  S.  S78. 

2)  AnabaitiB  IV  28  f. 

8)  Vgl.  Wasmanntidorf  a.  a.  0.  S.  17. 

4)  Vgl.  8:  iiitu  fitxQbv  dh  xal  X^dvaaivs  iq^i^ttai  ndvrug. 

6)  Hei  LuciliuN  Buch  XIV  (V.  4G8  Marx)  findet  «ich  da«  Wort  Humert  auch 
benuixt,  aber  in  anderem  Zuiauinicnhang,  so  daß  man  darauf  auf  das  Vor- 
kominnn  hui  Menipp  nicht  tchlieOeii  kann. 

ii  -  I  ". ,  LttoUn  and  Mcalpp.  1  ' 


210  Kapitel  VIII.     Totengespräche. 

Trophonios  (UI);  so  finden  wir  im  Gespräch  XVI  den  Diogenes,  der 
den  Helden  mit  seinem  Doppelleib  verhöhnt  und  ihm  schließlich  drei- 
fache Existenz  vindiziert,  da  der  Gott  sich  im  Himmel,  das  Idol  in  der 
Unterwelt  aufhält  und  der  Körper  zu  Staub  zerfallen  ist.  Die  homerische 
Darstellung  hatte  schon  bei  -den  Homere rklärem  Anstoß  erregt;  der 
Niederschlag  davon- ist  bei  Eustathius  S.  1702,45  zu  erkennen^),  und 
eine  mystische  Erklärung,  wie  sie  schon  bei  Plutarch  (de  fac.  in  orbe 
lun.  30  S.  944  F)  vorliegt,  versucht  Proklus  zu  Piatons  Republik  III 
(S.  120,  22  ff.  Kroll).  Bemerkenswert  ist,  daß  auch  bei  Proklus  das 
Wort  Achills  vom  Leben  der  Tagelöhner  und  das  Idol  des  Herakles 
aufeinanderfolgt,  wie  hier  Gespräch  XV  und  XVI,  wie  sich  das  bei 
der  nicht  allzu  großen  räumlichen  Entfernung  in  der  homerischen 
Nekyia  leicht  ergab;  und  als  dritter  Stoff  fügt  sich  bei  Lucian,  aus 
derselben  Homerstelle  geschöpft,  das  Tantalosgespräch  an,  das  nicht 
in  der  durch  Homer  gegebenen  Reihenfolge  geboten  wird,  sondern 
hinter  den  Heraklesdialog  gesetzt  ist  imd  vielleicht  eine  Anregung 
durch  Menipp  erhalten  hat.  Ich  hebe  diesen  Sachverhalt  hervor,  weil 
der  enge  Zusammenhang  der  auch  bei  Homer  zusammenhängenden 
Gespräche  eine  Vermutung  höchst  zweifelhaft  machen  muß,  die  im 
Dialog  XVI  eine  Verwertung  von  Diogenes'  Tragödie  Herakles  hat 
sehen  wollen.^)  Ist  es  schon  an  und  für  sich  schwierig,  sich  mit 
dem  Inhalt  unseres  Gesprächs  eine  Tragödie  vorzustellen,  welcher  Art 
sie  auch  sein  mag,  so  ist  der  Grund  für  diese  Annahme  noch  dazu 
äußerst  windig  und  beruht  nur  auf  willkürlicher  Auslegung  der  einen 
TertuUianstelle  apol.  14:  sed  et  Diogenes  nescio  quid  in  Herculem 
ludit  et  Romanus  cynicus  Varro  trecentos  loves  sive  luppiteres  dicen- 
dos  introduxit,  woraus  Weber  gefolgert  hat,  es  müsse  auch  in  bezug 
auf  Herakles  die  Mehrheit  der  Personen  den  Anlaß  zum  Spott  ge- 
geben haben,   wie   bei   dem   varronischen  Juppiter.^)     Aber   der  Aus- 

1)  ÜQog  Sh  rä  ccXXa  öocc  cpaolv  ixslvoL  (nämlich  ol  6iiriQ0(icc6ti,'ysg)  ort  SrikccSr] 
ovx  ccv  itiQ'avmg  Xiyoi  tr]v  '''Hßr]v  ^Hgcc-aXsovg  yvvcct-Ka  7)1/  6  fivd'os  ^8otg  (priüi 
nccgd'ivov   ovcav   otvoxosiv   Ttccl  nmg   olov   ts  tbv  ccvrbv  iv  '^'Aidov  ts  slvai  -Kai   iv 

ovQccva xoTi  xoiavxd  tiva  iyxsi'QOVGLv  bxsqol  Ivri-Kcbg  mg  avxoi  i&iXovöi.     Auch 

die  Scholien  zur  Od.  XI  602  stimmen  zu  Lucian:  ort  tlg  xqla  SicclqeI,  slg  sl'&aXov, 
6&[ia^  ipvx'^v,  rovxo  dh  ovx  olSsv  6  TCOirixijg. 

2)  Weber,  Leipz.  Stud.  X  S.  149  ff.,  Dümmler,  Akademika  205  ff.,  der  darin 
eine  Verspottung  des  Xenokrates  sieht;  richtig  widerlegt  ist  die  Vermutung  von 
Heinze,  Xenokrates,  Leipzig  1892,  S.  143  Anm.  1. 

3)  Wenn  wirklich  die  Mehrheit  den  Gegenstand  des  Spottes  bildete,  würde 
man  immer  noch  eher  an  die  sechs  oder  sieben  Herkulesse  der  Götterkataloge 
denken  (z.  B.  Cicero  de  nat.  deor.  III  16,  42,  übrigens  in  skeptischer  Polemik). 
Vgl.  Michaelis,  De  orig.  indicis  deor.  cognom.,  Diss.  Berlin  1898,  S.  70  ff. 


Heraklesverspottung.  211 

druck  Tertullians  lehrt  im  Gegenteil,  daß  er  nichts  von  der  Gleichheit 
des  Motivs  bei  beiden  gewußt  hat,  und  so  fällt  jede  nachweisbare  Ver- 
bindung zwischen  Lucians  kleinem  Gespräch  und  Diogenes'  Tragödie  fort. 
Wenn  sie  wirklich  vorhanden  ist,  so  ist  es  immer  noch  wahrschein- 
licher, daß  Menipp  das  Mittelglied  gebildet  hat.  In  diesen  auf  Homer 
zurückgehenden  Dialogen  muß  man  auf  jeden  Fall  die  Möglichkeit 
offen  halten,  daß  Lucian  sich  unmittelbar  an  das  Epos  gewandt  hat 
und  daß  die  Anregung  dazu  von  anderer  Seite  nur  sehr  gering  ge- 
wesen ist;  für  die  Unterredung  zwischen  Agamemnon  und  Aias  darf 
man  sie  direkt  leugnen. 

Es  bleiben  drei  Gespräche,  von  denen  man  das  erste  ohne  wei- 
teres auf  ein  kynisches  Vorbild  zurückführen  möchte.  In  Dialog  XXI 
unterhält  sich  Menipp  mit  dem  Kerberos  und  läßt  sich  erzählen,  wie 
Sokrates  zur  Unterwelt  gelangt  ist;  zunächst  war  er  furchtlos,  dann 
aber  im  Dunkel  klagte  und  weinte  er,  bis  er  endlich,  als  er  das  Un- 
vermeidliche einsah,  sich  faßte.  Er  wird  dadurch  in  Gegensatz  ge- 
stellt zu  Menipp  und  Diogenes.  In  der  Vorlage  könnte  für  die  Ver- 
gleichung  Menipp  sehr  wohl  gefehlt  haben;  das  Ganze  gewinnt  nur 
durch  die  scharfe  Konfrontierung  des  Sokrates  mit  dem  eigentlichen 
Stifter  der  kynischen  Schule^)  und  zeigt  eben  dadurch,  daß  es  kaum 
Lucians  eigener  Phantasie  entsprungen  ist,  der  bei  aller  Anerkennung 
für  die  Kyniker  doch  keinen  Grund  hatte,  gerade  Sokrates  so  der 
Schwäche  zu  zeihen.  Man  kann  das  Gespräch  unschwer  in  die  'Nekyia' 
Menipps  einreihen.  Für  Lucian  bedurfte  es  jedenfalls  zur  Abfassung 
dieses  Dialogs  mit  der  eigentümlichen  Gegenüberstellung  von  Sokrates 
und  Diogenes  einer  stärkeren  Anregimg  als  sie  der  voraufgehende 
mit  der  Unterhaltung  zwischen  Menipp  und  Sokrates  ihm  bot,  der 
zweifellos  nicht  zufällig  an  dieser  Stelle  steht. 

Auffällig   ist   Gespräch    XXVI.      Chiron   ist  auch  gestorben,   ob- 


1)  Die  Nebenc'inanderBtellung,  aber  ohüe  Verkleinerung  des  einen,  und 
zwar  gerade  in  bezug  auf  ihren  Tod,  haben  wir  auch  bei  Epiktet  IT  16,  36:  woö 
yttp  iioi  fiirtari  tovtov  toü  nQciyiutrog,  ov  HoixgccrBt  ^ttfjv  x(o  oDroi^^  ^nod^at'övri^ 
ovTfag  J^rjaavxi;  ov  JLoyivsi  fist^v;  Sokrates  und  Diogenes  sind  für  Kpiktet  die- 
jenigen, auf  deren  Gruß  und  Wort  man  besonderes  (Gewicht  legen  könnte 
flV  7,  89),  die  man  besonders  bewundern  muß  (IV  9,  6j.  Auch  bei  Dio  Chryso- 
stomus  finden  sich  beide  zusammen  genannt  72,  11.  13  (II  38ti  li  II  187,  12  v.  .\. 
;J87  R.  188,  7  V.  A.).  64,  17  (II  88ß  II.  II  1Ö2,  21.  22  v.  A.).  Maximus  Tyrius  8«,  6 
{tl  nQOTiyovfuPog  6  toO  Kvvinob  fiios^  alao  in  einer  ganz  auf  kynischcr  Unindlage 
ruhenden  Diatribe)  vergleicht  ebenfalls  Diogenes  und  Sokrates;  jener  ist  iXw- 
i^i^tgog  ovToO  roO  2k»nif(itovs.  Mark  Aurel  VIII  8  stellt  beide  mit  Heraklit 
stttammen. 


212  Kapitel  VIÜ.     Totengeapräche. 

wohl  er  unsterblich  war.  Das  fügt  sich  der  bei  Apollodor  11  85  (5, 4, 5). 
119  (5, 11, 10)  erzählten  Sage,  nach  der  er,  durch  den  Pfeil  verletzt,  seine 
Unsterblichkeit  dem  Prometheus  überließ  und  aus  dem  Leben  schied. 
Aber  seltsam  ist  es,  wie  farblos  bei  Lucian  dies  Gespräch  gehalten 
ist,  das  auf  diese  Begründung  gar  nicht  Bezug  nimmt.  Chiron 
ist  zur  Unterwelt  gekommen,  weil  ihm  die  Annehmlichkeit  in  der 
Abwechslung  zu  liegen  scheint  und  er  des  Lebens  überdrüssig  war; 
mit  Recht  läßt  ihm  dabei  Menipp  die  kynische  Lehre,  die  wir  aus 
der  'Nekyomantie '  (21)  kennen,  zuteil  werden,  die  große  Lehre:  ein 
Verständiger  ist  stets  zufrieden  mit  seiner  Lage  und  hält  nichts  für 
unerträglich.^)  Wodurch  Chiron  hier  zum  Vertreter  der  ewig  Un- 
zufriedenen und  nach  Veränderung  Jagenden  geworden  ist,  weiß  ich 
nicht.  Daß  die  Komödie  sich  seiner  Person  bemächtigt  hatte,  ist 
wahrscheinlich  nach  dem  Phlyakenbilde,  das  Heydemann  "^die  Bade- 
reise des  erkrankten  alten  Chiron'  betitelt  hat^);  aber  auch  von  dort 
sind  keine  Fäden  deutlich,  die  sich  zu  Lucian  hinüberzögen. 

Als  Lucian  diese  Menge  von  kleinen  Genrebildern  und  Satiren 
fertig  hatte,  fühlte  er  das  Bedürfnis  ihnen  das  TtQoöcoTtov  tr]Xavysg  vor- 
zusetzen, das  sofort  den  Geist  des  Ganzen  zeigen  sollte.  So  schuf  er 
das  L  Gespräch,  das  uns  die  beiden  kynischen  Heroen,  Diogenes  und 
Menipp,  vorstellt,  die  ja  in  einem  großen  Teil  der  Dialoge  das  Wort 
führen;  es  ist  zugleich  eine  Art  Einleitung,  weil  an  Menipp^)  hier 
erst  die  Aufforderung  ergeht,  zur  Unterwelt  hinabzukommen,  der  er 
offenbar  in  den  andern  Dialogen  gefolgt  ist.  Diogenes  gibt  sie  dem 
Polydeukes  mit,  der  gerade  seinen  Tag  hat  auf  die  Erde  zurück- 
zukehren, und  fügt  zugleich  Aufträge  an  die  Philosophen,  an  die 
Reichen,  an  die  Schönen,  an  die  Starken  hinzu,  indem  er  auch  da- 
durch den  Inhalt  der  folgenden  Unterredungen  vorbereitet;  die  Men- 
schen sollen  dem  Irdischen  keinen  Wert  beimessen,  denn  der  Tod 
macht  alles  gleich.  Das  ist  das  trostvolle  Evangelium,  das  den  Armen 
geschickt  wird.     Als  Typus   des  Schönen  kehrt  der  MegiUus  wieder, 

1)  Wir  zeigten  oben  S.  37  aus  der  Übereinstimmung  mit  Mark  Aurel  zu 
'Nekyomantie'  21  den  älteren  Ursprung  dieses  Wortes;  daß  er  in  der  ^loyivovg 
TCQ&Oig  Menipps  ähnlicli  vorkam,  werden  wir  später  sehen,  Kap.  X. 

2)  Jahrb.  d.  K.  D.  Archäol.  Instituts  I  (1886)  S.  287  if. 

3)  Menipp  soll  sich  in  Athen  im  Lykeion  oder  in  Korinth  am  KJraneion 
befinden.  Es  ist  seltsam,  daß  das  die  beiden  Stätten  sind,  deren  sich  Diogenes 
rühmt  als  seines  Sommer-  und  Winterwohnsitzes  (Dio  Chrysostomus  YI  Anfg. 
Max.  Tyr.  36,  5);  es  scheint,  wie  schon  von  andern  bemerkt  ist,  daß  Lucian 
einfach  auf  Menipp  übertragen  hat,  was  ihm  von  dessen  Vorgänger  bekannt 
war,  weil  er  von  ihm  selber  nichts  wußte  (s.  oben  S.  59). 


Einleitungsdialog.  213 

den  wir  aus  der  'Niederfahrt'  (22)  kennen.^)  Man  könnte  auch  hier 
mit  Leichtigkeit  den  Anlaß  für  den  Dialog  schon  in  der  *Nekyia' 
Menipps  finden;  der  Auftrag,  der  hier  durch  Polydeukes'  Vermittlung 
an  Menipp  gelangt,  könnte  ebenso  gut  eine  Mahnung  sein,  die  Diogenes 
dem  den  Hades  durchziehenden  Jünger  selber  gibt.  Wir  haben  ja 
den  Philosophen  von  Sinope  auch  in  Lucians  'Nekyomantie',  wie  er 
neben  den  klagenden  Königen  liegt  und  lacht  und  sich  an  ihrem 
Seufzen  ergötzt;  darauf  bezieht  er  sich  im  I.  Dialog,  wenn  er  sagt: 
'Komm  herab,  denn  auf  Erden  ist  das  Lachen  noch  in  Zweifel  ge- 
hüllt, und  immer  schwebt  der  Gedanke  vor:  Wer  weiß  denn  völlig, 
was  nach  dem  Leben  vor  sich  gehtl  Aber  hier  wirst  du  unaufhörlich 
lachen  können,  gerade  wie  ich  jetzt,  zumal  wenn  du  die  Reichen 
und  Satrapen  und  Tyrannen  so  klein  geworden  siehst.'^) 

Menippische  Satiren  sind  diese  'Totengespräche'  nicht,  wie  die 
Betrachtung  gezeigt  hat.  Wohl  aber  fanden  wir,  daß  sie  auf  dem 
Boden  der  Menippnachahmung  erwachsen  sind.  Daß  manche  von 
ihnen  unmittelbar  aus  Menipps  'Nekyia'  selber  verpflanzt  und  groß- 
gezogen sein  können^),  haben  wir  bewiesen,  und  mehr  ist  in  diesem 
Falle  nicht  möglich,  wo  das  Original  fehlt  und  keine  anderen  Parallelen 
zu  Gebote  stehen.  Wer  aber  sieht,  wie  unser  Schriftsteller  hier  aus 
seinen  eigenen  Schriften  oft  die  Fettaugen  ausschöpft  und  zu  einer 
neuen  Brühe  verwässert,  einen  anderswo  in  Kürze  geäußerten  Ge- 
danken hier  erweitert  und  ausbaut,  der  wird  auch  kein  Bedenken 
tragen,  oft  Schnitzel  zu  erkennen,  die  bei  der  Menippnachahmung 
übrig  geblieben  waren,  ihm  aber  eine  eigene  Behandhing  zu  verlohnen 
schienen.  Gewiß  ist  ein  Nachkhmg  der  sophistischen  Tätigkeit,  wie 
sie  sich  in  'Götter'-  und  'Meeresgesprächen',  sowie  in  den  'Hetärendia- 
logen' zeigt,  zu  bemerken,  in  manchen  Dialogen,  wie  in  XXIII  und  XXIX, 
sogar  .sehr  stark;  immerhin  gilt  auch  für  diese  kleinen  Schriften,  daß 
sie  ohne  Menipps  'Nekyia'  so  nicht  geworden  wären.  Klarer  als 
sonstwo  liegt  uns  Lucians  Arbeitsweise  hier  vor  Augen,  wie  er  nist- 


tii   Wer  Buli  <i,  II.    '!•  ;   'Tuteij^eHpräclif'  aus  einer  il»i;i:t  :•       \i 

regung  in  MenippH  ..  Im    iu:i<lit,    wird    HJch   nun  wolil  niclit    mit    ui.  r 

d(fD    Untortcbiecl    zwischen    dem    in    ihnen    auftretenden  Menipp   und    dem    des 
'Ikuromcnipp*  wundern.     Vgl.  oben  S.  19H. 

8;  Harin  urteile  ich  ändert  aU  Hirzel.  Der  Dialog  11  890,  der  an  die  MOg> 
i  nicht  gedacht  hat,  dafi   Unterredungen   dee  lebenden  Menipp  aui  der 

,  la'  in  den  'TotengeHprUchen'  uuf  den  Toten  flbertrtgen  eein  konnten. 


214  Kapitel  VIII.    Totengespräclie. 

los  in  kleinem  Umkreis  seine  Phantasie  schaffen  läßt,  das  Objekt  bei- 
behält, aber  immer  wieder  von  anderer  Seite  belichtet  und  so  jedes  Motiv 
bis  aufs  äußerste  ausnutzt.  Der  Leser,  der  all  diese  Dialoge  hinter- 
einander liest,  gewinnt  leicht  den  Eindruck  der  Wiederholung,  trotz 
der  mannigfachen  Verschiedenheiten.  Man  mag  von  der  Erfindungs- 
ki'aft  Lucians  nicht  hoch  denken;  er  hat  die  Totengespräche  allerdings 
nicht  geschaffen,  wie  man  behauptet  hat^)  —  ihr  Erfinder  ist  ja  in 
gewisser  Weise  schon  der  Vater  der  Poesie,  Homer,  und  bei  Menipp 
waren  ihre  Keime  zweifellos  ebenso  vorhanden  — ,  aber  er  hat  sie  in 
dieser  Art  ausgebaut  und  ihnen  selbständige  Existenz  verliehen. 
Wenn  die  Weltgeschichte  das  Weltgericht  ist,  so  ist  für  die  Literatur 
aller  späteren  Zeiten  Lucians  Verdienst  nicht  gering  anzuschlagen; 
denn  zahllos  ist  die  Reihe  der  Nachahmungen  von  den  Zeiten  der 
Renaissance  bis  Voltaire  und  Wieland,  und  bis  ins  letzte  Jahrhundert 
hinein  hat  das  Motiv  des  Totengesprächs  seine  Schößlinge  getrieben.^) 


1)  Vgl.  Martha,  Les  moralistes  sous  Tempire  Romain,  Paris  1872,  S.  363: 
Lucien  est  Tinventeur  de  cette  forme  litteraire  que  les  modernes  lui  ont  si 
Bouvent  empruntöe, 

2)  Rentsch,  Lucianstudien,  Plauen  i.  V.  1895,  Progr.  S.  19  ff.  —  Betreffs  der 
Chronologie  der  ^ Totengespräche'  ist  nach  den  zahlreichen  Entlehnungen  klar, 
daß  sie  hinter  den  größeren  Dialogen  anzusetzen  sind.  Mit  ein  paar  allgemeinen 
Betrachtungen  wie  bei  Croiset  [S.  205  Anm.  5]  S.  59,  Knauer  (S.  15)  S.  19/20  lassen 
sich  solche  Fragen  nicht  erledigen.  Im  ganzen  trifft  der  Ansatz  von  Nissen  aufs 
Jahr  167  sicherlich  das  Richtige  mit  der  oben  gegebenen  Einschränkung,  daß 
ein  oder  das  andere  Gespräch  ebenso  gut  schon  166  wie  erst  168  verfaßt  sein 
könnte,  und  die  Annahme  von  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLIH  (1888)  S.  188,  die  ""Toten- 
gespräche'  seien  vor  dem  ^Doppeltverklagten'  verfaßt,  ist  durch  nichts  begründet. 


Kapitel  IX. 
Saturnalienschriften. 

Wie  die  'Totengespräche'  mit  den  menippischen  Unterwelts- 
dialogen, so  hängen  die  auf  die  Saturnalien  bezüglichen  Schriften  in 
gewisser  Weise  mit  den  im  Olymp  spielenden  Satiren  zusammen. 
Auch  sie  verraten  den  römischen  Einfluß,  der  in  den  'Totengesprächen' 
hier  und  dort  hervorleuchtete;  auch  sie  wiederholen  Motive  aus 
früheren  Lucianischen  Werken;  auch  sie  zeigen  endlich  dieselbe 
Neigung  des  Schriftstellers,  selbst  auf  Kosten  des  Interesses  den  Stoff 
aufs  gründlichste  zu  erschöpfen  und  keine  Seite  unberücksichtigt  zu 
lassen,  gerade  wie  die  'Totengespräche';  aber  Menipp  stehen  sie  dem 
Motiv  nach  vielleicht  noch  näher  als  viele  von  jenen.  ^)  Diogenes 
Laertius  VI  101  nennt  unter  den  Schriften  Menipps  ijtLöroXal  xexo^- 
tlfsvfievac  dxb  xov  xav  d-sm'  ngoöanov^  deren  Nachwirkung  man 
verkehrt  erweise  in  den  'Göttergesprächen'  hat  finden  wollen.  Weit 
eher  kann  man  in  einem  Teil  der  Saturnalienschriften  den  Ein- 
fluß der  menippischen  Satire  sehen.  Wir  haben  zunächst  ein  Ge- 
spräch zwischen  dem  Priester  und  Kronos.  Der  Priester  fragt, 
um  was  er  bitten  soll;  es  ist  ja  Satumalienfest,  Geschenke  werden 
ausgeteilt,  und  die  Sklaven  genießen  der  Freiheit.  Kronos  erwidert, 
er  müsse  selbst  wissen,  was  für  ihn  wünschenswert  sei;  da  fleht 
er  um  Reichtum  und  Gold.  Der  Gott  bedauert,  daß  seine  Macht 
so  weit  nicht  reicht;  das  sei  Zeus'  Befugnis,  und  an  den  müsse  er 
sich  wenden.  Klagend  bekennt  der  Priester,  daß  Zeus  diese  seine 
Bitte  schon  oft  vernommen,  aber  nie  erhört  habe  und  bei  der  Ver- 
teilung von  Reichttimeni  ü])erhaupt  sehr  urteilslos  zu  Werke  gehe. 
Da  der  Mensch  in  dieser  Hinsicht  nun  al)go wiesen  ist,  so  will  er  doch 
wissen,  welches  der  Machtbereich  des  Kronos  ist  Der  schildert  darauf 
dan  fröhliche  Satunialientreiben,  in  dem  er  regiert  und  seine  Gaben 
spendet.     Das    kann    dem    Pric-^tcr    nichts    nützen,    und    s^    st«»llt    it, 


1)  Croiiet  a.  a.  (>  fS  20r>  Anm.  6]  S.  60. 


216  Kapitel  IX.    Saturnalienschriften. 

wenigstens  zur  eigenen  Belehrung,  eine  Frage,  um  deren  Beantwortung 
er  bittet,  ob  die  Sage  von  dem  Verschlingen  der  Kinder,  der  Rettung 
des  Zeus,  dem  Sturz  des  Kronos  wahr  sei.  Der  Gott  wird  zornig  und 
verzeiht  die  Frage  nur  um  der  Saturnalienfreiheit  willen;  das  Zeugnis 
des  Hesiod  und  Homer  läßt  er  nicht  gelten;  witzig  erklärt  er,  er 
habe  freiwillig  abgedankt,  weil  ihm  die  Herrschaft  in  dieser  entsetz- 
lichen Zeit  bei  so  viel  Freveln  und  Verbrechen  lästig  geworden  sei. 
Der  Priester  glaubt  ihm  noch  nicht  recht  und  führt  seine  Teilnahme 
für  Sklaven  und  Gefesselte  auf  seine  eigene  Fesselung  zurück.  Aber 
das  lehnt  der  Gott  als  Geschwätz  ab.  So  bittet  denn  der  Priester 
nur  noch  um  Auskunft,  ob  das  Würfelspiel  auch  schon  zu  Kronos' 
Regierungszeit  beliebt  war.  Dieser  bejaht  die  Frage,  hebt  aber  her- 
vor, daß  man  nicht  um  Geldgewinn  spielte.  Da  ergeht  sich  der 
Priester  in  dem  Gedanken,  daß  Geldgewinn  für  diese  ganz  goldenen 
Menschen  auch  nicht  nötig  war,  und  malt  sich  aus,  wie  ein  solcher 
Mensch  in  moderner  Zeit  von  gierigen  Händen  zerrissen  werden  würde, 
ein  zweiter  Pentheus,  Orpheus  oder  Aktäon.  Den  Schluß  bildet  die 
Frage,  warum  sich  Kronos  für  die  kurze  Zeit  seiner  Herrschaft  gerade 
die  häßlichsten  Wintertage  ausgesucht  hat;  aber  darauf  verweigert 
der  Gott  die  Antwort,  weil  es  längst  Zeit  sei  zu  zechen. 

Wer  den  kleinen  Dialog  mit  Aufmerksamkeit  liest,  erkennt  so- 
fort, daß  er  in  der  Ökonomie  völlig  mit  der  'Widerlegung  des  Zeus' 
übereinstimmt.^)  An  die  Stelle  des  Zeus  ist  Kronos,  an  die  des 
Kyniskos  der  Priester  getreten.  Der  Kyniker  lehnt  es  dort  ab,  die 
herkömmliche  Bitte  um  irdisch  Gut  vorzubringen^,  der  Priester  tut 
es,  nachdem  ihn  der  Gott  geheißen  selbst  zu  entscheiden,  was  ihm 
wünschenswert  scheine.^)  Beide  haben  sie  die  Erkenntnis,  daß  Zeus 
die  Gebete  um  Vermehrung  des  Reichtums  meist  überhört.*)  Wie  der 
Kyniker  nur  eines  erlangen  möchte,  die  Antwort  auf  die  Frage  nach 
der  Gewalt  des  Schicksals  und  der  Moiren,  so  bittet  der  Priester  um 
Auskunft  über  den  Machtbereich  des  Kronos.  Die  Auskunft  befriedigt 
in  beiden  Fällen  nicht,  und  in  der  Frage  nach  der  Berechtigung  jener 

1)  Knauer  a.  a.  0.  [S.  15]  S.  52. 

2)  lupp.  conf.  1:  ov-A  ivox^r]6co  6£  TtXovtov  rj  xQveiov  t]  ßaCiXalav  uiröbv, 
ansq  BVY.tai6taru  xolg  noXXolg. 

3)  Saturn.  1:  rovxo  fihv  ocvxov  ös  TiaXcag  l'%fi  iöxicpQ^ca  6,rL  gol  svyitcciov. 
—  ....  iQ(b  yäg  tä  -noivä  tccvtI  kccl  7rpd;^£^pc:«;,  TtXovtov  "accI  iqvgov  tcoXvv  kccl 
ccyQöav  S£67f6t7}v  slvcct.. 

4)  lupp.  conf.  1:  aol  8'  ov  ndvv  qu&icc  nagaGiilv  öga  yovv  6£  xa  TioXXa 
naQccaovovTu  svxo^bvcov  ccvxcav^  Sat.  3:  äXX'  ovS'  iv.sivog  Qccältog  xal  TtQoxsi^Qcog. 
iyoa  yovv  i]6ri  ccnriyoQSVKa  ccixmv  .  .  .  .  ,  6  d"   ov-k  inoctn  xo  nccQU'nav. 


Beziehungen  zur  'Widerlegung  des  Zeus'.  217 

Mythen  fühlen  wir  uns  völlig  an  die  'Widerlegung  des  Zeus'  erinnert. 
Der  Priester  beruft  sich  auf  sein  Opfer  und  fordert  die  Antwort  als 
Lohn  dafür,  so  daß  auch  die  Untersuchung  jenes  Dialogs  (7)  nach 
dem  Zweck  der  Opfer  gestreift  wird.  Die  Technik  von  Frage  und 
Antwort  ist  in  beiden  Gesprächen  die  gleiche.^)  Die  Erinnerung  an 
die  Mythen  weckt  des  Gottes  Zorn,  wie  Zeus  über  des  Kyniskos 
beständige  Zweifel  in  Wut  gerät  und  mit  dem  Blitze  droht  (9.  15). 
Die  Berufung  auf  die  Dichter  Homer  und  Hesiod  (5.  6)  findet  sich 
ebenso  in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  (1.  2)  als  Ausgangspunkt  für 
die  Anschauung  vom  Verhältnis  zu  den  Moiren.  Als  der  Priester 
trotz  der  gegenteiligen  Versicherung  des  Gottes  auf  die  Fesselung  des 
Krön  OS  zurückkommt  und  sie  als  Erklärung  für  das  Fest  sucht,  ver- 
weist ihm  dieser  sein  Schwatzen  genau  wie  Zeus  dem  Kyniskos.^) 
Auch  der  Schluß  verrät  deutlich  durch  das  plötzliche  Abbrechen  die 
Übereinstimmung  beider  Gespräche,  ebenso  wie  durch  die  Art,  in  der 
sich  der  Mensch  mit  dem  zufrieden  gibt,  was  er  schon  gehört  hat.*) 
Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  der  eine  Dialog  nach  dem 
Muster  des  andern  geschaffen  ist;  es  kann  aber  auch  kein  Zweifel 
sein,  welcher  das  Vorbild  gewesen  ist,  da  der  eine  nui*  spielend  die- 
selben Formen  und  dieselben  Motive  benutzt,  die  in  dem  andern  eng 
mit  dem  Stoffe  verwachsen  sind.  Indirekt  ist  also  auch  hier  die 
Nachwirkung  Menipps  zu  spüren. 

Die  zweite  auf  die  Saturnalien  bezügliche  Schrift  ist  der  'Ki-ono- 
solon',  der  Name  in  seiner  Zusammensetzung  echt  menippisch,  um 
den  Priester  als  Gesetzgeber  zu  bezeichnen,  der  des  Kronos  Aufträge 
weitergibt.  Ihm  hat  sich  der  Gott  in  persönlicher  Erscheinung  offen- 
bart   und    ihn,    da    er  den   Grund  seines  Kummers  in  seiner  Armut 


1,   lupp.  cont.  1:   (cnöxQivccL  (loi  Ttgog  rivcc  oi  ;fa/lf7rirjr  iQmxj\aiv.  —  ...    . 

iffwtu  ÖTioaa  UV  id'^Xjjg.  — (M  ovv  /loi,   il  &Xri&fj  iari  tu  mqX  ri)p  'EX- 

Hagn^vris ,  Sat.  6:  ah  dh  ixttvo   (loi   ccroxQivcti —  igmxa  n6voVy 

&XOXQlVoOiUit.    yttp,    TIP    */<J"Jw    Tv-/tü  Tu    ulv    TTiuhrov    /xf t ro .    yt    ali.Q-i'i  ravTci 

iaxiv  u  ntgl  ooh  &xovo\li 

2)    lupp.  conf.  6:   igatZK   n  noi  n-^oKi^  n.    ro/<   rn  ^at    M   oi-   Tiuvcnj 

'/UQ    TOlutJXa    XT]QÜtV. 

8>    lupp,  fonf.  19:    xai  rovroig'ayuniiao^ir  olg  i.  -  l%avu   ; 

tfurUsai    töv  Ttfgl    xi)s    Eiiiugn^vi^g   xal    Ugovolug  ilo'/c.  .   wie  mit  s< 

Spott  Ober  dai  Hcbickial  hinzugefQgt  wird,  am  einen  Schlußetfekt  zu  ertielen: 
XU  XoinU  dh  tötog  0/7  HfiaQXO  ixoPattl  {tot.  Saturn.  0:  Ina v et  yuQ  iiito%ixQi9tti 
xul  XU  ngtoru  xui  uot  doxü»  YQUiixiiitvog  tlg  (iifiXiov  xavxrtv  imätv  t^v  ax^pox^aiap 
&  xt  uifxhg  t'iQÜtxriau  xul  ah  ngög  xu(^X€t  ÜKag  un^Hglfü)  nngiittv  ivuyvtbvat 
x&v  tfiXtop  oaot  •/  inuxovaui  xtbv  aätv  Xo'/tnv  u^ioi. 


218  Kapitel  IX.     Saturnalienschriften. 

erkannte,  zu  trösten  versucht.  Der  Priester  hat  sich  über  die  un- 
gleiche Verteilung  der  irdischen  Güter  beklagt,  da  sie  gerade  den 
Frevlem  zufallen  —  wer  denkt  nicht  an  die  *  Widerlegung  des  Zeus' 
und  den  'tragischen  Zeus'?^)  — ;  der  Gott  hat  leider  nicht  die  Macht 
zu  ändern,  was  Klotho  und  die  Moiren  bestimmen  —  die  Rück- 
beziehung ist  deutlich  — ,  aber  er  will  zum  Schutze  der  Armut  Ge- 
setze geben  für  sein  Fest  und,  falls  sie  ungehorsam  sind,  die  Reichen 
mit  der  Strafe  bedrohen,  die  er  einst  an  dem  üranos  vollzogen  hat. 
Nun  folgen  die  Gesetze.  Zuerst:  Nichts  soll  gearbeitet  werden  als 
was  fürs  Fest  nötig  ist;  allgemeine  Freiheit  und  Gleichheit  soll 
herrschen.  Das  zweite  Gesetz  regelt  die  Versendung  der  Geschenke, 
die  nach  der  Entsühnung  des  Hauses  und  dem  vollbrachten  Opfer  an 
die  Freunde  geschickt  werden  sollen,  und  bestimmt,  wer  zur  Über- 
bringung verwandt  wird  und  wie  er  sich  zu  benehmen  hat,  und 
andererseits  wie  die  Armen  die  Geschenke  anzunehmen  und  welche 
Gegengaben  sie  zu  schicken  haben.  An  dritter  Stelle  folgen  Bestim- 
mungen über  das  Zechgelage,  besonders  über  die  wünschenswerte 
gleichartige  Behandlung  auch  der  Armen,  denen  sich  selbst  der  reiche 
Wirt  an  diesen  Tagen  gleichstellen  muß. 

Für  das  ganze  Motiv  mag  es  hier  genügen  an  den  früher  er- 
wähnten vö^og  övööLttxög  der  Hetäre  Gnathaina^)  und  die  lex  Tap- 
pula^)  zu  erinnern,  die  ja  mit  den  Saturnalien  auch  im  Zusammenhang 
steht.  Ob  sich  bei  Menipp,  z.  B.  im  'Symposion',  etwas  Ahnliches 
fand?  Jedenfalls  der  Geist,  der  aus  dieser  Lucianischen  Schrift  spricht, 
ist  nicht  menippisch;  es  fehlt  der  Witz,  und  das  Ganze  macht  einen 
etwas  greisenhaften  Eindruck. 

Ins  richtige  Licht  gesetzt  werden  diese  Gesetze,  wenn  man  die 
Schilderung  in  Juvenals  5.  Satire  daneben  hält.  Die  Vorschrift,  jeder 
solle  bei  Tisch  liegen,  wie  der  Zufall  es  fügt,  und  es  solle  kein  An- 
sehen einer  Person  oder  Würde  geben,  ist  gegen  Juvenals  Bemerkung 
(V  17)  gerichtet,  nach  der  dem  Klienten  der  niedrigste  Platz  an- 
gewiesen wird.*)  Daß  derselbe  Wein  allen  vorgesetzt  wird,  tut  offenbar 

1)  lupp.  conf.  16,  lupp.  trag.  19.  47. 

2)  Siehe  Kap.  I  S.  36. 

3)  Vgl.  von  Premerst^in,  Lex  Tappula,  Hermes  XXXIX  [1904]  S.  327  ff.,  der 
S.  341  und  347  richtig  den  Vergleich  mit  Lucian  zieht.  Der  Zusammenhang  mit 
den  Saturnalien  ist  aus  der  Angabe  des  Datums  erschlossen  S.  334  f. 

4)  Saturn.  17:  Kata-nEiad-co  onov  av  tv%ri  STiccötos'  cc^ico^a  r\  yevos  t)  nXovtos 
oXlyov  gvvtsXbItcü  ig  TtQOvoiirjv,  Juv.  V  17:  tertia  ne  vacuo  cessaret  culcita 
lecto.  Auf  die  Übereinstimmung  weist  allgemein  hin  Friedländer,  Sittengeschichte 
Roms  P  S.  391. 


Lucian  und  Juvenal.  219 

sehr  not  zu  befehlen;  denn  in  der  römischen  Satire  liest  man  (24 — 37), 
wie  dem  armen  Gast  ein  ganz  abscheuliches  Getränk  serviert  wird, 
während  der  Herr  sich  die  älteste  Marke  seines  Kellers  vorsetzen 
läßt.\)  Den  Dienern  wird  empfohlen  nicht  nach  Gunst  oder  WiUkür 
zu  langsam  zu  sein  oder  zu  schnell  vorüberzufliegen  und  nicht  dem 
einen  große,  dem  andern  kleine  Stücke  zu  verabfolgen;  das  erinnert 
an  die  Verschiedenheit  in  der  Bedienung,  die  Juvenal  von  Vers  52  an 
hervorhebt-),  und  die  Verschiedenartigkeit  der  Speisen,  die  der  Herr 
und  der  Klient  erhalten  (80  ff.).  Der  Klage,  daß  der  Reiche  dem 
Armen  kaum  jemals  zutrinkt,  der  Arme  es  aber  überhaupt  nicht 
wagen  darf,  jenem  vorzutrinken  (127  ff.),  entspricht  die  Vorschrift,  es 
solle  jedem  erlaubt  sein,  einem  anderen  einen  Trunk  darzubringen, 
nnd  der  Reiche  solle  den  Anfang  machen.^)  Es  ist  auffällig,  daß 
diese  Gesetze  sich  in  ihrer  Reihenfolge  an  die  Darstellung  der  Miß- 
stände in  jener  Satire  genau  anschließen;  und  man  kann  sich  des 
Gedankens  nicht  erwehren,  daß  Lucian  durch  seine  römischen  Freunde 
von  Juvenals  farbenreicher  Darstellung  des  unglückseligen  Klienten- 
daseins Kenntnis  gewonnen  hat  und  darauf  in  freier  Weise  Bezug  nimmt. 
Es  sei  hier  vergönnt,  auf  eine  andere  Schrift,  die  durch  ihre  intime 
Vertrautheit  mit  römischem  Leben  uns  ebenso  zu  Juvenal  führt*), 
hinzuweisen;  es  ist  dies  das  auch  in  der  Form  schon  an  die  römische 
Satire  erinnernde  Werkchen  über  die  'Hausphilosophen',  das  sich  darin 
mit  dem  'Nigrinus'  berührt.  Der  ganze  Jammer  der  Klienten  beim 
Murgenbesuch  zeigt  sich,  wie  im  'Nigrinus'  22,  so  hier  (10):  Da  heißt  es 
früh  sich  erheben  und  vor  der  Türe  stehen,  während  man  hin-  und  her- 


1)  Satum.  17:  ol'vov  tov  avrov  Ttiveiv  cinavrag,  Juv.  V  24:  viuum  quod 
sucida  Dolit  lana  pati,  dagegen  V  '60:  ipse  capillato  diffusum  consule  potat, 
51:  non  eadem  vobis  poni  modo  vina  querebar?  vos  aliaiu  potatis  aquam. 

2)  Saturn.  17:  ot  didxovot  ngug  %dQiv  ^r\8svl  ^r\dhv,  ccXXoc  {ir\8h  ßgocdwirutcuv 

liridk    nccQanttia&biaav    ^ar'  av    avtoii    don^ /i/jd^    ra>   (ihv    fisydXa^   vm  Sh 

xo/itdf/  iLt'KQu  nuQctxi&ia^oi,  .luv.  V  62:  quando  ad  te  pervenit  ille?  quando 
rogatufl  adeHt  calidae  gelidaeque  minister? 

3)  Juv.  y  127  ff.  quando  propinat  Virro  tibi  sumitve  tuia  contacta  labellia 
pocula?  quis  vestrum  temerarius,  usque  adeo  quis  perditus  ut  dicat  regi  'bibe*? 
batum.  18:  %u\  i^tarto  nafftx^tv,  ijv  rig  i^ily,  tpiXorriaiav.  nccvTSf  n&ci  ngo- 
mvittnauv ,  T^f  H^iXtaai^  ngontövrog  roö  nXovaiov.  Die  letzten  Worte,  an  denen 
mau  AnHtoß  genommen  hat,  werden  ^r>rnde  durch  die  JuvenalHtello  erst  erklärt; 
auch  der  Hoiche  soll  zutrinken. 

4)  Schon  W.  E.  Weber  in  MiUi.  .  ....malüberBetzung  hat  daniuf  ftufmerkHam 

gemacht  S.  86t),  C.  F.  Hormauu,  Ges.  Abhandlungen  S.  224  .\ntn.  :)H  hat  wider- 
sprochen. Die  angefahrten  St«Ueu  sind  zum  Teil  schon  in  Itupertin  .luvonal- 
ausgäbe  notiert. 


220  Kapitel  IX.     Satumalienschriften. 

gestoßen  und  ausgeschlossen  wird,  alle  Unverschämtheit  anwenden, 
um  eingelassen  zu  werden,  wohl  auch  gar  die  Lakaien  bestechen, 
und  dazu  muß  man  sich  in  der  Kleidung  nach  der  Würde  des  Herrn 
richten,  den  man  besucht,  seine  Lieblingsfarbe  wählen,  um  nicht  an- 
zustoßen. So  klagt  auch  der  aus  Rom  auswandernde  Umbricius  Juv. 
III  188:  'Wir  Klienten  müssen  unsern  Zoll  zahlen  und  ihr  Vermögen 
mehren  den  feinen  Bedienten'.^)  Er  äußert  dabei  seinen  Unwillen  über 
die  zahllosen  Graeculi,  die  ja  alles  verstehen:  'Ich  ertrag's  nicht,  ihr 
Bürger,  daß  die  Stadt  griechisch  wird  (III  60);  jene  Griechlein  wissen 
geschickt  zu  reden  und  heftiger  als  Isäus'  (73).  Lucian  führt  die 
Beschwerden  an,  die  von  den  Römern  gegen  die  griechischen  Haus- 
philosophen erhoben  werden  (17):  'Allein  den  Griechen,  murrt  man,. 
steht  Rom  noch  offen;  jedoch  weshalb  werden  sie  uns  vorgezogen?  Wenn 
sie  ihre  kläglichen  Reden  halten,  bilden  sie  sich  dann  etwa  ein  wunder 
was  Großes  zu  nützen?'^)  Am  deutlichsten  ist  auch  hier  die  Über- 
einstimmung mit  der  5.  Satire.  'Frühmorgens  beim  Klang  der  Glocke 
mußt  du  aufspringen  und  gerade  den  süßesten  Schlaf  von  den  Augen 
schütteln  und  auf  und  ab  mitherumlaufen.  Fehlte  es  dir  denn  so  sehr 
an  Wolfsbohnen  und  wildem  Gemüse  und  waren  die  frischen  Wasser- 
quellen  so  versiegt,  daß  du  dich  in  deiner  Ratlosigkeit  zu  einem  solchen 
Ausweg  entschlössest?'  (24).  Die  Situation  ist  etwas  anders,  aber 
der  Gedanke  gleich,  wenn  es  bei  Juvenal  Y  18  heißt:  'Da  hat  nun 
Trebius  seinen  Lohn  dafür,  daß  er  des  Nachts  seinen  Schlaf  abbrechen 
mußte';  und  noch  charakteristischer  sind  des  Dichters  Worte  V  8 ff.: 
'Ja,  gab^s  denn  keine  Stufe,  die  frei  war,  um  sich  als  Bettler  drauf- 
zulegen ?  Nirgends  eine  Brücke,  ein  Stück  zerrissener  Matte  ?  Lohnt 
sich^s  darum,  soviel  Kränkungen  beim  Mahl  zu  ertragen?  War  der 
Hunger  so  stark?  Besser  wär's  doch,  dort  im  Freien  zu  frieren  und 
Huudebrot  zu  beißen.'^)    Die  übereinstimmende  Fassung  des  Gedankens 


1)  De  merc.  cond.  10:  xal  illö&ov  tBlovvxa  tfig  ^vrnirig  rov  ovo^ccrog.  Juv. 
III  188:  praestare  tributa  cliences  cogimur  et  cultis  augere  peculia  servis. 

2)  Juv.  ni  60:  non  possum  lerre,  Quirites,  graecam  urbem,  73:  sermo 
promptus  et  Isaeo  torrentior,  Luc.  de  merc.  c.  17:  ov  ^wvoig  totg  '''Ellriei  rovroig 
ccvi(pxt<xi  7]  ^Pa^aicüV  TtoXig',  'Accitoi  xi  ianv  i(p'  örco  TtQoniicbvTcci  ijiiätv',  iiä>v 
Qrindtia  dv6triva  XiyovtBg  oiovxai  xi  ita^^iyad'sg  mtpsXElv^ 

3)  Juv.  V  19:  habet  Trebius  propter  quod  rumpere  somnum  debeat,  8:  nulla 
crepido  vacat,  nusquam  pons  et  tegetis  pars  dimidia  brevior?  tantine  iniuria 
cenae?  tarn  ieiuna  fames,  cum  possit  honestius  illic  et  tremere  et  sordes  farris 
mordere  caniDi?,  de  merc.  c.  24:  icod'iv  xs  vTtb  yicodcovi  ih,ava6xäg  aTiocBiaäiisvog 
xov  vTtvov  TÖ  iqdLCxov  Gv\L7CiQi%-Big  ccvo)  Kccl  "Kcixo)  (Nigrin.  22 :  vvuxbg  ^hv  i^ccnaxd- 
118V0L  {licrig,  TtsQid^iovxsg  Sh  iv  oivuXco  trjv  TtoXi^v).     ovxcog  anoQia.   {lbv   G8  ^^qiuüv 


Luciau  und  Juvenal.  221 

bei  beiden  Schriftstellern  ist  jedenfalls  auffällig.  Wie  an  dieser  Stelle 
durch  das  ava  xcci  xdtcjy  so  macht  Lucian  nachher  (26)  noch  einmal  auf 
die  Beschwerlichkeit  des  Weges  aufmerksam,  die  durch  das  hügelige 
Terrain  in  Rom  erwächst.^)  Dieser  Hinweis  auf  die  Hügel  steht  auch 
bei  Juvenal  V  77:  'Das  lohnte  sich  recht,  so  oft  seine  Frau  allein  zu 
lassen  und  den  steilen  Berg  und  eisigen  Esquilin  hinanzulaufen!'  so 
seufzt  der  Klient;  und  auch  bei  Lucian  kehrt  dieser  Seufzer  wieder 
(27),  den  der  verachtete  Gast  in  einem  Winkel  heimlich  ausstößt.-) 
Die  ungleiche  Bedienung  bei  Tisch  findet  sich  auch  in  der  Schrift 
über  die  'Hausphilosophen'  (26),  nicht  ohne  nähere  Berührung  mit 
Juvenal  (V  84),  und  zwar  sowohl  mit  Bezug  aufs  Essen  wie  aufs 
Trinken"^);  und  selbst  von  dem  schlechten  Wein  bekommt  man  nicht 
genug,  um  den  Durst  zu  löschen;  der  Sklave  erscheint  nicht,  um  dem 
Armen  einzuschenken.'*)  Die  gleichen  Vorwürfe  haben  wir  in  den 
Saturnalienschriften  (17,  22,  38).  Und  als  Beweggrund,  solche  Krän- 
kung zu  ertragen,  führen  der  Grieche  (7)  wie  der  Römer  (V  166) 
die  Hoffnung  auf  üppiges  Wohlleben  an,  die  jedoch  trügt.^)  Wenn 
auch  Lucian  vielleicht  dergleichen  aus   eigener  Anschauung  schildern 


(cxiv  ^  rmv  &YQi(ov  Xaxdvcov,  ineXinov  6h  xai  ccl  Tcgrivca  QBOvacci  tov  rpvxQOV 
vdarogj  üg  inl  rccvTcc  as  vn    &^rixciviag  ild'siv; 

1)  Üe  m.  c.  26:  tu  öh  ßdör]v  ävavta  tioXXu  v.a.1  xarorvra  {xoiocvxr\  yccQ  tos,- 
olad-oc  T}  noXig)  ntQieXd-tov. 

2)  Juv.  V  76  f. :  sciUcet  hoc  fuerat,  propter  quod  saepe  relicta  coniuge  per 
moutem  adversum  gelidasque  cucurri  Esquilias  etc.,  de  m.  c.  27:  xaraxeift^ro^ 
xoiyciQovv  iv  fivx^  tov  av^inoaiov  xccl  vit'  aldovg  yiaradsdvxois  crivsig  eng  rb  sixbg 
xul  aBuvzbv  olycTigiig. 

3)  De  m.  c.  26:    ov    ^r,v    ovdh  i]   aXXr]    vjßgig   cintaxiv,   ScXX'    oijxt   robv   fjjfi^j 

fiövog oihe  ^  ögvig    byLoioc    xulg  aXXocig^    &XXa  xm  fisv  tiXtioiov  nccxbicc  nal 

ninfiX^gj  aol  dh  veoxxbg  im>itoii>og  ^  (paxtci  ttg  vndaidriQog,  Juv.  V  84  f.:  sed 
tibi  dimidio  coDstrictus  cammarus  ovo  ponitur,  und  168  hofft  der  Klient 
wenigstens:  ad  nos  iam  veniet  minor  al tili».  In  bezog  auf  den  Wein  bei  Juv. 
8.  S.  219  Anm.  1,  de  m.  c.  26:  xaixoi  ovdtTfio  ixeivo  ^qprjf,  on  xcbv  aXXav  ijötaxop 
XB  xai  7faXai6xaxov  olvov  ntvovxtov  [lövog  av  tcovtiqov  xivoc  xocl  nccxvv  nivug. 
(Vgl.  R.  Schütze,  luvenalis  ethicus,  Grfswld.  Diss.  1906,  S.  18  f.  18.  90.)  Aus 
Lucian  hat  dann  Alkiphron,  Tarasitenbrief  87  (l  20),  seine  Darstellung  entlehnt. 

4)  De  m,  c.  26:  xai  ii'Q-t  y«  xuv  ixtivov  ig  xdprjr  ijv  nietv,  vvv  di  itoXXäxtg 
alxi^aawog  6  nulg  ovd'  &iovxi    fotxev,   Juv,  VöOflf.:    tu    Gaetulum   Ganyxuedom 

r»;Hpice,  cum  sities:    ncscii  tot  inilibus   emptus   pauperibus  iiii^oiMo  ]mor 

quando  ad  te  penrenit  ille?  quando  rogatui  adest  . . . .? 

6)  Juv.  V  160:  spes  bene  cenandi  voi  decipit  (I  188:  quHiiKjiKiMi  i<',,^ip^..ua 
cenae  fpea  homini),  de  m.  c.  7:  iidovf)g  fvtxa  xa\  xCtn'  noXX&v  xa\  a^pöoif  iXniSnp 
i9ni\dä¥  airrohg  ig  xu  otxiag,  7  ex.:  ninQuxxai  d'  ovv  aiftolg  • 
ßitp  nigct  rf/g  iXnldog.     Hier  muß  auch  verglichen  werden  Lu< 


222  Kapitel  IX.    Satumalienschriften. 

konnte  — '  denn  Plinius  (ep.  II  6)  bürgt  uns  als  unparteiischer  Augen- 
zeuge für  das  Vorkommen  des  Dargestellten  — ,  so  ist  die  Überein- 
stimmung der  Gedanken  doch  zum  Teil  so  weitgehend,  daß  man  die 
Kenntnis  Juvenals  bei  ihm  voraussetzen  möchte.*) 

Ließ  sich  bisher  bei  diesen  Saturnalienschriften  der  Einfluß  Me- 
nipps  nur  ziemlich  vage  bestimmen,  so  wird  man  bei  den  folgenden 
'Kronosbriefen'  doch  zu  deutlich  an  Menipps  inLötoXal  xeoio^t^v^^vai, 
ccno  Tov  xcbv  d'scjv  jtQoöcoTtov  erinnert,  als  daß  hier  der  Zufall  mit- 
spielen sollte.  Im  einzelnen  mag  und  muß  wohl  aUes  anders  sein  ala 
bei  dem  alten  Kyniker,  aber  das  Motiv  stammt  zweifellos  von  ihm. 
Es  sind  vier  Briefe,  die  für  Luciaus  Art  wieder  außerordentlich  lehr- 
reich sind  und  unsere  früheren  Beobachtungen  bestätigen.  Zunächst 
schreibt  ein  Armer  an  den  Saturnaliengott  und  erinnert  ihn  an  einen 
früheren,  unbeantwortet  gebliebenen  Brief.  Er  klagt  lebhaft  über 
die  Ungleichheit  des  Besitzes,  um  so  mehr  als  sie  einen  schrillen 
Gegensatz  zu  Kronos'  goldener  Herrschaft  bildet.  Hier  kehren  die 
Bemerkungen  des  Kronos  selber  aus  seinem  Gespräch  mit  dem 
Priester  (7)  teilweise  wörtlich  wieder,  darunter  der  zur  Schilderung 
der  glücklichen  Zeit  verwandte  Homervers  und  der  Hinweis  auf 
die  goldenen  Menschen  Hesiods.^)  Der  Arme  würde  sich  bescheiden, 
wenn  er  nur  ein  wenig  am  Überfluß  der  Begüterten  teilnehmen  dürfte-, 
aber  wenn  sie  einen  zum  Mahle  hinzuziehen,  so  sollen  sie  dabei  sich 
nicht  hoffärtig  und  geizig  zeigen.  Es  folgen  dieselben  Vorwürfe,  wie 
sie  dem  dritten  Gesetz  zur  Voraussetzung  dienen,  betreffs  der  un- 
gleichen Behandlung   durch  die  Diener  und  der  ungleichen  Speisen.^) 


dh  rfig  TtL-agäg  xccvxri?  ccvrotg  nsQioSov  tb  cpogriytov  Hslvo  dsiTtvov  yiccl  noXXav 
cchiov  av^icpogav  und  Juv.  Yl2f. :  primo  fige  loco  quod  tu  discumbere  iussus 
mercedem  solidam  veterum  capis  officiorum. 

1)  Vgl.  auch  unten  S.  224  Anm.  2  und  Kap.  I  S.  60.  Ebenso  urteilt  Gereke, 
Gott.  Gel.  Anz.  1896,  S.  971  f.  Der  Einspruch  von  Schütze  S.  90  hat  keine  Be- 
rechtigung, da  er  nur  subjektiv  ist. 

2)  Hom,  Od.  IX  109,  Sat.  7 :  ötiots  ccgtcoqcc  Ttal  &vi]qozcc  Ttdvtcc  icpvsto  avxoi?y 
20 :  aXX'  7]  ^hv  yfj  aünogog  xal  &V7]QOtog  ^cpvsv  ccvxolg  xa  ayuQ'a..  7 :  ayccd'ol  yaq 
Tjöccv  v.al  'ji^Qvüoi  &7tccvx£g,  20:  x6  Sh  [liyiöxov ,  ccvxovg  i-asivovg  qxxal  xovg  ccv^Q(o- 
novg  ')(^Qv60vg  slvca. 

3)  Saturn.  17:  ^lolga  -ngscbv  xax'  i'oov  anccöLV  ol  Sicckovol  ngög  'ji^a.Qiv  ^iridsvi 
[iridbv^  aXlä  ^rids  ßgadvvixcoGav  iiriSh  jtagajtExiGd'coGccv  .  .  .  ^ridh  xä  fisv  ^syccXcc^ 
x(p  dh  -/tofttd^  iiLTiQU  TtagaxLd'iod'co.  22:  ig  xb  &r]^oxLJia)XSQOv,  ag  in'  lörig  ^isxix^'''^ 
ccTtavxccg  %ccl  ^7]  xbv  ^lev  i^cpoQslad'aL  xötv  öipcov  xal  xbv  oly.ixriv  tiequl^vslv 
kcxäixcc,  %6x'  av  ccTtayogsvörj  i6&icov^  icp'  jj^äg  dh  iXd-ovxa  .....  naoay.elßsod'ai, 
dsL^avxa  ^lorov  X7]v  XotcccScc.  Auch  betreffs  des  Weines  wird  für  die  Bedienung 
größere  Pünktlichkeit  empfohlen  und  vor  allem  gewünscht  (22):    xbv    olvov  dh 


Götterbriefe.  223 

Sollten  die  Reichen  sich  nicht  dazu  verstehen,  ihr  Benehmen  zu  ändern, 
so  würden  ihnen  die  schlimmsten  Verwünschungen  seitens  der  Un- 
bemittelten zuteil  werden. 

In  seiner  Antwort  weist  Kronos  zunächst  die  Bitte  um  Ausglei- 
chung der  Lebensschicksale  ab,  gerade  wie  in  dem  Gespräch  mit  dem 
Priester  (2),  da  jetzt  Zeus  Herr  darüber  sei;  doch  in  bezug  auf  die 
sieben  Festestage  will  er  seine  Macht  geltend  machen.  Die  Aufträge 
an  die  Reichen,  die  sich  darauf  beziehen,  sollen  erfolgen;  aber  im  ganzen 
muß  der  Gott  doch  die  Mahnung  aussprechen,  die  Lage  jener  nicht 
falsch  zu  beurteilen  und  für  beneidenswert  zu  halten.  Er  schildert 
ihre  ewige  Furcht  und  Besorgnis,  die  den  Reichtum  eher  als  etwas 
Meidenswertes  erscheinen  läßt.  Auch  ist  die  Lebensweise  der  Armen 
weit  gesünder  als  die  der  Begüterten  und  sichert  ihnen  ein  höheres 
Alter  in  Rüstigkeit.  Diese  Äußerungen  berühren  sich  größtenteils 
mit  den  Darlegungen  im  'Hahn',  dessen  Schlußbilder  die  Illustration 
dazu  liefern ^j;  auch  was  über  die  unglückseligen  moralischen  Verhält- 
nisse bei  den  Reichen  gesagt  wird,  stimmt  genau  zu  dem  dort  Ge- 
sagten, wo  Mikyllus  des  Eukrates  Weib  im  Ehebruch  mit  einem 
Sklaven  sieht.^)  Und  der  Vergleich  mit  den  großen  Standbildern,  die 
außen  glänzen,  inwendig  aber  Balken  und  Nägel  zeigen  ('Hahn'  25), 
ist  hier  ersetzt  durch  den  von  den  tragischen  Gewändern,  die  prunk- 
voll scheinen,  sich  aber  aus  billigen  Lappen  zusammensetzen  (28).*) 
Wenn  die  Armen,  fährt  Kronos  fort,  nicht  von  selbst  eine  solche  Be- 


wbrbv  nßöi  rolg  avii,7i6rais  tvu  xal  xbv  uinbv  tlvcei  wie  in  den  Gesetzen  17:  otvov 
zov  ainov  nivttv  anccvrag. 

1)  Die  Krankheiten,  die  dem  Reichen  drohen,  werden  aufgezählt  gall.  23: 
ol  dh  vn*  &xQaalag  &&Xtoi.  rt  t&v  xaxdv  oix  fjjovfft,  Ttoddygag  xal  (pd'6ag  xal 
TttQiTivtvfioviag  xul  vSigovg.  rat>ra  yap  r&v  ytoXvTeXibv  ixBiviov  dfinvcav 
änoyovu^  Saturn.  28:  t)  (p&driv  i)  mginv^viioviccv  ri  vdiQOv  ov  xccXencjg  avv- 
tXiiavro  ix  rf^g  jtoXXfjg  TQV(pi)g.  Die  Blässe  des  ewig  von  Sorgen  gequälten 
Reichen,  sein  bestündiges  Wachen  finden  wir  gall.  29:  ^xifbg  d*  iarlv  o^x  ol9* 
od^iVf  80:  otfurnj^f  xal  dictyQvnvfi.^  31 :  dgag  inayQVTCvo^vxa  ....  i)7(b  (pQOVti' 
Ütov,  hier  28:  i)  xiva  äv  ttir&v  gaditog  dft^cci  dvvaio  /t»)  ndrcmg  dtxQbv  ^yta, 
26:  at  tf  yäg  (pQOvtldig  al  ntQl  tovttov  oif  iiixQaiy  &XX*  ävdyxri  ircaygvnvitv 
ixdaToig. 

2)  Oall.  82:  rr}P  yvvatxu  Sh  hi(fa»d'i  (mb  roO  (ucyftQov  itoi x^voiUvriv  xal 
uirti^v^  26:    x&xtlva  Xvmty   6   iff&^ivog  itQbg  icvdyxriv   ^vvoiv  xal  naXXaxlg 

&XXtp  xttlifovöa,  Saturn.  29:  iA  Xiyttv  iaa  &XXa  Xvntt  aittovg yvvri  toi> 

olxixov  iffAaa  r)  (QÖ^itvog  nqbg  &vdyxf\v  \i&XXov  i]  n^bg  iiüov^v  awfitv. 

8;  Hatum.  2H:  i)X6xQvaov  \t\v  xa  f£o),  xard(>paq;or  Öl  xä  Mo¥^  Acnt^  «1 
xQaytxul  ia^tfxtg  ix  ^axüiv  itdvv  ti^xtXtbv  ffryxfxatTv^^i»«» ;  der  Vergleich  findet 
»ich  auch  hei  Aristidct  vn    r    r»fr«#.    luti  (898  D).    (Vgl.  oben  Kap.  T  S  r>9  . 


224  Kapitel  IX.    Saturnalienschritten. 

wunderung  für  die  Besitztümer  der  Reichen  äußerten,  so  wären  diese 
genötigt,  sich  zu  jenen  zu  begeben;  denn  der  Reichtum  bringt 
keine  Freude,  wenn  ihn  niemand  sieht  und  bewundert.  Der  Gedanke 
findet  sich  mit  Wortanklängen  wieder  im  'Nigrinus'  (23).^)  Den  Be- 
schluß bildet  der  Mahnruf,  an  den  Tod  zu  denken,  der  die  Gleichheit 
völlig  wiederherstellt,  wie  das  im  ersten  'Totengespräch'  (4)  aus- 
gedrückt war. 

Demselben  Stoff  ließen  sich  noch  zwei  Briefe  abgewinnen,  wenn 
auch  nicht  gerade  zum  Vorteil  des  Ganzen  und  zur  Steigerung  des 
Interesses,  sobald  Kronos  nun  den  Reichen  diese  Wünsche  der  Armen 
mitteilte  und  sie  sich  gegen  die  Vorwürfe  verteidigten.  Zu  diesem 
Zweck  ist  ein  dritter  und  vierter  Brief  angefügt.  Kronos  beginnt  mit 
dem  Wunsch  der  Armen  nach  Gleichheit,  mit  dem  er  sie  an  Zeus 
verwiesen  habe;  doch  betreffs  der  Satumalien  habe  er  ihnen  seine 
Vermittlung  zugesagt.  Die  Reichen  sollen  also  zunächst  von  ihrer 
Kleidung  und  ihren  Mitteln  abgeben.  Es  folgt  die  Aufforderung  zu 
größerer  Humanität  beim  Mahle  mit  einer  Wiederholung  der  früher 
gemachten  Vorwürfe;  sie  verbindet  sich  zugleich  mit  dem  Hinweis 
darauf,  daß  die  Armen  den  Reichen  zu  ihrem  vollen  Glück  notwendig 
sind.^)     Als  Lohn  wird  sich  dann  auch  das  Aufhören  des  Neides  er- 


1)  Nigr.  23:  sl  8  h y,ccv  itgog  öXlyov  a.ni6%ovxo  xf]68£  tfjg  id^eXodovliag^ 

^vx  ccv  ohi  tovvccvtlov  ccvtovg  iX&slv  i^tl  tag  d^vQag  x&v  nxaxoiv  dsoybivovg 
xovg  TtXovGLOvg,  ^i]  ccd-iaxov  avx&v  jlit]^'  cc^ccqxvqov  xr]v  svdcci^ovlccv  yiccxaXLTtstv 
jiriS'  ccvovrixöv  ts  iiccl  ccxqtigxov  x&v  XQarcs^mv  xb  'ndXXog  y.ccl  x&v  ohcov  x6 
/ityf'O'og;  ov  yag  ovxco  xov  TtXovxtlv  ig&GLV  ag  xov  Siä  xb  nXovxüv  svdai^ovi- 
^söd'ai.     yiccl    ovxco    dr]    ^xei   fii^ösv   bcpsXog   slvai   TtSQiyiaXXovg  oi-niag  ....  sl  ii-q 

xig    ccüxä   &ccviid^Oi.      Saturn.  29:    si.    8s    vtcbqscoq&xe    ccvx&v    xal iirjxs 

i7ts6XQeq)86d's  Ttgbg  X7]v  a.QyvQuv  äg^d^a^ccv  ^'^xs  ^sxcc^v  SiaXsyoyiBvaiv  sig  tbv  iv 
xa  SccKxvXiG)  6yi.dQ(x.y8ov  äcpecoQ&xa  .  .  .  .  ,  sv  l'oxs^  ccvxol  i(p'  v^iäg  lovxeg 
iSeovxo  <^avy  owSsiTtvalv^  dtg  inL88i^ocLvxo  vyLiv  xccg  TcXlvccg  xccl  xäg  xgccni^ag 
.  .  .  .  av  ovSsv  öcpsXog,  sl  ä^dqtvQog  ri  xrijfftg  firj.  xä  ys  xol  TtXslßxcc  svqolxs 
KV  ccvxovg  vu&v  evs-Kcc  Kxco^^vovg,  ov^  OTiag  avxol  ^QV'^^vxca,  dXX'  OTCcog  v^isTg 
^ccv^d^oixs.    (Apul. met.  V  10:  nee  sunt  enim  beati  quorum  divitias  nemo  novit.) 

2)  Man  vergleiche  mit  den  eben  ausgescbriebenen  Worten  Saturn.  33:  ov8' 
ocv  ?;jjotTf  xovg  d'aviid^ovxcxg  v^&v  xbv  tvXovxov,  riv  fiovoL  %al  iSicc  xorl  vitb 
üv.6xa)  TcXovxfjxs.     l8^xcoaccv   ovv  noXXol   xal  ^ccviiaadxioauv  v^&v  xbv  dgyvQOv  nccl 

rag  XQUTts^ccg mg   Sh   vvv   ^x^xs,   dyidQXVQog    yikv  i]   sv8ai^ovicc^    iiti- 

(pd'ovog  8h  6  TtXovxog^  &7i8i]g  8h  ö  ßiog,  und  Sat.  35:  st  [ivovxsg  ol  Ttevrixsg  ßccSi- 
^OLSv,  ovx  ccv  viiäg  rjviccosv  ovv.  ?;^ovTas  olg  ItiiSsI^ccigQ^s  ....  x&v  8ccv.xvXl(ov  xb 
piys&og',  An  Juvenal  V  erinnert  hier  noch  der  Vorwurf  (32):  et  8e  noxs  -kcctceIvcov 
xLvug  saxLäv  8Ld  ^uyigov  id'sX'^asxs,  der  auf  das  Saturnalienfest  eigentlich  gar 
keine  Beziehung  hat,  sich  aber  erklärt  durch  Juv.  15  f.:  ergo  duos  post  si 
libuit  mens  es  neglectum  adhibere  clientem.     Neu  ist  auch  die  Ablehnung  der 


Charakter.     Abfassungszeit.     Vorbild.  225 

geben.  Zum  Schluß  werden  die  Drohungen  der  Armen  berichtet. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  diese  Berichte  mit  den  Briefen,  aus 
denen  sie  stammen,  wie  im  Gedanken,  so  auch  im  Wortlaut  meist 
tibereinstimmen. 

Die  Antwort  der  Reichen  besagt,  auch  Zeus  sei  schon  oft  mit 
denselben  Bitten  von  den  Armen  behelligt  worden,  aber  er  höre  nicht 
drauf. ^)  Da  Kronos  jetzt  herrscht,  so  verstehen  sie  sich  dazu,  ihm 
Bescheid  zu  sagen.  Die  Vorteile,  die  ihnen  von  seiten  der  Unbemit- 
telten erwachsen,  sehen  sie  ein;  aber  deren  ünbescheidenheit  bat  sie 
gezwungen,  dieselben  ganz  auszuschließen,  falls  sie  nicht  selber  zu- 
grunde gehen  wollten.  Wenn  jene  jetzt  versprechen  wollen,  Maß  zu 
halten,  so  sollen  sie  am  Gelage  teilnehmen. 

Von  Witz  ist  in  diesen  letzten  Briefen  begreiflicherweise  über- 
haupt keine  Spur.  Wie  schon  die  Reminiszenzen  zeigen,  ist  ja  diese 
ganze  Saturn alienliteratur  erst  nach  den  größeren  Satiren  entstanden; 
dasselbe  verrät  der  Geist  dieser  kleinen  Schriften,  der  weder  mit  dem 
Kynismus  an  sich  etwas  zu  tun  hat  noch  mit  dessen  Schärfe;  denn 
daß  es  sich  um  die  Lage  der  Armen  handelt,  ist  doch  nur  ein  rein 
äußerlicher  Berührungspunkt.^)  Man  sieht,  Lucian  hat  sich  aus- 
geschrieben und  weiß  auch  einem  neuen  Motiv,  wie  es  die  Kor- 
respondenz hier  ist,  kaum  viel  neue  Seiten  abzugewinnen.  Dazu  stimmt 
auch  der  römische  Gehalt;  denn  unter  den  7t6vt]t6g  sind,  wie  Fried- 
länder richtig  bemerkt  hat^),  durchweg  die  römischen  Klienten  zu 
verstehen.  Man  wird  nicht  irregehen,  wenn  man  diese  Arbeiten  dem 
höheren  Alter  Lucians  zuschreibt,  in  dem  seine  Annäherung  an  die 
Römer  ihn  schließlich  bis  zur  Übernahme  eines  Amtes  in  Ägypten 
führte.  In  der  ganzen  Art,  den  Stoff  hin-  und  herzuwenden,  ist  er 
sich  gleich  geblieben,  und  auch  die  Menippische  Anregung  mangelte 
nicht;  aber  die  eigene  Schaffenskraft  ist  erlahmt.  Gern  möchte  man 
aus  diesen  Götterbriefen,  in  denen  das  Menippische  Vorbild  so  nahe 
liegt,  etwas  über  den  Inhalt  der  gleichartigen  Schrift  Monipps  ent- 
nehmen können.  Aber  gerade  hier  ist  Lucian  ganz  aktuell  geworden, 
hat  sich  ganz  an  die  römischen  Satiriker  angeschlossen  und  dadurch 

ftopnfpceyUtf  die  Jav.  I  186  ff.  geißelt,  (84):  oifSk  fäg  ovdh  d^oitog  i^dv  olfiai  (i6vop 

-'((tj^ai  &0niQ  TO^tf  Xiovxds  qpatft  xul  xoitg  ^Lovtove  xtbv  Xvtiav.     Mit  Borück- 

i^iing  dieser  novotpayia  hat  den  obigen  Gedanken  der  Vorf.  des  Tarasiten- 

dialoges*  (68)  aufgesprochen:  nhivaiog  Av^q,  tl  %al  tb  Fvyov  xifvalov  fjt»,  fi6pog 

iö^Uav  niPTis  iarX  xn\  ngoXotv  &vtv  nuQaalrnv  nrmx^i  8ox$T. 

1)  Hatum.  80:  nuifunovti  avx&v  rä  noXXä  wie  Itipp.  conf.  1:  oqA  yoliP  9»  tii 
TioXXa  nuQHxovovrtt  ti^x^^iivtov  aiyt&v.  '1)  Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  8S6. 

X  Sitt^MiuoH.l,.  Un!t)H  I"  S.  8i>l   Anm.  2. 


226  Kapitel  IX.    Saturnalienschiiften. 

völlig  verdunkelt,  was  er  in  seiner  Vorlage  gefunden.  Aber  zweierlei 
bieten  doch  diese  Verhandlungen  mit  Kronos,  was  in  den  Bereich  der 
Satire  Menipps  wohl  passen  könnte:  die  Kritik  der  Sagen,  wie  sie 
scherzhaft  in  der  Unterredung  des  Priesters  mit  Kronos  angedeutet 
ist,  und  die  Rechtfertigung  des  Verhaltens  der  Himmlischen  in  bezug 
auf  die  Verteilung  der  irdischen  Güter  an  die  Menschen;  beides  konnte 
sehr  wohl  auch  in  den  tjaötoXal  KEXo^xl^sv^svai  änb  xov  tcjv  d-eav 
TiQoöcbnov  einen  Platz  finden,  sobald  man  sich  fds  die  Adressaten 
dieser  Briefe  wie  hier  bei  Lucian  sterbliche  Erdenkinder ^)  denkt,  die 
ihren  Zweifeln  oder  ihrer  Unzufriedenheit  Ausdruck  verliehen  haben. 
Bei  dieser  Annahme  wäre  es  nicht  unmöglich,  daß  ein  Teil  des  Stofies, 
der  jetzt  etwa  in  der  'V\^iderlegung  des  Zeus'  und  im  'tragischen  Zeus* 
steht,  durch  Andeutungen  in  diesen  Briefen  mit  angeregt  ist.  Aber 
über  eine  Vermutung  ist  es  nicht  möglich  hinauszugelangen.  Die 
Saturnalien  haben  auch  den  Stoff  von  Mimen  gebildet,  wie  der  gleich- 
namige Titel  eines  Stückes  des  Laberius  zeigt;  und  vielleicht  hat 
Horaz  daher  das  Motiv  für  die  Satiren  II  3  und  7  entnommen.  Aber 
Lucian  hat  aus  dieser  Quelle,  die  den  toUen  Fastnachtsspuk  in  bur- 
lesker Weise  auf  der  Bühne  darstellte,  nicht  geschöpft. 


1)  Yielleicht  war  es  Menipp  selber,  der  in  Berührung  mit  den  Göttern 
trat.  Die  eigentümliche  Überschrift:  iyco  Kgova  xcciQnv  und  Kqovois  iiiol  rm 
xifiKOTcitco  %oiiQBiv  legt  die  Vermutung  nahe.  Wir  würden  dann  den  Zusammen- 
hang mit  dem  ^Ikaromenipp'  und  der  'Widerlegung  des  Zeus'  wieder  empfinden. 


Kapitel  X. 
Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

Man  hat  die  Empfindung,  als  ob  Lucian  in  den  Unterwelts-  itnd 
Himmelsdialogen  sich  noch  recht  eng  an  sein  Vorbild  angeschlossen 
hat,  als  ob  er  an  ihnen  gleichsam  diese  Gattung  der  Literatur  erlernt 
hat.  Bei  den  übrigen  Satiren  fühlen  wir  wohl  hier  und  dort  in  Einzel- 
heiten oder  im  Hauptmotiv  die  Anlehnung,  aber  es  scheint  sich  doch 
eine  größere  Freiheit  zu  verraten;  er  hat  nun  schwimmen  gelernt 
und  kann  sich  voll  Selbstvertrauen  mehr  seiner  eigenen  Kraft  über- 
lassen. Zu  diesen  Werken  gehört  die  'Versteigerung  der  Lebens- 
arten', da  sie,  jedenfalls  in  Menipps  Schriften,  nur  für  einen  kleinen 
Teil  eine  unmittelbare  gleichartige  Vorlage  mit  demselben  Motiv  hat; 
und  sonst  läßt  sich  eine  enge  Anlehnung  an  irgend  eine  andere  Quelle 
für  uns  nicht  mehr  konstatieren. 

Zeus  läßt  den  Hermes  zur  Auktion  die  Käufer  herbeirufen;  ver- 
steigert werden  zunächst  nur  die  philosophischen  Lebensweisen,  die 
allzu  durcLsichtig  durch  die  Stifter  oder  Hauptvertreter  der  einzelnen 
Schulen  repräsentiert  sind.  Sie  bringen  einen  Preis,  der  in  gewisser 
Weise  der  Verbreitung  entspricht,  die  jede  Schule  gefunden  hatte, 
im  übrigen  auch  auf  die  größere  oder  geringere  Vornehmheit  der- 
selben Rücksicht  nimmt;  Heraklit  und  Demokrit,  sowie  Aristipp 
bleiben  unverkauft;  der  platonische  Bios  kostet  zwei  Talente,  der 
rüpelhafte  des  kynischen  Bettelphilosophen  geht  für  zwei  Oboleu  ab.^) 
Den  Stoff  für  die  Satire  bilden  bald  Ereignisse  aus  dem  Leben  jedes 
einzelnen  Philosophen,  bald  Aussprüche  oder  Gedanken  aus  seinen 
Lehren  in  mehr  oder  minder  einseitiger  Beleuchtung.  Am  ärgsten 
ist  Lucian  dabei  mit  den  Stoikern  umgesprungen,  deren  moralische 
Maximen  er  direkt  in   ihr  Gegenteil   verkehrt^);   und    hier    ist   seine 

1)  Siehe  Neue  Jahrb.  f.  d.  klan».  Altert.  IX  (1908)  S.  196.  Eine  BerOhruug 
mit  (li'in  Motiv  zeijft  der  Ati  tider  des  Kratee  bei  Diog.  L.  VI  86:  yiio- 
a6tftp  rQtf'n(io).ov  ivgl.  llau^»',   '  Iüh.  LXI  |nMH;|  S.  10). 

2)  Ebendort  S.  27:. 


228  Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

Satire  zweifellos  aktuell,  wie  uns  die  Ausführungen  des  Stoikers 
Epiktet  zeigen,  der  selbst  darüber  klagt,  daß  man  die  Philosophie 
nur  in  bestimmten  Spitzfindigkeiten  der  Rede,  wie  der  Kenntnis  des 
auch  von  Lucian  (22)  genannten  tcvqlsvov,  sehe,  wahre  Stoiker  aber 
nicht  zu  finden  seien.  ^)  Die  Reihenfolge  der  einzelnen  Sekten  zeigt 
ein  deutliches  Bestreben,  durch  Abwechslung  und  grelle  Gegensätze 
zu  wirken.  Auf  den  ehrwürdigen  Pythagoras  folgt  der  schmutzige 
Diogenes,  unmittelbar  darauf  der  Geck  Aristipp;  unter  sich  kon- 
trastieren Demokrit  und  Heraklit,  der  ewig  Lachende  und  der  ewig 
Weinende.  An  den  erhabenen  Piaton  schließt  sich  der  Schlemmer 
Epikur  und  wieder  in  scharfem  Gegensatz  der  finster  blickende  Chry- 
sipp,  der  die  Hauptkosten  der  Satire  zu  tragen  hat,  also  Epikureer 
und  Stoiker  nebeneinander,  wie  sie  im  Leben  so  oft  aufeinander  stoßen 
und  in  beständiger  Fehde  liegen.  Den  Beschluß  bilden  Aristoteles 
und  der  Skeptiker,  der  selbst  an  dem  Faktum  zweifelt,  daß  er  ver- 
kauft ist.  Mit  der  Ankündigung,  am  nächsten  Tage  die  übrigen 
Lebensarten^)  der  Handwerker  und  Gewerbetreibenden  versteigern  zu 
wollen,  hebt  Hermes  die  Auktion  auf. 

Es  ist  bei  der  Eigenart  dieser  Schrift  begreiflich,  daß  sich  Be- 
rührungspunkte mit  den  andern  weniger  als  sonst  finden.  Der  Schluß 
ist  wie  im  ^Doppeltverklagten'  und  ^Anacharsis'  nach  dem  Muster 
Piatons  gebildet,  der  ja  mehrere  Dialoge  mit  dem  Hinweis  auf  eine 
angebliche  Fortsetzung  der  Unterredung  beendet.^)  Die  Szenerie 
im  Anfang,  das  Auftreten  des  Zeus  und  seines  Dieners  Hermes,  wie 
der  Auftrag,  der  diesem  zuteil  wird,  erinnern  ganz  an  den  'Doppelt- 
verklagten'; es  ist  aber  bezeichnend,  daß  hier  die  Umrahmung  gleich- 
sam nur  angedeutet  ist,  während  an  und  für  sich  eine  genauere 
Begründung  der  folgenden  Szene  hier  ebenso  gut  wie  dort  möglich 
gewesen  wäre.  Man  wird  daraus  schließen  dürfen,  daß  die  ^ßicjv 
TtQäöLg^  später  verfaßt  ist  und  Lucian  das  Motiv  nicht  in  der- 
selben Breite  wiederholen  wollte,  zumal,  wie  wir  später  sehen  werden, 

1)  Epict.  U  19,  24:  dsi^at',  inLd'v^m  xiva  vi]  rovs  ^sovg  tdsZv  ZtcovKÖv  und 
19,  28  ganz  lucianiscb:  tc^ql^-^^svol  G%T]^a  ScXXoxqlov  TtsgiytarstTS  YXinxai  xal 
XcanodiTcci  tovrcov  x&v  ovdsv  TtQOGrpiOvxoiv  övo^ccxav  kccI  TCgayiiccxonv. 

2)  Die  Anregung,  die  darin  liegt,  ist  in  der  Tat  von  Nachahmern  benutzt 
worden;  Theodoros  Prodromos  verfaßte  eine  ßlcov  7tQ&6ig  TtoiriXLyiöov  xcci  7toXixLxä>v, 
in  der  Homer,  Hippokrates,  Aristophanes ,  Euripides,  der  Jurist  Pomponius  und 
Demosthenes  versteigert  werden  (Notices  et  extraits  de  la  bibliotheque  imperiale 
VIII  2,  129).     Krumbacher,  Gesch.  d.  byz.  Litt.^  München  1897,  S.  756. 

3)  Elaccvd-ig  Euthjphr.  15  E,  Protag.  361  E,  Erat.  440  E,  icod-av  Theaetet. 
210  D,  cci)QLov  Lach.  201  C. 


Berührungen  mit  anderen  Dialogen.  229 

noch  ein  anderes  Argument  hinzukommt.  Auch  die  Bezeichnung  des 
Stoikers  als  Gniphon  (23)  läßt  vielleicht  einen  Schluß  auf  die  Chro- 
nologie zu;  man  möchte  glauben,  daß  die  ausführliche  Schilderung 
dieses  Wucherers  im  'Hahn'  (30)  und  in  der  'Niederfahrt'  (17)  vor- 
hergegangen und  der  Name  dadurch  dem  Schriftsteller  wie  seinen 
Hörern  vertraut  geworden  war.  Die  Übereinstimmungen  beschränken 
sich  sonst  fast  ganz  auf  'Hahn',  "^Totengespräche'  und  'Wahre  Ge- 
schichten', von  denen  die  beiden  letzten  ja  zweifellos  nach  den  Stellen 
der  ^ßlcjv  TiQudLg'  geschaffen  sind;  in  Kleinigkeiten  berührt  sich  auch 
der  'Hermotimos'  mit  unserer  Satire.  Zunächst  Pythagoras!  Mit  der 
Legende  von  der  goldenen  Hüfte  wird  in  der  'Versteigerung  der 
Lebensarten'  ein  Schlußeffekt  erzielt  (6)  ^),  sie  ist  ebenso  in  dem  'Toten- 
gespräch' 20  (3),  dem  'Hahn'  (18)  und  den  'Wahren  Geschichten'  (U  21) 
verspottet.  Das  Verbot  des  Schweigens  ist  hier  (3)  wie  im  'Hahn'  (4) 
vorgebnicht-);  ebenso  ist  das  Verbot  des  Bohnenessens  in  beiden 
Schriften  berührt,  nur  mit  dem  Unterschied,  daß  hier  (6)  eine  Anzahl 
von  Gründen  dafür  genannt  wird,  im  'Hahn'  (4)  der  bekannte  dem 
Orpheus  zugeschriebene  Vers  herangezogen  ist:  lööv  toi  xvd^ovg  re 
(pcr/Hv  x£(puläg  t£  toxijcov^  auf  den  dann  im  'Totengespräch'  20  (3) 
wieder  bezug  genommen  ist.  Wie  die  Witze  über  Pythagoras,  so  ist 
der  über  Sokrates^  Knabenliebe  auch  sonst  wiederholt;  er  bekennt 
sich  hier  selbst  als  Knabenliebhaber  (15),  im  'Totengespräch'  20  (6) 
weilen  Charmides  und  Phaedrus  bei  ihm,  in  den  'Wahren  Geschichten' 
(H  17)  Hyacinth,  Narciß  und  Hylas.  Piatons  Staat  ist  in  den  'Wahren 
Geschichten'  (H  17)  ganz  deutlich  nach  dem  Muster  unserer  Schrift  (17) 
verspottet^);  auch  die  Weibergemeinschaft  im  besonderen  wird  in 
gleicher  Weise  behandelt.^)  Aristipp  duftet  nach  Myrrhen^)  hier  (12) 
wie  'Totengespräch'  20,  5.  Bei  dem  Skeptiker  wird  mit  dem  xcrra- 
ku^ßavtLv  Scherz  getrieben*);  er  kann  einen  Sklaven  nicht  verfolgen, 
weil   er    ihn    nicht   'fassen'   kann  (27),   in    <1mi   'Walivfn    G« 'schichten' 

1)  Vit.  a.  G:   x{fvaovs  ui)x<a  6  iitiQOg  iaxiv,  dial.  mort.  20,  3:    oijx^r»  XQvaoüs 
(i  \iriif6i  iaxi  aoi. 

2)  Vit.  a.  8:  Atfcoviri  xal  n^vtt  Sicov  h^cav  XaXieiv  \LTidiv,  gall.  4:   XdXog  tly 
n  df-  öKonav  ig  nivxt  8Xa  frrj  oliuei  rtagyjvH. 

li)  Vit.  a.  17:  oixCb  nhv  {\iavx(o  rtra  n6Xiv  itvaTiXunagy  xQäuLoti  dh  noXixtia 
'  • ',  %ul  v6(jLovii  i'Ofii'^oi  Tovtf  ^fiovi»%  vef.  hirtt.  I117:  (Xiytxo  xal  avxbg  iv  xfj 
(  /<  TXKuaOtioij  »*'T*  (  vT<iv  rroln  olxtlv  xif^l^^^'^S  ^ii  TtoXirtiu  xal  xotg  i'O^oi;  oltj 
avvi'/ffu^tp. 

4)  Siebe    .N<  u.  ..»..i..    ...    i'JO*i)  S.  208  f. 

6)  Vit.  A.  12:  &nonv»l  iivi/mv,  dial.  mort.  20,  6:  inonvi<ap  fiv^ov, 

6)  Siehe  Neue  Jahrb.  IX  (1902)  S.  208. 


230  Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

(II  18)  können  die  Skeptiker  nicht  zur  Insel  der  Seligen  gelangen, 
weil  sie  dieselbe  nicht  'erreichen'  können,  und  beide  Male  wird  ihnen 
Trägheit*)  zugeschrieben.  Bei  Aristoteles  wird  die  Anerkennung  der 
äußeren  Güter  erwähnt  (2^)^  die  dann  'Totengespräch'  13  (5)  ver- 
höhnt wird.  Epikur  heißt  angenehm  und  umgänglich  (19)  wie  in 
den  'Wahren  Geschichten'  (II  18);  seine  Theologie  wird  hier  mit  dem 
einen  Wort  ccöeßaötsQog  abgetan,  während  im  'Doppeltverklagten'  (2), 
in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  (7/8),  im  'tragischen  Zeus'  (17)  und  'Ikaro- 
menipp'  (32)  die  epikureische  Ansicht  ausgeführt  wird,  wohl  ein  Kri- 
terium für  die  spätere  Abfassung  der  'Versteigerung'.  Die  Stoiker 
werden  wegen  ihrer  (pavtaoCa  xat aXriTtxLTcrj  verspottet  (21)  wie  im 
'Hermotimos'  (82)  und  im  'Gastmahl'  (23);  der  Syllogismus  mit  dem 
Krokodil  wird  hier  ausführlich  gegeben,  'Hermotimos'  81  angedeutet. 
Statt  des  ganz  geläufigen  'Gehörnten'  im  "^Hermotimos'  (81)  und  'Hahn' 
(11)  wird  hier  (25)  durch  einen  Schluß  eine  Versteinerung  bewirkt. 
Die  ccdLä(poQa^  TCQorjy^Eva  und  ocTtoTCQorjy^eva  bringt  die  Stoa  wie  hier  (21), 
so  im  'Doppeltverklagten'  (22)  vor.  Das  Paradoxon,  daß  der  Weise 
allein  reich,  König  usw.  ist,  findet  sich  hier  (20)  wie  im  'Hermotimos' 
(16  und  81).  Diogenes  nennt  sich  latQÖg  rcbv  %a^Cbv  (8),  wie  der 
Kyniker  in  der  'Niederfahrt'  (7)  als  latQog  r&v  ävd'Qco'jtCvcov  cc^uq- 
trj^dtcDv  bezeichnet  wird.  Man  sieht,  die  meisten  Übereinstimmungen 
bieten  die  'Wahren  Geschichten',  in  denen  Lucian  bei  der  Episode 
auf  der  Insel  der  Seligen  verwertet  hat,  was  er  in  der  'Versteigerung 
der  Lebensarten'  zusammengestellt  hatte. 

Besondere  Anspielungen  historischer  Art  darf  man  in  dieser 
Schrift,  die  sich  nur  gegen  die  Philosophen  richtet,  nicht  erwarten, 
immerhin  sind  die  Namen  der  als  Vertreter  der  einzelnen  Schulen 
gewählten  Männer  zu  beachten.  Karneades  und  Posidonius  sind  nicht 
erwähnt,  und  über  das  dritte  Jahrhundert  geht  Lucian  auch  hier  nicht 
hinaus.  Die  Skepsis  vertritt  Pyrrhon,  der  durch  den  Sklavennamen 
Pyrrhias  deutlich  bezeichnet  ist.  Der  späteste,  der  genannt  ist,  ist 
Chrysipp,  dessen  Tod  in  die  148.  Olympiade  (208 — 4)  fällt.  Seine 
Lebensdauer  wird  verschieden  bestimmt;  wenn  die  ^axQÖßLOL  in  Lucians 
Schriften  (20)  und  Valerius  Maximus  (VHI  7  ext.  10)  ihm  mit  Recht 
mehr  als  80  Jahre  zuschreiben,  so  könnte  er  um  290  geboren  sein.^)  Da 
seine  Schriftstellerei  ungeheuer  groß  war^)  —  Persius  soll  von  ihm 
700  Bücher  in  seiner  Bibliothek  gehabt  haben  — ,  so  muß  er  schon  zeitig 

1)  Na&'^g  und  v7tb  vadslag.  2)  ApoUodor  bei  Diog.  L.  VII  184  gibt  ihm 

nur  73  Jahre  (vgl.  oben  S.  95  und  Jacoby,  ApoUodors  Chronik  S.  371). 
3)  Diog.  L.  YII  180  gibt  mehr  als  705  Bücher  an. 


Menipp  als  Vorbild.  231 

begonnen  haben  literarisch  tätig  zu  sein;  es  wäre  also  nicht  undenkbar, 
daß  Menipp  sich  schon  gegen  ihn  gewandt  hätte.  Aber  der  Ansatz  ist 
zweifelhaft,  und  die  Bedeutung  Chrysipps  für  die  Ausbildung  der  Schule 
überragte  die  des  Gründers  so  sehr,  daß  Lucian  seinen  Namen  auch 
selber  hätte  einsetzen  können,  wo  er  den  des  Zeno  fand.  Ob  also  Menipp 
die  Auswahl  der  versteigerten  Philosophen  veranlaßt  hat,  muß  zweifel- 
haft bleiben,  ebenso  wie  die  Verwendung,  die  etwa  dessen  Schrift  :tQbg 
rovg  (pvöLxovg  (Diog.  L.  VI  101)  oder  sein  'Arkesilaos'  (Ath.  XIV  644  e), 
der  doch  eine  Verspottung  der  Skeptiker  enthalten  mußte  ^),  bei  Lucian 
finden  konnte;  jene  hätte  ohnehin  für  diesen  Stoff  wenig  oder  nichts 
bieten  können,  und  dieser  könnte  nur  für  die  Behandlung  des  Skepti- 
kers am  Schluß  in  Betracht  gekommen  sein.  Aber  an  einem  Punkte, 
glaube  ich,  läßt  sich  die  Einwirkung  des  menippischen  Vorbildes 
deutlich  verfolgen  und  damit  die  Anregung  für  das  ganze  Motiv  des 
Verkaufs  auf  dieses  zurückführen. 

Der  Kyniker  Diogenes  wurde,  von  Seeräubern  gefangen,  in 
die  Sklaverei  verkauft,  und  es  sind  bei  dem  Biographen  des  Philo- 
sophen, Diogenes  Laertius,  an  verschiedenen  Stellen  Notizen  über 
diese  Verkaufsszene  erhalten.  Wo  er  zum  ersten  Male  davon  spricht, 
hat  er  als  seinen  Gewährsmann  (VI  29)  Msvinnog  iv  /Jioyivovg  Tcgccöei 
genannt;  man  wird  es  um  so  weniger  für  Zufall  halten,  daß  auch 
Lucian  den  Diogenes  hier  versteigern  läßt,  wenn  wenigstens  das  eine 
Wort  sich  in  der  ßCcov  TtQäaig  (8)  genau  ebenso  wiederfindet,  wie  bei 
dem  Biographen  (VI  63),  nämlich  die  Antwort  auf  die  Frage  nach 
seiner  Heimat:  'Ich  bin  Bürger  der  Welt.'  Menipp  hatte  natürlich 
eine  ausgeführte  Szene  geschaffen  oder  ein  Gefüge  mehrerer  Szenen, 
und  hier  mußte  alles,  was  mit  dem  Verkauf  in  Zusammenhang  stand, 
gesammelt  sein;  wenn  andererseits  bei  Diogenes  L.  und  sonst  mannig- 
fache Züge  von  jenem  Verkauf  erzählt  werden,  so  ist  man  wohl 
berechtigt  anzunehmen,  daß  sie  sämtlich  auf  eine  hervoiTagende  Quelle 
über  dies  Ereignis  zurückgehen,  und  als  diese  ergibt  sich  eben  Menipp. 
Ich  muß  den  Leser  bitten,  für  einen  Augenblick  sich  die  Kompilation 
der  Vitu  bei  dem  Biographen  anzusehen.  Da  zeigt  sich,  daß  er  mehrere 
Gewährsmänner  —  mindestens  vier*)  —  hintereinander  ausgeschrielxm 


1)  Die  umgekehrte  Situation  wie  bei  Lucian,  dafi  der  Herr  der  Skeptiker 
int,  netzt  der  Spott  Epiktett  gegen  die  Akademiker  voraus,  das  Heilmittel  int 
das  gleiche  II  SO,  28:    iö^itav   nol^    *p4ff9t9   r^y    z^r^a;    eis    tä    6x6^01   rj  ils    ritp 

6tp9aXfi6v\    Xov6ii»vog  not  ifißalvHg; tt  rtvog  aitxdtv  Sof^Xog   ijurip^ 

»l  nul  IdH  ft«  xtt^'  ^fiiQttV  im'  n^^rotv  fuS^gea^at,  fyut  civ  crAr6v  iaxQfßlovp. 

2)  Vgl.  Rahnsch,  Quaest.  de  Diog    Laert.  fontibus,  Dtss.  Königsberg  1868« 


232  Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

hat,  wobei  er  im  allgemeinen  wohl  ergänzen  wollte,  manchmal  in- 
dessen sich  auch  wiederholt  hat.  Die  vorhandene  Absicht,  nur  das 
Vergessene  nachzutragen,  verrät  sich  deutlich  in  dem  Zusatz  §  34: 
xal  xakka  o6a  av(o  ngosCgrixai^  womit  auf  §  23  zurückgewiesen  wird, 
ebenso  in  der  Phrase  §  72:  oXovg  avoo  TiQoeLQTJxa^ev  und  §  74:  ojg 
dfiXov  i^  G)v  nQ06LQr]xa^sv',  gerade  der  letzte  Ausdruck  mit  seinem 
Anschluß  an  den  Satz:  avötoxcotarog  d'  Byeveto  sv  talg  ccTtavtrjöeöL 
TQjv  Xoyov  ist  bezeichnend;  der  Verfasser  der  Biographie  fand  hier 
wieder  eine  Sammlung  treffender  Apophthegmen,  die  sich  größtenteils 
mit  einer  vorher  benutzten  deckte;  er  ersetzte  also  die  Darlegung 
einfach  durch  den  Hinweis  auf  das  früher  Gesagte.  Eben  diese  Ver- 
weise dienen  auch  als  deutliche  Argumente  zur  Herausschälung  der 
ursprünglichen  Bestandteile;  die  oben  erwähnte  Zurückbeziehung  in 
§  54  geht  auf  23,  so  daß  also  34  zur  zweiten,  23  zur  ersten  Quelle 
gehört;  die  Bemerkung  in  §  72  leitet  den  Leser  zu  §  37  zurück,  also 
zur  zweiten  Quelle,  gibt  sich  also  dadurch  als  aus  einer  neuen  ent- 
nommen zu  erkennen.  Schon  dadurch  lassen  sich  drei  Gewährsmänner 
erschließen;  aber  weiter  führt  die  Beobachtung  der  Wiederholungen, 
die  natürlich  nicht  immer  ganz  gleich  sind,  aber  doch  denselben  Stoff 
oder  dieselben  Namen  angehen  oder  dieselbe  Situation  zur  Voraus- 
setzung haben.  Eine  Nebeneinanderstellung  dieser  Übereinstimmungen 
in  den  verschiedenen  Teilen  der  Apophthegmensammlung  der  Vita 
wird  die  Übersicht  wesentlich  erleichtern^): 

I  II  III  IV 

|22|  ^vv  d'saGciiiEvog      40    ngbs    tovg   eq- 
diocxqixovTu itvGavtag  i-jtl  xr]v 

TtOQOV    i^SVQS    Tf]g  XQÜCTtS^CCV         ^vg' 

TCSQLötdötoag.  Hdov  ^    cpriöi,    "nccl 

Jioy^vrig  ^ciQccGl- 
tovg  TQtcpsi'. 

23  d-^QOvg  HSV  inl  |3^     yv^ivolg    noal 

ipccHfiov   ttGtrig  i-  ^lova  iTtdtsi  xccl 

xvXLvdstto^  XSi^öb-  raXXcc   oacc  ccva 

vog  6'  ccvSQiccvTccg  TtgosigritccL. 

■KSXI'OVlGfl^VOVg 
TltQLSXcC^ßcCVS. 


S.  30  ff.  Leo,  Die  griech.-röm.  Biographie,  Leipzig  1901,  S.  49  ff.  Ich  hoffe  im 
folgenden  durch  die  genaue  Gegenüberstellung  die  Kombination  von  Bahnsch 
wesentlich  zu  modifizieren. 

1)  Die  mutmaßlichen  Anfangs-  und  Schlußparagraphen  der  einzelnen  Teile 
sind  durch  Umklammerung,  bezw.  Fettdruck  bezeichnet. 


Vita  des  Diogenes  bei  Diog.  Laert. 


233 


24—6  Streit  mit 
Piaton 

24  i/iiys  xai  rovg 
dritiaytoyovg 
öx^ov  öianö- 
vovg. 

24  Verspottung  der 
Traumdeuter 


27/8  xai  (ir]v  xal 
tovg  liovöixovg 
rüg  iikv  iv  xfj  Xvqcc 
XOQÖug  äg^iotre- 
a&ai,  avoLQ^ioGta 
ö'  ix^iv xi)g 'ipvxfjg 
TU  /J^rj*  tovg  fia- 
d^r]uarixovg  &7C0- 
ßXinsiv  ^kv  TiQÖg 
xbv  fjkiov  xal 
TTjV  aBlf]VT]v,ru 
d'  iv  noal  Ttgay- 
fUitU  nuQOQCcv. 

28  tovg  Qi^rogag 
Xtytiv  (ihv  ianov- 
dcixivcti  XU  Öixaia^ 
nQUTTiiv  dh  \Lr\du- 
fLibg. 


28  ixivH  dh  aiftbv 

xul  X6  ^VBIV  iihv 

xotg  d'folg  vnkg 
hyuiag^  iv  cc^yx^ 
Sh  r^  ^vaice  xuxu 
T/'iT     vyiflag     A(i- 

'iU  int/vn  rot;;  ^i^A- 
lovTug  yuiulv  xul 
liTi  yttii4lp. 


n 

40—1  Streit  mit 
Piaton 

41  utys  rovg  (ihv 
örniuyoiyovg 
öxXov  dtaxö- 
vovg. 

43  Verspottung  de- 
rer, die  an  Träume 
glauben 


39  Ttgbg  rbv  Xiyovxa 
ubqI  xä>v  ^isxs- 
coQüiV  ^noGxalog, 
^(pTi^  Ttdgtt  ScTtb 
xov  ovgavov;^ 


42  ivfxäXfL  xotg 
&v&go)noig  nsgl 
xfig  f'i^X^iy  a/ref- 
a&ai  X^ycov  ai^xohg 
iiyuf^u  XU  aixotg 
<^oxo{>vra  xal  ov 
xä  %€tt*  &Xi^9tti<v 


m 

53  Verspottung  von 
Piatons  Ideen- 
lehre 


|47|  tovg  grjxogag 

xai    ndvxug    xovg 

iväo^oXoyovixag 

xgiaavd^Qwnovg 

&nsxccXf:i  &vxl  roö 

xgiauQ^Xiovg. 

68  Q^v6vx(av  xi- 
v&v  xotg  &solg 
ircl  T«  vlbv  ysvi- 
ad^air  ((pri  ■  *7tBgl 
Sh  xoi)  nodccnbg 
ixßfi  ov  d't'fTf;' 

64  fgioxri^tlg  itoioi 
xaigä)  dbl  ya^tlv 
lytj-  *xolg  n^v 
viovg  i^ridinm^tohg 
dk  ngtaßvxigovg 
lifldtnantoxt* . 


IV 

67  Piaton  als 
heimlicher  Bett- 
ler dargestellt 


73  (iov<ytx7)s  te 
xal  ysausxgixfjg 
xal&6xgoXoyiug 
xccl  xcav  roLOvxav 
cciLsXslv  ojg  ^XQ"^' 
öX(ov  xal  ovx 
&vayxaia)V. 


234 


Kapitel  X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

n  ni 


IV 


29/30  Aus  der  Jio- 

63 

n 

ytvovg      TtQ&aig : 

ijQtotrjd'r}    tl  oUb 

igaxrid^slg 

TtO&EV 

XOV  xTjpvxoff  igm- 

TCOLStv,  CiTtB-KQiva- 

^h. 

'y,o6[L07CoXi- 

xmvxog     xi     oISb 

xo'    ^icvdQ&v   ag- 

rrjs' 

hcpr]. 

TtOLsiv,  ^(pj]'  'av- 

%SLV\ 

d-Qmnav   ccqxslv\ 

vgl.  Gell.  II  18,  9. 

Philo     de     sap. 

lib.  18 

^XeyB  x(p   SsvidSt] 

36     XG)     TtQiaiiivm 

xa  TtQLaiiivcp  ccv- 

ccvxbv        SsviMfj 

xbv    Sstv    Ttsid's- 

(priai  •    ^uys   onrng 

cd'aL  ccbxay  sl  xal 

xb  7tQ06XCCXx6ilSVOV 

ÖOvXog    SLT} '      'Kccl 

7tOLl]6£Lg\      XOV    d' 

yciQ    sl    IccxQog 

slTtovxog-       ^  avco 

5)  KvߣQvrixr]g  rjv 

TCOXCCH&V     ;f03pO'U(yt 

SovXog,  TtSLa&Tj- 

7tccyccl\      'st     8h 

vai  av  ccvxä. 

iuxQOv  iTtgico  vo- 
ccov,  ovv.  at',  ^(pr\y 
ccvxa     iTtsld'ov, 
&XX'  slnsg   ccv   mg 
avm  Ttoxaiimv  x<*>- 
QOVOL  Ttccyal' ; 

^y.'qQveas^    ?qp7]   ^sl' 

74  dsi^ccg  XLva  Ko- 

xigi^iXsidsano- 

QLvd-iov  .  . .  . ,  ^qpT] 

xr^v    avxo)   ngicc- 

'xovxo)  ^s  TtmXsi- 

6d^ca\   vgl.  Philo 

ovxog  dsGTtoxov 

a.  a.  0  . 

XQV^^''- 

30   Erziehung   der 

Kinder  des  Xenia- 

des 
Diogenes  und  Alexander: 
32     (pccGL     dh     Kai      38   iv  xm  Kgarsia 


'AXs^avÖQOV  si- 
Ttsiv  cbg  SLTtsg'AXi- 
^ccvdgog  ^i]  iysyo- 
vsiv^  ri%'iX7\6a  ccv 
jLoyevrig  ysvia%^ca. 


33  %Xsysv  kccvxbv 
■Avva.  slvai  xmv 
iitaivovy^ivmv^  &X- 


rjXiovfiEVG}  ccvxm 
'AXi^ccvSgogim- 
6xdg  cpriOLv  •  'ccl'- 
xrioov  ft-8  0  ^iXsig^ 
xal  og  •  '&7to6%6- 
xriGov  fiov'  qprjfft. 


60  'AXs^dvögov 
Ttoxh  imaxdvxog 
avxm  v,al  sinov- 
xog-  'iyd)  siiii.'AXi- 
^ccvSgog  ö  (liyccg 
ßccaiXsvg',  '-K&ya), 
qpi](7t,  Jioyivrig  ^ 


55    igmxrid'slg    no- 

XCCTtbg     SIT]      KVCOV, 

Mcp7\    'nsivSiV   nhv 


74  Erziehung  der 
Kinder  des  Xenia- 
des 

68  ngbg  AX^^av- 
Sgov  iitiGxdvxa 
y,a.l  slnovxa-  'ov 
cpoßji  ns;'  'xi  ydg, 
SLTtsv^  sl]  ccyad'bv 
^  xaxov;'  XOV  ds 
sinovxog  "dycc- 
'ö'or',  'xlg  ovv,  sl- 
7ts,  xb  ccya^bv  cpo- 
ßslxai,',^ 


Vita  des  Diogenes  bei  Diog.  Laert. 


235 


I 

Xu  y^riSivci  xoX- 
H&v  räiv  iTtai- 
vovvxciv  avve^- 
tivai  int  rrjv 
d'ijgccv. 


■33  jr^üj  ruv  el- 
növxa  •  ^üvd'icc 
vixca  avÖQKg^ 
'iyat  ^sv  ovv, 
slnevj  apSgag^ 
av  d*  ävdgd- 
'3toda\ 


n 


43  'Okvu7iia6L  tov 
x^QVKog  ccveiTtov- 
Tog  ^viKoc  Jim- 
^iTtTtog  avÖQCcg^ 
*ovrog  ^hv  Si} 
icvöganoÖcc^ 
ävdgccg  S'  iym'*  • 

37  xoiv  d'sdiv  iart 
ndvTcc-  cpiXoL  fih 
ol  tfoqpoi  Tolg  &s- 
olg'  xoivd  Sh  xci 
xä)v  (piXav.  Ttdvx' 
aga  iaxi  twv  co- 
(pd>v. 

39  svvovx^^  i^^' 
X^rigov  iTtiygä- 
tpccvxog  inl  xi\v 
oi-Kiav  ^iiridhv 
elaixo}   xocx6v*    '6 

OVV  XVQlOfy  ?qp7j, 
xijg  olxiag  nov 
doiX^ri': 

40  ix  xov  ßaXccvslov 
i^iojv  x(p  nhv  nv- 

^Oft^VO),   kl  TCOX- 

Xol  &v9'g(onoi 
Xovvxai ,  ijgvriaa- 
xo  xti)  d'  tl  no- 
Xhg  6xXog,  ca^o- 
X6yr\af. 

41  ngbg  xbv  iv- 
xivd^avTa  a^rco 
dox6v,  tlxu  ti- 
n6vta'  *<p^Xa- 
|ai'  *ndXtv  yoLQ 
fit,  Itjpf],  nai%iv 
fiiXXtts-: 


III 
MsXixaiog,  xoqxcc- 
a»slg  dk  MoXox- 
XLx6g,  xovxav  ovg 
inccivovvxsg  ol 
noXXol  ov  xoX- 
Hä>6L  &LCi  xbv  TtO- 
vov  avvs^iivai 
ccvxolg  inl  xr]v 
&T]gav\ 


IV 


|47|  dsaöd^ievoginl 

&6(i)X0V  O  l  X  i  OC 

in L  y  sy  ga  fi^i- 
vov  '  ngdamog ' 
^ydsiv^  elnsv,  ort 
ovx(o  xgainccXdtaa 
gadi(og  i^s^iöoig 
tbv  xsxxrm^vov* . 
60  inavyei  &n* 
'OXvfinitüv  •  ngbg 
OVV  xbv  nvd'6- 
^iBvov^  bI  öxXog 
tiri  noXvgy  *noXvg 
fiivyf-iniv,  iixXog, 
dXlyoi  d'   ol   &p- 

9Q0i7t0l.\ 


72  ndvxa  xmv  ao- 
qpüor  elvcci  Xiyatv 
xal  xoLOvxovg  X6- 
yovg  Hgmv  oiovg 
ccv(ü  ngosigTjxa- 
fiBV  ndvxa  xmv 
d-sätv  iaxi  UBW. 
wie  in  37 


66  n(fbg  tbv  h- 
atlöccvta  a6t^ 
do%6vt  tlta  tl' 
ndvxa'  *tpvla' 
iat*  nXi^ag  a^ 
tbv  r0  fiaxtrufl^ 
tlnt'  'qpvio^ai*. 


236 


Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 


n 

41  Witz  über  den 
xdvivXog 

44  Ablehnung  der 
Aufforderung  des 
Perdikkas 

46      TtQÖg    TCi     TteQL- 

ordvTcx  ^tiQäma 
%ccl  slndvtci'  ^ßX^- 
Tta^sv    ftr)     Sdyir] 

X  BvxXia      0'6'n 

40  ^tt'  &,yoq&g  no- 
xs     xsiQOvqy&v 

rr/r  •KOiXictv  f^v 
TiaQaxQitpccvx  a 
(IT)  nBivfiv\ 

46  TtQbs  xb  xexoff- 

iLrinivOV  [LBIQO.'MOV 
•Jtvd'OflSvdv  XL  Jefpri 
OV  TIQOTSQOV  Xi^SLV 

uvxrpy  st  ^li}  &VCC- 
OVQCCflBVOS  Ssi^sis, 
TtöxsQOv  yvvi^  iaxiv 


ni 

54  Witz  nach  Emp- 
fang eines  x6v- 
^vXog 

67  Ablehnung  der 
Einladung  des 
Krateros 

61  ävo  ^aXan&v 
nsQixQVTtxo^^vav 
aixbv  'icpri'  "^i] 
BvXccßtta^ts'  ■nvoav 
xsvxXia  OV  xqod- 
yBi\ 


IV 


64   [LhLQd%iov  lSa>v 

XaXX(O7tL^Ö^8V0V 

?qpr}-  'el  ^ihv  ngbg 
av^Qocg^  ScxvxBtg' 
bI  äh  ngbg  yvvat- 
xag,  ScSi-netg^. 


51  dxovßccg  noxh 
ort  jdiSviicov  6 
a'bXrixrjg  ftotjjös 
idXo,  'd^iog,  ^qprj, 
ix  xov  övoiiUTog 
xQ^lic(G9-ca\ 


58  OvBL&i^OfiBvog 
7C0XB  '6x1  iv  dyoQo. 
^(pceyBV,  ^iv  dyo- 
Qu  ydg,  Iqp?],  xai 
i^BLvriaa^. 


QO^BLQOVQycav  x 
iv  rc5  /i^öoj  avv- 
Bxk'  'ei'&£  ^v,. 
^XsyB,  71  dl  xr}v 
HOiXlav  nccQa- 
XQitpd^svov  xov 
Xliiov  7iccvöcca&cii,\ 

[66J    ISoJV     TtOXB     VB- 

aviö-KOv  d-riXvv6- 
^LBvov  ^ovx  cciaxv- 
^Vi  ^9'^»  xslgovoc 
xi]g  (pvGBcng  nsgl 
OBccvrov  ßovXev- 
6fiBvog;  ij  ^hv  ydg- 
OB  ävögcc  inoiTiGB^ 
av  dh  OBccvxbv  ßi- 
d^iß  yvvaixcc  bIvui*  . 

68  ngbg  ^idv\L(ü- 
vccxbv  iioixbvla- 
xgsvovxd  7C0XB  v,6- 
gjl?  öcpd'aX^LOv '  '3- 
por,  qprjff/,  ft?j  xbv 
öcpd'aXiibvxiigTtccg'' 

%'ivOV   d'BgCC7tBV(OV 

xr}v   yiogriv    cpd'si- 

69  ^bI  xb  dgiGx&v 
ybr\SBv  iaxiv  dxo- 
Ttov^ovd'  ivdyo- 
gä  iaxiv  dxo7tov\ 


Vita  des  Diogenes  bei  Diog.  Laert.  237 

Wir  gewinnen  so  deutlich  vier  Teile.  Daß  man  an  den  Fugen 
nicht  bis  aufs  Wort  die  Stelle  der  Trennung  angeben  kann,  wird 
keinem  wunderbar  erscheinen,  ebensowenig,  daß  man  zweifeln  kann, 
ob  eine  Angabe  noch  zum  vorhergehenden  oder  schon  zum  folgenden 
Abschnitt  zu  ziehen  ist;  Bedenken  bleiben  übrig;  der  Spott  über  die 
Aufschrift  am  Haus  §  47  ist  nicht  so  gleichartig  mit  dem  in  §  39, 
daß  sie  nicht  hätten  in  derselben  Quelle  stehen  können,  und  da  gerade 
auf  dieser  Stelle  die  Absonderung  eines  neuen  Teiles  beruht,  so  ist 
hier  eine  Verschiebung  um  mehrere  Paragraphen  denkbar.  Aber  doch 
ist  im  ganzen  die  Trennung  klar.  Nur  der  dritte  Abschnitt  macht 
Schwierigkeiten,  weil  er  schon  in  sich  Wiederholungen  enthält,  die 
kaum  durch  zufälligen  Platzwechsel  und  Übergang  aus  einer  Quelle 
in  die  andere  zu  erklären  sind.  Die  Bemerkungen,  die  hier  in  Be- 
tracht kommen,  sind  folgende: 

54  Ttgbg  tbv  Blnovxcc-  ^noXXoi  aov  xuta-  58    ngög  xbv   Bln6vxcc'    'ot   nXeiovg   öov 

ytltbaiv^  'aXX'  iyoa^  ^^P^^  ov  xataysXd)-  xaraytAcäfft'     'ti&xsivoyv    xvx^v,    slnev, 

Hai\  ol    övof    &XX*  ovT*  inttvot   tcbv    övtov 

iniaxQitpovtcci  ovr'  iyta  ^xeLv(ov\ 

48     ^tiQUY.iov   imdsixvvnivov  nXr\Q<i)6ccg  67  dLccXtyo^ivov  noxh  xov  uiytov  (Anaxi- 

xh  naoxoXTnov  ^(q^cüv  &vxiiiQv  ^-KCinxu'  menes)   xuqixo?    ngoxsivag  ntQiiG-jtuOB 

xov   dl   7fXi]d-ovg   elg  wbxbv  &(fOQ(bvxog  xovg     &XQOccxug-      &yccvcexxovvxog     Öi' 

^aviid^iiv  iq>ri    n&g    ixBlvov    &(pivxsg  'r^v  'Ava^i^^iivovg^  icpri,  didXs^LV  ö/?oiot) 

flg  ccvxbv  Öqüol.  xdgt-xog  dLccXiXvxBv\ 

58  6vBi.dil;;6iitv6g  noxB  oxi  Iv  &yoQa  iq)a-  61    &Qiaxä)vxi   avxfji   iv   icyoQU   ol   nsQi- 

ytv  nsw.  BOx&xsg  OvvBx^g  iXsyov  *xvov\ 

Die  Schwierigkeit  löst  sich,  wenn  man  in  diesem  die  Paragraphen 
47 — 63  umfassenden  Teil  schon  eine  nicht  ganz  geschickte  Kompila- 
tion mehrerer  Quellen  annimmt,  die  Diogenes  L.  jedenfalls  schon 
vorfand.  Im  ganzen  wird  man  an  der  Vierteilung  22 — 33,  34 — 46, 
47 — 63,  65 — 74  festhalten  dürfen,  da  sich  drei  sichere  Indizien  dafür 
finden*),  der  Streit  mit  Piaton  (24,  40,  53,  67),  die  Reste  aus  der 
jdioyivovg  nQccöig  (29,  30,  63,  74)  und  die  Alexanderanekdoten 
(32,  38,  60,  68).  Es  bleibt  sich  für  uns  gleich,  ob,  wie  Leo  ver- 
iMutet  hat  und  nicht  ohne  Grund,  die  Anfangsparagraphen  des  ersten 
und  die  SchluUpuragrapheu  des  letzten  von  uns  herausgeschälten  Ab- 
schnittes   zn    der  ursprünglichen   Vita  gehören.*)      Für  den   Verkauf 


1)  Leo  ft.  a.  0.  8.  f,o  Iwl.t  Hi.- 

lmrv(»r. 

olino   loilocli    di»«    ZrrtiMhiiik' 

(lannch 

^•Miau  durchzofOhron. 

2)  Er  Tochnei  9  2o     ^.^   uhm 

1 

.mrigiiriMM, 

:,    in 

die  dttnn  die  A])Ophthegnien  eiii^' 

r  iiiricbt, 

loSMOn 

238  Kapitel  X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

des  Diogenes  haben  wir  Nachrichten  aus  vier  Quellen^);  ich  denke 
aber,  daß  wir,  wie  oben  gesagt,  schon  aus  allgemeinen  Erwägungen 
berechtigt  sind,  sie  im  Grunde  alle  auf  Menipp  zurückzuführen,  der 
an  der  ersten  Stelle  als  Gewährsmann  genannt  ist.  Dazu  stimmen 
die  Angaben  der  zweiten  und  vierten  ja  mit  der  ersten  fast  ganz 
überein;  und  die  Bemerkung  aus  der  dritten  kehrt  bei  Lucian  wieder, 
wo  wir  die  Anlehnung  an  Menipp  voraussetzen  müssen.  Ferner  sieht 
man,  daß  die  erste  und  vierte  aus  pädagogischen  Werken  geflossen 
sind,  in  §  75  ausdrücklich  als  KXso^avrjg  iv  rw  iTnygacpo^avc)  Ttaiöa- 
ycoytm  zitiert;  §  30  zwar  als  EvßovXog  iv  tc5  i7CiyQa(po^ivc)  ^lo- 
ysvovg  TTQäöig^  aber  mit  langem  Bericht  über  den  Unterricht,  den 
Diogenes  erteilte.  Der  Verkauf  selber  bildete  nur  etwa  die  Einleitung 
und  war  mit  Berufung  auf  Menipp  geschildert.  Menipp  und  Kleo- 
menes  waren  ja  Zeitgenossen;  und  wenn  Kleomenes  noch  nicht  aus 
Menipp    schöpfen   konnte,    so    mußte    dann  Menipp    die    brauchbaren 

wird  mit  den  Worten:  avccfpiQBtai  dh  ■nal  aXXcc  stg  ccvtov,  a  ilccxqov  uv  sl'r}  'acctcc- 
XiysLv  TtoXXa  övta,  daß  von  §  70  ab  nicht  mehr  einzelne  Apophthegmen,  sondern 
eine  längere  nnd  nach  Möglichkeit  zusammenhängende  Auseinandersetzung  der 
Lehre  des  Kynikers  folgt,  daß  endlich  §  70  8ixt7]v  d'  Usysv  slvai  xr\v  a07iri6i.v, 
xr]v  iihv  \pv%iv,r\v,  ri]v  ds  aioncctLyii^v  sich  an  §  23  Ttavtaxod-f-v  hccvtbv  GwccaycCbv 
anzuschließen  scheint.  Allerdings  ist  23  nur  von  körperlicher  Abhärtung  die 
Rede.  Auch  begreift  man  nicht  recht,  was  den  Verfasser  bewog,  die  aus  Chrieen- 
sammlungen  entnommenen  Apophthegmen  gerade  dazwischen  einzuschieben  und 
nicht  hinter  den  jetzt  §  74  stehenden  Worten:  sv6xo%mtcixog  8'  iyivtxo  iv  xccig 
&7tavx^asaL  x&v  Xoycov,  wo  doch  die  Anregung  gegeben  war.  Auch  konnte  mit 
a  nayiQov  ocv  d'r}  usw.  69  schon  die  Quelle  des  Diog.  L.  die  Apophthegmen 
abschließen,  um  zur  zusammenhängenden  Darstellung  des  doxographischen 
Materials  überzugehen  (70—73  sondert  als  Einlage  aus  Ed.  Schwartz  bei  Pauly- 
Wissowa  y  760,  34).  Endlich  stört  die  Bemerkung  betreffs  der  Echtheit 
der  Tragödien  in  §  73,  die  in  §  80  wiederkehrt  und  zwar  in  verschiedener  Weise 
und  mit  verschiedenem  Gewährsmann,  nach  Leos  Annahme  innerhalb  ein-  und 
derselben  Quellenschrift.  Ich  möchte  bei  der  Gelegenheit  bemerken,  daß,  wenn 
Leo  für  diese  eigentliche  Vita  nach  der  Vergleichung  des  Satyrosfragments 
Hieron.  ad  lov.  11  14  Satyros  als  Gewährsmann  annimmt,  er  den  Widerspruch 
§  23  wohl  zu  gering  anschlägt.  Hieronymus  sagt,  Diogenes  habe  sein  Faß  im 
Sommer  so  gelegt,  daß  es  nach  Norden  sah,  im  Winter,  daß  die  Sonne  hinein- 
blickte, Diog.  L.  23  erzählt,  Diogenes  habe  sich  im  Sommer  in  heißem  Sande 
gewälzt,  im  Winter  beschneite  Bildsäulen  umarmt.  Das  ist  ein  scharfer  Gegen- 
satz und  kaum  so  leicht  zu  vereinigen,  wie  Leo  S.  123  tut. 

1)  Es  sei  erlaubt  zu  bemerken,  daß  auch  in  der  Antisthenesvita  deutlich 
zwei  Schichten  von  Apophthegmen  zu  erkennen  sind;  man  braucht  nur  zu  be- 
achten: Erzählung  von  einem  pontischen  Jüngling  3  und  9,  Streit  mit  Piaton 
3  und  7,  Vergleich  mit  den  Ärzten  4  und  6,  Verhalten  gegenüber  dem  Lob 
5  und  8.     Also  3 — 5  und  6 — 9  laufen  parallel. 


Verkauf  des  Diogenes.  239 

Tatsachen  dem  Eleomenes  entlelmen,  oder  einem,  der  dasselbe  bot 
und  der  dann  die  gemeinsame  Quelle  wäre,  etwa  Metrokles.^) 

Wir  gewinnen  also  folgende  Berichte  über  die  Yerkaufsszene  bei 
Menipp. 

I.  Diog.  L.  29  (vgl.  74):  Auf  die  Frage,  was  er  verstehe,  antwortet 
Diogenes:  'Über  Männer  zu  herrschen.'  Das  Wort  wirkt  bei  Lucian 
nach,  wenn  der  kynische  Bios  die  Vorschrift  gibt  (10),  von  den 
Menschen  sich  fernzuhalten  und  Freundschaften  zu  meiden;  denn  das 
bedeute  Auflösung  der  Herrschaft.^) 

U.  Diog.  L.  30:  Der  Gefangene  sagt  zum  Auktionator:  'Ruf  aus, 
ob  sich  jemand  einen  Herren  kaufen  will.'^) 

lU.  Diog.  L.  29:  Als  ihn  der  Auktionator  hinderte  sich  hin- 
zuwerfen, weil  die  Sklaven  beim  Verkauf  stehen,  meinte  er:  'Darauf 
kommt's  nicht  an;  auch  die  Fische  werden  liegend  verkauft.'*) 

IV.  Diog.  L.  30:  Er  wunderte  sich  darüber,  daß  man  ein  Geschirr 
oder  einen  Topf  nur  erstehe,  nachdem  man  ihn  durch  Klopfen  auf 
seine  Unversehrtheit  geprüft  habe,  Menschen  dagegen  allein  nach  dem 
Aussehen  erhandle.  Das  Bild,  das  sich  schon  bei  Piaton  Theaet. 
179  D  Phileb.  55  C  findet,  ist  in  die  stoisch -kynische  Diatribe  über- 
gegangen, wie  die  Verwendung  bei  Persius  III  21  Horaz  sat.  I  3,  34 
zeigt.^) 

V.  Diog.  L.  30:  Als  Xeniades  ihn  in  seinen  Besitz  gebracht  hatte, 
sagte  er  dem  neuen  Herrn,  jener  müsse  ihm  nun  gehorchen;  denn 
wenn  er  sich  einen  Arzt  oder  Steuermann  angeschafft  hätte,  würde 
er  ihm  auch  folgen  müssen.  Auch  dieser  Gedanke  zeigt  sich  noch  in 
etwas  veränderter  Gestalt  bei  Lucian;  man  muß  ihn  sich  bei  Menipp 
doch  fortgesetzt  denken:  'Ich  bin  aber  Arzt,  insofern  ich  von  Leiden- 
schaften  befreie.'     Und  dementsprechend   gibt   sich   Diogenes  in  der 

1)  Siehe  HenM,  Rhein.  Mas.  XLVn  (1892)  280. 

2)  Auch  Gellius  Noct.  Att.  II  18,  9  hat  dasselbe  Wort:  quem  cum  emere 
vellet  Sivitidris  Kogiv&ios  et  ecquid  artificii  novisset,  esset  percoutatus,  'novi, 
inquit  Diogenes,  bominibus  liberis  imperurc."  Philo  de  sap.  IIb.  18.  SoidM  ■.  v. 
Jioyivrig. 

3)  Ebenso  Plat.  an  vitiotitai  etc.  4UU  ii.     Philo  a.  a.  0. 

4)  I^ieselbe  Era&blung  auch  Flut,  do  tran(|.  an.  4  p.  46A  E  aus  kMiinclier 
IHiitribe;  natürlich  beweist  das  fQr  die  GeHamt(|ti(>)lo  Phitarchs  uichts  (Pohloiix, 
Hermes  XL  [111061  8.  291). 

6)  Überhaupt  gehört  der  Vergleich  der  SecK  .....  ^...vm  (icfUlJ  der  kvuischen 
Diatribe  an  (Usener,  Epicurea  p.  268.  Hease,  Hhoin.  Mus.  XLVII  (IHU^j  S.  S29f. 
Weber,  Leip/..  Stud.  X  8.  176.  Eichenberg,  Du  IVritii  satiruruin  uaturu,  lirt's- 
lauer  Di»s.  1906,  S.  19  f.) 


240  Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

ßicjv  TtQäöig  (8)  auf  die  Frage,  welche  Kunst  er  verstehe,  sofort  als 
Befreier  der  Menschen  und  Arzt  gegenüber  den  seelischen  Affekten  aus.^) 

VI.  Diog.  L.  36:  Hier  kommt  der  Biogi-aph  auf  die  Verkaufsszene 
zurück,  indem  er  die  Entgegnung  des  Xeniades  zu  V  hinzufügt  und 
uns  so  ein  größeres  Stück  des  Dialogs  ergänzt.  Als  Xeniades  den 
Diogenes  erstanden  hatte,  sagte  dieser  zu  ihm:  'Nun  tu,  was  dir  ge- 
heißen wird.'  Darauf  der  Herr:  'Jetzt  fließen  die  Ströme  wahrhaftig 
bergauf;  aber  Diogenes:  'Wenn  du  in  deiner  Krankheit  dir  einen 
Arzt  kaufen  würdest,  würdest  du  dem  ungehorsam  sein  und  sagen: 
Jetzt  fließen  die  Ströme  bergauf?'  —  Es  ist  klar,  daß  dieser  Bericht 
aus  genau  derselben  Quelle  stammt  wie  V,  und  nur  das  im  Munde 
der  Kyniker  so  häufige  Sprichwort  avco  %ora^S)v  nachträgt.^) 

Vn.  Diog.  L.  63:  Zu  den  Fragen,  die  naturgemäß  dem  zum  Ver- 
kauf Feilstehenden  vorgelegt  werden,  gehört  die  nach  seiner  Herkunft; 
man  kann  das  an  den  bei  Lucian  gestellten  Fragen  TiodaTthg  sl  6v;  (3), 
3ioda7tbg  de  e6ti;  (7),  t6  utQ&tov  Ttoöajcbg  st;  (8)  deutlich  erkennen; 
und  nirgends  anders  als  in  eine  solche  Szene  paßt,  was  hier  berichtet 
ist:  Als  er  gefragt  wurde,  woher  er  stamme,  sagte  er:  'Ich  bin  Bürger 
der  Welt.'  Lucian  hat  das  ausführlich  verwertet  oder  in  gi-ößerer 
Ausführlichkeit  erhalten  (8).  Der  Käufer  fragt:  'Woher  bist  du?' 
Diogenes  antwortet:  'Überall  her.'  Der  Käufer  weiter:  'Wie  meinst 
du  das?'  Diogenes:  'Ich  bin  Bürger  der  Welt,  tov  xöö^ov  %oXity]v  oQäg.^ 

VIII.  Diog.  L.  74:  Diog.  L.  kommt  zum  dritten  Male  auf  das 
Theina  des  Verkaufes  zurück;  man  erkennt  sofort,  daß  er  eine  Er- 
gänzung zu  dem  ersten  Bericht  (I — V)  bringt.  Es  heißt  hier  mit 
Angabe  von  Namen:  Auf  einer  Fahrt  nach  Ägina  geriet  Diogenes  in 
die  Hände  von  Seeräubern,  deren  Hauptmann  Skirpalos  war;  er  wurde 
nach  Kreta  geführt  und  dort  verkauft.  Als  der  Auktionator  ihn 
fragte,  was  er  verstehe,  sagte  er:  'Über  Menschen  zu  herrschen.' 
Das  ist  eine  deutliche  Ausführung  zu  I,  die  uns  den  Ort  der  Hand- 
lung und  den  Namen  des  Räuberhauptmanns  lehrt.  Dann,  heißt  es 
weiter,  zeigte  er  auf  einen  schön  gekleideten  Korinther  und  sagte: 
'Verkauf  mich   dem,    der   braucht  einen   Herrn.' ^)      Das   ist   offenbar 


1)  Vgl.  Frachter,  Cebetis  tabula,  Dias.  Marburg  1885,  S.  74  Anm.  1.  Wend- 
land, Quaest.  Muson.,  Berlin  Diss.  1886,  S.  12  Anm.  1.  Norden,  Fleckeisens  Jbb. 
Suppl.  XIX  396. 

2)  Luc.  dial.  mort.  VI  2  (vgl.  apol.  1).  Julian  or.  VI  Anfg. :  av<o  nota^mv^ 
xovxo  &i]  xo  tfi?  TtaQOLiiiag  in  der  Rede  gegen  die  Kyniker;  das  Wort  paßt  ja 
auch  so  recht  zu  dem  kynischen  ■naQcc^aQcitrsiv  tb  vo^llg^lcc. 

3)  Ebenso  Suidas  s.  v.  /lioyivrig:  tovtco  ^is  ^«jprj,  nmXrioov  .  dsGTtoxov  yccQ  Sslxui, 


Verkauf  des  Diogenes.  241 

die  Fortsetzung  zu  IL  Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  auch 
diese  Einzelheiten  aus  Menipps  Szene  geschöpft  glaubt,  um  so  mehr 
als  die  Frage  rC  oide  tzolsIv]  und  die  darauf  erfolgende  Antwort  in 
§  29  unter  Menipps  Namen  zitiert  wird,  wenn  auch  mit  einer  kleinen 
Veränderung.  Auch  für  Lucian  ist  diese  Frage  vorbildlich  geworden, 
wenn  er  (8)  rt  adkiGza  siötvui  ae  (pü^sv;  r^  xCva  t))v  xexvi]v  ex^i'9; 
fragt,  oder  beim   sokratischen  Bios  (15):  tC  fidliöra  sidag  xvyxdvBig\, 

IX  und  X.  Stob.  III  3,52H.  (S.  210, 11)  epist.  Gratet.  34,4.  Gerade 
der  Anfang  der  eigentlichen  Versteigerung  findet  sich  bei  Stobäus 
und  im  Kratesbrief  in  größerer  Ausführlichkeit,  so  daß  man  eine  An- 
schauung von  dem  Dialog  gewinnt.  Bei  Stobäus  liest  man:  naXov- 
fifvog  iv  KoQivd^a  —  das  ist  offenbar  fälschlich  daraus  erschlossen, 
daß  Xeniades  Korinther  ist  —  sqo^svov  toO  xtIqvxos'  'xi  snCCxaöai^ 
^ dvd-Q(07C(ov ^  e(prf^  ccQXStv.^  xcd  6  xfiQv^  ysXdöag'  ^^iya  eTaxridevfia 
:röAö,  el  xig  d-aXec  :cQ(aöd'ca  xvqlov.'  Im  Kratesbrief  ist  die  Szene 
mit  Einführung  der  Käufer  in  ähnlicher  Weise  geschiklert:  xivlg  ös  xal 
YiQ(bx(ov^  et  XL  iniöxaxav  6  d'  iktyav  sjtLöxaöd^aL  dvÖQcjv  d^ietv  ^äöxs 
i'iXLg  v^cöv  XVQLOV  öelxai^  6vii(p(xiveix(j3  tcqoOlcov  xolg  7toXr]xalg.'  xd- 
xslvoL  dvayeXdöuvxsg  fVrl  xovxw'  'xal  xCg^  äcpaöav^  iöxlv  bg  cov  ikev- 
d-egog  xvgiov  Ötlx(ii\  'Ttdvxsg^  el:tev^  ol  cpavloi  xal  xi^dvxag  ^Iv 
i]dovr{V^  dxL^d^ovxeg  dl  Ttövov.'  Wir  haben  also  hier  eine  Ergänzung 
zu  I  und  II,  wenn  auch  verschieden  in  bezug  auf  die  Personen,  so 
doch  gleichartig  im  Inhalt.^) 

Noch  weiter  hilft  uns  Philo,  der  in  seiner  Schrift  über  die  Frei- 
heit des  Weisen  eine  kjnische  Diatribe  benutzt  hat,  die  Menipps 
Verkaufsszene  inhaltlich  wiedergab  und  uns  auch  das  Vorbild  für  die- 
selbe verrät.^)  Es  war  des  Euripides  Satyrdrama  'Syleus',  in  dem  der 
Verkauf  des  Herakles  dargestellt  war.  Die  Verwertung  lag  um  so 
näher,  als  ja  Herakles  das  Ideal  und  Muster  der  kynischen  Schule  ist. 
Audi  bei  Euripides  bewerkstelligt  Hermes  den  Verkauft),  natürlich 
im  Auftrag  des  Zeus,  damit  der  Held  den  im  Wahnsinn  begangenen 
Mord  seiner  Kinder  sühne.  Dort  pocht  der  Heros  auf  seine  Freiheit, 
die  ihm  kein  Schicksal  nehmen  kann,  gerade  wie  bei  Menipp  und 
Lucian,  und  spielt  «irh  als  drn  eigentlichen  Herrn  auf.*)    Syleus  ruft 

2)  Kap.  16  S.  460  M. 

8)  'O  yof'v  'Egfiffs  nw^^uvoittvat  {txüiuUch  dmu  Kaul'or)  «/  tpaCX6s  iüttv,  ctno- 
xgivtxui'  *rjxiaru  (pavXog*. 

l)  Ovdtlg  d*  ig  orKOVg    dtanötag  &ntivovag  «i  r  Ua    ßuvkmtt  heißt 

et  von  Heraklei  und  xdaaHv  dk  ti&^Xov  »j  i-ntrt    -  <;   (Nanck  «•    •'"'". 

ilcltn,  I/uoikn  und  Mvolpp.  ^" 


242  Kapitel  X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

voll  Entsetzen:  'Ein  jeder  fürchtet  dicli',  wie  der  Käufer  bei  Lucian 
sich  gleichfalls  scheut,  den  zum  Verkauf  Feilstehenden  anzureden.^) 
Endlich  wird  Herakles  als  Arbeiter  aufs  Land  geschickt;  die  Remi- 
niszenz daran  hat  sich  bei  Lucian  erhalten,  wenn  Diogenes  für  taug- 
lich erklärt  wird,  als  Gärtner  oder  Wasserträger  zu  dienen.^)  Als 
Quelle  Philos  hat  Hense^)  Bions  Diatribe  Von  der  Knechtschaft'  zu 
erweisen  gesucht;  und  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  daß  dieser,  um 
zu  zeigen,  wie  wenig  durch  rechtliche  Knechtschaft  die  geistige 
Abhängigkeit  bedingt  ist,  auf  Herakles,  das  Vorbild  der  kynischen 
Sekte,  und  Diogenes,  ihren  eigentlichen  Begründer,  hinwies.^)  Aber 
Bion  und  Menipp,  in  welchem  Verhältnis  sie  auch  zueinander  stehen 
mögen,  werden  sich  hier,  wie  oftmals,  berührt  haben,  so  daß  es 
wohl  denkbar  wäre,  daß  Philo  aus  Bion  und  Lucian  aus  Menipp 
schöpfte,  was  bei  beiden  ähnlich  erscheint.  Vielleicht  wird  man  ein- 
wenden, daß  bei  Menipp  für  die  ausführliche  Zitierung  der  Verse  aus 
dem  ^Syleus'  kein  Platz  gewesen  sei.  Aber  der  Gedankengang,  wie  er 
jetzt  bei  Philo  zu  lesen  ist,  war  in  einer  Rede  des  Diogenes  wohl  an- 
gebracht, mag  man  auch  ruhig  zugeben,  daß  Bion  in  seinem  Vortrag 
mehr  Verse  anführte  als  Menipp.  Und  die  Erwähnung  von.  dem  Ver- 
kauf des  Herakles  bei  Menipp  hat  etwas  Wahrscheinliches;  denn  es 
ist  eine  gewöhnliche  Erscheinung,  daß  ein  Schriftsteller  die  ursprüng- 
liche Vorlage,  die  ihm  als  Muster  gedient  hat,  als  Vergleich  in  seine 
Darstellung  aufnimmt.^)  Auch  konnten  die  wenigen  übereinstimmenden 
Züge  zwischen  Lucian  und  Euripides,  abgesehen  von  dem  Hermes  als 
Verkäufer,  schon  bei  Menipp  von  Herakles  auf  Diogenes  übertragen 
sein.  Für  die  Annahme,  daß  von  Menipp,  um  uns  ganz  vorsichtig  aus- 
zudrücken, sich  Fäden  irgend  welcher  Art  zu  Philo  hinziehen,  scheint 
mir  ausschlaggebend,  was  dieser  weiter  vom  Verkauf  des  Diogenes  be- 

Das  ist  das  ccv8q(öv  äq^Biv  und  das  "kyiqvggs  sl'tig  iO'iXsi  SsOTtotrjv  a-ur«  TtQiaad'aL 
in  dem  Bericht  des  Diog.  Laert.  VI  29. 

1)  2s  d'  bIooq&v  TCäg  tig  didomsv  .  öftfta  yccQ  nvQog  yifisig,  tccvQog  Xsovzog 
ojg  ßXi^Ttcov  TtQog  iiißoXr]v  (Nauck  fr.  689).     Luc.  7:  d^Sia  xb  ayivd'QcoTtbv  uvtov  xal 

y.cctriq)Bg,     fii]    ^£    vXa'nt^Gr]    TCgoGsXd'ovtcc anaiXTjTLxöv    n    kccI     j^oXmdsg 

vnoßXBTtSL. 

2)  Luc.  7:  6v,cc7iavicc  xccl  vdqocpOQOv,  11:  vavxrig  d'  ccv  l'Gcog  rj  yuiTiovQÖg  iv 
KaLQa  yivoio. 

'  3)  Rhein.  Mus.  XLVII  (1892)  S.  224  flF. 

4)  Diog.  L.  VI  71:  xov  avxov  %aQCiy,xfiQ(x.  xov  ßiov  X^ycov  ÖLS^dysiv  ovTtig  xccl 
^HQccxXfjg,  y-Tidsv  iXsvd-SQLccg  TtQOxgivcov,  Luc.  vit.  a.  8. 

5)  Ehwald,  Philolog.  LIII  (1894)  729—744  gibt  interessante  Beispiele  für 
Vergil.  Auch  Icaromenipp  erinnert  gleich  im  Anfang  an  Daedalus  (2) ,  die 
Nekyomantie  an  Odysseus  (8). 


Verkauf  des  Diogenes  bei  Philo.  243 

richtet  und  was  vollkommen  in  die  dramatisch  ausgeführte  Szene  sich 
einfügt,  z.  T.  auch  mit  dem  unter  Menipps  Namen  bei  Diogenes 
Laertius  Überlieferten  übereinstimmt  oder  es  ergänzt.    Da  heißt  es: 

XL  Philo  de  sap.  lib.  c.  18  p.  464  M.  Als  Diogenes  von  Seeräubern 
gefangen  war,  gaben  diese  ihm  nur  mangelhaft  zu  essen:  aber  er  sagte 
ohne  Furcht:  'Es  ist  doch  seltsam:  wenn  man  Ferkel  oder  Schafe  ver- 
kauft, mästet  man  sie  erst;  den  Menschen  aber  läßt  man  durch  Fasten 
abmagern.'  Darauf  erhielt  er  Speise;  und  vor  dem  Verkauf  früh- 
stückte er  erst  wohlgemut,  indem  er  mit  seinen  Nachbarn  teilte.  Einer 
war  sehr  traurig;  den  tröstete  er  mit  der  Mahnung,  sich  in  seine  Lage 
zu  schicken  und  verwies  ihn  unter  Anführung  der  Homerverse  D.  XXIV 
602  ff.  auf  das  Beispiel  der  Niobe.  —  Dies  Zitat  ist  völlig  im  Sinne 
Menipps,  genau  wie  die  Euripidesbenutzung  oben;  diese  beiden  Dichter 
haben  ja  immer  am  meisten  den  kynischen  Bedarf  an  Zitaten  zu  be- 
streiten.^) Wir  haben  hier  also  ein  Supplement,  das  uns  die  dem 
Verkauf  vorangehenden  Ereignisse  angibt.  Die  ganze  Erzählung  hat 
auch  der  34.  Kratesbrief,  und  auf  das  erste  Apophthegma  spielt  Epiktet 
diss.  IV  1,115  in  der  Stelle  an,  in  der  er,  wie  wir  sehen  werden,  die 
ganze  zfioytvovg  ngäötg  rhetorisch  zerpflückt  hat.  —  Diogenes  schließt 
seinen  Trost  mit  dem  echt  menippischen  Wort:  X9^  ''^^^S  ^(xqovöl^ 
entsprechend  dem  Ausspruch  des  Lucianischen  Menipp  im  26.  Toten- 
gespräch', mit  dem  er  seine  hedonistisch  gefärbte  Lebensweisheit  zu- 
sammenfaßt: ayaTiäv  rotg  nagovöL  xal  ^r]dfv  avtibv  acpo^ritov  oXeöd^ca}) 

Von  da  ab  folgen  die  schon  bekannten  Angaben.  Auf  die  Frage: 
xC  olöug\  antwortet  er  ebenso  wie  bei  Diog.  L.  74:  olqxsiv  äv&Qanav^ 
dann,  als  er  einen  besonders  weibischen  Menschen,  der  im  Aussehen 
nichts  Männliches  hatte,  sieht,  geht  er  auf  ihn  los  und  sagt  ihm: 
'Du,  kauf  mich,  denn  du  hast  einen  Mann  nötig',  wobei  nur  in  die 
Anrede  verwandelt  ist,  was  bei  Diogenes  L.  in  der  3.  Person  gegen- 
über dem  Auktionator  ausgesprochen  ist  (vgl.  VIII),  und  die  Schat- 
tierung ins  ()l)sz<»nf'  ]nnzug(?fügt  ist.^) 

1;  Ich  \oi-..  *  i...  i  iiur  auf  Lncians 'Fischer'  und  ""tragischen  Zeus'.  Homor 
und  Euripides  sind  auch  in  Senecaa  Apocolocynt.  benutzt.  Weber,  Lcipz. 
Studien  X  S.  210.    Vgl.  oben  R.  10. 

2)  Auch  hier  stimmen  Bion  und  Menipp  überein;  denn  der  AuBspruch  det 
Krates:  ßn'ooj]  ^qhoviuvos  xot^  nugo^ai,  xtbv  &7c6vx<av  ovx  fjti^'x^fidtv  hei  Tclea 
(p.  28,  12  U.)  iit  gewiß  durch  Bion  vermittelt  (Heinze,  Rhein.  Mus.  XLV  (1890) 
616  A.  2.    Hente,  lihdn.  Mu«.  XLVII  (1802)  8.  240).    Vgl.  oben  Kap.  I  8.  87f. 

8)  Dort:  rovTco  fit  nmXtr  ovxog  Sfan6xov  ^pj/C"«  hier;  tfiJ  fit  ngln'  oh  y^ 
icvdgbg  xQfiuv  fxtiv  \ioi  doHttg.  Die  Wandhing  ins  ObsxOne  iit  das  Werk  Biont 
(Herne  S.  282).    Auf  ihn  geht  auch  Clemeni  Alex.  paed.  111  8,  16  (961  P)  lurflck. 

16» 


244  Kapitel  X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

Noch  zweimal  hat  Philo  in  derselben  Rede  Anspielungen  auf 
Diogenes,  obgleich  er  ihn  nicht  mit  Namen  nennt.  Kap.  20  (p.  468  M.) 
bei  Gelegenheit  des  Flötenspielers  Antigenidas  bezieht  er  sich  deutlich 
auf  unsere  Verkaufsszene,  wenn  er  ausführt:  Der  Philosoph  muß  gegen- 
über dem,  der  ihn  kaufen  will,  sagen:  '^Schön,  du  wirst  von  mir  Be- 
sonnenheit lernen!',  gegenüber  dem,  der  Verbannung  androht,  :  'Die 
ganze  Welt  ist  mein  Vaterland!'  Das  ist  im  ersten  Teil  ein  deutlicher 
Fingerzeig  auf  Diogenes'  Benehmen  gegenüber  Xeniades  (vgl.  VI,  VIII), 
im  zweiten  auf  das  bekannte  Wort  vom  Kosmopolitismus  (vgl.  VI). 
Diese  Stelle  bringt  also  nichts  Neues. 

XII.  Dagegen  Kap.  6  (p.  451  M.)  liefert  noch  eine  Ergänzung  des 
Stoffes.  Es  wird  dargelegt,  nicht  der  Verkauf  mache  den  Käufet^zum 
Herrn  oder  den  Verkauften  zum  Sklaven.  Als  Beispiel  werben  die 
im  Kriege  in  Gefangenschaft  Geratenen  angeführt-,  manche,  heißt  es, 
wurden  sogar  schon  Herren  derer,  die  sie  kauften;  manch  schönes 
Mädchen,  das  gut  zu  schwatzen  verstand,  wurde  zum  wirklichen  Städte- 
eroberer, ilETioXig,  wie  mit  äschyleischem  Ausdruck  gesagt  wird;  und 
nun  folgt  das  Beispiel  der  Löwen,  die  in  Wahrheit  nicht  Sklaven, 
sondern  grimmige  Herren  ihrer  Besitzer  sind.^)  Das  Apophthegma 
ist  hier  namenlos;  aber  bei  Diog.  L.  75  wird  es  von  Kleomenes,  lem 
Schüler  des  Metrokies,  auf  den  Kyniker  Diogenes  zurückgeführt^),  und 
zwar  unmittelbar  im  Zusammenhang  mit  dem  Verkauf  Diogenes  ge- 
brauchte den  Vergleich,  als  Bekannte  ihn  loskaufen  wollten  und  er 
es  ablehnte,  das  Lösegeld  anzunehmen. 

Ich  denke,  daß  wir  nicht  unberechtigt  sind,  all  diese  versc-iiedenen 
Nachrichten  als  Brechungen  der  einen  Menipp  dar  Stellung  aufzufassen; 

1)  Ei  ftrj  xal  rbv  liovtag  divriadiiavov  SsOTtotriv  cpccriov  slvai  Xsovtcov  ,  mg 
il  iiovov  iTtavcctSLVOL  TCig  6'i/j£tg,  oiovg  iTCgiccto  -Avqiovg  6  dvötrivog,  atg  ^aXsTiovg 
'Kccl  di^od'viiovg,  civTLxa  'jtocQ'cov  sl'östccv.  Auch  Epiktet  IV  1,  25  in  der  Diatribe 
tcsqI  iXsvd'SQLccg,  in  der  er  die  ^loysvovg  Ttgäaig  benutzt  hat,  verwertet  das 
Exempel  der  Löwen,  allerdings  indem  er  es  ganz  anders  gewandt  hat;  aber  man 
sieht  doch  aus  der  Ähnlichkeit  des  Zusammenhangs  (vgl.  §  15  ff.),  daß  es  sich 
in  der  Verkaufsszene  befand  und  von  hier  in  die  kjnische  Diatribe  über- 
gegangen ist,  aus  der  es  Philo  und  Epiktet  nahmen. 

2)  OvSs  yccQ  rovg  Xiovrag  dovXovg  slvcci  t&v  xQBcpovtav,  äXXä  tovg  tgi^povrag 
t&v  Xsovrcov.  Hense  a.  a.  0.  S.  231  zeigt,  daß  das  Wort  auf  Aristophanes'  Frösche 
1431  ff.  zurückgeht,  die  wohl  schon  Menipp  und  nicht  erst  Lucian  auch  sonst 
als  Fundgrube  benutzt  hat.  Vermittels  der  Diatribe,  die  ja  auch  Philos  Quelle 
war,  ist  der  Gedanke  ganz  verallgemeinert  zu  Seneca  gelangt,  epist.  42,  8 
(p.  120,  4H.):  saepe  maximum  pretium  est,  pro  quo  nullum  datur.  multa  possum 
tibi  ostendere,  quae  adquisita  acceptaque  libertatem  nobis  extorserint;  nostri 
essemus,  si  ista  nostra  non  essent. 


Menipps  ^loyevovg  TtQäßig.  245 

denn,  wie  schon  gesagt,  einerseits  mußte  Menipp  für  seine  Szene  alles 
an  Apophthegmen  sammeln,  was  mit  dem  Verkauf  zusammenhing; 
andererseits  ist  es  nur  natürlich,  daß,  wer  in  moralischeu  Diatriben  und 
pädagogischen  Schriften  davon  erzählen  wollte,  sich  an  denjenigen  hielt, 
der  ein  eigenes  Werk  darüber  verfaßt  hatte.  Braucht  schließlich  auch 
nicht  alles  aus  ihm  zu  stammen,  so  mußte  es  sich  doch  bei  ihm  finden; 
immerhin  wird  man  seine  Bedeutung  für  die  Diogeneslegende  nicht 
gering  einschätzen  dürfen.  Wir  erhalten  also  ein  Bild  von  Menipps 
Jioyivovg  jtQäöigj  wenn  wir  all  diese  Bächlein  wieder  zu  dem  Strome 
zurückleiten,  von  dem  sie  einst  ausgegangen  sind.  Es  war  nicht  nur 
eine  einzige  Szene,  sondern  eine  Folge  von  Szenen,  wie  uns  das  Varro 
xmd  Seneca  ebenso  gut  wie  Lucian  lehren.  In  die  erste,  die  wir  er- 
kennen können,  gehört  die  Beschwerde  wegen  des  Mangels  an  Kost 
und  der  Vergleich  mit  Tieren,  die  man  feilbietet  (XI).  Die  Räuber 
sahen  ihre  Torheit  ein,  und  es  schloß  sich  die  Frühstücksszene M  an, 
bei  welcher  der  Philosoph  den  übrigen  über  das  Leid  hinwegzuhelfen 
sucht.  Die  Szene  ließ  sich,  wenn  die  Ansicht  über  wahre  Knecht- 
schaft und  wahre  Freiheit  ausgeführt  wurde,  sehr  weit  ausspinnen; 
erhalten  ist  uns  nur,  was  allerdings  für  die  Erkenntnis  des  menippi- 
schen  Charakters  an  ihr  sehr  wesentlich  ist,  der  Trost,  den  er  einem 
Unglücklichen  bringt,  mit  Berufung  auf  Homers  Verse  über  Niobe. 
Es  folgen  die  Vorbereitungen  zur  Auktion.  Hierher  gehört  die 
als  aus  Menipp  genommen  ausdrücklich  bezeugte  Szene  (Hl).  Dio- 
geues  wirft  sich  zur  Erde,  wie  das  die  natürliche  Stellung  des  Ky- 
nikers  itit,  die  auch  Alkidamas  im  ^Gastmahl'  Lucians  nach  dem  Vor- 
bild def  Herakles  einnimmt')  und  die  Raffael  in  der  Schule  von  Athen 
80  tr  flieh  verewigt  hat.  Er  wird  geheißen  aufzustehen,  weil  die 
Sklaven  zum  Verkauf  sich  aufstellen  müssen;  aber  er  weigert  sich, 
weil  man  ja  auch  Fische  verkauft,  wenn  sie  liegen.  Nun  kommen 
die  Käufer  und  betrachten  die  Ware;  bei  der  Gelegenheit  bringt  Dio- 
genes das  ebenfalls  direkt  auf  Menipp  zurückgeführte  Wort  an  (IV): 
'Ich  muß  mich  wundern;  wenn  man  Töpfe  oder  Schüsseln  kauft,  so 
klopft   man    daran;    MenschiMi    kauft    man    nur   nach  dem  Aussehen.' 

1/  Aui  MM-  I  i»i<iuMtiii)iuui)^^  mit  iUnu  FrühHtück  des  Herakli-n  •'<•■  r^i.üii 
weiot  schon  Hense  hin  a.  a.  O.  S.  238,  der  allerdings  immer  nur  an  Hion  denkt 
'  lio   Mitgefangenen   war  der  Platz   flir  den   Bericht  ilber 

ii  <|f>i;h    vgl.  S.  246).     Verdankt    viciloicht  Viirms    'lf«'rrnles 

SorraticuH*  dieHcr  Anregung  seine  Kntatehung 

2)    18:    ti   M   x«i    xdnotfit ,    X^f'^''    ' '""    '  <>(ial6{ini' 

&YX&POS,  olov  rot'  'llffttiikia  yifdtfovait 


246  Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten.     - 

Es  folgen  die  üblichen  Fragen,  von  denen  die  erste  selbstverständlich 
bei  Menipp  gestanden  haben  muß  und  auch  durch  Lucian  bezeugt  ist, 
die  zweite  ausdrücklich  Menipp  zugeschrieben  wird;  er  soll  seine 
Heimat  angeben  (VII),  und  anstatt  Sinope  zu  nennen,  bezeichnet  er 
die  ganze  Welt  als  sein  Vaterland;  und  in  gleicher  Weise  gibt  er 
auf  die  Frage,  welches  Handwerk  er  verstehe  (I),  die  stolze  Antwort: 
'Über  Menschen  zu  herrschen',  sei  es  nun,  daß  das  im  Zwiegespräch 
mit  einem  Käufer  oder  dem  Auktionator  gegenüber  geschah,  als  dieser 
sich  nach  seinen  Eigenschaften  erkundigt.  Bei  dieser  Gelegenheit  gibt 
er  ihm  den  Auftrag,  der  unter  Menipps  Namen  augeführt  ist  (IIj,  zu 
verkünden,  ob  jemand  Lust  habe,  sich  einen  Herrn  zu  kaufen.  Die 
Darstellung  kann  hier  abwechslungsreich  gewesen  sein  durch  die  Zahl 
der  Käufer,  die  sich  einstellen;  nicht  gleich  der  erste  wird  den  Dio- 
genes gekauft  haben.  Das  Bärbeißige,  Rauhe  des  Sklaven  mag  manchen 
abgeschreckt  haben,  und  wenn  man  in  Lucians  ^ßCcjv  TtQäöig^  (12) 
einmal  liest:  'Es  scheint  so,  als  ob  der  uns  unverkäuflich  bleibt',  so" 
kann  das  sehr  wohl  bei  Menipp  von  Diogenes  gesagt  gewesen  sein. 
Endlich  kommt  Xeniades,  Diogenes  geht  auf  ihn  los  (VIII,  IX,  X,  XI) 
oder  weist  auf  ihn  und  sagt:  'Du,  kauf  mich,  denn  du  hast  einen 
Herrn  nötig.'  Daran  schloß  sich  eine  längere  Auseinandersetzung  (V, 
VI,  X).  Diogenes  weist  das  Lachen  der  Umstehenden  zurück  (X). 
Als  dann  Xeniades  entrüstet  das  'ccva  Ttota^&v'  ausruft  (VI),  bringt 
er  den  Vergleich  mit  dem  Arzt  und  Steuermann  vor  (V,  VI);  weitere 
Unterweisung  schloß  sich  an. 

Fraglich  kann  sein,  wo  der  Vergleich  mit  den  Löwen  (XII)  hin- 
gehört; er  soll  den  Freunden  gegenüber  gebraucht  sein,  die  für  den 
Gefangenen  Lösegeld  besorgen  wollten.  Man  könnte  auch  daraus 
noch  eine  eigene  Szene  konstruieren.  Hier  hätte  z.  B.  die  Erwähnung 
von  dem  Verkauf  des  Herakles  leicht  Platz  finden  können;  auch  hier 
konnte  der  Philosoph  seine  Meinung  über  die  wahre  Freiheit  zum 
Ausdruck  bringen.^)  Wären  die  Freunde  nicht  als  diejenigen  be- 
zeichnet, an  die  jenes  Wort  gerichtet  war,  so  hätte  es  an  und  für  sich 
auch  vor  der  Verkaufsszene  unter  den  Argumenten  angebracht  sein 
können,  mit  denen  Diogenes  seine  Mitgefangenen  zu  trösten  sucht; 
endlich  wäre  es  auch  am  Schluß  denkbar  zum  Zweck  des  Nachweises, 
daß  die  scheinbaren  Diener  oft  die  wirklichen  Herren  sind. 


1)  Hier  konnte  auch  das  bei  Epiktet  IV  1,  114  und  III  24,  67  erwähnte  Wort 
von  der  Befreiung  durch  Antisthenes  stehen,  das  Lucian  aus  Menipp  kennt 
8.  S.  204  A.  1. 


Menipps  Jioyivovg  TCQ&öig  bei  Epiktet.  247 

So  schließt  sich  alles  vortrefflich  zusammen,  zu  gut,  als  daß  hier 
der  Zufall  seine  Hand  im  Spiel  haben  sollte.  Eine  gewisse  Gewähr 
für  die  Richtigkeit  unserer  Zusammenstellung  bietet  Epiktets  Vortrag 
'über  die  Freiheit'  den  wir  oben  nur  kurz  erwähnten,  der  jetzt  aber  als 
Schlußbeweis  angesehen  zu  werden  verdient.  In  einer  Darlegung,  wie 
sie  bei  ihm  sich  mehrfach  findet^),  daß  der  Weise  stets  innerlich  fi-ei 
sei  (IV  1,  114ff.),  hat  der  kynisch  angehauchte  Philosoph  den  Inhalt 
jener  Szenen,  wie  wir  ihn  rekonstruieren  mußten,  zerpflückt  und  rhe- 
torisch verwertet;  er  zeigt,  wie  Diogenes  von  Antisthenes  zur  Freiheit 
erzogen  wurde,  so  daß  er  hinfort  nicht  mehr  in  Knechtschaft  geraten 
konnte.  'Daher,  wie  er  gefangen  genommen  war,  wie  ging  er  mit 
den  Seeräubern  um?  Nannte  er  etwa  einen  von  ihnen  seinen  Gebieter 
(IIIjV  —  Wie  schilt  er  sie,  weü  sie  die  Gefangenen  mangelhaft  be- 
köstigten (XI)!*)  Und  wie  er  verkauft  wurde,  suchte  er  da  etwa 
einen  Herrn?  Nein,  sondern  einen  Sklaven  (I,  H,  VIII — XI).  Als  er 
aber  verkauft  war,  wie  benahm  er  sich  da  gegen  seineu  Besitzer?  Er 
setzte  ihm  sofort  auseinander,  er  dürfe  nicht  so  gekleidet,  so  geschoren 
gehen,  er  sprach  mit  ihm  von  seinen  Söhnen,  wie  sie  leben  müßten. 
Und  was  Wunder?  Wenn  er  einen  Turnlehrer  kaufte,  würde  er  in 
Dingen  der  Turnübung  ihn  als  Diener  betrachten  oder  als  Meister? 
Beim  Arzt  ebenso  und  beim  Zimmermann'  usw.  Zum  Schluß  folgt 
auch  der  Steuermann  (V,  VI).  H.  Schenkl  hat  in  seiner  großen  Aus- 
gabe (S.  332  Anm.)  mit  Recht  angenommen,  daß  Menipps  'zJioyevovg 
:iQuöLs'  die  Quelle  ist,  allerdings  wohl  ebensowenig  direkt  wie  bei 
Philo,  und  nur  insofern  kann  ich  den  Widerspruch  billigen,  den  Leo 
gegen  seine  Vermutung  erhoben  hat.^) 

Wie  hier,  so  hat  Epiktet  auch  an  anderer  Stelle  noch  etwas  von 
den  Ausführungen  des  Diogenes  veiTaten,  die  sich  in  jenen  Rahmen 
einfügen.  Er  bringt  III  24,  G4ff.  eine  Verherrlichung  des  Diogenes, 
in  der  er  wieder  Bezug  nimmt  auf  das  Wort  vom  Kosmopoliten,  wenn 


1)  Z.  B.  I  18,  17;  19,  7  ff.;  29,  6  ff.    II  1,  25  ff. 

2)  Eine  Anspielung  darauf  auch  II  1»,  24:  Hytiv  Jioyivi\'i  uiriit/.tTi,xn  6  TtQÖg 
'AU^uvdgov  ovtoi  luXwv,  u  ngb^  'ViXi7t7(oi\  6  ngög  roi>i,'  neigardf,  u^igogTor 
d)VTiodntvov  uvTov.  AuH  derselben  Diatrilionliteratur  Btunimt  auch  Musonius 
S.  49,  4  ff.    Hense  (Lips.  1906),   wo   aber  die  für  uns  wiclitigen  Aussprüche  tohlen. 

3;  Leo,  Die  griech.-rOm.  Biographie  S.  60  Anm.  1,  der  hier  wie  bei  dem 
LucianiBchon  'Timon*  an  Bcuut/.ung  einor  Biographie  denkt.  Unterstützt  wurde 
er  in  seiner  Ablclinting,  wio  wir  girich  Hohon  werden,  dadurch,  daß  er  bei  Diog.  L. 
VI  29  "EQfiinnog  Htatt  Mninnog  niinahm.  Ich  ghuibo,  natürlicher  ist  es  »u  ver- 
mutenf  daß  Kpiktet  Diatribeu  als  Vorbilder  für  seine  eigenen  hatt«  und  daher  den 
Stoff  entlehnte. 


248  Kapitel  X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

er  mit  Benutzung  eines  Euripidesverses  sagt:  "Seju  Vaterland  lag 
überall'.  Dann  spricht  er  von  seiner  Gefangenschaft  und  seinem  Sklaven- 
dienst, bei  dem  er  dennoch  frei  war.  ^Deshalb  sagte  jeuer:  Seit  mich 
Autisthenes  befreit  hat,  bin  ich  nicht  mehr  unfrei  gewesen.  Wie 
hat  er  ihn  befreit?  Höre,  was  er  sagt:  Er  lehrte  mich,  was  mein 
ist  und  was  nicht  mein  ist.  Der  Besitz  ist  nicht  mein.  Verwandte, 
Genossen,  Freunde,  Ruf,  vertraute  Stätten  usw.,  das  alles  gehört  einem 
nicht.  Was  also  ist  dein  eigen?  Nur  deine  eigenen  Anschauungen 
sind  dein  völliger  Besitz,  mit  dem  du  frei  schalten  kannst  und  über 
den  auch  Philipp,  Alexander,  Perdikkas  uud  der  Großkönig  keine  Ge- 
walt haben.'  Die  Worte  von  der  Befreiung  durch  Antisthenes  be- 
rühren sich  nahe  mit  denen  Lucians  im  11.  'Totengespräch'  (3),  wo  er 
den  Diogenes  von  dem  Erbe  sprechen  läßt,  das  ihm  jener  hinterlassen.^) 
Und  wie  von  der  Freiheit  des  Weisen,  so  war  jedenfalls  auch  von 
der  Unfreiheit  der  meisten  Menschen  die  Rede.  Eine  Vorstellung  von 
diesen  Gedanken  kann  uns  des  Libanius  25.  Rede  'Von  der  Knechtschaft' 
geben,  die  aus  einer  echten  kynischen  Diatribe  hervorgegangen  ist^) 
und  in  rhetorischer  Form  die  einzelnen  Arten  der  Knechtschaft  durch- 
geht, mehr  als  das  etwa  Horaz  sat.  II  3  und  7  tut.  Da  wird  zunächst 
gezeigt,  daß  auch  die  Götter  nicht  frei  sind,  da  sie  der  Moire  dienen, 
wie  wir  das  in  der  'Widerlegung  des  Zeus'  auseinandergesetzt  fanden; 
über  den  Menschen  gebieten  die  Sucht  zu  schlemmen,  der  Zorn,  die 
Spielwut,  der  Neid,  die  Habsucht,  die  Sinnlichkeit,  so  daß  die  Sklaven 
nicht  in  höherem  Grade  Sklaven  sind  als  die  Freien.  Auch  ganze 
Völker,  so  frei  sie  sich  dünken,  sind  nicht  frei,  wie  an  dem  Beispiel 
der  athenischen  Demokratie  gezeigt  wird  in  einer  Schilderung,  die 
sicher  nicht  Zustände  des  4.  Jahrh.  n.  Chr.  vor  Augen  hat.  Selbst 
Herakles,  selbst  die  Tyrannen  sind  unfrei.  Wir  erkennen  aber  auch 
deutliche  Berührungen  mit  Diogenesworten.  Nach  Diog.  L.  VI  41 
nannte    der  Kyniker    die  Demagogen  Diener    des  Volkshaufens;    man 


1)  Epiktet  IV  1,  113:  tovto  yccQ  ianv  i]  xcclg  äXri%^Ei(xig  i-Xsvd'SQicc  .rccvtriv 
TjXsvd'SQm&ri  ^loysvrig  Ttaq*  'Avri6%'Bvovg  xal  ovv.ixi  ^'qprj  v.cir ccdovlcoQ'fivcci  dvvccad'ca 
'bn'  oidsvdg.  Der  Gedanke  liegt  zugrunde  Luc.  dial.  mort.  11,  3  (s.  S.  246, 1):  üv  ra 
(Diogenes)  Avriöd'ivovg  i'>cX7]QOv6^r}6ag  xat  iyoi  6ov  itoXXm  ^si^co  yiccl  68(iv6tsqcc  xfig 

UsQücbv  ccQXV? Gocpiccv^  (xvx(XQv.siccv,  ccXrid'Eiccv^  TtaQQYiöiav^  iXav&SQiccv.  — 

JV^  z//a,  liiybvriiicci  %al  xovxov  diads^dusvog  xbv  nXovxov  Ttag'  'AvxiüQ'ivovg. 

2)  Man  denkt  direkt  an  Bions  nsgl  dovXaiccg  Stob.  III  2,  38  (187,  5  H.)  (Hense, 
Rhein.  Mus.  XLVII  223),  wo  das  oi  ccyccd-ol  oUexca  iXsvdsQOi,  ol  öh  novriQol  iXsv- 
^8Q0L  dovXoi  TtoXX&v  ImQ'viLLibv  sich  wie  mit  Diog.  L.  VI  66,  so  mit  Libanius 
XXV  24  und  68  eng  berührt.  Daß  das  ein  Grundgedanke  der  Jioy.  TtQ&aig  war, 
hebt  Hense  hervor  Rhein.  Mus.  LXI  (1906)  S.  17. 


Libanius  Tisgl  dovXslccg.  249 

muß  damit  vergleichen,  wie  Libanius  den  Rhetor  beschreibt  (51):  'Er 
wird  zum  Sklaven  aller,  die  Hände  und  Zungen  haben',  oder  die  Dar- 
stellung des  Ratsmannes  (43  f.)  und  der  Regierenden  (53 ff.).  Nach 
Diog.  L.  VI  63  bezeichnete  Diogenes  die  Hetären  als  die  Königinnen 
der  Könige;  das  entspricht  der  Ausführung  von  dem,  was  der  Un- 
freiheit den  Schlußstein  aufsetzt,  der  Liebe  (26):  'Ein  Mann,  der  ver- 
liebt ist,  wird  mehr  zum  Sklaven  als  die  Messenier,  da  er  seinem 
Liebchen  dient/  Auch  Diogenes  verglich  die  Lage  der  rechtlich  dem 
Sklavenstand  Angehörigen  mit  der  der  Herren  (Diog.  L.  66);  er  sagte: 
'Die  Sklaven  dienen  ihren  Herren,  die  Schlechten  ihren  Begierden.' 
Ganz  ähnlich  faßt  Libanius  den  Gedanken  (24):  'Der  Besitzer  ist  zwar 
Herr  seiner  Sklaven,  aber  Sklave  des  Goldes'  oder  (68):  'Unfrei  sind 
die  Sklaven,  unfrei  die  Herren.'  Derartige  Gedanken  mögen  auch  in 
der  Jioyivovg  ngäaig  gestanden  haben  und  von  dort  in  die  Diatriben 
geflossen  sein. 

Aber  ein  Bedenken  gegen  unsere  Konstruktion  müssen  wir  noch 
erwähnen,  das  wir  absichtlich  bis  jetzt  aufgespart  haben,  nicht  etwa 
um  den  Leser,  der  uns  bis  hierher  gefolgt  ist,  nun  um  so  leichter  zu 
überzeugen,  sondern  weil  sich  erst  jetzt  über  die  Frage  richtig 
urteilen  läßt.  Ich  habe  durchgehends  die  Lesart  der  Cobetschen  Dio- 
genesausgabe als  richtig  festgehalten  und  MevLitTtog  iv  rf]  ^ioyevovg 
ngdöst  bei  Diog.  L.  VI  29  zur  Grundlage  meiner  Darlegungen  gemacht. 
Leo*)  nennt  den  Verfasser  Hermipp.  Der  Kallimacheer  Hermipp  kann 
aber  nicht  gemeint  sein;  für  ihn  paßt  ein  derartiger  Titel  nicht,  da 
er  den  ganzen  ßCog  behandelt  haben  würde,  nicht  einen  Ausschnitt, 
der  sich  nur  verwerten  ließ,  wenn  man  ihn  voller  Phantasie  dramatisch 
ausgestaltete,  oder  allenfalls,  weil  sich  an  den  Verkauf  die  Zeit  der  Lehr- 
tätigkeit im  Haus  des  Xeniades  anschloß,  wenn  man  ihn  zu  einer  Dar- 
legung von  Diogenes'  pädagogischen  Grundsätzen  benutzte;  auch  zeigt 
sich  die  Neigung  herabzusetzen  und  zu  verkleinern,  die  Hermipp  eigen 

1)  Die  griech.-röm.  Biographie  S.  60,  ohne  weiter  ein  Wort  über  die  Berech- 
ii'^xing  seiner  Lesung  zu  sagen.  Im  Index  fehlt  allerdings  der  Hinweis  auf 
Hemiipps  Tätigkeit  fflr  die  Diogenedvita,  und  Kap.  0,  wo  Hermipp  im  Zusammen- 
hang besprochen  wird,  ist  ebenfalls  nicht  an  diese  erinnert.  Schon  bei  Wachs- 
muth,  Sillographi  S,  82  adn,  7  steht:  Mhinnof  quod  in  omnibus  libris  meis  legi- 
tur,  non  est  cur  cum  Ambrosio  et  Sambuci  codice  quodam  niutemus  in  "KpfiiTrro»', 
wo  auch  die  nur  konsequente  Konjektur  von  Nietzsche  abgelehnt  wird:  "h'Qutrr- 
nos  iv  xm  niQ\  Jioyivovi,  ntigurali  mg  cclov*;  usw.  —  Von  einem  Hermippus 
comicus  spricht  Boldennan,  Stud.  Lucian.,  Diss.  Lugd.  Hat.  1906,  S.  86,  aber  der 
alte  (Meineke,  Hist.  rrit.  UO  ff.)  kommt  nicht  in  Betracht  bei  Dtogenea,  und  ein 
ander<>r  ist  meines  Wissens  nicht  bekannt. 


250  Kapitel  X.    Die  Versteigerung  der  Lebensarten.     • 

ist,  hier  nicht.  Man  müßte  also  einen  sonst  unbekannten  Hermipp  an- 
nehmen; denn  auch  an  Hermippos  Ton  Berytos  wird  man  nicht  denken 
können,  von  dessen  Werk  der  Titel  bekannt  ist:  71£qI  xCjv  ÖLuitgexi^dv- 
tcjv  iv  Ttaiöna  öovkav.  Eine  Berührung  mit  unserem  Stoff  liegt 
allerdings  vor;  aber  eine  derartige  ausführliche  dramatische  Behandlung 
unter  dem  besonderen  Untertitel  zftoyevovg  jtQäöig  ist  trotzdem  aus- 
geschlossen bei  der  Fülle  von  Personen,  die  er  behandelt  hatte,  doch 
offenbar  einfach  katalogisierend  mit  Aufzählung  der  jedesmaligen  Ver- 
dienste.^) An  Menipp  festzuhalten  veranlaßt  uns  zunächst  die  sicht- 
bare Anlehnung  Lucians.  Ich  fürchte  kaum,  einen  circulus  vitiosus 
zu  begehen;  wenn  wir  erst  aus  dieser  einen  Satire  Menipps  die  Ver- 
wendung derselben  durch  Lucian  erschließen  müßten,  stünde  es  frei- 
lich schlimm;  da  aber  durch  sein  eigenes  Zeugnis  die  Nachahmung 
Menipps  feststeht  und  an  anderen  Schriften  auch  nachweisbar  ist,  so 
darf  man  wohl  die  Übereinstimmung,  die  man  ihrerseits  erst  aufspüren 
muß,  trotzdem  als  Zeugnis  für  die  Autorschaft  Menipps  bei  der  z/to- 
yivovg  Ttgäöig  benutzen.  Weiter:  daß  sich  aus  der  Rekonstniktion 
und  Zusammenfügung  all  dieser  kleinen  Züge,  die  zerstreut  überliefert 
sind,  eine  köstliche  Szene  ergibt,  ganz  in  der  Art,  wie  wir  sie  von 
Menipp  erwarten,  spricht  mehr  als  alles  für  die  Richtigkeit  der  Kom- 
bination. Endlich  aber  hat  der  Angriff  auf  die  Lesart  MeviTCTiog  bei 
Diogenes  L.  überhaupt  keine  Berechtigung;  sie  allein  ist  trefflich  be- 
zeugt, denn,  wie  mich  H.  Diels  und  E.  Martini  auf  meine  Anfrage 
belehrt  haben,  steht  im  Parisinus,  Laurentianus  und  Neapolitanus  ein- 
hellig und  ohne  die  geringste  Variante  VI  29:  (prial  öl  MsviTtTtog. 
Es  ist  klar,  daß  all  unsere  Kombinationen  nur  den  Wert  von 
Vermutungen  beanspruchen  können;  nicht  die  Gewißheit,  wohl  aber 
die  Möglichkeit  dieser  Rekonstruktion  ist  zu  behaupten.  So  weit  aber 
können  wir  mit  Sicherheit  gelangen:  für  das  Motiv  des  Verkaufs  selbst 
und  für  Einzelheiten  beim  Verkauf  des  Diogenes  hat  sich  Lucian  an 
Menipp  angelehnt.  Allein  er  hat  das  Motiv  erweitert,  indem  er  alle 
bekannten  Vertreter  der  verschiedenen  philosophischen  Richtungen  da- 
durch   zusammenkoppelte;    da    es    dann  bei  W^ahrung  der  Zeiteinheit 


1)  Wachsmuth,  Symb.  phil.  Bonn.,  Lpzg  1864—67,  S.  140  tf.  stellt  zusammen, 
■was  bei  Suidas  auf  Hermipp  zurückgeht  oder  zurückgehen  kann.  Obwohl  er 
dabei  zweifelnd  die  Bemerkung  über  den  Kyniker  Diogenes  aufnimmt,  gewinnt 
man  aus  dieser  Zusammenstellung  erst  recht  den  Eindruck,  daß  für  diesen 
Hermipp  die  Jioyivovg  Ttgäaig  nicht  möglich  ist;  und  ein  Titel  ist  das  zweifel- 
los bei  Diog.  L.  Etwas  anderes  ist  es  natürlich,  daß  Hermipp  kurze  Nachrichten 
über  das  rein  Tatsächliche  bieten  mußte,  die  sich  mit  Menipp  berührten. 


Erweiterung  der  Jioyivovs  Tigäoig  zur  ßiav  nguaig.  251 

nicht  mehr  möglich  war,  die  Person  selber  zu  verwenden,  so  wurde 
der  farblose  Begriff  des  philosophischen  Bios  geschaffen,  der  nun  dem 
Ganzen  das  Schillernde  und  Unbefriedigende  gibt.  Die  Personifizierung 
der  Bioi  war  schon  angeregt  durch  den  'Doppeltverklagten'  ^),  wo  die 
/3tot,  xtxvaij  e%i6xfi^uL  als  Ankläger  auftreten.  Nun  ergab  sich  das 
weitere,  daß,  wenu  man  von  irgend  welchem  zur  Person  gemachten 
Begriff  absehen  wollte,  nur  Zeus  es  sein  konnte,  der  diese  Auktion 
veranstaltete.  Gern  möchten  wir  wissen,  ob  wir  in  der  Umgestaltung 
der  ßiOL  zu  Sklaven  Lucians  eigene  Erfindung  zu  sehen  haben;  ge- 
rade das  Unklare  an  der  Yerquickung  von  philosophischen  Lebens- 
richtungen und  Lehren  mit  ganz  persönlichen  Erlebnissen  ihrer  Haupt- 
vertreter legt  es  nahe,  ihm  das  zuzutrauen  als  Konsequenz  der 
Menippnachahmung.^) 

Aber  selbst  wenn  wir  hier  das  geistige  Eigentum  des  Satirikers 
finden,  so  lassen  sich  doch  allerlei  Anregungen  dazu  schon  in  der 
früheren  Literatur  zeigen.  Zunächst  des  Euripides  'Syleus';  wir  sahen, 
daß  vielleicht  schon  Menipp  auf  ihn  hinwies;  auch  dort  ist  Zeus  der 
Verkäufer  und  Hermes  der  Auktionator.  Zeus  war  in  unserer  Satire 
aber  so  recht  am  Platze,  weil  er  es  ist,  der  dem  Menschen  Beruf  und 
Stellung  zuerteilt;  und  wenn  man  den  Fall  setzt,  die  Menschen  könnten 
einmal  ihren  Beruf  ändern,  so  ist  es  Zeus,  der  diesen  Wechsel  ver- 
anlaßt. Eine  solche  Szene  hat  Horaz  sat.  I  1,  15  ff.  kurz  gezeichnet, 
\md  Kießling  hat  zu  der  Stelle  vermutet,  daß  sie  auf  eine  Burleske 
Menipps  zurückgehen  könnte,  die  auch  bei  Maximus  Tyrius  21,  1 
sich  angedeutet  finde.  Lucian  hat  das  Bild  in  etwas  anderer  Weise 
in  der  'Nekyomantie'  (16)  verwandt,  wo  die  Tyche  es  ist,  die  im  Auf- 
zug des  Lebens  bald  dem  eine  Rolle  nimmt,  bald  jenem,  und  dem 
Krösus  ein  Sklavengewand  anzieht,  dem  Sklaven  Maeandrius  aber  die 
Rolle  des  Polykrates  gibt.  Ich  zweifle,  ob  man  mit  Recht  aus  diesem 
Motiv  eine  dramatische  Szene  folgert,  in  welcher  di>r  Gedanke,  daß 
Zeus  die  Berufe  verteilt  und  wechselt,  den  Rahmen  gebildet  habe; 
es  konnte  sehr  wohl  in  dieser  Form  auch  als  Beispiel  seine  Verwen- 
dung finden. 

1)  über  die  spätere  Abfassung  der  ^to^r  TtQ&eig  s.  S.  22k  und  Kap.  XII. 

8)  leb  will  nur  nebenbei  auf  Dünimlers  Auslebt  verweisen,  daß  die  Jio- 
ytvovg  %ifä6i9  in  der  Verspottung  der  Ideenlehre  Piatons,  aber  auch  in  der  Ein- 
kleidung des  Cinnzen  schon  auf  eine  Schrift  des  Aniiathenes  zurückginge,  und 
daß  Hchon  vor  Lucian  die  Jtoyivovg  nifftaig  zur  ßlcov  nffuotf  von  Kynikem  er- 
weitert w&re  0\kaden)ika,  Gießen  1hh9,  S.  20H  ff.).  Die  Herloitun^j  eine*«  einr.olnon 
Gedankens  von  Antisthencs  mag  richtig'  M'iu-,  ulntr  hohmI  Hchciut  mir  da  der 
Kombination  etwa«  viel  zu  sein. 


252  Kapitel  X.     Die  Versteigerung  der  Lebensarten. 

Auch  sonst  wird  Zeus  in  dieser  Weise  bemüht.  Von  einer  Aus- 
teilung der  Ehren  an  die  Götter  durch  ihn  redet  die  Fabel,  die  nach 
Plutarch  consol.  ad  Apoll.  19  (112A)  der  Philosoph  der  Arsinoe  erzählte; 
von  einer  Austeilung  der  Gaben  au  sämtliche  Lebewesen  im  Auf- 
trag des  Zeus  durch  Prometheus  und  Epimetheus  spricht  der  Mythus 
in  Piatons  Protagoras  (320  Dff.),  und  gleiche  Anschauung  läßt  sich 
dort  betrejffs  der  Künste  (322  C)  erkennen.  Achill  weiß  bei  Homer  zu 
berichten,  daß  Zeus  aus  zwei  Fässern  den  Menschen  ihr  Los  gibt,  deren 
eines  mit  Gutem,  das  andere  mit  Bösem  gefüllt  ist  (II.  XXIV  527  ff.).\) 
Bei  Maximus  Tyrius  ist  es  die  Physis,  die  an  Menschen  und  Tiere 
Kräfte  und  Fähigkeiten  ausgibt  (2,  4),  und  derselbe  sagt,  daß  die 
Götter  den  Menschen  Tugend  und  Schlechtigkeit  zuerteilen.  Und 
diese  allgemeine  Bezeichnung  kehrt  öfter  wieder.  Cicero  sagt  (Acad. 
II  7,  19):  'si  optio  naturae  nostrae  detur  et  ab  ea  deus  aliqui  requirat, 
contentane  sit  suis  integris  incorruptisque  sensibus  an  postulet  melius 
aliquid' ;  weit  greifbarer  und  poetischer  ist  die  Darstellung  in  Piatons 
Alkibiades  (105  A):  'Mir  scheint,  wenn  einer  der  Götter  zu  dir  sagte: 
Alkibiades,  willst  du  leben  mit  dem,  was  du  jetzt  hast,  oder  sofort  des 
Todes  sein,  wenn  du  nicht  mehr  erwerben  darfst?  —  mir  scheint,  du 
würdest  den  Tod  wählen.'  Und  ganz  ähnlich  ist  die  Fiktion  der 
Änderung  der  Lebenslage  im  'Staat'  (IX  578  E)  mit  den  Worten  sl'  ng 
%eG)v  eingeleitet.  Wenn  aber  die  Wahl  war  zwischen  Tyche,  Physis 
oder  irgend  einem  der  Götter,  so  war  es  für  Lucian  selbstverständlich, 
Zeus  zu  nehmen  und  auf  sein  auch  sonst  zur  Darstellung  gebrachtes 
Verhältnis  des  Göttervaters  und  des  Götterboten  zurückzugreifen,  das 
sich  ja  in  der  gleichen  burlesken  Weise  ausbeuten  ließ  wie  etwa  im 
'tragischen  Zeus'  und  im  'Doppeltverklagten'. 

Auch  für  die  Selbstbestimmung  bei  der  Auswahl  der  Lebenslose, 
die  in  der  Lucianischen  Satire  durch  den  Kauf  ausgedrückt  ist,  lag 
in  Piatons  'Staat'  ein  Muster  vor.  Nach  dem  Schlußmythus  kann 
sich  ein  jeder  das  Leben  eines  Tieres  oder  eines  Menschen,  eines 
Tyrannen,  eines  Mannes  oder  Weibes  usw.  aussuchen  (X  15f.  617  Dff.); 
auch  die  Figur  des  Hermes  hat  wenigstens  in  etwas  Ähnlichkeit  mit 
der  Rolle,  die  der  TtQOcpYJtr^g  spielt,  der  dort  vom  Schoß  der  Ananke 
die  Lose  und  Lebensarten,  ßCmv  Ttagadsty^araj  nimmt  und  die  Seelen 
in  Reihe  und  Glied  aufstellt  wie  Hermes  hier  die  Bioi.^)     Die    Frei- 

1)  Ygl.  Od.  VI  188:  Zevs  d'  avrbs  vb^sl  öXßov  'OXv^tilos  ccvd-QcaTioLaLv,  ia^Xotg 
rjSh  xccxotöiv,  OTtcog  i&iXri6Lv  ^ycäoxcp. 

2)  Plat.  617  D:  7tQ0(priX7\v  ovv  rivcc  ocp&s  tcq&tov  ^isv  iv  xä^hi  diaötTjöuL^ 
Luc.  vit.  a.  1:  ai)  8s  6tfi60v  8^f]S  Ttccgayayoiv  tovs  ßiovg. 


Zeus  als  Veranstalter  der  Auktion.  253 

heit  der  Wahl  ist  jedem  gegeben,  hier  wie  dort;  nur  das  komische 
Motiv  des  Kaufes  ist  hinzugefügt.  Komisch  können  wir's  nennen,  weil 
Verkaufsszenen  in  Komödien  und  Mimen  mehrfach  dargestellt  waren; 
aus  des  Hermippos  'Soldaten'  ist  wenigstens  ein  Vers  erhalten,  der 
auf  eine  solche  Szene  schließen  läßt^);  in  des  Phrynichos  'tragischen 
Schauspielern'  kam  jedenfalls  ein  Verkauf  vor^);  Antiphanes  und  Epi- 
krates schrieben  ein  Stück  'Der  Schwerverkäufliche' ^),  bei  dem  man 
aus  dem  Titel  auf  eine  Verkaufsszene  schließen  möchte;  von  Menander 
existierte  eine  Komödie  'Der  Verkauf.^) 

So  war  aus  einer  Erweiterung  der  zlioyevovg  tcqccöls  auf  die 
übrigen  Philosophen  der  Rahmen  gefunden,  und  es  kam  nur  darauf 
an,  ihn  auszufüllen.  Wie  weit  für  diese  Einzelheiten  Menipp  den 
Stoff  bot,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis;  das  geringe  biographische 
und  doxographische  Material  konnte  Lucian  sich  leicht  auch -anders- 
woher verschaffen. 


1)  Eock  I  S.  239  fr.  50:  rig  iod-'  6  TtaXav  ravögccTrod' ;  —  o6*  iya  ndga. 

2)  Kock  I  S.  383  fr.  51/2.  Vgl.  Schmid,  Bursians  Jahresber.  108,  S.  247,  der 
auch  auf  das  Fragment  des  Calvus  3  Baehr.  hinweist,  dessen  Fiktion  mit  unserem 
Motiv  zusammenhängt. 

3)  Athen.  VI  262  cd.     Kock  II  S.  47.  284. 

4)  Kock  ni  S.  122. 


Kapitel  XI. 
Das  Gastmahl. 

Mehr  und  mehr  verwischen  sich  von  jetzt  ab  die  Spuren  Menipps. 
Allerdings  sind  wir  über  seine  Schriften  zu  wenig  unterrichtet,  da 
sogar  das  Verzeichnis  bei  Diogenes  Laertius  unvollständig  ist;  aber 
es  ist  weniger  das  Fehlen  eines  äußeren  Testimoniums,  das  hier  ent- 
scheidend ist,  als  das  Ausbleiben  von  spezifisch  kynischen  Gedanken 
oder  Gedankenformungen,  Bildern,  Beispielen.  Das  zeigt  uns  das 
*  Gastmahr,  wo  uns  doch  noch  das  antike  Zeugnis  zur  Seite  steht; 
Athenäus  (XV  629  e)  zitiert  einen  Ausdruck  aus  Menipps  ^Symposion'; 
und  die  mythologische  Beziehung  in  dem  Doppeltitel  ^oder  die  La- 
pithen'  ist  durchaus  menippisch. 

Das  Ganze  ist  eine  vom  Dialog  umrahmte  Erzählung.  Philon  hat 
durch  Charinus  von  dem  Gastmahl  im  Hause  des  Aristainetos  gehört  und 
bittet  Lykinos  ihm  den  Hergang  zu  berichten;  denn  Charinos  seinerseits 
hatte  die  Kenntnis  nur  von  dem  Arzte  Dionikos,  der  erst  dem  letzten 
Teil  des  Festes  beigewohnt  hatte,  wußte  also  selber  nicht  alles. 
Lykinos  sträubt  sich,  läßt  sich  aber  durch  den  Zorn  des  Philon  be- 
wegen, seine  fingierte  Zurückhaltung  aufzugeben.  Aristainetos  feierte 
die  Hochzeit  seiner  Tochter  Kleanthis  mit  dem  philosophisch  ge- 
bildeten Sohn  des  Wucherers  Eukritos,  namens  Chäreas.  Es  war 
eine  erlesene  Gesellschaft  von  Philosophen  geladen  und  jede  Richtung 
vertreten,  die  Stoiker  sogar  zweimal,  sodann  der  Grammatiker  Histiaios 
und  der  Rhetor  Dionysodor;  die  Folie  bildete  eine  Anzahl  von  Laien, 
die  namenlos  bleiben. 

Eröffnet  wird  das  Festmahl  durch  einen  Streit  um  den  Platz 
zwischen  dem  Stoiker  Zenothemis  und  dem  Epikureer  Hermon,  der 
nur  durch  Hermons  Nachgiebigkeit  friedlich  beigelegt  wird.  Das 
erste  Litermezzo  verursacht  der  Stoiker  Zenothemis,  der  seinem  Skla- 
ven heimlich  von  den  Speisen  zusteckt,  um  davon  mitzunehmen. 
Dann  erscheint  ungeladen  der  Kyniker  Alkidamas,  der  sich  im  Kreise 


Inhalt.  255 

herumbewegt^  dabei  ißt,  was  ihm  gerade  an  Leckerbissen  zusagt,  und 
zugleich  Vorträge  über  Tugend  uud  Laster  hält  und  auf  Gold  und 
Silber  schmäht.  Als  ihm  der  Hausherr  einen  Becher  Weines  reichen 
läßt,  wirft  er  sich  zur  Erde,  und  den  Arm  aufgestützt,  ruht  er  dort 
wie  Herakles  bei  Pholos.  Ein  neues  Intermezzo  zwischen  dem  Peri- 
patetiker  Kleodem  und  dem  bedienenden  hübschen  Knaben  lenkt  die 
Aufmerksamkeit  von  ihm  ab.  Der  Knabe  wird  auf  Befehl  des  Ari- 
stainetos  durch  einen  bejahrten,  häßlichen  Sklaven  abgelöst.  Darauf 
trinkt  der  Kyniker  der  Braut  zu  auf  Herakles,  das  Vorbild  seiner 
Sekte;  darob  allgemeines  Gelächter  und  Zorn  auf  Seiten  des  Zurück- 
gewiesenen: 'Wenn  die  Braut  den  Becher  von  mir  nicht  nimmt,  ruft 
er  aus,  so  wird  sie  nie  einen  so  starken,  geistig  freien  Sohn  be- 
kommen, wie  ich  bin',  und  zugleich  entblößt  er  sich,  um  seine  kraft- 
volle Gestalt  zu  zeigen.  Weiteren  Streit  verhindert  das  Eintreffen 
eines  riesengroßen  Kuchens.  Schon  geht  es  ziemlich  lärmend  her, 
und  die  Gäste  sind  meistens  trunken.  Der  Rhetor  hält  seiner  Um- 
gebung Vorträge,  der  Grammatiker  deklamiert  in  buntem  Durchein- 
ander Pindar,  Hesiod,  Anakreon  und  Zenothemis  liest  aus  einem  Buche 
vor;  da  läßt  der  Brautvater  den  Spaßmacher  auftreten,  der  nach 
seinem  Tanz  den  einzelnen  Spottworte  zuwirft.  Alkidamas  läßt  sich 
das  nicht  gefallen,  er  fordert  den  Mimen  zum  Faustkampf  auf,  bei 
dem  er  jedoch  selber  den  kürzeren  zieht.  In  diesem  Augenblick  tritt 
der  Arzt  Dionikos  ein,  der  als  rechter  Jünger  Äskulaps  sofort  die 
letzte  Kraukengeschichte  zum  besten  gibt,  eine  Episode  mit  einem 
Irren.  Als  man  seiner  Erzählung  noch  lauscht,  tritt  ein  Sklave  ein, 
der  von  dem  Stoiker  Hetoimokles  einen  Brief  überbringt,  in  dem 
dieser  sich  beschwert,  weil  er  nicht  geladen  sei,  und  gegen  seine 
Kollegen  Zenothemis  und  Diphilos  höchst  bedenkliche  Schmähungen 
und  Verdächtigungen  ausspricht.  Das  stört  die  Festesfreude;  der 
Sohn  des  Aristainetos,  Zonon,  der  in  dem  Schreiben  als  Geliebter  des 
Diphilos  bezeichnet  war,  muß  auf  Befehl  seines  Vaters  das  Mahl  ver- 
lassen. Der  Peripatetiker  aber  benutzt  die  Gelegenheit,  um  nun  über 
die  Jünger  Chrjsipps  herzufallen;  es  entspinnt  sich  ein  Wortkampf, 
in  dem  man  n'wh  gegenseitig  die  schwersten  Verbrechen  wie  Dieb- 
stahl, P]hobruch,  Kuppelei,  Giftmord  zur  Last  legt,  bis  man  zu  Tätlich- 
keiten übergeht.  Aber  anch  diesmal  weiß  des  Hausherrn  Besouucn- 
■  t  iiorh  das  Schlimmste  zu  verhüten.  Immerhin  vergleicht  der  Er- 
•  r  den  Brief  des  Hetoimokles  mit  dem  Erisupi'el;  denn  der  Streit 
glimmt  fort,  bis  der  Piatoniker  Ion  auf  den  Einfall  kommt,  durch 
Rfden  das  Gelage  zu  venichönen,  gerade  iu  dem  Augenblick,  da  der 


256  Kapitel  XI.     Das  Gastmahl. 

Gang  aufgetragen  wird,  den  sich  die  Gäste  mit  nach  Hause  nehmen. 
Ion  beginnt  mit  der  Rede,  indem  er,  frei  nach  Piaton,  ausführt:  Das 
beste  sei  nicht  zu  heiraten,  sondern  sich  der  Knabenliebe  zu  ergeben; 
wenn  es  aber  ohne  Verkehr  mit  Weibern  nicht  ginge,  so  müßten 
alle  gemeinsam  sein.  Es  folgt  Gelächter,  der  Rhetor  sticht  ihm  den 
falschen  Gebrauch  des  Wortes  t,fiXog  auf,  der  Grammatiker  gibt  seiner- 
seits ein  Hochzeitscarmen  zjim  besten,  das  an  Albernheit  nichts  zu 
wünschen  übrig  läßt.  Da  bricht  der  Kampf  aufs  neue  aus  und  zwar 
um  die  Portionen,  die  jeder  erhält.  Diphilos  will  die  für  seinen 
Schüler  Zenon  bestimmte  auch  für  sich  in  Anspruch  nehmen  und  ringt 
mit  den  Dienern  um  das  gebratene  Geflügel,  wie  Griechen  und  Troer 
um  Patroklos'  Leichnam.  An  andrer  Stelle  wird's  noch  ärger;  der 
Stoiker  Zenothemis  nimmt  dem  Epikureer  sein  Teil  fort,  weil  es 
fetter  ist.  Allgemeine  Prügelei  bricht  aus;  das  Blut  fließt  in  Strömen, 
die  Weiber  heulen  um  den  verwundeten  Bräutigam,  kurz,  es  geht  zu 
wie  bei  den  Lapithen  und  Kentauren.  Schließlich  löscht  Alkidamas 
das  Licht  aus,  und  in  der  allgemeinen  Verwirrung  macht  er  sich  mit 
der  Flötenspielerin  zu  schaffen,  während  Ion  mit  des  Rhetors  Hilfe 
einen  Becher  zu  entwenden  sucht.  Die  Verwundeten  werden  hinaus- 
geschafft, Dionikos  ist  um  sie  bemüht,  die  andern  gehen  mit  ihrem 
Katzenjammer  nach  Hause  bis  auf  Alkidamas,  den  niemand  bewegen 
kann  fortzugehen.  Der  Erzähler  aber  gedenkt  der  Euripidesverse: 
Vielgestaltig  ist  das  Schicksal,  viel  senden  die  Götter  wider  Erwarten, 
und  was  erhofft  ward,  fand  nicht  Erfüllung.^) 

Aus  der  Menge  der  'Symposien',  welche  die  antike  Literatur  ge- 
schaffen hat,  ist  uns  zwar  zweifellos  das  schönste  erhalten,  im  übrigen 
aber  nicht  genug,  um  eine  deutliche  Linie  der  Entwicklung  ziehen 
zu  können.  Daß  Epikurs  *  Gastmahl',  die  Schilderung  einer  Versamm- 
lung allein  von  Vertretern  der  atomistischen  Lehre  und  ihrer  ziemlich 
trockenen  Gespräche,  mit  seinem  Mangel  künstlerischer  Umrahmung 
keinen  Einfluß  auf  Luciar  ausgeübt  hat^),  kann  man  getrost  behaup- 
ten. Dagegen  zeigen  sich  Berührungspunkte  mit  drei  'Symposien'. 
Was  an  unserer  Satire  am  ersten  auffällt,  ist  die  Nachahmung  Pia- 
tons ^),  den  Lucian  auch,  allerdings  in  ganz  anderer  Weise,  im  'Lexi- 
phanes'  benutzt  hat,  dort,  um  in  der  Erzählung  die  Sprachweise  der 


1)  Eur.  Ale.  1159  W.    Androm.  1284.     Hei.  1688.     Bacch.  1388.     Med.  1415. 

2)  Siehe  Usener,  Epicurea  S.  115  ff. 

3)  Was  Fritzsclie  in  der  Einleitung  zur  Ausgabe  des  '"Symposions'  sagt 
(II  2  S.  87):  ^omnino  Socraticorum  symposia  hue  non  pertinent',  ist  in  dieser 
Form  niclit  richtig. 


Beziehungen  zu  Piaton.  257 

Attizisten,  ihr  Suchen  nach  ungewöhnlichen  oder  archaischen  Aus- 
drücken zu  verspotten,  hier,  um  die  Handlungsweise  der  Philosophen 
zu  beleuchten.  Nach  Piatons  Vorbild  ist  ja  die  Rahmenerzählung 
gewählt,  selbst  mit  Beibehaltung  von  Einzelheiten.  Philon  hat  die 
Vorgänge  beim  Gastmahl  von  Charinos  gehört,  Charinos  aber  erst  von 
Dionikos;  so  hat  Glaukon,  allerdings  durch  eine  Mittelperson  erst, 
von  Phoinix  den  Bericht  über  das  Symposion  im  Hause  Agathons  er- 
halten, dieser  aber  von  Aristodem,  der  daran  teilgenommen  hatte;  und 
auch  der  wirkliche  Erzähler  ApoUodor  hat  nur  durch  diesen  Aristo- 
dem Kunde  davon  (172  B;  173  B).  Und  wie  der  Freund  den  Glaukon 
ausdrücklich  auf  Apollodor  hingewiesen  hatte  als  den,  der  Bescheid 
wüßte,  so  hat  Dionikos  den  Philon  gleich  auf  Lykinos  aufmerksam 
gemacht,  weil  dieser  alles  mitangesehen  hätte.  ^)  Die  Figur  des  Dio- 
nikos selber,  des  Mediziners,  verdankt  ihre  Existenz  dem  Arzt  Eryxi- 
machos,  wie  ja  der  Arzt  dann  in  den  ^Symposien'  eine  typische  Figur 
geworden  ist;  daher  der  Arzt  Kleodor  in  Plutarchs  'Gastmahl'  und 
die  Arzte  Daphnos,  Dionysokles  und  Galen  selbst  in  dem  formlosen 
Machwerk  des  Athenäus.  In  dem  Zwiegespräch  zwischen  Philon  und 
Lykinos  wirkt  die  Erinnerung  an  Piatons  Thaedrus'  mit;  wie  dort 
Phaedrus  sich  sträubt,  die  Rede  des  Lysias  zum  besten  zu  geben,  so 
will  hier  Lykinos  mit  seinem  Bericht  nicht  herausrücken;  in  beiden 
Fällen  aber  wird  das  Sträuben  von  dem  andern  als  Ziererei  erkannt, 
da  in  Wahrheit  der  Zurückhaltende  vielmehr  vor  Begierde  brennt, 
was  er  hat,  anzubringen.^)  Luciau  hatte  dasselbe  Motiv  schon  früher 
in  seinem  'Nigrinus'  verwendet.^)     Wenn  Philon  das  Bild  gebraucht. 


1)  Selbst  der  Wortlaut  stimmt  conv.  2:  xul  rbv  Jiovixov  yag  ccvxbv  tinelv, 
ms  wötbg  fiiv  oi)  Tfagayivoiro  unaat,  ok  d'  ccxQißüg  sldivcci  xa  yBysvrni^vce,  Plat. 
172  B:  äXXos  yocQ  rig  iioi,  diriyttxo  &Mr\xo(üg  ^oivtxog  xov  ^iXinTtov^  ^qpjj  dh  xal  ah 
tldivui. 

2)  Conv.  4:  ingißäg  olda  itoXv  nXiov  intd^vnovvxa  oh  slxstv  ^  i(ih  ^xoHaai. 
xai  ftot  fioxttg^  tl  &noQr\OBiccg  xiov  &xovao^^vo}v^  xocv  ngbg  xiovd  xtpce 
Tj  TCQbf  ävÖQidvxa  r]üi(og  uv  TtQOUhX^oiv  ^xx^ai  ndvxa  gvvhq(ov  &{ivaxiy  Plat. 
Pbaedr.  228  B:  An(xvxi]actg  6h  rä>  voaovvxi  ntgl  Xöyatv  Scxoi^v^  Idotv  ^ihv  ijad-t],  ort 
iioi  xbv  avyxoQvßavxiüivxa  .  .  .  .,  dto^ivov  dh  Xiysiv  roß  x&v  X6yoiv  iffacxoO 
i^QvnxBto  tag  di]  oix  ini&v^üiv  Xiytiv  .  xbXbvx&v  dh  f^fXXe^  nal  al  n^  xtg  ixoav 
&X0V01,  ßltt  ighlv.  Auch  «las  i^QvnxKif^ut  hat  Luciau  daher  liberiiommen 
4:  ^Qvnxri  xuina,  tu  Avxtvi  (vgl.  Fritzsche  zu  diencr  Stolle).  Der  Ausdruck  4:  §1 
nil  nuvxunaaip  iya»  fniXiXriaiuei  Avxlvov  ist  dorn  Platonischen  928  Ar  ti  ^cb 
^aldQOv  &yvoth,  xal  i^uvxod  iniXiXr\a^i  uachgobildet. 

3)  Nigr.  0  sagt  der  sich  Zierende  selber:    ical  tt  yc  fi^    i^^h)«,   oHkög  hß 

idtt'idTiv  ixo{<aal  nov  dtr]yov\ihov ini-l  x&v  xig  ^i;  nagtov  f«''jff/,   »c«l  o0t« 

dlg  1}  xQ\g  rfif  r}fi^Qt(^'  f'cvuxvxXA  ngbg  ifutvxbv  xu  elgimipa.   Dort  mahnt  er  auch  9, 

Malfi.,    !.»<  Ittii    uimI    M>m,ip|'  17 


258  Kapitel  XI.    Das  Gastmahl. 

Lykinos  solle  ihm  mit  seiner  Erzählung  einen  Schmaus  bereiten,  so 
ist  der  Ausdruck  ebenfalls  dem  Anfang  des  'Phaedrus'  entnommen.^) 
Man  sieht,  ein  wie  aufmerksamer  Leser  Piatons  Liician  gewesen  ist. 
Auch  sonst  erinnern  Einzelheiten  an  Piatons  ^Symposion'.  Wie  So- 
krates  eintritt,  heißt  es,  er  habe  die  andern  mitten  beim  Mahle  ge- 
troffen, auch  Dionikos  kommt  erst  mitten  in  den  Streit  hinein.^)  Von 
der  Einleitung  wird  bei  beiden  Schriften  in  gleicher  Weise  zur  Er- 
zählung übelgegangen  durch  die  Frage  des  Zuhörenden:  Wer  waren 
denn  die  Teilnehmer  am  Mahl?  oder:  Welches  waren  denn  die  Reden ?^) 
Allmählich  versagt  natürlich  die  Anlehnung  an  Piaton.  Doch  die 
Erscheinung  des  ungeladenen  Alkidamas  und  die  Verwendung  des 
Homerverses  ist  ihm  noch  nachgebildet-,  das  plötzliche  Auftreten  des 
Kynikers  (12)  erinnert  an  das  des  Alkibiades  (212  C),  und  als  So- 
krates  den  ungeladenen  Aristodem  unterwegs  trifft,  nimmt  er  ihn  mit 
und  bespricht  ausführlich  die  Homerwoi-te  betreffs  des  uvai  äxXritog 
inl  dslTCvov  (II.  II  408),  auf  die  Lucian  hinweist,  wenn  er  den  Alki- 
damas als  äxkrjTog  bezeichnet;  ja  selbst  die  Fortsetzung  des  Zitats 
durch  äcpQaiV£Lg  Msvslas  bei  Lucian  ist  durch  die  Kritik  des  Sokrates 
bei  Piaton  schon  gegeben.  Dann  führt  nur  der  Vorschlag  des  Plato- 
nikers  Ion,  durch  Reden  sich  die  Zeit  zu  verkürzen,  der  ja  mit  Hin- 
weis auf  den  Meister  der  Schule  geschieht  (37),  noch  einmal  zum 
^Symposion'  Piatons  zurück.^)  Auch  für  die  Tendenz  des  Ganzen 
kann  man  den  Schluß  des  'Euthydem'  und  die  Rede  des  Kallikles 
im  'Gorgias'  (484  C)  vergleichen'');  die  Mahnung  in  diesem  Dialog, 
die  Philosophie  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  und  nur  in  der 
Jugend  zu  pflegen,  da  sie  sonst  geradezu  ein  Verderb  sei,  und  in  jenem 

wie  Phädrus  sagt  228  A:  ohi  ft£  .  .  .  .  rccvtu  Idimtriv  övtcc  cc-jroiivrj^ovsvGSLV  a^icog 
ittsivov ; ,  so  mit  demselben  Gedanken :  kccv  ivdseGtsQov  rt  doxw  XtysLv,  i-aslvo  }ihv 
%6t(ü  TtQoxsiQov  cbg  a^LSivov  rjv.  Für  das  ^Symjposion'  paßte  dieser  Gedanke 
natürlich  nicht. 

1)  Conv.  2:  o-üH  av  (pd'dvoig  kcxiiäv  7]iiäg  rjdlGtriv  ravtr^v  kötlaöiv^  Phaedr. 
227  B:  rig  ovv  df]  rjv  r]  diatgiß'^;  rj  dfjXov  ön  r&v  löycov  viiäg  Avalccg  fiörm; 
Selbst  das  öiatQißt]  stammt  daher  im  Beginn  der  Lucianischen  Satire:  7C0LxiXr}v 
....  diccTQLß^v  cpccöL  ysyBvfiöQ'aL  v^iiv  x^^S- 

2)  Conv.  1:  aXXa  öiph  ^saovorig  i]dri  rfjg  uä%rig  iTtsatri,  Plat.  175  C:  ccXXa 
fiaXiGta  acpäg  ^saovv  dsntvovvxag. 

3)  Conv.  5:  äxccQ  ovv,  co  Avyitvs,  xivsg  oi  Ssnrvovvxsg  ^6av;  Plat.  173  E: 
ScXXa  dir\yri6Dci  xivsg  rjoav  oi  Xoyoi] 

4)  Conv.  37:  atOTtsg  cc^^Xsi  y,cil  naga  ra>  thibxbqg)  ÜXdxcovi  iv  Xöyoig  17 
nXsiöxri  ^iciT^Qiß^  iy^vsro^  Plat.  177  D:  ysvoLx'  av  ij^tv  iv  Xoyoig  ly.ccvr] 
diaxQißri  (vgl.  Fritzsche  zu  dieser  Stelle). 

5)  Die  Tendenz  ist  im  übrigen  kynisch  vgl.  S.  37. 


Beziehungen  zu  Piaton  und  Xenophon.  259 

Dialog  (305  A)  die  Behauptung  des  Unbekannten  dem  Kriton  gegen- 
über, daß  die  Sacbe  selbst  und  die  Menschen,  die  sich  damit  befassen, 
schlecht  und  lächerlich  seien,  stimmen  zu  der  Reflexion  des  Lykinos 
(;)4),  daß  die  übermäßige  Beschäftigung  mit  den  Wissenschaften  nur 
von  einer  richtigen  Denkweise  abführt.^) 

Im  übrigen  ist  der  Inhalt  so  himmelweit  verschieden  von  der  er- 
habenen Poesie  Piatons,  daß  Ähnlichkeiten  nicht  mehr  möglich  sind. 
Daneben  scheint  die  Reminiszenz  an  Xenophon,  die  ja  bei  dessen  Beliebt- 
heit im  zweiten  Jahrhundert  nur  natürlich  wäre,  auf  die  Darstellung 
Einfluß  ausgeübt  zu  haben;  wie  Kallias  glaubt  (1,  4),  sein  Festmahl 
durch  die  Anwesenheit  des  Sokrates  und  seiner  Gefährten  glänzender 
zu  gestalten,  als  wenn  er  hochstehende  Personen  einlüde,  so  preist 
Philon  den  Aristainetos  (10),  weil  er  bei  seiner  Feier  vor  andern  die 
weisen  Männer  einlud.  Bei  dem  Auftreten  des  Alkidamas  kann  Lucian 
auch  an  das  Hereintreten  des  Spaßmachers  im  Xenophontischen  'Sym- 
posion' (1,  11.  13)  gedacht  haben,  der  ebenfalls  über  das  ccxlrirog  phi- 
losophiert und  erklärt,  er  habe  es  für  lächerlicher  und  darum  seiner 
würdiger  gehalten,  ungerufen  als  gerufen  zum  Mable  zu  kommen. 
Überhaupt,  daß  Lucian  bei  seinem  Fest  den  ysXaronoLog  auftreten 
läßt,  der  neben  dem  skurrilen  Kyniker  nur  eine  Dublette  ist,  macht 
dieses  'Gastmahl'  dem  Xenophontischen  ähnlicher^);  bei  Piaton  schickt 
man  die  Flötenspielerin  hinaus,  und  ein  Mime  tritt  nicht  auf. 

Für  die  eigentliche  Gastmahlsszene  drängt  sich  in  einzelnen  Mo- 
tiven auch  der  Vergleich  mit  Piutarchs  'Gastmahl  der  sieben  Weisen' 
auf.')  Den  Anfang  macht  bei  Lucian  der  Streit  um  den  Platz  zwi- 
schen Epikureer  und  Stoiker,   und  dieser   droht   wieder  fortzugehen; 

1)  Plat.  Gorg.  484  C :  (piXoao(pia  yuQ  xoL  ioitv  w  I^nxQaTSs  X^Q^^^^  ^^  ^^S 
uvtov  liftgiois  uxln^tcit  iv  ry  rjXixlcc,  iuv  6s  TttQocixiQia  xov  ÖiovTog  irSiaTgi^"^, 
diatpd'OQcc  roav  üv^qw^ojv .,  Euthyd.  305  A:  rb  Ttifäy^ia  ccinb  xal  ot  avd^Qbijfoi  oJ 
ircl  tto  nQuy\iuTL  diavQitiovrfs  (paifXol  tlai  xal  xaxuyilaoroi,  (der  Fremde  meint 
damit  nicht  nur  da»  treffliche  Brüderpaar,  8onderu  auch  jeden,  der  wie  Sokrates 
sich  mit  ihnen  einläßt),  Luc.  conv.  iW:  iyüi  tiqö^  ifiuvxov  irtvoovv  .  .  .  .  ag  ovdhv 
Offtlog  T^v  &Qa  inioxao&at  xu  ^aO-T/aata,  el  ^tj  xtg  xal  xöv  ßiov  ^vd-fM^or  rcffbg  r6 

ßiXxiov Untixa  dh  slayti  ^£,  ^lij  äga  xb  vnb  xav  noXXdtv  Xfyoiitvov  icXrid'hg 

jj  xal  tb  ntxaidsia^ui  icndyy  x&v  og&cbv  Xo/tafubv  rov^  ig  /tdva  roc  ßißXia  xol 
tag  iv  intlvoig  (pQOvtiÖctg  icxBvig  &(po(fuiPtag. 

2)  Für  den  AuHdruck  conv.  16:  §1  itp^  diuipoixfiaav  tlg  &navtas^  iXlic  fiii 
Huxiaßri  avxixu,  At^tdig  nupv  xoi)  'Agiaxaiv^xav  xijv  Tcagoiviav  iviptavxog  ver- 
weist Frit/Mtlii'  iiuf  \liu.  conv.  i).  10:  urn.  ni  v  M  1  mcnuivlct  orr«o  xar*- 
6ßi9»1, 

8;   .Niim  V    »>  iiaiM'tw  it/,,  llcniii'H  .W'v   i  i.*';»u    .■^,  i;m,  n    ui  i'iai«»^ 

II  182  fr.  darf  ich  ja  wohl  die  Aht'aHHun^  durch  IMutarclt  ut 

1  .  * 


260  Kapitel  XI.    Das  Gastmahl. 

bei  Plutarch  (c.  3  148  E  f.)  kommt  den  Hereingehenden  schon  der 
Milesier  Alexidem  entgegen,  der  vor  Groll  über  den  ihm  angewiesenen 
Platz  das  Haus  Perianders  verlassen  hat.  Die  Einflechtung  von  Re- 
flexionen seitens  des  Erzählenden  zeigt  eine  merkwürdige  Überein- 
stimmung.^) Lucian  läßt  femer  den  Brief  des  Hetoimokles  vorlesen 
(22  ff.),  wie  Plutarch  den  des  Amasis  (c.  6  151  B).  Daß  dann  jeder 
seine  Meinung  äußern  soll,  geht  im  Grunde  auf  Piaton  zurück;  bei 
Plutarch  wird  begründet,  daß  Solon  als  erster  zu  sprechen  hat,  bei 
Lucian  nimmt  der  Platoniker,  weil  es  selbstverständlich  ist,  zuerst  das 
Wort;  aber  beachtenswert  ist,  daß  beide  Male  in  gleicher  Weise  auf 
die  kleine  Kunstpause  hingewiesen  ist,  die  solchen  Reden  voranzugehen 
pflegt:  liVKQOv  k7ti6xG)v  (conv.  39  Plut.  7  152  A).^)  Und  bei  beiden 
Gastmählern  erscheint  ein  Gast  weit  später  als  die  andern  und  bringt 
neues  Leben  in  die  Unterhaltung  durch  eine  eigene  Geschichte,  bei 
Lucian  (20)  der  Arzt  Dionikos  mit  dem  Bericht  über  den  Geisteskranken, 
der  ihn  fast  in  Lebensgefahr  gebracht  hatte,  bei  Plutarch  (c.  17  160  C) 
der  Bruder  Perianders  Gorgos,  der  die  Errettung  des  Arion  vorträgt. 
Wenn  Lucian  für  die  Ökonomie  seines  Dialoges  nicht  aus  Plutarch 
geschöpft  haben  sollte,  so  wäre  jedenfalls  soviel  sicher,  daß  eine  An- 
zahl von  Motiven  sich  in  der  Symposienliteratur  festgesetzt  hat  und 
diese  äußern,  formalen  Elemente  daher  von  Plutarch  und  Lucian  über- 
nommen sind.  Dann  würde  gewiß  für  diese  Gestaltung  der  %Sympo- 
sien'  auch  Menipp  als  Schöpfer  oder  Weiterbildner  von  Motiven  in 
Betracht  kommen. 

Die  Erkenntnis  solcher  in  kynischen  Symposien  benutzten  Motive 
hat  Joel  durch  seine  Untersuchungen^)  sehr  gefördert.  Es  ist  danach 
klar,  daß  das  Benehmen  des  Alkidamas  mit  seiner  Vernachlässigunor 
jeder  guten  Sitte,  daß  die  Zänkereien  der  einzelnen  Philosophen,  die 
sich  bis  zu  Tätlichkeiten  steigern*),  auf  Grund  alter  Vorbilder  ge- 
schildert sind.  Es  ist  bezeichnend,  daß  der  Kyniker  mit  all  seiner 
Rauheit  und  Grobheit  auch  sonst  eine  literarische  Fiorur  oreworden 
ist.    Bei  Plutarch  im  Gespräch  ^Über  das  Zurückgehen  der  Orakel'  (7) 


1)  An  der  oben  schon  zitierten  Lucianstelle  heißt  es  conv.  34:  iyoa  tcqo? 
iiiavtbv  ivBvoovv  ...  rag  ov8hv  öcpsXog  ^v  v,rX.,  darauf:  ^nsita  siehst  ^is  xrl., 
Plutarch  sagt  mit  ganz  anderem  Inhalt,  aber  doch  in  der  Form  seltsam  harmo- 
nierend (c.  4  150  C):  i^iol  ds  .  .  .  .  ivvostv  iTtTJsL  ngog  i^ccvrbv  Sg  "kxX. 

2)  Plutarch  hat  das  auch  sonst,  z.  B.  de  def.  or.  39  431 E.  Nachgeahmt 
ißt  das  dann  in  den  Amores  19,  30,  über  deren  Unechtheit  vgl.  den  Anhang. 

3)  Der  echte  und  der  Xenophont.  Sokrates  11  2  (Berlin  1901). 

4)  Ebendort  S.  767  f. 


Plutarch.     Athenäus.     Kynisches  Vorbild.  261 

stört  er  durch  sein  ungestümes  Auftreten,  sein  Aufschlagen  mit  dem 
Stock  und  seine  Brüskierung  der  Anwesenden  zunächst  eine  gedeih- 
liche Erörterung  des  Problems,  die  erst  nach  seinem  Weggang  möglich 
wird.  Sein  Erscheinen  ist  völlig  episodenhaft  und  nur  verständlich 
durch  Ausnutzung  eines  hergebrachten  Motivs.  Noch  auffälliger  ist 
der  streitsüchtige  Kyniker  im  ^Gastmahl'  des  Athenäus,  weil  die  Rolle, 
die  er  spielt,  in  seltsamem  Gegensatz  zu  der  Gelehrsamkeit  steht,  die 
er  vorbringen  muß.^j  Bei  ihm  könnte  allerdings  unmittelbare  Ein- 
wirkung Lucians  denkbar  sein;  findet  sich  doch  bei  ihm  auch,  wenn- 
gleich in  übertragener  Weise,  das  Zutrinken  seitens  des  Kynikers^), 
das  allgemeine  Gelächter,  das  durch  dessen  Worte  hervorgerufen  wird^), 
die  Besänftigung  seines  Unmuts  durch  die  Fülle  der  Gerichte  wie  bei 
Lucian  durch  den  Kuchen*);  und  endlich  ist  er  trunken  wie  in  unserer 
Satire.^)  Auch  der  Epikureer,  der  sich  auf  den  Aal  stürzt  und  vor 
Gier  den  heißen  Kuchen  hinabschlingt,  so  daß  er  sich  völlig  ver- 
brennt®), erinnert  ja  an  die  Lucianische  Darstellung  von  Angehörigen 
dieser  philosophischen  Sekte. 

Neben  dem  Zank  und  den  Schmähreden  finden  wir  ein  anderes 
Motiv  in  unserer  Schrift,  das  Joel  dem  kynischen  Symposion  zuschi-eibt; 
es  ist  das  Thema  von  der  Ehe.*^)  Lucian,  der  ja  ziemlich  oberfläch- 
lich zu  Werke  gegangen  ist,  hat  es  wenigstens  gestreift  in  der  kurzen 
Kede  des  Platonikers  Ion  (39),  deren  wenige  Worte  recht  im  Gegen- 
satz stehen  zu  der  hochtrabenden  Einleitung;  aber  das  Problem  ist 
doch  angedeutet**):  Ist  es  besser  zu  heiraten  oder  nicht?  Und  wenn 
es  besser  ist,  welche  Form  der  Ehe  ist  wünschenswert,  Einzelehe 
oder  Frauengemeinschaft y  Es  ist  wohl  kein  Zufall,  daß  auch  von 
Varro  das  Thema  der  Ehe  in  einer  Satire  besprochen  ist,  die  den 
Titel  trägt:  tvQSv  i]  ko:Tug  xh  Tt&^a  und  den  griechischen  Ausspruch 

fnfli'ilf:    y(/in'<L'i.    6    VOVV    /"/f-)!'."'^ 

1,  \^l.  m  oy,  106«;  X^  H,  litiu"  {oiSinoTS  tfjs  <piiovsixiccs  navönivos);  Vi 
90  270"*'. 

2)  11196  122'':   Alka  nQonivto  (Tot,    ^qprj,    Luc.  conv.  16:   ngoTtiva  aoi,   ?<jp>j. 

8)  IV  69,  16ö'':  y^cZadavro)»'  ovv  ndvxmv  inl  xovxoii^  Luc.  conv.  16:  iyilaaav 
inl  TovTip  &navtig.  Da  diese  Herührungen  alle  das  gleiche  Kapitel  Lucians 
angehen,  ist  es  vielleicht  auch  nicht  ohne  Belang,  dafi  da»  ^rtoßU^g  atg  beim 
Beginn  der  Rede  von  beiden  gebraucht  ist  (IV  68  164^  Luc.  conv.  16). 

4)  VI  100  270",  Luc.  conv.  16. 

6)  XV  83  68/»' ff.  »4  686  ^ 

6)  VU  68  298"-.     VgL  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert  IX  (190S)  8.  S68  ff. 

7)  Joel  a.  a.  ().  8.  779. 

8)  Conv.  89:  nfffl  yan&v  igA  tu  tUota.  9)  Fr.  166  ff.  Bueoheler. 


262  Kapitel  XI.     Das  Gastmahl. 

Beachtenswert  endlich  ist  auch  die  knappe  Andeutung  der  Vor- 
trage des  Alkidamas  (14);  er  bringt  als  echter  Tugendschwätzer  nicht 
nur  die  üblichen  Lobpreisungen  der  Tugend  und  Schmähungen  des 
Lasters  an^  sondern  er  geht  im  einzelnen  gegen  den  Luxus  vor,  der 
sich  in  der  Pracht  des  Tafelgeschirres  verrät.  Li  dem  kurzen  Hinweis 
darauf,  daß  tönerne  Gefäße  denselben  Zweck  verrichteten,  liegt  das 
Thema  einer  kynischen  Erörterung,  wie  wir  sie  noch  aus  andern  lite- 
rarischen Quellen  erkennen.^) 

Immerhin  ist  es  nicht  viel,  was  wir  aus  diesen  paar  Spuren  ky- 
nischer  Schriftstellerei  gewinnen.  Der  Hauptinhalt  unserer  Satire,  der 
t6:tos  vom  Widerspruch  zwischen  Lehre  und  Leben  der  Philosophen, 
wie  er  uns  hier  anschaulich  dramatisiert  vorgeführt  wird,  ist  allgemein 
verbreitet,  wie  wir  oben^)  sahen;  und  wenn  es  auch  möglich  ist,  so 
braucht  er  doch  nicht  auf  Menipp  zurückzugehen.  Wenn  wir  also  nicht 
den  Titel  'Symposion'  bei  Menipp  hätten,  wäre  es  schwer  zu  zeigen,  daß 
er  für  das  Motiv  des  Ganzen  Lucian  die  Anregung  gegeben  hat.  Das 
einzige  Fragment,  das  Athenäus  XIV  629  e  hat,  bestätigt  nur  eine  ge- 
wisse Ähnlichkeit  in  der  äußeren  Gestaltung  der  Satire;  es  scheint 
danach,  als  ob  auch  bei  Menipp  ein  Spaßmacher  auftrat,  der  einen 
eigenen  Tanz,  köö^ov  sxTCVQGjöig  genannt,  aufführte.  Ob  damit  eine 
Verhöhnung  Heraklits  verbunden  war^),  muß  zweifelhaft  bleiben.  Der 
Tanz  selbst  erinnert  an  die  Schilderung  des  ysloxoTtoiog  bei  Lucian 
(18)."^)  Zufällig  ist  bei  Athenäus  I  32  e  noch  ein  Fragment  erhalten, 
das  über  den  Wein  von  Myndos  handelt  und  diese  Stadt  «AfioTrortg 
nennt;  es  könnte  also  in  ein  Symposion  gehören,  wenngleich  damit 
nicht  gesagt  ist:  in  dieses.^)    Auch  die  weitere  Besprechung  der  Weine 

1)  Muson.  20  (110,  5  Hense):  i-HTtm^ata  dh  xqvöov  -nal  ccQyvgov  TCtTtoiri^ivoc, 
(110,  14  H.):  7f Ivsiv  ys  vrj  Jicc  ^v,  yisgayLsrnv  TtotriQlwv  tcccqov,  a  to  ts  Siipog  aßsv- 
vvsLV  "JiocQccTtXricicog  Tcscpvycs  xoig  XQveolg  ticcI  tbv  iyxsoy^svov  ccvvotg  olvov  ov 
Xv^aivsTccL.  Luc.  cyn.  9:  z&v  dh  i-HTtco^dtcov  tä>v  aQyvQcav  ovv,  ditpsXovvTov  tbv 
TtoTov  ovdh  x&v  %QV6a>v.  Pers.  sat.  2,  59.  69  (in  sancto  quid  facit  aurum?).  Hier 
recht  im  Diatribenton  (conv.  14):  ti  ßovXovTccL  ccvra  ccl  toaavtcci  xal  rrjyltxa'ÖTafc 
y,vliv.Bs  x&v  yiSQcciis&v  l'oov  8vvayL,ivcov.  Ebenso  bei  Philo  de  somn.  II  61  (667  M. 
in  268,  16  Cohn- Wendland) :  xi  ^h  aqyvg&v  xai  xqvg&v  %vXi%(ov  acpd'ovov  7tXf]&o? 
7iaxaaxsvd^s6&ai  (Msl)-,  Ygl.  Wendland,  Quaest.  Musonian.,  Diss.  Berlin  1886, 
S.  29.  39,  Philo  und  die  kynisch-stoische  Diatribe,  Berlin  1895,  S.  29,  Philos  Schrift 
über  die  Vorsehung,  Berlin  1892,  S.  91  (s.  oben  S.  169  f.). 

2)  Siehe  Kap.  I  S.  40  f. 

3)  So  Fritzsche,  Einleitung  zum  Symp.     Bd.  11  2  S.  87. 

4)  Conv.  18 :  ovxog  mg^'^Gccxo  .  .  .  xccrayiXcav  iavxbv  occcl  $icc6XQi(pfov. 

5)  In  den  'Arkesilaos'  setzt  es  Knauer  a.  a.  0.  (S.  15)  S.  57,  ins  '"Sympo- 
sion' Wachsmuth,  De  Timone  Phliasio,  Lips.  1859,  S.  44. 


Kynisches  Vorbild.     Menipp.  263 

nach  dem  Arzt  Mnesitheos  bei  Athenäus  1 32  d  und  bei  Varro  im 
^Hydrokyon'  (fr.  575  B.),  die  Knaack  mit  Wahrscheinlichkeit  dem  Me- 
nipp vindiziert^),  paßt  in  ein  Gastmahl.  Aber  auch  das  mit  Namen 
bezeugte  dritte  Menippfragment  hat  man  schon  zu  unserem  ^Sympo- 
sion' in  Beziehung  gesetzt;  es  wird  aus  dem  'Arkesilaos'  zitiert  (Ath. 
XIV  664  e)  und  schildert  das  Kneipen  und  das  Hereinbringen  des 
Nachtisches:  'und  sogleich  wurden  Rebhühner  und  gebratenes  Gänse- 
fleisch und  Stücke  Kuchen  herumgetragen.'  Fritzsche  hat  die  Stelle 
zu  Kap.  38  angezogen,  wo  ebenfalls  Geflügel  und  Kuchen  erwähnt 
sind.^)  Man  könnte  denken,  daß  das  Zitat  nicht  ganz  richtig  ist,  ob- 
wohl es  zu  dem  Schlemmer  Arkesilaos  ^),  dem  zweiten  Aristipp,  immer- 
hin paßt.  Fritzsche  seinerseits  nimmt,  was  ebenso  gut  möglich  ist, 
eine  Benutzung  dieser  Menippsatire  neben  dem  'Symposion'  an.  Aber 
im  Grunde  ist  ja  überhaupt  mit  dieser  Erkenntnis,  die  sich  nur  auf 
den  äußeren  Gang  des  Gastmahls  bezieht,  wenig  gewonnen.  Man 
möchte  gern  von  dem  eigentlichen  Inhalt  der  Tischgespräche,  von  der 
Entwicklung  der  etwaigen  Handlung  etwas  vernehmen.  Hense  hat 
gezeigt*),  daß  Varro  für  seine  Satire  tcsq!  sdeö^dtav  ofi'enbar  die  An- 
regung aus  einer  Schrift  Menipps  entnommen  hat,  in  der  die  Mäßig- 
keit gegenüber  den  verfeinerten  Tafelgenüssen  gepredigt  war.  Ob  das 
aber  im  'Symposion'  geschehen  war,  bleibt  uns  unbekannt.^)  Vor  allem 
verlangt  uns  zu  wissen,  ob  auch  Menipp  schon  die  Philosophen  so 
völlig  als  Narren  und  Popanze  hingestellt  hatte  oder  ob  sich  bei  ihm 
wenigstens  eine  satirische  Behandlung  irgendwelcher  philosophischer 
Dogmen  damit  verbunden  hatte.  Die  y,6ö^ov  exjtvQCJöig  legt  aller- 
dings eine  Verspottung  der  nach  Heraklit  von  den  Stoikern  vertretenen 
Ansicht  vom  Weltuntergang  durch  Feuer®)  nahe.  Bei  Lucian  bietet 
in  dieser  Hinsicht  nur  der  Brief  des  Hetoimokles  einiges;  hier  wird 
gespottet  über  t«  7iu^i\xovta,  über  die  xaraXrjTtttxi)  (paviaöCa^  über 
die  Unterscheidung  von  e^ig  und  <sxb6t.g^  über  die  bekannten  Syllogis- 
men, den  Gehörnten,  den  Sorites  und  den  Erntenden  (220*.).    In  dem 

1)  Hermes  XViri  (1888)  S.  148  ff. 

2)  Conv.  88;  xal  aiuc  elatxhynmnT»  r^^ilv  tü  ivxeXks  dvoiiaj^Oiievov  dhlTtvoVy 
lt,ia  ÖQVis  ixdaxco  xal  xgiag  i6<i  y.al  0f}<Tafio{)vr«ff,  Menipp:  xal  fucrrviiv 
ixiltvatv  tlarpigbiv  Adxaivdv  rte'  xut  ivit^tas  nt-giKpigsro  negdlxtcc  SXa  (nfQÜxfia 
6Xlya  Kaibcl,  da»  letzte  mit  der  Überlieferung;  negdixia  zu  lindern,  soho  ich 
keinen  Grund)  xal  x^'*'^^^  6nxä  xal  TQvtpri  nlaxovvxtor. 

8)  Siehe  iJiog.  Laert.  IV  40.  r.  Uhr'm.  Mus  lA'T  ni)or/i  S.  i  ff. 

6)  8o  urteilt  aach  Herne  a.  a.  0.  S. 

6)  Zeller,    Die  Phil.  d.  Griech.»  HI  1  .^.  i.»j  n  iunm    imt 

•einen  VcrronkunKen  kounte  Anlaß  bieten,  über  du  luchen. 


264  Kapitel  XI.     Das  Gastmahl. 

Gezänk  der  Philosophen  findet  sich  der  Vorwurf,  daß  die  Stoiker  mit 
Unrecht  die  iiöovri  anklagen,  und  Kleodem  soll  beweisen,  daß  der 
Reichtum  kein  äÖLcccpoQov  ist  (37).  Das  dÖLcccpoQov  der  Stoiker  wird 
auch  zum  Schluß  verhöhnt,  als  Zenothemis  vor  Schmerzen  jammert 
(47).  Im  übrigen  ist  in  philosophischer  Hinsicht  Lucians  Darstellung  so 
farblos  und  inhaltlos,  alles  so  ganz  auf  das  Clownhafte  hin  gearbeitet, 
daß  man,  obwohl  natürlich  dieselben  Szenen  bei  Menipp  vorkommen 
konnten,  eher  an  Wiedergabe  und  Bearbeitung  einer  Komikerszene 
denken  möchte. 

Allerdings  läßt  sich  auch  dafür  nicht  viel  beibringen.  Die  bei  den 
Komikern  nicht  seltene  Figur  des  ungeladen  sich  Eindrängenden,  sogar 
beim  Hochzeitessen ^),  kommt  doch  nur  in  Konkurrenz  mit  Piaton  in 
Betracht.  Wenn  der  Epikureer  Hermon  sich  seinen  fetteren  Vogel 
von  dem  neidischen  Stoiker  nicht  nehmen  lassen  will  (43),  so  stimmt 
das  zu  der  schon  bei  den  Komikern  gegebenen  Schilderung  der  Epi- 
kureer als  Feinschmecker,  in  den  Kochkünsten  wohl  erfahren,  die  wohl 
wissen,  wo  das  beste  Stück  ist.^)  Am  auffälligsten  ist,  daß  dem  Pla- 
toniker  Ion  zum  Schluß  (46)  der  Diebstahl  eines  Bechers  zugeschrieben 
ist,  obendrein  noch  mit  Hilfe  des  Rhetors  Dionysodor,  mit  dem  er 
vorher  in  Streit  geraten  war.  Das  erinnert  merkwürdig  an  den  Vor- 
wurf des  Eupolis  gegen  Sokrates  (Kock  I  S.  355),  daß  er  eine  Wein- 
kanne gestohlen  habe.  In  welcher  Weise  die  Philosophen  als  komische 
Figur  in  dem  nach  ihnen  betitelten  Drama  des  Philemon  gedient  haben, 
ist  leider  nicht  zu  ermitteln.  Den  Titel  'nuptiae'  trägt  ein  Mimus  des 
Laberius;  aber  obwohl  man  sich  leicht  denken  kann,  daß  die  Hoch- 
zeitsfeier in  Zank  und  Schlägerei  ausartete  und  darin  eben  das  Spaßige 
bestand,  behaupten  können  wir^s  nicht.  Sonst  könnte  man  sich  wohl 
vorstellen,  daß  Lucian  die  Philosophen  in  eine  solche  Posse  hinein- 
gesetzt hat. 

Immerhin  ein  'Symposion'  hatte  Menipp;  darum  hat  auch  Varro 
sowohl  im  'Hydrokyon' ^)  wie  in  der  Satire  'nescis  quid  vesper  serus 
vehat'^)  ein  Gelage  angebracht.    Der  letzte  Titel  ließe  sogar  bei  einiger 

1)  Ki-atinos,  Dionysalexandros  I  26  K.  fr.  43  (Pylaia  I  65  K.  fr.  169.  ApoUo- 
dor.  Caryst.  Hiereia  (III  287  K.):  iv  tolg  yd^ioig^  Eupolis  Chrys.  g.  I  337  K.  Auch 
ApoUodor.  Carjst.  UcparTo^iivri  (III  288  K.):  yiccXä)  8s  Xaigscpävta-  'kccv  yccQ  ^r]  v.ccXöä, 
äuXritog  ^]^sl  gehört  hierher. 

2)  Vgl.  Baton  Uws^aTiaT&v  (Kock  III  S.  328)  V.  17:  laaciv  ov  Ssl  Ttgcatov 
ccipaoQ-aL  toTtov.  Siehe  den  Exkurs  über  Philosophenverspottungen  bei  den  Ko- 
mikern. 

3)  Wenn  auch  kaum  gleichen  Inhalts,  vgl.  Ribbeck,  Geschichte  der  römi- 
schen Dichtung  I  S.  258.  4)  Siehe  Ribbeck  a.  a.  0.  S.  259. 


Komödie.    Varro.  265 

Phantasie  ein  ähnliches  Ende  voraussetzen,  wie  wir  es  bei  Lucian 
haben');  denn  was  Gellius  daraus  über  die  richtige  Zahl  der  Gäste  be- 
richtet, wird  natürlich  nicht  den  Inhalt  des  Ganzen,  sondern  nur  neben- 
sächliche Bemerkungen  wiedergeben.  Im  'Agathon'  aber  scheint  sogar 
ein  Hochzeitsfest  geschildert  gewesen  zu  sein  wie  in  Lucians  'Sym- 
posion'. Ebenso  zweifellos  ist,  daß  bei  Varro  Wortgefechte  von  Philo- 
sophen sich  fanden,  die  auf  das  gleiche  bei  Menipp  schließen  lassen. 
So  in  der  rcccp))  MevC:t'xov^),  vor  allem  im  'armorum  iudicium',  das 
im  Titel  die  kynische  Neigung  zu  Vergleichen  aus  der  Mythologie 
zeigt.^)  Zumal  das  erste  Fragment:  'ut  in  litore  cancri  digitis  pri- 
moribus  stare',  das  man  auf  die  kampfbereiten  Philosophen  bezogen 
hat,  paßt  nicht  übel  in  den  Stil,  der  in  Lucians  'Symposion'  vorliegt. 
Die  Xoyo^ccx^a  enthielt  einen  Disput  zwischen  Stoiker  und  Epikureer 
über  das  höchste  Gut,  das  der  eine  in  der  ätuQa^Ca^  der  andere  in 
der  i]öovil  sah;  es  soll  dabei  die  Gleichheit  beider  Ansichten  im  Grunde 
dargelegt  werden  und  so  der  Kampf  als  ein  bloßes  Wortgefecht  hin- 
gestellt werden;  man  kann  dabei  also  nur  einen  Redestreit  in  der 
Art  des  'tragischen  Zeus'  annehmen."*)  Aber  in  gewisser  Weise  sehen 
wir  doch  die  beiden  Motive  des  Gastmahls^)  und  des  Zankes,  welche 


1)  Vgl.  J.  Vahlen,  In  Yarronis  sat.  Menipp.  coniectanea,  Lips.  I^ö8, 
S.  20C/7. 

2)  Siehe  Vahlen  a.  a.  0.  S.  147  ff.     Ribbeck,  Rhein.  Mus.  XIV  (1869)  126. 

3)  Siehe  Norden,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl.  XVIII  S.  309. 

4)  Siehe  Norden  a.  a.  0.  S.  810.  Von  Tttgl  aigiascuv  kann  man  vollends 
nicht  behaupten,  daß  darin  überhaupt  eine  Disputation,  geschweige  denn  ein 
Gezänk  in  der  Weise  de»  'Symposions'  stand. 

6)  Für  das  Gastmahl  selber  liefert  auch  ein  Zeugnis  Horaz  sat.  11  8,  der 
doch  wohl  ohne  Zweifel  wie  für  II  6  durch  die  'Nekvia',  so  hier  durch 
das  'Symposion'  mitangeregt  wurde,  wenn  auch  durch  Vermittlung  oder 
unter  gleichzeitiger  Benutzung  des  Lucilius  (s.  Marx'  Lucilins  I  praef.  XLIX). 
Aber  bei  der  großen  Freiheit,  mit  der  Horaz  solche  Anregungen  verwertet,  lUßt 
sich  auch  aus  dem  Mahle  des  Nasidicnus  nichts  auf  den  Inhalt  bei  Menipp 
schließen.  Die  Ähnlichkeiten,  die  sich  zwischen  Horaz  und  Lucian  finden,  gehen 
nur  die  äußere  («eHtaltung  der  Satire  an.  Bei  beiden  er/.i\hlt  auf  die  Frage  des 
Freundes  ein  Teilnehmer  am  Gastmahl,  und  dies  hat  beide  Male  'gestern'  statt- 
gefunden (Luc.  1;  Hör.  2).  Nach  einigen  Wcchsolredeu  erkundigt  sich  der  Freund 
nach  den  Teilnehnieni  am  G«'Iage  Luc.  f>:  irctg  .  .  .  xivfg  ol  AfiTtvot'vxfi  > 
Hör  18:  sed  «luis  ccnantibus  una,  Fundani,  pulchre  fuerit  tibi,  uosso  lii 
Kh  folgt  bei  beiden  eine  genaue  »Schilderung  der  Anwe8en«len  und  ihn»r  PUit7.e 
(Luc.  G  ff.  88;  Hur.  20  ff.).  Daß  Nomontanus  auf  alles  aufmerksam  macht  (25): 
'qui,  liquid  forte  lateret,  indice  monstraret  digito',  erinnert  wenigst«»»«  im  Moti? 
an  die  Szene  (Luc.  11  "i,  in  der  Kleodem   den   Ion  auf  da«  15«  «les  Zeno- 

themii  hinweist:    itl^ov  ohv  xul  Avxivto  xavru.     Die   Hcmork  32):    'ab 


266  Kapitel  XI.     Das  Gastmahl. 

die  beiden  Faktoren  des  'Symposions'  bilden,  bei  Menipp  schon  aus- 
gebildet. 

Auch  was  wir  früher  als  das  Charakteristische  der  menippischen 
Satire  erkannt  haben,  findet  sich  hier  wieder.  Allerdings  eigentliche 
historische  Beziehungen  irgendwelcher  Art  kann  man  in  dieser  Satire 
begreiflicherweise  nicht  erwarten.  Aber  die  erwähnten  Schriftsteller 
verdienen  Beachtung.  An  Philosophen  werden  genannt  Piaton  und 
von  Stoikern  Chrysipp,  Zeno,  Kletmthes,  an  Dichtem  Pindar,  Hesiod, 
Anakreon,  Homer,  Sophokles,  Euripides.  An  die  kynische  Schrift- 
stellerei  erinnern  uns  die  eingestreuten  Zitate  und  Verse.  Mehrfach 
wird  Homer  in  parodierender  Weise  verwendet;  so  beim  Erscheinen 
des  ungeladenen  Alkidamas  (12),  wo  im  Anschluß  an  das  zum  Vergleich 
herangezogene  avröuatog  ds  oi  rjX^s  ßoi)v  ayad'bg  MsvsXaog  (IL  H  408) 
nicht  nur  das  ßoijv  äyad-ög  ausdrücklich  auf  ihn  bezogen  wird,  sondern 
gleich  zwei  andere  auf  Menelaos  und  Agamemnon  bezügliche  Verse 
angefügt  werden  (II.  VII  109  und  I  24).  Als  der  Grammatiker  Histiaios 
in  seiner  bezechten  Stimmung  allerlei  Verse  sinnlos  zusammensetzt 
(17),  bringt  er  auch  zwei  auf  den  kommenden  Kampf  passende  Homer- 
fragmente vor  (II.  IV  447,  450) ;  und  als  das  Handgemenge  ausgebrochen 
ist,  benutzt  der  Erzähler  selber  (44),  also  in  echt  menippischer  Weise, 
um  den  Fortgang  zu  schildern,  den  Vers  IL  XI  233,  wie  er  gleich  darauf 
das  at^'  e^Bcov  aus  IL  XV  11  für  seine  Darstellung  verwendet.  In  dem 
Brief  des  gekränkten  Stoikers  (25)  wird  IL  IX  537  zitiert.  In  der 
Umrahmung  gebraucht  Lykinos  das  zum  Sprichwort  gewordene  Dichter- 
wort: fiidm  ^vd^ova  öv^Ttotav.  Aus  Sophokles'  'Meleager'  und  Euri- 
pides' gleichnamigem  Stück  führt  der  Stoiker  Hetoimokles  ein  paar 
Verse  an  (Nauck  Tr.  Gr.  fr.^  S.  219  und  525),  die  an  die  Kränkung  der 
Artemis  erinnern  sollen,  aber  auch  nicht  mehr;  denn  an  und  für  sich 
passen  sie  recht  schlecht  und  sollen  offenbar  gerade  dadurch  zur  Ver- 
höhnung des  Stoikers  beitragen.  Euripides  hat  auch  das  Schlußzitat  her- 
gegeben (48).  Am  meisten  charakteristisch  für  die  ganze  Schilderung 
ist  das  Epithalamion  des  Grammatikers  Histiaios  (41);  ganz  albern 
fängt  er  mit  dem  Hesiodischen  t]  olti  an,  dann  werden  einzebie  Homer- 
brocken ^)  benutzt;  dabei  vergleicht  er  die  Braut  mit  Aphrodite  und 
Helena,  den  Bräutigam  mit  Mreus  und  AchiU  und  schließt  mit  der 
Verheißung,  dieses  Brautlied  noch  oftmals  zu  singen. 

ipso   audieris  melius'   stimmt  zu  dem  (Luc.  2):    si   ßovloiiisd'cc   tccXrid-f]    axovöca 
....  7CCCQCC  oh  r}(iäg  ^xsiv  ix^Xsva. 

1)  y.  1  mit  dem  homerischen  Schluß  iv  iisydQ0L6Lv,  V.  2  ixQEcpst'  ivävyt^ag 
nach  IL  XXIE  1)0. 


Menippische  Form.     Mythologische  Vergleiche.  267 

Außer  diesen  Zitaten,  die  z.  T.  für  die  Darstellung  selber  ver- 
wandt sind,  passen  in  die  kynische  Schriftstellerei  die  zur  Satire  be- 
nutzten mythologischen  Vergleiche.  Wie  beim  'Ikaromenipp'  der  Ver- 
gleich mit  dem  in  stolzem  Fluge  gesunkenen  Ikarus  angebracht  war, 
um  die  Überschrift  zu  erklären,  so  finden  wir  hier  den  Hinweis  auf 
die  Lapithen  und  Kentauren  (45),  die  ebenso  das  Festmahl  zum  Kampf- 
platz umgewandelt  haben.  Der  sich  mitten  unter  den  Gästen  hin- 
flegelnde Kyniker  wird  dem  Herakles  gleichgestellt,  der  bei  Pholos 
rastet  (14).  In  dem  Brief  des  Hetoimokles  haben  wir  den  Hinweis 
auf  Oineus,  der  vergaß,  die  Artemis  einzuladen  und  durch  die  Ent- 
sendung des  kaly donischen  Ebers  schweres  Leid  und  herbe  Buße  er- 
fuhr (25);  die  Beziehungen  werden  dann  von  den  Gästen  witzig  aus- 
gedeutet und  besonders  die  Parallele  Hetoimokles- Artemis  ins  Lächerliche 
gezogen:  ein  andrer  sieht  in  dem  Eber  das  von  Aristainetos  auf- 
getischte Schwein  und  in  dem  nicht  geladenen  Stoiker,  der  nun  vor 
Hunger  vergeht,  den  hinsiechenden  Meleager  (30  f.).  Der  mit  Schmä- 
hungen angefüllte  Brief  ist  als  Erisapfel  bezeichnet;  denn  wie  die 
Göttin  ihn  im  Zorn,  weil  sie  nicht  zur  Hochzeit  des  Peleus  geladen 
war,  unter  die  Gäste  warf,  so  hat  Hetoimokles  mit  seinem  Schreiben 
die  Eintracht  gestört;  und  es  entbrennt  ein  Kampf  nicht  geringer  als 
der  um  Ilion  ^35).  Aus  der  troischen  Sage  ist  dann  auch  der  köst- 
liche Vergleich  des  Diphilos  genommen,  der  sich  mit  den  Dienern 
um  den  gebratenen  Vogel  balgt,  wie  Griechen  und  Troer  um  Patroklos' 
Leichnam  stritten  (42).  Man  muß  an  die  oben  erwähnte  Szene  bei 
Athenaus  VII  298 d  denken,  wo  der  Epikureer,  als  Aal  aufgetragen 
wird,  sich  sofort  darauf  stürzt  und  sagt:  'Das  ist  die  Helena  bei  unserem 
Mahl,  ich  werde  der  Paris  sein',  und  ehe  noch  ein  anderer  zugreift, 
sich  das  beste  Stück  nimmt. 

Es  lohnt  sich  vielleicht,  die  Persünlichkeitcn  der  Phih)sophen 
noch  genauer  zu  betrachten,  die  uns  in  unserem  'GastmabP  vorgeführt 
werden,  und  die  Berührungen,  die  sich  mit  ähnlichen  Darstellungen 
bei  unserem  Satiriker  selber  finden.  Lucian  hat  außer  der  ganz  epi- 
sodischen Verwendung  im  'Hahn*  (H)  noch  zweimal  eine  Philosophen- 
Versammlung  geschildert,  und  es  wird  nicht  unangebracht  sein,  die 
andern  dagegenzulialten.  Im  *Phil()j»8(»udeH'  finden  wir  Peripatetiker, 
Stoiker,  Platoniker  um  daM  Krankenlager  den  Eukratcs  versammelt; 
auch  hier  ist  das  Motiv,  daß  einer  später  kommt,  der  Pythagoreer 
Arignotus  (29).  Auch  hier  scheint  die  Piatonnachahmung  den  Itihmen 
gegeben  zu  haben;  denn  die  Parallele  Eukrates-Sokrates,  so  komisch 
sie   auch    ist,   drängt   sich  auf,   zumal  auch  der  Name  anklingt;   und 


268  Kapitel  XL     Das  Gaatmahl. 

hier  wie  im  Thädon'  versammeln  sich  die  Philosophen  um  das  Lager 
des  Kranken  oder  zum  Tode  Bestimmten.  Auch  der  Wortlaut  ruft 
diese  Erinnerung  ins  Gedächtnis.^)  Aber  diese  Motivierung  der  Szene 
steht  mit  ihrem  Inhalt  weiter  nicht  in  besonders  engem  oder  untrenn- 
barem Zusammenhang;  die  Fabeln  und  Schauergeschichten  könnten 
auch  bei  anderer  Gelegenheit  berichtet  werden.  Und  wenn  wir  vorher 
Anlaß  hatten,  an  Plutarchs  ^Gastmahl  der  sieben  Weisen'  zu  denken, 
so  ist  es,  als  ob  dem  Schluß  dieser  Schrift  mit  den  an  des  Gorgos 
Bericht  über  Arion  angefügten  Erzählungen  und  der  Verteidigung  der 
Wunder  die  Anregung  zu  diesem  Werke  Lucians  entstammt.  Es  ist 
im  Grunde  nichts  weiter  als  eine  Mirabiliensammlung  wie  die  des 
Phlegon,  nur  in  eine  kunstvolle  Form  gebracht,  ein  Kranz  von  Novellen 
mit  gruseligem  Inhalt,  wie  ihn  auch  das  Werk  des  Lukios  von  Patrai 
enthalten  hat,  dessen  erste  zwei  Bücher  die  bei  Apuleius  und  in  dem 
Lucianischen  ydovxiog  rj  ovog  behandelte  Verwandlung  in  einen  Esel 
enthielten.  Der  'Toxaris'  mit  seinen  wechselweise  erzählten  Geschichten 
bietet  die  nächste  Parallele,  eine  fernere  die  'Wahren  Geschichten'. 
Im  Thilopseudes'  hat  Lucian  nur  die  Erzählungen  noch  dazu  benutzt, 
die  Philosophen  wegen  ihres  Aberglaubens  und  ihrer  inneren  Unfreiheit 
im  Gegensatz  zu  der  von  ihnen  behaupteten  Verstandestätigkeit  zu 
verhöhnen.  Dabei  hat  er  die  Namen  einzelner,  die  auch  im  'Sympo- 
sion' auftreten,  übernommen.  Der  Platoniker  heißt  wieder  Ion,  der 
Peripatetiker  wieder  Kleodem.  Der  Hausherr  Eukrates,  der  auch  im 
'Hahn'  wiederkehrt,  erinnert  nicht  nur  an  Sokrates,  sondern  auch  an 
den  dortigen  Eukritos,  den  Vater  des  Bräutigams.  Im  übrigen  finden 
wir  den  Arzt  wie  im  'Symposion',  wenn  auch  mit  anderem  Namen. 
Der  Epikureer  fehlt  bezeichnenderweise  in  dieser  abergläubischen  Ge- 
sellschaft. Es  ist  klar,  daß  Lucian  das  Motiv  der  Philosophenver- 
einigung mit  Bewußtsein  noch  einmal  benutzt  hat;  aber  auch  hier  ist 
nur  zu  erkennen,  daß  er  die  Form  entlehnt  hat;  denn  den  Inhalt  hat 
er  zweifellos  selber  hineingegossen,  nachdem  er  ihn  aus  nichtmenip- 
pischer  Quelle  geschöpft  hatte. 

Die  dritte  Darstellung  stimmt  noch  mehr  mit  der  ersten  überein. 
Es  ist  die  von  Lykinos  im  'Hermotimos'  (11)  wiedererzählte  Szene, 
die  sich  beim  Gastmahl  im  Hause  des  Eukrates  —  wie  im  'Philo- 
pseudes'  —  abgespielt  hatte.     Dort  wird  auch  ein  Fest  der  Tochter, 


1)  Luc.  Phil.  6:  sl'ad'ci  ^hv  xal  ccXXore  .  .  .  cpoiräv  itgbg  avtov,  Plat. 
Phaed.  59  D:  ccsl  yccg  drj  ■aal  rag  Ttgoad'Ev  rj^SQag  ala&siLSv  cpoLtav  v.al  iyco 
v.al  OL  äXXoL  naga  xbv  IJcoTiQdtri. 


Philosophenversammlungen  bei  Lucian.  269 

allerdings  der  Geburtstag,  gefeiert,  ganz  wie  im  'Hahn'  (8),  wie  das 
dann  auch  Alkiphron  im  Parasitenbrief  19  (III  55)  für  eine  dem 
'Symposion'  ganz  gleichartige  und  daraus  entlehnte  Szene  übernommen 
hat.  Auch  im  'Hermotimos'  steckt  der  Stoiker  dem  hinter  ihm  stehen- 
den Sklaven  heimlich  von  den  Speisen  zu,  um  sie  am  nächsten  Tage 
zu  genießen.*)  Auch  dort  geraten  der  Peripatetiker  —  er  heißt  nicht 
Kleodem,  aber  Euthvdem  —  und  der  Stoiker  in  Streit,  wie  im  *  Sym- 
posion' (30)  Kleodem  nach  der  Verlesung  des  Briefes  des  Hetoimokles 
die  Gelegenheit  vom  Zaune  bricht.  Im  'Gastmahl'  benutzt  dann  der 
Stoiker  den  Inhalt  seines  Bechers  (33),  um  ihn  dem  nächsten  Gegner 
—  es  ist  der  Epikureer  —  ins  Gesicht  zu  schütten;  in  der  Schilde- 
rung des  'Hermotimos'  schleudert  er  den  Becher  selber,  und  indem  er 
dem  Euthydem  ein  Loch  in  den  Kopf  wirft,  verstärkt  er  das  Gewicht 
seiner  Gründe  außerordentlich.  Dann  geht  er  speiend  nach  Hause,  wie 
die  meisten  Gäste  im  'Symposion'.  Es  ist  ein  kleiner  Abschnitt  aus 
jenem  größeren  Gemälde,  der  im  *Hermotimos'  wieder  eingefügt  ist, 
nur  in  einer  Hinsicht  noch  gesteigert.  Die  Übereinstimmung  ist  kein 
Wunder;  ist  doch  der  'Hermotimos'  nichts  anderes  als  der  Versuch, 
die  Superiorität  der  Laien,  die  im  'Gastmahl'  mehrfach  hervorgehoben 
wird,  und  die  Untauglichkeit  der  Philosophie,  ihre  Anhänger  besser 
und  verständiger  als  die  Laien  zu  machen,  mit  sokratischer  Ironie, 
aber  doch  in  ernsterer  Art  als  es  in  jener  Fiirce  geschehen  ist,  nach- 
zuweisen.*) 

Es  ist  auftiiliig,  daß  die  Namen,  die  Lucian  in  diesen  Philosophen- 
versammlungen benutzt,  mehrfach  dieselben  oder  ähnliche  sind;  das 
legt  den  Gedanken  nahe,  sie  als  entlehnt  aus  einer  früheren  Quelle 
anzunehmen.  So  will  ich  eine  Vermutung  nicht  zurückhalten,  obwohl 
ich  mir  des  schwachen  Fundamentes  natürlich  selber  bewußt  bin. 
Prüfen  wir  die  einzelnen  Namen,  so  stammen  Eukritos  und  sein  Sohn 
Chäreas  offenbar  aus  der  Komödie;*)  beide  kehren  deshalb  in  den 
*Hetärondialogen'  ('0,4.  7,1)  wieder  Den  Namen  Eukrates  fand  Lucian 
schon  bei  Aristophanes;*)  er  bezeichnet  so  den  Reichen  im  'Hahn'  (7) 

1)  Hermot.  11:  nuQaXaßmv  xä  x^^a,  önoaa  xm  naiSl  Hardniv  ^«rrtori  nctoa- 
didmuH^  conv.  11:  'öcu  xS»  natdl  xccxöntv  iax&xi  iQiyii. 

2)  Hermot.  88:  r]  in*  &XXati  iXniaiv  (^  ^QX^9  (piXoao(pBtv  ij^ioi'iin-,  uvj^  ut^ 
x&v  lStüax6}p  xoaiiimxeffoi  etT](itv  ntQivooxolivxtgy  couv.  34:  t6  nfföxfiQOv  ixftvo^ 
wf  oi'Ah'  öfftXo^  ifV  &Qtt  iniaraoOtti  xu  fiaO^/iara,  U  ^i;'  rip  xa)  rbv  ßiov  (^rO'/u'^o» 
TfQÖs  x6  ßiXriov  ....  86:  oi  n^v  l^tiarui  xoa^ioii  mivv  iörim^itfoi  .  .  itpul' 
popxo  .  .  ol  aotpol  Sk  i]aiXytttvov. 

8)  Cb&reai  bei  Alexiit  Kock  II  .  .  .>o.i 

4)  Siehe  Ariitoph.   Hittor  erkl.   von  Kock  V.  S54  und  129  die  Anmerkung. 


270  Kapitel  XL     Das  Gastmahl. 

und  im  'Totengespräch'  5,  im  'Hermotimos'  (11)  und  endlich  im 
Thilopseudes'  (G),  wo  dieser  der  Philosophie  huldigt.  Der  Platoniker 
heißt  im  'Gastmahl'  und  im  'Lügenfreund'  Ion;  wenn  man  die  Züge, 
die  von  ihm  angegeben  werden,  durchmustert,  so  wird  man  lebhaft 
an  Polemon  erinnert.  Ion  erscheint  im  'Gastmahl'  (7)  ösuvog  reg 
Idetv  xal  %'B07tQ eitrig  xal  jtoXv  tb  xöa^iov  imcpaCvav  t(p  7tQoö(07t(p; 
das  paßt  allerdings  auch  auf  andere,  da  es  den  Typus  des  Piatoni kers 
wiedergibt.^)  Aber  er  heißt  xccvcov;  das  stimmt  zu  den  mannigfachen 
Erzählungen  von  Polemons  unerschütterlicher  Ruhe,  die  er  bei  allen 
Ereignissen  zur  Schau  trug;^)  so  steht  auch  Ion  unbeweglich  mitten 
in  dem  Getümmel  der  Kämpfenden.^)  Auch  die  Rede  des  Ion  (39) 
mit  ihrer  Verherrlichung  der  Knabenliebe  könnte  ja  ohne  weiteres 
jedem  zugeschrieben  werden;  aber  es  ist  vielleicht  bezeichnend,  daß 
von  Polemon  erzählt  wurde,  er  habe  von  seiner  Frau  eine  Anklage 
erfahren  Tcazcjöscog'  sivat  yccQ  (pikoitcaöa  xal  (pilo^BiQccKLOv.^)  Am  be- 
zeichnendsten aber  könnte  die  Benennung  als  Gott  erscheinen;  als 
Ion  eintritt,  erhoben  sich  alle,  und  es  war  wie  die  Epiphanie  einer 
Gottheit  (7).  Von  der  allgemeinen  Bewunderung,  die  Polemon  genoß, 
berichten  die  Biogi-aphen;^)  besonders  aber  Arkesilaos  verehrte  ihn 
wie  einen  Gott.^)  Auf  die  abergläubische  Fabelsucht,  die  der  Ion  im 
'Lügenfreund'  mit  den  übrigen  Philosophen  teilt,  darf  man  natürlich 
kein  Gewicht  legen;  denn  dort  wird  ja  allen  Richtungen  derselbe 
Fehler  zugeschrieben.  Den  Platoniker  gerade  in  dieser  Weise  zu  be- 
lasten, boten  Anlaß  die  zahllosen  fabelhaften  Geschichten,  die  der 
Pontiker  Herakleides  in  seinen  Büchern  verbreitet  hatte. '^)  Warum 
der  Name  Ion  gewählt  wurde  für  Polemon,  weiß  ich  nicht;  allein  die 


1)  Ein  riQ'O's  .  .  .  6B\iv6trixi  Y.s'noG^riaivov  wird  Polemon,  wie  es  scheint,  zu- 
geschrieben Ind.  Herc,  Col.  XIV,  2  (Mekler,  Acad.  philosoph.  ind.  Hercul.,  Berlin 
1902,  S.  52). 

2)  Ind.  Herc.  Col.  XIII  13  (Mekler  S.  50):  müts  [i7]dBTCors  [LTqxs  xr]v  xov  tzqoö- 
coTtov  cpavxaGiav  ÖLccXvaai  xal  ax^Giv  äXXoLäiöaL  ^i^xs  xov  xovov  xi]s  qpcovi)?,  äXXa 
xccvxä  diacpvXdxxBiv  yiCiv  dvoccvLmxsgov  bvrcc. 

3)  Conv.  43 :  ixEivo?  dl  [ihGov  kavxbv  icpvXaxxsv. 

4)  Ind.  Herc.  XIH  3  fF.  (Mekler  S.  47). 

5)  Diog.  Laert.  IV  19:  8lu  dr]  ovv  xb  cpiXoysvvalov  lri\iäxo  iv  xy  noXst. 
Ind.  Herc.  XIV  25  (Mekler  S.  53):  disxeXsi  d-avua^oiisvog  xort  ijtcavoviisvos- 

6)  Diog.  Laert.  IV  22.  Ind.  Herc  XV  4  (Mekler  S.  55):  ort  avxä  ....  qpa- 
vsiriGccv  OL  TtSQL  xov  IIoXiiKova  Q'soi  xivsg  ?)  Xeiipavcc  xmv  äQ%al(ov  iTtsivav  xccl 
xä)V  i-K  xov  XQvaov  yevovg  diansnXaa^ivoiv  ccvd'gmTtcov. 

7)  Siehe  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.''  II  1  S.  989  f.  Cic.  de  nat.  deor.  I  13,  34: 
ex  eadem  Piatonis  schola  Ponticus  Heraclides  puerilibus  fabulis  refersit  libros. 


Namenbildung.  271 

Ähnlichkeit  im  Ausgang  genügt  nicht  recht.  Jedenfalls,  wenn  die 
Vermutung,  daß  der  Ion  ursprünglich  Polemon  war,  das  Richtige 
trifft,  kann  man  dann  Lucian  diese  Namengebung  zutrauen? 

Es  kommt  nämlich  der  Name  des  Peripatetikers  hinzu.  Fritzsche 
hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  der  Peripatetiker  im  ^Symposion' 
wie  im  Thilopseudes'  Kleodem  heißt,  im  ^Hermotimos'  (11)  Euthydem, 
und  er  hat  die  Vermutung  ausgesprochen,  die  Übereinstimmung  im 
zweiten  Bestandteil  des  Namens  weise  auf  Eudem.  Wäre  das  der 
Schüler  des  Aristoteles,  so  läge  die  Vermutung  nahe,  auch  den  Namen 
Kleodem  schon  auf  Menipp  zurückzuführen.  Es  gab  allerdings  auch 
zu  Lucians  Zeit  einen  Peripatetiker  namens  Eudem,  von  dem  Galen 
mehrfach  spricht^)  und  den  er  im  Jahre  162  behandelt  hat,  der  in 
Rom  den  Mittelpunkt  aller  durch  Rang  und  Bildung  hervorragenden 
Männer  bildete;  und  so  würde  der  Schluß  auf  den  Rhodier  Eudem 
zweifelhaft,  wenn  nicht  der  Name  Kleodem  eine  auffällige  Zusammen- 
setzung aus  Klearch  und  Eudem  wäre.  Auch  Klearch  von  Soloi  ist 
ja  Schüler  des  Aristoteles.  Ist  es  Zufall,  daß  er  iQCDXLXcc  geschrieben 
hat  und  daß  Kleodem  im  'Symposion'  (15)  eine  kleine  Liebschaft  mit 
dem    hübschen  Knaben    anzubändeln  sucht,  der  bei  Tisch  aufwartet? 

Es  liegt  hier  dieselbe  Erscheinung  in  der  Namenbildung  vor  wie 
bei  dem  Epikureer.  Dieser  heißt  im  'Gastmahl'  Hermon,  im  'Ikaro- 
menipp'  (16)  Hermodoros;  und  die  Vermutung  drängt  sich  auf,  darin 
eine  Zusammensetzung  aus  Hermarch  und  Metrodor  zu  sehen,  die 
dann  ihrerseits  zu  Hermon  verkürzt  ist.  Sonst  würde  der  Zufall  hier 
seltsam  spielen,  der  die  Namen  der  zusammengehörigen  Männer^)  zu 
einem  neuen  zusammengekoppelt  hätte.  Daß  die  Tatsachen,  die  von 
dieser  für  Lucian  dann  typischen  Person  angeführt  werden,  zu  den 
historischen  stimmen,  wird  man  nicht  verlangen;  also  wenn  der  Hermon 
ytvovg  tov  nQioTov  iv  xfi  n6kH  und  Priester  der  Dioskuren  heißt 
('Gastmahr  9),  wenn  Hermodor  um  1000  Drachmen  einen  Meineid 
leistet  ('Ikarom.'  16j,  so  kommt  es  dafür  nicht  auf  Tatsachen  an, 
selbst  für  Menipp  schon  nicht,  sondern  nur  auf  die  komische  Situation, 
in  die  der  Epikureer  jedesmal  gebracht  wird,  auf  die  Verspottung 
seiner  Götteranschauung,  die  ihm  den  Meineid  ermöglicht  oder  —  in 
komiHchem  Gegensatz  dazu  —  ihn  doch  nicht  hindert,  eine  Priester- 
würde anzunehmen.     Vielleicht  war  der  Meineid  um  KXX)  Drachmen 


1)  Siehe  Galen  11  S.  21«  Knhn  nnd  dm  Index:  Friodlnndor.  Sittonffrsrhirhto 
Rom«  III«  S.  698. 

'i;  Scneca  cpint.  8;;.  .     .|u,'ri  ..,     ...  m    ll.'f    i-  ^ 

1,  •-    f.2,  8  f.). 


272  Kapitel  XI.    Das  Gastmahl. 

auch  ein  Hieb  auf  Metrodors  sorgsame  Verwaltung  seines  Vermögens.  ^) 
Wenn  im  *Ikaromenipp'  26  dann  der  plötzliche  Tod  des  Hermodor  be- 
zeichnet zu  sein  scheint,  so  könnte  das  auf  Metrodors  schon  im  53.  Lebens- 
jahre erfolgten  Tod  gehen,  der  etwa  277  anzusetzen  ist,  ^)  also  un- 
gefähr in  derselben  Zeit,  in  der  auch  die  anderen  Ereignisse  im  'Ikaro- 
menipp'  zu  fixieren  sind.  Den  Tod  des  Epikureers,  des  Götterfeindes, 
auf  Veranlassung  des  Zeus  hatte  ja  Menipp  Grund  genug,  witzig 
hervorzuheben,  selbst  wenn  der  Meineid  nicht  die  Berechtigung  dazu 
bot.  Schon  Fritzsche  hat  den  Hermodor  für  eine  bestimmte  Person 
erklärt,  ohne  sich  allerdings  zu  äußern,  ob  aus  der  Zeit  Lucians  oder 
einer  früheren.  Deshalb  braucht  der  Name  nicht  so  gewesen  zu  sein, 
und  ich  zweifle  sehr,  ob  Zeller  (HI  1,  S.  377,  Anm.  3)  mit  Recht  einen 
Epikureer  Hermodor  als  historische  Person  annimmt.  Auch  bei  diesem 
Namen  wird  man,  wenn  die  Erklärung  richtig  ist,  eher  an  eine 
Bildung  Menipps  als  Lucians  denken-,  denn  was  war  diesem 
Hermarch? 

Die  Stoiker  stellen  die  zahlreichsten  Namen,  schon  im  ^Symposion' 
allein  drei.  Sie  sind  vielfach  in  ihrem  zweiten  Bestandteil  vom  Stamm 
TtXssg  gebildet;  der  nicht  Geladene  im  'Symposion'  heißt  Hetoimokles, 
der  Disputierende  im  'tragischen  Zeus'  Timokles,  der  hauptsächlich  mit 
stoischen  Zügen  ausgestattete  Philosoph  im  'Timon'  Thrasykles,  der 
Stoiker  im  'Ikaromenipp'  Agathokles.  Die  Vermutung  ist  wohl  nicht 
abzuweisen,  daß  mit  Absicht  der  erste  Bestandteil  des  Namens  Kleanthes 
zur  Bildung  verwendet  ist,    wie  sich  Zenothemis  an   Zeno   anlehnt.^) 


1)  Philodem  de  vitiis  IX:  r]^tv  ^hv  iycavbg  ftfr'  'E7tLy.ovQov  MrirgoSajQog  im- 
€tiXX(üv  y.ai  Ttagcavcav  -nccl  dioiyi&v  iTtiiislectsQov  xart  ^e^Qi  ul-kqotsqcov  (Usener, 
Epicurea  216  S.  164). 

2)  Usener,  Epicurea  S.  368,  9  adn. 

3)  Alkiphron  III  55  hat  zwar  den  Eteokles  ebenso  bezeichnet,  aber  sonst 
die  Namenbildung  nicht  mehr  verstanden,  wenn  er  den  Peripatetiker  Themista- 
goras,  den  Epikureer  Zenokrates  nennt.  Passend  heißt  der  Kyniker  Pankrates, 
der  sich  ebenso  wie  bei  Lucian  benimmt  und  auch  daher  seinen  Namen  hat 
(Luc.  conv.  19:  jtQOvnaXEtto  ol  TtciyKQcctLtt^Eiv).  Für  den  Pythagoreer,  den  er  aus 
dem  Thilopseudes'  statt  des  Platonikers  entlehnt  hat,  übernimmt  er  aus  der  andern 
Gastmahlsszene  (gail.  10)  unpassend  den  dort  bezeichnenden  Namen  des  Arztes 
Archibios,  wie  er  aus  dem  'Hermotimos'  11  den  Euthydem  zum  Hetärenbrief  7 
(I  34)  verwandt  hat.  Diese  mangelhafte  Namenentlehnung  zeigt  deutlich  die 
Nachahmung  seitens  Alkiphrons  (vgl.  H.  Reich,  De  Alciphronis  Longique  aetate, 
Regiment,  diss.  1894,  S.  16  ff.),  ebenso  wie  der  Anfang  des  Briefes:  oUya  t]  ovdhv 
dicccpBQOvaL  t&v  ISlcot&v  ol  os^ivol  Ttocl  To  TtaXov  yial  tr]v  aQsrr]v  i^vfivovvtss  (auch 
fug.  21,  pisc.  34,  Nigr.  24).  Der  zweifelnde  Einspruch  von  Sondag,  De  nominibus 
apud  Alciphronem  propriis,  Diss.  Bonn  1905,  S.  84 ff.  ist  ebenso  unberechtigt,  wie  der 


Namenbildung.  27  3 

Aber  diese  Namen  der  stoischen  Koryphäen  waren  so  bekannt,  daß 
sie  Lucian  selber  einführen  konnte;  und  Deinomachos  (Philops.  6  ff.) 
und  Thesmopolis  (gall.  10;  de  merc.  cond.  33)  sind  offenbar  nicht  um 
einer  historischen  Person  willen  gewählt,  sondern  um  die  stoische 
Sache  zu  verspotten,  ob  von  Lucian  erst,  läßt  sich  nicht  entscheiden. 
Diphilos  dagegen  wäre,  wenn  sich  bei  Menipp  eine  Disputierszene 
wie  im  'tragischen  Zeus'  fand,  für  den  dortigen  Stoiker  ein  passender 
Name;  in  unserem  'Gastmahl'  kommt  die  Bedeutung  des  Namens 
nicht  recht  zur  Geltung  und  nicht  zum  Verständnis.^)  Ist  es  endlich 
Zufall,  daß  Chrysipps  Name  in  diesen  Satiren  zur  Namenbildung  nicht 
benutzt  ist? 

So  schwach  die  Argumente  auch  sein  mögen,  auf  denen  diese 
Vermutungen  ruhen,  es  scheint  doch,  als  ob  sich  eine  Spur  der 
Menippentlehnung  auch  in  den  Namen,  besonders  des  'Symposions' 
erkennen  ließe.  Für  den  Inhalt  des  Menippischen  Gastmahls  läßt 
sich  allerdings  auch  daraus  nichts  gewinnen.  Vielleicht  ist  hier  das 
Bild  des  Originals  um  so  mehr  verwischt,  als  des  Kynikers  Meleager 
'Symposion'  als  Muster  daneben  ebenso  in  Betracht  kam,  Meleager  aber 
auch  schon  Menipp  in  irgend  einer  Weise  nachgeahmt,  also  verändert 
hatte.  Diese  Benutzung  durch  Mittelglieder,  der  Anschluß  an  andere, 
z.  B.  Phitarch,  verhindert  natürlich  in  stärkerem  Maße  Übereinstim- 
mung mit  dem  ursprünglichen  Vorbild.  Vermuten  dürfen  wir,  daß 
Menipps  Gastmahl  von  der  Ehe,  vom  Luxus  der  Geräte,  vielleicht 
auch  von  der  Üppigkeit  der  Speisen  gehandelt  hat.  Wir  sehen,  daß 
die  Themen,  die  es  anschlug,  ernst  genug  waren.  Überhaupt  tut  es 
gerade  hier  not  hervorzuheben,  daß  der  Begriff  der  'Burleske'  Menipps 
nicht  ganz  zutrifft.  Bei  allem  Heiteren  war  sicherlich  Menipps  'Gast- 
mahl' im  Grundton  nichts  weniger  als  bloß  komisch.  Lucian  aber  war 
des  trockenen  Tones  moralisierender  Erörterungen  satt  und  hat  sich  in 
ganz  seichter  Weise  nur  an  der  Oberfläche  gehalten,  ohne  in  den  Ge- 
halt seines  Vorbildes  einzudringen.  So  hat  er  die  äußeren  Motive,  die 
bei  Menipp  in  der  übrigen  Darstellung  gewiß  nicht  so  aufdringlich 
hervortraten,  ausgebaut  und  in  dieser  clownhafteu  Weise  zugespitzt, 
um  das  Original  zu  tiberbieten.    Daß  dagegen  dieser  Verzerrung  einer 

von  Meiler,  Site.-Bericht  d.  bayr.  Akad.  d.  WJMgensch.  luot,  S.  liMtf  Mit  /.u- 
füUiger  Übereinititumung  infolge  Benutzung  der  gleichen  Quelle  kommt  man 
nicht  aui;  andrcmeit«  ist  ju  Alkiphrons  SelbMUindigkoii  ilainit  niciit  geleugnet, 
daß  er  ein  paar  Motive  (ihernimmt. 

1;   Daß   etwa   l)i|ihilMM,    iler  SchHler  AnRtoni   (Pi<>)<.   \a\»< 
Meiii|i|*  k"'in<'iiit   wur,  mt  kaum  denkbar. 

Ulli  Monipi».  18 


274  Kapitel  XT.     Das  Gastmahl. 

Philosophengesellschaft,  wie  sie  Lucian  schildert,  ein  wirkliches  Er- 
eignis zugrunde  liegt,  ist  zwar  behauptet  worden^),  aber  nach  der 
ganzen  Art  der  Darstellung  einfach  ausgeschlossen;  das  Leben  pflegt 
doch  selten  so  andauernd  komischer  als  die  Komödie  zu  sein. 


1)  So  von  Fritzsche  in  der  nicht  gerade  sehr  klaren  Einleitung  zum 
'Symposion'  und  von  Richard,  Lykinosdialoge,  Progr.Hamburg  1886,  S.  11  und  22; 
dagegen  Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  312. 


Kapitel  XII. 
Der  Doppeltverklagte. 

Zwei  der  Dialoge,  die  wir  als  menippisch  in  Anspruch  nehmen 
müssen,  haben  eine  enge  Beziehung  zu  dem  Schriftsteller  selbst.  Zu- 
nächst der  'Doppeltverklagte'  oder  die  *  Gerichtsszenen'.  Zeus  eröjffnet 
den  Dialog  mit  einer  Klage  über  die  Lasten  der  Götter,  die  von  den 
Menschen  nicht  gewürdigt  werden.  Helios,  Selene,  der  immerzu  mit 
Orakeln  beschäftigte  Apollo,  Asklepios,  das  sind  Beispiele  für  die 
rastlose  Tätigkeit  der  Götter.  Am  schlimmsten  hat  es  der  Götter- 
yater  selbst;  witzig  zählt  er  seine  vielen  Aufgaben  her,  bei  denen  ihn 
immer  noch  die  Besorgnis  ängstigt,  P]pikur  möchte  zu  seiner  Behaup- 
tung berechtigt  erscheinen,  daß  die  Himmlischen  sich  nicht  um  die  Erde 
kümmern.  Wie  der  Steuermann  hoch  auf  Deck  steht  er  da,  immer 
schlaflos,  immer  in  Sorgen.  Jetzt  kommen  auch  noch  einige  seit 
lange  aufgeschobene  Prozesse  dazu,  die  endlich  erledigt  werden  müssen. 
Hermes  bestätigt,  daß  die  Verzögerung  schon  über  Gebühr  gedauert 
habe.  So  soll  er  denn  alle  zum  Areopag  rufen,  und  dort  soll  Dike 
die  Richter  auslesen  und  die  Rechtsprechung  beaufsichtigen,  die  etwaige 
Berufung  soll  an  Zeus  stattfinden.  Es  folgt  ein  Gespräch  mit  Dike, 
die  sich  weigert,  zur  Erde  zurückzukehren,  von  der  sie  vertrieben  ist. 
Zeus  tröstet  sie  mit  der  Fülle  der  i Philosophen,  die  jetzt  auf  Erden 
sind;  aber  Dike  erklärt  gerade  diese  für  ihre  Gegner.  Trotzdem  muß 
sie  mit  Hermes  gehen.  Die  nächste  Szene  zeigt  uns  die  beiden  auf 
der  Wanderung;  weinend  verlangt  Dike  Auskunft  von  ihrem  Begleiter, 
der  ja  in  den  Gymnasien  und  auf  dem  Markte  zu  Hause  ist.  Er  be- 
kennt, daß  die  Philosophie  doch  genützt  hat;  wenigstens  sündigt  man 
jetzt  mäßiger  aus  Scheu  vor  der  Philosopheutracht;  die  erst  von 
weitem  an  die  Philosophie  gerührt  haben,  sind  wohl  noch  keine 
Muster;  aber  Dike  wird  es  ja  nur  mit  den  besten  zu  tun  haben.  So 
berühren  sie  attischen  Boden.  Da  erscheint  Fan,  der  in  der  Grotte 
an  der  Akropolis  wohnt;  auch  ihn  fragt  Dike  sofort:  Wie  steht's  jt^tzt 
bei    den    Menschen    mit    dfr    'i'ugendV     Hat    die  IMiiloHophic    sie    ge- 


276  Kapitel  Xu.     Der  Doppeltverklagte. 

bessert?  Pan  kann  nur  von  ihren  beständigen  Wortgefechten  be- 
richten; als  er  sich  über  einige  heimliche  Beobachtungen  auslassen 
will,  die  er  in  der  Dunkelheit  gemacht  hat,  unterbricht  ihn  die  Göttin; 
denn  Hermes  ruft  zur  Versammlung.  Der  bocksfüßige  Gott  enteilt, 
und  das  Gericht  nimmt  seinen  Anfang.  Es  sollen  aber  heut  nur  die- 
jenigen Prozesse  erledigt  werden,  die  bestimmte  Künste  oder  Lebens- 
weisen gegen  Menschen  anhängig  gemacht  haben.  Es  sind  im  ganzen 
sieben:  1.  Die  Trunkenheit  nimmt  gegenüber  der  Akademie  den  Pole- 
mon  für  sich  in  Anspruch.  2.  Die  Stoa  ebenso  gegenüber  der  Hedone 
den  Dionysios.  3.  Die  Schwelgerei  klagt  gegen  die  Tugend  wegen  des 
Aristipp.  4.  Der  Wechslerberuf  verfolgt  den  Diogenes,  weil  er  ent- 
laufen ist.  5.  Aus  dem  gleichen  Grunde  die  Malerei  den  Pyrrhon. 
6.  und  7.  Die  Rhetorik  klagt  gegen  den  Syrer  wegen  schlechter  Behand- 
lung, der  Dialog  wegen  Vergewaltigung.  Der  erste  Prozeß  beginnt.  Da 
die  Trunkenheit  weder  selbst  reden  kann  noch  einen  Anwalt  findet, 
so  übernimmt  die  Akademie  es,  für  beide  Parteien  zu  sprechen.  Sie 
schildert  also  den  trunkenen  Polemon,  darauf  was  sie  aus  ihm  ohne 
Zwang,  nach  seinem  freien  Willen  gemacht  hat,  und  siegt  mit  allen  bis 
auf  eine  Stimme.  Es  folgt  die  Sache  der  Stoa  gegen  Dionysios.  Die 
Reden  haben  ähnlichen  Inhalt;  die  Stoa  erörtert  die  Vergehen  der  Hedone, 
bei  deren  Regiment  nichts  Großes  zustande  gebracht  ist,  Epikur  er- 
widert für  diese,  daß  kein  Zwang  den  Dionysios  zum  Abfall  veranlaßt 
hat,  sondern  die  eigene  Abneigung  gegen  die  stoischen  Reden  und 
Spitzfindigkeiten  und  die  Empfindung,  daß  der  Schmerz  doch  etwas 
ist.  Die  Stoa  will  sich  noch  auf  einen  Disput  einlassen,  aber  die 
Richter  schneiden  das  ab.  Die  Hedone  siegt  mit  allen  Stimmen;  aber 
die  Stoa  legt  Berufung  ein.  Infolgedessen  wird  auch  die  dritte  Klage- 
sache ausgesetzt  bis  zur  Entscheidung  des  Zeus.  Die  vierte  kann 
ebenfalls  nicht  vorgenommen  werden;  Diogenes  droht  dem  Wechsler- 
beruf mit  dem  Knüppel,  so  daß  er  entflieht.  Die  fünfte  muß  ver- 
schoben werden,  weil  Pyrrhon  nicht  erschienen  ist,  da  er  ja  kein 
^Kriterium'  für  wahr  hält.  So  bleiben  denn  nur  die  beiden  Anklagen 
gegen  den  Syrer.  Die  Rhetorik  beginnt  —  natürlich  mit  Demosthe- 
nischen  Floskeln.  Sie  schildert,  wie  sie  den  Syrer  in  lonien  gefunden, 
zum  gebildeten  Menschen  gemacht  und  sich  ihm  endlich  verlobt  hat; 
sie  hat  ihm  erst  das  Bürgerrecht  verschafi't,  hat  ihn  dann  durch  die 
Welt  begleitet  und  immer  für  seinen  Ruhm  gesorgt.  Aber  als  er  der 
Ehren  genug  hatte,  vernachlässigte  er  sie  und  verliebte  sich  in  den 
Dialogos,  während  sie  allen  Werbungen  anderer  gegenüber  immer 
spröde   blieb.     Der   Syrer  antwortet  mit   dem   Zugeständnis,   daß  die 


Inhalt.  277 

Rhetorik  Verdienste  um  ihn  habe,  da  sie  ihn  bei  den  Griechen  ein- 
geführt habe;  aber  er  erhebt  seinerseits  Anklage  wider  sie  wegen 
ihres  Benehmens,  da  sie  die  anständige  Haltung  aufgegeben,  wie  eine 
Dirne  sich  geschmückt  und  mit  ihren  Galanen  geliebäugelt,  wohl  auch 
heimlich  manchem  die  Tür  geöffnet  hat.  Deshalb  hat  er  sie  verlassen. 
Und  mit  einem  Gedanken,  der  fast  aus  der  Situation  herausfällt  und 
die  Allegorie  aufgibt,  schließt  er:  Es  war  Zeit  für  mich,  fast  vierzig- 
jährig, mich  von  jenem  Tumult  und  den  Prozessen  endlich  zu  ent- 
fernen, die  Anklagen  gegen  Tyrannen  und  Lobreden  auf  Helden  auf- 
zugeben und,  der  Philosophie  mich  widmend,  mit  dem  Dialog  einher- 
zuwandeln.  Der  Spruch  fällt  zugunsten  des  Syrers  aus,  nur  einer 
stimmt  gegen  ihn,  ein  Rhetor.  Endlich  spricht  der  Dialog;  er  be- 
schwert sich,  daß  er,  der  über  Götter  und  Natur  und  Weltall  zu  dis- 
putieren pflegte,  herabgezogen  und  ihm  eine  Satyrmaske  aufgesetzt 
sei,  daß  ihm  Spott  und  höhnische  Angriffe  und  Kynismus  und  Eupolis 
und  Aristophanes  und  zu  guterletzt  der  neu  ausgegrabene  Menipp 
beigesellt  und  er  gezwungen  worden  sei  wie  ein  Doppelwesen  halb 
zu  Fuße  zu  gehen  und  halb  auf  metrischen  Stelzen  einherzuschreiten. 
Der  Syrer  äußert  sein  Erstaunen  über  diese  Anklage,  da  er  es 
sich  als  Verdienst  anrechnet,  den  Dialog  menschlich  und  freundlich 
gemacht  zu  haben;  denn  das  kann  dieser  ihm  kaum  vorwerfen, 
daß  er  ihm  das  griechische  Gewand  ausgezogen  und  ein  barbarisches 
umgetan  hätte;  das  aber  würde  er  erst  für  eine  wirkliche  Ver- 
gewaltigung halten.  Darauf  siegt  der  Syrer  auch  hier  mit  allen 
Stimmen  außer  der  des  Rhetors.  Die  übrigen  Prozesse  aber  werden 
auf  den  nächsten  Tag  verschoben. 

Es  ist  klar,  daß  die  Ausführungen  des  letzten  Teiles,  soweit  sie 
persönlicher  Natur  sind,  Lucians  Eigentum  sein  müssen.  Betrachten 
wir  diese  zuerst.  Die  Rhetorik  spricht,  indem  sie  wie  der  Göttervater 
im  'tragischen  Zeus'  ein  Proömium  voraufschickt,  das  sich  auf 
Demosthenischen  Reminiszenzen  aufbaut,  natürlich  zur  Verspottung 
der  Demosthenesmanie ,  welche  die  Rhetoren  joner  Zeit  beherrschte.*) 
Es  ist  der  erste  Satz  der  Kranzrede,  am  Ende  ein  wenig  umgebogen, 
kombiniert  mit  dem  Anfang  der  dritten  olynthischen  Rode.  Und  um 
die  Torheit  dieser  Einleitung  recht  scharf  zu  zeigen,  bricht  die 
Rhetorik  ab:  'Aber  um  nicht  zu  viel  Zeit  zu  verlieren,  so  will  ich 
mit  der  Anklage  beginnen.'  Auch  formell  erinnert  das  an  die  ähn- 
liche Stelle    im  'tnigischen  Zeus'  (15);   wo   der    Redende   die   Zitate 

1,    ^gl    oben  Kap    V  8.  IftO. 


278  Kapitel  Xu.    Der  Doppeltverklagte. 

plötzlich  aufgibt  und  fortfährt:  'Ich  will  euch  aber  nunmehr  —  denn 
Demosthenes  läßt  mich  im  Stich  —  klar  machen  usw.'  Ähnlich  ist 
auch  in  Senecas  Satire  auf  den  toten  Claudius  die  Stelle  (1),  an  der 
zur  Verspottung  der  Dichter  zuerst  eine  Schilderung  der  Jahreszeit  in 
Versen  gegeben  ist,  dann  aber  unvermittelt  hinzugesetzt  wird:  *Ich 
glaube,  ihr  versteht's  besser,  wenn  ich  sage:  Es  war  Oktober.'  Diese 
Übereinstimmung  mit  der  Schrift,  in  der  wir  schon  mehrfach  Menippi- 
sches  fanden,  wird  wohl  kaum  Zufall  sein. 

Im  folgenden  herrscht  das  Bild  von  der  vielumworbenen  Frau  vor, 
die  ihre  Hand  dem  Fremdling  schenkt,  dann  aber  um  eines  Knaben 
willen  hintangesetzt  wird,  ein  Fall,  der  öfter  vorgekommen  sein  mag, 
für  den  uns  jedenfalls  die  Biographie  des  Polemon  ein  Beispiel  bietet.^) 
Ihre  Parallele  hat  aber  die  ganze  Fiktion  deutlich  in  des  Kratinos 
'Flasche',  wo  die  Komödie  ebenso  die  Anklage  wegen  schlechter  Be- 
handlung erhebt^),  weil  der  Gemahl  sie  böswillig  verlassen  hat,  und  wo 
sie  mit  demselben  Witz  ihn  der  Knabenliebe  beschuldigt,  weil  er  dem 
Wein  von  Mende  nachliefe^)  und  ihn  rühmte:  '0  wie  zart  und  hell!' 

Die  Antwort  ist  sehr  kurz  und  sachlich;  für  die  Kenntnis  vom 
Leben  Lucians  ist  immerhin  diese  Doppelrede  ebenso  wichtig  wie  die 
kleine  Deklamation  Vom  Traum',  in  welcher  der  schon  zu  Ruhm  und 
Ansehen  Gelangte,  als  er  in  seine  Heimat  zurückkam,  auf  die  Anfänge 
seiner  Laufbahn  zurückblickte.  Der  Syrer  wirft  der  Rhetorik  vor, 
daß  sie  des  großen  Päaniers  Spuren  verlassen  hat;  da  sie  eben  erst 
sich  gerade  mit  dessen  Floskeln  gebrüstet  hat,  so  ist  das  hart;  aber 
es  zeigt,  daß  Lucian  die  richtige  Erkenntnis  besitzt,  daß  mit  einzelnen 
Redensarten  noch  nicht  der  Geist  zugleich  eingezogen  ist.  Der  An- 
geklagte schildert  nun  seinerseits  weiter  das  Benehmen  der  Rhetorik 
als  das  einer  Hetäre  und  vergilt  so  den  Vorwurf  wegen  der  Untreue.^) 
Das  Bild,   das   er  von   dem   Weibe  zeichnet,   das   sich   der   trunkenen 


1)  Siehe  Mekler,  Ind.  acad.  Herc.  XUI  3  ff.  (S.  47).     Diog.  Laert.  IV  17. 

2)  Siehe  Schol.  zu  Aristoph.  eq.  399.  Kock  I  S.  67  f.  Luc.  bis  acc.  29:  tc&s 
ovv  ovy.  .  .  .  hvo^og  rolg  tzsqI  ti]g  HaHmöscog  vofioig  dg  rr]v  \lev  vo^ico  yaiistijv 
.  .  .  ovtoag  axL[L(og  äniliTis. 

3)  Athen.  I  29  d.     Kock  I  S.  69.     Vgl.  Hirzel,  Der  Dialog  11  S.  302. 

4)  Hirzel  hat,  glaube  ich,  das  der  Szene  zugrunde  liegende  Bild  gar  zu 
weit  ausgedeutet  (Der  Dialog  II  S.  273),  wenn  er  als  den  Sinn  des  böswilligen  Ver- 
lassens  der  Rhetorik  angibt:  'Da  er  seinen  Attizismus  der  herrschenden  Mode 
gegenüber  in  den  eigentlichen  Reden  nicht  mit  Erfolg  bewähren  konnte,  so  ver- 
pflanzte er  ihn  auf  den  Boden  des  Dialogs.'  Mir  scheint  vom  Attizismus  über- 
haupt nicht  die  Rede  zu  sein;  seine  Art,  die  Sprache  der  klassischen  Vorbilder 
wiederzugeben,    konnte  Lucian  ebenso  gut  in  sophistischen  Themen,  wie  dem 


Rhetorik  und  Dialog.  279 

Schwärmer  draußen  und  ihrer  Ständchen  freut,  das  wohl  auch  die  Tür 
heimlich  öffnet,  ist  der  Komödie  entnommen^),  die  Beziehung  auf  die 
Rhetorik  ist  schon  vor  Lucian  gebräuchlich  geworden.^) 

Bei  dem  zweiten  Redepaar  handelt  es  sich  um  den  Dialog;  so 
ist  es  natürlich,  daß  Lucian  hier  besonders  Platoreminiszenzen  vor- 
bringt. Der  Dialog  hat  sich  früher  nur  in  den  höchsten  Regionen 
aufgehalten,  wie  mit  dem  der  Komödie  entlehnten  Ausdruck  gesagt 
wird,  cc£QoßarG)v^  da,  wo  der  große  Zeus  im  Himmel,  seinen  Flügel- 
wagen leitend,  dahinfährt;  über  des  Himmels  Rücken  ist  er  empor- 
gestiegen. Das  sind  Phrasen  aus  der  großartigen  Darstellung  im 
Thädrus'  von  dem  Umzug ^)  der  Götter  und  Seelen,  die  am  Anblick 
der  Ideen  sich  ergötzen.  Die  Antwort  greift  auf  diese  Anspielung 
zurück.  Der  Syrer  rechtfertigt  es,  daß  er  nicht  mehr  mit  dem  Dialog 
darüber  spintisiert,  ob  die  Seele  unsterblich  ist  —  ein  Hinweis  auf  den 
Thädon'  — ,  wieviel  Maß  Gott,  als  er  die  Welt  schuf,  von  dem  un- 
gemischten und  sich  gleich  bleibenden  Wesen  in  den  Mischkrug  tat 
—  eine  Anspielung  auf  die  platonische  Kosmogonie  im  ^Timäus'*)  — , 

'Loblied  auf  die  Mücke',  dem  'Tyrannenmörder',  den  'Phalarisreden'  und  ähn- 
lichen, betätigen ;  eben  der  Stoff  war's,  der  ihn  auf  die  Dauer  anwiderte,  wie  er 
gelbst  sagt  (32),  und  ihn  bewog  der  Rhetorik  —  denn  mit  der  menippischen 
Satire  dünkt  er  sich  auf  andern  Pfaden  —  den  Rücken  zu  kehren. 

1)  Vgl.  Leo,  Plautin.  Forschungen,  Berlin  1895,  S.  140.  Man  kann  an  das 
Weib  des  Lykon  denken  in  Eupolis'  'Städten' :  maneg  inl  xi]v  Avxcovog  ^ggsi  näg 
^vi^Q  (Kock  I  S.  317)  und  an  die  Abweisung  dort:  rjv  oin  äviat^a  Tcmnot*  äv^Qw- 
noig  iya)  (Kock  I  S.  318).  Daß  Lucian  sich  auch  hier  mit  Kratinos  berührte, 
bei  dem  der  Vorwurf  der  Untreue  ebenso  zurückgegeben  werden  mußte,  zeigt 
Hirzel  (Der  Dialog  II  S.  303).  Die  Darstellung  ist  nicht  selten;  zu  vergleichen  ist 
Apul.  apol.  70:  prorsus  diebus  ac  noctibus  ludibrio  iuventutis  ianua  calcibus 
propuUata,  fenestrae  canticis  circumstrepitae,  triclinium  comisatoribus  inquietum, 
cubiculum  adulteris  pervium.  Vgl.  Properz  I  16,  6  ff .  Daß  sich  ähnliches  auch 
in  der  Krzählungs-  und  Novellenliteratur  findet,  ist  selbstverständlich  s.  (Vusius 
Phil.  XLVU  [1H89J  S.  448). 

2)  Das  Bild  von  der  falschen  Rhetorik  als  Hetäre  und  der  echten  als  ehe- 
licher Gemahlin  findet  sich  auch  bei  Dionys.  Hai.  negl  r&v  Scqx-  <^t^-  i;  Lucian 
bat  es  aus  seiner  eigenen  Schrift  zugleich  mit  dem  Flügelwagen  des  Zeus  über- 
nommen im  Rhet.  praec.  26.  Verwandt  ist  der  Vergleich,  den  Cicero  im  Brutus 
(96,  380)  gebraucht;  er  hat  nach  de«  Hortensius  Tod  <li«»  Rhetorik  als  Wai^e  in 
Kmpfang  genommen,  und  will  sie  nun  als  Vormund  schirmen-  et  hos  ignotos 
atf|ue  impudentes  procos  repudiemus  tueamurque  ut  ad\iltam  virginem  raste  et 
ib  amatorum  impetu  quantum  poSHumus  probibeamus. 

3;  246  K:  6  (ih  dr^  ^fag  i]yniMiV  h  ovquvm  Ztt'v,  iXavvuiV  %xf\vhv  &Qit«tf 
jtQtbxog  no{>hvnui^  247  B:  l^w  noQtv^tlaat  (aTi]aav  inl  rw  xo(>  ovquvoO  vmxM. 

4;  36  A:  rfji  &\itQlarov  xal  it»\  %etx6t  xadxcc  ixovarit  oitaiag  xal  r^;  av  nrgl 
tä  ömfiaxct   yiyvo{Uvf]g  fttQiaxljg    xgixov  i^  ^nupolv  iv  iiicq»  ^vvtntifdauto   oi^aiag 


280  Kapitel  XII.    Der  Doppeltverklagte. 

ob  die  Rhetorik  das  Schattenbild  eines  Teiles  der  Politik  ist,  der 
vierte  Teil  der  Schmeichlerkunst  —  eine  Beziehung  auf  den  'Gorgias'.^). 
Der  Dialog  aber  will  sich  nicht  gewöhnen,  er  blickt  noch  immer 
empor  und  sieht  nicht,  was  zu  seinen  Füßen  vorgeht  —  auch  das 
ein  Anklang  an  platonische  Worte.  ^) 

Bezeichnend  aber  an  dem  ganzen  Gedankengang  und  ein  Beweis 
für  das  im  Grunde  nicht  sehr  reiche  Repertoire  Lucians  ist,  daß 
er  genau  dasselbe,  was  er  hier  sagt,  früher  in  zwei  nicht  dialogischen 
Deklamationen  auseinandergesetzt  hat.  Die  eine  ist  die  kleine  Rede, 
die  er  gehalten  hat,  als  ihn  jemand  nach  einer  Vorlesung  einen 
Prometheus  iv  Xöyoig  genannt  hatte,  die  andere  das  Proömium  unter 
dem  Titel  'Zeuxis',  zu  dem  ihn  ebenfalls  die  Rufe  seiner  Zuhörer 
wie  G)  T^c,*  Tcaivötrjtog  bewogen  haben.  Dies  Proömium  ist  echt 
sophistisch,  insofern  es  ein  Gemälde  des  Zeuxis,  das  eine  Kentauren- 
familie  darstellt,  und  die  Wirkung  der  Elefanten  des  Antiochus  in 
der  Schlacht  gegen  die  Kelten  beschreibt;  Lucian  wünscht,  daß  die 
Leute  sein  Werk  nicht  nur  wie  jenes  Gemälde  als  Hippokentauros 
anstaunen,  als  etwas  Neues  und  Wunderbares.  Ebenso  sieht  er  in  der 
anderen  Schrift  zwar  die  Berechtigung  zu  dem  Ausspruch  seiner  Hörer 
in  der  Neuheit  des  von  ihm  Gebotenen,  der  Vereinigung  von  Ko- 
mödie  und  Dialog,   er  hofft    diese   aber   in   harmonischer  Weise  voU- 

sldog,  41  D:  xai  tcccXlv  inl  xov  TtgoxBQOv  XQari]Qcc,  iv  co  xr]v  tov  navtog  '\pv%r]v 
xBQccvvvg  ^^nays,  ta  t&v  Ttgoad'sv  vnoXonta  •aatE^ftro. 

1)  463  D:  ^öti  yciQ  j]  Qr\xoQiv,r]  v,ccta.  tov  i^bv  Xoyov  7toliTiv,fig  iiOQiov  sl'dco- 
XoVj  464  C:  tsttdQcav  di]  tovtcov  ovöav  .  .  .  i)  y.oXa'KSvti'iii]  cclö&oiievri  ....  rirgcc^a 
kavrr]v  diavsiiia6a  usw.,  466  A:  ti  ovv  q^rjg;  ■noXatisla  Sox8l  ooi  slvca  i]  QriTOQiy,ri\ 
xoXuxsiccg  ^sv  ^ycoys  bltcov  (ioqlov. 

2)  Phaedr.  249  D  von  dem,  der  durch  die  Schönlieit  auf  Erden  an  die 
ewige  Schönheit  erinnert  wird:  ögvi&og  SUriv  ßXsTfcov  avco,  r&v  ■Kara  8'  a.iLiX&v\ 
auch  die  Erzählung  von  Thaies  Theaet.  174  A  kommt  in  Betracht,  wo  den  Thaies 
avco  ßX^TCovtci  seine  Dienerin  schilt,  mg  xk  iihv  iv  ovgava  TtQO^v\Lolxo  ddivcci, 
xa  6'  ^UTiQoaQ-sv  ccvtov  %ccl  itccQu  TtoSccg  Xavd-dvoi  avtov.  Allerdings  ist  der  Aus- 
druck sehr  häufig.  Bion  Stob.  flor.  80,  3  (Mein.  Ill  S.  103):  ysXoLOxccxoi  slölv  ol 
ccaxQOvofiovvxsg  ot  xovg  Ttccgä  Tcoel  xovg  iv  xotg  cciyiaXolg  ix%'vg  ov  ßXijtovxsg 
xovg  iv  xa  ovQccvm  (pdö-novGLv  elSivai.  Tatian.  ad  Graec.  26:  Ttsxrjvoxag  sig  xov 
ovQavbv  yiccxcc  ßagdO-gav  TiiTtxsxs.  Themist.  24  (307  d):  xa  iv  Ttoölv  dxi^dGaöai 
TiBQinoXovGi  xov  ovgavov  (ort  ipvxcci).  Diogenes  sagt  bei  Diog.  Laert.  VI  28:  xovg 
liad-TjiiaxLJiOvg  dnoßXiituv  (isv  Ttgbg  xbv  rjXiov  "aal  X7]v  asXrjvrtV^  xd  d'  iv  noöl 
TtQdyiiaxa  naQOQäv  (vgl.  Aristid.  Isthmic.  10  [11  365,  9  KeilJ).   Gregor.  Nazianz.  in 

laud.  Basil.  M.  41 :  xä>v  ydg  dXXav  dndvxav  xb  iv  noöl  ^ovov  oqoovxcov vipov 

xi}v  xs(paXi]v  Sidgag  xort  xv-nXu)  xb  xfjg  rpvxfjg  ö^^a  Ttsgiayaywv  Ttaaav  hoco  Ttoi- 
stxai  xi]v  olxov^ivrjv.  Vgl.  Minuc.  Fei.  12,  7  Ennius  Vahlen^  Scaen.  244  Ter. 
adelph.  386.    Oben  S.  43. 


Beziehungen  zum  Prom.  iv  Xoyoig  und  Zeuxis.  281 

zogen  zu  haben,  ohne  einen  Hippokentaurus  zu  schaffen.  Gerade 
diesen  Vorwurf  aber,  daß  er  durch  des  Syrers  Schuld  wie  ein  Hippo- 
kentauv  zusammengesetzt  sei,  erhebt  der  Dialogos  im  'Doppeltver- 
klagten'. ^)  Weiter  gibt  Lucian  in  jenem  'Prometheus'  (6)  die  völlige 
Wesensverschiedenheit  von  Komödie  und  Dialog  an:  dieser  sehr  ehr- 
würdig, über  Natur  und  Tugend  philosophierend  —  fast  ebenso  heißt 
es  in  unserer  Satire^)  — ,  die  Komödie  dagegen  spöttisch  und  die  Ge- 
fährten des  Dialogs  —  also  auch  die  Personifizierung  ist  in  gewisser 
Weise  schon  vorbereitet  —  verhöhnend  als  Schwätzer  von  überirdischen 
Dingen^),  als  Luftwandler,  die  in  den  Wolken  wohnen^),  als  Menschen, 
die  Flohsprünge  nachmessen.  Für  die  Beurteilung  der  Lucianischen 
Dialoge  und  die  Entwicklung  seiner  Schriftstellerei  ist  der  Schluß  der 
kleinen  Rede  von  Wert;  der  Schriftsteller  findet  einen  Unterschied 
zwischen  Prometheus  und  seiner  eigenen  Person:  des  Diebstahls  kann 
ihn  keiner  beschuldigen.  'Oder  von  wem  hätten  wir  das  stehlen 
sollen V'  setzt  er  hinzu  (7j,  'es  müßte  mir  denn  gerade  verborgen  ge- 
blieben sein,  daß  schon  ein  anderer  solche  Seepferde  und  Bockhirsche 
geschaffen  hat.'  Es  ist  klar,  daß  hier  auf  'Götterdialoge',  'Hetären- 
gespräche' usw.  Bezug  genommen  wird,  die  mit  Menipp  noch  nichts 
zu  tun  haben.^)  Noch  fehlt  die  Erwähnung  seines  Namens,  die  in 
unserer  Satire  nun  hinzukommt  und  eine  neue  Stufe  der  literari- 
schen Tätigkeit  Lucians  bezeichnet,  von  der  er  selber  das  Tcagä  tov 
yäg  av  ixXtTCTOfisv;  nicht  gesagt  hat,  auch  nicht  mit  der  gleichen  Zu- 
versicht sagen  konnte.  Hirzel^)  hat  die  Worte  des  'Prometheus' 
anders  aufgefaßt  und  das  Verhältnis  zum  'Doppeltverklagten'  gerade 
umgekehrt;  er  glaubte  diesen  Prometheus  später  verfaßt,  weil  er  ein 

1)  Prom.  in  verb.  5:  icri,  yoüv  ix  dvo  xccX&v  äXlonotov  x^v  |vvd^xtjv  tlvau, 
olov  ixtlvo  rb  TtQoxfiQOTarov,  6  'ntnox^vTccvQog ^  bis  acc.  33:  InnoxsvravQov  dixriv 
avvd^tröv  Ti  X«}  ^hvov  (pdofia  rolg  ccxovovai  Soxtb,  Zeuxis  12:  ort  ^l^v  di'ßsia 
' InnoxixnavQog  yty{}a\nUvri^  toffto  (i6vov  ixnX'^tovrai  xccl  maneg  iaxi^  xaivhv  x«l 
ngdariov  doxBl  ainotg. 

2)  Prom,  in  verb,  ß:  aefivotdtag  inoutto  xccg  ovvovalag  (pvcfmg  xf  ni(fi  xccl 
ctQtxfjg  rpiXoaoffuiV  ^  big  acc.  33:  üB^vhv  xicag  ovrcc  xal  &t(üv  rf  TtfQi  xcc)  (pvCfag 
xul  xfjg  T&v  ü/l(or  negiodov  axonovnfvov. 

8)  MtxtmQoXiamg  auch  Icarom.  G. 

4)  Prom.  6:  etkQolßctxo{jvxag  xttX  regi/i'^' •  >>»öi»Taff  wie  in  unstM-er  Satin»  (8Ä^ 
daf  &vto  nov  xAv  vnp&v  &tQoßccx6iv. 

6)  Riene,  Varr.  Hat.  Menipp.  H.  24:  M<  iiii'puin  liiit  nonihini  tum  »..^'nitinn 
habenii  aut  fraudulcnto  nilontio  opprimenH.  Die  «mhIo  Annahme  Hchoint  natilr 
licher,  da  I.tician  kuinon  rtriiiid  xuni  VorKchwtMf^on  hatto,  tiioh  im  Qegonieil  die 
.'\imt.'nihnnjf  Menipp«  alff  Wnlirimf   imrrrhfirf 

•>    Dor  Diftlog  II  8.  3(>i 


282  Kapitel  Xn.     Der  Doppeltverklagte. 

reiferes  Urteil  voraussetzt  und  Lucian  hier  es  mit  der  bloßen  Neuerung 
nicht  getan  glaubt,  vielmehr  Bedenken  hegt,  ob  zwei  solche  Gegner 
wie  Komödie  und  Dialog  sich  vereinigen  lassen,  während  im  'Doppelt- 
verklagten' von  solchen  Zweifeln  keine  Rede  ist.  Ich  würde  sagen, 
es  ist  keine  Rede  mehr  davon.  Im  'Prometheus'  zagt  er  noch,  ob  er 
das  Richtige  getroffen;  aber  er  will  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
bleiben.  ^)  Im  'Doppeltverklagten'  ist  er  seiner  Sache  sicher,  er  braucht 
nicht  mehr  zu  bangen,  weil  der  Erfolg  ihm  gelacht  hat.^)  Im 'Prome- 
theus' wird  auf  die  Neuerung  großes  Gewicht  gelegt,  im  'Doppelt- 
verklagten' ist  von  ihr  eigentlich  überhaupt  nicht  die  Rede,  wenn 
man  nicht  im  Vortrag  der  Rhetorik  (29)  das  xaLV&v  ojQSx^rj  jcgay- 
iidxcav  hervorheben  will.  Im  'Prometheus'  steht  Lucian  am  Anfang 
seiner  Dialogschriftstellerei,  die  zunächst  noch  etwas  Sophistisches  hat; 
im  'Doppeltverklagten'  hat  er  den  Menipp  dazugewonnen. 

Nur  der  persönliche  Teil  des  'Doppeltverklagten',  der  den  Prozeß 
des  Syrers  enthält,  hat  dem  Ganzen  den  Namen  gegeben.  Daß 
das  ein  Titel  aus  der  mittleren  Komödie  ist,  wird  kaum  Zufall 
sein.^)  In  diesen  beiden  Redepaaren  muß  man  Lucians  eigenste 
Darstellung  sehen;  aber  darum  braucht  das  ganze  Motiv  der  Gerichts- 
szene nicht  seine  Erfindung  zu  sein.  Es  fällt  ja  auf,  daß  dieser  Prozeß 
zusammengekoppelt    ist    mit    einer    Anzahl    von    anderen,    die    wieder 

1)  Das  ^^[Lsvstiov  yaq  olg  cctccc^  7tQ08iX6iir]v,  irtsl  to  ys  ^stccßovXsvsß&ca  'Em- 
[iTjd'img  hgyov,  ov  JTpoftTj'O'^üos  iötiv  am  Schluß  des  ^Prometheus'  paßt  nicht, 
nachdem  Lucian  abgesehen  von  andern  Dialogen  etwa  ein  halbes  Dutzend 
menippischer  Satiren  geschrieben  hat,  sondern  nur,  nachdem  er  eben  erst  eine 
Probe  mit  der  Vermischung  von  Komödie  und  Dialog  gemacht  hat.  Der  Tro- 
metheus'  ist  eine  Einleitung  beispielsweise  zu  den  ''Meeresgesprächen',  nach- 
dem die  ^ Göttergespräche'  vorangegangen  waren. 

2)  Daß  Lucian  mit  seinen  menippischen  Dialogen  Beifall  gefunden  hat, 
sagt  er  selber  deutlich  im  'Fischer'  25;  daß  sie  bei  Ernsteren  auch  Kopfschütteln 
hervorriefen,  ist  selbstverständlich.  Sehr  anschaulich  schildert  er  den  Eindruck 
seiner  Vorträge  in  der  Vorrede,  die  er  dem  2.  Teil  seiner  'Wahren  Geschichten' 
vorausgeschickt  hat,  dem  'Dionysos'.  [Die  Zusammengehörigkeit  hat  Thimme, 
Jahrb.  f.  Phil.  137  (1888)  S.  562  ff.  richtig  bemerkt;  der  Redner  spricht  von  einer 
Unterbrechung  seines  Vortrags  und  will  die  Fortsetzung  bringen.  Dagegen  hat 
das  1.  Buch  der  'Wahren  Geschichten'  mit  dem  'Herakles'  nichts  zu  tun;  es 
hat  seine  eigene  Einleitung  in  1—4  und  bedarf  keiner  utQoXaXiä,  kann  vielmehr 
überhaupt  keine  vertragen.  Und  die  Gedanken  beider  Schriften  stehen  im 
Gegensatz  zueinander;  der  Redner,  der  die  'Wahren  Geschichten'  vorträgt  (1), 
betrachtet  diese  nur  als  Intermezzo,  als  Erholung  zwischen  anderen  Vorträgen, 
der  Sprecher  des  'Herakles'  sagt  (7),  daß  er  lange  Zeit  die  sophistischen  Vor- 
träge aufgegeben  hat,  sie  nun  aber  wieder  aufnimmt.] 

3)  Suid.  s.  V.  Aiyeas  (Kock  EI  S.  694).     Vgl.  Fritzsche  H  1  S.  3. 


Die  Philosophenprozesse.  283 

sämtlich  dem  4.  und  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  angehören  ^);  es  macht  auch 
stutzig,  daß  drei  der  Prozesse  einfach  ausfallen,  der  eine  allerdings 
mit  Recht,  um  Wiederholung  zu  vermeiden,  der  Aristipp  betreffende, 
die  beiden  anderen  bei  witziger  Benutzung  der  Eigenart  der  beiden 
Philosophen,  um  die  es  sich  handelt,  aber  doch  mit  einer  Kürze,  die 
eigentlich  zu  dem  aufgewendeten  Apparat  in  keinem  Verhältnis  steht. 
Auffällig  ist  auch,  daß  Hermes  in  seiner  Ankündigung  (12)  mitteilt, 
alle,  die  inzwischen  verstorben  seien,  seit  der  Prozeß  anhängig  ge- 
macht sei,  solle  Aakus  hinaufschicken;  es  sind  aber  in  Wahrheit  alles 
Verstorbene,  die  sich  hier  verantworten  sollen,  bis  auf  den  Syrer,  so 
daß  man  die  Empfindung  hat,  die  Klage  gegen  diesen  gehöre  nicht 
hierher.  Ungefähr  280 — 70  hat  es  auch  eine  Zeit  gegeben,  wo  die 
Bemerkung  des  Hermes  jedenfalls  viel  besser  paßte,  weil  damals 
Pyrrhon^)  und  Polemon^)  wahrscheinlich,  Dionysios  der  Abtrünnige 
sicherlich  noch  am  Leben  war.'*)     Es  ist  beachtenswert,   daß  wir  mit 

1)  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLm  (1888),  S.  162  hat  das  Auffällige,  das  in  der 
Vereinigung  des  Syrerprozesses  mit  denen  aus  der  alten  Zeit  liegt,  wohl  be- 
merkt, aber  in  seiner  feinsinnigen  Art  weniger  die  Entstehungsgeschichte  des 
Dialogs  als  vermeintliche  innere  Gründe  des  Schriftstellers  als  Veranlassung 
dazu  angesehen. 

2)  Pyrrhons  Lebenszeit  etwa  375 — 285  anzusetzen,  wofür  die  Möglichkeit 
hervorhebt  Pohlenz,  Herrn.  XXXIX  (1904)  S.  28,  ist  nicht  nötig;  Pohlenz  selbst 
kommt  für  seine  Argumentation  mit  365 — 276  aus. 

3)  Vgl.  Ind.  acad.  Col.  Q  4  (Mekler  S.  58);  Susemihl,  Alex.  Litteratur- 
geschichte  I  117.    Kirchner,  Prosopogr.  Attica  11,  Berlin  1903,  S.  637. 

4)  Dagegen  spricht  höchstens  die  Zeit  des  Abfalls  des  Dionysios,  wenn  er 
wirklich  erst  nach  Zenos  Tode  erfolgt  ist  (s.  Susemihl,  Alexandr.  Litt^ratur- 
gesch.  I  72  Anm.  283,  v.  Arnim  bei  Pauly-Wissowa  liealencyclopädie  V  973),  ob- 
wohl es  ja,  wenn  man  sich  die  Zahl  der  Beispiele  bei  den  Prozessen  vermehrt 
denkt,  auf  die  Zeit  280—70  für  die  Argumentation  nicht  genau  ankommt. 
Aber  so  sicher  scheint  mir  die  Zeit,  zu  der  Dionysios  abtrünnig  wurde,  nicht  zu 
sein.  Ihre  Bestimmung  ])eruht  auf  der  Auslegung  der  Anekdote  bei  Cicero  Tusc. 
n  26,  60,  nach  der  Kleanthes  nach  einer  Unterredung  mit  Dionysios  wogen  seines 
Abfalls  auf  die  Erde  gestampft  und  ausgerufen  habe  'Hörst  du  das,  Amphi- 
araos,  drunten  in  der  Erde?'  Dadurch  ist  die  Zeit  dieser  Unterredung  aller- 
dings narh  Zenos  Tode  [Sommer  263  nach  (tomperz,  Sitz.-Ber  d.  Wiener  Akad. 
d.  WiHH.  146  (1908)  VI  S.  1  ff.]  fixiert;  daß  sie  aber  unmittelbar  nach  der  Um- 
wandlung stattgcfundon  habe,  ist  eigentlich  nicht  erwiesen,  wonn  man  dieser 
Anekdote  überhaupt  soviel  CJewicht  beilegen  will.  Ei  spricht  aber  manohet 
.lafür,  daß  der  Abfall  früher  erfolgt  ist.  Nach  Dioklet  (Diog.  Laert.  VH  16«)  hörte 
hiimysioM  zuerHt  den  Horakloides,  dem  Piaton  861  bei  seiner  leisten  siulischen 
Ileite  die  Vertretung  in  der  Schule  übertragen  haben  «oll  (Suid.  s.  v.  'llQnidtidijs. 
Vgl.  v.  Wilnmowitz,  Antigonoi  von  Karyit  S.  280  Anm.  IS),  der  dann  zugleich 
mit  Menedcm  889  aU  Nachfolger  de«  Spousipp  in  Betracht  kam,  aber  mit  ihm 


284  Kapitel  XE.    Der  Doppeltverklagte. 

den  bei  Lucian  gegebenen  Beispielen  bei  dieser  Auffassung  wieder 
ungefähr  in  derselben  Zeit  bleiben  würden,  auf  die  uns  die  An- 
spielungen im  'Ikaromenipp'  hinwiesen.  Im  übrigen  könnte  man  die 
Zahl  der  Prozesse  sich  noch' beliebig  vergrößert  denken,  wie  Klean- 
thes  etwa  von  der  Athletik  beansprucht  werden  konnte,  weil  er  erst 
Faustkämpfer  war,  Timon  von  der  Tanz-  oder  Schauspielkunst,  wie  aus 
etwas  späterer  Zeit  Ariston  und  Herillos  belangt  werden  konnten, 
weil  sie  von  der  Stoa  abgefallen  waren,  Persaios,  weil  er  an  den  Hof 
des  Antigonos  Gonatas  gegangen  war  usw.  Derartige  Witze  hätten 
sich,  billig  wie  sie  sind^),  auch  von  späteren  Philosophen  wohl  finden 
lassen;  und  wenn  Lucian  sich  sonst  an  die  Stifter  der  Schulen  hält, 
so  ist  das  hier  nicht  der  Fall,  es  lag  also  auch  kein  Grund  dazu  vor, 
eine  so  klaffende  Lücke  zwischen  den  alten  Prozessen  und  dem  die 
eigene  Person  angehenden  zu  lassen,  wenn  das  nicht  durch  seine 
Quelle  veranlaßt  wurde. 

Von  den  beiden  alten  Prozessen,  die  wirklich  ausgeführt  sind, 
fesselt  besonders  der  erste,  der  auf  der  Wandlung  in  Polemons  Leben 
beruht.  Gleich  wie  bei  Augustin,  dem  Heiligen  von  Assisi  und  andern 
war  bei  Polemon  nach   einem  Leben  voll  Ausschweifung  die  Stunde 


dem  Xenophanes  erlag  (Ind.  acad.  VII  2  Makler  S.  38  f.)  und  der  jedenfalls  noch 
330  gelebt  hat,  da  er  die  Gründung  Alexandriens  Erwähnte  (Plut.  yit.  Alexandr.  26), 
Keinesfalls  kann  man  aber  des  Herakleides  Lebenszeit  über  320 — 10  verlängern 
(vgl.  V.  Arnim  a.  a.  0.  974),  Dionysios  muß  danach  340 — 30  geboren  sein 
(330,  spätestens  325  Susemihl,  zwischen  330  und  325  v.  Arnim).  Selbst  wenn  er 
erst  330  geboren  war,  ist  es  unwahrscheinlich,  daß  seine  Umwandlung  erst  263 
oder  später  erfolgte  und  er  sich  mit  65 — 70  Jahren  dem  ausschweifenden  Leben 
in  die  Arme  warf,  von  dem  die  Alten  zu  erzählen  wissen.  Die  Angabe,  daß  er 
yriQccLog  von  der  Stoa  abfiel,  würde  auch  noch  zu  recht  bestehen,  wenn  er  fast 
60 jährig  etwa  275 — 70  Zeno  verließ,  zumal  ja  das  Alter  im  Gegensatz  zu  der 
neuen  Lebensweise  besonders  auffiel.  Aber  es  kommt  ja,  wie  wir  schon  sahen, 
auch  gar  nicht  darauf  an,  daß  die  Beziehungen  alle  auf  die  siebziger  Jahre 
des  3.  Jahrhunderts  gehen,  da  wir  nicht  wissen,  was  Lucian  ausgewählt,  was 
er  etwa  ersetzt  hat,  und  im  übrigen  Menipp  auch  in  den  sechziger  Jahren  noch 
geschrieben  haben  kann. 

1)  Irgendwelche  Auswahl  der  Prozesse,  irgendwelche  philosophische  Ab- 
sicht oder  tiefere  Beziehungen  kann  ich  nicht  mit  I.  Bruns  (Rhein.  Mus.  XLIII 
[1888]  S.  163)  erkennen.  Ich  kann  Bruns'  Auseinandersetzungen  nicht  im  ein- 
zelnen widerlegen;  sie  widerlegen  sich  aus  unserer  Darstellung  von  selber;  sie 
sind  aufgebaut  auf  einer  Anschauung  von  dem  Wesen  Lucians  als  philosophisch 
bestrebten  Schriftstellers,  wie  sie  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden  kann, 
und  die  von  Bruns  vertretene  phantastische  Auffassung  von  der  höheren  Mission 
und  dem  festen  Plan,  mit  dem  Lucian  seine  philosophischen  Satiren  verfaßt 
hätte,  bricht  vor  einer  genauen  Prüfung  von  selbst  in  sich  zusammen. 


Polemou.  285 

der  Umkehr  gekommen.  Da  die  Methe  als  Anklägerin  nicht  reden 
kann  —  der  Witz  ist  dann  auch  bei  Aristipp  in  der  'Versteigerung' 
gemacht  — ,  so  spricht  die  Akademie  auch  für  sie,  und  sie  berichtet 
sowohl  in  der  Beleuchtung  jener,  wie  in  der  ihr  selber  günstigen  die 
bekannte  Anekdote  von  dem  Jüngling,  der  mitten  am  Tage  mit  der 
Hai-f'enspielerin  über  den  Markt  geht,  das  Haupt  bekränzt,  beständig 
trunken,  der  so  mit  Schreien  und  Lärmen  in  die  Akademie  ein- 
dringt, aber  betroffen  von  dem,  was  er  hört,  sich  ernüchtert,  die 
Kränze  fortwirft  und  wie  aus  einem  Schlaf  erwachend  sein  verfehltes 
Leben  erkennt,  hinfort  ein  treuer  Jünger  der  Philosophie,  besonnen 
und  würdig  wie  einer.  Die  Schilderung  des  lüderlichen  Vorlebens 
kehrt  bei  Philodem  ganz  ähnlich  wieder.^)  Die  hochdramatische  Be- 
kehrung selber  hat  Diogenes  L.  IV  16,  wie  von  Wilamowitz  gelehrt 
hat,  in  seine  Quelle  Antigonos  eingearbeitet;  auch  seine  Darstellung 
weist  bei  all  ihrer  Kürze  Wortanklänge  an  Lucian  auf.^)  Das  schöne 
Bild  ist  typisch  geworden.  Plutarch  bezieht  sich  darauf  (de  ad.  et 
amic.  71  Ej,  Valerius  Maximus  (VI  9  ext.  1),  Origenes  (c.  Geis.  III  67 
[vgl.  I  64 J),  Themistius  24  (S.  303  dj  erzählen  davon.  Am  bezeichnend- 
sten aber  ist,  daß  Epiktet  in  seinen  moralischen  Vorträgen  zweimal 
die  Anekdote  hat  (111  1,  14;  IV  11,  30),  er,  der  den  Kynikern  so  nahe 
steht  und  aus  ihren  Diatriben  geschöpft  hat,  bei  dem  wir  oben^)  die 
Spuren  Menipps  fanden.  Und  ebenso  bezeichnend  ist  es,  daß  Horaz 
sat.  II  3,  254  die  Geschichte  von  dem  mutatus  Polemo  hat,  der,  ob- 
wohl bezecht,  verstohlen  den  Kranz  vor  Scham  vom  Halse  zog,  nachdem 
ihn   die  Worte   des   Meisters   im    Innersten   getroffen"*),   bezeichnend, 

1)  Vgl.  V.  Wilamowitz,  Antigonos  von  Karyst.  S.  63.  Ind.  acad.  col.  IV/XIII 
Mekler  S.  47:  lötogsttat  Sh  xal  i'fai'txcbff  &x6XaöTog  yivic^oci  tr}v  nQÖaTtiv  maxB 
xa)  dta  Toi)  KfQaiistxov  nuxt  ^isd'vovxct  xtafiaßai  ^f-O"'  ij^iigccv^  Luc  b.  acc.  16: 
hg  iitd^'  7jfii{)uv  ixömu^e  Stu  Ti)g  dyoQct^  litßtn  ijjcxXtQiag  ix^^'  •  •  •  lif9-v(0P 
&ti 

2)  Diog.  i...  IV  16:  xat  nott  avv&i^Livos  toig  vioig  iie&vav  xai  iaxs<pc(V(a- 
lt,ivos  ilg  triv  SevoxQUTOvg  jj^i  ö^oXi^v  6  6h  oidkv  diccrganslg  £iQh  xbv  Xoyov 
öitoltog-  Tjv  di  TffQl  atotpifoavvrig .  ä-KOvor  di}  xb  y,HQdxiov  xax*  dXlyov  i^'tigdd'f], 

Luc.  b.  acc.  17:   :ttinijbi  ....  iaxB<pavom^vog XQCtinccXdiv intl 

fiivxoi    yt    nuQ    ifth    f)Xkv^    iyat    ^v    hvxov  ....  Xoyovg  xiväg  tkqI  aQfxf/g  xo2 

a(o(p(foavvi]g  öitiioifau intl  dt  ovölv  inihlg  iTtttpQovxixuiKP  tcvroP, 

%ux*  6Xlyov  ....  &vivi)<pt  itQÖg  xohg  Xöyovg.  8)  Siehe  S.  i47  f. 

i)  Potus  ut  ille  dicitor  ex  collo  furtim  carpsisBO  Coronas,  posUiu»...  « ni 
impranii  correptus  voc«  mugistri,  wie  bei  Luc.  bis  acc.  17:  ttvitt^fft  nifbg  toi'ff 
X6yovg  xul  ätf^y^ftlxo  xohg  axt<füvovg.  Daß  auch  Hora/.  gerade  dicson  einen 
cbaruktehHÜschen  Zug  fi\r  die  Umwandlung  angibt,  seigt,  daÜ  er  eine  auMfQbr- 
lirhcr«^  Schilderung  vor  Augen  hattiv 


286  Kapitel  Xu.     Der  Doppeltverklagte. 

weil  Horaz  in  derselben  Satire  auch  die  Aristippanekdote  anbringt 
(V.  100),  die  wir  durch  einen  glücklichen  Zufall  auf  ihren  Ursprung 
zurückführen  können,  da  auch  Diogenes  L.  II  77  sie  berichtet  mit  dem 
Zusatz  äg  (pcc0LV  ol  tcsqI  rbv  Bico^m.^)  Da  für  die  eine  Stelle  das 
Original  klar  ist,  wird  man  kaum  fehlgehen,  wenn  man  für  die  andere 
dieses  sermo  Bioneus  das  gleiche  annimmt.  Ob  es  Bion  war  oder 
Menipp,  aus  dem  Horaz  schöpfte,  wird  sich  bei  den  Wechselbeziehungen, 
die  man  zwischen  beiden  annehmen  muß,  gleich  bleiben^);  wir  müssen 
aber  im  Gedächtnis  behalten,  daß  es  sich  um  das  zweite  Satirenbuch 
handelt,  in  dem  die  Nekyia  (II  5)  und  das  Symposion  (II  8)  ebenso  wie 
die  künstlerische  Einkleidung  der  Gedichte  lebhaft  an  Menipp  er- 
innern.^) Man  möchte  also  vermuten,  daß  schon  bei  Menipp  sich  eine 
Gerichtsszene  dieser  Art  gefunden  hat;  und  ließ  sich  schon  oben  be- 
merken, daß  Hermes'  Hinweis  auf  die  Gestorbenen  voraussetzt,  daß 
eine  größere  Anzahl  derer,  um  die  es  sich  handelt,  noch  am  Leben 
ist,  so  führt  eben  darauf  die  Berufung  der  Akademie  auf  die  Zeugen- 
schaft aller  Athener,  nicht  der  früheren,  sondern,  wie  man  verstehen 
muß,  der  jetzigen  (16):  kccI  tavra  ort  cclrj^fj^  ^aQtvQsg  'A^r]valOL 
ccjtavreg^  ol  ^rjdl  tcidtiots  v7Jq)ovra  IJoXs^cjva  sidov.  Doch  ist  ein  sol- 
cher Anachronismus  kein  sicherer  Beweis. 

Die  letzte  Prozeßsache,  die  uns  bleibt,  ist  die  betreffs  des  Dio- 
nysios,  dem  seine  Wandlung  den  Beinamen  6  ^stccd-s^svog  eingetragen 
hat.  Die  Klage  geht  gegen  die  Hedone  und  ist  erhoben  von  der  Stoa; 
die  beiden  reißen  sich  um  den  Philosophen  wie  in  der  Erzählung  des 
Prodikos  Kakia  und  Arete  um  den  Herakles.  Die  Stoa  spricht  selber, 
aber  die  Hedone  macht  Epikur  zu  ihrem  Sprecher.  Im  Grunde  han- 
delt es  sich  nur  um  zwei  verschiedene  Lebensweisen  und  Lebensauf- 
fassungen; wir  haben  eine  richtige  Synkrisis,  einen  Agon,  wie  er  in 
der  Komödie  zu  Hause  ist,  ja  einen  Hauptbestandteil  ausmacht.*) 
Charakteristisch  ist,  daß,  während  Aristophanes  in  den  'Wolken'  weder 
den  dtxccLog  noch  den  äöiyog  Xöyog  durch  einen  Vertreter  ersetzt,  von 
den  beiden  allegorischen  Erscheinungen  meist  nur  die  eine  auftritt,  die 


1)  Vgl.  Heinze,  De  Horatio  Bionis  imitat.,  Diss.  Bonn  1889,  S.  25. 

2)  Heinze  a.  a.  0.  S.  7. 

3)  Den  Widerspruch  von  Rowe  (Quaeritur  quo  iure  Horatius  in  saturis 
Menippum  imitatus  esse  dicatur  Diss.  Halle  1888)  gegen  die  Annahme  der  Menipp- 
benutzung  durch  Horaz  kann  man  auf  sich  beruhen  lassen.  Es  gibt  Wahrheiten, 
die  sich  nicht  strikte  beweisen  lassen  und  doch  wahr  sind. 

4)  Siehe  Zielinski,  Die  Gliederung  der  altattischen  Komödie,  Leipzig  1885, 
S.  30  ff. 


Prozeß  des  Dionysioe.     Synkrisis.  287 

andere  durch  eine  Person  verteidigt  wird*);  so  steht  für  den  Plutos  in 
Aristophanes'  gleichnamigem  Stück  gegen  die  Penia  Chremylos  ein,  so 
läßt  Maximus  Tyrius  21/22  in  dem  Streit  des  beschaulichen  und  tätigen 
Lebens  zwar  das  tätige  seine  Sache  selbst  verfechten,  für  das  beschau- 
liche aber  zum  größten  Teil  den  Anaxagoras  sprechen,  genau  wie  hier 
der  Philosoph  für  die  hedonistische  Lehre  redet.  So  zeigt  sich  in  dieser 
Hinsicht  ein  dauernder  Zusammenhang.  Für  Lucian  ist  es  klar,  daß 
er  sein  Vorbild  nicht  nur  aus  rhetorischer  Gewöhnung,  sowohl  für  wie 
gegen  eine  Sache  zu  plädieren,  entnommen  hat,  sondern  aus  der 
Komödie,  ob  nun  mittelbar  oder  unmittelbar.  Der  Inhalt  dieses  Rede- 
paares bietet  im  übrigen  nichts  Besonderes.  Die  Stoa  beruft  sich 
den  Athenern  gegenüber  auf  das  Beispiel  des  Herakles  und  ihres 
Königs  Theseus;  auch  hier  haben  wir  in  Herakles  den  kynischen 
Heiligen.  Die  Rede  Epikurs  klingt  stark  an  den  *Hermotimos'  an. 
Dionysios  ist  der  Stoa  entronnen  und  wie  aus  einem  Schiffbruch  in 
den  Hafen  gelangt,  genau  wie  der  Stoiker  am  Schluß  jenes  großen 
Dialoges^);  hätte  man  ihn  etwa  zurückstoßen  sollen,  damit  er  mit 
vielem  Schweiße  den  steilen  Berg  erklimmen,  die  vielgepriesene  Tugend 
sehen  und  so,  nachdem  er  das  ganze  Leben  sich  abgequält,  nach  dem 
Tode  glücklich  sein  könnte?  Die  'vielgepriesene  Tugend'  (TtoXvd-Qv- 
Irftog  ocQerrf)  kehrt  im  'Ikaromenipp'  (30)  wieder.^)  Das  ganze  Bild 
vom  Emporklettem  zur  Tugend  ist  im  Anfang  des  'Hermotimos'  aus- 
führlich gezeichnet*),  findet  sich  kurz  auch  in  der  'Nekyomantie'  (4). 
Als  letzten  Trumpf  spielt  Epikur  die  Behauptung  aus,  wenn  nur  die 
Anhänger  der  Stoa  den  Ring  des  (iyges  oder  den  Helm  des  Hades 
hätten,  so  würden  sie  sich  in  Eile  zur  Hedone  drängen  und  es  dem  Dio- 
nysios nachtun;  die  Zusammenstellung  der  beiden  Zauberraittel  ist  aus 
Piaton  entnommen. ^j   Mit  einem  Vers  aus  Euripides'  Thönissen'  (3(30) 

1)  Siehe  Hense,  Die  Synkrisis  in  <l«'r  antiken  Litteratur,  üniversitiltsreilo. 
Freiburg  i.  Br.  1898,  S.  27. 

2)  Hermot.  86:  loanSQ  oi  ix  rtur  rurayicov  cnoöio^iVTBg,  bis  acc.  21:  tüarin) 
ix  vavayiov  Xinivi  nQoaviovxu.  (Vgl.  Hofmann,  Krit.  Untersuchungen  zu  Lucian, 
Progr.  Nürnberg  1H94,  S.  82.) 

8j  Clemens  Alex,  ström.  VI  7,  ö6  definiert:  (piXöoofpot  X^yoirm  .  .  .  :r«p' 
"EXXi^ai  .  .  .  .  ol  xöbv  mgl  icfftcflg  Xdytov  &vtiXait,ßav6iifvoi. 

A)  Hermot.  2:  6  oliios  iit*  aifxrjv  fiaxQÖg  xt   xal  Öq^io^  x«i  r^i/^jft ,,-,  ' 
o^  dXlyov  ^Xiov  xoli  6doiyt6QOiit  bis  acc.  21:   tva  xr^v  .  .  .  cc(f(xi}p  inl  x6   ' 
ISg&xi   noXXöy  avfX^üjv  idji,  necyum.  4:  rä  nävdrina  ixttva  xod  'liöiddov  n§ffi  ti)^ 
iffix^S  Ixr]  xal  xbv  iSQtbxu  xal  xijv  inl  x6  &xqov  Scväßaaip. 

b)  Plat.  rep.  X  618  B:  notrixiov  ilvai  .  .  .  ra  Sixaia^  idv  x*  fxV  ^^^  Pvyov 
dunxvXiop  iäv  xe  fiij,  xal  nQÖs  xoiovxa  iaxxvXlm  r^y  "Aidof  ««»f^y;  lo  hier  (81): 
•/  yovv  xig  avxols  xbv  rof>  /  vyow  dctxrvXuw  fAuxiv  .  .  .  .  ^  xf^v  toO  'AXdog  «vv^v. 


288  Kapitel  XIT.    Der  Doppeltverklagte. 

schließt  Epikui*.  Die  beiden  Reden  stimmen  im  Inhalt  ungefähr  zu 
dem,  was,  nach  dem  Ausdruck  Porphyrios  zu  Hör.  sat.  II  4  zu  schlie- 
ßen, den  Stoff  der  Varronischen  Xoyo^ccxCa  gebildet  haben  muß. 

Dieser  ganze  Agon  ist  veranlaßt  durch  das  Motiv  der  Gerichts- 
verhandlung. Für  das,  was  ihn  am  Anfang  und  Ende  umrahmt,  muß 
man  die  außerordentlich  große  Ähnlichkeit  mit  der  'Versteigerung'  be- 
achten, die  uns  wieder  so  recht  Lucians  Arbeitsweise  erkennen  läßt. 
Hermes  ist  Ausrufer  hier  wie  dort,  nur  daß  dort  der  Heroldsruf  selbst 
übergangen  ist,  während  er  hier  wie  im  'tragischen  Zeus'  ausführlich 
gebracht  wird.  Es  wird  hervorgehoben,  wie  die  Leute  zusammen- 
strömen.^) Die  Fülle  der  Streitsachen  und  der  ßCoi  ist  aber  zu  groß, 
um  sie  aUe  zu  erledigen;  infolgedessen  findet  eine  Teilung  statt;  es 
sollen  nur  die  ßCoL  der  Philosophen  verkauft  und  nur  die  Klagen  von 
Künsten,  ßioc  usw.  verhandelt  werden,  die  Lebensarten  der  Laien 
aber  und  die  Klagen  der  Privatleute  sollen  für  morgen  bleiben.^) 

Die  Gerichtsverhandlung  hat  Lucian  nicht  für  sich  stellen  wollen, 
sondern  er  hat  ihr  nach  einem  ihm  geläufigen  Rezept  eine  ausführ- 
liche Szenenreihe  zur  Begründung  vorangeschickt,  die  uns  in  den 
Himmel  und  dann  auf  einer  Wanderung  zur  Erde  führt.  Die  Ähn- 
lichkeit mit  dem  'Timon'  drängt  sich  auf.^)  Hier  wie  dort  die  Be- 
sprechung zwischen  Zeus  und  Hermes;  hier  wie  dort  das  Herbeiholen 
des  Begleiters,  der  zur  Erde  soll,  des  Plutos  und  der  Dike,  um  so 
beachtenswerter,  als  die  Dike  eigentlich  völlig  überflüssig  ist;  hier  wie 
dort  das  Sträuben  des  Herbeigerufenen,  der  wegen  schlechter  Behand- 
lung früher  geflohen  ist*);  hier  wie  dort  nach  längerem  Disput  der 
Aufbruch,   veranlaßt    durch    Hermes'   ermunternde   Worte:    TtQOLCJiisv 


1)  Bis  acc.  13:  ccQ^qool  yovv  mg  ogäg  ^vvd'£0V6L  d^ogvßovvtsg  martsg  ol  ecpT]- 
xf ff,  vit.  auct.  1 :  noXlol  avviccaiv.  Man  beachte  die  größere  Kürze  des  Ausdrucks 
in  der  ßloav  TtQ&aig. 

2)  Bis  acc.  13:  ra?  \ihv  aXXag  dUccg  ig  trjv  cc^qlov  vnEQßccXm^isd'cc^  xrniSQOv 
6h  TiXriQöb^sv  Tccg  roLavtccg,  önoeccL  tbxvcag  r)  ßioig  r)  i7CLatri^a.ig  ngog  avdgccg  slolv 
iTtriy/aXuevccL ,  vit.  auct.  1:  ccTCOxriQv^onav  dh  ßiovg  opiXoGocpovg  iiccvrbg  sl'&ovg  ticcI 
TtQoaiQsoacov  7t0iv,iX(ov,  27:  vfiäg  Sh  ig  a^Qiov  TtaQuycaXoviisv  •  cc7toxriQv^£LV  yccg 
tovg  idimrccg  "aal  ßavccvGovg  -kccI  ccyoQccLovg  ßiovg  fiiXXopsv. 

3)  Vgl.  Hirzel,  Der  Dialog  II  301.  Ich  möchte  den  'Timon'  für  früher  halten; 
denn  dort  ist  das  Motiv  der  Entsendung  des  Plutos  und  seines  Sträubens  näher 
liegend.  Der  ^Timon'  fällt  danach  mitten  in  die  menippischen  Satiren,  die  in 
ihm  ja  auch  zum  Teil  benutzt  sind  (vgl.  Kap.  VIII  S.  181.  185.) 

4)  Kock  III  S.  646  erkennt  in  §  8  Versspuren  und  meint:  videtur  in  comoe- 
dia  quoque  scaena  talis  fuisse  qualis  est  apud  Lucianum.  Ob  es  aber  wirklich 
die  Dike  war,  um  die  es  sich  dabei  handelte,  ist  doch  sehr  fraglich. 


Beziehungen  zu  andern  Dialogen.  289 

ö  nXovre  und  0  ^Cxrj  (Tim.  19;  bis  acc.  8),  unterwegs  das  Gespräch 
zwischen  den  beiden,  dann  die  Ankunft  in  Attika,  im  ^ Doppeltverklag- 
ten' (9)  mit  äbnlichen  Worten  angekündigt  wie  im  20.  'Göttergespräch', 
wo  Hermes  die  drei  Göttinnen  nach  Phrygien  zu  Paris  führt'),  im 
übrigen  in  beiden  Dialogen  mit  derselben  Auffordenmg  verbunden.^) 
Die  Anfangsszene  ist  nach  Homer  Od.  I  geschaffen;  Zeus  klagt 
darüber,  daß  die  Menschen  so  wenig  Verständnis  haben  für  die  Fülle 
der  Lasten,  welche  die  Götter  tragen,  die  es  wohl  rechtfertigt,  daß 
so  viel  Prozesse  liegen  geblieben  sind.  Daß  hier  für  die  folgende 
Szene  eine  ausführliche  Motivierung  gegeben  ist,  während  in  der  'Ver- 
steigerung der  Lebensarten'  nur  die  Szenerie  kurz  angedeutet  ist, 
scheint  mir  für  die  spätere  Abfassung  der  ßCcjv  TtQccöig  beweisend.^) 
Die  Rede  des  Zeus  ist  durchsetzt  von  poetischen  Reminiszenzen. 
Gleich  der  Anfang  hat  Guyet  dazu  angeregt,  zwei  iambische  Trimeter 
aus  den  Worten  zu  rekonstruieren.  Asklepios'  Tätigkeit  wird  mit 
einem  Wort  des  Hippokrates  (jtsgl  (pvoCbv  1  Littre  VI  S.  90)  gezeichnet, 
das  sicherlich  nicht  zufällig  rhythmisch  klingt^)  und,  nach  seiner 
Verbreitung  zu  urteilen^),  sehr  bekannt  gewesen  sein  muß.  Das  Hiu- 
und  Herschauen  des  Zeus  auf  die  Erde  ist  nach  Ilias  XllI  3  gestaltet, 
der  schlaflose  Göttervater  ist  mit  den  Worten  von  Ilias  II  1  f.  geschil- 
dert, die  auch  im  'Ikaromenipp'  (28)  benutzt  waren.  Überhaupt  hat 
die  ganze  Szene  Ähnlichkeit  mit  jener  Satire;  dort  ist  (11)  der  Ver- 
gleich mit  dem  bald  hierhin,  bald  dorthin  seine  Augen  wendenden 
Göttervater  gebraucht  und  dann  sehen  wir  ihn  selbst  (25  tf.)  bei  seiner 
angestrengten  Tätigkeit,  hier  berichtet  er  davon;  besonders  auf  die 
Verteilung  des  Wetters   wird  beide  Male  Bezug  genommen  (Icar.  26 


1)  iiiH  acc,  i*:  Ak/.u  ^Ltxu^v  /.itycov  ijdi]  rcXriOicc^oubi'  xij  Attixjj,  dial.  deor. 
20,  6:  diXcc  (isxa^v  löyov  i'idi]  noXv  TtQuiövxtii  ccneanäauusv  tö)»'  aari^Qiav  xal 
a%td6v  yt  xaxu  rr]v  4fQvyi<xv  i<ni(v. 

2)  Tim.  aO:  o^'xof'»'  iTtißaivmniv  i'jdn  rijg  'ATxixt)^^  bis  acc.  U:  oJffre  t6  fihv 
Imvviov  iv  St^ia  xataXlnaififv^  ig  dh  r^v  ecxQdnoXiv  &novsva<o^ifv  i)dri. 

5)  Hirzel,  Der  Dialog  II  801  Anin.  8  weist  darauf  hin,  daß  der  Dialogos 
sich  nicht  darüber  beschwert,  daß  or,  der  tiohn  (ler  rhilosophie,  bonutzt  werde, 
H<Mne  .Miitt«'i  /,u  verl&tteru,  also  die  ßiiov  iVQäait  noch  nicht  geschnoben  kbj. 
Für  Mich  ull'in  möchte  ich  dem  nicht  allzu  große  Beweiskraft  beimcHHcn,  aber 
mit  den  Andern  Argumenten  zusammen  spricht  auch  das  für  spUtere  Abfassung 
der  ßUov  ngfioig. 

4)  Der  erste  Teil:  u(»D  xt  Stiva  ^t/yat^it  r'  icridiotv  ergibt  j»  sofort  einen 
Trimeter. 

6)  Die  Stallen  sind  gi^sammelt  bei  Littr<^  VI  00  und  Wyttenbach,  Animad- 
versiones  in  Plot  moralia  III  66  (xu  p.  991  B). 

U»\m,  LaolAti  und  Moai|>p.  IV 


290  Kapitel  XIT.     Der  Doppeltverklagte. 

bis  acc.  2);  siyxaC^  oqxoi^  ^öicbv  xaTtvög  wird  hier  erwähnt,  dort  aus- 
führlich gezeichnet,  wie  Zeus  sie  annimmt.  Auch  die  Seiene,  die  den 
Schwärmern  leuchtet,  erinnert  an  die  Göttin  im  ^Ikaromenipp'  (21). 
Man  gewinnt  den  Eindruck,  als  ob  die  ganze  Rede  des  Zeus  in  jene  Satire 
hineingehörte,  wie  auch  zum  Schluß  beide  Male  die  Furcht  vor  den 
Epikureern  ausgesprochen  wird.^)  Auf  jeden  Fall  muß  man  bei  der 
Abfassung  des  dlg  xatrjyoQov^evog  eine  Erinnerung  an  den  'Ikaro- 
menipp'  annehmen.  Zum  'tragischen  Zeus'  (47)  führt  uns  das  Bild  von 
dem  Steuermann  zurück,  das  Zeus  hier  von  sich  gebraucht  (2). 

Die  nächsten  Szenen  und  der  Inhalt  des  Gespräches  ergaben  sich 
von  selbst.  Die  Darstellung  der  Philosophen  durch  Hermes  ist  so, 
daß  sie  auch  Lucians  Geist  entstammen  könnte.  Eine  gewisse  Ähn- 
lichkeit liegt  vor  mit  der  Szene  in  Aristophanes'  frieden',  in  der  die 
Eirene,  einst  verjagt  und  nun  abgeneigt,  zur  Erde  hinabzugehen,  sich 
nach  dem  erkundigt,  was  sie  wissen  möchte  (657  ff.).  Daß  dann  Pan 
auftritt,  der  ja  im  wesentlichen  auch  nichts  Neues  über  die  Philo- 
sophen sagt  bis  auf  die  Andeutung  ihres  unmoralischen  Lebenswandels, 
war  für  den  Kenner  athenischer  Topographie  ebenfalls  nahegelegt; 
dazu  kam  die  Bedeutung  der  Pansgrotte,  wie  sie  uns  Lysistr.  911 
zeigt.  Um  dieses  einen  Hinweises  willen  auf  die  Unmoral  der  Tugend- 
prediger ist  die  Szene  wohl  eingefügt;  daß  der  größere  Teil  von  Pans 
Worten  sich  mit  Hermes'  Ausführungen  ungefähr  deckt,  ist  für  die 
Ökonomie  der  Satire  nicht  eben  geschickt.  Dabei  werden  wieder  die 
berühmten  philosophischen  Schlagworte  verhöhnt:  äQsr7]v  tiva  xal 
ideag  zal  (pvöuv  xal  aöcj^ara^)^  und  die  anschauliche  Schilderung  von 
dem  streitenden  Philosophen,  dem  das  Gesicht  sich  rötet  und  die  Adern 
schwellen,  der  sich  den  Schweiß  abwischt  und  immer  lauter  schreit, 
ist  nach  dem  Muster  des  'Symposion',  des  'Hermotimos'  (11)  und  des 
'tragischen  Zeus'  (16)  gestaltet.^)  So  sehen  wir,  daß  dieser  erste  Teil 
der  Satire  uns  immer  wieder  an  früher  besprochene  Dialoge  erinnert. 


1)  Icar.  32:  mga  viilv  loyi^sad-ai,  dioti,  rjv  aitcch,  ovxoi  tcsIoccl  tbv  ßiov 
Svvrid'maiv,  ov  iLBXQicog  ■jtsLv^üsrs'  tig  yäg  ocv  ht  d'vGSLSv  viiTv,  bis  acc.  2:  rjv  yccg 

XI   ■Kol   y-i-ngov   iTtivvotd^cofiav ,    ccXrid'rjg    sv&vg   6  'Eniv.ovQog ipvxQol   d«   ol 

ßco^oi,  -Kai  oXag  cid'vtcc  xal  ScjtaXXiiQritcc  (^itdvxay  xal  6  Xi^hg  itoXvg.   Zu  vergleichen 

ist   auch  Hrag.  Zeus'  18:    ü  d'  ovxoi  nsiad'slsv ,  a-S-vra  yiccl  äyiQccöxa  y.a.l 

uxiiLTitu  Tj^tv  ^6xai  trax  yfjg  xal  iidxr]v  iv  ovqccvg)  v.a.Q'Edov^sQ'a  Xifioj  ij(^6^Evoi. 

2)  Necyom.  4:  Idiccg  xal  ccam^axcc  xal  äxöiiovg  xal  -ksvcc  xal  xoiovxov  xivcc 
6%Xov  övoiidxoav  ....  ccy.ovcov,  Icarom.  5:  ccQxdg  xivag  v.ccl  xiXr]  nal  dx6[iovg  xal 
ytsva  y-cd  vXag  v,kI  i&iccg  xccl  xd  xoiavxcc^  gall.  11:  dQSxriv  xiva  ngog  t^s  Sle^lÖjv. 

3)  lupp.  trag.  16:  6  yovv  Ttftox^Tyg  xal  i'Sgov  xal  xijv  qpwrrjv  i]$ri  i^sx^ytOTtxo 
VTtb  xiig  ßorjg. 


Verbinduugsszenen.     Aktuelle  Beziehung.  291 

Lucian  hat  auch  hier  seine  Methode  zu  kombinieren,  zusammenzu- 
schweißen und  in  neuen  Verbindungen  das  Alte  wiedervorzubringen 
in  der  schon  beobachteten  Weise  angewandt,  die  Gerichtsszene,  die  er 
bei  Menipp  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  vorfand,  nach  andern  Meuipp- 
szenen,  der  Komödie  und  seinen  eigenen  früheren  Satiren  mit  dem 
mythologischen  Rahmen  versehen  und  so  eine  neue  Satire  geschaffen 
Auf  eigene  Rechtfertigung  kam  es  ihm  bei  dem  Ganzen  oatürlich 
nicht  so  sehr  an  wie  auf  witzige  Gestaltung  einer  komischen  Szene. 
Wenn  er  einen  Rhetor  zu  seinen  Ungunsten  stimmen  läßt,  so  ist  das 
eine  Würze,  die  der  Satire  den  pikanten  Beigeschmack  aus  der  Wirk- 
lichkeit verleihen  soll;  man  kann  fast  vermuten,  daß  damit  ein  be- 
stimmter Gegner  Lucians  gemeint  ist,  und  wir  denken  an  die  gegen 
Pollux  gerichteten  Satiren^)  'Lexiphanes'  und  'Der  Professor  der  Rhe- 
torik'; es  spricht  nichts  dagegen,  daß  er  auch  hier  gemeint  ist.^) 
Aktuell  endlich  ist  das  Ganze  gemacht  und  an  die  damaligen  histo- 
rischen Verbältnisse  angeknüpft,  wenn  Zeus  die  Kämpfenden  in  Baby- 
lon ien  beobachten  muß.  Man  hat  das  mit  Recht  auf  den  Partherkrieg 
des  M.  Aurel  und  L.  Verus  gedeutet,  also  etwa  auf  die  Ereignisse  der 
Jahre  162—166. 


1)  Siehe  Ranke,  Pollux  et  Lucianus,  Quedlinburg  1881. 

2)  Pollux  kann  von  Commodus,  der  ihn  offenbar  170  gehört  und  sich  damals 
in  seine  Stimme  verliebt  hat,  bald  nach  180  (oder  schon  nach  176?)  nach 
Adrians  Berufung  nach  Rom  zum  staatlichen  Lehrer  gemacht  sein  unter  Zurück- 
weisung des  Mitbewerbers  Chrestus  (Philostr.  U  S.  95,  97  Kayser)  und  etwa  185 
58jährig  gestorben  sein ;  dann  war  er  noch  nicht  ein  Jahrzehnt  jünger  als  Lucian 
und  konnte  hier  im  dlg  %axr\yoQovyLkvo?  —  sagen  wir  108  —  schon  gemeint  sein. 
Das  ist  natürlich  nur  Vermutung;  aber  der  Dialog  gewinnt  durch  eine  solche 
Spitze. 


!'.•• 


Kapitel  Xm. 
Der  Fischer. 

Die  zweite  Satire  in  eigener  Angelegenheit  ist  der  Tischer',  bei 
dem  wir  deutlich  die  Anlehnung  an  den  'Doppeltverklagten'  erkennen. 
Mit  einer  äußerst  lebhaften  Szene  setzt  er  ein.  Die  Philosophen,  die 
für  einen  Tag  Urlaub  aus  der  Unterwelt  erhalten  haben,  Sokrates, 
Piaton,  Aristoteles  usw.,  sind  hinter  Parrhesiades  her  —  seinen  Namen 
hören  wir  später  — ,  um  sich  für  den  angetanen  Schimpf  zu  rächen; 
der  Verfolgte  wird  eingeholt  und  soll  zur  Strafe  sterben.  Er  gibt 
sich  als  Wohltäter  der  Philosophen  aus  und  verlangt  ein  ordent- 
liches Gericht;  das  Urteil  sollen  die  Angreifer  selber  unter  dem  Vorsitz 
der  Philosophie  fällen.  Sokrates  ist  damit  einverstanden  und  die 
andern  folgen;  Parrhesiades  bekennt  jedoch,  daß  er  die  Philosophie 
nicht  zu  finden  weiß;  auf  seine  Frage  hat  man  ihm  bald  die,  bald 
jene  Tür  gezeigt,  und  als  er  einmal  der  Menge  folgte,  fand  er  dort 
ein  geputztes  und  geschminktes  Weib,  dem  er  sofort  den  Rücken 
wandte.  Piaton  weiß,  daß  die  Philosophie  um  diese  Zeit  von  der  Aka- 
demie zur  Stoa  Poikile  zu  gehen  pflegt;  und  schon  kommt  sie  auch 
an  und  begrüßt  ihre  Anhänger.  Sie  vernimmt  den  Anlaß  ihres  Er- 
scheinens und  wundert  sich,  daß  sie  so  empört  sind  über  die  ver- 
meintlichen Schmähungen,  während  sie  selber  doch  den  Spott  der 
Komödie  stets  ruhig  ertragen  hat.  Alle  wandern  zusammen  zum  Areo- 
pag;  doch  ziehen  sie  es  plötzlich  vor  die  Akropolis  aufzusuchen.  Die 
Philosophie  ist  in  Begleitung  der  Besonnenheit,  Gerechtigkeit,  Bildung 
und  Wahrheit,  sowie  der  Dienerinnen  Freiheit  und  Offenheit;  auch  Elen- 
chos  und  Apodeixis  müssen  mit.  Auf  dem  Wege  erkundigt  sie  sich 
nach  Namen  und  Heimat  des  Angeklagten.  -Er  bekennt  sich  als  Syrer, 
namens  Parrhesiades,  Sohn  des  Alethion,  Sohnes  des  Elenxikles,  und 
gibt  sich  seinem  Gewerbe  nach  aus  als  Hasser  aller  Prahlerei,  Zauberei, 
Lüge  und  Hoffart,  als  Freund  der  Wahrheit  und  des  Schönen.  So 
kommen  sie  auf  die  Akropolis;  die  Priesterin  stellt  die  Sitze  zurecht, 


Inhalt.  293 

Parrhesiades  betet  inzwischen  zur  Athene  Polias.  Dann  beginnt  die 
Gerichtsverhandlung.  Für  die  Philosophen  soll  Piaton  reden  als  der 
Sprachgewandteste;  er  aber  meint,  hier  sei  eher  ein  Draufgänger  von- 
nöten,  und  so  wird  Diogenes  als  Sprecher  ausersehen.  Es  folgt  die 
Anklagerede  und  die  Verteidigung.  Diogenes  hebt  hervor,  daß  der 
Beklagte  genau  so  handelt  wie  einst  die  Komödie  gegen  Sokrates; 
nur  daß  Aristophanes  und  Eupolis  doch  über  einen  einzigen  Mann 
ihren  Spott  ausgössen  und  noch  dazu  am  Fest  des  Gottes,  der  sich 
über  das  Lachen  freut;  der  Angeklagte  aber  trug  seine  boshaften 
Schriften  gegen  alle  Philosophen  mit  lauter  Stimme  vor  im  Kreise 
der  Besten  vor  zahlreichen  Zeugen,  ohne  daß  ein  Fest  den  Anlaß  zur 
Kurzweil  bot  und  ohne  selbst  angegriffen  zu  sein;  und  dabei  hat  er 
den  Dialog,  den  Diener  der  Philosophie,  und  den  Menipp,  ihren  Jünger, 
gegen  sie  verwendet.  Parrhesiades  gibt  die  Schmähungen  zu;  aber 
er  behauptet,  von  der  Rhetorik  selber  zur  Philosophie  geflüchtet  zu 
sein  und  die  gi'oßen  Philosophen  sehr  hoch  zu  schätzen.  Jedoch  habe 
er  viele  Philosophen  gefunden,  die  wie  schlechte  Schauspieler  zwar 
die  Maske  des  Achill,  Herakles  oder  Theseus  tragen,  aber  weder  wie 
Helden  schreiten  noch  rufen,  sondern  so  verweichlicht  sind,  daß  sie 
nicht  einmal  für  eine  Helena  taugen  würden.  Und  diese  Menschen 
brachten  die  alten  Philosophen  bei  dem  Publikum  in  Mißkredit;  sie 
befolgten  ihre  eigenen  Lehren  durchaus  nicht,  sondern  haschten  nach 
Geld,  waren  zum  Zorn  geneigt,  kurzum,  zeigten  alle  erdenklichen 
Fehler.  Und  darum  griff  er  sie  an,  nicht  die  wahren  Philosophen, 
deren  es,  wie  er  wohl  weiß,  auch  noch  einige  gibt.  Die  Rede  hat 
den  Erfolg,  daß  Parrhesiades  mit  allen  Stimmen  freigesprochen  wird. 
Daran  soll  sich  nun  die  zweite  Verhandlung  schließen  gegen  die  wirk- 
lich Schuldigen,  die  falschen  Philosophen.  Der  Syllogismus  muß  sie 
herbeirufen,  damit  sie  sich  rechtfertigen;  aber  nur  wenige  kommen. 
Darauf  ruft  Parrhesiades  sie  zur  Verteilung:  Jeder  soll  zwei  Minen 
und  einen  Kuchen  erhalten,  wer  sich  am  meisten  auszeichnet  im  Wort- 
gezänk, zwei  Talente  Goldes.  Und  siehe,  sofort  stürzen  sie  heran,  klettern 
auf  Leitern  zur  Akropolis  und  zanken  sich  um  Kuchen  und  Geld.  Doch 
wie  sie  hr»ren,  sie  sollen  gerichtet  werden,  eilen  sie  wieder  Hals  über 
Kopf  davon.  Ein  Kyniker  verliert  seinen  Ranzen;  man  findet  darin 
neben  anderem  Myrrhenöl,  einen  Spiegel  und  Würfel.  Nun  ist  die 
Berechtigung  der  Vorwürfe  vollends  erwiesen.  Parrhesiades  soll  mit 
«lern  ElenchoH  alle  prüfen  und  die  guten  Philosophen  kränzen,  den 
Aftoq)hilo80plien  aber  den  Bart  abscheren  und  ihnen  ein  Zeichen  auf 
die  Stirne    brennen.     Er    ist   damit   einverstanden,    will    aber  vorher 


294  Kapitel  Xm.     Der  Fischer. 

einige  der  Flüclitigeii  herauf  locken,  um  sie  vorzuführen.  Zu  dem 
Zwecke  borgt  er  von  der  Priesterin  eine  geweihte  Angelrute,  befestigt 
Feigen  und  Gold  als  Köder  daran  und  wirft  sie  aus.  Und  nun  kommen 
sie  der  Reihe  nach  an  und  schnappen  danach,  der  Kjniker,  der  Pla- 
toniker,  der  Peripatetiker,  der  Stoiker,  und  jedesmal  muß  der  Stifter 
der  Schule  erklären,  daß  er  an  diesen  Menschen  keinen  Anteil  habe. 
So  bleibt^s  denn  bei  dem  Auftrag  für  Parrhesiades,  und  er  verkündigt 
im  voraus,  daß  der  Kränze  wenig  zu  verteilen  sein  werden,  desto 
mehr  aber  Brandmale  aufzubrennen. 

Stellten  wir  früher  fest,  daß  die  'Lebensversteigerung'  nach  dem 
'Doppeltverklagten'  verfaßt  sei^),  so  stimmt  es  dazu,  wenn  wir  in 
diesem  neuen  Dialog  Beziehungen  auf  den  'Doppeltverklagten'  finden; 
denn  daß  dieser  auf  die  'Lebensversteigerung'  gefolgt  ist,  zeigt  der 
gemeinsame  Ansturm  aller  Philosophen,  selbst  des  Aristipp,  Epikur 
und  Pythagoras,  die  Bezugnahme  des  Diogenes  (23)  darauf,  daß  er 
für  zwei  Ob  ölen  verkauft  worden  sei,  sowie  endlich  der  ausdrückliche 
Hinweis  auf  die  ganze  Auktionsszene  in  der  Anklagerede  des  Diogenes 
(27).  Den  Hauptteil  des  'Fischers'  bildet  die  Gerichtsszene,  die  ebenso 
gut  im  'Doppeltverklagten'  hätte  stehen  können.  Auch  hier  tritt 
Lucian  als  Syrer  auf  (19);  auch  hier  hat  es  sich  so  gestaltet,  daß  — 
nicht  Dike,  aber  die  Philosophie  mit  den  übrigen  den  Weg  nach  Athen 
zurücklegt  und  die  Unterhaltung  zwischen  ihr  und  Parrhesiades  ein- 
geflochten werden  konnte;  und  Parrhesiades  gibt  hier  auf  der  Wan- 
derung Auskunft  über  sich  wie  im  'Timon'  der  Plutos.  Auch  hier 
dem  7tQ0i(D^£v  entsprechend^)  das  äjccm^sv  bk  '^qslov  Ttdyov  (15). 
Man  entschließt  sich  dann  aber,  zur  Akropolis  zu  gehen,  was  für  die 
Gerichtsszene  nicht  nötig  ist,  wohl  aber  für  die  Schlußszene,  den 
Fischzug:  daß  aber  gerade  diese  Ortlichkeit  gewählt  wird,  auch  das 
hat  seine  Parallele  im  'Doppeltverklagten'  (9),  wo  Hermes  zur  Akro- 
polis eilt,  um  von  dort  die  Prozessierenden  herbeizurufen.  Die  Be- 
ziehung zeigt  sich  auch  im  Wechsel  der  Begründung;  dort  ist  die 
Akropolis  gewählt,  damit  der  Ausrufer  leichter  verstanden  wird,  hier, 
damit    man    leichter    sehen    kann,    was    in    der  Stadt    vorgeht  (15).^) 

1)  Die  Yermutung  von  Bruns  (Rhein.  Mus.  XLIII  [1888]  S.  88  ff.),  daß  der 
Tisch  er'  gleich  mit  der  ßicov  Ttgäas  als  Einheit  geplant  sei,  hängt  mit  seiner 
irrigen  Auffassung  von  Lucians  philosophischer  Schriftstellerei  zusammen  und 
ist  unhaltbar.     (Vgl.  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  [1902]  S.  196.) 

2)  Siehe  oben  S.  288  f. 

3)  Bis  acc.  9:  iyo)  8h  ig  tr}v  cckqotvoXlv  avccßäg  qccov  ovtcog  anavTccg  iv.  xov 
i7tr}%öov  TtQOöKccXeaoiiccL,  pisc.  15:  ^aXXov  8'  ig  rr]v  ccüqonoXiv  avtriv ,  mg  av  iv, 
7iBQioi7i7]g  a^Kx  xcctacpavj]  Ttdvtcc  Bir\  xa  Iv  ty  tcoXei. 


Beziehungen  zum  'Doppeltverklagten'.  295 

Nach  der  Ankunft  auf  dem  Burgfelsen  erhält  die  Priesterin  den  Auf- 
trag, der  an  den  Anfang  der  ^Versteigerung'  erinnert,  die  Sitze  aufzu- 
stellen.^) Als  die  Philosophen  beraten,  wer  von  ihnen  die  Anklage 
vertreten  soll,  schlägt  Chrysipp  den  Piaton  vor;  er  soll  alle  Kraft 
zusammennehmen  und  auch  einflechten,  daß  der  große  Zeus  im  Himmel 
auf  seinem  Flügelwagen  empört  sein  würde,  wenn  der  Angeklagte  frei 
käme  (22)'^  dasselbe  Piatonzitat  hatten  wir  im  'Doppeltverklagten'  in 
der  Rede  des  Dialogs  (33).  Daß  in  beiden  Satiren  die  Phrase,  es 
bedürfe  nicht  langer  Reden,  im  Beginn  der  Anklage  wiederkehrt^), 
will  daneben  nicht  viel  besagen.  Die  Anklage  des  Diogenes  steht  in 
enger  Berührung  mit  den  Reden  im  'Doppeltverklagten',  insofern  auch 
sie  sich  mit  dem  Dialogos  abgibt  in  derselben  Personifizierung  wie 
dort:  allerdings  ist  der  Vorwurf  hier  gesteigert:  der  Syrer  hat  den 
Dialügos,  der  bei  der  Philosophie  zu  Hause  ist,  eben  gegen  sie  ver- 
wendet (26).  Auch  auf  die  Unterstützung  durch  Menipp  wird  wieder 
hingewiesen  (26)  wie  dort  (33).  Und  im  Anfang  wird  auf  die  Ab- 
wendung von  der  Rhetorik  Bezug  genommen  (25),  die  dort  den  Anlaß 
zu  dem  einen  Prozeß  bildet.  Die  Gegenrede  fängt  in  beiden  Fällen 
mit  dem  offenen  Geständnis  an,  daß  der  Kläger  mit  den  Tatsachen 
recht  hat  (bis  acc.  30,  pisc.  29);  weiter  berichtet  der  Syrer  über  seine 
Abkehr  von  der  Rhetorik  und  seine  Hinwendung  zur  Philosophie 
(pisc.  29)  ganz  ähnlich  wie  dort  (bis  acc.  32)  in  den  Schlußworten 
seiner  Verteidigung.  Beachtenswert  ist  auch  hier  am  Ende  der  Rede 
(37),  daß  einzelne  wahrhafte  Philosophen  anerkannt  werden,  wie  ihr 
Vorhandensein  auch  im  Ölg  xurrjyoQov^evos  mehrfach  hervorgehoben 
ist.')  Im  übrigen  hat  das  dortige  Bild  von  der  Rhetorik  in  gewisser 
Weise  Modell  gestanden  zur  Zeichnung  der  Afterphilosophie  in  der 
vorhergehenden  Unterredung  des  Parrhesiades  mit  den  ihn  verfolgen- 
den Gegnern.^) 

1^  I'i^-c  L'l:  /'/  liduci  fitdO-hc  i]\^^^'  Ta  ßä&oa ,  vlt.  aiu't.  1:  (Sv  tur  fVjnrriO'ft 
ra  ßdd'iff^ 

2)    hiK    acc.    .i.J :     n.  ut-v    änoTuvtir     ovv.    i<v    tpovKotnif    toi  <       , 

pisc.  28:  oifdh  Trwvv  fuc/.i         'i'nua  rwr  Xoytov  dhtaO'ai. 

8)  Hi«  acc.  7:  o^  Ttuvxt^  iiox^rigoi  biöiv,  8:  6n6aoi  .  .  .  i(  xÖqov  imop  tt)^ 
ßatpfjg^  j^QTiarol  ikxQiß&f  &7CfXf'X^a9-t]tJC(v. 

4)  Bin  aco.  81:  iya  yicQ  6q&v  tccvtriv  oiniu  acatpgovoi^aav  ...  .  xodfiot»- 
fittTiV  ^i  xa)  tag  rQixas  t^tr^ovoa»  ig  x6  itaiQixbv  xori  rpvxlov  ittQißo' 
fiA'Tjt'  .  .  .  vnmnxtvov  .  .  .  «Cnj  Sk  iyiXa  xal  ijöiro  totg  igto^iivoig,  pisc.  fi: 
töi(fO}V  y%>vuiöv  ri  oi)%  ä'nXo\n6v  ....  älXU  %ax%tp<kvn  fioi  of>rf  tö  äyfrov  Aonoi>v 
r»'w  xo»iT,c  i%ak).to7ttiitnv  itbau  of'rf  .  .  .  .,  nQ68rikog  d^  ^v  noanovfih't]  aifVütg 
^iitfalvtTO  dt  rt  Kai  ^ifiv4^tov  xal  qpOKOff,  Hai  ra  jfj|iata  »dpru  irai- 


296  Kapitel  XUL    Der  Fischer. 

Aber  auch  die  Erinnerung  an  andere  Dialoge  hat  deutlich  ihre 
Spuren  hinterlassen-,  so  erinnert  in  eben  dieser  Rede  des  Parrhesiades 
an  den  'Hermotimos'  die  Bemerkung,  daß  er,  um  die  Philosophie  zu 
finden,  der  Menge  nachgegangen  und  in  diejenige  Tür  getreten  sei, 
wo  die  meisten  ein-  und  ausströmten;  denn  die  große  Anzahl  der 
Jünger  gibt  ja  Hermotimos  dem  Lykinos,  als  dieser  dasselbe  Bild  von 
den  verschiedenen  Türen  gebraucht,  als  Erkennungszeichen  für  die 
beste  philosophische  Richtung  an.^)  Besonders  aber  die  Verteidigungs- 
rede ruft  uns  außer  dem  ^Doppeltverklagten'  noch  manches  früher  Be- 
sprochene ins  Gedächtnis.  Hier  finden  wir  den  Schauspielervergleich 
(31),  der  uns  zuerst  in  der  'Nekyomantie'  begegnete^);  mit  derselben 
Satire  stimmt  auch  die  Schilderung  des  Treibens  der  Philosophen,  das 
zu  ihren  eigenen  Lehren  in  krassestem  Widerspruch  steht,  da  sie  an 
Geld,  Ruhm  und  Genuß  hängen,  während  sie  ihre  Schüler  Verachtung 
der  äußeren  Güter  lehren  wollen^);  nur  ihre  Neigung  zu  Schlemme- 
reien und  Gelagen,  bei  denen  sie  über  das  Maß  trinken,  wird  hier 
noch  hinzugefügt  (34).  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  dem  Schrift- 
steller dabei  Szenen  wie  im  den  'Hermotimos',  'Gastmahl'  und  'Hahn' 
vorschwebten;  auf  das  'Gastmahl'  führt  uns  ausdrücklich  der  Satz: 
'Die  Laien  aber,  die  etwa  dabei  sitzen,  lachen  natürlich  und  verachten 
die  Philosophie,  da  sie  solche  Kreaturen  großzieht' ;  denn  der  Gedanke, 
daß  die  Laien  sich  besser  benehmen  als  die  Philosophen,  und  Scham 


QL-nd-  yiccl  iitccivoviiivT]  VTtb  x&v  igccörmv  ig  xciXXog  ^';^at()f.  Die  Vergleichung 
zeigt  auch,  daß  die  Emendation  Cobets  an  der  ersten  Stelle:  xo^ifioviiivriv  nicht 
nötig  war. 

1)  Herrn.  15:  a^6v.qivcä  /xot,  toi  tots  Ttiatsvaag  tb  ngcätov,  bnoxs  jjsLg  cpiXo- 
60(pr}6(ov ,  TtoXXäv  aov  ^vq&v  ccvccTtSTtra^ivcov  TCccQslg  6v  rccg  aXXccg  sig  rriv  r&v 
Urco'C'Kmv  r}y,sg  v.a.1  di'  ixsivrig  7}^iovg  iitl  xr]v  ccqsxtjv  EiaievaL;  .  .  .  .  xlvi  xccvx' 
ixs-K^aigov  rdr£;  16:  kcagcov  xovg  TcXsiatovg  in'  avxrjv  bg^&vxccg  möxs  sinta^ov 
cc^isivco  slvai  avx'^v,  pisc.  12:  rj  avtbg  alotdaag  rj  h,svocyrjG<xvx6g  xivog  rjxov  ccv 
int    Xivccg    -^t'^jag   ßsßccioDg   iXitiGag    xoxs    yovv    svQfi'nivccf    xsKuccLQO^svog    xm 

TtX-^d'st  x&v  ioi6vx(ov  xs  xal  i^iovxcov -nal  cchxbg  iöfjXd'ov.     Vgl.  über  die 

Beziehungen  zum  Hermotimos  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLm  (1888)  S.  181  f. 

2)  Siehe  oben  S.  45  ff. 

3)  Necyom.  5:  noXXa  Sh  xovxav  i-nstvo  ccXoymxsQOV  xovg  yccg  avxovg  xovxovg 
svgi6v.ov  i7tixrigä)v  ivavxLmxccxa  xotg  ccvx&v  Xoyoig  i%ixr\dtvovxag^  pisc.  34:  %a.l  yug 
av  -Kcu  xods  Ttdvxcov  axoTtmxaxov  iaxLv  6xi  xovg  ^sv  Xoyovg  Vfiwv  Ttdvv  a-ngLßov6LV 
Ol  nolXol  ccvxmv,  yiccd-dTCsg  äh  inl  xovxco  ^ovov  ccvayiyvmG^iovxeg  avxovg  xal  ^sXs- 
xöavxsg,  atg  xa.va.vxia  irciXTidsvouv ,  ovxw  ßiovöiv.  Auch  die  folgenden  Vorwürfe 
zeigen  deutlich  die  Reminiszenz.  Unter  diesen  Umständen  wird  es  auch  kein 
Zufall  sein,  daß  der  Ausdruck  ov^s^ila  ^ri^avi]  xb  Siacpvyslv  (4)  wörtlich  sich  in 
der  ^Nekyomantie'  2  findet. 


Beziehnngen  zu  andern  Dialogen.  297 

darüber  oder  Verachtung  gegen  sie  kehrt  ja  im  'Symposion'  immer 
wieder.  Und  wenn  die  Wahrheit  am  Schluß  der  Rede  des  Parrhesiades 
wünscht,  die  Erde  möge  sich  vor  ihr  auftun,  damit  sie  vor  Scham 
versinken  könne,  so  haben  wir  den  gleichen  Ausdruck  bei  dem  Lykinos 
(28),  als  er  den  Brief  des  Hetoimokles  hört.^)  Die  Schilderung  end- 
lich von  dem  Philosophen,  der  bettelt  und  ungehalten  ist,  wenn  er 
nichts  erhält,  aber  dabei  sich  mit  seiner  Verachtung  gegen  Geld 
und  Reichtum  brüstet,  entspricht  der  Darstellung  im  'Tinion'  (56),  wo 
der  Philosoph  Thrasykles  auf  seine  Einfachheit  pocht  und  trotzdem 
gierig  nach  dem  jungen  Reichtum  des  Timon  schielt;  auch  hier  hat 
Lucian  sich  nicht  gescheut,  selbst  den  Wortlaut  zu  wiederholen^),  nur 
eine  Reminiszenz  aus  dem  'Ikaromenipp'  ist  noch  hinzugefügt.*) 

Es  ist  danach  klar,  daß  dieser  Kern  des  Dialoges,  die  Gerichts- 
szene, nach  dem  Muster  derjenigen  im  'Doppelt verklagten'  geschaffen 
ist  mit  einigen  Anleihen  aus  andern  Satiren.  Es  bedurfte  nun  aber 
eines  Rahmens,  für  den  es  natürlich  nicht  anging,  einfach  den  vorigen 
irgendwie  zu  kopieren.  So  erfand  Lucian  die  Verfolgung  durch  die  auf- 
gebrachten Philosophen,  die  für  einen  Tag  Urlaub  vom  Hades  erhalten 
haben;  es  kehrt  das  Motiv  wieder,  das  uns  schon  aus  dem  'Charon' 
bekannt  ist.'*)  In  der  Komödie  ist  es  ebenso  zu  Hause  wie  das  um- 
gekehrte der  Hades  Wanderung;  in  Eupolis'  'Demen'  stiegen  so  Milti- 
ades,  Aristides,  Solon  und  Perikles  aus  dem  Reiche  der  Schatten  empor  ^), 
um  dem  bedrängten  Staat  aufzuhelfen,  dort  allerdings  gerufen.  Näher 
aber  kommt  unserem  Motiv  die  schon  im  'Hermotimos'  (ßO)  gemachte 


1)  Conv.  28:  rovrwv  .  .  .  ^payivioaxon^vcov  fifira|t>  Idgms  xi  ^ot  jrfpifjfffro 
Vit*  ccldo^g  xai  xovxo  di\  xb  xov  Xdyov,  ;i;«vttv  ^loi  xijv  '/i)v  ij'öjjoV']»',  pisc.  .S8:  iym 
|t4r  ....  iiera^v  Xiyovxog  uinov  xofrä  xf^  y^e  Svvcci  Tj^jijdft»]*'.  Der  Ausdruck  ist 
dann  im  Lexiph.  25  wiederholt:  n&g  otn  xara  yfn  dvvcei  »j-ö^iOftrjv  &xov(ov  öov 
iTCidti-xvvyJvov. 

2;  Tim.  6ö:  TO  xQvaiov  (liv  yäg  o{>dhv  tiinmxtgov  xmv  iv  xolg  alyictXotg 
tjjritpldcav  /iot  doxttj  piac.  36:  ti  yccQ  x6  xQ^'^^ov  ^  &QyvQi.ov\  ovdhv  t&v  iv  xotg 
alyiaXoIg  -^yrnpidaiv  diuffiigov. 

8)  Icar.  81:  bI  dh  x&v  tfiXcav  xig  ri  ixalgmv  %axd%Hxcet  voa&v  ininov- 
glag  xi  xal  ^igaitfiag  Se6fit-vog^  &yvoä>;  80  würde  er  Hafj^en,  wenn  er  offen 
wftre.  Pinc.  85:  ^xav  di  xig  inmovglag  diönivog  ixccTona  N  nctlctiof^  xai 
ff  i log  änh  nolXibv  dUya  a/rj}  ngoail^Sv^  tfu»9rtj  usw. 

4)  Char.  1:  cclxrioai^ivog  ovv  naga  rof  Z4iAotf  xat  urro^f  ....  /ii«r 
T]\iiQav  Xtinovttog  ytvia^ai  dcptXi^lv^a  ig  x6  (pAg^  pisc.  -i:  itp'  olg  iyavaxxij- 
äavxtg  SevtXrilvd'a^fv  inl  ah  nugaixriaäiiivot  ngbg  dXlyov  %6v  kldnpia^  ti: 
filciv  f)fiigav  xavxr]v  nctgaixriaanivoi  ilnofup. 

Kork  I  S.  27U.     VkI.  Hirzel,  Der  Dialog  II  8.  806. 


298  Kapitel  XIII.     Der  Fischer. 

Verwendung  des  rhetorischen  Kunstgriffs  der  ddcoXoTioUa^),  bei  der 
ihm  Piatons  Kriton  50  A  vorgesehwebt  haben  wird.  In  jener  Her- 
motimosstelle  ist,  allerdings  in  anderm  Zusammenhang,  der  Gedanke 
unserer  Satire  im  Keim  schon  enthalten,  wenn  es  heißt:  'Wenn  ein 
Gott  Piaton  und  Pjthagoras  und  Aristoteles  und  die  andern  Wieder- 
aufleben ließe  und  sie  mich  umringten  und  wegen  Beleidigung  vors 
Gericht  führten  und  jeder  mit  mir  rechtete:  Warum  bist  du  nicht  meiner 
Lehre  gefolgt,  sondern  der  stoischen  usw.?'^) 

Dieser  erste  Teil  zeigt  uns  so  recht  das  Bild  der  menippischen 
Satire;  zahlreiche  Verse  sind  eingeflochten,  darunter  echt  kynische 
Homerparodien  ^),  wie  wir  sie  von  Krates  kennen.  Daneben  kommen 
Euripidesverse  vor  (Nauck  fr.  937,  938,  adesp.  291,  Orest.  413  Bacch. 
386 ff.),  ebenso  ist  der  Schluß  der  Gerichtsszene  durch  ein  Euripides- 
zitat  gebildet,  die  letzten  Verse  aus  dem  'Orest',  der  bäurischen  Iphi- 
genie'  und  den  Thönissen',  während  wir  im  'Symposion'  den  andern 
bei  Euripides  mehrfach  wiederkehrenden  Dramenschluß  hatten.  Die 
ganze  erste  Szene  erinnert  in  ihren  Zitaten  und  Parodien  aufs  leb- 
hafteste an  den  Anfang  des  'tragischen  Zeus'.  Mit  diesem  stimmt 
auch  die  Verwendung  des  Homer  und  Euripides  in  dem  Redekampf, 
der  sich  zwischen  dem  Gefangenen  und  seinen  Verfolgern  entspinnt; 
auch  dort  beruft  sich  der  Stoiker  auf  Homer  und  dann  auf  Euripides, 
aber  beide  Male  pariert  der  schlaue  Epikureer  mit  Tatsachen  oder 
Versen  aus  denselben  Dichtern,  die  das  Gegenteil  beweisen  (39 fl'.). 
Genau  so  hier  (3).  Der  Verfolgte  fleht  xad''  "O^rjQov^  seine  Gegner 
antworten:  'Auch  wir  sind  nicht  in  Verlegenheit  um  eine  Erwiderung 
aus  Homer.'    Darauf  der  Verfolgte  mit  Benutzung*)  von  Aristophanes^ 


1)  Siehe  Aphthonins  Progymnasm.  11:  üSaXonoua  Ss  rj  TtQoaconov  iihv 
^Xovaa  yvmQLiiov,  tsd^vsog  Ss  xal  xov  Xiysiv  Ttccvadfisvov  ob?  iv  J'^^oig  E^noXi? 
^TtXaaev  jcccl  'AgicxBidrig  iv  tm  VTthg  tmv  tsttccqcov. 

2)  Vgl.  Hirzel,  Der  Dialog  II  S,  305  flP.  Das  avaßicbvai  in  der  Hermotimos- 
stelle  hat  beim  ^Fischer'  den  Nebentitel  ävaßiovvrsg  hergegeben;  das  tl  vrad-mv 
spiegelt  sich  in  dem  o^xs  idicc  xi  TtQog  rjii&v  TtaO'cov  (pisc.  26)  wieder. 

3)  11.  n  363:  mg  (pQ't]tQi^  cpQrixqricpiv  ^cqriyrj^  (pvlcc  dh  cpvXoig  ist  umgeändert 
in  mg  Tcrjgri  ^VQ^icpiv  ccQ'i]yTj,  ßdxxQa  dh  ßdyixQOLg^  II.  XI  287  ist  wörtlich  über- 
nommen, ebenso  II.  XXII  262,  in  57;  aus  II.  XI  131:  ^wy^st,  'AtQBog  vis,  6v  d'  a|m 
Ss^uL  anoivcc  (X  378:  toi)yqHx\  I  23:  v-oi  äylacc  8i%Q'ai  anoiva)  und  X  379:  %ccXy,6g 
TS  XQVßog  X8  ■Kolvy.\irix6g  xs  oLdriQog  ist  hergestellt:  ^coygsix'  ov  xorxov  avÖQCc 
■hkI  a^ia  ^^x^£  aTtoiva^  lal-aov  xs  ^pvffdr  rg,  xä  Si]  cpiXiovai  ßocpoi  %bq.  II.  X  447/8 
ist  mit  kleinen  Änderungen  benutzt. 

4)  Ach.  394:  xat  ^loi  ßadiöxi'  iaxlv  mg  EvQiTriöriv ,  pisc.  4:  i^cl  xov  Evql- 
7ti8i]v  öri  ftot  -KaxatfhVKXhOV. 


Menippische  Form.     Verfolgungsszene.  299 

'Acharnem',  an  die  auch  der  Anfang  der  Szene  erinnert,:  *So  muß  ich 
mich  zu  Euripides  flüchten',  und  er  zitiert  einen  Vers;  doch  jene 
haben  sofort  einen  bei  der  Hand,  der  das  Gegenteil  besagt. 

Die  Verfolgung  ist  eine  echte  Komödienszene,  die  eigentlich  zu 
den  Personen,  die  sie  spielen,  den  ernsten,  würdigen  Philosophen,  den 
Häuptern  und  Vorbildern  der  Schulen,  die  über  den  Zorn  erha])en 
sind,  recht  schlecht  paßt.  Wir  müssen  lesen,  daß  Piaton  vorschlägt, 
den  Gefangenen  wie  Orpheus  oder  Pentheus  zu  zerreißen,  daß  ein 
anderer  rät,  ihm  die  Augen  auszustechen,  ein  dritter,  ihm  die  Zunge 
abzuschneiden  (2).  Mau  muß  an  Beratungen  denken  wie  die  der  Räu- 
ber in  Apuleius'  Metamorphosen  VI  31  betreffs  der  gefangenen  Prin- 
zessin, die  für  ihren  Fluchtversuch  bestraft  werden  soll.^)  Die  Be- 
ziehung auf  die  Komödie  hat  Lucian  in  den  ersten  Worten  seiner 
Satire  deutlich  erhalten-,  das  /3«AAf,  ßdXka^  Tials  rot^  ^vXocg  entspricht 
der  Szene  aus  den  'Achamern'  (280),  in  der  Dikaiopolis  von  den  auf- 
geregten Köhlern  in  seiner  schönsten  Friedensfeier  gestört  wird. 
Ähnliche  Szenen  sind  die  aus  Aristophanes'  ^Vögeln'  365:  k'Xxe  xCXks 
:iatB  deiQS  xoTits^  den  ^Rittern'  247  ff.  und  die  aus  Kratinos,  auf 
die  der  Aristophanesscholiast  aufmerksam  macht:  öcpartf  ösIqs  xoTtte. 
Aber  der  Ursprung  dieser  Lucianischen  Verfolgungsszene  liegt  wohl 
noch  weiter  zurück.  Eine  Parodie  ist  es  auf  die  blutgierigen  Eume- 
niden,  die  das  Leben  des  Muttermörders  fordern  zur  Sühne  für  die 
begangene  Tat. 

Wir  haben  unter  V'arros  {Satiren  eine  einst  sehr  uintaujjjreiche, 
die  'Eumeniden',  die  in  gewisser  Weise  an  Äschylus  anknüpfte.*) 
Über  den  Inhalt  ist  bei  aller  Phantasie  kaum  sicher  ins  Reine  zu 
kommen;  mir  scheint  aber,  als  ob  die  Rekonstruktion  von  Valilen 
der  Wahrheit  näher  kommt  als  die  von  Ribbeck  und  Riese.*) 
Auch  dort  haben  wir  einen  Verfolgten;  er  wird  gejagt  nicht  von 
Furien,  sondern  von  Knaben  und  Mädchen  (fr.  XXX  146  B.),  die 
hinter  ihm  herschreien  und  ihn  für  verrückt  ausgeben.  Einzel- 
heiten dieser  Jagd  fehlen  leider.  Aber  andere  Übereinstimmungen 
zwiflchen  der  römischen  und  der  griechischen  Satire  drängen  sich  auf. 
Die  Philosophen  bei  Lucian  erklären  sich  schließlich  bereit,  unter 
d«'m    Vor«if/    «!'•'    IMoInnophie   ein    regelrechtes   Gerichtsverfahren    vor- 

1)  Li  priiuu»  VI.  iri  censorot  puellam,  aecunduM  liCMtÜH  i>l)ioi  .sua- 
deret,  tortiu«  patibul<>  imrot,  quartuH  U)rmonti8  excarnificori  praeriporct. 

2)  Siehe  Vahlen.  uoa  in  Varron   «at.  Men.  170 f. 

8)  Bihberk.  Rhoü.  i...  XIV  (I8ft»)  S  loöü.  («e«chiohte  dor  ■■...  hi.  >.<.,..., 
I  S.  860  ff.     Kiene,  Varron.  Mt.  Men.,  LipH   1866,  B   lUt. 


300  Kapitel  Xm.     Der  Fischer. 

zunehmen;  Piaton  weiß,  wo  sie  zu  treffen  ist;  doch  siehe,  da  kommt 
sie  schon  selber^);  und  sie  kommt  in  Begleitung  der  Wahrheit  und 
anderer.  Auch  bei  Varro  hatte  die  Entscheidung  in  dem  Streit,  ob 
wahnsinnig  oder  nicht,  schließlich  eine  über  Menschenirrtum  erhabene 
Persönlichkeit  zu  fällen,  die  Wahrheit^);  und  offenbar  war  die  Szenerie 
ähnlich:  man  sucht  sie,  und  siehe,  da  naht  unerwartet  die  greise 
Wahrheit,  der  attischen  Philosophie  Pflegekind.^)  Wenn  sie  hier 
allein  das  Urteil  abgab,  so  hat  sich  doch  in  dem  Zusatz  die  Erinne- 
rung noch  erhalten,  daß  sie  einst  in  größerer  Gesellschaft  auftrat,  und 
ihr  Beiwort  'cana'  kann  wohl  als  Übersetzung  des  Lucianischen 
d^vögä  7<al  döaq)rjg  ro  XQco^a  angesehen  werden.  Die  Philosophie 
mit  ihrer  Begleitung*)  und  die  beiden  Parteien  ziehen  zum  Areopag^), 
wo  eigentlich  wie  im  ^Doppeltverklagten'  der  Prozeß  verhandelt  wer- 
den müßte;  aber  gänzlich  unmotiviert  ändert  die  Philosophie  ihre  Ab- 
sicht; oder  vielmehr,  was  weit  schlimmer  ist,  die  Motivierung  wird 
zwar  hinzugefügt,  aber  sie  paßt  wie  die  Faust  aufs  Auge:  ^Wir  wollen 
lieber  zur  Akropolis  gehen',  heißt  es  (15),  'da  von  der  Warte  aus  alle 
Vorgänge  in  der  Stadt  für  uns  sichtbar  sind.'  Für  den  Streit  der  Philo- 
sophen mit  Parrhesiades  ist  das  zwecklos,  für  die  Prüfung  der  modernen 
Jünger  der  Philosophie  aber,  wie  sie  sich  nachher  in  dem  Fischzug 
anschließen  soll,  nötig;  man  sieht  hier  deutlich,  wie  Lucian  die  Ge- 
richtsszene nach  dem  Muster  des  'Doppeltverklagten'  in  einen  ur- 
sprünglich anders  gearteteten  Zusammenhang  eingeschoben  hat;  denn 
hier  ist  schon  die  Prüfung  von  oben,  wie  sie  nachher  stattfindet,  in 
der  eigentümlichen  Begründung  vorausgesetzt,  obwohl  sie  durchaus 
nicht  in  logisch  festgefügtem  Zusammenhang  mit  unserer  Szene  steht. 
Ahnlich  scheint  der  Vorgang  bei  Varro  zu  sein.    Auch  da  steigen  sie 


1)  Pisc.  13:  17  dk  ij^ri  nov  atpih,Btai ii&XXov  8s  ijdr}  TtQOOegxstccL. 

2)  Über  die  Personifizierungen,  die  bei  den  Kynikern  beliebt  sind,  vgl. 
Weber,  Leipz.  Stud.  X  S.  161  fF.  Norden,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl.  XYIII 
S.  344  ff. 

3)  Fr.  XXV  141  B.:  et  ecce  de  inproviso  ad  nos  accedit  cana  Veritas  Attices 
philosophiae  alumna. 

4)  Der  Elenchos  als  Freund  der  Wahrheit  und  des  Freimuts  wird  von 
Lucian  pseudolog.  4  wieder  angebracht,  und  zwar  mit  Angabe  der  Quelle:  er 
hat  in  einer  Menandrischen  Komödie  den  Prolog  gesprochen  (Kock  III  S.  165, 
vgl.  Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  307,  2). 

5)  Wenn  die  Philosophie  ihre  Jünger  tröstet  mit  dem,  was  sie  selbst  von 
der  Komödie  erduldet  hat,  so  erinnert  das  an  das  Wort  des  Kleanthes,  Diog.  L. 
Vn  173:  Es  schicke  sich  nicht,  daß  er  wegen  einer  Schmähung  im  Theater  grolle, 
während  Dionysos  und  Herakles  sich  beleidigen  ließen,  ohne  zu  zürnen. 


Varros  'Emnenidea».  301 

auf  eine  Höhe,  und  wie  sie  auf  die  Warte  kommen,  sehen  sie,  wie  das 
Volk  von  allerlei  Wahnsinn  gepackt  ist.^)  Bei  Varro  wurde  dann 
die  Musterung  der  Menschen  und  Philosophen  vorgenommen,  die 
Lucian  in  so  eigenartiger  Weise  nachher  angefügt  hat.  Zum  Schluß 
fand  eine  Rechtfertigung  des  Verfolgten  statt,  der  feierlich  durch 
Spruch  des  Gerichts  wieder  in  Ehre  und  Reputation  eingesetzt  wird 
(fr.  XXI  147  B.).  So  wird  auch  Parrhesiades  einstimmig  frei  von 
Schuld  erklärt.  Soll  man  es  für  Zufall  halten,  daß  dieser  bei  Lucian 
vor  der  Gerichtsszene  ein  Gebet  an  Athene  richtet  mit  offenkundiger 
Beziehung  auf  den  verfolgten  Orest,  den  sie  durch  ihren  weißen 
Stimmstein  gerettet  hat  (21)?  Es  ist  gewiß  auch  von  Bedeutung, 
daß  Horaz  in  der  dritten  Satire  des  IL  Buches  sich  mehrfach  mit 
Varro  aufs  engste  berührt^),  in  einer  Satire,  in  der  wir  schon  oben') 
auf  menippisches  Gut  zu  stoßen  glaubten.  So  können  uns  hier  die 
spärlichen  Fragmente  Varros  doch  noch  als  Wegweiser  dienen,  um 
den  Spuren  Menipps  nachzugehen.  Es  war  vermutlich  in  der  Satire 
das  Thema  behandelt,  das  die  Stoiker  zu  ihrem  Dogma  gemacht 
haben:  ötl  Jiag  atpQOV  fiaCvstai,;  und  der  es  aussprach,  wurde  selber 
als  verrückt  verfolgt,  bis  er  nach  eingehender  Prüfung  der  Menseben 
im  allgemeinen  und  besonders  der  Philosophen  durch  Schiedsspruch 
unter  dem  Vorsitz  der  Wahrheit  für  gesund  und  zu  seiner  Behaup- 
tung berechtigt  erklärt  wurde;  vermutlich  kam  dabei  auch  eine  Ver- 
teidigung des  Angeklagten  vor,  wie  Lucian  sie  hat,  und  hier  er- 
stattete dieser  Bericht,  wie  er  bei  den  Philosophen  vergeblich  umher- 
gegangen sei,  ganz  in  der  Weise  des  Menipp  in  Lucians  *Nekyomantie' 
und  'Ikaromenipp'^),  wie  er  sich  sogar  dem  Glauben  in  die  Arme 
geworfen  und  im  Mysterienwesen  sein  Heil  gesucht  habe,  falls  die 
darauf  bezüglichen  Fragmente  bei  Varro  nicht  vielmehr  der  Muste- 
rung der  Menschen  und  der  Erzählung  irgend  eines  anderen  dabei 
zuzuweisen  sind.  Lucian  hat  eine  sob^he  Satire,  die  er  vorfand, 
zum  Zwecke  seiner  persönlichen  Verteidigung  umgewandelt;  so  sind 
die  Philosophen,  die  er  zu  den  Verfolgern  machen  mußte,  ganz 
gegen  ihren  Charakter  zu  Furien  geworden.  Nun  ist  auch  der  Fort- 
gang der  Ijuciunischen  Satire  in  Heiner  Fntstehung  klar.  Das  Vorbild 
enthielt  iiidit   nur  cino  VortriditruiiLr.  sondern  vor  all<Mii  drn  Nnrhwois, 

TriiKH  Varro  fr.  I  117  1'  ,   .  im  vciümui, 

M'lffmni  populum  uiw. 

2)  Siehe  Vahinn,  Coniect  in  Varr.  tat.  Man.  S.  184  f. 

»)  Siehe  S.  2M6  I  4)  Siehe  S.  «9  ff.  mS  ff. 


302  Kapitel  XIII.     Der  Fischor. 

daß  in  der  Tat  alle  Menschen  Narren  sind.  Im  'Fischer'  hätte  die 
Rechtfertigung  des  Parrhesiades,  er  habe  nicht  die  alten  Meister  der 
Philosophie^  sondern  ihre  falschen  Jünger  mit  seinem  Spotte  gemeint, 
völlig  genügen  können,  da  ja  die  Berechtigung  des  S})otte8  gegen 
diese  allgemein  zugegeben  wird,  und  die  Schlußverse  des  Euripi de i sehen 
Dramas,  die  hier  wie  im  'Gastmahl'  angebracht  sind,  oihöhen  den 
Eindruck,  daß  der  Dialog  zu  Ende  ist.  Aber  sein  Vorbild,  das  ihm 
auch  das  Wort  von  der  'Warte'  eingegeben  hatte,  drängte  Lucian 
zu  einer  Musterung  im  Sinne  Menipps. 

Wir  kommen  zu  diesem  zweiten  Teile  der  Satire,  dessen  Beginn 
deutlich  mit  den  Worten  bezeichnet  ist :  Nun  laß  uns  mit  dem  zweiten 
Tranke  beginnen!  Dieser  Teil  enthält  zunächst  eine  Gerichtsverhand- 
lung gegen  die  falschen  Philosophen.  Der  Syllogismus  nimmt  die 
Rolle  des  Hermes  im  ^Doppeltverklagten'  ein  und  ruft  wie  jener  zu- 
sammen.^) Der  Erfolg  wird  beide  Male  hinzugefügt;  dort,  der  Fiktion 
von  den  überständigen  Prozessen  entsprechend,  eine  zahllose  Menge,  die 
herbeiströmt,  hier  nur  sehr  wenig,  da  die  meisten  glauben  sich  verbergen 
zu  können.  Darauf  ruft  Parrhesiades  zu  einer  Verteilung;  hier  sind 
wieder  Homerverse  reichlich  verwendet  und  parodiert;  so  werden  zwei 
Talente  ausgesetzt  mit  den  Worten,  die  Homer  (II.  XVIII  507  f.)  bei 
der  Schildbeschreibung  in  der  Gerichtsszene  gebraucht,  aber  nicht  für 
den  bg  ^stä  tolöc  öixrjv  i^vvxara  dicoi^  sondern  ö^  ^sxä  Ttädtv 
iQL^E^sv  e^oxog  sh];  nun  stürzen  sie  heran,  dem  Wespen^chwarm  gleich, 
gerade  wie  im  'Doppeltverklagten' ^),  nur  das  Homerische  ßozQvdöv 
(IL  II  89)  ist  hinzugefügt,  wie  dann  der  ganze  Vers  II.  II  468  und  die 
erste  Hälfte  von  IL  II 463  zur  Schilderung  verwandt  sind.  Lucian 
hat  nun  aber  vermieden,  die  Gerichtsszene  zu  wiederholen,  die  ja 
neben  der  ersten  sehr  eintönig  gewesen  wäre  und  ohne  Schaden  für 
das  Ganze  nicht  hätte  noch  einmal  angebracht  werden  können.  Darum 
läßt  er  die  Philosophen  davonlaufen,  sobald  sie  hören,  daß  über  sie 
zu  Gericht  gesessen  wird;  nur  ein  Ranzen  wird  von  einem  Kyniker 
verloren,  und  da  hat  man  nun  den  deutlichsten  Beweis,  daß  es  diesen 
Scheinphilosophen    mit   Entsagung    und    Verzicht    auf   äußere    Güter 


1)  Bis  acc.  12:  ccxovsts  Xsa  ....  bnocoi  yQcctpccg  ccTtijvsyKccv^  ißV-siv  ig"AQSiOv 
■jtdyov,  pisc.  40;  ccv,ov8  öiya-  rovs  cpiXoGocpovg  ijxsiv  i?  ayiQOTtoXiv  und  nachher  41: 
ccTiovs  oiycc-  oöoi  (piXoöocfOL  eIvcci  XtyovGi  .  .  .,  ^kslv  ig  ayiQOTtoliv  inl  xr]v  Siavoiirjv. 

2)  Bis  acc.  12:  ßccßai  rov  &OQvßov 13:  a&QOOL  yovv  ....  h,vv%'iov6i 

^OQvßovvteg  mansQ   oi    Gcpriasg  TtSQißo^ßovvtsg  Trjv   angccv^    pisc.  42:    ßccßccl 

G}g    nlriQrig    \lIv    rj    avoSog    dtd'L^o^^vcov ävigitovai    ßo^ßr]Sbv    .   .  .    kcc] 

ßoTQvdbv  ißiiov  8iv.7\v. 


Philosophengericht.  303 

nicht  so  ernst  ist:  selbst  ein  Spiegel  findet  sich  darin.  Daß  dieser 
Vorwurf  gegen  die  Philosophen  alt  ist,  zeigt  Juvenal  2,  99 :  'ille  tenet 
speculum'  ebensowohl  wie  die  Entrüstung,  mit  der  die  Ankläger  des 
Apuleius  in  ihrer  Anklagerede  ausriefen:  ^habet  speculum  philosophus, 
possidet  speculum  philosophus'  (apol.  c.  13).  Dieser  Beweis  der 
Richtigkeit  der  Anschuldigimg,  an  dem  Vertreter  einer  philosophischen 
Schule  geliefert,  hätte  nun  wieder  genügen  können.  Es  hat  sich  ge- 
zeigt, wie  notwendig  es  ist,  zu  sonrlem  zwischen  den  echten  und  un- 
echten Jüngern  der  Philosophie,  und  die  Wahrheit  —  hier  tritt  auch 
bei  Lucian  sie  allein  in  Funktion  —  wird  aufgefordert  das  zu  tun; 
sie  will  mit  Hilfe  des  Parrhesiades  und  des  Elenchos  die  Schafe  von 
den  Böcken  trennen,  die  einen  ehren  und  die  anderen  brandmarken; 
wer,  wenn  man  ihm  Geld,  Ruhm  und  Lust  vorhält,  nicht  begehrlich 
danach  schielt,  der  hat  die  Probe  bestanden.  Es  sind  die  drei  Leiden- 
schaften, die  gewöhnlich  zusammengestellt  werden^)  und  die  doch 
auch  wohl  Varro  in  der  vorher  besprochenen  Satire  ^Eumenides' 
meint,  wenn  er  sagt:  'Wir  sehen  das  Volk  von  drei  Furien  gehetzt' 
(fr.  I  117  B.).  Damit  ist  nun  alles  erledigt;  und  daß  diese  Ankündigung 
den  Schluß  des  Ganzen  bilden  konnte,  zeigt  recht  deutlich  der  Um- 
stand, daß  sie  am  Ende  in  gewisser  Weise  wieder  aufgenommen  wer- 
den mußte.^j 

Lucian  genügte  die  Prüfung,  wie  sie  durch  die  Flucht  der  Philo- 
sophen verkürzt  war,  nicht.  Auch  schien  es  ihm  gut,  noch  ein 
anderes  Motiv  zu  verwerten,  das  dann  der  Satire  den  Namen  gegeben 
hat.  Trotz  des  Lobes,  das  Wieland  unserer  Schrift  gezollt  hat,  muß 
man  sagen,  daß  sich  dies  Schhißmotiv  durchaus  nicht  in  den  Hahmeu 
des  übrigen  fügt;  bisher  hat  sich,  die  Möglichkeit  des  Erscheinens 
der  alten  Philosophen  und  der  Personifizierung  abstrakter  Begriffe 
einmal  zugegeben,  alles  in  gewisser  Weise  in  den  Grenzen  des  Natür- 
lichen gehalten,  jetzt  kommen  wir  in  das  Reich  des  Phantastischen 
und  Märchenhaften.  Die  Vertreter  der  einzelnen  Sekten  werden  mit 
der  Angel  und  dem  Köder  gefischt.  Daß  dies  Motiv  nicht  Lucians 
Phantasie  entstammt,  ist  v(»n  vornherein  klar;  denn  es  war  überflüssig 
und  schließt   sn'l»   niclit  tad«'lloH  an  die   h'iktion   ;m,   der  er    bisher  ge- 

1;  Siebe  Norden,  Jahrb.  t.  klass.  i'hil.  Huppl.  XVlil  :\mff.  Luc.  cjn.  18 
liicllt  zunächMt  ebcnMo  zuHamin«'"  ?'a..v?'  a,;;;,.  ,,,.i„,/.oA.<  :  ebenso  nloi^tog,  «^ö^o, 
^ovi}  Herraot.  7'h  (vj(1.  22). 

2)  PiiC.  62:  xvxXtp  in\  nuiiu^  utroi»  iutiti  n  ötiqparoOr»  ^  iyndtti^  cb(? 
ftpriv,  nftnilich  lA:  arttpaputadtu  9aXXo(>  cri<pdv^  und  tfri/furtcr  tniPaXitn 
i,  tynavautu. 


304  Kapitel  Xm.     Der  Fischer. 

folgt  ist.  Er  hat  also  auch  dies  Motiv  vorgefunden  und  mit  dem 
der  Menippischen  Satire  kombiniert;  ob  es  aus  einer  anderen  Menipp- 
satire  herrührt,  muß  zweifelhaft  bleiben.  Der  Vergleich  mit  den 
Fischen  ist  nicht  neu.  Daß  sie  in  der  Fabel  eine  Rolle  spielen,  ist 
aus  Herodot  I  141  (Babrius  9  ed.  Crusius)  bekannt.  Fische  finden 
sich  personifiziert,  also  im  Grunde  vielfach  Menschen  in  Fischgestalt, 
in  der  Komödie,  wie  in  dem  charakteristischen  Stück  des  Archippus, 
das  daher  seinen  Namen  hat  (Kock  I  S.  681),  und  aus  dem  sich  die  treff- 
liche Anrede  ävdQsg  Cx^vsg  (Kock  I  S.  685)  erhalten  hat.^)  Der  Ver- 
gleich eines  Menschen  mit  einem  Fische  ist  uns  schon  früher  bei 
Lucian  in  einer  Weise  begegnet,  die  stark  an  unsere  Darstellung  an- 
klingt.^) Andererseits  findet  sich  in  der  Komödie  nicht  nur  die  Metapher 
des  Fischens,  wie  in  Aristophanes'  'Rittern'  313^),  sondern  auch  der  wirk- 
liche Vorgang,  wie  in  des  Heniochus  ^Polypragmon'  (Kock  II  S.  432) 
offenbar  eine  solche  Szene  vorgeführt  war.*)  Aber  die  sclilagendste 
Parallele  zu  Lucians  Darstellung  verdanken  wir  einer  glücklichen  Ent- 
deckung von  Diels;  sie  findet  sich  in  Timons  Sillen."')  Da  waren  in 
einem  Abschnitt  des  ersten  Buches  die  Philosophen  als  Fische  ge- 
dacht. Zeno  war  der  Fischer,  der  sie  in  seinen  Spitzfindigkeiten  zu 
fangen  sucht;  aber  das  Flechtwerk  der  Reusen  ist  zu  klein,  und  sie 
reißen  es  mit  fort.  Es  sind  nur  wenige  Fragmente,  aber  sie  gewähren 
doch  einen  Einblick  und  helfen  uns  hier,  wo  wir  uns  schon  mit  den 
geringsten  Andeutungen  begnügen  müssen.  Wir  hören,  wie  Piaton 
die  Schar  führt  (fr.  30  Diels),  mit  Anspielung  auf  seinen  Namen  als 
TtXaxCöxaxog  bezeichnet;  und  auch  sonst  werden  bei  den  Akademikern 
von  Timon  gerade  die  Ableitungen  von  ^latvg  immer  wieder  bevor- 
zugt.^)    Es  ist  kein  Zufall,  daß   auch  Lucian  (49)   in   gleicher  Weise 


1)  Daß,  ganz  ohne  Rücksicht  auf  das  Hauptmotiv  der  Komödie,  die  Fische 
mit  menschlichen  Eigenschaften  und  Empfindungen  versehen ,  auch  bestimmte 
Personen  in  diesem  Chor  direkt  gezeichnet  waren,  ist  doch  wohl  zweifellos. 

2)  Siehe  oben  S.  205    (Tim.  22):    dial.  mort.  VIIT:    &671Sq   rt?   Xd^Qoc^  v.a.1  xb 

ayKiaxQov  rm  ÖEXiccn  avyuccrccandaccg;  dazu  pisc.  48:  ögo)  tiva.  Xdßgccv.a Ttgoa- 

iQ^atai  dr]  r«   ccyniotQa)   y.8xr]väig.     Varro  Fv&d'L  aavrov  fr.  XI  209  B.  ist  zu  ver- 
schieden, als  daß  er  sich  heranziehen  ließe. 

3)  Känb  r&v  Ttsroäv  avadsv  rovs  (pogovg  %^vvvo6v.07tug. 

4)  Es  sagt  jemand:  bqöi  ds  &ccv^'  uTtLötov,  l^d'vav  y^vr]  nsgl  Tr]v  dyiQccv 
Ttai^ovta;  das  setzt  die  Situation  voraus,  wie  wir  sie  hier  haben  (48):  bgä)  tiva 
Xd§QaY.a.  usw. 

5)  Poet.  Graec.  Fragm.  EI  1  S.  183  ff. 

6)  Fr.  34:  ti  TtXccxvvsai  tjXI^los  wg;  fr.  35:  ovd'  'A-Kccärnuayiäiv  TcXatvQi^iioa'vvris 
dvaXiaxov. 


Timons  Sillen.  S05 

mit  dem  Namen  spielt:  rCg  ccXkog  ovtog  6  nXatvg]  Natürlich  der  Pla- 
toniker.  Klarheit  verschafft  bei  Timon  das  Wort,  das  Arkesilaos  sprach 
(fr.  32),  inj^ouai  sig  llvQQcova^  sowie  Lucian  (50)  sagt:  xdhv  d:r£vi]- 
h^axo.  An  Timons  (fr.  52):  dXCyov  XQsag^  oötsa  Ttokkd,  kann  man 
denken,  wenn  es  von  dem  Kynikerfisch  heißt  (48):  äßQaxog  xs  yccQ 
eöxL  xal  fLdsx^y)g  xal  öxhiQog  xal  dxi[iog.^)  Daß  Lucian  im  einzelneu 
für  seine  knappe  Skizze  nicht  sehr  viel  entlehnt  hat,  ist  selbst- 
verständlich, da  das  Sujet  doch  im  Grunde  ein  ganz  anderes  war.  Es 
ist  auch  möglich,  daß  ihm  eine  andere  Quelle  noch  näher  gelegen  hat. 
Das  war  entweder  die  Komödie;  so  erinnert  der  Witz  (51),  daß 
Parrhesiades  den  Fisch,  der  angebissen  hat,  nach  seiner  Richtung 
fragt,  dann  aber  selbst  hinzufügt:  'Wie  lächerlich,  daß  ich  einen 
Fisch  zum  Reden  bringen  will!',  an  das  Fragment  des  Pherekrates 
(Kock  I  S.  178)  aus  den  MvQur^xävd^QCJTioi:  xi  Irjgsig;  dXXd  q)(ovrjV 
ovx  £x^LV  ix^vv  ys  q)a(ii  xb  jcaQccTtav.  Die  zweite  Möglichkeit,  die 
man  natürlich  neben  der  Benutzung  Timons  offen  halten  muß,  wäre 
die  Annahme,  daß  auch  Menipp  das  gleiche  Motiv  wie  dieser  in  einer 
Satire  verwendet  hatte  und  Lucian  so  seinem  eigentlichen  Vorbilde 
auch  hier  treu  blieb.  Man  muß  sich  begnügen  zu  erkennen,  daß  er 
aus  fremder  Quelle  geschöpft  hat,  auch  wenn  man  ihren  Namen 
nicht  kennt.  ^) 

1)  Ist  es  Zufall,  daß  sich  leicht  aus  den  Worten  ein  Hexameter  ergibt? 

2)  ThemiHtius  hat  die  Frage,  wie  man  die  falschen  Philosophen  von  den 
echten  sondern  könne,  in  einer  ausführlichen  Rede  behandelt,  dem  ßccaariany 
(XXI),  und  es  scheint,  als  ob  ihn  dabei  die  Kenntnis  Lucian»  beeinfluüt  liat, 
allerdings  wohl  nicht  nur  dieses  einen  Dialoges.  Es  kehrt  bei  ihm  der  Esel  in 
der  Löwenhaut  wieder  (246b,  Luc.  pisc.  32  fug.  13);  er  hebt  hervor,  wie  das 
Vorgehen  der  Scheinphilosophen  den  wahren  Philosophen  zugeschoben  wird 
(246d  247a,  pisc.  32  fug.  21).  Es  findet  sich  der  Schauspielervergleich  ganz 
ähnlich  (261  c,  pisc.  '61  j.  Lebhaft  wird  geschildert,  wie  die  Philosophen  Schüler 
fischen  (na^üntQ  Ix^v^'  StXuxa&ivxa^i)  (20 1  b),  wie  der  Lehrer  aufs  Honorar  erpicht  ist 
und  dabei  sagt:  xi  yuq  6  nlovtoi\  (261  c,  pisc.  36:  xi  yuQ  xu  x(»i^oiov\).  Auch  das 
inaigovxfs  ittj»'  ö(p(fvv  (24Ub),  wenn*8  auch  aus  der  Komödie  stammt,  erinnert 
an  Lucian  (bis  acc.  28  dial.  mort.  X  8  Icar.  29).  Das  Bild  von  den  Hunden,  die  sich 
zanken,  Hobald  man  einen  Knochen  unter  sie  wirft,  das  Lucian  pisc.  'M\  verwendet 
{ifCHÖüv  xig  öatovv  is  nioovi  avxovi  iftßäXjj,  (V»'tc7rijd»/'rt«vTftf  Sdxvovaiv  «Aa»/xoi'>' 
xal  rof  TtQoagndaavxa  xb  daxovv  vXttxtovai)  hat  Themistius  mgl  (ptXias  (X.XII  2(U)c: 
imiSäv  Ah  dXiyct  xi^nctta  fifta^h  tvxti  tis  ßdXji,  &antQ  tu  nvvaQia  ti(9ttXX6iitvot 
ddxvoval  xt  dXXi/jXovg  xal  anagaTtovai).  Weniger  sicher  ist  die  Erinnerung  an 
den  'Hahn'  (261  c:  ix^votr  faovxai  dvavd6xtQ0t,  Luc.  gall.  1:  d(p(or6xfQog  ItfOfusi 
x(bv  lxf>vtap)^  auch  bei  dor  Heziehung  auf  die  Homerischen  Traumton»  un«l  da« 
Honiohsche  diuvriv6t  (263  c,  Luc.  gall.  6.  6).  In  «ler  Rode  ntifl  ('nfX^i  {\X\i\  9 
P   20)  erinnert  die  Darlegung,  worin  nicht  die  Rtllrke  Solons  und  der  Weisen 

ilnln.      i  u.i  M«uipp.  S^ 


306  Kapitel  XEI.     Der  Fischer. 

Die  Satire  trägt  mehr  den  menippischen  Charakter  ^Is  die  zu- 
letzt besprochenen;  denn  sie  macht  in  weit  größerem  Umfang  von 
alten  Versen  Gebrauch,  und  zwar  nicht  nur  in  Form  von  Zitaten, 
sondern,  wie  wir  das  nach  Senecas  Apokolokyntosis  und  Petrons 
Roman  als  zum  Wesen  der  menippischen  Satire  gehörig  annehmen 
müssen,  unmittelbar  zur  Weiterführung  des  Gesprächs  oder  der  Hand- 
lung. In  dieser  Fülle  hat  das  nur  am  tragischen  Zeus'  seine  Parallele. 
Damit  hängt  es  auch  zusammen,  daß  hier  die  Mythologie  wieder  in 
reicherem  Maße  verwandt  ist.  Wir  haben  Pentheus  und  Orpheus  (2), 
deren  Schicksal  die  Verfolger  dem  Parrhesiades  drohend  vor  Augen 
halten,  Thamyris  und  Eurytos,  deren  Undankbarkeit  er  weit  von  sich 
weist  (6).  Wir  haben  den  charakteristischen  Vergleich  der  falschen 
Philosophie,  der  die  Leute  nachlaufen,  ohne  zu  merken,  wie  sie  ge- 
narrt werden,  mit  der  Nebelgestalt  der  Hera,  die  Ixion  umfing  im 
Wahne,  die  Himmelskönigin  in  seinen  Armen  zu  halten  (12).  Das 
läßt  engen  Anschluß  an  Menipp  vermuten.  So  hat  Lucian  auch  hier 
Steinchen,  die  er  schon  einmal  benutzt  oder  die  er  früher  hatte 
liegen  lassen,  mit  solchen  aus  neuen  Fundstellen  zu  einem  neuen 
Mosaik  zusammengesetzt:  aber  entlehnt  sind  im  Grunde  jene  wie 
diese,  und  nur  die  Geschicklichkeit  des  Aneinanderfügens  ist  sein 
Eigenstes. 


lag,  sehr  lebhaft  an  die  Vorwiirfe,  die  Lucian  den  Philosophen,  besonders  den 
Stoikern,  wegen  ihrer  brotlosen  Künste  macht  (ovx  ort  GvXXoytG^ovs  ^atgscpov  avco 
v,al  Tidtco  ov&h  6xi  tieql  t&v  Idsiäv  diBliyovxo  ovdh  oti  rovg  iyxSTiccXv^^ivovg  ccv- 
S'KccXvmov  'Kccl  tovg  xSQativccg  .  .  .  .,  ccXX'  ov$h  ort  xov  ^Xlov  avsiiszQOvvto  oväh 
OTt  tfjg  GsX-^vrig  ^yvcoyidxBvov  trjv  noQsiav).  Die  Allegorie  am  Schluß  der  Schrift 
TtEQi  (piXiccg  (280  a  ff.)  scheint  über  Lucians  rhet.  praec.  6  ff.  zurückzugreifen  auf 
dessen  Vorbild,  des  Kebes  rclvcc^  (vgl.  c.  XV  ff.,  IX  ff.),  auf  den  Lucian  ja  hier 
und  in  der  anderen  Benutzung  de  merc.  cond.  42  ausdrücklich  hingewiesen  hat. 
Dagegen  ist  wohl  die  Darstellung  des  rhet.  praec.  für  die  Schilderung  der  beiden 
Wege  in  der  Rede  tcsqI  aQsrfjg  maßgebend  gewesen,  die  nur  syrisch  erhalten  ist 
(Rhein.  Mus.  XXVII  [1872]  S.  439  ff.);  dort  sind  auch  Antisthenes,  Diogenes  und 
Krates  (vgl.  fug.  16,  dial.  mort.  27)  als  diejenigen  genannt,  die  nach  Sokrates 
den  einen  Weg  schritten  (S.  442),  den  man  mcitSQ  i-n  TCSQicoTtfjg  erblickt  (siehe 
oben  S.  90.  301). 


Kapitel  XIV. 
Die  Ausreißer. 

An  den  'Doppeltverklagten*  und  den  'Timon'  schließt  sich  in 
gewisser  Hinsicht  die  Satire  'die  Ausreißer'^)  an,  die  in  derselben 
Weise  sich  aus  einem  Gespräch  im  Himmel,  einer  Wanderung  zur  Erde 
und  einer  Szene  auf  Erden  zusammensetzt.  Zeus  und  Apollo  unter- 
halten sich  über  den  jüngst  erfolgten  freiwilligen  Tod  des  Peregrinus, 
den  Zeus  mit  dem  des  Empedokles  vergleicht;  er  will  gerade  im  ein- 
zelnen über  die  Gründe  dazu  berichten,  da  kommt  die  Philosophie 
weinend  und  erzählt  auf  Befragen,  sie  sei  entsetzlich  gekränkt  wor- 
den, aber  weder  von  den  Laien  noch  den  Philosophen,  sondern  von 
denen,  welche  die  Maske  der  Philosophie  vornähmen,  im  übrigen  aber 
unter  dem  Deckmantel  philosophischer  Gesinnung  alle  möglichen 
Schandtaten  ausführten.  Die  Philosophie,  die  zur  Erde  gesandt  war, 
um  die  Menschen  vor  Unwissenheit  zu  retten,  muß  nun  ausführlich 
all  ihre  Erlebnisse  erzählen.  Sie  fängt  an  mit  ihrer  Aufnahme  bei 
Indem  und  Brahmanen,  Athiopen  und  Ägyptern  und  kommt  dann  zu 
den  sieben  Weisen,  Pythagoras,  Heraklit  und  Demokrit.  Mit  den  So- 
phisten begann  ihr  Kummer;  denn  sie  sahen  nicht  auf  die  Wahrheit, 
sondern  nur  auf  den  Schein,  gaben  sich  mit  Spitzfindigkeiten  ab  und 
prunkten  mit  Worten,  ja,  sie  verfolgten  die  wahren  Philosophen,  weil 
diese  ihnen  entgegentraten,  mit  ihrem  Haß  und  zwangen  sie,  den 
Schierlingsbecher  zu  trinken.  Da  hätte  sie  gern  die  Erde  verlassen, 
aber  Antisthenes,  Diogenes,  Krates  und  Menipp  überredeten  sie,  noch 
eine  Weile  zu  bleiben.  Nun  ist  aber  ein  Volk  von  Scheinphilosophen 
aufgekommen,  Schuster  und  Zimmerleute,  die  ihr  Handwerkszeug  fort- 
geworfen und  die  bc(}uemc  Tracht  der  Philosophen  angenommen  haben, 
wahre  Esel  in  der  Löwenhaut,  die  aber  den  Laien  den  Eindruck  echter 

1;  Ich  adoptiere  die  t;liorHoUung  yon  Hirxol  II  >S.  808.  Die  Beziehungen 
üieaei  Dialoget  %n  PUtoni  Kuthydem,  dio  dort  (.8.  Hlo  Anm.  8)  eugeftkhrt  sind, 
habe  ich  flberf^ngen,  weil  iie  einer  genauen  Prüfung  nicht  «Undhalten. 

W 


308  Kapitel  XIV.     Die  Ausreißer. 

Philosophen  machen  und  das  gleiche  Ansehen  genießen;  dabei  erliegen 
sie  jeder  Versuchung,  bei  den  Gastmählern  berauschen  sie  sich, 
schmeicheln  können  sie  mehr  als  Gnathonides,  der  Lust  und  dem  Zorn 
fallen  sie  zum  Opfer  und  nach  Reichtum  haschen  sie,  während  sie  ihn 
in  Worten  verachten.  Darum  sehen  nun  die  Laien  mit  Recht  auf 
diese  Art  von  Philosophen  herab.  Zeus,  empört  durch  den  Bericht, 
will  zur  Strafe  die  Sünder  mit  dem  Blitz  erschlagen;  aber  Apoll  rät, 
den  Hermes  als  Rächer  zu  senden,  und  Zeus  schickt  ihn  mit  Herakles 
und  der  Philosophie,  die  Guten  zu  loben,  die  Bösen  zu  züchtigen. 
Die  di'ei  steigen  also  hinab;  die  Philosophie  muß  führen,  doch  nicht 
in  Attika  sind  die  gesuchten  Scheinphilosophen,  sondern  in  Thracien, 
wo  man  Gold  gräbt;  sie  wandern  also  zur  Stadt  Philipps  am  Hebrus. 
Hermes  läßt  sich  von  der  Philosophie  die  Kennzeichen  geben  und  ruft 
dann  aus:  Wer  den  Sklaven,  so  und  so  beschaffen,  findet,  soll  seinen 
Aufenthaltsort  angeben.  Zufälligerweise  kommen  ein  paar  Fremde  her- 
zu, die  drei  Sklaven  suchen  und  ein  entführtes  Weib;  der  eine  erkennt 
in  dem  steckbrieflich  Verfolgten  seinen  Sklaven  Kantharus.  Während 
sie  noch  beieinander  stehen,  erscheint  Orpheus,  der  hier  in  Thracien 
zu  Hause  ist;  er  gibt  an,  wo  sich  die  Gesuchten  befinden.  Man  hört 
die  Stimme  des  Weibes  und  auch  der  Sklaven.  Alle  kommen  heraus, 
die  drei  Herren  erkennen  in  ihnen  ihr  Eigentum,  aber  der  eine  ver- 
zichtet sofort  auf  das  seine;  auch  das  Weib  will  der  Mann  nicht  zu- 
rücknehmen, da  es  von  dem  Sklaven  schwanger  ist  und  er  fürchtet, 
es  möchte  einen  Trikaranos  zur  Welt  bringen.  Hermes  fällt  das 
Urteil,  die  Frau  muß  zu  ihrem  Mann,  zwei  von  den  Sklaven  müssen  zu 
ihrem  Herrn  zurück  und  ihrem  alten  Gewerbe  obliegen,  der  dritte  soll 
gerupft  und  dann  nackt  mit  gebundenen  Füßen  auf  dem  Hämus  im 
Schnee  ausgesetzt  werden. 

Die  erste  Szene  ist  nach  dem  alten  Schema  verfertigt,  das  wir 
aus  dem  'Timon',  dem  'Doppeltverklagten'  und  dem  20.  'Göttergespräch' 
kennen.  Zur  Abwechslung  ist  es  Apoll,  der  mit  Zeus  in  Unterredung 
begriffen  ist,  nicht  Hermes.  Das  Thema,  die  Selbstverbrennung  des 
Peregrinus,  steht  mit  dem  übrigen  in  keinem  Zusammenhang,  wenigstens 
ist  derselbe  duichaus  nicht  ausgebeutet,  wie  das  sehr  leicht  gewesen 
wäre,  wenn  Lucian  den  Philosophen  hier  schon  als  Schwindler  auf- 
gefaßt hätte;  daß  er  das  nicht  getan  hat,  lehi*t  der  Wortlaut  des  Ge- 
sprächs   selber,    sowie   der  Vergleich  mit  den  Gymnosophisten  ^)  und 


1)  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  (1902)  S.  355  ff.  habe  ich  an  dem  nccl 
xovto    i'öcog  (1)    (vgl.   Löcog  als  Bejahung    einer    Frage  cyn.  4,    ferner  Ast,  Lex. 


Beziehungen  zu  andern  Dialogen.  309 

Empedokles.  Es  kam  dem  Verfasser  nur  darauf  an,  ein  Ereignis,  das 
noch  in  aller  Munde  war,  an  den  Anfang  zu  stellen;  denn  natürlich 
mußte  es  komisch  wirken,  wenn  Zeus  im  Olymp  vorgeführt  wurde, 
wie  er  sich  mit  einem  solchen  Tagesgespräch  befaßte  und  seinen  De- 
gout  über  das  brennende  Menschenfleisch  äußerte.  Die  Erwähnung 
des  Empedokles  ist  dabei  der  gleichen  im  20.  ^Totendialog'  ähnlich 
gestaltet.^)  Nachdem  die  Aufmerksamkeit  der  Hörer  durch  die  Tages- 
neuigkeit erregt  ist,  bricht  Zeus  ab  wie  im  'tragischen  Zeus'  beim 
Erscheinen  des  herbeieilenden  Herrn agoras.^)  Die  herankommende  Phi- 
losophie spielt  die  Rolle  der  Dike  im  'Doppeltverklagten',  sie  hat 
das  Leben  verlassen  wie  jene,  weil  sie  unrecht  erfuhr;  auch  die  Er- 
innerung an  Sokrates,  wenn  auch  in  verschiedenem  Sinne,  findet  sich 
beide  Male.^j  Lucian  hat  in  nicht  übermäßig  geschickter  Weise  die 
Gelegenheit  benutzt,  die  Philosophie  einen  langen  Bericht  über  ihre 
irdische  Tätigkeit  geben  zu  lassen.  Dabei  liegt  eine  Zusammenfassung 
zugrunde,    wie    sie  auch  Diogenes  Laertius    als  Einleitung    für    seine 


Piaton.  II  S.  111.  Plat.  Theaet.  147  A  185  B  Euthyd.  288  E  Gorg.  498  B  515  D  522  A) 
gezeigt,  daß  Lucian  den  Peregrinua  hier  wie  auch  adv.  indoct.  14,  wo  jede 
höhnende  Bemerkung  fehlt,  noch  mit  ganz  andern  Augen  ansieht  als  in  der 
Schrift  über  seinen  Tod.  Auch  das  von  Hirzel  gebilligte  Argument  Fritzsches, 
daß  Lucian  hier  (2)  abbricht,  um  nicht  noch  einmal  das  in  jener  Schrift  (82 — 34) 
Berichtete  zu  erzählen,  kann  mich  an  dieser  Auffassimg  nicht  irre  machen. 
Unser  Satiriker  scheut  sonst  solche  VV^iederholungen  nicht,  und  etwas  anders 
hätte  sich  die  Sache  wohl  machen  lassen  als  dort,  zumal  doch  Peregrinus  auch 
dort  (23  und  38)  seine  Gründe  nur  ganz  kurz  auseinandersetzt  oder  vielmehr 
Lucian  nur  einen  Teil  seiner  Ue«le  anführt.  Für  die  spätere  Abfassung  des 
'Peregrinus*,  wenn  auch  nicht  gar  zu  lange  danach,  zeugt  auch  Kap.  28.  das 
mit  der  genauen  Beschreibung  des  wundertätigen  Kultes  des  Peregrinus  (vgl. 
Athenag.  pro  Christ.  26)  deutlich  ein  vaticinium  post  eventum  tnithiilt  'h  Remays, 
Lucian  und  die  Kyniker,  Berhn  1879,  S.  10  f.). 

1)  Fug.  2:  'Efintdoxkfl  .  .  .  hg  ig  rovg  ngatfu^ai^  iflaro  xai  uvrog  iv 
LixtXla.  —  MeXuyxoXiav  xivu  ötivi]v  Ij^yfitf,  dial.  niort.  XX  4:  vi  na&uyv  actv- 
xöv  ig  tovg  ngccrfiQag  iv^ßaXfg;  —  Affiayjjoiia  rig.  Auch  das  Verbum 
('cnav^Qunoifv  findet  sich  an  beiden  Stellen.  (Vgl.  S.  198  Anm.  1.) 

2)  Fug.  3:  'AXlcc  xig  avtr\   onovÖf^  ngdanoi ;   i^&XXov  ih  ^do- 

aorplu  iöti rl  A  ^vyotxtQ  duxQvng\   lupp.  trag.  88:    &XXa   tlg  6  6nov9fi 

nQoanop  olrog  .  .  .  .;  y,&XXov  dh  6  oög  m  'Egfui)  ccötXtpog  iaxiv  ....  xL 
m  nut  Agoiuctog  ijfitv  iq)l^ui; 

'Aj  Fug.  8:  xi  anoXinoffOu  xbv  ßiftv  iXi^Xv^ag;  aga  fi^  ol  Iditbxai  ai^ig  ini' 
ß^ßovXtvnooi  aoi  mg  xh  nQ6«i9t'V^  orf  xbv  IkonifdniP  Aninf$i9tnf\  bii  aoo.  5:  «i^ig 
ig  xijv  y/)v,  tv'  iitXuvvo^ivri  ngbg  avxätv  dgecnnuvm  ndXtv  in  xob  ßiov;  darauf 
/«min:  iiilrt  nnftixitfiiv  tti'xohg  oi  tpiX6üotfot  ah  tijg  'Adtniag  ngoxtfiäv  ncil  (taXi6x«i 
"  roif  2MtpQoviaHov 


310  Kapitel  XTV.     Die  Ausreißer. 

Biographien  benutzt  hat.^)  Gleich  der  Anfang  stimmt  überein;  die 
Philosophie  hat  ihre  Tätigkeit  bei  den  Barbaren  begonnen,  wie  es  bei 
Lucian  witzig  heißt,  weil  sie  überzeugt  war,  die  Hellenen  nachher 
leichter  belehren  zu  können^);  genannt  werden  die  indischen  Gymno- 
sophisten,  die  wieder  Gelegenheit  geben,  an  Peregrinus  zu  erinnern, 
auch  hier,  ohne  daß  die  Philosophie  daraus  Anlaß  nähme  ihn  irgend- 
wie zu  brandmarken;  von  den  Brahmanen  ging  sie  zu  den  Athiopen, 
dann  nach  Ägypten,  wo  sie  sich  mit  den  Priestern  und  Propheten 
abgab ^),  weiter  nach  Babylon,  wo  sie  Chaldäer  und  Magier  einweihte*), 
dann  nach  Scythien  und  Thracien,  wo  sie  mit  Eumolpos  und  Orpheus 
zusammen  weilte^),  die  sie  endlich  nach  Hellas  voraussandte.  Ihr 
eigentliches  Verweilen  in  Griechenland  schildert  sie  mit  wenigen  An- 
deutungen, um  dann  auf  die  falschen  Philosophen  zu  kommen. 
Diese  haben  nicht  die  wahre  Philosophie  geschaut,  sondern  nur 
ein  dunkles  Idol  (10),  genau  wie  das  im  Tischer'  (12)  geschildert 
ist.  Die  Philosophie  beschwert  sich  also,  da  sie  endlich  zum  Grund 
ihrer  Klagen  kommt,  daß  Sklaven  und  Handwerker  plötzlich  nur  um 
des  äußeren  Vorteils  willen  sich  als  Philosophen  aufspielen  (12);  das 
stimmt  zu  der  Darstellung  im  'Doppeltverklagten'  (6),  wo  ebenso 
Schuster  und  Zimmerleute  als  Beispiele  genannt  werden.  Noch  mehr 
fühlen  wir  uns  an  den  'Fischer'  erinnert,  wenn  wir  die  Fabel  vom 
Esel  in  der  Löwenhaut  mit  denselben  Worten  wieder  lesen.®)  Auch 
die  folgende  Klage,  daß  man  die  unechten  nicht  von  den  echten  Phi- 


1)  Fr.  Schaefer,  Quid  Graeci  de  origine  philosophiae  a  barbaris  ducenda 
existimaverint,  Diss.  Lips.  1877  hat  unsere  Stelle  übersehen. 

2)  Fug.  6:  07CSQ  iSoTcsi  ^oi  %ccXs7Ccot£QOv  tov  ^Qyov  slvai  tb  ßccQßaQovg  ncci- 
dsvHv  ....  rovTo  TtQ&Tov  Tj^iovv  iQydaccöd'ca.  Diog.  L.  I  1:  tb  tfjg  cpiXoGocpiccg 
^gyov  ivioi  qxxCLV  ccnb  ßaqßdqcov  aQ^ai. 

3)  Fug.  8:  Uta  tlg  Aiyvntov  yiccttßriv  xccl  ^vyyevo^ivT]  tolg  Isqsvgl  xai 
TtgocpT^taig  ccvtmv  ....  Diog.  L.  I  1:  AlyvTttiOi  ^sv  yäg  NsiXov  yersöd-ca  TCoclSa 
"HfpccLGtov^  ov  &Q^aL  (piXo6o(piccg,  rjg  tovg  TCQOsat&tccg  is giag  slvai  xccl  Ttgocp'^tag. 

4)  Fug.  8:  ig  BccßvX&va  ccTtfiQO.  XaXScciovg  xal  ^dyovg  fiv7]6ov6a,  Diog. 
L.  I  1 :  ysysvf]6d^ca  ^8v  nagä  iihv  JJsQGuig  fidyovg,  nagd  ds  BaßvXavioig  rj  'Aööv- 
gioig  XccXdaiovg. 

5)  Diog.  L.  I  3  nennt  Musaios,  den  Sohn  des  Eumolpos,  und  Linos  als  die 
Fackelträger  der  Philosophie,  fügt  aber  hinzu  15:  ol  dh  trjv  svgsGLv  didovtsg 
iyisivoig  nagdyovGi  tcccl  'Ogfpicc  tbv  Ogä-na  X^yovtsg  q)iX660(pov  ysyovevccL  Ttccl  slvcci 
dg%ca6tatov. 

6)  Fug.  13  pisc.  32:  tbv  iv  Kv^irj  övov  og  Xsovtriv  TtsgißccXdfisvog  \  f.:  xal 
tgaxv  öyxmiisvog  rj^Lov  Xecov  xat   ccvtbg  eIvkl  \  p.:    tj^lov   Xicav  (^yicciy    ccvtbg   slvai 

dynm^svog  ^idXa  tgaxv.     Die  weitere  Ausführung  im   ^Fischer'  zeigt,  daß 

dieser  vor  den  'Ausreißern'  verfaßt  ist,  wenn  es  noch  eines  Argumentes  bedürfte. 


Diogenes  Laertius.     Falsche  Philosophen.  311 

losophen  unterscheiden  kann  (15),  bot  ja  im  'Fischer'  den  Anlaß,  den 
Parrhesiades  auszusenden,  um  durch  Kränze  und  Brandmale  die  Son- 
derung zu  vollziehen,  und  wenn  es  hier  heißt:  'Sie  lassen  überhaupt 
keine  Prüfung  zu'  (15)^),  so  sehen  wir  die  Beziehung  auf  den  Elenchos, 
der  im  Tischer'  seine  Tätigkeit  ausüben  soll  (46).  Die  Philosophie 
fürchtet,  es  möchten  allmählich  alle  das  Handwerk  aufgeben,  mit  einer 
Übertreibung  der  schon  im  'Doppeltverklagten'  gegebenen  Schilderung.^) 
Nun  folgen  im  einzelnen  die  Vorwürfe,  die  wir  aus  dem  'Fischer' 
(84)  kennen,  die  auch  der  'Ikaromenipp'  (30)  schon  in  Kürze  enthält. 
Zuerst:  sie  gehen  der  Lust  nach,  hier  ausgeführt:  'sobald  sie  einen 
hübschen  Knaben  oder  ein  schönes  Weib  sehen'  und  durch  einen 
besonderen  Fall  belegt:  Einige  entführen  sogar  die  Weiber  ihrer  Gast- 
freunde  und  vertreten  dann  den  Satz  der  Weibergemeinschaft.  Zu 
zweit:  ihr  Benehmen  bei  den  Gelagen,  wie  im  'Fischer'  (34)  ein  Hin- 
weis auf  Lucians  eigenes  'Symposion'.*)  Dann  wird  zusammengefaßt: 
Ihre  Handlungsweise  und  ihre  Worte  stehen  nicht  im  Einklang^), 
genau  wie  das  in  jenem  Dialog  in  Übereinstimmung  mit  der  'Ne- 
kyoraantie'  (5)  auseinandergesetzt  ist,  und  beide  Male  folgt  genau 
die  gleiche  Art  des  Beweises:  Sie  schmeicheln,  lügen,  fröhnen  der 
Lust,  zürnen;  dort  heißt  es,  sie  schmeicheln  mehr  als  die  Affen 
(pisc.  34),  hier  werden  zwei  Namen  aus  der  Komödie  eingesetzt,  Gna- 
thonides  und  Struthias^),  von  denen  der  erste  eine  Beziehung  auf 
Lucians  'Timon'  (45/6)  darstellt.  Beide  Male  wird  darauf  hingewiesen, 
daß  ihr  Benehmen  bei  allen,  die  es  mitansehen,  nur  Lachen  und  Ver- 
achtung hervorruft.*)    Bei  der  Darstellung  des  Menschen,  der  stets  mit 

1)  (Hdh  tbv  iXsyx^*'  f^^X^vrai.. 

2)  Fug.  17:  oi  yuQ  in  rtov  iQyccaxr\Qioiv  uitccvxBg  ävccin\^-ii6avxBg  iffi^yLOVi  xitg 
T^Xvag  iäaovaiVy  bis  acc.  6:  noXXol  yovv  rag  t^^vag  &(pivTi?  fnl  xi^v  xi^gav 
a^avxfg  xal  xb  XQtßotviov. 

3)  Fug.  19:  «  {ihv  yccif  iv  xolg  (Jv^iTToaioig  dgmat ikcxqov  (<v  ett]  Uyfiv 

.  nal    xuvxa    noiovai  .  .  .  naxriyoQOVvrbg    aVToX     itidirig    xal    ftoixfi(<g  .  .  .  .; 

Icar.  80:  xi  ctv  Xiyoi  xig  5aa  filv  iö&iovaiv ,  Oöa  di  aqiQoSiaiäj^ovotv  ....  öfioig 
xätv  &Xlwv  XttTijyopoOtft.  Vgl.  auch  Niirr.  2.'):  u  um'  yun  fv  roTw-  öviimtaloic 
iQydJ^ovxat^  xlvt.  x&v  xoldnmv  ilxdaoft^BV. 

4)  Fug.  19:  o^div  yoi^v  ovxag  f^QOi<^  >  i  .  /./.o  (  /,/..,)  ,  rumor  «>:  rov^  ioyovg 
uinAv  xal  xu  Igya.     Vgl.  oben  S.  40  f.  2'.»»;. 

6)  SirutbiaH  hei  Monander  im  Kolax  «^Kuck  III  S.  82),  wozu  Meineke  Fr. 
Com.  IV  162  zu  vergleichen,  Ctnatho  bat  Tercn/  im  'Eunuchen'  offenbar  auch 
mich  einer  Penon  der  neuen  KomOdie  (t.  Plut.  quacsi.  conv.  VII  6,  8). 

6)  Fug.  19:  yiXtaxu  yoüv  oif  ^xp6v  «ap^xorirt  xotg  ^tuiUpoig  und  ^l;  im 
l')tAtai  dk  xaOx«  bgdtvxtg  naxantvovaip  fjdt]  tpiXoöotpittg^  pisc.  34:  oi 
i')iAxai  dh  bndöQi  ivi^nlpovCi,  ytlAai  StiXadi}  Koi  naxantvovti  tpiXoaoipiag. 


312  Kapitel  XIV.    Die  Ausreißer. 

Worten  das  Geld  verschmäht  und  dabei  nach  ganzen  Schätzen  hascht, 
ist  Lucian  über  die  gleiche  Schilderung  im  'Fischer'  (35)  auf  die  schon 
dort  benutzte  des  'Timon'  zurückgegangen.^)  Die  Philosophie  schließt 
damit,  daß  Amathia  und  Adikia  über  sie  lachen,  so  wie  Dike  im 
^ Doppeltverklagten'  (7)  sich  über  die  Adikia  beschwert.  Zeus  reizt 
es,  die  Übeltäter  mit  seinem  Blitze  zu  zerschmettern,  wie  ihm  das  im 
Ukaromenipp'  (33)  und  im  'tragischen  Zeus'  (24)  nahe  gelegt  wird;  aber 
Apoll  schlägt  vor,  eine  Musterung  der  Philosophen  zu  vollziehen  und 
dann  die  einen  zu  loben,  die  andern  zu  strafen;  die  Unterredung 
läuft  also  genau  in  das  Motiv  aus,  das  im  Tischer'  (46)  den  Schluß 
bildet. 

Die  ganze  Szene,  welche  die  Klage  der  Philosophie  enthält,  hat 
ihr  ursprüngliches  Vorbild  in  der  Komödie,  wie  wenigstens  eine  Par- 
allele zu  erweisen  scheint.  Im  'Chiron',  der  unter  dem  Namen  des 
Pherekrates  geht^),  trat,  wie  Plutarch  de  mus.  30  (1141  D)  erzählt, 
die  Musik  auf,  klagend  über  das  ihr  angetane  Unrecht.  Die  anwesende 
Gerechtigkeit  fragte  sie  aus,  und  sie  gab  einen  Bericht  wie  bei  uns 
die  Philosophie,  in  dem  sie  zum  Schluß  den  Timotheus  als  den  be- 
zeichnete, der  sie  aufs  schmählichste  gepeinigt  habe.  Man  möchte  aber 
vermuten,  daß  das  Motiv  auch  bei  Menipp  schon  verwertet  war.  Jedem 
fällt  an  dem  Bericht  der  Philosophie  das  Eigentümliche  auf,  daß  er 
so  außerordentlich  auf  die  Kyniker  zugespitzt  ist  und  daß  die  Ge- 
schichte der  Philosophie  mit  Menipp  ein  Ende  hat;  Antisthenes,  Dio- 
genes, Krates  und  Menipp  sind  die  letzten,  deren  Leben  und  Lehren 
die  Göttin  bewogen  hat,  noch  länger  auf  Erden  zu  verweilen,  — 
immerhin  eine  eigentümliche  Begründung  dafür,  daß  sie  noch  400  Jahre 
später  sich  unter  den  Menschen  aufhält,  während  sie  eigentlich  schon 
beim  Tode  des  Sokrates  fliehen  wollte.  Gab  es  denn  in  den  400  Jahren 
keinen  einzigen  Philosophen,  der  der  Erwähnung  wert  war?  Man 
stutzt  und  sucht  nach  einer  Erklärung.  Fritzsche  glaubt  sie  gefunden 
zu  haben  ^):  Lucian  will  die  gleichzeitigen  Kyniker  als  entartet  brand- 
marken; deshalb  redet  er  nicht  von  Akademikern,  Peripatetikern,  Stoi- 
kern   und  Epikureern    und    rühmt  nur  die  Kyniker  der   alten  Zeiten. 


1)  Fug.  20:  6  ^iccgog  iyitlvog  ixxstrca  ßogßoQog'  Xqvölov  ^hv  i)  ccQyvQiov 
^HgdxXsig  ovdh  xfxr^ö-O'at  ä^iä,  ößoXbg  iv,ccv6g^  mg  ^igiiovg  7iQLai\iriv^  noxbv  yccQ 
]]  ytQtjvT]  ri  Tcota^ibg  TtccQ^^si^  pisc.  35:  ti  yag  xb  %Qvaiov  ?)  ccQyvQiov  .  .  .  ,  Tim.  56: 
OLG^a  yccQ  mg  nä^a  iihv  iiiol  dnnvov  l-navöv^  öipov  Sh  rjSi6xov  d'viiov  ij  Tiägda^ov 
rj  EL  Ttoxs  XQvcpmrjv,  oXiyov  x&v  äXcbv   noxbv  dl  i]  ivvsäyiQOvvog. 

2)  Kock  I  S.  187.    Vgl.  V.  Wilamowitz,  Timotheus,  Leipz.  1903,  S.  74.  Anm.  4. 

3)  Ausgabe  II  2  S.  245  f. 


Pherekrates'  Chiron.     Menippieche  Vorlage.  313 

Auch  dann  würde  es  noch  geschickter  gewesen  sein,  die  Reihe  fort- 
zusetzen und  etwa  den  kynisch  gefärbten  Epiktet  an  den  Schluß  zu 
stellen,  für  den  ja  Lucian  große  Anerkennung  übrig  hat^),  damit 
doch  die  400  Jahre  irgendwie  ausgefüllt  und  das  längere  Verweilen 
der  Philosophie  auf  Erden  irgendwie  berechtigt  wäre.  Aber  es  ist 
überhaupt  nicht  richtig,  daß  nur  die  Kyniker  es  sind,  die  als  After- 
philosopheu  hingestellt  werden  sollen.  Die  Rede  der  Philosophie  ist 
so  allgemein  gehalten,  daß  ebenso  wie  im  Tischer'  ein  Vorwurf  gegen 
alle  herausgelesen  werden  muß;  erst  in  Kapitel  16  werden  die  Ky- 
niker hervorgehoben,  aber  auch  da  nur  unter  den  andern^),  und  als 
die  Prüfungskommission  zur  Erde  entsandt  wird,  da  wird  ihr  wieder 
nur  ganz  im  allgemeinen  der  Auftrag,  die  richtig  Philosophie  Treiben- 
den zu  loben,  die  andern  zu  tadeln.  Es  ist  also  nichts  mit  dieser 
Begründung,  und  die  Hervorhebung  der  alten  Kyniker  gegenüber  ihren 
entarteten  Nachfahren  ist  nicht  in  der  Weise  geschehen,  daß  man  sie 
aus  sich  selber  verstände.  So  wird  man  auf  eine  andere  Erklärung 
geführt,  warum  bei  Lucian  die  Geschichte  der  Philosophie,  warum 
die  Reihenfolge  der  Kyniker  mit  Menipp  abbricht,  eine  Erklärung, 
die  sich  jedem  wohl  von  selber  aufdrängt,  der  bisher  der  Analyse  der 
einzelnen  Satiren  gefolgt  ist.  Dazu  kommt  eine  seltsame  Bestätigung 
durch  eine  Lesart,  die  sich  in  der  Überlieferung  erhalten  hat,  von  den 
Herausgebern  aber  vielfach  ausgemerzt  ist.  Die  Philosophie  sagt  (11): 
vvv  dt  ^AvTiG^ivi^g  ^s  xul  ^loyevrjg  xccl  ^sta  fiiXQov  KQccTtjg  xal 
\lkVLnnog  ovzog  STtsiöav  oUyov  oöov  ixi^sxQfiöaL  rf^g  fiovfig.  Fritzsche 
erklärt  ovtog  für  ganz  unmöglich  und  gewöhnlich  setzt  man  ovtoi  ein. 
Aber  wenn  man  die  Überlieferung  mit  jener  eben  gemachten  Beobachtung 
zusammenhält,  so  ist  doch  wohl  klar,  daß  auch  diese  Stelle  direkt  aus 
Menipp  stammt,  sei  es,  daß  es  im  allgemeinen  Sinn  als  der  bekaimte, 
jetzt  lebende  Menipp  bei  ihm  zu  verstehen  war^),  sei  es,  daß  or  sich 
»eiber  anwesend   dargestellt  hatte;  denn  auch  dafür  könnte  man  sich 


Ij  oi.iir  .1.I1.-  Jiiiirb.  1.  d.  kitiH«    .Minium  iX  ^^li>0*Ji  .">.  27h;  advors.  indoct.  18. 

2)  ToiyuQoffv  inn^nhfaTui  Ttüaa  ij  ndXtg  Ti)g  toiainrig  ^(tÖiovQylces  xal 
liccXiaru  rtbv  Jtoyivriv  x«l  *Avxia&i%>r\v  xai  A'pärrjr»  ijtiY(f(i(foiuv(ov  xal  i)n6  t^ 
Kw)  xuTTOfuvatv.  {Vff\.  Nouo  Juhrbdchor  f.  d.  klass.  Altort.  IX  1 11102 1  S.  867  f.) 
Für  die  f^uuxo  I)arMt4jllun^  muß  man  bedenken,  daß  im  "i.  .lahrhundort  n.  Chr. 
Stab  und  Han%i>n  nicht  mehr  auHschließlich  OrdenHabzeichun  der  Kyniker  w»rou; 
da«  lehrt  unH  /..  B.  Apuleiui,  der  sich  Holber  l'latonikor  n(>nnt,  aber,  um  seine 
Einfachheit  xii  dokumentieren,  diese  Tracht  anf;(!n<)n)m<>n  hat  (apol.  S2). 

8  Zu  vor^b'ichi'n  ist  de  merc.  cond.  88:  Htafionoltg  ovtog  6  Xfwm6gs 
u  >mit  ein  Zeit^M*noNM^  jedenfalls  Anfriert  werden  soll. 


314  Kapitel  XIV.     Die  Ausreißer. 

wohl  eine  Gelegenheit  denken  ähnlich  der  Situation  in  der  Himmel- 
fahrt. 

Zeus  hat  also  den  dreien  den  Auftrag  gegeben,  die  Sonderung 
der  schlechten  und  guten  Philosophen  auf  Erden  vorzunehmen,  nur 
dies  und  weiter  nichts.  Wenn  er  den  Herakles  dabei  mitschickt,  so 
geschieht  das,  weil  dieser  zu  den  zwölf  Arbeiten  nun  die  dreizehnte 
ausführen  soll.  Daß  dieser  Witz  bei  Menipp  sich  fand,  dürfen  wir 
wohl  aus  seiner  Wiederkehr  in  Senecas  Satire^)  schließen.  Herakles 
meint,  leichter  wäre  es,  den  Augiasstall  noch  einmal  auszumisten-, 
auch  das  fand  sich  offenbar  bei  Menipp,  nach  Varro  zu  urteilen,  der 
die  Phrase  gleichfalls  gebraucht.^)  Herakles  sperrt  sich  also  hier  wie 
die  Dike  im  'Doppeltverklagten',  ebenso  die  Philosophie;  aber  wie 
dort  (8)  bricht  Hermes  ab,  dort  mit  dem  Ttgotoofisv^  hier  mit  xarta^ev] 
und  daß  jene  Stelle  Lucian  vorgeschwebt  hat,  zeigt  auch  sonst  der 
Wortlaut^),  der  im  übrigen  immer  noch  eine  allgemeine  Musterung 
der  Philosophen  voraussetzt.  Auf  die  Frage,  ob  es  nach  Hellas  gehe, 
sagt  die  Philosophie  dann:  'Nein,  dort  sind  nur  wenige,  nur  diejenigen, 
die  richtig  Philosophie  treiben'*);  es  ist  das  Zugeständnis,  das  wir 
auch  im  'Fischer'  (37)  und  im  'Doppeltverklagten'  (7/8)  hatten.  Attika 
mit  seiner  Armut  ist  kein  Land  für  diese  Gauner,  die  gehen  nach 
Golde  und  befinden  sich  jetzt  in  Thracien.  Auf  der  Wanderung  macht 
Hermes  hier  wie  im  'Doppeltverklagten'  (8)  auf  die  Gegend  aufmerk- 
sam.^) Die  Reise  schließt  dann  damit,  daß  Herakles  in  der  uns  be- 
kannten Weise  auffordert,  das  Land  zu  betreten^),  er  weiß  ja  Bescheid, 
wie  Hermes  im  20.  'Göttergespräch'  (6)  auf  dem  Ida  von  jener  Zeit 
her,  als  er  den  Zeus  zu  Ganymedes  begleitet  hat. 

Es  folgt  der  letzte  Teil  der  Satire,  der  eine  ganz  überraschende 


1)  Apocol.  6 :  ut  vidit  .  .  .  . ,  putavit  sibi  tertium  decimum  laborem  venisse. 

2)  Bimarcus  XXVI  (70B.):  non  Hercules  potest  qui  Augeae  egessit  %6nQov, 
Luc.  fug.  23:  aiisivov  rjv  .  .  .  tr}v  'üotiqov  iy.v.aO'&Qai  avQ'ig  trjv  Avysiov. 

3)  Bis  acc.  7  Zeus:  aXX'  cctclts  7]dri  mg  yiav  öXiycci,  tri^iSQOv  iv.di'KaG%-&6iv, 
fug.  24:  v,axioi^BV  mg  yiccv  öXLyovg  avxcbv  iTtitglipca^isv  tr^nsQOV. 

4)  Schon  im  'Nigrinus'  (12),  wo  das  Lob  von  Athen  dem  Tadel  der  Stadt 
Rom  gegenübergestellt  wird,  heißt  es  von  den  Athenern:  (piXocoffla  yial  tcsvLcc 
GvvxQOfpoi  si6L.  Der  bewußte  Gegensatz  sieht  fast  so  aus,  als  bestände  eine  Be- 
ziehung zwischen  dem  Nigrinus  und  Aristides'  Lobrede  stg  ^Pmfiriv. 

5)  Fug.  25 :  OQärs  ....  ivo  ^hv  OQr}  ybiyiGXix.  xai  y.ccXXiGra  oqmv  ccTtdvtcov  usw., 
bis  acc.  8:  ngota^sv  ....  ^vd'cc  ccl  dvo  ixstvccL  ätiQca. 

6)  Fug.  25 :  möre  iTCißaivcoiiev  ayad'fj  rv^rj^  bis  acc.  9 :  -TtXriaioc^o^sv  tjj  'Axti-aji  • 
ai6X£  xb  (ihv  Sovviov  iv  ^s|^«  kccxuXItcco^sv ,  ig  Sh  xijv  äxQoitoXiv  ciTfovsvacoiisv 
r/'^rj,  Tim.  30:  owovr  iTtLßaivaiiev  r]dri  xfjg  'Axxi7cf}g. 


Widersprüche  im  letzten  Teil.  315 

Wendung  nimmt.  Eine  tiefe  Kluft  tut  sich  zwischen  ihm  und  dem 
bisher  besprochenen  auf,  so  sehr  auch  die  Gelehrten  sich  stets  bemüht 
haben,  sie  dui'ch  ihre  Erklärungen  zu  überbrücken  oder  sich  so  zu 
stellen,  als  merkten  sie  sie  nicht.  Auch  hier  ist  zunächst  noch  ganz 
allgemein  von  den  schlechten  Philosophen  die  Rede.  Aber  das  Motiv 
ist  schon  seltsam;  Hermes  soll  sie  durch  einen  Aufruf  ausfindig  machen, 
einen  Steckbrief  hinter  ihnen  erlassen.  Hermes  als  Ausrufer,  um  ent- 
laufene Sklaven  fangen  zu  lassen,  ist  kein  Bild,  das  erst  Lucian  ge- 
schaffen hätte.  Die  Parallele  mit  dem  Götterboten  im  Märchen  von 
Amor  und  Psyche  drängt  sich  sofort  auf  (Apul.  met.  VI  7  f.),  wo  Mer- 
kur die  'fugitiva,  Veneris  ancilla'  in  gleicher  Weise  öffentlich  ausruft. 
Aber  in  unserer  Satire  paßt  das  Motiv  gar  nicht  zu  der  Sonderung, 
die  in  Aussicht  gestellt  war  (22).  Das  zeigt  sich  sehr  deutlich  im 
weitereu  Verlauf.  Ehe  Hermes  jemand  verfolgen  kann,  muß  er  die 
Namen  der  Gesuchten  wissen.  Auch  die  Philosophie  kann  sie  nicht 
nennen;  aber  sie  müssen  etwas  mit  'Besitzen'  zu  tun  haben.  Aus 
ihrer  Verlegenheit  werden  die  drei  Gottheiten  erlöst,  da  Männer 
kommen,  welche  drei  Gaukler,  ihre  entlaufenen  Sklaven,  und  ein  ent- 
führtes Weib  suchen.  Die  Philosophie  erkennt  nun,  daß  das  dieselben 
sind,  denen  sie  nachspüren.  Erst  durch  dieses  Zusammentreffen  also 
erhält  das  Unternehmen  eine  Richtung  auf  drei  bestimmte  Persönlich- 
keiten, etwas  unvermittelt,  da  es  nicht  heißt:  'Die  gehören  auch  zu 
denen,  die  wir  suchen',  sondern  alle  so  tun,  als  ob  sie  gerade  nur 
hinter  diesen  drei  her  wären,  während  wir  von  diesen  drei  Gauklern 
bisher  durchaus  nichts  gehört  haben  und  auch  die  Namen,  die  mit 
'Besitzen'  zu.sammenhängen  sollen,  keineswegs  nur  drei,  sondern  alle 
die  falschen  Philosophen  bezeichnen  sollen.  Im  folgenden  wird  die 
Sache  aber  noch  verwickelter,  und  es  ist  umsonst,  den  Knäuel  ent- 
wirren zn  wollen.  Der  Kantharos,  die  Hauptperson  unter  den  drei 
Verfolgten,  ist  nach  seiner  eigenen  früheren  Angabe  (31)  ein  Kyniker; 
in  des  Hermes  Steckbrief  aber  findet  sich  eine  Bemerkung,  die  ihn 
als  Stoiker  kennzeichnet:  er  heißt:  iv  xqo  xovQiag.  So  wird  der  Chry- 
sippische  Bios  in  der  'Lebensarten Versteigerung'  (20)  gemuint.^)  Für 
den  Kyniker  paßt  die  Bemerkung  gar  nicht,  da  er  das  Haupthaar 
ebenso  wie  das  Barthaar  wachsen  läßt.  Seneca  (ep.  5,  1)  erwähnt  aus- 
drücklich   intoDHuni    caput   et    neglegentiorem    barbani,    wo    er    von 

1  .Man  vcr^^leiche  die  Diairibe  de»  Mnionius  ntQl  novQäg  (ed.  Hense,  Lipt. 
r.*o:>,  S.  114/,  wo  diiH  Scheren  den  Hatipthaiiren  üIh  o)»enHO  natilrlich  wie  das 
WnrhienlaNiien  Arm  Hartfii  liingoitellt  wini  Nach  KiibuIoH  bei  I>iog.  L.  Vi  81 
hatte  allerdingfi  auch  Diogenee  teine  Schaler  da«  Haar  »ich  icheren  iMten. 


316  Kapitel  XIV.     Die  Ausreißer. 

deü  Übertreibungen  philosophischer  Lebensweise  spricht;  Apuleius, 
der  die  eigentlich  den  Kynikern  zukommende  Tracht  sich  angeeignet 
hat  (apol.  c.  22),  redet  von  seinem  capillus  horrore  implexus  atque 
impeditus,  stuppeo  tomento  adsimilis  et  inaeciualiter  hirsutus  et  glo- 
bosus  et  congestus,  prorsum  inenodabilis  diutina  incuria  non  modo 
comendi,  sed  salteiu  expediendi  et  discriminandi  (^apol.  c.  4).  Eine 
sehr  charakteristische  Schilderung  des  Äußeren  der  Kyniker  gibt 
Tatian  (ad  Graec.  25):  ^aregov  ....  töv  (o^av  sh,a[isXov6L^  xofirjv 
hnui^ivoi  TtoXXrjv  TCoycovoxQOfpovöiv  ovv%ag  %riQCiov  TtbQKpegovteg}) 
Und  im  'Kyniker'  Lucians  bemerkt  Lykinos  als  Charakteristikum  des 
Kynikers  (1):  7f  6ycova  ^8v  £%£tg  Til  xo^yjv,  und  noch  ausführlicher, 
wo  Herakles  und  Theseus  als  Vorbilder  aufgestellt  sind  (14):  Jtcbycova 
nal  KÖ^rjv  e%£iv  i^QSöTcev  avzä^  xal  ov%  hKsCvG)  ^6v(p,  aklcc  xal  TCäöL 
rolg  jtaXaiolg  iJQSöxsv  ....  ovx  av  VTti^eivav  ovds  elg  avrayv  ovdsv 
^äXXov  ri  tG)v  leovrov  xig  ^vQco^svog  (s.  17.  19).  Der  Kyniker  Maximus 
forderte  als  Bischof  durch  sein  langes  Haar  den  Spott  heraus  und 
mußte  sich  scheren  lassen.^)  Kahlköpfig  können  die  Kyniker  sein^); 
aber  geschoren  sind  sie  nicht.  Da  Lucian  selber  das  ev  %qg)  xslqslv 
ausdrücklich  dem  Stoiker  zuschreibt*),  so  steht  man  hier  vor  einem 
Rätsel.  Es  wird  aber  auch  noch  besonders  auf  diesen  Widerspruch 
aufmerksam  gemacht,  da  der  Herr,  der  seinem  Sklaven  auf  der  Spur 
ist,  voU  Verwunderung  ruft  (28):  'Wie  er  bei  mir  noch  Kantharos  war, 
da  hatte  er  langes  Haar  und  das  Kinn  war  kahl.'  Fritzsche  ist  der 
Gegensatz  nicht  entgangen,  und  er  hat  in  seiner  etwas  unklaren  An- 
merkung zu  der  Stelle  einen  ganzen  Roman  herausgesponnen,  wonach 
Kantharos  die  Maske  des  Kynikers,  die  er  in  Hellas  getragen  hätte, 
in  Thracien  wieder  abgelegt  hätte  und  sich  dort  als  Stoiker  gerierte.^) 

1)  Vgl.  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.  III 1,  S.  765  Anm.  1.  Luc.  de  morte  Peregr. 
15:  iyc6y.a  6h  i]&ri  Hai  tgißcova  nivccqbv  ri^Ttd%8to  y.al  nr\Qav  ■nccQiqQTrixo  nal  xb 
i,vXov  iv  ff]  x^''Q^  ^*'- 

2)  Gregor  von  Nazianz  spottet  seiner  (carm.  de  se  ipso  11,  754:  ^ccvd-og 
(isXdv&QL^  ovXog  aTtXovg  rrjv  XQi%c(.^  926:  Kvaiv  ^Qi^iog,  {iiqxs  xfig  xöftTj?  hi  (psQcov 
rb  xdXXog  /xrjtrf  .  .  .,  915:  to^r}  S'  VTtfjXd's  §o6XQv%ovg  sv(pOQ§iOvg  [vgl.  v.  912]). 

3)  (p(xXay,q6g  ist  Menipp  Luc.  dial.  mort.  1. 

4)  Bis  acc.  20  sagt  die  Stoa  oxi  iv  %qg)  K^xag^ai  yial  ccQQSvoaTtbv  ßXinco; 
vgl.  außerdem  vit.  auct.  20,  Hermot.  18.  Wendland,  Quaest.  Muson. ,  Berlin 
Diss.  1886,  S.  18  Anm.  3. 

5)  Noch  seltsamer  ist,  was  Du  Soul  zu  der  Stelle  sagt,  der  den  Wider- 
spruch tilgt,  indem  er  no^iav  vom  Bart  versteht  und  vorschlägt  mit  Umstel- 
lung itcöua  &s  xb  yivHov  -kccI  ixiXXsxo  (28)  zu  lesen.  —  Wenn  Herakles  (31)  sagt, 
daß  Kantharos  früher  Kvvfuög^  ivxavd'a  öh  XQvöiTtTteiog  sei,  so  heißt  das  natür- 
lich nicht,   daß  er  Stoiker  gevrorden  sei,    sondern  soll  seine  Geldgier   zeichnen 


Menippische  Satire  gegen  die  Stoiker.  317 

Gesagt  ist  davon  nichts,  und  man  darf  nach  der  Szene  im  Olymp  auch 
nur  erwarten,  daß  der  bisher  scheinheilige  Philosoph  jetzt  seinen  Lüsten 
offen  nachgeht.  Ich  weiß  mir  das  Rätsel,  das  uns  hier  entgegentritt,  nicht 
anders  zu  lösen  als  durch  die  Annahme,  daß  auch  diese  Szene  der  'Aus- 
reißer' aus  Menipp  stammt,  dort  aber  ein  Stoiker  derjenige  war,  auf 
dessen  f'ährte  man  sich  befand.  Man  könnte  dann  die  Vermutung 
wagen,  die  ich  mit  aller  Reserve  ausspreche,  daß  hier  die  Satire  auf 
Persaios  gemünzt  war,  der  gewissermaßen  der  wahren  Philosophie  ent- 
lief, als  er  an  den  Hof  des  Antigonos  nach  Macedonien  ging  und  sich 
dort  nach  Golde  drängte.  Wie  Kantharos  zwei  Begleiter  hat,  so  gingen 
außer  Persaios  die  Stoiker  Philonides  und  Arat,  um  den  Aufenthalt  in 
der  Stoa  mit  dem  Hof  leben  zu  vertauschen.  Wenn  Persaios  als  Sklave 
des  Zeno  bezeichnet  wird^),  so  ist  es  nicht  unmöglich,  daß  das  auf 
Menipp  zurückgeht,  dessen  Einfluß  auf  die  literarhistorische  Anek- 
dotenbildung man  überhaupt,  wie  früher  gesagt,  nicht  ganz  gering 
wird  veranschlagen  dürfen,  und  daß  Zeno  etwa  in  jener  Satire  ge- 
zeichnet war,  wie  er  seinen  Schüler  und  Sklaven  sucht,  der  seinem 
philosophischen  Hause  den  Rücken  gekehrt  und  am  Hofe  des  Königs 
ganz  dem  weltlichen  Leben  sich  ergeben  hat,  so  daß  man  ihm 
zum  Vorwurf  machen  konnte,  er  habe  eher  das  Leben  eines  Hof- 
maniies  geführt  als  das  eines  Philosophen.^)  Die  Kjniker  konnten 
um  80  eher  daran  Anstoß  nehmen,  als  ihr  Meister  sich  solchen 
Versuchungen  gegenüber  standhaft  gezeigt  hatte.^)  Zu  dieser  An- 
nahme stimmt,  daß  auch  von  Bion  in  einer  boshaften  Bemerkung  Per- 
saios als  Sklave  des  Zeno  bezeichnet  werde  (Ath.  IV  lG2d)  und  daß 
zwischen  seinen  Anhängern  und  den  Kynikern  sich  eine  literarische 
Fehde  entsponnen  hat;  denn  Hermagoras,  der  sogar  des  Persaios 
Schüler    genannt    wird^),  schrieb  einen    ^looxvov.     Es    stimmt    aber 

(vgl.  27:  6'ro/ia  rotoftrov  olnv  ccirö  xTruidruif).  Es  konnte  dazu  der  Namo  eines 
beliebigen  Philosophen  benutzt  werden;  aber  ein  Witx  wurde  erst  daraus,  weuu 
dieser  einer  andern  Schale  angehörte;  das  Wortspiel  gerade  mit  dem  Namen 
Chrjsipps  war  Lucian  schon  vertraut  auK  pisc.  51. 

1;  Diog   L.  VII  H6,  Gell.  II  IM,  »,  Athen  IV  102''. 

2)  IMiilodem  (  ul.  XIIl  Conipareiti  Riv.  di  filol.  III  [1876]  S.  486):  nfffinXa- 
viia^ui  xbv  avlinbv  ov  rhv  tpildisoifor  yffif^Uvop  (ilov. 

8)  Diog.  L.  VT  44  Abweisung  des  Perdikkas  durch  Diogenes.  VI  67:  KQa- 
xiffov  &itof>vxog  n(fhg  ahxbv  AnUvai-  AXlu  ßovXofUd^  ftpi^,  iv  *A9iiipais  iila  Xhxmip 
il  nuQu  KifOT^Qm  ri'/tf  noXvthXoi^i  XQuitt^iiif  ScnoXctvnv. 

4)  Suid.  M.  T  Honnag  Oher  dir  F«'indHchnft  den  PersaioM  und  Philonides 
g<>gen  Hion  vgl.  ('rotiert.  Stud.  zur  Palilographi«'  und  Papyruskuude  her.  von 
Weiiwly  VI     l'Mn, 


318  Kapitel  XTV.     Die  Ausreißer. 

auch  dazu,  daß  Persaios  in  der  späteren  Überlieferung  als  ein  Schüler 
der  Stoa  geschildert  wird,  der  nicht  standhaft  den  Grundsätzen  des 
Meisters  treu  blieb  und  die  Ataraxie  nicht  zu  wahren  wußte.  Das 
zeigt  deutlich  die  Anekdote,  die  Themistius  XXXII  (358  a  ff.)  berichtet 
hat;  bei  einer  von  Antigonos  zur  Prüfung  des  Philosophen  fingierten 
Unglücksnachricht  g)Qovdog  ^sv  rci  TIsQ^aoG)  6  Ztjvcjv,  q)Qovdog  dh  6 
KXsdvd"rjg. 

Selbst  für  das  Weib,  das  entführt  ist,  wäre  bei  der  Vermutung, 
daß  sich  die  Satire  auf  Persaios  bezog,  Raum ;  es  wäre  die  Stoa  selber, 
die  verschleppt  und  gemein  gemacht  wird.  Oder  ist  es  Zufall,  daß 
hier  die  Schilderung  sich  derselben  Ausdrücke  bedient,  mit  denen  die 
Stoa  im  'Doppeltverklagten'  sich  selber  zeichnet?  *Das  Haar  kurz 
geschoren  und  männlich  blickend',  so  werden  sie  uns  beide  vorgeführt.^) 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  für  die  Figur  dieses  entführten  oder 
entlaufenen  Weibes  die  Komödie  das  Vorbild  geliefert  hat;  in  der 
unter  Aristophanes'  Namen  gehenden  *Poiesis'  war  die  Dichtkunst  als 
ein  Weib  aufgefaßt,  das  auf  und  davongegangen  ist  und  nun  von 
den  verfolgenden  Dichtern  gesucht  wird.^)  Daß  auch  das  entlaufene 
Weib  bei  der  von  Lucian  benutzten  Situation  ursprünglich  eine  größere 
Rolle  gespielt  hat,  möchte  man  aus  einem  Widerspruch  schließen,  der 
sich  auch  hier  findet;  zunächst  heißt  es:  'Am  meisten  suchen  wir  das 
Weib,  das  von  den  Ausreißern  geknechtet  ist'  (27),  sodann  aber  will 
der  Mann  sie,  der  er  doch  eben  nachgegangen  ist,  plötzlich  nicht 
wieder  zurücknehmen  (32). 

Im  einzelnen  ist  es  natürlich  unmöglich,  mit  der  Phantasie  in 
die  bei  Menipp  etwa  vorgeführte  Szene  einzudringen.  Aber  die  Farb- 
losigkeit  bei  Lucian,  der  Mangel  an  greifbaren,  individuellen  Zügen, 
die  eigentümliche  Unklarheit  scheint  dafür  zu  sprechen,  daß  er  altes 
Gut  nur  oberflächlich  zurecht  gemacht  hat.  Daß  Lucian  irgend  einen 
bestimmten  Fall  und  bestimmte  Personen  seiner  Zeit  dabei  im  Auge 
gehabt  hat,  ist  zwar  möglich,  aber  doch  nicht  über  jeden  Zweifel  er- 
haben.    Die  Namen  der  zwei  Sklaven  Lekythion  und  Myropnus  sind 


1)  Bis  acc.  20:  iv  XQ^  v.i'xaQfiaL  xal  ccQQSVcoTtbv  ßXtTto)  yial  6%vd'Qca7ir]  doxco, 
fug.  27:  iv  XQtti  7i£xccQ^8vriv  slg  rö  AcoKovi-KOV ,  ccQQSvconrjv  xat  noiiL^f]  ccv8Qiv.7]v 
(nach  Lakonenart,  nämlich  wie  die  Bräute  bei  den  Lakonen  nach  Plut.  Lycurg.  15, 
wenn  sie  entführt  werden;  es  liegt  also  die  Fiktion  der  Entführung  zur  Hoch- 
zeit vor). 

2)  Kock  I  S.  507:  yvvaly.cc  öh  t'^ltovvtsg  ivd-dd'  ^xo^sv^  Luc.  fug.  27:  ra 
TjiiitSQcc  ovtoi  ^ritovGi.   — r}iists   Ss  rrjv  yvvatyia  ^dXiOTcc  iietl^sv  f]vÖQcc- 

7C08l6\l>iv7\V    TtQOS    aijTGiV. 


Aristophanes'  Poiesis.     Lucians  Zutaten.  319 

ja  auf  jeden  Fall  fingiert,  um  den  Charakter  zu  bezeichnen;  auch  der 
Kantharos  ist  nicht  irgendwie  individueller  bestimmt.  Daß  er  Walker 
sein  soll,  besagt  natürlich  nichts;  Lucian  hat  irgend  ein  Gewerbe  ge- 
nommen und  ihm  da  eine  recht  minderwertige  Arbeit  zugeschrieben; 
er  hatte  nur  die  Wollflocken  von  den  Mänteln  abzuschaben.  Wenn 
er  aus  Sinope  stammt,  so  geschieht  das  nur  nach  Diogenes'  Heimat, 
weil  Lucian  ihn  zum  Kyniker  gemacht  hat;  so  heißt  er  auch  Paphla- 
gonier,  vielleicht  mit  Erinnerung  an  Aristophanes'  'Ritter';  ein  Hin- 
weis auf  eine  bestimmte  Persönlichkeit  liegt  darin  nicht.  Der  einzige, 
den  man  vielleicht  finden  kann,  ist  die  Angabe,  daß  die  Ausreißer 
nach  Philippopolis,  der  Dreibergestadt  am  Hebrus,  gezogen  sind.  Da 
Philippopolis  früher  gar  keine  Bedeutung  hatte,  in  römischer  Zeit  aber 
Hauptstadt  der  Provinz  war,  so  muß  das  eine  Erfindung  von  Lucian 
sein.  Er  könnte  deshalb  noch  immer  eine  vor  langer  Zeit  bedeutende 
Stadt  beliebig  durch  eine  zu  seiner  Zeit  blühende  ersetzt  haben,  damit 
die  Fiktion,  daß  es  dort  Gold  zu  holen  gäbe,  zu  ihrem  Rechte  käme. 
Immerhin  liegt  darin  etwas,  was  auf  einen  ganz  bestimmten  Fall  hin- 
deuten kann,  den  Lucian  dann  mit  Benutzung  einer  ihm  vorliegenden 
Satire  behandelt  hätte. 

Episodisch  ist  die  Person  des  Orpheus  in  die  Szene  eingearbeitet 
(29),  wie  im  'Doppeltverklagten'  (9)  die  des  Pan;  es  sind  gleichsam 
Lokalheilige.  Die  Begegnung  ist  aber  hier  gar  nicht  ausgesponnen, 
während  es  so  nahe  gelegen  hätte,  wie  dort  Pan  über  die  Philosophen 
berichtet,  so  hier  den  Orpheus  über  das  Treiben  dieser  entlaufenen 
Sklaven  etwas  Genaueres  sagen  zu  lassen,  damit  sie  aus  ihrem  eigen- 
tümlichen Dunkel  uns  etwas  plastischer  entgegenträten.  Wenn  Lucian 
nur  etwas  von  ihnen  gewußt  hätte!  So  entfernt  sich  Orpheus,  nach- 
dem er  das  Haus  gezeigt  hat,  in  dem  sich  die  Ausn^ßer  befinden. 
Von  diesen  hören  wir  nur  ein  Gezänk  oder  eine  Übung  zum  Schimpfen 
in  Horaerparodien.  Auch  hier  ist  eine  merkwürdige  Unklarheit  zu 
verzeichnen.  Das  Weib  klagt  über  den,  der  das  Gold  liebt,  während 
er  ganz  andere  Gesinnung  vorspiegelt,  nach  U.  IX  312/3,  worauf  sie 
Herines  von  draußen  akkompagniert  mit  IL  III  354:  'Dann  mußt  du 
den  Kantharos  hassen,  der  wie  INiris  an  dem  Gastfreund  gehandelt 
hat.'  Das  veranlaßt  den  einen  der  verfolgenden  Männer,  sicii  als  dtMi 
betrogenen  Gastfreund  zu  bekennen.  Wir  hören  dann  ein  Geschimpfe, 
aus  vier  Homerversen  (11.  I  225  II  202,  24(5,  214j  mit  einer  Veränderung 
hergestellt;  es  ist  beachtenswert,  daß  Lucian  den  zweiten  Vers  auch 
im  'Ikaromenipp'  (30)  in  der  Uede  dos  Zeus  gegen  die  Philosophen 
verwandt  hat. 


320  Kapitel  XIV.     Die  Ausreißer. 

Die  nächsten  Verse  sind  gegen  das  Weib  gerichtet,  offenbar  die 
Entgegnung;  gebildet  sind  sie  aus  11.  VI  181/2.  Nach  dem  Gezänk 
kommen  die  Gesuchten  heraus.  Man  mustert  den  Ranzen  des  Kan- 
tharos,  wie  im  'Fischer'  (45),  und  findet  einen  goldenen  Gürtel.  Mit 
einemWitz  auf  den  Namen  Chrysipps  wird  das  begleitet:  'Vorher  war 
er  Kyniker,  jetzt  ist  er  Chrysippeer',  woran  sich  ein  anderer  Witz 
auf  den  Namen  Kleanthes  anschließt,  der  dunkel  ist  und  scheinbar  auf 
eine  Nachricht  betreffs  dieses  Philosophen  Bezug  nimmt,  die  wir  nicht 
kennen.  Kantharos  wird  bald  zum  Kleanthes  werden,  denn  er  soll 
hängen,  und  zwar  an  seinem  langen  heuchlerischen  Philosophenbart; 
wie  etwa  der  Ehebrecher  Didymus  nach  Theo  5  (Rhetor.  Graec.  Waltz  I 
205)  an  dem  schuldigen  Körperteil  aufgehängt  wird^),  so  soll  dieser 
Scheinphilosoph  an  seinem  Bart  aufgehängt  werden,  mit  dem  er  die 
Menschen  betrogen  hat.  Die  Strafe  ist  richtige  Sklavenstrafe  ^) ;  aber  was 
hat  das  mit  Kleanthes  zu  tun?  Man  nimmt  eine  Verwechslung  mit  Zeno 
an  ^) :  es  wäre  aber  auch  denkbar,  daß  es  sich  wie  bei  dem  Witz  mit  Chry- 
sipp  nur  um  ein  noch  nicht  verstandenes  Wortspiel  handelt.  Gewisser- 
maßen im  Anhang  werden  dann  die  beiden  anderen  Sklaven  abgetan, 
die,  wie  Fritzsche  mit  Recht  sagt,  überhaupt  nur  7i(X)q)ä  TtQÖöoTta  sind. 
Der  Urteilsspruch  des  Hermes  bestimmt  das  einzelne;  das  Weib  soll 
der  rechtmäßige  Mann  zurücknehmen;  er  tut's  aber  erst  nach  ener- 
gischer Weigerung;  fürchtet  er  doch,  sie  möchte  ein  dreiköpfiges  Un- 
geheuer zur  Welt  bringen,  einen  Trikaranos  oder  Triphaies.  Beides 
sind  literarische  Werke;  Triphaies  hieß  eine  Komödie  des  Aristo- 
phanes,  Trikaranos  war  die  Schrift  genannt,  die,  gegen  die  drei  großen 
Staaten  Griechenlands,  Athen,  Sparta,  Theben,  gerichtet,  dem  Theo- 
pomp von  Anaximenes  untergeschoben  war.*)  Beide  Titel  kehren  bei 
Varro  wieder;  es  ist  sehr  wohl  denkbar,  daß  VaiTO  ebenso  wie  Lucian 
die  Anregung  schon  aus  einem  Zitat  oder  einer  Bemerkung  bei  Menipp 
erhielt.  Für  die  drei  Ausreißer  selbst  wird  das  Schicksal  verschieden 
festgesetzt;  die  zwei  Nebenpersonen  werden  von  ihrem  Herrn  wieder 
angenommen;  Kantharos  muß  das  Los  des  Prometheus  erfahren,   nur 


1)  Diog.  L.  VI  51  erzählt  von  Diogenes:  &Tcov6ag  nors  ort  Jidv^cov  6  avXri- 
rrjg  iioi^b?  hdlco'  ci^iog,  ^'qpTj,  i-n  rov  övo^atog  y.Qt^aGQcci.  Lucian  hat  dieselbe 
Strafe  in  den  ""Wahr.  Geschieht.'  II  26,  31  bei  Kinyras  anwenden  lassen,  der  die 
Helena  rauben  wollte. 

2)  Siehe  Plaut.  Trin.  247.  Asin.  303.  Mosteil.  1167.  Menaechm.  951.  Ter. 
Phonn.  220.  Eun.  1021. 

3)  Diog.  L.  YII  28:  itsXsvtriGsv  uTCOTivl^ag  sccvtov. 

4)  Von  Lucian  auch  Pseudolog.  29  erwähnt. 


Gesamturteil.  321 

in  parodierter  Gestalt,  und  diese  Parodie  wird  noch  deutlicher  dadurch, 
daß  der  Verurteilte  in  tragischen  Wehelauten  sich  äußert. 

Trotz  des  Lobes,  das  auch  die  'Ausreißer'  bei  Wieland  gefunden 
haben,  stehe  ich  nicht  an,  sie  für  die  mißlungenste  Satire  unseres  Schrift- 
stellers zu  erklären.  An  ihrer  Echtheit  zu  zweifeln  liegt  kein  Grund 
vor,  wenn  man  sieht,  daß  sie  dieselbe  Arbeitsweise  wie  die  anderen, 
dieselbe  Art  von  Reminiszenzen  aus  früheren  Arbeiten  enthält.  Aber 
Lucian  hat  hier  nicht  mehr  recht  vermocht  Einheitlichkeit  der  Handlung 
herzustellen.  Die  Szene  im  Olymp,  die  keine  bestimmten  Hinweise 
enthält  und  allgemein  gefaßt  ist,  geht  nicht  recht  mit  der  Szene  auf 
Erden  zusammen;  in  dieser  wieder  herrscht  eine  Farblosigkeit  und 
Dunkelheit,  wie  sie  sonst  Luciaiis  Sache  nicht  ist.  Zwei  Personen 
sind  völlig  überflüssig,  und  die  dritte  ist  nebelhaft.  Was  man  her- 
auskonstniiert  hat  von  der  Feindschaft  eines  bestimmten  Kynikers 
gegen  Lucian  oder  gar  von  einer  literarischen  Fehde  ^),  dafür  ver- 
mag ich  kein  Beweismaterial  in  der  Satire  zu  finden,  und  die  An- 
nahme beruht  überhaupt  auf  der  Voraussetzung,  daß  die  Schrift  über 
den  Tod  des  Peregrinus  vorausgegangen  sei.  Die  Mängel  der  Satire 
erklären  sich  aus  der  Kombination  verschiedener  Stücke,  die  Lucian 
nicht  mehr  ordentlich  zusammenzuschweißen  gewußt  hat,  so  wie  schon 
der  'Fischer'  in  dieser  Hinsicht  Bedenken  erregte.  Den  Titel  hat 
ebenso  wie  im  'Fischer'  der  zweite  Teil  gegeben.  Daß  für  diese  Szene 
ursprünglich  das  Vorbild  der  Komödie  maßgebend  war,  läßt  sich  aus 
Titeln  wie  Plautus'  Fugitivi,  Eupolis'  zJQunttui,  Kratinos'  z^gaTtatLÖsg 
und  Antiphanes'  ^QCüierayayog  schließen;  in  Lucians  Darstellung  ist 
aber  das  Komische  gar  nicht  ausgesponnen.  Nach  allem  ist  es  kaum 
zweifelhaft,  daß  dies  die  letzte  Schrift  Lucians  in  eigentlich  menip- 
pischem  Stil  ist');  sie  ist  ihm  wenig  gelungen,  und  er  hat  selber 
eingesehen,  daß  er  sich  auf  diesem  Gebiet  ausgeschrieben  habe. 

1)  Die  parodierenden  Weherufe  (88)  mit  Gesner  und  Fritzsche  aus  der 
Schrift  de»  feindlichen  Kynikers  entnommen  zu  denken,  liegt  absolut  kein  Grund 
vor,  und  ich  kann  mir  nicht  einmal  denken,  wie  sie  in  einer  gegen  Lticiau» 
'Feregrinun'  gericht<;ten  Schrift  hiltt<'n  Platz  linden  können. 

2)  Dazu  gehören  natürlich  'TutengeüprUche'  und  'Saturualiendchriften\  die 
ja  Bpätiir  verfaßt  sind,  nicht. 


Sl 


Kapitel  XV. 
Der  Hahn. 

Es  gibt  nur  eine  Satire  Lucians,  abgesehen  von  den  kleinen 
Bildern  in  den  'Totengesprächen'^  der  'Niederfahrt'  und  dem  'Charon', 
die  sich  von  den  Philosophen  zu  dem  Allgemein-menschlichen  wendet. 
Das  ist  der  'Traum'  oder  'Hahn'.  Allerdings  kehren  die  Motive  der 
Verspottung  der  Philosophen  auch  hier  wieder;  aber  der  Zweck  des 
Ganzen  ist  doch,  dem  Menschen  die  Glückseligkeit  der  Armut  zu 
predigen  und  die  Ruhelosigkeit  des  Reichtums  vorzuführen.  Mikyllos 
ist  von  seinem  Hahn  aus  dem  schönsten  Traum  aufgescheucht,  während 
es  noch  nicht  einmal  Mitternacht  ist;  voller  Zorn  bedroht  er  ihn, 
aber  das  getreue  Haustier  verteidigt  sich  und  zeigt  ihm,  daß  er  bis 
zum  Morgen  schon  einen  Schuh  herstellen  könne  und  dann  zu  leben 
habe,  während  er  bei  seinen  Träumen  verhungern  muß.  Das  Staunen 
darüber,  daß  er  sprechen  kann,  beseitigt  der  Hahn  mit  Berufung  auf 
Achills  Roß,  auf  die  Argo,  die  Eiche  von  Dodona  und  ähnliches,  ja,  er 
gibt  sich  als  früheren  Menschen  zu  erkennen.  Mikyllos  denkt  an  die 
Sage  von  Alektryon,  der  zur  Strafe  in  einen  Hahn  verwandelt  wurde, 
weil  er  als  Posten  vor  der  Tür  während  des  Liebesabenteuers  des  Ares 
und  der  Aphrodite  eingeschlafen  war  und  Helios'  Kommen  nicht 
gemeldet  hatte;  aber  dieser  Hahn  hier  stellt  sich  als  ehemaliger 
Euphorbos-Pythagoras  vor.  Der  Schuster  hegt  Zweifel,  weil  sein 
Hausgenosse  nicht  schweigsam  ist  und  gegen  das  Pythagoreerverbot 
Bohnen  gegessen  hat;  aber  ihm  wird  zur  Antwort,  daß  jedes  Leben 
seine  eigenen  Gesetze  habe.  Gern  will  er  drauf  die  verschiedenen 
Schicksale,  die  der  Hahn  durchgemacht  hat,  vernehmen,  doch  zunächst 
kommt  er  von  seinem  Traum  nicht  ab,  der  ihm,  wie  er  meint,  nicht 
durch  die  Pforte  von  Hörn  oder  Elfenbein,  sondern  durch  eine  wahrhaft 
goldene  gekommen  ist;  Pindar  hat  doch  recht,  wenn  er  das  Gold  rühmt. 
So  erzählt  der  Schuster  denn  zunächst  seinen  Traum.  Tags  zuvor 
hatte   er   bei   dem   reichen  Eukrates   gespeist,  der  ihn  auf  der  Straße 


Inhalt.  323 

getroffen  und  zum  Geburtstagsfest  seiner  Tochter  eingeladen  hatte 
für  den  Fall^  daß  ein  Gast,  der  schwer  krank  sei,  nicht  erscheinen 
werde.  Allerdings  war  dieser  Gast,  ein  sechzigjähriger  Philosoph, 
Thesmopolis  mit  Namen,  wenn  auch  ächzend  und  hustend,  von 
vieren  getragen,  doch  gekommen,  aber  der  liebenswürdige  Hausherr 
hatte  dem  Mikyllos  trotzdem  einen  Platz  verschafft  neben  jenem 
Kranken,  neben  dem  es  sonst  niemand  aushielt,  wo  er  nun  die  ganze 
stoische  Weisheit  über  sich  ergehen  lassen  mußte.  Durch  dieses 
Mahl  war  der  Traum  veranlaßt;  er  sah  den  Eukrates  im  Sterben  und 
sich  als  einzigen  Erben  all  seines  Gutes,  wie  er  im  Golde  wühlte, 
von  allen  bewundert  wurde,  den  Freunden  Feste  gab  und  aus  goldenen 
Schalen  trank.  Der  Hahn  wundert  sich  über  diese  Vorliebe  für  das 
Gold.  Aber  Mikyllos  verteidigt  sich:  auch  Euphorbos  ging  mit  Gold 
und  Silber  an  den  Locken  im  Felde  einher,  Zeus  selbst  wurde  zu 
Golde,  als  er  Danae  liebte;  das  Gold  schafft  ja  sofort  Ehre,  wie  das 
Beispiel  des  Nachbarn  Simon  zeigt,  der,  vor  kurzem  noch  so  arm, 
daß  er  eine  irdene  Schüssel  stahl,  jetzt,  durch  Erbschaft  reich  ge- 
worden, als  Simonides  einherstolziert,  von  allen  Weibeni  geliebt; 
weshalb  hätte  auch  sonst  Euripides  das  Gold  so  gepriesen?  Der  Hahn 
lacht  über  diese  Gedanken,  da  er  noch  kein  Leben  gesehen  hat,  das 
glücklicher  gewesen  wäre  als  das  seines  Hausherrn,  und  berichtet 
sodann  seine  eigenen  Lebensschicksale.  Bei  der  Erwähnung  des  Eu- 
phorbos und  der  Kämpfe  vor  Ilion  unterbricht  ihn  Mikyllos  mit  der 
Frage,  ob  Homer  richtig  geschildert  habe.  Der  ehemalige  Pythagoras 
leugnet  das;  es  sei  auch  ganz  unmöglich,  da  der  Sänger  damals  als 
Kamel  im  Baktrerland  lebte;  Helena  war  zwar  weiß  und  hatte  in- 
folge ihrer  Abstammung  einen  Schwanenhals,  aber  sonst  war  sie  recht 
alt,  da  sie  ja  Theseus  zu  Herakles'  Zeiten  schon  geraubt  hatte. 
Weiter  berichtet  der  Hahn  von  seinem  Leben  in  Gestalt  des  berühm- 
ten Philosophen,  von  seinen  Wanderungen  und  wie  er  die  Griechen 
betört  ihn  für  einen  Gott  zu  halten;  beschämt  gesteht  er,  daß  zu 
dem  Verbot,  Fleisch  and  Bohnen  zu  essen,  ihn  nur  das  Bestreben 
veranlaßt  habe,  etwas  Neues  vorzubringen.  Später,  erzählt  er,  wurde 
er  Aspahia:  dies«*  Mitteilung  führt  den  Schuster  auf  die  Frage,  ob  ihm 
das  Lebfu  als  Mann  oder  als  Weib  besser  gefallen  hat;  und  da  jener 
mit  Hinweis  auf  TireHias'  Schicksal  die  Antwort  verweigert,  st»  cnt 
scheidet  er  sie  selbst  mit  dem  bekannten  Vfrs  aus  Euripides'  .Medoa. 
Nach  dem  Leben  bIh  Anpasia  gibt  der  Hahn  luwh  <las  »l.s  Kyuiker 
Krates  genau  an,  die  übrigen  Hypostasen  Hnnes  Du.^rin.s  sind  nur 
allgemein  bezeichnet;  er  war  König,  Armer,  Pferd,  Dohle,  Frosch  und 


324  Kapitel  XV.    Der  Hahn. 

noch  viel  anderes,  zuletzt  mehrfach  Hahn.  Viel  Herren  hat  er  ge- 
habt; drum  lacht  er  über  den  Mikyllos,  daß  dieser  sein  Los  beseufzt. 
Da  er  weiß,  wie  der  Reiche  und  wie  der  Arme  lebt,  so  muß  er  dar- 
über berichten,  um  den  Beweis  zu  erbringen,  daß  das  Schicksal  der 
Begüterten  nicht  beneidenswert  ist.  Dieser  Vergleich  der  beiden 
Ijebensarten  bildet  den  Kern  der  Satire.  Mikyllos  glaubt  noch  nicht 
an  das  Leid  der  Reichen;  der  Hahn  soll  ihm  seine  Erfahrungen  mit- 
teilen; er  schildert  nun  die  ewige  Angst  und  Sorge,  den  steten  Arg- 
wohn, der  zu  keinem  Genuß  kommen  läßt;  das  Leben  als  Tier  scheint 
ihm  das  sorgenfreiste  zu  sein.  Weil  Mikyllos  noch  immer  nicht  ganz 
von  seiner  Sehnsucht  nach  dem  Golde  lassen  kann,  so  soll  er  durch 
den  Augenschein  überführt  werden.  Die  rechte  Schwanzfeder  des 
Hahnes  öffnet  jede  Tür.  So  gehen  sie  zuerst  zu  Simon,  dem  be- 
neideten Nachbarn,  und  erblicken  ihn,  wie  er  in  ruheloser  Angst  über 
seinen  Schätzen  wacht  und  sich  in  Argwohn  verzehrt,  es  möchte  ihm 
jemand  etwas  geraubt  haben.  Dann  gehen  sie  zu  dem  Wucherer 
Gniphon,  der  beim  ewigen  Berechnen  seiner  Zinsen  zum  Gerippe  ab- 
magert. Den  Beschluß  bildet  der  Einblick  in  das  Haus  des  reichen 
Eukrates;  hier  erblicken  sie  die  niedrigste  Unsittlichkeit,  die  ein 
Glück  nicht  aufkommen  läßt.  Da  wird  es  Tag,  und  bekehrt  von 
seiner  Sucht  nach  Reichtum,  kommt  Mikyllos  in  sein  armseliges 
Heim  zurück. 

Die  Satire  zeigt  die  menippische  Form  wieder  mit  unverkenn- 
barer Deutlichkeit.  Wir  haben  Zitate  in  reichem  Maße.  Als  Beispiel 
dafür,  daß  nicht  nur  Menschen  sprechen,  werden  (2)  des  Achill  redendes 
Roß  Xanthos  (II.  XIX  404  ff.),  die  brüllenden  Häute  der  Rinder  des  Helios 
aus  Homer  (Od.  XII  395)  angeführt,  weiter  der  Kiel  der  Argo  nach 
Apollonius  von  Rhodus  (IV  578  ff.).  Mit  Beziehung  auf  das  Home- 
rische dfisvYjvä  ovBiQa  (Od.  XIX  562)  wird  das  nur  im  Traum  gesehene 
Glück  ä^6vr]vrj  avÖcci^ovLa  genannt  (5)  und  ebendaher  die  Erwähnung 
der  beiden  Traumtore  aus  Hörn  und  Elfenbein  geschöpft  (6).  Der 
Ausdruck  a^ßQoöLrjv  öiä  vvxta  (8)  wird  ausdrücklich  auf  Homer  zu- 
rückgeführt (IL  II  57,  in  anderer  Stellung  auch  sonst),  bei  Euphorbos' 
Schilderung  (13)  auf  IL  XVII  51/2  Bezug  genommen;  der  Simon  hat, 
seit  er  Geld  besitzt,  geradezu  den  berühmten  Liebesgürtel  der  Aphro- 
dite (14)  (Hom.  IL  XIV  214).  Das  Leid  und  die  Sorgen  des  Herrschers 
werden  (25)  mit  den  Worten  dargestellt,  die  Homer  von  Agamemnon 
gebraucht  (IL  X  3/4).  Neben  Homer  wird  wieder  Euripides  mehr- 
fach benutzt;  so  stammen  von  den  Versen  über  das  Gold  (14)  der  eine 
auch  im  'Timon'  (41)  zitierte  sicher  aus  seiner  'Danae'  (Nauck,  Trag. 


Menippische  Form.     Sagenkritik.  325 

Gr.  fr.^  324),  der  andere  höchstwahrscheinlich  7on  ihm  (Nauck  adesp. 
294);  aus  der  "Medea"  (250  f.)  wird  der  Ausspruch  herangezogen  (19), 
daß  es  besser  sei  dreimal  als  Krieger  in  der  Schlacht  zu  stehen  wie 
einmal  zu  gebären.  ^)  Dazu  kommt  der  Anfang  von  Pindars  1 .  olym- 
pischer Ode  (7)  und  die  Beziehung  auf  den  bekannten  Vers,  der  das 
Bohnenessen  als  das  größte  Verbrechen  bezeichnete.^ 

Das  zweite,  was  in  Betracht  kommt,  ist  die  Verwendung  der 
Mythologie.  Wir  hören  die  Geschichte  von  Alektryon,  dem  nach- 
lässigen Wächter  beim  Schäferstündchen  des  Ares  (3),  eine  Verwand- 
lung, die  in  dieselbe  Reihe  gehört  wie  die  von  Ovid  erzählte  Be- 
strafung des  Raben  und  der  Krähe  ^)  und  gewiß  auf  alexandrinische 
Metamorphosendichtung  zurückgeht.  Von  Verwandlungssagen  werden 
auch  die  von  Tiresias  und  Caeneus  erwähnt  (19).  Die  Armen  und  Reichen 
werden  dem  Dädalus  und  Ikarus*)  verglichen  (23);  wer  sich  nahe  der 
Erde  hält  und  nicht  zu  hoch  hinauffiiegt,  dem  bleiben  Gefahren  und 
Unglück  erspart.  Beachtenswert  ist  die  rationalistische  Deutung  der 
Danaesage  (13),  in  welcher  der  Goldregen  als  das  die  Wächter  be- 
stechende Geld  umgedeutet  ist,  das  Tür  und  Tor  öffnet.  Daß  diese 
Erklärung  im  euhemeristischen  Sinne  nicht  Lucian  geschaffen  hat,  weiß 
jeder  aus  Horaz  c.  III  16,  wie  sie  sich  auch  in  ähnlicher  Weise  bei 
Ovid  am.  III  8,  29  findet.  Eine  Kritik  an  Homerischen  Sagen  ist 
auch  geübt,  wenn  das  Alter  der  Helena  nachgerechnet  wird  (17). 
Diese  Kritik  war  durchaus  kynisch,  und  die  Auslegung  der  Danae- 
sage mit  der  moralischen  Nutzanwendung,  die  man  ihr  geben  konnte, 
steht  auf  demselben  Niveau  wie  die,  welche  Diogenes  an  der  Medea- 
sage  versucht  hat.^) 

Auch  die  übrigen  Beziehungen,  die  wir  finden,  erinnern  uns  an 
....coro     fV.-!l.i..-4.n     B«>r.l.M<')'tinifToii       Typisch    ist    die    Verwen«l"n"    <les 

1)  Für  dag  Vorkommen  «i-  hei  Menipp  scheint  zu  sprechen,  daß 
auch  Varro  ihn  hat,  natürlich  »1^  ii-'inri  iu  <ler  Bearbeitung:  des  Ennius  i  TfpoiTo- 
didäaxaXog  Villi  fr.  189  B.):  non  vides  apud  Knnium  esse  scriptum  'ter  sub  ar- 
miM  mal  im  vitam  corner«'  (|uam  semel  modo  purere',  so  wie  ("icero  /..  B.  Chrysipps 
Zitate  iiUH  Kuripides  in  de  fato  durch  die  F^nniauischen  ersetzt  hat. 

2)  lööv  rot  xvdiiovg  rt  «payttv  xatpctläs  xs  roxvjoof  IMut.  ({luvest.  COnv.  U  8 
(686  T).    Vgl.  Nene  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  (1002)  S.  191 

8j  Ov.  inet  II  544  ff.  nach  Hesiod  fr.  198  Rk. 

4)  Über  die  Benutztnif^  dieser  Stelle  de«  'Hahns'  in  den  'Bildern*  «.  S.  a:i'J 
und  8Aft;  da  die  'Bilder'  offenbar  daR  spAtero  sind,  so  ist  der  'Hahn'  da<lurcli 
als  vor  168  verfaßt  erwiesen. 

6,  Stob,  er!   HI  J'»    ••"    '"  ^  '  I    hiimmlcr,    Antisthenic»,    ßonnor 

DiM.  Halle  1882,  H.  7a 


326  Kapitel  XV.    Der  Hahn. 

Midas'),  wenn  der  Hahn  den  immer  wieder  sehnsüchtig  am  Golde 
hängenden  Schuster  als  'bester  Midas'  anredet  (6).  Krösus  und  der 
Tyrann  Dionys,  der  in  Korinth  die  Knaben  lehren  muß,  sind  die  Bei- 
spiele für  das  den  Herrschern  drohende  Mißgeschick  (23),  wie  der 
erste  im  'Charon'  (10,  12  f.)  und  der  'Nekyomantie'  (16)  als  Exempel 
vorgeführt  wurde.  An  den  'Ikaromenipp'  werden  wir  durch  die  aus- 
führliche Musterung  der  Tyrannen  (25)  gemahnt,  und  gerade  diese 
Stelle  ist  wieder  beweisend.  Für  das  traurige  Schicksal  derer, 
die  scheinbar  über  den  Menschen  stehen,  wird  als  erstes  Beispiel 
Krösus  angeführt,  der  über  seinen  taubstummen  Sohn  bekümmert  ist; 
das  zweite  ist  Artaxerxes,  dem  die  Truppensammlungen  des  Klearch 
für  Kyros  Sorge  machen,  bei  der  Vorliebe  der  Lucianischen  Zeit  für 
Xenophon^)  an  und  für  sich  eine  sehr  verständliche  Erwähnung;  dem 
Dionys  raubt  irgend  eine  Unterredung  des  Dion  mit  einem  Syraku- 
saner  seine  Ruhe;  den  Alexander  ärgert  das  Lob,  das  Parmenion  er- 
fährt, dem  Perdikkas  macht  Ptolemäus  und  dem  Ptolemäus  wieder 
Seleukus  Sorge.  Damit  schließt  beachtenswerterweise  die  Reihe  der 
Herrscher;  was  folgt,  ist  ganz  allgemein  gehalten  und  erinnert  in 
etwas  an  den  gleichen  Ausgang  der  Schilderung  im  'Ikaromenipp'.^) 
Fällt  es  auch  hier  wieder  auf,  daß  die  historischen  Anspielungen  beim 
3.  Jahrhundert  v.  Chr.  Halt  machen,  so  ist  es  nicht  weniger  be- 
merkenswert, was  wir  über  die  Verwandlungen  des  Pythagoras  hören, 
die  denen  ähnlich  sind,  die  Empedokles  von  sich  behauptete  (Diels, 
Vorsokratiker  fr.  117):  ijdrj  yccQ  tiot  iya)  yevo^rjv  KOVQÖg  rs  xogrj 
X8  d'd^vog  t  olcovög  rs  xal  i^  dlbg  eXXoTtog  l%^vg.  Lucian  braucht 
nicht  an  diese  Verse  gedacht  zu  haben;  das  Alter  der  Pythagoras- 
legende  beweist  ja  das  Zitat  aus  Herakleides  Pontikos  bei  Diogenes 
L.  VIII  4.*)  Lucian  hat  von  jenen  früheren  Erscheinungsformen  des 
Pythagoras  nur  die  eine  des  Euphorbos  erwähnt.  Auch  für  spätere 
Hypostasen  des  Philosophen  lagen  schon  Angaben  vor.  Dikäarch 
und  Klearch  hatten  mehrere  aufgezählt,  darunter  auch  das  Dasein  als 
schöne  Dirne,  namens  xilko.^)     Bei  Lucian  ist   sie  durch  die  Aspasia 


1)  Siehe  oben  S.  55.  197  f  2)  Siehe  oben  S.  208. 

3)  Besonders  gall.  25 :  6  ^lsv  yovv  vitb  xov  TtciiSbg  äniQ-av^v  i-n  cpagiiccHcov 
erinnert  an  Icar.  15:  yiccl  'dttccXa)  xov  vibv  iy^eovra  to  cpäqyL,a%ov . 

4)  Vin  4:  %Q6voi  dh  vgxbqov  dg  E^cpogßov  ilQ'hlv  xal  v-jio  MsveXsco  xqoiQ'fivai. 
6  &'  EvcpOQßog  ^XsyEv  ag  Atd'ccXiSrig  tcoxs  yeyovoL  yiccl  ort  nag'  'Eqiiov  x6  ^agov 
XdßoL  Kccl  xrjv  xrig  ipvxfjg  •n£QL'ji6Xr\aiv ^  mg  TtsQLSTtoXTjd'ri  Hat  elg  oea  cpvxä  xal 
^ma  Ttagsy^vsxo  xai  öaa  f]  tpvxi]  svZiidov  ^nad-s  xat  al  Xomccl  xlvcc  VTto^ivovßiv. 

5)  Gell.  noct.  Att.  IV  11, 14:  Clearchus  et  Dicaearchus  memoriae  tradiderunt 


Typische  Beispiele.    Historische  Beziehungen.  327 

des  Perikles  ersetzt.  Darauf  folgt  noch  das  Leben  als  Kyniker  Krates, 
und  damit  schneidet  auch  hier  die  Angabe  bestimmter  Persönlich- 
keiten ab;  ganz  allgemein  ist  weiter  von  'König',  'Bettler',  'Satrap' 
die  Rede.  Wir  kommen  mit  dem  Tode  des  Krates  wieder  in  die 
Zeit  des  Ptolemäus  Philadelphus.  Natürlich  ist  die  Zusammenstellung 
des  feinen  Pythagoras,  der  schönen  milesischen  Hetäre  und  des  häß- 
lichen, buckligen  Kynikers,  der  auch  äußerlich  die  Roheiten  seiner 
Lehre  nach  Möglichkeit  betätigte,  sehr  witzig.  Aber  mußte  deshalb 
bei  Krates  geschlossen  werden?  Und  ist  es  Zufall,  daß  wir  hier  wie 
bei  der  andern  Aufzählung  nur  bis  in  den  Anfang  des  dritten  Jahr- 
hunderts gelangen?^) 

Es  kommt  aber  noch  ein  sehr  wichtiger  Umstand  hinzu,  den 
auch  Wieland  schon  richtig  beobachtet  hat.^)  Die  Darstellung  des 
'Hahns'  (21  ff.),  in  der  er  dem  Mikyllos  die  Leiden  der  Reichen  und 
Freuden  der  Armen  vorführt,  setzt  ganz  andere  politische  Verhält- 
nisse voraus  als  sie  zu  Lucians  Zeit  herrschten.  Zieht  man  daraus 
die  notwendige  Folgerung,  so  ergibt  sich,  daß  sie  nicht  erst  von 
Lucian  in  dieser  Weise  abgefaßt  sein  kann,  da  er  selbstverständlich, 
wenn  ihm  kein  Muster  vorlag,  die  Lage  der  Besitzenden  und  Nicht- 
besitzenden aus  seiner  Zeit  heraus  geschildert  hätte  in  einem  Dialog, 
der  durchaus  nicht  durch  die  Fiktion  in  eine  frühere  Zeit  gesetzt  ist, 
sondern  im  Gegenteil  durch  die  Fülle  der  Erscheinungsformen  des 
ehemaligen  Pythagoras  seit  seinem  Dasein  als  Krates  der  eigenen 
Zeit  Lucians  recht  nahe  gerückt  ist.  Der  Hahn  nimmt  zunächst  Kriegs- 
zeiten an;  dann  rafft  der  Bettler  sein  bißchen  Habe  im  Augenblick 
auf,  während  der  Reiche  beständig  in  Angst  ist  und  mit  Schrecken 
die  Plünderung  sieht.  Bei  Kriegssteuern  haben  die  Begüterten  allein 
zu  zahlen,  sie  müssen  als  Feldherren  und  Hauptleuto  die  größten  Ge- 
fahren be8t<*hen,  während  der  Arme  ebenso  behend  ist  zu  fliehen  wie 
sich  zum  Siegesmahl  einzuflnden.    In  Lucians  Zeit  hatten  die  Grieclien 


faiiae  enm  pofiea  P3nrrhum,  deinde  Aethaliden,   deinde  feminam  pulcra   facie 
meretricem,  cui  nomen  fuerat  Alco. 

1;  Dem  Hcharfen  Beobachter  Wieland  ist  offenbar  die  Tatsache  aufgefallen, 
wie  die  Anmerkang  zu  Kap.  S6  zeigt:  'Herodot,  Xenophon  und  Plutarchs  Lebenn 
betcbreibnngen   waren  um  die  Zeit,  da  Lucian  üchrieb,  in  jodorroannB  Hilnden, 
and  er  konnte  aliio  Torauiietzen ,  daß   die   hier  bloß  angodeutoU^n  historiHchen 
ZOge  niemand  unbekannt  seien.* 

S)  'Dieiea  meiiterhafte  Qemftlde  der  Lage  und  Vorteile  eine»  gemeinen 
Bürgen  in  einer  demokratischen  Republik  icheint  vorauMUsetsen«  daß  Lucian 
die  Zeit  dieee«  Dialog«  »wischen  Mikylloii  und  seinem  Hahn  etliohe  Jahrhunderte 
früher  als  seine  eigene  vorgtrückt  haben  woUo.' 


328  Kapitel  XV.     Der  Hahn. 

weder  die  Leitung  im  Kriege  noch  überhaupt  Kriege  zu  führen.  Es 
folgt  die  Darstellung  der  Zustände  im  Frieden.  Da  beherrscht  der 
Arme,  zum  Demos  gehörig,  die  Reichen,  die  sich  vor  ihm  ducken 
und  ihn  bei  guter  Laune  zu  erhalten  suchen;  sie  sorgen  für  Bäder 
und  Schauspiele,  sind  dem  Armen  verantwortlich  und,  wenn's  ihm 
paßt,  einem  Hagel  von  Steinen  ausgesetzt  wie  der  Konfiskation  des 
Vermögens.  Es  ist  klar,  daß  diese  Schilderung  der  Demokratie  und 
ihrer  Auswüchse  wieder  nicht  mehr  in  die  römische  Kaiserzeit  paßt, 
sondern  in  die  Zeit,  da  Athen  noch  selbständige  Politik  treiben  konnte. 
Der  gleiche  Gedanke,  der  hier  ausgeführt  ist,  findet  sich  in  größter 
Kürze  in  dem  Telesexzerpt  über  Armut  und  Reichtum  (S.  35,  15  ff.  H.), 
wo  ganz  ähnlich  die  Vorzüge  des  Armen  geschildert  sind:  er  ist  von 
Sorgen  frei  und  hat  mehr  Muße;  in  Kriegeszeit  denkt  er  an  nichts 
als  an  sich  selbst,  der  Reiche  muß  auch  an  andere  denken.^)  Diese 
Übereinstimmung  ist  bezeichnend. 

Zu  diesen  deutlichen  Hinweisen  auf  eine  ältere  Vorlage  menip- 
pischen  Charakters  stimmen  auch  die  typischen  Vergleiche,  die  wir 
hier  wiederfinden;  es  sind  zwei  in  diesem  Dialog.  Der  erste  ist  der 
uns  bekannte  Schauspielervergleich  ^),  allerdings  wieder  etwas  anders 
gewandt.     Man   kann   oftmals   sehen,   wie  jemand   den  Kekrops,  Sisy- 


1)  Luc.  gall.  21:  aol  ^isv  o^ts  noXi^Lov  TtoXvg  Xoyo?  ....  o'bdh  cpQovxi^ttg 
yur]  tov  ayqhv  tiyb(o6iv  ...  ccXXä  ...  TtSQißXiTtsig  to  %atk  asccvtov^  Teles  36,  1: 
iv  t<p  vvv  7toX8(i(p  Ttsgl  ov^svbg  (pQOVxi^Bi  ?)  'XsqI  avtov,  ö  ds  nXovöiog  yial 
Ttsgl  irigcov. 

2)  S.  S.  45  if.  Vielleicht  könnte  man  auch  hier  eine  Spur  zeitlich  fixierbarer 
Verhältnisse  erkennen.  Wenn  der  Schauspieler  auf  ebener  Erde  fällt,  kann  er 
sich  doch  nur  im  ungünstigsten  Fall,  der  selten  eintritt,  den  Kopf  blutig  schlagen, 
auch  die  Lumpen  unter  den  Königsgewändern  werden  kaum  sichtbar.  Lucian 
sagt  aber  auch  Hsvs^ßaf^Gag  ^wenn  er  ins  Leere  tritt',  was  man  doch  von  einem 
Stolpern  auf  ebener  Erde  schlecht  verstehen  kann.  Es  würde  verständlicher,  wenn 
man  sich  den  Schauspieler  von  dem  schmalen  Proskenion  herunterfallen  denkt, 
obwohl  man,  soweit  ich  sehe,  diese  Stelle  für  die  Bühnenfrage  noch  nicht  ver- 
wandt hat.  Sie  paßt  zu  der  Annahme  einer  liellenistischen  Bühne  auf  dem 
hohen,  schmalen  Proskenion  (vgl.  Puchstein,  Die  griechische  Bühne,  Berlin  1901, 
S.  7),  keinesfalls  aber  auf  die  niedrige,  breite  Bühne,  die  zu  Lucians  Zeit 
überall  in  Kleinasien,  Italien,  Sizilien  (s.  Dörpfeld  und  Reisch,  Das  griechische 
Theater,  Athen  1896,  S.  390)  und  auch  zu  Athen  im  Theater  des  Herodes  und 
dem  unter  Nero  umgebauten  Dionysostheater  eingeführt  war,  die  sog.  römische 
(Vitruv.  V  6).  Lucian  hätte  dann  das  iv  iiiaT)  xtj  öTn^vy  hinzugesetzt,  weil  er 
die  Situation  nicht  mehr  begriff,  wie  er  wohl  auch  die  Bemerkung  über  den 
Kothurn  hinzufügte  (vgl.  Anachars.  23,  de  salt.  27),  aber  das  ycsvsiißccTi^öag  bei- 
behalten, obwohl  es  nun  nicht  mehr  paßte.  Auch  die  Verallgemeinerung:  ola 
TfoXXcc  yiyvETai  wäre  sein  Werk. 


Typische  Vergleiche.     Kynische  Tendenz.  329 

phus  oder  Telephus  darstellt  im  Prunkgewand,  das  Diadem  auf  dem 
Haupte,  das  Schwert  mit  Elfenbeingriff  an  der  Seite,  mit  wallendem 
Haar;  und  wenn  er  einen  Fehltritt  tut,  so  stürzt  er,  sein  Diadem 
zerbricht,  das  Haupt  schlägt  er  sich  blutig,  und  unter  dem  Prachtkleid 
erblickt  man  die  eigenen  Lumpen  und  den  ungefügen  Kothurn  (26), 
das  Publikum  aber  bricht  in  Lachen  aus.  Der  zweite  Vergleich  (24) 
behandelt  ganz  ähnlich  den  Gegensatz  des  äußeren  prunkvollen  Scheins 
zu  dem  traurigen  Innern.  Der  Tyrann  wird  einem  der  Kolossalstand- 
bilder verglichen,  wie  sie  Phidias,  Myron  oder  Praxiteles^)  gefertigt 
haben,  außen  schön,  von  Gold  und  Elfenbein,  mit  dem  Blitz  oder 
Dreizack  in  der  Hand,  inwendig  Balken,  Nägel  und  Pech,  von  Mäusen 
bevölkert. 

Auch  die  Tendenz  des  Ganzen  ist  durchaus  kynisch,  wenngleich 
in  diesen  Gedanken  populärer  Moralphilosophie  natürlich  Berührungen 
mit  andern  Schulen  sich  finden:^)  den  Armen  wird  das  Evangelium 
gepredigt;  es  ist  wieder  der  Gedanke,  der  in  der  'Niederfahrt'  schon 
beleuchtet  war,  den  der  Komödiendichter  Diphilus  mit  den  Worten 
ausdrückt:  Jtavrjtog  dvÖQog  ovdsv  svxvxeöxeQov ^  xiiv  stcI  t6  xhqov 
^staßoXijv  ov  TCQoööoxa  (Kock  H  S.  574)  und  der  jedenfalls  unter 
der  von  der  neueren  Komödie  ausgesprochenen  Lebensweisheit  sich 
häufiger  fand.  Das  naturgemäße  Leben  der  Tiere  erscheint  dem  Hahn 
wünschenswerter^)  als  das  der  Menschen  (-7),  unter  den  Menschen 
aber  erklärt  er  das  des  Mikyllos  für  das  glücklichste  (15).  Das  ist 
die  Auffassung  vom  Leben,  wie  sie  am  Schluß  von  Piatons  Republik 
in  dem  ünterweltsmythus  dargelegt  wird;  die  ganze  Behandlung  der 
Seelen  Wanderung  in  unserem  Dialog  erinnert  ja  an  jene  Szene,  in  der 
Orpheus  das  Leben  des  Schwans,  Aias  das  des  Löwen,  Agamemnon 
das  des  Adlers  wählt,  alle  aus  Abneigung  gegen  das  Menschendasein; 
zuletzt  aber  wählt  sich  Odysseus,  der  in  seinem  Leben  so  viel  Müh- 
sal erduldet  hat,  das  Los  eines  bescheidenen  Privatmannes,  der  sich 
nicht  mit  öffentli(^hen  Angelegenheiten  befaßt,  und  sagt,  das  würde 
er,  auch  wenn  er  zuerst  zur  Wahl  gekommen  wäre,  vorgezogen  haben 
( K-ep.  X  ()20  A  ff.).     Das  Leben  als  lÖidtTrjg    ängay^KOv    ist    das  Idejü, 

1  Der  Zeu«  in  Olympia  venteht  sich  von  selbst,  einen  Poseidon  des  Praxi- 
tfli  H  •rwähnt  Plin.  n  h.  XXXVI  28,  obwohl  nicht  geiia^  ist,  dafi  es  eine  Ko* 
[....al-tattie  8ri;  /u  Myron  vgl.  Strabo  XIV  1,14  (C.  687). 

'l  Ich  eriniioro  an  die  ähnliche  Darlegung  bei  Kpikur  Diog.  L.  X  180  f.  und 
Horaz  »at.  li  2,  70  ff. 

8)  So  sagt  auch  labanius  im  'Timon*  8.  188,  9  ff.  Reitke:  9irtv%i9f^6v  fk 


B30  Kapitel  XV.    Der  Hahn. 

dem  Odysseus,  durch  sein  erstes  Leben  gewitzigt,  folgt;  ^^  ist  das 
Ideal  eines  Menschen daseins  für  diesen  kynisch  gestimmten  Hahn, 
der  dadurch  seiner  früheren  Erscheinungsform  als  Krates  nur  Ehre 
macht.  Daß  die  Kyniker  sich  nicht  als  Bürger  eines  Staates,  sondern 
der  Welt  fühlten,  haben  wir  früher  schon  gesehen^);  daß  sie  sich  von 
der  Teilnahme  an  allen  öffentlichen  Angelegenheiten  fernhalten^),  ist 
schon  durch  den  Ausspruch  des  Gründers  dieser  Schule  geboten'^): 
dem  Staatsleben  gegenüber  müsse  man  sich  verhalten  wie  dem  Feuer, 
nicht  zu  nahe  herangehen,  um  sich  nicht  zu  verbrennen,  aber  nicht 
gar  zu  weit  sich  entfernen,  um  nicht  zu  erstarren.  Die  Kritik  der 
Demokratie,  wie  sie  in  der  Darstellung  des  Hahns  (21  ff.)  uns  ent- 
gegentritt, entspricht  der  von  Antisthenes  ebenso  wie  von  Piaton 
geäußerten  Abneigung  gegen  diese  Staatsform.*)  Die  Volksführer 
nannte  Diogenes  Diener  der  Menge,  oxlov  Öiaxorovg  (Diog.  L.  VI  41), 
sowie  der  Hahn  den  Schuster  als  Vertreter  des  Pöbels  den  Herrn  der 
Reichen,  die  den  Staat  lenken,  nennt  und  ihm  eine  Tyrannis  über 
jene  zuschreibt  (22).  Vor  allen  Dingen  aber  ist  echt  kynisch  das 
Lob  der  Armut,  das  der  Hahn  anschließt  (23):  sie  erhält  gesund  und 
stählt  den  Körper,  sie  macht  ihn  kräftig  zum  Ertragen  der  Kälte. 
Daß  die  Kyniker  im  Ertragen  von  Strapazen,  in  der  Unempfindlich- 
keit  gegen  die  Witterung  es  allen  vorzutun  suchten,  ist  ja  allgemein 
bekannt,  und  Lucian  hat  im  ^Anarcharsis'  von  kynischem  Standpunkt 
aus  den  Solon  deshalb  für  die  Leibesübungen  eintreten  lassen.^)  Noch 
bezeichnender  ist  der  nächste  Satz  in  unserem  Dialog:  ^Die  Mühen 
härten  dich  ab  und  machen  dich  zu  einem  unverächtlichen  Streiter 
gegenüber  all  dem,  was  andern  unüberwindlich  scheint.'  Die  tcovol 
sind  es  ja  gerade,  die  die  Kyniker  für  nötig  halten,  die  höchste  Voll- 
kommenheit zu  erreichen,  und  Herakles,  der  nie  rastende,  immer  sich 
abmühende  Held,  ist  das  Vorbild  dieser  Sekte.  Der  Hahn  zeigt  sich 
auch  hier  würdig  des  Krates,  der  sein  väterliches  Vermögen  aufgab, 
um  mit  Stab  und  Ranzen  versehen,  im  rauhen  Gewände  als  Bettler 
durch  die  Straßen  zu  ziehen. 

Es  trifft  also  hier  alles  zusammen,  um  uns  Menipp  als  Vorbild 
dieser  Szene  zu  verraten,  das  Einfiechten  der  Verse,  die  Anbringung 
typischer  Vergleiche,  der  durchaus  kynische  Gedankengehalt  und   die 

1)  Siehe  oben  S.  240. 

2)  Vgl.  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.  E,  1  *  S.  324. 

3)  Stob.  flor.  45,  28  (11  208  Meineke). 

4^  Vgl.  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.  II,  1 '  S.  324  Anm.  2. 
5)  Siehe  Neue  Jahrb.  1".  d.  klass.  Altert.  IX  (1902>  S.  365  f. 


Beziehungen  zu  andern  Dialogen.  331 

historischen  Anspielungen,  die  uns  nur  bis  in  die  ersten  Jahrzehnte 
des  3.  Jahrhunderts,  also  in  Menipps  Zeit  führen.  Leider  genügen  die 
Fragmente  bei  Varro  nicht,  um  etwa  aus  der  Satire  jttQL  (pUaQyvQCag 
die  Bestätigung  unserer  Vermutungen  zu  erhalten.^)  Doch  scheint 
wohl  bei  dem  Zusammentreifen  verschiedener  Argumente  ein  Zufall 
ausgeschlossen,  zumal  wir  hier  denselben  phantastischen  Zug  erkennen, 
den  Varros  Satiren  und  der  ^Ikaromenipp'  als  menippisch  erweisen. 
Beachtenswert  ist,  daß  sich  bei  dieser  Satire  verhältnismäßig  wenig 
Wiederholungen  aus  andern  Schriften  zeigen,  was  wohl  eher  auf  der 
V^erschiedenheit  des  Stoffes  als  auf  größerer  Selbständigkeit  des  Ver- 
fassers beruht.  Wir  haben  aber  auch  den  'Hahn'  unter  den  ersten 
satirischen  Dialogen  anzusetzen  und  darin  eine  Erklärung '  füi*  die 
seltneren  Übereinstimmungen  in  den  Gedanken.  Die  witzige  Be- 
nutzung der  Nachrichten  über  Pythagoras  und  der  pythagoreischen 
Symbole,  des  Schweigens  und  des  Verbotes,  Bohnen  zu  essen  (4  und 
18),  kennen  wir  aus  der  'Versteigerung  der  Lebensarten'  (3  und  ()), 
imd  die  dort  (5)  angeführte  Lehre  von  der  Seelenwanderung  wird  ja  in 
unserem  Dialog  durch  die  Erscheinung  des  Hahnes  hart  mitgenommen. 
Mit  dem  'Gastmahl'  zeigt  sich  die  Berührung  in  der  Schilderung  des 
Festes  und  der  dabei  angebrachten  Verhöhnung  des  Stoikers  (9ff.)^) 
wie  auch  in  dem  Auftreten  des  Arztes,  der  eben  seit  Piaton  zu  den 
Personen  des  Gelages  gehört  und  hier  den  Namen  Archibios  führt. 
Der  Stoiker  heißt  hier  Thesmopolis,  ein  Name,  den  Lucian  in  den 
'Hausphilosophen'  wieder  verwandt  hat  (-^3),  und  wird  wieder  von  einer 
anderen  Seite  gezeichnet;  sein  nächster  Geistesverwandter  ist  der  He- 
t^nmokles,  der  sich  umsonst  um  eine  Einladung  bei  Aristainetos  reißt; 
auch  die  Anspielun«^  auf  die  xad-tlxavta  findet  sich  gleichmäßig  im  'Gast- 
mahl' (22)  und  im  'Hahn'  (10).  Neu  ist,  daß  der  todkranke  Philosoph 
unter  allen  Umständen  zum  Mahle  kommen  muß,  obwohl  er  nicht 
mehr  imstande  ist,  allein  zu  gehen.  Beim  Essen  paradiert  er  dann 
mit  seinem  Wissen  wie  jener  Iletoiniokles  (23),  z.  B.  mit  dem  Trugschluß 
vom  Gehörnten,  der  auch  im  'Hermotimos'  (81)  verspottet  wird,  mit  dem 
logischen  Satze,  daß  zwei  Verneinungen  eine  Bejahung  ergeben,  mit 

1^    i- r    I  -.rl  ii  :   <iu»'ni  H«Muijtiir  <um  rutuiuii-   \.l!t.'-  ;.     .  lum-     ,ii  i               i, 

«{uadratii    muliiHif^nibuit  t<M;ti    köniito   violleicht    .  t  v.  i  i       hu    .  m        i   i 

Kri<?^iizeit   Ihm    Luciun  21    orinnorn:    fiv  x(   int.  HMi)«i'<iti*i    > 

fii{>axr]yo{)vxts  T^  lnnuQXo{'vxti  ov  fi\  olovtvriv  «  ^  ^')fc'  «ai  »cor.^. .. 
h  aonriQiuv  und  fr.  11:  etcnim  quibun  legeit  praobeat  domam,  o«cuni,  poiiouom, 

qnid  deiidnremiiii?  ontAprirbt  der  Lehre  den  gAnseii  T     -  -  >    -    i»;..i ..... 

•i;  Öieh*»  oVkjd  S.  2»i». 


B32  Kapitel  XV.    Der  Hahn. 

der  Vielgepriesenen'  Tugend.^)  Der  reiche  Hausherr  heißt  wieder 
Eukrates  wie  im  'Herraotimos'  (11);  auch  die  Begeisterung  über  den 
Traum  und  der  Arger,  daraus  aufgeschreckt  zu  sein,  scheint  für  den 
'Hermotimos'  (71)  eine  Anregung  gegeben  zu  haben.^)  Das  Lob  der 
Armut  zeigt  Beziehungen  zum  'Timon'^),  wie  ja  auch  zur  Verherr- 
lichung des  Goldes  in  beiden  Gesprächen  die  gleichen  Verse  benutzt 
sind.'^)  Die  eine  Berührung  mit  dem  'Ikaroraenipp'  haben  wir  her- 
vorgehoben^); es  ist  wahrscheinlich,  daß  das  ausführliche  Bild  von 
Ikarus  und  Daedalus,  das  dann  in  den  'Bildern'  (21)  wiederkehrt, 
Beziehungen  zu  der  Darstellung  in  diesem  Dialog  hat  (2/3).^)  Die 
Erwähnung  der  Mäuse  in  den  Götterbildern  (24)  kehrt  im  'tragischen 
Zeus'  (8)  wieder.'^)  Der  Schluß  des  Ganzen  ist  in  der  gleichen  Weise 
gebildet,  die  Lucian  im  'Doppeltverklagten'  und  der  'Versteigerung 
der  Lebensarten'  angewendet  hat^),  nämlich  mit  dem  Hinweis,  daß 
das  übrige  folgen  wird. 

Die  ganze  Satire  ist  aber  nicht  einheitlich,  sondern  setzt  sich  aus 
zwei  Teilen  zusammen,  die  sich  leicht  voneinander  sondern  lassen  und 
nur  durch  das  märchenhafte  Motiv  von  der  unsichtbar  machenden  und 


1)  Siehe  oben  S.  287. 

2)  Hermot.  71 :  xal  Sr}  xal  ai,  m  halgs,  noXXa  xal  d'ccvy.uöva  dvSiQOTtolovvtcc 
vv^ccs  6  Xoyog  ccnh  tov  vjtvov  i-nd^ogstv  i7toii]68V  sha  ogyl^rj  ccvrm  hi  ^oXig  tovg 
öq)d'aX^ovg  Scvolycov  xal  tbv  vnvov  ov  Qccdicog  ccnoasiö^svog  v(p'  r}dovf]g  eov  smQug . 
7tcc6xov6i,  äs  ccvtb  xal  ol  rrjv  7isvi]v  ^a-Kccglccv  savroig  ävaTtXdttovtsg^  r}v  ^atcc^v 
TtXovtovGLV    ccvtotg    -nal    d'riöccvQovg   avoQvrtovGL   "accI   ßccaLXsvovöt   xal   xa    aXXa 

8vdccLfiovov6iv ^v  tolvvv  tocvta   ivvoovCLV    avtotg    6   nalg    TtgoosXd'oov 

^QTitcci  TL  röav   ccvccynaioiv ovrcug   ccyava-axovGiv   mg   vitb   tov   iQO^ivov 

Tial  7f ccQSvoxX'^acivtog  cccpaLQsd'Bvtsg  anavtcc  iycsivcc  täyad'd^  g^-H-  5:  xsvrjv 
Hccl  mg  6  TtOLTitL-nbg  Xöyog  a[L£V7\vriv  nvcc  svdaniovlccv  rfj  iivijiir]  ^BrccSiomoav, 
12:    iv    tovtcp    ovxa    fie  .  .  .  .  avccßoi^Gccg    ccuccLQcog    avvsrdQa^ag    ^hv    rj^lv    tb 

Gv^noGiov^  äv^XQStpag  dh  tag  tgaiti^ag aqü  6oi  ScXoycog  ccyavayitfjGciL 

yiatcc  60V  doyio);  Später  ist  die  Situation  wieder  im  "^Schiff'  benutzt.  Nach 
Lucian  hat  Alkiphron  ^Bauembrief  2  (III  10)  geschaffen.  (Vgl.  H.  Reich,  De 
Alciphr    Longique  aetate,  Diss.  Königsberg  1894,  S.  24  ff.) 

3)  Gall.  23:  mots  diä  tuvta  vyiaivsig  ts  xai  ^QQaöaL  tb  öa^cc,  Timon  33: 
7]  6VVC0V  vyiEivbg  ^ihv  tb  amiicc^  iggco^i^vog  dh  trjv  yvmuriv  distiXsösv. 

4)  Gall.  7.  14,  Timon  41. 

5)  Siehe  S.  326. 

6)  Gall.  23:  üTjQm  rjQ^oato  avtotg  f}  ntiqoiGig^  Icarom.  3 :  ats  utiqü  tr]v  ntigco- 
aiv  r]Qiio6(iivog.    Vgl.  S.  355. 

7)  Gall.  24:  im  Xiysiv  y^vmv  TiXti^og  rj  iivyaXmv  i^7CoXit8v6^svov  avtolg 
iviote,  lupp.  trag.  8:  (ivmv  äyeXag  ÖZag  i(i7toXLt8voiiEvag  GtiiTtovtsg. 

8)  Gall.  33:  dnim^isv  oiY-ads  Ttag'  7]fiäg'  td  XoiTta  Ss  ig  avd'Lg  oi/>«t,  bis 
acc.  35:  dXX'   viistg  ^kv  dnitt  dyad'y  tv^f^-  avQLOv  äk  tag  XoLTtug  dLV,d60{Ltv. 


Benützung  der  Komödie.  333 

alle  Türen  öffiienden  Schwanzfeder^)  des  Hahnes  zusammengehalten 
werden;  und  wenn  wir  in  dem  ersten  Teil  Spuren  Menippischer 
Nachahmung  fanden,  so  ist  es  höchstwahrscheinlich,  daß  Lucian  den 
Schluß  aus  eigenem  Antrieb  damit  kombiniert  hat.  Es  sind  Bilder 
aus  der  Komödie,  die  wir  in  einem  Fall  wenigstens  ziemlich  deutlich 
auf  ihre  Quelle  zurückverfolgen  können.  Der  Simonides  entspricht 
völlig  dem  Euclio  in  Plautus'  Aulularia  mit  seiner  beständigen  Angst, 
es  möchte  einer  der  Nachbarn  sein  Geld  rauben,  mit  dem  immer 
wieder  geäußerten  Verdacht  gegen  die  Sklavin  und  die  Köche,  mit 
der  Besorgnis,  es  möchte  ihn  jemand  beobachtet  haben,  wie  er  sein 
Geld  versteckte;  wie  dieser  von  sich  sagt  (fr.  IV  Leo):  nee  noctu  nee 
diu  quietus  umquam  <(servabam^  eam,  so  meint  Simouides  uQißxov 
yovv  ayQVTCvov  avtbv  diaq)vXdtrsiv  anavxa  (29).  Völlig  gleichartig 
ist  der  Knicker  Smikrines  bei  Menander,  von  dem  Choricius  be- 
richtet^), daß  er  sogar  gefürchtet  habe,  der  Rauch  möchte  ihm  etwas 
davontragen.  Daß  Lucian  hier  wörtlich  eine  Szene  wiedergegeben  habe, 
wird  niemand  voraussetzen,  der  sein  Verhalten  beim  'Timon'  und  den 
'Hetärendialogen'  im  Gedächtnis  hat;  er  hat  vorhandene  Motive  aus- 
geführt, in  neuer  Weise  miteinander  kombiniert,  was  nur  erzählt  war, 
gleichsam  plastisch  vor  Augen  gestellt  und  so  ein  eigenes  Bild  ge- 
schaffen, zu  dem  er  die  Farben  entlehnt  hatte.  Vor  allem  hat  er  in 
einen  Augenblick  zusammengedrängt,  was  sich  im  Drama  nacheinander 
begab,  das  Ausgraben  des  Geldes,  das  Nachzählen,  das  Wiedereingraben, 
aber  gerade  dadurch  hat  er  die  Ruhelosigkeit  des  Geizigen  äußerst 
wirksam  gezeichnet.  Es  ist  keine  Frage,  daß  wir  das  Vorbild  für 
Plautus  wie  für  Lucian  in  der  neuen  Komödie  zu  suchen  haben.*) 
Das  zweite  Bild  ist  nur  ein  schwacher  Abklatsch  des  ersten.  Der 
Wucherer  Gniphon  ist  um  nichts  anders  als  Simonides.  Al^  typisch 
benutzt  Lucian  seinen  Namen  in  der  *  Versteigerung  der  Lebensarten' 
(23).  Von  ihm  weiß  auch  der  Mikyllus  der  'Niederfahrt'  zu  erzählen ; 
dort  ist  er  gestorben,  ohne  seinen  Reichtum  genossen  zu  haben,  und 
hat  alles  den  lachenden  Erben  hinterlassen.  Daß  beide  Stellen  in 
'  M'j  ru  Zusammenhang  stehen,  zeigen  auch  die  lUjcreinstimmnngen  im 
W  "I I  liiiit,.*)     Mjin    vHrHt«!h{  dlt»  Erwähnung  in  clor 'Niodcrfahrt'  in  ihn'r 

l,   Äliiilii:hki*iteu  au«  MiLrcben  und  Kmn     I  <    lin    /u  Im^ki  uutge«pürt,  Die 
Marchenkoraödie  in  Athen,  Petersburg  188f),  .-^   -i'i    :^^ 

%)  Qranx,  ReTue  de  pbilologie  I  (1877)  8.  82»;  vgl.  Kock  III  S.  87. 

3)  Kock  denkt  an  desTheognetos  ^da^ut  r)  ^iXaQyvQo^  Rhein.  Mas.  XLIII  (1888) 
Der  neue  Fund  Th«  HibeU  Papyri  I,  London  1»()G,  S.  24  tf.  fördert  leider  nicht. 

4)  (iail.  80:    rtttifu    Fvitpavu  t6v    daviiüviiv    ioifm  .   6iffs 


334  Kapitel  XV.    Der  Hahn. 

Kürze  neben  der  Schilderung  des  Tyrannenlebens,  auf  das  es  dort 
ankam,  am  besten,  wenn  man  den  'Halin'  vorher  geschrieben  denkt. 
Das  dritte  Bild  im  Hause  des  Eukrates  ist  nur  noch  im  Vorbei- 
gehen hinzugefügt,  der  Hausherr  in  unsittlichen  Beziehungen  zu 
einem  Sklaven,  seine  Frau  zu  dem  Koch,  wie  in  der  'Niederfahrt'  (12) 
des  Tyrannen  Kebsweib  mit  einem  Sklaven  des  Hauses  geschildert 
ist.  Hier  können  wir  sehr  wohl  Lucians  eigene  Erfindung  vor  uns 
haben. 

Dieser  ganze  Teil  ist  nur  als  eine  Art  praktischen  Beweises  zu  der 
theoretischen  Auseinandersetzung  hinzugefügt,  genau  wie  im  ^Fischer' 
der  Fischzug  die  Gewähr  gibt,  daß  die  Anklage  gegen  die  Philosophen 
berechtigt  war.  Der  Kern  liegt  in  dem  längeren  ersten  Teil.  In 
phantastischer  Weise  wird  hier  der  Hahn  redend  eingeführt,  wie  in 
der  Fabel  und  im  Märchen.  Daß  dies  kynische  Einwirkung  ist,  wird 
man  annehmen  dürfen,  wenn  man  mit  Recht  glaubt,  daß  der  Tanther' 
und  die  'Krähe'  des  Diogenes  (Diog.  L.  VI  80)  nach  den  in  ihnen  in 
äsopischer  Weise  redend  dargestellten  Tieren  benannt  seien. ^)  Auch 
hier  lehnte  sich  die  kynische  Schriftstellerei  au  die  Komödie  an,  in  der 
die  Tiergestalten  ja  in  den  Chören  gewöhnlich  sind.  In  Krates'  SriQia 
traten  Tiere  auf,  die  mit  den  Menschen  sprachen  und  sie  ermahnten, 
sich  des  Fleisches  zu  enthalten  und  mit  Fischen  zu  begnügen 
(Kock  I  S.  133).^)  Auch  der  Tereus  in  Aristophanes'  'Vögeln'  bietet 
ja  eine  deutliche  Parallele  zu  unserem  Hahn,  insofern  auch  er  ehe- 
mals ein  Mensch  war.  Den  Brennpunkt  des  Dialogs  aber  bildet  der 
Traum.  Und  hier  hat  Birt^)  das  Motiv  richtig  in  den  literar- histo- 
rischen Zusammenhang  gerückt.  Der  Arme,  der  im  Traum  sich  in 
ein  Glück  versetzt  und  das  Gold,  das  er  im  Wachen  nicht  erhält, 
schlafend  sein  eigen  sieht,  ist  gewiß  mehr  als  einmal  dargestellt  wor- 


iitccyQvnvovvtcc  v.(x.l  avtbv  iTcl  (pQOvtidoiV,  ävccXoyi^o^svov  rovg  ronovs  xal 
Tovg  SccutvXovs  r]Sri  ■xcctsaxXrixora  ov  Set^ou  ftfr'  öXiyov  ndvta  xccvxcc  yicctcc- 
XiTtovxa  aiXcpriv  rj  iy^Ttidcc  .  .  .  y^via^cci^  catapl.  17:  xai  thv  8uvBi6tr]v  Fvi- 
q)(ovcc  iSoiv  Gtivovtcc  ....  ort  .  .  .  aniO'ccvs    reo    ccGcoto)   ^PoSoxccqsi    tr]v    ovaiccv 

■aataXiTtwv ovv.  sl^ov  OTtcog  xcctccTtavGO)  xov  yiXüixa  xa/  ^lccXioxcc  ^it^vri^Bvog 

ß)?  oiXQog  aal  yiccl  ccvx^iriQog  7}v,  cpQOvxidog  xb  [Litconov  ocvdnXsag  ticcI  fiovoig  xolg 
daycxvXoig  nXovxHav  olg  xdXavxa,  ....  iXoyi^sxo-,  auch  gall.  29  heißt  es  vou 
Simonides:  oi^gog  8'  iaxlv  ovv,  old'  o&bv  ....  yial  xar^öxATjxav  oXog  itixsxriyidog^ 
VTcb  cpQOvxiS(ov  driXaÖT];  ähnlich  im  Ausdruck  ist  dann  Hermot.  2:  oi%qbv  atl  vnb 
(pQOvxiäcov  ■Kccl  xb  6(üua  yiccxsay.XTi'icoxcc. 

1)  Siehe  Hirzel,  Der  Dialog  I  S.  SHS. 

2)  Vgl.  Meineke,  Historia  critica  com.  Graecor.  S.  64  f. 

3)  Elpides,  Marburg  1881. 


Elpides.  335 

den.  Wir  haben  ein  Beispiel  an  dem  21.  Gedicht  der  Theokritsamm- 
lung,  den  Tischern'.  Da  erzählt  der  eine  dem  andern,  wie  er  im 
Traume  soeben  einen  goldenen  Fisch  gefangen,  ganz  und  gar  von 
Gold;  der  andere  aber  mahnt  ihn,  lieber  an  die  Arbeit  zu  denken: 
^Suche  den  wirklichen  Fisch  zu  fangen,  damit  du  nicht  Hungers  stirbst 
bei  deinen  goldenen  Träumen'  (V.  66  f.).  Die  Worte  stimmen  auf- 
fällig zu  der  Warnung  des  Hahns  (1):  ^Sieh  zu,  daß  du  nicht  vom 
Reichtum  träumst  und  beim  Erwachen  verhungerst',^)  Birt  hat  als 
gemeinsames  Vorbild  die  Komödie  angenommen;  für  Lucian  könnte 
dabei  sehr  wohl  als  Mittelglied  eine  kynische  Satire  in  Betracht 
kommen.  Darauf  führt  auch,  daß  hier  Mikyllos  eine  Rolle  spielt,  den 
wir  aus  Krates  kennen  und  in  der  ^Niederfahrt'  wiederfanden.^)  Dort 
ist  auch  er  inzwischen  gestorben  wie  der  Wucherer  Gniphon;  er  hat  sich 
von  dem  Hahn  bekehren  lassen  und  hängt  nicht  mehr  an  den  Gütern 
des  Lebens;  mit  Vergnügen  hat  er  Pfriem  und  Ahle  hingeworfen  und 
ist  dem  Rufe  der  Atropos  ohne  Zaudern  gefolgt;  fröhlich  wandert  er 
nun  auf  den  Gefilden  des  Todes  wie  ein  echter  Kyniker.  Die  Er- 
fahrung, die  er  in  der  Unterwelt  sammelt,  ist  eigentlich  nur  eine  Fort- 
setzung der  Wanderung  mit  dem  Hahn;  hier  erhält  seine  damalige 
Erkenntnis  gleichsam  die  letzte  Bestätigung:  alle  irdische  Pracht  imd 
Größe  ist  eitler  Tand,  im  Tode  sind  alle  gleich.  Wie  er  diese  Emp- 
findung des  Wohlbehagens  ausdrückt  (Niederf.  15),  das  entspricht  so 
recht  seiner  Schusterseele;  und  die  volksmäßige  Beschränktheit  der 
ganzen  Anschauung  ist  mit  einem  vortrefflichen  Realismus  gezeichnet, 
wie  er  der  Schreibart  der  Kyniker  würdig  ist.*) 

Es  kann  uns  natürlich  auch  bei  dieser  letzten  menippischeu  Satire 
Lucians  nicht  gelingen,    im  einzelnen   zu    bestimmen,    wieviel  er  aus 


1)  Gall.  1:  ch  Sh  üga  onoag  ^i}  övag  Tr/lovrc&v  Xi^wvf^g  ccvsyQÖnevog^  Theoer. 
21,  67:  fiTj  ah  O'ävrjg  itft©  nuixoi  %Qvaot6iv  dvdgoig  (F3irt  S.  61). 

2)  Siehe  Kap.  11  S.  7G  (Dilinmler,  Akademika  S.  Uü  Aiim.  1). 

8)  An  und  für  sich  ist  es  uatClrlich  kein  zwingender  Grund,  weil  jemand 
in  einer  Satire  als  lebend,  in  der  anderen  als  tot  dargestellt  ist,  nun  diese 
■p&ier  anznset/en;  aber  ich  vermag  den  Unterschied,  den  Hirzel,  Der  Dialog  II 
S.  826,  zwischen  der  höheren  LebensaufiMsung,  die  di'r  Mikyllos  im  'Hahn'  cum 
Schluß  gewonnen  hut,  die  also  später  sein  nnißti*,  und  der,  die  er  in  der 
rt'  äußert,  nicht  %u  empfinden;  er  sagt  auch  dort  nicht,  daß  er  sich 
I  Keichtum  gesehnt  habe,  aber  die  Erkenntnis  vom  Unwert  der  irdischen 
(ifiter  brauchte  ihn  nicht  zu  veranlassen,  am  Leben  zu  h&ngen.  Die  Lust  am 
Sterben  ist  durchaus  kyniscb  und  hilngt  mit  der  AufTassuDg  vom  irdischen 
Dusein  zusammen.  Auch  der  Kyniker  in  der  'Niederfahrt*  (7)  hat  schon  mehr- 
fach von  der  Krde  scheiden  wollen. 


336  Kapitel  XV.    Der  Hahn. 

eigenem  Vermögen  hinzugetan,  wieyiel  er  aus  seiner  Quelle  geschöpft 
hat;  denn  leider  sind  wir  nicht  imstande,  den  Gedankengang  dieses 
Vorbildes  außer  im  Hauptpunkt,  dem  kynischen  Lobe  der  Armut,  zu 
rekonstruieren.  Aber  im  kleinen,  wenn  auch  nicht  in  ihrem  Zu- 
sammenhang, können  wir  Motive  und  Anspielungen  als  entlehnt  und 
nicht  im  Kopfe  unseres  Satirikers  entsprungen  erschließen.  Und  jiuch 
das  ist  jedenfalls  für  die  Beurteilung  Lucians,  wie  für  die  Erkenntnis 
der  Satire  Menipps  etwas  wert. 


Schluß. 

Lucian  hatte  sich  bei  einer  überschnellen  Produktion  auf  dem 
Gebiet  der  menippischen  Satire  in  wenigen  Jahren  ausgeschrieben. 
Was  noch  zu  erwähnen  wäre,  zeigt  vielleicht  ein  Motiv,  das  man 
wegen  seines  burlesken  Charakters  als  menippisch  in  Anspruch  nehmen 
möchte,  wie  wenn  der  Lexiphanes  im  gleichnamigen  Dialog  durch 
ein  Brechmittel  gezwungen  wird  all  die  angelernten  atticistischen 
Worte  von  sich  zu  geben  ^);  oder  aber  der  Stoff  selber  ist  menippisch 
wie  im  'Hermotimos' ^)  oder  in  der  Schrift  'über  die  Opfer',  aber 
Lucian  hat  es  vorgezogen  einen  platonischen  Dialog  daraus  zu  machen 
oder  zur  Form  der  kynischen  Diatribe  zu  greifen,^) 

Am  nächsten  den  besprochenen  Satiren  kommt  noch  das  *Schiff', 
das  durch  das  Phantastische  der  Gedanken  und  die  Tendenz  eigener 
Genügsamkeit  und  fröhlichen  Spottes  über  die  Unzufriedenheit  der 
andern  echt  menippisch  ist.  Die  Besichtigung  eines  Schiffes,  das  aus 
Ägypten  im  Piräus  eingetroffen  ist,  regt  Lykinos  und  seine  Freunde 
an,  auf  dem  Heimweg  ihre  Wünsche  zu  äußern;  der  eine  wünscht 
sich  ein  solches  Schiff,  das  ihm  Schätze  verschafft,  und  Reichtum,  der 
zweite  Herrschaft,  der  dritte  Wunderringe,  die  ihm  alles  ermöglichen*), 
Lykinos  aber  lehnt  zum  Schluß  eigene  Wünsche  ab  (46):  'Mir  ist 
es  genug  statt  aller  Schätze  und  des  Besitzes  von  Babylon  selber 
über  eure  Wünsche  lachen  zu  können.'  Der  Dialog  ist  ganz  nach 
Platons  Muster  gestaltet;  in  äußeren  Kleinigkeiten  lehnt  er  sich  an 
dessen  'Symposion'  au.  Die  Szene,  wie  Adeimantos  vor  den  andern 
hergeht  und  von  ihnen   angerufen   wird  (10),  ist  nach  Symp.  172  A 


1)  Vgl.  oben  8.  172  f. 

2)  Die  Hezi<iiiunj(on  IjU(Man«  zu  .Mfnipj)  in  dioHoni  Dialog  uml  die  Verbin- 
dung mit  VarroH  Satire  nti/i  uig^atcDV  kauu  man  natürhch  nidit  Ixummhcu,  aber 
auch  nicht  widerlogen  (Riese,  M.  Ter.  Yarron.  sat.  Menipj*  iVitzsche, 
Ausgabe  II  2  Prol.  S.  27  ff.) 

8;  Unter  Varrog  Satiren  existiert  eine  mit  dem  Titel  'Exatö^ißri  ntgl  ^vaiAv 
(«,  Riese  S.  26).     Über  Lucian*«  nufl  ^vatätv  vgl.  den  Anbang  I. 

i)  Nicht  mit  Unrecht  verweist  Hinsei,  Der  Dialog  II  S  Hl«  darauf .  daß 
Varros  virgula  divioa  otwax  Ähnliches  enthalten  haben  muß. 

HmI,,,.   I,.......,    .,,.,!    M,-,.,,.,.  ^'i 


338  Schluß. 

geschaffen,  wie  der  Adeimantos  auch  zum  Myrrhinusier  geworden  ist, 
weil  Phädrus  es  ist  (176  D).  Die  Verabredung,  daß  jeder  der  Reihe 
nach  sagen  soll,  was  er  sich  wünscht  (17  ff.),  ist  nach  dem  Vorbilde 
des  gleichen  Abkommens  bei  Piaton  getroffen  (177  D).  Im  übrigen 
verrät  die  Schrift  Reminiszenzen  an  den  'Hahn'  und  den  'Hermotimos'. 
Adeimantos  träumt  von  dem  Schiff,  das  ihm  alle  Reichtümer  der  Welt 
bringt;  da  wird  er  angerufen  und  entrüstet  sagt  er:  'Du  hast  meinen 
Reichtum  versinken  lassen  und  mein  Schiff  umgeworfen'  (13),  so  wie 
Mikyllus  (gall.  12)  dem  krähenden  Haustier  grollt:  'Du  hast  uns  das 
Gelage  gestört  und  die  Tische  umgeworfen.'^)  Aus  derselben  Stelle 
des  'Hahns'  stammt  die  Bezeichnung  des  TtXovrog  als  vTtrjveßiog 
(nav.  46).  Wenn  Timolaos  sagt,  einfacher  als  das  umständliche  Ver- 
fahren des  Adeimantos  zu  Reichtum  zu  gelangen,  sei  es  doch  d-rjöav- 
Qov  VTtb  rfi  xXivrj  zu  finden,  und  dieser  antwortet:  Jawohl,  ävoQCjQvx^o 
&7]6avQ6g  (20),  so  ist  das  eine  Erinnerung  an  den  Simon,  von  dem 
ein  Schatz  von  70  Talenten  vTtb  tfi  %XCvri  xatoQaQVTixai  (gall.  29). 
Die  Bezeichnung  des  Tischgeschirres  als  xQvöbg  xoL?,og  (20)  kehrt 
im  'Hahn'  (24)  wieder;  der  Wunderring  des  Timolaos,  der  alle  Türen 
öffnet  (42),  erinnert  an  die  wunderbare  Schwanzfeder  (gall.  28).^) 
Aus  dem  'Hermotimos'  ist  es  natürlich  die  schon  durch  den  'Hahn' 
angeregte  Stelle  (71),  die  hier  weiter  gewirkt  hat;  so  wird  der  gleiche 
Ausdruck  avaitldxtBLV  vom  Schaffen  der  Phantasie  im  Traume  ge- 
braucht und  dieser  erträumte  Reichtum  als  Ksvri  ^axccQCa  bezeichnet 
(nav.  12).  Weniger  bedeutet  es,  daß  in  dem  gleichen  Kapitel  des 
'Hermotimos'  (71)  die  sprichwörtliche  Wendung^)  sich  findet:  ävd'Qaxdg 
^ot  tbv  d-7]öavQbv  ccTtocpyjvagy  wie  hier  (26):  dvd'Qaxsg  öoi  6  d'rjöavQbg 
£(9raf-.  Im  Schluß  endlich  des  hübschen  Dialoges  (46)  ist  sowohl  auf 
die  'Nekyomantie'  wie  auf  den  'Ikaromenipp'  zurückverwiesen,  auf 
jene  (16)  durch  den  Schauspielervergleich,  auf  diesen  (3)  durch  den 
Vergleich  mit  Ikarus.  Die  letzten  Worte  zeigen  recht  deutlich  die 
in  den  'Totengesprächen'  ausgesprochene  Tendenz;  das  Lachen  über 
die  Torheit  anderer  ist  das  höchste  Ziel,  zumal  wenn  diese  sich  als 
Anhänger  der  Philosophie  bekennen.^)    Aber  sonst  bezweckt  dies  Ge- 


1)  'Avitgeipccg  steht  beide  Male;  aber  mau  muß  das  ganze  Satzgefüge  lesen, 
um  die  Übereinstimmung  zu  erkennen. 

2)  Gall.  28:  ccvoiysiv  ...  6  xoiovxog  Tt&aav  Q'vQav  dvvatca,  nav.  42:  ccTtaaccv 
Q'VQCcv  TCQoaLovtL  iiOL  ävolytöQ'ai. 

3)  Vgl.  Otto,  Sprichwörter  u.  sprichw.  Redensarten  der  Römer,  Lpz.  1890,  S.  76. 

4)  Tb  ysXdaoci  iidXa  rjÖEcog  i(p'   olg  vnstg  r^r^aatE  TOiovtoig  ova,   nal   tavtcc 
(pLXoaocplav  inaivovvtsg. 


Das  Schiff.  339 

sprach  mehr  einige  märchenhafte  Züge  in  anmutiger  Plauderei  zu- 
sammenzusetzen; es  steht  in  einer  gewissen  Parallele  zum  Thilopseu- 
des',  während  der  'Toxaris'  der  Beziehung  zur  Philosophie  und  zu 
Menipp  dann  ganz  ermangelt. 

Es  ist  lehrreich,  an  diesem  Dialog,  der  doch  noch  einen  philoso- 
phischen, menippischen  Gedanken  enthält,  zu  sehen,  wie  Lucian  sich 
der  menippischen  Form  wieder  allmählich  entfremdet.  Denn  wir  haben 
Indizien,  um  seine  Zeit  zu  bestimmen.  Samipp  sieht  sich  in  seinen 
Wünschen  als  König  und  FeldheiT;  er  unternimmt  einen  Heereszug, 
natürlich  gegen  Osten  wie  Alexander,  der  wohl  im  großen  dabei  als  Vor- 
bild vorschwe])en  mag;  wenn  aber  Lykinos  darauf  sagt:  'Du  scheinst 
mir  gegen  Armenier  und  Parther  zu  ziehen',  so  ist  das  zweifellos  eine 
Anspielung  auf  den  Partherkrieg  des  L.  Venis.  Da  dann  (34)  auch 
Ktesiphon  und  Seleucia  genannt  sind^),  deren  Eroberung  den  Ab- 
schluß des  Krieges  mit  herbeiführte  und  den  römischen  Senat  zu  An- 
fang des  Jahres  165  berechtigte  den  beiden  Herrschern  den  Namen 
Parthicus  Maximus  zu  verleihen,  wird  man  diese  Erwähnung  wohl 
auf  Hechnung  des  Interesses  schreiben  müssen,  das  infolge  des  Parther- 
krieges in  Hellas  für  jene  Orte  vorhanden  war.  Damit  gelangen  wir 
also  ins  Jahr  165,  in  dem  die  olympischen  Spiele  gefeiert  wurden; 
es  war  das  Jahr,  in  dem  Peregrinus  Proteus  den  zum  Fest  Herbei- 
geeilten das  Schauspiel  seiner  Selbstverbrennung  gab.^)  Daß  Lucian 
damals  auch  in  Olympia  war,  hat  er  in  der  Schrift  über  Peregrinus 
berichtet.  Sollte  es  nun  ohne  Bedeutung  sein,  daß  als  wichtigste 
Nachricht,  die  jemand  in  die  Feme  melden  möchte,  die  Tatsache  an- 
gegeben wird,  wer  in  Olympia  den  Sieg  davongetragen?  Timolaos 
mit  seinen  erträumten  Wunderringen  sagt  (44):  'Dann  würde  ich  die 
Natur  der  Sterne,  des  Mondes  und  der  Sonne  leicht  erkennen,  ohne 
von  dem  Feuer  zu  leiden  und  was  djis  angenehmste  wäre,  ich  könnte 
am  selben  Tage  noch  nach  Babylon  melden,  wer  in  Olympia  gesiegt 
hat,  und  wenn  sich's  so  träfe,  in  Syrien  frühstücken  und  in  Italien 
zu  Mittag  essen.'     Wir  s;ihen  schon  friilirr'),   daß  LuciHn  durch  solche 


1)  Dm  ilberaieht  WaMinannsdorf  (■.  oben  S.  16)  S.  16,  wenn  er  101  oder 
Auiigan^  1(»0  als    "*  .  it  auj^ibt  wegen  der  Anspielung  auf  den  l'arther- 

feldxug    in    Kuj.  ^chmid,    Phil.   L  flHUl]   S.  a07);    übrigtMii»   folgert 

Fritzucho,  A  2  S.  dh,  un<l  nach  ihm  Richard,  LykiuoHdialogo,  llanihurg 

1880,  H   27    ^  auH  der  Krwühnuug   der  l*arth<*r,  daß  «ler  Dialog  nicht  »ur 

Zf'it  dex  Partherkricgefl  gntchrieben  lein  könne  (ne  Samippi  persona  L.  Vonnu 
inluMinH«)  videretur!). 

2,  Vgl.  ubeu  S   114.  8)  Siebe  oben  S.  111  fl*. 


340  Schluß. 

Beziehungen  auf  die  Situation,  in  der  die  Vorlesung  stattfand,  sein 
Publikum  zu  erheitern  sucht;  man  wird  auch  diese  Bemerkung  in  dem 
durch  feinen  Witz  ausgezeichneten  Dialog  um  so  besser  verstehen,  wenn 
man  sie  sich  in  Olympia  getan  denkt  vor  der  Menge,  die  zusammeu- 
geströmt  ist,  um  den  Spielen  zuzuschauen,  und  für  die  diese  augenblick- 
lich den  höchsten  oder  gar  einzigen  Gegenstand  des  Interesses  bilden. 
Auf  das  'Schiff'  folgte  Ende  des  Jahres  165  die  Satire  'die  Aus- 
reißer', die  uns  schon  deutlich  veri'ät,  daß  Lucian  Motive,  die  er  bei  Me- 
nipp  gefunden  hat,  nicht  mehr  ordentlich  zu  verarbeiten  vermag  ^),  dann 
als  Ausläufer  dieser  Gattung  die  'Totengespräche'  ^)  und  die  etwas  anders 
gearteten  'Saturnalienschriften'.  Ungefähr  auf  fünf  Jahre  drängt  sich 
diese  ganze  Schriftstellerei  in  menippischem  Sinne  zusammen.  Eröffnet 
ist  sie  mit  Nekyomantie',  'Ikaromenipp',  'Hahn',  dann  fügten  sich  von 
selber  die  aus  gleicher  Vorlage  entstandenen  Dialoge  wie  'Niederfahrt', 
'Charon',  'Widerlegung  des  Zeus'  usw.  an.  Auch  die  letzten  erkennen 
wir  deutlich;  auf  den  'Doppeltverklagten'  folgten  die  'Versteigerung 
der  Lebensarten',  der  'Fischer';  und  'die  Ausreißer'  machten  den  Be- 
schluß. Aber  in  dieselbe  Zeit  fällt  auch  der  'Timon',  der  'Hermo- 
timos'^)  und  die  beiden  Dialoge  zur  Verherrlichung  der  Panthea. 
Es  ist,  wenn  man  den  Fleiß  ansieht,  eine  erstaunliche  Leistung,  die 
in  gewisser  Weise  an  Ciceros  philosophische  Schriftstellerei  erinnert. 
Erleichtert  wurde  sie  wie  bei  diesem  durch  die  Routine,  mit  der  er 
schließlich  die  Dialoge  verfaßte;  er  scheut  sich  nicht  ihnen  die  gleiche 
Gestaltung  zu  geben,  Szene  im  Himmel,  Wanderung  zur  Erde,  Szene 
in  Griechenland;  ob  Plutos,  Dike  oder  die  Philosophie,  es  ist  das 
gleiche  Schema,  nach  dem  er  schafft;  und  Wiederholungen  selbst  im 
Wortlaut  werden  nicht  gemieden.  Um  das  zu  verstehen,  muß  man 
im  Auge  behalten,  daß  wir  es  mit  einem  wandernden  Sophisten  zu 
tun  haben;  er  zog  herum  von  Land  zu  Land,  von  Stadt  zu  Stadt, 
bald  nach  Olympia,  bald  nach  Athen,  dann  wieder  nach  Macedonien, 
nach  lonien  und  Syrien,  das  Publikum  wechselte  beständig,  und  kehrte 

1)  Siehe  oben  S.  321.  2)  Siehe  oben  S.  195.  214. 

3)  Daß  dem  ^Hermotimos'  Philosophendialoge  vorausgegangen  sind,  beweist 
deutlich  die  Charakteristik,  die  dort  (51)  Lykinos  erhält:  vßQtaxi^g  äsl  av,  -nccl 
ovK  olö'  6x1  7tcc%'iüv  [iLGstg  (piXo6ocpiav  v.cd  ig  rovg  (piXoco(povvtag  ccTto- 
ajctontsig.  Das  stimmt  zu  den  Beobachtungen,  die  wir  betreffs  der  Überein- 
stimmung mit  andern  Dialogen  gemacht  haben  (s.  S.  269.  332).  Auch  die  Zeit- 
angabe (c.  13)  lehrt  ja,  daß  Lucian  etwa  40 jährig  ist,  so  wie  er  es  bei  der 
Abfassung  des  'Doppeltverklagten'  etwa  sein  muß,  wo  er  die  Dialoge  verteidigt, 
die  er  fast  40 jährig  geschrieben  hat.  Vgl.  Hofmann,  Krit.  üntersuchg.  zu  Lucian, 
Progr.  Nürnberg,  1894,  S.  26  ff. 


Überblick  über  Lncians  Satiren.  341 

er  an  dieselbe  Stätte  zurück,  so  war  die  Erinnerung  an  Einzelheiten 
seiner  letzten  Vorlesung  längst  entschwunden  und  höchstens  der  Ge- 
samteindruck  geblieben. 

Wer  die  Analyse  der  menippischen  Schriften  Lucians  verfolgt 
hat,  wird  sich  kaum  noch  wundern  über  die  eigentümliche  Erschei- 
nung des  Autors,  dessen  satirisches  Talent,  wie  Bruns  sagt^),  ziemlich 
rasch  in  einigen  gelungenen  Schöpfungen  verpuffte,  wärend  die  Galle 
zurückblieb  und  eine  ganze  Reihe  von  Invektiven  erzeugte,  die  sich 
nur  noch  episodisch  zu  der  einstigen  satirischen  Höhe  erhoben. 
Phantasie  und  Witz  reichten  bei  ihm  nur  für  Einzelheiten  aus,  aber 
nicht  zur  selbständigen  Komposition  einer  Folge  von  Szenen.  Man 
sieht  sehr  deutlich,  daß  das  Verkürzen  seiner  Vorlage  und  die  Ge- 
staltung einzelner  kleiner  Teile  daraus  ihm  weit  leichter  geworden 
und  besser  gelungen  ist  als  das  Zusammensetzen  verschiedener  Stücke 
wie  im  'Fischer'  und  in  den  'Ausreißern';  wo  er  notgedrungen,  weil 
der  Stoff  so  nicht  paßte,  stärker  von  seinem  Original  abweichen  mußte, 
hat  der  Flug  seiner  eigenen  Phantasie  bald  versagt.  Aber  er  würde 
auch  nicht  einzelne  Spaße,  wie  den  Flügelwagen  des  großen  Zeus  oder 
das  goldene  Seil,  an  dem  dieser  die  Erde  emporzieht,  so  oft  wieder- 
holt haben,  wenn  sein  eigener  Witz  sprudelnder  und  ergiebiger  ge- 
wesen wäre.  Mit  Recht  gibt  er  die  Komödie  und  Menipp  als  seine 
Quelle  und  Hilfe  an*);  ohne  sie  hätte  er  keinen  einzigen  der  satirischen 
Dialoge  verfaßt,  sondern  höchstens  den  'Hermotimos'  geschrieben. 
Ob  der  unmittelbare  Einfluß  der  Komödie  für  unsere  Satiren  sehr  groß 
gewesen  ist,  muß  man  dabei  noch  sehr  in  Frage  stellen;  oft  wird 
sie  nur  durch  Menipp  auf  ihn  gewirkt  haben.  Sehr  richtig  urteilt 
C'roiset^):  'L'influence  d<*  Tancienne  comedie  sur  Lucien  est  insoparable 
de  la  sienne  et  on  ne  saurait  distinguer  entre  Tune  et  Tautre.'  Menipps 
literarische  Produktion  ist  aber  nicht  all  zu  groß  gewesen*),  und  sicher- 
lich ließ  sich  nicht  alles  von  ihm  vier  Jahrhunderte  später  noch  ver- 
wenden. Als  er  keinen  Stoff  zur  Nachahmung  mehr  bot,  hat  Lucian 
sich  von  ihm  abgewandt  und  diesem  ganzen  Genre  Valet  gesagt. 
Eben  dieses  plötzliche  Abgehen  von  einer  so  emsig  gepflegten 
Litemturgattung  ist  der  deutlichste  Beweis  dafür,  wie  eng  er  sich 
vorher  an  Menipp  nngeschiossen,  wie  er  in  ihm  allein  seinen  Halt 
und  seine  Anregung  gefunden  hat. 

1)  I.  Bruns,  Vortrftge  und  Aufnatzo,  München  1006,  8.  SS7. 

2)  Pi«c.  26  bii  acc.  88. 

.Tf  llistoiro  de  la  littüraturo  grocquo  V  (Parin  1899)  8.  610. 

4;  Diog.  Laeri.  VI  101:  tä  Ö*  oiv  tot  nvpmot  ßipUa  icxl  $t%t(tQla. 


342  Schluß. 

So  sind  wir  wohl  berechtigt,  die  Charakteristika  dieses  für  uns 
leider  verschollenen  Schriftstellers  aus  Lucian  herauszuschälen.  Wir 
beobachteten  zunächst  all  die  Kunstmittel,  deren  sich  auch  dio  kynische 
Diatribe  bedient  hat,  um  das  Interesse  der  Zuhörer  wachzuhalten  und 
immer  aufs  neue  zu  erwecken.*)  Zu  dem  Zweck  sind  zahlreiche  Ver- 
gleiche, die  an  und  für  sich  packend  sind,  angebracht,  besonders 
häufig,  um  den  gleißenden  Schein  äußerer  Pracht  und  Glückseligkeit 
als  trügerisch  zu  erweisen;  oft  sind  sie  in  längerer  Schilderung  aus- 
geführt und  bilden  kleine  Bilder  für  sich.  Ob  man  jedoch  Tyche 
als  Ordnerin  im  Festzug  oder  die  Parallele  mit  dem  Schauspieler,  ob 
man  die  Schilderung  der  Kolossalstandbilder  mit  Stangen,  Nägeln  und 
Mäusen  im  Innern  oder  den  Vergleich  des  Erdenlebens  mit  den  rasch 
zerplatzenden  Wasserblasen  betrachtet,  man  kann  sich  nicht  verhehlen, 
daß  der  Gedanke  und  seine  Darstellung  etwas  Fesselndes  oder  Er- 
greifendes hat.  Gerade  die  Vorliebe,  in  die  niedere  Sphäre  hinab- 
zusteigen, im  Gegensatz  zu  der  angemaßten  Herrlichkeit  der  Menschen 
von  Lumpen  und  Mäusen  zu  reden,  ist  wirksam  mit  Hilfe  der 
sich  dabei  ergebenden  Komik  die  Vergänglichkeit  alles  Irdischen 
zu  lehren.  Demselben  Zweck  dienen  die  Beispiele,  die  feste  Be- 
standteile dieser  Literatur  geworden  sind.  Für  jede  Gattung  von 
Menschen  existiert  ein  typischer  Name,  der  alles  sagt.  Der  reiche 
Krösus,  der  schöne  Achill  oder  Nireus,  der  häßliche  Thersites,  der 
Bettler  Iros  sind  allbekannt  und  rufen  schon  durch  ihre  Nennung  eine 
Fülle  von  Vorstellungen  wach,  deren  Endresultat  immer  das  eine  ist: 
Es  lohnt  sich  nicht,  soviel  Gewicht  auf  das  Dasein  und  seine  äußeren 
Formen  zu  legen;  schön  oder  häßlich,  reich  oder  arm,  stark  oder 
schwach,  alles  hat  ein  Ende;  auch  jene  Personen  leben  nur  noch  in 
ihren  Namen,  und  alle  Verschiedenheiten  sind  ausgeglichen.  Diese 
typischen  Figuren  sind  zum  Teil  der  Mythologie  entnommen.  Aber 
noch  in  anderer  Weise  hat  die  kynische  Schriftstell erei  wie  auch  die 
Komödie  von  den  alten  Sagen  Gebrauch  gemacht.  Sie  liebt  es,  das 
Erhabene  in  den  Staub  zu  ziehen  und  der  Lächerlichkeit  preiszugeben, 
weil  nichts  mehr  geeignet  ist,  den  geringen  Wert  alles  Irdischen  zu 
zeigen.  So  werden  die  ehrwürdigen  Erzählungen  der  Vorzeit  umgedeutet 
und  travestiert.  Man  denke  etwa  an  die  Szene  in  Plautus'  Bacchides 
(IV  9),  in  welcher  der  verschmitzte  Sklave  Chrysalus  seine  Situation 
mit    der  Eroberung  Trojas    vergleicht    und   Handlung    und    Personen 

1)  Siehe  Wendland,  Philo  und  die  kynisch-stoische  Diatribe,  Beitr.  z.  Ge- 
schichte d,  griech.  Phil.  u.  Religion,  Berlin  1895,  S.  3  ff.;  v.  Wilamowitz  in  Die 
Kultur  der  Gegenwart  I  8  S.  97  f. 


Charakteristika  der  Satire  Menipps.  343 

bis  ins  einzelne  auf  seine  Lage  überträgt.  So  werden  Ikarus  und 
Dädalus  mit  ihrem  verschiedenen  Schicksal  das  Muster  für  die  Reichen 
und  die  Armen;  Orpheus',  Herakles'  und  Odysseus'  Niederfahrt  wird 
parodiert  durch  Menipps  Unterwelts Wanderung,  der  grause  Charon 
wird  zur  komischen  Figiir  und  Tiresias  zum  Sehalk.  Die  Götter  alle 
müssen  herabsteigen  von  ihrem  hohen  Piedestal.  Es  gilt  ja  alle  Dinge 
umzuwerten,  getreu  dem  kvnischen  Spruch:  TtaQaxaQcc^ov  t6  vo^iö^ia^), 
alles  Hergebrachte  in  Glauben,  Anschauungen,  Lebensauffassung  und 
Sitte  von  Grund  aus  umzukehren. 

Das  bunte,  lebhafte  Bild,  das  die  kynische  Darstellung  bot,  wurde 
aber  noch  wesentlich  verstärkt  durch  eine  besondere  Neigung  zum 
Zitieren.  Was  Eigentum  des  Volkes  geworden  war  an  Lebensweisheit, 
Sentenzen,  Aussprüchen  bekannter  Männer  und  Versen  berühmter  Dichter, 
wird  herangezogen,  um  das  Interesse  des  Hörers  zu  erhalten.  Es  ist 
kein  Zufiill,  daß  wir  immer  wieder  auf  Homers  und  Euripides'  Spuren 
wandeln,  wenn  wir  die  angeführten  oder  benutzten  Dichterzitate  durch- 
mustern. Bei  diesen  zahlreich  eingestreuten  poetischen  Bruchstücken 
fühlt  man  sich  lebhaft  an  E.  Th.  A.  Hoffmaons  Worte  aus  dem  'Kater 
Murr'  erionert:  'Verse  sollen  in  dem  in  Prosa  geschriebenen  Buche 
das  leisten,  was  der  Speck  in  der  Wurst,  nämlich  hin  und  wieder  in 
kleinen  Stückchen  eingestreut,  dem  ganzen  Gemengsei  mehr  Glanz  der 
Fettigkeit,  mehr  süße  Anmut  des  Geschmacks  verleihen.'  Aber  diese 
Verse  sind  nicht  nur  zur  Bestätigung  irgend  einer  Weisheit  heran- 
gezogen, sondern  wie  die  Götter  parodiert  werden,  so  sind  auch  die 
Heroen  der  Dichtkunst  heruntergerissen  von  ihrer  Höhe,  ihre  Worte 
werden  auf  minderwertige  Dinge  bezogen,  durch  kleinere  Änderungen 
zurechtgestutzt  und  so  auf  ganz  anders  geartete  Situationen  um- 
gedeutet. Und  was  charakteristisch  für  Menipp  ist,  diese  poetischen 
Stücke  werden  nicht  nur  verwandt  als  Zitate,  auch  nicht  nur  gelegent- 
lich den  redenden  Personen  als  integrierende  Bestandteile  ilirer  Rode 
in  den  Mund  gelegt,  sondern  sie  dienen  zur  Darstellung  der  Handhnig 
selber,  so  daß  dadurch  (bis  eigentümliche  Zwitterbild  entstand,  von 
dem  Lucian  den  Dialog  sagen  laßt:  oijte  TC^iög  elfit  ovt"  ini  xdv 
ahQ(ov  ß^ßtjxu.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  Menipps  an  das 
Volk  sich  wendende  SchriftstelleriM  diese  i^iigenart  dem  volkstümlichen 
Gaukler  und  Mimen  abgelauscht  hat,  der  damit  auf  den  Straßen  die 
Menge  zu  fesseln  wußte. 


l)  fliehe  Diog.  L.  VI  20  (tind  die  Anmerkung  bei  Hahner),  8nid.  s.  y.  Dio- 
geneit,    VVclier,  Leips.  8tud.  X  UU  tf. 


344  Schluß. 

Das  Vorbild  dieser  Menippischen  Schriften  war  die  Komödie,  und 
das  macht  es  ja  so  schwer,  bei  dem  Nachahmer  zwischen  den  beiden 
Einflüssen  zu  entscheiden.  In  einem  Fall,  der  zfioysvovg  TtQäöLg^ 
konnten  wir  auch  in  dem  Satjrdrama  das  Muster  entdecken.  Jetzt, 
wo  uns  durch  das  Verdienst  vonH.  Reich  und  einen  glücklichen  Fund  der 
Mimus  näher  gerückt  ist^),  könnte  man  geneigt  sein,  auch  ihm  eine  Ein- 
wirkung auf  die  Motive  der  Menippischen  Satire  zuzugestehen.  Daß  der 
griechische  Mimus,  d.  h.  ein  zusammenhängendes  Drama  dieses  Namens, 
auch  in  vorchristlicher  Zeit  schon  einige  Bedeutung  gehabt  hat,  zeigt 
sicher  seine  Nachahmung  bei  den  Römern.^)  Aber  doch  ist  es  mißlich, 
eine  unbekannte  Größe,  von  deren  Umfang  und  deren  Aussehen 
im  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  wir  uns  keine  Vorstellung  zu  machen  ver- 
mögen, an  die  Stelle  der  bekannten  zu  setzen.^)  Denn  die  Spuren 
der  alten  und  mittleren  Komödie  können  wir  mit  Händen  greifen. 
Daher  die  Parodierung  der  Götter,  daher  der  Hang  zum  Märchenhaften, 
der  Flug  ins  Fabelreich.  Aristophanes^  Dramen  mit  der  lustigen  Fahrt 
des  Trjgaios  gen  Himmel,  der  komischen  Reise  des  Dionysos  zum 
Hades,  Eupolis'  Stück  mit  den  für  kurze  Zeit  vom  Totengott  beur- 
laubten Staatsmännern  und  ähnliches  weisen  uns  den  richtigen  Weg 
für  Lucian  wie  für  Menipp.  Diese  Neigung  zum  Phantastischen  als 
Eigenschaft  Menipps  erweisen  auch  die  kärglichen  Überreste  der  Varro- 
nischen  Satiren.  Der  Verfasser  fühlt  sich  nicht  an  Raum  und  Zeit 
gebunden,  für  ihn  gibt  es  keine  Unmöglichkeiten,  und  das  unbegreif- 
lichste wird  hier  Ereignis.  Etwas  Phantastisches  haftet  auch  den  auf- 
tretenden Personen  vielfach  an,  Allegorien  werden  zu  Lebewesen  und 
bewegen  sich  unter  den  Sterblichen  wie  ihresgleichen.  Die  Philosophie, 
die  Stoa,  die  Dike,  die  Hedone,  die  Schwelgerei,  die  Tugend,  die  ver- 
schiedensten Gewerbe,  die  Rhetorik  und  der  Dialog  agieren  auf  dieser 
Bühne,  wie  in  der  Komödie  die  Eirene  oder  der  Elenchos. 

Es  war  ein  buntes  Bild,  das  sich  hier  aufrollte,  und  des  Komischen 
viel;  aber  man  täte  unrecht,  wenn  man  sich  Menipp  nur  als  den  Possen- 
reißer vorstellen  wollte;  dann  hätte  der  ehrenhafte  Römer  Varro,  der 


1)  Vgl.  OxyrLynchns  Papyri  HI  (1903)  S.  41  ff. 

2)  Vgl.  oben  S.  30. 

3)  Sehr  groß  und  einflußreich  kann  ich  mir  den  Mimus  nicht  vorstellen, 
solange  die  Komödie  noch  blühte  und  Philemon  die  Augen  noch  nicht  ge- 
schlossen hatte;  Mark  Aurel  XI  6  sagt,  ähnlich  wie  Libanius  über  den  Panto- 
mimus  (s.  S.  368),  zuerst  seien  Tragödien  aufgeführt  worden,  dann  die  alte  Ko- 
mödie, weiter  die  mittlere  und  die  neue,  ^  -ncct'  oXiyov  (d.  i.  allmählich)  inl  n)v 
ix  ftfcftijöftog  cpilotaxviav  vTtsQQvri  (vgl.  Reich,  Der  Mimus,  Berlin  1903,  I  S.  56). 


Menipps  Vorbild.     Gehalt  seiner  Satiren.  345 

so  oft  für  die  alte  Zeit  mit  ihren  guten  Sitten  eintrat,  gewiß  nichts 
in  ihm  gefunden,  was  ihn  zur  Nachfolge  gereizt  hätte.  Bloße  Bur- 
lesken dürfen  wir  von  ihm  nicht  erwarten;  er  hat  den  Namen  des 
6710V doysloLog  verdient.^)  Wir  können  noch  jetzt  sehen,  es  war  ihm 
Ernst  damit,  seine  kynischen  Wahrheiten  in  der  heiteren,  oft  spotten- 
den Form  den  Menschen  eindringlich  zu  predigen.  In  einer  Satire 
pries  er  die  Armut  als  das  beste  Los.  In  dem  'Verkauf  des  Dio- 
genes' lehrte  er,  was  wirkliche,  was  scheinbare  Freiheit  und  Un- 
freiheit sei;  es  ist  die  Mahnung,  daß  der  Mensch  frei  sein  kann 
und  wenn  er  in  Ketten  geboren  wäre,  und  an  dem  Heros  der  kyni- 
schen Sekte  ist  die  Theorie  in  die  Praxis  umgesetzt  und  das  kynische 
Ideal  der  eX€vd-€QCa  als  möglich  erwiesen.  Die  ^Nekyia'  führt  uns 
mit  krassen  Zügen  das  Jenseits  vor  Augen  und  ruft  uns  warnend  zu, 
die  Güter  dieser  Welt  nicht  mehr  zu  achten,  als  sie  wert  sind,  nicht 
nach  Ehren  und  Ämtern  zu  geizen,  als  freie  Persönlichkeiten  uns  aus- 
zuleben: 6  TCiv  LÖicorav  ßCog  aQLötog.  Da  hatte  der  Spötter  über  das 
vergängliche  Eintagsleben  des  Menschen^),  wie  ihn  Mark  Aurel  nennt, 
Gelegenheit,  sich  zu  offenbaren.  Und  die  Fahrt  gen  Himmel  protestiert 
gegen  die  herkömmliche  Auffassung  der  Götter,  wie  sie  im  Volke  lebt 
und  die  Gottheit  zum  Abbild  der  Menschen  mit  all  ihren  Torheiten 
und  all  ihrer  kleinlichen  Gesinnung  erniedrigt.  Eine  andere  Satire 
mag  gegen  die  verschiedenen  philosophischen  Richtungen  und  die 
Überschätzung  menschlicher  Erkenntnis  zu  Felde  gezogen  sein,  um  zu 
zeigen,  daß  von  aller  Wissenschaft  die  Moral  allein  Wert  habe  und 
die  Tugend  das  höchste  sei;  wie  Lucian  sagt  (conv.  34):  eyio  ZQog 
iptavTOV  iv£v6ovv,  xb  tcqoj^blqov  ixslvo^  djg  ovöhv  ofpslog  i'jv  äga  knC- 
6t(i6%fai  Tcc  pL((d^t'j^(iT(c^  d  ^tj  ng  xcd  tbv  ßCov  qvx^^ic^ol  nQog  to  ßekriov. 
Bei  Menipp  war  Ernst,  was  bei  Lucian  zur  Posse  geworden  ist.  In 
manchen  Satiren  war  auch  die  moralische  Lehre  mit  persönlicher 
Invektive  verbunden. 

Daß  von  Menipps  SaliMii  i\»-iiir  miAigf  «Miinifii  i>i,  i>i  nii  l^imu»  r 
Verlust  nicht  nur  für  unsere?  Kenntnis  der  alten  Literatur;  man  darf 
wohl  behaupten,  daß  sie  uns  noch  heute  einen  aufrichtigen  Genuß 
bereit<»n  würden.  So  müssen  wir  uns  an  dem  Bihle  g('nüt^«»n  lassen, 
das  die  Kombination  aus  seinem  Nachahmer  Lucian  und  wenigen 
andern  Notizen  vor  uns  erstehen  läßt.    Wie  etwa  die  Jioyivovg  XQä6ig 

1)  Strabo  XVI  2,  29  (C  769).  Vgl.  Riene,  Vnrr.  «iit.  Men.  p.  9.  Prftchter, 
rhil.  LI  (18U2i  S.  202. 

2)  M.  Antonin.  tlg  iccvr.  VI  47:  a^fyv'  r  „ul  itfr^fU^ov  fAf  ^»•/>«.,;,- 
ntav  Üa^g  xlivaetai,  olop  Mivinnog. 


346  Schluß. 

ausgesehen  haben  möchte,  haben  wir  oben  nachgewiesen.^)  Eine  ganzo, 
Reihe  von  Szenen  schloß  sich  aneinander.  Für  die  'Nekyia'  dürfen 
wir  das  gleiche  annehmen.  Ihr  Inhalt  mag  etwa  folgender  gewesen 
sein:  Menipp,  ob  im  Traum  oder  sonstwie,  wandert  zum  Hades;  am 
Eingang  erlebt  er  die  Szene  mit  dem  entlaufenden  Tyrannen  und  er- 
hält sofort  hier  einen  Begriff  von  der  törichten  Neigung  der  Menschen, 
mit  der  sie  am  Leben  hängen.  Es  folgt  die  Überfahrt,  bei  der  Charon 
in  Homerversen  gesprochen  und  das  in  der  bekannten  Weise ^)  be- 
gründet haben  mag.  Bei  der  Wanderung  tat  sich  Menipp  mit  dem 
geistesverwandten  Mikyllos  zusammen.  Manchen  Toten,  den  er  kannte, 
sprach  er  an  und  gewann  durch  das,  was  er  sah  und  hörte,  so  recht 
den  Eindruck  von  der  Vergänglichkeit  alles  Irdischen  und  von  der 
Verkehrtheit  menschlichen  Strebens  und  Hoifens;  auch  Diogenes  fand 
er,  der  ihn  mahnte,  möglichst  bald  das  Leben  zu  verlassen,  um  für 
immer  hier  unten  zu  weilen.  Dann  wohnte  er  dem  Prozeß  bei,  der 
den  eben  Herabgekommenen  gemacht  wurde.  Endlich  vernahm  er 
von  Tiresias  den  Inbegriff  aller  Weisheit  und  kehrte  so  unterwiesen 
auf  die  Oberwelt  zurück.  Das  Gegenstück  dazu  bildete  die  Himmel- 
fahrt, nicht  minder  mannigfaltig  in  ihren  Szenen.  Auf  wunderbare 
Weise  flog  Menipp  zum  Monde  empor;  kaum  vermochte  er  die  Erde 
zu  finden,  erst  der  Helioskoloß  von  Rhodos  wies  ihm  die  Richtung; 
da  sah  er  denn  wie  Charon  in  dem  Lucianischen  Dialog  auf  das 
Treiben  der  Menschen  herab,  und  wie  klein,  wie  töricht,  wie  böse 
erschien  es  ihm!  Selene  mag  ihm  dann  einen  ähnlichen  Auftrag  ge- 
geben haben  wie  im  ^Ikaromenipp' ;  wenigstens  legt  die  darin  liegende 
Tendenz  gegen  die  Wissenschaft  das  nahe.  Menipp  gelangte  weiter 
zu  Zeus  und  hatte  Grelegenheit,  ihn  zu  beobachten  und  sich  mit  ihm 
zu  unterreden,  wobei  er  den  Göttervater  recht  in  die  Enge  trieb. 
Dann  wurde  die  Versammlung  der  Himmlischen  berufen,  um  über 
diesen  seltenen  Fall  zu  beraten.  Hier  kann  der  Streit  um  die  Plätze 
gestanden  haben,  wie  gleich  darauf  das  homerische  Gezänk  zwischen 
Zeus  und  Hera  gefolgt  sein  mag.  Die  Diskreditierung  des  Götterhimmels 
durch  die  allzumenschlichen  Götter  und  die  unaufhörliche  Schaffung 
neuer  Götter  wird  auch  hier  berührt  worden  sein.  Schließlich  wurde 
Menipp  auf  irgend  eine  Weise  zur  Erde  zurückgebracht  und  ihm  die 
Möglichkeit  des  Wiederkommens  abgeschnitten.  Das  aUes  sind  nur 
Vermutungen,  die  im  einzelnen  fehlgehen  mögen;  aber  im  ganzen  hat 
so    etwa  die  Satire  Menipps  ausgesehen;    was  wir  ahnen  können,    ist 


1)  Siehe  oben  Kap.  X  S.  245  f.  2)  Siehe  S.  172  f. 


Menipps  Satiren.  347 

ja  doch  nicht  mehr  als  der  Rahmen  und  die  Umrisse  des  Bildes;  die 
einzelnen  Züge  sind  verwischt  und  unkenntlich  geworden.  Immerhin 
können  wir  hier  noch  mehr  erkennen  als  bei  den  Gerichtsszenen,  die 
uns  Lucians  'Doppeltverklagter',  oder  der  Verfolgungsszene,  die  uns 
die  'Ausreißer'  vermuten  lassen. 

Menipp  hat  das  Schicksal  seiner  Sekte  geteilt;  wie  die  kynische 
Schule  mit  dem  dritten  Jahrhundert  erlosch,  ist  auch  er  bald  ver- 
schollen; wenigstens  in  Hellas,  wie  es  scheint.  Irgend  eiji  Znfall 
hat  ihn  nach  Italien  geführt,  wo  vielleicht  Lucilius,  sicherlich 
Varro,  Horaz,  Seneca  von  ihm  gelernt  haben.  In  Griechenland  hat 
seine  Gattung  offenbar  außer  bei  dem  wenig  bekannten  Meleager  keine 
Nachahmer  gefunden,  bis  Lucian  in  ihm  ein  geeignetes  Vorbild  und 
eine  ergiebige  Quelle  erkannte.  Wir  haben  keinen  Grund,  die  Be- 
hauptung zu  bezweifeln,  daß  er  den  Menipp  für  die  Griechen  neu 
entdeckt,  wie  er  sagt,  ausgegraben  habe.  Er  war  nicht  Philosoph  und 
nicht  Kyniker,  wohl  aber  Sophist  und  ein  geschickter  Literat,  der 
sein  Publikum  zu  packen  suchte.  Die  Neigung  zum  Spott,  die  ihm 
innewohnte,  die  Freigeisterei  und  der  Widerwille  gegen  wirklich  ernste 
Philosophie  fanden  Berührungspunkte  in  den  unbekannt  gewordenen 
Schriften.  So  benutzte  er  den  glücklichen  Zufall,  der  sie  ihm  in  die 
Hände  spielte,  um  sie  zu  bearbeiten  und  aufs  neue  schmackhaft  zu 
machen.  Er  selber  verdankt  diesem  Versuch  seine  Unsterblichkeit  in 
der  Geschichte  der  Weltliteratur;  Menipp  aber  war's  beschieden,  als 
seine  Sekte  wieder,  wenn  auch  in  veränderter  Gestalt,  frische  Keime 
trieb  und  zu  neuer  Blüte  gelangte,  auf  diese  Weise  ebenfalls  verändert 
ans  dem  Grabe  zu  erstehen  und  sich  in  den  Werken  seines  Nach- 
ahmers eines  ewigen  Lebens  zu  erfreuen. 


Anhang  I. 
Über  die  Trauer'  und  Von  den  Opfern'. 

Zwei  Diatriben,  ganz  in  kynischer  Art  gehalten,  stehen  in  naher  Be- 
ziehung zu  den  menippischen  Schriften  Lucians,  die  Schrift  *über  die 
Trauer'  und  die  Von  den  Opfern'.  Die  erste  ist  gleichsam  ein  Anhang 
zu  den  *^Totengesprächen'  und  hat  auch  noch  eine  Spur  des  Menippischen 
erhalten  in  der  Verwendung  des  Homerverses  (IL  XVI  502)  am  Schluß 
der  fingierten  Rede  des  Toten  (20),  sowie  in  dem  Witz,  der  an  mehreren 
Stellen  hervorbricht.  Der  Trauernde,  heißt  es  (15),  brauchte  nicht  zu 
rufen:  selbst  wenn  er  mit  Stentorstimme  schriee,  würde  der  Tote  es  nicht 
hören;  und  in  der  Antwort  des  Toten:  Ich  hätte  über  alles,  was  ihr  tatet 
und  sagtet,  laut  loslachen  mögen,  hätten  mich  die  Leinwand  und  die 
Wollbinden  nicht  gehindert,  mit  denen  ihr  mir  die  Kinnbacken  zugeschnürt 
habt  (19).  Witzig  ist  die  Bemerkung,  daß  man  den  Toten  einen  Obolos 
mitgibt,  ohne  zu  wissen,  welche  Münze  denn  eigentlich  in  der  Unterwelt 
Geltung  hat  (lO).  Endlich  wird  die  Kunde  von  dem  Lethestrom  auf  die 
Mitteilungen  von  Alkestis,  Protesilaos  und  andern  zurückgeführt,  die  aus  der 
Unterwelt  wieder  emporgestiegen  sind,  aber  offenbar  nicht  daraus  getrunken 
hatten;  denn  sonst  würden  sie  ja  keine  Erinnerung  gehabt  haben  (5). 

Anlehnungen  an  andere  Schriften  Lucians  zeigen  sich  genug,  wie 
gleich  die  Aufzählung  der  an  die  Oberwelt  Zurückgekehrten  eine  An- 
spielung auf  ^ Totengespräch'  23  enthält.  Für  unerträglich  (acpoQrjra)  (l) 
halten  die  Überlebenden  ihr  Leid,  nichts  für  unerträglich  zu  halten  emp- 
fiehlt Menipp  (Totengespr.  26,  2).  Die  eigentliche  Auseinandersetzung  der 
Totenbräuche  wird  abgebrochen,  um  erst  die  volkstümlichen  Anschauungen 
über  das  Jenseits  auszuführen;  das  geschieht  durch  Innehalten  mitten  im 
Satz:  fiäXlov  6s  itQoxsQOv  ei^eiv  ßovXofiai,  (l).  Lucian  neigt  zu  diesem 
Kunstgriff,  die  Spannung  zu  vergrößern^);  genau  ebenso  bricht  er  mit  ^äkXov 
Ö£  mitten  im  Satz  ab  in  der  Erzählung  des  ^Ikaromenipp'  (3);  in  andern 
Dialogen  wie  ^Nekjomantie'  (2)  und  ^Hahn'  (8)  läßt  er  die  Störung  durch 
den  Mitunterredner  hervorrufen  mit  jm,'^  tzqotsqov  siTtrjg  .  .  .  tiqlv  oder  tiqo- 
T8Q0V  öirjyrjöcci,.  Die  Ausführung  der  religiösen  Anschauungen  geht  aus 
von  Homer  und  Hesiod  (2),  wie  z.  B.  in  der  ^Nekyomantie'  (3).  Die 
Welt  dort  unten  ist  dunkel,  ^og)8Q6g  (2);  drum  ruft  Mikyllos  in  der  ^Nieder- 
fahrt'  (22):   ro  ^Hqu^Uig  rov  ^ocpov})     König  ist  Pluton,  für  den  die  Ety- 


1)  Das  Vorbild  ist  auch  hier  Platon,  vgl.  symp.  173E. 

2)  Auch  Totengespr.  21,  1:    bTtsl   öh   xarsyivtpsv  daco  rov  %a.6{iatog  %ca  stda 
tov  ^öcpov,  wo  sich  auch  das  ji^cco^u  findet,  wie  de  luctu  2. 


'über  die  Trauer'.  349 

mologie  von  nkovreiv  gegeben  wird  (2),  wie  er  im  'Timon'  (21)  TtlovTO- 
doTTig  heißt.  Der  Kokytos  und  Pyriphlegethon  werden  genannt  (3)  wie 
im  X'haron'  (6);  wenn  der  Achei-usische  See  für  undurchschwimmbar  er- 
klärt wird  (3),  so  erinnert  das  an  den  scherzhaften  Versuch  desMikyllos  in  der 
'Niederfahrt'  (18).  An  dem  Tor  wacht  Aakus  (4j,  wie  er  im  'Totengespräch' 
20  deshalb  zur  Herumführung  dienen  muß^)  und  in  der  'Niederfahrt'  (4) 
die  ankommenden  Toten  nachzählt.  Wenn  es  heißt,  der  Kerberos  belle 
diejenigen  an  (4),  die  versuchen  davonzulaufen,  so  denken  wir  dabei  an 
die  beabsichtigte  Flucht  des  Tyrannen  in  der  'Niederfahrt'  (4).  Die 
große  Wiese,  welche  die  Verstorbenen  aufnimmt  (ö),  stimmt  zu  der  auf 
der  Insel  der  Seligen  in  den  'Wahren  Geschichten'  (II  14);  der  gesamte 
Ausdruck  aber  ist  aus  der  'Nekjomantie'  (ll)  übernommen.^)  Unter  den 
Gehilfen  des  Pluton  werden  'EQLvvsg  re  xai  UoLval  kul  OoßoL  genannt  (6), 
wie  in  der  'Nekyomantie'  (11)  die  TIoLval  Kai  ^AXactogeg  yiccl  'EQLvveg  erwähnt 
sind.  Auch  die  beiden  Richter  Minos  und  Rhadamanthys  (7)  kennen  wir 
Ja  aus  der  'Nekyomantie'  (11)  und  'Niederfahrt'  (23);  selbst  der  Ausdnick 
bei  der  Darstellung  des  Gerichts  ist  aus  der  'Nekyomantie'  genommen.^) 
Die  Guten  werden  ig  rb  ^HXvölov  tceölov  gesandt  (7)  wie  im  'Toten- 
gespräch' 30,  1,  TW  a.QL6x(ü  ßicü  övvsöo^Evoi^  wie  es  ähnlich  in  der  'Nieder- 
fahrt' (24)  heißt:  zotg  aglatoLg  övvsöo^evog.  Die  Aufzählung  der  Martern 
(8)  stimmt  überein  mit  der  in  der  'Nekyomantie'  (14);  an  beiden  Stellen 
wird  auch  Tantalus  erwähnt.  Die  Darstellung  desselben  ist  aber,  wie 
der  Ausdruck  und  die  ironische  Behandlung  der  Sage  zeigt,  aus  dem 
'Totengespräch'  17,1  genommen."*)  Auch  die  Erwähnung  des  Obolos  (10), 
der  dem  Leichnam  in  den  Mund  gegeben  wird,  iTift  die  Erinnerung  an 
die  'Niederfahrt'  (18,  21)  und  die  'Totengespräche'  (22)  wach. 

Des  weiteren  wird  die  Klage  der  Eltern  geschildert  und  die  Torheit, 
die  sich  darin  äußert,  daß  man  mit  dem  Toten  allerlei  Gegenstände  oder 
Tiere  verbrennt,  die  ihm  im  Leben  vertraut  waren  (14);  die  Stelle  er- 
innert an  eine  ähnliche  im  'Nigrinus'  (30).^)  Der  Verstorbene  würde  auf 
all  das  erwidern,  wenn  er  es  könnte,  nachdem  er  sich  von  Aakus  die  Er- 


1)  Dial.  mort.  20,  1:  olöa  taöra  xal  ah  ort  nvlcogslg. 

2)  De  luct.  6:  ntQCcioa&^vTas  .  ,  .  .  Xinivav  VTtoÖt^rccL  [li^ai  uo  AatpodiXco 
%axdtf>vxoiy  necyom.  11:  TiQhg  kti^wvu  ^i^yiaTov  (Vqpixrot»/U'ö"a  tc5  ccatpodiXo}  xccra- 
(pvTov.  Daß  der  Xet^mv  ebenso  wie  daß  azöfiiov  (lü)  auf  Piatons  Mythus  am 
S<liliiß  der  Republik  hinweist,  brauche  ich  nicht  erst  zu  sagen. 

-i)  De  luct.  8:  &v  di  rivag  xtbv  novriQibv  Xdßcaai,^  rati  'Effivvai  nuQaddvrsg 
fs  luv  T&v  iasß&v  x^QO'*'  ion^finovoi  %axä  Xoyov  rfis  dÖmiag  xoiaff^^tfofii- 
vovtf,  necyom.  12:  &  Ö'  ovv  Miviog  inifitXai  i^ftä^iov  icninuntiv  ^%ugxov  ig  xi>v 
xCav  ^tatßdav  x^Q^^  di%r]v  vtpi^ovxu  %ax'   cc^iav  xtov  texoXiituLivmv. 

1)  De  luct,  8:  ri  ^h  yuQ  TävxaXog  in'  avxfi  tf)  Xluvy  ofuo^«  fVm]XC  mvdv- 
'  I'  hnb  xov  diil'ovg  6  xuxodaiutov  uno^avHv,  dial.  mort  17,  1:  xi  ütavxbv 
>,  inl  xff  Xliivy  iaxii>s;,   17,  2:  Aidiag  fii}  ivötiit  xov  Troroß  ano^üvyg. 

b)  Do  luct.  14:  noaoi  yiiQ  xuX  tnnovg  xal  naXXccxidug^  oi  Ah  xui  oivoxöovg 
fnmttxiotpaiuv  xal  ia^fjtu  xul  x6v  dXXop  %6a^ov  ov/xar^tpilf ^ttf  ii  avyxctX" 
Aqv^uv,  Ni^r.  80:  %u\  avyHuxoQVXx  ^ip  iavxolg  i^io^at  xug  ätia&iag  . .  .  .  ol 
Hhv  ia^f/xag  iavxütg  ntXtvoyxtg  avyinaxatpHytc^atf  oi  Ö'  aXXo  ri  x&r  ^«^a 
xbv  ßiov  xtnitoVf  oi  dl  nul  nuQaniptiP  tivag  oinhag  totg  td(poig. 


350  Anhang  I.     'Über  die  Trauer',     'Von  den  Opfern'. 

laubnis  erwirkt,  für  ein  Weilchen  aus  dem  Schlünde  emporzutauchen ;  der 
Ausdruck  TtaQaLxetad-aL  kehrt  in  dieser  Situation  im  'Charon'  (l)  und 
^Fischer'  (4,  14)  wieder.*)  Diese  Erwiderung  des  Toten  wird  dann  fingiert; 
darin  findet  sich  der  Spott  auf  die  Kleider  und  Speisen  für  den  Toten 
mit  Anspielung  auf  die  eben  erwähnte  Behandlung  der  Tantalussage.^) 
In  der  Disponieruug  der  Hede  des  Toten  wird  zum  Übergang  gebraucht 
(18):  Kai  zama  ^sv  Löutg  (litQLa,  ein  Ausdruck,  der  zu  gleichem  Zweck 
de  merc.  cond.  35  und  de  sacrif.  14  vorkommt.  Der  Tote  hält  sich  dann 
über  Totenopfer,  Bekränzen  der  Steine  und  dergl.  auf  (19),  wie  das  Charon 
in  dem  gleichnamigen  Dialog  (22)  tut^);  ebenso  werden  die  Grabmäler 
in  gleicher  Aufzählung  in  beiden  Schriften  für  töricht  erklärt.^^  Der 
Schluß  endlich  klingt  im  Ausdruck  an  den  'Nigrinus'  an.-'')  Daß  der  Geist 
und  die  Tendenz  des  Ganzen,  gegen  Wahn  und  die  darauf  beruhenden 
Gebräuche  vorzugehen,  ganz  im  Sinn  der  menippischen  Schriften  und  der 
^Totengespräche'  Lucians  ist,  bedarf  keines  Wortes.  Die  Übereinstimmungen 
aber  mit  den  übrigen  Werken  des  Satirikers  passen  so  völlig  zu  den  Be- 
obachtungen bei  den  echten  Satiren,  die  ebenso  einen  nicht  allzugroßen 
Kreis  immer  wiederkehrender  Gedanken  und  Motive  zeigen,  daß  es  völlig 
ungerechtfertigt  ist,  mit  Bekker  und  Sommerbrodt  diese  Diatribe  für  un- 
echt zu   erklären. 

Nicht  anders  steht  es  mit  dem  kleinen  Vortrag  ^über  die  Opfer',  der 
sich  inhaltlich  mit  der  11.  Rede  des  Maximus  von  Tyrus  berührt.  Auch 
hier  ist  der  kynische  Gedanke  gleich  im  Beginn  hervorgehoben:  Niemand 
ist  so  traurig  oder  bekümmert,  daß  er  nicht  über  die  Torheit  der  Men- 
schen bei  den  Opfern  lachen  müßte  (l).  Auch  hier  zeigt  sich  der  Lucia- 
nische  Witz,  wenn  er  sich  die  Göttin  Artemis  vorstellt,  wie  sie,  während 
die  übrigen  Götter  eingeladen  sind,  darüber  grollt,  daß  sie  daheim  bleiben 
muß  (l),  oder  das  Opfer  als  ein  Kaufgeschäft  ausmalt  (2)  und  als  Beweis 
für  diese  Auffassung  den  Chryses  und  seine  Vorwürfe  gegen  Apoll  ^)  an- 
führt (3),  oder  wenn  er  bei  Schilderung  der  Verhältnisse  im  Himmel  an- 
fängt in  Versen  zu  reden  mit  der  Begründung:  itqiitBL  ydq^  ol^iai,,  avco  ovxcc 


1)  De  luct.  16:  nccQccLtriad^svog  xov  Alaxbv  xccl  tbv  k'Cöcovicc  ngbg  öXlyov^ 
pisc.  4:  TfccQccLzriodiisvoL  n^bg  öXlyov  tbv  kcdcovia.     Vgl.  S.  297  Anm.  4. 

2)  De  luct.  16:  ö^diccg  ^rj  tovtcov  iväsijg  ysvo^svog  asrdXco/iat,  vgl.  die  oben 
(S.  349  Anm.  4)  zitierten  Worte  aus  'Totengespr.'  17,  2. 

3)  De  luct.  19:    XL   dh   6    vTthg   xov  xdcpov   XiQ^og   i6xsq)avo3[i^vog;    ri  xi  v^ilv 

dvvccxccL  xbv  cc'kqccxov  inixstv'^  rj  vo^i^sxs  yiaxccoxd^siv  avxbv  ig  ij^mv ,  etwas 

weiter:  iyixbg  st  ybi]  xrjv  onodbv  rj^iäg  cixslaQ-cci  Ttsitiaxsvv.ccxs ,  Char.  22:  xi  ovv 
iy.slvoi  GxscpavovCi  xovg  liQ'ovg  yiccl  xQt-ovaL  [LVQa}\  ol  dh  ■nccl  .  .  .  olvov  v.aX  \isXi- 
TiQccxov  .  .  .  itix^ovaiv;  worauf  Hermes  erwidert:  nsnLöxsv'uccoi.  yovv  xdg  tpvxccg 
....  JtivSLV  .  .  .  t6  ^sXi-KQccxov. 

4)  De  luct.  22,  Char.  22:  ;^rafiara  .  .  .  yiul  Ttvgafiidsg  Kai  GxfjXai. 

5)  De  luct.  24:  xavxa  v.al  tcoXv  xovxcov  ysXoLOXSQa  svqol  XLg  av,  Nigr.  35: 
xavxd  X8  Tial  tcoXXcc  Exsqa  xoiavxa  disXQ'div  naxiTCavas  xbv  Xoyov,  22:  noXv  öh 
Tovxcav  .  .  .  ysXoLoxsQOL  (vgl.  24). 

6)  Dasselbe  Beispiel  hat  Maximus  Tyr.  11  2,  um  dann  fortzufahren:  xl 
Tavra,  to  7toirix&v  agLOxs;  Xi%vov  v.a\  dcoQo86y.ov  xb  %'siov  yial  piriShv  äiacpsgov  xcav 
TtoXXmv  dvd'QcoTtcov ; 


Beziehungen  zu  anderen  Schriften.  351 

fiiyalrjyoQeLv  (9).    Auch  hier  ist  in  raenippischer  Weise  ein  ganzer  Homer- 
vers (n.  VI  150  XX  213)  mitten  im   Satz  verwandt  (14). 

Daß  das  Ganze  etwas  altersschwach  ist,  wird  man  ohne  weiteres  zu- 
geben können;  statt  die  Torheit  und  Unraoralität  der  Opfer  auszuführen, 
schweift  der  Schriftsteller  bei  der  Erwähnung  des  Chryses  und  Apoll 
sofort  ab  und  erörtert  die  Vorstellungen,  welche  die  Dichter  von  den 
Göttern  verbreiten,  wie  in  der  vorher  besprochenen  Rede  die  von  der 
Unterwelt.  Man  sieht  dabei,  er  lebt  in  den  Gedanken,  die  er  auch  in 
anderen  Werken  ausgesprochen  hat,  und  scheut  sich  nicht,  ganz  seiner 
Art  entsprechend,  sich  zu  wiederholen.  Gleich  zu  Anfang  erinnert  das  nokv 
ye  olfiai  TtQoiEQOv  .  .  .  .  rcgog  iavzbv  i^sraöeL  (l)  und  ebenso  das  Ta-öra 
fLSv  öi}  i'a(og  (iSTQLa  gegen  Ende  (14)  an  Eigenheiten,  die  wir  eben  her- 
vorhoben. Die  Schilderung  der  grollenden  Artemis  (1)  stimmt  zum  'Sym- 
posion' (25)  und  'tragischen  Zeus'  (40)^).  Unter  Apolls  Liebschaften 
(4)  sind  Daphne  und  Hyakinth  zusammengestellt  wie  im  'Göttergespräch' 
14,  wie  auch  der  Ausdruck  direkt  daher  genommen  ist.^)  Der  Dienst 
bei  Admet  und  Laomedon  (4j  ist  hier  wie  in  der  'Widerlegung  des  Zeus' 
(8)  erwähnt,  und  auch  Hephaistos  und  Prometheus  (5)  werden  als  Bei- 
spiele für  die  törichten  Fabeln  der  Dichter  hinzugefügt  wie  dort;  wenn 
dabei  als  erschwerend  hervorgehoben  wird,  daß  die  Dichter  dazu  erst 
die  Musen  anrufen,  so  erinnert  auch  das  an  den  Anfang  jener  Schrift  (l). 
YVlt  Zeus'  Verwandlungen  kehren  die  Ausdrücke  wieder  aus  den  'Götter- 
gesprächen' 5,2  und  16,2.^)  Die  Geburt  der  Athene  und  des  Dionysos  (5) 
sind  hier  zusammen  aufgeführt,  wie  sie  im  'Göttergespräch'  8  und  9  auf- 
einander folgen.  Bei  Hephaistos  wird  an  seinen  Sturz  und  an  seine  Lahmheit 
erinnert  (6)  mit  Ausdrücken,  die  uns  an  'Göttergespräch'  15, 1  und  an  die 
*  Widerlegung  des  Zeus'  (8)  gemahnen*);  und  wie  an  dieser  letzten  Stelle 
als  Steigerung  das  Schicksal  des  Prometheus  angeschlossen  wird,  so  auch 
hier,    während    der  Ausdruck    sich    an  'Prometheus'  9    anlehnt.^)     llheas 


1;  De  sacr.  1:  tfjg  kgriiiiÖog  usfitpiUOiQOvOris,  ort  j*^  ituQsXijtpd^ri  Ttgös 

xi]V  d-valav  vnb  xov  Olvioag xai  iioi  fioxät  dgäv  wbriiv  iv  rr5  ovquvco  x6rs 

fi6vriv  Twr  &XX(ov  d^siov  ig  Olvicag  ntnogsviiivcav,  conv.  25:  6'i/^ei  yccg  x«J  rijv 
'/iQTffiiv  dc/ava-KTOvoav,  ort  n6vr}V  aiiziiv  ov  nKQiXcc{iiv  i%itvog  M  tj]v  O'v- 
alav  Tovg  iiiXovg  ^sovg  (gtiüjv,  lupp.  tr.  40:  i%hivr\  (leiLtpiiioigog  oioa 
i]'f<xvd%xr]aiv  ov  xXrid'sloa  i(p'  iatiaaiv  vnb  xov  Oiviiog. 

2j  De  aacr.  4:  ntgl  rovff  Icgtoxag  iÖvaxvxr\akVy  dial.  droi  lt.  1  :  dvoxv%di  iv 
xolg  igtoxinoTg. 

8)  De  «acr.  ri:  ägxi  (ihv  6  ytvvüdag  yiyv6\Lhvog  xqvou^  ,  ,^...  Sh  xavgog  i] 
nv*vos  1}  Scitög^  dial.  deor.  6,  8:  xqvöIov  i)  adxvgog  T/  xavgog  ysvo^ievog^  16,  2: 
xa^Qog  ri  x^vog  ytv6iiivog. 

4)  De  »acr.  6:  ßdvavoov  xal  x^^^^^  ^^^  nvQlxr]v  ....  nai  önn'd^yjgatv 
ivanXetov  ola  6i}  nufiivtvxriv  xwl  ovdh  &qxiov  xu)  nödt,  dial.  deor.  16,  1: 
%(oXbv  whxbv  bvxa  xal  xaXuia  ...ig  rriv  xufiivov  inixfKvtpota,  lupp.  cunf.  8t 
XtaX6g  iaxi  %al  ßüvuvaog  xig  nai  nvgixjig  xfiv  xixvt]V. 

6)  De  ■acr.  Ü:  xof>xov  ig  xijv  L^vf^iav  &yttyu}v  6  'Aivg  ScpMötavQaüiv  inl 
roO  Kavndaov  xal  xbv  &»xbv  avxm  nagaKaxuaxi^aag  rb  tjTntg  barmiQat  xola- 
ilfovxa^  I'niiii.  tf:  xal  axuvgohg  nal  Kavxacov  oXop  imvottv  nal  Attohg  %a- 
xuTtinnttv  nui  xb  rinaQ  innoXdxrnv. 


352  Anhang  I.     'Über  die  Trauer».     'Von  den  Opfern'.  ' 

Liebe  zu  Attis  wird  mit  denselben  Worten^)  getadelt  wie  im  ^ Götter- 
gespräch' 12, 1,  wo  auch  die  Wunden,  die  Eros  der  Selene  und  Aphrodite 
geschlagen  hat,  wie  hier  (7)  im  Zusammenhang  erwähnt  sind;  für  Selene 
sind  dabei  die  Worte  aus  'Göttergespräch'   11, 1  benutzt.^) 

An  diese  Sagen  wird  eine  Schilderung  des  Himmels  gefügt,  wie  sie 
bei  den  Dichtern  gegeben  ist;  auch  hier  sind  natürlich  Homer  und  Hesiod 
genannt  (8)  wie  'Nekyomantie'  3,  *  Widerlegung  des  Zeus'  1,  'Über  die 
Trauer'  2.  Wenn  die  Betrachtung  durch  einen  poetischen  Aufflug  zum 
Himmel  eingeleitet  wird  (8),  so  ist  das  eine  Reminiszenz  an  den  'Ikaro- 
menipp'.  Dabei  ist  dieselbe  Piatonstelle  benutzt,  die  Lucian  auch  im 
'Doppeltverklagten'  (33)  verwandt  hat  (Phaedr.  247  C).  Wenn  die  Hören 
als  Torwärterinnen  bezeichnet  werden  (8),  so  sehen  wir  sie  im  tragischen 
Zeus'  (33)  in  Tätigkeit.  Die  Darstellung  der  auf  die  Opfer  passenden 
Götter  (9)  ruft  den  Vorwurf  des  Momus  im  'tragischen  Zeus'  (22)  ins 
Gedächtnis.^)  Das  Zitat  dabei  aus  Ilias  I  317  ist  auch  im  'Prometheus' 
(19)  benutzt. 

Den  letzten  Teil  der  Rede  bildet  die  Darstellung  der  Götter  Verehrung 
seitens  der  einzelnen  Völkerschaften.  Die  Erwähnung  vom  Grabe  des  Zeus 
(10)  findet  sich  auch  'Götterversammlung'  6,  'trag.  Zeus'  45.  An  den 
letzten  Dialog  muß  man  auch  bei  Besprechung  der  Standbilder  der  Götter 
denken;  die  Künstler  Praxiteles,  Polyklet,  Phidias  (ll)  sind  dort  ebenfalls 
(7,  10)  genannt;  der  unbärtige  Apoll  (ll)  wird  dort  von  Momus  verhöhnt 
(26).  Wenn  aber  gespottet  wird,  daß  die  Menschen  in  den  Statuen  nicht 
mehr  irgendwelche  Elfenbein-  oder  Metallmasse  sehen,  sondern  den  Gott 
selber,  so  ist  ja  gerade  dieser  Gedanke  die  Voraussetzung  zu  der  Fiktion 
in  der  Götterversammlung  des  'tragischen  Zeus',  in  der  die  Statuen  als 
Gottheiten  auftreten  und  nach  dem  Wert  ihrer  Masse  gesetzt  werden. 
Der  Ausdruck  bei  der  Verspottung  des  Zeus  (ll)  hält  sich  an  den 
gleichen  im  'Timon'  und  'Ikaromenipp'.^)  Die  Aufzählung  der  wunder- 
samen ägyptischen  Götter  (14)  bildet  den  Schluß,  wie  sie  im  'tragischen 
Zeus'  und  in  der  'Götterversammlung'  einen  Hauptbaustein  in  den  Folge- 
rungen abgibt.  Zeus  heißt  KQLOTtQoCcoTtog  entsprechend  der  Frage  in  der 
'Götterversammlung'  (10):  rj  6v,  ro  Zsv,  Tt&g  (pSQSLg^  siteiöccv  oiqlov  %iQaxa 


1)  De  sacr.  7:  yQuvg  fihv  ^dri  yiDcl  ^^coQog  ovau  yiccl  toGovtcov  ^ritriQ 
&S&V,  7taidsQcc6rov6a  dh  hi  .  .  .  .  'aal  tbv  "Atxtv  Inl  tcav  Xaovtoiv  nsQKpi- 
Qovacc^  dial.  deor.  12,  1:  zriv  "P^av  avrrjv  ygavv  ijdr}  ■aal  ftrjrt^a  toGovtav 
Q's&v  ovaccv  ccv^Ttsiaag  naidsQuatslv  ..  xat  vvv  ixslvri  ii^^rivsv  vnb  aov  yial 
^sv^a^ievTi  tovg  Xiovrag  jctX. 

2)  De  sacr.  7:  tjj  ZsX7]vi]  ngog  xov  'Evdv^iicova  v.<x.tiov67i  TtoXXdyiLg  iv.  ^8  6r]g 
tf]g  odov^  dial.  deor.  11,  1:  xccrccßalvsLv  nccg'  ocvtbv  i%  ^^orig  tfig  bdov. 

3)  De  sacr.  9 :  ol  8h  %'sol  .  .  .  y,ad"i]^svoL  .  .  .  aTCOö'noTtovOL  ig  tr]v  yfjv  aal 
Ttdvtr]  TtSQißX^TtovöLv  iTii-AvntovrEg^  sl'  Tcod'sv  ö^ovtaL  tzvq  ävaitxo^svov  r\  dva- 
(psgo^ievriv  tiviaccv,  lupp.  trag.  22:  Kcc&7]^i:d'(x  tovto  ^övov  iniTriQOvvTsg^  tt  rig 
d'vsL  xal  v.viaa  itccQCC  tovg  ßa^iovg. 

4)  De    sacr.  11:    dyaTtavtcc    si    ölcc    nivts    oXcav    itmv    Q'veEi    rt?    avta 

TtaQsgyov  'OXv^iticov,  Tim.  4:    o^ts   d'vovtog  hi  aol  tivog si  ^ri  tig  aqcc 

TcdqsQyov  'OXv^nicov  ^  Icarom.  24:    av   diä   tcevts    oXtov   itmv   ^vacoaiv  iv 
'OXv^inlu. 


Echtheit  der  Schrift  'über  die  Opfer'.  353 

q)vö(o6L  (70t;  Weiter  wird  wie  dort  der  hundsköpfige  Gott  genannt,  der 
hier  mit  Hermes  identifiziert  ist,  dann  folgt  eine  Zusammenfassung^)  wie 
dort  (10)  und  im  tragischen  Zeus'  (42).  Wenn  endlich  gesagt  wird, 
solche  Torheiten  der  Menschen  bedürfen  nicht  des  Tadlers,  sondern  eines 
Heraklit  oder  Demokrit,  über  sie  zu  lachen  oder  zu  weinen  (15),  so  er- 
innert das  an  die  Gegenüberstellung  in  der  'Versteigerung  der  Lebens- 
arten' (13  f.). 

Auch  hier  zeugt,  soweit  ich  sehe,  alles,  Sprache^)  und  Geist,  dafür, 
daß  wir  ein  zwar  ziemlich  schwächliches,  aber  doch  echtes  Werk  Lucians 
vor  uns  haben.  Reminiszenzen  aus  den  'Göttergesprächen',  dem  'Sympo- 
sion', den  beiden  Zeusdialogen,  dem  'Ikaromenipp',  'Timon',  'Prometheus' 
und  andern  Schriften  lassen  sich  erkennen.  So  hat  sich  nur  der  Verfasser 
selber  in  seine  eigenen  Gedanken  eingelebt.  Als  Phantasie  und  Schaffens- 
kraft erlahmt  sind,  arbeitet  er  doch  noch  mit  den  ihm  von  früher  ver- 
trauten Motiven  fort.  Um  so  seltsamer,  daß  man  gerade  diese  Wieder- 
holungen, die  uns  so  recht  den  Lucian  verraten,  gegen  die  Abfassung 
durch  ihn  hat  ausspielen  wollen.^) 


i)  De  sacr.  14:  xal  rbv  TI&vu  oXov  XQayov  xal  l^lv  nva  xal  xqoxoSslXov 
hrtoov  Hai  nlQ-rixov^  deor.  conc.  10:  cclax^vo^ai  8h  l'ßidccg  y,cxl  Ttid-ij-KOvs  slnsTv  xal 
rpayoys,  lupp.  tr.  42:  xai  aXXoLg  Ißig  t)  ■nqov.ödsiXo?  xai  aXXoig  ■Kvvov.itpccXo?  r\ 
alXovQog  t)  Tci^rixog. 

2)  Als  Einzelheit  sei  bemerkt,  daß  das  seltene  äyyEXicccpoQog  (8)  in  der 
Schrift  pro  imagin.  16  sich  ebenfalls  findet. 

3)  Joost,  De  Luciano  cpdoiiriQa},  Progr.  Königsberg  i.  Pr.  1883,  S.  25  ff.,  der 
die  oben  besprochenen  Übereinstimmungen  zum  größten  Teil  augegeben  hat, 
beweist  daraus  die  Unechtheit  der  Schrift,  von  der  Prämisse  ausgehend:  nemo 
qui  Lucianum  paulo  diligentius  (!)  legerit,  eum  sua  ipsius  verba  transscripsisse 
concedet. 


n«\m,  LuoUn  uikI  M«nip|>. 


Anhang  IL 
Über  die  Bilder'  und    Von  den  Arten  der  Liebe'. 

Weil  für  die  Charakteristik  Lucians  wie  für  die  Chronologie  nicht 
unwichtig,  seien  hier  kurz  die  Schrift  ^über  die  Bilder'  und  die  durch  einen 
Fälscher^)  an  deren  Anfang  angeschlossene  Von  den  Arten  der  Liebe' 
besprochen.  Nur  diesen  ersten  Worten  der  ^Imagines'  verdanken  die 
^Amores'  die  .Einreihung  unter  die  Schriften  Lucians.  In  den  'Bildern* 
stellt  sich  der  Verfasser  rein  aus  künstlerischen  Gründen,  um  durch  die 
angebliche  sonstige  Bevorzugung  der  Knaben  ein  solches  Lob  auf  die 
Panthea  erst  recht  zu  heben,  als  Liebhaber  der  nalol  hin  (l);  und  in  der 
Aufzählung  der  Kunstwerke,  die  dazu  dienen  sollen,  die  Schönheit  der  Ge- 
feierten im  einzelnen  zu  schildern,  wird  (4)  die  knidische  Aphrodite  mit 
der  sich  daran  knüpfenden  Anekdote  angeführt  mit  der  bei  Lucian  nicht 
ungewöhnlichen  Wendung:  tovto  fieviOL  aXlcog  tdTOQeia^io})  Ein  Rhetor 
hat  geglaubt  das  nachtragen  zu  sollen.  Sorgsame  Lektüre  zeigt  ebenso, 
daß  die  'Amores'  unecht  sind,  wie  daß  die  ^Imagines'  von  Lucian  selbst 
geschrieben  sind;  denn  der  Wortschatz  der  'Amores'  weicht  ganz  auffällig 
von  dem  einfachen  Stil  ab,  den  Lucian  zu  schreiben  pflegt.  Man  lese  nur 
xi]g  cino8if]^ov  orgarslag  (6)  von  einer  Reise,  TtaLÖSLa  'junge  Leute'  (6), 
TtofiTtoötolsLV  (ll),  ciKQLTcov  acfvlaKTOviisvcov  Xöycov  (17),  TCccd'aLVsad'ai  (29), 
svsvöioXrjöag  (35),  aXloTQiOL  zoö^oi  t6  rfjg  cpvöeag  ccTtQ^Tteg  ßovKolovöLv 
(38),  övöüXrjd ovLör og  (ß^)',  ckvto  dEE,ccfiEV0L  fied'^  ayvfjg  öiavoiag  vecoaoQOV- 
(lev  (48),  KaTcocpQVG)(ievovg  koyovg  (53),  Ausdrücke,  die  man  bei  aufmerk- 
samem Lesen  leicht  verdoppeln  und  verdreifachen  kann^)  Es  ist,  als  ob 
man  den  'Lexiphanes'  vor  sich  hätte.  Dabei  ist  nicht  etwa  Ethopoeie  im 
Spiele,  wie  z.  B.  in  Piatons  'Symposion'  die  einzelnen  Reden  sich  scheiden; 
denn  selbst  Lykinos  redet  so.  Einer  solchen  Sprache  kann  sich  Lucian 
nie  bedient  haben;  selbst  die  Schulreden  wie  der  anourjQVTTO^ievog  und 
rygayvcxrovog  zeigen  einen  klaren  einfachen  Stil.  Das  spricht  gegen 
C.  F.  Hermanns  Vermutung,  die  Schrift  möchte  in  Lucians  erste  Periode 
gehören*);  aber  diese  Annahme  ist  ja  schon  durch  den  Umstand  widerlegt, 
daß  die  Schrift,  wenn  sie  echt  wäre,  nach  den  'Bildern'  verfaßt  sein 
müßte,  wie  die  oben  zitierte  Stelle  mit  dem  latogeLö^o)  beweist.     Sie  mit 


1)  Meine  Anmerkung  zu  Neue  Jahrb.  f  d.  klass.  Altert.  IX  (1902)  S.  201  ist 
verkehrt,  wie  ich  mich  überzeugt  habe  (vgl.  Mees,  De  Luc.  stud.  et  Script,  iuvenil. 
Rotterdam  1841,  S.  22.    Rein,  Sprichwort,  b.  Lucian,  Diss.  Tübg.  1894,  S.  100). 

2)  Vgl.  bis  acc.  13,  vit.  auct.  Schluß,  lupp.  trag.  12. 

3)  Vgl.  Lauer,  Lucianus  num  auctor  dialogi  "EgcoTsg  existimandus  sit,  Progr* 
Köln  1899,  S.  19  ff.  4)  Ges.  Abhandlungen  S.  204  f. 


Sprache  der  'Amores'.     Echtheit  der  'Bilder'.  355 

W.  Schmid  für  echt  halten  und  doch  vor  die  ^Imagines'  setzen^),  hieße 
zwei  UnWahrscheinlichkeiten  vereinigen.  Vielmehr  hat  ein  Sophist  die  An- 
regung, die  Lucians  ^Imagines'  ihm  boten,  benutzt  und  ebenso  wie  dort 
den  Lykinos  auftreten  lassen;  der  Stoff  ist  ja  eines  Sophisten  würdig  und 
lag  in  der  Luft,  wie  der  plutarchische  Erotikos  und  Achilles  Tatius  II  35  ff. 
zeigen.^) 

Andererseits  ist  die  Echtheit  der  ^Bilder'  über  jeden  Zweifel  er- 
haben —  leider,  wie  man  mit  Rücksicht  auf  die  Beurteilung  des  Cha- 
rakters Lucians  sagen  muß.  Sie  stimmen  im  Stil  völlig  mit  den  sonstigen 
Schriften  überein;  das  Xenophonzitat  (10)  erinnert  an  die  auch  sonst  vor- 
kommenden und  die  Vorliebe  dieser  Zeit  für  Xenophon.^)  Auch  der  Gedanke, 
das  Bild  der  Gefeierten  durch  Zusammensetzung  der  einzelnen  Züge  von 
Kunstwerken  zu  zeichnen  (5j,  stimmt  zu  Xen.  mem.  III  10,  2.*)  Aber  den 
Zusammenhang  mit  andern  Schriften  Lucians  zeigen  ganz  deutlich  zwei  Stellen. 
Personen,  deren  Sprache  mit  ihrer  äußeren  Schönheit  nicht  im  Einklang 
steht,  werden  verglichen  mit  prachtvollen  ägyptischen  Tempeln,  in  deren 
Innerem  tjv  ^»/t^s  tÖv  ^eov,  t)  Ttld-riKÖg  ioxiv  ?)  l{iLg  i]  TQccyog  ij  ailovQog 
(ll);  der  ganze  etwas  seltsame  Vergleich  —  der  gewöhnliche  vom  Schau- 
spieler^) schien  dem  Schriftsteller  offenbar  selber  schon  zu  abgenutzt  — 
stammt  aus  der  Beschäftigung  mit  den  ägyptischen  Göttern  im  tragischen 
Zeus*  (42).®)  Noch  deutlicher  ist  die  Beziehung  auf  den  'Hahn'  (23); 
dort  ist  der  Vergleich  der  Reichen  mit  dem  Ikai-us,  der  Aj-men  mit  dem 
nahe  dem  Wasserspiegel  sich  haltenden  Dädalus  durchaus  natürlich,  hier 
(21),  wo  die  Bescheidenheit  der  Panthea  gerühmt  werden  soll,  hat  die 
Ausführlichkeit  des  Bildes,  das  mehr  zum  Schmuck  der  Darstellung  als 
zur  Verdeutlichung  von  Pantheas  Charakter  dient,  etwas  Auffälliges.  Der 
Wortlaut  ist  z.  T.  gleich.*^)  Ebenso  hat  die  Form  des  Schauspielervergleichs 
im  *Hahn'  (26)  mit  der  Hervorhebung  von  Maske  und  Kothurn  Lucian  in  der 
Verteidigungsschrift  'für  die  Bilder'  (3)  wieder  vorgeschwebt,  wie  die  Aus- 
drücke zeigen^);   und  er  erinnert  pro  imag.  26  an  die  auch  gall.  13  ver- 

1)  Phil.  L  (1891)  S.  308;   richtig  war  da«  Urteil,  Der  Atticismus  I  S.  226  f. 

2)  Vgl.  Prächter,  Hierokles,  Lpzg.  11)01,  S.  14H;  Wilhelm,  Rhein.  Mus.  LVU 
(1002)  S.  66  ff.  Hj  Siehe  oben  S.  208.  26'.». 

4)  *Ex  noXXütv  ovvdyovrBg  xu  i^  indatov  xdlXioxcc  ovxag  SXa  rcc  tfro^orr«  naXcc 
noiitxi  tpaivead'at.  6)  Siehe  oben  S.  46  ff. 

6)  lupp.  trag.  42:  äXXoig  Ißis  i]  xQOxoSedos t)  uHovqos  ^  nid^jxos. 

7)  Gall.  23:  ol  ^i,hv  ...  (nOTihQ  6  "Ixagof  inl  noXv  &Qccvxsg  avxovg  .... 
ovyi  fldoTBs  oti  xr]Q(o  ijQ^ioaxu  uvxolg  f;  nx^Qioaig^  ^Liyav  ivlore  xöv  ndxayov 
iitoiriauv  inl  xBfpuXi}v  ig  TciXw/og  i^neö6vxtg'  oaoi  dh  xctxu  x6v  dai- 
SaXov  ni}  ndvv  fuxitoQa  /xrj^i  vijiriXu  i(pQ6i'7]Oav,  dXXu  nQoßyda  (so  pro  imag.  8: 
nQ6aYt!tov  Tjjf  nxtiatv  Ttoiovutvriv},  (og  voxi^fad^at.  ivioxt  xfj  äXfitf  x6v  xtigöv,  ätg 
tb   noXh   ovrot   AatpaXtbg  diinxi]6av,    imag.  21:    vao-nfQ    ot    "Ixa^oi   rttxivxog 

.  ,  .  .  ToO  XTUfov yiXtaxa  ö(fXiaxdvov6iv  inl  xtqiaXijv  hlg  ntXdyr]  ....  ifini- 

nxovxtg'  6ooi  Sh  xaxit  xöv   Jceidalov   ixQVOtcvro  xofg  nxtQOlg  xal  fii)   näpv 

inrlQ^TiaaVt    bld6xas    Sxi    ix    xr](foa    ^v    aifxolg    ntnoif]iUva f)ydxri€ap 

h^X6xiQ0i  fUvov  x<hv  xvficcTMV  ivB%0^ivxtg,  Möxf  ^ivxoi  votltita^ai  a^ol^  <Sj1 
xit  nttQU  ....  ovrot  Ah  äatpaXätg  r»  ufut  xal  aa><pif6voig  dtinxti^ap. 

8)  Vgl.  avvxiftßfivat  dvvaiJvm  und  roD  ngoaun^lov  avptifißipxos^  towie  ya- 
Xoi6xtQog  Äv  j'/?'f-'    ••••'   •■•'5-  -      -,./.... 

28  • 


356  Anhang  II.     'Über  die  Bilder'. 

wandte  Homerstelle  vom  Haar  des  Euphorbos.  Dazu  kommt  eine  gewisse 
Ähnlichkeit  des  Anfangs  mit  dem  'Nigrinus',  die  besonders  in  dem  vor- 
bereitenden Widerstreben  besteht^)  und  in  der  Schrift  ^für  die  Bilder'  be- 
zeichnet sich  Polystratos  (16 j  als  ov  cpavkov  VTtoKQLzrjv,  im  'Nigrinus'  (ll) 
fürchtet  Lucian  als  schlechter  Schauspieler  zu  erscheinen.^) 

Die  zweifellose  Tatsache  der  Echtheit  der  ^Imagines'  hat  etwas  Be- 
schämendes, und  wer  dazu  neigt,  in  den  von  ihm  behandelten  und  ge- 
schätzten Schriftstellern  besondere  Menschen  oder  gar  Helden  zu  sehen, 
wird,  wenn  er  Lucian  als  Schriftsteller  liebgewonnen,  tiefen  Kummer 
empfinden.  Wir  können  die  Zeit  dieses  Dialogenpaares  auf  die  Jahre 
163 — 165  festlegen.  162  ging  L.  Verus  nach  dem  Osten,  um  die 
Leitung  im  Partherkrieg  zu  übernehmen,  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres 
166  kehrte  er  zurück.  In  die  Zwischenzeit  muß  der  Anfang  seines 
Verhältnisses  zu  der  schönen  Smjrnäerin  Panthea  fallen,  das  ja  wohl  auch 
durch  die  Vermählung  mit  der  Tochter  Mark  Aureis  (164)  bis  zum  Tode 
des  Kaisers  (169)  keinen  Abbruch  erlitten  haben  wird;  Mark  Aurel  setzt 
wenigstens  eine  Fortdauer  des  Verhältnisses  voraus,  wenn  er  in  seinen 
Selbstbetrachtungen  VIII  37  sagt:  ^Sitzt  etwa  neben  dem  Grabhügel  des 
Verus  die  Panthea  usw.?  Und  wenn  sie  da  säßen,  würden  die  Toten  es 
merken?'  Also  in  jenen  Jahren  163  — 165  hat  Lucian  die  Panthea  in 
Antiochia^)  gesehen,  wo  L.  Verus  verweilte,  während  seine  Feldherren  den 
Krieg  führten.  Und  die  Verherrlichung  der  schönen  Frau  ist  gerade  in 
der  Zeit  verfaßt,  als  Lucian  seine  philosophischen  Satiren  schrieb  und  z.  T. 
schon  geschrieben  hatte.  Man  begreift,  daß  er  das  Enkomion  in  die  Form 
des  Dialogs  kleidote,  da  diese  ihm  damals  am  meisten  zusagte.*)  Daß  er 
sich  überhaupt  gedrungen  fühlte,  es  zu  schreiben,  steht  ihm  nicht  über- 
mäßig gut,  zumal  es  sich  nicht  einmal  an  den  Kaiser  selber,  sondern  an 
eine  schöne  Hetäre  richtet,  offenbar  die  amica  vulgaris,  von  der  Capitolinus 
VII  10  redet.  ^Hic  adulatorum  derisor  Lucianus  omnes  adulatores  vincit' 
sagt  La  Croze,  —  nicht  ohne  Grund,  muß  man  zugeben,  wenn  man  bei  Ca- 
pitolinus (VII  4)  von  Verus,  dem  ßaailel  tc6  (AsyccXo)  iQ\]6xui  %al  i]^SQai 
ovTL  (imag.  22)  liest:  risui  fuit  omnibus  Sjris,  quorum  multa  ioca  in 
theatro  in  eum  dicta  extant.  In  der  zweiten  Schrift  wird  die  Schmeichelei 
dann  noch  vermehrt,  wenn  Panthea  dort  bescheiden  den  Vergleich  mit 
den  Göttinnen  ablehnt  und  Lucian  den  Ljkinos,  d.  h.  sich  selber  sagen 
läßt  (14):   ovds  aXXcog  quÖloq  Ttgbg  rovg  enalvovg  %al  TtQO'/^eiQog  ojv  ixvyiaveg. 

1)  Nigr.  8:  rcavs  m  d'ccviidGLS  ^i-agov  ccvcczQOvo^svog  yccl  Ae/f,  imag.  2:  navov 
CO  Avmvs  rsgccGTLOV  n  xdXlos  avccjtXdrtcov,  aXX'  sItie. 

2)  Auch  pro  imag.  29  kommt  Lucian  auf  das  Bild  zurück. 

3)  Daß  es  nicht  in  Smyrna  geschah,  zeigen  die  Worte  c.  2 :  id6x.Si  Ss  f^o^ 
xorl  ccvtbg  2^[ivQvalog  bIvccl  6  Xiycov^  ovtag  iasiivvvaro  in'  ccvry.  Die  Bemerkung 
wäre  iu  Smyrna  sinnlos  gewesen  (vgl.  Rothstein,  Quaestion.  Lucianeae,  Berlin 
1888,  S.  117,  2). 

4)  Vgl.  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLIII  (1888)  S.  101  ff.;  daß  die  'Imagines'  und 
'pro  imaginibus'  ursprünglich  ebenso  wenig  zugleich  geplant  sind  wie  Witar. 
auctio'  und  "^piscator',  hat  Hirzel,  Der  Dialog  11  S.  280  gegen  Bruns  treffend 
gezeigt. 


Anhang  III. 
Tiber  den  Parasiten'. 

Die  Schrift  'über  den  Parasiten'  nimmt  unter  den  Lucianischen  Dia- 
logen eine  eigenartige  Stellung  ein,  durch  welche  die  Entscheidung  in  der 
Frage  nach  der  Echtheit  sehr  erschwert  ist.  Betrachtet  man  den  Geist 
des  Ganzen,  so  möcht's  leidlich  scheinen;  er  steht  dem  Satiriker  nicht 
übel  an.  Die  Verherrlichung  des  Parasiten  und  seine  Erhebung  über  Philo- 
sophen und  Rhetoren  enthält  einen  Spott  gegen  diese  im  Lucianischen 
Sinne,  und  als  Satire  auf  die  philosophischen  Dialoge  gefaßt^),  ist  die  Schrift 
erst  recht  verständlich.  ^Die  ehrwürdige  Form  des  Dialogs  ist  hier  auf  einen 
niedrigen  Gegenstand  angewandt,  und  nach  derselben  Methode,  die  sonst 
dazu  diente,  Wert  und  Wesen  der  Dialektik,  Rhetorik  und  ähnlicher  Dis- 
ziplinen und  Künste  zu  erörtern,  wird  hier  die  Kunst  des  Schmarotzers 
besprochen',  sagt  Hirzel;  und  das  könnte  man  Lucian  zutrauen.  Der  Dialog 
ist  aber  zugleich  auch  die  Parodie  eines  Enkomions;  daher  die  von  Hirzel 
(Dialog  II  S.  290)  aufgezeigten  Berührungspunkte  mit  dem  Platonischen 
'Symposion'.  Es  sollen  die  zahllosen  Lobreden  auf  minderwertige  oder 
gar  tadelnswerte  Dinge,  über  die  schon  Piaton  (Sjmp.  177  B)  spottet, 
parodiert  werden,  die  Reden  auf  das  Salz,  aufs  Bettlerleben,  auf  die  Mäuse, 
auf  Töpfe,  auf  den  Papagei,  auf  die  Mücke,  aufs  Haar,  aufs  Fieber,  auf 
die  Kahlköpfigkeit,  auf  die  Mühsal,  die  laudes  fumi  et  neglegentiae  und 
was  dergleichen  Kunststücke  mehr  zutage  gefördert  sind.^)  Die  Parodie 
ist  erreicht  durch  Herstellung  eines  solchen  Enkomions,  aber  in  dialogischer 
Form,  wie  sie  Lucian  in  den  'Bildern'  zu  gleichem  Zwecke  verwandt  hat, 
während  er  in  dem  ^vlag  iyxca^LOv^  das  demselben  satirischen  Ziele  dient, 
die  Form  der  Rede  beibehalten  hat.  Auch  der  sich  aufdrängende  Zu- 
sammenhang mit  der  Komödie  paßt  zu  Lucians  SchriftstuUerei;  mau 
braucht  nur  einmal  die  von  Athenäus  im  6.  Buch  (Kap.  26  flf.)  angeführten 
Zitate  zu  durchmustern,  die  sich  dort  an  die  beim  Gastmahl  gemachte 
Bemerkung  anschließen:  t6  de  toö  nagaalrov  ovo^a  nciXai  ^ilv  ijv  (Jf/iiür 
xm  UQov.  In  des  Timokles  'Drakontion'  (Kock  II  S.  454)  findet  sich  der 
Nachweis,  daß  die  Parasiten  ein  srhr  nützliches  Geschlecht  sind;  und  als 
Beleg  dafür,  wie  sehr  ihr  Leben  geehrt  ist,  wird  angeführt,  daß  auch  den 
Siegern  in   Olympia  eine  Speisung  zuteil   wird.      Antiphnnes  in   dm  *Zwil- 

1)  So  Wielnnd,  Jacob,  W.  Sehinid,  Ilirael. 

2)  BlaiH,  AtÜHclip  HoredHainkcii  II*  S.  370;  Hohde,  Grieoh.  Roman'  S  MO 
Anm.  1.    Über  dun  növov  //xcu^oi'  Hpottei  der  SophiHt  Ptoleni&ui,  indem 

das  n  fortzulanNüii  fPhiloitr.  v.  sophigt.  II  2n,  6  (114,  22  KayierJ). 


358  Anhang  HI.     'Über  den  Parasiten'. 

lingen'  (Kock  IE  S.  43)  läßt  ebenso  den  Parasiten  preisen ,  zunächst  als 
Freund^),  wie  in  unserm  Dialog  (22)  die  cpdla  als  Grundlage  der  Para- 
sitenkunst bezeichnet  wird,  sodann  selbst  als  guten  Krieger,  wenn  er  wohl 
verproviantiert  ist,  ein  Gedanke,  der  in  unserer  Schrift  wiederkehrt.^) 
In  den  ^Lemnierinnen'  (Kock  II  S.  70)  wird  die  'koXwkbCcc  als  Kunst  erwiesen 
und  dabei  das  Argument  vorgebracht,  daß  jeder  andere  Beruf  nur  mit 
vieler  Mühe  zu  seinem  Ziele  komme,  der  Schmeichler  aber  mühelos,  wie 
das  im  ^Parasiten'  (13  ff.)  ausführlich  besprochen  ist.  Auch  des  Diodor 
witzige  Darlegung  (Kock  II  S.  420),  daß  Zeus  die  Parasitenkunst  erfunden 
hat,  berührt  sich  in  der  Benutzung  der  Mythologie  mit  der  Behauptung, 
daß  Odjsseus  dieses  Leben  für  das  himmlischste  erklärt  habe  (Parasit.  10) 
und  daß  die  homerischen  Helden  Parasiten  seien  (44fif.).  Und  höchstwahr- 
scheinlich geht  noch  mehr  auf  die  Komödie  zurück  als  wir  bestimmt  an- 
geben können.  Ähnliche  Loblieder  auf  die  Kochkunst  in  der  Komödie 
zeigen,  wie  nahe  das  Vorbild  lag.^) 

Es  findet  sich  auch  Witz,  wie  er  Lucians  nicht  unwürdig  ist.  Dazu 
rechne  ich  die  Anwendung  der  stoischen  Definition  der  xi%vt]  (4)*)  auf  die 
Kunst  des  Schmarotzers  und  des  stoischen  Bildes  vom  Topf,  der  durch  seinen 
Klang  sich  als  gesprungen  und  unbrauchbar  verrät  (4).^)  Ebenso  wird 
das  bekannte  Bild  vom  Steuermann,  der  seine  Kunst  verstehen  muß,  zum 
Vergleich  herangezogen.^)  Witzig  werden  die  Erfordernisse,  die  der  Para- 
sitenberuf an  die  Veranlagung  stellt,  ausgeführt  (4  ff.).  Das  Endziel  dieses 
Berufes  erweckt  die  Frage  nach  dem  Gegensatz  zu  dem  zilog  der  philo- 
sophischen Sekten,  und  hier  wird  die  Richtigkeit  der  Behauptung,  daß 
Schmarotzen  und  Glücklichsein  identisch  sei,  durch  Odysseus'  Ausspruch 
bei  den  Phäaken  (Od.  IX  5 ff.)  erwiesen  und  gezeigt,  daß  Epikur  seine 
Ansicht  nur  entlehnt  hat  und  doch,  weil  er  sich  mit  allerlei  Spitzfindig- 
keiten abquält,  sein  Ideal  nicht  in  gleicher  Weise  erreicht  wie  der  Parasit 
(11);  witzig  ist  dabei  und  zugleich  eine  Verspottung  derartiger  Syllogismen 
die  Schlußfolgerung,  daß  Epikur  überhaupt  die  Lust,  xh  7]dv^  entweder  nicht 
gewinnt  oder  selbst  Parasit  ist,  indem  das  ri8v  nur  ins  Essen  gelegt  wird  (12). 
Wie    in    der  Komödie    wird   hervorgehoben,    daß  man  durch  gutes  Essen 


1)  V.  7 :  -AccGtlv  (pilog  yEvvatog  ccacp(xXi]s  d"'  au«,  ebenso  auch  TlQoyovoi 
(Kock  n  S.  94):  toiv  (piXcov  yccQ  (ov  cpiXog. 

2)  De  paras.  49:  ovx'l  Tigütov  ^hv  6  toLovtog  ägiatoitoiriGä^Bvog  ^^tiGiv  inl 
X7\v  TcaQccrcc^LV',  Antiph.  v.  11:  jtdXiv  atgccTicorrig  ccyad'bg  sig  VTtSQßoX'qv^  av  i}  tb 
aitagyiTi^cc  dBlnvov  svTQsnig. 

3)  Sosipater  v.aTcc\bsvd.  III  314  Kock;  Athenion  Samothrak.  III  369  K.;  Ni- 
komachos,  Ilithyia  III  386  K. 

4)  Vgl.  V.  Arnim,  Fragm.  Stoieor.  vet.  II  S.  30,  93—97. 

5)  Vgl.  Persius  3,  21;  das  Bild  geht  auf  Piaton  zurück  Theaetet  179  D: 
GKSTtriov  xriv  q)SQOivivriv  xccvxriv  ovalccv  8iccyiQOvovxa^  uts  vyiig  sl'rs  öccd'QOv  cp^iy- 
ysxai,  Phileb.  55  C:  ysvvcci(og  sl'  nrj  rt  Gccd-qbv  ^%sl  näv  7C8qlv.qov(oiisv.  Im  ^Para- 
siten' 4  heißt  es:  ^rj  tiad'ciTtSQ  al  novriQccl  yjbxqai  ÖLwugovo^svai  aad'gbv  ano- 
(pQ'iyyr\tai.  Der  Vergleich  der  Erziehung  mit  der  Arbeit  des  Töpfers  findet  sich 
bei  Diogenes  (Stob.  ecl.  II  31,  87  [II  S.  216  Wachsm.]).    S.  oben  S.  239. 

6)  Platonische  Beispiele  anzuführen  ist  überflüssig  (s.  Ast,  Lexicon  Plat. 
n  221);  im  übrigen  s.  oben  S.  147. 


Vergleich  mit  Lucian.  359 

und  Trinken  diejenigen  belohnt,  die  in  andern  Künsten  sich  hervortun,  z.  B. 
die  Knaben,  die  gut  schreiben  (13).  Ganz  im  Sinne  Lucians  ist  die  schon 
erwähnte  Travestierung  der  Homerischen  Helden,  Nestor,  Idomeneus,  Aias, 
Patroklos,  als  Parasiten  (44flf.).  Scherzhaft  ist  die  Behauptung,  daß  der 
Parasit  sich  vor  keinem  Tiere  fürchtet,  da  er  beim  Mahle  gelernt  hat, 
alle  zu  verachten  (öl),  kein  Hirsch,  kein  Wildschwein  erschreckt  ihn. 
Und  nicht  minder  komisch  ist  die  Schlußfolgerung  aus  dem  zur  Tracht 
der  Philosophen  gehörigen  Stock:  Weshalb  würden  diese  so  bewaffnet  herum- 
laufen, wenn  sie  nicht  Furcht  hätten?  (55).  Auch  der  Hinweis  auf  die 
Apologien,  die  von  Philosophen  und  Rhetoren  verfaßt  sind,  und  der  Schluß 
daraus,  daß  sie  doch  alle  etwas  verbrochen  haben  müssen,  stimmt  zu  dem 
Komödienton  (56). 

Wie  der  Witz,  der  sich  in  dem  ganzen  Dialog  veiTät,  wohl  zu  Lucians 
Art  passen  würde,  so  ließen  sieh  auch  die  Zitate  für  ihn  geltend  machen, 
die  ganz  wie  sonst  über  die  ganze  Schrift  verstreut  sind.  Eine  besondere 
Rolle  spielt  dabei  Homer  (lO,  24,  45,.  46,  47);  Euripides  (Medea  518f.) 
wird  einmal  (4)  angeführt,  einmal  (14)  Hesiod  (Erga  290);  auf  Thukydides 
wird  48  Bezug  genommmen.  Sodann  ist  Piaton,  dessen  Dialog  im  ganzen 
parodiert  wird,  auch  im  einzelnen  zitiert;  aus  dem  Ion  (534  B)  mrd  das 
^ziu  fioLQcc  von  der  Poetik  auf  die  Parasitik  übertragen  (19);  aus  dem 
Theätet  (178  D)  wird  ein  Satz  angeführt  (ö);  auch  das  Wort  von  der 
königlichsten  der  Künste  (23)  geht  auf  Piaton  (Euthydem  291  B  292  AC). 
Endlich  erwecken  die  beiden  mythologischen  Vergleiche  den  Eindruck 
Lucianischer  Schreibart.  Der  Parasit  schildert  seine  Lage,  sorglos  wie 
die  des  Odysseus,  der  auf  dem  Rücken  liegend  von  Scheria  heimkehrt, 
(ll);  und  die  Parasitenkunst  überragt  die  andern,  wie  Nausikaa  ihre 
Dienerinnen  (26). 

Aber  trotz  all  dieser  Lucian ischen  Züge  müssen  einem  bei  der  Lektüre 
schwere  Bedenken  gegen  die  Echtheit  kommen:  l)  wegen  des  Ausdrucks, 
2)  wegen  der  eigentümlich  ungeschickten  Form  in  der  Hervorhebung  der 
Disposition,  3)  wegen  der  verhältnismäßig  seltenen  Wiederkehr  von  Gedanken 
aus  anderen  Schriften  Lucians.  l)  Bei  dem  Ausdruck  meine  ich  weniger 
was  man  im  allgemeinen  als  abweichend  von  andern  Schriften  gesammelt 
hat.*)  Hier  kann  z.  T.  die  Überlieferung  falsch  sein,  wie  man  etwa  das 
aufTullige  Ttugaaizla  annvöuauviag  (37)  durch  eingefügtes  im  zurecht- 
machen kann.*)  Weiter  besagt  einmaliges  Vorkommen  nur  in  dieser 
Schrift  nicht  viel,  wenn  der  Ausdru(;k  nicht  an  und  für  sich  seltsam  ist. 
Endlich  kann  die  Quelle  oder  das  Muster  die  Veranlassung  für  die  Ab- 
sonderlichkeit gewesen  sein  in  einem  Umfang,  den  wir  nur  ahnen  können. 
So  hat  Joost')  z.  B.  das  häufige  Kai  ni)v  im  'Parasiten'  als  höchst  auf- 
fällig bezeichnet;  doch  wenn  raan  nur  <las  parodierte  Vorl)ild,  nämlich 
Piaton,  dagogfnhält,  so  findet  man,  daß  etwa  im  Theätet  elfmal  die  Rede 
mit    xal   fiifV    beginnt    f\\:\F.    \  iH  ]\    llOC   153  B    I -'» i  F    1 58  C    159  A 


1;  HcHonderM  «orgHam  liielcr,  l  bei  die  Echtheit  de«  Luc.  Dialog«  de  pftTM., 
Progr.  Hihiofiheim   1890. 

S)  Hcnuut.  'JA:  ndvrtov  {lültara  fnl  Totnm  anovdaarfop. 
H)  KoHtiichrifl  fClr  Friedlilndcr,  Lp/g   IHUÖ,  S.  171. 


360  Anhang  IQ.     'Über  den  Parasiten'. 

170  D  182  E  188  A  204  D)^);  ebenso  steht  es  mit  andern  Anstößen.*) 
^rjaerai  (12)  ist  ja  wohl  allein  dastehend  bei  Lucian,  aber  an  und  für 
sich  nicht  auffällig ''');  da  es  in  einem  Syllogismus  steht,  der  die  stoischen 
Schlüsse  verspottet,  wäre  es  nicht  unmöglich,  daß  ein  solcher  dem  Zweck 
entsprechend  umgewandelt  und  das  sonst  nicht  Lucianische  ^T^OBtaL  bei- 
behalten wäre.  Auch  ßicoasLg  steht  vereinzelt  navig.  20,  während  Lucian 
sonst  ßtaao^aL  sagt.  (iSTa6(pr]g  hier  (l)  wie  die  Form  im  Ojnicus  17  kann 
Verderbnis  der  Überlieferung  sein,  da  sich  derartiges  vielfach  findet,  wo 
man  es  auch  nicht  zulassen  kann.*)  cc^qslv  (12,  41)  entspricht  aristo- 
telischem Sprachgebrauch,  eTtaxoXovd'etv  (3)  ist  auch  platonisch.  k%co&sv 
(53)  ist  poetisch^);  da  eine  Aufzählung  von  Affekten  vorhergeht,  so  schwebt 
dem  Verfasser  für  das  e"E,(t)d^€v  lovtcov  ccirccvrcov  offenbar  eine  Stelle  wie 
das  Euripideische  öeLfidxcov  e"t,(od'ev  vor.  So  ließen  sich  vielleicht  manche 
Anstöße  beseitigen  oder  erklären^),  obwohl  ihre  Fülle  Bedenken  en-egen 
muß.  Aber  weit  mehr  fällt  es  auf,  wenn  der  Ausdruck  bei  sonst  Lucia- 
nischen  Gedanken,  wo  er  sehr  konstant  zu  sein  pflegt,  hier  anders  geformt 
ist.  So  heißt  es  von  Sokrates  (43):  Ihm  schien  es  angenehmer  ^era  tüv 
(isiQaavXXCcov  nad-e^o^evov  daQL^eiv  Kai  aocpLG^ccTLa  TtQoßaXXstv  als  zu 
kämpfen.  Der  Ausdruck  ist  sonst  aöoXsaistv  oder  XrjQetv'^)-,  occqC^hv  findet 
sich  nur  hier.  Ebenso  steht  es  mit  ^SLQavivlliov^  während  fieLQccTiLov  häufig 
ist.  Auffällig  endlich  ist  öocpia^dxLOv  statt  des  geläufigen  aocpifS^ia.  Für  den 
Philosophenbart  ist  ßa&vg  ncoycov  geradezu  die  stehende  Bezeichnung^); 
in  unserer  Schrift  allein  steht  fiaTiQbv  7t(oycovLoi>  l'iovTa  (50).  Wollte  man 
das  verteidigen,  so  müßte  man  auch  hier  annehmen,  daß  diese  eigenartige 
Ausdrucksweise  durch  das  parodierte  Vorbild  beeinflußt  sei,  das  nicht  nur 
Piaton  war,  sondern  auch  die  jüngsten  Abhandlungen  der  Philosophen- 
schulen über  Rhetorik^);  wenn  Lucian  dann  später  iu  seinem  neuen  Vorbild 
mehrfach  einen  andern  Ausdruck  fand,  so  wäre  es  möglich,  daß  er  auf 
den  früher  gebrauchten  nicht  zurückgriff. 

2)  Die  Ungeschicklichkeit  zeigt  sich  im  aufdringlichen  Hervorheben 
der  Disposition  und  in  der  Wiederkehr  gleicher  Ausdrücke  dabei.  Zuerst 
wird  die  Schmarotzerkunst  als  t£;^i'7?  erwiesen;  dann  (13)  heißt  es:  cclV 
OXL  liBv  TEivr]  86x\v  1]  TtaQaöLXLKrj^  ÜCCK  xovxoov  Viol  xcjv  dlXuiV  ['/.av&g  6s- 
6ei.KxaL.    XoLitbv  oxi  %al  dQlaxr}  8sL%xiov^  %al  xovio   ov^  anXobg^  dXXa  tiqojxov 


1)  Im  'Nigrinus',  der  dafür  wegen  der  referierenden  Form  wenig  Gelegen- 
heit bot,  findet  es  sich  auf  weit  kleinerem  Raum  dreimal  (6,  12,  33)  und  in  dem 
auch  in  Beziehung  auf  die  witzige  Behandlung  von  Homer  und  Piaton  ähn- 
lichen '"Loblied  auf  die  Fliege',  das  vielleicht  den  fünften  Teil  von  dem  Umfang 
des  Tarasiten'  hat,  ebenfalls  dreimal  (1,  2,  5). 

2)  Vgl.  W.  Schmid,  Der  Atticismus  I  S.  424. 

3)  Vgl.  Kühncr-Blass,  Griech.  Grammatik  I  2  S.  436,  z.  B.  [Demosth.]  XXV  82. 

4)  Crönert,  Memoria  Herculanensis,  Lpz.  1903,  S.  215. 

5)  Vgl  Eur.  Herc.  für.  723  mit  der  Bemerkung  von  v.  Wilamowitz. 

6)  So  ist  das  y.atd  tuvtä  -auX  aaccvxcog  (27.  30)  jedenfalls  auf  Piaton  zurück- 
zuführen; vgl.  Phaed.  78  D,  Soph.  248  B,  Tim.  41  D  82  B. 

7)  Ver.  bist.  II  17,  dial.  mort.  20,  4. 

8)  Pisc.  11.  41,  de  merc.  cond.  12.  25,  Hermot.  18,  bis  acc.  ß,  Philops.  5  usw. 
U)  Vgl.  Radermacher  in  Sudhaus"  Philodem  Suppl.  S.  XXIII  ff. 


Gründe  für  die  Unechtheit.  361 

jU£i',  OTL  xoLvfj  naCcjv  6ia(piQ£L  T&v  zeyvcov,  elza  oxi  ymI  iSia  E'jiccazrjg.  Also 
sind  deutlieh  zwei  Unterteile  bezeichnet.  Der  erste  reicht  bis  25,  und 
am  Anfang  von  26  ist  wieder  umständlich  gesagt:  ag  fihv  xoivvv  xotv^ 
Ttaa&v  6iaq}iQ£i,^  Ssöei'i^aL  uol  Öokg)'  (pigs  öe  ojg  aal  xorr'  iölav  iTuxßrrjg 
öiatpiQSL^  ay.07tci}(iev.  Herausgenommen  wird  die  Philosophie,  die  zunächst 
als  nicht  einheitlich  im  Gegensatz  zur  Parasitenkunst  erwiesen  wird;  da- 
nach 31:  navv  aoL  doKSLg  Tavra  iKaviog  EiQ^xivai.  Es  folgt  der  Nachweis 
der  Inferiorität  der  Philosophie  im  übrigen,  sowie  auch  der  übrigen  Künste, 
der  wieder  nach  den  einzelnen  Abschnitten  jedesmal  unterbrochen  wird 
durch  LKuvibg  xavxu  ys'  ort  öe  xara  nokXcc  öiacpigei  (pLXoaotpiag  xat  qyjxo- 
Qiy-T,g  t)  TcaQdöiTLTiij^  ncbg  iniöeiy.vveig  (39),  inLöxafiaL  xavxa'  äXX!  ovxoi 
^£v  ^ijTOoeg  y.al  koyovg  kiysiv  7j(>xr^|Li£vot,  UQtxrjv  ös  ov.  xi  öe  TieQl  x&v  cpiXo- 
ööcpojv  Xiyeig:  (43),  xavxa  fiev  x«i  avxbg  iniöxafiaL'  ovrcco  ye  ^riv  doxw 
juot  yiyv(aar,eLv  (45),  ei  öe  y,al  akXovg  xivag  ola^a^  TteLQcb  Xeyeiv  (45), 
xavza  fiev  txav&g.  ort  Jf  .  .  .,  neigcb  keyeiv  (47).^)  Nachdem  der  ganze 
Teil  abgeschlossen  ist,  wird  noch  ein  Schluß  hinzugefügt,  daß  der  Para- 
sitenberuf auch  ehrenhaft  ist;  eingeleitet  ist  er (58)  durch  zavxa  ^lev  [y.avCog 
öifjfiUkuxal  Goi  ....  koiTtbv  öe  ei  Kakbv  Kai  kvoizekeg  eczL  zb  y.zTjua  zovzo 
TCO  zgicpovzL^  TtetQcJ  key^iv.  Die  Ungeschicklichkeit  liegt  auf  der  Hand.") 
Man  könnte  höchstens  an  den  *Nigrinus^  erinnern,  in  dem  allein  die  be- 
ständige Wiederholung  des  zb  xaivözazov  nicht  minder  auffällt  (4,  21,  22, 
34);  da  wird  der  Bericht  Lucians  von  der  Rede  des  Nigrinus  in  nicht 
unähnlicher  Weise  gegliedert.  12:  i]  ^ev  olq'/t]  züv  koywv  inaivog  r^v 
^Ekkaöog.  14:  xavxu  xe  ovv  in^vei  aal  TCQoaexL  rr/v  ikevO^egiav.  16:  xoiav- 
xriv  anifpaive  xriv  nokiv.     21:  o  öe  öi]  eq)ijv^  oxt  x«t  yekäv  . . . .  evecxi , . . 

xovxo  riö^]  aoL  (pQccaa)'   nibg  yag  ov  yekoloL  . . . .     22:  nokv  öe  zovxmv 

yekoioxegot.  24:  xat  to  fiev  icvÖgag  iöicoxag  ....  xa  xoiavza  noieiv^  ^e- 
TQioneQOv  av  eiKozcog  vouiöd'eCj]'  zb  öe  y.al  rwv  (piko6o(peLv  ngoöTroiov^ievcav 
TroAAcp  i'zi  zovziov  yekoLoxiQa  ögäv,  zovz  ijörj  zb  öeivoxazov  iözi.  25:  jtia- 
kiaxa  öe  ifii^vrizo.  29:  iJ^tj  öe  xovxwv  anoözag  x&%>  akkav  av&ig  avO^gto- 
Ttiüv  ifie}ivt}zo.  30:  ^ezu  öe  xavxa  exegov  öga(iaxog  rjvrxexo.  33:  y.al  ^i}v 
y.äxeivovg  öieyika.  35:  xavxu  xe  aal  nokka  exega  xoiavxa  öuk^iou  xaxi- 
navae  xbv  koyov.  Wir  würden  danach  die  Schrift  'über  den  Parasiten* 
und  das  in  ihr  bewiesene  Ungeschick  nur  verstehen,  wenn  sie  zu  den 
ersten  größeren  Dialogen  Lucians  gehörte,  als  er  der  dialogischen  Form  noch 
nicht  ganz  Herr  war,  woiiii  sif  also  zeitlich  mit  dem  'Nigrinus*  etwa 
zusammenfiele. 

3)  Für  Lucianische  Werke  muß  nach  den  Beobachtungen,  die  wir 
gemacht  haben,  bei  Ähnlichkeit  des  Stoffes  die  Wiederholung  gleicher  Ge- 
danken mit  lUinlichem  Ausdruck  geradezu  ein  Merkmal  der  Echtheit  sein.*) 
Der  Parasit  enthält  solcher  Stellen  verhllltnismUßig  wenig.  Man  könnte 
das  vielleicht  durch  die  Eigenart  und  die  Form  des  Dialoge.s  einigermaßen 


1)  Plat.  GoTff.  461  A:  nngib  ilntlv,  466  D:    nugd  ovr  uvrott  curongiffa^m, 

2)  Wer  will,  tn&fi  an  die  Deutlichkeit  der  Disponicrung  in  Piatons  'Char- 
mide«*  denken  t-  *  •' ■  bciUlndij."  •  ^  "n«  atatpgoavvt]  u«w  :  ' '-  •  •  ■-♦  i  -h 
anders  geart<;t 

S)   Da«  JHt   ''«•rir  rwhtig  nchon  von   iiit-lor  n         ' '    "'    "*  ' 


362  Anhang  111.     'Über  den  Parasiten'. 

entschuldigen,  die  von  der  der  übrigen  satirischen  Schriften  abliegt,  wie  da- 
durch, daß  dieser  Dialog  zu  den  ersten  zu  zählen  ist.  Andererseits  fehlt 
es  an  Anklängen  nicht  ganz,  die  z.  T.  schon  Bieler  zusammengestellt  hat. 
Der  Parasit  (3)  benutzt  die  übliche  Entschuldigung  der  Rhetoren,  nicht  vor- 
bereitet zu  sein,  die  auch  im  Nigrinus'  (lO)  verspottet  ist.^)  Der  Vergleich 
mit  dem  aQyvQoyvLoficov  findet  sich  hier  (4)  mit  ähnlichen  Worten  wie 
im  ^Hermotimos'  (68).^)  Das  Bild  vom  Steuermann  (8)  haben  wir  schon 
erwähnt.  Die  Ausführung  der  epikureischen  naturwissenschaftlichen  For- 
schungen (11)  erinnert  an  die  Darstellung  des  ^Ikaromenipp'  (6).^)  Von  den 
übrigen  Künsten  wird  der  Hesiodvers  von  dem  steilen  Weg  gebraucht  (14), 
den  wir  im  Hermot.  2  bis  acc.  21  necyom.  4  wiederfinden.  Der  Homervers 
von  dem  Kyklopenlande,  das  ungesät  und  ungepflügt  alles  hervorbringt  (24), 
kehrt  de  merc.  cond.  3,  rhet.  praec.  8,  Saturn,  opist.  20,  Phal.  II  8  wieder.  Der 
Hinweis  auf  die  Verschiedenheit  der  philosophischen  Richtungen  (27)  stimmt 
inhaltlich  zu  Hermot.  14  necyom.  4  Icarom.  5ff.^)  Die  Hervorhebung  des 
Verhältnisses  des  Aristipp  zum  Tyrannen  Dionys  (33)  ruft  die  Erinnerung 
an  die  ^Nekyomantie'  (l;:5)  wach,  wo  der  Philosoph  für  diesen  ein  gutes  Wort 
einlegt.  Um  die  Vorzüge  des  Parasiten  im  Leben  zu  schildern,  wird  dieses 
in  Kriegs-  und  Friedenszeit  geteilt  (39)  —  in  dieser  Reihenfolge  —  wie  im 
'Hahn'  (210".).  Die  Philosophen  heißen  (43)  o[  tveqI  ccvÖQELug  oöYi^iQcn 
öiaXeyofievoL  oial  xarazoLßovrsg  xb  xr\q  aQSxfig  ovojtia,  ähnlich  wie  sie  im 
'Timon'  (54)  und  im  'Gastmahl'  (14)  geschildert  sind.-^)  Die  Flucht  des 
Sokrates  (43)  ist  ebenso  scherzhaft  wie  in  den  'Wahren  Geschichten'  (II  23) 
behandelt.  Die  Darstellung  des  Philosophen  beim  Gastmahl  (51),  wo  er 
nicht  hinpaßt,  ist  ebenso  de  merc.  cond.  30  gegeben^),  und  das  dabei  be- 


1)  De  paras.  3:  -KalitSQ  ov  7iavxd7tcc6iv  lov ,  ta^s  ^cp&riv  biTtoav^  iitl  xovxo 
TCccgsG-KSVcca^Evog^  Nigr.  10:  mg  ovd'  avxbg  Tj-KSig  ngbg  tbv  Xöyov  TcageOKSV- 
cc6ii4vog. 

2)  De  paras.  4:  i)  tbv  (ilv  agyvQoyvoiiiovcc  xB^vriv  xiva  cpr\6oiLBv  ^x^iv^ 
SLTtSQ  inloxatai  diayivw6y.£iv  xd  xs  TtLßdriXa  x&v  vofiiß^dxcov  -iiccl  xa  ^i^,  xovxov 
Ss  av8v  xi'ji^vrig  dicc-aQivsiv  xovg  xs  %Lßdi]Xovg  xav  ccrd-goanav  xal  xovg  aycc&ovg, 
Hermot.  68:  aXXr]  ds  ovS'  r]xi6ovv  {iXnig)  ?)  xb  "aqIvsiv  dvvaad'ca  ....  ytal  xaxu 
xovg  dgyvQoyvcaiiovag  Siayiyvmaytsiv  a  xs  doyci^cc  xai  &ycißäriXa  ■nccl  a  Ttagcc- 
•KS-KO^liivcc. 

3)  De  paras.  11:  tisqI  6%ri[iaxog  yf]g  xccl  yioo^cov  arcsigiocg  (Icar.  8:  na^LTtoX- 
Xovg  xivsg  slvcci  xovg  xoö^ovg  ccTtscpcclvovxo)  xal  ^isysd'ovg  ijXiov  (Icar.  6:  xbv  i]Xiov 
TtSQisyiixQOvv  ....  [LsysQ'T]  xs  avxwv  [der  Sterne]  xccl  ax^lliccxcc  dis^-ijSGav)  xccl  dno- 
6xr]adxcov  (Icar.  6:  xb  fisxa^v  xfig  6sXriV7\g  xaX  xov  7}Xiov  xcoqIov  ..  .  itoXiicov  Xsysiv) 
xal  Ttgaixcov  axoi%siaiv  xal  Ttsql  Q'siöv  (Icar.  9:  tisqI  ilsv  ydq  xä>v  ^sibv  xi  ^Q^  >^^^ 
Xiysiv).     Immerhin  ist  der  Ausdruck  ziemlich  verschieden. 

4)  De  paras.  27:    qiiXooocpiag  dh  noXXdg  xal  SiacpoQOvg  ögaasv  xal    ovxs  xdg 

ccQxag  ovxs   xd  xsX,]  ßv^Lcpcova  naamv^    Icarom.  5 :    dg^dg  xivag  xal  xsXri fiov 

xaxaxiovxsg ;^orXf7ta)ro:TOx;    ort    uri^hv    axsgog    d-axega    Xsyovxsg   axoXovd^ov^ 

Hermot.  36:  ÖLaq)sgo^svoig  Ttsgl  dgxi)g  rj  rAovs'. 

5)  Tim.  54:  iivgia  oaa  nsgl  dgsxfjg  Sls^lcov,  conv.  14:  dgsxiig  Ttsgi  xal  xa- 
xiag  ....  öis^imv^  auch  hier  doch  wesentlich  anders. 

6)  De  paras.  51:  dv%^go3nog  ftrj  ysX&v  .  ..  sig  xrjv  yf]v  ogav^  äaTtsg  inl  Tciv- 
&og^  ovxl  £ig  ov^nodov  Vjxcov,  de  merc.  cond.  30:  Gxvd-gco-jtbg  ydg  avxm  doxa)  xal 
oXcog  ovx  ^x^  OTtcog  dg^oatoiiai  Tigbg  avxov dri8r]g  ^do^a  usw. 


Berührungen  mit  Schriften  Lucians.  363 

nutzte  Sprichwort:  Der  Philosoph  gehört  dorthin  Vie  der  Hund  ins  Bad' 
ist  von  Lucian  adv.  indoct.  5  angebracht.  Auch  die  Ausdrucks  weise  ot 
(pLXo60(f>üv  (paöKovreg  liest  man  hier  (52)  wie  in  de  merc.  cond.  24.  Die 
Behauptung,  daß  der  Philosoph  seine  Freiheit  aufgibt,  wenn  er  fiL6&o(poQ€L 
(52),  ist  in  jener  Schrift  ähnlich  ausgeführt  (23).^)  Die  kurze  Env ähnung 
der  Mängel  der  Philosophen  (53)  deckt  sich  mit  der  Darstellung  im  'Her- 
motimos'  (76)^.)  Die  Ansieht,  daß  die  Reichen  der  Armen  bedürfen,  ist 
hier  (58)  ebenso  ausgesprochen  wie  im  ^Nigrinus'  (23)  und  in  den  ^Kronos- 
schriften'  (;54).^)  Zu  dem  vvv  f'arr^xs  xaXxovg  (48),  was  ein  volkstümlicher 
Ausdruck  ist*),  kann  man  Tim.  51  de  morte  Peregr.  27  Lexiph.  11 
Anachars.  17  vergleichen.  Aber  all  diese  Ähnlichkeiten  besagen  entweder 
gamichts,  weil  sie  an  der  Heerstraße  liegen;  oder  aber  sie  lassen  z.  T. 
eine  gewisse  Vorsicht  erkennen,  nicht  in  den  völlig  gleichen  Ausdruck  zu 
fallen,  wie  sie  Lucian  sonst  nicht  gerade  eigen  ist.  Bezeichnend  aber  und 
ausschlaggebend  scheint  mir  eine  zweifellose  Reminiszenz  oder,  richtiger 
gesagt,  ungeschickte  Benutzung  einer  Stelle  aus  Lucians  'Timon'.  Dort 
(56)  sagt  der  Philosoph:  ^Geld  hat  ja  nicht  mehr  Wert  als  die  Steinchen 
am  Meeresufer',  und  vorher  wird  das  Gold  von  Timon  selber  begrüßt  mit 
dem  Pindarvers:  'Wie  flammendes  Feuer  leuchtest  du';  der  erste  Gedanke 
kehrt  im  *Fischer'  (35),  der  Vers  zu  gleichem  Zweck  im  'Hahn'  (7) 
wieder.  Von  dem  Parasiten  wird  nun  in  unserem  Dialog  (52)  mit 
Verwertung  jener  Stellen  im  'Timon'  gesagt:  'Das  Geld  sieht  er  so  ver- 
ächtlich an,  wie  sonst  kaum  einer  die  Steinchen  am  Meeresufer,  und  für 
ihn  untei-scheidet  sich  Gold  in  nichts  vom  Feuer.' ^)  Die  eigentümliche  Ver- 
wendung des  Feuers,  um  einen  unbedeutenden  Gegenstand  zu  bewerten, 
erklärt  sich  nur  durch  die  Erinnerung  an  den  'Timon'.  Geschickt  wird 
man  sie  auch  so  nicht  nennen  können,  da  sie  eigentlich  unverständlich 
ist  und  erst  begreiflich  wird,  wenn  man  ihre  Entstehung  erfaßt.  Wer 
Lucian  kennt,  wird  ihm  eine  solche  Ausdrucks  weise  nicht  zuschreiben 
wollen.  Aber  nehmen  wir  auch  einmal  an,  daß  Lucian  so  hätte  sagen 
können,  so  würde  aus  der  Stelle  doch  zweifelsohne  folgen,  daß  die  Schrift 
*über  den  Parasiten'  nach  dem  'Timon'  verfaßt  ist.     In  welche  Verlesren- 


1)  De  paras.  ft2:  uit,x)tin^uijft  KiKHi>.;ii-n  ndn^  ^  2<x»'"9"r]ff  «i;j;uc.Aii'ii»s.  ^m  w(<)r 
ainb  xb   övofia   ala^rrsrai   u   Xunficcvii^    de  merc.  cond.   23:    dovXog    ovv    sl    xal 

navv  äx9(ari  tw  6v6\i(xxi nX^v  d  ^»;  ccnoxQfiv  aoi  rrgo^  iXttyd^SQiav  vo^iSttf 

tö  HT}  TlvQQiov  uTidi:   7.bi7tvQio}VOs  vtbv   flvai   ^?jdt    vtantff   rt^  Bi&vvb^'  vtti)  ufya- 
Xo<f<ova>  Tu)  xiiQvm  cc7cri}i7ioXfiod'oci. 

2)  De  paras.  63:  tvgoig  ^  av  ov  ^lövov  Tat)Ta  jkqI  rovrovf,  &XXa  mal  &XX<ic 
nd^r,,  otov  Xvitas  xal  (Jpyätf  xal  ff&6voi\'  xal  navToiag  int&vniag,  Hermot.  76:  or» 
lii/JTt  Xvntla&ai  fi-^G^'  vcp'  i}dovi)g  xaTaarcicaQ'ai  fii'jre  opyiffff^t'«»,  (pO'ovov  9h  xffdtrovi, 

3)  Siehe  oben  H.  221. 

4)  Pseudolog.  Ifi:  jjpvffoötf,  (paaiv,  iv  'OXv^iitia  ffraO^yjri. 

6)  De  parat.  62:  6  ^^i'  naQÜanog  o^xtog  fx'^'  ^Qbg  ^Q)n''Qiov  of  o^x  ^9  rt^oMI 
nffbg  xicg  iv  xotg  alyiaXolg  ^(n](ptdag  ccfitXobg  f;jot,  xal  ov&hv  aitxm  donit 
diatpiffiiv  xb  XQVoiop  ToO  itVQOg.  Tim  66:  xb  jrprfftor  fihv  yap  oifShv  xtfiiMXfgop 
x&v  Iv  xnlg  alytuXotg  i/>y)<pMa)f  ^oi  Soxtl  und  41:  rfUa  ^ijr  ;jpvtfioi'  icxlv 
inlarifiov  .  .  .  .  m  X9^^^*  Stiianue  xaXXtaxov  ßgoxotg-  at96nb¥0¥  yoc^  n^ff  iixi  dta- 
nginny       ^      '     '•     ^'toifferung,  die  in  d«m  ovdi  Hojft,  vorrftt  den  Narhfthtnrr 


364  Anhang  III.     'Über  den  Parasiten'. 

heit  bringt  uns  diese  Annahme!  Es  ist  doch  klar,  daß  Lucian,  als  er  die 
dialogische  Form  so  völlig  beherrschte,  um  den  'Timon'  schreiben  zu 
können,  nicht  etwas  so  Hölzernes  mehr  zustande  bringen  konnte,  wie  es 
uns  hier  vorliegt.  Damit  ist  dem  'Parasiten'  das  Urteil  gesprochen,  und 
man  wird  sich  nicht  sträuben  dürfen,  auch  den  übrigen  Argumenten,  die 
gegen  die  Echtheit  vorgebracht  sind,  ihr  Gewicht  zuzugestehen.^) 

Die  Schrift  ist  also  mit  bewußter  Anlehnung  an  Lucian  in  Nach- 
ahmung seiner  Art  geschrieben.  Darum  die  Ähnlichkeiten,  darum  die 
Abweichungen  selbst  bei  Übereinstimmung  der  Gedanken.  Es  scheint  aber 
auch  die  Abfassungszeit  mit  den  Lucianischen  Satiren  ungefähr  zusammen- 
zufallen, wenigstens  wenn  sich  eine  Vermutung  bestätigt,  daß  in  Kap.  52 
sich  eine  Anspielung  auf  den  Unterricht  des  Mark  Aurel  bei  Sextus  von 
Chaeronea,  dem  Neffen  Plutarchs,  findet.  Dort  ist  die  Rede  davon,  daß  von 
den  jetzt  berühmten  Philosophen  einer  wegen  Bestechlichkeit  belangt  wurde, 
der  andere  vom  Kaiser  für  seinen  Unterricht  Honorar  fordert  und  sich 
nicht  schämt,  wenn  er  noch  als  alter  Mann  deshalb  seine  Heimat  verläßt 
und  um  Geld  dient  wie  ein  Sklave.^)  Die  Zahl  der  römischen  Kaiser, 
die  der  Philosophie  huldigten,  ist  nicht  so  groß.  Auf  Mark  Aureis  Lehrer, 
den  berühmten  Sextus,  der  aus  Böotien  nach  Rom  kam,  wüi'de  die  An- 
deutung passen.  Es  wird  berichtet,  daß  Mark  Aurel  seinen  Unterricht  genoß, 
als  er  schon  Kaiser  war^);  wann  derselbe  begann,  ist  unbekannt,  jedenfalls 
nach  146,  als  Mark  Aurel  sich  entschieden  der  Philosophie  zu-  und  von 
der  Rhetorik  abwandte.^)  Schon  um  150  kam  dem  Sextus  ohne  Zweifel 
die  Bezeichnung  TiQEößvztjg  zu,  selbst  wenn  er  40  Jahre  jünger  als  Plutarch 
war,  um  so  mehr  nach  der  Thronbesteigung  des  Kaisers  im  Jahre  161, 
nach  der  wir  doch  wohl  nach  der  Fassung  der  antiken  Nachrichten  diese 
Studien  bei  Sextus  anzusetzen  haben.  Ist  die  Kombination  richtig,  so 
zeigt  sie  wieder,  daß  der  'Timon',  a.lso  auch  'Ikaromenipp',  der  'tragische 
Zeus',  der 'Hahn' ^)  in  die  erste  Hälfte  der  sechziger  Jahre  zu  setzen  sind; 
denn  gar  zu  weit  in  die  sechziger  Jahre  wird  man  die  Schrift  ^vom  Para- 
siten' kaum  rücken  wollen;  auf  jeden  Fall  bietet  etwa  die  Abreise  Mark 
Aureis  auf  den  Kriegsschauplatz  Ende   166   einen  Terminus  ante  quem. 


1)  Meiser  hat  den  Tarasiten'  kürzlich  in  den  Sitzungs-Berichten  d.  bajr. 
Akad.  d.  Wiss.  1905  S.  140  ff.  behandelt,  aber  nur  textkritisch,  und  für  die  Echt- 
heitsfrage nichts  beigebracht.  Libanius'  beide  Parasitenreden  (Reiske  IV  150  ff. 
216  ff.)  bieten,  soweit  ich  sehe,  auch  keine  Argumente  zu  ihrer  Lösung. 

2)  De  paras.  52:  6  d«  naga  ßccöiXtcog  VTthg  xov  ovvtlvai  iiiad^bv  cxltsI  xai 
ovx  ai6%vv8tai^  sl  hi  TtQbGßvtrig  ävr]q  diä  rovto  ccTtodruisl. 

3)  Philostrat.  vit.  sophist.  II  1,  9:  iönovöa^s  iisv  ö  avtoy.ijäx(OQ  MccQxog  ntgl 
Se^tov  xov  iyc  BoLcoxlccg  (piX6aoq)Ov,  ^a^i^av  ccma  v,aL  (poix&v  inl  Q-vQccg  (vgl. 
Suid.  8.  V.  Mägzog). 

4)  Vgl.  P.  V.  Rohden  in  Pauly-Wissowa  Realencylop.  I  2286. 

5)  S.  oben  S.  183  ff.  die  Folgerungen,   die  sich   aus   dem    Timon'  ergaben. 


Anhang  IV. 
Über  den  Tanz'. 

Die  Schrift  *über  den  Tanz'  oder  die  Pantomimen  knüpft  ebenfalls  an 
Lucians  philosophische  Dialoge  an,  insofern  Lykinos  auftritt  und  auf  seine 
phil(^ophische  Bildung  hingewiesen  wird.  Die  Form  erinnert  an  den 
'Nigrinus'.  Nach  einer  kurzen  dialogischen  Partie  bekehrt  Lykinos  durch 
eine  lange  Rede  den  ungläubigen  Kraton  und  zeigt  ihm  den  Nutzen  der 
pantomimischen  Kunst.  Auch  hier  könnte  man,  auch  abgesehen  von  der 
Person  des  Lykinos  und  seiner  Charakterisierung,  glauben  Argumente  für 
die  Abfassung  durch  Lucian  zu  finden.  Die  örtlichkeiten,  die  der  Vor- 
tragende erwähnt,  stimmen  zu  Lucians  Wanderfahrten,  allerdings  wohl  auch 
zu  denen  mancher  andern  Sophisten.  lonien  und  den  Pontus,  die  hier  (79) 
genannt  sind,  hat  er  durchzogen  (bis  acc.  27,  de  bist,  conscr.  10,  Alexand. 
55);  in  Antiochia  (de  salt.  76)  weilte  er,  als  er  das  Enkomion  auf  die 
schöne  Panthea  verfaßte.^)  In  Rom  (de  salt.  20)  und  Italien  hielt  er  sich 
auf,  als  ihn  sein  Weg  bis  nach  Gallien  führte  (bis  acc.  27)  und  als  er 
den  Nigrinus  besuchte  (Nigr.  2);  damals  kann  er  auch  Kumä  gesehen 
haben  (de  salt.  32).  Auch  die  Beziehung  auf  Römisches  würde  für  den 
gealterten  Lucian  passen;  es  ist  vom  Saliertanz  die  Rede  (20),  von  der 
Didosage  (46),  Ereignisse  aus  Neros  Zeit  werden  erzählt  (63/4);  die  ita- 
lische Bezeichnung  'Pantomimus'  wird  erklärt  (67).  Auch  Ägypten,  das 
ja  Lucian  in  hohem  Alter  eine  neue  Heimat  geworden  ist,  spielt  eine 
Rolle  (59j.  Und  in  dem  völligen  Einschrumpfen  des  Dialogs  kann  man 
ja  ebenso  gut  ein  Zeichen  der  AltersschwärlHi  t'r]<«'iin..n  wie  einen  Mangel 
an  Übung  in  der  dialogischen  Form. 

Dazu    kommt,    daß    man  durch   and«rf»   Krw  etwa  in   Lucians 

Zeit    mit    dieser  Schrift    gerät.     Libanius    hat    ci:  .      für   die  Tänzer 

gegen  Aristides  verfaßt,  deren  tibereinstimmungen  mit  unserer  Behandlung 
des  Stoffes  sich  auf  Schritt  und  Tritt  aufdrängen*)  und  bezeichnenderweise 
schon  die  Umrahmung,  das  einleitende  Gespräch  zwischen  Lykinos  und 
Kraton,  angehen.  Das  Bild  von  den  Sirenen,  die  Odysseus  bezaubern, 
haben  wir  de  salt.  3  und  Lib.  383,  20  Reiske.  Lykinos  sagt:  'Hast  du 
noch  keine  Tänze  gesehen  und  verdammst  sie?     Oder  hast  du  welche  ge- 

1)  Siehe  S.  8ß«  Anni.  4. 

2)  FOnit«'r,  I^ibniiii  i);r^^  tAp  6QXTi<ntbv  oratio,  Rostock  1H78,  hat  die  Ober- 
einstimmenden  Stdlon  im  utlgemeinen  (hirch  Angabe  der  Purugraphon  auH  Lucian 
l>ezeichnot.  DIom«;  OboroinMÜmniungon  zeiKt^u  übrigens  schon,  daß  die  Annahme, 
die  Lucianischc  Schrift  him  irgendwie  satirisch  (vgl.  Richard,  Lykinosdialoge, 
Progr.  Hfimbg   Ihh«,  S.  ^.r.  "         lli^»  auf  <1(mi  Sand  gebaut  iii. 


366  Anhang  IV.     'Über  den  Tanz'. 

sehen?  Im  zweiten  Fall  bist  du  in  derselben  Lage  wie  wir,  d.  h.  ebenso 
verdorben.'^)  Libanius  spricht  von  den  Liedern,  die  den  Tanz  begleiten 
(383,  21  ff.),  und  meint:  ^Du  kannst  doch  nur  recht  anklagen,  wenn  du 
alles  Schädliche  an  ihnen  selbst  geprüft  hast;  das  ist  aber  nicht  möglich, 
wenn  du  sie  nicht  vernommen  hast,  also  bist  du  selbst  Zuhörer  bei  den 
Liedern  geworden  und  hast  den  Schild  fortgeworfen,'  wie  er  bildlich 
hinzusetzt.^)  Beide  Schriften  führen  das  Alter  des  Tanzes  ins  Feld,  der 
zugleich  mit  der  Welt  begann  und  zuerst  im  Stemenreigen  sich  zeigte.^) 
Es  folgen  bei  beiden  die  Beweise  für  den  Wert  des  Tanzes  aus  der  Götter- 
mythologie und  der  alten  Zeit.  Zeus  wird  durch  den  lärmenden  Tanz 
der  Korybanten  vor  Kronos  gerettet,  oder,  wie  es  in  dem  Lucianischen 
Dialog  heißt,  von  den  Kureten,  während  die  Korybanten  richtig  nach  Phrygien 
versetzt  werden.*)  Weiter  sind  die  Kreter  ein  Beispiel  dafür,  daß  in  den 
hesten  Staaten  der  Tanz  gepflegt  wird^);  bei  Libanius  sind  die  Lakedä- 
monier  gleich  angeschlossen,  der  Dialog  spricht  später  von  ihnen  (10/2) 
und  schildert  ausführlich  die  Bedeutung  des  Tanzes  für  die  Ausbildung 
der  Epheben.  In  ihm  schließt  sich  an  die  Kreter  gleich  die  Erwähnung 
des  Meriones,  den  Libanius  380, 14  nennt.  Beide  reden  von  den  Tänzern 
auf  dem  homerischen  Schilde  des  Achill  (de  salt.  13  Lib.  352,21),  beide 
von  den  Phäaken  (de  salt.  13  Lib.  352,  24 ff.),  an  denen  der  Rhetor  von 
Antiochia  besonders  demonstriert,  daß  man  gut  von  Charakter  und  doch 
dem  Tanze  zugetan  sein  kann.  Unter  den  Ägyptern  finden  wir  in  dem 
Dialog  (19)  den  Proteus  angeführt  IlQcoricc  xbv  AlyvitzLov  ^LfirjnKov  civd-Qüorcov 
■Kai  TtQog  Ttdvrcc  ap^^aTl^aöd'cct,  üccl  ^sraßccXkeGd'aL  övvdfievov^  Libanius  nimmt 
das  auf  (393,  16):  Jeder  von  den  Tänzern  ist  nahezu  ein  IlQODvevg  Alyvit- 
xLoq.     Beide  erwähnen  die  Tänzer  des  bakchischen  Zuges®);  beide  berufen 


1)  De  salt.  5:  i^  l'üov  ijiitv  xat  6v  yiyovag. 

2)  Lib.  vi84,  2:  yiyovccg  xolvvv  cc'/.QOcctr]g  t&v  ccoiidtcov. 

H)  De  salt.  7:  a^a  tjj  ngatr]  ysvsGSi  tcbv  oXcov  (pccUv  dv  60i  xal  OQxriGLV 
dvcccpvvca  .  .  .  .  7]  yovv  %OQsicc  rmv  ccgtsqcov  ycal  7}  -JtQog  tovg  ccTtXavetg  xcbv  nXccvri- 
xoiv  aviiTtXoxi] xfig  Ttgcoxoyovov  OQ^riOBcog  Ssiy^ccxd  ioxL^   Lib.  351,  8:  mg  ^hv 

OVV    6VV8L6fik&S    XO&S     XG>    TtCCVxl    Kul     tOff,    i^     OGOVTtSQ    OVQCCVOg,    H    tOVXOV    TlCcl    tOVTO 

y.ccl  d}g  7]  x&v  kgxsqcov  tioqsIcx  cpvXdxxovGcc  dgoiiov  ocq^iovIcc  xivl  Y.ai  v6[Ltp  d'slo) 
X(OQOvvxcc^  TcdXccL  Tcagd  xmv  cocpcoxdxcov  ÖQxriGig  ngoasigrixcci. 

4)  De  salt.  8 :   ngmxov   di,  (paat  "Piccv  ....  iv  ^Qvyicc  iihv  xovg  KoQvßavxag^ 

iv  Kgijxr]  Ss  xovg  KovQTJxccg   OQxstad^ca   -nsXsvaca oiys  TtSQiOQXOv^svoL  disaco- 

aavxo  avxfi  xbv  ^icc  oo6xs  -nccl  ö&öxga  sl-noxcog  dv  ö  Zsvg  öcpslXsLv  o^oXoyoiri  ccv- 
xotg  iyicpvyoyv  did  xrjv  ixsivcov  ÖQxr]6Lv  xovg  nccxgcoovg  oöovxag^  Lib.  352,  17ff. : 
xbv  jdia.  dh  ijiilv  fiiXXovxcc  xd  avxd  ntiasü&ai,  xotg  dSsXcpoig  ovx  ccvxt]  x&v  ;^fipcov 
i^i]Q7tcc6£  tov  TtaxQÖg,  ox£  di]  tibqI  avxbv  ol  Kogvßavxsg  oqxoihisvol  xr]v  cci6Q'r\6iv 
dcpTjQOvvxo  xbv  Kqovov; 

5)  De  salt.  8:  fisxd  Sh  Kgrixüv  oi  v.gdxiGxoi  ivsgycbg  i7tLX7]dsv6avx8g  ccvxb 
dgiGxoL  OQXTlGTal  iyevovxo,  ovx  ^^  idi&xai  fiovov  dXXd  tial  ol  ßaöiXL-KcaxBQOi  %ul 
TtQOJXSvsLv   d^LOvvxsg^   Lib.  353,  6:   ovyiovv   ofioXoysixuL   Kgfjxdg  xs  voiioig  oxi  -KaX- 

XiGxoig  ;f^7}(j^afc  xat  Accus dca^oviovg (paivhxui  xoi'vvv  Ttag'  d^Kpolv  iv  TtoXXjj 

67tovdfj  xb  oQXslaQ-ai  ■aal  ovx  o6ov  /Lt?]  TcBKcoXvGd-ai  dsdo^bvov  xolg  ßovXofihois, 
dXXd  xccl  Vit'  dvdynrig  in  xov  vo^iov  yiyvo^svov. 

6)  De  salt.  22:  r^  [ihv  ydg  ^lOvvGiccxd  xal  Bccxxi^d  olpial  6£  ^rj  TCSQi^ivuv 
i^ov    d%ov6(xL    6x1    ÖQxxiGig    iyistva    xdvxcc    tjv,    Lib.  352,  6:    od'  ccvxov  /Jlovvgov 


Überein Stimmung  mit  Libanius.  367 

sich  auf  Homer,  der  unter  dem  Schönsten  den  Tanz  mitnennt  ^)  (II.  XIII 
636  f.).  Ebenso  beziehen  sich  beide  auf  Hesiod  und  führen  den  gleichen 
Vers  der  Theogonie  (3)  an  (de  sali  24  Lib.  352,  2).  Von  historischen 
Persönlichkeiten  gilt  beiden  Sokrates  als  Kronzeuge,  den  sie  gleichmäßig 
mit  Berufung  auf  den  delphischen  Gott  als  ao(pcÖTaTog  bezeichnen  und 
dessen  Tanzversuche  sie  berichten.^)  Libanius  sucht  den  Tadel  zu  tilgen, 
daß  Weiber  vom  Pantomimen  nachgeahmt  werden,  was  auf  den  Charakter 
einen  schlechten  Einfluß  ausübe^);  er  wirft  denselben  A^orwurf  dann  auf 
die  Dichter.^)  In  unserem  Dialog  heißt  es  (28):  onsQ  ivsKaXeLg  rf;  oQxq- 
ozLY.f]  t6  civöoag  ovzag  ywainag  ^LfiSLad'ai^  das  triff't  ebenso  Tragödie  und 
Komödie;  denn  die  Stofi'e  sind  gleich.  Auch  Libanius  führt  Tragödie  und 
Komödie  namentlich  an,  weil  sie  dieselbe  Wirkung  wie  der  Pantomimus 
ausüben  müßten.^) 

Der  zweite  Teil  des  Dialoges  behandelt  den  Tänzer,  nicht  mehr  die 
Tanzkunst^)  und  führt  eine  Anzahl  von  Stoffen  an,  die  sich  z,  T.  bei 
Libanius  wiederfinden;  dieser  nennt  (374,4)  Hera  (de  salt.  39),  Aphrodite 
(de  salt.  37),  Köre  (de  salt.  40),  (373,  5)  Herakles  (de  salt.  41),  diesen 
später  zum  zweiten  Mal  (374,  10)  in  einer  Weise,  die  ganz  zu  unserem 
Dialog  stimmt^),  auch  das  Abenteuer  mit  Deianira  und  Nessus  (373,  5 
de  salt.  50),  Pelops  Wagenkampf  (373, 11  de  salt.  47);  weiter  wird  Achill 
auf  Skyros  von  Libanius  (373,  16)  wie  in  dem  Dialog  (46)  genannt.**) 
Bezeichnender  aber  ist,  daß,  wie  der  Dialog  hier  mit  Achill  den  Odysseus 
verbindet  {Odvaalcog  ^avia)^  so  Libanius  368,  11  ff.  ausführlich  Achills 
Aufenthalt  unter  den  Mädchen  und  Odysseus'  nsTtXaß^iv)]  ^avla  bespricht. 
Weiter   haben    beide    gemeinsam   Daphne    (de  salt.  48  Lib.  373,  5),    Ken- 


XOQbs   oi)&h   ScXXo^iv   ^ot   Öoxh    tignsiv   xbv  d-ebv  t)  iicc   ribv  dgxripLCCTOJV  ....  rüg 
ßdxxccg  6^,  xocv  iyco  ai<07trjöa),  7tQoad"qaext. 

1)  De  salt.  23:  6  fiiv  yccQ"O[ii]Q0g  xcc  ijSiatcc  xccl  xuXliora  xaxaXiyav  vnvov 
xcfl  (fiX6xT]xa  y.ccl  }ioXni]v  xal  ögxriGiv,  X(xvxr}v  fiovriv  &y.vnoi'a  djvoficcaF,  Lib.  352, 
22ff. :  xaraX^^ug  vnvov  xal  (piXoxrixa  xa)  fioXTtijv  xal  6gxr]^li6v,  ccuv^ova  xbv 
6gxrid^(tbv  v}v6fiaatv.  .\uch  in  de  salt.  wird  das  homerische  6gxr]9'^6g  gleich 
darauf  gebraucht. 

2)  De  salt.  25:  iv  xiov  aTcovSaioxdxiov  fia-ö^rj^arwr  x«}  rovxo  r}yoviifvog 
tlvai.  xofl  tufXX^  ys  ixilvog  rttgl  6gxriaxixr]v  ov  ^isxgicog  anox^öciasöd^at,  Lib.  363, 
20  ff. :  xal  ovxog  ^igog  t)yilxo  xcov  ngoari'Kdvxoav  Of^co  rr}v  Äpjjijfftv.  xal  vvv  fikv 
duJJytro,  vOf  d*  ixtlvo  noitöv  itpaivexo. 

8)  Lib.  372,  25  ff.:   bI tovto   ^v  i}  tix^T]^  yvvutx&v  iiifiiiaig,  ovd*  oötm 

lihv  &v  8Utp%BiQi  ytvvcclav  tpvötv.   V^l.  374,  11. 

i)  Lib.  876,11:  «öp;  Zxi  Tcdvxtg  ovxoi  y,niovvxcti  yx^vatxag  xal  x6xs  luiXicta 
i-xaivohvxtti^  oxccv  ^üXiöxa  fii^ü}vrai. 

6)  Lib.  376,  17  f.:  dit(p^iigovxo  (ihv  inb  tgaywdlctg  ol  sroXcrt,  SiHp^fiQOt'xo 
S^  vnb  xMfifpdiag;  beachtoiiKwert  ist  für  Libanius  das  o^  nuXai. 

«^  V\\r  diene  Form  der  DispoHitioii  hat  Norden  Hermes  XL  (190&)  8.  608 
/  iieispiele  angeführt  und  sie  all  gewöhnlich  fär  isagogitche  Sohrifkon 

nii  <;n. 

1)  Lib  874,  10:  xbv  /i^ZP*  ^*^*'  XQ*^^*^**  M')^<*»»'  ii^Tflvavxa  xohg  n6¥0vs  'H90- 
xUa^  de  sali   41:  'llganXfig  rtvv  xolg  (i^Xoig  avxod  &n«at. 

8)  De  sali.  40:    kxiXX^tog   iv   i^xvgrp   naQ^ivivaig,   Lib.  878^  16:   nul  Sil   ««^ 


368  Anhang  IV.     'tJber  den  Tanz'. 

tauren-  und  Lapithenkampf  (de  salt.  48  Lib.  374,8),  die  Tat  des  Theseus 
am  marathonischen  Stier  und  am  Minotaurus  (de  salt.  49  Lib.  374,  9)^), 
Phädra  (de  salt.  49  Lib.  373,  7),  Atalante  nebst  Meleager  (de  salt.  50 
Lib.  373, 6).  Beide  führen  an,  wie  in  Ägypten  und  Rom  die  Tänze  in 
Ansehen  stehen.^)  Unser  Dialog  hebt  hervor,  wieviel  angenehmer  der  An- 
blick des  Pantomimen  als  der  des  Faustkämpfers  ist^),  Libaiiius  stellt  das 
Gefahrvolle  solcher  Kämpfe  ebenfalls  dem  Tanz  gegenüber.^)  In  dem  Dia- 
log heißt  die  Tanzkunst  (72)  d-ijyovaa  ttji^  '^v-piv,  Libanius  (374, 14)  ge- 
braucht den  Ausdruck  iyalgovai  rag  ipv;(ag,  verwendet  aber  (392,  7) 
ebenfalls  das  Verbum  ^i^yeLv.  Lykinos  verspricht  sich  vom  Anblick  des 
Pantomimus  eine  moralische  Veredlung  (72)^),  Libanius  schwankt  zunächst 
scheinbar  (375,  2 f.);  dann  weist  er  nach  (377,  6),  daß  Freunde  des  Pan- 
tomimus ihre  Amter  tadellos  geführt  und  sich  nicht  das  geringste,  was 
auf  verdorbenes  Gemüt  schließen  ließe,  haben  zu  schulden  kommen  lassen; 
er  schließt  dann:  Wenn  die  Pantomimen  auch  nicht  gerade  veredeln,  so 
verhindern  sie  doch  moralischen  Fortschritt  nicht.®)  Später  kommt  er  auf 
den  erziehlichen  Wert,  den  zunächst  die  Tragödien  gehabt  hätten  (390, 
15ff.)'^);  er  schildert  im  einzelnen,  wie  man  über  den  Tod  seiner  Kinder 
getröstet  werden  könne  durch  Darstellung  des  Mordes  der  Ägyptussöhne, 
der  Opferung  der  Iphigenie,  wie  andere  Stoffe  beruhigend  wirken  könnten, 
wie  Odysseus  lehrt:  kccIov  sig  ßlov  Kai  TKxgreQLa.  Es  ist  der  gleiche  Ge- 
danke, der  in  dem  Dialog  (79)  betreffs  des  Pantomimus  ausgedmckt  ist.^) 
Libanius  ist  aber  schon  weiter  von  der  klassischen  Zeit  der  Tragödie  ent- 
fernt, und  während  in  dem  Dialog  noch  der  Pantomimus  einfach  neben 
die  Tragödie  gestellt  ist,  fährt  Libanius,  wie  er  oben  ol  itdXca  gesagt  hatte, 
fort  (391):  ^So  lange  das  Geschlecht  der  Tragödiendichter  blühte,  waren 
sie  die  Lehrmeister  für  das  Volk;  nach  ihrem  Aussterben  führte  ein  Gott 
aus    Mitleid    den    Pantomimus    ein.'      Und    dessen    Wirkung   beschreibt    er 

1)  De  salt.  48:  rovg  ravQOvg  (vgl.  40),  Lib.  374,  9:  rbv  ■KQaxovvxa  t&v  v.cc- 
VrOVQyoov   ©rioia  v.cn  tov  xccvqov  y.al  tov  [llvcotccvqov. 

2)  De  salt.  19.  20,  Lib.  378,  24.  5  in  derselben  Reihenfolge  hintereinander. 

3)  De  salt.  71:  Ttotyco  yuQ  xovxo  rjÖLOV  oqccv  r\  itvaxEvovxag  vsccvLOy.ovg  yiccl 
cctficcti  Qso^ivovg  v.ccl  itaXaiovxccg  alXovg  iv  "kovel. 

4)  Lib.  394,  7 :  naXuLöxrig  ^iv  ys  -jtccXaiGx^v  r/dr]  y.ccxicch,s  yiccl  TtccyngccxLaaxTjg 
iv  t&  7c6v(p  rbv  ocpd'ccXiibv  i^sxOTtr}  usw. 

5)  De  salt.  72:  ^co  Xiysiv  öig  ä^dvatv  xb  rj^og  ö^iXcöv  xjj  xoluvxtj  d-ioc  ysv^oj] 
öxccv  OQocg  tb  Q'iaxgov  ^loov^  iisv  xa.  xaxw?  yiyvo^Bva,  iniSa'KQvov  Sb  totg  ccSi- 
yiov^evoLg. 

6)  Lib.  375,  2  f. :  iyoo  avxrjv  ov  qpT^öco  ngbg  ccQStriv  ccysiv^  378,  2  ff. :  xovxovg 
ov%  VTcb  xav  OQxriGx&v  ccyad'ovg  ysysviiGd-ca  Xiyco^  (pruil  d^  ys  fiTjda  Tie'naXvöd'aL 
nccQcc  x&v  OQxriöxSiv  aya^ovg  ysyErTjöd-ccL. 

7)  Lib.  390,  15:  6  yäg  8i]  7t£7iXr]QcoiiEvog  xfjg  xcbv  fjQoaav  Ticcl  yvw^rig  yiccl  xv%rig 
Scfisivcov  6^iXfi6ai  ngay^aaiv^  iv  xotg  iy,biv(ov  naO'riybCiai  xbv  uvxov  ßiov  ög^cäv. 
391,  11 :  oXcag  d'  7]  cpiXoxi}i(ov  ngd^sig  dcytovovxeg  ^  ngonaxäv  d^iccgxiag  r\  aviicpOQ&v 
vTtsgßoXäg  xa  ^ihv  pLiiislöd'cci,  xcov  äh  ccTtsxsßQ'aL  TtccidsvoiiEd'cc. 

8)  De  salt.  79:  ovxat  dh  ^eXysi  ogxriGig  w(>t£,  av  ig&v  xig  sig  xb  d'iaxgov 
Ttccg^Xd-oi,  t6co(f}govi6d^7i  tSatv  oGcc  ^gcoxog  xaxa  xeXrj,  %ccl  Xvnr]  ixoiisvog  i^igxsxca 
tov  ^sdxgov  cpaidgoxEgog^  81:  ccTt^gxovxai  änb  xov  d'sdxgov  a  X8  XQV  cclgslö&ccL 
■Kccl  a  (psvysiv  iis^ad'Tiyioxsg  -Acci  a  ngoxsgov  i]yv6ovv  Sidccx^^vxsg. 


Übereinstimmung  mit  Libanius.     Unechtheit.  369 

dann  genau  so  als  tröstend  und  lindernd  (392,  9flf.)  wie  der  Dialog.  Auch 
die  Erfordernisse  für  die  Veranlagung  des  Tänzers  berichten  beide  gleich- 
artig^), beide  verlangen  Beweglichkeit  (de  sali  77  Lib.  388,  17flf.),  beide 
gebrauchen  den  Ausdruck  vygog  und  vyQorrig  (de  salt.  73  Lib.  388,  25). 

Daß  ein  Zusammenhang  zwischen  den  Verfassern  dieser  beiden  Schriften 
besteht,  ist  klar.  Ob  Libanius  aus  dem  Dialog  tcsqI  oQii'jaecog  geschöpft  hat 
oder  beide  aus  einer  Quelle,  mag  zweifelhaft  bleiben.^)  Der  Dialog  leidet  an 
Unübersichtlichkeit  und  Weitschweifigkeit,  während  Libanius^  Gedanken- 
fuhrung  durchaus  gedrungen  und  logisch  ist;  was  in  jenem  "verstreut  ist, 
steht  bei  dem  Redner  von  Antiochia  vereint;  die  Homerstellen  finden  sich 
z.B.  zusammen  (352,  21  ff.),  Kreter  und  Lakedämonier  sind  verbunden, 
nachdem  er  von  den  Mythen  abgegangen  ist  (353,  4 ff.),  und  mit  richtigem 
Übergang  heißt  es  (353,  20):  6  öe  Sr}  Jtokeoiv  okcov  cc^LCJzsQog  Eig  ^aoivgCav 
Zcoy.odtrjg.  Daß  der  Verfasser  des  Dialogs  andererseits  nicht  etwa  den 
Libanius  benutzt  hat,  ist  selbstverständlich.  Das  beweist  nicht  nur  die 
größere  Ausführlichkeit,  die  Sonderung  der  Korybanten  und  Kureten,  die  Liba- 
nius zusammengeworfen  hat,  sondern  auch  das  andere  Verhältnis,  das  beide 
zur  alten  Tragödie  haben.  Aus  der  Rede  des  Libanius  ersehen  wir 
nun  aber,  daß  er  den  Anlaß  dazu  einer  jetzt  verlorenen  Hede  des  Aelius 
Aristides  entnahm,  in  welcher  dieser  die  Spartaner  ermahnte,  Mimen  und 
Pantomimen  zu  verjagen.  Er  selbst  hält  sich  an  die  in  jenem  Vortrag 
geäußerten  Gedanken,  die  in  der  Ausgabe  von  Förster  durch  den  Druck 
gekennzeichnet  sind.  In  dem  Dialog  ist  unabhängig  von  solcher  Polemik 
eine  Art  Enkomion  des  Pantomimus  enthalten;  aber  es  ist  nicht  unmög- 
lich, daß  auch  sein  Verfasser  durch  die  Rede  des  Aristides  angeregt  wor- 
den ist,  sich  aber  der  Polemik  gegen  den  angesehenen  Zeitgenossen  ab- 
sichtlich enthalten  hat,  die  höchstens  in  dem  ausführlichen  Bericht  über 
die  Lakedämonier  ccqiötol  ^EXXi'iihov  elpai  öoKovvzsg  (10  — 12)  sich  ahnen 
ließe.     Damit  käme  man  aber  in  die  Zeit  Lucians. 

Trotzdem  ist  die  Schrift  nicht  von  Lucian.  Zwar  die  sorgsam  ge- 
sammelten sprachlichen  Anstöße'*)  beweisen  auch  hier  nicht  genug  und 
können  erst  als  Argument  zweiter  Ordnung  in  Betracht  kommen.  In 
manchem  ist  man  auch  hier  zu  streng  gewesen*);  manches  könnte  auch 
hier  auf  die  benutzte  Quelle  zurückzuführen  sein,  die  offenbar  der  ersten 
Kaiserzeit  angehört,  da  auf  den  Aufschwung  der  Tanzkunst  zu  Augustus' 
Zeit  aufmerksam  gemacht  ist  (34)  und  die  Stoffe  für  den  Pantomimus 
merkwürdigerweise  vom  Chaos  und  der  Weltentstehung  bis  zu  den  Ereig- 


li  De  Ralt.  76:    fttfre    'bifnilbg   &fav   iata o^xs  noXvoaQ%os^    Lib.  888: 

ft  oi\,  iiir  f'fizhTttt  iietQlot%  nolvacegxlag  Sk  oijj  aipfrcei. 

1  I  ..r^t«  r  a.  a.  O.  S.  8  läßt  die  Frage  in  der  Schwebe,  offenbar  weil  ihm 
•  iie  lioiiutziing  von  de  salt.  durch  Libanius  anzunehmen  nicht  gans  rataam  schien. 

8)  Siehe  Hieler,  Über  dir  K.l.thrit  .I.r  lue  S.hrift  de  salt.  Progr.  Wil- 
helnuihaven  18U4. 

4)  Z.  H.  hat  der  Auiidru«  i%   r.    i ,,   u.>i    i..    .lU  Ho/eichnuni^  einet  Teilet 

der  Ilia«  nirhtt  Auff&lligoi,  wie  Hieler  glaubt;  vgl.  Jobb,  I{oni«'r.  flben.  tod 
Schleninger,  Berlin  1H9J1.  "'  '"'*  'tr  t  Ifom.  Ilin«!  nirm  .  I.ip'*  1884, 
Proleg.  1  ff. 

II  «Im,  huoian  and  M«nip|>.  S4 


370  Anhang  IV.     'Über  den  Tanz'. 

nissen  unter  Kleopatra  reichen  (37)^);  dazu  würde  es  ja  sogar  stimmen, 
wenn  wirklich  die  Einleitung  (1 — 6),  wo  der  Verfasser  seinem  eigenen 
Ingenium  folgen  konnte,  durchaus  Lucianisches  Gepräge  und  Überein- 
stinmiungen  mit  andern  Schriften  aufweist.  Aber  gegen  die  Echtheit  spricht, 
die  Form  selbst;  wenn  Lucian  im  Alter  auch  zu  dem  kunstlosen  Schein- 
dialog des  ^Nigrinus'  zurückkehren  konnte,  so  war  es  doch  für  ihn  un- 
möglich, eine  so  lederne  seitenlange  Aufzählung  von  Pantomimenstoffen 
(37  ff.)  zu  geben,  die  dem  unbeholfensten  Stilisten  gerade  anstehen  würde 
und  selbst  durch  Altersschwäche  keine  genügende  Entschuldigung  erfährt. 
Zum  Glück  aber  hat  sich  der  Nachahmer  auch  hier  an  einer  Stelle  so 
kompromittiert,  daß  wir  ihn  abzufassen  vermögen.  Kraton  sagt  in  der 
Einleitung  (2)  von  Lykinos  nicht  nur,  er  sei  (piloGocpla  xa  (livQLa  coiiLlrj- 
x(ö^,  sondern  er  wirft  ihm  vor:  nkdxavog  %al  Xqvöltctcov  '/.al  \4qi6tots- 
kovg  i'Kkad'Ofisvog  oidd'rjaaL.  Man  stutzt  über  diese  Zusammenstellung  der 
Lehrmeister  Lucians;  wenn  man  auch  Piatons  Nennung  billigt  und  Aristo- 
teles' Erwähnung  hingehen  lassen  möchte,  w^ann  war  denn  Lucian  Anhänger 
der  Stoa?^)  Bilden  die  Stoiker  ja  doch  gerade  die  einzige  Sekte,  die  er 
in  wirklich  gehässiger  Weise  verhöhnt.^)  Woher  die  hier  unpassende  Zu- 
sammenstellung der  Philosophen  aber  stammt,  wird  klar,  wenn  man  de 
merc.  cond.  24  liest:  6  %cclbg  UXcctcov  rj  6  XQvöinnog  ?}  Agiörorili^g  oder 
Hermot.  48:  XQvöLTtiiog  y.al  ^AQLatoieh]g  aal  IlXdtcov'^  aber  dort  handelt  es 
sich  um  einen  Stoiker;  und  so  natürlich  die  Erwähnung  Chrjsipps  dort 
war,  so  falsch  und  störend  ist  sie  hier,  wo  Lucian  von  sich  sprechen 
würde.  Nun  gewinnen  auch  die  andern  Indizien  ihre  Bedeutung,  die 
Abweichungen  der  Sprache,  die  Nachlässigkeit  in  der  Komposition.*)  Man 
sieht,  auch  mit  der  vorausgesetzten  Umrahmung  ist  es  nicht  weit  her; 
das  Motiv  der  Bekehrung  des  Kynikers  stammt  aus  der  Anekdote  vom 
Kyniker  Demetrius  (63)  und  ist  dann  schlecht  und  recht  in  die  kurze 
dialogische  Einleitung  und  den  Schluß  gefaßt  worden. 


1)  Anders  erklärt  diese  Erscheinung  Friedländer,  Sittengeschichte  Roms  11® 
S.  452. 

2)  Vgl.  W.  Schmid,  Phil.  L  (1891)  S.  310:  'wenn  nicht  Hermotimos  ein  Stoiker 
wäre,  und  das  ist  Lucian  Zeit  seines  Lebens  nie  gewesen.' 

3)  Vgl.  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  (1902)  S.  276  ff. 

4)  Vgl.  auch  P.  Schulze,  Jahrb.  f.  Phil,  und  Paed.  143  (1891)  S.  823  ff. 


Anhang  V. 
Die  Philosophen  in  der  KomiJdie. 

In  den  Satiren  Lucians  nimmt  die  Philosophenverspottung  den  gi-ößten 
Raum  ein.  Der  Typus  des  Philosophen  als  einer  komischen  Figur  tritt 
uns  dabei  mit  einer  gemssen  Gleichmäßigkeit  und  völlig  entwickelt  ent- 
gegen. Lucian  hat  ihn  nicht  geschaffen,  ebenso  wenig  wie  Menipp.  Von 
Wert  ist  diese  Erkenntnis  immerhin  bei  der  Entscheidung,  wie  weit  seine 
Schilderungen  Bilder  der  Wirklichkeit  voraussetzen.  Er  selbst  hat  Eupolis 
und  Aristophanes  und  somit  die  Komödie  ausdrücklich  als  Quelle  für 
seine  satirischen  Schöpfungen  bezeichnet.  Man  könnte  darin  eine  gewisse 
Großsprecherei  sehen,  die  sich  rühmt  mehr  Kenntnisse  zu  besitzen  als  zu 
den  Satiren  nötig  war,  die  vielleicht  nur  mit  den  berühmten  Namen  der 
Literaturgeschichte  paradiert.  Darum  lohnt  es  sich  zu  untersuchen,  welche 
Rolle  die  Philosophen  in  der  Komödie^)  gespielt  haben,  und  die  Entwick- 
lung dieses  komischen  Typus  zu  verfolgen. 

Die  Verspottung  der  Philosophen  setzt  sofort  mit  der  alten  Komödie 
ein.  Es  war  ja  natürlich,  daß  die  Menschen,  die  durch  ihre  Reden  wie 
durch  ihr  Leben  aufzufallen  suchten  und  sich  von  den  übrigen  absonderten, 
den  Komödienschreibern  als  Zielscheibe  des  Witzes  dienten,  und  daß  Spaße 
über  sie  bei  der  Masse  des  Volkes  ein  lautes  Echo  fanden.')  Auf  ge- 
wissenhaftes Eindringen  in  ihre  Eigenart  kam  es  dabei  nicht  an.  Das 
krasseste  Beispiel  für  das  geringe  Verständnis,  das  der  Komiker  gegenüber 
den  Verspotteten  besaß,  sind  die  ^Wolken'  des  Aristophanes,  in  denen  aus 
nicht  begriffenen  oder  absichtlich  verdrehten  Lehren  und  Bestrebungen  ein 
wahrer  Hexenbrei  zusammengerührt  und  mit  dem  Namen  des  Sokrates  in 
Verbindung  gebracht  ist.')    Man  wird  den  Dichter  kaum  von  dem  Vorwurf 

1)  PhiloBophenverKpottungen  auH  der  KoraOdie  sind  zusammengestellt  bei 
Holderman,  Studia  Lucianea,  Wi»».  Lugd.  Hat.  1893,  8.  78  f.,  uuh  Antiphanes  bei 
Bergk,  Griech.  LiteniturgeMch.  IV  her.  von  Peppniüllor,  Berlin  1HH7,  S.  140. 

2)  über  die  IMiiloHopben  uU  ((Xui6vtg  in  der  Komödie  vgl.  Ribbook,  Ala/.un, 
Lpz.  1882,  S.  10  ff.  Ledergerber,  Lukian  u.  d.  altutt  KonirMÜ.'.  Kinsiedeln  rJ06, 
int  mir  nicht  bekannt  geworden. 

8)  Vgl.  Zellor,  Die  Phil,  der  üriechiüi  •  U  1  .^.  Jl3  tf.  Suviiu,  l  her  Aristoph. 
Wolken,  Bert.  1h2A,  der  in  SokraieM  bei  AristophanoH  nicht  duH  Individuum  sehen 
will,  ist  von  Zclier  richtig  widerlogt  worden.  S(»  wahr  en  au  und  für  sich  ist, 
daß  mit  SokraieN  xugleich  eine  ganze  (teiHteHrirhtiing  getroffen  ist,  so  wenig 
kann  man  sich  dem  Eindruck  entziehen,  daß  xeino  (>igene  Person  dabei  nicht 
einfach  uuNgeschaltot  werden  kann,  der  Spott  also,  der  iim  karikiert,  ihn  auch 


372  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie. 

freisprechen  können,  daß  er,  zum  Teil  wider  besseres  Wissen,  was  ihm  an 
der  gesaraten  modernen  Aufklärung  und  Philosophie  zuwider  war,  dem 
Sokrates  aufgebürdet^)  und  ins  Groteske  gesteigert  hat.  Mit  Naturphiloso- 
phie hat  sich  Sokrates  nicht  abgegeben,  und  trotzdem  gibt  gerade  die 
angebliche  Untersuchung  naturwissenschaftlicher  Dinge  das  Motiv  zu  der 
burlesken  Szene  des  Philosophen  im  Hängekorb,  und  das  cceQoßarm  aal 
nEQLg)QOVG)  rov  rihov  und  das  Studieren  der  fiSTmga  ngayfiara  (nub.  225/8) 
hat  bis  zu  Lucian  ^)  eine  starke  Wirkung  ausgeübt.  Und  Aristophanes  hat  sich 
damit  nicht  begnügt.  Der  Schüler  in  den  ^Wolken'  weiß  von  besonderen 
Kunststücken  des  Meisters  zu  berichten,  wie  er  die  Flohsprünge  mißt,  wie 
er  die  schwierige  Frage  löst,  womit  die  Schnaken  singen,  ja  selbst  Mantel- 
diebstahl schreibt  er  dem  Philosophen  zu^),  der  für  ihn  der  Typus  des 
Hungerleiders  ist;  er  will  das  zwecklose  Grübeln  karikieren,  das  der  Welt 
entfremdet,  keinen  praktischen  Erfolg  hat  und  kein  Brot  schafft '^),  wie  ja 
noch  Lucian  das  Leben  des  tdtcör?/g  dem  gegenüber  als  das  einzig  richtige 
erscheint  und  die  Nutzlosigkeit  alles  Philosophierens  sein  Hauptargument 
ist.^)  Auch  die  Witzchen  über  die  naturwissenschaftlichen  Studien  klingen, 
auf  Aristoteles  übertragen,  bei  unserem  Satiriker  nach^),  den  Diebstahl 
hat  er  im  'Gastmahl'^)  verwandt.  Weiter  richtet  sich  der  Spott  des 
Aristophanes  gegen  die  Gottesanschauung  des  Sokrates;  seine  reinere  Auf- 
fassung im  Gegensatz  zur  Volksreligion  wird  verhöhnt,  indem  er  die  Wolken 
als  einzige  Gottheiten  hinstellen  und  diese  Behauptung  dann  durch  höchst 
groteske  Argumentation  verfechten  muß;  dabei  wird  er  als  fisrscoQoöocpL- 
azi]g  (V.  360)  bezeichnet;  so  steht  der  erste  Vorwurf  mit  dem  Motiv,  das 
für  den  zweiten  gewählt  ist,  in  innigstem  Zusammenhang.  Aber  den  Haupt- 
punkt in  den  'Wolken',  wie  sie  uns  vorliegen,  bildet  doch  die  Verspottung 


wirklich  angeht.  Allerdings  ist  schon  bei  Aristophanes  schwer  zu  sagen,  wie 
weit  bewußte  Polemik  vorliegt,  wie  weit  ihn  die  übermütige  Laune  und  die 
Lust  am  Komischen  fortgerissen  hat.  —  Sokrates  als  Alazon  doctus  und  typische 
Person  behandelt  W.  Süss,  De  personarum  antiquae  comoediae  Atticae  usu  atque 
origine.  Gießener  Diss.  1905,  S.  8  ff. 

1)  Es  ist  allgemein  anerkannt,  daß  Diogenes  von  Apollonia  mit  seinen 
Lehren  einen  Teil  des  Stoffes  geboten  hat  (Diels,  Verhandlungen  d.  35.  Philologen- 
Versammlung  in  Stettin  1881  S.  106  ff,;  Gomperz,  Griech.  Denker,  Lpz.  1903,  I* 
S.  303;  Joel,  Der  echte  und  der  xenophont.  Sokrates  II  2  (Berlin  1901)  S.  831, 
dessen  scharfsinnige  Vermutungen  den  Boden  verlieren,  wenn  man  in  Sokrates  den 
zusammenfassenden  Repräsentanten  einer  im  einzelnen  in  viele  Richtungen  sich 
teilenden  Geistesströmung,  also,  wie  Diels  sagt,  nur  die  Maske  sieht). 

2)  Bis  acc.  33,  Icarom.  5,  necyom.  21. 

3)  V.  179:  Über  die  Konjektur  d-v^driov  vgl.  Joel  a.  a.  0.  II  2  S.  855  und 
Röemer,  Sitz.-ßer.  d  .bayr.  Akad.  d.W.  1896  S.  231  f.  (Epict.  Diss.  IV  11,  20,  Demetr. 
de  eloc.  152). 

4)  Über  Sokrates'  Armut  vgl.  v.  Wilamowitz,  Aristoteles  und  Athen,  Berlin 
1893,  n  227;  Ed.  Meyer,  Geschichte  des  Altertums,  Stuttg.-Berlin  1901,  IV  440. 

5)  Necyom.  21,  conv.  34. 

6)  Vit.  auct.  26. 

7)  Conv.  46:  Der  Platoniker  Ion  hat  einen  Becher  genommen,  'damit  er 
nicht  verloren  gehe',  und  ihn  dem  Rhetor  Dionysodor  zugesteckt,  der  offenbar 
den  Hehler  spielen  muß. 


Sokrates.  373 

sophistischer  Redefertigkeit,  die  überall  imstande  ist,  die  ungerechte  Sache 
zur  stärkeren  zu  machen  und  den  Mangel  au  überzeugenden  Gründen 
durch  einen  lauttönenden  Redeschwall  zu  verdecken.  Das  ist  ja  der  Anlaß 
für  den  Pheidippides,  sich  in  die  Schule  des  Sokrates  zu  begeben,  und  in 
dem  Wortgefecht  des  Xoyog  öUaLog  und  äÖLKog  wird  ausgeführt,  daß  Treu 
und  Redlichkeit  vorbei  sind,  daß  man  heutzutage  nur  mit  dreisten  Worten 
durchkommt,  daß  man  dem  Grundsatz  (V.  1078):  xqo)  tj)  qpi'aft,  öklqtu, 
yiXa^  vofiL^e  ^}]6ev  alö'/^Qov  huldigen  und  trotzdem  mit  Worten  stets  sein 
Treiben  beschönigen  kann.  Der  Sokrates  als  Schwätzer,  wie  er  eine  Lieb- 
lingsfigur bei  Lucian^)  ist,  verdankt  dem  Aristophanes  seine  Existenz,  der 
ja  auch  in  den  ^Fröschen'  (V.  1491)  den  Philosophen  als  untätigen  Ra- 
bulisten zeichnet.^)  Piaton  hat  die  drei  Vorwürfe,  die  gegen  seinen  Lehrer 
erhoben  worden  sind,  in  der  Apologie  richtig  zusammengefaßt.') 

Was  Aristophanes  sonst  gegen  Sokrates  vorbringt,  sind  nur  Ergän- 
zungen zu  jenen  Anklagen.  Im  Chorlied  der  'Vögel'  heißt  er  der  unge- 
waschene Sokrates,  der  bei  den  Schattenfüßlern  die  Seelen  leitet  (V.  1553  ff.); 
und  kurz  vorher  (V.  1282)  steht  'sokratisch  sich  benehmen'  im  engsten 
Zusammenhang  mit  schmutzig  sein  und  hungern.*)  Auch  die  anderen  Ver- 
treter der  alten  Komödie  stimmen  in  dieses  Lied  des  Aristophanes  ein^), 
das  uns  nur  bei  ihm  am  deutlichsten  entgegenklingt.  Eupolis  sagt  es 
ganz  offen:  'Ich  hasse  den  Bettler  und  Schwätzer  Sokrates,  der  alles 
andere  wohl  bedacht,  jedoch  darum,  woher  er  zu  essen  nehmen  sollte,  sich 
nicht  gekümmert  hat'  (Kock  I  S.  351  fr.  352).  Und  zu  dem  Diebstahl, 
den  Aristophanes  dem  Philosophen  als  Beispiel  seiner  Schlauheit  zuschiebt, 
hat  uns  der  Sclioliast  als  Parallele  die  Stelle  des  Eupolis  (Kock  I  S.  355 
fr.  361)  erhalten,  nach  der  er  beim  Gelage  sogar  die  Weinkanne  entwendet, 
ein  Motiv,  das,  wie  gesagt,  bei  Lucian  im  'Gastmahl'  wiederkehrt.^)  So 
beruft  sich  der  Satiriker  für  die  Verspottung  des  Sokrates  mit  Recht  auf 
das  Vorbild  der  beiden  Dichter.^)  Bei  Kratinos  kann  wenigstens  die  Be- 
merkung über  den  Schwur  bei  Hund  und  Gans  (Kock  I  S.  83  fr.  231) 
auf  den  bekannten  Schwur  des  athenischen  Philosophen  anspielen,  den 
auch  Lucian  verhöhnt.**)  Auf  die  Bühne  gebracht  hat  den  Sokrates  auch 
Ameipsias  im  'Konnos'  und  ihn  als  Toren  und  Hungerleider,  der,  mangel- 
haft gekleidet,  im  abgetragenen  Mantel  und  ohne  Schuhe  einherspaziere, 
dem  Gelächter  des  Publikums  preisgegeben  (Kock  IS.  672  fr.  9).    Wie  weit 


1)  Vgl  Neue  Jahrb.  f.  d.  klasa.  Altertmn  IX  (1902)  S.  199. 

2)  V.  1497  f.  nennt  er  des  Sokrates  T&tigkeit  Xi/igtov  SiarQißijv  igybv  noi- 

3)  Plat.  apol.  23  D:  tu  utT^to(fa  xu\  xcc  i>nb  yf^s  {diddaxmv)  nal  9iohs  fii^ 
vo^l^tiv  xu\  xiiv  r,xra)  X6)>ov  XQfiTTto  noietv. 

4)  Wenn  hier  in  den  Worten  i%6^<ov,  inBlvav,  fQQvnav,  iaartQdrtav  schon 
das  erste  auf  SokrateH  bezogen  werden  soll,  so  ist  C8  nur  zu  verstehen  von  der 
gänzlichen  VemachlilsHigung  der  Pflege  deH  Haupthaares  (vgl.  Roemer,  StudieQ 
tu  Aristophancii,  Leipzig  1902,  I  S.  51). 

6)  Einiges  Material  findet  sich  in  der  Stoffsanimlung  bei  0.  FroehdOf  Beiträge 
zur  Technik  d.  alt4«n  utt.  Koinfldic,  Berliner  Stud    III   1     1H98)  8.  106  flf. 

6)  Hiebe  S.  372  Aiim.  7. 

7)  Pisc.  26.  8)  Vit.  auct.  16. 


374  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie. 

sonst  in  jenem  Stück  die  Philosophen  mitgenommen  waren  im  Reigen  der 
(pQOvtLaiat,  die  dort  auftraten,  wissen  wir  nicht  mehr;  daß  Protagoras 
nicht  genannt  war,  hat  Athenäus  V  218''  für  wert  gehalten  zu  bemerken, 
um  daraus  einen  Schluß  für  die  Anwesenheit  dieses  Sophisten  in  Athen  zu 
machen.  Jedenfalls  ist  klar,  daß  der  Chor  im  übrigen  der  Verspottung 
der  Sophisten  diente. 

Sokrates  zählt  in  all  diesen  Fällen  zu  ihnen  und  muß  mit  ihnen 
leiden.  Auch  sie  sind  vom  Stachel  der  Komiker  nicht  verschont.  Piaton 
bat  ihnen  ein  eigenes  Drama  gewidmet,  in  dem  allerdings  der  Begriff  'So- 
phist' ziemlich  weit  gefaßt  war.^)  Ganz  allgemein  ist  der  Spott  in  des 
Antiphanes  "'Kleophanes',  wo  die  dürren,  hungrigen,  untauglichen  Sophisten 
und  ihre  dialektischen  Spitzfindigkeiten  verhöhnt  werden;  die  betreffenden 
Worte  klingen  an  Parmenides  an  und  sollen  eleatische  Weisheit  verspotten^); 
Venn  etwas  wird,  so  ist  es  nicht'  wird  in  zehn  Versen  bewiesen,  so  daß 
der  Laie,  wohl  der  Vater  eines  Philosophenschülers,  entsetzt  ausruft:  *Was 
das  heißt,  könnte  auch  Apollo  nicht  begreifen.'  Auch  da  zeigt  indessen 
der  Zusammenhang  ganz  deutlich,  daß  unter  den  Sophisten  die  Philosophen 
überhaupt  verstanden  sind,  die  im  Lykeion  disputieren.  »  Von  den  eigent- 
lichen Trägem  dieses  Namens  hat  Protagoras  sein  Teil  des  Spottes  in 
des  Eupolis  'Scbmeichlern'  gefunden,  wo  er  beim  Gastmahl  des  reichen  Kallias 
diesen  zum  Trinken  anhält  und  ähnlich  wie  der  aristophanische  Sokrates 
als  Aufschneider  gezeichnet  ist,  der  aXa^ovsvexccL  .  .  tcsqI  t&v  ^isrecoocov^ 
im  übrigen  aber  auf  die  Leckerbissen  dieser  Welt  bedacht  ist  (Kock  I  S.  297). 
Es  ist  damit  schon  in  gewisser  Weise  auf  den  Widerspruch  zwischen  Lehre  und 
Leben  hingedeutet  der  später  in  der  Satire  immer  wiederkehrt.  Den  Gorgias 
hat  Aristophanes  als  Rechtsverdreher  und  Schwätzer  verhöhnt;  als  Urbild 
aller  Zungendrescher,  die  mit  ihren  Zungen  säen  und  ernten,  hat  er  ihn 
nebst  seinem  Schüler  Philippos  im  Chorlied  der  ^Vögel'  (1701)  gebrand- 
markt; und  beide  trifft  er  wieder  mit  seiner  Geißel  in  den  ^Wespen'  (421), 
weil  alle  Redefertigkeit  den  Philippos  nicht  vor  dem  Verlust  eines  Pro- 
zesses bewahrt  hat.  Prodikos  geht  bei  Aristophanes  mit  Sokrates  Hand 
in  Hand;  wie  jener  gilt  er  als  einer,  der  leere  Worte  macht  und  die  Jugend 
verdirbt  (Kock  I  S.  518  fr.  490);  nächst  jenem  wird  er  ironisch  der  einzige 
unter  den  ^ixsiüQoöocpimai  genannt,  dem  der  Wolkenchor  Glauben  schenken 
will  um  seiner  Weisheit  und  Einsicht  willen  (nub.  358  ff.)  ^);  und  der 
Reigen  der  Vögel  will  die  beiden  zum  Vogelreich  gekommenen  Athener 
nBQi  TCöv  (xeTE(OQ(av  belehren,  sie  unterweisen  betreffs  der  Natur  der  Vögel, 
der  Entstehung  der  Götter,  der  Flüsse,  der  Finsternis  und  des  Chaos,  daß 
sie  hinfort  auf  Prodikos'  Weisheit  verzichten  können  (av.  692).  Thrasj- 
machos  wird  von  Aristophanes  in  den  ""Schlemmern'  mit  seinen  sprach- 
lichen Neubildungen  verspottet  (Kock  I  S.  439).     Hier  wie  an  der  Stelle 


1)  Kock  I  S.  636  ff.;  Meineke,  Hist.  erit.  com.  Graec.  S.  184. 

2)  Diels,  Poet.  phil.  fr.  S.  66  fr.  8,  20;  Kock  II  S.  58  fr.  122. 

3)  In  dem  Zusammenhang  kann  das  Lob  des  Prodikos  nur  spöttisch  gemeint 
sein.  Van  Leeuwens  Hinweis  auf  den  Xoyog  dinaiog  und  adixos  nach  Prodikos' 
Muster,  um  eine  bessere  Gesinnung  des  Komödiendichters  diesem  gegenüber  zu 
folgern,  ist  hinfällig. 


Die  Sophisten  und  Chaerephon.  375 

des  Antiphanes  kommt  der  Gegensatz  der  alten  und  der  jungen  Generation 
zum  Ausdruck;  die  Väter  begreifen  diese  neue  Wissenschaft  nicht,  und  die 
Jungen  brüsten  sich  dünkelhaft  mit  ihren  äußerlich  angelernten  Kenntnissen. 
Der  komische  Konflikt,  der  so  entsteht,  ist  auch  bei  Lucian  noch  erhalten.  ^) 

Von  Sokrates'  Schülern  ist  es  besonders  der  blasse  Chärephon^),  der 
immer  wieder  den  Hieb  der  Komiker  fühlen  und  so  für  sein  inniges  Ver- 
hältnis zu  dem  Meister^)  büßen  muß.  Er  ist  Aristophanes  schon  nach 
seinem  Äußern  unsympathisch.  Wenn  Strepsiades  nach  dem  Unterricht 
bei  Sokrates  ihm  gleichen  soll,  so  wird  er  nach  seiner  eigenen  Aussage 
halbtot  erscheinen  (nub.  503),  und  in  den  'Wespen'  (^1408/12)  wird  er 
als  passender  Zeuge  für  das  fahle  Bäckerweib  bezeichnet.  Den  Namen  der 
schattenhaften  Fledermaus  erhält  er  in  den 'Vögeln'  1296;  mit  Sokrates  weilt 
er  dort  bei  den  Schatten  füßlern  und  steigt  unerwartet  als  Gespenst  in  dem 
Lied  des  Chores  auf  (1564),  er,  der  ja  lebend  schon  den  Toten  gleicht. 
In  den  'Hören'  (Kock  I  S.  538  fr.  573)  hieß  er  der  Sohn  der  Nacht,  in 
den  'Telmessiern'  wurde  er  als  Sykophaut  verhöhnt  (Kock  I  S.  528  fr.  531)), 
und  in  einem  andern  Drama  wurde  ihm  gar  wie  Sokrates  der  Ehrentitel 
des  KÜTtTiig  beigelegt  (Kock  I  S.  467  fr.  291).  Daß  Chärephon  in  der 
ersten  Fassung  der  'Wolken'  eine  größere  Rolle  gespielt  hat,  ist  außer 
durch  andere  Beobachtungen  durch  das 'Zeugnis  des  Photius  erwiesen*); 
wird  er  doch  gleich  zu  Beginn  des  Dramas  (V.  104)  mit  dem  Meister 
zusammen  als  Muster  dieser  blassen,  unbeschuhten  Schwätzer  aufgeführt. 
Auch  bei  den  andern  Dichtern  ist  der  Spott  der  gleiche.  Eupolis  nennt 
ihn  in  den  'Städten'  (Kock  I  S.  322  fr.  239)  Ttv^iuog  um  seiner  Farbe 
willen  und  rechnet  ihn  in  den  'Schmeichlern'  (Kock  I  S.  304  fr.  165)  zu 
denen,  die  um  die  Gunst  des  Kallias  werben.  Kratinos  hat  ihm  in  der 
'Weinflasche'  (Kock  I  S.  74  fr.  202)  wegen  seines  armseligen,  schmutzigen 
Aussehens  einen  Hieb  versetzt.  Man  sieht,  bei  Chärephon  kam  das  Äußere 
hinzu,  um  ihn  den  Komikern  als  Typus  des  bleichen  Hungerleiders  pr- 
scbeinen  zu  lassen,  wie  sie  des  Sokrates  Schule  heranbildete. 

Spiegelt  sich  in  dem  Umfang,  in  dem  jemand  von  der  öfFentlichkoit 
mit  Witzen  und  boshaften  Bemerkungen  überschüttet  wird,  die  Bedeutung 
dieser  Persfmlichkeit  in  gewisser  Weise  wioder,  so  wird  es  nicht  wunder- 
nehmen, daß  Piaton  ^)  in  der  Komödie  häufig  hervortritt.  Ich  will  hier 
die  Frage  nicht  weiter  erörtern,  ob  Aristophanes  bei  der  Abfassung  seines 
'Weiberstaates'  auf  Platonische  Gedanken  abzielte.  ^)    Möglich,  daß  diese  Er- 

1)  Hermotim,  81. 

2)  Die  Stellen  sind  gesammelt  von  Leeuwen  zu  Arist.  nub.  (Lugd.  B»t. 
1898)  V.  104. 

8)  Plat.  apol.  20  E  f.;  Charmid.  163  B  Gorgias  447  A. 

4)  Photius  lex.  428,  27  (ed.  Naber  II  88)  tfx»);rrft  xovs  ntffl  XaiQttpAvta 
Kook  I  S.  4Ü0  fr.  877.     Vgl.  Buecheler,  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  88  (1861)  8.  670 

6)  Hibbeck,  Alazon  (h.  S.  870)  8.  77;  Meineke,  Hist.  crit.  8.  287  f.  Beigk 
Oriecb.  Literaturgeuchichte  IV  S.  188  Anm.  47. 

6)  Phaleas  von  Chalkodon  und  HippodamoH  von  Milct  haben  die  Weiber- 
gemoinHchaft  in  ihrem  IdealHtaat  nicht  gehabt,  da  AristotelCM  Polii.  II  4(1266*84) 
•ie  auHdriicklich  l'laton  /.uomt  /.uHchnMbt.  Die  chrouologiichen  SchwierigkeitMi 
der  Beziehung  von  AriHiopbanes  auf  Piaton  (Schans,  Hermes  XXI  (1886)  8.  468, 


376  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie. 

wägungen  damals  in  der  Luft  lagen.  ^)  Immerhin  scheinen  Piatons  Worte, 
mit  denen  er  sich  über  das  schon  laut  gewordene  Gespött  hinwegsetzt: 
ov  cpoßr^xiov  xa  t&v  laQiivxwv  öncofi^aTa  (rep.  V  452  B),  Zeugnis  dafür 
abzulegen,  daß  sein  Eintreten  für  eine  damals  viel  erörterte  Ansicht  schon 
vorher  bekannt  geworden  ist  und  Widerspruch  erfahren  hat.^)  Dagegen  ist 
die  Deutung  des  Aristyllos  (Eccles.  647,  Plut.  314,  Telmess.  Kock  I  S.  528 
fr.  538)  auf  Piaton  durchaus  unglaubhaft.'^)  Sonst  nimmt  von  den  Ver- 
tretern der  alten  Komödie  nur  Theopomp  (Kock  I  S.  737  fr.  15)  Bezug 
auf  Piaton,  indem  er  scherzhaft  Worte  aus  dem  Phaedon  (96  E)  verwendet. 
Dagegen  in  der  mittleren  Komödie,  in  der  kein  Raum  mehr  ist  für 
die  Behandlung  politischer  Zustände  und  Persönlichkeiten,  wächst  ja  die 
Beziehung  auf  die  Philosophen  überhaupt.  Man  darf  das  nicht  als  Beweis 
dafür  ansehen,  daß  die  Komödie  allmählich  vom  Standpunkt  der  echten 
Volkskomödie  heruntersinkt;  denn  aktuell  blieb  sie  auch  damit  und  liefert 
uns  im  Gegenteil  den  Beweis,  wie  sehr  das  Aufkommen  der  verschiedenen 
Philosophenschulen  in  Athen  Eindruck  machte.*)  Wie  früher  Sokrates  ein 
eigenes  Stück  von  Aristophanes  gewidmet  ist,  so  erhielt  damals  Piaton 
von  Aristophon  sein  Drama,  sogar  unter  seinem  Namen;  dieses  wiederholte 
die  aristophanischen  Witze;  in  dem  einzigen  Fragment  (Kock  II  S.  279  fr.  8) 
verspricht  jemand,  offenbar  Piaton  selber,  den  neuen  Schüler  in  drei  Tagen 
dürrer  zu  machen  als  Philippides,  worauf  die  Antwort  lautet:  'In  so  kurzer 

Lutoslawski,  Plato's  Logic,  London  1897,  S.  289)  sind  doch  wohl  nicht  so  ganz 
unüberbrückbar  (Chiappelli,  le  Ecclesiazuse  di  Aristofane  e  la  repubblica  di 
Piatone,  Torino  1882,  S.  51),  selbst  wenn  Aristophanes  nicht  schriftliche  Äuße- 
rungen Piatons  vorgelegen  haben,  die  wir  nicht  mehr  besitzen  (s.  Usener  bei 
Brandt,  Zur  Entwicklung  der  Piaton.  Lehre  von  den  Seelenteilen,  Progr.  Glad- 
bach 1890,  S.  6);  man  denke  an  das  persönliche  Verhältnis  zwischen  beiden, 
das  doch  das  Symposion  ergibt.  Jedenfalls  der  Nachweis  von  Dietzel,  Zeitschrift 
f.  Staatswissenschaften  I  S.  ;^73  ff.  (vgl.  Pöhlmann,  Geschichte  des  antiken  Kom- 
munismus II  [München  1901]  S.  19),  daß  die  Prinzipien  bei  Piaton  und  Aristo- 
phanes ganz  verschiedene  sind,  hier  das  Sozialprinzip,  das  Verzichten  zu  gunsten 
des  Ganzen,  dort  das  Individualprinzip,  Genuß  für  jeden  einzelnen,  beweist  für 
die  Frage  absolut  nichts.  Wie  Aristophanes  die  Lehre  komisch  verzerren  wollte, 
war  seine  Sache.  Überhaupt  liegt  in  der  komischen  Verwendung  noch  nicht 
Polemik,  und  es  war  deshalb  auch  kein  Grund  vorhanden,  Piaton  mit  Namen 
zu  nennen. 

1)  Campbell,  Plato's  Republic  II  Essays  (Oxford  1894)  S.  5:  It  is  probable 
enough  that,  when  the  comedy  was  brought  out,  some  notion  of  ^the  monstrous 
regiment  of  women'  was  already  in  the  air.  Dazu  die  Anmerkung:  The  idea 
of  a  Community  of  wives,  such  as  Herodotus  attributes  to  the  Agathyrsi,  was 
already  familiär  to  Euripides.  See  the  fragment  of  his  Protesilaiis  (655  in  Nauck) 
xoLvbv  yciQ  slvccL  XQf]v  yvvaiTcsiov  Xixog. 

2)  Ich  verweise  auf  die  Zusammenstellung  und  Prüfung  der  verschiedenen 
Ansichten  bei  J.  Adam,  The  republic  of  Plato,  Cambridge  1902,  I  S.  345  ff. 

3)  Vgl.  Hirmer,  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Suppl.  XXIII  S.  659;  Adam 
a.  a.  0.  S.  348. 

4)  Theophrast  hatte  ja  im  ganzen  an  2000  Schüler  (Diog.  L.  V  37);  um  Stilpon 
zu  sehen,  liefen  die  Handwerker  aus  ihren  Werkstätten  und  staunten  ihn  an  wie 
ein  wildes  Tier  (Diog.  L.  11  119).  Auch  das  Gesetz  des  Sophokles  vom  Jahre 
307  setzt  doch  eine  größere  Wirksamkeit  der  Philosophen  im  Volke  voraus. 


Piaton.  377 

Zeit  machst  du  Tote?'  So  verheißt  Sokrates  dem  Strepsiades  in  den 
'Wölken'  (503  f.),  daß  er  dem  Chärephon  gleichen  soll;  'dann  werde  ich 
ärmster  halbtot  sein',  erwidert  jener.  Eine  ganze  Reihe  von  Verspottungen 
Piatons  hat  Diogenes  Laertius  aufbewahrt.  Etwas  dunkel  ist  die  An- 
spielung des  Anaxandrides  im  'Theseus'  (Kock  II  S.  142  fr.  19),  wo  es  von 
einem  Akademiker  heißt:  'als  er  die  Oliven  aß  wie  Piaton'.  Verständlich 
wird  sie  erst  durch  die  Anekdote  bei  Diog.  L.  VI  25,  nach  der  Piaton 
beim  Gastmahl  alles  übrige  nicht  berührte  und  nur  Oliven  nahm,  so  daß 
der  Kyniker  Diogenes  ihn  erstaunt  fragte,  weshalb  er  denn  nach  Sizilien 
gegangen  sei:  'Trug  etwa  damals  Attika  keine  Oliven?'  Es  ist  also  die 
einfache,  schlichte  Kost  des  Philosophen,  die  hier  verspottet  wird.  Bei 
Alexis  in  der  'Meropis'  (Kock  11  S.  351  fr.  147j  läuft  die  Heldin  herum 
wie  Piaton  und  kann  doch  nichts  Gescheutes  finden;  im  'Ankylion'  wirft 
jemand  dem  andern  vor:  'Du  redest  wovon  du  nichts  verstehst,  geh  nur 
zu  Piaton,  dann  wirst  du  bald  über  Seife  und  Zwiebel  Bescheid  wissen' 
(Kock  II  S.  2117  fr.  l).  Damit  soll  das  nutzlose  Disputieren  über  alle  mög- 
lichen Stoffe  gebrandmarkt  werden,  und  so  macht  ihm  der  Dichter  im  'Para- 
siten' (Kock  II  S.  364  fr.  180)  den  Vorwurf  leeren  Schwatzens,  den  auch 
Sokrates  über  sich  hatte  ergehen  lassen  müssen.^)  Er  berührt  aber  auch 
die  Lehre  des  Philosophen;  im  'Ol^Tnpiodor'  zieht  er  in  komischer  An- 
wendung die  Trennung  von  Körper  und  Seele  und  den  Aufstieg  des  un- 
sterblichen Teils  zum  Äther  heran  und  setzt  hinzu:  'Ist  das  nicht  Piatons 
Schule?'  (Kock  II  S.355  fr.  158)  und  im  'Mükon'  (S.  353  fr.  152)  witzelt  er  über 
den  Begriff  des  Guten  bei  Piaton,  der  für  die  Folgezeit  als  ein  Hauptbegriff 
seiner  Lehre  galt.*)  Dies  äyai^ov  kehrt  auch  bei  Philippides  und  Amphis 
wieder.  Bei  dem  ersten  (Kock  III  S.  303  fr.  ö)  ist  damit  die  Mahnung 
verbunden  nicht  zu  heiraten;  denn  darin  liegt  das  Platonische  Gut.  Viel- 
leicht schwebt  da  schon  die  Verzerrung  des  platonischen  Eros  aus  dem 
'Symposion'  und  dem  'Phaedrus'  vor,  die  dann  bei  Luoian  in  des  Plato- 
nikers  Rede  im  'Gastmahl'  weiter  wirkt.')  Die  sprichwörtliche  Verbreitung 
des  aya-Oov  erkennt  man  deutlich  aus  Amphis,  der  im  'Amphikrates'  (Kock 
II  S.  237  fr.  G)  einen  Sklaven  zu  seinem  Herren  sagen  läßt:  'Was  du  an 
der  Gutes  hast,  begreif  ich  noch  weniger  als  das  platonische  aya&ov*. 
Im  'Dexidemides'  lieferte  er,  auf  Piaton  angewandt,  die  typisch  gewordene 
Schilderung  für  den  Philosophen  (Kock  II  S.  239  fr.  13):  'Piaton,  du  ver- 
stehst ja  nichts  als  finster  dreinzuschauen  mit  hochgezogenen  Augenbrauen.'*) 
An  die  später  in  der  Akademie  sich  einbürgernde  Skepsis  erinnert  es 
schon,   wenn   der  jüngere    Kratinos   im   'falschen  Wechselbalg'  (Kock  II 

1)  Mit  dem  typißchen  Verbum  ^dohaxstv.  Vgl.  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass. 
Altert.  IX  (1Ü02)  S.  1119. 

2)  Vgl.  Apul.  apol.  27  (81,  26  H.);  Zeller,  Die  Philosophie  der  Griechen  11 « 
8.  868  ff. 

8)  Lac.  conv.  89:  <>vv  &Qtoxov  ^v  ^i]  dita&ai  yofiwt',  iXXä  nn&o- 

nivovg  lIXuttovi  %al  £(üX{nn  V    .  rtr^ff  novoi  yofiv  ol  toioOtoi  imortltt^ttip 

av  ngbg  (tQurjv. 

4)  Vgl.  V.  Wilamowitz,  ÜLrineH  XL  (li>05)  S.  131;  Moineke,  PrÄgm.  Com. 
Graec.  V  (Coro,  dictioniii  iudex  comp.  Jacobi;  S.  7Hü  u.  d.  W.  6<p(fvt\  Luc.  bis 
arc.  28,  Vit.  auet.  7,  dial.  mori.  10,  8,  Icarom.  29.  Tiiu.  A4. 


378  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie. 

S.  292  fr.  10)  jemand  sagen  läßt:  'Nach  Piaton  weiß  ich's  nicht,  ich 
vermute  es  aber',  was  wohl  eine  Beziehung  auf  die  im  'Phaedon'  6ß  B 
ausgesprochene  Ansicht  enthält,  daß  dem  Menschen,  solange  er  in  den 
Körper  gebannt  ist,  kein  wahres  Wissen  zukommt.  Aus  solchem  Spott 
hat  sich  die  Skeptikersatire  entwickelt,  wie  sie  bei  Lucian  uns  entgegen- 
tritt.^) 

Sind  das  alles  Einzelheiten,  die  uns  mehr  eine  Ahnung  als  eine 
Kenntnis  von  der  Bedeutung  Piatons  für  die  Komödie  verschaffen,  so  be- 
sitzen wir  doch  auch  eine  etwas  ausführlichere  Szene  von  Epikrates  (Kock  II 
S.  287),  die  uns  wieder  auf  Aristophanes'  Spaße  über  Sokrates  zurückweist. 
Es  ist  der  Bericht  irgend  eines  aus  Athen  Kommenden,  der  über  Piaton 
und  seine  Anhänger  —  genannt  sind  Speusipp  und  Menedem  —  wieder- 
gibt, was  er  mitangesehen.  Da  hatte  man  sich  an  den  Panathenäen  über 
das  Leben  der  Tiere,  die  Natur  der  Bäume  und  die  Kohlarten  unterhalten 
und  die  schwierige  Frage  zu  lösen  gesucht,  zu  welcher  Gattung  der  Kürbis 
gehört;  sie  bücken  sich  alle  und  denken  nach,  und  dann  fördert  der  eine 
diese,  der  andere  jene  Antwort  zu  tage,  bis  ein  anwesender  Arzt  aus 
Sizilien  sie  durch  eine  Unanständigkeit  unterbricht.  Der  Zuhörer  fragt: 
'Darob  gerieten  natürlich  alle  in  Zorn,  denn  so  etwas  gilt  doch  in  jenen 
Räumen  für  unziemlich?'  'Nein',  wird  ihm  entgegnet;  'sie  kümmerten 
sich  nicht  darum,  und  Piaton,  gar  sanft  und  ohne  die  geringste  Erregung, 
trug  ihnen  wieder  auf,  die  Gattung  des  Kürbis  zu  bestimmen.'  Durch 
diesen  plumpen  Spaß  soll  Piatons  Unterricht  und  sein  Ernst  im  Philoso- 
phieren lächerlich  gemacht  werden.  Die  behandelte  Frage  berührt  sich  ihrer 
Art  nach  mit  den  nach  Aristophanes  in  der  Sokratischen  Schule  erörterten, 
die  Lucian  in  der 'Versteigerung  der  Lebensarten'  zum  Vorbild  gedient  haben; 
daß  gerade  der  Kürbis  ausgesucht  ist  zur  Besprechung,  hängt  offenbar 
mit  dessen  volkstümlicher  Bedeutung  zusammen,  die  auch  auf  die  Gelehrten, 
die  sich  mit  ihm  befassen,  überstrahlt.^) 

Andere  Stellen  wenden  sich  überhaupt  mehr  gegen  die  Schule  als 
gegen  den  Stifter.^)  Das  vornehme  Äußere  der  Platoniker  hat  offenbar 
schon  früh  den  Spott  herausgefordert.  Bei  Antiphanes  im  'Antäus'  (Kock  II 
S.  23  fr.  33)  wird  ein  Greis,  der  ein  weißes  Obergewand,  einen  braunen, 
schönen  Leibrock,  weichen  Filzhut  und  einen  schöngearbeiteten  Stock  trägt, 
charakterisiert  mit  den  ironischen  Worten:  ^Ich  glaub',  ich  hab'  die  Aka- 
demie selbst  vor  Augen.'  Da  ist  die  typische  Erscheinung  des  Platonikers 
schon  gegeben,  wie  sie  in  der  Person  des  Ion  bei  Lucian  uns  entgegen- 
tritt.'^) Nicht  besser  fahren  die  Schüler  Piatons  in  dem  von  Athenäus 
XI  509  c  aufbewahrten  Fragment  aus  des  Ephippos  'Schiffbrüchigem'  (Kock 

1)  Für  die  Einzelheiten  bei  Lucian  verweise  ich  auf  meinen  Aufsatz  Neue 
Jahrb.  f.  d.  klass.  Altertum  IX  (1902)  S.  208  ff.  Besonders  die  Antworten  in  der 
ßicov  jtQ&CLs  27  sind  zu  vergleichen:  ad7\kov^  inexo)  tisqI  rovtov  kccI  dicc6x87tto^ai, 
rig  oldsv  sl  aXrid'fi  rccvta  (f^g. 

2)  Vgl.  oben  S.  73  An'm.  1. 

'S)  Meineke,  Hist.  erit.  comic.  Graec,  Berlin  1839,  S.  287  hat  einige  auf  Piaton 
und  die  Akademie  bezügliche  Stellen  zusammengestellt. 

4)  Conv.  7:  ösiivog  tig  Idatv  'Kai  d-EOTfQSTtrjg  xccl  TtoXv  xb  -nÖG^iov  inKpaivcov 
reo  JtQ06a)7t(p. 


Platoniker.     Aristipp.     Hippon.     Diagoras.  379 

II  S.  257);  Athenäus  behauptet,  es  sei  in  dieser  Komödie  auch  dem  Meister 
selber  nicht  nur  gar  zu  große  Sorgfalt  für  die  äußere  Erscheinung,  son- 
dern sogar  niedrige,  auf  Gelderwerb  bedachte  Gesinnung  vorgeworfen  worden; 
die  Worte,  die  er  erhalten  hat.  reden  nicht  von  Piaton  selber,  sondern  von 
einem  seiner  Jünger,  der  mit  schöngeschnittenem  Haupthaar,  wohlgepflegtem 
langem  Bart,  in  tadellosem  Schuhwerk  und  gut  gehaltener  Kleidung  auf- 
tritt, seine  -würdige  Gestalt  auf  den  Stab  stützend.  Der  schärfere  Tadel 
der  Geldgier  ist  dabei  in  dem  komischen  nach  Aristophanes'  Vorbild  ge- 
schafi'enen  Worte:  Bovatovo&Qaöv^axeiohjTpLKSQuccTcov  zum  Ausdruck  ge- 
kommen. Auf  das  Gesetz  des  Sophokles  von  Sunion  aus  dem  Jahre  307, 
das  die  Ausbreitung  der  Philosophen  in  Athen  einzuschränken  suchte,  spielt 
Alexis  im  ^Ritter'  an  mit  besonderem  Hieb  auf  Piatons  Schule  (Kock  11 
S.  327  fr.  94).  Da  freut  sich  ein  Alter,  dessen  Sohn  durch  den  Unter- 
richt nach  seiner  Meinung  verdorben  ist,  daß  Demetrios  uud  die  attischen 
Gesetzgeber  nun  die  Akademie  zum  Geier  gejagt  haben;  er  selbst  hat 
offenbar  unter  der  Ausbildung  seines  S(>hnleins  zu  leiden;  das  geht  aus 
den  ersten  Worten  hervor:  ^Das  heißt  Akademie!  Das  Xenokrates!'  Man 
muß  sich  eine  Szene  denken,  wie  sie  Lucian  im  'Hermotimos'  (81)  ge- 
malt hat,  wo  der  Bauemjunge  mit  den  aus  dem  stoischen  Unterricht  ge- 
wonnenen Weisheiten  paradiert. 

Von  den  anderen  Schülern  des  Sokrates  ist  Aristipp  in  der  ^Galatea' 
von  Alexis  wegen  seiner  Schlemmerei  bespöttelt  worden  (Kock  II  S.  311 
fr.  36).  Ein  Sklave  erzählt,  sein  Herr  habe  sich  zu  jenem  in  den  Unter- 
richt begeben,  aber  statt  der  Wissenschaft  habe  er  dort  die  Kochkunst 
gelernt.  Man  hat  mit  Recht  Lucians  Darstellung  in  der  ^Versteigerung 
der  Lebensarten'  (12)  damit  verglichen;  auf  einen  solchen  Komödien witz 
geht  es  zurück,  wenn  Aristipp  dort  oi^oTroiog  i^neiQovaTog  genannt  ist. 

Es  ist  bezeichnend  für  den  Standpunkt  der  griechischen  Komödie,  daß 
für  die  älteren  Philosophen  außer  Sokrates  die  Fragmeute,  die  uns  noch 
vorliegen,  völlig  versagen.  Rein  literarische  Beziehungen  voller  Gelehrsam- 
keit, die  nicht  aktuell  und  volkstümlich  sind  wie  Aristophanes'  Euripides- 
parodien,  haben  dort  keinen  Platz.  Wir  finden  in  der  alten  Komödie  nur 
Hippon  und  Diagoras  erwähnt,  soweit  man  diesen  überhaupt  zu  den  Philo- 
sophen zählen  kann.*)  Hippon  ist  von  Kratinos  (Kock  I  S.  61  fr.  155) 
als  gottlos  in  den  'Allsehenden'  angegritFon;  die  witzige  Darstellung,  daß 
der  Himmel  ein  Kohlendeckel  und  die  Menschen  die  Kolilon  seien,  hat 
Aristophancs  in  den  'Wolken'  96  if.  nach  Angabe  des  Scholiaston  aus  den 
dort  dem  Hippon  zugeschobenen  Ansichten  übernommen.  Der  in  jenem 
Stück  des  Kratinos  auftretende  Chor  mit  zwei  Gesichtern  und  zahllosen 
Augen  war  offenbar  eine  Karikatur  der  alles  ergründenden  Philosophen. 
hiM^'oras  wird  von  Hern)ij)p  in  den  *Moiren'  (Kock  I  S.  235  fr.  42)  ge- 
nannt, wo  er  mit  scherzhaftem  Volksnamen  statt  Melier  'Terthreus',  d.  i. 
'(iaukler\  'Schwätzer'  heißt;  auch  Aristophanes  hat  auf  ihn  in  den  'Wol- 
ken'(830j  angespielt  unrl  ihn  in  flm  'VögHn'  f1()7:n  nii.f  'Fröschen'  (320) 
mit  Namen  angeführt. 

Fehlen  die  alten  Philosophen  mit  ihren  Schulm  ganz  in  den  Bruch- 

1)  Vgl.  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griechen  I  *  S.  tt67,  107S. 


380  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie.     ' 

stücken  der  Komödie,  so  bildet  eine  Ausnahme  Pythagoras,  dessen  Philo- 
sophie ja  erst  nach  der  Sprengung  des  Bundes  in  ünteritalien  allmählich 
im  eigentlichen  Griechenland  bekannt  wurde;  sie  spielt  dann  eine  verhält- 
nismäßig große  Rolle  in  der  Komödie,  und  ihre  Karikatur  hat  sich  bis 
in  den  römischen  Mimus  hinübergerettet.  Allerdings  wird  begreiflicher- 
weise nicht  eigentlich  der  Stifter  der  Sekte  angegriffen,  sondern  seine  Nach- 
äifer  zu  einer  Zeit,  wo  die  eigentliche  Schule  ausgestorben  ist,  also  nicht 
die  Pjthagoreer,  sondern  die  Pythagoristen^);  diese  hielten  sich  an  die 
Symbole  der  Sekte  und  bewahrten  die  Mysterien,  bei  ihnen  handelte  es 
sich  nicht  um  eine  Philosophie,  sondern  um  eine  Form  des  religiösen 
Kultus.  Die  mittlere  Komödie  hat  diese  eigentümlichen  Kultgebräuche 
wieder  und  wieder  verspottet.''^)  Die  Stellen  sind  bei  Athenäus  IV  161 
und  Diogenes  Laert.  VIII  37  gesammelt.  Es  sind  die  Speiseverbote  der 
Pythagoreer,  die  die  Heiterkeit  herausfordern,  das  Schweigen,  das  dem 
Novizen  auferlegt  wurde,  die  in  Schmutz  ausartende  Einfachheit  der  Lebens- 
weise, wie  das  Verbot,  in  ein  öffentliches  Bad  zu  gehen.^)  Antiphanes  im 
'Ranzen'  und  den  'Denkmälern'  (Kock  II  S.  67  fr.  135  S.  76  fr.  160)  be- 
dauert die  Armen,  die  so  klägliche  Kost  genießen,  und  spielt  im  'Küch- 
lein' (Kock  II  S.  79  fr.  168)  auf  die  schlichte  Speise  des  Pythagoras  an, 
indem  er  ihm  das  ironische  Beiwort  gibt:  der  dreimal  Selige.  Alexis  in 
den  'Tarentinern'  (Kock  II  S.  378)  weiß,  daß  Epicharides  das  Fleisch  von 
Hunden  ißt.  ^Ja',  sagt  der  Sprecher,  'wenn  er  sie  totgeschlagen  hat; 
dann  sind  sie  ja  nicht  mehr  beseelt'  —  und  nur  Beseeltes  zu  essen  ist 
ihm  untersagt;  im  gleichen  Gespräch  heißt  die  pythagoreische  Kost  Ge- 
fängniskost. In  der  'Pythagoreerin'  (Kock  II  S.  370  fr.  196/7)  spottet 
jemand  über  das  Opfer  der  Pythagoreer,  das  in  Feigen,  ausgepreßten  Oliven 
und  Käse  besteht,  und  bezeichnet  als  ihr  Los  geringe  Kost,  Schmutz, 
Frost,  Schweigen,  abscheuliches  Aussehen  und  —  Nichtwaschen,  Aristophon 
aber  im  'Pythagoristen'  läßt  jemand  sagen  (Kock  H  S.  279  fr.  9):  'Glaubst 
du  denn  im  Ernst,  daß  die  Pythagoreer  freiwillig  diese  Entbehrungen  auf 
sich  nehmen*?  Nein,  nur  gezwungen!  Sie  haben  nichts  und  machen  des- 
halb aus  der  Not  eine  Tugend.  Setz'  ihnen  nur  einmal  Fisch  und  Fleisch 
vor,  und  wenn  sie  sich  nicht  auch  die  Finger  noch  danach  lecken,  will 
ich  zehnmal  hängen.'  Damit  sind  schon  Situationen  vorbereitet,  wie  Lucian 
sie  im  'Totengespräch'  20  (3)  und  'Hahn'  (4)  bietet,  wo  sich  Pythagoras  in 
Widerspruch  zu  seiner  eigenen  Lehre  setzt.*)  In  demselben  Drama  des 
Aristophon  (fr.  12/3)  wird  von  jemand  berichtet,  er  sei  zur  Unterwelt 
hinabgestiegen  und  habe  dort  die  Pythagoreer  in  großen  Ehren  gefunden; 
sie    allein    dürften   mit  Pluto  speisen;   der  andere  wundert  sich  sehr,  daß 


1)  Schul,  zu  Theokr.  14,  5:  tLvhg  ih  IIvQ'ccyoQLGxag  uhv  Xtyovöi  rovg  c^noös- 
Xo^ivovg  xa  Uvd'ccyÖQOv^  fi?j  bvxag  8s  xfjg  iyiSLVov  So^rig,  IIvd-ccyoQL'Kovg  dh  xovg 
xa  UvQ'ccyoQOv  q)QOvovvxccg. 

2)  Siehe  Zeller,  Die  Phil.  d.  Griech.  ^  in  2  S.  92  f.;  Diels,  Die  Fragmente 
der  Vorsokratiker,  Berlin  1903,  S.  302  f. 

3)  Jamblich  de  Pyth.  vita  83:  ovdh  iv  ßaXccvsLcp  Xovsad'ai.  Vgl.  Boehm,  De 
symbolis  Pythagoreis,  Diss.  Berlin  1905,  S.  48. 

4)  Siehe  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  (1902)  S.  190  ff. 


Pythagoreer.      .  381 

der  Gott  an  diesen  schmutzigen  Gesellen  Gefallen  findet;  und  dieser 
Schmutz  —  die  Läuse  nicht  zu  vergessen  —  wird  im  Anschluß  daran 
geschildert.  Möglich  ist,  daß  hier  eine  Katabasis  des  Pjthagoras  parodiert 
ist.^)  Diogenes  Laertius  n^eiß  auch  von  zwei  Dramen  des  jüngeren  Kratinos, 
die  den  gleichen  Titel  IJv&ayoQL^ovacc  und  TagavilvoL  wie  die  Stücke  des 
Alexis  geführt  hätten  (Kock  II  S.  290  fr.  6/7);  er  zitiert  aus  dem  zweiten 
Stück  ein  paar  Verse,  die  über  die  Pythagoreer  ganz  in  der  Weise  spotten 
wie  Luciau  über  die  Stoiker,  indem  sie  als  Menschen  hingestellt  werden, 
die  durch  ihre  Weisheit  alles  in  Schrecken  setzen.  Die  Wiederkehr  der 
Titel  bei  zwei  Dichtem  zeigt  uns  recht,  welchen  Eindruck  die  Philosophen 
aus  Tarent  damals  gemacht  haben.  Im  ^Alkmeon'  des  Mnesimachos  wurde 
dem  Apollo  ein  Opfer  nach  Pythagoreerart  dargebracht  (Kock  II  S.  436 
fr.  l).  Auffällig  muß  es  uns  jetzt  erscheinen,  daß  in  den  erhaltenen  Frag- 
menten der  Komiker  nicht  der  Seelenwandenmg  Erwähnung  getan  wird, 
die  dann  bei  Lucian  einen  so  reichlichen  Stoff  zur  Burleske  bietet  und 
zum  'Hahn'  völlig  das  Motiv  hergegeben  hat.  Benutzt  ist  das  Dogma 
aber  sicherlich;  die  eben  zitierten  Verse  aus  des  Aristophon  Tythagoristen* 
machen  es  wahrscheinlich,  daß  auch  davon  die  Rede  war.  Deutlich  er- 
wähnt finden  wir  es  im  römischen  Mimus  wieder.  Laberius  hat  im  'Krebs' 
(fir.  17  Ribbeck^  Sc.  Rom.  fr.  II  S.  342)  darauf  Bezug  genommen,  und 
daß  er  ausführlich  die  Wandlung  eines  Maultieres  zum  Menschen,  eines 
Weibes  zur  Schlange  besprochen  habe,  bezeugt  Tertullian  apol.  48  (Ribbeck' 
fr.  154  S.  366).^)  Den  Römern  war  das  Dogma  der  Seeienwanderung  ja 
durch  Ennius^)  nahe  gebracht  worden,  aber  die  Vermutung  ist  doch  nicht 
abzuweisen,  daß  es  auch  in  mimischen  Darstellungen  griechischer  Zunge, 
daß  es  auch  in  der  griechischen  Komödie  fortgelebt  hatte. 

Mit  dem  Aufkommen  der  epikureischen  und  der  stoischen  Schule  wendet 
sich  natürlich  die  Komödie  diesen  neuen  philosophischen  Richtungen  zu, 
die  ja  durch  ihren  beständigen  Streit  mehr  und  mehr  die  Aufmerksamkeit 
auf  sich  gelenkt  biibcn  müssen.'*)     Schon  gegen  Zeno  richtet  sich  der  spöt- 


\)  Vgl.  Ilohde,  Rhein.  Mus.  XXVI  (1871)  S.  667;  Griech.  Roman«,  Leipzig 
1900,  S.  27U  Anm. 

2)  Aus  den  beiden  Stellen  Minuc.  Felix  Octav.  84,  7:  'addunt  istis  et  illa 
ad  retorqtiendam  ueritatem,  in  peeudes,  aues,  beluas  hominum  animas  redire. 
Don  pbilosophi  Hane  studio,  sed  mimi  conuicio  digna  ista  sententia  est*  und 
Lactanz  div.  inHt.  V'II  12,  30  f:  'quac  8ent<*ntia  deliri  liominiH  qtioninm  ridicula 
et  mimo  di^iior  quam  scola  fuit,  ne  refoUi  quidem  serio  debuit'  folgt  natürlich 
absolut  nicht,  daß  im  Miniiis  zu  Lactauz*  Zeit  noch  Pytliagorafl'  Lehre  von  der 
Seelenwandenmg  vornpottct  wurde  Die  erHte  lehrt  gur  nichts,  aU  duÜ  man  sich 
im  Zank  gegenseitig  mit  Tiemamon  belegte,  wie  aucli  heute  noch,  die  /.weite 
höchstens,  daß  Verwandlungen  in  Tiere  oder  Nachahmungen  von  Tieren  zur 
Tätigkeit  des  Mimen  g(*hörten. 

8)  Ennianae  pocHis  reliquiae  it.  reo.  Vahlen,  Leip/.ig  190.H,  ann.  15  und  Praef. 
p.  CXLVIIL 

4)  Vgl.  F.  Ranke,  Periplocomonus  sive  de  Epiouri,  Peripateticonim,  Aristippi 
placitonim  apod  poctas  comicos  vestigiis,  Diss.  Marburg  1900,  wo  weniger  die 
bewußte  witzige  Behandlung  der  I'hiloiophen  als  das  EindriDgen  philoiophischor 
Gedanken  in  die  Rcdf*  verfolgt  ist. 


382  Anhang  V.    Pie  Philosophen  in  der  Komödie. 

tische  Ausruf  in  Philemons  'Philosophen'  (Kock  II  S.  502  fr.  85):  'Der 
treibt  eine  neue  Philosophie;  er  lehrt  hungern  und  nimmt  dazu  Schüler 
an;  ein  Brot,  als  Zukost  eine  Feige,  und  zum  Tranke  Wasser!'  Daß  Zeno 
damit  gemeint  ist,  bezeugen  Diogenes  Laert.  VII  24  und  Clemens  AI.  Strom. 

II  20,  121  (177  Sylb.);  seine  Enthaltsamkeit  war  ja  geradezu  sprichwört- 
lich geworden,  und  in  dieser  Hinsicht  wird  er  als  typisch  von  Posidipp 
(Kock  III  S.  340  fr.  15)  angeführt.  Worin  die  Verspottung  des  Kleanthes^ 
von  der  Plutarch  de  adul.  55  c  spricht,  in  einem  Stücke  Batons  lag,  wessen 
wir  nicht.  Auf  den  stoischen  Pantheismus  und  die  Umdeutung  der 
Volksreligion  geht  witzig  das  Fragment  Philemons  (Kock  11  S.  505  fr.  91j^ 
in  dem  der  allumfassende,  alles  durchdringende  Aer  auftritt,  den  man 
Zeus  nennen  könnte;  das  Komische  entstand  wohl  dadurch,  daß  er  im 
Prolog^)  als  Augenzeuge  erschien,  der  über  die  Verhältnisse  orientierte; 
*denn',  sagt  er  von  sich,  'der  Aer,  der  überall  zugegen  ist,  weiß  selbst- 
verständlich alles,  eben  weil  er  stets  dabei  ist.'  Die  Ethik  geht  ein  anderes 
Fragment  an;  bei  Theognetos  (Kock  III  S.  364)  wendet  sich  jemand  voll 
Entrüstung  gegen  einen  Schüler  der  Stoa:  'Du  richtest  mich  noch  zu- 
gi'unde,  Mensch.  Von  dem  Geschwätz  aus  der  Stoa  erfüllt,  bist  du  ganz 
krank.  "Der  Reichtum,  sagst  du,  ist  dem  Menschen  etwas  Fremdes,  nur 
dem  Reife  gleich,  die  Weisheit  dagegen  ist  sein  eigen,  ein  fester  Krystall; 
w^er  sie  erhielt,  hat  sie  noch  nie  verloren."  Ich  Unglückswurm,  welch 
einem  Philosophen  hat  mich  das  Schicksal  beigesellt.'  Dann  wirft  er  ihm 
vor,  daß  ihn  die  Bücher  ganz  verrückt  gemacht  haben,  so  daß  er  nun 
mit  Erd'  und  Himmel  philosophiert,  die  sich  um  seine  Worte  doch  nicht 
kümmern.  Eine  Verspottung  der  stoischen  Philosophie  findet  sich  auch  in 
dem    großen  Fragment   von  Damoxenos'   'Jugendgefährten'  V.  64  ff.    (Kock 

III  S.  351):  'Die  in  der  Stoa  suchen  beständig  das  Gute  und  wissen  doch 
nicht,  wie  es  aussieht.  Was  sie  also  nicht  haben  und  nicht  kennen,  das 
können  sie  natürlich  auch  keinem  andern  geben.'  Alles,  was  wir  von  der 
Behandlung  der  Stoiker  aus  der  Komödie  heut  noch  haben,  ist  also  ziem- 
lich matt  und  bleibt  sehr  auf  der  Oberfläche.  Der  Hohn  auf  die  beständig 
angebrachte  o:qeti]^  der  bei  Lucian  immer  wiederkehrt^),  schimmert  nur  in 
den  Versen  des  Theognetos  durch,  und  nur  das  Beispiel  von  dem  ai]Q 
verrät  uns,  daß  man  auch  tiefer  in  die  stoische  Lehre  eingedrungen  ist, 
um  den  Stoff  zu  komischer  Verwendung  zu  holen. 

Die  zuletzt  angeführte  Stelle  ist  aber  darum  für  uns  noch  wichtiger, 
weil  hier  ein  Vergleich  zwischen  Epikureern  und  Stoikern  gezogen  ist  und 
beide  Richtungen,  die  sich  bei  Lucian  so  heftig  befehden,  zugleich  aufs 
boshafteste  abgetan  werden.  Mit  den  Stoikern  ist  es  nichts;  Epikur  ist 
mein  Mann,  sagt  der  Redende;  der  weiß  allein,  worauf  das  Gute  beruht. 
In  den  vorhergehenden  Versen  wird  er  als  Meister  der  Köche  gepriesen; 
ein  Koch,  der  von  Demokrit  und  Epikur  nichts  weiß,  heißt  es  (V.  12ff.),^ 
den  mag  man  ruhig  entlassen.  Ausführlich  werden  die  Vorteile  geschildert,, 
die  der  Schüler  Epikurs  als  Koch  genießt.  Dabei  ist  Epikurs  Ausdrucks- 
weise   selber    parodiert.     Das    xaTccTtvTivovv  zi-jv  ijöovijV  ist  nach  Diogenes. 


1)  Siehe  Leo,  Plautinische  Forschungen,  Berlin  1805,  S.  192. 

2)  Siehe  Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  IX  (1902)  S.  272. 


Epikureer  und  Stoiker.  383 

Laert.  X  142  von  ihm  selber  gesagt;  hier  heißt  es  nicht  nur  V.  62:  ^Eni- 
xoi'oog  orrfo  v.axenv'Kvov  Trjv  i)öovrjv^  sondern  der  Koch  sagt  auch  mit 
witziger  Umbiegung  (V.  4):  TakavT^  iyco  Got  'ÄCiXinvKvoiGci  xixzaQa.  Daß 
der  Ausdruck  mit  Bosheit  gewählt  ist,  um  Epikur  zu  persiflieren,  zeigt 
deutlich  die  erstaunte  Frage  des  Mitunterredners:  'Was  heißt  das?*.  Daß 
Epikur  allein  das  äya^ov  kennt,  prei^st  auch  der  Sprecher  in  dem  Frag- 
ment der  'treuen  Gefährten'  (Kock  III  S.  314  fr.  2)  des  Hegesipp;  'denn 
jener,'  sagt  er,  'hat  auf  die  Frage,  was  das  Gute  ist,  geantwortet:  Die 
Lust!  Und  er  hat  recht;  es  gibt  kein  größeres  Gut  als  gut  zu  essen.'  Auch 
Baten  in  seinem  'Mörder'  (Kock  III  S.  327  fr.  3),  in  dem  der  Freund  des 
Bechers  spaßig  sein  eigenes  Leben  dem  der  Philosophen  gegenüberstellt, 
die  durch  ihr  Wassertrinken  der  Stadt  nicht  nützen,  den  Landmann  und 
den  Kaufmann  schädigen,  läßt  vermutlich  denselben  lustigen  Bruder  dem 
Epikur  beistimmen:  'Ich  kann  ja  ein  schönes  Mädchen  umarmen  und  zwei 
Krüge  Lesbier  haben:  da  habt  ihr  den  Weisen,  das  ist  das  Gute.  Das 
hat  schon  Epikur  gesagt  wie  ich'.  Im  'Mitbetrüger'  (Kock  III  S.  328) 
führt  derselbe  Dichter  den  Vater  eines  Jungen  ein,  der  offenbar  die  epi- 
kureischen Lehren,  wie  er  sie  auffaßt,  gar  zu  sehr  in  die  Wirklichkeit 
überträgt;  der  Vater  schmäht  den  Lehrmeister  deshalb,  weil  der  Junge 
schon  frühmorgens  dem  Becher  frönt.  Der  aber  nennt  das  nur:  verstehen 
zu  leben,  und  er  beruft  sich  auf  Epikur,  der  das  Gute  in  der  Lust  sah; 
sie  aber  kann  man  nur  erhalten,  wenn  man  sein  Dasein  genießt.  Der 
Vater  fragt:  'So?  Sahst  du  denn  schon  einen  Philosophen  trunken?'  Doch 
der  Pädagoge  erwidert  unerschrocken  mit  einer  Schilderung,  die  völlig 
denen  Lucians  gleicht:  'Alle!  Denn  mögen  sie  ihre  Augenbrauen  noch  so 
hoch  ziehen  und  in  ihren  Wandelgängen  nach  dem  Weisen  suchen,  als  ob 
er  ihnen  davongelaufen  wäre,  man  setze  ihnen  nur  einen  Prachtfisch  vor: 
sie  wissen  sofort,  wo  sie  anzufassen  haben,  und  suchen  den  Kern  dieses 
Problems,  daß  alle  staunen!'  Es  ist  bei  all  diesen  Verspottungen  der 
Epikureer  das  gleiche  Motiv,  die  Schlemmerei,  die  dann  von  Lucian  so 
ausgebeutet  wird.*)  Die  ^lu^a  gehört  mit  Epikur  zusammen*),  wie  ein 
unbekannter  Komiker  sagt  (Kock  III  S.  432  fr.  127):  fta^orv,  !]<;  'FlnUovgog 
ivnoQcju.  Aber  es  findet  sich  doch  auch  die  Theologie  Epikurs  benutzt 
bei  Menander*),  in  dessen  'Schiedsgericht'  (Kock  III  S.  51  fr.  174)  jemand 
sagt:  'Bildest  du  dir  denn  ein,  daß  die  Götter  so  viel  Muße  haben,  um 
jedem  täglich  sein  Teil  Gutes  und  Böses  zuzuteilen?'  Der  Partner  bestritt 
vielleicht  dann  diese  Ansicht.  Im  'Eunuchen'  war  die  Rede  von  der 
ewigen,  ungetrübten  Lust  der  Götter  in  einer  Stelle,  die  nach  dem  Zeugnis 
de.s  Donat  Terenz  in  seiner  'Andria'  V  5,  3  übernommen  hat.  Das  bniucht 
keine  Verspottung  zu  sein  und  war  an  der  zweiten  Stelle  gewiß  keine, 
wie  Tnrenz  zeigt.  Wenn  bei  Lucian  gerade  die  Verwendung  dieses  Dogmas 
einen  sehr  ironischen  Heigeschmack  hat,  so  muß  man  bea<'hten,  daß  es 
ZeuH  gegenüber  witzig  angebracht  ist,  der  natürlich  darin  eine  Vorringenmg 

1)  Ebondori  8.  268  ff. 

t)  Bei  Lociaii  tritt  an  die  Stelle  der  lUiiu  der  nUxxot^  Tim.  66,  )>i 
conv.  10. 

8;  Vgl.  Dergk.  Griech   Lit^^ratargoitoh.  IV,  Ucriin  18t}7,  S.  S06. 


384  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie. 

seiner  Machtvollkommenheit  sehen  muß,  da  ihm  ja  die  Einwirkung  auf 
die  Erdenvorgänge  abgesprochen   wird. 

Von  den  Megarikem  begegnen  uns  Eubulides  und  Stilpon  in  den 
Fragmenten  der  Komiker.  Ein  unbekannter  Dichter  spottet  nach  Diog. 
Laert.  II  108  über  die  Trugschlüsse  des  Eubulides,  indem  er  den  berüch- 
tigten ^Gehörnten'  besonders  nennt  (Kock  III  S.  461  fr.  294).  Die  Auf- 
lösung dieser  Trugschlüsse  war  ja  das  Bestreben  der  Stoiker,  und  so  ist 
gerade  dieser  Syllogismus  derjenige,  den  Lucian  mehrfach  zur  Zielscheibe 
seines  Spottes  macht,  wenn  er  die  Stoiker  durchhechelt.^)  Den  Stilpon 
griff  Diphilus  in  der  'Hochzeit'  an  (Kock  II  S.  547  fr.  23),  wo  er  jemand 
sagen  läßt:  "^Was  Charinus  vorbringt,  gleicht  völlig  dem,  womit  Stilpon 
einem  den   Mund  stopft.' 

Die  Kyniker  sind  nur  mit  Krates  imd  Monimos  vertreten,  ein  deutlicher 
Beweis,  wie  traurige  Reste  uns  aus  der  Fülle  von  Erzeugnissen  der  ko- 
mischen Muse  geblieben  sind;  denn  Diogenes  fehlt  ganz,  der  doch  sicherlich 
für  die  Dichter  eine  anziehende  Person  war  und  reichlichen  Stoff  bot. 
Den  Monimos  erwähnt  Menander  im  'Stallknecht'  (Kock  III  S.  72  fr.  249) 
und  rühmt  ironisch  einen  Ausspruch  von  ihm,  der  weit  über  die  bekannten 
wie  yv&d'L  aavTov  u.  dergl.  hinausgehe,  nämlich  das  Wort:  'Alles  mensch- 
liche Meinen  ist  eitel  Dunst',  das  ja  auch  für  die  Folgezeit  einen  gewissen 
Ruf  bewahrt  hat.^)  Das  Ironische  zeigt  sich  klar  in  der  spöttischen  Be- 
zeichnung: 6  nQOöaLt&v  aal  ^vncbv.  Auf  des  Krates  Abhärtung  gegen  die 
Witterung  bezieht  sich  Philemon  (Kock  II  S.  523  fr.  146):  'Im  Sommer 
trug  er  einen  dicken  Mantel,  im  Winter  aber  Lumpen.'  Damit  werden 
die  Kraftproben  verhöhnt,  wie  sie  seit  Diogenes  das  Ideal  der  Kyniker 
sind.^)  Krates  bot  auch  sonst  noch  genug  in  seinem  Leben,  was  die  Lach- 
lustigen reizen  konnte;  sein  Verhältnis  zu  Hipparchia,  die  sich  durch 
nichts  zurückhalten  ließ,  als  seine  Frau  mit  ihm  zu  wandern  und  selbst 
ohne  Heim  sich  nicht  scheute,  ihren  ehelichen  Pflichten  nachzukommen, 
sowie  das  Verfahren  mit  seiner  Tochter,  die  er  seinen  Schülern  auf  eine 
monatliche  Probezeit  zur  Verfügung  stellte,  schlug  jeder  Ehrbarkeit  und 
Sitte  so  sehr  ins  Gesicht,  daß  es  nicht  wundernehmen  kann,  wenn  Menan- 
der in  den  'Zwillingen'  ihn  deshalb  verspottet  (Kock  III  S.  35  fr.  117  f.). 
Auf  denselben  Krates  geht  wohl  auch  das  Wort  eines  unbekannten  Ko- 
mikers (Kock  III  S.  431  fr.  120),  in  dem  es  heißt:  TJrTcov  iavrov  ttoqvlölo) 
TQiaad'Uo}  savibv  ovzco  naQadiScoKsv.  Aus  den  Fragmenten  von  Antiphanes' 
'Ranzen'  (Kock  II  S.  66)  können  wir  noch  ahnen,  daß  dort  ein  Kyniker 
Proselyten  zu  machen  suchte;  da  ein  Gegner  ihm  widerspricht,  so  war  hier 
Gelegenheit  zur  Verspottung  der  ganzen  Richtung  gegeben.  Allgemein 
sind  die  barfüßigen  Bettelmönche  des  Altertums,  die  im  Freien  auf  der 
Erde  schlafen  und  sich  von  fremdem  Tische  nähren,  in  ein  paar  Versen 
des  Eubulos  geschmäht,  die  Athenäus  III  113f  gegen  den  bei  seinem 
Gastmahl  auftretenden  Anhänger  dieser  Sekte  Kynulkos  verwenden  läßt 
(Kock  II  S.  212).      Die  Verspottung    der  Kyniker    findet    selbst    noch    im 


1)  Siehe  Neue  Jahrb.  a.  a.  0.  S.  268. 

2)  Vgl.  Sext.  Empir.  adv.  math.  VIII  5,  M.  Aurel  H  15. 

3)  Neue  Jahrb.  a.  a.  0.  S.  36.5  f. 


Kyniker.     Typus  der  Philosophen.  385 

römischen  Mimus  einen  Widerhall,  Avie  des  Laberius  Tompitalien'  V.  36 
bezeugen  (Ribbeck^  Scaen.  Rom.  poes.  fr.  II  S.  345),  wo  doch  wohl  cynica 
haeresis  einfach  zur  Bezeichnung  solcher  Dinge,  wie  man  sie  von  den 
früheren  Kynikem  wußte,  genommen  ist;  denn  zu  Laberius'  Zeit  war  von 
eigentlichen  Vertretern  kynischer  Philosophie  nicht  die  Rede. 

Aber  es  kam  in  der  Komödie  gewiß  nicht  immer  darauf  an,  eine 
bestimmte  Schule  dem  Publikum  zu  kennzeichnen,  das  ja  im  Grunde  doch 
immer  nur  zum  kleinsten  Teil  mit  ihren  Lehren  bekannt  geworden  war. 
Oft  genug  werden  die  Philosophen  im  allgemeinen,  wie  sie  zu  Dutzenden 
vor  den  verwunderten  Blicken  der  Menge  umherliefen  und  durch  ihr 
Äußeres  auftielen,  als  Typus  einer  bestimmten  Menschenklasse  aufgetreten 
sein.  Man  hatte  nur  die  Empfindung  von  ihnen,  die  bei  Lucian  so  scharf 
zum  Ausdruck  kommt,  daß  sie  weltfremde,  unpraktische  und  in  allerlei 
Spitzfindigkeiten  befangene  Köpfe  seien,  über  die  sich  der  im  praktischen 
Leben  stehende  Laie  erhaben  dünkt.  ^)  Dieses  Tüfteln  und  Grübeln  war 
in  Batons  'Mitbetrüger'  als  öioqvttslv  (Kock  III  S.  329  fr.  6)  bezeichnet. 
Das  Spintisieren  über  den  Kürbis  bei  Epikrates,  die  scharfsinnige  dialek- 
tische Scheidung  zwischen  'Sein'  und  'Werden'  in  Antiphanes'  'Kleo- 
phanes',  die  moralisierenden  Betrachtungen  des  Stoikers  über  den  Wert 
des  Reichtums  bei  Theognetos  —  es  ist  ja  im  Grunde  immer  dasselbe, 
was  den  Spott  des  Komikers  dem  Publikum  verständlich  macht,  der  Gegen- 
satz des  theoretischen  Denkens  zum  praktischen  Eingreifen  in  die  Verhält- 
nisse des  Lebens,  und  Zusammenfassungen,  in  denen  die  gesamte  Philosophie 
gegenüber  einem  frischen  Lebensgenuß  verworfen  wird,  wie  bei  Alexis  (Kock 
n  S.  306  fr.  25),  mögen  sich  mehrfach  in  der  Komödie  gefunden  haben. 
Dazu  kommt  die  Unfähigkeit  der  Philosophen,  im  wirklichen  Daseins- 
kampf das  vertretene  Ideal  aufrecht  zu  erhalten.  Es  ist,  obwohl  wir  den 
Stoiker  durchfühlen,  ein  allgemein  gehaltenes  Bild,  das  die  Hetäre  bei 
Phoenikides  von  dem  knauserigen  Philosophen  entwirft  (Kock  III  S.  334 
fr.  4  V.  16  ff.),  und  es  ist  mit  Absicht  verallgemeinert,  weil  es  nur  auf 
den  Typus  ankommt.  Die  Hetäre  will  ihren  Beruf  aufgeben,  weil  sie 
kein  Glück  damit  hat,  und  mustert  einer  Freundin  gegenüber  ihre  Lieb- 
habor. Der  erste  war  der  bramarbasierende  Held,  der  seine  Wunden  zeigte, 
aber  kein  Geld  brachte  und  stets  von  Schlachten  sprach.  Der  zweite  war 
ein  Arzt,  der  viele  Patienten  zu  Tode  kurierte,  aber  auch  nicht  zahlte. 
Nun  hat  das  Schicksal  sie  mit  dem  Philosophen  zusammengebracht;  da 
ist  sie  recht  in  ihr  Unglück  geraten:  *Er  gab  mir  nichts;  und  wenn  ich 
ihn  drum  bat,  so  sagt'  er  mir,  nichts  Gutes  sei  das  Geld.  "Nun  sei's  was 
Schlechtes,  gib's  mir  ebendnim!  Wirf  du  es  fort!"  Doch  er  blieb  uner- 
bittlich.* Wir  sehen,  wie  der  Philosoph  völlig  in  die  Gesellschaft  der 
komischen  Typen  wie  Pyrgopolinikes  und  Thraso  geraten  ist.  Dabei  ist 
er  hier  von  der  andern  Seite  gepackt,  der  Widerspruch  zwischen  Lehre 
und  Leben,  die  Geldgier  scharf  beleuclitct,  die  von  Lucian  so  oft  besonders 
den  Stoikern  vorgeworfen  wird,  wie  Aiuixipp  im  'Donnerkeil'  (Kock  111  S.  299 
fr.  4)  jemand  sagen  läßt:  'Die  Philosophen  finde  ich  in  ihren  Worten  nur 
vonitJlndig,    in     üirnn    Taten    sr>li'    ich    sir«    nur    unklug.'      K-    »  "t"«    •••■•»'♦ 

1;  Sieh«'  oben  S,  2i)9.  2Uft.  M'l. 
H«lro,  Lucian  und  Mcnipp.  S6 


386  Anhang  V.    Die  Philosophen  in  der  Komödie. 

wundernehmen,  wenn  im  'Timon'  Lucians  der  Philosoph  seiner  Richtung 
nach  so  wenig  deutlich  charakterisiert  ist;  es  ist  der  Typus,  auf  den  es 
ankommt,  die  Schule  ist  gleichgültig.  Bei  der  Wandlung  zur  Charakter- 
komödie, die  die  attische  Komödie  durchgemacht  hat,  hat  auch  der  Philo- 
soph in  dem  Repertoire  seine  feste  Stelle  erhalten,  hauptsächlich  als  Ver- 
treter unpraktischen   Spekulierens  und  unwahrer  Tugendprediger. 

Es  ist  heute  nicht  mehr  möglich  aus  dem  verschwindend  kleinen 
Bruchteil  von  Titeln  imd  Versen  einen  klaren  Überblick  über  die  Bedeu- 
tung zu  gewinnen,  die  der  Philosoph  für  die  attische  Bühne  gehabt  hat. 
Es  ist  auch  nicht  immer  nötig,  eine  Verspottung  anzunehmen.  Es  liegt 
keine  Satire  darin,  wenn  Demokrits  Blendung  in  Decimus  Laberius'  "^Seiler' 
(Ribbeck,  Scaen.  Rom.  poes.  fr.  11^  S.  353  V.  72  ff.)  erwähnt  wurde;  es  ist 
nichts  als  eine  aus  der  Geschichte  der  Vorzeit  herbeigeholte  Parallele,  die 
nicht  selbst  lächerlich  gemacht  werden  soll,  wohl  aber  unter  Umständen 
dazu  dient,  das,  womit  sie  verglichen  wird,  herabzusetzen.^)  Trotzdem 
sind  auch  die  wenigen  Beispiele  schon  ausreichend  zu  zeigen  nicht  nur, 
wie  außerordentlich  schon  zur  Zeit  der  jüngeren  Komödie  die  Philosophen 
die  öffentliche  Meinung  in  Bewegung  setzten,  sondern  vor  allem,  daß  der 
Typus  des  Philosophen  im  Ganzen,  wie  der  der  einzelnen  Richtungen  im 
Grunde  schon  von  den  Komikern  geschaffen  worden  ist.  Das  Bild  kann 
hier  und  da  ergänzt  werden,  aber  im  wesentlichen  ist  es  fertig.  Als  die 
Komödie  nicht  mehr  politisch  sein  konnte  und  in  den  Charakteren  des 
Lebens  ihre  Stoffe  suchte,  konnte  sie  an  den  Philosophen  nicht  mit  ge- 
schlossenen Augen  vorübergehen;  da  entstand  die  charakteristische  Figur 
des  Philosophen;  wir  kennen  ein  Drama  ^Die  Philosophen'  (Kock  II 
S.  502)  so  gut  wie  die  zahllosen  ^Soldaten',  ^Sophisten',  'Dichter',  'Wahi'- 
sager',  wie  den  "^Walker',  "^Schuster'  usw.  Das  fertige  Gemälde  konnte  auch 
Menipp  schon  übernehmen,  um  die  Un Würdigkeit  der  andern  Schulen  zu 
zeigen;  das  fertige  Gemälde  hat  jedenfalls  Lucian  verwandt,  indem  er  hier 
und  da  etwas  anders  gruppierte,  einen  anderen  Mantel  umwarf,  aber  die 
Figuren  bleiben  dieselben  und  schließlich  liefert  auch  er  nur,  was  die 
Komiker  vor  ihm  auscrestaltet  hatten. 


1)  Es  ist  ein  wesentlicher  Unterschied,  ob  man  durch  Vergleichung  mit 
Dingen,  die  weit  über  der  Sphäre  dessen  liegen,  worum  es  sich  handelt,  dieses 
in  seiner  Nichtigkeit  zeigen  will  oder  ob  man,  von  dem  Erhabenen  ausgehend, 
beabsichtigt  dieses  durch  Zusammenstellung  mit  Vorgängen  des  gemeinen 
Lebens  zu  travestieren.  Mythologische  Vergleiche  sind  gern  in  der  ersten  Weise 
von  Komikern  und  Satirikern  angewandt  worden,  um  die  jenen  gegenüber- 
gestellten Personen  lächerlich  zu  machen.  Wenn  Chrysalus  in  den  ^Bacchides' 
die  Eroberung  seines  Herrn  mit  der  Erstürmung  Ilions  vergleicht,  wird  nicht 
Ilion  herabgezogen,  sondern  der  Gegensatz  des  durch  den  Mythus  Erhabenen 
und  des  Gewöhnlichen  soll  komisch  wirken,  und  der  Herr  ist  der  Getroffene. 
Wenn  Encolpius  bei  Patron  (140)  sich  dem  Protesilaus  vergleicht,  so  ist  nicht 
der  homerische  Held,  sondern  der  Petrons  der  Verlachte  (vgl.  Heinze,  Hermes 
XXXIV  [1899]  S.  503  Anm.  1). 


Register 


Achaios  148 

Aeakus.  Pförtner  der  Unter- 
welt, zählt  die  Toten  67  f. 

Aelian  47.  173 

Aeschiues  57.  58.  138.  163 

Aeschylus  31.  72.  173.  182. 
201.  299 

Aesop  94 

Aetius  84.  85.  86.  87.  90 

Agatharchidas  196 

Agathokles,  Arzt  77 

Akademiker,  Polemik  gegen 
Yorsehungäglauben  und 
Mantik  129,  Polemik  gegen 
die  Gottesbe weise  143  ff. 
157  f. 

Alexander  von  Abonutei- 
chos  5.  13 

Alexander  von  Aphrodieias 
121.   122.   124.  125.  128 

Alexanderdialoge  176.207ff. 

Alexandrinische  Poesie  177. 
180.  a25 

Alexis  59.  269.  377.  379. 
380.  385 

Alkibiades,  typisches  Bei- 
spiel  118.  129 

Alkiphron  105.  185.  194. 
269.  272.  332 

Amphilochus  154 

Amphis  179.  377 

Anakreon  266 

Auaxagoras  85.  86 

Anaxandrides  145.  156.  377 

Anaxilas  25 

Anaximander  83.  84.  86 

Anaximenes,  Philosoph  86 
Khetor  320 

Anaxipp  385 

Anthologia  Palatina  69 

Antigonos,  König  97 

„        von  Kar3'8to8  285 
„       Kommentator  des 
Nikander  77 

Antiochufl*  Liebe  zur  Stra- 
tonikc  97 

AntiphaneH  65.  145.  186. 
187.  189.  190.  268.  821. 
867    374.  878.  880.  «84 

AntiitbeneH  47.  5H.  120. 125. 

•Vpl  .»8 

ApoK     .  .         "-   raulii«  88 

Apollodor,  K  t 

kor 

l-i     :•!••    ••:;■' 


ApoUonius  von  Tyana  41 
„        Mirabilienschrei- 

ber  102 
Apollophanes  156 
Apostelgeschichte  105 
Appian  206 
Apuleius  5.  11.  25.  26.  35. 

69.  105.  117.160.  180.224. 

268.    279.    299.    303.    313. 

315.  316.  377 
Araros  179 

Arat  82.  94.  95.  182.  317 
Archibios,  Arzt  77 
Archippus  36.   190.  304 
Arethas  127 
Aristeas  102 
Aristides,  typisches  Beispiel 

119.  129  f.  138 
Aristides,  Khetor  5.  11.  41. 

43.  52.  53.  59.  71.  95.  101. 

118.    148.    150.    154.    164. 

223.  280.  314.  369 
Aristipp  34.  56.  91.  229 
Aristodem  138 
Ariston  von  Chios  48.  49.  92 

„        von  Keos  49 
Aristophanes  4.  14.  20.  21. 

23.  27.  28.  30.  67.  69.  70. 

71.   85.   88.    90.  99.  103  f. 

106.    107.    108.    110.    111. 

126.    137.    140.    156.    163. 

186.  188  f.  205  f.  244.  269. 

286.    287.   290.  298  f.  304. 

318.  319.  320.  334.  371  ff. 

374.  375.  379.  385 
Aristophon     34.    106.    376. 

380.  381 
Aristoteles  67.   83.   84.  86. 

86.  8M.  148.  360.  375,  n£Ql 

xoaiiov    93 ,    Verapottaug 

des  A.  207.  280 
Arkesilaos  89 
Arrian  7.  48.  154.  208.  209 
ArsakcH  98 
Artcmidor  107 
AthenäuB    80.    86.    68.    89. 

145.    178.    192.    281.    268. 

264.  267.    261.    262.    26«. 

267.    27M.    817.    867.    874. 

37M  f.   880.   «84 
.\tli.'iiin'(»r;m   hT     147     309 


.\uguHtin   luo.   149 

.VugUMiUH    58 


Babrius  148.  304 
Baton  264.  383.  385 
Beispiele      typischer     Art 

53  ff.  119  f.  138.  193.  197  f. 

326.  342 
Beschwörung  der  Geister  28 
Bion  vom  Borysthenes  40. 

48.  49.  92.   128.  242.  243. 

248.  280.  286.  317 

Calvus  253 

Capitolinus  356 

Carlyle  105 

Cassius  Dio  70 

Catull  55.  69 

Celsus  153  f.  164 

Cervantes  3.  51 

Chaerephon  375 

Chalcidius  122 

Charops  120 

Chiron  211  f. 

Choricius  333 

Chrysipp   85.    94.   95.    120. 

122.  123.  144.  200.  230. 
266.  273.  320 

Cicero  39.   41.   49.   50.   53. 
85.  87.  95.  103.   107.  122. 

123.  124.  125.  126.  127. 
128.  138.142.144.  145.  146. 
147.  149.  150.  156.  157  f. 
159.  162.  163.  168.  200. 
210.  252.  270.  279.  283.  340 

Claudian  26.  31 

Clemens    Alexandrinus   27. 

53.  64.  71.  85.  87.  92.  98. 

95.     144.     146.    147.    164. 

169  t'.    200.    243.    287.  882 
Culex  81 

Damoxenos  382 

Dante  56 

Delphi,  Orakel  101 

Demades  49 

Demctrios,  Sohn  des  Anti- 

gonos  97 
Demctrioa  Chloros  77 
„  Kyniker  70 

Demokrit  88*  85 
Demonax.  Kyniker  126 
Demostlienc»    58.     67.    68. 

120.     138,      Vorbild      im 

2.  Jahrh.  n.  Chr.   160.  277 
Diagoran  von  .Moloi  87.  879 
DiuKirn  99.   186 
Dichtung  im  Widcrapnich 

mit  der  Moral  «8  f. 


388 


Register. 


Dio  Chrysostoinus    15.   27. 

45.  47.  54.  56.  59.  75.  93. 

117.  118.   120.    125.  175  f. 

181.195.208.209.211.212 
Diodor,  Komiker  358 
„        Historiker   30.   32. 

49.  54.  101.  145 
Diogenes  von  Apollonia  372 
„         Laertius    40.    53. 

54.  59.  70.  71.  85.  88.  91. 

92.  95.  102.  120.  122.  125. 

129.    196     200.    215.    227. 

230.  (Diogenesvita)  231 
— 238.  (Antisthenesvita) 
238.  242.  243.  244.  248  f. 
254.  263.  270.  273.  278. 
280.  283.  284.  286.  300. 
309  f.  317.  320.  326.  320. 
330.  334.  341.  343.  377. 
380.  381.  382.  383.  384 

Diogenes    von    Sinope    40. 

48.     56.     70.    71.    88.    92. 

103.    121.    125.    127.    170. 

212.    280.    325.    330.    334. 

358,     Tragödie    Herakles 

2 10  f.,  Vergleich  mit  Sokra- 

tes     211,     Verkauf     231 

—250 
Diogenes  der  Jüngere  53. 70 
Diogenian  120.  124 
Dion  56 
Dionys  von  Halikarnass  95. 

279 
Dionys  von  Syrakus  56 
Dionysios     6     ^srccd-siisvog 

283.  286—288 
Diphilus  27.  329.  384 
Dodona  101 
Donat  383 

Empedokles    84.    89.    197. 

309.  326 
Empedotimos  80.  103 
Ennius  158.   280.    325.  381 
Epliippus  378 
Epioharm  182 
Epikrates  253.  378.  385 
Epiktet  41.  47.  48.  49.  50. 

54.    55.    58.     70.     94.    95. 

168.    200.    209.    211.   228. 

231.  243.  244.  246.  247  f. 
285.  313 

Epikur  39.  83.  138,  149. 
230.  256.  286.  329 

Epikureer  86.  88.  143, 
Theologie  120.  122,  Argu- 
mente gegen  die  göttl. 
Vorsehung  127,  Polemik 
gegen  die  stoischen  Got- 
tesbeweise     bei      Lucian 


143  ff. ,    Epikureer  in  der 

Komödie  382  f. 
Epimenides  103 
Erasmus  2.  3.  118 
Erbschleicherdialoge  203  f. 
Eubulides  384 
Eubulos,  Verf.   einer  Jio- 

ytvovg  ngciüLS  238 
Eubulos,  Komiker  104.  110 
Eudem  84.  271 
Eudoxos  von  Knidos  84 
Eunapios  2 
Euphrates,  Stoiker  41 
Euphron  157 
Eupolis    14.   119.  264.  279. 

297.321.371.373.374.375 
Euripides    6.    19.    56.    119. 

125.    137.    138.    144.    172. 

174.  175  f.    184.  200.  202. 

241.    242.    243.    248.    251. 

256.    266.    287.    298.    299. 

302.    324  f.   343.    359.  360 
Eusebius  120.  124.  125.  126. 

127.  128.  130.  155 
Eustathius  190.  210 

Fatum  120  ff. 
Favorin  89 
Fulgentius  53.  171 

Galaton,  Maler  173 
Galen  55.  77.  95.  271 
Geierflügel  105 
Gellius  234.  239.  265.  317. 

326 
Gnathaina  und  ihr  Tisch-' 

reglement  36.  218 
Goethe  3.  9 
Gorgias  181.  374 
Gregor  von  Nazianz  280.  316 
Gregor  der  Große  1 

Hadesfahrt  20,  des  Hera- 
kles 21.  22,  des  Odysseus 
22,  des  Orpheus  22.  29, 
Vorbereitungen  zur  H.  22, 
Verkleidung  dabei  30, 
ägyptische  H.  66 

Hegesipp  383 

Heine  7 

Hekate,  Zaubergöttin,  wx^cc 
29 

Heniochus  304 

Herakleides  Pontikos  80. 
102.  270.   326 

Heraklesverspottung  209  f. 

Heraklit  85.  86.  262.  263 

Heras,  Kyniker  70 

Hermagoras  317 

Hermarch  271 


Hermias  irrisio  gent.  phil. 

84.  103 
Hermipp,  Komiker  69.  252. 

379 
Hermipp,  verschied.  Schrift- 
steller des  Namens  249  f. 
Herodes  Atticus  7.  12.  150 
Herodot  55.  102.  124.  138. 

144.  145.  153.  (von  Lucian 

benutzt)  167  f.  173.  207.304 
Hesiod  38.  56.  94.  148.  182. 

217.    222.    266.    325.    348. 

352.  359.  362 
Hierokles  94 
Hieronymus  238 
Himerius  48.  71.  176.  177  f. 
Hippias,  Sophist  176 
Hippodamos  von  Milet  375 
Hippokrates  289,  Briefe  91 
Hippolytus  128 
Hippon  379 
Hipponax  27 
Hotfmann,  E.  Th.  A.  343 
Homer   19.    31.    38.  43.  56. 

72.    79.    82.    92.    94.    107. 

115.    119.    120.    136.    137. 

138.    139.    141.    143.    144. 

158.    159.    161.    167.    171. 

172.    177.    180.    182.    196. 

209  f.    214.   217.  222.  243. 

252.    258.    266.    289.    298. 

302.    319.    324.    343.    348. 

351.    352.    358.    359.    362. 

367.  369,  Homerverse  als 

Zauberformel  172 
•Horaz    19.    21.   28.    29.   51. 

54.  56.  92.  171.  187.  205. 

248.  251.  265.  285  f.    301. 

325.  329 
Hütten,  Ulrich  von  2.  6 
Hyperbolos,  typisches  Bei- 
spiel 186 

Jamblichos  380 
Johannes  Chrysostomus  52 
Isidorus,  Kyniker  70 
Julian  1.    11.    73.   92.    121. 
140.  162.  206.  240,     Ver- 
hältnis zu  Lucian  74  f. 
Justin    42.    53,    dial.    cum 
Tryph.    lud.    42,     cohort. 
42  ff.  103.  149 
Juvenal  4.  41.  54.  60  f.  145. 
168.  205.  218—222.  224  f. 
303 

Kallias,  tvpisches  Beispiel 

119.  129^  138.  186 
Kallimachus  76.  148 
Karneades  89.  138. 146.  200. 

230,    Polemik    gegen  die 


Register. 


389 


Vorsehung  127,  Polemik 
gegen  den  Götterglauben 
157 

Kebes  306 

Kephisodor  59 

Kleanthes  144.  266.  272. 
300.  320.  382 

Klearch  271 

Klemensroman  44 

Kleobul  53 

Kleomenes  238.  244 

Kleon,  typisches  Beispiel 
186 

Klitomachus  146.  157.  200 

Koloß  von  Rhodus  100.  139 

Krates,  Komiker  334 

Kyniker  20.  40.  48. 
75.  76.  82.  227.  243.  335. 
384 

Kratesbriefe  241.  243 

Kratinus  25.  27.  59.  86. 
111.  119.  156.  163.  264. 
279.299.  321.  373.375.379 

Kratinus  der  Jüngere  377. 
381 

Kritias  67 

Krösus,  typisches  Beispiel 
54  f.  168.  197  f.  326,  Krö- 
susorakel 119.  124.  141. 
143 

Kürbis  und  seine  Bedeu- 
tung 73 

Kynismus:  Kynische  Worte 
tö  TtuQOv  tv  Qia^ui  37. 
212,  ciVia  TtoTccuüiv  240, 
yvätd^L     öavtov    198.    208, 

343.  Lehre:  Kyniker  als 
Arzt  und  Aufseher  70. 
90  f.  166.  240,  Ablehnung 
der  Mysterien  71,  der  na- 
turwissenschaftlichen For- 
schung «8.  90,  des  Toten- 
kultcs  170,  der  Wünsche, 
Opfer,  üebetc  91  ff. ,  der 
Ansicht  vom  Futura  und 
der  Vorsehung  120tf.,  Ver- 
achtung des  Goldes  und 
Predigt  gegen  den  Luxus 
169  f.  262,  Preis  der  Ar- 
mut 880,  I'olitische  An- 
flicht 830,  Üenihrung  mit 
den  Skeptikern  Hn,  K- 
ker  in  dvr  Komödie 
J{vf"l-'..t....|,t  313.  ;ii.. .. 
k\ !  gluiuhe  «iehe 

VV 

Kyr.  hleti«  zu 

kyi 

Kyphen  148 


Kyros ,    typisches    Beispiel 
197 

Laberius   28.  30.  189.  264. 

381.  385.  386 
Lactanz  2.  158.  161 
Laiosorakel  119.  124.  125 
Leukipp  83 
lex  Tappula  36.  218 
Libanius     11.    16.    43.    54. 
121.  123.  168.  185.    248  f. 
329.  365—369 
Livius  206 
Lucan  29 

Lucasevangelium  66.  105 
Lucian:    Stellung    zu    den 
Zeitströmungen  und  Cha- 
raktere, Sophist  9,  Wande- 
rungen 111  f.  340,  Schrift- 
stellerische    Entwicklung 
11,  beschreibt  Bilder  177. 
180,   beschreibt  Pantomi- 
men 180,  Verehrung  Pia- 
tons    39,      Verbindungen 
mit  Römern  61,  Kenntnis 
Juvenals    60  f. ,     Kenntnis 
des    Horaz  204  f. ,    Zunei- 
neigung  zu  den  Epikureern 
129,  Abneigung  gegen  die 
Stoiker    370,    Satire    auf 
seine     Zeit     60  f.     203  f.. 
Nachleben  1  ff. 
Lucian :  Einzelne  Schriften : 
abdicat.  12.  354 
adv.  indoct.  309.  363 
Alexander  7.  26.  27.   54. 

154.  201.  209.  365 
amores  260.  354  f. 
Anacharsis  13.   118.  178. 

228.  330.  363 

apolog.  46.  75.  189 

Bacchus  7.    13.    178.  282 

bis    accus.    10.     11.    14. 

16.    44.    112.    118.    178. 

181.  183.  228.  280.  261. 

252      275  —  291.     (Ab- 

Mgszeiti    2H9,    291. 

•'JiK  296.  800.  802. 

;!<».,    :t07.  308.  809.   310. 

311.   312.  814.  316.  318. 

319.  832.  840.  841.   352. 

354.   360.  362.   865.  872. 

■Ml 

lunin.   non  tem.    cred. 

177 

«utupluH  26.    82.   68^79. 

'M     IM.-,     118.    119.   171. 

on     7,u     den 

I    •      ^     ir.i.-luMi        192 

—  1W¥.    tv  .'SO. 


322.  329.  333.  335.  340. 
348.  349 

Charidem  99 

Charon  54.  68.  90.  108. 
161.  166  —  174.  (Ab- 
fassungszeit) 168.  191. 
297.  322.  326.  340.  349. 
350 

convivium  74.  90.  230. 
254—274.  290.  296.  297. 

302.  311.  331.  345.  351. 
353.  362.  372.  373.  377. 
383 

cynicus  3.    75.    169.  262. 

303.  308.  316.  360 
de  dea  Syria  144 
de  domo  177  f. 
Demonax  2.  56.   71.    126 
deor.  concil.  74.  80.  105. 

148.  152  —  165.  183.  202. 

352 
dialog.    deor.   3.   13.   64. 

108.  117.  137.  139.  140. 

171.      172.    174.     178  ff. 

181.  187.  194.  213.  215. 

289.  308.  314.  351.  352. 

353 
dialog.  mar.  44.  64.177f. 

180  f.  213 

dialog.    meretr.    2.    13. 

117.  170.  192.  204.  213. 

269.  333 
dialog.   mort.   2.   33.  34. 

37.    56.   59.    68.    70.  74. 

75.  76.  79.  89.  112.  117. 

164.  168.   175  —  214(190 

—214).     224.    229.   230. 

240.  243.  248.  270.  304. 

305.  306.  309.  316.  322. 

838.  340.  348.  349.  350. 

360.     377.     380.       Ab- 
fassungszeit 195.  214 
euuuch.  89.  112 
fugit.   89.  112.  181.  183. 

198.  272.  306.  306.  307 

—  321.   340.   341.      Ab- 
fassungszeit 198.    808  f. 
gallus    21.     45.     52.    76. 

77.    184.   185.   189.    191. 

197.   202.  228.  229.  280. 

267.  268.  269.  273.  290. 

296.      306.      822  —  336. 

388.  340.   .'(48.  366.  366. 

362.  863.  3H«>.  381.    Ab- 

fu«nung«/.pit    8^;'v      t  J» 

364 
Ilunnonid.   18. 
Horetilcii  18    177.  Tltit 
Honu..tim     n      7".      87. 

h       ■  ■  - 1 


390 


Register. 


li)4.      209.      229.      230. 

268  f.     270.     271.     272. 

287.  290.  296.  297.  298. 

303.  316.  331.  332.  334. 

337.  338.  340.  341.  359. 

360.  362.  363.  370.  379. 

Abtassungszeit  340 
Herodot.  112.  177 
bist.  quom.  coiiscrib.  86. 

112.  137.  191.  365 
Icarom.   43.    46.    52.    77. 

80—114.  117.  1.30.  131. 

132.  139.  140.  147.  148. 

154.  155.  156.   159.  160. 

164.  166  f.  171.  172.178. 
184.  186.  191  192.  197. 
230.  242.  267.  271.  272. 
281.  284.  287.  289.  290. 
297.  301.  305.  311.  312. 
319.  326.  331.  332.  338. 
340.  348.  352.  353.  362. 
3G4.  372.  377.  Abfas- 
sungszeit 114.  364 

imag.  44.  153.  325.  332. 
340.  354-356.  357.365. 

pro  imag.  54.  177.  340. 
353.  355  f. 

iud.  vocal.  12.  179 

lupp.  conf.  75.  80.  115 
— 132.  (Abfassungszeit) 
132.  137.  (Beziebung. 
zum  trag.  Zeus)  141  tf. 
146.  147.  154.  165.  184. 
198.  200  f.  (Beziebung. 
zu  den  Saturnal.)  2 1 6  f. 
218.  230.  248.  340.  351. 
352.  353 

lupp.  trag.  43.  74.  75. 
80.  132.  133—151.  (Be- 
ziebung. zur  Götterver- 
sammlung)  153  f.  155. 
156.  159.  160.  161.  163. 

165.  178.  183.  184.  191. 
218.  230.  243.  252.  272. 
273.  277.  288.  290.  298. 
306.  309.  312.  332.  351. 
352.  353.  354.  355.  Ab- 
fassungszeit  183  ff.  364 

pro  laps.  inter  salut.  61. 

206 
Lexipbanes  77.  193.  256. 

291.      297.      337.     354. 

363 
Lucius  268 
de    luctu    68.     170.    348 

—350.  352 
macrobii  230 
de  merced.  cond.  52.  55. 

90.  219  ff.  273.  306.  313. 

331.  350.  360.  362.  370 


muscae  encom.  12.  279. 
357.  360 

navigium  45.  55.  112. 
337  —  340.  360.  Ab- 
fassungszeit 339 

necyom.  3.  16—62.  (Ab- 
fassungszeit) 60.  (Be- 
ziebung. zur  Nieder- 
fahrt) 67  ff.  71.  76.  78. 
83.  105.  110.  118.  139. 
163.  171.  183.  184.  (Be- 
ziebung. zu  den  Toten- 
gespr.)  193—199.  202. 
207.  209.  213.  242.  251. 
287.  290.  296.  301.  311. 
326.  338.  340.  348.  349. 
352.  362.  372 

Nigrin.  45.  46.  53.  61. 
75.  96.  219  tf.  224.  257. 

272.  311.  314.  349.  350. 
356.  360.  361.  362.  363. 
365.  370 

de  parasito  357 — 364 
Peregrinus  1.    7.    76.  89. 

106.  114.  137.  309.  316. 

321.  339.  363 
Pbalaris  12.  181.  279.  362 
Pbilopseudes  1.  3.  26.  28. 

29.  267  f.  270.  271.  272. 

273.  339.  360 
piscator    4.    11.    14.    46. 

90.    243.    272.    282.    292 

—  306.  Abfassungszeit 
294,  310.  311.  312.  313. 
314.  320.  321.  334.  340. 
341.  350.  360.  373.  383 

Prometheus  95. 174.  181  f. 

183.  351.  353 
Prometheus  in  verbis  13. 

280—282 
Pseudolog.    10.   11.    111. 

113.  300.  320.  363 
rhetor.  praecept.   10.  16. 

46.   150.    209.    279.  291. 

306.  362 

de  sacrificio  93.  103.  140. 

170.  337.  350—353 
de    saltatione    180.    181. 

365—370 
Saturnalia    44.     52.     74. 

191.  215—226.  340.362. 

363 
Scytha  112.  178 
somniura  12.  278 
Timon  54.    99.    181.    182 

—  190.  191.  193.  205. 
272.  288.  289.  294.  297. 

307.  308.  311.  312.  314. 
324.  332.  333.  340.  349. 
352.  353.  362.  363.  364. 


377.  383.  386.  (Ab- 
fassungszeit) 185,  288, 
364 

Toxaris  3.  177.  268.  339 
tyrannicida    3.    12.    279 

354 
verae    historiae    34.    89. 

197.  207.  229.  230.  268. 

282.  320.  349.  360.  362 
vitar.  auctio  74.  84.  181. 

197.  207.  227—253.  285. 

288.  289.  294.  295.  :{15 

316.  331.  332.  333.  340. 

353.  354.  372.  373.  377. 

378.  379.  Abfassungs- 
zeit 228  f. 

Zeuxis  13.  177.  280—282. 
Lucilius   36.    138.   (Götter- 

versanimlung)  158  ff.  209. 

265 
Lucrez  120 

Lukios  von  Patrai  268 
Lykurg  168 
Lysimachos  97 

Mantik  123  ff. 

Marcellus  Empiricus  172 

Mark  Aurel  37.  50.  53.  55. 
211.  356.  384 

Martial  54.  55.  61. 

Martianus  Capella  173 

Mausolus  56.  199 

Maximus,  Kyniker,  Bischof 
316 

Maximus  Tyrius  48.  51.  52. 
54.  55.  59.  88.  91.  92.  94. 
102.  107.  109.  116.  119. 
121.  122.  124.  128.  129. 
130.  138.  168.  171.  174. 
186.  206.  211.  212.  251. 
252.  287.  350 

Mazaris,  Leiden  des  Tima- 
rion  57 

Meidias,  typisches  Beispiel 
120.  138 

Meleager,  Kyniker  273.  347 

Meletos,  typ.  Beispiel  120 

Menander  25.  36.  59.  123. 
138.  190.  203.  253.  300. 
311.  333.  383.  384 

Menipp  mildert  den  Rigo- 
rismus   der    Kyniker    15. 
34,  parodiert  Homer  und  j 
Euripides      19,      Lucians4 
Kenntnisse     von     seinem 
Leben  59.  212,  Verhältnis 
zu    Bion    242.    286,    Ver- 
hältnis zur  Komödie  341, 
Charakteristika  seiner 
Schriftstellerei  342  ff.  An- 


Register. 


391 


griffe  gegen  die  Epikureer 
129,  Nekyia  10—79.  1G5 
—174.  191  —  214,  Himmel- 
fahrt 80—165.  167—174, 
Symposion  150.  218.  254 
—274,  Arke.silaos  89  231. 
262.  263,  Jioytvovg  tiqü- 
Gtg  38.  204.  231—250, 
Götterbriefe  93.  215.  222 
—  226,  Verfolgungsszene 
298—302,  Gerichtsszene 
282  —  288 ,  Satire  gegen 
Persaios  315 — 318,  Lob 
der  Armut  324 — 332,  tiqös 
rovg  (pvüLxovg  xal  ua-ö^Tj- 
uarixovg  xcci  '/qccuucctlxovs 
40.  88.  231 

Metrodor  138.  271 

Metrokies  239.  244 

Midas,  typisches  Beispiel 
197  f.  326 

Mikyllos,  Parallele  zu  Ky- 
niskos  65  f.,  im  'Hahn' 
335,  bei  Krates  76 

Milon,  typisches  Beispiel 
168 

Mimus  30.  105.  344 

Minucius  Felix  127.  142. 
145.  280.  381 

Mithras  23.  62.  104  tf. 

Mithra-slitorgie  104.  105 

Mnenimachos  381 

Momus  148 

Monimos  384 

More,  Thomas  3 

Moschoa   177 

Musaios  103 

Mu8oniu.sl69f.  247.262.315 

Mysterien,  Pflege  im  2  Jahr- 
hundert n.  Chr.  4  f.  23, 
Vorschriften  22,  Gebrauch 
der  Fackeln  71,  des  Mi- 
thras 28.  104  ff.,  eleusi- 
niHche  71,  Verspottung 
durch  Aristophanes  23, 
V*»r'«pottiing  durch  Lucian 

.1    !oj  fr 


Ml!; 

HCl 

m* 


u,'    mit    komi- 

it  86.  96.  292. 

II    wie  Ikaro- 

Philosophen- 


Oinomaos  75.  121.  124.  126. 

128.  129.  130 
Olympia,  Beziehungen  auf 

0.    in    Lucians    Schriften 

111  ff.    339  f.,    Ekecheirie 

113 
Olympieion   in  Athen  98  f. 
Orakelparodien  136  f. 
Origenes  153  f.  164.  285 
Orphische  Lehren  32,  Vers 

229.  325 

Ovid   28.    29.  54.  168.  177. 

180.  325 
Oxyartes  77 

Pantomimus  180.  365—370 

Parmenides  103.  374 

Parodien  von  Volksbe- 
8chlüs.sen,  Gesetzen  usw. 
36,  von  Formeln  der  Volks- 
versammlung 162  f.,  von 
Orakeln  136  f. 

Pausanias  97.  100.  103. 
113.  154.  155 

Peregrinus  13,  Todesjahr 
114 

Pergamon,  Asklepioskult 
101 

Persaios  317 

Persius   92.    126.   127.  169. 

230.  262.   358 
Personifikationen  von  Ruhe- 
bett, Lampe  usw.  69 

Petron52.  167. 171.  306.  386 

Phaedrus  76 

Phakas  von  Chalkedon  375 

Pharus  von  Alexandria  100 

Pherekrates    188.   305.  312 

Phidias  100 

Philemon  65.  382.  384 

Philipp  von  Makedonien  66. 
176.  208 

Philippides  377 

I'hilippüs,  Sophist  874 

Philiskos  69.   179 

Philo  50.  55.  126.  127.  128. 
234.  239.  241—244.  262 

I'hilodem  87    272.  317 

IMiilonides  817 

Philosophen,  Widersprilche 
miteinander  40.  88  ff.;  zwi- 
schen Lehre  und  Leben 
40,  in  der  Komrtdie  871 
—886,  auf  dem  Hron/e- 
gofllß  von   HeiHtal  42 

l'hilosopljic,    [{«»rieht   über 

i),,..     |"f,»u,.lJ,,i!;f    809  f. 

41.  166. 
Phlegon  2dH 


Phoenikides  190.  385 
Phokion,  tvpisches  Beispiel 

119.  130.*  138 
Photius  2.  9.  375 
Phryne  77 

Phrynichos  30.  186.  253 
Pindar  31.  94.  184.  266.  325 
Piaton,   Philosoph    13.   30. 

31  f.    33.    35.   38.    39.    44. 

46.  53.  54.  73.  83.  84.  85. 

86.  91.  94.  118.  131.  169. 

194.    204.    228.    229.    251. 

252.  256—259.  266.  279f. 

287.    298.    307.    309.   329. 

331.    337.    348.    349.    354. 

357.  358.  359.360.361.  373, 

in  der  Komödie  375—378 
Piaton,  Komiker  131.  186 
Plautus    36.  320.  321.  333. 

342.  386 
Plinius  der  Ältere  26.  77. 

84.  100.  102.  174.  180.  329 
Plinius  der  Jüngere  10.  222 
Plotin  31 
Plutarch  31.  35.  52.  53.  56. 

57.    58     59.    71.    74.    76  f. 

95.  97.  99.  126.  128.  130. 

140.    145.    153.    179.    186. 

200.    206.    210.   239.    252. 

257.  259  f.    268.  285.  311. 

312.  318.  325.  382 
Poimandres  105 
Polemon,    Philosoph    270. 

278.  283.  2H4— 286 
Polemon,  Sophist  12.  150 
Pollux  291 

Polos,  Schauspieler  57.  138 
Polybius  97.  100.  101 
Polydamas  154  f 
Porphyrio,  Horazschol.  288 
Porphyrios  31.  105 
Posidipp  77.  382 
Posidonius  84.  89.  280 
Priapoa  54 
Prodikos  12.  874 
Proklos  31.  210 
I  Properz  31.  88.64.118.  279 

Protagoras  874 
'  Protesilaos  156 
PtolemtluH  PhiladolphusltfS 
]    (leschvNi  *       '       '^fi 
Ptoloniili  tes  19S 

Pvrrhoii  ^.'.   -...<.   J88 
IVthagora«   197.   229.  826, 

in  der  Kon)r>di(!  880  f. 
Pvthagoroer     H4.    86.     86. 
I    870  ff 

,  QuoroluN  Vil 
IguiotiH» 


392 


Register. 


Rabelais  3.  23  f.  56 
Reuchlin  2 

Sachs,  Hans  2.  192 

Sallustios  39 

Sardanapal,  typisches  Bei- 
spiel 119.  138.   197  f. 

Satyros,  Schauspieler  57  f. 
138 

Satyros,  Biograph  238 

Scharr  8 

Schiller  3.  9. 

Seneca  der  Ältere  12 

Seneca  der  Jüngere  14.  31. 
32.  41.  50.  51.  52.  53.  58. 
72  f.  89.  94.  107  f.  121. 
123.  127.  151.  158.  161  f. 
194.  243.  244.  245.  278. 
306.  314.  315 

Serapis  nicht  erwähnt  von 
Lucian  164 

Servius  158 

Sextus  Empirien s  39.  77.  83. 
87.  88.  143.  144.  145.  146. 
147.157.164.184.196.384 

Sextus  von  Chaeronea  364 

Shakespeare  187 

Silius  Italiens  30 

Skeptiker  88. 147.377.  Ver- 
spottung der  Sk.  229  f. 
s.  Akademiker 

Sokrates  56.  59.  86.  91.  169. 
197.  229,  typisches  Bei- 
spiel 120.  129  f.  138,  Ver- 
gleich mit  Diogenes  211, 
Verspottung  in  der  Ko- 
mödie 871  if. 

Sopatros  30 

Sophisten  9,  Themen  10, 
meiden  Stoffe  der  Gegen- 
wart 15,  paraphrasieren 
dramatische  Szenen  175, 
beschreiben  bildliche  Dar- 
stellungen 177 f.,  wandern 
340,  Spott  auf  die  Sophi- 
sten 151,  in  der  Komödie 
374 

Sophokles  148.  266 

Sophron  182 

Sosipatros  358 

Sostratos  201 

Sotion  53 

Spatinus  98 

Sprachliches  354. 359  f.,  l'öag 
in  der  Antwort  308  f.,  An- 
fang des  Dialoges  mit  d£ 
117  f. 

Statius  28.  29.  31.  114 


Stilpon  376.  384 

Stobäus   85.  189.  204.  241. 

248.  280.  325.  330.  358 
Stoiker  86.  88,  Lehre  von 
der  Heimarmene  120,  Vor- 
!    sehungsglaube  122,  Man- 
;    tik    123,     Annahme    der 
Strafe    an    Kindern    und 
Enkeln  128,  Goltesbeweise 
143  tl".,  Vorliebe  für  Dich- 
terzitate 144,  Ansicht  vom 
j    Weltuntergang  u.  a.   ver- 
!    spottet  263  f. ,   Stoiker  in 
\    der  Komödie  381  f.,  Stoi- 
!    kertracht  316 
Strabo  49.  97.  101.  145.  154. 
i    174.  329 
!  Sueton  53.  70 
Suidas  1.  239.  240.  282.  283. 

317.  343.  364 
Synesius  48 
Synkrisis  205  f.  286  f. 

I  Tacitus  10 

Tantalus  171.  195 
I  Tatian  207.  280.  316 
I  Teles  45.  48.  49.  119.  129. 
I    171.  189.  243.  328 

Terenz   280.   311.   320.  383 

Tertullian    103.    162.    164. 
i    169.  210  f.  381 
:  Testamentum  Grunnii  Coro- 

cottae  37 
\  Theagenes  76 
I  Themistins  52.  59.  74.  280. 
'    285.  305.  318 

ThemistokleSjtypisches  Bei- 
spiel 138 

Theo,  Rhetor  320 

Theodicee  126  ff. 

Theodoros,  Atheist  87 

„  Prodromos   228 

Theognetos  333.  382.  385 
I  Theokrit  95.  177.  334 
j  Theophrast  88.  90.  376 

Theopomp,  Historiker  320 

,,  Komiker  376 

;  Thersites,    typisches    Bei- 
spiel 54.  196 

Thrasymachos  374 

Thukydides  117.  359 

Tibull  26 

Timokles  110.  357 

Timon    Sillenschreiber   20. 
40.  82.  87.  304—305 

Timotheus  312 

Tiresias  in  der  Hadeswan- 
derung 20 


j  Totengericht  31  ff.,  Anklä- 

!    ger  31,  Richter  31,  ägyp- 

I    tisches    32,    Tote    klagen 

j    an  33,  Schatten  klagen  an 

:    33,  Strafen  34 

!  Trophonius  59.  164.  156 

I 

:  Valerius  Maximus  230.  285 

'  Varro   14.    19.   40.   71.    78. 

i    79.  88.  92.  108  f.  131.  149. 

j    150.    162.    167.    182.    245. 

I    261.  263.    264  f.   288.    299 

i    —301.  303.  304.  314.  320. 

325.  331.  337 
Vergil   19.    22.   28.    29.  30. 
31.  32.  34.  38.  67.  72.  118. 

j    242 
Vergleiche  342 :  Festzug  44, 

j    Schauspieler  45  ff.  94.  296. 

1  328.  338,  Chor  93.  167, 
Ameisen  94.  167,  Wasser- 
blasen 167,  Wespen- 
schwarm  167,  Mischtrank 
167,  Standbilder  329,  Schiff 
und  Steuermann  147.  362, 
Geldbeutel  204,  Gefäß 
239,  Tantalus  171.  195, 
Dädalus  und  Ikarus  325. 
338 
Voltaire  3.  7 

Wieland  3.  8.  20.  68.  96. 
99.  100.  327 

Xenokrates  86.  210 
Xenophanes  39 
Xenophon  91.  93.  117.  169. 

195.  208.  259.  355,  beliebt 

im  2.  Jahrh.  n.  Chr.  208. 

259.  355 
Xerxes,  typisches  Beispiel 

197 

Zauberlehre  22  ff.,  Reini- 
gung durch  Bad  24  f.  un- 
verständliche Formel  25, 
Richtung  nach  Osten  25, 
Speichel  25,  Vorbereitung 
durch  Enthaltung  von 
Fleisch  und  Wein  25, 
Lagerstätte  26,  Fackeln  26, 

i    Meerzwiebeln    26,    Rück- 

I    wärtsschreiten  27 

'  Zauberpapyri  25.  27 
Zeitströmungen  d.  2.  Jahrh. 

!    n.  Chr.  4 

!  Zeno,  Stoiker  120.  144. 149. 

I    266.  317.  320.  381 

i  Zoilos  121 


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