^äCä*«?«
^#^iÖ^^
i^^j-i^
:,^
M?^
%
L ucian
LUCIAN UND MENIPP
VON
RUDOLF HELM
1906
LEIPZIG UND BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
Y
ALLE EECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBEESETZÜNGSEECHTS, VOEBEHALTEX.
MEINER LIEBEN FRAU
WEIHNACHTEN 1905
Inlialtsverzeiclinis.
Seite
Einleitimg 1 — 16
Kapitel I. Die Nekyomantie 17 — 62
„ n. Die Niederfahrt 63 — 79
„ 1X1. Der Ikaromenipp 80—114
„ IV. Die Widerlegung des Zeus 115—132
„ V. Der tragische Zeus 133—151
„ VI. Die Götterversammlung 152 — 165
„ Vn. Charon 166—174
„ Vm. Totengespräche 175—214
„ IX. Satumalienschriften 215 — 226
„ X. Die Versteigerung der Lebensarten 227 — 253
„ XI. Das Gastmahl 254—274
„ XII. Der Doppeltverklagte 275—291
„ Xin. Der Fischer 292—306
„ XIV. Die Ausreißer . . 307—321
„ XV. Der Hahn . . 322—336
Schluß 337—347
Anhang I. 'Über die Trauer'. 'Von den Opfern' 848—358
„ II. 'über die Bilder'. 'Von den Arten der Liebe' 364—356
„ ni. 'Über den Parasiten' 357 — 364
„ IV. 'Über den Tanz' 365—370
„ V. Die Philosophen in der Komödie 371—886
Register 887—392
Einleitung.
Auch die Wertschätzung der Literaturgrößen ist der Mode unter-
worfen. Lucian ist nicht der Größten einer, und doch hat auch er
es im Wandel der Jahrhunderte mehr als einmal erfahren.*) Zu seinen
Lebzeiten bald bewundert und beklatscht, bald mit regem Haß verfolgt,
den er sich nicht gescheut hatte zu säen, hat ihn christlicher Fana-
tismus in der Legende ein Opfer rasender Hunde werden lassen.-)
Wegen seines Teregrinus' und des Kapitels über die Christen ist ihm
die Ehre widerfahren, von der katholischen Kirche auf den Index
gesetzt zu werden. Die Zeitgenossen haben von ihm geschwiegen;
ihnen war er vermutlich doch nur einer von den kleinen unter den
Sophisten, noch dazu einer, der sich selbst als abtrünnig ausgab, und
gegenüber den begeisterten Prunkreden der andern erschienen nach
dem Maßstab der Zeit seine Werke wie Eintagsfliegen, die wolü eine
Weile allen ein Lächeln abzwingen konnten, aber schon ein Jahr
darauf der Vergessenheit anheimfallen mußten. Die späteren Jahr-
hunderte haben es mit Lucian nicht besser gemacht; selbst wenn sie
ihn benutzten, genannt haben sie ihn nicht.') Philostratos hat den
1) Eine Zusammenstellung von Urteilen über Lucian hat Jacob, Charakte-
ristik Lncians von Samosata, Hambg. 1832, S. 1 ff., gegeben, sowie Keits, de
aetate vita scriptisque Luciani (in der Ausgabe von Lehmann I p. IX ff.).
2) Suid. 8. V. Aovxiavo's': avrov ßkaa(fT](itt röv XQiarbv 6 naftuiuQOi. di6 nal
r/'^s ZvTTTis Ttoipug Scgyiovaag iv rw na(t6rri dedojxfv , uml vorher: TfXevTi)a(ti di
avrov Xoyog vtco nwcbv, intl xar« ri^s ftirj-O'n'atf ilvtriiaev. Auch der Scholiast
zu De mort. Peregr. 11—18 eifert in Schmähungen und Ver\*'(in8chungen aller Art.
8) Über etwaige Benutzung durch Julian worden wir in Kap.U reden; genannt
hat er ihn nicht. Ob der große Ttregor die Krzilhlung von dem f&Uchlich in
den liudeM fjcnifcnt'D und dann ZtirückKeHandton auH Lucians PhilopHeudeM hat,
int doch wohl fraglich. PhilopH. 25 erziihlt Kleodom, wie er tioberknink in dio
t^nterwidt gelangt toi, Pluto aber Keinen Führer zornig angefahren habe: Sein
Fa<len ist noch nicht zu Ende gesponnen; ah di dii röv x^^*^" Jrmvlov iy^ '~
i¥ ynxavoiv r,nh' (Jintt netzt dor Erzllhlor hiusu. Hei (Sregor, Dialog IV 3(1, iNt
OS der ^«^Kct'w 2^T((fapog, der sterben muß, « nliiaiav ai^roO natotndtv. Die
Halm, I.uciaii und .Monipp. 1
2 Einleitung.
Abgefallenen in der Lebensbeschreibung der Sophisten nicht einmal
einer Erwähnung gewürdigt und ihn so die mannigfaltigen Kränkungen
entgelten lassen, die er den Rhetoren angetan.^) Eunapios führt
ihn nur um des ^Demonax' willen an.^) Unter den Kirchenvätern
hat Laetanz (I 9, 8) wegen seines Spottes gegen Götter und Menschen
tadelnd von ihm gesprochen. Der Patriarch Photius hat ihn im
9. Jahrhundert, allerdings nur vom sprachlichen Gesichtspunkt aus,
mit Vergnügen gelesen.^) Nachahmer hat er in großer Zahl gefunden,
und es scheint, daß er, in Byzanz jedenfalls, eigentlich niemals ge-
storben ist>)
Dann hat ihn die Renaissance übernommen^), angezogen durch
die schöne, gefällige Form, der sie selber huldigte, und nun hat er
in ungeschwächter Jugendkraft zunächst einen Siegeszug durch die
Literatur ausgeführt. Reuchlin^), Erasmus"^), Ulrich von Hütten^) über-
setzen oder benutzen ihn; der biedere Hans Sachs verwertet in seiner
pedantisch moralisierenden Weise die ^Totengespräche '. ^) Unter den
Wundergescliiclite kehrt auch bei Plutarch (Euseb. Praep. evang. XI 36 p. 563)
wieder; da sie volkstümlich ist (Rohde, Psyche IP S. 364; Radermacher, Festschr.
f. Theod. Gomperz Wien 1902 S. 204), so ist die Entlehnung nicht so sicher zu
konstatieren. Vgl. Reitzenstein, Hellenist. Wundererzählungen, Leipzig 1906, S. 5 f.
1) Vgl. Solanus zu ap. pro merc. cond. 15.
2) Vitae soph. prooem. 9: Aovniavos 6 i% 2!cc^oodrcov avrjQ onovdaiog ig ra
ysXaG&fivciL.
3) Bibl. cod. 128: ovv&'^yir] xs avxa ovtag rjQiio6xai^ mors doaetv tbv avccyi-
vcoöytovTcc ^7} Xoyovs XsysLV, äXXä ^iXog n tsqtcvov xcoglg ^^Lrpccvovg adfjg rotg diolv^
ivaTtoßrd^tLv twv ccagocctav.
4) Rentsch, Lucianstudien, Plauen Progr. 1895 S. 15 ff.: Das Totengespräch
in der Litteratur; vgl. die von Hase besprochenen Nachahmungen Notices et
extraits de la bibliotheque imperiale t. VHI 192 ff.; Krumbacher, Geschichte der
byzant. Litteratur^ S. 756.
5) R. Förster, Lncian in der Renaissance, Kiel 1886; 0. Waser, Charon,.
Charun, Charos, Berlin 1898, S. 52.
. 6) L. Geiger, Reuchlin, Leipzig 1871, S. 94. 99.
7) Erasmus 'Colloquia familiaria', darin ein 'convivium profanum', ^conv.
religiosum', ^conv. poeticum', ^conv. fabulosum', Mispar convivium', ^vrjcpdXLOir
6viL7t6aiov\ Sharon'.
8) Hütten, Thalarismus', '^Arminius', im Anschluß an die Hetärendialoge
das ins Christliche gewandte Gespräch adolescentis et scorti; aber die Anleh-
nung geht über die Benutzung der Form und der Titel hinaus und zeigt sich
auch in sonstigen Reminiszenzen. Li der Vorrede zum nagiag iynm^Lov sagt
er selbst: nosque clamitabunt veterem comoediam aut Lucianum quempiam re-
ferre, was sich dem Leser in der Tat bestätigt. Die Nachahmung Huttens würde
eine eigene Untersuchung verlohnen.
9) ^Charon mit den abgeschiedenen Geistern' nach dial. mort. X; aber auch
Nachleben Lucians. 3
Spaniern verrät Cervantes die Kenntnis seiner Schriften^); von den
Franzosen hat Rabelais, der ihn auch namentlich nennt, sich mit
seinem Geiste vollgesogen und seine witzigen Einfälle ins Gigantische
und Groteske gesteigert.-) Wer vieles bringt, wird manchem etwas
bringen; selbst der strenggläubige und zum Asketentum neigende
Thomas More, der spätere Kanzler Heinrichs VIU. und Gegner der
Reformation, fand in Lucians ^Nekyomantie' und Xügenfreund' sowie
in dem 'Kjniker' etwas, was seiner Abneigung gegen heuchlerischen
Schein und seiner Auffassung von der Nichtigkeit aller irdischen
Güter entgegenkam, und übersetzte diese Dialoge, wie er den tvQavvo-
xTÖvog im Wetteifer mit Erasmus zu Stilübungen benutzte.^) Dann
kam eine Zeit, da Lucian zurücktrat und höchstens in der stillen
Stube einzelner Gelehrter sein Dasein fristete. Das 18. Jahrhundert
zog ihn wieder aus dieser Vergessenheit hervor. Voltaire hat ihn
gekannt und nachgeahmt.^) Unsere großen Dichter haben ihm ihren
Tribut gezollt. Wieland, der für Lucians leichte Art sehr viel Ver-
ständnis hatte, hat ihn, in bezug auf den Ton, den er getroffen,
geradezu musterhaft, übersetzt. Goethe hat sich an ihn gehalten in
der gegen Wieland gerichteten satirischen Farce 'Götter, Helden und
Wieland'; und mit Schiller zusammen hat er das Motiv der 'Toten-
gespräche' in den Xenien wiederbenutzt, wo Lucian auf des Dichters
Erinnerung an seine Verspottung der Philosophen in richtiger Selbst-
erkenntnis von sich sagen muß: 'Rede leiser, mein Freund! Zwar
hab' ich die Narren gezüchtigt, aber mit vielem Geschwätz oft auch
die Guten geplagt.'
Hs ist nur eine ganz kurze Übersicht in großen Zügen, ohne
irgend welchen Anspruch auf Vollständigkeit, aber sie legt doch ge-
nügend Zeugnis ab von der nachhaltigen Wirkung, die der Spötter
von Samosata auf manche Perioden der Literatur späterer Zeiten aus-
geübt hat. Doch nicht nur dies Nachleben, das er in der Schrift-
der 'ToxariH* ist benutzt in 'Clinias und Agathokles* (H. Sachs her. v. Tittmann,
III Einleite,'. S. XX XIV ff.), das 19. Göttergespräch in 'Drey Artzney ftir die lieb»
(Stiefel, Hans-Sachaforscbungen, Nürnb. 1894, 8. 174).
1 I)arütj<;r bei Gelegenheit des Schsuspielervergleichs Kap. I.
*2' Ein paar Nachahmungen sind zusammengestellt Kap. I. Vgl. Croiset,
Iliftoire de la litterature grecque V, Paris 1899, S. 616.
8/ (i Th. Uudbart, Thomas Moru», Augsbg. 1862, S. 29 it
4) Voltaire, Paris 1H77— H6 Bd. XXXVII 284, schreibt in einem Brief an
Friedrich d. dr. 6. Juni 1751: j'ai tAchü de Tdcrirc li la nmiii» ro de Lucicn. Die
dann f(dgondo C'harakteriNtik ist ni« ]it ühermilßig treHVnd, aber durch den
(icgciiMatz KU Fonienello eingegel« dtaire dort bespricbi
!•
4 Einleitung.
stellerei aller Völker geführt hat, sichert ihm ein Interesse. Er steht
vor uns als das Spiegelbild der einen der beiden Zeitströmungen, die
das zweite Jahrhundert n. Chr. bewegen. Der Glaube an die Götter
und ihre Hilfe, an all die Vorstellungen vom Leben der Seele nach dem
Tode ist, nicht zum wenigsten dank der Bestrebungen der Philosophen,
bei den einen gänzlich erschüttert.^) *Daß es Manen gibt und ein
Reich unter der Erde und ein Wasser und dunkle Frösche im sty-
gischen Sumpf, und daß so viel Tausende in einem Kahn überfahren,
das glauben auch Knaben nicht' sagt Juvenal (11 149 ff.). Religiöser
Indifferentismus und Freigeisterei nehmen selbst unter äußerlicher
Beibehaltung der vom Staate gebotenen Formen überall zu; wenn wir
heute verhältnismäßig selten konstatieren können, wie weit Atheismus
und Materialismus in den religiösen Anschauungen jener Zeit ihre
zersetzende Kraft bewährt haben, so ist das selbstverständlich, weil
es zu allen Zeiten ebenso ist; nicht jeder hält sich für berufen, seine
Meinung im Kampf gegen die Ansicht, die noch öffentliche Geltung
hat, zum Ausdruck zu bringen, und Gleichgültigkeit verlangt über-
haupt nicht ausgesprochen zu werden, sondern begnügt sich schon
mit einem erhabenen Lächeln. Im geheimen kann die Zahl derer
nicht so ganz klein gewesen sein, die über den alten Glauben gering
dachten; sonst hätte Lucian, wenn er über die Ansicht der Philo-
sophen von der Vorsehung spottet, nicht den Beifall finden können,
von dem er selbst spricht^); waren doch seine Satiren mehr als nur
lustige Szenen, wie etwa bei Aristophanes, bei dem ja auch die Götter
hier und da scharf mitgenommen werden. Durch die Einmischung
der Philosophie haben sie einen bedeutenden Zug ins Ernste erhalten;
wo die göttliche Vorsehung so wie hier heruntergerissen wird, kann
nicht leicht mehr ein gläubiges Gemüt die verbindende Brücke vom
fröhlichen Lachen zur andachtsvollen Verehrung schlagen. Auf der
andern Seite steht eine starke Reaktion gegen diesen Unglauben und
die Gleichgültigkeit.^) Eine tiefe Sehnsucht nach religiöser Befrie-
digung erfüllt die Menschen; man hat das Jahrhundert selbst als das
des Pietismus bezeichnet. Das innere Verlangen des Herzens führt
zur Annahme aller erdenklichen Kulte des Orients, aller irgend vor-
1) Friedländer, Sittengeschichte Roms IIP S. 509 ff.
2) Piscat. 25 : ta GTtovdcciotccta ^nl iXsvccgilw ^ls^lSv, mats avrbv ^sv
TiQOtslöd'ccL xccl i'jtaivsZod-ccL TtQog xcbv d'sarcbv, ij^&g dh vßQi^sod'aL.
3) Croiset, Essai sur la vie et les oeuvres de Lucien, Paris 1882, S. 177 ff.;
Martha, Les moralistes sous Fempire Romain^, Paris 1872, S. 369. 381; Harnack,
Mission und Ausbreitung des Christentums, Leipzig 1902, S. 16 ff.
ZeitströmuDgen im zweiten Jahrhundert. 5
handenen Mysterien; man will keine Möglichkeit vorübergehen lassen,
der ewigen Seligkeit teilliaftig zu werden, und ein Weg genügt nicht
mehr; ein Synkretismus aller Religionen macht sich bemerkbar, unter
den Schriftstellern jener Zeit haben wir zwei interessante Beispiele
für diese Richtung. Apuleius bekennt, daß er sich in die meisten
Geheimkulte in Griechenland hat einweihen lassen^); er führt auf
allen seinen Reisen ein Götterbild mit sich, das er vor den profanen
Augen der Laien verhüllt, vor dem er seine Andacht ven-ichtet.-) Ein
geistig hochstehender Mann wie Aristides wii*ft sich ganz der Priester-
schaft in die Arme und erhofft von dem durch Inkubation und Träume
geotfenbarten Rate des Asklepios Heilung von seiner langwierigen
Kj-ankheit; er preist diesen seinen Heiland, der oft schon Menschen
in Meeresnot die Hand gereicht, der einem Faustkämpfer Kunstgriffe
gezeigt hat, um einen berühmten Gegner zu überwinden, der dem
Redner selber Stoß' und Gedanken, ja die Form seiner Vorträge ein-
gegeben hat^); er zeigt uns, wie die Menge wundergläubig von ihm
Errettung aus körperlichen Leiden erwartet und durch Weihgeschenke
im Tempel die Heilung einzelner Gliedmaßen und des Gottes über-
natürliche Kraft bekannte; und das waren, wie er hervorhebt, nicht
nur Frauen, die durch ihre Anlage zum Glauben neigen. "*) Zugleich
schoß das Unkraut des Aberglaubens mächtig in die Höhe; daß
Zauberei und Magie wie in den Zeiten des finstersten Mittelalters
geübt und geglaubt wurden, lehren deutlich die Voraussetzungen, die
der Prozeß des Apuleius hat. Wie leicht die Masse jedem neuen
Kult, jedem neuen Wundertäter entgegenkam, zeigt das Beispiel des
Betrügers Alexander von Abonuteichos, den Lucian in einer eigenen
Schrift gebrandmarkt hat.^) Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß
dieses Jahrhundert mit seiner Neigung zu allem übersinnlichen, seiner
ungestümen Sehnsucht nach innerer Befriedigung den Boden darbot,
auf dem das aus dem Osten Tordringende Christentum die günstigste
1; Apol. &6 (02, 20 H): sacrorum pleraque initia in Graecia participavi.
2) Apol. 63 ff.
8) XaXiu ilg 'AaxXriniov 10. U (XLII Keil Hd. II 887).
4; Ebendort 7: xal ^Arj roi) aomctrog aixtdiVTai rivtt, xal avÖQtg At'yw xal
ywalntg, ngovoiu rof» &tov yivia^ai aqilat xav na(fcc rf/tf (pvcstag diceqd'cnut'Tiav
xal xttxuK'/ovaiv uXlog &XXo n, o^ ^h* (<nb axo^axog ovx<oal (pQäJiovxti, ol äi iv
xolg ^va&rniuaiv i^i^yovnivoi. i]\ilv xolvvv ovxi ^^QOf ro^ ffeu^crro;, ftU* iinav
xb a&fta atfv^tls xt xal av^Tti^ias aixbf Wwxf dui^foci'. &aitfQ //po^<?j^*K' tttf^jf"'«
Xiytxui övfinXdaui xbv &v(yQionov.
b) Zeller, Vortrilgo u. Abhandig., Lei)
6 Einleitung.
Nahrung fand und schnell über die andern Religionen, auch über
den Sonnenkult des Mithras, den Sieg errang.^)
Wer sich diese Strömungen des zweiten Jahrhunderts klar vor
Augen führt, für den wird die Gestalt Lucians eines eigenen Reizes
nicht entbehren, selbst wenn man von einer Überschätzung seiner
persönlichen Eigenschaften weit entfernt ist. Einen Kämpfer für
Wahrheit und Vernunft gegen Aberglauben und Dunkelmännertum
darf man in ihm nimmermehr sehen. ^) Wohl lag der Spott in seiner
Natur, aber eine Art leichtfertigen Spottes; daß er sich gegen die Theo-
krasie, gegen Aftei*philosophen und Scheinweisheit wandte, war in
gewisser Weise ein Spiel des Zufalls, der ihn gerade dafür ein passen-
des Vorbild und damit eine nachhaltige Anregung finden ließ und der
ihm zugleich im Geschmack des Publikums die gehörige Resonanz
für seine Spaße bot. Daß es ihm mit der Sache ganz ernst war, daß
er wirklich seine Persönlichkeit mit Ausdauer in die Wagschale werfen
wollte imd mit Mannesmut seine Ansicht verfechten, kann man mit
Fug bezweifeln. Ihm kam es vor allem darauf an, zum Lachen zu
reizen. Man hat ihn mit Euripides, dem Aufklärer, vergleichen wollen,
mit dem doch die einzige Übereinstimmung darin besteht, daß sich
die gleiche Legende an beider Tod geheftet hat. Man hat ihn mit
Ulrich von Hütten zusammengestellt.^) Beide hatten einen heiligen
Ernst, der dem leichtfertigen Syrer abgeht; er besitzt nichts von der
sich im inneren Widerspruch verzehrenden Seele des Tragikers, nichts
von der begeisterten Treue und Überzeugtheit des ritterlichen Tfaffen-
1) Harnack a. a. 0. S. 18 ff.
2) Die richtige Erkenntnis hat wohl zuerst Bayle gehabt Dictionnaire hist.
et crit. in^ Amsterdam 1740 unter Teriers', der deshalb von Jacob (a. a. 0. S. 6)
wie von Wieland I 36, die ihren Schützling verteidigen wollten, energisch be-
kämpft ist; er sagt von Lucian bei Gelegenheit von Pariere' in Lucians Geist
geschriebenem ^cymbalum mundi' : '"Lucien qui s'est tant moque des faux dieux
du paganisme et qui a repandu tous les agremens imaginables sur la description
qu'il a faite des folies et des impostures de la religion des Grecs, ne laisse pas
d'etre digne de detestation puisqu'au lieu de faire cela par un bon motif, il
n'a cherche qu'ä contenter son humeur moqueuse et qu'ä ouvrir la carriere a
Bon style satirique et qu'il n'a point t^moigne moins d'indifference ou moins
d'aversion pour la verite que pour le mensonge' (vgl. Martha a. a. 0. S. 360).
Eine Charakteristik, die Licht und Schatten gut verteilt, gibt jetzt von Wila-
mowitz in Kultur der Gegenwart I 8 S. 172 f.; bei aller Anerkennung des Form-
talentes und des Reizes, den der Schalk ausübt, wird darin die Journalistennatur
Lucians treffend hervorgehoben.
3) 0. Schmidt, Lucians Satiren gegen den Glauben seiner Zeit, Solothurn
1900, S. 45.
Lucians Stellung in seiner Zeit. 7
feindes'. Selbst gegen die Parallele mit dem Spötter Voltaire hat
man mit Recht Einspruch erhoben. ^) Ein passenderer Vergleich drängt
sieh auf, obschon auch er hinkt wie alle Vergleiche, der mit Heinrich
Heine, der Spottdrossel im deutschen Dichterwalde, der ihm nur an
Charakterlosigkeit, an Genialität und Originalität, aber auch an Malice
weit überlegen ist. An Lucian ist ja immer etwas von der Eierschale
der Sophistik hängen geblieben; und wie die Sophistik nach Brot
ging gleich der Dichtkunst in manchen Epochen der Literaturgeschichte,
so hat auch er den Mantel nach dem Winde zu hängen gewußt. In
proteusartiger Verwandlung schuf er bald das, worüber die Menschen
lachten — daß es nicht die ernsteren waren, gesteht er selbst zu — ^),
bald wandte er sich an die schöne Mätresse eines Wüstlings, wie Lucius
Verus es war, bald tändelte er mit der Philosophie, bald spielte er
sich als Vorkämpfer für Geistesfreiheit und Vernunft auch gegen diese
auf. Daß der vornehme Arrian und der reiche, mit dem römischen
Hof in enger Berührung stehende Herodes Atticus^) bei ihm so gut
weggekommen sind, ist wohl kein Zufall und beruht nicht auf Über-
zeugung. Daß er wirklich ohne Nebengedanken für ein Ideal ein-
getreten wäre, wird man kaum behaupten können; wie ein echter
Sophist haschte er nach dem Erfolg und dem Ruhme, ganz gleich
wie er sein Ziel erreichen konnte. Er war kein Charakter, und das
setzt sein Verdienst ohne Zweifel wesentlich herab und trägt auch
heute noch dazu bei, das Urteil über ihn niedrig zu stimmen. Aber
trotz aller Mängel seiner Person, trotz einer gewissen Unlauterkeit
seiner Gesinnung, daß er sich nicht der Reaktion und dem Pietismus
angeschlossen hat, macht ihn zu einer für die Geschichte der Kultur
und der geistigen Strömungen des zweiten Jahrhunderts hervorragen-
den Gestalt.
Aber das ist es nicht allein; nicht nur dieser Schein historischer
Bedeutung reizt auch heute noch, sich mit ihm zu befassen; seine
Werke selber haben etwas, was die Jahrhunderte überdauert. Das
zeigen nicht sowohl die Übersetzungen und Nachahmungen wie die
begeisterten Aussprüche seiner Verehrer. Die Herausgeber haben sich
überboten Lobreden auf ihn zu halten und seine Liebe zur Wahrheit,
seinen Haß gegen Betrug und Unnatur ins rechte Licht zu setzen,
1; Hiebe Jacob u. a. 0. H. 41). 114. 173. 192; Mtirtlm ii. ». 0. S. 868; Bemays,
Lurliin u. die Kyniker, Berlin 187», 8. 42, 104.
BacchtM 6: ol fUv oifSk rrjv &9XtiP &fpiiiPo(ivxMt ig oÜhv diop na^x**^
/'',ii„ii yvvat%iloig %al axtffti^iutai acctvffinoli
. xund. 2. Porcfffin. 19/20.
8 Einleitung.
allerdings stets ohne daran zu denken, wieviel davon etwa auf Rech-
nung seiner Vorbilder zu schreiben ist. Wieland hat sich zu dem
überschwenglichen Ausspruch verstiegen (Übersetzg. I S. XXI): 'Wie
ein Leser von offnem und gesundem Kopf die Bekanntschaft Lucians
aus seinen Werken machen könnte, ohne ihn lieb zu gewinnen, das
wäre mir in der Tat unbegreiflich.' Die Darstellung von Jacob in
seiner ^Charakteristik Lucians von Samosata' läuft auf eine unbe-
schränkte, allerdings recht kritiklose Verherrlichung desselben hinaus;
aber selbst sein Rezensent C. F. Hermann^) steht an Begeisterung
nicht sehr hinter ihm zurück, wenn er seine Schriftstellerei dem
freien Flug des Adlers vergleicht und von der 'idealen Richtung'
spricht, ^die sein herrlicher Geist von früher Jugend an nahm'.
Joh. Scherr nennt ihn den geistvollsten Essayisten des Altertums,
dem seine Schreibweise auch in ferner Zukunft noch dankbare Leser
sichern wird.^) Theodor Gomperz weiß in seiner Lebensbeschreibung
von seinem Großvater zu berichten, daß Lucian zu seinen Lieblings-
schriftstellern gehört hat^); und er selber pflegt diese gewissermaßen
traditionelle Verehrung, indem er ihn gegen Bernays^ scharfes, aber
nicht unrichtiges Urteil zu verteidigen sucht^) und ihm wie einem
andern Polybius eine wahrhaftige Begeisterung für das römische Welt-
reich, eine Anerkennung der römischen Bureaukratie zuschreibt, die
er nie besessen und höchstens aus praktischen Gründen im Alter vor-
gespiegelt hat. ^) Der Eindruck, den man von Lucian hat, wird ja
zu verschiedenen Zeiten verschieden sein; aber im ganzen wird es
wohl keinen geben, der nicht einmal, selbst wenn er sich später von
ihm abgewendet, aufrichtiges Gefallen an den Satiren gefunden hat^),
zumal wenn er nur einzelne liest. Vor wenigen Jahren hat man in
einem Berliner Theater den Versuch gemacht, drei derselben auf der
Bühne aufzuführen, und so groß auch der Unterschied zwischen Drama
und mimischem Dialog ist, sie fanden beim Publikum Anklang. Und.
in einer modernen Sammlung, die sich 'Bücher der Weisheit und
Schönheit' betitelt, kann man neben der Bibel und Kants 'Kritik der
1) Gesammelte Abhandlungen S. 208. 210.
2) Illustrierte Geschichte der Weltlitteratur ^o, Stuttg. 1899, I S. 485; Neues
Historienbuch, Leipzig 1884, S. 7 6 f.
3) Th. Gomperz, Essays und Erinnerungen, Stuttg. 1905, S. 5.
4) Ebendort S. 113 f.
5) Über das Amt, das Lucian beim Präfekten von Ägypten übernommen
hat, handelt jetzt 0. Hirschfeld, Kaiserl. Verwaltungsbeamte ^, Berlin 1905,
S. 331 Anm. 2.
6) Vgl. Norden, Antike Kunstprosa, Leipzig 1898, S. 394.
Modernes Interesse an Lucian. 9
reinen Vernunft' Lucian finden.^) Erst die gleichmäßige Wieder-
holung desselben Motivs in mehreren Schriften läßt das Interesse
erkalten, und dem übersättigten Gaumen beginnt der Witz schal zu
erscheinen. Dazu kommt, daß dann das beständig Zersetzende eine
Wirkung ausübt wie der wiederholte Genuß eines stark gewürzten
Gerichtes. Auf die Dauer befriedigt der Geist, der stets verneint,
nicht; man empfindet das, was Bernays treffend als 'nihilistische Öde'
bezeichnet hat-) und was schon der Patriarch Photius bemängelt hat.^)
Aber für kurze Zeit reißt Lucian auf jeden Fall den Leser mit sich.
Es ist kein schweres Geschütz, das er auffährt-, leichtfertigem Gesindel
könnte, wie die beiden Dichterfürsten ihre Xenien, so auch er seine
Schriften zum großen Teile vergleichen. Aber sie haben doch Witz
und haben eine gefällige Anmut der Darstellung, der man auch heute
noch mit Vergnügen sich hingibt. Mit bewundernswerter Plastik
zaubern sie dem Leser die lustigen Bilder vor. Nicht tiefer Gedanken-
reichtum belastet sie und erschwert die Lektüre, sondern in behag-
licher Breite sind sie ausgesponnen, so recht zu einer Erholungs-
lektüre nach dem Getriebe der Arbeit geeignet. Man hat dabei die
Empfindung wie bei einem gut geschriebenen Feuilleton artikel, der
zu augenblicklicher Belustigung beiträgt; zu mehr macht sie immer
erst die eigene Stimmung des Lesers und die äußeren Zeitverhältnisse,
die ihn umgeben und die scheinbar in jenen sich widerspiegeln.
Wenn wir von Lucian reden, so ist das Bild seiner Persönlich-
keit meist nur aus der einen Klasse seiner Schriften genommen; und
das ist natürlich. Aber Lucian war zunächst Sophist. Uns mutet
es seltsam an, das Geistesleben jener Zeit, das Gefallen fand an den
Erzeugnissen der Rhetoren, die an den Gedanken der früheren Jahr-
hunderte zehrten und })ei denen die Form so sehr den Lihalt über-
wog.*; Aber damals durchzogen die Wanden-edner die ganze zivili-
sierte Welt, wie Lucian selber durch lonien, Hellas, Italien bis nach
1) Hiicher der WeiHheit und Schönheit, hrsg. von J. E. Freiherr v. Grotthuß«
V<rlag von Greincr u. Pfeiffer, Stuttg.
2) a. ». 0. S. 44. Qomperz erhebt gegen dies Urteil, wie mir Bcheint, mit
Unrecht Widemprueh.
a^ (od. 128 (\y 96a, 86 Bekkei ..q aXXav xco^ox^Vui
d6^ag avxöv f^v d^fiäCht. ot> xU^riat, TcXijv ti ti^ ainov Ao|«r ifftt rö ji»j(^
4) Mommsen, iWm. Genchichte V 88ftff.; Friodlllnder, Sitten^;L .
HI« 461 ff.; V. Arnim, Dio von Pruna, Berlin 1898, 8. 168; Kohde, (kriech ll
Leipiig 1900. S 810 ff.; Hurckhardt, Griech. Kulturgofchichte, Üerliu-Sf
III " s. ana i\
10 Einleitung.
Gallien gekommen ist*); keine festliche Gelegenheit ging vorüber;
ohne daß eine solche Berühmtheit ihre Stimme erschallen ließ, die
Städte luden sie ein, und man riß sich nm sie, wie heute etwa um
eine Primadonna. Die Themen waren aus den verschiedensten Ge-
bieten, der Geschichte, der Moral, der Philosophie, der Wissenschaft
überhaupt genommen; gern ließen sich die Hellenen durch die prunk-
vollen Worte in die Zeiten ihrer einstigen Hen-lichkeit versetzen, da
sie noch politische Bedeutung hatten; Marathon und Kynägirus, Xerxes
und Leonidas, die Schlachten von Salamis, Artemision und Platää,
das ist es, wovon man sprechen muß, wenn man Beifall ernten will,
sagt höhnisch Lucian.^) Oft zeigte der Redner seine Fähigkeit, ex
tempore zu reden, indem er sich aus dem Publikum den Stoff geben
ließ^); in Gegenden der Sprachmischung richtete er sich nach seinen
Zuhörern und wechselte wohl gar innerhalb eines Vortrags, halb
lateinisch, halb griechisch redend, um seine Fertigkeit in beiden
Sprachen zu beweisen/) Selbst die so zum Praktischen neigenden
Römer verschlossen sich, nachdem der Rede die politische Bedeutung
genommen war, dieser zwecklosen Kunstübung der Schöni-ederei nicht.
Während Männer wie Tacitus den Verfall der Redekunst richtig be-
urteilten^), kann sein Freund Plinius sich nicht genug tun, um den
Rhetor Isäus zu rühmen und dessen Schulberedsamkeit über die
gerichtliche zu stellen, wie er auch täglich geht, um die Deklama-
tionen mit anzuhören^), allerdings poetische, die indessen von denen
der Sophisten nur durch die Form verschieden waren; auch die Ge-
dichte jener Zeiten sind ja nur versifizierte Rhetorik, und die Grenzen
zwischen Poesie und Prosa sind verwischt. Es ist eine eigentümliche
Erscheinung, wenn man sieht, daß in der ersten Kaiserzeit selbst
Senatoren sich in die Rhetorenschule begeben, um bei phantastischen
Aufgaben dem leeren Schemen nutzloser Sententiae und spitzfindiger
Colores nachzujagen."^) Rhetoren und Sophisten sind die Träger der
1) Bis acc. 27.
2) Rhetor. praecept. 18.
3) Lucian pseudolog. 5; Plin. ep. II 3, 2: poscit controversias plures, electio-
nem. auditoribus permittit.
4) Apul. de deo Socr. prolog. p. 4, 8 Goldb.
5) Tac. dial. 36 ff.
6) Ep. n 3. I 13, 1: toto mense Aprili nuUus fere dies, quo non recitaret
aliquis, 5: equidem prope nemini defui.
7) Seneca rhet. controv. I 3, 11. Wenn Dolabella und andere Cäsarianer
sich bei Cicero übten, so hatte das doch noch einen praktischen Zweck in jener
Zeit (Quint. XH 11, 6).
Epideiktische Rhetorik. H
Bildung; sie bieten dem nach geistiger Nakrung dürstenden Publikum
in ikren epideiktischen Vorträgen, was es braucht, und ernten dafür
begeisterten Dank. Die Schilderung, die Apuleius in einem seiner
Vorträge^) von einer Vorlesung des Komikers Philemon gibt, ist
zweifellos entlehnt aus seiner eigenen Zeit; eine ungeheuere Menschen-
menge strömt zusammen, jeder sucht dem Redner so nahe als möglich
seinen Platz zu finden; wer später kommt, winkt seinen Freunden zu,
sie möchten ihm einen Sitz verschaffen; wer zuletzt kommt, ist unwillig,
daß er stehen muß. Das Theater ist so gefüllt, daß man über Raum-
mangel klagt. Ähnlich ist die Darstellung, die Aristides^) gibt. Das
Buleuterion war gedrängt voll, so daß man nichts als Menschenköpfe
sah; nicht eine Hand hätte man durch die zusammengepferchte Menge
strecken können. So riß man sich damals um einen Platz, um mit
anzuhören, ob Pythagoras mit Recht als Barbar von den eleusinischen
Mysterien ausgeschlossen werden müßte, da er ja die Seele des Troers
Eupborbos besaßt), oder um Agamemnons Erwägungen zu vernehmen,
ob er die Iphigenie opfern solle*), oder die fingierte Verteidigung
des entdeckten Ehebrechers zu bewundern^); wenn das Thema der
großen Zeit griechischer Blüte entnommen war, so konnte sich wenig-
stens noch das Nationalgefühl daran berauschen, obschon auch das
eine ziemlich zwecklose Romantik war. Uns läßt diese Art der
Rhetorik kalt, wenn sie nicht wenigstens die Zeitgeschichte behandelt
und so die Reden als historische Zeugnisse von Wert sind. Es ist
selten, daß wir uns wirklich ergriffen und erwärmt fühlen, wie etwa,
wenn Libanius seinem frühzeitig dahingeschwundenen Ideal, dem Kaiser
Julian, nachweint; da kommt es ihm von Herzen, und darum weiß
er Töne zu finden, die auch noch heute dem Leser zu Herzen gehen.
Auch Lucian hat sich dieser epideiktischen Rhetorik in die Arme
geworfen, nachdem ihn sein eigenes Ungeschick, als er bei seinem
Oheim in der Lehre war, davor bewahrt hatte, das Büdhauergo werbe
betreiben zu müssen. Daß er auch vor Gericht Reden gehalten hat,
darf man •'"- ""inon ♦*it:f*nrii Worten schließen*^): M]>pr (bis war ihm
1) Florida 16 (170, 6 £f. vdViiet).
2) ItQb^^ X6yos e 82 (LI. Keil Bd. II 459).
H) Luciun pseudolog. 5.
4) Sen. rhet. Huas. IM.
6) Philoiitrat. vit. lophiHt. I 26, 10 uu«^ .« .. i ..nnen des Polemon.
0) Piicai. 9, Sf) bis acc. 82 : naX&s tliB ^loi .... rohg ävStfcc^ xovg dinaaräi
^(Tifffittv l&v\ vgl Croisct a. a. 0. S. 23; Suida« ». v. A^%i(Kv6i'. dtnriyoQog iv
'AfTioxtia t^g 2^v(fl(tg.
12 Einleitung.
sicherlich nur eine Stufe auf dem Wege zum Ruhm, in den seine
Seele sich hineinträumte. Er schildert im ^Traum', wie nach seinem
Fiasko in der Kunst des Phidias die rhetorische Bildung zugleich
mit der Bildhauerkunst ihm im Schlaf erschien und ihn wie in des
Prodikos bekannter Fabel im Redewettstreit jener zu entführen suchte;
dabei weist sie darauf hin, wie geehrt er sein werde, wenn er ihr
folge, von allen beneidet und gepriesen, unter die ersten gerechnet,
im Prachtgewand einherwandernd, wie man in der Fremde mit an-
erkennender Bewunderung die Blicke auf ihn lenken werde: Das ist
er.^) — Seltsame Täuschung! Wir besitzen sophistische Reden von
ihm, wie den 'Tyrannenmörder' und den ^Enterbten', beide völlig
befangen in der phantastischen Spitzfindigkeit der Rhetorenschule.
Es hat jemand nicht den Tyrannen, sondern dessen Sohn getötet;
jedoch hat sich der Vater vor Schmerz über diesen Verlust mit dem
Schwerte des Mörders, das dieser zurückgelassen hatte, selber das
Leben genommen. Nun fordert der Täter als Befi*eier des Volkes den
Preis für Tyrannenmord und erweist die Berechtigung seines Ver-
langens. Oder: ein Sohn, der ausgestoßen war, ist Arzt geworden
und heilt seinen Vater, der ihn zum Dank dafür wieder in die Familie
aufnimmt. Als er aber seine ebenfalls erkrankte Stiefmutter behauptet
nicht heilen zu können, weil die ärztliche Kunst hier versagt, soll
er abermals verstoßen werden. Dagegen verteidigt er sich. Es sind
Themen, um nichts besser als diejenigen, die Seneca in dem lang-
weiligen Buch der Controversien und Suasorien zusammengetragen
hat und bei denen ihm allmählich selber nicht wohl geworden ist.
Anderes von Lucian ist witziger und verrät doch schon ex ungue
leonem, wie die Thalarisreden' über die Frage, ob das Weihgeschenk
des Tyrannen in Delphi angenommen werden soll oder nicht, in denen
priesterliche Gewinnsucht gut gezeichnet ist, oder der ^Streit des
Sigma gegen das Tau' vor dem Gerichtshof der Vokale und das kleine
Prachtstück, das Tob auf die Fliege', das schon ganz satirisch ist
in der Parodie der Enkomien. Immerhin, wenn Lucian weiter nichts
geschrieben hätte als diese zum Teil interesseloser Kasuistik entnom-
menen Vorträge, den Beifall seiner Zeitgenossen würde er ja wohl
erlangt haben, aber die Nachwelt hätte sich nicht um ihn gekümmert
und würde d'en Verlust seiner Reden leicht verschmerzen, wie bei
Polemon, Herodes Atticus und anderen dieser ephemeren Größen; nur
in der Literaturgeschichte der Fachgelehrten würde er ein nicht über-
1) Somnium 11.
Lucians schriftstellerische Entwicklung. 13
mäßig helles Dasein genießen; allenfaUs die cTQolaXiaij wie ^Har-
monides', ^Zeuxis', 'Herakles', ^Dionysos', die in geistreicher Weise
irgend einer Anekdote oder Erzählung eine persönliche Wendung zu
geben wissen, fesseln auch heute noch durch ihre Technik den Leser.
Andere seiner Schriften würden ihm ein kulturhistorisches Interesse
sichern. Von dem Schwänner Peregrinus erhalten wir durch ihn ein
Zerrbild allerdings, aber doch immerhin ein Bild, das uns mehr lehrt
als die wenigen Bemerkungen, die wir sonst über ihn haben; der
Bericht über den Betrüger Alexander von Abonuteichos trägt nicht
unwesentlich dazu bei, das Gemälde von dem religiösen Zustand im
zweiten Jahrhundert zu vervollständigen. Aber seinen Ruf verdankt
Lucian nicht diesen, wenn auch interessanten Zeichnungen, auch nicht
den Versuchen im platonischen Dialog, wie sie 'Anacharsis' und 'Hermo-
timos' uns vor Augen führen, sondern der genialen Idee, den Menipp
wieder aufleben zu lassen, auf die ihn sein Interesse für das Komische
gebracht hat. Mit den kleinen Szenen, welche 'Hetärengespräche',
'Göttergespräche' usw. enthalten, befand er sich noch ganz im Fahr-
wasser der Sophistik*); aber es war doch schon ein neuer Kurs, den
er einschlug, indem er den Dialog ausschließlich komisch verwandte.
Daß er und seine Zuhörer das deutlich empfunden haben, zeigt die Vor-
rede: 'Prometheus iv XöyoLg^'); man entnimmt daraus, daß ihm die
Neuheit dessen, was er bot, die Vereinigung von Komödie und Dialog
diesen Ehrentitel eingetragen hatte. Verständlich wird das erst, wenn
man bedenkt, daß die einzelnen Stilgattungen bei den Alten streng
voneinander gesondert waren; es war also in der Tat etwas Neues,
diese Vereinigung verschiedener Stilgenres, und man begreift, daß er
die Hoffnung ausspricht, das Neue möchte ein harmonisches Ganzes
geben. Von hier aus war der Fortschritt leicht zu den größeren
Dialogen, sobald die einzelne Szene zu einer Reihenfolge von Szenen
ausgedehnt und der satirische Ton verstärkt wurde, den die alte
Komödie ja schon an die Hand gab.'') Es war damit gegenüber dem
ernsten, philosophischen der komische Dialog geschaft'en, zu dem sich
ja bei Piaton selbst schon Ansätze finden — jeder denkt besonders
an den Euthydem — und auf den die sokratische Ironie bei ihm leicht
liinrülimi K(»nnte. Die Ep^wicklimir ])ei Lucian ist s<> iKifürlicli, daß
1, ich vorweise auf daa wuh huj» S 111 zu «Ion 'Toteng«'s|>r:M h, i, , i
2) Wir kommen darauf bei HcHprechunj^ «log 'Doppt'lf \< i l^lJl_;^< n" ui .. k
8) Vorupottunj^«*!! uiul Purodion auf die IMiilotK)plien in di-r KonuMÜ»» hulu»
ich im letzten Anhang /iiHtiiiiriii.iM'iv,fi.llt i'inzoluoü wird l>il Iliv^imTlmutf «ler
einzelnen Dialoge «twüIh
14 Einleitung.
er aus sich diesen satirischen Dialog größeren Umfangs hätte schaffen
können.
Daß er eine Anregung dazu gehabt hat, hat er uns selbst be-
kannt; es sind die beiden Stellen aus dem 'Fischer' (26) und dem
'Doppeltverklagten' (33), die hier in Betracht kommen, die erste nach
der zweiten geschaffen und nicht viel mehr als eine Wiederholung.
Im 'Doppeltverklagten' beschwert sich der Dialogos über die Miß-
handlung, die ihm zuteil geworden: der syrische Rhetor hat ihm
beigesellt, was sonst in Jamben ausgedrückt ist, was der Kjnismus
mit seiner scharfen Zunge vorbringt, was Eupolis und Aristophanes
gewagt haben, ja, er hat schließlich den Menipp ausgegraben, den heim-
lich und unter Lachen beißenden Hund, und hat ihn eingeführt; und
nun ist der Dialog zu einer wunderlichen Mischung geworden; er
wandelt weder zu Fuß noch auf Metren daher, sondern wie ein Hippo-
kentaur bietet er eine fremdartige, zusammengesetzte Erscheinung.
Dieser Menipp also war es, der, zu Lucians Zeit in weiterem Kreise
nicht mehr bekannt, ihm die Anregung zur Weiterbildung seiner
Dialoge gegeben hat; und man erkennt leicht bei oberflächlicher
Musterung der einzelnen Schriften, welche von ihnen einen Hauch
vom Geiste jenes Kynikers spüren lassen. Gerade die Ahnung, die
aus diesen aufsteigt von der Lebendigkeit, dem Witz und der Ge-
staltungskraft des Schriftstellers, der hier nachgeahmt ist, erweckt
den Wunsch in die Tiefe zu dringen, um ein Bild von ihm zu ge-
winnen. Nur wenige Titel und Bruchstücke sind von ihm erhalten.^)
Varros menippische Satiren, die nach seinem Muster geschaffen sind,
liegen uns ebenfalls nur in Trümmern vor, und keine einzige hat
bisher eine einwandsfreie Rekonstruktion gestattet. Senecas Satire
auf den toten Claudius ist so aktuell, daß sie zunächst zwar für die
Form und vielleicht für einzelne Motive, aber weniger für den Inhalt
im ganzen als Fundgrube gelten kann. Sonstige Nachahmungen kann
man wohl erschließen, aber sie lassen ans doch nimmermehr die Um-
risse des alten Kynikers scharf erkennen. Hier bei Lucian allein
haben wir intakt erhaltene Werke, die uns die Möglichkeit gewähren,
seine Gestalt etwas fester zu fassen. So ist es begreiflich, daß hier
die Kritik immer wieder eingesetzt hat, um das Material zu ergrün-
den, das der findige Samosataner als Bausteine für seine Satiren
benutzt hat.^)
1) Zusammengestellt bei Riese, Varron. sat, Menipp., Lips. 1865, S. 245 f.;
Wachsmuth, Sillographi Graeci^, Lips. 1885, S. 78 fi.
2) Wasmannsdorf, Luciani scripta quae ad Menippum speetant, Diss. Jena
Lucian und Menipp. 15
Die vorliegende Arbeit will einen neuen Versuch machen, auf-
zuspüren, wieviel Lucian seinem Vorbilde verdankt. Daß dabei der
Ertrag größer ist für ihn selbst, für das Verständnis seiner Arbeitsweise,
auch die Erkenntnis der Reihenfolge seiner Schriften, wird niemand
wundernehmen. Eine Analyse der Lucianischen Satiren lehrt uns aber
doch auch für Menipp mehr als man bisher gefunden hat. Drei Wege
sind es, auf denen wir zum Original vorzudringen vermögen, ab-
gesehen von der Form, d. h. abgesehen davon, daß die größere Zahl
eingemischter Verse die Nachahmung zeigt, da wir wissen, daß dies
die Eigeuart Menippischer Satiren war.^) Aber mehr kommt es auf
den Inhalt, auf die benutzten Motive an. Hier weisen uns zunächst
die Gedanken selber hin und wieder auf Menippisches Gut hin; wo
die Ideen der kynischen Schule klar zutage treten, wo man sogar die
eigentümliche Färbung erblickt, durch die Menipp dem strengen Rigo-
rismus der Kyniker ein milderes Aussehen verliehen hat, darf man
an seine Nachwirkung glauben. Es gibt Bilder, Vergleiche meist
typischer Art, denen man das Kynische ansehen kann. Als Bestäti-
gung kommt das zweite hinzu, Parallelen aus der übrigen Literatur,
die man als von Menipp beeinflußt annehmen kann. Sie erstrecken
sich nicht nur auf einzelne Aussprüche, sondern auch auf Motive, auf
die Gestaltung des Ganzen und führen uns darum weiter; denn nicht
der einzelne Gedanke, der ja auch in einer kynischen Diatribe wieder-
kehren konnte, ist es, der uns lockt; wir möchten die Inszenierung
bei Menipp, die Einkleidung, die er seinen lustigen Bosheiten und
seinen tiefsinnigen Spaßen gegeben hat, wiederfinden. Eine wesent-
liche Stütze dazu bietet uns das dritte Indizium, die chronologischen
An pielungen. Es ist eine bekannte Sitte der Sophisten, daß sie ihre
ii' -])iele aus der älteren Zeit nehmen; es hängt das mit der Koniautik
dieser ganzen Richtung zusammen. Stofife der Gegenwart meidet man*),
sie würden dem hohen Fluge hinderlich sein, den der damalige Redner
nimmt, wie sie etwa noch jetzt sich nicht zum Epos schicken wollen.
Die Chrysostomos hebt in einer Rede diese Eigentümlichkeit ausdrück-
lich hervor'): 'Vielleicht siehst du mit Verachtung auf mich und hältst
1M74; Wildonow, De Menippo Cynico, Diss. Halle 1881; W. Knaucr, De LuciRno
Menippeo, Disa. Halle i""i u.;».... ! iteratur bei Susemil' \i..v...,,i. i ;♦.
Ge«ch. I 8. 44.
1) ProViiiB zu V« r;' ; \ I 1 I _•;; Haften) n&gi von Alcmpp; i> nuiMiue
omnigeno carminc fiiiii.i- n.i • \| ii.iai; v^jl. Luc. bin aco. «13: oirt nt^ö^ tifn
oft' inl Ttav inttifotv (i^fiifXu.
2) llohdf, Uricch, llomau ', .S. :i47.
8) XXI 11 niQl %ttXXov^ (II 606 R II )iOU. :i \
1 6 Einleitung.
meine Worte für Geschwätz, weil ich nicht von Kyros und Alkibiades
spreche, sondern des Nero und dieser jüngeren und ruhmlosen Er-
eignisse Erwähnung tue.' Noch bei Libanius zeigt sich in gewisser
Weise die Nachwirkung dieser Gewohnheit der Sophisten; er hat
grundsätzlich alles Römische vernachlässigt. Aber es ist ja klar, daß
ßich diese Sitte nur auf sophistische Prunkreden beziehen kann.
Lucian selber hat sich über diejenigen, die nie über die alten Zeiten
der attischen Herrlichkeit hinauskommen, lustig gemacht und erklärt,
daß er die ccQKjtecov enaCvovg satt gehabt habe.^) Sollte er da trotz-
dem in denselben Fehler verfallen sein? Wir werden aber auch sehen,
daß 4ie historischen Anspielungen gar nicht auf der Stufe jener in
den Reden der Sophisten immer wieder vorgebrachten Verherrlichung
alter Helden stehen und sich von dort aus nicht begreifen lassen, aber
auch sonst nicht als Erfindung Lucians; darum, wo uns Anspielungen
begegnen, die mit seiner Lebenszeit nichts zu schaffen haben, wird
man mit Recht glauben auf Menipps Fährte zu sein.
Schwer wäre es vielleicht dennoch, zu einigermaßen sicheren
Schlüssen zu kommen, wenn nicht der Gang der Untersuchung deut-
lich erwiese, wie gering im ganzen das Repertoire ist, das Lucian zu
Gebote steht, wie er dieselben Gedanken wieder und wieder verarbeitet,
vielleicht in etwas anderer Form, mit einer neuen Nuance, aber im
Grunde doch dieselben, wie er die gleichen Motive wendet und dreht
und sie nach allen Seiten benutzt, ehe er sie endgültig beiseite wirft.
Wer das beachtet, wird Lucians eigene Fähigkeit zu poetischer, phan-
tastischer Gestaltung nicht gar zu hoch anschlagen und, da er selbst
uns die Komödie und Menipp als seine Vorbilder angibt, auch schwa-
chen Argumenten mehr und mehr die Beweiskraft nicht absprechen.
Erst die Vorstellung, die man aus sämtlichen Satiren schöpft, gibt
die Möglichkeit, im einzelnen über mehr oder minder große Wahr-
scheinlichkeit bei dem Rückschluß auf die Satire Menipps richtig zu
urteilen. Daß es dabei immer noch nicht gelingen kann, das Dom-
röschen selber aus seiner Umgebung herauszuheben und zu neuem
Leben zu erwecken, ist selbstverständlich; aber es ist auch schon
etwas, durch das Gestrüpp bis ins Schloß zu dringen und den Zauber
so weit zu lösen, daß man den Schimmer ihrer Gestalt mit den
Augen wahrnehmen und den Reiz ihrer Erscheinung empfinden kann.
Versuchen wir, ob uns das wenigstens beschieden ist!
1) Rhetor. praecept. 18; bis acc. 32.
Kapitel I.
Die Nekyomantie.
Unter deu größeren satirischen Dialogen Lucians sind zwei, in
denen er dem Menipp selber die Hauptrolle gegeben hat, ohne daß
er sich doch bemüht hätte, auch nur im geringsten die Persönlich-
keit als Individuum zu zeichnen und nach Ort oder Zeit zu fixieren.
Der eine ist der ^Menipp' oder die *Nekjomantie\ Menipp kehrt heim,
geschmückt mit Pilos, Leier und Löwenhaut, und gibt dem Philonides
auf seine Fragen Auskunft, zunächst immer in Versen; er erzählt,
daß er aus der Unterwelt komme; wie er hört, daß die Menschen
auf der Erde noch immer auf unrechte Weise nach Reichtum haschen,
bedauert er die Armen, die nicht ahnen, welch ein Beschluß gegen
sie im Orkus gefaßt ist. Auf Bitten des Freundes, der sich auf seine
Schweigsamkeit und Kenntnis der Mystenpflichten beruft, bequemt er
sich dazu, diesem den Beschluß zu berichten; doch ist er einverstanden,
lieber von Anfang an den Grund seiner Niederfahrt und den Verlauf
zu erzählen. So erklärt er denn, wie er an dem Widerspruch der
unmoralischen Mythologie und der irdischen Gesetze Anstoß genommen
habe, ^wie ihn dann die einander ganz entgegengesetzten Lehren der Phi-
losophen in der Moral, weiter ihre ganz auseinandergehenden Angaben
betreflfe der Entstehung der Welt, endlich vor allem die Disharmonie
zwischen ihrer Lehre und ihrem Lebenswandel in Verwirrung gebracht
hätten; so sei er in schlafloser Nacht auf den Gedanken gekommen
nach Babylon zu wandern und einen Magier aufzusuchen, der mit
Zauberformeln und Weihen die Tore der Unterwelt zu öffnen verstehe,
um dann den Böotier Tiresias zu befragen, welches Leben das beste
sei. Er sei also zu Mithrobarzanes gegangen; der habe ihn einen
ganzen Monat vor))ereitet und dann in dieser Ausstattung, die er noch
trage, selbst mit dem Gewände des Magiers angetan, hinabgeleitet
und ihn g(>heißen sich Herakles oder ()dysH<>us oder Orpheus zu
nennen. Unten angelangt, hätten sie eine (im he gegraben und ge-
opfert, und mit lauter Stimme habe der Magier die Gottheiten der
' I t<tiol«o tiod Mcaipp, •
18 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Unterwelt angerufen, so daß sich der Boden auftat und das Reich
des Pluto sichtbar wurde. Dem Kerberos gegenüber bewährt sich
nun nach Menipps Erzählung die Leier, dem Charon gegenüber die
Löwenhaut. So können sie zunächst einer Gerichtsszene beiwohnen,
bei der jeder von seinem eigenen Schatten verklagt wird; da sind sie
Zeugen, wie der Tyrann Dionys von Ari stipp, der dort unten viel
gilt, gerettet wird. Dann kommen sie zur Stätte, wo die Strafen voll-
zogen werden und neben den modernen Sündern auch Ixion, Sisyphos,
Tantalos und Tityos weilen. Weiter gehf s ins acherusische Feld, wo
die übrigen Toten sich aufhalten, alle gleich im Aussehen, bar der
irdischen Schönheit, so daß Nireus und Thersites nicht zu unter-
scheiden sind. Da erscheint Menipp das Leben wie ein Aufzug, bei
dem Tyche die Ausrüstung verteilt, oft auch während des Ganges
wechseln heißt, jedem aber am Ende sein Kostüm wieder abnimmt;
noch deutlicher wird das durch die Erinnerung an die Schauspieler
gemacht, die, wenn sie von der Bühne abtreten, nicht mehr Könige,
sondern arme Menschen sind. Auf eine Zwischenfrage des Philonides
gibt Menipp an, daß auch die Besitzer von Prachtgräbern wie Mau-
solos dort unten nicht mehr Platz haben als die andern, daß Philipp
von Macedonien in einem Winkel Sandalen flickte und Tyrannen am
Dreiweg bettelten. Eine weitere Frage gibt Anlaß zu erzählen, wie
Sokrates dort mit den zum Schwatzen Geneigten, Palamedes, Odysseus,
Nestor, herumwandelt, Diogenes aber sich das Vergnügen macht, Leute
wie Sardanapal und Midas bei ihren Klagen zu verspotten. Ein plötz-
licher Einfall bringt die beiden Unterredner auf den Ausgangspunkt
ihres Gespräches zurück, den Beschluß gegen die Reichen, den Menipp
nun vorbringt. Die Seelen der Reichen sollen danach in Eselskörper
fahren und 25 Myriaden von Jahren beständig darin zubringen. Es
fehlt aber noch der Bescheid des Tiresias, um dessentwillen Menipp
hinabgezogen war; so sagt er in Kürze dem Freunde, wie er zwar
den Seher gefragt, der aber ihm nach vielen Bitten nichts weiter
mitgeteilt habe als ganz im geheimen: ^Das Leben der Laien ist das
beste'; darauf sei Tiresias verschwunden, er aber habe den Mithro-
barzanes, da es schon spät war, aufgefordert zurückzukehren, und dieser
habe ihm einen Weg gewiesen durch das Heiligtum des Trophonios;
so sei er, ohne selbst zu wissen wie, nach Lebadeia gekommen.
Daß hier Menippbenutzung vorliegt, wird wahrscheinlich nicht
nur durch die Nachi-icht, daß Menipp eine Nekyia geschrieben hat^j.
1) Diog. Laert. VI 101.
Von Menipp beeinflußte Parallelen. 19
Ton deren Art nnd Umfang wir uns ja keine Vorstellung machen
können^ sondern eben dadurch, daß Lucian dem Kyniker die Hauptrolle
in dem Dialog zuerteilt hat. Die Benutzung von Versen des Homer
und Euripides \) zu parodischen Zwecken entspricht dem Brauch menip-
pischer Satire. Ein weiteres Argument bietet Horaz sat. II 5, wo in
ähnlicher Weise wie in der 'Nekyomantie' Ulixes zu Tiresias kommt
und sich Rats erholt über die beste Art, sein Vermögen wieder auf-
zubessern.^) Allerdings kommt man über ein paar äußerliche Ähnlich-
keiten nicht hinaus^) und ein sehr wesentlicher Unterschied ist
zwischen beiden Dialogen: Horaz knüpft unmittelbar an die home-
rische Szene an, die, wie Norden gezeigt hat*), eine richtige Nekyo-
mantie ist, Lucian dagegen hat eine xaraßKöcg^ er führt seinen Menipp
durch die ganze Unterwelt, wie Vergil Aeneis VI den Aneas von der
Sibylle geleiten läßt. Bei der Selbständigkeit, mit der Horaz in seinen
Satiren fremdem Vorbilde nachgeht und die es so schwer macht, das
Bionische Gut wirklich bei ihm herauszuschälen, wäre es durchaus
nicht verwunderlich, daß er nicht mehr als die Anregung zu dieser
Parodie au.s Menipp übernahm; ist ja doch auch das Laster der Erb-
schleicherei, zu der Tiresias bei ihm rät, so speziell seiner Zeit, in der
Kinderlosigkeit bei Vornehmen fast die Regel war, angemessen^), daß
man nur die ganz allgemeinsten Entlehnungen aus seiner Quelle an-
nehmen kann. Also auch Horaz kann uns nicht weiter als bis zu
allgemeinen Vermutungen führen. Noch weniger Varro, der in der
Satire Jtegl i^aycoy^g eine Art Nekyia — doch wohl nach menippischem
1) 1: Od. XI 168. 4; 9: Od. XI 6; 10: 11. XX 61; (11: Od. XXIV 13); 21 : Zu-
sammensetzung aus Od. XI 627, XXIV 13; 1: Eur. Herc. für. 628. 4; Hecub. 1. 2;
Andrem, fr. 149 ine. fab. 936 Nauck '. Daß gerade diese beiden Dichter in der
menippiflchen Satirc mehrfach verwendet sind, werden wir öfter bemerken. Vgl.
Joel, Der echte und der xenophont. Sokratcs II', Berlin 1901, S. 890; Hense,
Rhein. Muh. LXI (1906) 8. 11 f.
2) Siehe Kießlings Ausgabe liinlcil^'. /u Sal. 11 ..; Dietericli. >.«ks..., Lv,^>,..
1898, 8. 142 Anm.; Th. Fritzsche, Menipp und Horaz, Güstrow 1871, S. 29; Heinze,
De Horalio Bionis imitatore, Honn 18H9, S. H; Hense, Festschrift für Th. Üomperz,
Wien 1902, 8. 19.H und die dort zitierten Gelehrten.
8) Sie gipfeln darin, daß Menipp auch den Pilos hat und Odysseus vor-
stellen soll, daß er um Hat fragt und dieser erteilt wird; die einzige wörtliche
Übereinstimmung findet sieh in dem 6 dk y^^^ff^S Necyom. 21 und 'quid rides?'
Kiit II Tj, 8. Tbcr Ähnlichkoiten im Ausdruck mit anderen Dialogen Lucians
werden wir in Kap. VIII handeln.
4) Aeneis Huch VI orkl. v. Kd. Norden, Leipzig 19(».M, S. 196.
6) Siehe Frii'diftnder, Sitt^'ngeschichte Ilomf I" ^ Mi»r Wir kommen
darauf hei den 'Totengespräohen* zurflck.
20 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Vorbild — geschaffen hat. Es läßt darin jemand die berühmten Selbst-
mörder Revue passieren^); aber mehr als daß es sich um eine Szene
im Hades handelt, können wir nicht erkennen.
Daß in Lucians ^Nekyomantie' älteres Gut verwandt ist, lehrt
aber sowohl die äußere Gestaltung der Erzählung, wie auch die Art
einzelner Gedanken. Menipp geht zur Unterwelt, um Tiresias zu
befragen, welches das beste Leben sei. Wieland hat an diesem Motiv
Anstoß genommen, indem er nur die Odyssee daneben hält, in der
ja allerdings der Prophet besser angebracht war, weil er Zukünftiges
angeben, die weiteren Schicksale des Helden voraussagen und seine
Mahnungen daran knüpfen konnte. Wenn der Vorwurf berechtigt ist,
so hat Lucian bei diesem Motiv zweifellos Vorgänger gehabt. Man
braucht nur auf Aneas zu verweisen, für den ein eigentliches Motiv
zu seiner Hadesfahrt doch auch nicht vorhanden war; die pietas des
Helden allein und der Wunsch, seinen Vater wiederzusehen, ist ja für
die Komposition nur ein schwaches Mittel.^) Aber näher noch liegt der
Vergleich mit Timons Sillen, in deren zweitem Buch der Verfasser
ebenfalls eine Unterweltswanderung unternahm und sich von Xeno-
phanes unterweisen oder geleiten ließ. ^) War es kein Seher, so mußte
es ein Fachmann sein, der Auskunft gab. In Aristophanes' 'Gerytades'
erbitten die Hadesfahrer bei den verstorbenen Dichtern Rat.*) Für
1) Nach Hirzels Vermutung Der Dialog. Leipzig 1895, I 449.
2) Vgl. Norden a. a. 0. S. .^43; Heinze, Virgils epische Technik, Lpzg. 1903,
S. 428 f.
3) Die Parallele Xenophanes-Tiresias zieht schon 0. Jahn Herrn. II (1867) 237.
Wachsmuth, Sillogr. Graec. S. 43 rekonstruiert die Einleitung etwa so: ^sed pla-
cita vestra (der Philosophen) omnia inter se pugnant: quis igitur probandus est?
hoc ut cognoscerem, nuper in Orcum profectus sum et narrabo vobis quae ibi
expertus sum'. Diese Kombination bleibt nach Vergleich mit Lucians ''Nekyo-
mantie' für den Teil der Sillen, der durch die Nekyia gebildet wird, bestehen,
auch wenn im übrigen Wachsmuths Vermutungen über die Sillen vor der Rekon-
struktion von H. Diels, Poet. Philosoph. Frgmt., Berlin 1901, S. 182 ff. weichen
müssen, über die wir zu Lucians '^Fischer' mehr zu reden haben werden. — Für
Krates läßt sich eine Hadesfahrt aus den Fragmenten nicht erweisen (Ettig,
Acheruntica, Leipz. Studien XUI S. 319); die Benutzung einzelner Verse aus
Homer Od. XI spricht noch nicht für die Verwertung des Motivs, das iv MsyaQOig
fr. 1 Diels S. 217 läßt die Frage auch nicht entscheiden, da es sowohl Name
wie Appellativum sein kann, obwohl Stilpons Geburt in Megara (Diog. Laert. II
113) doch für die Auffassung als Städtenamen spricht, die Diels auch bevorzugt
hat (Wachsmuth, Sillogr. Gr. S. 72 f.). — Sammlungen von Hadesfahrten bei Rohde,
Griech. Roman ^ Lpzg. 1900, S. 279, 3 (^ S. 260). Diels, Archiv f. Gesch. d. Philo-
sophie III (1890) S. 469.
4) Comicor. Attic. frgmt. ed. Kock I S. 427.
Veranlassung zur Hadesfahrt. 21
Lucian gab es keinen Fachmann, er brauchte nur einen ^ der beson-
deren Verstand hat und selbst nicht durch irgendwelche Einbildungen
geblendet ist. Nun ist es ja ein alter Glaube, daß die Seele, wenn
sie sich vom Körper löst, in einen Zustand erhöhten Lebens und
größerer Erkenntnisfähigkeit zurückkehrt^): darum die Weissagungen
Sterbender, darum die Beschwörung Gestorbener. Der Sage nach paßte
aber keiner dazu so gut, Auskunft über jede Frage zu geben, auch
diejenige, die nur Sache des Verstandes ist, als Tiresias, tov re (pQavsg
e^iTtsdoC eiöLV x(p xal Tsd-vr^ätL voov nÖQS IleQöefpovua oI'g) ^envv-
ö^ai'^ ihm ist allein von den Toten die 'Helligkeit seines Geistes'
geblieben"); und eine Frage mit bezug auf den Vorzug dieses oder
jenes Lebens konnte er jedenfalls aus eigener Erfahrung beantworten,
die Frage, die Lucian im 'Hahn' (19) seinen MikyUos stellen läßt;
dazu berechtigte ihn die bekannte Entscheidung des Streites zwischen
Zeus und Hera. Auch bei Horaz gibt Tiresias Unterweisungen über
ein rein praktisches Unternehmen, und es ist ja klar, daß die Parodie
um so stärker wurde, je weiter der Gegenstand der Frage von dem
alten Seher ursprünglich ablag. Menipp aber, der, obwohl aus Gadara
stammend, seinen Wohnsitz in Theben aufgeschlagen hatte ^), mußte
sich erst recht veranlaßt fühlen, gerade seinen klugen Limdsmann auf-
zusuchen. Dieser Umstand und die Wiederkehr des Tiresias bei Horaz,
sowie die vermutliche Gleichartigkeit des Motivs bei Timon lassen
daran denken, daß auch bei Menipp ein ähnlicher Grund für die
Hadesfahrt, die doch irgendwie motiviert sein mußte, angegeben war,
und daß vielleicht auch dort Tiresias diis Ziel der Wanderung war.
Der Lucianische Menipp geht nun nicht als gewöhnlicher Mensch
zur Unterwelt, sondern in einem besonderen Kostüm, durch das er
den Eindruck alter Heroen wachrufen will. Bei Aristophanes in den
'Fröschen* benutzt Dionysos im gleichen Falle die Löwenliaut des
Herakles^;, wodurch die xardßuöig ^HQaxXeovg parodiert wird; von
den 'Gerytades' desselben Dichters, die ebenfalls in den Hades führten,
wissen wir leider nichts Genaueres, als daß es drei gewesen zu sein
scheinen, der Komödiendichter Sannyrion, der Tragiker Meletos und
1) Ilohde, Pnychc, FroibuiK i. li If^UM, I« 8. oft Anai. 1 > ' *'» «8
nach Posidoniaii. 2) liohde, ebenda I' 117 Anm. '2
8) Diojf, Laert. VI üO; Hir/.cl, l)iuloj(, Lp/.j^ 1895, 11 ^^. .ilT i.h
Koauer (■. o. 8. 16; 8, 16, der aber nur H<'i»piel«' fflr <H<' Hefniptinp ion
TirefiBH anführt
4; P, Hchulxe, <.juae r»»!«' Inu.r. «».Int uif; Luciau. iL i'^un',...
Berlin 1HH8, 8. 29
22 Kapitel I. Die Nekyomantie.
der Lyriker Kinesias, die als Gesjindte geschickt wurden, um bei
den verstorbenen Koryphäen der Dichtkunst sich Rats zu erholen;
es scheint aber nicht, daß sie ausstaffiert waren, vielmehr waren sie
wegen ihrer Klapperdürre ausgewählt, da sie leicht für Tote angesehen
werden konnten.^) So wird es nur Zufall sein, daß bei Lucian gerade
drei Verkleidungen gehäuft werden; denn er fügt zur Löwenhaut die
Kopfbedeckung des Odysseus und die Leier des Orpheus hinzu, so
daß nun die drei berühmten naraßccöeig sämtlich parodiert sind. Die-
selben sind, wie Norden nachgewiesen hat^), von Yergil benutzt worden,
wodurch sich die Übereinstimmungen zwischen beiden erklären.
Die Vorbereitung auf den Gang in den Hades findet entsprechend
den Vorschriften der Zauberlehre ^) statt, die sich zum Teil mit den
für die Aufnahme in die Mysterien bestehenden Vorschriften decken.*)
Es ist zunächst auffällig, daß alle diese Vorschriften mit völligem
1) Kock I S. 427. Über des Pherekrates TCQaTtccrccXoi (Kock I S. 167; Meineke,
Historia critica comicor. Graecor. S. 84 f.) ist nichts zu sagen.
2) Aeneis Buch VI; die Stellen sind im Register S. 468 unter xatccßaGig
verzeichnet.
3) Kroll, Antiker Aberglaube, Hambg. 1897, benutzt deshalb mit Recht
gerade diese Stelle, um eine ganze Anzahl von Erscheinungen zu beleuchten,
S. 30 ff. Über alle diese Zauberriten bei Lucian und ihre Ähnlichkeit mit dem
Mysterienwesen verweise ich auf die kurze Zusammenstellung bei A. Dieterich,
Abraxas, Lpzg. 1891, S. 157 Anm. 2, wo die Reinigungen, die Grube, die Fackeln,
die Spende von Milch und Honig, das Schlafen auf Binsen, auch die Verwendung
von Zwiebeln erwähnt sind. Für die ganze Nekromantie gibt eine fleißige
Sammlung Fahz in den Religionsgeschichtlichen Versuchen, her. von Dieterich und
Wünsch, 11 S. 110 ff. Zu erinnern ist auch an die magische Verwendung der
Mithrasliturgie : A. Dieterich, Mithrasliturgie, Lpzg. 1903, S. 16 ff. und den Papyrus
Mimaut bei Reitzenstein Poimandres, Leipzig 1904, S. 146 ff.
4) Auch durch die Mysterien werden ja die Eingeweihten mit den Schrecken
der Unterwelt vertraut gemacht (Rohde, Psyche^ I 301, II 400 Anm. 1; Stengel,
Griech. Kultusaltertümer ^, München 1898, S. 164; Anrieh, Antikes Mysterienwesen,
Göttingen 1894, S. 33. 42; Cumont, Textes et monuments relatifs aux mysteres
de Mithra, Bruxelles 1899, I fo. 321). Für die Isismysterien zeugt Apul. met.
XI 23: accessi confinium mortis et calcato Proserpinae limine per omnia vectus
elementa remeavi; von den &ai(i6vcov ^&ovicov nvöäv ov^ßolcc und 07/jftg ixtccgdr-
tovöai rovg rsXov^^vovg bei den heiligsten Weihen, sowie den itaraTiXri^SLg dicc
x&v Xsyo^svoov und dtä xcav dsLxvv^ivojv , von den aQQT]T(ov cpcc6^dt(ov del^etg
spricht Proklos in Alcibiad. I 39 f. 61. 142 Creuzer, und Lucian gibt den Beleg für
die eleusinischen Mysterien wenigstens seiner Zeit, Catapl. 22 (Maaß, Orpheus,
München 1895, S. 95 f.). Für die dionysischen Weihen haben wir das Zeugnis
des Origenes c. Gels. IV 9: rotg iv rcctg Ba-aiiytccig rsXstcctg xa g)d6ncctcc jcccl dsl-
^lata TfQosLödyovai, und Celsus hatte nach Origenes c. Gels. Vlll 48 von den KoXdasig
bei den Mysterien gesprochen, die den christlichen ewigen Strafen entsprächen.
Vorbereitung zur Hadesfahrt. 23
Ernst vorgetragen werden und man dabei den Schalk nirgends recht
herausfühlt. Für die Zeitgenossen wird der Witz klarer gewesen sein;
er beruhte offenbar entweder in der Häufung aller sonst bei Zauberei
nötigen Gebräuche oder in der Profanierung der Mysterien geh rauche
oder in beidem zusammen. Vorgeführt würde die Szene gewiß
mehr wirken^ und man muß daran denken, daß schon Aristophanes
in den 'Wolken' die Einweihung der orphischen Mysten in dieser
Weise profaniert und zum Gespött macht. ^) Das zweite Jahr-
hundert n. Chr. zeigt aber ein Aufblühen des Mysterienwesens*),
das die Satire herausfordern und selbst Jahrhunderte alte Verhöhnungen
wieder aktuell erscheinen lassen konnte. Es ist nicht unwahrschein-
lich, obwohl ja in gewisser Hinsicht alle Mysterien sich ähneln,
daß Lucian besonders die Mithrasmysterien vorgeschwebt haben, wie
Cumont^j vermutet hat, zumal er es selbst durch den Namen des
Magiers Mithrobarzanes angedeutet hat. Auf Mysterien werden wir
auch gleich in dem einleitenden Zwiegespräch hingewiesen durch die
Worte Menipps, mit denen er sich weigert über das Gehörte Auskunft
zu geben und in denen ä7c6QQi]ra so recht Mysterienausdruck ist.*)
Es ist aber eine feinere Art der Satire, die Lucian verwandt hat und
vielleicht eben mit Rücksicht auf den Gegenstand verwenden mußte.'')
1) Siehe A. Dieterich, Rhein. Mus. XL VIII 1 1893) S. 275 S. Man kann auch
erinnern an kathartiscbe Dichtungen wie die des Empedokles und Epimenides,
die ja durch Askese den Verkehr mit den Göttern zu erreichen lehrten (Diels,
Parmenides' Lehrgedicht, Berlin 1897, S.14 ff.). Hier haben wir die Parodie dieser
asketischen Vorschriften.
2) Wendland, Zeitschr. f. neutestamenfcl. Wissenschaft V (1904) S. 353; ich
erinnere an das oben erwähnte Beispiel des Apuleius (s. S. 6).
3) A.a.O. (8. S. 22 Anm. 4) I 323 Anm. 6, II 28. Auch Bousset, Archiv filr
ReligionswiKHensch. IV 104 f , bringt Luciaus Darstellung in vager Weise mit der
Religion des Mithras in Verbindung.
4) Necyom. 2: ov ^iy.ii ixtp^gsiv ccvtä ngös tinccvTccs ovSk t« ocnoggurcc
i^ayoQSvtiv; l'hilonides antwortet: ngb^^ yug dSora atan&v ifftii rd t älla xal
icQÖg neiivrm^vov; über ««dppijra als Mysterienausdruck s. Wobbermin, Reli-
gionsgeschichtl. Studien, Berlin 1896, S. 157, ixtpigsiv ebenso Lobeck, Aglaopha-
inus I 55.
5) Interessant ist es dagegen die groteske .\rt xu halten, mit der Habelais
im '(iarganiua und PantagrueP derartige Vorbereitungen verhöhnt, sicher im
Anschluß an Lucian, den er Buch II Kap. 1 ('ab und zu sprechen sie [die Pm-
■agiere in der Arche Noahs mit dem darauf sitzenden Kiesen Ilurtuly] auch mit-
einander, wie nach Luciuns Bericht Icaromenippus mit Juppitr'^ mu\ Buch IV
Kap. 15 ('Das ist ja das reine Symposion der Lapiihcn, wie eH tter Philosoph
von Hamosatti beschreibt') zitiert und den er auch sonst verwertet hat. Ucutach
(Lucianstudien 8. 20y und K. FOniter (Lucian in der ReniiiHHaneo 8. 16/16 [s.S. S])
24 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Menipp wird zunächst gereinigt, indem er einen Monat lang vom
Neumond an^) täglicli zum Euphrat geführt wird; so wird auch der
fuhren die Benutzung unserer 'Nekyomantie' Buch 11 Kap. 30 an, wo dem ge-
töteten Epistemon der Kopf wieder aufgesetzt wird und er nun von seinen
Erlebnissen in der Unterwelt berichten kann; wir werden später auf diese
ünterweltszene verweisen. Es ist aber zweifellos, daß auch die ganze Reise
des Pantagruel und Panurg nach dem Flaschenorakel, die das 4. und 5. Buch
füllt, nach Lucians 'Wahren Geschichten' erfunden ist, nur daß Rabelais dabei
aktuelle Satire auf Pabst und Geistlichkeit, Inquisition, Alchemisten und Markt-
schreier, Richter, Schlemmer und alles Mögliche schaflFt. Am deutlichsten spricht
ja für die Entlehnung das Land Laternien Buch V Kap. 32. 33, wie Rabelais
mit einem Wortspiel auf den Lateran gesagt hat, das der Lucianischen Lychno-
polis ('Wahr. Gesch.' I 29) seine Entstehung verdankt und in dessen Hafen die
Lychnobier wohnen. Der Aufenthalt in Pantagruels Mund (Buch II Kap. 32),
wo der Erzähler Felsen, Wiesen und Wälder, ja ganze Städte sah und zuerst
auf einen Mann stieß, der Kohl pflanzte, ist nach Lucians 'Wahr. Gesch'. I 30 ff.
ersonnen, wo die Fahrenden mitsamt dem Schiff von einem Ungeheuer ver-
schluckt werden, in dessen Innerem Ebenen und Höhen sind, LTtavbv iivgidvögco
TidXsi ivoL-KEiv^ und man einen Alten trifft, der zugleich mit einem Jüngling
seinen Gemüsegarten bestellt. Auch die Namengebung für die Nonne und den
Mönch (Buch III Kap. 19) in der Novelle nach Art des Boccaccio entspricht der
von Lucian bei Gelegenheit des Volksbeschlusses in der 'Nekyomantie' (20) an-
gewandten, wie er ja auch sonst ganz wie Lucian Namen gibt, die in gewisser
Weise die Träger charakterisieren (s. Schneegans, Groteske Satire, Straßbg. 1894,
S. 263, der übrigens die Lucianbenutzung nicht erwähnt). Was Rabelais von
dem ungeheuren laborator naturae Buch II Kap. 1 oder von dem Lothringer in
dem Kapitel über die Bedeutung des Hosenlatzes (III 8) erzählt, hat sein Vor-
bild an den Männern in den 'Wahr. Gesch.' II 45, die an den ccldotcc — ^Laydlcc
Sh (pEQOvGiv — die Segel anspannen and dann rücklings liegend das Meer durch-
fahren. Nach den Vorbereitungen Menipps sind diejenigen ersonnen, die Panurg
über sich ergehen lassen muß, ehe er das heilige Wort der Flasche vernehmen
darf; ich kann es mir nicht versagen, zur Beurteilung des Unterschiedes die
Stelle hier abzudrucken nach der Übersetzung von Gelbcke (Lpzg. Bibliogr. In-
stitut, n S. 331): 'Hierauf tat sie ihm einen grünen Mantel um, setzte ihm ein
schönes weißes Käppchen auf, darüber einen Hypokras-Filtriersack mit drei Spieß-
lein statt der Quaste am Zipfel, bündelte ihm zwei altfränkische Hosenlätz' an,
umgürtete ihn mit drei aneinander gebundenen Dudelsäcken, wusch ihm das
Gesicht dreimal in besagter Quelle, warf ihm dann eine Handvoll Mehl ins
Gesicht, steckte ihm an die rechte Seite des Hypokras-Filters drei Hahnenfedern,
ließ ihn neunmal um die Quelle herumgehen, drei putzige kleine Sprünge machen
und zuletzt siebenmal mit dem Hintern gegen den Fußboden stoßen,' wobei sie
ununterbrochen weiß Gott was für Beschwörungen in etruskischer Sprache mur-
melte und dabei etwas aus einem Ritualbuch las, das einer ihrer Mystagogen
ihr vorhielt.'
1) Über den Einfluß des Mondes auf die Zauberei und die Bedeutung des
Neumondes s. Röscher, Selene und Verwandtes, Lpzg. 1890, S. 84 ff.; Nachträge,
Lpzg. 1895, S. 30.
Vorbereitung zur Hadesfabrt. 25
aus Eselsgestalt wieder entzauberte Lucius bei Apuleius (met. XI 23)
vor der Aufnahme in die Isismysterien vom Priester zum Bade ge-
leitet, der ihn prius sueto lavacro traditum, praefatus deum veniam,
purissime circumrorans abluit. Der Magier spricht dann eine lange
Zauberformel, die dem Unkundigen nicht verständlich ist und aus der
nur die Namen bestimmter Gottheiten heraustönen. Unverständliche
Worte gehören zu jeder magischen Beschwörung, wie uns die Zauber-
papvri zeigen. M Die Formel wird mit dem Gesicht gegen Osten ge-
sprochen, ^ie das erforderlich ist, und zwar gegen die aufgehende
Sonne.*) Nach der Beschwörung speit der Magier dem Menipp drei-
1) Necyom. 9: naQa^iiyvvg OL\ia xal ßccQßagixd riva xal &arnLa 6v6^ccxa xal
nolvavXXttpa ; vgl. Anaxilas Kock II S. 26» fr. 18, 7: 'Ecpfarncc ygäfipiaTa: Menander
Kock III S. 108 fr. 371: 'Eqiioicc xoig yanovatv ovrog TtfQiTturst liyaiv aif^iqpccp-
uctxcc; Apul. met. III 21: multumque cum lucema secreto conlocuta; vgl. A. Die-
terich, Jahrb. f. klass. Phil. Suppl. XVI 767 ff.; Rhein. Mus. LVI (1901) S. 77 ff.;
Mithrasliturgie S. 32 ff., wo die 6v6iiccxu aarfiia in ihrer Bedeutung für den Kult
behandelt sind; Abraxas S. 22. 42; Lobeck, Aglaophamus II 1163. 1330; Wünsch,
Sethian. Verfluchungstafeln, Lpzg. 1898, S. 77 (Antikes Zaubergerät aus Pergamon,
Jahrb. d. Kaiserl. Deutsch. Archäol. Instituts Ergzgsh. VI [1905J S. 28 ff".); Heim,
Incantamenta magica. Jahrb. f. klass. Phil: Suppl. XIX S.ö26; Audollent, Defixionum
tabellae, Paris 1904, S. LXVIIff.; Wessely, 'Egjacm ygä^iiata, Progr. Wien 1886;
Reitzenstein (b. S. 22 Anm. 2) S. 66 f ; Ed. Meyer, Geschichte des Altertums, Stattg.
1884 I S. 143: 'So ist den späteren Zeiten des Neuen Reichs die Entdeckung
vorbehalten geblieben, daß die für Zauberzwecke und ein glückliches Leben nach
dem Tode wirksamsten Namen der unbekannten Götter und Dämonen in absolut
Hinnlosen Zusammenstellungen von Buchstaben beständen.' (Vgl. auch die Anmer-
kung dazu.) Dieser ägyptische Einfluß zeigt sich, wenn Lucjm» riiHopg. 31 sagt:
ulyvnridj^tov r^ (ftov^ (vgl. auch 9 und 12, dial. meretr. 4, ö .
2t Vgl. Cumont I S. 12H; Kroll, Antiker Aberglaube f^. i:J. uegen Osten
wendet sich der Zauberer Apul. met. II 28, der den toten Jüngling beschwört;
nach Osten muß der Anblick frei sein für Zaubereien im Hause der PamphiU
Apul. met. III 17. In dem Leydoner Zauberpapyrus VI 16 (Dieterich S. 806i heißt es:
xotfi«b nffbg ivaroXctg txmv ri]v xtffxxXiiv^ VII 1 : ßX^novri nghg avaroX^v. Ein votnm
contra soleni orientem bei Heim, Incantamenta magica 36, conversus ad 'orientem
rogabis deum' ebendort 36, 'sub divo orientem spectans' 101, (nctd^^^otTO xgbg
((vaxoXdg ijXiov 106; Parthey, Berliner Zaubcrpapyrus, Abhdlg. d. Berl. Aka<l. d.
Wisi. 1H66 S. 162, 80: xQÜ^ ^^ iv xotg &vtxxoXixoli\ Kratinus, XHiftavig Kock I 83
fr. 282, wo auch die Meerzwiebel vorkommt. Und nicht nur in der ZaubenM, bei
allen Kulthai *' . bei heiligen VortrHgen, beim Gebet spielt der Osten
eine Hauptr« n, Das^Trmplum, Berlin 1869. 8. 168 f). Die Tempel sind
meist nach Outen uri.-ntiert NisHen 173 ff ; Rhein. Mu». XL (1886) S. H29: St4«nge!,
Gricch. KultuHaltertamcr', München 1898, 8. 26). Auch die ältesten christlichen
Kirchen schließen sich dem an, wie sich der Betende nach Osten wendet
TertuUiau. c. Valeniinian. 8 ap«' i' H.iuck, Kealeneyclopidie fflr Protestant
Kirche X 792 (Kircbenbau).
26 Kapitel I. Die Nekyomantie.
mal ins Antlitz; die abwehrende Kraft des Speichels in der Zauberei
ist allgemein bekannt.^) Auf dem Rückweg darf der Zauberer keinen
ansehen. Die Speise Menipps in dieser Zeit sind Früchte, sein Trank
Milch, ein Honiggemisch und Wasser, wie derjenige, der sich in die
Isismysterien einweihen läßt, kein Fleisch essen darf und sich des
Weines enthalten muß; seine Lagerstätte bildet das Gras unter freiem
Himmel.^) Nachdem diese Vorbereitung vollzogen ist, wird er um
Mitternacht am Tigris gereinigt^) und geweiht mit Fackeln und Meer-
zwiebeln. So spricht von der Entsühnung durch Fackeln TibuU I 2 :
*et me lustravit taedis' und Claudian de VI. Honorii cons. 324: lustra-
lem sie triste facem .... circum membra rotat doctus purganda sa-
cerdos'*), und in gleicher Weise reinigt der Magier Lucians im Thi-
lopseudes' 12 das Haus ^eCcp xal dadl . . . TCSQLEXd'av sg tQtg] die
Meerzwiebel hatte bei den Pjthagoreern apotropäische Kraft ^), als
1) Kroll (s. S. 22 Anm. 3) S. 23. 30 f. Heim (s. S. 25 Anm. 1) S. 489 Anm. 2 führt
Literatur an. Theokr. VI 39: tglg el? i^ov ^tctvgcc ycolTtov (VII 127). Plin. n. bist.
XXVni 35 ff. Für die Dreizahl vgl. Diels, Sibyllin. Blätter, Berl. 1890, S. 40 Anm. 1.
2) Vgl. Apul. met. XI 23. Über die Bedeutung von Milch und Honig hat
Usener, Rhein. Mus. LVII (1902) S. 177 ff., gehandelt, der darauf hinweist, daß in
dem Berl. Zauberpapyrus, Parthey, Abb. d. Berl. Akad. 1865 S. 120, 20 f., empfohlen
wird Milch und Honig zu trinken. (Vgl. Reitzenstein [s. S. 22] S. 228.) Usener führt
den Gebrauch des Trankes von Milch und Honig in der alten christlichen Kirche auf
die Mysterien zurück. Auf unsere Stelle verweist in dem richtigen Zusammenhang
A. Dieterich, Mithrasliturgie S. 172. (Vgl. auch Leydener Zauberpapyrus VH 1 [Die-
terich 806]; Norden, Vergil Aen. VI S. 299f.) Über das Fasten bei den eleusinischen
Mysterien s. Diels, Festschrift für Gomperz S. 6, beim orphischen Kult Rohde, Psyche
IP S. 128, über die Enthaltung von Fleisch und Wein zur Vorbereitung aaf die
Incubation Deubner, de incubatione, Lips. 1900, S. 16 f. Auch die von Porphy-
rios de abstin. IV 7 nach dem Stoiker Chairemon geschilderte Sekte enthält sich
während der ayvslai des Fleisches und schläft auf einem Lager aus Palmblättem
(Wendland, Die Therapeuten, Jahrb. f. klass. Phil., Suppl. XXH S. 754). Wegen des
Lagers vgl. Parthey, Berlin. Zauberpapyrus 150, 22: hto) dh i) atQco^vr] xcc^ul i)
iTtl Kccd'aQcöv ^Qslcov r) inl ipidd'ov ■kol^o) ^8 iTtl tov Se^lov tcXsvqov xcciicci ts
Tial iv vTtald^QO). Bezeichnend sind auch die Vorschriften für die das Heiligtum
des Trophonios Aufsuchenden bei Kratinus Kock I S. 79.
3) So fand bei den Mysterien von Agrai die vorbereitende Reinigung im
Ilissus statt, Polyaen. strateg. V 17.
4) Daß die Fackel bei jeglichem Sühnekultus eine Rolle spielt, ist bekannt ;
ebenso bei den Mysterien, s. Diels, Sibyll. Blätter 47 f.; Anrieh a. a. 0. S. 214,
der weitere Belege beibringt. Vgl. Lucian. Alexand. 39 catapl. 22. Daß sie auch
bei Zaubereien in Betracht kommt, zeigt Apul. apol. 57 (S. 65, 8H.): "^taedae
fumo'; vgl. Deubner a. a. 0. S. 26 f.
5) Plin. n. h. XX 101 : Pythagoras scillam in limine quoque ianuae suspen-
sam contra malorum medicamentorum introitum pollere tradit.
Vorbereitung zur Hadesfahrt. 27
reinigend kam sie in Anwendung bei den Sühiiopfern in den ionischen
Städten Kleinasiens ^)-, daß sie in den Mysterien eine Rolle gespielt
hat, kann man aus Lucians ^Alexander' (47) schließen, wo in einer
begeisterten Verherrlichung von Epikurs xvQiai dö^ai gesagt wird,
dies Buch gebe Frieden, Seelenruhe und Freiheit, es erlöse vom Aber-
glauben und Schreckbildern, von vergeblicher Hoffiiung und eitler
Begierde und reinige den Sinn ovx v^b öaöl xal axCkh] xal xalg
tOLavxaig g)XvaQtatg^ aXkä X6y(p 6()^c5 xal ah]^BCa xal TiaQQriGici')] auch
im modernen Aberglauben wird die Zwiebel noch verwandt, um Unheil
abzuwehren.^) Auf diese Weise gegen die Schrecken der Unterwelt
gefeit, kehrt Menipp ins Haus zurück; doch muß er dabei rück-
wärts schreiten.^) Dann kann die Fahrt beginnen. Die ganze Dar-
1) Hipponax fr. 5 Bergk; üsener, Der Stoff d. griech. Epos iSitz.-Ber d. k.
Akad. d. Wiss. in Wien CXXXVII [1897]) S. 59 f. Vgl. auch Rieß Pauly-Wissowa
I «7, 50 ff.
2) Auch Dio Chrysost. 48, 17 (II 93, 10 v. A.) zeigt, daß die öxiXla für reli-
giöse Reinigungen gebräuchlich war, wenn er sagt: /aj; ßxiXXjj uridh vöccri^ Clemens
Alexand. Strom. VII 4, 26 (843 P.) a-nUXccv xs xai ^tiov SsÖiaai ngog rmv yoi/reav
xarayor,r&vd-ivreg xurä xivccis ccxad-dQTOvg xad-ccQ^ovg; interessant ist auch die von
Clemens an derselben Stelle berichtete Verspottung einer solchen Reinigangsszene
bei Diphilos (Kock II S. 577): JjQOLtLöag äyvi^wv v.ovQag xccl xbv nccxig* avxmv
Ugolxov xal ygavv nifiuxriv dadl iiiä G%iXXij xe ^m xoßoc cmyLOcxa. (faxav.
Vgl. auch Aristoph. Danaid. fr. 255 Kock I S. 456; Kratin. Chiron Kock I S. 83
fr. 232 fMeineke, Frg. Com. Graec. II 1 S. 151).
3) Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart', Berlin 1900,
S. 328: Unmittelbar, ohne weiteres Zutun, wird die Krankheit angezogen von
weißen Zwiebeln, die man in der Stube über die Tür hilngt (Böhmen)'. Warzen
werden durch Bestreichen mit einer Zwiebel vertrieben (S. 381. 389). Auch
Wunden werden in Böhmen geheilt durch Einreiben mit einer Zwiebel, die <lanu
ins Feuer geworfen wird fS. 345).
4) Necyom, 7: inocvuyti ig xi]v oixiav, tog h^ov, avccnoöi^ovxa. Im Berliner
ZsuberpapyruB 121, 37 gibt Parthey ccvunodiaccg als sicher herzustellendes Wort
an, wenn auch der Zusammenbang der ganzen Stelle wegen der Lücken nicht
verständlich ist. Wessely, Griech. Zauberpapyrus von Paris u. London. Denkschr.
d. Wiener Akad. XXXVI (1888) S. 45, 44: «i/a:ro<5tfwi' ÄveX^f, S. 1(>7, 2493: civu
nodlCcav Kuxußri&i. Das RückwiLrtsgeheu ist bei Zauberhandlungen häutig wie
daa Räckwürtswürfen. Mit abgewandtem Gesicht müssen Deukalion und Pyrrba
die Steine werfen, aus denen Menschen entstehen, Ovid met. I 888; rfiokwürt«
wirft man an den Lemurien die Bohnen, die dazu dienen, die böten Geister zu
beruhigen, Ovid fast. V 437; auch sonst ist es verboten sich umsusehen, Orid
fast. VI 161. Im deutschen Aberglauben ist es oft vorgeschrieben. Handlungen
umgekehrt vorzunehmen, rückw&rti bu gehen oder etwas rückwilrt« su werfen
und dergleichen (Wuttko a. a. O. S. 188 f.); besonders bebe ich dio von Wuttke
H. 846 geschilderte Beschaffung eines Zauberspiegels hervor: 'sobald eine Wöch-
nerin gestorben und an einem Charfreitag beerdigt ist, geht man, nur mit einem
28 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Stellung ist, wie man sieht, nicht von Lucian erfunden; es sind die
Züge, wie sie in Schilderungen von Zauberei herkömmlich sind, nur
gehäuft, um komisch zu wirken. Aber selbst die Zusammenstellung
wird wohl kaum Lucian geschaffen haben. Der Titel 'Necyomantia'
unter des Laberius Mimen bürgt für ein griechisches Vorbild^) und
legt den Gedanken nahe, daß auch derartige Vorbereitungen schon
vor Lucian satirisch geschildert waren.
Was nun folgt, hat Norden^) treffend mit der Vergilischen Szene
im 6. Buche der Aneis verglichen. Mit Morgengrauen fahren die
beiden ab, nachdem sie mit den gehörigen Opfern versehen sind; dies
zunächst nach Homer, was durch das Zitat aus Homers ^Nekyia' (5)
deutlich gezeigt wird. Aber die Schilderung der Lokalität stimmt
nicht ganz mit der Odyssee überein; es ist ein Sumpf, den sie durch-
fahren, wie Yergil von dem lacus niger (237) spricht und Aristophanes
in den ^Fröschen' (137) von der U^vr] (isyccXr]. Dann geht's in eine
Gegend, die als SQrj^ov xal vk° xal avTJXiOv bezeichnet wird wie
bei Vergil von den nemorum tenebrae, bei Homer vom Hain der
Proserpina die Rede ist. Es wird eine Grube gegraben^), die Schafe
werden geschlachtet und ihr Blut herumgespritzt, entsprechend dem
Opfer bei Homer 35 und Vergil 224. Bei Homer kommen nun die
Seelen, durch den Blutgeruch gelockt, heran; bei Vergil und Lucian
Mantel bekleidet, 11 ühr nachts an die Kirchhof smauer, läßt den Mantel fallen,
springt ganz nackt über die Mauer, macht ein Loch in das Grab der Wöchnerin,
steckt den (mitgebrachten) Spiegel hinein, das Glas nach unten, im Namen
Gottes usw. und geht dann rückwärts schreitend zurück, nach dem Grab ge-
richtet und macht dies drei Nächte nacheinander.' Auch eine Wünschelrute
kann nur gewonnen werden, indem man rückwärts auf den Strauch zugeht
(S. 109). Der erste beladene Erntewagen muß rückwärts in die Scheune ge-
schoben werden (S. 423). In der Christnacht muß das Vieh rücklings aus dem
Stall gezogen werden, damit nicht die besten Tiere sterben (S. 68).
1) Daß die Römer aus Eigenem derartige Stoffe schufen, wird bei der Ab-
hängigkeit der gesamten römischen Poesie niemand glauben (vgl. H. Reich,
Deutsche Litteraturzeitung 1903 S. 2686; v. Wilamowitz, Kultur der Gegenwart
I 8 S. 125); hier spricht schon der griechische Titel eine beredte Sprache (vgl.
Kock in S. 701).
2) a. a. 0. (s. S. 19 Anm. 5) S. 195.
3) ßad-gov ojQv^diied'a (Philops. 14: ßod'Qov ogv^d^isvog) wie Homer Od. XI 25:
ßod-Qov ÖQv^a. Die Grube ist charakteristisch für die Beschwörung der Einwohner
der Unterwelt. Philostr. vit. Apoll. IV 16: ovxl ßod-gov 'Odvaaicog ögv^d^svog
ov8h ccQv&v ai'iiccöi 'xpvxay(0Yr]6ccg ig didXs^Lv rov ji^il^icog rjX&ov. Stat. Theb. IV
451: tellure cavata. Hör. sat. I 8, 26: scalpere terram unguibus (vgl. Kießlings
Anmerkung). Ovid met. VH 243: egesta scrobibus tellure duabus.
Beschwörung. 29
werden die Götter der Unterwelt mit lauter Stimme^) angerufen. Der
Vers, den Lucian dabei benutzt, ist nicht homerisch; man wird darin
ein Zitat aus einer andern epischen xaTcißaatg, wie der des Orpheus*),
sehen können. Sofort erhebt sich ein Erdbeben^), der Boden tut sich
auf und das Bellen des Kerberos wird vernehmlich; bei Homer war
eine solche Schilderung wegen der anderen Lokalität unmöglich; sie
stimmt aber zu Vergil*), nur daß hier Hekate selber erscheinend ge-
dacht ist wie bei Lucian, Philops. 22y begleitet von dem wilden Heere
der Geister und dem Schwärm ihrer Hunde. ^) Durch die Öffnung
steigen dann sowohl Menipp und sein Begleiter wie Aneas mit der
Sibylle hinab.
Auch diese Szene also stammt nicht aus Luciaus Erfindung,
1) Auch Odysseus befiehlt seinen Gefährten, als schon die Seelen heran-
nahen: iTttv^aad-uL dsotaiv, Icpd-iuo) t* l4i&T] %al ircaiv^ UBQascpovBirj. Aber
bezeichnender ist Vergils voce vocans Hecaten caeloque Ereboque potentem (247);
ist 8ie doch die Göttin der Zauberei (Ov. met. VII 194; Theokr. 11 14; Eur. Med.
396flF. Weckl.; Fahz (s. S. 22 Anm. 3) S. 116 f; Preller -Robert, Griech. Mytho-
logie, Berlin 1894, I S. 326; Röscher, Lex. d. Mythologie I 2 S. 1894 f). Lucian
malt das weiter aus 9; ovx^t' i]QB^ctia ry qpcov^, Tta^^^y^^^S ^^ «S olog rs ^v
&vaxQaYo)v dcciuoväg ts 6^ov ndvtag ine^ouro xal TLoivag xal 'EQivvag xal
vvxiuv 'EytdxTiv xal inaivi]v ÜBQGi-cpovsLcev, indem er die Erinyen mitnennt wie
Horaz sat. I 8, 34, der nach Fritzsche (Des Q. Hör. Place. Sermonen S. 31) aus
Menipps Beschwörungsszene geschöpft hätte. Das Schreien gehört zur Beschwö-
rung: Stat. Theb, IV 472: exclamat (tremuere rogi et vox impulit ignem); Luc.
Phars. VI 688 schildert mit rhetorischer Übertreibung die Stimme der Zauberin
wie Bellen der Hunde, Heulen der Wölfe, Schreien des Uhus, Zischen der Schlangen,
wie Meeresbrandung, Waldesrauschen und Donnerschlag: tot rerum vox una fuit;
und die Beschwörung läßt er beginnen: Eumenides Stygiumque nefas Poenaeqae
nocentum ganz entsprechend Lucian. uliilare nennt Horaz sat. I 8, 26 wie Ovid
met. Vn 190 das Sprechen d^T Zauberin, was Kioßlin^^ nicht ganz richtig auf
die Feierlichkeit deutet.
2) Die Bezeichnung ul.^ * '>c*"' ^^^^ bei Homer nicht vorkommt, hat sich in
späteren Beschwörungen erhalten, so für die Semele- Hekate- Artemis -Persephone
in dem Hymnus bei Abel, (Jrphica S. 294 Vers 47, in dem Hymnus bei Wessely,
Denkschr. d. k Akad. d. Wiss. Wien. (1888) XXXVI 2 S. 80 V. 18. 25 und auf dem
Zaubertisch, den Wünsch bespricht ^Antikes Zaubergerilt aus Porgamon, Jahrb. d.
K. DcuUch. Archäol. Institutfi, Ergänzuugsh. VI, vgl. S. 23).
8) Das Erdbeben, verbunden mit lautem Getöse, ist für diese \
Zaul>enM typi»<h. Verg. Aon. IV 490: niugire vidobis sub pedibus terrum il
desccnden! montibu» omos; Ovid mot. VII 20r): iubeoqtte tremescere MumtfH et
mugire sei um.
4) VI 2ft6: Hub pediburi mugirr »«oluiii «t iiis»ti r.M«|»t!» ....iv.n vilvurmn vi-
•aeque canes ulularc per umbram udvontimtr .La
6) Vgl. Wünsch, Jahrb. f. klasH. Phil., Öuppl. XX\ 1
II • 8. H2ff.
30 Kapitel I. Die Nekyomantie.
sondern beruht auf überlieferter Unterweltsbeschwörung. Charakteri-
stisch ist, daß hier wie bei Vergil die Beschwörung stattfindet, nicht
um einen Toten an die Oberwelt zu rufen, wie bei Lucan VI 413 ff.
und Silin s XIII 397 ff., sondern um die Hadesfahrt eines Lebenden
zu ermöglichen. Eine Beziehung Lucians zu Vergil ist ausgeschlossen;
es sind zwei verschiedene Ableitungen derselben Darstellung, die eine
vom ernsten, erhabenen, die andere vom komischen Standpunkt. Wir
wissen, daß der Mimus schon im ersten Jahrhundert v. Chr. sich in
Rom solcher Themen bemächtigt hatte; Laberius schrieb, wie eben
erwähnt, eine ^Nekyomantie' mid einen 'Arvernersee'^); und natürlich
hatte der Mimus eine ernste Vorlage, die er travestierte. Daß Lucian
wirklich aus dem Mimus geschöpft haben müßte, ist natürlich damit
nicht behauptet^); es kann sehr wohl auch andere derartige Darstel-
lungen gegeben haben. ^)
Die weitere Darstellung ist zunächst durch das aristophanische
Motiv der Verkleidung gegeben. Kerberos läßt sich durch die Leier
rühren, wie das in der orphischen Katabasis geschildert war*); Charon
erschrickt vor der Löwenhaut und setzt die Ankommenden willig über.
Dann im Dunkel geht Mithrobarzanes voran, Menipp folgt; auch diese
Hervorhebung genau wie bei Vergil.^) Sie kommen zu den lugentes
campi, partem fusi in omnem.^) Hier schwirren die Schatten umher
1) Ribbeck, Poet, scaen. fr. II v. 55 ff. 62 ff., vgl. Mommsen, Rom. Geschichte
III 8 S. 591; Ettig, Acheruntica S. 348.
2) Nachdem wir jetzt durch Reichs Verdienst (Der Mimus, Berlin 1903)
einen Begriff von der Bedeutung des Mimus für die nachklassische Zeit bekom-
men haben, liegt die Gefahr nahe, auch da den Mimus zu wittern, wo andere
Beziehungen zur Erklärung ausreichen (vgl. A. Körte, Rhein. Mus. LX [1905] S. 416;
Sudhaus, Hermes XLI (1906) S. 274.) Für Lucian kommt er kaum in Betracht.
3) Von Phrynichos' 'Mysten' (Kock I S. 380) wissen wir leider nichts. Eine
travestierende Darstellung der '"Nekyia' hat nach Athen. IV 160 ^c der Phlyako-
graph Sopatros geschrieben, der nach Ath. 11 71^ Zeitgenosse Alexanders des
Großen war und bis in die Regierungszeit des Ptolemaeus Philadelphus lebte;
man sieht, wie häufig in jener Zeit, die mit Menipps Lebenszeit sich berührt
(vgl. Kap. III), die komische Verwendung der Nekyia war (vgl. S. 20).
4) Vgl. Verg. georg. IV 483; tenuitque inhians tria Cerberus ora.
5) Aen. VI 262 f.: ille ducem haud timidis vadentem passibus aequat;
Necyom. 11: fiTrd/xrjr &' iyca yiatoniv ixö^svog ccvtov.
6) Aen. VI 441; Necyom. 11: TCQÖg Xsi^imvcc iihyiatov. Daß die Wiese mit
Asphodelos bewachsen ist, kann direkt aus Homer stammen (XI 539); aber sie
fand sich jedenfalls auch in orphischen Gedichten, wie Diodor I 92 ff, zeigt.
So auch in Piatons Unterweltsmythus Gorgias 524 A {div.d6ov6i iv reo Xsnimvi),
der deutliche Spuren der Übereinstimmung mit Diodors Bericht von der Ent-
stehung der orphischen Lehren bietet (523 B), wie wir im folgenden sehen werden.
Totengericht. 31
wie in der Aneis, hier ist der Richtplatz des Minos.^) Charakteristisch
ist, daß bei Lucian ausdrücklich Ankläger genannt werden. Der
homerische Dichter, der den Abschnitt 508 ff. später^) in die Nekyia
eingeschoben hat, weiß nur von dem Minos, der, mit goldenem Zepter
versehen, Recht spricht über die Toten, offenbar ihre Streitigkeiten
schlichtend, wie er im Leben sich durch gerechten Schiedsspruch aus-
gezeichnet hatte.") Spätere Zeit wußte von einem Gericht über die
eben Verstorbenen, die sich für ihren Lebenswandel zu rechtfertigen
haben. Wie man sich dabei die Erkenntnis der Schuld zu denken
habe, ist nicht gesagt; zahlreiche Stellen reden darüber so allgemein
wie Vergil Aen. VI 431.^) Eine genauere Ausführung dieses Ge-
dankens ist es, wenn Minos oder ein anderer Richter die Seelen
zwingt, selber ihre Verbrechen und ihre Schuld zu bekennen; so bei
Vergil Aen. VI nö?, Statins Theb. IV 530 ff. und, wahrscheinlich nach
alexandrinischem Vorbild, Culex 376 f.') In dem platonischen Mythus
1) Necyom. 11: xorr' ökiyov Sk Ttgo'Cdvxsg nuQuyiyvoiLiO^a tiqos t6 tov Mi-
v(oog ÖLKaarrigioVy Aen. VI 431 : nee vero hae sine sorte datae, sine iudice sedes ;
quaesitor Minos umam movet.
2) Vgl. Rohde, Kleine Schriften II 260. 280 f (nach Aristarchs Vorgang);
v.Wilamowitz, Homer. Untersuchungen, Berlin 1884, S. 199ff.; Norden a. a. 0. S. 196.
3) Nägelsbach, Homerische Theologie ^ Nürnberg 1884, S. 376; Kohde,
Psyche I' S. 310 Anm.; Ruhl, De mortuorum iudicio, Religionswissensch. Versuche
her.v. Dieterich u. Wünsch, II S. 34 ff.; Radermacher, Das Jenseits, Bonn 1903, S. 104.
4) Aesch. Suppl. 230 Weil; Ymux. 273; Pindar Ol. II 107 ff.; Plat. Phaedr. 249 A
(Gorg. 623 B); rep. X 614 C; Axioch. 371 C; Properz IV 11, 19; Sen. Herc. f. 733 ff.
6) Aen. VI 667: castigatfiue auditfjue dolos subigitque fateri (Rhadamanthus)
(8. Norden S. 269, der auf die etwas anders geartete Stelle bei Plutarcb de
Buperßtit 7 [168 D) hinweist); Stat. Theb. IV 630 ff.: arbiter hos dura versat
fortynius urna vera minis poscens adigitque expromero vitas usque retro et
tandcm poenurum lucra fateri; Culex 376: ergo iam causam mortis, iam dicere
vitae verberibus soevae cogunt sub iudice Poenae. (Für griechisches Vorbihl spricht
Leo, Culex, Berlin 1891, 8. 17; Maaß, Orpheus 224 ff.; erwiesen ist das durch die
feine Beobachtung von Zielinski, Philolog. LX (1901) S. 3, daß es sich aus dem
griechischen Femininum ^/xTrtV erklilrt, wenn dem culex nur Heroinen in der Unter-
welt entg<*genkommen, um ihm das (»eleit zu geben.) Claudian. in Rufin. II 47^:
quo« nolle fateri viderit (Minos^ ad rigidi transmittit vorbera fratris, der indessen
nicht nnr auf Statian und Vergil zurückgeht (Ruhl 8. 66); denn von der Stmf-
verwandlung der 8eelc de« Räubers in einen Wolf, des Betnlger« in einen Tu i
des d«*m Müßi^^'gang und Wein Ergebenen in ein Schwein weiß Vergil u
Claudian folgt du der Lehre der Platonikor ^Pliito Phaedo HlKff; Plutunh «b'
«eni num. vind. 667 E ff; Plotin IV 8, 12, bekllmpft von Porphyrion und Proklos
[Zeller, Phil. d. Griechen " IH 8, 666, 818]) (Ettig, Achenintioa H. 886). Auch Plutarch
de ser. num. vind. 666 F berichtet: attonäp odx i»iu¥ov^ &XX* 6fiolojtfv irttynaiS'
Hifor hnb rAv itptart'oxtov rulg tt^wifUii^.
32 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Gorgias 524 E fehlen die Ankläger zwar auch, aber der Unterwelts-
richter erkennt auch ohne sie die Vergehungen der Seele an den ihr
aufgebrannten Merkmalen. Lucian hat dieses Motiv später in der
'Niederfahrt' (23 ff.) mit dem in unserem Dialog verwandten verquickt.
Von Anklägern bei einem Totengericht weiß Diodor I 92 zu erzählen,
wo er die Unterweltsvorstellungen der Ägypter mit der Lehre des
Orpheus vergleicht. Danach wird bei den Ägyptern über den Toten
abgeurteilt, ehe er bestattet wird. Da steht es jedem frei, Anklage
zu erheben, der irgend etwas Schlechtes von dem Verstorbenen weiß;
und wenn die 42 Richter ihm zustimmen, so wird der Tote von der
gewöhnlichen Bestattung ausgeschlossen, andernfalls nach einer Lob-
preisung den Göttern der Unterwelt empfohlen, damit er hinfort unter
den Frommen weilen könne. Ist diese Form des Gerichts bei den
Ägyptern auch bisher nicht erwiesen^), so geht sie doch auf die An-
schauung von dem ägyptischen Totengericht, das 42 Richter in der
Unterwelt abhalten, zurück; und beachtenswert ist jedenfalls, daß nach
dem platonischen Mythus im Gorgias das Gericht auch ursprünglich
am Todestag auf Erden stattgefunden hätte. ^) Diodor behauptet, daß
Orpheus aus seinem Aufenthalt in Ägypten seine Ansichten über die
Vorgänge im Hades geschöpft habe; es ist nicht unwahrscheinlich,
daß auch Lucians Darstellung der Gedanke an orphische Lehren zu-
grunde liegt. ^)
Daß Lucian in einer Vorlage auch die Ankläger vorfand, möchte
man aus ihrer Existenz in einer andern menippischen Satire schließen,
die wir mehrfach Anlaß haben werden heranzuziehen. Seneca läßt
in der Apokolokyntosis (13 f.) die von Claudius Gemordeten auftreten:
'in ins eamus', und dann bringt Pedo Pompejus ihre Beschuldigungen
1) Wiedemann, Religion d. alt. Ägypter, Münster 1890, S. 131; Ed. Meyer,
Geschichte des Altertums I S. 565.
2) Keinesfalls darf man mit Dieterich (Nekyia, Leipzig 1893, S. 118), scheint
mir, in dieser platonischen Ausschmückung etwas wie eine volkstümliche Fabel
oder gar wie ein attisches Volksmärchen sehen (vgl. Rohde, Psyche P S. 310);
daran hindert die ursprünglich ungriechische Anschauung vom Totengericht,
sowie die Ähnlichkeit mit dem Bericht Diodors, auch mit den Persern (Söder-
blom. La vie future d'apres le mazdeisme, Paris 1901, S. 95. 136 ff. ; Ruhl S. 45).
Der ägyptische Einfluß in den Anschauungen betreffs des ünterweltsgerichtes,
der über Kreta zum Festland gelangt ist, hat nichts Auffälliges (Rohde, Psyche
I^ S. 310 Anm. ^delleicht nicht ohne ägyptischen Einfluß').
3) Lucian gibt hier ganz kurz an, was er 'Niederfahrt' 22 ff. ausführlich
schildert. Dort glaubt auch Norden S. 268 durch Vergleichung mit Vergil VI
566 ff. die Motive der orphischen Katabasis wahrnehmen zu können.
Totengericht. 33
gegen den gestorbenen Kaiser vor. Es findet wie bei Lucian eine
vollständige Gerichtsszene statt, die der Verfasser mit römischem
Kolorit gezeichnet hat. ^) Ob Lucian den ebenso witzigen wie tief-
sinnigen Einfall, die eigenen Schatten zu Anklägern zu machen, selber
gehabt hat, muß noch dahingestellt bleiben; wie er die Fiktion in der
^ Niederfahrt' (27) ergänzt hat, werden wir später sehen. Daß die
Taten Anklage gegen den Menschen erheben, ist eine Vorstellung, die
sich in der Apokalypse des Paulus findet.^) Eine der Lucianischen
gleiche scheint nicht vorzukommen, so leicht sie sich auch aus witzi-
ger Verdrehung der die Klage erhebenden GxiaCy d. h. anderer Ver-
storbener ergab; man möchte auch an den sprichwörtlichen Ausdruck:
'seinen eigenen Schatten fürchten' denken^), der eine ähnliche Er-
findung nahe legte.
Mit dem platonischen, auf orphische Lehren zurückgehenden
Mythus im Gorgias berührt Lucian sich bei der Gerichtsszene auch
darin, daß die Toten nackt sind, wenn sie abgeurteilt werden*); dies
Motiv der Entkleidung ist in der 'Niederfahrt' und in den 'Toten-
gesprächen' dann weiter ausgesponnen. Auch daß Menipp an jeden,
den er erkennt, herantritt und ihn im Gespräch daran erinnert, wie
aufgeblasen und hochmütig er auf Erden war und wie dieser Stolz
so recht im Kontrast steht zu seiner jetzigen Nichtigkeit, erinnert an
Piaton, der im Schlußmythus der 'Republik' erzählen läßt, daß die
Seelen sich gegenseitig begrüßen, soweit sie sich erkennen, sich aus-
fr;i«r,.ii iiMcl) fhin, was sie erlebt, und einander Bericht erstatten.'')
1; iiijuiibcli geataltet auch Properz IV 11, 19flf. das Unterweltagericht (vgl.
Rothstein zu (1«t Stelle).
2) Die Stelle erinnert etwas an die 'Niederfahrt' (27) (Apocalypees apo-
crvphae ed. Tischendorf S. 47): Eine Stimme sprach: Gestehe deine Sünden:
und jene Seele saj^e: Ich habe nicht gesündigt, gerechter Richter. Und der
Herr sprach zu jener Seele: Du meinst, daß du, wo du auch seist auf Erden,
den Menschen verborgen bleiben kannst; oi»x oldccg ori, i]vi%ct av ritf riXtvrTi]aij,
ffiTtQoad'fv XQ^iovaiv ai nod^etg a^oi>, xav rs ayccd'ccl x&v re rtovrigal (vgl. Maaß,
Oq)heua S. 217 f., der an Apocalyps. Infum II. l { orintKTt • rcc yuQ fQytt ctv-
T<bv &xoXovd'tt ^t' avTtbv).
8) Plato l'haed. 101 I): av rfi dtdiüt^ ixv x6 Ihyötitiov ri^i» favroO tfxiai»,
wozu der Scholiast ArJHtophanes Hab} Ion. fr. 77 (Kock I 411) anfQhrt.
4) Necyom. 12: ol di: (tnodvaä^voi xa Xa^itQU inflva ndvxce^ nkovxovf Uyot
xai Y^VTi xal AvvaaxBiaf^ yv^yol xuxm vtvamdxif nuQfiax^iaaav; Plat. (»org. 528 K:
fntixa yvfivohs xgixiov änuvxmv xovxmv^ vorher aber waren sie 628 V : i\{upi9C^'
rot . . rtiniiarü xt xaiä xtti yivr\ xctX nXovxova.
ö; .Nc< vom. 12: ^l xiva yvutQlüaini avxiav, ngoatutv Stv ijovx^ nag imtftifivfiaxov;
Plat. rep. X 614 E: xal icanoii;ta9€(i xt (tkXiiXcc^ oaca y*'*'>V'(^"* *f*^ nvr^dr»9&at.
ff-' T lau und MtDipp. 3
34 Kapitel I. Die Nekyomautie.
Es wird sich später zeigen, daß das die Anregung für die 'Toten-
gespräche' gegeben hat, aber auch hier ist doch schon ganz kurz die
Verwendung dieses Motivs zu erkennen; und es ist von Wert das zu
beachten, vreil es zum mindesten lehrt, daß ausführlichere Unter-
redungen mit Toten in der Art der homerischen ^Nekyia' hier in der
Vorlage Lucians stehen konnten. Auch über das Gericht selber gibt
der Erzähler Menipp hier weiter keine Einzelheiten, bis auf die eine,
die allerdings auffällig genug ist. Der Tyrann Dionys wird durch
das Zeugnis des Aristipp von der schrecklichsten Strafe befreit, denn
Aristipp gilt hier etwas; man fühlt sich an die Ehrenstellung erinnert,,
die in des Aristophon Tythagoristen' den Anhängern des Pythagoras
im Hades zugeschrieben wird.^) In der Hervorhebung des Aristipp
hat man einen engen Anschluß an Menipp erkennen wollen, der ja
dem strengen Kynismus das hedonische Moment beigemischt hat. ^)
Die Wanderung der beiden Hadesfahrer geht dann ganz in der
Weise der Nekyia Vergils weiter zur Stätte, an der die Strafen voll-
zogen werden; auch hier ist die Übereinstimmung mit dem römischen
Dichter zu beachten; man hört das Niedersausen der Geißelschläge
und das Seufzen der Geplagten.^) Bezeichnend für die Tendenz bei
Lucian ist, daß den Armen bei den Folterqualen Erleichterung
gewährt wird, so daß sie sich nach der Tortur eine Weile erholen
dürfen, während die Reichen und Vornehmen ununterbrochen der
Exekution ausgesetzt sind. Man erkennt darin die kynische Quelle,
die sich der Sache der Mittellosen annimmt, Vergil hat aus eigener
Erfindung*) den Kunstgriff angewandt, die Sibylle erzählen zu lassen,
was auf der Richtstätte innerhalb der grausigen Mauern vor sich
geht; Lucian, der ja kürzer sein konnte, läßt den Menipp selber im
Fluge die typischen Sünder sehen, den Ixion, Sisyphus, Tantalus,,
Tityus. Dann geht's zum Gefilde der Reinen oder schon Entsühnten
bei Vergil wie bei Lucian. Der Plan der Wanderung ist also bei
1) Kock II S. 280 fr. 12. Lucian wiederholt den Gedanken später in den
'Wahren Geschichten' II 18: ol {livzoi aiicp' 'AqiatiTCjtov xs y.ccl 'EtiUovqov tä
TCQ&xa Ttag' ccvtolg icfiqovxo rj^stg rs övtsg xorl y(,£xaQL6iiivoi ticcI öv^nonyKÖTccroL.
2) Dümmler, Akademika, Gießen 1889, S. 172. 208. 282; Hirzel, Dialog II
319 Anm. 5; Hense, Teles, Freiburg i. B. 1889, Prolegg. p. LXI, LXIV f. und Fest-
schrift für Th. Gomperz, Wien 1902, S. 192.
3) Necyom. 14: noXlcc xal iXsSLvä ^v yial ccTcovaat xort tdstv ^aatlyav ts
yccQ oiiov ij^otpog tj-kovsto xccl ol^toyr} x&v iitl xov Ttvgbg ÖTtxoaiiivoav -nccl öXQißXcci
•Kccl yivcpcovsg xai XQOxoi] Verg. Aen. VI 557 ff.: hinc exaudiri gemitus et saeva
sonare verbera, tum Stridor ferri tractaeque catenae.
4) Siehe Norden a. a. 0. (S. 19 Anm. 5) S. 351.
Richtstätte. Parodierter Volksbeschluß. 35
beiden gleich, und mau sieht, daß der griechische Satiriker so wenig
der Erfinder dieser Unter weltsführung gewesen ist wie der Vorberei-
tungen, die nötig waren, um sie zu ermöurlichen.
Hinfort muß sich der Weg der beiden Schriftsteller trennen;
der Dichter eilt auf seine Heldenschau zu, die den Höhe- und Ziel-
punkt der Hadesfahrt bildet, für den Satiriker bietet sich hier Gelegen-
heit die Vergänglichkeit des Irdischen zum Ausdruck zu bringen.
Schönheit vergeht, Reichtum schwindet, Macht zerfallt; dafür bringt
er typische Beispiele. Und hier begegnet uns die dem schönheitsdur-
stigen Sinn der Griechen ursprünglich fremdartige Vorstellung^) von dem
Toten als einem hohläugigen Skelett, die nur ein das Häßliche suchen-
der Kyniker schaffen konnte. Mit der Fiktion, daß Sokrates wie im
Leben, die Menschen prüfend und ihrer Torheit überführend, herum-
geht, knüpft Lucian an den Schluß der platonischen Apologie an,
wo Sokrates sich freut in der Unterwelt den Palamedes zu treffen
und mit Odysseus reden zu können.^)
Die Erzählung geht zu Ende. Zwei Dinge waren es, die dazu
dienten, die Spannung wach zu erhalten. Das eine war der Volks-
beschluß gegen die Reichen, den der berichtende Menipp bis jetzt
zurückgehalten hat, um ihn nun am Schluß vorzubringen. Ihre Seelen
sollen hinfort in Eselsleiber zurückkehren, damit die Armen sich an
ihnen rächen und sie ordentlich bepacken und schinden können. Man
muß dabei an Situationen denken, wie sie der vielgeplagte Lucius
durchzumachen hat, als er, zum Esel verwandelt, Holz zu schleppen
hat und tüchtig geprügelt wird.^) Eine Anregung zu diesem Beschluß
bot die Ansicht der Platoniker, da schon Piaton (Phaed. 81 E) tovg
yaöTQi^aQylag tf. xal vßQSig xcd (pikoTCoöCag ^f^elerrjxotag^ das sind
doch die Reichen vor allem, €ig xä oviov yevtj xcd töv toLOvrcjv d'rjgCiov
bei einem neuen Leben gelangen läßt. Auch Plutarch*) hat von der
Seelenwanderungslehre Gebrauch gemacht und in gleich spottendem
Tone wie Lucian, wenn er Nero zuerst die Gefahr drohen läßt in
1) Über I)ar«tellunj<on vgl. Winnefeld, Troja u. Ilion, Athen 1902, 11 S. 4 »:. i
2) Necyom. 18: 6 ntv IkoxQdtrii xaxtt ntQ^Qx^rai ditXiyxmv awaiTit^-
avpiiai S* ai;rm TlaXani^drig xal 'OSvaaeifs xal N^armQ xal ti tig ällog
Xälof vtxQÖg; Plat. apol. 41 A: O-aviucatf) ctv fti] ii dtaxQißij avx6^t, on^n ivrv-
Xot^t IJaXuiitldit xal Alavxi . . . xal tt xtg alXog xtbv naXatüv Siu xQtaiv
iiAixov xiifvrixt'V .... inl n6am A' av xt^ "o i^fxuöat T()r f.T) Tgoiav
u'fVL'/övxa xijv noXXi}v axffaxuiv i^'OSvaaia . ■ y.tl dtaXiyuo&ai xol ivvttvat
xal iitruUiv ä^LTixuvov av hti] ti>dai^ovlag. Lucian bat den (io<innkt'n Npfttor in
den 'Wahren (i«iichiclit«n' II 17 und den 'Totongenprftchon* 2o, 4 wiederholt.
») Apul. met. VII 17; Aovxtog ^ övog 29 f. 4 I>«' »«crÄ nun», vind, 667 )f\
8»
36 Kapitel I. Die Nekyomantie.
eine Schlange nach Pindarischein Muster verwandelt zu werden, und
ihn dann zAim Dank für die Befreiung von Hellas zum Dasein
eines singenden Sumpftiers begnadigen läßt. Es ist nicht unmöglich,
daß bei Lucian irgend eine Verbindung mit der Komödie vorliegt;
denn die Seelenwanderung findet darin in der verschiedensten Weise
Verwendung, auch ohne daß sie das Hauptmotiv bildete; man braucht
nur das große Fragment aus Meflanders 'Theophorumena' zu lesen,
wo allerdings ein zweites Leben als Esel immer noch für besser als
ein menschliches Dasein erklärt wird^), in dem doch nur die Un-
gerechtigkeit zu Hause ist, ein Gedanke, der in Lucilius^ Weiber-
satire Buch XXX (974 Marx) wiederkehrt.
Die Form des Dekrets schließt sich genau an das Herkommen
an; so wird zum Schluß als Antragsteller genannt 'Schädler, der Sohn
des Beinrich, aus Totenheim von der Phyle Säfteleer' (Kqki'lcov I^xe-
lexCovog Nsxvöiavg q)vXf}g lä^ißarridog).^) Auch diese witzige Um-
formung eines Volksbeschlusses hat ihre Parallelen. Unter den Frag-
menten des Komikers Archippos findet sich ein Vertrag, der in ähn-
licher Weise mit den Namen spielt, die dort zugleich Fische und
Menschen bezeichnen.^) Noch mehr fühlt man sich an die lex Tap-
pula' erinnert, deren Antragsteller Tappo, ^Bruder Lüderlich', aus der
bezeichnenden Tribus Satureia ist, während als Beisitzer M. Multi-
vorus, ^Vielfraß', P. Properocius, 'Eilebald', Mero, 'Weinrich', genannt
sind; auch hier ist völlig der Kurialstil nachgeahmt.^) Ribbeck hat
dies Erzeugnis witziger Parodie auf Nachahmung des Tischreglements
zurückgeführt, das die geistreiche Hetäre Gnathaina für ihre und
ihrer Tochter Liebhaber aufgestellt hatte im Anschluß an die von
den Philosophen für ihre Syssitien gegebenen Verordnungen; Kalli-
machos hatte diese heitere Umwandlung gesetzlicher Formeln in seine
Sammlung von vöiiol aufgenommen, und daher hat Athenäus den
1) Kock III S. 64 V. 18 f.: övov ysvicQ'ai %Qstrrov ?) tovs ^SLQOvccg oq&v kccv-
rov ^(ovrccg litKpavicrsQOv.
2) Die Bildung solcher komischen Namen oder die Verwendung vorhandener
mit Doppelsinn ist seit alters in der Komödie zu Haus. Es genügt an Aristo-
phanes' Acharn. 808 (Tpayatxam), Ritter 78 f. (6 itQ(oy,x6g iattv ccvtöxQrni' iv Xccoatv,
Tcü x^i^q' ^^ AkcoXols, 6 vovg d' tv Klanidcöv) zu erinnern, sowie an die zitierte
Stelle des Archippos oder an Plautus' Perbibesia, Peredia Cure. 444 und die
Namen Capt. 160 ff. 3) Kock I S. 684 fr. 27.
4) Vgl. Ribbeck, Geschichte der römischen Dichtung I 232; die lex ist
jetzt zu lesen Petron. ed. Buecheler *, Berlin 1904, S. 241 (vgl. Premerstein, Hermes
XXXIX (1904) S. 327 ff.); wir kommen darauf bei den Saturnalienschriften Kap. IX
zurück.
Parodien von Dekreten, Gesetzen usw. 37
Anfang erhaltend) Auch das Testament des Ferkels M. Grunnius
Corocotta-) gehört in dieselbe Gattung von Travestien gesetzlicher
Formeln, wie ja nicht nur der Name des Erblassers und seiner Eltern
Verrinus Lardinus und Veturina Scrofa zeigt, sondern auch die Namen
der Zeugen Lardio, Ofellicus, Cyminatus, Lucanicus, Tergillus, Celsinus,
Nuptialicus, endlich die Bezeichnung des Datums sub die XVI kal.
lucerninas Clibanato et Piperato coss. Schließlich möchte man an
das Parasiten gesetz erinnern, das am Schluß des Querolus (Peiper
S. 59 f.) erhalten ist und sich mit Lucians Saturualiengesetzen be-
rührt; wenn auch aus späterer Zeit stammend, läßt es doch auf
ältere Vorbilder schließen. Also diese Travestie gesetzlicher Formen
ist schon vor Lucian auf römischem und griechischem Boden geübt
worden, und sollte er diesen Volksbeschluß in die Hadesfahrt selber
eingelegt haben — denn zur Motivierung ist er neben der Antwort
des Tiresias nicht erforderlich — , so standen ihm doch für die Art
Anregungen und Vorbilder zur Seite. ^)
Das Hauptmotiv für die ganze Wanderung war die Absicht, bei
Tiresias Auskunft über das beste Leben zu erbitten. Der gibt ihm
denn auch nach einigem Sträuben den Rat (21): 'Das Leben der
Ungelehrten, der Laien, ist das beste. Du wirst klüger sein, wenn
du all die philosophischen Torheiten beiseite läßt und nur darauf
ausgehst, die Gegenwart stets recht zu fassen und meist lachend
und ohne Sorgen dahin zu wandern.' Die Mahnung ist echt ky-
nisch*); und wenn der iÖLcoribv ßCog eingefügt ist, so ist das nur
ein kleiner Schritt weiter zur Ablehnung aller fürs gewöhnliche
Leben über das notwendige Maß hinausgehenden Beschäftigungen und
Tüfteleien. Der Ausdruck to :xttQov sv d-t^£vog^ der ähnlich im
26. Totengespräch wiederkehrt^), enthält aber sogar in dieser Form
alte Weisheit. Genau ebenso sagt Mark Aurel in seinen Selbst-
I; Ath. XIII öHfjb; Zdt 6 v6nog l'aos iyQdfpri %a) u»o/os".
2) In Buechelers Petronausgabe ^ S. 248.
8) Auf die Verwendung solcher Psephismata m <ui l^>lll^.ll.il Literatur
hchließt W. Schmid, Phil. L (18ül) S. 804. Vgl. Hense, Musoniufl (Lips. leOft)
S. 123, 1 Anm. Über die Henutznng der j^esetzlichcn Formen der Volksversamm-
lung 7.U Hatirischen, komiHchon Zwecken verweiHO ich auf Kap. VI.
4) Necyom. 21 : tfjg &<pffOövvris navaäiuvos xoO ^tTttoQoXoyitv nal rUi] xal
OQXus iniaxontlv %u\ %axttnxvctt9 x&v aotpdtv tovtwv avlloyiandtv %al t« toiaOr«
Xfiffov fJYTiaüiitvos, H. Zeller, Die IMiilosophic der (triochen II, 1* 8. 2H8 tT.
:>) Wir werden (Iber den (icdankcn bei (ielegonheit dicHen Totongesprftchs
und der ßuov nQüatg zu «prcchen haben; daß er bei Menipp vorkam, scheint
iich»r
38 Kapitel I. Die Nekyomantie.
betrachtungen VI 2 (63, 20 Stich ^): ocqxsI xal hnl ravrrjg zb nagbv
Bv d^aöd-av im Anschluß an eine alte sprichwörtliche Wendung^); daß
der Gedanke in dieser Form in den Schatz kynischer und stoischer
Lebensweisheit übergegangen ist, liegt auf der Hand, und wir werden
ihm in der ^loysvovg TtQäöig wieder begegnen.
Es bleibt nur noch die Rückkehr; und noch einmal werden wir
an Vergil erinnert, weil das gleiche Motiv benutzt ist. Dort mahnt
die Sibylle (VI 539): ^Die Nacht kommt näher', und es ist Gefahr
vorhanden, daß Aneas die ganze ihm gewährte Zeit im Gespräch mit
Deiphobus vei-plaudert ^) ; und am Schluß wird Aneas durch das Tor
der falschen Träume entlassen, d. h. nach der Deutung von Everett^):
vor Mitternacht. Norden weiß andere Beispiele dafür anzuführen aus
mittelalterlichen Apokalypsen, daß die Vision an einem Tage beendet
sein muß. Auch bei Lucian schwebt der Gedanke vor, wenn aus-
drücklich darauf aufmerksam gemacht wird, daß Menipp zur Eile
antreibt, weil es schon spät war.*) Ebenso stimmen die beiden Hades-
fahrten darin überein, daß Aneas wie Menipp nicht auf demselben
Wege, sondern auf einem kürzeren heimkehren oder — denn dabei
hätten sie ja doch wieder an den Ausgangspunkt gelangen können —
daß beide an anderer Stelle die Oberwelt wieder betreten als wo sie
hinabgestiegen sind. Die poetische Komposition verlangte nur, daß
eine nochmalige Erwähnung all der geschilderten Punkte nicht wieder
stattfand; aber das hätte sich auch durch kurze Zusammenfassung
des Rückwegs erreichen lassen. Die Übereinstimmung der beiden
Schriftsteller lehrt also auch hier, daß für Lucian eine Quelle vorlag,
an die er sich hielt.
Wir haben die äußere Gestaltung der Hadesfahrt verfolgt und
die Spuren älteren Gutes, oftmals auch direkt kynischen Einfluß
beobachtet. Auch die Vorgeschichte derselben zeigt uns Motive,
die uns auf eine Benutzung früherer Literatur hinweisen. Gleich im
Anfang: Menipp hat sich zunächst an die Dichter gehalten, um aus
ihnen Belehrung zu schöpfen; da drängt sich ihm der Widerspruch
der homerischen und hesiodischen Dichtung mit den auf Erden herr-
1) Plat. Gorgias 499 C: yiatcc xbv naXaibv loyov xb -jiccQbv sv Ttoislv (vgl.
Gercke zu d. Stelle und Fritzsche, Lucianus (Rostock 1869) 11 2 S. 3). Das Wort
wird schon auf Pittakos zurückgeführt Diog. L. I 77, als aristippische Lebens-
regel erwähnt es Diog. L. 11 66.
2) yi 537: et fors omne da tum traherent per talia tempus.
3) Classical Review XIV (1900) S. 153 f., vgl. Norden a. a. 0. S. 339 f.
4) Necyom. 22: iya ö^ — y.ccl yccQ rjdri oips rjv — aye ät], m Mid^QoßaQ^civri^
cprifii, xi dicc^iXXo^EV,
Widersprüche zwischen Dichtung und Gesetz. 39
sehenden Gesetzen der Moral auf. Der Gedanke fand sich auch in
Xenophanes' Sillen und steht in genau derselben Weise bei Piaton
im ^Staat', wo ebenso Hesiod und Homer als Verbreiter lügenhafter
Erzählungen bezeichnet werden; auch im Ausdruck kommt Lucian
diesem seinem Vorgänger nahe^) und bei der Kenntnis von Piaton,
die er besessen, und der Begeisterung, die er einmal für ihn empfun-
den hat und für den Schriftsteller immer empfand^), ist bewußte An-
lehnung an diese Stelle der ^Republik' nicht unwahrscheinlich, obwohl
das natürlich eine Anregung für den Gedanken von anderer Seite
nicht ausschließt. Man fühlt sich etwas an die Erzählung bei Sextus
Empiricus erinnert, wie Epikur zur Philosophie getrieben wurde, indem
er von den Dichtem und den Grammatikern, die sie interpretierten,
weil sie ihm keine Auskunft geben konnten, fortschritt zu den Philo-
sophen.^)
1) Necyom.3: äxQi fitv iv Ttaialv Tjr, dytovav'OfirjQov xccl'HGiodov TtoXt-
fiovg xal GrdßiLs ÖLr^yov^ivwv ov y,6vov ratv rjfiid-icov, ccXXä xat avroir ijdi] rebv
-ö-f cor, ixL äh xal not^siccg ccvräv xai ßiag xccl dgrcayccg xal Ttccrigcov i^sldasig
xai ddsX(pä)V yduovg^ Ttävtcc tccvtcc ivoiii^ov ilvcci ■KOiXd. xai ov naQiQyoig ixvföpiTiv
TCQog ccvrd- intl di sig dvdgccg reXstv ijQ^d^iriv^TtdXLV ccv ivtcevd'a i'inovov räv voiimv
rdvavtiu xolg Ttoir]xatg xiXhvovxav^ ftTjT« fiotjjevfiv ftr/rf öxccotd^siv ^ifrt uQTrd^aiv.
Plat. rep. n 377 D: ovg 'Haiodog xs . . . xal '^O^r]Qog r}y,lv iXiyixT\v ... ovxoi
ydg Ttov iivd^ovg xoig dvd^göjTtoig ipsv^ng avvxid-svxsg ^Xsyov xe xai Xiyovaiv
Sxccv dud^f] xig xccHtbg ra> Xoyco Ttegl d-eäiv X8 xal rjgoiojv oloi slat xcc dk
drj xov Kqovov tgya xal ndd'r] vnb xov vNog ovde ifxr^or raoi
dxovovxt, (og ddindiv xd iaiccxa o'bSlv uv d'ccvfiaoxbv rtotoT, ot'J* av dStxovvxcc
nuxtga noXa^cav navxl XQono)^ dXXu Sgar] ccv ontg d^tu)v oi ngtbxoi xf xal fii-
yiaxoi o{>dh «ff d'Bol &€olg noXEfiovöi xt xal inißovX&vovat xccl
Hdxopxai. Xenoph. Sill. fr. U (Diels, Poet. Phil. Frgrat. S. 39): :tdvxa »eoia'
dv^drixav "Ourtgdg 9* 'HaioÖog rf, ooacc nag* dv^gutnoiaiv dveldea xal ^6yog iariv,
xliifXBtv ftoi;ff j''fiv Tf xal dXXrjXovg dnaxfvBiv.
2) Siehe Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum IX (1902) S. 204 f.
8; Sext. Kmp. adv. math. X 19 (P 637): xojiitd^ yug fuigaxiaxog av i'igfxo
xbv inavayivmaxovxa avxta yga\i,^Laxiaxi]V ^i^oi /iir ngatxiaxa xdog yivtx^, ix
riVoff xb x«os iyivixo^ Btmg ngtbxov iyivsxo- xovrov Sk slndvtog ^i) at&rot^ fgyov
tlvcci TU TotaOra dtSdaxHv, dXXu xibv xaXov^ivav cpiloadtpcav, *to/wi% fqprjfffv 6
'Kitixovgog, in' ixtlvovg /ioi ßadiaxiov iaxir, itnt-g ccvxol tiiv xdtv övxtov dXi\&ftav
iauaiv\ Man vergleiche damit Necyom. 4: ind dh Ati]7r6govi\ ido^d ^ot iX&övra
naget xovg »aXoviiivovg xovxovg (fiXoaotpovg iyxngioai xk i^iavrbv xal div^^f^vai
airtibv (i. Diog. L. X 2). — Übrigen« berflckiichtigt Lucian die allegorische
Deutung (Cic. de n. deor.II 24,04: phvHica ratio non inelegans inclufla e*X in impiM
fahula«;, wie iie von den Stoikern <lurchg«*ftlhrt, »pllter von den Xeuplutonikem
wieder aufgenommen iit, gar nicht (Sallust. de dÜM et mundo 'i: dXlu <^
HOtxtlug xal xXonccg xai nutigav dtaiiovg xal xriv dXXiiP droniuv iv folg «•
flgiljiuaai9; ^ nal roOto &^iov ^^avuaros^ tva Stä tlls tpmvoiidvrig inoniag tv&ifg i;
40 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Menipp ist aus dem Regen in die Traufe gekommen. Die Lehren
der Philosophen stehen in unentwirrbarem Widerspruch zueinander (4).
Das Thema ist alt. Es bildete für Timon wahrscheinlich den fiktiven
Anlaß für seine *Nekyia' in den Sillen, auf jeden Fall stellte er im
ersten Buch, dem Philosophenkampf, den Streit der verschiedenen
Sekten satirisch dar. ^) Soweit dabei die verschiedenen Theorien be-
treffs der Weltenstehung in Frage kamen, haben wir das ausdrückliche
Zeugnis des Diogenes Laertius, daß auch Menipps Satiren sich damit
befaßt haben ^), und Varro läßt z. B. in den 'Eumeniden' im Anschluß
an Menipp die Lehren der Philosophen Revue passieren, um zu dem
Schluß zu kommen, daß ihre Ansichten den Fieberphantasien der
Kranken gleichen.^) Wie Menipp griff Bion die Dogmen der Philo-
sophen an, und aus ihm konnte man nach Angabe seines Biographen
den Stoff schöpfen, wenn man es auf die Philosophie abgesehen hatte.*)
Nicht weniger zog Krates über die Anhänger der anderen Schulen
her, obwohl es aus den wenigen Fragmenten nicht möglich ist, zu
sehen, ob er die Lehren verspottet hat oder nur das hochmütige,
streitbare und streitsüchtige Wesen einzelner.^) Aber es wird sich
wohl überhaupt schwer eine Grenze ziehen lassen, sondern der Spott
griff, wie schon bei dem Haupt der kynischen Schule Diogenes^), von
dem einen Gebiet auf das andere über. So hebt der Lucianische
Menipp neben dem Widerspruch der Sekten untereinander den scharfen
Kontrast zwischen Lehre und Lebenswandel bei den einzelnen her-
vor (5). Der Gedanke, daß die Weisheit der Philosophen im prak-
tischen Leben jämmerlich Schiffbruch leidet, oder daß ihr finsteres
Aussehen sie am Wohlleben nicht hindert, ist schon in der Komödie
oft genug hervorgehoben worden^) und hat sich dann immer wieder
'^v^T] tovg nhv loyovg rjyrjGrirca Ttgo-AccXv^iiarcc, xb 8' aArj-ö'f? aTtoggritov slvca
vofiiarj). Überhaupt hat Lucian, was auffällt, die allegorische Erklärungsweise
niemals in den Kreis seiner Satire gezogen.
1) Siehe Wachsmuth, Sillographi Graeci, S. 43; Diels, Poet. Philosoph.
Frgmt. S. 183.
2) Diog. L. VI 101 nennt unter Menipps Werken: Ttgbg tovg (pvGiTiovg
■aal na&rj^atLyiOvg Kai yQa[L^ariv,ovg.
3) Vahlen, Coniectanea in Yarron., Lips. 1858, S. 180 f.; Ribbeck, Rhein.
Mus. XIV (1859) S. 109; Buecheler fr. VI (in Petronii Saturae ^ S. 177).
4) Diog. Laert. IV 47 r TiXsiGtag a(poQy,äg Ssdco-nag tolg §ovXo^ivoLg y.ad^vmtä-
^ead'ai (piXoao(piag.
5) Diels, Poet. Phil. Fr. S. 217.
6) Man vergleiche den Spott gegen Piaton nach Diog. Laert. VI 24. 26. 40.
7) Anaxippus, Kock III S. 299 fr. 4: tovg ys (piXoaoopovg iv rotg Xoyoig cpQO-
vovvtag hvgiav.fo ^ovov, iv rolci d' ^gyoig iivxag avorirovg ogo), noch deutlicher
Widersprüche der Philosophen, Lehre und Leben. 41
fortgepflanzt; Römer und Griechen haben ihn gleichmäßig zum Aus-
druck gebracht. Cicero hat diesen rojtog unumwunden in den Tuscu-
lanen benutzt.^) Seneca weiß, daß, wer sich den Bemühungen, ihn
zur Philosophie zu bekehren, widersetzen will, genug Gegengrüude
finden wird, wenn er die Geschichte der Philosophen sich ansieht.^)
Quintilian will immerhin zugeben, daß in alter Zeit viele auch so
gelebt haben, wie sie lehrten, zu seiner Zeit aber sei Philosophie der
Deckmantel für Laster.^) Auch für die römischen Satiriker ist dieser
Gegensatz mehrfach das Thema; bekannt ist die äußerst krasse
Schilderung Juvenals von denen, qui Curios simulant et Bacchanalia
vivunt (11). Der Stoiker Epiktet ruft: 'Zeigt mir einen wirklichen
Stoiker, ich möchte ihn sehen!' und wirft der ganzen Sekte offen
den heuchlerischen Schein vor, mit dem sie sich umgeben.*) Eine
charakteristische Schilderung von dem Treiben der Philosophen ent-
wirft Aristides in der Rede vireQ rdv rerragov^), die sich mit der
hier von Lucian angedeuteten, an andern Stellen ausführlicher ge-
gebenen Darstellung in allen Punkten deckt. Der Stoiker Euphrates,
der aus der Lebensbeschreibung des Apollonios von Tyana wegen
seiner Feindschaft mit diesem bekannt ist^), bietet, obwohl gehässig
Baton in S. 328 fr. i», i'ä: ol yovv ras,- öcpgvg iTtriQ-Kortg xal tÖv (fgovi^ov ^ijroöv-
Ttff iv ToTg ntgindroig xal ralg öiatgißaTg mantg &7iod8Sgax6ra, ovrag^ iuv
y/Mvxia^og uixoig Tcagaxfdfj, i'aaaiv ov det ngtbrov uipccß^cci xönov. Vgl. Anhang.
1) Tu8C. II 4, 11: quotuB enim quisque philosophorum invenitur qui sit ita
moratus, ita animo ac vita constitutus, ut ratio postulat? .... videre licet alios
tanta levitate et iuctatione, ut üb fuerit non didicisse melius; alios pecuniae
cupidoB, gloriae nonnullos, multos libidinum servos, ut cum eorum vita mira-
biliter pugnet oratio. (Vgl. Lact. div. inst. III 16, 9 S.)
2) Epist. 29,5 (\). 87, 17 H.): obiciet philosophis congiaria, amicas, gulam.
ostendet mihi alium in adulterio, alium in popina, alium in aula. Vgl. Fried-
liinder, Sittengeschichte Roms III*» 684 ff.
3) Quint. inst. or. I praef. 15: non enim virtute ac studiis, ut haberentur
philoHophi, laborabant, sed vultum et tristitiam et dissentientem a ceteris habi-
tinn pi'HsimiH moribuH praetendebant.
4) II 19, 24 und 28 (ntgi&^ntvoi oxfjti« iXlotgiov ntgiTtnrtlTf xU:tTat)\ III
7, 17: XftJ i/iyri>\ ••IUI i'JJi/ ll^•'^^ll^^' uWtt f\V ■rtttiiiritn' (\it] T\ H; (il'll. N. A.
XVII 19 .
6) AriHiKKH ro< . iMiMiori ii :i\»M ri. l'ie Mi'iir ini ncHprniinMi von
Lncian und die Kynikcr, Berlin 1879, B. 100 ff.; Norden, Jnhrb. f. kl:t
logic Siippl. XIX 404 ff.; Friedlander, Sittengesch. Honis" III «hu.
6; In dem Briefwechsel Kpistologr. («raeci rec. liercher, l^arin Ih?.;,
(3: &ytov tpogrlSa fitöri^v 4cQyvQiov, igvclov^ ontv&v navtodttnAv^ h^n'ftmv nomi-
ioiv, ndanov toO Xoinof\ tvtpov x«i iXaCovtittg xu\ xoKodaifioi ' Kf»<fpar»itf
fXußt xul niikiv fXußfv. 'Kninovgoi di ot»x uv (Xaßtv.) Vgl. IM. VpoU. I 18.
42 Kapitel I. Die Nekyomantie.
gezeichnet, ein deutliches Exempel, wie man sich in der Kaiserzeit
die Stoiker vorstellte. Und als unter Mark Aurel die Anhänger der
Philosophie großen Einfluß hatten, ging das Gerede, daß viele unter
ihrem Schutz den Staat sowohl wie Privatleute ruinierten.^) Daß man
die Scheinheiligkeit der Philosophen auch bildlich darstellte, zeigt
das Bronzegefäß von Herstal aus Domitians Zeit, das uns zugleich
ihren Ernst nach außen und ihre Laszivität im stillen vorführt.^)
Eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser Einleitung Lucians zeigt der
Dialog Justins mit dem Juden Tryphon im Anfang. Dort ist ebenso,
nur mit größerer Ausführlichkeit, das nutzlose Herumziehen bei allen
Philosophen geschildert, an das sich dann der Gang in die Einsam-
keit anschließt, der vor der suchenden Seele das wahre Heil auf-
leuchten läßt; bei jeder Schule ist angegeben, was den Erzähler ab-
geschreckt hat, darunter die Honorarforderung, die Lucian mehrfach
zum Gegenstand seiner Satire gemacht hat.^) Noch auffälliger aber
ist die Übereinstimmung in dem Paräneticus, der unter Justins Namen
geht, ihm aber von der neueren Kritik meist abgesprochen wird.*)
Lucian läßt den Menipp von dem Eindruck berichten, den die Fabeln
der Dichter auf ihn machten; als er von Homer und Hesiod vernahm,
wie die Götter sich bekriegten, wie sie Ehebruch, Raub und Gewalt-
tätigkeit aller Art verübten, da hielt er das alles für schön (3). Pseudo-
justin mustert, vven die Griechen als Lehrmeister der Frömmigkeit
anführen können: erstens die Dichter. Homer eröffnet den Reigen
mit seinen lächerlichen Anschauungen von Zeus (2); dabei kommen
die unten erwähnten Berührungen mit dem tragischen Zeus' vor.
Folgerichtig geht es weiter zu den andern Göttern, bei denen der
gegenseitige Kampf hervorgehoben wird. Und, heißt es weiter, das
1) Capitolin. Antonin. philos. 23 vgl. Cassius Dio LH 36, 4.
2) Demarteau, Bulletin de l'institut archeologique liegeois XXTX 1 : Cumont,
Annales de la societä d'archeologie de Bruxelles XIV 3. 4; Jahrb. d. D. Archaeol.
Instituts XVI (1901) Archäol. Anzeiger S. 16.
3) Vgl. besonders Luc. necyom. 6: ocpaXslg ovv ticcl rfj6ds rfjs ilitido? ht
liäXXov idvG%iQccivov', Justin 2: idvGcpogovv ovv, ag tö slxög, a7toxv%o3v xf\g iXni-
8og^ xat uäXXov rj i%i6tcc6Q'ai xi avxbv (p6iiriv\ Luc. 6: v,ul (lol tcoxe öiayQVJCvovvxi
rovxcov ivsjta ^do^sv ig BaßvX&va iXd'OvxK 8srid-i~]val xivog xa>v ^idyav; Just. 3:
KCüi nov ovtcog dtaxsuiBvov insl Mo^4 noxs noXXfig -qgsiiiag i^rpoqriQ'fivaL.
4) Als echt verteidigt von Semisch, Justin der Märtyrer, Breslau 1840,
S. 105 ff., neuerdings von Widman, Forschungen zur christl. Litteratur- u. Dogmen-
geschichte, hr. V. Ehrhard und Kirsch, III 1 (vgl. Bonwetsch, Gott. Gel. Anz. 167
[1905] S. 169 ff.); für unecht hält die Rede Harnack, Geschichte der altchristl.
Litteratur IL Teil I 513.
lustin. dial. c. Tryph., coh. ad gent. 43
hat euch betreffs der Götter nicht nur Homer, sondern auch Hesiod
gelehrt. Bei Lucian wird Menipp durch die bestehenden Gesetze
darauf aufmerksam gemacht, daß das vielbesungene Treiben der
Götter unrecht ist; in seiner Verlegenheit wendet er sich an die
Philosophen, woran sich dann die zusammenfassende Aufzählung der
verschiedenen Dogmen knüpft (4). PseudoJustin fährt fort (3): Lassen
wir aber die Dichter! Wen glaubt ihr dann als Lehrer der Frömmig-
keit zu haben? Ihr nennt die Philosophen; denn zu denen pflegt ihr
ja wie zu einem festen Wall# eure Zuflucht zu nehmen. Und nun
werden nacheinander die Meinungen zunächst der Physiker aufgezählt,
wie Diels gelehrt hat, nach des sog. Plutarch EpitomeM; hier herrscht
also große Ausführlichkeit, wo Lucian nur eine ganz knappe Über-
sicht gegeben hat. Aber beachtenswert ist, daß beide den Widerspruch
aller untereinander besonders betonen, und daß sie beide in ähnlicher
Weise abschließen mit der Bemerkung, daß diese verschiedenartigen
Ansichten sämtlich mit gleicher Energie und gleicher Überzeugung
verfochten werden.*)
1) Doxographi Oraeci coli. H. Diels, Berlin 1879, S. 17.
2) Xtic. nee. 4: xal t6 ndvrtov SctonotTatov, öri nsgl twv avtav ivavximxccra
ixaatog Xiyatv ocpodga vittöavtas xai md'avovg koyovg iTtoQi^sro; Ps. Just. 4: dgäxf
xoivvv XTjv Scxcc^iccv xd)v ttccq* v^lv vo^iG^'ivxoiv yeysvijad'cci aocp&v .... x&v ^(v
vdojQ 6cno(friva^itvoiv &Qxh^ anävrwv bIvcci, rdtv öh cciQcc, xibv Sh nvQj xibr 61
ailo XI xdv TiQOtLQriiiivcov ^ xai nuvx(ov xovxojv Ttid-ccvoTg xioi Xoyotg ngog xa-
xaaxtvr]v x&v ^ir] nctiwg do^dvxcav avxotg XQ^i'-^*'^^ ^^^ ^^ i'Siov Soyucc TtQOXi^o-
xtQOv imxHQOvvxmv ^«txvvvat; dann x&v iirid* iavxovg nstöai dt^vrid'ivxav xb fii]
':tQbg &XXf)Xovg axaoid^Biv fiijd' ivccvxiot xfig &XXi]l<iiv (faivsa9ai dd|ijff. — Ich füg^
gleich hier hinzu, was im übrigen in der Cohortatio an Lucian erinnert. Den
Zeus sehen wir geschildert als iQiövxa xai axBxXiä^ovxcc xai oXotfVQoufvov (2) wie
im tragischen Zeus' (2) seine axfvay^ioi und däxQvcc erwilhnt sind, und die bei
Lucian aus Homer zitierten Liebschaften des Zeus sind hier durch «lie Homor-
verse selber belegt (11. XIV 315 ff); ebenso wird aus der Rede des Damis dort
(40) die Nachstellung der Götter gegen Zeus erwähnt (Coh. 2: x«i el fti) xbv op
Hqiuqswv xaX^ovai imibiiaocv oi fidxuQig d^iol, iö^öexo av 'bn' a-bx&v 6 Zfi'v; Luc.
lupp. tr. 40: xai ii' yf iiij xbv BgidQUov r; H^xtg imdXfChV , in&mdrjxo «i»
iinlv b ßÜxiaxo; 7,8vg). Das berühmte goldene Seil (II. VIII 18 ff.), das Lucian im
'trag. Zeus* 45 und sonst verspotten läßt, erwähnt der Verf. der Mahnrede Kap. 24
(auch Aristides ntgl r. nngatp». 46 [II 15«, 17 ff. Keil); etg Jla 15 [II 848, 3 K.):
I 1 iiiiuH IV 192,17 Reiski'i. Die Verspottung der Philosophen aus dem 'Ikanv
" ' '"l'P* i^)' 0* inl yfjg /i«^7]xor(^% &XX' olfih d^vxtQOV roö nXtiaiov df^o^Kurfv' ..
ofKüt o'UQttvo(i Tt niffaxa dtoQ&v Itpaaxov kehrt wieder Cohortat. 80: tir,d^ xa inl
yfjt yvibvai dwantvot, xic iv ovQurotg ag iuiQanoxtg fldipat inayytXXovrai; der
Ausdruck Icar. «: noXXdxig^ il tvjjoi, iirjAh bfröaoi atdStot Af#y«p<^fy *A9i^ii
tiaiv &xQißws iniaxdiihvoi xb ^xa^v xf^g a§Xifitn]g xai xo^ ijXiov {»^^c 6n6to>r
titl nrix<oi' xb ntyt&og ixöXfuav Xiynv ist sehr verwandt mit l'uhort. 86: xai n§ifl
44 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Aber mit Hilfe dieser Parallelen gelingt es kaum, eine bestimmte
Vorlage zai erkennen; die Ähnlichkeit mit Justin mag zu allgemein
sein, um einen Schluß auf ein gemeinsames Vorbild zuzulassen, und
die mit der Cohortatio mag sich durch Benutzung Lucians erklären.*)
Anderes weist uns in ganz bestimmter Richtung weiter. Sicherlich
aus kynischer Darstellung stammt ein Gleichnis^), das Lucian dann
später in freierer Form immer wieder verwendet hat. Die Menschen
scheinen Menipp einem langen Festzug vergleichbar (16), bei dem
Tyche die Rollen verteilt und den ein«n als König ausstaffiert, den
andern als Sklaven, den einen schön, den andern mißgestaltet und
TOVTtov nLöTSvsGd^ai kavrov öiä ^oxtfiorrjra cpgciascog cc^l&v^ ovds X7]v xov EvQLTtov
(pvöiv xov övxog iv XccX-nidi yvavuL dvvri&sls • • • • (s- später Kap. XII). Die Er-
wälmung des Platonischen Wortes von dem Flügel wagen des Zeus (Coh. 31 :
Tcxrivov 'aq^ux. iXavvHv xov Jia) erinnert an den Bis accus. 33, der Ausdruck
Coh. 36: XTjpco xä mxcc cpga^d^svog X7]v in x&v Sslqi^vcov avx&v ivo^loveav 7}ästccv
(fsvyhco ßXdßrjv an Stellen wie Epist. Saturn. 32: mOTtsg xovg 'Odv6oi(og kxaigovg
xriga ßsßvad'cct. xcc cora oder Imag. 14: -kccI rjv -ktiqoj inLCfga^rj xä mxcc. Auch bei
müTtSQ XL dsXscxQ xrjv svyXaxxiav 7tQOL6%6^svoi (Coh. 36) kann man denken an
Bis acc. 20 : dsHaxa xotg ävoiqxoig ngoxslrovoa oder Dial. mar. 14, 1 : y.ccd'a.neQ
dsXsuQ TiQod-üg X7]v oiOQTjv. Die letzten Stellen wollen natürlich nicht viel besagen.
1) Benutzung Lucians scheint auch in einer andern christlichen Schrift
vorzuliegen, auf die schon Hemsterhuys hingedeutet hat. Der Anfang der ersten
Klemenshomilie , der identisch ist mit dem Anfang des Klemensromanes, er-
innert lebhaft an die Einleitung der 'Nekyomantie'. Auch dort ist der Verfasser
in großer Verlegenheit, weil er über den Tod und die Entstehung der Welt
nachdenkt: yial aqä tcoxs ytyovsv 6 "noGiiog -nccl ngb xov ysvEa&ai xi dga xal riv
(epit. de gestis S. Petri 1; Migne patr. graecolat. 11 S. 472). Infolgedessen ständige
Unruhe: xavxd xs v.al xa xovxoig o^oia ovx olda 7t6&sv ditavßxfog diBvd^v^ovusvog
äitccvGxov bI%ov ätl xi]v Xvnr\v (2). Da begibt er sich zu den Philosophen mit
dem bekannten Mißerfolg: i-A TtaiSbg ovv iv xoiovxoig cov XoyiC^otg, slg xdg x&v
(pLXoa6q)cov icpoixcov diccxQLßdg, &6xb xi ßißcciov iyisl&sv ^icc^alv. ccXXd xccl ovxccg
ovShv 8XSQ0V tcuq' civxotg xb 6nov8ut,6^Bvov srngcov rj doy^dxav dvaansvccg y.al
-ncixaGxsvdg^ ^QiSdg xs xal avXXoyiGiiCbv xB%vag xat 8r] y.cu Xri^^dxcov iitivolccg (3).
Darauf in der üblichen Weise noch stärkerer Kummer: nag' o y.al hi fi&XXov
iv xolg ngdyiLccGiv IXiyyicov, y.al ccTtb xov xfig ipvxfig ßdd-ovg ioxivcc^ov. Und so
verfällt der Erzähler auf dieselbe Auskunft wie Menipp, nur daß er nach Ägypten
gehen will: xovxav ovv x&v XoyiO^mv öxgscpövxoav fiov xr]v t^v^riv ^sig Aiyvnxov
TCOQEVGo^ai^ SLTtov, 71C/1 xolg x&v ddvxcov LEQOcpdvxaig ycal jcgocf^xcag q}LXiajd"i]ao^ai Ttal
^dyov ^rixi]6ocg yial svgmv %Qrnici6L nsiGoi noXXotg ipvxfig ccvaTtotiTcrjv xrjv Xsyoiiivriv
vs-HQOfiavxsiav iQydoccöd'Cii, i^iov Sfid^sv mg tceqI nqdy^axog xivog Ttvv%^dvs6%'ai
ßovXonivov 7} Sh TtsvöLg ^axca Ttegl xov iia^slv ocqu sl dd-dvccxog 7\ ipvxt]^ (5). Es
bleibt dann bei der Absicht, da Bamabas und Petrus den Wunsch besser be-
friedigen. Hamack, Geschichte der altchristl. Litteratur II. Teil Bd. II S. 530 ff.
zeigt, daß der Klemensroman zwischen 225 — 300 verfaßt ist.
2) Siehe Weber, Leipz. Stud. X S. 188 f.
Schauspielervergleich bei Lucian. 45
lächerlich macht; mitunter läßt sie auch während des Umzugs die
einzelnen wechseln, so daß der Tyrann zum Sklaven, der Sklave zum
Tyrannen wird, auf jeden Fall muß jeder, wenn der Festzug vorbei
ist, sein Kostüm abliefern. Daß dies Gleichnis nicht von Lucian
stammt, zeigt Dio Chrysostomus' Rede LXIV, wo am Schluß dasselbe
Bild gebraucht ist und zwar in einer Knappheit, die deutlich verrät,
daß es schon übernommen ist.^) Wir finden es in Kürze auch schon
bei Teles, nur daß dort weniger an den Festzug als schon ans
Theater gedacht ist^), wohin uns Lucian gleich führt. Das Gleichnis
von dem Festzug hat etwas Gesuchtes und Künstliches, da bei diesem
in Wahrheit ein Wechsel wie der geschilderte ausgeschlossen ist. W^ir
haben es offenbar dabei mit einer rhetorischen L^mwandlung des
andern Vergleichs, zu dem uns Teles leitet, zu tun, der zum Überfluß
nun unmittelbar darauf hinzugefügt ist. Das Leben gleicht der Tra-
gödie, in der die Schauspieler bald voller Stolz und mit hochtraben-
den Worten als Kreon oder Agamemnon auftreten, bald als Sklaven
und, wenn die Vorstellung vorüber ist, auf jeden Fall in ihrer arm-
seligen bürgerlichen Stellung als Polos und Satyros zum Vorschein
kommen. Lucian liebt diesen Vergleich des Lebens mit der Bühne.
Dieselbe Bedeutung, die Wechselfälle des Schicksals anschaulich zu
machen, hat er ihm schon früher im ^Nigrinus' (20) gegeben, wo,
um die eintretenden Veränderungen zu bezeichnen, nur allgemein die
Typen des Sklaven, Bettlers, Reichen, Königs genannt sind und der
Schluß hinzugefügt ist avidlv avrav alvai ßsßcaov. Diesem Gedanken-
kreis gehört auch die Verwendung im 'Schiff* (46) an, wo die arm
gewordenen Reichen den Schauspielern gleichgestellt werden, die
hungernd aus dem Theater kommen, nachdem sie noch eben Aga-
memnon oder Kreon dargestellt haben. Etwas anders ist das Bild
gewandt im 'Hahn' (2()), wenn gezeigt wird, daß der Prunk an und
für sich schon nichts als Schein ist; denn wenn so ein großartig
au.sstafHcrter Kekrops, Sisyphus oder Telephus auf der Bühne etwa
fallt, so sieht man hinter der Maske den eigenen blutigen Kopf, sieht
unter den Prachtgewändem die eigenen Lumpen und den formlosen
Kothurn. Drittens dient der Vergleich bei Lucian dazu, um die An-
maßung y.u Hchildem, mit der jemand sich etwas zugemutet hat, was
♦•r nicht wirklifli Ifistot So habnn oft Schatispioler, heißt es im
1; AL.i .. ;.....; ;, ,,..., .,..ir äv&QÜtni" -• SiatpiQft*' »« i,
riiugrialaig ^«r. II 841 H II 165, 8)t v. Arnim)
2) 7} Tvxfi Uli' Ttg ovaa navtaSunu noiti nQuamna, r. i. ; m,
jrr»Xoß, (f>vYÜdo^% ^ . (Telet VI (40,2 H.) auM Stob. flor. lOs. sj
46 Kapitel I. Die Nekyomantie.
^Nigrinus' (11), die Maske Agamemnons oder Kreons oder des
Herakles vor und spielen weichlich und weibisch wie Hekabe oder
Polyxena; es handelt sich da um eine richtige Wiedergabe dessen,
was Nigrinus gesagt hat^ und Lucian fürchtet, er könne dessen Rolle
nicht ordentlich spielen; später, im 'Rhetorenlehrer ' (12) hat er sich
zum Teil wörtlich an diese Stelle angeschlossen.^) Kommt mala fides
hinzu, liegt also heuchlerische Aneignung einer fremden Maske vor,
so paßt das Bild, wie im 'Fischer' (31), auf die falschen Philosophen,
die den Schauspielern gleichen, welche einen Theseus, Achill oder
Herakles darstellen und weibischer denn Helena und Polyxena
spielen. Aber es war gar nicht nötig erst das Spiel hervorzuheben;
auch die ursprüngliche Form des Vergleiches läßt sich so verwenden,
um Anmaßung und Heuchelei zu geißeln. Allgemein heißt es im
'Ikaromenipp' (29): Die scheinheiligen Philosophen sind den tragischen
Schauspielern gleich, die nach Abnahme der Masken und Kostüme
armselige, für sieben Drachmen gedungene Menschen sind; und in der
'Apologie' (5) läßt sich der Satiriker selber den Vorwurf machen: er,
der früher so frei tat und nun ein Amt angenommen habe, gleiche
den Schauspielern, die auf der Bühne Agamemnon oder Kreon
oder Herakles darstellen, draußen aber nur Polos oder Aristodem
seien in ihrer wirklichen Gestalt.^)
Es sei vergönnt einen Augenblick bei diesem Vergleich zu ver-
weilen, der sich auf bestimmte typische Formen zurückführen läßt,
die er in kynischer Darstellung erhalten hat, um so mehr als eine
solche Topik der Vergleiche herzustellen sehr wünschenswert wäre
und man erst in letzter Zeit damit den Anfang gemacht hat.^) Über
1) Nigr. 11: Lv' ovv [lt] xa/ avtbg iXiyx(0}ica nolv fisi^ov r^g i\iccvxov Kscpa-
Xijg TtQOöoüTCstov jtSQLTisifisvos , ccnb yviivov aot, ßovXo^iaL tov^ov Ttgoßcoicov
TtQOßXaXsiv^ ivcc iirj GvyxataaTrdöoy nov Ttsßav xov rjQioa ov V7Cov.Qivoiiai^
rhet. praec. 12: y^Xotov yaq vnhg roiovtov Qi^rogog i^h Ttoiuad'ai rovg Xöyovis
(pccvXov vTtOTtQLTTjv L6(og Tcbv xoiovx(ov %al x7\Xiy.ovx(ov , ftij v.al avvxQLipoi nov
7tsaa>v xbv rjQcaa ov vTio>.Qivoyiai. Die Vorstellung findet sich schon in
Piatos 'Charmides' 162 D.
2) Lucian schließt dabei das Bild von dem Affen an, der seine Dressur
vergißt, und zeigt dadurch deutlich, daß er aus seinem eigenen ""Fischer' (vgl. 36)
geschöpft hat. — Ohne jede moralische Verwendung steht der Schauspielerver-
gleich Nigi-in. 9, wo sich der Erzähler dem Boten in der Tragödie gleichstellt.
3) Außer den im folgenden Angeführten sind zu nennen Frachter, Hierokles,
Lpz. 1901, Sachregister 'Vergleiche'; E. Weber, Leipz. Stud. X 173 ff.; H. Weber,
De Senecae phil. dicendi genere Bioneo, Diss. Marbg. 1895, S. 39 f. 59 f.; Eichen-
berg, De Persii saturae natura, Diss. Breslau 1905, S. 15ff. ; B,enner, Festschrift
des hist.-phil. Vereins, München 1905, S. 54.
Schauspielervergleich. 47
unsern Vergleich haben zur selben Zeit Hense und Dümmler ge-
handelt^); jener bietet weit mehr Material, dieser hat das Verdienst,
wenigstens versuchsweise die vorkommenden Stellen nach Kategorien
geordnet zu haben, allerdings wie das bei nicht ausreichendem
Material begreiflich war, indem er manches übersah. Er sondert
die Nutzanwendung, die durch den Vergleich des Lebens mit der
Bühne gegeben wird, in folgende zwei Klassen: 1) Nimm dir von
der Bühne die Lehre, daß die großen Unglücksfälle die Reichen
und Mächtigen treffen. 2) Nimm dir am guten Schauspieler ein Bei-
spiel und spiele gleich ihm alle Rollen, welche dir das Glück zuerteilt,
gleich gut. Er hätte hinzufügen müssen 2b): Nimm dir am Schau-
spieler die Lehre, rechtzeitig aufzuhören, ferner, wenn er unsere Lucian-
stelle, die ihm bekannt war, richtig in ihrem Zusammenhang beurteilt
hätte, v5) Nimm dir am Schauspieler die Lehre, daß die Rollen im
Leben wechseln; endlich 4): Nimm dir am Schauspieler die Lehre,
daß der äußere Prunk nur leerer Schein ist. Dazu kommen dann
noch zahlreiche Verwendungen allgemeinerer Art, auch ohne daß eine
moralische Nutzanwendung eingeschlossen wäre.
1) Für den ersten Gebrauch, der weitaus am seltensten ist, führt
Dümmler an Dio Chrysostomus XIII 20 (427 R. 184, 24 v. A.): ovda
oTi Tievr^g xCg iönv^ ovdslg ävaxa tovtov xQaycydCav sÖida^s. rov-
vuvxCov yaQ TtSQi tovg ^Argiag xal tovg '^ya^s^vovag xal tovg
OldlTCodag Ilöol rig ccv xaöag tag rgaycodCag^ oC TtXslöxa ixsxtr^vto
XQrjuura xqi)6ov xal agyvQov xal yfig xal ßoöxrjfiaTcov. Der Gedanke
wird von Dümmler auf Antisthenes zurückgeführt; er findet sich wieder
bei Älian v. bist. II 11: Eoxgdxr^g lÖojv xaxä tijv dgxijv xöv rpt«-
xoma xovg ivöol^ovg dvaigov^svovg xal xovg ßad'vxaxcc nkot^xovvxag
vno xG)v xvgdvvcov inißovltvoiiivovg — ^AvTiöd^ivet (paöl :teQtrvx6t^a
flztlv fiTi xl öoi ^fxa^sXtLf oxL ^aya xal ae^vbv ovdlv iysvo^ed-a iv
xa ßico xal xoiovxot oLovg iv xfj xQaymÖCa xovg {Lovdgxovg 6Q&fi€Vy
\ljQiag xi ixtCvovg xal Svtöxag xal ^Aya^t^vovag xal AiyCö^ovg'
ovxoL nlv yäg d7io6q)axT6^avoL xal ixxQaycjdov^svoi xal :toi'r^Qä öetnva
dtmvovvxsg txdöxoxs ixxaXvnxovxai. Dümmler sieht in der Erwäh-
nung de« Antisthenes eine Spur davon, daß der Vergleich bei diesem
Htand. Daß er auf kynische Quelle zurückgeht, erweist auch Epiktet
in einer durchaus von kynischen Gedanken (erfüllten Diatribe, in
welcher Diogenes ausführlich zitiert wird, I 24, 15, wo es allgemein
1) Henie, Tele« praef. p. XCIII ff.; Dömmler, Akademika, (ließen IW*«, 8. 8 ff.
Vgl auch T. WilaniowitK, Herme« XXI (1886) 8. 026; Knauer a. a. 0. 8. U f.
^M. oben H. 16); H. Schätze, luvenaliii ethicui, DisM. Greifswatd 1906, 8. 60.
48 Kapitel I. Die Nekyomantie.
heißt: sv tolg 7cXov6Coig xal ßaöiXsvöL oial rvQccvvoig ai tQwyaydCai tÖTtov
iiovöiv^ ovdslg Ö6 Jtevrjg xQay&dCav öv^nkriQol d ^ri d)g ;|;o()£t>Ttjff. ^)
2) Die zweite Benutzungsart des Vergleichs ist uns direkt als
kynisch bezeugt. Wir finden sie bei Ariston von Chios, der ja
von der stoischen Schule zur kynischen zurückkehrte. Nach Dio-
genes L. VII 160 sagte er, der Weise müsse es dem guten Schau-
spieler nachtun, bg av rs SeQoCtov av re '^ya^s^vovog jzqööco-
jtov avaXdßri^ excctSQOv vjtoxQivelxaL TtgoöriTiovrcog.'^) Ähnlich stand
es bei Bion; denn Teles beruft sich ausdrücklich auf ihn (II S. 3, 2 ff. H.;
vgl. II S. 11,0 ff., VI S. 40, 2 ff.), wenn er denselben Vergleich anführt ;
doch spricht er allgemein von König und Bettler. Eine deutliche
Verbindung mit dieser Fassung zeigt (Arrian-)Epiktet (Stob. flor. 97, 28,
Epictet. ed. Schenkl S. 412), wenn er mahnt, wie Polos den Tyrannen
Odipus ebenso wie den verbannten und bettelnden spiele, oder den
Odysseus in Lumpen wie den im Purpurmantel, so müsse der Weise
jede Rolle, die ihm die Gottheit zuerteilt, ordentlich spielen^); wir
müssen beachten, daß wir hier den Schauspieler Polos finden, der bei
Lucian ebenso genannt ist. Hierher gehört auch der Anfang der
7. Rede des Maximus von Tyrus, dessen Vorträge ja durchaus auf
der kynischen Diatribe fußen*) und den wir mehrfach für kynische
Gedanken heranziehen werden-, er spricht von dem Drama und den
verschiedenen Rollen, die dem einzelnen, zufallen, und nachdem er
als Beispiel Agamemnon, Achill, Telephus^), Palamedes angeführt
hat, fährt er fort: TTJlscpöv tiva vtcoÖvo^evoi iq naXa^7]dr]v ij äXl' ort
1) Himerius ecl. IV Ende (Wernsdorf S. 122): dst ysv^od-ccL xal ah (der Reiche)
IL^Qog tov ÖQU^cctos' ovdslg oldsv vipriXi]v xqayoidiuv, orcov ^i] nintovai tvqccvvol.
2) So auch später Synesius, nur daß er Kreon und Telephus einsetzt
de prov. 13 (Migne patrol. Gr. LXVI 1241 C): oaxis xaXmg i^r^a-KTiGs rj]v cpcüvijv,
öiioiag VTtoycQivsltca tov rs Kgiovra y,aX tbv TriXstpov.
3) Schenkl führt in der adnotatio noch allgemeine Verwendungen des Ver-
gleichs bei Epiktet an; unserer Stelle entspricht enchirid. 17 mit dem Schluß:
cbv yccQ tovt' ^öTt, ro dod'sv VTtov.givaad'aL TCQOöcoTtov xaXcog, i^X^^aad-ui S' ccvrb
ccXXov.
4) Vgl. Hobein, De Maxime Tyrio, Diss. Götting. 1895, S. 83 ff.
5) Daß der Telephus schon in kynischen Darstellungen dieser Art eine
Bedeutung gehabt hat, zeigt die Erzählung bei Diog. L. VI 87, daß Krates durch
die Aufführung dieses Dramas zur Philosophie geleitet sei. Auch im 34. Diogenes-
brief (2) sind Telephus und Odysseus als Parallele für den kynischen Bettler
aufgestellt; und daß Odysseus in dieser Weise als Ideal verwertet wurde, be-
weist die Ablehnung, die er im 19. Brief des Kxates erfährt: jat/ Xiy^ t^ov 'OSvo-
csu TfuT^qa xfig xvvtx?)? (Epiktet HI 24, 12 ff.; Norden, Jahrb. f. klass. Phil. Suppl.
XIX S. 394).
Schauapielervergleich. 49
nsQ av t6 öq&hcc id^eh]^ ovdev :r?.}]a^£X6g ovÖs £%co rgoTiov voui^ovrai
ütoulv^ alXoxe aXkoi (patvö^svoi ol avTot\ um dann damit das Leben
zu vergleichen und die q:vöLg rcjv jtQay^cctcjv dji^ ÖQaucctovQyel 6
d-eög. Allerdings will er weniger die Nutzanwendung daraus ziehen,
daß der Philosoph jede Rolle spielen müsse, als eine Empfehlung der
Philosophen vorbringen, die in jeder Rolle sich zurecht finden.^)
Statt der Rollen konnte mau auch von den einzelnen Teilen des
Dramas reden; so hat sich ebenfalls Bion ausgedrückt, wie man wieder
aus Teles erschließen kann (S. 11, 5 H.: vgl. 40, 2), der verlangt, daß
der Weise die ganze Lebenszeit gut verbringen soll, wie der gute
Schauspieler Prolog, Mitte und Ende des Stückes gleich trefflich dar-
stellt. Auch negativ ist der Vergleich gefaßt worden bei Epiktet
diss. IV 2, 10: 'Man kann nicht Thersites und Agamemnon zu-
gleich vorstellen.' Dabei mag an die Verwendung erinnert sein, die
dieser Ausspruch auch außerhalb der philosophischen Kreise gefunden
hat. Der witzige und den Kynikeru geistesverwandte Demades, der
mythologische Vergleiche geliebt zu haben ^) scheint, sagte nach Dio-
dor XVI 87 zu Philipp: 'König, das Schicksal hat dir die Rolle
Agamemnons gegeben, und du schämst dich nicht, wie Thersites
zu handeln?' Ganz ohne bestimmte Angaben verwertet Cicero den
Vergleich, den er für den Cato maior wohl aus dem von ihm ge-
nannten Ariston entlehnt hat^); Cato 18, 64 wird einfach verglichen:
quibus (auctoritatis praemiis) qui splendide usi sunt, ii mihi videntur
fabulam aetatis peregisse nee tamquam inexercitati histrioues in ex-
tremo actu corruisse; dagegen Paradoxa III 26 in der stoischen Dar-
legung Ott Loa xä afiaQtrluaxa v.al xä xccxoQd^co^axa liegt die moralische
Nutzanwendung vor: Wie der Schauspieler ausgezischt wird, wenn er
den Rhythmus verläßt und eine Silbe zu viel oder zu wenig spricht,
80 dürfe der Mensch auch nicht einen kleinen Fehler im Leben
begehen.
1) Umj^ekehrt sajft Cicero de off, I 31, 114, wie der Schauspieler nur die
Holle übernehme, zu der er befähigt Moi, 80 münse der Weise «ich mit dem
befasHen, wozu er Talent habe.
2) Vgl, Diel«, Jrmddfta, Rhein, Mu«. XXIX ^IbTJ < in ti \11. iil tV \1
Oratorei Att. ed, Baitcr-Sauppe, II S, »lö fr, I.
3) FiS verflchlilgt hier nicht, duß das nichtfi der Stoiker \v ai. - iKlcrn dor
reri|»at<jtiker, der ja nach Strabo X 6, ti Nachahmer Bioua g< u. h. n s.-in «oll;
auf jeden Fall wflrden wir dadurch auf die kynischc Quelle zuriickK'* ^^ • • n
(b, 8ai»eniihl, (»e»chicht« d. (triech. Litt. d. Alcxandrineneit I iS, 151 Ann». Tuo;
(«ercke in Pauly-Wiiisowa. Ilealencjclop&die II 'jr>A und Archiv f. Oeschichte d.
I'hiloiophie V [IHV2' • ;
Helm, Lud»» lind M i
50 Kapitel I. Die Nekyomantie.
2b) Die ordnungsmäßige Durchführung der Rolle verlangt, daß
der Schauspieler rechtzeitig abtritt. So sagt Cicero im Cato maior
19, 70: neque enim histrioni, ut placeat, peragenda fabula est, modo
in quocumque fuerit actu probetur, neque sapienti usque ad Tlau-
dite' veniendum est.^) Daß der Gedanke ihm vorlag und aus bioni-
öcher Literatur geflossen ist, möchte man aus der Wiederholung des-
selben bei Epiktet IV 1, 165 schließen, wo es heißt: Auch der gute
Schauspieler hört auf, wenn's nötig ist, und spielt nicht weiter; so
zog es Sokrates vor, aus dem Leben zu scheiden statt sich schimpflich
retten zu lassen. Auch der stoische Philosoph auf dem römischen
Kaiserthron verwendet dies der Schule geläufige Bild, allerdings in
anderer Art (III 8 Stich ^ S. 26, 22): Der Weise muß stets bereit
sein aus dem Leben zu scheiden; wenn ihn das Verhängnis trifft, so
ist sein Leben nicht unvollendet, Vie man sagen könnte von dem
Tragöden, daß er davongehe, bevor er das Schauspiel zu Ende geführt
habe'. 2)
3) Die Rollen im Leben wechseln, so daß kein Glück dauernd
ist. Dahin gehört unsere LuciansteUe Necyom. 16; es ist die Rede
von den Schauspielern, die bald Kreon, bald Priamus darstellen: xal
6 avtög^ sl Tvxoi^ ^LXQbv e^TC^oödsv iidXa öE^ivcog rb tov KsKQOjrqg rj
^EQ8xd'S(og ^xri^a ^i^rjöd^svog iiet bXiyov OLxetrjg 7tQoy]k%'8v vjtb tov
noiritov x87cslev6^£vog' ijdrj ös utSQccg e%ovzog tov dQci^cctog äitoövcd-
lisvog 6xa6tog avrav trjv xQvöÖJtaötov exeivrjv iöd-T^ta xul rö TtQOöa-
Tcslov ä7to&£^£vog acil xazaßäg änb töv ifißatav nsvtjg xal taiteivbg
7i£QL£i6iv^ ovxst ^^ya^8^vcx)v 6 ^Atgicog ovÖ8 Kq8(ov 6 M8voiyJ(og^
äXlä JJüXog XaQiüXiovg Zovvi8vg 6vo^a^6^8Vog tj UdtvQog @8oy8t-
tovog Magad-covLog. Der Vergleich enthält eine gewisse rhetorische
1) Entsprechend ist 23, 85: senectus autem aetatis est peractio tamquam
fabulae, cuius defectionem fugere debemus, praesertim adiuncta satietate. Auch
Seneca epist. 77, 20 (S. 275, 4 H.): quomodo fabula, sie vita non quam diu, sed
quam bene acta sit, refert. nihil ad rem pertinet, quo loco desinas. quocumque
voles desine; tantum bonam clausulam impone. Der Brief zeigt auch sonst
kynischen Einfluß, da die Erzählung von dem lakonischen Knaben gebracht
wird (14), die auch Philo de lib. sap. 17 (463 M.) verwendet hat, dessen Dar-
stellung zweifellos auf populäre kynische Vorträge zurückgeht; vgl. Wendland,
Archiv f. Geschichte d. Philosophie I (1888) S. 509 ff.; Hense, Rhein. Mus. XL VII
(1892) 219 ff. 226 (s. Kap. X).
2) Im Zusammenhang damit steht auch der Schuß der Selbstbetrachtungen r
Wenn einen die Natur abruft, so ist das: olov sl Ttcoiicpdbv änolvsi rj}g a%rivf}$
6 nccQaXaßoav GtQcctri'yos. — 'AXX' ovy. sliiov xu nivts ^egr}, aXXä tä tgicc. — KccXmg
SLJtas. iv fiivtoi ta ßi<p rä rgia oXov tb dgäiid iön. rb yäg reXsiov i-Kttvog ögi^si
6 toTS fi£v rf]s Gv/yigiöBcog, vvv öh tfig öiaXvOicog al'tLog' 6v ds uvalxiog cciKportQcov.
Schauspielervergleich. 51
Fülle, da Lucian sich nicht genug tun kann Königsrollen zu nennen,
ist aber im Zusammenhang ganz einfach zu verstehen. Im Leben
herrscht ein beständiger Wechsel, so daß schon da der Glanz ver-
geht, auf jeden Fall aber schwindet er mit dem Tode.^) Dümmler
hat behauptet, daß diese nach seiner Ansicht ungenaue Form des
Gleichnisses nicht aus einem der alten Kyniker stamme. Aber auf
diesen Wechsel der Rollen auf der Bühne bezieht sich die aus bioni-
scher Diatribe entlehnte Vorstellung bei Maximus Tyrius XXI 1 und
Horaz sat. I 1, löff.^); und beweisend ist die Benutzung des zweiten
Teiles des Gleichnisses in derselben Form bei Seneca''), der ohne
Nennung von Schauspielern und Königsrollen in ganz abgeblaßtem
Ausdruck sagt (epist. 76,31 S. 268,4 H.): nemo ex istis, quos purpuratos
vides, felix est, non magis quam ex illis, quibus sceptrum et chlamy-
dem in scaena fabulae adsignant: cum praesente populo lati incesse-
runt et coturnati, simul exierunt, excalceantur et ad staturam suam
redeunt.
1) Ebenso, wie wir sahen, Nigrin. 20, navig. 46 (apolog. 5). Von der Ver-
mischung zweier Fassungen, die Dümmler S. 8 herauskonstruiert, ist also nicht
die Kede. Auch das Tiivri? und xccnEivös bietet nicht den geringsten Anstoß,
obwohl man zugeben kann, daß Lucian das mehr aus den Verhältnissen seiner
Zeit heraus gesagt hat; immerhin, wenn Dümmler auch ein Jahreseinkommen
von 3—4 Talenten herausrechnet für Polos, so ist das eben immer noch nichts
gegen den Prunk des Königs, den er auf der Bühne vertrat. — Nachgeahmt ist
der Vergleich, doch wohl in Anlehnung an Lucian, von Cervantes, Don Quichotte
Buch VIII Kap. 5: 'Hast du nämlich nicht schon eine Komödie vorstellen sehen,
in welcher Könige auftreten, Kaiser und Päpste, Ritter, Damen und verschiedene
andere Personen? Einer spielt den Raufer, ein anderer den Verständigen, noch
einer den Verliebten, und wenn die Komödie nun zu Ende ist und sie ihre
Kleider ausziehen, sind sich alle Schauspieler gleich. Ebenso geht es in der
Komödie und der Darstellung dieser Welt, wo etliche Kaiser spielen, andere
Päpste und kurz ebenso viele Figuren als nur in der Komödie auftreten können;
wenn es aber zu Ende ist, wenn das Leben nämlich aus ist, zieht der Tod allen
die Kleider aus, nach welchen sie sich unterscliieden, und in ihren Gräboni sind
sie gleich.' Und wie bei Lucian die Vergleiche gehäuft sind, indem noch der
gleichartige von dem Festaufzug hinzugefügt ist, so läßt Cervantes den Sancho
Pansa noch den Vergleich von den Steinen im Schachspiel anschließen, deren
vemchiedcne Bedeutung aufhört, wenn sie nach dem Spiel alle zusammen im
Kaiten liegen.
2) kt xig ^tibv toaniQ iv ÖQafiaTt. vironQitäg änoSvaag ^xaatov roO Ttaffovrog
(iiov xai axiifi^rog nfxuiKpiiüt-i tu xoO nlriaiov usw. Kioßling denkt au eine
meuippiscbo Burleske zu der Horazvtello; wahrHchoinlicher ist mir daii Vor-
kommen in einer kyniichen Diatribe (vgl. Gorcke, Archiv f. CJeHcb. d. Phil. V
S. 209).
3) Die Stelle bat schon Herne aufgefunden Telei praef. XCIII.
52 Kapitel I. Die Nekyomantie.
4) Ein anderer Brief Senecas enthält dasselbe Bild, in breiterer
Weise ausgeführt (80, 7 S. 290, 19 H.); hier sind auch bestimmte Rollen,
von denen eine die des Atreu s ist, sogar mit hochtönenden Versen bei-
gebracht, und hier ist, wie das Lucian im 'Ikaromenipp' (29) tut, das
Spielhonorar hinzugesetzt, um dadurch recht den Kontrast zwischen
der falschen Pracht der Theaterwelt und der einfachen Stellung im
wirklichen Leben zu dokumentieren; aber hier ist der Schriftsteller
nicht ganz konsequent in der Deutung des Bildes geblieben; während
er zunächst sagt: ^nuUa soUicitudo in alto est', was auf die erste Art
des Vergleiches gehen würde, kommt er dann darauf, daß der äußere
Prunk nur Schein ist: 'omnium istorum felicitas personata est'; er ist
also von dem vorschwebenden Gedanken des Wechsels im Schicksal
abgebogen. Ähnlich sagt Petron (80), daß nach Schluß des Stückes
die Personen ihr wahres Aussehen erhalten; vera redit facies, dum
simulata perit. Drastischer hat Lucian den Vergleich, wie wir oben
sahen, im 'Hahn' (26) gestaltet, wenn er zeigt^ daß schon bestimmte
Vorgänge auf der Bühne das Trügerische der äußeren Pracht erkennen
lassen. Dieser Schein braucht sich aber nicht nur auf die Lebens-
stellung zu beziehen, sondern läßt auch die Deutung zu auf den
Gegensatz des Äußeren von Personen zu ihrem wahren Wert. Dieser
Gedanke liegt der Ikaromenippstelle (29) zugrunde; das Bild ist dann
von Themistius XXI (251'^) ebenfalls auf den moralischen Wert be-
zogen (i^aTcarä v^äg xal TCQOöfoitov ^Aya^i^vovog vTCOTCQLvetat MC-
d'ai'Kog ng hv evdod^av iq &sccQicov) und ähnlich von Johannes Chry-
sostomus I De Lazaro IL 3 und VI 5 benutzt.^)
Außer in diesen vier typischen Formen ist der Vergleich mit der
Bühne natürlich noch oft, zum Teil ganz verblaßt, angebracht worden. ^)
Erwähnen will ich noch die Benutzung bei Plutarch praec. ger. reip. 21
(816 F): Wie der Protagonist Theodoros oder Polos sich dem Trita-
1) Darauf hat Reich hingewiesen Der Mimus, Berlin 1903, I S. 197. — Lucian
hat außer diesem Bilde später noch ein anderes nicht sehr geschicktes benutzt, als
ihm der eine Vergleich gar zu abgenutzt schien, de merc. cond. 41; es ist das
Bild von der Buchrolle, die ein Prachtstück von außen ist, mit Purpur verziert
und goldenen Knöpfen an den Stäben, innen aber die Frevel des Thyestes,
Ödipus oder Tereus enthält. Geschickter ist das Bild von den tragischen Ge-
wändern, die außen glänzend, aber nur aus Lumpen zusammengenäht sind
(Saturn. 28) oder wie Aristides (46, ;^07 II S. 398 Dindorl) statt dessen sagt, von
dem Mantel der lo: rfjs r^ayix?)? ßobg töäv i^iccricov rjTtriusvcov ovShv diccrpsQOvtsg,
xä (ihv l'|co Gs^vol, tä dh ^vdov aXXog ccv si^sir} tig.
2) Sen. ep. 77, 20: quo modo fabula, sie vita; Cic. Cat. m. 18, 65: cum in
vita, tum in scaena: Maximus Tyr. XIX 9: iv ra ßlov ögä^ccxi.
Schauspielervergleich. 53
gonisten, der nach Demosthenes (Tcegl r. TcaQa^QsößeCag 247) meist
die Tyrannen zu spielen hatte, auf der Bühne fügen muß, so sollen
sieh im Staat auch die Reichen den Herrschenden unterordnen, selbst
wenn diese arm sind. Beachtenswert ist auch da die Erwähnung des
Polos, den Lucian nennt. Im übrigen ist der mimus vitae gradezu
sprichwörtlich geworden; so sprach Augustus davon an seinem Sterbe-
tage (Suet. Aug. 99); so nennt Mark Aurel am Schluß seiner Selbst-
betrachtungen 12,36 (167, 6 Stich) das Leben ein Drama, und Clemens
Alexandrinus benutzt denselben Ausdruck.^) Das Treiben der Welt
sieht sich wie im Theater aus der Höhe der Lucianische Nigrinus an (^18)
In dieser allgemeinen Weise ist das Bild schon bei Piaton zu finden,
der Philebus 50 B von des Lebens tgayadia xal xco^ctdCcc redet und
im Staat 577 B von der TQccyix}] 6x£vtj äußerer Pracht. Aber die
weiteren rein rhetorischen Verwendungen des Vergleiches haben für
unsem Zweck kein Interesse, da sie nicht mehr das Leben, sondern
nur einzelne Situationen") oder Berufe angehen.^) Für die typischen
Formen und für Lucian ist es klar, daß alle Fäden auf die kynische
Schriftstellerei hinauslaufen, sei es nun die Diatribe oder der mimische
Dialog des Menipp.
Außer diesem Vergleich sind ein paar Beispiele zu beachten, die
in der philosophischen Diatribe wie von den Khetoren typisch ge-
braucht werden. Um die Gleichheit nach dem Tode zu beweisen,
werden der häßliche Thersites und der schöne Nireus, der Bettler
Iros und der Phäakenkönig, der Koch Pyrrhias und Agamemnon zu-
sammengestellt (15). Es ist bezeichnend, daß sie dem Homer ent-
1) Strom. VII 11, 66 (870 P): &pLeii(p(bs . . . vnoxgivoiisvog t6 dga^icc toO jJt'ov,
oTTtQ UV 6 9^tbg &y(ovlaaad'at. TtagdoxV'» ^^ ^^ ngaxr^ci xd re vnoiifvetia yvoagl^fiy
der christliche Weise.
2) Einen Vergleich in einem einzelnen Punkt enthalt auch das bei Ful-
gentius mit. II 4 (43, 10 H.) erhaltene Wort des Kynikers Diogenes, natürlich nicht
des alten, sondern etwa des Kynikers unter Vespasian (Zeller, Phil. d. Griechen
III 1» S. 708; Pauly-Wissowa, Real-Encyclop. V 730 Nr. 25). Auf Kleobul führt
FulgentiuH den Vergleich zurück niit. II 14 (56, 12 H.) (vgl. lleich, [S. 62 Anm. 1]
I 2 S. 709 f., der aus AugUHtin ein weiteres Ht'ispiel zitiert).
8; So der Vergleich des Redners mit dem den Zorn nur danteilenden, aber
nicht empfindenden Sciiauspieler Seu. de ira II 17, 1 oder der Qegeuiatz bei
Sotion (Stob. III 20, 54» S. 550 Hense), daß dem Schauspieler, obwohl er nicht
zürnt, die Mauke des Zoniigen wohl ansteht, dem rechten Philoiophen aber nicht,
uelbMt wenn er zürnt. Auch (ic.Tusc. IV 25,55, Lael. 20, U7, Plut. de ter. oom. vind.
554 |{, Justin, ad Zon. et Seren, 6, hiog. Laert, VII 2<», Aristid. #/tf 'Pmnr,v (20,71
II s. in. 16 Keil).
54 Kapitel I. Die Nekyomantie.
nommen sind mit der einen Ausnahme, für die sich dort kein Name
vorfand. Das erste Paar ist oft als Vertreter der Schönheit und
Häßlichkeit angeführt. Nireus gilt als Muster formvollendeten Aus-
sehens bei Horaz c. III 20, 15, epod. 15, 22 und andern Augusteem^),
wie bei Lucian selber Tim. 23, Pro imag. 2, später bei Libanius im
*Timon' (IV Reiske S. 190, 8); Thersites steht als Gegensatz dem
schönen Achill gegenüber Juvenal 8, 2G9, Epiktet II 23, 32, Lucian
Pro imag. 20 und in der Homerparodie in Lucians 'Charon' 22; Die
Chrysostomus LXVI 21 (II 356 R. II 166 v. A.) stellt ihn aUgemein dem
xaXög gegenüber; aber er findet sich auch direkt als Gegenstück zu
Nireus bei Ovid ex Ponto IV 13, 16, und für Maximus Tyrius bilden
Nireus und Achill einerseits, Thersites andererseits die beiden Extreme
(XL 2), wie er den Thersites allein VII 5 als Typus der Häßlichkeit
anführt.^) Zu verweisen ist auch auf den oben besprochenen Schau-
spielervergleich, wo Thersites und Agamemnon als Gegensätze ge-
braucht sind (Diodor XVI 87, Ariston bei Diog. L. VII 160, Epiktet
IV 2, 10) und zum Teil direkt auf die häßliche, bucklige Gestalt des
einen und die stattliche des andern hingewiesen wird. Der Bettler
Iros ist bei Dio Chrysostomus LXVI 20 (II 355 R. II 166 v. A.), bei
Properz HI 5, 17, Ovid trist. HI 7, 42, Martial V 39, 8 (vgl. VI 77, 1,
XII 32, 9) der stärkste Gegensatz zu dem reichen Krösus, bei Libanius
XVIII 140 zu Kallias, in Lucians 'Charon' 22 zu dem Herrscher
Agamemnon. Ebenso ist Alkinoos sprichwörtlich wegen seiner Gärten,
deren Fruchtbarkeit natürlich das Besitztum des Königs vermehrt^);
der König wie sein Volk sind typisch für wohlbegüterte, etwas zu
sehr der Pflege des Körpers ergebene Menschen bei Horaz epist. I 2, 28
und 115, 24; daß da nicht einfache Homerreminiszenz vorliegt, sondern
Alkinoos als Vertreter der (piXridovCa schon von Piaton angesehen
wurde, wenn er ihn im Staat X 614 B einem älxi^og ccvrJQ gegen-
überstellt, hat Kießling gezeigt. Agamemnon endlich als Repräsen-
tanten der Macht fanden wir schon oben in dem Vergleich des Lebens
mit einem Schauspiel, wie in der eben erwähnten Homerparodie in
Lucians ^Charon' 22. Erfunden ist, wohl nach dem Vorgang der
1) Vgl. Otto, Sprichwörter der Römer, Lpzg. 1890, S. 243 f.; Hense, Teles
praef. XCI f.
2) Über den typischen Thersites der Bühne vgl. Dieterich, Pulcinella, Lpzg.
1897, S. 152 f., der auch auf Clemens Alexandr. Paed. IE 4, 30 hinweist für die
typische Verwendung des Namens im gewöhnlichen Leben.
3) Siehe Otto a. a. 0. S. 12; Priap. 60: esses antiquo ditior Alcinoo; Liba-
nius XVni 225.
Typische Beispiele. 55
Komödie, der Koch Pyrrhias^), nur um einen elenden Sklaven dem
edlen König gegenüberzustellen, so wie Mark Aurel (VI 24 S. 70, 4 ff.
Stich) Alexander den Großen und seinen Maultiertreiber zusammen
nennt, um ihre Gleichheit nach dem Tode zu behaupten. Typisch
sind weiter Krösus, Polykrates (16), Darius und Xei-xes (17) für Reich-
tum und Macht. Für Krösus genügt es auf die sprichwörtliche Ver-
wendung zu verweisen.^) Polykrates findet sich bei Maximus Tyrius
1 5, auch mit Krösus zusammen V 5 und in Lucians 'Schiff' 2Q.^)
Auf welchem Boden diese zum Zweck moralischer Belehrung zu-
sammengestellten Typen erwachsen sind, zeigt deutlich die Stelle des
Maximus Tyrius III 9, an der Xerxes^), Sardanapal, Alexander, Krösus,
Kambyses, Smindyrides^) in Gegensatz zu Diogenes gebracht werden
und nachgewiesen wird, daß dieser mehr rjdovtj hatte als jene von
Pracht umgebenen Großen. Wenn Darius sonst nicht in dieser Reihe
genannt wird, so mag ihn Lucian eingefügt haben, wie wir später
sehen werden, daß er hier und da seine Vorlage zu erweitern sucht;
als Persarum rex paßte ja auch er. Auch Sardanapal und Midas (18)
sind Typen, wie sie die kynische Diatribe benutzt; den Sardanapal
zählt Maximus Tyrius an der eben zitierten Stelle (III 9) mit andern
von Lucian erwähnten auf; er hat ihn auch sonst als Weichling I 5,
XIII 7, XXI 8, Midas ist sprichwörtlich «) z. B. Catull 24, 4, Martial
VI !^G, 4, mit Krösus und Tantalus zusammen erscheint er als Typus
des Reichen bei Philemon (II 530 Kock).
1) Lucian benutzt denselben Namen typisch als Sklavennamen Timon 22,
de merc. cond. 23. Die Entlehnung aus der Komödie hat mit Recht Wünsch,
Rhein. Mus. LV (1900; S. 04 gefolgert auf Grund der von Ziebarth, Nachr. d. Gott.
Ges. d. Wiss. 1899 S. 110 veröffentlichten Fluchtafel, auf der der Koch Pyrrhias
sich findet. Da die dort auch genannten Seuthes und Lamprias Namen der
Komödie sind, wird man mit Wahrscheinlichkeit für den dritten, Pyrrhias, das
gleiche annehmen (s. auch Aristoph. ran. 730 Terenz Andria).
2) Otto a. a. 0. S. 98.; Wendland, Philo» Schrift über die Vorsehung, Berlin
1892, S. 20 Anm. 6; Weyman, Archiv f. lat. Lex. XU! 269.
3) Polykrates, Krösus, Kyros, Priamus, Dionys als Bilder vergiluglichen
(»lückes bei Galen Protrept. 4 (160, 10 Marqu.), Polykrates bei Philo de prov. II 6.
4) Krösus, Xerxes, Alexander, Kyros sind ebenso zusammen genannt Philo
«!«• prov. I 66. Über Philo als Fortpflanzer der stoisch-kynischon Diatribe siehe
Wendland, Philo und die stoisch-kynischo Diatribe, Berlin 189'). über Verspot-
tung des Xorxos in kynischer Diatribe s. Epictct III 23, 3H; Schütze, Juvenalis
ethicu«, Diss. (irfswld. 1906, S. 63 Aum. 2; H. Weher, De Sonocae phil. diceudi
genere Bioneo, Diss. Marburg 1896, S. 47 f.
6) S. Hcrodot VI 127.
0) Siehe Otto a.a.O. S. 222; Paroemiogr. Graeci I 8. 816. Verspottung de«
Hardanapal leitens der Kyniker •. Schütze a. a. O. 8. 89; Weber, Lpi. Stud. X 94.
56 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Wesentlich für die Beurteilung der Abhängigkeit Lucians von
seiner Quelle ist endlich die Verwendung von Zitaten und historischem
Material, da ein Schriftsteller, je freier er mit dem ihm Gegebenen
schaltet, um so mehr die Einwirkungen seiner eigenen Zeit oder der
letzt verflossenen zeigen wird. Man braucht nur daran zu denken, in
wie selbständiger Weise Horaz die Nekyia gestaltet hat. Bei Lucian
dagegen finden wir aus dem Kreise der Philosophen nur ältere, die
lange Zeit vorausliegen, Sokrates, Diogenes^), die beiden von den
Kynikern oft zusammengestellten, und — Aristipp ^), aus dem Kreise der
Dichter nur Homer, Hesiod und Euripides. Die Beispiele, die benutzt
werden, sind, wie wir sahen, Typen aus der Mythologie oder der
älteren Geschichte; etwas weiter herab kommt man mit Mausolus
(gestorben 351) (17), Dionys von Syrakus und seinem Ankläger Dion
(gestorben 353) (13), der auch vor Minos^ Richterstuhl noch den
grausamen Tyrannen wegen seiner Schandtaten verfolgt. Die letzte
historische Persönlichkeit, die uns in der Unterwelt vorgeführt wird,
ist Philipp von Macedonien, der in einer Ecke sitzt und für Geld
Schuhe flickt, um so recht die Wandelbarkeit irdischen Glückes zii
bezeugen.^) Es muß stutzig machen, daß wir auf diese Weise nicht
über das Ende des vierten Jahrhunderts hinausgelangen. Gab es in
den nächsten vier Jahrhunderten bis zu Lucian denn keinen Philo-
sophen, keinen König oder Reichen, der es verdient hätte, dem Publi-
kum der Kaiserzeit als komische Figur oder als warnendes Beispiel
vorgeführt zu werden? Dio Chrysostomus hat es nicht unterlassen
in scharfer Weise über Nero herzuziehen; in Plutarchs Hadesfahrt
des Thespesios aus Soloi (de ser. num. vind. 22 S. 567 P) wird Nero
gezeigt, von glühenden Nägeln durchbohrt; und mit Recht ist er dann
1) Vgl. Demonax 5 und den Vergleich in dem ^Totengespräch' 21.
2) Demonax (62) antwortet auf die Frage, wer von den Philosophen ihm
am meisten gefalle: nävtsis iilv d'ccv(ia6Toi, iyoi ds IJaKgatriv ^iv aißco, ^av^La^co
8h ^Loyivriv xat cpiXiö 'AgiGtinTCov.
3) Die Szene, die ein großartiges Motiv, das in Dantes Inferno so ergreifen-
den Ausdruck gefunden hat, ins Burleske verzerrt, ist von Rabelais, Gargantua
und Pantagruel Buch II Kap. 30, benutzt und noch überboten worden, aber mit
Verwendung des platonischen Motivs, daß ein zum Leben wieder Erweckter
über die Unterwelt berichtet. Interessant im Gegensatz zu Lucian ist, daß da
nicht nur Alexander alte Hosen flickt, Xerxes Senf in den Straßen ausruft,
Darius Abtrittsreiniger, Hannibal Koch und Priamus Lumpensammler ist, sondern
auch Papst Julius Pastetchen verkauft, aber ohne seinen großen abscheulichen
Bart, Papst Bonifacius HE. Töpfe abschäumt, Nicolaus III. Papiermüller, Alexander
Rattenfänger ist und Papst Sixtus gar die venerisch Kranken zu besorgen hat.
Historisches Material. 57
in den durch Nachahmung des Phitarch und Lucian entstandenen
Leiden des Timarion im 12. Jahrhundert an die Stelle der typischen
Sünder getreten.^)
Aber noch eins ist auffällig. In dem Schauspielervergleich werden
bestimmte Namen genannt. Polos und Satyros sind es, die durch
den Gegensatz zwischen ihrem bescheidenen Privatleben und dem
Pomp, den sie auf der Bühne entfalten, dazu dienen müssen, um die
Parallele zu erhärten, daß von den Großen dieser Welt schließlich
doch nur ein armseliges Menschlein übrig bleibt; beide werden mit
Angabe ihres Vaters und des Demos genannt. Auch Plutarch spricht
von beiden. Polos war nach ihm (Demosth. 2S) ein Schüler des
Archias, den Antipater benutzte, um die flüchtigen Gegner aufzuspüren
zu jener Zeit, als auch Demosthenes den Tod fand (322); dieses
Ereignis gibt auch den Anlaß zur Erwähnung der beiden, wobei
allerdings Plutarch den Schauspieler Polos Agineten nennt, während
er bei Lucian Siinier heißt. ^) Im Leben der 10 Redner wird ein
witziges Wort des Demosthenes ihm gegenüber angeführt (848 B
V S. 189, 25 Bern.). Offenbar hatte er einen Namen, der ihn lange
überlebte. Plutarch de glor. Ath. 348 F (II 464, 5 Bern.) nennt ihn
unter Athens großen tragischen Schauspielern und in den praec.
ger. reip. 816 F in eben jenem Vergleich bezeichnet er Polos als
Protagonisten zusammen mit Theodoros, offenbar demselben, bei
dem nach Demosthenes (tisqI t. 7tciQa:tQ£öß. 246) Aeschines Tritagonist
war und der zur Zeit der Abfassimg der aristotelischen Politik VII
1336** 27 schon tot war.^) Nach Plutarch an seni resp. ger. 3 (785 B)
wurde Polos 70 Jahre alt, war aber noch bis kurz vor seinem Tode
auf der Bühne tätig und zwar mit geradezu erstaunlicher Kraft, wie
durch das Zeugnis des Eratosthenes und Philochoros bewiesen wird.
1) Allerdings hhl .jm-i ai^.-n i i>.-iiit.ibuiig in» l iLiMuciiMiie, wenn 68
heißt: xul xov -nüxiarov Ktgavu xo;rpoi' ävQ'Qdmivov TagdaaovTcc eng xai rt ri)?
dvö(o6ias (fduvuv xicnl rijv Sioöov Kllissen, Analektcn der mittel- und neugrie-
chischen Literatur IV, Leipz. 1800, Ti^ia(fi(oy tß S Ol. Man denkt an die Strafe
im Schlammpfuhl: Dieterich, Nekyia S. 81 tV
2; Schilfer, Demosthenes u. seine Zeit, Lj-/;.; ie^^ö, 1- S -.IUI. liuitna f.wci
berühmte Schauspieler des Namens Polos an, von denen <ler ältere, von Sanion,
noch vor Sokrates gespielt hätte (Stob. flor. 97, 2H); dann würde Polos noch
einige Jahrzehnte Tilter sein. Mir scheint das eine Zeugnis (Kpiktet Schenkl
S. 412) in sich nicht klar und zuverltUsig genug, um darauf einen Schluß xu
bauen. (Vgl. Hense, Teles praef. XCV.)
8) Siehe Susemihl, Aristoteles' Politik, griechisch und deutsch, Lpxg. 1879,
II S 208.
58 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Der andere Schauspieler Lucians, Satyros, wird ebenfalls von Plutarch,
aber nur im Leben des Demosthenes (7 IV S. 214, 19 ff. Sint.) erwähnt;
darnach soll er dem Redner eine Stelle des Euripides und Sophokles
vordeklamiert und ihm erst einen Begriff von wirklicher Vortrags-
kunst gegeben haben, als dieser sich über gänzlichen Mißerfolg be-
klagte.^) Wir kommen also mit den beiden Schauspielern wieder in
die Zeit bis zum Schluß des 4. Jahrhunderts.^) Wir finden weiter
den Polos auch bei Plutarch und, wie wir oben sahen, bei Epiktet
(Schenkl S. 412) wie bei Lucian in jenem typischen Vergleich, der
kynischer Diatribe entnommen ist. Und drittens: Wir haben bei
Lucian, und eben nur bei ihm eine Bezeichnung der Schauspieler,
die in dieser Ausführlichkeit nur für ein Publikum berechnet sein
konnte, das sie noch persönlich oder doch dem Namen nach kannte.
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze, und über ein paar
Jahrzehnte hinaus erhält sich sein Gedächtnis kaum. Der Schluß
läßt sich wohl nicht abweisen, daß dieses Stehenbleiben innerhalb
einer bestimmten Periode der Geschichte nur dadurch zu erklären ist,
daß der Schriftsteller sich nicht die Mühe gab, zu den vorgefundenen
Namen irgend emen der späteren Zeit aus eigenem Vermögen hinzu-
zufügen, sondern sich so sklavisch an seine Quelle hielt, daß er auch
die volle Bezeichnung der Schauspieler herübernahm, die bei seinem
Publikum kein Interesse mehr erweckte. Lehrreich ist in dieser Hinsicht
die verblaßte Art, in der Seneca ep. 76, 31 das Schauspielergleichnis
anführt, da Polos und Satyros für ihn und seine Leser nur Schemen
1) Daß dies ein tragischer Schauspieler war, zeigt, daß er Tragödien wählt,
um seine Kunst zu zeigen; also wird es wohl unser Satyros sein. Daneben wird ein
Komiker Satyros genannt, den Athenäus XIII 591 E Olynthier nennt und dessen
Edelmut Demosthenes 7t. x. TtccQDcnQSGß. 193 fF. und Äschines (15G f.) erwähnen.
Sie können nicht identisch sein, da nicht dieselben Schauspieler in Tragödien
imd Komödien wirkten (Schäfer, Demosth.- I 246). An dem ZusammentretFen der
Namen darf man keinen Anstoß nehmen, auch Theodore haben wir in kurzer
Zeit mehrere.
2) S. Dümmler, Akademika, Gießen 1889, S. 8, der ebenfalls auf den Gedanken
gekommen ist, die Schauspielernamen als Zeitbestimmung zu benutzen und für die
ursprüngliche Quelle des Gleichnisses Antisthenes' Archelaos hält; dafür ist das
Argument, soweit die Namen dabei in Betracht kommen, allerdings nui* von zweifel-
haftem Wert; denn wenn auch Antisthenes noch 366 lebte (Natorp bei Pauly-
Wissowa, Realencyclop. I 2539), eher kann des Polos schauspielerische Tätigkeit
doch kaum begonnen haben, falls man nicht an den älteren glaubt, den Sokrates
hörte (s. S. 57 Anm. 2), und es dauerte doch wohl einige Zeit, bis er zu dem Rufe
kam, der hier vorausgesetzt ist. Auch kommt der Polos bei Dio ja gar nicht
vor, es ist also fraglich, ob er in dessen Quelle stand. Der Vergleich ist aber
nicht untrennbar mit den Namen der Schauspieler verbunden.
Historisches Material. 59
gewesen wären ^ oder wie Themistios (s. oben S. o2) die Namen der
Schauspieler durch andere ersetzt.
Aber ein Einwand bleibt: Es tritt ja Menipp auf in dem Dialog;
sollte also Lucian nicht mit Bewußtsein Anspielungen und Darstel-
lungen vermieden haben, die über dessen Lebenszeit hinausgingen?
Wir werden sehen, daß wegen der gleichen Eigentümlichkeit in andern
Dialogen dieser Einwurf an Kraft einbüßt. Aber Lucian hat sich den
Menipp überhaupt nicht fest lokalisiert oder zeitlich begrenzt; er weiß
überhaupt nichts von ihm; er erwähnt seinen freiwilligen Tod (dial.
mort. 10, 11) und versetzt ihn (dial. mort. 1, 1) nach Korinth in die
Nähe des Kraneion oder ins Lykeion nach Athen oder läßt ihn dort
wenigstens suchen, offenbar weil an beiden Plätzen der Sprecher im
Dialoge Diogenes, an dem letzten dauernd die athenischen Philosophen
ihr Heim aufgeschlagen hatten.^) Er weiß nichts von seinem Geburts-
ort, nichts von dem Bürgerrecht und Aufenthalt in Theben, von dem
Diogenes Laertius berichtet; und doch ist er nicht über seine Lebens-
zeit mit historischen Anspielungen oder Zitaten hinausgegangen. Ja,
es scheint fast, als ob er auch, ohne es zu merken, die Tatsache bei-
behalten hat, daß Menipp nach Böotien gehört; denn er läßt ihn zum
Schluß durch das Heiligtum des Trophonios emporsteigen mit der
Bemerkung, daß dort oi ano BotcorCag hinabsteigen. Es mag ja sein,
daß damit im Vorbeigehen eine Verspottung des Trophoniosheiligtums
beabsichtigt war, wie ja diese Verhöhnung in der Komödie zu Hause ^)
und auch zu Lucians Zeit durchaus aktuell war.^) Aber gesagt ist
nichts, was satirisch wäre, und mit mehr Begründung läßt jeden-
falls Plutarch (de genio Socratis) seinen Böoter die Orakelstätte des
Trophonios aufsuchen, um direkte Auskunft über das Daimonion des
Sokrates zu erhalten. Für den in Korinth oder Athen stationierten
Menipp Lucians hätte auch ein anderer Aufstieg als der böotische
seine Aufgabe erfüllt.*)
1 ) Siehe Dio Chrysost. VI Anfg. ; Diog. L. VI 88. 77 ; Kock, Com. Att. fr. 11 S. 68.
2) Kratino«, KephiHodor, Alexis, Menander schrieben Stücke dieses Inhalte
^Kock I 70.800, II 388, III 182, vgl. Diols, Parmenides' l.ehrK'ed, Berl. 1897, S. 17 ff.);
• .ilir^rheinlirh war auch die Vorbereitung, wie si«» Liiciau für seine Katabasis
.-<( iiil<i«-rt, (togcDstand der Komödienverspottung; man möchte den Vers des
KratinoB: o^ öhop &Qaa^\ oi)% vnvov Xaxftv (ligof in dieser Weise deuten (Kock
I 8. 79 fr. 218;.
8) Das zeigt Aristidef 8H, 81 (LI 818 Keil) Maximus Tyrius XIV 2. In dem
Lamprit - ^181) wird eine Plutarchschrift ntgl rfji tlg Tgotpaviov naraßd-
1) Die lleziehung des Orakel« in Lebadeia auf den wirklichen Menipp be-
60 Kapitel I. Die Nekyomantie.
Dieses Stehenbleiben mit historischen Anspielungen innerhalb
einer bestimmten Zeitgrenze ist aber um so auffälliger, als sich der
Schriftsteller in zwei Punkten diese Reserve nicht auferlegt hat. Man
muß daran denken, daß Lucian diese Satiren nach Sophistensitte für
den Vortrag berechnet hatte, dann wird man um so mehr verstehen,
wenn er hier und in andern Dialogen Anspielungen auf den Ort oder
den Zeitpunkt der Vorlesung einfließen läßt, die für den Hörer einen
gewissen Reiz haben mußten. Zu diesen Bemerkungen gehört die,
daß der Kahn Charons, als Menipp herankam, ganz mit Toten besetzt
war, die ihren Wunden erlegen waren und die, wie es schien, aus
einem Kriege kamen (10). Natürlich könnte diese Anspielung auf Zeit-
verhältnisse schon aus Menipp stammen. Aber es wäre doch auf-
fällig, wenn Lucian die Bevorzugung einer Klasse von Toten beibehalten
hätte, ohne in seiner eigenen Umgebung dafür den Anlaß zu finden.
Als solchen hat man den Partherkrieg erkannt.^) Es ist aber wahr-
scheinlich, daß dann ein ganz bestimmtes Ereignis dem Verfasser vor-
geschwebt hat, und als dieses ergibt sich die Niederlage der Römer
bei Elegeia im Jahre 16P) oder die gleich darauf folgende des Statt-
halters Aelius Attidius Cornelianus. Wer die Worte Lucians liest,
indem er an diese furchtbare Schlacht denkt, für den gewinnen sie
jedenfalls einen eigenen Witz. Ein Urteil wird man sich erst erlauben
dürfen, wenn man Ahnliches in andern Dialogen beachtet.
Das zweite, was seltsam kontrastiert mit jener Umgebung, die
uns kaum weiter als bis zum Anfang des dritten Jahrhunderts führt,
ist eine Schilderung, die nur ins zweite Jahrhundert n. Chr., aber nicht
in Menipps Zeit paßt. Lucian verspottet die Vornehmen (12), die
bei Lebzeiten so aufgeblasen waren, wenn sich des Morgens die Menge,
um ihre Aufwartung zu machen, an ihren Türen drängte und sich
von den Sklaven schlechte Behandlung gefallen lassen mußte; wenn
dann der Herr kam, wie eine Sonne aufgehend im Purpur oder mit
goldverbrämtem Gewände, dann glaubte er die Leute schon glücklich
zu machen, falls er ihnen die Brust oder die Hand zum Küssen dar-
bot. Das ist die Darstellung, die JuvenaP) und andere vom Morgen-
obachtet schon Hirzel, Der Dialog II 317. — Hadeseingänge, Tlutonien' zählt
Rohde auf Psyche I^ 213 f.; Waser, Charon, Charun, Charos, Berlin 1898, S. 61 tf.
1) Du Soul zu der Stelle; dann Fritzsche in seiner Ausgabe. Einspruch
erhebt Bruns, Rhein. Mus. XLIII (1888) S. 196.
2) Siehe Stein in Pauly-Wissowa, Realencyclopädie III 1841; Schiller, Ge-
schichte d. röm. Kaiserzeit, Gotha 1883, I 2 S. 639; Mommsen, Römische Geschichte
V^ S. 406. Wir erhalten damit als Abfassungszeit der 'Nekyomantie' 161/2.
3) Er allerdings noch schärfer III 184 f.: quid das, ut Cossum aliquando
Anspielungen auf Lucians Zeit. 61
besucli der Klienten bei ihrem Patron mit so beweglichen Klagen
entworfen und die Lucian selber den Nigrinus (21 ff.) als zeitgemäß
geben läßt^), zum Teil mit denselben Worten. Es sind durchaus
römische Verhältnisse, die hier den Hintergrund bilden, für die bei
Menipp sich keine Vorlage fand.
Wenn so das Bestreben, auch in die Gegenwart zu greifen, durchaus
nicht prinzipiell abgelehnt ist, wenn andererseits Menipp selbst nur
eine schemenhafte Person für Lucian ist und trotzdem nur dasjenige
historische Material herangezogen ist, das seiner Zeit vorausliegt, so wird
das wohl in der Übernahme aus der benutzten Quelle begründet sein.
Was hier noch zweifelhaft ist, wird bei der Betrachtung des 'Ikaro-
menipp' zur Gewißheit werden. Worin Lucians Tätigkeit bestand,
als er Menipps 'Nekyia' überarbeitete, entzieht sich unserer Kenntnis.
Das Herausheben der auf die Mithrasmysterien bezüglichen Verspot-
tungen mag ihm angehören, während Menipp vielleicht an die Eleu-
salutes? ut te respiciat clauso Veiento labello. Im übrigen vgl. Friedländer,
Sittengeschichte Roms, Lpzg. 1888, PS. 382 ff. Die Frage, ob Lucian römische
Schriftsteller vei'wertet haben kann oder nicht, ist nicht abhängig von der Stelle
vnkg rov iv ry TtQooayoQtvoi-i ntaia^aTo? 13, obwohl mir scheint, daß unbefangene
Deutung des ei' n xayw tt/j 'Foj^aloov cpcoviig inatca eine, wenn auch vielleicht
beschränkte, Kenntnis des Lateinischen ihm einräumen muß. Aber Lucian hat
auch mit Römern verkehrt. Den nachherigen Konsul Rutilianus kann er vor
der Heirat mit der Tochter des Alexander von Abonuteichos warnen (Alexander 54),
bei Sacerdos in Tion erfährt er ein Orakel, das diesem gegeben war (ebend. 48);
der Statthalter von Kappadocien gibt ihm gar zwei Legionssoldaten zur Be-
deckung mit (ebend. 55) Wäre es da wunderbar, wenn er durch Vermittlung
solcher Freunde auch mit römischen Schriftstellern bekannt geworden ist, wenig-
stens dem Inhalt nach? Ich verweise auf das, was zu den 'Totengesprächen' und
den 'Satumalienschriften' bemerkt ist.
1) Nee. 12: noXloi ^liv StaQ-tv inl rä>v nvXötvoiv TtaQEian'jxsßccv t»jv :t()6odov
ttitxov ntQmivovjki lo^ov^evoi rt xal &7CoxXti6(i£voi Ttgo^i rd)V olxsTdiv;
Nigr. '22 : wxtbg iihv i^ceviaxu^itvoi iiiai]g (vgl. Juv. V 22 f.), TtBQid-iovrig dh iv
xvxXtp rijv n6Xiv xccl TtQOs rcöv olxsrcbv &noxXtt6nsvoif 23: orav .... rovf nv-
Xätvag Sta^tv in'nXi^aioai xul nQotX&6vxag wantQ Stonoxag Ttgoasinoiai^ nee. 12:
tiidu'niovug &txo xctl (laxuQiovg &7toq)aivtiv xovg nQoasinovxccg^ ?)v xb oxi)9og
7) xijv dt^iäv TtQOXtivcav doli] xaxarpiXdv^ Nigr. 21: 7C(bg yctg oi /eZofoc fihv
Ol nXr/vxoifvxtg a'öxol xal xug noQtpvgidag ngorpaivovxfg xal xovg daxxvXiovg ngo-
xtlvovxig .... &yaTt&v iciiohvxtg oxi fiövov uvxohg TCQoa^ßXtxjfap; (ganz wie bei
Juvenalj .... dtt TiQoatXd'dvxtt .... xb axfj^og f) rr;v dfitäv nccxatpiXhtv^
iriXtoxbv xol ntQißXtnxov xolg nT]il rovrov xvyxcivovoiv. Übrigens fügt Nigrinus
(21) mit f'pigrummatiMchnr Hoitheit hinzu: inaivib dt y« xavxtig aitxovg tl^s Scnccv-
dgtani€(g, ori fif]d^ xolg arofittoiv r}n&g n{totjiivxai wie Martial II Sl: Bmia das
uIüm. tiiÜM (IiiH. Postume, di*\tr!iiii Dicis: 'utrum uiavii«''' flit^i* * Mulo mauiim.
.62 Kapitel I. Die Nekyomantie.
sinien oder andere dachte ^) und zurückhaltender war. Aber das Haupt-
sächlichste wird wohl eine andere Gruppierung des vorhandenen Stoffes
und eine Verkürzung der Darstellung gewesen sein; denn wir werden
in andern Dialogen Lucians Motive wiederfinden, die aus der 'Nekyia'
stammen. Und diese Art der Arbeitsweise, die Vorlage zu zerpflücken
und die einzelnen Bestandteile immer wieder anders zusammenzu-
setzen, wird uns bei ihm im Laufe unserer Untersuchung immer
deutlicher entgegentreten.
1) Ich verweise auf das, was zur 'Niederfahrt' Kap. II zu sagen ist. Zu
Menipps Zeit hatte der Mithraskult noch nicht die Bedeutung wie im 2. Jahr-
hundert n. Chr., wo die eigentlich hellenische Welt ihm auch noch verschlossen
ist; dagegen hat sich die römische ihm aufgetan, und Lucian gibt auch mit
dieser Mithrasverspottung im Grunde etwas, was sich auf römisches Leben be-
zieht (Cumont, Textes et monuments figures relatifs aux mysteres de Mithra,
Bruxelles 1899, I 241 ff.) oder was erst durch diese Beziehung ins rechte Licht
gerückt wird.
Kapitel IL
Die Nierterfalirt.
Lucian hat uns, abgesehen von den 'Totengesprächeu', die uns
später beschäftigen werden, noch einmal in der 'Niederfahrt' in die
Unterwelt versetzt. Klotho und Charon harren am Totenfluß der ab-
geschiedenen Seelen, die Hermes herbeiführen soll; der Fährmann hat
den Gott im Verdacht, daß er sich mit Absicht seinem trüben Amte
entziehe. Während sie plaudern, kommt der Seelengeleiter an mit
seinem Zuge und erklärt die Verzögerung; ein Tyrann ist aus der
Schar der Toten entlaufen, aber Aakus hat am Eingang der Unter-
welt durch Vergleichung der ihm von Atropos gegebenen Liste das
Fehlen einer Seele festgestellt, und so ist der Flüchtling unter Bei-
hilfe des Kynikers, der unter den Verstorbenen weilt, wieder ein-
gefangen worden. Während Klotho die Liste zur Kontrolle vornimmt,
werden nun die Seelen in den Kahn verladen, zuerst die unmün-
digen Kinder, dann die mehr als sechzigjährigen Greise, die im
Kriege Verwundeten, darunter Gobares, des Oxyartes Sohn, die Selbst-
mörder aus Liebesgram wie der Philosoph Theagcnes usw., nach
Kategorien geordnet. Kyniskos, der Vertreter der Kyniker, der beim
Verschlucken eines rohen Tintenfisches gestorben ist, meldet sich von
selbst und beschwert sich, daß man ihn so lange im Leben gelassen
hat. Endlich kommt der gefesselte Tyrann Megapenthes, der, uner-
schöpflich an Argumenten, immer wieder um einen kleinen Aufschub
bittet, um noch einmal zur Oberwelt zurückzukehren. A})er selbst
ein Bestechungsversuch hat Klotho gegenüber keinen Erfolg. Und
als er zu seiner Beruhigung wenigstens die Vorgänge auf Erden nach
seinem Tode hören möchte, willfährt man ihm zwar, a}>er sein Leid
vergrößert sich nur dadurch. Endlich hilft Kyniskos den Tyrannen
auf« Schiff »chlepp«'n und an den Mast binden, er, dtT zu Lebzeiten
beinahe vmi j«iM'iri iiiih Knuz t'«*.schhiirt'n wiln'. /iiht/.t dräntft sich
64 Kapitel II. Die Niederfahrt.
der Schuster Mikyllos herbei, unzufrieden, daß er nicht eher hat
sterben dürfen, aber voller Freude, daß hier unten die Armen lachen
und die Reichen weinen; er denkt mit Vergnügen daran, wie der
Tyrann, den er bei Lebzeiten sah, aus seiner Macht, wie sein Nachbar,
der Wucherer Guiphon, aus seinem Reichtum gerissen wurde, ohne
davon einen Genuß gehabt zu haben. Weil der Kahn voll ist, will
Charon diesen letzten Ankömmling nicht mitnehmen; aber kurz ent-
schlossen, schwimmt er nach, und da das in diesem Reich nicht zu-
lässig ist, so muß man ihn aufnehmen, und auf den Schultern des
Tyrannen findet er seinen Platz. Die Fahrt geht vor sich; Kyniskos,
der nicht im Besitz des Fahrgelds ist, macht sich durch Rudern
nützlich; die Toten stimmen ihre Klage an, in die Mikyllos auf
Geheiß spottend einstimmt. Beim Abschied fordert Charon seinen
Lohn, aber von dem Schuster verlangt er den Obolos umsonst.
Hermes führt seine Schar darauf durch die Finsternis weiter; die
beiden Geistesverwandten, Mikyllos und Kyniskos, wandern mitein-
ander, Hand in Hand. Tisiphone kommt ihnen entgegen mit leuch-
tender Fackel, so daß sie der eleusinischen Mysterien gedenken müssen,
und nimmt sie in Empfang, um sie zum Totenrichter Rhadamanthys
zu geleiten. Dort bittet Kyniskos darum, zuerst abgeurteilt zu werden;
da kein Kläger auftritt, muß er sich entkleiden, damit die Brandmale
auf seinem Rücken sichtbar werden, die jeder Seele durch ihre bösen
Taten aufgeprägt werden und so als Zeugen wider sie dienen können.
Aber es sind nur wenige bei ihm, und nur alte, fast vergangene
Spuren lassen sich in größerer Menge erkennen. Der Philosoph er-
klärt, daß er früher schlecht gewesen sei, aber durch die Beschäftigung
mit der Philosophie seine Seele gereinigt habe. Er wird gerecht be-
funden und mit ihm der Schuster Mikyllos. Nun beginnt Kyniskos,
getreu seiner Tätigkeit im Leben, die Anklage gegen den Tyrannen.
Die Morde gibt dieser zu; als er die übrigen Schandtaten leugnet,
werden Bett und Lampe als Zeugen vorgeladen. Durch sie und
seine Brandmale wird er überführt. Rhadamanthys zweifelt, ob er
ihn in den Pyriphlegethon werfen oder dem Kerberos übergeben
soll; Kyniskos aber schlägt ihm eine neue Strafe vor: nie soll
es ihm vergönnt sein, den befreienden Lethetrunk zu schlürfen,
damit ihm die Erinnerung an sein verlorenes Erdenglück eine ewige
Plage sei.
Der Dialog zerfällt in drei Teile, von denen der erste, das scherz-
hafte Gespräch zwischen Klotho und Charon, nur die Einleitung bildet.
Der Zusammenhang dieses Stückes mit den "^Götter-' und ^Meeres-
Kyniskos — Mikyllos. 65
gesprächen' ^) verleugnet sich nicht. Den Hauptbestandteil bilden die
beiden Szenen bei der Überfahrt und vor dem Richterstuhl des Rha-
damanthjs. In diesen fällt auf, daß der Verfasser eine überflüssige
Dublette in seinem Kyniskos und Mikyllos geschaffen hat. Beide
sind gern aus dem Leben geschieden und klagen darüber, daß sie
nicht eher abberufen sind (7, 14 r); beide haben den notwendigen
Obolos nicht, um Charon seine Mühe zu lohnen (19, 21); beide ver-
höhnen den Tyrannen, der eine, indem er ihn schlägt (13), der andere,
indem er sich auf seine Schultern setzt (19); beide werden von Rha-
damanthys vor den andern abgeurteilt und freigesprochen (24, 25).*)
Wohl hat sich der Schriftsteller Mühe gegeben, diese Wiederholung
nicht gar zu deutlich empfinden zu lassen; Kyniskos allein ist es, der
den Megapenthes fangen hilft und der ihn anklagt; Kyniskos bekennt
sofort, daß er seinen Obolos nicht hat, und muß dafür rudern, Mikyl-
los dagegen sagt das zwar auch, ehe er einsteigt, aber sein Geständnis
wird offenbar überhört, und so ist am Schluß der Fahrt Gelegenheit
zu der Szene, in der Charon von ihm umsonst seinen Fährlohn fordert.
Weiter zeigt Kyniskos seine Verspottung des Tyrannen beim Ein-
steigen, Mikyllos erst, nachdem das Schiff schon in Bewegung ist;
und Mikyllos allein hat den großen Vortrag zu halten über den Unter-
schied zwischen Reichen und Armen; er allein und nicht auch Ky-
niskos wird ausdrücklich ermahnt dem Brauche gemäß in den Klage-
gesang der Toten einzustimmen und tut das dann ironisch. Aber trotz
dieser deutlich erkennbaren Verteilung kommt man über das Störende
dieser Dublette nicht hinweg, die von künstlerischem Gesichtspunkt
lästig, für die Ökonomie des Dialogs überflüssig war; immer fragt
mau sich, warum nun gerade Mikyllos und nicht Kyniskos dies sagt
1) Über diese aophistischen Gespräche werden wir bei Gelegenheit der
'Totengespräche* Kap. V^III zu reden haben.
2) Kyniskos sagt von seinen Versuchen, das Leben zu enden (7): nolläxig
intiQÜ^riv xb vf)na diccKÖtJ^ag iXQ-BtVy &XX' ov-a. old^' onas ciQQi]xrov ^v. In
Mikyllos* Rede heißt es, daß bei den Reichen die Seele bestilndig am Leben
hängt (li), iiäXXov di wantQ äggritiTog ris ovroff 6 dea^og iaxiv. Auch diese
Wiederholung ist vielleicht nicht ohne Bedeutung für die weiteren Schlüsse.
Im übrigen schließt bich des Mikyllos Rede an die Komödie an; mau denkt an
des AntiphancH WorU» in den Diplasioi (Kock II S. 46): oMfl; ffroworf, co rff'o.Tor*,
icni^uv* uno^avtlv Tcgö^vfiog inv ^ xovg yXixoftivovi dk ^t)v xaxaana xov axtXovf
&xo9Tas 6 Xd(f<av inl xb noQ^iitUv x* &fti aixiCoiiivovs xorl srccvr' fxot^or^* 6i(f(y6-
voDg. 6 dh Xnt6g iaxiv a^avctaictg tpägfutnov.
B) Die Dubleit«> hat Bold«>rman, Studia Lucianea, Disi. Lugd. Bat. 1008, S. 98
)>enierkt, ohne indmiton die richtige Folgerung daraus su ziehen.
II «Im, Laoian tinil Mootpp 6
66 Kapitel II. Die Niederfahrt.
und umgekehrt. Am auffälligsten ist diese Doppelgestalt ein und
desselben Typus beim Gericht. Kyniskos läßt sich zuerst aburteilen,
um dann seinerseits den Tyrannen anklagen zu können; aber warum
muß auch Mikyllos vor diesem an die Reihe kommen? An den
wenigen Worten, mit denen er abgetan wird (25), sieht man recht,
daß die Figur des Mikyllos dabei nicht mehr am Platz ist. Fragt
man sich aber, wer von beiden der ursprüngliche ist, so ist die Ant-
wort nicht schwer. Kyniskos ist eine schemenhafte Figur, Mikyllos
ist durchaus individuell charakterisiert, nicht nur seinem Gewerbe
nach. Mikyllos konnte nicht entbehrt werden, weil er das richtige
Gegenbild zu dem Tyrannen darstellte; auf der einen Seite arm-
seliges Leben und eine gewisse Freude zu sterben, auf der andern
Pracht und Herrlichkeit, aber ein ewiges Klagen und Jammern nach
dem Tode und ein Zurückwünschen des alten Prunks.^) Ich vermute
also, daß Lucian in seiner Vorlage nur die Rolle des Mikyllos vor-
fand; die Person, die diese vertrat, war es, die entsprechend dem Vor-
trag, den Mikyllos jetzt hält (15/6), den mit allen Fasern ins Leben
sich zurücksehnenden Tyrannen am Entlaufen hindert, die ihn dann
vor dem Richter stuhl des Rhadamanthys verklagt. Und eine Spur
dieses Zusammenhanges scheint mir auch noch in der Rede des Mi-
kyllos vor Klotho enthalten zu sein; danach hätte dieser auf der
Oberwelt neben einem Tyrannen gewohnt und da gesehen, wie ge-
waltig dieser während seines Lebens tat und wie klein und lächerlich
er nach seinem Tode war.^) Auch dieser Tyrann ist eine Dublette
von dem, der uns in eigener Person vorgeführt wird; verständlich
wird das ohne weiteres, wenn er ursprünglich der Tyrann war, den
Mikyllos nachher anklagt und über dessen Leben er Bescheid wußte
1) Es ist der in solchen Erzählungen immer wiederkehrende Gegensatz
vom reichen und vom armen Mann, wie er jedem aus der Geschichte vom
Bettler Lazarus (Luc. 16, 19 fif.) bekannt ist, oder wie er sich in dem ägypti-
schen Märchen wiederfindet, das eine Unterweltswanderung schildert, vom Prinzen
Chamoes und seinem Sohne Si-usire (vgl. Erman, Die Ägyptische Religion, Berlin
1905, S. 230 ff. nach Griffith, Stories of the High Priests, Oxford 1900, S. 42 ff.).
Der zauberkundige Sohn führt dort seinen Vater einmal in die Unterwelt. Ehe
sie eintreten, sehen sie zwei Leichenbegängnisse, das eines Reichen und das eines
Armen (wie Mikyllos und der Tyrann dem Menipp begegnen s. S. 72) (vgl. Griffith
S. 149); den Reichen finden sie nachher unter den Verdammten, in seinem
rechten Auge drehte sich die Angel einer Tür und er betete und jammerte; am
Throne des Osiris aber sehen sie in prächtigen Kleidern den Armen stehen,
dessen gute Taten zahlreicher gewesen waren als seine bösen (Griffith 151. 153).
2) Catapl. 16: TtccQOLK&v avoi Tvgdvva ndvv ccKQiß&s scoqcov tu yi^voiisvcc
vn avtov.
Vergleich mit der Nekyomantie. 67
wegen seiner Nachbarschaft. Als Lucian den Kyniskos einfügte und
ihm die Anklage übertrug, machte er aus dem bestimmten Tyrannen,
der Nachbar des Mikyllos gewesen war, einen beliebigen; er nahm
dem Schuster die Rolle des Anklägers, ließ ihn aber doch vor dem
Megapenthes aburteilen, obwohl er nun ebenso gut nachher hätte
an die Reihe kommen können.
Betrachten wir die gleichartigen Szenen aus der 'Nekyomantie',
so fällt uns zunächst auf, daß beide sich in gewisser Weise ergänzen,
die Szene am Totenfluß dort (10) ist ungeheuer kurz. Von den ver-
schiedenen Toten, die in der 'Niederfahrt' erwähnt werden, finden wir
nur die im Kriege Gefallenen. La der 'Niederfahrt' dagegen sind die
Seelen in einer gewissen Weise klassifiziert, die wenigstens etwas an
die Darstellung bei Vergil Aen. VI 426 ff. erinnert.^) Weiter nimmt
Tisiphone die Toten am andern Ufer des Flusses in Empfang, um sie
dem Rhadamanthys zuzuführen, imd in derselben Weise tritt Tisiphone
bei Vergil als Schergin des Rhadamanthys auf, der über die schweren
Verbrecher zu richten hat (Aen. VI 566 ff.)-^) Und drittens: die Zählung
der Seelen findet sich in der 'Niederfahrt', sogar zweimal; Aakus kon-
trolliert nach der ihm gegebenen Liste, wie dann beim Einsteigen noch
einmal Klotho (4,5); auch diese Dublette beruht wohl auf Lucians
Erfindung, sie verschwindet, wenn man die ihm gehörige Einleitungs-
szene tilgt, sehr leicht. Daß aber die Vorstellung, die hier zum Aus-
druck gebracht ist, durchaus angemessen ist und tief im Glauben des
Volkes wurzelt, hat Norden gezeigt.^) Wenn hier speziell Aakus
dazu ausersehen ist, die Scharen der Toten zu zählen, so liegt das
daran, daß ihm die Rolle des Pförtners in der Unterwelt übertragen
war, wohl schon von Kritias im Tirithous', sicherlich in der Über-
lieferung von Aristophanes' Fröschen, die V. 464 den d-egd^tav als
Aiakos bezeichnete.*) Lucian ist diese Anschauung, die dem Aiakos
1) Vgl Norden, Vergil Aeneis Buch VI S. 11 f.
2) Norden a. a. S. 268.
8) A. a. 0. S. 265; auch bei Vergil hat sich in dem Ausdruck explebo
nnmerum VI 545 eine Spur dieser Anschauung erhalten.
4) Nauck, Trag. Graec. Fragm.' Eur. fr. 5ül. Aristophanes' Frösche erkl.
V. Kock* S. 88 und 101. Vgl. Hiller, Hermes VIII (1874) S. 454 f.;; v. Wilamowitz,
Herakles», Berlin 1896, I 158 Anm. 70 (der aus der Benutzung des von Welcker in
den 'Pirithous' eingereihten Verses fr. 986 Nauck bei Lucian 'Nckyom.' 1 den Schluß
zieht, daß Lucian dies Drama noch gelesen habe, vorausgesetzt allerdings, daß er
den Verl nicht schon mit aus seiner Vorlage entlehnt hat); Wörner in Hotchert
Mjth. Lexikon I 112; Hadermacher, Das Jenseits 8. 104 Anm. 4; Rein, Aiakot in
der ünt<jrwelt, Acta societ. ■eient. Fennicae, XXXII 2 (1908) S. 5 und 82 ff.
68 Kapitel II. Die Niederfahrt.
das Amt in der Unterwelt gibt, das Hermes im Himmel hat, auch
sonst geläufig^); waim sie geschaffen wurde und wie lange vor Lucians
Zeit schon Aiakos als xksidovx^S fungiert hat, mag zweifelhaft blei-
ben, aber das Amt des Zählens ist im übrigen auch unabhängig von
dem Namen. Wir haben also in der 'Niederfahrt' Ergänzungen zur
'Nekyomantie', die sich teilweise wieder mit Vergil berühren wie die
übrige Darstellung dort; es ist danach nicht unwahrscheinlich, daß
sie mit jener zusammengehörten und erst von Lucian losgelöst wurden.
Aber in einer Hinsicht stimmen beide Schilderungen überein.
Charons Kahn ist so voll, daß er nicht eine Person mehr mitnehmen
kann.^) In der 'Niederfahrt' führt das zu der ergötzlichen Erfindung,
daß Mikyllos auf den Schultern des Tyrannen sitzen muß, wodurch
so recht die Vergänglichkeit irdischer Pracht gezeichnet wird. In
der 'Nekyomantie' ist das Motiv ganz überflüssig; denn Charon nimmt
den Menipp trotzdem freundlich auf in seinem Nachen.^) Es sieht
so aus, als hat Lucian dort das Motiv der Fülle des Kahns aus einer
anders gearteten Szene beibehalten^), ohne es weiter zu verwenden,
und diese Szene kann nur so gestaltet gewesen sein, wie sie uns in
der 'Niederfahrt' vorliegt.
Auch bei den Gerichtsszenen, die ja ebenso in den beiden Dia-
logen wiederkehren, beobachten wir einen gewissen Zusammenhang.
In der 'Nekyomantie' (11) haben wir nur eine ganz kurz zusammen-
fassende Schilderung; die Darstellung macht geradezu den Eindruck
einer Inhaltsangabe. In der ^Niederfahrt' haben wir eine weit aus-
gesponnene Szene; und auch hier erkennen wir in einem Punkt eine
deutliche Ergänzung. In dem ersten Dialog sind es die Schatten, die
als Ankläger und als Zeugen auftreten, denn beides hat Lucian ver-
mengt.^) Wieland hat daran Anstoß genommen, daß die Schatten als
Zeugen ja nicht ausreichen für alles, was des Nachts begangen ist.^)
1) Charon 2, de luctu 4, Totengespr. 20, 1.
2) Necyom. 10: ^il-hqov ^hv ovS' insQuioid-rifiEV rjv yccg nXfiQsg TqSri tb noQ-
d'^istov, catapl. 18: nXfiQsg iqdii tb öxcapog' avtov TtsQiiievs slg cc^qiov.
3) Necyom. 10: slosdE^ccto ^s äo^svog kccI äiSTtOQd-iisvGs.
4) Einen weiteren Beleg für die Entlehnung des Motivs bietet dann das
10. und 22, ''Totengespräch', in denen die Überfahrt abermals behandelt ist, und
da ist es beachtenswerterweise Menipp, der die Szene durchmacht, und nicht ein
unbestimmter Kyniker. Davon bei Besprechung der Sammlung der ^Toten-
gespräche' !
5) Necyom. 11: ccvtat rolvvv^ insidav ccnoQ'dvai^sv , yiccxriyoQOVGl te xal
TiccraiiciQtvQOVGi aal 8iEXiy%ov6i. xk nsTtQccyiiiva rjiitv Ttccgcc tbv ßiov.
6) Übersetzung, Leipzig 1788, HS. 344: "^Der Fehler ist nur der, daß sie
Vergleich mit der Xekyomantie. 69
Sollte es mm ein Zufall sein, daß in der 'Niederfahrt' bei dem Pro-
zeß gegen den Tyrannen Ruhebett und Lampe ^) als Belastungszeugen
auftreten und daß die liampe gleich im Beginn ihrer Rede sagt: "Was
bei Tage geschah, weiß ich nicht; was er aber des Nachts tat, das
schäme ich mich zu sagen' (27)? Vereinigt man beide Szenen, so
erhält man einen tadellosen Vorgang ; es erhebt jemand die Anklage und
ruft als Zeugen den Schatten an; der kann nur für den Tag etwas
beweisen, also wird für die Vorgänge der Nacht die Lampe aufgefordert,
Zeugnis abzulegen. So ist die Szene als Ganzes vorzüglich, und eine
Spur dieses Zusammenhangs entdeckt man wieder darin, daß Lucian
die Schatten in der ^Nekyomantie' zwar als Ankläger auftreten läßt, aber
trotzdem das Wort nicht unterdrückt hat, nach dem sie Zeugen sind.^)
Versucht man einmal die Szene am Totenfluß und die Gerichts-
szene sich in die 'Nekyomantie' eingefügt vorzustellen, so ist auch
sofort klar, daß der Kyniskos nicht vorhanden war; denn der war ja
Menipp selber, und Menipp lebte. Nun wird auch der Gedanke be-
greiflicher, daß Kyniskos nicht in das Jammern der Toten mitein-
gerade da, wo man aus Ermangelung anderer Zeugen ihrer am nötigsten hätte,
nämlich bei Verbrechen, die im Dunkeln begangen werden, ganz unbrauchbar sind.*
1) Veranlaßt ist das Motiv dadurch, daß Liebende in der Komödie in Er-
innerung an gemeinsam verlebtes Glück ausriefen: w cpiXTärri xUvri und Bccxxls
»tov a ^voVwrtv, B^Sa^LOv Xvxvs Plut. de garrul. 22 (513 F) (Kock HI 438). Ruhl
(Religionsgesch. Versuche her. v. Dieterich u. Wünsch 11) S. 61 fügt hinzu Bett und
Tür bei Catull 6, 6 und 67, sowie Anthol. Pal. V 7, wo wenigstens ähnliche Per-
sonifikationen vorliegen. Daß das Motiv aus dramatischer Darstellung stammt,
zeigt deutlich die parodistische Gerichtsszene in Aristophanes' Wespen y36 tf., wo
Schüssel, Mörserkeule, Käseraspel, Herd und Topf als Zeugen aufgerufen werden
und die Käseraspel auch wirklich Red' und Antwort stehen muß i963 ff.) Auch
die parodistische Anrede der Praxagora an die Lampe als sehenden Zeugen aller
Heimlichkeiten im Beginn von Aristophanes' Ekklesiazusen bot die Anregung zu
der bei Lucian vorliegenden Fiktion, besonders V. 7fF. : ool yu^ jnöro) rf»;Ao%fv
kixoxioi, intl %äv xotai dafucrioioiv *A(pQoditrig TQoncov nfiQioiitvaioi nXriaiov naga-
ararflg^ XoQdovfih'cav rt aioiiocTtav {ntaxäxT\v öcpd^aXy.6v ovdelg rbv abv i^ei^yii
Söfiojv. Ahnlich scheint in den Phormophoren des Hermipp ein Gesprilch mit der
Lampe vorzuliegen (Kock I S. 248). Ein Henkelkrug spricht bei Aristophanes
(Kock I S. 643) fr. 698. Aus dem Titt'l xXivj} eines Stückes des Nikostratos (Kock
n 8. 228) läßt sich bei der geringen Anzahl von Bruchstflcken nicht« entnehmen.
Die poetische Personifikation der Kline liegt in den Versen des Philiskos vor au«
den Philargyroi (Kock H K. 448): tlg r6 \itxanblaui ^^dius & ßovXtxai m^ctpohg
fx^'*' tttit^kv i] %Xlvri X6'/ov9. Noch näher steht Apul. met. I 16: grubsttulo . . . qui
mecum tot aerumnas exanclasti conscius et arbitor (juae nnrtr genta sunt, quem
solnm . . t4*stem innocentiao citare poRMum.
2) Necyoni n «' rfrfiapri'pofflf, rntni») *J7: ^(^rv^i/co. ..^ ^..v» uuroi.
70 Kapitel H. Die Niederfahrt.
zustimmen braucht wie Mikyllos (20) und daß er bei der Überfahrt
selber rudern muß; das Vorbild zu dieser Fiktion bietet der Dionysos
in Aristophanes' Tröschen', der ebenfalls den Charon unterstützen
muß, während die Frösche dazu die Melodien singen, wie hier die
wehklagenden Toten das Ruderlied ersetzen; aber Dionysos lebt, als
er rudert, und so lebte Menipp, als ihm von Charon der Auftrag
wurde ^), den nun in der 'Niederfahrt' sein abgeblaßtes Ebenbild, der
tote Kyniskos, erhält. Beachtenswert ist jedenfalls, daß Lucian in
der Wiederholung dieser Szene tatsächlich Menipp auftreten läßt
('Totengespr.' 22, 2), der sich durch Ausschöpfen des Kahns und Rudern
die Überfahrt verdient. Wenn er die Szenen herauslöste aus der Um-
gebung, in welcher sie in der menippischen Vorlage standen, so lag
es für ihn sehr nahe, den lebenden Kyniker, der ihnen beiwohnte,
durch einen gestorbenen zu ersetzen, den er nun mit den herkömm-
lichen Zügen ausstattete und mit dem farblosen Namen Kyniskos ver-
sah. Um ihm etwas Wirklichkeit zu verleihen, gab er ihm die
Todesart des Diogenes, der an einem unverdauten Polypen gestorben
sein soll.^) Im übrigen griff er in die jüngste Zeit zurück, wenn er
die Gefahr schildert, in die den Kyniker die Schmähungen gegen den
Tyrannen gebracht hatten (13). So war ja Demetrius wegen seiner
Beschimpfungen Vespasians verbannt worden^); und auch von Nero
ist berichtet, daß er den Kyniker Isidorus aus Rom und Italien aus-
wies, weil er ihn auf der Straße mit lauter Stimme schmähte.^) Ebenso
wurden unter Vespasian Opfer ihres derben Freimuts Diogenes und
Heras, von denen der eine ausgepeitscht, der andere hingerichtet
wurde.^) Wenn endlich Lucian die Klotho dem Kyniskos auf seine
Frage sagen läßt, sie habe ihn so lange auf Erden gelassen als Arzt
und Aufseher menschlicher Vergehungen, so ist der Gedanke kynisch,
wie wir später noch sehen werden.^) Frage und Antwort würden
auch für den lebenden Menipp angebracht sein.
1) Über die neuerdings von Furtwängler vorgebrachte Deutung dieser Stelle,
Archiv f. Religionswissensch. YIII S. 201 f., verweise ich auf das zu den ^Toten-
gesprächen' Gesagte.
2) Diog. Laert. YI 76.
3) Cass. Dio LXYI 13. Zeller, Phil. d. Griechen * III 1 S. 767 ff.
4) Sueton Nero 39.
5) Cass. Dio LXVI 15.
6) Ich will hier nur auf Epiktet IV 8, 30 hinweisen, wo der Kyniker, mit
Stab und Binde von Zeus belehnt, den Menschen zuruft: ^Mich hat Zeus euch
als Beispiel gesandt, ihr Menschen, damit ihr seht, daß ihr das Glück da sucht,
wo es nicht ist.' Mehr über diesen kynischen Topos zum ^Ikaromenipp' (Kap. III).
Kyniskos — Menipp. Mysterienverspottung. 71
Eine Spur der Benutzung früheren Gutes scheint sich mir aber
auch in der Art zu zeigen, wie die eleusinischen Mysterien verspottet
werden. Es ist bekannt, daß Diogenes die Aufnahme in die Mysterien
ablehnte und ziemlich deutlich erklärte, daß er es für Torheit halte,
anzunehmen, Agesilaos und Epaminondas säßen im Schlamm, weil
sie nicht Mysten seien, irgendwelche minderwertige Menschen aber
weilten auf der Insel der Seligen*); und ebenso ist im Leben des
Demonax (11) berichtet, daß er sich nicht in die Mysterien einweihen
lassen wollte. Unter Yarros menippischen Satiren trägt eine den
Titel 'Mysteria'. Der Spott war hier nahegelegt durch Aristophanes'
'Frösche', in denen sofort nach dem Eingang in die Unterwelt Dio-
nysos und Xanthias die Gesänge der Mysten vernehmen (V. 313)
und den Rauch ihrer Fackeln verspüren. Auch sonst war ja Aristo-
phanes in satirischer Behandlung der Mysterien vorangegangen, als
er orphische Zeremonien in den 'Wolken' witzig parodierte.-) Eine
Verhöhnung der Mysterien ist also durch die Komödie angeregt und
ist auch durchaus in kynischer Art, so daß es naheliegt, den Ver-
gleich der fackeltragenden ^) Tisiphone, der plötzlichen Erleuchtung
im schwärzesten Dunkel mit den dQcj^usva in Eleusis (22) für die
kynische Quelle anzunehmen. Das Gespräch bei Lucian selber ist
aber ungeschickt. Mikyllos sagt: 'Hör mal — du bist doch natür-
lich in die eleusinischen Mysterien eingeweiht*) — ist das hier nicht
ganz ähnlich wie dortV So passend an und für sich die Gleichstellung
ist, um die Geheimnisse der Weihen herabzuziehen, so unpassend ist
es, daß Mikyllos von dem Kyniker als natürlich voraussetzt, daß er
zu den Mysten gehöre. Man würde es verstehen, wenn Mikyllos die
Worte zu einem andern spräche, man würde es auch hinnehmen, wenn
etwa Menipp, d. i. Kyniskos, auf die Ähnlichkeit mit den eleusinischen
Mysterien einfach hinwiese, ähnlich wie er in der 'Nekyomantie' die
1) Dio^. i.acrt. VI 89. Plut. de aud. poet. 21 F.
2) Vgl. Dieterich, Rhein. Mua. XLVIIl (1898) S. 276 und oben S. 28.
3) Über die Bedeutung der Fackoln für die Mysterien vgl. oben S. 26,
auch Wobbemiin, Ueligionsgesch. Studien, Berlin 1896, S. 168, über die Beleuch-
tung der Encheioung des Gottes ebenda S. 168. Clemens Alex, protrept. 2, 12:
Jr]ui AI xal K6qt] Aq&(uc i'jdr) iyBvia9^r\v (ivarinov, xal riiv 7tXdvi]v xal Ti)v ccgna-
yriv xul TO niv^og ai)xutv 'EXtvoU dadovxet (vgl. 2,22), Aristid. 22,11 (II »1,9
Keil) klagt: a düdtg^ v(p' ouov &v6(fü)v uniafirfts^ o> Äfit-i; x«l &<ffyyi)t i)n(Qa^ fl
Tus ffoaaff^ÖQovf vvHta^ i^tlkts. Luc, navig. 11: vn6 XaiinQÜ rfj Ö^öl %ai avtoli
titiXiafiivoig. An unsere Szene erinnert sehr lebhaft Himerius XXUI 8 Wnsdf.:
'i SudoOxov nvQ fiX^nn, /tXXä rüg *KQtvva)V nal Iloiv&v XanTtdidas.
l (utupl. 22: ixkXia&i\i yuQ to Kvvia%t öt^Xop ori tu 'EXivclput.
72 Kapitel IT. Die Niederfahrt.
den Mysten auferlegte Scliweigsamkeit verspottet^); aber daß in dieser
Weise das Bewußtsein von dem Widerspruchsvollen der Darstellung im
Leser geweckt wird, ist anstößig und nur durch die etwas fehlerhafte
Ausführung eines vorgefundenen Motivs erklärlich.
Für die Szene am Totenfluß müssen wir uns mit der Tatsache
begnügen, daß sie in Menipps *Nekyia' sehr wohl eingefügt sein
konnte; man braucht sich nur vorzustellen, daß, während Hermes mit
seiner Schar herankommt, Menipp ans Ufer tritt und so Zeuge der
Unterredung mit Megapenthes wird.^) Jedenfalls muß man daran
erinnern, daß eine derartige Begegnung, wie sie hier zwischen Menipp
und der Totenschar, bezw. dem Mikyllos entstehen würde, durchaus
zu dem parodierten homerischen Vorbild paßt, wo Elpenor dem Odysseus
begegnet; auch Vergil fügte deshalb die Palinurusepisode in die Unter-
weltswanderung ein. Für die Gerichtsszene dagegen haben wir noch
ein anderes Argument, das es jedenfalls wahrscheinlich macht, daß
eine solche bei Menipp vorkam; und dann wird man sie mit voller
Berechtigung in die 'Nekyia' versetzen. Wir haben die schon er-
wähnte Darstellung Senecas in der Apokolokyntosis 13 ff., in der
Claudius die Rolle des Megapenthes übernommen hat; beim Tode
beider ist die Freude auf Erden ziemlich gleich; in der 'Niederfahrt'
eilen nun die von dem Tyrannen Gemordeten ungerufen herbei^), um
sich an ihm zu rächen (26): ebenso fliegen die von Claudius Getöteten
heran, um den Kaiser, der herabkam, zu verklagen. Der Tyrami Me-
gapenthes hat nicht einmal seine nächsten Freunde geschont*), die
ihn nun umdrängen, gerade wie Claudius jetzt seine Freunde und Ver-
wandten sieht, die ihn zur Anklagebank geleiten. In gleicher Weise
folgt die Überlegung, welche Strafe dieser Frevel würdig sei^), und
beide Male bemüht man sich eine Vergeltung zu finden, wie sie bis-
her noch nicht zur Anwendung gekommen ist.^) Bei Megapenthes
1) Siehe oben S. 23.
2) Für den Tyrannen erinnert Fritzsche, Ausgabe III 2 S. 121 an Aeschylus'
Satyrdrama Siavcpog Squnitris. Das Satyrdrama als Vorlage für Menipp wird
uns bei der Jioyivovg TtgäCLg begegnen (s. Kap. X).
3) Catapl. 26: axZTjrot, dtg OQccg, TtagsiaL yiccl TtSQLatdvtsg ay%ovGiv ccvtov,
apocol. 13: convolant et agmine facto Claudio occurrunt.
4) Catapl. 26: og ys iir}Sh rmv olxsiotdtaiv ccTtiaxsto. Claudius ruft apo-
col. 13: Tidvta cplXcov TcX-^gr,, wie er die von ihm Gemordeten sieht, und es wird
ausdrücklich hervorgehoben: omnes plane consanguinei.
5) Catapl. 2^: rivcc ccv ovv -Kolao^slri tQOTtov', apocol. 14: de genere poenae
diu disputatum est.
6) Catapl. 28: iym 60l ■Kctivriv Ttva v.a.1 TtgtTtovaav avra ri^cagiccv V7to~
Gerichtsszene. 73
besteht sie darin, daß er dauernd die Erinnerung an sein früheres
Leben behalten soll, bei Claudius nach einigen Intermezzi, daß er eine
der törichten Beschäftigungen, denen er auf Erden nachging, auch
jetzt fortsetzen, nämlich dauernd als Gehülfe bei dem Totengericht
Untersuchungen anstellen muß.^)
Ein anderes Zeugnis kann ich nicht ohne Vorbehalt anführen,
weil es möglicherweise auf Luciannachahmung zurückzuführen ist. Eine
Gerichtsszene besitzen wir auch in dem 'Symposion' Julians, das
seinen menippischen Charakter ja schon äußerlich nicht verleugnet;
es sind Verse in die Prosa eingemischt. Dort wird (309 C) dasselbe
Motiv verwandt, das hier den Ausschlag gibt bei der Verurteilung
der Seelen, das Motiv der Brandmale, die durch Schlechtigkeiten
während des Lebens aufgeprägt sind und die der scharfsichtige Richter
auch bei dem Fehlen anderer Zeugen benutzt, um danach seinen
Spruch zu fällen. Im 'Symposion' ist es Tiberius, der auf diese Weise
gekennzeichnet ist, da er auf dem Rücken zahllose Wunden und Male
trägt. Aus Piatons 'Gorgias' oder 'Staat' allein scheint dieses Motiv
bei Julian nicht zu stammen^); man könnte daran denken, daß der
&^oo^ai. Die Neuheit des Verfahrens ist bei Seneca schon vorher als auffällig
bemerkt worden, da Claudius untersagt wird sich zu verteidigen: stupebant
omnes novitate rei attoniti (14^; aber es folgt auch nachher: placuit novam
poenam constitui debere.
1) Nach dieser Vergleichung glaube ich, daß Senecas Satire trotz der zum
Schluß auffälligen Kürze so endete, wie wir sie jetzt haben (vgl. Buecheler,
Symbola Philologorum Bonnensium, Lips. 18G4 — 1867, S. 37). Apokolokyntosis
heißt sie nicht, weil Claudius in einen Kürbis verwandelt wird — was wäre das
auch für eine Strafe? — , sondern weil er durch die Schrift nicht als Unsterb-
licher (cl^avaTOff) , sondern als ein Dümmling (xoXoxvvttj, Cucurbita) hingestellt
wird. Der Titel bedeutet also nur: Verhunzung des Claudius als Dummkopf
(8. Otto, Sprichwörter der Itömer S. 100; Sonny, Archiv f. lat. Lexikographie
IX 68 f.). Daß der Kürbis auch in Deutschland den aufgeblasenen Dummkopf
bezeichnet, lehrt die interessante Kapuzinerpredigt des Kuraten Joseph Linden-
tbaler zu Kappel im Patznauncrtal, die er gegen die Sucht der Kappler hielt,
itich, wenn sie aus der Fremde zurückkamen, als große Herren aufzuspielen,
aus der ich folgende Sllt/e entnehme (Münchn. Neueste Nachr. 68. Jahrg. 1U06
Nr. 402 veröffentlicht von A. Weiskopf): 'Im steifen Krawattl steckt da« ehrwür-
dige Haupt wie ein Kürbinkopf.' 'Wart nur, verliebter Kürbissch&del, der Teufel
wird dich und dein Mädchen schon noch uuf oinen andern Tan/ fühnMi, da
geht der Walzer auf feurige Kohlen.'
2) ßei Piaton uteht Kep. X 614C: rot v i s i^rofrcrv' x«< toitoiv
ip r& 6nia^tv armtlu nättiov oby fn^rt^nr >2iC: wie der KOrptr, fMttfTi-
yiag »t ri; ^v Mal ^tvr\ tl%9 x&v nXi, adbfftar» i) hnh fMWtlfmv
T) tikiuit' TQuvutiruiv fibf , di«*iio Spuren i'ode Beigt» to werden
74 Kapitel 11. Die Niederfahrt.
kaiserliche Philosoph die Szene aus Menipps Unterwelt mit dessen
Götterhimmel vereinigt habe; denn wir werden sehen, daß auch da
Ähnlichkeiten mit Menipps Satire vorliegen, wie wir sie konstruieren
müssen. Aber es ist doch möglich, daß Lucian der Vermittler ge-
wesen ist.^) Auch der Fluchtversuch eines Schuldigen, wie ihn bei
auch bei der Seele nach dem Tode deutlich rcc rt ttjs cpv6£cog xal ro: 7Tad"t]uata;
und Rhadamanthys sieht dann (524 E) die Seele diccyLS^aatiyaiLivriv v.ul ovXöav
ybsüxr]v v-Ttb inioQ7iiä>v xal Scdiyiiag. Bei Lucian catapl. 24 heißt es: entsprechend
den Schandtaten cccpavi] axiyiiccxa i-nl xfig -tpv%fig tisqkp^qel, und Kyniskos ist frei
nXijv xovxoav x&v xqicov r) xbxxÜqcov &^ccvQ(bv Ttccvv y,al ccacicpuiv oxLy^ccxoiv; aber
dann sieht man aus früherer Zeit l'xvr] ^ihv zal arnislcc TtoXXa. xiöv iy-uccv-
ficcxcav. Der Tyrann (28) nslidvog v.ccl y.ccxdyQcccpos^ ^äXXov dt tivccveos iaxiv
ScTcb x(üv öxiy^dxoav. Julian sagt von Tiberius 309 C: co(p%-r]G(xv dyxsiXccl xaxa xbv
v&xov iivQiai, xavr^(>£g xivss xal Ifff/xara xccl nXriyccl ^aXsTtcil Tcal iioaXanag
vno xs ccxoXccaLKg xal wftorrjro? ip&Qcci xivsg "AuI Xsi^V^s? olov iyns-icavfiivcci.
Dieselbe Vorstellung findet sich auch Plutarch de ser. num. vind. 564 D: xovg ^isv
monsQ 7] ■Ka%^ccQGixdx7\ nccvöiXrivog^ ^v ;fpwfto: Xslov xal avvs^sg yiccl öfiaXhg iivxag'
kxiQcov de (poXidag xivag ÖLaxge^ovoccg ?) ^ooXconag ccguLOvg' dXXovg ds ^ofiidf] noi-
v.iXovg xal icxonovg xjjv öipLv müTiSQ ol ^x^ig iH-Xdö^ccGi ttaxEöxiy^iivovg. Auch
Themistius XX 234 cd sagt von seinem Vater: xat ovxs ^iingoad'sv o^xs OTnadsv
^oXvö^cc i^svQSv 6 'Pccöd^av^vg t) 6 Mivag iv6t67\^a6[iivov xs xat iyysygaii^evov
xji tpvxi)- 'AccQ-i^ovGi os TtaQCC ^Jco-ngdxsi. xal ÜXdxajvi ccyccyovxsg yial xd cd jratdtxa
xbv ^stov 'AQiaxoxiXriy, oo xal iv&dds iv xfj ^exot-KijöSL ^vvstvcci, xd iioXXd iTtsxsiQBig,
wobei die Vorstellung von Lucian catapl. mit der aus 'Totengespr.' 20, 4 u. a.
vereinigt ist.
1) Es ist auffällig, daß Julian Motive aus den verschiedensten Satiren
Lucians vereinigt hat. Das Ganze ist ein "^Symposion', das Romulus den Göttern
und Kaisern gibt an den ^ Saturnalien ' ; es ist eine "^ Götterversammlung' mit
einzelnen Zügen aus der ^ünterweltsschilderung' ; der Wettkampf zwischen den
Kaisern stimmt zum ^ Totengespräch' 12, wo Alexander, Hannibal, Scipio um
den Vorrang streiten; und das nachfolgende Verhör mit den Fragen: üoI Sh xig
iyivsxo a-KOTtbg xov ßiov (331 C) oder 6v dh . . . xl tidXXiöxov ivo^L^sg elvca
(332 C) usw. erinnert an die ^ßiav TtgäOLg' mit den Fragen: xi dh yiyv(iiay.8i
ILoXicxa oder xi iidXioxcc sldcog xvy%dvBig usw. An die ^ Götterversammlung' ge-
mahnt auch die Rolle des Silen, die der des Momos nachgebildet ist, ferner die
Verspottung des Oktavian als Göttermachers (332 D), die sich ja mit dem lucia-
nischen Dialog berührt. Auf die Darstellung der Versammlung im ^tragischen
Zeus' oder eine gleichartige Szene nimmt Bezug 308 B: rj'pt^f 81 ovdsig, dXX*
07t£Q 'O^riQog ÖQ^-cbg noicav ^cpr\ . . . ^%siv iv.a6xov xatv &8a)v d'govov, das ist ein
ausdrücklicher Gegensatz gegen den Streit um den Platz, der ^trag. Zeus' 9 IF.
stattfindet. Daß auch bei Mark Aurel der Spott des Silen nicht unterbleibt
und die stoischen Paradoxa mitnimmt (328 C), obwohl dieser Kaiser den Preis
erhält, paßt zu der Behandlung, die die Stoiker bei Lucian erfahren (vgl. Neue
Jahrb. f. d. klass. Altert. IX [1902] S. 266 ff.). Hermes hat die Rolle des Ausrufers
(318 D 330 A) wie in den Satiren Lucians, etwa im ^tragischen Zeus' und der
^ßicov 7tQä6ig\ In dem Wettstreit hebt Alexander die d-Qccavxrig des Caesar her-
Lucian und Julian. 75
Lucian der Tvrami Megapenthes ausführt^ hat bei Julian seine Parallele
in dem entlaufenden Aurelian.^)
vor (322 B), wie bei Lucian Alexander die des Hannibal (Totengespr. 12, 4), und
beide Male möchte er eigentlich nicht antworten (325 A, Totengespr. 12, 4); auch
das HQr,TC(L und fcipTjxa kehrt zufällig beide Male am Schluß wieder. Alexanders
Gottheit wird verhöhnt (830D) wie im ^ Totengespräch' 13 una'l4. Auch die
kurze Einleitung von Julians Dialog hat etwas Ähnlichkeit mit dem ^Nigrinus',
wenn der Zuhörer sagt (307 A): rovtl ^kv ovv ijör] ^vd-iyia>g aiicc xal griTOQtxcbs
i^siQyaatcii aoL t6 TtgooifiLOv. &XXd ^ol tbv Xoyov avrbv ijdt] dit^sXd'S'y so
wehrt der Zuhörer bei Lucian die lange Vorrede ab (Nigr. 8): Xiys i^ ocqxtjs
ccvaXaßüJv i'jöri rä slgriuiva und (10): utg sv y^ ■ ■ • xal xcctu xbv zdiv gritÖQav
vofiov TctTtQooialaGxcü 601. Ausgeschlossen ist aber natürlich auch bei Julian
nicht, daß er direkt auf Menipp zurückging; denn besondere deutliche Be-
ziehungen auf Lucian vermag ich weiter nicht zu entdecken. Zitiert hat ihn
Julian nirgends, während er Krates (VI 199 A,D VII 213 B) und Oinomaos (VI 187 C
199 A MI 209 B) anfühi-t (vgl. W. Schwarz, Phil. LI [1892] S. 044 tf.) und diesen
wegen seiner Lästerungen gegen die Götter und seines Gebelfers gegen die
Menschen tadelt (211 A). Julian hat zwei Reden über den Kynismus geschrieben
(VI, Vn). In der ersten spricht er davon, daß die Götter wegen ihrer Allwissen-
heit Verehrung verdienen (184 B); aber Lucians Polemik in der 'Widerlegung
des Zeus' berührt er nicht. Wo er die Einheit aller Philosophie vertritt und
die verschiedenen Sekten nur als verschiedene Pfade zum gleichen Ziel erklärt
(184C), denkt er an den 'Hermotimos' (25 ff.) nicht, wo ja derselbe Vergleich
mit den verschiedenen Wegen, der in gewisser Weise auf Piatons 'Menon' 97 A
zurückgeht, gebraucht ist und geleugnet wird, daß alle nach dem einen Ziel
Korinth führen; Julian behauptet, daß man auf vielen Wegen nach Athen gelangen
kann, selbst, wie der pylische Greis (Od. III 174) sagt, das Meer durchschneidend,
während bei Lucian Lykinos es gerade für unmöglich erklärt, seine Hoffnung den
Binnen anzuvertrauen und das ägäische und ionische Meer aufs Geratewohl zu durch-
fahren; auch dem homerischen Teukros half der Zufall nicht, da er statt der
Taube den Faden traf. Man empfindet da die Berührung im Gedanken, ohne
Anspielungen fassen zu können, da selbst der Name der Stadt ein anderer ist.
Auch auf den 'Cynicus' in Lucians Schriften fehlen Beziehungen, l^nd wie
Julian seine Quellen benutzt, dafür geben sonst ein lehrreiches Beispiel die Be-
obachtungen Frachters über die Verwertung des Dio Chrysost. (Archiv f. Gesch.
d. Phil. \ [1892J 42 ff.). Auch die zweite Hede, die sich gegen die Auswüchse des
KjnismuH wendet, hätte aus Lucian schöpfen können. Aber auch hier keine
sichere FIntlehnung. Daß in dem Mythos Helios auf dem Berge sitzt (280 D) wie
die Tugend und Wahrheit Herrn. 2, beweist nicht», da es ein geläufiges Bild ist
(vgl. auch Hcnse, SynkriMis, Fn'ilmrg i. Br. 1H93, S. 17). »So ftirdert es denn auch
nicht, wenn drei sprichwörtliche Wendungen bei beiden Autoren vorkommen;
&va noTufi&v (Jul. VI Anfg. Luc. dial. mort. ft, 2), ov cpQovrls'InnoxXsld^ (Jul. 182B
Luc. apol. 15), riiv axätpiiv axdrpriv Xiymv (Jul. 20HA Luc. lupp. trag. 8S).
1) Julian 8131): xovroti i7tnai6Qu\i9v AvQi\Xiuvbi mantg Anodtdifoünnv xoifi
ttQyovrag ainöv nuQu rü Mivmf noXJutl y^Q a^^ övpiütattxo dinctt xAp iidinnv
<p6pav.
76 Kapitel ü. Die Niederfahrt.
Gern möchten wir weitere Indizien aus Lucians Dialog selber ge-
winnen zum Beweise dafür, daß er nicht Eigenes, sondern Entlehntes
vorbringt. Da bietet sich uns wieder die Verwendung von Namen,
die etwaige Anspielung auf historische Ereignisse dar. Leider ist
auch da Sicheres nicht zu gewinnen. Eine Anzahl von Namen ist
deutlich erfunden, so die angeblichen Perser Heramithras und Indo-
patres (21). Ebenso entstammen der Phantasie des Schriftstellers die
z. T. mit Bedeutung gesetzten Namen des Tyrannen Megapenthes,
seines Vorgängers Kydimachos, seines Vetters und Erben Megakles,
des von ihm beraubten Kleokritos, seines Kebsweibes Glykerion usw.
Ob der Philosoph Theagenes (6) mit Absicht so genannt ist in An-
spielung auf den von Lucian auch im Teregrinus' verhöhnten kynischen
Philosophen, muß zweifelhaft bleiben. Der schöne Megillus (22), der
im 'Totengespräch' 1, 3 wiederkehrt mit dem Zusatz Mer Korinther',
führt ebensowenig weiter wie der Name der Hetäre Simmiche. Nur
das eine mag uns bei ihnen auffallen, daß Lucian hier zur Illustrierung
desselben Gedankens, den er 'Nekyomantie' 15 ausgedrückt hatte, um
die Vergänglichkeit der Schönheit und die Gleichheit aller Menschen
nach dem Tode zu schildern, zu so wenig typischen Namen greifen
muß. Man erkennt daraus, daß die ausführlichere Darstellung der
'Nekyomantie' vorhergegangen war und hier nur in Kürze derselbe
Gedanke wiederholt werden sollte, weil er für das Gespräch selbst
nicht gut fehlen konnte. Bei dem Schuster Mikyllos (14) ist es
zweifelhaft, wie weit seine Person einen historischen Untergrund hat.
Sein ganzes Benehmen läßt darauf schließen, daß er in derselben
Ideenwelt gedacht ist, wie wir ihn im 'Hahn' finden, zumal auch der
Wucherer Gniphon hier (17) als sein Nachbar wiederkehrt, den er
dort (30) des Nachts beobachtet hatte.^) Er ist jedenfalls eine be-
kannte Persönlichkeit in der kynischen Literatur, die ihre Parallele
an dem Schuster Simon aus Phaedrus' Dialog hat^), und zweifel-
los identisch mit dem Mikkylos aus den Versen des Krates.^) Frag-
1) Daß es nahe liegt, danach den 'Hahn' vor die 'Niederfahrt' zu setzen,
werden wir später bei Besprechung jenes Dialogs sehen, Kap. XV.
2) Diog. Laert. II 105; v. Wilamowitz, Hermes XIV (1879) S. 187.
3) Siehe Dümmler Akademika, Gießen 1889, S. 243 Anm. 1. Diels, Poet. Phil.
Frgm. S. 217. Wachsmuth, Sillogr. Graeci S. 194 f. zweifelt daran, ohne ersicht-
lichen Grund. Mikkylos ist das Abbild eines Menschen, der mit seiner Hände
Arbeit sich so viel verschafft, um den Hunger stillen zu können, wie Plutarch de
vit. aer. allen. 7 830 C zeigt. Auch des Kallimachus Epigr. 26 (v. Wil.) zeichnet
denselben. Der Charakter stimmt überein mit dem unseres Mikyllos. (Für die
Form vgl. Lobeck, Pathol. sermon. Graeci prol., Lips. 1843, S. 136.) Neuerdings
Historisches Material. 77
lieh kann nur sein, ob ihn Lucian daher nahm oder ob er auch bei
Menipp eine Rolle spielte. Historisch ist die Phryne (22) ^ mit der
wir in die Zeit des Hyperides kommen; aber sie war durch ihren
Prozeß so bekannt, daß auch Lucian sie als Muster der Schönheit aus
eigenem Wissen nennen konnte.^) Ob unter dem Oxyartes, dessen
Sohn Gobares in Mysien gefallen ist (6), der Baktrerfürst zu ver-
stehen ist, mit dessen Tochter Roxane Alexander sich vermählte, ist
sehr zweifelhaft. Es bleibt uns der Arzt Agathokles, der mitsamt
den Fieberkranken zur Unterwelt kommt. Daß der Name für einen
Mediziner typisch wäre, wird niemand behaupten-), und wir finden
ihn sonst, um den Stoiker zu bezeichnen, der ja das dyad-öv oder die
dgerrj beständig im Munde führt ('Ikaromenipp' 16). So wird man
darauf gebracht, hinter diesem Xamen einen wirklichen Arzt zu ver-
muten; und es hat einen hervorragenden Mediziner Agathokles ge-
geben, der nach Plinius N. H. XXII 90 über die medizinische Wirkung
der Gänsedistel (sonchos) gehandelt hat; Xeros Leibarzt Andromachos
führte eine Pille von ihm gegen Hautentzündungen an (Galen XIII,
832 K.). Seine Lebenszeit muß aber früher liegen, da er in den Schollen
zu Nikanders Theriaka 622 als Verfasser eines Werkes tcsq! diaCti]g
genannt wird und zwar in einer Stelle, die ausdrücklich auf Demetrios
zurückgeführt wird. Dadurch wird bewiesen, daß er vor Demetrios
Chloros gelebt hat; dessen Zeit steht zwar nicht fest, aber da schon
Antigonos im 1. Jahrh. v. Chr. gegen ihn polemisiert hat^), so hat
er wohl noch im 2. Jahrh. gelebt. Für Agathokles haben wir keinen
Termin, wie weit wir hinaufgehen dürfen; aber daß Lucian den Namen
eines 200 bis 30(J Jahre älteren, sonst nicht übermäßig berühmten
Mannes selber eingefügt hätte, ist unwahrscheinlich; so bleibt —
bat Voghera, Studi ital. di fil. class. XI (1903) 11 Anm. 2 gegen die Identifizierung
Einspruch erhoben, weil Krates nach dem Zusammenhang bei Plutarch einen
Philosophen bezeichne. Nötig ist das nicht, und im übrigen war ja der Mik-
kjlos philosophisch angehaucht.
1) Siehe Posidipp III 339 Kock. Sext. Empir. adv. muth. II 4. Quiutiliau.
II 16,9 [Plut] X orat. Hyperid. 849 E.
2) Man vergleiche damit den Arzt im gallus (10), der seinem Beruf den
ehrenden Namen Archibios verdankt, oder den im 'Lexiphanes* (18), der gleichfalls
den auszeichnenden Namen Sopolis trägt. Bei dem Archibios könnte man allerdings
auch an die Penon des Arztes aus dem 1. Jahrhundert denken, von dem jetzt
ein Fragment in den Berlin. Klassikertexteii Heft III (Berl. 1906) S. 22 ff. veröffent-
licht ist (vgl. Wellmann in Pauly-Wissowa, Rcal-Kncyclopftdie 11 466, der die
Stelle aus dem gall ntif.il.rt • ul.or l...i ,l«.r lt...|..i.»iing des Namens icheint mir
daM nicht nötig.
8) Siehe Wilamuwu/., tAwii n-rliu 1P89. I S 189 Anm. 188.
78 Kapitel II. Die Niederfahrt.
immer die Identität vorausgesetzt — nur der Schluß übrig, daß er
ihn in seiner Quelle, also doch wohl Menipp, vorgefunden hat. Man
muß danach annehmen, daß Agathokles ungefähr ein Zeitgenosse des
Nikias und Erasistratos war, da, wie wir noch weiter sehen werden,
die Zeitanspielungen in Lucians Satiren nicht über die erste Hälfte
des 3. Jahrhunderts hinausführen. Es leuchtet ein, welche Freude es
den Lesern Menipps machen mußte, wenn sie unter den zur Unterwelt
Hinabziehenden plötzlich eine bekannte Persönlichkeit ihrer Zeit wie-
derfanden und mit den Fieberkranken den Arzt selber in der Schar
der Toten wandern sahen. Menipp hat sich auch sonst mit den Ärzten
befaßt und Knaack hat gezeigt, daß das Zitat aus dem Arzt Mnesi-
theus*) in Varros 'Hydrokyon' aus einer menippischen Satire ge-
flossen ist.^)
Diese Deutung des Agathokles mag nur einen geringen Grad von
Wahrscheinlichkeit haben •, aber so viel steht fest, daß nichts gegen die
Annahme spricht, die sich uns oben aus der Komposition der ^Nieder-
fahrt' selber aufdrängte, daß im Gegenteil die Ähnlichkeit der Ge-
richtsszene mit der bei Seneca, das Fehlen jeder Anspielung, die über
Menipps Zeit hinausgeht, den Gedanken nahelegt, daß Lucian auch
hier nur einem Vorbilde nachgeht. Daß die hier gelieferte Darstellung
nur ein Ausschnitt aus einer großem Satire Menipps ist, wird durch
die Tatsache erwiesen, daß sich die Szene am Totenfluß und vor Ge-
richt in die 'Nekyomantie' einordnen läßt. Dazu kommt das Fehlen
der Umrahmung, die wir in der 'Nekyomantie' haben, und die Ein-
führung des Kyniskos. Beides werden wir später in der 'Widerlegung
des Zeus' ebenfalls finden, deren Ähnlichkeit mit unserer Satire
HirzeP) schon richtig erkannt hat; und diese Übereinstimmung erhebt
die Vermutung fast zur Gewißheit. Die knappe Zusammenfassung
allgemeiner Gedanken, die wir in der 'Nekyomantie' ausführlich dar-
gestellt und mit typischen Beispielen belegt fanden, paßt zu der Vor-
aussetzung; der Schriftsteller kann diese Sentenzen nicht ganz unter-
drücken, weil der Zusammenhang darauf führt, aber er berührt sie in
aller Kürze. Weiter erklärt sich so das Fehlen des charakteristischen
Merkmals menippischer Satire; es ist kein Vers in dem Dialog vor-
handen, weil wir nicht eine ganze Satire benutzt finden, sondern nur
zwei Bruchstücke daraus haben, die Lucian selber, wohl hier und da
1) Vgl. Sprengel-Rosenbaum, Geschichte der Arzneikunde ^, Leipzig 1846, I
S. 478 f.
2) Hermes XYIE (1883) S. 148 ff.
3) Der Dialog H S. 322 f.
Ausschnitte aus Menipps Nekyia. 79
erweitert, zusammengefügt und mit der von ihm erfundenen Einleitung
versehen hat. Xur die Erwähnung (14) des Kyklopengeschenkes
(Od. IX 369) entspricht völlig der witzigen Dichterbenutzung durch
die Kyniker. Wir gewinnen so deutlich einen Einblick in die Tätig-
keit Lucians, die wir jedenfalls in bezug auf eigene Phantasie nicht
überschätzen dürfen; er zerpflückte Menipps Satiren, von deren Länge
und Mannigfaltigkeit wir uns ja am besten einen BegriflF machen
können aus Yarros ^Eumeniden', wo schon in einer Szene, der Gallen-
szene, drei verschiedene Metra zur Anwendung kamen ^); was er dann
bei der einen Gelegenheit nicht verwerten konnte, putzte er später
in irgend einer Weise auf und gestaltete es zu einem eigenen Dialog.
Ob wir also schon alles wiedergewonnen haben, was in Menipps
'Nekyia' stand, muß vorläufig zweifelhaft bleiben; wir werden später
sehen, daß auch die 'Totengespräche' Motive enthalten, die sich
wohl in den Zusammenhang jener Satire würden einreihen lassen.
1) Siehe Bücheier, Rhein. Mus. XX (1865) S. 427.
Kapitel III.
Der Ikaromenipp.
Geheimnisvoll ist dem Sterblichen die Erde und was sie birgt,
geheimnisvoll aber auch der weite Himmelsraum, der sich über ihm
wölbt. Wer den Menschen entrückt zu sein wünscht, hat diese beiden
Ziele, in der Tiefe zu versinken oder als Vogel sich emporschwingen
zu können.^) Die religiöse Phantasie führt das menschliche Träumen
und die philosophische Spekulation hinab in die Gründe, aber auch
in den Äther hinauf.^) Die Schlangen, die sich im Boden verkriechen,
sind ebenso die Verkörperung der Seele wie die in den Lüften sich
wiegenden Vögel.^) So verlangt die religiöse Vision wie deren Pa-
rodie nach der Darstellung der Unterwelt ein Gegenstück aus dem
Himmel.^) Auch Lucian führt uns nicht nur in den Hades, er leitet
uns ebenso in yier größeren Dialogen zu den Überirdischen oder läßt
uns wenigstens einem Gespräch mit den Göttern beiwohnen; die vier
Dialoge sind der 'Ikaromenipp', der 'tragische Zeus', die 'Widerlegung
des Zeus' und die 'Götterversammlung'.
Im 'Ikaromenipp' berichtet Menipp, wie in der 'Nekyomantie' von
seinem Gang in die Unterwelt, so hier von seiner Luftreise, die ihn
zum Wohnsitz der Himmlischen gebracht hat. Wir finden ihn zu
Beginn des Dialogs, wie er die zurückgelegte Entfernung berechnet.
Dem Freunde erzählt er, wie er einen Adler- und einen Geierflügel
genommen — aber er wül lieber den Hergang von Anfang an wieder-
1) Vgl. Weicker, Der Seelenvogel, Leipzig 1902, S. 28 f
2) Vgl. Plat. rep. X 614 C. Plut. de fac. lun. 27. 942 D. Heinze, Xenokrates,
Leipzig 1892, S. 123 ff. Röscher, Selene u. Verwandtes, Leipzig 1890, S. 90, 121 ff.
3) Rohde, Psyche P 244 Anm. 4. Weicker a. a. 0. S. 30.
4) Der Wundermann Empedotimos blickte nicht nur in die Unterwelt,
sondern sah sich auch in den Himmel versetzt (Serv. in georg. I 34 Diels; Par-
menides' Lehrged., Berlin 1897, S. 16 f.), und Herakleides Pontikos schrieb tcsqI
Töav iv ''AiSov wie er einen Mann vom Monde kommen ließ.
Inhalt. 81
geben. Vom Leben der Menschen hat er seinen Blick auf die große
Welt gewandt und über ihre Erschaffung, ihren Schöpfer und ihr
Endziel nachgedacht; da er aber auf seine Fragen keine Antwort fand,
so hat er sich zu den Philosophen begeben. Deren verschiedene Be-
hauptungen haben ihn jedoch erst recht in Verwirrung gesetzt; nicht
nur über die Entstehung und Zusammensetzung der Welt waren sie
ganz uneins, auch über das Wesen der Götter und ihre Einwirkung auf
die Vorgänge auf Erden; ja, manche leugneten überhaupt ihre Existenz.
Um dieser Ungewißheit zu entgehen, beschloß er zum Himmel zu
wandern, wie Asop ja manchmal Tiere dorthin gelangen läßt. Mit
einem Adler- und einem Geierflügel übte er sich, dann flog er auf
und kam zum Monde. Von dort betrachtete er die Erde und nach-
dem ihm der halb verbrannte, vom Rauch des Ätna hierhergetragene
Empedokles geraten hatte, nur den Adlerflügel zu rühren, wurde er
scharfsichtig genug, um selbst die verborgenen Handlungen der Menschen
zuerkennen. Seine Wahrnehmungen werden ausführlich geschildert. Als
Menipp dann seine Reise fortsetzen will, gibt ihm Selene den Auftrag
an Zeus, er solle dahin wirken, daß endlich das Geschwätz der Physiker
betreffs des Mondes aufhöre, und Stoa, Akademie und die Wandelgänge
der Peripatetiker vernichten. Menipp gelangt dann am dritten Tag zur
Wohnung des Zeus; er wird vor den Göttervater geleitet und berichtet
zaghaft sein Begehr. Der lächelt und bietet ihm Gastfreundschaft an
für diesen Tag; den nächsten Tag soll er Antwort erhalten. Er muß
dann den Zeus begleiten, der gerade gehen will, um die Gebete der
Menschen zu vernehmen. Auf dem Wege läßt sich der Göttervater
über die Zustände auf der Erde berichten. Es folgt die ergötzliche
Szene, in der Zeus an dem dazu bestimmten Platz durch Mündungen,
von denen er die Deckel abhebt, die menschlichen Wünsche anhört;
dann vernimmt er die Eide, gibt sich mit den Vorzeichen ab, ordnet
da« Wetter an, und endlich kehrt er mit Menipp zum Symposion zu-
rück. Am nächsten Morgen beruft er eine Versammlung, in der er
sich über das Unwesen der I^hilosophen ausläßt, dem ein Ende gemacht
werden muß. Die Götter wünschen Veniichtung dieser Frevler; aber
es ist die Zeit des Festes, und Feindseligkeiten sind untersagt. So
muß die Exekution aufs nächste Frühjahr verschoben werden. Menipp
werden die Flügel konfisziert, und er wird von Hermes hinabgebracht.
So ki'hrt er heim, ohne eine Antwort auf seine Frage erhalten zu
haben, ja, ohne daß diese» überhaupt im Götterrate berührt wäre.
Auch hier legt der Name Menipp«, der ja der Träger der Hand-
hiui( ist, ohne weiteres die Vernnitunif nahe, daß LuiMan omo menip-
• («Im, LuoImi und Manipp.
82 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
pische Satire zum Vorbild nahm, obwohl uns der nur lückenhaft
überlieferte oder nachlässig verfaßte Schriftenkatalog bei Diogenes
Laertius keine Bestätigung bietet. Auch hier spricht die Form des
Dialogs in noch höherem Maße als bei der 'Nekyomantie' für die
Entlehnung; denn es sind Verse weit zahlreicher durch das Ganze
verstreut, und zwar in der Menipp und den Kynikem charakteristischen
AVeise nicht als Zitate, sondern so, daß sie des Schriftstellers eigene
Worte ersetzen. Menipp erzählt (10): Schon wollte ich einem oder
dem andern Glauben schenken, stSQog da ^s d-v^bg eQvxBv (Od. IX 302),
Den über sein Erscheinen erschrockenen Reisenden beschwichtigt
Empedokles (13): ovrig xol %-e6g el^i,, xC ^^ äd'avdtoiöiv itöxsig (Od.
XVI 187). Dann (19) fliegt er auf da^ar' ig aiyioxoio z/tog iiBxä
daCiiovag akXovg (II. 1 222)^ und witzig bezeichnet er den Himmel (22) :
6v^a iihv ovxe ßoCbv ovx avÖQCbv (paCvEXo EQya (Od. X 98). Zeus tritt
ihm mit der bekannten Frage entgegen (23): xCg Ttöd^sv stg ccvöqcjv^
utöd-L xoi nohg riöa xoKijEg (Od. 1 170; XIV 187). Auf dem Wege (24)
sagt der Herrscher des Olymps, auch schon ein laudator temporis
acti: Ja, früher war ich alles, ^söxal de ^ihg TCädai [ihv ayviai^ Ttäöai
ö'ävd^QcoTCcov äyoQuC (Arat Phaen. 2 f.); dann heißt es von ihm (25),
daß er den Betenden nicht jeden Wunsch gewährte, «AA' axegov {ilv
sdcoxe 7tax7]Q , exsqov ö ^avivsvös (nach II. XVI 250). Wenn Menipp
seine Gedanken in der Nacht schildert (28), so benutzt er spaßig die
ersten beiden Verse aus dem Anfang des zweiten Buches der Ilias,
indem er nur ZiCa verändert in £/i/£, also eine Verwendung ganz nach
dem Muster des Krates und der Sillen Timons. Um die Nichtigkeit
der Philosophen zu zeigen, nennt sie der Göttervater (30): ovxe %ox
Bv jtoXb^G) BvaQid'^LOi ovx Bvl ßovlfj (IL II 202). Und endlich wird,
um eine Kontrastwirkung zu erzielen, nach dem nichtssagenden Be-
schluß des Zeus (33) der berühmte gewichtige Vers hinzugefügt: ij
Kccl xvavBTiöLv B7Ü öcpQvöL vBvöB KqovCov (II. I 528). Dabei sehen
wir noch ab von kleineren Zitaten, wie wenn Zeus (29) die Philo-
sophen als BX(o0iov a%%'og ccQovQrjg bezeichnet (II. XVIII 104) oder
wenn an Homers Schildbeschreibung erinnert wird (16) und parodistisch
die Schilderimg der Tätigkeit des Zeus (II. XIII 4 ff.) verwertet wird
(11). Nicht immer hat Lucian in dieser Fülle Verse in den Dialog
eingeflochten. Immerhin könnte man das als besonders weitgehende
Nachahmung erkennen, auch ohne daß deshalb ein direkt benutzbares
Vorbild vorlag.
Die Einleitung stimmt in gewisser Weise mit der zur Hadesfahrt
überein. Verzagen am eigenen Wissen treibt Menipp zu den Philo-
Menippische Form. Doxographische Zusammenstellung. 83
sophen; bei ihnen findet er nur Widersprüche, und so sinnt er ent-
täuscht auf ein anderes Mittel, zur Erkenntnis zu kommen. Aber in
diesem Dialog nehmen unter den Bedenken und Fragen, die seine
Seele bewegen, die physikalischen den größten Raum ein ; wie es um die
Erde, um Sonne, Mond und Sterne steht, was Donner, Regen, Hagel
und Schnee veranlaßt, möchte er wissen; und das ist natürlich, denn
es soll hier die Reise zum Himmel motiviert werden. Man erkennt,
daß die Einleitungen zum 'Ikaromenipp' und zur 'Nekyomantie' in
ganz absichtlicher und bewußter Weise voneinander abweichen*); dort
die Frage nach der besten Art des Lebens, da ja Tiresias befragt
werden soll, hier nach den letzten Gründen aller Himmelserscheinungen
und alles Seins überhaupt, da die Götter im Olymp um Auskunft
angegangen werden sollen. Menipp führt in kurzem Umriß die Ant-
worten der Philosophen an, die ihm zuteil geworden sind. Obwohl
diese Auslassungen nicht immer nur auf eine bestimmte, einzelne
Person gemünzt sind, so läßt sich doch mehrfach erkennen, wem
dieser Spott gelten soll. Menipp erfährt etwas von agyaC und xiX%
von vXri und Ideen, vom Leeren und von Atomen (5). Der Begriff
VLQX^ gebt auf Anaximander zurück^), xiloq wird von Aristoteles meta-
phys. 13 983a 31; phys. H3 194b 32 als xo ov ivsxa bestimmt»),
wo es unmittelbar neben die ccqxyI ^^? xivrjöeog oder zrlg ^exaßoXrlg
(vgl. 195a 10/11) gesetzt ist, und der vXrj wird es gegenübergestellt
phys. 119 200a 33; vXrj ist von Aristoteles geprägter Kunstausdruck*),
die Ideen zielen auf Piaton, das Leere und die Atome auf die Ato-
mistik des Leukipp und Demokrit^), die dann Epikur übernommen
hat; und man wird kaum fehlgehen, wenn man in diesen philosophischen
Termini einen Hinweis auf Aristoteles, Piaton und die Epikureer
findet. Es folgen dann in Menipps Darstellung Einzelheiten. Die
Philosophen, die oft auf der Erde nicht die Entfernung von Megara
1) Dadurch wird das Argiiment hinfällig, das ich glaubte für die spätere
AbfatBOog der 'Nekyomantie' gefunden zu haben in Neue Jahrb. IX (1902)
S. 864; allerdingH aus dem Namen folgt auch nichts, wie wir sehen werden;
eher könnte man vielleicht in der kürzeren Anführung des Schauspielerver-
gleicbe« im 'Ikaromenipp' finrn Hinweis für die spätere Abfassung finden; doch
u. S. 114.
2) Diels, Düxograpl. m . is79, S. 470, 6. Diels, Elemontum,
Leipzig 18Ü'J, S. :n.
3) Sext. Kmp. Pyrrh. 1 IJ, Jw; ru oü xdifiv Ttdvta nffdtttxai r\ ^ttt^lfra», ttinb
61 ovdtvbs ^vtnu.
A) Hieho Zeller, Die Phil Griechen EMS. 7S1 Anm. 8.
ö) Zellcr a. a. 0. P 2 S. b^i l
6»
84 Kapitel ni. Der Ikaromenipp.
nach Athen wissen*), wollen berechnen können, wie weit es vom
Mond bis zur Sonne ist (6). Daß sich Empedokles mit solchen Fragen
befaßt hat, lehrt uns Aetius^), und so scheint es fast kein Zufall zu
sein, daß wir ihn im 'Ikaromenipp' (13) auf dem Monde finden.
Wenn Lucian vom Messen der Sonne spricht, so kann das auch auf
Anaximander gehen.^) ^ Man braucht aber hier nicht einmal ausschließ-
lich an Philosophen zu denken, da in diesem Fall ihre Berechnungen
mit denen der Mathematiker und Astronomen identisch sind, und der
berühmte Eudoxos von Knidos kann jedenfalls auch unter die Philo-
sophen gerechnet werden. Aber es ist wohl am natürlichsten, die
Bemerkungen Lucians hauptsächlich auf Aristoteles*) und seine Schule
zu beziehen, auf den ja auch die nächsten Angaben passen, daß die
Philosophen die Höhe der Luft, die Tiefe des Meeres^) und den Um-
fang der Erde berechnen.^) Daß etwa Posidonius' Studien dabei mit
in Betracht gezogen sind, wäre wohl möglich, ist aber unwahrschein-
lich. Der Spott betreiffs der Benutzung von Dreiecken und Vierecken,
von KvxXog und ocpalga ist offenbar nächst den Pythagoreern gegen
Piaton gerichtet.'^) An Einzelheiten wird noch die Ansicht erwähnt,
1) Über die Übereinstimmung mit [Justin] cohort. 36, s. Kap. I S. 43.
2) Aet. II 31, 1. (Diels, Doxogr. Graeci S. 362.) Zeller a. a. 0. P 2 S. 789.
Auf diese Studien zielt auch der Anfang des Dialoges hin, wenn Menipp seine
Reise berechnet.
3) Zeller P 1 S. 224. Ob die Bemerkung auch auf die Pythagoreer paßt,
muß nach dem zweifelhaft sein, was Tannery, Archiv f. Geschichte d. Philosophie
IV (1891) 1 ff. auseinandersetzt; nach Eudem hätten die Pythagoreer (Simpl. de caelo
212a [471, 5 Heiberg]) sich nur mit der Reihenfolge der Planeten abgegeben,
und die bei Plinius n. bist. II 83 stehende Angabe geht auf Varro und durch
dessen Vermittlung auf wenig ältere griechische Quellen zurück.
4) Vgl. Meteorol. I 8, 345 b 1 ff.
5) Meteorol. II 1, 354 a 19 ff. So wird in der ßlcov itQ&üig (26) direkt dem
peripatetischen Bios nachgerühmt, er wüßte alles, selbst icp' bitoGov ßdQ-os rj d-ä-
Xccttcc VTfb tov rß-iov ycataXdiLTtstaL.
6) De caelo 297b 30 ff., wo Aristoteles zwar nur die Kleinheit der Erde
beweist, aber auch die Berechnungen der Mathematiker über ihren Umfang in
Zahlen angibt. IIsqIoöoi scheint trotz des Plurals neben ßäd-i] und vi^rj — man
möchte auf Vorlage aus der Komödie schließen nach dem auffälligen Numerus —
auf den Umfang zu gehen (Ar. av. 206) und nicht auf Erdumdrehungen, wie sie die
Pythagoreer annahmen (Zeller I^ S. 419). Die Verspottung dieser Berechnungen,
und zwar von Feuer (Sonne) und Äther, Wasser, Erde findet sich wieder bei Her-
mias, Irris. gentil. phil. 17 (Diels, Doxogr. Gr. S. 655), wo das slg tov ccLd^tQcc avtbv
civtbs ccvsQxoiiccL für das Motiv der Himmelfahrt beachtenswert ist.
7) Zeller a. a. 0. I^ S. 405 ff. Das Verbum SLa6X7]uccti^co , das Lucian ge-
braucht, findet sich bei Piaton Tim. 53 B; für die Dreiecke und Vierecke vgl.
Doxographische Zusammenstellung. 85
daß die Sonne ein feuriger Stein sei^\ daß der Mond bewohnt sei^),
daß er ein Spiegel sei.^j Die Angabe, daß einige meinten, die
Gestirne würden vom Wasser genährt, das die Sonne emporziehe und
dann an sie verteile, geht auf Heraklits dann von den Stoikern über-
nommene Lehre ^), von der auch Aristoteles sagt: ysXoiOL Ttdvxeg oöoc
Tüv :TQÖTeQOv v:ttXaßov rbv riliov TQecpeöd-aL xü vy^a}) Aristoteles
zeigt, daß Heraklit das nur von der Sonne ausgesagt hat^), während
man diese Annahme später auf die übrigen Gestirne übertrug. Unsere
Stelle fußt noch auf dem aroziov, das Aristoteles herausfindet, und
löst es in witziger Weise mit der Vermutung, die Sonne verteile die
Feuchtigkeit an die Gestirne.') Weiter ist die Rede von den ver-
schiedenen Auffassungen betreffs der Entstehung der Welt (8); der
aristotelischea, daß die Welt ungeworden und unvergänglich ist*^),
wird mit deutlichem Hinweis auf Piatons Timäus die Ansicht der-
jenigen gegenübergestellt, die von einer Schöpfung der Welt reden
und von ihrem Schöpfer, ohne sich den Kopf darüber zu zerbrechen,
besonders Tim. 55 B; für %v%Xog denke man etwa an Tim. 34 B: xvxil« 8r] -kvxXov
öTQt(p6u£vov oigavov ?vcc ^övov ^Qr^LOv ■auTiatriGf, für aq)atQcc an GcpaigoBi^Bg
Tim. 33 B; zusammengestellt yivxXov xal ocfuiQctg bei Plat. Phileb. 62 A. Über
ocpcdga bei den Pjthagoreern s. Zeller a. a. 0. P S. 414 Anm. 1.
1) Auf Anaxagoras und Demokrit zurückgeführt von Aetius II 20, 6f (Diels,
Doxogr. Gr. S. 349, 6.) Vgl. Xen. memor. IV 7, 7. Diog. L. II 8. Zeller a. a. 0.
PS. lÖ03f
2) Ansicht der Pythagoreer nach Aetius 11 30, 1 (Diels, Doxogr. Gr. S. 361, 4),
des Anaxagoras nach Diog. L. II 8. (Vgl. Zeller a. a. 0. P 426. 1008.)
3) Darüber spottet schon Aristophanes in den Wolken 749 ff. : yvvafxa
<faQfiaxid' ti 7CQid(itvog GattcckrtV xad^iXoi^i vvxtcoq rijv G£Xi]vr,v , hircf fih oriVr;i'
xa&ttQ^aiii' ig Xo(ftlov arQoyyvXov^ maniQ xccxonxQOV
4) Aetius U 17, 4 (Diels, Doxogr. Gr. S. 346, 18). II 20, 4 (S. 349, 1). 11 2;{, 5
'S. 363, 8). Diog. L. VII 145 [v. Arnim, Stoic. vet. fragm. II 196]. Plut. Stoic. rep.
41 (1063 A) aus Chrysipps tc^qI cpvascag I: oi d' &or^QBg ix d-ccXciaarig jifr« rov
riXiov ävänxovxaL. Cic. de nat. deor. U 16, 40: cum sol igneus sit Oceanique
alatur amoribus (nach Kleanthes) (vgl. II 46, 118) [v. Arnim, Stoic. vet. fragm. I
S. 113]. Clem. Alex. Strom. VIII 2, 4: tpctalv ovv ol ZrioCxol toöt' slvai äva^ifitc
votQÖv i% ^alatzicav vSütwv. Stob. ecl. I 25, 8' (211, 18 Wachsmuth). 6 (214, 1).
6) Meteorol. II 2, 364 b 88.
6) Meteorol. II 2, 855 a 18: £ro;rov Öi xal tö iiövov (pQovxiaai tot) i}Xiot\
x&p dk &XXtop äoxQmp nuQiitlv uixohg xr^v utatruflav. (Vgl. Zeller a. a. 0. I* 686.)
7) Icarom. 7: iSaxonoxtlv Öh xovg iioxigag Tof> iiXlov xu^dnfQ I^iovm xivi
ri,v lx\iädu ix tfig 9aXaxxris dvaantbvxog xcel unaoiv ctvxolg xb itoxbv i^ Tdov
St((vtfiovxog. Verwandt iHt die Verspottung in Aristophanes' Wolken 127U tf.:
TTÖxtga VOfliCttg XUlvbv iil xbv Jlu rur vt^out Ixilarur*. T/ rör Tiiof fAx^if xäxto-
&ip xainb toC^' vSutQ itäXtv .
86 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
woher dieser gekommen sei und wo er während des Schöpfungsakfces
gestanden habe, während es doch weder Zeit noch Ort gab, bevor
etwas da war. Auch dieser Einwurf gründet sich auf aristotelische
Anschauung, die Raum und Zeit von den Formen des sinnlichen Daseins
nicht schied, einen Raum außer der Welt nicht anerkannte^) und ebenso
die Zeit leugnete, wo keine sinnlichen Erscheinungen seien. Das
Folgende berührt in Kürze den Streit zwischen denen, die alles für
endlich halten, und die ihm Unendlichkeit zuschreiben, zwischen denen,
die nur eine Welt annehmen, und die an viele glauben; das bezieht
sich auf des Anaxagoras, Piaton und der Pythagoreer einzige Welt
im Gegensatz zu den vielen des Anaximander, Anaximenes u. a., wie
der Atomisten.^) Von den Entstehungsprinzipien wird des Heraklit
ütöXe^og besonders angeführt.^) Menipp geht dann über zu den theo-
logischen Anschauungen der Philosophen (9), wobei er die Zahl der
Pythagoreer und die Schwüre des Sokrates bei Hund, Gans*), Platane
hervorhebt. Einheit und Vielheit, Körperlichkeit und Körperlosigkeit
der Gottheit sind die nächsten Widersprüche; so wird der vovg des
Anaxagoras^), der körperlose Gott des Aristoteles, andererseits die von
Xenokrates nach Piaton ausgebildete, auch von den Stoikern auf-
genommene Dämonenlehre ^) gestreift; denn an diese ist bei der Be-
merkung zu denken, daß manche die Götter in Klassen geteilt
und ihnen einen ersten, zweiten und dritten Grad der Göttlichkeit
zuerteilt haben. Natürlich wird auch der Gegensatz der Auffassung
betreffs der Fürsorge der Götter für die Welt und der Vorsehung,
wie er besonders zwischen Stoikern und Epikureern herrscht, nicht
unerwähnt gelassen.'^) Den Beschluß in dieser Aufzählung bilden die
1) Ganz deutlich de caelo I 9, 279 a, 16: ^|to dh tov ovqccvov dsSsiKtca ort
o^t' ^6Xi ovte ivdixstuL yBriöQ-ai ö&iia. (pavsgöv agcc ort o^ts tOTtog o^re v.svbv
o^tE XQOvog iarlv ^^co&sv. (Vgl. Zeller a. a. 0. IP 2 S. 394 f. 402 f.)
2) Siehe Aetius II 1, 2. 3 (Diels, Doxogr. Gr. S. 327 b 5) E 4 (S. 330, 15).
3) Dann wieder von Lucian benutzt nöag dsl latoglav ovyyQ. 2.
4) Daß diese Verspottung schon in der alten Komödie vorkommt, lehrt
Kratinos 231 (Kock I S. 83).
5) Siehe Zeller a. a. 0. I^ S. 993 ff. für Anaxagoras, H« 2 S. 362 ff. für
Aristoteles.
6) Siehe Heinze, Xenokrates, Leipzig 1892, S. 78 ff. Krische, Forschungen,
Götting. 1840, S. 322 f Zeller a. a. 0. III» 1 S. 318 ff. Wachsmuth, Die Ansichten
der Stoiker über Mantik und Dämonen, Berlin 1860. Aetius I 8 (Diels, Doxogr.
Gr. S. 307, 4 und Index S. 735).
7) Icarom. 9: slra -kccI ngovosiv rmv "kccO^' ij^äg TtgccyuccTav ov nuaiv ido-
Tiovv ol ^£01, &XX* riadv xivsg oi tr]g öv^Ttdorig iTttneXsiccg avrovg iccpiivtsg. Zu
vergleichen ist auch Aetius Plac. I 25. Plat. Tim. 30 B. 44 C, wenngleich Lucian
Doxographische Zusammenstellung. 87
Atheisten, die das Vorhandensein der Götter überhaupt in Abrede
stellen, wobei man an die beiden berühmten Atheisten, Diagoras von
Melos und Theodoros, den Lehrer Bions, zu denken hat.
Derartige doxographische Zusammenstellungen gab es gewiß in
Menge, und Lucian brauchte nicht lange zu suchen, wenn er sich nach
einer Quelle umsah. Ähnlich ist die Übersicht in Philodems tceqI
evöeßelag, bei Cicero de nat. deor. I 10, 25 ff.^) und ac. prior. II 37, 118 ff.,
und bei Aetius fanden sich ja sowohl die übrigen Placita wie die
Ansichten :zeQl ^eov (I 7 Diels S. 297 ff.) vereinigt. Aus ähnlicher
Quelle hat etwa Lucians Zeitgenosse Athenagoras in seiner Schrift
'für die Christen' (5 ff.) geschöpft, wo er zu dem gleichen Schluß wie
unser Satiriker kommt, daß alle Philosophen im Widerspruch zuein-
ander stehen^), oder Clemens Alexandrinus Protrept. 5, 64 ff. Wichtig
ist es vielleicht, an die gleichartigen doxographischen Zusammen-
fassungen bei Sextus Empiricus zu erinnern, adv. math. IX 359 ff. und
Pyrrh. III 24, 218, von denen die letzte der Lucianischen ziemlich
nahekommt^); auch die kurze Summierung der Dogmen adv. math.
YIII 24 muß man heranziehen.'*) Man kann deshalb an eine skep-
tische Quelle Lucians denken, da er ja im 'Hermotimos' und, wie wir
sehen werden, auch sonst sehr deutlich skeptische Einflüsse veiTät
und der Streit der Philosophen^) untereinander wie schon in Timons
bei der ngdvoia an die Stoiker allein gedacht hat. Das Thema kehrt im
'tragischen Zeus' und in der 'Widerlegung des Zeus' wieder.
1) Siehe Diels, Doxographi Graeci S. 529 ff. (S. 121 ff.).
2) Pro Christ. 7: dio xal aXXog äXXag iSoynuttaEv uiix&v %a\ tcsqX %so^ xal
TXkc/i vXr\9 xal tcbqX slSätv xal rtsgl ndG^uv.
3) Icarora. 9: nsgl iiiv yuQ ribv d-Edtv xi xqt] xai XiyBiv. Sext. 218: xal xa
TtiQl tvasßiiag de xal d'fibv 7tS7TXi]Q(i)rai TtoXXi^g dicctftoviag^ Icar. : oi ^Iv . . . ivl
^6v(o Tr}v xibv oX(üv &Qxi]v &nivEiiov , ol öl ^(inaXiv . . . noXXovg . . .
ainovg &ni<pccivov. Sext. 219: ol fihv ?vcc (pccölv bIvcci Q'i6vy oi dk TtoXXovg xal dta-
(pOQOvg xatg fiopqpar?, Icarom.: ol ^ikv dcam^axov xi xal a^ogcpov i]yovvxcn sivai
rb %ilov^ ol dl tag Ttfgl Om^iaxog avxov 6i£voovvxo. Sext. 218: kQiaxoxiXr]g ^hv daä'
(laxov tlmv xbv d-BÖv elvai *Eni'KOVQog 6h &v9'Q(07r6iiOQ(fov, Icarom.: ftra
xal TtQovoelv xutv xad^' 17^^; «pay/iarwr oi n&aiv fdoxovv ol &eoi. Sext. 219:
xal oi nlv TTQOvotTv Xü)v xad' TjH&g^ ol dl ^li] ngovostv^ Icar.: §vtoi dl ovdl
XT}v ^QX^'i*' i^vai 'O'fovff xivag iniaxivov. Sext. 21H: d^tovg yccg ol ^tlr T'>;)n/ rj^ccatv
itpai^ tivhg dh (^6x elvut.
4) TJq&xov \i\v ixQflv Uli oxaaicc^fiv xovg doyfiaxixovg, oJov xov^ iitr iv tivai
Xiyovxug aroixttov, xovg 61 Avo xal xovg ^Iv ccQi&^ir]xd^ xovg dl &7t(iQct i^Luc.
Icar. 6: iaxaaiai,ov ngbg avxovg mgl xmv Xoyoav).
6) Vgl. auch Goedeckemejer, Geschichte des griech. Skeptiiismus, Leipiig
1906, 8. 26 f. Über den Tropos dmb tfjg dtatpuvlag der Skeptiker Tgl. Prftobter,
Phil M 1892) S. 284.
88 Kapitel III. Der Ikaromenipp. \
Sillen für die Skeptiker die Basis ihrer Argumentation bildete. Aber
in der Ablehnung der naturwissenschaftlichen Forschungen wie der
theologischen Spekulationen gehen Kynismus und Skepsis Hand in
Hand; wie sich dann später als dritter im Bunde die christliche Apo-
logetik anschließt, die sich das von jenen gegen den Polytheismus
aufgehäufte Material zunutze macht. Wir hören von Diogenes'
Tadel gegen die Mathematiker^), wir hören, wie er jemand verhöhnte,
der TCEQL riUov (pvösag xal övvd^ecog sprach.^) Wir wissen auch, daß
Menipp selber gegen Physiker und Mathematiker geschrie])en hat.^)
Es lag dabei nahe, den Spott der Komödie zu verwerten, den Sokrates
in den 'Wolken' über sich ergehen lassen muß; da finden wir ja das
^rfTOvvtog avtov xTjg asl7]V7]g xäg böovg xal rag TCSQicpOQccg (172 f.),
da finden wir das äsQoßaxCb xal ute^icpQovcj xbv yXiov (225) und für
zweckloses Messen ist in der Berechnung der Weite des Flohsprungs
dort (144 ff.) der Typus gegeben, wie ja auch das yrjv ava^ETQfjöai,
noch ausdrücklich verhöhnt wird (203 ff.). Berührungen zwischen
Kynikem und Skeptikern finden sich auch sonst; und man hat über
Bilder streiten können, ob sie kynisch oder skeptisch seien.^) Die
doxographische Quelle, auf welche die Darstellung im Grunde zurück-
geht, werden wir natürlich nicht ermitteln können. Daß sie ganz in
der Art von Theophrasts cpvöixal 86^ai war, darauf deutet die dop-
pelte an Aristoteles sich anschließende Polemik hin. Jedenfalls ist
zu beachten, daß keine der Anspielungen, soweit ich sehe, über das
3. Jahrh. hinausweist, ja, wenn man von dem stoisch -epikureischen
Streit über die TtQovoia absieht, nicht einmal über das 4. Jahrh. Man
wird auch erwägen müssen, daß eine Begründung der Art wie bei
Lucian für das Motiv der Himmelsreise erforderlich war, und sollte
1) Diog. L. YI 28: aTCoßXsnsLV ftfr Ttgbg xbv ijXiov "ncscl rrjv asXi^v7}v, rä S' iv
tiogI Ttgayficcrcc TCccQOQäv.
2) Diog. L. VI 39 (= Diog. epist. 38) Diogenes fragt: Troatalo? Ttccgsi anb
xovQuvov ;
3) Diog. L. VI 101. Ich will schon hier darauf verweisen, daß sich in
A^'arros Satire 'Marcipor', die wir nachher mit dem ^Ikaromenipp' zu vergleichen
haben, der Hinweis auf die astrologi auch findet fr. XII (280) Buecheler.
4) Das Bild von den Menschen, die in dunklem Raum Gold suchen und
nun nicht wissen können, ob das wirklich Gold ist, was sie erfassen, steht bei
Sext. Emp. adv. math. VII 52 wie in etwas verallgemeinerter Form im ^Hermo-
timos' 49 (Frachter, Phil. LI [1892] S. 287); dasselbe kehrt bei dem oft auf
. kynische Quellen zurückgehenden Maximus von Tyrus 35, 5 wieder und ist von
Hobein, De Maximo Tyrio, Diss. Götting. 1895, S. 87 für die Kyniker in Anspruch
genommen worden. Über das Skeptische in der Lehre der Kyniker vgl. Zeller
a. a. 0. UM S. 288 fF.
Doxographische Zusammenstellung. 89
sich dies Motiv als menippiscli erweisen, so ist damit die Anregung
auch für diesen Teil der Darstellung erwiesen.^) Allerdings nur die
Anregung im großen und ganzen; denn an und für sieh konnte Lucian
sehr wohl die gegebene kynische Form durch Zutaten aus anderen,
skeptischen Quellen erweitem.
Noch an zwei anderen Stellen, abgesehen von der ganz allgemein
gehaltenen Rede des Zeus am Schluß (29 ff.), berührt der ^Ikaromenipp'
philosophische Spekulationen. Als Zeus die Wünsche der Menschen
anhört (25), ergeht es ihm wie Pyrrhon, er weiß nicht, nach welcher
Seite er Gewährung versprechen soll, weil ihm auf beiden Seiten die
gleichen Opfer versprochen werden; infolgedessen STCsixev ext xal
dieöxe:TTeTo. Auch hier ist beachtenswert, daß, obwohl der Satz als
'Jxccdri^ulKov bezeichnet ist, Pyrrhon genannt wird und nicht etwa
die späteren Anhänger der neueren Akademie, z. B. Karneades, dessen
Xame bei Lucian bezeichnenderweise ebenso fehlt wie der des Posi-
donius unter den Stoikern. Allerdings muß man auch hier in Betracht
ziehen, daß Favorin, der sich der akademischen Schule zuzählte, zehn
Bücher UvQQcoveiwv xQOTcav geschrieben hat und Lucian eine gewisse
Kenntnis dieses Grammatikers und Philosophen gehabt hat, da er ihn
im Eunuchen (7; erwähnt.-) Jedoch hat Menipp einen 'Arkesilaos'
geschrieben^), in dem er doch wohl die skeptische Anschauung ver-
höhnte. Und wie ganz anders mußte ein solcher Witz im 3. Jahrh.
wirken, als eben Arkesilaos die Lehre des wenige Jahrzehnte älteren
Pyrrhon übernommen hatte! Damals war er aktuell, und Zeus als
Skeptiker war ein Bild, das man gewiß mit Lachen aufnahm.
Das andere, was in diesem Zusammenhang noch zu beachten ist,
ist die Szene auf dem Monde mit dem 'Physiker' Empedokles, wie
er mit absichtlicher Wiederholung auch in seiner Selbstvorstellung
genannt wird (13). Diese Bezeichnung mahnt uns an Menipps Schrift
gegen die Physiker. Während aber von Empedokles selbst nichts
weiter vorgebracht wird als die auch sonst benutzte Legende von
seinem Tode*j, werden die Ansichten der Physiker über den Mond
1) Vgl. Rnins, Rhein. Mus. XLIIl (lh«8) S. 192 tf., tki vi.uaui i..i.>s. ..-.i . ,.»u
(lieHC An^itfo auf die do^maÜBchen Philosophen in den Rahmen der kynischen
Satire völlig hineinpassen. Vgl. Sen. de benef. VII 1, auch oben S. 40.
2) Vgl. Zeller a. a. 0. III " 2 S. 64 ff. Goedeckemeyer a. a. 0. 8. 24« ff. Luc.
C'un. 7: 'Axttdri^Mtibq »iyvobxot i% Ktlx&v öl/yor n^b i^iAv iiionin^öat iv xots
"EiXr^aiv.
H) Athen. XIV 664 1 :
4) Toteng«q;)r. «0, 4. v, . .hll21. Peregr. 1. Kugit. '.'.
90 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
im Zusammenhang lächerlich gemacht, wenn Selene dem fortfliegen-
den Menipp (20) eine Beschwerde an den Göttervater mitgibt wegen
all des törichten Zeuges, das man über sie verbreite. Sein Vorbild
mag dieser Auftrag ursprünglich in Aristophanes' Wolken haben, wo
Selene in ähnlicher Weise (V. 607 ff.) dem Wolkenchor eine Botschaft
mitgegeben hat, in der sie über Undank klagt und ihre Entrüstung
über schlechte Behandlung ausspricht, dort allerdings, weil man sich
bei der Feststellung des Kalenders nicht genügend um sie kümmert.
Die kurze Zusammenfassung der Ansichten über den Mond lehnt sich
völlig an das doxographische Material an, das uns noch zu Gebote
steht. Man braucht nur zu vergleichen (20): olg ovdav exEQOv sötiv
SQyov t) xcciLcc TCokvTCQayiiovHv 1) rCg d^i, = Aetii Plac. II 25 (Diels
S. 355) TtEQL ovöCag asXTJvr^gf 2) xal jtrjXCxr] = Aet. Plac. II 26 (Diels
S. 357) cteQL ^syad'ovg 6sX7]vrjg, 3) xal dv rivxiva altCav dixoto^og r)
a^cpCzvQtog yCyvofica = Aet. Plac. II 27 (Diels S. 357) tteqI öyYi^ccxog
ö8Xrjvr]g {6%riiiaxCleCd'ai d' avxriv TCoXXayßig^ xccl yaQ navöeXrivov yt-
yvouBVTjv xal 8i%6xo^ov xal äiKpixvQxov)^ 4) ol ö\ xaxonxQov dCxr]v
S7tiXQ8^a6d-at xfi d-aXdxxT] = Aet. Plac. II 25,14 (Diels S. 357) {Ilvd-a-
yÖQag xaxoTtXQOSLÖlg öa^a) 5) xä xsXsvxala d\ xal xb (pag avxb
xkoTtL^aiov xs xal vöd'ov sivaC iioC cpa^iv ävcjd'sv '^xov TCagä xov
^HUov = Aet. Plac. II 28 nagl cpcjxtö^av öeXrlvrjg. Über die Zeit, der
diese doxographische Quelle angehört, läßt sich natürlich auch hier
nichts sagen; es könnten ebensowohl Theophrasts (pvöixal do^ai'^)
wie eine der späteren Sammlungen zugrunde liegen. Wir müssen
uns daran genügen lassen, daß der Abschnitt dem Kyniker, der gegen
die Physiker schrieb, wohl angemessen sein würde.
Stimmt die Ablehnung der naturwissenschaftlichen Studien und
der theologischen Spekulationen im allgemeinen zur kynischen Rich-
tung, die nur auf die Moral Gewicht legt, so finden sich in dem Dia-
log doch auch einige Gedanken, die wir direkt als kynisch bezeichnen
müssen. Menip{) schaut auf die Erde und betrachtet die menschlichen
Irrungen (15 — 19). Diese Beobachtung der Menschen ist Aufgabe
des Kynikers, wie Norden gezeigt hat; er verweist dafür besonders'^)
1) Über die entsprechende Anordnung, in der ein Kapitel tvsqI osX'^vrig
handelte, vgl. Diels, Doxographi Graeci S. 153. Usener, Analecta Theophrastea,
Bonner Diss. 1858, S. 26 f., sowie das Fragment nsQl aiod'T]ascog.
2) Jahrb. f. klass. Phil. Suppl. XIX 378 ff.; vgl. Weber, Leipz. Stud. X 203,
212. Heinze, Rhein. Mus. XLV (1890) S. 504 Anm. ^x TCSQKOTtfjg ist daher ein
geläufiger Ausdruck bei Lucian conv. 11 de merc. cond. 15. piscat. 15. Charon 2,
obwohl er auch sonst sich findet; Libanius 11, 106, wozu Förster zwei Lucian-
stellen anführt, hat ihn kaum von diesem.
Kynische Gedanken. 91
auf den kynisch empfundenen 17. Hippokratesbrief (Littre IX S. 374u
(bffsXe dvvauig vjifiQX^ ^'^^ ccTzdvtcjv olxTJöLag clvccxakviijavTCc ^r^dev
äcpstrac xcbv evtbg 7caQaxdkvy.iiaj sl^' ovrag OQfjv xa :rQr^6a6^8va
evöov ' iöoifiEV dv ovg ^hv söd'Covtag, ovg de i^eovtag^ irsQovg öe
al)(LT}öL ötQsßXeovTCigy und nun gellt die Aufzählung verschiedener
menschlicher Handlungen ganze Zeilen weiter.^) Bei Maximus Tyrius
21, 9 wird das Leben des Diogenes unter die :tQaxrixoL gerechnet,
weil er cccpeaevog avrov öxoXijg Tts^i/jeL i:tiöxo7tcjv tä ribv 7tl)]öCov.
Besonders charakteristisch ist, was Diogenes L. (VI 102) von Menedem
berichtet: ovtogy xud-d cpr^öiv 'I:t:iößoTog^ elg roöovtov tSQareCag ijXaöev
(oöTS 'EQivvog dvaXußcov Cxfiyba TteQLrjsL kiyav hnCcixo%og d(plx^ai
i^ ^AlÖov tg)v d^agravo^svcDV ^ o:t(og Jidliv xaxicov xavxa d%ayyilXoL
xolg kxEL daCuoöLV'^ und wir haben in der 'Niederfahrt' (7) gesehen,
wie die Parze den Kyniker als €(poQov xal Iccxqov xav dvd-QcjTCivov
duaQXYjfidxcov im Leben ließ.
AVie diese Musterung menschlichen Treibens mit der Erkenntnis,
daß aUes eitel Torheit ist, durchaus kynisch gedacht ist, so im ein-
zelnen die Verspottung der menschlichen Wünsche, Gebete und Opfer,
die in der Szene mit Zeus (25) angebracht ist. Es ist im ganzen
ein schon von Sokrates ausgesprochener Gedanke, daß die Menschen
nur allgemein um das Gute bitten sollen, aber nicht um bestimmte
Güter, die ihnen als solche erscheinen^), sowie daß die Götter sich
nicht durch Gebete und Opfer bestimmen lassen^); die späteren Phi-
losophen haben das übernommen. Piaton sagt es ganz energisch, daß
die Gottheit durch Geschenke nicht zu bewegen ist*); und der Aus-
fühning des Gedankens, daß man nicht um irdische Güter, sondern
nur um das Gute bitten soll, ist der 2. Alkibiades gewidmet. Daß
die Gebete überflüssig seien, wird in der Sammlung von Aristipp-
aussprüchen (Gnomolog. Vat. 32 ed. Sternbach, Wien. Stud. IX [1887]
1) Diog. L. VI 43: tiutdaxonog ti)s cfjs inlriarlas; Epiktet I 24, 6: xara<rxo-
noi ((TtoöraXtlg Jioyivr\g &iXa 7](itv ScnrjyysXxtv, lU 22, 24: reo yctQ Övti xcerdoxo-
Ttög ionv 6 KvvfKÖs tov tiva iarl toTs &v^QÖ}7tois cpiXa xal xivcc noXt^iicc^ xal Set
tt^bv äxQifiüJi xuraaxf^dfiBvov iXd'Ovr* &nccyyttXai iXjid'i). Vgl. oben S. 70.
2) Xen. luem. I 3, 2: xal i<;;|r*TO dl »pOtf xovg 9tov<; »'-r^'»:«- rryud^cc Sidövai,
mg rovg d'tohg xdXXiara sld&cag bnolu &ycc%ä iari.
3) Kbondort 3: of're yocg rotg d^eolg fcpi] xaX&g ?;|ffi»', n ra<> ^fycuaii {yvttiaig
fi&XXov Ti xulg (itxQulg l^^^Q^^ • • ■ ^^^' ^'^^ "^^^i ccv&Qwnotg (iiiov flvai C'/>'i ^^ ^^
nuQu T(ov novriQwv fi&XXov tfV x»;|^ap«TfiA'tt rofg i^tolg T/ ra rcccQct rdiv XQ^^^^*'-
*) ^-'•Ktf- ^ 'J05D: xb di 7tttguixt}xoifg av 9iobg tlvui xotaiv <5^ixoOtfi, ^«^o-
fihovg d&Qtt^ oift» «vi avyxto(fr]xiov navtl x* ui nocxä dvvccfiiv XQ6ntf> iXtfutiop.
Vgl. IV Tir, i: rep. II 864 B ff.
92 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
S. 190) gesagt. Besonders aber in stoisch -kynischer Schriftstellerei
ist wiederholt der Wert der Gebete und Opfer erörtert worden.^)
Schon Diogenes ereiferte sich über das Opfer für die eigene Gesund-
heit, wenn man zugleich beim Schmaus seine Gesundheit selbst ruiniere,
ein Gedanke, der sich dann in des Persius schönster Satire über die
Verkehrtheit menschlicher Wünsche und bei Clemens Alexandrinus
wiederfindet^); Diogenes tadelte auch die Gebete, weil die Menschen
nicht um das wirklich Gute bäten, sondern nur um das, was ihnen
gut schiene, besonders diejenigen, die sich Söhne wünschten, ohne zu-
gleich auch darum zu flehen, daß diese gut und tugendhaft würden.^)
Varros Marcipor bietet in den Fragmenten noch den deutlichen Be-
weis, daß die Torheit menschlichen Begehrens in der menippischen
Satire verspottet wurde.*) Bion lacht über diejenigen, die sich Kinder-
glück von Zeus erbäten, während der Göttervater doch selber kein
Glück mit seinen Kindern gehabt habe, da er darunter so mißgestaltete
wie die Litai habe, wozu höchstwahrscheinlich die Homerverse (II. IX
502 ff.) von diesen lahmen, runzligen und schielenden Töchtern des
Zeus angeführt wurden.^) Auch Maximus Tyrius (11,3 f.) verwirft nach
kynischer Weise das Gebet und wendet sich entschieden gegen die
Auffassung, als ob die Gottheit durch Geschenke und Opfer bestech-
lich sei, besonders gegen den schon von Piaton zurückgewiesenen
Homervers (IL IX 497): 6rQ6j:tol de re xal d'sol avtoC] er vesr
wendet dabei das Bild vom Arzte, der auch zu essen und trinken
gibt, wenn es nützt, nicht wenn der Kranke will. An unserer
Lucianstelle wird einmal in drastischer Weise gezeigt, in welche
1) Vgl. Binder, Dio Chrysostomus und Posidonius, Tübinger Diss. 1905,
S. 81 ff. und die dort aufgezählten Belege aus Dio, Seneca usw.; Joel (S. 19
Anm. 1) n 2 S. 776.
2) Diog. L. VI 28. Pers. II 41 ff. Clemens Alex. Strom. Vn 4, 25 (843 P).
3) Diog. L. VI 42. 63. Auch Julian VI 199 B ist für die Götterverehrung
des Diogenes zu beachten..
4) Ed. Buecheler, Marcipor fr. X, XIII, XV. Besonders der Vergleich der
Törichtes wünschenden Menscnen mit Kindern ist beachtenswert, den auch der
kynisch schillernde Ariston von Chius bei Seneca ep. 115, 8 hat. (Vgl. Hense,
Festschrift für Th. Gomperz, Wien 1902, S. 187 f.) Auch Horaz sat. I l hat ja,
vk> er die törichten Wünsche ad absurdum führt, kynische Darstellungsweise.
(Vgl. Kießling zu Vers 16 mit der Berichtigung, die wir zu der ^ßlcov Ttgäaig^
gegeben haben, Kap. X.) Über diesen Vergleich s. H. Weber, De Senecae phil.
dicendi gen. Bion., Diss. Marburg 1895, S. 40. Eichenberg, De Persii saturae
natura, Diss. Breslau 1905, S. 17. Renner, Festschrift des hist.-phil. Vereins,
München 1905, S 54 ff.
5) Clemens Alexandrin. protrept. IV 56 (49 P). Hense, Teles proleg. S. LXIII.
Kynische Gedanken. Chorvergleich. 93
Lage Zeus käme, wenn er alle Wünsche erhören wollte; denn der
eine bittet um Nordwind, der andere um Südwind, der eine um
Regen, der andere um Sonnenschein, ganz zu geschweigen von den
gottlosen Wünschen um den baldigen Tod des Vaters, um ihn zu
beerben, um Gelingen der Nachstellung gegen den Bruder und ähn-
liches. Daß auch Zeus dabei mitgenommen wird, entspricht kynischer
Satire. Auch Bion zog ja als würdiger Schüler des Theodoros die
Götter in den Bereich seiner Witze. ^) Menipps Götterbriefe hatten
zweifellos ähnliche Tendenz; daß auch sie vielleicht sich mit den
Wünschen der Menschen befaßten, werden wir später sehen.^)
In das Gebiet der stoisch -kynischen Diatribe gehört auch der
Vergleich mit dem Chor, der zwar nicht ganz die Bedeutung gewonnen
hat wie der mit dem Schauspiel, aber doch recht häufig ist. Menipp
vergleicht das Leben und Treiben der Menschen, das er vom Monde
mitansieht (17), zahlreichen Chören, bei denen ein jeder singt, was
er will, und so die lächerlichste Disharmonie zustande kommt. Der
Vergleich mit dem Chor ist allerdings älter als die Diatribe; er findet
sich schon bei Xenophon, der die Ordnung eines richtig geleiteten
Hauswesens dem Zusammenarbeiten der Choreuten gegenüberstellt"^),
er ist außerhalb der kynischen Schule auch von dem Verfasser der Schrift
TCtQi xüöfiov (6 399 a 14 ff.) angewandt, um die Regierung Gottes zu ver-
sinnbildlichen. Er hat aber in den populären Vorträgen der Kyniker
und Stoiker besonders Verwendung gefunden. Das zeigt der von den
Kynikern so stark beeinflußte Dio Chrysostomus, der (14,4 [II 437 R.
U 227, 23 V. A.]) die wahre Freiheit durch den Gehorsam der Chor-
mitglieder zeichnet und die Notwendigkeit des gemeinsamen Zusammen-
wirkens für die Politik mit der einheitlichen Tätigkeit des Chores er-
weist (48, 7 |1I 239 R. II 89,23 v. A.]), während er an einer dritten Stelle
die Herstellung der Ordnung beim Gelage mit dem Walten eines Chor-
führers vergleicht, der seine Leute in den gehörigen Rhythmus bringt
(27, 4 [II 528 R. II 284, 15 v. A.]).^) Mehrfach hat das* Bild der von
Frachter so glücklich als Stoiker wiederentdeckte und jetzt durch den
1; Hense a. a. 0. S. LXII. Diog. L. IV 54.
2) Vgl Kap. IX 'Satumalicngosprllche*. Lucian hat in hohem Alier belbst
in der Weise der Diatribe über die Torheit von Wünschen und Opfern gehandelt
und dabei, wie denn sein Stoff und seine Gedanken üherhaupt ziemlich eng
begrenzt waren, sich Helbsi reichlich auHgeschrieben in tler Hede ntffl Ovaubv.
Vgl. den Anhang dariiber.
8) Xen. oeconom. H, 8.
4) über den Vergleich vom Chorreigen der Sterne s. Binder, Dio Chryio-
Htomus und Posidonius, Tflbing. Diu. 1906, S. 88 tf.
94 Kapitel EI. Der Ikaromenipp.
Berliner Papyrus uns noch näher gerückte Hierokles^); er verwertet
es ebenso wie Dio, um das erforderliche einstimmige Verhalten zu
Gunsten des Vaterlandes damit zu malen (Stob. flor. 39, 35 III S. 733, 2
Hense) und die wünschenswerte Erzeugung von Bürgern in der Ehe
durch die Notwendigkeit des Ersatzes von ausscheidenden Chormitglie-
dern zu zeigen (Stob. flor. 75, 14 III S. 73, 24 Mein.). In stoischer Weise
finden wir dieselbe Vergleichung von dem schaffenden Gott, der die Har-
monie herstellt, ganz ähnlich wie in :t£Ql köö^iov bei Maximus Tyrius
19, 3. Die Stoiker haben das Bild natürlich in ihrer Weise gewandelt.^)
Ein zweiter Vergleich, der sich in derselben Musterung aus der
Höhe findet (19), ist schon von anderer Seite ^) vermutungsweise auf
Menipp zurückgeführt worden: Menipp erscheinen, als er vom Monde
herabblickt, die Städte wie Ameisenhaufen und die Menschen wie
Ameisen; und vortrefflich paßt zu dieser kynischen Quelle die Be-
ziehung auf die alten Mythen und die sagenhaften Myrmidonen. Lucian
hat das Bild im Hermotimos (5) wieder benutzt, wo dem bis zur
Höhe vorgedrungenen Weisen die Zurückgebliebenen dort unten, die
den steilen Fels der Tugend nicht erklimmen können, den Eindruck
eines Ameisengewimmels machen. Der Vergleich hängt eng zusammen
mit dem Motiv des Hinabschauens auf das Getriebe der Menschen,
wie es Pflicht des xatdöxoTtog und scpoQog ist. Daß auch der Schau-
spielervergleich in Kürze im 'Ikaromenipp' wiederholt ist (29), haben
wir oben gesehen.
Aber daß kynische Gedanken und Bilder übernommen sind von
Lucian, ist ja im Grunde selbstverständlich; mehr lehren uns die li-
terarischen und vor allem die historischen Anspielungen. Die ersten
haben wir, soweit sie die Lehren der Philosophen angehen, schon be-
sprochen. Zitiert werden Homer, Hesiods Theogonie (27), Äsops
Fabeln (10), Pindars Hymnen (27), Piatons Gesetze und Chrysipps
Syllogismen (24), endlich der Anfang von Arats Phainomena (24).
Also die spätesten Zitate führen uns doch nicht über das 3. Jahrh.
hinaus. Bei Chrysipp, der außerordentlich schreibselig war und gewiß
früh angefangen hat zu Schriftstellern, können wir natürlich nicht zu
einer bestimmteren Begrenzung der Zeit gelangen als sie sein Leben
1) Prächter, Hierokles, Leipzig 1901, S. 37 hat die Belege für diesen Ver-
gleich gesammelt.
2) Ganz frei hat den Chor mit seinen vielen Stimmen Seneca verglichen
ep. 84, 10. Epiktet fr. I 16 (S. 404 Schenkl) führt den Choreuten wenigstens als
Beispiel auf.
3) Frachter, Archiv f. Geschichte d. Philos. XI (1898) S. 511.
Zitate und Anspielungen. 95
uns bietet, das etwa von 280, im äußersten Falle von 290 bis 208/4
reicht. Aber da von den Syllogismen Chrysipps weiter nichts gesagt
ist, als daß sie sehr langweilig waren, so ist wohl wahrscheinlich, daß
hier eine eigene Bemerkung Lucians vorliegt; denn die Nüchternheit
und Formlosigkeit seiner Schriften war geradezu sprichwörtlich.^)
Auch war die Beschäftigung mit Chrysipp im 1. und 2. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung sehr rege^), und allein Plutarchs Polemik gegen
ihn konnte den Begriff seiner Langweiligkeit beibringen. Zu Lucians
Zeit selber waren zu den Schriften Chrysipps über die Schlüsse Galens
Kommentare erschienen, die der berühmte Arzt nach seiner Angabe
noch als Knabe verfaßt hat, wohl etwa 146 — 50.^) Bei Arat sind wir
in der Lage die Abfassungszeit der Phainomena ungefähr bestimmen
zu können; sie fallen nach dem Hymnus auf den arkadischen Pan,
der zu Ehren des Sieges über die Kelten im Jahre 277 verfaßt ist,
und werden danach von Susemihl^) in die Jahre 276 — 4 gesetzt.
Natürlich ist es auch hier denkbar, daß Lucian die Verse aus eigener
Belesenheit eingefügt hat, die dazu nicht einmal sehr groß gewesen
zu sein braucht; denn gerade im 2. Jahrhundert sind die Anfangs-
verse der Phainomena mehrfach zitiert und benutzt worden, was für
allgemeine Bekanntschaft in jener Zeit bürgt. ^) So hilft uns die Vor-
1) Diog. L. VII 180: TTiv Xiliv ov Tiardagd-coae. Cic. de or. I 12, 50: ieiune et
exiliter. Dionys. Hai de comp. verb. 4 (S. 31 R. 11 21, 13 U.-R.): o^jt« uq^iovIoc
ItiQOVL awrax^ivrag i^-^viyxs Xoyovg (oiSsis). Epictet. disB. I 17, 16: iQ^oucci xal
initr^xüi xi Xiyti ovrog ö i^riyrixiig tf/g cpvascog (Chrysipp). aQ^oiicct ^i] vofiv xi Xiyfty
f/^Tw xöv f^riyovusvov; enchir. 49 (S. 457, 1 Schenkl) zeigt ebenfalls die Schwierig-
keit der fhrysippauHlegung. Für sein Leben s. Jacoby, Apollodors Chronik S. 371.
2) Siehe von Arnim, Pauly-Wiesowa, Real-Encyclopädie III 2606.
3) ntgl xwv ldi(ov ßißXlcov 11 (XIX ed. Kühn S. 43 I. Mueller 119,2): ht dh
Ttatg utv; man wird den Ausdruck nicht zu sehr pressen dürfen. (Vgl. Baguet,
De Chrysippi vita doctrina et reliquiis Annal. Lovan. IV [1822J S. 138.)
4) Gesch. d. griech. Lit. i. d. Alexandr.-Zeit I S. 289 f. Es stimmt dazu, daß
Tbeokrit XVII 1 im Enkomion auf Ptolemäus den Anfang des Arateischeu Ge-
dichtes zitiert; denn anzunehmen, daß die beiden Dichter zufllllig ungefähr
zur selben Zeit diese Worte ^x Jibg agxfö^foO^ct aus einem älteren Hymnus über-
'•n hahen (vgl. Fritzsche, Theocriti idyllia II S. 78 zu der Stelle, Vahlen,
Ml. Herolin. 1886, S. 16), entbehrt der Wahrscheinlichkeit. Da« Gedicht auf
l'toh'iniuiH i«t aber nach dem XVI auf Hieron verfaßt, das «einerseits auf 276—271
fixiert worden ist (Helm, Fleckeiseng Jahrb. 166 [18'J7J S. 'MO ff.; Prott, Rhein. Mus.
LIII f 1898) 8. 476; Legrand, fttude sur Th«?ocrite, Paris 1H9H, S. 62; C. F. Lehmann,
Kilo III S. 612; V. Wilamowitz, Phil. Untersuchung. XVIII S 166 ff.). Maaß, Aratea.
I' r!u 1892, S. «14 tf, 846 f. wollte die Phainomena Mchon vor 280 ansetzen.
:.; Clera. Alex. Strom. V 101 (709 P), Aristides in lovem 26 (II »46, 4 Keil),
rapimaO'i' '<•'-' '«K''! !..*•;«., ,;iM.rt dioselhen Worte im 'Promethcuii* 14
96 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
Stellung nicht viel, wie ganz anders es kurz nach Veröffentlichung
der betreifenden Worte wirken mußte, wenn Zeus wehmütig der jetzigen
Zeit die vergangene gegenüberstellt, wo ^eöral . . . ^ibg Ttäöai ^fv
äyviaC^ jtccöat, d* ccvd-gdjjtav dyoQai. Allerdings müßte es da ein Witz
von zündender Kraft gewesen sein, während es zu Lucians Zeit eine
nicht üble, aber doch immer nur eine literarische Reminiszenz war.
Indessen beweisen läßt sich damit nichts.
Nun enthält unser Dialog aber auch eine Anzahl geschichtlicher
Anspielungen, deren Bedeutung man zum Teil längst erkannt und
deshalb für die Fixierung der Lebenszeit Menipps verwertet hat^),
ohne doch daraus weitere Folgerungen zu ziehen^); denn daß Lucian
sich nicht irgendwie absichtlich bemüht hat den Menipp in diesen
Dialogen, in denen er auftritt, in eine bestimmte Örtlichkeit und Zeit
zu versetzen, um ihn als Individuum hervortreten zu lassen, haben
wir schon bemerkt, und die Beziehungen, die wir zu besprechen
haben, gehen auch weit über das Maß und die Art dessen hinaus,
was einer solchen literarischen Absicht entspräche. Wichtig ist zu-
nächst, was Menipp alles vom Monde aus erkennt. Die Namen der
Vertreter der philosophischen Sekten, die nicht im Einklang mit ihrer
Lehre handeln (16), sind erfunden und bieten keinen Anhalt; der
Stoiker, der die Tugend und das Gute im Munde führt, heißt Aga-
thokles, der Epikureer, der von den Göttern und ihrem Wirken
nichts wissen will, Hermodor, der Kyniker, der Herakles, den von Hera
verfolgten Helden, zu seinem Ideal gemacht hat, wird Herophilos
genannt und mit witzigem Spott der nach Ruhm haschende Rhetor
Kleinias. Dagegen wird auf eine Anzahl historisch bekannter Er-
eignisse hingewiesen. Die Erwähnung des Kampfes der Argiver und
Spartaner um Kjnuria aus dem 6. Jahrhundert ist nur eine geschicht-
liche Reminiszenz (18). Aber Menipp gewahrt auch das Beisammen-
sein des Ptolemäus und seiner Schwester (15), und das ist eine Ver-
spottung der Geschwisterehe des Ptolemäus Philadelphus und der
Arsinoe, die in den Jahren 279 — 74 vollzogen wurde. ^). Weiter be-
obachtet er die Nachstellungen, die Lysimachos von seinem Sohne
und benutzt sie schon im 'Nigrinus' 16. (Vgl. Maaß, Arati Phaenomena, Berlin
1893, S. 3 und Maaß, Aratea, S. 251 if.)
1) Vgl. Susemihl a. a. 0. I 44.
2) Am besten hat die Tatsachen Wieland erkannt und in den Anmerkungen
zu seiner Übersetzung zum Ausdruck gebracht.
3) Vgl. V. Prott, Rhein. Mus. LEI (1898) S. 462. Wiedemann, Phil. XL VE
(1889) S. 84. ü. Köhler, Sitzungsberichte der Berliner Akad. d. Wiss. 1895, S. 971.
Historische Anspielungen. 97
bereitet werden; die Worte beziehen sich auf die Verleumdungeu, die
Arsinoe gegen ihren Stiefsohn Agathokles ausstreute, um dessen Nach-
folge auf den Thron zu verhindern, und die schließlich den Lysi-
machos bewogen, seinen Sohn zu töten ^): das Ereignis fällt in die
Zeit nach 287 und vor 281, da in diesem Jahre Lysimachos fiel.
Außerdem sieht Menipp die heimliche Liebe des Antiochus zu seiner
Stiefmutter Stratonike, die Droysen etwa ins Jahr 293 verlegt.')
Weiter voraus liegt die Ermordung des Alexander von Thessalien
durch sein Weib, die etwa 359 stattfand.^) Wenn dann weiter der
Ehebruch des Antigonos mit seiner Schwiegertochter erwähnt wird
und der Giftmord, den des Attalos Sohn an seinem Vater vollführt
oder versucht hat, so versagt unsere geschichtliche Kenntnis, so weit
ich sehe, die Beziehungen herzustellen. Bei Antigonos könnte man
allenfalls an irgendwelchen Hofklatsch denken, von dem Lucian natür-
lich nichts mehr wissen konnte. Plutarch erzählt (Demetr. 14), daß
Antigonos seinem Sohne Demetrios riet, die Phila aus politischen
Gründen zu heiraten, obwohl sie älter war. Demetrios kümmerte
sich dann nicht um sie, als die Hochzeit stattgefunden hatte, weil er
sich nicht an sie gewöhnen konnte, sondern lebte höchst ungezwungen
mit andern Frauen. Aus diesem Benehmen und dem Altersunter-
schied konnte sich leicht ein Gerede ergeben, daß in Wahrheit Anti-
gonos sich die Phila zum Weibe genommen habe. Daß Demetrios
von den Komikern und sonstigen Spöttern zur Zielscheibe des Witzes
gemacht wurde, lehrt uns Plutarch (Demetr. 27). Ein solches Gerede
würde uns, falls es richtig vermutet ist, etwa ins letzte Jahrzehnt des
4. Jahrhunderts führen, da die Vermählung des Demetrios mit der
Phila vor 319 stattgefunden haben muß^); zu Lucians Zeit hätte es
sicherlich nicht auf Verständnis beim Publikum rechnen dürfen. Aber
die Vermutung nmß zweifelhaft bleiben, weil wir auch mit dem Attalos
nichts anzufangen wissen. Attalos I. ist wegen seines glücklichen
Familienlebens mit seiner Gemahlin Apollouis und seinen vier Söhnen
gepriesen worden.^) Attalos II. starb im hohen Alter von 82 Jahren;
1) Siehe PauBan. I 10, 8. Droysen, Gesch. des Hellenisrnns' II 2 S.822f. Niese,
(icHch. d. griech. Staaten I, (Jotha 1898, S. 402. Wilcken (Pauly-Wissowa, I 767)
«et/.t den Tod 284 an.
t) A. a. 0. II 2 S. 298, Niese a. a. 0. S. 891. Wilcken, Pauly-Win-owa I 2i6i.
8) Clinton, Fasti Hellenicilir '»-♦ i>*n ^"•' i ' ^ H4»u' I'auly-Wissowa,
RealeDcyclop&die I 1409 (Kaerst)
4) Ihr Sohn Antif^onoti (tonuii i i ' i/i^liliiiK
h) Polyb. XXII 20. StralM) XIII l. J h.ji U il .>.'n in Pauly-Wissowa U 216«.
1 1 • , ('ttoian and Mvnipp. >
98 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
offiziell hatte er überhaupt keinen Sohn, da das seiner kurzen Ver-
bindung mit Stratonike entstammte Kind von Eumenes als sein eigenes
anerkannt war, als dieser, der tot geglaubt war, zu den Seinen zurück-
kehrte. Attalos III. aber starb, ohne Leibeserben zu hinterlassen.
Welchem dieser drei also sollte der Sohn den Giftbecher einschenken?
Man müßte denn auch hier irgend einen Klatsch annehmen; aber
wahrscheinlicher ist, daß eine Erfindung Lucians vorliegt, der nach
Rhetorenart die Beispiele häufen wollte; und wo ein Ptolemäus, Lysi-
machus, Antiochus paßten, da konnte auch flugs ein Antigonus und
Attalus angebracht werden.^) Ganz ebenso steht es mit dem an der-
selben Stelle angeführten Arsakes, der sein Weib tötet und von dem
Eunuchen Arbakes angegriffen wird, und dem Meder Spatinus, die
auch nicht zu identifizieren sind. Der Arsakes ist offenbar nach dem
Feldherrn geschaffen, der gegen Sardanapal das Schwert zog, entrüstet
über dessen weibisches Wesen, nachdem er diesen durch Vermittlung
eines Eunuchen hatte sehen können^); aus diesem Eunuchen ist hier
der Arbakes geworden. Die Vermutung, daß Lucian hier seiner eigenen
Phantasie freien Spielraum gelassen und an die ihm vorliegenden
Beispiele aus der Geschichte zur Ergänzung andere eigener Erfindung
gefügt hat, erhält eine gewisse Stütze durch den des Sophisten wür-
digen ParaUelismus der Beispiele; die Geschwisterehe steht für sich,
da sie schon wechselseitig ist; dann aber der Sohn Antiochos, der
seine Stiefmutter liebt, und als Gegenbild der Vater Antigonos, der
seiner Schwiegertochter nachstellt, Alexander von Thessalien, der von
seinem Weibe ermordet wird, und der Arsakes, der sein Weib tot-
schlägt, Lysimachos, der seinen ihm angeblich nach dem Leben trach-
tenden Sohn ermordet, und der Vater Attalos, der von seinem Sohn
ums Leben gebracht wird! Soweit aber die Anspielungen datierbar
sind, gehen sie über das Jahr 270 nicht hinaus.
Aber wir haben noch mehr Bestätigungen für die Annahme, daß
Lucian hier den Menipp ausgeschrieben hat. Wie Zeus mit dem zum
Himmel gekommenen Menschenkind die Stätte aufsucht, an der er
die Gebete entgegenzunehmen pflegt, erkundigt er sich unter anderem
danach, ob die Athener denn das Olympieion nicht endlich einmal
zu vollenden gedächten (24). Das Olympieion war schon von Pisi-
1) Attalos in. hatte nach Plutarch Demetr, 20 Interesse für Pflanzen,
namentlich Giftpflanzen; aber das wird mit dem Giftbecher, den nach unserer
Stelle (15) dem Attalos sein Sohn reicht, nichts zu tan haben. Attalos' 11. hohes
Alter bezeugt [Lucian J Macrob. 12.
2) Siehe F. Cauer in Pauly-Wissowa 11 405/6.
Historische Anspielungen. 99
stratus begonnen, lag dann aber unvollendet, bis Antiochiis IV.
Epiphanes die Fortsetzung unternahm, obne indessen weit zu kommen.
So blieb der Tempel bis zu Hadrians Zeit, der ihn im Jahre 129
oder 130 einweihen konnte. Also, als Lucian den 'Ikaromenipp'
schrieb, stand der Zeustempel mehr denn 30 Jahre in strahlender
Pracht; eine solche Frage, wie er den Zeus stellen läßt, hatte für
seine Hörer und Leser jeden Witz verloren, und es erscheint aus-
geschlossen, daß er sie in einer gewissen Altertumskrämerei selber
ersann. ^)
Dadurch wird vielleicht auch bestimmt, was man von den Diasien
zu halten hat. Zeus fragt (24) auf dem gemeinsamen Gange, weshalb
die Athener so viele Jahre dieses Fest nicht gefeiert hätten. Die
Diasien waren im 7. Jahrhundert das größte Zeusfest, bis sie durch
die Olympien, die von den Pisistratiden zugleich mit dem Bau des
Olympieions eingeführt wurden, mehr und mehr in Schatten gestellt
und verdrängt wurden.*) Zu Aristophanes' Zeit waren sie noch vor-
handen.^) Dann ist von dem Fest nichts mehr zu hören, und auch
inschriftlich ist es nicht belegt. Erst Plutarch erwähnt die Diasien
wieder; aber da sind sie von der ursprünglichen Bedeutung weit ent-
fernt und ein heiteres Volksfest voller Belustigungen.*) Hier, bei
Lucian, kann nur von dem alten Fest die Rede sein, wie die Ver-
bindung mit dem Olympieion und Phidias nahe legt; und wenn wirk-
lich in der Zeit Lucians ein Volksfest dieses Namens existierte, so
ist erst recht klar, wie wenig die Frage des Zeus am Platze war;
donn ^'^ '^^ unmöglich, einen Grund zu ersinnen in jenen Tagen
ij Die richtige Beurteilung hat auch hier Wieland angebahnt: Übersetzung,
Leipzig 1788, Bd. I S. 228. Die Stelle erscheint so autf illlig, daß man glauben
möchte, als Lucian sie schrieb, besaß er noch keine genaue Kenntnis von Athen,
da« wegen seiner Armut damals keinen geeigneten Boden für einen Sophisten
bot (vgl. Rhein. Mu8. LVI [lüOlJ S. 867).
2; Mommsen, Fe«te der Stadt Athen, Leipzig 1898, S. 422. 425. 466. Stengel
in l'auly-Wissowa, Healencyclopildie V 846 ff. Daremberg-Saglio, Dictionnaire des
anti<|uit<*8, Pari« 18U2, II 1 S. 160. Lucian erwähnt die Diasien noch im 'Timon* 7.
Aus liuciannachahmung stammt wohl die Erwilhnung im 'Charidem* 1.
8j Aristoph. Wolken 864.
4j Plut. de tranquill, an. 20 (4771)): ovx manhQ ol :roUol Kqdvici xal Jidata
%ul Tlava^i'ivaia xal roiuvtag &i.Xag i)iiiQas negtiitvovaiv, iv* f}aO-(bat nctl iva-
ntfit^iaöi divritbv y^ltora, ^i^ig xal 6Qxf\ttxttli iita&ovs nUauvTEf. Ilior ist aller-
dings auch fraglich, wie weit Plutarch etwa seine Quollo daboi auHgesclirieben
hat. Die Sttdle zeigt jedenfalls, daß die Darstellung der Diasiou ul« einen Volkj-
f«'st*'M hei dem I ius Makrembolites nicht unberfrhtigt ist, falls
Plutarch dabei >i «Würdigkeit beizumessen ist.
100 Kapitel IIL Der Ikaromenipp.
politischer Abhäugigkeit und Ruhe, warum dieses Volksfest hätte aus-
fallen sollen. Sieht man aber eine Beziehung auf die alten Diasien
in der Frage, so war diese für Menipp witzig, da sie vielleicht 100
bis 150 Jahre nicht mehr bestanden, für Lucian war sie weder witzig
noch durfte sie auf ein besonderes Interesse im Publikum rechnen,
wenn das Fest auch nur 400 Jahre lang ausgesetzt war.
Zweifeln kann man bei der Erkundigung des Zeus (24), ob noch
jemand von des Phidias Nachkommen übrig sei. Diese waren bekannt-
lich als Phädrynten des Götterbildes in Olympia eingesetzt^): Zeus
hatte also ein Interesse nach ihnen zu forschen. Immerhin sieht die
harmlose Frage nicht so aus, als ob sie ursprünglich 550 Jahre nach
Phidias' Tode geschrieben ist, zumal in dieser Kürze ohne jede Be-
gTÜndung, warum sie gestellt ist.^) Mir scheint deshalb, daß man mit
Recht auch hierin eine Entlehnung aus Menipp sieht. ^)
Mögen hier Zweifel übrig bleiben, mehr Sicherheit denn alles
übrige bietet uns die Erwähnung des Kolosses von Rhodos, der dem
Menipp, als er auf dem Monde weilt, als das Wahrzeichen der Erde
erscheint, wie heute dem Reisenden die Frauentürme in München
oder die Peterskuppel in Rom; er hätte die Erde nicht gefunden,
wenn sich ihm nicht das Riesenstandbild und der Leuchtturm vom
Pharus gezeigt hätten (12). Der Koloß des Helios stürzte aber infolge
eines Erdbebens schon gegen Ende des dritten vorchristlichen Jahr-
hunderts zusammen, und Plinius (n. h. XXXIV 41) berichtet, daß er
nur 56 Jahre aufrecht gestanden hat. Auch hier wird man schwer-
lich glauben dürfen, daß Lucian, um das historische Kolorit zu wahren,
den Koloß als stehend angenommen hat. Das setzt Studien voraus,
die man ihm nicht zutrauen kann. Es kann vielmehr keinem Zweifel
unterliegen, daß er dies Motiv aus seiner Vorlage übernahm, und man
hat daran einen sichern Anhaltspunkt, daß Menipp vor dem Jahre 227
geschrieben hat, das man ungefähr als den Termin des Einsturzes
des Kolosses bezeichnet*), und nach 283. Weniger läßt sich aus der
Erwähnung des Leuchtturms von Alexandria schließen, weil er nicht
so bald wieder zugrunde ging; erbaut wurde er unter Ptolemäus Soter
1) Pausan. V 14, 5.
2) Icarom, 24: sl' tig hi XsiTtstaL tav anb ^siölov.
3) Wieland, Lucianübersetzung I S. 228: ^Da Menipp im Jahrhundert
Alexanders des Großen lebt' — das ist allerdings zu modifizieren, wie wir schon
sahen — ^so war die Frage Juppiters (nach dem Olympieion) ebenso natürlich
als der Anteil, den er an der Nachkommenschaft des Phidias nimmt.'
4) Siehe Polyb. Y 88 und die Anmerkung Schweighäusers.
Historische Anspielungen. 101
und Philadelphus, also um 285, von dem Knidier Sostratos.^) Aber
wenn er auch keine zweifellose Stütze für die Argumentation bildet,
so viel ist doch klar, daß diese Erwähnung zugleich mit dem Kolossal-
standbild von Rhodos gewinnt, wenn sie bald nach Vollendung des
allgemein angestaunten Weltwunders erfolgte und in so witziger Weise
als ein neues Kennzeichen der Erde angegeben wurde.
Endlich fühlt sich Zeus durch einen Diebstahl in Dodona in
besondere Aufregung versetzt (24); nach dem Jahre 219 würde dort
ein Tempelraub kaum irgendwie in Betracht kommen, nachdem die
Atoler jdie Hallen verbrannt, die Weihgeschenke zum Teil vernichtet
und das Heiligtum eingerissen hatten.^) Auch hier sehen wir, daß
Lucian aus eigener Erfindung das nicht hätte zufügen können, weil
es für seine Zeit interesselos war; auch hier haben wir einen Terminus
ante quem für den historischen Menipp; denn die Worte auf jenen
räuberischen Überfall selber zu beziehen, verbietet der Ausdruck.^)
Ins dritte Jahrhundert führt uns vielleicht auch noch die Aufzählung
der Heiligtümer und Kultusstätten, durch deren Pflege sich Zeus (24)
beeinträchtigt fühlt. Zwar das Apolloheiligtum zu Delphi, das der
Bendis in Thracien, des Anubis in Ägypten und der Artemis in
Ephesos sind alt, aber der Asklepioskult in Pergamon ist erst aus
dem dritten Jahrhundert bezeugt'*), obwohl damit nicht die Entstehungs-
zeit gegeben ist. Da indessen das Asklepiosheiligtum zu Pergamon
erst in der römischen Kaiserzeit besonders in Aufschwung kam und,
wie Aristides' Beispiel lehrt, begeisterte Verehrer fand, auch durch
die Inkubation berühmt war, so ist es leicht möglich, daß hier ein
Zusatz Lucians vorliegt. Witzig allerdings wird die ganze Bemerkung
des Zeus erst, wenn wenigstens einer der Kulte erst neuerdings be-
liebt geworden ist; und daß Delphi in dieser Aufzählung genannt ist,
dessen Orakel zu Lucians Zeit auf jeden Fall nur noch eine geringere
Bedeutung hatte, gibt immerhin zu denken, selbst wenn es nicht
1) Strabo XVII 1, 6 (791). Luc. de bist, cunscrib. G2. Plin. n. bist. XXXVI 83.
l^umbrofo, L'Egitto dei Oreci e dei Bomani, Roma 1896, S. 118 if.
2) Siehe Polyb. IV 67 : rag tt aroäs {vi7tQr\at x«l TtoXXu x&v ccva^ii^axtav
diitp^iigi, nariaKU^B dk nal rifV ItQav oixiav.
'A) Icarom. 24: */ awilritf^^iiauv oi xuv fv Jioddavtj vfwv afavXri%6Tft.
Da« avlluiißävnv paßt uicbt einem Heereszug gegeniiber, und avk&v genügt
nicht; auch Diodor Frgm. XXVI 7, der das Verbum gebraucht, sagt doch: tb
ittgl Jeodatvfjv \utvxtlov tfvlvjtfa^ ivinifr\9% xb Uq6v. (Vgl. Carapanotf Dodone
et !!<?• ruinei, Parii» 187H, 8. 170 ff.)
4; Siehe ThramtT iu Paulj-Wiiiowa II 9 8. 1661 und 1674.
102 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
ganz schwieg.^) Beachtenswert scheint mir auch, daß Zeus in seiner
Rede (29) sagt, die Philosophen slg 0vatr]aaT(c öiaLQsd-Bvrsg hätten
sich ov TtQO Ttolkov im Leben eingefunden. Sollten die 450 Jahre
vor ihm wie ein Tag gewesen sein? Denn daß Lucian um der histo-
rischen Treue willen auf diesen Zusatz ov TtQO TtoXkov gekommen
sei, wird kaum ein Leser des 'Ikaromenipp' glauben.
Aber man könnte die Entlehnung der einzelnen Gedanken, sowie
der historischen und literarischen Anspielungen aus Menipp zugeben
und doch das eigentliche Motiv des ganzen Dialogs, die Luftreise und
Himmelfahrt, als Lucians Erfindung in Anspruch nehmen; denn hier
sind wir ja nicht so glücklich, einen entsprechenden Titel unter Me-
nipps Schriften in dem kurzen Verzeichnis bei Diogenes L. zu besitzen
wie bei der ^Nekyomantie'. Die Himmelfahrt ist ein altes Motiv.^)
Von dem Wundermann und Verfasser der Arimaspeia, Aristeas, erzählt
Herodot (IV 14 f.), er sei bei einem Walker in Prokonnesos gestorben,
während er zu gleicher Zeit in Kyzikos mit einem Einwohner sich
unterhalten habe. Daß man ihm bei dieser Gelegenheit auch eine
Luftreise zuschrieb, zeigt die Sage, daß seine Seele in Rabengestalt
aus seinem Munde geflogen sei.^) Genauer schildert diesen Flug durch
den Äther Maximus Tyrius in einer Weise, die uns deutlich zeigt,
wie leicht der Übergang zu der von Lucian gegebenen kynischen
Darstellung war; es heißt (16, 2): rj de i^vxrj SKÖvöa tov öaucctos
BTcXaväxo 6v XG) ccld'SQL oQVid^og ÖLKTjv Ttccvta VTtOTtta d^scoaevri, yy]v xai
Q-dlattav xal Ttota^ovg xal TtöXetg xal sd-vr] dvÖQav Kai ^tad-rjuata
Tcccl (pviSeig TtavtoLccg}) Man muß weiter an die von Diels in der Ein-
1) Vgl. Luc. Phars. V 112. luv. VI 555 (mit Friedländers Anm.). Cic. de div.
n 117. Plut. de defect orac. Hiller v. Gärtringen in Pauly -Wissowa IV S. 2578 flf.
2) Vgl. Rohde, Psyche 11 ^ 92 ff. Bousset, Die Himmelsreise der Seele, Archiv
f. Religionswissensch. IV 253 f. Dieterich, Mithrasliturgie S. 183 ff. An des
Herakleides Pontikos oben erwähnte Erfindung von dem Manne, der vom Mond
gefallen ist, erinnert Hirzel, Der Dialog I 328 Anm. 1.
3) Plin.n.hist.Vni74. Apoll.mirabil.2.3 (Paradoxogr. ed. Westermann S. 104).
4) Man halte daneben Luc. Icarom. 15: ■Kccrccxvipag yovv ig trjv yfjv iätQcov
ccccp&g tag TtoXsig, tovg ävd-goDTtovg , xa yiyvo^svoc v.al ov xcc iv vnccid'QCo ^lovov,
icXXci "aal bitoGcc oiv,oi ^ngatrov oloiisvoi Xccvd'dvsiv. Bei Maximus findet sich
dieselbe Darstellung noch einmal 38, 3: ^cpccoyis rriv ipvxf]v ccvta yiccrccXiTtovoccv
tb öcöiia, uvantäGav evQ'v tov ald-egog^ 7tSQL7toXf]6aL tr]v yfjv xr]v 'EXXddcc xal
xriv ßägßccQOv xccl vi]Oovg ndoag ytccl Ttota^iovg -nccl Öqti, ysvioQ'cc.i dh tfjg nsQL-
TtoXt^oscog avtji xigiia. x^v 'TnsQßoQSOiv yfiv i-noTttsvacci &s Ttccvta ^^fjg v6\iaia y,ai
ijd'71 noXitL-aa %al cpvasig ^agicov Kai dc^gcov ^staßoXäg Kai &va%vGEig %'aXdttrig
•KOI Tcoxafimv ixßoXdg, ysvioQ'ai Ss avxy yial xi]v xov ovqavov d-sav noXv xijg
vegd'ev aacpsGxsQav.
Himmelfahi-ten. 103
leitung zum Pannenides aufgezählten Visionen^), wie die Katharmen
des Epimenides, oder die Himmelfahrt des Syrakusaners Empedotimos,
den Flug des Musaios durch die Luft (Pausan. I 22,7)^ endlich an des
Parmenides Himmelfahrt selber denken, und wenn dergleichen Erfin-
dungen einer ekstatischen Poesie ihr Dasein verdankten^), so leuchtet
von vornherein ein, daß die kynische Schriftstellerei sich dieses
mystischen Elementes geradezu parodistisch bedienen mußte, nicht
anders als bei den Unterweltsvisionen. Wir sehen auch, daß schon
in kynischen Apophthegmata der Keim zu einer solchen Himmels-
reise gelegt ist; wenn Diogenes die meteorologischen Studien ver-
höhnte mit dem Witzwort: :toötalog nccQSL cc:tb xov ovqccvov-^ (s. oben
S. 88) oder nach Tertullians Fassung (ad nat. H 2), die allerdings erst
eine Weiterbildung ist, consultus quid in caelis agatur, antwortete:
'nunquam ascendi*, so lag die Darstellung einer Himmelfahrt zu dem
von dem Lucianischen Menipp bezeichneten Zweck nicht mehr fern.^)
Es ist aber wahrscheinlich, daß dieses Witzwort des Kynikers der
Komödie entlehnt war, wie Kock (Rhein. Mus. XLIH [1888] S. 53 f.)
vermutet hat; darauf führt die Ähnlichkeit mit dem vom Scholiasten
zu Euripides Hec. 32 angezogenen Worten : Ttoötalog d' ä:i ovquvov
;r«()ft; TQLZulog.*)
An die Komödie hat sich überhaupt die kynische Burleske ohne
Zweifel angeschlossen. Für die Art, wie die Himmelfahrt ausgeführt
wurde, lag ein Vorbild in des Aristophanes lustigem Motiv aus dem
'Frieden' vor*^); der Reise des Trygaios auf dem Mistkäfer ist die Me-
nipps mit einem Adler- und einem Geierflügel völlig ebenbürtig.
Lucian erinnert an dieses Vorbild, wenn er den Freund Menipps bei
1) Diels, Parmenides' Lehrgedicht, Berlin 1897, S. 14 ff.
2; Vgl. Diels a. a. 0. S. 21.
3) Ähnlich sind Fiktionen, wie die Lucians in der Diatribe negl ^vatdip 8:
(f^hQt dir rjdri xovx(ov icrpi^ivoi tcbv Xdytov ig ccinbv iiviXd^omhv xov oi^gavhv Ttoirirtx&s
Civanxä[ihvoi xuxu xi]v avxi]v '0/t»jpöj xal 'Uatodco oöuv xa) ^taoi'o^ied^a , üJiiog txct-
axov diaxtxoafirixai xcbv ävio oder Ciceros d(^ nat. deor. I 8, 18: tamquani modo
ex df.'onim concilio et ex Kpicuri intermundiis descendisset, dann in Pseiido-
justins Cohortatio 6: Illdxav . . . üg &v(oQ^tv xccxtXriXv^otg xccl xu iv ovQavotg
unuvru (txQtli(bg itoQaxoag xov ivioxccxca d-fitv iv xfj TivgötSn oioicc bIvcci Xiyn; bei
HenniaH int diene Fonn in die Tatsache umgesetzt 17 (Diels, Doxogr. Gr. S. 6ö6):
hlg TOP ui^tQu uvTov aifxbg äviQx^l^^'' ^^^ '-rpffv ä^x^^iat, sodann ndXiP
i^ ovifuvov xuxafiaivoi.
i) Daher stammt wohl, durch Vermittlung, das Lucianisohe (22): iicc xAv
f'ttxtQtov ntxöiitvog XQixalog inXriaUtccc rw ovQoivm; doch vgl. unten S. 106.
:*) Siehe F. Schulze, Quac ratio intcrcedat inter Luc. et comicos Oraeoor.
poet, Berlin 18«3, S. 29 Norden, Jahrb. f. klass. Phil. Suppl. XVIU 8. 270.
104 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
dessen ersten Bemerkungen an einen Aufstieg mit Hilfe einer Leiter
denken läßt (2), sowie Trygaios zunächst mit einer feinen Leiter zum
Ziel zu gelangen hofft (V. 69 f.). Parodisch verwertet hat die Komödie
die Fahrt durch die Luft sicherlich auch bei der Behandlung der
Bellerophonsage, wie in des Eubulos ' Beller ophontes' (Kock II S. 171);
aber ob sie hier als Muster in Betracht kam, läßt sich nicht sagen.
Die Anregung von Aristophanes dagegen wirkt auch sonst fort, wie
wir schon oben bei der Episode mit Selene bemerkten. Die Beobach-
tung der Menschen aus der Vogelperspektive findet sich schon bei
ihm angedeutet, selbst auf den Charakter ausgedehnt, wenn Trygaios
nach seiner Rückkehr sagt (V. 821 f.): * Winzig wart ihr von oben
anzusehen, vom Himmel aus betrachtet schient ihr mir niederträchtig,
jedoch von hier bei weitem niederträchtiger noch'; und wenn Zeus
den Hunger aUen Göttern drohen sieht, faUs das Treiben der Epikureer
um sich greift (32), so ist das nach Aristophanes' * Vögeln' (V. 1514 ff.)
erfunden. Aber auch Aristophanes, so weit wir sehen, bot zwar die
Reise gen Himmel, aber nicht das Motiv der Flügel. Es wäre nicht
undenkbar, daß für die Annahme der Flügel zur Luftfahrt ein Märchen-
motiv maßgebend gewesen ist; bei Aristophanes, der ja auch sonst
Märchenhaftes^) benutzt, ist die Rede von dem Zauberkraut, das
Schwingen wachsen läßt, und die Flügel Verteilung, die Pisthetärus
vornimmt, um die Herbeiströmenden zu Bürgern des neuen Vogel-
staates zu macheu ^), weist in dieselbe Richtung märchenhafter Vorgänge.
Es scheint mir aber nicht unmöglich, daß Lucian Motive, die er
vorfand, in derselben Weise wie bei der ^Nekyomantie' verwandt hat,
nämlich zur Verspottung der Mithrasreligion, die ihm als Orientalen
gewiß vertraut war. Die Himmelsreise der Seele, auch in der Ekstase
und nicht erst nach ihrer Loslösung von dem irdischen Leibe, fand
sich ja in den Mithrasmysterien ^), und die von Dieterich interpretierte
Liturgie zeigt, wie der Myste in seligem Schauen durch mehrfache
Gebete zu seinem Herren vordringt. Aber mehr als diese allgemeine
Tatsache bedeutet es, wenn der höchste Grad der Mysten des Mithras
den Namen der ahtoC trägt, ein anderer den der isQaxsgj wenn ein
niederer Grad als xÖQaKsg bezeichnet wird.*) Daß es sich nicht nur
um Namen handelt, sondern um wirkliche beim Gottesdienst in Ver-
1) Vgl. Zielinski, Die Märchenkomödie in Athen, St. Petersburg 1885.
2) Aristoph. Vögel 654 f., 1325 tf.
3) Bousset, Die Himmelsreise der Seele, Archiv f. Religionswiss. IV 166 ff.
Dieterich, Mithrasliturgie, Leipzig 1903.
4) Ob Lucians Ausdruck (2): sl' ys ngog rotg alloig iXsXriQ'u? ijii&g Uga^ Tt?
^ yioXotbg i^ ccvd'QWTtov ysvoiisvog damit zu tun hat?
Mysterienverspottung. 105
kleidung vorgeführte Vorstellungen^), beweist die von Dieterich (S. 69)
herangezogene Stelle aus der Schrift, die Augustins Namen trägt,
Quaest. vet. et novi testamenti (Migne, Patr. Lat. XXXIV p. 2214 II 5f.):
alii autem sicut aves alas percutiunt vocem coracis imitautes. Das
Schauen der Seligen ist ziemlich deutlich persifliert in den Worten
des Empedokles in der Mondszene (14): 'Der Adler allein kann der
Sonne entgegenschauen und in die Strahlen blicken.' Man höre nur
das Feierliche (15): xccjceidij xdxLöta i:tt£Qv^ccnrjVj avtCxa }ie gjö^ zs
7t((Uj:oXv :r£QL8Xa^il'€ xal rcc rsag Xavd'dvovva Tcdvra diEcpaCvero.^)
Der Spott ist ja klar, wenn nun statt eines einheitlichen Flügelpaares
dem Menipp ein verschiedenartiges zuerteilt wird, von dem nur ein
Flügel ihn in die höchsten Regionen emporträgt, wie er bei der Rück-
kehr nur an einem Ohr gehalten wird. Warum der Geierflügel neben
dem AdlerflügeP) genommen ist, entzieht sich noch unserer Kenntnis;
man begreift jedoch ohne weiteres, daß neben dem König der Vögel
der Geier eine klägliche Gestalt ist wie in dem Traum bei Alkiphron
111 59 (Parasitenbrief 23)."*) Und ist es Zufall, daß Lucian, wo er die
1) Porphyr, de abstin. IV 16 (S. 264 N,). Cumont a. a. 0. [s. S. 22 Anm. 4J
II S. 42. I S. 315. Dieterich a. a. 0. S. 2, 7: oncag iya fiovog alr]xbs o'ÖQavbv §ciivo)
%al %cctonxhv(a nävtcc (dazu Dieterichs Bemerkung S. 54, 151, 184).
2) Vgl. die Mithrasliturgie bei Dieterich 10, lU f. 14, 12 oder Apul. met.
XI 23: nocte media vidi solem candido coruscantem lumine; vgl. Ev. Luc. 2, 9. Act.
apost. 9, 3. 22, 6. Poimandres I ',328, 13 Reitzenstein). Anrieh (s. S. 22 A. 4) S. 33 Anm. 2.
Mysterienverspottung kann auch in dem xQixalog (22) liegen; drei Tage braucht
Menipp, um zum Himmel zu gelangen; vielleicht bezog sich das auf dreitägige Dauer
irgendwelcher Vorbereitungen oder dergl. (vgl. Apul. met. XI 24. Diels, Sibylliu.
Blätter S. 40. Dieterich, Mithrasliturgie 18, 15). Gleiche Parodie begegnet uns
in der 'Nekyomantie' und der 'Niederfahrt'. Charakteristisch ist auch, wie Zeus
in der 'Götterversammlung* (11) daraufhinweist, daß die fremden orientalischen
Götter keiner begreifen kann, der nicht eingeweiht ist. Wenn Menipp Icarom. 18
dem I^mpedokles aus Dankbarkeit iv xaig ror/irjrta<g ngb^ xi}v öiXi'jvriv xfflg
i'/xuviov TiQOGtvxea^ai will, so ist das ebenfalls eine derartige Parodie. Lucian
berührt sich da mit den Stoffen des Mimus, der die Verhöhnung der Mysterien
nicht scheute (s. Reich, Der Mimus I S. 81 ff.).
8) Für die Zusammcnfügung von Adler- und Geierflügel ist es lehrreich zu
vergleichen, was Carlyle in seiner großartigen Darstellung der französischen
Revolution (Bd. I Buch III Kap. 8 .\nfg.j von Mirabeau sagt: 'Kr wittert und er
Hpäht aus »einer Feme hier eine reichere Beute; wie ein Adler, oder sagen wir
lieber ein Geier, oder besser noch eine Kreuzung dieser beiden, putzt it seine
.Srhwingen zum Fluge in die Heimat' Sperber- tind Ibisflügel trügt der .Magier
bei R«'it/rnst<>in, Poiniandrei, Leipz. 1904, S. 16H
4; Ale. parasit. 28, 4 (ed. Schepers S. H7j: tixu ^tUoiru i ((*/»• täi» :rrlo>i'.
u\s u'i *ilQui itptax&ötf xtQttvva fiXri^ipxa ntotlv xal xit b{>fn>f oix^r« »iVai töv
Anntr^ xal ^iyttp ittx6v^ f^a dl :rtxvov 6d<üS6x€<.
106 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
Selbstverbrennung des Peregrinus verspottet (de morte Peregr. 39)^
ihn in Gestalt eines Geiers gen Himmel fliegen läßt? Hat er dort
dieselbe Verzerrung des Mystischen beliebt, indem er den Geier an
Stelle des für diesen Fall üblichen Adlers setzt ^), so ist auch klar,
wie der Satiriker hier zu der Vereinigung der beiden Flügel kam;
den Adlerflügel brauchte er, um Menipp zum Olymp zu erheben, er
machte ihn aber lächerlich, indem er den Flügel des Aasvogels da-
nebenstellte. Bei dieser Beziehung des ganzen Motivs aufs Mystische
leuchtet auch ein, daß die Abnahme der Flügel durch Zeus wirkliche
Folgen hat; wer der Weihen des ccstög entkleidet ist, wem die geistig-
religiösen Schwingen genommen sind, der kann eben nicht mehr zu
Gott vordringen, dem ist der Flug in die Höhe und das Schauen
des Himmels versagt. Angeregt war auch dies Motiv der Flügelent-
ziehung für Lucian oder sein Original durch die Komödie, in der dem
Eros die Schwingen genommen werden. Aus Aristophons Tythago-
ristes' haben sich zufällig die Verse erhalten, die schildern, wie dem
Schelm auf Götterbeschluß die Flügel konfisziert werden, damit er
nicht wieder zum Himmel emporfliegen könne.^) Und im Trieden'
wird ja dem Trygaios gleichfalls sein Pegasus genommen (V. 720 ff.),
so daß er ohne ihn heimkehren muß. So mag Lucian dazu gekommen
sein, gerade in dieser Weise die Luftreise zu gestalten, und es ist
möglich, daß er so bei gleichzeitiger Verwendung längst vor ihm
komisch benutzter Motive auch sein eigenes Ingenium hat walten las-
sen.^) Ausgeschlossen ist es natürlich nicht, daß schon Menipp in
1) Siehe Dieterich, Mitkrasliturgie S. 184. Weicker, Der Seelenvogel S. 22, 27.
Nach Artemidor I 8 (14, 17) wäre übrigens der Geier auch ein heiliger Vogel gewesen.
2) Kock II S. 280 fr. 11: slt' ov di-uccicog ^ot' ccvs^ri(pL6aevos V7tb tä)V d-scbv
T(bv dm&sx' stycotco? t' "Eqcos] irdgccrts y,a%slvovg yäg i^ßdXXav atdosis^ 6r' 7]v
ftfr' ccvtöbv cog ök Xiav rjv d'gaövg ytccl GoßccQogj ocTCO-noxpavtss ccvrov tu ntsgcc,
i'vcc firj 7citr\xcci Ttgbg tbv ovQavbv ticcXlv, Ssvq' ccvtbv icpvyddsvaccv eng rj^iag xarca.
3) Hense hat in der Festschrift für Th. Gomperz, Wien 1902, S. 191 ff. die
Verschiedenheit der Flügel als eine Kritik des echten, mit dem hedonischen Prinzip
gepaarten Kynismus Menipps erklärt; nach der Auffassung, die ich von Lucian als
Benutzer älteren Gutes gewonnen habe, halte ich diese geistvolle Art der Erfindung
bei ihm für ausgeschlossen, erst recht die Phantasien, in denen sich Knauer (s. S. 15)
S. 24 ff. ergeht (vgl. Reitzenstein, Hellenist. Wundererzählungen, Leipz. 1906, S. 21).
Daß also diese Art der Flugmittel bei Menipp nicht schon vorhanden war, läßt
sich daraus nicht folgern, so wenig sich das Umgekehrte erweisen läßt. Man darf
auch an solche phantastischen Motive nicht den Maßstab strenger Logik legen.
Es ist z. B. zwecklos, daß Zeus dem Menipp die Flügel abnehmen läßt, als ob
er nicht trotzdem jederzeit das Experiment wiederholen könnte. Das bemerkt
schon der Scholiast: (ed. Rabe S. 109, 18) xal rl tb y,(oXvov v,ocl av&ig ccvccXußovtcc
dsrov TCtiQvyccg "aal yvnäv avaTttfjvccL tavrcag xat TtdXiv;
Mysterienverspottung. Seneea apocol. 107
Anlehnung an Dädalus das Motiv des Fluges mit Vogelschwingen be-
nutzt hat, möglich auch, daß es sich hei ihm um eine Reise im Traum
handelte oder daß beides vereinigt war.^)
Aber vielleicht scheint es noch immer zweifelhaft, ob wirklich
Menipp einen solchen Aufstieg zum Olymp geschrieben hat und ob
nicht Lucian selber der Vater des Gedankens war. Da ist zunächst
die Ähnlichkeit zu beachten, die auch hier Senecas Satire auf den
toten Kaiser Claudius bietet; sind es auch nur kleine Züge, so haben
sie doch einigen Wert, nachdem wir schon früher gesehen haben, daß
der A^erfasser der Apokolokyntosis Menipps Werke benutzt hat; auch
die schwachen Beweisgründe stützen sich gegenseitig. Claudius' Seele
steigt auf einfache Weise zum Himmel empor, da er tot ist, und
boshaft läßt Seneea ihr nicht den Merkur entgegenkommen, sondern
den Herkules, der glaubt, diesem Scheusal gegenüber seine dreizehnte
Tat ausführen zu müssen; doch ist auch hier ein nicht genannter
Pförtner gedacht, offenbar doch der Hermes des Lucian, der ja schon
aus Aristophanes' 'Frieden' stammt, wo er ebenso des Amtes als
Schließer im Haus der Götter waltet (V. 180 ff.). Im 'Ikaromenipp'
(22) heißt es: vTtccxovöag ds 6 ^EQfifjg xal rovvo^a ^x:tvd'6(xsvog icTcr^Ei
y,axu 07tovöi]v (pQccöcov ta z/i^, bei Seneea (5) einfach: 'nuntiatur lovi
venisse quendam.' Lucian läßt dann Zeus selbst den homerischen Vers:
rCg Tcödsv elg ävÖQaVy no^i xoi ütoXig riöl toTcfisg] dem Menipp ent-
gegenrufen (28): auch in der Apokolokyntosis bedient sich Herkules
desselben Homerzitates (5), während bei Aristophanes (180) Hermes
fragt: no^sv ßgotov fis TtQoöeßaXs^)] Zeus spricht die Worte, mit
1) An Dädalos erinnerC Lncian in der Einleitung (2); daß das Ganze eine
Vision im Traum gewesen sein könnte, wird nahe gelegt durch die Bemerkung
des Freundes (1): iiccxqöv xiva xbv övsiqov X^ysig. Im Traum traf Epimenides
mit den Göttern zusammen, als er in der Idäischeu Grotte schlief (Maximus
Tyrius 1«, 1 Maaß, Aratea 844 f. Diel«, Parmeuides 14). Über das Traummotiv
bei Dichtem vgl. Dilthey, De Callimachi Cydippa, Lips. 1863, S. 15. Vahlen,
Ennianue poesis reliquiae', Lips. 1908 S. CXLVII. Auch das Somnium Scipionis
int heranzuziehen, auf das Fritzsche zu Ikarom. 18 hinweist wegen VI 16: iam
ipsa terra ita mihi parva visa est, ut me imperii nostri, quo quasi punctum i'ius
n . paeniteret. Ist da etwa Cicero außer von Posidonius durch Varrod
\ fii^ von Menipp beeinflußt?
"Z) Gerade diese Abweichung in der Fssiong der Frage läßt die überein-
ftimmung bei den beiden andern um so schwerwiegender erscheinen. Mau
möchte vermuten, daß auch bei Menipp schon wie bei Seneea Herkules Ver-
wendung gefunden hatte, Lucian aber diese Person überging. So erklärt sich
um leichieHten der eigentümliche ZuHammenhang swischen AriMtophanes und
Seneea, wenn bei jenem der erschreckte Hermes beim Anblick des Beiters auf
108 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
denen er den Eindringling begrüßt, furchtbar und titanenhaft, so
daß dieser beinahe vor Angst gestorben wäre; auch Herkules erhebt
sich, wie es heißt, zu tragischem Pathos, um schrecklicher zu er-
scheinen, nur daß der Satiriker seiner Tendenz entsprechend ihn trotz-
dem das Scheusal, das vor ihm steht, selber fürchten läßt.^) Der
Besuch bei den Göttern nimmt in beiden Satireu ein Ende, indem
Hermes nicht ganz sanft den Fremdling zur Erde hinabexpediert-, bei
Seneca (11): Cyllenius illum coUo obtorto trahit ad inferos a caelo
entsprechend der Schlechtigkeit des Claudius, bei Lucian geht man
etwas milder mit dem Menipp um (34): i^h öe 6 KvXXrjviog^ xov
ÖE^LOV C3tbg ccTCOKQe^döag .... xated-rjxs (peQov ig xov KsQa^SLXov.^)
Darf man vielleicht schon aus diesen kleinen Übereinstimmungen
auf ein gemeinsames Vorbild für Lucian und Seneca schließen, so
kommt noch als Stütze Varro hinzu, der in seinen Menippischen Sa-
tiren mehrfach die Luftreise geschildert zu haben scheint. Ein Bei-
spiel bietet der Marcipor, in dem die dort Erzählenden einen jähen
Absturz bei plötzlichem Sturm erlebt haben: 'at nos caduci naufragi
ut ciconiae, quarum bipennis fulminis plumas vapor perussit, alte
maesti in terram cecidimus.' ^) Hier könnte indessen fraglich erscheinen,
ob es sich um eine wirklich ausgeführte komische Luftreise handelt
oder etwa nur ein Versuch vorliegt; der Fall erinnert an die vergeb-
lichen Versuche des Trygaios in Aristophanes' Trieden' (V. 69 ff.).*)
Sicherer gehen wir bei Varros Endymiones, die ja schon durch den
Titel zeigen, daß sie etwas mit dem Monde zu tun haben; hier haben
wir dieselbe Beobachtung des menschlichen Treibens aus der Höhe,
die wir im ^Ikaromenipp' fanden^): ^animum mitto speculatum tota
dem Mistkäfer ausruft: wvcc| '^HQccKXsig, xovtl xi iati xb yiamv;, bei Seneca aber
dem Heros die Rolle ausführlich zuerteilt wird, dem Scheusal Claudius entgegen-
zutreten.
1) Icarom. 23: ^dXa cpoßsQöbs ^Qi^iv xs -aul xixav&dEg dg ifth ccTtiämv gjTjöt,
Sen. 7 : et quo terribilior esset, tragicus fit haec satis animose et fortiter.
2) Die Übereinstimmung in dem KvXXi]VLog wird nicht mehr so geringfügig
erscheinen, wenn man hört, daß diese Bezeichnung bei Lucian, obwohl Hermes so
oft vorkommt, m. W. nur zweimal in den Dialogen wiederkehrt, Char. 1 und
wo eine Heimatsangabe direkt erforderlich war, 'Göttergespr.' 22, 1.
3) Buecheler fr. 272. Marcipor IV; vgl. Hense a. a. 0. (s. S. 106 Anm. 3) S. 187,
Norden, Jahrb. f klass. Phil. Suppl. XVHI S. 269.
4) "Knsixa XsTtxä xXi/x-axta noiov^iBvog TtQog xavx' a.vhQQL%äx' av ig xov
ovgavov, tag ^vvsxgißr} xfjg ■KBcpaXfjg -nccxccQQVsig.
5) Endym. fr. Y (105). Die Parallele hebt Hirzel, Der Dialog I S. 450 hervor.
Hense a. a 0. S. 189 Anm, findet sie wenig einleuchtend und zwar nach seiner
Bemerkung besonders wegen der Yerschiedenartigkeit des Schlusses. Daß aber
Yarro. Himmelfahrt bei Menipp. 109
urbe^ ut quid facerent homines, cum experrecti siut, me faceret cer-
tiorem' ; und an den Schluß der Lucianischen Satire, bei der ja Menipp
auch ungeheuer schnell zur Erde herabexpediert wird, während ilin
Hermes am Ohr hält, erinnert der Satz, der offenbar ebenso den Aus-
gang der Erzählung bei Varro bildete (fr. VIII [108]): 'sie ad vos
citius opinione vertilabundus miser decidi'; wenngleich da eine andere
Art des Herabkommens gewählt zu sein scheint, so genügt es, daß
die Situation an und für sich, der Aufenthalt in der Höhe der gleiche
war. Ob Merkur, den auch Varro (fr. I [101]) erwähnt, eine ähnliche
Rolle spielte wie Hermes bei Lucian, ist gleichgültig; und wenn er's
tat, so konnte sich das Fragment ebenso auf die erste Begegnung
mit dem Himmelspfortner wie auf die Rückkehr zur Erde beziehen.
Aber der sicherste Zeuge für die Entlehnung auch des Motivs der
Himmelfahrt scheint mir Lucian selber, wenn wir die früher l)espro-
chenen historischen Entlehnungen vom richtigen Gesichtspunkte aus
erwägen. Wir sahen, daß sie zum Teil derart waren, daß sie nicht
Lucians Erfindung entstammen können. Prüft man sie aber darauf-
hin, so wird klar, daß sie nur in derjenigen Situation im Original
vorkommen konnten, in der sie uns jetzt der Nachahmer zeigt. Die
auffällige Frage nach dem Olympieion, nach den Diasien und den
Nachkommen des Phidias (24) setzt ein Gespräch mit dem olympischen
Zeus voraus, in dessen Nähe der Sprecher doch irgendwie gelangt
sein mußte, entweder, indem der Gott zu ihm herniederstieg, oder
indem er zum Himmel emporflog. Die Entscheidung zwischen den
beiden Möglichkeiten bietet die andere Stelle (12 und 15). Der Über-
blick über die historischen Ereignisse, über die Verirrungen der Men-
schen, vor allem der Witz mit dem Koloß von Rhodos, der nicht
Lucians Geiste entsprungen sein kann, war nur bei Darstellung eines
Aufenthalts in der Höhe möglich wie in Varros *Endymiones' mid in
der Schilderung des Maximus Tyrius 16, 2, ist also mit der Fiktion
der Luftreise so eng verbunden, daß er ohne dieselbe unmöglich wäre,
ßeides zusammen gibt uns, soviel ich sehe, eine unumstößliche Ge-
wißheit; und wenn man das Menippische Oritjinal berücksichtigt, so
in dicHer Satire der in der Höhe Weilende ebenfalb als initryioTtog auftritt, läßt
»ich nicht leu^icn; wie er zur Erde berabkouimt, können wir aus dem Verti-
labundus* auch nicht »eher entnehmen; die LucianiHche Situation ist nicht
einmal aosfi^schlofisen dabei. Aber man mufi jedem Nachahmer Menipps, und
vor allem Varro, auch selbständige Änderungen sutrauen. Nur auf das Haupt-
motiv des Aufenthalt« in der Hohc kommt ee an, and das gibt auch Hense
8, 11>0 alM Ulis M»'iii|)j, entlehnt /.ii
110 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
ist auch klar, warum in der Rede des Zeus (29 f.) über die Philosophen
die Kyniker felilen, während Stoiker, Akademiker, Epikureer, Peripa-
tetiker aufgeführt werden.^)
Es kann nach diesen äußeren und inneren Zeugnissen keinem
Zweifel unterliegen, daß Lucian auch im 'Ikaromenipp' sich an sein
Vorbild ziemlich eng angeschlossen hat, und der ohne eigentliche Be-
gründung vorgebrachte Widerspruch^) gegen die Annahme, daß schon
bei Menipp eine Hades- und Himmelfahrt miteinander korrespondiert
hätten, muß gegenüber diesen Argumenten nach meiner Ansicht ver-
stummen; denn man sieht, daß nicht allein die allenfalls leicht zu
findenden chronologischen Angaben aus der Diadochenzeit, sondern
gerade die versteckteren Beziehungen, die Lucian sicher nicht erfunden
hat und keinen Grund zu erfinden hatte, als feste Stütze für die Yer-
mutunff dienen. Worin die Umarbeitunsf bestand neben einzelnen
Einfügungen und der sprachlichen Umänderung, wird sich uns ebenso
wie bei der 'Nekyomantie' mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit später
ergeben. Daß auch der Name der Satire — und zwar ungeschickt —
geändert ist, möchte ich daraus entnehmen, daß er bei dem Verlaufe
derselben nicht paßt. Nicht dem Ikarus müßte sich, genau genommen,
der Emporfliegende vergleichen, sondern dem Dädalus; man möchte
glauben, daß die jetzt von dem Freunde nachträglich ausgesprochene
Befürchtung (3), es hätte dem Menipp wie Ikarus gehen können, sich
schon im Original fand und dadurch den Anlaß gab zu dem von
Lucian gewählten Titel. Daß dieser im Grunde, ob nun durch Me-
nipps Vermittlung oder ohne diese, auf die Komödie zurückgeht, ist
klar. Aristophanes' 'Aiolosikon' ist eine passende Parallele für diese
Bildung von Doppelnamen, bei denen der erste die mythische Per-
sönlichkeit, die zum Vergleich herangezogen ist, der zweite die infolge
ihrer Schäbigkeit oft in grellem Kontrast dazu stehende der fingierten
Wirklichkeit bezeichnet (Kock I S. 392). Der mythische König Aeolus
und der Koch Sikon! Eubulos schrieb eine Komödie UcpiyyoxaQicov,
in welcher der Sklave Karion sich wie eine Sphinx benahm (Kock
II S. 201). Orestautokleides war der Titel eines Stückes des Timokles,
in dem Autokleides wegen seiner Zuneigung zu Knaben von den
Dirnen verfolgt wurde wie Orest von den Furien (Kock II S. 462).
1) Einen Augenblick scheint es so (30/31), als seien in die Schilderung
des unmoralischen Lebenswandels auch die Kyniker mit eingeschlossen, wenn
es nicht 32 weiterginge: ol dh öi] 'ETtL-novQSLOL ccvt&v iByd^iBvoi.
2) Vgl.Hirzel, Der Dialog H S. 318. Bruns, Rhein. Mus. XLIE (1888) S. 192.
Hense, Festschrift für Gomperz S. 191.
Titel. Beziehungen auf Lucians Zeit. Hl
Etwas anders^ obwohl dasselbe Bestreben des komischen Gegensatzes
vorhanden ist, liegt die Sache bei den Titeln^), die zwei mythologische
Namen zusammenfügen, wie bei des Kratinos 'Dionysalexandros', bei
dem uns die jüngst aufgefundene Hypothesis deutlich zeigt, daß es
sich um den Trojaner Paris handelt, dessen Rolle in diesem Falle
Dionysos spielt.^)
Der Beziehungen auf die Gegenwart sind im 'Ikaromenipp' wenig.
Die Darstellung des Treibens der Philosophen soll natürlich Lucians
Zeit selber treffen. Sonst finde ich nur an zwei oder drei Stellen,
daß der Verfasser seine eigenen Verhältnisse berücksichtigt. Sie gehen
alle Olympia an. Unter den Wünschen, die Zeus entgegennimmt, be-
findet sich das Gebet um einen Sieg bei den olympischen Spielen (25);
in seiner Klage darüber, daß man ihn jetzt vernachlässige, bemerkt
er, daß man genug getan zu haben glaube, wenn man ihm alle fünf
Jahre in Olympia opfere (24); und in seiner Rede am Schluß lehnt
Zeus eine sofortige Bestrafung der Frevler ab, weil Festzeit ist und
Einstellung aller Feindseligkeiten verkündet ist. Wir wissen, daß
Lucian mehrfach zur Zeit der Spiele in Olympia gewesen ist. In der
Schmähschrift gegen Timarch (Pseudolog. 5) wird dessen schwindelhaftes
Gebahreu in Olympia geschildert, wie es nur ein Augenzeuge tun kann.
Dem Tod des Peregrinus an der heiligen Festesstätte hat Lucian
selber beigewohnt; und in dem Bericht darüber (35) erwähnt er die
Großartigkeit der Spiele, die er beurteilen könne, da er sie viermal
mitangesehen habe. Daß er, der Sophist, nicht nur, um seine Schau-
lust zu befriedigen, die Festversammlung aufsuchte, ist selbstverständ-
lich. Die Zeit der olympischen Spiele, zu denen man aus ganz
Griechenland herbeiströmte, war ja zugleich die beste Gelegenheit für
Künstler und Literaten aller Art, ihre Werke einer größeren Menge
zu präsentieren.') Es bedarf keines Beweises dafür, daß auch Lucian
hier Vorträge gehalten hat. Wir werden uns nur in seinen Schriften
nach Indizien umzutun haben, die auf eine Rezitation in Olympia
schließen lassen. Mir scheint, der *Ikaromenipp* bietet sie. In Athen
1) Vgl Grauert in Niebuhn Rhein. Mub. U 1828 S. 60 if , der die beiden Arten
von Tit«ln nicht genau scheidet; für die erste ist ein tretfliches Beispiel aus
einer Komödie selber das von ihm aiiK AristophnncH' 'Frönchen* 499 angeftthrte
2) Oxyrhynchus Pap. 668 Bd. IV S.69; vgl.Crüi«et, Uevue des dtudei Gieoquet
XVII (lö04i S. 207.
8) Siehe SchOmann, Griech. Altertümer* 11 8. 61». Lncian xeigt das in jener
Stelle gegen Timarch.
112 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
ist er offenbar nicht vorgelesen, trotzdem der Menipp darin von Athen
ausgeht und dorthin zurückkehrt^); die Bemerkung über das Olym-
pieion (24), in der die spätere Vollendung nicht im geringsten an-
gedeutet ist, verrät eine höchstens oberflächliche Kenntnis der Stadt.
Athen scheint ihm überhaupt zu arm gewesen zu sein^), um sich
dort aufzuhalten; seine Kunst ging nach Golde. Seine TtQokaXiaC
zeigen ihn in Macedonien (Herodot. 7 Scjth. 8), lonien und Korinth
werden genannt (de bist, conscrib. 14, 17), aber Athen nennt selbst die
Rhetorik nicht, wo sie seine Wanderungen über Hellas und Italien
bis nach Gallien aufzählt (bis acc. 27); und wenn er sich, wie man
annimmt^), jemals in Athen niedergelassen hat, so ist das erst un-
gefähr zur Zeit des Todes des Peregrinus etwa um die Mitte der
sechziger Jahre geschehen.^) Hält man dagegen Olympia für den Ort,
an dem Lucian den ^Ikaromenipp' vortrug, so empfindet man den
Scherz der Anspielung, daß jemand den Sieg in Olympia sich wünscht,
daß der Göttervater von dem Opfer 'm Olympia spricht, mit dem man
glaube, sich seiner Schuld ihm gegenüber entledigt zu haben, so ver-
breitet sich vielleicht auch etwas Licht über die rätselhaften Worte
am Schluß der Rede des Zeus; als ihm alle Götter zurufen, er solle
die Philosophen vernichten, mit dem Blitz erschlagen, sagt er: ^Jawohl,
es soll geschehen, wie ihr wünscht. Nur geht's jetzt nicht an. Es
ist Festzeit diese vier Monate, und der Gottesfriede ist schon ver-
kündet. Aber im nächsten Jahr, sowie der Frühling anfängt, sollen
sie durch einen schrecklichen Donnerschlag zu gründe gehen.' Fritzsche
hat, nicht mit Unrecht, geglaubt, hieraus eine Zeitbestimmung ent-
nehmen zu können; nur hat er vöUig fehlgegriffen, wenn er dabei
aufs Jahr 180 kam; denn damals konnte Lucian einen solchen Dialog
überhaupt nicht mehr schreiben. Fritzsche deutet nach dem Vorgang
von Gesner die Worte auf den Tod Mark Aureis, der bisher die Phi-
losophen beschützt habe, während sie nun dem Verderben preisgegeben
seien ^): zu Lebzeiten des Philosophenkaisers hätte die Androhung des
1) Was an athenischer Lokalfarbe sich findet, wie die Entfernung von
Megara nach Athen (6), die Flugübungen von Athen aus (11) und die Bückkehr
zum Kerameikos (34), kann schon aus Menipp entlehnt sein, von dessen Aufent-
halt in Athen Lucian wohl eine dunkle Kenntnis hatte nach Totengespr. 1.
2) Siehe S. 99 Anm. 1. Fugitiv. 24.
3) Der ^Eunuch' scheint seinen Aufenthalt in Athen nach 176 voraus-
zusetzen, das ^Schiff' schon etwa 165.
4) Vgl. Croiset^ Essai sur la vie et les ceuvres de Lucien, Paris 1882, S. 20 ff.
5) Dagegen spricht Bruns, Rhein. Mus. XLHI (1888) S. 190 f.
Beziehungen auf Olympia. 113
Unterganges aller philosophischen Sekten überhaupt nicht vorgebracht
werden können. Das Argument, das dann W. Schmid weiter aus-
gebeutet hat, um alle gegen die Philosophen gerichteten Satiren nach
180 zu setzen^), hat aber bei des Kaisers Charakter und der Harm-
losigkeit dieses Scherzes gar keine Beweiskraft. Die Dauer des
Götterfriedens erklärt Fritzsche durch die Landestrauer, das iustitium,
das dem Tode des Kaisers folgte; vielleicht, meint er, schloß Com-
modus unmittelbar darauf Frieden mit den Markomannen, so daß sich
die supplicatio an die Landestrauer anschloß. Mag auch isgo^iivia
da angebracht sein-), iytexeiQia scheint nicht am Platze zu sein;
und es ist seltsam gedacht, daß Zeus die beiden in keinem Zusammen-
hang stehenden Ereignisse gleich zusammengefaßt haben sollte: Uqo-
^r^vLU yccQ sötlv, ag i'öie^ ur]vcöv tovtcov rszrciQcov. Noch weniger
kann man, wie Du Soul wollte, an die Saturnalien denken. Das Nächst-
liegende ist doch wohl, die Worte auf die olympischen Spiele zu be-
ziehen.^) über die Dauer der Ekecheirie wissen wir allerdings nichts
Bestimmtes; diejenige für die Eleusinien betrug schon zwei Monate*),
hier mußte sie ohne Zweifel noch länger sein, da es sich nicht nur
um die Reise hin und zurück handelte, sondern die Rosse auch nach
ihrer Ankunft nicht unmittelbar zum Rennen verwandt werden konnten;
so hat eine ixsx^t'Qicc von rund vier Monaten für Olympia vielleicht
nichts Auffälliges, wobei es immerhin möglich ist, daß sie in Wahr-
heit etwas kürzer war.^) Fanden die Spiele nun etwa im August
oder gar Anfang September*^) statt, so ist es begreiflich, daß Zeus
meint, für ein Gewitter werde es zu spät im Jahre, und daß er die
Exekution auf die Zeit verschiebt, in der ihm die ersten Frühlings-
1) Phil. L (1891) S. 305. Vgl. Neue Jahrb. f d. klass. Altert. IX (1902) S. 277.
2) D. Magie, De Romanor. vocabulis soUemnibus iu Graecum couversis,
Lipu. 1U06, S. 163.
3) Siehe Pseudolog. 8: iv rotavr^ ^ogrfj xal le^ofirjvta ebenfalls vou deu
Olympien.
4) Siehe Stengel, Griech KultuBaltertümer', Manchen 1898, S. 163. Ditten-
berger, Sylloge, Lips. 1900, II« 646, 60. 80.
6) Die 4 gehört ja zu den Hundzahlen, wie Hirzel, Sitz.- Berichte der S&chs.
Ge«ell8ch. d. WiHtjenach. 18Hß, S. 62 i\. gezeigt hat; so könnte Zeus sich allenfail«
auch so auHdrfickeu, wenn die ixtxHffiu nur etwa drei Monate wilhrte, wio daH
jetzt Weniger, Klio V (lÜOö), S. 209 flf. vermutet, weil auf den Inschriaen 3 Thoo-
koloi genannt werden und Pausanias V iTi. «l andeutet, djiß in jodoin .Afonut das
Amt wechselte.
6; Hiebe A. Mouimsen, Ober die Zeit der Olyajpieu, Leipzig isyi, S. 2ö. 61,
Ungcr, Zeitrechnung der Griechen und liöniOr in Iw. Müllort Handbuch I*,
Mönchen l«92, S. 778. Weniger, Klio V (I906i. S. 6 ff.
Htilm, Lttoian und Mublpp 8
114 Kapitel III. Der Ikaromenipp.
gewitter die günstige Gelegenheit geben werden.^) In Olympia ge-
sprochen, mußten diese Worte eine große komische Wirkung ausüben.
Wir würden damit zugleich eine gewisse Zeitbestimmung gewinnen.
Nach der ganzen Entwicklung Lucians, wie sie sich uns darstellt, kann
der Dialog nach 165, dem Todesjahr des Peregrinus ^) , nicht mehr
geschrieben sein; es würden uns also die Jahre 157 und 161 allein
zu Gebote stehen. Und als das Wahrscheinlichste ergibt sich, daß
der 'Ikaromenipp' in demselben Jahre wie die 'Nekyomantie' abgefaßt
ist.^) Wir werden sehen, wie die Folgerungen, die sich aus dem Dia-
log 'Über die Bilder' ergeben, dazu stimmen.
1) Natürlich darf man dem Witz nicht mit scharfer Sonde zu Leibe gehen
und sagen, selbst nach Ablauf der ixsxeiQia war noch Gewitterzeit. Daß die
Gewitter im Frühjahr und Herbst am häufigsten sind, liest man bei Arrian Stob,
ecl. phys. I S. 238, 5 Wachsmuth. Serv. in Georg. I 311 (vgl. Neumann-Partsch,
Physikal. Geographie von Griechenland, Breslau 1885, S. 72).
2) Das Jahr 165 gibt Hieronymus-Eusebius als Todesjahr des Peregrinus
an. Der Ansatz von Nissen auf 167 (Rhein. Mus. XLIII [1888] S. 254 f.) entbehrt
der Berechtigung; die Spiele, die Nero auf 67 verschoben hatte, sind nachträg-
lich annulliert worden, und es gibt kein Indizium dafür, daß mit 67 eine neue
Ära der Olympien begonnen habe. Die Stelle des Statins Silv. IV 4, 32 beweist
nichts dafür, daß 95 Spiele abgehalten seien, wie A. Mommsen, Die Zeit der Olym-
pien, Lpz. 1891, S. 97 if. gezeigt hat. Croiset (Memoires de l'academie de Montpellier
sect. des lettresYI [1880] S. 490 f.) nimmt einen Irrtum des Eusebius an und setzt
den Tod des Peregrinus ins Jahr 169. (Vgl. dagegen Bruns, Rhein. Mus. XLIII
[1888] S. 183 Anm.) Begründung dafür ist, daß Lucian 164 auf der Fahrt von
Asien nach Griechenland mit Peregrinus zusammengefahren sei (Peregr. 43) und
von dieser Reise in der Schrift über das Lebensende des Peregrinus als TcäXca
geschehen spreche. Das erste ist richtig; das zweite dagegen nicht. Lucian
sagt nur: ixsTvcc ^hv yccQ TtdlccL 0L6&a svd-vg äxov6ag ^lov, und das ist etwas
wesentlich anderes. Er hat es dem Freunde gleich 164 gesagt; wenn er dann
auch nur Herbst 165 die Schrift verfaßte, konnte er im Gegensatz zu den
andern dem Freunde neuen Tatsachen ohne Zweifel von der einen ihm be-
kannten sagen: iyistva tcccXccl olad'cc. Man könnte aber vielleicht auch in dem
TtdXai einen Hinweis darauf sehen, daß die Schrift nicht schon 165, sondern erst
später verfaßt ist. Ich verweise dafür auf das zu den dgaTchat Gesagte und
Neue Jahrb. f. d. klass Altert. IX (1902) S. 355 ff.
3) Vgl. Bolderman, Studia Lucianea, Diss. Lugd. Bat. 1893, S. 91 f.
Kapitel IV.
Die Widerlegung des Zeus.
Auch in die Göttersphäre führt wie in den Hades nicht nur ein
Dialog. Wir haben zunächst zwei, die in deutlicher Beziehung zu
dem eben besprochenen stehen, beide durch den Titel miteinander
verbunden, 'die Widerlegung des Zeus' und 'der tragische Zeus'. 'Die
Widerlegung des Zeus' ist gegen die Dogmen der Stoiker, aber auch
gegen die Lehren der Epikureer gerichtet.^) Wir finden Zeus im
Gespräch mit dem uns schon bekannten Kyniskos. Dieser will nicht
die törichten Wünsche der Menschen um Reichtum, Herrschaft und der-
gleichen vorbringen, sondern nur um Beantwortung einer Frage bittet
er: Gibt es wirklich gegenüber dem, was Heimarmene und Moiren
beschlossen haben, kein Entrinnen? Zeus sagt: Nein. Wie paßt dazu aber
das homerische v:i^q fiotgav? Der Göttervater gebraucht die Ausflucht,
daß die Dichter nicht in allem Glauben verdienen, sondern nur dann, wenn
die Musen ihnen die Gedanken eingeben. Auf die weitere Frage nach
dem Verhältnis der Moiren zu Heimarmene und Tyche weigert er sich
zu en^'idern, bekennt aber auf Verlangen, daß auch die Götter den
Moiren unterworfen sind. Kyniskos folgert daraus logisch, daß dann
(Jpfer und Gebete an die Götter zwecklos sind, da ja auch sie nichts
zu ändern vermögen. Aber, sagt Zeus, indem er sich die epikureische
Anschauung schleunigst zu eigen macht, man ehrt die Götter, weil
sie besser sind. Worin denn, fragt der dreiste Kyniskos, wenn sie
Sklaven der Moiren sind wie die Menschen? Und als er auf die
Ewigkeit und den Besitz aller Güter hingewiesen wird, der den Himm-
lischen zustehe, macht er seinerseits auf die Leiden des Hephaistos,
die Qual des Prometheus und Kronos, auf den Dienst des Poseidon
und Apollo bei Admet aufmerksam. Da Zeus Drohungen ausspricht.
1) L Brom, Khciii. .Mum. .\I.1V ^ih80) S. 874 ff. zeigt richtig, daß u weniger
gegen die OOiter alt gegen die Stoiker geht.
8*
116 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
SO wendet sich das Gespräch, und man kommt auf die Pronoia, die
nun plötzlich neben Moiren und Göttern auftaucht; aber der Gott
lehnt es ab, darüber zu reden, indem er es tadelt, daß die Fürsorge
der Götter geleugnet wird. Worin besteht diese, fragt unbeirrt Ky-
niskos, da ihr ja auch ntir Diener der Moiren seid, also nur ihr Werk-
zeug und deshalb auch der Verehrung unwürdig? Zeus begründet
die Berechtigung auf Verehrung seitens der Menschen mit den Orakeln.
Aber diese sind nach Behauptung seines Gegners überflüssig, da an
der Notwendigkeit nun einmal nichts zu ändern ist, dann aber auch
oft zweideutig und darum zwecklos. Zeus sieht nun ein, daß ihm
die Fürsorge für die Erde abgestritten, das Recht auf Opfer geleugnet
wird, und er droht mit dem Blitz, was den frechen Kyniskos nur
veranlaßt zu fragen, wie es denn kommt, daß so oft die schuldlosen
Eichen getroffen werden, während Übeltäter und Meineidige frei her-
umgehen. Und nun kommt die Frage der Vergeltung für gute und
böse Taten, bei der natürlich Zeus auf die Strafen in der Unterwelt
verweist. Kyniskos jagt endlich den Gott völlig in die Enge, indem
er zum Ausgang des Gesprächs zurückkehrt. Wenn alles vom Schick-
sal abhängt, so darf der Böse nicht gestraft und der Gute nicht be-
lohnt werden; denn die Schuld trägt nicht er, sondern die Heimarmene
und die Moira. Mit einer scherzhaften Bemerkung über das nicht
beneidenswerte Los der Moiren, das ein ungünstiges Schicksal über
sie verhängt zu haben scheine, schließt der Dialog.
Die kleine Schrift weicht von den bisher besprochenen ab, es
fehlt ihr der Rahmen; wir sehen Zeus und den Kyniskos im Gespräch,
ohne zu wissen, wie dasselbe möglich geworden ist, ohne zu erfahren,
ob Zeus sich zu dem Fragenden hinabbegeben oder dieser auf irgend
eine wunderbare Weise zu jenem emporgelangt ist. Man könnte daran
denken, daß Kyniskos sich ans Heiligtum des Zeus gewandt hat;
nahegelegt wird das vielleicht durch Maximus Tyrius und dessen
Fiktion (41, 2) : cpsQs ^l^tjöcc^evol tovg dscDQOvg SKsCvovgj tovg xol-
vovg^ tovg vtcsq xov ysvovg sjil tä ^avtsla ötaXivxagj EQcb^sd'a rhv
^Ca^ xCg rvbv dvd-Q(o:tiV(DV dya&cjv jtati]Q xal xo^rjyög^ tCv£g ocQXocCj
xCvBg Ttrjyai, :t6%-ev OQ^rjd^svta qsi. Aber eine solche Situation ist
nicht im entferntesten angedeutet, und daß der Gott, wenn auch in
seinem eigenen Tempel, sich zu dem Fragesteller hinabbemüht hat,
ist durch nichts klargemacht. So hat sich also Kyniskos zu Zeus
begeben. Daß das der Fall ist, geht aus den Worten des Gottes (16)
hervor: 6v dh TtokvnQdy^cov ng sl xal ovx otd^ ödsv tavta iJKSig fiOL
öv^7t€(poQr]}CG)g. Wir erkennen also, daß wir uns dieselbe Situation
Anfang des Dialogs. 117
zu denken haben, wie sie im 'Ikaromenipp' vorliegt, wo ja Zeus mit
dem Kyniker längere Zeit sich allein unterhält, als er zur Stätte der
Wünsche wandert und mit ihm dann von dort zurückkehrt.^; Sollte
es nun ein Zufall sein, daß dieser Dialog eben an die Wünsche der
übrigen Menschen anknüpft: iya de a Zev xä luv xoiavxa ovx ^vo-
Xlri0(o 6£ jtXovxov xal xqvöCov xal ßaöiXeCag alxav usw.? Man könnte
sogar versucht sein, in dem de noch den Überrest der früher vor-
handenen Anknüpfung zu sehen, wie bei Apuleius' Roman der Anfang
'at ego' höchst wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist^), daß wir
hier die Bearbeitung eines Teiles aus einer größeren Sammlung
von Metamorphosen haben, bei der jeder Erzähler wie in ^Tausend
und eine Nacht', in Boccaccios ^Decamerone' oder wie oft in Ovids
'Metamorphosen' eine Geschichte zum besten gibt, so daß der be-
wußte Gegensatz der einzelnen sich von selbst ergibt. Aber der
Schluß ist zweifelhaft für Lucian, weil hier Nachahmunor vorliegen
könnte. Xenophon hat, wenigstens nach der heutigen Überlieferung,
mehrere seiner Dialoge in dieser Weise mit Ös beginnen lassen, falls
es nicht sein Redaktor war, offenbar, indem er sie dadurch gewisser-
maßen in einen Zusammenhang bringen wollte, wie er ja die Hellenika
durch dt an Thukydides' Geschichtswerk anschließt. So hängen
'Oeconomicus' und 'Apologie' mit den äTtofivii^ovsv^iaxa zusammen,
zumal in jener Schrift bei dem Anfang: iixovöa de Tioxe avxov vor-
ausgesetzt wird, daß man unter avxov Sokrates versteht. Auch bei
Dio Chrysostomos findet sich in der 75. und 76. Rede das öt im An-
fang, dort allerdings nicht unwahrscheinlich von Arnim'*) erklärt
durch die Annahme, daß die TtgoXakud in der Überlieferung fort-
gelassen sind. Lucian hat diese Art zu beginnen bei den kleinen Ge-
sprächen, aber mit anderer Absicht, ein paarmal angewandt"*); da hat
es den Zweck, uns unmittelbar in das Gespräch einzuführen und den
Anschein zu erwecken, daß schon mehreres vorher behandelt ist, wir
1) Hirzel, Der Dialog II 322 erkennt lichtig den Zusammenhang dieses
Dialogs mit dem 'Ikaromenipp', denkt sich aber Kyniskos auf Krden im Gebet mit
Zeus redend. Es ist ein Verdienst der Dissertation von Knauer (s. oben S. 15), das
'.A der 'Widerlegung des Zeus', des 'Ikaromenipp* und der 'Götterver-
^'' S. 48 richtig dargestellt zu haben.
-.'; Leo, Herrn. \L (1U06) 8. ßor» deutet das 'at' ebenso wie das im folgenden
besprochene iiXa; mich hindert daran, die Hrscheinungon gant gleich xu setsen,
(itiH 'ego\ das mit bewußter Gegenüberstellung gesagt ist.
8} Lehen und Werke des Dio von Frusa, Berlin 1808, 8. 166.
4; Dial. mort 7. 18, dial. deor. 16, meretr. 7. 8. 11. 18.
H8 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
also gleich in die Mitte der Unterhaltung eingeführt werden.^) Von
den platonischen Dialogen zeigt nur der kleinere Hippias diese Art
des Anfangs, und da erkennt man,, daß dieselbe Absicht vorliegt, uns
mit größerer Lebendigkeit sofort mitten in das Wechselgespräch zu
versetzen.^) Von den umfangreicheren Gesprächen Lucians hat allein
der 'Anacharsis' noch diese Eigenart; und auch da ist ja ohne weiteres
klar, daß die Redenden sich im Gymnasion befinden und schon vorher
miteinander gesprochen haben.^) Bei unserem Dialog fällt das de
darum auf, weil man sich nicht ohne weiteres in die Situation denken
kann; klar wird es erst, sobald man sich an den ^Ikaromenipp' er-
innert. Und daß Kyniskos sich in einer ähnlichen Absicht wie dort
Menipp dem Zeus genähert haben muß, ergibt der Satz (10): na^ä
tivog yccQ ccv aXXov rcclrjd^tg t] TtaQa 0ov ^cc^ol^l;^ der ja ganz auf-
fällig mit dem Beweggrund übereinstimmt, durch den Menipp zu seiner
Luftreise getrieben ist. Wenn wir nun erwägen, wie der Kyniskos
in der 'Xiederfahrt' Lucian als Ersatz gedient hat, um nicht denselben
Namen wiederzunehmen, den er in der 'Nekyomantie' gewählt hatte,
und dadurch etwas dem Anschein der Wiederholung zu entgehen, so
drängt sich die Vermutung auf, daß auch hier dieser Name nur dazu
dient, den Menipp der Luftreise zu vertreten; und man fühlt sich in
dieser Annahme bestärkt, wenn man das Verhältnis dieser beiden
Dialoge dem Inhalte nach überlegt. Wir wiesen darauf hin, daß ja
die Hauptsache im 'Ikaromenipp' fehlt; der Anlaß, der ihn zum
Himmel geführt hat, der Zweifel an den Dogmen der Philosophen,
an ihren Anschauungen betreffs der Götter ist in keiner Weise be-
handelt. Hier wird wenigstens ein Teil dieser Fragen im Zwiegespräch
mit Zeus erläutert : die dort (9) geäußerten Zweifel betreffs des Wesens
1) Etwas anders liegt es bei äXXa am Anfang der Reden, das gleich größere
Lebhaftigkeit bezeichnen soll, bei Dio Chrys. 12. 15. 29, Lucian bis acc, Aristides
5. 9 ; denn ccXXä wird auch sonst gesetzt, wenn man zu sprechen beginnt (Kühner,
Griech. Gramm. ^ E 2 S. 287 f.). Schmid, Der Atticismus, Stuttg. 1887, I S. 180 urteilt
nach meinem Empfinden nicht ganz richtig, wenn er ocXXd und 8e zusammenwirft.
2) Der Kunstgriff ist auch später noch beobachtet worden; so fängt Eras-
mus den Dialog auf die Franziskaner, den er in echt menippischer Weise
7ftcoxo7tXov6LOL betitelt hat, an: ^atqui pastorem decet hospitalitas', und der
Herausgeber Rabus, Ulm 1712, fügt die richtige Anmerkung hinzu: more comi-
corum ex abrupto orditur colloquium, quasi iam antea collocuti fuissent.
3) Es entspricht dies ds dem Anfang mit ""et', wie er sich bei den Elegikern
findet, um uns auch mitten in ein Selbstgespräch zu versetzen (s. Properz I 17, 1
und Rothsteins Anmerkung dazu), auch dem ''ergo', das wenigstens eine längere
Überlegung vorspiegelt, deren Schluß laut gesagt wird (s. Norden» Vergils Aeneis
VI S. 246 f.).
Zusammenhang mit dem Ikaromenipp. 119
der Götter und ihrer Einwirkung auf die irdischen Vorgänge, ob die
Welt sorgsam regiert oder herren- und führerlos ist, finden hier ihre
Erledigung. Da läßt sich der Gedanke kaum abweisen, daß wir in
der 'Widerlegung des Zeus' nur einen Ausschnitt aus der größeren
Satire Menipps haben, den Lucian bei der Hersteilung seines 'Ikaro-
menipp' übergangen und dann in einem besonderen Dialog nachgeholt
hat. Daß er sich dann dabei sehr verbreitert hat, ist selbstverständ-
lich, und dazu stimmt wieder, daß auch diese Schrift wie die 'Nieder-
fahrt' das eigentlich menippische Gepräge nicht aufweist; an Versen
finden sich in die Prosa eingemischt nur das Laiosorakel (13: Eur.
Phoen. 18 f.) und zwei Homerverse (2: II. XX 336, 4: II. AlII 24).
Prüfen wir daraufhin die Anspielungen und Erwähnungen, die
in dem Dialog enthalten sind. Hier war ja nun Lucian ganz un-
gehindert, auch in die Gegenwart zu greifen oder wenigstens die letzt-
vergangenen Jahrhunderte zu streifen, der Kyniskos legte ihm keinen
Zwang auf; aber auch hier weist nichts über Menipp hinaus, und
die Beispiele sind auch nicht alle derart, daß sie aus dem Brauche der
Sophisten allein erklärt werden können. Wir haben zunächst eine
Anzahl mythischer Namen wie Tityos und Tantalos (17, 18), Sisyphos
(18), Laios (13). Auf historischen Boden kommen wir mit dem Bei-
spiel des Krösus, dessen Sohn den Tod von der Lanze des Adrast fand und
dadurch den ihm gegebenen Schicksalsspruch erfüllte (12), und von
demselben Krösus wird das zweideutige Orakel vom Halysflusse an-
geführt (14). Charakteristisch sind die Beispiele, die zum Erweis der
Ungerechtigkeit im menschlichen Leben gewählt sind (16). Am
weitesten zurück liegt Sardanapal, übrigens eine typische Gestalt der
Diatribe^), der trotz seiner weibischen Natur herrschte, während viele
wackere Perser durch ihn umkamen; näher an Lucians Zeit kommen
wir mit Aristides und Phokion, Kallias und Alkibiades, die je zwei
Beispiele schlecht behandelter Tugend und glückbegünstigter Schlech-
tigkeit darstellen. Aristides starb 467, Phokion Ml 8, Alkibiades 404.
Bei Kallias haben wir an den Sohn des Hipponikos zu denken, den
Gönner der Sophisten, der 421 von Eupolis in den 'Schmeichlern'
verspottet wurde') und auch Krntinos zur Zielscheibe des Witzes
diente.^' Anrli «Um« sind sämtlich typische Personen. Aber den ohne
1; \ yl. lt. bcliütze, luvenÄÜa ethicus, Di»«. Greifswald IVOö, S. 6».
2) MaximuH Tyr. 20, 7; Kock 1 S. 296.
8; Kock I 8. 110 f. VkI. Kirchner, Prosopographia Attica I 8. 680 f. Nr 7H2«.
Telei IVB 8. 86, 18 ff. H., der cbento Ari^tide« und KuUius /.imammenitiUt. denkt
An den Oroßvat4'r (Kirchner a. a. 0. 8. 619 f. Nr. 7>*-»r. .
120 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
ihr Verdienst mit Reichtum übermäßig Gesegneten gesellt Lucian
dann den Meidias und den Ägineten Charops bei; der erste ist der
bekannte Reiche, der, auf sein Geld protzend, dem Demosthenes
ein gut Teil seines Lebens in gehässigster Feindseligkeit verbittert
hat, der einmal von dem Redner wegen Beschimpfung belangt wurde
im Jahre 363, dann im Jahre 348 abermals von ihm angeklagt
wurde, weil er ihn als Choregen öffentlich geohrfeigt hatte. ^) Un-
bekannt ist der mit ihm zusammengestellte Charops; man könnte
an eine Erfindung Lucians denken, wenn nicht seine Charakteristik
als xCvatdog ävd-QcoTtog und als Mörder seiner Mutter, die er ver-
hungern ließ, zu bestimmt erschiene. Den Beschluß bilden Sokrates
und sein Ankläger Meletos, die deutlich die Ungerechtigkeit des
Schicksals gegenüber den Menschen erweisen: Sokrates wurde den
Schergen übergeben, Meletos, der es weit eher verdient hätte,
nicht. ^) Man muß beachten, daß diese Beziehungen nur bis zur
Zeit des Demosthenes hinabführen und daß zwei der Beispiele nicht
zu den typischen gehören, also ihre Anführung nicht aus sich selbst
rechtfertigen.
Der Dialog ist gegen die Stoiker und ihre Lehre von der eC^aQ-
liivri gerichtet, wie sie Chrysipp in einem eigenen Werke dargelegt
hatte ^); die epikureische Anschauung von den Göttern wird eingefloch-
ten, weil sie sich von selber ergab. Die stoische Lehre wird getroffen,
weil sie den Zwiespalt zwischen dem Fatum und den volkstümlichen
Göttern nicht zu überbrücken vermag. Das witzige Vorspiel, daß
Homer mit seinem vjteQ ^öqov Torheiten geredet habe, enthält nicht
nur einen Hieb auf Chrysipps Verwertung von Dichterzitaten zum
Beweis für das Verhängnis^), sondern lehnt sich direkt an Zenos Homer-
kommentare an, in denen er gesagt hatte : ort tu (ihv Kaxä do^av^ xä
öa Ttax dkr^dsiäv 'y8'yQa(p6v^)j darin übrigens schon An tisthenes folgend.^)
1) Siehe Schäfer, Demosthenes und seine Zeit, Leipz. 1885, II- S. 86 ff.;
Kirchner, Prosopogr, Att. 11 S. 56 f
2) Von einer späteren Bestrafung des Meletos, wenn sie stattfand (Diog.
Laert. II 4.3), weiß der Schriftsteller so wenig, wie er des Alkibiades Sturz be-
rücksichtigt. Das würde ja die rhetorischen Gegensätze unmöglich machen.
3) Gercke, Chrysippea, Jahrb. f klass. Phil. Suppl. XIV S. 715 ff.; v. Arnim,
Stoic. vet. fragmenta 11 S. 264 ff.
4) Auf das Zitat von Homer 11. XX 127: ugöcc ol cctaa ysivo^^vm iTtevr^as
Xivtp nimmt gleich c. 1 bezug: daß es sich auch bei Chrysipp benutzt fand,
lehrt Diogenian bei Euseb praep. ev. VI 8,2 (262 b).
5) Dio Chrysost. 53, 4 (II 276 R. 11 110, 29 v. Arnim).
6) Siehe Dümmler, Antisthenica, Bonn. Diss. 1882, S. 24. Dio a. a. 0.: 6 äh
Götter und Schicksal. 121
Der ganze Gedanke, daß auch die Götter Sklaven sind, weil sie
der Moira unterworfen sind — ö^oöovXoi rav ävd-QGinov nennt
sie Kyniskos (7) — kehrt bei Libanius in der Rede tcbql öovksCag
wieder^), die mit ihrer Schilderung menschlicher Unfreiheit, auch sonst
mit manchen Einzelheiten deutlich ihre Entstehung aus der kynischen
Diatribe verrät.^) Aus dem Zugeständnis, daß auch die Götter dem
Fatuni sich fügen müssen, folgt von selbst, daß Opfer und Gebete
ihnen gegenüber überflüssig sind. Der Gedanke ist ähnlich von Maxi-
mus Tyrius (11,5) in dem Vortrag eC dal svxsöd-at, ausgesprochen;
das Schicksal ist etwas Unwandelbares, Tyrannisches; selbst Zeus ist
ihm unterworfen, darum: rtra änoiva ddrtf^ tfj sl^aQ^avt] ixkv-
(JÖ^uf^a iavtovg xijg dvdyxr^g xal xov deöuov^ xCva iQ'^^ov^ rCvu d'€-
guTCEucv^ xCva d-vcUcv^ xCva svxriv'^) Und Seneca setzt sich mit der
Vigida secta' derjenigen auseinander, die da fragen (nat. quaest. II 35):
'expiationes procurationesque quo pertinent, si inmutabilia sunt fata?'*)
Man muß sich vergegenwärtigen, daß die Kyniker die Opfer sowohl
wie die Gebete im herkömmlichen Sinne ablehnten; und von Dioffenes
wissen wir, daß er den Tempeln fernblieb.^) Wir befinden uns also
Xoyog ovxos kvxia^ivovs icxl TCQÖxeqov, ort, ra ^hv «yö^/;, rar de äXri&sicc sCQr]Tai
Tffl TioiTiT^. über den Inhalt von Oinomaos' nsgl ti)g xa-O** "OjuTjpov (piXoaütpiag
(Suidas 8. V. Olvöiuco?) ist nichts bekannt; ich möchte glauben, daß die Schrift,
wie nach Lahrs De Aristarch. stud. Hom.'\ Lpzg. 1882, S. 205 der Kyniker Zoilus
seine Ironie über die studia doctorum ergoß, so die Neigung, Philosophisches
aus Homer zu schöpfen, verspottete. (Saarmann, De Oenomao Gadareno, Tübing.
Diss. 1887, S. 9; Wendlands Besprechung Berl. phil. Woch. 1887 Sp. 1270.)
1) Lib. 26, 7: A^yti Sh xal i] UvQ^ict : xi]v nengoi^^vriv iioigriv &Svvcc-
Tor iaxiv &noff>vyBlv xal -^tw; und dann wird die Gewalt der Moiren geschildert;
t'j* geschieht oaa ol alaa ytivo^vM i7iivr\GB Xivoj.
2 Ich verweise auf das zur ßiav jtQ&ai^ Kap. X Gesagte.
Lucian lupp. conf. 6: el . . . ndvxcav al MoTgaL xQaxoÜat, xal ovdhv otv
1 7t urdtvbg ^dXayBlr] x&v una^ do^dvxcav a^rafg, xirog ivfxct v/zfr oi &v9^go}itoi
9vo\itv xal ixctxo^pug ngoaäyofifv . . .; In Kürze faßt alle Folgerungen aus der
Annahme der fi/iap/u'rrj Alexander von Aphrodisias zusammen de fato 20, 67
' lUO, 26 Bruns): xut yug xovxo nfntaxBvx6xt ovx iTtixt^^aat ritu, ovx inociviccii
Ttva, o^ avußovXt^aai nvt, o^ ngoxgi^mc^ai ttva, oi)x tf'latfO'at ^tolgy o^ %dgtv
ttvrolg yv&vui Tttgi xivtov, oix &XXo rt noietv olov xb xätv 6(pBtXonha}V ti>X6YOig
yivBö^ai vnb xätv toO noiBtv ixaaxov vtv noiof'Oiv xi]v i^ovaiav (^i^^tv^ nt-
rTiaxBVx6x(OP.
Aj Anden ist die BegHlndung bei Sen. epint i i i 1 1 . 1 1 II non Runt nH
caelum elevandae manu« nee exorandus aedituuh. ut n t i m ;
qoAti magiM exaudiri |HisfimuH, admittai.
6) Zeller, Die Phil. d. Griechen II ♦ 32.» \nin i i , \ i i
•cl ■ i-M mit seiner Armut, or» ^r; irgoaijn ^»^di H^tgdnivt toi-g rti-
XU . iiTidh tohg ßtonovg (n. oben 8. 91 f.).
122 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
mit dem Gedanken der Zwecklosigkeit der Opfer durchaus auf kyui-
schem Boden.
Mit dem letzten Schluß war das eigentliche Thema gewonnen:
Wodurch ist die übliche Verehrung der Götter seitens der Menschen
berechtigt? Daß sie das Schicksal der Menschen ändern können, ist
ja nun ausgeschlossen. Die erste Antwort ist: Dadurch, daß sie
besser sind als die Menschen und diese die höheren Vorzüge in ihnen
anerkennen, die dann noch von Zeus nach epikureischer Anschauung
genauer defiuiei-t werden als Ewigkeit und Glückseligkeit.^) Kyniskos
beruft sich dagegen einfach auf die Unglücklichen unter den Göttern,
Avie den lahmen Hephaistos, den gefesselten Kronos, den gemarterten
Prometheus und die beiden zum Herrendienst Verurteilten, Apoll und
Poseidon. Er bat sich die Widerlegung bequem gemacht, indem er
als Beweis die Dichtermythologie heranzieht, offenbar mit Absicht,
um die stoische Methode ad absurdum zu führen. Ernster ist das-
selbe Problem bei Maximus Tyrius 10 behandelt, wo nach einer Ver-
gleichung der Anschauungen von Dichtern und Philosophen über die
Götter die epikureische Auffassung von den sorglosen Göttern allein
verworfen wird, weil in der Tätigkeit selber ein Gut liegt und ihr
Fehlen den Göttern das Wichtigste nehmen würde. ^)
Das zweite Argument des Zeus ist die TtQovoLa, mit der er auf
dem Plan erscheint, obwohl sie ja eigentlich durch die angenommene
Stellung des Fatums abgetan ist^)-, aber Chrysipp hatte sie selbst bei
der Annahme des Fatums ausdrücklich zu erweisen gesucht*), natür-
lich als dasselbe, nur von einem andern Gesichtspunkt gesehen, und
so durfte sie nicht fehlen. Kyniskos faßt die Pronoia als Person.
1) Diog. L. X 123 (üsener, Epicurea 59, 16): rbv %ebv ^mov acp^ccQtov xort
yLccKaqiov^ Cic. de nat. d. I 17, 45: cum et aeterna esset et beatissima.
2) So aucli Cic. de nat. d. I 37, 102: at ipsi . . . pueri, etiam cum cessant,
exercitatione aliqua ludicra delectantur ; deum sie feriatum volumus cessatione
torpere, ut, ßi se commoverit, vereamur ne beatus esse non possit? Haec oratio
non modo deos spoliat motu et actione divina, sed etiam homines inertis efficit,
si quidem agens aliquid ne deus quidem esse beatus potest. Ygl. auch I 41, 116.
3) Alexander Aplirod. de fato 17, 61 (188, 1 Bruns): Tt&g d' av aoi^oisv
xoiuvxa Xiyovtsg r^v vnb rmv d-a&v yLvo^Bvr]v x&tv Q'vrixcbv TiQovoiav.
4) Chalcid. in Plat. Tim. 144 : nommlli putant praesumi diflferentiam pro-
videntiae fatique, cum reapse una sit: quippe providentiam dei fore voluntatem,
voluntatem porro eins seriem esse causarum; et ex eo quidem, quia voluntas
Providentia est, porro quia eadem series causarum est, fatum cognominatum.
ex quo fieri ut quae secundum fatum sunt etiam ex Providentia sint eodemque
modo quae secundum providentiam ex fato, ut putat Chrysippus (Gercke,
Chrysippea S. 719, v. Arnim, Stoic. vet. fr. 11 S. 268).
Epikureische Götter, Vorsehung, Mantik. 123
Daß diese Verspottung der Pronoia als Persönlichkeit älter ist als
Lucian, zeigt die Rede des Epikureers Velleius in Ciceros de nat.
deor. I 8, 18 ff., wo sie als 'anus fatidica' bezeichnet wird^) in einer
Stelle, die durch das Hamquam ex deorum concilio' uns schon früher
an uienippischen Ton erinnert hat. Und wenn Zeus jede Auskunft
darüber ablehnt (10): ijdrj 6ot xal TtQÖtSQov 6(pi]v ov d-s^Ltov elvai
Tcdvra ös eiÖivai^ so scheint es, als ob damit ein wirklich von den
Stoikern vorgebrachter Ausweg verhöhnt wird; denn ebenso läßt Cicero
seinen Bruder de divin. I 18, 35 sagen betreffs der von den Stoikern
verteidigten Weissagung, deren natürlichen Grund er nicht zu er-
mitteLu vermag: 'non enim me deus ista scire, sed bis tantum modo
uti voluit.' Über die jtQÖvoLa scheint schon Menander gespottet zu
haben, wenn er die Tvir^ als diejenige ausgibt, der man den Namen
:iq6volu mit Recht beilegen würde ^), wie auch das Fatum, wenigstens
in der römischen Posse, also doch wohl auch bei den Griechen, den
Gegenstand der Witze gebildet hat.^) Mit der boshaften Bemerkung,
daß die Götter bei der vorher aufgestellten Ansicht vom Fatum nur
Werkzeuge in dessen Hand seien, daß im übrigen die :rQ6voLa nur
diesem zukommen würde, aber auch dieses, weil es unabänderlich sei,
keine Opfer verdiene, ist das Argument abgetan. Wirkliche philo-
sophische Gedanken sind, wie man sieht, von Lucian hier überhaupt
nicht behandelt.
Es folgt drittens die Mantik, über die Chrysipp ja ebenfalls zwei
Bücher geschrieben und die er mit zahllosen Beispielen belegt hatte.*)
Zweierlei wird gegen diesen Grund der Götterverehrung geltend ge-
macht ; erstens : die Weissagung ist zwecklos, da der Mensch am Ver-
hängnis doch nichts ändern kann, zweitens: die Orakel sind oft dunkel
und trügerisch; beide Einwände finden sich auch nach akademischer
Quelle in Ciceros Schrift de divinatione; in aller Kürze heißt es
II 8,20: *8i omnia fato, quid mihi divinatio prodest^)?' entsprechend
1) Vgl. Cio. de nat. d. II 2U, 73: existumas ab iig providentiam fingi quasi
quandani deam singularem ([uae muu<him omnem gubemet ot regat.
2) Kock III S. Vid\ allordinge handelt es sich da mehr um die menschliche
itifovoia (vgl. S. 140 fr. 486). Auch Nikostratos sagte (Kock U S. 226 fr. 19):
T177J xii dvrft&v 7tQdYiici^\ ^ 7C(f6voia dh TV(pX6v rt ytAarrtwuTov taxiVy & ndttg.
Da« Zitat fand sich ofTenbar auch in der Diatribe, aus der Libauius ntifl Sov-
Jitias (25, 11^ schupfte.
8; Cic. do div. II 10, 26.
4) Cic. de div. I 8, 0. lü, 87.
b) Ähnlich tagt Soneca Aber das Yotlxiv. i.<t. . |..^i. ^.^,
15 (851, 18 iT. H.): sive quicquid evcuit faciunt, m i uotitia pro-
124 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
dem Wort des Kyniskos (12): äxQriötov TtQosLÖivai tä iieXkovza
olg ys t6 (pvXd^aöd^aL a-^rd: ndvxcog &övvuxov^ und dann wird das an
dem Beispiel des Deiotarus ebenso erwiesen wie bei Lucian (12) am
Beispiel des Sohnes des Krösus. Scharf lehnt Cicero ab, daß uns die
Weissagung irgendwie zu größerer Vorsicht anleiten könnte (21): *si
fato omnia fiunt, nihil nos admonere potest ut cautiores simus; quo-
quo enim modo nos gesserimus, fiet tamen illud quod futurum est.'
Ja. er steigert seine Gegenargumente sogar bis zu der Behauptung
(22): ^ego ne utilem quidem arbitror esse nobis futurarum rerum
scientiam', denn der Mensch würde keine ruhige Stunde haben, wenn
er alles vorherwüßte, was ihn im Leben treffen wird.^) Auch bei
Maximus Tjrius haben wir einen Vortrag über die Mantik (19); es
ist bezeichnend, daß wir hier (5) trotz der andern Tendenz — Maximus
neigt schließlich zur Verteidigung der stoischen Ansicht von der
Willensfreiheit trotz der Richtigkeit der Mantik — dieselben Beispiele
wiederfinden, die Lucian benutzt, das Laiosorakel, das dem Krösus
gegebene Orakel betreffs des Überschreitens des Halys (Herodot 1 53);
ja, die Versuchung des delphischen Gottes, die sich Krösus erlaubte,
indem er eine Schildkröte unter das Opferfleisch mischte, wird bei Maxi-
mus auch angeführt (19, 3)^), allerdings ernstlich mit der Versicherung,
daß die Gottheit alles wisse, während bei Lucian damit der GroU des
Apollo erklärt wird, der ihn zu einem zweideutigen Orakelspruch ver-
anlaßte. Die dem Krösus gewordene Antwort gehört bei Lucian in
den zweiten Einwand, die Undeutlichkeit oder Zweideutigkeit der
Orakel. Zu demselben Zweck wird sie bei Cicero de div. 11 56, 115
vorgebracht. Es ist klar, daß die beiden Orakelsprüche in diesen
Untersuchungen typisch sind. Das Laiosorakel wird ebenso bei dem
Kyniker Oinomaos erörtert und daran der Widerspruch zwischen
eigenem Wollen und dem Verhängnis gezeigt^); und Alexander von
ficiet? sive significant, quid refert providere quod effugere non possis? scias ista,
nescias, fient. Auch der Epikureer Diogenian kämpft gegen die Orakelsprüche
als nutzlos: x6 ys ccj^qsIov ^osßd^ccL rr}v TtQOccyoQSvßiv navtl nov SfjXov av siri
(Euseb. praep. ev. IV 3, 10 [138 d]) oder: rt yccg öcpsXog fj^iTv rjv TTQO^Dcvd-dvELv
rä TtdvTcog iöoiisva ävex^gf], a ovöh ngocpvXd^aod'cci dvvurbv ccv slt] (IV 3, 7
[138 b.]).
1) Ebenso de nat. d. in 6, 14: saepe autem ne utile quidem est scire, quid
futurum sit; miserum est enim nihil proficientem angi nee habere ne spei qui-
dem extremum et tamen commune solacium. Vgl. de div. II 51, 105, Gell. XIV 1, 36.
2) Maximus liebt diese auf Krösus bezüglichen Orakel, da er sie auch
11, 2. 17, 6. 35, 7 wieder vorbringt.
3) Euseb. praep. evang. VI 7, 22 (258 a).
Mantik. 125
Aphrodisias zieht gleichfalls, um das aroziov zu beweisen, das bei
der Mantik und der Anuahme der ti^aQ^evr] besteht, das Laiosorakel
mit den Euripidesversen heran; er widerlegt dabei die Ansicht, als sei
das Orakel nötig gewesen, um das Schicksal zu erfüllen, da sonst
Laios den Ödipus nicht ausgesetzt hätte.^) Epiktet (III 1, 16 ff.) be-
nutzt den Laios als Beispiel für Menschen, die dem Besseren nicht
folgen wollen, und erklärt, Apoll mußte, obwohl er das vorauswußte,
das Orakel geben, weil er die Quelle der Wahrheit ist. Beide Sprüche,
der für Laios und der für Krösus, finden sich bei Dio Chrysostomos
in derselben Reihenfolge und unmittelbar hintereinander wieder in der
10. Rede (24 ff. 304 R. I 113,26 v. Arnim) als Argument dafür, daß die
Menschen die Orakel nicht zu gebrauchen wissen, und zugleich in feiner
Beweisführung auch dafür, daß die Menschen überhaupt kein Orakel
nötig haben; denn wer Verstand hat, wird von selber wissen, was er
zu tun hat.^) Die kynische Richtung dieser Rede verrät sich nicht
nur dadurch, daß Diogenes darin der Sprecher ist, sondern noch mehr
durch die Verteidigung der Ehe des Ödipus^), wie ja schon Antisthenes
an solchen Verbindungen keinen Anstoß nahm.^) Wir wissen ja auch
sonst, daß die Mantik, wie von Karneades und den Epikureern, so
auch von den Kynikem abgelehnt wurde. ^) Von Diogenes wird das
Wort berichtet (Diog. L. VI 24) : Beim Anblick von Steuermännern,
Ärzten und Philosophen erscheine ihm der Mensch als das verstän-
digste Geschöpf; wenn er dagegen Traumdeuter und Wahrsager sehe,
und Menschen, die nach ihnen sich richten, so käme es ihm so vor,
als gäbe es nichts Törichteres als den Menschen. Und die Gedanken,
die Dio in der 10. Rede dem Diogenes .gegen die Mantik in den Mund
legt, sind für diesen durchaus angemessen. Gegen den Betrug des
Orakelwesens ist der ganze Abschnitt gerichtet, den uns Eusebius aus
1) .\lex. Aphr. 31, 97f. (S. 202,8 Bruns). Der Schluß ist (S. 202, 25): sira
rig xuvxa Xiycov n&g J) Oto^ei (iccvrixijv rj negl d^füjv i-vai-ßi-T^ diSciaxsi nQoXi'jil^stg
^ XQriaiiiov XI dtixvvaiv ll%ovöav ttJi' iucvxLH'qv;
2) 10, 28: YQÜfi^axa 6' tldöag^ xctX ^t] xov ittui f.t-f.crutioiy xaxoc Xi^önop
yQutiftig xal ivayvmay o^oiag Öh älXo ortoOv TtQÜXTSiv, fäv avußovksvatj 6ot ni}
ini&ta^v(p^ ovx olog xf fffft, xal ^t)v SQ^utg ov dvvijay ^i} intoxdiuvog, ourf* ccv
%axu xifV i^^iigav ixüatT]v xüv 'Anöllio ivo^X^g xal ool ^ovo) axoXa^rj. rnvv di
fx^ov yvütajj &ito Oiuvxov oxi aoi ngccxriov iaxl xai ontag.
Z} 10,30: oi de &XfxxQv6veg ovx &Yccvaxxoi>atv inl xovxoig oi>äh oi ». i.» ovÖh
x&v Övtov oifdilg^ ovdl; ol Uigaai. Vgl. Weber, Leipz. Stud. XI S. 141 ff.
4; Dflmmlcr, AnÜHihenica, DisH. Bonn. 1882, 8. 6.
/>) Vgl. KuMcli. pnu'p cv. IV 2, 18 (186 b). 8, 14 (189 bo). Ck. de nat. deor.
II 66, 162.
126 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
der 'Schwindlerentlarvung' des Oinomaos erhalten hat (praep. ev. VI 7
255 b).^) Eine Abweisung der W^eissager durch den Kyniker Demonax
ist in dessen Lebensbesehreibung (37) enthalten. Auch diesen Ab-
schnitt schließt Kyniskos damit, daß, wenn in der Mantik überhaupt
ein Verdienst läge, dieses dem Schicksal zukäme, das durch die Ver-
mittlung der Götter waltet.
Wie zu der Erörterung der ^tQOvoLu ein kleiner Salto mortale
führte, so wird durch die Drohung des Zeus mit dem Blitzstrahl ein
vierter Punkt angeregt, der schon in Aristophanes' ^Wolken' (399 ff.)
in gleicher Weise gestaltet ist^): Warum trifft der Blitz so oft Un-
schuldige, seien es Menschen oder Gegenstände, während er die Räuber
und Übeltäter verschont?^) Und weiter: Warum geht es den Guten
so oft schlecht, den Schlechten aber gut auf Erden? Zeus^ eigene
Theodicee fällt sehr mangelhaft aus •, über die zwecklosen Blitze äußert
er sich gar nicht; und doch war dieser Vorwurf nicht ungewöhnlich.
Er kehrt z. B. wieder bei Lucrez VI 396 ff. und Cicero de div. II
19, 44 f.; Philo de Providentia I 38 sucht das Argument zu entkräften,
indem er die vergeblichen Blitzschläge gleichsam als Mahnungen und
Warnungszeichen ausgibt.^) Der Zeus benimmt sich überhaupt recht
1) Auf einzelne Übereinstimmungen mit Plutarch de Pyth. orac. macht
Wendland aufmerksam, Berl. phil. Woch. 1887 S. 1271; so finden sich unter den
Vorwürfen gegen die Orakel c. 24 die yläacai ■xccl Ttsgicpgccasis xo:l äöcccptia, was
sich ja auch mit Lucian (14) berührt. Dagegen die Entrüstung des Kynikers
Didymus in Plutarchs de def. orac. 7 ist ganz anders geartet und von Saai-mann,
Adnot. ad Oen. cyn. fr., Progr. Dortmund 1889, S. 36 und Wendland a. a. 0. nicht
mit Recht gleichgestellt. Der Kyniker ereifert sich über die Verworfenheit und
Frechheit der Mensehen, die ihre sündigen Gedanken den Göttern gegenüber
äußern und zu Fragen gestalten, die schon längst die Götter hätten veran-
lassen müssen alle Orakelstätten zu schließen. Die Entrüstung ist dieselbe wie
Pers. n 21 ff.
2) Ucog , slnsQ ßdXXsi tovg irtLOQyiOvg, dfit' ov%l ^Ji^iav' ivB7tQr\G£v^
ovSh KXscovvfiov ovSh Gscoqov; v-aitoi Gcpodgcc y' si'o' iTtiogxot. ccXlcc tbv avtov
ys vsoov ßdXXsi xccl Hovviov^ ay.QOv 'J&rivBtov, -nal ta? dgvg tag ^sydXag' vi
nad-mv; ov yccQ di] Sgvg y' iitLOQ-nst.
3) lupp. conf. 16: rt drjnoxE tovg IsgoGvXovg xal Xrjßtccg atpivtsg xai xoaov-
Tovg vßQLGxag xal ßialovg xaX iTtiOQy-ovg Sqvv tiva TtoXXäxig ytsgavvovTS r} Xid^ov
i) vsoag latbv ovdlv ccdL7tov6rig;
4) De prov. I 38: in ligna ac saxa fulmina mittit, haud materiam dolore
volens afficere, sed prudentem providentiae disciplinam ostendere hominibus, und
I 54: benignitatis est argumentum id quoque, quod super saxa lignaque identidem
cadant fulmina; monitionis enim causa ita disponit Providentia nolens penitus
delere genus humanum. (Vgl. Wendland, Philos Schrift über die Vorsehung,
Berlin 1892, S. 13. Seneca quaest. nat. 11 42, 1. 51.) Der Vorwurf liegt auch
Theodicee. 127
einfältig, oder Lucian hat es sich sehr leicht gemacht. Keiner der
sonst üblichen Auswege wird eingeschlagen. Zeus ist nicht auf die
Erklärung gekommen, die der treffliche Arethas^) in seinem Kom-
mentar zum Lucian vorbringt, wenn er zur Verteidigung der ungerech-
ten Verteilung in der Welt sagt: Die Weisen selber ziehen ein ge-
rechtes und tugendhaftes Handeln den äußeren Gütern, den Adiaphora,
vor, und die Götter sollten törichter als die Menschen urteilen und
sie in ihrer Tugend durch Verleihung von Reichtum stören? Er
weist auch nicht darauf hin, daß äußerliches Unglück für den Weisen
ja gar keine Kränkung ist, wie das nach stoischem Vorbild Philo ^)
zur Rechtfertigung anführt. Er erklärt nicht das Leid als Schulung
des Guten, die ihm zur Ausbildung förderlich ist, während sie ihm
nichts anhaben könne, wie Seneca^) das tut. Er beruft sich nur auf
die Vergeltung nach dem Tode; worauf ihm der Kyniker natürlich
antwortet: Das Jenseits soll mich wenig kümmern. Wir befinden uns
mit dem ganzen Gedanken, wenngleich auch die Epikureer^) und Kar-
neades dieselben Argumente gegen die göttliche Vorsehung ins Feld
führten, doch auch auf kynischem Gebiet. Cicero de nat. deor.
III 34, 83^) beruft sich in der Rede des Skeptikers, nachdem er ebenso
Beispiele der göttlichen Ungerechtigkeit aufgezählt hat, seiner Ge-
wohnheit gemäß meist aus der römischen Geschichte, obwohl auch
Sokrates' Tod vorkommt wie bei Lucian, auf einen Ausspruch des
Diogenes, der gesagt habe, das äußere Glück des Harpalos lege ein
deutliches Zeugnis ab für die Nichtexistenz der Götter.^) Gegen Zeus'
dfr Argumentation bei PersiuB II 24 ff. zugrunde: ignovisse putas (sc. lovem)»
quia, cum tonat, ocius ilex Rulfure didcutitur sacro quam tuque domusque?
1 ) Rabe, Gott. Nachr. 1003, S. 646 f Schol in Luc. 81, 26. Ähnlich wider-
legt Philo (Euseb. praep. ev. VIII 14, 22 [3'.>0 a]) den bei dem herkömmlichen Vor-
wurf vorachwebenden Gedanken, daß die äußeren Güter wirklich Güter sind:
rlg S* o^x UV &Xoy^acii vo^iov tvtxu ngovoias rä)v yvr]aiiov\
2) Phil, de prov. I 62 (vgl. Wendland a. a. 0. S. 19 f.).
8) Disl. I (de provid.) 2, 1: nihil accidere bono viro mali potesi nee
hoc dico: non sentit illa, sed vincit et alioqui quietus placidusque coutra in-
cnrrentia attoUitur. omnia adversa exercitatiouos putat.
4! L'Hener, Epicurea fr. 870 (Lact. div. inst. III 17, 8). Wendland a. a. 0. S. 49.
6i Mit Benutzung der Cicerostelle auch Minucius Felix 6, 12: quodsi mun-
duM divina Providentia et alicuius numinis aucioritate regcretiir, numquam mere-
retur Phalaris et Dionysins regnum, numquam Rutilius et CamilluB ezilium,
numquam Socrates venonum.
Hl Verallgemeinert auch Cic. de n. deor. III 80,88: iuprobonim protperitstet
•ccunda^que res redarguunt, ut L)iogen(>H «linliat vim omn«»m deonim ac poio>
Dtatem Vgl. Wendland a. a. 0. S. 48.
128 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
Argument von der Strafe nach dem Tode greift Kyniskos wieder auf
die Heimarmene zurück und hebt das axoTtov hervor, das Alexander
von Aphrodisias (de fato 13ff.) erwähnt, wo die el^aQ^evr] als im
Gegensatz zu dem i(p' inilv alvai stehend erwiesen wird. Hier wird die
Konsequenz gezogen, die auch Alexander (16,59) gezogen hat^): Gesetzt
einmal, die Bestrafung und Belohnung erfolgte nach dem Tode, wie
kann irgend eine Sühne eintreten für das, was der Mensch ja unter dem
Zwange des Verhängnisses getan hat? Auch diese Erwägungen betreffs
der Bestrafung der Bösen bewegen sich auf kynischem Gebiet. Bion
hat darüber gehandelt und im Kampf gegen die Stoiker^) die An-
nahme abgewiesen, als könnten die Götter Kinder und Enkel die
Sünden vergangener Geschlechter büßen lassen.^) Der Gedanke, daß
Vergeltung für menschliches Handeln ungerechtfertigt sei, weil ja das
Schicksal, nicht der eigene Wille herrscht, überhaupt der ganze Kon-
flikt in der stoischen Lehre zwischen Willensfreiheit und Verhängnis,
kehrt bei dem Kyniker Oinomaos wieder.*) Den Konflikt hat auch
Maximus Tyrius in jener 19. Rede (8) besprochen, aber er schließt
sich den Versuchen der Stoiker an, ihn zu beseitigen, wenn er sagt,
der Mensch sei gleichsam ein Amphibium, und freier Wille und Zwang
in ihm vereint, wie ein gefesselter Mann doch freiwillig zu folgen
vermöge; das Bild erinnert an das bei Hippolytos (refut. haer. 1,21
[Diels Doxogr. Gr. 571, 12ff.]) angeführte von dem an den Wagen ge-
bundenen Hund, der auch in der Lage ist, freiwillig zu folgen.
Es sind im ganzen eigentlich nur zwei Motive in dem Dialog.
1) Aiyoisv ccv ycco Styiccicog TtQog avrovg^ si ccixiwvxo ccvrovs, ort fir/ olov ts
riv uvxolg r&v nsQLSGtoirojv ovxcov xolovxcov ccXXoTov xl itgccxtsiv. oJg Tcäg iitixi-
li7]60V6iv svXoycog ol Siä x&v Soy^dxcov xovxcov avxotg Siddo-iKxXoL ysyovorsg; usw.;
vgl. 19, 64.
2) Cotta bei Cic. de deor. nat. III 38, 90: quem vos praeclare defenditis, cum
dicitis eam vim deorum esse, ut etiamsi quis morte poenas sceleris effugerit, ex-
petantur eae poenae a liberis, a nepotibus, a posteris (Wendland a. a. 0. S. 49).
3) Plutarch de ser. num vind. 19 (561 C). Ygl. Philo de prov. II 7; Wend-
land a. a. 0. S 49 f. weist mit Recht hier größere Stücke der Darstellung bei
Philo der kynischen Diatribe und Bion zu.
4) Eüs. praep. ev. YI 7, 23 (258 b): i-Kstvo ydg di] xb v,ccxccyeXcc6z6xaxov
andvxcov, xb ^ity^cc xccl r} övvodog xov xccl inl xotg ccv&QÖiTtoLg xi slvcci xorl sigfibv
ovdhv Tjxxov slvai, 35 (260 b) xl cclxtoi ij^etg^ dXX' ov% i] viisxtQcc d.väyy.ri. Ahn-
lich ist der Gedanke auch ausgedrückt bei Plut. de Stoic. repugn. 35: i] fisv
Ttccaicc Ttdvxcog aviyAXr\xög icxi xaxcc xbv XQvaiTtnov Xoyov^ 6 ds Zsvg iyxlrixiog.
Philo de prov. I 80: quae illa est iustitia eos qui inviti peccarunt poenis tradere,
quum ea facinora non voluntarie peregerint, haud habentes ipsi potestatem supra
mores proprios (Wendland a. a. 0. S. 24 ff.).
Quellen des Dialogs. 129
Das erste ist ziemlich plump und possenhaft. Zeus wird lächerlich
gemacht, weil seine Stellung neben dem Fatum ihn jeder Macht be-
raubt. Aber die Stoiker stellten ihn auch nicht neben oder unter das
Fatum, sondern identifizierten ihn damit. Nur durch eine beabsich-
tigte Verzerrung stoischer Lehre ist der größte Teil des Dialogs
möglich; oder, wie Bruns^) sagt, es ist nicht die Gottheit ersten
Ranges, die hier verspottet wird, sondern es ist der Repräsentant
der niederen oder gewordenen Götter, mit dem wir es zu tun haben.
Das andere Motiv ist der Widerspruch zwischen Verhängnis und
Willensfreiheit, der in der Tat in der stoischen Lehre vorhanden
ist. In das erste ist hineingearbeitet, was über Mantik, Vorsehungs-
glauben usw. zu sagen war. Daß die vorgebrachten Argumente im
ganzen zu der kjnischen Richtung stimmen, ist klar und ist von
Bruns durch Vergleichung des Oinomaos erst recht beleuchtet worden.^)
Die Beweisgründe finden sich zum Teil auch bei den Epikureern; aber
es ist bezeichnend, daß auch diese mit ihren theologischen Ansichten
verhöhnt werden.^) Wir wissen, daß Menipp seine Angriffe gegen
die Epikureer gerichtet hat*), und wir können ebenso sicher sagen,
daß Lucian eine gewisse Zuneigung für sie hat^), obwohl das bei
ihm nicht viel beweist. Immerhin scheint es, als übernahm er auch
dies Motiv, weil er^s vorfand, wenn nicht aus kynischen, dann aus
akademischen Schriften. Auch die gewählten Beispiele stammen aus
kyni.schen Quellen; die Gegenüberstellung von Aristides und Kallias
findet sich ebenso bei Teles IV B S. 36, 10 ff. H.; Kallias und Alki-
})iade8 kommen wie hier, wenngleich in anderem Sinne, zusammen
als Beispiele vor bei Maximus Tyrius 39, 5, und ebendort ist So-
krates der Typus des Armen, Häßlichen, Entehrten, der von Kallias
1) Rhein. Mus. XLIV (1889) S. 876.
2) Vgl. a. a. 0. 8. 886 ff. Knauer a. a. O. [oben S. 15) 8. 89 ff.
8) Bmn> hat hier nach meiner Ansicht einen Fehlschluß getan; er findet
et merkwürdig, daß, diese epikureische Ansicht zu widerlegen, der Kyniker
nicht in eigener Person spricht, sondern die xardgaroL öocpiatai für sich reden
läßt, d. h. die Epikureer, und benutzt das als Argument für kynisrhen Ursprung
des (iunzon, da Lucian den Sprecher zum Kyniker mache, während er sich doch auf
eine epikurolHche Meinung beruft. Aber in Wahrheit wird ja, wie Bruns nelbst
sagt, die epikureische An»icht widerlegt. Wie kann man also für diese Wider-
legung sich auf einen Epikureer berufen? Kyniskos kommt nur darauf, den
Ausdruck aotpiötul tn benutten, weil Zeus ihn gebraucht (6) hat, der allerdinga
mit Bezug aaf die Kpikureer.
4) Diog. L. VI 101.
r> Siehe Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum TX ri90S^ 8. 168 ff.
i^aeUa uDd M«il|>i' ^
130 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
im Besitz, von Alkibiades an Schönheit übertroffen wird; auf die
Anführung bei Philo und Cicero wiesen wir schon hin. Aristides,
Sokrates und Phokion werden als Gute, denen es schlecht ergangen
ist, bei Plutarch de profect. in virtut. 15 (84 F) genannt.
Es ist selbstverständlich, daß nicht jeder Gedanke aus der * Wider-
legung des Zeus' sich in dieser Form und in dieser Breite bei Menipp
gefunden hat^); im Gegenteil, das Fehlen des eigentlichen Charakteristi-
kums menippischer Satire, das Farblose des Ganzen, die Oberflächlichkeit
der Gründe beweist deutlich, daß die Entlehnungen nur sehr gering sein
können. Und wer die Argumentation im 'tragischen Zeus' geprüft hat,
wird keinen Zweifel haben, daß Lucian sehr vieles aus skeptisch-akademi-
scher Quelle ergänzt hat, was in der kynischen höchstens angedeutet
war, wie wir diese Möglichkeit auch für den 'Ikaromenipp' offen lassen
mußten. Bruns hat einige Ähnlichkeiten zwischen Lucian und Oino-
maos nachgewiesen') und möchte danach es für denkbar halten, daß
Lucian jenen benutzt und aus ihm die Anregung zu seiner Kompo-
sition empfangen hat. Denkbar wäre das^)-, dann hätte Lucian eben
kombiniert, was ihm aus jenem und aus Menipps Himmelfahrt ver-
wertbar schien. Aber beweisen läßt sich diese Benutzung nicht, und
Bruns selber gibt es zu, daß beiden Schriften ein gemeinsames Vor-
bild zugrunde liegen kann, das schon bis in menippische Zeit reicht.*)
1) Sehr richtig sagt Bruns a. a. 0. 388: "^Ich behaupte damit aber keines-
wegs, daß diese andere dem Oenomaus ähnliche Schrift (das gemeinsame Vor-
bild) etwa eine größere wörtliche Ähnlichkeit mit dem luppiter confutatus
gehabt haben müsse.'
2) Die Schrift heißt Zavg iXeyxofisvos und als iXiy%(ov bezeichnet sich der
Sprecher Eus. pr. ev. YI 7,8. Wenn Oinomaos den Gott anredet: r\ o Hya ov
övvlrig; (33), so stimmt das zu der Rolle, die Zeus in Lucians Satire spielt. Bei
Lucian (6) heißt es: sl' coi gxoIt] tcc toiavta Xtiqhv, bei Oinomaos (9): ccXX' insl
a^oXiiv aysiv ioliia^sv.
3) Vorausgesetzt ist natürlich dann, daß der Ansatz des Eusebius richtig
ist, der den Oinomaos unter Hadrian aufführt, was ja trotz der selbstbewußten
Verteidigung von Buresch, Klaros, Leipzig 1889, S. 63 ff. nicht ganz sicher ist,
da Suidas ihn kurz vor Porphyrios setzt. (Vgl. Rohde, Rhein. Mus. XXXIII
[1878] S. 170 f. Saarmann, De Oenomao Gadareno, Diss. Lips. 1887, S. 5 f. 20 und
die Anzeige von Wendland, Berl. phil. Wochenschr. 1887 Sp. 1269.)
4) An eine Darstellung wie die des Oinomaos knüpft Maximus Tyrius 41 an
im Vortrag: tov ^sov tcc ccyad'a Tcoiovvtog TtoQ'Ev ta. xccxcc. Besonders das (3)
Zev Tial 'ÄTtoXXov ycal oGtig äXXog d'sbg ^avtiyibg y,du ■uri^s^av tf]g rav ccvQ'QmTtaiv
äyiXr\g deoiiivoig SLTtccts, tig v,av,öiv ciQ%ri^ xig aitiu, Tt&g cpvXcc^mfisQ'a, nag Xad-o)-
lisv. Bei beiden ist die Darstellung von der gleichen Lebhaftigkeit beseelt, die
eine direkte Anrede der Götter veranlaßt. Auch der Inhalt steht sehr nahe
und berührt sich wie der bei Oinomaos mit Lucian.
Quellen des Dialogs. 131
Schließlich erstreckt sich die Berührung zwischen beiden doch nur
auf einen kleinen Teil der * Widerlegung des Zeus'; und die Be-
nutzung skeptisch -akademischer Schriften ist für den Verfasser des
^Hermotimos' selbstverständlich. Aber abgesehen von den Einzel-
heiten, das Motiv der Unterredung des Zeus mit dem Kyniker stammt
aus Menipp. Ich glaube nicht, daß der Geist unseres Zwiegesprächs
in einem unvereinbaren Widerspruch steht zu der Unterredung im
^Ikaromenipp', die Menipp auf dem Weg zu der Opferstätte mit Zeus
hat (^Ikarom.' 24), und zu seinen Worten: 'Alle Menschen haben
die frommste Auffassung von dir und halten dich für den Götter-
könig'; das ist ja nur eine captatio benevolentiae von seiner Seite,
um gnädige Auskunft zu erhalten, und stimmt im übrigen nicht ein-
mal zu dem Anfang des Dialoges, wie ihn Lucian gestaltet hat. Ein
gewisser Widerspruch zeigt sich ja auch schon in der Eigenartigkeit
der Komposition unserer Satire, die es verlangte, daß derjeuige, dessen
Existenz im Grunde geleugnet wird, durch die dem Ganzen gegebene
Fiktion als existierendes Wesen anerkannt werden mußte. Es scheint
mir wohl möglich, daß unmittelbar im Anschluß an den Besuch der
Gebet- und Opferstätte Menipp seine Zweifel äußerte, dem Zeus nach-
wies, daß die von ihm gewährten Versprechen keinen Sinn hätten,
da ja die Moire darüber entscheide, und sich den Grund für die
Götterverehrung angeben ließ, um seine Gegenargumente vorzubringen.
Lucian hätte dann diese kleine Szene weiter ausgesponnen mit der
Routine, die er sich nach dem Vorbilde Piatons angeeignet hatte.
So wurde mit Übertreibung der sokratischen Ironie der Zeus zu dem
Dümmling wie der Hermotimos im gleichnamigen Dialog. Ein oder
das andere Argument wurde, sei es aus ähnlichen kynischen oder gar
Menippischen, sei es aus skeptischen Schriften hinzugefügt, dem
Ganzen ein Titel gegeben, der an Komödientitel anklangt), und die
Satire war fertig.
Aber in Einzelheiten wird man sich bescheiden müssen. Leider
reichen auch die Varronischen Fragmente nicht hin, um unserer Ver-
mutung eine feste Stütze zu geben; vielleicht führt auf eine ähnliche
Kritik, wie sie in der 'Widerlegung des Zeus' vorliegt, Varroa 'Cyni-
cus*, von dem das einzige Fragment heißt: 'si mehercole pergunt et
deorum cura non satisfacitur rei publicae'; aber es ist fraglich, ob
auch hier deq Göttern Vernachlässigung der irdischen Vorgänge vor-
geworfen nnd ihnen der Verlust der Verehrung seitens der Menschen
1) Man denkt an Platont Z§hg xanov^itpoi.
132 Kapitel IV. Die Widerlegung des Zeus.
angedroht wird.^) Immerhin, wer Lucians Arbeitsweise durchschaut
hat, wird nicht zweifeln können, daß die Anregung zu unserm Dialog
und die äußere Situation aus dem 'Ikaromenipp' und seinem Vorbild
übernommen ist. In bezug auf die Abfassungszeit der beiden Schriften
wird dadurch klar, daß die * Widerlegung des Zeus' später geschrie-
ben ist.*)
1) Der Gedanke wiü-de erläutert durch die Worte des Momus in Lucians
*trag. Zeus' 22: toiyaQovv stHOta vvv Ttdcxo^sv v,cci hi nsLöo^sd'cc, inuSav xar'
öXiyov ol ävQ-QcoTtOi ccvcc-hvjitovtss svqi6v.(ü6iv ovdhv ücpslog 6V, sl %'voitv rniiv xal
tccg nofi-Jtag TciiinoLSv.
2) Die spätere Abfassung des lupp. conf. vermutet auch Hirzel, Der Dialog
II, S. 321 f. Hense, Festschr. f. Gomperz S. 193.
Kapitel Y.
Der tragische Zeus.
In den Olymp führt uns weiter der 'tragische Zeus*, der ja schon
durch den Namen deutlich an die eben besprochene Satire anknüpft.
Zeus ist in Gedanken versunken und sitzt kummervoll da; Athene
und Hermes fragen ihn nach dem Grunde seiner trüben Stimmung;
er antwortet nur mit allgemeinen Ausdrücken seiner Verzweiflung.
Hera vermutet, daß eine neue Liebschaft ihn quäle; da weist er den
Verdacht von sich; nicht um ihn, nein, um die Existenz der Götter
handelt es sich, ob sie noch fürder geehrt werden sollen oder nicht.
Die neue Gefahr droht nicht von den Giganten oder Titanen: alles
hängt vom Redekampf des Epikureers Damis und des Stoikers Timo-
kles ab, die miteinander über das Dasein der Götter und ihre Ein-
wirkung auf die Welt disputieren. Hermes rät eine Versammlung
der Götter zu berufen und dringt mit diesem Vorschlag durch. Er
ruft als Herold die Himmlischen herbei, von Zeus belehrt, in poeti-
scher Rede. Sie kommen in Scharen und sollen sich nun ordnen je
nach dem Stoff, aus dem sie, d. h. ihre berühmten Standbilder gefertigt
sind. Weü dadurch gerade die Barbarengötter den Vorsitz erhalten,
erhebt sich ein Streit, in den Zeus beständig eingreifen muß, so daß
endlich bestimmt wird, es sollen alle durcheinander sitzen, die Platz-
frage aber soll ein andermal erledigt werden. Endlich ist Schweigen
hergestellt, und Zeus soll reden; aber er hat den Anfang vergessen.
Hermes rät ihm mit einer Demosthenischen Volksrede zu beginnen,
und so fängt er denn mit den Worten der 1. olynthischen Rede au;
dann erzählt er, wie er gestern nach dem spärlichon Opfer bei Mnesi
theoB auf den Kerameikos gegangen sei. Auf seinem Spaziergange
habe er an der Stoa Poikile einen ungeheuren Menschenauflauf an
getroffen, der durch die Disputation des Damis und Tiniokles ver-
anlaßt war. Die Nacht habe der Unterredung ein Ende gemai'ht, und
00 sei die Fortaetzung auf heute Terschoben. Gegenüber dieser Gefahr,
134 Kapitel V, Der tragische Zeus.
die droht, alle Götter der Opfer zu berauben, sollen die einzelnen
ihre Meinung sagen und auf Abwehr sinnen. Als erster tritt Momus
auf; er findet es begreiflich, wenn man an den Göttern zweifelt, da
sie die Guten auf Erden leiden lassen und die Bösen durch äußere
Güter belohnen, da sie sich durch Orakelsprüche diskreditieren, da sie
endlich die Erzählungen des Epos zulassen, als ob sie gegenseitig von
Liebe und Haß erfüllt wären, an Kämpfen teilnähmen und Wunden
davontrügen. Zeus hat nichts für die Erde getan, wohl aber Theseus,
wohl Eurystheus, indem er sie durch Herakles von Ungeheuern reinigen
ließ. An den Göttern liegt es also zuerst sich zu ändern, wenn sie
Verehrung von Seiten der Menschen erwarten wollen. Zeus geht auf
diese Rede nicht ein; auch Poseidon, der den Damis unschädlich zu
machen droht, kann er nicht zustimmen, da die Moiren darüber zu
bestimmen haben. Es bittet darauf Apoll ums Wort, wenn er es
wagen dürfe trotz seiner Jugend und Bartlosigkeit zu reden. Momus
gesteht ihm das spottend zu, da er ja seinem Alter nach fast zum
Rat des Kronos gehöre und einen so bärtigen Sohn habe wie den
Asklepios. Apoll läßt sich dann auf Erlaubnis des Zeus über den
braven Stoiker Timokles aus, der im Kreise der Seinen sehr über-
zeugend zu sprechen wisse, aber vor andern seine Rede nicht so ein-
zurichten vermöge, daß ihn die Hörer verstehen, und das sei doch
die Hauptsache. Die letzte Bemerkung trägt ihm den Spott des
Momus ein wegen seiner eigenen dunkeln Orakelsprüche. Er schlägt
dann vor, dem Timokles einen Beistand beim Reden zu geben. Momus
höhnt diesen Rat und fordert den Apoll auf, lieber seine Weissage-
kun«t zu zeigen und zu verraten, wie die Sache ablaufen wird. Der
Sehergott hat zwar seinen Orakelapparat nicht zur Stelle, aber auf
Zureden des Zeus entschließt er sich doch. Unter schrecklichen
Augenverdrehungen, während sein Haar sich sträubt, bringt er die
Verse heraus, über die sich Momus vor Lachen schüttelt und die
dann unbeachtet bleiben. Herakles als Metöke im Götterrat macht
darauf den Vorschlag, falls Damis siege, wolle er die Stoa einwerfen,
daß sie über dessen Kopfe zusammenbreche. Auch er wird auf die
Moiren verwiesen. Der Heros sträubt sich gegen diese Auffassung,
die ihm selber das Verdienst seiner Taten rauben und jedem Tempel-
räuber Straflosigkeit zusichern würde. Wenn dem so ist, so will er lieber
als Idol in der Unterwelt die Schatten schrecken als hier die himm-
lischen Ehren genießen. Unterdessen kommt der Bruder des Hermes,
Hermagoras, der Hermes vom Markt, der sich täglich mit Pech über-
schmieren lassen muß behufs Abformung, und dieser Hermagoras er-
Inhalt. 135
zählt, zunächst in Versen, daß die Disputation begonnen habe. So gibt
denn Zeus den Befehl das Tor zu öffnen und vom Himmel herab zuzu-
hören. Es beginnt der zweite Teil der Satire, der zugleich im Himmel
und auf Erden spielt. Während Zeus rät für Timokles zu beten,
beginnt dieser, fragend und schimpfend, die göttliche Vorsehung zu
vertreten, die Damis ruhig, aber fest leugnet. Endlich läßt er sich
dazu bringen, seine Gründe für die Annahme göttlicher Vorsehung
anzuführen, zuerst die Ordnung im Weltall. Die erkennt der Epi-
kureer an, bezweifelt aber die Beweiskraft dieses Arguments. Nun
flüchtet Timokles zu dem Zeugnis des Homer; aber da kommt er
gut an, denn Damis zählt ihm diejenigen Geschichten her, die für
die Götter wenig schmeichelhaft sind. So greift denn Timokles zum
Euripides, der ja die Götter einschreiten läßt, um die Guten zu be-
lohnen und die Bösen zu bestrafen; doch Damis lacht ihn erst
recht aus, und der freisinnige Euripides macht es ihm nicht schwer,
Belege gegen diese Ansicht vorzubringen. Es folgt der Beweis ex
consensu gentium, der von dem Epikureer entkräftet wird durch den
Hinweis auf die Verschiedenartigkeit der von den einzelnen Völkern
angenommenen Götter, wobei besonders die ägyptischen Gottheiten
dazu herhalten müssen, um diesen Volksglauben ins rechte Licht zu
stellen. Hier findet Momus droben in der Götterversammlimg Gelegen-
heit auf seine früher ausgesprochenen Vorwürfe zurückzukommen;
Zeus verspricht denn auch, wenn diese Gefahr nur erst vorüber sei,
die Angelegenheit zu ordnen. Unterdessen führt Timokles die Omkel
als Argument für das Vorhandensein der göttlichen Vorsehung an,
Damis verspottet sie mit ein paar Beispielen; weiter das Vorhanden-
sein der Altäre, auch hier denkt der Epikureer nur an die blutigen
Menschenopfer der taurischen Artemis, die nicht dazu angetan sind,
den Glauben an göttliches Wohlwollen den Menschen gegenüber auf-
kommen zu lassen. Auch der Donner des Zeus wird von ihm an-
gezweifelt, da die Kreter Zeus' Grab zeigen. In kurzer Rede und
Gegenrede wird so Schlag auf Schlag der ganze Haufe von Beweisen
zertrümmert, während in höchst lebendiger Weise ein Zwiegespräch
zwischen Zeus und Momus jedesmal den Eindruck der Götter wieder-
gibt. Als eine Hauptstütze holt der Stoiker endlich den Vergleich
der Weit mit dem Schiff hervor, um auf das Vorhandensein eines
göttlichen Steuermanns schließen zu können; ab»M- Dan f, wie
wesentlich die Onlnung auf dem Schiff von dn- I'n.-i.in ^ \d Un-
gerechtigkeit im menHfhliehcn Leben verHc): ^o bleibt denn
dem Timokles nur der eine Notanker, seine S^Uogiituien; er folgert:
136 Kapitel V. Der tragische Zeus.
Wenn's Altäre gibt, gibt's auch Götter; nun gibt's Altäre, also auch
Götter. Aber da birst der Epikureer schier vor Lachen und gibt es
spottend auf, weiter zu disputieren ; er geht davon, während der Stoiker
noch durch Geschirapf das Gewicht seiner Argumente zu vergrößern
sucht. Die Götter aber im Himmel trösten sich leicht über ihre
Niederlage; sie denken an die Masse des Volkes, die trotzdem an sie
glauben wird; denn die Dummen sterben ja niemals aus.
Der ^tragische Zeus' ist eine der kunstvollsten Satiren Lucians
durch die doppelte Szenerie und die gleichzeitige Parodie auf Götter
und Philosophen. Es ist zugleich eine menippische Satire in echtem
Stil. Die Götter reden anfangs nur in Versen, epischen wie tragischen;
Hermes ruft mit Versen die Himmlischen zur Versammlung (6); Zeus
beginnt seine Ansprache zunächst poetisch (14)^); Momus verwünscht
in einem Hexameter die übrigen Götter (19)^), Orakel werden in
Versen angeführt (20) und persifliert (31); auch der Hermes vom
Markt verkündet den Beginn des Redekampfes in jambischen Tri-
metern (34), und auch sonst werden noch Verse zitiert. Das Charak-
teristische ist aber, daß die Zitate unter diesen Versen nur einen
Bruchteil bilden, und auch die werden nur selten als Zitate ein
geleitet, sondern fast immer in die Rede selber eingeflochten. Oft
genug aber, vor allem am Anfang sind es Verse, die jeden Anschein
des Zitates meiden, der Handlung selber dienen und wohl mit
Reminiszenzen irgend welcher bekannten Dichterworte hergestellt
sind. So sind deutliche Homerparodie die Worte der Athene^), mit
denen sie den Kroniden bittet ihr den Grund seines Kummers mitzu-
teilen, die Aufforderung des Zeus für Damis zu beten*), der Herolds-
ruf des Hermes^), die Besorgnis des Zeus vor der alles vernichtenden
1) Benutzt sind unverändert die Worte aus II. VIII 5. XIX 101.
2) Benutzt ist IL VII 99.
3) Neil I TfdtsQ Tj^hsQS, Kgovldrif vnats yiQaLovtcov (Od. I 45,81. XXIV 47.3)
yovvoviiui 68 (II. XXI 74. Od. XXII .312 u. s.) ^sä yXccvyiaTag (Od. I 44)
tQiroyivsLa (II. IV 515)
i^ccvSa, [LT] y.BvQ's vom ivcc sl'öo^isv (II. I 363) ijÖT].
tig ft?)rt? ddciivSL 6s \ liocxa cpQiva xat %cctä Q'v^ov (II. I 193)
ri rl ßccQV axEvd%Hg (vgl. II. I 364: ßuQv 6Tevdx(ov) o}Xq6s ti cov bIIb
TCocQSidg; (vgl. IL III 35).
4) lupp. trag. 34: üiyT] icp' tj^lslchv, ivcc [lt] Tgasg ys Ttvd'covrccL (vgL IL
Vn 195).
5) lupp. trag. 6: /x»jt£ r^? ovv d-i^XsLu ^sbg .... jitTjTf rig agcriv (II. VIII 7)
fi»/r' avxäiv notaiimv ^isveto) voöcp' 'Slyisccvoto (vgl. IL XX 7 fF.), sodann slg ayogijv
(Od. Vm 12), O660i TS x^vras dccivva^' Hccto^ßag {\gl. II. IT 6'S6).
Menippische Form. 137
Redekunst des Epikureers^); und deutliche Euripidesparodie enthält
die Antwort des Zeus, die den Anfang des Orestes nur wenig ver-
ändert (Ij; Phönissen V. 117 wird von Zeus ebenso zur Antwort um-
gemodelt (3); andere Parodien lassen sich heute nicht mehr sicher
feststellen^), weil die Überlieferung uns nicht die entsprechenden
Verse der Tragiker erhalten hat. Die Parodie des Orakels (31) ist
nach dem Muster der aristophanischen in den 'Rittern' (197 ff.) ver-
fertigt. 3)
Was sonst an Zitaten vorkommt, die nur dem Inhalt nach wieder-
gegeben sind, bezieht sich ebenso auf die alte klassische Literatur. Ohne
irgend welche Verweisung werden aus der Mythologie erwähnt Prome-
theus als Menschenbilduer (1), die Geliebten des Zeus (2,5), Danae,
Semele, Europe, Antiope, in Erinnerung an 'Göttergespräch' 24, 2,
der Sturm der Giganten und Titanen auf den Olymp (3), die Taten
des Theseus und Herakles (21). Ausdrücklich auf Homer (40) als
Gewährsmann wird hingedeutet für die Verschwörimg der Götter gegen
Zeus und seine Errettung durch Briareos und Thetis (II. I 396 ff.), Aga-
memnons Traumbild (11. II 10 ff.), die Verwundung von Aphrodite imd
Ares (II. V 336, 855 ff.), Artemis' Groll wegen der Übergebung seitens
des Oneus (II. XX 72), der sie zur Entsendung des Ebers veranlaßt.
Auch das bei Lucian so beliebte Zitat ^) von der Vermessenheit des
1) lupp. trag. 44: II. XV 137 mit Veränderung des Wortes iiccgipsi in ndgitrst.
2) Eur. fr. Nauck ' \)Sd und 940 sind nicht ohne Grund aus den Antangs-
versen des Dialogs hergestellt; für 940 ist ja eine der Lucianischen Ausdrucks-
weise ähnliche durch den Scholiasten (Habe S. 249, 7) bezeugt: tovto di} t6 T(bp
TQuyojd(bv ngof olxtlov x^Qf^^' ^Q^^S- Auch des Zeus Antwort (2): ovx oi6d'\ iitsl
TOI x'üv (xcbxvfff iity^ ist zweifellos, wenn auch mit einer kleinen Änderung, aus
einer Tragödie übernommen, und nicht ohne Grund hat Porson den Vers für
Euripides in Ansjjruch genommen (Nauck ' adespota 293).
8) Mit Aristophanes stimmt die äußere, übrigen.s homerische Form &IV
oxuv — dii TOT* wie das Bild vom Ergreifen (jidgiinj) eines Tieres durch einen
Vogel, nur daß Lucian den Spott weiter treibt und nicht eine Schlange, sondern
eine Heuschrecke die Beute sein läßt. Die Fonn des Satzes ist als Orakelform
belegt durch die Sprüche bei Hendeß, Oracula Graeca, Halle 1877, 7. 97. 161.
166 (&Xi' 6n6tav) (vgl. das von Diels, Sibjllin. Blätter 133, herausgegebene
Sibyllcnorak(>l zum Silkularfest und das Sibyllenorakel, sowie das parodierende
Bakisorakel in Lucians Peregrin. 29, 80). 101. 106. 110 «JU' OTav). 148. 106. SIS
(dri t6u); auch das parodierende Orakel in Aristophanes* 'VOgeln* 988/986 hat
die Form a{fxuQ inijv . . . . , dt) tot«. Aus Hendeß 97 (Hdt. I 66) erkennt man
auch den Anlaß, die Maulesel in den Spruch zu bringen; da« alyvnibg /«fi^^
vvxos stammt aus Homer (Od. XXU 802) (: y. Leeuwon zu Aristoph. cqu. 197).
4; Dial. deor. 21, 1. Hi<rniut 3. lupp conf 4. irng' 11 Quomodo liiiit cun-
•er. 8, vgl. Kap. I 8. 43
138 Kapitel V. Der tragische Zeus.
Zeus, der die ganze Erde am goldenen Seil emporziehen will (II.
YIII 18), kehrt hier wieder (45). Mit Namen genannt sind von Dich-
tem nur Homer und Euripides (1,41), Menander wird nur als 6
xcöftixdg (53, vielleicht auch 32, 38)^) bezeichnet. Von Demosthenes
wird ein Ausspruch (1. olynth. Rede 16) in etwas veränderter Form
zitiert (23) und in köstlichster Weise die 1. olynthische Rede par-
odiert, die es dem erschreckten Zeus allein ermöglicht, vor der Ver-
sammlung der Himmlischen seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen
(15). Von Philosophen sind nur Epikur und Metrodor genannt.^) Die
als Verfertiger von Götterbildnissen genannten Künstler gehen nicht
übers 4. Jahrh. hinaus; wir finden (7) zusammen genannt Phidias,
Alkamenes, Myron, Polyklet, Euphranor, und dann werden noch Praxi-
teles und Lysipp (9 f., 12) hinzugefügt.
Die historischen Beziehungen sind nicht anders geartet wie in
den bisher besprochenen Dialogen. Zeus vergleicht sich zum Schluß (53)
mit Darius und erinnert an dessen Wort über Zopyrus nach der Ein-
nahme Babylons (Hdt. III 160); auch er möchte lieber einen Bundes-
genossen wie den Epikureer Damis haben als 10000 Städte wie Ba-
bylon. Den Orakelspruch des Apollo findet Momus so klar, daß es
keines Themistokles bedürfe'^), ihn zu deuten (31), wie einst zu dem
Spruch von den hölzernen Mauern; Themistokles gehört in diesem
Zusammenhang zu den typischen Beispielen, wie Maximus Tyrius 19, 1
zeigt. Unter den Schlechten, die sich auf Erden im Wohlleben ergötzten,
gewahren wir wieder Sardanapal, Kallias, Meidias, unter den Guten,
die zu leiden hatten, abermals Sokrates, Aristides und Phokion (48).
Aber auch unsere Bekannten, die Schauspieler, kehren hier wieder;
dem Polos und Satyros ist noch ein anderer Vertreter der demosthe-
nischen Zeit beigesellt, Aristodem. Dieser wurde nach dem Fall von
Olynth als Gesandter an Philipp abgeschickt.*) Demosthenes behauptet,
daß Aschines, als er noch Schauspieler war, bei jenem die Rolle des
Tritagonisten übernommen habe. Die Namen werden genannt, als ob
1) Siehe Kock III S. 52 fr. 179. S. 165 fr. 545 (vgl. S. 451) S. 497 fr. 476.
2) Epikur und Metrodor sind 270 und 277 gestorben (Susemihl, Gesch. d.
Litt. i.d. Alexandrinerzeit I S. 94. 99; Jacoby, Apollod. Chronik S. 354); sie bilden
die letzte Erwähnung auf literarischem Gebiet. Daß Metrodor genannt ist, dessen
Schriften schon zu Ciceros Zeit nur seine Schüler noch lasen (Tusc. II 3, 8),
könnte zu denken geben. Aber Lucian führt beide auch Alexand. 17 an, und
so kann man glauben, daß beider Namen gleichsam zusammengehören.
3) Lucilius nimmt in ähnlichem Sinne den Karneades (V. 31 Marx).
4) Siehe Aesch. tisqI TtccgccTtQSGß. 15. Demosth. tiiqI TiccQUTiQEßß. 12.
Historische Beziehungen. 139
sie allbekannt und eine Bezeichnung für den Begriff Schauspieler
wären: Wenn du die Tätigkeit der Götter bei Euripides auf der Bühne
als Beweis göttlicher Einwirkung aufs menschliche Leben ausgeben
willst, sagt Damis (41), so mußt du vielmehr Polos und Aristodem
und Satjros für Götter halten. Und ebenso legt Hera dem beständig
in tragischem Pathos Tragödien verse deklamierenden Zeus die Frage
vor (3), warum er plötzlich den Göttern als Polos und Aristodemos
erscheine. War der Schluß bei der 'Nekyomantie' richtig, so muß
er's auch hier sein. Wohl könnte Lucian die Schauspielernamen,
nachdem er sie einmal verwandt hatte, in sein Repertoire aufgenommen
haben; aber er fügt hier den Aristodem hinzu, den er vorher in keiner
Schrift und erst im Alter wieder in der 'Apologie' (5) mit Polos zu-
sammen nennt. Doch konnte Lucian die Namen aUe in Menipps
'Xekyia' gefunden und erst hier zusammen verwertet haben. Und
ebenso ungewiß ist das Argument, das uns das Auftreten des Helios-
kolosses von Rhodos (11) bietet; er streitet mit um den Platz, und
während das Material der berühmtesten Bildnisse jedes Gottes den
Maßstab für die Reihenfolge der einzelnen abgeben soll, ist Hermes
bei ihm im Zweifel, ob er das Material oder die Größe berücksichtigen
soll; kein Wort davon, daß der Koloß gestürzt ist; und wie leicht
hätte der Satiriker gerade daran seine Witze knüpfen können. Dabei
fehlt hier der Grund, den im 'Ikaromenipp' die Rücksicht auf den
auftretenden Menipp bilden konnte. So möchte man schließen, daß
da.s Original dieser Szene vor 227 v. Chr. verfaßt ist, — wenn nicht
etwa die Riesenstatue schon zu des Schriftstellers Requisiten gehörte,
die er nach eigenem Belieben und ohne weiteres Nachdenken ver-
wandte.
Der historischen Beziehungen sind wenig, wie man sieht; das
hängt offenbar damit zusammen, daß dieser Dialog sehr viel Lucia-
niscbes enthält, obwohl gerade er in der äußeren Form am meisten
an Menipp erinnert. Betrachten wir die einzelnen Szenen, so haben
wir am Anfang ein etwas ausgesponnenes Göttergespräch, das seinen
Zusammenhang mit den andern nicht verleugnet und in das die home-
rischen Motive deutlich hineinspielen. Da.s Verhalten der Hera zum Zeus
JHt nach den bekannten Szenen gestaltet, in denen der Zwist des Qötter-
paares gcHciiildcrt int*) und die dem 5. und 18. 'Göttergespräch* zum
Vorbild gedient haben.*) Als zweite Szene folgt die Berufung und
1)11. If>20f IV;nf. VIII 408. Vgl. NeiÜe, Gött«rburleike bei Homer,
N«Mje Jiihrb. f. d. klaa». Altert XV (1006; 8. 168.
1' .Man Tergl. lupp. trag. S: $ha ßovXivtt^ai taÜQov r^ tfcfrt«^or if x^**'^**
140 Kapitel V. Der tragische Zeus.
Versammlung aller Götter; der Ton ist völlig burlesk. Hermes als
Herold, wie auch sonst bei Lucian, voller Scheu, in Versen zu
sprechen, durch die schlechten Verse in den Orakelsprüchen Apolls
abgeschreckt, dann die komische Idee, daß gleichsam die Statuen der
Götter erscheinen und nach ihrem Material geordnet werden, endlich
der Streit um die Plätze, der sich schließlich doch nicht lösen läßt!
Sonst haben die Götter ihre bestimmten Sitze, wie Plutarch Quaest.
conv. I 4 zu beweisen sucht.^) Hier ist das Motiv aus der Volksver-
sammlung hineingetragen, mit der ja diese Götterberatung identifiziert
wird; man denke an die Szene im Anfang der ^Achamer', wie sie von
Dikaiopolis mit schildernden Worten begleitet wird.^) Auch hier wirken
die 'Göttergespräche' nach, wenn sich die Zeussöhne Dionysos und
Herakles um den Vorrang streiten (12), wie dort (13) Herakles und
Asklepios. In der burlesken Vorstellung der belebten Standbilder
liegt aber ein tiefer Sinn; es ist der echt kynische Protest gegen die
beim Volk im Altertum wie heutzutage sich leicht einbürgernde x\n-
schauung, daß die Statue selber die Gottheit sei. Mit einem Vorwurf,
den man auch heute angesichts des abgeküßten Fußes von St. Petrus
im Petersdome zu Rom erheben könnte, heißt es in der Schrift über
die Opfer, die durchaus den Geist der kynisehen Diatribe^) zeigt (11):
*Die in den Tempel strömen, glauben nicht mehr das indische Elfen-
bein zu sehen oder das in Thracien gewonnene Gold, sondern den
Kronossohn selber, den Phidias auf irgend eine Weise vom Olymp
auf die Erde versetzt hat.'
In der Beratung selbst begegnen wir bekannten, auch von Lucian
schon benutzten Motiven. Zeus' Furcht, die Götter könnten Hungers
sterben, wenn die Menschen aus Unglauben ihnen nicht mehr opfern
(18), erinnert an die entsprechenden Besorgnisse in Aristophanes'
'Vögeln' (151 5ff.), war aber auch schon im Ikaromenipp' (32) ge-
äußert worden.*) Von da ab ruft uns Momus immer aufs neue die
ysvo^svov Qvfivai dia. xov ögncpov, dial. deor. 5, 2: inl rrjv yfiv y.ätu iiOLX^vacov
XQV6L0V r) 6cctvQog 7] TccvQog Ysvo^isvog.
1) 617 BC: Poseidon, obwohl zuletzt gekommen, l^ev ccq' iv ^taaoLOLv; und
Athene scheint dauernd ihren Platz neben dem Vater zu haben. Gegen eine
Darstellung wie die Lucians polemisiert im geheimen, wie wir oben (S. 74)
sahen, Julian.
2) V. 24: slr' oiaxiovvrca nobg äotcslg iX^ovtsg cclX-^loig tceql xov Ttgmxov
^vXov und V. 41 f.: ov-n rjyoQsvov' xovx' ixslv' ovyo) ' Xiyov ig X7\v TCQOsSqlccv
TT«? a.vT]Q djoxi^sxocL. Über die Parodierung der Volksversammlung vgl. Kap. VI.
3) Vgl. Anhang I.
4) learom. 32: ov iisxQLcog ijfiäv %Dc%'dnxovxoci {irixs iTti^sXslad'ca xäv ccvd'gco-
Beziehungen zur 'Widerlegung des Zeus'. 141
^Widerlegung des Zeus' ins Gedächtnis, deren Motive aufs ergiebigste
wieder verarbeitet sind.^) Gleich im Beginn der Versammlung (14)
müssen wir an jenen Dialog (4) denken, wenn Hermes dem Zeus
Mut macht mit der Erwähnung seiner früheren Großsprecherei; auf-
fälligerweise ist dasselbe Homerzitat noch einmal in derselben Satire
verwendet (45), wo Momus höhnisch an diese Prahlerei erinnert.^)
Derselbe Momus macht sich dann gegen die Götter die Argumente
des Kyniskos zu eigen: man muß an der Einwirkung der Himmlischen
zweifeln, da sie es zulassen, daß die Guten leiden, die Schlechten reich
und geehrt sind, Tempelräuber frei ausgehen, aber Unschuldige er-
schlagen werden (19), ein Gedanke, der in der * Widerlegung des Zeus'
(16) teilweise mit denselben Worten ausgedrückt war.^) Der zweite
Vorwurf, den Momus den Himmlischen macht und den er nachher
noch einmal dem Wahrsagergott gegenüber wiederholt (28), bezieht
sich auf die dunkeln und darum nutzlosen Orakel (20), und als Bei-
spiel gilt wieder das Halvsorakel wie im vorigen Dialog (14), während
auf den ebendort erwähnten Spruch des delphischen Gottes, als Krösus
ihn auf die Probe stellte, bei den Weissagekünsten Apolls mit Spott
hingewiesen wird (30). Auch das Verhältnis der Götter zur Moire
wird wieder in den Bereich der Satire gezogen; Poseidons Vorschlag,
den lästigen Damis zu beseitigen, muß Zeus ablehnen (25); denn die
Moiren, nicht die Götter bestimmen dem einen den Tod durch den
nivcav Xiyovrsg Tovg d^sovg (i-^b oXag rä ytyvöfwva ini,a%onstv' mffrB mga ifilp
Xoyi^fO&ai, di6ri rfv uticc^ ovzol tcbIöcci rhv ßiov Svvr,d'(üöii\ ov y^tTQitog nfivrjoBTS.
TIS '/(iQ *^>' ^T( d^vGtifv viilv. lupp. trag. 18: tl d' ovxot Ttbiö&eisv 7} ^rjdf oXug
iifiug ilvui ri ovxug ScTiQOvoTjTovg ilvai a(f(bv avTcbr, aö'vr« xccl &ytQaöTcc xal &xi-
/irjT« r^Uv latai r&x yfig %ul ^iäxr]v iv ovgav^ xa&BÖoviiBd'a Xi(iä} ^jjrd^tcvot.
1) Siehe Hirzel, Der Dialog II S. 326. Knauer a. a. 0. [oben S. 16] S. 46 ff.
2) lupp. trag. 14: iötditiv ys axovcav oov SrniriyoQOvvxog xal ^uiXiaTCc
öiT&TB intiXotrig ävacndotiv ix ßüQ-QCOv Ti]V yfjv xal xiiv d-dXaxxcev ai^totg d'folg
xr}v aBiQccv ixtivriv rijv ;i;(>t'ö7}v xud^tig. lupp. conf. 4: Iqpfjffd"« yccQ ai)xbg fihv
xj]v ötiQccv xa^rjativ ii ovgavov ah d^, dnöxcev i^'^Xi^O'^g,
Qudicag unuvtag ui)x^ %av yaiji igvocet, ait^ x( d-aXdeajj, x6xs fihv &ri
^avfUiaiog id6%9ig {loi xijv ßiav xal vjtitpgixxov fifra^v dxovtov r&v indiv,
lu]!]). trag. 45: &XXcc tfv, co Zef), dnoxav i&fX'^afjg^ anQijv XQ^''^^^^^ nad'tlf
uxapxag a(>xoifg u^x^ xtv yair) igvöaig avx^ xt 9'aXdac^,
9} lupp. conf. 16: vjttQtnXovrovi» Mcidiag und CharopHi xalol x^ytt^
dol &pSffig AvtaxoXon Isopto . iia fii) . . . Xiy <i/of^i>ov;
. . xal tf)tQon4vovg tohg xQriaxovg tv ntvitt xal v6üotg, ^^VV ^'^"K '^' ^o^S
liiv xif^OToig . . . . ip ntpltt xal v 690 ig . . xctxatp^itgofi4vov<f , jtttfinop^QOX^g
dh . . . . vnf9nXovxo^t'T<j äpaaxoXoJnCoiiit • ovgovilip
/tdixotpxag.
142 Kapitel V. Der tragische Zeus.
Blitzschlag, dem andern durchs Schwert, dem dritten durchs Fieber.
Würden sonst die Götter, wenn's in ihrer Macht läge, die Tempel-
räuber ungestraft davonlaufen lassen? Gerade diese Fortführung des
Gedankens ist bezeichnend, weil sie sich in der 'Widerlegung des
Zeus' (15/6) ebenso findet und zwar dort als beweiskräftiges Argument
des Kyniskos^ hier als eine überflüssige und widerspruchsvolle Selbst-
verspottung des Gottes.^) In drastischer Weise wird dasselbe von
Zeus noch einmal dem Herakles gegenüber ausgesprochen (32), als
dieser, falls Damis siegt, die Stoa einzureißen droht, damit sie den
Frevler unter ihren Trümmern begrabe; aber Herakles will sich das
nicht gefallen lassen, daß seine Taten auf diese Weise dem Schicksal
angerechnet werden, nicht seiner persönlichen Tapferkeit. Da ist ein
krasses Beispiel vor Augen geführt, wohin dieser Glaube an das Fatum
bringen muß, und so eine Erläuterung zu dem Schluß des Gesprächs
zwischen Zeus und Kyniskos (18) gegeben; und derjenige, der so
energisch Einspruch erhebt gegen die Macht des Fatums, ist Herakles,
der Schutzheilige der Kyniker.^) Der Spott auf den Anthropomor-
phismus der Götter war in der 'Widerlegung des Zeus' (8) durch den
Hinweis auf den lahmen Hephaistos wenigstens schon berührt; hier
richtet sich die Satire gegen den bartlosen Apollo, der einen so bär-
tigen Sohn wie Asklepios hat (26). Daß dieser Spott alt ist, zeigt
die Anekdote bei Cicero de nat. deor. III 34, 83, nach der Dionys dem
Äskulap in Epidaurus den goldenen Bart abnehmen ließ, weil es sich
für den Sohn nicht schicke, einen langen Bart zu tragen, wenn der
Vater unbärtig sei. Derselbe Angriff kehrt bei den christlichen Apo-
logeten wieder.^)
Der zweite Teil des Dialoges enthält die Disputation zwischen
den Vertretern der feindlichen Schulen, die sich mit den Vorwürfen
des Momus nahe berührt; und das ist der Hauptfehler dieser Satire.
Auch hier kehren die Gedanken aus der 'Widerlegung des Zeus' ständig
1) lupp. conf. 15 f.: 'üccl 6s ovdhv ccltidöoiica rf]s Tr^rjy/)?, ccXXä trjv KXtod'co
TT/v dia 60V xitQooGY.ovG(xv tl d'^Ttoxs tovg IsQOGvXovg .... dcpivtss
. . . . ÖQvv rtvcc TtoXiccTiLg ytSQccvvovts. lupp. trag. 25: iniX^XriaaL co? ovdhv tmv
tOLOvtcov icp' 7]\il^ ißtiv, aXX' al Motgai k-adörcp iiti'nXcod'ovaL ; i'jtel ei' yi
iioi in' i^ovoLas tb itgayiia rjv, sl'ocGa av oisi xovg IsgoavXovg Ttgariv dnsX^stv
ScxsQavvoirovg; Widerspruchsvoll ist Zeus' Gedankengang hier, weil bei dem
Zugeständnis der eigenen Ohnmacht des Momus Einwurf (19) überhaupt nicht
gemacht werden konnte.
2) Siehe Hirzel, Der Dialog 11 S. 327.
3) Minuc. Felix 22, 5: Vulcanus claudus deus et debilis, Apollo tot aetati-
bus levis, Aesculapius bene barbatus, etsi semper adulescentis ApoUinis filius.
Beziehungen zur 'Widerlegung des Zeus'. 143
wieder; die Rolle des Gottes dort hat hier der Stoiker, sein irdischer
Verfechter, die des Kyniskos der Epikureer übernommen. Gleich die
ersten Worte, die das Thema enthalten (35^, erinnern an das, was
Zeus dort (6) den verwünschten Sophisten vorwirft. Homer tritt hier
(39) wie dort (1) als Zeuge auf, und beide Male werden gegen die
Götter diejenigen Erzählungen vorgebracht, die ihr Ansehen zu ver-
ringern geeignet sind. In beiden Dialogen werden die Orakel als
Beweis für die Betätigung der Götter herangezogen, und beide Male
muß das Krösusorakel herhalten, obwohl es schon in den Vorwürfen
des Momus (20) Verwendung gefunden hatte; ja, sogar die Fassung
der Worte ist fast die gleiche.^) Auch daß Zeus den Donner
wirkt, wird bezweifelt, hier (45), weil auf Kreta das Grab des Zeus
gezeigt wird, dort (15), weil in Wahrheit die Moire verantwort-
lich ist.
Die Argumente, die Timokles für das Vorhandensein der Götter
anbringt, entsprechen den tÖTtoL, wie sie Sextus Empiricus adv. math.
IX zusammengestellt hat.^) Der Stoiker beginnt mit dem zweiten
(38): 7] tahg tiqCjtov täv yLVo^svcov £:t£iö€v. Der Epikureer setzt
an Stelle der Gottheit, welche diese Ordnung im Weltall bewirkt, die
dvayxri. Es folgt das nächste Beweismittel, ex consensu gentium.
Timokles beruft sich zuerst auf die Dichter (39 ff.); auch bei Sextus
werden Poeten und Schriftsteller als Zeugen an dieser Stelle ein-
gereiht*); daß er ebenso wie Lucian über den Brauch spottet, sie auf
diese Weise zu benutzen, zeigt er adv. math. I 280.^) Es ist besou-
1) lapp. conf. 6: ol firidh ngovoelv r}it&s t&v ävd'Qio'Ttav (pccaiv^ trag. 85: ri
q>TJS .... d^sovg fii] klvoci uriih ngovoslv Scvd'QmTtav;
2) lupp. conf. 14: xal &H(piio^cc xccl iTCa^fpOTSQi^ovxa roti TioXlolg jtpfiv
(lot^uTB oi) Ttdw icnoöutpovvng y bI 6 xbv ZAlvv diaficcs tijv avtoö &QX^^
xaraXvati rj Ti]v tov Kvqov, trag. 43: &XQiß&g cJfiqprfx?]? t^v xal (ftnQOöoynog^
oloi klai tfbv 'Eq^iüv fviot, dirrol xofl &\t>(f>oxiQ(a^iv o^olol . . . xi Y^Q'y ^i&Xkov
6 Kgolaos Siaßäg xbv^AXvv xrjv avxov <5:pjr?;r ?) xi^v Kvqov xaxaXvaei;
3) Sext. Kmp. adv. math. IX 00: ol xoivvv d^eovt Sc^ioüvxbs tlvai. :rfipf&rrat x6
itQoxtlfuvov xaxaaxBvdtBtv ix xhaadgav Tpojrwv, ivbg ^Iv xf\i Ttuffä näaiv Scv^Qm-
noig avy.(pa>vias, dtvxi^ov di xf^g xoa\uxfig dictxd^foig^ xgixov ih xätv &KoXovd'ovi<-
xiov äröntav xolg dvaiQohai x6 9t[ov^ xfxüqtov dk xccl xdevxaiov xi)^ xcbv drxt-
ntnxovxoiv Xöytov virt^aiQ^asojg.
4) A. a. O. IX 03: ndgioxi. triv noirixixi}v dff&p nt]6lv ^^y« ^/jdi Xcningöv
ixfpiffovcav ^ iv ot Uli &i6g icxiv 6 ti}» iiovalccv xal x6 XQatog xAp yirofiiyaav
TtQuy^dxtov ivt^iiivog.
hj A. a. (). I 2H(): notr\xixolq t§ ^QXVQlotg {^Avrai o^x ol fp^tlng q>iAo-
aotpotfVTtg — rorrcof yuQ ö Xdyog a^dgxfig ictl itQÖg n»t9m — iXX ol TÖr
144 Kapitel V. Der tragische Zeus.
ders in der Stoa üblich, die Dichter als Zeugen zu vernehmen, und
gerade Homer und Euripides waren offenbar besonders beliebt.^) Es ist
dem Epikureer ein Leichtes, aus den Dichtern Gegenbeweise zu bringen.
Interessant ist es, daß Lucian dabei diejenigen Euripidesverse^) ver-
wendet, die von den Stoikern selber benutzt sind. Das beweist Cicero
de nat. deor. II 25, 65, wo der Stoiker dies Zitat seiner Erklärung
volkstümlicher Auffassung der Götter ex ratione physica einfügt; diese
Erklärungsweise wird von Cicero schon auf Zeno, Kleanthes und
Chrysipp zurückgeführt (II 24, 63).^) Es ist danach sehr wahrschein-
lich, daß schon sie diese Verse als Beleg benutzt haben für die Ur-
kraft, den Äther oder das alles durchdringende Feuer, während die
Gegner dieselben Worte verwandten, um ihnen den Widerspruch zwi-
schen ihrem Pantheismus und dem Beibehalten der Volksreligion zu
demonstrieren. Möglich ist auch hier wie in der 'Widerlegung des
Zeus' die Argumentation des Gegners nur, weil er sich den Zeus in der
Persönlichkeit des Volksglaubens denkt.
Der zweite Teil dieses Beweises ex consensu gentium wird ge-
bildet durch die allgemeine r&v ds&v swoia, wie Sextus Empiricus
IX 62 sagt, der sie widerlegt, indem er zeigt, daß die ebenso allgemein
herrschende Ansicht von den Vorgängen im Hades falsch ist, also die
Allgemeinheit auch in dem andern Falle nichts besagt. Bei Lucian wird
die Verschiedenheit der Anschauung von den Göttern bei den einzelnen
Völkern, indem das Lächerliche dabei hervorgehoben wird, schon
allein als Gegenargument betrachtet (42). So opfern die Skythen dem
Schwert, natürlich nur als einem Symbol des Kriegsgottes (Hdt. IV 62
Clem. AI. protr. IV 46, 1 V 64, 5), die Thraker dem Zamolxis, einem ehe-
maligen Menschen (Hdt. IV 94 — 96), der in Samos Sklave gewesen war,
die Phrygier verehren den Mond (s. Roschers Lex.d.Myth. II 2 S. 2708 ff.),
die Äthioper den Tag (Hdt. III 18), die KyUenier den Phales (siehe
Röscher III 2 S. 2242), die Assyrer die Tauben (hier liegt eine Ver-
wechslung mit den Syrern vor: Xen. An. I 4, 9 [Luc] de dea Syr. 14
Sext. Emp. Pyrrh. IH 223 Clem. AI. protr. II 39, 8), die Perser das
aig o,rt av &iXco6iv aSovtccg dsi^ai. Das zeigt ja eben Lucian am Homer und
Euripides.
1) Man sehe nur den Index von Gercke nach zu seinen Chrysippea Fleck-
eisens Jahrb. Suppl. XIY S. 758 und denke an die ^Medea des Chrysipp' (Diog.
L. VII 180).
2) Nauck, Trag. Gr. Frgm.^ Eurip. fr. 941.
3) Hie locus a Zenone tractatus post a Cleanthe et Chrysippo pluribus
verbis explicatus est.
Widerlegung der Gottesbeweise. 145
Feuer (Hdt. I 131 Clem. AI. protr. V 65, 1), die Ägypter das Wasser,
gemeint ist der Nil (Pliit. de Is. et Osir. 5). Die mannigfachen Götter
der Ägypter fordern aber bei Lucian noch besonders den Hohn heraus.
In Memphis, bemerkt Damis, halten sie den Stier für heilig (Diodor
185)^), in Pelusion die Zwiebel^), sonst Ibis (Hdt. II 65 Plut. de Is.
et Osir. 73 Clem. AI. protr. V 65, 2), Krokodil (Hdt. II 69 Plut. de Is. 75),
Hundsaffen^), Katzen^) (Hdt. H 67), Affen (Strab. XVH 1,40 [812]).
Als das Lächerlichste aber erscheint ihm die Verehrung der rechten
Schulter im einen, der Unken im andern Dorf, sowie die Anbetung
eines halben Kopfes, eines irdenen Trinkgefäßes; gemeint ist die Heili-
gung der einzelnen Gliedmaßen des zerstückelten Osiris (Diodor I 21,5 ff.
Plut. de Is. 18), die nur durch die angenommene Halbierung des Kopfes
ins Groteske verzerrt ist, und bei dem Trinkgefäß ist offenbar an das
im Festzug des Osiris vorangetragene Wassergefäß gedacht (Plut. de
Is. 36). Auch diese Art der Polemik hat aber Lucian nicht etwa erst
aus der Komödie geschöpft oder selber geschaffen; sie findet sich
auch bei Cicero, der den Akademiker auf dieselbe Weise die An-
sichten der Barbarenvölker gegen die Stoiker verwenden läßt, um den
Schluß ex consensu gentium zu entkräften.^) Allerdings weist dort
auch der Epikureer die Fabeln der Dichter und die ungeheuerlichen
Erfindungen der Ägypter als unvereinbar mit einer reineren Gottes-
auffaflsung zurück^); aber da kann der Gegner gerade die ägyptischen
1) Vgl. Partheys Ausgabe von Plut. de Is. et Osir, Berlin 1860, S. 261 ff.
2) Die Bemerkung beruht ottenbar darauf, daß die Zwiebel von den
Priestern nicht gegessen wird (Plut. de Is. et Osir. 8. Min. Felix 28, 9. Seit.
Emp. Pyrrh. III 224. Juv. XV 9, der in den vorhergehenden Versen auch die
heiligen Tiere aufzählt).
3) Thots heihger Affe: Plut. de Is. 73 (Parthey 8. 166).
4) Ibis, xva)v und cct^Xovgog sind auch bei Timokles in den Alyvnttoi ge-
nannt, die offenbar der Verspottung ägyptischer Gottheiten dienten (Kock
II 8. 461). Auch Antipha^s (Kock U S. 71) und Anaxandrides (Kock 11 S. 160)
vor<?potteten diese ägyptischen Göttertiere (Ath. VII 299 e — 300 b).
fj) De nat. deor. III 16, 89: Nee vero volgi atque imperitorum inscitiam de-
Hjii'ore poHsum, cum ea considero quae dicuntur a Stoicis; sunt cnim illa im-
]»orit^»rura: piscem Syri venerantur, omne fere genus bostiarum Aegyptii con-
H«<ravenint. III 19, 47: quid autem dicis, si di Hunt illi, quos colimus et acoe-
piiuiiN, nir non eodem in genere Senipim Isimque nuuioromus? quod si facimoi,
(Mir l.iirl.uronim dcos rcpudiemus? boves igitur et imjuos, ibis, accipitret, Mpi-
'ia-i. ' ' ^y pisoef, canei, InpoR, felis, multas praotonMi boluai« in deomm
inirii' MOinUS.
». !'•• imt. deor. I 16,43: cum poetanini nutoni orror»' ooniungore \\tt%
)»ott4ht;i II ! '..riiii, Aegyptiorum(|')'< <?• ••■•■bMu gonorr (iiMiiiMitiatu.
II Im I iuni|>p 10
146 Kapitel V, Der tragische Zeus.
Götter als Argument gegen die Epikureer ins Feld führen: jene haben
doch eine Berechtigung, da sie den Menschen nützen, die epikureischen
dagegen nicht.') Bei Lucian staunt man, daß ein Anhänger der epi-
kureischen Schule diese Argumente gegen den Götterglauben im all-
gemeinen vortragen muß. Die Epikureer haben ja selber die Götter
der Yolksreligion mit ihrem Anthropomorphismus beibehalten und
den Schluß ex consensu gentium mitgemacht.^) Als Argument gegen
die Existenz der Götter durfte also Damis den ganzen Abschnitt über-
haupt nicht vorbringen; in seinem ganzen Umfang paßt er nur für
Karneades^), aus dessen Lehren durch Vermittlung des Klitomachus
sowohl Cicero wie Sextus geschöpft haben.^)
Der dritte Beweis für das Dasein der Götter wird von Sextus.
bezeichnet als die äzojta, die sich beim Aufgeben dieses Glaubens er-
geben würden. Darunter zählt er selber das Aufhören der Mantik
(IX 132) mit auf. So führt denn auch Timokles die Weissagungen
als deutliche Betätigungen der Götter und ihrer Fürsorge an (43).
Damis bekämpft diese Ansicht mit den Argumenten, die wir aus der
* Widerlegung des Zeus' kennen.
Was weiter folgt, schließt sich nicht einer durchsichtigen Dis-
position an. Der Epikureer wird an die Altäre erinnert (44), die bei
seiner Anschauung beseitigt würden; worauf er meint, um Altäre wie
den der tauri?chen Artemis mit den Menschenopfern sei es nicht,
schade. Dasselbe Argument wird am Schluß der Disputation noch
einmal vorgebracht in der Form eines Syllogismus (51), um dadurch
am Ende einen Haupteffekt zu erzielen; aus dem Vorhandensein der
Altäre wird auf die Existenz der Götter geschlossen. Das ist im
Grunde nur die Wiederholung des Beweises ex consensu gentium;
aber zugleich wird der Glaube der Stoiker verspottet, derartige außer-
halb der menschlichen Erkenntnis liegende Dinge durch eine einfache
Schlußformel bindend beweisen zu können.
Den letzten Baustein in dem Gottesbeweis des Timokles bildet
endlich der Vergleich mit dem Schiff (46 ff.); auch das ist nur eine
1) De nat. deor, I 36, 100 f. Die epikureischen Götter sind ganz überflüssig,
da sie nicht wirken; ipsi qui inridentur Aegyptii nuUam beluam nisi ob aliquam
utilitatem, quam ex ea caperent, consecraverunt; und nun folgt die Begründung
im einzelnen.
2) Cic. de nat. deor. I 16, 43: quae est enim gens aut quod genus hominum,
quod non habeat sine doctrina anticipationem quandam deorum? quam appellat
7tQ6Xr]ipiv Epicurus. Vgl. I 23, 62. 3) Zeller, Die Phil. d. Griech. UI 1 ^ S. 505.
4) Siehe Hirzel, Untersuchungen zu Ciceros phil. Schriften, Leipz. 1877, I 32 ff.
Vick, Hermes XXXVH (1902) S. 228 ff.
Widerlegung der Gottesbeweise. |47
Wiederholung des Argumentes aus der xoö^ixri diccTa^ig. Sextus
Empiricus (1X27) gibt denselben Vergleich: Wie derjenige, der vom
Schiffswesen etwas versteht, sobald er aus der Feme ein Fahrzeug
vom Winde getrieben und mit allen Segeln wohl ausgestattet erblickt,
daraus den Schluß zieht, daß jemand da ist, der es lenkt und in die
Häfen leitet, so suchte man beim Anblick des Himmels und beim
Anschauen der Sonne und Gestirne nach einem Schöpfer dieser herr-
lichen Ordnung. Und auch hier zeigt Cicero in der Darstellung des
Stoikers de nat. deor. H 34, 87 Übereinstimmung mit Sextus.^) Der
Vergleich der Welt mit dem Schiff und des Weltenlenkers mit dem
Steuermann^) ist bei den Stoikern sehr beliebt, wie sie überhaupt
Bilder aus der Seefahrt häufig verwenden^), und ist dann von den
christlichen Apologeten weiter verwertet.*) Es ist bezeichnend, daß
Athenagoras in seiner Schrift für die Christen (^22 S. 28, 23 Schwartz)
dem Stoiker Mark Aurel gegenüber sich ihn zu eigen macht. Widerlegt
wird der aus dem Vergleich gezogene Schluß von Darais, indem er nach-
weist, wie ungleich die verglichenen Dinge sind; und das Hauptargu-
ment gegen die Ordnung auf dem Weltenschiff ist das von Sextus
Empiricus für solche Fälle als das gewöhnliche bezeichnete^), die Un-
gerechtigkeit in der Verteilung der Lebenslose, die hier durch die
bekannten, wie wir oben sahen, aus der 'Widerlegung des Zeus' über-
nommenen Typen gezeigt wird.
Wir finden also im 'tragischen Zeus' nur wenig neue Gedanken,
die aus der skeptischen Polemik entnommen sind; sonst sind es die
alten Motive. Wir haben die Götterversammlung, ausführlicher dar-
gestellt und mit den witzigen Pointen versehen, die wir im 'Ikaro-
menipp' nur kurz angedeutet sahen, und wir haben, nur auf die Erde
übertragen, eine Dublette zu der Unterredung zwischen Zeus und
1) Cic. de nat. d. II 84, 87: Cumqne procnl cursum navigii videris, uon
<lnbitare, quin id ratione at^iue arte movoatur, Sext. Emp. IX 27: «^« rra
iftdaaad'ai nÖQQbi&iv vccvv ovifim di(ov,o\iivriv avvii,aiv ort ^art r/c o xartr-
9vvmv tavtriv.
2) Auch in lupp. conf. 11 findet 1 ' vom .^(luii, jii»ci »umh m
weiientlich anderem Sinne.
8) Vgl. Prftchter, Der Stoiker IlitrukleH, Leipzig i W'ondland,
PhiloM Schrift «her die Vor«ohung S. 28. II W.V.oi , 1' 1 dicoudi
genere Bionco, IHhu. Marburg 1896, S. 67.
4) Clem. AI. protr. X 100,4: rbv oigutim xi |ift<i »ri^i n. v «..^..,.
6) Scxt. Emp. Pvrrh. I 82: Ötuv ngög rbv xuTattxtvdÜovTa , ur» iarl n96voia
AuxitT, toifg dh nuxoh^' kvnffayttv.
148 Kapitel V. Der tragische Zeus.
Kyniskos, zu der ebenfalls schon im 'Ikuromenipp' die Anregung ge-
geben war. Für das Motiv, das in der Götterversammlung die Haupt-
sache bildet, den Streit um die Sitze, könnte man in jenem Dialog
sich sehr wohl den Platz denken. Und wenn Momus hier und dann
in der 'Götterversammlung' betitelten Satire gerade diese Rolle spielt,
so ist es wohl kein Zufall, daß in der kurzen Zeusrede im 'Ikaro-
menipp' (31) sich die Erwähnung seines Namens und seiner Tadelsucht
erhalten hat; man möchte das vielmehr als durch das Original
veranlaßt und somit als Überbleibsel der ausführlicheren Rolle an-
sehen, die Momus im Menippischen Vorbilde des 'Ikaromenipp' gespielt
hat.^) Der Momus ist durchaus keine sehr häufig auftretende Per-
sönlichkeit.^) Hesiod (theog. 214) führt ihn mit Moros und Thanatos,
Hypnos und den Träumen als Sohn der Nacht an. In den Kyprien
war Momos Ratgeber des Zeus und gab ihm Mittel und Wege an,
die gar zu sehr belastete Erde von der Masse der Menschen zu be-
freien.^) Sophokles und Achaios schrieben Satyrdramen des Namens.
Bekannter ist nur die Fabel (Bahr. 59), in der Momos die Werke
von Zeus, Poseidon und Athene, den Menschen, den Stier und
das Haus, kritisiert.*) Als Persönlichkeit in bestimmter Situation
tritt er uns sonst vor Lucian nicht entgegen.^) Beachtenswert ist
vielleicht, daß Kallimachos ihn häufiger anführt^); das geschieht
in dem Zeitalter Menipps. Aber mehr als vermuten kann man
hier nicht.
Für die Disputation des Stoikers und Epikureers lag Lucian auf
jeden Fall das Vorbild der Wirklichkeit vor; aber wahrscheinlicher
1) Zeus wirft ja dort dem Momus gleichsam vor, daß er den Menschen ein
schlechtes Beispiel gegeben habe; nun sagt mancher: Si67t£Q 6 Mat^og rä vnb
rcbv aXXcov yiyvoybsva GvAOcpccvtcb.
2) Vgl. Tümpel in Roschers Myth. Lex. II 2 S. 3117 ff.
3) Schol. zu II. I 5: Gv^ßovlcp xa> Mm^a j^Qr]Od^8vos.
4) Ausführlich bei Arisc. part. an. III 2, 663a, 35 und Lucian Hermot. 20.
5) Aristides 49, 136 (II S. 184, 18 ff. Keil) berichtet, Momus habe, weil er
sonst an der Aphrodite nichts zu tadeln fand, wenigstens ihren Schuh getadelt. —
Hasenclever, Festschr. z. 25jähr. Bestehen des hist.-phil. Vereins, München 1905,
S. 74 ff. meint, daß in Momus bei Lucian die historische Persönlichkeit des
Demosthenes aufgegangen ist, weil '^ Göttervers.' 2 die Worte aus Ttsgl t&v iv
XsQQovqao) 24 benutzt und im ^trag. Zeus' 23 die Worte der 1 olynth. Rede
(I 16) auf Momus bezogen sind. Der Schluß ist ebenso falsch wie die weitere
Konsequenz, daß hinter den übrigen Göttern sich das große athenische Publikum
verstecke.
6) Hymn. E 113. Epigr. fr. 70 (Schneider 11 222).
Momus. Philosophendisputation. 149
ist es, daß er auch hier schon literarisch fixierte Muster hatte. Cicero
benutzt in der Darstelhing des Streites zwischen Epikureer und Stoiker
Ausdrücke, die an das Mimische der Menippischen Satire gemahnen-,
mit Vorliebe gebraucht er das Verbum clamare^), und in dem von
Augustin c. acad. III 7, 15 ff. erhaltenen Fragment gibt er völlig die
Schilderung einer Disputation mit Streit und Geschrei, wie sie bei
Lucian vorliegt; dem Stoiker erscheinen die Epikureer mit ihrer Ansicht
von der Lust wie das liebe Vieh; und diese wieder stürzen auf ihre
Gegner wie Bacchanten, bereit, sie mit Mund und Nägeln zu zerfleischen.
Zeno nennt den Epikur Bestie, und dieser sagt von jenem, er sei ver-
rückt.^) Man muß beachten, daß das in den Academica stand, die
Varro, dem Verfasser menippischer Satiren, gewidmet sind. Da ist
es vielleicht auch nicht geringfügig, daß die spitze Bemerkung, der
Epikureer rede, als ob er gerade aus der Mitte der Götter käme und
deshalb genau Bescheid wüßte, bei Cicero de nat. deor. I 8, 18 lebhaft
an den ähnlichen Spott des Damis gegenüber Timokles erinnert.*)
Unschwer ließen sich die Bäche finden, mittels deren beiden Schrift-
1) De nat. deor. I 34, 95. Ac. post. fr. 20 (S. 89, 7. 23. 2G Mueller).
2) Man muß die ganze Stelle nachlesen, um den Eindruck zu gewinnen:
clamat Zeno, et tota illa porticus tumultuatur, hominem natum ad nihil
aliud 6886 quam honestatem, ipsam suo splendore ad 86 animos ducere nulle
pror8U8 commodo extrinsecus posito et quasi lenocinante merc^de, voluptatemque
illam Epicuri solis inter se pecoribus esse communem, in quorum societatem et
hominem et »apientem trudere nefas esse. Contra ille convocata de hortulis in
auxilium quasi Liber turba temulentorum, quaerentium tantum quem in-
comptis unguibus bacchantes asperoque ore discerpant, voluptatis nomen,
suavitatem, quietem teste populo exaggerans instat acriter, ut nisi ea beatus
nemo esse posse videatnr. In quorum rixam si Academicus incurrerit, utrosque
audiet traben tes se ad suas partes, sed si in illos aut in istos concesserit, ab
eis, quos deseret, insanus, imperitus temerariusque clamabitur, itaque
cum et hac et illac aurem diligenter adraoverit, interrogatus, quid ci videatur,
dubitare se dicet. Roga nunc Stoicum quis sit melior, Epicurusne, ({ui delirare
illum clamat, an Academicus...., nemo dubitat Academicum praelatum iri.
Kursus te ad illum converte et quaere, quem magis amet, Zenonem, a quo
bestia vocatur, an Arcesilan ...., nonne apertum est totam illam porticum
icHaoam, Academicos autem prae illis modostos cautosquc honünes videri
Epicuro? Vgl, üsener, Epicurea, Leipz. 18M7, S. LXX.
8) Cic. de nat deor. 18, 18: Velleius fident4^>r sane .... tamquum modo ex
deonun concilio et ex Epicuri intermundiis descendisset, Luc. lupp. tr. 46: §1
d* 6 Zthf 6 ßgorrtüv ftfn, av (tfutvov av tiddris ixetd'ir rtoO-tv nitQcc tAp 9§Ap
atptyiiivof. Auch hier geht, genau wie wir oben sahen, i^üoudojuHiin mit
Lucian, wenn or Fariinet. 6 von Piaton sjigt: ots <5fco^H' xuxth)lv{^üig xai ra iv
oi>Quvois unuvxu icxfftßwf ico^axiäff, x6v avtardrui 9^tov iv tfj nvQiodn ovai^ f/ra*
lifti. Vgl. oben 8. 43 ff.
150 Kapitel V. Der tragische Zeus.
stellern derartige Motive aus einer gemeinsamen Urquelle zugeströmt
sind, wenn man an eine Einwirkung Varros auf Cicero denkt. ^) Bei
Varro scheint eine Disputation zwischen Stoiker und Epikureer in der
Xoyo^axtci vorgelegen zu haben. Man könnte auch in Menipps ^Sym-
posion' sich derartige Redekämpfe vorstellen, die dann für Lucian
wenigstens ein Muster abgaben.^)
So sehen wir, wie Lucian die beiden alten Motive wiederbenutzt
hat; die Götterversammlung hat er ausgestaltet, die Form der Dis-
putation hat er mit einem Trank aus skeptischer Quelle gefüllt. Die
geschickte Gruppierung beider Motive, die packende Inszenierung ist
sein Verdienst.^) Dazu hat er noch ein paar Hiebe auf die Sophisten
neu angebracht, zu denen er selber einmal sich gezählt hat und
deren Angehöriger er im Grunde Zeit seines Lebens geblieben ist. Er
spottet über diejenigen, die, wenn die Säulenhalle mit ihren Gemälden
vernichtet wäre, nicht mehr Gelegenheit haben würden, über die Ma-
rathonkämpfer zu sprechen. Von Polemon, dem Haupt der Rhetoren-
schule in Smyrna, die Lucian vermutlich selber in seiner Jugend
besucht hat, besitzen wir noch die Reden auf die Marathonkämpfer
Kallimachus und Kynägirus, deren Väter sich um die Ehre streiten,
die Grabrede zu halten; gerade den Kynägirus empfiehlt Lucian aus
Hohn als wirksamen Stoff auch dem Rhetorenschüler (rhet. praec. 18).
Noch deutlicher wird der Hieb, wenn Hermes dem Zeus vorschlägt,
sich bei seiner Ansprache an eine Demosthenische Rede zu halten (14).
Sowohl für Polemon, wie für Herodes Atticus ist Demosthenes das
Vorbild; ÄHus Aristides (26, 19 H S. 430, 21 Keü) träumt sogar von
ihm und bildet sich ein, ihn übertroffen zu haben. Lucian spottet
im 'Rhetorenlehrer' (21) darüber, daß sich jeder dem großen Päanier
vergleicht. In unserem Dialog bemerkt er boshaft, daß Zeus ja nur
ein paar Phrasen des Demosthenes mit geringen Veränderungen an-
einanderzureihen brauche; denn so reden ja heutzutage die meisten.
Allerdings ist auch da vielleicht eine Entlehnung aus Menipp*) nur
1) Es ist bezeichnend, daß Cicero ac. post. I 4, 14 ganz in Menippischer
Weise einen Vers zur Schilderung der Handlung einfügt.
2) Ygl. Kap. XI.
3) Auf diese Weise wird wohl auch Knauer (s. oben S. 15) S. 38 sein
Urteil verstanden wissen wollen: luppiter tragoedus Luciano soli tribuendus est.
Im übrigen verbreitert er nur etwas die schon von Bolderman, Studia Lucianea,
Lugd. Bat. 1893, S. 80 aufgestellte Parallele, die ihre Berechtigung hat: deorum
conc. = lupp. trag. 1 — 35, lupp. conf. = lupp. trag. 35 — fin.
4) Daß auch das plötzliche Abbrechen (15) ßovXo^cci ds i]dri .... avta v^iv
SriXoäGca acccpoäg auf ein Menippisches Motiv zurückzugehen scheint, und die Ahn-
Beziehungen auf Lucians Zeit. 151
durch die Zeitumstände wieder aktuell geworden.^) Ganz allgemein auf
das endlose Geschwätz der Sophisten geht die nicht weniger boshafte
Bemerkung (14), die Hermes macht, nachdem es ihm endlich gelungen,
Ruhe herzustellen: 'Sie sind stummer geworden als die — Sophisten';
die Umbiegung des üblichen Ausdrucks: 'stummer als die Fische' ist
übeiTaschend und um so wirkungsvoller. Diese Angriffe trugen gewiß
mit dazu bei, die ohnehin schon große Lebhaftigkeit der Satire zu
erhöhen und die Lachlust des Publikums herauszufordern.
lichkeit mit Seneca apocoloc. 1 wird noch zu Kap. XII bemerkt werden, wo die
Rede der Rhetorik im 'Doppeltverklagten' eine gleiche Erscheinung zeigt.
1) Ygl. S. 159.
Kapitel VI.
Die Götterversammlung.
Wir kommen zum letzten Dialog, der zu dem Olymp in Be-
ziehungen steht, zur ^Götterversammlung'. Zeus gibt gleich im Beginn
das Thema; es gilt die Unwürdigen, die Metöken und Fremdlinge,
aus dem Götterhimmel auszustoßen. Der uns schon bekannte Momus
tritt auf und klagt zunächst, daß einige, nicht zufrieden, selbst unter
die Olympischen aufgenommen zu sein, auch noch einen ganzen
Schwärm von Anhängern mitgebracht haben; als Beispiel nennt er
Dionysos mit Pan, Silen und Satyrn. Zeus verbietet ihm darauf
sofort, seine andern Söhne, Asklepios und Herakles, in gleicher Weise
anzugreifen. Infolgedessen wendet sich Momus gegen Zeus selber;
von seinem Grab in Kreta und ähnlichen Fabeln will er nicht reden,
aber seine Liebschaften mit irdischen Weibern sind schuld daran, daß
der Himmel mit Halbgöttern bevölkert werde. Ihm haben's alle nach-
gemacht, selbst die Göttinnen; man brauche ja nur an Anchises,
Tithonus, Endymion u. a. zu denken. Auch hier fällt Zeus ein und
untersagt, etwa auch noch gegen Ganymedes Injurien zu richten.
Momus folgt dem Wink; aber Attis, Korybas, Sabazios, Mithras, Za-
molxis und die ägyptischen Götter wie der hundsköpfige Anubis, der
Apis, woher haben sie, fragt er, eine Berechtigung zur Aufnahme?
Zeus erklärt diese Gottheiten als nur dem Eingeweihten verständlich.
Momus mag sich zwar dabei nicht beruhigen; er geht aber weiter
zu Trophonius, Amphilochus, die Orakelstätten haben, zu Polydamas,
Theagenes, Hektor und Protesilaus, denen man Opfer darbringt.
Endlich kommen die vergötterten Begriffe an die ^^Reihe wie Tugend,
Natur, Schicksal, Glück, die dahin führen, daß den Göttern kein Opfer
mehr zuteil wird, weil die Menschen ja wissen, daß doch alles vom
Schicksal und der Tyche bestimmt wird. Dann liest Momus mit Zeus'
Erlaubnis ein Dekret vor in den Formen attischer Volksbeschlüsse,
in dem zu einem bestimmten Termin eine Prüfung der Götter und
Inhalt. Beziehungen zum 'trag. Zeus'. 153
ihrer Berechtigung durch eine Siebenerkommission angeordnet wird.
Dabei sollen die falschen Götter ausgemerzt und im Fall ihrer Rück-
kehr mit dem Sturz in den Tartarus bedroht werden. Außerdem
aber soll hinfort jeder Gott nur seines Amtes walten und sich nicht
Übergriffe in den Beruf des andern erlauben. An die Philosophen
soll ein Verbot ergehen, leere Begriffe zu bilden und über Dinge zu
reden, die sie nicht verstehen. In die durch Vertreibung ihres In-
habers leer gewordenen Tempel sollen Standbilder alter Götter gestellt
und sie zu Besitzern gemacht werden. Zeus nimmt den Beschluß
an und bekräftigt, daß es also geschehen soll.
Die kleine Szene enthält nach dem 'tragischen Zeus' nichts
Neues; sie hat sich aus ihm entwickelt, und wir sind dort schon auf
sie vorbereitet worden, wenn Zeus (42) den Momus beschwichtigt, er
wolle die Frage nach all den seltsamen Göttern, wie sie die Ägypter
z. B. haben, und nach ihrer Berechtigung erledigen, sobald die augen-
blickliche Gefahr beseitigt sei. Hier haben wir die Erfüllung des
Versprechens. Aber auch im einzelnen wird kaum etwas geboten,
was nicht schon der umfangreichere Dialog gebracht hätte. Dem
ausführlicheren Angriff, dem ja Zeus zum Teil vorbeugt, gegen Hera-
kles, Dionysos, Asklepios^), Ganymed (4 ff.) entspricht dort der kurze
Seitenhieb, wenn Momus sagt {'21): 'Ich kann ja offen reden; denn
wir sind ja unter ans und kein Mensch zugegen außer Herakles,
Dionysos, Ganymed und Asklepios.' Der Vorwurf gegen die fremd-
ländischen Götter (10 ff'.) ist im ganzen derselbe wie im 'tragischen
Zeus' (8, 42), nur etwas kürzer gehalten in bezug auf die ägyptischen,
etwas erweitert in bezug auf die andern. Beim Streit um die Plätze
fanden wir dort Anubis, Attis und Mithras, die hier wiederkehren,
aus der Rede des Damis sind uns bekannt als Gottheiten die hier
wiedergenannten Zamolxis, Apis, Ibis, Affe; aber dort ist Damis
weit redseliger in der Aufzählung seltsamer Götterkulte, hier küi-zt
Momus ab mit xal cUka :r()Xkoi yiXotoTf-Qa-); neu hinzu konmit die
Erwähnung des Bockes als Gegenstand der Verehrung in Ägypten^),
1) Dieselbe ZuBammenstellaDg des Herakles, Dionysos, Asklepios, dann
auch die Erwähnung des Grabes des Zeus hat Celsus bei Orig. c. Cels. III 42. 48
(Keim, Celsus* Wahres Wort, Zflrich 1878, S. 39 f), um heidnische und christliche
Lehre gogenüher/aistcUon. Das Abbrechen bei Erwiliinun^ dos in jtMier Zeit
mächtigen .\HkIcpioH ist vielleicht bezeichnend fiir Lucians VorHicht (Vgl. v. Wila-
mowit%. Die Kultur der Gegenwart I Abt. VIII, Berlin-Leipz. 11U>:», S I7:r
2) lupp. tr. 42: rttlna %ibt ov yHtof iottp;
3} Plut. de Is. 73, Farthey S. 261; Hcrodot II 4«; nuiU l.w il und
tweifello« nicht zufällig in demMolben Gedankmgnng Cfl-UM bei Orn III 17
154 Kapitel VI. Die Götterversammlung.
sowie des Sabazios und Korybas, die uns jedoch schon im 'Ikaromenipp'
(27) als Teilnehmer am himmlischen Symposion begegnet sind. Die
Anspielung auf das Grab des Zeus (6) hörten wir ebenso^) im 'tragi-
schen Zeus' (45). Auch die ganze Rolle^ die Momus hier spielt, hat
ja ihr Vorbild in jenem Dialog. Die drohende Gefahr, die Momus
in Aussicht stellt (13), es möchte infolge der aufklärenden Reden
der Philosophen niemand den Göttern mehr opfern, führt uns ebenso
zum 'Ikaromenipp' (32) wie zum 'tragischen Zeus' (18), wo diese Angst
ja hauptsächlich den Göttervater zur Berufung der Versammlung ver-
anlaßt, wie endlich zur 'Widerlegung des Zeus' zurück, wo ja die
Zwecklosigkeit der Hekatomben gefolgert war (off.); an den letzten
Dialog (15, 4) erinnert besonders der Hinweis (13) auf die Bedeutung
des selbst den Göttern übergeordneten Fatums, die ja im 'tragischen
Zeus' (25, 32) nur nebenbei gestreift war. Das einzige ganz Neue,
das hier gebracht wird, ist die Aufzählung der verschiedenen Orakel
und wundertätigen Stätten in Kap. 12. Wir lesen hier von Trophonius
und Amphilochus ^), die beide Verehrung genießen und Weissagungen
geben (Paus. I 34, 2 f.); für den letzten, den Momus als Sohn des Mutter-
mörders Alkmaion bezeichnet^), wird ausdrücklich Cilicien als Gegend
des Kultes bezeichnet, und hier opferte ihm Alexander der Große*);
das Heiligtum genoß also damals bedeutenden Ruf. Unter den Wunder-
tätern figuriert weiter in der Aufzählung des Momus Polydamas in
Olympia (Paus. VI 5), Theagenes in Thasos (Paus. VI 11), Hektor in
(Keim S. 36 und 290): die ägyptischen Tempel sind außen prachtvoll, aber, wie
Celsus sagt (Koetschau S. 215^20): ^vdotBQ(o yivoiitvo) d'acoQslTai TCQoaKvvov^isvog
ailovQog r) Tt/'O'rjxo? t) y,QO'/.6dsLXos ri tQciyog ?) -avcov, wie Lucian sagt: ivdov ob
7\v ^r}tjjs tov ^sov^ 7] Tti%'r\y.6g ietiv r\ Ißig t) tgayog r) ailovQog. Der Unterschied
ist nur, daß Celsus einfach diese Götterverehrung mit der christlichen zusammen-
stellt, Lucian den Gedanken nur als Vergleich benutzt für äußerlich hübsche,
innerlich minderwertige Menschen. Für die Identität des Celsus mit dem Adres-
saten von Lucians ^Alexander von Abonuteichos' beweist die Übereinstimmung
natürlich um so weniger, als die Schrift des Celsus erst 177 — 180 geschrieben ist
(K. J. Neumann, Der römische Staat u. die allgemeine Kirche I, Lpz. 1890, S. 58
Anm. 1 ; Harnack, Altchristi. Literaturgeschichte, Lpz. 1893, I S. 869).
1) Deor. conc. 6: iv Kq-tixti ^hv ov ^övov xovxo ccv.ovöca ^ativ, aXXä -äuI aXlo
XL TtSQL 60V Xiyovöi y.a\ xäcpov iTtidsiv.vvovGiv ^ lupp. tr. 45: oi ys i% KqrixYig
^xovxsg äXXcc rj^ilv diriyovvxca, xäcpov xivä ycsid^L dsUvvaO'ca.
2) Die Zusammenstellung der beiden ist gewöhnlich. Aristides 7, 21 (II
S. 318 Keil): kiixpiccgaog y,sv yccg vmI Tgocpäviog iv Boicoxia kccI k^cpiXoxog iv
AixaXia xQr}6^codov6L xs xocl (faivovxai-^ auch bei Celsus Orig. EU 34 (Keim S. 38/9).
3) Röscher, Myth. Lex. I S. 306; Immisch, Jahrb. f. kl. Phil. Suppl. XYII S. 185.
4) Strabo XIV 5, 17 (676); Arrian Anab. II 5, 9.
Wundertätige Stätten. 155
Ilion (Philostr. heroic. 2, 10, vgl. Röscher, Myth. Lex. I 2 S. 1927) und
Protesilaos auf dem thrakischen Chersones (Paus. I 34, 2). Irgend einen
zeitliclieu Hinweis finden wir nicht; allenfalls könnte der Wortlaut
bei Polydamas darauf führen; dieser war Sieger in Olympia in der
93. Olympiade (408 v. Chr.)^). Momus sagt: ^Schon heilt auch des
Athleten Polydamas Bildsäule in Olympia die Fiebernden.' Das ^Schon'
gibt 500 Jahre nach Polydamas kaum rechten Sinn, da die Wunder-
kraft doch nicht so spät eingesetzt haben wird, sondern sieht ganz
so aus, als ab ob hier nicht Lucians eigene Rede, sondern eine um
mehr als 400 Jahre ältere vorliegt.
Man sieht, die * Götterversammlung' ist ziemlich kahl, und histo-
rische Anspielungen fehlen ebenso völlig wie Zitate. Es fehlt auch die
Umrahmung, die andere Dialoge haben. Beim 'tragischen Zeus' führt
uns erst der Kummer und die Sorge des Göttervaters zu der Berufung
einer Versammlung; hier werden wir mitten in die tobende Masse
hineingesetzt, und die Beratung beginnt. Wir haben wieder denselben
Unterschied, den wir schon oben beobachtet haben; auch die ^Wider-
legung des Zeus' entbehrte dieser Einleitung und kennzeichnete sich
dadurch als erweiterter Ausschnitt aus einem größeren Dialog, aus
dem die Umrahmung nicht ohne starke Wiederholungen hätte mit-
herübergenommen werden können. Auch hier liegt die Sache ebenso.
Die Beziehung auf den 'tragischen Zeus' zeigt zum mindesten, daß
wir hier nur einen Gedanken ausgesponnen finden, der dort in einem
größeren Zusammenhang berührt war. Daß die 'Götterversammlung'
jenem Dialog gefolgt ist, wird dadurch so gut wie sicher. Wäre sie
vorangegangen, so würde sie die äußere Umrahmung mit dem Streit
um die Plätze erhalten haben, die jetzt in jenem Dialog vorweg-
genommen war; für die spätere Abfassung spricht auch die zu-
sammenfassende Kürze bei Aufzählung der ägyptischen Gottheiten.
Auch in unserm Dialog werden wir also auf die Versammlung der
Götter zurückgewiesen, die im *Ikaronienij)p' so dürftig behandelt
war, die aber in der Menippischen Vorlage hcichstwahrscheinlich einen
bedeutenderen Umfang hatte und allerlei Anregungen mannigfachster
Art bot.'O
1) Easeb. ohron. I S. 208 Schoene.
2) Da« VcrhiUtniM von 'QOttervenammluDg*, 'Widerlegung des Zeui* und
'Iksromenipp' hat Kiiauer (s. oben S. 16) S. 46 ff. richtig erfaßt: deomm con-
Hiliiim et lovem confuiatum ex una Menippi tatura, quae deorum concilium qtiod
in Icaromcnippo invenitur planiu« futiaiiqae deicribebai, eaae depronipiu; be-
treff« ih'H 'traj<. Zeu»' n. oben S. 160.
156 Kapitel VI. Die Götterversammlnng.
Ob nun erst auf Lucian, oder schon auf Menipp, sicherlicli kann
man bei dem ganzen Motiv, das unser Dialog behandelt, die Einwir-
kung der Komödie konstatieren, die sich mehrfach mit dem Eindringen
der fremden Kulte beschäftigt hat. Bei Apollophanes in den 'Kretern'
fand sich eine Aufzählung der d-sol levLXOL, die doch nur dem Zwecke
gedient haben kann, sich darüber lustig zu machen (K. I S. 799).
Aristophanes hat den Kult der Bendis besonders in den 'Lemnierinnen*
verhöhnt (Kock I S. 488, 489 fr. 365, 368), und Kratinus schrieb seine
'Thrakerinnen' mit Bezug auf sie (Kock I S. 34 ff. fr. 80, 82); vom
Bendiskult aber redet Zeus im 'Ikaromenipp' 24, und Bendis macht
mit Anubis, Attis, Mithras, Men im 'tragischen Zeus' (8) den alten Göttern
den Platz streitig; und wenn sie in der gleichartigen Aufzählung
'Götter Versammlung' 9 fehlt, so ist das nur Zufall, da Attis, Sabazios
und Mithras dort wiederkehren. Eine Verspottung der ägyptischen
Götter haben wir in des Anaxandrides 'Städten'; dort erklärt ein
Bürger, warum er keine Kampfgemeinschaft mit den Ägyptern mag
(Kock II S. 150): 'Du verehrst ein Rind, ich opfere es; du hältst den
Aal für eine große Gottheit, wir für den größten Leckerbissen beim
Mahle; du ißt kein Schweinefleisch, ich freue mich besonders drüber.
Du ehrst den Hund, ich schlag' ihn, find' ich ihn, wie er meine Kost
verzehrt. Siehst du, daß eine Katze krank ist, weinst du; ich schlag'
sie tot und häute sie ab mit Freuden.' Diese heiligen Tiere zählt
Momus in der 'Götterversammlung' (10) und der verwünschte Damis
im 'tragischen Zeus' (42) auf. Daß besonders Trophonius, den Momus
ebenso unter den fremden Eindringlingen nennt ('Göttervers.' 12),
wiederholt in der Komödie verspottet worden ist, dafür zeugen die
zahlreichen Stücke, die wir oben angeführt haben.-^) Auch andere
Dramen, in denen der Aberglaube der Lächerlichkeit preisgegeben
wurde, wie Aristophanes' 'Amphiaraus', 'Polyidus' und die 'Telmesser'
könnten in Betracht kommen; aber besonders zwei Stücke verdienen
hier Erwähnung.^) Das eine von Aristophanes hat man vermutungs-
weise als die 'Hören' bezeichnet. In den 'Hören' wurde verächtlich
von Sabazios gesprochen, dem Phryger, dem Flötenspieler (Kock I
S. 535), der ja im 'Ikaromenipp' (27) sich auch im Kreise der Himm-
lischen aufhält. Diese Erwähnung bildet die Brücke, um den 'Hören'
zuzuschreiben, was Cicero de legg. II 15, 37 berichtet, ohne den Namen
des Stückes zu nennen: Bei Aristophanes würden Sabazios und andere
1) S. 59 Anm. 2. Vgl. den Index bei Kock III S. 707.
2) Vgl. Bolderman, Studia Lucianea, Lugd. Bat. 1903, S. 79.
Komödienvorbild. Philosophische Quelle. 157
Götter als Fremde venu'teilt und aus dem Staate gejagt. Es kommt
nicht darauf an, ob sie aus dem Staat Athen oder dem Götterstaat
verwiesen werden, das Motiv ist das gleiche, das unserer 'Götterver-
sammlung' zugrunde liegt. In anderer Hinsicht läßt sich das zweite
Stück heranziehen, des Euphron d-Ecov ayoQcc] man sieht ja sofort, wie
der Titel zu unserem d^sav ixxXr^öCa stimmt. Das einzige erhaltene
Bruchstück lehrt leider nichts über den Inhalt: aber die Anschauung
von der Göttergemeinde, die auf der Agora tagt, scheint doch durch
den Titel nahegelegt zu sein (Kock III S. 320). So wäre es möglich,
daß Lucian über sein Menippisches Vorbild hinaus zur Komödie griff
und daraus das Motiv ergänzte.
Aber auch hier kommt wie bei den vorigen Dialogen eine aka-
demisch-skeptische Quelle hinzu, aus der Lucian den Gedankengang
des Momus umgestaltet hat. Es wäre sonst ein seltsamer Zufall, daß
die Deduktion des Akademikers Cotta in Ciceros 3. Buch de natura
deorum in den Hauptzügen mit der des Momus übereinstimmt. Da
wird zunächst (III 17, 43) eine Polemik des Kameades angeführt, die
dem Pan und den Satyrn, gegen die ja auch Momus (4) seine An-
griffe richtet, die Gottheit abspricht. Darauf werden den anerkannten
Göttern die neuen wie Herkules, Asklepius, Liber, Castor und PoUux
gegenübergestellt (III 18,45), wie Momus (Of.) diese Halbgötter ihrer
Würde beraubt, indem er zeigt, daß ihre Verwandten Menschen ge-
bliel)en sind; genau so folgert auch Cotta, daß, was dem Herkules und
den andern recht, auch dem Theseus oder Orpheus und Rhesus billig
sei. Diese Art der Schlüsse wird von Sextus Empiricus direkt auf
Kameades und Klitomachus zurückgeführt.^) Weiter nennt er die
Furien; wenn man die für Gottheiten ansehe, so könne man auch
Honos, Fides, Spes usw. dafür halten 'omniaque quae cogitatione
nobismet ipsi possumus fingere' (III 18, 47); das berührt sich mit
den ^tvu övo^ata oder, wie Momus auch sagt (13), xsvä :TQccy^dt(ov
dvo^ata vnh ßkaxätv dv&Qioxcov tav (piXotSotpcov inivorfiivxa. Ferner,
sagt Cotta, wenn jene, die wir als solche übernomtncn haben, Götter
sind, warum niclit Serapis und Isis? Wanini sollen wir die Gott-
heiten der Barbaren zurückweisen? Boves igitur et equos, ibis, ac-
(Mpitres, aspidas, crocodilos, pisces, canes, lui)08, felis, multas prnetcrea
beluas in deorum numerura reponemus (III 19,47). Ebenso zählt
MomuH auf: xal 6 noixCkos ovtos tavQog 6 Me^itpCtrjg srQoöxvvil-
Tat . . . . , alöxvvonai dl tßiÖag xal md-ijxovs elTcetv xal tQayovg xal
Vi Sexl. Emp a.lv iimtli FX 1R2, vt/1. Miirx Ijirilii roll . Lip«. 1006, IIS. 17.
158 Kapitel VI. Die Götterversammliing.
ccXXa TtoXXa yeloidtega (10) und sucht so ihre Gottheit zu widerlegen.
Endlich werden auch bei Cicero (III 19, 49) Amphiaraus und Tro-
phonius als solche zweifelhaften Götter genannt, wie Momus (12) den
Trophonius und Amphilochus neben wundertätigen Statuen und Opfer
heischenden Heroen anführt. Es ist danach klar, daß diese Aftergötter
in der akademischen Beweisführung gegen die stoische Theologie einen
ziemlich breiten Raum einnahmen und daß daher vervollständigt
werden konnte, was in der Darstellung Menipps etwa nur angedeu-
tet war.
Unsere Vermutung betreffs der weitgehenden Benutzung einer
Menippischen Götterversammlung durch Lucian oder einer lebhaften
Anregung durch dieselbe würde eine starke Stütze erhalten, wenn sich
auch anderweitig erweisen ließe, daß bei Menipp eine solche existiert
haben muß. Ich glaube, daß Spuren von der Nachwirkung dieser auch
sonst nicht mangeln. Beginnen wir mit des Lucilius Götterversamm-
lung im 1. Buch seiner Satiren; sie enthielt eine Homer- oder Ennius-
parodie^), wie bei Lucian ja zum größten Teil das alte Heldenepos
parodiert ist. Daß es sich um einen Spott bei Lucilius handelt, ist,
wenn wir's nicht aus den Fragmenten ersehen würden, durch Lactanz
deutlich bezeugt.^) Es ist von vornherein nicht sehr wahrscheinlich,
daß der Römer eine Verspottung der Götter vorgenommen hätte, wenn
ihm nicht ein griechisches Vorbild vorgelegen hätte; dies in dem
etwa ein Jahrhundert älteren Menipp zu sehen, ist eine« naheliegende
Vermutung, da die Römer bei ihren Nachahmungen sich gern an die
griechischen Schriftsteller anschlössen, die ihnen ziemlich kurz vor-
ausgingen. Das Charakteristische der Götterberatung bei Lucilius war,
daß auf die Götter dabei völlig die irdischen Formen, natürlich einer
Senatssitzung, übertragen waren; die Götter sagten einzeln ihre Mei-
nung, und dann wurde abgestimmt^); das entspricht ganz der Art,
wie Zeus in der Lucianischen Götterversammlung (19) zunächst an-
ordnet: orco ÖoKsl avareivdro xriv xslQcc, sich dann aber eines Besseren
besinnt und fortfährt: iiäXlov ds ovxco yiyviöd'coj d. h. ^ohne Ab-
stimmung, auf meinen WiUen hin'; TcleCovg yaQ old' on eöovrai ol
^ij %£LQorovYJ6ovtsg'^ und in gleicher Art hat Seneca in seiner menip-
pischen Satire, die wir gleich betrachten werden, die Beratung über
den Claudius abgeschlossen, er natürlich wie Lucilius in römischer
1) Über die Götterversammlungen in Ennius' Annalen im 1. und 8. Buch
s. Vahlen, Ennian. poes. reliq. ^ praef. S. CLIX und CLXXXIX.
2) Lact. inst. div. IV 3, 12 : quod Lucilius in deorum concilio inridet. Ygl. I 9, 8.
3) Serv. Aen. X 104; Marx a. a. 0. I S. 3 H S. 3 f.
Lucilins' Götterversammlung. 159
Weise (apoc. 11): pedibus in hanc sententiam itum est. In der vor-
aufgehenden Schilderung der Sitzung finden sich trotz der geringen
Anzahl von Bruchstücken bei Lucilius einige Züge, die uns an Lucian
erinnern. Die Götter scheinen sich selbst angegriffen oder über die
Benennung seitens der Menschen beschwert zu haben. Apoll will
nicht immer Mer Schöne' genannt werden, und daß alle Götter 'Vater'
heißen, war zur Zielscheibe des Spottes gemacht.^) Dabei gedenkt
man der Szene im 'tragischen Zeus' (26)^ da Apoll ums Wort bittet, ob-
wohl er zu den Jungen und Unbärtigen gehört^), Momus ihn aber ob
dieser Entschuldigung verhöhnt, weil er der Vater eines so großen und
bärtigen Sohnes wie Asklepios sei. unter die Vorwürfe gehört auch
V. 32: stulte saltatum te inter venisse cinaedos, was nach der Er-
klärung von Marx die Bedeutung hat von yXavx' sig 'Ad^rjvag und
durch die eigentümliche Ausdrucksweise ganz zum Ton der Rede des
Momus im 'tragischen Zeus' (19 ff.) stimmt. Auf einen ehelichen
Zwist zwischen Zeus und Hera, wie er im Anfang dieses Lucianischen
Dialoges durch Heras Eifersucht wenigstens begonnen wird, möchte
ich V. 24 f. deuten^): 'daß ich meine Gestalt der Schönheit der Leda
und Dia vergleichen konnte.' Die Namen stammen aus einem Kata-
log der Liebschaften des Zeus, der Versschluß direkt aus der Auf-
zählung bei Homer (D. XIV 317); imd so schmäht ja auch Hera
bei Lucian (tr. Zeus 2), indem sie ihrem ungetreuen Gemahl seine
Lieben vorhält. Bei beiden Schriftstellern macheu sich die Götter
die Künste der Rhetorik zu eigen ; so beginnt einer bei Lucilius
(V. 26) — und das ist vielleicht einer der auffallendsten Züge — :
veUem cumprimis, fieri si forte potisset, was nach Ciceros Zeugnis
dem Anfang einer alten Rede entsprach, Zeus aber bei Lucian benutzt
das Proömium der 1. oWnthischen Rede: äprl :toXlC}v av w ävögsg
^&()l xQ-riadrav usw. Beachtenswert ist, daß Apolls Sehergabe bei
dem römischen (V. 33 ff.) ebenso verspottet ist^) wie bei dem griechi-
1) Marx a. a. (». I .-. -i V. üu 11*.
2) Auch im 'Ikuromenipp* 28 kehrt dieselbe Verspottung wieder; so lieht
Midi Hu<h hier deutlich ein Faden von einer Lucianischen GOitervertammlung
zur ;iii«i»Tn.
Auf Apollo, der sich den Beinamen 'pulcher' verbittet, bezieht die Worte
.Marx a. a. 0. U S. 18.
4) Siehe Marx a. a. 0. II 8. 18. Das von Apoll bei Lucian vorgebrachte
<'nik<'l, spottet Momoi ("tr. Zeus* 81), ibt so klar, dafi es keines Themistoklee
ix larf; Xepton tagt mit aktuellem Hinweis auf einen su Lucilius* Zeit honror>
rji-.iul schurfMinnigen ThiloMophen V. 81 M : Die Sache kann nicht entwirrt
w.T.ljMi, twiti f'jir»M':uli»n ^i iiiMiim OrCUS H'"'»**"*
160 Kapitel VI. Die Götterversammlung.
sehen Satiriker (tr. Zeus 30 ff.). Gegenüber der drohenden Gefahr,
welche die Disputation des siegreichen Epikureers im tragischen Zeus'
über den Götterhimmel heraufbeschwört, gesteht Zeus ein (42), daß
Momus mit seinen früheren Mahnungen recht gehabt hat^); bei Lu-
cilius scheint einer der Götter eine ähnliche Zustimmung zu erhalten
(V. 30): concilio antiquo sapiens vir solus fuisti. Auch insofern be-
steht eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Szenen, als es sich in
beiden, auch im 'Ikaromenipp' (33), um die Vernichtung eines oder
mehrerer Menschen handelt; allerlei Vorschläge werden gemacht, aber
immer wieder verworfen^), nur daß im 'tragischen Zeus' diese Be-
ratung abgebrochen werden muß, weil die Disputation beginnt, im
'Ikaromenipp' die Ausführung der Strafe witzig verschoben wird, bei
Lucilius dagegen man zu dem Beschluß kommt, Lupus soll an einem
Fischgericht zugrunde gehen. Die Vergleichungspunkte mögen im
einzelnen gering und unsicher sein, da nur wenig Bruchstücke des
Lucilius zur Verfügung stehen ; immerhin wird man gerade mit Rück-
sicht auf diese kleine Anzahl doch eine beachtenswerte Übereinstimmung
in den Motiven zugeben müssen, die um so auffälliger ist, wenn man
bedenkt, daß Lucilius doch weit freier mit dem Gebotenen umgehen
mußte, weil er alles auf römische Verhältnisse imd auf ein bestimm-
tes geschichtliches Faktum übertrug; wörtliche Übereinstimmungen
darf man da nicht erwarten. Daß bei Lucilius Menippnachahmung
vorliegt, hat nach andern F. Leo in seinem Aufsatz über die literar-
historische Auffassung der Satura^) bei den Römern und bei Varro
1) lupp. trag. 42: ^Isy^S oo Möbels xcu iTtsvi^as OQd-öbs.
2) Vgl. Ribbeck, Geschichte der röm. Dichtung I S. 237; man fühlt sich bei
dieser Beratung an die der Räuber bei Apuleius met. VI 31 erinnert. Aber mehr
noch stimmen Einzelheiten aus dem Psychemärchen zu der Menippischen Satire.
Da haben wir den Mercur als Ausrufer (met. VI 7 f. und 23), wie bei Lucian.
Da ist zum Schluß die Götterversammlung, in der Juppiter die Seinen anredet
(VI 23): Dei conscripti Musarum albo, und dann mit einem Demosthenischen
Anfang fortfährt: ... profecto scitis omnes (vgl. Marx a. a. 0. 11 S. 15). Da ist
endlich die Schilderung vom Göttermahl (VI 24), die mit dem im ""Ikaromenipp' 27
Ähnlichkeiten aufweist in der Schilderung dessen, was die einzelnen Götter dar-
bieten, und der Kurzweil, die den Schmaus begleitet: iv dh reo Ssinva o xs 'Aitol-
X(ov i'KLd'ccQLGS ■nccl ö ^JslXrivog xo^daxa a)p;^7j(>a'ro xat ccl MovGca avaaräöab tfjs
TS 'HoLoSov ©soyovLccg fjCav rj^itv xccl X7]v TiQmrriv d)di]v rmv vnvcov tüv HivdccQOV^
bei Apuleius: Musaeque uoce canora personabant; .... Apollo cantauit ad citha-
ram, Venus suaui musicae suppari gressu formonsa saltauit, scaena sibi sie concin-
nata, ut Musae quidem chorum canerent aut tibias inflarent, Saturus et Paniscus
ad fistulam dicerent. [Marbg. 1888, S. 23.
3) Herm. XXIV (1889) S. 84; vgl. Birt, Zwei polit. Satiren des alten Rom,
Senecas Apokolokyntosis. 161
hervorgehoben, und daß Quintilians stolzes Wort: 'satira tota nostra
est' nur sehr bedingt und zum kleinsten Teil walir ist, weiß jeder
Kenner der römischen Satire; die Gleichartigkeit des Lucilius und Lu-
cian, die sich durch gemeinsame Quelle aufs leichteste erklärt, hat
schon Lactanz erkannt, wenn er beiden die Bezeichnung zukommen
läßt: qui diis et hominibus non pepercit (div. inst. I 9,8).
Das zweite Beispiel einer Götterversammlung, die mit Wahrschein-
lichkeit auf Menipp zurückzuführen ist, bietet Senecas menippische
Satire. Wir haben schon oben auf Einzelheiten hingewiesen, die zu
Lucians 'Ikaromenipp' stimmen. Leider ist der Anfang der eigent-
lichen Götterberatung, die sich um des Claudius Aufnahme dreht, in
der Überlieferung verloren gegangen. Nachdem man zunächst in Clau-
dius' Gegenwart verhandelt hat, mahnt Juppiter, die alte, gute Sitte
zu wahren, die verbietet, in Anwesenheit von Privatpersonen Sitzungen
in der Curie abzuhalten (9); bei Lucian erwähnt Momus mit einem
gewissen Hohn, daß er ja offen reden könne: ^övol yccQ iö^sv xai
ovdslg ci.v^QG):iog TtccQsön rw ^vkXöyG) (lupp. tr. 21). Für die Ver-
handlung sind die üblichen Formen beratender Versammlungen ge-
wählt, hier des Senates, dort der Ekklesie; darum redet Zeus in
komischer Weise die Anwesenden mit g) avögeg ^£o^(15) und 'patres
conscripti' (apoc. 9) an. Der Gegenstand der Beratung bei Seneca ist
dem der 'Götterversammlung' sehr ähnlich; es handelt sich um die
Reinigung des Götterhimmels oder um die Reinhaltung- von Elementen,
die nicht hineingehören. Der Antrag des Momus, daß die falschen
Götter ausgesondert und hinfort keine neuen, etwa von den Philoso-
phen, geschalFen werden sollen, daß, wer sich der endgültigen Ent-
scheidung nicht fügt, in den Tartarus geworfen werden soll (Göttervers.
14 f.), hat seine vollständige Parallele an der gleichartigen Rede des
Janas bei Seneca (9). Augustus benutzt mit satirischer Anspielung
die homerische Erzählung, daß Juppiter den Vulcan zur Erde ge-
schleudert und ihm dabei das Bein gebrochen habe, daß er die Juno
zwischen Himmel und Erde schweben ließ (11), bei Lucian spielen
dagegen die vermessenen Worte des Zeus, daß er die Erde und alle
Götter an einer goldenen Kette empor/iehen könne, eine besondere
Rolle *j, und wenn auch nicht der Hergang der Bestrafung, so wird
doch die Lahmheit de» Hephaistos erwähnt (lupp. conf. 8); den Vers
über Hephaistos, den Seneca zitiert (Hom. II. 1591), hat Lucian zwar
nicht hier, ab. <'haron* (1) benutzt. Wenn Janus (9) sagt:
1 S. oben S. 187 Anm. 4.
II. ■!-,,. I..ir,.,. MI..I M....I 1 11
162 Kapitel VI. Die Götterversammlung.
'Einst war's etwas Großes, ein Gott zu werden, jetzt habt ihr's gemein
gemacht' und wenn Augustus in gerechter Entrüstung ausruft (11):
'dum tales deos facitis, nemo vos deos esse credet', so ist das dem
Gedanken des Momus entsprechend (Göttervers. 12): «g?' ov ö'ovv
Toöovtoi ysyöva^sv, ^jtiöedcoxs ^äXXov imoQ'aCa xai IsgoövXCa xal
ökcog TiaraTtscpQovrixaöiv rjfjL&v ei) Tcoiovvteg. Der Fortgang der Satire
lehnt sich, wie wir schon sahen, an die Menippische Unterweltsdar-
stellung an. Auch hier darf man nicht genauere Übereinstimmungen
erwarten bei der ausgesprochen römischen Färbung, die Seneca seiner
Darstellung gibt, und bei der eigenartigen persönlichen Beziehung auf
den toten Kaiser, der hier Menipps Rolle in Himmel und Orkus über-
nehmen muß ; schon dadurch ergab sich ja eine völlige Umänderung
der Hauptmotive. Aber daß Seneca seine durchaus in menippisches
Gewand gekleidete Satire in den Olymp wie in die Unterwelt gelangen
läßt, kann wohl zum Beweise dafür dienen, daß die beiden großen
Satiren des Kynikers Menipp, die wir aus Lucian erkannt haben^
wirklich vorlagen; und das Vorkommen der Beratung der Himm-
lischen in den Formen der Senatssitzung kann Zeugnis ablegen für
die bei Menipp existierende Götterversammlung.
Eine dritte Schrift hat Birt^) in diesen Zusammenhang gerückt,
die Varronische Satire mit dem Titel 'Pseudulus Apollo tcbqI ^a&tv
diayvG)6E(og^ '^ aber leider lassen die Fragmente gar keinen Schluß auf
den Inhalt zu, und aus dem Titel kann man wohl allenfalls eine Son-
derung ^) der Götter entnehmen, ob diese uns aber in den Olymp
führte, ist doch recht zweifelhaft. Varro ist ganz besonders frei mit
dem von Menipp entlehnten Gute umgegangen; und Ciceros Zeugnis
Ac. I 2, 8: 'Menippum imitati, non interpretati' wird gerade durch eine
Vergleichung Varros mit Lucian außer Zweifel gestellt. So wird es
geratener sein, von einer Verwertung jener Satire abzusehen. Ebenso
müssen wir auch darauf verzichten, aus der Ähnlichkeit von Julians
Kaisersatire Folgerungen zu ziehen, weil es, wie wir oben^) sahen,
zu nahe liegt, daß sie mit Erinnerung an Lucian geschrieben ist.
Es ist auf jeden Fall zweifellos, daß Lucian auch in dieser Satire
alte Motive verarbeitet hat; auch die Form der Volksversammlung,
1) Zwei polit. Sat. (s. S. 160) S. 31 und 24.
2) Daß die Schrift gegen Serapis gerichtet war, vermutet Bücheier, Rhein.
Mus. XIV (1859) S. 430; und es ist nicht unmöglich, daß so das Menippische
Motiv wieder benutzt war (Tertullian ad nat. I 10: Serapem et Isidem et Arpo-
craten et Anubem probibitos Capitolio Varro commemorat).
3) Siehe S. 73 jBF.
VaiTO. Parodie der Volksversammlung. 1()3
die er dem Ganzen gegeben hat, ist durch Menipps Vermittlung schon
aus der Komödie entlehnt, die es liebt, die bekannten Formeln auf
die Bühne zu bringen.^) Der Herold im 'tragischen Zeus' (18) ver-
kündet Stille mit den Worten: axovs oCya und fährt dann fort mit
der Aufforderung zur Meinungsäußerung: xCg äyogeveiv ßovkerat rör
xskdav d-sibv, olg e^eön'^ beides kehrt in der 'Götterversammlung' (1)
genau so wieder; beides hat in der Komödie des Aristophanes und
Kratinos seine Belege.-) Das Dekret der Götter selber, ganz in den
staatsrechtlichen Formen gehalten wie jenes komische in der 'Nekyo-
mantie' (20), hatte ebenfalls in Komödien wie den 'Thesmophoriazusen'
rSTBflP. ) seine Parallelen. Wenn Herakles und die übrigen Zeussöhne
hier unter die Metöken gerechnet werden, so erinnert das lebhaft an
die Szene in Aristophanes' 'Vögeln' (1649 ff.), in welcher der Heros
als vod^ogj erbunfähig und nicht in die Phratrie aufgenommen erwiesen
wird. Die ganze Auffassung dieser Aftergötter im Olymp als Metöken,
die sich widerrechtlich Bürgerrecht angemaßt haben, möchte man
geneigt sein einer früheren Zeit zuzuweisen; denn der rechtliche Be-
griff der Metöken ist zu Lucians Zeit verschwunden.^) Verwandt ist
jedenfalls die Anschauimg, die schon Cicero hat, wenn er von diesen
erst später aufgenommenen Göttern den Ausdruck gebraucht: 'novi et
adscripticii cives' (de nat. deor. III 15, 39).
Noch eine andere Beobachtung zeigt die Abhängigkeit Lucians
von älteren Quellen. Wenn Fehlangaben in grammatischen und lexi-
kographischen Studien wesentlich sind, so mögen sie auch hier nicht
ganz wertlos sein. Nicht nur der Verehrung des Antinous, die bei
1> Vgl. oben S. 86 tf.
2) Der Herold in den 'Thesmophoriazusen' (878) beginnt die Vorlesung des
Dekret« mit der Mahnung uxovt itäg; bei der nächsten llednerin übernimmt es
der (.'hör mit oiyu aimna nQ6afxt xbv vovv (882) Stille zu erwirken. In den
'Acharnern' ruft der Herold das xd^r^ao öiya (69, 68) dem störenden Dikaiopolis
zu. In Kratinos' Dramen kam das feierliche: uxovs aiya ngöatx^ ^ov voOv (Kock
I H. 90 fr. ine. fab. 2H4) ebenso vor. Die Aufforderung: tig ScyoQSVHV ßovlsxai;
spricht der Herold au« Acharn. 46, Thesmoph. 870, Praxagora in den 'Ekkle-
MJazusen* 180. Vgl. Aoschin. I 28: fiizu tuvtcc intQmrn 6 xt^qv^' tig ityoQtvtiv
ßovlttai rätv vn^g ntvTi]xovxa hri ytyovÖTotv: intiAuv di o^ot ndvteg coroxri,
r6x' ^dri xtXtvti Uyttv xibv kV^rtvaiav xbv ßovX6(itvot\ olg i^taxi. Hormaun-
Thumser, Oriech. Staatealieri. I 2 8. 618; Buiolt, Griech. Staats- u. HechUaltert',
Manchen 1892. S. 260.
8) Siehe v Wilamowitz, Herrn. XXH (1887) 8. 968; Clero, U« miSi^iiM
Athi^'niens, Paris 1H98, H 868 f. Die Bezeichnung als Metöke findet sich aber noch
'M \\ I. dir i'n Kv/iliiu T>i«t«.nl.i.rger, Sylloge* 866, 26).
1 1 •
164 Kapitel VI. Die Götterversammlung.
Celsus (Orig. c. Geis. III 36) Erwähnung gefunden hat^ wird mit keinem
Worte gedacht, was der Neigung der Sophisten^), die Gegenwart zu
meiden, und Lucians Vorsicht, nicht etwa beim Kaiser anzustoßen,
entspringen könnte, sondern auch der Gott Serapis ist bei der Auf-
zählung exotischer Gottheiten von Lucian nirgends genannt, während
Tertullian^), Aristides^), Clemens von Alexandrien*), Celsus^), Sextus
Empiricus^) seine Bedeutung in jener Zeit beweisen. Sollte diese
Tatsache nicht ins richtige Licht gerückt werden, wenn man sich
vergegenwärtigt, daß der Serapiskult erst unter Ptolemäus Soter
geschaffen ist'), sich also erst später ausgebreitet hat und zu
Menipps Zeit für außerägyptische Länder überhaupt nicht vor-
handen war?
So erkennen wir denn in allen diesen Dialogen, die auf den Olymp
Bezug haben, einen engen Zusammenhang untereinander und mit dem
Menippischen Vorbild, das sich ergibt. Auch in der eben besprochenen
Satire werden wir auf die Versammlung der Götter zurückgeführt, die
im 'Ikaromenipp' so dürftig behandelt war, aber in der Vorlage höchst-
wahrscheinKch einen bedeutenderen Umfang hatte. Und auch was
nicht direkt nachgeahmt ist, hat sich doch aus jener Quelle entwickelt.
Wenn man sich klar macht, was denn in diesen drei Dialogen, die
mit dem ^Ikaromenipp' zusammenhängen, behandelt wird, so sieht man,
es sind gerade die, oder doch denen sehr naheliegende Besprechungen,
die wir in jener Schrift vergeblich erwartet haben; es wird das Pro-
blem erörtert von der Bedeutung der Götter, von jtQÖvoia und ^oIqk,
in zweiter Linie die Frage nach der Bevölkerung des Götterhimmels
mit allerlei seltsamen, ungriechischen Wesen. Es zeigt sich dieselbe
Erscheinung, die wir in den 'Totengesprächen' so deutlich gewahren:
1) S. oben S. 15.
2) Ad nat. I 10 wird das Serapeum neben dem Capitol genannt.
3) Ich verweise besonders aus der Lobrede sig Zccgamv auf die Worte
(8, 14 n S. 356 Keil) : as yccQ di] %aq rig iv Ttccvtl xcclqw ^or\%'ov "naXet, UdguTCi
xal ndvra yaQ Ttavraj^ov diä aov ts xat diä ah rjiilv yiyvBtai a ^dXt6r' av
ruitv yiyvBöQ'ai ßovloiusd'a.
4) Protrept. IV 52, 4 (S. 40, 28 Stählin) wird Serapis mit dem olympischen
Zeus, dem epidaurischen Asklepios und der Athene Polias zusammengestellt
(vgl. S. 41, 12).
.5) Orig. c. Geis. V 34 (H 37, 5 Koetschau), 37 (II 41, 17), 38 (H 42, 23).
6) Pyrrh. hjp. EI 220 wird die Tatsache, daß dem Serapis kein Ferkel
geopfert wird, als bekannt hingestellt.
7) Vgl. Bouche-Leclercq, Histoire des Laj?ides, Paris 1903, I S. 113 ff. ; Orig.
c. Gels. V 38 (n 42, 23 ff. K.) und die von Koetschau zitierten Belege.
Anregung durch Menipp. 165
eine Anregung wirkt immer weiter und gibt Anlaß zu immer neuen
Nachträgen, immer neuen Betrachtungen des gleichen Gegenstandes
von anderer Seite. Auch die Form für die 'Widerlegung des Zeus'
und für die 'Götterversammlung' ergab sich aus Menipp von selbst.
Nur im 'tragischen Zeus' zeigt sich eine größere Freiheit mit dem
alten Gute zu schalten, nur hier hat Lucian eigene Erfindungsgabe
bewiesen, als er geschickt die irdische Disputation mit der Versamm-
lung der Olympier vereinte.
Kapitel Vn.
Charoii.
Es liegt nahe, nachdem wir Lucians Abhängigkeit von der Me-
nippischen Himmel- und Hadesfahrt festgestellt haben, auch die übrigen
auf die Unterwelt bezüglichen Dialoge mit Rücksicht auf etwaige
Anlehnung an ein älteres Vorbild zu prüfen. Es bleibt uns der
^Charon' und die 'Totengespräche'. Der 'Charon' wiederholt ein uns
schon bekanntes Motiv. Der greise Fährmann der Unterwelt will sich
einmal die Welt und die Menschen besehen, Hermes muß ihm dabei
als Cicerone dienen. Sie türmen auf den Olymp den Ossa und Pelion,
dann darauf den Parnaß, auf dessen zwei Spitzen sie Platz nehmen.
Charon beklagt sich, daß er zu wenig vom Treiben der Menschen
selber sieht; mit einem als Zauberformel gebrauchten Homervers macht
der Gott ihn scharfsichtig wie Lynkeus, und nun beginnt die Beobach-
tung der Sterblichen nach dem Muster der Teichoskopie •, sogar ihre
Gespräche werden belauscht. Ergriffen von der Nutzlosigkeit ihres
Sorgens und Mühens, möchte Charon, der hier Menipps Rolle hat,
ihnen zurufen: Ihr Toren, was quält ihr euch! Ihr werdet ja nicht
ewig leben. Aber Hermes zeigt ihm, daß die Mahnung vergeblich
sein würde. Staunend sieht der Fährmann des Hades die Grabstätten
der Menschen und hört von ihren Bestattungsgebräuchen, verwundert
sieht er die großen Städte, die in Trümmer sinken, und kopfschüttelnd
erblickt er Argiver und Spartaner, wie sie um ein Fleckchen Landes
in blutigem Kampfe ringen. Dann kehrt er in die Tiefe zurück voll
Bedauern über diese unglücklichen Menschen, die alles Erdenkliche
tun und sich um den Charon nicht kümmern, dem sie doch ver-
fallen sind.
Wie Charon hier der Kyniker ist und kynische Gedanken vertritt,
so haben wir deutlich auch die Wiederholung des Motivs, das wir
im 'Ikaromenipp' beobachtet und bei dem wir uns an die Aufgabe
des Kynikers als xat döxoTtog erinnert haben. ^) Auch Menipp kann
1) Siehe oben S. 90 f.
Beziehungen zum 'Ikaromenipp'. Herodotbenutzung. 167
zunächst vom Monde nichts sehen, wird dann aber scharfsichtiger als
Lynkeus^), und was er sieht, ist mit denselben Worten bezeichnet*)
Die Bilder, die zum Vergleich für das menschliche Treiben heran-
gezogen werden, sind mit Absicht verschieden gewählt, im 'Ikaro-
raenipp' (IT) der in Verwirrung geratene Chor, bei dem jeder nach
Belieben sein eignes Lied singt, der Mischtrank (IT), der Ameisen-
haufen (19), hier der Wespenschwarm (15), die Wasserblasen (19).^)
Aber in beiden Schriften findet sich dabei die Beziehung auf Homer,
hier fChar. 19) auf seinen Vergleich der Menschen mit Blättern (IL
VI 146), dort (Ikar. 16) auf seine Schildbeschreibung und die dabei
angebrachte Darstellung menschlichen Lebeus (II. XVIII 49 1 ff. i; und
in beiden wird die Beobachtung geschlossen mit der Erwähnung des
Kampfes zwischen Argivern und Spartanern um Kynuria (Ikar. 18,
(Jharon 24). Daß die doppelte Behandlung desselben Motivs nicht
ohne Anlehnung der einen Schrift an die andere erfolgt ist, leucht t
danach ein. Welche sich näher an das nachgeahmte Menippische
Vorbild anschließt, kann nicht zweifelhaft sein, da wir im 'Ikaromenipp'
die auf Menipps Lebenszeit weisenden Anspielungen haben.
Um den dort schon ausgebeuteten Stoff, den er nicht gut wieder-
holen konnte, anderweitig zu ersetzen, hat Lucian in diesem neuen
Dialog zur Wiedergabe von Herodoterzählungen gegriffen. Das geht
80 weit, daß selbst das aUbekanute Gespräch zwischen Solon und
Krösus (Hdt. I 30 ff.) eingeflochten und also von Hermes und Charon
gerade belauscht wird (10). Erwähnung finden (11) die goldenen
Plinthen, die Krösus dem Gotte in Delphi weiht (Hdt. I 50), dann
der Untergang seines Reiches (Hdt. I 84 ö'.), der Tod seines Feindes
Kyros durch Tomyris (Hdt. I 214), und in aller Kürze wird daran
der Tod des Kambyses und die Geschichte des Polykrates angefügt (14),
1) Icar. 12: xu&dneQ Avy-Kfvg rttf ätpvoi y^vontvoi^, Charon 7: Tvtplbs 6 Avy-
xivg ixttvoi ats ngog i[iA. Die Steigerung ist bezeichnend.
2; Icar. 12: unag 6 xätv icv^ffvoniov ßiog ijöi] ^oi xarecpor/vero, oi xara (9t^
fxovov xal noXfig^ &Xiä xccl avrol att(fu}g ol nXiovxig^ oi noXmoiivxsg^ ol yfioi
xtg, oi dixuiiöfuvoii Char. 15: rijv dh 7tXri&vv ÖQug^ w XÜqcjv, xoxfg jiXiovxug .
TOiJff TfoXtfiovvxagy xovg dixuio(i^vovg, xohg ystoffYOÜvxttg^ xovg davtil^ovxttg^ xovg
nffoaatxoi>vxag; der Schluß Htammt aus Ikar. 10: xi yccQ av xovg aXXovg Xiyoiftt^
xoitg xoixoiQvxotfVxag, xohg dtxa^oiiivovg^ xovg dccvil^ovxotg^ xovg i%ttixoii%'xng\
8) Wie «ehr der Vergleich zur kyninchen AnHchauung von dem g«r
Wert alleM Irdischen paßt, ist klar; or int aber Hprichw^^rtlich. So Mngt
ror. rutt. I 1, 1: cogitans CNiie properundum, (|uo(l, ut diritur, ei est humo 1>uUh.
eo magi« senex, Petrun. 42: noi nun pluriH huiiiuh <|uam bullae (v^I Fri< «lläiKlir
/. d. Stelle). Otto, Archiv f. Ut. Lexikogr. IV S 2»
168 Kapitel VIT. Charon.
selbst die berühmte Erzählung vom Ringe, den der Koch wieder-
bringt (Hdt. III 40 ff., 122ff.). Man empfindet klar den Zusammenhang
mit Lucians früherer sophistischer Tätigkeit, den wir bei den ^Toten-
gesprächen' noch eingehender beleuchten werden; man sieht, wie er
aus seiner literarischen Kenntnis den Stoff gesucht hat, den er für
den verbrauchten einsetzen könnte. Die Abfassung des 'Charon' nach
dem 'Ikaromenipp' ist danach sicher.
Aber einzelnes fällt aus dem Rahmen Herodotischer Erzählungen
heraus. So gleich zum Beginn der Erdenschau die Erwähnung des
Milon von Kroton, dessen übermäßig kraftvolle Erscheinung einen
scharfen Kontrast bildet zu seinem künftigen Aussehen nach dem
Tode und der deshalb als krasses Beispiel des Hinsehwindens aller
Stärke für kjnische Darstellung besonders geeignet ist. Kynisch scheint
ja auch das Wortspiel zu sein, mit dem Hermes ihn einführt.^) Milo
war das typische Beispiel für Körperkraft und findet sich so z. B. bei
Maximus Tyrius 7, 5, Cic. Cato m. 10, 33 und neben Krösus, so daß Kraft
und Reichtum zusammenstehen, bei Epiktet I, 2, 37 ; und Juvenal hat ihn
in seiner poetischen Diatribe über die Verkehrtheit menschlicher
Wünsche als warnendes Exempel angeführt, daß auch die körperliche
Stärke zum Verderben werden kann (10, 11). Unabhängig von Herodot
ist auch die Aufzählung der großen Städte hinzugefügt (23), die soweit
zugrunde gegangen sind oder gehen werden, daß kaum eine Spur
übrig ist. Der Gedanke ist auch sonst ausgesprochen worden, um
die Hinfälligkeit alles Irdischen zu bezeichnen. Verwandt ist die
Ausführung in Ovids Metamorphosen (XV 424 ff.), wo Troja, Sparta,
Mykene, Athen und Theben als Bilder der Vergänglichkeit aufgezählt
werden. Lykurg (in Leoer. 62) hebt von demselben Troja, das auch
bei Lucian eine Rolle spielt, und von Messene hervor, wie es zu einem
Nichts herabgesunken ist.^) Es scheint also auch dieser Gedanke von
1) Char. 8: MiXcav ovtog ö iy, Kqotojvos a&Xriti]?' i'Jtiv.QOXovai d' avxm oi
"EXXrivsg^ und nachher sagt Charon: oliico^Excci ij^tv SriXad'^, (is^vri^^vog rav
arscpdvav tovrav "Kai tov 'hqotov. Verallgemeinert zum Typus kehrt dieser
TtdxiGTOs Scv-qg mit seinen GticpKvoi im ^ Totengespräch' 10, 5 wieder: üv dk ö nccxvg,
6 7CoXv6(XQ7ios tig f?; ^aiiccaiag 6 d-O^ZrjTTjs ; ihm gilt dann der Zuruf: rovg gts-
(fdvovg xovxovg ocTiÖQQLipov.
2) An Lykurg erinnert auch das Wort des Hermes (23) : cctio&vjjgxovol yäg
CO TtOQ^^sv xal TtoXsLg wgtisq ccvd-QcoTtoL] denn er sagt an derselben Stelle (61):
TtoXsmg iaxi ^dvccxog dvdaxuxov ysvia^ai. Die gleiche Anschauung, obwohl von
Nachahmung nicht die Rede ist, zeigt Libanius 12, 50, wo Förster unsere Lucian-
stelle notiert hat: xb XQVl^^ '^'^^ TtoXscov ov xavxbv dvd'Qwncp Ttda^Si, xotg nhv yag
dXvxog 7] xsXsvxri, xdg 8h ^Gxiv dvccßimaccod'ai.
Typische Beispiele. Kynische Gedanken. 169
unserem Satiriker, sei es nun aus sophistischem Vorrat^), sei es aus
der kynischen Diatribe, entlehnt zu sein.
Kynisch-stoisch ist auch der in das Gespräch zwischen Krösus
und Solon eingelegte Gedanke, daß für die Götter das Gold wertlos
ist (12). Die Stoiker haben diesen äußeren Tand für unvereinbar mit
einer wahren Verehrung der Gottheit erklärt, niemand schöner als
Persius in dem herrlichen Geburtstagsgedicht an Macrinus mit den
wenigen Worten (2, 68 f.): 'at vos dicite, pontifices: in sancto quid
facit aurum?' Die Kyniker heben es aufs schärfste hervor, daß die
Götter überhaupt nichts bedürfen^), nach dem Vorgang des Sokrates^),
der sich bei Piaton im Euthyphron (14 E) ganz ähnlich wie Persius
äußert: (pQdöov de ^ot^ rCg i} aipslsca rolg d'solg tvyxdvei ovöa djib
r(bv öcoQcov ojv Ttag' r^uojv XafißdvovöLv.^) Speziell Gold und Silber
nimmt Piaton in den Gesetzen (XII 955 E) aus von dem, was man
den Göttern weihen dürfe. ^) An unserer Stelle ist diese Ausführung
verbunden mit einer anderen durchaus kynischen: Gold und Silber
verdienen die ihnen gezollte Wertschätzung um so weniger, je mehr
sie an Nutzen hinter dem Eisen und dem Erz zurückstehen; aus Eisen
schmiedet man Waffen und Ackergeräte, aus Gold nur Schmuckstücke.
Besonders bei Reden gegen den Tafelluxus findet sich der Gedanke
wieder; so sagt der Stoiker Musonius (S. 111, 11 Hense, Stob. flor.
85, 20): tä xeQa^tä xal tä öLÖr^Qä xal oöa toucvta^ jtoXXg) xq€lttg>
tCiv icQyvQdv ta xal xQvöaVy und von ihm hat es Clemens von Alexan-
drien übernommen, nur durch jenes Piatonzitat verstärkt (Paedag.
II H, 35 1 188 PJ*^), aus ihm hat auch TertuUian (de cult. fem. I 5) seine
Ausführungen geschöpft.') Lucian hat sich sehr kurz gefaßt, aber
doch kehren z. T. dieselben Ausdrücke wieder, die sich auch sonst in
1) Babylon und Ninus als Beispiele vergangener Größe fuhrt auch Himerius
an n 82.
2) Luc. Gyn. 12: oi &£oi .... oiösvbg yuQ diovxca. Vgl. Zfller, Die riiil.
d. Griech. II ♦ S. 829.
3) Xen. uiem. I 0, 10: t6 ^lIv ^iJiÖBvbi dha&ai ^ttov hlvai.
4) Vgl. Val. Milio, Lr H'A\\r(^ di .Vulo ]*»'rsio Flacco tradotte •• commontate.
MeHxina 1905, S. 1*
6) Die Stelle inixMi « iruniif» i aiMm^. n .),.)ii . Ih8 P) Wttrtlicl» litiMii/i wwldoU:
XQvaos %i ycLQ ttna^anXätg xal &QyvQOf lAia re xal drmoaia iatlv i7ti(fVnt'or xxi^fuc
io der Darlegung gegen den Luxuh im (iPHchirr.
6) Vgl. F. Wendland, guaoHÜoneH MiiHonianae, Dia». Berlin 1886, S. 89 ff.
T) (juodüi de qualitate uiui gloria est auro et argento, atquin inagii ferro
fi aeri, quoruni ita diapoNita eit oteniilitaii, ut et propriaM operai plorei et ne-
riHHiiriorea cxhibeant rcbu* hiimani« et Vgl. Wundland a. a. 0. 8. iS ff.
170 Kapitel VH. Charon.
dieser Darlegung finden. Das Erz, sagt Hermes, ov jtdvv öjiovdä-
^srai Vit avTüv dem Golde gegenüber, wie es bei Musonius (S. 110,8
Hense) umgekehrt von goldenen und silbernen Trinkgefäßen u. dergl.
heißt: koI öJtovdd^srai xavra Tcdvra. Die Mühe des Auffindens
und der geringe Erfolg der Arbeit wird wenigstens angedeutet: öXiyov
ix Ttollov xov ßdd-ovg ol iisraXksvovrsg dvoQvtxovöi wie bei TertuUian
(de cult. fem. 15): in maledictorum metallorum feralibus officinis poe-
nali opera deplorata nomen terrae in igni reliquit. Das Gold wird
als ein ßaQv xtfjua bezeichnet ganz entsprechend wie bei Musonius
vom Gegenteil, dem eisernen und irdenen Geschirr gesagt ist (S. 111,
12 Hense): i) TitfiOL^ rovrcov ev^aQSörsoa i] te x^rjöig iiXsCcov iq
TS q)vkaxrj rirrcov oder bei ihm (S. 111, 8) und nach seinem Vorbild
bei Clemens II 3, 38 (190 P): et ö\ xal xrcy^s^a ^rj xalsnCog /.ccl %qg)-
^Bvoi svxökcog Bitaivov^ev %al cpvXdrto^sv QaöCag. Die Anlehnung
an ein älteres Original ist danach für Lucian sicher; er wie Musonius
gehen auf die kynische Schriftstellerei zurück. Ob der Gedanke bei
Menipp sich fand oder aus der kynischen Diatribe hineingearbeitet
ist, muß natürlich dahingestellt bleiben. Wir kommen beim ^Gast-
mahr darauf zurück.
In den kynischen Ideen kreis gehört endlich auch der Hinweis auf
die Torheit des Totenkultus, als ob die Verstorbenen essen und trinken
könnten und also von den ihnen dargebrachten Spenden irgend einen
Genuß hätten {22). Es ist bekannt, wie wenig Diogenes auf die Art
gab, wie er etwa bestattet würde, ja, daß er seine Bestattung ge-
radezu verbot.^) Unter den Schriften Lucians selber befindet sich in
der Art kynischer Diatriben nicht nur eine Rede itsQi d-vöt&v, die
mit dem kurz zuvor besprochenen Stoff sich berührt, sondern auch
eine TtsQi Ttsvd-ovg, die in den Gedanken mit den Ausführungen des
^Charon' sich kreuzt.^) Man sieht auch hier, wie Lucian arbeitet und
wie er die Lücke, die durch einmalige Benutzung des Motivs entstan-
den war, durch anderswoher entlehnte Ergänzungen zu füllen wußte.
Daß er sich bei der Gestaltung des Stoffes dieser Erdenschau der
Anlehnung an ein kynisches Vorbild bewußt war, zeigt deutlich der
1) Siehe Zeller, Die Phil. d. Griech. II ^ 1 S. 319 Anm. 4.
2) Ich verweise für die beiden Schriften auf den Anhang, da, was über
sie zu sagen ist, die Anmerkung sprengen würde. Die Übereinstimmung zeigt
sich Charon 22: ti ovv instvoL orecpccvovGL tovg iL^ovg . . . ., oi ds %at .... slg
xa OQvy^iaxa olvov xai ^sliy.Qccxov .... ^x;f^ov(>tv; de luctu 19: xi ds ö vTthg xov
rdcpov lid^og iaxscpccvcotisvog; t) xi v^itv dvvuxcci xov d%Q0cxov iTtixEiv;., Char. 22:
xcc 7CQ0 xcbv Ttölscov iüslva xd ^miicixa oqag y.ct.1 xdg axijXccg xal TivgcciilSccg;
de luct. 22: ^maccxcc ^hv yccQ ytal Tivgcc^idsg yiccl öxfiXca Ttag ov TtSQixxd\
Kynische Gedanken. Homerparodie. 171
Umstand, daß er die in dieser Schriftstellerei beliebte Homei-parodie ge-
wählt hat. Charon bedient sich der dem veränderten Gegenstand ent-
sprechend zugestutzten Fragen, mit denen in der Teichoskopie Priamos
von der Helena Auskunft heischt über die Fürsten der Griechen; so
benutzt er die Worte, mit denen Aias bezeichnet wird (IL III 226 f.),
für seinen Milo (8). Besonders charakteristisch aber ist die Umwand-
lung der Homerverse in Kap. 22, mit denen Charon die Vergänglich-
keit alles Irdischen und die Gleichheit aller nach dem Tode ausdrückt.^)
Sie sind ein schlagendes Beispiel der bei den Kynikern üblichen par-
odischen Verwendung von Homerischen Versen und Versteilen, wie
wir sie in dem bekannten Lobe des Krates auf seinen Ranzen haben.^)
Durchaus kynisch ist auch der Vergleich des von den HoflPnungen
umgaukelten und angelockten, immer betrogenen Menschen mit dem
unglücklichen Tantalus, der umsonst nach dem Tropfen Wasser hascht
(15). Der Vergleich kehi-t in ähnlicher Weise bei Maximus Tyrius
(4, 4), wieder, sowie bei Horaz (sat. I 1, 68), wo er zweifellos auf
kynische Darstellung zurückgeht^), auch in dem von Fulgentius zitier-
ten Petronfragment (82). Den kynischen Ursprung beweist auch
Teles IV a (S. 25 H.), bei dem derselbe Vergleich sich findet, um die
ÖvösljtLörCa der Menschen zu geißeln. Man sieht, daß die Ausführung
dieser ganzen Szene sich eng an Menipps Himmelfahrt angelehnt
haben muß, wenn man des Aufenthaltes auf dem Monde dort gedenkt.
Erkannten wir in dem zweiten Teil unseres Dialoges das Motiv
aus dem ^Ikaromenipp' wieder, so ist der erste Teil, der zugleich die
Begründung für jenen enthält, neu; aber er knüpft doch auch an
Motive aus der 'Nekyomantie' und der 'Niederfahrt' an, insofern dort
Hermes und Charon in Berührung miteinander kommen. An die
'Xekyomantie' erinnert ja auch im Schluß der Hinweis des Churou
auf den einen Fuß Landes, den Äakus den Toten zuerteilt.*) Andrer-
seits zieht sich von hier wie von dem Anfang der 'Niederfahrt' ein
deutlicher Faden zu den 'Götterge8i)rächen'. Hermes ist dargestellt
in der Art des aus der Komödie bekannten vielgephigten Dieners, der
1 Die VefHO sind zusainmenj^estückcU und zurechtgemacht aus 11. IX 810 f.
o.l .\ 521, XI 673.
2) Poet. phil. fragm. ed. Diels S. 21H
8) Vgl. KießlingH Anmerkung zu der Stelle und liuin/.o, hr Hörnt '> m nis
imitaiore, IJihh. Honn 1MH9. S. 20. (Otto, Sprichwörter der Küiiut, S. aio .\jjih.
4; Char. 21: ^oyttf uv nodudov Haßoitv ronov nccgu ruff .lioxov, iumvoui 17:
innduv yÜQ . . . 6 AltCKÜi anoutToh(f>i ixüorfo ror n'irtov ditiioat Ah tu fn-yitfrov
or nUov noa6i).
172 Kapitel VII. Charon.
beständig der Gefahr ausgesetzt ist, gescholten oder gar geschlagen
zu werden; nur mit Not und Mühe läßt er sich überreden, dem Charon
seine Zeit zu widmen, aber mit dem sichern Bewußtsein, daß ihm
seine Pflichtversäumnis einige Ohrfeigen einbringen wird. Das ist
die Zeichnung, wie sie unter den 'Göttergesprächen' Dialog 24 enthält,
wo sich auch dieselben oder ähnliche Ausdrücke wiederfinden.^) Auch
die Auffassung des Zeus ist die gleiche. Dabei hat sich Lucian (1)
die Beziehung auf den Homervers nicht entgehen lassen, der die Be-
strafung des Hephaistos schildert (IL I 591) und den wir oben in
Senecas menippischer Satire (11) verwertet fanden. Homer muß über-
haupt in dieser ganzen Szene die Kosten der Darstellung tragen;
seine Verse werden gleichsam als Zauberformel benutzt. Wenn die
Worte über den Versuch der Aloiden, den Himmel zu stürmen (Od.
XI 315 f.), zitiert werden, so ist damit allein die schwere Arbeit getan,
den einen Berg auf den andern zu türmen (4). Die Beziehung auf
Otos und Ephialtes findet sich auch im 'Ikaromenipp' (23), so daß
es also nicht unmöglich wäre, daß Lucian aus jener Menippischen
Vorlage die Anregung auch zu der Gestaltung dieser Situation schöpfte.
Dieselbe Art, den Homer zu persiflieren, wird gleich darauf (7) bei dem
zweiten Wunder angewandt, durch das einfach infolge des Zitates von
Ilias V. 127 f. dem Charon der Schleier von den Augen genommen
wird, der ihm bis dahin den Ausblick auf die Erde entzog. Aber
recht begreifen kann man diese Erfindung wohl erst, wenn man darin
eine Verspottung der magischen Verwendung sieht, welche die Homer-
verse zu finden pflegten.^)
Sicherlich auf ein älteres Vorbild läßt sich die geschmacklose
Fiktion zurückführen, mit der Charon (7) seine Kenntnis homerischer
Brocken begründet. Als Homer über den Totenfluß fuhr, sang er von
dem Unwetter, das Poseidon heraufbeschwor; infolgedessen — also
zum dritten Male diese Art der Verspottung — brach auch wirk-
lich ein Sturm aus, der das Schiff beinahe umwarf Homer wurde
seekrank und gab die meisten seiner Gesänge mitsamt der Cha-
1) Maia rät (dial. deor. 24, 2) ihrem Sohn, seinen Auftrag zu erfüllen, ^^
■aal nXr]yag ßQadvvcov Xdßrjs' o^v^oXol yccg ol i^üvTsg. Hermes ahnt (Char. 2):
tovto tb TCQ&y^a Ttlriycov ccitiov y.ccraotiJ6STccl ^ol und nennt den Zeus selber
o^v^vnos (1).
2) Siehe Heim, Incantamenta magica, Jahrb. f, klass. Phil. Suppl. XIX
S. 514 ff. 495 ff., wo mit Recht unsere Stelle angeführt ist; verglichen wird die
Heilung der Augen mit Hilfe des Verses: TjeXiog og Ttdvr' itpoQu xorl 'jtdvr In-
av,ovsi bei Marcell. de med. YHI 58. Man denke auch an die inaSi] 'Ogcpicog
Eur. Cycl. 646.
Homerverse als Zauberformel. 173
rybdis und Skj'lla, mitsamt den Kyklopen von sich. Dabei hat
der Fährmann einiges erhascht und behalten. Ist es Zufall, daß
diese wenig anziehende Erfindung sich in einer anderen Schrift
wiederfindet, die wenigstens äußerlich die Form der menippischen
Satire angenommen hat? Bei Martianus Capella II 135 ff. muß die
Philologie vor ihrer Vermählung mit Merkur erst ihre Buchweisheit
von sich geben, die die Musen sorgsam auffangen. Daß Martianus
diesen Gedanken nicht aus Lucian hat, ist ja selbstverständlich.^) Er
läßt sich aber auch über Lucians Zeit hinaus verfolgen. Allan (v. h.
Xin 22) sowie der Scholiast zu unserer Stelle wissen von einem Maler
Galaton, der die Szene gemalt hatte, wie Homer sich übergibt imd
die andern Dichter das zu sich nehmen, was er von sich gegeben.
Es handelt sich dabei schließlich nur um eine sehr grobe verhöhnende
Weiterbildung des schon von Aschylos angeführten Wortes (Ath. VIII
347 e), seine Dramen seien te^dxr] röv ^O^riQov ^eydkcov ÖEizivcav.
Watzinger hat in seiner Besprechung der Homerapotheose*) das Bild
als eine Parodie auf die in Alexandria herrschende übertriebene Homer-
verehrung bezeichnet und etwa in die Zeiten des Ptolemäus Philopator
gesetzt. Es dünkt mich bei der ganzen Art des Bildes nicht unwahr-
scheinlich, daß es zuerst literarisch geschaffen wurde, ehe es der Pinsel
des Malers an der Wand gestaltete. Daß es die Spottlust eines Ky-
nikers erfand, der sich über alles ästhetische Empfinden hinwegsetzte,
ist wohl möglich. Wenn nicht literarische Anregung vorliegt, so
müßte man annehmen, daß Lucian in anderer Weise zur Kenntnis
dieses Bildes gelangt ist. Indessen ließe sich leicht denken, daß Charon
in der 'Nekyia', als er Menipp überfuhr, Homer zitierte und dafür
die Begründung beibrachte, die nun Lucian liefert.
Bei der größeren Freiheit, die sich in der Komposition dieses
Dialoges zeigt, ist es begreiflich, daß Zeitanspielungen nicht vor-
kommen, die irgend einen Schluß auf Entlehnung aus Menipp zuließen;
denn die historischen Beispiele sind ja, wie wir sahen, von Lucian
selber aus Herodot eingefügt; auch die Aufzählung der untergegange-
nen Städte scheidet in dieser Hinsicht aus, von denen übrigens nur
Babylon in Betracht kommen könnte.") Man erkennt deutlich den
1 Vgl. Hirzel, Der Dialog II S. 846.
2) WinckelmaimHprogramm, Berlin lÜüS, S. '2'
8) Die Hiadt prunkt noch mit ihren Rchönen 1<
Umfang; aber bald {oi> n*tu jrolv) wird auch ihro Stif
die Ninivei (28). Da0 der Auispnioh sich nicht im
bezieht, zeigt c. 9, wo et von Kyrof beißt: Uoav{u, .
174 Kapitel yil. Charon.
sophistischen Charakter des ganzen Dialogs, der im Grunde nichts ist
als ein ausführlicherer Götterdialog oder ein Mittelding zwischen
Götter- und Unterweltsdialog, weiter ausgesponnen in der Art des
Trometheus' und der 'i^sayv KQLöog'' (dial. deor. 20). Das Menippische
Motiv, das die Himmelfahrt lieferte, ist z. T. mit sophistischen Ge-
danken gefüllt, z. T. mit kynischen, die aus Menipp selber oder aus
Diatriben stammen.
-nccl BaßvXavcc -jtccQsaxriaccxo. Für die Folge aber paßt die Prophezeiung ebenso
wenig auf Menipps wie auf Lucians Zeit; denn verschwunden war die Ansied-
lung auch im 2. Jahrhundert n, Chr noch nicht, obwohl auch Maximus Tyrius-
22, G, wo er sehenswerte Stätten aufzählt, von Baßvlav %Bi^Bvr\ redet. Be-
rechtigt zu dieser rhetorischen Übertreibung war jedoch auch schon Menipp,
nachdem die Stürme der Diadochenkämpfe über die Stadt dahingebraust waren
(s. Baumstark, Pauly-Wissowa Realencyclop. II 2 S. 2679 f.); schon Strabo bezieht
auf Babylon den Komikervers: 'Eine große Einöde ist die große Stadt', fall»
nicht, wie Baumstark mit Recht als möglich annimmt, schon die Quelle
des Geographen dieses Zitat auf Babylon angewandt hatte. Plinius sagt (n. h.
VI 122): ad solitudinem rediit.
Kapitel VIII.
Totengespräche.
Die 'Totengespräche' ^) tragen ebenso wie der Sharon' das Zeichen
einer gewissen Verbindung mit der menippischen Satire an der Stirn.
Aber behielt jener Dialog die menippische Form ziemlich deutlich
bei, so haben diese sich derselben völlig begeben; und ihr Haupt-
gewicht liegt dort, wohin uns auch der erste Teil des 'Charon' schon
wi(?s, wenn wir die Ähnlichkeit mit den 'Göttergesprächen' konstatieren
mußten. Es ist nötig weiter auszugreifen und in eine frühere Periode
der Schriftstellerei Lucians zurückzublicken, in die Zeit seiner soplii-
stischen Tätigkeit.
Wir haben unter den Reden Dios von Prusa ein paar, die so recht
zur Erkenntnis dieser Literaturgattung beitragen. Hierher gehört die
59.(42.) Rede, das Gespräch zwischen Odjsseus und Philoktet. Odjsseus
•setzt auseinander, wie seine Klugheit ihm zur Last wird, da er zu
allem Schwierigen ausgesucht wird, wie er nun auch die bedenkliche
Aufgabe hat übernehmen müssen den Philoktet ins Griechenlager zu
schaffen; unter Äthanes Schutz ist er zu diesem Zwecke gekommen.
Philoktet tritt auf, und Odysseus sucht ihn für sich zu gewannen,
indem er sich als Freund des Palamedes hinstellt und vorgibt mit in
dessen Untergang hineingezogen zu sein. So begrüßt ihn Philoktet
als Gefährten im Elend. Der Dialog ist nichts anderes als die Para-
phrase einer dramatischen Szene und zwar aus Euripides' Philoktet.^)
Auch die vorhergehende Schrift (58 v. A. |41 1), die eine Unterredung
zwischen Achill und Chiron enthält und die Kunst des Bogenschießens
vf'rteidigt, gehört in diese Gattung, wie v. Arnim richtig erwiesen hat.')
Wir sehen, daß derartige Wiedergaben poetischer Szenen in Prosa in
den Hereich sophistischer Tätigkeit fielen. Es ist selbstverständlich, daß
man daliei mit größerer oder geringerer Freiheit zu Werke gehen
1) Hirzel, Der Dialog II 8. 819 f Kimuor (■. 8. 16) 8. 4 ff. Waauianntdorf S. IS.
8) V. Arnim, Leben u. Werke def Dio von Pruta, Berlin 1898, 8. 164 f.
H) Khendort S. 166 f.
176 Kapitel VIII. Totengespräche.
konnte; auch Dio weicht von Euripides' Philoktet ab, indem er den
Diomedes fortließ, der als Begleiter des Odysseus vorkam und mit
Übergebung der Parodos des Chores sofort die Begegnung mit Phi-
loktet anschloß. Man muß sich vor Augen halten, daß die Benutzung
des Dialoges in der Sophistenliteratur alt ist. Nach Philostratus^) hat
schon Hippias, wie gering auch immer das eigentlich Dialogische ge-
wesen sein mag, doch das Motiv des Dialogs in dem Vortrag benutzt,
in dem Nestor dem Neoptolemos Unterweisungen gab. Einen Ausläufer
dieser sophistischen Literatur haben wir bei Dio Chrysostomus (2) in
der Unterredung zwischen Philipp und Alexander, von wo uns die Zu-
sammenstellung der Personen sofort zu Lucian hinüberführt.^) Auch
hat sich der Dialog bei den Sophisten bis zu Himerius erhalten, der
für seine Schrift ^Diogenes' oder das Tropemptikon' die Form des
Zwiegespräches gewählt hat.
Unter Lucians Werken gehören hierher die Hetärendialoge.
Jeder Leser hat sofort die Empfindung, daß sie, obwohl keine Para-
phrasen, beständig Szenen der neuen Komödie zur Grundlage haben;
aber die Namen sind geändert, die Motive hier und da verschoben und
erweitert. So kann es nicht wundernehmen, daß sich kein einziges
Gespräch mit Sicherheit auf ein bestimmtes Stück zurückführen läßt^),
obwohl die Personennamen aus der Komödie entlehnt sind.*) Da die
Stoffe die im Mimus vorherrschenden sind, Kuppelei, Unterweisung
der jungen Mädchen in ihrem neuen Gewerbe, Eifersuchtsszenen, wahre
Liebe mitten im Sumpf tiefster Gemeinheit und ähnliches, so wäre
hier auch die Anregung durch das zeitgenössische Schauspiel nicht
gerade ganz undenkbar, obwohl dessen Einfluß nicht überschätzt
werden darf.^) Von Satire ist bei diesen Dialogen keine Rede, und
mit der menippischen Schriftstellerei haben sie nichts zu tun. Wir
müssen zufrieden sein, daß die zufällige Existenz ähnlicher Erzeug-
nisse bei Dio uns über die ganze Gattung und ihren Ursprung richtig
urteilen läßt.
Lucian führte seine Neigung, ein einmal gewonnenes Motiv bis
1) Philostrat. vit. sophist. I 11 (S. 14, 4 Kayser). Hirzel, Der Dialog I S. 59.
Dümmler, Akaderaika S. 259 hält es für möglich, daß der größte Teil des Dialoges
zusammenhängender Vortrag des Nestor war; noch energischer spricht dafür
Norden, Herm. XL (1905) S. 523. Aber ein schwacher Ansatz zum Dialogischen
lag doch zum mindesten in der gedachten Situation vor.
2) Totengespräch 13. 14,
3) Siehe Leo, Plautin. Forschungen, Berlin 1895, S. 127 ff. 134.
4) Siehe Wendel, Fleckeisens Jahrbücher Suppl. XXVI S. 39 Anm. 84.
5) Vgl. oben S. 30 Anm. 2.
Hetären- und Meeresdialoge. 177
aufs äußerste auszubeuten, zu den Meeres- und Göttergesprächen,
in denen ja die Liebschaften eine Hauptrolle spielen. Unter den
Meeres dialogen ist die aus alexandrini scher Poesie entnommene
Liebe des Poljphem zur Galatea an die erste Stelle gesetzt; der enge
Anschluß verrät sich darin, daß selbst der junge Bär als Geschenk
des werbenden Liebhabers aus der alexandrinischen Fassung^) bei-
behalten ist; aber doch ist die ganze Situation nach eigener Pha)itasie
frei umgewandelt in ein Zwiegespräch zwischen Galatea und Doris
und sogar die Stimmung der Galatea gegenüber dem ungeschlachten
Liebhaber wesentlich verschoben. Dagegen schließt sich die Unter-
redung zwischen Polyphem und Poseidon (2) völlig an Homers
Odyssee IX an. Auf Homer gehen auch noch andere Szenen zurück
wie die zwischen Xanthos und Thalatta (11). Es ist aber bei den
Meeresgesprächen sehr fraglich, ob man stets auf eine bestimmte
literarische Quelle schließen darf; die tändelnden Szenen sind im Grunde
so wenig vertieft durch genauere Charakteristik oder eingehendere
Angabe von Nebenumständen, daß die leiseste Anregung irgend welches
mythologischen Handbuches genügte. Für die Schilderung der an
Perseus^ Hand vom Felsen schreitenden Andromeda (14, 3) und der
vom Stier über das Meer getragenen Europa (15, 2) hat man trotz
der für den letzten Fall ähnlichen Darstellung in Moschos' Europe
(125 ff.) die deutliche Empfindung, daß der Schriftsteller Bilder schildert,
die er mit eigenen Augen gesehen hat.^) Es mündet hier also ein
anderer Kanal sophistischer Tätigkeit: das Bestreben, die Kunst in
der Wiedergabe von Gemälden zu zeigen, vereint sich mit dem, nur
den Inhalt literarischer Werke nachzugestalteu. Lucian selber hat in
der Beschreibung des Bildes des Apelles, das die Verleumdung dar-
stellt, ein Muster solcher Sophistenkunst gegeben, wie er überhaupt
Bilder gern schildert'); er hat in dem Vortrag jtSQl xov otxov (22 ff.)
1) Theokr. XI 40 f. Ovid met XHI 883 ff.
2) Vgl. lilümner, ArcbEolog. Studien zu Lucian, Breslau 1867, S. 77 ff., der
dieHC Dialoge noch fVir «ntinffh h?llt und ROgar oin^ Verspottung der Kunst
darin sieht.
8 Calumn. non tcm. cred. 2 ff.; die Hochzeit .Mi ximirrs Herodot fi ff.,
da« KentaurengemiUdc Zeuxis 4 ff., Orest und I^ylatirs T(i\aiiH G, Herakh's
Hercul. 1 ff.; vgl. Förster, Lucian in der Itcnaissance, Kiel 1H8(>, S. lOff. He-
Monders für die kunstvollen sophistischen Einleitungen sind solclie iii<f(ftian^^
sehr geeignet; so liebt sie auch Himerios, Ecl. XIII (208 WenisdorfK XIV
'241), XXXII, 11 (802;. XXXVI 4 (808;, der auch sonst an Lucian erinnert Kr
begründet den Vergleich mit den Göttern bei Schilderung des ÜaHÜius i^lll 7i mit
Homers Beschreibung des Agamemnon (IL II 477 *, wie Lucian diese SU*)Ie Pro
ff -'m I.iirUn Uli'l M-- 12
178 Kapitel VIII. Totengespräche.
eine ausfülirliche Aufzählung der in dem Saal vorhandenen Wand-
gemälde nach ihrem Inhalt geliefert. In der späteren sophistischen
Literatur haben wir an den beiden Philostratos ja das charakteristischste
Beispiel dieser Gattung.
Man hat diese kleinen Werke gröblich verkannt, wenn man sie
als Satiren ausgab.^) Da ergab sich die Frage von selbst, wie sie
Blümner a. a. 0. S. 81 stellt: 'Wenn die Fabel von Perseus, von der Europa
usw. in allem Ernste erzählt wird, fast wie von einem Mythographen
oder wie eine in Prosa umgesetzte Dichterstelle, wo liegt da der
Spott?' Jetzt hat man längst richtig erkannt, daß Lucian hier nur
Sophist ist und den in der Schule üblichen Aufgaben nachgeht^);
aber er zeigt doch dabei eine gewisse Freiheit und Phantasie, die
man anerkennen muß, indem er von der einfachen Wiedergabe einer
dramatischen Szene, von der einfachen Beschreibung eines Bildes
fortschritt zu selbständig konzipierten kleinen Szenen; und seine her-
vorragende Befähigung, die Wechselrede zu gestalten, ermöglichte es
ihm, über alles die zierliche Anmut auszubreiten, die wir jetzt noch
empfinden. Das war sein eigenstes Verdienst.
Gehen wir weiter zu den Göttergesprächen, so haben wir
hier dieselbe rein sophistische Absicht; auf den Unterschied dieser
Schriften etwa von der 'Widerlegung des Zeus' hat K. F. Hermann
klar und deutlich hingewiesen.^) Man tut unrecht, wenn man darin
einen beabsichtigten Kampf gegen den alten Götterglauben zu finden
meint*) und Lucian wohl gar zumutet, er habe wie ein anderer Don
Quixote gegen Windmühlen gestritten. Daß er auch hier das Komische
bevorzugt und diejenigen Szenen sich aussucht, die zu humoristischer
Behandlung Anlaß geben, beruht auf seiner Veranlagung, die selbst
imag. 25 benutzt; er verwendet auch den Dädalusmythus XIV 35 (vgl. Icaro-
menipp 2 f.), den Dionysoszug XIV 26 (vgl. Bacch.), den Anacharsis, der im Ge-
spräch mit Selon begriffen und bestrebt ist, athenische Einrichtungen kennen zu
lernen XXX 1 (vgl. Anacharsis und Scytha) ; über den Vergleich der Mysterien-
fackeln mit denen der Eumeniden s. S. 71; auch das Bild vom einsam wachen-
den Steuermann (XIV 32) stimmt zu Lucian bis acc. 2, lupp. trag. 46.
1) Martha, Les moralistes sous l'empire Romain, Paris 1872, S. 351 schreibt
bei dieser Auffassung mit Recht wie Blümner: 'On se demande: oü est la satire?'
Aber die Konsequenzen daraus hat er nicht gezogen.
2) Hirzel, Der Dialog II 295.
3) Gesammelte Abhandl. S. 212 ff., in der Anzeige von Jacob, Charakteristik
Lucians von Samosata.
4) Siehe Martha, Les moralistes S. 344/5. Die Anschauung von Lucian als
idealem Kämpfer gegen Aberglauben und Aberwitz beruht ja zum guten Teil
auf dieser falschen Auffassung.
Göttergespräche. 179
sophistischen Stoffen etwas Interessantes abzugewinnen weiß und zum
Beispiel den köstlichen 'Prozeß des Sigma gegen das Tau' geschaffen
hat, im Grunde nichts als eine sophistische Übung, aber mit recht
humoristischer Tendenz. Man muß sich dem gegenüber nur einmal
solche Besprechungen wie die in Plutarchs 'Quaestiones convivales' ver-
gegenwärtigen: 'Warum das Alpha im Alphabet die erste Stelle ein-
nimmt'(IX 2) oder das 'Gespräch über die Vokale und Halbvokale' (IX 3),
und man empfindet, was Lucian aus einem solchen Thema gemacht hat.
In diese Gattung freierer sophistischer Szenen mit recht humo-
ristischem Beigeschmack gehören die beiden Wochenstuben des Zeus
(Göttergespr. 8 und 9), die sich zweifellos nicht eng an ein litera-
risches Vorbild halten, so daß sie nur die Paraphrase einer poetischen
Szene böten; sondern Lucian hat auf irgend eine geringe Anregung
hin mit eigener Phantasie witzig diese kleinen Gespräche geschaffen.
Im allgemeinen folgte er bei den 'Göttergesprächen' einer Zusammen-
stellung ihrer Liebschaften; so ist behandelt Zeus' Verhältnis zu lo,
Ganymed, Semele, Alkmene, das Verhältnis Heras zu Ixion, Selenes zu
Endymion, Apollos zu Hyakinth. Auch hier ist schon charakteristisch,
was wir noch mehr bei den 'Totengesprächen' beobachten werden,
wie derselbe Stoff von verschiedenen Seiten erschöpft wird. Die Lieb-
schaften des Zeus gaben Anlaß eine Szene darzustellen, in w^elcher
der Göttervater sich bei dem kleinen Schelm Eros beschwert, aller-
dings nicht, daß er überhaupt in ihm die Liebe erweckt, sondern daß
er ihm die Erfüllung seiner Wünsche so schwer macht und immer
erst durch Verwandlungen ermöglicht (2). Der Raub des Ganymedes (4)
ruft eine Eifersuchtsszene seitens der Hera hervor (5). Die Geburt
des Dionysos (0) hat das Gespräch 18 angeregt, in dem Hera diesen
Weichling schmäht. Weiter hat die Behandlung der verliebten
Götter den Schriftsteller dazu geführt, auch einmal die von der Liebe
nicht berührten in einem Dialog zwischen Aphrodite und Eros (19)
aufzuzählen. Schon diese Ausnutzung des Stoffes nach mehreren
Richtungen zeigt klar, daß wir meist nicht mehr die Paraphrase einer
draroatischen Szene vor uns haben. Möglich wäre der Gedanke etwa
bei der Klage des Hermes gegenüber der Maia (24), wo wenigstens
diw Motiv der Beschwerde aus der Komödie entlehnt sein könnto;
da« Gespräch zwischen Pnn und Hermes (22) erinnert an Dramen wie
die Ilavbg yovaC de» Araros*j und Philiskos oder Stücke mit dorn Titel
'I*an'. win von Amphi^. und konnte einem solcheu entstuuuncn. Aber
I Kn.l II 'J17 .IM M.l III :\M
180 Kapitel VIII. Totengesprilche.
für die meisten dieser harmlosen Szenen würde man gewiß zu weit
gehen, wenn man eine Einwirkung der Parodien der mittleren Ko-
mödie^) annähme, die ja mythologische Stoffe vielfach behandelt hat.^)
Sicher ist der Einfluß Homers in dieser Hinsicht; fast keine der
Szenen mit burleskem Anstrich^) aus Ilias und Odyssee hat Lucian nicht
irgendwo benutzt. Auch alexandrinische Dichter haben hier wie bei
den 'Meeresgesprächen' eingewirkt.^) Sicher ist ferner der Einfluß von
Kunstwerken der Plastik und Malerei zu konstatieren, wie er sich ja
bei Selene und Endymion (11) jedem sofort aufdrängt.^) Man sieht, die
Motive ergaben sich für Lucian von selber, wenn er nur mit offnen
Augen um sich' blickte und seinen künstlerischen Interessen nachging.
Und noch eine Anregung, die wir schon erwähnten, bot ihm die Gegen-
wart, ohne daß er erst literarische Studien zu machen brauchte; ich
meine Mimen ^) oder vielmehr Pantomimen, die ja lebende Bilder
waren. Gerade für die ausführlichste Szene in den 'Götterdialogen',
das Urteil des Paris (20), haben wir in Apuleius' Metamorphosen
(X 30 ff.) den trefflichsten Beweis, daß der Stoff pantomimisch auf-
geführt wurde; denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieser
Zeitgenosse Lucian s seine außerordentlich plastische Schilderung nach
eigener Anschauung geliefert hat. Gerade die von Lucian bevor-
zugten Stoffe, Liebesgeschichten pikantester Art, wie Ares und Aphro-
dite im Netz des Hephaistos, gehören zu den beliebtesten Sujets des
Pantomimus '^) ; in der Schrift jtsQi oQXT^öfojg, die unter den Luciani-
schen überliefert ist, wird (37 ff.) eine ganze Reihe von den Stoffen,
die in den 'Götter- und Meeresgesprächen' behandelt sind, als für
Pantomimen geeignet aufgezählt.^)
1) Denis, La com. Grecque, Par. 1886, 11 354. Meineke, Hist. crit. com. Graec. 283.
2) Eine Anzahl möglicher Benutzungen von Komödien zählt Bolderman
auf: Studia Lucianea, Lugd. Bat. 1903, S. 76.
3) Vgl. Nestle, Die Götterburleske bei Homer, Neue Jahrb. f. Phil. u. Paed.
XY (1905) S. 161 ff.; der auf Lucian nur im Vorbeigehen hinweist. Ich erinnere
besonders an Göttergespr. 15 und 17 (Hom. Od. VIII 266—369).
4) Siehe Knaack, Quaest. Phaethont. (Kießling u, v. Wilamowitz, Phil. Unter-
suchg. VIR) S. 24, Herm. XXXVII (1902) S. 606, der aus der Übereinstimmung
von dial. deor. 25 und Ovid met. II 130 ff. die alexandrinische Quelle folgert.
5) Blümner a. a. 0. S. 69 ff. Für 9, die Geburt des Dionysos, muß man etwa
an des Ktesilochos Bild denken, das den Zeus in Kindesnöten mit Bacchus dar-
stellte (Plin. n. hist. XXXV 140).
6) Vgl. Schmid, Bursians Jahresberichte 108 S. 247: ^Hetären-, See- und
Göttergespräche sind attizistisch zubereitete ^^fto^.'
7) Friedländer, Sittengeschichte Roms 11^ S. 452 f.
8) J'^lov nXdvriv dial. mar. 10, Jlovvgov a^q)OT^Qag trag yovccg dial. deor. 9,
Göttergespräche. Trometheus'. 181
Diese Dialoge, die an und für sich nur Erzeugnisse der Sophisten-
tätigkeit sind und mit Satire oder Menipp noch nicht das geringste
zu schaffen haben, kann man aber in gewisser Hinsicht als Vor-
bereitung für die späteren meuippischen Satiren bezeichnen. Die fort-
schreitende Vervollkommnung zeigen die größeren Szenen. Von den
Göttergesprächen' gehört hierher das 20., d-eöv XQiöLg betitelt-, hier
haben wir schon eine zusammenhängende Reihe von Szenen, und wenn
die 'ßCüJV TiQciöig^ der 'Doppeltverklagte', die ^Entlaufenen' in gleicher
Weise wie dies Parisurteil und der 'Timon' nachher den Auftrag des
Zeus an Hermes enthalten, so werden wir den Zusammenhang mit
diesen sophistischen Leistungen nicht verkennen. Die Wanderung des
Hermes mit den Göttinnen hat in den beiden letzten Dialogen ebenso
wie die ähnliche aus dem 'Timon' nachgewirkt.^) Als dritte Szene
schließt sich dann das eigentliche Urteil an.
Zu diesen größeren Gesprächen sophistischer Gattung, wenn auch
wohl etwas später geschrieben, ist auch der 'Prometheus' zu rechnen.
Den Hauptbestandteil bildet die Verteidigungsrede des gefesselten
Titanen, in der er zeigt, daß er unschuldig leidet. Zu den bei Hesiod
vorhandenen Klagepunkten des Betrugs beim Opfer und der Ent-
wendung des Feuers tritt der dritte der Erschaffung der Menschen,
den wir bei Apollodor I 45 (7, 1) finden. Die Rede des Prometheus ist
scharf gegliedert und steigt von dem unwichtigsten Punkt, dem Betrug
beim Opfer, bis zum Feuerraub; sie steht völlig auf derselben Stufe
wie des Gorgias Talamedes', des Antisthenes 'Odysseus' oder Lucians
Thalarisreden'. Die Auffassung des Prometheus als Sophisten^) findet
sich ebenso bei Dio 8, 33 (I 286 R. I 102, 3 v. A.) und ist von Buecheler»)
lo d. mar. 7 deor. 3, Javdris nuQQ^ivivciv mar. 12, Perseus und Andromeda mar. 14,
xhv 'Tü-KLv&ov xal zbv xov knölXtovo? ccvrsQccaTijv ZitpvQov deor. 14, xov Ilägidog
iiviaiibv . . . fisxä xriv inl xdt ;t»j7ö) ngiaiv deor, 20, llavbg yovccl deor. 22, Europe
mar. 16, 4fui^av deor. 26, ngh nävxoav äh xä mgi xovg iQOiXccg aixcbv (der Götter)
xal aixoi) xov Jt6(i (8, oben); den Pantomiraus Ares und Aphrodite (dial. deor.
16, 17) beschreibt ntgl dgx- 6«^i wie er zu Ni'roa Zeit aufgeführt wurde. Über
die Hercin/iehung der Götter in den Hereich des Minius 8. H. Reich, Der Mimus,
Horiin 1U08, I S. 111 ff. über dio Kchtlirit.'^fra^M' iIlm- Schrift n^^<)/ nnviat«)^ w(Mih*M
wir Bpilter sprechen (s. Anhang')
1) Am bezeichnendsten bi» acc '.»: r/.Ä« fitTK^v ).(r/u)v t^ot^ TTAt^on ^uiitv rfj
'AxtiK^ xai iitfiniQ iiaxu(itßi^%aiisv . . . deor. dial. 20, 6: ikka iifratv loyott'
ijdri noXh 7tQ0i6mti aTttanuactfitr xätr ättrigtov /:r*i Ai xor i» . . . .
2) Prom. 20; ov gt'tdiov m llgofirii^tv nghs ovxto y^watov f?<< , iitXXä-
a^ui^ Dio 8, 88: xbv Sh Ugo^^f^iu, cotfuaxi^v riva, i{io\ doxttv^ natttlaßüiv vn6
d6irig ^iifoXivftivov.
li) Rhein. Mus. XXVII (1879) 8. 460 Anra. 1.
182 Kapitel Vm. Totengespräche.
wenigstens vermutungsweise auf Antisthenes zurückgeführt worden.
Aber auch hier hat Lucian mehrere Aufgaben der sophistischen
Tätigkeit miteinander vereint, indem er diese Rede in einen Rahmen
spannte, der eine dramatische Szene wiedergab. Es ist ungefähr der
Anfang des äschyleischen 'Prometheus'*), nur daß an Stelle des etwas
farblosen Kratos für den Dialog Hermes eingesetzt ist. Im einzelnen
verrät sich allerdings die humoristische Neigung des Schriftstellers,
so, wenn Hesiod (3) und Homer (4) von den Göttern zitiert werden,
wenn die Anklagepunkte auf Hermes und Hephaistos verteilt werden,
Hephaistos dann aber auch sein Teil dem redegewaltigeren Bruder
überträgt. Der Stoff ist aber auch vor Lucian komisch behandelt
worden. Abgesehen von dem Satyrdrama des Aschylos, kennen wir
den Trometheus' des Sophron^) oder Epicharm; und unter Varros
Satiren steht der Trometheus Über'. Auch hier ist Übereinstimmung
mit Aschylos zu bemerken^); auch hier ist der Vorwurf wegen der
Schöpfung der Menschen besprochen, allerdings in weit drastischerer
Weise als bei Lucian. Es wäre nicht unmöglich, daß Menipp in
irgend einer Weise dem Römer wie dem Griechen die Anregung ge-
geben hat.^) Allerdings ist spezifisch Menippisches abgesehen von den
Zitaten aus Homer, Hesiod und Arat (14) und der Auffassung des
Hermes als öto^yXog^ sowie der allgemeinen Stimmung nicht zu be-
obachten, und die sophistische Ausführung des Hauptteils ist jeden-
falls Lucians Eigentum.
Gewaltig ist der Fortschritt, den der ^Timon' verrät, zumal der
1) Ähnlichkeit zeigt der Ausdruck cpctgccy^ Luc. 1. Aesch, Y. 15, das Mit-
leid des Hephaistos V. 14 ff. und Luc. 1 (rbv ad'Xiov tovrovl), die Furcht dem
Befehl des Zeus zuwiderzuhandeln V. 17 (svooQLci^sLv y^Q Ttatgog Xoyovg ßccQv)
Luc. 2: tovto qprjg xb %at£%sr\6atb ccvtl 6ov ävaav.oXo7Ci6%"rivKi ccvtl-acc (idXa
TtccQayiovaccvxccs tov i'^tLray^ccrog; endlich das Hervorheben der Entfernung von
den Menschen V. 20: 7CQ067ta66ccXsvaco ro5d' ccTtccvd-QmTCco ndycp, Luc. 1: ovts yccQ
tccTiSLvbv ytccl Ttgöcysiov icv86TavQ&a^ai XQri,, co? \ir] ina^vvsLv avxa> xk TtXdo^axa
avxov. Andererseits ist vom avaaxavQovv und dvao'KoXonl^uv die Rede, zeigt sich
also noch eine Spur von der Vorstellung wie bei Hesiod Theog. 522 und in der
älteren Kunst, während Äschylus den Titanen einfach anschmieden läßt (Bethe,
Prolegom. zur Geschichte des Theaters, Leipzig 1896, S. 94).
2) Poet. Graec. Fragm. VI 1 S. 163. Kaibel s. Bergk, Griech. Literatur-
gesch. IV S. 40Anm. 71.
3) J. Vahlen, In M. Ter. Varronis sat. Men. coniectanea, Lips. 1858, S. 168.
4) Ich sage das trotz des Einspruchs von Hirzel, Der Dialog 11 2'J6 Aum. 1;
aber wer Lucians und Varros Arbeitsweise erkannt hat, wird die vorsichtige
Fassung oben verstehen. An eine Satire Menipps Prometheus' braucht deshalb
nicht gedacht zu werden, wie Riese, Varr. Sat. Menipp, Lips. 1865, S. 25 tut.
Trometheus', 'Timon'. 183
Gedankengang über das rein Sophistische hinausgeht und durchaus sati-
risch ist, so daß es schon darum höchst wahrscheinlich wird, daß dieser
Dialog zeitlich mit den menippischen zusammenfällt, obgleich er seiner
Gattung nach mit den eben besprochenen eng zusammenhängt. Formell
fällt schon die Fülle der Szenen auf, die dieser Dialog gegenüber den
andern bietet. Wir sehen Timon allein mit Hacke und Karst arbeiten,
während er den Zeus mit seinen Schmähungen zu wecken sucht. Wir
hören die Zwiesprache des aufmerksam gewordenen Gottes mit seinem
allzeit bereiten Diener Hermes, die Verhandlung mit Plutos, der in
Hermes' Begleitung zu dem ungerechterweise Vergessenen gehen soll
und nun schildert, wie er früher von ihm schnöde behandelt worden
ist, sodann die Wanderung nach Attika, auf der Plutos seine Lahm-
heit und Blindheit begründet. Wir gelangen mit den beiden zu Timon,
wo ihnen zunächst die Penia mit ihrer Begleitung entgegentritt, die
indessen das Feld räumen muß. Es folgt das Gespräch mit dem Men-
schenfeind selber, das Emporrirfen des Thesauros und die Auffindung
des Schatzes, die bei dem wieder reich Gewordenen nur den Beschluß
hervorruft, nun erst recht jeglichen Umgang zu meiden. Daran
reihen sich dann die Szenen mit den Schmeichlern und dem Philo-
sophen, die, durch die Kunde von Timons neuem Glücke herbeigelockt,
sich wieder einfinden, um an seinem Gut teilzunehmen, aber von dem
Erbosten mit Schlägen und Steinwürfen verjagt werden.
Es ist klar, daß dieser Dialog mehr noch als der Trometheus'
hoch über den .sophistischen steht, von denen wir sprachen; er zeigt
auch zahlreiche Berührungspunkte mit den eigentlichen Satiren. Wir
sehen Lucian also schon völlig im Banne Menipps; nicht nur in der
äußern Routine; denn die doppelte Szenerie, im Himmel und auf Erden,
finden wir ebenso im 'tragischen Zeus', sie kehrt auch im 'Doppelt-
verklagten' und den 'Ausreißern' wieder, wo auch die Wanderung
vom Göttersitz zu den Menschen in gleicher Weise geschildert ist wie
hier*); und die Form des Volksbeschlusses (42 ff.) ist hier nachgeahmt
wie in der 'Nekyomantie' (20) und in der 'Götterversammlung' (14 ff.).
Aber auch der Vorwurf, der gegen Zeus gerichtet wird (2), daß er
die Frevler und Meineidigen nicht beachte und strafe*), steht in der
1) Siehe oben zur ^b&v ngiaig S. 181.
2) Daß er die Teinpolräuber nicht beatraft hat, wird im 'tr. Zeug' durch
die Moira bejfriindet (26): »Paaa äv, ofet, xovs UqoovXovs nQan]v intk^ttv inuifotv
vdnovg ix IIiöT\s dvo yMv xdtv nXoxonktov (tnoxHifuvxa^; damit ist su Tergleicheo
Tim. 4: iib liyhiv, noaäxis »J^ij aov x6v vtwv aiavlijHaöiv, ol dh Kcri ai>x^ tfo«
xicf x'^Q^t 'Olvuniaüiv imß»ßXi^0i, ecW , . . . ittdlhiao roiw nln^ti-
184 Kapitel Vni. Totengespräche.
'Widerlegung des Zeus' (16) und im 'tragischen Zeus' (19). Die
Klage des Göttervaters (9) über die Philosophen und ihre Redekämpfe
erinnert an seine Worte in der Versammlung am Schluß des 'Ikaro-
meuipp' (29)^); dem Verfasser scheint auch sonst, als er unsern Dia-
log schrieb, die Darstellung der olympischen Szenen vorgeschwebt zu
haben.^) Überhaupt ist die Schilderung des Treibens der Philosophen
an dieser Stelle wie in der Rede Timons (54 ff.) ganz gleichartig denen,
die wir in den gegen die Philosophen gerichteten Satiren^) finden; wie
ihre Lehre des Morgens zu ihrem Benehmen am Abend in einem sehr
scharfen Widerspruch steht, ist in ganz ähnlicher Weise im 'Toten-
gespräch' 10 (11) und 'Hermotimos' (11) gezeichnet. Ebenso ist der Geiz-
hals, den Plutos (14) beschreibt, mit denselben Farben gemalt wie der
Simon*) im 'Hahn' (29flP.); auch der plötzlich durch Erbschaft reich
Gewordene, den Hermes und Plutos in ihrem Zwiegespräch (20 f.)
vorführen, hat die Züge des Simon, selbst bis auf die Sucht, durch
einen volltönenderen Namen seiner neuen sozialen Stellung gerecht zu
werden. So ist es gewiß kein Zufall, so geläufig auch sonst der eine
oder der andere sein mag^), daß die beiden im 'Hahn' (7, 14) zitierten
Verse des Pindar und Euripides, die das Gold preisen, im Timon (41)
1) Tim. 9: tioXvv ijdri %q6vov ovo' ccjtißXstpcc ig ttjv 'Attiycqv, Tcal yiäXiGxa
i^ ov (piXoaocpia xccl Xoycov ^Qidsg insTtoXaöccv ocvtotg, Icar. 29: yivog yäq xi
ccvd'gmTtcov iatlv ov itQO TtoXXov xa ßlo) iniTtoXä^ov aQyov cfiX6vEiy.ov usw.
2) Die Worte in Kap. 9: ovds iita-KOvEiv ^an xöbv 8v%öiv. (ogxs t) iTtL-
ßvßdfisvov XQV '^^ ^''^^ 'naO'fiG^ai. 7) usw. setzen die Situation von Icarom. 25
voraus: ^vQ^oc Msl ccvxov yicc& s^o^svov diav,ov6ai xöbv ev^öiv. Vgl. auch ehen-
dort: xat avxbg inrjxovov a\ia xcav 8v%(üv und inaTtovcov dh ö Z8vg y.ccl ttJv
£v%r]v . . . i^sxdlo3V.
3) Tim. 9: ^ci%oiiiv(ov yag ngog aXXriXovg y.al v.s%Qciy6xa)V ovdh iTCcc'novsLv
^6X1 xcbv Bv%(öv, b. acc. 11: a-KOvco ys ccvxmv ccsl TiE'HQcxyoxcov -Aal aQSxriv xivcc
xorl ccööi^axa dta^LÖvxcov^ Tim. 9: ccQSXijv xivcx. ■neu ccaöo^axa xccl
Xi]QOvg iisydXrj xjj cpcovy ^vvslqovxcov, gall. 11: ccqsxi^v xivcc Ttgog /x£ Sis^ioiv
Ticc) diddoTccov xoiccvxcc noXXä ovdhv dso^isvo) iiQOCcpiXoöocpaiV gvvsIqs,
Necyom, 4, Icar. 8; Tim. 54: iyiTtsxdaccg yovv xbv jtmyova ticcI xäg ocpQvg dvaxsivccg,
Icarom. 29: xccg ötpgvg indgccvxsg xai Ttmycovccg iniGnacdnEvoi.
4) Tim. 14: xov yccc-Aoöcä^ova dB67t6xr\v ngög d^avgov xl v.ccl
diipccXiov &QvccXXidLov inaygvTCvstv idöag xotg xoTiOLg, gall. 29: ogat
. . . TCQog cc^avQdv xs v,al diipmöav xr\v d'QVccXXida, Hl: ogäg inccygv-
7f vovvxcc oiccl ccvxov . . . ., &vaXoyL^6^£VOV xovg rdxov?; Tim. 14: dXXä cpvXdx-
XELV iygriyoQoxag , g^-ll. 29: ccQtaxov ovv ayQvnvov avxov dicc(f)vXdxx8LV anccvxoc.
Und für das ig x6 6r\{LSlov xal xov \io%Xbv d6yi,aQ8aiivy.x\ ßXinovxag Tim. 14 bietet
ja Simons Benehmen gall. 29 die beste Illustration.
5) Der Euripidesvers wird z. B. auch von Sext. Empir. adv. math. XI 122
zitiert. (Nauck, Trag. Graec. fr.^ S. 456 fr. 324.)
'Timon'. 185
nebeneinander wiederkehren und die Verwandlung des Zeus in Gold
in beiden Schriften (Tim. 41 Hahn 13) als Beweis für seinen Wert
beigebracht wird, um so mehr, als das im 'Timon' ziemlich gesucht
erscheinen muß.^) Nimmt man endlich den Ausfall gegen die Dichter
(1), die aus Versnot all die schönen Beinamen für Zeus erfunden
haben, noch hinzu, so leuchtet ein, daß dieser Dialog mit den sophi-
stischen nur entfernt zusammenhängt, vielmehr von Lucian nach meh-
reren menippischen verfaßt ist und daß der Schriftsteller, weil er
sich dort für eine Weile erschöpft hatte, zu diesem allgemein mensch-
lichen Stojffe und der sophistischen Wiedergabe eines Dramas zurück-
griff; immerhin ist der 'Timon' hoch erhaben über die früheren Er-
zeugnisse dieser Art, weil er sich nicht einfach auf die, wenn auch
noch so freie Nachge^staltung einer Szene beschränkt hat.
Es erscheint mir zweifellos, daß Lucian eine Komödie als Vorlage
gehabt hat-), — nur richtig verstanden; denn das ist nach dem früher
über die sophistischen Dialoge Gesagten ohne weiteres klar, daß er
1) Man muß die Stellen vergleichen, um zu sehen, daß, so richtig das
Argument im 'Hahn' ist, so unberechtigt und unvermittelt Timon auaruft: vvv
nti^o^uci yh xai Jla noth ysviü^ai xQvaov. Für die Zeitbestimmung ist das von
Wert. Vgl. den Anhang über die Schrift 'Vom Parasiten'.
2) Leo, Die griech.-röm. Biographie, Leipz. 1901, S. 116 f. lehnt das ab, na-
türlich nur für die erste der beiden oben besprochenen Möglichkeiten; zugrunde
liegt nach ihm die Biographie Timons, wie sie von Neanthes festgelegt worden
ist. Aber auffällig wäre dann, daß Lucian nicht die bei Plutarch Anton. 70
aus Neanthes berichteten Erzählungen, überhaupt nichts Anekdotenhaftes be-
nutzt hat (nicht einmal das Aufhängen am Feigenbaum , das so leicht verwert-
bar war). Ich glaube hier so wenig an eine Biographie wie bei Polemon im
'bis acc' oder bei den Bemerkungen aus Diogenes' Leben in Epiktets Vorträgen.
Daß die Hinzufügung des Vaternamens Echekratides und des Demos KoXlxnöis
Lucian» Erfindung ist, wie Leo will, wenn ich ihn recht verstehe, halte ich nicht für
wahrscheinlich; der Vatemamo würde dann wohl bezeichnender sein (Sondag,
De nominibuB apud Alciphronera propriis, Diss. Bonn 1905, S. 78). Daß Alkiphron»
Bauernbrief 82 *III 84j auf Lucian zurückgeht — aber nicht nur auf ihn, wie
der Ap(>niautoM zeigt — , ist bekannt, und wird auch durch den Namen des
Briefücbreibers Gnatbon erwiesen, der dem Gnathonides bei jenem (Tim. 401
seine ExiMtenz verdankt. An Alkiphron scheint sich Libanius, der mit Lucian
trotz ni« Einnprurh kaum Berührungspunkte hat (h. Binder, Über Timon
»ien |»en, l'rogr. Tim lHr»6, S, 14), in Heiner Deklamation 'Timon' aa-
geMchloHHcn zu haben. Der Satz IV 194, 20 f. Heiiikc: 01^x i-itl ti)9 iox'*^'*'i «»«*'ffi
xi d^ oiVx Ifiaklf^' xtttt ßdiXotf TtQOötovTu fif; entspricht dem l>ei Alkiphron 2:
naTulaßwp yäff ttjV iö^ttttuv xufg ßdtXoig xovg nuQt6vTaf (inXXn. Libanius hat
wolil auch ftlr seinen 'I'arnsiten' Anregnugen aus Alkiphron ivgl. Parasitenbrief
34 und aH; empfangen.
186 Kapitel VIII. Totengespräche.
sie nicht einfach paraphrasiert hat. Es gibt zwei Möglichkeiten: ent-
weder könnte eine Komödie 'Timon' selber das Vorbild sein, oder
Lucian hat irgend ein anderes Stück mit der Timonlegende kombi-
niert. Die Berechtigung zu der ersten Annahme gibt weniger die
Hervorhebung, deren Timon schon bei Aristophanes, bei Phrynichos,
auch bei Plato gewürdigt worden ist^), als das Vorhandensein einer
gleichnamigen Komödie des Antiphanes.^) Dafür spricht auch, was
an chronologischen Bestimmungen eingestreut ist und was Lucian
kaum selbständig zur Belebung 'eingefügt haben würde; wir hören
von Perikles und Anaxagoras (10), doch eine Anspielung auf den
Prozeß, in den der Philosoph verwickelt wurde und der seine Ver-
bannung zur Folge hatte, von dem reichen Kallias und Hipponikos
(24), von Hyperbolos und Kleon (30)^), vom peloponnesischen Krieg
(50)*), und selbst die Erwähnung der Diasien (7) möchte man nach
dem, was wir zu 'Ikaromenipp' 24 beobachteten, für entlehnt aus der
Vorlage halten, falls sie der Schriftsteller nicht bloß aus seiner Er-
innerung an jenen Dialog übernommen hat, wie wir ja mehrfach Re-
miniszenzen aus anderen Schriften erkannten. Eine Vermutung bis ins
einzelne, wie weit nun etwa eigene Erfindung Lucians vorliegt, wie
weit Benutzung dieser angenommenen Quelle, würde unmöglich sein,
schon eben deshalb, weil er sich selber ausgeschrieben und anderswo
benutzte Motive wieder verwandt hat. Es ist aber wahrscheinlich, wie
1) Aristoph. Vö^el 1549. Lysistr. 808. Phryn. Monotrop. Kock I S. 375,
Plato nach Plutarch Kock I S. 660.
2) Kock Com. fr. 11 S. 100. Ob das die einzige Komödie gewesen ist, in
der Timon die Hauptrolle spielte, ist natürlich fraglich, und darum nicht Anti-
phanes als sicheres Vorbild anzusetzen. Daß Timon aber in diesem Stück die
Hauptperson war, scheint mir die natürlichere Annahme (vgl. Meineke hist. crit.
com. Graec. S. 327 f.; anders Hirzel, Der Dialog H 298, auch Leo, Gr.-röm. Biogr.
116 Anm. 4). Piccolomini, Studi di fil. greca I fasc. 3 S. 69 des Sonderabdrucks
Sulla leggenda di Timone il misantropo glaubt, daß auf Antiphanes die Fabel
von dem Undank der Freunde und der Verarmung Timons zurückgeht, die
jedenfalls vorlucianisch ist, da Antonius sie kannte (Plut. Ant. 69), den Um-
schwung durch Auffinden des Schatzes will er Lucians Phantasie zuschreiben,
S. 40, 67 f., 70.
3) Obwohl die Namen zum Teil typisch sind, s. oben S. 119. 138. Max.
Tyr. 11, 7. 13, 4. Besonders Kleon und Hyperbolos, aber auch Kallias und
Hipponikos sind durch die Komödie auch für die Folgezeit allbekannt geworden.
4) Damit wird natürlich nicht erwiesen, wie Hirzel S. 299 anzudeuten
scheint, daß die etwaige Vorlage der alten Komödie angehörte, wenn die Vor-
lage selbst ein "^Timon' war; die Erwähnungen würden dann ja durch die
Person des Helden und seine Zeit veranlaßt.
'Timon' und die Komödie. 187
Hirzel (Dialog II S. 300) mit Recht hervorhebt, daß die in den 'Götter-
gesprächen' erworbene Fähigkeit hier in der Unterredung des Zeus
mit seinem Diener in eigener, von dem Vorbild unabhängiger Gestal-
tung sich äußerte. Dagegen müßte man den Monolog des Timon im
Anfang wohl auf die gleichnamige Komödie zurückführen; und ebenso
müßte die Auffindung des Goldes^) doch wohl auch dort vorhanden
gewesen sein; denn erst sie bietet ja den Stoff zu komischen Szenen,
da sie die Menschen, die sich von dem Armen mit Verachtung ab-
gewandt hatten, dem Reichen nun aufs neue als Schmeichler zuführt.
Darum halte ich Piccolominis Hypothese, Antiphanes habe zwar die
Armut, aber nicht den Umschwung gehabt, für unbegründet; denn ich
vermag mir dabei den Inhalt des Dramas nicht vorzustellen. Timons
ernsthafte Person allein kann man sich nur schwer als Träger einer
lustigen Handlung denken ; seine charakteristische Eigenschaft ist und
bleibt der Menschenhaß. Timon selber macht wie bei Shakespeare
das Drama eher zum tragischen, und je mehr man seinen Charakter
beleuchtet, um so mehr tritt die Komik der gemeinen Menschenseelen
hinter der ergreifenden Tragik des durch den Undank um seinen
Glauben an die Menschen betrogenen, nun in grimmem Haß sich ver-
zehrenden Unglücklichen^) zurück, wie er nach dem Zeugnis Plutarchs
1; Vj?l. Kock, Rhein. Mus. XLm (1888) S. 49. Sie findet sich allerdings,
wie Hemsterhuys in seiner Zusammenstellung der Zeugnisse über Timon (Lucian
ed. Lehmann I, Lips. 1822, S. 351 ff.) hervorhebt, sonst nicht belegt, wenn man
nicht die bei dem Horazscholiasten zu Sat. I 1, 64 ff. vorkommende f illschliche
Beziehung auf Timon als Beweis für die zweite Periode seines Reichtums an-
nehmen will. Man könnte bei den durch die Auffindung des Schatzes ver-
anlaßtt-n Szenen an Verse denken, wie sie unter Antiphanes' Fragmenten stehen
(232 Kock\ gipfelnd in den Worten: nXovTog dk ßäauvög iöriv av^Qionov rpdn^wr.
2) Hirzel S. 800 scheint mir den Timon nicht ganz richtig zu beurteilen,
wenn er sagt, daß sich die Misanthropie als bloßer Schein erweist, unti^r dem
sich gemeiner Geiz verbirgt, und dafür Kap. 44 anführt, wo Lucian den Timon
selbst erklären lasse, daß Misanthropos ein bloßer Name sei. Davon enthalten
die Wort« nichts, die im Gegenteil den Höhepunkt seiner Verwünschungen
bilden: 'Kinc Freude soll es mir sein, der Meuächenhasser zu heißen, und die
Kennzeichen meiner Art sollen sein mürrisches Wesen, Hartherzigkeit, Unfreund-
lichkeit, Grimm, MengchenHcheu.' Die scheinbare Wandlung, daß Timon zunächst
den Reichtum abwehrt, dann aber freudig begrüßt, war in einem nrama 'Timon'
durch den Gang »lor Handlung selber bedingt. Auch Shakespeare int ja trotz
aller Vertiefung des Psychologischen um diese Klippe nicht herumgt«kommen.
H*'i Lucian (und eventuell auch in der Komödie) war diese Rcheinbare Wand-
lung durch die Anrufung de» Zeui im Anfang erleicht<>rt, die ja doch (tercohtig-
keit verlangt und damit selbstvcrNtllndlich AufbeMserung seines Lose«. Krst
dies«- bietet ihm Gelegeniieit, sich an seinen Feinden zu rilcheu ^40: vn6ax^Ql
188 Kapitel VIII. Totengesprilche.
schon vor Lucian, also doch wohl durch die Komödie geschaffen war.
Das Lachen konnte nur durch Szenen der Art erregt werden, wie sie
sich bei Lucian an die Auffindung des Schatzes knüpfen.
Man muß das im Auge behalten, wenn man Übereinstimmungen
mit Aristophanes beobachtet, bei denen es schwer ist zu sagen, wie
weit sie etwa in der griechischen Komödie *Timon' vorhanden gewesen
sein mögen, wie weit sie der spätere Satiriker erst durch Kontamina-
tion geschaffen haben mag. Allerdings sind diese Übereinstimmungen,
wie gleich im voraus gesagt werden muß, so allgemeiner Art, daß es
höchst unwahrscheinlich ist, direkte Aristophanesbenutzung bei Lucian
anzunehmen. Plutos beklagt sich in der gleichnamigen Komödie über
die schlechte Behandlung, die ihm zuteil wird, da man ihn, wo er
hinkommt, entweder vergräbt, ohne seine Gaben auch nur irgendeinem
mitzuteilen, oder mit verschwenderischen Händen seine Mittel ausstreut
und ihn so zur Tür hinaustreibt (V. 234|F.). Der Gedanke ist ähnlich
in der Zwiesprache, die Zeus und Plutos im 'Timon' (12 — 14) pflegen,
aber Wortanklänge sind kaum beizubringen.^) Beachtenswert ist viel-
leicht bei beiden Schriftstellern der Hinweis auf die außerordentlich
geringe Anzahl von guten Menschen, die einen Besuch des Plutos
verdienen würden.^) Ebenso geht bei beiden dem Einzug des Plutos
die Vertreibung der Penia voraus; aber von dem langen Redekampf
bei Aristophanes, der den Sophisten besonders hätte locken müssen,
hat Lucian jedenfalls auffälligerweise keine Verwendung gemacht, und
kaum eine Andeutung des Gedankens, wieviel Gutes die Armut schafft,
kehrt wieder.^) Noch allgemeiner ist die Übereinstimmung, daß der
.... OTTcos ol TioXcciisg ixstvoi 8iaQQccy(ö6iv vtco rov (p&ovov). Es ist nicht Geiz^
sondern Freude, die lungernden Menschen nun kränken zu können, was ihn
erfüllt. Wenn er das Gold dabei gar zu eifrig begrüßt, so mag das bei Lucian
daran liegen, daß ihm, wie wir gezeigt haben, die Stelle aus dem ^Hahn' ins
Gedächtnis kam. An und für sich sind Menschenhaß und Abneigung gegen das
Geld nicht unbedingt verbunden.
1) Allenfalls Yers 243 f.: TtoQVccioi xort ■nvßoLCi TiagccßsßXri^ivog yv^vbg d-vQcc^*
i^ETtsGov und Tim. 12: i^smd'Si ^s rf^g oiy.iag avd'ig ovv äniX%(o nccgccGiroig
v.a.1 y,6Xa^i y,ccI ktccLQcag ■jiaQCcdod"r}66n£vog;
2) Vers 97ff. : dtg rovg diyiaiovg d' ccv ßadi^oig; — ndw ^sv ovv TtoXXov
yaQ ccvrovg ov% hÖQcc-K^ iyo) %()oa'ou. — •aal ^aviid y' ovösv ovd' iyo) yccg
ö ßXinav, bei Luc. Tim. 25: rvcpXbv övra sidayg ^TtsiiTtsv (Zeus) äva^ritrj6ovt<x
dvesvQSxov ovtco XQVl^^ ^^^ ^Q^ noXXov ixXsXoL-jtbg iy, rov ßiov, onsq ovo' ö Avy-
y,svg av i^evQOL Qccdiag (nämlich rov TtXovralv oc^iovg).
3) Ar. Plut. 469 f. : ayad-äv undvrcov ovaccv airiav i[ih viilv di ia4 rs ^mvrccg
viiäg, Tim. 33: rdxcc si'osrai olccv ftf ovöav cc7toX8Lipsi, äy(xd'r]v ovvEQybv ■koI di8d-
azaXov rüv agiorojv. Eine ähnliche Darstellung fand sich bei Pherekrates in den
^Timon' und Aristophanea. 189
reich Gewordene sofort von allerlei angeblichen Freunden umdrängt
wird; auch bei Aristophanes haben nicht alle Glück damit, sondern
der Sykophant wird mit Schimpf und Schanden fortgejagt (V. 850 ff.)
gerade wie die guten Freunde Timons (46 ff.). Aber man hat mit
Recht darauf hingewiesen, daß das Vorbild für diese Szene weit eher
in Aristophanes' Vögeln zu suchen ist, wo in ähnlicher Weise der
Priester (V. 864 ff.), der Dichter (904ff.), der Orakelkünder (960ff.),
der Landmesser (992 ff.), der Aufseher (1021 ff.), der Verkäufer von
Volksbeschlüssen (1035 ff.) nacheinander abgefertigt werden.^) Mit
neuen Dithyramben erscheint ja auch Gnathonides (Tim. 46), mit
einem Volksbeschluß der Rhetor Demeas (50 ff.). Aber auch hier
kommt der Satiriker weder in den Motiven noch etwa im Ausdruck
dem Meister der alten Komödie so nahe, daß man mit Sicherheit
direkte Entlehnung annehmen könnte.
Andererseits sagt uns das einzige Fragment, das aus des Anti-
phanes Komödie 'Timon' überliefert ist, nichts für die Beurteilung
der Lucianischen Satire. Unter den Adespota weisen ein paar Frag-
mente darauf hin, daß er auch das Verhältnis von Reichtum und Ar-
mut beleuchtet hatte. Fragment 258 (Kock) scheint aus einer ähn-
lichen Rechtfertigung der Armut zu stammen^), wie sie Aristophanes
liefert, obwohl hier oft'enbar nicht die Argumente gegen den Sozialis-
mus wie im Tlutos', sondern die Vorzüge der Armut behandelt sind wie
in Lucians 'Hahn\ Ein anderes Fragment (259 Kock) spricht davon,
daß der Reichtum auch selber blind macht, ein Gedanke, an den sich
bei Lucian wenigstens noch ein Anklang findet.^) Es wäre nach
diesen wenigen Berührungspunkten verwegen behaupten zu wollen,
'Persern' (Kock I S. 181 ff.). Auch die kynische Schriftstcllerei bot mehrfach
Verherrlichungen der Penia gegenüber Anklagen oder Verkleinerungen des Plutos,
2. B. Tele« II (8. 4, 6 ff. Hense) und ans späterer Zeit Stob. flor. 91, 83. 98, 81
(III S. 177. 186 Mein.) (vgl. von Wilamowitz, Phil. Untersuch. IV 293 ff. Weber, Leipz.
Stud. X S, 166 ff.). Für den Miinus scheint das Thema Laberius' 'Pauportas'
Ifil'beck, Scaen. Poes. Fr.' II S. 352; zu bezeugen, wo offenbar jemand die Wohl-
lialM-nheit gegenüber <lor Anmit i-nlnnen will. Lucian hat das Thema aber nicht
weiter auRgeführt.
1) Siehe Hirzei, I>. . .'..u.-k H jui». i'i. lolomini S. 72. An Acham. 1020 ff.
erinnert auch Holdemian, Stndia Lucian., DiHs. Lugd. Bat. 1898, S. 74.
2) Kuithi Ti^rtaiyai ^i&iXov ^ nXovxBtv nanAf tö fUv yocQ fXiov, tb d' '^
8) *0 dl nloOtog fjtiäg Ka9dn$Q latgbg Ka%ht ndvtag ßUnovtag nagalctfimv
Tv<pi,ohg noitl, Tim. 27: tl iiij rvtpXol xal ainol nävr- -'-v — o^ tv^^"'
&XX* if ayvoia nal i) Andrri .... intaiudCovatv avtov.
190 Kapitel YIU. Totengespräche.
daß gerade des Antiphanes Komödie die Quelle gewesen sei; aber die
Möglichkeit muß man doch zugeben.
Es ist jedoch auch denkbar, wenn man Lucian eine größere Selb-
ständigkeit zutraut, daß er die Person Timons in den Hergang einer
andern Komödie einfügte; denn wenn er den Umschwung in Timons
Lage nicht bei Antiphanes oder einem andern Verfasser eines Stückes
'Timon' vorfand, aus eigener Phantasie hat er ihn nicht. Man wird
um so eher für diesen ganzen Teil der Satire Komödienbenutzung
annehmen müssen, als der plötzlich reich Gewordene in Nachwirkung
der Komödie eine stehende Person der Posse geworden ist^); man
muß auch des Archippos Tlutos' erwähnen, der sich mit ähnlichen
Motiven böfaßt hat; denn es war jemand vorgeführt, der unerwartet
zu großem Reichtum gelangt war.^) Dabei ergaben sich doch wohl
von selbst ähnliche Situationen der herandrängenden Schmeichler, wie
wir sie im ^Timon' finden. Für eine solche Szene plötzlichen Reich-
tums bei Menander spricht das Fragment bei Eustathius (S. 1833, 58
in Hom. Od. XVIII l).^) Daß wir im letzten Teil der Satire Typen
der Komödie vor uns haben, haben wir schon gesehen ; auch der geld-
gierige Philosoph ist in der neuen Komödie zu Hause. Der Bericht
der Hetäre in Phönikides' Drama*) über den knauserigen Liebhaber
hat seine deutliche Parallele in dem Benehmen des Philosophen bei
Lucian. So sehr wir bei den wenigen Berührungen mit erhaltenen
Komödien oder Fragmenten auch im Unsicheren tasten mögen, das
Gesamturteil steht jedenfalls fest, und wir sehen, wie Lucian bei der
Abfassung dieser Satire sich zwar im Zusammenhang befindet mit
der sophistischen Tätigkeit, aber doch durch Einschiebungen neuer
Teile, Vereinigungen und Umgestaltungen eigene Wirksamkeit verrät
und sich von einer einfachen Paraphrase meilenweit entfernt.
Es war nötig so weit auszuholen, um die Art dieser sophistischen
Dialoge und die Entwicklung, die sie bei Lucian erfahren, genau zu
zeigen. Wie der 'Timon' auf einer Anzahl früher geschriebener Sa-
tiren fußt und seine Abfassung ohne jene jedenfalls nicht in dieser
Weise erfolgt wäre, so sind die Totengespräche nicht denkbar ohne
1) Cic. Phil. II 65: persona de mimo, modo egens, repente dives.
2) Kock ni S. 687 fr. 37 vgl. Meineke bist. crit. S. 208 f.
3) Kock in S. 207 fr. 731: ccv&gcoTts, niQvei ntio^o? rjod'cc yiccl vsyigog, vvvl
dh nXovtslg und Tim. 5: mOTceg xivä oxTqlriv ttccXcclov vs'hqov vtitlccv vtco tov
XQovov ccvccratQcciniivriv TtocqiQiovxai haben doch eine gewisse Ähnlichkeit im
Vergleich.
4) Kock in S. 334, Vers 16—21 ist zu vergleichen mit Tim. 56.
Beziehungen zur ^Niederfahrt'. 191
die menippischen Satiren, welche uns in die Unterwelt geführt hahen,
und bilden gleichsam eine Ergänzung zu jenen. Auch aus anderem
Grunde ist es nötig, sie zu besprechen, wenngleich sie der Form nach
und z. T. auch dem Inhalt nach nicht mehr zur Gattung der menip-
pischen Satiren gehören; denn gerade hier und in den 'Kronosbriefen'
zeigt sich am deutlichsten, wie Lucian jedes Motiv von allen irgend
erdenklichen Seiten aus zu behandeln sucht. Das kann als Bestäti-
gung dienen für die von uns beobachtete Ausnutzung einer Menipp-
satire für mehrere Schriften in der Weise, daß immer wieder ein
noch nicht völlig ausgeführtes Motiv neu aufgenommen wird.
Beginnen wir mit den an die ^Niederfahrt' sich anschließenden
Szenen! Gespräch XXVII wiederholt in gewisser Weise das eine
Motiv daraus, nur mit größerer Ausmalung und Häufung der
Typen. Die drei Kyniker, Antisthenes, Diogenes und Krates, gehen
an den Eingang der Unterwelt, um das Benehmen der ankommenden
Toten zu sehen und zu belachen. Auf dem Wege erzählen sie sich,
was sie selber geschaut haben, als sie herabkamen. Krates weiß zu
berichten von einem Reichen, einem Mederfürsten Arsakes und einem
armenischen Reiter Oroetas, — offenbar mit einem Seitenhieb auf die
über den Partherkrieg umlaufenden Darstellungen, die Lucian selber
in der Schrift ^Wie man Geschichte schreiben muß' verspottet, —
Diogenes von dem Wucherer Blepsias, der Hungers gestorben, dem
Söldnerführer Lampis, der sich aus unglücklicher Liebe das Leben ge-
nommen, und dem reichen Damis, der von seinem Sohn vergiftet ist.
Alle fordern den Spott der Kyniker heraus. Aber in dem Totenreigen
würde etwas fehlen, wenn nicht auch ein Armer aufträte, der eben-
falls am Leben hängt. Lucian läßt also einen Menschen dieses Typus
eben ankommen, als sie an den Eingang zum Hades gelangen. Neun-
zigjährig und Zeit seines Lebens vom höchsten Elend bedrückt, klagt
er doch, daß er von der Erde hat scheiden müssen. Dieses Bestreben,
den Stoff völlig auszuschöpfen, ist ebenso beachtenswert wie die
Wiederholung aus andern Dialogen, für die schon die Namen lehr-
reich sind. Einen Arsakes fanden wir im 'Ikaromenipp' (15), einen
Oroetas im 'Charon' (14), ein geldgieriger Blepsias begegnet im 'Timou*
(58) und Damis heißt der Epikureer im 'tragischen Zeus'. Auch die
Motive sind z. T. aus andern Dialogen entnonnnen. Wie der Wucherer
sich abzehrt in seinem Geiz, wird uns im *Habn' vorgeführt*); der
•11: tjdr} xafc<ixli]xöra, 81: inrixTiun' uXov' vnit rihv iir/Ktit
192 Kapitel VIII. Totengespräohe.
Giftbecher spielte auch 'Ikaromenipp' 15 eine Rolle wie in der 'Nieder-
fahrt' 11, der Selbstmord aus Liebe begegnete uns in der 'Niederfahrt'
6 mit denselben Worten^); er hängt dem Sujet nach mit den 'He-
tärendialogen' zusammen, wo wenigstens der ^evayog (9,4) sich findet
wie hier (7). Auch zu der Todesart des Arsakes erscheint eine Pa-
rallele in der bramarbasierenden Rede des Leontichos (Hetärend. 13, 1 ),
der Roß und Reiter mit einem Lanzen wurf durchbohrt haben will.
So stückelt Lucian, was er anderswo verarbeitet hatte, hier aufs neue
zusammen. Daß er dabei etwas von Menipp hat, kann für all jene
Punkte, wo Ausbeutung seiner eigenen SchriftsteUerei vorliegt, ge-
leugnet werden ; für einen Punkt wäre es möglich. Die Hetäre Myrtion,
um derentwillen sich Lampis getötet hat, war im 3. Jahrh. v. Chr. eine
berühmte Persönlichkeit; Ptolemäus Euergetes zählte sie nach Athen.
Xin576f. in seinen 'Denkwürdigkeiten' unter den Liebschaften seines
Vaters Philadelphus auf. Schon ältere Erklärer haben auf sie auf-
merksam gemacht, den Gedanken an sie aber wieder fallen lassen,
weil Diogenes hier der Redende ist. Es wäre aber nicht undenkbar,
daß in der Menippischen Szene, die wir ja glaubten aus der 'Nieder-
fahrt' erkennen zu können^), wie der zeitgenössische Arzt Agathokles,
so die gleichzeitige Hetäre Myrtion vorkam, so daß Lucian auch
hier nachträglich etwas aus Menipps 'Nekyia' benutzt hätte, was er
zunächst überging.
An die gleiche Szene der 'Niederfahrt', an die wir uns eben er-
innert fühlten, schließt sich noch augenscheinlicher Dialog X an, der
eine Überfahrt in Charons Kahn ganz in der dort vorgeführten Weise
wiedergibt. Hermes und Charon verhandeln miteinander-, der morsche
Kahn verträgt es nicht, daß man so viel unnötigen Ballast mitbringt.
Es muß also jeder das überflüssige Gepäck vor dem Einsteigen nieder-
legen. Die Szene hat Hans Sachs dazu begeistert, die Tragödie 'Charon
mit den abgeschiedenen Geistern' zu schaffen, indem er dabei die
Moral des Griechen noch etwas ins Biedere steigerte. Als erster
oi%qbg ccsl v.a.1 avx\iriqog rjv , dial. mort. 27, 7: 6 8h BXsiplccg Xt^o» cc&Xios
iXiysTO ccTtsGv.Xri'ii^vaL y,cä id^Xov oixQog ig vTtegßoXrjv .... (pcavo^svog. Für das
rcc j^Qi]uatci icpvXatxB xolg ovdsv 'jtQOG'ijY.ovGi vlriQovo^ioig ist zu vergleichen gall. 31:
ov Ss'^asL ^Et' oXlyov Ttdvtcc ravta -naraXinovza oiXcpriv rj i^Tcldcc ysviaO'aL^
catapl. 17 : ort ilt] ccTtslavos t&v ;jjprjfiarcöi', aXX' aysvßrog avr&v ccTtsQ'ccvs reo ccöätco
^Po8o%dQBi rijv ovoiav TcatccXinrnv.
1) Catapl. 6: di' ^Qcota ccvtovg UTthcpcc^ccv STttcc ■aal ö (piXoaocpog 0sayhrig
ÖLcc rr]v htcciQccv trjv Msyccgo&sv^ dial. m. 27, 7: Sl' IcQcota MvQtiov rfjg ktaigccg
4c7t06(pd^ag kccvrov.
2) Siehe S. 67 ff., 77.
Beziehungen zur ^Niederfahrt' und 'Nekyomantie'. 193
erscheint Menipp, der Ranzen und Stab fröhlich in die Fluten wirft
und den Platz neben dem Steuermann erhält, um alles zu überschauen.^)
Der schöne Charmolaos muß seine Schönheit lassen. Schwerer geht's
mit dem Tyrannen von Gela Lampichos, der nur mit Widerstreben
sich nacheinander seines Reichtums, seines Diadems, seiner Hoffart,
seiner Gewalttätigkeit entäußert. Es folgt der aufgeschwemmte Athlet
Damasias, der Muskeln, Kranz und Siegesurkunden zurücklassen muß,
der reiche und vornehme Kraton, sowie ein unbekannter Krieger, der
nun auf Waffen und Siegesdenkmäler verzichten muß. Den Schluß
bilden der falsche, scheinheilige Philosoph, der hinter äußerer Würde
innere Gehaltlosigkeit verbirgt und dessen Bart mit einem Beil be-
seitigt werden muß, und der Rhetor mit all seinen Antithesen, Pari-
sosen, Perioden usw. Die Fahrt hebt an, zugleich das Klagen, bei
dem sich besonders der Philosoph hervortut; von der Erde schallt
das Frohlocken über den Tod des Tyrannen, die Leichenrede für
Kraton und die Totenklage der Mutter um den gestorbenen Damasias.
So kommen sie an, um sich zur Stätte des Gerichts führen zu lassen.
Das Ganze ist eine Wiederholung der Szene, die schon kurz in der
'Nekyomantie' (10) angedeutet, ausführlich in der 'Niederfahrt' (off.)
geschildert war und die wir glaubten der Menippischen Hadesfahrt zu-
schreiben zu dürfen. Die Fahrt, das Jammern^), der Gang zum Gericht
erinnern ja sofort an jene Stellen, und z. T. berührt sich der Wortlaut.
Der geringe Raum in Charons Kahn im Gegensatz zu der Fülle der
Andrängenden wird alle drei Male hervorgehoben. Menipp nimmt hier
die Stelle ein, die in der 'Niederfahrt' der Kyniskos hat.^j Sonst wird
dort in besonderer Weise nur der Tyrann behandelt; hier dagegen
wird die Ergänzung in Gestalt der übrigen Typen hinzugefügt; schon
die Namen veiTaten sofort das Typische, Charmolaos der Schöne,
Lampichos der Tyrann, Damasias der Athlet*), Kraton der vermögende,
1) 2- '■■ •.,.<. n\,i ünccvrag mit Bezup ""* ''"' ^"♦•'"'"- •1'-' Kyuikere,
1. S. 90 t
2) Hier aar: n olitotj^ets;^ weil schon iu der 'JSiederlaliit' '2i) ausführlich
gegeben.
8) Wir benutzten da» oben fllr die Argumentation betreffs der 'Nieder-
fahrt* S. 70.
4) Lucian hat den Namen im 'Lexiphanes' 11 wieder benutzt; an einen
der Sieger im Lauf zu Olympia braucht man nicht zu denken (Pauly-Wittowa,
iteaUKncycl IV 208714). Sollte es Zufall sein, daß in dem eben besprochenen
Dialog XXVII LampiH und Damis (trotz der verschiedenen Ableitungl) sich
linden? Oder ist auch die Wiederkehr der Namen ein Zeogoii* ftlr dio mehrfache
AuMlieutung einer V'orla^»*?
Uclni, Luolao uml M«Dip|i 1'^
194 Kapitel VIII. Totengespräche.
einflußreiche Bürger. Die Schilderung des Philosophen berührt sich
mit der im 'Timon' (54) und ist von Alkiphron (Parasitenbrief 28, 2
[III 64]) benutzt in einer Stelle, die sonst gewisse Ähnlichkeit mit
der Szene von dem Bauernlümmel im 'Hermotimos' (80 ff.) hat.^)
Möglich geworden ist diese Wiederholung desselben Stoffes nur durch
Hervorkehrung des neuen Motivs, daß der überflüssige Ballast zurück-
gelassen wird; angedeutet war auch das schon in der 'Niederfahrt',
wo Mikyllos triumphierend von dem Tyrannen erzählt (16): sjtd ds
ccTti^avsVy avTÖg rs TiayyBkoiog lo(pd"rj ^ol ccjtodvöd^evog f^v tqv-
q)7]v usw. und ebenso in der 'Nekyomantie' 12.^) Es zeigt sich auch hier,
wie Lucian an einem einzelnen Punkt einsetzt, um von dort aus einen
anders behandelten Stoff aufs neue vorzunehmen. Daß er sich dabei
an eine ähnliche Menippdarstellung anlehnte, scheint kaum zweifelhaft.
Daß das Wehklagen der Zurückbleibenden bzw. ihr Spott ans Ohr
der Toten klingt, mag auch schon bei Menipp gestanden haben-,
wenigstens läßt Seneca, allerdings mit etwas veränderter Situation,
auch den Claudius (apocol. 12) die Klageanapäste vernehmen. W^enn
die Gerichtsszene mit der Entkleidung und Prüfung der Brandmale
in der 'Niederfahrt', wie wir oben glaubten, aus Menipps Hadesfahrt
stammt, so könnte man vermuten, daß dort vor der Fahrt nur wirk-
lich unnützer Tand zurückgelassen wurde, Lucian aber das Motiv bis
auf die Kleidung erst zum Zweck unserer Szene ausgedehnt hat; ob-
wohl die Entkleidung erst vor dem Richterstuhl für das in der *Nieder-
fahrt' verwandte Motiv nicht unbedingt erforderlich war.
In denselben Gedankenkreis gehört weiter Gespräch IV, das zu-
gleich an die 'Götterdialoge' erinnert. Jeder tiefere Gedanke liegt
fem. Es ist eine komische Abrechnung zwischen Hermes und Charon.
Der Gott hat für Ausbesserung und Ausrüstung des Kahnes allerlei
Auslagen gemacht und dringt nun bei dem Fährmann auf Erstattung
dieser Schulden. Es liegt auf der Hand, wie leicht sich diese Szene
aus der Begegnung zwischen beiden in der 'Niederfahrt' ergeben konnte,
auch ohne daß noch eine besondere Vorlage existierte. Die Komik
wird erhöht dadurch, daß Charon nicht zahlen kann, weil sein Geschäft
augenblicklich nicht blüht; es sterben zu wenig, denn es herrscht
1) Ale. III 64, 2 : vvxTcoQ $8 nBQfKCiXvnxovxa tT]v %B(pccX7]v TQLßcovi(p xori ntgl
XccncarvTCsla alXov^svov^ dial. mort. X 11: vvktojq i^iav axavTccg lavO-dvar xa>
lliccxia) tr}v xacpccXijv TtocxsiX'^cocg nsglsiaiv iv v,v'kX(o xä xa^ixvjisla.
2) Ygl. dial. mort. 10, 3: ccitööv^i . . . xo %äXXog xai xä %8iXri a.vxolg cpiXri-
ftafft, necyom. 12: ol Ss änodvGäiisvoi xä Xa^ngä i-KSlvcc nävxa, itXovxovg Xiya
-Kcd yivri %al ävvaöxslccg (nach Plato Gorgias 523 C ff.).
Beziehungen zur 'Niederfahrt' und 'Nekyomantie'. 195
Friede. Notwendig ist es nicht, daß diese Bemerkung zu den Ver-
hältnissen der Abfassungszeit des Gespräches stimmen muß, aber doch
nach den Beobachtungen, die wir sonst in dieser Hinsicht machen, sehr
wahrscheinlich. Du Soul schloß daraus, daß die 'Totengespräche'
erst nach Ende der Markomannen kriege unter Commodus geschrieben
seien; richtiger nahm Nissen (Rhein. Mus. XLIII [1888] 244) die Zeit
zwischen diesen und dem Partherkrieg an, etwa 1G6/7. Nur darf man
eine Folgerung allein für dies eine Gespräch ziehen; denn daß alle
30 zugleich entstanden sind, ist durch nichts verbürgt, und zeitliche
Zwischenräume selbst über ein paar Jahre sind nicht unmöglich, wenn-
gleich nicht wahrscheinlich.
In Menipps 'Nekyia' fanden sich natürlich auch die großen Büßer
erwähnt, die ja seit Homer zu jeder Katabasis gehören und auch in der
'Nekyomantie' (14) ihren Platz gefunden haben. Der dabei genannte
Tantalus forderte eine eigene Besprechung heraus, sobald man den My-
thus kritisch betrachtete. Das ist im Gespräch XVII geschehen. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß Lucian den Gedanken, den er ausführt,
schon bei Menipp vorfand, da er ihn aber in der 'Nekyomantie' über-
gangen hatte, hier in einem besondern Dialog nachtrug. Wenigstens
begegnet er ims schon bei Dio ähnlich in einer der von kynischem
Wesen durchtränkten Heden, der VI, die gleich zum Beginn angibt,
aus welcher Quelle sie geschöpft ist, wenn sie mit dem Namen des
Diogenes anhebt.M Dio vergleicht dort den Tyrannen mit Tantalus-);
über dem Haupte beider hängt die drohende Gefahr, aber Tantalus
braucht nicht mehr zu fürchten, daß er noch einmal sterben muß,
dem irdischen Herrscher dräut die Furcht während seines ganzen
Lebens. Lucian hat den Gedanken, so weit er Tantalus anging, zu
einer Kritik der Sage gewandt, indem er bei der gewöhnlichen Auf-
fassung von dem ewig Dürstenden und Hungernden bleibt.*) Menipp
1) Weber, '■ - • ^ - - llabu, De Dion. Chr. orat. Uött. Diss.
1896 S. 10 ff.
2) Der Vergleuli sciieint sclum uul die Sokratiker zurückzugehen; denn
Xenophoii oecon. 21, 12 Btellt ebeimo da« Leben derer, denen das dxoiTcar xvquv-
vtlv zuteil {geworden i^t, dem TantahiH gleich, der fürchtet, zweimal den Tod
zu erleiden. Dio oder »eine unmittelbare Vorlage hat also demgegenüber neu
hervorgehoben, daß der Tyrann noch schlimmer dran i8t, weil die Besorgnis für
Tantalus in Wahrheit ausgeschlosnen ist
8) XVII 2: r\ AiAiut ^i^ ivdiiu roß jtotoö d»o^av|;ff, Dio Chrys. VI 66
(l 216 E I 94, 11 V. A.): oif yäff dif] In tpofitirai 6 TüvtaXog iiii ano^dvjjy Xen.
oecon. 21, 12: möntg 6 TuvxuXos iv "Aidov Hyktai röv <t*i ^fföfoi' diargißhiv g^o-
^ovfi«roff lii) dls &7f(»&dv^; die Stellen hat schon Hemsterhuji vereinigt
13*
196 Kapitel VIII. Totengespräche.
weist dem Tantalus nach, wie töricht es ist, sich um Hunger und Durst
zu grämen, da er ja keinen zweiten Tod erleiden kann und es keinen
zweiten Hades gibt. Die gleiche Kritik des Mythus zeigen die den
Kynikern vielfach so verwandten Skeptiker, so Sextus Empiricus adv.
math. IX 69 f., wo im Anschluß an den Tityosmythus auch die Tan-
talossage als in sich widerspruchsvoll erwiesen wird ; 'denn wenn Tan-
talos ohne Speise und Trank blieb, während er ihrer bedurfte, wie
konnte er bestehen? Wenn er aber unsterblich war, so konnte er
überhaupt nicht in solcher Verfassung sein; denn die Natur der Un-
sterblichen verträgt sich nicht mit Schmerzen und Prüfungen.'^) Man
muß sich erinnern, daß Bion die Danaidensage einer ähnlichen Kritik
unterwarf, wenn er (Diog. L. lY 50) meinte, ihre Strafe würde weit
größer sein, wenn sie in ganzen und nicht durchlöcherten Gefäßen
Wasser tragen müßten.
Das Motiv der Herumführung in der Unterwelt benutzt Lucian
im Gespräch XVHI, um eine Andeutung aus der 'Nekyomantie' (15)
etwas deutlicher auszuführen. Dort heißt es kurz: 'Ich wußte nicht,
woran ich Thersites von dem schönen Nireus unterscheiden sollte';
hier läßt sich Menipp von Hermes die berühmten männlichen und
weiblichen Schönheiten der Oberwelt zeigen. Zu Nireus kommen Hya-
kinth, Narziß, Achill, von Frauen Tyro, Leda und Helena hinzu. Bei
der letzten wird besonders hervorgehoben, wie töricht es war, um einer
so kurze Zeit währenden Schönheit willen so viel Mühsal zu übernehmen
und so viel Verderben über die Erde bringen. Die Erwähnung der Tyro
und Leda stammt direkt aus Homers Nekyia (Od. XI 235 ff., 298 ff.).
Und noch einmal ist derselbe Stoff im Gespräch XXV behandelt
mit noch näherem Anschluß an die SteUe der 'Nekyomantie'; denn
hier streiten sich Nireus und Thersites selber, wer der Schönere von
beiden ist, und Menipp wird zum Schiedsrichter gewählt. Da er-
halten wir nun die Antwort auf die in der 'Nekyomantie' gestellte
Frage; der Schädel des Nireus ist daran von dem des Thersites
zu unterscheiden, daß er leichter zerbrechlich ist.^) Das Gespräch
1) Mit Reclit hat Hemsterhuys den Blick auf die bei Photius bibl. cod. 250
(S. 443 Bekker) erhaltene Angabe über den Peripatetiker Agatharchidas gelenkt;
von ihm ist im 1. Buch negl rf]g iQvd-g&s ^ccXccöarig bei Gelegenheit der Perseus^
sage eine kritisierende Aufzählung anderer nicht minder unglaublicher Mythen
gegeben ; da wird in ganz gleicher Weise der Widerspruch zwischen der Körper-
losigkeit der Toten und der Furcht vor Gefahren, die nur dem Körper drohen
können, klar gelegt. Am ähnlichsten ist unserer Stelle 443*», 7: htiqovg 8e
cpoßslad'ca xbv aidriQOV ovxhL Svva^iBvovg TQ(od'f]vca.
2) Necyom. 15: rjTtOQOvv ngog iiLocvtov, m xivi diaKgivccL^L xov QBQ6itr\v
Beziehungen zur 'Xekyomantie'. 197
ist bezeichnend wie wenige für die stets ergänzende Arbeitsweise
Lucians.
Eine vollständigere Periegese, wie in der 'Nekyomantie', nur in
kleinerem Stil^ liefert Gespräch XX; Menipp läßt sich von Äakus die
Unterwelt weisen. Sein Hauptinteresse erwecken die Kriegshelden von
Troja, sodann Kyros, Krösus, Sardanapal, Midas, Xerxes; es sind die
früher beobachteten typischen Beispiele, die wir in der 'Nekyomantie'
15 f, sowie im ^tragischen Zeus' 48 fanden. Selbst die Beziehung auf das
homerische ä^evr^vcc xaQrjva ist von dort herübergenomraen.^) Dem Sar-
danapal möchte Menipp einen Schlag ins Gesicht versetzen, wie das in
der 'Nekyomantie' 17 angedeutet ist.^) Dann folgt die Besichtigung
der Philosophen; die Verspottung des Pythagoras lehnt sich deutlich an
den 'Hahn' und die 'Versteigerung der Lebensarten' an.^) Der halb-
verbrannte Enipedokles ist uns schon im 'Ikaromenipp' 13 begegnet.^)
Sokrates sehen wir mit Nestor und Palamedes plaudern wie in der
'Nekyomantie' 18. Und zum Schluß geht Menipp zu Krösus und
Sardanapal, um sich an ihrem Wehklagen zu ergötzen, gerade wie es
dort (18) Diogenes mit Sardanapal und Midas macht.^) Äakus aber
&nb xov xaXov Nigiag, dial. mort. XXV2: tb dh xqccvIov ravtr] ^6vov av dia-
xQivoiT* icnb xov Gsgolrov ycguviov, ort s^d^gvnrov rb 6Öv.
1) XX 2: xovig Trccvra xal Xfigog JtoXvg^ Sc^isvrivci ag CcXrid^ibg xaprjva,
necyom. 15: tijgcoTiibvTag -/.cd oäg (priaiv "OuriQog uuivr^vovg.
2) XX 2: xbv LugdavdnuXXov .... naxd^ai (iol natu xöggrig inixgsipov^
necyom. 17: inb xoi xv%6vxog vßgij^oiiivovg xal xuxä xöggrig ^cxioiidvovg.
3) Das Bohnenverbot wird in gleicher Weise verhöhnt gall. 5: (gall. 4: t6
iaov i]Ot§r\xivai xvdyiovg rpuyövTa toj civ ii xr}v xsfpccXijV xov naxgbg iöriööxsig)
TOT* (ihv ovx r,ad^i.ov xwv xvdutov, icfiXoaörpovv yäg' vvv dh gjayoiit' &v. dial.
mort. XX 3: uXXa nagu vtxgoig ddyiiaxa. '^fiad'ov yap, ag ovdkv taov xvafiot xctl
xfq>aXal xoxijcav iv^ads. Die Anrede: %alQB m E^tpogßs ?) "AnoXXov t) on Stv
i^iXrig hat ihre Vorlage gall. 20: w Tlv^ayögu i] oxt. (läXiaxct x^^Q^^S xceXor^isvog
— dtoiati (iiv ovöiv , i'jv t' Evq;ogßov i'jv xh Uv^ayögav ») 'iOTtuaiccv xaX^g ...;
in den 'Wahr. Geschieht.* II 21 ist wieder darauf Bezug genommen: ivtSoiä^sxo
dh ixi noxtgov llv&uyoguv ^ Ev(pogßov XQ'l c<vzbv övo^ä^Btv. Der goUlene
Schenkel findet in gleicher Weise Erwähnung XX 8: oix hi X9^^^^9 ^ M^P<^ff
faxt aoi; und vit. auct. 0: w 'HgäxXtig, jrpuffof'ff uvx(p & ^irigog iaxt, dann 'Wahr.
(je»ch.* II 21: f/V dl xgvaot^g öXov xb dt^ibv imirofiov. Man beachte die Steigerung.
4) Icarom. IJl: äv&gaxiag xig idtlv xal ffrrorfoi) nX^tog xal xaxiOjrxriiUpoSf
dann: iml yug ig xovg xgaxi)gag inatnuv tpigtov ivtßctXot\ dial. mort. XX 4: & 6h
anodoü nUag .... xig iaxtv; — 'K^ntdoxXfjg . . . -^iLlitp&og inb xf)g AixvrtS
■nagtöv. — xi na^utv auvxbv ig xovg xQttxfigag ir^ßaXtg; Dann wieder benutzt
'Wahre Gesch.* II 21: b iiifxoi 'EiintdoxXf)g ^fX^t |jiv xctl ohxog, ntQUip^htg xorl
ro Cänta oXov 6tnTr,iiivog.
6) Necyom. IM: Jioyivr^g nugoixtl ^\v ZagdavunülXtp xA'Aaov^iqt nal Mid^
198 Kapitel VIII. Totengespräche.
verabschiedet sich, um aufzupassen, daß nicht etwa ein Toter heim-
lich davonläuft; wir fühlen uns an die Szene der 'Niederfahrt' (3)
erinnert. Man sieht deutlich, wie das Ganze, abgesehen von kleinen
Nachträgen, nichts ist als eine Zusammenfassung aller sonst benutzten
Motive, die durch geschickte Gruppierung noch einmal komisch wirk-
sam schienen. Selbst die 'Ausreißer' sind schon verwertet. \)
An die letzten Gedanken dieses Gesprächs schließt unmittelbar
Dialog II an; auch hier sind die Fäden der Phantasie nur zu deutlich.
Krösus, Midas, Sardanapal — wir finden also die Namen aus der
'Nekjomantie' (18) und dem 20. Gespräch (2) bezeichnenderweise ver-
eint — erheben beim Gott der Unterwelt Beschwerde, daß Menipp sie
ob ihres Klagens beständig verspottet; sie erklären dies Klagen für
völlig berechtigt, während Menipp sie auf das kynische^) Losungs-
wort yvcbd^L öccvtöv hinweist.
Auch Gespräch XXII verrät deutlich seine Entstehung aus der
'Niederfahrt'. Dort wirft sich Mikyllos ins Wasser, um Charons Kahn
nachzuschwimmen, zumal es ihm auch an dem notwendigen Obolus
mangelt, den er dem Fährmann entrichten müßte (18)^); er erreicht
dadurch, daß er in den vollen Kahn noch aufgenommen wird; beim
Aussteigen weist er dann den seinen Lohn heischenden Charon zurück
(21). In unserem Gespräch ist die Szene mehr ausgeführt, und an
TM ^Qvyl . . . ccnovcov Sh oiii(o^6vx(ov ccvTmv ysXa rs v-ccl xhQnBTcci, dial.
m. XX 6: inü TtccQcc xbv KqoIüov ycca xbv ZccQÖccvdnccXXov ccTtsi^i TtXrioiov oiyciqaojv
avxä>v ^oLTccc yovv ov% oXiycc ysXdöBoQ'cci oi\Lco^6vx(ov dy.ovcov. Diese Beobachtung
wird wohl zeigen, was es mit der Bemerkung von I. Bruns auf sich hat (Rhein.
Mus. XLm [1888J S. 192), die auch Hense (Festschr. f. Gomperz S. 190) gebilligt
hat: ^Die Figur des Menippos, wie er sonst bekannt ist und von Lucian in den
^Totengesprächen' geschildert wird als cynischer Zelot, ist hier (im ^Ikaromenipp')
ganz umgewandelt zu der komischen Gestalt eines behaglich fabulierenden
Aufschneiders, der in gar keiner Beziehung zur Philosophie steht.' Der Zelot
kam erst heraus durch einseitige Wiederholung von Motiven der ^Nekyia' und
der Aufschneider ohne Beziehung zur Philosophie durch Fortlassung der in der
Himmelfahrt erörterten Probleme, die jetzt die "^Widerlegung des Zeus' bietet.
1) Empedokles sagt (4), ihn habe ^sXccyxolicc xLg in den Ätna getrieben;
Menipp erwidert: ov fiä z/i'o:, dXXä Tisvo^o^icc xort xvcpog v-ccl tioXXtj ycoQv^cc, xccvxd
6s ccnrivd-gayicoösv. Fug. 2 fragt Apollo betreffs des Peregrinus: xi xb ayccd-bv
aTtccv^QccTiOid'fjvaL', und nach Erwähnung des Empedokles geht es weiter: ^sXay-
XoXiccv XLvu dEivr]v XsysL?. Die '"Ausreißer' müssen ja dem Anfang nach Ende
165 oder spätestens Anfang 166 geschrieben sein; dazu stimmt der Nissensche
Ansatz für die '^ Totengespräche'.
2) Siehe Weber, Leipz. Stud. X S. 101.
3) Catapl. 18: "AXXcog xs ov6h xbv ößoXbv 'i^^ xcc ■jtOQ%[istci. ycaxccßccXEtv.
Beziehungen zur 'Niederfahrt' und 'Nekyomantie'. 199
des Mikyllos Stelle tritt Menipp. Gleich der Anfang erinnert auch
im Wortlaut^) an die Stelle der 'Niederfahrt', und in ganz ähnlicher
Weise macht der Ferge seinem Unmut über diese Fahrt ohne Gewinn
Luft. Die weitere Ausschmückimg besteht nur darin, daß Menipp
verlangt, Hermes solle für ihn auslegen; doch der Gott weigert sich.
Da beruft sich Menipp auf seine Hilfe beim Rudern und seinen Ge-
sang im Gegensatz zu dem Wehklagen der andern; auch das ist nur
eine Reminiszenz aus der 'Niederfahrt' (19) und zwar an den Kynis-
kos, der gleichfalls ohne den schuldigen Fährlohn übersetzt, sich ihn
aber durch seine Unterstützung des Charon verdient.^) Auch in dem
Ranzen des Kynikers findet sich nichts, woran sich Charon schadlos
halten könnte. Mit einem Lob seitens des Hermes, einer Drohung
seitens des greisen Fährmanns endet das kleine Gespräch.
Endlich gehört in diesen Gedankenkreis der XXIV. Dialog, eine
Unterredung zwischen Diogenes und Mausolus, in welcher der Kyniker
dem einstigen Tyrannen klar macht, daß er keinen Grund hat, auf
irgend etwas stolz zu sein, daß der Tod alles gleich macht. Der Gedanke
ist angedeutet in der 'Nekyomantie' (17), und gleich die hiesigen Ein-
gangsworte spielen auf jene Darlegung an^); an beiden Stellen wird
ganz gleichmäßig auf die Zwecklosigkeit des großen Grabmals hin-
gewiesen, das nur den einen Erfolg hat, die Toten mehr zu drücken.*)
Auch die Bemerkung von der Gleichheit der Schädel (2) ist uns ja
schon in der 'Nekyomantie' wie in den 'Totengesprächen' begegnet.
1) Catapl. 21: &yB drj tu nogd'iitlcc Ttgatrov r}(ilv ccnoöoTS' -Kai gv dög'
nugä nuvxoiv f^dri ix(o. dbg xccl av tov dßoXov^ m MixvXXs^ dial. mort. XXII 1 :
&n6Sos w xardparf tu noQ^yiSlu.
2) Catapl. 19: tuIXu Öl ^vtIbIv^ i]v id^iXrjg^ ixotiiog xccl ngoaxamog Hvai^
dial. mort. XXII 2: xal yuQ ijvTXriaa x«i Tfjg xd}7n]g ßvvBTnXußd^riv. Beide Male tut
der Kyniker nach Lucians Darstellung, wenn er dem Charon hilft, etwas Auf-
fälliges, etwas Ungewöhnliches, das ihn von den gewöhnlichen Toten unterscheidet.
Ich kann also Furtwängler, Archiv für Religionswissenschaft VIII S. 1U7 u. 201
nicht beistimmen, wenn er Lucian als Zeugen einer volkstümlichen Vorstellung
bezeichnet, die er dort aus einem srhwarxfigurigen Vasenbild erschließt und die
das Rudern der toten Seelen selber voraussetzt.
8) Neoyom. 17: il yoifv i^taam xbv MavamXov ccMv — Hym dh rbv
KßQtt . . . — §v oW "-' ■■ fnuvaoi yeXobv, dial. mort W'TV 1: .' Kf'n. f-r)
tivt itiyu tfifovtlg
4) Ndcyom. 17: fuouvioi' urfoXavMP xofi ^tvii^arog, nuff' oaov t(iu{tvyt^To
tfiXmotxov &x9og inixtliitvog^ dial. mort. XXIV 1 MauHolus: rb dh fi^ytarov
oti h 'AXixaQvaaaa) nvfma namUyt^tg l;(o) intxBiiitvoVt dann DiogeoM (9):
oifx 6if& Sri AnoXuvutg ai&roO, nXi}v tl ^r; roOro rptjg, ort iUtXXo¥ ^fM&f äx^otpo*
9»tg {>ifb tfiXixovtotg Xl^otg nnj^oiiivog.
200 Kapitel VIII. Totengespräche.
Wie diese an die Unterweltsdialoge, so reihen sich ein paar Dia-
loge an die ^Widerlegung des Zeus' an. Die Frage nach der Ein-
wirkung der Moira behandelt mit deutlicher Polemik gegen die Stoa
Gespräch XIX. Protesilaos verfolgt die Helena als Ursache seines
frühen Todes ^); Aakus weist ihn vielmehr an Menelaos, der den Zug
gegen Troja angeregt habe, Menelaos an Paris, dieser an Eros. Für
den Eros aber wirft Aakus sein Wort in die Wagschale; denn er ist
nur an Paris' Liebe schuld, die Ursache zu Protesilaos' frühem Tode
dagegen liegt in seinem eigenen Benehmen und seinem Ehrgeiz, der
ihn zuerst ans Land trieb. So erkennt Protesilaos, daß vielmehr die
Moire es ist, die alles so gelenkt hat. Die Frage, die in gewisser
Weise mit der ältesten Sophistik sich berührt, erinnert an die Themen,
die Perikles mit Protagoras besprochen hat^); aber der Schluß macht
das Ganze zu einer Illustration des stoischen Satzes, der in der ^Wider-
legung des Zeus' (7) ausgesprochen war: Tcdvrcc g)rig ix xav Molqcjv
yLyveöd-ai. Der Gedanke war von Chrysipp verfochten worden, indem
er zum Beleg fast die ganze 'Medea' des Euripides zitierte, so daß
jemand den Witz machen konnte, er habe des Chrysipp Medea in
Händen^); gegen ihn hatte Kameades polemisiert, dessen Polemik
durch Klitomachus zu Cicero'*) und weiter zu Clemens von Alexandria
gelangt ist. Es ist nicht unmöglich, daß Lucian auch hier aus skep-
tischer Quelle geschöpft hat.^)
1) Man fühlt sich betreffs des Beispiels an Epiktet I 28, 12 erinnert: iq^dvri
tip jiXs^dv&Qa) iTtdysLV rov MsvsXdov tijv yvvcctyia, icpdvri '^V 'EXiv^ dyioXovd'f]6aL
ccvxcp. sl ovv iq)dvri reo MsvsXdo) Tta&stv ort -nsgöog iotl xoiccvxrig yvvcctxog omgri-
Q"i]vai^ tl av iybvsto' ccTtoXajXsi t] 'IXidg ov ^ovov aXXä y,al i] OSvaasicc.
2) Plutarch Pericl. c. 36.
3) Diog. Laert. VII 180.
4) Cic. de fat. 15, 34 ff.: ^nec quod in campum descenderim, id fuisse causae,
cur pila luderem, nee Hecubam causam interitus fuisse Troianis, quod Alexan-
drum genuerit, nee Tyndareum Agamemnoni, quod Clytaemestram' bezieht sich
auf den troischen Sagenkreis; das weitere geht auf die Medeasage, die Cicero
nach Ennius zitiert. Dem Gehalte nach stimmt zu unserer Darstellung, ob-
wohl von der Medea die Rede ist, Clemens Alex. Strom. VIII 9, 27 (930 P): ov
yctQ av itsxvoyitovriasv M?jdfia, st ftrj agylo^r}^ ov8' av oiQyiaQ'ri^ sl ^i] i^'^Xcoösv^
ovds rovTo, sl ^r] rjgdod'ri, ovöh rovto, sl fir] 'Idöcov ^nXsvösv slg KoXxovg, ovdh
rovTO, sl iLT] jigyoi y.arsöTisvdGd'ri, ov6s rouro, sl iirj xa |vAa ^x xov Th\üov ix\ir\%"r\.
iv xovxoig yccQ aitaciv xov 8i' o xvy%dvovxog^ ov ndvxa xfjg x£v,voy.xoviag alxia
xvyxdvsL, [LÖvri Sh t] M^dsia. Über Ciceros Quelle s. Schmekel, Die Philosophie
der mittleren Stoa, Berlin 1892 S. 171. Über Clemens Christiane von Wedel,
Symbolae ad Clement. AI. ström, librum VIII, Berl. Diss. 1905, S. 27 f.
5) S. oben S. 87, 143 ff., 157, auch K. Frachter, Archiv f. Gesch. d. Philosophie
X (1898) S. 505 ff.
Beziehungen zur 'Widerlegung des Zeus'. 201
Bei dem Namen des Protesilaos fiel dem Schriftsteller ein, daß
sich auch die Bitte um Rückkehr auf die Oberwelt für eine besondere
DarsteUuDg eigene; erinnert wurde er an diese Gestalt schon durch
seinen eigenen Dialog 'Charon', in dem der Fährmann (1) sich mit
dem Helden vergleicht, weil er für einen Tag aus dem Orkus Urlaub
erhalten hat. So entstand Dialog XXIII ohne jede satirische oder
kynische Tendenz, ganz in der Art der früheren sophistischen Ge-
spräche, nur um Protesilaos' Gesuch an den Beherrscher der Toten
darzustellen. Für die Erkenntnis, wie Lucian die Motive ausnutzt, ist
auch das außerordentlich lehrreich.
Deutlich auf die ^Widerlegung des Zeus' greift Dialog XXX zu-
rück, wo sich der Räuber Sostratos gegen die Strafe wehrt, die ihm
Minos bei dem Urteilsspruch zudiktiert. Er fragt: Habe ich im Leben
freiwillig gehandelt oder wie die Moire es bestimmte? Minos muß
das letzte zugeben. Dann ist aber der Räuber nur ein Werkzeug in
der Hand einer höheren Macht ^) und verdient so wenig Strafe für
seine Untat wie der Gute Belohnung für das, was er auf höheren
Antrieb Edles getan hat. Minos sieht das ein und entbindet den So-
stratos von der über ihn verhängten Buße. Es sind die Gedanken,
die in der 'Widerlegung des Zeus' (18) allgemein ausgesprochen sind
und dort den Schluß der Unterredung bilden, hier an einem bestimm-
ten Beispiele nachgewiesen, z. T. mit Wiederholung der gleichen
Worte.^) Als Sophist wird dort (19) Kyniskos, hier (3) Sostratos
bezeichnet.^) Als Totenrichter fungiert beide Male Minos; auch die
Art, wie Zeus und Minos zu Anfang um Antwort gebeten w^erden,
stimmt überein.*) Den Namen Sostratos lieferte ofi'enbar eine bekannte
Persönlichkeit.^)
1) Vgl. Aescb. Choephor. 910: i} tiotQcc tovtiov w ttxvov nagairla.
2) lupp. conf. 18: Oi)6iva xoivvvy oj Zfv, oiJre ri^iiäv o^rs xoXd^Biv ccircip
ngoor/xH, disl. mort. XXX 8: oimovv dgas oniog &äi.xa noifts xoXd^uv il)(i&s xal
rovrofff ri^cbv; lupp. conf. 18: ovdhv ixdvrtg ol ävd'QUinoi noiov^v^ &lXa. rtvt
üvuyxrj ccKfvxTO) xtxtktvaii^voi xul iiv (fovtvrj rttf, ixilvri iatlv i) tpovBv-
ovaa, xal ^v ItgoavXfj, 'nQoaxuxay\iivov ccvTÜdQa^ dial. mort. XXX 2: ovxoiiv xal
oi xQ^^'^ol UTtuvxhi xul ol novTiQol doxovvxfg ii\uti ixdvf] vnriQtxoitvxig xaitxce
idQ&iitp; — val^ Tjj Kkto^ol, f; txdaxm inexa^f ynvvTi^ivxt xoc ngaxxia. — fi
xoiwv Avttynaa^ilg tu /.ow tpovkvaett r/jd , xlva alxtdöfj toO
tfdvov;
8) ^ifaahg yug tl xal aotpiaxijs und o(> l^öxrjg fuivov, < //i. y> ) ifo<piüti/jg xig
tJvm Aoxttg.
• lapp. conf. 1: itn6xQival futi nif6s uva oi) xaXi>nriv fQmxf\ci¥s dial. mort.
\.\A 1: Ofuotf itn6xifivai not, & Mivttg' ßgaxh yu^ xt ^^tjtfofmi 99.
6) Vgl. Alexand. 4: hniff tbv Evgvßaxov ^ ^ffVPtavdap 7} *A9iüx6drni09
202 Kapitel VIII. Totengespräche.
Eine Reminiszenz an die 'Götterversammlung' (12) enthält das
III. Gespräch. Dort führt Momus voller Entrüstung unter den neuen
Göttern Trophonios und Amphilochos an, die jetzt orakelten; daran
knüpft unmittelbar die Anrede Menipps in unserem Dialoge an: Tro-
phonios und Amphilochos, wie ihr dazu gekommen seid, daß man
euch Tempel baute und euch für Propheten hält, begreife ich nicht.
Amphilochos erwidert einfach: Was können wir für die Dummheit
der Menschen ! Aber Trophonios beruft sich darauf, daß er ein Heros
sei. Menipp höhnt über diese Doppelnatur in einer Person; denn vor
ihm stehe ein ganzer Toter, wie könne da zu gleicher Zeit der Heros
in Böotien weissagen? Der Spott ist eine gewisse Dublette zu der
über des Herakles göttliches und menschliches Wesen (XVI). Das
Trophoniosorakel kommt auch am Schluß der 'Nekyomantie' (22) vor,
und die Worte sind z. T. dieselben.^)
Zu der Satire 'der Hahn' führt uns die Unterhaltung zwischen Tire-
sias und Menipp im Dialog XXVHI. Erörtert wird die Frage, ob das
Leben des Weibes oder des Mannes angenehmer sei. Menipp verspottet
die ganze Verwandlung des Tiresias und fragt ihn schließlich, ob er auch
als Weib geweissagt habe. Dieser berichtet darauf vom Streit des Zeus
und der Hera, aber Menipp erklärt das für Lügen, wie sie ja bei einem
Wahrsager natürlich sind. Die Hauptfrage kehrt im 'Hahn' (19)
ebenso wieder, nachdem dieser seine mannigfachen Verwandlungen,
darunter auch in die Person der Aspasia, erzählt hat; schon die Worte
zeigen die Anlehnung.-) An beiden Stellen wird auf den bekannten
Ausspruch der euripideischen Medea (V. 251) verwiesen: rptg av %aQ
ccönida öxrivai d^eXoL^^ av ^älXov ?j texsIv aita^, aber in unserem
Dialog nur allgemein, ohne das Zitat wiederanzubringen, ein deutlicher
7] Zco6xQccxov\ das zeigt jedenfalls, daß der Name typisch war für einen Be-
trüger und Schurken. De Soul hat ihn identifiziert mit dem Räuber aas der
Zeit Philipps (Philippi epistula Demosth. XII 13, s. Fritzsche, Prolegom. III 2
S. XXIX).
1) Necyom. 22: ^aXeTtSii iidXcc Sia tov Gtoybiov avsQTtvaag ovy. old'
OTtcog iv Aeßadsicc yiyvo^icci^ dial. mort. III 2 : sl jir; i? Asßdäsiav itagilQ'Oi v.ccl
iöSQTtvöco Siä tov 6toiilov tccnsivov övtog ig tb anijXccLov. Ein Wider-
spruch zwischen dieser Stelle und dem Schluß der ""Nekyomantie', wie ihn Hirzel,
Der Dialog II 320, 1 annimmt, besteht nicht; denn Menipp sagt gar nicht, daß
er nie in Lebadeia gewesen sei. Wenn es der Fall wäre, so könnte man noch
mit größerem Recht das Gespräch für einen Ausschnitt aus Menipi^s Hades-
fahrt halten, wofür man die Möglichkeit auch jetzt konstatieren kann.
2) Gall. 19: TL ovv; notSQog ö ßiog ijdicov ooi rjv^ ots ävT]Q i]ad'a,
?) ots 68 6 UsQLylfig cotcvsv, dial. mort. XXVIII 1: sint ftot, dnotsgov rjäiovog
i7tSLQdd"rig t(bv ßicov^ ots ccv7]q rjüd-cc, ^ 6 yvvcci-KBiog ä^sivov 7]v;
Beziehungen zur 'Götterversammlung' und zum '^Hahn'. 203
Beweis, wenn es dessen sonst noch bedürfte, an welcher Stelle die
Priorität liegt. Daß ein Spott dieser Art sich auch in Menipps 'Nekyia'
befand, ist jedenfalls sehr gut möglich.^)
Mit dem 'Hahn', der ja das Glück der Armen lehrt im Gegensatz
zu dem Unglück des Reichtums, hängt in gewisser Weise auch die Reihe
von Dialogen zusammen, die sich mit der Erbschleicherei befassen.
Es ist gewiß kein Zufall, daß der Name des Eukrates, der dort (9 ff.)
den vermögenden, Neid erweckenden Mann repräsentiert, im Dialog V
sich wiederfindet. Da gibt Pluton dem Hermes den Auftrag, den
Eukrates inmitten seiner Besitztümer recht lange leben zu lassen, da-
mit die Erbschleicher, die ihn umschwärmen, vor ihm sterben. Das-
selbe Motiv ließ sich auch verwerten, indem man den so früh aus
dem Leben Gerissenen und um den Erfolg seiner Kriecherei Betrogenen
in den Vordergrund stellte. Das geschieht im Gespräch VI, wo sich
Terpsion über seinen Tod und das lange Leben des Theokritos beklagt
und wenigstens hofft, daß seine Nebenbuhler das gleiche Mißgeschick
treffen wird. Es gehört auch nicht viel Phantasie dazu, sich vor-
zustellen, daß der Erbschleicher das Leben des Alten durch künstliche
Mittel zu verkürzen sucht, z. B. durch das romanhafte Mittel des Gift-
trankes, und dabei selber durch ein Versehen ums Leben gekommen
ist. Das berichtet Kallidemides dem Zenophantos im VIL Dialog. Der
vorzeitige Tod war dem Erbschleicher besonders schmerzlich, wenn er,
um dem Alten zu schmeicheln, diesen in seinem Testament zum Erben
eingesetzt hatte und nun mitansehen muß, daß ganz im Gegensatz zu
seinen Erwartungen jenem seine Güter zufallen. Das ist die Klage
des Knemon^) im Gespräch VHL Man konnte aber auch einmal die
Kehrseite der Medaille betrachten, d. h. den Alten einführen, der durch
die Bemühungen derer, die ihn zu beerben hoffen, ein sorgloses und
höchst angenehmes Dasein führt; so sehen wir im Gespräch IX den
Greis Polystratos zum Orkus kommen und über sein glückliches Los
auf Erden berichten. Das Motiv der gegenseitigen Erbschleicherei
hat dann noch zu einem neuen Gespräch, dem XL, Veranlassung ge-
geben, in dem Krates und Diogenes sich von dem reichen Moirichos
und AriHteas erzählen, die beide an einem Tage starben, nachdem
1) Daß Menipp nicht Bezug nimmt auf leino frühere Unterredung mit
'lircHiaü in der ^Nekyomantie*, würde gut dazu itimmen (s. Hirzel, Der Dialog
n :■.■'(), 1).
2) Den Namen denkt Ribbeck Agroikoii (Abbundl d. Siichit. (tesoUscb. d.
N\ i'^H X 1886) 8. U au« Meoandan JvükoIos genommen; auf keinen Fall itammt
daber mehr all der Name.
204 Kapitel VIII. Totengespräche.
jeder von beiden darauf gerechnet hatte, den andern zu beerben. Es
ist das also ein Gegenstück zu Dialog VIII, wo der Jüngere zuerst
aus dem Leben geschieden war. Die Unterredung erhebt sich über
die andern dieser Gattung durch die Träger des Gesprächs wie durch
den Gegensatz, den die beiden über äußere Güter erhabenen Kyniker
zu diesem eitlen, geldgierigen Treiben der Menschen bilden. Daß in
diesen Schlußteil ein kynisches Vorbild hineinwirkt, ist durch die Ge-
danken schon bedingt^), scheint aber auch noch einen Beweis zu
finden in dem Vergleich mit dem Geldbeutel, der in etwas anderer
Verwendung schon von Bion gebraucht war.^) So ist das Motiv der
Erbschleicherei von allen Seiten beleuchtet, und aUe Eventualitäten
sind ausgenutzt, indem dafür die Anregung aus Piatons Staat (X 614 E)
verwendet ist, wo von der Begrüßung der Bekannten und der gegen-
seitigen Berichterstattung im Reiche der Toten die Rede ist.^) In
ihrer Farblosigkeit erinnern diese Dialoge mit Ausnahme des letzten
völlig an die sophistischen ^Hetärengespräche'. Ein kynisches Vorbild
hatte Lucian dafür nicht. Die Unsitte, sich auf unehrenhafte Weise
um das Erbe der Reichen zu bemühen, kam in der Kaiserzeit in Blüte-,
wir sehen das aus Horaz, aus dem letzten erhaltenen Teil des Petro-
nischen Romans, aus Martial.^) Hier bringt Lucian also einmal
aktuelle Satire mit Benutzung derjenigen Formen und Situationen, die
er aus Menipps 'Nekyia' abgeleitet hatte; aber wieder beachten wir,
wie er diese Quelle, die sich ihm eröffnet, selbst zum Überdruß des
Lesers vollständig ausschöpft, bis sie versiegt.
Bei diesem durchaus römischen Stoff kann es nicht wunder-
nehmen, daß sich einige nahe Berührungen mit Horaz finden, die man
1) Wenn Diogenes von Antisthenes und Krates von Diogenes unter anderem
die Freiheit geerbt hat, so erinnert das an die wahre Freiheit, die in der Jto-
ysvovg TtQäoig Menipps hervorgehoben war; s. darüber Kap. X.
2) Stob. flor. 91, 32 III 176 Mein. (vgl. Sen. epist. 87, 18. Plut. de cup div.
526 D): Biav ^Xsysv mansQ tu (pccvXcc tätv ßaXXavticov, ■nav ^ridsvbg rjv a^icc,
roöovTOV iatlv ä^ia ooov iv savrotg xb vouiGiicc %f^, ovtco yi.ccl räv nXovolav rovg
ovÖEvog cc^Lovg ^ccQTtovod'aL tag Schlag ä)v x^TtrrjvTat. In unserem Dialog (4) werden
die Menschen, welche die kynische Weisheit nicht annehmen, erklärt als dLSQQvr}-
KOtsg VTtb tQvcpfjg^ Jta&dnsQ tu Gud'gu töbv ßccXXuvticov möts sl' Ttots xat i^ßdXoL tig
ig uvtovg t) ootpiuv t) jcuggrialuv 5) ccXi^d'Siuv, i^iTtintsv sv&vg %al diiggst.
3) Kai u67td^S6^ccL ts aXX'^Xovg oauL yvcoQi\Lui xal nvvQ'dvEGd'cci tdg ts ix
tfjg Yfjg TjxovGag Ttugu tav htigcov tu i-asl, obwohl da nicht von irdischen Vor-
gängen die Rede ist. Vgl. oben S. 33.
4) Für die allbekannte Tatsache genügt es zu verweisen auf Friedländer,
Sittengeschichte Roms P S. 413 ff.
Lucian und Horaz. 205
hier nicht durch gemeinsames menippisches Vorbild erklären kann.
Der Vergleich des verfolgten Reichen mit dem Fisch, der an dem
Köder anbeißt, liegt Hör. sat. II 5, 24 wie Totengespr. VI 4 und VIII
vor^): Lucian hat das Bild übrigens auch 'Timon' 22^ wo er bestimmt
den Thunfisch nennt, wie Horaz sat. II 5, 44; und ^Timon' und 'Toten-
gespräche' liegen ja zeitlich nur wenige Jahre auseinander.^) Auch
das 'corvum deludet hiantem' (V. 56) ist im 'Timon' durch tovg ^ccti]v
xsxv^orag wiedergegeben, wie im 5. 'Totengespräch' durch das tcqo-
aJtLTcoöav avrov uatyjv kmxavovrsg. Im 8. Gespräch findet sich
die Veröffentlichung des Testaments zum Zweck, den andern zu fangen,
bei Horaz sat. II 5, 51 warnt Tiresias direkt sich bloßzustellen durch
das Lesen des Testaments, wenn es einem hingereicht wird. Das
9. Gespräch erinnert sehr deutlich an das Testament des Coranus,
aus dem sein Schwiegervater ersieht (V. 69): 'nil sibi legatum praeter
plorare suisque', wie Polystratos rühmt (IX 3): aklag dh rag aXr^d^eig
diad-tlxag i^xav sxalvug xatikvxov oI^cj^slv oi%a6i (pQccöag. Ich halte
es für ebenso gut möglich, daß Lucian eine gewisse Kenntnis von
Horaz ^) besessen hat, wie er mit dem Inhalt des Juvenal vertraut
gewesen zu sein scheint.*)
Haben wir in diesen auf die Erbschleicherei bezüglichen Satiren
etwas Neues, so ist uns auch das Motiv des Wettstreites in der
Unterwelt bisher noch nicht begegnet, das in Gespräch XII den Stoff
bildet. Das Vorbild liefern Aristophanes' 'Frösche'; die Ähnlichkeit
zeigt sich bis in Einzelheiten der Inszenierung; so kommt auch hier
nach Beginn der Disputation zwischen zweien ein dritter hinzu, der
sich dem einen unterordnet, den andern aber für geringer erklärt.
Alexander und Hannibal erörtern vor Minos wie dort Äschylus und
Euripides vor Dionysos, wem der Vorrang gebühre; dem Sophokles
dort entspricht dann Scipio^), der sich völlig hinter Alexander stellt,
1) Horaz: hi uafer udub et alur insidiatorem praeroso fu^erit hämo, dial.
m. VI 4: 6 dh toaovrdv iu)t diXtccQ naraniüiv itpeiott'jxti d'anrofi^voit^ VIII (x^i
(ZantQ Ttff Xdßga^ %al tö &YxtaTQov tc5 itltari. avYxccTaaTidaoci ; es ist zu
i«;d, (laß boi Hura/ wie bei Lucian nicht dor Erbschleicher der schnappende
Fisch ist, was dorh w(;lil der nUher liegende Vergleich wäre.
2) 8iehc üben S. 188 tf.. Vgl. den Anhang über die 'Schrift vom Parasiten'.
8) Vgl. Heinrich, Lukian und Horaz, Graz 1886, 8. 17/^. A. T. H. FriUtche,
Des Q. Horatius Flaocus Hennonen S. 88. Th. Frituche, Menipp und Horai,
Güstrow 1H71, S. 29. Wieland zu Timon 88, Üborsetsung I 2S. 75 Waimaimt*
dorf a. a. O. (s. S Uj S. 40.
4) Siehe 8. 00 und 218 ff.
6) Dafi Scipio hier kein fremdes Einschiebsel ist, wie nach Croiaatt (Ettai
206 Kapitel VIII. Totengespräche.
aber vor dem Punier den Preis beansprucht. Gleich ist die Abneigung
des Gewaltigeren, hier des Alexander, dort des Äschylus, sich gegen-
über den anmaßenden Forderungen des Nebenbuhlers 7A1 verteidigen^);
gleich, daß der Unterliegende zuerst das Wort ergreift, was nach
einer feinen Beobachtung Henses^) der gewöhnlichen Form einer
solchen Synkrisis entspricht. Daß dieser Wettkampf sich bei Menipp
nicht vorfand, ist klar; er ist, gerade wie die auf die Saturnalien be-
züglichen Schriften, eine Konzession an die Römer, wie sie Lucian
gemacht hat, nachdem er mit römischem Wesen in nähere Berührung
gekommen war.^) Immerhin könnte man vermuten, daß sich bei
Menipp wenigstens die Andeutung eines derartigen Wettkampfes fand*);
die Szene paßte jedenfalls in die 'Nekyia'^) und war durch Aristo-
phanes nahe gelegt. Andererseits liegt hier deutlich die Einwirkung
der Sophistik vor. Nach Liv. XXXV 14. Appian Syr. 10. Plutarch Tit.
Flamin. 21 kam Scipio als Gesandter in Ephesus mit Hannibal zu-
sammen und fragte ihn, wen er für den größten Feldherrn halte; der
nannte Alexander und begründete das ähnlich, wie in unserem Dialog
der Makedonenkönig sich selbst preist. Als zweiten bezeichnete er
Pyrrhus^), als dritten sich. Scipio fragte lachend: 'Wie erst, wenn
du mich besiegt hättest!', worauf Hannibal erwiderte: ^Dann würde
ich für mich die erste Stelle in Anspruch nehmen.' Bei Plutarch
Pyrrh. 8 wird berichtet, Hannibal habe den Pyrrhus als den ersten,
sur la vie et les ceuvres de Lucien, Paris 1892, S. 60 Anm.) Verdächtigung des
Dialogs Thimme, Quaest. Lucian. capita IV, Diss. Göttingen 1884, S. 34 — 38
wollte, ist danach klar (vgl. Nissen, Rhein. Mus. XLIII [1888] S. 245. Hirzel,
Der Dialog II 319 Anm. 1).
1) Ar. ran. 1006 ff.: d^viiov^iaL ^ihv rfj 6vvtv%'La .... si TtQog tovtov dsi
li' ccvtiHyBiv. tva [lt] cpdc^r] d' ccTtOQslv fis . . . ., Lucian dial. mort. XII 4: tXQfiv
[ihv .... \irid' ccTtoyiQLvaad'ca TiQÖg avögu ovt(o d'gccövv Oficog ds oga
2) Hense, Die Synkrisis in der antiken Literatur, Freiburg i. Br. 1893, S. 16.
3) Vgl. Croiset a. a. 0. S. 32.
4) Julian, Symposion 31 7 ff. mit dem Wettkampf zwischen Alexander,
Caesar, Oktavian, Trajan, Mark Aurel und Konstantin wage ich nicht als Beweis
für eine solche Szene bei Menipp heranzuziehen, weil, wie oben (Kap. 11 S. 73 ff.)
gezeigt, die Benutzung Lucians bei ihm denkbar wäre. Über die Übereinstim-
mung betreffs der Person Alexanders haben wir dort (s. S. 74 Anm. 1) gesprochen.
5) Nach Maximus Tyrius 20, 8 haben die Schmeichler Alexanders Philipp
und Herakles in Vergessenheit gebracht; die beiden würden sich etwa als Partner
für Alexander in diesem Wettstreit geeignet haben; wir kommen darauf bei
Dialog XrV (S. 208) zurück.
6) So auch Lucian pro lapsu inter salut. 11: Uvqqov . . . . ävSgbg iierä
'AX^^ccvägov tä dBvtSQcc iv GxqatTqylaig ivsyxaiiivov.
Synkrisis. Alexanderdialoge. 207
Scipio als den zweiten und sich als den dritten Feldherrn der
Welt bezeichnet. Die Form dieser Anekdote lehnt sich zum Teil sehr
an die Aufzählung der glücklichen Sterblichen durch Solon und sein
Gespräch mit Krösus an (Herodot I 30 fi'.). Die Vergleichung großer
Männer, wie wir sie in diesem Dialog Lucians haben, entspricht den
Neigungen der Rhetorik, denen auch Plutarch Rechnung trägt bei
der Anordnung seiner Lebensbeschreibungen; Lucian hat also ein
Motiv der rhetorischen Übungen, wie es jene Anekdote darbot, ver-
wertet und in die Unterwelt verlegt, vielleicht angeregt durch eine
Bemerkung Menipps.^)
Um Alexander dreht sich auch Gespräch XIII. Diogenes trifft
mit dem König zusammen, der ja am gleichen Tage gestorben ist, und
wundert sich, daß der Gott ebenfalls aus dem Leben geschieden ist.
Alexander muß seine Menschlichkeit zugeben. Auf die Frage nach
seiner Grabstätte berichtet er, daß er noch in Babylon ruhe, Ptole-
mäus ihn aber später nach Ägypten bringen und zum Gott erheben
wolle. Diogenes verspottet ihn deshalb, und als er ihn bei der Er-
wähnung der verlorenen irdischen Güter weinen sieht, fragt er ihn,
ob ihn denn Aristoteles nicht unterwiesen habe, alle Erdengüter für
nichtig zu halten; aber der König erwidert mit Schmähungen auf den
Philosophen, der selbst seinen Vorteil gesucht und auch ihn gelehrt
habe äußeres Glück als Gut zu betrachten. Da rät ihm der Kyniker
recht viel Lethewasser zu trinken. Neu ist hier die Schärfe der
gegen Aristoteles gerichteten Satire; in der Xebensartenversteigerung'
verhält sie sich noch sehr milde und hat für die Auffassung der
äußeren Güter in wenig kynischer Weise noch etwas wie Zustimmung
übrig, was allerdings mit auf die Inszenierung des Ganzen kommen
mag; hier wird Aristoteles als der geriebenste aller Schmeichler be-
zeichnet (5). Daß diese Anschauung sich auch sonst findet, zeigt
Tatian in seiner Herabsetzung der griechischen Philosophie.*) Aus-
geschlossen ist es nicht, daß schon in Menipps 'Nekyia' die Anregung
zu unserem Dialog gegeben war; wie jetzt in Lucians 'Nekyomantie' (17)
I*hilipp unter den Großen der Geschichte mitverspottet wird, liegt es
nahe, auch die Erwähnung seines Sohnes dort vorauszusetzen, sobald
....... ,.jn,. tiinfangreiche Totenschau in der Art der homerischen an-
1, Ih'u Wettstreit /wiichen Hannibtil und Alexander hat J^ucian ipäter
wieder angebracht 'Wahr«* ^'0H<'liirht«'n' II *.». <l(»rt olmo »lei» Srii»io. und cV>rn«o
entuchieden.
2; Tat •• ' ' -■' ..,*-
inoXdntvfv.
208 Kapitel Vm, Totengespräche.
nimmt, und dabei konnte sich auch der Angriff auf Aristoteles schon
finden.
Die Sage von der göttlichen Abstammung Alexanders ließ sich
auch noch von einer anderen Seite verspotten, wenn man den dadurch
gekränkten Philipp zum Teilnehmer des Gespräches machte. Diese
Verwertung desselben Stoffes hat sich Lucian auch hier nicht ent-
gehen lassen, sondern in Dialog XIV vorgebracht. Philipp macht
seinem Sohn spottend jenes Gerücht zum Vorwurf, während Alexander
sich damit entschuldigt, die Staatsraison habe ihn veranlaßt, das
Orakel, das ihn zum Gotte machte, anzunehmen. Das folgende ent-
stammt einem Wettstreit, wie wir ihn in XII zwischen anderen Per-
sonen fanden; Philipp hebt seine eigenen Taten hervor und setzt
Alexander herab; selbst in den Beweisen persönlicher Tapferkeit, die
jener gegeben hat, sieht er nur Torheit, und den Vergleich mit Herakles
und Dionysos verweist er ihm, indem er wie ein Kyniker ihm rät,
den Hochmut abzulegen, und ihm das yvad-L öavröv zuruft. Daß
dieser Schluß der Person Philipps nicht ganz zukommt, empfindet
man sofort; doch wohl könnte Menipp so in den Streit eingegriffen
haben. Auch hier ist die Wiederholung aus XII und XIII charakte-
ristisch für die Ausbeutung eines Motivs von verschiedenen Seiten;
aber vielleicht bietet sie auch eine Stütze für die Annahme, daß bei
Menipp gerade diese beiden Personen in einem Wettstreit begriffen
waren, als der Hadesfahrer dazukam. Auf Menipp führt Prächter^)
die Erwähnung des von Herakles nicht genommenen, aber von
Alexander eroberten Aornosfelsens zurück, deren Erwähnung Philipp
als tvq)og seitens seines Sohnes zurückweist. Andererseits muß man
auch hier bemerken, daß für die Zusammenstellung von Philipp und
Alexander sophistische Vorbilder vorhanden waren. Dio Chryso-
stomus (11) läßt die beiden sich über das Thema ^Homer als Erzieher
der Könige' unterhalten; allerdings fehlt da gerade das Wesentliche
des Wettstreits. Beachtenswert ist das von Lucian auch im 'Zeuxis'
(10) benutzte Xenophonzitat ^), das durch die Vorliebe dieser Zeit für
Xenophon begründet ist, auch als ein Zeichen der Achtung für
Arrian aufgefaßt werden kann, der sich ja in allem den vornehmen
Athener zum Vorbild genommen hatte; Arrian schätzte unser Schrift-
1) Archiv f. Geschichte der Philosophie XI (1898) 512; auch dabei kommen
Herakles, Alexander und Philipp in Berührung, was vielleicht als Bestätigung
der oben (S. 206 Anm. 5) ausgesprochenen Vermutung dienen kann.
2) Dial. mort. XIY 2 nach Xen. An. I 8, 19 : TtQiv Sh to^sv^cc i^L-nvEtad-ai ix-
%Xivov6iv ol ßccQßaQOi.
Anschluß an Homers Nekyia. 209
steller, wohl nicht ohne Grund, und von ihm hatte er auch die Ehr-
furcht vor Epiktet gelernt^); so könnte er immerhin auch zu der
Anführung des Aornosfelseus, die im 'Hermotimos' (4) und 'Rhetoren-
lehrer' (7) wiederkehrt, den Aulaß geboten haben.-)
Eine Anzahl von Dialogen geht auf die homerische Nekyia
zurück^), ob durch das Mittelglied der Menippischen, muß zweifelhaft
bleiben; denn eine einfache Erwähnung, eine kurze Verspottung etwa
reichte, wie wir sahen, ja aus, einen Dialog anzuregen. Schon im
Gespräch XVIII beobachteten wir die Aufzählung der Heroinen nach
Homer neben dem Anschluß an die Menippische, bezw. Lucianische
'Nekyomantie', in Gespräch XVH die Vorführung des Tantalus von
den Büßern der homerischen Unterwelt. An Homer lehnt sich nun
völlig Dialog XV an. Den Inhalt bildet das bekannte Wort Achills
(Od. XI 489 ff.): 'Lieber möchte ich auf Erden Tagelöhner sein bei einem
armen Maim als unter den Toten herrschen.' Partner Achills in der
Unterredung ist Antilochus, der den Helden durch den Hinweis auf
das gleiche Schicksal aller zu trösten sucht. Das Gespräch ist nach
Odysseus' Hadesbesuch und mit Beziehung auf ihn angesetzt '^V, und das
ist jedenfalls Lucians eigenste Inszenierung.^) Daß sich der Dialog un-
mittelbar an den Alexanderdialog anreiht, legt den Gedanken nahe,
Lucian sei mit dadurch angeregt, da ja Alexanders Vorbild Achill war und
auch bei Dio Chrysostomus 4, 50 (I 158 R I 64, 21 v. A.) Alexander und
Achill zusammengestellt und dieselben Homerverse dabei zitiert werden.
Unmittelbar auf Achill folgt bei Homer Aias, der grollend fern
bleibt und des Odysseus Anrede nicht erwidert. Lucian stellt ihn im
XXIX. Gespräch mit Agamemnon zusammen, der ja gleichfalls in der
homerischen Nekyia 385 ff. auftritt; und den Stoff der Unterhaltung
bietet eben der Groll gegen Odysseus. Das Gespräch ist harmlos und
nur durch Homer veranlaßt.
In der Odyssee bildet den Beschluß bei der Aufzählung der
Helden in der Unterwelt Herakles, dessen Schattenbild im Hades weilt,
während er selbst im Olymp bei den seligen Göttern der Unsterb-
lichkeit genießt. Diese Sage reizt zum Spott wie der orakelnde
1) Arrian wird anerkennend erwähnt Alexand. 2; über die £piktet?erehrung
Tgl. Neue Jahrb. f. d. klana. Altert. IX (1908) S. S78.
2) AnabaitiB IV 28 f.
8) Vgl. Wasmanntidorf a. a. 0. S. 17.
4) Vgl. 8: iiitu fitxQbv dh xal X^dvaaivs iq^i^ttai ndvrug.
6) Hei LuciliuN Buch XIV (V. 4G8 Marx) findet «ich da« Wort Humert auch
benuixt, aber in anderem Zuiauinicnhang, so daß man darauf auf das Vor-
kominnn hui Menipp nicht tchlieOeii kann.
ii - I ". , LttoUn and Mcalpp. 1 '
210 Kapitel VIII. Totengespräche.
Trophonios (UI); so finden wir im Gespräch XVI den Diogenes, der
den Helden mit seinem Doppelleib verhöhnt und ihm schließlich drei-
fache Existenz vindiziert, da der Gott sich im Himmel, das Idol in der
Unterwelt aufhält und der Körper zu Staub zerfallen ist. Die homerische
Darstellung hatte schon bei -den Homere rklärem Anstoß erregt; der
Niederschlag davon- ist bei Eustathius S. 1702,45 zu erkennen^), und
eine mystische Erklärung, wie sie schon bei Plutarch (de fac. in orbe
lun. 30 S. 944 F) vorliegt, versucht Proklus zu Piatons Republik III
(S. 120, 22 ff. Kroll). Bemerkenswert ist, daß auch bei Proklus das
Wort Achills vom Leben der Tagelöhner und das Idol des Herakles
aufeinanderfolgt, wie hier Gespräch XV und XVI, wie sich das bei
der nicht allzu großen räumlichen Entfernung in der homerischen
Nekyia leicht ergab; und als dritter Stoff fügt sich bei Lucian, aus
derselben Homerstelle geschöpft, das Tantalosgespräch an, das nicht
in der durch Homer gegebenen Reihenfolge geboten wird, sondern
hinter den Heraklesdialog gesetzt ist imd vielleicht eine Anregung
durch Menipp erhalten hat. Ich hebe diesen Sachverhalt hervor, weil
der enge Zusammenhang der auch bei Homer zusammenhängenden
Gespräche eine Vermutung höchst zweifelhaft machen muß, die im
Dialog XVI eine Verwertung von Diogenes' Tragödie Herakles hat
sehen wollen.^) Ist es schon an und für sich schwierig, sich mit
dem Inhalt unseres Gesprächs eine Tragödie vorzustellen, welcher Art
sie auch sein mag, so ist der Grund für diese Annahme noch dazu
äußerst windig und beruht nur auf willkürlicher Auslegung der einen
TertuUianstelle apol. 14: sed et Diogenes nescio quid in Herculem
ludit et Romanus cynicus Varro trecentos loves sive luppiteres dicen-
dos introduxit, woraus Weber gefolgert hat, es müsse auch in bezug
auf Herakles die Mehrheit der Personen den Anlaß zum Spott ge-
geben haben, wie bei dem varronischen Juppiter.^) Aber der Aus-
1) ÜQog Sh rä ccXXa öocc cpaolv ixslvoL (nämlich ol 6iiriQ0(icc6ti,'ysg) ort SrikccSr]
ovx ccv itiQ'avmg Xiyoi tr]v '''Hßr]v ^Hgcc-aXsovg yvvcct-Ka 7)1/ 6 fivd'os ^8otg (priüi
nccgd'ivov ovcav otvoxosiv Ttccl nmg olov ts tbv ccvrbv iv '^'Aidov ts slvai -Kai iv
ovQccva xoTi xoiavxd tiva iyxsi'QOVGLv bxsqol Ivri-Kcbg mg avxoi i&iXovöi. Auch
die Scholien zur Od. XI 602 stimmen zu Lucian: ort tlg xqla SicclqeI, slg sl'&aXov,
6&[ia^ ipvx'^v, rovxo dh ovx olSsv 6 TCOirixijg.
2) Weber, Leipz. Stud. X S. 149 ff., Dümmler, Akademika 205 ff., der darin
eine Verspottung des Xenokrates sieht; richtig widerlegt ist die Vermutung von
Heinze, Xenokrates, Leipzig 1892, S. 143 Anm. 1.
3) Wenn wirklich die Mehrheit den Gegenstand des Spottes bildete, würde
man immer noch eher an die sechs oder sieben Herkulesse der Götterkataloge
denken (z. B. Cicero de nat. deor. III 16, 42, übrigens in skeptischer Polemik).
Vgl. Michaelis, De orig. indicis deor. cognom., Diss. Berlin 1898, S. 70 ff.
Heraklesverspottung. 211
druck Tertullians lehrt im Gegenteil, daß er nichts von der Gleichheit
des Motivs bei beiden gewußt hat, und so fällt jede nachweisbare Ver-
bindung zwischen Lucians kleinem Gespräch und Diogenes' Tragödie fort.
Wenn sie wirklich vorhanden ist, so ist es immer noch wahrschein-
licher, daß Menipp das Mittelglied gebildet hat. In diesen auf Homer
zurückgehenden Dialogen muß man auf jeden Fall die Möglichkeit
offen halten, daß Lucian sich unmittelbar an das Epos gewandt hat
und daß die Anregung dazu von anderer Seite nur sehr gering ge-
wesen ist; für die Unterredung zwischen Agamemnon und Aias darf
man sie direkt leugnen.
Es bleiben drei Gespräche, von denen man das erste ohne wei-
teres auf ein kynisches Vorbild zurückführen möchte. In Dialog XXI
unterhält sich Menipp mit dem Kerberos und läßt sich erzählen, wie
Sokrates zur Unterwelt gelangt ist; zunächst war er furchtlos, dann
aber im Dunkel klagte und weinte er, bis er endlich, als er das Un-
vermeidliche einsah, sich faßte. Er wird dadurch in Gegensatz ge-
stellt zu Menipp und Diogenes. In der Vorlage könnte für die Ver-
gleichung Menipp sehr wohl gefehlt haben; das Ganze gewinnt nur
durch die scharfe Konfrontierung des Sokrates mit dem eigentlichen
Stifter der kynischen Schule^) und zeigt eben dadurch, daß es kaum
Lucians eigener Phantasie entsprungen ist, der bei aller Anerkennung
für die Kyniker doch keinen Grund hatte, gerade Sokrates so der
Schwäche zu zeihen. Man kann das Gespräch unschwer in die 'Nekyia'
Menipps einreihen. Für Lucian bedurfte es jedenfalls zur Abfassung
dieses Dialogs mit der eigentümlichen Gegenüberstellung von Sokrates
und Diogenes einer stärkeren Anregimg als sie der voraufgehende
mit der Unterhaltung zwischen Menipp und Sokrates ihm bot, der
zweifellos nicht zufällig an dieser Stelle steht.
Auffällig ist Gespräch XXVI. Chiron ist auch gestorben, ob-
1) Die Nebenc'inanderBtellung, aber ohüe Verkleinerung des einen, und
zwar gerade in bezug auf ihren Tod, haben wir auch bei Epiktet IT 16, 36: woö
yttp iioi fiirtari tovtov toü nQciyiutrog, ov HoixgccrBt ^ttfjv x(o oDroi^^ ^nod^at'övri^
ovTfag J^rjaavxi; ov JLoyivsi fist^v; Sokrates und Diogenes sind für Kpiktet die-
jenigen, auf deren Gruß und Wort man besonderes (Gewicht legen könnte
flV 7, 89), die man besonders bewundern muß (IV 9, 6j. Auch bei Dio Chryso-
stomus finden sich beide zusammen genannt 72, 11. 13 (II 38ti li II 187, 12 v. .\.
;J87 R. 188, 7 V. A.). 64, 17 (II 88ß II. II 1Ö2, 21. 22 v. A.). Maximus Tyrius 8«, 6
{tl nQOTiyovfuPog 6 toO Kvvinob fiios^ alao in einer ganz auf kynischcr Unindlage
ruhenden Diatribe) vergleicht ebenfalls Diogenes und Sokrates; jener ist iXw-
i^i^tgog ovToO roO 2k»nif(itovs. Mark Aurel VIII 8 stellt beide mit Heraklit
stttammen.
212 Kapitel VIÜ. Totengeapräche.
wohl er unsterblich war. Das fügt sich der bei Apollodor 11 85 (5, 4, 5).
119 (5, 11, 10) erzählten Sage, nach der er, durch den Pfeil verletzt, seine
Unsterblichkeit dem Prometheus überließ und aus dem Leben schied.
Aber seltsam ist es, wie farblos bei Lucian dies Gespräch gehalten
ist, das auf diese Begründung gar nicht Bezug nimmt. Chiron
ist zur Unterwelt gekommen, weil ihm die Annehmlichkeit in der
Abwechslung zu liegen scheint und er des Lebens überdrüssig war;
mit Recht läßt ihm dabei Menipp die kynische Lehre, die wir aus
der 'Nekyomantie ' (21) kennen, zuteil werden, die große Lehre: ein
Verständiger ist stets zufrieden mit seiner Lage und hält nichts für
unerträglich.^) Wodurch Chiron hier zum Vertreter der ewig Un-
zufriedenen und nach Veränderung Jagenden geworden ist, weiß ich
nicht. Daß die Komödie sich seiner Person bemächtigt hatte, ist
wahrscheinlich nach dem Phlyakenbilde, das Heydemann "^die Bade-
reise des erkrankten alten Chiron' betitelt hat^); aber auch von dort
sind keine Fäden deutlich, die sich zu Lucian hinüberzögen.
Als Lucian diese Menge von kleinen Genrebildern und Satiren
fertig hatte, fühlte er das Bedürfnis ihnen das TtQoöcoTtov tr]Xavysg vor-
zusetzen, das sofort den Geist des Ganzen zeigen sollte. So schuf er
das L Gespräch, das uns die beiden kynischen Heroen, Diogenes und
Menipp, vorstellt, die ja in einem großen Teil der Dialoge das Wort
führen; es ist zugleich eine Art Einleitung, weil an Menipp^) hier
erst die Aufforderung ergeht, zur Unterwelt hinabzukommen, der er
offenbar in den andern Dialogen gefolgt ist. Diogenes gibt sie dem
Polydeukes mit, der gerade seinen Tag hat auf die Erde zurück-
zukehren, und fügt zugleich Aufträge an die Philosophen, an die
Reichen, an die Schönen, an die Starken hinzu, indem er auch da-
durch den Inhalt der folgenden Unterredungen vorbereitet; die Men-
schen sollen dem Irdischen keinen Wert beimessen, denn der Tod
macht alles gleich. Das ist das trostvolle Evangelium, das den Armen
geschickt wird. Als Typus des Schönen kehrt der MegiUus wieder,
1) Wir zeigten oben S. 37 aus der Übereinstimmung mit Mark Aurel zu
'Nekyomantie' 21 den älteren Ursprung dieses Wortes; daß er in der ^loyivovg
TCQ&Oig Menipps ähnlicli vorkam, werden wir später sehen, Kap. X.
2) Jahrb. d. K. D. Archäol. Instituts I (1886) S. 287 if.
3) Menipp soll sich in Athen im Lykeion oder in Korinth am KJraneion
befinden. Es ist seltsam, daß das die beiden Stätten sind, deren sich Diogenes
rühmt als seines Sommer- und Winterwohnsitzes (Dio Chrysostomus YI Anfg.
Max. Tyr. 36, 5); es scheint, wie schon von andern bemerkt ist, daß Lucian
einfach auf Menipp übertragen hat, was ihm von dessen Vorgänger bekannt
war, weil er von ihm selber nichts wußte (s. oben S. 59).
Einleitungsdialog. 213
den wir aus der 'Niederfahrt' (22) kennen.^) Man könnte auch hier
mit Leichtigkeit den Anlaß für den Dialog schon in der *Nekyia'
Menipps finden; der Auftrag, der hier durch Polydeukes' Vermittlung
an Menipp gelangt, könnte ebenso gut eine Mahnung sein, die Diogenes
dem den Hades durchziehenden Jünger selber gibt. Wir haben ja
den Philosophen von Sinope auch in Lucians 'Nekyomantie', wie er
neben den klagenden Königen liegt und lacht und sich an ihrem
Seufzen ergötzt; darauf bezieht er sich im I. Dialog, wenn er sagt:
'Komm herab, denn auf Erden ist das Lachen noch in Zweifel ge-
hüllt, und immer schwebt der Gedanke vor: Wer weiß denn völlig,
was nach dem Leben vor sich gehtl Aber hier wirst du unaufhörlich
lachen können, gerade wie ich jetzt, zumal wenn du die Reichen
und Satrapen und Tyrannen so klein geworden siehst.'^)
Menippische Satiren sind diese 'Totengespräche' nicht, wie die
Betrachtung gezeigt hat. Wohl aber fanden wir, daß sie auf dem
Boden der Menippnachahmung erwachsen sind. Daß manche von
ihnen unmittelbar aus Menipps 'Nekyia' selber verpflanzt und groß-
gezogen sein können^), haben wir bewiesen, und mehr ist in diesem
Falle nicht möglich, wo das Original fehlt und keine anderen Parallelen
zu Gebote stehen. Wer aber sieht, wie unser Schriftsteller hier aus
seinen eigenen Schriften oft die Fettaugen ausschöpft und zu einer
neuen Brühe verwässert, einen anderswo in Kürze geäußerten Ge-
danken hier erweitert und ausbaut, der wird auch kein Bedenken
tragen, oft Schnitzel zu erkennen, die bei der Menippnachahmung
übrig geblieben waren, ihm aber eine eigene Behandhing zu verlohnen
schienen. Gewiß ist ein Nachkhmg der sophistischen Tätigkeit, wie
sie sich in 'Götter'- und 'Meeresgesprächen', sowie in den 'Hetärendia-
logen' zeigt, zu bemerken, in manchen Dialogen, wie in XXIII und XXIX,
sogar .sehr stark; immerhin gilt auch für diese kleinen Schriften, daß
sie ohne Menipps 'Nekyia' so nicht geworden wären. Klarer als
sonstwo liegt uns Lucians Arbeitsweise hier vor Augen, wie er nist-
tii Wer Buli <i, II. '!• ; 'Tuteij^eHpräclif' aus einer il»i;i:t :• \i
regung in MenippH .. Im iu:i<lit, wird HJch nun wolil niclit mit ui. r
d(fD Untortcbiecl zwischen dem in ihnen auftretenden Menipp und dem des
'Ikuromcnipp* wundern. Vgl. oben S. 19H.
8; Harin urteile ich ändert aU Hirzel. Der Dialog 11 890, der an die MOg>
i nicht gedacht hat, dafi Unterredungen dee lebenden Menipp aui der
, la' in den 'TotengeHprUchen' uuf den Toten flbertrtgen eein konnten.
214 Kapitel VIII. Totengespräclie.
los in kleinem Umkreis seine Phantasie schaffen läßt, das Objekt bei-
behält, aber immer wieder von anderer Seite belichtet und so jedes Motiv
bis aufs äußerste ausnutzt. Der Leser, der all diese Dialoge hinter-
einander liest, gewinnt leicht den Eindruck der Wiederholung, trotz
der mannigfachen Verschiedenheiten. Man mag von der Erfindungs-
ki'aft Lucians nicht hoch denken; er hat die Totengespräche allerdings
nicht geschaffen, wie man behauptet hat^) — ihr Erfinder ist ja in
gewisser Weise schon der Vater der Poesie, Homer, und bei Menipp
waren ihre Keime zweifellos ebenso vorhanden — , aber er hat sie in
dieser Art ausgebaut und ihnen selbständige Existenz verliehen.
Wenn die Weltgeschichte das Weltgericht ist, so ist für die Literatur
aller späteren Zeiten Lucians Verdienst nicht gering anzuschlagen;
denn zahllos ist die Reihe der Nachahmungen von den Zeiten der
Renaissance bis Voltaire und Wieland, und bis ins letzte Jahrhundert
hinein hat das Motiv des Totengesprächs seine Schößlinge getrieben.^)
1) Vgl. Martha, Les moralistes sous Tempire Romain, Paris 1872, S. 363:
Lucien est Tinventeur de cette forme litteraire que les modernes lui ont si
Bouvent empruntöe,
2) Rentsch, Lucianstudien, Plauen i. V. 1895, Progr. S. 19 ff. — Betreffs der
Chronologie der ^ Totengespräche' ist nach den zahlreichen Entlehnungen klar,
daß sie hinter den größeren Dialogen anzusetzen sind. Mit ein paar allgemeinen
Betrachtungen wie bei Croiset [S. 205 Anm. 5] S. 59, Knauer (S. 15) S. 19/20 lassen
sich solche Fragen nicht erledigen. Im ganzen trifft der Ansatz von Nissen aufs
Jahr 167 sicherlich das Richtige mit der oben gegebenen Einschränkung, daß
ein oder das andere Gespräch ebenso gut schon 166 wie erst 168 verfaßt sein
könnte, und die Annahme von Bruns, Rhein. Mus. XLIH (1888) S. 188, die ""Toten-
gespräche' seien vor dem ^Doppeltverklagten' verfaßt, ist durch nichts begründet.
Kapitel IX.
Saturnalienschriften.
Wie die 'Totengespräche' mit den menippischen Unterwelts-
dialogen, so hängen die auf die Saturnalien bezüglichen Schriften in
gewisser Weise mit den im Olymp spielenden Satiren zusammen.
Auch sie verraten den römischen Einfluß, der in den 'Totengesprächen'
hier und dort hervorleuchtete; auch sie wiederholen Motive aus
früheren Lucianischen Werken; auch sie zeigen endlich dieselbe
Neigung des Schriftstellers, selbst auf Kosten des Interesses den Stoff
aufs gründlichste zu erschöpfen und keine Seite unberücksichtigt zu
lassen, gerade wie die 'Totengespräche'; aber Menipp stehen sie dem
Motiv nach vielleicht noch näher als viele von jenen. ^) Diogenes
Laertius VI 101 nennt unter den Schriften Menipps ijtLöroXal xexo^-
tlfsvfievac dxb xov xav d-sm' ngoöanov^ deren Nachwirkung man
verkehrt erweise in den 'Göttergesprächen' hat finden wollen. Weit
eher kann man in einem Teil der Saturnalienschriften den Ein-
fluß der menippischen Satire sehen. Wir haben zunächst ein Ge-
spräch zwischen dem Priester und Kronos. Der Priester fragt,
um was er bitten soll; es ist ja Satumalienfest, Geschenke werden
ausgeteilt, und die Sklaven genießen der Freiheit. Kronos erwidert,
er müsse selbst wissen, was für ihn wünschenswert sei; da fleht
er um Reichtum und Gold. Der Gott bedauert, daß seine Macht
so weit nicht reicht; das sei Zeus' Befugnis, und an den müsse er
sich wenden. Klagend bekennt der Priester, daß Zeus diese seine
Bitte schon oft vernommen, aber nie erhört habe und bei der Ver-
teilung von Reichttimeni ü])erhaupt sehr urteilslos zu Werke gehe.
Da der Mensch in dieser Hinsicht nun al)go wiesen ist, so will er doch
wissen, welches der Machtbereich des Kronos ist Der schildert darauf
dan fröhliche Satunialientreiben, in dem er regiert und seine Gaben
spendet. Das kann dem Pric-^tcr nichts nützen, und s^ st«»llt it,
1) Croiiet a. a. (> fS 20r> Anm. 6] S. 60.
216 Kapitel IX. Saturnalienschriften.
wenigstens zur eigenen Belehrung, eine Frage, um deren Beantwortung
er bittet, ob die Sage von dem Verschlingen der Kinder, der Rettung
des Zeus, dem Sturz des Kronos wahr sei. Der Gott wird zornig und
verzeiht die Frage nur um der Saturnalienfreiheit willen; das Zeugnis
des Hesiod und Homer läßt er nicht gelten; witzig erklärt er, er
habe freiwillig abgedankt, weil ihm die Herrschaft in dieser entsetz-
lichen Zeit bei so viel Freveln und Verbrechen lästig geworden sei.
Der Priester glaubt ihm noch nicht recht und führt seine Teilnahme
für Sklaven und Gefesselte auf seine eigene Fesselung zurück. Aber
das lehnt der Gott als Geschwätz ab. So bittet denn der Priester
nur noch um Auskunft, ob das Würfelspiel auch schon zu Kronos'
Regierungszeit beliebt war. Dieser bejaht die Frage, hebt aber her-
vor, daß man nicht um Geldgewinn spielte. Da ergeht sich der
Priester in dem Gedanken, daß Geldgewinn für diese ganz goldenen
Menschen auch nicht nötig war, und malt sich aus, wie ein solcher
Mensch in moderner Zeit von gierigen Händen zerrissen werden würde,
ein zweiter Pentheus, Orpheus oder Aktäon. Den Schluß bildet die
Frage, warum sich Kronos für die kurze Zeit seiner Herrschaft gerade
die häßlichsten Wintertage ausgesucht hat; aber darauf verweigert
der Gott die Antwort, weil es längst Zeit sei zu zechen.
Wer den kleinen Dialog mit Aufmerksamkeit liest, erkennt so-
fort, daß er in der Ökonomie völlig mit der 'Widerlegung des Zeus'
übereinstimmt.^) An die Stelle des Zeus ist Kronos, an die des
Kyniskos der Priester getreten. Der Kyniker lehnt es dort ab, die
herkömmliche Bitte um irdisch Gut vorzubringen^, der Priester tut
es, nachdem ihn der Gott geheißen selbst zu entscheiden, was ihm
wünschenswert scheine.^) Beide haben sie die Erkenntnis, daß Zeus
die Gebete um Vermehrung des Reichtums meist überhört.*) Wie der
Kyniker nur eines erlangen möchte, die Antwort auf die Frage nach
der Gewalt des Schicksals und der Moiren, so bittet der Priester um
Auskunft über den Machtbereich des Kronos. Die Auskunft befriedigt
in beiden Fällen nicht, und in der Frage nach der Berechtigung jener
1) Knauer a. a. 0. [S. 15] S. 52.
2) lupp. conf. 1: ov-A ivox^r]6co 6£ TtXovtov rj xQveiov t] ßaCiXalav uiröbv,
ansq BVY.tai6taru xolg noXXolg.
3) Saturn. 1: rovxo fihv ocvxov ös TiaXcag l'%fi iöxicpQ^ca 6,rL gol svyitcciov.
— .... iQ(b yäg tä -noivä tccvtI kccl 7rpd;^£^pc:«;, TtXovtov "accI iqvgov tcoXvv kccl
ccyQöav S£67f6t7}v slvcct..
4) lupp. conf. 1: aol 8' ov ndvv qu&icc nagaGiilv öga yovv 6£ xa TioXXa
naQccaovovTu svxo^bvcov ccvxcav^ Sat. 3: äXX' ovS' iv.sivog Qccältog xal TtQoxsi^Qcog.
iyoa yovv i]6ri ccnriyoQSVKa ccixmv . . . . , 6 d" ov-k inoctn xo nccQU'nav.
Beziehungen zur 'Widerlegung des Zeus'. 217
Mythen fühlen wir uns völlig an die 'Widerlegung des Zeus' erinnert.
Der Priester beruft sich auf sein Opfer und fordert die Antwort als
Lohn dafür, so daß auch die Untersuchung jenes Dialogs (7) nach
dem Zweck der Opfer gestreift wird. Die Technik von Frage und
Antwort ist in beiden Gesprächen die gleiche.^) Die Erinnerung an
die Mythen weckt des Gottes Zorn, wie Zeus über des Kyniskos
beständige Zweifel in Wut gerät und mit dem Blitze droht (9. 15).
Die Berufung auf die Dichter Homer und Hesiod (5. 6) findet sich
ebenso in der 'Widerlegung des Zeus' (1. 2) als Ausgangspunkt für
die Anschauung vom Verhältnis zu den Moiren. Als der Priester
trotz der gegenteiligen Versicherung des Gottes auf die Fesselung des
Krön OS zurückkommt und sie als Erklärung für das Fest sucht, ver-
weist ihm dieser sein Schwatzen genau wie Zeus dem Kyniskos.^)
Auch der Schluß verrät deutlich durch das plötzliche Abbrechen die
Übereinstimmung beider Gespräche, ebenso wie durch die Art, in der
sich der Mensch mit dem zufrieden gibt, was er schon gehört hat.*)
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der eine Dialog nach dem
Muster des andern geschaffen ist; es kann aber auch kein Zweifel
sein, welcher das Vorbild gewesen ist, da der eine nui* spielend die-
selben Formen und dieselben Motive benutzt, die in dem andern eng
mit dem Stoffe verwachsen sind. Indirekt ist also auch hier die
Nachwirkung Menipps zu spüren.
Die zweite auf die Saturnalien bezügliche Schrift ist der 'Ki-ono-
solon', der Name in seiner Zusammensetzung echt menippisch, um
den Priester als Gesetzgeber zu bezeichnen, der des Kronos Aufträge
weitergibt. Ihm hat sich der Gott in persönlicher Erscheinung offen-
bart und ihn, da er den Grund seines Kummers in seiner Armut
1, lupp. cont. 1: (cnöxQivccL (loi Ttgog rivcc oi ;fa/lf7rirjr iQmxj\aiv. — ... .
iffwtu ÖTioaa UV id'^Xjjg. — (M ovv /loi, il &Xri&fj iari tu mqX ri)p 'EX-
Hagn^vris , Sat. 6: ah dh ixttvo (loi ccroxQivcti — igmxa n6voVy
&XOXQlVoOiUit. yttp, TIP */<J"Jw Tv-/tü Tu ulv TTiuhrov /xf t ro . yt ali.Q-i'i ravTci
iaxiv u ntgl ooh &xovo\li
2) lupp. conf. 6: igatZK n noi n-^oKi^ n. ro/< rn ^at M oi- Tiuvcnj
'/UQ TOlutJXa XT]QÜtV.
8> lupp, fonf. 19: xai rovroig'ayuniiao^ir olg i. - l%avu ;
tfurUsai töv Ttfgl xi)s Eiiiugn^vi^g xal Ugovolug ilo'/c. . wie mit s<
Spott Ober dai Hcbickial hinzugefQgt wird, am einen Schlußetfekt zu ertielen:
XU XoinU dh tötog 0/7 HfiaQXO ixoPattl {tot. Saturn. 0: Ina v et yuQ iiito%ixQi9tti
xul XU ngtoru xui uot doxü» YQUiixiiitvog tlg (iifiXiov xavxrtv imätv t^v ax^pox^aiap
& xt uifxhg t'iQÜtxriau xul ah ngög xu(^X€t ÜKag un^Hglfü) nngiittv ivuyvtbvat
x&v tfiXtop oaot •/ inuxovaui xtbv aätv Xo'/tnv u^ioi.
218 Kapitel IX. Saturnalienschriften.
erkannte, zu trösten versucht. Der Priester hat sich über die un-
gleiche Verteilung der irdischen Güter beklagt, da sie gerade den
Frevlem zufallen — wer denkt nicht an die * Widerlegung des Zeus'
und den 'tragischen Zeus'?^) — ; der Gott hat leider nicht die Macht
zu ändern, was Klotho und die Moiren bestimmen — die Rück-
beziehung ist deutlich — , aber er will zum Schutze der Armut Ge-
setze geben für sein Fest und, falls sie ungehorsam sind, die Reichen
mit der Strafe bedrohen, die er einst an dem üranos vollzogen hat.
Nun folgen die Gesetze. Zuerst: Nichts soll gearbeitet werden als
was fürs Fest nötig ist; allgemeine Freiheit und Gleichheit soll
herrschen. Das zweite Gesetz regelt die Versendung der Geschenke,
die nach der Entsühnung des Hauses und dem vollbrachten Opfer an
die Freunde geschickt werden sollen, und bestimmt, wer zur Über-
bringung verwandt wird und wie er sich zu benehmen hat, und
andererseits wie die Armen die Geschenke anzunehmen und welche
Gegengaben sie zu schicken haben. An dritter Stelle folgen Bestim-
mungen über das Zechgelage, besonders über die wünschenswerte
gleichartige Behandlung auch der Armen, denen sich selbst der reiche
Wirt an diesen Tagen gleichstellen muß.
Für das ganze Motiv mag es hier genügen an den früher er-
wähnten vö^og övööLttxög der Hetäre Gnathaina^) und die lex Tap-
pula^) zu erinnern, die ja mit den Saturnalien auch im Zusammenhang
steht. Ob sich bei Menipp, z. B. im 'Symposion', etwas Ahnliches
fand? Jedenfalls der Geist, der aus dieser Lucianischen Schrift spricht,
ist nicht menippisch; es fehlt der Witz, und das Ganze macht einen
etwas greisenhaften Eindruck.
Ins richtige Licht gesetzt werden diese Gesetze, wenn man die
Schilderung in Juvenals 5. Satire daneben hält. Die Vorschrift, jeder
solle bei Tisch liegen, wie der Zufall es fügt, und es solle kein An-
sehen einer Person oder Würde geben, ist gegen Juvenals Bemerkung
(V 17) gerichtet, nach der dem Klienten der niedrigste Platz an-
gewiesen wird.*) Daß derselbe Wein allen vorgesetzt wird, tut offenbar
1) lupp. conf. 16, lupp. trag. 19. 47.
2) Siehe Kap. I S. 36.
3) Vgl. von Premerst^in, Lex Tappula, Hermes XXXIX [1904] S. 327 ff., der
S. 341 und 347 richtig den Vergleich mit Lucian zieht. Der Zusammenhang mit
den Saturnalien ist aus der Angabe des Datums erschlossen S. 334 f.
4) Saturn. 17: Kata-nEiad-co onov av tv%ri STiccötos' cc^ico^a r\ yevos t) nXovtos
oXlyov gvvtsXbItcü ig TtQOvoiirjv, Juv. V 17: tertia ne vacuo cessaret culcita
lecto. Auf die Übereinstimmung weist allgemein hin Friedländer, Sittengeschichte
Roms P S. 391.
Lucian und Juvenal. 219
sehr not zu befehlen; denn in der römischen Satire liest man (24 — 37),
wie dem armen Gast ein ganz abscheuliches Getränk serviert wird,
während der Herr sich die älteste Marke seines Kellers vorsetzen
läßt.\) Den Dienern wird empfohlen nicht nach Gunst oder WiUkür
zu langsam zu sein oder zu schnell vorüberzufliegen und nicht dem
einen große, dem andern kleine Stücke zu verabfolgen; das erinnert
an die Verschiedenheit in der Bedienung, die Juvenal von Vers 52 an
hervorhebt-), und die Verschiedenartigkeit der Speisen, die der Herr
und der Klient erhalten (80 ff.). Der Klage, daß der Reiche dem
Armen kaum jemals zutrinkt, der Arme es aber überhaupt nicht
wagen darf, jenem vorzutrinken (127 ff.), entspricht die Vorschrift, es
solle jedem erlaubt sein, einem anderen einen Trunk darzubringen,
nnd der Reiche solle den Anfang machen.^) Es ist auffällig, daß
diese Gesetze sich in ihrer Reihenfolge an die Darstellung der Miß-
stände in jener Satire genau anschließen; und man kann sich des
Gedankens nicht erwehren, daß Lucian durch seine römischen Freunde
von Juvenals farbenreicher Darstellung des unglückseligen Klienten-
daseins Kenntnis gewonnen hat und darauf in freier Weise Bezug nimmt.
Es sei hier vergönnt, auf eine andere Schrift, die durch ihre intime
Vertrautheit mit römischem Leben uns ebenso zu Juvenal führt*),
hinzuweisen; es ist dies das auch in der Form schon an die römische
Satire erinnernde Werkchen über die 'Hausphilosophen', das sich darin
mit dem 'Nigrinus' berührt. Der ganze Jammer der Klienten beim
Murgenbesuch zeigt sich, wie im 'Nigrinus' 22, so hier (10): Da heißt es
früh sich erheben und vor der Türe stehen, während man hin- und her-
1) Satum. 17: ol'vov tov avrov Ttiveiv cinavrag, Juv. V 24: viuum quod
sucida Dolit lana pati, dagegen V '60: ipse capillato diffusum consule potat,
51: non eadem vobis poni modo vina querebar? vos aliaiu potatis aquam.
2) Saturn. 17: ot didxovot ngug %dQiv ^r\8svl ^r\dhv, ccXXoc {ir\8h ßgocdwirutcuv
liridk nccQanttia&biaav ^ar' av avtoii don^ /i/jd^ ra> (ihv fisydXa^ vm Sh
xo/itdf/ iLt'KQu nuQctxi&ia^oi, .luv. V 62: quando ad te pervenit ille? quando
rogatufl adeHt calidae gelidaeque minister?
3) Juv. y 127 ff. quando propinat Virro tibi sumitve tuia contacta labellia
pocula? quis vestrum temerarius, usque adeo quis perditus ut dicat regi 'bibe*?
batum. 18: %u\ i^tarto nafftx^tv, ijv rig i^ily, tpiXorriaiav. nccvTSf n&ci ngo-
mvittnauv , T^f H^iXtaai^ ngontövrog roö nXovaiov. Die letzten Worte, an denen
mau AnHtoß genommen hat, werden ^r>rnde durch die JuvenalHtello erst erklärt;
auch der Hoiche soll zutrinken.
4) Schon W. E. Weber in MiUi. . ....malüberBetzung hat daniuf ftufmerkHam
gemacht S. 86t), C. F. Hormauu, Ges. Abhandlungen S. 224 .\ntn. :)H hat wider-
sprochen. Die angefahrten St«Ueu sind zum Teil schon in Itupertin .luvonal-
ausgäbe notiert.
220 Kapitel IX. Satumalienschriften.
gestoßen und ausgeschlossen wird, alle Unverschämtheit anwenden,
um eingelassen zu werden, wohl auch gar die Lakaien bestechen,
und dazu muß man sich in der Kleidung nach der Würde des Herrn
richten, den man besucht, seine Lieblingsfarbe wählen, um nicht an-
zustoßen. So klagt auch der aus Rom auswandernde Umbricius Juv.
III 188: 'Wir Klienten müssen unsern Zoll zahlen und ihr Vermögen
mehren den feinen Bedienten'.^) Er äußert dabei seinen Unwillen über
die zahllosen Graeculi, die ja alles verstehen: 'Ich ertrag's nicht, ihr
Bürger, daß die Stadt griechisch wird (III 60); jene Griechlein wissen
geschickt zu reden und heftiger als Isäus' (73). Lucian führt die
Beschwerden an, die von den Römern gegen die griechischen Haus-
philosophen erhoben werden (17): 'Allein den Griechen, murrt man,.
steht Rom noch offen; jedoch weshalb werden sie uns vorgezogen? Wenn
sie ihre kläglichen Reden halten, bilden sie sich dann etwa ein wunder
was Großes zu nützen?'^) Am deutlichsten ist auch hier die Über-
einstimmung mit der 5. Satire. 'Frühmorgens beim Klang der Glocke
mußt du aufspringen und gerade den süßesten Schlaf von den Augen
schütteln und auf und ab mitherumlaufen. Fehlte es dir denn so sehr
an Wolfsbohnen und wildem Gemüse und waren die frischen Wasser-
quellen so versiegt, daß du dich in deiner Ratlosigkeit zu einem solchen
Ausweg entschlössest?' (24). Die Situation ist etwas anders, aber
der Gedanke gleich, wenn es bei Juvenal Y 18 heißt: 'Da hat nun
Trebius seinen Lohn dafür, daß er des Nachts seinen Schlaf abbrechen
mußte'; und noch charakteristischer sind des Dichters Worte V 8 ff.:
'Ja, gab^s denn keine Stufe, die frei war, um sich als Bettler drauf-
zulegen ? Nirgends eine Brücke, ein Stück zerrissener Matte ? Lohnt
sich^s darum, soviel Kränkungen beim Mahl zu ertragen? War der
Hunger so stark? Besser wär's doch, dort im Freien zu frieren und
Huudebrot zu beißen.'^) Die übereinstimmende Fassung des Gedankens
1) De merc. cond. 10: xal illö&ov tBlovvxa tfig ^vrnirig rov ovo^ccrog. Juv.
III 188: praestare tributa cliences cogimur et cultis augere peculia servis.
2) Juv. ni 60: non possum lerre, Quirites, graecam urbem, 73: sermo
promptus et Isaeo torrentior, Luc. de merc. c. 17: ov ^wvoig totg '''Ellriei rovroig
ccvi(pxt<xi 7] ^Pa^aicüV TtoXig', 'Accitoi xi ianv i(p' örco TtQoniicbvTcci ijiiätv', iiä>v
Qrindtia dv6triva XiyovtBg oiovxai xi ita^^iyad'sg mtpsXElv^
3) Juv. V 19: habet Trebius propter quod rumpere somnum debeat, 8: nulla
crepido vacat, nusquam pons et tegetis pars dimidia brevior? tantine iniuria
cenae? tarn ieiuna fames, cum possit honestius illic et tremere et sordes farris
mordere caniDi?, de merc. c. 24: icod'iv xs vTtb yicodcovi ih,ava6xäg aTiocBiaäiisvog
xov vTtvov TÖ iqdLCxov Gv\L7CiQi%-Big ccvo) Kccl "Kcixo) (Nigrin. 22 : vvuxbg ^hv i^ccnaxd-
118V0L {licrig, TtsQid^iovxsg Sh iv oivuXco trjv TtoXi^v). ovxcog anoQia. {lbv G8 ^^qiuüv
Luciau und Juvenal. 221
bei beiden Schriftstellern ist jedenfalls auffällig. Wie an dieser Stelle
durch das ava xcci xdtcjy so macht Lucian nachher (26) noch einmal auf
die Beschwerlichkeit des Weges aufmerksam, die durch das hügelige
Terrain in Rom erwächst.^) Dieser Hinweis auf die Hügel steht auch
bei Juvenal V 77: 'Das lohnte sich recht, so oft seine Frau allein zu
lassen und den steilen Berg und eisigen Esquilin hinanzulaufen!' so
seufzt der Klient; und auch bei Lucian kehrt dieser Seufzer wieder
(27), den der verachtete Gast in einem Winkel heimlich ausstößt.-)
Die ungleiche Bedienung bei Tisch findet sich auch in der Schrift
über die 'Hausphilosophen' (26), nicht ohne nähere Berührung mit
Juvenal (V 84), und zwar sowohl mit Bezug aufs Essen wie aufs
Trinken"^); und selbst von dem schlechten Wein bekommt man nicht
genug, um den Durst zu löschen; der Sklave erscheint nicht, um dem
Armen einzuschenken.'*) Die gleichen Vorwürfe haben wir in den
Saturnalienschriften (17, 22, 38). Und als Beweggrund, solche Krän-
kung zu ertragen, führen der Grieche (7) wie der Römer (V 166)
die Hoffnung auf üppiges Wohlleben an, die jedoch trügt.^) Wenn
auch Lucian vielleicht dergleichen aus eigener Anschauung schildern
(cxiv ^ rmv &YQi(ov Xaxdvcov, ineXinov 6h xai ccl Tcgrivca QBOvacci tov rpvxQOV
vdarogj üg inl rccvTcc as vn &^rixciviag ild'siv;
1) Üe m. c. 26: tu öh ßdör]v ävavta tioXXu v.a.1 xarorvra {xoiocvxr\ yccQ tos,-
olad-oc T} noXig) ntQieXd-tov.
2) Juv. V 76 f. : sciUcet hoc fuerat, propter quod saepe relicta coniuge per
moutem adversum gelidasque cucurri Esquilias etc., de m. c. 27: xaraxeift^ro^
xoiyciQovv iv fivx^ tov av^inoaiov xccl vit' aldovg yiaradsdvxois crivsig eng rb sixbg
xul aBuvzbv olycTigiig.
3) De m. c. 26: ov ^r,v ovdh i] aXXr] vjßgig cintaxiv, ScXX' oijxt robv fjjfi^j
fiövog oihe ^ ögvig byLoioc xulg aXXocig^ &XXa xm fisv tiXtioiov nccxbicc nal
ninfiX^gj aol dh veoxxbg im>itoii>og ^ (paxtci ttg vndaidriQog, Juv. V 84 f.: sed
tibi dimidio coDstrictus cammarus ovo ponitur, und 168 hofft der Klient
wenigstens: ad nos iam veniet minor al tili». In bezog auf den Wein bei Juv.
8. S. 219 Anm. 1, de m. c. 26: xaixoi ovdtTfio ixeivo ^qprjf, on xcbv aXXav ijötaxop
XB xai 7faXai6xaxov olvov ntvovxtov [lövog av tcovtiqov xivoc xocl nccxvv nivug.
(Vgl. R. Schütze, luvenalis ethicus, Grfswld. Diss. 1906, S. 18 f. 18. 90.) Aus
Lucian hat dann Alkiphron, Tarasitenbrief 87 (l 20), seine Darstellung entlehnt.
4) De m, c. 26: xai ii'Q-t y« xuv ixtivov ig xdprjr ijv nietv, vvv di itoXXäxtg
alxi^aawog 6 nulg ovd' &iovxi fotxev, Juv, VöOflf.: tu Gaetulum Ganyxuedom
r»;Hpice, cum sities: ncscii tot inilibus emptus pauperibus iiii^oiMo ]mor
quando ad te penrenit ille? quando rogatui adest . . . .?
6) Juv. V 160: spes bene cenandi voi decipit (I 188: quHiiKjiKiMi i<',,^ip^..ua
cenae fpea homini), de m. c. 7: iidovf)g fvtxa xa\ xCtn' noXX&v xa\ a^pöoif iXniSnp
i9ni\dä¥ airrohg ig xu otxiag, 7 ex.: ninQuxxai d' ovv aiftolg •
ßitp nigct rf/g iXnldog. Hier muß auch verglichen werden Lu<
222 Kapitel IX. Satumalienschriften.
konnte — ' denn Plinius (ep. II 6) bürgt uns als unparteiischer Augen-
zeuge für das Vorkommen des Dargestellten — , so ist die Überein-
stimmung der Gedanken doch zum Teil so weitgehend, daß man die
Kenntnis Juvenals bei ihm voraussetzen möchte.*)
Ließ sich bisher bei diesen Saturnalienschriften der Einfluß Me-
nipps nur ziemlich vage bestimmen, so wird man bei den folgenden
'Kronosbriefen' doch zu deutlich an Menipps inLötoXal xeoio^t^v^^vai,
ccno Tov xcbv d'scjv jtQoöcoTtov erinnert, als daß hier der Zufall mit-
spielen sollte. Im einzelnen mag und muß wohl aUes anders sein ala
bei dem alten Kyniker, aber das Motiv stammt zweifellos von ihm.
Es sind vier Briefe, die für Luciaus Art wieder außerordentlich lehr-
reich sind und unsere früheren Beobachtungen bestätigen. Zunächst
schreibt ein Armer an den Saturnaliengott und erinnert ihn an einen
früheren, unbeantwortet gebliebenen Brief. Er klagt lebhaft über
die Ungleichheit des Besitzes, um so mehr als sie einen schrillen
Gegensatz zu Kronos' goldener Herrschaft bildet. Hier kehren die
Bemerkungen des Kronos selber aus seinem Gespräch mit dem
Priester (7) teilweise wörtlich wieder, darunter der zur Schilderung
der glücklichen Zeit verwandte Homervers und der Hinweis auf
die goldenen Menschen Hesiods.^) Der Arme würde sich bescheiden,
wenn er nur ein wenig am Überfluß der Begüterten teilnehmen dürfte-,
aber wenn sie einen zum Mahle hinzuziehen, so sollen sie dabei sich
nicht hoffärtig und geizig zeigen. Es folgen dieselben Vorwürfe, wie
sie dem dritten Gesetz zur Voraussetzung dienen, betreffs der un-
gleichen Behandlung durch die Diener und der ungleichen Speisen.^)
dh rfig TtL-agäg xccvxri? ccvrotg nsQioSov tb cpogriytov Hslvo dsiTtvov yiccl noXXav
cchiov av^icpogav und Juv. Yl2f. : primo fige loco quod tu discumbere iussus
mercedem solidam veterum capis officiorum.
1) Vgl. auch unten S. 224 Anm. 2 und Kap. I S. 60. Ebenso urteilt Gereke,
Gott. Gel. Anz. 1896, S. 971 f. Der Einspruch von Schütze S. 90 hat keine Be-
rechtigung, da er nur subjektiv ist.
2) Hom, Od. IX 109, Sat. 7 : ötiots ccgtcoqcc Ttal &vi]qozcc Ttdvtcc icpvsto avxoi?y
20 : aXX' 7] ^hv yfj aünogog xal &V7]QOtog ^cpvsv ccvxolg xa ayuQ'a.. 7 : ayccd'ol yaq
Tjöccv v.al 'ji^Qvüoi &7tccvx£g, 20: x6 Sh [liyiöxov , ccvxovg i-asivovg qxxal xovg ccv^Q(o-
novg ')(^Qv60vg slvca.
3) Saturn. 17: ^lolga -ngscbv xax' i'oov anccöLV ol Sicckovol ngög 'ji^a.Qiv ^iridsvi
[iridbv^ aXlä ^rids ßgadvvixcoGav iiriSh jtagajtExiGd'coGccv . . . ^ridh xä fisv ^syccXcc^
x(p dh -/tofttd^ iiLTiQU TtagaxLd'iod'co. 22: ig xb &r]^oxLJia)XSQOv, ag in' lörig ^isxix^'''^
ccTtavxccg %ccl ^7] xbv ^lev i^cpoQslad'aL xötv öipcov xal xbv oly.ixriv tiequl^vslv
kcxäixcc, %6x' av ccTtayogsvörj i6&icov^ icp' jj^äg dh iXd-ovxa ..... naoay.elßsod'ai,
dsL^avxa ^lorov X7]v XotcccScc. Auch betreffs des Weines wird für die Bedienung
größere Pünktlichkeit empfohlen und vor allem gewünscht (22): xbv olvov dh
Götterbriefe. 223
Sollten die Reichen sich nicht dazu verstehen, ihr Benehmen zu ändern,
so würden ihnen die schlimmsten Verwünschungen seitens der Un-
bemittelten zuteil werden.
In seiner Antwort weist Kronos zunächst die Bitte um Ausglei-
chung der Lebensschicksale ab, gerade wie in dem Gespräch mit dem
Priester (2), da jetzt Zeus Herr darüber sei; doch in bezug auf die
sieben Festestage will er seine Macht geltend machen. Die Aufträge
an die Reichen, die sich darauf beziehen, sollen erfolgen; aber im ganzen
muß der Gott doch die Mahnung aussprechen, die Lage jener nicht
falsch zu beurteilen und für beneidenswert zu halten. Er schildert
ihre ewige Furcht und Besorgnis, die den Reichtum eher als etwas
Meidenswertes erscheinen läßt. Auch ist die Lebensweise der Armen
weit gesünder als die der Begüterten und sichert ihnen ein höheres
Alter in Rüstigkeit. Diese Äußerungen berühren sich größtenteils
mit den Darlegungen im 'Hahn', dessen Schlußbilder die Illustration
dazu liefern ^j; auch was über die unglückseligen moralischen Verhält-
nisse bei den Reichen gesagt wird, stimmt genau zu dem dort Ge-
sagten, wo Mikyllus des Eukrates Weib im Ehebruch mit einem
Sklaven sieht.^) Und der Vergleich mit den großen Standbildern, die
außen glänzen, inwendig aber Balken und Nägel zeigen ('Hahn' 25),
ist hier ersetzt durch den von den tragischen Gewändern, die prunk-
voll scheinen, sich aber aus billigen Lappen zusammensetzen (28).*)
Wenn die Armen, fährt Kronos fort, nicht von selbst eine solche Be-
wbrbv nßöi rolg avii,7i6rais tvu xal xbv uinbv tlvcei wie in den Gesetzen 17: otvov
zov ainov nivttv anccvrag.
1) Die Krankheiten, die dem Reichen drohen, werden aufgezählt gall. 23:
ol dh vn* &xQaalag &&Xtoi. rt t&v xaxdv oix fjjovfft, Ttoddygag xal (pd'6ag xal
TttQiTivtvfioviag xul vSigovg. rat>ra yap r&v ytoXvTeXibv ixBiviov dfinvcav
änoyovu^ Saturn. 28: t) (p&driv i) mginv^viioviccv ri vdiQOv ov xccXencjg avv-
tXiiavro ix rf^g jtoXXfjg TQV(pi)g. Die Blässe des ewig von Sorgen gequälten
Reichen, sein bestündiges Wachen finden wir gall. 29: ^xifbg d* iarlv o^x ol9*
od^iVf 80: otfurnj^f xal dictyQvnvfi.^ 31 : dgag inayQVTCvo^vxa .... i)7(b (pQOVti'
Ütov, hier 28: i) xiva äv ttir&v gaditog dft^cci dvvaio /t») ndrcmg dtxQbv ^yta,
26: at tf yäg (pQOvtldig al ntQl tovttov oif iiixQaiy &XX* ävdyxri ircaygvnvitv
ixdaToig.
2) Oall. 82: rr}P yvvatxu Sh hi(fa»d'i (mb roO (ucyftQov itoi x^voiUvriv xal
uirti^v^ 26: x&xtlva Xvmty 6 iff&^ivog itQbg icvdyxriv ^vvoiv xal naXXaxlg
&XXtp xttlifovöa, Saturn. 29: iA Xiyttv iaa &XXa Xvntt aittovg yvvri toi>
olxixov iffAaa r) (QÖ^itvog nqbg &vdyxf\v \i&XXov i] n^bg iiüov^v awfitv.
8; Hatum. 2H: i)X6xQvaov \t\v xa f£o), xard(>paq;or Öl xä Mo¥^ Acnt^ «1
xQaytxul ia^tfxtg ix ^axüiv itdvv ti^xtXtbv ffryxfxatTv^^i»«» ; der Vergleich findet
»ich auch hei Aristidct vn r r»fr«#. luti (898 D). (Vgl. oben Kap. T S r>9 .
224 Kapitel IX. Saturnalienschritten.
wunderung für die Besitztümer der Reichen äußerten, so wären diese
genötigt, sich zu jenen zu begeben; denn der Reichtum bringt
keine Freude, wenn ihn niemand sieht und bewundert. Der Gedanke
findet sich mit Wortanklängen wieder im 'Nigrinus' (23).^) Den Be-
schluß bildet der Mahnruf, an den Tod zu denken, der die Gleichheit
völlig wiederherstellt, wie das im ersten 'Totengespräch' (4) aus-
gedrückt war.
Demselben Stoff ließen sich noch zwei Briefe abgewinnen, wenn
auch nicht gerade zum Vorteil des Ganzen und zur Steigerung des
Interesses, sobald Kronos nun den Reichen diese Wünsche der Armen
mitteilte und sie sich gegen die Vorwürfe verteidigten. Zu diesem
Zweck ist ein dritter und vierter Brief angefügt. Kronos beginnt mit
dem Wunsch der Armen nach Gleichheit, mit dem er sie an Zeus
verwiesen habe; doch betreffs der Satumalien habe er ihnen seine
Vermittlung zugesagt. Die Reichen sollen also zunächst von ihrer
Kleidung und ihren Mitteln abgeben. Es folgt die Aufforderung zu
größerer Humanität beim Mahle mit einer Wiederholung der früher
gemachten Vorwürfe; sie verbindet sich zugleich mit dem Hinweis
darauf, daß die Armen den Reichen zu ihrem vollen Glück notwendig
sind.^) Als Lohn wird sich dann auch das Aufhören des Neides er-
1) Nigr. 23: sl 8 h y,ccv itgog öXlyov a.ni6%ovxo xf]68£ tfjg id^eXodovliag^
^vx ccv ohi tovvccvtlov ccvtovg iX&slv i^tl tag d^vQag x&v nxaxoiv dsoybivovg
xovg TtXovGLOvg, ^i] ccd-iaxov avx&v jlit]^' cc^ccqxvqov xr]v svdcci^ovlccv yiccxaXLTtstv
jiriS' ccvovrixöv ts iiccl ccxqtigxov x&v XQarcs^mv xb 'ndXXog y.ccl x&v ohcov x6
/ityf'O'og; ov yag ovxco xov TtXovxtlv ig&GLV ag xov Siä xb nXovxüv svdai^ovi-
^söd'ai. yiccl ovxco dr] ^xei fii^ösv bcpsXog slvai TtSQiyiaXXovg oi-niag .... sl ii-q
xig ccüxä &ccviid^Oi. Saturn. 29: si. 8s vtcbqscoq&xe ccvx&v xal iirjxs
i7ts6XQeq)86d's Ttgbg X7]v a.QyvQuv äg^d^a^ccv ^'^xs ^sxcc^v SiaXsyoyiBvaiv sig tbv iv
xa SccKxvXiG) 6yi.dQ(x.y8ov äcpecoQ&xa . . . . , sv l'oxs^ ccvxol i(p' v^iäg lovxeg
iSeovxo <^avy owSsiTtvalv^ dtg inL88i^ocLvxo vyLiv xccg TcXlvccg xccl xäg xgccni^ag
. . . . av ovSsv öcpsXog, sl ä^dqtvQog ri xrijfftg firj. xä ys xol TtXslßxcc svqolxs
KV ccvxovg vu&v evs-Kcc Kxco^^vovg, ov^ OTiag avxol ^QV'^^vxca, dXX' OTCcog v^isTg
^ccv^d^oixs. (Apul. met. V 10: nee sunt enim beati quorum divitias nemo novit.)
2) Man vergleiche mit den eben ausgescbriebenen Worten Saturn. 33: ov8'
ocv ?;jjotTf xovg d'aviid^ovxcxg v^&v xbv tvXovxov, riv fiovoL %al iSicc xorl vitb
üv.6xa) TcXovxfjxs. l8^xcoaccv ovv noXXol xal ^ccviiaadxioauv v^&v xbv dgyvQOv nccl
rag XQUTts^ccg mg Sh vvv ^x^xs, dyidQXVQog yikv i] sv8ai^ovicc^ iiti-
(pd'ovog 8h 6 TtXovxog^ &7i8i]g 8h ö ßiog, und Sat. 35: st [ivovxsg ol Ttevrixsg ßccSi-
^OLSv, ovx ccv viiäg rjviccosv ovv. ?;^ovTas olg ItiiSsI^ccigQ^s .... x&v 8ccv.xvXl(ov xb
piys&og', An Juvenal V erinnert hier noch der Vorwurf (32): et 8e noxs -kcctceIvcov
xLvug saxLäv 8Ld ^uyigov id'sX'^asxs, der auf das Saturnalienfest eigentlich gar
keine Beziehung hat, sich aber erklärt durch Juv. 15 f.: ergo duos post si
libuit mens es neglectum adhibere clientem. Neu ist auch die Ablehnung der
Charakter. Abfassungszeit. Vorbild. 225
geben. Zum Schluß werden die Drohungen der Armen berichtet.
Es versteht sich von selbst, daß diese Berichte mit den Briefen, aus
denen sie stammen, wie im Gedanken, so auch im Wortlaut meist
tibereinstimmen.
Die Antwort der Reichen besagt, auch Zeus sei schon oft mit
denselben Bitten von den Armen behelligt worden, aber er höre nicht
drauf. ^) Da Kronos jetzt herrscht, so verstehen sie sich dazu, ihm
Bescheid zu sagen. Die Vorteile, die ihnen von seiten der Unbemit-
telten erwachsen, sehen sie ein; aber deren ünbescheidenheit bat sie
gezwungen, dieselben ganz auszuschließen, falls sie nicht selber zu-
grunde gehen wollten. Wenn jene jetzt versprechen wollen, Maß zu
halten, so sollen sie am Gelage teilnehmen.
Von Witz ist in diesen letzten Briefen begreiflicherweise über-
haupt keine Spur. Wie schon die Reminiszenzen zeigen, ist ja diese
ganze Saturn alienliteratur erst nach den größeren Satiren entstanden;
dasselbe verrät der Geist dieser kleinen Schriften, der weder mit dem
Kynismus an sich etwas zu tun hat noch mit dessen Schärfe; denn
daß es sich um die Lage der Armen handelt, ist doch nur ein rein
äußerlicher Berührungspunkt.^) Man sieht, Lucian hat sich aus-
geschrieben und weiß auch einem neuen Motiv, wie es die Kor-
respondenz hier ist, kaum viel neue Seiten abzugewinnen. Dazu stimmt
auch der römische Gehalt; denn unter den 7t6vt]t6g sind, wie Fried-
länder richtig bemerkt hat^), durchweg die römischen Klienten zu
verstehen. Man wird nicht irregehen, wenn man diese Arbeiten dem
höheren Alter Lucians zuschreibt, in dem seine Annäherung an die
Römer ihn schließlich bis zur Übernahme eines Amtes in Ägypten
führte. In der ganzen Art, den Stoff hin- und herzuwenden, ist er
sich gleich geblieben, und auch die Menippische Anregung mangelte
nicht; aber die eigene Schaffenskraft ist erlahmt. Gern möchte man
aus diesen Götterbriefen, in denen das Menippische Vorbild so nahe
liegt, etwas über den Inhalt der gleichartigen Schrift Monipps ent-
nehmen können. Aber gerade hier ist Lucian ganz aktuell geworden,
hat sich ganz an die römischen Satiriker angeschlossen und dadurch
ftopnfpceyUtf die Jav. I 186 ff. geißelt, (84): oifSk fäg ovdh d^oitog i^dv olfiai (i6vop
-'((tj^ai &0niQ TO^tf Xiovxds qpatft xul xoitg ^Lovtove xtbv Xvtiav. Mit Borück-
i^iing dieser novotpayia hat den obigen Gedanken der Vorf. des Tarasiten-
dialoges* (68) aufgesprochen: nhivaiog Av^q, tl %al tb Fvyov xifvalov fjt», fi6pog
iö^Uav niPTis iarX xn\ ngoXotv &vtv nuQaalrnv nrmx^i 8ox$T.
1) Hatum. 80: nuifunovti avx&v rä noXXä wie Itipp. conf. 1: oqA yoliP 9» tii
TioXXa nuQHxovovrtt ti^x^^iivtov aiyt&v. '1) Hirzel, Der Dialog II S. 8S6.
X Sitt^MiuoH.l,. Un!t)H I" S. 8i>l Anm. 2.
226 Kapitel IX. Saturnalienschiiften.
völlig verdunkelt, was er in seiner Vorlage gefunden. Aber zweierlei
bieten doch diese Verhandlungen mit Kronos, was in den Bereich der
Satire Menipps wohl passen könnte: die Kritik der Sagen, wie sie
scherzhaft in der Unterredung des Priesters mit Kronos angedeutet
ist, und die Rechtfertigung des Verhaltens der Himmlischen in bezug
auf die Verteilung der irdischen Güter an die Menschen; beides konnte
sehr wohl auch in den tjaötoXal KEXo^xl^sv^svai änb xov tcjv d-eav
TiQoöcbnov einen Platz finden, sobald man sich fds die Adressaten
dieser Briefe wie hier bei Lucian sterbliche Erdenkinder ^) denkt, die
ihren Zweifeln oder ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verliehen haben.
Bei dieser Annahme wäre es nicht unmöglich, daß ein Teil des Stofies,
der jetzt etwa in der 'V\^iderlegung des Zeus' und im 'tragischen Zeus*
steht, durch Andeutungen in diesen Briefen mit angeregt ist. Aber
über eine Vermutung ist es nicht möglich hinauszugelangen. Die
Saturnalien haben auch den Stoff von Mimen gebildet, wie der gleich-
namige Titel eines Stückes des Laberius zeigt; und vielleicht hat
Horaz daher das Motiv für die Satiren II 3 und 7 entnommen. Aber
Lucian hat aus dieser Quelle, die den toUen Fastnachtsspuk in bur-
lesker Weise auf der Bühne darstellte, nicht geschöpft.
1) Yielleicht war es Menipp selber, der in Berührung mit den Göttern
trat. Die eigentümliche Überschrift: iyco Kgova xcciQnv und Kqovois iiiol rm
xifiKOTcitco %oiiQBiv legt die Vermutung nahe. Wir würden dann den Zusammen-
hang mit dem ^Ikaromenipp' und der 'Widerlegung des Zeus' wieder empfinden.
Kapitel X.
Die Versteigerung der Lebensarten.
Man hat die Empfindung, als ob Lucian in den Unterwelts- itnd
Himmelsdialogen sich noch recht eng an sein Vorbild angeschlossen
hat, als ob er an ihnen gleichsam diese Gattung der Literatur erlernt
hat. Bei den übrigen Satiren fühlen wir wohl hier und dort in Einzel-
heiten oder im Hauptmotiv die Anlehnung, aber es scheint sich doch
eine größere Freiheit zu verraten; er hat nun schwimmen gelernt
und kann sich voll Selbstvertrauen mehr seiner eigenen Kraft über-
lassen. Zu diesen Werken gehört die 'Versteigerung der Lebens-
arten', da sie, jedenfalls in Menipps Schriften, nur für einen kleinen
Teil eine unmittelbare gleichartige Vorlage mit demselben Motiv hat;
und sonst läßt sich eine enge Anlehnung an irgend eine andere Quelle
für uns nicht mehr konstatieren.
Zeus läßt den Hermes zur Auktion die Käufer herbeirufen; ver-
steigert werden zunächst nur die philosophischen Lebensweisen, die
allzu durcLsichtig durch die Stifter oder Hauptvertreter der einzelnen
Schulen repräsentiert sind. Sie bringen einen Preis, der in gewisser
Weise der Verbreitung entspricht, die jede Schule gefunden hatte,
im übrigen auch auf die größere oder geringere Vornehmheit der-
selben Rücksicht nimmt; Heraklit und Demokrit, sowie Aristipp
bleiben unverkauft; der platonische Bios kostet zwei Talente, der
rüpelhafte des kynischen Bettelphilosophen geht für zwei Oboleu ab.^)
Den Stoff für die Satire bilden bald Ereignisse aus dem Leben jedes
einzelnen Philosophen, bald Aussprüche oder Gedanken aus seinen
Lehren in mehr oder minder einseitiger Beleuchtung. Am ärgsten
ist Lucian dabei mit den Stoikern umgesprungen, deren moralische
Maximen er direkt in ihr Gegenteil verkehrt^); und hier ist seine
1) Siehe Neue Jahrb. f. d. klan». Altert. IX (1908) S. 196. Eine BerOhruug
mit (li'in Motiv zeijft der Ati tider des Kratee bei Diog. L. VI 86: yiio-
a6tftp rQtf'n(io).ov ivgl. llau^»', ' Iüh. LXI |nMH;| S. 10).
2) Ebendort S. 27:.
228 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
Satire zweifellos aktuell, wie uns die Ausführungen des Stoikers
Epiktet zeigen, der selbst darüber klagt, daß man die Philosophie
nur in bestimmten Spitzfindigkeiten der Rede, wie der Kenntnis des
auch von Lucian (22) genannten tcvqlsvov, sehe, wahre Stoiker aber
nicht zu finden seien. ^) Die Reihenfolge der einzelnen Sekten zeigt
ein deutliches Bestreben, durch Abwechslung und grelle Gegensätze
zu wirken. Auf den ehrwürdigen Pythagoras folgt der schmutzige
Diogenes, unmittelbar darauf der Geck Aristipp; unter sich kon-
trastieren Demokrit und Heraklit, der ewig Lachende und der ewig
Weinende. An den erhabenen Piaton schließt sich der Schlemmer
Epikur und wieder in scharfem Gegensatz der finster blickende Chry-
sipp, der die Hauptkosten der Satire zu tragen hat, also Epikureer
und Stoiker nebeneinander, wie sie im Leben so oft aufeinander stoßen
und in beständiger Fehde liegen. Den Beschluß bilden Aristoteles
und der Skeptiker, der selbst an dem Faktum zweifelt, daß er ver-
kauft ist. Mit der Ankündigung, am nächsten Tage die übrigen
Lebensarten^) der Handwerker und Gewerbetreibenden versteigern zu
wollen, hebt Hermes die Auktion auf.
Es ist bei der Eigenart dieser Schrift begreiflich, daß sich Be-
rührungspunkte mit den andern weniger als sonst finden. Der Schluß
ist wie im ^Doppeltverklagten' und ^Anacharsis' nach dem Muster
Piatons gebildet, der ja mehrere Dialoge mit dem Hinweis auf eine
angebliche Fortsetzung der Unterredung beendet.^) Die Szenerie
im Anfang, das Auftreten des Zeus und seines Dieners Hermes, wie
der Auftrag, der diesem zuteil wird, erinnern ganz an den 'Doppelt-
verklagten'; es ist aber bezeichnend, daß hier die Umrahmung gleich-
sam nur angedeutet ist, während an und für sich eine genauere
Begründung der folgenden Szene hier ebenso gut wie dort möglich
gewesen wäre. Man wird daraus schließen dürfen, daß die ^ßicjv
TtQäöLg^ später verfaßt ist und Lucian das Motiv nicht in der-
selben Breite wiederholen wollte, zumal, wie wir später sehen werden,
1) Epict. U 19, 24: dsi^at', inLd'v^m xiva vi] rovs ^sovg tdsZv ZtcovKÖv und
19, 28 ganz lucianiscb: tc^ql^-^^svol G%T]^a ScXXoxqlov TtsgiytarstTS YXinxai xal
XcanodiTcci tovrcov x&v ovdsv TtQOGrpiOvxoiv övo^ccxav kccI TCgayiiccxonv.
2) Die Anregung, die darin liegt, ist in der Tat von Nachahmern benutzt
worden; Theodoros Prodromos verfaßte eine ßlcov 7tQ&6ig TtoiriXLyiöov xcci 7toXixLxä>v,
in der Homer, Hippokrates, Aristophanes , Euripides, der Jurist Pomponius und
Demosthenes versteigert werden (Notices et extraits de la bibliotheque imperiale
VIII 2, 129). Krumbacher, Gesch. d. byz. Litt.^ München 1897, S. 756.
3) Elaccvd-ig Euthjphr. 15 E, Protag. 361 E, Erat. 440 E, icod-av Theaetet.
210 D, cci)QLov Lach. 201 C.
Berührungen mit anderen Dialogen. 229
noch ein anderes Argument hinzukommt. Auch die Bezeichnung des
Stoikers als Gniphon (23) läßt vielleicht einen Schluß auf die Chro-
nologie zu; man möchte glauben, daß die ausführliche Schilderung
dieses Wucherers im 'Hahn' (30) und in der 'Niederfahrt' (17) vor-
hergegangen und der Name dadurch dem Schriftsteller wie seinen
Hörern vertraut geworden war. Die Übereinstimmungen beschränken
sich sonst fast ganz auf 'Hahn', "^Totengespräche' und 'Wahre Ge-
schichten', von denen die beiden letzten ja zweifellos nach den Stellen
der ^ßlcjv TiQudLg' geschaffen sind; in Kleinigkeiten berührt sich auch
der 'Hermotimos' mit unserer Satire. Zunächst Pythagoras! Mit der
Legende von der goldenen Hüfte wird in der 'Versteigerung der
Lebensarten' ein Schlußeffekt erzielt (6) ^), sie ist ebenso in dem 'Toten-
gespräch' 20 (3), dem 'Hahn' (18) und den 'Wahren Geschichten' (U 21)
verspottet. Das Verbot des Schweigens ist hier (3) wie im 'Hahn' (4)
vorgebnicht-); ebenso ist das Verbot des Bohnenessens in beiden
Schriften berührt, nur mit dem Unterschied, daß hier (6) eine Anzahl
von Gründen dafür genannt wird, im 'Hahn' (4) der bekannte dem
Orpheus zugeschriebene Vers herangezogen ist: lööv toi xvd^ovg re
(pcr/Hv x£(puläg t£ toxijcov^ auf den dann im 'Totengespräch' 20 (3)
wieder bezug genommen ist. Wie die Witze über Pythagoras, so ist
der über Sokrates^ Knabenliebe auch sonst wiederholt; er bekennt
sich hier selbst als Knabenliebhaber (15), im 'Totengespräch' 20 (6)
weilen Charmides und Phaedrus bei ihm, in den 'Wahren Geschichten'
(H 17) Hyacinth, Narciß und Hylas. Piatons Staat ist in den 'Wahren
Geschichten' (H 17) ganz deutlich nach dem Muster unserer Schrift (17)
verspottet^); auch die Weibergemeinschaft im besonderen wird in
gleicher Weise behandelt.^) Aristipp duftet nach Myrrhen^) hier (12)
wie 'Totengespräch' 20, 5. Bei dem Skeptiker wird mit dem xcrra-
ku^ßavtLv Scherz getrieben*); er kann einen Sklaven nicht verfolgen,
weil er ihn nicht 'fassen' kann (27), in <1mi 'Walivfn G« 'schichten'
1) Vit. a. G: x{fvaovs ui)x<a 6 iitiQOg iaxiv, dial. mort. 20, 3: oijx^r» XQvaoüs
(i \iriif6i iaxi aoi.
2) Vit. a. 8: Atfcoviri xal n^vtt Sicov h^cav XaXieiv \LTidiv, gall. 4: XdXog tly
n df- öKonav ig nivxt 8Xa frrj oliuei rtagyjvH.
li) Vit. a. 17: oixCb nhv {\iavx(o rtra n6Xiv itvaTiXunagy xQäuLoti dh noXixtia
' • ', %ul v6(jLovii i'Ofii'^oi Tovtf ^fiovi»% vef. hirtt. I117: (Xiytxo xal avxbg iv xfj
( /< TXKuaOtioij »*'T* ( vT<iv rroln olxtlv xif^l^^^'^S ^ii TtoXirtiu xal xotg i'O^oi; oltj
avvi'/ffu^tp.
4) Siebe .N< u. ..»..i.. ... i'JO*i) S. 208 f.
6) Vit. A. 12: &nonv»l iivi/mv, dial. mort. 20, 6: inonvi<ap fiv^ov,
6) Siehe Neue Jahrb. IX (1902) S. 208.
230 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
(II 18) können die Skeptiker nicht zur Insel der Seligen gelangen,
weil sie dieselbe nicht 'erreichen' können, und beide Male wird ihnen
Trägheit*) zugeschrieben. Bei Aristoteles wird die Anerkennung der
äußeren Güter erwähnt (2^)^ die dann 'Totengespräch' 13 (5) ver-
höhnt wird. Epikur heißt angenehm und umgänglich (19) wie in
den 'Wahren Geschichten' (II 18); seine Theologie wird hier mit dem
einen Wort ccöeßaötsQog abgetan, während im 'Doppeltverklagten' (2),
in der 'Widerlegung des Zeus' (7/8), im 'tragischen Zeus' (17) und 'Ikaro-
menipp' (32) die epikureische Ansicht ausgeführt wird, wohl ein Kri-
terium für die spätere Abfassung der 'Versteigerung'. Die Stoiker
werden wegen ihrer (pavtaoCa xat aXriTtxLTcrj verspottet (21) wie im
'Hermotimos' (82) und im 'Gastmahl' (23); der Syllogismus mit dem
Krokodil wird hier ausführlich gegeben, 'Hermotimos' 81 angedeutet.
Statt des ganz geläufigen 'Gehörnten' im "^Hermotimos' (81) und 'Hahn'
(11) wird hier (25) durch einen Schluß eine Versteinerung bewirkt.
Die ccdLä(poQa^ TCQorjy^Eva und ocTtoTCQorjy^eva bringt die Stoa wie hier (21),
so im 'Doppeltverklagten' (22) vor. Das Paradoxon, daß der Weise
allein reich, König usw. ist, findet sich hier (20) wie im 'Hermotimos'
(16 und 81). Diogenes nennt sich latQÖg rcbv %a^Cbv (8), wie der
Kyniker in der 'Niederfahrt' (7) als latQog r&v ävd'Qco'jtCvcov cc^uq-
trj^dtcDv bezeichnet wird. Man sieht, die meisten Übereinstimmungen
bieten die 'Wahren Geschichten', in denen Lucian bei der Episode
auf der Insel der Seligen verwertet hat, was er in der 'Versteigerung
der Lebensarten' zusammengestellt hatte.
Besondere Anspielungen historischer Art darf man in dieser
Schrift, die sich nur gegen die Philosophen richtet, nicht erwarten,
immerhin sind die Namen der als Vertreter der einzelnen Schulen
gewählten Männer zu beachten. Karneades und Posidonius sind nicht
erwähnt, und über das dritte Jahrhundert geht Lucian auch hier nicht
hinaus. Die Skepsis vertritt Pyrrhon, der durch den Sklavennamen
Pyrrhias deutlich bezeichnet ist. Der späteste, der genannt ist, ist
Chrysipp, dessen Tod in die 148. Olympiade (208 — 4) fällt. Seine
Lebensdauer wird verschieden bestimmt; wenn die ^axQÖßLOL in Lucians
Schriften (20) und Valerius Maximus (VHI 7 ext. 10) ihm mit Recht
mehr als 80 Jahre zuschreiben, so könnte er um 290 geboren sein.^) Da
seine Schriftstellerei ungeheuer groß war^) — Persius soll von ihm
700 Bücher in seiner Bibliothek gehabt haben — , so muß er schon zeitig
1) Na&'^g und v7tb vadslag. 2) ApoUodor bei Diog. L. VII 184 gibt ihm
nur 73 Jahre (vgl. oben S. 95 und Jacoby, ApoUodors Chronik S. 371).
3) Diog. L. YII 180 gibt mehr als 705 Bücher an.
Menipp als Vorbild. 231
begonnen haben literarisch tätig zu sein; es wäre also nicht undenkbar,
daß Menipp sich schon gegen ihn gewandt hätte. Aber der Ansatz ist
zweifelhaft, und die Bedeutung Chrysipps für die Ausbildung der Schule
überragte die des Gründers so sehr, daß Lucian seinen Namen auch
selber hätte einsetzen können, wo er den des Zeno fand. Ob also Menipp
die Auswahl der versteigerten Philosophen veranlaßt hat, muß zweifel-
haft bleiben, ebenso wie die Verwendung, die etwa dessen Schrift :tQbg
rovg (pvöLxovg (Diog. L. VI 101) oder sein 'Arkesilaos' (Ath. XIV 644 e),
der doch eine Verspottung der Skeptiker enthalten mußte ^), bei Lucian
finden konnte; jene hätte ohnehin für diesen Stoff wenig oder nichts
bieten können, und dieser könnte nur für die Behandlung des Skepti-
kers am Schluß in Betracht gekommen sein. Aber an einem Punkte,
glaube ich, läßt sich die Einwirkung des menippischen Vorbildes
deutlich verfolgen und damit die Anregung für das ganze Motiv des
Verkaufs auf dieses zurückführen.
Der Kyniker Diogenes wurde, von Seeräubern gefangen, in
die Sklaverei verkauft, und es sind bei dem Biographen des Philo-
sophen, Diogenes Laertius, an verschiedenen Stellen Notizen über
diese Verkaufsszene erhalten. Wo er zum ersten Male davon spricht,
hat er als seinen Gewährsmann (VI 29) Msvinnog iv /Jioyivovg Tcgccöei
genannt; man wird es um so weniger für Zufall halten, daß auch
Lucian den Diogenes hier versteigern läßt, wenn wenigstens das eine
Wort sich in der ßCcov TtQäaig (8) genau ebenso wiederfindet, wie bei
dem Biographen (VI 63), nämlich die Antwort auf die Frage nach
seiner Heimat: 'Ich bin Bürger der Welt.' Menipp hatte natürlich
eine ausgeführte Szene geschaffen oder ein Gefüge mehrerer Szenen,
und hier mußte alles, was mit dem Verkauf in Zusammenhang stand,
gesammelt sein; wenn andererseits bei Diogenes L. und sonst mannig-
fache Züge von jenem Verkauf erzählt werden, so ist man wohl
berechtigt anzunehmen, daß sie sämtlich auf eine hervoiTagende Quelle
über dies Ereignis zurückgehen, und als diese ergibt sich eben Menipp.
Ich muß den Leser bitten, für einen Augenblick sich die Kompilation
der Vitu bei dem Biographen anzusehen. Da zeigt sich, daß er mehrere
Gewährsmänner — mindestens vier*) — hintereinander ausgeschrielxm
1) Die umgekehrte Situation wie bei Lucian, dafi der Herr der Skeptiker
int, netzt der Spott Epiktett gegen die Akademiker voraus, das Heilmittel int
das gleiche II SO, 28: iö^itav nol^ *p4ff9t9 r^y z^r^a; eis tä 6x6^01 rj ils ritp
6tp9aXfi6v\ Xov6ii»vog not ifißalvHg; tt rtvog aitxdtv Sof^Xog ijurip^
»l nul IdH ft« xtt^' ^fiiQttV im' n^^rotv fuS^gea^at, fyut civ crAr6v iaxQfßlovp.
2) Vgl. Rahnsch, Quaest. de Diog Laert. fontibus, Dtss. Königsberg 1868«
232 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
hat, wobei er im allgemeinen wohl ergänzen wollte, manchmal in-
dessen sich auch wiederholt hat. Die vorhandene Absicht, nur das
Vergessene nachzutragen, verrät sich deutlich in dem Zusatz § 34:
xal xakka o6a av(o ngosCgrixai^ womit auf § 23 zurückgewiesen wird,
ebenso in der Phrase § 72: oXovg avoo TiQoeLQTJxa^ev und § 74: ojg
dfiXov i^ G)v nQ06LQr]xa^sv', gerade der letzte Ausdruck mit seinem
Anschluß an den Satz: avötoxcotarog d' Byeveto sv talg ccTtavtrjöeöL
TQjv Xoyov ist bezeichnend; der Verfasser der Biographie fand hier
wieder eine Sammlung treffender Apophthegmen, die sich größtenteils
mit einer vorher benutzten deckte; er ersetzte also die Darlegung
einfach durch den Hinweis auf das früher Gesagte. Eben diese Ver-
weise dienen auch als deutliche Argumente zur Herausschälung der
ursprünglichen Bestandteile; die oben erwähnte Zurückbeziehung in
§ 54 geht auf 23, so daß also 34 zur zweiten, 23 zur ersten Quelle
gehört; die Bemerkung in § 72 leitet den Leser zu § 37 zurück, also
zur zweiten Quelle, gibt sich also dadurch als aus einer neuen ent-
nommen zu erkennen. Schon dadurch lassen sich drei Gewährsmänner
erschließen; aber weiter führt die Beobachtung der Wiederholungen,
die natürlich nicht immer ganz gleich sind, aber doch denselben Stoff
oder dieselben Namen angehen oder dieselbe Situation zur Voraus-
setzung haben. Eine Nebeneinanderstellung dieser Übereinstimmungen
in den verschiedenen Teilen der Apophthegmensammlung der Vita
wird die Übersicht wesentlich erleichtern^):
I II III IV
|22| ^vv d'saGciiiEvog 40 ngbs tovg eq-
diocxqixovTu itvGavtag i-jtl xr]v
TtOQOV i^SVQS Tf]g XQÜCTtS^CCV ^vg'
TCSQLötdötoag. Hdov ^ cpriöi, "nccl
Jioy^vrig ^ciQccGl-
tovg TQtcpsi'.
23 d-^QOvg HSV inl |3^ yv^ivolg noal
ipccHfiov ttGtrig i- ^lova iTtdtsi xccl
xvXLvdstto^ XSi^öb- raXXcc oacc ccva
vog 6' ccvSQiccvTccg TtgosigritccL.
■KSXI'OVlGfl^VOVg
TltQLSXcC^ßcCVS.
S. 30 ff. Leo, Die griech.-röm. Biographie, Leipzig 1901, S. 49 ff. Ich hoffe im
folgenden durch die genaue Gegenüberstellung die Kombination von Bahnsch
wesentlich zu modifizieren.
1) Die mutmaßlichen Anfangs- und Schlußparagraphen der einzelnen Teile
sind durch Umklammerung, bezw. Fettdruck bezeichnet.
Vita des Diogenes bei Diog. Laert.
233
24—6 Streit mit
Piaton
24 i/iiys xai rovg
dritiaytoyovg
öx^ov öianö-
vovg.
24 Verspottung der
Traumdeuter
27/8 xai (ir]v xal
tovg liovöixovg
rüg iikv iv xfj Xvqcc
XOQÖug äg^iotre-
a&ai, avoLQ^ioGta
ö' ix^iv xi)g 'ipvxfjg
TU /J^rj* tovg fia-
d^r]uarixovg &7C0-
ßXinsiv ^kv TiQÖg
xbv fjkiov xal
TTjV aBlf]VT]v,ru
d' iv noal Ttgay-
fUitU nuQOQCcv.
28 tovg Qi^rogag
Xtytiv (ihv ianov-
dcixivcti XU Öixaia^
nQUTTiiv dh \Lr\du-
fLibg.
28 ixivH dh aiftbv
xul X6 ^VBIV iihv
xotg d'folg vnkg
hyuiag^ iv cc^yx^
Sh r^ ^vaice xuxu
T/'iT vyiflag A(i-
'iU int/vn rot;; ^i^A-
lovTug yuiulv xul
liTi yttii4lp.
n
40—1 Streit mit
Piaton
41 utys rovg (ihv
örniuyoiyovg
öxXov dtaxö-
vovg.
43 Verspottung de-
rer, die an Träume
glauben
39 Ttgbg rbv Xiyovxa
ubqI xä>v ^isxs-
coQüiV ^noGxalog,
^(pTi^ Ttdgtt ScTtb
xov ovgavov;^
42 ivfxäXfL xotg
&v&go)noig nsgl
xfig f'i^X^iy a/ref-
a&ai X^ycov ai^xohg
iiyuf^u XU aixotg
<^oxo{>vra xal ov
xä %€tt* &Xi^9tti<v
m
53 Verspottung von
Piatons Ideen-
lehre
|47| tovg grjxogag
xai ndvxug xovg
iväo^oXoyovixag
xgiaavd^Qwnovg
&nsxccXf:i &vxl roö
xgiauQ^Xiovg.
68 Q^v6vx(av xi-
v&v xotg &solg
ircl T« vlbv ysvi-
ad^air ((pri ■ *7tBgl
Sh xoi) nodccnbg
ixßfi ov d't'fTf;'
64 fgioxri^tlg itoioi
xaigä) dbl ya^tlv
lytj- *xolg n^v
viovg i^ridinm^tohg
dk ngtaßvxigovg
lifldtnantoxt* .
IV
67 Piaton als
heimlicher Bett-
ler dargestellt
73 (iov<ytx7)s te
xal ysausxgixfjg
xal&6xgoXoyiug
xccl xcav roLOvxav
cciLsXslv ojg ^XQ"^'
öX(ov xal ovx
&vayxaia)V.
234
Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
n ni
IV
29/30 Aus der Jio-
63
n
ytvovg TtQ&aig :
ijQtotrjd'r} tl oUb
igaxrid^slg
TtO&EV
XOV xTjpvxoff igm-
TCOLStv, CiTtB-KQiva-
^h.
'y,o6[L07CoXi-
xmvxog xi oISb
xo' ^icvdQ&v ag-
rrjs'
hcpr].
TtOLsiv, ^(pj]' 'av-
%SLV\
d-Qmnav ccqxslv\
vgl. Gell. II 18, 9.
Philo de sap.
lib. 18
^XeyB x(p SsvidSt]
36 XG) TtQiaiiivm
xa TtQLaiiivcp ccv-
ccvxbv SsviMfj
xbv Sstv Ttsid's-
(priai • ^uys onrng
cd'aL ccbxay sl xal
xb 7tQ06XCCXx6ilSVOV
ÖOvXog SLT} ' 'Kccl
7tOLl]6£Lg\ XOV d'
yciQ sl IccxQog
slTtovxog- ^ avco
5) KvߣQvrixr]g rjv
TCOXCCH&V ;f03pO'U(yt
SovXog, TtSLa&Tj-
7tccyccl\ 'st 8h
vai av ccvxä.
iuxQOv iTtgico vo-
ccov, ovv. at', ^(pr\y
ccvxa iTtsld'ov,
&XX' slnsg ccv mg
avm Ttoxaiimv x<*>-
QOVOL Ttccyal' ;
^y.'qQveas^ ?qp7] ^sl'
74 dsi^ccg XLva Ko-
xigi^iXsidsano-
QLvd-iov . . . . , ^qpT]
xr^v avxo) ngicc-
'xovxo) ^s TtmXsi-
6d^ca\ vgl. Philo
ovxog dsGTtoxov
a. a. 0 .
XQV^^''-
30 Erziehung der
Kinder des Xenia-
des
Diogenes und Alexander:
32 (pccGL dh Kai 38 iv xm Kgarsia
'AXs^avÖQOV si-
Ttsiv cbg SLTtsg'AXi-
^ccvdgog ^i] iysyo-
vsiv^ ri%'iX7\6a ccv
jLoyevrig ysvia%^ca.
33 %Xsysv kccvxbv
■Avva. slvai xmv
iitaivovy^ivmv^ &X-
rjXiovfiEVG} ccvxm
'AXi^ccvSgogim-
6xdg cpriOLv • 'ccl'-
xrioov ft-8 0 ^iXsig^
xal og • '&7to6%6-
xriGov fiov' qprjfft.
60 'AXs^dvögov
Ttoxh imaxdvxog
avxm v,al sinov-
xog- 'iyd) siiii.'AXi-
^ccvSgog ö (liyccg
ßccaiXsvg', '-K&ya),
qpi](7t, Jioyivrig ^
55 igmxrid'slg no-
XCCTtbg SIT] KVCOV,
Mcp7\ 'nsivSiV nhv
74 Erziehung der
Kinder des Xenia-
des
68 ngbg AX^^av-
Sgov iitiGxdvxa
y,a.l slnovxa- 'ov
cpoßji ns;' 'xi ydg,
SLTtsv^ sl] ccyad'bv
^ xaxov;' XOV ds
sinovxog "dycc-
'ö'or', 'xlg ovv, sl-
7ts, xb ccya^bv cpo-
ßslxai,',^
Vita des Diogenes bei Diog. Laert.
235
I
Xu y^riSivci xoX-
H&v räiv iTtai-
vovvxciv avve^-
tivai int rrjv
d'ijgccv.
■33 jr^üj ruv el-
növxa • ^üvd'icc
vixca avÖQKg^
'iyat ^sv ovv,
slnevj apSgag^
av d* ävdgd-
'3toda\
n
43 'Okvu7iia6L tov
x^QVKog ccveiTtov-
Tog ^viKoc Jim-
^iTtTtog avÖQCcg^
*ovrog ^hv Si}
icvöganoÖcc^
ävdgccg S' iym'* •
37 xoiv d'sdiv iart
ndvTcc- cpiXoL fih
ol tfoqpoi Tolg &s-
olg' xoivd Sh xci
xä)v (piXav. Ttdvx'
aga iaxi twv co-
(pd>v.
39 svvovx^^ i^^'
X^rigov iTtiygä-
tpccvxog inl xi\v
oi-Kiav ^iiridhv
elaixo} xocx6v* '6
OVV XVQlOfy ?qp7j,
xijg olxiag nov
doiX^ri':
40 ix xov ßaXccvslov
i^iojv x(p nhv nv-
^Oft^VO), kl TCOX-
Xol &v9'g(onoi
Xovvxai , ijgvriaa-
xo xti) d' tl no-
Xhg 6xXog, ca^o-
X6yr\af.
41 ngbg xbv iv-
xivd^avTa a^rco
dox6v, tlxu ti-
n6vta' *<p^Xa-
|ai' *ndXtv yoLQ
fit, Itjpf], nai%iv
fiiXXtts-:
III
MsXixaiog, xoqxcc-
a»slg dk MoXox-
XLx6g, xovxav ovg
inccivovvxsg ol
noXXol ov xoX-
Hä>6L &LCi xbv TtO-
vov avvs^iivai
ccvxolg inl xr]v
&T]gav\
IV
|47| dsaöd^ievoginl
&6(i)X0V O l X i OC
in L y sy ga fi^i-
vov ' ngdamog '
^ydsiv^ elnsv, ort
ovx(o xgainccXdtaa
gadi(og i^s^iöoig
tbv xsxxrm^vov* .
60 inavyei &n*
'OXvfinitüv • ngbg
OVV xbv nvd'6-
^iBvov^ bI öxXog
tiri noXvgy *noXvg
fiivyf-iniv, iixXog,
dXlyoi d' ol &p-
9Q0i7t0l.\
72 ndvxa xmv ao-
qpüor elvcci Xiyatv
xal xoLOvxovg X6-
yovg Hgmv oiovg
ccv(ü ngosigTjxa-
fiBV ndvxa xmv
d-sätv iaxi UBW.
wie in 37
66 n(fbg tbv h-
atlöccvta a6t^
do%6vt tlta tl'
ndvxa' *tpvla'
iat* nXi^ag a^
tbv r0 fiaxtrufl^
tlnt' 'qpvio^ai*.
236
Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
n
41 Witz über den
xdvivXog
44 Ablehnung der
Aufforderung des
Perdikkas
46 TtQÖg TCi TteQL-
ordvTcx ^tiQäma
%ccl slndvtci' ^ßX^-
Tta^sv ftr) Sdyir]
X BvxXia 0'6'n
40 ^tt' &,yoq&g no-
xs xsiQOvqy&v
rr/r •KOiXictv f^v
TiaQaxQitpccvx a
(IT) nBivfiv\
46 TtQbs xb xexoff-
iLrinivOV [LBIQO.'MOV
•Jtvd'OflSvdv XL Jefpri
OV TIQOTSQOV Xi^SLV
uvxrpy st ^li} &VCC-
OVQCCflBVOS Ssi^sis,
TtöxsQOv yvvi^ iaxiv
ni
54 Witz nach Emp-
fang eines x6v-
^vXog
67 Ablehnung der
Einladung des
Krateros
61 ävo ^aXan&v
nsQixQVTtxo^^vav
aixbv 'icpri' "^i]
BvXccßtta^ts' ■nvoav
xsvxXia OV xqod-
yBi\
IV
64 [LhLQd%iov lSa>v
XaXX(O7tL^Ö^8V0V
?qpr}- 'el ^ihv ngbg
av^Qocg^ ScxvxBtg'
bI äh ngbg yvvat-
xag, ScSi-netg^.
51 dxovßccg noxh
ort jdiSviicov 6
a'bXrixrjg ftotjjös
idXo, 'd^iog, ^qprj,
ix xov övoiiUTog
xQ^lic(G9-ca\
58 OvBL&i^OfiBvog
7C0XB '6x1 iv dyoQo.
^(pceyBV, ^iv dyo-
Qu ydg, Iqp?], xai
i^BLvriaa^.
QO^BLQOVQycav x
iv rc5 /i^öoj avv-
Bxk' 'ei'&£ ^v,.
^XsyB, 71 dl xr}v
HOiXlav nccQa-
XQitpd^svov xov
Xliiov 7iccvöcca&cii,\
[66J ISoJV TtOXB VB-
aviö-KOv d-riXvv6-
^LBvov ^ovx cciaxv-
^Vi ^9'^» xslgovoc
xi]g (pvGBcng nsgl
OBccvrov ßovXev-
6fiBvog; ij ^hv ydg-
OB ävögcc inoiTiGB^
av dh OBccvxbv ßi-
d^iß yvvaixcc bIvui* .
68 ngbg ^idv\L(ü-
vccxbv iioixbvla-
xgsvovxd 7C0XB v,6-
gjl? öcpd'aX^LOv ' '3-
por, qprjff/, ft?j xbv
öcpd'aXiibvxiigTtccg''
%'ivOV d'BgCC7tBV(OV
xr}v yiogriv cpd'si-
69 ^bI xb dgiGx&v
ybr\SBv iaxiv dxo-
Ttov^ovd' ivdyo-
gä iaxiv dxo7tov\
Vita des Diogenes bei Diog. Laert. 237
Wir gewinnen so deutlich vier Teile. Daß man an den Fugen
nicht bis aufs Wort die Stelle der Trennung angeben kann, wird
keinem wunderbar erscheinen, ebensowenig, daß man zweifeln kann,
ob eine Angabe noch zum vorhergehenden oder schon zum folgenden
Abschnitt zu ziehen ist; Bedenken bleiben übrig; der Spott über die
Aufschrift am Haus § 47 ist nicht so gleichartig mit dem in § 39,
daß sie nicht hätten in derselben Quelle stehen können, und da gerade
auf dieser Stelle die Absonderung eines neuen Teiles beruht, so ist
hier eine Verschiebung um mehrere Paragraphen denkbar. Aber doch
ist im ganzen die Trennung klar. Nur der dritte Abschnitt macht
Schwierigkeiten, weil er schon in sich Wiederholungen enthält, die
kaum durch zufälligen Platzwechsel und Übergang aus einer Quelle
in die andere zu erklären sind. Die Bemerkungen, die hier in Be-
tracht kommen, sind folgende:
54 Ttgbg tbv Blnovxcc- ^noXXoi aov xuta- 58 ngög xbv Bln6vxcc' 'ot nXeiovg öov
ytltbaiv^ 'aXX' iyoa^ ^^P^^ ov xataysXd)- xaraytAcäfft' 'ti&xsivoyv xvx^v, slnev,
Hai\ ol övof &XX* ovT* inttvot tcbv övtov
iniaxQitpovtcci ovr' iyta ^xeLv(ov\
48 ^tiQUY.iov imdsixvvnivov nXr\Q<i)6ccg 67 dLccXtyo^ivov noxh xov uiytov (Anaxi-
xh naoxoXTnov ^(q^cüv &vxiiiQv ^-KCinxu' menes) xuqixo? ngoxsivag ntQiiG-jtuOB
xov dl 7fXi]d-ovg elg wbxbv &(fOQ(bvxog xovg &XQOccxug- &yccvcexxovvxog Öi'
^aviid^iiv iq>ri n&g ixBlvov &(pivxsg 'r^v 'Ava^i^^iivovg^ icpri, didXs^LV ö/?oiot)
flg ccvxbv Öqüol. xdgt-xog dLccXiXvxBv\
58 6vBi.dil;;6iitv6g noxB oxi Iv &yoQa iq)a- 61 &Qiaxä)vxi avxfji iv icyoQU ol nsQi-
ytv nsw. BOx&xsg OvvBx^g iXsyov *xvov\
Die Schwierigkeit löst sich, wenn man in diesem die Paragraphen
47 — 63 umfassenden Teil schon eine nicht ganz geschickte Kompila-
tion mehrerer Quellen annimmt, die Diogenes L. jedenfalls schon
vorfand. Im ganzen wird man an der Vierteilung 22 — 33, 34 — 46,
47 — 63, 65 — 74 festhalten dürfen, da sich drei sichere Indizien dafür
finden*), der Streit mit Piaton (24, 40, 53, 67), die Reste aus der
jdioyivovg nQccöig (29, 30, 63, 74) und die Alexanderanekdoten
(32, 38, 60, 68). Es bleibt sich für uns gleich, ob, wie Leo ver-
iMutet hat und nicht ohne Grund, die Anfangsparagraphen des ersten
und die SchluUpuragrapheu des letzten von uns herausgeschälten Ab-
schnittes zn der ursprünglichen Vita gehören.*) Für den Verkauf
1) Leo ft. a. 0. 8. f,o Iwl.t Hi.-
lmrv(»r.
olino loilocli di»« ZrrtiMhiiik'
(lannch
^•Miau durchzofOhron.
2) Er Tochnei 9 2o ^.^ uhm
1
.mrigiiriMM,
:, in
die dttnn die A])Ophthegnien eiii^'
r iiiricbt,
loSMOn
238 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
des Diogenes haben wir Nachrichten aus vier Quellen^); ich denke
aber, daß wir, wie oben gesagt, schon aus allgemeinen Erwägungen
berechtigt sind, sie im Grunde alle auf Menipp zurückzuführen, der
an der ersten Stelle als Gewährsmann genannt ist. Dazu stimmen
die Angaben der zweiten und vierten ja mit der ersten fast ganz
überein; und die Bemerkung aus der dritten kehrt bei Lucian wieder,
wo wir die Anlehnung an Menipp voraussetzen müssen. Ferner sieht
man, daß die erste und vierte aus pädagogischen Werken geflossen
sind, in § 75 ausdrücklich als KXso^avrjg iv rw iTnygacpo^avc) Ttaiöa-
ycoytm zitiert; § 30 zwar als EvßovXog iv tc5 i7CiyQa(po^ivc) ^lo-
ysvovg TTQäöig^ aber mit langem Bericht über den Unterricht, den
Diogenes erteilte. Der Verkauf selber bildete nur etwa die Einleitung
und war mit Berufung auf Menipp geschildert. Menipp und Kleo-
menes waren ja Zeitgenossen; und wenn Kleomenes noch nicht aus
Menipp schöpfen konnte, so mußte dann Menipp die brauchbaren
wird mit den Worten: avccfpiQBtai dh ■nal aXXcc stg ccvtov, a ilccxqov uv sl'r} 'acctcc-
XiysLv TtoXXa övta, daß von § 70 ab nicht mehr einzelne Apophthegmen, sondern
eine längere nnd nach Möglichkeit zusammenhängende Auseinandersetzung der
Lehre des Kynikers folgt, daß endlich § 70 8ixt7]v d' Usysv slvai xr\v a07iri6i.v,
xr]v iihv \pv%iv,r\v, ri]v ds aioncctLyii^v sich an § 23 Ttavtaxod-f-v hccvtbv GwccaycCbv
anzuschließen scheint. Allerdings ist 23 nur von körperlicher Abhärtung die
Rede. Auch begreift man nicht recht, was den Verfasser bewog, die aus Chrieen-
sammlungen entnommenen Apophthegmen gerade dazwischen einzuschieben und
nicht hinter den jetzt § 74 stehenden Worten: sv6xo%mtcixog 8' iyivtxo iv xccig
&7tavx^asaL x&v Xoycov, wo doch die Anregung gegeben war. Auch konnte mit
a nayiQov ocv d'r} usw. 69 schon die Quelle des Diog. L. die Apophthegmen
abschließen, um zur zusammenhängenden Darstellung des doxographischen
Materials überzugehen (70—73 sondert als Einlage aus Ed. Schwartz bei Pauly-
Wissowa y 760, 34). Endlich stört die Bemerkung betreffs der Echtheit
der Tragödien in § 73, die in § 80 wiederkehrt und zwar in verschiedener Weise
und mit verschiedenem Gewährsmann, nach Leos Annahme innerhalb ein- und
derselben Quellenschrift. Ich möchte bei der Gelegenheit bemerken, daß, wenn
Leo für diese eigentliche Vita nach der Vergleichung des Satyrosfragments
Hieron. ad lov. 11 14 Satyros als Gewährsmann annimmt, er den Widerspruch
§ 23 wohl zu gering anschlägt. Hieronymus sagt, Diogenes habe sein Faß im
Sommer so gelegt, daß es nach Norden sah, im Winter, daß die Sonne hinein-
blickte, Diog. L. 23 erzählt, Diogenes habe sich im Sommer in heißem Sande
gewälzt, im Winter beschneite Bildsäulen umarmt. Das ist ein scharfer Gegen-
satz und kaum so leicht zu vereinigen, wie Leo S. 123 tut.
1) Es sei erlaubt zu bemerken, daß auch in der Antisthenesvita deutlich
zwei Schichten von Apophthegmen zu erkennen sind; man braucht nur zu be-
achten: Erzählung von einem pontischen Jüngling 3 und 9, Streit mit Piaton
3 und 7, Vergleich mit den Ärzten 4 und 6, Verhalten gegenüber dem Lob
5 und 8. Also 3 — 5 und 6 — 9 laufen parallel.
Verkauf des Diogenes. 239
Tatsachen dem Eleomenes entlelmen, oder einem, der dasselbe bot
und der dann die gemeinsame Quelle wäre, etwa Metrokles.^)
Wir gewinnen also folgende Berichte über die Yerkaufsszene bei
Menipp.
I. Diog. L. 29 (vgl. 74): Auf die Frage, was er verstehe, antwortet
Diogenes: 'Über Männer zu herrschen.' Das Wort wirkt bei Lucian
nach, wenn der kynische Bios die Vorschrift gibt (10), von den
Menschen sich fernzuhalten und Freundschaften zu meiden; denn das
bedeute Auflösung der Herrschaft.^)
U. Diog. L. 30: Der Gefangene sagt zum Auktionator: 'Ruf aus,
ob sich jemand einen Herren kaufen will.'^)
lU. Diog. L. 29: Als ihn der Auktionator hinderte sich hin-
zuwerfen, weil die Sklaven beim Verkauf stehen, meinte er: 'Darauf
kommt's nicht an; auch die Fische werden liegend verkauft.'*)
IV. Diog. L. 30: Er wunderte sich darüber, daß man ein Geschirr
oder einen Topf nur erstehe, nachdem man ihn durch Klopfen auf
seine Unversehrtheit geprüft habe, Menschen dagegen allein nach dem
Aussehen erhandle. Das Bild, das sich schon bei Piaton Theaet.
179 D Phileb. 55 C findet, ist in die stoisch -kynische Diatribe über-
gegangen, wie die Verwendung bei Persius III 21 Horaz sat. I 3, 34
zeigt.^)
V. Diog. L. 30: Als Xeniades ihn in seinen Besitz gebracht hatte,
sagte er dem neuen Herrn, jener müsse ihm nun gehorchen; denn
wenn er sich einen Arzt oder Steuermann angeschafft hätte, würde
er ihm auch folgen müssen. Auch dieser Gedanke zeigt sich noch in
etwas veränderter Gestalt bei Lucian; man muß ihn sich bei Menipp
doch fortgesetzt denken: 'Ich bin aber Arzt, insofern ich von Leiden-
schaften befreie.' Und dementsprechend gibt sich Diogenes in der
1) Siehe HenM, Rhein. Mas. XLVn (1892) 280.
2) Auch Gellius Noct. Att. II 18, 9 hat dasselbe Wort: quem cum emere
vellet Sivitidris Kogiv&ios et ecquid artificii novisset, esset percoutatus, 'novi,
inquit Diogenes, bominibus liberis imperurc." Philo de sap. IIb. 18. SoidM ■. v.
Jioyivrig.
3) Ebenso Plat. an vitiotitai etc. 4UU ii. Philo a. a. 0.
4) I^ieselbe Era&blung auch Flut, do tran(|. an. 4 p. 46A E aus kMiinclier
IHiitribe; natürlich beweist das fQr die GeHamt(|ti(>)lo Phitarchs uichts (Pohloiix,
Hermes XL [111061 8. 291).
6) Überhaupt gehört der Vergleich der SecK ..... ^...vm (icfUlJ der kvuischen
Diatribe an (Usener, Epicurea p. 268. Hease, Hhoin. Mus. XLVII (IHU^j S. S29f.
Weber, Leip/.. Stud. X 8. 176. Eichenberg, Du IVritii satiruruin uaturu, lirt's-
lauer Di»s. 1906, S. 19 f.)
240 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
ßicjv TtQäöig (8) auf die Frage, welche Kunst er verstehe, sofort als
Befreier der Menschen und Arzt gegenüber den seelischen Affekten aus.^)
VI. Diog. L. 36: Hier kommt der Biogi-aph auf die Verkaufsszene
zurück, indem er die Entgegnung des Xeniades zu V hinzufügt und
uns so ein größeres Stück des Dialogs ergänzt. Als Xeniades den
Diogenes erstanden hatte, sagte dieser zu ihm: 'Nun tu, was dir ge-
heißen wird.' Darauf der Herr: 'Jetzt fließen die Ströme wahrhaftig
bergauf; aber Diogenes: 'Wenn du in deiner Krankheit dir einen
Arzt kaufen würdest, würdest du dem ungehorsam sein und sagen:
Jetzt fließen die Ströme bergauf?' — Es ist klar, daß dieser Bericht
aus genau derselben Quelle stammt wie V, und nur das im Munde
der Kyniker so häufige Sprichwort avco %ora^S)v nachträgt.^)
Vn. Diog. L. 63: Zu den Fragen, die naturgemäß dem zum Ver-
kauf Feilstehenden vorgelegt werden, gehört die nach seiner Herkunft;
man kann das an den bei Lucian gestellten Fragen TiodaTthg sl 6v; (3),
3ioda7tbg de e6ti; (7), t6 utQ&tov Ttoöajcbg st; (8) deutlich erkennen;
und nirgends anders als in eine solche Szene paßt, was hier berichtet
ist: Als er gefragt wurde, woher er stamme, sagte er: 'Ich bin Bürger
der Welt.' Lucian hat das ausführlich verwertet oder in gi-ößerer
Ausführlichkeit erhalten (8). Der Käufer fragt: 'Woher bist du?'
Diogenes antwortet: 'Überall her.' Der Käufer weiter: 'Wie meinst
du das?' Diogenes: 'Ich bin Bürger der Welt, tov xöö^ov %oXity]v oQäg.^
VIII. Diog. L. 74: Diog. L. kommt zum dritten Male auf das
Theina des Verkaufes zurück; man erkennt sofort, daß er eine Er-
gänzung zu dem ersten Bericht (I — V) bringt. Es heißt hier mit
Angabe von Namen: Auf einer Fahrt nach Ägina geriet Diogenes in
die Hände von Seeräubern, deren Hauptmann Skirpalos war; er wurde
nach Kreta geführt und dort verkauft. Als der Auktionator ihn
fragte, was er verstehe, sagte er: 'Über Menschen zu herrschen.'
Das ist eine deutliche Ausführung zu I, die uns den Ort der Hand-
lung und den Namen des Räuberhauptmanns lehrt. Dann, heißt es
weiter, zeigte er auf einen schön gekleideten Korinther und sagte:
'Verkauf mich dem, der braucht einen Herrn.' ^) Das ist offenbar
1) Vgl. Frachter, Cebetis tabula, Dias. Marburg 1885, S. 74 Anm. 1. Wend-
land, Quaest. Muson., Berlin Diss. 1886, S. 12 Anm. 1. Norden, Fleckeisens Jbb.
Suppl. XIX 396.
2) Luc. dial. mort. VI 2 (vgl. apol. 1). Julian or. VI Anfg. : av<o nota^mv^
xovxo &i] xo tfi? TtaQOLiiiag in der Rede gegen die Kyniker; das Wort paßt ja
auch so recht zu dem kynischen ■naQcc^aQcitrsiv tb vo^llg^lcc.
3) Ebenso Suidas s. v. /lioyivrig: tovtco ^is ^«jprj, nmXrioov . dsGTtoxov yccQ Sslxui,
Verkauf des Diogenes. 241
die Fortsetzung zu IL Man wird nicht fehlgehen, wenn man auch
diese Einzelheiten aus Menipps Szene geschöpft glaubt, um so mehr
als die Frage rC oide tzolsIv] und die darauf erfolgende Antwort in
§ 29 unter Menipps Namen zitiert wird, wenn auch mit einer kleinen
Veränderung. Auch für Lucian ist diese Frage vorbildlich geworden,
wenn er (8) rt adkiGza siötvui ae (pü^sv; r^ xCva t))v xexvi]v ex^i'9;
fragt, oder beim sokratischen Bios (15): tC fidliöra sidag xvyxdvBig\,
IX und X. Stob. III 3,52H. (S. 210, 11) epist. Gratet. 34,4. Gerade
der Anfang der eigentlichen Versteigerung findet sich bei Stobäus
und im Kratesbrief in größerer Ausführlichkeit, so daß man eine An-
schauung von dem Dialog gewinnt. Bei Stobäus liest man: naXov-
fifvog iv KoQivd^a — das ist offenbar fälschlich daraus erschlossen,
daß Xeniades Korinther ist — sqo^svov toO xtIqvxos' 'xi snCCxaöai^
^ dvd-Q(07C(ov ^ e(prf^ ccQXStv.^ xcd 6 xfiQv^ ysXdöag' ^^iya eTaxridevfia
:röAö, el xig d-aXec :cQ(aöd'ca xvqlov.' Im Kratesbrief ist die Szene
mit Einführung der Käufer in ähnlicher Weise geschiklert: xivlg ös xal
YiQ(bx(ov^ et XL iniöxaxav 6 d' iktyav sjtLöxaöd^aL dvÖQcjv d^ietv ^äöxs
i'iXLg v^cöv XVQLOV öelxai^ 6vii(p(xiveix(j3 tcqoOlcov xolg 7toXr]xalg.' xd-
xslvoL dvayeXdöuvxsg fVrl xovxw' 'xal xCg^ äcpaöav^ iöxlv bg cov ikev-
d-egog xvgiov Ötlx(ii\ 'Ttdvxsg^ el:tev^ ol cpavloi xal xi^dvxag ^Iv
i]dovr{V^ dxL^d^ovxeg dl Ttövov.' Wir haben also hier eine Ergänzung
zu I und II, wenn auch verschieden in bezug auf die Personen, so
doch gleichartig im Inhalt.^)
Noch weiter hilft uns Philo, der in seiner Schrift über die Frei-
heit des Weisen eine kjnische Diatribe benutzt hat, die Menipps
Verkaufsszene inhaltlich wiedergab und uns auch das Vorbild für die-
selbe verrät.^) Es war des Euripides Satyrdrama 'Syleus', in dem der
Verkauf des Herakles dargestellt war. Die Verwertung lag um so
näher, als ja Herakles das Ideal und Muster der kynischen Schule ist.
Audi bei Euripides bewerkstelligt Hermes den Verkauft), natürlich
im Auftrag des Zeus, damit der Held den im Wahnsinn begangenen
Mord seiner Kinder sühne. Dort pocht der Heros auf seine Freiheit,
die ihm kein Schicksal nehmen kann, gerade wie bei Menipp und
Lucian, und spielt «irh als drn eigentlichen Herrn auf.*) Syleus ruft
2) Kap. 16 S. 460 M.
8) 'O yof'v 'Egfiffs nw^^uvoittvat {txüiuUch dmu Kaul'or) «/ tpaCX6s iüttv, ctno-
xgivtxui' *rjxiaru (pavXog*.
l) Ovdtlg d* ig orKOVg dtanötag &ntivovag «i r Ua ßuvkmtt heißt
et von Heraklei und xdaaHv dk ti&^Xov »j i-ntrt - <; (Nanck «• •'"'".
ilcltn, I/uoikn und Mvolpp. ^"
242 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
voll Entsetzen: 'Ein jeder fürchtet dicli', wie der Käufer bei Lucian
sich gleichfalls scheut, den zum Verkauf Feilstehenden anzureden.^)
Endlich wird Herakles als Arbeiter aufs Land geschickt; die Remi-
niszenz daran hat sich bei Lucian erhalten, wenn Diogenes für taug-
lich erklärt wird, als Gärtner oder Wasserträger zu dienen.^) Als
Quelle Philos hat Hense^) Bions Diatribe Von der Knechtschaft' zu
erweisen gesucht; und es ist höchst wahrscheinlich, daß dieser, um
zu zeigen, wie wenig durch rechtliche Knechtschaft die geistige
Abhängigkeit bedingt ist, auf Herakles, das Vorbild der kynischen
Sekte, und Diogenes, ihren eigentlichen Begründer, hinwies.^) Aber
Bion und Menipp, in welchem Verhältnis sie auch zueinander stehen
mögen, werden sich hier, wie oftmals, berührt haben, so daß es
wohl denkbar wäre, daß Philo aus Bion und Lucian aus Menipp
schöpfte, was bei beiden ähnlich erscheint. Vielleicht wird man ein-
wenden, daß bei Menipp für die ausführliche Zitierung der Verse aus
dem ^Syleus' kein Platz gewesen sei. Aber der Gedankengang, wie er
jetzt bei Philo zu lesen ist, war in einer Rede des Diogenes wohl an-
gebracht, mag man auch ruhig zugeben, daß Bion in seinem Vortrag
mehr Verse anführte als Menipp. Und die Erwähnung von. dem Ver-
kauf des Herakles bei Menipp hat etwas Wahrscheinliches; denn es
ist eine gewöhnliche Erscheinung, daß ein Schriftsteller die ursprüng-
liche Vorlage, die ihm als Muster gedient hat, als Vergleich in seine
Darstellung aufnimmt.^) Auch konnten die wenigen übereinstimmenden
Züge zwischen Lucian und Euripides, abgesehen von dem Hermes als
Verkäufer, schon bei Menipp von Herakles auf Diogenes übertragen
sein. Für die Annahme, daß von Menipp, um uns ganz vorsichtig aus-
zudrücken, sich Fäden irgend welcher Art zu Philo hinziehen, scheint
mir ausschlaggebend, was dieser weiter vom Verkauf des Diogenes be-
Das ist das ccv8q(öv äq^Biv und das "kyiqvggs sl'tig iO'iXsi SsOTtotrjv a-ur« TtQiaad'aL
in dem Bericht des Diog. Laert. VI 29.
1) 2s d' bIooq&v TCäg tig didomsv . öftfta yccQ nvQog yifisig, tccvQog Xsovzog
ojg ßXi^Ttcov TtQog iiißoXr]v (Nauck fr. 689). Luc. 7: d^Sia xb ayivd'QcoTtbv uvtov xal
y.cctriq)Bg, fii] ^£ vXa'nt^Gr] TCgoGsXd'ovtcc anaiXTjTLxöv n kccI j^oXmdsg
vnoßXBTtSL.
2) Luc. 7: 6v,cc7iavicc xccl vdqocpOQOv, 11: vavxrig d' ccv l'Gcog rj yuiTiovQÖg iv
KaLQa yivoio.
' 3) Rhein. Mus. XLVII (1892) S. 224 flF.
4) Diog. L. VI 71: xov avxov %aQCiy,xfiQ(x. xov ßiov X^ycov ÖLS^dysiv ovTtig xccl
^HQccxXfjg, y-Tidsv iXsvd-SQLccg TtQOxgivcov, Luc. vit. a. 8.
5) Ehwald, Philolog. LIII (1894) 729—744 gibt interessante Beispiele für
Vergil. Auch Icaromenipp erinnert gleich im Anfang an Daedalus (2) , die
Nekyomantie an Odysseus (8).
Verkauf des Diogenes bei Philo. 243
richtet und was vollkommen in die dramatisch ausgeführte Szene sich
einfügt, z. T. auch mit dem unter Menipps Namen bei Diogenes
Laertius Überlieferten übereinstimmt oder es ergänzt. Da heißt es:
XL Philo de sap. lib. c. 18 p. 464 M. Als Diogenes von Seeräubern
gefangen war, gaben diese ihm nur mangelhaft zu essen: aber er sagte
ohne Furcht: 'Es ist doch seltsam: wenn man Ferkel oder Schafe ver-
kauft, mästet man sie erst; den Menschen aber läßt man durch Fasten
abmagern.' Darauf erhielt er Speise; und vor dem Verkauf früh-
stückte er erst wohlgemut, indem er mit seinen Nachbarn teilte. Einer
war sehr traurig; den tröstete er mit der Mahnung, sich in seine Lage
zu schicken und verwies ihn unter Anführung der Homerverse D. XXIV
602 ff. auf das Beispiel der Niobe. — Dies Zitat ist völlig im Sinne
Menipps, genau wie die Euripidesbenutzung oben; diese beiden Dichter
haben ja immer am meisten den kynischen Bedarf an Zitaten zu be-
streiten.^) Wir haben hier also ein Supplement, das uns die dem
Verkauf vorangehenden Ereignisse angibt. Die ganze Erzählung hat
auch der 34. Kratesbrief, und auf das erste Apophthegma spielt Epiktet
diss. IV 1,115 in der Stelle an, in der er, wie wir sehen werden, die
ganze zfioytvovg ngäötg rhetorisch zerpflückt hat. — Diogenes schließt
seinen Trost mit dem echt menippischen Wort: X9^ ''^^^S ^(xqovöl^
entsprechend dem Ausspruch des Lucianischen Menipp im 26. Toten-
gespräch', mit dem er seine hedonistisch gefärbte Lebensweisheit zu-
sammenfaßt: ayaTiäv rotg nagovöL xal ^r]dfv avtibv acpo^ritov oXeöd^ca})
Von da ab folgen die schon bekannten Angaben. Auf die Frage:
xC olöug\ antwortet er ebenso wie bei Diog. L. 74: olqxsiv äv&Qanav^
dann, als er einen besonders weibischen Menschen, der im Aussehen
nichts Männliches hatte, sieht, geht er auf ihn los und sagt ihm:
'Du, kauf mich, denn du hast einen Mann nötig', wobei nur in die
Anrede verwandelt ist, was bei Diogenes L. in der 3. Person gegen-
über dem Auktionator ausgesprochen ist (vgl. VIII), und die Schat-
tierung ins ()l)sz<»nf' ]nnzug(?fügt ist.^)
1; Ich \oi-.. * i... i iiur auf Lncians 'Fischer' und ""tragischen Zeus'. Homor
und Euripides sind auch in Senecaa Apocolocynt. benutzt. Weber, Lcipz.
Studien X S. 210. Vgl. oben R. 10.
2) Auch hier stimmen Bion und Menipp überein; denn der AuBspruch det
Krates: ßn'ooj] ^qhoviuvos xot^ nugo^ai, xtbv &7c6vx<av ovx fjti^'x^fidtv hei Tclea
(p. 28, 12 U.) iit gewiß durch Bion vermittelt (Heinze, Rhein. Mus. XLV (1890)
616 A. 2. Hente, lihdn. Mu«. XLVII (1802) 8. 240). Vgl. oben Kap. I 8. 87f.
8) Dort: rovTco fit nmXtr ovxog Sfan6xov ^pj/C"« hier; tfiJ fit ngln' oh y^
icvdgbg xQfiuv fxtiv \ioi doHttg. Die Wandhing ins ObsxOne iit das Werk Biont
(Herne S. 282). Auf ihn geht auch Clemeni Alex. paed. 111 8, 16 (961 P) lurflck.
16»
244 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
Noch zweimal hat Philo in derselben Rede Anspielungen auf
Diogenes, obgleich er ihn nicht mit Namen nennt. Kap. 20 (p. 468 M.)
bei Gelegenheit des Flötenspielers Antigenidas bezieht er sich deutlich
auf unsere Verkaufsszene, wenn er ausführt: Der Philosoph muß gegen-
über dem, der ihn kaufen will, sagen: '^Schön, du wirst von mir Be-
sonnenheit lernen!', gegenüber dem, der Verbannung androht, : 'Die
ganze Welt ist mein Vaterland!' Das ist im ersten Teil ein deutlicher
Fingerzeig auf Diogenes' Benehmen gegenüber Xeniades (vgl. VI, VIII),
im zweiten auf das bekannte Wort vom Kosmopolitismus (vgl. VI).
Diese Stelle bringt also nichts Neues.
XII. Dagegen Kap. 6 (p. 451 M.) liefert noch eine Ergänzung des
Stoffes. Es wird dargelegt, nicht der Verkauf mache den Käufet^zum
Herrn oder den Verkauften zum Sklaven. Als Beispiel werben die
im Kriege in Gefangenschaft Geratenen angeführt-, manche, heißt es,
wurden sogar schon Herren derer, die sie kauften; manch schönes
Mädchen, das gut zu schwatzen verstand, wurde zum wirklichen Städte-
eroberer, ilETioXig, wie mit äschyleischem Ausdruck gesagt wird; und
nun folgt das Beispiel der Löwen, die in Wahrheit nicht Sklaven,
sondern grimmige Herren ihrer Besitzer sind.^) Das Apophthegma
ist hier namenlos; aber bei Diog. L. 75 wird es von Kleomenes, lem
Schüler des Metrokies, auf den Kyniker Diogenes zurückgeführt^), und
zwar unmittelbar im Zusammenhang mit dem Verkauf Diogenes ge-
brauchte den Vergleich, als Bekannte ihn loskaufen wollten und er
es ablehnte, das Lösegeld anzunehmen.
Ich denke, daß wir nicht unberechtigt sind, all diese versc-iiedenen
Nachrichten als Brechungen der einen Menipp dar Stellung aufzufassen;
1) Ei ftrj xal rbv liovtag divriadiiavov SsOTtotriv cpccriov slvai Xsovtcov , mg
il iiovov iTtavcctSLVOL TCig 6'i/j£tg, oiovg iTCgiccto -Avqiovg 6 dvötrivog, atg ^aXsTiovg
'Kccl di^od'viiovg, civTLxa 'jtocQ'cov sl'östccv. Auch Epiktet IV 1, 25 in der Diatribe
tcsqI iXsvd'SQLccg, in der er die ^loysvovg Ttgäaig benutzt hat, verwertet das
Exempel der Löwen, allerdings indem er es ganz anders gewandt hat; aber man
sieht doch aus der Ähnlichkeit des Zusammenhangs (vgl. § 15 ff.), daß es sich
in der Verkaufsszene befand und von hier in die kjnische Diatribe über-
gegangen ist, aus der es Philo und Epiktet nahmen.
2) OvSs yccQ rovg Xiovrag dovXovg slvcci t&v xQBcpovtav, äXXä tovg tgi^povrag
t&v Xsovrcov. Hense a. a. 0. S. 231 zeigt, daß das Wort auf Aristophanes' Frösche
1431 ff. zurückgeht, die wohl schon Menipp und nicht erst Lucian auch sonst
als Fundgrube benutzt hat. Vermittels der Diatribe, die ja auch Philos Quelle
war, ist der Gedanke ganz verallgemeinert zu Seneca gelangt, epist. 42, 8
(p. 120, 4H.): saepe maximum pretium est, pro quo nullum datur. multa possum
tibi ostendere, quae adquisita acceptaque libertatem nobis extorserint; nostri
essemus, si ista nostra non essent.
Menipps ^loyevovg TtQäßig. 245
denn, wie schon gesagt, einerseits mußte Menipp für seine Szene alles
an Apophthegmen sammeln, was mit dem Verkauf zusammenhing;
andererseits ist es nur natürlich, daß, wer in moralischeu Diatriben und
pädagogischen Schriften davon erzählen wollte, sich an denjenigen hielt,
der ein eigenes Werk darüber verfaßt hatte. Braucht schließlich auch
nicht alles aus ihm zu stammen, so mußte es sich doch bei ihm finden;
immerhin wird man seine Bedeutung für die Diogeneslegende nicht
gering einschätzen dürfen. Wir erhalten also ein Bild von Menipps
Jioyivovg jtQäöigj wenn wir all diese Bächlein wieder zu dem Strome
zurückleiten, von dem sie einst ausgegangen sind. Es war nicht nur
eine einzige Szene, sondern eine Folge von Szenen, wie uns das Varro
xmd Seneca ebenso gut wie Lucian lehren. In die erste, die wir er-
kennen können, gehört die Beschwerde wegen des Mangels an Kost
und der Vergleich mit Tieren, die man feilbietet (XI). Die Räuber
sahen ihre Torheit ein, und es schloß sich die Frühstücksszene M an,
bei welcher der Philosoph den übrigen über das Leid hinwegzuhelfen
sucht. Die Szene ließ sich, wenn die Ansicht über wahre Knecht-
schaft und wahre Freiheit ausgeführt wurde, sehr weit ausspinnen;
erhalten ist uns nur, was allerdings für die Erkenntnis des menippi-
schen Charakters an ihr sehr wesentlich ist, der Trost, den er einem
Unglücklichen bringt, mit Berufung auf Homers Verse über Niobe.
Es folgen die Vorbereitungen zur Auktion. Hierher gehört die
als aus Menipp genommen ausdrücklich bezeugte Szene (Hl). Dio-
geues wirft sich zur Erde, wie das die natürliche Stellung des Ky-
nikers itit, die auch Alkidamas im ^Gastmahl' Lucians nach dem Vor-
bild def Herakles einnimmt') und die Raffael in der Schule von Athen
80 tr flieh verewigt hat. Er wird geheißen aufzustehen, weil die
Sklaven zum Verkauf sich aufstellen müssen; aber er weigert sich,
weil man ja auch Fische verkauft, wenn sie liegen. Nun kommen
die Käufer und betrachten die Ware; bei der Gelegenheit bringt Dio-
genes das ebenfalls direkt auf Menipp zurückgeführte Wort an (IV):
'Ich muß mich wundern; wenn man Töpfe oder Schüsseln kauft, so
klopft man daran; MenschiMi kauft man nur nach dem Aussehen.'
1/ Aui MM- I i»i<iuMtiii)iuui)^^ mit iUnu FrühHtück des Herakli-n •'<•■ r^i.üii
weiot schon Hense hin a. a. O. S. 238, der allerdings immer nur an Hion denkt
' lio Mitgefangenen war der Platz flir den Bericht ilber
ii <|f>i;h vgl. S. 246). Verdankt viciloicht Viirms 'lf«'rrnles
SorraticuH* dieHcr Anregung seine Kntatehung
2) 18: ti M x«i xdnotfit , X^f'^'' ' '"" ' <>(ial6{ini'
&YX&POS, olov rot' 'llffttiikia yifdtfovait
246 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten. -
Es folgen die üblichen Fragen, von denen die erste selbstverständlich
bei Menipp gestanden haben muß und auch durch Lucian bezeugt ist,
die zweite ausdrücklich Menipp zugeschrieben wird; er soll seine
Heimat angeben (VII), und anstatt Sinope zu nennen, bezeichnet er
die ganze Welt als sein Vaterland; und in gleicher Weise gibt er
auf die Frage, welches Handwerk er verstehe (I), die stolze Antwort:
'Über Menschen zu herrschen', sei es nun, daß das im Zwiegespräch
mit einem Käufer oder dem Auktionator gegenüber geschah, als dieser
sich nach seinen Eigenschaften erkundigt. Bei dieser Gelegenheit gibt
er ihm den Auftrag, der unter Menipps Namen augeführt ist (IIj, zu
verkünden, ob jemand Lust habe, sich einen Herrn zu kaufen. Die
Darstellung kann hier abwechslungsreich gewesen sein durch die Zahl
der Käufer, die sich einstellen; nicht gleich der erste wird den Dio-
genes gekauft haben. Das Bärbeißige, Rauhe des Sklaven mag manchen
abgeschreckt haben, und wenn man in Lucians ^ßCcjv TtQäöig^ (12)
einmal liest: 'Es scheint so, als ob der uns unverkäuflich bleibt', so"
kann das sehr wohl bei Menipp von Diogenes gesagt gewesen sein.
Endlich kommt Xeniades, Diogenes geht auf ihn los (VIII, IX, X, XI)
oder weist auf ihn und sagt: 'Du, kauf mich, denn du hast einen
Herrn nötig.' Daran schloß sich eine längere Auseinandersetzung (V,
VI, X). Diogenes weist das Lachen der Umstehenden zurück (X).
Als dann Xeniades entrüstet das 'ccva Ttota^&v' ausruft (VI), bringt
er den Vergleich mit dem Arzt und Steuermann vor (V, VI); weitere
Unterweisung schloß sich an.
Fraglich kann sein, wo der Vergleich mit den Löwen (XII) hin-
gehört; er soll den Freunden gegenüber gebraucht sein, die für den
Gefangenen Lösegeld besorgen wollten. Man könnte auch daraus
noch eine eigene Szene konstruieren. Hier hätte z. B. die Erwähnung
von dem Verkauf des Herakles leicht Platz finden können; auch hier
konnte der Philosoph seine Meinung über die wahre Freiheit zum
Ausdruck bringen.^) Wären die Freunde nicht als diejenigen be-
zeichnet, an die jenes Wort gerichtet war, so hätte es an und für sich
auch vor der Verkaufsszene unter den Argumenten angebracht sein
können, mit denen Diogenes seine Mitgefangenen zu trösten sucht;
endlich wäre es auch am Schluß denkbar zum Zweck des Nachweises,
daß die scheinbaren Diener oft die wirklichen Herren sind.
1) Hier konnte auch das bei Epiktet IV 1, 114 und III 24, 67 erwähnte Wort
von der Befreiung durch Antisthenes stehen, das Lucian aus Menipp kennt
8. S. 204 A. 1.
Menipps Jioyivovg TCQ&öig bei Epiktet. 247
So schließt sich alles vortrefflich zusammen, zu gut, als daß hier
der Zufall seine Hand im Spiel haben sollte. Eine gewisse Gewähr
für die Richtigkeit unserer Zusammenstellung bietet Epiktets Vortrag
'über die Freiheit' den wir oben nur kurz erwähnten, der jetzt aber als
Schlußbeweis angesehen zu werden verdient. In einer Darlegung, wie
sie bei ihm sich mehrfach findet^), daß der Weise stets innerlich fi-ei
sei (IV 1, 114ff.), hat der kynisch angehauchte Philosoph den Inhalt
jener Szenen, wie wir ihn rekonstruieren mußten, zerpflückt und rhe-
torisch verwertet; er zeigt, wie Diogenes von Antisthenes zur Freiheit
erzogen wurde, so daß er hinfort nicht mehr in Knechtschaft geraten
konnte. 'Daher, wie er gefangen genommen war, wie ging er mit
den Seeräubern um? Nannte er etwa einen von ihnen seinen Gebieter
(IIIjV — Wie schilt er sie, weü sie die Gefangenen mangelhaft be-
köstigten (XI)!*) Und wie er verkauft wurde, suchte er da etwa
einen Herrn? Nein, sondern einen Sklaven (I, H, VIII — XI). Als er
aber verkauft war, wie benahm er sich da gegen seineu Besitzer? Er
setzte ihm sofort auseinander, er dürfe nicht so gekleidet, so geschoren
gehen, er sprach mit ihm von seinen Söhnen, wie sie leben müßten.
Und was Wunder? Wenn er einen Turnlehrer kaufte, würde er in
Dingen der Turnübung ihn als Diener betrachten oder als Meister?
Beim Arzt ebenso und beim Zimmermann' usw. Zum Schluß folgt
auch der Steuermann (V, VI). H. Schenkl hat in seiner großen Aus-
gabe (S. 332 Anm.) mit Recht angenommen, daß Menipps 'zJioyevovg
:iQuöLs' die Quelle ist, allerdings wohl ebensowenig direkt wie bei
Philo, und nur insofern kann ich den Widerspruch billigen, den Leo
gegen seine Vermutung erhoben hat.^)
Wie hier, so hat Epiktet auch an anderer Stelle noch etwas von
den Ausführungen des Diogenes veiTaten, die sich in jenen Rahmen
einfügen. Er bringt III 24, G4ff. eine Verherrlichung des Diogenes,
in der er wieder Bezug nimmt auf das Wort vom Kosmopoliten, wenn
1) Z. B. I 18, 17; 19, 7 ff.; 29, 6 ff. II 1, 25 ff.
2) Eine Anspielung darauf auch II 1», 24: Hytiv Jioyivi\'i uiriit/.tTi,xn 6 TtQÖg
'AU^uvdgov ovtoi luXwv, u ngb^ 'ViXi7t7(oi\ 6 ngög roi>i,' neigardf, u^igogTor
d)VTiodntvov uvTov. AuH derselben Diatrilionliteratur Btunimt auch Musonius
S. 49, 4 ff. Hense (Lips. 1906), wo aber die für uns wiclitigen Aussprüche tohlen.
3; Leo, Die griech.-rOm. Biographie S. 60 Anm. 1, der hier wie bei dem
LucianiBchon 'Timon* an Bcuut/.ung einor Biographie denkt. Unterstützt wurde
er in seiner Ablclinting, wio wir girich Hohon werden, dadurch, daß er bei Diog. L.
VI 29 "EQfiinnog Htatt Mninnog niinahm. Ich ghuibo, natürlicher ist es »u ver-
mutenf daß Kpiktet Diatribeu als Vorbilder für seine eigenen hatt« und daher den
Stoff entlehnte.
248 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
er mit Benutzung eines Euripidesverses sagt: "Seju Vaterland lag
überall'. Dann spricht er von seiner Gefangenschaft und seinem Sklaven-
dienst, bei dem er dennoch frei war. ^Deshalb sagte jeuer: Seit mich
Autisthenes befreit hat, bin ich nicht mehr unfrei gewesen. Wie
hat er ihn befreit? Höre, was er sagt: Er lehrte mich, was mein
ist und was nicht mein ist. Der Besitz ist nicht mein. Verwandte,
Genossen, Freunde, Ruf, vertraute Stätten usw., das alles gehört einem
nicht. Was also ist dein eigen? Nur deine eigenen Anschauungen
sind dein völliger Besitz, mit dem du frei schalten kannst und über
den auch Philipp, Alexander, Perdikkas uud der Großkönig keine Ge-
walt haben.' Die Worte von der Befreiung durch Antisthenes be-
rühren sich nahe mit denen Lucians im 11. 'Totengespräch' (3), wo er
den Diogenes von dem Erbe sprechen läßt, das ihm jener hinterlassen.^)
Und wie von der Freiheit des Weisen, so war jedenfalls auch von
der Unfreiheit der meisten Menschen die Rede. Eine Vorstellung von
diesen Gedanken kann uns des Libanius 25. Rede 'Von der Knechtschaft'
geben, die aus einer echten kynischen Diatribe hervorgegangen ist^)
und in rhetorischer Form die einzelnen Arten der Knechtschaft durch-
geht, mehr als das etwa Horaz sat. II 3 und 7 tut. Da wird zunächst
gezeigt, daß auch die Götter nicht frei sind, da sie der Moire dienen,
wie wir das in der 'Widerlegung des Zeus' auseinandergesetzt fanden;
über den Menschen gebieten die Sucht zu schlemmen, der Zorn, die
Spielwut, der Neid, die Habsucht, die Sinnlichkeit, so daß die Sklaven
nicht in höherem Grade Sklaven sind als die Freien. Auch ganze
Völker, so frei sie sich dünken, sind nicht frei, wie an dem Beispiel
der athenischen Demokratie gezeigt wird in einer Schilderung, die
sicher nicht Zustände des 4. Jahrh. n. Chr. vor Augen hat. Selbst
Herakles, selbst die Tyrannen sind unfrei. Wir erkennen aber auch
deutliche Berührungen mit Diogenesworten. Nach Diog. L. VI 41
nannte der Kyniker die Demagogen Diener des Volkshaufens; man
1) Epiktet IV 1, 113: tovto yccQ ianv i] xcclg äXri%^Ei(xig i-Xsvd'SQicc .rccvtriv
TjXsvd'SQm&ri ^loysvrig Ttaq* 'Avri6%'Bvovg xal ovv.ixi ^'qprj v.cir ccdovlcoQ'fivcci dvvccad'ca
'bn' oidsvdg. Der Gedanke liegt zugrunde Luc. dial. mort. 11, 3 (s. S. 246, 1): üv ra
(Diogenes) Avriöd'ivovg i'>cX7]QOv6^r}6ag xat iyoi 6ov itoXXm ^si^co yiccl 68(iv6tsqcc xfig
UsQücbv ccQXV? Gocpiccv^ (xvx(XQv.siccv, ccXrid'Eiccv^ TtaQQYiöiav^ iXav&SQiccv. —
JV^ z//a, liiybvriiicci %al xovxov diads^dusvog xbv nXovxov Ttag' 'AvxiüQ'ivovg.
2) Man denkt direkt an Bions nsgl dovXaiccg Stob. III 2, 38 (187, 5 H.) (Hense,
Rhein. Mus. XLVII 223), wo das oi ccyccd-ol oUexca iXsvdsQOi, ol öh novriQol iXsv-
^8Q0L dovXoi TtoXX&v ImQ'viLLibv sich wie mit Diog. L. VI 66, so mit Libanius
XXV 24 und 68 eng berührt. Daß das ein Grundgedanke der Jioy. TtQ&aig war,
hebt Hense hervor Rhein. Mus. LXI (1906) S. 17.
Libanius Tisgl dovXslccg. 249
muß damit vergleichen, wie Libanius den Rhetor beschreibt (51): 'Er
wird zum Sklaven aller, die Hände und Zungen haben', oder die Dar-
stellung des Ratsmannes (43 f.) und der Regierenden (53 ff.). Nach
Diog. L. VI 63 bezeichnete Diogenes die Hetären als die Königinnen
der Könige; das entspricht der Ausführung von dem, was der Un-
freiheit den Schlußstein aufsetzt, der Liebe (26): 'Ein Mann, der ver-
liebt ist, wird mehr zum Sklaven als die Messenier, da er seinem
Liebchen dient/ Auch Diogenes verglich die Lage der rechtlich dem
Sklavenstand Angehörigen mit der der Herren (Diog. L. 66); er sagte:
'Die Sklaven dienen ihren Herren, die Schlechten ihren Begierden.'
Ganz ähnlich faßt Libanius den Gedanken (24): 'Der Besitzer ist zwar
Herr seiner Sklaven, aber Sklave des Goldes' oder (68): 'Unfrei sind
die Sklaven, unfrei die Herren.' Derartige Gedanken mögen auch in
der Jioyivovg ngäaig gestanden haben und von dort in die Diatriben
geflossen sein.
Aber ein Bedenken gegen unsere Konstruktion müssen wir noch
erwähnen, das wir absichtlich bis jetzt aufgespart haben, nicht etwa
um den Leser, der uns bis hierher gefolgt ist, nun um so leichter zu
überzeugen, sondern weil sich erst jetzt über die Frage richtig
urteilen läßt. Ich habe durchgehends die Lesart der Cobetschen Dio-
genesausgabe als richtig festgehalten und MevLitTtog iv rf] ^ioyevovg
ngdöst bei Diog. L. VI 29 zur Grundlage meiner Darlegungen gemacht.
Leo*) nennt den Verfasser Hermipp. Der Kallimacheer Hermipp kann
aber nicht gemeint sein; für ihn paßt ein derartiger Titel nicht, da
er den ganzen ßCog behandelt haben würde, nicht einen Ausschnitt,
der sich nur verwerten ließ, wenn man ihn voller Phantasie dramatisch
ausgestaltete, oder allenfalls, weil sich an den Verkauf die Zeit der Lehr-
tätigkeit im Haus des Xeniades anschloß, wenn man ihn zu einer Dar-
legung von Diogenes' pädagogischen Grundsätzen benutzte; auch zeigt
sich die Neigung herabzusetzen und zu verkleinern, die Hermipp eigen
1) Die griech.-röm. Biographie S. 60, ohne weiter ein Wort über die Berech-
ii'^xing seiner Lesung zu sagen. Im Index fehlt allerdings der Hinweis auf
Hemiipps Tätigkeit fflr die Diogenedvita, und Kap. 0, wo Hermipp im Zusammen-
hang besprochen wird, ist ebenfalls nicht an diese erinnert. Schon bei Wachs-
muth, Sillographi S, 82 adn, 7 steht: Mhinnof quod in omnibus libris meis legi-
tur, non est cur cum Ambrosio et Sambuci codice quodam niutemus in "KpfiiTrro»',
wo auch die nur konsequente Konjektur von Nietzsche abgelehnt wird: "h'Qutrr-
nos iv xm niQ\ Jioyivovi, ntigurali mg cclov*; usw. — Von einem Hermippus
comicus spricht Boldennan, Stud. Lucian., Diss. Lugd. Hat. 1906, S. 86, aber der
alte (Meineke, Hist. rrit. UO ff.) kommt nicht in Betracht bei Dtogenea, und ein
ander<>r ist meines Wissens nicht bekannt.
250 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten. •
ist, hier nicht. Man müßte also einen sonst unbekannten Hermipp an-
nehmen; denn auch an Hermippos Ton Berytos wird man nicht denken
können, von dessen Werk der Titel bekannt ist: 71£qI xCjv ÖLuitgexi^dv-
tcjv iv Ttaiöna öovkav. Eine Berührung mit unserem Stoff liegt
allerdings vor; aber eine derartige ausführliche dramatische Behandlung
unter dem besonderen Untertitel zftoyevovg jtQäöig ist trotzdem aus-
geschlossen bei der Fülle von Personen, die er behandelt hatte, doch
offenbar einfach katalogisierend mit Aufzählung der jedesmaligen Ver-
dienste.^) An Menipp festzuhalten veranlaßt uns zunächst die sicht-
bare Anlehnung Lucians. Ich fürchte kaum, einen circulus vitiosus
zu begehen; wenn wir erst aus dieser einen Satire Menipps die Ver-
wendung derselben durch Lucian erschließen müßten, stünde es frei-
lich schlimm; da aber durch sein eigenes Zeugnis die Nachahmung
Menipps feststeht und an anderen Schriften auch nachweisbar ist, so
darf man wohl die Übereinstimmung, die man ihrerseits erst aufspüren
muß, trotzdem als Zeugnis für die Autorschaft Menipps bei der z/to-
yivovg Ttgäöig benutzen. Weiter: daß sich aus der Rekonstniktion
und Zusammenfügung all dieser kleinen Züge, die zerstreut überliefert
sind, eine köstliche Szene ergibt, ganz in der Art, wie wir sie von
Menipp erwarten, spricht mehr als alles für die Richtigkeit der Kom-
bination. Endlich aber hat der Angriff auf die Lesart MeviTCTiog bei
Diogenes L. überhaupt keine Berechtigung; sie allein ist trefflich be-
zeugt, denn, wie mich H. Diels und E. Martini auf meine Anfrage
belehrt haben, steht im Parisinus, Laurentianus und Neapolitanus ein-
hellig und ohne die geringste Variante VI 29: (prial öl MsviTtTtog.
Es ist klar, daß all unsere Kombinationen nur den Wert von
Vermutungen beanspruchen können; nicht die Gewißheit, wohl aber
die Möglichkeit dieser Rekonstruktion ist zu behaupten. So weit aber
können wir mit Sicherheit gelangen: für das Motiv des Verkaufs selbst
und für Einzelheiten beim Verkauf des Diogenes hat sich Lucian an
Menipp angelehnt. Allein er hat das Motiv erweitert, indem er alle
bekannten Vertreter der verschiedenen philosophischen Richtungen da-
durch zusammenkoppelte; da es dann bei W^ahrung der Zeiteinheit
1) Wachsmuth, Symb. phil. Bonn., Lpzg 1864—67, S. 140 tf. stellt zusammen,
■was bei Suidas auf Hermipp zurückgeht oder zurückgehen kann. Obwohl er
dabei zweifelnd die Bemerkung über den Kyniker Diogenes aufnimmt, gewinnt
man aus dieser Zusammenstellung erst recht den Eindruck, daß für diesen
Hermipp die Jioyivovg Ttgäaig nicht möglich ist; und ein Titel ist das zweifel-
los bei Diog. L. Etwas anderes ist es natürlich, daß Hermipp kurze Nachrichten
über das rein Tatsächliche bieten mußte, die sich mit Menipp berührten.
Erweiterung der Jioyivovs Tigäoig zur ßiav nguaig. 251
nicht mehr möglich war, die Person selber zu verwenden, so wurde
der farblose Begriff des philosophischen Bios geschaffen, der nun dem
Ganzen das Schillernde und Unbefriedigende gibt. Die Personifizierung
der Bioi war schon angeregt durch den 'Doppeltverklagten' ^), wo die
/3tot, xtxvaij e%i6xfi^uL als Ankläger auftreten. Nun ergab sich das
weitere, daß, wenu man von irgend welchem zur Person gemachten
Begriff absehen wollte, nur Zeus es sein konnte, der diese Auktion
veranstaltete. Gern möchten wir wissen, ob wir in der Umgestaltung
der ßiOL zu Sklaven Lucians eigene Erfindung zu sehen haben; ge-
rade das Unklare an der Yerquickung von philosophischen Lebens-
richtungen und Lehren mit ganz persönlichen Erlebnissen ihrer Haupt-
vertreter legt es nahe, ihm das zuzutrauen als Konsequenz der
Menippnachahmung.^)
Aber selbst wenn wir hier das geistige Eigentum des Satirikers
finden, so lassen sich doch allerlei Anregungen dazu schon in der
früheren Literatur zeigen. Zunächst des Euripides 'Syleus'; wir sahen,
daß vielleicht schon Menipp auf ihn hinwies; auch dort ist Zeus der
Verkäufer und Hermes der Auktionator. Zeus war in unserer Satire
aber so recht am Platze, weil er es ist, der dem Menschen Beruf und
Stellung zuerteilt; und wenn man den Fall setzt, die Menschen könnten
einmal ihren Beruf ändern, so ist es Zeus, der diesen Wechsel ver-
anlaßt. Eine solche Szene hat Horaz sat. I 1, 15 ff. kurz gezeichnet,
\md Kießling hat zu der Stelle vermutet, daß sie auf eine Burleske
Menipps zurückgehen könnte, die auch bei Maximus Tyrius 21, 1
sich angedeutet finde. Lucian hat das Bild in etwas anderer Weise
in der 'Nekyomantie' (16) verwandt, wo die Tyche es ist, die im Auf-
zug des Lebens bald dem eine Rolle nimmt, bald jenem, und dem
Krösus ein Sklavengewand anzieht, dem Sklaven Maeandrius aber die
Rolle des Polykrates gibt. Ich zweifle, ob man mit Recht aus diesem
Motiv eine dramatische Szene folgert, in welcher di>r Gedanke, daß
Zeus die Berufe verteilt und wechselt, den Rahmen gebildet habe;
es konnte sehr wohl in dieser Form auch als Beispiel seine Verwen-
dung finden.
1) über die spätere Abfassung der ^to^r TtQ&eig s. S. 22k und Kap. XII.
8) leb will nur nebenbei auf Dünimlers Auslebt verweisen, daß die Jio-
ytvovg %ifä6i9 in der Verspottung der Ideenlehre Piatons, aber auch in der Ein-
kleidung des Cinnzen schon auf eine Schrift des Aniiathenes zurückginge, und
daß Hchon vor Lucian die Jtoyivovg nifftaig zur ßlcov nffuotf von Kynikem er-
weitert w&re 0\kaden)ika, Gießen 1hh9, S. 20H ff.). Die Herloitun^j eine*« einr.olnon
Gedankens von Antisthencs mag richtig' M'iu-, ulntr hohmI Hchciut mir da der
Kombination etwa« viel zu sein.
252 Kapitel X. Die Versteigerung der Lebensarten.
Auch sonst wird Zeus in dieser Weise bemüht. Von einer Aus-
teilung der Ehren an die Götter durch ihn redet die Fabel, die nach
Plutarch consol. ad Apoll. 19 (112A) der Philosoph der Arsinoe erzählte;
von einer Austeilung der Gaben au sämtliche Lebewesen im Auf-
trag des Zeus durch Prometheus und Epimetheus spricht der Mythus
in Piatons Protagoras (320 Dff.), und gleiche Anschauung läßt sich
dort betrejffs der Künste (322 C) erkennen. Achill weiß bei Homer zu
berichten, daß Zeus aus zwei Fässern den Menschen ihr Los gibt, deren
eines mit Gutem, das andere mit Bösem gefüllt ist (II. XXIV 527 ff.).\)
Bei Maximus Tyrius ist es die Physis, die an Menschen und Tiere
Kräfte und Fähigkeiten ausgibt (2, 4), und derselbe sagt, daß die
Götter den Menschen Tugend und Schlechtigkeit zuerteilen. Und
diese allgemeine Bezeichnung kehrt öfter wieder. Cicero sagt (Acad.
II 7, 19): 'si optio naturae nostrae detur et ab ea deus aliqui requirat,
contentane sit suis integris incorruptisque sensibus an postulet melius
aliquid' ; weit greifbarer und poetischer ist die Darstellung in Piatons
Alkibiades (105 A): 'Mir scheint, wenn einer der Götter zu dir sagte:
Alkibiades, willst du leben mit dem, was du jetzt hast, oder sofort des
Todes sein, wenn du nicht mehr erwerben darfst? — mir scheint, du
würdest den Tod wählen.' Und ganz ähnlich ist die Fiktion der
Änderung der Lebenslage im 'Staat' (IX 578 E) mit den Worten sl' ng
%eG)v eingeleitet. Wenn aber die Wahl war zwischen Tyche, Physis
oder irgend einem der Götter, so war es für Lucian selbstverständlich,
Zeus zu nehmen und auf sein auch sonst zur Darstellung gebrachtes
Verhältnis des Göttervaters und des Götterboten zurückzugreifen, das
sich ja in der gleichen burlesken Weise ausbeuten ließ wie etwa im
'tragischen Zeus' und im 'Doppeltverklagten'.
Auch für die Selbstbestimmung bei der Auswahl der Lebenslose,
die in der Lucianischen Satire durch den Kauf ausgedrückt ist, lag
in Piatons 'Staat' ein Muster vor. Nach dem Schlußmythus kann
sich ein jeder das Leben eines Tieres oder eines Menschen, eines
Tyrannen, eines Mannes oder Weibes usw. aussuchen (X 15f. 617 Dff.);
auch die Figur des Hermes hat wenigstens in etwas Ähnlichkeit mit
der Rolle, die der TtQOcpYJtr^g spielt, der dort vom Schoß der Ananke
die Lose und Lebensarten, ßCmv Ttagadsty^araj nimmt und die Seelen
in Reihe und Glied aufstellt wie Hermes hier die Bioi.^) Die Frei-
1) Ygl. Od. VI 188: Zevs d' avrbs vb^sl öXßov 'OXv^tilos ccvd-QcaTioLaLv, ia^Xotg
rjSh xccxotöiv, OTtcog i&iXri6Lv ^ycäoxcp.
2) Plat. 617 D: 7tQ0(priX7\v ovv rivcc ocp&s tcq&tov ^isv iv xä^hi diaötTjöuL^
Luc. vit. a. 1: ai) 8s 6tfi60v 8^f]S Ttccgayayoiv tovs ßiovg.
Zeus als Veranstalter der Auktion. 253
heit der Wahl ist jedem gegeben, hier wie dort; nur das komische
Motiv des Kaufes ist hinzugefügt. Komisch können wir's nennen, weil
Verkaufsszenen in Komödien und Mimen mehrfach dargestellt waren;
aus des Hermippos 'Soldaten' ist wenigstens ein Vers erhalten, der
auf eine solche Szene schließen läßt^); in des Phrynichos 'tragischen
Schauspielern' kam jedenfalls ein Verkauf vor^); Antiphanes und Epi-
krates schrieben ein Stück 'Der Schwerverkäufliche' ^), bei dem man
aus dem Titel auf eine Verkaufsszene schließen möchte; von Menander
existierte eine Komödie 'Der Verkauf.^)
So war aus einer Erweiterung der zlioyevovg tcqccöls auf die
übrigen Philosophen der Rahmen gefunden, und es kam nur darauf
an, ihn auszufüllen. Wie weit für diese Einzelheiten Menipp den
Stoff bot, entzieht sich unserer Kenntnis; das geringe biographische
und doxographische Material konnte Lucian sich leicht auch -anders-
woher verschaffen.
1) Eock I S. 239 fr. 50: rig iod-' 6 TtaXav ravögccTrod' ; — o6* iya ndga.
2) Kock I S. 383 fr. 51/2. Vgl. Schmid, Bursians Jahresber. 108, S. 247, der
auch auf das Fragment des Calvus 3 Baehr. hinweist, dessen Fiktion mit unserem
Motiv zusammenhängt.
3) Athen. VI 262 cd. Kock II S. 47. 284.
4) Kock ni S. 122.
Kapitel XI.
Das Gastmahl.
Mehr und mehr verwischen sich von jetzt ab die Spuren Menipps.
Allerdings sind wir über seine Schriften zu wenig unterrichtet, da
sogar das Verzeichnis bei Diogenes Laertius unvollständig ist; aber
es ist weniger das Fehlen eines äußeren Testimoniums, das hier ent-
scheidend ist, als das Ausbleiben von spezifisch kynischen Gedanken
oder Gedankenformungen, Bildern, Beispielen. Das zeigt uns das
* Gastmahr, wo uns doch noch das antike Zeugnis zur Seite steht;
Athenäus (XV 629 e) zitiert einen Ausdruck aus Menipps ^Symposion';
und die mythologische Beziehung in dem Doppeltitel ^oder die La-
pithen' ist durchaus menippisch.
Das Ganze ist eine vom Dialog umrahmte Erzählung. Philon hat
durch Charinus von dem Gastmahl im Hause des Aristainetos gehört und
bittet Lykinos ihm den Hergang zu berichten; denn Charinos seinerseits
hatte die Kenntnis nur von dem Arzte Dionikos, der erst dem letzten
Teil des Festes beigewohnt hatte, wußte also selber nicht alles.
Lykinos sträubt sich, läßt sich aber durch den Zorn des Philon be-
wegen, seine fingierte Zurückhaltung aufzugeben. Aristainetos feierte
die Hochzeit seiner Tochter Kleanthis mit dem philosophisch ge-
bildeten Sohn des Wucherers Eukritos, namens Chäreas. Es war
eine erlesene Gesellschaft von Philosophen geladen und jede Richtung
vertreten, die Stoiker sogar zweimal, sodann der Grammatiker Histiaios
und der Rhetor Dionysodor; die Folie bildete eine Anzahl von Laien,
die namenlos bleiben.
Eröffnet wird das Festmahl durch einen Streit um den Platz
zwischen dem Stoiker Zenothemis und dem Epikureer Hermon, der
nur durch Hermons Nachgiebigkeit friedlich beigelegt wird. Das
erste Litermezzo verursacht der Stoiker Zenothemis, der seinem Skla-
ven heimlich von den Speisen zusteckt, um davon mitzunehmen.
Dann erscheint ungeladen der Kyniker Alkidamas, der sich im Kreise
Inhalt. 255
herumbewegt^ dabei ißt, was ihm gerade an Leckerbissen zusagt, und
zugleich Vorträge über Tugend uud Laster hält und auf Gold und
Silber schmäht. Als ihm der Hausherr einen Becher Weines reichen
läßt, wirft er sich zur Erde, und den Arm aufgestützt, ruht er dort
wie Herakles bei Pholos. Ein neues Intermezzo zwischen dem Peri-
patetiker Kleodem und dem bedienenden hübschen Knaben lenkt die
Aufmerksamkeit von ihm ab. Der Knabe wird auf Befehl des Ari-
stainetos durch einen bejahrten, häßlichen Sklaven abgelöst. Darauf
trinkt der Kyniker der Braut zu auf Herakles, das Vorbild seiner
Sekte; darob allgemeines Gelächter und Zorn auf Seiten des Zurück-
gewiesenen: 'Wenn die Braut den Becher von mir nicht nimmt, ruft
er aus, so wird sie nie einen so starken, geistig freien Sohn be-
kommen, wie ich bin', und zugleich entblößt er sich, um seine kraft-
volle Gestalt zu zeigen. Weiteren Streit verhindert das Eintreffen
eines riesengroßen Kuchens. Schon geht es ziemlich lärmend her,
und die Gäste sind meistens trunken. Der Rhetor hält seiner Um-
gebung Vorträge, der Grammatiker deklamiert in buntem Durchein-
ander Pindar, Hesiod, Anakreon und Zenothemis liest aus einem Buche
vor; da läßt der Brautvater den Spaßmacher auftreten, der nach
seinem Tanz den einzelnen Spottworte zuwirft. Alkidamas läßt sich
das nicht gefallen, er fordert den Mimen zum Faustkampf auf, bei
dem er jedoch selber den kürzeren zieht. In diesem Augenblick tritt
der Arzt Dionikos ein, der als rechter Jünger Äskulaps sofort die
letzte Kraukengeschichte zum besten gibt, eine Episode mit einem
Irren. Als man seiner Erzählung noch lauscht, tritt ein Sklave ein,
der von dem Stoiker Hetoimokles einen Brief überbringt, in dem
dieser sich beschwert, weil er nicht geladen sei, und gegen seine
Kollegen Zenothemis und Diphilos höchst bedenkliche Schmähungen
und Verdächtigungen ausspricht. Das stört die Festesfreude; der
Sohn des Aristainetos, Zonon, der in dem Schreiben als Geliebter des
Diphilos bezeichnet war, muß auf Befehl seines Vaters das Mahl ver-
lassen. Der Peripatetiker aber benutzt die Gelegenheit, um nun über
die Jünger Chrjsipps herzufallen; es entspinnt sich ein Wortkampf,
in dem man n'wh gegenseitig die schwersten Verbrechen wie Dieb-
stahl, P]hobruch, Kuppelei, Giftmord zur Last legt, bis man zu Tätlich-
keiten übergeht. Aber anch diesmal weiß des Hausherrn Besouucn-
■ t iiorh das Schlimmste zu verhüten. Immerhin vergleicht der Er-
• r den Brief des Hetoimokles mit dem Erisupi'el; denn der Streit
glimmt fort, bis der Piatoniker Ion auf den Einfall kommt, durch
Rfden das Gelage zu venichönen, gerade iu dem Augenblick, da der
256 Kapitel XI. Das Gastmahl.
Gang aufgetragen wird, den sich die Gäste mit nach Hause nehmen.
Ion beginnt mit der Rede, indem er, frei nach Piaton, ausführt: Das
beste sei nicht zu heiraten, sondern sich der Knabenliebe zu ergeben;
wenn es aber ohne Verkehr mit Weibern nicht ginge, so müßten
alle gemeinsam sein. Es folgt Gelächter, der Rhetor sticht ihm den
falschen Gebrauch des Wortes t,fiXog auf, der Grammatiker gibt seiner-
seits ein Hochzeitscarmen zjim besten, das an Albernheit nichts zu
wünschen übrig läßt. Da bricht der Kampf aufs neue aus und zwar
um die Portionen, die jeder erhält. Diphilos will die für seinen
Schüler Zenon bestimmte auch für sich in Anspruch nehmen und ringt
mit den Dienern um das gebratene Geflügel, wie Griechen und Troer
um Patroklos' Leichnam. An andrer Stelle wird's noch ärger; der
Stoiker Zenothemis nimmt dem Epikureer sein Teil fort, weil es
fetter ist. Allgemeine Prügelei bricht aus; das Blut fließt in Strömen,
die Weiber heulen um den verwundeten Bräutigam, kurz, es geht zu
wie bei den Lapithen und Kentauren. Schließlich löscht Alkidamas
das Licht aus, und in der allgemeinen Verwirrung macht er sich mit
der Flötenspielerin zu schaffen, während Ion mit des Rhetors Hilfe
einen Becher zu entwenden sucht. Die Verwundeten werden hinaus-
geschafft, Dionikos ist um sie bemüht, die andern gehen mit ihrem
Katzenjammer nach Hause bis auf Alkidamas, den niemand bewegen
kann fortzugehen. Der Erzähler aber gedenkt der Euripidesverse:
Vielgestaltig ist das Schicksal, viel senden die Götter wider Erwarten,
und was erhofft ward, fand nicht Erfüllung.^)
Aus der Menge der 'Symposien', welche die antike Literatur ge-
schaffen hat, ist uns zwar zweifellos das schönste erhalten, im übrigen
aber nicht genug, um eine deutliche Linie der Entwicklung ziehen
zu können. Daß Epikurs * Gastmahl', die Schilderung einer Versamm-
lung allein von Vertretern der atomistischen Lehre und ihrer ziemlich
trockenen Gespräche, mit seinem Mangel künstlerischer Umrahmung
keinen Einfluß auf Luciar ausgeübt hat^), kann man getrost behaup-
ten. Dagegen zeigen sich Berührungspunkte mit drei 'Symposien'.
Was an unserer Satire am ersten auffällt, ist die Nachahmung Pia-
tons ^), den Lucian auch, allerdings in ganz anderer Weise, im 'Lexi-
phanes' benutzt hat, dort, um in der Erzählung die Sprachweise der
1) Eur. Ale. 1159 W. Androm. 1284. Hei. 1688. Bacch. 1388. Med. 1415.
2) Siehe Usener, Epicurea S. 115 ff.
3) Was Fritzsclie in der Einleitung zur Ausgabe des '"Symposions' sagt
(II 2 S. 87): ^omnino Socraticorum symposia hue non pertinent', ist in dieser
Form niclit richtig.
Beziehungen zu Piaton. 257
Attizisten, ihr Suchen nach ungewöhnlichen oder archaischen Aus-
drücken zu verspotten, hier, um die Handlungsweise der Philosophen
zu beleuchten. Nach Piatons Vorbild ist ja die Rahmenerzählung
gewählt, selbst mit Beibehaltung von Einzelheiten. Philon hat die
Vorgänge beim Gastmahl von Charinos gehört, Charinos aber erst von
Dionikos; so hat Glaukon, allerdings durch eine Mittelperson erst,
von Phoinix den Bericht über das Symposion im Hause Agathons er-
halten, dieser aber von Aristodem, der daran teilgenommen hatte; und
auch der wirkliche Erzähler ApoUodor hat nur durch diesen Aristo-
dem Kunde davon (172 B; 173 B). Und wie der Freund den Glaukon
ausdrücklich auf Apollodor hingewiesen hatte als den, der Bescheid
wüßte, so hat Dionikos den Philon gleich auf Lykinos aufmerksam
gemacht, weil dieser alles mitangesehen hätte. ^) Die Figur des Dio-
nikos selber, des Mediziners, verdankt ihre Existenz dem Arzt Eryxi-
machos, wie ja der Arzt dann in den ^Symposien' eine typische Figur
geworden ist; daher der Arzt Kleodor in Plutarchs 'Gastmahl' und
die Arzte Daphnos, Dionysokles und Galen selbst in dem formlosen
Machwerk des Athenäus. In dem Zwiegespräch zwischen Philon und
Lykinos wirkt die Erinnerung an Piatons Thaedrus' mit; wie dort
Phaedrus sich sträubt, die Rede des Lysias zum besten zu geben, so
will hier Lykinos mit seinem Bericht nicht herausrücken; in beiden
Fällen aber wird das Sträuben von dem andern als Ziererei erkannt,
da in Wahrheit der Zurückhaltende vielmehr vor Begierde brennt,
was er hat, anzubringen.^) Luciau hatte dasselbe Motiv schon früher
in seinem 'Nigrinus' verwendet.^) Wenn Philon das Bild gebraucht.
1) Selbst der Wortlaut stimmt conv. 2: xul rbv Jiovixov yag ccvxbv tinelv,
ms wötbg fiiv oi) Tfagayivoiro unaat, ok d' ccxQißüg sldivcci xa yBysvrni^vce, Plat.
172 B: äXXos yocQ rig iioi, diriyttxo &Mr\xo(üg ^oivtxog xov ^iXinTtov^ ^qpjj dh xal ah
tldivui.
2) Conv. 4: ingißäg olda itoXv nXiov intd^vnovvxa oh slxstv ^ i(ih ^xoHaai.
xai ftot fioxttg^ tl &noQr\OBiccg xiov &xovao^^vo}v^ xocv ngbg xiovd xtpce
Tj TCQbf ävÖQidvxa r]üi(og uv TtQOUhX^oiv ^xx^ai ndvxa gvvhq(ov &{ivaxiy Plat.
Pbaedr. 228 B: An(xvxi]actg 6h rä> voaovvxi ntgl Xöyatv Scxoi^v^ Idotv ^ihv ijad-t], ort
iioi xbv avyxoQvßavxiüivxa . . . ., dto^ivov dh Xiysiv roß x&v X6yoiv iffacxoO
i^QvnxBto tag di] oix ini&v^üiv Xiytiv . xbXbvx&v dh f^fXXe^ nal al n^ xtg ixoav
&X0V01, ßltt ighlv. Auch «las i^QvnxKif^ut hat Luciau daher liberiiommen
4: ^Qvnxri xuina, tu Avxtvi (vgl. Fritzsche zu diencr Stolle). Der Ausdruck 4: §1
nil nuvxunaaip iya» fniXiXriaiuei Avxlvov ist dorn Platonischen 928 Ar ti ^cb
^aldQOv &yvoth, xal i^uvxod iniXiXr\a^i uachgobildet.
3) Nigr. 0 sagt der sich Zierende selber: ical tt yc fi^ i^^h)«, oHkög hß
idtt'idTiv ixo{<aal nov dtr]yov\ihov ini-l x&v xig ^i; nagtov f«''jff/, »c«l o0t«
dlg 1} xQ\g rfif r}fi^Qt(^' f'cvuxvxXA ngbg ifutvxbv xu elgimipa. Dort mahnt er auch 9,
Malfi., !.»< Ittii uimI M>m,ip|' 17
258 Kapitel XI. Das Gastmahl.
Lykinos solle ihm mit seiner Erzählung einen Schmaus bereiten, so
ist der Ausdruck ebenfalls dem Anfang des 'Phaedrus' entnommen.^)
Man sieht, ein wie aufmerksamer Leser Piatons Liician gewesen ist.
Auch sonst erinnern Einzelheiten an Piatons ^Symposion'. Wie So-
krates eintritt, heißt es, er habe die andern mitten beim Mahle ge-
troffen, auch Dionikos kommt erst mitten in den Streit hinein.^) Von
der Einleitung wird bei beiden Schriften in gleicher Weise zur Er-
zählung übelgegangen durch die Frage des Zuhörenden: Wer waren
denn die Teilnehmer am Mahl? oder: Welches waren denn die Reden ?^)
Allmählich versagt natürlich die Anlehnung an Piaton. Doch die
Erscheinung des ungeladenen Alkidamas und die Verwendung des
Homerverses ist ihm noch nachgebildet-, das plötzliche Auftreten des
Kynikers (12) erinnert an das des Alkibiades (212 C), und als So-
krates den ungeladenen Aristodem unterwegs trifft, nimmt er ihn mit
und bespricht ausführlich die Homerwoi-te betreffs des uvai äxXritog
inl dslTCvov (II. II 408), auf die Lucian hinweist, wenn er den Alki-
damas als äxkrjTog bezeichnet; ja selbst die Fortsetzung des Zitats
durch äcpQaiV£Lg Msvslas bei Lucian ist durch die Kritik des Sokrates
bei Piaton schon gegeben. Dann führt nur der Vorschlag des Plato-
nikers Ion, durch Reden sich die Zeit zu verkürzen, der ja mit Hin-
weis auf den Meister der Schule geschieht (37), noch einmal zum
^Symposion' Piatons zurück.^) Auch für die Tendenz des Ganzen
kann man den Schluß des 'Euthydem' und die Rede des Kallikles
im 'Gorgias' (484 C) vergleichen''); die Mahnung in diesem Dialog,
die Philosophie nur bis zu einem gewissen Grade und nur in der
Jugend zu pflegen, da sie sonst geradezu ein Verderb sei, und in jenem
wie Phädrus sagt 228 A: ohi ft£ . . . . rccvtu Idimtriv övtcc cc-jroiivrj^ovsvGSLV a^icog
ittsivov ; , so mit demselben Gedanken : kccv ivdseGtsQov rt doxw XtysLv, i-aslvo }ihv
%6t(ü TtQoxsiQov cbg a^LSivov rjv. Für das ^Symjposion' paßte dieser Gedanke
natürlich nicht.
1) Conv. 2: o-üH av (pd'dvoig kcxiiäv 7]iiäg rjdlGtriv ravtr^v kötlaöiv^ Phaedr.
227 B: rig ovv df] rjv r] diatgiß'^; rj dfjXov ön r&v löycov viiäg Avalccg fiörm;
Selbst das öiatQißt] stammt daher im Beginn der Lucianischen Satire: 7C0LxiXr}v
.... diccTQLß^v cpccöL ysyBvfiöQ'aL v^iiv x^^S-
2) Conv. 1: aXXa öiph ^saovorig i]dri rfjg uä%rig iTtsatri, Plat. 175 C: ccXXa
fiaXiGta acpäg ^saovv dsntvovvxag.
3) Conv. 5: äxccQ ovv, co Avyitvs, xivsg oi Ssnrvovvxsg ^6av; Plat. 173 E:
ScXXa dir\yri6Dci xivsg rjoav oi Xoyoi]
4) Conv. 37: atOTtsg cc^^Xsi y,cil naga ra> thibxbqg) ÜXdxcovi iv Xöyoig 17
nXsiöxri ^iciT^Qiß^ iy^vsro^ Plat. 177 D: ysvoLx' av ij^tv iv Xoyoig ly.ccvr]
diaxQißri (vgl. Fritzsche zu dieser Stelle).
5) Die Tendenz ist im übrigen kynisch vgl. S. 37.
Beziehungen zu Piaton und Xenophon. 259
Dialog (305 A) die Behauptung des Unbekannten dem Kriton gegen-
über, daß die Sacbe selbst und die Menschen, die sich damit befassen,
schlecht und lächerlich seien, stimmen zu der Reflexion des Lykinos
(;)4), daß die übermäßige Beschäftigung mit den Wissenschaften nur
von einer richtigen Denkweise abführt.^)
Im übrigen ist der Inhalt so himmelweit verschieden von der er-
habenen Poesie Piatons, daß Ähnlichkeiten nicht mehr möglich sind.
Daneben scheint die Reminiszenz an Xenophon, die ja bei dessen Beliebt-
heit im zweiten Jahrhundert nur natürlich wäre, auf die Darstellung
Einfluß ausgeübt zu haben; wie Kallias glaubt (1, 4), sein Festmahl
durch die Anwesenheit des Sokrates und seiner Gefährten glänzender
zu gestalten, als wenn er hochstehende Personen einlüde, so preist
Philon den Aristainetos (10), weil er bei seiner Feier vor andern die
weisen Männer einlud. Bei dem Auftreten des Alkidamas kann Lucian
auch an das Hereintreten des Spaßmachers im Xenophontischen 'Sym-
posion' (1, 11. 13) gedacht haben, der ebenfalls über das ccxlrirog phi-
losophiert und erklärt, er habe es für lächerlicher und darum seiner
würdiger gehalten, ungerufen als gerufen zum Mable zu kommen.
Überhaupt, daß Lucian bei seinem Fest den ysXaronoLog auftreten
läßt, der neben dem skurrilen Kyniker nur eine Dublette ist, macht
dieses 'Gastmahl' dem Xenophontischen ähnlicher^); bei Piaton schickt
man die Flötenspielerin hinaus, und ein Mime tritt nicht auf.
Für die eigentliche Gastmahlsszene drängt sich in einzelnen Mo-
tiven auch der Vergleich mit Piutarchs 'Gastmahl der sieben Weisen'
auf.') Den Anfang macht bei Lucian der Streit um den Platz zwi-
schen Epikureer und Stoiker, und dieser droht wieder fortzugehen;
1) Plat. Gorg. 484 C : (piXoao(pia yuQ xoL ioitv w I^nxQaTSs X^Q^^^^ ^^ ^^S
uvtov liftgiois uxln^tcit iv ry rjXixlcc, iuv 6s TttQocixiQia xov ÖiovTog irSiaTgi^"^,
diatpd'OQcc roav üv^qw^ojv ., Euthyd. 305 A: rb Ttifäy^ia ccinb xal ot avd^Qbijfoi oJ
ircl tto nQuy\iuTL diavQitiovrfs (paifXol tlai xal xaxuyilaoroi, (der Fremde meint
damit nicht nur da» treffliche Brüderpaar, 8onderu auch jeden, der wie Sokrates
sich mit ihnen einläßt), Luc. conv. iW: iyüi tiqö^ ifiuvxov irtvoovv . . . . ag ovdhv
Offtlog T^v &Qa inioxao&at xu ^aO-T/aata, el ^tj xtg xal xöv ßiov ^vd-fM^or rcffbg r6
ßiXxiov Untixa dh slayti ^£, ^lij äga xb vnb xav noXXdtv Xfyoiitvov icXrid'hg
jj xal tb ntxaidsia^ui icndyy x&v og&cbv Xo/tafubv rov^ ig /tdva roc ßißXia xol
tag iv intlvoig (pQOvtiÖctg icxBvig &(po(fuiPtag.
2) Für den AuHdruck conv. 16: §1 itp^ diuipoixfiaav tlg &navtas^ iXlic fiii
Huxiaßri avxixu, At^tdig nupv xoi) 'Agiaxaiv^xav xijv Tcagoiviav iviptavxog ver-
weist Frit/Mtlii' iiuf \liu. conv. i). 10: urn. ni v M 1 mcnuivlct orr«o xar*-
6ßi9»1,
8; .Niim V »> iiaiM'tw it/,, llcniii'H .W'v i i.*';»u .■^, i;m, n ui i'iai«»^
II 182 fr. darf ich ja wohl die Aht'aHHun^ durch IMutarclt ut
1 . *
260 Kapitel XI. Das Gastmahl.
bei Plutarch (c. 3 148 E f.) kommt den Hereingehenden schon der
Milesier Alexidem entgegen, der vor Groll über den ihm angewiesenen
Platz das Haus Perianders verlassen hat. Die Einflechtung von Re-
flexionen seitens des Erzählenden zeigt eine merkwürdige Überein-
stimmung.^) Lucian läßt femer den Brief des Hetoimokles vorlesen
(22 ff.), wie Plutarch den des Amasis (c. 6 151 B). Daß dann jeder
seine Meinung äußern soll, geht im Grunde auf Piaton zurück; bei
Plutarch wird begründet, daß Solon als erster zu sprechen hat, bei
Lucian nimmt der Platoniker, weil es selbstverständlich ist, zuerst das
Wort; aber beachtenswert ist, daß beide Male in gleicher Weise auf
die kleine Kunstpause hingewiesen ist, die solchen Reden voranzugehen
pflegt: liVKQOv k7ti6xG)v (conv. 39 Plut. 7 152 A).^) Und bei beiden
Gastmählern erscheint ein Gast weit später als die andern und bringt
neues Leben in die Unterhaltung durch eine eigene Geschichte, bei
Lucian (20) der Arzt Dionikos mit dem Bericht über den Geisteskranken,
der ihn fast in Lebensgefahr gebracht hatte, bei Plutarch (c. 17 160 C)
der Bruder Perianders Gorgos, der die Errettung des Arion vorträgt.
Wenn Lucian für die Ökonomie seines Dialoges nicht aus Plutarch
geschöpft haben sollte, so wäre jedenfalls soviel sicher, daß eine An-
zahl von Motiven sich in der Symposienliteratur festgesetzt hat und
diese äußern, formalen Elemente daher von Plutarch und Lucian über-
nommen sind. Dann würde gewiß für diese Gestaltung der %Sympo-
sien' auch Menipp als Schöpfer oder Weiterbildner von Motiven in
Betracht kommen.
Die Erkenntnis solcher in kynischen Symposien benutzten Motive
hat Joel durch seine Untersuchungen^) sehr gefördert. Es ist danach
klar, daß das Benehmen des Alkidamas mit seiner Vernachlässigunor
jeder guten Sitte, daß die Zänkereien der einzelnen Philosophen, die
sich bis zu Tätlichkeiten steigern*), auf Grund alter Vorbilder ge-
schildert sind. Es ist bezeichnend, daß der Kyniker mit all seiner
Rauheit und Grobheit auch sonst eine literarische Fiorur oreworden
ist. Bei Plutarch im Gespräch ^Über das Zurückgehen der Orakel' (7)
1) An der oben schon zitierten Lucianstelle heißt es conv. 34: iyoa tcqo?
iiiavtbv ivBvoovv ... rag ov8hv öcpsXog ^v v,rX., darauf: ^nsita siehst ^is xrl.,
Plutarch sagt mit ganz anderem Inhalt, aber doch in der Form seltsam harmo-
nierend (c. 4 150 C): i^iol ds . . . . ivvostv iTtTJsL ngog i^ccvrbv Sg "kxX.
2) Plutarch hat das auch sonst, z. B. de def. or. 39 431 E. Nachgeahmt
ißt das dann in den Amores 19, 30, über deren Unechtheit vgl. den Anhang.
3) Der echte und der Xenophont. Sokrates 11 2 (Berlin 1901).
4) Ebendort S. 767 f.
Plutarch. Athenäus. Kynisches Vorbild. 261
stört er durch sein ungestümes Auftreten, sein Aufschlagen mit dem
Stock und seine Brüskierung der Anwesenden zunächst eine gedeih-
liche Erörterung des Problems, die erst nach seinem Weggang möglich
wird. Sein Erscheinen ist völlig episodenhaft und nur verständlich
durch Ausnutzung eines hergebrachten Motivs. Noch auffälliger ist
der streitsüchtige Kyniker im ^Gastmahl' des Athenäus, weil die Rolle,
die er spielt, in seltsamem Gegensatz zu der Gelehrsamkeit steht, die
er vorbringen muß.^j Bei ihm könnte allerdings unmittelbare Ein-
wirkung Lucians denkbar sein; findet sich doch bei ihm auch, wenn-
gleich in übertragener Weise, das Zutrinken seitens des Kynikers^),
das allgemeine Gelächter, das durch dessen Worte hervorgerufen wird^),
die Besänftigung seines Unmuts durch die Fülle der Gerichte wie bei
Lucian durch den Kuchen*); und endlich ist er trunken wie in unserer
Satire.^) Auch der Epikureer, der sich auf den Aal stürzt und vor
Gier den heißen Kuchen hinabschlingt, so daß er sich völlig ver-
brennt®), erinnert ja an die Lucianische Darstellung von Angehörigen
dieser philosophischen Sekte.
Neben dem Zank und den Schmähreden finden wir ein anderes
Motiv in unserer Schrift, das Joel dem kynischen Symposion zuschi-eibt;
es ist das Thema von der Ehe.*^) Lucian, der ja ziemlich oberfläch-
lich zu Werke gegangen ist, hat es wenigstens gestreift in der kurzen
Kede des Platonikers Ion (39), deren wenige Worte recht im Gegen-
satz stehen zu der hochtrabenden Einleitung; aber das Problem ist
doch angedeutet**): Ist es besser zu heiraten oder nicht? Und wenn
es besser ist, welche Form der Ehe ist wünschenswert, Einzelehe
oder Frauengemeinschaft y Es ist wohl kein Zufall, daß auch von
Varro das Thema der Ehe in einer Satire besprochen ist, die den
Titel trägt: tvQSv i] ko:Tug xh Tt&^a und den griechischen Ausspruch
fnfli'ilf: y(/in'<L'i. 6 VOVV /"/f-)!'."'^
1, \^l. m oy, 106«; X^ H, litiu" {oiSinoTS tfjs <piiovsixiccs navönivos); Vi
90 270"*'.
2) 11196 122'': Alka nQonivto (Tot, ^qprj, Luc. conv. 16: ngoTtiva aoi, ?<jp>j.
8) IV 69, 16ö'': y^cZadavro)»' ovv ndvxmv inl xovxoii^ Luc. conv. 16: iyilaaav
inl TovTip &navtig. Da diese Herührungen alle das gleiche Kapitel Lucians
angehen, ist es vielleicht auch nicht ohne Belang, dafi da» ^rtoßU^g atg beim
Beginn der Rede von beiden gebraucht ist (IV 68 164^ Luc. conv. 16).
4) VI 100 270", Luc. conv. 16.
6) XV 83 68/»' ff. »4 686 ^
6) VU 68 298"-. VgL Neue Jahrb. f. d. klass. Altert IX (190S) 8. S68 ff.
7) Joel a. a. (). 8. 779.
8) Conv. 89: nfffl yan&v igA tu tUota. 9) Fr. 166 ff. Bueoheler.
262 Kapitel XI. Das Gastmahl.
Beachtenswert endlich ist auch die knappe Andeutung der Vor-
trage des Alkidamas (14); er bringt als echter Tugendschwätzer nicht
nur die üblichen Lobpreisungen der Tugend und Schmähungen des
Lasters an^ sondern er geht im einzelnen gegen den Luxus vor, der
sich in der Pracht des Tafelgeschirres verrät. Li dem kurzen Hinweis
darauf, daß tönerne Gefäße denselben Zweck verrichteten, liegt das
Thema einer kynischen Erörterung, wie wir sie noch aus andern lite-
rarischen Quellen erkennen.^)
Immerhin ist es nicht viel, was wir aus diesen paar Spuren ky-
nischer Schriftstellerei gewinnen. Der Hauptinhalt unserer Satire, der
t6:tos vom Widerspruch zwischen Lehre und Leben der Philosophen,
wie er uns hier anschaulich dramatisiert vorgeführt wird, ist allgemein
verbreitet, wie wir oben^) sahen; und wenn es auch möglich ist, so
braucht er doch nicht auf Menipp zurückzugehen. Wenn wir also nicht
den Titel 'Symposion' bei Menipp hätten, wäre es schwer zu zeigen, daß
er für das Motiv des Ganzen Lucian die Anregung gegeben hat. Das
einzige Fragment, das Athenäus XIV 629 e hat, bestätigt nur eine ge-
wisse Ähnlichkeit in der äußeren Gestaltung der Satire; es scheint
danach, als ob auch bei Menipp ein Spaßmacher auftrat, der einen
eigenen Tanz, köö^ov sxTCVQGjöig genannt, aufführte. Ob damit eine
Verhöhnung Heraklits verbunden war^), muß zweifelhaft bleiben. Der
Tanz selbst erinnert an die Schilderung des ysloxoTtoiog bei Lucian
(18)."^) Zufällig ist bei Athenäus I 32 e noch ein Fragment erhalten,
das über den Wein von Myndos handelt und diese Stadt «AfioTrortg
nennt; es könnte also in ein Symposion gehören, wenngleich damit
nicht gesagt ist: in dieses.^) Auch die weitere Besprechung der Weine
1) Muson. 20 (110, 5 Hense): i-HTtm^ata dh xqvöov -nal ccQyvgov TCtTtoiri^ivoc,
(110, 14 H.): 7f Ivsiv ys vrj Jicc ^v, yisgayLsrnv TtotriQlwv tcccqov, a to ts Siipog aßsv-
vvsLV "JiocQccTtXricicog Tcscpvycs xoig XQveolg ticcI tbv iyxsoy^svov ccvvotg olvov ov
Xv^aivsTccL. Luc. cyn. 9: z&v dh i-HTtco^dtcov tä>v aQyvQcav ovv, ditpsXovvTov tbv
TtoTov ovdh x&v %QV6a>v. Pers. sat. 2, 59. 69 (in sancto quid facit aurum?). Hier
recht im Diatribenton (conv. 14): ti ßovXovTccL ccvra ccl toaavtcci xal rrjyltxa'ÖTafc
y,vliv.Bs x&v yiSQcciis&v l'oov 8vvayL,ivcov. Ebenso bei Philo de somn. II 61 (667 M.
in 268, 16 Cohn- Wendland) : xi ^h aqyvg&v xai xqvg&v %vXi%(ov acpd'ovov 7tXf]&o?
7iaxaaxsvd^s6&ai (Msl)-, Ygl. Wendland, Quaest. Musonian., Diss. Berlin 1886,
S. 29. 39, Philo und die kynisch-stoische Diatribe, Berlin 1895, S. 29, Philos Schrift
über die Vorsehung, Berlin 1892, S. 91 (s. oben S. 169 f.).
2) Siehe Kap. I S. 40 f.
3) So Fritzsche, Einleitung zum Symp. Bd. 11 2 S. 87.
4) Conv. 18 : ovxog mg^'^Gccxo . . . xccrayiXcav iavxbv occcl $icc6XQi(pfov.
5) In den 'Arkesilaos' setzt es Knauer a. a. 0. (S. 15) S. 57, ins '"Sympo-
sion' Wachsmuth, De Timone Phliasio, Lips. 1859, S. 44.
Kynisches Vorbild. Menipp. 263
nach dem Arzt Mnesitheos bei Athenäus 1 32 d und bei Varro im
^Hydrokyon' (fr. 575 B.), die Knaack mit Wahrscheinlichkeit dem Me-
nipp vindiziert^), paßt in ein Gastmahl. Aber auch das mit Namen
bezeugte dritte Menippfragment hat man schon zu unserem ^Sympo-
sion' in Beziehung gesetzt; es wird aus dem 'Arkesilaos' zitiert (Ath.
XIV 664 e) und schildert das Kneipen und das Hereinbringen des
Nachtisches: 'und sogleich wurden Rebhühner und gebratenes Gänse-
fleisch und Stücke Kuchen herumgetragen.' Fritzsche hat die Stelle
zu Kap. 38 angezogen, wo ebenfalls Geflügel und Kuchen erwähnt
sind.^) Man könnte denken, daß das Zitat nicht ganz richtig ist, ob-
wohl es zu dem Schlemmer Arkesilaos ^), dem zweiten Aristipp, immer-
hin paßt. Fritzsche seinerseits nimmt, was ebenso gut möglich ist,
eine Benutzung dieser Menippsatire neben dem 'Symposion' an. Aber
im Grunde ist ja überhaupt mit dieser Erkenntnis, die sich nur auf
den äußeren Gang des Gastmahls bezieht, wenig gewonnen. Man
möchte gern von dem eigentlichen Inhalt der Tischgespräche, von der
Entwicklung der etwaigen Handlung etwas vernehmen. Hense hat
gezeigt*), daß Varro für seine Satire tcsq! sdeö^dtav ofi'enbar die An-
regung aus einer Schrift Menipps entnommen hat, in der die Mäßig-
keit gegenüber den verfeinerten Tafelgenüssen gepredigt war. Ob das
aber im 'Symposion' geschehen war, bleibt uns unbekannt.^) Vor allem
verlangt uns zu wissen, ob auch Menipp schon die Philosophen so
völlig als Narren und Popanze hingestellt hatte oder ob sich bei ihm
wenigstens eine satirische Behandlung irgendwelcher philosophischer
Dogmen damit verbunden hatte. Die y,6ö^ov exjtvQCJöig legt aller-
dings eine Verspottung der nach Heraklit von den Stoikern vertretenen
Ansicht vom Weltuntergang durch Feuer®) nahe. Bei Lucian bietet
in dieser Hinsicht nur der Brief des Hetoimokles einiges; hier wird
gespottet über t« 7iu^i\xovta, über die xaraXrjTtttxi) (paviaöCa^ über
die Unterscheidung von e^ig und <sxb6t.g^ über die bekannten Syllogis-
men, den Gehörnten, den Sorites und den Erntenden (220*.). In dem
1) Hermes XViri (1888) S. 148 ff.
2) Conv. 88; xal aiuc elatxhynmnT» r^^ilv tü ivxeXks dvoiiaj^Oiievov dhlTtvoVy
lt,ia ÖQVis ixdaxco xal xgiag i6<i y.al 0f}<Tafio{)vr«ff, Menipp: xal fucrrviiv
ixiltvatv tlarpigbiv Adxaivdv rte' xut ivit^tas nt-giKpigsro negdlxtcc SXa (nfQÜxfia
6Xlya Kaibcl, da» letzte mit der Überlieferung; negdixia zu lindern, soho ich
keinen Grund) xal x^'*'^^^ 6nxä xal TQvtpri nlaxovvxtor.
8) Siehe iJiog. Laert. IV 40. r. Uhr'm. Mus lA'T ni)or/i S. i ff.
6) 8o urteilt aach Herne a. a. 0. S.
6) Zeller, Die Phil. d. Griech.» HI 1 .^. i.»j n iunm imt
•einen VcrronkunKen kounte Anlaß bieten, über du luchen.
264 Kapitel XI. Das Gastmahl.
Gezänk der Philosophen findet sich der Vorwurf, daß die Stoiker mit
Unrecht die iiöovri anklagen, und Kleodem soll beweisen, daß der
Reichtum kein äÖLcccpoQov ist (37). Das dÖLcccpoQov der Stoiker wird
auch zum Schluß verhöhnt, als Zenothemis vor Schmerzen jammert
(47). Im übrigen ist in philosophischer Hinsicht Lucians Darstellung so
farblos und inhaltlos, alles so ganz auf das Clownhafte hin gearbeitet,
daß man, obwohl natürlich dieselben Szenen bei Menipp vorkommen
konnten, eher an Wiedergabe und Bearbeitung einer Komikerszene
denken möchte.
Allerdings läßt sich auch dafür nicht viel beibringen. Die bei den
Komikern nicht seltene Figur des ungeladen sich Eindrängenden, sogar
beim Hochzeitessen ^), kommt doch nur in Konkurrenz mit Piaton in
Betracht. Wenn der Epikureer Hermon sich seinen fetteren Vogel
von dem neidischen Stoiker nicht nehmen lassen will (43), so stimmt
das zu der schon bei den Komikern gegebenen Schilderung der Epi-
kureer als Feinschmecker, in den Kochkünsten wohl erfahren, die wohl
wissen, wo das beste Stück ist.^) Am auffälligsten ist, daß dem Pla-
toniker Ion zum Schluß (46) der Diebstahl eines Bechers zugeschrieben
ist, obendrein noch mit Hilfe des Rhetors Dionysodor, mit dem er
vorher in Streit geraten war. Das erinnert merkwürdig an den Vor-
wurf des Eupolis gegen Sokrates (Kock I S. 355), daß er eine Wein-
kanne gestohlen habe. In welcher Weise die Philosophen als komische
Figur in dem nach ihnen betitelten Drama des Philemon gedient haben,
ist leider nicht zu ermitteln. Den Titel 'nuptiae' trägt ein Mimus des
Laberius; aber obwohl man sich leicht denken kann, daß die Hoch-
zeitsfeier in Zank und Schlägerei ausartete und darin eben das Spaßige
bestand, behaupten können wir^s nicht. Sonst könnte man sich wohl
vorstellen, daß Lucian die Philosophen in eine solche Posse hinein-
gesetzt hat.
Immerhin ein 'Symposion' hatte Menipp; darum hat auch Varro
sowohl im 'Hydrokyon' ^) wie in der Satire 'nescis quid vesper serus
vehat'^) ein Gelage angebracht. Der letzte Titel ließe sogar bei einiger
1) Ki-atinos, Dionysalexandros I 26 K. fr. 43 (Pylaia I 65 K. fr. 169. ApoUo-
dor. Caryst. Hiereia (III 287 K.): iv tolg yd^ioig^ Eupolis Chrys. g. I 337 K. Auch
ApoUodor. Carjst. UcparTo^iivri (III 288 K.): yiccXä) 8s Xaigscpävta- 'kccv yccQ ^r] v.ccXöä,
äuXritog ^]^sl gehört hierher.
2) Vgl. Baton Uws^aTiaT&v (Kock III S. 328) V. 17: laaciv ov Ssl Ttgcatov
ccipaoQ-aL toTtov. Siehe den Exkurs über Philosophenverspottungen bei den Ko-
mikern.
3) Wenn auch kaum gleichen Inhalts, vgl. Ribbeck, Geschichte der römi-
schen Dichtung I S. 258. 4) Siehe Ribbeck a. a. 0. S. 259.
Komödie. Varro. 265
Phantasie ein ähnliches Ende voraussetzen, wie wir es bei Lucian
haben'); denn was Gellius daraus über die richtige Zahl der Gäste be-
richtet, wird natürlich nicht den Inhalt des Ganzen, sondern nur neben-
sächliche Bemerkungen wiedergeben. Im 'Agathon' aber scheint sogar
ein Hochzeitsfest geschildert gewesen zu sein wie in Lucians 'Sym-
posion'. Ebenso zweifellos ist, daß bei Varro Wortgefechte von Philo-
sophen sich fanden, die auf das gleiche bei Menipp schließen lassen.
So in der rcccp)) MevC:t'xov^), vor allem im 'armorum iudicium', das
im Titel die kynische Neigung zu Vergleichen aus der Mythologie
zeigt.^) Zumal das erste Fragment: 'ut in litore cancri digitis pri-
moribus stare', das man auf die kampfbereiten Philosophen bezogen
hat, paßt nicht übel in den Stil, der in Lucians 'Symposion' vorliegt.
Die Xoyo^ccx^a enthielt einen Disput zwischen Stoiker und Epikureer
über das höchste Gut, das der eine in der ätuQa^Ca^ der andere in
der i]öovil sah; es soll dabei die Gleichheit beider Ansichten im Grunde
dargelegt werden und so der Kampf als ein bloßes Wortgefecht hin-
gestellt werden; man kann dabei also nur einen Redestreit in der
Art des 'tragischen Zeus' annehmen."*) Aber in gewisser Weise sehen
wir doch die beiden Motive des Gastmahls^) und des Zankes, welche
1) Vgl. J. Vahlen, In Yarronis sat. Menipp. coniectanea, Lips. I^ö8,
S. 20C/7.
2) Siehe Vahlen a. a. 0. S. 147 ff. Ribbeck, Rhein. Mus. XIV (1869) 126.
3) Siehe Norden, Jahrb. f. klass. Phil. Suppl. XVIII S. 309.
4) Siehe Norden a. a. 0. S. 810. Von Tttgl aigiascuv kann man vollends
nicht behaupten, daß darin überhaupt eine Disputation, geschweige denn ein
Gezänk in der Weise de» 'Symposions' stand.
6) Für das Gastmahl selber liefert auch ein Zeugnis Horaz sat. 11 8, der
doch wohl ohne Zweifel wie für II 6 durch die 'Nekvia', so hier durch
das 'Symposion' mitangeregt wurde, wenn auch durch Vermittlung oder
unter gleichzeitiger Benutzung des Lucilius (s. Marx' Lucilins I praef. XLIX).
Aber bei der großen Freiheit, mit der Horaz solche Anregungen verwertet, lUßt
sich auch aus dem Mahle des Nasidicnus nichts auf den Inhalt bei Menipp
schließen. Die Ähnlichkeiten, die sich zwischen Horaz und Lucian finden, gehen
nur die äußere («eHtaltung der Satire an. Bei beiden er/.i\hlt auf die Frage des
Freundes ein Teilnehmer am Gastmahl, und dies hat beide Male 'gestern' statt-
gefunden (Luc. 1; Hör. 2). Nach einigen Wcchsolredeu erkundigt sich der Freund
nach den Teilnehnieni am G«'Iage Luc. f>: irctg . . . xivfg ol AfiTtvot'vxfi >
Hör 18: sed «luis ccnantibus una, Fundani, pulchre fuerit tibi, uosso lii
Kh folgt bei beiden eine genaue »Schilderung der Anwe8en«len und ihn»r PUit7.e
(Luc. G ff. 88; Hur. 20 ff.). Daß Nomontanus auf alles aufmerksam macht (25):
'qui, liquid forte lateret, indice monstraret digito', erinnert wenigst«»»« im Moti?
an die Szene (Luc. 11 "i, in der Kleodem den Ion auf da« 15« «les Zeno-
themii hinweist: itl^ov ohv xul Avxivto xavru. Die Hcmork 32): 'ab
266 Kapitel XI. Das Gastmahl.
die beiden Faktoren des 'Symposions' bilden, bei Menipp schon aus-
gebildet.
Auch was wir früher als das Charakteristische der menippischen
Satire erkannt haben, findet sich hier wieder. Allerdings eigentliche
historische Beziehungen irgendwelcher Art kann man in dieser Satire
begreiflicherweise nicht erwarten. Aber die erwähnten Schriftsteller
verdienen Beachtung. An Philosophen werden genannt Piaton und
von Stoikern Chrysipp, Zeno, Kletmthes, an Dichtem Pindar, Hesiod,
Anakreon, Homer, Sophokles, Euripides. An die kynische Schrift-
stellerei erinnern uns die eingestreuten Zitate und Verse. Mehrfach
wird Homer in parodierender Weise verwendet; so beim Erscheinen
des ungeladenen Alkidamas (12), wo im Anschluß an das zum Vergleich
herangezogene avröuatog ds oi rjX^s ßoi)v ayad'bg MsvsXaog (IL H 408)
nicht nur das ßoijv äyad-ög ausdrücklich auf ihn bezogen wird, sondern
gleich zwei andere auf Menelaos und Agamemnon bezügliche Verse
angefügt werden (II. VII 109 und I 24). Als der Grammatiker Histiaios
in seiner bezechten Stimmung allerlei Verse sinnlos zusammensetzt
(17), bringt er auch zwei auf den kommenden Kampf passende Homer-
fragmente vor (II. IV 447, 450) ; und als das Handgemenge ausgebrochen
ist, benutzt der Erzähler selber (44), also in echt menippischer Weise,
um den Fortgang zu schildern, den Vers IL XI 233, wie er gleich darauf
das at^' e^Bcov aus IL XV 11 für seine Darstellung verwendet. In dem
Brief des gekränkten Stoikers (25) wird IL IX 537 zitiert. In der
Umrahmung gebraucht Lykinos das zum Sprichwort gewordene Dichter-
wort: fiidm ^vd^ova öv^Ttotav. Aus Sophokles' 'Meleager' und Euri-
pides' gleichnamigem Stück führt der Stoiker Hetoimokles ein paar
Verse an (Nauck Tr. Gr. fr.^ S. 219 und 525), die an die Kränkung der
Artemis erinnern sollen, aber auch nicht mehr; denn an und für sich
passen sie recht schlecht und sollen offenbar gerade dadurch zur Ver-
höhnung des Stoikers beitragen. Euripides hat auch das Schlußzitat her-
gegeben (48). Am meisten charakteristisch für die ganze Schilderung
ist das Epithalamion des Grammatikers Histiaios (41); ganz albern
fängt er mit dem Hesiodischen t] olti an, dann werden einzebie Homer-
brocken ^) benutzt; dabei vergleicht er die Braut mit Aphrodite und
Helena, den Bräutigam mit Mreus und AchiU und schließt mit der
Verheißung, dieses Brautlied noch oftmals zu singen.
ipso audieris melius' stimmt zu dem (Luc. 2): si ßovloiiisd'cc tccXrid-f] axovöca
.... 7CCCQCC oh r}(iäg ^xsiv ix^Xsva.
1) y. 1 mit dem homerischen Schluß iv iisydQ0L6Lv, V. 2 ixQEcpst' ivävyt^ag
nach IL XXIE 1)0.
Menippische Form. Mythologische Vergleiche. 267
Außer diesen Zitaten, die z. T. für die Darstellung selber ver-
wandt sind, passen in die kynische Schriftstellerei die zur Satire be-
nutzten mythologischen Vergleiche. Wie beim 'Ikaromenipp' der Ver-
gleich mit dem in stolzem Fluge gesunkenen Ikarus angebracht war,
um die Überschrift zu erklären, so finden wir hier den Hinweis auf
die Lapithen und Kentauren (45), die ebenso das Festmahl zum Kampf-
platz umgewandelt haben. Der sich mitten unter den Gästen hin-
flegelnde Kyniker wird dem Herakles gleichgestellt, der bei Pholos
rastet (14). In dem Brief des Hetoimokles haben wir den Hinweis
auf Oineus, der vergaß, die Artemis einzuladen und durch die Ent-
sendung des kaly donischen Ebers schweres Leid und herbe Buße er-
fuhr (25); die Beziehungen werden dann von den Gästen witzig aus-
gedeutet und besonders die Parallele Hetoimokles- Artemis ins Lächerliche
gezogen: ein andrer sieht in dem Eber das von Aristainetos auf-
getischte Schwein und in dem nicht geladenen Stoiker, der nun vor
Hunger vergeht, den hinsiechenden Meleager (30 f.). Der mit Schmä-
hungen angefüllte Brief ist als Erisapfel bezeichnet; denn wie die
Göttin ihn im Zorn, weil sie nicht zur Hochzeit des Peleus geladen
war, unter die Gäste warf, so hat Hetoimokles mit seinem Schreiben
die Eintracht gestört; und es entbrennt ein Kampf nicht geringer als
der um Ilion ^35). Aus der troischen Sage ist dann auch der köst-
liche Vergleich des Diphilos genommen, der sich mit den Dienern
um den gebratenen Vogel balgt, wie Griechen und Troer um Patroklos'
Leichnam stritten (42). Man muß an die oben erwähnte Szene bei
Athenaus VII 298 d denken, wo der Epikureer, als Aal aufgetragen
wird, sich sofort darauf stürzt und sagt: 'Das ist die Helena bei unserem
Mahl, ich werde der Paris sein', und ehe noch ein anderer zugreift,
sich das beste Stück nimmt.
Es lohnt sich vielleicht, die Persünlichkeitcn der Phih)sophen
noch genauer zu betrachten, die uns in unserem 'GastmabP vorgeführt
werden, und die Berührungen, die sich mit ähnlichen Darstellungen
bei unserem Satiriker selber finden. Lucian hat außer der ganz epi-
sodischen Verwendung im 'Hahn* (H) noch zweimal eine Philosophen-
Versammlung geschildert, und es wird nicht unangebracht sein, die
andern dagegenzulialten. Im *Phil()j»8(»udeH' finden wir Peripatetiker,
Stoiker, Platoniker um daM Krankenlager den Eukratcs versammelt;
auch hier ist das Motiv, daß einer später kommt, der Pythagoreer
Arignotus (29). Auch hier scheint die Piatonnachahmung den Itihmen
gegeben zu haben; denn die Parallele Eukrates-Sokrates, so komisch
sie auch ist, drängt sich auf, zumal auch der Name anklingt; und
268 Kapitel XL Das Gaatmahl.
hier wie im Thädon' versammeln sich die Philosophen um das Lager
des Kranken oder zum Tode Bestimmten. Auch der Wortlaut ruft
diese Erinnerung ins Gedächtnis.^) Aber diese Motivierung der Szene
steht mit ihrem Inhalt weiter nicht in besonders engem oder untrenn-
barem Zusammenhang; die Fabeln und Schauergeschichten könnten
auch bei anderer Gelegenheit berichtet werden. Und wenn wir vorher
Anlaß hatten, an Plutarchs ^Gastmahl der sieben Weisen' zu denken,
so ist es, als ob dem Schluß dieser Schrift mit den an des Gorgos
Bericht über Arion angefügten Erzählungen und der Verteidigung der
Wunder die Anregung zu diesem Werke Lucians entstammt. Es ist
im Grunde nichts weiter als eine Mirabiliensammlung wie die des
Phlegon, nur in eine kunstvolle Form gebracht, ein Kranz von Novellen
mit gruseligem Inhalt, wie ihn auch das Werk des Lukios von Patrai
enthalten hat, dessen erste zwei Bücher die bei Apuleius und in dem
Lucianischen ydovxiog rj ovog behandelte Verwandlung in einen Esel
enthielten. Der 'Toxaris' mit seinen wechselweise erzählten Geschichten
bietet die nächste Parallele, eine fernere die 'Wahren Geschichten'.
Im Thilopseudes' hat Lucian nur die Erzählungen noch dazu benutzt,
die Philosophen wegen ihres Aberglaubens und ihrer inneren Unfreiheit
im Gegensatz zu der von ihnen behaupteten Verstandestätigkeit zu
verhöhnen. Dabei hat er die Namen einzelner, die auch im 'Sympo-
sion' auftreten, übernommen. Der Platoniker heißt wieder Ion, der
Peripatetiker wieder Kleodem. Der Hausherr Eukrates, der auch im
'Hahn' wiederkehrt, erinnert nicht nur an Sokrates, sondern auch an
den dortigen Eukritos, den Vater des Bräutigams. Im übrigen finden
wir den Arzt wie im 'Symposion', wenn auch mit anderem Namen.
Der Epikureer fehlt bezeichnenderweise in dieser abergläubischen Ge-
sellschaft. Es ist klar, daß Lucian das Motiv der Philosophenver-
einigung mit Bewußtsein noch einmal benutzt hat; aber auch hier ist
nur zu erkennen, daß er die Form entlehnt hat; denn den Inhalt hat
er zweifellos selber hineingegossen, nachdem er ihn aus nichtmenip-
pischer Quelle geschöpft hatte.
Die dritte Darstellung stimmt noch mehr mit der ersten überein.
Es ist die von Lykinos im 'Hermotimos' (11) wiedererzählte Szene,
die sich beim Gastmahl im Hause des Eukrates — wie im 'Philo-
pseudes' — abgespielt hatte. Dort wird auch ein Fest der Tochter,
1) Luc. Phil. 6: sl'ad'ci ^hv xal ccXXore . . . cpoiräv itgbg avtov, Plat.
Phaed. 59 D: ccsl yccg drj ■aal rag Ttgoad'Ev rj^SQag ala&siLSv cpoLtav v.al iyco
v.al OL äXXoL naga xbv IJcoTiQdtri.
Philosophenversammlungen bei Lucian. 269
allerdings der Geburtstag, gefeiert, ganz wie im 'Hahn' (8), wie das
dann auch Alkiphron im Parasitenbrief 19 (III 55) für eine dem
'Symposion' ganz gleichartige und daraus entlehnte Szene übernommen
hat. Auch im 'Hermotimos' steckt der Stoiker dem hinter ihm stehen-
den Sklaven heimlich von den Speisen zu, um sie am nächsten Tage
zu genießen.*) Auch dort geraten der Peripatetiker — er heißt nicht
Kleodem, aber Euthvdem — und der Stoiker in Streit, wie im * Sym-
posion' (30) Kleodem nach der Verlesung des Briefes des Hetoimokles
die Gelegenheit vom Zaune bricht. Im 'Gastmahl' benutzt dann der
Stoiker den Inhalt seines Bechers (33), um ihn dem nächsten Gegner
— es ist der Epikureer — ins Gesicht zu schütten; in der Schilde-
rung des 'Hermotimos' schleudert er den Becher selber, und indem er
dem Euthydem ein Loch in den Kopf wirft, verstärkt er das Gewicht
seiner Gründe außerordentlich. Dann geht er speiend nach Hause, wie
die meisten Gäste im 'Symposion'. Es ist ein kleiner Abschnitt aus
jenem größeren Gemälde, der im *Hermotimos' wieder eingefügt ist,
nur in einer Hinsicht noch gesteigert. Die Übereinstimmung ist kein
Wunder; ist doch der 'Hermotimos' nichts anderes als der Versuch,
die Superiorität der Laien, die im 'Gastmahl' mehrfach hervorgehoben
wird, und die Untauglichkeit der Philosophie, ihre Anhänger besser
und verständiger als die Laien zu machen, mit sokratischer Ironie,
aber doch in ernsterer Art als es in jener Fiirce geschehen ist, nach-
zuweisen.*)
Es ist auftiiliig, daß die Namen, die Lucian in diesen Philosophen-
versammlungen benutzt, mehrfach dieselben oder ähnliche sind; das
legt den Gedanken nahe, sie als entlehnt aus einer früheren Quelle
anzunehmen. So will ich eine Vermutung nicht zurückhalten, obwohl
ich mir des schwachen Fundamentes natürlich selber bewußt bin.
Prüfen wir die einzelnen Namen, so stammen Eukritos und sein Sohn
Chäreas offenbar aus der Komödie;*) beide kehren deshalb in den
*Hetärondialogen' ('0,4. 7,1) wieder Den Namen Eukrates fand Lucian
schon bei Aristophanes;*) er bezeichnet so den Reichen im 'Hahn' (7)
1) Hermot. 11: nuQaXaßmv xä x^^a, önoaa xm naiSl Hardniv ^«rrtori nctoa-
didmuH^ conv. 11: 'öcu xS» natdl xccxöntv iax&xi iQiyii.
2) Hermot. 88: r] in* &XXati iXniaiv (^ ^QX^9 (piXoao(pBtv ij^ioi'iin-, uvj^ ut^
x&v lStüax6}p xoaiiimxeffoi etT](itv ntQivooxolivxtgy couv. 34: t6 nfföxfiQOv ixftvo^
wf oi'Ah' öfftXo^ ifV &Qtt iniaraoOtti xu fiaO^/iara, U ^i;' rip xa) rbv ßiov (^rO'/u'^o»
TfQÖs x6 ßiXriov .... 86: oi n^v l^tiarui xoa^ioii mivv iörim^itfoi . . itpul'
popxo . . ol aotpol Sk i]aiXytttvov.
8) Cb&reai bei Alexiit Kock II . . .>o.i
4) Siehe Ariitoph. Hittor erkl. von Kock V. S54 und 129 die Anmerkung.
270 Kapitel XL Das Gastmahl.
und im 'Totengespräch' 5, im 'Hermotimos' (11) und endlich im
Thilopseudes' (G), wo dieser der Philosophie huldigt. Der Platoniker
heißt im 'Gastmahl' und im 'Lügenfreund' Ion; wenn man die Züge,
die von ihm angegeben werden, durchmustert, so wird man lebhaft
an Polemon erinnert. Ion erscheint im 'Gastmahl' (7) ösuvog reg
Idetv xal %'B07tQ eitrig xal jtoXv tb xöa^iov imcpaCvav t(p 7tQoö(07t(p;
das paßt allerdings auch auf andere, da es den Typus des Piatoni kers
wiedergibt.^) Aber er heißt xccvcov; das stimmt zu den mannigfachen
Erzählungen von Polemons unerschütterlicher Ruhe, die er bei allen
Ereignissen zur Schau trug;^) so steht auch Ion unbeweglich mitten
in dem Getümmel der Kämpfenden.^) Auch die Rede des Ion (39)
mit ihrer Verherrlichung der Knabenliebe könnte ja ohne weiteres
jedem zugeschrieben werden; aber es ist vielleicht bezeichnend, daß
von Polemon erzählt wurde, er habe von seiner Frau eine Anklage
erfahren Tcazcjöscog' sivat yccQ (pikoitcaöa xal (pilo^BiQccKLOv.^) Am be-
zeichnendsten aber könnte die Benennung als Gott erscheinen; als
Ion eintritt, erhoben sich alle, und es war wie die Epiphanie einer
Gottheit (7). Von der allgemeinen Bewunderung, die Polemon genoß,
berichten die Biogi-aphen;^) besonders aber Arkesilaos verehrte ihn
wie einen Gott.^) Auf die abergläubische Fabelsucht, die der Ion im
'Lügenfreund' mit den übrigen Philosophen teilt, darf man natürlich
kein Gewicht legen; denn dort wird ja allen Richtungen derselbe
Fehler zugeschrieben. Den Platoniker gerade in dieser Weise zu be-
lasten, boten Anlaß die zahllosen fabelhaften Geschichten, die der
Pontiker Herakleides in seinen Büchern verbreitet hatte. '^) Warum
der Name Ion gewählt wurde für Polemon, weiß ich nicht; allein die
1) Ein riQ'O's . . . 6B\iv6trixi Y.s'noG^riaivov wird Polemon, wie es scheint, zu-
geschrieben Ind. Herc, Col. XIV, 2 (Mekler, Acad. philosoph. ind. Hercul., Berlin
1902, S. 52).
2) Ind. Herc. Col. XIII 13 (Mekler S. 50): müts [i7]dBTCors [LTqxs xr]v xov tzqoö-
coTtov cpavxaGiav ÖLccXvaai xal ax^Giv äXXoLäiöaL ^i^xs xov xovov xi]s qpcovi)?, äXXa
xccvxä diacpvXdxxBiv yiCiv dvoccvLmxsgov bvrcc.
3) Conv. 43 : ixEivo? dl [ihGov kavxbv icpvXaxxsv.
4) Ind. Herc. XIH 3 fF. (Mekler S. 47).
5) Diog. Laert. IV 19: 8lu dr] ovv xb cpiXoysvvalov lri\iäxo iv xy noXst.
Ind. Herc. XIV 25 (Mekler S. 53): disxeXsi d-avua^oiisvog xort ijtcavoviisvos-
6) Diog. Laert. IV 22. Ind. Herc XV 4 (Mekler S. 55): ort avxä .... qpa-
vsiriGccv OL TtSQL xov IIoXiiKova Q'soi xivsg ?) Xeiipavcc xmv äQ%al(ov iTtsivav xccl
xä)V i-K xov XQvaov yevovg diansnXaa^ivoiv ccvd'gmTtcov.
7) Siehe Zeller, Die Phil. d. Griech.'' II 1 S. 989 f. Cic. de nat. deor. I 13, 34:
ex eadem Piatonis schola Ponticus Heraclides puerilibus fabulis refersit libros.
Namenbildung. 271
Ähnlichkeit im Ausgang genügt nicht recht. Jedenfalls, wenn die
Vermutung, daß der Ion ursprünglich Polemon war, das Richtige
trifft, kann man dann Lucian diese Namengebung zutrauen?
Es kommt nämlich der Name des Peripatetikers hinzu. Fritzsche
hat darauf aufmerksam gemacht, daß der Peripatetiker im ^Symposion'
wie im Thilopseudes' Kleodem heißt, im ^Hermotimos' (11) Euthydem,
und er hat die Vermutung ausgesprochen, die Übereinstimmung im
zweiten Bestandteil des Namens weise auf Eudem. Wäre das der
Schüler des Aristoteles, so läge die Vermutung nahe, auch den Namen
Kleodem schon auf Menipp zurückzuführen. Es gab allerdings auch
zu Lucians Zeit einen Peripatetiker namens Eudem, von dem Galen
mehrfach spricht^) und den er im Jahre 162 behandelt hat, der in
Rom den Mittelpunkt aller durch Rang und Bildung hervorragenden
Männer bildete; und so würde der Schluß auf den Rhodier Eudem
zweifelhaft, wenn nicht der Name Kleodem eine auffällige Zusammen-
setzung aus Klearch und Eudem wäre. Auch Klearch von Soloi ist
ja Schüler des Aristoteles. Ist es Zufall, daß er iQCDXLXcc geschrieben
hat und daß Kleodem im 'Symposion' (15) eine kleine Liebschaft mit
dem hübschen Knaben anzubändeln sucht, der bei Tisch aufwartet?
Es liegt hier dieselbe Erscheinung in der Namenbildung vor wie
bei dem Epikureer. Dieser heißt im 'Gastmahl' Hermon, im 'Ikaro-
menipp' (16) Hermodoros; und die Vermutung drängt sich auf, darin
eine Zusammensetzung aus Hermarch und Metrodor zu sehen, die
dann ihrerseits zu Hermon verkürzt ist. Sonst würde der Zufall hier
seltsam spielen, der die Namen der zusammengehörigen Männer^) zu
einem neuen zusammengekoppelt hätte. Daß die Tatsachen, die von
dieser für Lucian dann typischen Person angeführt werden, zu den
historischen stimmen, wird man nicht verlangen; also wenn der Hermon
ytvovg tov nQioTov iv xfi n6kH und Priester der Dioskuren heißt
('Gastmahr 9), wenn Hermodor um 1000 Drachmen einen Meineid
leistet ('Ikarom.' 16j, so kommt es dafür nicht auf Tatsachen an,
selbst für Menipp schon nicht, sondern nur auf die komische Situation,
in die der Epikureer jedesmal gebracht wird, auf die Verspottung
seiner Götteranschauung, die ihm den Meineid ermöglicht oder — in
komiHchem Gegensatz dazu — ihn doch nicht hindert, eine Priester-
würde anzunehmen. Vielleicht war der Meineid um KXX) Drachmen
1) Siehe Galen 11 S. 21« Knhn nnd dm Index: Friodlnndor. Sittonffrsrhirhto
Rom« III« S. 698.
'i; Scneca cpint. 8;;. . .|u,'ri .., ... m ll.'f i- ^
1, •- f.2, 8 f.).
272 Kapitel XI. Das Gastmahl.
auch ein Hieb auf Metrodors sorgsame Verwaltung seines Vermögens. ^)
Wenn im *Ikaromenipp' 26 dann der plötzliche Tod des Hermodor be-
zeichnet zu sein scheint, so könnte das auf Metrodors schon im 53. Lebens-
jahre erfolgten Tod gehen, der etwa 277 anzusetzen ist, ^) also un-
gefähr in derselben Zeit, in der auch die anderen Ereignisse im 'Ikaro-
menipp' zu fixieren sind. Den Tod des Epikureers, des Götterfeindes,
auf Veranlassung des Zeus hatte ja Menipp Grund genug, witzig
hervorzuheben, selbst wenn der Meineid nicht die Berechtigung dazu
bot. Schon Fritzsche hat den Hermodor für eine bestimmte Person
erklärt, ohne sich allerdings zu äußern, ob aus der Zeit Lucians oder
einer früheren. Deshalb braucht der Name nicht so gewesen zu sein,
und ich zweifle sehr, ob Zeller (HI 1, S. 377, Anm. 3) mit Recht einen
Epikureer Hermodor als historische Person annimmt. Auch bei diesem
Namen wird man, wenn die Erklärung richtig ist, eher an eine
Bildung Menipps als Lucians denken-, denn was war diesem
Hermarch?
Die Stoiker stellen die zahlreichsten Namen, schon im ^Symposion'
allein drei. Sie sind vielfach in ihrem zweiten Bestandteil vom Stamm
TtXssg gebildet; der nicht Geladene im 'Symposion' heißt Hetoimokles,
der Disputierende im 'tragischen Zeus' Timokles, der hauptsächlich mit
stoischen Zügen ausgestattete Philosoph im 'Timon' Thrasykles, der
Stoiker im 'Ikaromenipp' Agathokles. Die Vermutung ist wohl nicht
abzuweisen, daß mit Absicht der erste Bestandteil des Namens Kleanthes
zur Bildung verwendet ist, wie sich Zenothemis an Zeno anlehnt.^)
1) Philodem de vitiis IX: r]^tv ^hv iycavbg ftfr' 'E7tLy.ovQov MrirgoSajQog im-
€tiXX(üv y.ai Ttagcavcav -nccl dioiyi&v iTtiiislectsQov xart ^e^Qi ul-kqotsqcov (Usener,
Epicurea 216 S. 164).
2) Usener, Epicurea S. 368, 9 adn.
3) Alkiphron III 55 hat zwar den Eteokles ebenso bezeichnet, aber sonst
die Namenbildung nicht mehr verstanden, wenn er den Peripatetiker Themista-
goras, den Epikureer Zenokrates nennt. Passend heißt der Kyniker Pankrates,
der sich ebenso wie bei Lucian benimmt und auch daher seinen Namen hat
(Luc. conv. 19: jtQOvnaXEtto ol TtciyKQcctLtt^Eiv). Für den Pythagoreer, den er aus
dem Thilopseudes' statt des Platonikers entlehnt hat, übernimmt er aus der andern
Gastmahlsszene (gail. 10) unpassend den dort bezeichnenden Namen des Arztes
Archibios, wie er aus dem 'Hermotimos' 11 den Euthydem zum Hetärenbrief 7
(I 34) verwandt hat. Diese mangelhafte Namenentlehnung zeigt deutlich die
Nachahmung seitens Alkiphrons (vgl. H. Reich, De Alciphronis Longique aetate,
Regiment, diss. 1894, S. 16 ff.), ebenso wie der Anfang des Briefes: oUya t] ovdhv
dicccpBQOvaL t&v ISlcot&v ol os^ivol Ttocl To TtaXov yial tr]v aQsrr]v i^vfivovvtss (auch
fug. 21, pisc. 34, Nigr. 24). Der zweifelnde Einspruch von Sondag, De nominibus
apud Alciphronem propriis, Diss. Bonn 1905, S. 84 ff. ist ebenso unberechtigt, wie der
Namenbildung. 27 3
Aber diese Namen der stoischen Koryphäen waren so bekannt, daß
sie Lucian selber einführen konnte; und Deinomachos (Philops. 6 ff.)
und Thesmopolis (gall. 10; de merc. cond. 33) sind offenbar nicht um
einer historischen Person willen gewählt, sondern um die stoische
Sache zu verspotten, ob von Lucian erst, läßt sich nicht entscheiden.
Diphilos dagegen wäre, wenn sich bei Menipp eine Disputierszene
wie im 'tragischen Zeus' fand, für den dortigen Stoiker ein passender
Name; in unserem 'Gastmahl' kommt die Bedeutung des Namens
nicht recht zur Geltung und nicht zum Verständnis.^) Ist es endlich
Zufall, daß Chrysipps Name in diesen Satiren zur Namenbildung nicht
benutzt ist?
So schwach die Argumente auch sein mögen, auf denen diese
Vermutungen ruhen, es scheint doch, als ob sich eine Spur der
Menippentlehnung auch in den Namen, besonders des 'Symposions'
erkennen ließe. Für den Inhalt des Menippischen Gastmahls läßt
sich allerdings auch daraus nichts gewinnen. Vielleicht ist hier das
Bild des Originals um so mehr verwischt, als des Kynikers Meleager
'Symposion' als Muster daneben ebenso in Betracht kam, Meleager aber
auch schon Menipp in irgend einer Weise nachgeahmt, also verändert
hatte. Diese Benutzung durch Mittelglieder, der Anschluß an andere,
z. B. Phitarch, verhindert natürlich in stärkerem Maße Übereinstim-
mung mit dem ursprünglichen Vorbild. Vermuten dürfen wir, daß
Menipps Gastmahl von der Ehe, vom Luxus der Geräte, vielleicht
auch von der Üppigkeit der Speisen gehandelt hat. Wir sehen, daß
die Themen, die es anschlug, ernst genug waren. Überhaupt tut es
gerade hier not hervorzuheben, daß der Begriff der 'Burleske' Menipps
nicht ganz zutrifft. Bei allem Heiteren war sicherlich Menipps 'Gast-
mahl' im Grundton nichts weniger als bloß komisch. Lucian aber war
des trockenen Tones moralisierender Erörterungen satt und hat sich in
ganz seichter Weise nur an der Oberfläche gehalten, ohne in den Ge-
halt seines Vorbildes einzudringen. So hat er die äußeren Motive, die
bei Menipp in der übrigen Darstellung gewiß nicht so aufdringlich
hervortraten, ausgebaut und in dieser clownhafteu Weise zugespitzt,
um das Original zu tiberbieten. Daß dagegen dieser Verzerrung einer
von Meiler, Site.-Bericht d. bayr. Akad. d. WJMgensch. luot, S. liMtf Mit /.u-
füUiger Übereinititumung infolge Benutzung der gleichen Quelle kommt man
nicht aui; andrcmeit« ist ju Alkiphrons SelbMUindigkoii ilainit niciit geleugnet,
daß er ein paar Motive (ihernimmt.
1; Daß etwa l)i|ihilMM, iler SchHler AnRtoni (Pi<>)<. \a\»<
Meiii|i|* k"'in<'iiit wur, mt kaum denkbar.
Ulli Monipi». 18
274 Kapitel XT. Das Gastmahl.
Philosophengesellschaft, wie sie Lucian schildert, ein wirkliches Er-
eignis zugrunde liegt, ist zwar behauptet worden^), aber nach der
ganzen Art der Darstellung einfach ausgeschlossen; das Leben pflegt
doch selten so andauernd komischer als die Komödie zu sein.
1) So von Fritzsche in der nicht gerade sehr klaren Einleitung zum
'Symposion' und von Richard, Lykinosdialoge, Progr.Hamburg 1886, S. 11 und 22;
dagegen Hirzel, Der Dialog II S. 312.
Kapitel XII.
Der Doppeltverklagte.
Zwei der Dialoge, die wir als menippisch in Anspruch nehmen
müssen, haben eine enge Beziehung zu dem Schriftsteller selbst. Zu-
nächst der 'Doppeltverklagte' oder die * Gerichtsszenen'. Zeus eröjffnet
den Dialog mit einer Klage über die Lasten der Götter, die von den
Menschen nicht gewürdigt werden. Helios, Selene, der immerzu mit
Orakeln beschäftigte Apollo, Asklepios, das sind Beispiele für die
rastlose Tätigkeit der Götter. Am schlimmsten hat es der Götter-
yater selbst; witzig zählt er seine vielen Aufgaben her, bei denen ihn
immer noch die Besorgnis ängstigt, P]pikur möchte zu seiner Behaup-
tung berechtigt erscheinen, daß die Himmlischen sich nicht um die Erde
kümmern. Wie der Steuermann hoch auf Deck steht er da, immer
schlaflos, immer in Sorgen. Jetzt kommen auch noch einige seit
lange aufgeschobene Prozesse dazu, die endlich erledigt werden müssen.
Hermes bestätigt, daß die Verzögerung schon über Gebühr gedauert
habe. So soll er denn alle zum Areopag rufen, und dort soll Dike
die Richter auslesen und die Rechtsprechung beaufsichtigen, die etwaige
Berufung soll an Zeus stattfinden. Es folgt ein Gespräch mit Dike,
die sich weigert, zur Erde zurückzukehren, von der sie vertrieben ist.
Zeus tröstet sie mit der Fülle der i Philosophen, die jetzt auf Erden
sind; aber Dike erklärt gerade diese für ihre Gegner. Trotzdem muß
sie mit Hermes gehen. Die nächste Szene zeigt uns die beiden auf
der Wanderung; weinend verlangt Dike Auskunft von ihrem Begleiter,
der ja in den Gymnasien und auf dem Markte zu Hause ist. Er be-
kennt, daß die Philosophie doch genützt hat; wenigstens sündigt man
jetzt mäßiger aus Scheu vor der Philosopheutracht; die erst von
weitem an die Philosophie gerührt haben, sind wohl noch keine
Muster; aber Dike wird es ja nur mit den besten zu tun haben. So
berühren sie attischen Boden. Da erscheint Fan, der in der Grotte
an der Akropolis wohnt; auch ihn fragt Dike sofort: Wie steht's jt^tzt
bei den Menschen mit dfr 'i'ugendV Hat die IMiiloHophic sie ge-
276 Kapitel Xu. Der Doppeltverklagte.
bessert? Pan kann nur von ihren beständigen Wortgefechten be-
richten; als er sich über einige heimliche Beobachtungen auslassen
will, die er in der Dunkelheit gemacht hat, unterbricht ihn die Göttin;
denn Hermes ruft zur Versammlung. Der bocksfüßige Gott enteilt,
und das Gericht nimmt seinen Anfang. Es sollen aber heut nur die-
jenigen Prozesse erledigt werden, die bestimmte Künste oder Lebens-
weisen gegen Menschen anhängig gemacht haben. Es sind im ganzen
sieben: 1. Die Trunkenheit nimmt gegenüber der Akademie den Pole-
mon für sich in Anspruch. 2. Die Stoa ebenso gegenüber der Hedone
den Dionysios. 3. Die Schwelgerei klagt gegen die Tugend wegen des
Aristipp. 4. Der Wechslerberuf verfolgt den Diogenes, weil er ent-
laufen ist. 5. Aus dem gleichen Grunde die Malerei den Pyrrhon.
6. und 7. Die Rhetorik klagt gegen den Syrer wegen schlechter Behand-
lung, der Dialog wegen Vergewaltigung. Der erste Prozeß beginnt. Da
die Trunkenheit weder selbst reden kann noch einen Anwalt findet,
so übernimmt die Akademie es, für beide Parteien zu sprechen. Sie
schildert also den trunkenen Polemon, darauf was sie aus ihm ohne
Zwang, nach seinem freien Willen gemacht hat, und siegt mit allen bis
auf eine Stimme. Es folgt die Sache der Stoa gegen Dionysios. Die
Reden haben ähnlichen Inhalt; die Stoa erörtert die Vergehen der Hedone,
bei deren Regiment nichts Großes zustande gebracht ist, Epikur er-
widert für diese, daß kein Zwang den Dionysios zum Abfall veranlaßt
hat, sondern die eigene Abneigung gegen die stoischen Reden und
Spitzfindigkeiten und die Empfindung, daß der Schmerz doch etwas
ist. Die Stoa will sich noch auf einen Disput einlassen, aber die
Richter schneiden das ab. Die Hedone siegt mit allen Stimmen; aber
die Stoa legt Berufung ein. Infolgedessen wird auch die dritte Klage-
sache ausgesetzt bis zur Entscheidung des Zeus. Die vierte kann
ebenfalls nicht vorgenommen werden; Diogenes droht dem Wechsler-
beruf mit dem Knüppel, so daß er entflieht. Die fünfte muß ver-
schoben werden, weil Pyrrhon nicht erschienen ist, da er ja kein
^Kriterium' für wahr hält. So bleiben denn nur die beiden Anklagen
gegen den Syrer. Die Rhetorik beginnt — natürlich mit Demosthe-
nischen Floskeln. Sie schildert, wie sie den Syrer in lonien gefunden,
zum gebildeten Menschen gemacht und sich ihm endlich verlobt hat;
sie hat ihm erst das Bürgerrecht verschafi't, hat ihn dann durch die
Welt begleitet und immer für seinen Ruhm gesorgt. Aber als er der
Ehren genug hatte, vernachlässigte er sie und verliebte sich in den
Dialogos, während sie allen Werbungen anderer gegenüber immer
spröde blieb. Der Syrer antwortet mit dem Zugeständnis, daß die
Inhalt. 277
Rhetorik Verdienste um ihn habe, da sie ihn bei den Griechen ein-
geführt habe; aber er erhebt seinerseits Anklage wider sie wegen
ihres Benehmens, da sie die anständige Haltung aufgegeben, wie eine
Dirne sich geschmückt und mit ihren Galanen geliebäugelt, wohl auch
heimlich manchem die Tür geöffnet hat. Deshalb hat er sie verlassen.
Und mit einem Gedanken, der fast aus der Situation herausfällt und
die Allegorie aufgibt, schließt er: Es war Zeit für mich, fast vierzig-
jährig, mich von jenem Tumult und den Prozessen endlich zu ent-
fernen, die Anklagen gegen Tyrannen und Lobreden auf Helden auf-
zugeben und, der Philosophie mich widmend, mit dem Dialog einher-
zuwandeln. Der Spruch fällt zugunsten des Syrers aus, nur einer
stimmt gegen ihn, ein Rhetor. Endlich spricht der Dialog; er be-
schwert sich, daß er, der über Götter und Natur und Weltall zu dis-
putieren pflegte, herabgezogen und ihm eine Satyrmaske aufgesetzt
sei, daß ihm Spott und höhnische Angriffe und Kynismus und Eupolis
und Aristophanes und zu guterletzt der neu ausgegrabene Menipp
beigesellt und er gezwungen worden sei wie ein Doppelwesen halb
zu Fuße zu gehen und halb auf metrischen Stelzen einherzuschreiten.
Der Syrer äußert sein Erstaunen über diese Anklage, da er es
sich als Verdienst anrechnet, den Dialog menschlich und freundlich
gemacht zu haben; denn das kann dieser ihm kaum vorwerfen,
daß er ihm das griechische Gewand ausgezogen und ein barbarisches
umgetan hätte; das aber würde er erst für eine wirkliche Ver-
gewaltigung halten. Darauf siegt der Syrer auch hier mit allen
Stimmen außer der des Rhetors. Die übrigen Prozesse aber werden
auf den nächsten Tag verschoben.
Es ist klar, daß die Ausführungen des letzten Teiles, soweit sie
persönlicher Natur sind, Lucians Eigentum sein müssen. Betrachten
wir diese zuerst. Die Rhetorik spricht, indem sie wie der Göttervater
im 'tragischen Zeus' ein Proömium voraufschickt, das sich auf
Demosthenischen Reminiszenzen aufbaut, natürlich zur Verspottung
der Demosthenesmanie , welche die Rhetoren joner Zeit beherrschte.*)
Es ist der erste Satz der Kranzrede, am Ende ein wenig umgebogen,
kombiniert mit dem Anfang der dritten olynthischen Rode. Und um
die Torheit dieser Einleitung recht scharf zu zeigen, bricht die
Rhetorik ab: 'Aber um nicht zu viel Zeit zu verlieren, so will ich
mit der Anklage beginnen.' Auch formell erinnert das an die ähn-
liche Stelle im 'tnigischen Zeus' (15); wo der Redende die Zitate
1, ^gl oben Kap V 8. IftO.
278 Kapitel Xu. Der Doppeltverklagte.
plötzlich aufgibt und fortfährt: 'Ich will euch aber nunmehr — denn
Demosthenes läßt mich im Stich — klar machen usw.' Ähnlich ist
auch in Senecas Satire auf den toten Claudius die Stelle (1), an der
zur Verspottung der Dichter zuerst eine Schilderung der Jahreszeit in
Versen gegeben ist, dann aber unvermittelt hinzugesetzt wird: *Ich
glaube, ihr versteht's besser, wenn ich sage: Es war Oktober.' Diese
Übereinstimmung mit der Schrift, in der wir schon mehrfach Menippi-
sches fanden, wird wohl kaum Zufall sein.
Im folgenden herrscht das Bild von der vielumworbenen Frau vor,
die ihre Hand dem Fremdling schenkt, dann aber um eines Knaben
willen hintangesetzt wird, ein Fall, der öfter vorgekommen sein mag,
für den uns jedenfalls die Biographie des Polemon ein Beispiel bietet.^)
Ihre Parallele hat aber die ganze Fiktion deutlich in des Kratinos
'Flasche', wo die Komödie ebenso die Anklage wegen schlechter Be-
handlung erhebt^), weil der Gemahl sie böswillig verlassen hat, und wo
sie mit demselben Witz ihn der Knabenliebe beschuldigt, weil er dem
Wein von Mende nachliefe^) und ihn rühmte: '0 wie zart und hell!'
Die Antwort ist sehr kurz und sachlich; für die Kenntnis vom
Leben Lucians ist immerhin diese Doppelrede ebenso wichtig wie die
kleine Deklamation Vom Traum', in welcher der schon zu Ruhm und
Ansehen Gelangte, als er in seine Heimat zurückkam, auf die Anfänge
seiner Laufbahn zurückblickte. Der Syrer wirft der Rhetorik vor,
daß sie des großen Päaniers Spuren verlassen hat; da sie eben erst
sich gerade mit dessen Floskeln gebrüstet hat, so ist das hart; aber
es zeigt, daß Lucian die richtige Erkenntnis besitzt, daß mit einzelnen
Redensarten noch nicht der Geist zugleich eingezogen ist. Der An-
geklagte schildert nun seinerseits weiter das Benehmen der Rhetorik
als das einer Hetäre und vergilt so den Vorwurf wegen der Untreue.^)
Das Bild, das er von dem Weibe zeichnet, das sich der trunkenen
1) Siehe Mekler, Ind. acad. Herc. XUI 3 ff. (S. 47). Diog. Laert. IV 17.
2) Siehe Schol. zu Aristoph. eq. 399. Kock I S. 67 f. Luc. bis acc. 29: tc&s
ovv ovy. . . . hvo^og rolg tzsqI ti]g HaHmöscog vofioig dg rr]v \lev vo^ico yaiistijv
. . . ovtoag axL[L(og äniliTis.
3) Athen. I 29 d. Kock I S. 69. Vgl. Hirzel, Der Dialog 11 S. 302.
4) Hirzel hat, glaube ich, das der Szene zugrunde liegende Bild gar zu
weit ausgedeutet (Der Dialog II S. 273), wenn er als den Sinn des böswilligen Ver-
lassens der Rhetorik angibt: 'Da er seinen Attizismus der herrschenden Mode
gegenüber in den eigentlichen Reden nicht mit Erfolg bewähren konnte, so ver-
pflanzte er ihn auf den Boden des Dialogs.' Mir scheint vom Attizismus über-
haupt nicht die Rede zu sein; seine Art, die Sprache der klassischen Vorbilder
wiederzugeben, konnte Lucian ebenso gut in sophistischen Themen, wie dem
Rhetorik und Dialog. 279
Schwärmer draußen und ihrer Ständchen freut, das wohl auch die Tür
heimlich öffnet, ist der Komödie entnommen^), die Beziehung auf die
Rhetorik ist schon vor Lucian gebräuchlich geworden.^)
Bei dem zweiten Redepaar handelt es sich um den Dialog; so
ist es natürlich, daß Lucian hier besonders Platoreminiszenzen vor-
bringt. Der Dialog hat sich früher nur in den höchsten Regionen
aufgehalten, wie mit dem der Komödie entlehnten Ausdruck gesagt
wird, cc£QoßarG)v^ da, wo der große Zeus im Himmel, seinen Flügel-
wagen leitend, dahinfährt; über des Himmels Rücken ist er empor-
gestiegen. Das sind Phrasen aus der großartigen Darstellung im
Thädrus' von dem Umzug ^) der Götter und Seelen, die am Anblick
der Ideen sich ergötzen. Die Antwort greift auf diese Anspielung
zurück. Der Syrer rechtfertigt es, daß er nicht mehr mit dem Dialog
darüber spintisiert, ob die Seele unsterblich ist — ein Hinweis auf den
Thädon' — , wieviel Maß Gott, als er die Welt schuf, von dem un-
gemischten und sich gleich bleibenden Wesen in den Mischkrug tat
— eine Anspielung auf die platonische Kosmogonie im ^Timäus'*) — ,
'Loblied auf die Mücke', dem 'Tyrannenmörder', den 'Phalarisreden' und ähn-
lichen, betätigen ; eben der Stoff war's, der ihn auf die Dauer anwiderte, wie er
gelbst sagt (32), und ihn bewog der Rhetorik — denn mit der menippischen
Satire dünkt er sich auf andern Pfaden — den Rücken zu kehren.
1) Vgl. Leo, Plautin. Forschungen, Berlin 1895, S. 140. Man kann an das
Weib des Lykon denken in Eupolis' 'Städten' : maneg inl xi]v Avxcovog ^ggsi näg
^vi^Q (Kock I S. 317) und an die Abweisung dort: rjv oin äviat^a Tcmnot* äv^Qw-
noig iya) (Kock I S. 318). Daß Lucian sich auch hier mit Kratinos berührte,
bei dem der Vorwurf der Untreue ebenso zurückgegeben werden mußte, zeigt
Hirzel (Der Dialog II S. 303). Die Darstellung ist nicht selten; zu vergleichen ist
Apul. apol. 70: prorsus diebus ac noctibus ludibrio iuventutis ianua calcibus
propuUata, fenestrae canticis circumstrepitae, triclinium comisatoribus inquietum,
cubiculum adulteris pervium. Vgl. Properz I 16, 6 ff . Daß sich ähnliches auch
in der Krzählungs- und Novellenliteratur findet, ist selbstverständlich s. (Vusius
Phil. XLVU [1H89J S. 448).
2) Das Bild von der falschen Rhetorik als Hetäre und der echten als ehe-
licher Gemahlin findet sich auch bei Dionys. Hai. negl r&v Scqx- <^t^- i; Lucian
bat es aus seiner eigenen Schrift zugleich mit dem Flügelwagen des Zeus über-
nommen im Rhet. praec. 26. Verwandt ist der Vergleich, den Cicero im Brutus
(96, 380) gebraucht; er hat nach de« Hortensius Tod <li«» Rhetorik als Wai^e in
Kmpfang genommen, und will sie nun als Vormund schirmen- et hos ignotos
atf|ue impudentes procos repudiemus tueamurque ut ad\iltam virginem raste et
ib amatorum impetu quantum poSHumus probibeamus.
3; 246 K: 6 (ih dr^ ^fag i]yniMiV h ovquvm Ztt'v, iXavvuiV %xf\vhv &Qit«tf
jtQtbxog no{>hvnui^ 247 B: l^w noQtv^tlaat (aTi]aav inl rw xo(> ovquvoO vmxM.
4; 36 A: rfji &\itQlarov xal it»\ %etx6t xadxcc ixovarit oitaiag xal r^; av nrgl
tä ömfiaxct yiyvo{Uvf]g fttQiaxljg xgixov i^ ^nupolv iv iiicq» ^vvtntifdauto oi^aiag
280 Kapitel XII. Der Doppeltverklagte.
ob die Rhetorik das Schattenbild eines Teiles der Politik ist, der
vierte Teil der Schmeichlerkunst — eine Beziehung auf den 'Gorgias'.^).
Der Dialog aber will sich nicht gewöhnen, er blickt noch immer
empor und sieht nicht, was zu seinen Füßen vorgeht — auch das
ein Anklang an platonische Worte. ^)
Bezeichnend aber an dem ganzen Gedankengang und ein Beweis
für das im Grunde nicht sehr reiche Repertoire Lucians ist, daß
er genau dasselbe, was er hier sagt, früher in zwei nicht dialogischen
Deklamationen auseinandergesetzt hat. Die eine ist die kleine Rede,
die er gehalten hat, als ihn jemand nach einer Vorlesung einen
Prometheus iv Xöyoig genannt hatte, die andere das Proömium unter
dem Titel 'Zeuxis', zu dem ihn ebenfalls die Rufe seiner Zuhörer
wie G) T^c,* Tcaivötrjtog bewogen haben. Dies Proömium ist echt
sophistisch, insofern es ein Gemälde des Zeuxis, das eine Kentauren-
familie darstellt, und die Wirkung der Elefanten des Antiochus in
der Schlacht gegen die Kelten beschreibt; Lucian wünscht, daß die
Leute sein Werk nicht nur wie jenes Gemälde als Hippokentauros
anstaunen, als etwas Neues und Wunderbares. Ebenso sieht er in der
anderen Schrift zwar die Berechtigung zu dem Ausspruch seiner Hörer
in der Neuheit des von ihm Gebotenen, der Vereinigung von Ko-
mödie und Dialog, er hofft diese aber in harmonischer Weise voU-
sldog, 41 D: xai tcccXlv inl xov TtgoxBQOv XQari]Qcc, iv co xr]v tov navtog '\pv%r]v
xBQccvvvg ^^nays, ta t&v Ttgoad'sv vnoXonta •aatE^ftro.
1) 463 D: ^öti yciQ j] Qr\xoQiv,r] v,ccta. tov i^bv Xoyov 7toliTiv,fig iiOQiov sl'dco-
XoVj 464 C: tsttdQcav di] tovtcov ovöav . . . i) y.oXa'KSvti'iii] cclö&oiievri .... rirgcc^a
kavrr]v diavsiiia6a usw., 466 A: ti ovv q^rjg; ■noXatisla Sox8l ooi slvca i] QriTOQiy,ri\
xoXuxsiccg ^sv ^ycoys bltcov (ioqlov.
2) Phaedr. 249 D von dem, der durch die Schönlieit auf Erden an die
ewige Schönheit erinnert wird: ögvi&og SUriv ßXsTfcov avco, r&v ■Kara 8' a.iLiX&v\
auch die Erzählung von Thaies Theaet. 174 A kommt in Betracht, wo den Thaies
avco ßX^TCovtci seine Dienerin schilt, mg xk iihv iv ovgava TtQO^v\Lolxo ddivcci,
xa 6' ^UTiQoaQ-sv ccvtov %ccl itccQu TtoSccg Xavd-dvoi avtov. Allerdings ist der Aus-
druck sehr häufig. Bion Stob. flor. 80, 3 (Mein. Ill S. 103): ysXoLOxccxoi slölv ol
ccaxQOvofiovvxsg ot xovg Ttccgä Tcoel xovg iv xotg cciyiaXolg ix%'vg ov ßXijtovxsg
xovg iv xa ovQccvm (pdö-novGLv elSivai. Tatian. ad Graec. 26: Ttsxrjvoxag sig xov
ovQavbv yiccxcc ßagdO-gav TiiTtxsxs. Themist. 24 (307 d): xa iv Ttoölv dxi^dGaöai
TiBQinoXovGi xov ovgavov (ort ipvxcci). Diogenes sagt bei Diog. Laert. VI 28: xovg
liad-TjiiaxLJiOvg dnoßXiituv (isv Ttgbg xbv rjXiov "aal X7]v asXrjvrtV^ xd d' iv noöl
TtQdyiiaxa naQOQäv (vgl. Aristid. Isthmic. 10 [11 365, 9 KeilJ). Gregor. Nazianz. in
laud. Basil. M. 41 : xä>v ydg dXXav dndvxav xb iv noöl ^ovov oqoovxcov vipov
xi}v xs(paXi]v Sidgag xort xv-nXu) xb xfjg rpvxfjg ö^^a Ttsgiayaywv Ttaaav hoco Ttoi-
stxai xi]v olxov^ivrjv. Vgl. Minuc. Fei. 12, 7 Ennius Vahlen^ Scaen. 244 Ter.
adelph. 386. Oben S. 43.
Beziehungen zum Prom. iv Xoyoig und Zeuxis. 281
zogen zu haben, ohne einen Hippokentaurus zu schaffen. Gerade
diesen Vorwurf aber, daß er durch des Syrers Schuld wie ein Hippo-
kentauv zusammengesetzt sei, erhebt der Dialogos im 'Doppeltver-
klagten'. ^) Weiter gibt Lucian in jenem 'Prometheus' (6) die völlige
Wesensverschiedenheit von Komödie und Dialog an: dieser sehr ehr-
würdig, über Natur und Tugend philosophierend — fast ebenso heißt
es in unserer Satire^) — , die Komödie dagegen spöttisch und die Ge-
fährten des Dialogs — also auch die Personifizierung ist in gewisser
Weise schon vorbereitet — verhöhnend als Schwätzer von überirdischen
Dingen^), als Luftwandler, die in den Wolken wohnen^), als Menschen,
die Flohsprünge nachmessen. Für die Beurteilung der Lucianischen
Dialoge und die Entwicklung seiner Schriftstellerei ist der Schluß der
kleinen Rede von Wert; der Schriftsteller findet einen Unterschied
zwischen Prometheus und seiner eigenen Person: des Diebstahls kann
ihn keiner beschuldigen. 'Oder von wem hätten wir das stehlen
sollen V' setzt er hinzu (7j, 'es müßte mir denn gerade verborgen ge-
blieben sein, daß schon ein anderer solche Seepferde und Bockhirsche
geschaffen hat.' Es ist klar, daß hier auf 'Götterdialoge', 'Hetären-
gespräche' usw. Bezug genommen wird, die mit Menipp noch nichts
zu tun haben.^) Noch fehlt die Erwähnung seines Namens, die in
unserer Satire nun hinzukommt und eine neue Stufe der literari-
schen Tätigkeit Lucians bezeichnet, von der er selber das Tcagä tov
yäg av ixXtTCTOfisv; nicht gesagt hat, auch nicht mit der gleichen Zu-
versicht sagen konnte. Hirzel^) hat die Worte des 'Prometheus'
anders aufgefaßt und das Verhältnis zum 'Doppeltverklagten' gerade
umgekehrt; er glaubte diesen Prometheus später verfaßt, weil er ein
1) Prom. in verb. 5: icri, yoüv ix dvo xccX&v äXlonotov x^v |vvd^xtjv tlvau,
olov ixtlvo rb TtQoxfiQOTarov, 6 'ntnox^vTccvQog ^ bis acc. 33: InnoxsvravQov dixriv
avvd^tröv Ti X«} ^hvov (pdofia rolg ccxovovai Soxtb, Zeuxis 12: ort ^l^v di'ßsia
' InnoxixnavQog yty{}a\nUvri^ toffto (i6vov ixnX'^tovrai xccl maneg iaxi^ xaivhv x«l
ngdariov doxBl ainotg.
2) Prom, in verb, ß: aefivotdtag inoutto xccg ovvovalag (pvcfmg xf ni(fi xccl
ctQtxfjg rpiXoaoffuiV ^ big acc. 33: üB^vhv xicag ovrcc xal &t(üv rf TtfQi xcc) (pvCfag
xul xfjg T&v ü/l(or negiodov axonovnfvov.
8) MtxtmQoXiamg auch Icarom. G.
4) Prom. 6: etkQolßctxo{jvxag xttX regi/i'^' • >>»öi»Taff wie in unstM-er Satin» (8Ä^
daf &vto nov xAv vnp&v &tQoßccx6iv.
6) Riene, Varr. Hat. Menipp. H. 24: M< iiii'puin liiit nonihini tum »..^'nitinn
habenii aut fraudulcnto nilontio opprimenH. Die «mhIo Annahme Hchoint natilr
licher, da I.tician kuinon rtriiiid xuni VorKchwtMf^on hatto, tiioh im Qegonieil die
.'\imt.'nihnnjf Menipp« alff Wnlirimf imrrrhfirf
•> Dor Diftlog II 8. 3(>i
282 Kapitel Xn. Der Doppeltverklagte.
reiferes Urteil voraussetzt und Lucian hier es mit der bloßen Neuerung
nicht getan glaubt, vielmehr Bedenken hegt, ob zwei solche Gegner
wie Komödie und Dialog sich vereinigen lassen, während im 'Doppelt-
verklagten' von solchen Zweifeln keine Rede ist. Ich würde sagen,
es ist keine Rede mehr davon. Im 'Prometheus' zagt er noch, ob er
das Richtige getroffen; aber er will auf dem eingeschlagenen Wege
bleiben. ^) Im 'Doppeltverklagten' ist er seiner Sache sicher, er braucht
nicht mehr zu bangen, weil der Erfolg ihm gelacht hat.^) Im 'Prome-
theus' wird auf die Neuerung großes Gewicht gelegt, im 'Doppelt-
verklagten' ist von ihr eigentlich überhaupt nicht die Rede, wenn
man nicht im Vortrag der Rhetorik (29) das xaLV&v ojQSx^rj jcgay-
iidxcav hervorheben will. Im 'Prometheus' steht Lucian am Anfang
seiner Dialogschriftstellerei, die zunächst noch etwas Sophistisches hat;
im 'Doppeltverklagten' hat er den Menipp dazugewonnen.
Nur der persönliche Teil des 'Doppeltverklagten', der den Prozeß
des Syrers enthält, hat dem Ganzen den Namen gegeben. Daß
das ein Titel aus der mittleren Komödie ist, wird kaum Zufall
sein.^) In diesen beiden Redepaaren muß man Lucians eigenste
Darstellung sehen; aber darum braucht das ganze Motiv der Gerichts-
szene nicht seine Erfindung zu sein. Es fällt ja auf, daß dieser Prozeß
zusammengekoppelt ist mit einer Anzahl von anderen, die wieder
1) Das ^^[Lsvstiov yaq olg cctccc^ 7tQ08iX6iir]v, irtsl to ys ^stccßovXsvsß&ca 'Em-
[iTjd'img hgyov, ov JTpoftTj'O'^üos iötiv am Schluß des ^Prometheus' paßt nicht,
nachdem Lucian abgesehen von andern Dialogen etwa ein halbes Dutzend
menippischer Satiren geschrieben hat, sondern nur, nachdem er eben erst eine
Probe mit der Vermischung von Komödie und Dialog gemacht hat. Der Tro-
metheus' ist eine Einleitung beispielsweise zu den ''Meeresgesprächen', nach-
dem die ^ Göttergespräche' vorangegangen waren.
2) Daß Lucian mit seinen menippischen Dialogen Beifall gefunden hat,
sagt er selber deutlich im 'Fischer' 25; daß sie bei Ernsteren auch Kopfschütteln
hervorriefen, ist selbstverständlich. Sehr anschaulich schildert er den Eindruck
seiner Vorträge in der Vorrede, die er dem 2. Teil seiner 'Wahren Geschichten'
vorausgeschickt hat, dem 'Dionysos'. [Die Zusammengehörigkeit hat Thimme,
Jahrb. f. Phil. 137 (1888) S. 562 ff. richtig bemerkt; der Redner spricht von einer
Unterbrechung seines Vortrags und will die Fortsetzung bringen. Dagegen hat
das 1. Buch der 'Wahren Geschichten' mit dem 'Herakles' nichts zu tun; es
hat seine eigene Einleitung in 1—4 und bedarf keiner utQoXaXiä, kann vielmehr
überhaupt keine vertragen. Und die Gedanken beider Schriften stehen im
Gegensatz zueinander; der Redner, der die 'Wahren Geschichten' vorträgt (1),
betrachtet diese nur als Intermezzo, als Erholung zwischen anderen Vorträgen,
der Sprecher des 'Herakles' sagt (7), daß er lange Zeit die sophistischen Vor-
träge aufgegeben hat, sie nun aber wieder aufnimmt.]
3) Suid. s. V. Aiyeas (Kock EI S. 694). Vgl. Fritzsche H 1 S. 3.
Die Philosophenprozesse. 283
sämtlich dem 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. angehören ^); es macht auch
stutzig, daß drei der Prozesse einfach ausfallen, der eine allerdings
mit Recht, um Wiederholung zu vermeiden, der Aristipp betreffende,
die beiden anderen bei witziger Benutzung der Eigenart der beiden
Philosophen, um die es sich handelt, aber doch mit einer Kürze, die
eigentlich zu dem aufgewendeten Apparat in keinem Verhältnis steht.
Auffällig ist auch, daß Hermes in seiner Ankündigung (12) mitteilt,
alle, die inzwischen verstorben seien, seit der Prozeß anhängig ge-
macht sei, solle Aakus hinaufschicken; es sind aber in Wahrheit alles
Verstorbene, die sich hier verantworten sollen, bis auf den Syrer, so
daß man die Empfindung hat, die Klage gegen diesen gehöre nicht
hierher. Ungefähr 280 — 70 hat es auch eine Zeit gegeben, wo die
Bemerkung des Hermes jedenfalls viel besser paßte, weil damals
Pyrrhon^) und Polemon^) wahrscheinlich, Dionysios der Abtrünnige
sicherlich noch am Leben war.'*) Es ist beachtenswert, daß wir mit
1) Bruns, Rhein. Mus. XLm (1888), S. 162 hat das Auffällige, das in der
Vereinigung des Syrerprozesses mit denen aus der alten Zeit liegt, wohl be-
merkt, aber in seiner feinsinnigen Art weniger die Entstehungsgeschichte des
Dialogs als vermeintliche innere Gründe des Schriftstellers als Veranlassung
dazu angesehen.
2) Pyrrhons Lebenszeit etwa 375 — 285 anzusetzen, wofür die Möglichkeit
hervorhebt Pohlenz, Herrn. XXXIX (1904) S. 28, ist nicht nötig; Pohlenz selbst
kommt für seine Argumentation mit 365 — 276 aus.
3) Vgl. Ind. acad. Col. Q 4 (Mekler S. 58); Susemihl, Alex. Litteratur-
geschichte I 117. Kirchner, Prosopogr. Attica 11, Berlin 1903, S. 637.
4) Dagegen spricht höchstens die Zeit des Abfalls des Dionysios, wenn er
wirklich erst nach Zenos Tode erfolgt ist (s. Susemihl, Alexandr. Litt^ratur-
gesch. I 72 Anm. 283, v. Arnim bei Pauly-Wissowa liealencyclopädie V 973), ob-
wohl es ja, wenn man sich die Zahl der Beispiele bei den Prozessen vermehrt
denkt, auf die Zeit 280—70 für die Argumentation nicht genau ankommt.
Aber so sicher scheint mir die Zeit, zu der Dionysios abtrünnig wurde, nicht zu
sein. Ihre Bestimmung ])eruht auf der Auslegung der Anekdote bei Cicero Tusc.
n 26, 60, nach der Kleanthes nach einer Unterredung mit Dionysios wogen seines
Abfalls auf die Erde gestampft und ausgerufen habe 'Hörst du das, Amphi-
araos, drunten in der Erde?' Dadurch ist die Zeit dieser Unterredung aller-
dings narh Zenos Tode [Sommer 263 nach (tomperz, Sitz.-Ber d. Wiener Akad.
d. WiHH. 146 (1908) VI S. 1 ff.] fixiert; daß sie aber unmittelbar nach der Um-
wandlung stattgcfundon habe, ist eigentlich nicht erwiesen, wonn man dieser
Anekdote überhaupt soviel CJewicht beilegen will. Ei spricht aber manohet
.lafür, daß der Abfall früher erfolgt ist. Nach Dioklet (Diog. Laert. VH 16«) hörte
hiimysioM zuerHt den Horakloides, dem Piaton 861 bei seiner leisten siulischen
Ileite die Vertretung in der Schule übertragen haben «oll (Suid. s. v. 'llQnidtidijs.
Vgl. v. Wilnmowitz, Antigonoi von Karyit S. 280 Anm. IS), der dann zugleich
mit Menedcm 889 aU Nachfolger de« Spousipp in Betracht kam, aber mit ihm
284 Kapitel XE. Der Doppeltverklagte.
den bei Lucian gegebenen Beispielen bei dieser Auffassung wieder
ungefähr in derselben Zeit bleiben würden, auf die uns die An-
spielungen im 'Ikaromenipp' hinwiesen. Im übrigen könnte man die
Zahl der Prozesse sich noch' beliebig vergrößert denken, wie Klean-
thes etwa von der Athletik beansprucht werden konnte, weil er erst
Faustkämpfer war, Timon von der Tanz- oder Schauspielkunst, wie aus
etwas späterer Zeit Ariston und Herillos belangt werden konnten,
weil sie von der Stoa abgefallen waren, Persaios, weil er an den Hof
des Antigonos Gonatas gegangen war usw. Derartige Witze hätten
sich, billig wie sie sind^), auch von späteren Philosophen wohl finden
lassen; und wenn Lucian sich sonst an die Stifter der Schulen hält,
so ist das hier nicht der Fall, es lag also auch kein Grund dazu vor,
eine so klaffende Lücke zwischen den alten Prozessen und dem die
eigene Person angehenden zu lassen, wenn das nicht durch seine
Quelle veranlaßt wurde.
Von den beiden alten Prozessen, die wirklich ausgeführt sind,
fesselt besonders der erste, der auf der Wandlung in Polemons Leben
beruht. Gleich wie bei Augustin, dem Heiligen von Assisi und andern
war bei Polemon nach einem Leben voll Ausschweifung die Stunde
dem Xenophanes erlag (Ind. acad. VII 2 Makler S. 38 f.) und der jedenfalls noch
330 gelebt hat, da er die Gründung Alexandriens Erwähnte (Plut. yit. Alexandr. 26),
Keinesfalls kann man aber des Herakleides Lebenszeit über 320 — 10 verlängern
(vgl. V. Arnim a. a. 0. 974), Dionysios muß danach 340 — 30 geboren sein
(330, spätestens 325 Susemihl, zwischen 330 und 325 v. Arnim). Selbst wenn er
erst 330 geboren war, ist es unwahrscheinlich, daß seine Umwandlung erst 263
oder später erfolgte und er sich mit 65 — 70 Jahren dem ausschweifenden Leben
in die Arme warf, von dem die Alten zu erzählen wissen. Die Angabe, daß er
yriQccLog von der Stoa abfiel, würde auch noch zu recht bestehen, wenn er fast
60 jährig etwa 275 — 70 Zeno verließ, zumal ja das Alter im Gegensatz zu der
neuen Lebensweise besonders auffiel. Aber es kommt ja, wie wir schon sahen,
auch gar nicht darauf an, daß die Beziehungen alle auf die siebziger Jahre
des 3. Jahrhunderts gehen, da wir nicht wissen, was Lucian ausgewählt, was
er etwa ersetzt hat, und im übrigen Menipp auch in den sechziger Jahren noch
geschrieben haben kann.
1) Irgendwelche Auswahl der Prozesse, irgendwelche philosophische Ab-
sicht oder tiefere Beziehungen kann ich nicht mit I. Bruns (Rhein. Mus. XLIII
[1888] S. 163) erkennen. Ich kann Bruns' Auseinandersetzungen nicht im ein-
zelnen widerlegen; sie widerlegen sich aus unserer Darstellung von selber; sie
sind aufgebaut auf einer Anschauung von dem Wesen Lucians als philosophisch
bestrebten Schriftstellers, wie sie nicht mehr aufrecht erhalten werden kann,
und die von Bruns vertretene phantastische Auffassung von der höheren Mission
und dem festen Plan, mit dem Lucian seine philosophischen Satiren verfaßt
hätte, bricht vor einer genauen Prüfung von selbst in sich zusammen.
Polemou. 285
der Umkehr gekommen. Da die Methe als Anklägerin nicht reden
kann — der Witz ist dann auch bei Aristipp in der 'Versteigerung'
gemacht — , so spricht die Akademie auch für sie, und sie berichtet
sowohl in der Beleuchtung jener, wie in der ihr selber günstigen die
bekannte Anekdote von dem Jüngling, der mitten am Tage mit der
Hai-f'enspielerin über den Markt geht, das Haupt bekränzt, beständig
trunken, der so mit Schreien und Lärmen in die Akademie ein-
dringt, aber betroffen von dem, was er hört, sich ernüchtert, die
Kränze fortwirft und wie aus einem Schlaf erwachend sein verfehltes
Leben erkennt, hinfort ein treuer Jünger der Philosophie, besonnen
und würdig wie einer. Die Schilderung des lüderlichen Vorlebens
kehrt bei Philodem ganz ähnlich wieder.^) Die hochdramatische Be-
kehrung selber hat Diogenes L. IV 16, wie von Wilamowitz gelehrt
hat, in seine Quelle Antigonos eingearbeitet; auch seine Darstellung
weist bei all ihrer Kürze Wortanklänge an Lucian auf.^) Das schöne
Bild ist typisch geworden. Plutarch bezieht sich darauf (de ad. et
amic. 71 Ej, Valerius Maximus (VI 9 ext. 1), Origenes (c. Geis. III 67
[vgl. I 64 J), Themistius 24 (S. 303 dj erzählen davon. Am bezeichnend-
sten aber ist, daß Epiktet in seinen moralischen Vorträgen zweimal
die Anekdote hat (111 1, 14; IV 11, 30), er, der den Kynikern so nahe
steht und aus ihren Diatriben geschöpft hat, bei dem wir oben^) die
Spuren Menipps fanden. Und ebenso bezeichnend ist es, daß Horaz
sat. II 3, 254 die Geschichte von dem mutatus Polemo hat, der, ob-
wohl bezecht, verstohlen den Kranz vor Scham vom Halse zog, nachdem
ihn die Worte des Meisters im Innersten getroffen"*), bezeichnend,
1) Vgl. V. Wilamowitz, Antigonos von Karyst. S. 63. Ind. acad. col. IV/XIII
Mekler S. 47: lötogsttat Sh xal i'fai'txcbff &x6XaöTog yivic^oci tr}v nQÖaTtiv maxB
xa) dta Toi) KfQaiistxov nuxt ^isd'vovxct xtafiaßai ^f-O"' ij^iigccv^ Luc b. acc. 16:
hg iitd^' 7jfii{)uv ixömu^e Stu Ti)g dyoQct^ litßtn ijjcxXtQiag ix^^' • • • lif9-v(0P
&ti
2) Diog. i... IV 16: xat nott avv&i^Livos toig vioig iie&vav xai iaxs<pc(V(a-
lt,ivos ilg triv SevoxQUTOvg jj^i ö^oXi^v 6 6h oidkv diccrganslg £iQh xbv Xoyov
öitoltog- Tjv di TffQl atotpifoavvrig . ä-KOvor di} xb y,HQdxiov xax* dXlyov i^'tigdd'f],
Luc. b. acc. 17: :ttinijbi .... iaxB<pavom^vog XQCtinccXdiv intl
fiivxoi yt nuQ ifth f)Xkv^ iyat ^v hvxov .... Xoyovg xiväg tkqI aQfxf/g xo2
a(o(p(foavvi]g öitiioifau intl dt ovölv inihlg iTtttpQovxixuiKP tcvroP,
%ux* 6Xlyov .... &vivi)<pt itQÖg xohg Xöyovg. 8) Siehe S. i47 f.
i) Potus ut ille dicitor ex collo furtim carpsisBO Coronas, posUiu»... « ni
impranii correptus voc« mugistri, wie bei Luc. bis acc. 17: ttvitt^fft nifbg toi'ff
X6yovg xul ätf^y^ftlxo xohg axt<füvovg. Daß auch Hora/. gerade dicson einen
cbaruktehHÜschen Zug fi\r die Umwandlung angibt, seigt, daÜ er eine auMfQbr-
lirhcr«^ Schilderung vor Augen hattiv
286 Kapitel Xu. Der Doppeltverklagte.
weil Horaz in derselben Satire auch die Aristippanekdote anbringt
(V. 100), die wir durch einen glücklichen Zufall auf ihren Ursprung
zurückführen können, da auch Diogenes L. II 77 sie berichtet mit dem
Zusatz äg (pcc0LV ol tcsqI rbv Bico^m.^) Da für die eine Stelle das
Original klar ist, wird man kaum fehlgehen, wenn man für die andere
dieses sermo Bioneus das gleiche annimmt. Ob es Bion war oder
Menipp, aus dem Horaz schöpfte, wird sich bei den Wechselbeziehungen,
die man zwischen beiden annehmen muß, gleich bleiben^); wir müssen
aber im Gedächtnis behalten, daß es sich um das zweite Satirenbuch
handelt, in dem die Nekyia (II 5) und das Symposion (II 8) ebenso wie
die künstlerische Einkleidung der Gedichte lebhaft an Menipp er-
innern.^) Man möchte also vermuten, daß schon bei Menipp sich eine
Gerichtsszene dieser Art gefunden hat; und ließ sich schon oben be-
merken, daß Hermes' Hinweis auf die Gestorbenen voraussetzt, daß
eine größere Anzahl derer, um die es sich handelt, noch am Leben
ist, so führt eben darauf die Berufung der Akademie auf die Zeugen-
schaft aller Athener, nicht der früheren, sondern, wie man verstehen
muß, der jetzigen (16): kccI tavra ort cclrj^fj^ ^aQtvQsg 'A^r]valOL
ccjtavreg^ ol ^rjdl tcidtiots v7Jq)ovra IJoXs^cjva sidov. Doch ist ein sol-
cher Anachronismus kein sicherer Beweis.
Die letzte Prozeßsache, die uns bleibt, ist die betreffs des Dio-
nysios, dem seine Wandlung den Beinamen 6 ^stccd-s^svog eingetragen
hat. Die Klage geht gegen die Hedone und ist erhoben von der Stoa;
die beiden reißen sich um den Philosophen wie in der Erzählung des
Prodikos Kakia und Arete um den Herakles. Die Stoa spricht selber,
aber die Hedone macht Epikur zu ihrem Sprecher. Im Grunde han-
delt es sich nur um zwei verschiedene Lebensweisen und Lebensauf-
fassungen; wir haben eine richtige Synkrisis, einen Agon, wie er in
der Komödie zu Hause ist, ja einen Hauptbestandteil ausmacht.*)
Charakteristisch ist, daß, während Aristophanes in den 'Wolken' weder
den dtxccLog noch den äöiyog Xöyog durch einen Vertreter ersetzt, von
den beiden allegorischen Erscheinungen meist nur die eine auftritt, die
1) Vgl. Heinze, De Horatio Bionis imitat., Diss. Bonn 1889, S. 25.
2) Heinze a. a. 0. S. 7.
3) Den Widerspruch von Rowe (Quaeritur quo iure Horatius in saturis
Menippum imitatus esse dicatur Diss. Halle 1888) gegen die Annahme der Menipp-
benutzung durch Horaz kann man auf sich beruhen lassen. Es gibt Wahrheiten,
die sich nicht strikte beweisen lassen und doch wahr sind.
4) Siehe Zielinski, Die Gliederung der altattischen Komödie, Leipzig 1885,
S. 30 ff.
Prozeß des Dionysioe. Synkrisis. 287
andere durch eine Person verteidigt wird*); so steht für den Plutos in
Aristophanes' gleichnamigem Stück gegen die Penia Chremylos ein, so
läßt Maximus Tyrius 21/22 in dem Streit des beschaulichen und tätigen
Lebens zwar das tätige seine Sache selbst verfechten, für das beschau-
liche aber zum größten Teil den Anaxagoras sprechen, genau wie hier
der Philosoph für die hedonistische Lehre redet. So zeigt sich in dieser
Hinsicht ein dauernder Zusammenhang. Für Lucian ist es klar, daß
er sein Vorbild nicht nur aus rhetorischer Gewöhnung, sowohl für wie
gegen eine Sache zu plädieren, entnommen hat, sondern aus der
Komödie, ob nun mittelbar oder unmittelbar. Der Inhalt dieses Rede-
paares bietet im übrigen nichts Besonderes. Die Stoa beruft sich
den Athenern gegenüber auf das Beispiel des Herakles und ihres
Königs Theseus; auch hier haben wir in Herakles den kynischen
Heiligen. Die Rede Epikurs klingt stark an den *Hermotimos' an.
Dionysios ist der Stoa entronnen und wie aus einem Schiffbruch in
den Hafen gelangt, genau wie der Stoiker am Schluß jenes großen
Dialoges^); hätte man ihn etwa zurückstoßen sollen, damit er mit
vielem Schweiße den steilen Berg erklimmen, die vielgepriesene Tugend
sehen und so, nachdem er das ganze Leben sich abgequält, nach dem
Tode glücklich sein könnte? Die 'vielgepriesene Tugend' (TtoXvd-Qv-
Irftog ocQerrf) kehrt im 'Ikaromenipp' (30) wieder.^) Das ganze Bild
vom Emporklettem zur Tugend ist im Anfang des 'Hermotimos' aus-
führlich gezeichnet*), findet sich kurz auch in der 'Nekyomantie' (4).
Als letzten Trumpf spielt Epikur die Behauptung aus, wenn nur die
Anhänger der Stoa den Ring des (iyges oder den Helm des Hades
hätten, so würden sie sich in Eile zur Hedone drängen und es dem Dio-
nysios nachtun; die Zusammenstellung der beiden Zauberraittel ist aus
Piaton entnommen. ^j Mit einem Vers aus Euripides' Thönissen' (3(30)
1) Siehe Hense, Die Synkrisis in <l«'r antiken Litteratur, üniversitiltsreilo.
Freiburg i. Br. 1898, S. 27.
2) Hermot. 86: loanSQ oi ix rtur rurayicov cnoöio^iVTBg, bis acc. 21: tüarin)
ix vavayiov Xinivi nQoaviovxu. (Vgl. Hofmann, Krit. Untersuchungen zu Lucian,
Progr. Nürnberg 1H94, S. 82.)
8j Clemens Alex, ström. VI 7, ö6 definiert: (piXöoofpot X^yoirm . . . :r«p'
"EXXi^ai . . . . ol xöbv mgl icfftcflg Xdytov &vtiXait,ßav6iifvoi.
A) Hermot. 2: 6 oliios iit* aifxrjv fiaxQÖg xt xal Öq^io^ x«i r^i/^jft ,,-, '
o^ dXlyov ^Xiov xoli 6doiyt6QOiit bis acc. 21: tva xr^v . . . cc(f(xi}p inl x6 '
ISg&xi noXXöy avfX^üjv idji, necyum. 4: rä nävdrina ixttva xod 'liöiddov n§ffi ti)^
iffix^S Ixr] xal xbv iSQtbxu xal xijv inl x6 &xqov Scväßaaip.
b) Plat. rep. X 618 B: notrixiov ilvai . . . ra Sixaia^ idv x* fxV ^^^ Pvyov
dunxvXiop iäv xe fiij, xal nQÖs xoiovxa iaxxvXlm r^y "Aidof ««»f^y; lo hier (81):
•/ yovv xig avxols xbv rof> / vyow dctxrvXuw fAuxiv . . . . ^ xf^v toO 'AXdog «vv^v.
288 Kapitel XIT. Der Doppeltverklagte.
schließt Epikui*. Die beiden Reden stimmen im Inhalt ungefähr zu
dem, was, nach dem Ausdruck Porphyrios zu Hör. sat. II 4 zu schlie-
ßen, den Stoff der Varronischen Xoyo^ccxCa gebildet haben muß.
Dieser ganze Agon ist veranlaßt durch das Motiv der Gerichts-
verhandlung. Für das, was ihn am Anfang und Ende umrahmt, muß
man die außerordentlich große Ähnlichkeit mit der 'Versteigerung' be-
achten, die uns wieder so recht Lucians Arbeitsweise erkennen läßt.
Hermes ist Ausrufer hier wie dort, nur daß dort der Heroldsruf selbst
übergangen ist, während er hier wie im 'tragischen Zeus' ausführlich
gebracht wird. Es wird hervorgehoben, wie die Leute zusammen-
strömen.^) Die Fülle der Streitsachen und der ßCoi ist aber zu groß,
um sie aUe zu erledigen; infolgedessen findet eine Teilung statt; es
sollen nur die ßCoL der Philosophen verkauft und nur die Klagen von
Künsten, ßioc usw. verhandelt werden, die Lebensarten der Laien
aber und die Klagen der Privatleute sollen für morgen bleiben.^)
Die Gerichtsverhandlung hat Lucian nicht für sich stellen wollen,
sondern er hat ihr nach einem ihm geläufigen Rezept eine ausführ-
liche Szenenreihe zur Begründung vorangeschickt, die uns in den
Himmel und dann auf einer Wanderung zur Erde führt. Die Ähn-
lichkeit mit dem 'Timon' drängt sich auf.^) Hier wie dort die Be-
sprechung zwischen Zeus und Hermes; hier wie dort das Herbeiholen
des Begleiters, der zur Erde soll, des Plutos und der Dike, um so
beachtenswerter, als die Dike eigentlich völlig überflüssig ist; hier wie
dort das Sträuben des Herbeigerufenen, der wegen schlechter Behand-
lung früher geflohen ist*); hier wie dort nach längerem Disput der
Aufbruch, veranlaßt durch Hermes' ermunternde Worte: TtQOLCJiisv
1) Bis acc. 13: ccQ^qool yovv mg ogäg ^vvd'£0V6L d^ogvßovvtsg martsg ol ecpT]-
xf ff, vit. auct. 1 : noXlol avviccaiv. Man beachte die größere Kürze des Ausdrucks
in der ßloav TtQ&aig.
2) Bis acc. 13: ra? \ihv aXXag dUccg ig trjv cc^qlov vnEQßccXm^isd'cc^ xrniSQOv
6h TiXriQöb^sv Tccg roLavtccg, önoeccL tbxvcag r) ßioig r) i7CLatri^a.ig ngog avdgccg slolv
iTtriy/aXuevccL , vit. auct. 1: ccTCOxriQv^onav dh ßiovg opiXoGocpovg iiccvrbg sl'&ovg ticcI
TtQoaiQsoacov 7t0iv,iX(ov, 27: vfiäg Sh ig a^Qiov TtaQuycaXoviisv • cc7toxriQv^£LV yccg
tovg idimrccg "aal ßavccvGovg -kccI ccyoQccLovg ßiovg fiiXXopsv.
3) Vgl. Hirzel, Der Dialog II 301. Ich möchte den 'Timon' für früher halten;
denn dort ist das Motiv der Entsendung des Plutos und seines Sträubens näher
liegend. Der ^Timon' fällt danach mitten in die menippischen Satiren, die in
ihm ja auch zum Teil benutzt sind (vgl. Kap. VIII S. 181. 185.)
4) Kock III S. 646 erkennt in § 8 Versspuren und meint: videtur in comoe-
dia quoque scaena talis fuisse qualis est apud Lucianum. Ob es aber wirklich
die Dike war, um die es sich dabei handelte, ist doch sehr fraglich.
Beziehungen zu andern Dialogen. 289
ö nXovre und 0 ^Cxrj (Tim. 19; bis acc. 8), unterwegs das Gespräch
zwischen den beiden, dann die Ankunft in Attika, im ^ Doppeltverklag-
ten' (9) mit äbnlichen Worten angekündigt wie im 20. 'Göttergespräch',
wo Hermes die drei Göttinnen nach Phrygien zu Paris führt'), im
übrigen in beiden Dialogen mit derselben Auffordenmg verbunden.^)
Die Anfangsszene ist nach Homer Od. I geschaffen; Zeus klagt
darüber, daß die Menschen so wenig Verständnis haben für die Fülle
der Lasten, welche die Götter tragen, die es wohl rechtfertigt, daß
so viel Prozesse liegen geblieben sind. Daß hier für die folgende
Szene eine ausführliche Motivierung gegeben ist, während in der 'Ver-
steigerung der Lebensarten' nur die Szenerie kurz angedeutet ist,
scheint mir für die spätere Abfassung der ßCcjv TtQccöig beweisend.^)
Die Rede des Zeus ist durchsetzt von poetischen Reminiszenzen.
Gleich der Anfang hat Guyet dazu angeregt, zwei iambische Trimeter
aus den Worten zu rekonstruieren. Asklepios' Tätigkeit wird mit
einem Wort des Hippokrates (jtsgl (pvoCbv 1 Littre VI S. 90) gezeichnet,
das sicherlich nicht zufällig rhythmisch klingt^) und, nach seiner
Verbreitung zu urteilen^), sehr bekannt gewesen sein muß. Das Hiu-
und Herschauen des Zeus auf die Erde ist nach Ilias XllI 3 gestaltet,
der schlaflose Göttervater ist mit den Worten von Ilias II 1 f. geschil-
dert, die auch im 'Ikaromenipp' (28) benutzt waren. Überhaupt hat
die ganze Szene Ähnlichkeit mit jener Satire; dort ist (11) der Ver-
gleich mit dem bald hierhin, bald dorthin seine Augen wendenden
Göttervater gebraucht und dann sehen wir ihn selbst (25 tf.) bei seiner
angestrengten Tätigkeit, hier berichtet er davon; besonders auf die
Verteilung des Wetters wird beide Male Bezug genommen (Icar. 26
1) iiiH acc, i*: Ak/.u ^Ltxu^v /.itycov ijdi] rcXriOicc^oubi' xij Attixjj, dial. deor.
20, 6: diXcc (isxa^v löyov i'idi] noXv TtQuiövxtii ccneanäauusv tö)»' aari^Qiav xal
a%td6v yt xaxu rr]v 4fQvyi<xv i<ni(v.
2) Tim. aO: o^'xof'»' iTtißaivmniv i'jdn rijg 'ATxixt)^^ bis acc. U: oJffre t6 fihv
Imvviov iv St^ia xataXlnaififv^ ig dh r^v ecxQdnoXiv &novsva<o^ifv i)dri.
5) Hirzel, Der Dialog II 801 Anin. 8 weist darauf hin, daß der Dialogos
sich nicht darüber beschwert, daß or, der tiohn (ler rhilosophie, bonutzt werde,
H<Mne .Miitt«'i /,u verl&tteru, also die ßiiov iVQäait noch nicht geschnoben kbj.
Für Mich ull'in möchte ich dem nicht allzu große Beweiskraft beimcHHcn, aber
mit den Andern Argumenten zusammen spricht auch das für spUtere Abfassung
der ßUov ngfioig.
4) Der erste Teil: u(»D xt Stiva ^t/yat^it r' icridiotv ergibt j» sofort einen
Trimeter.
6) Die Stallen sind gi^sammelt bei Littr<^ VI 00 und Wyttenbach, Animad-
versiones in Plot moralia III 66 (xu p. 991 B).
U»\m, LaolAti und Moai|>p. IV
290 Kapitel XIT. Der Doppeltverklagte.
bis acc. 2); siyxaC^ oqxoi^ ^öicbv xaTtvög wird hier erwähnt, dort aus-
führlich gezeichnet, wie Zeus sie annimmt. Auch die Seiene, die den
Schwärmern leuchtet, erinnert an die Göttin im ^Ikaromenipp' (21).
Man gewinnt den Eindruck, als ob die ganze Rede des Zeus in jene Satire
hineingehörte, wie auch zum Schluß beide Male die Furcht vor den
Epikureern ausgesprochen wird.^) Auf jeden Fall muß man bei der
Abfassung des dlg xatrjyoQov^evog eine Erinnerung an den 'Ikaro-
menipp' annehmen. Zum 'tragischen Zeus' (47) führt uns das Bild von
dem Steuermann zurück, das Zeus hier von sich gebraucht (2).
Die nächsten Szenen und der Inhalt des Gespräches ergaben sich
von selbst. Die Darstellung der Philosophen durch Hermes ist so,
daß sie auch Lucians Geist entstammen könnte. Eine gewisse Ähn-
lichkeit liegt vor mit der Szene in Aristophanes' frieden', in der die
Eirene, einst verjagt und nun abgeneigt, zur Erde hinabzugehen, sich
nach dem erkundigt, was sie wissen möchte (657 ff.). Daß dann Pan
auftritt, der ja im wesentlichen auch nichts Neues über die Philo-
sophen sagt bis auf die Andeutung ihres unmoralischen Lebenswandels,
war für den Kenner athenischer Topographie ebenfalls nahegelegt;
dazu kam die Bedeutung der Pansgrotte, wie sie uns Lysistr. 911
zeigt. Um dieses einen Hinweises willen auf die Unmoral der Tugend-
prediger ist die Szene wohl eingefügt; daß der größere Teil von Pans
Worten sich mit Hermes' Ausführungen ungefähr deckt, ist für die
Ökonomie der Satire nicht eben geschickt. Dabei werden wieder die
berühmten philosophischen Schlagworte verhöhnt: äQsr7]v tiva xal
ideag zal (pvöuv xal aöcj^ara^)^ und die anschauliche Schilderung von
dem streitenden Philosophen, dem das Gesicht sich rötet und die Adern
schwellen, der sich den Schweiß abwischt und immer lauter schreit,
ist nach dem Muster des 'Symposion', des 'Hermotimos' (11) und des
'tragischen Zeus' (16) gestaltet.^) So sehen wir, daß dieser erste Teil
der Satire uns immer wieder an früher besprochene Dialoge erinnert.
1) Icar. 32: mga viilv loyi^sad-ai, dioti, rjv aitcch, ovxoi tcsIoccl tbv ßiov
Svvrid'maiv, ov iLBXQicog ■jtsLv^üsrs' tig yäg ocv ht d'vGSLSv viiTv, bis acc. 2: rjv yccg
XI ■Kol y-i-ngov iTtivvotd^cofiav , ccXrid'rjg sv&vg 6 'Eniv.ovQog ipvxQol d« ol
ßco^oi, -Kai oXag cid'vtcc xal ScjtaXXiiQritcc (^itdvxay xal 6 Xi^hg itoXvg. Zu vergleichen
ist auch Hrag. Zeus' 18: ü d' ovxoi nsiad'slsv , a-S-vra yiccl äyiQccöxa y.a.l
uxiiLTitu Tj^tv ^6xai trax yfjg xal iidxr]v iv ovqccvg) v.a.Q'Edov^sQ'a Xifioj ij(^6^Evoi.
2) Necyom. 4: Idiccg xal ccam^axcc xal äxöiiovg xal -ksvcc xal xoiovxov xivcc
6%Xov övoiidxoav .... ccy.ovcov, Icarom. 5: ccQxdg xivag v.ccl xiXr] nal dx6[iovg xal
ytsva y-cd vXag v,kI i&iccg xccl xd xoiavxcc^ gall. 11: dQSxriv xiva ngog t^s Sle^lÖjv.
3) lupp. trag. 16: 6 yovv Ttftox^Tyg xal i'Sgov xal xijv qpwrrjv i]$ri i^sx^ytOTtxo
VTtb xiig ßorjg.
Verbinduugsszenen. Aktuelle Beziehung. 291
Lucian hat auch hier seine Methode zu kombinieren, zusammenzu-
schweißen und in neuen Verbindungen das Alte wiedervorzubringen
in der schon beobachteten Weise angewandt, die Gerichtsszene, die er
bei Menipp aller Wahrscheinlichkeit nach vorfand, nach andern Meuipp-
szenen, der Komödie und seinen eigenen früheren Satiren mit dem
mythologischen Rahmen versehen und so eine neue Satire geschaffen
Auf eigene Rechtfertigung kam es ihm bei dem Ganzen oatürlich
nicht so sehr an wie auf witzige Gestaltung einer komischen Szene.
Wenn er einen Rhetor zu seinen Ungunsten stimmen läßt, so ist das
eine Würze, die der Satire den pikanten Beigeschmack aus der Wirk-
lichkeit verleihen soll; man kann fast vermuten, daß damit ein be-
stimmter Gegner Lucians gemeint ist, und wir denken an die gegen
Pollux gerichteten Satiren^) 'Lexiphanes' und 'Der Professor der Rhe-
torik'; es spricht nichts dagegen, daß er auch hier gemeint ist.^)
Aktuell endlich ist das Ganze gemacht und an die damaligen histo-
rischen Verbältnisse angeknüpft, wenn Zeus die Kämpfenden in Baby-
lon ien beobachten muß. Man hat das mit Recht auf den Partherkrieg
des M. Aurel und L. Verus gedeutet, also etwa auf die Ereignisse der
Jahre 162—166.
1) Siehe Ranke, Pollux et Lucianus, Quedlinburg 1881.
2) Pollux kann von Commodus, der ihn offenbar 170 gehört und sich damals
in seine Stimme verliebt hat, bald nach 180 (oder schon nach 176?) nach
Adrians Berufung nach Rom zum staatlichen Lehrer gemacht sein unter Zurück-
weisung des Mitbewerbers Chrestus (Philostr. U S. 95, 97 Kayser) und etwa 185
58jährig gestorben sein ; dann war er noch nicht ein Jahrzehnt jünger als Lucian
und konnte hier im dlg %axr\yoQovyLkvo? — sagen wir 108 — schon gemeint sein.
Das ist natürlich nur Vermutung; aber der Dialog gewinnt durch eine solche
Spitze.
!'.••
Kapitel Xm.
Der Fischer.
Die zweite Satire in eigener Angelegenheit ist der Tischer', bei
dem wir deutlich die Anlehnung an den 'Doppeltverklagten' erkennen.
Mit einer äußerst lebhaften Szene setzt er ein. Die Philosophen, die
für einen Tag Urlaub aus der Unterwelt erhalten haben, Sokrates,
Piaton, Aristoteles usw., sind hinter Parrhesiades her — seinen Namen
hören wir später — , um sich für den angetanen Schimpf zu rächen;
der Verfolgte wird eingeholt und soll zur Strafe sterben. Er gibt
sich als Wohltäter der Philosophen aus und verlangt ein ordent-
liches Gericht; das Urteil sollen die Angreifer selber unter dem Vorsitz
der Philosophie fällen. Sokrates ist damit einverstanden und die
andern folgen; Parrhesiades bekennt jedoch, daß er die Philosophie
nicht zu finden weiß; auf seine Frage hat man ihm bald die, bald
jene Tür gezeigt, und als er einmal der Menge folgte, fand er dort
ein geputztes und geschminktes Weib, dem er sofort den Rücken
wandte. Piaton weiß, daß die Philosophie um diese Zeit von der Aka-
demie zur Stoa Poikile zu gehen pflegt; und schon kommt sie auch
an und begrüßt ihre Anhänger. Sie vernimmt den Anlaß ihres Er-
scheinens und wundert sich, daß sie so empört sind über die ver-
meintlichen Schmähungen, während sie selber doch den Spott der
Komödie stets ruhig ertragen hat. Alle wandern zusammen zum Areo-
pag; doch ziehen sie es plötzlich vor die Akropolis aufzusuchen. Die
Philosophie ist in Begleitung der Besonnenheit, Gerechtigkeit, Bildung
und Wahrheit, sowie der Dienerinnen Freiheit und Offenheit; auch Elen-
chos und Apodeixis müssen mit. Auf dem Wege erkundigt sie sich
nach Namen und Heimat des Angeklagten. -Er bekennt sich als Syrer,
namens Parrhesiades, Sohn des Alethion, Sohnes des Elenxikles, und
gibt sich seinem Gewerbe nach aus als Hasser aller Prahlerei, Zauberei,
Lüge und Hoffart, als Freund der Wahrheit und des Schönen. So
kommen sie auf die Akropolis; die Priesterin stellt die Sitze zurecht,
Inhalt. 293
Parrhesiades betet inzwischen zur Athene Polias. Dann beginnt die
Gerichtsverhandlung. Für die Philosophen soll Piaton reden als der
Sprachgewandteste; er aber meint, hier sei eher ein Draufgänger von-
nöten, und so wird Diogenes als Sprecher ausersehen. Es folgt die
Anklagerede und die Verteidigung. Diogenes hebt hervor, daß der
Beklagte genau so handelt wie einst die Komödie gegen Sokrates;
nur daß Aristophanes und Eupolis doch über einen einzigen Mann
ihren Spott ausgössen und noch dazu am Fest des Gottes, der sich
über das Lachen freut; der Angeklagte aber trug seine boshaften
Schriften gegen alle Philosophen mit lauter Stimme vor im Kreise
der Besten vor zahlreichen Zeugen, ohne daß ein Fest den Anlaß zur
Kurzweil bot und ohne selbst angegriffen zu sein; und dabei hat er
den Dialog, den Diener der Philosophie, und den Menipp, ihren Jünger,
gegen sie verwendet. Parrhesiades gibt die Schmähungen zu; aber
er behauptet, von der Rhetorik selber zur Philosophie geflüchtet zu
sein und die gi'oßen Philosophen sehr hoch zu schätzen. Jedoch habe
er viele Philosophen gefunden, die wie schlechte Schauspieler zwar
die Maske des Achill, Herakles oder Theseus tragen, aber weder wie
Helden schreiten noch rufen, sondern so verweichlicht sind, daß sie
nicht einmal für eine Helena taugen würden. Und diese Menschen
brachten die alten Philosophen bei dem Publikum in Mißkredit; sie
befolgten ihre eigenen Lehren durchaus nicht, sondern haschten nach
Geld, waren zum Zorn geneigt, kurzum, zeigten alle erdenklichen
Fehler. Und darum griff er sie an, nicht die wahren Philosophen,
deren es, wie er wohl weiß, auch noch einige gibt. Die Rede hat
den Erfolg, daß Parrhesiades mit allen Stimmen freigesprochen wird.
Daran soll sich nun die zweite Verhandlung schließen gegen die wirk-
lich Schuldigen, die falschen Philosophen. Der Syllogismus muß sie
herbeirufen, damit sie sich rechtfertigen; aber nur wenige kommen.
Darauf ruft Parrhesiades sie zur Verteilung: Jeder soll zwei Minen
und einen Kuchen erhalten, wer sich am meisten auszeichnet im Wort-
gezänk, zwei Talente Goldes. Und siehe, sofort stürzen sie heran, klettern
auf Leitern zur Akropolis und zanken sich um Kuchen und Geld. Doch
wie sie hr»ren, sie sollen gerichtet werden, eilen sie wieder Hals über
Kopf davon. Ein Kyniker verliert seinen Ranzen; man findet darin
neben anderem Myrrhenöl, einen Spiegel und Würfel. Nun ist die
Berechtigung der Vorwürfe vollends erwiesen. Parrhesiades soll mit
«lern ElenchoH alle prüfen und die guten Philosophen kränzen, den
Aftoq)hilo80plien aber den Bart abscheren und ihnen ein Zeichen auf
die Stirne brennen. Er ist damit einverstanden, will aber vorher
294 Kapitel Xm. Der Fischer.
einige der Flüclitigeii herauf locken, um sie vorzuführen. Zu dem
Zwecke borgt er von der Priesterin eine geweihte Angelrute, befestigt
Feigen und Gold als Köder daran und wirft sie aus. Und nun kommen
sie der Reihe nach an und schnappen danach, der Kjniker, der Pla-
toniker, der Peripatetiker, der Stoiker, und jedesmal muß der Stifter
der Schule erklären, daß er an diesen Menschen keinen Anteil habe.
So bleibt^s denn bei dem Auftrag für Parrhesiades, und er verkündigt
im voraus, daß der Kränze wenig zu verteilen sein werden, desto
mehr aber Brandmale aufzubrennen.
Stellten wir früher fest, daß die 'Lebensversteigerung' nach dem
'Doppeltverklagten' verfaßt sei^), so stimmt es dazu, wenn wir in
diesem neuen Dialog Beziehungen auf den 'Doppeltverklagten' finden;
denn daß dieser auf die 'Lebensversteigerung' gefolgt ist, zeigt der
gemeinsame Ansturm aller Philosophen, selbst des Aristipp, Epikur
und Pythagoras, die Bezugnahme des Diogenes (23) darauf, daß er
für zwei Ob ölen verkauft worden sei, sowie endlich der ausdrückliche
Hinweis auf die ganze Auktionsszene in der Anklagerede des Diogenes
(27). Den Hauptteil des 'Fischers' bildet die Gerichtsszene, die ebenso
gut im 'Doppeltverklagten' hätte stehen können. Auch hier tritt
Lucian als Syrer auf (19); auch hier hat es sich so gestaltet, daß —
nicht Dike, aber die Philosophie mit den übrigen den Weg nach Athen
zurücklegt und die Unterhaltung zwischen ihr und Parrhesiades ein-
geflochten werden konnte; und Parrhesiades gibt hier auf der Wan-
derung Auskunft über sich wie im 'Timon' der Plutos. Auch hier
dem 7tQ0i(D^£v entsprechend^) das äjccm^sv bk '^qslov Ttdyov (15).
Man entschließt sich dann aber, zur Akropolis zu gehen, was für die
Gerichtsszene nicht nötig ist, wohl aber für die Schlußszene, den
Fischzug: daß aber gerade diese Ortlichkeit gewählt wird, auch das
hat seine Parallele im 'Doppeltverklagten' (9), wo Hermes zur Akro-
polis eilt, um von dort die Prozessierenden herbeizurufen. Die Be-
ziehung zeigt sich auch im Wechsel der Begründung; dort ist die
Akropolis gewählt, damit der Ausrufer leichter verstanden wird, hier,
damit man leichter sehen kann, was in der Stadt vorgeht (15).^)
1) Die Yermutung von Bruns (Rhein. Mus. XLIII [1888] S. 88 ff.), daß der
Tisch er' gleich mit der ßicov Ttgäas als Einheit geplant sei, hängt mit seiner
irrigen Auffassung von Lucians philosophischer Schriftstellerei zusammen und
ist unhaltbar. (Vgl. Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. IX [1902] S. 196.)
2) Siehe oben S. 288 f.
3) Bis acc. 9: iyo) 8h ig tr}v cckqotvoXlv avccßäg qccov ovtcog anavTccg iv. xov
i7tr}%öov TtQOöKccXeaoiiccL, pisc. 15: ^aXXov 8' ig rr]v ccüqonoXiv avtriv , mg av iv,
7iBQioi7i7]g a^Kx xcctacpavj] Ttdvtcc Bir\ xa Iv ty tcoXei.
Beziehungen zum 'Doppeltverklagten'. 295
Nach der Ankunft auf dem Burgfelsen erhält die Priesterin den Auf-
trag, der an den Anfang der ^Versteigerung' erinnert, die Sitze aufzu-
stellen.^) Als die Philosophen beraten, wer von ihnen die Anklage
vertreten soll, schlägt Chrysipp den Piaton vor; er soll alle Kraft
zusammennehmen und auch einflechten, daß der große Zeus im Himmel
auf seinem Flügelwagen empört sein würde, wenn der Angeklagte frei
käme (22)'^ dasselbe Piatonzitat hatten wir im 'Doppeltverklagten' in
der Rede des Dialogs (33). Daß in beiden Satiren die Phrase, es
bedürfe nicht langer Reden, im Beginn der Anklage wiederkehrt^),
will daneben nicht viel besagen. Die Anklage des Diogenes steht in
enger Berührung mit den Reden im 'Doppeltverklagten', insofern auch
sie sich mit dem Dialogos abgibt in derselben Personifizierung wie
dort: allerdings ist der Vorwurf hier gesteigert: der Syrer hat den
Dialügos, der bei der Philosophie zu Hause ist, eben gegen sie ver-
wendet (26). Auch auf die Unterstützung durch Menipp wird wieder
hingewiesen (26) wie dort (33). Und im Anfang wird auf die Ab-
wendung von der Rhetorik Bezug genommen (25), die dort den Anlaß
zu dem einen Prozeß bildet. Die Gegenrede fängt in beiden Fällen
mit dem offenen Geständnis an, daß der Kläger mit den Tatsachen
recht hat (bis acc. 30, pisc. 29); weiter berichtet der Syrer über seine
Abkehr von der Rhetorik und seine Hinwendung zur Philosophie
(pisc. 29) ganz ähnlich wie dort (bis acc. 32) in den Schlußworten
seiner Verteidigung. Beachtenswert ist auch hier am Ende der Rede
(37), daß einzelne wahrhafte Philosophen anerkannt werden, wie ihr
Vorhandensein auch im Ölg xurrjyoQov^evos mehrfach hervorgehoben
ist.') Im übrigen hat das dortige Bild von der Rhetorik in gewisser
Weise Modell gestanden zur Zeichnung der Afterphilosophie in der
vorhergehenden Unterredung des Parrhesiades mit den ihn verfolgen-
den Gegnern.^)
1^ I'i^-c L'l: /'/ liduci fitdO-hc i]\^^^' Ta ßä&oa , vlt. aiu't. 1: (Sv tur fVjnrriO'ft
ra ßdd'iff^
2) hiK acc. .i.J : n. ut-v änoTuvtir ovv. i<v tpovKotnif toi < ,
pisc. 28: oifdh Trwvv fuc/.i 'i'nua rwr Xoytov dhtaO'ai.
8) Hi« acc. 7: o^ Ttuvxt^ iiox^rigoi biöiv, 8: 6n6aoi . . . i( xÖqov imop tt)^
ßatpfjg^ j^QTiarol ikxQiß&f &7CfXf'X^a9-t]tJC(v.
4) Bin aco. 81: iya yicQ 6q&v tccvtriv oiniu acatpgovoi^aav ... . xodfiot»-
fittTiV ^i xa) tag rQixas t^tr^ovoa» ig x6 itaiQixbv xori rpvxlov ittQißo'
fiA'Tjt' . . . vnmnxtvov . . . «Cnj Sk iyiXa xal ijöiro totg igto^iivoig, pisc. fi:
töi(fO}V y%>vuiöv ri oi)% ä'nXo\n6v .... älXU %ax%tp<kvn fioi of>rf tö äyfrov Aonoi>v
r»'w xo»iT,c i%ak).to7ttiitnv itbau of'rf . . . ., nQ68rikog d^ ^v noanovfih't] aifVütg
^iitfalvtTO dt rt Kai ^ifiv4^tov xal qpOKOff, Hai ra jfj|iata »dpru irai-
296 Kapitel XUL Der Fischer.
Aber auch die Erinnerung an andere Dialoge hat deutlich ihre
Spuren hinterlassen-, so erinnert in eben dieser Rede des Parrhesiades
an den 'Hermotimos' die Bemerkung, daß er, um die Philosophie zu
finden, der Menge nachgegangen und in diejenige Tür getreten sei,
wo die meisten ein- und ausströmten; denn die große Anzahl der
Jünger gibt ja Hermotimos dem Lykinos, als dieser dasselbe Bild von
den verschiedenen Türen gebraucht, als Erkennungszeichen für die
beste philosophische Richtung an.^) Besonders aber die Verteidigungs-
rede ruft uns außer dem ^Doppeltverklagten' noch manches früher Be-
sprochene ins Gedächtnis. Hier finden wir den Schauspielervergleich
(31), der uns zuerst in der 'Nekyomantie' begegnete^); mit derselben
Satire stimmt auch die Schilderung des Treibens der Philosophen, das
zu ihren eigenen Lehren in krassestem Widerspruch steht, da sie an
Geld, Ruhm und Genuß hängen, während sie ihre Schüler Verachtung
der äußeren Güter lehren wollen^); nur ihre Neigung zu Schlemme-
reien und Gelagen, bei denen sie über das Maß trinken, wird hier
noch hinzugefügt (34). Es kann kein Zweifel sein, daß dem Schrift-
steller dabei Szenen wie im den 'Hermotimos', 'Gastmahl' und 'Hahn'
vorschwebten; auf das 'Gastmahl' führt uns ausdrücklich der Satz:
'Die Laien aber, die etwa dabei sitzen, lachen natürlich und verachten
die Philosophie, da sie solche Kreaturen großzieht' ; denn der Gedanke,
daß die Laien sich besser benehmen als die Philosophen, und Scham
QL-nd- yiccl iitccivoviiivT] VTtb x&v igccörmv ig xciXXog ^';^at()f. Die Vergleichung
zeigt auch, daß die Emendation Cobets an der ersten Stelle: xo^ifioviiivriv nicht
nötig war.
1) Herrn. 15: a^6v.qivcä /xot, toi tots Ttiatsvaag tb ngcätov, bnoxs jjsLg cpiXo-
60(pr}6(ov , TtoXXäv aov ^vq&v ccvccTtSTtra^ivcov TCccQslg 6v rccg aXXccg sig rriv r&v
Urco'C'Kmv r}y,sg v.a.1 di' ixsivrig 7}^iovg iitl xr]v ccqsxtjv EiaievaL; . . . . xlvi xccvx'
ixs-K^aigov rdr£; 16: kcagcov xovg TcXsiatovg in' avxrjv bg^&vxccg möxs sinta^ov
cc^isivco slvai avx'^v, pisc. 12: rj avtbg alotdaag rj h,svocyrjG<xvx6g xivog rjxov ccv
int Xivccg -^t'^jag ßsßccioDg iXitiGag xoxs yovv svQfi'nivccf xsKuccLQO^svog xm
TtX-^d'st x&v ioi6vx(ov xs xal i^iovxcov -nal cchxbg iöfjXd'ov. Vgl. über die
Beziehungen zum Hermotimos Bruns, Rhein. Mus. XLm (1888) S. 181 f.
2) Siehe oben S. 45 ff.
3) Necyom. 5: noXXa Sh xovxav i-nstvo ccXoymxsQOV xovg yccg avxovg xovxovg
svgi6v.ov i7tixrigä)v ivavxLmxccxa xotg ccvx&v Xoyoig i%ixr\dtvovxag^ pisc. 34: %a.l yug
av -Kcu xods Ttdvxcov axoTtmxaxov iaxLv 6xi xovg ^sv Xoyovg Vfiwv Ttdvv a-ngLßov6LV
Ol nolXol ccvxmv, yiccd-dTCsg äh inl xovxco ^ovov ccvayiyvmG^iovxeg avxovg xal ^sXs-
xöavxsg, atg xa.va.vxia irciXTidsvouv , ovxw ßiovöiv. Auch die folgenden Vorwürfe
zeigen deutlich die Reminiszenz. Unter diesen Umständen wird es auch kein
Zufall sein, daß der Ausdruck ov^s^ila ^ri^avi] xb Siacpvyslv (4) wörtlich sich in
der ^Nekyomantie' 2 findet.
Beziehnngen zu andern Dialogen. 297
darüber oder Verachtung gegen sie kehrt ja im 'Symposion' immer
wieder. Und wenn die Wahrheit am Schluß der Rede des Parrhesiades
wünscht, die Erde möge sich vor ihr auftun, damit sie vor Scham
versinken könne, so haben wir den gleichen Ausdruck bei dem Lykinos
(28), als er den Brief des Hetoimokles hört.^) Die Schilderung end-
lich von dem Philosophen, der bettelt und ungehalten ist, wenn er
nichts erhält, aber dabei sich mit seiner Verachtung gegen Geld
und Reichtum brüstet, entspricht der Darstellung im 'Tinion' (56), wo
der Philosoph Thrasykles auf seine Einfachheit pocht und trotzdem
gierig nach dem jungen Reichtum des Timon schielt; auch hier hat
Lucian sich nicht gescheut, selbst den Wortlaut zu wiederholen^), nur
eine Reminiszenz aus dem 'Ikaromenipp' ist noch hinzugefügt.*)
Es ist danach klar, daß dieser Kern des Dialoges, die Gerichts-
szene, nach dem Muster derjenigen im 'Doppelt verklagten' geschaffen
ist mit einigen Anleihen aus andern Satiren. Es bedurfte nun aber
eines Rahmens, für den es natürlich nicht anging, einfach den vorigen
irgendwie zu kopieren. So erfand Lucian die Verfolgung durch die auf-
gebrachten Philosophen, die für einen Tag Urlaub vom Hades erhalten
haben; es kehrt das Motiv wieder, das uns schon aus dem 'Charon'
bekannt ist.'*) In der Komödie ist es ebenso zu Hause wie das um-
gekehrte der Hades Wanderung; in Eupolis' 'Demen' stiegen so Milti-
ades, Aristides, Solon und Perikles aus dem Reiche der Schatten empor ^),
um dem bedrängten Staat aufzuhelfen, dort allerdings gerufen. Näher
aber kommt unserem Motiv die schon im 'Hermotimos' (ßO) gemachte
1) Conv. 28: rovrwv . . . ^payivioaxon^vcov fifira|t> Idgms xi ^ot jrfpifjfffro
Vit* ccldo^g xai xovxo di\ xb xov Xdyov, ;i;«vttv ^loi xijv '/i)v ij'öjjoV']»', pisc. .S8: iym
|t4r .... iiera^v Xiyovxog uinov xofrä xf^ y^e Svvcci Tj^jijdft»]*'. Der Ausdruck ist
dann im Lexiph. 25 wiederholt: n&g otn xara yfn dvvcei »j-ö^iOftrjv &xov(ov öov
iTCidti-xvvyJvov.
2; Tim. 6ö: TO xQvaiov (liv yäg o{>dhv tiinmxtgov xmv iv xolg alyictXotg
tjjritpldcav /iot doxttj piac. 36: ti yccQ x6 xQ^'^^ov ^ &QyvQi.ov\ ovdhv t&v iv xotg
alyiaXoIg -^yrnpidaiv diuffiigov.
8) Icar. 81: bI dh x&v tfiXcav xig ri ixalgmv %axd%Hxcet voa&v ininov-
glag xi xal ^igaitfiag Se6fit-vog^ &yvoä>; 80 würde er Hafj^en, wenn er offen
wftre. Pinc. 85: ^xav di xig inmovglag diönivog ixccTona N nctlctiof^ xai
ff i log änh nolXibv dUya a/rj} ngoail^Sv^ tfu»9rtj usw.
4) Char. 1: cclxrioai^ivog ovv naga rof Z4iAotf xat urro^f .... /ii«r
T]\iiQav Xtinovttog ytvia^ai dcptXi^lv^a ig x6 (pAg^ pisc. -i: itp' olg iyavaxxij-
äavxtg SevtXrilvd'a^fv inl ah nugaixriaäiiivot ngbg dXlyov %6v kldnpia^ ti:
filciv f)fiigav xavxr]v nctgaixriaanivoi ilnofup.
Kork I S. 27U. VkI. Hirzel, Der Dialog II 8. 806.
298 Kapitel XIII. Der Fischer.
Verwendung des rhetorischen Kunstgriffs der ddcoXoTioUa^), bei der
ihm Piatons Kriton 50 A vorgesehwebt haben wird. In jener Her-
motimosstelle ist, allerdings in anderm Zusammenhang, der Gedanke
unserer Satire im Keim schon enthalten, wenn es heißt: 'Wenn ein
Gott Piaton und Pjthagoras und Aristoteles und die andern Wieder-
aufleben ließe und sie mich umringten und wegen Beleidigung vors
Gericht führten und jeder mit mir rechtete: Warum bist du nicht meiner
Lehre gefolgt, sondern der stoischen usw.?'^)
Dieser erste Teil zeigt uns so recht das Bild der menippischen
Satire; zahlreiche Verse sind eingeflochten, darunter echt kynische
Homerparodien ^), wie wir sie von Krates kennen. Daneben kommen
Euripidesverse vor (Nauck fr. 937, 938, adesp. 291, Orest. 413 Bacch.
386 ff.), ebenso ist der Schluß der Gerichtsszene durch ein Euripides-
zitat gebildet, die letzten Verse aus dem 'Orest', der bäurischen Iphi-
genie' und den Thönissen', während wir im 'Symposion' den andern
bei Euripides mehrfach wiederkehrenden Dramenschluß hatten. Die
ganze erste Szene erinnert in ihren Zitaten und Parodien aufs leb-
hafteste an den Anfang des 'tragischen Zeus'. Mit diesem stimmt
auch die Verwendung des Homer und Euripides in dem Redekampf,
der sich zwischen dem Gefangenen und seinen Verfolgern entspinnt;
auch dort beruft sich der Stoiker auf Homer und dann auf Euripides,
aber beide Male pariert der schlaue Epikureer mit Tatsachen oder
Versen aus denselben Dichtern, die das Gegenteil beweisen (39 fl'.).
Genau so hier (3). Der Verfolgte fleht xad'' "O^rjQov^ seine Gegner
antworten: 'Auch wir sind nicht in Verlegenheit um eine Erwiderung
aus Homer.' Darauf der Verfolgte mit Benutzung*) von Aristophanes^
1) Siehe Aphthonins Progymnasm. 11: üSaXonoua Ss rj TtQoaconov iihv
^Xovaa yvmQLiiov, tsd^vsog Ss xal xov Xiysiv Ttccvadfisvov ob? iv J'^^oig E^noXi?
^TtXaaev jcccl 'AgicxBidrig iv tm VTthg tmv tsttccqcov.
2) Vgl. Hirzel, Der Dialog II S, 305 flP. Das avaßicbvai in der Hermotimos-
stelle hat beim ^Fischer' den Nebentitel ävaßiovvrsg hergegeben; das tl vrad-mv
spiegelt sich in dem o^xs idicc xi TtQog rjii&v TtaO'cov (pisc. 26) wieder.
3) 11. n 363: mg (pQ't]tQi^ cpQrixqricpiv ^cqriyrj^ (pvlcc dh cpvXoig ist umgeändert
in mg Tcrjgri ^VQ^icpiv ccQ'i]yTj, ßdxxQa dh ßdyixQOLg^ II. XI 287 ist wörtlich über-
nommen, ebenso II. XXII 262, in 57; aus II. XI 131: ^wy^st, 'AtQBog vis, 6v d' a|m
Ss^uL anoivcc (X 378: toi)yqHx\ I 23: v-oi äylacc 8i%Q'ai anoiva) und X 379: %ccXy,6g
TS XQVßog X8 ■Kolvy.\irix6g xs oLdriQog ist hergestellt: ^coygsix' ov xorxov avÖQCc
■hkI a^ia ^^x^£ aTtoiva^ lal-aov xs ^pvffdr rg, xä Si] cpiXiovai ßocpoi %bq. II. X 447/8
ist mit kleinen Änderungen benutzt.
4) Ach. 394: xat ^loi ßadiöxi' iaxlv mg EvQiTriöriv , pisc. 4: i^cl xov Evql-
7ti8i]v öri ftot -KaxatfhVKXhOV.
Menippische Form. Verfolgungsszene. 299
'Acharnem', an die auch der Anfang der Szene erinnert,: *So muß ich
mich zu Euripides flüchten', und er zitiert einen Vers; doch jene
haben sofort einen bei der Hand, der das Gegenteil besagt.
Die Verfolgung ist eine echte Komödienszene, die eigentlich zu
den Personen, die sie spielen, den ernsten, würdigen Philosophen, den
Häuptern und Vorbildern der Schulen, die über den Zorn erha])en
sind, recht schlecht paßt. Wir müssen lesen, daß Piaton vorschlägt,
den Gefangenen wie Orpheus oder Pentheus zu zerreißen, daß ein
anderer rät, ihm die Augen auszustechen, ein dritter, ihm die Zunge
abzuschneiden (2). Mau muß an Beratungen denken wie die der Räu-
ber in Apuleius' Metamorphosen VI 31 betreffs der gefangenen Prin-
zessin, die für ihren Fluchtversuch bestraft werden soll.^) Die Be-
ziehung auf die Komödie hat Lucian in den ersten Worten seiner
Satire deutlich erhalten-, das /3«AAf, ßdXka^ Tials rot^ ^vXocg entspricht
der Szene aus den 'Achamern' (280), in der Dikaiopolis von den auf-
geregten Köhlern in seiner schönsten Friedensfeier gestört wird.
Ähnliche Szenen sind die aus Aristophanes' ^Vögeln' 365: k'Xxe xCXks
:iatB deiQS xoTits^ den ^Rittern' 247 ff. und die aus Kratinos, auf
die der Aristophanesscholiast aufmerksam macht: öcpartf ösIqs xoTtte.
Aber der Ursprung dieser Lucianischen Verfolgungsszene liegt wohl
noch weiter zurück. Eine Parodie ist es auf die blutgierigen Eume-
niden, die das Leben des Muttermörders fordern zur Sühne für die
begangene Tat.
Wir haben unter V'arros {Satiren eine einst sehr uintaujjjreiche,
die 'Eumeniden', die in gewisser Weise an Äschylus anknüpfte.*)
Über den Inhalt ist bei aller Phantasie kaum sicher ins Reine zu
kommen; mir scheint aber, als ob die Rekonstruktion von Valilen
der Wahrheit näher kommt als die von Ribbeck und Riese.*)
Auch dort haben wir einen Verfolgten; er wird gejagt nicht von
Furien, sondern von Knaben und Mädchen (fr. XXX 146 B.), die
hinter ihm herschreien und ihn für verrückt ausgeben. Einzel-
heiten dieser Jagd fehlen leider. Aber andere Übereinstimmungen
zwiflchen der römischen und der griechischen Satire drängen sich auf.
Die Philosophen bei Lucian erklären sich schließlich bereit, unter
d«'m Vor«if/ «!'•' IMoInnophie ein regelrechtes Gerichtsverfahren vor-
1) Li priiuu» VI. iri censorot puellam, aecunduM liCMtÜH i>l)ioi .sua-
deret, tortiu« patibul<> imrot, quartuH U)rmonti8 excarnificori praeriporct.
2) Siehe Vahlen. uoa in Varron «at. Men. 170 f.
8) Bihberk. Rhoü. i... XIV (I8ft») S loöü. («e«chiohte dor ■■... hi. >.<.,...,
I S. 860 ff. Kiene, Varron. Mt. Men., LipH 1866, B lUt.
300 Kapitel Xm. Der Fischer.
zunehmen; Piaton weiß, wo sie zu treffen ist; doch siehe, da kommt
sie schon selber^); und sie kommt in Begleitung der Wahrheit und
anderer. Auch bei Varro hatte die Entscheidung in dem Streit, ob
wahnsinnig oder nicht, schließlich eine über Menschenirrtum erhabene
Persönlichkeit zu fällen, die Wahrheit^); und offenbar war die Szenerie
ähnlich: man sucht sie, und siehe, da naht unerwartet die greise
Wahrheit, der attischen Philosophie Pflegekind.^) Wenn sie hier
allein das Urteil abgab, so hat sich doch in dem Zusatz die Erinne-
rung noch erhalten, daß sie einst in größerer Gesellschaft auftrat, und
ihr Beiwort 'cana' kann wohl als Übersetzung des Lucianischen
d^vögä 7<al döaq)rjg ro XQco^a angesehen werden. Die Philosophie
mit ihrer Begleitung*) und die beiden Parteien ziehen zum Areopag^),
wo eigentlich wie im ^Doppeltverklagten' der Prozeß verhandelt wer-
den müßte; aber gänzlich unmotiviert ändert die Philosophie ihre Ab-
sicht; oder vielmehr, was weit schlimmer ist, die Motivierung wird
zwar hinzugefügt, aber sie paßt wie die Faust aufs Auge: ^Wir wollen
lieber zur Akropolis gehen', heißt es (15), 'da von der Warte aus alle
Vorgänge in der Stadt für uns sichtbar sind.' Für den Streit der Philo-
sophen mit Parrhesiades ist das zwecklos, für die Prüfung der modernen
Jünger der Philosophie aber, wie sie sich nachher in dem Fischzug
anschließen soll, nötig; man sieht hier deutlich, wie Lucian die Ge-
richtsszene nach dem Muster des 'Doppeltverklagten' in einen ur-
sprünglich anders gearteteten Zusammenhang eingeschoben hat; denn
hier ist schon die Prüfung von oben, wie sie nachher stattfindet, in
der eigentümlichen Begründung vorausgesetzt, obwohl sie durchaus
nicht in logisch festgefügtem Zusammenhang mit unserer Szene steht.
Ahnlich scheint der Vorgang bei Varro zu sein. Auch da steigen sie
1) Pisc. 13: 17 dk ij^ri nov atpih,Btai ii&XXov 8s ijdr} TtQOOegxstccL.
2) Über die Personifizierungen, die bei den Kynikern beliebt sind, vgl.
Weber, Leipz. Stud. X S. 161 fF. Norden, Jahrb. f. klass. Phil. Suppl. XYIII
S. 344 ff.
3) Fr. XXV 141 B.: et ecce de inproviso ad nos accedit cana Veritas Attices
philosophiae alumna.
4) Der Elenchos als Freund der Wahrheit und des Freimuts wird von
Lucian pseudolog. 4 wieder angebracht, und zwar mit Angabe der Quelle: er
hat in einer Menandrischen Komödie den Prolog gesprochen (Kock III S. 165,
vgl. Hirzel, Der Dialog II S. 307, 2).
5) Wenn die Philosophie ihre Jünger tröstet mit dem, was sie selbst von
der Komödie erduldet hat, so erinnert das an das Wort des Kleanthes, Diog. L.
Vn 173: Es schicke sich nicht, daß er wegen einer Schmähung im Theater grolle,
während Dionysos und Herakles sich beleidigen ließen, ohne zu zürnen.
Varros 'Emnenidea». 301
auf eine Höhe, und wie sie auf die Warte kommen, sehen sie, wie das
Volk von allerlei Wahnsinn gepackt ist.^) Bei Varro wurde dann
die Musterung der Menschen und Philosophen vorgenommen, die
Lucian in so eigenartiger Weise nachher angefügt hat. Zum Schluß
fand eine Rechtfertigung des Verfolgten statt, der feierlich durch
Spruch des Gerichts wieder in Ehre und Reputation eingesetzt wird
(fr. XXI 147 B.). So wird auch Parrhesiades einstimmig frei von
Schuld erklärt. Soll man es für Zufall halten, daß dieser bei Lucian
vor der Gerichtsszene ein Gebet an Athene richtet mit offenkundiger
Beziehung auf den verfolgten Orest, den sie durch ihren weißen
Stimmstein gerettet hat (21)? Es ist gewiß auch von Bedeutung,
daß Horaz in der dritten Satire des IL Buches sich mehrfach mit
Varro aufs engste berührt^), in einer Satire, in der wir schon oben')
auf menippisches Gut zu stoßen glaubten. So können uns hier die
spärlichen Fragmente Varros doch noch als Wegweiser dienen, um
den Spuren Menipps nachzugehen. Es war vermutlich in der Satire
das Thema behandelt, das die Stoiker zu ihrem Dogma gemacht
haben: ötl Jiag atpQOV fiaCvstai,; und der es aussprach, wurde selber
als verrückt verfolgt, bis er nach eingehender Prüfung der Menseben
im allgemeinen und besonders der Philosophen durch Schiedsspruch
unter dem Vorsitz der Wahrheit für gesund und zu seiner Behaup-
tung berechtigt erklärt wurde; vermutlich kam dabei auch eine Ver-
teidigung des Angeklagten vor, wie Lucian sie hat, und hier er-
stattete dieser Bericht, wie er bei den Philosophen vergeblich umher-
gegangen sei, ganz in der Weise des Menipp in Lucians *Nekyomantie'
und 'Ikaromenipp'^), wie er sich sogar dem Glauben in die Arme
geworfen und im Mysterienwesen sein Heil gesucht habe, falls die
darauf bezüglichen Fragmente bei Varro nicht vielmehr der Muste-
rung der Menschen und der Erzählung irgend eines anderen dabei
zuzuweisen sind. Lucian hat eine sob^he Satire, die er vorfand,
zum Zwecke seiner persönlichen Verteidigung umgewandelt; so sind
die Philosophen, die er zu den Verfolgern machen mußte, ganz
gegen ihren Charakter zu Furien geworden. Nun ist auch der Fort-
gang der Ijuciunischen Satire in Heiner Fntstehung klar. Das Vorbild
enthielt iiidit nur cino VortriditruiiLr. sondern vor all<Mii drn Nnrhwois,
TriiKH Varro fr. I 117 1' , . im vciümui,
M'lffmni populum uiw.
2) Siehe Vahinn, Coniect in Varr. tat. Man. S. 184 f.
») Siehe S. 2M6 I 4) Siehe S. «9 ff. mS ff.
302 Kapitel XIII. Der Fischor.
daß in der Tat alle Menschen Narren sind. Im 'Fischer' hätte die
Rechtfertigung des Parrhesiades, er habe nicht die alten Meister der
Philosophie^ sondern ihre falschen Jünger mit seinem Spotte gemeint,
völlig genügen können, da ja die Berechtigung des S})otte8 gegen
diese allgemein zugegeben wird, und die Schlußverse des Euripi de i sehen
Dramas, die hier wie im 'Gastmahl' angebracht sind, oihöhen den
Eindruck, daß der Dialog zu Ende ist. Aber sein Vorbild, das ihm
auch das Wort von der 'Warte' eingegeben hatte, drängte Lucian
zu einer Musterung im Sinne Menipps.
Wir kommen zu diesem zweiten Teile der Satire, dessen Beginn
deutlich mit den Worten bezeichnet ist : Nun laß uns mit dem zweiten
Tranke beginnen! Dieser Teil enthält zunächst eine Gerichtsverhand-
lung gegen die falschen Philosophen. Der Syllogismus nimmt die
Rolle des Hermes im ^Doppeltverklagten' ein und ruft wie jener zu-
sammen.^) Der Erfolg wird beide Male hinzugefügt; dort, der Fiktion
von den überständigen Prozessen entsprechend, eine zahllose Menge, die
herbeiströmt, hier nur sehr wenig, da die meisten glauben sich verbergen
zu können. Darauf ruft Parrhesiades zu einer Verteilung; hier sind
wieder Homerverse reichlich verwendet und parodiert; so werden zwei
Talente ausgesetzt mit den Worten, die Homer (II. XVIII 507 f.) bei
der Schildbeschreibung in der Gerichtsszene gebraucht, aber nicht für
den bg ^stä tolöc öixrjv i^vvxara dicoi^ sondern ö^ ^sxä Ttädtv
iQL^E^sv e^oxog sh]; nun stürzen sie heran, dem Wespen^chwarm gleich,
gerade wie im 'Doppeltverklagten' ^), nur das Homerische ßozQvdöv
(IL II 89) ist hinzugefügt, wie dann der ganze Vers II. II 468 und die
erste Hälfte von IL II 463 zur Schilderung verwandt sind. Lucian
hat nun aber vermieden, die Gerichtsszene zu wiederholen, die ja
neben der ersten sehr eintönig gewesen wäre und ohne Schaden für
das Ganze nicht hätte noch einmal angebracht werden können. Darum
läßt er die Philosophen davonlaufen, sobald sie hören, daß über sie
zu Gericht gesessen wird; nur ein Ranzen wird von einem Kyniker
verloren, und da hat man nun den deutlichsten Beweis, daß es diesen
Scheinphilosophen mit Entsagung und Verzicht auf äußere Güter
1) Bis acc. 12: ccxovsts Xsa .... bnocoi yQcctpccg ccTtijvsyKccv^ ißV-siv ig"AQSiOv
■jtdyov, pisc. 40; ccv,ov8 öiya- rovs cpiXoGocpovg ijxsiv i? ayiQOTtoXiv und nachher 41:
ccTiovs oiycc- oöoi (piXoöocfOL eIvcci XtyovGi . . ., ^kslv ig ayiQOTtoliv inl xr]v Siavoiirjv.
2) Bis acc. 12: ßccßai rov &OQvßov 13: a&QOOL yovv .... h,vv%'iov6i
^OQvßovvteg mansQ oi Gcpriasg TtSQißo^ßovvtsg Trjv angccv^ pisc. 42: ßccßccl
G}g nlriQrig \lIv rj avoSog dtd'L^o^^vcov ävigitovai ßo^ßr]Sbv . . . kcc]
ßoTQvdbv ißiiov 8iv.7\v.
Philosophengericht. 303
nicht so ernst ist: selbst ein Spiegel findet sich darin. Daß dieser
Vorwurf gegen die Philosophen alt ist, zeigt Juvenal 2, 99 : 'ille tenet
speculum' ebensowohl wie die Entrüstung, mit der die Ankläger des
Apuleius in ihrer Anklagerede ausriefen: ^habet speculum philosophus,
possidet speculum philosophus' (apol. c. 13). Dieser Beweis der
Richtigkeit der Anschuldigimg, an dem Vertreter einer philosophischen
Schule geliefert, hätte nun wieder genügen können. Es hat sich ge-
zeigt, wie notwendig es ist, zu sonrlem zwischen den echten und un-
echten Jüngern der Philosophie, und die Wahrheit — hier tritt auch
bei Lucian sie allein in Funktion — wird aufgefordert das zu tun;
sie will mit Hilfe des Parrhesiades und des Elenchos die Schafe von
den Böcken trennen, die einen ehren und die anderen brandmarken;
wer, wenn man ihm Geld, Ruhm und Lust vorhält, nicht begehrlich
danach schielt, der hat die Probe bestanden. Es sind die drei Leiden-
schaften, die gewöhnlich zusammengestellt werden^) und die doch
auch wohl Varro in der vorher besprochenen Satire ^Eumenides'
meint, wenn er sagt: 'Wir sehen das Volk von drei Furien gehetzt'
(fr. I 117 B.). Damit ist nun alles erledigt; und daß diese Ankündigung
den Schluß des Ganzen bilden konnte, zeigt recht deutlich der Um-
stand, daß sie am Ende in gewisser Weise wieder aufgenommen wer-
den mußte.^j
Lucian genügte die Prüfung, wie sie durch die Flucht der Philo-
sophen verkürzt war, nicht. Auch schien es ihm gut, noch ein
anderes Motiv zu verwerten, das dann der Satire den Namen gegeben
hat. Trotz des Lobes, das Wieland unserer Schrift gezollt hat, muß
man sagen, daß sich dies Schhißmotiv durchaus nicht in den Hahmeu
des übrigen fügt; bisher hat sich, die Möglichkeit des Erscheinens
der alten Philosophen und der Personifizierung abstrakter Begriffe
einmal zugegeben, alles in gewisser Weise in den Grenzen des Natür-
lichen gehalten, jetzt kommen wir in das Reich des Phantastischen
und Märchenhaften. Die Vertreter der einzelnen Sekten werden mit
der Angel und dem Köder gefischt. Daß dies Motiv nicht Lucians
Phantasie entstammt, ist v(»n vornherein klar; denn es war überflüssig
und schließt sn'l» niclit tad«'lloH an die h'iktion ;m, der er bisher ge-
1; Siebe Norden, Jahrb. t. klass. i'hil. Huppl. XVlil :\mff. Luc. cjn. 18
liicllt zunächMt ebcnMo zuHamin«'" ?'a..v?' a,;;;,. ,,,.i„,/.oA.< : ebenso nloi^tog, «^ö^o,
^ovi} Herraot. 7'h (vj(1. 22).
2) PiiC. 62: xvxXtp in\ nuiiu^ utroi» iutiti n ötiqparoOr» ^ iyndtti^ cb(?
ftpriv, nftnilich lA: arttpaputadtu 9aXXo(> cri<pdv^ und tfri/furtcr tniPaXitn
i, tynavautu.
304 Kapitel Xm. Der Fischer.
folgt ist. Er hat also auch dies Motiv vorgefunden und mit dem
der Menippischen Satire kombiniert; ob es aus einer anderen Menipp-
satire herrührt, muß zweifelhaft bleiben. Der Vergleich mit den
Fischen ist nicht neu. Daß sie in der Fabel eine Rolle spielen, ist
aus Herodot I 141 (Babrius 9 ed. Crusius) bekannt. Fische finden
sich personifiziert, also im Grunde vielfach Menschen in Fischgestalt,
in der Komödie, wie in dem charakteristischen Stück des Archippus,
das daher seinen Namen hat (Kock I S. 681), und aus dem sich die treff-
liche Anrede ävdQsg Cx^vsg (Kock I S. 685) erhalten hat.^) Der Ver-
gleich eines Menschen mit einem Fische ist uns schon früher bei
Lucian in einer Weise begegnet, die stark an unsere Darstellung an-
klingt.^) Andererseits findet sich in der Komödie nicht nur die Metapher
des Fischens, wie in Aristophanes' 'Rittern' 313^), sondern auch der wirk-
liche Vorgang, wie in des Heniochus ^Polypragmon' (Kock II S. 432)
offenbar eine solche Szene vorgeführt war.*) Aber die sclilagendste
Parallele zu Lucians Darstellung verdanken wir einer glücklichen Ent-
deckung von Diels; sie findet sich in Timons Sillen."') Da waren in
einem Abschnitt des ersten Buches die Philosophen als Fische ge-
dacht. Zeno war der Fischer, der sie in seinen Spitzfindigkeiten zu
fangen sucht; aber das Flechtwerk der Reusen ist zu klein, und sie
reißen es mit fort. Es sind nur wenige Fragmente, aber sie gewähren
doch einen Einblick und helfen uns hier, wo wir uns schon mit den
geringsten Andeutungen begnügen müssen. Wir hören, wie Piaton
die Schar führt (fr. 30 Diels), mit Anspielung auf seinen Namen als
TtXaxCöxaxog bezeichnet; und auch sonst werden bei den Akademikern
von Timon gerade die Ableitungen von ^latvg immer wieder bevor-
zugt.^) Es ist kein Zufall, daß auch Lucian (49) in gleicher Weise
1) Daß, ganz ohne Rücksicht auf das Hauptmotiv der Komödie, die Fische
mit menschlichen Eigenschaften und Empfindungen versehen , auch bestimmte
Personen in diesem Chor direkt gezeichnet waren, ist doch wohl zweifellos.
2) Siehe oben S. 205 (Tim. 22): dial. mort. VIIT: &671Sq rt? Xd^Qoc^ v.a.1 xb
ayKiaxQov rm ÖEXiccn avyuccrccandaccg; dazu pisc. 48: ögo) tiva. Xdßgccv.a Ttgoa-
iQ^atai dr] r« ccyniotQa) y.8xr]väig. Varro Fv&d'L aavrov fr. XI 209 B. ist zu ver-
schieden, als daß er sich heranziehen ließe.
3) Känb r&v Ttsroäv avadsv rovs (pogovg %^vvvo6v.07tug.
4) Es sagt jemand: bqöi ds &ccv^' uTtLötov, l^d'vav y^vr] nsgl Tr]v dyiQccv
Ttai^ovta; das setzt die Situation voraus, wie wir sie hier haben (48): bgä) tiva
Xd§QaY.a. usw.
5) Poet. Graec. Fragm. EI 1 S. 183 ff.
6) Fr. 34: ti TtXccxvvsai tjXI^los wg; fr. 35: ovd' 'A-Kccärnuayiäiv TcXatvQi^iioa'vvris
dvaXiaxov.
Timons Sillen. S05
mit dem Namen spielt: rCg ccXkog ovtog 6 nXatvg] Natürlich der Pla-
toniker. Klarheit verschafft bei Timon das Wort, das Arkesilaos sprach
(fr. 32), inj^ouai sig llvQQcova^ sowie Lucian (50) sagt: xdhv d:r£vi]-
h^axo. An Timons (fr. 52): dXCyov XQsag^ oötsa Ttokkd, kann man
denken, wenn es von dem Kynikerfisch heißt (48): äßQaxog xs yccQ
eöxL xal fLdsx^y)g xal öxhiQog xal dxi[iog.^) Daß Lucian im einzelneu
für seine knappe Skizze nicht sehr viel entlehnt hat, ist selbst-
verständlich, da das Sujet doch im Grunde ein ganz anderes war. Es
ist auch möglich, daß ihm eine andere Quelle noch näher gelegen hat.
Das war entweder die Komödie; so erinnert der Witz (51), daß
Parrhesiades den Fisch, der angebissen hat, nach seiner Richtung
fragt, dann aber selbst hinzufügt: 'Wie lächerlich, daß ich einen
Fisch zum Reden bringen will!', an das Fragment des Pherekrates
(Kock I S. 178) aus den MvQur^xävd^QCJTioi: xi Irjgsig; dXXd q)(ovrjV
ovx £x^LV ix^vv ys q)a(ii xb jcaQccTtav. Die zweite Möglichkeit, die
man natürlich neben der Benutzung Timons offen halten muß, wäre
die Annahme, daß auch Menipp das gleiche Motiv wie dieser in einer
Satire verwendet hatte und Lucian so seinem eigentlichen Vorbilde
auch hier treu blieb. Man muß sich begnügen zu erkennen, daß er
aus fremder Quelle geschöpft hat, auch wenn man ihren Namen
nicht kennt. ^)
1) Ist es Zufall, daß sich leicht aus den Worten ein Hexameter ergibt?
2) ThemiHtius hat die Frage, wie man die falschen Philosophen von den
echten sondern könne, in einer ausführlichen Rede behandelt, dem ßccaariany
(XXI), und es scheint, als ob ihn dabei die Kenntnis Lucian» beeinfluüt liat,
allerdings wohl nicht nur dieses einen Dialoges. Es kehrt bei ihm der Esel in
der Löwenhaut wieder (246b, Luc. pisc. 32 fug. 13); er hebt hervor, wie das
Vorgehen der Scheinphilosophen den wahren Philosophen zugeschoben wird
(246d 247a, pisc. 32 fug. 21). Es findet sich der Schauspielervergleich ganz
ähnlich (261 c, pisc. '61 j. Lebhaft wird geschildert, wie die Philosophen Schüler
fischen (na^üntQ Ix^v^' StXuxa&ivxa^i) (20 1 b), wie der Lehrer aufs Honorar erpicht ist
und dabei sagt: xi yuq 6 nlovtoi\ (261 c, pisc. 36: xi yuQ xu x(»i^oiov\). Auch das
inaigovxfs ittj»' ö(p(fvv (24Ub), wenn*8 auch aus der Komödie stammt, erinnert
an Lucian (bis acc. 28 dial. mort. X 8 Icar. 29). Das Bild von den Hunden, die sich
zanken, Hobald man einen Knochen unter sie wirft, das Lucian pisc. 'M\ verwendet
{ifCHÖüv xig öatovv is nioovi avxovi iftßäXjj, (V»'tc7rijd»/'rt«vTftf Sdxvovaiv «Aa»/xoi'>'
xal rof TtQoagndaavxa xb daxovv vXttxtovai) hat Themistius mgl (ptXias (X.XII 2(U)c:
imiSäv Ah dXiyct xi^nctta fifta^h tvxti tis ßdXji, &antQ tu nvvaQia ti(9ttXX6iitvot
ddxvoval xt dXXi/jXovg xal anagaTtovai). Weniger sicher ist die Erinnerung an
den 'Hahn' (261 c: ix^votr faovxai dvavd6xtQ0t, Luc. gall. 1: d(p(or6xfQog ItfOfusi
x(bv lxf>vtap)^ auch bei dor Heziehung auf die Homerischen Traumton» un«l da«
Honiohsche diuvriv6t (263 c, Luc. gall. 6. 6). In «ler Rode ntifl ('nfX^i {\X\i\ 9
P 20) erinnert die Darlegung, worin nicht die Rtllrke Solons und der Weisen
ilnln. i u.i M«uipp. S^
306 Kapitel XEI. Der Fischer.
Die Satire trägt mehr den menippischen Charakter ^Is die zu-
letzt besprochenen; denn sie macht in weit größerem Umfang von
alten Versen Gebrauch, und zwar nicht nur in Form von Zitaten,
sondern, wie wir das nach Senecas Apokolokyntosis und Petrons
Roman als zum Wesen der menippischen Satire gehörig annehmen
müssen, unmittelbar zur Weiterführung des Gesprächs oder der Hand-
lung. In dieser Fülle hat das nur am tragischen Zeus' seine Parallele.
Damit hängt es auch zusammen, daß hier die Mythologie wieder in
reicherem Maße verwandt ist. Wir haben Pentheus und Orpheus (2),
deren Schicksal die Verfolger dem Parrhesiades drohend vor Augen
halten, Thamyris und Eurytos, deren Undankbarkeit er weit von sich
weist (6). Wir haben den charakteristischen Vergleich der falschen
Philosophie, der die Leute nachlaufen, ohne zu merken, wie sie ge-
narrt werden, mit der Nebelgestalt der Hera, die Ixion umfing im
Wahne, die Himmelskönigin in seinen Armen zu halten (12). Das
läßt engen Anschluß an Menipp vermuten. So hat Lucian auch hier
Steinchen, die er schon einmal benutzt oder die er früher hatte
liegen lassen, mit solchen aus neuen Fundstellen zu einem neuen
Mosaik zusammengesetzt: aber entlehnt sind im Grunde jene wie
diese, und nur die Geschicklichkeit des Aneinanderfügens ist sein
Eigenstes.
lag, sehr lebhaft an die Vorwiirfe, die Lucian den Philosophen, besonders den
Stoikern, wegen ihrer brotlosen Künste macht (ovx ort GvXXoytG^ovs ^atgscpov avco
v,al Tidtco ov&h 6xi tieql t&v Idsiäv diBliyovxo ovdh oti rovg iyxSTiccXv^^ivovg ccv-
S'KccXvmov 'Kccl tovg xSQativccg . . . ., ccXX' ov$h ort xov ^Xlov avsiiszQOvvto oväh
OTt tfjg GsX-^vrig ^yvcoyidxBvov trjv noQsiav). Die Allegorie am Schluß der Schrift
TtEQi (piXiccg (280 a ff.) scheint über Lucians rhet. praec. 6 ff. zurückzugreifen auf
dessen Vorbild, des Kebes rclvcc^ (vgl. c. XV ff., IX ff.), auf den Lucian ja hier
und in der anderen Benutzung de merc. cond. 42 ausdrücklich hingewiesen hat.
Dagegen ist wohl die Darstellung des rhet. praec. für die Schilderung der beiden
Wege in der Rede tcsqI aQsrfjg maßgebend gewesen, die nur syrisch erhalten ist
(Rhein. Mus. XXVII [1872] S. 439 ff.); dort sind auch Antisthenes, Diogenes und
Krates (vgl. fug. 16, dial. mort. 27) als diejenigen genannt, die nach Sokrates
den einen Weg schritten (S. 442), den man mcitSQ i-n TCSQicoTtfjg erblickt (siehe
oben S. 90. 301).
Kapitel XIV.
Die Ausreißer.
An den 'Doppeltverklagten* und den 'Timon' schließt sich in
gewisser Hinsicht die Satire 'die Ausreißer'^) an, die in derselben
Weise sich aus einem Gespräch im Himmel, einer Wanderung zur Erde
und einer Szene auf Erden zusammensetzt. Zeus und Apollo unter-
halten sich über den jüngst erfolgten freiwilligen Tod des Peregrinus,
den Zeus mit dem des Empedokles vergleicht; er will gerade im ein-
zelnen über die Gründe dazu berichten, da kommt die Philosophie
weinend und erzählt auf Befragen, sie sei entsetzlich gekränkt wor-
den, aber weder von den Laien noch den Philosophen, sondern von
denen, welche die Maske der Philosophie vornähmen, im übrigen aber
unter dem Deckmantel philosophischer Gesinnung alle möglichen
Schandtaten ausführten. Die Philosophie, die zur Erde gesandt war,
um die Menschen vor Unwissenheit zu retten, muß nun ausführlich
all ihre Erlebnisse erzählen. Sie fängt an mit ihrer Aufnahme bei
Indem und Brahmanen, Athiopen und Ägyptern und kommt dann zu
den sieben Weisen, Pythagoras, Heraklit und Demokrit. Mit den So-
phisten begann ihr Kummer; denn sie sahen nicht auf die Wahrheit,
sondern nur auf den Schein, gaben sich mit Spitzfindigkeiten ab und
prunkten mit Worten, ja, sie verfolgten die wahren Philosophen, weil
diese ihnen entgegentraten, mit ihrem Haß und zwangen sie, den
Schierlingsbecher zu trinken. Da hätte sie gern die Erde verlassen,
aber Antisthenes, Diogenes, Krates und Menipp überredeten sie, noch
eine Weile zu bleiben. Nun ist aber ein Volk von Scheinphilosophen
aufgekommen, Schuster und Zimmerleute, die ihr Handwerkszeug fort-
geworfen und die bc(}uemc Tracht der Philosophen angenommen haben,
wahre Esel in der Löwenhaut, die aber den Laien den Eindruck echter
1; Ich adoptiere die t;liorHoUung yon Hirxol II >S. 808. Die Beziehungen
üieaei Dialoget %n PUtoni Kuthydem, dio dort (.8. Hlo Anm. 8) eugeftkhrt sind,
habe ich flberf^ngen, weil iie einer genauen Prüfung nicht «Undhalten.
W
308 Kapitel XIV. Die Ausreißer.
Philosophen machen und das gleiche Ansehen genießen; dabei erliegen
sie jeder Versuchung, bei den Gastmählern berauschen sie sich,
schmeicheln können sie mehr als Gnathonides, der Lust und dem Zorn
fallen sie zum Opfer und nach Reichtum haschen sie, während sie ihn
in Worten verachten. Darum sehen nun die Laien mit Recht auf
diese Art von Philosophen herab. Zeus, empört durch den Bericht,
will zur Strafe die Sünder mit dem Blitz erschlagen; aber Apoll rät,
den Hermes als Rächer zu senden, und Zeus schickt ihn mit Herakles
und der Philosophie, die Guten zu loben, die Bösen zu züchtigen.
Die di'ei steigen also hinab; die Philosophie muß führen, doch nicht
in Attika sind die gesuchten Scheinphilosophen, sondern in Thracien,
wo man Gold gräbt; sie wandern also zur Stadt Philipps am Hebrus.
Hermes läßt sich von der Philosophie die Kennzeichen geben und ruft
dann aus: Wer den Sklaven, so und so beschaffen, findet, soll seinen
Aufenthaltsort angeben. Zufälligerweise kommen ein paar Fremde her-
zu, die drei Sklaven suchen und ein entführtes Weib; der eine erkennt
in dem steckbrieflich Verfolgten seinen Sklaven Kantharus. Während
sie noch beieinander stehen, erscheint Orpheus, der hier in Thracien
zu Hause ist; er gibt an, wo sich die Gesuchten befinden. Man hört
die Stimme des Weibes und auch der Sklaven. Alle kommen heraus,
die drei Herren erkennen in ihnen ihr Eigentum, aber der eine ver-
zichtet sofort auf das seine; auch das Weib will der Mann nicht zu-
rücknehmen, da es von dem Sklaven schwanger ist und er fürchtet,
es möchte einen Trikaranos zur Welt bringen. Hermes fällt das
Urteil, die Frau muß zu ihrem Mann, zwei von den Sklaven müssen zu
ihrem Herrn zurück und ihrem alten Gewerbe obliegen, der dritte soll
gerupft und dann nackt mit gebundenen Füßen auf dem Hämus im
Schnee ausgesetzt werden.
Die erste Szene ist nach dem alten Schema verfertigt, das wir
aus dem 'Timon', dem 'Doppeltverklagten' und dem 20. 'Göttergespräch'
kennen. Zur Abwechslung ist es Apoll, der mit Zeus in Unterredung
begriffen ist, nicht Hermes. Das Thema, die Selbstverbrennung des
Peregrinus, steht mit dem übrigen in keinem Zusammenhang, wenigstens
ist derselbe duichaus nicht ausgebeutet, wie das sehr leicht gewesen
wäre, wenn Lucian den Philosophen hier schon als Schwindler auf-
gefaßt hätte; daß er das nicht getan hat, lehi*t der Wortlaut des Ge-
sprächs selber, sowie der Vergleich mit den Gymnosophisten ^) und
1) Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. IX (1902) S. 355 ff. habe ich an dem nccl
xovto i'öcog (1) (vgl. Löcog als Bejahung einer Frage cyn. 4, ferner Ast, Lex.
Beziehungen zu andern Dialogen. 309
Empedokles. Es kam dem Verfasser nur darauf an, ein Ereignis, das
noch in aller Munde war, an den Anfang zu stellen; denn natürlich
mußte es komisch wirken, wenn Zeus im Olymp vorgeführt wurde,
wie er sich mit einem solchen Tagesgespräch befaßte und seinen De-
gout über das brennende Menschenfleisch äußerte. Die Erwähnung
des Empedokles ist dabei der gleichen im 20. ^Totendialog' ähnlich
gestaltet.^) Nachdem die Aufmerksamkeit der Hörer durch die Tages-
neuigkeit erregt ist, bricht Zeus ab wie im 'tragischen Zeus' beim
Erscheinen des herbeieilenden Herrn agoras.^) Die herankommende Phi-
losophie spielt die Rolle der Dike im 'Doppeltverklagten', sie hat
das Leben verlassen wie jene, weil sie unrecht erfuhr; auch die Er-
innerung an Sokrates, wenn auch in verschiedenem Sinne, findet sich
beide Male.^j Lucian hat in nicht übermäßig geschickter Weise die
Gelegenheit benutzt, die Philosophie einen langen Bericht über ihre
irdische Tätigkeit geben zu lassen. Dabei liegt eine Zusammenfassung
zugrunde, wie sie auch Diogenes Laertius als Einleitung für seine
Piaton. II S. 111. Plat. Theaet. 147 A 185 B Euthyd. 288 E Gorg. 498 B 515 D 522 A)
gezeigt, daß Lucian den Peregrinua hier wie auch adv. indoct. 14, wo jede
höhnende Bemerkung fehlt, noch mit ganz andern Augen ansieht als in der
Schrift über seinen Tod. Auch das von Hirzel gebilligte Argument Fritzsches,
daß Lucian hier (2) abbricht, um nicht noch einmal das in jener Schrift (82 — 34)
Berichtete zu erzählen, kann mich an dieser Auffassimg nicht irre machen.
Unser Satiriker scheut sonst solche VV^iederholungen nicht, und etwas anders
hätte sich die Sache wohl machen lassen als dort, zumal doch Peregrinus auch
dort (23 und 38) seine Gründe nur ganz kurz auseinandersetzt oder vielmehr
Lucian nur einen Teil seiner Ue«le anführt. Für die spätere Abfassung des
'Peregrinus*, wenn auch nicht gar zu lange danach, zeugt auch Kap. 28. das
mit der genauen Beschreibung des wundertätigen Kultes des Peregrinus (vgl.
Athenag. pro Christ. 26) deutlich ein vaticinium post eventum tnithiilt 'h Remays,
Lucian und die Kyniker, Berhn 1879, S. 10 f.).
1) Fug. 2: 'Efintdoxkfl . . . hg ig rovg ngatfu^ai^ iflaro xai uvrog iv
LixtXla. — MeXuyxoXiav xivu ötivi]v Ij^yfitf, dial. niort. XX 4: vi na&uyv actv-
xöv ig tovg ngccrfiQag iv^ßaXfg; — Affiayjjoiia rig. Auch das Verbum
('cnav^Qunoifv findet sich an beiden Stellen. (Vgl. S. 198 Anm. 1.)
2) Fug. 3: 'AXlcc xig avtr\ onovÖf^ ngdanoi ; i^&XXov ih ^do-
aorplu iöti rl A ^vyotxtQ duxQvng\ lupp. trag. 88: &XXa tlg 6 6nov9fi
nQoanop olrog . . . .; y,&XXov dh 6 oög m 'Egfui) ccötXtpog iaxiv .... xL
m nut Agoiuctog ijfitv iq)l^ui;
'Aj Fug. 8: xi anoXinoffOu xbv ßiftv iXi^Xv^ag; aga fi^ ol Iditbxai ai^ig ini'
ß^ßovXtvnooi aoi mg xh nQ6«i9t'V^ orf xbv IkonifdniP Aninf$i9tnf\ bii aoo. 5: «i^ig
ig xijv y/)v, tv' iitXuvvo^ivri ngbg avxätv dgecnnuvm ndXtv in xob ßiov; darauf
/«min: iiilrt nnftixitfiiv tti'xohg oi tpiX6üotfot ah tijg 'Adtniag ngoxtfiäv ncil (taXi6x«i
" roif 2MtpQoviaHov
310 Kapitel XTV. Die Ausreißer.
Biographien benutzt hat.^) Gleich der Anfang stimmt überein; die
Philosophie hat ihre Tätigkeit bei den Barbaren begonnen, wie es bei
Lucian witzig heißt, weil sie überzeugt war, die Hellenen nachher
leichter belehren zu können^); genannt werden die indischen Gymno-
sophisten, die wieder Gelegenheit geben, an Peregrinus zu erinnern,
auch hier, ohne daß die Philosophie daraus Anlaß nähme ihn irgend-
wie zu brandmarken; von den Brahmanen ging sie zu den Athiopen,
dann nach Ägypten, wo sie sich mit den Priestern und Propheten
abgab ^), weiter nach Babylon, wo sie Chaldäer und Magier einweihte*),
dann nach Scythien und Thracien, wo sie mit Eumolpos und Orpheus
zusammen weilte^), die sie endlich nach Hellas voraussandte. Ihr
eigentliches Verweilen in Griechenland schildert sie mit wenigen An-
deutungen, um dann auf die falschen Philosophen zu kommen.
Diese haben nicht die wahre Philosophie geschaut, sondern nur
ein dunkles Idol (10), genau wie das im Tischer' (12) geschildert
ist. Die Philosophie beschwert sich also, da sie endlich zum Grund
ihrer Klagen kommt, daß Sklaven und Handwerker plötzlich nur um
des äußeren Vorteils willen sich als Philosophen aufspielen (12); das
stimmt zu der Darstellung im 'Doppeltverklagten' (6), wo ebenso
Schuster und Zimmerleute als Beispiele genannt werden. Noch mehr
fühlen wir uns an den 'Fischer' erinnert, wenn wir die Fabel vom
Esel in der Löwenhaut mit denselben Worten wieder lesen.®) Auch
die folgende Klage, daß man die unechten nicht von den echten Phi-
1) Fr. Schaefer, Quid Graeci de origine philosophiae a barbaris ducenda
existimaverint, Diss. Lips. 1877 hat unsere Stelle übersehen.
2) Fug. 6: 07CSQ iSoTcsi ^oi %ccXs7Ccot£QOv tov ^Qyov slvai tb ßccQßaQovg ncci-
dsvHv .... rovTo TtQ&Tov Tj^iovv iQydaccöd'ca. Diog. L. I 1: tb tfjg cpiXoGocpiccg
^gyov ivioi qxxCLV ccnb ßaqßdqcov aQ^ai.
3) Fug. 8: Uta tlg Aiyvntov yiccttßriv xccl ^vyyevo^ivT] tolg Isqsvgl xai
TtgocpT^taig ccvtmv .... Diog. L. I 1: AlyvTttiOi ^sv yäg NsiXov yersöd-ca TCoclSa
"HfpccLGtov^ ov &Q^aL (piXo6o(piccg, rjg tovg TCQOsat&tccg is giag slvai xccl Ttgocp'^tag.
4) Fug. 8: ig BccßvX&va ccTtfiQO. XaXScciovg xal ^dyovg fiv7]6ov6a, Diog.
L. I 1 : ysysvf]6d^ca ^8v nagä iihv JJsQGuig fidyovg, nagd ds BaßvXavioig rj 'Aööv-
gioig XccXdaiovg.
5) Diog. L. I 3 nennt Musaios, den Sohn des Eumolpos, und Linos als die
Fackelträger der Philosophie, fügt aber hinzu 15: ol dh trjv svgsGLv didovtsg
iyisivoig nagdyovGi tcccl 'Ogfpicc tbv Ogä-na X^yovtsg q)iX660(pov ysyovevccL Ttccl slvcci
dg%ca6tatov.
6) Fug. 13 pisc. 32: tbv iv Kv^irj övov og Xsovtriv TtsgißccXdfisvog \ f.: xal
tgaxv öyxmiisvog rj^Lov Xecov xat ccvtbg eIvkl \ p.: tj^lov Xicav (^yicciy ccvtbg slvai
dynm^svog ^idXa tgaxv. Die weitere Ausführung im ^Fischer' zeigt, daß
dieser vor den 'Ausreißern' verfaßt ist, wenn es noch eines Argumentes bedürfte.
Diogenes Laertius. Falsche Philosophen. 311
losophen unterscheiden kann (15), bot ja im 'Fischer' den Anlaß, den
Parrhesiades auszusenden, um durch Kränze und Brandmale die Son-
derung zu vollziehen, und wenn es hier heißt: 'Sie lassen überhaupt
keine Prüfung zu' (15)^), so sehen wir die Beziehung auf den Elenchos,
der im Tischer' seine Tätigkeit ausüben soll (46). Die Philosophie
fürchtet, es möchten allmählich alle das Handwerk aufgeben, mit einer
Übertreibung der schon im 'Doppeltverklagten' gegebenen Schilderung.^)
Nun folgen im einzelnen die Vorwürfe, die wir aus dem 'Fischer'
(84) kennen, die auch der 'Ikaromenipp' (30) schon in Kürze enthält.
Zuerst: sie gehen der Lust nach, hier ausgeführt: 'sobald sie einen
hübschen Knaben oder ein schönes Weib sehen' und durch einen
besonderen Fall belegt: Einige entführen sogar die Weiber ihrer Gast-
freunde und vertreten dann den Satz der Weibergemeinschaft. Zu
zweit: ihr Benehmen bei den Gelagen, wie im 'Fischer' (34) ein Hin-
weis auf Lucians eigenes 'Symposion'.*) Dann wird zusammengefaßt:
Ihre Handlungsweise und ihre Worte stehen nicht im Einklang^),
genau wie das in jenem Dialog in Übereinstimmung mit der 'Ne-
kyoraantie' (5) auseinandergesetzt ist, und beide Male folgt genau
die gleiche Art des Beweises: Sie schmeicheln, lügen, fröhnen der
Lust, zürnen; dort heißt es, sie schmeicheln mehr als die Affen
(pisc. 34), hier werden zwei Namen aus der Komödie eingesetzt, Gna-
thonides und Struthias^), von denen der erste eine Beziehung auf
Lucians 'Timon' (45/6) darstellt. Beide Male wird darauf hingewiesen,
daß ihr Benehmen bei allen, die es mitansehen, nur Lachen und Ver-
achtung hervorruft.*) Bei der Darstellung des Menschen, der stets mit
1) (Hdh tbv iXsyx^*' f^^X^vrai..
2) Fug. 17: oi yuQ in rtov iQyccaxr\Qioiv uitccvxBg ävccin\^-ii6avxBg iffi^yLOVi xitg
T^Xvag iäaovaiVy bis acc. 6: noXXol yovv rag t^^vag &(pivTi? fnl xi^v xi^gav
a^avxfg xal xb XQtßotviov.
3) Fug. 19: « {ihv yccif iv xolg (Jv^iTToaioig dgmat ikcxqov (<v ett] Uyfiv
. nal xuvxa noiovai . . . naxriyoQOVvrbg aVToX itidirig xal ftoixfi(<g . . . .;
Icar. 80: xi ctv Xiyoi xig 5aa filv iö&iovaiv , Oöa di aqiQoSiaiäj^ovotv .... öfioig
xätv &Xlwv XttTijyopoOtft. Vgl. auch Niirr. 2.'): u um' yun fv roTw- öviimtaloic
iQydJ^ovxat^ xlvt. x&v xoldnmv ilxdaoft^BV.
4) Fug. 19: o^div yoi^v ovxag f^QOi<^ > i . /./.o ( /,/..,) , rumor «>: rov^ ioyovg
uinAv xal xu Igya. Vgl. oben S. 40 f. 2'.»»;.
6) SirutbiaH hei Monander im Kolax «^Kuck III S. 82), wozu Meineke Fr.
Com. IV 162 zu vergleichen, Ctnatho bat Tercn/ im 'Eunuchen' offenbar auch
mich einer Penon der neuen KomOdie (t. Plut. quacsi. conv. VII 6, 8).
6) Fug. 19: yiXtaxu yoüv oif ^xp6v «ap^xorirt xotg ^tuiUpoig und ^l; im
l')tAtai dk xaOx« bgdtvxtg naxantvovaip fjdt] tpiXoöotpittg^ pisc. 34: oi
i')iAxai dh bndöQi ivi^nlpovCi, ytlAai StiXadi} Koi naxantvovti tpiXoaoipiag.
312 Kapitel XIV. Die Ausreißer.
Worten das Geld verschmäht und dabei nach ganzen Schätzen hascht,
ist Lucian über die gleiche Schilderung im 'Fischer' (35) auf die schon
dort benutzte des 'Timon' zurückgegangen.^) Die Philosophie schließt
damit, daß Amathia und Adikia über sie lachen, so wie Dike im
^ Doppeltverklagten' (7) sich über die Adikia beschwert. Zeus reizt
es, die Übeltäter mit seinem Blitze zu zerschmettern, wie ihm das im
Ukaromenipp' (33) und im 'tragischen Zeus' (24) nahe gelegt wird; aber
Apoll schlägt vor, eine Musterung der Philosophen zu vollziehen und
dann die einen zu loben, die andern zu strafen; die Unterredung
läuft also genau in das Motiv aus, das im Tischer' (46) den Schluß
bildet.
Die ganze Szene, welche die Klage der Philosophie enthält, hat
ihr ursprüngliches Vorbild in der Komödie, wie wenigstens eine Par-
allele zu erweisen scheint. Im 'Chiron', der unter dem Namen des
Pherekrates geht^), trat, wie Plutarch de mus. 30 (1141 D) erzählt,
die Musik auf, klagend über das ihr angetane Unrecht. Die anwesende
Gerechtigkeit fragte sie aus, und sie gab einen Bericht wie bei uns
die Philosophie, in dem sie zum Schluß den Timotheus als den be-
zeichnete, der sie aufs schmählichste gepeinigt habe. Man möchte aber
vermuten, daß das Motiv auch bei Menipp schon verwertet war. Jedem
fällt an dem Bericht der Philosophie das Eigentümliche auf, daß er
so außerordentlich auf die Kyniker zugespitzt ist und daß die Ge-
schichte der Philosophie mit Menipp ein Ende hat; Antisthenes, Dio-
genes, Krates und Menipp sind die letzten, deren Leben und Lehren
die Göttin bewogen hat, noch länger auf Erden zu verweilen, —
immerhin eine eigentümliche Begründung dafür, daß sie noch 400 Jahre
später sich unter den Menschen aufhält, während sie eigentlich schon
beim Tode des Sokrates fliehen wollte. Gab es denn in den 400 Jahren
keinen einzigen Philosophen, der der Erwähnung wert war? Man
stutzt und sucht nach einer Erklärung. Fritzsche glaubt sie gefunden
zu haben ^): Lucian will die gleichzeitigen Kyniker als entartet brand-
marken; deshalb redet er nicht von Akademikern, Peripatetikern, Stoi-
kern und Epikureern und rühmt nur die Kyniker der alten Zeiten.
1) Fug. 20: 6 ^iccgog iyitlvog ixxstrca ßogßoQog' Xqvölov ^hv i) ccQyvQiov
^HgdxXsig ovdh xfxr^ö-O'at ä^iä, ößoXbg iv,ccv6g^ mg ^igiiovg 7iQLai\iriv^ noxbv yccQ
]] ytQtjvT] ri Tcota^ibg TtccQ^^si^ pisc. 35: ti yag xb %Qvaiov ?) ccQyvQiov . . . , Tim. 56:
OLG^a yccQ mg nä^a iihv iiiol dnnvov l-navöv^ öipov Sh rjSi6xov d'viiov ij Tiägda^ov
rj EL Ttoxs XQvcpmrjv, oXiyov x&v äXcbv noxbv dl i] ivvsäyiQOvvog.
2) Kock I S. 187. Vgl. V. Wilamowitz, Timotheus, Leipz. 1903, S. 74. Anm. 4.
3) Ausgabe II 2 S. 245 f.
Pherekrates' Chiron. Menippieche Vorlage. 313
Auch dann würde es noch geschickter gewesen sein, die Reihe fort-
zusetzen und etwa den kynisch gefärbten Epiktet an den Schluß zu
stellen, für den ja Lucian große Anerkennung übrig hat^), damit
doch die 400 Jahre irgendwie ausgefüllt und das längere Verweilen
der Philosophie auf Erden irgendwie berechtigt wäre. Aber es ist
überhaupt nicht richtig, daß nur die Kyniker es sind, die als After-
philosopheu hingestellt werden sollen. Die Rede der Philosophie ist
so allgemein gehalten, daß ebenso wie im Tischer' ein Vorwurf gegen
alle herausgelesen werden muß; erst in Kapitel 16 werden die Ky-
niker hervorgehoben, aber auch da nur unter den andern^), und als
die Prüfungskommission zur Erde entsandt wird, da wird ihr wieder
nur ganz im allgemeinen der Auftrag, die richtig Philosophie Treiben-
den zu loben, die andern zu tadeln. Es ist also nichts mit dieser
Begründung, und die Hervorhebung der alten Kyniker gegenüber ihren
entarteten Nachfahren ist nicht in der Weise geschehen, daß man sie
aus sich selber verstände. So wird man auf eine andere Erklärung
geführt, warum bei Lucian die Geschichte der Philosophie, warum
die Reihenfolge der Kyniker mit Menipp abbricht, eine Erklärung,
die sich jedem wohl von selber aufdrängt, der bisher der Analyse der
einzelnen Satiren gefolgt ist. Dazu kommt eine seltsame Bestätigung
durch eine Lesart, die sich in der Überlieferung erhalten hat, von den
Herausgebern aber vielfach ausgemerzt ist. Die Philosophie sagt (11):
vvv dt ^AvTiG^ivi^g ^s xul ^loyevrjg xccl ^sta fiiXQov KQccTtjg xal
\lkVLnnog ovzog STtsiöav oUyov oöov ixi^sxQfiöaL rf^g fiovfig. Fritzsche
erklärt ovtog für ganz unmöglich und gewöhnlich setzt man ovtoi ein.
Aber wenn man die Überlieferung mit jener eben gemachten Beobachtung
zusammenhält, so ist doch wohl klar, daß auch diese Stelle direkt aus
Menipp stammt, sei es, daß es im allgemeinen Sinn als der bekaimte,
jetzt lebende Menipp bei ihm zu verstehen war^), sei es, daß or sich
»eiber anwesend dargestellt hatte; denn auch dafür könnte man sich
Ij oi.iir .1.I1.- Jiiiirb. 1. d. kitiH« .Minium iX ^^li>0*Ji .">. 27h; advors. indoct. 18.
2) ToiyuQoffv inn^nhfaTui Ttüaa ij ndXtg Ti)g toiainrig ^(tÖiovQylces xal
liccXiaru rtbv Jtoyivriv x«l *Avxia&i%>r\v xai A'pärrjr» ijtiY(f(i(foiuv(ov xal i)n6 t^
Kw) xuTTOfuvatv. {Vff\. Nouo Juhrbdchor f. d. klass. Altort. IX 1 11102 1 S. 867 f.)
Für die f^uuxo I)arMt4jllun^ muß man bedenken, daß im "i. .lahrhundort n. Chr.
Stab und Han%i>n nicht mehr auHschließlich OrdenHabzeichun der Kyniker w»rou;
da« lehrt unH /.. B. Apuleiui, der sich Holber l'latonikor n(>nnt, aber, um seine
Einfachheit xii dokumentieren, diese Tracht anf;(!n<)n)m<>n hat (apol. S2).
8 Zu vor^b'ichi'n ist de merc. cond. 88: Htafionoltg ovtog 6 Xfwm6gs
u >mit ein Zeit^M*noNM^ jedenfalls Anfriert werden soll.
314 Kapitel XIV. Die Ausreißer.
wohl eine Gelegenheit denken ähnlich der Situation in der Himmel-
fahrt.
Zeus hat also den dreien den Auftrag gegeben, die Sonderung
der schlechten und guten Philosophen auf Erden vorzunehmen, nur
dies und weiter nichts. Wenn er den Herakles dabei mitschickt, so
geschieht das, weil dieser zu den zwölf Arbeiten nun die dreizehnte
ausführen soll. Daß dieser Witz bei Menipp sich fand, dürfen wir
wohl aus seiner Wiederkehr in Senecas Satire^) schließen. Herakles
meint, leichter wäre es, den Augiasstall noch einmal auszumisten-,
auch das fand sich offenbar bei Menipp, nach Varro zu urteilen, der
die Phrase gleichfalls gebraucht.^) Herakles sperrt sich also hier wie
die Dike im 'Doppeltverklagten', ebenso die Philosophie; aber wie
dort (8) bricht Hermes ab, dort mit dem Ttgotoofisv^ hier mit xarta^ev]
und daß jene Stelle Lucian vorgeschwebt hat, zeigt auch sonst der
Wortlaut^), der im übrigen immer noch eine allgemeine Musterung
der Philosophen voraussetzt. Auf die Frage, ob es nach Hellas gehe,
sagt die Philosophie dann: 'Nein, dort sind nur wenige, nur diejenigen,
die richtig Philosophie treiben'*); es ist das Zugeständnis, das wir
auch im 'Fischer' (37) und im 'Doppeltverklagten' (7/8) hatten. Attika
mit seiner Armut ist kein Land für diese Gauner, die gehen nach
Golde und befinden sich jetzt in Thracien. Auf der Wanderung macht
Hermes hier wie im 'Doppeltverklagten' (8) auf die Gegend aufmerk-
sam.^) Die Reise schließt dann damit, daß Herakles in der uns be-
kannten Weise auffordert, das Land zu betreten^), er weiß ja Bescheid,
wie Hermes im 20. 'Göttergespräch' (6) auf dem Ida von jener Zeit
her, als er den Zeus zu Ganymedes begleitet hat.
Es folgt der letzte Teil der Satire, der eine ganz überraschende
1) Apocol. 6 : ut vidit . . . . , putavit sibi tertium decimum laborem venisse.
2) Bimarcus XXVI (70B.): non Hercules potest qui Augeae egessit %6nQov,
Luc. fug. 23: aiisivov rjv . . . tr}v 'üotiqov iy.v.aO'&Qai avQ'ig trjv Avysiov.
3) Bis acc. 7 Zeus: aXX' cctclts 7]dri mg yiav öXiycci, tri^iSQOv iv.di'KaG%-&6iv,
fug. 24: v,axioi^BV mg yiccv öXLyovg avxcbv iTtitglipca^isv tr^nsQOV.
4) Schon im 'Nigrinus' (12), wo das Lob von Athen dem Tadel der Stadt
Rom gegenübergestellt wird, heißt es von den Athenern: (piXocoffla yial tcsvLcc
GvvxQOfpoi si6L. Der bewußte Gegensatz sieht fast so aus, als bestände eine Be-
ziehung zwischen dem Nigrinus und Aristides' Lobrede stg ^Pmfiriv.
5) Fug. 25 : OQärs .... ivo ^hv OQr} ybiyiGXix. xai y.ccXXiGra oqmv ccTtdvtcov usw.,
bis acc. 8: ngota^sv .... ^vd'cc ccl dvo ixstvccL ätiQca.
6) Fug. 25 : möre iTCißaivcoiiev ayad'fj rv^rj^ bis acc. 9 : -TtXriaioc^o^sv tjj 'Axti-aji •
ai6X£ xb (ihv Sovviov iv ^s|^« kccxuXItcco^sv , ig Sh xijv äxQoitoXiv ciTfovsvacoiisv
r/'^rj, Tim. 30: owovr iTtLßaivaiiev r]dri xfjg 'Axxi7cf}g.
Widersprüche im letzten Teil. 315
Wendung nimmt. Eine tiefe Kluft tut sich zwischen ihm und dem
bisher besprochenen auf, so sehr auch die Gelehrten sich stets bemüht
haben, sie dui'ch ihre Erklärungen zu überbrücken oder sich so zu
stellen, als merkten sie sie nicht. Auch hier ist zunächst noch ganz
allgemein von den schlechten Philosophen die Rede. Aber das Motiv
ist schon seltsam; Hermes soll sie durch einen Aufruf ausfindig machen,
einen Steckbrief hinter ihnen erlassen. Hermes als Ausrufer, um ent-
laufene Sklaven fangen zu lassen, ist kein Bild, das erst Lucian ge-
schaffen hätte. Die Parallele mit dem Götterboten im Märchen von
Amor und Psyche drängt sich sofort auf (Apul. met. VI 7 f.), wo Mer-
kur die 'fugitiva, Veneris ancilla' in gleicher Weise öffentlich ausruft.
Aber in unserer Satire paßt das Motiv gar nicht zu der Sonderung,
die in Aussicht gestellt war (22). Das zeigt sich sehr deutlich im
weitereu Verlauf. Ehe Hermes jemand verfolgen kann, muß er die
Namen der Gesuchten wissen. Auch die Philosophie kann sie nicht
nennen; aber sie müssen etwas mit 'Besitzen' zu tun haben. Aus
ihrer Verlegenheit werden die drei Gottheiten erlöst, da Männer
kommen, welche drei Gaukler, ihre entlaufenen Sklaven, und ein ent-
führtes Weib suchen. Die Philosophie erkennt nun, daß das dieselben
sind, denen sie nachspüren. Erst durch dieses Zusammentreffen also
erhält das Unternehmen eine Richtung auf drei bestimmte Persönlich-
keiten, etwas unvermittelt, da es nicht heißt: 'Die gehören auch zu
denen, die wir suchen', sondern alle so tun, als ob sie gerade nur
hinter diesen drei her wären, während wir von diesen drei Gauklern
bisher durchaus nichts gehört haben und auch die Namen, die mit
'Besitzen' zu.sammenhängen sollen, keineswegs nur drei, sondern alle
die falschen Philosophen bezeichnen sollen. Im folgenden wird die
Sache aber noch verwickelter, und es ist umsonst, den Knäuel ent-
wirren zn wollen. Der Kantharos, die Hauptperson unter den drei
Verfolgten, ist nach seiner eigenen früheren Angabe (31) ein Kyniker;
in des Hermes Steckbrief aber findet sich eine Bemerkung, die ihn
als Stoiker kennzeichnet: er heißt: iv xqo xovQiag. So wird der Chry-
sippische Bios in der 'Lebensarten Versteigerung' (20) gemuint.^) Für
den Kyniker paßt die Bemerkung gar nicht, da er das Haupthaar
ebenso wie das Barthaar wachsen läßt. Seneca (ep. 5, 1) erwähnt aus-
drücklich intoDHuni caput et neglegentiorem barbani, wo er von
1 .Man vcr^^leiche die Diairibe de» Mnionius ntQl novQäg (ed. Hense, Lipt.
r.*o:>, S. 114/, wo diiH Scheren den Hatipthaiiren üIh o)»enHO natilrlich wie das
WnrhienlaNiien Arm Hartfii liingoitellt wini Nach KiibuIoH bei I>iog. L. Vi 81
hatte allerdingfi auch Diogenee teine Schaler da« Haar »ich icheren iMten.
316 Kapitel XIV. Die Ausreißer.
deü Übertreibungen philosophischer Lebensweise spricht; Apuleius,
der die eigentlich den Kynikern zukommende Tracht sich angeeignet
hat (apol. c. 22), redet von seinem capillus horrore implexus atque
impeditus, stuppeo tomento adsimilis et inaeciualiter hirsutus et glo-
bosus et congestus, prorsum inenodabilis diutina incuria non modo
comendi, sed salteiu expediendi et discriminandi (^apol. c. 4). Eine
sehr charakteristische Schilderung des Äußeren der Kyniker gibt
Tatian (ad Graec. 25): ^aregov .... töv (o^av sh,a[isXov6L^ xofirjv
hnui^ivoi TtoXXrjv TCoycovoxQOfpovöiv ovv%ag %riQCiov TtbQKpegovteg})
Und im 'Kyniker' Lucians bemerkt Lykinos als Charakteristikum des
Kynikers (1): 7f 6ycova ^8v £%£tg Til xo^yjv, und noch ausführlicher,
wo Herakles und Theseus als Vorbilder aufgestellt sind (14): Jtcbycova
nal KÖ^rjv e%£iv i^QSöTcev avzä^ xal ov% hKsCvG) ^6v(p, aklcc xal TCäöL
rolg jtaXaiolg iJQSöxsv .... ovx av VTti^eivav ovds elg avrayv ovdsv
^äXXov ri tG)v leovrov xig ^vQco^svog (s. 17. 19). Der Kyniker Maximus
forderte als Bischof durch sein langes Haar den Spott heraus und
mußte sich scheren lassen.^) Kahlköpfig können die Kyniker sein^);
aber geschoren sind sie nicht. Da Lucian selber das ev %qg) xslqslv
ausdrücklich dem Stoiker zuschreibt*), so steht man hier vor einem
Rätsel. Es wird aber auch noch besonders auf diesen Widerspruch
aufmerksam gemacht, da der Herr, der seinem Sklaven auf der Spur
ist, voU Verwunderung ruft (28): 'Wie er bei mir noch Kantharos war,
da hatte er langes Haar und das Kinn war kahl.' Fritzsche ist der
Gegensatz nicht entgangen, und er hat in seiner etwas unklaren An-
merkung zu der Stelle einen ganzen Roman herausgesponnen, wonach
Kantharos die Maske des Kynikers, die er in Hellas getragen hätte,
in Thracien wieder abgelegt hätte und sich dort als Stoiker gerierte.^)
1) Vgl. Zeller, Die Phil. d. Griech. III 1, S. 765 Anm. 1. Luc. de morte Peregr.
15: iyc6y.a 6h i]&ri Hai tgißcova nivccqbv ri^Ttd%8to y.al nr\Qav ■nccQiqQTrixo nal xb
i,vXov iv ff] x^''Q^ ^*'-
2) Gregor von Nazianz spottet seiner (carm. de se ipso 11, 754: ^ccvd-og
(isXdv&QL^ ovXog aTtXovg rrjv XQi%c(.^ 926: Kvaiv ^Qi^iog, {iiqxs xfig xöftTj? hi (psQcov
rb xdXXog /xrjtrf . . ., 915: to^r} S' VTtfjXd's §o6XQv%ovg sv(pOQ§iOvg [vgl. v. 912]).
3) (p(xXay,q6g ist Menipp Luc. dial. mort. 1.
4) Bis acc. 20 sagt die Stoa oxi iv %qg) K^xag^ai yial ccQQSvoaTtbv ßXinco;
vgl. außerdem vit. auct. 20, Hermot. 18. Wendland, Quaest. Muson. , Berlin
Diss. 1886, S. 18 Anm. 3.
5) Noch seltsamer ist, was Du Soul zu der Stelle sagt, der den Wider-
spruch tilgt, indem er no^iav vom Bart versteht und vorschlägt mit Umstel-
lung itcöua &s xb yivHov -kccI ixiXXsxo (28) zu lesen. — Wenn Herakles (31) sagt,
daß Kantharos früher Kvvfuög^ ivxavd'a öh XQvöiTtTteiog sei, so heißt das natür-
lich nicht, daß er Stoiker gevrorden sei, sondern soll seine Geldgier zeichnen
Menippische Satire gegen die Stoiker. 317
Gesagt ist davon nichts, und man darf nach der Szene im Olymp auch
nur erwarten, daß der bisher scheinheilige Philosoph jetzt seinen Lüsten
offen nachgeht. Ich weiß mir das Rätsel, das uns hier entgegentritt, nicht
anders zu lösen als durch die Annahme, daß auch diese Szene der 'Aus-
reißer' aus Menipp stammt, dort aber ein Stoiker derjenige war, auf
dessen f'ährte man sich befand. Man könnte dann die Vermutung
wagen, die ich mit aller Reserve ausspreche, daß hier die Satire auf
Persaios gemünzt war, der gewissermaßen der wahren Philosophie ent-
lief, als er an den Hof des Antigonos nach Macedonien ging und sich
dort nach Golde drängte. Wie Kantharos zwei Begleiter hat, so gingen
außer Persaios die Stoiker Philonides und Arat, um den Aufenthalt in
der Stoa mit dem Hof leben zu vertauschen. Wenn Persaios als Sklave
des Zeno bezeichnet wird^), so ist es nicht unmöglich, daß das auf
Menipp zurückgeht, dessen Einfluß auf die literarhistorische Anek-
dotenbildung man überhaupt, wie früher gesagt, nicht ganz gering
wird veranschlagen dürfen, und daß Zeno etwa in jener Satire ge-
zeichnet war, wie er seinen Schüler und Sklaven sucht, der seinem
philosophischen Hause den Rücken gekehrt und am Hofe des Königs
ganz dem weltlichen Leben sich ergeben hat, so daß man ihm
zum Vorwurf machen konnte, er habe eher das Leben eines Hof-
maniies geführt als das eines Philosophen.^) Die Kjniker konnten
um 80 eher daran Anstoß nehmen, als ihr Meister sich solchen
Versuchungen gegenüber standhaft gezeigt hatte.^) Zu dieser An-
nahme stimmt, daß auch von Bion in einer boshaften Bemerkung Per-
saios als Sklave des Zeno bezeichnet werde (Ath. IV lG2d) und daß
zwischen seinen Anhängern und den Kynikern sich eine literarische
Fehde entsponnen hat; denn Hermagoras, der sogar des Persaios
Schüler genannt wird^), schrieb einen ^looxvov. Es stimmt aber
(vgl. 27: 6'ro/ia rotoftrov olnv ccirö xTruidruif). Es konnte dazu der Namo eines
beliebigen Philosophen benutzt werden; aber ein Witx wurde erst daraus, weuu
dieser einer andern Schale angehörte; das Wortspiel gerade mit dem Namen
Chrjsipps war Lucian schon vertraut auK pisc. 51.
1; Diog L. VII H6, Gell. II IM, », Athen IV 102''.
2) IMiilodem ( ul. XIIl Conipareiti Riv. di filol. III [1876] S. 486): nfffinXa-
viia^ui xbv avlinbv ov rhv tpildisoifor yffif^Uvop (ilov.
8) Diog. L. VT 44 Abweisung des Perdikkas durch Diogenes. VI 67: KQa-
xiffov &itof>vxog n(fhg ahxbv AnUvai- AXlu ßovXofUd^ ftpi^, iv *A9iiipais iila Xhxmip
il nuQu KifOT^Qm ri'/tf noXvthXoi^i XQuitt^iiif ScnoXctvnv.
4) Suid. M. T Honnag Oher dir F«'indHchnft den PersaioM und Philonides
g<>gen Hion vgl. ('rotiert. Stud. zur Palilographi«' und Papyruskuude her. von
Weiiwly VI l'Mn,
318 Kapitel XTV. Die Ausreißer.
auch dazu, daß Persaios in der späteren Überlieferung als ein Schüler
der Stoa geschildert wird, der nicht standhaft den Grundsätzen des
Meisters treu blieb und die Ataraxie nicht zu wahren wußte. Das
zeigt deutlich die Anekdote, die Themistius XXXII (358 a ff.) berichtet
hat; bei einer von Antigonos zur Prüfung des Philosophen fingierten
Unglücksnachricht g)Qovdog ^sv rci TIsQ^aoG) 6 Ztjvcjv, q)Qovdog dh 6
KXsdvd"rjg.
Selbst für das Weib, das entführt ist, wäre bei der Vermutung,
daß sich die Satire auf Persaios bezog, Raum ; es wäre die Stoa selber,
die verschleppt und gemein gemacht wird. Oder ist es Zufall, daß
hier die Schilderung sich derselben Ausdrücke bedient, mit denen die
Stoa im 'Doppeltverklagten' sich selber zeichnet? *Das Haar kurz
geschoren und männlich blickend', so werden sie uns beide vorgeführt.^)
Es ist nicht ausgeschlossen, daß für die Figur dieses entführten oder
entlaufenen Weibes die Komödie das Vorbild geliefert hat; in der
unter Aristophanes' Namen gehenden *Poiesis' war die Dichtkunst als
ein Weib aufgefaßt, das auf und davongegangen ist und nun von
den verfolgenden Dichtern gesucht wird.^) Daß auch das entlaufene
Weib bei der von Lucian benutzten Situation ursprünglich eine größere
Rolle gespielt hat, möchte man aus einem Widerspruch schließen, der
sich auch hier findet; zunächst heißt es: 'Am meisten suchen wir das
Weib, das von den Ausreißern geknechtet ist' (27), sodann aber will
der Mann sie, der er doch eben nachgegangen ist, plötzlich nicht
wieder zurücknehmen (32).
Im einzelnen ist es natürlich unmöglich, mit der Phantasie in
die bei Menipp etwa vorgeführte Szene einzudringen. Aber die Farb-
losigkeit bei Lucian, der Mangel an greifbaren, individuellen Zügen,
die eigentümliche Unklarheit scheint dafür zu sprechen, daß er altes
Gut nur oberflächlich zurecht gemacht hat. Daß Lucian irgend einen
bestimmten Fall und bestimmte Personen seiner Zeit dabei im Auge
gehabt hat, ist zwar möglich, aber doch nicht über jeden Zweifel er-
haben. Die Namen der zwei Sklaven Lekythion und Myropnus sind
1) Bis acc. 20: iv XQ^ v.i'xaQfiaL xal ccQQSVcoTtbv ßXtTto) yial 6%vd'Qca7ir] doxco,
fug. 27: iv XQtti 7i£xccQ^8vriv slg rö AcoKovi-KOV , ccQQSvconrjv xat noiiL^f] ccv8Qiv.7]v
(nach Lakonenart, nämlich wie die Bräute bei den Lakonen nach Plut. Lycurg. 15,
wenn sie entführt werden; es liegt also die Fiktion der Entführung zur Hoch-
zeit vor).
2) Kock I S. 507: yvvaly.cc öh t'^ltovvtsg ivd-dd' ^xo^sv^ Luc. fug. 27: ra
TjiiitSQcc ovtoi ^ritovGi. — r}iists Ss rrjv yvvatyia ^dXiOTcc iietl^sv f]vÖQcc-
7C08l6\l>iv7\V TtQOS aijTGiV.
Aristophanes' Poiesis. Lucians Zutaten. 319
ja auf jeden Fall fingiert, um den Charakter zu bezeichnen; auch der
Kantharos ist nicht irgendwie individueller bestimmt. Daß er Walker
sein soll, besagt natürlich nichts; Lucian hat irgend ein Gewerbe ge-
nommen und ihm da eine recht minderwertige Arbeit zugeschrieben;
er hatte nur die Wollflocken von den Mänteln abzuschaben. Wenn
er aus Sinope stammt, so geschieht das nur nach Diogenes' Heimat,
weil Lucian ihn zum Kyniker gemacht hat; so heißt er auch Paphla-
gonier, vielleicht mit Erinnerung an Aristophanes' 'Ritter'; ein Hin-
weis auf eine bestimmte Persönlichkeit liegt darin nicht. Der einzige,
den man vielleicht finden kann, ist die Angabe, daß die Ausreißer
nach Philippopolis, der Dreibergestadt am Hebrus, gezogen sind. Da
Philippopolis früher gar keine Bedeutung hatte, in römischer Zeit aber
Hauptstadt der Provinz war, so muß das eine Erfindung von Lucian
sein. Er könnte deshalb noch immer eine vor langer Zeit bedeutende
Stadt beliebig durch eine zu seiner Zeit blühende ersetzt haben, damit
die Fiktion, daß es dort Gold zu holen gäbe, zu ihrem Rechte käme.
Immerhin liegt darin etwas, was auf einen ganz bestimmten Fall hin-
deuten kann, den Lucian dann mit Benutzung einer ihm vorliegenden
Satire behandelt hätte.
Episodisch ist die Person des Orpheus in die Szene eingearbeitet
(29), wie im 'Doppeltverklagten' (9) die des Pan; es sind gleichsam
Lokalheilige. Die Begegnung ist aber hier gar nicht ausgesponnen,
während es so nahe gelegen hätte, wie dort Pan über die Philosophen
berichtet, so hier den Orpheus über das Treiben dieser entlaufenen
Sklaven etwas Genaueres sagen zu lassen, damit sie aus ihrem eigen-
tümlichen Dunkel uns etwas plastischer entgegenträten. Wenn Lucian
nur etwas von ihnen gewußt hätte! So entfernt sich Orpheus, nach-
dem er das Haus gezeigt hat, in dem sich die Ausn^ßer befinden.
Von diesen hören wir nur ein Gezänk oder eine Übung zum Schimpfen
in Horaerparodien. Auch hier ist eine merkwürdige Unklarheit zu
verzeichnen. Das Weib klagt über den, der das Gold liebt, während
er ganz andere Gesinnung vorspiegelt, nach U. IX 312/3, worauf sie
Herines von draußen akkompagniert mit IL III 354: 'Dann mußt du
den Kantharos hassen, der wie INiris an dem Gastfreund gehandelt
hat.' Das veranlaßt den einen der verfolgenden Männer, sicii als dtMi
betrogenen Gastfreund zu bekennen. Wir hören dann ein Geschimpfe,
aus vier Homerversen (11. I 225 II 202, 24(5, 214j mit einer Veränderung
hergestellt; es ist beachtenswert, daß Lucian den zweiten Vers auch
im 'Ikaromenipp' (30) in der Uede dos Zeus gegen die Philosophen
verwandt hat.
320 Kapitel XIV. Die Ausreißer.
Die nächsten Verse sind gegen das Weib gerichtet, offenbar die
Entgegnung; gebildet sind sie aus 11. VI 181/2. Nach dem Gezänk
kommen die Gesuchten heraus. Man mustert den Ranzen des Kan-
tharos, wie im 'Fischer' (45), und findet einen goldenen Gürtel. Mit
einemWitz auf den Namen Chrysipps wird das begleitet: 'Vorher war
er Kyniker, jetzt ist er Chrysippeer', woran sich ein anderer Witz
auf den Namen Kleanthes anschließt, der dunkel ist und scheinbar auf
eine Nachricht betreffs dieses Philosophen Bezug nimmt, die wir nicht
kennen. Kantharos wird bald zum Kleanthes werden, denn er soll
hängen, und zwar an seinem langen heuchlerischen Philosophenbart;
wie etwa der Ehebrecher Didymus nach Theo 5 (Rhetor. Graec. Waltz I
205) an dem schuldigen Körperteil aufgehängt wird^), so soll dieser
Scheinphilosoph an seinem Bart aufgehängt werden, mit dem er die
Menschen betrogen hat. Die Strafe ist richtige Sklavenstrafe ^) ; aber was
hat das mit Kleanthes zu tun? Man nimmt eine Verwechslung mit Zeno
an ^) : es wäre aber auch denkbar, daß es sich wie bei dem Witz mit Chry-
sipp nur um ein noch nicht verstandenes Wortspiel handelt. Gewisser-
maßen im Anhang werden dann die beiden anderen Sklaven abgetan,
die, wie Fritzsche mit Recht sagt, überhaupt nur 7i(X)q)ä TtQÖöoTta sind.
Der Urteilsspruch des Hermes bestimmt das einzelne; das Weib soll
der rechtmäßige Mann zurücknehmen; er tut's aber erst nach ener-
gischer Weigerung; fürchtet er doch, sie möchte ein dreiköpfiges Un-
geheuer zur Welt bringen, einen Trikaranos oder Triphaies. Beides
sind literarische Werke; Triphaies hieß eine Komödie des Aristo-
phanes, Trikaranos war die Schrift genannt, die, gegen die drei großen
Staaten Griechenlands, Athen, Sparta, Theben, gerichtet, dem Theo-
pomp von Anaximenes untergeschoben war.*) Beide Titel kehren bei
Varro wieder; es ist sehr wohl denkbar, daß VaiTO ebenso wie Lucian
die Anregung schon aus einem Zitat oder einer Bemerkung bei Menipp
erhielt. Für die drei Ausreißer selbst wird das Schicksal verschieden
festgesetzt; die zwei Nebenpersonen werden von ihrem Herrn wieder
angenommen; Kantharos muß das Los des Prometheus erfahren, nur
1) Diog. L. VI 51 erzählt von Diogenes: &Tcov6ag nors ort Jidv^cov 6 avXri-
rrjg iioi^b? hdlco' ci^iog, ^'qpTj, i-n rov övo^atog y.Qt^aGQcci. Lucian hat dieselbe
Strafe in den ""Wahr. Geschieht.' II 26, 31 bei Kinyras anwenden lassen, der die
Helena rauben wollte.
2) Siehe Plaut. Trin. 247. Asin. 303. Mosteil. 1167. Menaechm. 951. Ter.
Phonn. 220. Eun. 1021.
3) Diog. L. YII 28: itsXsvtriGsv uTCOTivl^ag sccvtov.
4) Von Lucian auch Pseudolog. 29 erwähnt.
Gesamturteil. 321
in parodierter Gestalt, und diese Parodie wird noch deutlicher dadurch,
daß der Verurteilte in tragischen Wehelauten sich äußert.
Trotz des Lobes, das auch die 'Ausreißer' bei Wieland gefunden
haben, stehe ich nicht an, sie für die mißlungenste Satire unseres Schrift-
stellers zu erklären. An ihrer Echtheit zu zweifeln liegt kein Grund
vor, wenn man sieht, daß sie dieselbe Arbeitsweise wie die anderen,
dieselbe Art von Reminiszenzen aus früheren Arbeiten enthält. Aber
Lucian hat hier nicht mehr recht vermocht Einheitlichkeit der Handlung
herzustellen. Die Szene im Olymp, die keine bestimmten Hinweise
enthält und allgemein gefaßt ist, geht nicht recht mit der Szene auf
Erden zusammen; in dieser wieder herrscht eine Farblosigkeit und
Dunkelheit, wie sie sonst Luciaiis Sache nicht ist. Zwei Personen
sind völlig überflüssig, und die dritte ist nebelhaft. Was man her-
auskonstniiert hat von der Feindschaft eines bestimmten Kynikers
gegen Lucian oder gar von einer literarischen Fehde ^), dafür ver-
mag ich kein Beweismaterial in der Satire zu finden, und die An-
nahme beruht überhaupt auf der Voraussetzung, daß die Schrift über
den Tod des Peregrinus vorausgegangen sei. Die Mängel der Satire
erklären sich aus der Kombination verschiedener Stücke, die Lucian
nicht mehr ordentlich zusammenzuschweißen gewußt hat, so wie schon
der 'Fischer' in dieser Hinsicht Bedenken erregte. Den Titel hat
ebenso wie im 'Fischer' der zweite Teil gegeben. Daß für diese Szene
ursprünglich das Vorbild der Komödie maßgebend war, läßt sich aus
Titeln wie Plautus' Fugitivi, Eupolis' zJQunttui, Kratinos' z^gaTtatLÖsg
und Antiphanes' ^QCüierayayog schließen; in Lucians Darstellung ist
aber das Komische gar nicht ausgesponnen. Nach allem ist es kaum
zweifelhaft, daß dies die letzte Schrift Lucians in eigentlich menip-
pischem Stil ist'); sie ist ihm wenig gelungen, und er hat selber
eingesehen, daß er sich auf diesem Gebiet ausgeschrieben habe.
1) Die parodierenden Weherufe (88) mit Gesner und Fritzsche aus der
Schrift de» feindlichen Kynikers entnommen zu denken, liegt absolut kein Grund
vor, und ich kann mir nicht einmal denken, wie sie in einer gegen Lticiau»
'Feregrinun' gericht<;ten Schrift hiltt<'n Platz linden können.
2) Dazu gehören natürlich 'TutengeüprUche' und 'Saturualiendchriften\ die
ja Bpätiir verfaßt sind, nicht.
Sl
Kapitel XV.
Der Hahn.
Es gibt nur eine Satire Lucians, abgesehen von den kleinen
Bildern in den 'Totengesprächen'^ der 'Niederfahrt' und dem 'Charon',
die sich von den Philosophen zu dem Allgemein-menschlichen wendet.
Das ist der 'Traum' oder 'Hahn'. Allerdings kehren die Motive der
Verspottung der Philosophen auch hier wieder; aber der Zweck des
Ganzen ist doch, dem Menschen die Glückseligkeit der Armut zu
predigen und die Ruhelosigkeit des Reichtums vorzuführen. Mikyllos
ist von seinem Hahn aus dem schönsten Traum aufgescheucht, während
es noch nicht einmal Mitternacht ist; voller Zorn bedroht er ihn,
aber das getreue Haustier verteidigt sich und zeigt ihm, daß er bis
zum Morgen schon einen Schuh herstellen könne und dann zu leben
habe, während er bei seinen Träumen verhungern muß. Das Staunen
darüber, daß er sprechen kann, beseitigt der Hahn mit Berufung auf
Achills Roß, auf die Argo, die Eiche von Dodona und ähnliches, ja, er
gibt sich als früheren Menschen zu erkennen. Mikyllos denkt an die
Sage von Alektryon, der zur Strafe in einen Hahn verwandelt wurde,
weil er als Posten vor der Tür während des Liebesabenteuers des Ares
und der Aphrodite eingeschlafen war und Helios' Kommen nicht
gemeldet hatte; aber dieser Hahn hier stellt sich als ehemaliger
Euphorbos-Pythagoras vor. Der Schuster hegt Zweifel, weil sein
Hausgenosse nicht schweigsam ist und gegen das Pythagoreerverbot
Bohnen gegessen hat; aber ihm wird zur Antwort, daß jedes Leben
seine eigenen Gesetze habe. Gern will er drauf die verschiedenen
Schicksale, die der Hahn durchgemacht hat, vernehmen, doch zunächst
kommt er von seinem Traum nicht ab, der ihm, wie er meint, nicht
durch die Pforte von Hörn oder Elfenbein, sondern durch eine wahrhaft
goldene gekommen ist; Pindar hat doch recht, wenn er das Gold rühmt.
So erzählt der Schuster denn zunächst seinen Traum. Tags zuvor
hatte er bei dem reichen Eukrates gespeist, der ihn auf der Straße
Inhalt. 323
getroffen und zum Geburtstagsfest seiner Tochter eingeladen hatte
für den Fall^ daß ein Gast, der schwer krank sei, nicht erscheinen
werde. Allerdings war dieser Gast, ein sechzigjähriger Philosoph,
Thesmopolis mit Namen, wenn auch ächzend und hustend, von
vieren getragen, doch gekommen, aber der liebenswürdige Hausherr
hatte dem Mikyllos trotzdem einen Platz verschafft neben jenem
Kranken, neben dem es sonst niemand aushielt, wo er nun die ganze
stoische Weisheit über sich ergehen lassen mußte. Durch dieses
Mahl war der Traum veranlaßt; er sah den Eukrates im Sterben und
sich als einzigen Erben all seines Gutes, wie er im Golde wühlte,
von allen bewundert wurde, den Freunden Feste gab und aus goldenen
Schalen trank. Der Hahn wundert sich über diese Vorliebe für das
Gold. Aber Mikyllos verteidigt sich: auch Euphorbos ging mit Gold
und Silber an den Locken im Felde einher, Zeus selbst wurde zu
Golde, als er Danae liebte; das Gold schafft ja sofort Ehre, wie das
Beispiel des Nachbarn Simon zeigt, der, vor kurzem noch so arm,
daß er eine irdene Schüssel stahl, jetzt, durch Erbschaft reich ge-
worden, als Simonides einherstolziert, von allen Weibeni geliebt;
weshalb hätte auch sonst Euripides das Gold so gepriesen? Der Hahn
lacht über diese Gedanken, da er noch kein Leben gesehen hat, das
glücklicher gewesen wäre als das seines Hausherrn, und berichtet
sodann seine eigenen Lebensschicksale. Bei der Erwähnung des Eu-
phorbos und der Kämpfe vor Ilion unterbricht ihn Mikyllos mit der
Frage, ob Homer richtig geschildert habe. Der ehemalige Pythagoras
leugnet das; es sei auch ganz unmöglich, da der Sänger damals als
Kamel im Baktrerland lebte; Helena war zwar weiß und hatte in-
folge ihrer Abstammung einen Schwanenhals, aber sonst war sie recht
alt, da sie ja Theseus zu Herakles' Zeiten schon geraubt hatte.
Weiter berichtet der Hahn von seinem Leben in Gestalt des berühm-
ten Philosophen, von seinen Wanderungen und wie er die Griechen
betört ihn für einen Gott zu halten; beschämt gesteht er, daß zu
dem Verbot, Fleisch and Bohnen zu essen, ihn nur das Bestreben
veranlaßt habe, etwas Neues vorzubringen. Später, erzählt er, wurde
er Aspahia: dies«* Mitteilung führt den Schuster auf die Frage, ob ihm
das Lebfu als Mann oder als Weib besser gefallen hat; und da jener
mit Hinweis auf TireHias' Schicksal die Antwort verweigert, st» cnt
scheidet er sie selbst mit dem bekannten Vfrs aus Euripides' .Medoa.
Nach dem Leben bIh Anpasia gibt der Hahn luwh <las »l.s Kyuiker
Krates genau an, die übrigen Hypostasen Hnnes Du.^rin.s sind nur
allgemein bezeichnet; er war König, Armer, Pferd, Dohle, Frosch und
324 Kapitel XV. Der Hahn.
noch viel anderes, zuletzt mehrfach Hahn. Viel Herren hat er ge-
habt; drum lacht er über den Mikyllos, daß dieser sein Los beseufzt.
Da er weiß, wie der Reiche und wie der Arme lebt, so muß er dar-
über berichten, um den Beweis zu erbringen, daß das Schicksal der
Begüterten nicht beneidenswert ist. Dieser Vergleich der beiden
Ijebensarten bildet den Kern der Satire. Mikyllos glaubt noch nicht
an das Leid der Reichen; der Hahn soll ihm seine Erfahrungen mit-
teilen; er schildert nun die ewige Angst und Sorge, den steten Arg-
wohn, der zu keinem Genuß kommen läßt; das Leben als Tier scheint
ihm das sorgenfreiste zu sein. Weil Mikyllos noch immer nicht ganz
von seiner Sehnsucht nach dem Golde lassen kann, so soll er durch
den Augenschein überführt werden. Die rechte Schwanzfeder des
Hahnes öffnet jede Tür. So gehen sie zuerst zu Simon, dem be-
neideten Nachbarn, und erblicken ihn, wie er in ruheloser Angst über
seinen Schätzen wacht und sich in Argwohn verzehrt, es möchte ihm
jemand etwas geraubt haben. Dann gehen sie zu dem Wucherer
Gniphon, der beim ewigen Berechnen seiner Zinsen zum Gerippe ab-
magert. Den Beschluß bildet der Einblick in das Haus des reichen
Eukrates; hier erblicken sie die niedrigste Unsittlichkeit, die ein
Glück nicht aufkommen läßt. Da wird es Tag, und bekehrt von
seiner Sucht nach Reichtum, kommt Mikyllos in sein armseliges
Heim zurück.
Die Satire zeigt die menippische Form wieder mit unverkenn-
barer Deutlichkeit. Wir haben Zitate in reichem Maße. Als Beispiel
dafür, daß nicht nur Menschen sprechen, werden (2) des Achill redendes
Roß Xanthos (II. XIX 404 ff.), die brüllenden Häute der Rinder des Helios
aus Homer (Od. XII 395) angeführt, weiter der Kiel der Argo nach
Apollonius von Rhodus (IV 578 ff.). Mit Beziehung auf das Home-
rische dfisvYjvä ovBiQa (Od. XIX 562) wird das nur im Traum gesehene
Glück ä^6vr]vrj avÖcci^ovLa genannt (5) und ebendaher die Erwähnung
der beiden Traumtore aus Hörn und Elfenbein geschöpft (6). Der
Ausdruck a^ßQoöLrjv öiä vvxta (8) wird ausdrücklich auf Homer zu-
rückgeführt (IL II 57, in anderer Stellung auch sonst), bei Euphorbos'
Schilderung (13) auf IL XVII 51/2 Bezug genommen; der Simon hat,
seit er Geld besitzt, geradezu den berühmten Liebesgürtel der Aphro-
dite (14) (Hom. IL XIV 214). Das Leid und die Sorgen des Herrschers
werden (25) mit den Worten dargestellt, die Homer von Agamemnon
gebraucht (IL X 3/4). Neben Homer wird wieder Euripides mehr-
fach benutzt; so stammen von den Versen über das Gold (14) der eine
auch im 'Timon' (41) zitierte sicher aus seiner 'Danae' (Nauck, Trag.
Menippische Form. Sagenkritik. 325
Gr. fr.^ 324), der andere höchstwahrscheinlich 7on ihm (Nauck adesp.
294); aus der "Medea" (250 f.) wird der Ausspruch herangezogen (19),
daß es besser sei dreimal als Krieger in der Schlacht zu stehen wie
einmal zu gebären. ^) Dazu kommt der Anfang von Pindars 1 . olym-
pischer Ode (7) und die Beziehung auf den bekannten Vers, der das
Bohnenessen als das größte Verbrechen bezeichnete.^
Das zweite, was in Betracht kommt, ist die Verwendung der
Mythologie. Wir hören die Geschichte von Alektryon, dem nach-
lässigen Wächter beim Schäferstündchen des Ares (3), eine Verwand-
lung, die in dieselbe Reihe gehört wie die von Ovid erzählte Be-
strafung des Raben und der Krähe ^) und gewiß auf alexandrinische
Metamorphosendichtung zurückgeht. Von Verwandlungssagen werden
auch die von Tiresias und Caeneus erwähnt (19). Die Armen und Reichen
werden dem Dädalus und Ikarus*) verglichen (23); wer sich nahe der
Erde hält und nicht zu hoch hinauffiiegt, dem bleiben Gefahren und
Unglück erspart. Beachtenswert ist die rationalistische Deutung der
Danaesage (13), in welcher der Goldregen als das die Wächter be-
stechende Geld umgedeutet ist, das Tür und Tor öffnet. Daß diese
Erklärung im euhemeristischen Sinne nicht Lucian geschaffen hat, weiß
jeder aus Horaz c. III 16, wie sie sich auch in ähnlicher Weise bei
Ovid am. III 8, 29 findet. Eine Kritik an Homerischen Sagen ist
auch geübt, wenn das Alter der Helena nachgerechnet wird (17).
Diese Kritik war durchaus kynisch, und die Auslegung der Danae-
sage mit der moralischen Nutzanwendung, die man ihr geben konnte,
steht auf demselben Niveau wie die, welche Diogenes an der Medea-
sage versucht hat.^)
Auch die übrigen Beziehungen, die wir finden, erinnern uns an
....coro fV.-!l.i..-4.n B«>r.l.M<')'tinifToii Typisch ist die Verwen«l"n" <les
1) Für dag Vorkommen «i- hei Menipp scheint zu sprechen, daß
auch Varro ihn hat, natürlich »1^ ii-'inri iu <ler Bearbeitung: des Ennius i TfpoiTo-
didäaxaXog Villi fr. 189 B.): non vides apud Knnium esse scriptum 'ter sub ar-
miM mal im vitam corner«' (|uam semel modo purere', so wie ("icero /.. B. Chrysipps
Zitate iiUH Kuripides in de fato durch die F^nniauischen ersetzt hat.
2) lööv rot xvdiiovg rt «payttv xatpctläs xs roxvjoof IMut. ({luvest. COnv. U 8
(686 T). Vgl. Nene Jahrb. f. d. klass. Altert. IX (1002) S. 191
8j Ov. inet II 544 ff. nach Hesiod fr. 198 Rk.
4) Über die Benutztnif^ dieser Stelle de« 'Hahns' in den 'Bildern* «. S. a:i'J
und 8Aft; da die 'Bilder' offenbar daR spAtero sind, so ist der 'Hahn' da<lurcli
als vor 168 verfaßt erwiesen.
6, Stob, er! HI J'» ••" '" ^ ' I hiimmlcr, Antisthenic», ßonnor
DiM. Halle 1882, H. 7a
326 Kapitel XV. Der Hahn.
Midas'), wenn der Hahn den immer wieder sehnsüchtig am Golde
hängenden Schuster als 'bester Midas' anredet (6). Krösus und der
Tyrann Dionys, der in Korinth die Knaben lehren muß, sind die Bei-
spiele für das den Herrschern drohende Mißgeschick (23), wie der
erste im 'Charon' (10, 12 f.) und der 'Nekyomantie' (16) als Exempel
vorgeführt wurde. An den 'Ikaromenipp' werden wir durch die aus-
führliche Musterung der Tyrannen (25) gemahnt, und gerade diese
Stelle ist wieder beweisend. Für das traurige Schicksal derer,
die scheinbar über den Menschen stehen, wird als erstes Beispiel
Krösus angeführt, der über seinen taubstummen Sohn bekümmert ist;
das zweite ist Artaxerxes, dem die Truppensammlungen des Klearch
für Kyros Sorge machen, bei der Vorliebe der Lucianischen Zeit für
Xenophon^) an und für sich eine sehr verständliche Erwähnung; dem
Dionys raubt irgend eine Unterredung des Dion mit einem Syraku-
saner seine Ruhe; den Alexander ärgert das Lob, das Parmenion er-
fährt, dem Perdikkas macht Ptolemäus und dem Ptolemäus wieder
Seleukus Sorge. Damit schließt beachtenswerterweise die Reihe der
Herrscher; was folgt, ist ganz allgemein gehalten und erinnert in
etwas an den gleichen Ausgang der Schilderung im 'Ikaromenipp'.^)
Fällt es auch hier wieder auf, daß die historischen Anspielungen beim
3. Jahrhundert v. Chr. Halt machen, so ist es nicht weniger be-
merkenswert, was wir über die Verwandlungen des Pythagoras hören,
die denen ähnlich sind, die Empedokles von sich behauptete (Diels,
Vorsokratiker fr. 117): ijdrj yccQ tiot iya) yevo^rjv KOVQÖg rs xogrj
X8 d'd^vog t olcovög rs xal i^ dlbg eXXoTtog l%^vg. Lucian braucht
nicht an diese Verse gedacht zu haben; das Alter der Pythagoras-
legende beweist ja das Zitat aus Herakleides Pontikos bei Diogenes
L. VIII 4.*) Lucian hat von jenen früheren Erscheinungsformen des
Pythagoras nur die eine des Euphorbos erwähnt. Auch für spätere
Hypostasen des Philosophen lagen schon Angaben vor. Dikäarch
und Klearch hatten mehrere aufgezählt, darunter auch das Dasein als
schöne Dirne, namens xilko.^) Bei Lucian ist sie durch die Aspasia
1) Siehe oben S. 55. 197 f 2) Siehe oben S. 208.
3) Besonders gall. 25 : 6 ^lsv yovv vitb xov TtciiSbg äniQ-av^v i-n cpagiiccHcov
erinnert an Icar. 15: yiccl 'dttccXa) xov vibv iy^eovra to cpäqyL,a%ov .
4) Vin 4: %Q6voi dh vgxbqov dg E^cpogßov ilQ'hlv xal v-jio MsveXsco xqoiQ'fivai.
6 &' EvcpOQßog ^XsyEv ag Atd'ccXiSrig tcoxs yeyovoL yiccl ort nag' 'Eqiiov x6 ^agov
XdßoL Kccl xrjv xrig ipvxfjg •n£QL'ji6Xr\aiv ^ mg TtsQLSTtoXTjd'ri Hat elg oea cpvxä xal
^ma Ttagsy^vsxo xai öaa f] tpvxi] svZiidov ^nad-s xat al Xomccl xlvcc VTto^ivovßiv.
5) Gell. noct. Att. IV 11, 14: Clearchus et Dicaearchus memoriae tradiderunt
Typische Beispiele. Historische Beziehungen. 327
des Perikles ersetzt. Darauf folgt noch das Leben als Kyniker Krates,
und damit schneidet auch hier die Angabe bestimmter Persönlich-
keiten ab; ganz allgemein ist weiter von 'König', 'Bettler', 'Satrap'
die Rede. Wir kommen mit dem Tode des Krates wieder in die
Zeit des Ptolemäus Philadelphus. Natürlich ist die Zusammenstellung
des feinen Pythagoras, der schönen milesischen Hetäre und des häß-
lichen, buckligen Kynikers, der auch äußerlich die Roheiten seiner
Lehre nach Möglichkeit betätigte, sehr witzig. Aber mußte deshalb
bei Krates geschlossen werden? Und ist es Zufall, daß wir hier wie
bei der andern Aufzählung nur bis in den Anfang des dritten Jahr-
hunderts gelangen?^)
Es kommt aber noch ein sehr wichtiger Umstand hinzu, den
auch Wieland schon richtig beobachtet hat.^) Die Darstellung des
'Hahns' (21 ff.), in der er dem Mikyllos die Leiden der Reichen und
Freuden der Armen vorführt, setzt ganz andere politische Verhält-
nisse voraus als sie zu Lucians Zeit herrschten. Zieht man daraus
die notwendige Folgerung, so ergibt sich, daß sie nicht erst von
Lucian in dieser Weise abgefaßt sein kann, da er selbstverständlich,
wenn ihm kein Muster vorlag, die Lage der Besitzenden und Nicht-
besitzenden aus seiner Zeit heraus geschildert hätte in einem Dialog,
der durchaus nicht durch die Fiktion in eine frühere Zeit gesetzt ist,
sondern im Gegenteil durch die Fülle der Erscheinungsformen des
ehemaligen Pythagoras seit seinem Dasein als Krates der eigenen
Zeit Lucians recht nahe gerückt ist. Der Hahn nimmt zunächst Kriegs-
zeiten an; dann rafft der Bettler sein bißchen Habe im Augenblick
auf, während der Reiche beständig in Angst ist und mit Schrecken
die Plünderung sieht. Bei Kriegssteuern haben die Begüterten allein
zu zahlen, sie müssen als Feldherren und Hauptleuto die größten Ge-
fahren be8t<*hen, während der Arme ebenso behend ist zu fliehen wie
sich zum Siegesmahl einzuflnden. In Lucians Zeit hatten die Grieclien
faiiae enm pofiea P3nrrhum, deinde Aethaliden, deinde feminam pulcra facie
meretricem, cui nomen fuerat Alco.
1; Dem Hcharfen Beobachter Wieland ist offenbar die Tatsache aufgefallen,
wie die Anmerkang zu Kap. S6 zeigt: 'Herodot, Xenophon und Plutarchs Lebenn
betcbreibnngen waren um die Zeit, da Lucian üchrieb, in jodorroannB Hilnden,
and er konnte aliio Torauiietzen , daß die hier bloß angodeutoU^n historiHchen
ZOge niemand unbekannt seien.*
S) 'Dieiea meiiterhafte Qemftlde der Lage und Vorteile eine» gemeinen
Bürgen in einer demokratischen Republik icheint vorauMUsetsen« daß Lucian
die Zeit dieee« Dialog« »wischen Mikylloii und seinem Hahn etliohe Jahrhunderte
früher als seine eigene vorgtrückt haben woUo.'
328 Kapitel XV. Der Hahn.
weder die Leitung im Kriege noch überhaupt Kriege zu führen. Es
folgt die Darstellung der Zustände im Frieden. Da beherrscht der
Arme, zum Demos gehörig, die Reichen, die sich vor ihm ducken
und ihn bei guter Laune zu erhalten suchen; sie sorgen für Bäder
und Schauspiele, sind dem Armen verantwortlich und, wenn's ihm
paßt, einem Hagel von Steinen ausgesetzt wie der Konfiskation des
Vermögens. Es ist klar, daß diese Schilderung der Demokratie und
ihrer Auswüchse wieder nicht mehr in die römische Kaiserzeit paßt,
sondern in die Zeit, da Athen noch selbständige Politik treiben konnte.
Der gleiche Gedanke, der hier ausgeführt ist, findet sich in größter
Kürze in dem Telesexzerpt über Armut und Reichtum (S. 35, 15 ff. H.),
wo ganz ähnlich die Vorzüge des Armen geschildert sind: er ist von
Sorgen frei und hat mehr Muße; in Kriegeszeit denkt er an nichts
als an sich selbst, der Reiche muß auch an andere denken.^) Diese
Übereinstimmung ist bezeichnend.
Zu diesen deutlichen Hinweisen auf eine ältere Vorlage menip-
pischen Charakters stimmen auch die typischen Vergleiche, die wir
hier wiederfinden; es sind zwei in diesem Dialog. Der erste ist der
uns bekannte Schauspielervergleich ^), allerdings wieder etwas anders
gewandt. Man kann oftmals sehen, wie jemand den Kekrops, Sisy-
1) Luc. gall. 21: aol ^isv o^ts noXi^Lov TtoXvg Xoyo? .... o'bdh cpQovxi^ttg
yur] tov ayqhv tiyb(o6iv ... ccXXä ... TtSQißXiTtsig to %atk asccvtov^ Teles 36, 1:
iv t<p vvv 7toX8(i(p Ttsgl ov^svbg (pQOVxi^Bi ?) 'XsqI avtov, ö ds nXovöiog yial
Ttsgl irigcov.
2) S. S. 45 if. Vielleicht könnte man auch hier eine Spur zeitlich fixierbarer
Verhältnisse erkennen. Wenn der Schauspieler auf ebener Erde fällt, kann er
sich doch nur im ungünstigsten Fall, der selten eintritt, den Kopf blutig schlagen,
auch die Lumpen unter den Königsgewändern werden kaum sichtbar. Lucian
sagt aber auch Hsvs^ßaf^Gag ^wenn er ins Leere tritt', was man doch von einem
Stolpern auf ebener Erde schlecht verstehen kann. Es würde verständlicher, wenn
man sich den Schauspieler von dem schmalen Proskenion herunterfallen denkt,
obwohl man, soweit ich sehe, diese Stelle für die Bühnenfrage noch nicht ver-
wandt hat. Sie paßt zu der Annahme einer liellenistischen Bühne auf dem
hohen, schmalen Proskenion (vgl. Puchstein, Die griechische Bühne, Berlin 1901,
S. 7), keinesfalls aber auf die niedrige, breite Bühne, die zu Lucians Zeit
überall in Kleinasien, Italien, Sizilien (s. Dörpfeld und Reisch, Das griechische
Theater, Athen 1896, S. 390) und auch zu Athen im Theater des Herodes und
dem unter Nero umgebauten Dionysostheater eingeführt war, die sog. römische
(Vitruv. V 6). Lucian hätte dann das iv iiiaT) xtj öTn^vy hinzugesetzt, weil er
die Situation nicht mehr begriff, wie er wohl auch die Bemerkung über den
Kothurn hinzufügte (vgl. Anachars. 23, de salt. 27), aber das ycsvsiißccTi^öag bei-
behalten, obwohl es nun nicht mehr paßte. Auch die Verallgemeinerung: ola
TfoXXcc yiyvETai wäre sein Werk.
Typische Vergleiche. Kynische Tendenz. 329
phus oder Telephus darstellt im Prunkgewand, das Diadem auf dem
Haupte, das Schwert mit Elfenbeingriff an der Seite, mit wallendem
Haar; und wenn er einen Fehltritt tut, so stürzt er, sein Diadem
zerbricht, das Haupt schlägt er sich blutig, und unter dem Prachtkleid
erblickt man die eigenen Lumpen und den ungefügen Kothurn (26),
das Publikum aber bricht in Lachen aus. Der zweite Vergleich (24)
behandelt ganz ähnlich den Gegensatz des äußeren prunkvollen Scheins
zu dem traurigen Innern. Der Tyrann wird einem der Kolossalstand-
bilder verglichen, wie sie Phidias, Myron oder Praxiteles^) gefertigt
haben, außen schön, von Gold und Elfenbein, mit dem Blitz oder
Dreizack in der Hand, inwendig Balken, Nägel und Pech, von Mäusen
bevölkert.
Auch die Tendenz des Ganzen ist durchaus kynisch, wenngleich
in diesen Gedanken populärer Moralphilosophie natürlich Berührungen
mit andern Schulen sich finden:^) den Armen wird das Evangelium
gepredigt; es ist wieder der Gedanke, der in der 'Niederfahrt' schon
beleuchtet war, den der Komödiendichter Diphilus mit den Worten
ausdrückt: Jtavrjtog dvÖQog ovdsv svxvxeöxeQov ^ xiiv stcI t6 xhqov
^staßoXijv ov TCQoööoxa (Kock H S. 574) und der jedenfalls unter
der von der neueren Komödie ausgesprochenen Lebensweisheit sich
häufiger fand. Das naturgemäße Leben der Tiere erscheint dem Hahn
wünschenswerter^) als das der Menschen (-7), unter den Menschen
aber erklärt er das des Mikyllos für das glücklichste (15). Das ist
die Auffassung vom Leben, wie sie am Schluß von Piatons Republik
in dem ünterweltsmythus dargelegt wird; die ganze Behandlung der
Seelen Wanderung in unserem Dialog erinnert ja an jene Szene, in der
Orpheus das Leben des Schwans, Aias das des Löwen, Agamemnon
das des Adlers wählt, alle aus Abneigung gegen das Menschendasein;
zuletzt aber wählt sich Odysseus, der in seinem Leben so viel Müh-
sal erduldet hat, das Los eines bescheidenen Privatmannes, der sich
nicht mit öffentli(^hen Angelegenheiten befaßt, und sagt, das würde
er, auch wenn er zuerst zur Wahl gekommen wäre, vorgezogen haben
( K-ep. X ()20 A ff.). Das Leben als lÖidtTrjg ängay^KOv ist das Idejü,
1 Der Zeu« in Olympia venteht sich von selbst, einen Poseidon des Praxi-
tfli H •rwähnt Plin. n h. XXXVI 28, obwohl nicht geiia^ ist, dafi es eine Ko*
[....al-tattie 8ri; /u Myron vgl. Strabo XIV 1,14 (C. 687).
'l Ich eriniioro an die ähnliche Darlegung bei Kpikur Diog. L. X 180 f. und
Horaz »at. li 2, 70 ff.
8) So sagt auch labanius im 'Timon* 8. 188, 9 ff. Reitke: 9irtv%i9f^6v fk
B30 Kapitel XV. Der Hahn.
dem Odysseus, durch sein erstes Leben gewitzigt, folgt; ^^ ist das
Ideal eines Menschen daseins für diesen kynisch gestimmten Hahn,
der dadurch seiner früheren Erscheinungsform als Krates nur Ehre
macht. Daß die Kyniker sich nicht als Bürger eines Staates, sondern
der Welt fühlten, haben wir früher schon gesehen^); daß sie sich von
der Teilnahme an allen öffentlichen Angelegenheiten fernhalten^), ist
schon durch den Ausspruch des Gründers dieser Schule geboten'^):
dem Staatsleben gegenüber müsse man sich verhalten wie dem Feuer,
nicht zu nahe herangehen, um sich nicht zu verbrennen, aber nicht
gar zu weit sich entfernen, um nicht zu erstarren. Die Kritik der
Demokratie, wie sie in der Darstellung des Hahns (21 ff.) uns ent-
gegentritt, entspricht der von Antisthenes ebenso wie von Piaton
geäußerten Abneigung gegen diese Staatsform.*) Die Volksführer
nannte Diogenes Diener der Menge, oxlov Öiaxorovg (Diog. L. VI 41),
sowie der Hahn den Schuster als Vertreter des Pöbels den Herrn der
Reichen, die den Staat lenken, nennt und ihm eine Tyrannis über
jene zuschreibt (22). Vor allen Dingen aber ist echt kynisch das
Lob der Armut, das der Hahn anschließt (23): sie erhält gesund und
stählt den Körper, sie macht ihn kräftig zum Ertragen der Kälte.
Daß die Kyniker im Ertragen von Strapazen, in der Unempfindlich-
keit gegen die Witterung es allen vorzutun suchten, ist ja allgemein
bekannt, und Lucian hat im ^Anarcharsis' von kynischem Standpunkt
aus den Solon deshalb für die Leibesübungen eintreten lassen.^) Noch
bezeichnender ist der nächste Satz in unserem Dialog: ^Die Mühen
härten dich ab und machen dich zu einem unverächtlichen Streiter
gegenüber all dem, was andern unüberwindlich scheint.' Die tcovol
sind es ja gerade, die die Kyniker für nötig halten, die höchste Voll-
kommenheit zu erreichen, und Herakles, der nie rastende, immer sich
abmühende Held, ist das Vorbild dieser Sekte. Der Hahn zeigt sich
auch hier würdig des Krates, der sein väterliches Vermögen aufgab,
um mit Stab und Ranzen versehen, im rauhen Gewände als Bettler
durch die Straßen zu ziehen.
Es trifft also hier alles zusammen, um uns Menipp als Vorbild
dieser Szene zu verraten, das Einfiechten der Verse, die Anbringung
typischer Vergleiche, der durchaus kynische Gedankengehalt und die
1) Siehe oben S. 240.
2) Vgl. Zeller, Die Phil. d. Griech. E, 1 * S. 324.
3) Stob. flor. 45, 28 (11 208 Meineke).
4^ Vgl. Zeller, Die Phil. d. Griech. II, 1 ' S. 324 Anm. 2.
5) Siehe Neue Jahrb. 1". d. klass. Altert. IX (1902> S. 365 f.
Beziehungen zu andern Dialogen. 331
historischen Anspielungen, die uns nur bis in die ersten Jahrzehnte
des 3. Jahrhunderts, also in Menipps Zeit führen. Leider genügen die
Fragmente bei Varro nicht, um etwa aus der Satire jttQL (pUaQyvQCag
die Bestätigung unserer Vermutungen zu erhalten.^) Doch scheint
wohl bei dem Zusammentreifen verschiedener Argumente ein Zufall
ausgeschlossen, zumal wir hier denselben phantastischen Zug erkennen,
den Varros Satiren und der ^Ikaromenipp' als menippisch erweisen.
Beachtenswert ist, daß sich bei dieser Satire verhältnismäßig wenig
Wiederholungen aus andern Schriften zeigen, was wohl eher auf der
V^erschiedenheit des Stoffes als auf größerer Selbständigkeit des Ver-
fassers beruht. Wir haben aber auch den 'Hahn' unter den ersten
satirischen Dialogen anzusetzen und darin eine Erklärung ' füi* die
seltneren Übereinstimmungen in den Gedanken. Die witzige Be-
nutzung der Nachrichten über Pythagoras und der pythagoreischen
Symbole, des Schweigens und des Verbotes, Bohnen zu essen (4 und
18), kennen wir aus der 'Versteigerung der Lebensarten' (3 und ()),
imd die dort (5) angeführte Lehre von der Seelenwanderung wird ja in
unserem Dialog durch die Erscheinung des Hahnes hart mitgenommen.
Mit dem 'Gastmahl' zeigt sich die Berührung in der Schilderung des
Festes und der dabei angebrachten Verhöhnung des Stoikers (9ff.)^)
wie auch in dem Auftreten des Arztes, der eben seit Piaton zu den
Personen des Gelages gehört und hier den Namen Archibios führt.
Der Stoiker heißt hier Thesmopolis, ein Name, den Lucian in den
'Hausphilosophen' wieder verwandt hat (-^3), und wird wieder von einer
anderen Seite gezeichnet; sein nächster Geistesverwandter ist der He-
t^nmokles, der sich umsonst um eine Einladung bei Aristainetos reißt;
auch die Anspielun«^ auf die xad-tlxavta findet sich gleichmäßig im 'Gast-
mahl' (22) und im 'Hahn' (10). Neu ist, daß der todkranke Philosoph
unter allen Umständen zum Mahle kommen muß, obwohl er nicht
mehr imstande ist, allein zu gehen. Beim Essen paradiert er dann
mit seinem Wissen wie jener Iletoiniokles (23), z. B. mit dem Trugschluß
vom Gehörnten, der auch im 'Hermotimos' (81) verspottet wird, mit dem
logischen Satze, daß zwei Verneinungen eine Bejahung ergeben, mit
1^ i- r I -.rl ii : <iu»'ni H«Muijtiir <um rutuiuii- \.l!t.'- ;. . lum- ,ii i i,
«{uadratii muliiHif^nibuit t<M;ti köniito violleicht . t v. i i hu . m i i
Kri<?^iizeit Ihm Luciun 21 orinnorn: fiv x( int. HMi)«i'<iti*i >
fii{>axr]yo{)vxts T^ lnnuQXo{'vxti ov fi\ olovtvriv « ^ ^')fc' «ai »cor.^. ..
h aonriQiuv und fr. 11: etcnim quibun legeit praobeat domam, o«cuni, poiiouom,
qnid deiidnremiiii? ontAprirbt der Lehre den gAnseii T - - > - i»;..i .....
•i; Öieh*» oVkjd S. 2»i».
B32 Kapitel XV. Der Hahn.
der Vielgepriesenen' Tugend.^) Der reiche Hausherr heißt wieder
Eukrates wie im 'Herraotimos' (11); auch die Begeisterung über den
Traum und der Arger, daraus aufgeschreckt zu sein, scheint für den
'Hermotimos' (71) eine Anregung gegeben zu haben.^) Das Lob der
Armut zeigt Beziehungen zum 'Timon'^), wie ja auch zur Verherr-
lichung des Goldes in beiden Gesprächen die gleichen Verse benutzt
sind.'^) Die eine Berührung mit dem 'Ikaroraenipp' haben wir her-
vorgehoben^); es ist wahrscheinlich, daß das ausführliche Bild von
Ikarus und Daedalus, das dann in den 'Bildern' (21) wiederkehrt,
Beziehungen zu der Darstellung in diesem Dialog hat (2/3).^) Die
Erwähnung der Mäuse in den Götterbildern (24) kehrt im 'tragischen
Zeus' (8) wieder.'^) Der Schluß des Ganzen ist in der gleichen Weise
gebildet, die Lucian im 'Doppeltverklagten' und der 'Versteigerung
der Lebensarten' angewendet hat^), nämlich mit dem Hinweis, daß
das übrige folgen wird.
Die ganze Satire ist aber nicht einheitlich, sondern setzt sich aus
zwei Teilen zusammen, die sich leicht voneinander sondern lassen und
nur durch das märchenhafte Motiv von der unsichtbar machenden und
1) Siehe oben S. 287.
2) Hermot. 71 : xal Sr} xal ai, m halgs, noXXa xal d'ccvy.uöva dvSiQOTtolovvtcc
vv^ccs 6 Xoyog ccnh tov vjtvov i-nd^ogstv i7toii]68V sha ogyl^rj ccvrm hi ^oXig tovg
öq)d'aX^ovg Scvolycov xal tbv vnvov ov Qccdicog ccnoasiö^svog v(p' r}dovf]g eov smQug .
7tcc6xov6i, äs ccvtb xal ol rrjv 7isvi]v ^a-Kccglccv savroig ävaTtXdttovtsg^ r}v ^atcc^v
TtXovtovGLV ccvtotg -nal d'riöccvQovg avoQvrtovGL "accI ßccaLXsvovöt xal xa aXXa
8vdccLfiovov6iv ^v tolvvv tocvta ivvoovCLV avtotg 6 nalg TtgoosXd'oov
^QTitcci TL röav ccvccynaioiv ovrcug ccyava-axovGiv mg vitb tov iQO^ivov
Tial 7f ccQSvoxX'^acivtog cccpaLQsd'Bvtsg anavtcc iycsivcc täyad'd^ g^-H- 5: xsvrjv
Hccl mg 6 TtOLTitL-nbg Xöyog a[L£V7\vriv nvcc svdaniovlccv rfj iivijiir] ^BrccSiomoav,
12: iv tovtcp ovxa fie . . . . avccßoi^Gccg ccuccLQcog avvsrdQa^ag ^hv rj^lv tb
Gv^noGiov^ äv^XQStpag dh tag tgaiti^ag aqü 6oi ScXoycog ccyavayitfjGciL
yiatcc 60V doyio); Später ist die Situation wieder im "^Schiff' benutzt. Nach
Lucian hat Alkiphron ^Bauembrief 2 (III 10) geschaffen. (Vgl. H. Reich, De
Alciphr Longique aetate, Diss. Königsberg 1894, S. 24 ff.)
3) Gall. 23: mots diä tuvta vyiaivsig ts xai ^QQaöaL tb öa^cc, Timon 33:
7] 6VVC0V vyiEivbg ^ihv tb amiicc^ iggco^i^vog dh trjv yvmuriv distiXsösv.
4) Gall. 7. 14, Timon 41.
5) Siehe S. 326.
6) Gall. 23: üTjQm rjQ^oato avtotg f} ntiqoiGig^ Icarom. 3 : ats utiqü tr]v ntigco-
aiv r]Qiio6(iivog. Vgl. S. 355.
7) Gall. 24: im Xiysiv y^vmv TiXti^og rj iivyaXmv i^7CoXit8v6^svov avtolg
iviote, lupp. trag. 8: (ivmv äyeXag ÖZag i(i7toXLt8voiiEvag GtiiTtovtsg.
8) Gall. 33: dnim^isv oiY-ads Ttag' 7]fiäg' td XoiTta Ss ig avd'Lg oi/>«t, bis
acc. 35: dXX' viistg ^kv dnitt dyad'y tv^f^- avQLOv äk tag XoLTtug dLV,d60{Ltv.
Benützung der Komödie. 333
alle Türen öffiienden Schwanzfeder^) des Hahnes zusammengehalten
werden; und wenn wir in dem ersten Teil Spuren Menippischer
Nachahmung fanden, so ist es höchstwahrscheinlich, daß Lucian den
Schluß aus eigenem Antrieb damit kombiniert hat. Es sind Bilder
aus der Komödie, die wir in einem Fall wenigstens ziemlich deutlich
auf ihre Quelle zurückverfolgen können. Der Simonides entspricht
völlig dem Euclio in Plautus' Aulularia mit seiner beständigen Angst,
es möchte einer der Nachbarn sein Geld rauben, mit dem immer
wieder geäußerten Verdacht gegen die Sklavin und die Köche, mit
der Besorgnis, es möchte ihn jemand beobachtet haben, wie er sein
Geld versteckte; wie dieser von sich sagt (fr. IV Leo): nee noctu nee
diu quietus umquam <(servabam^ eam, so meint Simouides uQißxov
yovv ayQVTCvov avtbv diaq)vXdtrsiv anavxa (29). Völlig gleichartig
ist der Knicker Smikrines bei Menander, von dem Choricius be-
richtet^), daß er sogar gefürchtet habe, der Rauch möchte ihm etwas
davontragen. Daß Lucian hier wörtlich eine Szene wiedergegeben habe,
wird niemand voraussetzen, der sein Verhalten beim 'Timon' und den
'Hetärendialogen' im Gedächtnis hat; er hat vorhandene Motive aus-
geführt, in neuer Weise miteinander kombiniert, was nur erzählt war,
gleichsam plastisch vor Augen gestellt und so ein eigenes Bild ge-
schaffen, zu dem er die Farben entlehnt hatte. Vor allem hat er in
einen Augenblick zusammengedrängt, was sich im Drama nacheinander
begab, das Ausgraben des Geldes, das Nachzählen, das Wiedereingraben,
aber gerade dadurch hat er die Ruhelosigkeit des Geizigen äußerst
wirksam gezeichnet. Es ist keine Frage, daß wir das Vorbild für
Plautus wie für Lucian in der neuen Komödie zu suchen haben.*)
Das zweite Bild ist nur ein schwacher Abklatsch des ersten. Der
Wucherer Gniphon ist um nichts anders als Simonides. Al^ typisch
benutzt Lucian seinen Namen in der * Versteigerung der Lebensarten'
(23). Von ihm weiß auch der Mikyllus der 'Niederfahrt' zu erzählen ;
dort ist er gestorben, ohne seinen Reichtum genossen zu haben, und
hat alles den lachenden Erben hinterlassen. Daß beide Stellen in
' M'j ru Zusammenhang stehen, zeigen auch die lUjcreinstimmnngen im
W "I I liiiit,.*) Mjin vHrHt«!h{ dlt» Erwähnung in clor 'Niodcrfahrt' in ihn'r
l, Äliiilii:hki*iteu au« MiLrcben und Kmn I < lin /u Im^ki uutge«pürt, Die
Marchenkoraödie in Athen, Petersburg 188f), .-^ -i'i :^^
%) Qranx, ReTue de pbilologie I (1877) 8. 82»; vgl. Kock III S. 87.
3) Kock denkt an desTheognetos ^da^ut r) ^iXaQyvQo^ Rhein. Mas. XLIII (1888)
Der neue Fund Th« HibeU Papyri I, London 1»()G, S. 24 tf. fördert leider nicht.
4) (iail. 80: rtttifu Fvitpavu t6v daviiüviiv ioifm . 6iffs
334 Kapitel XV. Der Hahn.
Kürze neben der Schilderung des Tyrannenlebens, auf das es dort
ankam, am besten, wenn man den 'Halin' vorher geschrieben denkt.
Das dritte Bild im Hause des Eukrates ist nur noch im Vorbei-
gehen hinzugefügt, der Hausherr in unsittlichen Beziehungen zu
einem Sklaven, seine Frau zu dem Koch, wie in der 'Niederfahrt' (12)
des Tyrannen Kebsweib mit einem Sklaven des Hauses geschildert
ist. Hier können wir sehr wohl Lucians eigene Erfindung vor uns
haben.
Dieser ganze Teil ist nur als eine Art praktischen Beweises zu der
theoretischen Auseinandersetzung hinzugefügt, genau wie im ^Fischer'
der Fischzug die Gewähr gibt, daß die Anklage gegen die Philosophen
berechtigt war. Der Kern liegt in dem längeren ersten Teil. In
phantastischer Weise wird hier der Hahn redend eingeführt, wie in
der Fabel und im Märchen. Daß dies kynische Einwirkung ist, wird
man annehmen dürfen, wenn man mit Recht glaubt, daß der Tanther'
und die 'Krähe' des Diogenes (Diog. L. VI 80) nach den in ihnen in
äsopischer Weise redend dargestellten Tieren benannt seien. ^) Auch
hier lehnte sich die kynische Schriftstellerei au die Komödie an, in der
die Tiergestalten ja in den Chören gewöhnlich sind. In Krates' SriQia
traten Tiere auf, die mit den Menschen sprachen und sie ermahnten,
sich des Fleisches zu enthalten und mit Fischen zu begnügen
(Kock I S. 133).^) Auch der Tereus in Aristophanes' 'Vögeln' bietet
ja eine deutliche Parallele zu unserem Hahn, insofern auch er ehe-
mals ein Mensch war. Den Brennpunkt des Dialogs aber bildet der
Traum. Und hier hat Birt^) das Motiv richtig in den literar- histo-
rischen Zusammenhang gerückt. Der Arme, der im Traum sich in
ein Glück versetzt und das Gold, das er im Wachen nicht erhält,
schlafend sein eigen sieht, ist gewiß mehr als einmal dargestellt wor-
iitccyQvnvovvtcc v.(x.l avtbv iTcl (pQOvtidoiV, ävccXoyi^o^svov rovg ronovs xal
Tovg SccutvXovs r]Sri ■xcctsaxXrixora ov Set^ou ftfr' öXiyov ndvta xccvxcc yicctcc-
XiTtovxa aiXcpriv rj iy^Ttidcc . . . y^via^cci^ catapl. 17: xai thv 8uvBi6tr]v Fvi-
q)(ovcc iSoiv Gtivovtcc .... ort . . . aniO'ccvs reo ccGcoto) ^PoSoxccqsi tr]v ovaiccv
■aataXiTtwv ovv. sl^ov OTtcog xcctccTtavGO) xov yiXüixa xa/ ^lccXioxcc ^it^vri^Bvog
ß)? oiXQog aal yiccl ccvx^iriQog 7}v, cpQOvxidog xb [Litconov ocvdnXsag ticcI fiovoig xolg
daycxvXoig nXovxHav olg xdXavxa, .... iXoyi^sxo-, auch gall. 29 heißt es vou
Simonides: oi^gog 8' iaxlv ovv, old' o&bv .... yial xar^öxATjxav oXog itixsxriyidog^
VTcb cpQOvxiS(ov driXaÖT]; ähnlich im Ausdruck ist dann Hermot. 2: oi%qbv atl vnb
(pQOvxiäcov ■Kccl xb 6(üua yiccxsay.XTi'icoxcc.
1) Siehe Hirzel, Der Dialog I S. SHS.
2) Vgl. Meineke, Historia critica com. Graecor. S. 64 f.
3) Elpides, Marburg 1881.
Elpides. 335
den. Wir haben ein Beispiel an dem 21. Gedicht der Theokritsamm-
lung, den Tischern'. Da erzählt der eine dem andern, wie er im
Traume soeben einen goldenen Fisch gefangen, ganz und gar von
Gold; der andere aber mahnt ihn, lieber an die Arbeit zu denken:
^Suche den wirklichen Fisch zu fangen, damit du nicht Hungers stirbst
bei deinen goldenen Träumen' (V. 66 f.). Die Worte stimmen auf-
fällig zu der Warnung des Hahns (1): ^Sieh zu, daß du nicht vom
Reichtum träumst und beim Erwachen verhungerst',^) Birt hat als
gemeinsames Vorbild die Komödie angenommen; für Lucian könnte
dabei sehr wohl als Mittelglied eine kynische Satire in Betracht
kommen. Darauf führt auch, daß hier Mikyllos eine Rolle spielt, den
wir aus Krates kennen und in der ^Niederfahrt' wiederfanden.^) Dort
ist auch er inzwischen gestorben wie der Wucherer Gniphon; er hat sich
von dem Hahn bekehren lassen und hängt nicht mehr an den Gütern
des Lebens; mit Vergnügen hat er Pfriem und Ahle hingeworfen und
ist dem Rufe der Atropos ohne Zaudern gefolgt; fröhlich wandert er
nun auf den Gefilden des Todes wie ein echter Kyniker. Die Er-
fahrung, die er in der Unterwelt sammelt, ist eigentlich nur eine Fort-
setzung der Wanderung mit dem Hahn; hier erhält seine damalige
Erkenntnis gleichsam die letzte Bestätigung: alle irdische Pracht imd
Größe ist eitler Tand, im Tode sind alle gleich. Wie er diese Emp-
findung des Wohlbehagens ausdrückt (Niederf. 15), das entspricht so
recht seiner Schusterseele; und die volksmäßige Beschränktheit der
ganzen Anschauung ist mit einem vortrefflichen Realismus gezeichnet,
wie er der Schreibart der Kyniker würdig ist.*)
Es kann uns natürlich auch bei dieser letzten menippischeu Satire
Lucians nicht gelingen, im einzelnen zu bestimmen, wieviel er aus
1) Gall. 1: ch Sh üga onoag ^i} övag Tr/lovrc&v Xi^wvf^g ccvsyQÖnevog^ Theoer.
21, 67: fiTj ah O'ävrjg itft© nuixoi %Qvaot6iv dvdgoig (F3irt S. 61).
2) Siehe Kap. 11 S. 7G (Dilinmler, Akademika S. Uü Aiim. 1).
8) An und für sich ist es uatClrlich kein zwingender Grund, weil jemand
in einer Satire als lebend, in der anderen als tot dargestellt ist, nun diese
■p&ier anznset/en; aber ich vermag den Unterschied, den Hirzel, Der Dialog II
S. 826, zwischen der höheren LebensaufiMsung, die di'r Mikyllos im 'Hahn' cum
Schluß gewonnen hut, die also später sein nnißti*, und der, die er in der
rt' äußert, nicht %u empfinden; er sagt auch dort nicht, daß er sich
I Keichtum gesehnt habe, aber die Erkenntnis vom Unwert der irdischen
(ifiter brauchte ihn nicht zu veranlassen, am Leben zu h&ngen. Die Lust am
Sterben ist durchaus kyniscb und hilngt mit der AufTassuDg vom irdischen
Dusein zusammen. Auch der Kyniker in der 'Niederfahrt* (7) hat schon mehr-
fach von der Krde scheiden wollen.
336 Kapitel XV. Der Hahn.
eigenem Vermögen hinzugetan, wieyiel er aus seiner Quelle geschöpft
hat; denn leider sind wir nicht imstande, den Gedankengang dieses
Vorbildes außer im Hauptpunkt, dem kynischen Lobe der Armut, zu
rekonstruieren. Aber im kleinen, wenn auch nicht in ihrem Zu-
sammenhang, können wir Motive und Anspielungen als entlehnt und
nicht im Kopfe unseres Satirikers entsprungen erschließen. Und jiuch
das ist jedenfalls für die Beurteilung Lucians, wie für die Erkenntnis
der Satire Menipps etwas wert.
Schluß.
Lucian hatte sich bei einer überschnellen Produktion auf dem
Gebiet der menippischen Satire in wenigen Jahren ausgeschrieben.
Was noch zu erwähnen wäre, zeigt vielleicht ein Motiv, das man
wegen seines burlesken Charakters als menippisch in Anspruch nehmen
möchte, wie wenn der Lexiphanes im gleichnamigen Dialog durch
ein Brechmittel gezwungen wird all die angelernten atticistischen
Worte von sich zu geben ^); oder aber der Stoff selber ist menippisch
wie im 'Hermotimos' ^) oder in der Schrift 'über die Opfer', aber
Lucian hat es vorgezogen einen platonischen Dialog daraus zu machen
oder zur Form der kynischen Diatribe zu greifen,^)
Am nächsten den besprochenen Satiren kommt noch das *Schiff',
das durch das Phantastische der Gedanken und die Tendenz eigener
Genügsamkeit und fröhlichen Spottes über die Unzufriedenheit der
andern echt menippisch ist. Die Besichtigung eines Schiffes, das aus
Ägypten im Piräus eingetroffen ist, regt Lykinos und seine Freunde
an, auf dem Heimweg ihre Wünsche zu äußern; der eine wünscht
sich ein solches Schiff, das ihm Schätze verschafft, und Reichtum, der
zweite Herrschaft, der dritte Wunderringe, die ihm alles ermöglichen*),
Lykinos aber lehnt zum Schluß eigene Wünsche ab (46): 'Mir ist
es genug statt aller Schätze und des Besitzes von Babylon selber
über eure Wünsche lachen zu können.' Der Dialog ist ganz nach
Platons Muster gestaltet; in äußeren Kleinigkeiten lehnt er sich an
dessen 'Symposion' au. Die Szene, wie Adeimantos vor den andern
hergeht und von ihnen angerufen wird (10), ist nach Symp. 172 A
1) Vgl. oben 8. 172 f.
2) Die Hezi<iiiunj(on IjU(Man« zu .Mfnipj) in dioHoni Dialog uml die Verbin-
dung mit VarroH Satire nti/i uig^atcDV kauu man natürhch nidit Ixummhcu, aber
auch nicht widerlogen (Riese, M. Ter. Yarron. sat. Menipj* iVitzsche,
Ausgabe II 2 Prol. S. 27 ff.)
8; Unter Varrog Satiren existiert eine mit dem Titel 'Exatö^ißri ntgl ^vaiAv
(«, Riese S. 26). Über Lucian*« nufl ^vatätv vgl. den Anbang I.
i) Nicht mit Unrecht verweist Hinsei, Der Dialog II S Hl« darauf . daß
Varros virgula divioa otwax Ähnliches enthalten haben muß.
HmI,,,. I,......., .,,.,! M,-,.,,.,. ^'i
338 Schluß.
geschaffen, wie der Adeimantos auch zum Myrrhinusier geworden ist,
weil Phädrus es ist (176 D). Die Verabredung, daß jeder der Reihe
nach sagen soll, was er sich wünscht (17 ff.), ist nach dem Vorbilde
des gleichen Abkommens bei Piaton getroffen (177 D). Im übrigen
verrät die Schrift Reminiszenzen an den 'Hahn' und den 'Hermotimos'.
Adeimantos träumt von dem Schiff, das ihm alle Reichtümer der Welt
bringt; da wird er angerufen und entrüstet sagt er: 'Du hast meinen
Reichtum versinken lassen und mein Schiff umgeworfen' (13), so wie
Mikyllus (gall. 12) dem krähenden Haustier grollt: 'Du hast uns das
Gelage gestört und die Tische umgeworfen.'^) Aus derselben Stelle
des 'Hahns' stammt die Bezeichnung des TtXovrog als vTtrjveßiog
(nav. 46). Wenn Timolaos sagt, einfacher als das umständliche Ver-
fahren des Adeimantos zu Reichtum zu gelangen, sei es doch d-rjöav-
Qov VTtb rfi xXivrj zu finden, und dieser antwortet: Jawohl, ävoQCjQvx^o
&7]6avQ6g (20), so ist das eine Erinnerung an den Simon, von dem
ein Schatz von 70 Talenten vTtb tfi %XCvri xatoQaQVTixai (gall. 29).
Die Bezeichnung des Tischgeschirres als xQvöbg xoL?,og (20) kehrt
im 'Hahn' (24) wieder; der Wunderring des Timolaos, der alle Türen
öffnet (42), erinnert an die wunderbare Schwanzfeder (gall. 28).^)
Aus dem 'Hermotimos' ist es natürlich die schon durch den 'Hahn'
angeregte Stelle (71), die hier weiter gewirkt hat; so wird der gleiche
Ausdruck avaitldxtBLV vom Schaffen der Phantasie im Traume ge-
braucht und dieser erträumte Reichtum als Ksvri ^axccQCa bezeichnet
(nav. 12). Weniger bedeutet es, daß in dem gleichen Kapitel des
'Hermotimos' (71) die sprichwörtliche Wendung^) sich findet: ävd'Qaxdg
^ot tbv d-7]öavQbv ccTtocpyjvagy wie hier (26): dvd'Qaxsg öoi 6 d'rjöavQbg
£(9raf-. Im Schluß endlich des hübschen Dialoges (46) ist sowohl auf
die 'Nekyomantie' wie auf den 'Ikaromenipp' zurückverwiesen, auf
jene (16) durch den Schauspielervergleich, auf diesen (3) durch den
Vergleich mit Ikarus. Die letzten Worte zeigen recht deutlich die
in den 'Totengesprächen' ausgesprochene Tendenz; das Lachen über
die Torheit anderer ist das höchste Ziel, zumal wenn diese sich als
Anhänger der Philosophie bekennen.^) Aber sonst bezweckt dies Ge-
1) 'Avitgeipccg steht beide Male; aber mau muß das ganze Satzgefüge lesen,
um die Übereinstimmung zu erkennen.
2) Gall. 28: ccvoiysiv ... 6 xoiovxog Tt&aav Q'vQav dvvatca, nav. 42: ccTtaaccv
Q'VQCcv TCQoaLovtL iiOL ävolytöQ'ai.
3) Vgl. Otto, Sprichwörter u. sprichw. Redensarten der Römer, Lpz. 1890, S. 76.
4) Tb ysXdaoci iidXa rjÖEcog i(p' olg vnstg r^r^aatE TOiovtoig ova, nal tavtcc
(pLXoaocplav inaivovvtsg.
Das Schiff. 339
sprach mehr einige märchenhafte Züge in anmutiger Plauderei zu-
sammenzusetzen; es steht in einer gewissen Parallele zum Thilopseu-
des', während der 'Toxaris' der Beziehung zur Philosophie und zu
Menipp dann ganz ermangelt.
Es ist lehrreich, an diesem Dialog, der doch noch einen philoso-
phischen, menippischen Gedanken enthält, zu sehen, wie Lucian sich
der menippischen Form wieder allmählich entfremdet. Denn wir haben
Indizien, um seine Zeit zu bestimmen. Samipp sieht sich in seinen
Wünschen als König und FeldheiT; er unternimmt einen Heereszug,
natürlich gegen Osten wie Alexander, der wohl im großen dabei als Vor-
bild vorschwe])en mag; wenn aber Lykinos darauf sagt: 'Du scheinst
mir gegen Armenier und Parther zu ziehen', so ist das zweifellos eine
Anspielung auf den Partherkrieg des L. Venis. Da dann (34) auch
Ktesiphon und Seleucia genannt sind^), deren Eroberung den Ab-
schluß des Krieges mit herbeiführte und den römischen Senat zu An-
fang des Jahres 165 berechtigte den beiden Herrschern den Namen
Parthicus Maximus zu verleihen, wird man diese Erwähnung wohl
auf Hechnung des Interesses schreiben müssen, das infolge des Parther-
krieges in Hellas für jene Orte vorhanden war. Damit gelangen wir
also ins Jahr 165, in dem die olympischen Spiele gefeiert wurden;
es war das Jahr, in dem Peregrinus Proteus den zum Fest Herbei-
geeilten das Schauspiel seiner Selbstverbrennung gab.^) Daß Lucian
damals auch in Olympia war, hat er in der Schrift über Peregrinus
berichtet. Sollte es nun ohne Bedeutung sein, daß als wichtigste
Nachricht, die jemand in die Feme melden möchte, die Tatsache an-
gegeben wird, wer in Olympia den Sieg davongetragen? Timolaos
mit seinen erträumten Wunderringen sagt (44): 'Dann würde ich die
Natur der Sterne, des Mondes und der Sonne leicht erkennen, ohne
von dem Feuer zu leiden und was djis angenehmste wäre, ich könnte
am selben Tage noch nach Babylon melden, wer in Olympia gesiegt
hat, und wenn sich's so träfe, in Syrien frühstücken und in Italien
zu Mittag essen.' Wir s;ihen schon friilirr'), daß LuciHn durch solche
1) Dm ilberaieht WaMinannsdorf (■. oben S. 16) S. 16, wenn er 101 oder
Auiigan^ 1(»0 als "* . it auj^ibt wegen der Anspielung auf den l'arther-
feldxug in Kuj. ^chmid, Phil. L flHUl] S. a07); übrigtMii» folgert
Fritzucho, A 2 S. dh, un<l nach ihm Richard, LykiuoHdialogo, llanihurg
1880, H 27 ^ auH der Krwühnuug der l*arth<*r, daß «ler Dialog nicht »ur
Zf'it dex Partherkricgefl gntchrieben lein könne (ne Samippi persona L. Vonnu
inluMinH«) videretur!).
2, Vgl. ubeu S 114. 8) Siebe oben S. 111 fl*.
340 Schluß.
Beziehungen auf die Situation, in der die Vorlesung stattfand, sein
Publikum zu erheitern sucht; man wird auch diese Bemerkung in dem
durch feinen Witz ausgezeichneten Dialog um so besser verstehen, wenn
man sie sich in Olympia getan denkt vor der Menge, die zusammeu-
geströmt ist, um den Spielen zuzuschauen, und für die diese augenblick-
lich den höchsten oder gar einzigen Gegenstand des Interesses bilden.
Auf das 'Schiff' folgte Ende des Jahres 165 die Satire 'die Aus-
reißer', die uns schon deutlich veri'ät, daß Lucian Motive, die er bei Me-
nipp gefunden hat, nicht mehr ordentlich zu verarbeiten vermag ^), dann
als Ausläufer dieser Gattung die 'Totengespräche' ^) und die etwas anders
gearteten 'Saturnalienschriften'. Ungefähr auf fünf Jahre drängt sich
diese ganze Schriftstellerei in menippischem Sinne zusammen. Eröffnet
ist sie mit Nekyomantie', 'Ikaromenipp', 'Hahn', dann fügten sich von
selber die aus gleicher Vorlage entstandenen Dialoge wie 'Niederfahrt',
'Charon', 'Widerlegung des Zeus' usw. an. Auch die letzten erkennen
wir deutlich; auf den 'Doppeltverklagten' folgten die 'Versteigerung
der Lebensarten', der 'Fischer'; und 'die Ausreißer' machten den Be-
schluß. Aber in dieselbe Zeit fällt auch der 'Timon', der 'Hermo-
timos'^) und die beiden Dialoge zur Verherrlichung der Panthea.
Es ist, wenn man den Fleiß ansieht, eine erstaunliche Leistung, die
in gewisser Weise an Ciceros philosophische Schriftstellerei erinnert.
Erleichtert wurde sie wie bei diesem durch die Routine, mit der er
schließlich die Dialoge verfaßte; er scheut sich nicht ihnen die gleiche
Gestaltung zu geben, Szene im Himmel, Wanderung zur Erde, Szene
in Griechenland; ob Plutos, Dike oder die Philosophie, es ist das
gleiche Schema, nach dem er schafft; und Wiederholungen selbst im
Wortlaut werden nicht gemieden. Um das zu verstehen, muß man
im Auge behalten, daß wir es mit einem wandernden Sophisten zu
tun haben; er zog herum von Land zu Land, von Stadt zu Stadt,
bald nach Olympia, bald nach Athen, dann wieder nach Macedonien,
nach lonien und Syrien, das Publikum wechselte beständig, und kehrte
1) Siehe oben S. 321. 2) Siehe oben S. 195. 214.
3) Daß dem ^Hermotimos' Philosophendialoge vorausgegangen sind, beweist
deutlich die Charakteristik, die dort (51) Lykinos erhält: vßQtaxi^g äsl av, -nccl
ovK olö' 6x1 7tcc%'iüv [iLGstg (piXo6ocpiav v.cd ig rovg (piXoco(povvtag ccTto-
ajctontsig. Das stimmt zu den Beobachtungen, die wir betreffs der Überein-
stimmung mit andern Dialogen gemacht haben (s. S. 269. 332). Auch die Zeit-
angabe (c. 13) lehrt ja, daß Lucian etwa 40 jährig ist, so wie er es bei der
Abfassung des 'Doppeltverklagten' etwa sein muß, wo er die Dialoge verteidigt,
die er fast 40 jährig geschrieben hat. Vgl. Hofmann, Krit. üntersuchg. zu Lucian,
Progr. Nürnberg, 1894, S. 26 ff.
Überblick über Lncians Satiren. 341
er an dieselbe Stätte zurück, so war die Erinnerung an Einzelheiten
seiner letzten Vorlesung längst entschwunden und höchstens der Ge-
samteindruck geblieben.
Wer die Analyse der menippischen Schriften Lucians verfolgt
hat, wird sich kaum noch wundern über die eigentümliche Erschei-
nung des Autors, dessen satirisches Talent, wie Bruns sagt^), ziemlich
rasch in einigen gelungenen Schöpfungen verpuffte, wärend die Galle
zurückblieb und eine ganze Reihe von Invektiven erzeugte, die sich
nur noch episodisch zu der einstigen satirischen Höhe erhoben.
Phantasie und Witz reichten bei ihm nur für Einzelheiten aus, aber
nicht zur selbständigen Komposition einer Folge von Szenen. Man
sieht sehr deutlich, daß das Verkürzen seiner Vorlage und die Ge-
staltung einzelner kleiner Teile daraus ihm weit leichter geworden
und besser gelungen ist als das Zusammensetzen verschiedener Stücke
wie im 'Fischer' und in den 'Ausreißern'; wo er notgedrungen, weil
der Stoff so nicht paßte, stärker von seinem Original abweichen mußte,
hat der Flug seiner eigenen Phantasie bald versagt. Aber er würde
auch nicht einzelne Spaße, wie den Flügelwagen des großen Zeus oder
das goldene Seil, an dem dieser die Erde emporzieht, so oft wieder-
holt haben, wenn sein eigener Witz sprudelnder und ergiebiger ge-
wesen wäre. Mit Recht gibt er die Komödie und Menipp als seine
Quelle und Hilfe an*); ohne sie hätte er keinen einzigen der satirischen
Dialoge verfaßt, sondern höchstens den 'Hermotimos' geschrieben.
Ob der unmittelbare Einfluß der Komödie für unsere Satiren sehr groß
gewesen ist, muß man dabei noch sehr in Frage stellen; oft wird
sie nur durch Menipp auf ihn gewirkt haben. Sehr richtig urteilt
C'roiset^): 'L'influence d<* Tancienne comedie sur Lucien est insoparable
de la sienne et on ne saurait distinguer entre Tune et Tautre.' Menipps
literarische Produktion ist aber nicht all zu groß gewesen*), und sicher-
lich ließ sich nicht alles von ihm vier Jahrhunderte später noch ver-
wenden. Als er keinen Stoff zur Nachahmung mehr bot, hat Lucian
sich von ihm abgewandt und diesem ganzen Genre Valet gesagt.
Eben dieses plötzliche Abgehen von einer so emsig gepflegten
Litemturgattung ist der deutlichste Beweis dafür, wie eng er sich
vorher an Menipp nngeschiossen, wie er in ihm allein seinen Halt
und seine Anregung gefunden hat.
1) I. Bruns, Vortrftge und Aufnatzo, München 1006, 8. SS7.
2) Pi«c. 26 bii acc. 88.
.Tf llistoiro de la littüraturo grocquo V (Parin 1899) 8. 610.
4; Diog. Laeri. VI 101: tä Ö* oiv tot nvpmot ßipUa icxl $t%t(tQla.
342 Schluß.
So sind wir wohl berechtigt, die Charakteristika dieses für uns
leider verschollenen Schriftstellers aus Lucian herauszuschälen. Wir
beobachteten zunächst all die Kunstmittel, deren sich auch dio kynische
Diatribe bedient hat, um das Interesse der Zuhörer wachzuhalten und
immer aufs neue zu erwecken.*) Zu dem Zweck sind zahlreiche Ver-
gleiche, die an und für sich packend sind, angebracht, besonders
häufig, um den gleißenden Schein äußerer Pracht und Glückseligkeit
als trügerisch zu erweisen; oft sind sie in längerer Schilderung aus-
geführt und bilden kleine Bilder für sich. Ob man jedoch Tyche
als Ordnerin im Festzug oder die Parallele mit dem Schauspieler, ob
man die Schilderung der Kolossalstandbilder mit Stangen, Nägeln und
Mäusen im Innern oder den Vergleich des Erdenlebens mit den rasch
zerplatzenden Wasserblasen betrachtet, man kann sich nicht verhehlen,
daß der Gedanke und seine Darstellung etwas Fesselndes oder Er-
greifendes hat. Gerade die Vorliebe, in die niedere Sphäre hinab-
zusteigen, im Gegensatz zu der angemaßten Herrlichkeit der Menschen
von Lumpen und Mäusen zu reden, ist wirksam mit Hilfe der
sich dabei ergebenden Komik die Vergänglichkeit alles Irdischen
zu lehren. Demselben Zweck dienen die Beispiele, die feste Be-
standteile dieser Literatur geworden sind. Für jede Gattung von
Menschen existiert ein typischer Name, der alles sagt. Der reiche
Krösus, der schöne Achill oder Nireus, der häßliche Thersites, der
Bettler Iros sind allbekannt und rufen schon durch ihre Nennung eine
Fülle von Vorstellungen wach, deren Endresultat immer das eine ist:
Es lohnt sich nicht, soviel Gewicht auf das Dasein und seine äußeren
Formen zu legen; schön oder häßlich, reich oder arm, stark oder
schwach, alles hat ein Ende; auch jene Personen leben nur noch in
ihren Namen, und alle Verschiedenheiten sind ausgeglichen. Diese
typischen Figuren sind zum Teil der Mythologie entnommen. Aber
noch in anderer Weise hat die kynische Schriftstell erei wie auch die
Komödie von den alten Sagen Gebrauch gemacht. Sie liebt es, das
Erhabene in den Staub zu ziehen und der Lächerlichkeit preiszugeben,
weil nichts mehr geeignet ist, den geringen Wert alles Irdischen zu
zeigen. So werden die ehrwürdigen Erzählungen der Vorzeit umgedeutet
und travestiert. Man denke etwa an die Szene in Plautus' Bacchides
(IV 9), in welcher der verschmitzte Sklave Chrysalus seine Situation
mit der Eroberung Trojas vergleicht und Handlung und Personen
1) Siehe Wendland, Philo und die kynisch-stoische Diatribe, Beitr. z. Ge-
schichte d, griech. Phil. u. Religion, Berlin 1895, S. 3 ff.; v. Wilamowitz in Die
Kultur der Gegenwart I 8 S. 97 f.
Charakteristika der Satire Menipps. 343
bis ins einzelne auf seine Lage überträgt. So werden Ikarus und
Dädalus mit ihrem verschiedenen Schicksal das Muster für die Reichen
und die Armen; Orpheus', Herakles' und Odysseus' Niederfahrt wird
parodiert durch Menipps Unterwelts Wanderung, der grause Charon
wird zur komischen Figiir und Tiresias zum Sehalk. Die Götter alle
müssen herabsteigen von ihrem hohen Piedestal. Es gilt ja alle Dinge
umzuwerten, getreu dem kvnischen Spruch: TtaQaxaQcc^ov t6 vo^iö^ia^),
alles Hergebrachte in Glauben, Anschauungen, Lebensauffassung und
Sitte von Grund aus umzukehren.
Das bunte, lebhafte Bild, das die kynische Darstellung bot, wurde
aber noch wesentlich verstärkt durch eine besondere Neigung zum
Zitieren. Was Eigentum des Volkes geworden war an Lebensweisheit,
Sentenzen, Aussprüchen bekannter Männer und Versen berühmter Dichter,
wird herangezogen, um das Interesse des Hörers zu erhalten. Es ist
kein Zufiill, daß wir immer wieder auf Homers und Euripides' Spuren
wandeln, wenn wir die angeführten oder benutzten Dichterzitate durch-
mustern. Bei diesen zahlreich eingestreuten poetischen Bruchstücken
fühlt man sich lebhaft an E. Th. A. Hoffmaons Worte aus dem 'Kater
Murr' erionert: 'Verse sollen in dem in Prosa geschriebenen Buche
das leisten, was der Speck in der Wurst, nämlich hin und wieder in
kleinen Stückchen eingestreut, dem ganzen Gemengsei mehr Glanz der
Fettigkeit, mehr süße Anmut des Geschmacks verleihen.' Aber diese
Verse sind nicht nur zur Bestätigung irgend einer Weisheit heran-
gezogen, sondern wie die Götter parodiert werden, so sind auch die
Heroen der Dichtkunst heruntergerissen von ihrer Höhe, ihre Worte
werden auf minderwertige Dinge bezogen, durch kleinere Änderungen
zurechtgestutzt und so auf ganz anders geartete Situationen um-
gedeutet. Und was charakteristisch für Menipp ist, diese poetischen
Stücke werden nicht nur verwandt als Zitate, auch nicht nur gelegent-
lich den redenden Personen als integrierende Bestandteile ilirer Rode
in den Mund gelegt, sondern sie dienen zur Darstellung der Handhnig
selber, so daß dadurch (bis eigentümliche Zwitterbild entstand, von
dem Lucian den Dialog sagen laßt: oijte TC^iög elfit ovt" ini xdv
ahQ(ov ß^ßtjxu. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Menipps an das
Volk sich wendende SchriftstelleriM diese i^iigenart dem volkstümlichen
Gaukler und Mimen abgelauscht hat, der damit auf den Straßen die
Menge zu fesseln wußte.
l) fliehe Diog. L. VI 20 (tind die Anmerkung bei Hahner), 8nid. s. y. Dio-
geneit, VVclier, Leips. 8tud. X UU tf.
344 Schluß.
Das Vorbild dieser Menippischen Schriften war die Komödie, und
das macht es ja so schwer, bei dem Nachahmer zwischen den beiden
Einflüssen zu entscheiden. In einem Fall, der zfioysvovg TtQäöLg^
konnten wir auch in dem Satjrdrama das Muster entdecken. Jetzt,
wo uns durch das Verdienst vonH. Reich und einen glücklichen Fund der
Mimus näher gerückt ist^), könnte man geneigt sein, auch ihm eine Ein-
wirkung auf die Motive der Menippischen Satire zuzugestehen. Daß der
griechische Mimus, d. h. ein zusammenhängendes Drama dieses Namens,
auch in vorchristlicher Zeit schon einige Bedeutung gehabt hat, zeigt
sicher seine Nachahmung bei den Römern.^) Aber doch ist es mißlich,
eine unbekannte Größe, von deren Umfang und deren Aussehen
im 3. Jahrhundert v. Chr. wir uns keine Vorstellung zu machen ver-
mögen, an die Stelle der bekannten zu setzen.^) Denn die Spuren
der alten und mittleren Komödie können wir mit Händen greifen.
Daher die Parodierung der Götter, daher der Hang zum Märchenhaften,
der Flug ins Fabelreich. Aristophanes^ Dramen mit der lustigen Fahrt
des Trjgaios gen Himmel, der komischen Reise des Dionysos zum
Hades, Eupolis' Stück mit den für kurze Zeit vom Totengott beur-
laubten Staatsmännern und ähnliches weisen uns den richtigen Weg
für Lucian wie für Menipp. Diese Neigung zum Phantastischen als
Eigenschaft Menipps erweisen auch die kärglichen Überreste der Varro-
nischen Satiren. Der Verfasser fühlt sich nicht an Raum und Zeit
gebunden, für ihn gibt es keine Unmöglichkeiten, und das unbegreif-
lichste wird hier Ereignis. Etwas Phantastisches haftet auch den auf-
tretenden Personen vielfach an, Allegorien werden zu Lebewesen und
bewegen sich unter den Sterblichen wie ihresgleichen. Die Philosophie,
die Stoa, die Dike, die Hedone, die Schwelgerei, die Tugend, die ver-
schiedensten Gewerbe, die Rhetorik und der Dialog agieren auf dieser
Bühne, wie in der Komödie die Eirene oder der Elenchos.
Es war ein buntes Bild, das sich hier aufrollte, und des Komischen
viel; aber man täte unrecht, wenn man sich Menipp nur als den Possen-
reißer vorstellen wollte; dann hätte der ehrenhafte Römer Varro, der
1) Vgl. OxyrLynchns Papyri HI (1903) S. 41 ff.
2) Vgl. oben S. 30.
3) Sehr groß und einflußreich kann ich mir den Mimus nicht vorstellen,
solange die Komödie noch blühte und Philemon die Augen noch nicht ge-
schlossen hatte; Mark Aurel XI 6 sagt, ähnlich wie Libanius über den Panto-
mimus (s. S. 368), zuerst seien Tragödien aufgeführt worden, dann die alte Ko-
mödie, weiter die mittlere und die neue, ^ -ncct' oXiyov (d. i. allmählich) inl n)v
ix ftfcftijöftog cpilotaxviav vTtsQQvri (vgl. Reich, Der Mimus, Berlin 1903, I S. 56).
Menipps Vorbild. Gehalt seiner Satiren. 345
so oft für die alte Zeit mit ihren guten Sitten eintrat, gewiß nichts
in ihm gefunden, was ihn zur Nachfolge gereizt hätte. Bloße Bur-
lesken dürfen wir von ihm nicht erwarten; er hat den Namen des
6710V doysloLog verdient.^) Wir können noch jetzt sehen, es war ihm
Ernst damit, seine kynischen Wahrheiten in der heiteren, oft spotten-
den Form den Menschen eindringlich zu predigen. In einer Satire
pries er die Armut als das beste Los. In dem 'Verkauf des Dio-
genes' lehrte er, was wirkliche, was scheinbare Freiheit und Un-
freiheit sei; es ist die Mahnung, daß der Mensch frei sein kann
und wenn er in Ketten geboren wäre, und an dem Heros der kyni-
schen Sekte ist die Theorie in die Praxis umgesetzt und das kynische
Ideal der eX€vd-€QCa als möglich erwiesen. Die ^Nekyia' führt uns
mit krassen Zügen das Jenseits vor Augen und ruft uns warnend zu,
die Güter dieser Welt nicht mehr zu achten, als sie wert sind, nicht
nach Ehren und Ämtern zu geizen, als freie Persönlichkeiten uns aus-
zuleben: 6 TCiv LÖicorav ßCog aQLötog. Da hatte der Spötter über das
vergängliche Eintagsleben des Menschen^), wie ihn Mark Aurel nennt,
Gelegenheit, sich zu offenbaren. Und die Fahrt gen Himmel protestiert
gegen die herkömmliche Auffassung der Götter, wie sie im Volke lebt
und die Gottheit zum Abbild der Menschen mit all ihren Torheiten
und all ihrer kleinlichen Gesinnung erniedrigt. Eine andere Satire
mag gegen die verschiedenen philosophischen Richtungen und die
Überschätzung menschlicher Erkenntnis zu Felde gezogen sein, um zu
zeigen, daß von aller Wissenschaft die Moral allein Wert habe und
die Tugend das höchste sei; wie Lucian sagt (conv. 34): eyio ZQog
iptavTOV iv£v6ovv, xb tcqoj^blqov ixslvo^ djg ovöhv ofpslog i'jv äga knC-
6t(i6%fai Tcc pL((d^t'j^(iT(c^ d ^tj ng xcd tbv ßCov qvx^^ic^ol nQog to ßekriov.
Bei Menipp war Ernst, was bei Lucian zur Posse geworden ist. In
manchen Satiren war auch die moralische Lehre mit persönlicher
Invektive verbunden.
Daß von Menipps SaliMii i\»-iiir miAigf «Miinifii i>i, i>i nii l^imu» r
Verlust nicht nur für unsere? Kenntnis der alten Literatur; man darf
wohl behaupten, daß sie uns noch heute einen aufrichtigen Genuß
bereit<»n würden. So müssen wir uns an dem Bihle g('nüt^«»n lassen,
das die Kombination aus seinem Nachahmer Lucian und wenigen
andern Notizen vor uns erstehen läßt. Wie etwa die Jioyivovg XQä6ig
1) Strabo XVI 2, 29 (C 769). Vgl. Riene, Vnrr. «iit. Men. p. 9. Prftchter,
rhil. LI (18U2i S. 202.
2) M. Antonin. tlg iccvr. VI 47: a^fyv' r „ul itfr^fU^ov fAf ^»•/>«.,;,-
ntav Üa^g xlivaetai, olop Mivinnog.
346 Schluß.
ausgesehen haben möchte, haben wir oben nachgewiesen.^) Eine ganzo,
Reihe von Szenen schloß sich aneinander. Für die 'Nekyia' dürfen
wir das gleiche annehmen. Ihr Inhalt mag etwa folgender gewesen
sein: Menipp, ob im Traum oder sonstwie, wandert zum Hades; am
Eingang erlebt er die Szene mit dem entlaufenden Tyrannen und er-
hält sofort hier einen Begriff von der törichten Neigung der Menschen,
mit der sie am Leben hängen. Es folgt die Überfahrt, bei der Charon
in Homerversen gesprochen und das in der bekannten Weise ^) be-
gründet haben mag. Bei der Wanderung tat sich Menipp mit dem
geistesverwandten Mikyllos zusammen. Manchen Toten, den er kannte,
sprach er an und gewann durch das, was er sah und hörte, so recht
den Eindruck von der Vergänglichkeit alles Irdischen und von der
Verkehrtheit menschlichen Strebens und Hoifens; auch Diogenes fand
er, der ihn mahnte, möglichst bald das Leben zu verlassen, um für
immer hier unten zu weilen. Dann wohnte er dem Prozeß bei, der
den eben Herabgekommenen gemacht wurde. Endlich vernahm er
von Tiresias den Inbegriff aller Weisheit und kehrte so unterwiesen
auf die Oberwelt zurück. Das Gegenstück dazu bildete die Himmel-
fahrt, nicht minder mannigfaltig in ihren Szenen. Auf wunderbare
Weise flog Menipp zum Monde empor; kaum vermochte er die Erde
zu finden, erst der Helioskoloß von Rhodos wies ihm die Richtung;
da sah er denn wie Charon in dem Lucianischen Dialog auf das
Treiben der Menschen herab, und wie klein, wie töricht, wie böse
erschien es ihm! Selene mag ihm dann einen ähnlichen Auftrag ge-
geben haben wie im ^Ikaromenipp' ; wenigstens legt die darin liegende
Tendenz gegen die Wissenschaft das nahe. Menipp gelangte weiter
zu Zeus und hatte Grelegenheit, ihn zu beobachten und sich mit ihm
zu unterreden, wobei er den Göttervater recht in die Enge trieb.
Dann wurde die Versammlung der Himmlischen berufen, um über
diesen seltenen Fall zu beraten. Hier kann der Streit um die Plätze
gestanden haben, wie gleich darauf das homerische Gezänk zwischen
Zeus und Hera gefolgt sein mag. Die Diskreditierung des Götterhimmels
durch die allzumenschlichen Götter und die unaufhörliche Schaffung
neuer Götter wird auch hier berührt worden sein. Schließlich wurde
Menipp auf irgend eine Weise zur Erde zurückgebracht und ihm die
Möglichkeit des Wiederkommens abgeschnitten. Das aUes sind nur
Vermutungen, die im einzelnen fehlgehen mögen; aber im ganzen hat
so etwa die Satire Menipps ausgesehen; was wir ahnen können, ist
1) Siehe oben Kap. X S. 245 f. 2) Siehe S. 172 f.
Menipps Satiren. 347
ja doch nicht mehr als der Rahmen und die Umrisse des Bildes; die
einzelnen Züge sind verwischt und unkenntlich geworden. Immerhin
können wir hier noch mehr erkennen als bei den Gerichtsszenen, die
uns Lucians 'Doppeltverklagter', oder der Verfolgungsszene, die uns
die 'Ausreißer' vermuten lassen.
Menipp hat das Schicksal seiner Sekte geteilt; wie die kynische
Schule mit dem dritten Jahrhundert erlosch, ist auch er bald ver-
schollen; wenigstens in Hellas, wie es scheint. Irgend eiji Znfall
hat ihn nach Italien geführt, wo vielleicht Lucilius, sicherlich
Varro, Horaz, Seneca von ihm gelernt haben. In Griechenland hat
seine Gattung offenbar außer bei dem wenig bekannten Meleager keine
Nachahmer gefunden, bis Lucian in ihm ein geeignetes Vorbild und
eine ergiebige Quelle erkannte. Wir haben keinen Grund, die Be-
hauptung zu bezweifeln, daß er den Menipp für die Griechen neu
entdeckt, wie er sagt, ausgegraben habe. Er war nicht Philosoph und
nicht Kyniker, wohl aber Sophist und ein geschickter Literat, der
sein Publikum zu packen suchte. Die Neigung zum Spott, die ihm
innewohnte, die Freigeisterei und der Widerwille gegen wirklich ernste
Philosophie fanden Berührungspunkte in den unbekannt gewordenen
Schriften. So benutzte er den glücklichen Zufall, der sie ihm in die
Hände spielte, um sie zu bearbeiten und aufs neue schmackhaft zu
machen. Er selber verdankt diesem Versuch seine Unsterblichkeit in
der Geschichte der Weltliteratur; Menipp aber war's beschieden, als
seine Sekte wieder, wenn auch in veränderter Gestalt, frische Keime
trieb und zu neuer Blüte gelangte, auf diese Weise ebenfalls verändert
ans dem Grabe zu erstehen und sich in den Werken seines Nach-
ahmers eines ewigen Lebens zu erfreuen.
Anhang I.
Über die Trauer' und Von den Opfern'.
Zwei Diatriben, ganz in kynischer Art gehalten, stehen in naher Be-
ziehung zu den menippischen Schriften Lucians, die Schrift *über die
Trauer' und die Von den Opfern'. Die erste ist gleichsam ein Anhang
zu den *^Totengesprächen' und hat auch noch eine Spur des Menippischen
erhalten in der Verwendung des Homerverses (IL XVI 502) am Schluß
der fingierten Rede des Toten (20), sowie in dem Witz, der an mehreren
Stellen hervorbricht. Der Trauernde, heißt es (15), brauchte nicht zu
rufen: selbst wenn er mit Stentorstimme schriee, würde der Tote es nicht
hören; und in der Antwort des Toten: Ich hätte über alles, was ihr tatet
und sagtet, laut loslachen mögen, hätten mich die Leinwand und die
Wollbinden nicht gehindert, mit denen ihr mir die Kinnbacken zugeschnürt
habt (19). Witzig ist die Bemerkung, daß man den Toten einen Obolos
mitgibt, ohne zu wissen, welche Münze denn eigentlich in der Unterwelt
Geltung hat (lO). Endlich wird die Kunde von dem Lethestrom auf die
Mitteilungen von Alkestis, Protesilaos und andern zurückgeführt, die aus der
Unterwelt wieder emporgestiegen sind, aber offenbar nicht daraus getrunken
hatten; denn sonst würden sie ja keine Erinnerung gehabt haben (5).
Anlehnungen an andere Schriften Lucians zeigen sich genug, wie
gleich die Aufzählung der an die Oberwelt Zurückgekehrten eine An-
spielung auf ^ Totengespräch' 23 enthält. Für unerträglich (acpoQrjra) (l)
halten die Überlebenden ihr Leid, nichts für unerträglich zu halten emp-
fiehlt Menipp (Totengespr. 26, 2). Die eigentliche Auseinandersetzung der
Totenbräuche wird abgebrochen, um erst die volkstümlichen Anschauungen
über das Jenseits auszuführen; das geschieht durch Innehalten mitten im
Satz: fiäXlov 6s itQoxsQOv ei^eiv ßovXofiai, (l). Lucian neigt zu diesem
Kunstgriff, die Spannung zu vergrößern^); genau ebenso bricht er mit ^äkXov
Ö£ mitten im Satz ab in der Erzählung des ^Ikaromenipp' (3); in andern
Dialogen wie ^Nekjomantie' (2) und ^Hahn' (8) läßt er die Störung durch
den Mitunterredner hervorrufen mit jm,'^ tzqotsqov siTtrjg . . . tiqlv oder tiqo-
T8Q0V öirjyrjöcci,. Die Ausführung der religiösen Anschauungen geht aus
von Homer und Hesiod (2), wie z. B. in der ^Nekyomantie' (3). Die
Welt dort unten ist dunkel, ^og)8Q6g (2); drum ruft Mikyllos in der ^Nieder-
fahrt' (22): ro ^Hqu^Uig rov ^ocpov}) König ist Pluton, für den die Ety-
1) Das Vorbild ist auch hier Platon, vgl. symp. 173E.
2) Auch Totengespr. 21, 1: bTtsl öh xarsyivtpsv daco rov %a.6{iatog %ca stda
tov ^öcpov, wo sich auch das ji^cco^u findet, wie de luctu 2.
'über die Trauer'. 349
mologie von nkovreiv gegeben wird (2), wie er im 'Timon' (21) TtlovTO-
doTTig heißt. Der Kokytos und Pyriphlegethon werden genannt (3) wie
im X'haron' (6); wenn der Achei-usische See für undurchschwimmbar er-
klärt wird (3), so erinnert das an den scherzhaften Versuch desMikyllos in der
'Niederfahrt' (18). An dem Tor wacht Aakus (4j, wie er im 'Totengespräch'
20 deshalb zur Herumführung dienen muß^) und in der 'Niederfahrt' (4)
die ankommenden Toten nachzählt. Wenn es heißt, der Kerberos belle
diejenigen an (4), die versuchen davonzulaufen, so denken wir dabei an
die beabsichtigte Flucht des Tyrannen in der 'Niederfahrt' (4). Die
große Wiese, welche die Verstorbenen aufnimmt (ö), stimmt zu der auf
der Insel der Seligen in den 'Wahren Geschichten' (II 14); der gesamte
Ausdruck aber ist aus der 'Nekjomantie' (ll) übernommen.^) Unter den
Gehilfen des Pluton werden 'EQLvvsg re xai UoLval kul OoßoL genannt (6),
wie in der 'Nekyomantie' (11) die TIoLval Kai ^AXactogeg yiccl 'EQLvveg erwähnt
sind. Auch die beiden Richter Minos und Rhadamanthys (7) kennen wir
Ja aus der 'Nekyomantie' (11) und 'Niederfahrt' (23); selbst der Ausdnick
bei der Darstellung des Gerichts ist aus der 'Nekyomantie' genommen.^)
Die Guten werden ig rb ^HXvölov tceölov gesandt (7) wie im 'Toten-
gespräch' 30, 1, TW a.QL6x(ü ßicü övvsöo^Evoi^ wie es ähnlich in der 'Nieder-
fahrt' (24) heißt: zotg aglatoLg övvsöo^evog. Die Aufzählung der Martern
(8) stimmt überein mit der in der 'Nekyomantie' (14); an beiden Stellen
wird auch Tantalus erwähnt. Die Darstellung desselben ist aber, wie
der Ausdruck und die ironische Behandlung der Sage zeigt, aus dem
'Totengespräch' 17,1 genommen."*) Auch die Erwähnung des Obolos (10),
der dem Leichnam in den Mund gegeben wird, iTift die Erinnerung an
die 'Niederfahrt' (18, 21) und die 'Totengespräche' (22) wach.
Des weiteren wird die Klage der Eltern geschildert und die Torheit,
die sich darin äußert, daß man mit dem Toten allerlei Gegenstände oder
Tiere verbrennt, die ihm im Leben vertraut waren (14); die Stelle er-
innert an eine ähnliche im 'Nigrinus' (30).^) Der Verstorbene würde auf
all das erwidern, wenn er es könnte, nachdem er sich von Aakus die Er-
1) Dial. mort. 20, 1: olöa taöra xal ah ort nvlcogslg.
2) De luct. 6: ntQCcioa&^vTas . , . . Xinivav VTtoÖt^rccL [li^ai uo AatpodiXco
%axdtf>vxoiy necyom. 11: TiQhg kti^wvu ^i^yiaTov (Vqpixrot»/U'ö"a tc5 ccatpodiXo} xccra-
(pvTov. Daß der Xet^mv ebenso wie daß azöfiiov (lü) auf Piatons Mythus am
S<liliiß der Republik hinweist, brauche ich nicht erst zu sagen.
-i) De luct. 8: &v di rivag xtbv novriQibv Xdßcaai,^ rati 'Effivvai nuQaddvrsg
fs luv T&v iasß&v x^QO'*' ion^finovoi %axä Xoyov rfis dÖmiag xoiaff^^tfofii-
vovtf, necyom. 12: & Ö' ovv Miviog inifitXai i^ftä^iov icninuntiv ^%ugxov ig xi>v
xCav ^tatßdav x^Q^^ di%r]v vtpi^ovxu %ax' cc^iav xtov texoXiituLivmv.
1) De luct, 8: ri ^h yuQ TävxaXog in' avxfi tf) Xluvy ofuo^« fVm]XC mvdv-
' I' hnb xov diil'ovg 6 xuxodaiutov uno^avHv, dial. mort 17, 1: xi ütavxbv
>, inl xff Xliivy iaxii>s;, 17, 2: Aidiag fii} ivötiit xov Troroß ano^üvyg.
b) Do luct. 14: noaoi yiiQ xuX tnnovg xal naXXccxidug^ oi Ah xui oivoxöovg
fnmttxiotpaiuv xal ia^fjtu xul x6v dXXop %6a^ov ov/xar^tpilf ^ttf ii avyxctX"
Aqv^uv, Ni^r. 80: %u\ avyHuxoQVXx ^ip iavxolg i^io^at xug ätia&iag . . . . ol
Hhv ia^f/xag iavxütg ntXtvoyxtg avyinaxatpHytc^atf oi Ö' aXXo ri x&r ^«^a
xbv ßiov xtnitoVf oi dl nul nuQaniptiP tivag oinhag totg td(poig.
350 Anhang I. 'Über die Trauer', 'Von den Opfern'.
laubnis erwirkt, für ein Weilchen aus dem Schlünde emporzutauchen ; der
Ausdruck TtaQaLxetad-aL kehrt in dieser Situation im 'Charon' (l) und
^Fischer' (4, 14) wieder.*) Diese Erwiderung des Toten wird dann fingiert;
darin findet sich der Spott auf die Kleider und Speisen für den Toten
mit Anspielung auf die eben erwähnte Behandlung der Tantalussage.^)
In der Disponieruug der Hede des Toten wird zum Übergang gebraucht
(18): Kai zama ^sv Löutg (litQLa, ein Ausdruck, der zu gleichem Zweck
de merc. cond. 35 und de sacrif. 14 vorkommt. Der Tote hält sich dann
über Totenopfer, Bekränzen der Steine und dergl. auf (19), wie das Charon
in dem gleichnamigen Dialog (22) tut^); ebenso werden die Grabmäler
in gleicher Aufzählung in beiden Schriften für töricht erklärt.^^ Der
Schluß endlich klingt im Ausdruck an den 'Nigrinus' an.-'') Daß der Geist
und die Tendenz des Ganzen, gegen Wahn und die darauf beruhenden
Gebräuche vorzugehen, ganz im Sinn der menippischen Schriften und der
^Totengespräche' Lucians ist, bedarf keines Wortes. Die Übereinstimmungen
aber mit den übrigen Werken des Satirikers passen so völlig zu den Be-
obachtungen bei den echten Satiren, die ebenso einen nicht allzugroßen
Kreis immer wiederkehrender Gedanken und Motive zeigen, daß es völlig
ungerechtfertigt ist, mit Bekker und Sommerbrodt diese Diatribe für un-
echt zu erklären.
Nicht anders steht es mit dem kleinen Vortrag ^über die Opfer', der
sich inhaltlich mit der 11. Rede des Maximus von Tyrus berührt. Auch
hier ist der kynische Gedanke gleich im Beginn hervorgehoben: Niemand
ist so traurig oder bekümmert, daß er nicht über die Torheit der Men-
schen bei den Opfern lachen müßte (l). Auch hier zeigt sich der Lucia-
nische Witz, wenn er sich die Göttin Artemis vorstellt, wie sie, während
die übrigen Götter eingeladen sind, darüber grollt, daß sie daheim bleiben
muß (l), oder das Opfer als ein Kaufgeschäft ausmalt (2) und als Beweis
für diese Auffassung den Chryses und seine Vorwürfe gegen Apoll ^) an-
führt (3), oder wenn er bei Schilderung der Verhältnisse im Himmel an-
fängt in Versen zu reden mit der Begründung: itqiitBL ydq^ ol^iai,, avco ovxcc
1) De luct. 16: nccQccLtriad^svog xov Alaxbv xccl tbv k'Cöcovicc ngbg öXlyov^
pisc. 4: TfccQccLzriodiisvoL n^bg öXlyov tbv kcdcovia. Vgl. S. 297 Anm. 4.
2) De luct. 16: ö^diccg ^rj tovtcov iväsijg ysvo^svog asrdXco/iat, vgl. die oben
(S. 349 Anm. 4) zitierten Worte aus 'Totengespr.' 17, 2.
3) De luct. 19: XL dh 6 vTthg xov xdcpov XiQ^og i6xsq)avo3[i^vog; ri xi v^ilv
dvvccxccL xbv cc'kqccxov inixstv'^ rj vo^i^sxs yiaxccoxd^siv avxbv ig ij^mv , etwas
weiter: iyixbg st ybi] xrjv onodbv rj^iäg cixslaQ-cci Ttsitiaxsvv.ccxs , Char. 22: xi ovv
iy.slvoi GxscpavovCi xovg liQ'ovg yiccl xQt-ovaL [LVQa}\ ol dh ■nccl . . . olvov v.aX \isXi-
TiQccxov . . . itix^ovaiv; worauf Hermes erwidert: nsnLöxsv'uccoi. yovv xdg tpvxccg
.... JtivSLV . . . t6 ^sXi-KQccxov.
4) De luct. 22, Char. 22: ;^rafiara . . . yiul Ttvgafiidsg Kai GxfjXai.
5) De luct. 24: xavxa v.al tcoXv xovxcov ysXoLOXSQa svqol XLg av, Nigr. 35:
xavxd X8 Tial tcoXXcc Exsqa xoiavxa disXQ'div naxiTCavas xbv Xoyov, 22: noXv öh
Tovxcav . . . ysXoLoxsQOL (vgl. 24).
6) Dasselbe Beispiel hat Maximus Tyr. 11 2, um dann fortzufahren: xl
Tavra, to 7toirix&v agLOxs; Xi%vov v.a\ dcoQo86y.ov xb %'siov yial piriShv äiacpsgov xcav
TtoXXmv dvd'QcoTtcov ;
Beziehungen zu anderen Schriften. 351
fiiyalrjyoQeLv (9). Auch hier ist in raenippischer Weise ein ganzer Homer-
vers (n. VI 150 XX 213) mitten im Satz verwandt (14).
Daß das Ganze etwas altersschwach ist, wird man ohne weiteres zu-
geben können; statt die Torheit und Unraoralität der Opfer auszuführen,
schweift der Schriftsteller bei der Erwähnung des Chryses und Apoll
sofort ab und erörtert die Vorstellungen, welche die Dichter von den
Göttern verbreiten, wie in der vorher besprochenen Rede die von der
Unterwelt. Man sieht dabei, er lebt in den Gedanken, die er auch in
anderen Werken ausgesprochen hat, und scheut sich nicht, ganz seiner
Art entsprechend, sich zu wiederholen. Gleich zu Anfang erinnert das nokv
ye olfiai TtQoiEQOv . . . . rcgog iavzbv i^sraöeL (l) und ebenso das Ta-öra
fLSv öi} i'a(og (iSTQLa gegen Ende (14) an Eigenheiten, die wir eben her-
vorhoben. Die Schilderung der grollenden Artemis (1) stimmt zum 'Sym-
posion' (25) und 'tragischen Zeus' (40)^). Unter Apolls Liebschaften
(4) sind Daphne und Hyakinth zusammengestellt wie im 'Göttergespräch'
14, wie auch der Ausdruck direkt daher genommen ist.^) Der Dienst
bei Admet und Laomedon (4j ist hier wie in der 'Widerlegung des Zeus'
(8) erwähnt, und auch Hephaistos und Prometheus (5) werden als Bei-
spiele für die törichten Fabeln der Dichter hinzugefügt wie dort; wenn
dabei als erschwerend hervorgehoben wird, daß die Dichter dazu erst
die Musen anrufen, so erinnert auch das an den Anfang jener Schrift (l).
YVlt Zeus' Verwandlungen kehren die Ausdrücke wieder aus den 'Götter-
gesprächen' 5,2 und 16,2.^) Die Geburt der Athene und des Dionysos (5)
sind hier zusammen aufgeführt, wie sie im 'Göttergespräch' 8 und 9 auf-
einander folgen. Bei Hephaistos wird an seinen Sturz und an seine Lahmheit
erinnert (6) mit Ausdrücken, die uns an 'Göttergespräch' 15, 1 und an die
* Widerlegung des Zeus' (8) gemahnen*); und wie an dieser letzten Stelle
als Steigerung das Schicksal des Prometheus angeschlossen wird, so auch
hier, während der Ausdruck sich an 'Prometheus' 9 anlehnt.^) llheas
1; De sacr. 1: tfjg kgriiiiÖog usfitpiUOiQOvOris, ort j*^ ituQsXijtpd^ri Ttgös
xi]V d-valav vnb xov Olvioag xai iioi fioxät dgäv wbriiv iv rr5 ovquvco x6rs
fi6vriv Twr &XX(ov d^siov ig Olvicag ntnogsviiivcav, conv. 25: 6'i/^ei yccg x«J rijv
'/iQTffiiv dc/ava-KTOvoav, ort n6vr}V aiiziiv ov nKQiXcc{iiv i%itvog M tj]v O'v-
alav Tovg iiiXovg ^sovg (gtiüjv, lupp. tr. 40: i%hivr\ (leiLtpiiioigog oioa
i]'f<xvd%xr]aiv ov xXrid'sloa i(p' iatiaaiv vnb xov Oiviiog.
2j De aacr. 4: ntgl rovff Icgtoxag iÖvaxvxr\akVy dial. droi lt. 1 : dvoxv%di iv
xolg igtoxinoTg.
8) De «acr. ri: ägxi (ihv 6 ytvvüdag yiyv6\Lhvog xqvou^ , ,^... Sh xavgog i]
nv*vos 1} Scitög^ dial. deor. 6, 8: xqvöIov i) adxvgog T/ xavgog ysvo^ievog^ 16, 2:
xa^Qog ri x^vog ytv6iiivog.
4) De »acr. 6: ßdvavoov xal x^^^^^ ^^^ nvQlxr]v .... nai önn'd^yjgatv
ivanXetov ola 6i} nufiivtvxriv xwl ovdh &qxiov xu) nödt, dial. deor. 16, 1:
%(oXbv whxbv bvxa xal xaXuia ...ig rriv xufiivov inixfKvtpota, lupp. cunf. 8t
XtaX6g iaxi %al ßüvuvaog xig nai nvgixjig xfiv xixvt]V.
6) De ■acr. Ü: xof>xov ig xijv L^vf^iav &yttyu}v 6 'Aivg ScpMötavQaüiv inl
roO Kavndaov xal xbv &»xbv avxm nagaKaxuaxi^aag rb tjTntg barmiQat xola-
ilfovxa^ I'niiii. tf: xal axuvgohg nal Kavxacov oXop imvottv nal Attohg %a-
xuTtinnttv nui xb rinaQ innoXdxrnv.
352 Anhang I. 'Über die Trauer». 'Von den Opfern'. '
Liebe zu Attis wird mit denselben Worten^) getadelt wie im ^ Götter-
gespräch' 12, 1, wo auch die Wunden, die Eros der Selene und Aphrodite
geschlagen hat, wie hier (7) im Zusammenhang erwähnt sind; für Selene
sind dabei die Worte aus 'Göttergespräch' 11, 1 benutzt.^)
An diese Sagen wird eine Schilderung des Himmels gefügt, wie sie
bei den Dichtern gegeben ist; auch hier sind natürlich Homer und Hesiod
genannt (8) wie 'Nekyomantie' 3, * Widerlegung des Zeus' 1, 'Über die
Trauer' 2. Wenn die Betrachtung durch einen poetischen Aufflug zum
Himmel eingeleitet wird (8), so ist das eine Reminiszenz an den 'Ikaro-
menipp'. Dabei ist dieselbe Piatonstelle benutzt, die Lucian auch im
'Doppeltverklagten' (33) verwandt hat (Phaedr. 247 C). Wenn die Hören
als Torwärterinnen bezeichnet werden (8), so sehen wir sie im tragischen
Zeus' (33) in Tätigkeit. Die Darstellung der auf die Opfer passenden
Götter (9) ruft den Vorwurf des Momus im 'tragischen Zeus' (22) ins
Gedächtnis.^) Das Zitat dabei aus Ilias I 317 ist auch im 'Prometheus'
(19) benutzt.
Den letzten Teil der Rede bildet die Darstellung der Götter Verehrung
seitens der einzelnen Völkerschaften. Die Erwähnung vom Grabe des Zeus
(10) findet sich auch 'Götterversammlung' 6, 'trag. Zeus' 45. An den
letzten Dialog muß man auch bei Besprechung der Standbilder der Götter
denken; die Künstler Praxiteles, Polyklet, Phidias (ll) sind dort ebenfalls
(7, 10) genannt; der unbärtige Apoll (ll) wird dort von Momus verhöhnt
(26). Wenn aber gespottet wird, daß die Menschen in den Statuen nicht
mehr irgendwelche Elfenbein- oder Metallmasse sehen, sondern den Gott
selber, so ist ja gerade dieser Gedanke die Voraussetzung zu der Fiktion
in der Götterversammlung des 'tragischen Zeus', in der die Statuen als
Gottheiten auftreten und nach dem Wert ihrer Masse gesetzt werden.
Der Ausdruck bei der Verspottung des Zeus (ll) hält sich an den
gleichen im 'Timon' und 'Ikaromenipp'.^) Die Aufzählung der wunder-
samen ägyptischen Götter (14) bildet den Schluß, wie sie im 'tragischen
Zeus' und in der 'Götterversammlung' einen Hauptbaustein in den Folge-
rungen abgibt. Zeus heißt KQLOTtQoCcoTtog entsprechend der Frage in der
'Götterversammlung' (10): rj 6v, ro Zsv, Tt&g (pSQSLg^ siteiöccv oiqlov %iQaxa
1) De sacr. 7: yQuvg fihv ^dri yiDcl ^^coQog ovau yiccl toGovtcov ^ritriQ
&S&V, 7taidsQcc6rov6a dh hi . . . . 'aal tbv "Atxtv Inl tcav Xaovtoiv nsQKpi-
Qovacc^ dial. deor. 12, 1: zriv "P^av avrrjv ygavv ijdr} ■aal ftrjrt^a toGovtav
Q's&v ovaccv ccv^Ttsiaag naidsQuatslv .. xat vvv ixslvri ii^^rivsv vnb aov yial
^sv^a^ievTi tovg Xiovrag jctX.
2) De sacr. 7: tjj ZsX7]vi] ngog xov 'Evdv^iicova v.<x.tiov67i TtoXXdyiLg iv. ^8 6r]g
tf]g odov^ dial. deor. 11, 1: xccrccßalvsLv nccg' ocvtbv i% ^^orig tfig bdov.
3) De sacr. 9 : ol 8h %'sol . . . y,ad"i]^svoL . . . aTCOö'noTtovOL ig tr]v yfjv aal
Ttdvtr] TtSQißX^TtovöLv iTii-AvntovrEg^ sl' Tcod'sv ö^ovtaL tzvq ävaitxo^svov r\ dva-
(psgo^ievriv tiviaccv, lupp. trag. 22: Kcc&7]^i:d'(x tovto ^övov iniTriQOvvTsg^ tt rig
d'vsL xal v.viaa itccQCC tovg ßa^iovg.
4) De sacr. 11: dyaTtavtcc si ölcc nivts oXcav itmv Q'veEi rt? avta
TtaQsgyov 'OXv^iticov, Tim. 4: o^ts d'vovtog hi aol tivog si ^ri tig aqcc
TcdqsQyov 'OXv^nicov ^ Icarom. 24: av diä tcevts oXtov itmv ^vacoaiv iv
'OXv^inlu.
Echtheit der Schrift 'über die Opfer'. 353
q)vö(o6L (70t; Weiter wird wie dort der hundsköpfige Gott genannt, der
hier mit Hermes identifiziert ist, dann folgt eine Zusammenfassung^) wie
dort (10) und im tragischen Zeus' (42). Wenn endlich gesagt wird,
solche Torheiten der Menschen bedürfen nicht des Tadlers, sondern eines
Heraklit oder Demokrit, über sie zu lachen oder zu weinen (15), so er-
innert das an die Gegenüberstellung in der 'Versteigerung der Lebens-
arten' (13 f.).
Auch hier zeugt, soweit ich sehe, alles, Sprache^) und Geist, dafür,
daß wir ein zwar ziemlich schwächliches, aber doch echtes Werk Lucians
vor uns haben. Reminiszenzen aus den 'Göttergesprächen', dem 'Sympo-
sion', den beiden Zeusdialogen, dem 'Ikaromenipp', 'Timon', 'Prometheus'
und andern Schriften lassen sich erkennen. So hat sich nur der Verfasser
selber in seine eigenen Gedanken eingelebt. Als Phantasie und Schaffens-
kraft erlahmt sind, arbeitet er doch noch mit den ihm von früher ver-
trauten Motiven fort. Um so seltsamer, daß man gerade diese Wieder-
holungen, die uns so recht den Lucian verraten, gegen die Abfassung
durch ihn hat ausspielen wollen.^)
i) De sacr. 14: xal rbv TI&vu oXov XQayov xal l^lv nva xal xqoxoSslXov
hrtoov Hai nlQ-rixov^ deor. conc. 10: cclax^vo^ai 8h l'ßidccg y,cxl Ttid-ij-KOvs slnsTv xal
rpayoys, lupp. tr. 42: xai aXXoLg Ißig t) ■nqov.ödsiXo? xai aXXoig ■Kvvov.itpccXo? r\
alXovQog t) Tci^rixog.
2) Als Einzelheit sei bemerkt, daß das seltene äyyEXicccpoQog (8) in der
Schrift pro imagin. 16 sich ebenfalls findet.
3) Joost, De Luciano cpdoiiriQa}, Progr. Königsberg i. Pr. 1883, S. 25 ff., der
die oben besprochenen Übereinstimmungen zum größten Teil augegeben hat,
beweist daraus die Unechtheit der Schrift, von der Prämisse ausgehend: nemo
qui Lucianum paulo diligentius (!) legerit, eum sua ipsius verba transscripsisse
concedet.
n«\m, LuoUn uikI M«nip|>.
Anhang IL
Über die Bilder' und Von den Arten der Liebe'.
Weil für die Charakteristik Lucians wie für die Chronologie nicht
unwichtig, seien hier kurz die Schrift ^über die Bilder' und die durch einen
Fälscher^) an deren Anfang angeschlossene Von den Arten der Liebe'
besprochen. Nur diesen ersten Worten der ^Imagines' verdanken die
^Amores' die .Einreihung unter die Schriften Lucians. In den 'Bildern*
stellt sich der Verfasser rein aus künstlerischen Gründen, um durch die
angebliche sonstige Bevorzugung der Knaben ein solches Lob auf die
Panthea erst recht zu heben, als Liebhaber der nalol hin (l); und in der
Aufzählung der Kunstwerke, die dazu dienen sollen, die Schönheit der Ge-
feierten im einzelnen zu schildern, wird (4) die knidische Aphrodite mit
der sich daran knüpfenden Anekdote angeführt mit der bei Lucian nicht
ungewöhnlichen Wendung: tovto fieviOL aXlcog tdTOQeia^io}) Ein Rhetor
hat geglaubt das nachtragen zu sollen. Sorgsame Lektüre zeigt ebenso,
daß die 'Amores' unecht sind, wie daß die ^Imagines' von Lucian selbst
geschrieben sind; denn der Wortschatz der 'Amores' weicht ganz auffällig
von dem einfachen Stil ab, den Lucian zu schreiben pflegt. Man lese nur
xi]g cino8if]^ov orgarslag (6) von einer Reise, TtaLÖSLa 'junge Leute' (6),
TtofiTtoötolsLV (ll), ciKQLTcov acfvlaKTOviisvcov Xöycov (17), TCccd'aLVsad'ai (29),
svsvöioXrjöag (35), aXloTQiOL zoö^oi t6 rfjg cpvöeag ccTtQ^Tteg ßovKolovöLv
(38), övöüXrjd ovLör og (ß^)', ckvto dEE,ccfiEV0L fied'^ ayvfjg öiavoiag vecoaoQOV-
(lev (48), KaTcocpQVG)(ievovg koyovg (53), Ausdrücke, die man bei aufmerk-
samem Lesen leicht verdoppeln und verdreifachen kann^) Es ist, als ob
man den 'Lexiphanes' vor sich hätte. Dabei ist nicht etwa Ethopoeie im
Spiele, wie z. B. in Piatons 'Symposion' die einzelnen Reden sich scheiden;
denn selbst Lykinos redet so. Einer solchen Sprache kann sich Lucian
nie bedient haben; selbst die Schulreden wie der anourjQVTTO^ievog und
rygayvcxrovog zeigen einen klaren einfachen Stil. Das spricht gegen
C. F. Hermanns Vermutung, die Schrift möchte in Lucians erste Periode
gehören*); aber diese Annahme ist ja schon durch den Umstand widerlegt,
daß die Schrift, wenn sie echt wäre, nach den 'Bildern' verfaßt sein
müßte, wie die oben zitierte Stelle mit dem latogeLö^o) beweist. Sie mit
1) Meine Anmerkung zu Neue Jahrb. f d. klass. Altert. IX (1902) S. 201 ist
verkehrt, wie ich mich überzeugt habe (vgl. Mees, De Luc. stud. et Script, iuvenil.
Rotterdam 1841, S. 22. Rein, Sprichwort, b. Lucian, Diss. Tübg. 1894, S. 100).
2) Vgl. bis acc. 13, vit. auct. Schluß, lupp. trag. 12.
3) Vgl. Lauer, Lucianus num auctor dialogi "EgcoTsg existimandus sit, Progr*
Köln 1899, S. 19 ff. 4) Ges. Abhandlungen S. 204 f.
Sprache der 'Amores'. Echtheit der 'Bilder'. 355
W. Schmid für echt halten und doch vor die ^Imagines' setzen^), hieße
zwei UnWahrscheinlichkeiten vereinigen. Vielmehr hat ein Sophist die An-
regung, die Lucians ^Imagines' ihm boten, benutzt und ebenso wie dort
den Lykinos auftreten lassen; der Stoff ist ja eines Sophisten würdig und
lag in der Luft, wie der plutarchische Erotikos und Achilles Tatius II 35 ff.
zeigen.^)
Andererseits ist die Echtheit der ^Bilder' über jeden Zweifel er-
haben — leider, wie man mit Rücksicht auf die Beurteilung des Cha-
rakters Lucians sagen muß. Sie stimmen im Stil völlig mit den sonstigen
Schriften überein; das Xenophonzitat (10) erinnert an die auch sonst vor-
kommenden und die Vorliebe dieser Zeit für Xenophon.^) Auch der Gedanke,
das Bild der Gefeierten durch Zusammensetzung der einzelnen Züge von
Kunstwerken zu zeichnen (5j, stimmt zu Xen. mem. III 10, 2.*) Aber den
Zusammenhang mit andern Schriften Lucians zeigen ganz deutlich zwei Stellen.
Personen, deren Sprache mit ihrer äußeren Schönheit nicht im Einklang
steht, werden verglichen mit prachtvollen ägyptischen Tempeln, in deren
Innerem tjv ^»/t^s tÖv ^eov, t) Ttld-riKÖg ioxiv ?) l{iLg i] TQccyog ij ailovQog
(ll); der ganze etwas seltsame Vergleich — der gewöhnliche vom Schau-
spieler^) schien dem Schriftsteller offenbar selber schon zu abgenutzt —
stammt aus der Beschäftigung mit den ägyptischen Göttern im tragischen
Zeus* (42).®) Noch deutlicher ist die Beziehung auf den 'Hahn' (23);
dort ist der Vergleich der Reichen mit dem Ikai-us, der Aj-men mit dem
nahe dem Wasserspiegel sich haltenden Dädalus durchaus natürlich, hier
(21), wo die Bescheidenheit der Panthea gerühmt werden soll, hat die
Ausführlichkeit des Bildes, das mehr zum Schmuck der Darstellung als
zur Verdeutlichung von Pantheas Charakter dient, etwas Auffälliges. Der
Wortlaut ist z. T. gleich.*^) Ebenso hat die Form des Schauspielervergleichs
im *Hahn' (26) mit der Hervorhebung von Maske und Kothurn Lucian in der
Verteidigungsschrift 'für die Bilder' (3) wieder vorgeschwebt, wie die Aus-
drücke zeigen^); und er erinnert pro imag. 26 an die auch gall. 13 ver-
1) Phil. L (1891) S. 308; richtig war da« Urteil, Der Atticismus I S. 226 f.
2) Vgl. Prächter, Hierokles, Lpzg. 11)01, S. 14H; Wilhelm, Rhein. Mus. LVU
(1002) S. 66 ff. Hj Siehe oben S. 208. 26'.».
4) *Ex noXXütv ovvdyovrBg xu i^ indatov xdlXioxcc ovxag SXa rcc tfro^orr« naXcc
noiitxi tpaivead'at. 6) Siehe oben S. 46 ff.
6) lupp. trag. 42: äXXoig Ißis i] xQOxoSedos t) uHovqos ^ nid^jxos.
7) Gall. 23: ol ^i,hv ... (nOTihQ 6 "Ixagof inl noXv &Qccvxsg avxovg ....
ovyi fldoTBs oti xr]Q(o ijQ^ioaxu uvxolg f; nx^Qioaig^ ^Liyav ivlore xöv ndxayov
iitoiriauv inl xBfpuXi}v ig TciXw/og i^neö6vxtg' oaoi dh xctxu x6v dai-
SaXov ni} ndvv fuxitoQa /xrj^i vijiriXu i(pQ6i'7]Oav, dXXu nQoßyda (so pro imag. 8:
nQ6aYt!tov Tjjf nxtiatv Ttoiovutvriv}, (og voxi^fad^at. ivioxt xfj äXfitf x6v xtigöv, ätg
tb noXh ovrot AatpaXtbg diinxi]6av, imag. 21: vao-nfQ ot "Ixa^oi rttxivxog
. , . . ToO XTUfov yiXtaxa ö(fXiaxdvov6iv inl xtqiaXijv hlg ntXdyr] .... ifini-
nxovxtg' 6ooi Sh xaxit xöv Jceidalov ixQVOtcvro xofg nxtQOlg xal fii) näpv
inrlQ^TiaaVt bld6xas Sxi ix xr](foa ^v aifxolg ntnoif]iUva f)ydxri€ap
h^X6xiQ0i fUvov x<hv xvficcTMV ivB%0^ivxtg, Möxf ^ivxoi votltita^ai a^ol^ <Sj1
xit nttQU .... ovrot Ah äatpaXätg r» ufut xal aa><pif6voig dtinxti^ap.
8) Vgl. avvxiftßfivat dvvaiJvm und roD ngoaun^lov avptifißipxos^ towie ya-
Xoi6xtQog Äv j'/?'f-' ••••' •■•'5- - -,./....
28 •
356 Anhang II. 'Über die Bilder'.
wandte Homerstelle vom Haar des Euphorbos. Dazu kommt eine gewisse
Ähnlichkeit des Anfangs mit dem 'Nigrinus', die besonders in dem vor-
bereitenden Widerstreben besteht^) und in der Schrift ^für die Bilder' be-
zeichnet sich Polystratos (16 j als ov cpavkov VTtoKQLzrjv, im 'Nigrinus' (ll)
fürchtet Lucian als schlechter Schauspieler zu erscheinen.^)
Die zweifellose Tatsache der Echtheit der ^Imagines' hat etwas Be-
schämendes, und wer dazu neigt, in den von ihm behandelten und ge-
schätzten Schriftstellern besondere Menschen oder gar Helden zu sehen,
wird, wenn er Lucian als Schriftsteller liebgewonnen, tiefen Kummer
empfinden. Wir können die Zeit dieses Dialogenpaares auf die Jahre
163 — 165 festlegen. 162 ging L. Verus nach dem Osten, um die
Leitung im Partherkrieg zu übernehmen, in der ersten Hälfte des Jahres
166 kehrte er zurück. In die Zwischenzeit muß der Anfang seines
Verhältnisses zu der schönen Smjrnäerin Panthea fallen, das ja wohl auch
durch die Vermählung mit der Tochter Mark Aureis (164) bis zum Tode
des Kaisers (169) keinen Abbruch erlitten haben wird; Mark Aurel setzt
wenigstens eine Fortdauer des Verhältnisses voraus, wenn er in seinen
Selbstbetrachtungen VIII 37 sagt: ^Sitzt etwa neben dem Grabhügel des
Verus die Panthea usw.? Und wenn sie da säßen, würden die Toten es
merken?' Also in jenen Jahren 163 — 165 hat Lucian die Panthea in
Antiochia^) gesehen, wo L. Verus verweilte, während seine Feldherren den
Krieg führten. Und die Verherrlichung der schönen Frau ist gerade in
der Zeit verfaßt, als Lucian seine philosophischen Satiren schrieb und z. T.
schon geschrieben hatte. Man begreift, daß er das Enkomion in die Form
des Dialogs kleidote, da diese ihm damals am meisten zusagte.*) Daß er
sich überhaupt gedrungen fühlte, es zu schreiben, steht ihm nicht über-
mäßig gut, zumal es sich nicht einmal an den Kaiser selber, sondern an
eine schöne Hetäre richtet, offenbar die amica vulgaris, von der Capitolinus
VII 10 redet. ^Hic adulatorum derisor Lucianus omnes adulatores vincit'
sagt La Croze, — nicht ohne Grund, muß man zugeben, wenn man bei Ca-
pitolinus (VII 4) von Verus, dem ßaailel tc6 (AsyccXo) iQ\]6xui %al i]^SQai
ovTL (imag. 22) liest: risui fuit omnibus Sjris, quorum multa ioca in
theatro in eum dicta extant. In der zweiten Schrift wird die Schmeichelei
dann noch vermehrt, wenn Panthea dort bescheiden den Vergleich mit
den Göttinnen ablehnt und Lucian den Ljkinos, d. h. sich selber sagen
läßt (14): ovds aXXcog quÖloq Ttgbg rovg enalvovg %al TtQO'/^eiQog ojv ixvyiaveg.
1) Nigr. 8: rcavs m d'ccviidGLS ^i-agov ccvcczQOvo^svog yccl Ae/f, imag. 2: navov
CO Avmvs rsgccGTLOV n xdXlos avccjtXdrtcov, aXX' sItie.
2) Auch pro imag. 29 kommt Lucian auf das Bild zurück.
3) Daß es nicht in Smyrna geschah, zeigen die Worte c. 2 : id6x.Si Ss f^o^
xorl ccvtbg 2^[ivQvalog bIvccl 6 Xiycov^ ovtag iasiivvvaro in' ccvry. Die Bemerkung
wäre iu Smyrna sinnlos gewesen (vgl. Rothstein, Quaestion. Lucianeae, Berlin
1888, S. 117, 2).
4) Vgl. Bruns, Rhein. Mus. XLIII (1888) S. 101 ff.; daß die 'Imagines' und
'pro imaginibus' ursprünglich ebenso wenig zugleich geplant sind wie Witar.
auctio' und "^piscator', hat Hirzel, Der Dialog 11 S. 280 gegen Bruns treffend
gezeigt.
Anhang III.
Tiber den Parasiten'.
Die Schrift 'über den Parasiten' nimmt unter den Lucianischen Dia-
logen eine eigenartige Stellung ein, durch welche die Entscheidung in der
Frage nach der Echtheit sehr erschwert ist. Betrachtet man den Geist
des Ganzen, so möcht's leidlich scheinen; er steht dem Satiriker nicht
übel an. Die Verherrlichung des Parasiten und seine Erhebung über Philo-
sophen und Rhetoren enthält einen Spott gegen diese im Lucianischen
Sinne, und als Satire auf die philosophischen Dialoge gefaßt^), ist die Schrift
erst recht verständlich. ^Die ehrwürdige Form des Dialogs ist hier auf einen
niedrigen Gegenstand angewandt, und nach derselben Methode, die sonst
dazu diente, Wert und Wesen der Dialektik, Rhetorik und ähnlicher Dis-
ziplinen und Künste zu erörtern, wird hier die Kunst des Schmarotzers
besprochen', sagt Hirzel; und das könnte man Lucian zutrauen. Der Dialog
ist aber zugleich auch die Parodie eines Enkomions; daher die von Hirzel
(Dialog II S. 290) aufgezeigten Berührungspunkte mit dem Platonischen
'Symposion'. Es sollen die zahllosen Lobreden auf minderwertige oder
gar tadelnswerte Dinge, über die schon Piaton (Sjmp. 177 B) spottet,
parodiert werden, die Reden auf das Salz, aufs Bettlerleben, auf die Mäuse,
auf Töpfe, auf den Papagei, auf die Mücke, aufs Haar, aufs Fieber, auf
die Kahlköpfigkeit, auf die Mühsal, die laudes fumi et neglegentiae und
was dergleichen Kunststücke mehr zutage gefördert sind.^) Die Parodie
ist erreicht durch Herstellung eines solchen Enkomions, aber in dialogischer
Form, wie sie Lucian in den 'Bildern' zu gleichem Zwecke verwandt hat,
während er in dem ^vlag iyxca^LOv^ das demselben satirischen Ziele dient,
die Form der Rede beibehalten hat. Auch der sich aufdrängende Zu-
sammenhang mit der Komödie paßt zu Lucians SchriftstuUerei; mau
braucht nur einmal die von Athenäus im 6. Buch (Kap. 26 flf.) angeführten
Zitate zu durchmustern, die sich dort an die beim Gastmahl gemachte
Bemerkung anschließen: t6 de toö nagaalrov ovo^a nciXai ^ilv ijv (Jf/iiür
xm UQov. In des Timokles 'Drakontion' (Kock II S. 454) findet sich der
Nachweis, daß die Parasiten ein srhr nützliches Geschlecht sind; und als
Beleg dafür, wie sehr ihr Leben geehrt ist, wird angeführt, daß auch den
Siegern in Olympia eine Speisung zuteil wird. Antiphnnes in dm *Zwil-
1) So Wielnnd, Jacob, W. Sehinid, Ilirael.
2) BlaiH, AtÜHclip HoredHainkcii II* S. 370; Hohde, Grieoh. Roman' S MO
Anm. 1. Über dun növov //xcu^oi' Hpottei der SophiHt Ptoleni&ui, indem
das n fortzulanNüii fPhiloitr. v. sophigt. II 2n, 6 (114, 22 KayierJ).
358 Anhang HI. 'Über den Parasiten'.
lingen' (Kock IE S. 43) läßt ebenso den Parasiten preisen , zunächst als
Freund^), wie in unserm Dialog (22) die cpdla als Grundlage der Para-
sitenkunst bezeichnet wird, sodann selbst als guten Krieger, wenn er wohl
verproviantiert ist, ein Gedanke, der in unserer Schrift wiederkehrt.^)
In den ^Lemnierinnen' (Kock II S. 70) wird die 'koXwkbCcc als Kunst erwiesen
und dabei das Argument vorgebracht, daß jeder andere Beruf nur mit
vieler Mühe zu seinem Ziele komme, der Schmeichler aber mühelos, wie
das im ^Parasiten' (13 ff.) ausführlich besprochen ist. Auch des Diodor
witzige Darlegung (Kock II S. 420), daß Zeus die Parasitenkunst erfunden
hat, berührt sich in der Benutzung der Mythologie mit der Behauptung,
daß Odjsseus dieses Leben für das himmlischste erklärt habe (Parasit. 10)
und daß die homerischen Helden Parasiten seien (44fif.). Und höchstwahr-
scheinlich geht noch mehr auf die Komödie zurück als wir bestimmt an-
geben können. Ähnliche Loblieder auf die Kochkunst in der Komödie
zeigen, wie nahe das Vorbild lag.^)
Es findet sich auch Witz, wie er Lucians nicht unwürdig ist. Dazu
rechne ich die Anwendung der stoischen Definition der xi%vt] (4)*) auf die
Kunst des Schmarotzers und des stoischen Bildes vom Topf, der durch seinen
Klang sich als gesprungen und unbrauchbar verrät (4).^) Ebenso wird
das bekannte Bild vom Steuermann, der seine Kunst verstehen muß, zum
Vergleich herangezogen.^) Witzig werden die Erfordernisse, die der Para-
sitenberuf an die Veranlagung stellt, ausgeführt (4 ff.). Das Endziel dieses
Berufes erweckt die Frage nach dem Gegensatz zu dem zilog der philo-
sophischen Sekten, und hier wird die Richtigkeit der Behauptung, daß
Schmarotzen und Glücklichsein identisch sei, durch Odysseus' Ausspruch
bei den Phäaken (Od. IX 5 ff.) erwiesen und gezeigt, daß Epikur seine
Ansicht nur entlehnt hat und doch, weil er sich mit allerlei Spitzfindig-
keiten abquält, sein Ideal nicht in gleicher Weise erreicht wie der Parasit
(11); witzig ist dabei und zugleich eine Verspottung derartiger Syllogismen
die Schlußfolgerung, daß Epikur überhaupt die Lust, xh 7]dv^ entweder nicht
gewinnt oder selbst Parasit ist, indem das ri8v nur ins Essen gelegt wird (12).
Wie in der Komödie wird hervorgehoben, daß man durch gutes Essen
1) V. 7 : -AccGtlv (pilog yEvvatog ccacp(xXi]s d"' au«, ebenso auch TlQoyovoi
(Kock n S. 94): toiv (piXcov yccQ (ov cpiXog.
2) De paras. 49: ovx'l Tigütov ^hv 6 toLovtog ägiatoitoiriGä^Bvog ^^tiGiv inl
X7\v TcaQccrcc^LV', Antiph. v. 11: jtdXiv atgccTicorrig ccyad'bg sig VTtSQßoX'qv^ av i} tb
aitagyiTi^cc dBlnvov svTQsnig.
3) Sosipater v.aTcc\bsvd. III 314 Kock; Athenion Samothrak. III 369 K.; Ni-
komachos, Ilithyia III 386 K.
4) Vgl. V. Arnim, Fragm. Stoieor. vet. II S. 30, 93—97.
5) Vgl. Persius 3, 21; das Bild geht auf Piaton zurück Theaetet 179 D:
GKSTtriov xriv q)SQOivivriv xccvxriv ovalccv 8iccyiQOvovxa^ uts vyiig sl'rs öccd'QOv cp^iy-
ysxai, Phileb. 55 C: ysvvcci(og sl' nrj rt Gccd-qbv ^%sl näv 7C8qlv.qov(oiisv. Im ^Para-
siten' 4 heißt es: ^rj tiad'ciTtSQ al novriQccl yjbxqai ÖLwugovo^svai aad'gbv ano-
(pQ'iyyr\tai. Der Vergleich der Erziehung mit der Arbeit des Töpfers findet sich
bei Diogenes (Stob. ecl. II 31, 87 [II S. 216 Wachsm.]). S. oben S. 239.
6) Platonische Beispiele anzuführen ist überflüssig (s. Ast, Lexicon Plat.
n 221); im übrigen s. oben S. 147.
Vergleich mit Lucian. 359
und Trinken diejenigen belohnt, die in andern Künsten sich hervortun, z. B.
die Knaben, die gut schreiben (13). Ganz im Sinne Lucians ist die schon
erwähnte Travestierung der Homerischen Helden, Nestor, Idomeneus, Aias,
Patroklos, als Parasiten (44flf.). Scherzhaft ist die Behauptung, daß der
Parasit sich vor keinem Tiere fürchtet, da er beim Mahle gelernt hat,
alle zu verachten (öl), kein Hirsch, kein Wildschwein erschreckt ihn.
Und nicht minder komisch ist die Schlußfolgerung aus dem zur Tracht
der Philosophen gehörigen Stock: Weshalb würden diese so bewaffnet herum-
laufen, wenn sie nicht Furcht hätten? (55). Auch der Hinweis auf die
Apologien, die von Philosophen und Rhetoren verfaßt sind, und der Schluß
daraus, daß sie doch alle etwas verbrochen haben müssen, stimmt zu dem
Komödienton (56).
Wie der Witz, der sich in dem ganzen Dialog veiTät, wohl zu Lucians
Art passen würde, so ließen sieh auch die Zitate für ihn geltend machen,
die ganz wie sonst über die ganze Schrift verstreut sind. Eine besondere
Rolle spielt dabei Homer (lO, 24, 45,. 46, 47); Euripides (Medea 518f.)
wird einmal (4) angeführt, einmal (14) Hesiod (Erga 290); auf Thukydides
wird 48 Bezug genommmen. Sodann ist Piaton, dessen Dialog im ganzen
parodiert wird, auch im einzelnen zitiert; aus dem Ion (534 B) mrd das
^ziu fioLQcc von der Poetik auf die Parasitik übertragen (19); aus dem
Theätet (178 D) wird ein Satz angeführt (ö); auch das Wort von der
königlichsten der Künste (23) geht auf Piaton (Euthydem 291 B 292 AC).
Endlich erwecken die beiden mythologischen Vergleiche den Eindruck
Lucianischer Schreibart. Der Parasit schildert seine Lage, sorglos wie
die des Odysseus, der auf dem Rücken liegend von Scheria heimkehrt,
(ll); und die Parasitenkunst überragt die andern, wie Nausikaa ihre
Dienerinnen (26).
Aber trotz all dieser Lucian ischen Züge müssen einem bei der Lektüre
schwere Bedenken gegen die Echtheit kommen: l) wegen des Ausdrucks,
2) wegen der eigentümlich ungeschickten Form in der Hervorhebung der
Disposition, 3) wegen der verhältnismäßig seltenen Wiederkehr von Gedanken
aus anderen Schriften Lucians. l) Bei dem Ausdruck meine ich weniger
was man im allgemeinen als abweichend von andern Schriften gesammelt
hat.*) Hier kann z. T. die Überlieferung falsch sein, wie man etwa das
aufTullige Ttugaaizla annvöuauviag (37) durch eingefügtes im zurecht-
machen kann.*) Weiter besagt einmaliges Vorkommen nur in dieser
Schrift nicht viel, wenn der Ausdru(;k nicht an und für sich seltsam ist.
Endlich kann die Quelle oder das Muster die Veranlassung für die Ab-
sonderlichkeit gewesen sein in einem Umfang, den wir nur ahnen können.
So hat Joost') z. B. das häufige Kai ni)v im 'Parasiten' als höchst auf-
fällig bezeichnet; doch wenn raan nur <las parodierte Vorl)ild, nämlich
Piaton, dagogfnhält, so findet man, daß etwa im Theätet elfmal die Rede
mit xal fiifV beginnt f\\:\F. \ iH ]\ llOC 153 B I -'» i F 1 58 C 159 A
1; HcHonderM «orgHam liielcr, l bei die Echtheit de« Luc. Dialog« de pftTM.,
Progr. Hihiofiheim 1890.
S) Hcnuut. 'JA: ndvrtov {lültara fnl Totnm anovdaarfop.
H) KoHtiichrifl fClr Friedlilndcr, Lp/g IHUÖ, S. 171.
360 Anhang IQ. 'Über den Parasiten'.
170 D 182 E 188 A 204 D)^); ebenso steht es mit andern Anstößen.*)
^rjaerai (12) ist ja wohl allein dastehend bei Lucian, aber an und für
sich nicht auffällig '''); da es in einem Syllogismus steht, der die stoischen
Schlüsse verspottet, wäre es nicht unmöglich, daß ein solcher dem Zweck
entsprechend umgewandelt und das sonst nicht Lucianische ^T^OBtaL bei-
behalten wäre. Auch ßicoasLg steht vereinzelt navig. 20, während Lucian
sonst ßtaao^aL sagt. (iSTa6(pr]g hier (l) wie die Form im Ojnicus 17 kann
Verderbnis der Überlieferung sein, da sich derartiges vielfach findet, wo
man es auch nicht zulassen kann.*) cc^qslv (12, 41) entspricht aristo-
telischem Sprachgebrauch, eTtaxoXovd'etv (3) ist auch platonisch. k%co&sv
(53) ist poetisch^); da eine Aufzählung von Affekten vorhergeht, so schwebt
dem Verfasser für das e"E,(t)d^€v lovtcov ccirccvrcov offenbar eine Stelle wie
das Euripideische öeLfidxcov e"t,(od'ev vor. So ließen sich vielleicht manche
Anstöße beseitigen oder erklären^), obwohl ihre Fülle Bedenken en-egen
muß. Aber weit mehr fällt es auf, wenn der Ausdruck bei sonst Lucia-
nischen Gedanken, wo er sehr konstant zu sein pflegt, hier anders geformt
ist. So heißt es von Sokrates (43): Ihm schien es angenehmer ^era tüv
(isiQaavXXCcov nad-e^o^evov daQL^eiv Kai aocpLG^ccTLa TtQoßaXXstv als zu
kämpfen. Der Ausdruck ist sonst aöoXsaistv oder XrjQetv'^)-, occqC^hv findet
sich nur hier. Ebenso steht es mit ^SLQavivlliov^ während fieLQccTiLov häufig
ist. Auffällig endlich ist öocpia^dxLOv statt des geläufigen aocpifS^ia. Für den
Philosophenbart ist ßa&vg ncoycov geradezu die stehende Bezeichnung^);
in unserer Schrift allein steht fiaTiQbv 7t(oycovLoi> l'iovTa (50). Wollte man
das verteidigen, so müßte man auch hier annehmen, daß diese eigenartige
Ausdrucksweise durch das parodierte Vorbild beeinflußt sei, das nicht nur
Piaton war, sondern auch die jüngsten Abhandlungen der Philosophen-
schulen über Rhetorik^); wenn Lucian dann später iu seinem neuen Vorbild
mehrfach einen andern Ausdruck fand, so wäre es möglich, daß er auf
den früher gebrauchten nicht zurückgriff.
2) Die Ungeschicklichkeit zeigt sich im aufdringlichen Hervorheben
der Disposition und in der Wiederkehr gleicher Ausdrücke dabei. Zuerst
wird die Schmarotzerkunst als t£;^i'7? erwiesen; dann (13) heißt es: cclV
OXL liBv TEivr] 86x\v 1] TtaQaöLXLKrj^ ÜCCK xovxoov Viol xcjv dlXuiV ['/.av&g 6s-
6ei.KxaL. XoLitbv oxi %al dQlaxr} 8sL%xiov^ %al xovio ov^ anXobg^ dXXa tiqojxov
1) Im 'Nigrinus', der dafür wegen der referierenden Form wenig Gelegen-
heit bot, findet es sich auf weit kleinerem Raum dreimal (6, 12, 33) und in dem
auch in Beziehung auf die witzige Behandlung von Homer und Piaton ähn-
lichen '"Loblied auf die Fliege', das vielleicht den fünften Teil von dem Umfang
des Tarasiten' hat, ebenfalls dreimal (1, 2, 5).
2) Vgl. W. Schmid, Der Atticismus I S. 424.
3) Vgl. Kühncr-Blass, Griech. Grammatik I 2 S. 436, z. B. [Demosth.] XXV 82.
4) Crönert, Memoria Herculanensis, Lpz. 1903, S. 215.
5) Vgl Eur. Herc. für. 723 mit der Bemerkung von v. Wilamowitz.
6) So ist das y.atd tuvtä -auX aaccvxcog (27. 30) jedenfalls auf Piaton zurück-
zuführen; vgl. Phaed. 78 D, Soph. 248 B, Tim. 41 D 82 B.
7) Ver. bist. II 17, dial. mort. 20, 4.
8) Pisc. 11. 41, de merc. cond. 12. 25, Hermot. 18, bis acc. ß, Philops. 5 usw.
U) Vgl. Radermacher in Sudhaus" Philodem Suppl. S. XXIII ff.
Gründe für die Unechtheit. 361
jU£i', OTL xoLvfj naCcjv 6ia(piQ£L T&v zeyvcov, elza oxi ymI iSia E'jiccazrjg. Also
sind deutlieh zwei Unterteile bezeichnet. Der erste reicht bis 25, und
am Anfang von 26 ist wieder umständlich gesagt: ag fihv xoivvv xotv^
Ttaa&v 6iaq}iQ£i,^ Ssöei'i^aL uol Öokg)' (pigs öe ojg aal xorr' iölav iTuxßrrjg
öiatpiQSL^ ay.07tci}(iev. Herausgenommen wird die Philosophie, die zunächst
als nicht einheitlich im Gegensatz zur Parasitenkunst erwiesen wird; da-
nach 31: navv aoL doKSLg Tavra iKaviog EiQ^xivai. Es folgt der Nachweis
der Inferiorität der Philosophie im übrigen, sowie auch der übrigen Künste,
der wieder nach den einzelnen Abschnitten jedesmal unterbrochen wird
durch LKuvibg xavxu ys' ort öe xara nokXcc öiacpigei (pLXoaotpiag xat qyjxo-
Qiy-T,g t) TcaQdöiTLTiij^ ncbg iniöeiy.vveig (39), inLöxafiaL xavxa' äXX! ovxoi
^£v ^ijTOoeg y.al koyovg kiysiv 7j(>xr^|Li£vot, UQtxrjv ös ov. xi öe TieQl x&v cpiXo-
ööcpojv Xiyeig: (43), xavxa fiev x«i avxbg iniöxafiaL' ovrcco ye ^riv doxw
juot yiyv(aar,eLv (45), ei öe y,al akXovg xivag ola^a^ TteLQcb Xeyeiv (45),
xavza fiev txav&g. ort Jf . . ., neigcb keyeiv (47).^) Nachdem der ganze
Teil abgeschlossen ist, wird noch ein Schluß hinzugefügt, daß der Para-
sitenberuf auch ehrenhaft ist; eingeleitet ist er (58) durch zavxa ^lev [y.avCog
öifjfiUkuxal Goi .... koiTtbv öe ei Kakbv Kai kvoizekeg eczL zb y.zTjua zovzo
TCO zgicpovzL^ TtetQcJ key^iv. Die Ungeschicklichkeit liegt auf der Hand.")
Man könnte höchstens an den *Nigrinus^ erinnern, in dem allein die be-
ständige Wiederholung des zb xaivözazov nicht minder auffällt (4, 21, 22,
34); da wird der Bericht Lucians von der Rede des Nigrinus in nicht
unähnlicher Weise gegliedert. 12: i] ^ev olq'/t] züv koywv inaivog r^v
^Ekkaöog. 14: xavxu xe ovv in^vei aal TCQoaexL rr/v ikevO^egiav. 16: xoiav-
xriv anifpaive xriv nokiv. 21: o öe öi] eq)ijv^ oxt x«t yekäv . . . . evecxi , . .
xovxo riö^] aoL (pQccaa)' nibg yag ov yekoloL . . . . 22: nokv öe zovxmv
yekoioxegot. 24: xat to fiev icvÖgag iöicoxag .... xa xoiavza noieiv^ ^e-
TQioneQOv av eiKozcog vouiöd'eCj]' zb öe y.al rwv (piko6o(peLv ngoöTroiov^ievcav
TroAAcp i'zi zovziov yekoLoxiQa ögäv, zovz ijörj zb öeivoxazov iözi. 25: jtia-
kiaxa öe ifii^vrizo. 29: iJ^tj öe xovxwv anoözag x&%> akkav av&ig avO^gto-
Ttiüv ifie}ivt}zo. 30: ^ezu öe xavxa exegov öga(iaxog rjvrxexo. 33: y.al ^i}v
y.äxeivovg öieyika. 35: xavxu xe aal nokka exega xoiavxa öuk^iou xaxi-
navae xbv koyov. Wir würden danach die Schrift 'über den Parasiten*
und das in ihr bewiesene Ungeschick nur verstehen, wenn sie zu den
ersten größeren Dialogen Lucians gehörte, als er der dialogischen Form noch
nicht ganz Herr war, woiiii sif also zeitlich mit dem 'Nigrinus* etwa
zusammenfiele.
3) Für Lucianische Werke muß nach den Beobachtungen, die wir
gemacht haben, bei Ähnlichkeit des Stoffes die Wiederholung gleicher Ge-
danken mit lUinlichem Ausdruck geradezu ein Merkmal der Echtheit sein.*)
Der Parasit enthält solcher Stellen verhllltnismUßig wenig. Man könnte
das vielleicht durch die Eigenart und die Form des Dialoge.s einigermaßen
1) Plat. GoTff. 461 A: nngib ilntlv, 466 D: nugd ovr uvrott curongiffa^m,
2) Wer will, tn&fi an die Deutlichkeit der Disponicrung in Piatons 'Char-
mide«* denken t- * •' ■ bciUlndij." • ^ "n« atatpgoavvt] u«w : ' '- • • ■-♦ i -h
anders geart<;t
S) Da« JHt ''«•rir rwhtig nchon von iiit-lor n ' ' "' "* '
362 Anhang 111. 'Über den Parasiten'.
entschuldigen, die von der der übrigen satirischen Schriften abliegt, wie da-
durch, daß dieser Dialog zu den ersten zu zählen ist. Andererseits fehlt
es an Anklängen nicht ganz, die z. T. schon Bieler zusammengestellt hat.
Der Parasit (3) benutzt die übliche Entschuldigung der Rhetoren, nicht vor-
bereitet zu sein, die auch im Nigrinus' (lO) verspottet ist.^) Der Vergleich
mit dem aQyvQoyvLoficov findet sich hier (4) mit ähnlichen Worten wie
im ^Hermotimos' (68).^) Das Bild vom Steuermann (8) haben wir schon
erwähnt. Die Ausführung der epikureischen naturwissenschaftlichen For-
schungen (11) erinnert an die Darstellung des ^Ikaromenipp' (6).^) Von den
übrigen Künsten wird der Hesiodvers von dem steilen Weg gebraucht (14),
den wir im Hermot. 2 bis acc. 21 necyom. 4 wiederfinden. Der Homervers
von dem Kyklopenlande, das ungesät und ungepflügt alles hervorbringt (24),
kehrt de merc. cond. 3, rhet. praec. 8, Saturn, opist. 20, Phal. II 8 wieder. Der
Hinweis auf die Verschiedenheit der philosophischen Richtungen (27) stimmt
inhaltlich zu Hermot. 14 necyom. 4 Icarom. 5ff.^) Die Hervorhebung des
Verhältnisses des Aristipp zum Tyrannen Dionys (33) ruft die Erinnerung
an die ^Nekyomantie' (l;:5) wach, wo der Philosoph für diesen ein gutes Wort
einlegt. Um die Vorzüge des Parasiten im Leben zu schildern, wird dieses
in Kriegs- und Friedenszeit geteilt (39) — in dieser Reihenfolge — wie im
'Hahn' (210".). Die Philosophen heißen (43) o[ tveqI ccvÖQELug oöYi^iQcn
öiaXeyofievoL oial xarazoLßovrsg xb xr\q aQSxfig ovojtia, ähnlich wie sie im
'Timon' (54) und im 'Gastmahl' (14) geschildert sind.-^) Die Flucht des
Sokrates (43) ist ebenso scherzhaft wie in den 'Wahren Geschichten' (II 23)
behandelt. Die Darstellung des Philosophen beim Gastmahl (51), wo er
nicht hinpaßt, ist ebenso de merc. cond. 30 gegeben^), und das dabei be-
1) De paras. 3: -KalitSQ ov 7iavxd7tcc6iv lov , ta^s ^cp&riv biTtoav^ iitl xovxo
TCccgsG-KSVcca^Evog^ Nigr. 10: mg ovd' avxbg Tj-KSig ngbg tbv Xöyov TcageOKSV-
cc6ii4vog.
2) De paras. 4: i) tbv (ilv agyvQoyvoiiiovcc xB^vriv xiva cpr\6oiLBv ^x^iv^
SLTtSQ inloxatai diayivw6y.£iv xd xs TtLßdriXa x&v vofiiß^dxcov -iiccl xa ^i^, xovxov
Ss av8v xi'ji^vrig dicc-aQivsiv xovg xs %Lßdi]Xovg xav ccrd-goanav xal xovg aycc&ovg,
Hermot. 68: aXXr] ds ovS' r]xi6ovv {iXnig) ?) xb "aqIvsiv dvvaad'ca .... ytal xaxu
xovg dgyvQoyvcaiiovag Siayiyvmaytsiv a xs doyci^cc xai &ycißäriXa ■nccl a Ttagcc-
•KS-KO^liivcc.
3) De paras. 11: tisqI 6%ri[iaxog yf]g xccl yioo^cov arcsigiocg (Icar. 8: na^LTtoX-
Xovg xivsg slvcci xovg xoö^ovg ccTtscpcclvovxo) xal ^isysd'ovg ijXiov (Icar. 6: xbv i]Xiov
TtSQisyiixQOvv .... [LsysQ'T] xs avxwv [der Sterne] xccl ax^lliccxcc dis^-ijSGav) xccl dno-
6xr]adxcov (Icar. 6: xb fisxa^v xfig 6sXriV7\g xaX xov 7}Xiov xcoqIov .. . itoXiicov Xsysiv)
xal Ttgaixcov axoi%siaiv xal Ttsql Q'siöv (Icar. 9: tisqI ilsv ydq xä>v ^sibv xi ^Q^ >^^^
Xiysiv). Immerhin ist der Ausdruck ziemlich verschieden.
4) De paras. 27: qiiXooocpiag dh noXXdg xal SiacpoQOvg ögaasv xal ovxs xdg
ccQxag ovxs xd xsX,] ßv^Lcpcova naamv^ Icarom. 5 : dg^dg xivag xal xsXri fiov
xaxaxiovxsg ;^orXf7ta)ro:TOx; ort uri^hv axsgog d-axega Xsyovxsg axoXovd^ov^
Hermot. 36: ÖLaq)sgo^svoig Ttsgl dgxi)g rj rAovs'.
5) Tim. 54: iivgia oaa nsgl dgsxfjg Sls^lcov, conv. 14: dgsxiig Ttsgi xal xa-
xiag .... öis^imv^ auch hier doch wesentlich anders.
6) De paras. 51: dv%^go3nog ftrj ysX&v . .. sig xrjv yf]v ogav^ äaTtsg inl Tciv-
&og^ ovxl £ig ov^nodov Vjxcov, de merc. cond. 30: Gxvd-gco-jtbg ydg avxm doxa) xal
oXcog ovx ^x^ OTtcog dg^oatoiiai Tigbg avxov dri8r]g ^do^a usw.
Berührungen mit Schriften Lucians. 363
nutzte Sprichwort: Der Philosoph gehört dorthin Vie der Hund ins Bad'
ist von Lucian adv. indoct. 5 angebracht. Auch die Ausdrucks weise ot
(pLXo60(f>üv (paöKovreg liest man hier (52) wie in de merc. cond. 24. Die
Behauptung, daß der Philosoph seine Freiheit aufgibt, wenn er fiL6&o(poQ€L
(52), ist in jener Schrift ähnlich ausgeführt (23).^) Die kurze Env ähnung
der Mängel der Philosophen (53) deckt sich mit der Darstellung im 'Her-
motimos' (76)^.) Die Ansieht, daß die Reichen der Armen bedürfen, ist
hier (58) ebenso ausgesprochen wie im ^Nigrinus' (23) und in den ^Kronos-
schriften' (;54).^) Zu dem vvv f'arr^xs xaXxovg (48), was ein volkstümlicher
Ausdruck ist*), kann man Tim. 51 de morte Peregr. 27 Lexiph. 11
Anachars. 17 vergleichen. Aber all diese Ähnlichkeiten besagen entweder
gamichts, weil sie an der Heerstraße liegen; oder aber sie lassen z. T.
eine gewisse Vorsicht erkennen, nicht in den völlig gleichen Ausdruck zu
fallen, wie sie Lucian sonst nicht gerade eigen ist. Bezeichnend aber und
ausschlaggebend scheint mir eine zweifellose Reminiszenz oder, richtiger
gesagt, ungeschickte Benutzung einer Stelle aus Lucians 'Timon'. Dort
(56) sagt der Philosoph: ^Geld hat ja nicht mehr Wert als die Steinchen
am Meeresufer', und vorher wird das Gold von Timon selber begrüßt mit
dem Pindarvers: 'Wie flammendes Feuer leuchtest du'; der erste Gedanke
kehrt im *Fischer' (35), der Vers zu gleichem Zweck im 'Hahn' (7)
wieder. Von dem Parasiten wird nun in unserem Dialog (52) mit
Verwertung jener Stellen im 'Timon' gesagt: 'Das Geld sieht er so ver-
ächtlich an, wie sonst kaum einer die Steinchen am Meeresufer, und für
ihn untei-scheidet sich Gold in nichts vom Feuer.' ^) Die eigentümliche Ver-
wendung des Feuers, um einen unbedeutenden Gegenstand zu bewerten,
erklärt sich nur durch die Erinnerung an den 'Timon'. Geschickt wird
man sie auch so nicht nennen können, da sie eigentlich unverständlich
ist und erst begreiflich wird, wenn man ihre Entstehung erfaßt. Wer
Lucian kennt, wird ihm eine solche Ausdrucks weise nicht zuschreiben
wollen. Aber nehmen wir auch einmal an, daß Lucian so hätte sagen
können, so würde aus der Stelle doch zweifelsohne folgen, daß die Schrift
*über den Parasiten' nach dem 'Timon' verfaßt ist. In welche Verlesren-
1) De paras. ft2: uit,x)tin^uijft KiKHi>.;ii-n ndn^ ^ 2<x»'"9"r]ff «i;j;uc.Aii'ii»s. ^m w(<)r
ainb xb övofia ala^rrsrai u Xunficcvii^ de merc. cond. 23: dovXog ovv sl xal
navv äx9(ari tw 6v6\i(xxi nX^v d ^»; ccnoxQfiv aoi rrgo^ iXttyd^SQiav vo^iSttf
tö HT} TlvQQiov uTidi: 7.bi7tvQio}VOs vtbv flvai ^?jdt vtantff rt^ Bi&vvb^' vtti) ufya-
Xo<f<ova> Tu) xiiQvm cc7cri}i7ioXfiod'oci.
2) De paras. 63: tvgoig ^ av ov ^lövov Tat)Ta jkqI rovrovf, &XXa mal &XX<ic
nd^r,, otov Xvitas xal (Jpyätf xal ff&6voi\' xal navToiag int&vniag, Hermot. 76: or»
lii/JTt Xvntla&ai fi-^G^' vcp' i}dovi)g xaTaarcicaQ'ai fii'jre opyiffff^t'«», (pO'ovov 9h xffdtrovi,
3) Siehe oben H. 221.
4) Pseudolog. Ifi: jjpvffoötf, (paaiv, iv 'OXv^iitia ffraO^yjri.
6) De parat. 62: 6 ^^i' naQÜanog o^xtog fx'^' ^Qbg ^Q)n''Qiov of o^x ^9 rt^oMI
nffbg xicg iv xotg alyiaXolg ^(n](ptdag ccfitXobg f;jot, xal ov&hv aitxm donit
diatpiffiiv xb XQVoiop ToO itVQOg. Tim 66: xb jrprfftor fihv yap oifShv xtfiiMXfgop
x&v Iv xnlg alytuXotg i/>y)<pMa)f ^oi Soxtl und 41: rfUa ^ijr ;jpvtfioi' icxlv
inlarifiov . . . . m X9^^^* Stiianue xaXXtaxov ßgoxotg- at96nb¥0¥ yoc^ n^ff iixi dta-
nginny ^ ' '• ^'toifferung, die in d«m ovdi Hojft, vorrftt den Narhfthtnrr
364 Anhang III. 'Über den Parasiten'.
heit bringt uns diese Annahme! Es ist doch klar, daß Lucian, als er die
dialogische Form so völlig beherrschte, um den 'Timon' schreiben zu
können, nicht etwas so Hölzernes mehr zustande bringen konnte, wie es
uns hier vorliegt. Damit ist dem 'Parasiten' das Urteil gesprochen, und
man wird sich nicht sträuben dürfen, auch den übrigen Argumenten, die
gegen die Echtheit vorgebracht sind, ihr Gewicht zuzugestehen.^)
Die Schrift ist also mit bewußter Anlehnung an Lucian in Nach-
ahmung seiner Art geschrieben. Darum die Ähnlichkeiten, darum die
Abweichungen selbst bei Übereinstimmung der Gedanken. Es scheint aber
auch die Abfassungszeit mit den Lucianischen Satiren ungefähr zusammen-
zufallen, wenigstens wenn sich eine Vermutung bestätigt, daß in Kap. 52
sich eine Anspielung auf den Unterricht des Mark Aurel bei Sextus von
Chaeronea, dem Neffen Plutarchs, findet. Dort ist die Rede davon, daß von
den jetzt berühmten Philosophen einer wegen Bestechlichkeit belangt wurde,
der andere vom Kaiser für seinen Unterricht Honorar fordert und sich
nicht schämt, wenn er noch als alter Mann deshalb seine Heimat verläßt
und um Geld dient wie ein Sklave.^) Die Zahl der römischen Kaiser,
die der Philosophie huldigten, ist nicht so groß. Auf Mark Aureis Lehrer,
den berühmten Sextus, der aus Böotien nach Rom kam, wüi'de die An-
deutung passen. Es wird berichtet, daß Mark Aurel seinen Unterricht genoß,
als er schon Kaiser war^); wann derselbe begann, ist unbekannt, jedenfalls
nach 146, als Mark Aurel sich entschieden der Philosophie zu- und von
der Rhetorik abwandte.^) Schon um 150 kam dem Sextus ohne Zweifel
die Bezeichnung TiQEößvztjg zu, selbst wenn er 40 Jahre jünger als Plutarch
war, um so mehr nach der Thronbesteigung des Kaisers im Jahre 161,
nach der wir doch wohl nach der Fassung der antiken Nachrichten diese
Studien bei Sextus anzusetzen haben. Ist die Kombination richtig, so
zeigt sie wieder, daß der 'Timon', a.lso auch 'Ikaromenipp', der 'tragische
Zeus', der 'Hahn' ^) in die erste Hälfte der sechziger Jahre zu setzen sind;
denn gar zu weit in die sechziger Jahre wird man die Schrift ^vom Para-
siten' kaum rücken wollen; auf jeden Fall bietet etwa die Abreise Mark
Aureis auf den Kriegsschauplatz Ende 166 einen Terminus ante quem.
1) Meiser hat den Tarasiten' kürzlich in den Sitzungs-Berichten d. bajr.
Akad. d. Wiss. 1905 S. 140 ff. behandelt, aber nur textkritisch, und für die Echt-
heitsfrage nichts beigebracht. Libanius' beide Parasitenreden (Reiske IV 150 ff.
216 ff.) bieten, soweit ich sehe, auch keine Argumente zu ihrer Lösung.
2) De paras. 52: 6 d« naga ßccöiXtcog VTthg xov ovvtlvai iiiad^bv cxltsI xai
ovx ai6%vv8tai^ sl hi TtQbGßvtrig ävr]q diä rovto ccTtodruisl.
3) Philostrat. vit. sophist. II 1, 9: iönovöa^s iisv ö avtoy.ijäx(OQ MccQxog ntgl
Se^tov xov iyc BoLcoxlccg (piX6aoq)Ov, ^a^i^av ccma v,aL (poix&v inl Q-vQccg (vgl.
Suid. 8. V. Mägzog).
4) Vgl. P. V. Rohden in Pauly-Wissowa Realencylop. I 2286.
5) S. oben S. 183 ff. die Folgerungen, die sich aus dem Timon' ergaben.
Anhang IV.
Über den Tanz'.
Die Schrift *über den Tanz' oder die Pantomimen knüpft ebenfalls an
Lucians philosophische Dialoge an, insofern Lykinos auftritt und auf seine
phil(^ophische Bildung hingewiesen wird. Die Form erinnert an den
'Nigrinus'. Nach einer kurzen dialogischen Partie bekehrt Lykinos durch
eine lange Rede den ungläubigen Kraton und zeigt ihm den Nutzen der
pantomimischen Kunst. Auch hier könnte man, auch abgesehen von der
Person des Lykinos und seiner Charakterisierung, glauben Argumente für
die Abfassung durch Lucian zu finden. Die örtlichkeiten, die der Vor-
tragende erwähnt, stimmen zu Lucians Wanderfahrten, allerdings wohl auch
zu denen mancher andern Sophisten. lonien und den Pontus, die hier (79)
genannt sind, hat er durchzogen (bis acc. 27, de bist, conscr. 10, Alexand.
55); in Antiochia (de salt. 76) weilte er, als er das Enkomion auf die
schöne Panthea verfaßte.^) In Rom (de salt. 20) und Italien hielt er sich
auf, als ihn sein Weg bis nach Gallien führte (bis acc. 27) und als er
den Nigrinus besuchte (Nigr. 2); damals kann er auch Kumä gesehen
haben (de salt. 32). Auch die Beziehung auf Römisches würde für den
gealterten Lucian passen; es ist vom Saliertanz die Rede (20), von der
Didosage (46), Ereignisse aus Neros Zeit werden erzählt (63/4); die ita-
lische Bezeichnung 'Pantomimus' wird erklärt (67). Auch Ägypten, das
ja Lucian in hohem Alter eine neue Heimat geworden ist, spielt eine
Rolle (59j. Und in dem völligen Einschrumpfen des Dialogs kann man
ja ebenso gut ein Zeichen der AltersschwärlHi t'r]<«'iin..n wie einen Mangel
an Übung in der dialogischen Form.
Dazu kommt, daß man durch and«rf» Krw etwa in Lucians
Zeit mit dieser Schrift gerät. Libanius hat ci: . für die Tänzer
gegen Aristides verfaßt, deren tibereinstimmungen mit unserer Behandlung
des Stoffes sich auf Schritt und Tritt aufdrängen*) und bezeichnenderweise
schon die Umrahmung, das einleitende Gespräch zwischen Lykinos und
Kraton, angehen. Das Bild von den Sirenen, die Odysseus bezaubern,
haben wir de salt. 3 und Lib. 383, 20 Reiske. Lykinos sagt: 'Hast du
noch keine Tänze gesehen und verdammst sie? Oder hast du welche ge-
1) Siehe S. 8ß« Anni. 4.
2) FOnit«'r, I^ibniiii i);r^^ tAp 6QXTi<ntbv oratio, Rostock 1H78, hat die Ober-
einstimmenden Stdlon im utlgemeinen (hirch Angabe der Purugraphon auH Lucian
l>ezeichnot. DIom«; OboroinMÜmniungon zeiKt^u übrigens schon, daß die Annahme,
die Lucianischc Schrift him irgendwie satirisch (vgl. Richard, Lykinosdialoge,
Progr. Hfimbg Ihh«, S. ^.r. " lli^» auf <1(mi Sand gebaut iii.
366 Anhang IV. 'Über den Tanz'.
sehen? Im zweiten Fall bist du in derselben Lage wie wir, d. h. ebenso
verdorben.'^) Libanius spricht von den Liedern, die den Tanz begleiten
(383, 21 ff.), und meint: ^Du kannst doch nur recht anklagen, wenn du
alles Schädliche an ihnen selbst geprüft hast; das ist aber nicht möglich,
wenn du sie nicht vernommen hast, also bist du selbst Zuhörer bei den
Liedern geworden und hast den Schild fortgeworfen,' wie er bildlich
hinzusetzt.^) Beide Schriften führen das Alter des Tanzes ins Feld, der
zugleich mit der Welt begann und zuerst im Stemenreigen sich zeigte.^)
Es folgen bei beiden die Beweise für den Wert des Tanzes aus der Götter-
mythologie und der alten Zeit. Zeus wird durch den lärmenden Tanz
der Korybanten vor Kronos gerettet, oder, wie es in dem Lucianischen
Dialog heißt, von den Kureten, während die Korybanten richtig nach Phrygien
versetzt werden.*) Weiter sind die Kreter ein Beispiel dafür, daß in den
hesten Staaten der Tanz gepflegt wird^); bei Libanius sind die Lakedä-
monier gleich angeschlossen, der Dialog spricht später von ihnen (10/2)
und schildert ausführlich die Bedeutung des Tanzes für die Ausbildung
der Epheben. In ihm schließt sich an die Kreter gleich die Erwähnung
des Meriones, den Libanius 380, 14 nennt. Beide reden von den Tänzern
auf dem homerischen Schilde des Achill (de salt. 13 Lib. 352,21), beide
von den Phäaken (de salt. 13 Lib. 352, 24 ff.), an denen der Rhetor von
Antiochia besonders demonstriert, daß man gut von Charakter und doch
dem Tanze zugetan sein kann. Unter den Ägyptern finden wir in dem
Dialog (19) den Proteus angeführt IlQcoricc xbv AlyvitzLov ^LfirjnKov civd-Qüorcov
■Kai TtQog Ttdvrcc ap^^aTl^aöd'cct, üccl ^sraßccXkeGd'aL övvdfievov^ Libanius nimmt
das auf (393, 16): Jeder von den Tänzern ist nahezu ein IlQODvevg Alyvit-
xLoq. Beide erwähnen die Tänzer des bakchischen Zuges®); beide berufen
1) De salt. 5: i^ l'üov ijiitv xat 6v yiyovag.
2) Lib. vi84, 2: yiyovccg xolvvv cc'/.QOcctr]g t&v ccoiidtcov.
H) De salt. 7: a^a tjj ngatr] ysvsGSi tcbv oXcov (pccUv dv 60i xal OQxriGLV
dvcccpvvca . . . . 7] yovv %OQsicc rmv ccgtsqcov ycal 7} -JtQog tovg ccTtXavetg xcbv nXccvri-
xoiv aviiTtXoxi] xfig Ttgcoxoyovov OQ^riOBcog Ssiy^ccxd ioxL^ Lib. 351, 8: mg ^hv
OVV 6VV8L6fik&S XO&S XG> TtCCVxl Kul tOff, i^ OGOVTtSQ OVQCCVOg, H tOVXOV TlCcl tOVTO
y.ccl d}g 7] x&v kgxsqcov tioqsIcx cpvXdxxovGcc dgoiiov ocq^iovIcc xivl Y.ai v6[Ltp d'slo)
X(OQOvvxcc^ TcdXccL Tcagd xmv cocpcoxdxcov ÖQxriGig ngoasigrixcci.
4) De salt. 8 : ngmxov di, (paat "Piccv .... iv ^Qvyicc iihv xovg KoQvßavxag^
iv Kgijxr] Ss xovg KovQTJxccg OQxstad^ca -nsXsvaca oiys TtSQiOQXOv^svoL disaco-
aavxo avxfi xbv ^icc oo6xs -nccl ö&öxga sl-noxcog dv ö Zsvg öcpslXsLv o^oXoyoiri ccv-
xotg iyicpvyoyv did xrjv ixsivcov ÖQxr]6Lv xovg nccxgcoovg oöovxag^ Lib. 352, 17ff. :
xbv jdia. dh ijiilv fiiXXovxcc xd avxd ntiasü&ai, xotg dSsXcpoig ovx ccvxt] x&v ;^fipcov
i^i]Q7tcc6£ tov TtaxQÖg, ox£ di] tibqI avxbv ol Kogvßavxsg oqxoihisvol xr]v cci6Q'r\6iv
dcpTjQOvvxo xbv Kqovov;
5) De salt. 8: fisxd Sh Kgrixüv oi v.gdxiGxoi ivsgycbg i7tLX7]dsv6avx8g ccvxb
dgiGxoL OQXTlGTal iyevovxo, ovx ^^ idi&xai fiovov dXXd tial ol ßaöiXL-KcaxBQOi %ul
TtQOJXSvsLv d^LOvvxsg^ Lib. 353, 6: ovyiovv ofioXoysixuL Kgfjxdg xs voiioig oxi -KaX-
XiGxoig ;f^7}(j^afc xat Accus dca^oviovg (paivhxui xoi'vvv Ttag' d^Kpolv iv TtoXXjj
67tovdfj xb oQXslaQ-ai ■aal ovx o6ov /Lt?] TcBKcoXvGd-ai dsdo^bvov xolg ßovXofihois,
dXXd xccl Vit' dvdynrig in xov vo^iov yiyvo^svov.
6) De salt. 22: r^ [ihv ydg ^lOvvGiccxd xal Bccxxi^d olpial 6£ ^rj TCSQi^ivuv
i^ov d%ov6(xL 6x1 ÖQxxiGig iyistva xdvxcc tjv, Lib. 352, 6: od' ccvxov /Jlovvgov
Überein Stimmung mit Libanius. 367
sich auf Homer, der unter dem Schönsten den Tanz mitnennt ^) (II. XIII
636 f.). Ebenso beziehen sich beide auf Hesiod und führen den gleichen
Vers der Theogonie (3) an (de sali 24 Lib. 352, 2). Von historischen
Persönlichkeiten gilt beiden Sokrates als Kronzeuge, den sie gleichmäßig
mit Berufung auf den delphischen Gott als ao(pcÖTaTog bezeichnen und
dessen Tanzversuche sie berichten.^) Libanius sucht den Tadel zu tilgen,
daß Weiber vom Pantomimen nachgeahmt werden, was auf den Charakter
einen schlechten Einfluß ausübe^); er wirft denselben A^orwurf dann auf
die Dichter.^) In unserem Dialog heißt es (28): onsQ ivsKaXeLg rf; oQxq-
ozLY.f] t6 civöoag ovzag ywainag ^LfiSLad'ai^ das triff't ebenso Tragödie und
Komödie; denn die Stofi'e sind gleich. Auch Libanius führt Tragödie und
Komödie namentlich an, weil sie dieselbe Wirkung wie der Pantomimus
ausüben müßten.^)
Der zweite Teil des Dialoges behandelt den Tänzer, nicht mehr die
Tanzkunst^) und führt eine Anzahl von Stoffen an, die sich z, T. bei
Libanius wiederfinden; dieser nennt (374,4) Hera (de salt. 39), Aphrodite
(de salt. 37), Köre (de salt. 40), (373, 5) Herakles (de salt. 41), diesen
später zum zweiten Mal (374, 10) in einer Weise, die ganz zu unserem
Dialog stimmt^), auch das Abenteuer mit Deianira und Nessus (373, 5
de salt. 50), Pelops Wagenkampf (373, 11 de salt. 47); weiter wird Achill
auf Skyros von Libanius (373, 16) wie in dem Dialog (46) genannt.**)
Bezeichnender aber ist, daß, wie der Dialog hier mit Achill den Odysseus
verbindet {Odvaalcog ^avia)^ so Libanius 368, 11 ff. ausführlich Achills
Aufenthalt unter den Mädchen und Odysseus' nsTtXaß^iv)] ^avla bespricht.
Weiter haben beide gemeinsam Daphne (de salt. 48 Lib. 373, 5), Ken-
XOQbs oi)&h ScXXo^iv ^ot Öoxh tignsiv xbv d-ebv t) iicc ribv dgxripLCCTOJV .... rüg
ßdxxccg 6^, xocv iyco ai<07trjöa), 7tQoad"qaext.
1) De salt. 23: 6 fiiv yccQ"O[ii]Q0g xcc ijSiatcc xccl xuXliora xaxaXiyav vnvov
xcfl (fiX6xT]xa y.ccl }ioXni]v xal ögxriGiv, X(xvxr}v fiovriv &y.vnoi'a djvoficcaF, Lib. 352,
22ff. : xaraX^^ug vnvov xal (piXoxrixa xa) fioXTtijv xal 6gxr]^li6v, ccuv^ova xbv
6gxrid^(tbv v}v6fiaatv. .\uch in de salt. wird das homerische 6gxr]9'^6g gleich
darauf gebraucht.
2) De salt. 25: iv xiov aTcovSaioxdxiov fia-ö^rj^arwr x«} rovxo r}yoviifvog
tlvai. xofl tufXX^ ys ixilvog rttgl 6gxriaxixr]v ov ^isxgicog anox^öciasöd^at, Lib. 363,
20 ff. : xal ovxog ^igog t)yilxo xcov ngoari'Kdvxoav Of^co rr}v Äpjjijfftv. xal vvv fikv
duJJytro, vOf d* ixtlvo noitöv itpaivexo.
8) Lib. 372, 25 ff.: bI tovto ^v i} tix^T]^ yvvutx&v iiifiiiaig, ovd* oötm
lihv &v 8Utp%BiQi ytvvcclav tpvötv. V^l. 374, 11.
i) Lib. 876,11: «öp; Zxi Tcdvxtg ovxoi y,niovvxcti yx^vatxag xal x6xs luiXicta
i-xaivohvxtti^ oxccv ^üXiöxa fii^ü}vrai.
6) Lib. 376, 17 f.: dit(p^iigovxo (ihv inb tgaywdlctg ol sroXcrt, SiHp^fiQOt'xo
S^ vnb xMfifpdiag; beachtoiiKwert ist für Libanius das o^ nuXai.
«^ V\\r diene Form der DispoHitioii hat Norden Hermes XL (190&) 8. 608
/ iieispiele angeführt und sie all gewöhnlich fär isagogitche Sohrifkon
nii <;n.
1) Lib 874, 10: xbv /i^ZP* ^*^*' XQ*^^*^** M')^<*»»' ii^Tflvavxa xohg n6¥0vs 'H90-
xUa^ de sali 41: 'llganXfig rtvv xolg (i^Xoig avxod &n«at.
8) De sali. 40: kxiXX^tog iv i^xvgrp naQ^ivivaig, Lib. 878^ 16: nul Sil ««^
368 Anhang IV. 'tJber den Tanz'.
tauren- und Lapithenkampf (de salt. 48 Lib. 374,8), die Tat des Theseus
am marathonischen Stier und am Minotaurus (de salt. 49 Lib. 374, 9)^),
Phädra (de salt. 49 Lib. 373, 7), Atalante nebst Meleager (de salt. 50
Lib. 373, 6). Beide führen an, wie in Ägypten und Rom die Tänze in
Ansehen stehen.^) Unser Dialog hebt hervor, wieviel angenehmer der An-
blick des Pantomimen als der des Faustkämpfers ist^), Libaiiius stellt das
Gefahrvolle solcher Kämpfe ebenfalls dem Tanz gegenüber.^) In dem Dia-
log heißt die Tanzkunst (72) d-ijyovaa ttji^ '^v-piv, Libanius (374, 14) ge-
braucht den Ausdruck iyalgovai rag ipv;(ag, verwendet aber (392, 7)
ebenfalls das Verbum ^i^yeLv. Lykinos verspricht sich vom Anblick des
Pantomimus eine moralische Veredlung (72)^), Libanius schwankt zunächst
scheinbar (375, 2 f.); dann weist er nach (377, 6), daß Freunde des Pan-
tomimus ihre Amter tadellos geführt und sich nicht das geringste, was
auf verdorbenes Gemüt schließen ließe, haben zu schulden kommen lassen;
er schließt dann: Wenn die Pantomimen auch nicht gerade veredeln, so
verhindern sie doch moralischen Fortschritt nicht.®) Später kommt er auf
den erziehlichen Wert, den zunächst die Tragödien gehabt hätten (390,
15ff.)'^); er schildert im einzelnen, wie man über den Tod seiner Kinder
getröstet werden könne durch Darstellung des Mordes der Ägyptussöhne,
der Opferung der Iphigenie, wie andere Stoffe beruhigend wirken könnten,
wie Odysseus lehrt: kccIov sig ßlov Kai TKxgreQLa. Es ist der gleiche Ge-
danke, der in dem Dialog (79) betreffs des Pantomimus ausgedmckt ist.^)
Libanius ist aber schon weiter von der klassischen Zeit der Tragödie ent-
fernt, und während in dem Dialog noch der Pantomimus einfach neben
die Tragödie gestellt ist, fährt Libanius, wie er oben ol itdXca gesagt hatte,
fort (391): ^So lange das Geschlecht der Tragödiendichter blühte, waren
sie die Lehrmeister für das Volk; nach ihrem Aussterben führte ein Gott
aus Mitleid den Pantomimus ein.' Und dessen Wirkung beschreibt er
1) De salt. 48: rovg ravQOvg (vgl. 40), Lib. 374, 9: rbv ■KQaxovvxa t&v v.cc-
VrOVQyoov ©rioia v.cn tov xccvqov y.al tov [llvcotccvqov.
2) De salt. 19. 20, Lib. 378, 24. 5 in derselben Reihenfolge hintereinander.
3) De salt. 71: Ttotyco yuQ xovxo rjÖLOV oqccv r\ itvaxEvovxag vsccvLOy.ovg yiccl
cctficcti Qso^ivovg v.ccl itaXaiovxccg alXovg iv "kovel.
4) Lib. 394, 7 : naXuLöxrig ^iv ys -jtccXaiGx^v r/dr] y.ccxicch,s yiccl TtccyngccxLaaxTjg
iv t& 7c6v(p rbv ocpd'ccXiibv i^sxOTtr} usw.
5) De salt. 72: ^co Xiysiv öig ä^dvatv xb rj^og ö^iXcöv xjj xoluvxtj d-ioc ysv^oj]
öxccv OQocg tb Q'iaxgov ^loov^ iisv xa. xaxw? yiyvo^Bva, iniSa'KQvov Sb totg ccSi-
yiov^evoLg.
6) Lib. 375, 2 f. : iyoo avxrjv ov qpT^öco ngbg ccQStriv ccysiv^ 378, 2 ff. : xovxovg
ov% VTcb xav OQxriGx&v ccyad'ovg ysysviiGd-ca Xiyco^ (pruil d^ ys fiTjda Tie'naXvöd'aL
nccQcc x&v OQxriöxSiv aya^ovg ysyErTjöd-ccL.
7) Lib. 390, 15: 6 yäg 8i] 7t£7iXr]QcoiiEvog xfjg xcbv fjQoaav Ticcl yvw^rig yiccl xv%rig
Scfisivcov 6^iXfi6ai ngay^aaiv^ iv xotg iy,biv(ov naO'riybCiai xbv uvxov ßiov ög^cäv.
391, 11 : oXcag d' 7] cpiXoxi}i(ov ngd^sig dcytovovxeg ^ ngonaxäv d^iccgxiag r\ aviicpOQ&v
vTtsgßoXäg xa ^ihv pLiiislöd'cci, xcov äh ccTtsxsßQ'aL TtccidsvoiiEd'cc.
8) De salt. 79: ovxat dh ^eXysi ogxriGig w(>t£, av ig&v xig sig xb d'iaxgov
Ttccg^Xd-oi, t6co(f}govi6d^7i tSatv oGcc ^gcoxog xaxa xeXrj, %ccl Xvnr] ixoiisvog i^igxsxca
tov ^sdxgov cpaidgoxEgog^ 81: ccTt^gxovxai änb xov d'sdxgov a X8 XQV cclgslö&ccL
■Kccl a (psvysiv iis^ad'Tiyioxsg -Acci a ngoxsgov i]yv6ovv Sidccx^^vxsg.
Übereinstimmung mit Libanius. Unechtheit. 369
dann genau so als tröstend und lindernd (392, 9flf.) wie der Dialog. Auch
die Erfordernisse für die Veranlagung des Tänzers berichten beide gleich-
artig^), beide verlangen Beweglichkeit (de sali 77 Lib. 388, 17flf.), beide
gebrauchen den Ausdruck vygog und vyQorrig (de salt. 73 Lib. 388, 25).
Daß ein Zusammenhang zwischen den Verfassern dieser beiden Schriften
besteht, ist klar. Ob Libanius aus dem Dialog tcsqI oQii'jaecog geschöpft hat
oder beide aus einer Quelle, mag zweifelhaft bleiben.^) Der Dialog leidet an
Unübersichtlichkeit und Weitschweifigkeit, während Libanius^ Gedanken-
fuhrung durchaus gedrungen und logisch ist; was in jenem "verstreut ist,
steht bei dem Redner von Antiochia vereint; die Homerstellen finden sich
z.B. zusammen (352, 21 ff.), Kreter und Lakedämonier sind verbunden,
nachdem er von den Mythen abgegangen ist (353, 4 ff.), und mit richtigem
Übergang heißt es (353, 20): 6 öe Sr} Jtokeoiv okcov cc^LCJzsQog Eig ^aoivgCav
Zcoy.odtrjg. Daß der Verfasser des Dialogs andererseits nicht etwa den
Libanius benutzt hat, ist selbstverständlich. Das beweist nicht nur die
größere Ausführlichkeit, die Sonderung der Korybanten und Kureten, die Liba-
nius zusammengeworfen hat, sondern auch das andere Verhältnis, das beide
zur alten Tragödie haben. Aus der Rede des Libanius ersehen wir
nun aber, daß er den Anlaß dazu einer jetzt verlorenen Hede des Aelius
Aristides entnahm, in welcher dieser die Spartaner ermahnte, Mimen und
Pantomimen zu verjagen. Er selbst hält sich an die in jenem Vortrag
geäußerten Gedanken, die in der Ausgabe von Förster durch den Druck
gekennzeichnet sind. In dem Dialog ist unabhängig von solcher Polemik
eine Art Enkomion des Pantomimus enthalten; aber es ist nicht unmög-
lich, daß auch sein Verfasser durch die Rede des Aristides angeregt wor-
den ist, sich aber der Polemik gegen den angesehenen Zeitgenossen ab-
sichtlich enthalten hat, die höchstens in dem ausführlichen Bericht über
die Lakedämonier ccqiötol ^EXXi'iihov elpai öoKovvzsg (10 — 12) sich ahnen
ließe. Damit käme man aber in die Zeit Lucians.
Trotzdem ist die Schrift nicht von Lucian. Zwar die sorgsam ge-
sammelten sprachlichen Anstöße'*) beweisen auch hier nicht genug und
können erst als Argument zweiter Ordnung in Betracht kommen. In
manchem ist man auch hier zu streng gewesen*); manches könnte auch
hier auf die benutzte Quelle zurückzuführen sein, die offenbar der ersten
Kaiserzeit angehört, da auf den Aufschwung der Tanzkunst zu Augustus'
Zeit aufmerksam gemacht ist (34) und die Stoffe für den Pantomimus
merkwürdigerweise vom Chaos und der Weltentstehung bis zu den Ereig-
li De Ralt. 76: fttfre 'bifnilbg &fav iata o^xs noXvoaQ%os^ Lib. 888:
ft oi\, iiir f'fizhTttt iietQlot% nolvacegxlag Sk oijj aipfrcei.
1 I ..r^t« r a. a. O. S. 8 läßt die Frage in der Schwebe, offenbar weil ihm
• iie lioiiutziing von de salt. durch Libanius anzunehmen nicht gans rataam schien.
8) Siehe Hieler, Über dir K.l.thrit .I.r lue S.hrift de salt. Progr. Wil-
helnuihaven 18U4.
4) Z. H. hat der Auiidru« i% r. i ,, u.>i i.. .lU Ho/eichnuni^ einet Teilet
der Ilia« nirhtt Auff&lligoi, wie Hieler glaubt; vgl. Jobb, I{oni«'r. flben. tod
Schleninger, Berlin 1H9J1. "' '"'* 'tr t Ifom. Ilin«! nirm . I.ip'* 1884,
Proleg. 1 ff.
II «Im, huoian and M«nip|>. S4
370 Anhang IV. 'Über den Tanz'.
nissen unter Kleopatra reichen (37)^); dazu würde es ja sogar stimmen,
wenn wirklich die Einleitung (1 — 6), wo der Verfasser seinem eigenen
Ingenium folgen konnte, durchaus Lucianisches Gepräge und Überein-
stinmiungen mit andern Schriften aufweist. Aber gegen die Echtheit spricht,
die Form selbst; wenn Lucian im Alter auch zu dem kunstlosen Schein-
dialog des ^Nigrinus' zurückkehren konnte, so war es doch für ihn un-
möglich, eine so lederne seitenlange Aufzählung von Pantomimenstoffen
(37 ff.) zu geben, die dem unbeholfensten Stilisten gerade anstehen würde
und selbst durch Altersschwäche keine genügende Entschuldigung erfährt.
Zum Glück aber hat sich der Nachahmer auch hier an einer Stelle so
kompromittiert, daß wir ihn abzufassen vermögen. Kraton sagt in der
Einleitung (2) von Lykinos nicht nur, er sei (piloGocpla xa (livQLa coiiLlrj-
x(ö^, sondern er wirft ihm vor: nkdxavog %al Xqvöltctcov '/.al \4qi6tots-
kovg i'Kkad'Ofisvog oidd'rjaaL. Man stutzt über diese Zusammenstellung der
Lehrmeister Lucians; wenn man auch Piatons Nennung billigt und Aristo-
teles' Erwähnung hingehen lassen möchte, w^ann war denn Lucian Anhänger
der Stoa?^) Bilden die Stoiker ja doch gerade die einzige Sekte, die er
in wirklich gehässiger Weise verhöhnt.^) Woher die hier unpassende Zu-
sammenstellung der Philosophen aber stammt, wird klar, wenn man de
merc. cond. 24 liest: 6 %cclbg UXcctcov rj 6 XQvöinnog ?} Agiörorili^g oder
Hermot. 48: XQvöLTtiiog y.al ^AQLatoieh]g aal IlXdtcov'^ aber dort handelt es
sich um einen Stoiker; und so natürlich die Erwähnung Chrjsipps dort
war, so falsch und störend ist sie hier, wo Lucian von sich sprechen
würde. Nun gewinnen auch die andern Indizien ihre Bedeutung, die
Abweichungen der Sprache, die Nachlässigkeit in der Komposition.*) Man
sieht, auch mit der vorausgesetzten Umrahmung ist es nicht weit her;
das Motiv der Bekehrung des Kynikers stammt aus der Anekdote vom
Kyniker Demetrius (63) und ist dann schlecht und recht in die kurze
dialogische Einleitung und den Schluß gefaßt worden.
1) Anders erklärt diese Erscheinung Friedländer, Sittengeschichte Roms 11®
S. 452.
2) Vgl. W. Schmid, Phil. L (1891) S. 310: 'wenn nicht Hermotimos ein Stoiker
wäre, und das ist Lucian Zeit seines Lebens nie gewesen.'
3) Vgl. Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. IX (1902) S. 276 ff.
4) Vgl. auch P. Schulze, Jahrb. f. Phil, und Paed. 143 (1891) S. 823 ff.
Anhang V.
Die Philosophen in der KomiJdie.
In den Satiren Lucians nimmt die Philosophenverspottung den gi-ößten
Raum ein. Der Typus des Philosophen als einer komischen Figur tritt
uns dabei mit einer gemssen Gleichmäßigkeit und völlig entwickelt ent-
gegen. Lucian hat ihn nicht geschaffen, ebenso wenig wie Menipp. Von
Wert ist diese Erkenntnis immerhin bei der Entscheidung, wie weit seine
Schilderungen Bilder der Wirklichkeit voraussetzen. Er selbst hat Eupolis
und Aristophanes und somit die Komödie ausdrücklich als Quelle für
seine satirischen Schöpfungen bezeichnet. Man könnte darin eine gewisse
Großsprecherei sehen, die sich rühmt mehr Kenntnisse zu besitzen als zu
den Satiren nötig war, die vielleicht nur mit den berühmten Namen der
Literaturgeschichte paradiert. Darum lohnt es sich zu untersuchen, welche
Rolle die Philosophen in der Komödie^) gespielt haben, und die Entwick-
lung dieses komischen Typus zu verfolgen.
Die Verspottung der Philosophen setzt sofort mit der alten Komödie
ein. Es war ja natürlich, daß die Menschen, die durch ihre Reden wie
durch ihr Leben aufzufallen suchten und sich von den übrigen absonderten,
den Komödienschreibern als Zielscheibe des Witzes dienten, und daß Spaße
über sie bei der Masse des Volkes ein lautes Echo fanden.') Auf ge-
wissenhaftes Eindringen in ihre Eigenart kam es dabei nicht an. Das
krasseste Beispiel für das geringe Verständnis, das der Komiker gegenüber
den Verspotteten besaß, sind die ^Wolken' des Aristophanes, in denen aus
nicht begriffenen oder absichtlich verdrehten Lehren und Bestrebungen ein
wahrer Hexenbrei zusammengerührt und mit dem Namen des Sokrates in
Verbindung gebracht ist.') Man wird den Dichter kaum von dem Vorwurf
1) PhiloBophenverKpottungen auH der KoraOdie sind zusammengestellt bei
Holderman, Studia Lucianea, Wi»». Lugd. Hat. 1893, 8. 78 f., uuh Antiphanes bei
Bergk, Griech. LiteniturgeMch. IV her. von Peppniüllor, Berlin 1HH7, S. 140.
2) über die IMiiloHopben uU ((Xui6vtg in der Komödie vgl. Ribbook, Ala/.un,
Lpz. 1882, S. 10 ff. Ledergerber, Lukian u. d. altutt KonirMÜ.'. Kinsiedeln rJ06,
int mir nicht bekannt geworden.
8) Vgl. Zellor, Die Phil, der üriechiüi • U 1 .^. Jl3 tf. Suviiu, l her Aristoph.
Wolken, Bert. 1h2A, der in SokraieM bei AristophanoH nicht duH Individuum sehen
will, ist von Zclier richtig widerlogt worden. S(» wahr en au und für sich ist,
daß mit SokraieN xugleich eine ganze (teiHteHrirhtiing getroffen ist, so wenig
kann man sich dem Eindruck entziehen, daß xeino (>igene Person dabei nicht
einfach uuNgeschaltot werden kann, der Spott also, der iim karikiert, ihn auch
372 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie.
freisprechen können, daß er, zum Teil wider besseres Wissen, was ihm an
der gesaraten modernen Aufklärung und Philosophie zuwider war, dem
Sokrates aufgebürdet^) und ins Groteske gesteigert hat. Mit Naturphiloso-
phie hat sich Sokrates nicht abgegeben, und trotzdem gibt gerade die
angebliche Untersuchung naturwissenschaftlicher Dinge das Motiv zu der
burlesken Szene des Philosophen im Hängekorb, und das cceQoßarm aal
nEQLg)QOVG) rov rihov und das Studieren der fiSTmga ngayfiara (nub. 225/8)
hat bis zu Lucian ^) eine starke Wirkung ausgeübt. Und Aristophanes hat sich
damit nicht begnügt. Der Schüler in den ^Wolken' weiß von besonderen
Kunststücken des Meisters zu berichten, wie er die Flohsprünge mißt, wie
er die schwierige Frage löst, womit die Schnaken singen, ja selbst Mantel-
diebstahl schreibt er dem Philosophen zu^), der für ihn der Typus des
Hungerleiders ist; er will das zwecklose Grübeln karikieren, das der Welt
entfremdet, keinen praktischen Erfolg hat und kein Brot schafft '^), wie ja
noch Lucian das Leben des tdtcör?/g dem gegenüber als das einzig richtige
erscheint und die Nutzlosigkeit alles Philosophierens sein Hauptargument
ist.^) Auch die Witzchen über die naturwissenschaftlichen Studien klingen,
auf Aristoteles übertragen, bei unserem Satiriker nach^), den Diebstahl
hat er im 'Gastmahl'^) verwandt. Weiter richtet sich der Spott des
Aristophanes gegen die Gottesanschauung des Sokrates; seine reinere Auf-
fassung im Gegensatz zur Volksreligion wird verhöhnt, indem er die Wolken
als einzige Gottheiten hinstellen und diese Behauptung dann durch höchst
groteske Argumentation verfechten muß; dabei wird er als fisrscoQoöocpL-
azi]g (V. 360) bezeichnet; so steht der erste Vorwurf mit dem Motiv, das
für den zweiten gewählt ist, in innigstem Zusammenhang. Aber den Haupt-
punkt in den 'Wolken', wie sie uns vorliegen, bildet doch die Verspottung
wirklich angeht. Allerdings ist schon bei Aristophanes schwer zu sagen, wie
weit bewußte Polemik vorliegt, wie weit ihn die übermütige Laune und die
Lust am Komischen fortgerissen hat. — Sokrates als Alazon doctus und typische
Person behandelt W. Süss, De personarum antiquae comoediae Atticae usu atque
origine. Gießener Diss. 1905, S. 8 ff.
1) Es ist allgemein anerkannt, daß Diogenes von Apollonia mit seinen
Lehren einen Teil des Stoffes geboten hat (Diels, Verhandlungen d. 35. Philologen-
Versammlung in Stettin 1881 S. 106 ff,; Gomperz, Griech. Denker, Lpz. 1903, I*
S. 303; Joel, Der echte und der xenophont. Sokrates II 2 (Berlin 1901) S. 831,
dessen scharfsinnige Vermutungen den Boden verlieren, wenn man in Sokrates den
zusammenfassenden Repräsentanten einer im einzelnen in viele Richtungen sich
teilenden Geistesströmung, also, wie Diels sagt, nur die Maske sieht).
2) Bis acc. 33, Icarom. 5, necyom. 21.
3) V. 179: Über die Konjektur d-v^driov vgl. Joel a. a. 0. II 2 S. 855 und
Röemer, Sitz.-ßer. d .bayr. Akad. d.W. 1896 S. 231 f. (Epict. Diss. IV 11, 20, Demetr.
de eloc. 152).
4) Über Sokrates' Armut vgl. v. Wilamowitz, Aristoteles und Athen, Berlin
1893, n 227; Ed. Meyer, Geschichte des Altertums, Stuttg.-Berlin 1901, IV 440.
5) Necyom. 21, conv. 34.
6) Vit. auct. 26.
7) Conv. 46: Der Platoniker Ion hat einen Becher genommen, 'damit er
nicht verloren gehe', und ihn dem Rhetor Dionysodor zugesteckt, der offenbar
den Hehler spielen muß.
Sokrates. 373
sophistischer Redefertigkeit, die überall imstande ist, die ungerechte Sache
zur stärkeren zu machen und den Mangel au überzeugenden Gründen
durch einen lauttönenden Redeschwall zu verdecken. Das ist ja der Anlaß
für den Pheidippides, sich in die Schule des Sokrates zu begeben, und in
dem Wortgefecht des Xoyog öUaLog und äÖLKog wird ausgeführt, daß Treu
und Redlichkeit vorbei sind, daß man heutzutage nur mit dreisten Worten
durchkommt, daß man dem Grundsatz (V. 1078): xqo) tj) qpi'aft, öklqtu,
yiXa^ vofiL^e ^}]6ev alö'/^Qov huldigen und trotzdem mit Worten stets sein
Treiben beschönigen kann. Der Sokrates als Schwätzer, wie er eine Lieb-
lingsfigur bei Lucian^) ist, verdankt dem Aristophanes seine Existenz, der
ja auch in den ^Fröschen' (V. 1491) den Philosophen als untätigen Ra-
bulisten zeichnet.^) Piaton hat die drei Vorwürfe, die gegen seinen Lehrer
erhoben worden sind, in der Apologie richtig zusammengefaßt.')
Was Aristophanes sonst gegen Sokrates vorbringt, sind nur Ergän-
zungen zu jenen Anklagen. Im Chorlied der 'Vögel' heißt er der unge-
waschene Sokrates, der bei den Schattenfüßlern die Seelen leitet (V. 1553 ff.);
und kurz vorher (V. 1282) steht 'sokratisch sich benehmen' im engsten
Zusammenhang mit schmutzig sein und hungern.*) Auch die anderen Ver-
treter der alten Komödie stimmen in dieses Lied des Aristophanes ein^),
das uns nur bei ihm am deutlichsten entgegenklingt. Eupolis sagt es
ganz offen: 'Ich hasse den Bettler und Schwätzer Sokrates, der alles
andere wohl bedacht, jedoch darum, woher er zu essen nehmen sollte, sich
nicht gekümmert hat' (Kock I S. 351 fr. 352). Und zu dem Diebstahl,
den Aristophanes dem Philosophen als Beispiel seiner Schlauheit zuschiebt,
hat uns der Sclioliast als Parallele die Stelle des Eupolis (Kock I S. 355
fr. 361) erhalten, nach der er beim Gelage sogar die Weinkanne entwendet,
ein Motiv, das, wie gesagt, bei Lucian im 'Gastmahl' wiederkehrt.^) So
beruft sich der Satiriker für die Verspottung des Sokrates mit Recht auf
das Vorbild der beiden Dichter.^) Bei Kratinos kann wenigstens die Be-
merkung über den Schwur bei Hund und Gans (Kock I S. 83 fr. 231)
auf den bekannten Schwur des athenischen Philosophen anspielen, den
auch Lucian verhöhnt.**) Auf die Bühne gebracht hat den Sokrates auch
Ameipsias im 'Konnos' und ihn als Toren und Hungerleider, der, mangel-
haft gekleidet, im abgetragenen Mantel und ohne Schuhe einherspaziere,
dem Gelächter des Publikums preisgegeben (Kock IS. 672 fr. 9). Wie weit
1) Vgl Neue Jahrb. f. d. klasa. Altertmn IX (1902) S. 199.
2) V. 1497 f. nennt er des Sokrates T&tigkeit Xi/igtov SiarQißijv igybv noi-
3) Plat. apol. 23 D: tu utT^to(fa xu\ xcc i>nb yf^s {diddaxmv) nal 9iohs fii^
vo^l^tiv xu\ xiiv r,xra) X6)>ov XQfiTTto noietv.
4) Wenn hier in den Worten i%6^<ov, inBlvav, fQQvnav, iaartQdrtav schon
das erste auf SokrateH bezogen werden soll, so ist C8 nur zu verstehen von der
gänzlichen VemachlilsHigung der Pflege deH Haupthaares (vgl. Roemer, StudieQ
tu Aristophancii, Leipzig 1902, I S. 51).
6) Einiges Material findet sich in der Stoffsanimlung bei 0. FroehdOf Beiträge
zur Technik d. alt4«n utt. Koinfldic, Berliner Stud III 1 1H98) 8. 106 flf.
6) Hiebe S. 372 Aiim. 7.
7) Pisc. 26. 8) Vit. auct. 16.
374 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie.
sonst in jenem Stück die Philosophen mitgenommen waren im Reigen der
(pQOvtLaiat, die dort auftraten, wissen wir nicht mehr; daß Protagoras
nicht genannt war, hat Athenäus V 218'' für wert gehalten zu bemerken,
um daraus einen Schluß für die Anwesenheit dieses Sophisten in Athen zu
machen. Jedenfalls ist klar, daß der Chor im übrigen der Verspottung
der Sophisten diente.
Sokrates zählt in all diesen Fällen zu ihnen und muß mit ihnen
leiden. Auch sie sind vom Stachel der Komiker nicht verschont. Piaton
bat ihnen ein eigenes Drama gewidmet, in dem allerdings der Begriff 'So-
phist' ziemlich weit gefaßt war.^) Ganz allgemein ist der Spott in des
Antiphanes "'Kleophanes', wo die dürren, hungrigen, untauglichen Sophisten
und ihre dialektischen Spitzfindigkeiten verhöhnt werden; die betreffenden
Worte klingen an Parmenides an und sollen eleatische Weisheit verspotten^);
Venn etwas wird, so ist es nicht' wird in zehn Versen bewiesen, so daß
der Laie, wohl der Vater eines Philosophenschülers, entsetzt ausruft: *Was
das heißt, könnte auch Apollo nicht begreifen.' Auch da zeigt indessen
der Zusammenhang ganz deutlich, daß unter den Sophisten die Philosophen
überhaupt verstanden sind, die im Lykeion disputieren. » Von den eigent-
lichen Trägem dieses Namens hat Protagoras sein Teil des Spottes in
des Eupolis 'Scbmeichlern' gefunden, wo er beim Gastmahl des reichen Kallias
diesen zum Trinken anhält und ähnlich wie der aristophanische Sokrates
als Aufschneider gezeichnet ist, der aXa^ovsvexccL . . tcsqI t&v ^isrecoocov^
im übrigen aber auf die Leckerbissen dieser Welt bedacht ist (Kock I S. 297).
Es ist damit schon in gewisser Weise auf den Widerspruch zwischen Lehre und
Leben hingedeutet der später in der Satire immer wiederkehrt. Den Gorgias
hat Aristophanes als Rechtsverdreher und Schwätzer verhöhnt; als Urbild
aller Zungendrescher, die mit ihren Zungen säen und ernten, hat er ihn
nebst seinem Schüler Philippos im Chorlied der ^Vögel' (1701) gebrand-
markt; und beide trifft er wieder mit seiner Geißel in den ^Wespen' (421),
weil alle Redefertigkeit den Philippos nicht vor dem Verlust eines Pro-
zesses bewahrt hat. Prodikos geht bei Aristophanes mit Sokrates Hand
in Hand; wie jener gilt er als einer, der leere Worte macht und die Jugend
verdirbt (Kock I S. 518 fr. 490); nächst jenem wird er ironisch der einzige
unter den ^ixsiüQoöocpimai genannt, dem der Wolkenchor Glauben schenken
will um seiner Weisheit und Einsicht willen (nub. 358 ff.) ^); und der
Reigen der Vögel will die beiden zum Vogelreich gekommenen Athener
nBQi TCöv (xeTE(OQ(av belehren, sie unterweisen betreffs der Natur der Vögel,
der Entstehung der Götter, der Flüsse, der Finsternis und des Chaos, daß
sie hinfort auf Prodikos' Weisheit verzichten können (av. 692). Thrasj-
machos wird von Aristophanes in den ""Schlemmern' mit seinen sprach-
lichen Neubildungen verspottet (Kock I S. 439). Hier wie an der Stelle
1) Kock I S. 636 ff.; Meineke, Hist. erit. com. Graec. S. 184.
2) Diels, Poet. phil. fr. S. 66 fr. 8, 20; Kock II S. 58 fr. 122.
3) In dem Zusammenhang kann das Lob des Prodikos nur spöttisch gemeint
sein. Van Leeuwens Hinweis auf den Xoyog dinaiog und adixos nach Prodikos'
Muster, um eine bessere Gesinnung des Komödiendichters diesem gegenüber zu
folgern, ist hinfällig.
Die Sophisten und Chaerephon. 375
des Antiphanes kommt der Gegensatz der alten und der jungen Generation
zum Ausdruck; die Väter begreifen diese neue Wissenschaft nicht, und die
Jungen brüsten sich dünkelhaft mit ihren äußerlich angelernten Kenntnissen.
Der komische Konflikt, der so entsteht, ist auch bei Lucian noch erhalten. ^)
Von Sokrates' Schülern ist es besonders der blasse Chärephon^), der
immer wieder den Hieb der Komiker fühlen und so für sein inniges Ver-
hältnis zu dem Meister^) büßen muß. Er ist Aristophanes schon nach
seinem Äußern unsympathisch. Wenn Strepsiades nach dem Unterricht
bei Sokrates ihm gleichen soll, so wird er nach seiner eigenen Aussage
halbtot erscheinen (nub. 503), und in den 'Wespen' (^1408/12) wird er
als passender Zeuge für das fahle Bäckerweib bezeichnet. Den Namen der
schattenhaften Fledermaus erhält er in den 'Vögeln' 1296; mit Sokrates weilt
er dort bei den Schatten füßlern und steigt unerwartet als Gespenst in dem
Lied des Chores auf (1564), er, der ja lebend schon den Toten gleicht.
In den 'Hören' (Kock I S. 538 fr. 573) hieß er der Sohn der Nacht, in
den 'Telmessiern' wurde er als Sykophaut verhöhnt (Kock I S. 528 fr. 531)),
und in einem andern Drama wurde ihm gar wie Sokrates der Ehrentitel
des KÜTtTiig beigelegt (Kock I S. 467 fr. 291). Daß Chärephon in der
ersten Fassung der 'Wolken' eine größere Rolle gespielt hat, ist außer
durch andere Beobachtungen durch das 'Zeugnis des Photius erwiesen*);
wird er doch gleich zu Beginn des Dramas (V. 104) mit dem Meister
zusammen als Muster dieser blassen, unbeschuhten Schwätzer aufgeführt.
Auch bei den andern Dichtern ist der Spott der gleiche. Eupolis nennt
ihn in den 'Städten' (Kock I S. 322 fr. 239) Ttv^iuog um seiner Farbe
willen und rechnet ihn in den 'Schmeichlern' (Kock I S. 304 fr. 165) zu
denen, die um die Gunst des Kallias werben. Kratinos hat ihm in der
'Weinflasche' (Kock I S. 74 fr. 202) wegen seines armseligen, schmutzigen
Aussehens einen Hieb versetzt. Man sieht, bei Chärephon kam das Äußere
hinzu, um ihn den Komikern als Typus des bleichen Hungerleiders pr-
scbeinen zu lassen, wie sie des Sokrates Schule heranbildete.
Spiegelt sich in dem Umfang, in dem jemand von der öfFentlichkoit
mit Witzen und boshaften Bemerkungen überschüttet wird, die Bedeutung
dieser Persfmlichkeit in gewisser Weise wioder, so wird es nicht wunder-
nehmen, daß Piaton ^) in der Komödie häufig hervortritt. Ich will hier
die Frage nicht weiter erörtern, ob Aristophanes bei der Abfassung seines
'Weiberstaates' auf Platonische Gedanken abzielte. ^) Möglich, daß diese Er-
1) Hermotim, 81.
2) Die Stellen sind gesammelt von Leeuwen zu Arist. nub. (Lugd. B»t.
1898) V. 104.
8) Plat. apol. 20 E f.; Charmid. 163 B Gorgias 447 A.
4) Photius lex. 428, 27 (ed. Naber II 88) tfx»);rrft xovs ntffl XaiQttpAvta
Kook I S. 4Ü0 fr. 877. Vgl. Buecheler, Jahrb. f. Phil. u. Paed. 88 (1861) 8. 670
6) Hibbeck, Alazon (h. S. 870) 8. 77; Meineke, Hist. crit. 8. 287 f. Beigk
Oriecb. Literaturgeuchichte IV S. 188 Anm. 47.
6) Phaleas von Chalkodon und HippodamoH von Milct haben die Weiber-
gemoinHchaft in ihrem IdealHtaat nicht gehabt, da AristotelCM Polii. II 4(1266*84)
•ie auHdriicklich l'laton /.uomt /.uHchnMbt. Die chrouologiichen SchwierigkeitMi
der Beziehung von AriHiopbanes auf Piaton (Schans, Hermes XXI (1886) 8. 468,
376 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie.
wägungen damals in der Luft lagen. ^) Immerhin scheinen Piatons Worte,
mit denen er sich über das schon laut gewordene Gespött hinwegsetzt:
ov cpoßr^xiov xa t&v laQiivxwv öncofi^aTa (rep. V 452 B), Zeugnis dafür
abzulegen, daß sein Eintreten für eine damals viel erörterte Ansicht schon
vorher bekannt geworden ist und Widerspruch erfahren hat.^) Dagegen ist
die Deutung des Aristyllos (Eccles. 647, Plut. 314, Telmess. Kock I S. 528
fr. 538) auf Piaton durchaus unglaubhaft.'^) Sonst nimmt von den Ver-
tretern der alten Komödie nur Theopomp (Kock I S. 737 fr. 15) Bezug
auf Piaton, indem er scherzhaft Worte aus dem Phaedon (96 E) verwendet.
Dagegen in der mittleren Komödie, in der kein Raum mehr ist für
die Behandlung politischer Zustände und Persönlichkeiten, wächst ja die
Beziehung auf die Philosophen überhaupt. Man darf das nicht als Beweis
dafür ansehen, daß die Komödie allmählich vom Standpunkt der echten
Volkskomödie heruntersinkt; denn aktuell blieb sie auch damit und liefert
uns im Gegenteil den Beweis, wie sehr das Aufkommen der verschiedenen
Philosophenschulen in Athen Eindruck machte.*) Wie früher Sokrates ein
eigenes Stück von Aristophanes gewidmet ist, so erhielt damals Piaton
von Aristophon sein Drama, sogar unter seinem Namen; dieses wiederholte
die aristophanischen Witze; in dem einzigen Fragment (Kock II S. 279 fr. 8)
verspricht jemand, offenbar Piaton selber, den neuen Schüler in drei Tagen
dürrer zu machen als Philippides, worauf die Antwort lautet: 'In so kurzer
Lutoslawski, Plato's Logic, London 1897, S. 289) sind doch wohl nicht so ganz
unüberbrückbar (Chiappelli, le Ecclesiazuse di Aristofane e la repubblica di
Piatone, Torino 1882, S. 51), selbst wenn Aristophanes nicht schriftliche Äuße-
rungen Piatons vorgelegen haben, die wir nicht mehr besitzen (s. Usener bei
Brandt, Zur Entwicklung der Piaton. Lehre von den Seelenteilen, Progr. Glad-
bach 1890, S. 6); man denke an das persönliche Verhältnis zwischen beiden,
das doch das Symposion ergibt. Jedenfalls der Nachweis von Dietzel, Zeitschrift
f. Staatswissenschaften I S. ;^73 ff. (vgl. Pöhlmann, Geschichte des antiken Kom-
munismus II [München 1901] S. 19), daß die Prinzipien bei Piaton und Aristo-
phanes ganz verschiedene sind, hier das Sozialprinzip, das Verzichten zu gunsten
des Ganzen, dort das Individualprinzip, Genuß für jeden einzelnen, beweist für
die Frage absolut nichts. Wie Aristophanes die Lehre komisch verzerren wollte,
war seine Sache. Überhaupt liegt in der komischen Verwendung noch nicht
Polemik, und es war deshalb auch kein Grund vorhanden, Piaton mit Namen
zu nennen.
1) Campbell, Plato's Republic II Essays (Oxford 1894) S. 5: It is probable
enough that, when the comedy was brought out, some notion of ^the monstrous
regiment of women' was already in the air. Dazu die Anmerkung: The idea
of a Community of wives, such as Herodotus attributes to the Agathyrsi, was
already familiär to Euripides. See the fragment of his Protesilaiis (655 in Nauck)
xoLvbv yciQ slvccL XQf]v yvvaiTcsiov Xixog.
2) Ich verweise auf die Zusammenstellung und Prüfung der verschiedenen
Ansichten bei J. Adam, The republic of Plato, Cambridge 1902, I S. 345 ff.
3) Vgl. Hirmer, Jahrb. f. Phil. u. Paed. Suppl. XXIII S. 659; Adam
a. a. 0. S. 348.
4) Theophrast hatte ja im ganzen an 2000 Schüler (Diog. L. V 37); um Stilpon
zu sehen, liefen die Handwerker aus ihren Werkstätten und staunten ihn an wie
ein wildes Tier (Diog. L. 11 119). Auch das Gesetz des Sophokles vom Jahre
307 setzt doch eine größere Wirksamkeit der Philosophen im Volke voraus.
Piaton. 377
Zeit machst du Tote?' So verheißt Sokrates dem Strepsiades in den
'Wölken' (503 f.), daß er dem Chärephon gleichen soll; 'dann werde ich
ärmster halbtot sein', erwidert jener. Eine ganze Reihe von Verspottungen
Piatons hat Diogenes Laertius aufbewahrt. Etwas dunkel ist die An-
spielung des Anaxandrides im 'Theseus' (Kock II S. 142 fr. 19), wo es von
einem Akademiker heißt: 'als er die Oliven aß wie Piaton'. Verständlich
wird sie erst durch die Anekdote bei Diog. L. VI 25, nach der Piaton
beim Gastmahl alles übrige nicht berührte und nur Oliven nahm, so daß
der Kyniker Diogenes ihn erstaunt fragte, weshalb er denn nach Sizilien
gegangen sei: 'Trug etwa damals Attika keine Oliven?' Es ist also die
einfache, schlichte Kost des Philosophen, die hier verspottet wird. Bei
Alexis in der 'Meropis' (Kock 11 S. 351 fr. 147j läuft die Heldin herum
wie Piaton und kann doch nichts Gescheutes finden; im 'Ankylion' wirft
jemand dem andern vor: 'Du redest wovon du nichts verstehst, geh nur
zu Piaton, dann wirst du bald über Seife und Zwiebel Bescheid wissen'
(Kock II S. 2117 fr. l). Damit soll das nutzlose Disputieren über alle mög-
lichen Stoffe gebrandmarkt werden, und so macht ihm der Dichter im 'Para-
siten' (Kock II S. 364 fr. 180) den Vorwurf leeren Schwatzens, den auch
Sokrates über sich hatte ergehen lassen müssen.^) Er berührt aber auch
die Lehre des Philosophen; im 'Ol^Tnpiodor' zieht er in komischer An-
wendung die Trennung von Körper und Seele und den Aufstieg des un-
sterblichen Teils zum Äther heran und setzt hinzu: 'Ist das nicht Piatons
Schule?' (Kock II S.355 fr. 158) und im 'Mükon' (S. 353 fr. 152) witzelt er über
den Begriff des Guten bei Piaton, der für die Folgezeit als ein Hauptbegriff
seiner Lehre galt.*) Dies äyai^ov kehrt auch bei Philippides und Amphis
wieder. Bei dem ersten (Kock III S. 303 fr. ö) ist damit die Mahnung
verbunden nicht zu heiraten; denn darin liegt das Platonische Gut. Viel-
leicht schwebt da schon die Verzerrung des platonischen Eros aus dem
'Symposion' und dem 'Phaedrus' vor, die dann bei Luoian in des Plato-
nikers Rede im 'Gastmahl' weiter wirkt.') Die sprichwörtliche Verbreitung
des aya-Oov erkennt man deutlich aus Amphis, der im 'Amphikrates' (Kock
II S. 237 fr. G) einen Sklaven zu seinem Herren sagen läßt: 'Was du an
der Gutes hast, begreif ich noch weniger als das platonische aya&ov*.
Im 'Dexidemides' lieferte er, auf Piaton angewandt, die typisch gewordene
Schilderung für den Philosophen (Kock II S. 239 fr. 13): 'Piaton, du ver-
stehst ja nichts als finster dreinzuschauen mit hochgezogenen Augenbrauen.'*)
An die später in der Akademie sich einbürgernde Skepsis erinnert es
schon, wenn der jüngere Kratinos im 'falschen Wechselbalg' (Kock II
1) Mit dem typißchen Verbum ^dohaxstv. Vgl. Neue Jahrb. f. d. klass.
Altert. IX (1Ü02) S. 1119.
2) Vgl. Apul. apol. 27 (81, 26 H.); Zeller, Die Philosophie der Griechen 11 «
8. 868 ff.
8) Lac. conv. 89: <>vv &Qtoxov ^v ^i] dita&ai yofiwt', iXXä nn&o-
nivovg lIXuttovi %al £(üX{nn V . rtr^ff novoi yofiv ol toioOtoi imortltt^ttip
av ngbg (tQurjv.
4) Vgl. V. Wilamowitz, ÜLrineH XL (li>05) S. 131; Moineke, PrÄgm. Com.
Graec. V (Coro, dictioniii iudex comp. Jacobi; S. 7Hü u. d. W. 6<p(fvt\ Luc. bis
arc. 28, Vit. auet. 7, dial. mori. 10, 8, Icarom. 29. Tiiu. A4.
378 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie.
S. 292 fr. 10) jemand sagen läßt: 'Nach Piaton weiß ich's nicht, ich
vermute es aber', was wohl eine Beziehung auf die im 'Phaedon' 6ß B
ausgesprochene Ansicht enthält, daß dem Menschen, solange er in den
Körper gebannt ist, kein wahres Wissen zukommt. Aus solchem Spott
hat sich die Skeptikersatire entwickelt, wie sie bei Lucian uns entgegen-
tritt.^)
Sind das alles Einzelheiten, die uns mehr eine Ahnung als eine
Kenntnis von der Bedeutung Piatons für die Komödie verschaffen, so be-
sitzen wir doch auch eine etwas ausführlichere Szene von Epikrates (Kock II
S. 287), die uns wieder auf Aristophanes' Spaße über Sokrates zurückweist.
Es ist der Bericht irgend eines aus Athen Kommenden, der über Piaton
und seine Anhänger — genannt sind Speusipp und Menedem — wieder-
gibt, was er mitangesehen. Da hatte man sich an den Panathenäen über
das Leben der Tiere, die Natur der Bäume und die Kohlarten unterhalten
und die schwierige Frage zu lösen gesucht, zu welcher Gattung der Kürbis
gehört; sie bücken sich alle und denken nach, und dann fördert der eine
diese, der andere jene Antwort zu tage, bis ein anwesender Arzt aus
Sizilien sie durch eine Unanständigkeit unterbricht. Der Zuhörer fragt:
'Darob gerieten natürlich alle in Zorn, denn so etwas gilt doch in jenen
Räumen für unziemlich?' 'Nein', wird ihm entgegnet; 'sie kümmerten
sich nicht darum, und Piaton, gar sanft und ohne die geringste Erregung,
trug ihnen wieder auf, die Gattung des Kürbis zu bestimmen.' Durch
diesen plumpen Spaß soll Piatons Unterricht und sein Ernst im Philoso-
phieren lächerlich gemacht werden. Die behandelte Frage berührt sich ihrer
Art nach mit den nach Aristophanes in der Sokratischen Schule erörterten,
die Lucian in der 'Versteigerung der Lebensarten' zum Vorbild gedient haben;
daß gerade der Kürbis ausgesucht ist zur Besprechung, hängt offenbar
mit dessen volkstümlicher Bedeutung zusammen, die auch auf die Gelehrten,
die sich mit ihm befassen, überstrahlt.^)
Andere Stellen wenden sich überhaupt mehr gegen die Schule als
gegen den Stifter.^) Das vornehme Äußere der Platoniker hat offenbar
schon früh den Spott herausgefordert. Bei Antiphanes im 'Antäus' (Kock II
S. 23 fr. 33) wird ein Greis, der ein weißes Obergewand, einen braunen,
schönen Leibrock, weichen Filzhut und einen schöngearbeiteten Stock trägt,
charakterisiert mit den ironischen Worten: ^Ich glaub', ich hab' die Aka-
demie selbst vor Augen.' Da ist die typische Erscheinung des Platonikers
schon gegeben, wie sie in der Person des Ion bei Lucian uns entgegen-
tritt.'^) Nicht besser fahren die Schüler Piatons in dem von Athenäus
XI 509 c aufbewahrten Fragment aus des Ephippos 'Schiffbrüchigem' (Kock
1) Für die Einzelheiten bei Lucian verweise ich auf meinen Aufsatz Neue
Jahrb. f. d. klass. Altertum IX (1902) S. 208 ff. Besonders die Antworten in der
ßicov jtQ&CLs 27 sind zu vergleichen: ad7\kov^ inexo) tisqI rovtov kccI dicc6x87tto^ai,
rig oldsv sl aXrid'fi rccvta (f^g.
2) Vgl. oben S. 73 An'm. 1.
'S) Meineke, Hist. erit. comic. Graec, Berlin 1839, S. 287 hat einige auf Piaton
und die Akademie bezügliche Stellen zusammengestellt.
4) Conv. 7: ösiivog tig Idatv 'Kai d-EOTfQSTtrjg xccl TtoXv xb -nÖG^iov inKpaivcov
reo JtQ06a)7t(p.
Platoniker. Aristipp. Hippon. Diagoras. 379
II S. 257); Athenäus behauptet, es sei in dieser Komödie auch dem Meister
selber nicht nur gar zu große Sorgfalt für die äußere Erscheinung, son-
dern sogar niedrige, auf Gelderwerb bedachte Gesinnung vorgeworfen worden;
die Worte, die er erhalten hat. reden nicht von Piaton selber, sondern von
einem seiner Jünger, der mit schöngeschnittenem Haupthaar, wohlgepflegtem
langem Bart, in tadellosem Schuhwerk und gut gehaltener Kleidung auf-
tritt, seine -würdige Gestalt auf den Stab stützend. Der schärfere Tadel
der Geldgier ist dabei in dem komischen nach Aristophanes' Vorbild ge-
schafi'enen Worte: Bovatovo&Qaöv^axeiohjTpLKSQuccTcov zum Ausdruck ge-
kommen. Auf das Gesetz des Sophokles von Sunion aus dem Jahre 307,
das die Ausbreitung der Philosophen in Athen einzuschränken suchte, spielt
Alexis im ^Ritter' an mit besonderem Hieb auf Piatons Schule (Kock 11
S. 327 fr. 94). Da freut sich ein Alter, dessen Sohn durch den Unter-
richt nach seiner Meinung verdorben ist, daß Demetrios uud die attischen
Gesetzgeber nun die Akademie zum Geier gejagt haben; er selbst hat
offenbar unter der Ausbildung seines S(>hnleins zu leiden; das geht aus
den ersten Worten hervor: ^Das heißt Akademie! Das Xenokrates!' Man
muß sich eine Szene denken, wie sie Lucian im 'Hermotimos' (81) ge-
malt hat, wo der Bauemjunge mit den aus dem stoischen Unterricht ge-
wonnenen Weisheiten paradiert.
Von den anderen Schülern des Sokrates ist Aristipp in der ^Galatea'
von Alexis wegen seiner Schlemmerei bespöttelt worden (Kock II S. 311
fr. 36). Ein Sklave erzählt, sein Herr habe sich zu jenem in den Unter-
richt begeben, aber statt der Wissenschaft habe er dort die Kochkunst
gelernt. Man hat mit Recht Lucians Darstellung in der ^Versteigerung
der Lebensarten' (12) damit verglichen; auf einen solchen Komödien witz
geht es zurück, wenn Aristipp dort oi^oTroiog i^neiQovaTog genannt ist.
Es ist bezeichnend für den Standpunkt der griechischen Komödie, daß
für die älteren Philosophen außer Sokrates die Fragmeute, die uns noch
vorliegen, völlig versagen. Rein literarische Beziehungen voller Gelehrsam-
keit, die nicht aktuell und volkstümlich sind wie Aristophanes' Euripides-
parodien, haben dort keinen Platz. Wir finden in der alten Komödie nur
Hippon und Diagoras erwähnt, soweit man diesen überhaupt zu den Philo-
sophen zählen kann.*) Hippon ist von Kratinos (Kock I S. 61 fr. 155)
als gottlos in den 'Allsehenden' angegritFon; die witzige Darstellung, daß
der Himmel ein Kohlendeckel und die Menschen die Kolilon seien, hat
Aristophancs in den 'Wolken' 96 if. nach Angabe des Scholiaston aus den
dort dem Hippon zugeschobenen Ansichten übernommen. Der in jenem
Stück des Kratinos auftretende Chor mit zwei Gesichtern und zahllosen
Augen war offenbar eine Karikatur der alles ergründenden Philosophen.
hiM^'oras wird von Hern)ij)p in den *Moiren' (Kock I S. 235 fr. 42) ge-
nannt, wo er mit scherzhaftem Volksnamen statt Melier 'Terthreus', d. i.
'(iaukler\ 'Schwätzer' heißt; auch Aristophanes hat auf ihn in den 'Wol-
ken'(830j angespielt unrl ihn in flm 'VögHn' f1()7:n nii.f 'Fröschen' (320)
mit Namen angeführt.
Fehlen die alten Philosophen mit ihren Schulm ganz in den Bruch-
1) Vgl. Zeller, Die Phil. d. Griechen I * S. tt67, 107S.
380 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie. '
stücken der Komödie, so bildet eine Ausnahme Pythagoras, dessen Philo-
sophie ja erst nach der Sprengung des Bundes in ünteritalien allmählich
im eigentlichen Griechenland bekannt wurde; sie spielt dann eine verhält-
nismäßig große Rolle in der Komödie, und ihre Karikatur hat sich bis
in den römischen Mimus hinübergerettet. Allerdings wird begreiflicher-
weise nicht eigentlich der Stifter der Sekte angegriffen, sondern seine Nach-
äifer zu einer Zeit, wo die eigentliche Schule ausgestorben ist, also nicht
die Pjthagoreer, sondern die Pythagoristen^); diese hielten sich an die
Symbole der Sekte und bewahrten die Mysterien, bei ihnen handelte es
sich nicht um eine Philosophie, sondern um eine Form des religiösen
Kultus. Die mittlere Komödie hat diese eigentümlichen Kultgebräuche
wieder und wieder verspottet.''^) Die Stellen sind bei Athenäus IV 161
und Diogenes Laert. VIII 37 gesammelt. Es sind die Speiseverbote der
Pythagoreer, die die Heiterkeit herausfordern, das Schweigen, das dem
Novizen auferlegt wurde, die in Schmutz ausartende Einfachheit der Lebens-
weise, wie das Verbot, in ein öffentliches Bad zu gehen.^) Antiphanes im
'Ranzen' und den 'Denkmälern' (Kock II S. 67 fr. 135 S. 76 fr. 160) be-
dauert die Armen, die so klägliche Kost genießen, und spielt im 'Küch-
lein' (Kock II S. 79 fr. 168) auf die schlichte Speise des Pythagoras an,
indem er ihm das ironische Beiwort gibt: der dreimal Selige. Alexis in
den 'Tarentinern' (Kock II S. 378) weiß, daß Epicharides das Fleisch von
Hunden ißt. ^Ja', sagt der Sprecher, 'wenn er sie totgeschlagen hat;
dann sind sie ja nicht mehr beseelt' — und nur Beseeltes zu essen ist
ihm untersagt; im gleichen Gespräch heißt die pythagoreische Kost Ge-
fängniskost. In der 'Pythagoreerin' (Kock II S. 370 fr. 196/7) spottet
jemand über das Opfer der Pythagoreer, das in Feigen, ausgepreßten Oliven
und Käse besteht, und bezeichnet als ihr Los geringe Kost, Schmutz,
Frost, Schweigen, abscheuliches Aussehen und — Nichtwaschen, Aristophon
aber im 'Pythagoristen' läßt jemand sagen (Kock H S. 279 fr. 9): 'Glaubst
du denn im Ernst, daß die Pythagoreer freiwillig diese Entbehrungen auf
sich nehmen*? Nein, nur gezwungen! Sie haben nichts und machen des-
halb aus der Not eine Tugend. Setz' ihnen nur einmal Fisch und Fleisch
vor, und wenn sie sich nicht auch die Finger noch danach lecken, will
ich zehnmal hängen.' Damit sind schon Situationen vorbereitet, wie Lucian
sie im 'Totengespräch' 20 (3) und 'Hahn' (4) bietet, wo sich Pythagoras in
Widerspruch zu seiner eigenen Lehre setzt.*) In demselben Drama des
Aristophon (fr. 12/3) wird von jemand berichtet, er sei zur Unterwelt
hinabgestiegen und habe dort die Pythagoreer in großen Ehren gefunden;
sie allein dürften mit Pluto speisen; der andere wundert sich sehr, daß
1) Schul, zu Theokr. 14, 5: tLvhg ih IIvQ'ccyoQLGxag uhv Xtyovöi rovg c^noös-
Xo^ivovg xa Uvd'ccyÖQOv^ fi?j bvxag 8s xfjg iyiSLVov So^rig, IIvd-ccyoQL'Kovg dh xovg
xa UvQ'ccyoQOv q)QOvovvxccg.
2) Siehe Zeller, Die Phil. d. Griech. ^ in 2 S. 92 f.; Diels, Die Fragmente
der Vorsokratiker, Berlin 1903, S. 302 f.
3) Jamblich de Pyth. vita 83: ovdh iv ßaXccvsLcp Xovsad'ai. Vgl. Boehm, De
symbolis Pythagoreis, Diss. Berlin 1905, S. 48.
4) Siehe Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. IX (1902) S. 190 ff.
Pythagoreer. . 381
der Gott an diesen schmutzigen Gesellen Gefallen findet; und dieser
Schmutz — die Läuse nicht zu vergessen — wird im Anschluß daran
geschildert. Möglich ist, daß hier eine Katabasis des Pjthagoras parodiert
ist.^) Diogenes Laertius n^eiß auch von zwei Dramen des jüngeren Kratinos,
die den gleichen Titel IJv&ayoQL^ovacc und TagavilvoL wie die Stücke des
Alexis geführt hätten (Kock II S. 290 fr. 6/7); er zitiert aus dem zweiten
Stück ein paar Verse, die über die Pythagoreer ganz in der Weise spotten
wie Luciau über die Stoiker, indem sie als Menschen hingestellt werden,
die durch ihre Weisheit alles in Schrecken setzen. Die Wiederkehr der
Titel bei zwei Dichtem zeigt uns recht, welchen Eindruck die Philosophen
aus Tarent damals gemacht haben. Im ^Alkmeon' des Mnesimachos wurde
dem Apollo ein Opfer nach Pythagoreerart dargebracht (Kock II S. 436
fr. l). Auffällig muß es uns jetzt erscheinen, daß in den erhaltenen Frag-
menten der Komiker nicht der Seelenwandenmg Erwähnung getan wird,
die dann bei Lucian einen so reichlichen Stoff zur Burleske bietet und
zum 'Hahn' völlig das Motiv hergegeben hat. Benutzt ist das Dogma
aber sicherlich; die eben zitierten Verse aus des Aristophon Tythagoristen*
machen es wahrscheinlich, daß auch davon die Rede war. Deutlich er-
wähnt finden wir es im römischen Mimus wieder. Laberius hat im 'Krebs'
(fir. 17 Ribbeck^ Sc. Rom. fr. II S. 342) darauf Bezug genommen, und
daß er ausführlich die Wandlung eines Maultieres zum Menschen, eines
Weibes zur Schlange besprochen habe, bezeugt Tertullian apol. 48 (Ribbeck'
fr. 154 S. 366).^) Den Römern war das Dogma der Seeienwanderung ja
durch Ennius^) nahe gebracht worden, aber die Vermutung ist doch nicht
abzuweisen, daß es auch in mimischen Darstellungen griechischer Zunge,
daß es auch in der griechischen Komödie fortgelebt hatte.
Mit dem Aufkommen der epikureischen und der stoischen Schule wendet
sich natürlich die Komödie diesen neuen philosophischen Richtungen zu,
die ja durch ihren beständigen Streit mehr und mehr die Aufmerksamkeit
auf sich gelenkt biibcn müssen.'*) Schon gegen Zeno richtet sich der spöt-
\) Vgl. Ilohde, Rhein. Mus. XXVI (1871) S. 667; Griech. Roman«, Leipzig
1900, S. 27U Anm.
2) Aus den beiden Stellen Minuc. Felix Octav. 84, 7: 'addunt istis et illa
ad retorqtiendam ueritatem, in peeudes, aues, beluas hominum animas redire.
Don pbilosophi Hane studio, sed mimi conuicio digna ista sententia est* und
Lactanz div. inHt. V'II 12, 30 f: 'quac 8ent<*ntia deliri liominiH qtioninm ridicula
et mimo di^iior quam scola fuit, ne refoUi quidem serio debuit' folgt natürlich
absolut nicht, daß im Miniiis zu Lactauz* Zeit noch Pytliagorafl' Lehre von der
Seelenwandenmg vornpottct wurde Die erHte lehrt gur nichts, aU duÜ man sich
im Zank gegenseitig mit Tiemamon belegte, wie aucli heute noch, die /.weite
höchstens, daß Verwandlungen in Tiere oder Nachahmungen von Tieren zur
Tätigkeit des Mimen g(*hörten.
8) Ennianae pocHis reliquiae it. reo. Vahlen, Leip/.ig 190.H, ann. 15 und Praef.
p. CXLVIIL
4) Vgl. F. Ranke, Periplocomonus sive de Epiouri, Peripateticonim, Aristippi
placitonim apod poctas comicos vestigiis, Diss. Marburg 1900, wo weniger die
bewußte witzige Behandlung der I'hiloiophen als das EindriDgen philoiophischor
Gedanken in die Rcdf* verfolgt ist.
382 Anhang V. Pie Philosophen in der Komödie.
tische Ausruf in Philemons 'Philosophen' (Kock II S. 502 fr. 85): 'Der
treibt eine neue Philosophie; er lehrt hungern und nimmt dazu Schüler
an; ein Brot, als Zukost eine Feige, und zum Tranke Wasser!' Daß Zeno
damit gemeint ist, bezeugen Diogenes Laert. VII 24 und Clemens AI. Strom.
II 20, 121 (177 Sylb.); seine Enthaltsamkeit war ja geradezu sprichwört-
lich geworden, und in dieser Hinsicht wird er als typisch von Posidipp
(Kock III S. 340 fr. 15) angeführt. Worin die Verspottung des Kleanthes^
von der Plutarch de adul. 55 c spricht, in einem Stücke Batons lag, wessen
wir nicht. Auf den stoischen Pantheismus und die Umdeutung der
Volksreligion geht witzig das Fragment Philemons (Kock 11 S. 505 fr. 91j^
in dem der allumfassende, alles durchdringende Aer auftritt, den man
Zeus nennen könnte; das Komische entstand wohl dadurch, daß er im
Prolog^) als Augenzeuge erschien, der über die Verhältnisse orientierte;
*denn', sagt er von sich, 'der Aer, der überall zugegen ist, weiß selbst-
verständlich alles, eben weil er stets dabei ist.' Die Ethik geht ein anderes
Fragment an; bei Theognetos (Kock III S. 364) wendet sich jemand voll
Entrüstung gegen einen Schüler der Stoa: 'Du richtest mich noch zu-
gi'unde, Mensch. Von dem Geschwätz aus der Stoa erfüllt, bist du ganz
krank. "Der Reichtum, sagst du, ist dem Menschen etwas Fremdes, nur
dem Reife gleich, die Weisheit dagegen ist sein eigen, ein fester Krystall;
w^er sie erhielt, hat sie noch nie verloren." Ich Unglückswurm, welch
einem Philosophen hat mich das Schicksal beigesellt.' Dann wirft er ihm
vor, daß ihn die Bücher ganz verrückt gemacht haben, so daß er nun
mit Erd' und Himmel philosophiert, die sich um seine Worte doch nicht
kümmern. Eine Verspottung der stoischen Philosophie findet sich auch in
dem großen Fragment von Damoxenos' 'Jugendgefährten' V. 64 ff. (Kock
III S. 351): 'Die in der Stoa suchen beständig das Gute und wissen doch
nicht, wie es aussieht. Was sie also nicht haben und nicht kennen, das
können sie natürlich auch keinem andern geben.' Alles, was wir von der
Behandlung der Stoiker aus der Komödie heut noch haben, ist also ziem-
lich matt und bleibt sehr auf der Oberfläche. Der Hohn auf die beständig
angebrachte o:qeti]^ der bei Lucian immer wiederkehrt^), schimmert nur in
den Versen des Theognetos durch, und nur das Beispiel von dem ai]Q
verrät uns, daß man auch tiefer in die stoische Lehre eingedrungen ist,
um den Stoff zu komischer Verwendung zu holen.
Die zuletzt angeführte Stelle ist aber darum für uns noch wichtiger,
weil hier ein Vergleich zwischen Epikureern und Stoikern gezogen ist und
beide Richtungen, die sich bei Lucian so heftig befehden, zugleich aufs
boshafteste abgetan werden. Mit den Stoikern ist es nichts; Epikur ist
mein Mann, sagt der Redende; der weiß allein, worauf das Gute beruht.
In den vorhergehenden Versen wird er als Meister der Köche gepriesen;
ein Koch, der von Demokrit und Epikur nichts weiß, heißt es (V. 12ff.),^
den mag man ruhig entlassen. Ausführlich werden die Vorteile geschildert,,
die der Schüler Epikurs als Koch genießt. Dabei ist Epikurs Ausdrucks-
weise selber parodiert. Das xaTccTtvTivovv zi-jv ijöovijV ist nach Diogenes.
1) Siehe Leo, Plautinische Forschungen, Berlin 1805, S. 192.
2) Siehe Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. IX (1902) S. 272.
Epikureer und Stoiker. 383
Laert. X 142 von ihm selber gesagt; hier heißt es nicht nur V. 62: ^Eni-
xoi'oog orrfo v.axenv'Kvov Trjv i)öovrjv^ sondern der Koch sagt auch mit
witziger Umbiegung (V. 4): TakavT^ iyco Got 'ÄCiXinvKvoiGci xixzaQa. Daß
der Ausdruck mit Bosheit gewählt ist, um Epikur zu persiflieren, zeigt
deutlich die erstaunte Frage des Mitunterredners: 'Was heißt das?*. Daß
Epikur allein das äya^ov kennt, prei^st auch der Sprecher in dem Frag-
ment der 'treuen Gefährten' (Kock III S. 314 fr. 2) des Hegesipp; 'denn
jener,' sagt er, 'hat auf die Frage, was das Gute ist, geantwortet: Die
Lust! Und er hat recht; es gibt kein größeres Gut als gut zu essen.' Auch
Baten in seinem 'Mörder' (Kock III S. 327 fr. 3), in dem der Freund des
Bechers spaßig sein eigenes Leben dem der Philosophen gegenüberstellt,
die durch ihr Wassertrinken der Stadt nicht nützen, den Landmann und
den Kaufmann schädigen, läßt vermutlich denselben lustigen Bruder dem
Epikur beistimmen: 'Ich kann ja ein schönes Mädchen umarmen und zwei
Krüge Lesbier haben: da habt ihr den Weisen, das ist das Gute. Das
hat schon Epikur gesagt wie ich'. Im 'Mitbetrüger' (Kock III S. 328)
führt derselbe Dichter den Vater eines Jungen ein, der offenbar die epi-
kureischen Lehren, wie er sie auffaßt, gar zu sehr in die Wirklichkeit
überträgt; der Vater schmäht den Lehrmeister deshalb, weil der Junge
schon frühmorgens dem Becher frönt. Der aber nennt das nur: verstehen
zu leben, und er beruft sich auf Epikur, der das Gute in der Lust sah;
sie aber kann man nur erhalten, wenn man sein Dasein genießt. Der
Vater fragt: 'So? Sahst du denn schon einen Philosophen trunken?' Doch
der Pädagoge erwidert unerschrocken mit einer Schilderung, die völlig
denen Lucians gleicht: 'Alle! Denn mögen sie ihre Augenbrauen noch so
hoch ziehen und in ihren Wandelgängen nach dem Weisen suchen, als ob
er ihnen davongelaufen wäre, man setze ihnen nur einen Prachtfisch vor:
sie wissen sofort, wo sie anzufassen haben, und suchen den Kern dieses
Problems, daß alle staunen!' Es ist bei all diesen Verspottungen der
Epikureer das gleiche Motiv, die Schlemmerei, die dann von Lucian so
ausgebeutet wird.*) Die ^lu^a gehört mit Epikur zusammen*), wie ein
unbekannter Komiker sagt (Kock III S. 432 fr. 127): fta^orv, !]<; 'FlnUovgog
ivnoQcju. Aber es findet sich doch auch die Theologie Epikurs benutzt
bei Menander*), in dessen 'Schiedsgericht' (Kock III S. 51 fr. 174) jemand
sagt: 'Bildest du dir denn ein, daß die Götter so viel Muße haben, um
jedem täglich sein Teil Gutes und Böses zuzuteilen?' Der Partner bestritt
vielleicht dann diese Ansicht. Im 'Eunuchen' war die Rede von der
ewigen, ungetrübten Lust der Götter in einer Stelle, die nach dem Zeugnis
de.s Donat Terenz in seiner 'Andria' V 5, 3 übernommen hat. Das bniucht
keine Verspottung zu sein und war an der zweiten Stelle gewiß keine,
wie Tnrenz zeigt. Wenn bei Lucian gerade die Verwendung dieses Dogmas
einen sehr ironischen Heigeschmack hat, so muß man bea<'hten, daß es
ZeuH gegenüber witzig angebracht ist, der natürlich darin eine Vorringenmg
1) Ebondori 8. 268 ff.
t) Bei Lociaii tritt an die Stelle der lUiiu der nUxxot^ Tim. 66, )>i
conv. 10.
8; Vgl. Dergk. Griech Lit^^ratargoitoh. IV, Ucriin 18t}7, S. S06.
384 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie.
seiner Machtvollkommenheit sehen muß, da ihm ja die Einwirkung auf
die Erdenvorgänge abgesprochen wird.
Von den Megarikem begegnen uns Eubulides und Stilpon in den
Fragmenten der Komiker. Ein unbekannter Dichter spottet nach Diog.
Laert. II 108 über die Trugschlüsse des Eubulides, indem er den berüch-
tigten ^Gehörnten' besonders nennt (Kock III S. 461 fr. 294). Die Auf-
lösung dieser Trugschlüsse war ja das Bestreben der Stoiker, und so ist
gerade dieser Syllogismus derjenige, den Lucian mehrfach zur Zielscheibe
seines Spottes macht, wenn er die Stoiker durchhechelt.^) Den Stilpon
griff Diphilus in der 'Hochzeit' an (Kock II S. 547 fr. 23), wo er jemand
sagen läßt: "^Was Charinus vorbringt, gleicht völlig dem, womit Stilpon
einem den Mund stopft.'
Die Kyniker sind nur mit Krates imd Monimos vertreten, ein deutlicher
Beweis, wie traurige Reste uns aus der Fülle von Erzeugnissen der ko-
mischen Muse geblieben sind; denn Diogenes fehlt ganz, der doch sicherlich
für die Dichter eine anziehende Person war und reichlichen Stoff bot.
Den Monimos erwähnt Menander im 'Stallknecht' (Kock III S. 72 fr. 249)
und rühmt ironisch einen Ausspruch von ihm, der weit über die bekannten
wie yv&d'L aavTov u. dergl. hinausgehe, nämlich das Wort: 'Alles mensch-
liche Meinen ist eitel Dunst', das ja auch für die Folgezeit einen gewissen
Ruf bewahrt hat.^) Das Ironische zeigt sich klar in der spöttischen Be-
zeichnung: 6 nQOöaLt&v aal ^vncbv. Auf des Krates Abhärtung gegen die
Witterung bezieht sich Philemon (Kock II S. 523 fr. 146): 'Im Sommer
trug er einen dicken Mantel, im Winter aber Lumpen.' Damit werden
die Kraftproben verhöhnt, wie sie seit Diogenes das Ideal der Kyniker
sind.^) Krates bot auch sonst noch genug in seinem Leben, was die Lach-
lustigen reizen konnte; sein Verhältnis zu Hipparchia, die sich durch
nichts zurückhalten ließ, als seine Frau mit ihm zu wandern und selbst
ohne Heim sich nicht scheute, ihren ehelichen Pflichten nachzukommen,
sowie das Verfahren mit seiner Tochter, die er seinen Schülern auf eine
monatliche Probezeit zur Verfügung stellte, schlug jeder Ehrbarkeit und
Sitte so sehr ins Gesicht, daß es nicht wundernehmen kann, wenn Menan-
der in den 'Zwillingen' ihn deshalb verspottet (Kock III S. 35 fr. 117 f.).
Auf denselben Krates geht wohl auch das Wort eines unbekannten Ko-
mikers (Kock III S. 431 fr. 120), in dem es heißt: TJrTcov iavrov ttoqvlölo)
TQiaad'Uo} savibv ovzco naQadiScoKsv. Aus den Fragmenten von Antiphanes'
'Ranzen' (Kock II S. 66) können wir noch ahnen, daß dort ein Kyniker
Proselyten zu machen suchte; da ein Gegner ihm widerspricht, so war hier
Gelegenheit zur Verspottung der ganzen Richtung gegeben. Allgemein
sind die barfüßigen Bettelmönche des Altertums, die im Freien auf der
Erde schlafen und sich von fremdem Tische nähren, in ein paar Versen
des Eubulos geschmäht, die Athenäus III 113f gegen den bei seinem
Gastmahl auftretenden Anhänger dieser Sekte Kynulkos verwenden läßt
(Kock II S. 212). Die Verspottung der Kyniker findet selbst noch im
1) Siehe Neue Jahrb. a. a. 0. S. 268.
2) Vgl. Sext. Empir. adv. math. VIII 5, M. Aurel H 15.
3) Neue Jahrb. a. a. 0. S. 36.5 f.
Kyniker. Typus der Philosophen. 385
römischen Mimus einen Widerhall, Avie des Laberius Tompitalien' V. 36
bezeugen (Ribbeck^ Scaen. Rom. poes. fr. II S. 345), wo doch wohl cynica
haeresis einfach zur Bezeichnung solcher Dinge, wie man sie von den
früheren Kynikem wußte, genommen ist; denn zu Laberius' Zeit war von
eigentlichen Vertretern kynischer Philosophie nicht die Rede.
Aber es kam in der Komödie gewiß nicht immer darauf an, eine
bestimmte Schule dem Publikum zu kennzeichnen, das ja im Grunde doch
immer nur zum kleinsten Teil mit ihren Lehren bekannt geworden war.
Oft genug werden die Philosophen im allgemeinen, wie sie zu Dutzenden
vor den verwunderten Blicken der Menge umherliefen und durch ihr
Äußeres auftielen, als Typus einer bestimmten Menschenklasse aufgetreten
sein. Man hatte nur die Empfindung von ihnen, die bei Lucian so scharf
zum Ausdruck kommt, daß sie weltfremde, unpraktische und in allerlei
Spitzfindigkeiten befangene Köpfe seien, über die sich der im praktischen
Leben stehende Laie erhaben dünkt. ^) Dieses Tüfteln und Grübeln war
in Batons 'Mitbetrüger' als öioqvttslv (Kock III S. 329 fr. 6) bezeichnet.
Das Spintisieren über den Kürbis bei Epikrates, die scharfsinnige dialek-
tische Scheidung zwischen 'Sein' und 'Werden' in Antiphanes' 'Kleo-
phanes', die moralisierenden Betrachtungen des Stoikers über den Wert
des Reichtums bei Theognetos — es ist ja im Grunde immer dasselbe,
was den Spott des Komikers dem Publikum verständlich macht, der Gegen-
satz des theoretischen Denkens zum praktischen Eingreifen in die Verhält-
nisse des Lebens, und Zusammenfassungen, in denen die gesamte Philosophie
gegenüber einem frischen Lebensgenuß verworfen wird, wie bei Alexis (Kock
n S. 306 fr. 25), mögen sich mehrfach in der Komödie gefunden haben.
Dazu kommt die Unfähigkeit der Philosophen, im wirklichen Daseins-
kampf das vertretene Ideal aufrecht zu erhalten. Es ist, obwohl wir den
Stoiker durchfühlen, ein allgemein gehaltenes Bild, das die Hetäre bei
Phoenikides von dem knauserigen Philosophen entwirft (Kock III S. 334
fr. 4 V. 16 ff.), und es ist mit Absicht verallgemeinert, weil es nur auf
den Typus ankommt. Die Hetäre will ihren Beruf aufgeben, weil sie
kein Glück damit hat, und mustert einer Freundin gegenüber ihre Lieb-
habor. Der erste war der bramarbasierende Held, der seine Wunden zeigte,
aber kein Geld brachte und stets von Schlachten sprach. Der zweite war
ein Arzt, der viele Patienten zu Tode kurierte, aber auch nicht zahlte.
Nun hat das Schicksal sie mit dem Philosophen zusammengebracht; da
ist sie recht in ihr Unglück geraten: *Er gab mir nichts; und wenn ich
ihn drum bat, so sagt' er mir, nichts Gutes sei das Geld. "Nun sei's was
Schlechtes, gib's mir ebendnim! Wirf du es fort!" Doch er blieb uner-
bittlich.* Wir sehen, wie der Philosoph völlig in die Gesellschaft der
komischen Typen wie Pyrgopolinikes und Thraso geraten ist. Dabei ist
er hier von der andern Seite gepackt, der Widerspruch zwischen Lehre
und Leben, die Geldgier scharf beleuclitct, die von Lucian so oft besonders
den Stoikern vorgeworfen wird, wie Aiuixipp im 'Donnerkeil' (Kock 111 S. 299
fr. 4) jemand sagen läßt: 'Die Philosophen finde ich in ihren Worten nur
vonitJlndig, in üirnn Taten sr>li' ich sir« nur unklug.' K- » "t"« •••■•»'♦
1; Sieh«' oben S, 2i)9. 2Uft. M'l.
H«lro, Lucian und Mcnipp. S6
386 Anhang V. Die Philosophen in der Komödie.
wundernehmen, wenn im 'Timon' Lucians der Philosoph seiner Richtung
nach so wenig deutlich charakterisiert ist; es ist der Typus, auf den es
ankommt, die Schule ist gleichgültig. Bei der Wandlung zur Charakter-
komödie, die die attische Komödie durchgemacht hat, hat auch der Philo-
soph in dem Repertoire seine feste Stelle erhalten, hauptsächlich als Ver-
treter unpraktischen Spekulierens und unwahrer Tugendprediger.
Es ist heute nicht mehr möglich aus dem verschwindend kleinen
Bruchteil von Titeln imd Versen einen klaren Überblick über die Bedeu-
tung zu gewinnen, die der Philosoph für die attische Bühne gehabt hat.
Es ist auch nicht immer nötig, eine Verspottung anzunehmen. Es liegt
keine Satire darin, wenn Demokrits Blendung in Decimus Laberius' "^Seiler'
(Ribbeck, Scaen. Rom. poes. fr. 11^ S. 353 V. 72 ff.) erwähnt wurde; es ist
nichts als eine aus der Geschichte der Vorzeit herbeigeholte Parallele, die
nicht selbst lächerlich gemacht werden soll, wohl aber unter Umständen
dazu dient, das, womit sie verglichen wird, herabzusetzen.^) Trotzdem
sind auch die wenigen Beispiele schon ausreichend zu zeigen nicht nur,
wie außerordentlich schon zur Zeit der jüngeren Komödie die Philosophen
die öffentliche Meinung in Bewegung setzten, sondern vor allem, daß der
Typus des Philosophen im Ganzen, wie der der einzelnen Richtungen im
Grunde schon von den Komikern geschaffen worden ist. Das Bild kann
hier und da ergänzt werden, aber im wesentlichen ist es fertig. Als die
Komödie nicht mehr politisch sein konnte und in den Charakteren des
Lebens ihre Stoffe suchte, konnte sie an den Philosophen nicht mit ge-
schlossenen Augen vorübergehen; da entstand die charakteristische Figur
des Philosophen; wir kennen ein Drama ^Die Philosophen' (Kock II
S. 502) so gut wie die zahllosen ^Soldaten', ^Sophisten', 'Dichter', 'Wahi'-
sager', wie den "^Walker', "^Schuster' usw. Das fertige Gemälde konnte auch
Menipp schon übernehmen, um die Un Würdigkeit der andern Schulen zu
zeigen; das fertige Gemälde hat jedenfalls Lucian verwandt, indem er hier
und da etwas anders gruppierte, einen anderen Mantel umwarf, aber die
Figuren bleiben dieselben und schließlich liefert auch er nur, was die
Komiker vor ihm auscrestaltet hatten.
1) Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob man durch Vergleichung mit
Dingen, die weit über der Sphäre dessen liegen, worum es sich handelt, dieses
in seiner Nichtigkeit zeigen will oder ob man, von dem Erhabenen ausgehend,
beabsichtigt dieses durch Zusammenstellung mit Vorgängen des gemeinen
Lebens zu travestieren. Mythologische Vergleiche sind gern in der ersten Weise
von Komikern und Satirikern angewandt worden, um die jenen gegenüber-
gestellten Personen lächerlich zu machen. Wenn Chrysalus in den ^Bacchides'
die Eroberung seines Herrn mit der Erstürmung Ilions vergleicht, wird nicht
Ilion herabgezogen, sondern der Gegensatz des durch den Mythus Erhabenen
und des Gewöhnlichen soll komisch wirken, und der Herr ist der Getroffene.
Wenn Encolpius bei Patron (140) sich dem Protesilaus vergleicht, so ist nicht
der homerische Held, sondern der Petrons der Verlachte (vgl. Heinze, Hermes
XXXIV [1899] S. 503 Anm. 1).
Register
Achaios 148
Aeakus. Pförtner der Unter-
welt, zählt die Toten 67 f.
Aelian 47. 173
Aeschiues 57. 58. 138. 163
Aeschylus 31. 72. 173. 182.
201. 299
Aesop 94
Aetius 84. 85. 86. 87. 90
Agatharchidas 196
Agathokles, Arzt 77
Akademiker, Polemik gegen
Yorsehungäglauben und
Mantik 129, Polemik gegen
die Gottesbe weise 143 ff.
157 f.
Alexander von Abonutei-
chos 5. 13
Alexander von Aphrodieias
121. 122. 124. 125. 128
Alexanderdialoge 176.207ff.
Alexandrinische Poesie 177.
180. a25
Alexis 59. 269. 377. 379.
380. 385
Alkibiades, typisches Bei-
spiel 118. 129
Alkiphron 105. 185. 194.
269. 272. 332
Amphilochus 154
Amphis 179. 377
Anakreon 266
Auaxagoras 85. 86
Anaxandrides 145. 156. 377
Anaxilas 25
Anaximander 83. 84. 86
Anaximenes, Philosoph 86
Khetor 320
Anaxipp 385
Anthologia Palatina 69
Antigonos, König 97
„ von Kar3'8to8 285
„ Kommentator des
Nikander 77
Antiochufl* Liebe zur Stra-
tonikc 97
AntiphaneH 65. 145. 186.
187. 189. 190. 268. 821.
867 374. 878. 880. «84
AntiitbeneH 47. 5H. 120. 125.
•Vpl .»8
ApoK . . "- raulii« 88
Apollodor, K t
kor
l-i :•!•• ••:;■'
ApoUonius von Tyana 41
„ Mirabilienschrei-
ber 102
Apollophanes 156
Apostelgeschichte 105
Appian 206
Apuleius 5. 11. 25. 26. 35.
69. 105. 117.160. 180.224.
268. 279. 299. 303. 313.
315. 316. 377
Araros 179
Arat 82. 94. 95. 182. 317
Archibios, Arzt 77
Archippus 36. 190. 304
Arethas 127
Aristeas 102
Aristides, typisches Beispiel
119. 129 f. 138
Aristides, Khetor 5. 11. 41.
43. 52. 53. 59. 71. 95. 101.
118. 148. 150. 154. 164.
223. 280. 314. 369
Aristipp 34. 56. 91. 229
Aristodem 138
Ariston von Chios 48. 49. 92
„ von Keos 49
Aristophanes 4. 14. 20. 21.
23. 27. 28. 30. 67. 69. 70.
71. 85. 88. 90. 99. 103 f.
106. 107. 108. 110. 111.
126. 137. 140. 156. 163.
186. 188 f. 205 f. 244. 269.
286. 287. 290. 298 f. 304.
318. 319. 320. 334. 371 ff.
374. 375. 379. 385
Aristophon 34. 106. 376.
380. 381
Aristoteles 67. 83. 84. 86.
86. 8M. 148. 360. 375, n£Ql
xoaiiov 93 , Verapottaug
des A. 207. 280
Arkesilaos 89
Arrian 7. 48. 154. 208. 209
ArsakcH 98
Artcmidor 107
AthenäuB 80. 86. 68. 89.
145. 178. 192. 281. 268.
264. 267. 261. 262. 26«.
267. 27M. 817. 867. 874.
37M f. 880. «84
.\tli.'iiin'(»r;m hT 147 309
.\uguHtin luo. 149
.VugUMiUH 58
Babrius 148. 304
Baton 264. 383. 385
Beispiele typischer Art
53 ff. 119 f. 138. 193. 197 f.
326. 342
Beschwörung der Geister 28
Bion vom Borysthenes 40.
48. 49. 92. 128. 242. 243.
248. 280. 286. 317
Calvus 253
Capitolinus 356
Carlyle 105
Cassius Dio 70
Catull 55. 69
Celsus 153 f. 164
Cervantes 3. 51
Chaerephon 375
Chalcidius 122
Charops 120
Chiron 211 f.
Choricius 333
Chrysipp 85. 94. 95. 120.
122. 123. 144. 200. 230.
266. 273. 320
Cicero 39. 41. 49. 50. 53.
85. 87. 95. 103. 107. 122.
123. 124. 125. 126. 127.
128. 138.142.144. 145. 146.
147. 149. 150. 156. 157 f.
159. 162. 163. 168. 200.
210. 252. 270. 279. 283. 340
Claudian 26. 31
Clemens Alexandrinus 27.
53. 64. 71. 85. 87. 92. 98.
95. 144. 146. 147. 164.
169 t'. 200. 243. 287. 882
Culex 81
Damoxenos 382
Dante 56
Delphi, Orakel 101
Demades 49
Demctrios, Sohn des Anti-
gonos 97
Demctrioa Chloros 77
„ Kyniker 70
Demokrit 88* 85
Demonax. Kyniker 126
Demostlienc» 58. 67. 68.
120. 138, Vorbild im
2. Jahrh. n. Chr. 160. 277
Diagoran von .Moloi 87. 879
DiuKirn 99. 186
Dichtung im Widcrapnich
mit der Moral «8 f.
388
Register.
Dio Chrysostoinus 15. 27.
45. 47. 54. 56. 59. 75. 93.
117. 118. 120. 125. 175 f.
181.195.208.209.211.212
Diodor, Komiker 358
„ Historiker 30. 32.
49. 54. 101. 145
Diogenes von Apollonia 372
„ Laertius 40. 53.
54. 59. 70. 71. 85. 88. 91.
92. 95. 102. 120. 122. 125.
129. 196 200. 215. 227.
230. (Diogenesvita) 231
— 238. (Antisthenesvita)
238. 242. 243. 244. 248 f.
254. 263. 270. 273. 278.
280. 283. 284. 286. 300.
309 f. 317. 320. 326. 320.
330. 334. 341. 343. 377.
380. 381. 382. 383. 384
Diogenes von Sinope 40.
48. 56. 70. 71. 88. 92.
103. 121. 125. 127. 170.
212. 280. 325. 330. 334.
358, Tragödie Herakles
2 10 f., Vergleich mit Sokra-
tes 211, Verkauf 231
—250
Diogenes der Jüngere 53. 70
Diogenian 120. 124
Dion 56
Dionys von Halikarnass 95.
279
Dionys von Syrakus 56
Dionysios 6 ^srccd-siisvog
283. 286—288
Diphilus 27. 329. 384
Dodona 101
Donat 383
Empedokles 84. 89. 197.
309. 326
Empedotimos 80. 103
Ennius 158. 280. 325. 381
Epliippus 378
Epioharm 182
Epikrates 253. 378. 385
Epiktet 41. 47. 48. 49. 50.
54. 55. 58. 70. 94. 95.
168. 200. 209. 211. 228.
231. 243. 244. 246. 247 f.
285. 313
Epikur 39. 83. 138, 149.
230. 256. 286. 329
Epikureer 86. 88. 143,
Theologie 120. 122, Argu-
mente gegen die göttl.
Vorsehung 127, Polemik
gegen die stoischen Got-
tesbeweise bei Lucian
143 ff. , Epikureer in der
Komödie 382 f.
Epimenides 103
Erasmus 2. 3. 118
Erbschleicherdialoge 203 f.
Eubulides 384
Eubulos, Verf. einer Jio-
ytvovg ngciüLS 238
Eubulos, Komiker 104. 110
Eudem 84. 271
Eudoxos von Knidos 84
Eunapios 2
Euphrates, Stoiker 41
Euphron 157
Eupolis 14. 119. 264. 279.
297.321.371.373.374.375
Euripides 6. 19. 56. 119.
125. 137. 138. 144. 172.
174. 175 f. 184. 200. 202.
241. 242. 243. 248. 251.
256. 266. 287. 298. 299.
302. 324 f. 343. 359. 360
Eusebius 120. 124. 125. 126.
127. 128. 130. 155
Eustathius 190. 210
Fatum 120 ff.
Favorin 89
Fulgentius 53. 171
Galaton, Maler 173
Galen 55. 77. 95. 271
Geierflügel 105
Gellius 234. 239. 265. 317.
326
Gnathaina und ihr Tisch-'
reglement 36. 218
Goethe 3. 9
Gorgias 181. 374
Gregor von Nazianz 280. 316
Gregor der Große 1
Hadesfahrt 20, des Hera-
kles 21. 22, des Odysseus
22, des Orpheus 22. 29,
Vorbereitungen zur H. 22,
Verkleidung dabei 30,
ägyptische H. 66
Hegesipp 383
Heine 7
Hekate, Zaubergöttin, wx^cc
29
Heniochus 304
Herakleides Pontikos 80.
102. 270. 326
Heraklesverspottung 209 f.
Heraklit 85. 86. 262. 263
Heras, Kyniker 70
Hermagoras 317
Hermarch 271
Hermias irrisio gent. phil.
84. 103
Hermipp, Komiker 69. 252.
379
Hermipp, verschied. Schrift-
steller des Namens 249 f.
Herodes Atticus 7. 12. 150
Herodot 55. 102. 124. 138.
144. 145. 153. (von Lucian
benutzt) 167 f. 173. 207.304
Hesiod 38. 56. 94. 148. 182.
217. 222. 266. 325. 348.
352. 359. 362
Hierokles 94
Hieronymus 238
Himerius 48. 71. 176. 177 f.
Hippias, Sophist 176
Hippodamos von Milet 375
Hippokrates 289, Briefe 91
Hippolytus 128
Hippon 379
Hipponax 27
Hotfmann, E. Th. A. 343
Homer 19. 31. 38. 43. 56.
72. 79. 82. 92. 94. 107.
115. 119. 120. 136. 137.
138. 139. 141. 143. 144.
158. 159. 161. 167. 171.
172. 177. 180. 182. 196.
209 f. 214. 217. 222. 243.
252. 258. 266. 289. 298.
302. 319. 324. 343. 348.
351. 352. 358. 359. 362.
367. 369, Homerverse als
Zauberformel 172
•Horaz 19. 21. 28. 29. 51.
54. 56. 92. 171. 187. 205.
248. 251. 265. 285 f. 301.
325. 329
Hütten, Ulrich von 2. 6
Hyperbolos, typisches Bei-
spiel 186
Jamblichos 380
Johannes Chrysostomus 52
Isidorus, Kyniker 70
Julian 1. 11. 73. 92. 121.
140. 162. 206. 240, Ver-
hältnis zu Lucian 74 f.
Justin 42. 53, dial. cum
Tryph. lud. 42, cohort.
42 ff. 103. 149
Juvenal 4. 41. 54. 60 f. 145.
168. 205. 218—222. 224 f.
303
Kallias, tvpisches Beispiel
119. 129^ 138. 186
Kallimachus 76. 148
Karneades 89. 138. 146. 200.
230, Polemik gegen die
Register.
389
Vorsehung 127, Polemik
gegen den Götterglauben
157
Kebes 306
Kephisodor 59
Kleanthes 144. 266. 272.
300. 320. 382
Klearch 271
Klemensroman 44
Kleobul 53
Kleomenes 238. 244
Kleon, typisches Beispiel
186
Klitomachus 146. 157. 200
Koloß von Rhodus 100. 139
Krates, Komiker 334
Kyniker 20. 40. 48.
75. 76. 82. 227. 243. 335.
384
Kratesbriefe 241. 243
Kratinus 25. 27. 59. 86.
111. 119. 156. 163. 264.
279.299. 321. 373.375.379
Kratinus der Jüngere 377.
381
Kritias 67
Krösus, typisches Beispiel
54 f. 168. 197 f. 326, Krö-
susorakel 119. 124. 141.
143
Kürbis und seine Bedeu-
tung 73
Kynismus: Kynische Worte
tö TtuQOv tv Qia^ui 37.
212, ciVia TtoTccuüiv 240,
yvätd^L öavtov 198. 208,
343. Lehre: Kyniker als
Arzt und Aufseher 70.
90 f. 166. 240, Ablehnung
der Mysterien 71, der na-
turwissenschaftlichen For-
schung «8. 90, des Toten-
kultcs 170, der Wünsche,
Opfer, üebetc 91 ff. , der
Ansicht vom Futura und
der Vorsehung 120tf., Ver-
achtung des Goldes und
Predigt gegen den Luxus
169 f. 262, Preis der Ar-
mut 880, I'olitische An-
flicht 830, Üenihrung mit
den Skeptikern Hn, K-
ker in dvr Komödie
J{vf"l-'..t....|,t 313. ;ii.. ..
k\ ! gluiuhe «iehe
VV
Kyr. hleti« zu
kyi
Kyphen 148
Kyros , typisches Beispiel
197
Laberius 28. 30. 189. 264.
381. 385. 386
Lactanz 2. 158. 161
Laiosorakel 119. 124. 125
Leukipp 83
lex Tappula 36. 218
Libanius 11. 16. 43. 54.
121. 123. 168. 185. 248 f.
329. 365—369
Livius 206
Lucan 29
Lucasevangelium 66. 105
Lucian: Stellung zu den
Zeitströmungen und Cha-
raktere, Sophist 9, Wande-
rungen 111 f. 340, Schrift-
stellerische Entwicklung
11, beschreibt Bilder 177.
180, beschreibt Pantomi-
men 180, Verehrung Pia-
tons 39, Verbindungen
mit Römern 61, Kenntnis
Juvenals 60 f. , Kenntnis
des Horaz 204 f. , Zunei-
neigung zu den Epikureern
129, Abneigung gegen die
Stoiker 370, Satire auf
seine Zeit 60 f. 203 f..
Nachleben 1 ff.
Lucian : Einzelne Schriften :
abdicat. 12. 354
adv. indoct. 309. 363
Alexander 7. 26. 27. 54.
154. 201. 209. 365
amores 260. 354 f.
Anacharsis 13. 118. 178.
228. 330. 363
apolog. 46. 75. 189
Bacchus 7. 13. 178. 282
bis accus. 10. 11. 14.
16. 44. 112. 118. 178.
181. 183. 228. 280. 261.
252 275 — 291. (Ab-
Mgszeiti 2H9, 291.
•'JiK 296. 800. 802.
;!<»., :t07. 308. 809. 310.
311. 312. 814. 316. 318.
319. 832. 840. 841. 352.
354. 360. 362. 865. 872.
■Ml
lunin. non tem. cred.
177
«utupluH 26. 82. 68^79.
'M IM.-, 118. 119. 171.
on 7,u den
I • ^ ir.i.-luMi 192
— 1W¥. tv .'SO.
322. 329. 333. 335. 340.
348. 349
Charidem 99
Charon 54. 68. 90. 108.
161. 166 — 174. (Ab-
fassungszeit) 168. 191.
297. 322. 326. 340. 349.
350
convivium 74. 90. 230.
254—274. 290. 296. 297.
302. 311. 331. 345. 351.
353. 362. 372. 373. 377.
383
cynicus 3. 75. 169. 262.
303. 308. 316. 360
de dea Syria 144
de domo 177 f.
Demonax 2. 56. 71. 126
deor. concil. 74. 80. 105.
148. 152 — 165. 183. 202.
352
dialog. deor. 3. 13. 64.
108. 117. 137. 139. 140.
171. 172. 174. 178 ff.
181. 187. 194. 213. 215.
289. 308. 314. 351. 352.
353
dialog. mar. 44. 64.177f.
180 f. 213
dialog. meretr. 2. 13.
117. 170. 192. 204. 213.
269. 333
dialog. mort. 2. 33. 34.
37. 56. 59. 68. 70. 74.
75. 76. 79. 89. 112. 117.
164. 168. 175 — 214(190
—214). 224. 229. 230.
240. 243. 248. 270. 304.
305. 306. 309. 316. 322.
838. 340. 348. 349. 350.
360. 377. 380. Ab-
fassungszeit 195. 214
euuuch. 89. 112
fugit. 89. 112. 181. 183.
198. 272. 306. 306. 307
— 321. 340. 341. Ab-
fassungszeit 198. 808 f.
gallus 21. 45. 52. 76.
77. 184. 185. 189. 191.
197. 202. 228. 229. 280.
267. 268. 269. 273. 290.
296. 306. 822 — 336.
388. 340. .'(48. 366. 366.
362. 863. 3H«>. 381. Ab-
fu«nung«/.pit 8^;'v t J»
364
Ilunnonid. 18.
Horetilcii 18 177. Tltit
Honu..tim n 7". 87.
h ■ ■ - 1
390
Register.
li)4. 209. 229. 230.
268 f. 270. 271. 272.
287. 290. 296. 297. 298.
303. 316. 331. 332. 334.
337. 338. 340. 341. 359.
360. 362. 363. 370. 379.
Abtassungszeit 340
Herodot. 112. 177
bist. quom. coiiscrib. 86.
112. 137. 191. 365
Icarom. 43. 46. 52. 77.
80—114. 117. 1.30. 131.
132. 139. 140. 147. 148.
154. 155. 156. 159. 160.
164. 166 f. 171. 172.178.
184. 186. 191 192. 197.
230. 242. 267. 271. 272.
281. 284. 287. 289. 290.
297. 301. 305. 311. 312.
319. 326. 331. 332. 338.
340. 348. 352. 353. 362.
3G4. 372. 377. Abfas-
sungszeit 114. 364
imag. 44. 153. 325. 332.
340. 354-356. 357.365.
pro imag. 54. 177. 340.
353. 355 f.
iud. vocal. 12. 179
lupp. conf. 75. 80. 115
— 132. (Abfassungszeit)
132. 137. (Beziebung.
zum trag. Zeus) 141 tf.
146. 147. 154. 165. 184.
198. 200 f. (Beziebung.
zu den Saturnal.) 2 1 6 f.
218. 230. 248. 340. 351.
352. 353
lupp. trag. 43. 74. 75.
80. 132. 133—151. (Be-
ziebung. zur Götterver-
sammlung) 153 f. 155.
156. 159. 160. 161. 163.
165. 178. 183. 184. 191.
218. 230. 243. 252. 272.
273. 277. 288. 290. 298.
306. 309. 312. 332. 351.
352. 353. 354. 355. Ab-
fassungszeit 183 ff. 364
pro laps. inter salut. 61.
206
Lexipbanes 77. 193. 256.
291. 297. 337. 354.
363
Lucius 268
de luctu 68. 170. 348
—350. 352
macrobii 230
de merced. cond. 52. 55.
90. 219 ff. 273. 306. 313.
331. 350. 360. 362. 370
muscae encom. 12. 279.
357. 360
navigium 45. 55. 112.
337 — 340. 360. Ab-
fassungszeit 339
necyom. 3. 16—62. (Ab-
fassungszeit) 60. (Be-
ziebung. zur Nieder-
fahrt) 67 ff. 71. 76. 78.
83. 105. 110. 118. 139.
163. 171. 183. 184. (Be-
ziebung. zu den Toten-
gespr.) 193—199. 202.
207. 209. 213. 242. 251.
287. 290. 296. 301. 311.
326. 338. 340. 348. 349.
352. 362. 372
Nigrin. 45. 46. 53. 61.
75. 96. 219 tf. 224. 257.
272. 311. 314. 349. 350.
356. 360. 361. 362. 363.
365. 370
de parasito 357 — 364
Peregrinus 1. 7. 76. 89.
106. 114. 137. 309. 316.
321. 339. 363
Pbalaris 12. 181. 279. 362
Pbilopseudes 1. 3. 26. 28.
29. 267 f. 270. 271. 272.
273. 339. 360
piscator 4. 11. 14. 46.
90. 243. 272. 282. 292
— 306. Abfassungszeit
294, 310. 311. 312. 313.
314. 320. 321. 334. 340.
341. 350. 360. 373. 383
Prometheus 95. 174. 181 f.
183. 351. 353
Prometheus in verbis 13.
280—282
Pseudolog. 10. 11. 111.
113. 300. 320. 363
rhetor. praecept. 10. 16.
46. 150. 209. 279. 291.
306. 362
de sacrificio 93. 103. 140.
170. 337. 350—353
de saltatione 180. 181.
365—370
Saturnalia 44. 52. 74.
191. 215—226. 340.362.
363
Scytha 112. 178
somniura 12. 278
Timon 54. 99. 181. 182
— 190. 191. 193. 205.
272. 288. 289. 294. 297.
307. 308. 311. 312. 314.
324. 332. 333. 340. 349.
352. 353. 362. 363. 364.
377. 383. 386. (Ab-
fassungszeit) 185, 288,
364
Toxaris 3. 177. 268. 339
tyrannicida 3. 12. 279
354
verae historiae 34. 89.
197. 207. 229. 230. 268.
282. 320. 349. 360. 362
vitar. auctio 74. 84. 181.
197. 207. 227—253. 285.
288. 289. 294. 295. :{15
316. 331. 332. 333. 340.
353. 354. 372. 373. 377.
378. 379. Abfassungs-
zeit 228 f.
Zeuxis 13. 177. 280—282.
Lucilius 36. 138. (Götter-
versanimlung) 158 ff. 209.
265
Lucrez 120
Lukios von Patrai 268
Lykurg 168
Lysimachos 97
Mantik 123 ff.
Marcellus Empiricus 172
Mark Aurel 37. 50. 53. 55.
211. 356. 384
Martial 54. 55. 61.
Martianus Capella 173
Mausolus 56. 199
Maximus, Kyniker, Bischof
316
Maximus Tyrius 48. 51. 52.
54. 55. 59. 88. 91. 92. 94.
102. 107. 109. 116. 119.
121. 122. 124. 128. 129.
130. 138. 168. 171. 174.
186. 206. 211. 212. 251.
252. 287. 350
Mazaris, Leiden des Tima-
rion 57
Meidias, typisches Beispiel
120. 138
Meleager, Kyniker 273. 347
Meletos, typ. Beispiel 120
Menander 25. 36. 59. 123.
138. 190. 203. 253. 300.
311. 333. 383. 384
Menipp mildert den Rigo-
rismus der Kyniker 15.
34, parodiert Homer und j
Euripides 19, Lucians4
Kenntnisse von seinem
Leben 59. 212, Verhältnis
zu Bion 242. 286, Ver-
hältnis zur Komödie 341,
Charakteristika seiner
Schriftstellerei 342 ff. An-
Register.
391
griffe gegen die Epikureer
129, Nekyia 10—79. 1G5
—174. 191 — 214, Himmel-
fahrt 80—165. 167—174,
Symposion 150. 218. 254
—274, Arke.silaos 89 231.
262. 263, Jioytvovg tiqü-
Gtg 38. 204. 231—250,
Götterbriefe 93. 215. 222
— 226, Verfolgungsszene
298—302, Gerichtsszene
282 — 288 , Satire gegen
Persaios 315 — 318, Lob
der Armut 324 — 332, tiqös
rovg (pvüLxovg xal ua-ö^Tj-
uarixovg xcci '/qccuucctlxovs
40. 88. 231
Metrodor 138. 271
Metrokies 239. 244
Midas, typisches Beispiel
197 f. 326
Mikyllos, Parallele zu Ky-
niskos 65 f., im 'Hahn'
335, bei Krates 76
Milon, typisches Beispiel
168
Mimus 30. 105. 344
Minucius Felix 127. 142.
145. 280. 381
Mithras 23. 62. 104 tf.
Mithra-slitorgie 104. 105
Mnenimachos 381
Momus 148
Monimos 384
More, Thomas 3
Moschoa 177
Musaios 103
Mu8oniu.sl69f. 247.262.315
Mysterien, Pflege im 2 Jahr-
hundert n. Chr. 4 f. 23,
Vorschriften 22, Gebrauch
der Fackeln 71, des Mi-
thras 28. 104 ff., eleusi-
niHche 71, Verspottung
durch Aristophanes 23,
V*»r'«pottiing durch Lucian
.1 !oj fr
Ml!;
HCl
m*
u,' mit komi-
it 86. 96. 292.
II wie Ikaro-
Philosophen-
Oinomaos 75. 121. 124. 126.
128. 129. 130
Olympia, Beziehungen auf
0. in Lucians Schriften
111 ff. 339 f., Ekecheirie
113
Olympieion in Athen 98 f.
Orakelparodien 136 f.
Origenes 153 f. 164. 285
Orphische Lehren 32, Vers
229. 325
Ovid 28. 29. 54. 168. 177.
180. 325
Oxyartes 77
Pantomimus 180. 365—370
Parmenides 103. 374
Parodien von Volksbe-
8chlüs.sen, Gesetzen usw.
36, von Formeln der Volks-
versammlung 162 f., von
Orakeln 136 f.
Pausanias 97. 100. 103.
113. 154. 155
Peregrinus 13, Todesjahr
114
Pergamon, Asklepioskult
101
Persaios 317
Persius 92. 126. 127. 169.
230. 262. 358
Personifikationen von Ruhe-
bett, Lampe usw. 69
Petron52. 167. 171. 306. 386
Phaedrus 76
Phakas von Chalkedon 375
Pharus von Alexandria 100
Pherekrates 188. 305. 312
Phidias 100
Philemon 65. 382. 384
Philipp von Makedonien 66.
176. 208
Philippides 377
I'hilippüs, Sophist 874
Philiskos 69. 179
Philo 50. 55. 126. 127. 128.
234. 239. 241—244. 262
I'hilodem 87 272. 317
IMiilonides 817
Philosophen, Widersprilche
miteinander 40. 88 ff.; zwi-
schen Lehre und Leben
40, in der Komrtdie 871
—886, auf dem Hron/e-
gofllß von HeiHtal 42
l'hilosopljic, [{«»rieht über
i),,.. |"f,»u,.lJ,,i!;f 809 f.
41. 166.
Phlegon 2dH
Phoenikides 190. 385
Phokion, tvpisches Beispiel
119. 130.* 138
Photius 2. 9. 375
Phryne 77
Phrynichos 30. 186. 253
Pindar 31. 94. 184. 266. 325
Piaton, Philosoph 13. 30.
31 f. 33. 35. 38. 39. 44.
46. 53. 54. 73. 83. 84. 85.
86. 91. 94. 118. 131. 169.
194. 204. 228. 229. 251.
252. 256—259. 266. 279f.
287. 298. 307. 309. 329.
331. 337. 348. 349. 354.
357. 358. 359.360.361. 373,
in der Komödie 375—378
Piaton, Komiker 131. 186
Plautus 36. 320. 321. 333.
342. 386
Plinius der Ältere 26. 77.
84. 100. 102. 174. 180. 329
Plinius der Jüngere 10. 222
Plotin 31
Plutarch 31. 35. 52. 53. 56.
57. 58 59. 71. 74. 76 f.
95. 97. 99. 126. 128. 130.
140. 145. 153. 179. 186.
200. 206. 210. 239. 252.
257. 259 f. 268. 285. 311.
312. 318. 325. 382
Poimandres 105
Polemon, Philosoph 270.
278. 283. 2H4— 286
Polemon, Sophist 12. 150
Pollux 291
Polos, Schauspieler 57. 138
Polybius 97. 100. 101
Polydamas 154 f
Porphyrio, Horazschol. 288
Porphyrios 31. 105
Posidipp 77. 382
Posidonius 84. 89. 280
Priapoa 54
Prodikos 12. 874
Proklos 31. 210
I Properz 31. 88.64.118. 279
Protagoras 874
' Protesilaos 156
PtolemtluH PhiladolphusltfS
] (leschvNi * ' '^fi
Ptoloniili tes 19S
Pvrrhoii ^.'. -...<. J88
IVthagora« 197. 229. 826,
in der Kon)r>di(! 880 f.
Pvthagoroer H4. 86. 86.
I 870 ff
, QuoroluN Vil
IguiotiH»
392
Register.
Rabelais 3. 23 f. 56
Reuchlin 2
Sachs, Hans 2. 192
Sallustios 39
Sardanapal, typisches Bei-
spiel 119. 138. 197 f.
Satyros, Schauspieler 57 f.
138
Satyros, Biograph 238
Scharr 8
Schiller 3. 9.
Seneca der Ältere 12
Seneca der Jüngere 14. 31.
32. 41. 50. 51. 52. 53. 58.
72 f. 89. 94. 107 f. 121.
123. 127. 151. 158. 161 f.
194. 243. 244. 245. 278.
306. 314. 315
Serapis nicht erwähnt von
Lucian 164
Servius 158
Sextus Empirien s 39. 77. 83.
87. 88. 143. 144. 145. 146.
147.157.164.184.196.384
Sextus von Chaeronea 364
Shakespeare 187
Silius Italiens 30
Skeptiker 88. 147.377. Ver-
spottung der Sk. 229 f.
s. Akademiker
Sokrates 56. 59. 86. 91. 169.
197. 229, typisches Bei-
spiel 120. 129 f. 138, Ver-
gleich mit Diogenes 211,
Verspottung in der Ko-
mödie 871 if.
Sopatros 30
Sophisten 9, Themen 10,
meiden Stoffe der Gegen-
wart 15, paraphrasieren
dramatische Szenen 175,
beschreiben bildliche Dar-
stellungen 177 f., wandern
340, Spott auf die Sophi-
sten 151, in der Komödie
374
Sophokles 148. 266
Sophron 182
Sosipatros 358
Sostratos 201
Sotion 53
Spatinus 98
Sprachliches 354. 359 f., l'öag
in der Antwort 308 f., An-
fang des Dialoges mit d£
117 f.
Statius 28. 29. 31. 114
Stilpon 376. 384
Stobäus 85. 189. 204. 241.
248. 280. 325. 330. 358
Stoiker 86. 88, Lehre von
der Heimarmene 120, Vor-
! sehungsglaube 122, Man-
; tik 123, Annahme der
Strafe an Kindern und
Enkeln 128, Goltesbeweise
143 tl"., Vorliebe für Dich-
terzitate 144, Ansicht vom
j Weltuntergang u. a. ver-
! spottet 263 f. , Stoiker in
\ der Komödie 381 f., Stoi-
! kertracht 316
Strabo 49. 97. 101. 145. 154.
i 174. 329
! Sueton 53. 70
Suidas 1. 239. 240. 282. 283.
317. 343. 364
Synesius 48
Synkrisis 205 f. 286 f.
I Tacitus 10
Tantalus 171. 195
I Tatian 207. 280. 316
I Teles 45. 48. 49. 119. 129.
I 171. 189. 243. 328
Terenz 280. 311. 320. 383
Tertullian 103. 162. 164.
i 169. 210 f. 381
: Testamentum Grunnii Coro-
cottae 37
\ Theagenes 76
I Themistins 52. 59. 74. 280.
' 285. 305. 318
ThemistokleSjtypisches Bei-
spiel 138
Theo, Rhetor 320
Theodicee 126 ff.
Theodoros, Atheist 87
„ Prodromos 228
Theognetos 333. 382. 385
I Theokrit 95. 177. 334
j Theophrast 88. 90. 376
Theopomp, Historiker 320
,, Komiker 376
; Thersites, typisches Bei-
spiel 54. 196
Thrasymachos 374
Thukydides 117. 359
Tibull 26
Timokles 110. 357
Timon Sillenschreiber 20.
40. 82. 87. 304—305
Timotheus 312
Tiresias in der Hadeswan-
derung 20
j Totengericht 31 ff., Anklä-
! ger 31, Richter 31, ägyp-
I tisches 32, Tote klagen
j an 33, Schatten klagen an
: 33, Strafen 34
! Trophonius 59. 164. 156
I
: Valerius Maximus 230. 285
' Varro 14. 19. 40. 71. 78.
i 79. 88. 92. 108 f. 131. 149.
j 150. 162. 167. 182. 245.
I 261. 263. 264 f. 288. 299
i —301. 303. 304. 314. 320.
325. 331. 337
Vergil 19. 22. 28. 29. 30.
31. 32. 34. 38. 67. 72. 118.
j 242
Vergleiche 342 : Festzug 44,
j Schauspieler 45 ff. 94. 296.
1 328. 338, Chor 93. 167,
Ameisen 94. 167, Wasser-
blasen 167, Wespen-
schwarm 167, Mischtrank
167, Standbilder 329, Schiff
und Steuermann 147. 362,
Geldbeutel 204, Gefäß
239, Tantalus 171. 195,
Dädalus und Ikarus 325.
338
Voltaire 3. 7
Wieland 3. 8. 20. 68. 96.
99. 100. 327
Xenokrates 86. 210
Xenophanes 39
Xenophon 91. 93. 117. 169.
195. 208. 259. 355, beliebt
im 2. Jahrh. n. Chr. 208.
259. 355
Xerxes, typisches Beispiel
197
Zauberlehre 22 ff., Reini-
gung durch Bad 24 f. un-
verständliche Formel 25,
Richtung nach Osten 25,
Speichel 25, Vorbereitung
durch Enthaltung von
Fleisch und Wein 25,
Lagerstätte 26, Fackeln 26,
i Meerzwiebeln 26, Rück-
I wärtsschreiten 27
' Zauberpapyri 25. 27
Zeitströmungen d. 2. Jahrh.
! n. Chr. 4
! Zeno, Stoiker 120. 144. 149.
I 266. 317. 320. 381
i Zoilos 121
3M-. ;■•.
•'<\
M^-J ■ ■■
"♦>,/■
LI1-
ÜNIVERSITY OF TORONTO
LIBRARY
Do not
re move
the Card
from this
Pocket.
Acroe Library Card Hocket
Uoder l'at. " Ref. Index lilc"
M»de by LIBRART BUREAU