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Full text of "Nassauische Annalen"

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ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAUISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


I 


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ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAÜISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


VIEßUNDZWANZIGSTER  BAND. 
18  92. 


irr  10  LiTHOORüPHIBRTEII  TAFELH. 


WIESBADEN. 


CONRAD  REINHARDT 

T0RMAL8  W.  HOTB'8  BOCU-  *  KUNSTHANDLUHO 

HOrLtBFBRAKT 
■OSML.  HORCIT  PCB  FRAU  PBUZBUIR  CHRnTIA»  KU  SCHLESWIG -HOLSTEIN 
PBiaZBSSni  TOM  OBOaSBBITAIIHlBN  UND  IKLABD. 

1892. 


•TANranD  un'vidxv^ 

Stack« 
DEC  -4  1970 


/  S''7 


Inhalts -Verzeichnis 

des  vierundzwanzigsten   Bandes. 


Seite 

I.  Johann  Hilchen  von  Lorch.    Von  F.  Otto 1 

Anhang  dazu 20 

II.  Xonrad  Oerlin  von  Wiesbaden.    Von  F.  Otto 23 

III.  Ftlnt  Karl  Wilhelm  von  Nassau -Usingen,  1776-1803.    Mitgeteilt  von 

F.  Otto 24 

IV.  Georg  August,  Fürst  zu  Kassau-Idstein,  1677—1721.  Von  G.  Spielmann  25 

Anhang  dazu 76 

V.  Mitteilungen  über  die  Lage  und  Geschichte   der   Marau  bei  Mainz. 

Von  Geh.  Baurat  Cuno 81 

VI.  Johann  Konrad  von  Seibach.    Nebst  einem  Anhang:   „Einige  unbekannte 

Uerborner  Drucke*.     Von  F.  Otto 85 

Anhang  dazu 95 

VII.  Die  SchOnauer  Überlieferung.    Eine  historisch-kritiBohe  Untersuchung  von 

Ludw.  Conrady 101 

VIII.  Das  alte  Wiesbaden.'   Mitgeteilt  von  F.  Otto.    Mit  2  Abbildungen      ...  162 
IX.  Geschichte  der  Steigbügel.    Von  A.  Scblieben,  Major  a.  D.    Mit  6  Tafeln 

(I  bis  VI)  mit  352  Abbildungen 165 

X.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden.    Von  A.  t.  Oohausen.    .    .    .  232 

XI.  Burgen  in  Nassau.    Von  A.  y.  Cohausen.    Mit  4  Tafeln  (VII  bis  X)    .    .  233 

1.  Neukatzenelnbogen  oder  die  Katz  bei  St.  Goarshausen 233 

2.  Sterrenberg,  Liebenstein  und  Bomhofen 236 

XII.  Die  Frankengräber  von  Schierstein.    III.    Von  B.  Flor  seh  fitz  .    .    .    .  239 

XI IL  £ine  neue  Knochenhöhle  in  Steeten  a.  d.  Lahn.    Von  B.  Florschütz. 

Mit  2  Abbildungen  auf  Tafel  VIII 242 

XIV.  Der  Wilde  Pütz  bei  Steeten.    Von  A.  y.  Cohausen.    Mit  5  Abbildungen 

auf  Tafel  X 245 

XV.  Grabschrift  des  Gustav  Ernst  von  Seydlitz  zu  Kastätten.     Mitgeteilt 

von  F.  Otto 248 

XVI.  Der  römische  Grenzwall  (von  Cohausen  und  Mommsen) 254 

XVII.  Vereinsnachrichten. 

Bericht  des  Sekretärs  (vom  1.  April  1891  bis  1.  April  1892) 261 

Bericht  des  Konservators  Oberst  v.  Cohausen  über  die  Erwerbungen  für 

das  Altertums-Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres  1891    .    .    .  265 

Schenkungsurkunde 268 

Kachruf  an  Anton  Weck 269 

Berichtigung  zu  pag.  61  ff.  des  vorjährigen  Altertumsbandes      .    .    .  271 


Sendungen^  die  für  den  Verein  bestimmt  sind,  beliebe  man  an  den  Verein,  nicht  an  ein 
einzelnes  Mitglied  des  Vorstandes  zu  adressieren. 


t^ftUCK  YOV  RÜD.  BKCHTOLD  *  COMP^  WIB8BADEK. 
woctmmrtxmmJB  *  umoom,  AXtrALT. 


Johann  Buchen  von  Lorch  *) 


Von 

?♦  Otto* 


Auf  dem  Denkmal,  welches  dem  Bitter  Johann  Ililchen  von  Lorch  in  der 
Kirche  zu  Lorch  gesetzt  ist,  befindet  sich  eine  Inschrift,  nach  welcher  derselbe 
in  den  Jahren  1542,  1543  und  1544  kaiserlicher  „Oberster  Feltmarschalk'' 
gewesen  sei  und  ausserdem  noch  sieben  Feldzuge  „helfen  thun.*  Diese  An- 
gabe war  die  Veranlassung,  dass  der  Verfasser  dieses  Aufsatzes  es  unternahm 
die  spärlichen  Notizen  über  Hilchens  Feldzuge  zusammenzusuchen  und  einige 
Nachrichten  über  sein  sonstiges  Leben  mit  denselben  zu  yerbindeui  um  so  eine, 
wenn  auch  nicht  eben  eingehende  Darstellung  seines  Lebensganges  zu  gewinnen. 
Jjeider  boten  die  Schätze  des  hiesigen  Staatsarchives  nur  geringe  Ausbeute; 
die  meisten  Mitteilungen  über  Hilchen  entnahmen  wir  den  in  den  Anmerkungen 
angegebenen  Druckwerken.  Vielleicht  gibt  unsere  Arbeit  Anlass,  dass  etwaige 
weitere  Notizen   aus  ungedruckten  Archivalien   an  das  Licht  gezogen  werden. 

Die  Jugend  Hilchens. 
T'^nter  dem  zahlreichen  Lorcher  Adel  nehmen  die  Hilchen  von  Lorch  eine 
hervorragende  Stelle  ein.  Zur  Zeit  ihrer  Blüte  im  15.  und  16.  Jahrhundert 
zerfielen  sie  in  mehrere  Linien,  aus  welchen  mehrmals  Leute  hervorgingen,  die 
auf  geistlichem  oder  weltlichem  Gebiete  eine  rühmliche  Stellung  errangen.  So 
war  der  väterliche  Oheim  unseres  Ritters  Dechant  des  Stiftes  zu  Bleidenstatt, 
dessen  Schwester  Äbtissin  des  Klosters  Mariakron  bei  Oppenheim ;  viele  Hilchen 
waren  Schultheissen  zu  Lorch  oder  Amtleute  des  Kurfürsten  zu  Mainz.  ^)  Auch 
der  Vater  des  Ritters,  welcher  gleichfalls  Johann  hicss,  bekleidete  kurz  vor 
seinem  Tode  das  Amt  eines  Schultheissen  in  seiner  Heimat.  Derselbe  hatte 
im  Anfang  der  achtziger  Jahre  des  15.  Jahrhunderts  sich  mit  Elisabeth  von 
Walderdorf  vermählt.  Aus  dieser  Ehe  entsprossten  zwei  Kinder,  ein  Sohn, 
Johann  Hilchen  der  Ritter,  welcher  im  Jahre  1548  in  einem  Alter  von  64  Jahren 
starb,  also  etwa  im  Jahre  1484  geboren  war*),  und  eine  Tochter  Margarethe, 


*)  Ein  im  AltertamsTerein  zu  Wiesbaden  gehaltener  Vortrag. 

>)  Bodmann,  Rheingaolsohe  AltertOmer,  8.  835.  —  *)  Nioht  1488,  wie  der  Rheinisehe 
Antiquar  ins  tagt. 

1 


welche  ein  daiu*  vur  ihrem  Bruder  al»  Äbtisit<tü  voo  JüanaicTÖn  uüJ  Nachfolgern 
ihrer  Tante  (seit  1518)  starb;  die  EUeni  starben  beide  im  Jahre  1512,^) 

Über  die  Jugendzeit^  die  Erziehung  imd  Bildung  des  jungen  Hilehen  sind 
wir  uieht  unterrichtet^  wir  dürfen  aber  getrost  annehmen,  dass  er  in  dieser 
lioziehung  nichts  vor  seinen  Standesgeuossen  voraus  hatte,  insbesondere  ist  an 
eine  hühere  wissenschaftliche  Bildung  nicht  zu  denken,  seit  die  Legende  von 
der  sog.  Junkerscbule  zu  Lorch,  welche  Budmann  aufgebracht  hatte,  als  eine 
Dichtung  dieses  Gescbicht&forschers,  hervargcgangeu  aus  dem  miasverstaudenen 
Worte  Schola,  nachgewiesen  worden  ist.*)  Es  wird  Uilchen  vor  allem  zu  kör- 
perlichen Übungen  und  zur  Ifandhabung  der  Waffen  angehalten  worden  sein 
und  frühe  in  den  Wäldern  des  Taunus  dem  Waidwerk  obgelegen,  daneben 
auch  die  uotw^eudigsten  Elementarkenntnisse  sich  angeeignet  haben.  Möglich 
ist,  dass  er  schon  in  früher  Jugend  den  Grund  zu  der  Freundschaft  nnt  dem 
nur  wenige  Jahre  älteren  Franz  von  Sickiugen  (geb.  am  1.  März  1481)  gelegt 
hat,  da  die  Besitzungen  beider  Hauser  sich  vielfach  berührten  und  zum  Teil 
von  denselben  Lehensherrn,  namentlich  den  Kurfürsten  von  der  Pfalz  und 
Mainz  herrührten.  Zudem  war  der  Vater  des  berühmten  Franz  von  Sickingen, 
Schweickard,  w^ährend  der  Jugendzeit  heider  ein  am  Mittelrheiu  vielgenannter 
Ritter,  gefürclitet  und  gehasst  von  den  Städten  und  Fürsten,  gefeiert  von  seinen 
Standesgeuossen,  ein  Vorbild  lur  alle,  denen  ein  ritterliches  Leben  im  alten 
Sinne  als  Ideal  vorschwebte. 

Etwa  22  Jahre  alt  vermählte  sich  Joliann  Ililchen  mit  der  Tochter  des 
Melchior  von  Rüdesheini  Dorothea.  Die  Ileiratsabrede  fand  am  2(J.  Oktober 
1508  statt,  der  Heirats  vertrag  ist  am  26.  November  1507  abgeschlossen/^)  In 
demselben  verspricht  Johanna  Vater  seinem  Sohne  eine  Jahresrente  von  55  il, 
anzuweisen  und  ihm  eine  Behausung  nebst  entsprechendem  Hausrat  zu  geben, 
mit  welchem  allem  Johann  der  Jüngere  seine  Hausfrau  bewitumt;  der  Vater 
der  Braut  dagegen  verpflichtet  sich  seiner  Tochter  800  fl.  Heiratsgut  zu  geben. 
Dieser  Vertrag  wurde  jedoch  nicht  genau  ausgeführt:  Melchior  von  Rüdesheim, 
nicht  der  Vater  Hilchens,  sorgte  zunächst  für  eine  Behausung,  indem  er  den 
jungen  Eheleuten  die  Burg  Martinstein  einräumte,  zahlte  dagegen  nicht  die 
HOn  fl.,  für  welche  Ililclien  im  Jahre  1541  nach  dem  Tode  Melchiors  eine  Ent- 
schädiguog  erhielt,  bestehend  in  einer  Jahresrente  aus  dem  Zoll  von  Elireufels 
im  Betrage  von  20  Ooldguldeu  und  einer  weiteren  Rente  von  27  fl,  20  Albus 
und  2  Pf.*) 

*)  Die  GrftbBtein-Insciirifton  a.  b.  Roth,  Fontc»  IT,  S.  302.  E«  irrt  daher  Töpfer  m 
dem  sogleich  genannten  Werk©  IJ»  8.  463,  wenn  or  Dorotheft  im  Jnlire  1&38  utcTbeo  liiagt. 
Über  die  Lehen  der  Uilchen  tergl.  Sauer  in  dieeeü  Atinnlon  XX,  und  Töpfcrr,  ITrkundon* 
Imeh  der  Vö^te  von  Hunolstein  IIl,  San  er  zühlt  nuf:  1,  HäU8  und  Hof  ku  Lorch  und  dus 
KirphlHjim-BüIandiaeho  Lehon,  spÄter  Yoti  NitssttU-SflArbriiükeii  j  2»  di«*  Lehen  d«*«  Kp7,bi»ehori« 
m  Uikim.;  3.  der  Dompropstei  tu  Mainz;  4.  du«  BÜfto  8.  Unn  lul  gr^dus;  &,  von  S.  Viotur; 
^.  df^ä  Erzhiflchofs  von  Trit^r;  7«  Lohen  xu  Utzonhain,  ruterfborgf  6.  Gom^hauiici)  und  Urbar; 
8.  Lolien  ron  Nasfiau-Wieebadefi ;  9.  von  N.^Katjrcnelnbogen;  10«  van  dem  Stift  S.  Lubcntin« 
/u  Diotkirohen;  11.  von  8,  Florin  xu  KobUnz;  T2.  von  I^eiiburg-Grcnxau;  13,  kleinere  Lehen 
von  Mamlersehoid-RlankenheiTa  und  Löwenstcin-Weriheirn;  14.  der  Fronhof  xu  Lorch.  'J  Vgl. 
Sauer  in  dem  Anhang  «um  Codex  diplom*  NajgoicuÄ.  -  *|  Töpfer  III,  9.  25«.  —  *)  Tupfer 
lU,  8.  93. 


Dlo  Ehe  daaorte  nur  wenige  Jahre,  da  Dorothea  seboD  im  Jahre   1512 
PilliHrb  mit  ninterlassuDg  einer  Tochter  Maria,  welche  im  Jahre  1530  mit  Adam 
IS^Bgt  voü  HimoläteiQ  vermählt  wurde. ^) 

Weadeii  wir  uos  nun  mehr  zu  den  Tbaten  Hilchens,  so  unterscheideo 
wir  zwei  Perioden;  die  erste  begreift  die  Zeit  seiner  Fehden,  welche  er  allein 
oder  iu  Verbindung  mit  Sickingen  an»focht,  1510  bis  1523;  in  der  zweiten 
©r  die«em  altritterlichen  Loben  und  widmet  sieh  dem  Dienste  des 
Kaisers  Karl  und  des  Königs  Ferdinand,  iu  welchem  er  als  üeerf uhrer  einen 
KftOMm  erwarb* 


I  Johami  Hilchen  WaSeogeooese  Sickingens. 

Auf  dem  Reichstage  zu  Worms  im  Jahre  1495  war  zwar  ein  ewiger  und 
^meiner  Landfriede  verkündet   und   dessen    Beobachtung   in   den   folgenden 
f«lahreQ  ernstlich  anbefohlen  worden.    Indessen  konnte  und  wollte  sieh  die  Kitter- 
•ebaft  der  neuen  Ordnung  der  Dinge  nicht  fügen.     Nicht  nur  dass  ihr  die  ihr 
allein  zusagende  Thätigketi  und  die  mit  den  w^echselnden  Fehden  und  Haubzügen 
ferhundene  Unterhaltung  und  Aufregung  entzogen   wurde:    sie  fiihlte,    dass  es 
mit  ihrer  Stellung  vorüber  sei,  wenn  das  Gericht  entscheiden  sollte,  wo  bisher 
das  Schwert  geherrscht  hatte,   wenn   die   Fürsten   über  den  Frieden   wachten 
and  dadurch  ihre  Macht  immer  fester  begründet  wurJe.   Daher  sehen  wir  noch 
immer  die  Ritter  mit  Piekelhaube   und  gespannter  Armbrust  durch  die  Felder 
eflen  oder  im  Walde  auf  der  Lauer  liegen,  um  den  Warenzug  der  Bürger  auf- 
zufangen   oder   den   Gegner   niederzuwerfen;   zertreten  wurden   die  Saaten  de« 
Laudmanna^    die    Dorfer   gingen    in   Flammen   auf.     Manche,    wie    Franz    von 
Kekiligen,   gaben   dieser  Neigung   zum    alten   Ritter-    und   Räuberleben   einen 
[tirferen  Gehalt;   sie   traten   ein   für   die  verfolgte  Unschuld,    nahmen  sich   der 
1  Schwachen  und  Hilflosen  an   und   wagten   den   Kampf  auch    mit  MächtigiM^en, 
'Olückliohe  Erfolge   führten  dann   immer  weiter,   imd   Franz   errang   allmählich 
ein  Ansehen,  wie  es  kein  Ritter  vor  oder  nach  ihm  besessen  hat. 

Mit  Sickingen  war  Ililchen,  wie  wir  oben  gezeigt  haben,  von  Jugend  auf 
befreundet;  er  wird  vielfach  schlechtweg  als  der  Waffengenosse  und  Freund 
daatelben  bezeichnet.  So  finden  wir  ihn  denn  gleich  ijn  Anfange  seiner  Selb- 
flifldigkeit  auf  derselben  Bahn. 

Die  Fehde  mit  dem  Rheiugrafen  1510  ff* 
Die  erate  Fehde,  von  der  wir  wissen,  hat  Hilchen  nicht  in  Verbindung 
mil  Sickingen  geführt,  aber  doch  sicherlich  in  seinem  Sinne  und  mit  seiner 
tlilltgttiig.')  Es  war  im  Jahre  1510;  er  wohnte  noch  im  Hause  Martinstein 
iiQd  war  eben  (150Ö)  zum  Gemeiner  der  Burg  Kallenfels  aufgenonimee  worden. 
Zu  Mariinsiein  gehörte  das  Dorf  Uorbach,  welches  mit  dem  Dorfe  Simmern 
imier  Dbmim  oder  Rheingrafen -Simmern^)   in   Streitigkeiten   geriet*     Hilchen, 


*j  Tapfar  litt  B.  81.  Der  Ehevertrag  iit  Am  18.  November  1529  abg^oscltloascn.  HitoUen 
I  fi»r«i|iricli4,  f»tnr-r  Tochter  1000  fl.  Hoirutsgut  tu  zahlen  und  sie  ihrem  ÖUntlo  gfemfiss  ehoUüh 
^m4  licfUfK  j|^rhinU''kt  um!  j^ckloidct  zu  Üborgobnn.  —  ')  T5pf«r  lü,  8.  259.  ^  *)  8JjiiRieru 


jHDg  und  feurig,  nahm  üich  bofurt  seiner  Leute  an ;  aber  auch  der  junge  Rheiii* 
grÄf*)  i^aumte  nicht  <lie  Sache  der  Seinigen  xu  verfechten;  als  die  Versuche 
den  Streit  friedlich  beizulegen  sich  in  die  Länge  zogen,  griff  der  ungeduldige 
Uilchen  zum  Schwert;  den  Schultheiss  von  Simmeru  schoss  er  in  der  Kirche 
selbst  nieder,  auf  den  Priester  drückte  er  zweimal  Pfeile  ab.  Nun  Übte  der 
lüieingraf  schlimme  Vergeltung;  er  besetzte  einen  Teil  von  Horbach  und  Weiter»* 
bach,  worauf  Hilchen  mit  eeinen  Freunden  von  Steinkallenfels  rhoingraflicho 
Dörfer  niederbrannte  und  arme  Leute  tötete  oder  gefangen  wegführte,  Sep- 
tember 1511.  Dawider  erhob  der  Hhcingruf  Klage  und  erwirkte  gegen  seinen 
Widersacher  die  Acht  wegen  Laudfriedensbruches.  Vertrieben  aua  der  Heimat 
suchte  derselbe  nunmehr  Schutz  bei  den  Bürgern  von  Bingen,  welche,  weil 
sie  ihn  freundlich  aufnahmen,  seinem  Verfolger  aber,  dem  Amtmann  Philipp  von 
Lüwenstein,  die  Thore  selilnssnn.  vnn  dem  kais<Tli(^br"ry  Fisknl  /.u  1000  fl.  ?tr:ifr 
verurteilt  wurden. 

Während  inzwischen  ein  neuer  kaiserlicher  Belehl  gegen  Uilchen  erging, 
bemühten  sich  die  Gemeiner  von  Kallenfels  Frieden  herbeizuführen,  was  ihnen 
auch  gelang.  Nachdem  noch  im  Jahre  1511  ein  vorläufiger  Vergleich  abge- 
schlosaeu  worden  war,  nach  welchem  die  Fehde  ruhen,  der  Schaden  festgestellt 
und  deramlchst  geordnet  werden  solle,  der  Ilheingraf  aber  dahin  zu  wirken 
versprach,  dass  die  Acht  aufgehoben  werde,  zog  sich  die  endliche  Aussöhnung 
bis  in  das  Jahr  1515  hinaus*  Die  ganze  mutwillige  Fehde  hatte  den  Hilchen, 
wie  er  später  klagte,  grosse  Kosten  und  oftmals  Sorgen  und  Gefahren  ver* 
ursacht. 

Die  hesBisohe  Fehde    1518. 

Drei  Jahre  später  beteiligte  sich  Hilchen  an  der  hessischen  Fehde 
Sickingens  gegen  den  Landgrafen  Philipp  von  Uessen^  welcher  der  gemeinsame 
Gi'gner  beider  war.  ^Etliche  landgräfische  Angehörige**,  heisst  es  iu  dem  spiUer 
abgeschlossenen  Vertrago,  „hatten  Johann  Hülchen  einen  Sehultheissen  be- 
schädigt, darauf  er  nachfolgendt  Tods  abgegangen.^  Worin  diese  Besclnidigung 
bestand,  was  Johauri  etwa  unternommen,  um  sich  zu  nichen,  ob  der  Tod  di»**- 
sf^lbon  die  unmittelbare  Folge  der  Beschädigung  gewesen  und  er  deswegen  ver- 
liindert  worden  sei  liache  zu  nehmen,  wird  nicht  gesagt;  genug,  als  jetzt,  seclia 
Jahre  nach  diesem  Ereignis,  Franz  dem  Landgrafen  Fehde  ansagte,  wurd« 
Hilchen,  der  auch  „für  sich  selbst  dessen  Feind  war*^,  veranlasut  sich  dem 
Feldzuge  anzuschliessen. 

Was  für  Sicldngen  die  Ursache  war,  dass  er  gegen  den  Fürsten  das 
Schwert  zog,  ist  für  uns  ohne  Bedeutung;  er  glaubte  die  Jugend  des  eben  erat 
zur  Regierung  gelangten  Landgrafen  benutzen  zu  sollen,  um  die  verletztan 
Ueehte   oder   vermeintlichen    Hechte   einiger  Freumle   und   antlerer,    die  seinnu 


tint«r  Dhiitin  w^r  der  gröwjto  Ort   diar  rhobgrüftirlion  B.Vfor.     SrlmiMilnr,    no-,rliIt4»tr   de 
Wild-  und  Rheing^rfifltt^hcn  Hause«  1854,  S.  155. 

')  Rhein-  und  Wildgraf  war  durattk  PliiUpf»,  >^"fi«»  «i*  ^  »n»  Jahio  i  »;i;»  >«  v^iMt  rx  non  Khiun« 
g^mfen  Johann  VI;  or  war  gohornn  den  8.  8epU'inl><*r  H92,  bUo  dnmal«  IS  Jahre  alt,  und 
nliuid  noch  unter  d(^r  Yorniundsohaft  nvitusr  Muttvr  Jotuinnii,  gt*h.  Oraflti  von  Baann^^rden. 
8rhneidf*r  w    n    0    S     m:!:    l.'iS. 


«nnelen^ra  wahron.*)    Er  lag  nocf^SrMetz  „mit  zwei  tausend  Pfordüii 

[und    etliche   viel  üiusend   zu  Fuss,   überzog  die   vun   Metz   gewaltigHchen,   der 

tUr^ach^  das«  sie  ötliche  ihre  Bürger  oline  Recht  daa  Ihre  gonoiriTnen'^,')  als  er 

ftiis  8.  Soptomber  1518  einen  Fehdebrief  aii  deo  Landgrafen  erliess^)  und  ^rait 

^ttDem  geriogett  Volk   nicht   über   500   Pferde   und   8000   zu   Pusa  gleich    von 

Fdaimeii^  gogen  Darmstadt  zog»    Er  selbst  überschritt  den  Rhein  oberltnlh  Mainz, 

während  vom  Tauuaa  her  Kaspar  von  Kronberg,  vom  Odenwald  her  Götz  von 

^  1  naheten;    alle  drei   fielen    zu  gleicher  Zeit   und   so   rasch    in   die 

Ujergrafnehaft  Katzen  einbogen  ein,   daas  nichts  zum  Schutze   vorbo- 

Ireitelt  die  Burgen  nicht  hinreichend  besetzt,  für  Proviant  und  Munition  gesorgt 

werden  konnte.    Daher  hinderte  niemand  die  Verwüstung  dos  Landes,  die  nun 

tb^anii   und  uaineutlich    von  Hilchen   vollzogen  wurde,   während  Sickiogon  die 

mptatadt  Darmstadt  belagerte  und  gewann.*)     Denn   nach  einer  starken  Be* 

iicbieissung  derselben  verstand  sich  unter  Vermittlung  von  drei  Räten  des  Mark- 

Ich  die  eingeschüchterte  Besatzung  zu  einem  Vertrage»  welcher  am  23.  Sep* 

aber  abgeschlossen  wurde.     In  Bezug  auf  Hilchen  heisst  es  im  zehnten  Ar- 

^AIs  etliche  landgräftscho  Angehörige  lobann  Hülchen  .  . .  beschädigt  ,  , ., 

Ut  ab^rcdt,  das»  sie  sich   mit  Ihme  daruml)  vertragen,   dagegen  sie  Landgraf 

!"   '  'iirer  Herr   nicht   handhaben   soll;    möchte   aber  der  Vertrag 

ij,    so    soll    derselb    Artikel    auch    zu    obbemeldtem   Austrag 

iUditn,   und   als  lohann  Hütchen   für  sieh   selbst  Feind   worden  ist,   sich    auf 

**ra]ictscus  Frieden  und  Unfrieden  gezogen  bat,  solche  Fehde  auch  ab  und  tot 

htngde^  und  lohann  dcsshalbeu  aus  Sorgen  sein/*) 

Trierisehe  Fehde  1522  und  1523. 
Einen  schlimmeren  Ausgang  hatte  die  Fehde  mit  dem  Erzbischofe  von 
Trier,  deren  Ursprung,  soweit  sie  Hilchen  betraf,  in  das  Jahr  151  fi  zurück- 
reiehl ;  die  eigentlichen  Gründe,  durch  welche  Sickingen  veranlasst  wurde  gegen 
einen  mächtigeren  Fürsten  des  Reichs  das  Schwert  zu  ergreifen,  lagen  tiefer. 
Die  Hoffnungen,  welche  man  auf  den  jungen  Kaiser  Karl  gesetzt  hatte, 
üHuUten  «ich  bekanntlich  nicht;  den  Gebrechen  der  Nation  half  er  nicht  ab: 
weder  ordnete  er  die  weltlichen  Angelegenheiten  in  einer  den  Wünschen  der 
Fclrsten  und  den  Bedürfnissen  dos  Volkes  entsprechenden  Weise,  noch  hatte 
er  irgend  ein  Verständnis  für  die  religiösen  Fragen,  um  hier  entscheidend  ein- 
zugreifen: alles  bemass  er  nach  den  Interessen  seiner  Dynastie  und  seiner 
IStelluüg  als  Herr  grosser  und  weithin  zerstreuter  Länder.  Noch  einmal  lioli 
V  ^'  1 :  .^j  (]e,*  kaiserlichen  Sache  im  Jalire  1521  seinen  Arm,  als 
auf   1  ^n  Befehl  des  Kaisers  mit  dem  Grafen  Heinrich  von  Nassau 

die  Kriegßbrung   gegen   Franz  L  von  Frankreich    an    der   belgischen  Grenze 


^1.   Rommel  III,   1.  8.  248;   Muooli,  tV  v.  Sickingen  I,  S.  90»  II,  B.  9i.    Die 
PUiipp»  glaobte  sich  bonnoHteillgt    und  zurQckgcseUt;    die  Eerroa  Yon  Kronberg   und 
Ein  luHoa  Streiiigkeiten   mit   llossen,   der  Abt  von  Fulda  maehto  Forderungen  an  da« 
1ii0ter  ll^rifeld^    «etobc  mit  Oew^alt  surüokgowieeon   wurden ;   ihnen   allen  wollte  Franz  tu 
I  Heebti*  rftrtii^lfen.  —  *)  Flerahetroer  Chromk  bei  Mönch  111,  8,  210«  Kap.  85,  —  *)  Ab- 
•ekt  M  Bllänvb  U,  8.  9t    -  *)  Manch  lU  a.  ».  0.,  Kiip.  37^42.  —  ')  Manch  U»  S.9T, 


übernahm.  Aber  auch  hier  ia  seinen  Hoffnungen  gctiiu>st!iir  iiü<l  ujrht  bofriod 
schlug  er  nunmehr  seine  eignen  Wege  ein,  unbehindert  von  dem  Kaiser,  der 
fern  war,  und  von  dem  Reicharegiment,  von  dessen  vielköpfiger  Spitze  ein  Ein- 
greifen nicht  zu  befurchten,  ja  vielleicht  Nachsicht  zu  erwarten  war. 

Es  galt  zunächst  feste  Stellung  zu  nehmen  gegenüber  den  Fürsten  und 
dem  Reichsregiment,  denen  die  Ritter  Schwache  und  Parteilichkeit  vorwarfen, 
deren  Urteilen  sie  sich  nicht  unterwerfen  wollten.  Um  sich  zu  verständigen, 
berief  J^ranz  eine  Versammlung  der  oberrheinischen  Ritter  auf  den  13.  August 
1522  nach  Landau,  wo  man  „ein  freundlich  Verständnis,  Gesellschaft  oder  Ver- 
einigung^ auf  sechs  Jahre  aufrichtete.  Zu  den  dort  erschienenen  Rittern  ge*| 
hörten  auch  Johann  Hilchen^)  und  sein  Schwiegervater  Melchior  von  Rüdes- 
heim. Man  verpflichtete  sich  „zu  Aufrechthaltung  guter  Polizei  unter  einander**, 
im  allgemeinen  sich  einander  treulich  zu  raten  und  zu  fordern,  wo  man  das 
mit  Ehren  thun  könne,  insbesondere  Streitigkeiten  nur  vor  unparteiischen,  mit 
rittermässigen  Leuten  besetzten  Gerichten  entscheiden  zu  lassen,  Streitigkeiten 
unter  einander  Schiedsgerichten  vorzulegen,  Lehenssachen  nur  vor  Lehensrichter 
und  Mannen  zu  bringen  u.  s.  w.  Zum  Hauptmann  erwählte  man  den  edlen 
und  ehrenfesten  Franciscus  von  Sickingen  und  bestellte  für  die  einzelnen  Gaue 
Zugeordnete,  welche  über  die  Beobachtung  der  Gesetze  wachen  sollten;  zu 
denselben  gehörte  u.  a.  Melchior  von  Rüdesheim. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich  ^  dass  Sickingen  im  Hinblick  auf  das,  wa« 
er  alsbald  vorhatte,  diesen  Bund  abschloss,  wenn  er  auch  zu  Landau  keine 
Mitteilung  darüber  machte.  Denn  schon  vor  Ablauf  des  Monats  begann  er 
in  Verbindung  mit  seinen  Genossen  die  Fehde  gegen  Trier,  welche  beweisen 
sollte,  was  der  Bund  vermöge.  An  derselben  war  Hilchen  in  hervorragender 
Weise  beteiligt  und  hatte  mit  Sickingen  die  Veranlassungen  zu  derselben  her- 
beigeführt. 

Kurfürst  und  Erzbischof  Richard  von  Trier  aus  dem  rhoingauischen  Ge- 
schlecht der  Greiffenklau  hatte  den  Unwillen  der  Ritter  durch  mancherlei  heraus« 
gefordert,  zuletzt  durch  sein  Verhalten  bei  der  Königswalil  im  Jahre  1519  uni 
auf  dem  Reichstage  zu  Worms  1521.  Damals  hatte  er  bis  zuletzt  für  den 
französischen  König  gewirkt,  hier  mit  gleichem  Eifer  die  Sache  der  Gegner 
Luthers  vertreten*)  und  dessen  Schriften  verbrennen  lassen ;  er  hatte,  wie  Franz 
ihm  vorwarf,  sich  an  Gott,  kaiserlicher  Majestät  und  dem  Reiche  vergangen. 
Daher  trugen  Sickingen  und  sein  Freund  Hilchen  kein  Bedenken  in  den,  wie 
CS  ihnen  schien,  gerechtesten  Sachen,  welche  steh  ihuen  darboten,  ihm  feindlich 
entgegenzutreten. 

Der  Mainzer  Bürger  Peter  Schefter  hatte  gewisse  Ansprüche  an  fran- 
zösische Uuterthanen  erworben,  konnte  aber  weder  selbst  bei  Ludwig  XIL, 
noch  seine  Erben  bei  Franz  L  Recht  tinden.    Da  erliess  auf  AnsurluMi  Kaiser 


')  Ihn  Donnt  Lfltoinus  bei  Scharcl  11,  8,  1022.   Di*?   Vörtrapurkuinl*^  t)vi  AnimU  H, 
8,  188  ff.  —  *}  Ob    Hilchen   ihm   hierin   beigtimmte   oder  nicht,   mag   unontmliit^don    blcihyii; 
jedoaralls  blieb  er,   wie  e»  »choint,   ein  treuer  8ohn   der  KircJio;   Anzeichen  einer  HinnciguugJ 
zu   der   Reformation,  wio  T5pf«r  And<?utct,  sind   kiium  Torheinden;   nittu   un'iMii^   ^bnn    nvlfi} 
tiahca  VorhlltniB  zu  d^m  Otiten  Wilhelm  von  Nii«»Bti-Dilk'jiburg  »o  duutim.     ^ 


I 


k 


lau  eiowf  K^pmsalionbrier  Vi.  reoruar  ISIK),  in  welchom  er  allen 
FlintcQ  tnitl  UoterthauiMi  bei  Strafe  von  20  Mark  befahl,  auf  Anrufen  der 
flchdfer^ohcii  Erben  oder  Anwälte  alle  Unterthanen  des  König»  von  Frank- 
reich nebst  ihrer  auf  Reicbaboden  betroffeneu  Uabo  anzuhalten  und^  falls  nicht 
!i8  Wochen  ein  Abkommen  getroffen  sei,  die  Güter  den  Klagern  zu 
ien.  Sickingen  und  Hilchen  Hessen  sich  jene  Forderung  übertragen, 
Terfahreti^  welches  man  öfter  einschlug,  wenn  man  eine  rechtliche  Hand- 
för  den  Beginn  einer  Fehde  erhalten  wollte.  Als  nun  Kaufleute  aus  dem 
unter  franzuaischer  Herrschaft  stehenden  Mailand  durch  trierisches  Qe- 
hiH  kamea,  nahmen  «ic  ihnen  auf  Gnmd  des  Repressalienbriefes  Waren  von 
Meuteudem  Werte  ab.  Allein  der  ErEbischof  verhinderte  die  Fortschaffung 
denelbcn  und  gab  auch  der  Stadt  Trier  dahin  gehende  Weisungen.  Diese 
llAtlö  dftber  durch  ilire  Anordnungen  alsbald  die  in  dem  kaiserlichen  Briefe  an- 
j^udrohte  Strufe  vor  wirkt,  welche  nun  die  beiden  Ritter  in  Anspruch  nahmen. 
Die  wertere  Verfolgung  dieser  Sache  überliess  Sickingen  seinem  Freunde,  wurde 
%\mt  neberÄeits  auf  andre  Weise  in  ähnliche  Händel  verwickelt.  Als  friedliche 
Mittel  nichts  halfen,  schickte  Uilchen  am  29.  August  1522  der  Stadt  Trier 
atoeD  Fehdebrief)  und  verlangte  Kosten-  uud  Sehadeoersatz  nebst  der  ver- 
wirkten Poen  Ton  20  Mark, 

Bereits  zwei  Tage  vorher,  am  27.  August,  hatte  Franz  von  Sickingen 
dem  Erzbisjchofc  von  Trier  Fehde  angekündigt  wegen  einer  Sache,  an  welcher 
tliicben  ebenfalls  beteiligt  war.  Ein  Ritter  Oerhanl  Börner  war  mit  einem 
ihen  Amtmann  zusammengestossen  und  verband  sich  mit  Johann  Ililclien 
nriüh  von  Thann,  um  sich  gegen  etwaige  Gefahren  zu  schützen.  Im 
1C2J7.  1521  nahmen  sie  zwei  wohlhabende  trierische  Unterthanen  gefangen, 
sie  auf  die  Burg  Thann  und  legten  sie  in  Fesseln  j  als  Lösegeld  ver- 
«io  5000  ft.  nebst  150  fl.  für  Atzung.  In  ihrer  Not  wandten  sicli  die 
flefiMigenen  endlich  an  Franz  von  Sickingen,  welcher  auch  eine  Vermittlung 
der  Suche  zusagte  (Ende  Juli),  und  erneuern  am  5.  August  ihr  Gesuch  mit 
dem  Zufügen,  wenn  Franz  sich  für  sie  verbürgen  wolle,  so  würden  sie  mit 
nurem  gany,en  Vermögen  —  mehr  als  12,000  fl,  —  und  mit  ihrer  Person  haften 
■öd  P&T  allen  Schaden  aufkommen.  Am  8.  August  übernahm  nun  Sickingen 
mli  Selbstschuldncr  die  Zahlung  der  Loskaufsumme,  während  jene  sich  eidlich 
Terpflichteten  hinnen  Monatsfrist  diese  Summe  auf  der  Jlbernburg  zu  entrichten 
oder  iich  wieder  zur  Haft  zn  stellen,  jedenfalls  auf  jede  Einrode  zu  verzichten* 
Kttom  befreit  lassen  sie  sich  von  dem  Erzbisch ofe  ihres  Eides  entbinden  uud 
(^-  vor  das  Reichsgericht.  Es  wurde  hin  und  her  verhandelt, 
kingen,  des  Treibens  müde,  am  27,  August  1522  dem  Erz- 
littchofo  Richard  die  Fehde  ankündigt. 

Die8   waren   die  Veranlassungen   zu   der   bekannten   Trierer   Fehde;    wir 
dfti  Verfahren  der  Ritter  nicht  verteidigen,   und  namentlich  die  zweite 
Steile  ürinnert  «tn rk  an  ^h\s  räuberische  Rittertum  der  früheren  Zeit. 


jrti   M'j   >lu!i''li   U,   ^.   l?7. 


8 


Eb  folgt  der  bekannte  Kriegssug  gegen  Trier,  die  Belagerung  der  Stadt 
vom  8.  biß  14.  September,  die  Achtung  Sickingena,  der  Buad  der  drei  Fürsten 
gegen  ihn,  die  Eroberung  von  Kronberg  und  der  Burg  Landstuhl,  der  Tod 
Sickingens  am  7.  Mai  1523,  Das  Unternehmen  war  vollständig  gescheitert,  die 
Fürstenmacht  hatte  einen  vollständigen  Sieg  über  den  Bund  der  Ritter  davon- 
getragen. 

Noch  che  Sickingen  gestorben  war,  hatte  auch  unsern  Hilohen  ein  fcind-' 
liches  Oeschick  erreicht.     Nicht  genug,   dasa  der  Landgraf  die  Hand  auf  aein« 
Güter  gelegt  hatte;    er  selbst  geriet  in  die  Gewalt  seiner  Feinde,     Wir  lassoi 
die  Erzählung  der  Flersheimer  Chronik  über  diese  Ereignisse  hier  folgen.^) 

(22)  „Baltt  darnach  kbam  Herr  lohann  Hilichin,  Hanss  von  Sickiogon 
Augustin  von  Braunaperg  gehn  Kallenfels,  von  dannen  sie  ein  unglückhafftig^ 
Stunde  uff  Landstul  zu  reitten  wollten;  das  wahr  Wilhelm  von  Habern,  so  da- 
mahls  Faut  zu  Heydelberg,  undt  volgenda  der  Pfalz  Marsehaick  worden,  gowalir 
zu  Lauttern,  nähme  sein  Keutter  mit  ihrae,  ereiltt  die  Sickingiachen  gahr  spätt, 
also  dass  sie  ungeschlagen  von  einander  nicht  khommen  möchten,  zogen  also 
zusammen.  Die  Sickingischen  wertten  sich  ritterlich,  also  das  Haoss  zum  ersten, 
sich  eratlichen  zu  Rosa  undt  volgendts  zu  Fuesa  also  menlichen  gwehrtt,  das  er 
ettlich  Wunden  ihm  Kopff  empfangen,  also  das  ihme  der  Schweiss  über  da» 
Angesicht  undt  inn  die  Augen  lieff,  das  er  nitt  wohl  sehen  Kundt;  jedoch  so 
wehrt  er  die  andern  also  lang,  biss  sie  zu  letst  nbermantt  undt  sich  ergeben 
musten;  also  wahren  sie  melirertheils  gefangen  undt  doch  vor  der  Oefeügnuss 
getrost,  das  man  sie  nicht  änderst  dan  ritterlich  undt  wohl  haltten  und  das  sie 
auch  allein  der  Plalz  Gefangene  sein  soltten^);  uflT  solches  gelobtten  sie  dem 
Habern  undt  wahren  also  im  Veltt  vertagt  undt  ahnheiasig,  das  sie  sich  gehn 
Lauttern,  da  sie  gemeint,  stellen  woltten. 

(23)  „Ritten  also  damahls  gehn  Nanstul,  da  sie  Frantzen  von  Sickingen 
fanden,  der  schon  deas  Unglücks  zum  Theil  bericht,  undt  wiewohl  es  ihme  ein 
schwerer  Unfall,  jedoch  hieltt  er  sich  unerachröcklich  undt  gantz  tröstlich,  zeig 
ahn,  disa  gebe  das  Feltt  also,  undt  sagt,  der  Krieg  wehre  umb  seines  Sohl 
willen  nicht  angefangen,  undt  Johann  Hilichin  versprochen,  er  must  ehe  ledig 
werden  dan  sein  Sohu,  soltten  desshalb  unerschrockhen  sein;  aber  es  wahr 
Franzen  ein  schedig  Niederlegen,  dan  nit  viel  mehr  nach  der  Niederlag  auss« 
gericht. 

(24)  „Wilhelm  von  Habern  schrieb  solches  sein  erlangten  Sieg  fürderlich 
gehn  Heydelberg . . .  überkham  Befeleh  die  Gefangenen  gehn  Lauttern  zu  mahnen, 
das  er  auch  thet;  als  aber  Hanss  seiner  empfangenen  Wunden  halber  sieh  uff 
die  erst  Mahnung  nicht  stellen  kbundt,  wardt  ihnen  ein  anderer  Tag  gesetzt, 
uff  den  sie  auch  erschienen;  als  sie  nun  gehn  Lauttern  khamen,  zeigt  ihnen 
Wilhelm  von  Uabern  ahn,  wie  er  sein  siegliche  That  seinem  guedigsten  Herrn 

^)  Münch  in,  S,  219,  Kap,  22  (f.  Di««  g^chali  bald  naoh  Siokingons  Ahr.ng  von 
Trier,  noch  im  Jtthre  1522.  Vorgl.  Kup*  25*  —  •)  8io  watou  olTcoUar  froh,  dftss  aio  nicht  ui 
die  GrfangüUBchalt  den  Landffritfeu  l*hiiiji|»  gi^niion  wuren»  von  dem  «io  vvegron  ihrer  Pehd 
von  1518  keine  Ktichnicht  «jdcr  mUdu  Hehaoadluiig  zu  erwartoii  h»tii*n*  rful^i^^rul'  wi&r  d«iioa 
Lttdwtg  V.,  1500^1544, 


dorn  Pfalzgraffen  zugeschriebeD,  auch  ihnen  bericht,  was  er  ihnen  den  Sickingi- 
schen  im  Yeltt  zugesagt  undt  versprochen,  das  sie  ein  ritterliche  Qefengnuss 
haben  undt  auch  der  Pfalz  Gefangene  sein  soltten.  Darauff  sein  gnedigster 
Uerr  ihme  geantwortt,  wass  ihnen  zugesagt,  soltt  ihnen  gehaltten  werden,  undt 
ihme  befoUen,  dasselb  ihnen  wiederumb  von  neuem  zu  versprechen  .  .  .;  diss 
haben  sich  die  Gefangenen  bedanckt  und  Hanss  gesagt,  ehe  er  die  Qelübt  ge- 
than,  er  woltt  zuvor  wissen,  wess  Gefangener  er  sein  soltt,  wie  man  ihm  haltten 
weil,  undt  als  ihme  ein  ritterliche  Gefengnuss  undt  das  er  allein  dess  Pfalz- 
grafFen  Gefangener  sein  soll,  zugesagt,  hab  er  erst  gelobt,  sich  auch  darauff 
gestellt,  höre  gehrn,  das  man  ihme  dass  halten  woU  .  .  .  Nach  etlichen  Tagen 
seindt  die  Gefangenen  gehn  Heydelberg  betagt,  da  sie  ettliche  Wochen  gelegen 
in  einem  Wurttshauss,  von  dannen  gehn  Germersheim  in  einem  Württshauss.^ 
In  der  Sühne,  welche  nach  Beendigung  des  Kriegs  stattfand,  wurde  in 
Betreff  der  Gefangenen  bestimmt^),  „es  soltten  auch  alle  gefangen  ausserhalb 
Hansen  undt  Hilichin,  zu  allen  Theylen  ledig  sein,  Hans  undt  Hilichin  soltten 
auch  ledig  werden,  doch  uff  ein  engere  Mass,  die  weil  Hauptleut  des  Kriegs.^  Sie 
blieben  noch  einige  Zeit  in  Gewahrsam,  da  sie  nicht  sofort  im  Stande  waren 
den  Wirt  in  Germersheim  zu  befriedigen*),  bis  endlich  die  Befreiung  erfolgte. 
Während  aber  die  Erben  Sickingens  zunächst  schwer  geschädigt  wurden  durch 
den  Verlust  ihrer  Güter  und  erst  etwa  20  Jahre  später  eine  Rückgabe  erfolgte, 
rettete  Hilchen  aus  dem  Schiffbruche  wenigstens  sein  Yermögen.  Er  hatte 
dasselbe  durch  eine  Schenkung  vor  Schultheiss  und  Gericht  zu  Lorch  und  dar- 
nach vor  der  ganzen  Landschaft  des  Rheingaus  seiner  Tochter  fibergeben.  Auf 
die  Beschwerde  von  Trier,  Pfalz  und  Hessen,  es  sei  hinsichtlich  dieser  Güter 
von  dem  Kurfürsten  zu  Mainz,  in  dessen  Gebiet  sie  lagen,  nicht  genug  geschehen, 
machte  dieser  geltend,  es  gebühre  sich  nicht  dem  Töchterlein  die  Güter  zu  nehmen, 
solange  nicht  nachgewiesen  sei,  dass  die  Schenkung  uukräftig  und  dieselben 
dem  Töchterlein  nicht  zuständig  seien.') 


IL  Johann  Hilohen  im  Dienste  des  Kaisers  Karl  und  Königs  Ferdinand 

1527-1548. 

Der  unglückliche  Ausgang  der  letzten  Fehde,  seine  Gefangenschaft  uiid 
die  Ge£Eihr  Hab  und  Gut  zu  verlieren,  wohl  auch  die  Besonnenheit  des  reiferen 
Aliers  gaben  dem  Sinne  Hilchens  eine  andere  Richtung;  er  gab  das  ritterliche 
Leben  in  der  bisherigen  Weise  auf  und  widmete  von  nun  an  sein  Schwort  der 
Sache  des  Vaterlandes  im  Dienste  des  Kaisers  Karl  und  Königs  Ferdinand. 
Sein  Genosse  Hans  von  Sickingen  ging  ihm  darin  mit  seinem  Beispiele  voran. 
Als  sich  der  „bäurische  üiFruhr^  erhob,  ward  dieser  „von  ettlichen  Hauifeu  der 
Banem  angesucht,  das  er  ihr  Hauptman  woltt  werden;  sie  wüssten,  das  seinem 
Yatter  undt  ihme  Unrecht  geschehen  were,  sie  woltten  ihme  zu  allem  dem 
seinen  helffen  undt  grosser  machen,   dan   er  ihe  gewesen  wäre;    aber  Hanss 


*)  Ib.  VI,  Kap.  17,  8.  228.  —  *)  Ib.  Kap.  24.  —  »)  Ver^l.  die  Urkundeji  bei  Münoh  II, 
8.  23ap  2e4  n.  «65. 


10 

enfcöchlug  sich  ihr  undc  ntt  ntrackö  dem  Bundo  zu^  bey  äe 
er  sich  biös  zu  Eodt  desä  bCiiuischeu  Kriegs.**  ^)  Üb  Hilchen  sich  ebenfalls  zur 
Bekämpfung  der  Bauern  bei  dem  schwäbischen  Bunde  einfand^  ist  zweifelhail. 
Da  der  Rheingau  selbst  heftig  yon  der  Bewegung  ergriffen  mirde,  so  i»t  es 
nicht  wahrscheinlich,  dass  er  den  heimatlichen  Boden  verlassen  hat,  wenn  auch 
sein  Name  nicht  genannt  wird,^) 

Indessen  boten  die  folgenden  Jahre  hinreichende  Gelegenheit  die  Thaten* 
Uist  zu  befriedigen.  Denn  gerade  ura  jene  Zeit  begannen  die  fast  unaufhör- 
lichen Kriege  an  der  Ostmark  des  Reiches,  seit  es  den  Türken  gelungen  war 
sich  in  Ungarn  festzusetzen;  os  hatten  die  Kriege  mit  Prankreich  begonneui 
welche  Ruhm  und  Ehre  sowie  reichen  Lohn  versprachen.  So  finden  wir  denn 
Uilchcn  wiederholt  in  diesen  und  anderen  Kriegen  und  vielfach  mit  Auszeichnung 
oder  iü  hoher  Stellung  genannt. 

Der  FeMzug  gegen  Johann  Zapolya  1527. 

Am  29.  August  1526  hatte  König  Ludwig  von  TT'ngarn  nach  tapfrer  Gegen- 
wehr bei  dem  Schlachtfelde  von  Mohacz  im  Kampfe  mit  Soliraan  Thron  und 
Leben  verloren.  In  die  allgemeine  Flucht  mit  fortgerissen  hatte  er  schon  doa 
schwarze  Wasser,  das  die  Ebene  durchschneidet,  hinter  sich,  das  Pferd  war 
eben  im  Begriff  das  steile  Ufer  zu  erklimmen,  als  es  ausglitt,  zurückstürzte  und 
sich  mit  dem  Reiter  in  dem  Morast  und  dem  Wasser  begrub;  etwa  sechs  Wochen 
nachher  fand  man  seine  Leiche  an  der  Stelle.^)  War  auch  die  Nachfolge  in 
den  Reichen  Ungarn  und  Böhmen  unzweideutig  durch  die  Verti'äge  bestimmt, 
so  wurde  doch  das  Recht  des  Erzherzogs  Ferdinand,  des  Gemahls  von  Ludwigs 
Schwester,  von  einer  Gegenpartei  angefochten  und  noch  m  demselben  Jahre 
um  IL  November  zu  Stuhl weissenburg  Johann  Zapoiya  zum  Könige  von  Ungarn 
gekrönt.  Aber  Ferdinand  gab  seine  Ansprüche  nicht  auf.  Nachdem  er  sich 
Böhmens  versichert  hatte,  überschritt  er  am  31.  Juli  1527  die  ungarische  Grenze 
mit  einem  stattlichen  Heere  von  8000  Mann  zu  Fuss  und  3000  Mann  zu  Pferde ; 
unter  diesen  befand  sich  auch  Johann  Ililchen.*)  Am  20.  August  hielt  Fer- 
dinand seinen  Einzug  in  Ofen,  die  deutscheu  Reiter  aber  verfolgten  Zapolya  und 
achlugen  ihn  bei  Tokay,  dann  geleiteten  sie  den  Erzherzog  nach  Stublweiasen* 
bürg,  wo  dieser  am  3.  November  zum  Könige  gekrönt  wurde,  die  lotete  Krönung, 
welche  in  dieser  Stadt  vollzogen  wurde. 

Der  Einzug  in  die  Stadt  war  äusserst  glänzend;  den  Mittelpunkt  bildete 
der  Erzherzog,  welcher  die  Krone  empfangen  sollte,  er  ritt  in  einem  übersilberten 
Harnisch,  den  ein  goldener  Mantel  deckte,  unter  einem  goldenen  Baldachin^ 
welchen  ungarisclie  Geistliche  trugen,  auf  prächtigem  Pferde,  zwisclien  den 
beiden  Königinnen,  seiner  Schwester  Maria  und  Gemahlin  Anna;  zahlreiches 
Fussvolk  war  vor  den  Mauoro  der  Stadt  aufgestellt,  über  dem  Panzer  aufge- 


»)  Flersheiiner  Chronik  «.  a.  0.  8.  283,  Kap,  83.  —  »)  VorgL  Po  tri  tm  ftchtan  Bitndo 
der  Ammlcn,  S.  1  ff,  —  *)  EtiukOf  Düutöohe  Gcsohiclitc  ir,  \  S.  832.  Btiehhültx,  KAiflor 
FcrdioRnd  III,  8,  159,  —  *)  RÄnkü  a.  ».  0,  «  'i*^  nu.^Til.nU/  s  '/iks  l.V.-t  1%  r.i;n..f..l  mll 
2 LOGO  Mann  mi(t»roolien. 


^^gjjl^ 


11 

flcblitste  saintDe  oder  mit  Gold  gewirkte  Kleider,  von  den  Hüften  herab 
reichlich  gestreift.  Voran  zogen  glänzende  Reiter,  Trompeter,  Käte,  Bischöfe 
a.  a.  Grosse,  alle  in  prächtiger  Kleidung,  den  Zug  schlössen  3000  Mann  der 
ausgesuchtesten  deutschen  und  ungarischen  Reiterei,  unter  ihnen  Johannes 
Iiacben.') 

Die  Belagerung  Wiens  1529. 

Im  Jahre  1529  unternahm  bekanntlich  der  Sultan  Soliman  den  grossen 
Ueereszug  gegen  Westen,  zunächst  um  Zapolya  wieder  in  die  Herrschaft  über 
Ungarn  einzusetzen,  dann  aber  auch,  um  sich  zum  Herrn  von  Wien  zu  machon. 
Am  26.  September  begann  die  Belagerung  der  Stadt,  am  15.  Oktober  wurde 
sie  aa%ehoben. 

Auf  die  Kunde  von  der  Absicht  des  Sultans  hatte  der  König  Ferdinand 
umfassende  Anstalten  in  das  Auge  gefasst,  um  den  drohenden  Angriff  abzu- 
wehren; doch  kam  zunächst  nur  eine  eben  noch  zur  Yerteidigung  der  Stadt 
ausreichende  Schar  zur  rechten  Zeit  zusammen;  die  Reichstruppen,  zu  deren 
Anfuhrer  Pfalzgraf  Friedrich,  der  spätere  Kurfürst,  zu  Speyer  ernannt  worden 
war,  sammelten  sich  nur  langsam  und  nur  einer  Abteilung  unter  dem  Pfalz- 
grafen Philipp  gelang  es  vor  der  Einschliessung  in  die  Stadt  zu  gelangen; 
Friedrich  musste  sich  begnügen  mit  einer  kleinen  Schar  ruhig  zuzusehen,  wie 
die  Umgegend  von  Wien  verwüstet  wurde,  ohne  etwas  Entscheidendes  zu 
unternehmen.') 

Auch  Milchen  hatte,  wie  Hans  von  Sickingen,  im  Frühjahre  es  über- 
nommen an  dem  Kriegszuge  sich  zu  beteiligen;  er  verpflichtete  sich  damals 
400  Pferde  zu  werben.*)  Über  seine  weiteren  Schritte  und  über  die  Aufgaben, 
welche  ihm  in  dem  Kriege  zufielen,  sind  wir  nicht  unterrichtet;  nur  soviel  ist 
wahrscheinlich,  dass  er  unter  Pfalzgraf  Friedrich  stand  und  nicht  in  der  Stadt 
Wien  sich  befand;  in  dem  Verzeichnis  der  Anführer  und  Hauptleute,  welche 
daselbst  waren,  fehlt  sein  Name^);  aber  auch  Spangenberg  sagt,  er  sei 
damals  Oberster  in  dem  Türkenkriege  gewesen.^) 

Der  Türkenkrieg  von  1532. 
Hatte  Hilchen  im  Jahre  1529  auch  nicht  die  Gelegenheit  zu  tapferen  Thatcn, 
so  eilte  er  doch  bei  dem  nächsten  grossen  Kriegszuge  der  Türken  im  Jahre 
1532  wieder  freudig  zu  dem  Kampfe.  Infolge  des  Nürnberger  Religionsfricdcus 
rüstete  diesmal  das  Reich  ein  so  stattliches  Heer,  wie  es  lange  nicht  gesehen 
worden  war;  wieder  war  Pfalzgraf  Friedrich  der  oberste  Befehlshaber.  Doch 
auch  diesmal  schien  die  Möglichkeit  zu  ernsteren  Kämpfen  fQr  diesen  zu  ent- 
schlüpfen. Während  er  angewiesen  war,  ein  Lager  bei  Wien  zu  beziehen^, 
machte  Soliman  einen  Angriff  auf  die  Festung  Günz,  welcher  an  der  Tapfer- 


>)  Bachholtz  8.  210  f.  —  *)  Buchholtz  S.  297  teilt  oiDige  Briefe  Ferdinands  an 
Friadridi  mit  —  *)  Polit  Korrespondenz  der  Stadt  Strassburg,  I,  S.  326:  d.d.  25.  M^rz  1529. 
~  *}  Bei  Seliard  n.  -*  *)  Adelsspiegel  II,  Fol.  253a,  freilich  mit  der  falschen  Jahreszahl 
ins  sl#tt  1529.  —  ^)  Bachhplts  ^.  a.  0.  S.  10^. 


13 

keit  der  kleinen  Schar  der  Verteidiger  und  ihres  heldenhatton  Führers  gcheiterB 
Nach  dieser  Probe  von  deutschem  Mut  und  Ausdauer  und  im  Angesicht  den  1 
glänzenden  Reichsheeres  wagte  es  der  Sultan  nicht  weiter  vorzugehen,  sondern  I 
wandte  sich  zum  Rückzuge  nach  Steiermark,  indem  er  nur  zum  Scheine,  um 
seinen  Abzug  zu  verschleiern,  eine  Anzahl  leichter  Truppen  zur  Verwü.iftung 
von  Ostreich  abschickte.  Mit  diesen  traf  nunmehr  der  Pfahgi*af  zusammen J 
und  auch  diese  unterlagen  der  Tapferkeit  und  Kriegskunst  der  Deutßchen ;  voöj 
einem  Haufen  derselben  dem  andern  in  die  Hände  gojagt  wurden  sie  zwischen  . 
beiden  zermalmt.^) 

Als  die  Hilfs Völker  des  Reichs  zusammengekommen  waren,  so  erzählt  ein  | 
rhetorischer  Berichterstatter^),   berief  der  Pfalzgraf  seine  Hauptleute  und  An- 
fülircr  (tiibunos  et  centuriones)   und   hielt  eine  Aurede  an   sie,   in  welcher  er  \ 
ihnen    auseinander   setzt,    wie  notwendig   es    sei    dem   drohenden   Angriff  der  | 
Feinde  wohlgeordnet  entgegenzugehen  und  insbesondere  die  wichtigsten  Ämter  ' 
zu  verteilen;    das  wolle  er  jetzt  thun,   aber   nicht  ohne  ihre   Zustimmung;   er  | 
schlage    also  vor,   dass   der  Graf  Wilhelm  von  Rennenberg,    an   Klugheit   ein  i 
Nestor,  an  hohem  Sinn  und  Kunst  zu  siegen  ein  Achilles  oder  Ajax,  das  Amt 
eines  Magister  equitum   (=  oberster  Lieutenant   oder   SteUvertreter  des  Ober-  ] 
anfiihrers)  erhalte;   Dietrich  Spat,   an  Kraft   ein  wahrer  Mars  oder  Diomede«, 
solle   Marschall    werden;   Ulrich  von  Schellenberg,    an    Tapferkeit  ein   Muciue, 
an  Recht^kenntnis   ein   Scaevola,   sei   geeignet  Über  die    Soldaten   zu   richieo 
(Profoss);  lobannes  Hi Hiebe,  ein  Drache  der  Hesporrden  oder  ein  hundortüugiger 
Argus  au  Wachsamkeit,   übernehme  die  Sorge   für  die  Wachen   (Oberstwacht- 
meister);  Hans  von  Staden,  an   Schlauheit   und  Anstelligkeit   ein  Ulysses  aus 
Ithaka^   möge  für   die   Verpflegung  der   Soldaten    sorgea.     Die  versammelten 
Führer  billigten   die  Vorschläge,   aus  denen,    wenn  wir  die  Rhetorik  abziehet!, 
für   uns  hervorgeht,   dass   Hilcben   eine   hervorragende    und   ehrenvolle   Stelle 
unter  den  Kriegern  einnahm,  eine  Sache,  die  auch  von  anderer  Seite  bestätigt 
wird;  ein  ungarischer  Geachichtschreiber  versichert,  die  Hauptleute  do«  Pfalz- 
grafeu  seien  von  grossem  Rufe  und  Ansehen,  sowie  grosser  Übung  im  Kriegs- 
wesen gewesen»^) 


Ehren  und  Würden. 
Am  23.  September  langte  der  Kaiser  selbst  zu  Wien  an.  Nach  Bc* 
endigung  der  Kampfe  entbot  er  den  Pfalzgrafen  und  ßcine  Befehlshaber  s 
sich  in  die  Burg,  lobte  ihren  Eifer  und  Uiro  Erfolge  und  schlug  zum  Zeichen 
seiner  Anerkennung  viele  zu  Rittern,  zuerst  die  Fürsten;  dann  berief  er  vor 
lilleu  Orafen  und  Herren  den  tapfren  Schärtlin  von  Burtenbach,  welcher  gleich* 
falls  den  Ritterschlag  erhielt,  jetzt  zum  zweiten  Male,  von  dem  Kaiser  solb^li 
nachdem  ihm  nach  der  Schlacht  bei  Pavia  schon  einmal  diene  Ehre  zu  teil 
geworden  war.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  lohann  von  Uilchen 
zu  der  ausgewählten  Schar  gehörte,  welche  der  Kaiser  damals  so  auszeiclmeti^;  \ 


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18 

spater  heisst  er  immer  Ritter  und  bezeichnet  sich  selbst  mit  diesem  Namen; 
auch  Kaiserlicher  Rat  wird  er  genannt^)  und  eques  auratus.') 

Im  Jahre  1533  trat  Hilchen  mit  Graf  Wilhelm  von  Nassau-Dillenburg 
in  ein  näheres  Verhältnis;  derselbe  ernannte  ihn  am  22.  Februar  zu  seinem 
Rat  und  Hauptmann  und  versprach  ihm  fünf  reisige  Pferde,  drei  Knechte,  einen 
Knaben,  sowie  100  fl.  und  eine  Hofkleidung  für  jedes  Jahr.')  So  sehen  wir 
ihn  denn  alsbald  bei  der  Taufe  des  am  24.  April  1533  gebornen  Sohnes  von 
Wilhelm  und  seiner  Gemahlin  Juliane  von  Stolberg,  des  später  so  berühmten 
Wilhelm  des  Schweigers,  anwesend;  diese  fand  statt  am  4.  Mai  und  wurde, 
da  das  Kind  der  erste  Mannspross  des  Hauses  war,  höchst  glänzend  gefeiert, 
Hilchen  sollte  dem  Grafen  bei  der  Anordnung  des  Festes  mit  zur  Hand  sein 
und  hielt  bei  der  h.  Handlung  das  Kind  selbst,  bis  die  Teufelaustreibung  ge- 
sprochen war,  übergab  es  dann  den  wartenden  Frauen,  um  es  nach  Beendigung 
der  Ceremonien  wieder  in  die  Hand  zu  nehmen  und  es  dann  der  Reihe  nach 
den  Gevattern  zu  reichen.  Nachdem  man  die  Taufkapelle  verlassen  hatte,  trug 
er  nanmehr  den  Neugetauften  zu  seiner  Mutter  Juliane.^)  —  Am  20.  Juli  1537 
tritt  ein  Vetter  Johanns,  Friedrich  Hilchen  von  Lorch,  gleichfalls  in  näheres 
Verhältnis  zu  Wilhelm,  welcher  denselben  mit  einem  Lehen  bedenkt.^) 

Endlich  sei  erwähnt,  dass  der  Kurfürst  von  der  Pfalz  unsern  Hilchen 
ebenfalls  zu  seinem  Rat  ernannte. 

Der  würtembergische  Feldzug  1534. 
Minder  ruhmvoll  als  der  vorhergehende  war  der  Feldzug,  in  welchem 
Hilchen  gegen  den  Landgrafen  Philipp  stand.  Der  Herzog  Ulrich  von  Würtem- 
berg  war  wegen  seiner  Missregierung  im  Jahre  1519  durch  den  schwäbischen 
Bund  seines  Herzogtums  beraubt  und  dieses  dem  Bruder  des  Kaisers,  dem 
Erzherzoge  Ferdinand,  übertragen  worden.  Da  es  den  Anschein  gewann,  als 
ob  der  Herzog  für  immer  seines  Landes  verlustig  bleiben  sollte,  beschloss  der 
Landgraf  Philipp  gegen  einen  solchen  Gewaltakt  einzuschreiten.  An  der  Spitze 
eines  stattlichen  Heeres  von  Reisigen  und  Fussknechten  fiel  er  im  Jahre  1534 
in  Würtemberg  ein,  um  den  Herzog  wieder  einzusetzen.  Gegen  ihn  rüstet  die 
bestehende  Regierung  und  entbietet  namentlich  die  alten  Gegner  Philipps  aus 
der  sickingischen  Fehde,  Dietrich  Spät,  Johann  Hilchen  u.  a.  Ein  noch  vor- 
handenes Volkslied^  sagt  von  diesem: 

Die  Reuter  und  der  obrist  Hauptmann^) 

Den  Herzog  wollten  sie  vertreiben, 

Kein  Hessen  im  Lande  lassen  bleiben. 

Wollten  sich  nicht  mit  ihm  vertragen. 

*)  Bei  Bommel  a.  a.  O.  im  Jahre  1534,  dooh  fehlt  der  Titel  auf  der  Qrabschrift.  — 
*}  Volrmd  tod  Waldeck,  Itinerarium  S.  36,  docli  felilt  auch  dieser  Titel  auf  der  Qrabsohrift  und 
MHuk  und  kann  ihm  von  Yolrad  irrtumlich  beigelegt  sein.  Wenn  Topfer  ihn  im  Jahre  1529 
als  Ritter  bezeiohnety  so  muss  er  es  freilich  früher  geworden  sein.  —  °)  Keller,  Qescliichto 
Ton  Kasaan,  S.  128;  Arnoldi,  Geschichte  von  Nassau-Oranien  III,  2,  S.  39;  III,  1,  S.  127. 

—  *)  Jacobs,  Juliane  von  Stolberg,  S.  84  u.  85.  — -  ^)  Notiz  im  Staatsarchiv  zu  Wiesbaden. 

—  *)  ▼.  Lilien  er  on,  Deatsehe  Volkslieder  lY,  S.  70.  —  ^)  Pfalzgraf  Philipp,  Hauptmann 
4et  Bandet. 


14 

Gen  Illingoü  theteiia  Lager  ßclilageu, 

Ilir  Volk  vertrostens  für  Oefert 

Auf  fünfhundert  pfalzgräHich  Pferd, 

Auch  bracht  lohann  Hilch  Pferd  so  vielen, 

Dem  Herzog  wollten s  Richter  spielen. 
Ebenso   erwüliüt  Nikolaus  Asclepius  Barbatus,  Professor  der  Philosophio 
zu  Marburg,  in  seiner  Festrede   nach  beendigtem  Kriege  ausser  dem  „kleinen 
IIoss^  Konrad  von  Bemmelberg  nur  des  Ritters  Hilckus  als  des  tapfersten  und 
dnrcli  seine  Kriegsthaten  ausgezeichnetsten  Mannes.') 

Der  Erfolg  entsprach  nicht  den  Erwartungen;  bei  Laufen  wurde  am 
12.  Mai  der  Ausgang  des  Kampfes  rasch  entschieden:  der  Landgraf  siegte  und 
setzte  Ulrich  in  die  vtUorltche  Herrschaft  wieder  ein.  Der  Friede  von  Kadan 
bestätigte  das  Errungene   und  söhnte  auch  Uiichen  mit  dem   Landgrafen   aus. 

Familien  er  eignisse. 
Wenige  Jahre  später  trafen  den  Ritter  zwei  schwere  Verluste :  es  starben 
sein  Schwiegervater  und  Schwiegersohn ;  jener  ertrank  in  der  Nahe*)  bei  Merx- 
heim.  Infolge  seines  Äbsterbens  Hei  an  Hilchen  und  seine  Tochter,  die  VtVgtiu 
von  Ilunolstein,  im  Jahre  1539  ein  Drittel  des  grossen  und  kleinen  Zehntens 
zu  Wallertheim  als  Lehen  auf  Lebenszeit  von  dem  Lehenaherrn  Johann  von 
llohenfels.  Die  Teilung  der  übrigen  Hinterlassenschaft  dos  Melchior  von  Rudes- 
heim  erfolgte  im  Jahre  1541,')  Ferner  trat  an  Hilchen  nun  die  Pflicht  heran 
sich  seiner  Tochter  und  seiner  Enkel  anzunehmen»*)  Und  so  reichte  er  u.  a. 
am  1,  Juni  1541  eine  Beschwerde  bei  dem  Herzoge  von  Lothringen  ein  gegen 
die  Geistlichkeit  und  namentlich  den  Dechanten  von  Homburg,  weil  er  bei  der 
Beisetzung  der  Leiche  Schwierigkeiten  gemacht  hatte  und  nun  nicht  dulden 
wollte,  dass  der  Amtmann  von  Merxheim  Turban  Schlegel,  welcher,  vordem 
katholischer  Geistlicher,  ein  Weib  genommen  und  sich  der  neuen  Lehre  ange* 
schlössen  hatte,  länger  im  Dienste  der  Witwe  des  Adam  von  Hunolsteiu  ver- 
bleibe.^) Aus  diesem  Schritt  hat  man  geschlossen,  dass  Hilchen  der  Refor- 
mation Eingang  zu  verschaifen  gesucht  habe  —  mit  Unrecht,  wie  es  scheint ; 
man  kann  höchstens  behaupten,  dass  er  in  Saclien  der  Religion  nachsichtig 
war,  namentlich  gegen  Beamte,  wenn  sie  sich  als  tüchtig  erwiesen. 


Türkenkrieg  von  1542. 
Der  Türkenkrieg  von  1542,  in  welchem  Kurfürst  Joachim  von  Branden* 
bürg  den  Oberbefehl  führte,  verlief  ohne  erfreuliche  Resultate.  Für  uns  \rsi 
wichtig,  dass  u.  a.  die  wetterauischen  Grafen,  als  sie  zn  Butzbach  über  die 
Ausfuhrung  des  Speyerer  Reiehstagsabschiedes,  soweit  er  sie  betraf,  »ich  be- 
rieten, den  Beschluss  fassten  wegen  der  Anwerbung  ihres  Kontingentes  sich  au 


')  £r  sftgt:  NoQ  nbitat  lohannea  HUokuB  oquoi  fortissimug  ei  irir  rebus  belli  gr^Btia  prac* 
BtiatiMiiiiaf,  8ohartl  IT,  3.  1296;  Caesar.  Catologus  «todloe.  Harb.  I,  &  U.  -^  *)  Bod- 
mann  8»  349.  Nicht  auch  dio  Gnnmhliti  HUoh^öH.  8.  o.  S.  t,  Au»,  t.  —  »)  Töpfer  a.  a.  O. 
Ö.  92  u.  97,  und  obon  8.  2*  —  *)  Denjclbo  8.  98  vl  99.  —  *}  DcsrseJbe  8.  91. 


dien  XU  wendea,  um  m  erfahren,  wo  em^olcn^^alil  von  Knechten,  als 
*Ta  Tt#«^?irrffen,  acu  fimleu  sei.*) 

:     ben  selbst  befand  sich  später  im  Reichsheer  als  Reichsoherster  Feld* 
DhaU*);  auch  die  Orabschrifk  erwilbnt  dieses  Feldzuges. 


Die  Feldzügo  gegen  Frankreich  1543  und  1544. 

Im  Jahre  1542  hatte  König  Franz  den  Krieg  gegen  den  Kaiser  wieder 
Das  erste  Kriegsjahr  hatte  eine  bedeutendere  Entscheidung  nicht 
griifEQht;  um  so  mehr  sollte  das  Jahr  1543,  so  hoffte  man,  das  Yertraiien 
rvclilfcrligea,  welches  das  stattliche  Heer  des  Kaisers  einflüsste.  Er  selbst  er- 
idtien,  in  der  Kraft  seiner  Jahre  stehend,  voll  Siegeshoffnung  und  Selbstge- 
(tüiis,  am  17,  August  zu  Bonn,  wo  etwa  35000  Manu  Deutsche,  Italiener  und 
ijor  rereinigt  waren,  und  hielt  hier  selbst  eine  Musterung  ab, 
,Wer  vor  Jahren,  sagt  ein  Augenzeuge^),  den  Kaiser  in  seiner  einfachen 
Kleidung  gesehen,  wunderte  sich  sehr  ob  des  ungewöhnlichen  Schmuckes;  denn 
ssii  erxäJiIt,  als  er  sein  Russ  bestiegen,  habe  er  sieh  selbst  angeschaut  und 
gelicbdit*  Alles  am  Reiter  und  Ross  war  auf«  ausserste  kostbar,  und  er  nicht 
«Dein  erschien  in  solcher  Herrlichkeit,  ganz  in  Eisen,  Gold  und  Edelstein,  sou- 
dcro  aucli  mit  ihm  ungeftihr  300  spanische  und  italienische  Heroen  in  ver- 
bwcnderiscber  Rüstung.  Er  besorgte  selbst  alle  und  jede  Geschäfte  eines 
ranfillirers,  er  dirigierte  die  Ordnungen  des  Fussvolkes,  wie  im  Fluge  hin 
lud  htt  reitend*  Dem  goldgezierten  deutscheu  Ritter  Johann  Hilchen  reichte 
V  aifllMt  die  Renufahne,  bald  diesen,  bald  jenen  anrufend  und  in  deutscher 
che  tadelnd. " 

Hier  sehen  wir  also  wieder  unsern  Ritter  in  bevorzugter  Stellung,  als 
schall,  wie  die  Grabschrift:  besagt  und  die  Chronik  von  Hatzfeld/)  Bei 
Ijaiidrecy  und  C'hateau  Cainbrrsis  kam  es  zu  heftigen  Kiunj>fen,  in  denen  sich 
(Hlclicti  durch  Tapferkeit  und  Mut  auszeichucte*),  wenn  auch  einzelne  Thaten 
erwübnt  werden. 

Die  Huldigung  des  Erzbischofs  von  Mainz  1545* 
Im  Jahre  1545  finden  wir  Hilchen  bei  der  feierlichen  Huldigung,  welche 
Rhetogau  am  14.  November  dem  neu  erwählten  Erzbischofe  und  Kurfürsten 
tcNi  Mainz  Sebastian  von  Heussenstamm  leistete.^)  Nachdem  dieser,  umgeben 
Toa  eioem  stattlichen  Gefolge  von  Domherrn  und  Rittern,  unter  welchen  Hilchen 
ädi  be&tid,  bei  Östrich  gelandet  war,  begab  er  sich  zu  Fuss  nach  S.  Bartho- 
lomin'-  *"  "  war  die  Landschaft  des  Rheingaus  versammelt  und  empfing  von 
d4Biis  1  ife  die  Bestätigung  ihrer  alten  Hechte  und  Freiheiten;  dann  traten 

die  ScbaUbeisisen  und  Schöffen  aus  den  Ämtern  nach  altem  Brauch  heran  und 
•diwiiren  den  Eid  der  Treue  dem  Erzbiöchofo  und  Domkapitel.  Nach  vollendeter 
Füforni  lilitif  fuhr  man  nach  Eltville   und  hielt  daselbst  eine  fröhliche  Mahlzeit. 

.i.  .,^cl^  Oa«GHichte  von  Niwaau  I,   S.  586.  —  ')  Arnoldi  Hl,  1,  8*  223  Anm.  -=- 
>  CAtfiw   H^dio;    O.  Toigt,  Bricfwoclii^ol  berühmter  OcIeTirten,   S.  307;  und  ftlmUcli  Veit 
ivk,  8,  ISI.  —  *)  Anmilen  XIX,  S,  65.  —  *)  loviuR  bei  Scliard  11,  8.  1553.  Spangen* 
«,«-(>.  —  •)  Oaaen  IV,  H.  CC7;  Boamaiin  S.  19* 


16 

Das  Uilchenhaus  zu  Lorch  1546. 

Die  Feldzüge  hatten  unserm  Ritter  nicht  bloss  Ehre  und  Stellung,  sondern 
auch  reiche  Geldmittel  eingetragen.  Die  Summen,  welche  Schärtlin  in  seiner 
Lebensbeschreibung  nennt,  beweisen,  dass  der  Kriegsdienst  nicht  bloss  Namen 
und  Ruhm  verlieh,  sondern  auch  gewinnbringend  w£tr.  Hilchen  hatte  bald 
nicht  allein  den  früher  erlittenen  Schaden  ersetzt,  sondern  konnte  z.  B.  im 
Jahre  1530  seiner  Tochter  eine  Mitgift  von  1000  fl.  aussetzen.  Im  Jahre  1646 
begann  er  den  Neubau  eines  Wohnhauses  zu  Lorch,  welches  bis  in  die  neuere 
Zeit  erhalten  ist.  Er  verwendete  vieles  Geld,  wie  er  später  Graf  "Wilhehn 
schrieb,  auf  dasselbe  und  stattete  es  mit  mancherlei  Schmuck  aus.  An  dem 
Rheine  liegend  zeichnet  es  sich  vor  den  benachbarten  Gebäuden  durch  seine 
Fa^ade  aus  und  zieht  den  Blick  der  vorbeifahrenden  Reisenden  unwillkürlich 
auf  sich.  Eine  Beschreibung  und  Abbildung  s.  bei  Lübke,  Renaissance  in 
Deutschland,  S.  428;  ferner  vergl.  Lotz,  Baudenkmäler  im  Regierungsbezirk 
Wiesbaden,  S.  307;  Rhein.  Antiqu.  X,  S.  244. 

Das  Obergeschoss  des  Hauses  ist  über  die  der  Stadt  gehörende  Strasse 
erbaut;  läarüber  beschwerte  sich  die  Gemeinde,  und  die  Tochter  Hilchens 
musste  sich  deswegen  mit  ihr  nach  Hilchens  Tode  vertragen  und  sie  zufrieden- 
stellen.^) 

Der  schmalkaldische  Krieg  1547. 
Noch  einmal  wurde  Hilchen  zu  den  Waffen  gerufen,  diesmal  von  Graf 
Wilhelm  für  den  Kaiser.  Dieser  wollte  endlich  im  Laufe  des  Jahres  1546  den 
Entschluss  die  Protestanton  mit  Waffengewalt  zum  Gehorsam  zu  bringen  und 
zur  alten  Kirche  zurückzuführen  verwirklichen  und  begann  den  Krieg  gegen 
den  schmalkaldischen  Bund.  Die  Stellung  des  Grafen  Wilhelm  war  in  dieser 
Sache  eine  missliche.  Er  war  ein  erklärter  Anhänger  der  protestantischen 
Lehre  und  hatte  sie  in  seinen  Landen  eingeführt;  er  war  auch  Mitglied  des 
schmalkaldischen  Bundes  gewesen  und  zugleich  Lehnsmann  des  Landgrafen 
Philipp.  So  zogen  ihn  Pflicht  und  religiöse  Anschauung  auf  die  Seite  der 
Schmalkaldener.  Auf  der  anderen  Seite  hatte  er  immer  trotz  seiner  abweichen- 
den kirchlichen  Stellung  die  besondere  Gunst  des  Kaisers  genossen;  sein  Bruder 
Heinrich  war  lange  einer  der  ersten  kaiserlichen  Räte  gewesen,  dessen  Sohn 
Renatus  (f  1544)  hatte  die  Gunst  des  Kaisers  geerbt,  und  eben  wurde  Wil- 
helms gleichnamiger  Sohn,  von  dessen  Taufe  wir  oben  berichtet  haben,  am 
kaiserlichen  Hofe  erzogen,  um  demnächst  in  die  Stelle  Heinrichs  und  Renatus 
einzurücken.  Die  Pflicht  der  Dankbarkeit  zog  ihn  ebenso  wie  seine  gut  kaiser- 
liche Gesinnung  auf  die  Seite  Karls,  nicht  weniger  die  Klugheit,  da  er  im 
Falle  des  Sieges  auf  eine  günstige  Entscheidung  seines  Streites  mit  Philipp 
wegen  der  katzenelnbogischen  Erbschaft  rechnen  konnte.  Der  Verlauf  des 
Kriegs  enthob  ihn  zunächst  der  Notwendigkeit  eine  Wahl  zu  treffen;  denn  die 
Gegner  trafen  vorerst  nur  in  Oberdcutschland  zusammen,  wo  die  schmalkal- 
dischen Fürsten   und   Städte   in   ihrer  Unentschicdenheit   und  Uneinigkeit  dem 


»)  Rhein.  Antiqu.  H,  10,  8.  258. 


11 


Feinde  nicht  gewachsen  waren.  Doch  lieas  der  Kaiser  nicht  ab  ihn  zu  mahnen 
in  %mem  eignen  Interesse  seiner  Saelie  sich  anzuschliessen  und  sich  mit  Waffen- 
gewalt in  den  Besitz  der  Grafschaft  Katzenelnbogen  zu  setzen. 

Eine  persönliche  Zusammenkunft  mit  dem  kaiserlichen  Feldherrn,  dem 
Grafen  Maximilian  von  Büren,  im  Januar  1547  zu  Frankfurt  und  bahl  darauf 
mit  ihm  Kaiser  zu  XJ\m  (Eode  Januar  bis  Ende  Februar)  Hess  ihm  endlich 
keine  Wahl  mehr;  er  machte  sich  dem  Kaiser  gegenüber  verbindlich  600  Reiter 
mit  ToHer  Rüstung  demselben  zuzuführen,  oder  wie  ihm  der  Kaiser  berich- 
tigend am  5.  April  zu  Eger  schreibt,  t,sie  in  Werbung  und  Rüstung  zu  haUen", 
damit  er  sie  bei  seiner  Ankunft  in  Frankfurt^  sofern  er  sie  nötig  habe,  zur 
Verfügung  habe;  ja  er  fugt  hinzu,  er  möge  der  Kosten  wegen  zur  Zeit  keine 
Mittterung  oder  Bestallung  vornehmen,  sondern  sich  nur  der  Mannschaft  ver- 
sicliern  für  den  Fall,  dass  man  ihrer  bedürfe.  Am  15.  Mai  erliess  er  sodann 
(ied  Befehl  von  Wittenberg  aus,  der  Graf  solle  in  der  Wetterau  zu  ihm  stoasciij 
eine  Anordnung,  welche  durch  den  Lauf  der  Ereignisse  unnötig  wurde. ^) 

Alsbald  nach  seiner  Rückkehr  aus  Ulm  hatte  Wilhelm  die  Anstalten  zur 
Aufirüstung  begonnen.     Zu  ihr  wurden  zunuchst   die  Lehnsleute  aufgefordert.*) 
dann  kam   er  mit  Asmus   von  der  Hauben^)   gleich   im  Anfange  des  Mürz 
überein,  daBS  derselbe  300  Reiter  binnen  Monatsfrist  als  Hauptmann  und  Ritt- 
meister stellen  solle;  doch  wurde  die  Zahl  bald  nachher  auf  150  Reiter  herab- 
giesetzt  und  als  Tag   der  Musterung,    welche  bei  Worms  stattfinden  solle,    der 
zireite  Mai   bestimmt.     Ferner   forderte  Wilhelm   den   Johann  Ililchen  auf  60 
Pferde  zu  werben,    Dass  dieser  wie  der  Graf  auf  der  Seite  des  Kaisers  stehen 
werde   oder  dass  man  dies  von  ihm  wenigstens  voraussetzte,   beweist  der  Auf- 
trggy  welchen  er,   wie  Graf  Wilhelm   und  Ilaoa  von  Siekingen,   am  13.  April 
1540  erhalten  hatte,   den  Adel   und   die  Ritterschaft  am  Rhein   und   auf  dem 
Weöterwald  auf  den  16.  Mai   154G  nach  Maioz  zu  berufen,  damit  sie  dort  mit 
den  kaiserlichen  Kommissarien  über  ihre  Hilfeleistung  wider  die  Unbutmüssigen 
berieten.*)    Am  3.  April  1547    erklärt   sieh  Ililchen  bereit  und  im  stände  die 
Werbung  zu  übernehmen,  fragt  auch  an,  ob  der  Graf  ihn  selbst  im  Felde  ge- 
brauchen wolle;    für  diesen  Fall   bedürfe   er  zwei  Wagen,    um  seine  Notdurft 
Dachztifuhreni   da   er   selbst   wegen   der   schweren  Kosten,   dio  er   bei   seinem 
Ilatisbau  habe,   nur  schwer  im  stände   sei   einen  Wagen   zu  stellen;   endlich 
bietet  er  dem  Grafen  40  guter  dürrer  Staugen,   die  er  zu  Lorch  habe,  an,  da 
er  gehurt  habe,  derselbe  sehe  sich  nach  SpiessstaDgen  ura. 

BehoQ  wenige  Tage  nacjiher  antwortet  der  Graf;  da  Asmus  seine  Anzahl 
Reiter  nicht  wohl  möge  zu  wegen  bringen^  so  bittet  er  Ililchen,  wenn  es  ihm 
tnuglich  sei,  sich  um  200  Pferde'')  zu  bewerben  auf  die  Bestallung  hin,  die  er 
in  Uänden  habe  (s.  u*);  seiner  hohen  Notdurft  nach  könne  er  ihn  diesmal  nicht 
verschonen  ihn  im  Felde  zu  gebrauchen;    er  möge  sich  daher  gefasst  machen, 


')  Arnoldi  RI,  1,  8.  118  ff.  mid  arohivaliBche  Urkunden,  wie  aucli  für  das  Folgende.  — 
*)  Arnoldi  HI,  2,  8.  90.  —  '^)  Dieser  ytur  u.  a.  im  Ic^tzten  franzüsischen  Kriege  kaiserlielier 
Oberst  grwwen.  —  *)  Menzel  JJ,  S.  268»  —  *)  Fs  ht  ilalier  dio  Angabe  Arnoliliö  III,  1, 
8,  1^  nkht  genau,  wenn  er  sagt,  Asmu«  von  der  Ilaiibon  und  Jölmnn  Hilclion  lulttcn  je 
^m  Reiter  fltellen  mütn. 


18 

wo  es  ihm  immer  möglieh  sei  seines  Leibes  Gelegenheit  wegen,  zmtig  reibst  tfi 
eigoer  Person  zu  Feld  zu  ziehen;   die  zwei  Wagen  werde  er  stellen,  damit  er^ 
seine  Fuhr  bei  dem  Bauen  behalten  möge ;  die  Spiessstangen  nimmt  er  dankend 
an  und  wird  sie  durch  seinen  Keller  zu  Naaaau  holen  lassen;  endlich  wünschfl 
er,  daas  Milchen  sich  persünlich  nach  Dillenburg  verfüge   und  nicht  auableibo,' 
damit  er  mit  ihm   sich   aller  Sachen   halber,   die   eich   nicht   wallen   schrüibeu 
laasen,  unterreden  und  yergleichen  könne.   Dies  Schreiben  erhielt  IlUchan  nocfa 
an  demselben  Tage  zu  Stromberg  und  antwortet  am  folgenden,   den  6.  April/ 
er  werde  nächsten  Samstag  zu  Dillenburg  sich  einfinden.     Dieses  wie  die  an- , 
deren  Schreiben  unterzeichnet  er  alle  mit:  Johann  Uilchen  Ritter. 

Über  die   mündlichen   Verhandlungen    sind   wir    nicht   unterrichtet; 
17.  April  meldet  Hilchen,  dass  Philipp  von  Kronberg,  welcher  100  Pferde  «o*^ 
gesagt,  jetzt  abgeschrieben  habe;  doch  wolle  er  selbst  mitziehen  und  zusehen, j 
wieviel  Reiter  er  aufbringen  könne,  indessen  müsse  er  Geld  haben,  das  or  deo 
Reitern  auf  die  Hand  gebe;   weil  er  selbst  (Uilchen)    aber  von  Geld  entblosBl; 
sei,  dünke  es  ihm  gut,  daas  der  Graf  einige  hundert  Gulden  mit  einem  reisigen^ 
Knecht  schicke ;  doch  solle  das,  was  man  jetzt  ausgebe,  auf  der  Mustei'ung  ab« 
gezogen  werden-   Am  29,  April  zeigt  er  ferner  an,  da^s  er  Montag  den  2.  Mai 
die  Reiter  bei  Worms  mustern  wolle,  und  fragt  nach  der  weitereu  Bestimmun^J 
derselben.     Darauf  erwidert  Wilhelm,  dass  er  zur  Zeit  noch  nicht  wisse,  wozu! 
kaiserliche  Majestät  die  Reiter  gebrauchen  wolle;  diese  sollten  sich  so  verhalten | 
und  aller  Gelegenheit  und  Notdurft  nach  sich  so  gebrauchen  lassen,  wie  frommen, 
redlichen  und  ehrlichen   reisigen   Dienern   zusteht  und  gebührt;   Hilchen   solle 
diejenigen,   welche  auf  dem   Musterplatz   erscheinen   und  gerüstet   sind,   nach 
Dillenburg  bringen   und   selbst   mitkommen  und,    wenn    die    Königsteinischen 
schreiben,  seinen  Ritt  über  Königstein  nehmen. 

Die  Musterung  muss  nicht  befriedigend  ausgefallen  sein;  in  dem  Artikel- 
brief, welcher  am  2,  Brachmonat  endgültig  ausgestellt  wurde,  wird  als  Termini 
der  20.  Juni,   als  Ort  der   Musterung  Mainz   bezeichnet.    In   einem  spfiterenj 
Berichte  klagt  nilchon,   daas  unangenehme  ZwischenfSUe  stattgefunden  hätten: 
der  Vitzthum  des  Rheingaus  verhindere  die  Werbung*),   ebenso   der  Pfalzgraf  1 
und  andere.     Auch  die  Wagen,    welche  der  Graf  schicken  wollte,   seien  nicht 
angekommen;   der  Schultheiss   von   Nastätten*)   und   sein    Sohn   samt  etlichen j 
Bauern   hätten   sie   in   einem  Grund   bei  Gronau   heimlich    weggenommen;   er 
müsse  nunmehr  seine  Sachen  zu  Schiff  nach  Mainz   bringen  lassen   und   hoffe, 
der  Graf  werde  ihm  etwa  bei  einem  Grafen  der  Höhe  (er  dachte  sicherlieh  zu- 
nächst an  die  verwandten  Königsteiuer)  zu  Pferd  und  Wagen  verhelfen. 

Da  die  Bestallung  Oraf  Wilhelms  vom  2.  Juni  1547  mancherlei  Interes- 
santes über  Bewaffnung  und  Rüstung,  Sold,  Disziplin  u,  »,  w.  bietet,  so  lassen 
wir  sie  vollstiindig  im  Anhang  folgen* 


1)  Er  Bohr^ibt,  tn  RQdestieim  und  der  Umgegend  habe  er  Eettn  gute  wohrliafMi  Lands* 
kneohto  bestellt  und  Uinoii  bofolilcn^  bei  Nacht  hinwegittjüehen,  nio  aber  hüttcn  «m  Tage  ab- 
xieheti  wollen;  die»es  habe  der  YiteUiuni  erfiihren  uad  ibnen  lukhe«  vorbieieu  IjiMaiu  — 
*)  NutAUen  gehürto  £U  der  Niedergrftrs<;bart  KiiUeoolnb<»gi»n  und  war  in  botai«o)iom  Ue«il<. 


--— '■^--  '■■■-  ii-i ^'ti-^^'' — ^^-'^^ 


Nadidem  die  Mustcruug  crfotj^t  war,  weist  Graf  Wilhelm  seiae  beiden 
in  JdhaoD  Ililchon  und  Asinus  von  der  Hauben  am  24.  Juni  an  den 
Befisbleii  des  Grafen  Reinhard  von  Solms  zu  gehorchen;  an  demselben  Tag 
»Htice  der  kasserliche  Befehlshaber,  da  hessiaches  Volk  sich  in  der  Wetterau 
•mtinle,  so  niüge  er  eilende  Hilfe  daliiu  senden.  Indessen  kam  e.s  nicht  mehr 
ro  wiem  Zuaammen.iinj38*  Schun  am  12.  Juni  hatte  der  Kaiiser  den  Grafen 
aageiriesdii  die  Feindseligkeiten  gegen  Ileöaeu  einzuatellen,  da  der  Landgraf  ge* 
nmgi  sei  sich  za  unterwerfen.  Die  Aussöhnung  war  auch  wirklich  am  19«  Juni 
n  HmUe  anberaumt:  der  Landgraf  unterzeichnete  die  ihm  vorgelegte  Kapi- 
tubitkm  und  that  fuaafallig  Abbitte,  aber  anstatt  die  versprochene  Auäsülinung 
itt  «rlaogeo,  wurde  er  bekanntlich  am  Abend  desselben  Tages  Gefangener  de» 
Kaisers  tind  blieb  es  fünf  Jabre  lang,  bia  nach  dem  Abschlusäe  des  Pasaauer 
v^^»^,^.^,.H      9^0  wurden  denn  die  Reiter  Hilchens  wieder  entlassen. 

Der  Reichstag  zu  Augsburg  1548. 
pfi  folgte  der  glänzende  Reichstag  zu  Augsburg,  auf  welchem  der  Kaiser 
f  VMehtc  seines  Sieges  einerntete,  die  Freunde  belohnte,  die  Feinde  bestrafte. 
yii*fiials  in  seinem  Leben  erschien  er  so  gewaltig  und  als  alleiniger  Herr  der 
liSe.  Die  meisten  Fürsten  des  Reichs  stellten  sich  wenigstens  auf  kurze 
i  ein  oder  schickten  Gesandte*  Am  schwersten  empfanden  die  Macht 
/v.,Msers  die  Protestanten,  welche  sich  dazu  bequemen  mussten  das  Interim 
nehmen  und  seine  Einführung  zu  versprechen. 
Omf  Wilh^^lm  erschien  mit  dem  zahlreichen  Gefolge  von  20  Pferden  und 
CO  bBberen  und  niederen  Dienern.  Zu  ihnen  gehorte  auch  Johann  Hilchen, 
wdeher  einige  Zeit  zu  Augsburg  verweilte  und  oft  in  der  Gesellschaft  seines 
'en  «ich  befand.  Eine  lebendige  Schilderung  seiner  Erlebnisae  und  seines 
^  namentlich  mit  "Wilhelm  gibt  Graf  Volrad  von  Waldock  in  seinem 
iTü.  Er  selbst  war  als  Bittender  anwesend,  da  er  m  den  Reihen  der 
gestanden  hatte,  und  in  gedruckter  Stimmung;  nachdem  er  Abbitte 
IAH  und  eine  fleldbuaso  erlegt  hatte,  verliess  er  erleichtert  die  Rcichsver- 
samriilnnj^. 

Ende  1548. 

Ejiittii  hatte  Hilchen  im  Frühjahre   1548  Augsburg  in   Gesellschaft   von 

rühelms  Schwiegersohne,   dem   Grafen  von  Nuenar,   verlassen,   als  die  Kunde 

lef,  diiss  er  am  15.  April  in  der  Heimat  verstorben  sei.    Der  Graf  betrauerte 

Tod  de»  Ritters,  den  er  so  sehr  geliebt  hatte^  aufrichtig. 

In  der  Kirche  zu  Lorch  wurde  er  beigesetzt  und  ihm  daselbst  im  Jahre 

i\  ein  Denkmal  errichtet;  ein  gepanzerter  Ritter  in  betender  Stellung,  hinter 

l  mn  liegender  Hund,  zn  beiden  Seiten  zehn  Wappen.  Die  Inschrift  lautet:') 

Hie  ligt  der  Edel  und  Gestreng  her  lohann  Hilchen  von 
I^rch  Ritter,  bei  Zeiten  seines  Lebens  Rr>mischer  Keyser, 
Majestät   und   des   heiligen   Rr»mischen   reichs   in    den    Zügen 


>\  'Km^tiU  Zuun.  RIn^inü'iiüUrhoA  LaiiilLiipiUH).  S.  324. 


2» 


gegen  den  erbfeindt  den  Bürcken  und  den  König  zu  trancl 
reich  in  den  laliren  MDXXXXII.  III.  und  IUI  Oberster  feit- 
niarschalck  gewesen,  sonst  noch  Vil  Zug  helfen  dun,  seines 
alters  LXIV  Jahr  uff  den  XV  Aprilis  im  Jahr  MDXXXXVIU 
zu  Lorch  in  seiner  Behausung  in  Gott  christlich  verstorben, 
des  seien  Gott  genedig  und  barmhertzig  sein  wolle,     Amen. 

Hrlehens  sieben  Feldzüge,  welche  hier  ausser  den  drei  der  Jahre  1542 
bis  1544  genannt  werden,  müssen  also,  wenn  uns  kein  weiterer  Feldzug  gegen 
äuasere  Feinde  entgangen  ist,  auch  die  Fehden  von  den  Jahren  1518  und  1522 
sowie  den  schmalkaldisuhen  Krieg  umfassen.  Wir  zählen  alle  zum  Schlüsse 
der  Reihe  nach  auf:  1.  die  hessische  Fehde ;  2.  die  sickingische  Fehde ;  3.  der 
ungarische  Feldzug  von  1527;  4.  die  Belagerung  Wiens  durch  die  Türken  1529; 
5,  der  Türkenkrieg  von  1532;  Ö.  der  wilrterabergische  Feldzug  1534;  7.  der 
Turkenkrieg  von  1542;  8.  u.  9.  die  französischen  Kriege  von  1543  und  1544; 
10.  der  schmalkaldische  Krieg   1547, 

Spangenberg  im  Adelspiegel  II,  Fol.  253a  hat  folgendes  über  unsern 
Ilitter:  ^lohann  Ilillichen,  ein  Oberster  im  Türekenzuge  1528')  und  hernach 
Vigilantia  Draco  Uesperidum,  aut  Ärgo  oculato  comparandus*) :  auch  im  Wirtem- 
bergischen  Krieg  1534.  Item  Feldmarschalck  >vider  Franckreich,  da  er  sondor- 
liehe  ehre  für  Camersiu  in  einem  Scharmützel  eingelegt,  ist  sonät  auch  in  vielen 
Zügen  gewesen." 


A  n  h  a  ii  g. 


Uraf  Wilhelms  Bestallung  für  Herrn  Johann  HUchen  von  Lorch  Kitter, 

1547,  2.  Urach monat. 

Wir  WüIi(»loi,  Gravo  zu  Naasaa-ICtttzouelcnliOgen,  Vimüdcn  unnd  Dictiss.  ßekeniicn  hie- 
mit  tumd  in  krafft  disa  briofä.  Naclidem  unnd  ala  der  AUordurchlAuchtigBtc,  Qrosaoiäolidf^te 
unnberwindlioliste  Fant  oiind  Herr,  Herr  Karl  der  funfft  Ramisober  Kaiser  unnd  unnser  Aller- 
^nedi^ter  Herr  unns  oomittiert  unnd  bevolon  hadt  Ircr  Kais.  Mftt.  ein  antzall  Reuter  unnd  pferdt 
inwendig  eins  Monats  trist  von  heut  dato  antzurechen^  uffzubringen  unnd  uff  derselben  weitem 
gebeiss  unnd  beteleh  irer  Mat,  zukomon  zu  laasen,  dasa  wir,  als  der  scbuldig  unnd  gehonant 
denuielben  allso  undortlienigst  naoluukomen  unnd  xu  geleben  mit  dem  Strengen  unnd  ErnYesten 
unserm  lUtb  unnd  lieben  getreuwen  Hern  lohan  Hilohin  ron  Lorch  Rittern  beut  dato  uliflf» 
eiokomeu  sein,  dass  er  uns  ein  autstaU  Reutter  in  form  unnd  mass,  wie  von  pankten  zu  puoktdk 
bemaoh  volgt,  werben,  uffbringen  unnd  uf  Kiös,  MSt*  ferneren  beacheit  furun  unnd  ubor  die- 
aolbige  unnd  andere  uiiiere  bedielte  Reuter  unser  oberster  sein  solL 

Krstlicb  soll  bemelter  Tuban  Hilcbin  uuns  seine  antzall  Reutter  wohlgerust  zuforen  tumi] 
sollen  under  hundert  Reutern  nit  mher  dan  swaintsig  schatten  unnd  die  ubrig^i  alle  Spiesser  $^la. 

Item  die  Spiesser  sollen  mit  iren  guten  Helmlin  oder  Haoptharnischen,  die  gute  Visier 
haben  unnd  woü  besohlossen   sein^   mit   Stehelin  Kragen,    daran  lange  Acb^etn,   uti'betin  arm* 

»)  8.  obmi  S.  11,  Anm»  5.   -  »)  Vergl.  oben  S.  12. 


■il  allor  tn 

P  Il«n 

Muniirtirlinn 


',  Boek^Q,  KrölMi,  whorix,  Kdobuoklon  oJor  an  der  armtascug  etadt  ^Co  pantzer  ErmcU 
rtiiltftiTi  baeklcti,  laogon  Hanndtsohioolien^  stehlin  kragen  mit  langen  Achseln, 

Dev^leieheii  BoUen  tlio  Schützen   mit  giitcn  8chweinEpiesacn,   guten   feuerbuohsseni  die 

aBor  ir«r  nolturffl  unnd  siarckeD  sohussen  verfaast,  auch  ßchurU,  Ermel,  Krag<*n,  Hanndl- 

Eucken  uimd  Krebsen,  auob  gato  ttehelin  Hauben  geriiBtbt,  get'usst  imnd  gesuhickt  soin. 

Itam  aoU  dem  obersten  monatlich  fnr  jedes  pferdfc,  so  er  bringen  wurt,  ein  gülden  go- 

fabift  wvfd^o« 

Htm  dam  Hanhtman  über  zweihundert  pferdt  zwen  Trabanten  gehalten,  die   sollen 

Jed^r  mit  acht  guldin  betzallt  werden. 
Ifpiii  uff  ein  jedes   gerusts  pferdt  unnd  Reisigen,   er  sey  ein  ^piesser  oder  schütz,   die 
In  iaa  montomng  gut  gemacht  werden,  wurt  man  monatlich  zwollf  guldin  bctzalen. 

Um  allwegen  uff  xwolff  pfert,  so  in  der  mosterung  gut  gemacht  werden,  wurt  ein  Troait 
Boitanpferdt  monatlich  underhallten  unnd  mit  sechs  guldin  bezallt  werden. 

Item  uS  zwolir  in  der  Musterung  gut  gutgemachte  Keiaige  pferdt  ein  wogen,  der  mit 
fMitil  wagenpferden  unnd  aller  seiner  Zngehor  guth  wolgcrustht,  bostelltj  versehen,  allao 
afllennif  befunden  unnd  darauff  gutgemacht  unnd  pansieret  ist,  sollen  Tier  unnd  swaintig 
gBldia  mciiiatlicb  betzallt,  unnd  ob  sich  begebe,  dass  einem  oder  merhn  aus  den  vier  Wagon- 
jlirJisi  etoa  oder  mher  erlege  oder  abgieng,  der  oder  dieselben  zum  furderlichstou  nach  ann* 
tea  pferdan  trachten  unnd  liiorin  kein  goverdo  gebraucht  oder  gesucht,  unnd  »ollen  auch 
awMlrticih  gomufltert  unnd  derselben  mustcrung  gemess  betzallt  werden* 

llitn  oas  loU  kein  Reisigs  oder  Trosspfert,  so  durch  die  Musterung  geritten,  mit  uiuht 
kl  iBo  Ifagoo  gaipant  werden.  Wo  aber  solUohs  uberfarn  unnd  ein  oder  mehr  pferdt  hierüber 
km  vsftii  ^  '    äoll  dertelbig,   dem  sullich  pferdt  zustendig,  sein  ganize  besoUdung  dae* 

V6fv  Lii  imnd  ime  in  der  betzalung  abgetzogen  worden. 

Ilea  OS«  »oU  einem  Spiesser^  so  vier  unnd  meher  geruster  unnd  in  der  Musterung  gut 

ir  pferdt  haben  wurt,  ein  Bueb,  aber  einem  schützen  kein  Bueb  gehalten  worden, 
Ilom  ob  uunder  soUiehen  Reisigen  einer  oder  meher  kranck  wurden,   so  vil  die  genisl 
ira  SQTor  gemusterte  Rüstung  unnd  guete  pferdt  wie  in  der  ncchsten  vorgehenden  Mus- 
iioob  habonf   die   sollen   monatlich   wie   die   gesunden  in   der  Musterung  passiert,    der- 
ilio  gefangene,  so  ferr  sie  nach  Kriegsgebrauch  in  unnscrm  dienst  niedergeworffen, 
llon,  besoldet   unnd  betzallt  werden.    Doch   sollen  obgemelter  Kranken  ubermoBsiga 
pford  Bsnd  IJaniische  durch  die  Musterung  gefuert  unnd  kein  gefcrdt  gebraucht  werden. 

Ic«m  Es  voll  auch  sollichcn  Reisigen,  so  gemustert  werden,  von  Iren  hcusslichon  won* 
auat  biss  zur  Musterung  uflT  ein  jedes  gerusts  Reisigs,  in  der  Musterung  zugolassens 
pitrdt  l«g  unnd  nacht  vier  unnd  zwaintzig  Kreutzer  gegeben  werden.  Desgleichen  uff  ein 
|i4tfl  g^rusien  in  der  Musterung  gut  gemachte  wagen  acht  unnd  viert^ig  Creutzer,  für  ir  an- 
tiilb  gvllt  betzallt  werden.  Unnd  soll  einem  jedem  drey  tag  zut^iehen  unnd  an  den  vierten 
§W  att  liegen  erlaubt  unnd  eina  jeden  ziehenden  tags  drej  meill  zu  reiten  schuldig  sein. 

lient  e«i  soll  die  besoUdung  nach  bescheener  Mujterung  uff  dem  Musterplatz  angeon 
OBud  «laslialdl  uJf  die  Hanndt  ein  gantzer  monat  solldt  gegeben  unnd  darnach  allwegen  monat- 
Idi  t^r**^^^  betaalU  werden.  Wo  aber  das»  gellt  von  ungefhar  funff,  zehcn  oder  fünffachen 
teg  wiiliebe  imnd  nit  gleich  allda  were,  sollen  sie  gedult  tragen  unnd  nicht  dessweniger  alles 
daa  tlittii,  daaa  Reiaigen  eherliohen  Kriegdeuten  wolanstoet  unnd  als  ob  sie  das  gellt  zu  rechter 
aalt  c9pfiuBLge&  batteiL 

Heut  aoUen  aueh  dreißig  tag  für  ein  monat  zu  dienen  schuldig  sein  unnd  nit  annderst 
gtftdieni  werden« 

Il«m  obgemelte  antzaU  pferdt  unnd  Reisigen  sambt  irer  zugeliore  soUan  uns  wider  alle 
jiaiar*  Vhebt  niamaota  ausgenommen  zu  thienen  soholdig  unnd  vcrpflioht  sein. 

It«m  tio  sollen  auch  unns  zwcn  Monat  zu  dhienen  schweren.    Doch  allso,  wan  die  zwen 

Monat  aus  sein  unnd  wir  ir  lenger  unnd  mhcr  bogern  oder  notturfftig  sein  wur- 

umb  unnd  in  voriger  besoUdung  sich  gebrauchen  lassen  unnd  zu  thienen 


22 


Item  s*u  <llo  öbj^o^aoIileD  Rolsigon  nocli  irem  nnriHli  inncrlinltj  utind  vor  ausgfljig  j 
ttiuuHteu  gcurkubt  wurden,  soll  doch  nicht  dcstowcniger  inen  die  Ewon  MonAth  unnd 
Tolle  bosoildung  autgerioht,  TerguSgt  unnd  bctzallt  werden. 

Item  wan  wir  solUcber  Reiniger  oft  mehor  bedurfttig^^  Sonnder  erlauben  wurden,  80  »olt 
088  211  unoBorm  willen  unnd  gefallen  steen,  dcnaelben  ein  ^nnnUcn  Monatsoldt  oder  daM  «h* 
nili^Ut  tom  plats  des  erlaubs  blas  zu  eins  jeden  orth,  aldn  er  angeritten,  eiitrioliten  unnd 
betzalen  zu  lassen  wie  den  anritlu  Doch  soll  solHoher  Reuter  oberitcr,  der  leinen  abrith  getll^ 
naoh  ferro  dess  wegs  bey  seiner  pflioKt  zu  übergeben  schuldig  sein,  die  betsalung  dess  abrits 
daruff  2U  empfahen  haben  unnd  hierin  in  allwege  kein  geverde  gebraucht  werdeiu 

Item  sie  sollen  im  an-  unnd  abzug  auch  sunst  in  keinerlei  wege  jemandt  besobedigen, 
sonder  jedcrman  gutliche  betzalung  tliun,  biss  dass  sie  gegen  den  Yheinden  in  veldo  liegen, 
alsdan  mugen  sie  die  futherung  ^ohen  unnd  gebrauchen. 

Item  so  Oberste  Ycldhaubtleutk  von  den  Theinden  ntderlegen  unnd  von  inen  gefangen 
unnd  erobert  wurden.  Sollen  dlcaelben  mit  irer  penon  zu  unsern  oder  unserer  obersten  Hann- 
den  gcstelt  werden,  damit,  so  unnserer  Oberster  oder  anndcre  einer  oder  rahor  mderliegon, 
gogoneinannder  erledigt  wurden.  Wo  aber  ausserhalb  der  obgemelten  andere  personen  go- 
fatigon  wurden,  die  mag  ein  jeder,  der  ny  niderwurfft,  sohetzen  unnd  nach  seinem  gefallen 
damit  handien.  Doch  sollen  dieselben  gefangene  von  stundt  an  tmns  oder  unnsem  obersten 
ongetzaigt  unnd  sonnder  unnser  oder  seiu  wissen  unnd  willen  nit  ledig  geben  werden. 

Item  Stet,  Schlosser,  Flecken,  Dorffor  unnd  louth,  auch  wass  von  grossem  gesohutz 
unnd  doaselbigen  2ugehorangeu  Munition  darin  erobert  wurde,  sollen  uns  zustehen^  volgen 
unnd  pleiben«  Tuod  sollen  dieaelbigen  eroberten^  gohuldigteu  unnd  die  uflgeoomone  iStet, 
Bchlosser,  Flecken,  Dorffer  unnd  leuth,  Nachdem  sie  uffgenommen  sein,  sovil  der  erobert, 
weiter  nit  geachedigt  noch  geprandschotzt  werden»  Aber  alle  annder  gewonnene  hab,  so 
preis»  sein,  soll  inen  plciben  unnd  keiner   den   nndern   von   seiner  gewonnen   hab   verdringen. 

Item  Ein  jeder  soll  sich  nach  unnscrs  obersten   odi^r  desselben  Bevelchhabcrs  gebioton 
unnd  bovelen  mit  iren  leiben,  pferden»  Wagen  unnd  in  alle  anndere  wege  gehorsamlioh  halteii,.! 
aioh  willig  lu  unnd  von  den  Yheinden  in  allen  Sachen  samblich  unnd  sonnderlich  gebrauchen 
laasen  unnd  ohne  dess  obersten   oder  desselben  bevcHtabera  zulassen  unnd   erlauben  mit  iron 
Fancn   nach  Hothweiss  noch   sunst   in   annder  wege  auss  der  Ordnung   unnd  dem  legger  uii 
reiten  noch  die  wagen  lliarn  lassen^  sonder  ein  joder  j)leiben,  wie  er  geordent  unnd  beschcidoiiJ 
ist,  unnd  sich  in  allem  dem  wie  ehrlichen  getreuwen   Kriegsleuten  gegen   iren  herren   unndi 
Übersien  zusteet  unnd  geburt,  halten« 

Item  diewcil  vielleicht  allerhand  Nation  zu  Rosa  unnd  Fuess  susamen  komen  werden, 
deruhalben  umb  sovil  meher  auss  geringen  Ursachen  sich  unndwill  unnd  zweyung  zutragen 
mog,  soUiobs  zu  verhucten,  Soll  kein  Nation  die  andere  cinicherley  saohon  halben  mit  worto 
verursachen  noch  mit  geberden  schmehen,  verkleinern  oder  schumpffiem,  Bonder  wo  einicba 
Natron  gegen  der  andern  einiche  beschwerde  hette,  soll  doaselblg  nach  KricgarocUt  erörtert 
unnd  ausgetragen  werden. 

Kw  toU  auch  keiner  dem  anndem  sein  gefinng^Aö  oder  gewonnen  p^utU  mit  gewallt 
oder  sunst  nit  entpfremden,  Sonnder  sollen  sich  irer  Irrung  unnd  Uneinigkeit^  so  itieh  dem- 
halben  zutrugen  mochten,  durch  unnscrn  obersten  entledigen  unnd  cnt^jchciden  lassen, 

Ünnd  damit  man  der  betzalung  unnd  Muutz  halben  kein  irrung  haben  muge,  sollen  je 
funfTtdgen  Batzen  für  ein  guldin  betzallt  unnd  ein  goltgul<lin  für  achtzehon  Bat/en,  ein  sonnen* 
krön  für  drey  unnd  xwaintzig  Batzen  unnd  ein  italianische  Krön  für  22Vi  batzen  in  der  be- 
tzalung angeschlagen  unnd  gerechnet  werden. 

Item  soll  der  ^usterplatz  zu  Mcintz  sein  unnd  die  Musterung  auf  den  zwutntzigston 
tag  des  Brachmonata  gescheen  unnd  gehalten  werden. 

Unnd  so  siohs  begebe,  dass  die  Reuter  nach  dem  zwaintzigston  tag  des  DraehmooaU 
schierstkunftig  uff  dem  Musterplatz,  ehe  sie  gemustert,  ctlich  tag  stillegen,  80  soll  inen  nicht* 
destüwenigcr  dos  tags  wie  im  anttug  sechs  batsECn  betiallt  un(»d  gegeben  werden. 

Da  aber  ainer  oder  meher  sich  dlcsscr  vcrordnungk  uit  halten  unnd  spctor  anUukommv'n 
aich  beflolssen  wurden,  den  oder  denselbigen  »oll  tuan  dieselbi^  U^  xu  geben  nichti  schul* 
di^  sein. 


28 

Wurd  lieh  aber  der  gemelt  Mustoriag  weiter  verhindern  luiud  erstreckeni  so  sollen  die 
Reuter  niehtadeetowemgor  wie  im  anreitten  gohallton  werden. 

Item  eis  sollen  die  Reuter  sieh  dieser  verordung  hallten  unnd  derselben  sonnder  einioh 
clag  nachkomen  unangesehen,  ob  sehen  boj  anndern  Routem  andere  bestallongen  furgenomen 


Umid  soll  dieise  bestallung  nit  lenger  dan  zwen  monath  werben  unnd  dauren ;  da  man 
aber  der  Reuter,  wie  obiteet^  lenger  bedurffen  wurde,  sollen  dieselben  in  jetzbestimbter  be- 
stanneg  ferner  zu  thienen  sehuldig  sein. 

Im  CkU  aooh  dass  Hoohstgedaohte  Remisohe  Kay.  Mät.  obbemelte  antzall  pferdt  zu  füren 
aUehreiben  wurde,  Soll  eis  mit  denselben  wie  ess  Ir  Mät  mit  Iren  Routtem  hallten  wurt, 
aaeh  gehalten  werden. 

Den  zu  warem  urkunt  haben  wir  Wilhelm  Grave  zu  Nassau-Gatzenelenbogen  diese  be- 
itallnng  mit  eigner  Hanndt  undersohrieben  unnd  unnser  Beeret  heran  thun  truoken.  Geben 
■f  den  zweiten  tag  des  Braohmonats  1547. 


Conrad  Oerlin  von  Wiesbaden. 

Von  F.  Otto. 


Im  Jahre  1488  schenkte  Conradus  Oerlin  ex  ^pratinis  termis''  dem 
Kloster  Schonau  das  Buch:  Sermones  notabiles  S.  lohannis  Chrysostomi  Arch. 
Gonst.  de  patientia  in  lob,  de  poenitentia  in  David  ot  de  virginitate.  Er  heisst 
hier  liberaliom  artiom  magister  eximius.  Mit  den  „pratinis  termis''  ist  offen- 
bar Wiesbaden  gemeint. 

Wir  lernen  also  hier  einen  Wiesbadener  des  14.  Jahrhunderts  kennen, 
der  gelehrte  Bildung  genossen  und  sogar  die  Würde  eines  Magister  liberalium 
artium  erworben  hatte.  Da  möchte  man  nun  gern  etwas  mehr  über  den  Mann 
wissen;  aber  leider  versagen  die  Quellen:  weder  findet  sich  der  Name  Oerlin 
in  den  bis  jetzt  gedruckten  Matrikeln  der  deutschen  Universitäten  noch  unter 
denen  der  Bürger  der  Stadt.  Wir  müssen  uns  also  vor  der  Hand  begnügen 
ihn  unter  die  etwa  zehn  Wiesbadener  Studiosi  dos  14.  Jahrhunderts,  die  wir 
bis  jetzt  kennen,  einzureihen. 


Fürst  Karl  Wilhelm  von  Nassau-Usingen,  1775-1803. 

Mitgeteilt  von  F.  Otto. 


Ein  grosses  Lob  spendet  der  bekannte  Staatsmann  und  Publicist  F.  E. 
V.  Moser  in  dem  patriotischen  Archive  für  Deutschland  II,  1785,  S.  482  dem 
Fürsten  Karl  Wilhelm  von  Nassau-Usingen.  Es  heisst  dort:  „Dieses  würdigen 
Fürsten  besondere  Vorzüge  sind:  die  Unschuld  seiner  Sitten,  eine  Aufmerk- 
samkeit über  sich  selbst,  die  sich  soweit  erstreckt,  dass  ihm  kein  unnützes 
Wort  entfährt;  ein  bedächtiges  Schweigen,  das  Ehrfurcht  einfiösst,  nicht  be- 
leidigt; eine  Wohlthätigkeit,  die  er  kaum  weit  genug  ausdehnen  zu  können 
glaubt;  Gleichmütigkeit  und  Massigkeit,  Nachsicht  und  Qüte  gegen  Schwache, 
Fehlende  und  Böse;  Gerechtigkeit,  die  nur  mit  Gnade  straft,  immer  die  Strenge 
des  Gesetzes  mildernd;  Weisheit  und  Christenmilde,  keine  Verleumdung  noch 
Afterrede  anzuhören ;  denn  mit  Lächeln,  aber  so  sanft,  dass  er  dem  Schuldigen 
Schamröte  erspart,  geht  er  zu  anderem  Gespräch  klug  hinüber;  endlich  herz- 
gewinnende Leutseligkeit  und  eine  Fröhlichkeit  gegen  jeden,  die  ungekünstelt 
und  treuherzig  ist,  imterwirft  ihm,  was  sich  ihm  nähert.  Es  ist  nicht  Schmei- 
chelei, sondern  Wahrheit,  die  ihn  lobt,  aber  nur  von  ihm  ist  er  misskannt.  Er 
verabscheuet  den  leeren  Hochmut  und  die  Vorurteile,  welche  die  Sterblichen 
blenden  und  verderben,  und  weiss,  dass  uns  alles  von  Gott  komme,  Weisheit, 
wie  Tugend,  wie  Glück.** 

Darunter  setzte  Moser  die  Worte:  „Die  Übereinstimmung  des  Originals 
mit  dieser  Schilderung  beurkundet  und  bescheiniget  als  Augenzeuge 

F.  E.  V.  Moser." 

Eine  noch  überschwunglicherc  Lobpreisung  des  Fürsten  entwirft  Ritter 
in  den  Denkwürdigkeiten  der  Stadt  Wiesbaden  S.  39. 


Geor^j  August,  Fürst  zu  Nassau-klstehi,  1G77— 1721. 


Vu« 


C«  Spielmann« 


Vorbemerkung.    Die  Jahre   1890  uud    ISni    siod   für  die   beitlcu  nU- 

liscIieQ    Städte    Idstein  und  Wiesbaden   gewissermaÄseu    Jubiläumsjahre 

an*    Vor  zwei  Jahrhuoderten,  1690  und  1691,  begann  Dämlich  die  Wieder- 

itnog  jener  Städte   aus  der   Leidenszeit   des  grossen   Krieges   und   deren 

PolgCQ.     Besonders   rechnet   sich  von  genannten   Jahren   ab   der  aihnähliche, 

icht   mehr  gehinderte  Aufachwung   unserer  nun   weltbedeutenden  Bäderstadt. 

Purst,   unter    dessen   Regiment  jene  Erneuerung   vor   sich   ging,   Georg 

l^uflt  von  Naäsau -Idstein,   als   Kolonisator   in  der  neueren    uassauischcn 

Cfoschichte  fiist  unerreicht,  hat  eine  speziell  aelbständige  biographische  Behand- 

ing  noch  nicht  erfahren.     Es  war  mir  daher  ein  Bedürfnis,  ihm  bei  Qelegen- 

Btl  besagten  Jubiläums,  dessen  Feier  zwar  nicht  öffentlich  war,   dessen  mau 

äberhaupt  fast  Tergaas,  ein  dauerndes  Gedenkblatt  in  den  Annalen  zu  widmen. 

Es  ist  geschehen  nach  den  Akten  des   hiesigen  Königl.  Staatsarchivs  und  des 

lerxogl.  Nassauischen  Archivs  zu  Weilburg.    Ich  nehme  hier  Gelegenheit,  den 

roratefaern  beider  Archive,  dem  KgK  Staatsarchivar  Herrn  Ärchivrat  Dr.  Sauer 

uttd   dem  Hzgl   Hof-   und  Archivrat   Herrn   Hölzgen,   für   ihre  bereitwillige 

JüterBtüizung  meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen.     Wo  ich  bei  der  Arbeit 

Irttokte  Quellen   benutzte,    ist  dies  vermerkt.     Die  zwei  Urkunden,    die  An* 

Icr-Privilegien    betreffend,   habe    ich,    obwohl   sie   bei  Hizhaub   (Idstcincr 

GTmtiasialprogramm  von  1787)  bereits  abgedruckt  sind,  ihrer  Wichtigkeit  halber 

hier  aufnehmen  zu  müssen  geglaubt.     Der  mir   zu  Gebote  stehende  sehr 

be   Stoff  musste   in   der    vorliegenden   kurzgefassten   Bearbeitung    geboten 

werdeo,  die  aber  hoffentlich  ein  abgerundetes,  den  geehrten  Leser  erfreuendes 

ebeosbUd  gewährt. 


Der  grosse  Krieg  von  1618 — 1648,  welcher  das  Bestehen  der  nassanischen 

Uerriohiifteti  evangelischen  Bekenntnisses  schwer  bedroht  hatte,   war  zu  Ende 

^aogeiu    Die  Grafen  der  walramischen  Linie  waren  durch  den  westtalischen 

friediii  wieder  in   ihre  Rechte  eingesetzt  worden   und  hatten   ihre   arg  vor- 

rüsMiAu  T^n.Tpr  \vip<lrr  erhalten.    Da  aber  während  der   schweren  Zeit  der 


26 


Not  zwei  der  Brüder,  Sohne  des  Herren  des  Gesamthauaes,  Ludwige  van  Weil- 
bürg,  gestorben  waren,  so  nahmen  die  überlebenden  zwei,  Johannes  zu  Idstein 
und  Ernst  Castmir  zu  Weilburg,  in  Gemeinschaft  mit  ihren  drei  saarbrückischon 
Neffen  eine  neue  Erbtctlung  vor.  Leider  konnten  sie  auf  der  zu  Kirchheini 
anberaumten  Versammlung  nicht  übereinkommeo,  namentlich  nicht  wegen  der 
Verteilung  der  Gebiete,  welche  der  Herzog  Karl  von  Lothringen  während  des 
Krieges  an  sich  gerissen  hatte  und  zumteil  noch  besetzt  hielt.  Es  musste 
also  nach  damaligem  Brauche  ein  vom  Kaiser  bestellter  Schiedsrichter  in  der 
Angelegenheit  entscheiden.  Als  solcher  wurde  Herzog  Ernst  der  Proramo  von 
8aehsen«Gotha  ernannt  und  ihm  das  Kommissarium  übertragen.  Auf  dorn 
Schlosse  Friedensstein  bei  Gotha  versammelte  der  Herzog  die  Räte  der  Strei- 
tenden, und  auch  des  Grafen  von  Idstein  ältester  Sohn  Gustav  Adolf  erschien. 
Am  6./16.  März  1651  kam  der  sogenannte  ^^gothaische  Recess^  zustande, 
einer  jener  Teilungsverträge,  welche  für  längere  Zeit  wichtig  und  massgebeüd 
für  das  nassauische  Haus  blieben.  Die  drei  Hauptltnien:  Idstein,  Weilburg 
und  Saarbrücken  wurden  als  solche  bestätigt;  letztere  schied  sich  aber  wieder 
in  drei  Nebenlinien:  Saarbrücken,  Ottweiler  und  Usingen,  sodass  das  Gebiet 
des  walramischen  Astes  nunmehr  in  fünf  Teile  zersplittert  war.  Die  w^eiteren 
Bestimmungen  des  Recesses  folgen  hier  nur  soweit  sie  auf  Idstein  Bezug  haben 
Demnach  sollte  diese  dem  alteren  Bruder  Johannes  zugefallene  Grafschaft  um- 
fassen: die  Uerrsehaften  Idstein  und  Wiesbaden  mit  der  Kellerei  Sonnenberg, 
die  Ämter  Wehen  und  Burgschwalbach,  den  idsteinischen  Teil  des  gemein- 
schaftlichen Amtes  Nassau  mit  dem  Hause  Scheuern^),  dazu  die  Herrschaft 
Lahr  in  der  Ortenau  und  das  herrschaftliche  saarbrüekische  Haus  in  Strass- 
burg,  genannt  „der  Seidenfaden *^.  Veranschlagt  war  dieser  ganze  Anteil  asu 
26  130  Gulden  4  Albus  *>  Pfennigen  und  1  Heller.  Der  saarbrüekische  Teil 
hatte  an  Idstein  hundert  Gulden  jährlicher  Rente  auszuzahlen,  weil  er  mehr 
als  Idstein  und  Weilburg  eintrug  (an  letzteres  kamen  zweihundert  Gulden  zur 
Vergütung).  Von  den  Ländern,  die  noch  in  fremdem  Besitze  waren,  sollte 
die  Grafschaft  Saarwerden  zur  Hälfte  an  Idstein  kommen  (zur  andern  an  Well- 
burg).  Ferner  übernahm  Idstein  ein  Drittel  der  gemeinsamen  Reichs-  und 
Kreissteuern  und  der  Unterhaltungskosten  des  Kammergerichtos.     Die  Schuld, 


I 


')  Yerzeichiuss  der  Hochgrftfl.  KasBAU-Itsflicin.  LiniG  Ämbterj  der  s&ugobSrlgen  Btidto 
ttiid  Ortsohsfften  diesseit  Rheines.  (Im  Köriigl.  SiaAtgarohiv  zu  Wtcsbndon»)  Its^tfun^  WaU* 
dorfr,  Uefftricli,  Wiilrabttein,  Adolfgeck,  Ncubaff,  WorÄtorff,  Janghaffen  {?),  BcnerbÄcli,  Hoebt- 
heiinb,  KctterBchwalbaob,  Ernbaob^  Oborauroff,  NiedoraurofT,  fisoheiüiaaii,  Oborlibbaüh,  Nieder- 
jibbach,  Uambaeh,  Bretthardt,  Strititz  Hurgaretbft,  Steokearotb,  Ourscbrotb,  Kesselbaohf  Lim- 
bauh^  Wnlbacb,  Strintz  Trinitatis,  Hennetbal,  Miohclbach,  Eisonkobon,  Niedersoelbach,  Ober- 
seelbach,  Lentshani  NiederhausBeD,  Engenliaii,  Konigshoff,  Daabaob,  Efloh,  B«rmbaeb,  OberroUt« 
Niederrotb,  KrÖfftcl,  Obcremb?,  Wüstonembs,  Kiedercmb8>  Echborn,  HeicbenbacH,  Fünsiemihal 
(Bo.  ItzstciQ.  Ambts  —  47 J;  Wisabadon,  Saimcßberg,  Rambach,  Nauort,  Hessloüh,  Auringen, 
Kloppheim,  Birretatt,  Erbcohctro^  Mossbaoh  md  Biebrioh,  SehieraCein,  Dotsheim  (8a.  AmbU 
WieBbaden  —  17);  Wohcn,  Orlen,  Wingsbacb,  Born,  Bleidcostatt,  Haati^  8eiUonhaan  (Sa- 
Ambts  Wehen  —  7);  Burg«ohwalbach,  Pauroth,  Doreturif,  BerghauAen,  MudersbattSdl  (8a* 
Ambts  Burgschwalbaoh  —  b)\  Mahlen,  Eiaigboffen,  Buch,  Rettert,  Weltort,  Stritt,  Lippom 
(zweiheniich  —  7). 


K4wiiise 
Graf 
aiig   dl 
ifthUQ 


gMl* 


che  auf  dan  Ilarrachafteii  Idstein  und  Lahr  haftete,  wurde  von  allen  drei 
gemelosam  übernommen.  Unerledigt  blieb  die  Frage  wegen  der  Ver- 
der  etogezogenen  Metzer  Lehen  und  der  Beisteuer  zu  dem  tdateiner 
[(vad  Wetlbtirger)  8ehlo8sbau  aus  der  gemeinsamen  Kasse.  Die  Bestimmungen 
trüeii  folbrt  in  Kraft,  Nur  konnte  der  Besitz  der  vom  Herzoge  Karl  von  Loth* 
fSBfeo  besetzten  Gebietsteile  selbst  mit  Unterstützung  des  Reiches  für  lange 
Zeit  oiofal  wiedererlangt  werden.  Ausserdem  musste  die  Herrschaft  Lahr,  auf 
der  noch  aus  früheren  Zeiten  eine  Schuld  an  Geroldseck  lastete,  an  den  Erben 
dei  letiteren  Hauses,  den  Markgrafen  von  Baden-Durlacb,  im  Jahre  1659 
überlaasen  werden. 
Graf  Johannes  Ton  Nassau-Idstein^  der  sich  mit  Eifer  der  Wiederher- 
lang  des  Landes wohlstan des  hingab,  war  zweimal  vermählt  Seine  erste 
ÜQ  war  Sibylle  Magdalenc  von  Baden- Durlach  (geb.  1605,  verm,  162ff, 
1644);  sie  schenkte  ihm  neun  Kinder,  fünf  Söhne  und  vier  Töchter,  von 
die  meisten  jung,  drei  hoffnungsvolle  Söhne  in  der  Bläte  der  Jugo|id 
Tode  ereilt  wurden,  alle  aber  vor  dem  Vater  starben.  Zum  zweitenmale 
vsmbelichte  sich  Graf  Johannes  mit  Anna  von  Leiningen*Dachaburg  (geb.  1625, 
flRD.  1046^  gest.  1668).  Aus  dieser  Verbindung  entsprangen  sechzehn  Kinder, 
■iobeo  S^buo  und  neun  Töchter.  Von  diesen  überlebten  den  Vater  zwei 
TdckleTi  Jobannette,  die  Gemahlin  des  Fürsten  Christian  Ludwig  von  Waldeck, 
ud  Dorothea  Amalie,  die  Gemahlin  des  Grafen  Ludwig  Friedrich  zu  Wied- 
fiitnkid^  und  ein  Sohn.  Dieser  letztere  wurde  am  26.  Februar  1665  geboren 
und  von  dem  damals  G2jäbrigen  Vater  Georg  August  Samuel  genannt.  Den 
liibliacbeu  Namen  Samuel  ^  „erhört  von  Gott''  hat  der  Greis  dem  Kinde 
jedenfalls  nicht  umsonst  gegeben.  Ein  halbes  Jahr  vor  der  Geburt  des  letz- 
larüi  war  der  hoffnungsvolle  82jährige  Erbprinz  Gustav  Adolf,  der  gleich  seinem 
giommn  »chwedischen  Namensvetter  ein  heldischer  Mann  war,  in  der  Türken- 
■chbcht  bei  St.  Gotthardt  an  der  Raab  gefallen,  den  Sieg  der  Christen  mit 
Leben  bezahlend.  Das  Gebet  des  tiefgebeugten  Vaters  um  Ersatz  wurde 
erhört  und  ihm  in  seinem  Alter  noch  ein  Sohn  geschenkt,  der  ilm  beerben 
•oUle.  Georg  August  selbst  führt  den  Beinamen  Samuel  in  seinen  Briefen  und 
lAdereo  Schriftstücken  nicht,  weshalb  ich  auch  im  weiteren  ihn  nur  mit  jenen 
beiden  ersten  Namen  bezeichnen  werde* 

Nach  dem  Tode  seiner  zweiten  Gemahlin  Anna  (14.  '24.  Dez.  1668)  machte 
iJ2*/ni. — l./TV.  1669  Graf  Johannes  sein  Testament.  In  diesem  bestimmte 
deas  nach  seinem  Tode  der  Graf  Friedrich  von  Weilburg,  der  ehedem  sein 
Mündel  gewesen  war,  die  Vormundschaft  über  seinen  jungen  Sohn  übernehmen 
Stürbe  jener,  dann  sollte  für  ihn  Graf  Gustav  Adolf  von  Saarbrücken 
etatreteii.  Fünf  Jahre  später  besann  sich  der  alte  Herr  eines  anderen.  Er 
•eheiiit  den  beiden  Verwandten  nicht  mehr  recht  getraut  zu  haben,  trotscdem 
er  doch  laoge  Zeit  hindurch  mit  seinem  Neffen  von  Weilburg  auf  sehr  freund- 
•ohaftlieliem  Fuase  gestanden  hatte.  Ob  er  in  der  letzten  Zeit  Beweise  davon 
I  eiUttlli  diiea  die  beiden  ^ur  Vormundschaft  bestimmten  Agnaten  eigensüchtig 
würden,  iai  nicht  recht  klar.  Fest  steht,  dass  Graf  Johannes  das 
r#«;tÄment  umstiess  und  in  einem  zweiten  Testamente  vom  12,/22*  Nov. 


^Sä^üs^ 


•^=^'-— -— -^ 


28 


1674  zu  Frankfurt  rw^ei  andere  Vormünder,  die  Grafen  Johann  Casimfr  von 
Lemingen-Dachölmrg,  Herrn  zu  Aspremont,  seinen  Schwager,  und  Johann 
August  von  Solms^  Herrn  zu  Minzenberg,  "Wildenfels  und  Sonuenwald  ernaüote, 
denen  als  dritter,  als  tutor  honorarius,  Herzog  Friedrich  L  Yon  Sachsen-^Gothfti 
Sohn  Ernsts  des  Froramen,  an  die  Seite  gesetzt  wurde.  Graf  Johannes  glaubte, 
dasä  diese  Männer  ihr  Amt  mit  mehr  Unparteilichkeit  verwalten  würden,  und 
er  mag  mit  der  Bestimmung  umsomehr  zufrieden  gewesen  sein,  als  er  Fried* 
rieh  von  Weilburg  noch  vor  sich  sterben  sali  (und  Gustav  Adolf  von  Saar- 
brücken überlebte  den  Oheim  nicht  lange).  Am  13./23.  Mai  1677  starb  Graf 
Johannes,  74  Jahre  alt,  am  Marasmus  auf  dem  Schlosse  zu  Idstein,  und  nun 
brach  ganz  wider  seine  Berechnungen  eine  trübe  Zeit  über  die  Grafschaft 
heroin. 

Ein  Jahr  nach  des  Vaters  Tode  (1678)  wurde  der  uunmohr  dreizehnjährige 
Graf  Georg  August  nach  der  Sitte  damaliger  Zeit  auf  Reiseu  geschickt.  l>cr 
Kanzleidiroktor  Graff  zu  Idstein  sorgte  dafür,  dase  ihm  die  entsprechenden  Bc* 
gleiter  beigegeben  wurden.  Ak  Erzieher  walteten  sein  Sohn,  der  LieentiatuÄ 
Oraff,  der  Graf  Georg  Heinrich  von  Boyncburgk-Langsfeld  und  der  Rat  Stap- 
horst als  Hofmeister;  ausserdem  reiston  der  Kammerdiener  J.  P.  Ueybach  und 
der  Page  von  Bobeuhausen  mit.  Heybach  namentlich  hatte  sich  der  OuüKt  dos 
jungen  Grafen  besonders  zu  orfreuen  und  blieb  auch  in  der  Folgezeit  stets  um 
soine  Person,  Er  überlebte  seinen  Herrn  und  hat  nach  dessen  Tode  einen 
kurzen  „unterthtinigsten  Bericht*'  über  die  Reisen  desselben  abgegeben.^)  Di© 
Reise  ging  zunächst  nach  Gieasen  auf  die  Universität,  wo  „der  juDge  Herr*  — 
so  lautet  vielfach  die  Bezeichnung  bei  Oraff  u,  a.  —  wahrscheinlich  ein  Jahr 
sich  auf  liielt.  Beim  Eintritt  ins  Kolleg  hielt  er  in  Anwesenheit  des  dortigen 
Adels,  aller  Professoren  und  Studenten  seine  lateinische  Oration  und  ist  dann 
Kector  Magnificeutisslmus  geworden.  Ein  Jahr  später  (U>79)  ging  Georg  August 
nach  Strassburg.  Wie  lauge  er  sich  dort  aufgehalten,  ist  Heybach  „ohnbewuast**, 
indem  er  selbst,  ^um  auf  eingelegte  Yocation  nach  Saarbrücken  zum  Hof- 
meister des  damaligen  alteren  Grafen  Ludwig  Kraft  zu  gehen  und  denselben 
nach  Frankreich  zu  begleiten,  seinen  Abschied  nahm."  Er  hat  im  Jahre  1682 
Georg  August  zu  Paris  seine  Aufwartung  gemacht,  und  verweist  bezüglich 
weiteren  Berichtes  auf  den  gewesenen  (1721)  Amtmann  Graft*  zu  Wiesbaden» 
den  damaligen  Licentiaten,  der  mit  auf  Strassburg  und  Paris  gereist  sei  und 
von  da  weiter  nach  Angers  und  nach  England  und  Holland*  Man  hatte  den 
Zeitpuükt  für  die  Reisen  ziemlich  gut  gewählt;  denn  gerade  damals  war  durch 
den  Nymweger  Frieden  der  zweite  Raubkrieg  beendigt  worden  und  allenthalben 
mehr  Ruhe  eingetreten.  Der  junge  Graf  wird  also  Zeit  und  Gelegenheit  ge* 
nug  gehabt  haben,  sieh  Land  und  Leute  in  Frankreich,  besonders  das  Loben 
an  dem  glanzvollen  Yersailler  Hofe  genauer  anzusehen.  Hier  hat  er  auch 
wahrscheinlich  die  Baulust  eingesogen,  die  er  später  in  seinen  verschiedenen 
Residenzen  bethätigtc.  Dabei  war  er  auch  Zeuge  der  Schmach,  die  dem  deutschen 
Reiche  durch   den  Raub   der  Reichsstadt  Strassburg  angethan  wurde,   welche 


1 


I 


M  Sieha  Anhang  Xo«  i. 


29 


I 


ii«^r  „iiiUin:hriwtla'böte  Köüig**  mitteu  im  FnrMun  nugoNtrnit  wcgüehmeu 
1681). 

ladeAsen  aoUto  Oeorg  August,  jetzt  17  Jalure  alt,  unter  den  Feindöeligkoiten, 
^Icbe  xi»*iiichca  den  Yormündern  Wulrad  von  Usingen,  der  den  verstorbenen 
Olafen  Tun  Sulmn  er^tzt  hatte  (d.  w,  u.),  und  Johann  Casimir  von  Leiningei) 
ktiTtcfateo,  2tt  teiden  haben,  Graf  Walrad  befand  sich  im  Jahre  1<»82  als 
iMerländischer  General  zu  Bergen  op  Zoom,  von  welcher  Festung  er  Gonvernenr 
Wif.  Im  ""'  '  *»er  dieses  Jabres  kam  Ooorg  August  mit  seinen  llegleitoru 
van  Eaglai  I  jlier  nach   dem  Brabaatischen,    wo  er  sich   eine  Zeitlang  auf* 

Uiit;  oamenth'eh  gefiel  es  ihm  in  Antwerpen.  In  einem  Briefe  von  dort  au 
Wilrttd   schreibt  er  von  dem  Eindruck,  den  die  gewaltige  Handelsstadt  auf  ihn 

frf '*    'liws  er  namentlich  alle  Bauwerke  sich  angesehen  habe,  den  Hafen  und 

4»r  ;lö,  und  noch  die  Jesuitenkirche  besichtigen  wolle  (26./IX.— 5,/X-  1C82). 

spricht  er  dem  „Herrn  Vetter"  seinen  Dank  für  alle  Qutthaten  aus, 
für  die  Kutschen,  die  er  ihm  zur  Erleichterung  der  Reise  gesandt 
Walrad  zeigte  sich  sehr  besorgt  um  seinen  Schützling;  er  hid  ihn 
kersBchst  ein,  ihn  im  Lager  zu  Bergen  op  Zoom  zu  besuchen,  von  wo  aus  er 
■Mliob  reisen  und  Holland  sehen  könne.  Georg  August  reiste  auch  nach  Bergen 
all;  doch  hatte  Walrad  sich  kurz  zuvor  in  Dienstangelegcüheiten  nach  dem 
ttMMg  begeben  müssen.  So  wandte  sich  der  junge  Graf  nach  Brüsselj  von  wo 
WM»  et  nach  Flandern  reisen  wollte,  um  namentlich  Gent  zu  besichtigen.  I)a 
gng  aber  ihm  und  seinen  Begleitern  das  Geld  aus*  Sowohl  Georg  August 
iliseio  Gouverneur  Boyneburgk  teilten  dies  unterm  O./IG.  November  dem  Grafen 
Walrad  mit.  Wegen  Hangels  an  Geld  und  wegen  des  schlechten  Wetters 
bitten  sie  die  flandrische  Reise  aufgegeben  und  wollten  eigentlich  dem  Grafen 
tm  Ilaag  aufwarten;  aber  der  Herr  Graf  von  Leiniugen  wünsche,  dass  man 
auf  Luwen  und  Mastricht  reisen  solle  und  wolle  das  Geld  dazu  schicken*  Walrad, 
der  setnou  Vetter  gar  zu  gern  gesehen  und  ebenso  gern  denselben  auch  über 
dat  Benehmen  Leiningens  aufgeklärt  (s.  w.  u.)  hätte,  sah  wohl  nicht  mit  Un- 
rocht  in  dem  Wunsche  des  letzteren  das  Bestreben,  Jen  jungen  Idsteiuer  von 
ihm  fern  za  halten. 

Am  10./20*  November  schrieb  er  daher  sowohl  an  Boyneburgk  wie  an 
st,  sie  hätten  ihm  wegen  der  Geldverlegenheiten  doch  nur  früher 
llen,  dann  würde  er  ihnen  sofort  die  nötige  Summe  zugestellt  haben. 
Tjdmngen  intriguiere  gegen  ihn.  Sie  möchten  doch  sogleich  kojnmen.  Er  habe 
a&nen  Banquier  de  Foullon  zu  Brüssel  angewiesen,  die  nötigen  Summen  aus- 
ntttUea  —  „80  veel  Sij  tot  de  reyse  heerw|rts  sal  noodig  h ebben**  heisst  es 
to  der  betreffenden  Anweisung.  Die  Sprache  Walrads  wurde  gegen  den  Schluss 
der  Schreiben  derb»  und  er  redete  gar  von  „Ungehorsamb*',  dessen  sich  sein 
Mandel  gegen  ihn  schuldig  machen  wünlcj  falls  er  nicht  vor  ihm  erscheine. 
Aach  an  den  Licentiaten  GrafT  schrieb  Walrad;  dieser  sollte  das  Geld  bei  Foullon 
erheben.  Graff  war  in  Brüssel  zurückgeblieben,  wahrend  Georg  August  mit 
B^  *  -k  —  Staphorst  scheint  nicht  mehr  Begleiter  gewesen  zu  sein  —  auf 
M^,  .  :,.  weitergereist  war.  Hort  erreichte  ihn  Graff  mit  Walrads  Briefen. 
Der  junge  Oraf  nehrieb  dem  Vetter  hierauf,  dass  er  an  einem  „dritten  Orte* 


30 


SO  laDge  bleiben  wolle,  bis  sich  die  Herren  Vormünder  geumtgt  hiitteii.  Da 
folgte  seitens  Walrada  em  noch  schärferer  Befelil  nach  dem  Haag  zu  kommen. 
Freilich  musste  der  Graf  von  Usingen  bald  darauf  dnrch  Graif  von  Antwerpen 
aus  hören,  das»  sein  Schützling,  statt  wie  er  dem  Lioentiaten  versichert  hatte, 
in  einer  holländischen  Stadt  die  Entscheidung  der  beiden  Vormünder  abzuwarten, 
nach  —  Strassburg  abgereist  sei.  Unter  diesen  Umständen  hatte  GrafF  den 
Brief  an  Foullon  zurück behalteo.  Daas  Graf  Walrad  über  die  Eigenmächtigkeit 
seines  Mündels  in  Zorn  geriet,  lässt  sich  denken;  denn  der  ^junge  Herr^  hatte 
durch  seine  Abreise  nach  Strassburg^  also  in  Leiningeus  Nähe,  die  Hiuneigung 
%u  letzterem  deutlich  bekundet.  Der  Leininger  wnsste  im  Gegensätze  zu  dem 
offenen  und  derben  Usinger  dem  Pflegebefohlenen  fein  und  freundlich  zureden; 
ausserdem  war  er  auch  sein  Onkel,  seiner  Mutter  Bruder.  Aber  mit  der  Geld- 
Sendung  hatte  es  seine  eigentümliche  Bewandtnis.  Unterm  11. /21.  November 
schrieben  die  Kate  Graif,  Schröder  und  Schmidtborn  von  Idstein  aus  an  Walrad, 
dass  der  Graf  von  Leiningen  befohlen  habe,  Geld  für  die  weitere  Reise  ihres 
Herrn  zu  beschaffen ;  sie  fügten  aber  hinzu,  dass  die  Kammer  kelns  verwiUigen 
werde.  Sicher  hat  Leiningen  das  Geld  für  Georg  Augast  nur  vorgeschossen 
tiod  gedachte  sich  an  den  Idsteiner  Einkünften  dafiir  schadlos  zu  halten.  Von 
Idstein  aus  ging  durch  GrafF  um  selben  Tage  ein  Brief  an  den  „jungen  Herrn** 
ab,  in  welchem  demselben  über  Leiningeus  Betragen  die  Augen  geöffnet  werden 
sollten.  Der  Graf  wurde  gebeten  nach  Hause  zu  kommen,  ,^um  des  Landes 
willen^ ;  man  wollte  ihm  entgegenreisen  und  ihn  abholen.  Inzwischen  schrieben 
am  13./23.  November  sowohl  Georg  August  wie  Bojneburgk  an  Walrad  von 
Usingen,  dass  sie  in  Strassburg  angekommen  seien,  als  an  einem  dritten  neu- 
tralen Orte,  und  dass  sie  hier  das  Weitere  abwarten  wollten.  Schärfer  antwortete 
der  junge  Graf  dem  Kanzleidirektor  nach  Idstein  —  vielleicht  nach  einem  kurz 
vorhergegangenen  Zusammentreffen  mit  seinem  Oheim  —  am  17./27.  November, 
Er  habe  das  Geld  von  Leiningen  angenommen  und  sei  entschlossen  seine  Bebe 
fortzusetzen.  ^Ne  croyez  pas  que  je  vienne  encore  dans  un  an  chez  voua**^ 
schliesst  der  französisch  geschriebene  Brief.  Da  aber  gebrauchten  die  Kate 
zu  Idstein  alle  ihnen  zu  Gebote  stehende  Energie.  Schmidtborn  schrieb  unterm 
25./XI,^ — 5./XII,  an  den  Grafen  von  Usingen,  dass  es  gefahrlich  sei,  den  ^^jungen 
Herrn"  in  der  Nähe  Leiningens  zu  lassen,  denn  dieser  wollte  ihn  mit  einer 
Prinzessin  von  Pfalz-Birkenfeld  verheiraten.  Der  „Herr*'  zeige  zwar  keine 
Neigung;  aber  Leiningen  habe  einen  grossen  Einfluss  auf  ihn«  SchUesslich 
bat  Schmidtborn  den  Grafen,  selbst  aus  dem  Haag  nach  Usingen  zu  kommen. 
Plötzlich  änderte  nun  auch  Georg  August,  unbekannt  aus  welchen  Gründen, 
seine  Ansicht  und  traf  mit  Boyneburgk  am  14724.  Dezember  1682  in  Idstein 
ein.  Am  folgenden  Tage  entschuldigte  er  sich  gegen  Walrad,  der  unterdes 
in  Usingen  angelangt  war,  dass  er  sich  ihm  wegen  Husteus  noch  nicht  vor- 
stellen könne;  auch  Boyneburgk  suchte  sein  seitheriges  Benehmen  zu  recht* 
fertigen.  Walrad  Hess,  feinfühlend,  alle  Ausreden  gelten  und  bat  seinen  Vetter, 
ihn  in  Prankfurt,  wohin  er  Geschäfte  halber  reisen  musste,  zu  trefFen»  Die 
Zusammenkunft  und  V^rHölmung  fand  d<Min  aur-h  «tatt.  Ende  1082  oder  An- 
fangs 1683. 


4 


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3t 


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I 


* 


'AU  «HUCK  Yiiiv  66,   dass  lu  den  bewegten  Zeiten  die  eigentliche  Leitung 

QeacKäfie  in  der  Hand  oinoä  tüchtigen  idäteinischeo  Beamten  lag.   Es  war 

die«    der   mefarerwähnte  Johann  Georg  Graff,  der  von  Graf  Johannes   im 

iwkxm  1675  zum  Kanzleidirektor  ernannt  worden  war.     Als  solcher   vereinigte 

«r  in  smner  Person  daa  oberste  Justiz-  und  Yerwaltungsamt.    Er  erscheint  als 

M  soargiflclier,   vielfach  geradezu  rücksichtsloser  Mann,   der  aber  dte  idsteini- 

Mslieii  Haosiiiteresaen  in  dem  Wirrwarr  der  damahgen  Zeit  mit  solchem  Nach- 

dmck  Terfooht^   dass  es  ihm   hauptsächlich   zu   verdanken   ist,   dass  der  juDgo 

Qrm£  oageslori  seitie  Regierung  antreten   konnte.    Drei   Jahre  lang   nach   Jo- 

iMUUMt*  Tode  giogen  die  ?ormund§chaftlichen  Angelegenheiten  ziemlich  geordnet 

Weiler,    Da  ttofb  im  Jahre  1680  Johann  August  von  Solms,   der  /.weite  Vor- 

mitiulf  itnil  der  Graf  von  Leiningen   übernahm   die   alleinige  Kuratel.     Damit 

wareo   indeaaeo  die  saarbrückischen  Agnaten   nicht  einverstanden*    Wenn   sie 

scbon   wegen   ihrer  Ausschliessung  im  Testamente  von  1674  grollten,   so  be- 

«tamleo  sie  nun  umsomehr  auf  der  Forderung  Mitvormunder  zu  werdeB.  Johann 

hmiwig  TOD  OttweUer,  der  schon  Vormund  über  den  jungen  Grafen  von  Weil- 

hnrg  woTt  erklärte  sich  damit  einverstanden,   daas  sein   Bruder  Walrad   von 

ÜMiigea   die    Bewerbung  um  die   Mitvormundschaft    über  Georg  August   am 

mergericbte  zu  Speyer  einreichte.   Der  Graf  von  Leiningen  dagegen 

dem  zuvorzukommen,   indem  er  am   13./23.  Juni  1681   für  sein  Mündel 

Beiehabofrate  die  Erteilung  der  venia  aetatis  eventualis  beantragte.  In 
der  Zwisoiieiuseit  scheinen  sieh  Leiningens  Beamte,  welche  auf  dem  Schioase 
an  Idileui  nach  dem  Abgange  der  aolmsischen  allein  schalteten,  grosse  Will- 
kllrtiehkeiteti  haben  zu  schulden  kommen  lassen.  Die  Schultheissen  der  Amter 
«ad  andere  Beamten,  die  sich  deshalb  bei  den  Agnaten  beschwert  hatten,  waren 
aal  hoben  Geldstrafen  zu  100,  00,  50  Thulern  belegt  worden.  Sie  scheinen  an 
den  saarbrückischen  Grafen  eine  Stütze  gefunden  zu  haben;  denn  Leiningen 
enilniie  sich  über  die  letzteren  derart,  dass  er  beim  Reichäkammergerichto 
giEadesa  den  Ausschluss  der  Agnaten  von  der  Vormundschaft  beantragte.  Das 
Oariolil  aber  dachte  anders.  Nicht  wcDiger  als  viermal  wies  es  den  Antrag 
dea  Grafen  ab  und  forderte  ihn  sogar  auf,  selbst  einen  Hitvormund  aus  den 
Agoaien  zu  ernennen.  Am  kaiserliehen  Hofe  schien  man  eine  vermittelnde 
StaUttog  einzunehmen;  aber  das  Reichskammergerieht  störte  sich  nicht  daran. 
Xm  &/16.  Januar  1682  verfugte  ein  Extra- Judieiat- Dekret  die  BestalluDg  des 
Gsafea  Walrad  an  Stelle  des  Grafen  von  Solms  als  Mitvormund  über  den 
GraÜMi  vea  Idstein,  allerdiags  mit  dem  Vorbehalt,  7,dass  er  die  Administration, 
Aafnahl  and  Verwaltung  aller  zwischen  ihm  und  dem  Minderjährigen  vor- 
seh webtadea  oder  inskünftig  sich  ereignende  Rechtfertigungen,  Differentien  und 
Strittigkeitea  mit  Separierung  und  Verschliessung  aller  hierzu  gehurigen  Brief- 
•ehaftaai  Dokumenten  und  Urkunden  dem  Herren  Mitvormund  allein  überlaase, 
aaeh  hieriaikea  für  des  Herren  Pupillen  Maiorennität  und  Endigung  der  Vor* 
mundseliaft  zu  dessen  Nachteil  wetler  durch  sich  noch  durch  andere  direkt  oder 
iodirakt  nichts  vornehme.^  Die  Konfirmation  dieser  Urkunde  erfolgte  am 
i>-/IL— 10/UL  lü82  durch  den  Kaiser,  Entkräftet  schien  der  Beschlusü  durch 
Entacheid  dea  Reichshofrates  vom  16./25«  Januar  1682,  daas  die  von  dem 


32 


ifrLin.tu  von  Leinlugcn  nachgesuchte  ErteiluDg  der  vuuia  uetatifl  eventualis' 
für  den  Grafen  Georg  August  ver willigt  und  dasa  der  letztere  nach  diese-s 
aeinea  Vormundes  Ablebeu  sofort  als  maiarenn  anzusehen  sei.  Doch  wurde 
Herzog  Friedrich  I,  von  Gotha  als  tutor  honorarius  bestätigt.  Die  Erklärung 
der  Mitvormundschaft  Walrads  hatte  zur  Folge,  dass  auf  dem  Schlod^  zu  Id- 
stein sofort  usingische  Beamte  einzogen,  welche  am  30*  u,  31.  März  (a.  St.) 
von  dem  usingischen  Rate  Schröder  für  den  Grafen  Walrad  neu  vereidigt 
wurdeu*  Der  leiningische  Abgeordnete  hatte  dies  zu  hindern  versucht.  Er 
wollte  die  Uoterthaoen  aufwiegeln,  die  idsteinischen  Beamten  in  Arrest  halten; 
er  liesa  Plakate  an  den  Thoren  anbringen,  dass  sich  niemand  gelüsten  lassen 
sollte  „selbigen  tags  zur  Stadt  herein  zu  gehen,  sondern  sobalt  umbkehren  und 
sich  nach  Hauss  begeben,"  Die  Usinger  rissen  aber  die  Plakate  herunter, 
und  nun  wurden  alle  Kanzleiräte,  Amtleute,  Landbediente,  der  Superintendent 
und  die  Geistliehen,  alle  Schultheissen,  Hofbediente,  Fürster  und  Jäger  in 
Pflicht  genommen.  Der  Direktor  Graft*,  dem  die  Neuvereidigung  für  einen 
fremden  Herren  sehr  empfindlich  war,  bat  um  Erlass  des  Eides,  worauf  Schrüder 
sich  mit  einem  Handgelobnis  begnügte.  Der  leiningische  Abgeordnete  sandte 
einen  Kurier  au  seinen  Herrn  ab,  empting  aber  den  Befehl  sich  zu  wider- 
setzen zu  spät.  Fortan  ergriff  Graff  wieder  stramm  die  Zügel  der  Regierung ; 
Schröder  als  Sekretär  blieb  seine  rechte  Hand,  und  die  beiden  anderen  Stützen 
bildeten  der  Amtmann  von  Idstein,  Plebanus,  und  der  usingische  Rat  Schmidt« 
burn.  Diese  Männer  unterhielten  steten  brieflichen  Verkehr  mit  dem  Grafen 
Walrad,  der  damals,  wie  wir  wissen,  im  Haag  oder  in  Bergen  op  Zoom  weilte. 
Leiningens  Intriguen  dauerten  indessen  fort  Walrad  erachtete  es  fair 
notwendig  am  9./19.  Juli  1682  seine  Käte  zu  ermahnen,  seine  Hechte  aufs 
strengste  zu  wahren.  Die  Zustände  müssen  nachgerade  unhaltbar  geworden 
sein,  sodass  die  Ober-  und  Landschulthelssen  zu  Idstein,  Wiesbaden,  Nassau, 
Burgschwalbach  und  Wehen  an  den  Grafen  Walrad  ein  Gesuch  richteten,  er 
möge  veranlassen,  „dass  umb  Gottes  und  der  dringenden  Noth  willen  ihr  von 
flott  bescheerter  alleiniger  Landesherr  fordersambst  ins  Land  hineingelassen 
undt  mitiiin  grösserer  Beschwernuss  abgethan  werde.^  Der  Graf  von  Leiningen 
hatte  ihre  Klagen  über  die  Übergriffe  seiner  Beamten  ungnädig  abgewiesen. 
Dies  und  anderes  mögen  den  Grafen  von  Usingen  zu  der  Überzeugung  gebracht 
liaben,  es  sei  besser,  um  den  jungen  Vetter  dem  Einflüsse  Leiningens  zu  ent- 
ssteben,  die  Erteilung  der  unbedingten  Grossjährigkeit  für  denselben  beim  Reichs- 
hofrate zu  beantragen.  Gütliche  Auseinandersetzungen  mit  Leiningen  waren  nicht 
S5U  erwarten,  das  ersieht  man  aus  einem  Briefe  Walrads  an  den  Fürsten  von 
Waldeck,  in  welchem  es  heisst,  „der  Leininger  verweigere  die  vertrauliche 
Korrespondenz,  in  Güte  sei  mit  ihm  nichts  auszurichten,  er  wolle  die  venia 
aotatis  omni  modo  verhindern,  so  möge  sich  doch  der  Fürst  beim  kaiserlichen 
Hofe  verwenden,  damit  die  venia  aetatis  pure  und  ohne  condition  erlangt  werden 
könne«  ^  Die  gleiche  Bitte  war  an  den  Agenten  beim  Reichshofrate,  Persins, 
ergangen,  seitens  des  Fürsten  und  seitens  der  Regierung  von  Idstein,  von  letztere 
am  IL/ 19,  Nov.  1(583.  Die  Angelegenheit  ver.schleppto  sich,  hh  am  "i.  Müril 
(ii*  8L)  16B4  der  junge  Graf  Georg  August  selbst  ein  Schreiben  direkt  an  den 


33 


^aiftdr  riciiteto,  Yielleicht  auf  Ermunterting  Walrads  hin.    In  demselben  heiest 
Oi,  dBm  die  Vormundschaft  1082  «trittig  gewesen,  weshalb  im  Falle  des  Todes 
Oraleo    von  Leiuingen  die  venia  aetatis  eventualis  erteilt  worden  sei.     Er, 
August,   habe   verhofft,   dass  alle   Miashelligkeiten  dadurch   aufgehoben 
Nach  seiner  Rückkehr  von   der  Reise   Rinde  er  nun  die  Vormundschaft 
noch  yoTi   ^worauBs  anders  nichts  als  schädlich  confusiones  bei  deren  längeren 
ooQtinttation   abzusehen.^     Deshalb    habe    er   bei   dem   kaiserlichen   Hofe    ein 
rial  abgegeben.  Er  glaube,  dass  er  nach  Zurücklegung  des  20.  Lebensjahres, 
roU  er  „ohne  Ruhm  zu  erndten,  denen  studüs  und  andteren  Standesmassigen 
Stflekm  also  obgelegen,  die  Landtsregierung  mit  seiner  und  seiner  Unterthauen 
grüssarem  Vortheil  und  Nutzen  durch  gottlichen  Beystand  selbsten  zu  führen  sich 
getraue.*   Seines  Uauses  Agnaten  und  Vormünder  hätten  „auch  die  Declaration 
gfig«lieii,   dass  sie  ihn  vor  tüchtig  erachteten.^     Darum  bitte  er  um  die  venia 
Mtatifl,   ,»pure  und  absolute*'.     Darauf  erfolgte  das  Maiorenuitatspatent;  datiert 
Ti)Qi  3.  April   (n.  St.)    1684,   erlassen   durch  Kaiser  Leopold  auf  dem  Schlosse 
2tt  Linz«    Der  Kaiser   Hess   dem  „Grafen  Johann  Casimir   von  Leiningen   und 
Dagsbnrg,    Herrn   zu  Appermont**  mitteilen,   dass,  „nachdem  auf  seinen  unter- 
tliiLiugsian  Anruf  und  Bitte  und  (urgebrachte  erhöbliche  Motive  und  Ursachen^ 
die  renia  eventualis  aetatis  am  25,  Januar  1682  angefangen,  nunmehr,  da  Vol- 
rad  (Walrad)  voa  Usingen  gebeten,  die  absoluta  venia  aetatis  verliehen  sei, 
abo  dass  der  Graf  zu  Idstein  „nun  wirklich  maiorennis  seyn  und  sich  aller  Frey- 
bttis*,  rechts-  und  gutthats  freuen  und  gebrauchen  solle  und  möge,   die  denen 
nuyoreimtbus  von  rechtswegen  zukommen  und  gegönnet  werden,  ohne  männig- 
liehen  Eintrag  und  Verhindernuss/     Alle  Rate  seien  dergestalt  ihrer  vormund- 
»cbafUichen  Pflicht  entlassen.     Am  selben  Tage  ging  ein  Schreiben  gleichen 
Inhalts   an   Georg  August  ab.    Der   kaiserliche  Rat  Fersius   beglückwünschte 
den  letzteren  am  5./ 15«  April  zu  seinem  Erfolge,  worauf  am  8./ 18.  ein  artiges 
Dankschreiben   des  jungen  Grafen   abging.     An  diesem  Tage  gratulierte  auch 
der   Graf  von  Leiningen   mit  sauersüsser    Miene   brieflich   seinem   „freundlich 
gniiebten  Vetter"  und  ermahnte  ihn,   „dass  er  bei  seinen  Regierungahandlungen 
flach  mit  einem  dritten  unparteiischen  und  verständigen  Manne  sorgfältig  weiter 
Bberleg^   möge,   weilen  Übereilung   Ew.  Liebden   nicht  geringes  desavantage 
;en  möchte**^     Er  (Leiningen)   hätte  sich  der  Erlangung   der   venia  aetatis 
til  widersetzt,  „wenn  es  nur  gebührend  an  ihn  vorgebracht  und  nicht  hinter 
_td]ieizi  Rücken  expracticieret  worden  wäre,  dass  man  ihn  zum  consens  gleich- 
I  forcieret  habe^.  Er  habe  verhofft,  „seiner  Sorgfalt  besser  belohnet  zu  werden*^ 
Die  idsteinischen  und  usingischen  Räte  atmeten  auf     Am  I2./22.  Januar 
|084  itatle  Oraflf  noch  eine  Schrift  an  den  Grafen  Walrad  abgehen  lassen,  in 
welcher  er  seine  Waltung  gegen  Leiningens  Anschuldigungen  verteidigte.     Am 
I7./27.  Juni    1684    fand   auf  dem   Idsteiner  Schlosse  grosse  Huldigung    statt, 
welche  die  Räte  Schröder  und  Schmidtborn  an  ihren  Herren,  den  Grafen 
berichteten.     Achthundert   Beamte,   geistliche  und  weltliche,   aus  den 
Idstein  und  Burgschwalbach  schwuren;    Sekretär  Josa  wurde  zum  ge- 
and  K&xudeirat  ernannt     Nach  dem  Aktus  war  gemeinsames  Festessen, 
km  folgenden   Tage  begab  sieh  der  junge  üraf  mit  allen  Anwesenden  nach 


34 


Wiesbaden,  um  dort  die  Huldigung  aus  den  anderen  Landesteilen  m  erapfaogeü* 
Graf  Walrad  gratulierte  am  3,/13*  Juli  dem  Vetter  und  dem  Kanzleidirektar, 
Neunzehn  Jahre  und  vier  Monate  war  Georg  Augu&t  alt,  als  er  die  Regierung 
übernahm,  unter  Beihilfe  des  bisherigen  Leiters  der  Geschäfte,  des  Kanzlei- 
direktors Graff. 

Der  junge  Regent  zeigte  bald  Spuren  von  Tbatkraft;  das  geht  aus  dem 
Erlasse  vom  2L/31.  Januar  1685  über  die  Stadterweiterung  von  Idstein  hervor, 
dessen  wir  weiter  unten  ausführlicher  gedenken  werden.  Derselbe  giebt  seiner 
landesväterlichen  Fürsorge,  die  ihn  von  Anfang  an  beseelte,  das  schönste  Zeiigni». 
Auch  seine  Teilnahme  am  TQrkenkriege  in  demselben  Jahre,  auf  die  wir  noch 
zurückkommen,  bezeugt  seine  Energie.  Den  äusseren  Glanz  seines  alten  Hauses 
gedachte  er  zu  erhöhen,  indem  er  bei  allen  Agnaten  die  Erneuerung  der  fürst- 
lichen Würde  des  Hauses  Kassau  durch  den  Kaiser  in  Vorschlag  brachte.  Die 
Grafen  von  Ottweiler  und  Saai*brücken  lehnten  denselben  jedoch  ab;  denn  die 
Bache  war  ihnen  zu  kostspielig.  Aus  demselben  Grunde  erklärte  Johann  Emat 
von  Weilburg,  man  möge  ihm  drei  Jahre  Zeit  lassen,  damit  er  sich  besinnen 
könne,  ob  er  die  Fürstenwärde  annehmen  und  zu  den  gemeinschaftlichen  Kosten 
beitragen  solle  oder  nicht.  Endlich  vereinigten  sich  Idstein,  Usingen  und 
Weilburg  zu  dem  Antrage,  Sechstausend  Reichsthaler  aus  dem  Rüdesheinier 
Weinzehnteu  sollten  zur  Begleichung  der  gemeinsamen  Kosten  dienen.  Wieder- 
holt wurde  das  Gesuch  am  Wiener  Hofe  vorgebracht  und  endlich  vom  Kaiser 
bewilligt  Am  4.  August  (n.  St.)  1Ö88  wurden  drei  Urkunden  ausgestellt,  welche 
Georg  August,  Walrad  und  Johann  Ernst  die  den  nassauischen  Grafen  von 
Kaiser  Karl  IV.  im  Jahre  136G  verliehene,  bisher  nicht  geführte  fürstliche 
Würde  erblich  bestätigten.  Eine  Klausel  bezüglich  Johann  Ernsts  besagte,  dass 
dieser,  auch  wenn  er  sich  des  Fürstentitels  nicht  bediene,  dennoch  sein  Recht 
auf  denselben  behalten  solle.  Jetzt  aber  kam  das  Unvorhergesehene.  Statt 
6000  Thaler  kosteten  die  drei  Urkunden  noch  einmal  soviel  und  noch  mehr, 
nämlich  21 465  Gulden.  Sobald  Johann  Ernst  von  WeÜbnrg  davon  horte,  stand 
er  sofort  ab  und  erklärte,  seinesteils  nicht  zu  den  Kosten  beitragen  zu  wollen. 
Doch  machte  er  von  seinem  Rechte  Gebrauch,  das  ihm  in  der  Klausel  zuge- 
standen war.  Georg  August  von  Idstein  und  Walrad  von  Usingen,  die  von 
nun  ab  sich  „Fürsten^  nannten,  mussten  gute  Hiene  zum  bösen  Spiele  machen. 
Nicht  nur,  dass  sie  die  Kosten  allein  zu  tragen  hatten;  sie  sahen  sich  auch 
genötigt,  dem  Weilburger  den  dritten  Teil  der  6000  Thaler  herauszuzaMen. 
Daf&r  aber  behielt  man  in  Usingen  die  Urkunde  für  Weilburg  zurück*  Johann 
Ernst  hat  den  Titel  „Fürst**  nie  geführt;  erst  sein  Sohn  und  Nachfolger  Karl 
August  hat  ihn  angenommen. 

In  dem  durch  schwere  Kriegsläufte  bewegten  Jahre  1688,  dessen  wir  noch 
gedenken  werden,  schritt  der  nunmehr  dreiundzwanzigjuhrige  Fürst  Georg 
August  zur  Ehe.  Wie  w^ir  wissen,  hatte  sein  Oheim,  der  Graf  von  Leiningen, 
vor,  ihn  an  eine  Prinzessin  von  Pfalz-Birkenfeld  zu  verheiraten,  wahrscheinlich 
an  eine  der  Töchter  des  Pfalzgrafen  Karl  Otto.  Der  junge  Graf  ging  nicht 
darauf  ein.  Seine  Erwählte  war  Henriette  Dorothea^  Tochter  des  Fürsten 
Albrecht   Ernst   von   üttingen   (geb.    14,/ 24.  Februar    1672),    Die  Vermählung 


S6 


» 


Iknd  mm  12«/32.  Seplembor  1688  statt;  die  Ehe  ist  bU  zum  Lebensdode  des 
FfiiBten  glücklieli  gewesen,  t^hor  die  aus  ihr  entspruDgenen  Nachkommen 
wettet  aikteii. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Betrachtung  der  Teilnahme  dos  Grafen,  bezw. 
Fflnien  au  den  politischen  Ereignissen  seiner  Zeit. 

Um  die  Zeit,  als  der  Streit  der  beiden  Grafen  um  die  Vormundschaft 
über  den  jungen  Herreu"  von  Idstein  aufs  heftigste  entbrannt  war,  wurden 
die  Auf^on  der  europäischen  Christenheit  auf  eine  furchtbare  Gefahr  gelenkt, 
die  ihr  von  dem  Erbfeinde,  den  islamitischen  Osmanen,  drohte,^)  Gerade  beim 
Beginne  der  zweiten  ILilfte  des  17.  Jahrhunderts  erreichte  die  Türkenmacht 
ihre  weiteste  Ausdehnung  und  ihre  Höhe  unter  der  Herrschaft  des  Padischah 
Huhnmed  IV.  (1648—1687).  Der  Sultan  selbst  zeigte  zwar  nicht  die  min- 
deste Tfaatkraft  und  kam  den  krafkyollen  seiner  Vorganger  nicht  gleich;  die 
Jigd  war  sein  ganzes  Sinnen  und  Trachten.  Desto  nachdrücklicher  vertraten 
des  Reiebea  Interessen  die  Grosswesire,  namentlich  die  gewaltigen  Männer 
Xnbamed  und  Achmed  Köprili.  Der  erstere,  im  Jahre  1656  zur  Reichs« 
miltieteniteUe  berufen*  ein  7  5  jähriger  Greis,  war  es,  der  den  schon  wankenden 
nrofi  de«  Beherrschers  der  Gläubigen  noch  einmal  mit  kräftigen  Stützen  ver- 
•mlL  Die  Kabalen  des  Harem  und  der  Grosswürdenträger  verstand  er  zu 
durchkreuzen  und  die  Übermacht  der  Kriegerkaste  der  Janitacharen  zu  brechen. 
Diese  modernen  Prätorianer  schienen  während  der  Minderjährigkeit  des  Sultans 
gttradesu  daraof  auszugehen,  das  Reich  in  eine  Kriegerrepublik  umzuwandeln. 
Dem  Denen  Grosswesir  gelang  die  Erneuerung  der  Autorität  der  Nachfolger 
Omiyu»!  gründlich,  weil  er  mit  gewaltthätiger,  blutiger  Strenge  jeden  Wider- 
ftsod  niederzwang.  Selten  hat  es  einen  blutdurstigereü  Wüterich  gegeben  als 
den  ersten  Koprili^  der  bedachtsam,  aber  systematisch  die  Rebellenkdpfe  zu 
den  FOflsen  seines  Herrn  rollte.  Aber  er  machte  damit  dem  Parteigetriebe  in 
Stambnl  ein  Ende  und  schuf  die  Möglichkeit,  die  Macht  des  Reiches  nach 
zu  erweitern.     Dieses   letztere  Werk   nahm  sein  ihm  ungleicher,  gros- 

Sohn  Achmed  in  die  Hand,  ein  aufgeklärter,  toleranter,  wissenschaftlieh 
ttod  Itriegstechnisch  gebildeter  und  verhältnismässig  humaner  Mann.  Unter  ihm 
ilieg  die  osmaniscbe  Macht  in  den  drei  Erdteilen  bis  zum  Gipfel.  Das  Ziel, 
des  rieb  dieser  Koprili  gesteckt  hatte,  war  kein  geringeres  als  das,  sämtliche 
Kriege,  die  er  von  seinem  Vorfahren  überkommen  hatte,  bis  zur  Unterwerfung 
der  Oe^er  zu  fuhren. 

So  begannen  denn  Rossschweif  und  Koran  den  Kampf  gegen  das  Kreuz 
anf  dem  sehwankenden  Gefilde  des  Griechenmeeres  gegen  die  seemächtigen 
Teaezianer,  wie  in  den  weiten  sarmatischen  Steppen  des  Ostens  gegen  die 
Bittsen  nnd  Polen  tmd  in  den  kroatischen  und  steirischen  Bergländern  gegen 
Österreich«  Romanismus,  Germanen-  und  Slawentum  waren  durch  den  Sturm 
dbi  labuD  bedroht  Mit  dem  Aufgebot  aller  Kräfte  widerstand  die  deutsche 
idiswehr  dem  Anfalle  der  Moslemen  in  der  Schlacht  bei  Sankt  Gotthardt  an 


'i    Das  Folgvode   tni  niieh  Hsmiiief,  Zinkeiaen,  Eftnke  (Dio  Osrnsiien  uod  ilio 
1|pt8iMsb#  Moaareklf)  imd  dem  Theatmm  Earopaenm  X— Xlfl, 


36 


der  Raab  (1664).  Hier,  wo  Georg  Augusts  älterer  Bruder  fiel  (s.  c),  errangen 
die  Christen  zum   erstenmale   einen   Sieg  im  offenen  Felde   über  die  Türken* 
Nutzen  brachte  derselbe  aber  nur  insofern,  als  der  Gross wesir  einen  zwanzig-       ^ 
jährigen  Waffenstillstand  gewährte.     Achmed  blieb   im  Besitze   des   von   ihm  ^| 
Eroberten,    namentlich  der  starken  Festung  Neuhäusel,   die  er   zu  einem   noch 
bedeutenderen    Bollwerke    umsefauf,    um   ein    stets   offenstehendes    Ausfallsthor 
gegen   das   römisch -deutsche  Reich  zu  haben.     Völlig   siegreich    war  Eöprili 
gegen  die  Venezianer.     Als  nach   langer,   furchtbarer  Belagerung   das  holden-  fl 
mutig  verteidigte  Candia  in  seine  Hände  fiel,  da  war  der  Riegel  vor  der  Thür       i 
zur  Herrschaft   der   Osmanen   im   Ostbecken    des   Mitteimeeres    weggeächlagen 
(1669)*    Und  auch  der  slawische  Osten  fühlte  die  Schläge  des  sieghaften  mos- 
lemischen Reichsverwesers,     Es  war   die    Tapferkeit   und   der   Mannesmut   des 
grossen  polnischen  Krongrossfeldherrn   (später  Königs)    Johann  Bobieski   nötig, 
um    es   zu   erreichen,    dass   die  Länder   an   der  Weichsel   nicht   von    den   Os-       , 
manen  dauernd  behauptet  wurden.     Die  Tage  von  Lemberg  und  Chocim   ver-  H 
hinderten  dies;   aber  das  wichtige  Camieniec   und  ganz  Podolien  blieb   in  der  ™ 
Gewalt  der  Türken,   ungeachtet  die  Zehntausende   der   aus  den  Gebieten  des      a 
Don,  Dnjepr  und  Bug  fortgeschleppten   Sklaven.     Camieniec   sollte  im   Osten  H 
demselben  Zwecke  dienen  me  Neuhäusel  im  Westen,     Dort   waren    auch    die   ~ 
Russen  niedergehalten   und  die  republikanischen  Kosaken   und  der  Khan   der 
krimischen  Tataren  der  Oberhoheit  des  Grossherrn  aufs  neue  unterstellt  worden. 

Mitten  im  Siegeslaufe,  nachdem  er  noch  die  Huldigungen  von  Gesandt* 
Schäften  aus  aller  cfaristHchen  Herren  Ländern,  welche  dem  Sultan  in  Stambul 
dargebracht  wurden,  erlebt  hatte,  wurde  Achmed  Köprili  plötzlich  durch  die 
Stimme  des  Weltenachicksals  abberufen.  Der  Erbe  seiner  Stellung  und  seiner 
Pläne  ward  sein  Nachfolger,  sein  Schwager  Kara  Mustafa,  d.  h.  der  schwarze 
Mustafa*  Nach  neuen  Siegen  im  Osten  begann  dieser  den  Ansturm  auf  das 
Herz  Europas,  auf  das  deutsche  Land,  unterstützt  von  der  magyarischen  Re- 
bellion. Der  Welt  wurde  es  klar,  was  auf  dem  Spiele  stand,  als  der  Türke 
im  Frühjahre  1683  seine  Hunderttausende  fast  ohne  Widerstand  zu  finden  zur 
Belagerung  Wiens  heranwälzte:  Christentum  und  Kultur!  Welche  Spannung  j 
damals!  Wer  wird  siegen  im  Entscheidungskampfe?  Die  Weltgeschiclite  bat  ^| 
es  Terzeichnet.  Das  tapfere  Wien^  der  Heldenmut  deutscher  Bürgerschaft  hat  ^ 
der  Unfähigkeit  des  erbfeindlichen  Feldherrn  und  der  Wut  der  Weltstürmer 
so  lange  widerstanden  bis  die  germanische  und  slawische  Kriegsmacht  geeint 
den  Eroberungsstrom  der  Osmanen  in  seinem  Bette  zurückdrängen  konnte.  Die 
Schlachten  von  Wien  und  Parkanj  geboten  ihm  Halt. 

Nun  rüstete  man  sich  im  deutschen  Keiche  zum  energischen  Benützen 
der  errungenen  Siege.  Zum  erstenmale  wurde  im  Jahre  1684  der  Angriffs- 
krieg gegen  die  Türken  unternommen.  Den  Oberbefehl  über  das  kaiserliche 
und  Reichsheer  erhielt  der  Herzog  Karl  von  Lothringen;  der  bayerische, 
schwäbische  und  fränkische  Kreis,  sowie  die  Herzöge  von  Celle  und  Lüneburg 
Hessen  ihre  Kontingente  nach  Ungarn  abrücken.  Doch  kamen  die  meieteii 
HilfsYölker  erst  mit  Beginn  des  nächsten  Jahres  an.  Inzwischen  hatte  Kaiser 
Leopold  mit  den  Republiken  Polen  und  Venedig  die  sogenannte  TripeUAllianz 


I 


37 


Wider  liie  Tfirkon  goschlosson,  un^STOere  wurden  also  von  drei  Seiten  aoge- 
griffen.  Die  Fortschritte  de»  Herzogs  von  LotUringou  warea  aofangs  bedeutend« 
Kr  fiähm  Wtsohegrad  ein,  siegte  glänzend  bei  Waitzen  (L  Jnli  n«  St.)  und 
eroberte  diese  Stadt  sowie  Pest  und  Verowitz,  worauf  er  die  Belageraog  von 
Obn,  des  Hauptbollwerkes  der  Türkenmacht  in  Ungarn,  begann  (14.  Juli  n.  St)* 
Nun  aber  entfaltete  der  neue  tieraskier  (Gener alissimuö  der  Türken)  Ibrahim^ 
Seheiian  (der  Teufel)  geDannt,  der  den  wegen  seiner  Niederlagen  erdrosselten 
Kurm  Mustafa  im   Felde  ersetzte,   eine   solche   Thätigkeit,   dass   nicht   nur   die 

n   glücklich    weit   vorgeschrittene    Belagerung   Ofens    aufgehoben,    sondern 
leh  Waitzen  wieder   aufgegeben  werden   musste.    Erst  im  Frühjahre   1685, 
ab  das  kaiserhehe  Ueer   verstärkt  worden   war  und   der  grössere  Zuzug   aus 
im  Reich  begann,  konnte  man  wieder  an  ein  Yorgehen  denken.    Jetzt  erhielt 

Herzog  von  Lothringen  den  Titel  Generallieutenant    Unter  ihm  befehligte 

Keichsgeneral,  Generalfeldmarscball  Fürst  Georg  Friedrich  von  \Yaldeck, 
mit  dem  Herzoge  von  Croj%  dem  Prinzen  von  Pfalz-Neuburg  und  den  Grafen 
de  Smiches  und  ScbarfFenberg  die  Infanterie*  Die  Kavallerie  stand  unter  den  Be* 
fehlen  des  Generalfeldmarachatls  Grafen  Caprara^  dem  der  Markgraf  von  Bades, 

Grafen  von  Ladron,  Taffe,  Palfy,  Dunewald,  StjTum  und  der  Baron  von 
ircy  untergeben  waren.  Obrist  Breuner  war  der  Artillerie  vorgesetzt  Die 
Armee  richtete  ihre  Absicht  auf  das  wichtige  Neuhäusel,  das  von  etwa  5000 
Mann  verteidigt  wurde.  Ohne  dessen  Besitz,  das  fühlte  man,  war  der  Haupt- 
etttdl  Ofen  nicht  ernstlich  beizukommen.  Die  Festung,  an  der  Neutra  gelegen, 
wurde  vorerst  eingeschlossen  und  ihr  die  Zufuhr  abgeschnitten.  Es  besorgte 
diea  der  kühne  Reiteroberst  Heissler,  die  „Türkengeissel"  genannt,  well  er 
mieriiiüdltch  in  Angriffen  und  Überfallen  war  und  den  Feinden  vielen  Schaden 
e.  Alle  Ausfalle  der  Besatzung  wurden  zurückgewiesen,  die  Verprovian- 
iversuche  des  Paschas  von  Ofen  vereitelt,  der  Entsatz  des  ungarischen 
ibeOenbeeres  unter  dem  „Könige^  von  „Muhameds  Gnaden^,  Emerich  Tökoly, 
wie  der  Tataren  verhindert*    So  entstand  bald  Hungersnot  in  Neuhäusel,  und 

Pascha  sandte  die  gefangenen  Christen  zumeist  hinaus,  um  der  Esser 
ijiiger  zu  haben.  Nichtsdestoweniger  wehrten  sich  die  Türken  kräftig  und 
Verursachten  den  Kaiserlichen  und  Reichstruppen  mitunter  heftigen  Schaden; 
oameiitlicb  hatten  sie  es  auf  die  hohen  Offiziere  abgesehen,  die  sich  oft  zu  sehr 
lilo688tellten*  So  fiel  u.  a.  der  25  jährige  mannhafte  Prinz  Ferdinand  Wilhelm 
von  Württemberg-Neustadt. 

Am  27.  Juni  (7.  Juli)  16S5  rückte  der  Herzog  Karl  mit  seiner  gesamten 

il,   40000   Mann   kaiserlicher,   lüneburgischer,   cetliseher,   bayerischer   und 

olner  Truppen,  zur  Belagerung  heran,  Hess  ein  Lager  beziehen  und  das* 
Jilbo  mit  einer  doppelten  Schanzenreihe  und  mit  Redouten  befestigen.  Nach^ 
dem  am  10.  die  schwäbischen  Truppen  angekommen  waren  und  man  eiuen 
wüc^^fiden  Ausfall  der  Türken  abgeschlagen  hatte,  wurde  nach  gehaltenem 
Kriegsrate  am  L/IU  sofort  mit  dem  Baue  der  Approchen  begonnen,  welche 
gegen  die  hochgelegene,  befestigte,  citadeUartige  Moschee  geführt  wurden.  Die 
ArbeÜea  nahmen  an  den  folgenden  Tagen  unter  stetem  Feuer  der  Belagerten 
ihruü  Fortgang.   Am  5./i5.  begann  die  BesclüesBuug,  am  10*/20.  wurde  bereits 


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Bresche  gelegt,  und  am  lL/21,  und  12./22,  brach  in  der  bedräogten  Feste 
Feuer  aus.  Unterdessen  feierte  am  5./15.  der  Kaiser  Leopold  zu  Wien  die 
Vermählung  seiner  Tochter  Maria  Antonia  mit  dem  löwenherzigen  Kurfürstou 
MaxLmUian  Emanuel  von  Bayern,  An  diesem  Feste  mitten  im  Kriegslärm 
nahm  die  ganze  Menge  der  zum  Feldzuge  berzugeströmten  Reichsfürsten  teil, 
und  unter  diesen  befand  sich  auch  der  ^Yolontair"  Graf  Georg  August  Ton 
Naasau-Idstein.  Sein  Kammerdiener  J.  P.  Heybach  berichtet  in  fünf  im  Wies«' 
badener  Archive  vorhandenen  Briefen  au  Direktor  Graff  über  die  Ereignisse 
der  folgenden  Tage,  welche  Mitteilungen  genau  mit  den  Angaben  des  Theatrum 
Europaeum  übereinstimmen.  Im  l.  Briefe»  vom  5./15,  Juli  (ohne  Ortaangabo) 
erzählt  er,  das»  unter  anderen  Herren  die  Grafen  von  Weilbui^,  Wittgenstein 
und  Waldeck  mit  Kurierschiff  die  Bouau  abwärts  angekommen  seien  und  dass 
die  anderen  bald  folgen  würden.  (Die  Hochzeit  verlief  schnell^  und  der  Kur- 
fürst ging  schon  am  anderen  Morgen  zur  Armee  ab,)  An  demselben  Tage  seien 
auch  die  kurkolnischen  Söldner  eingetroffen.  Der  2.  Brief  vom  12./22.  Juli 
meldet  die  Ankunft  mit  der  Equipage  im  Lager  vor  Neuhäusel,  Der  Graf  von 
Waldeck  (den  die  fränkischen  Kreistruppen  begleiteten)  habe  sich  sofort  zur 
Armee  begeben  und  die  Approchen  besichtigt,  die  bis  an  den  Wall  vorgerückt 
waren.  Es  ging  das  Gerücht,  dass  der  Seraskier  (Ibrahim  „der  Teufel^)  mit 
60000  Mann  diesseits  Kovigrad  stehe  und  dass  der  Herzog  mit  dem  Heere 
dem  Feinde  entgegengehen  solle.  (Das  war  thatsächlich  der  Fall.  Am  14./24* 
bestätigte  der  streifende  Oberst  Heiasler  die  Nachricht,  meldete  auch,  dass  der 
Pascha  von  Ofen  zum  Entsatz  Neuhäusels  rüstete.  Am  selben  Tage  gegen 
Abend  fielen  die  Türken  gegen  die  schwäbischen  Truppen  aus,  überraschten 
sie  und  fugten  ihnen  vielen  Schaden  zu.)  Der  3.  Brief  vom  21./31,  Juli  meldet 
von  einem  erfolgreichen  Ausfall  der  Belagerten  am  19./29.  (an  den  beiden  vor- 
hergehenden Tagen  waren  gleichfalls  Gefechte  vorgefallen).  Sie  steckten  mit 
Blitzpfeilen  die  Galerieen  in  Brand  und  verbrannten  die  bayerischen  Schanzen. 
Die  Belagerer  hatten  den  Festungsgraben  angestochen,  sodass  das  Wasser  an 
einer  Stelle  stromweise  abfloss;  doch  gelang  es  den  Türken  die  Stellen  wieder 
zu  verstopfen.  (Eine  Aufforderung  zur  Übergabe  beantwortete  der  Pascha  damit, 
dass  er  sagte,  die  Schlüssel  zur  Festung  seien  in  Ofen;  dort  möge  man  sie 
holen.  Am  folgenden  Tage  20,/30.  Juli  erschien  der  Seraskier  mit  gesamter 
Macht  vor  Gran  und  begann  sofort  dessen  Einschliessung.  Verteidigt  wurde 
die  Festung  durch  den  Oberstlieutenant  von  Strasser.  Bo  erlebte  man  die 
merkwürdige  Thatsache,  daas  zwei  grosse  feindliche  Armeen  zwei  nahe  bei 
einander  liegende  Pesten  umlagerten,  weil  jede  der  letzteren  für  den  feindlichen 
Teil  von  Wichtigkeit  war.  Und  jede  ward  mit  Heldenmut  gegen  die  Über- 
macht verteidigt)  Im  4.  Briefe  vom  25.  Juli  (4,  August)  berichtet  Heybach 
über  einen  neuen  Ausfall  der  Türken  aus  Neuhäusel.  Sie  säbelten  (am  2.) 
50  Mann  der  Arbeiter  nieder*  (Dabei  wurde  auch  der  General  de  Souches 
schwer  verwundet,  als  er  die  neu  hergestellten  bayerischen  Batterieen  besah.) 
Am  folgenden  Tage  kam  der  Oberst  Bernstoss  an,  begab  sich  mit  dem  H»  > 
von  Neu  bürg  in  die  Approchen  und  wurde  sofort  erschossen.  Täglich  bl 
viele  Soldaten,   Aber  mit  der  Beschiessung  ging  es  jetxt  nachdrücklicher  vorafl| 


i 


89 


Dema 


iK        tmler 
HSobwa 


eiije  iMicsena  von  zwanzig  omcKO»  crnelitet  wordcu  war*  Ücr  5.  und 
Brief  ut  um  2./ 12.  August  gGachiicbeu  und  berichtet  von  der  Eiuaabme 
Wbchograds  durch  die  Tarlcen,  31.  Juli  (10.  August).  Sie  umlagertou  diese 
tnit  15000  MaQQ)  forderten  sie  zur  Ergebung  auf,  ließsen,  ak  diese 
ward,  eine  Mine  springen,  die  Bresche  legte.  Die  beiden  crAten 
wurden  abgeschlagen;  beim  dritten  fiel  die  Stadt*  Der  Pascha  lies« 
im  fieaatzuog  frei  absdehen  und  bis  zur  Armee  bei  Oran  convoyieren. 

Po»  blutige  Drama  bei  Neuhäusel  und  Gran  nahte  seineni  Ende.  Vera 
Qod  dem  Kriegsrate  erhielt  Herzog  Karl  den  Befehl^  den  Türken  ent* 
xurücken«  Bei  Komorn  setzte  er  über  die  Donau,  ein  Korps  vor  Neu* 
zurücklassend.  Dies  veranlasste  Ibrahim  Scbeitan,  die  Belagerung  Grans, 
ihm  »chon  3000  Janitscharen  gekostet  hatte,  aufzuheben  und  eine  feste 
Stellung  hinter  einem  grossen  Moraste  zwischen  dem  Gebirge  und  der  Donau 
ehmen.  Hier  war  er  unangreH'bar,  das  sahen  die  ihm  in  Schlachtordnung 
inübar  aufmarschierten  Christen  wohl.  Man  suchte  durch  einen  verstellten 
ug  den  stegesgewissen  türkischen  Feldherrn  aus  seiner  Stellung  heraus^ 
loekeo,  und  er  ging  wirklich  in  die  Falle.  In  der  Nacht  vom  5.;' 15.  zum 
S./16.  August  hatte  er  die  Kühnheit^  den  weichenden  Christen,  die  er  für  nur 
20000  Mann  stark  hielt,  über  den  Morast  nachzusetzen  und  dieselben  anzu- 
grttfen*  So  entspann  sich  die  Schlacht  bei  Gran,  die  um  die  Mittagszeit  des 
6*/18.  mit  der  völligen  Niederlage  und  Auflösung  der  Türken  endigte.  Der 
Sefaskier  wurde  verwundet  und  verlor  5000  Manu,  während  die  siegreichen 
iten  nur  etwa  100  Tote  zu  beklagen  hatten.  Das  besiegelte  das  Schicksal 
feubiusels.  Trotzdem  ihm  der  Grossherr  mit  Übersendung  der  seidenen  Schnur 
gedroht  hatte,  wenn  er  sich  nicht  hielte,  hatte  der  Pascha,  der  mit  seinen 
Lenteo  schrecklich  Hunger  litt,  doch  die  Übergabe  gegen  freien  Abzug  ange- 
boten. Daa  wurde  ihm  abgeschlagen.  Am  L/Il.  erneuerte  man  die  Galerieen; 
am  6,/ 16,  rekognoseierte  ein  kühner  bayerischer  Grenadier  die  Schanzen  und 
fiuid  «ie  schwach  besetzt,  so  dass  für  den  7./17,  der  allgemeine  Sturm  vorbc- 
rehel  wurde.  Es  trat  aber  Regenwetter  ein,  und  das  veranlasste  die  Yer- 
•ebjebimg  der  Dispositionen.  Am  8./ 18.  kam  von  Gran  ein  Schiff  mit  Türken- 
köpfosi  an,  die  man  zum  Schrecken  der  Belagerten  rings  um  die  Stadt  auf 
Slaogen  aufsteckte.  Dann  begann  am  9./ 19.  August  der  Sturm  auf  Neuhäuscl 
tmler  Führung  des  Generals  Grafen  Scharfenberg  (Kaiserliche,  Lüneburger, 
Sobwaben)  und  des  Generalwachtmeisters  Rumel  (Kaiserliche,  Kölner,  Bayern, 
;eii)-  Der  Graben  war  mit  Faschinen  gefüllt,  und  bis  zur  Bresche  war 
Damm  geführt  worden.  Die  entkräftete  Besatzung,  die  sich  kaum  zu  wehren 
wmioebte,  wurde,  trotzdem  sie  die  weisse  Fahne  aufgesteckt  hatte,  nieder- 
gebmoeii»  Ton  3000  blieben  nur  200  übrig,  meistens  türkische  Frauen  und 
Kinder,  die  an  kaiserliche  Kavaliere  verkauft  wurden.  Der  Pascha  fiel;  seine 
grome  Fahne  (18:10  Fuss  gross),  93  Kanonen,  200  Centner  Pulver  u.  a.  m, 
worden  erbeutet*) 

Graf  Georg  August  nahm  an   der   Belagerung  Neuhäusels   und   an  der 
ikebt   bei  Gran    thätigen    Anteil.^)     Eine   Zeitlang   scheint   in    Idstein    ein 


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falsches  Gerücht  you  seinera  Tode  verbreitet  gewesen  zu  sein,  weshalb  er  sich 
veranlasst  sah,  zwischen  dem  4.  und  5.  Schreiben  Heybaoba  selbst  einen  Brief 
an  den  Kanzleidirektor  Graff  asu  richten,') 

Inwieweit  der  Graf  noch  an  den  folgenden  Kriegsereignissen  dieses  Jahres 
beteiligt  war,  ist  aus  den  Akten  nicht  ersichtlich*  Wahrscheinlich  kehrte  er 
bald  nach  dem  Falle  von  Keuhäosel  heim.  Wir  verlassen  mit  ihm  die  magyarißchen 
Ebenen,  nur  noch  bemerkend^  dass  noch  im  Jahre  1685  Essegg  erobert  wurde, 
die  Türken  Novigrad  und  Wischegrad  räumten  und  die  Unterwerfung  Ungarns 
durch  die  Einnahme  von  Eperies  und  Kaachau  ihren  Anfang  nahm.  VoUendet 
wurde  sie  nach  der  Erstürmung  von  Ofen  (1686)  durch  die  Entscheidungs- 
schlacht von  Mohacz  (2./ 12.  Aug.  1687),  obwohl  der  Türkenkrieg  noch  zwöli 
Jahre  währte.  Der  Bluttag  von  Eperies  lieferte  das  magyarische  Königreich 
dem  habsburgiscben  Herrscher  auf  Gnade  und  Ungnade  in  die  Hände. 

Ein  Jahr  darauf  drohte  dem  Reiche  eine  andere  Gefahr  durch  die 
Eroberungssucht  des  französischen  Königs.  Bekanntlich  begann  damals  Lud-* 
wigXIV.  den  dritten,  sogenannten  orleansschen  Raubkrieg  (1688 — 97).  Es  würde 
uns  zu  weit  führen,  wenn  wir  denselben  bis  ins  einzelne  verfolgen  wollten. 
Er  hat  hier  nur  insofern  für  uns  Interesse,  als  Fürst  Georg  August  an  dem- 
selben beteiligt  war,  (S.  Anhang  4.)  Er  hat  die  Peldzüge  von  1692  und  1693 
in  Brabant  mitgemacht,  jetzt  also  27,  bezw.  28  Jahre  alt.  In  den  Nieder- 
landen standen  sich  damals  der  Konig  von  Frankreich  und  der  von  England, 
Wilhelm  von  Oranien,  gegenüber.')  Wilhelm  HL  war  kein  unbegabter  mili- 
tärischer Heerführer;  es  scheint  ihm  aber  das  Glück  nicht  beigestanden  zu 
haben,  und  Glück  muss  man  als  Feldherr  haben,  das  sagt  sowohl  Cäsar  wie 
auch  der  grösste  Heerführer  dieses  Jahrhunderts.  Der  König  gebot  ausser 
seinen  englischen  und  holländischen  Truppen  auch  über  die  Reichskontingente 
von  Bayern,  Sachsen,  Hessen,  Brandenburg  und  Braunschweig- WoUfenbilttcl 
Der  Reichsgeneral,  Generalfeldmarschall  Fürst  von  Waldeek,  der  1690  bei 
Pleurus  eine  schwere  Niederlage  erlitten  hatte,  spielte  in  diesen  kommenden 
Feldzügen  keine  Rolle  mehr;  er  starb  Ende  1692,  Wem  auf  alliierter  Seite 
Georg  August  zugeteilt  war,  ist  nicht  bekannt.  Der  Feldzug  von  1692  wurde 
von  König  Ludwig  durch  die  Belagerung  von  Namnr  eröffnet.  Geleitet  wurde 
dieselbe  durch  den  genialen  Vauban.  Acht  Tage  nach  Eröffnung  der  Lauf- 
gräben fiel  die  Stadt  den  Franzosen  in  die  Hände.  Die  höher  gelegene  Cita- 
delle  (Port  William)  wurde  von  dem  tapferen  holländischen  Ingenieur  Menno 
van  Coehorn,  dem  späteren  Helden  des  spanischen  Erbfolgekrieges  tapfer  ver- 
teidigt, musste  aber  auch  am  20./30.  Juni,  fünfzehn  Tage  nach  Übergabe  der 
Stadt  kapitulieren.  Ludwig  begab  sich  darauf  triumphierend  nach  Hause. 
König  Wilhelm  aber,  der  sich  vergebens  zum  Entsätze  Namurs  genähert  hatte, 
versuchte  in  offener  Feldschlacht  die  Scharte  auszuwetzen.  Am  5.  August  übor- 
iiel  er  den  Marschall  de  Luxembourg  in  seinem  Lager  bei  Steenkerke,  Man 
schlug  sich  auf  beiden  Seiten  sehr  erbittert  und  verlor  gleichviel  Mannschafl, 
je  an  7000  Mann.     Im  Anfang  waren  die  Verbündeten  im  Vorteil,   sagt  das 


*)  8.  ^nhatig  6^  -<  *)  The^trum  Europsettm  XIV*,  Smhr^  lSdS-94. 


41 


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I 


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m  Kumpftoum,  „big  da-ss  gegen  Abend  der  MarsehaU  BaufHers  von 
uxamn  Cbrpo  einige  Trouppen  und  Canoncn  anbrachte;  dadttrch  die  Brigade 
Fagel  unter  dem  Conimando  dea  Printiien  von  Naasau-Saarbröcken  viel  ausa- 
ftolm  mtissl^*^  Ohne  Zweifel  ist  unter  diesem  Printzen  von  Nassau-Saar- 
brÜckoD  Walrad  von  U«ingen,  oder  Georg  August  gemeint,  wenn  hier  nicht 
ito  Dmckfehlor  für  Nasaau- Weilburg  obwaltet,  de^aen  Graf,  Johann  Ernst,  da- 
stab  boUAndischer  Generalmajor  war.  Dagegen  kämpfte  der  eigentliche  Graf 
vöo  NaMau*Saiirhrückenj  Ludwig  Kraft,  auf  franzüsischer  Seite.  Die  Schlacht 
villi  Sieenkerke  blieb  unentschieden,  obwohl  &ich  die  Franzosen  den  Sieg  in 
derselben  zuBchrieben.  £in  zerschmetternder  Schlag  traf  dagegen  die  letzteren 
in  dieeem  Jahre  durch  die  Seeachlacht  bei  La  Hogue  (19J29.  Hai  1692),  die 
Benjamin  West  durch  sein  Gemälde  verewigt  hat.  Hier  wurde  die  vierzig 
Segel  ilarke  französische  Flotte  unter  Admiral  TourrUle  von  der  onglisch- 
niederUndiscfaen  unter  Rüssel  und  van  Almonde  vollständig  vernichtet. 

J>er  Feldzug  von  1693  fand  den  Marschall  de  Luxembourg  in  der  Offeu* 
rive  gi!gett  Konig  Wilhelm.  Der  französische  Oberbefehlshaber  eroberte  die 
PeelttDg  Huy  und  griff  am  19./29,  Juli  den  Gegner  in  dessen  befestigtem  Lager 
bri  Landen  und  Neerwinden  an*  Es  begann  hier  eine  mörderische  Schlacht  Den 
2ur  Stellung  der  Verbündeten  bildete  das  Dorf  Neerwinden  auf  dem 
Flügel  der  letzteren.  Zweimal  nahmen  es  die  Franzosen,  die  übrigens 
fai  eteiker  Übermacht  sich  befanden,  zweimal  verloren  sie  es  wieder,  bis  endlich 
nachraitlags  der  dritte  Sturm  gelang.  Wilhelm  verfuhr  sehr  umsichtig,  aber 
•eine  Retterei  war  schuld,  wenn  er  keine  Erfolge  errang.  Als  die  fi-anzösischo 
Kavallerie  aus  Neerwinden  vorbrach  und  auf  das  wankende  Fussvolk  der  Ver- 
bQodeten  einhieb,  liess  der  Konig  die  seinige  sich  dem  Ungestüm  der  Feinde 
Büiygeowerfen ;  sie  wich  aber  sofort.  In  grusster  Eile  zog  darauf  Wilhelm 
ieeha  Bataillone  Fussvolk  aus  den  Landener  Schanzen  auf  dem  linken  Flügel 
berfiber.  Die  dort  entstandene  Lücke  ersah  das  geübte  Auge  des  französischen 
Feldherrn;  durch  einen  gewaltigen  Sturm  Hess  er  auch  hier  die  feindliche 
Bleihmg  durchbrechen,  worauf  sich  das  verbündete  Heer  in  wilde  Flucht  auf* 
IMe.  Das  Lager  mit  75  Kanonen  und  66  Fahnen  fiel  den  Franzosen  in  die 
UÄndo;  die  Besiegten  verloren  12000  Mann.  In  der  Schlacht  bei  Neer- 
winden war  es  (s*  Anhang  4),  in  welcher  dem  Fürsten  Georg  August  ein 
Pferd  unter  dem  Leibe  erschossen  wurde,  worauf  er  sich  auf  dem  Pferde  des 
SattelkBeebts  aus  dem  Getümmel  rettete.  Er  focht  auch  hier  mit  seinem  Yetter 
Johaon  Ernst  von  Weilburg  gegen  den  anderen  Vetter  Ludwig  Kraft  von 
SaarbrQekeD. 

la  demselben  Jahre  errang  Ludwigs  Feldherr  Catinat  in  Italien  bei 
Marsaglia  (4./14.  Oktober)  einen  Sieg  und  konnte  in  Deutschland  der  kaiser* 
fidie  Obergenora]  Markgraf  Ludwig  von  Baden  keine  nennenswerten  Erfolge 
erselen.  Aber  auch  die  Krafl  der  Franzosen  erschöpfte  sich.  Und  der  kriegs« 
geAbie  Marschall  de  Luxembourg  starb  bald  nach  seinem  letzten  Siege.  In 
den  Jahren  1604  bis  1696  wurde  der  Krieg  nur  lässig  geführt;  zu  Anfang 
1897  begann  König  Karl  von  Schweden  den  Frieden  zu  vermitteln*  Zu  Rys- 
wijk,  einem  Dorfc  in  der  Nähe  des  Haag,  flogen  im  April  letztgenannten  Jahren 


42 


die  FricdonsuntcrhandluDgen  an,  an  denen  auch  die  nassauisohen  Grafen  thätig^n 
Anteil  nahmen.^)  Namentlich  war  es  der  Oeneralfeldmarschall  Für^t  Walrad 
von  UaiDgen,  der  die  Sache  seines  Hauses  energisch  vertrat  Im  Dezember 
16D4  schon  hatten  Usingen,  Weilburg  und  Idstein  eine  Hauskouferenz  abge- 
halten und  die  Intervention  Schwedens  einzuholen  beschlossen,  damit  alle  dem 
Hause  Nassau  von  den  Franzosen  weggenommenen  Besitzungen  zurückerstattet 
wiirden.  Wegen  der  Grafschaft  Sponheira  glaubte  man  an  dem  Markgrafen 
Ludwig  von  Baden,  der  Mitbesitzer  derselben  war,  eme  einflussreiche  Stütze 
zu  haben;  auch  in  den  anderen  Fällen  mochte  dieser  hilfreich  sein.  Ausser- 
dem  vertraute  man  dem  Kurfürsten  von  der  Pfab,  obwohl  Fürst  Walrad  einen 
geheimen  Widerwillen  gegen  diesen  Enkel  eines  „Renegaten**  nicht  verhehlen 
konnte.  Zur  nachdrücklicheren  Wahrung  der  Hausrechte  wurde  ein  besonderer 
gemeinsamer  Vertreter,  der  Weilburger  Rat  Ludwig  Johann  von  Savigny»  nach 
Ryswijk  entsandt.  Georg  August  und  Johann  Ernst  waren  anfangs  gegen  die 
Abordnung  aus  pekuniären  Gründen.  Walrad  aber  betonte  die  Notwendigkeit 
unter  Hinweis  darauf,  dass  ehedem  zu  Münster  und  Osnabrück  drei  nassauiscbe 
Gesandte  an  den  Verhandlungen  teilgenommen  hätten,  so  nachdrückliehf  dass 
sich  die  Vettern  fügten.  Die  Franzosen  hatten  die  Städte  und  Dörfer  Saar* 
brücken,  Saarwerdeu,  Ottweiler,  Homburg,  lürchheim,  Stauf  und  Herbizheim 
„reuniert*^  und  katholisiert ;  Savigny  wurde  beauftragt  diese  Bestimmungen 
rückgängig  machen  zu  lassen.  Seine  Stellung  wurde  noch  einflussreicher,  als 
Um  auch  die  Protestanten  des  Oberrheinkreises  zu  ihrem  Vertreter  wählton, 
damit  er  mit  dem  katholischen  zugleich  dahin  wirke,  dass  in  seinem  Mandat* 
gebiete  die  ehemaligen  politischen  und  religiösen  Zustande  wiederhergestellt 
würden.  Trotzdem  dauerte  es  noch  bis  zum  August,  ehe  Savigny  nach 
Ryswijk  abging,  wo  unterdessen  Walrads  spezieller  Rat  Gramer  mit  seiner 
VortretuDg  beauftragt  war.  In  Koblenz  hatte  der  Gesandte  eine  Unterredung 
mit  dem  Erzbischofe  von  Trier,  Johann  Hugo  von  Orsbeck,  und  anderen  Uäuptem 
des  Oberrheinkreises,  die  ihm  namentlich  ans  Herz  legten,  dahin  zu  trachten, 
dass  Luxemburg  nicht  bei  Prankreich  bleibe,  sondern  an  Spanien  zurückkomme. 
In  Düsseldorf  empfing  er  Empfehlungsbriefe  des  Km*fürsten  Johann  Wilhelm 
von  der  Pfalz  an  dessen  Gesandten,  Baron  von  Wieser,  und  an  den  kaiserlichen 
Abgeordneten.  Savigny  führte  ein  ausführliches  Verzeichnis  der  zurückverlangten 
R^unionen  mit  sich.  Anfangs  September,  als  der  oberrheinisch-nassauische 
Gesandte  zu  Ryswijk  ankam,  war  unter  den  alliierten  Bevollmächtigten  eine 
Spaltung  entstanden.  Holland  und  England  kam  es  hauptsächlich  darauf  an, 
dass  Wilhelm  von  Oranien  als  König  von  England  anerkannt  würde.  Sie 
unterstützten  daher  die  Forderung  der  deutschen  Reichsstande,  welche  die 
Rückgabe  aller  Reunionen  verlangten^  schwach,  als  Ludwig  sich  weigerte  den 
Elsass  mit  Strassburg  zurückzuerstatten.  Die  Deutschen  waren  darüber  ent- 
rüstet, und  Katholiken  wie  Protestanten  schienen  eine  Zeitlang  ernstlich  ent- 
schlössen  den  Krieg  wieder  aufzunehmen.  Doch  wurde  man  naobgiebiger,  $i$ 
England,   Holland   und  Spanien    wirklich  am    10./20.   September  Frieden  mit 


*)  VergU  Auoh  Menze]  (SoUliuplinke),  Oea^ilnoiiU!  von  Itiwsatt,  VII,  S,  A3  ff. 


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Pmkndcli  «ichlos^en.  Herr  von  Savigny  aber  wurde,  als  er  an  den  Verhand- 
Imig^i  tetlnelimeii  wollte,  von  den  Kurfurston  von  Mainz,  Sachsen  und  Branden* 
barg  abgewteiicn,  weil  der  oberrheinisoho  Kreis  nicht  zum  Wiener  Bunde  von 
lÄftfl  gehöre^  weil  der  Gesandte  nicht  zur  Reichsdeputatiou  abgeordnet  sei, 
w<eldie  die  Angelegenheiten  zu  fuhren  hatte,  und  weil  die  Evaugeliscben  gegen 
•eine  Zulassung  {irotestierten*  Indes  blieb  der  also  Zurückgesetzte  im  Haag 
find  versuchte  indirekt  durch  Kurpfalz  und  andere  Mitglieder  der  Deputation, 
wekiio  dem  Hause  Nassau  gewogen  waren,  flir  letzteres  zu  wirken«  Es  wurde 
ihm  das  um  so  leichter,  ak  der  König  von  Frankreich  endlich  geneigt  schien, 
wSU  Riiiinionea  ausser  dem  Elsass  und  Strassburg  heraussugeben.  Wirklich 
worden  im  Friedenstraktat  vom  20./30.  Oktober  1697  unter  den  namentlich  ange- 
Ahrteiit  dem  Reiche  zurückgestellten  Gebietsteilen  als  No.  6  die  entzogeneu 
Liodef  der  Grafen  von  Nassau  (mit  Leiniugen  und  Hanau  und  den  „übrigen 
Beicli88täiideQ^)  genannt.  Eine  Ausnahme  da?on  machte  die  saarbrückische 
Fsilaog  Homburg,  auf  welche  Lothringen  seit  1670  das  Pfandrecht  vom  Reiche 
we^ea  von  demselben  versprochener  140000  Reichsthaler  hatte.  Im  Ryswijker 
Priaden  wurde  trotz  der  energischen  Gegenvorstellung  des  Fürsten  Walrad  von 
KiMao-Usingen  Homburg  dem  Herzoge  von  Lothringen  eigentümlich  zuge- 
^Hmdieii,  unter  der  Bedmgung,  dass  die  Festungswerke  geschleift  würden.  Im 
aOgonunnen  kam  also  das  Nassauer  Haus  wieder  zu  seinen  Rechten,  und  das 
trsr  hEttptsichlicb  dem  einmütigen  Zusammenwirken  der  drei  Vettern  und 
Berreo  der  rechtsrheinischen  Besitzungen  zu  danken,  daneben  aber  auch  der 
Gewandtheit  und  Zähigkeit  des  Herrn  von  Savigny.  Derselbe  reiste  Anfang 
ViffWlberB  vom  Haag  ab  und  kam  am  12722.  in  Frankfurt  an,  wo  er  am 
K/1I#  Dezember  dem  Direktorium  des  oberrheinischen  Kreises  von  seineu  Be- 
mfllmogen,  die  indirekt  so  vielen  Erfolg  hatten,  Mitteilung  machte.  Der  Bericht 
•o  das  Kreisdirektorium  ist  von  ihm  genau  bis  ins  einzelne  ausgearbeitet  wor- 
den und  lasst  einen  Einblick  thun  in  das  ausgebildete  Diplomaten wesen  der 
dainaligen  Zeit,  nicht  weniger  aber  auch  in  die  Erbärmlichkeit  der  eifersüoh- 
Slftnde  des  ^heiligen  romischen  Keiches  deutscher  Nation^. 
Der  dritte  Raubkrieg  brachte  auch  unserer  engeren  Heimat,  der  Graf* 
ieltaft  Nassau-Idatein,  mancherlei  Ungemach,  und  dies  war  wohl  mit  der  Grund, 
daatt  Fürst  Georg  August  den  Krieg  anfangs  nicht  mitmachte,  sondern  inmitten 
aetner  Unterthanen  verblieb.  Die  Nähe  der  Festung  Mainz  wurde  für  die 
naiaaiiisehen  Gebiete  gefährlich.  Als  am  15.  Oktober  (n.  St.)  1688  der  Marquis 
TOii  Bouffiers  mit  einem  Heere  vor  die  Stadt  rückte,  kapitulierte  zwei  Tage 
darauf  der  Kurfurst-Erzbischof  Anselm  Franz  von  Ingelheim  gegen  freien  Abzug 
aamer  Truppen  und  Bichening  seines  Eigentums  wie  des  geistlichen  überhaupt. 
Ifaias  erhielt  eine  französische  Besatzung,  und  diese  begann  sofort  die  Festung 
auambauen  und  zu  verstärken.  In  den  umliegenden  Gebieten  wurden  Fronen 
■ingeaoliriebcni  und  als  der  Aufforderung  nicht  sofort  Folge  geleistet  wurde, 
orgrtff  man  Repressalien.  Schlimmer  als  den  Bewohnern  der  Herrschaft  Wies- 
baden, erging  es  denen  des  Bheingaues,  die  doch  mainzische  unterthanen  waren. 
8te  muwieü  im  Schweisse  ihres  Angesichter  für  die  Fremdlinge  an  den  Werken 
fiobaexen  und  die  Pallisaden  in  den  Wäldern  selbst  fallen,    Sie   brachen  auch 


44 

in  die  der  Herrschaft  Wiesbaden  ein,  um  sich  Material  zu  holen.  Im  nächsten 
Frühjahre  rückte  da«  kaberliche  Heer  unter  Herzog  Karl  von  Lothringen  herbei 
und  bezog  im  Mai  1689  bei  Mosbach  und  Erbenbeim  Lager.*)  Wiesbaden  er- 
hielt vom  Herzoge  einen  Salvaguardiabrief,  der  es  von  ^ aller  eigenthätigon 
Einquartierung  auch  anderen  Krigä  executionen^  sonderlich  aber  mit  brandt- 
Schätzung,  raub  und  plünderungen  oder  anderen  gewaltthätigkeiten  und  straff- 
massigen  Insolentien  gäntzlich  zu  verschonen^  befahl.  Dessenungeachtet  musston 
die  Bewohner  die  Kaiserlichen  bei  der  nun  folgenden  Belagerung  von  Mainz 
in  jeder  Weise  unterstützen.  Hunderte  von  Männern  wurden  gezwungen,  ent* 
weder  als  Arbeiter  ins  Lager  zu  gehen  oder  Holz  in  den  Wäldern  zu  fallen 
und  zu  verschaffen.  Überdies  mussten  Fuhren  gestellt,  Lebensmittel,  Heu  und 
Stroh  in  Menge  geliefert  werden.  Am  9.  September  (n,  8t*)  1G80  wurde  Mainz 
Ton  den  Deutschen  durch  Überfall  erobert,  und  sofort  begann  man  die  Demo- 
lierung der  von  den  Belagerern  errichteten  Werke.  Dazu  wurden  wieder  eine 
Menge  Bauern  aus  dem  Amte  Wiesbaden  verlangt,  die  noch  dazu  ihr  Gerät 
selbst  mitbringen  mussten.  Auch  den  Unrat  in  den  Strassen  von  Mainz^  den 
die  Franzosen  zurückgelassen  hatten,  sollten  sie  fortschaffen  helfen.  Ausserdem 
wurden  sie  beim  Ausbau  der  Mainzer  Verschanzungen  mitverwaudt.  In  den 
folgenden  Jahren  folgten  viele  Truppendurchmärsche  und  Einr|uartierungen, 
wobei  man  die  ORiziere  und  Soldaten  durch  Geschenke  auf  gutem  Fusse  halten 
musste.  Dies  dauerte  bis  1695.  Daneben  trieb  sich  allerlei  Gesindel,  Land- 
streicher, Räuber  u.  s,  w.  in  der  Grafschaft  umher.  Da  die  gräflichen  Truppen 
meist  durch  den  Krieg  in  Anspruch  genommen  wurden,  so  ordnete  Fürst  Georg 
August  Bchon  im  Jahre  1687  die  Bildung  von  zwei  Kompagnien  „Landaus« 
ach  US  8**  zu  je  100  Mann  an**)  Das  Amt  Wiesbaden  stellte  dazu  80>  die 
Stadt  30  über  15  Jahre  alte  ledige  Burschen.  Für  die  Unterhaltung  derselben 
hatte  das  Land  aufzukommen.  Aus  diesem  Aussehuss  bildete  eich  nachher  die 
stehende  Landmiliz  mit  sechs,  später  vier  Dienstjahren.  Sie  besorgte  die  Wachen 
und  veranstaltete  Streifzüge  gegen  die  Friedensstörer,  Zur  Beschaffung  gleich- 
massiger  Hüte  und  Strümpfe  für  diese  Sicherheitswächter  waren  die  Gemeinden 
gehalten  1  Gulden  für  den  Kopf  zu  zahlen.  Im  Notfalle  wurden  zur  Abwehr 
von  Banden  sämtliche  männliche  Einwohner,  welche  Waffen  tragen  konnten, 
aufgeboten.  Im  Jahre  1718  erst,  also  dreissig  Jahre  nach  Errichtung  des  Land- 
ausschusses, bildete  sich  in  Wiesbaden  aus  den  wehrhaften  und  wachepflichtigeu 
Einwohnern  eine  Bürgerkompagnie,  welche  zwei  Offiziere  hatte,  einen  Kapitän 
und  einen  Lieutenant,  dazu  einen  Fähnrich.  Alljährlich  hielt  diese  Kompagnie 
vier  (später  zwei)  Übungsfeste  ab.  Für  Streifzüge  in  die  Umgebung  wnirden 
Offiziere  und  Mannschaften  besonders  bezahlt,  ebenso  f&r  die  Teilnahme  an 
Exekutionen.  Bei  Hinrichtungen  nahmen  die  Offiziere  und  Unteroffiziero  an 
der  „ Blutzeche "  teil,  welche  im  herrschaftlichen  Gasthause  j,Zum  Einhorn* 
stattfand.  So  primitiv  die  Einrichtung  dieser  Landmiliz  war,  so  scheint  sie 
sich  doch  gut  bewährt  zu  haben,  und  man  muss  dem  Eifer  und  der  Einsicht 
des  jungen  Grafen  alle  Achtung  widerfahren  tasaen,  dass  er  an  die  Errichtung 


»)  HeniiPa,  B^lngeruiig  v,  Maiiu-  1689.  —  »)  Th,  8chfil«f,  „Wiwk  Tn^H."  No.  OA,  18SÄ. 


mm 


45 


dnes  »stehenden  Heeres**  dachte.  Ein  Glück  war  ea,  daes  sich  in  den  be* 
wagiaii  Zeiten  die  schrecklioheQ  Ereignisse  Yon  vor  fünfzig  Jahren  nicht 
wiederboUen. 

Koch  während  der  VerhandlimgGQ  zu  liyswijky  auf  denen  die  äusseren 
'drhiltnissc  de^  nassauischen  Landes  ihre  Regelung  fanden,  richtete  Fürst 
Ooofg  August  sein  Augenmerk  auf  die  inneren  Angelegenheiten  des  Gesamt* 
htttiaea*^]  Die  Bestimmungen  des  ^Oothaer  Recesses**  von  1651  waren  nur 
toOwoUe  in  Ausfuhrung  gekommen,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  das  Reichs- 
bunmergericht  im  Jahre  1682  entschieden  hatte,  daj^s  die  Agnaten  des  nassau- 
tsoben  Hauses  sich  durch  Verträge  untereinander  selbst  vergleichen  sollten. 
Kau  konnte  sich  nicht  einigen,  und  die  folgenden  bewegten  Zeiten  boten  keinen 
Raom  dazu.  Am  9./19,  Juni  1697  aber  Hess  Georg  August  seinen  Vettern 
ftilie  Bonkschriflt  zugeben^  in  welcher  er  die  Forderungen,  zu  denen  er  sich 
1wrech%t  glaubte,  aufstellte  und  begründete.  Er  verlangte  1)  für  den  Schaden, 
ä^r  ihm  durch  die  Verpfandung  der  Herrschaft  Lahr  (in  Baden)  an  das  be- 
nachbarte Baden-Durlach  als  Erben  der  Geroldsecker  Schuld  seit  1659  er* 
wachsen  war,  300000  Gulden  als  Ersatz,  2)  eine  EoUchädigung  für  die  Aus- 
iMgCfüj  welche  sein  Vater  vier  Jahrzehnte  hindurch  als  Direktor  der  gesamten 
Haaniiiereasen  gemacht,  zugleich  zur  Begleichung  der  im  Recess  bewilligten 
Gelder  f5r  den  Idsteiner  Schlossbau,  3)  die  Richtigstellung  der  Rechnungen 
über  Saarwerden,  Herbizheim  und  Homburg  für  die  Jahre  1671 — 80,  4)  die 
RemioD  der  Familienpakten  „mit  Rücksicht  auf  die  jetzigen  Läufie  und  Zeiten.*^ 
Direkt  verlangte  Idstein  von  Saarbrücken  Anweisung  der  im  Recess  bestimmten 
100  Gulden  jährlicher  Renten,  die  bisher  noch  nicht  bezahlt  worden  waren, 
iätm  Rechnungsablage  über  die  dem  Grafen  Wilhelm  Ludwig  seit  1629  zur 
Verwaltung  überlassenen  Gebiete  der  beiden  jüngeren  Brüder  desselben,  Ernst 
Catimir  und  Otto,  ferner  den  dritten  Teil  des  vom  Grafen  Otto  hinterlassenen 
Silbergesehirree  und  endlich  Rechnungsablage  und  Entschädigung  von  Ottweiler 
wegen  Saarwerden,  Herbizfaeim  und  Homburg  für  die  Jahre  1681  — 1Ö97,  Diese 
Forderungen  enthielten  nichts  Unbilliges;  aber  keiner  der  Agnaten  wollte  auf 
Bewilligung  derselben  eingehen.  Georg  August  brachte  daher  die  Angelegenheit 
for  den  Reichsfaofrat,  in  welchem  teilweise  noch  die  Männer  sassen,  die  sich 
tfam  vor  vierzehn  Jahren  bei  Erteilung  der  venia  aetatis  so  geneigt  gezeigt 
kalten.  Wirklich  bestimmte  der  Rat  am  12V22.  August  1698,  dass  Herzog 
Triedrich  IL  von  Sachsen-Gotha  (1691—1732),  Friedrichs  I.  (s.  o.)  Sohn,  die 
Sache  imtersucben  und  begleichen  sollte.  Man  hielt  sich  in  Wien  doch  nicht 
(&r  massgebend  genug,  selbst  in  der  wichtigen  Sache  zu  entscheiden. 

Walrad  von  Usingen  veranlasste  im  Hinblick  auf  diesen  Bescheid  eine 
Koiiferciu:  der  »echs  übrigen  Glieder  des  Hauses  Saarbrücken  am  3.  März  1699 
SU  Dsbgen.  Hier  verbanden  sich  die  Grafen  zur  Aufrechthaltung  ihres  seit- 
herigen Besitzstandes  und  zum  Widerstände  gegen  Idstein.  Nun  trat  aber 
Mioh  Oraf  Johann  Ernst  von  Weilburg  am  16.  Juni  (n.  St,)  1699  mit  einer 
OegeDsehrift  hervor,  da  die  Saarbrücker  in  ihrer  schriftlich  aufgestellten   Bc- 


*)  Ymgh  anob  dlt  abereioitiiiuiieQdea  Dvatenuogen  HeoseU,  Yll,  9.  06  ff. 


rilfa 


schwerde  angaben,  sowohl  von  Idstein  wie  von  Weilburg  benachteiligt  zu  sein» 
Er  verlangte  1)  die  Nichtigkeitserklärung  der  von  Idstein  einseitig  uacbgeduohieu 
Konfirmation  der  Fürstenwürde,  2)  die  Ablegung  der  Rechnungen  der  Vor- 
mundschaft und  Administration  seitens  Saarbrücken,  bezw.  Idstein  für  die 
Jahre  1629 — 51,  3)  gleichniässige  Rechnung  über  das  verkaufte  Silbergeschirr, 
über  die  gemeinschaftlichen  Gefälle  der  Grafschaft  Saarwerden  und  des  Amtes 
Homburg  und  über  die  200  Quldeu  jährlicher  Rente,  die  nach  dem  Recess  auf 
WeUbupg  entfallen  sollten,  4)  Ersatz  iur  den  durch  die  Reunionen  der  Ämter 
Kirchhetm  und  Stauf  entstandenen  Schaden,  5)  gleichmässige  Verteilung  der 
gemeinschaftlichen  Schulden  und  6)  zeitgemasse  Revision  der  Familienpakten. 
Daraufliin  wollten  alle  aclit  Herren  am  10,/20*  Juni  zu  Frankfurt  zur  Beratung 
zusammenkommen.  Fürst  Walrad  war  zuerst  da;  die  andern  sandten  ihre 
Räte.  Auf  die  heftigen  Vorwürfe  des  Usingers,  dass  man  mit  „Bedienten** 
verhandeln  müsse,  kamen  auch  Georg  August  von  Idstein,  Ludwig  Kraft  von 
Saarbrücken  und  Friedrich  Ludwig  von  Ottweiler  am  14./24.  an.  Johann  Ernst 
von  Weilburg  entschuldigte  sich  mit  einer  Kur,  die  er  erst  beenden  müsse, 
verlangte  auch  ausdrücklich  die  Beseitigung  des  Rangstreites  zwischen  den 
fürstlichen  und  gräflichen  Gliedern  des  Hauses.  Die  beiden  Fürsten,  Walrad 
und  Georg  August,  aber  bestanden  vor  allem  darauf  als  solche  anerkannt  zu 
werden,  und  da  die  anderen  dem  widerstrebten,  so  konnte  die  Konferenz  im 
voraus  als  vergeblich  bezeichnet  werden.  Georg  August  schlug  zuerst  einen 
Schiedsrichter  vor,  was  von  dem  Weilburger  Gesandten  als  zu  weitläufig  ver- 
worfen wurde;  dann  machte  er  den  Vorschlag,  die  Angelegenheit  ohne  Weih 
bürg  zu  ordnen,  stiess  aber  hierin  auf  den  Widerstand  des  Grafen  von  Saar- 
brücken. Als  auch  andere  Vorstellungen  scheiterten,  reiste  er  am  19./29.  Juni 
ab*  Tags  darauf  kam  Johann  Ernst  von  Weilburg  an,  und  nun  nahmen  die 
noch  anwesenden  Agnaten  gemeinsam  Partei  gegen  Idstein,  noch  an  demselben 
Tage,  Sie  wollten  den  Prozess  am  Reichshofrate  und  die  gothaische  Ver- 
mittelung  hintertreiben  und  ihren  Herren  Vetter  „auf  bessere  Gedanken  bringen**, 
Georg  August  dagegen  wandte  sich  sofort  nach  Wien  und  veranlasste,  dass  der 
Reichshofratsbeschluss  ausgeführt  wurde.  Der  Herzog  Friedrich  lud  darauf  die 
Herren  für  den  L/IL  Oktober  1699  nach  Gotha.  Keiner  von  denselben  er* 
schien,  und  der  Prozess  begann,  um  sich  in  die  Länge  zu  ziehen. 

Erst  nach  dem  Tode  Kaiser  Leopolds  konnte  Fürst  Georg  August  bei 
Kaiser  Joseph  auf  schärfere  Verfolgung  der  Sache  dringen.  Das  Kommissarium 
des  Herzogs  Friedrich  wurde  erneuert,  und  die  Herren  von  Saarbrücken, 
Usingen,  Ottweiler  und  Weilburg  wurden  von  demselben  abermals  fiir  den 
28,  März  1707  nach  Gotha  geladen.  Als  die  Beklagten  das  Kommissarium 
verwarfen  und  sich  in  Gemassheit  der  Reichskammergerichtsentscheidung  von 
1682  für  einen  Ausgleich  durch  Uausvertrag  erklärten,  ordnete  der  Herzog 
unter  Billigung  des  Reichshofrats  die  Angelegenheit  kurz  und  bündig.  Am 
14.  Juli  erklurte  er,  dass  die  Forderungen  Idsteins,  betreffend  die  Entschädigung 
wegen  Lahr,  die  Bezahlung  der  Sehlossbaugelder  and  der  100  Gulden  jährlicher 
Rente,  rechtmässig  und  daher  zu  bewilligen  seien.  Sofort  erhoben  die  übrige 
Agnaten,  besonders  Jobann  Ernst,  beim  kaiserlichen  Hofe  Gegenvorstellungen! 


^ 


Ab  hüAm  »bor  keia  GohSr,  und  der  Reichsbofrat  bestätigte  dos  Urteil  des 
GUnogfl  TOQ  Ootha.  Nun  wandteo  sich  die  Herren  an  die  Heichnversammlaiig 
sn  Büfeofiburg  und  zwar  mit  mehr  Qlück.  Sie  fandeu  die  Unterstützung  ded 
Kfioigv  fon  Preussen,  der  seinen  Gesandten  so  nachdrücklich  für  »ie  sprechen 
di*t  K^  '  Ilegieu  zu  der  Ansicht  kamen,  die  Hauaverträge  und 
mergeriu-.  L  j-^chhiöse  seien  durch  die  Einaetzung  des  Kommisaariuma 
Vierl€txt|  und  letzterem  solle  daher  aufgehoben  werden*  Das  geschah,  und  das 
Rfi&cbabofratBurteil  wurde  dadurch  entkräftet.  Nun  ruhten  die  Streitigkeiten 
eilige  Zeit.  Dann,  als  die  YerhaUnisse  wieder  günstiger  für  ihn  wurden,  trat 
Oimy  Augui>»t  von  neuem  mit  seinen  ForderuDgen  hervor.  Er  verlangte  lik 
Entschädigung  für  seine  langjährigen  Verluste  140ÜÜ0  Gulden,  die  nach  seinem 
•ohllbwciii  Tode  seinen  Töchtern  auszuzahlen  seien,  dann  76000  Gulden  aus 
den  gemeinschaftUchen  Gefallen  der  Klöster  und  endlieh  eine  Jahresrente  von 
4803  Oulden  bis  zur  "Wiedereinlöaung  von  Lahr.  Die  Grafen  wollten  diese 
Saauiieii  auf  105000,  resp.  45000  und  3000  Gulden  erniedrigen;  aber  Oeorg 
A]i^iist  war  damit  nicht  zufrieden,  sondern  reichte  beim  Keichshofrat  abermals 
Khgt  ein.  Das  vermittelnde  Direktorium  des  Oberrheinkreises  schlug  die 
Zahlen  140000,  resp.  60000  und  3000  vor;  allein  der  Fürst  blieb,  da  er  auf 
Uotermtützong  in  Wien  rechnen  konnte,  nicht  nur  auf  seiner  Forderung  besteheu, 
Modärn  verlangte  statt  der  75000  Gulden  aus  den  Klostergeföllen  gar  150000. 
Natfirliob  gingen  die  Gegner  hierauf  erst  recht  nicht  eiu^  und  der  Prozess  lief 
Die  ProÄesskommission  entschied  endlich,  dass  die  von  Idstein  ver- 
Oelder  zu  zahlen  seien  und  gab  Georg  August  sogar  das  Hecht  der 
und  Nutzniessung  der  Gebiete  seiner  Widerparte,  bis  die  Summen 
beglichen  wären.  Nun  versuchten  die  Agnaten  es  mit  Gegenvorstellungen  und 
Bahmen  sogar  zu  Bestechungen  einzelner  Reichshofratsmitglieder  ihre  Zuflucht. 

IEs  hmlf  nichts.  Am  14.  Juni  1714  entschied  der  Hat,  dass  die  Beklagten  an 
Idatetii  204111  Gulden  samt  5%  Verzugszinsen  (seit  1669)  für  Lahr,  10000 
Oilideti  Baugelder  samt  Zipsen  (seit  1051)  und  100  Gulden  jährlicher  Rente, 
eben&Us  samt  Zinsen  (seit  1651),  zu  zahlen  hätten.  Audserdem  wurde  Georg 
Ansuit  das  Okkupatious-  und  Nutzniessungsreoht  bestätigt,  von  welchem  dieser 
mhrt  Gebrauch  machte,  indem  er  zunächst  das  weiiburgiscbe  Amt  Reichelsheim 
ttDd  die  weilburgischen  Gemeinschaftsteile  von  Nassau  und  andere  im  Yierherri- 
aohra  wegnahm^  ohne  dass  Widerstand  entgegengesetzt  wurde.  Die  Grafen  legten 
ftotost  eb,  der  aber  nur  die  Bestätigung  des  Urteils  am  29.  November  1714 
TOT  Folge  hatte*  Da  versuchten  sie  den  gütlichen  Weg  durch  Vermittelung 
dM  Grafen  Karl  voo  Wied-Runkel  in  der  Hauskonferenz  zu  Kirchheim  am 
8,  November  1715.  Es  sollten  dem  Fürsten  Georg  August,  resp.  dessen  ver- 
b^iratiiteu  TOcbtern  nach  seinem  Tode  Auszahlungen  in  der  Hohe  von  im  ganzen 
120(100  Oaldeo  gemacht  und  ihm  ausserdem  3000  Gulden  jährlicher  Rente  ge* 
gebto  werden,  wofOr  er  die  besetzten  Gebiete  herausgeben  solle.  Durch  Be- 
steehtLogen  in  Wien  erreichte  man,  dass  der  Reicbshofrat  schwankend  wurde 
imd  infolge  deaaen  Georg  August  seine  Zuversicht  etwas  verlor.  Beide  Teile 
gabma  ntm  uochi  nnd  schliesslich  kam  man,  des  nun  fast  zwanzig  Jahre  dauernden 
Fnneises  mQde^   auf  der  Gegner  Seite  dahin   überein,   dass  man  sich  einzeln 


48 


mit  Idstein  vergleichen  wolle*  Infolgedesseii  kam  zunächst  zwUchen  Uainge? 
und  Idstein  am  11.  Mürz  1717  folgender  Vertrag  zustande:  Idstein  erhält  ein 
Kapital  von  20000  Gulden  zu  5%  jährlieh  verzinst^  aus  den  Oefallen  des 
Klosters  Rosenthal;  dessen  Restgefalle  dienen  zur  Abtragung  des  Kapitals; 
nach  der  Auszahlung  des  letzteren  fällt  das  Kloster  an  Usingen  zurück.  Der 
sechste  Teil  der  Lahriachen  Renten,  800  Gulden,  wird  auf  das  Dorf  Steinfisch- 
baoh  angewiesen.  Yon  den  140000  Gulden,  welche  die  Töchter  Georg  Augusts 
erhalten  sollen,  verspricht  Csingen  gleichfalls  ein  Sechstel  zu  bezahlen,  und 
zwar  solleu  die  Töchter  bis  zur  Auszahlung  der  Summe  im  Genüsse  der  Herr- 
schaft Idstein  verbleiben.  Ebenso  wurde  dem  Fürsten  von  Idstein  zugestanden, 
dass  seine  AUodialerben  den  Idsteiner  Landesteil  nicht  zu  verlassen  brauchten, 
bevor  die  übrigen  fünf  Sechstel  von  den  anderen  Agnaten  (3  von  Weilburg, 
je  1  von  Saarbrücken  und  Ottweiler)  bezahlt  seien.  Es  soll  eine  jährliche  Ab- 
rechnung dieserbalb  zur  Feststellung  der  gemachten  Abschlagszahlungen  statt- 
finden. Dagegen  soll  Idstein  die  okkupierten  usingischeu  Dörfer  Rödelbach, 
Finsternthal  und  Maulof  herausgeben.  Zugleich  wurde  der  usingische  Anteil 
am  Gebiete  Idstein  im  Falle  des  Aussterbens  letzterer  Linie  festgesetzt.  Schon 
am  folgenden  Tage  verglichen  sich  auch  Saarbrücken  und  Ottweiler  mit  Idstein 
unter  verhältnismässig  ähnlichen  Bedingungen.  Der  Vertrag  wurde  am  4,  April 
von  den  beiden  Grafen  genehmigt*  Schliesslich  erklärte  sich  auch  Johann 
Ernst  von  Weilburg  bereit  zum  Vergleiche  auf  denselben  Grundlagen,  womit 
dann  im  Laufe  des  Jahres  1717  der  Prozess  erledigt  schien.  Fürst  Gec»rg 
August  war  darüber  hocherfreut  und  berichtete  über  den  Verlauf  der  Unter- 
handlungen noch  in  demselben  Jahre  an  den  Reichsfaofrat.  Hier  legte  er  zu- 
gleich Fürbitte  ein  für  den  Kanzleidirektor  von  Plonnies  und  den  Keller  Lebleu 
von  Weilburg,  welche  sich  seinerzeit  in  der  Aufwallung  des  Zornes  über  die 
Hofratsbescheide  (zugunsten  Idsteins)  zu  Schmähungen  einzelner  Räte  und 
Notare«  bezw.  zu  tbätlichen  Ausschreitungen  gegen  dieselben  hatten  hinreissen 
lassen  und  gegen  die  deshalb  das  Strafverfahren  eingeleitet  war.  Die  Fürsprache 
Georg  Augusts  hat  indessen  in  dem  letzteren  keine  Änderung  hervorgerufen* 
Kacbgerade  aber  brach  abermals  der  Streit  zwischen  Idstein  und  Weilburg 
ausy  und  beide  Widerparte  sind  ohne  Begleichung  desselben  gestorben. 

Dass  Fürst  Georg  August  auf  seiner  Entschädigung  also  bestand^  kann 
ihm  nicht  verübelt  werden.  Durch  die  Entziehung  der  Herrschaft  Lahr  war 
schon  sein  Vater,  Graf  Johannes,  gezwungen  worden  grosse  Summen  aufzu- 
nehmen. Der  Extrakt  der  idsteinischen  Rentkammer  ,,waa  vor  und  nach  1702 
an  altvätterlichen  Schulden  bezahlt  worden**,  weist  10  Posten  auf:  1)  6800 
Gulden  auf  Pergamentbriefe  der  niederrheinischen  Ritterschaft,  2)  18000  Gulden 
auf  einen  Kapitalbrief  des  Herrn  Maximilian  Bauer  von  Eiseneck,  3)  u.  4) 
5000  und  7000  Gulden  auf  einen  Kapitalbrief  des  Herren  von  Dalberg,  5)  1826 
Gulden  auf  einen  Kapitalbrief  des  Grafen  Kolb  von  Warteuberg,  6)— 10)  6000, 
394,  1500,  1500,  1050  Gulden  Wilderische,  Grollische,  Kühhornische,  Kör- 
mannische  und  Gülcberische  Schuld,  zusammen  49070  Gulden.  Fürst  Georg 
August  sah  sich  genötigt,  um  diese  ziemlich  alten  Schulden  abzutragen,  neue 
Aufnahmen  zu  machen,  zu  Verpfandungen  zu  schreiten  f  teilweise  hatte  er  auch 


49 


tat  Beslftkimg  maneher  Ausgaben  gao^  neue  Anleihen  zu  erhoben.  Um  die 
Bmlboigiiehe  und  Kühhorni»che  Schuld  abzutragen,  mussto  mit  Konaeoa  das 
Grafen  Ludwig  Kraft  vou  Saarbrücken  ira  Jahre  1697  die  Weingülte  zu  Rüdes- 
heiiii  and  Oeisenheim  „veralieDiert*"  werden.  Desgleichen  wurden  im  Jahre 
1701  bei  dem  Ilandelsmauno  Adam  Paquay  von  Frankfurt  15000  Qulden  auf 
fBaf  Jahre  gegen  YerpHindung  eines  Teiles  der  Qefalle  von  Klappenheim  und 
Biorstadt,  unter  Konseiia  von  Friedrich  Ludwig  von  Ottweiler,  entliehen.  In 
Aem  folgenden  Jahre  entnahm  Georg  August  beim  Fürsten  Eugen  Alexander 
von  Thurn  und  Taxis  50000  Gulden  zur  Abtragung  alter  Schulden.  Im  Jahre 
1T(V5  schoss  Maximilian  Bauer  von  Eiseneck  neue  10600  Gulden  zur  Tilgung 
der  WUderiflchen  und  einer  wied-runkelisohen  Schuld,  zu  welcher  Aufnahme 
Ludwig  KraiV  von  Saarbrücken  den  Konsens  verweigerte,  Wilhelm  Heinrich 
foo  Usingen  unbedingt,  und  Friedrich  Ludwig  von  Ottweiler  insofern  zuwilligte, 
als  der  Überschuss  der  Einkünfte  der  neu  verpfändeten  Dörfer  Kloppenheim 
mid  Bierstadt  zur  Abzahlung  der  Leihsumme  verwendet  wurde.  Ferner  wurden 
g^fiehen  von  Dr,  Winter  in  Frankfurt  4000,  von  Herrn  von  Barkhauseo  da- 
fteihst  15000,  vom  Universitatakauzler  Dr-  Herten  in  Giessen  15000,  von  dem 
Fretberrn  von  Hohenfeld  20000  Qulden,  letztere  Summen  gelegentlich  der  Yer* 
hetratuiig  der  älteren  Töchter  des  Fürsten  Georg  August  mit  dem  Fürsten  von 
Oeiffiesland  resp.  dem  Herzoge  von  Sachsen-Merseburg  (s.  w.  u.).  Die  Kon- 
sense der  Verwandten  erfolgten  zumteil  zögernd,  zum  Hobenfeld-Kapital  z.  B, 
erst  1724,  drei  Jahre  nach  Georg  Augusts  Tode,  der  der  Fürstin- Witwe  Char- 
btie  Amalie  von  Usingen. 

Den  schwersten  Kampf  setzte  es  um  die  Erlangung  des  Konsenses  wegen 
der  vom  Fürsten  Eugen  Alexander  von  Thurn  und  Taxis  1702  geliehenen 
SOOOi)  Qulden^  für  welche  diesem  die  Dörfer  Each,  Walsdorf,  Walrabenstein 
nnd  Bermbaeh  im  Amte  Idstein  verpfändet  wurden.  Als  Fürst  Walrad  von 
UsiageU)  der  kraftvolle  Vertreter  der  gemeinsamen  nassauischen  Ilausinteressen, 
füm  dem  Vorhaben  Georg  Augusts  Kunde  erhielt,  warnte  er  ihn  (Uaag,  24.  I. 
1702)  vor  der  Verpfandung  evangelischer  Dörfer  an  einen  katholischen  Reichs- 
fllrsien.  Das  Kapital  von  45000  Gulden  (so  war  es  anfangs  festgesetzt)  sei 
n  gFOSSy  um  aus  den  Revenuen  auf  einmal  abgetragen  zu  werden.  Taxis 
finde  dann  leicht  einen  Vorwand  zur  Besitzergreifung  jener  Orte.  Graf  Johann 
Ernet  gab  am  16.  L  seine  Zustimmung  unbedingt.  Daraufhin  stellte  am  30.  I. 
Qeofg  August  ohne  weiteres  dem  Fürsten  Thurn  und  Taxis  einen  Schuldbrief 
auf  50000  Gulden  lautend  aus,  weil  er  hoffte  die  Zustimmung  der  anderen 
Agnaten  doch  nachträglich  zu  erlangen.  Aber  er  tauschte  sich.  Ludwig  Kraft 
SU  Saarbrücken,  von  Walrad  beredet,  stand  in  einem  Schreiben  vom  10.  11. 
tbeofalls  an,  seine  Einwilligung  zu  geben;  was  Friedrich  Ludwig  von  Ottweiler 
ims^e,  ist  nicht  bekannt.  Walrad  erbot  sich  unterm  17.  II.  selbst  mit  seinem 
Gelde  eintreten  zu  wollen.  Als  er  aber  unterm  30.  II.  den  höflich  entschul- 
digenden  Brief  Georg  Augusts  empfing,  in  welchem  dieser  ihm  mitteilte,  dass 
er  bereits  die  Summe  von  Taxis  entliehen  habe,  protestierte  der  alte  Fürst 
durch  zwei  Schreiben  vom  3.  VII.  1702  aufs  heftigste  und  energischste  sowohl 
bei  Georg  Auguj^t  als  auch    bei  Taxid  gegen    diese  Eigenmächtigkeit.     Er  ist 

4 


m 

bald  nachher  gestorben,  und  sein  Sohn  Wilhelm  Heinrich,  über  den  Georg 
August  anfangs  die  Yormundschaft  geführt  hatte,  irerweigerte  nachher  ebenao 
hartnäckig  seine  Einwilligung  wie  Walrad.  Georg  August  kam  in  Verlegenheit, 
da  er  bloss  Weilburg,  höchstens  noch  Ottwciler  auf  seiner  Seite  hatte,  während 
die  Stimmen  von  Saarbrücken  nnd  Usingen  gegen  ihn  waren.  Der  Fürst  von 
Thurn  und  Taxis,  der  das  Geld  vertrauensvoll  aus  den  Händen  gegeben  hatte^ 
aber  keine  eigentliche  Sicherheit  besass,  drang  auf  Einbringung  der  Konsense. 
Infolgedessen  wandte  sich  Ooorg  August  nochmals  an  Usingen  und  Saarbrücken 
im  Jahre  170f>,  Hess  auch  seine  Gemahlin  Henriette  Dorothea  eine  Einwilligung 
unterschreiben*  Da  aber  die  beiden  anderen  Agnaten  sich  fortgesetzt  weiger- 
ten, brachte  Taxis  die  Sache  vor  den  Reichshofrat,  und  dieser  erklärte  aml 
14.  November  1707,  daas  das  ganze  Verfahren  höchst  leichtfertig  und  wegen] 
der  verweigerten  Konsense  ungültig  sei.  Trotzdem  nun  Wilhelm  Heinrich  von 
Usingen  am  21*  November  1707  seine  Einwilligung  nachträglich  gab,  begann 
Taxis  gegen  Idstein  einen  Prozess  beim  Reichshof  rate  anzustrengen,  da  Ludwig 
Kraft  von  Saarbrücken  sich  nicht  deutlich  erklärt  hatte.  Der  Prosess  zog  sicfai 
lässig  gefuhrt,  Jahre  lang  hin,  und  der  alte  Fürst  von  Thurn  und  Taxis  ist 
darüber  gestorben  (1714).  Sein  Sohn  und  Nachfolger,  Anselm  Franz,  hat  erst 
im  Todesjahre  Georg  Augusts  nachdrücklicher  eingegriffen.  Er  wandte  sich 
am  6.  Juni  1721  an  Karl  Ludwig  von  Saarbrücken,  Ludwig  Krafts  Bruder  und 
Nachfolger,  und  bat  um  den  Konsens,  der  seinerzeit  von  der  kaiserlichen  Kom- 
mission für  unzulänglich  erklärt  worden  sei.  Der  Graf  verlangte  unterm  25.  eine 
Kopie  der  Abkunft.  Diese  nebst  der  der  Nichtigkeitserklärung  des  Reichshof- 
rates von  1707  sandte  Taxis  am  8,  Juli.  Nun  bat  auch  Georg  August  den 
Vetter  um  die  Einwilligung,  damit  eio  fernerer  Prozess  vermieden  werde  (am 
16.  August);  Karl  Ludwig  hatte  jedoch  den  Konsens  bereits  am  14.,  also  /.wei 
Tage  vorher  erteilt.  Um  Taxis  vollständig  zufrieden  zu  stellen,  holte  der  Fürst 
von  Idstein  am  18,  August  nochmals  von  der  Witwe  Wilhelm  Heinrichs  von 
Usingen,  Charlotte  Amalie,  die  Einwilligung  ein,  die  am  23.  erfolgte.  Der  Fürst 
von  Thurn  und  Taxis  war  so  erfreut,  endlich  seine  Sicherung  zu  besitzen,  dasa 
er  in  einem  äusserst  freundlichen  Schreiben  vom  26.  August  aus  Brüssel  dem 
Grafen  Karl  Ludwig  dankte.  Zwei  Monate  darauf  weilte  Fürst  Georg  August 
nicht  mehr  unter  den  Lebenden.  Die  Einlösung  der  Dörfer  Esch,  Walraben* 
stein,  Walsdorf  und  Bermbach  hat  allmählich  stattgefunden.  Die  Befürchtung 
Fürst  Walrads,  es  möchte  sieh  ein  katholischer  Herr  im  evangelischen  Nassau 
featsetssen,  ist  also  nicht  zur  Wirklichkeit  geworden. 

Wir  kommen  zum  zweiten  Teile  unserer  Betrachtung,  zur  Fürsorge  dea 
Fürsten  Georg  August  für  sein  Land. 

Schon  bald  nach  seinem  Kegierungsantritte  erliess  er  am  20. /30.  Januar 
1G85  das  Privilegium  für  die  Bürger  von  Idstein  und  schenkte  denen,  die  neu 
bauen  wollten,  die  herrschaftliche  Weiherwiese.*)  Die  Residenzstadt  schlössen 
damals  drei  Thore  ab,  das  Roderthor,  das  Oberthor  und  das  Himmelsthor.  Die 
Stadtmauer  lief  vom  Oberthor  herab,  den  Zuckerberg  durchschneidend,  zwischen 


')  S.  Anhang  1. 


Sl 

I  aiigon  Wethcrwiese   und  Borngasse  her  zum  Uimmelsthore  Uüd  vou  da 
bU  ao  die  Schlossmauer  ia  starkem  Bogen ;  auf  der  anderen  Seite  zog  sie  vom 
r>berthore  im  Winkel  nach  dem  Roderthore  und  von  da  im  Bogen  ssur  Sohloas- 
maaisr.    Dieser  letztere  Teil   ist  heute   noch   teilweise  erkennbar,     Marktplatz, 
Kreoxgasse,  Weiherwiese,  Schäfergasse,  ein  Teil  des  Zuckerbergs  und  der  Born* 
gmcte  lagen  also  auaserhalb  der  Mauer ;  zudem  scheint  die  Borngasse  innerhalb 
Jbeo   nicht   regelrecht   bebaut   gewesen   zu  sein.     Rund  um  die  Stadt  lief 
ein   tiefer  Graben,   der  sich  vor   dem  Himmelsthore  und  rings  um  das 
durch  den  Zufluss  des  Wolfsbaches  fast  seeartig  erweiterte.     Die  ganze 
Irette  des  heutigen  Marktplatzes  war  mit  Wasaer  angefüllt,  das  ganze  Schloss 
90   demselben    umgeben«     In   den   letzten  Jahren   der  Regierung  des   Grafen 
lohaanes  jedoch  wurde  der  Weiher  völlig  ausgetrocknet,  und  der  Boden  in  Wiesen 
imge wandelt,   welche   die  Herrschaft   in  Pacht  gab.     Nur  den  Wolfs bach  liess 
man  in  eingeschränktem  Bette   weiterfliessen.     Diese  Wiesen  verschenkte  jetzt 
^Georg  August   an  Bauluatige.    Im  Innern   der  Stadt  sollte  die  Borngasse  aua- 
l)aut  werden.     Auch  w^urden  die  niederen  Gaasen,  insbesondere  die  Ilimmels- 
cy  ausgefüllt,  erhobt  und  mit  Abflüssen  versehen,  durch  welche  bei  Regen» 
^D  daj»  Wasser  besser  als  bisher  seinen  Abzug  nehmen  konnte.     Ob  schon 
iterungen   damals   vorkamen,   ist   nicht   recht  ersichtlich.     Es  scheint  aber, 
^daaa    die   Fremden    von   dem  Privilegium   in   der   ersten  Zeit  nicht  sonderlieh 
Oebraueh  gemacht  haben.     Jedenfalls  trugen  die  unruhigen  Kriegszeiten  Schuld 
r  daran.     Der  Fürst  sah  sich  deshalb  veranlasst,  fünf  Jahre  später  ein  erweitertes 
[Privüogtum  zu  erlassen  und  dasselbe  auch  auf  die  zweite  Reäideuz,  Wiesbaden, 
lAUsrudehnen.')     Im  Jahre  1690  war  nach  der  Eroberung  von  Mainz  durch  die 
^DMtaühen  die  unmittelbare  Kriegsgefahr  für  die  idsteiuischen  Gebiete  beseitigt; 
fing  an  aufzuatmen.     Jetzt  begann  auch  in  Idstein  die  Bauthätigkeit  mehr 
\  mid  mehr.     Der  Fürst  liess  den  Teil  der  Stadtmauer  zwischen  dem  Ober*  und 
dem   Himmelsthore   vollständig  niederlegen,   und  nun   kamen   die  Bauten  all* 
m£hlieh,    aber  unter  mancherlei  Beschwerden  zustande.     Man  denke  sich,  erst 
1721,   also   im    Todesjahre   des  Fürsten,   konnte   die  Borngasae   als  ausgebaut 
Lfdien.    Eine  „Specification  derer,  so  aus  dem  Lande  auhero  nach  Itzstein  ge- 
sogen^ (vom  22,  Oktober  1716)  weist,  sage  und  schreibe,    nur  vierundzwanzig 
I  Kamen   von   neuen  Bürgern   auf.     Im  Jahre   1684*),  also  kurz  vor  Erlass  des 
«ftten  Freibriefs  zählte  Idstein  ^ü9  Burger,  7  Beysassen,  3  Hoffleuthe,  5  Witt* 
mit   139  Kindern    mSnnlichen   und    119  weiblichen  Geschlechtes,   also 
SBioiDmen  etwa  400  Einwohner  (die  Frauen  der  Bürger  müssen  noch  hinzuge- 
xSUl   werden).     Im  Jahre   1703   hatte   die  Stadt  110  Wohnhäuser  und  in  der 
Yoffstadt  B2,  also  zusammen  162,     Die  Einwohner,  welche  Feldgüter,  grusaere 
oder  kleinere  hatten,  zählten  74,  die,  welche  keine  besassen,  56 ;  es  waren  ihrer 
abo   1^   vorhanden.     Herrschaftliche  und  „freie"  Diener   gab   es  damals  30; 
alto  betrag  die  Summe  der  Hansvorstände  160,   die  Einwohnerzahl  überhaupt 
ttogefihr  700 — 800;  sie  hatte  sich  in  zwanzig  Jahren  nahezu  verdoppelt.     Die 
obengeiiaimleti  24  Bürger  stammen  alle  aus  den  umliegenden  Orten;   es  musa 


^  a.  AnkAog  2.  ^  *)  Die  Ziihlen  naoh  EisKftttb«  Ojrmn^-Proj^r«  von  1787. 


^s^aitsmemmm 


52 

daher  eme.  grosse  Anzahl  AusKinder  zugezogen  sein.  Diese  siedelten 
hauptsächlich  auf  der  Weiherwiese,  zumteil  auch  vor  dem  Himinelslliure  uud 
ii]  der  Obergasse  an,  während  die  Idsteiner  selbst  die  Borngasse  ausbauten. 
Die  Löherstrasse  wurde  gleichfalls  von  Kinge wanderten  besetzt.  Später  begann 
man  die  Anlage  des  Marktplatzes  und  der  Kreuzgasso.  Zur  Zeit  des  Fürsten 
Georg  August  bildeten  sich  die  Zünfte*)  aus^  zumteil  wohl  deshalb,  weil  die 
alteingesessenen  Idsteiner  fürchteten,  den  Eingewanderten  gegenüber  im  Nach- 
teil zu  sein  und  es  für  nötig  erachteten  sieh  fester  zusammenzuschliessen.  Die 
ältesten  Züufte  sind:  1,  die  Bauzuuft  (Maurer,  Zimmerer,  Leiendecker,  Stein- 
hauer und  Glaser),  2.  die  Bäcker,  3.  die  Leinweber,  4.  die  Schmiede  und  Wagner, 

5.  die   Sattler.     Deren    Privilegien    wurden    1724    erneuert.     Dann    kommen: 

6.  die  Schneider,  7.  die  Schuster  (Artikel  1717  erneuert),  8.  die  Müller,  0.  die 
Schreiner,  Schlosser,  Dreher  uud  Büchsenmacher  (seit  1721),  10.  die  Metzger, 
11.  die  Küfer  und  Brauer  (schon  damals  zünftig,  aber  die  Artikel  erst  von 
1750),  12,  die  Wollweber.  Später  kamen  noch  hinzu  13.  die  Gerber  und  14. 
die  Schwarzßrber  und  Hutmachen  Zu  diesen  Zünften  gehörten  aber  nicht 
bloss  die  in  der  Stadt  Idstein  wohnenden  Handwerker^  sondern  überhaupt  alle, 
die  in  den  Ämtern  Idstein,  Wehen  und  Burgschwalbach  sessbaft  waren.  Dass  die 
Alteingesessenen  zu  Idstein  mit  Missvergnügen  auf  die  Neueingewanderteo 
(„Hargeloftenon"  im  Volksmunde)  bhckten,  davon  zeugt  eine  Beschvverdeschril 
„sämptHcher  Weyerwieser  und  Obergässer  zu  Itzstein*  an  den  Fürsten  aus 
dem  Jahre  1705.  Sie  beklagen  sich  in  der  Schrift  über  den  „ihnen  zuwider 
seyenden  Burgerhass."  Bei  Gelegenheit  einer  Haussuchung  wegen  Diebstahls 
seien  sie  „am  hellen  Tage  von  denen  Burgern  überfallen,  ihnen  sogar  ihre 
gedörrte  Hutzeln  und  Schnitzen  fortgenommen,  ihren  Oeyssen  die  Fütterung 
vorenthalten  worden.**  Auch  hatten  die  Bürger  sieb,  „mit  Hespekt  zu  ver- 
melden, toll  und  voll  in  ihrem  Branntwein  besoffen  uud  dann  alles  Heu  aus 
den  Speiehern  genommen,  als  ob  der  Landesfeind  da  seye  und  vor  die  Cavallerie 
fouragieren  wolle.*'  Das  Heu  hätten  sie  „fortgefahren  auf  ihren  Wagen  und 
auf  otFenom  Markte  verkauft."  Was  von  Seiten  Georg  Augusts  auf  dieses  recht 
ungemütliche  Gebaren  seiner  augestammten  Landeskinder  gegen  die  neuen  „lieben 
und  getreuen  Unterthanen**  geschah,  ist  nicht  bekannt.  Keinenfalls  wird  der 
gerechte  Sinn  des  Fürsten  die  Übergriffe  ungestraft  haben  hingehen  lassen, 
und  er  wird  für  die  Zukunft  ahnlichen  Tumulten  vorgebeugt  haben.  Der  Markt, 
von  dem  in  der  Beschwerdeschrift  die  Rede  ist,  ward  damals  auf  dem  alteu 
Marktplatz,  vor  dem  Rathause  gehalten.  Idstein  hatte  zwei  Jahrmärkte*),  den 
einen  auf  Dionysius  (9.  Oktober)  und  den  andern  aui*  Fastnacht.  Den  letzteren 
erneuerte  Fürst  Georg  August  im  Jahre  1700,  und  er  wurde  seit  dieser  Zeit 
besuchter  und  ausgedehnter  als  früher.  Der  Dionysiusmarkt  war  früher  im 
Freien,  zu  Wolfsbach  abgehalten,  aber  schon  zur  Zeit  des  Grafen  Johannes 
in  die  Stadt  verlegt  worden.  Eine  Marktordnung  wurde  1709  erlasseu.  In 
demselben  Jahre  wurden  zwei  Gefangnisstuben  im  Oberthore  hergericbtot. 


^)  EUhaub  ebendii.  —  ')  Ebenda. 


■■*--^"*--*' 


&a 


Dat  hervorrageudi^te  GeLäude  vou  allcti^  die  damals  in  Idstein  entstandeD, 
^«^hes    Füret  Ucorg  August  selbst  autführtOf    ist  die   hoho  Schule,    die   nach 
kWbeiii  Namen  ^Augustoum^    gehoissen    wurde.     Der  Bau   fällt  in  die  Jahre 
IftSO — ÖKM     Das  Schulhaua  steht  auf  einem  Felsen,   dessen   Hervorragungeu 
an   beiden  Seiten   man    wegbauen    Hess,   um   dadurch  llaum  für  den  Hof,  den 
Garten,  fiär  Scheunen  und  Ställe  zu  erhalten.     Au  der  vorderen  Seite  des  Ge- 
tbiiiideii,  nach  der  Strtisse  zu,   wurde  der  Felsen  unter  dem  Bau   selbst   auage- 
tmd  darin  ein  Raum  ffir  zwei  grosse  Zimmer  gewonnen,  von  denen  das 
[rine  zur  deutschen  Knabenschule,  das  andere  i:u  einem  Festsaale  (Aula)  bestimmt 
f-wurdo.     Der  letztere   ward    im  Jahre   1718  eingeweiht*     Die  hölzerne  Treppe, 
welche  anfangs  xu  dem  eigentlichen  Hause  von  aussen  hinaufführte,  wurde  nachher 
ibigobruchen  und  der  Zugang  im  Hause  selbst,  zwischen  den  beiden  erwähnten 
wimmern  angebracht.     Man  hat  sich  gewundert,    dass  Georg  August  nichts  au 
litur  Kirche   seiner  Residenz  gebaut  und  verschönert  hat,  und  doch  findet  die 
chebuAg  leicht  ihre  Erklärung.     Der  Vater  des  Fürsten,  Graf  Johann,  hatte 
rt  fflr  die   innere  Ausschmückung   der  Kirche  gesorgt  und  sie  so  prächtig 
tberladen  lassen,  dass  für  den  Sohn  nichts  mehr  zu   thuu  übrig  blieb.     Georg 
Lugust   mag   es   auch   beklagt  haben,   dass  das   Gotteshaus  nicht   niedergelegt 
und   in  entsprechender  Vergrösaerung   und   auch  äusserlich  in  schönerem  Stile 
ihrt  worden  war,  welchen  Mangel  ihm  jeder  Besucher  der  Idsteiner  Kirche 
bfiUileu  wird,  deren  prachtvolles  Innere  man  aus  dem  schmucklosen  Ausseren 
nicbl  vermutet.     Im  Boklosse  zu  Idstem  hat  Georg  August  die  Kapelle  her- 
iehten   lassen   (1710),   die   beim   Neubau   (im  Jahre  1615)    vergessen   worden 
war.     Auch  hat  er  das  sogenannte  Kaiserzimmer  im  Schlosse  durch  Stnekarbeit 
verzieren  lassen.     Auf  der  anderen  Seite  des  Wolfsbaches,  an  der  Bergterrasse, 
er  den  »Tiergarten**  an,  der  in  der  ersten  Zeit  wohl  umhegt  war,  nach- 
lange Zeit   vorwildert   lag,   neuerdings  aber  durch  die  Fürsorge  dos  Ver- 
cbunerungs Vereins  zu  einer   beliebten  Pronienadenanlage    wieder   urageschaffen 
worden  ist.     So  mag  man  in  der  altnassauischen  Residenz  seine  Schritte  lenken 
ywobitt  man   will,   man   wird    allenthalben   an   den   umsichtigen   und  für  seines 
les  Wohl  und  Aufschwung  besorgten  Fürsten,  den  letssten  Idsteiner,  erinnert- 
Bedeutender  noch  als  für  Idstein  wurde  der  Erlass  vom  18.  Oktober  1690 
nir  Wiesbaden,     Die  alte  Bäderstadt  hatte  durch  den  grossen  Krieg  schwer 
öfl,   und   nachher  war    oder  konnte  nicht  besonders  viel  zu  ihrer  Wieder* 
berstellttng    geschehen*     Die    Weiher,    wie    die    Stadtgräben    genannt    wurden, 
waren   ^umteil   versumpft,   die  Mauer  war  an  manchen  Stellen  eingestürzt;   in 
Stadt    selbst   lagen   viele   anbebaute   Plätze,   andere   zeigten    nur  Ruinen. 
^Wlr   dfirfon  als  ziemlich  bestimmt  annehmen,  dass  eigentliche  Strassen  damals 
kaum  ^u  erkennen  waren.     Schon  1684   hatte  Georg  August  über  die  heillose 
Verfassung  Wiesbadens  geklagt;  jetzt,  nachdem  die  Kriegsläufte  eiuigermassen 
ibor«t4iidou  waren,  nahm  er  sofort  die  Restauration  der  Stadt  in  Angriff  durch 
eo  Plan   eines   neuen  Mauerbaues.     Es   sollte   weniger  eine  Stadterweiterung 
ak  fielmefar   eine  Stadterneuerung   eintreten.^     Der  Plan  bestimmte,  dass  das 

*)  Blihaab  «boada.  -^  *)  Tergl.  ftuoli  die  DarsteUungen:  Otto,  Annalen  XV,  unt] 
Hti|  Q^idilohi«  Ttm  Wi(«flbAdco,  dasu  Sohaier,  Wt^sb.  TagbL  1084,  Ho.  65. 


54 


atumpfe  Thor   (am  h.  Gottsohalkschen  Hau^e  auf  dem  Hiehelsberge)  zu  aiaem 
Fahrthore   erbreitert   und  das   faeidDische  (in   der  Kirchhofsgaflse)  gesohlossea 
werde.    Yen  dem  stumpfen  bis  zum  heidnischen  Thore  sollte  die  Hauer  erhöht^ 
und   ausgebessert,   und   von  da  eine  neue  Mauer   innerhalb   des  Stadtgrabeod 
bis   hinter  das   Hospital  aufgeführt  werden,  so  dass  am  heidnischen  Tbore  ein 
Platz  gegen  den  Berg  zu  einem  neuen  Burger-   und  um  das  Hospital  zu  einem 
neuen  Armenkirchhofe  behalten  würde.     Hinter  dem  Hospital  sollte  ein  starkes 
Rundell   erbaut   werden,   von   da  die  neue  Mauer  hinter  der  „Blume^  (^Euro- 
päischer Hof")  her  bis  zum  Sonnenberger  Thore  führen,  von  da  an  der  Herren- 
mühle  vorbei,    über   den   Schlossgraben   bis   an   den  Stümperturm    (hinter   der^ 
Marktkircbe)   und   an   die   alte  Mauer.     Diese  sollte  bis  an  das  Stadtthor  und 
das  Langelnsche  Haus  (,,Orüner  Wald*^)  repariert  werden.  Für  ,,rath8amb  und 
nützlich*  wurde  es  auch  befunden,  Stadt-  und  Mainzer  Thor  (ersteres  am  ^Oril 
Wald*^,   letzteres   in  der   Kirchgasse   am   „Nonnenhof**)   abzuschaffen   und  au 
beiden  eins  zu  machen,  dieses  unfern  der  »Katz^  (am  Accisehofe  in  der  Nou?j 
gasse)  dergestalt  anzulegen,  dass  es  auf  die  „neue  Gasse^  und  auf  die  „Zwerch- 
gasse*^  gegen   die   Schule    dem  Kirchhof  (Schulgasse)    korre8]>ondieren    möge.^ 
Bei  Absteckung  der  Mauer  habe   man   sich   eines   erfahrenen  Ingenieurs  odi 
Offiziers   zu   bedienen,  der  auch  die  Rundelle  und   Türme  also  anlegen  sollte, 
„dass  die  Defension  von  einem  Orte  zum  anderen  geschehen  möge.*'     Ohne  den 
stehenden    Teil    betrug   der   Umfang   der  Stadtmauer  300  Ruten  (3600  Fuss); 
jährlich  sollten  100  Ruten  zu  P/s  Schuh  Dicke,  16  Schuh  Höhe,  16  Schuh  Länge 
aufgeführt    worden.     Da   aber  an    manchen  Orten   die  Dicke  zu  3  Schuh  ge- 
nommen werden  müsste,  so  käme  es  jährlich  nur  auf  80  Ruten  zu  den  erwähnten 
Ausdehnungen.     Das   Kalkbrennen    und    Steinebrecheu    sollte    sofort  beginnen, 
und  gleich  diesen  Winter  (1690/91)  Material  zum  Bau  für  zwei  Jahre  beschafft 
werden.     Man   ging   mit  regem   Eifer   alsbald   an   die  Arbeit,  zunächst  an  die 
Trockenlegung  der  Gräben,  des  besseren  Baues  der  Mauer  wegen.    Dann  brach 
der  Werkmeister  Bager   die    Katz  (am  Accisehofe)   ab   und  legte  die   beiden 
Dammauern  nieder.     Am  24.  April  1691  kam  Fürst  Georg  August  selbst  von 
Idstein  herüber  und  legte  den  Grundstein  zum  ^neuen  Thore**  (zwischen  dem 
Accisehofe  und  dem  „Rheinischen  Hof);    einige  Wochen   später  geschah  das* 
selbe  beim  Beginne  des  Mauerbaues  östlich  vom  Thore,  wobei  die  Maurer  eine 
kleine  Trinkfestlichkeit   veranstalteten.     Jetzt  schritt  die  Arbeit   rüstig   voran, 
so  dass  man  Ende  1691    zwar  nicht  die  vorgefassten  80,   aber  doch  immerhin 
57  Ruten  Mauerwerk   fertigstellte.     Im  Jahre  1692  wurde  das  Fundamentaus- 
graben und  das  Mauerniederlegen  fortgesetzt  und  das  Neuaufbauen  wieder  be- 
gonnen.    Auf  diese  Weise   verfuhr  man   stetig   in  den  folgenden  Jahren,  1693 
bis  1607,  ohne  natürlich  nur  an  die  jährlich  bestimmten  80  Ruten  anzureiohen. 
Im  Jahre  1696  brach  Bager  das  alte  Mainzer  Thor  ab  und  baute  es  neu  wieder 
auf.     Wahrscheinlich   hat   es   noch    acht  Jahre  in  Benutzung  gestanden;   denn 
der  definitive  Schluss  desselben  wird  erst  1704  berichtet,  angeblich  (nach  Hell- 
mund), weil  der  Lärm  des  Fulirwerkes  die  Andächtigen  in  der  Mauritiuskircho 
äu  sehr  gestört  habe.    Im  Jahre  1697  wurde  die  Restauration  der  alten  Mauer 
als  abgeschlossen  betrachtet.    Die  Kosten  derselben  beliefen  sich  auf  ^uHiiMnuen 


BS 


Gulden  14  Albus  und  4  Heller.     Gedeckt  wurden  sie   durch  die  Stadt- 
aeebe,  das  Kopfgold  und  das  Stadtbaugeld,  welches  in  Wiesbaden,  Soonenberg, 
shoisn,   Schierötein,   Mosbach-Biebrich,   ErbeoheirD,   Bieratadt,  Kloppenheia», 
ibfteh^  Hesslochf  Auringen  und  Naurod  erhoben  wurde.    Zudem  waren  alle 
ibesitxcr  in   der  Stadt   und   auf  dem  Lande  zu  Kornlieferungen   für   den 
Jntorluilt  der  Arbeiter  verpflichtet.     Als  1697  die  Sonnenberger  nicht  lieferteo, 
ihiien  die  Frucht  von  staatßwegen   geschnitten  und  verkauft.     Die  neue 
wurde  er«f  später   zu    bauen    begonnen;   ja   man    weiss   nicht,   ob  die 
ite  der  alten  Hauer  vom  (alten)  Mainzer  Thore  im  Bogen  hiuter  der  heutigen 
oll0lKtte  her  bis  taxth  stumpfen  und  zum  heidnischen  Thore  nicht  erst  im  ersten 
hrsdint   des   neuen  Jahrhunderts  vollendet  wurde.    Denn  dass  der  Bau  gar 
vorwärts  ging,   erhellt  daraus,   dass   erst   im  Jahre   1701    das   „neue 
vollständig  fertig  wurde^  mit  Turm,  Brücke,  Gefangnisstube  und  Fahne, 
war  im  Viereck  gebaut;   der  dreistöckige  Neuthorturm   hatte  30  Fuss   im 
lavierte.     An   das  Thor   schloss   sich   ein  25  Fuss   langes  und  18  Fuas  tiefes 
Taehthaus  an^   aus   dem  man   in  den  Turm   gelangen  konnte  (auf  der  Stelle 
jeteig€Q  ^Rheinischen  Hofes*).    Im  Jahre  1713  wurde  das  heidnische  Thor 
Fuhrwerke  geschlossen.     An   der  Mauer   um   das  Sauer land,   vom  letztge* 
Thore  bis  zum  Hospital  und  von  da  zum  Sonnenberger  Thore  bis  zum 
ipert  baute  man  noch  lange.    Im  Jahre  1720  wurde  der  äussere  Teil  des 
»nberger  Thores   und  1731    der  innere   (der  Turm)  abgebrochen  und  das 
Thor  dann  weiter  hinausgerückt.     Erst  1739  wurde  das  letzte  Stück  der 
Hauer  vom  Sonnenberger  Thore  bis   zum  Stümpert  fertig  gestellt  und 
damit  das  Werk  der  Umwallung  beendet,   fünfzig  Jahre  nach  seinem  Beginne. 
Cnftcbe  der  Verzögerung  waren  jedenfalls  die  fast  drei  Lustren  hindurch  dauernden 
Unrtthen  des  spanischen  Erbfolgekrieges,  welche  viele  Durchmärsclie,  Einquar- 
Bgen    tt.  s.  w<   zur  Folge   hatten,   wenn  auch   gerade   keine   unmittelbare 
ri6gi|gefahr  drohte.     Aber  die  Landgemeinden   litten   doch   derart,   dass   seit 
1712  von  ihnen  nichts  mehr  zum  Mauerbau  bezahlt  werden  konnte.    Auch 
üb  sieh  der  Fürst  öfter  gezwungen,  der  Stadt  selbst  die  Beisteuer  zu  erlassen, 
so  1703  und  1704,  nachdem  die  Gemarkung  durch  Hagelwetter  schwer  gelitten 
halte.    So  kamen  auch  manche  beabsichtigten  Änderungen  nicht  zur  Ausführung, 
INo  am^trockneten  Weiher  wurden  nicht  wieder  gefüllt,  sondern  gingen  nach 
ad  nach  ein  und  wurden,  in  Acker-   oder  Gartenland   umgewandelt,   von  der 
•ebaft   verschenkt   oder  veräussert.     Im  Jahre   1730   bestanden   nur  noch 
der   ^kaite^    und  der  ,  warme"  Weiher  (vom  Stümpert  bis  zum  Sonnenberger 
Thore).     Das  untere  Stadtthor  (am  „Grünen  Wald")  wurde  nicht  geschlossen; 
im  Gegenteil  liess  man  die  Allee,  welche  eigentlich  vom  neuen  Thore  aus  nach 
MosInicIi  fShren  sollte^  von  dem  ersteren  ausgehen.  Diese  Allee  gabelte  sich  (etwa 
in  der  heutigen  Rheinstrasse)  in  den  Weg  nach  Mosbach  und  den  nach  Mainz. 
Zwbdien  dem  onteren  Stadtthore   und  dem   alten  Mainzer  Thore   hatte   Fürst 
tiwfg  August   im  Jahre  1088   die  Anlage   des  „Herrengarten "    begonnen,  der 
ipitor  den  Kurgiaten  2ii  Promenaden  diente.     Jedenfalls  wurde  derselbe  von 
doi  vom  ,^iieQ  Thore**   aus  nach  der  Biebrich-Mosbacher  Strasse  führenden 
Fage  durehiehnjtten.    Wie  weit  sich  dieser  herrschaftliche  Garten  südlich  er- 


56 

Bireokte,  kann  nicht  ganz  sicher  aDgegeben  werden,  jedenfaUa  bis  ins  Terrain 
der  heutigen  Rheinstrasse, 

Im  Inneren  der  Stadt  begann  damals  der  regelrechte  Strassenbau.  Von 
den  beiden  alten  Weihern,  die  sich  vom  ülirturme  (dem  oberen  Stadtthore  von 
ehedem)  nordöstlich  und  südöstlich  zogen,  lag  jedenfalls  der  letztere  (durch  die 
Häusergevierte  zwischen  Neugasse  und  Marktstrasse^  quer  durch  die  Ellenbogen- 
gasse  bis  zum  unteren  Stadtthore  am  ^Grünen  Wald''  führend)  lange  trocken. 
Der  Plan,  von  ausserhalb  des  ührturmea  bis  zum  „neuen  Thore**  eine  breite 
und  gerade  Strasse  zu  ziehen,  wurde  sofort  in  Angriff  genommen.  Unbekümmert 
um  Gärten,  Wiesenplätze  und  Hofraithen  begann  man  1691  die  Anlage  der 
neuen  Gasse.  Nur  schöne  und  hohe  Häuser  sollten  in  der  Fluchtlinie  ge- 
duldet werden.  Das  erste  Haus  stellte  H.  Kümmel  (Eimmel)  1694  fertig.  Auf 
dem  Terrain,  das  die  Neugasse  durchschnitt,  hatten  die  Stifte  zu  St  Viktor  und 
St,  Peter  in  Mainz  Güter.  Ersterem  wurde  bei  der  Anlage  der  Gasse  ein  Teil 
seines  Gartens  und  Wieseoplatzes  ohne  Entschädigung  weggenommen,  was  einen 
langjährigen  Beachwerdeprozess  (1696 — 1722)  zur  Folge  hatte.  Fürst  Georg 
August  erlebte  die  Begleichung  desselben  nicht  mehr.  Eine  Vergütung  erhielt 
das  Stift  nie.  Zugleich  mit  der  Anlage  der  Neugassc  begann  die  der  Frosch- 
und  der  Schulgasse.  Doch  erhielt  die  Froschgasse  nur  auf  der  einen  Seite 
Häuser,  da  sich  auf  der  anderen  die  Stadtmauer  erhob  (daher  der  spätere 
Namen  Mauergasse),  und  mit  dem  Ausbau  ging  es  nicht  so  schnell  werter. 
Überhaupt  nicht.  Im  Jahre  1703  (am  10.  März)  musste  der  Fürst  eine  Ver- 
ordnung erlassen,  das»  jeder,  der  unbebaute  Hofraitheplätze  besitze,  binnen 
acht  Tagen  erklären  solle,  ob  er  dergleichen  Plätze  bebauen,  oder  gewärtig 
sein  wolle,  dass  ihm  solche  genommen  und  nach  vorhergegangener  gerichtlicher 
Entscheidung  einem  andern  gegeben  werden  sollten.  Das  half  etwas ;  aber  als 
im  Jahre  1700  der  Fürst  die  noch  wüste  liegenden  PUltze  verzeichnen  Hess, 
fanden  sich  deren  in  der  Langgasso  noch  18^  die  den  Bürgern  J.  J.  Becker, 
J,  Dillmann,  H.  G.  Freiussheim,  J.  D.  Hoffmann,  P.  Knefeli,  O,  C.  Kraft, 
J.  V.  Matt,  J.  Müller,  J.  Matz,  F.  Ruhwedel,  H.  P.  Sauer,  J,  Scherer, 
Ph,  Schmidt,  L.  Schweisagut  und  J.  T,  Spielmann  geborten.  Sonst  lagen  noch 
die  Plätze  des  S.  Burck  neben  der  „Glocke"  („Weisses  Rosa*')  und  des 
N.  Giessius  neben  dem  „Vogelgesang*  (h,  „Reichsapfel*)  unbebaut,  dazu  die 
der  Badhäuser  „Zum  Rindsfuss**  („EogHscher  HoP)  und  „Zum  Salmen* 
(zwischen  dem  „Europäischen  Hof*  und  dem  „Römerbad"),  welch  letzteres  als 
baufällig  1690  abgerissen  worden  war.  In  der  Langgasae  wurde  damals  einiger- 
massen  eine  Fluchtlinie  hergestellt;  sechs  Hausbesitzer  wurden  dazu  genötigt, 
ihre  Gebäude  „in  die  Reihe  zu  rücken".  Einige  herrenlose  Plätze  zog  der 
Fürst  ein  und  verschenkte  sie  an  Baulustige.  Die  Kosten  für  die  Regulierung 
der  Lauggaase  betrugen  insgesamt  491  Va  Gulden.  Die  Ellenbogengasse  scheint 
um  dieselbe  Zeit  entstanden  oder  doch  bis  zur  Neugasse  und  Sehulgasac  dtircb- 
gefuhrt  worden  zu  sein.  Auch  der  Michelsberg  (damals  die  Oberthorgasee) 
empfing  damals  seine  regelmiissigo  Anlage.  Es  war  eine  wenig  gesudite 
Gegend,  und  der  Platz  an  der  gPfaffenmühle^  (Cramers  Mühle)  wurde  als  aehr 
abgelegen  betrachtet.    Die  dort  Bauenden  verlangten  und  erhielten  nmnoberlei 


'erffioitigimgeii*  Der  Säumarkt  (h.  Hochatätte)  behielt  Beinen  Lauf,  welcher 
dem  der  hinter  ihm  hcrfülirendeu  Stadtmauer  eut^prccheud,  im  Bagon  ging. 
Im  Satterlande  entatanden  zwei  neue  gerade  Strassen,  die  Weber-  und  die 
Saalgasso.  Die  Saalgaase  führte  an  dem  alten,  nun  auagetroclcuctea  heid* 
lOn  We>iher  entlang  bis  ssar  Gegend  des  Hospitals  und  des  Armenkirdt-* 
Als  letzte  Strasse  wurde  die  Grabens trasse  unter  Georg  August 
angelegt  (1710)  und  zwar  nur  auf  der  Seite  der  Metzgergasse  (damals  Judeu- 
gane)»  srumaist  durch  Besitzer  von  Häusern  in  dieser  Gasae,  die  den  Platz  an 
dem  aufgetrockneten  Graben  für  sich  in  Anspruch  nahmon.  Von  dem  ehe- 
inaligfui  Graben,  dessen  Verlauf  sie  folgt  (vom  Uhrturm  an  nordöstlich)  bat 
die  StratAC  ihren  Namen.  Schon  bei  Beginu  ihrer  Anlage  wird  man  sie  frei 
ntr  Qoldgasse  durchgeführt  haben,  der  Zugang  zur  Erämergasse  (h.  Markt* 
straaae)  war  bis  in  die  jüngste  Zeit  überbaut;  m  stand  dort  bekanntlich  das 
pZum  roten  Manu**.  Alle  Strassen  waren  ungepflastert  bis  auf  die  Lang-, 
r*.  Neu-  und  Wobergasse*  Letztere  empfing  ihr  Pflaster  erst  im  Jahre 
1710.  Von  einzelnen  Gebäuden  ist  zu  bemerken,  dass  der  1690  abgerissene 
iSalm^  nicht  wieder  aufgebaut  wurde,  dasa  aber  zwischen  1001  und  1710  der 
ir  verfallene  ^Bär**  schon  neu  erstand.  Am  31.  Dezember  16!J2  wurde  das 
bartehaftUche  Gast-  und  Badhaus  „Zum  Schützeuhof^  an  Gg.  Egidius  Sartorius 
für  750  Gulden  jährlicher  Pacht  als  Erblehn  übergeben  und  hernach  von  diesem 
gekauft.  Im  Jahre  1716  erbaute  Joh.  Andr  Bechthold  den  ^Eitter"^  am  neuen 
Sotmooberger  Tfaore.  Weiterhin  hätten  wir  noch  die  Verlegung  des  Bürger- 
Idrchhcifs  vom  Mauritiusplatze  auf  den  Heidenberg  (d.  h.  alten  Kirchhof)  an 
die  aeue  Stadtmauer  (1690),  und  den  Neubau  des  Hospitals  (schon  1682),  das 
aber  acUeebt  im  stände  gehalten  ward,  zu  erwähnen. 

Den  Einwohnern  Wiesbadens  griff  Fürst  Georg  August  auf  jede  Weise 
ieh  unter  die  Arme.  Wie  er  ihnen  (s.  o.)  zeitweise  einen  Teil  der  Ab- 
gabeo  erlassen  hatte,  so  kam  er  endlieh  auf  den  Gedanken,  sie  mehr  und  mehr 
Wim  den  Proneu  zu  befreien*  Am  28,  März  1714  gab  er  der  Stadt  einen 
Freiheitsbrief,  in  wekhem  er  dieselbe  gegen  einmalige  Zahlung  von  1000 
Gulden  von  allen  Forst-  und  Jagdfrondiensten  freisprach.  Nur  den  Geschirr 
httlteaden  Bewohnern  lag  die  Beifuhr  des  ^Burgholzes'^  für  Herrschaft  und 
Bfiatnte  ob,  und  zwar  kamen  auf  jeden  im  SchÖppenstuhl  Sitzenden  17  Karren, 
auf  jeden  anderen  8  Karren.  Die  Wiesbadener  waren  zeitweise  mit  dem 
idlostigen  Fürsten  unzufrieden^  und  im  Jahre  1720  drückte  sogar  der  Stadt- 
seine MisabilUgung  über  manchen  Zwange  der  geltend  gemacht  worden 
,  in  einem  sehr  erregten  Schreiben  dem  Fürsten  gegenüber  aus.  Aber  zu 
Aufruhr,  oder  auch  nur  zur  Belästigung  und  Benachteiligung  der 
>OQn  me  tn  Idstein  ist  es  nicht  gekommen.  Und  doch  sind  die  letzteren 
auf  daa  Privilegium  von  1690  bin  sehr  zahlreich  in  die  Stadt  gezogen.  Im 
iten  Jahre  zählte  Wiesbaden  137  Bürger,  3fi  Beisassen,  144  Frauen, 
Kinder,  ungefähr  600  Personen.  Im  Jahre  1699  schon  lauten  die  Zahlen 
löO  Bürger,  142  Frauen,  348  Kinder,  39  Knechte  und  Gesellen,  41  Mägde, 
Personen.  Ein  Jahr  nach  dem  Tode  des  Fürsten  (1722)  «ahlte  man 
aer,  262  Weiber,   756   Kinder,   58   Beisassen,  zusammen   etwa    1400 


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Einwohaer.  Es  hat  sich  also  die  Zahl  der  Bewohner  Wiesbadenfi 
anter  Georg  Augusts  Regierung  verdoppelt.  Ein  bedeutender  Wetteifer 
im  Hand  werksieben  und  Industrie  wesen  entspann  sieb,  nachdem  auch  seit  der 
Aufbebung  des  Ediktes  von  Nantes  eine  Anzahl  gewerbfleissiger  franzosischer 
Refugies  in  der  Stadt  sich  niedergelassen  hatten.  In  einer  Urkunde  (Droits 
et  Privileges  aux  Frani^ais  refugies,  composant  la  eolonie  itablie  a  Wiesbade) 
wird  denselben  zugestanden,  dass  sie  frei  nach  ihren  kirchlichen  und  richter- 
lichen Gebräuchen  leben,  alle  Rechte  der  ^anderen  Unterthanen  gemessen,  ihren 
SchuUehrer  und  Kantor  sowie  den  Geistlichen  nach  geschehener  Präsentation 
selbst  anstellen,  ihr  eigenes  Konsistoriam  und  Presbytenum  wählen,  eine  eigene 
Handelskammer  haben  sollen*  Ihr  Eigentum  darf  auf  keine  Weise  angetastet 
werden,  ihre  bewegliche  und  unbewegliche  Habe  soll  sich  vererben.  Die  Freiheit 
der  Eheschliessungen  bleibt  ihnen  gewahrt,  ebenso  der  Transport  und  die  Ter- 
äusserung  ihrer  Guter.  Die  Geistlichen  unterstehen  nicht  der  deutschen  Kirchen* 
lnspektion,  sondern  der  fürstlichen  Kanzlei  direkt.  Zeugen  brauchen  die 
Fremden  nur  zu  sein,  wenn  es  sich  um  MajestÄtsverbrechen  bandelt.  Ihr 
Gericht  besteht  aus  einem  Direktor  und  drei  Schöffen  (echevins),  die  Handels- 
kammer aus  fünf  Personen  (drei  Kaufleuten,  einem  Schöffen  und  dem  Rat). 
Sie  richtet  (sur  los  fraudes  et  difficult^s)  bis  zur  Summe  von  500  Gulden* 
Ein  Haus  für  den  Prediger  und  eine  Kirche  (Betsaal)  soll  ihnen  erbaut  werden; 
der  Fürst  behält  sich  die  Platzbestimmung  vor  und  verspricht  Beihilfe  beim 
Bau*  Bis  zur  Vollendung  desselben  sollen  die  religiösen  Versammlungen  in 
einem  Zimmer  abgehalten,  die  Verstorbenen  auf  dem  alten  Friedhofe  beerdigt, 
die  Kranken  im  Hospital  verpflegt  werden.  Die  Vorrechte  der  Bürger  sollen 
die  Refugies  wie  diese  fünfzehn  Jahre  lang  gemessen,  während  der  Zeit  von 
Einquartierung  und  allen  Diensten  frei  sein.  Ebenso  wird  ihnen  auf  gleich- 
lange  Zeit  die  Freiheit  im  Handel  gestattet;  später  haben  sie  die  Aoeise  zu 
zahlen* 

Auch  für  das  Bad  wesen  der  Stadt  hat  Fürst  Georg  August  viel  gethan. 
Am  10*  Februar  1686  befahl  er  das  gemeine  Badhaus  öfter  zu  untersuchen,  auch 
den  bisher  gemeinsamen  Badraum  durch  eine  Bretterwand  mit  HoJzgittor  in 
zwei  Abteilungen  zu  scheiden,  damit  die  Geschlechter  getrennt  badeten.  Im 
Jahre  1688  legte  er  dann,  wie  erwähnt,  den  „Herrengarten*  zum  Promenade- 
aufenthalt der  Kurgäste  an.  Auch  dass  er  für  den  Aufbau  und  Ausbau  der 
ziemlich  verwahrlosten  anderen  Badhäuser  Sorge  trug,  ist  schon  zumteil  gesagt 
worden.  Sein  Leibarzt  Melchior  verfasste  1697  seine  „Anatomia  hydrologica**, 
welches  Buch  grosse  Verbreitung  fand  und  Wiesbadens  Namen  allenthalben 
bekannt  machte,  ebenso  wie  C.  von  Lohensteins  damals  vielgelesener  Roman 
„Arminius  und  Thusnelda'',  eins  der  schwulstigen  Werke  der  sogenannten 
zweiten  schlesiscben  Dichterschule^  dessen  Handlung  zumteil  in  Wiesbaden 
spielt*  Trotzdem  blieb  der  Besuch  unserer  Badestadt  hinter  dem  von  Schws 
bach  und  Schlangenbad  noch  zurück;  aber  die  Fürsorge  Georg  Augusts  hg 
später  um  so  grossere  Früchte  getragen.  Ihn  muss  man  als  Begründer  der 
Kurindustrie  ansehen. 


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Eine  bosoDdcre  Sorgfalt  rerwandte  der  Fürst  auf  die  Kirche^)  und  daa 
:ii8i  sa  Wiesbaden.  Die  alte  Maurittudkirche  war  zwar  nach  den 
«cintcnmoo  liftuftoD  des  grossen  Krieges  im  Jahre  1650  ausgebessert  worden, 
dodi  war  dies  so  mangelhaft  geschehen,  dass  am  17,  August  1714  in  einem 
Rerichto  an  das  fürstliche  Konsistorium  über  die  höchst  notwendige  Erneuerung 
d«t  Diaohee  und  des  Obergebälkea  sowie  über  den  Abbruch  des  Turmes  Vor* 
itdhiog  gemacht  wurde.  Dies  stimmte  mit  den  Wünschen  des  Fürsten  über«- 
diii  d^  mit  einem  teil  weisen  Umbau  eine  Erweiterung  und  Verschöneruug  der 
Klrtho  im  Innern  wünschte.  Alles  Flicken  hatte  bisher  nichts  geholfen.  Im 
1702  hatte  der  Hahn  auf  der  Turmspitze  eine  neue  Vergoldung  erfahren; 
war  alles,  was  zur  ^Verschönerung"  seither  geschehen  war.  Am  5.  März 
1715  wiederholte  der  Gemeinderat  seine  Bitte  um  Reparatur  und  legte  später 
Kostenüberschlag  des  Werkmeisters  Bager  vor.  Die  Regierung  verwies 
if  Beiträge  der  Kloster,  die  in  der  Stadt  begütert  seien,  auf  die  Kollekten  im 
Liuide,  aof  die  Beitrage  von  Fremden  und  auf  Erhebungen  in  der  Stadt  selbst, 
dann  auch  die  Herrschaft  ihr  Teil  beisteuern  wollte.  Man  wandte  sich 
neb  nach  Frankfurt,  wo  man  eine  HauskoUekte  bewilligt  erhielt.  So  fing  man 
jm  Sommer  des  Jahres  1716  auf  Wunsch  des  Fürsten  mit  der  Niederlagung 
Sohiffet  fLUy  während  der  Turm  und  der  hintere  Teil  des  Chores  stehen 
lieben.  Der  Werkmeister  Bager  reiste  hierauf  in  den  Schwarzwald,  um  das 
Tannenholz  für  den  Dachstuhl  zu  beschaffen,  dessen  Anfuhrung  (342  Stämme 
und  4000  Borde)  1570  Gulden,  daasu  300  Gulden  Fracht  und  324  Gulden  Zoll 
(all  Mche  ZoUstätten)  von  Pforzheim  bis  Biebrich  kostete.  Es  gab  besonders 
wcgoo  der  hohen  Zollsätze  viel  Schreibereien  um  Naohlass  u.  s.  w.;  wahr- 
tekfitldieh  musste  schliesslich  doch  alles  bezahlt  werden.  Um  das  Geld  zum 
Baue  zusammen  zu  bringen,  wurde  auch  in  Darmstadt,  Usingen,  Saarbrücken, 
OHwailsr,  Worms,  Speier  um  Bewilligung  von  Hauskollekten  nachgesucht,  die 
aaeh  mit  Ausnahme  von  letzterer  Stadt  genehmigt  wurden.  Daneben  wurden 
die  Landleute  zu  Holzfuhren  angehalten,  und  in  Wiesbaden  selbst  mussten  die 
[er  itark  beisteuern.  Bis  zum  24.  Juli  1717  wareu  laut  Recfanungsextrakts 
Siiatma  35DS  Gulden  eingegangen;  dagegen  betrugen  die  Ausgaben  bereits 
Gülden  7  Albus  +  1603  Gulden  =  rund  5200  Gulden.  Der  Gemeinderat 
diesen  Rechnungsüberschlag  stillschweigend  ein.  Nichtsdestoweniger 
uuui  jet^t  mit  Bauen  fortfahren.  So  begann  denn  auch  im  Frühjahr 
ri7,  noebdem  man  am  21.  Mai  einen  Vertrag  mit  dem  Zimmermann  Goslar 
de«  Baues  abgeschlossen  hatte,  der  letztere  von  neuem  und  wurde  mit 
fortgeaetzt,  so  daas  am  Ende  des  Jahres  der  Rohbau  fertiggestellt  war. 
Sohiff  wurde  erneuert  und  an  den  Turm,  der  früher  freistand,  links  und 
angeaohlossen;  auch  das  Chor  erfuhr  eine  Veränderung.  Aber  die  Arbeit 
gbg  allzttrasch  von  statten,  das  Material,  das  verwendet  wurde,  war  nicht  das 
bette,  and  die  Bindemittel  waren  schlecht  bereitet.  Das  hatte  zur  Folge,  daaa 
in  den  niefasten  Jahren  fortwahrend  geftickt  und  gebessert  werden  musste; 
auch    machte  der    Ausbau   im   einzelnen   so   schlechte   Fortschritte,    dass    ein 


Dcnkmiilcr  I,  un«l  Roth,  üeschiclite  von  Wlojibiiücii. 


^gum 


60 


Schluss  des  Baues  eigentlich  erst  gegen  dos  Jahr  —  1771  vorÄCichnot  worden 
kann.  Dabei  war  der  Stil  der  Kirche  so  unschön,  dass  er  später  wiederholt 
den  Pfarrer  Hellmund  zu  recht  derben  Vergleichen  nötigte.  Die  Ausschmückung 
im  Inneren  ging  gleichfalls  langsam  voran.  Die  im  Jahre  1709  neu  angeschafFte 
Orgel  wurde  im  Chore  auf  einer  Empore  aufgestellt;  aber  erst  1721  wurden 
die  Schreinerarbeiten  an  derselben  vergeben.  1719  hatten  die  Schreinerarboiten 
und  die  Stuckaturen  überhaupt  erst  begonnen.  Andreas  Egidius  aus  Wies* 
baden  und  Michel  Rössel  lieferten  die  Holzarbeiten.  Die  Kosten  betrugen  im 
ganzen  773  Gulden  9  Albus  4  Heller,  Die  Treppe  zum  Altare  schenkte  im 
Jahre  1721  ein  Mainzer  Steiuhauer.  Der  Turm  behielt  einstweilen  seine 
ursprungliche  Gestalt;  er  besass  einen  stumpfen  Unterbau,  dessen  Dach  in  der 
Dachhühe  des  Schiffes  begann  und,  geschweift  nach  innen,  oben  zulief.  Dort 
krönte  ihn  ein  vierseitiges  Türmchen  mit  niederer  Haube.  Der  ganze  Dach- 
stubl  war  äusserst  schwach,  so  dass  man  öfters  beim  Läuten  der  Glocken  ein 
Schwanken  des  Turmchens  bemerkt  haben  wollte.  Wenn  man  bedenkt,  welche 
verhältnismässig  hohe  Summen  der  Umbau  und  die  Ausbesserungen  erforderten, 
so  kann  man  sich  nicht  genug  wundern,  dass  man  für  das  Geld  nicht  einen 
viel  besseren  Bau  errichteta.  Sicher  war  die  Gleichgiltigkeit  und  Kacbläsaigkeit 
der  Bauunternehmer  und  Werkfuhrer  Schuld  daran,  dass  der  ganze  Plan  misa- 
lang;  hätte  Fürst  Georg  August  länger  gelebt,  so  wurde  die  Sache  vielleicht 
eine  andere  Wendung  genommen  haben.  Der  Platz  um  die  Kirche  war  1690 
durch  Durchbruch  der  Kirchhofsmauer  eröffnet  worden;  doch  wurde  die  Stelle 
später  (1740)  des  „Geschnatters  der  Gänse  wegen**  wieder  geschlossen  (bis  1809). 
Das  alteSchloss^)  auf  dem  Markte  erfuhr  in  den  Jahren  1695/9G  einen 
gründlichen  Umbau  und  teilweise  Vergrösserung.  Die  Front  war  gegen  das 
^Weisse  Lamm*^  und  den  früheren  „Grünen  Baum**  gerichtet,  in  der  Verlängerung 
des  heutigen  Schlosses  und  der  Marktstraase.  Dieser  Hauptbau  war  dreistöckig, 
52  Fuss  tief  und  hatte  im  Mittel-  und  Oberstock  je  S  Fenster*  An  der  Nurd- 
westecke  (nach  dem  jetzigen  Königl.  Schlosse  zu)  war  ein  Wachthäuschen  an* 
gebaut.  Der  Unterstock  war  15,  der  folgende  14,  der  dritte  l^  Fuss  hoch. 
Wenn  man  an  der  Fronte  des  heutigen  Rathauses  entlang  schritt,  traf  man  auf 
die  Einfahrt;  links  zur  Erde  fand  man  einen  Vorplatz  und  vier  Gemächer,  rechts 
die  Konditorei,  Küche,  Vorratskammer  und  das  Treppenhaus.  Im  Mittelstocke 
befanden  sich  der  Saal  mit  einem  Altane,  zwei  Vorplätze,  die  Schenk-  und 
Spülräume  und  vier  herrschaftliche  Zimmer»  Der  Oberstock  entbleit  sechzehn 
kleinere  Wohnräume.  Die  architektonische  Ausstattung  des  Mittelstockes,  die 
sehr  gepriesen  wird,  wurde  von  dem  Stuccator  Hieronymus  Pärna  1606  im  Stile 
Louis'  XIV.  ausgeführt;  das  Holzgetäfel  war  mit  Goldleisten  eingefasat.  Über 
den  ThCiren  waren  Medaillons  augebracht.  lÜnter  diesem  Uauptbaue  befand  sich 
der  Scblosshof,  der  auf  der  Uinterseite  durch  den  langen  Marstall  mit  IIolz^ 
fachwerk-Oberbau  abgeschlossen  wurde*  Der  Marstall  zog  sich  etwa  fünfzig 
Schritte  vor  der  heutigen  Marktschule,  parallel  mit  dieser  hin,  nach  der  Seite 
der  Kirche   zu   verschoben,   so   dass   sein   rechter  Flügel   auf  dem  Platze  de« 


■)  Nach  TU.  Schaler,  Wic»b.  TogbL,  1883,  Nu.  252: 


61 


lexBL)  Lauterbachschen  Ilausea  stand.  Der  hinter  dem  Stalle  herfülirende  alte 
Oitiboo^  danmlä  trocken,  kam  später  (1725)  zum  „Mühlengarten,"  Zwischen 
dem  linkeu  Flügel  des  Schlosses  iiod  dem  Marstalle  lag  ein  Qnrtchen ;  der  Aus- 
gang aaa  dem  Hofe  befand  sich  neben  dem  Stalle  (beim  Beginne  der  heutigen 
MälilgiMse.)  Die  ostliehe  Seite  des  Hufes  wurde  von  einem  Kutachensehuppen 
begreort,  der  auf  dem  vorderen  Teile  des  Platzes  der  Marktkirche  stand;  er 
liatte  icchs  Doppelthore.  Zwischen  ihm  und  dem  Schlosse  lag  wieder  eiti 
Qärtchen.  Zwlschon  dein  Marstall  und  dem  Schuppen  befand  sich  der  Zugang 
Ättm  hinteren  Schlosshofe  durch  einen  Thorbogen.  Links  standen  die  Zehnt* 
iiefaeuern ;  daran  reihten  sich  winklig  die  Scheune,  das  Kelterhaus,  die  Schweine- 
stille,  die  Remise,  das  Hof-  (später  Pfarr-)  haus,  daran  im  rechten  Winkel  die 
ßreotierei^  andere  Stallungen,  Taglöhner-  und  Oesindewohnungen  und  der  Küh- 
lten (an  Stelle  des  1826  erbauton,  1883  niedergerissenen  Gefängnisses)*  Zwischen 
dem^ben  und  dem  Kutschenschuppen  trat  man  vor  das  Sehloss  und  auf  den 
Uürkt  binaus,  Fürst  Georg  August  hat  sich  mehrfach  im  Schlosse  zu  Wiesbaden 
ftU%ebalten,  bevor  das  zu  Biebrich  erbaut  war.  Dann  bestimmte  er  es  seiner 
Oemahliii  atum  Witwensitze,  und  diese  ist  auch  (1728)  ia  demselben  gestorben. 
Es  bt  nicht  bekannt,  welche  Gründe  den  Fürsten  Georg  August  bestimmten, 
•eine  Itesidenz  aus  dem  altehrwürdigen  Schlosse  seiner  Väter  an  den  Rhein  zu 
Terlegeu*  Gewiss  waren  es  keine  politischen  und  religiösen*,  walirscheinltch 
e  er  sich  an  der  schönsten  Stelle  seines  Landes  ein  petite  Versailles  schaffen. 
Inf  Johannes  hatte  ehedem  schon  am  Eheinstrome  sich  ein  Lusthaus  erbauen 
laiaen;  sein  Sohn  begann  den  Schlossbau  z u  B i e b r i c h  nach  einem  grossen 
Fbuie,  Das  neue  Sehloss  sollte  zwei  Stock  hoch  sein,  einen  Längsbau  mit 
mnem  grossen  Hundturme  in  der  Mitte  und  zwei  grosse  Flügel  haben.  Drei 
JaKre,  von  1704—1706  wurde  an  dem  Gebäude  gearbeitet,  das  heute  noch 
dcireh  »oine  Stiittlichkeit,  uamontlich  vom  Rheine  aus,  einen  reizvollen  Eindruck 
auf  den  Beschauer  macht.  Die  innere  Ausschmückung  erregte  bereits  das  Ent- 
zücken Daniel  Wilhelm  Trillers,  der  Biebrichs  und  besonders  seines  Schlosses 
Schönheiten  poetisch  verherrlichte.  Die  Gemälde,  Statuen,  Marmorverzierungen 
and  Stuckarbeiten  des  Mittelbaues  werden  besonders  rühmend  erwähnt  Die 
Flptneo  auf  der  Rotunde  sind  bekanntlich  zur  Zeit  der  Belagerung  von  Mainz 
dnrch  franzusische  Schüsse  zumteil  zertrümmert  oder  beschädigt  worden  (1793). 
Auch  die  Anlage  des  Parkes  ist  Georg  Augusts  Werk;  die  beiden  AUeeen, 
^die  von  den  Flügeln  des  Schlosses  bis  zu  dem  (abgebrochenen)  Orangenhause 
fahren*,  die  Laubgänge,  Taxushecken,  Beete  und  Fontainen  waren  nach  fran- 
xoti»chem  Geschraacke  angelegt.  Zwischen  dem  Ziergarten  und  dem  Dorfe 
Mosbach  lag  au  den  Seiten  der  vom  Schlosse  fuhrenden  Mittelallee  rechts  eine 
It4»tbahnj  links  der  Obst-  und  Gemüsegarten.  Dann  folgte  eine  grosse  Wiese, 
dareh  welche  der  Weg,  die  Fortsetzung  der  Mittelallee,  nach  dem  Thore  de» 
Gflrteos  auf  der  Mosbacher  Seite  lief.  Jedenfalls  war  die  ganze  Anlage  für  die 
djuoal^  Zeit  recht  ansehnUch*  Die  Moosburg  dagegen  verdankt  ihre  Entstehung 
«Tit  dem  ^'  Friedrich  August.     Im   Jahre   1721    wurde  eine  Kapelle  im 

Seblosne  ht.^  "t  doch  blieb  der  Ausbau  im  Inneren  in  mancher  Beziehung 

uinroUiadeL 


69 


Die  Umgegend  der  Stadt  Wiesbaden*)  gewährte  beim  Beginne 
der  Regieruug  Georg  Augusts  eineD  ebeusowenig  erfreulichen  Anblick  wie  die 
Stadt  selbst,  RiDgaherum  lagen  weite  von  der  Herrschaft  oder  der  Stadt  als 
Viehtrifteo  benutzte  verwilderte  Ackerflächen,  Der  grosse  Krieg  hatte  sie  ver- 
wüstet, den  Menschen  entwertet;  niemand  zeigte  grosse  Lust,  sich  in  weiterer 
Entfernung  von  der  Stadt  dem  Ackerbaue  zu  widmen.  Man  musste  froh  sein, 
verschiedene  Stucke  gegen  geringes  Entgelt  für  Urbarmachung  einzelnen  Bürgern 
zu  überlassen.  So  verteilte  denn  die  Stadt  im  Jahre  1686  2V/t  Morgen  vom 
^Aukam**,  den  Morgen  zu  zwei  Oulden,  im  Jahre  1687  einen  Teil  der  ^Wellritz**, 
den  Morgen  zu  vier  Gulden»  Auch  einen  Teil  des  dortigen  Eichenwaldes  öber- 
liess  sie  in  demselben  Jahre  an  Käufer,  um  an  das  Mainzer  Domkapitel  eine 
Schuld  von  1000  Qulden  abtragen  zu  können.  Dasselbe  geschah  im  Jahre  1711, 
in  welchem  eine  Anzahl  Wiesbadener  und  Dotzheimer  abermals  einen  grossen 
Teil  des  Waldes  erstanden  und  Ackerland  aus  demselben  machten.  Das  Well- 
ritzthal  scheint  damals  noch  sehr  waldig  und  sumpfig  gewesen  zu  sein.  Viele 
Wasseräderchen  des  Druderbaches  durchzogen  ea  und  vereinigten  sich  erat 
unmittelbar  vor  der  Stadt  Auf  der  anderen  Seite  dagegen  war  der  Boden 
HeidelanJ.  Hier  lag  zwischen  der  Bierstadter  und  Frankfurter  Strasse  der 
^kleine  Hainer",  ein  im  Jahre  1748  noch  210  Morgen  grosser,  und  dahinter 
der  ^grosse  Hainer^,  ein  57  Morgen,  früher  im  ganzen  ca.  600  Morgen  grosser 
Distrikt.  Er  war  wüste,  mit  wilden  Obstbäumen,  Gestrüpp  und  Gras  bewachsen 
und  diente  den  herrschaftUcheu  Hofgütern  als  Weideplatz.  In  den  Jahren 
1680 — 93  vergab  die  Stadt  in  ihrem  an  den  j^Hainer"  stosaenden  Distrikte 
„Unter  dem  Hainer*^  23  Morgen,  und  nun  griffen  die  Anbauer  dort  ins  Herr- 
schaftliche über  und  rodeten  im  „Hainer**  an.  Am  15,  Februar  1693  verbot 
dies  zwar  der  Fürst  auf  Klagen  seiner  HoHeute  hin;  trotzdem  machten  die 
Bürger  weitere  Strecken  urbar.  Im  Jahre  1701  fand  eine  Untersuchungs- 
kommission, dass  43  Personen  eine  Flache  von  zusammen  80  Morgen  im  ^Haiuer** 
angerodet  hätten«  Georg  August  gab  das  jetzt  zu,  ja  er  verteilte  sogar  den  Rest 
des  ^grossen  Hainer**  und  einen  Teil  des  „kleinen^  zu  drei  bis  vier  Gulden 
nir  den  Morgen  und  gegen  Lieferung  von  zwei  Kumpf  Eora  jährlichen  Zehntens 
an  die  Rentei*  Den  Rest  des  „kleinen  Harner**  80  Morgen  kaufte  dann  die 
Stadt  ein  Jahr  nach  des  Fürsten  Tode  (1722)  von  dessen  Nachfolger,  Graf 
Friedrich  Ludwig.  Auf  der  Nordseite  der  Stadt  erhob  sich  der  Geisberg,  eine 
wüste  Viehweide,  mit  Heidekraut  und  Wachholderbüschen  reichlich  bew^achsen. 
Hier  w^ollte  unter  Georg  August  ein  Bürger,  Johannes  Wenninger  von  Wies- 
baden, einen  Hof  anlegen,  wenn  ihm  150  Morgen  Ackerland  und  20  Morgen 
Wiesen  zehntfrei  und  erbeigentümlich  überwiesen  würden.  Ob  es  geschah, 
wissen  wir  nicht;  der  jetzige  Hof  wurde  bekanntlich  erst  von  dem  Regieruaga- 
Präsidenten  von  Kruse  (1783)  erbaut.  Früher  ging  man  au  die  fiebauung 
des  Neroberges,  damals  und  noch  lange  später  ^Nersberg*^  geheissen.  Die 
Südseite  desselben,  jedenfalls  mit  Wald  bestanden,  wurde  gerodet  und  mit  Wein 
bepflanzt.    Das  geschah  1720  durch  den  Bürger  Eisen.    Südlich  der  Stadt  lag, 


t)  Kaeh  Th.  SobQler,  Wiesb.  T«gll,  18dl,  No,  278. 


irit  wir  wtiteDy  der  herr»ehaftltche  Garten  (•Herrengarten*').  Eine 
Soff^gfiüt  Ee«  def  Fürst  dem  Mühle nwesea  aDgedeiben.  Zum  Salzbacbe  floaa 
daauüsy  wie  beate  sooti,  auf  der  Ostseite  der  Stadt  eine  Anzahl  Bäche  zusammen^ 
von  deMQ  wir  äiiiielime&  dürfen,  daa»  sie  in  jeuer  Zeit,  de«  atleutbalheu  titilrkereii 
Waldwiidiaea  Wiigep,  stärker  und  reisaender  waren  und  auch  ein  grusaeres 
a«BUIfi  bsttM.  Der  dorcb  das  Sonnenberger  Thal  fliessende  Rambaeh  war 
jednfidb  die  bedeutendste  Wasserader;  in  denselben  mündete  zunächst  der 
SdlwanlMieb  aus  dem  Neresthale,  der  die  Abflüsse  der  wai'men  Quellen  in  der 
Stadt  aafoahm,  dann  der  Dendelbach,  aus  dem  Walkmühlthate,  der  mitten  durch 
die  Stadt  flose  und  der  Druderbaeh  aus  dem  Wellritztbalef  der  sich  südlieh  der 
Stadt  Biit  dem  Rambache  vereloigte.  Eine  Abzweigung  des  Rambaehes  trieb 
die  aelir  alte  Dietenmühle,  die,  im  grossen  Kriege  verwüstet^  1G86  vom  Amt* 
oiaiiiie  J.  W.  Graflf  (des  Fürsten  ehemaligem  Reisebegleiter)  neuerbaut  wurde. 
Die  fibrigeii  unter  der  Regierung  des  Fürsten  Qeorg  August  ueuerbauten, 
besw.  eroeuerten  Mühlen  siod :  die  Hammermühle  (an  Stelle  eines  alten  Eiseu- 
bmtmers)  1090,  die  Neumühle  1090  und  die  Steinmühle  1704,  alle  am  Salz* 
baehti  dte  Firnselmühle  1715  am  Rambach  (hinter  dem  Pariser  Hof),  die 
Sehloas*  oder  Herrnmühle  1082,  die  Kimpelmühle  1092,  die  Ölmühle  1719  und 
die  Krtekmannsmühle  1720  (beide  in  der  Emserstrasse),  alle  am  Dendelbache, 
die  Kloatermüble  1700  und  die  Welbitzmühle  1702,  beide  am  Druderbache. 
Der  Beirieb  dieser  Mühlen  war  sehr  rege  und  trug  ganz  gewiss  dazu  bei,  die 

rnwerbtiehe  Tliatigkeit  in  Wiesbaden  und  auf  dem  Lande  zu  heben, 
p  Dieeelbe  Fürsorge,  welche  Georg  August  der  näheren  Umgebung  Wies* 
bideoi  erwies,  dehnte  er  auf  sein  Landchen  überhaupt  aus.  Bie brich  und 
Maabach^),  die  beiden  Schwestergemeinden  am  Rhein,  hatten  in  Kriegszeiten, 
miDeittlieh  während  des  drelssigjährigen,  viel  zu  leiden  gehabt  wegen  der  Nahe 
Ton  Mains.  Sie  sollten  deshalb  zu  besserem  Schutze  befestigt  werden.  Im 
Jahre  1688,  als  der  dritte  Raubkrieg  begann,  wurde  ein  vierzehn  Fuss  tiefer 
Ormbeo  um  beide  Orte  gezogen  und  ein  Damm  aufgeworfen.  So  gut  gemeint 
diei  Werk  schien,  so  nutzlos  und  hindernd  war  und  wurde  es.  Denn  einen 
Sebula  vermochte  die  Verteidigungslinie  doch  nur  dann  zu  gewahren,  wenn 
Imler  draselben  Verteidiger  standen,  und  diese  fehlten  eben.  Zudem  brachte 
dir  Graben  Verkehrsstockungen  mit  sich,  da  er  nur  einen  Zugang  von  der 
Anaenrahmüble  her  hatte.  Der  Wohlstand  der  Gemeinde  war  nicht  besonders ; 
kilteii  die  armen  Leute  doch  im  Jahre  1648  noch  30000  Thaler  zur  Deckung 
im  ditreb  den  grossen  Krieg  entstandenen  Schaden  aufnehmen  müssen.  Erst 
aUniblidi  hob  er  sich,  und  zwar  brachte  der  Bau  des  Schlosses  manchen 
Terdienst.  Im  Jahre  1095  errichtete  Matthias  Weiss  in  Biebrich  die  erste 
Me^gerai  und  Wirtschaft  „Zum  weissen  Schwan".  Um  1700  erhielt  die  Schloss- 
iteasn  Pflaster,  1712  wurde  die  Kirche  erneuert  und  erweitert.  Im  Jahre 
1S84  hatten  die  beiden  Orte  zusammen  443  Einwohner,  die  Zahl  stieg  bedeutend 
mt  1704«  Auch  die  Nachbargemeinde  Schierstein  erholte  sich  seit  jener  Zeit 
&fl  mehr,  und  von  den  übrigen  Ortschaften  im  Amte  Wiesbaden  kann  man 

j  KagIi  Tb.  äobuler,  Wieiib,  Tagbl.,  1S87,  Nö,  lOS, 


64 


Alinlichea  berichten,  trotzdem  der  apanische  Erbfalgekrieg  niancbmal  durch 
Trappendorchmärsche  und  Einquartierungen  sich  recht  fühlbar  machte.  Das 
Amt  Wehen*),  von  Natur  aus  nicht  recht  wohlhabend,  hatte  die  grösateu  An- 
strengungen zu  machen,  um  seine  Erwerbsquellen  erspriesslich  aufzuächliesBen, 
Der  Fürst  griff  auch  hier  uuter3tützend  ein.  Um  1700  erstanden  vier  neue 
Mühlen  im  Wehener  Grunde;  1686  hatte  Georg  August  die  Uahner  Eisen*  J 
schmelze  angelegt,  zwischen  1700  und  1712  erbaute  er  den  Seitzenhahner 
Hammer.  Der  Jahrmarkt  zu  Wehen  wurde  erneuert  und  erfreute  sich  eines 
so  lebhaften  Besuches,  dasa  die  Stifteherren  zu  Bleidcustadt  auf  denselben 
neidisch  wurden  und  einen  eigenen  zu  Bleidenstadt  errichteten  (1712).  Seiner- 
seits verbot  nun  der  Fürst  seinen  Unter thanen  den  Besuch  des  letzteren,  was 
zur  Folge  hatte,  dass  der  Versuch  der  Herren  scheiterte.  Das  Stift  war  über- 
haupt nur  noch  ein  Schatten  seiner  früheren  Grösse  und  Wohlhabenheit,  Seit 
der  Reformation  war  es  in  zwei  Teile,  einen  katholischen  und  einen  evange- 
lischen geteilt  Letzterer  war  nassauisch  geworden,  Demgemäss  schied  sich 
auch  der  Ort  Bleidenstadt  in  zwei  Hälften,  deren  Grenze  allerdings  anfangs 
nicht  genau  festgesetzt  war.  Im  Jahre  1705  jedoch  schlössen  Fürst  Georg 
August  und  die  Stiftaherren  einen  Vertrag,  nach  welchem  die  Selbatandigkeit 
des  katholischen  Teiles  bestätigt  und  die  Grenze  genau  bestimmt  und  durch 
gesetzte  Steine  angedeutet  wurde.  So  erhielt  sich  der  Rest  des  Stiftes  noch 
fast  hundert  Jahre  bis  zur  grossen  Säkularisation.  Die  anderen  Ortschaften 
des  Amtes  Wehen  hoben  sich  auch  allmählich  wieder;  1707  baute  sich  Born 
eine  eigene  Kirche.  In  den  Ämtern  Idstein  und  Wehen  erkauften  sich  (1684) 
die  Stadt  Idstein  und  die  Flecken  ^WalstorfF,  Hefftrich,  Neuhof,  Adolfseek, 
Eisenkoben  und  Walrabenstein"  Freibriefe  für  teilweise  hohe  Summen  —  Idstein 
zahlte  ISG  Gulden  1  Albus  +  21  Gulden  Kanzleigebühren;  aber  diese  Briefe 
wurden  die  Grundlage  zu  einem  gedeihlichen  Leben  und  Wohlstande.  Die 
Gebäude  des  (182?1  abgerissenen)  Klosters  Walsdorf  wurden  in  den  Jahren 
11591 — 93  von  dem  Fürsten  verkauft,  die  Klostorgüter  dagegen,  welche  die 
Walsdorfer  nicht  kaufen  wollten,  da  ilmen  die  geforderte  Summe  von  Gl 00 
Gulden  zu  hoch  war,  erblich  verpachtet.  Der  Erbleilibrief,  welcher  der  Ge- 
meinde am  30,  Dezember  1707  darüber  ausgestellt  wurde,  kostete  100  Gulden,^) 
Das  Amt  Burgschwalbach  hatte  wohl  weniger  gelitten,  ab  Idstein,  Wehen 
und  Wiesbaden,  doch  sind  auch  hier  mannigfache  Spuren  des  Walteus  Georg 
Augusts  zu  erkennen.  Zwei  vereinzelt  stehende  Anlagen  sind  die  des  Hofes 
Georgenthal  bei  Strinztrinitatis  und  die  der  „Fasanerie**  bei  Wiesbaden, 
Letztere,  1690  erbaut,  war  lediglich  ein  Jagdschlosschen  mit  daranstosaendem 
Garten  für  Wild,  namentlich  Fasauen,  von  denen  das  Jägerhaus  den  Kamen 
ielt.  Die  alten  Ulmen,  welche  an  dem  Wege,  der  von  der  Lahnstrasse  zur 
inerie  abzweigt,  zumteil  noch  stehen,  sind  jedenfalls  vom  Fürsten  Georg 
?ust  gepflanzt. 

Eine  Gründung,  obwohl  der  Ausdehnung  nach  von   untergeordneter  Be- 
ig,  leukt  doch  unsere  Aufinerksandceit  auf  sich  wegen  der  Schwierigkeiten, 


I 


»)  KftGh   Tk  Scliüler,  WioäK  Ta^bL,   188G,  No,  00. 
9  ton  Wulndorf. 


*J   Nach   D eis 8 mann, 


^ÜÜ 


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I 
» 


il  deneü  m  zu  kümpfea  hatte  bis  ihre  Existenz  gesichert  war,  uod  weil  sie 
«in  Bild  lies  Yerfahrena  giebt,  das  man  damals  bei  NeaansiedeluDgea  einscbliig.*) 
Am  Hange  der  ,  Hohen  WurzeP^  der  waldig  zu  einem  Wiesentfaale  abstürzt, 
uod  von  dem  man  einen  freien  Blick  ins  schöne  Kheinthal  hat,  stiess  zu  des 
|liailigen  romisch-deutschen  Keiches*'  spätesten  Zeiten  noch  dreier  Reichsfilrsteu 

Bbiet  susammeo:  von  Süden  und  Westen  her  das  maiazisehe,  Yon  Osten  das 

^aissauische  und  von  Norden  her  das  katzenelabogische  (hessen-rheinfels-roton* 

bargische).     Der   Besitzstand   war    hier    nicht    genau    abgegrenzt,    wenigstens 

scheint  das  nicht  zwischen  Nassau  und  Mainz  auf  der  Seite  nach  Fraueustein 

zu  der  Fall  gewesen  zu  sein.     Nach  dem  im  Jahre    1693  erneuerten  Einfalle 

sr  Frauzo,sen   in  die   Pfalz   kamen   eine    Anzahl  flüchtender,    (wahrscheinlich 

llzischej  Familien  ins  Nassauer  Land,  am  der  Privilegien^  die  der  Fürst  den 
Einwanderern  gewährte,  teilhaftig  zu  werden.  Für  zwölf  bäuerliche  Familien 
beachloss  nun  Georg  August  eine  eigene  Niederlassung  in  jener  Grenzgegend 
zu  gründen;  die  Neuangesiedelten  sollten  gewissermassen  einen  Eckpfosten  des 
Na^sauischen  gegen  Mainz  und  Hessen  bilden.  Die  zwölf  Familien  fanden  sich 
bald.  Im  Frühjahre  1694  erhielten  sie  eine  Waldfläehe  von  300  Morgen  am 
Hange  der  „Hohen  Wurzel*  angewiesen»  die  folgendermassen  verteilt  wurde. 
Jede  Familie  bekam  eine  Hofraithe  mit  Gartchen  und  18  Morgen  Ackerland, 
das  sie  selbst  roden  musste;  das  Übrige  blieb  für  Gemeinbauten  aufgesjiart. 
Eine  entsprechende  Strecke  Weideland  und  Wiesen,  sowie  Bau-  und  Brennholz 
wurde  ausserdem  zugegeben.  Zehn  Jahre  lang  sollten  die  Leute  vollständig 
von  allen  Lasten  und  Abgaben  frei  sein  und  nur  nach  dem  zweiten  Jahre  den 
Zehnten  zahlen«  Die  Ansiedler  gingen  rüstig  ans  Werk;  es  waren  ans  Arbeiten 
gewöhnte,  unverdrossene  Menschen,  die  froh  waren,  eine  Unterkunft  gefunden 
SU  haben.  Sofort  aber  stiessen  sie  auf  den  Widerspruch  der  mainzischen  Nachbar- 
gemeinde Frauenstein,  Die  Fraueusteiner  klagten,  dass  ihnen  von  den  Fremden 
ein  Teil  der  RiWlerwiesen,  die  sie  seit  Jahren  besessen  hätten,  und  die  ihnen 
gehörten,  w^eggenommen  worden  seien,  und  sie  protestierten  dagegen  bei  ihrem 
Kurfürsten«  Derselbe  seheint  indessen  vorderhand  nichts  unternommen  zu  haben; 
denn  die  neue  Gemeinde,  Georgenborn  genannt,  nach  des  Fürsten  und  Pro- 
toklara  Namen,  entwickelte  sich  weiter.  Da  trieb  im  Jahre  1697  der  Frauen- 
•tiia6r  Hirt  sein  Vieh  auf  die  Wiesen  und  Acker  der  neuen  Ansiedler,  und 
die  Cteorgenborner  sowie  die  übrigen  nassauischen  Nachbargemeinden  vergalten 
auf  Befehl  des  Fürsten  Gleiches  mit  Gleichem.  Seitdem  entspann  sich  ein 
fortwibrender  Kleinkrieg.  Die  Frauensteiner  überfielen  einen  MüUer,  der  unter- 
halb Georgenborn  angesiedelt  war,  schleppten  ihn  nach  ihrem  Orte  und  setzten 
ihn  im  Gemeindehause  gefangen.  Doch  gelang  es  ihm  zu  entkommen,  trotz* 
den  Sturm  gelautet  und  ihm  nachgesetzt  wurde.  Im  Jahre  1698  folgte  dann 
doe  förmliche  Verwüstungsrazzia  der  Frauensteiner  ins  Oeorgenborner  Gebiet, 
die  m>  nachdrückliche  Spuren  hinterliess,  dass  die  Ansiedler  1000  Gulden  bei 
der  Ilofkammer  zur  Deckung  der  Schäden  aufnehmen  mussten.  Zehn  Jahre 
lU|g   blieb  es  hierauf  ruhig;   in  der  Zeit  bestanden    am   Orte  8  Wohnhäuser 


^  Vfrgl.  auoh  Tk  SohOler,  Wioib.  TdgbL,  1&84,  Nt».  138  u,  139. 


66 


und  2  Scheuern.  Als  man  aber  dann  ein  neues  llaus  bauen  wollte  und  das 
Rodland  neu  besamte,  das  bis  dahin  brach  gelegen  hatte,  ging  der  Streit  wieder 
an.  Am  28.  Auguat  1708  rückten  zi^eihundert  Mann  kurmainzischer  Land- 
miliz unter  Anführung  des  Landächreibera  von  Eltville  ganz  unerwartet  gegen 
Oeorgenborn.  Mit  wahrhaft  frenetischer  Zeratorungsluat  wurden  die  Oarten- 
seäune  abgerissen  und  verbrannt,  die  Obatbüurae,  die  nun  schon  teilweise  zwOlf 
Jahre  gestanden  hatten,  abgehauen,  die  Pflanzen  ausgerissen,  die  Frucht  ver- 
brannt» Hühner  und  Gänse  raubte  man;  die  Erdfrüchte  wurden  in  dazu  mit- 
gebrachten Wagen  fortgefahren ;  da«  aus  dem  Mainzischen  mitgenommene  Vieh 
liess  nniu  die  Äcker  zertreten.  Mit  kllDgendem  Spiele  zogen  die  Riiuber  ab, 
gegen  deren  Überzahl  die  Georgenborner  mit  Armosmacht  nicltt  aufkommen 
konnten.  Sie  beschwerten  sich  natürlich  sogleich  bei  ihrem  Landesberrn,  und 
dieser  legte  in  Maioz  Verwahr  gegen  derartige  Gewultthätigkeiten  ein*  Genützt 
hat  das  wenig;  auch  die  Konferenzen  zur  Ausgleichung  der  Streitigkeiten  führten 
zu  nichts.  In  den  Jahren  1713  und  1716  wiederlioUeu  sich  die  Überfiille, 
wenn  auch  nicht  in  der  Ausdehnung  wie  1708.  Unter  diesen  Umständen 
konnte  der  Fürst  fast  nichts  Weiteres  thun,  als  die  Leute  zum  Bleiben  ermutigen 
und  durch  Schenkungen  und  Unterstützungen  nachhelfen.  Den  Mut  der  wackeren 
Ansiedler  muss  man  bewundern;  sie  liielten  aus,  denn  sie  hatten  die  neue 
Heimat  liebgewonnen.  Freilich  blieben  sie  mit  ihren  Leistungen  im  Rückstände, 
so  dass  man  1723  von  Seiten  der  Herrschaft  den  Ort,  der  nur  Kosten  verursacht 
und  an  dem  nur  sein  verstorbener  Gründer  Interesse  hatte,  eingehen  lassen 
wollte.  Indessen  verpflichteten  sich  im  Jahre  1726  die  zwölf  Bürger  zu  pünkt- 
licher Zahlung,  und  so  blieb  Qeorgenburn  bestehen.  Im  Jahre  1728  erliess 
die  Fürstin-Regentin  Charlotte  Amalie  den  Bewohnern  überdies  die  Schuld 
jener  1000  Gulden,  und  die  Georgenborner  hielten  sich  fortan  sogar  einen 
eigenen  Lehrer.     Heute  ist  der  Ort  ein  hübsches,  blühendes  Dörfchen. 

Wenn  wir  im  Vorhergehenden  die  kolonisatürische  Thätigkeit  Georg  August» 
hauptsächlich  betrachtet  und  dabei  die  industriellen  Anlagen  nur  kurz  berührt 
haben^  so  müssen  wir  nun  unsere  Aufmerksamkeit  einer  der  letzteren  asuwenden, 
die  reclit  vielversprecliend  war,  leider  aber  fehlschlug.^)  Ein  einträglicher  Zweig 
der  Industrie,  der  besonders  in  damaliger  Zeit  in  Frankreich  geptiegt  wurde, 
war  die  Fabrikation  geblasener  Glasspiegel  nach  der  Methode  des  Venezianers 
Gallo.  Im  Jahre  1704  kam  ein  Franzose  aus  der  Normandie,  Pierre  Bernard  de 
Ste.  Pierre  nach  dem  Idsteinischen,  gab  Georg  August  den  Plan  zu  einem  Glas- 
werke und  stellte  zugleich  ihm  die  Vorteile  desselben  vor.  Der  Fürst,  immer 
bereit  auf  Neues  und  Nutzbringendes  einzugehen,  griff  den  Plan  des  Franzosen 
auf,  zumal  in  Deutschland  damals  noch  weuige  Spiegelglasfabriken  bestanden^ 
Die  Räume  des  Klosters  Ciarenthal  standen  teilweise  unbenutzt  und  schienen 
sich  vortrefflich  zu  Arbeitsgtuben  zu  eignen.  Ste.  Pierre  aber  besaas  kein 
Kapital,  um  das  Unternehmen  beginnen  zu  können;  so  musste  sich  der  Fürst 
dazu  verstehen,  5421  Gulden  vorzuschiessen.  Der  Franzose  sollte  diese  Summe 
zu  6^/0  verzinsen  und  nach  Einrichtung  der  Fabrik  300  Gulden  jährlicfun*  Piurht, 


1)  Kfkob  Th.  äcliaior,  Wicftb.  TagUl.,  1682,  No.  206  u.   Roth,  Oetofa    ton  WioHbiui^iu 


«7 


LQiltriobtcü;  vuin  lieiw^üwiun  war  das  Kapital  allmählich  abzutrageu.  Das  lironu- 
rilob  sollte  ihm  tiun  deu  umliegouden  WalduugoD,  dio  Klafter  zu  22  Albus 
4  Htltor  (=  etwa  1.30  ML)  geliefert  werden.  Alle  Fabrik*  und  Wohngebäude 
waren  »teuer»,  der  Lebensmittel-  und  Qetränkeverkauf  au  die  Arbeiter  acciöe- 
Grei  Die  zugehenden  Rohatolfe  sowie  die  ausgefufarteu  Fabrikate  brauchten 
Dicht  Terzullt  zu  werden.  Dem  Unternehmer  und  seinen  Leuten,  die  katholisch 
waren^  wurde  der  Gottesdienst  bei  yerachlossenen  Thüren  gestattet;  Taufen^ 
Kopulattooon  und  Begrübnisse  dagegen  nahm  der  eyangelisehe  Pfarrer  vor. 
Kttii  begann  der  Umbau  des  Klosters  im  Innern,  und  mit  dem  Versetzen  der 
Wunde  und  Pfeiler,  dem  Übertünchen  und  Vermauern  verschwand  fast  jede 
Erinnerung  an  die  frühere  Zeit  und  die  ehemalige  Bestimmung  der  nun- 
mehrigen Fabrikrüume.  Die  Anlage  scheint  nach  den  Beschreibungen  in  jeder 
ICosicht  ausreichend  und  sogar  grosaartig  gewesen  zu  sein.  Ihr  Betrieb  be- 
gann im  Jahre  1700,  und  der  Fürst  war  so  erfreut,  dass  er  bei  der  Eröffnung 
defn  Unternehmer  und  seinen  25  Arbeitern  ein  kleines  Fest  gab  und  sie  be- 
selienkte.  Aber  der  Absatz  der  angefertigten  Spiegel  ging  im  ersten  Jahre 
«ihte^bt  8te.  Pierre  trat,  als  der  Vertrag  mit  dem  Fürsten  abgelaufen  war^ 
zarfick.  Ein  anderer  Franzose  (oder  Engländer)  William  Bayli  (Baillie?)  nahm 
•eliie  Stelle  ein,  machte  aber  Schulden  und  entöoh  schon  1707.  Hierauf 
imrden  Du  Manoir  und  Ste.  Marie,  geborene  Pariser,  Leiter  der  Fabrik,  Sie 
»etzten  an  Stelle  der  Spiegelglasfabrikation  die  der  Rohrspiegelgläaer  und  des 
weuMien  Fensterglases.  Schon  nach  drei  Jahren  aber  wurden  die  beiden  Unter- 
nehmer uneinig.  An  Stelle  des  Ste.  Marie,  der  Ciarenthal  verliess,  trat  ein 
Dütttsoher  namens  Weiss,  der  zuletzt  allein  dastand,  da  auch  Du  Manoir, 
Schulden  hinterlassend,  durchging»  Nun  folgten  fast  in  jedem  Jahre  neue 
Leiter,  lauter  Deutsche,  die  aber  wahrscheinlich  nichts  von  der  Fabrikation 
verstanden.  Zum  Jammer  der  Bauern  verbrannte  man  dabei  Unmassen  von 
H0I2,  »0  dass  der  Wald  ringsum  stellenweise  ganz  verschwand*  So  schlug  man 
3t.  B,  io  den  Jahren  1713  und  14  au  630  Klaftern.  Im  Jahre  1720  erbot  sich 
wieder  ein  Franzose,  Joseph  Compagnon,  eine  Reform  der  Fabrik  vorzunehmen, 
40  dsaa  vor  allen  Dingen  weniger  Holz  verbraucht  werde  und  auch  die  Spiegel- 
glssfabrikation  wiederaufgenommen  werden  könnte.  Man  hatte  seit  1710  auch 
Trbkglaser  angefertigt.  Wiederum  begann  das  Bauen;  die  alten  Ofen  mussten 
abgebrochen  und  neue  errichtet  werden.  Die  Arbeiten  schleppten  sich  hin;  Fürst 
Georg  August  ist  darüber  gestorben.  Da  brach  im  Jahre  1723  durch  Ün- 
Tor  *  '  "  '  ^:4t  Feuer  aus,  und  es  brannten  der  Dachstuhl  des  „Nonnenbaues** 
itiji  „  L  re  Wohnräume  ab.  Der  dadurch  angerichtete  Schaden  kam  last  an 
(IM  QttldeDf  die  Compagnon  aufgerechnet  wurden.  Da  dieser  sich  weigerte, 
den  Wiederaufbau  auf  seine  Kosten  zu  übernehmen,  schickte  man  ihn  im  Jahre 
1724  fort  und  wandelte  die  Glasfabrik  in  eine  Papierfabrik  um«  Die  Schicksale 
derselben  zu  verfolgen  ist  nicht  unsere  Aufgabe.  Bemerken  möchte  ich  nur 
HDclif  dta«  das  verunglückte  Unternehmen  zu  Clarenthal  Imndert  andere  gleich- 
ifiilige  in  Deutschland  zur  Seite  stehen  hat.  Die  Kulturgeschichte  weist  dies  nach. 
Der  Verkehr  innerhalb  der  Orafschaf):  und  nach  aussen  auf  den  Land* 
•irAiien  und  Feldwegen  war  nach  dorn  grossen  Kriege  wenig  lebhaft  gewesen, 


und  die  Wege  befandeD  sich  allcDthalben  im  Yorfalle.  Durch  eine  seioer  ersten 
Verordnungen  vom  16,/26.  Februar  1685  befahl  daher  der  Fürst,  dass  die  Ge- 
meinden die  Landatraseen  und  Wege  in  Wald  und  Flur  binnen  vier  Wochen 
zwanzig  Fusa  breit  anlegen  und  zum  besseren  Reiten  und  Fahren  ebenen  sollten ; 
im  Falle  der  Nichtbeachtung  dieser  Vorschrift  sollten  die  Säumigen  mit  50  Gulden 
Strafe  belegt  werden.  Von  einem  regelrechten  Chausseebau  war  damals  noch 
nicht  die  Rede;  es  handelte  sich  hier  bloss  um  ein  einfaches  Firbreitern  und 
Überschütten  der  Wege  mit  Schutt  und  Sand,  ein  Ausgleichen  der  Löcher 
u.  s.  w.  Die  Anzahl  der  Strassen  durch  die  Grafschaft  war  auch  nicht  bedeutend. 
Von  Wiesbaden  aus  lief  gen  Norden  ein  Weg,  der  nach  Wehen,  Bleidenstadt 
und  Schwalbach  führte  und  sich  er»t  auf  dem  Gebirge  entsprechend  gabelte. 
Ein  anderer  fdlirte  nach  Idstein,  von  der  Sonnenberger  Strasse  abzweigend,  ein 
dritter  nach  Frankfurt  über  den  „Hainer**,  von  dem  der  Bierstadter  und  Mainzer 
Pfad  sieh  trennten,  und  der  vierte  war  die  Allee  vor  dem  Stadttbore,  die  sieh 
in  die  Strassen  nach  Mainz,  Mosbach  und  Schierstein  verzweigte.  Eine  wirkliche 
Land-  oder  Hochstrasse  durch  nassauisches  Gebiet  war  die  alte  Köln-Frank- 
furter Strasse.  Zur  Zeit  des  Fftrsten  Georg  August  wurde  auf  derselben  der 
Postv erkehr  vermittelt.^)  Denselben  leitete  bekanntlich  im  ^heiligen  römischen 
Reiche  deutscher  Nation**  (seit  1615)  der  Reichs-Generalpostmeister  und  spätere 
Reichsfürst  von  Thum  und  Taxis.  Ursprünglich  war,  des  grossen  Krieges  und 
der  Heere  wegen,  welche  auf  den  grossen  Strassen  einherzogen,  die  Postlinie 
Köln-Frankfurt  eine  andere  gewesen;  die  vier  Stationen  befanden  sich  zu 
Oberroth  (a.  d,  Aldenburg),  Preiendiez,  Maxsayn  und  Birnbach.  Der  Postreiter 
ritt  jede  Woche  einmal  von  einer  Station  zur  nächsten,  gab  sein  Brieffelleisen 
ab  und  nahm  das  angekommene  mit  zurück.  Als  dann  die  Hohe  Strasse  ge- 
wählt worden  war,  wurden  etwa  seit  1704  regelmässige  Postfuhren  eingerichtet. 
Aus  den  Postreitern  wurden  Posthalter;  die  Hauptstation  im  Idsteinischen  war 
zu  Wurges  bei  Idstein.  Die  Stadt  Wiesbaden  hatte  damals  (bis  1711)  nur 
gleichsam  eine  Neben  Verbindung  mit  der  freien  Reichsstadt  Frankfurt  und  zwar 
durch  den  Rheinfelser  Boten,  Dieser  kam  zweimal  in  der  Woche  auf  seiner 
Tour  durch  Wiesbaden,  nahm  im  Wirtshause  ^Zum  Rappen"  in  der  Marktstrasse 
(Seiler'sches  Haus)  die  Briefe  mit  und  gab  die  erhaltenen  ab.  Im  Jahre  1711 
schlug  nun  Fürst  Georg  August  dem  Fürsten  Thurn  und  Taxis  vor,  in  Idstein 
eine  eigene  Poststation  zu  errichten.  Die  kaiserlichen  Stationen  waren  damals; 
Frankfurt,  Königstein,  Würges,  Limburg,  Walmerod^  Freitingen,  GieleroÜi,. 
Weyerbusch  u.  s.  w*  Sie  waren  schon  seit  1704  vermehrt  worden.  Der  General- 
postmeister erklärte  den  Wunsch  des  Fürsten  für  unerfüllbar,  da  Idstein  eine 
geschlossene  Stadt  sei.  Yerhandlungen  Georg  Augusts  mit  dem  Kurfürsten  von 
Trier,  der  mit  Nassau-Oraniee  in  Würges,  der  nächsten  Station,  die  Gemeinsame 
hatte,  schlügen  ebenfalls  feliL  Da  stellte  Georg  August  einen  eigenen  Boten 
an,  der  jeden  Montag  und  Freitag  von  Idstein  über  den  „Trompeter^  nach 
Wiesbaden  ritt.  In  der  Stadtschultheisserei  in  Idstein  wurde  er  expediert,  in 
Wiesbaden  gab  er  im  Schlosse  die  Briefe  ab  und  nahm  etwa  vorhandene  mit^ 


>)  ITauli  Th.  Sohal^Fi  Wiesb.  TagbL,  1889,  Ko.  50. 


ritt  dttQQ  tiAch  Pmnkfiirt  weiter,  wo  ein  nassau-idBteiuiöcher  Agent  angestellt 
war*  Am  anderen  Tage  kehrte  der  Postreiter  mit  den  eingegangeueu  Sachen 
ftitf  demselben  Wege  nach  Idstein  zurück.  Das  geschah  seit  dem  20.  April  1711. 
Der  Fürst  lies«  die  neue  PestYcrbiadung  in  der  „UaDamacheu  ZeituDg*^  bekannt 
iltielten.  Anf  diese  Nachricht  hin  legte  der  Kurfürst  von  Mainz  ah  Protektor 
dts  Reichiipostwesens  sofort  Protest  ein.  Georg  August  aber  Hess  sich  dadurch 
nicht  einschücbtem«  Er  erklärte,  dasa,  wenn  der  Fürst  von  Thum  und  Taxis 
auf  dieinen  Vorschlag  eingehen  würde,  er  von  seinen)  eigenen  Postbedienten 
alwofaeo  wolle.  Die  Station  In  Idstein  aber  war  ihm  jetzt  allein  nicht  genug; 
wie  man  sieht,  wollte  er  die  Richtung  der  Strasse  verändern  und  letztere  über 
WiMbaden  geführt  wissen.  Zum  Zeichen,  dass  er  seine  EiurichtuDg  unter  allen 
Umstinden  aufrecht  erhalten  wollte,  stellte  er  noch  einen  zweiten  reitenden 
Boten  an^  der  von  der  Lahn  über  Kernel  nach  Wiesbaden  und  zurück  seinen 
Weg  iiabist.  Der  Rheinfelser  fiote  wurde  für  das  nasaauische  Qebiet  abgeschafft. 
lo  Wiesbaden  ernannte  der  Fürst  den  Wirt  Henrici  im  „Qoldenen  Löwen* 
in  der  Marktstrasse  (das  h.  Kimmersche  Haus)  zum  Posthalter.  Jeden  Mitt- 
woch, 2ur  Frankfurter  Messezeit  zweimal  in  der  Woche,  fulir  ein  bedeckter 
Wagen  zum  unteren  Stadtthore  hinaus  von  Wiesbaden  n»cb  der  freien  Reicbs- 
iladt  Die  gedruckte  Bekanntmachung  dieser  für  Fremde  und  Einheimische 
lidcbat  angenehmen  Nachricht  wurde  am  2.  Oktober  1713  zum  ersten  Male 
ia  aUen  Gast*  und  Badehäusern  Wiesbadens  angeschlagen*  Dem  Posthalter 
war  eine  Taxe  gesetzt,  damit  die  Fahrgäste  nicht  übervorteilt  würden.  Zwei- 
mal in  der  Woche  wurden  auch  die  Briefe  nach  Frankfurt  besorgt,  wahrschein- 
lich durch  einen  besonderen  Boten.  Dass  Mainz  darüber  noch  mehr  aufgebracht 
wurde,  läset  sich  denken.  Zunächst  verbot  es,  den  nassau-idsteinischen  Post- 
reiter durch  sein  Gebiet  zu  lassen,  und  dann  erwirkte  es  eine  kaiserliche  Ver- 
ordnung, durch  welche  demselben  der  Einritt  in  Frankfurt  verwehrt  wurde. 
Alles  half  nichts.  Die  Boten  gingen  und  kamen  nach  wie  vor,  trotzdem  einmal 
einer  im  mainzischen  Königstein  arretiert  wurde.  Die  Route  blieb  bestehen 
und  wurde  fleissig  benützt.  Nun  liess  sich  der  neue  Fürst  Anselm  Franz  von 
Thum  und  Taxis  zu  Verhandlungen  herbei,  die  verhältnismässig  schnell  erledigt 
waren.  Am  17.  November  1714  wurde  die  bisherige  nassauische  Post  in  ilirer 
sittieirigen  Ausdehnung  vom  Fürsten  Thurn  und  Taxis  übernommen  und  das 
fcaiaeriiche  Postschild  am  „Goldenen  Löwen'^  angeschlagen.  Die  Wiesbadener 
waren  aber  aehr  unzufrieden,  Sie  hatten  bisher  durch  Uauderen  viel  verdient 
und  wollten  sich  nicht  damit  einverstanden  erklären,  dass  die  Herrschaft  ihnen 
bezüglich  der  Personen-  und  Frachtfahrten  das  Brot  schmälere.  Der  Fürst  gab 
aach  und  gestattete  im  Jahre  1716  dem  Verwalter  nur  acht  Postpferdo  zu  halten. 
Kichtsdeatoweniger  klagten  die  Fuhrhalter  immerfort.  Man  warf  Henrici  vor, 
daai  er,  im  Einverständnisse  mit  Brotneidiachen,  Wagen  halte,  andere  Kutscher 
in  PoaÜivree  stecke  und  so  dennoch  Beförderungen  über  die  Zulässigkeit  hinaus 
Tumelime.  Abermals  liess  sich  Georg  August  zu  Zugestündnissen  herbei  und 
gMlattete  den  Wteabadener  Hauderern,  „alle  und  jede  Fuhren  über  4  Meilen 
We^ea.*  ¥Ir  eriiesa  auch  eine  scharfe  Instruktion  für  beide  Teile,  deren  Über- 
acfareitung  mit  i^chweren  Strafen  belegt  wurde.     Es  half  aber  nicht  viel;  denn 


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der  herrachaftilche  Posth alter  und  clic  Fuhrleute  der  Stadt  suchten  und  ftinden 
jederzeit  Mittel,  die  Yorachrifton  zu  umgehen.  Dem  Verkehre  selbst  thafc  das 
aber  durchaus  keinen  Schaden. 

Das  Schul-  und  Kirchenwesen*)  fand  an  dem  Fürsten  Georg  Augua 
einen  eifrigen  Pfleger  und  Förderer.  Die  lateinische  Schule  zu  Idfitein  war 
im  Jahre  1560  aus  der  Stiftaschule  daselbst  entstanden.  Mit  ihr  war  eine 
VorbereitUDgsschule  für  deutsche  Lehrer  verbunden.  Die  Theologen  wurden, 
bevor  sie  ihr  eigentliches  Amt  antraten,  zuerst  als  Lehrer  in  den  grüsseren 
Dörfern  angestellt,  Der  Kantor,  der  Lehrer  der  untersten  Klasse,  bildete  junge 
Leute,  die  tauglich  waren,  zum  Amte  als  Lehrer  aus.  Ähnlich  mag  es  in 
Wiesbaden  geschehen  sein,  wo  ca.  1550  (oder  später)  die  erste  Schule  entstand 
(in  der  Schulgasse,  h.  ^ Storchnest**),  Der  Leiter  jeder  Schule  war  der  Rektor. 
Rektoren  zu  Wiesbaden  waren  zu  Georg  Ai^usts  Zeit:  J.  W-  Willkühn 
(1670—84),  J.  R.  Schmidt  (1685—89),  J.  Ph.  Scholl  (1690-94),  J.  J.  Wagner 
(1694—1712),  Ph.H.  Gramer  (1718-21),  in  Idstein:  J.  H.  Gärtner  (1673-1707) 
und  J.  L.  Gramer  (1707—35),  zwei  ganz  bedeuteudo  Schulmänner.  In  der 
damaligen  Zeit  brachen  sich  die  Grundsätze  des  grossen  Pädagogen  Arnos 
Komensky  mehr  und  mehr  Bahn,  und  sie  wurden  auf  alle  Schulen  angewendet, 
deutsche  und  lateinische,  niedere  und  höhere.  Das  war  besonders  der  Fall, 
als  August  Hermann  Francke  mit  seinen  verschiedenen  Musteranatal ten  den 
Pädagogen  ein  tüchtiges  Vorbild  gab.  Nach  ihm  verfuhr  teilweise  der  Refor- 
mator der  Idsteiner  Schule,  der  Rektor  Gärtner,  und  er  brachte  durch  seine 
Tüchtigkeit  die  letztere  so  in  Flor,  dass  die  Zahl  der  Schüler  in  den  beiden 
oberen  Klassen,  die  anfangs  nur  sechs  oder  acht  betrug,  zeitweise  auf  achtzig 
und  hundert  stieg*  Die  ganze  Schule  gliederte  sich  nämlich  in  drei  Klassen. 
Der  Lehrer  der  untersten,  wie  oben  erwähnt,  der  Kantor  genannt,  war  recht 
eigentlich  Musik-  und  Deutschlehrer.  Den  Musikunterricht  erteilte  er  auch  in 
den  höheren  Klassen,  in  der  zweiten  unterrichtete  er  im  Schreiben  und  in  der 
seinigen  gab  er  zudem  Unterweisung  in  den  ersten  Grundsätzen  der  lateinischen 
Grammatik.  Der  Lehrer  der  zweiten  Klasse  war  der  Konrektor.  Die  Klasse 
teilte  sich  in  fünf  Ordnungen,  und  ihr  Unterricht  begann  jeden  Morgen  um 
6  Uhr.  Die  beiden  ersten  Stunden  war  Religionsunterricht;  dann  wurde  mit 
den  zwei  ersten  Ordnungen  Cornelius  Nepos  behandelt  und  dreimal  wöchentlich  ein 
Exercitium  über  den  durchgenommenen  Stoff  geschrieben.  In  der  letzten  Stunde 
trieben  die  drei  unteren  Ordnungen  (bis  10  Uhr)  die  Giessener  Grammatik 
und  die  Idsteinische  Syntax  (von  Gärtner),  sowie  die  Colloquia  Corderi.  Am 
Nachmittage  begann  der  Unterricht  um  12  und  endigte  um  4  Uhr.  Die  zwei 
oberen  Ordnungen  hatten  wieder  Latoinstunden  und  begannen  das  Orieehiöche; 
die  Regeln  der  Prosodie  und  Rhetorik  \^Tirdon  hergesagt  und  angewendet*  Dio 
erste  Ordnung  fing  an,  Hebräisch  zu  lernen.  Lehrer  der  obersten  Klasse  waren 
der  Rektor  und  sein  Gehilfe,  der  Prorektor,  Diese  Klasse  enthielt  die  Exemten 
und  drei  Primanerordnungen.     Von  4 — 7  Uhr  morgens  wurde  den  Exemten  ein 


f  V  iim.-i  ii'gi . 


Mi»7  um\   IniMiHiici,  Die  rias^Aimctio  SioittltAtt* 


I  t?9<rOUll7i 


ßhes  KoTIog  über  ^den  Eötiig'  gehaltoa,  nach  Musfius  und  Brochrnaiid 
lit  TTietis    weiter    liesümmt.  und  festgesetzt,  die  Antithesis  erklärt,  und  wider- 
Von  7 — 10   wurden    die  rrimaner    unterrichtet;   mit   ihnen   wurden   die 
kmiB  Dieterici,   die  Anfangsgründe   der   Logik   und  Ethik,   die   Rhetorik, 
itung  zur  Verfassung  der  i'hrie,  die  Janua  des  Komensky,  das  grieohischo 
itfut»  Ä«ops  Fabeln,  die  Colloquia  Graeca  Posselii  und  Hesiod  behandelt 
r^nohiedene  Male  wöchentlich   wurde   ein  griechisches  und  lateinisches  Exer- 
iunt  getchrioboQ,  wobei  die  obere  Ordnung  das  griechische  nach  lateinischem 
;  gleich  niederschreiben  musste.    Von  10 — 11  hatten  die  Exemten  entweder 
ieä  oder  ethisches  Kolleg.     Nachmittags,  Mittwochs   und  Samstags  ausge* 
umiiiüD^   war  Schule   von    12 — 6.    Die  Exemten  hatten  von   12—1  Hobräisob, 
fci  im  Phyaicum,  Mittwochs   aber   Disputation   über   theologische   und 

K.  lio  Fragen   im  Beisein  der  Geistlichen,     Die  Primaner  sangen  oder 
ff'  11  während  dieser  Zeit  bei  dem  Kantor.    Von  1—4  traktierte  der  Rektor 

iDst  ihoen  Carüus  und  Vergil ;  von  4 — 6  üachmittags  hielt  er  mit  den  Exemten 
aeh  Mittwochs  und  Samstags)  viermal  metaphysisches  und  zweimal  politisches 
CollefC*  Gärtner  bewältigte  anfangs  diese  Riesenarbeit  allein ;  daneben  predigte 
er  als  erster  Stadtpfarrer  jeden  Sonntag.  Später  bekam  er,  wie  angegeben, 
leo  Qehilfou  an  dem  Prorektor,  der  ihm  die  Stunden  bei  den  Primanern 
ßnteils  abnahm.  Damals  kamen  für  die  Schüler  noch  wöchentlich  eine 
historische  und  zi^^i  geographische  Stunden  hinzu.  Sogar  am  Sonntage  wurde 
Too  7 — 10  unterrichtet;  es  wurden  die  Epistel  des  betreffenden  Sonntags  griechisch 
cljUt  und  nach  der  Nachmittagskirche  die  griechischen  Verse  der  Schüler 
igicrt.  Der  spätere  Rektor  Rizhaub,  der  Gärtner  sehr  lobt  und  ihm  alle 
Ehre  widerfahren  lässt,  kann  «ich  aber  nicht  mit  seiner  Methode  einverstandea 
därcü.  Indessen  führt  er  als  Entschuldigung  seines  Vorgängers  an,  derselbe 
ri  ein  Kind  seiner  Zeit  gewesen.  Eine  neue  Reform  der  Idsteinischen  n^n\* 
^raitaa**  —  im  wahren  Sinn  des  Wortes  —  hat  eben  erst  zum  Wohle  der 
tfekrer  und  Schüler  der  erwähnte  tüchtige  Methodiker  X  A,  Rizhaub  (1784 — 97) 
aommen.  Von  Rektor  Gärtner  stammen  die  im  Jahre  1690  veröffentlichten 
I^Leges  scholasticae  pro  schola  Idsteiniensi  et  Wiesbadensi"  (in  19 
Artikeln),  deren  Inhalt  kurz  der  folgende  ist.  Die  Schulen  sind  Pflanzstätten 
Frömmigkeit  und  der  Wissenschaften.  Jeder  Lehrer  ist  auf  sein  Amt  zu 
eadigeo  vor  dem  Konsistorium,  Durchs  ganze  Jahr  ist  am  Werktage  Schule  ssu 
[Ii  secbit  Stunden  am  Vor-  und  drei  am  Nachmittage;  jede  Stunde  ist  mit  Ge- 
bet 2«  beginnen  und  zu  schliessen.  Pünktlichkeit  wird  jedem  Lehrer  zur  PHieht 
obl.  Ferien  sind  Mittwochs  und  Samstags  Nachmittags  und  vierzehn  Tage 
jedem  Seroesterexamen.  Der  Lohrplan  soll  von  Rektor  und  Sehulkollegium 
halbe  Jahre  vorberaten  nnd  genau  durchgeführt  werden.  Jeder  Lehrer 
it  «eiDG  hestimntfe  Klasse  und  über  dieselbe  Rechenschaft  abzulegen.  Der 
ektor  hat  die  gesamte  Schularbeit  zu  überwachen  und  je  nachdem  bei  Mängeln 
bnend  oder  strafend  einzuschreiten*  Die  Lehrer  sind  ihm,  um  des  Beispiels 
ffir  die  Jugend  willen,  Gehorsam  schuldig.  Der  Kantor  hat  den  Musikchor  zu 
so  und  die  gesn  -'  '  i  Pestauffüh rangen  vorzubereiten.  Schreiben  und 
iDen  ist  mit  Fleis  ^en  und  bei  den  Exiiminas  zu  prüfen.    Die  Methodo 


72 


dieser  Pächor  soll  stets  verbesaert  werden.  Die  Schüler  mnd  zur  Komtichkeft 
und  zum  Anstand  EDzuhalten,  Die  Diäciplin  soll  niclit  locker,  aber  auch  nicht 
zu  hart  sein ;  statt  des  Stockes  soll  die  Rute  gebraucht  werden ;  nicht  unmeusch- 
lich,  sondern  väterlich,  soll  die  Zucht  sein.  Zur  Strafe  diene  manchmal  Au»* 
wendiglernen  von  Psalmen,  Versen  und  Wörtern.  Die  Knaben  sind  mit  Fleiai 
anzuhalten,  überall  lateinisch  zu  reden,  auch  der  Wetteifer,  das  Ccrtieren  is 
zu  fijrdern*  Die  Exercitien  und  Extemporalien  sind  vom  Lehrer  zu  Hause  zu 
korrigieren  und  die  Fehler  den  Schülern  zu  erklären.  Der  Lehrer  soll  mit 
seinen  Schülern  zur  Kirche  gehen  und  sich  die  Predigt  wiederholen  lassen*  Mit 
allem  unnötigen  Auswendiglernen  sind  die  Schüler  zu  yerschonen,  „das  Gedächt- 
nis soll  man  wie  einen  Schatz  dem  Blut  gleich  achten  und  nicht  eher  angreifen 
als  in  der  Not"  Kein  Lehrer  soll  nach  eigenem  Gutdünken  ein  Buch  einführen; 
sondern  es  soll  dies  erst  nach  Billigung  des  Scholarchen  geschehen,  und  zwar 
sind  für  die  Schulen  zu  Idstein  und  Wiesbaden  die  Bücher  dieselben.  Vor 
allen  Dingen  ist  den  Schülern  das  wahre  Christentum  einzupflanzen,  —  Der 
Fürst  Georg  August  zeigte  lebhaftes  Interesse  an  dem  Fortgang  der  Schule  zu 
Idstein,  die  eine  der  berühmtesten  in  Deutschland  wurde;  er  besuchte  mit  seiner 
Gemahlin  und  seinen  Tochter u  oft  die  öffentlichen  Examinas.  Im  Jahre  1705 
gründete  er  die  fürstliche  Hof-  und  Kanzleibuchdruckerei,  die  neben  be- 
hördlichen Verordnungen  und  Bekanntmachungen  auch  Schul-  und  Ktrchea' 
Schriften  druckte. 

Die  Synodalverordnung  von  1713  regelte  den  Volksschulunterricht  Die 
Schulen  sollen  von  Michaelis  anfangend  das  ganze  Jahr  hindurch  gehalten 
werden;  die  zarten  Kinder,  die  zu  keiner  Baueruarbeit  heranzuziehen  sind,  sollen 
Jahr  aus,  Jahr  ein,  die  andern  von  Michaelis  bis  Johannis  ohne  Einrede  zur 
Schule  gehen;  Widerspenstige  sollen  mit  einem  Albus  Strafe  für  jeden  Tag 
belegt  werden.  Wie  lange  jedes  Kind  zur  Schule  zu  gehen  habe,  hangt  von 
seiner  Tüchtigkeit  ab;  untüchtige  und  unwissende  sind  nicht  «i  kontirmiereu. 
Der  Lehrer  war  zugleich  Organist  und  hatte  ebenfalls  dem  Konsistorium  sich 
schriftlich  zu  verpflichten.  Der  Unterricht  dauerte  wöchentlich  32  Stunden, 
begann  und  schloss  mit  religiösen  Übungen,  ünterrichtsföcher  waren  der  kleine 
Katechismus  Luthers  und  der  idsteinische,  dann  Lesen,  Schreiben,  Singen  und 
Rechnen.  Bessere  Schüler  konnten  nebenher  gegen  Bezahlung  Geometriestunden 
nehmen.  Die  Schulstunden  fielen  auf  morgens  von  7 — 10  und  nachmittags  von 
12 — 3,  Mittwochs  und  Samstags  von  12 — I  Uhr,  Die  Besoldung  der  Lehrer 
war,  wie  es  scheint,  auskömmlich  und  verhältnismässig  besser  als  an  manchen 
Orten  zu  unserer  Zeit.  Der  Lehrer  Schrumpf  zu  Mosbach-Bicbrich  empfing, 
bezw<  besass  im  Jahre  1699:  freie  Wohnung,  6  Karren  Brennholz,  '/t  Rute 
Krautgarten,  2  Morgen  11  Ruten  Ackerland,  die  er  nach  seinem  Gefallen, 
doch  auf  seine  Kosten  zu  bebauen  hatte,  ferner  80  Gulden  bare«  Geld  (fünfzig 
von  der  Gemeinde  und  30  von  der  Kirche),  die  Leichen-  und  IIochtzGitsgefalle, 
dazu  die  Gebühren  für  den  Olockendienst:  eine  Ohm  Wein  und  sechs  Malter 
Korn  vom  Zehnten,  und  von  jedem  Begüterten  eine  Garbe  Korn,  von  jede« 
Hausmanne  jährlich  auf  Ostern  und  Weilinachten  einen  Laib  Brot  und  siebe 
Gulden   Armenkinder-   und  Wicseuzins.     Die  Stelle  wurde   auf  Vierteljahr  lieb 


la 


Kflild^ung  besetzt.    Jedenfalls  war  aber  Biebrich-Modbacli  eino  ausnahinsweisG 
gute  Pfründe,  weshalb  eich  auch  die  angehenden  Theologen,  die  zuerst  Lehrer 

'  werden  musatea,  gern  aogleich  hierhin  versetzen  Hessen.  Man  verfuhr  hierbei 
ittoli  dem  Qruiid^fttase  Luthers,  der  äusserte,  er  erachte  ea  für  gut,  dass^  wer 
daa  Dienen  der  Kirche  lernen  wolle,  erat  der  Schule  dienen  lerne.  Die  Be- 
waldung der  Lehrer  an  den  Scliulen  ^u  Idstein  und  Wiesbaden  geschah  aus 
dem  PriUenzfonds,  der  auch  den  Geistlichen  den  Unterhalt  lieferte.  Fürst 
Georg  August  vermehrte  denselben  dadurch,  dass  er  die  Erträge  der  verkauften 
und  verpachteteu  Walsdorfer  Klostergüter  (s.  o*)  ihm  zufiiessen  Hess.*) 

Die  oberste  Leitung  des  Kircheuregiraentes*)  und  zugleich  das  Schol- 
archat  (die  Sehulinspektion)  übte  der  Superintendent  zu  Idstein  aus.  Es  folgten 
aieli  ttfiler  Georg  August:  J.  Ph,  Elbert  (oder  Elwert  1655—99),  J.  A.  Schmidt 
(lftS^9 — 1709X  J.  D.  Herrnschmidt  (nach  einem  Interregnum,  1712—16)  und 
J,  Chr.  Lange  (1717 — 56),  Die  beiden  letzteren  hatte  dem  Fürsten  August 
Uermann  Franoke  auf  Anfragen  empfohlen.  Franckes  Ruf  erscholl  damals  in 
aUe  Lande.  Er  kam  im  Jahre  1717  auf  einer  Durchreise  nach  Wiesbaden 
ttad  predigte  am   17.  Trinitatissonntage   in  der  Mauritiuskirche   bei  Gelegenheit 

leiaes  Dankfestes  wogen  eines  Türkensieges  (Prinz  Eugens  bei  Belgrad?).  Die 
Predigt  wurde  unter  dem  Titel  „Nassau-Idsteinisches  Denkmal^  gedruckt.  Durch 
Frmocke  scheint  Georg  August  sich  ganz  der  strengeren  Richtung  zugewendet  zu 

*  luU»eo.  Am  10.  Sept.  1719  hielt  der  in  Wiesbaden  zur  Kur  weilende  strenggläubige 
Sladtpfarror  von  Wetzlar,  Egidius  Günther  Hellmund,  in  der  Maoritius- 
Idrelid  eine  Predigt  vor  Uerrschaffc  und  Gemeinde  und  besiegelte  damit  den 
8i^  der  genannten  religiösen  Richtung  über  das  Gemütsleben  des  Fürsten. 
Btae  glänEende,  feurige  Beredsamkeit  des  Predigers  vermittelte  diesen  Bieg. 
Als  nun  im  Jahre  1721  der  Inspektor  und  Stadtpfarrer  J.  O.  Stern  starb  und 
liellmirndf    der   wegen   seiner    orthodoxen   Richtung   in    der   alten  Reichsstadt 

»BAaeberloi  Anfeindungen  erfahren  hatte,  sieh  von  dort  wegsehnte,  berief  ihn 
ier  Fürst  an  Sterns  Stelle.  Mit  grosser  Bereitwilligkeit  sagte  Hellmund  zu^ 
kam  nach  Wiesbaden,  hielt  am  14.  September  1721  seine  Antrittspredigt  in 
dm  Btadtkirche  vor  dem  Fürsten  und  stellte  sich  am  Tage  darauf  in  Biebrich 
Tor«  wo  er  sogleich  zum  zweiten  Hofprediger  ernannt  wurde.  Sofort  begann 
nun  seine  biblischen  Erbauungsstunden  in  Wiesbaden  und  daneben  seine 
sooslige  sehr  umfangreiche  und  segenschaffeode  Thätigkeit^  die  aber,  weil  nach 
Tode  Georg  Augusts  erst  recht   ins  Leben  tretend,   uns  hier  nicht  weiter 

[  hüditftigt.  Aber  auf  eine  Yerordnung,  die  unter  Georg  August  erlassen  wurde 
und  swar  wohl  auf  Anregung  des  Superintendenten  Lange  hin  (1.  Dez.  1718)| 
i  ich  hier  noch  hinweisen :  die  vierteljährliche  Erhebung  der  ^Beckenkollekten^, 
Knfwhmen  ans  Konsistorium  abgingen  und  zur  Unterstützung  armer  in- 
ttod  aualäiidiBcher  Kirchen  und  Schulen  verwendet  wurden,  auch  zur  Hilfe  für 
OOi  ibres  Glaubens  willen  Vertriebene,  ohne  Unterschied  der  Konfession.  Binnen 
drei  Jahren  gingeu  1270  Gulden  28  Albus  ein»  und  es  wurden  davon  938  Gulden 
für  Unterstützungen  im  Lande  verausgabt. 


^  Hein n Ali n,  Ootohiolaie  von  Walsdgrf,  —  '/  Firaliaber,  1, 


74 


Dio  Kcglernug  des  Fürsten  Georg  Atigusi:  war  also  allüntbalben  orno 
segenareicho  und  ist  glücklicherweise  durch  kriegerischo  Ercignisso  nicht  all- 
zusehr, manchmal  aber  durch  elementare  getrübt  worden.  Im  Jahre  1681,  am 
I8728,  Januar  ereignete  sich  ein  »tarkes  Erdbeben»  so  daas  die  (Hocke  auf 
dem  Wiesbadener  Uhrturme  von  selbst  zu  läuten  anfing.  In  den  Jahren  1601  und, 
1 692  verspürte  mau  wiederum  Erdstoäse,  wie  man  glaubte  im  Sauerlande  stärker  * 
als  in  der  Stadt.  Im  Jahre  1692  legte  ein  furchtbarer  Brand  Waladorf  in 
Asche.*)  1702  und  1703  ereigneten  sich  in  der  Wiesbadener  Gemarkung,  wie 
schon  früher  erwähnt,  verheerende  Hagelwetter  und  Gewitter.  Am  ersten  Pfingst- 
tage  1702  fuhr  der  Blitzstrahl  in  das  Wiesbadener  Schloss,  während  die  Herr- 
schaft an  der  Tafel  sass,  und  tötete  in  der  Küche  zwei  Diener,  die  das  Esseii 
auftragen  wollten,  worauf  der  Fürst  und  sämtliche  Anwesende  sofort  in  einer 
Betstunde  Gott  für  Ihre  Errettung  dankten.*)  In  diesem  Jahre  (?)  fiel  auch 
ein  Teil  der  Stadtmauer  am  Oberthore  zu  Idstein  (vielleicht  von  Regengüssen 
unterwaschen)  ein  und  begrub  ein  Häuschen  samt  dessen  Insassen,  die  tot  blieben.') 
Im  Winter  von  1708  auf  9  herrschte  eine  furchtbare  Kalte.  Im  Oktober  1708 
fiel  der  Schnee  so  stark,  dass  die  Bäume  im  Walde  durch  die  Last  desselben 
Aste  und  Zweige  verloren,  geknickt  und  zerrissen  wurden*  Der  Rhein  fror 
fest  zu,  so  daas  man  ihn  mit  Lastwagen  befahren  konnte;  aus  den  Brunnen  bekam 
man  kein  Wasser,  die  Bäume  zerbarsten,  Menschen  und  Tiere  erfroren.  Vom ' 
12.  bis  zum  23,  Januar  1709  dauerte  diese  strenge  Kälte ;  dann  gab  es  Iloch- 
w^asser,  das  wieder  viel  Schaden  anricbtcto.*)  Brände  ereigneten  sich  ausser 
dem  obgenannteu  ebenfalls  mehrfach.  Als  Kuriosum  verdient  angeführt  zu 
werden,  dass  das  „von  jung  und  alt  schädlich  missbrauchte  Tabakschmaucbcn, 
so  auch  die  Gesundheit  ruiniert  und  den  Müssiggang  erziehet^,  auch  als  Brandnr* 
Sache  angesehen  wurde.  Am  7.  April  1706  verordnete  der  Fürst,  dass  jeder  ^ 
^Tabaktrinker**  V«  Gulden  Steuer  zahlen  sollte.  Dio  Schultheisson  sollten  die«  ' 
jenigeu  namhaft  machen,  welchen  das  Rauchen  zu  gestatten  sei.  Der  von 
Idstein  schrieb  damals  darüber,  „was  die  Schule  anlange,  so  tränken  die  meisten 
Tobak**  und  empfahl  ausserdem  zw«Uf  zur  Nachsicht,  Nr.  12,  Peter  IIünelK 
doshalb,  weil  er  „lieber  die  Fraw  will  verlassen  als  dass  Tobacktrinkcn,"  Man 
strafte  Zuwiderhandelnde  mit  IG  Gulden,  doch  scheint  sich  das  Ycrbot  nicht 
lange  erhalten  zu  haben. *'^) 

Fürst  Georg  August  hatte  das  sechsundfünfzigste  Lebensjaltr  überschritten 
und  befand  sich  noch  in  voller  Rüstigkeit.  Er  sah  seine  landesvätorlichen  Be- 
mühungen von  bestem  Erfolge  gekrönt  und  erfreute  sich  des  seit  einigen  Jahren 
herrschenden  Friedens.  Tor  kurzem  war  auoli  der  Reichshofratsprozess  wegen 
der  Entschädigungsgelder  zumteil  und  der  mit  Timm  und  Taxis  wegen  des  go^ 
liehenen  Kapitals  (Aug.  1721)  gänzlich  beigelegt  worden.  Im  Oktober  de« 
Jahres  1721  erkrankten  nun  plötzlich  dio  beiden  jüngsten  Kinder  des  I'  ' 
die    elfjährige    Prinzessin   Luise    Charlotte    und    die    dreizehnjährige    K  1 

Franziska  Marie,  im  Schlosse  zu  Biebrlch  au  den  Kinderblattern.   Oeofg  August 


')  Deissmano»  8.  190.  ^   »)  Öchcnck,  8,  SeS.  — 
8   802.  -  *)  SohOler,  WWäI>.  TagbL,  I88e,  Na.  237. 


"i  r:  i^i.iii.ii    s    *H\ 


TCntll 


75 

riet  in  pniis©  Aufirogun^*  Als  liebevoller  Vater  weilte  er  oft  am  ErankoD' 
toiuer  Kinder;  leider  zeigte  sich  seine  Kunstitution  zur  Empfänglichkeit 
Kmaklieit  dispouiert*  Sie  ergriff  ihn,  imd  biouea  weuigen  Tagen  fichied 
der  Fürst  aus  dem  Leben,  am  25.  Oktober  1721.  Am  4.  November  folgte  ihm 
die  jüngere,  dann  am  7.  die  ältere  Prinzessin  in  das  Grab  nach.  Mehrere 
Tage  blieben  die  Leichen  in  der  erst  im  Mai  des  Sterbejabrea  eingeweihten 
eile  (s.  oJ)  ssur  Schau  ausgestellt,  während  Glockengeläute  täglich 
11  — 12  und  von  5—6  Uhr  den  Bewohnern  der  Grafschaft  allenthalben 
kündigte,  dass  Idsteins  letzter  Fürst  den  Weg  alles  Fleisches  gegangen  sei, 
nit  hatte  die  altnassauische  Residenz  den  Witwenschleier  genommen,  den 
sie  bis  heute  noch  tragt. 

Am  13.  Januar  1722,  abends  8  Uhr,  wurden  der  Fürst  und  seine  beiden 
Uader  io  der  Kirche  zu  Idstein  beigesetzt.  Siebzig  Geistliche  und  eine  grosse 
Ai»»üil  Lehrer  waren  erschienen,  welch  letztere,  Fackeln  in  der  Hand,  dem 
erlicben  Leicheukondukt  vorauf  nach  der  hellerleuchteten  Kirche  zogen.  Man 
das  Lied:  „Wenn  mein  Stündlein  vorhanden  ist,  zu  fahren  meine  Strasse*' 
Nicolaus  Hermann.  Superintendent  Lange  hielt  die  feierliche  Leichenrede, 
worauf  der  Sarg  links  vom  Altare  nach  dem  Glockenturme  zu  in  die  Gruft 
kt  wurde.  Tiefer  Schmerz  mag  die  guten  Idsteiner  durchzuckt  haben; 
man  begrub  hier  einen  guten  Mann,  der  ihnen  „mehr  gewesen  war.** 
Zwölf  Kinder  hatte  Fürst  Georg  August  von  seiner  Gemahlin  Henriette 
oroibea;  fiinf  sind  in  zartem  Alter  vor  und  vier  bald  nach  ihm  gestorben. 
ÜB  beissen:  l)  Friedrich  Ernst,  geb.  27.  VUL  1689,  gest.  27.  UI.  1690; 
2)  Christiane  Luise,  geb.  31.  HL  1691,  gest.  13.  IV.  1723,  vermählt  am 
24.  IX.  1709  mit  dem  Fürsten  Georg  Albreeht  von  Ostfriesland;  3)  Charlotte 
Jbcrhardtne,  geb.  17.  VH.  1692,  gest.  8.  L  1693;  4)  Henriette  Charlotte, 
ek  9.  X.  1693,  gest.  8.  IV.  1734,  vermählt  am  4.  XL  1711  mit  Herzog  Moritz 
Wilhelm  von  Sachsen-Merseburg ;  5)  Eleonore  Charlotte,  geb.  28.  XL  1696, 
8.  XIL  1696;  6}  Albertine  Juliane,  geb.  29,  IIL  1698,  gest.  10.  X.  1722, 
^^rmählt  am  14.  IL  1713  mit  Wilhelm  Heinrich,  Erbprinz  von  Sachsen-Eisenach; 
7}  Auguste  Friederike,  geb.  17.  VIIL  1699,  gest.  8.  VL  1750,  vermählt 
am  17-ATU.  1723  mit  Karl  August,  Fürst  von  Nassau- Weilburg ;  8)  Johannette 
^Wilhelmine,  geb.  14.  U.  1700,  gest.  2.  VL  1756,  vermählt  am  16.  X.  1710 
Lit  Simon  Heinrich  Adolf,  Graf  zur  Lippe;  9)  Friedrich  August,  geb.  30.  IV. 
1702,  gest.  L  n.  1703;  10)  Wilhelm  Samuel,  geb.  14.  IL  1704,  gest.  6.  V. 
1704;  U)  Elisabeth  Franziska  Marie,  geK  17.  IX.  1708,  gest.  7,  XL 
^721;  und  12)  Luise  Charlotte,  geb.  17.  UL  1710,  gest.  4.  XL  1721.  (S.  o.) 
Keins  von  all  seinen  vor  ihm  verblichenen  Kindern  that  dem  Vater  so  leid 
wie  der  früb  verstorbene  jüngste  Prinz  Wilhelm  Samuel.  Das  geht  aus  dem 
fe  de«  tiefbetrübten  Fürsten  an  den  Grafen  Friedrich  Ludwig  von  Ottweiler 
ar.  Die  Fürstin- Witwe  Henriette  Dorothea  zog  sich  in  das  Schloss  zu 
Wietbftdeo,  ihren  Witwensitz,  zurück.  Die  Widerwärtigkeiten,  mit  denen  sie 
nach  dem  Tode  ihres  Gemahles  zu  kämpfen  hatte,  liegen  ausserhalb  des  Kreises 
utinM*ror  Betrachtungen.  Sie  starb  am  18.  Mai  1728  und  wurde  neben  ihrem 
}§tJten   beigesetzt.     Ein    prächtiges^    reichverziertes  Denkmal,   mit   den    über- 


J^B^ 


jjigi^ 


76 

lebensg^rosseo  Figuren  der  beiden  AbgeschiedoneQ  in  Marnmr,  erhebt  aich  über 
der  Gruft. 

Mannigfach  sind  die  Erinnerungen  an  Georg  August.  Die  Namen  Augustemn, 
Goorgenborn,  Goorgenthal  weisen  direkt  auf  ihn  hin.  Das  alte  Schloss  zu  Wies- 
baden ist  längst  gefallen  und  spurlos  verschwunden,  aber  das  neue  zu  Biebrieh 
ruft  uns  das  Andenken  an  den  Erbauer,  einen  der  populärsten  Fürsten  unserer 
engeren  Heimat,  den  grossen  Kalonisator  allzeit  ins  Gedächtnis  zurück* 


Anhang. 


1, 

L  Privilegiiini  der  Aiisiedler  zu  Idi^teln  (1(185). 

Wir  Georg  Au^st,  Graff  zu  Naasau,  8ft*rbrü<7k©n  und  Saarwerdeü,  Herr  zu  Lahr,  Wiee- 
badon  und  Itzätem  Fügoa  hiermit  jede  rot  jlnni^lioh  zu  Ibissen.  Naohdome  sich  durch  Göttlioheu 
Seogen  unser  Land,  und  inBonderheit  unaere  H^sidenz  Itzstein^  mit  junger  Mannschafl  auch 
anderen  Einwohnern,  Bey-  und  UntergaaBen  nl»o  vermehret,  dass  denenselben  sich  häuaslichen 
niederxulasaeni  es  fast  an  Raum  und  Gelegenheit  ermanglen  mll^  und  wir  dann  einem  jed* 
wedern  zu  Beförderung  seiner  Nahrung  gerne  behulflich  sein  wollen^  auch  die  Termehrung 
unserer  Unterthanen  gerne  »eben  mögen,  dass  wir  demnach  zu  Bezeugung  unsers  gn&digeu 
willens^  den  ahn  hiesigen  Stattmauren  unss  zugehörigen  Wieaengrundt,  die  Weyherwiea«  go- 
nani,  darzu  angewiessen,  und  frey  gegeben  haben  wollen,  thun  es  auch  hiermit^  und  in  Kraft 
dieseB  also  und  der  Gestalt^  daas  ein  jeder  inheimischer  und  ausländischer  so  auf  unsere  Ver- 
ordnung darauf  bauen,  sich  sobald  in  unsere  Jurisdiction  und  nach  Yerflicsujig  dreyer  Jahren 
gegen  das  halbe  Burgergeld,  in  die  lüesaige  Bürgerschaft  zu  begeben  zusagen,  dass  alsdann 
derselbe  und  dessen  Erben  zohea  ganzer  Jahr  lang  a  Dato  des  Ihme  darüber  Ton  unserer 
Regie rungs-Canzeley  ertheilten  Special-Scheins  Ton  allen  ordiuari  und  extra  ordinari  neschwer- 
den,  Contributioncn,  Schazungen,  gemeinden  Beschwerden,  Jagden,  Wachten,  Bneftragon,  Ein- 
quartierungen wie  auch  Auflagen  wie  solche  Kamen  haben  oder  aufkommen  roogten,  gänilioh 
und  allerdings  eximiret  und  bef^eyet  sein.  Und  pleiben  nach  Terflieaung  obiger  Zeit,  aber 
Ihrs  ßeedt^  HermrentheUi  Kirchengefälle,  Contributioo  und  Schazung  nach  proportion  Ihrer 
Qüther  beytragen,  und  der  übrigen  Bürgerschaft  gleich  gehalten^  auch  derer  Froyheiien,  und 
rechten  geniesen  soll  und  mag.  Sollte  aber  nach  Yorfliesung  obiger  Zeit,  sich  oui  und  ander 
nach  dem  Genuas  dieser  Freyhcit  hinweg  begeben  und  auser  Land  ziehen,  soU  dortelbe  vön 
demjenigen,  was  Er  mit  sich  hinweg  nehmen  wird,  uns  zum  Abzugsrecbt  den  zeheoden  Pfen* 
oing  erlegen  und  abstatten.  Da  auch  ein  und  anderer  nebonss  dem  Bauweisen  eiuige  Wirttt- 
Schaft  oder  andere  Parthierung  treiben  wolte,  derselbige  soU  einem  jedwedem  gegen  Ab- 
stattung des  gewöhnlichen  umbgetds  ohne  ferneres  entgelt  erlaubt  und  zugelassen  seyn. 

Da  nun  ein  und  ander,  Er  seye  einheimisoh  oder  ausländisch,  frey  oder  leibeigen^  dieser 
unserer  Verwinigung  sich  bedienen  wolte,  derselbe  hat  steh  bei  unserer  Regicrungs-Canzeloy 
deswegen  anzumelden,  und  wir  Terspreehen,  und  sagen  hiermit  zu,  Einen  jed wedern  bey  dieser 
unser  erteilten  Freyhcit  und  VcrwiUigung  gegen  jedermünniglieh  handzuhabflo  und  zu  eehüz^n. 
Deesen  zu  Urkund  haben  wir  Unss  Eygenhändig  unterschrieben »  und  Unser  Beeret-Insiegel 
dabey  trucken  lassen. 

So  geschehen.   Itzsteiu  den  20f«&  January  Anno  1685. 

(L^  6.)  Georg  August,  Graff  zu  Natsau-SaarbrflckoD, 

(KfU  SiMiatrelih  t«  Wlnbadtnj 


T7 


n,   Privilefiriai»  «ler  Anbaaer  zu  Idstein  niid  Wiesbaden  (lß90). 

Ton  Qoitw  Qmad«Q  Wir  Georg  Atiipuit,  FOrai  su  Naaiati^  Qraff  zu  Saarbrückon  uiid 
Iffdeo«  Herr  tu  Lalir,  WiKsbaden  und  Itistein  etn.  Fügen  tiiermit  Jedormaunigtich  «u 
i:  Kaehdemo  durch  das  rerderbllohe  Franlzdaisohc  Kriogswcaen  viele  Familien  von  Uhus 
•aJ  Wft  Taijaget,  und  verschiedene  PUtzc  cingeüächert  wordetij  das«  die«e  rertriebene  Per^ 
8<5böU  und  Tnterhult  anderwärts  suchen  müssen»  deren  sich  aach  viel  in  Vnser 
and  itch  darinn  hftusslichen  niederzulassen  icemefnet  sind,  wegen  Enge  des 
abar  aicbl  aUardJngs  unterkommen  und  auffgenommen  werden  kOnuen,  zu  dem  Ende 
i  Ttmahrung  Ynaerer  BürgeraobaffV  zu  Itzatein  und  Wissbaden  Wir  vor  diensam  be* 
emotdie  beode  Orte  einigemifiBBen  zu  erweitern,  und  in  solchen  Stand  zu  setzen, 
wofilvffeb  dia  Frembde  Ankommende  zu  bauen  Qelogenheit  haben,  und  aller  mCgliohen  Sicher- 
Mt  ganietaan  mfigea;  Worbei  Wir  auch  geneigt  seynd  diejenige,  so  an  baeder  Orten  einem 
bauen,  und  sich  allda  niederlassen  wollen,  mit  einigen  Freyheiten  und  ExempHonen 
ni  iMfnaiiigen  und  leu  versehen.  Erklären  demnach,  ordnen  und  versprechen  hiermit  Erst- 
Iteb^  daas  alla  diejenige,  hq  an  beeder  Orten  einen  von  neuem  bauen  und  sich  allda  nieder- 
wolian,  attlT  fünlTzehn  Jahr  lang  von  ollen  Personal-  und  Beol-Besohwerden,  welche 
Vft»  ttJi4  in  die  Horgerachafft  Tnsere  übrige  Bürger  und  Ynterthanen  sonsten  «u  leisten  und 
trmgeii  aobtildig  sejnd,  absonderlioh  aber  von  Thor-  und  KachtwaebteUi  gemeinen  Be- 
Aeraptem,  Frohnden,  Diensten,  Schätzung,  Einquartierung,  wie  nicht  weniger  von 
nail  Einxugs-Qeldem,  gantz,  wie  auch  von  Zunffts-Geldern,  soviel  Vns  davon  zukommt^ 
ballrtjtt  tojrn,  und  die  füuffzehen  Jahr  durch  desecn  gemessen,  nach  Verüioasung  der  fünff* 
Jabr  aber  gleich  andern  Bürgern  und  Ynterthanen  ibre  OebüJir  von  Hausa  und  Out, 
in  dam  geringsten  Anschlag  entrichten  und  abstatten,  hingegen  aber  doss  vollkommenen 
klgciiaehti  und  aller  Privilegien  und  ßenoficien,  ohne  einiges  Entgelt  oder  Nachtrag  ge* 
und  fUiig  seyn  sollen.  Zwejtens,  Mitlerzeit  und  künfftig  hin  sollen  sie  sieh  der 
Wajd,  Holtzes  und  Nntzens  mit  ihrem  Vieh  zu  bedienen  und  zu  gebrauchen  haben. 
Driltans  i»aU  einem  jeden,  so  bauen  will,  ein  freyer  Platz,  Kalok  und  Steine  gegeben,  und 
wmk  jedem  Kiawohner  doss  Orts  ihme  zum  Bauwesen  dcss  Jahrs  drey  froye  Fahrden  gethan 
Yierdtens,  Jioll  thme  das  nuthige  Oeholtz,  soviel  dessen  In  Waldungen  zum 
taebiig  ist,  frej  und  ohne  Zahlung  erlaubt  seyn.  Fünfftens,  soll  einem  jeden  ein 
INfjar  AbsQg,  ohne  zehenden  Pfenning  und  Nachsteuer,  und  dass  er  sein  Hausa  und  Oebüu, 
dan  Kmlek,  Stroh  and  frej  Oehöltz  nicht  angerechnet,  hinwiederumb  rerkauiTen,  und  einem 
aad^n  Abarlaatan  möge,  worbej  dorjeiuge,  so  an  seine  statt  tretten  wird,  der  obgesetzten 
IBaflkälwglhHgen  Freiheit  sofort  gemessen  solle.  Secbstens,  diejenige,  welche  ihr  Haud- 
f»braochen  und  UfLuser  bauen  wollen,  sollen  sich  zwar  den  Zunlft-Articuln  dess  Orts 
baltian,  das  Handwcrck  aber  inner  solchen  Zeit  nicht  versohAtzen,  weniger  der  Herr- 
?oa  danan  Materialieu  einigen  Accis  abstatten.  Siebendens,  welche  Handthierung 
ttd  Oevcrb  treiben,  sollen  von  Zoll  und  Aufflagen  allerdings  befreyet  bleiben  und  von  dem 
Wein-  und  Biersolianck  nur  ein  geringes  abstatten.  Achtens,  Wirtbschaffts-  Back-  Brau- 
Sctoldta*  und  andere  Schild-  und  Feuersgerechtigkeiten  sollen  einem  jeden  ohne  Entgelt  er- 
werdan»  und  er  deren  zu  alleo  Zeiten  zu  geniessen  haben.  Neundtens,  falls  ein 
dar  ander  Ankommender,  Aecker,  Wiesen  und  Weinberg  an  sich  bringen  wird,  soll  er 
tvar  die  darauff  bafftende  Gebühr  abstatten,  de^sfalls  aber  kein  Abtrieb  zugela^en,  oder  er 
fm  dam  Canff  abgehalten  werden.  Zehendcns,  was  auch  ferner  über  dieia  spectficirte 
BUkk  dmcii  Frembden  und  Ankommenden  zur  Beförderung  ihres  Yorhabens,  gutes  und  bej- 
kUlliek«  arwieaen  werden  kau,  dessen  sollen  sie  sich  von  Vns,  Ynseren  Beampten,  und  jedes 
Oft!  Siawobliam  und  Yndertbanen  allerdings  zu  veraeben  und  würckUch  zu  geniessen  Ivaben, 
Wir  fataprachen  auch  sie  hierbej  allerdings  zu  schützen,  zu  schirmen  und  handzuhaben.  Yr- 
Tnaarer  dgenhlndigen  Ynterschrifi^  und  beygedruckten  Insiegels.  So  geben  Itzstein 
19.  OdobHa  Anoo  1690, 
(1^  8.)  Oeorg  August,  Fürst  lu  Nassau, 


iL^ai 


78  ^^^^ 

Brief  des  Prinzen  Georg  Aiignst  Samnel  an  seinen  Vnter, 
Oraf  Johannes  (1673). 

Allor  herdiebster  Herr  Vaiiorl 

De«  Herrn  Vftkters  gute  Gesundheit  yndt  in  Allem  ^ten  WohlutontU  zu  Vernelini6ll 
wirilt  mir  die  grGsstc  Frcudt  zuliuren  seyn.  Ich  bin  nocU  [Ciott  Lob)  gt^sundt  ohno  dass  ich 
eilich  tag  den  Husten  gehabt,  ist  aber  meUtetheils  vergangen ;  bier  ist  niobtB  neues  ohne  diMU 
man  sagt  die  Brück  zu  Strassburg  seye  von  den  Frontzosen  halb  abgebrundt  Vorgeatern 
ist  der  Herr  Graff  Kirohhoff  todt  hier  durch  mit  vielen  Reuttern  virr  Hanaw  gefiihrct  worden ; 
wa«  nun  sonsten  mein  Tliun  anlungot,  so  wolto  ich  lieber  äu  Idslein  ala  hier  »eyn  ftuss  ge- 
wissen Vrsaehen.  Hiermit  empfehle  den  Herrn  Yattern  sampt  Allen  Gottes  Schutjc  vudt  Vor- 
ftorg  Yndt  verbleibe  aJlzeit 

Des  Herrn  Yatters  gehör sftTnbster  8ohn 

Frankfurt  den  8.  9br.  1673»  Oearg  Augusttis«  Samuel. 

AdroRÄo:  Dem  Hochgebornen  Graflfen  vndt  Herrn^  Herrn  Johann  Orallen  m  Na^isau,  Saar- 
brücken  vndt  Saarweerden  Hern  zu  Lahr  Wisabaden  vudt  Idatein^  Meinem  Ador 
Herzliobsten  Herrn  Yattern  pp»    Idstein. 

(Qnrxuxt.  Nim.  Archiv   zu  Weilbur^,^ 


4. 

rntcrthanifirster  Bericht  fiber  Hiro  HocIiffirRlUciien  nnrchlaiif  ht  nnseres" 
liöi'listseel,  Laiuh*sfrirsten  i^etlianer  Reisen  in  JVenihile  Läniler  extraliirt 

aus  dem  Diaria* 

Ao.  1678.  Seynd  Huchstseel.  Ihro  Durehl.  in  Begleitung  des  HofFmeitter  Stabhorvt, 
Kammerdiener  Heybach  und  Psgo  von  Bobenhausen  nach  Qiessen  auf  die  Universität  gereiwl^ 
wosclbstcn  dicasolben  Rector  Magnificentissimus  worden  und  bey  deren  Antritt  in  CoUegk»  bey 
AnwesBon  dos  dortigen  AdeLs,  allen  Professoren  und  Studenten  Ihro  lateinische  Oration  gehalten* 

Ao.  1079.  Gingen  HGchstseel.  Ihro  DuroliL  auf  Strasahurg  In  begleitung  Ihres  Ilofr- 
meistcra  Stabhor^t,  Cammerdiener  und  Page,  wie  lange  aber  dieselben  dageblieben,  ist  mihr 
obnbewusst;  Indemc  auf  eingelegte  Yocation  nach  Saarbrücken  «um  Uoffmeisler  des  nunrachro 
Hdchstsecl  ultereu  Herrn  Grafen  Ludwig  umb  mit  Dirne  In  Franckreicb  xu  gehen  meinen 
Abschied  genehmen;  Jedoch  habe  deroselben  Ao.  1682  in  Paris  unterthjlnig  aufgewartet;  der 
gewesene  Ambtmann  Qraf  %u  Wiaibaden  kann  hierüber  die  beste  Xuehrtoht  geben,  dann  «r 
mit  auf  Strassburg  und  Parts  gereisaet  und  daher  auch  berichten  kann,  ob  Ihro  Durehf.  von 
dar  auf  Angers  und  weiter  über  Engelland  und  Iloland  nach  Hauss  gereisst  seynd. 

Ao,  1685.  Seynd  HOohstseeK  Ihro  Durchl.  in  Ungarn  alsa  volontair  unter  Ihro  Durchh 
den  Fürsten  von  Wddeck  gangen,  da^olbsten  bey  der  Belagerung  von  Neuheusel  tn  denen 
Approohen  ohnermüdet  und  an  denen  gefithrlichaten  Orrhen  sich  eingefunden,  auch  nachhero 
bey  dem  Entsatz  Oran  und  in  der  Bataiile  gegen  die  Türeken  als«  General-Adjutant  unter 
HOchstgn.  Fürsten  von  Waldeck  Dienste  gethan.  Hucbstgn,  Ihro  DurchL  habon^  nachdetne 
Sie  schon  Yerhcurathet  gewesen,  noch  2  Gampagne  in  Brabant  gethan  und  sondorlluh  in  der 
fameusen  Bataiile  bey  Landen  höchst  deroselben  Ein  Pferd  unterm  Leib  Tod  gesohossen  wor- 
don^  jedoch  sich  mit  des  Sattelknechts  Pferd  glücklich  aus  der  Feinde  HAnde  Salvlrct. 

7*  Dezember  1721.  J,  HoO^u-li 


79 


Die  Tenla  aetatls  eyentaalis  für  den  Grafen  Georg  Angnst  Samuel 
Ton  Nassan-Idstein  wird  bef&rwortet  (1681). 

Merourj,  10.  Deoembris  1681. 

Kassan-Saarbrackcn  Itisteinischer  Linie  in  po.  venia  aetatis  sive  Johann  CaBimir,  Graff 
zu  Leiningen  als  Yormund  des  Jungen  Graffen  Ton  Nassau  SaarbrQcken  Ittsteinischer  Linie, 
per  Ernestum  Persinm  de  Lonssdorff,  sub  psto.  23  tn.  Juny  nuperi,  Bittet  aus  angeführten  Ur- 
sachen seinen  Pupillen,  alss  welcher  bereits  das  17.  Jahr  erreichet  die  Kayl.  gnade,  und  even- 
tualiter  veniam  aetatis  dahin  gnädigst  zu  ertheilen,  dass  derselbe  nach  seinem  Absterben  pro 
mkjorenni  erkannt  und  einer  anderweitigen  Yormundtschafift  sich  zu  Yntergeben,  nicht  fernerft 
angehalten  werden  mogte,  mit  dem  gehors.  erbieten,  dass  Er,  so  lang  Er  lebte,  biss  zu  dessen 
noAJorennitfit,  je  dennoch  mit  der  Ihmo  auffgetragenen  Yormundtschafft  und  möglichster  Yor- 
sorg  gegen  Ihn  continuim  und  dessen  nutzen  nach  äusserstem  vermögen  Befördern  wolte. 

Idem  Persius  sub  psto.  1.  7-bris  nuperi  urgot  resolutionem  ex  motivis  pone  adductis. 

In  eadem  Georg  August  Samuel,  Graff  zu  Nassau  Saarbrücken  in  literis  ad  Imperatorem 
de  dato  26.  &  psto.  21.  8-bris  nuperi  exhibitis  per  dictum  Persium  bittet  allerunterth&nigst 
aus  angeführten  Ursachen  nach  geschehener  Zulassung,  .dass  sich  seine  Yettern  in  seiner  Yor- 
mundtschafft nit  eintringen  mogten:  sondern  Ihme  die  gesuchte  veniam  aetatis  gnädigst  zu 
ertheilen. 

Idem  Persius  sub  posto.  23.  praodicti  mensis  8-bris  denuo  instat  pro  concedenda  petita 
venia  aetatis  appon.  Lit.  A. 

Fiat  Yotum  ad  Oaesarem.    Frantz  Martin  Mensshengen. 

1K9I.  SUftttarchlT  bd  Wiesbaden  [Havsarchir,  II  A  3]). 


Brief  des  FArsten  (jeorg  Angnst  an  Kanzleidirektor  Oraif. 

Au  camp  devant  Neuheusel,  le  24  Juillet  1685. 
Pour  votts  montrer  Monsieur  que  je  ne  suis,  Dieu  mercy,  ny  mort  ny  malade,  je  prens 
une  fois  un  moment  de  tems  pour  vous  ^crire,  et  sachant,  que  haibach  vous  mande  toutes  les 
noavelles,  je  nc  diray  autre  chose  quo  seulement  que  je  suis  toujours  clemence  (sie) 

Monsieur  Yotre  affectionn6 

George  Auguste,  Comto  de  Nassau. 
Adresse:  Mr.  Graff,  Directeur  de  la  Chancelleric. 

(Crl-  StafttearrhW  n  Wiesbaden  rnenBarchlv,  II  A  6]). 


6^ 

Kortze   Relation  dessen^   so  2  Kay.  Conrriers  welche  diesen  Morgen 

allhier  angelangt^  wegen  grosser  Niederlag  der  Tfircken  nnd  Eroberung 

der  Festung  Neuhäusel  mit  gebracht. 

Frankfurt,  25.  Aug.  1685. 
Nachdem  auf  neulich  gemeldte  glückliche  Aktion  unter  Gran  bey  denen  TQrcken  die 
Confosion  angefangen,  hat  man  dieselbe  mit  der  Cavallerie  recht  angegriffen  und  gezwungen, 
sich  in  der  angefangenen  Unordnung  über  Halss  und  Kopf  zu  retiriren  mit  ZurQcklassung 
aller  Bagage,  Zelten,  so  meistens  alle  neu,  Munition  und  23  Stück  Geschütz,  so  alles  in  unsere 
Gewalt  kommen.  5000  Janitscharen  sein  auf  dem  Platz  geblieben  sampt  dem  meisten  Teil 
der  Cavallerie,  dem  Über-Rest  ist  darch  unsere  Courassierer  etliche  Stunden  nachgesetzt  wor- 
den, die  UDgerOi  so  in  grosser  Anzahl  zur  Kayserl.  Armee  gestossen,  wie  ingleiohen  die 


80 

Kroaten  und  Dragoaer  verfolgen,  die  flachtige  Barbaren,  mit  Beyhülff  der  Herren  Generalen 
Hercy,  Stynim  und  dess  Obritten  Hensslers,  und  damit  diese  Soldaten  desto  mebr  su  deme 
Nachjagen  angefHscht  wQrden,  haben  Ihre  Dorchl.  der  Hertzog  von  Lothringen  einem  jeden 
erlaubt  die  Beuten  zu  behalten,  welche  er  Tom  Feind  machen  würde,  desswegen  wenig  Tür- 
ckische  Infanterie  sich  wird  salvieren,  weilen  sie  Aber  all  von  den  nacheilenden  und  halb- 
fliegenden Reuttem  auffgesucht  und  gar  biss  gen  Offen  verfolgt  und  sich  allda  postiren  werden. 
Welcher  Gestalt  die  sehr  importirliohe  Yestung  Neuhftusel  von  denen  Kayserlichen  mit 
stürmender  Hand  erobert  worden,  hat  sich,  wie  der  General  von  Scharpfenberg  den  20.  ds. 
nach  Wien  überbracht,  also  zugetragen,  dass  nemL  als  die  Unsrige  dess  Tags  zuvor  umb  halb 
acht  Uhr  angefangen  zu  stürmen,  seynd  sie  umb  neun  Uhr  darauf  in  die  Stadt  kommen,  allwo 
sie  alles  niedergemacht,  ausser  den  Gommendanten,  und  10.  andere,  so  man  gefangen  ge- 
nommen. 80  Stück  haben  sich  neben  noch  einer  grossen  Menge  Munition  und  anderm  darin 
befunden,  und  ist  sehr  zu  verwundern,  dass  bei  dem  Sturm  der  Unserigen  nur  27  geblieben, 
in  der  BataiUe  nur  7.  Sonsten  ist  die  Guamison  in  gedachter  Yestung  noch  würcklich  1200 
Mann  gewesen.  Fünff  Tage  zuvor  hat  das  Gewitter  in  die  Yestung  Novigrad  geschlagen,  wor- 
bei  das  meiste  Thcil  derselbigen,  sampt  dem  2eug-  und  Munitions-Hauss  abgebrandt,  worauff 
dann  die  Türeken  selbige  auch  verlassen. 

(Oadraekt  d«ii  Akten  des  Köalrl.  StaatMreblTt  sa  WiMlMid«ii  b«lll«f«nd.) 


itteiliingen  üße^ie  Lage  und  Gescliiclite 
der  Marau  bei  Mainz. 


Von 

Geh.  Baurat  Cano« 


Die  in  der  letzten  Sitzung  des  Arohitekton^Yereios  von  mir  zugesagten  Mit- 

tmluogen  werden  sich  im  Anschlüsse  an  die  Yorarbeiten  zum  Bau  eines  Flosshafens 

i  Koatheim  auf  die  Lage  und  Qeschichte  der  Marau  mit  ihrem  Befestigungshaupte 

ben.  Der  Herr  Professor  Dr.  Orimm  hat  in  einer  Abhandlung  über  Lage  und 

lamen  einiger  Örtlich keiten   unserer  Gegend,   veröffentlicht  im  10.  Bande   der 

pAiiBaleu  dea  Yereins  fiir  Kassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung^, 

BQ  überzeugenden  Nachweis  geführt,  dass  die  in  der  Geschichte  der  deutschen 

er  mehrfach   erwähnte  Marau   ein  flacher  Wiesenplan   zwischen  Rhein  und 

[«in  gewesen   ist  und  dass  der  Name  des  Ortes  Kostheim  von  einem  in  der 

lihe  gelegenen  Burgbau  Kopfstein  herrührt,  welcher  einst  die  Marau  beherrschte. 

Es  wird  uns  im  einzelnen  berichtet,  dass  bei  der  Wahl  Kaiser  Lothars  IL 

vor  der  Stadt  Mainz   auf  beiden  Seiten  des  Rheins   die   kriegerischen  Gefolge 

erleUy  dass   im   offenen   Felde   das  Festmahl   stattfand,   bei  welchem  Kaiser 

Friedrich  L  die  Fürsten  und  ihr  gesamtes  Gefolge  bewirtete,  und  dass  feierliche 

liehe  Akte  bei  den  Wahlen  Heinrichs  IL    und  Philipps  von  Schwaben  in 

der  Nühe  von  Mainz  erfolgten.     Insbesondere  wird  der  Ort  des  feierliehen  Hof- 

^bgem   von    1184,    wo    der  Palast    und    die   Kapelle   des   Kaiser*',   ebenso   die 

Tohnungen   der   Fürsten   und    ihres   Gefolges   errichtet   waren,   als   ein  weiter 

Wie«enplaU|  eine  Insel  nahe  bei  Mainz,  auf  der  rechten  Seite  des  Rheines,  auf 

iwei  Seiten  vom  Rhein  und  Main  umschlossen  beschrieben  und  die  Marau  ge- 

ant.     An  der  Südspitze  der  Marau   wnrd  von  einem  Haupt,   einem  Bauwerk 

[berichtet,  wo  Kaiser  Heinrich  IV.  eine  Urkunde  für  das  Kloster  Lorsch  ausstellte. 

Ferner  hören  wir,  dass  bei  Kostheim  oder  Cupstein  eine  KOnigspfalz  be- 

Inden  hat,    wo  Karl   der  Grosse  im  Jahre  790  weilte,  wo  im  Jahre  795  ein 

liebes  Placitutti  gehalten  wurde.     Die  Lage  dieser  Burg  wird  als  oberhalb 

der  Brücke  bezeichnet  und  ist  zugleich  durch  den  in  der  Nähe  belegeneu  Lande- 

der  wichtigen  Weisenauer  Fähre  beurkundet. 

Diese  Ortlichkeiten    bilden   das  Gebiet,   in   welchem  jetzt   als  Ergänzung 
der  Marn-KanalLsierungs* Anlagen  bei  Kostheini  ein  Flossbafen  gebaut  wird,  und 
m  lag  mir  deshalb  nahe,  mich  mit  der  Yorgeschichte  dieser  interessanten  Bau- 
eingehender  zu  beschäftigen.     Die  Rhein-Stromstrecke  bei  Mainz  gehört 
süsch  zu  dem  Abschnitte  des  sogenannten  Mainzer  Beckens,   welcher  bei 
)ppeiiheiD]   beginnend   sich   bis    Binger  Loch  erstreckt   und   von  der   tertiären 


82 


Formation  beherrscht  wird.  ITydrographiach  bat  diese  Strorastrecke  einen  sfl 
artigea  Charakter,  welclier  lo  der  mächtigen  Breite  des  Wasserspiegels  und  in 
den  vielfachen  InselbiUlungen  und  Stromspaltuügen  sich  ausprägt.  Hierauf 
muas  man  zunächst  sein  Augenmerk  richten,  wenn  man  die  frühere  und  jetzige 
ÄusgestahuDg  des  Überachwonmiunga-Oebiets  zwischen  Oppenheim,  Mainz  und 
Bingen  richtig  verstehen  will.  Vor  der  Durchbrechung  des  Rheinischen  Schiefcr- 
gebirges  unterhalb  Bingen  lag  das  ganze  obere  Gebiet  tief  unter  dem  Spiegel 
des  autediluvianisehen  Rheinsees,  welcher  bei  Basel  beginnend  sich  bis  zu  den 
Hüben  des  Niederwaldes  erstreckte*  Der  Nullpunkt  des  Rheinpegels  bei  Basel 
liegt  in  gleicher  Höhe  mit  den  Kuppen  des  Niederwaldes,  auf  denen  sich  Rhein- 
geschiebe und  Muscheln  jenes  Seegebietes  finden. 

Nach  erfolgter  Senkung  des  früher  gestauten  Wasserspiegels  bildeten  sich 
auf  dem  Seeboden  verschiedene  Rinnsale,  in  welchen  das  aus  dem  Alpengebiete 
kommende  Rheinwasser  fortgeführt  wurde,  ein  Zustand,  welcher  zwiselien  Basel 
nnd  Strassburg  zum  teil  noch  jetzt  deutlich  zu  erkennen  ist* 

Neben  einem  Hauptstromarme  bestanden  mehrere  Seitenrinneu,  welche 
hauptsachlich  bei  den  höheren  Wasserständen  zur  Geltung  kamen,  bei  Niedrig- 
wasser aber  grösstenteils  trocken  lagen.  Für  diese  Nebenarme  hat  sich  im 
Volksmunde  der  Name  „Oiessen**  erhalten.  Die  IuecIu  zwischen  solchen  Oiessen 
bestanden  teils  aus  tertiären  Ablagerungen,  teils  aus  diluvialen  Geschieben  mit 
kalkigem  oder  tbonigem  Bindemittel,  welche  der  gewöhnlichen  Strömung  hin- 
reichend Widerstand  leisten  konnten  und  nur  etwa  bei  heftigen  Eisgängen  an- 
gegriffen oder  verändert  wurden. 

Unmittelbar  bei  Mainz  erscheint  dies  Verhältnis  noch  dadurch  besonders 
verwickelt,  weil  hier  auf  der  rechten  Rheinseite  der  Mam  einmündet,  dessen 
Fluten  bei  den  erwähnten  Inselbildungen  wesentlich  mitgewirkt  haben. 

Nach  den  lichtvollen  Darlegungen  des  verstorbenen  Landesgeologen  Dr.  Koch 
mündete  der  Main  ursprünglich  keineswegs  an  der  jetzigen  Stelle  oberhalb 
Mainz  in  den  Rhein,  sondern  lief  in  längerer  Ausdehnung  neben  den  tertiären 
Rändern  des  rechtsseitigen  Geländes  in  den  Gemarkungen  Kostheim,  Castel, 
Amijneburg,  Biebrich  und  Walluf  parallel  zu  dem  linksseitigen  Hauptstrome  des 
Rheins.  Zwischen  diesen  beiden  Strömungen  lagen  die  Inselgebiete,  deren  Reste 
in  der  Marau,  der  Petersau,  der  Ingelheimer  Aue,  der  Rettberga-  und  Bieb* 
richer  Aue,  sowie  in  der  grossen  AUuvion  bei  Schierstein-Walluf  noch  vorhanden 
sind.  Auch  von  Walluf  abwärts  zwischen  Eltville,  Erbach,  Hattenheim,  üstrich, 
Geisenheim  und  Rüdesheim  ist  der  oben  erwähnte  Parallelstrom  des  Main:» 
besonders  in  der  kleinen  Giess,  in  den  Seitenarmen  bei  Winkel,  Geisenheim  und 
Rüdesheim  sehr  deutlich  zu  erkennen,  wie  denn  auch  die  kalkigen  und  thonigeai 
Ablagerungen  auf  den  rechtsseitigen  Thalgehängen  vorwiegend  dem  Maingebiete 
angehören,  während  sich  auf  dem  linken  Rheinufer  die  sandigen  Geschiebe  des 
oberen  Rheines  mit  der  zugehörigen  Flora  und  Fauna  zeigen. 

Im  Laufe  der  Jahrhunderte  wurde  dann  der  Main  zunächst  zwischen 
Kostheim  und  Walluf  von  dem  rechtsseitigen  Höhenrande  abgedrängt  «nd  e« 
entstand  ein  regelrechteres  Mainbett  durch  die  sogen.  MaiuUclio,  hart  an  dem 
( ^asteler  Uferrande  heri  in  dem  jetzigen  CaMteler  Rheinarmo  bis  unterhalb  Uiebridi« 


83 


Zwischen  ilem  Rhein  und  Main  lag  im  Angchlüsae  an  die  roehtsrhemische 
•>  v*>r  (luÄlavsburg,  Bischofsheim  und  Rüssekheim  das  ausgedehnte 
der  Marau  und  I^etersau,  ursprünglich  ein  Ganze«  bildend,  welches 
ottT  Äur  Zeit  der  Hochfluten  und  des  Eiggangeg  durch  einige  Queratrumungcn 
ti  bcn  war.     Die  Petersau  ist  damals  ohne  Zweifel  viel  breiter  gewesen, 

Ti  und  der  jetzige  Hauptarm  dea  Rheins  oberhalb  Biebrich  war  nur  eine 

g  he  Hochwaßsergiess,   welche   zeitweise  mit   den   Mainfluten   Tereintgt 

f^ieh   durch   den  sogen*     Wachsbieiehen^Arm    zwischen   der    IngeUieimei*-    und 
ni!ttberg«*Aue  in  den  linksseitigen  Rheinarm  ergoss. 

E«  bestand  hiernach  gegenüber  von  Main^  auf  der  rechten  Holte  des  Rheins 
du  grosser  InseKWiesenpIan,  welcher  zu  festlichen  Veranstaltungen^  Volks-  und 
RfiichsYersaminluDgeu  höchst  geeignet  war  und  nach  den  vorliegenden  geschichl- 
lielien  Zeugniasen  in  dieser  Weise  vielfach  benutzt  wurde.  Von  Mainz  aus 
war  dies  Ins^lgebiet  durch  die  zuerst  in  der  rumischen  Kaiserzeit  erbaute  feste 
Rfaeio brücke  zwischen  Mainz  und  Castel  bequem  zugänglieb.  Die  Herstellung 
mnm  hölzernen  Rheinb rucke  oberhalb  der  Römerbrücke,  wahrscheinlich  zwischen 
IFmeoau  und  der  Marau  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  war  sicher  neben  den 
fllmtegischen  Rücksichten  auch  durch  diese  Verhältnisse  mit  bedingt.  Der  alt- 
imiiicfae  Brückenkopf  bei  Castel  bezeichnete  das  rechtsseitige  Mainufer  und 
ersten  rechtsseitigen  massiven  Öffnungen  der  Römerbrücke  führten  ohne 
reifel  über  den  Main  und  über  das  links  neben  demselben  belegene  Insel- 
Terrain,  welches  durch  eine  Seitenrampe  mit  der  Brückenbahn  verbunden  werden 
konnte.  Über  die  karoUngische  Brücke  fehlen  nähere  Nachrichten,  doch  sprecheu 
alle  tnaasgebenden  Umstände  dafür,  dasa  sie  vom  linken  Rheinufer  oberhalb 
Huinz  direkt  auf  das  Haupt  der  Marau  führte. 

Der  Wiesen-Inselplan  oberhalb  der  Rümerbrücke  gewann  eine  besondere 
letitung,  als  man  das  Bedürfnis  fühlte,  den  Zugang  zu  diesem  wichtigen  Ge- 
am  oberen  Ende  gegenüber  von  Kostheim  zu  überwachen.  Es  wurde 
Wer  wahrscheinlich  schon  zur  Römerzeit  ein  Vorposten,  unter  Trajan  ein  festes 
Jmuwerk,  sputer  unter  den  Merowingern  eine  Wasserburg,  ein  Kunigshof  an- 
t,  welchen  die  Karolinger  mit  einem  Steinturm  unter  kuppeuartigem  Dach 
ben,  wodurch  der  Name  Kupstein  (Kostheim)  enstand.  Zur  Zeit  Karls  des 
irosseii  ist  hier  nach  Grimms  Darlegung  ein  Burghaus  nachgewiesen,  in  welchem 
Her  Kaiser  Heinrich  IV.  im  Jahre  1067  die  schon  oben  erwähnte  Urkunde 
teilte.  Im  Auscfaluss  an  dieses  Burghaus  wurde  sicher  auch  bei  den  hier 
gehaltenen  Reichaversammlungen  und  namentlich  im  Jahre  1184  für  daa  vom 
iser  r  '  ^a  veranstaltete  grosse  Volksfest  daa  Hauptquartier  des  Kaisers 
der  ii-  ,  lüraten  in  besonders  für  diesen  Zweck  errichteten  Holzhausern 
i%f!9chlagen.  Die  Zahl  der  bei  dieser  Gelegenheit  auf  der  Marau  zusammen- 
Smten  Ritter  und  Reisigen  wird  auf  40000  angegeben,  die  übrige  Volks- 
war  ungezählt  Nach  Raumers  Beschreibung  hatte  Kaiser  Friedrich 
gesorgt,  dass  den  Rhein  aufwärts  und  abwärts  Lebensmitel  in  unglaub- 
Bchf»o  Mengen  zusammengebracht  waren.  Alle  Edlen,  ja  alles  Volk  ward  auf 
'  fi  Kaisers  bewirtet  und  Könige,  Herzöge,  Markgrafen  leisteten 
I  iiH. -ifton,  Kümmerer,  Marschullü  und  Mundschenken.    Fremde 

0* 


84 

aus  Slavien,  IllyrieD,  Frankreich,  England,  Italien  und  Spanien  hatten  sich  zu 
dem  Feste  eingefuDden*  Die  Uoheit  des  Kaisers,  die  Herablassung  der  Eaisertu, 
die  Schönheit  der  Frauen,  die  Herrlichkeit  der  Rittor,  die  Pracht  der  Kleiduogen, 
der  Schmuck  der  Pferde,  die  Mannigfaltigkeit  der  Spiele  und  Gesänge,  der 
tJberfluH»  au  Lebensmitteln  und  Wein,  alles  vereinte  sich,  um  Lust,  Freude 
und  Bewunderung  zu  erzeugen. 

Die   vereinigte  Marau   und   Petersau    mit   ihrem    frischen   Wieaengninde 
und  schonen  Baumschmuck,  mit  dem  herrlichen  Ausblick  auf  das  goldene  Mainz^ 
auf  die  lachende  Rheinebene  und  das  Tauuusgebirge  waren  sicher  ein  einzig- 
artiger Schauplatz   für   ein   solches  welthistorisches  Fest,   dessen  dauernde  Er- 
innerung im  Volksmunde  treu   bewahrt  wurde  und  einen  festen  Anhaltspunkt 
in  jenem  Burgbau  Kupsteiu,  dem  Haupt  der  Marau,  behalten  hat.    Die  durch 
die  Tradition  erhaltenen  Spuren  jenes  zur  Überwachung  der  Marau  bestimmten , 
Yorpostens,    des   nachmaligen  Burghauses  und  Kaiserlagers,   finden   wir  in  der! 
von  Gustav  Adolf  gegründeten  Schwedenschanze  an  der  sogenannten  Mainspitze,] 
der  heutigen  Gustavsburg,    welche  später  von  den  Franzosen  weiter  ausgebaut] 
und  in  unserer  Zeit  als  Brückenkopf  verwertet  wurde. 

Dort  deutet  auch  die  Niederung  des  Gustavsburger  Hafens  mit  ihren  tiefen 
Auskalkungen  an  der  rechten  Hheinseite  auf  die  Stelle  hin,  wo  bei  den  Hoch- 
fluten der  Vorzeit  der  Main  von  Uoohheim  abwärts  in  möglichst  gerader  Richtung 
eine  Giesa  gebildet  hatte,  welche  nur  durchströmt  wurde^  wenn  das  Mainbett 
hei  Caatel-Biebrich  mit  Eis  versetzt  war,  wie  sich  dies  noch  im  Jahre  1880 
wiederholte,  als  die  Deiche  von  Rüsselsheim  und  Bischofsheim  von  der  hohenj 
Eisflut  durchbrochen  waren. 

Die  alte  Wasserburg  lag  unterhalb  dieser  Main-Giess  und  bildete  somit 
das  befestigte  Haupt  der  Marau,  welches  früher  mit  der  Rheinbrücke  zwischen 
Mainz  und  Castel,  später  mit  der  karolingischen  Brücke  in  sicherer  Verbindung  stand. 

Zugleich   konnte   von  dieser  Burg  aus  der  Landeplatz  der  Weisenauerl 
Rheinfilhre   und    die   anschliessende   wichtige  Verbindungsstrasse  nach  Höchst, 
Grossgerau,  Lorscli  und  Starkenburg  überwacht  werden. 

Die  jetzige  Mainmüridung   unterhalb  Gustavsburg,   welche   noch  wiihrend] 
des  dreissigjahrigen  Krieges  behufs  bequemer  Verbindung  mit  dem  altbefestigten  ( 
Mainhaupt  der  Marau   durchdammt  war,   hat  sich  erst  später  infolge  der  fran- 
zösiseheu  Festuugsbauten   von  1680—90  ausgebildet  und  ist  nach  Versandung 
dee  Mainbettes  bei  Kostheim-Castel  zur  Hauptausmündung  geworden,  wodurch 
die  jetzige   beschränkte   Gestalt   der  Marau   entstand.     Die  sodann  errichteten i 
Festungswerke  von  Castel  bilden  den  Abschtuss  dieser  Umgestaltung. 

Durch  den  Bau  des  Flosshafeus  bei  Kostheim  werden  die  früheren  Flut* 
Verhältnisse  im  Oberachwemraungsgebiete  des  Rheines  wieder  aufgedeckt. 

Diese  Mitteilungen  aber  dürften  den  Zweck  erreicheu,  die  Riebligkeit  der] 
ge§chichtlichen  Ermittelungen  des  Herrn  Professor  Dr.  Griram  über  die  Mann 
und  di^  Lage  der  Burg  Kupat#tn  (Koaitheiui)  auch  vom  geologbohen  i^  hjdro* 
iteluiisehen  Standpunkte  aus  eu  bekunden. 


ammm 


Johann  Konrad  von  Seibach. 

Nebut  einem  Anhaug:  Eiiiige  iiiibekHiiiiie  Herbonier  nrueke« 

Von 

F.   Otto* 


Johann  Konrad   von  Seibach  gehört  nicht  zu  den  grossen  Kriegshelden 

einer  Zeit;  er  hat  nicht  eine  höhere  leitende  Stellung  wie  Melander  errungen, 

[er  ist  nicht  gefeiert  worden  von  den  Landsknechten  wie  Friedrich  von  Reiffenberg, 

iid  starb  in  einem  Alter  von  44  Jahren  als  Oberätlicutonaut  des  naasauischen 

Reiterregiments,    dessen   Oberst   Graf  Ludwig  Heiurich    von    Dillenburg   war. 

Lber  sein  Lebon  ist  trotzdem  merkwürdig  und  einer  näheren  Betrachtung  wert. 

fKur  kursse  Zeit  vermochte  er  in  der  Ueinuit  und  in   friedlicher  Thätigkeit   zu- 

mbringen;   im  Anfang  seiner  Jugend   zog   ihn   die  Lust  am   Kriegshandwerk 

\d  hierhin,  bald  dorthin  in  fremde  Dienste,  und  in  den  let^cten  Jahren  seines  Lebens 

^Wttrde  er  als  erprobter  Krieger  abermals  zu  den  Waffen  gerufen. 

Die  folgende  Erzähluog  seines  LebcnslaufeB  folgt  der  kurisen  Biographie, 
welche  der  llofprediger   Hermann   Vigclius   von  Dillenburg   am   Schlüsse   der 
«chearede  (gedruckt  Herborn  1636)  gegeben  hat. 

Die  Herrn  von  Seibach  haben  ihren  Namen  von  ihrem  Stammsitze  Sei- 
bach in  der  Herrschaft  Siegen,  nicht  allzuweit  von  Burbach  entfernt.  Das 
schlecht  zerfiel  in  viele  Zweige,  welche  sich  durch  Beinamen  unterschieden; 
luhann  Konrad  führte  den  Namen  Lange:  so  ist  er  in  der  uoten  erwähnten 
M'rkuode  von  1618  genannt;  die  Matrikel  von  Marburg  nennt  ihn  Lang.  Der 
Wohnsitz  und  das  Erbgut  seines  Zweiges  war  Zeppenfeld.  Dazu  erwarb  sein 
^aier  Kraft  Eogelbrecht  den  Mitbesitz  des  Oeispitzheimischen  Hofes  zu  Wies* 
iden.  Diesen  —  es  war  der  Hof  des  ca.  1400  ausgestorbeocn  Geschlechts 
der  Herrn  von  Wiesbaden,  er  lag  gegenüber  dem  heutigen  Gasthaus  „Nonnen- 
bor' —  hatte  Joachim  von  Qeispitzheim  besessen  und  bei  seiuem  Tode,  um 
Zeit  der  Kirchweihe  von  Wiesbaden  (Sonntag  Jubilate)  im  Jahre  1557*), 
Töchtern,   Margarethe  und  Anna   Maria'),  hinterlassen.    Von  diesen   hei- 

')  All««  Oeriobtsbttoh  der  Stadt  Wiesbsden*    Der  SonntAg  Jubikte  wnr  im  Jahre  15&7 
<l«r  f.  Mm.   —   *)   Anna  BlUri«    fehlt    bei   Uumbrncht,    ebenaa  ihr  Ocmuhl   Keinhard   ?on 
i;  beid«  werden  1580  und  1581  als  Miibefittoer  des  Hofes  genaant;  der  ^olm  Waltlier 
\m  Jafare  1609  seinen  Anteil* 


86 


ratete  Margurctlio  utü  das  Jahr  1570*)  deu  geoanuteu  Kraft  ErigoIbrecE 
von  Selbaeh,  Anna  Maria  den  Junker  Reinhard  von  Grodian.  Bcido  teilten 
den  za  Wiesbaden  ererbten  Besitz;  indessen  scheint  Seibach  die  ihm  zugefallenen 
Güter  nicht  selbst  bewirtschaftet  zu  haben,  während  sein  Schwager  zu  Wies- 
baden wohnte:  er  verpachtete  die  Wiesbadener  Güter  z.  B.  im  Jahre  1583  auf 
neun  Jahre.*)  Nach  Grodiana  Tode  wurde  er  Vormund  von  dessen  hinterlasaeuera 
Sohne  Walther,  als  welcher  er  noch  im  Jahre  1603  vorkommt,  doch  niuss  er 
um  diese  Zeit  gesfearben  sein^);  die  Mutter  erlebte  noch  den  Tod  ihres  Sohnes 
(1634)  und  muss^also  ein  hohes  Alter  erreicht  haben;  war  sie  bei  ihrer  Yer* 
heiratung  etwa  zwanzig  Jahre  alt,  ao  zahlte  sie  damals  etwa  84  Jahre. 

Auf  dem  Gute  zu  Zeppenfeld,  wO'  er  auch  später  wohnte,  wenn  er  nicht 
auswärts  war,  mag  Junker  Johann  Konrad  als  das  jüngste  oder  einzige  Kind 
seiner  Eltern  am  24.  August  1580  geboren  worden  sein.  Nach  des  Vaters  Tod 
brachte  ihn  die  Mutter  auf  die  benachbarte  Landessehule  zu  Herborn,  welche 
damals  eines  besonderen  Rufes  sich  erfreute.  Im  Jahre  1605  bezog  er  die 
Universität  Marburg,  wo  er  am  30,  Mai  iramatrikuliert  wurde,  später  die  im 
Jahre  1607  gestiftete  Universität  Giessen,  zu  deren  ersten  Schülern  er  also 
gehörte,*) 

1.  In  schwedischem  Dienst  1608.  Die  Studien  fesselten  ihn  nicht;" 
da  er  mehr  Neigung  zum  Kriegshandwerk  hatte,  so  trat  der  ncunzebojährigo 
Jüngling  in  die  Dienste  des  Königs  Karl  XI.  von  Schweden.  Diese  Wahl  mag 
bestimmt  worden  sein  durch  den  Vorgang  seines  damaligen  Landesherrn  Johann 
des  Mittleren,  eines  Sohnes  des  1606  verstorbenen  Grafen  Johann  des  Alteren, 
welchem  in  der  Erbteilung  die  Herrschaft  Siegen  zugefallen  war;  derselbe  hatte 
im  Jahr  1601  als  General  der  schwedischen  Armee  rtlhmlichst  in  dem  polnischen 
Kriege  gekämpft.  Ferner  stand  eben  damals  ein  Vetter  des  jungen  Seibach» 
Wilhelm  von  Seibach  von  dem  Zweige  der  Quadfassel,  ebenfiatls  in  schwedischen 
Diensten  und  mochte  seinen  jüngeren  Freund  eingeladen  haben  sein  Gluck  in 
dem  bevorstehenden  russischen  Kriege  zu  versuchen.  In  Russland  herrschte 
nämlich  seit  einigen  Jahren  der  Bürgerkrieg,  welchen  das  Auftreten  des  falschen 
Demctrius  hervorgerufen  hatte.  Der  neu  ernannte  Zar  Schuiski  suchte  gegen 
den  zweiten  Demetrius  und  die  mit  ihm  verbundenen  Polen  Hülfe  bei  Schweden» 
die  auch  versprochen  und  geleistet  wurde.  Nach  dem  Vertrage  vom  28,  Feb- 
ruar 1H09  rückte  der  schwedische  General  Jakob  de  la  Gardie®)  in  ßusslaud 
ein ;  sein  Heer  bestand  zum  grossen  Teil  aus  Truppen,  w^elche  im  Westen  von 

*)  6U  2u  di«Mr  ZaiI  werden  mohmiAls  „die  Kinder  von  Oeis(>itilieiiii^^  gcnaiuit,  15TS 
zum  crstennmle  BcIImmsIi.  —  ')  Dte  Oator  betrugen  lUMmmcn  168  Morgen  Ackcrl&nd|  3S  Mor* 
gen  Wiesen,  2  Morgen  Wemberge,  der  PAclit  von  HelbAcKfi  Anteil  S4  Mftiter  Korn  tind  10 
SAoke  Hafer.  Anf  dem  Hofe  If^tete  die  Verpflichtung  mit  seines  Pferden  und  Wagen  die 
VerbrcKjher   «iir   RicbtstAtte   «u   führen,    -    ')  Herrn.  Yigeliue    smgt,  Kraft   1'  Iit   »ci 

gettorben^  alt  der  Sohn  12  Jahre  alt  vvar,  abo  1601;  diese  Anfibe  muet  aleo  <  Irr* 

tttiDO  beruhen*   —   *)  Die  Ultesto  Matrikel  der  ünivcr^itÄt  Oteesen  bl  verloren,   die  Zeit  eeiner 
Aiifhahne  al^o  nicht  tu  bestimaien,  doch  muM  «ie  weht  1607  erfolgt  »eiA^  du  er  1608  Kriegi»^ 
dienste  naliin«  ^  *)  Bohn  des  V.  de  la  Ganlte  aut  Carea««onne,  treleber  in  eehwediAohe  Üiensl 
gelretcn  und  zu  hoben  Khren  gekommen  war;  d«r  Sohn  war  fob^en   1563  mid  eiarb  1€ 
gteiobfiili  in  hohen  Ehren. 


sropft^  in  Ffftnkracli,  duu  Nictlorluudüu  uod  HciiuUlaml,  geworben  waren.  Der 
Aofiuig  des  Feldxugs  war  f^lilcklieh:  am  12*  März  1610  zieht  do  \a  Clardie 
•iepreich  io  Mciskau  oiu;  doch  infolge  einer  Meuterei  namentlich  der  Söldner 
tili  er  sich  alsbald  genötigt  diesen  Kriegsschauplatz  zu  verlaasen  und  Dach 
Kirwgcrad  abzu/Ziohen,  während  die  russischen  Verhältnisse  durch  Erhobung  des 
Midhul  Uomanow  zum  Zaren  (1612)  einer  festeren  Gestaltung  entgegengingen. 
Afl  diesem  Feldzoge  also  nahm  Seibach  teil  und  erlangte  durch  seinen  Vetter 
Vrtllielm  von  Seibach  ein  Fähnlein,  Wie  lange  er  dort  verweilte^  wird  nicht 
angegeben;  Tielleicht  wurde  er  von  de  laGardio  zu  Nowgorod  1611  oder  1012 
fenU»eebiedet 

Kaeh  setner  Rückkehr  verweilte  er  am  Uufe  seines  Landesherrn  Johann 
pau-Siegen,  ^dessen  Gnaden  ihn  allezeit  lieb  und  wert  gehalten.*^ 
'ft'lm  Dienste  der  Hansestädte  unter  Graf  Friedrich  von  Solms 
1815.  Zwischen  dem  Herzoge  von  Braunschweig  nnd  der  Stadt  Braunschweig 
beataiiden  seit  langer  Zeit  Streitigkeiten^  da  diese  ihre  Selbständigkeit  wahren, 
der  Herzog  aber  sie  mit  Gewalt  unter  seinen  Willen  beugen  wollte.  Herzog 
Utnrioh  Julius  starb  im  Jahre  1613  unausgesdbnt  mit  der  Stadt;  sein  Sohn 
Friedrich  Ulrich  verlangte  alsbald  die  Huldigung,  welche  verweigert  wurde. 
Kacitdem  die  Versuche  zu  friedlicher  Beilegung  des  Zwistes  gescheitert  waren, 
griff  er  im  Jahr  1615  zu  den  Waffen  und  begann  im  Sommer  des  Jahres  die 
itelagemng  der  Stadt,  Diese  fand  Hülfe  bei  ihren  Bundesgenossen,  den  Städten 
Bremeii,  liHbeck,  Magdeburg  u,  a.,  und  der  Graf  Friedrich  von  Solms-Laubach| 
der  beetellte  hanseatische  General-Obrist  zu  Land  und  Wasser^),  erhielt  den 
Avftrvg  ein  Heer  zu  sammeln  und  die  bedrängte  Stadt  zu  entsetzen.  Kasch 
naeh  den  Begriffen  der  damaligen  Zeit  brachte  derselbe  eine  Schar  von  3000 
Mnon  r.a  Fusa  und  1600  Reitern  zusammen  und  rückte  am  20./10.  Oktober 
TOD  dem  Lager  zu  Giffhorn  gegen  die  Belagerer  vor.  Von  den  Reitern  führte 
Kurt  Uüinrich  von  Uffeln*)  ein  Fähnlein,  sein  Lieutenant  war  Seibach**)  Am 
2S*  Oktober,  als  die  Not  der  Stadt  auf  den  höchsten  Punkt  gestiegen  war, 
UmA  der  Entsatz  statt;  der  Herzog  wurde  geschlagen  und  Graf  Solms  zog  als 
Biifer  in  die  Stadt  ein.  Infolge  davon  kam  es  zum  Waffenstillstand  und  am 
Sl*/Sl«  Dezember  zum  Frieden  zwischen  der  Stadt  und  ihrem  Fürsten.^) 

3*  Im  Dienste  dos  Königs  von  Frankreich  1616.  In  den  Unruhen, 
vekbe  im  Jahre  161f»  — 17  die  Grossen  Frankreichs  gegen  die  Krone  anzettelten*, 
eAMi  am  31.  Januar  1617  der  Marschall  Heinrich  von  Schomberg,  ein  Glied 
der  Faimlie,  weiche  Frankreich  so  viele  tüchtige  Kriegsmänner  gab,  den  Auftrag 
4000  Landsknechte  und  400  Reiter  in   Deutschland  zu   werben*     Der  eben 


*\  H«tt  dem  Jalire  1S08.  Otto  Graf  m  Solms-Rüdclbeim,  Graf  Kriedrioli  van  Solms- 
l,  8.  161.  —  *)  Kurt  Heinrich  ton  Uffeln  war  am  13.  April  1582  geboren  iind  hnttc 
S0il  tSe$  an  Tierüchledctien  Feldsflgen  in  Ungarn,  den  Niederlanden  und  im  Khofis  toilge- 
Waimmttk*  Lefehenri^de  des  Hofpredigera  Theoph.  Neuborger  zu  Kassel,  gedruckt  da^elbdt 
%VH*  IHeEtiiiiebt  in  dieselbe  terdAnke  ich  der  Freundlichkeit  des  Herrn  iMiijor«  r.  Wangen* 
haiBi  4aliiie.  —  ^)  Ein  Lieutenant  erhielt  50  tt.  mouattioh  und  vier  Pferde,  Otto  Omr  zu 
Mm§  a.  a,  O.  S.  429.  —  *)  Otto  Graf  su  Solms  a,  a  0.  H,  34e-3ül.  UaTemaon,  üe- 
•ehiekl«  tod  Br«uit»obweig-Lüaeburg  11^  S.  454  tf. 


gauanoto  Kurt  iieiDricli    von  Uffela  und   öeiu  Lieutenaut  Selbacli   (audoii   nion 
bereit  auch  hier  zusammen  Dienste  zu  uehmen,    doeh  war  ihres  Bleibens  nicht ' 
lange.     Bald  nach  der  Ermordung  dea  Harschalls  d'Ancra  (24.  April)  wurden 
sie  wieder  Yerabachiedet.  *) 

4.  Im  Dienste  der  Republik  Venedig  1617 — 1618.  Infolge  der! 
Räubereien  der  üskoken  entbrannte  im  Jahre  1615  ein  Krieg  zwischen  der 
Republik  Venedig  und  dem  Erzherzoge  Ferdinand  von  Österreich^  welcher  zwar 
nicht  viele  grosse  Waffenthaten  aufzuweisen  hat,  aber  merkwürdig  ist,  weil  an 
ihm  mehrere  Männer  teilnahmen,  welche  in  demselben  entweder  ihre  Waffen- 
tuchtigkeit  bewährten,  oder  später  als  Kriegshelden  berühmt  geworden  sind, 
Zu  diesen  gehört  vor  allen  Wallenstein  und  Melandor;  nicht  weniger  erwähnens- 
wert ist  es  für  uns,  dass  der  Anführer  der  holländischen  Hülfetruppen  der  Sohn 
des  Grafen  Johann  des  Mittleren  von  Siegen  Johann  Ernst  war;  unter  ibm 
dienten  der  tapfere  Hans  Michael  von  Obentraut^  und  Johann  Eonrad  von 
Belbaeh. 

Als  die  Venetianer  im  Frühjahre  1616  (5»— 25.  März)  vergeblich  Gradiaca  ^ 
belagert  hatten  und  auch  im  Sommer  der  Krieg  sich  lahm  dahin  zog,  knüpften 
sie  im  Herbste  Verhandlungen  mit  den  Generalstaaten  an,  um  von  ihnen  Hülfe 
zu  erlangen.  Diese  versprachen  zwei  Regimenter  Söldner  zu  schicken,  das 
Kommando  erhielt  Graf  Johann  Ernst^  welcher  alsbald  ebe  genügende  Aüsahl 
Soldaten  unter  seine  Fahnen  vereinigte;  es  waren  ihrer  etwa  4000  Mann,  das 
Gerücht  verdoppelte  später  die  Zahl,  Die  Überfahrt  nach  Venedig  zog  sich  , 
lange  bin  und  erst  im  Mai  1617  langten  sie  in  Venedig  an  —  zum  Schrecken 
für  die  gutkatholischen  Bewohner  und  unter  Missbilligung  der  älteren  Senatoren, 
welche  lieber  die  Musterung  auf  dem  Markusplatze  nicht  mit  angesehen  hätten, 
da  sie  die  Befürchtung  nicht  unterdrücken  konnten,  die  Fremden  seien  stark 
genug  sich  der  Stadt  zu  bemächtigen.  Die  Ankunft  der  stattlichen  tapfereu 
Männer  auf  dem  Kriegsschauplätze  schien  dem  Kampfe  eine  bessere  Wendung  I 
zu  geben,  doch  wirkte  die  Uneinigkeit  des  vorsichtigon  venetianiscben  Befohls« 
habers  und  des  Grafen  Johann  Ernst,  welcher  eine  energischere  Kriegführung 
verlangte,  hemmend  auf  die  Unternehmungen  ein.  Nach  einer  Reihe  nutzloser 
und  von  schrecklichen  Verwüstungen  begleiteter  Kämpfe  kam  es  im  Herbste 
1617  durch  die  Vermittlung  befreundeter  Mächte  zu  einem  Friedensvorschlage, 
welchen  Erzherzog  Ferdinand  am  1.  Februar  1618  annahm.^)    Die  hulländiscih 


*)  In  dor  Leichenrede  Uffclna  lieisst  es,  dieser  sei  nach  „Sttplioyeu**  beordert  gcv^c«»en 
iittüH  Daniel,  Oeftchichte  von  Frankreich,  Nürnberg  1701,  XJI  wor  Schonihcrg  im  nurdliohon 
Frankreieh  beschäftig:!.  Über  das  Qanse  Torgl.  Daniel  XII,  8.  135  ff.,  Fieffe,  OesohioKtii 
der  Fremd-Truppeu  im  Dienste  Frankreichs,  deutsch  ron  P.  Symon  de  CoraeTilJe  1860,  I, 
8.  186.  Neubergors  und  Vigelius  Leiofaenreden.  —  ')  Hans  Michael  von  Obeniraut  statnmio 
aus  einer  pfälzischen  Adelsfamilie;  geboren  1574  erscheint  er  1610  als  Rittmeister  der  ITitiou 
au  der  Spitze  von  500  Reitern  im  elsäsBischen  Krieg,  als  es  sieh  darum  handelte  den  Krx* 
herzog  Leopold  abzuhalten,  von  dem  Oberrhein  nach  den  jülich-clevifichcu  Landen  durolisu 
brechen.  Der  allgemeine  Krieg,  welcher  damals  zu  entstehen  drohte,  mwde  infolge  der  Kr* 
mordung  Ueinriohs  lY.  noch  einmal  abgewrendet«  v«  dtramberg  in  Krseh  und  Grub«rs  £d- 
oyklopHdie.  —  ')  Fr.  v.  Uurter,  Geseliidite  KaiJi^r  Ferdinand  IL,  Yllt  ^*  77^iüT;  Dare, 
Hiikoire  de  la  r^p,  Vcnise,  IV,  S.  2S3. 


.ai 


kehrten  nmimohr  in  die  Heimat  zurücki  aber  uhnG  ihren  Führer,  den 
Johann  Emst|  welehon  eine  Krankheit  dahiDgcratFt  hatte.  \) 
Dft&B  Seibach  als  Lieutenant  Obertrauts,  ^obwohl  er  ein  mehrere«  9chon 
Bt**,  diesen  Kriegazug  mitmaohte,  sagt  die  Leichenrede  des  H.  VigeUus 
"■MdMhxUicL  Wenn  aber,  wie  anderwärts  berichtet  wird,  die  liüHäDdiöohcn 
im  Mai  IG  17  zu  Venedig  eintrafen,  so  kann  Seibach  unter  diesen  nicht 
seiD,  da  erst  im  Mai  die  Schar  aus  den  franzdaiachen  Diensten  ent- 
wurde*), welcher  er  bis  dahin  angehört  hatte.  Er  muss  also  entweder 
frSker  aich  von  dieser  verabschiedet  haben  —  oder  erst  später  auf  dem  Kriegs- 
■ehaitplatze  bei  Gradisca  eiogetrotfen  sein,  —  Beine  Rückkuoflt  in  die  rheinische 
Heimai  erfolgte  erst  spat;  denn  in  der  Mitte  des  November  war  er  dort  noch 
meilt  eingetroffen,  sondern  wird  in  der  gleich  zu  erwähnenden  Urkunde  als 
il»wefieiid  bei  den  Yenetianern  bezeichnet.  Obentraut  —  und  mit  ihm  wohl 
aaeh  8elbaeh  —  war  im  Jahre  1619  wieder  in  der  Heimat  und  im  Dienste 
KnrfQraten  von  der  Pfalz. 
Am  Sonntage  nach  Martini  im  »Jahre  1618  verkaufte  Margarethe  von 
in  ihrem  und  ihres  Sohnes  Namen  die  Güter  zu  Wiesbaden,  welche 
Dir  wohl  zu  entlegen  waren,  an  die  Brüder  Peter  und  Johann  Meinhard  von 
ren  für  3300  fl.  Für  den  abwesenden  Sohn  siegelte  Georg  Heinrich  von 
^luy  der  Sohn  des  1591  verstorbenen  Hans  Bernhard  von  Langelu,  Amt- 
zu  Wiesbaden.  Da  die  beiden  Leyen  um  diese  Zeit  auch  die  andre 
Hüfte  der  Geispitzheimischen  Güter  erwarben,  so  vereinigten  sie  wieder  den 
ganzen  Besitz  in  ihrer  Hand« 

5,  Im  Dienste  des  Kurfürsten  Friedrich  von  derPfalz  1620—1622. 
am  war  der  venetiauische  Krieg  beendet,  so  entstanden  die  böhmischen  Un- 
rtihcE,  die  Vorboten  des  Krieges,  welcher  Deutschland  30  Jahre  lang  verwüsten 
ilte.  Als  der  Kurfürst  von  der  Pfalz  im  Sommer  1619  zum  Könige  von 
ahmen  erwählt  worden  war  uod  da^  bedenkliehe  Geschenk  angenommen  hatte, 
leicht  zu  ermessen,  dass  auch  seine  Erblande  von  einem  Angriffe  nicht 
ßhont  bleiben  wurden.  Schon  im  Herbste  1619  trat  Obentraut  in  die  Dienste 
Kurfürsten  und  begleitete  ihn  auf  seinem  Wege  nach  Prag,  wo  er  am 
4.  November  der  Krönung  beiwohnte.')  Indessen  blieb  er  nicht  in  Böhmen, 
toodem  wurde  beauftragt  als  Reiteroberst  die  Pfalz  gegen  den  spaniBchen 
FdUherrn  Spinola  schützen  zu  helfen;  unter  ihm  diente  Seibach  als  Anführer 
aber  Kompagnie.  In  diesen  Kämpfen  bewährten  die  beiden^  während  die 
übrigen  wenig  Ruhm  einernteten,  die  alte  Tapferkeit  und  Kühnheit.  So  übcr- 
Obentraut  im  September  ein  Kornet  spanischer  Reiter  unter  dem  Prinzen 
Boy,  nahm  diesen  gefangen  und  erlegte  fünfzig.*)  Am  30.  Januar  1620 
lit«  er  mit  120  Waghälaen,   wie  das  Theatrum  Europaeum  sagt^),   und  25 


'}  KeUer,  Oeschiolite  Ton  NaasaiL,  S.  627.    Die  Yenetiaaer  hatten  Uin  durch  retolic 
enke   geehrt  —  *)  Die   Leichenrede  auf  K,  H.  v.  üffelo  nennt  den   24.  Mai  1617.  — 
lldftr,  Biographie  g^n^ral.  38  Sp.  388.  -^  *)  Theatr.  Europaeum  I,  S.  382.  ->  *)  Ib.  1,  8.  488. 
Aa  di«ter  8ielle  findel  «ch  zugleich  ein   Bild   des  Obersten   Obentraut  mit  der  ITater^ührifl : 
I  fiüi  «ii,  quaeris:  siirpe  Obeotrautiaoa  ortns     Est  lan-Michaol  uobilitatis  honoR. 
qiiae  rirttt«,  rogitas:  eet  Martis  alamous,    Pugrjans  pro  patria,  relligionei  toco. 


90 


Pibrilon  des  Lieiuoruuits  ViaW  vnuni  Anschlug  luif  Ciips-Lawei*Mii?tin,  wii  emi 
KunipAgnie  vom  lioateu  und  älteöton  spanischen  Volk  lag,  üborfie!  »io  vor  Tagos-I 
anbruch  und  machto  nieder,  was  sich  zur  Wohr  setzte;  ein  Rittmeister  wurde 
im  Bett  gefangen  genommen  und  viele  Beute  gemacht.  Am  10./20.  Mai  kam 
er  früh  morgens  vor  Ilcrsteio,  sprengte  das  Thor  mit  einer  Petarde,  nahm  dea 
darin  liegenden  Spaniern  einige  dreisßig  Tferdo  ab  und  hätte  alle  erlegt,  wenn 
sie  sich  nicht  in  das  Schloss  geflüchtet  hätten.  Wie  sehr  aber  auch  der  ritter- 
liche Sinn  Obentrauts  gerühmt  wird*),  bo  konnte  er  doch  nicht  verhüten,  da 
nach  damaliger  Art  der  Kriegführung  auch  von  seinen  Leuten  arge  VcrwüijtungOB 
verübt  wurden,  wenn  sie  feindliches  Gebiet  betraten«  So  wurden  im  Laufe  de 
Jahres  1G21  viele  Dörfer  des  Bistums  Speyer  mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet,') 
Als  Manafeld  aus  Böhmen  in  die  Rheinpfalz  gekommen  war,  schloss  er  sich 
demselben  an  und  unternahm,  wahrend  jener  das  Elsasn  heimsuchte,  einen 
PlÜDderuügazug  nach  dem  Breisgau  mit  einer  starken  Reiterei.  Im  folgenden 
Jahre  nahm  er  an  der  Schlacht  bei  Miogolaheim  (15.  April)  teil;  seine  grüaste 
That  aber  war  iu  diesem  Kriege  das  (Jefecht  am  Ilagenaucr  Forst,  wo  er  am 
16.  Mai  1000  Reiter  des  Erzherzogs  Leopold  mit  einem  Verlost  von  500  Tferdea 
in  die  Flucht  schlug  und  Furcht  und  Schrecken  im  Lager  verbreitete.^)  Doch 
schou  war  die  Sache  des  Pfalzgrafon  bekanntlich  verloren,  und  ein  weiterer 
Kampf  schien  seiner  Sache  nur  zu  schaden;  er  entlicss  daher  am  12.  Juli 
seine  Truppen.*) 

Seibach  kehrte  nunmehr  in  die  Heimat  zurück  und  verlebte  die  nächsten 
Jahre  aiif  seinem  (Jute  zu  Zeppcnfeld.  Im  Jahre  102^  li<Mratete  er  hier  dio 
Agathe  von  Scheid  genannt  Weschpfennig. 

6.  Im  Dienste  des  Grafen  Ernst  von  Sayu.  Glucklich  in  dem  Hafen 
der  Fihü  angelangt  entsagte  Sclbaoh  zunächst  dem  Kriegsdienst,  übernahm  aber 
später  —  ungewiijs  in  welchem  Jahre  —  die  Stelle  eines  Amtmanns  iu  der 
Grafschaft  Sayn,  woloho  ihm  Graf  Ernste  Sohn  des  mit  der  Erbtochter  von 
Sayn,  Anna  Elisabeth,  vermählten  Grafen  Wilhelm  von  Wittgenstein,  angeboten 
hatte.  Als  solcher  erscheint  er  iu  den  Jahren  1029  und  H530  und  zwar,  wie 
es  scheint,  in  dem  Amte  Friedewald  nicht  weit  von  seinem  Wohnsitee  Zeppen» 
feld*  In  den  wenigen  erhaltenen  Schriftstücken  heisst  er  Rittmeistor  und 
Amtmann/**) 

7.  Oberstlieutenant  in  des  Herzogs  Wilhelm  von  Sachsen  Leib- 
rogiment  zu  Pferd  16  31  —  1632,     Im   Jahre    1630   war  Gustav  Adolf  ab 

*}  In  olaem  Oediolit  von  O.  C(orviöus)^  dorn  Profoa%or  der  Bered&iuukeii  and  Goichiolito 
SU  llcrborn,  auf  Selboch  htnsst  ett  vou  Ohentraut:  Obootraut,  dessen  Tr«u  das  fromdo  Gold 
vernoht,  ITiid  jederzeit  tinr  hui  niioh  Touisclier  Ehr  getraoht.  —  »J  Thoatr.  Eurup.  l,  8.  537, 
541  f.  —  ')  EhendA  8,  628«  ~  M  Kbendti  S.  642.  Kooh  emtniü  nahm  in  der  Folge  Ob<>fitraut 
im  dem  KHego  teü;  im  Jalin?  1625  hi  tr  OonorAllieuteniint  dei  Herzogs  Johann  Ernst  tou 
'Weimar,  welcher  im  iiiodersÄohsisoh-ditnjBchen  Kricigc  dw  KovnlJcne  de*»  Künijyr«  bofehligle; 
nnchdein  er  am  6»  August  hlop  eingotrofTcn  war,  wurde  op  in  dem  Gefecht  bei  Seel«6  %o  ver- 
wutidet^  dass  er  alsbald  8tarb|  den  3.  Xov.f  24,Okt.  Opel»  l>or  mederi}lehfisflt>dlni»che  Krieg, 
n,  8.  354;  Havematin  a«  a.  0«  8,  642,  —  •)  Die  Mitteilung  Ober  dies«  feine  Amtsth&tigkeit 
verdanke  ioh  der  Freumllichkoit  de«  Herrn  ArckivratOi  Dr.  Beck or  &u  Cobl^a.  —  Graf  Ernst 
regierte  von  10O8     tlK12* 


f^f 


ifllzüf  der  vom  Kaiser  bodnington  cvangeltschcn  Fürsten  Deutschlaudö  au 
dm  Küste  vuu  ruminerü  gelandet  und  hatte  im  Jahro  1U31  bei  BreitoofclJ  den 
«ntGD  entucheidonden  Sieg  über  dae  ligistiäcbe  lleer  erfochten»  AU  er  in  der 
ilfe  sieh  mit  seinem  siegreichen  Heere  dem  ßheine  näherte,  strömten  die 
meren  protestantischen  Fürsten  zu  ihm,  um  sieh  seines  Schutzes  zu  versichern 
niid  ibm  ihre  Hülfe  anzubieten ;  ihrem  Beispiele  folgten  vielfach  ihre  Lehnsleute 
und  Hintersassen.  80  hatte  sich  Graf  Ludwig  Heinrich  von  Naasau-Dillenburg 
iiQ  Nüvember  1031  bei  dem  Könige  zu  Gernsheim  eingefunden  und  demselben 
feine  Dienste  angeboten,  war  auch  von  ihm  am  L  Dezember  zum  Oberst  be* 
ildlt  worden  und  begann  alsbald  ein  Infanterie-Regiment  zu  errichten.*)  Dieser 
VorgADg  des  Grafen  mag  Seibach  veranlasst  haben  um  dieselbe  Zeit  dem  Huf 
ciiiDi  schwedischen  Anführers  Folge  zu  leisten. 

Nachdem  Gustav  Adolf  Erfurt  am  Ende  des  September  besetzt  hatte,  und 
er  selbst  nunmehr  nach  dem  Rheine  zu  ziehen  beabsichtigte,  licss  er  den  Herzog 
Wilhelm  von  Sachsen -Weimar  ia  Thüringen  zurück  —  er  erteilte  ihm  bald  den 
Btog  eines  Generallieutenants  —  mit  dem  Auftrage  den  Besitz  des  Landes  zu 
eieti€iti^  die  Umgegend  zu  unterwerfen  und  zu  dioseni  Zwecke  ein  Heer  von 
10000  Mann  zu  werben.') 

»Auf  gnädiges  Begehren  des  Durchlauchtigen  und  Hochgeborneu  Fürsten 
mid  Herrn,  Herrn  Wilhelmen  Herzog  zu  Sachsen,  hat  sich  J.  K.  voü  Seibach 
ebgelassen  und  ist  über  Ihrer  fürstlichen  Gnaden  Leibregiment  Obriatlieutenant 
im  Jahre  1631  geworden,  dessen  furstl.  Gnaden  ihm  wegen  verspürter  seiner 
QuaUtHten  Obristen  Stelle  gmldig  haben  geben  wollen.*'  Es  wird  im  Herbste 
—  Xorember  oder  Dezember  —  gewiesen  sein,  als  Seibach  hier  eintrat.  Auf 
Befehl  des  Königs  unternahm  Herzog  Wilhelm  im  Anfang  Januar  einen  Kriegs* 
i3Dg  von  Erfurt  aus,  dessen  einzelne  Stationen  im  Theatrum  Europaeum^)  ver- 
»ebnet  sind:  Aufbruch  am  10.  Januar,  zu  Sangerhausen  am  IL,  zu  Mansfeld 
12.,  zu  Ermsleben  am  13.,  zu  Quedlinburg  am  14.  und  15.,  zu  Wernige- 
rode am  16.,  zu  Osterwiek  am  17,,  am  18.  Verbindung  mit  Baner.  Von  nun 
an  handeln  beide  nach  gemeinsamem  Plane:  am  23.  besetzten  sie  die  Stadt 
Goftkr,  Während  sodann  Baner  das  Uiideaheimische  besetzt,  rückt  Herzog 
WiDiclm  nach  Nordheim  und  Bovenden  (31.  Jan.),  um  die  von  einer  schwachen 
UgiMtschen  Schar  besetzte  Stadt  Göttingen  zu  nehmen,  was  ihm  nach  zwei- 
mpfe  am  IL  Februar  gelang.  Sodann  besetzt  er  Duderstadt  und 
ere  Orte  des  Eichsfeldes  —  Mitte  Februar. 
Daa  Theatrum  Europaeum  berichtet  darüber,  wie  folgt:  „Dieweil  nun 
crxog  Wilhelm  durch  eingezogene  gewisse  Kundschaft  damals  erfahren,  dass 
die  starke  wohlverwahrte  Stadt  Göttingen  (welche  den  Grafen  Tilly  soviel  Volk^ 
Mut  und  Arbeit,  bis  er  sie  einbekommen,  gekostet)  unter  dem  Kommando  Haus 
Georgen  von  Carthauss  nur  mit  ungeföhr  300  Mann,  darunter  etwa  50  zu  Pferd, 
gevreseo,   besetzt,   auch   mit  genügsamer  Proviant  nicht  versehen  wäre,  hat  er 


*)  Dillcüburgcr  Intcll-5achr.  1T78,  8p.  71  u.  88.  —  ^|  Thcatr.  Europ.  II,  S.  45i,  und 
fOr  d^a  FoIg<»nde  8.  559  T;  Ilolmrivb,  Oosohickie  don  Orosahorzogianis  Sftühscii-Wüiinftr, 
8,  »1;  Lm  Boche  «,  «,  0,  ö,  115,  U7,  —  *J  8.  559.    La  Roche  11,  S.  207  f. 


02 


ilori  8.  Februar  iu  aller  Kit  seine  Truppeu  zu  Kosä  und  Fu8s  samt  Jeu  äiücki 
uud  Bagage- Wagen  zusaiunieu  führeu  lassen,  sieh  mit  deaeelbigeu  uaho  vor 
GÖttmgOQ  Im  Feld  präsentiret.  Worauf  zwar  die  Kaieeriach'ligistische  etliche 
8chÜ88  aus  der  Stadt  getbau,  aber  nachdem  der  Herzog  zum  zweiteumal  eiueü 
Trompeter  in  die  Stadt  um  gütliche  Ergebung  geschickt,  ist  da^  Schiessen  cio- 
gestellet,  dach  die  Übergabe  rund  abgescblagen  und  die  Antwort  vom  Komman- 
deur,  daas  er  sich  wehren  wollte,  gegeben  worden«  Derowegen  der  Herzog 
die  Truppen  samt  dem  Qeschütz  und  Bagage  gegen  angehender  Nacht  wieder 
in  die  Quartier  rucken  und  ihnen  sich  darinnen  bis  auf  weitere  Ordlnau^  fertig 
zu  halten  andeuten  lassen.  Folgenden  9.  und  10.  ist  die  Stadt  rtBgs  um  blockiert 
worden,  dass  niemand  weder  ein  noch  auskommen  können,  da  dann  diese  beiden 
Tag  über  die  Belagerten  aus  Stücken  uud  Doppelhaken  tapfer  geschossen,  so 
aber  wenig  Schaden  gethan,  und  hat  der  Fürst  selber,  aller  Gefahr  ungeacheut, 
die  Gelegenheit  der  Festung  abgesehen  und  darauf  nach  genonmiener  wohl* 
bedäohtlichen  Resolution  und  gehaltenem  Gebet  gegen  vier  Uhr  dos  Morgens 
früh  gemeldete  Stadt  Göttiugeu  an  acht  unterschiedlichen  Orten  mit  Sturm  an* 
gegriffen  uud,  weil  die  Belagerten  wegen  weniger  Anzahl  der  Besatzung  nicht 
genügsame  Gegenwehr  und  Vorsehung  thun  können,  denselben  unaufiiörlich 
fortgetriebeu  und  darunter  mit  Stücken  vom  Oalgenberg  heftig  gespielet*  Da* 
hero  dann  erfolget,  dass  durch  solchen  gewaltigen  Angriff  er  um  6  Ubr  Morgens 
den  11.  Februar  die  Stadt  mit  geringem  Yerlust  sieghaft  erobert.  Da  dann 
sein  Volk  in  der  Furie,  was  es  von  kaiserischen  Soldaten  ertappt,  alles  nieder- 
gehauen, der  liest . , .  gefangen  geuümmen,  auch  3  Fahnen  bokummon  worden. 
Darauf  der  Herzog  den  12.  dieses,  welcher  war  der  Sonntag  Estomüii,  in  der 
Kirche  S.  Johann  durch  seineu  Hof-  und  Feldpredigcrn  M,  David  Ijippachon 
eine  Predigt  halten  und  wegen  solchen  Victorie  das  Te  Deum  laudamus  singen, 
von  zweien  Compagnieu  Musketieren  und  aus  groben  Stückeu  dreimal  Salva 
schiessen  lassen. 

„Den  13.  Febrimr  hat  Herzog  Wilhelm  einen  Trompeter  nach  Duderstadt 
an  den  Oberamtmann  Hauptmann,  versammelte  Eichsfeldischc  Stände  und  den 
Uat  daselbst  abgeordnet  und  begehret  sich  in  der  Güte  zu  accomodieren  und 
der  Kgl.  Majestät  zu  Schweden  sich  zu  submittieren;  worauf  sie,  dass  sie  parieren 
wollten,  in  Schriften  sich  erkläret,  Derhalben  der  Herzog  den  15.  den  vorgo- 
dachten  Trompeter  neben  dem  Obristen  Lieutenant  Georg  Friedrich  von  Branden- 
stein  mit  ganz  billigen  Conditionen  anderweit  dahin  abgefertiget*  Worauf  die 
Stadt  sicli  den  17,  zur  Übergabe  accoraodieret  imd,  als  Herzog  Wilhelm  Nach- 
mittags um  3  Uhr  eingezogen,  nicht  allein  demselben  ein  Fähnlein  präsentiert, 
die  darin  gelegene  geworbene  Seidaten,  in  250  stark,  sich  mehren  teils  unter* 
gestellet  und  alsbald  geschworen,  sondern  die  Bürger  liabeu  auch  einen  Fussfall 
gethan  uud  die  Schlüssel  überantwortet.  General  Bauer  hat  sich  indessen  auch 
unterschiedlicher  Orte  bemächtiget. ** 

Am  Anfang  des  Februar  hatte  General  Uorn  Bamberg  besetzt-  Der 
Bischof  von  Bamberg  veranlasste  nun  den  Kurfürsten  Max  von  Baiern,  IHlIy 
den  Befehl  zu  erteilen,  dass  er  mit  seinen  Truppeu  ihm  sein  Land  zurücker- 
obere.    Um  die  Streitmacht  Horns  dieser  Gefahr  gegenüber  zu  verstärken^  be- 


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98 


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(iM  der  K5ntg  Qastav  Adolf  dem  Herzog  Wilhelm  sich  mit  jenem  'zu  vereinigen; 
r  dem  Befehle  nicht,  da  er  unter  einem  sehwediachen  General 
*);  Ilorü  selbst  sehloas  sieh  am  3.  März  bei  Kitzingen  an 
Atm  kOniglidie  Heer  an,  /.u  welchem  in  der  Folge  auch  Herzog  Wilhelm  bei 
Doiwuwurth  siiemt.  Von  nun  an  waren  dojjsen  Truppen  ein  Teil  der  königlichen 
Armee  und  nahmen  u.  a.  auch  an  dem  Übergang  über  den  Lech  bei  Rain  teil  \  dem 
btiriicbeii  Gottesdienst,  welchen  der  König  am  14,  April  zu  Augsburg  halten 
Sau,  wafante  auch  der  Herzog  Wilhelm  hei.*) 

Wahrend  indessen  der  König  seinen  Siegeszug  bis  nach  Baiern  und  deaaen 
UauplBtadt  fortsetzte,  „hat  sich  der  Herzog  Wilhelm  in  Ober-Schwabeu  auch 
tapfer  gebraucht'),  indem  er  Ende  des  Mai  einen  Anschlag  auf  eine  Schanze 
bet  Bregenz  gemacht,  welcher  auch  glücklich  abgangen.  Dann  er  den  Grafen 
Hannibal  Ton  Hohenembs  mit  seinem  Regiment  ron  Issny  aus  unversehns  über* 
hHeu,  ober  500  niedergehauen  und  bei  400  neben  dem  besagten  Grafen  ge- 
fingen.  Er  hat  auch  bei  Weingarten  em  starkes  Scharmützel  mit  etlicher 
kasnerischer  Reiterei  gehalten,  sie  geschlagen  und  5  Cornet  erobert.^ 

Am  Anfang  Juni  übergibt  Herzog  Wilhelm  seioe  Truppen  seinem  Bruder 
Bertibard,  welcher  gleichfalls  in  Schwaben  stand,  um  die  rebellischen  Bauern 
tm  Zaitm  zu  halten,  wahrend  er  selbst  in  der  Gegend  von  Magdeburg  neue  Werl»- 
tiogeD  vornimmt  und  dann  bei  dem  König  vor  Nürnberg  eintrifft, 

Seibach  hat  diese  Kampfe  unter  Herzog  Wilhelm  mitgemacht.  Nach  des 
TigetiuB  Angabe  diente  er  unter  ihm  ein  halbes  Jahr.  Eis  mag  also  etwa  in 
der  Mitte  dea  Jahres  gewesen  sein,  vielleicht  als  Wilhelm  seine  Leute  verliess, 
dftss  er  diese  Bestallung  aufgab.  Warum  er  es  that,  wird  nicht  angegeben. 
M&glieh  ist  es,  daas  er  sich  bloss  an  Herzog  Wilhelm  verpflichtet  hatte  und 
nldil  setnen  Befehlshaber  wechseln  wollte;   wahrscheinlicher,  dass  ihn  die  An- 

ttngen  des  Grafen  Ludwig  Heinrich  von  Naasau-Dillenburg  zu  diesem 
veranlassten. 

Dieser  hatte  sieh  wie  die  meisten  Grafen  der  Wetterau  und  des  Wester- 
iti  die  Dienste  des  schwedischen  Königs  begeben  und  war  am  1.  Dez. 
1851  zum  Oberst  eines  von  ihm  zu  errichtenden  Regiments  zu  Fuss  ernannt, 
welchem  im  folgenden  Jahre  ein  Regiment  zu  Pferd  folgen  sollte.*)  Jenes  trat 
iKifart  im  März  1682  in  Thätigkeit;  der  Graf  selbst  führte  es  damals  nach  Mainz, 
wo   ee   dem   Befehle   des   Pfalzgrafen   Christian  von  Birkenfeld    unterstellt   und 

dem  Oberrhein  abgeführt  wurde.  Hier  nahm  es  teil  an  der  Eroberung 
festen  Platze,  wie  Beufeld^  Schlettstadt,  Stollhofen  u.  a. 

Dm  durch  die  Abwesenheit  desselben  die  Herrschaft  Dillenburg  von  regel* 
n  Truppen  entblösst  und  feindlichen  Angriffen  ausgesetzt  war,  so  war 
liier  drifigend  Abhilfe  geboten  und  die  Zeit  zur  Errichtung  eiues  zweiten,  eben 
jinea  Beiter-Regimenta  gekommen.  Im  Oktober  des  Jahres  kamen  die  Ver- 
handlttiigeD  mit  Gustav  Adolf  zum  Abschluss :  der  Qraf  Ludwig  Heinrieh  wurde 

'j  La  Eaoh«  U«  B.  im.  —  *}  The^tr.  Earopaeuia  U,  8.  581.  —  *J  ibidem  8.  ^U.  -^ 
U  R«il»r,  Driuigt«le  8.  164.    Dül  tai-Nachr.  1778^  9p.  71  a.  8S. 


^B^         ■««•»      «IwiM 


94 

zum  Obersten  desselben  ernannt^),  und  bestellte^  seinerseits  den  Johann  Kontml 
von  Seibach  zum  Oberstlieutenant  und  Kommandanten  im  November  d.  J. 

8.  Jobann  Konrad  von  Seibach  Oberstlieutenant  des  Stllen- 
burgischen  Reiterregiments.  Dieses  Regiment  wurde  aUo  im  November 
1032  geworben  und  war  bald  vollzählig.  Es  bestand  aus  sieben  Kompagnien*); 
Pferde  zu  beMchaffen,  war  nicht  sehr  schwierig,  da  deren  Anzahl  weit  grässer 
war  als  heutzutage^) ;  vor  dem  Kriege  standen  deren  wohl  sechsmal  mehr  als  jetzt 
im  Dienste  der  Landwirtschaft;  auch  war  das  Siegener  Land,  in  welchem  die 
Werbung  vorgenommen  wurde,  noch  weniger  hart  durch  die  bisherigen  Kriegs- 
ereignistte  mitgenommen.  Die  Aufgabe  dieses  Kegimeuts  war,  wie  seine  dem- 
niichatige  Verwendung  bezeugt,  zunächst  die  heimatlichen  Lande  zu  schützen. 
So  kam  es  hier  nicht  zu  grossen  Kämpfen  und  Schlachten,  sondern  hüchstens 
zu  kleinen  Gefechten,  Yornehmlich  war  das  Siegenscho  Gebiet  durch  die 
räuberiachen  Einfülle  des  Oenerallieutenant  Grafen  Gronsfeld  bedroht,  durch 
welche  auch  andere  auf  eigene  Faust  zu  rauben  und  zu  plündern  veranlasst 
wurdeD,  Gegen  diese  schickte  Graf  Ludwig  Heinrich  im  Februar  1033  den 
Oberatlieutenant  „Seibach  mit  einer  Compagnie  seines  Regiments,  um  auf  der 
Grenze  fleissige  Patrouillen  zu  machen  und  alle  Streifereien  abzuhalten.^^)  Im 
März  zog  der  Graf  mit  dem  gauzen  Regiment  nach  Ilachenburg,  von  wo  aus 
es  ihm  auch  gelaug  dem  weiteren  Vordringen  Gronsfelds  Einhalt  zu  thun,^) 
Freilich  verübten  auch  die  nassauischen  Reiter  mancherlei  Ungehörigkeiten  trotz 
aller  Bemühungen  des  Grafen  strenge  Disciplin  zu  halten. 

Im  Juli  erschien  Generalmajor  von  Boninghausen  mit  60  Kompagnien  zu 
Pferd  und  2000  Mann  zu  Fuss  in  dem  Sauerland  und  bedrohte  von  da  aus 
das  Siegeusche  Gebiet;  die  Verteidigung  der  Stadt  Siegen  war  ausser  der 
Bürgerschaft  dem  Oberstlieutenant  Seibach  überlassen,  welcher  mit  einer  Kom- 
pagnie in  derselben  lag,  bald  aber  eine  zweite  Kompagnie  zur  Verstärkung 
erhielt.  Indessen  kam  es  hier  zu  keinem  Zusammenstos«,  da  Boninghausen 
sich  bald  zurückzog. 

Zweimal  erhielt  Selbaeh  Gelegenheit  ausserhalb  der  Heimat  einen  Kampf 
zu  bestehen,  LFber  den  ersten  sind  wir  nur  UQVoUkommen  unterrichtet,  der 
zweite  wurde  ihm  verhängnisvoll.  Vigelius  sagt,  er  sei  im  abgelaufenen  Herbst 
zu  des  Landgrafen  Wilhelm  Truppen,  als  diese  die  Stadt  Werle  belagerte,  be- 
ordert worden.  Nun  griff  der  Landgraf  diese  Stadt  zweimal  an,  zuerst  im 
Anfang  des  September  1633,  als  eben  General  Boninghausen  einen  Streifzug 
nach  Hessen  unternahm.  Damals  wurde  Graf  Ludwig  Heinrich  zur  Unter- 
stützung dieser  I^nternehmung  herangezogen;  indessen  blieb  sie  ohne  Erfolg, 
da  Boninghausen  nach  Hessen  durclibrach  und  Amöneburg  einnahm.  Der  zweite 
Angriff  auf  Werle  erfolgte  im  Oktober  und   war  mehr  von  Gldck  begleitet; 


')  Daas  Graf  Ludwig  Heinrich  Oberst  Yon  elaeoi  Regiment  zu  Fu«s  mid  tu  Pferd  war, 
fand  dt*r  Kandt^r  Oxenstjerna  sputer  ungehörig,  doch  bestand  der  Oruf  daruuf  bcklo  Kegi- 
mcnter  m  behuUfn.  Dill.  Int.-Kachr.  1778,  8p.  3C2.  —  *)  AI«  später  der  Kunilor  Oxoiislif^rtin 
die  Terminderuog  des  Re^imenis  auf  foobi  Kompagnton  verlangte^  schlug  der  Graf  diospt«  üb. 
A.  Ä.  O.  ^  ^)  YörgL  Ann.  XVH,  S.  39.  Eio  Fford  kostete  im  Dun^hscbnitt  ÖO  Tblr.  1)111, 
Iiit.-ITaühr,  1779,  8p.  360.  —  *)  üilL  Int.*KiM-br   1778,  8p.  327.  —  ^}  Ibül.  8p.  329. 


^^^^^^^    '—^  — 


^---^^-^ 


1)5 


TiertÜ^ger  Belagerung  fiel  die  Stadt  (am  17.  Oktober)  iiml  nacli  eioiger 
SM^  dft^  Schloüd  in  die  Jlände  den  Siegers.  Da  von  einer  Teilnaltme  nasaau* 
beber  Truppen  an  der  letzteren  ITnternehmnog  nichts  gemeldet  wirdj  so  muHs 
crstere  die  sein^  welche  Yigeliua  im  Ange  bat^ 

Schlimmer  war  der  zweite  Kampf.  Für  den  Winter  war  »lern  Regiment 
die  Stadt  Brilon  und  Umgegend  aU  Winterquartier  angewiesen  worden,  von 
^a  au»  der  Feind  beunruhigt  und  geschädigt  werden  konnte.  Am  27»  Dezember 
1633^)  war  eben  der  Quartiermeister  in  Brilon  angekommen,  als  ihm  die  Meldung 
gebmciiC  wurde^  das»  ligiätisclie  Truppen  im  Anzüge  seien.  Es  war  diea  der 
Yorlnipp  der  Biminghausenschen  Truppen,  200  Mann  stark;  derselbe  wurde 
foti  den  bereits  anwesenden  Nassauern  zurückgeworfen.  Mittlerweile  wurde 
dii  Zahl  der  Feinde  immer  grösser,  denn  Böninghausen  näherte  sich  mit  seiner 
gesamten  Streitmacht,  GÜ  Kompagnien  xu  Pferd  und  einem  Regiment  zu  Fusa; 
Selbacb  aber,  die  Übermacht  des  Feindes  nicht  ahnend,  eilte  mit  seinem  ganzen 
ßegiment  herbei,  um  den  anfänglichen  Erfolg  bis  zur  Vernichtung  der  Gegner 
teil  foUenden.  Als  er  endlich  den  wahren  Stand  der  Sache  einsah,  erkannte 
er  sofort,  dass  nunmehr  am  geratensten  sei  den  Kampf  abzubrechen,  zog  sieh 
in  mnefn  nahe  gelegenen  Watd  zurück  und  hielt  hier  den  Angriflen  Böuing* 
httOieils  tapfer  stand.  Nach  einem  dreimaligen  vergeblichen  Verstoss  auf  diesen 
Ubb  dem  Regiment  nichts  übrig,  als  zu  weichen,  Selbacb,  welcher  sich  bei 
dem  Nachtrapp  seiner  Mannschaft  aufhielt,  wurde  gleich  anfangs,  als  er  sich 
SS  weit  vorwagte,  durch  beide  Achseln  geschossen,  und  da  der  Major  im  Moraste 
stecken  blieb,  mit  diesem  nebst  einem  Kornet  und  50  Mann  gefangen  genommen, 
mw  kleine  Anzahl  getötet,  die  übrigen  retteteu  sich  nach  Raden,*)  Das  Theatrum 
Eitropaeam  gibt  den  ganzen  Verlust  auf  100  Mann  an  mit  dem  Zusätze:  ,,und 
ist  wohl  zu  verwundern,  dass  GO  gegen  6  Compagnien  (soviel  hatte  Selbaeh) 
nudit  mehr  ausgerichtet/ 

Seibach  wurde  nach  Arnsberg  gebracht,  wo  er  am  2.  Januar  1034  an 
aeineu  Wunden  starb;  die  Leiche  wurde  an  den  Orafen  Ludwig  Heinrich  aus- 
l^liefert  und  zu  Dillenburg  bestattet.  Der  Ilofprodiger  Hermann  Vigelius  pries 
Beiiie  Vorzüge  in  der  Trauer-  und  Leichpredigt,  lustus  Ilcnricus  Heidfeld  in 
oenii  lateinischen  Distichen,  Q(eorg)  CXorvinus)  in  einem  deutsehen  Klag-  und 
Lobgedicht,  der  Graf  aber  erachtete  *als  den  grössten  Verlust  den  Tod  dea 
tar»ff*ren  Fdhrer.s. 


Anhang. 


Einige  utihekaniite  Iferhorner  Brncke. 
Der  kleine  Quartband,  in  welchem  die  Trauerrede  des  Hermann  Vigelius 
inf  Beibach  sicli  befindet,  gehurte  zu   der  fürstlichen  Bibliothek  von  Dillenburg, 
wii»  der  auf  der  Rückseite  des  Titelblattes  angeheftete  Zettel  mit  den  Worten; 

animer,  OfltchloUfo  von  Hofisen,  VIll,  8.  270,  272.  —  'j  VjgcliUB  gM  den  28,  De«. 
-  «)  DHI,  Tnf.-XAolir.   1778,  8p,  391.    Du«  Tht^atr,  Kufop.  111,  8.  148  ingt,  c« 

iiii»»tT*>riM>tiiiit'lit,   70   ifofailg'eil  gonOtnni'Mi    wnnlrtK 


m 


ad  liibliothecam  principalem  Arausio*i>ias8aYieüsem  Dillenburgicam  beweil 
Ausser  dieser  Schrift  bietet  der  Baad  noch  mehrere  Drucke  aus  jener  Zeit,  i 
unter  ihoen  einige  Herbomer^  welche  zum  teil  in  den  Nassauer  Drucken  von! 
A,  V,  d.  Linde  fehlen.     Die  Titel  derselben  sind: 

1.  (No»  2.)  Freund  des  Herrn,  |  das  ist  |  kurtze  vnd  einfaltige  \)  Tredigt, 
darin  |  nen  erkläret  wird,  welches  Gottes  vnd  |  Christi  wahre^  bestendige  vud 
selige  I  freunde  seyen,  |  Bey  Begräbnus  der  vi!  |  Ehr  vnd  tugendreicben  Frawen 
Annen  |  Christinen  Schomlerin,  des  Ehrnvestea^  wolge-  |  lehrten  vnd  wol  vor- 
nehmen Herrn  Philips  Sengeis,  Gräflichen  |  Nassa wischen  Cammerschreibers  zu 
Dillenberg,  hertzgeliebten  |  haussfraweu:  welche  den  22.  tag  Juuü  anno  I6S6. 
umb  2.  uhrn*)  nach  mit-  |  tag,  im  22.  jähr  ihres  alters  in  Gott  selig  entschlafen, 
vnd  I  dero  leichnam  den  24.  ejusdem  zu  Dillenberg  in  die  |  Pfarrkirch  Christ- 
lich vnd  ehrlich  zur  er-  |  den  bestattet  worden,  |  Gehalten  durch  {  Sebastianum 
Wetzflarium  |  Pastoren  daselbst.  |  Gedruckt  zu  Herborn»  im  jähr  1630.  — 
36  S,  Von  S.  31  an  finden  sich  folgende  Gedichte  abgedruckt:  Threni  ami- 
corum  (deutsch),  Epitaphium  (lateinische  Distichen),  A  Monsieur  Sengel  (fran- 
zosisch) von  lustus  Henricus  Heidfeld,  ad  Dn.  Sengelium,  viduum  maestiasi* 
mum  (lateinisch)  von  Georgius  Corvinua^  Ode  Bohemica  (böhmisch  und  deutsch) 
von  Bernhardus  Kosin,  deutsches  Gedicht  von  G.  R.  (Bei  A,  v.  d,  Linde, 
Nassauer  Drucke,  Herborn,  No.  1887.) 

Die  Schomler  stammten  ron  Siegen;  ein  Hermann  Bohomkr,  vielleioht  der  Vater  iler 
Anna  Clmstino,  wurde  am  S.  Mai  1601  zu  Hcrbom  immatrikuliert;  dabei  findet  alch  der  üjiSter«* 
Zusatz:  praetor  Slgenetiftis.    A.  v.  d.  Liado,  Nassauer  Drucke  B*  8a7* 

Philipp  Bengel  ton  Dillenburg,  su  Ilerborn  immatrikuliert  1602,  wurde  Rat  und  Kammer« 
Schreiber  zu  Dillenburg.    y.  d,  Linde,  S,  38 L 

Sebastian  WetzMarius  stammte  von  Marienberg,  wurde  zu  Herborn  immatrikuliert  1601 
und  disputierte  unter  Piscator;  er  war  «uerÄfc  Diakonus  zn  H*>rborn,  dann  Pfarrer  zu  Haelien* 
bürg,  kehrte  darauf  als  Bolcher  nach  DiUenburg  zurflck  und  starb  als  Inspektor  daselbst  1665u 
V.  d,  Linde,  8.  366.    Steubing,  Herborn  S.  186.     Vogel,  Tasehenbuch  S.  1&7. 

Juatus  Henrieus  Heidfeld,  Sühn  des  Johann  Ht^idfeld,  dea  YerfaaserB  dt^r  Spbinx 
IheoIogtccHphilüsophica,  welcher  Professor  zu  Herborn,  dann  Pfarrer  zu  Ebersbaeh  war^  wurd<* 
hier  am  ß.  Juli  1606  geboren,  ujid  nach  Vollendung  seiner  Studien  Lehrer  der  gnlflieh  Holms- 
bohen  Kinder  zu  Hungcn,  1624  Hofmeister  der  Herrn  Job.  Ludw.  von  Laugenbaoh  und  Theo- 
dor Y»  d.  Reck,  mit  welchen  er  Ton  1630  bis  1635  eine  Reise  durch  Frankretob  und  die  Sohwdi 
machte«  Zurückgekehrt  wurde  er  dem  Erbprinzen  Georg  Ludwig  Jon  N.*Dülenburg  beige* 
geben  und  machte  mit  diesem  eine  Reise  durch  die  Schweiz,  OberitaUen,  Frankreich,  England 
und  Holland.  Am  L  Januar  1637  wurde  er  zum  Kriegs*  und  Eammersekretllr  zu  DQIenburg, 
1640  zum  Rat,  dann  «um  Geh.-Rat  ernannt  und  starb  den  23.  Juli  1667.    Vogel,  Archiv  S.  251, 

Georg  Corvinus,  Sohn  des  Herb.  Buchdruckers  Christoph  Corvinus  (Rabe),  ttudlerta 
xu  Herborn  (immatr.  1624),  wurde  Professor  der  Eloquenz  und  Geschichte  daselbst  und  starb 
am  7.  August  1645  zu  Amsterdam,  v.  d,  Linde,  S.  414,  421.  Nordhuff,  Altg.  Dauliehe 
Biogr,  IV,  S.  510. 

2.  (No.  4.)  Christliche  Traur-  vdJ  Leichpredigtj  |  Bey  Begraboua  | 
weyland  Woled-  |  leu,  OestreDgen  vud  Veaten  Junckern,  |  lohan^Conrad  von 
Selbaeby  ObrUten  |  Leutonants  vber  daa  hochlöbliche  Nasaawi-  |  sehe  Regiment 
zu  Pferd  u.  u.  w.  |  Gehalten   in   der  Pfarrkirchen   zu   Dillen-  |  berg   in   volok 


i 


^]  80|  tuoht  einfeltlge.  —  ')  So^  nicht  uhreo. 


97 

asudmficker  Ter-  saininluDg  Von  •  Hermanno  Tigelio,  Ho^redigern 
Gedmckt  zu  Herborn,  in  der  Grafschaft  [  Xassaw-Oattenelenbogen 
IL  &.  V.  1«3«.  ;  40  S.  Ton  S.  33  bis  36  Personalia.  dann  folgen  Gedichte:  in 
gaieic  ec  Tirtnte  nobilissimi  viri,  lohan-Conradi  a  Selbach,  bellatoris 
Ton  lusms  Henricus  Heidfeld,  Klag-  vnd  lobgedicht  vber  den  tod 
det  Herm  Obristen  Leutenanta  von  Seibach,  von  G.  Ci^orvinus). 

HcTBABB  Ti  melius,  geboren  lu  CleTe,  studierte  lu  Herboni  (imniAtr.  1$20\  wurde 
ICS  Cafba  n  Haehenbnrg,  1G32  Hofprediger  lu  Dillenburg  und  begleitete  als  solcher  den 
Gnrfn  Laivif  HeiBridi  auf  seinen  FeldzQgen:  er  stnrb  1653.  A«  t.  d.  Linde,  S.  406.  Daht- 
Wff.  Sayv-iUeheiibarg,  S.  S97. 

3b  (So.  6.)  Encomium  sanctum  san-  |  guinis  Jesu  Christi:  j  Das  ist  | 
HeSger  vnd  herrlicher  rühm  des  |  bluts  Jesu  Christi,  |  Geschehen  bey  der 
Be-  gribnos  des  wevlandt  Ehrnvesten  vnd  |  hochgelehrten  M.  lohan-Hedderich 
^rai-  I  gers,  der  Durchleuchtigen  vnd  Hochgebomen  Fürstin  vnd  |  Fraweu, 
Frawen  Sophiae  Hedwigs,  Geborner  Hertzogin  zu  |  Braunschweig  vnd  Lüne- 
bmg  u.  s.  w.  Grävin  vnd  Frawen  zu  Nassaw  I  Catzenelnbogen  u.  s.  w.  wittiben, 
gewesenen  trewen  Raths  vnd  fleis  |  sigen  Cantzley  Secretarii,  auch  new  ange- 
Bonmiaien  |  Amptmanns  zu  Nassaw:  |  Welcher  den  8.  Aprilis  dises  jetzo  lauf- 
fenden  1636.  Jahrs  selig  in  Gott  entschlaifen,  vnd  den  11.  ejusdem  |  gen 
Diecz  in  die  Pfarrkirch  ist  in  volckreicher  versam  |  lung,  zierlich  vnd  ehrlich, 
begraben  j  worden:  Ton  Ehm  Andrea  Arculario,  damaligem  Inspectorn  |  vnd 
Pastom  daselbsten  vorgetragen  u.  s.  w.  |  Gedruckt  zu  Herborn,  in  der  Graf- 
schaft I  Kassaw  Catzenelenbogen,  u.  s.  w.  1636.  28  S.  (Bei  A.  v.  d.  Linde, 
S.  91  N.  192  nach  Nebe  angeführt.) 

M.  Johann  Hedderich  Sprenger  aus  Marburg,  studierte  lu  Herbom  (immatr.  1C03  den 
4.  Maij,  wurde  Sekretär  der  Gräfin  Sophie  Hedwig,  dann  zum  Amtmann  von  Nassau  ernannt, 
itarb  aber  noch  zu  Diez  den  8.  April  1636.    Steubing,  Diez,  S.  32. 

Sophie  Hedwig,  des  Herzogs  Julius  von  Braunsohwcig  Tochter,  war  Qcmahlin  des 
Grafen  Ernst  Kasimir,  welchem  in  der  Bruderteiluiig  die  Grafschaft  Diez  und  die  Goraoinsohaft 
Nassau  zugefallen  war;  er  fiel  am  25.  Mai  1632  vor  Kurmond.   Vogel,  Beschreibung,  S.  37C. 

Andreas  Arcularius,  geb.  1579  zu  Dillcnburg,  studierte  von  1596  an  zu  Herborn, 
1(00  Schulmeister  und  Diakonus  zu  Nassau,  1628  Pfarrer  zu  Diez,  1037  zu  Nassau;  er  starb 
iee4.     Nebe,  Annal.  IX,  S.  135. 

4.  (Xo.  7.)  Carmen  |  ad  |  Amplissimum  virum  |  Dominum  Phi-  |  lippum- 
Henricum  |  Hoenonium  Ictum  Nobilem,  et  illustris  do-  |  mus  Nassovio-Catti- 
melibocensis  Consi-  |  liarium  facile  principem,  |  in  nuptias  loctissimi  Neonym- 
phorum  paris,  Clarissi-  |  mi  nempe  doctissimique  viri  |  Domini  Alberti-Friderici  | 
Cnopii  Med.  Doctoris,  juvenum  sui  Or-  |  dinis  aetatisque  ocelli  |  ot  |  Castissimae 
Moratissimaeque  virginis  |  Dominao  Magdalenae  Iloeno-  |  niae,  Veneris  Qratia- 
nunque  corculi.  |  Autore  |  lobanne-Nieolao  Gonselio.  |  Herbornao  Nassoviorum 
1631.  I  4  BL 

Philipp  Henrich  Hoen,  geb.  den  23.  Juli  1576  zu  Diez,  gest.  den  23.  April  1049  zu 
Frankfurt,  bedeutender  Jurist  und  Staatsmann  im  Dienst  der  Dillonburger  Grafen,  1029  vom 
Kaiser  geadelt.  Steubing,  Diez,  S.  26,  Dillenb.  Intcll.-Naohr.  1784,  Sp.  030  (von  Burchardi), 
Arnold i,  Gesch.  t.  Nassau-Oranien,  IH,  S.  275  und  AUg.  Deutsche  Biogr.  —Seine  Schriften 
bei  T.  d.  Linde. 

7 


98 


Alb**rt  Friedrich  Cnop,  geh-  zu  Herborn,  Dr.  und  Professor  der  Medbin  xu  HerWn^ 
1(J32  L^ibAr^t  des  Graten  Job»  Ludw.  zu  Hadamar,  gest.  1636.     Vogpl,  Arohiir,  8.  197  f. 

Job,  NicoL  Genselias  =  Job.  Ludwig  Sengeliua,  wie  die  Korrektur  dea  Titels  be- 
weistf  indem  über  den  Namen  Nicolaus  der  Name  Ludowicus  gescliriebeo  ist  und  Aber  die  ersten 
BuchflUben   dos  Namens  Genaelius  Ziifern   von  der   Hand   des  Job,  Daum  jun.   gesetzt  sind, 

4231 

welche  den  Namen  Sengeliua  ergeben  (Qenielius).    In  die  Matrikel  ist  er  am  28.  April  1G09] 
als  DillenburgenäiB  eingetragen.    A.  x.  d.  Linde,  8.  385.   Ygh  t\i  N.  1. 

5.  (No,  8,)  Epithalamia  |  in  |  Nuptias  secundaa,  n  secundaa!  |  Amplisaimi  | 
et  spectatiasimi  ]  viri^  Dn.  HermaDni  Naurath,  |  Praefecti  in  Nassaw,  nobilia 
coDsul-  [  tiööimique  viri,  Dn,  Martini  Naurath,  Prae-  |  fecti  et  ConBiUarit  Nasao- 
vieo-Dezenaia,  |  filii,  Spoiish  |  et  |  Lectissiraae  Castis-  |  simaeqne  Virginis,  Ao- 
nae  |  Caasandrae,  AmpiissiDi!  et  Conäultissimi  vin,  [  Dn.  lohan-Ludovici  Qrao* 
vii,  I  Praefecti  et  Consiliarii  Solmeusis,  |  filiae,  Spansae:  [  Celebrandaa  Deciae 
3.  Nüvenibr.  1636.  |  Conscripta  ab  amicis,  |  Herbornae  Naasoviorium,  |  1036. 
8  BL:  1.  Oda  Dayidica  von  lohan  Irlen,  Theol.  Doet*  etc.;  2.  aliud  von 
Georgius  Corvinus;  3.  Gamelion  votivuin  von  Nicolaus  Treviranua,  pro 
tenip.  minister  verbi  divini  apud  Freyeudecianoa ;  4.  aliud  von  Johannes  Irlen 
Sigen.  tertiae  olasais  praeceptor;  5.  aliud  von  lohannea * Jacobus  Christ, 
Grüningit -Wetteravus ;  6.  Hirtengedicht  von  Johann  Jacob  Christ;  7*  aliud; 
8.  äXXo  von  Job.  Jacob.  Münckerus  Phil,  et  S.  TheoL  Stud, ;  U,  ad  da- 
rissimum  Du,  Sponsum  von  J.  J,  M.  F, 

Martin  Nauratb,  geb*  1575  zu  Siegen,  studierte  zii  Herborn  1592,  wo  er  bald  Pro* 
fessor  der  Fhilosophic,  dann  der  Hechte  wurde;  spater  trat  er  in  praktische  Dienste,  vrurde 
1617  Amtmann  zu  Dicz,  wo  er  den  5.  September  1637  an  der  Post  «tarb.  Sein  Sohn  war 
Hermann  Naurath,  geb.  den  17.  April  1601  %\i  Siegen^  starb  alä  Amtmann  von  Naasan 
den  20,  Juli  1U69  (Stenbing,  Die^,  8.  27)  und  Jolinnn  Friedrich  Naurath,  Dillenburgischcr 
Rat  und  Marschall,  1602—1678. 

Joliann  Irlen  aus  Siegenj  studierte  zu  Herborn  (immatr.  den  14«  Oktober  1614),  wurde 
KU  Franecker  Dr,  theol.,  1622  Professor  extraord.,  dann  ordin.  der  Theologie  %u  Herboni  und 
hielt  liier  während  der  traurigen  dreissiger  Jahre  treulieh  aus.  Im  Jahre  1645  ging  er  alaj 
Inspektor  nach  Siegen;  er  starb  1656.     Cuno,  Siegen^  S.  160  ff. 

Nicolau»  Treviranus  studierte  zu  Herburn  (immatr.  1621  den  20*  Mai)»  war  mer^i 
Diakunua  zu  Die«,  dann  Pfarrer  zu  Nassau,  nachher  zu  Diez,  ging  1658  mivh  St..  Oiiur.  S  h-  u  bin  t^. 
Dies,  8.  102,  106,  262. 

Johann  Irlen,  wohl  der  Bruder  des  Professors  Irlen  (gleiche*  Vonmmer»  hei  itruüern 
kamen  früher  bisweilen  vor),  der  ihn  im  Jalire  1632  zu  Herborn  immatrikulierte  („Frater  meu«*), 
V.  d.  Linde,  S.  420. 

Johannes  Jacobus  Mttnckerus,  wohl  derselbe,  welcher  im  Her  bete  1632  (v.d.  Linde« 
S.  420)  als  Johanne!  Münekerus  Ferndorpiensis  hanovicu»  zu.  Herborn  immatrikuliert  wurde; 
sein  Vater  war  Pfarrer  in  Ferndorf  gewesen  (1622—1627)»  Dill.  Int.-Naehr.  1786,  Sp.  225, 
241  u.  8.  w. 

6.  (No.  9.)  Christliche  Klag:  vnd  Trostpredigt  |  Bey  begrabuua  [  Wey- 
land  des  Ehrwurd-  |  digen  vnd  Wolgelehrten,  Ehrn  lohan»  |  nis  Bernliardi 
Gütalcbii  llerbornensis,  ge- |  weseneo  Pastors  /u  Dilleuburg:  welcher  den  1. 
tag  I  Novembria  1635.  durch  den  zeitlichen  tod  ausa  diaem  ja-  |  nierthal  abge- 
fordert,  vnd  folgenden  2.  tag  ejus-  |  dem  zur  erden  bestattet  worden,  |  Auas 
dem  13.  capit,  Zachariae  in  der  Pfarrkirchen  1  daaelbaten  gehalten  |  Durch  | 
Conradum  Poathium  Ilerbornensem,   damaligen  1  dienern   am   wort  Gottes   «u 


99 

D31eaburg,  jetzt»  Pastor ü  zu  ßurbach.  [  Gedruckt  zu  Herbor ü,  im  Jahre  1636. 
40  S,  Von  S.  85  an  Gedichte:  1.  Sur  la  mort  de  feu  Monsieur  Ootalebius 
▼cm  Julius  Heoricus  Heidefeld;  2.  in  ubitura  reverendi  viri,  Dn.  lohan-Bern- 
hardi  Gotslebii,  ecciesiadtae  Dillenbergensis,  amici  honorandi;  3.  s$d<5Ti^ov  von 
Cleorgiui  Corvinus;  4.  aliud  (lateiQisch);  5.  ejusdem  (franzusisch)  von  Johau* 
Daum;  0.  8ur  le  trepas  de  feu  Monsieur  Gotslobius  von  U.  G* 

JoIl  Benihard  Qot«»tebius,  geb.  xti  Herboru,  Sohn  des  Profeaaorg  und  Ffurrera  Johann 
Oolilebius,  utudierte  zu  Herborn  (miTimtr.  den  IL  Mai  1614J,  war  sodann  Preceptor  priniftniia 
m  Dillenburg,  Pfurrer  ^u  Frobnhausen,  Diftkunuf*  und  Pfarrer  zu  Dillenburg,  wo  er  starb. 

Konrnd  Pnaib,  gob.  den  1.  HL&rt  1613  211  Herborn,  Salin  dea  Bürger§  Job.  Dietricb 
Po«Üi,  «tudicrte  zu  Herborn  (imnmtr.  1620)  und  erteilte  in  den  folgenden  Jahren  zur  Aushilfe 
Uaterrlf  ht  an  der  Lateinschule  daseibat;   im  Jahre  1634  wurde    er  zweiter  Pfarrer  zu  DiJlen- 

1635  Pfarrer  zu  Burbach^  1638  Arcbidiukurms  zu  Herbora,  dann  auch  Professor  der  he- 

en  Sprache  und  der  praktiachen  Theologie  daselbst.  Er  starb  den  10.  November  166*3. 
8ti>abingf  Herborn,  S.  179»  188,  271 ;  ders.»  hohe  Schule  zu  Hcrhorn,  8.222,  A.  y.  d.  Lindo, 
8.  418,   und  Herbomer  Drucke  N,  161,  369»  402,  1029. 

Johanne)»  Daum  (jun/)}  Sohn  des  gräflichen  Sekretärs  und  Ratet  Joh«  Daum,  immatr. 
«11  llerborn  1629,  m  Marburg  am  12.  Juli  1632* 

7.  (No.  10.)  Carmen  exequiale  (  Ad  |  Nobilissimum  |  et  conaultisüimura  | 
Dn.   Philippuin-Henri-  |  cum    Hoenoniuuij   u.  j«  D.   domusque  |  Illustris 

Yicae  Cattiiiielibocensis  |  Consiliarium,  |  Super  obitu  praeniaturo  |  Portis- 
juyenum  paris,  |  Erasmi  et  Philippi  Hen-  |  rici»  ejus  filiorum,  quorum  ille, 
poöt  I  varios  belli  casus  animose  perlatos,  Venetorum  signa  e  Batavia  |  ßequu- 
ü,  triÄÜ  naufragio  (ut  crcbra  refert  fama)  in  Oceano  Can-  |  tabrico  submersus, 
DO  1631,  periit:  bic  vero  Suecorum  arma  |  amplexus,  non  aliena  a  Marte 
fiirtuna,  in  oppngnati-  |  one  Ruffaci,  Alsatiorum  opptdi,  1634^  Notiis  |  Febr.  for* 
iiter  aecubuit:  |  Fusum  a  1  Georgio  Corvino,  Ilerbornensi.  [  Anno  |  1635, 
16  S,  Das  Carmen  erzählt  die  Lebensgeschichteu  der  beiden  Brüder,  dann  folgt 
ein  Sonett, 

Rrasmus  und  Philipp  Henrich  Hoen  waren  Sohne  des  Rates  Phil.  Henr.  Hoon  (a.  ob.), 

Krmstnu9   studierte   zu   Herborn  (immatr.  1623)   die  Rechte,   that   dann   Kriogsdienatc*   in   dem 

niederländischen  und  dänischen  Krieg,  welche  er  1631  mit  venetianischen  vertauschte;  bei  der 

Cb^rfAhrt  nach  Venedig  ertrank  er  im  kanUibriscben  Meere.    YgL  auch  A.  v,  d-  Linde,  S,  412, 

PhiL  Heur.  studierte  ebenfalls  zu  Hcrboro  (tmniatr.  162G)  die  Rechte,  nahm  dann  ebenfalls 

li^nste  in  Holland  und  trat  1631  in   dos  von  Graf  Ludwig  Henrich  errichtete  Regiment 

PoM  als  ffSignifer*"  ein;   er   fiel  bei  der  Erstürmung  von  HuÜach   am  5./15.  Februar  1634. 

?.  4»  Linde,  S.  416;  KeUer,  Drangsale  S.  207« 

8.  (No.  13,)      Catalogus  |  Librorum   tarn  j  Latiiiorum  quam  |  Qermauico- 
iirn,  I  Phristopbori  Corvini^  Typogra-  |  phi  Herbornerisls,  typis  editorum,  et  a»  | 
Eid  heredea  ipsius   venu  |  liunu  |  Annu   salutiä   nostrae    l{j*d2.  \  4.  BI.     Linde, 

8.  116,  N.  3G7, 


Ausser   dieaen    Herborner  Drucken    enthalt   der   Sammelband   n.  a.   nocb 
bigende  drei    für  die  nassauische  Oelehrtengeschichte  wielitige  Abhandinngen: 
I.  (No,   14.)      Diflputatio    iuridica   de    usucapiotiibus,    nuam  ,  ,  .    praeside 
l<ifa:inue  Kinirico  Duubcro  Nassovio,  L  u.  D,  ejusdemque  in  iudyta  Aeademia 


bJH 


^^ 


100 

Sedanensi  Professore  ordinario  et  illustrissimi  Principis  BuUoniensis  Consiliario 
.  .  .  proponit  lust.  Gull.  Krug  Hassus.     Sedani  1632. 

Johann  Henrich  Dauber^  geb.  den  9./19.  Dezember  1610,  Sohn  des  Prof.  Henrich 
Dauber  zu  Herbom,  war  ein  ausserordentlich  begabter  Mensch ;  er  verteidigte  schon  im  elften 
Jahre  seines  Lebens  eine  hebräische  Dissertation  und  wurde  am  I.Mai  1622  zu  Herborn  imma- 
trikuliert (v.  d.  Linde,  S.  409).  In  seinem  18.  Jahre  wurde  ihm  die  juristische  Professur 
angetragen,  die  er  jedoch  ablehnte,  nahm  aber  1681  den  Buf  als  Prof.  phil.  nach  Sedan  an, 
wo  er  noch  in  demselben  Jahre  Prof.  juris,  dann  Rat  des  Herzogs  von  Bouillon  wurde.  Später 
trat  er  in  den  Dienst  des  Prinzen  von  Oranien,  darauf  der  Landgräfin  von  Hessen  Amalie 
Elisabeth  und  starb  als  Vizekanzler  der  Universität  Marburg  1672.  Der  Kaiser  Ferdinand 
adelte  ihn. 

3.  (No.  15.)  Disputatio  medica  .  .  .  von  Philipp  Hermann  Sprenger, 
A.  et  ph.  Magister,  medio.  studiosus.  Wien  1636.  7  Bl.  Er  ist  wahrschein- 
lich der  Sohn  des  obengenannten  M.  Joh.  Hedderich  Sprenger. 

3.  (No.  16.)  De  cenotaphio  deque  diversis  super  ejus  religione  Ulpiani 
et  Marciani  sententiis  diatriba  1634.  Die  Rückseite  des  Titels  enthält  eine 
Widmung  der  Abhandlung  von  Jacobus  Gothofredus  Ic.  an  lustus  Henricus 
Heidfeld,  welche  auf  enge  Bekanntschaft  beider  Gelehrten  hinweist. 


Die  Schönauer  Überlieferung. 

Eine  historisch-kritische  Untersuchung 
von 

Ludw^  Conrady^ 


Dasselbe,  was  der  Verfasser  in  seiner  Abhandlung  über  das  ^^Landgericht 
der  vier  Herren  auf  dem  Einrieb^  zu  leisten  unternahm,  sieht  er  sich  genötigt, 
bei  der  nachfolgenden  Untersuchung,  die  angeregt  durch  diese,  ihren  Gegenstand 
auf  dem  gleichen  örtlichen  Gebiete  gewählt  hat,  fortzusetzen.  Auch  hier  hat 
er  gefunden,  dass  das  bis  dahin  Geleistete  zu  beanstanden  sei,  und  dies  sogleich 
in  der  Überschrift  zum  Ausdruck  zu  bringen  sich  gestattet.  Möge  ihm  ein 
solches  wiederholtes  Yerfahren  gegenüber  der  anerkannten  nassauischen  Ge- 
schichtschreibung nicht  als  Anmassung  gedeutet  werden.  Die  Forschung  kennt 
nun  einmal  kein  anderes  Ansehen  als  das  der  Wahrheit,  und  ihre  schneidige  Waffe, 
die  Kritik,  ist  nichts  Geringeres  als  sittliche  Pflicht.  Denn  auch  hier  gilt  das 
bei  einem  so  unvergleichbar  bedeutenderen  Anlasse  gesprochene  Wort  unseres 
Landsmannes  Usener:  „Wo  es  möglich  ist  zu  wissen,  da  wird  es  unsittlich, 
sich  auf  Glauben  und  Meinen  zu  beschränken.*'*) 

Sachgemäss  wird  unsere  Untersuchung  sich  in  ihrem  ersten  Teile  mit  der 
Prüfung  der  Quellen  der  bis  dahin  unter  dem  Namen  „Schönauer  Sage"  gegangenen 
Überlieferung  beschäftigen,  um  alsdann  in  einem  zweiten  die  zu  deren  Ent- 
stehung führenden  geschichtlichen  Verhältnisse,  wiederum  auf  Grund  der  vor- 
handenen Quellen,  darzulegen. 

Den  ersten  Teil  aber  vermögen  wir  nicht  besser  zu  beginnen  als  mit  tiefem 
Dank*)  für  unsere  Vorgänger,  deren  Arbeit  allein  uns  in  Stand  gesetzt  hat,  die 
unsrigc  zu  thun.  Namentlich  ist  es  Widmann,  dem  wir  diesen  Dank  für  seine 
vortreffliche    Abhandlung    „Zur   Schönauer   Reimsage****)   schulden.     Nicht   nur, 

M  Das  Wcihnaclitsfcst,  Bonn  1889,  187.  —  *)  Es  sei  gestattet,  bei  dieser  (iolegonheit 
aiirh  unseren  wärmsten  Dank  denen  auszusprechen,  die  unsere  Arbeit  so  wesentlich  durch 
eine  wahrhaft  beschämende  Zuvorkommenheit  in  der  Darleihung  litterarischer  Hilfsmittel  ge- 
fordert haben:  der  grossherzogl.  Universitätsbibliothek  in  Heidelberg,  der  Stadtbibliothok  in 
Mainz,  der  Landesbibliothek  in  Wiesbaden  und  der  Vereinsbibliothek  ebendaselbst.  Unseren 
anderen  flberg^tigen  Helfern  statten  wir  an  den  betreffenden  Stellen  unseren  besonderen 
Dank  ab.  —  >)  Annalen  18,  33-43. 


102 


duHS  er  der  gliiukliclie  Wiedereutdecker  der  «eit  Vugel  veröchiittci  gcwe 
Urquelle  dieser  sogenanuten  Sage  ist,  so  hat  er  aueli  zu  ihrer  Bcleuebtuug  eiu 
so  sorgfältig  geaiclitetes  und  reichliches  Material  herbeigetrageD,  dass  ihm  das 
Verdienst  bleibt,  die  Saehe  mit  ebensoviel  Flciss  als  Scharfsinn  zur  Spruchreife 
gefördert  zu  haben,  Dass  der  Spruch  nicht  in  dem  von  ihm  begünstigten  Sinne 
auszufallen  vermag,  wird  die  von  ihm  betbätigte  selbstlose  Hingabe  an  die 
wissenschaftliche  Wahrheit  nicht  uns,  seinem  dankbaren  Benutzer,  sondern  der 
Sache  selber  zur  Last  legen  müssen. 

Leider  hat  dies  schon  gleich  hier  auf  der  Schwelle  zu  geschehen.  Der 
von  ihm  gelieferte  und  mit  Übersetzung  beglGitete  Text  seiner  wiederentdeckteu 
Quelle  erweist  sich  nach  unserer  eignen  Einsichtnahme  in  den  Cod.  20  der 
Wiesbadener  Landesbibliothok  als  unzureichend  für  die  Zwecke  einer  eingehenden 
UntersuchuDg,  da  neben  anderen  kleinen  Verfehlungen  gerade  das  in  ihm  aus- 
gelassen istj  was  als  das  Ausschlaggebende  für  seine  Beurteilung  erscheint, 
Widmann  aber  bei  semen  durch  den  Glauben  an  seinen  Vorgänger  Vogel  ge- 
haltenen Augen  unwesentlich  erschieo.  Nun  hat  freilich  F.  W,  E.  Roth  den 
ganzen  Text  herausgegeben'),  eboDso,  wie  er  den  diesem  in  der  Haudschrift 
vorausgehenden  der  Legende  des  hl,  Florinus  später  veröifeutlichte»*)  Indes 
seine  Ausgabe  entspricht  nicht  in  allen  Stücken  den  Anforderungen,  die  mau 
an  die  unbedingt  zuverlässige  Wiedergabe  einer  handschriftlichen  Vorlage  zu 
stellen  berechtigt  ist.  Wir  sehen  uns  daher  genötigt,  vor  dem  Eintritt  in  seine 
Besprechung  den  Text  selbst  zuerst  hier  vorzulegen  und  ihn  mit  den  Anmerk- 
ungen zu  begleiten,  die  unsere  Abweichung  von  den  Vorgängern  zur  Nacli- 
prufung  des  Lesers  begründen.  Unsere  Abweichung  von  der  Haudschrift  be- 
schränkt sich  lediglich  darauf,  dass  wir  ihre  Abkürzungen  auflösen  und  in  gewohntcr^H 
Weise  interpungiercn,  ^^ 

In  dem  auf  seinem  Rücken  mit :  ^Sermones  de  tempore  et  Stis  it[emquo?j 
legendae  Pars[?]*,  auf  dem  Vordcrschuitt  mit  ^H  XI/  bezeichneten  Hand- 
schriftenband,  der,  wie  bemerkt,  als  Cod.  20  der  Wiesbadener  Landeshibüothek 
gilt  und  als  solcher  von  Dr.  A.  v.  d,  Linde^)  mit  ausdrücklicher  Namhaftnuichung 


*)  DiO  Visionen  der  hl.  Elisabeth  uod  die  Schriften   der  Aide  Kkbert  und  Eniccbo  von 
Sühönau,    Brunti  1884,  155  ff.  —   ")  In  der  Zeitschrift;   Roraaniachc  Forschungen  6,  475  —  481. 
—    ^)   Die  HandÄchrirten    der  König!.   LandeBbIbliothok  in  Wiesbaden.     Wiesbaden  1877,  112.1 
Das  Versehen  daselbst»  dass  die  Legende  Florins  mit  ihrem  hier  oben  ribaiudruekendcn  ZusauJ 
auf  BL  SOI"— 35^  statt  EL  30^—33*'  stehen  loH,  ist  auch  auf  Widmann  39  üborgegaugeii. 
Von  dem  Cod.  selber  dürfen  wir  zur  Yervollatändigung   dos   von  v,  d,  Linde  Gesagten  noclil 
bemerken,  dass  er  auf  seinen  nunmehr  201   überwiegend  zweispaltig  beschriebenen  KleinfoUo» 
bltlttern   (4  fehlen^   da  der  Band  in  Lagen  von  jo  6  >.  34  Bogen    angelegt   erscheint   und   di(i| 
letzte  jetzige  Seite   mitten   im  Zusammenhange   ahbrieht,)   118  einzelne  in  sich  abgeeehlosüen« 
Schriftstüeko  enthält.    Dieselben  beliaadeln  der  Mehrzahl  nach  in  Beroionen  und  Homilion  dcrl 
Kircheurätor  wie  in  zahlreiehen  eingestreuten  Legenden   zumeist   das  Leben   der  Heiligen    iltl 
vier  vorselüedenen  Jahrgängen  von  ungleicher  LÜnge  und  nioht  durchweg  genauer  Folge,  an 
wenigsten  Vollstündigkeit.    Da  der  Band  mit  der  Lectio  tilr  Anuunriatio  Mariae  d.  r.  25.  Mllni] 
beginnt,   po  ist  damit  festgestellt,   duas   das   Kloster  den   Jahrcsnnfang   auf  diesen  Tug  eotit^ 
wie  die  Erzdidcese  Trier  bis  ins  17.  Jahrhundert   (Grotofcnd,   Handbuch  der   hist.  Chrotiu 
logie.    ITannover  1872,  27),     Da   aber   nun   das   von    Rotli,   Die  Visionen,    164  ff.  mitgctdlt4S 
^^Calendarittm  des  Klosters  Scbünau  de  1462"  mit  dem  L  Jantuir  begimit,  dürfen  wir  vieUcichlj 


103 


,ilegeiida  de  saDotu  florioo  confcasore.  miracuU  sei  flunni  confesiioris  in 
frimtia  g06ta^  bej^chrlebcu  ist,  icsau  wir  voa  Ende  de^  ßlaitos  32  ^  bis  boinabe 
Ead«  des  ßlattes  33 ''  dicht  hinter  der  cboa  genannten  Legende,  aber  nicht 
TOM  Bchreiber  dieser,  wenngleich  von  einer  Hand  des  15,  Jahrhunderts,  das 
Folgende  als  Abschrift,  wie  bereits  Widmann  aus  ihren  Fehlern  richtig  geschloascn 
hat,  mmt  älteren  Vorlage: 

Ineipiunt  miracula  flaocti  Horini  confessoris  in  frantia  geata.  [Bl.  32** 

Cum   per  omnia   sanctiaainii   eunfessoris    florini  meritorum  miracula   iuxta 

itis  debitum^)  fidem  demus  auditis,  oportet  nos  etiam  eins  glorifica  visi- 
tatiooe^  consolatos,  quantum  ipsiua  guflraganto  dementia  posBc  videmur,  gratiaa 
a^re  de  visig.  Non  est  enim  tanti  fulgoris  elaritudo  modio  suffocante  celaada, 
$ed  velud*)  posita  super  candelabrum  [BK  33*  Sp.  1]  luccrna  cunctis  in  domo 
laoicn  desiderantibus  propalanda.  Longe  videlicet  latequc  glorifici  confessoris 
Tirttitibud  diuulgatiJE»  tanteque  laudis  rumore  per  orbem  euidentiäsimo  veritatis 
indiculo  clarescente,  prouida  de  reni  francorum  salute  pietas  diuina  salubri  perhi- 
beute  fama  auribus  euiusdam  rehgiosi  baronis  de  lurenburg  nomine  druthuini 
intimaait  lUe  vero  apud  hartbertum  optimo  memorie  sacerdotem^  qui  eo  tem- 
pore capellanus  heremanni  ducis  reni  alemanorum  exstiterat*),  qui*)  et  auxilio 
belli  prestito  regi  romauorum  promeruit^  depetiit  corpus  sancti  florini,  quod  et 
conflaentie  medie  (!)  reni  partibus  constructo  collegio  transtulit,  cuius  et  ispe 
thmthoinüs  satelles  erat  tidissimua,  mediante  ipsorum  amicitia  partem  reliquiarum 
venerandi  confessoria  inpetrauit.^j  In  proprio  enim  prcdio  hartbertus  tanto 
faerat  suffultus  patrocinio.  Ipaas  igitur  reliquias  alteri  non  audens  committere, 
(ptast  Boruus  domini^  cxhibendo  famulatum  usque  in  pagum  francorum'*)  einrieb'') 
jtttncupatum  et  ibidem  infra  capellam  in  euiusdam  lichtburnensis'^)  [Sp.  2]  monticuli 
siipercilio**)  studiis  laborcque  prenotati  venera hilis  domin i  druthuini  dcccnter  oroa- 
tam  honore  digno  susceptaa  in  vigilia  apostolorura  petri  et  pauli  collocauit.  llis 
its  videlicet  ordine  decentissirao  peraetis,  qualiter  se  ciucm  oiuibus  iunxisset**), 
(itcere  deinceps  ordiamur.  Sacro*^)  sancto  quippe  die  natalis  (!)  beatorum  aposto- 
lonttn  quidam  pauperculus,  quem  pene  per  totius  rite  curricula  tremor  immauis- 


D,  dASB  unser  Band  rilter  iflt.  Möglich  sogar,  il&sn  die  in  «lieBem  Katen danum  vielfach 
nde  Bezoichnung  „XIl,  loct/^  oiu  zwölftes  LeetronAniim  gegenüber  unserem  ,jS(anc- 
XL**  geEeichneten  meinte. 
*)  Widmann^  Ann.  18,  39  lioat  irrig:  „debitum  et  fidem";  die  von  ihm  für  ,»ct"  Tcr- 
mJieod  Kfirztuig  Ut  ein  deutlich  dtirchBtrichencs  v,  was  dem  Sohreiber  offenbar  in  der  Absicht, 
idem  mit  t  «tatt  f  beginnen  zu  wollen,  aus  der  Feder  floss,  aber  sofort  von  ihm  getilgt  wurde. 
—  ')  Btatt  dieses  Wortes  hatte  der  unachtsame  Abschreiber  „consolationo^  anlanglich  ge* 
rieben,  dies  aber  dann  durch-  bexw.  unterstrichen  und  halb  ausradiert  —  *)  Korrigiert 
ttt*,  wie  es  scheint.  —  *)  Nach  diesem  Worte  folgen  im  Text  die  durch*,  d.  h.  uuter- 
iHehenen  Worte;  „cuius  et  ipso  druthuinus  satelles  erat  fidissimus.*"  —  *)  Am  Rande  ist  hin- 
^toilicet  hermannas'*.  —  *')  Widmann  8.  40:  „impetrauit.**  —  ')  Über  ^domini^ 
Igetithrjeben  ton  andrer  Hand:  y,dominicum**;  irrig  bei  Widmann:  domini  cum*  —  *)  Im 
'  urvpranglich:  ^franetiorum'*;  dann  wie  oben  von  derselben  Hand  korrigiert.  Roth  irrig: 
,(r«Bliiiniin\  —  *)  Von  späterer  Hand  mit  grossem  Anfangsbuchstaben.  —  ***)  Widmann 
ifT%f  ^Uchbamensis.*^  —  **)  Vita  LudoTici:  „in  quodam  montis  supercilio**,  Kremer,  Orig, 
f,  3t2.  —  ")  Am  Rande  hinzugefügt:  ,ad"  (iunxisset).  —  ")  Von  Widmann  attsgelataisa 
biic  f^ldem  lero*  cte.  mit  der  Bemerkung:  ,,Dana  folgt  die  Eriiihlung  einiger  Wunder.** 


ll^j^H 


■^  ■'■'    *- 


104 


ßimu8  artubuö  ita  dissoluti:!)  cxcussit,  ut  huo  iiequaquani  ori  propriis  inanibua 
cibu8  potuBue  potuisset  adhiberi.  Is  vero  tanta  fatigatus  raolestia  prostrato  cor- 
pore sanctorum  itiplorans  patrocioia  dtuina  meruit  sentire  subsidia«  YeBperimis 
enim  laudibus  adimplotis  sanctorum  inpriraia  apostolorum,  quorum  aderat  dies 
öolemnis,  intcruentu  ganctique  florini  adrainiculantibus  meritis^  »umini  creatoria 
medicante  potentia,  ita  integre  restitutus  est  sanitati  (!),  ut  nuUus  in  eo  pristim 
tremoris  motiid  agnoaet  potuisset,  mi  m  tantum^)  sibi  redditus  propriisque  usibus 
Cöt  coaptatU9,  ut  in  ouUo  corporis  loc<»  ad  necessaria  miniatraüda  titubare  vidc- 
retur.  Die  vero  natalis  (!)  sanctiasinii  florini  confesBoris,  quod  oat  XV.  KL  dccein- 
bris^)  plebs  totius  circumquaque  regionis  [BI.  33^'  Sp.  1]  tantae  salutis  aduoeaia 
gaudimonlis  comitatu  locundo  studioque  saluberrinio  satagebat  interesse  ßolem* 
niis.  C!erici  vero  diuioia  cultibus  humiliter  instantes  raissarum  officia  decenti 
honore  peregerunt.  Quibus  ordine  congruo  finitis  mancus  qutdam,  cui  plurinii 
testcs  astiterant  asäerentes  se  niulto  iam  tempore  eins  contractam  nianum  du 
colto  pendentem  vidisae,  eandem  non  minus  alteri  sanam  cunctis  eeruentibus 
extcndit.  Nulla  ualet  explicaro  lingua,  quanta  tuuc  omnibus  exorta  sit  letitia.  No- 
larum''')  consonantia  clerique  vox  j^mDidica^)  et  omnis  choors^)  laica  laudis  egcrunt 
guüdia,  Ilis  itaque  reuerenti  moderamine  laudibus  explotis  tertio  nunc  aderant  due 
puellc  iuxta  feretrum  roliquiarum  ape  salutis  extente,  quarum  vna  coeui^)  languoris 
pondere  grauata  corpore  contracto  vlnis  adueeta  maternis  ibi  ponebatur,  omntbus 
adhue  astantibus  exsurgeus  insolito  gressu  per  capellam  deambulando  plantas 
exerouit.  Interea  videlicet,  cum  aimili  modo  sicut  prius  diiiine  gratie  laudibus 
omnes  insisterent,  altera  puella,  que  ligneis  sustentata  fulcris^,  ut  solent  debiles, 
[Sp.  2]  Bubtus  ascellas^)  aptatia  aduenit,  ut  vox  psallcntium  quieuit}  contemptis, 
quibus  autea  fulciri  coDsueuit,  sustoutaculis,  mira  celeritate  »urrcxit  gressumque 
speciilantibus  populis  secura  direxit*  Tertio  tuoc  laudes  pulsabant  aidera  graudea 
prcatante '^)  domino  nostro  ieau  christo,  qui  cum  patre  et  spiritu  sancto  viuit  et 
regoat  deus  per  infinita  secuta  seculorum,  amen. 

Idem  vero  baro*"*)  drutlminuB  deuictis  tempore  quodam  hostibus  suis,  captis, 
spoliatis  et  exactis  cum  inde  rediret  commilitouibus  magno  triumphi  gaudimonio^ 
cum  perueaiöset  ad  loca**)  pertinentiis(!)  ville  struode'^),  ruaticulus  quidam  latena 


^)  Übergeflchrioben  ron  spAter  Httid  über  ein  korrigiertea  ursprüngliches  H^i^^tum*. 
welolics  Roth  irrig  „totidem**  lesen  wiU,  —  ')  Von  späterer  Hand  ist  darüber  gcsnhriebeii: 
„15*«  caleudAs  Xbris".  —  *)  Roth:  „Notarum**.  —  *)  Von  spaterer  Hand  mit  ^Hymnidicn" 
TerbRsgert,  —  *)  =  chur»  oder  =  cohors?  —  ^)  Das  Wort  ist  durob  Korrektur  des  Bohreibors 
undeutlich«  Am  Rande:  ^coeuvi  ooryi",  lotxtore«  Wort  von  spöterer  Hand.  —  ^)  Roth: 
^fuUria^  —  *)  Roth:  „astellai'*.  —  ^)  Die  Worte  ron  ^Tertio*  an  sind  mit  blUsaercr  Tinto 
Kwischen  die  7.wei  Zeilen  gefügt  und  durch  ein  deutliohes  Heraufholungaxeiohen,  das  Wid- 
mann zu  »agen  verleitete*,  „daran  sehliesat  $iich  in  besondere  Zeichen  eingeschlossen  die 
lateinische  Sage",  mit  den  vom  AbBChreiber  an  das  Ende  des  Ganzen^  ton  ona  in  dio  ricbtigc 
8tolle  hier  gesetzten  Worten  verbunden.  Damit  sich  der  Leser  nicht  irren  könne,  haito  der 
Korrektor  „prostante*  wiederholt.  Das  abgekürst  geschriebene  „pre**  des  zweiten  „preatant«* 
ist  am  Rande  von  später  Hand  mit  ^prae**  aufgelöst  Roth  meinte  gar  ein  Herunterholuitgi-  | 
xeiohen  xu  sehen  und  begnügte  sich,  die  ihm  unverstandltehen  Worte:  „Torcio  tunc  laudtt  (l) 
pulsabant  sidera  grandes  prcstante"  in  die  Anmerkung  zu  setsten.  —  ^")  Korrigiert  dnreh  Ober- 
geschriebenes  r  aus  „bato";  also  nicht  „barro%  wie  Widmann  liest.  —  **)  Korrigi«ft  aui: 
„locum".  —  ")  Widraann,  das  darüber  geschnebene  o  nicht  beachtend:  ^Strudo*,  wieRotli;] 


105 

looio  arcum  oxteuclens  fjt(!)  nobilii?  truthuini  baronis  victoris')  intixit  sagitttMU 
inri.  Terrain  *^}  incidens  deuictiis  occubiiifr.  Prius  tarnen  quam  monebatur, 
omnia  bona  et  bostium  suorum  tribitta  colUgens  eodom  luco,  quo  fixus  fuerat, 
cluuiftriim  beuedictorum ^)  nomine  sehönaw*)  construi  fecit  Ad**)  quod  translate 
sunt  postiQodum  de  üchtsbron  reliquie  santi  florini,^ 

Soweit  der  Text.  Da  Widmann  nur  einen  Teil  desselben  übersetzt 
hat,  dos  barbarische  und  dazu  vielfach  feblerliafte  Latein  aber  nicht  wenig  der 
Durchsichtigkeit  ermangelt,  so  halten  wir  eine  Uandleitung  in  Gestalt  einer 
luhaltsangabo  für  nicht  unerwünscht. 

Der  Verfasser  des  Schriftstückes  ist  aUo  der  Meinung,  dass,  nachdem 
man   soviel  von  den  Wundem   des  hL  Ftorin  gehört,  es  als  Dankespflicht  er- 

cheine,  über  die  von  ihm  in  Franzien  geschauten  zu  berichten.  Zu  dem 
Bwocke  erzählt  er,  dass  die  auf  das  Wohl  der  Rheinfranken  bedachte  güttliche 
Iluld  CS  gefügt  habe,  dass  Trutwin"),  dem  frommen  Laurenburger  Barone,  die 
Thateu   des   Heiligen   zu    Ohren    gekommen   seien.     Befreundet    mit    Hartbert, 

^m  Kaplan  des  Rheinalemannenherzogs  Hermann,  und  selber  dessen  getreuester 

riegsgeföhrte,  erlangt  er  durch  beider  Vermittelung  ein  Stück  des  Leibes  des 
Heiligen,  den  Hermann  aus  Gunst  des  ihm  verpflichteten  römischen  Königs  dem 
Stift  in  Coblenz  geschenkt.  Hartbert  selber  vom  Heiligen  im  eigenen  Heim 
beglückt,  trägt  es  eigenhändig  in  die  von  Trutwin  dazu  gebührend  ausgezierte 
Kapelle  zu  Lipporn  in  der  Vigilie  des  Peter-  und  Panlstages.  Gleich  in  der 
Vesper  dieses  Hoiligcntages  wird  ein  Armer  durch  der  Apostel  und  Florins 
Fürsprache  von  dem  lebenslangen  Zittern  befreit,  das  ihn  gehindert  hatte  mit 
eignen  Händen  Speise  und  Trank  zu  sich  zu  nehmen.  Die  dadurch  zu  Lob 
und  Dank  am  Florinstage  herbeigezogene  Menge  sieht  eines  Krüppels  vom  Halse 
hangende  kontrakte  Hand  geheilt*  Unbeschreiblicher  Jubel  darob,  Glockengc- 
läuie  und  Dankgesänge.  Nach  deren  Ende  befinden  sich  bei  der  Lade  der  hK 
Überbleibsel  zwei  Mädchen.  Die  Eine  mit  lebenswieriger  Schwäche  behaftet 
und  mit  kontraktem  Leibe  von  der  Mutter  dorthin  getragen,  erhebt  sich  wunder- 
bar und  wandelt  durch  die  Kapelle,  Indes  sich  neuer  Dank  dafür  erhebt,  wirft 
die  Andre  die  bis  dahin  gebrauchten  Krücken  weg  und  wandelt  ebenso  wunderbar 


flbenetzt  er  ^vüle*  falscli  mit  TfMof**,  wÄhreiid  es  Dorf  heiison  muss  gemäss  der  Kr- 
ug bei  Du  Cange-Hensohel,  6,  827*>:  ^rillas  hodie,  non  quomoilo  Latiiii  praedia  rus- 
sed  complurium  m&nBionutn  vel  acdium  collcctioncm  nppellumu^^. 
')  Die  QetiJtiTo  sind  erat  hinemgcbessert  Ton  aptiterer  Hand    an  Stelle  der  AlckusAtive. 
^  *)  Widmanti   will   die  ,8ehr  undeutHohe   Abbreviatur^  i^qui^  lesen,   wie   Roth.     Eb  steht 
er  ein   selir   deatliobes  t   mit   der    Abkürzung'   für   ^nim''  da,   sodasf^  eine   Verfehlung   des 
etireibers  Torliegt,  die,  da  incidere  hier  nicht  intransitiv  sein  kann,   am   betten    mit   unserem 
iig«n  ^terram^  geheilt  i«t   und  zwar  deswegen  schon,   weil   die  gereimte  Übersetzung  dieser 
911^:  ,rff  die  Erdt**  bietet,   was  offenbar  nicht  ale  Reim  zu   ^Pferdt"   erfunden   ist,   Hondoru 
Erfindung  veranlaut  hat  —  ')  Für  «benedictinorum^  mag  aus  Ordensstolz  gesetzt  sein. 
*)  Reib:  „Öobouau".  —  *)  Widmann  irrig:  „dioitur*.  —  ^)  Wir  sehreiben  diesen  Namen 
der  Folge  irniner  so,  da  er  aus  abd.  trdt  =  traut  und  wini  =  Freund  zusammengesetzt  ist, 
gl,  Oraff,  Ahd.  Sprachscbatz  5,  471  u*  l,  S68,    Ebenso  schreiben  wir  in  der  Folge  TutOj 
Tudi,   ubeebtm   seine   Herkunft    nicht    klar   ist,    vergl.    Forste  mann,    Altd.  Namonlmcb* 
•Xordiianien  }86<S,  I,  3^8  ff. 


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106 

Iiefrcit.  Zum  ilnttonimilc  bis  au  rlic  SteniL'  ^^rhliigeiuka"  Lobgosaiig,  Denselben 
Baron  Trutwin  abcr^  auf  dor  lleinikehr  vom  Siog  über  seine  Feinde,  umgeben 
von  öicgesfrohen  Genossen,  erlegt  ein  im  Gebüsch  nächst  Strüth  lauernder  Bauer 
mit  einem  Pfeilschuss,  dass  er  zu  Boden  sinkt.  Elio  er  stirbt,  lässt  er  auf  der 
Stelle,  wo  er  zu  Tode  getroffen  worden,  von  all  seineu  Gütern  und  der  Feindes- 
beute ein  Bonediktinorkloster  mit  Namen  Schonau  bauen,  in  das  späterbin  die 
Überbleibsel  des  hL  Florin   von  Lipporn  vorbracht  wurden. 

Es  redet  für  sich,  dasa  die  gewissenhafte  Beleuchtung  eines  Berichtes  von 
solcli  wunderbarem  Inhalt  von  da  aus  anzustellen  ist,  wo  der  Berichterstatter  selber 
zu  stehen  erklärt.  Gleichwohl  hat  man  dies  bis  dahin  seltsamer  Weise  weder 
erkannt  noch  gethan.  Erklären  wir  also  hier  zum  erstenmale,  dasa  der  Verfasser 
unseres  Schriftdenkmals  als  Zeitgenosse  uud  Augenzeuge  der  von  ihm  berichteten 
Geschehnisse  betrachtet  sein  will.  Denn  deutlich  sagt  or  ^nos  consolatos*^  zu 
Anfang  und  erklärt  es  für  seine  Pflicht,  mit  seinem  Berichte  Dank  abzustatten 
für  das  Gesehene  (de  visis)  im  Gegensatz  zu  dem  bloss  Gehurten,  dem  man 
bis  dahin  habe  Glauben  schenken  müssen. 

Nun  stimmt  es  wirklieh  mit  der  Geschichte,  dass  ein  «heremanniiB  dux*^ 
nicht  zwar  ^reni"  aber  doch  „alemanorura"  sich  dem  «regi  romanorum''  durch 
im  Krieg  geleistete  Hilfe  verdient  gemacht  hat.  Es  ist  eben  jener  Hermann, 
der  als  Graf  des  Oberlahngaues  das  Herzogtum  Alemann ien  im  Anfang  November 
des  Jahres  926  von  König  Heinrich  L  übertragen  erhielt,  die  Witwe  seines 
Vorgängers  Burkhard's  I.,  Reginlinda,  heiratete,  930  bei  der  Krönung  Otto's  L 
als  Spender  des  Weins  war,  während  der  Fraukeuherzug  Eberhard  für  die 
Speisen  sorgte,  der  Baiernherzog  Arnulf  Marschalls-Dienste  that  und  der  Herzog 
von  Lothringen  Gisilbrecht  fiir  Anordnung  der  Feierlichkeiten  im  Grossen  be- 
sorgt war.  Als  dann  Eberhard  und  Gisilbrecht  mit  Heinrich,  dem  Bruder  Otto*s, 
und  der  Hilfe  des  franz,  Königs  Ludwig  IV*,  genannt  transmarinus,  im  Jahre  93!) 
in  offene  Empörung  gegen  ihren  Herren  ausbrachen,  da  war  es  neben  den 
Grafen  Kurzbold  und  Udo,  dem  Bruder  Hermanns,  vorzüglich  Hermann  selber, 
der  dorn  bedrängten  Köüigc  die  für  dessen  ganze  Zukunft  entscheidende  Hilfe 
brachte.  Ebenso  wurde  Hermann  im  Jahre  944  seinem  Könige  von  grossem 
Nutzen,  indem  er  im  Namen  dcsbclbeu  die  Vasallen  des  franz.  Königs,  Kaguar 
und  Rudolf,  bekriegte  und  zum  Frieden  zwang.  Dafür  ward  ihm  dann  unter 
anderem  die  Genugthuung,  dasa  Otto's  Sohn  Liutolf  sich  mit  seinem  einzigen 
Kinde,  der  Tochter  Ida,  nicht  lange  vor  seinem  am  10:  Dezember  948  im  besten 
Mannesalter  erfolgten  Tode  vermählte. 

Auch  der  zum  Erbitten  des  „corpus  sancti  Flormi"  nötige  kbchliclio  Sinn 
des  AlemannenherzQgs  ist  bezeugt  durch  die  wenigen  uns  hierüber  erhaltenen 
Königsurkunden.  Dieselben  betrotfen  sämtlich  Vorteile,  die  König  Otto  auf  An- 
trieb Hermanns  der  Reihe  nach  dem  Kloster  Kempten,  St,  Gallen,  Einsiedeln  und 
Ilamis,  wie  dem  Bistum  Chur  zugewendet,*)  Von  anderwärts  her  wissen  wir, 
dass   dem   Kloster   zu  St.   Goar  der  Hof  Schwalbach   und   einige   Weinberge 

*)  Die  Quencubclogo  für  aUcs  Vorfitohcndo  «ieho  bei  Chrbtoi^li  Friodr,  Stalin,  Wir- 
tcmbergische  Geschiohte,  Stitttg.  u.  Tüb.  1S41,  1,  435—445,  woselbst  uuoh  dAs  Todeajahr  Hec« 
manne  entgegen  dor  gewöhnlichen  Annalime  festgestellt  ist. 


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107 

Üampi  und  wa»  bcsontlcr^  für  uiiö  wichtijj,   „cuidurn  niumiHtcriu  (JonHiKjntio**, 
ipitoron    Florinstift^    der   Zehnte    der    Kirche    zu    Humbach -MoDtabaur 

Herzog  Hcrtnanu  geschenkt  wurden,  beides  zwiseheu  932  und  948,*)  Nocli 
mehr,  Reibst  seine  Verehrung  des  hl.  Plorin  vermögen  wir  deutlich  nachzuweisen, 
und  xwar  durch  die  soeben  angezogene  Urkunde  für  Ramis,')  Dem  dortigen 
Horinstift  hatte  König  Otto  im  Jahre  948  aus  Verehrung  des  hL  Florin  Güter 
tu  Keozingen  im  Dniseothale  und  zu  Finstermünz  geschenkt  und  da  dies  aus- 
dröeklich  ^interveutu  dilecte  filie  nostre  Ito  nee  non  et  Hermanni  comitis  nostri* 
g^ohiefat^  so  ist  docli  wohl  auch  letzterer  als  Verehrer  dieses  Ueiligen  deutlich 
gekennzeichnet.  Von  hier  aus  steht  demnach  alles  günstig  für  die  Geschieht- 
lichkeit  der  im  Schönauer  Bericht  behandelten  Schenkung  des  erbeteneu  Leich- 

s  Fiurius   an    das  Marienstift^)  in  Coblenz,     Ist  doch  selbst  uoch  eine  Be- 

ung    des  Enkels  Hermanns,    des    ^dominus  Otto,   Liutolfi  fdius**    zu  diesem 
SHfte  durch  dessen  Zeugenschaft  bei  einem  Wachszinso  an  dasselbe  urkundlich 
iesen.^) 

Anders  schon  steht  es  mit  dem  „capellanus"  Hermanns,  dem  „sacerdos** 
Uartbert.  Könnte  uns  ohnedies  nur  der  reinste  Zufall  eine  Nachricht  von  dem 
Vorhandensein  seiner  an  sich  nichts  weniger  als  weltgeschichtlichen  Persönlich- 
keit aufbewahrt  haben,  so  sind  wir  in  der  Lage,  diesen  Zufall  hier  obendrein 
als  einen  bloss  möglichen  vorzuführen.  Uartbert^)  heisat  nämlich  merkwürdiger- 
wetae  der  Abt  des  Florinstifts  zu  RamiS|  dem  diese  obengenannte  Schenkung 
Otto^s  zu  teil  ward,  und  er  ist  vermutlich  derselbe^  den  wir  vom  Jahre  952 — 966 
aus  9echs  Urkunden*^)  als  Bischof  von  Chur  und  damit  auch  als  Gebieter  über 
die  Abtei  Karaia  kennen  lernen^  und  der  vor  970  gestorben  sein  musa,  da  wir 

diesem  Jahre  ein  seinen  Nachfolger  betreffendes  kaiserliches  Diplom  besitzen.') 


Goerz,  Mittelrhein.  Regesten.  Coblenz  1876,  1,  267  u.  275,  und  Vogel,  Archiv  «ter 
clien-  und  Gelehrt  engeschichte.  Hadamar  u.  Coblenz  1818,  1,  73  t  —  Die  von  erstercr 
nng  berichtende  Urkunde  stammt  erst  aus  dem  Jahre  1138  und  nennt  offenbar  irrig 
ifermaiiu  ^dui[  Francorum*^,  waa  Goerz  1,  527  iiboraehen  oder  zu  berichtigen  vergessen  hat. 
—  ')  lianiifl  i»t  offenbar  dasselbe  mit  Kemus  am  Inn^  woliin  am  9.  Apr.  930  König  Ileinrich  1* 
der  dortigen  Kirche  des  hl.  Florin  die  Kirche  zu  Sins  jni  Engadin  schenkt,  nach  Zapf,  Mon. 
l^  54;  llormeyr,  Beitr.  2,  94  bei  Böhmer,  Rege«ta  cbronoL-dipIomat.  Frankfurt  1831,  4. 
Dm  Bemerkung  bei  Roth,  Die  Visionen  der  hl.  Elisabeth.  Brimn  1884,  Anm.  8.  XIX:  ^Dio 
Kinfhe  81  Florins  stand  in  Ramunsch  oder  Remosch  in  Bunden  nach  einer  Urkunde  von  930 
IQ  Blbtiotheca  Zur!auben%  betrifft  daher  den  gleichen  Ort,  wie  auch  in  H.  Österley,  Ilist,- 
geogr,  Wörterbuch  des  Mittelalters,  Gotha  1883:  ,,Remues  (Oraubunden  am  Inn)  Remedii  u.  XL 
Beddit,  eccl.  Cur.  Gesch.  Forflcher  4,  191"  das  Gleiche  meint.  Es  ist  danach  unverkennbar 
4m  ller«muscja  der  Legende  Florins^  das  auf  diese  Weise  im  Volksmunde  umgebildet  ist. 
fiolb  fuhrt  hierbei  noch  Ildef.  v,  Arx^  Oescliichte  von  St.  Gallen  1,  23  und  N.  G,  als  Aus- 
ftjiort  ober  den  Kultus  und  die  Reliquien  St.  Florins  in  der  Schweiz  an.  —  ')  Die  Bo- 
rkxrng  Roths  a.  a.  O.  VH:  ,,Herzog  Hermann  (f  10.  Dez.  949)  besass  ©ine  besondere  Vor- 
fbniikg  2U  dem  hl  Florin,  dessen  Stift  in  Coblenz  er  beschenkte,  nachdem  dasselbe  seinen 
Filroo  (die  Gottesmutter)  mit  dem  hl.  Florin  vertauscht  hatte'\  ist  ihrem  letzten  Teile  nach 
tHQig  atu  der  Luft  gcgriifon,  wie  sich  weiter  unten  xeigen  wird^  und  steht  mit  seiner  eigenen 
Afi^ab«  8.  XIX  der  Anmerkungen  im  Widerspruch.  —  •)  Gocrz,  Mittelrhein.  Reg.  1.  298  f, 
^  •)  Böhmer,  Rcgesta  9.  —  •)  Würdtwoin,  Nova  subsidia  diplomatica.  Heidelberg  1782, 
tK  863  f  ^  $67  r,  372  ff,,  376  f.,  378  ff,,  397  f.    -    ^)  Ebenda  3,  419  f. 


m^ 


108 

Nun  aljcr  hekleidcte  flcr  Alciruniiienlicrzog;  aiicli  die  Wurde  einrs  iijiugrafoil 
Khätia^  wie  aus  der  Urkunde  über  Ramis  und  einer  tiudern  vom  24.  Januar  !*4^ 
hervorgeht*),  stand  also  mit  Hartbert  in  nächster  Beziehung  und  mit  ihm  gc 
radc  dem  Gebiete  vor,  in  dem  die  Legende  vom  hl,  Flortn  spielt.  Denn  io 
Rhätia  curiensis,  dem  heutigen  Kanton  Graubündon,  liegt  die  Stätte  der  Wii-k^ 
i»amkeit  Plorins,  Heremuscia,  und  öeinor  frühesten  Yerehrung*^)  Wäre  demnach 
Abt  und  Bischof  Hartbert  wirklich  derselbe  mit  dem  der  Schönauer  Erzählung^ 
80  hätten  wir  damit  eine  weitere  wichtige  Stütze  für  ihre  sonst  unbezcugtcia 
Thatsachen  gefunden. 

Indes  mit  dieser  Möglichkeit  aind  wir  auch  bereits  an  der  Grenze  der  geschieht 
liehen  Bezeugung  des  Berichts  angelangt.  „Druthuinus",  zunächst  die  HauptpersoD 
als  ^haro  de  Inreuburg"    und  „satelles  fidissimus*',  hat  so  wenig  geschichtlichen^ 
Anhalt,  dass  er  vielmehr  ein  Unding  für  die  Zeit  Hermanns  ist.    In  den  Quellen 
dieser  Zeit  erscheint  nämlich  noch  kein  baro,  sondern,  sofern  er  sich  nicht  como^ 
nennt,  der  einfache  nubilis,^)    Das  Siegel  des  Herzogssohnea  Otto  trogt  lediglich' 
die  Inschrift:    „Signum    domini    Ottonia  Liutolfi   filii.'^^)     Barones   kommen  erst^ 
neben  optimates  und  magnates  in  Urkunden  seit  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  voe 
und  auch  dann  nicht  als  Titel  einzelner  Personen/^)     Und  wenn  auch  Trutwic 
in  der  Schönauer  Erzählung  einmal  „venerabilis  dominus*^  genannt  wird,  so  is^ 
„venerabilia*'  ein  Ehrentitel,  der  erst  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  sich  zeigt." 
Die  andere  Widergeschichtlichkeit  ergiebt  eich  daraus,  dass  Trutwin  j^satelles* 
des  Herzogs  Hermann  gewesen  sein  aolL     Schon  Wenck  fand  diese  Bereich- 
uung  in  seinen  „Historischen   Abhandhmgen''  (1778)')  „yerdiichtig*^  samt  ihre^ 
ganzen  Umgebung  und  hält  in  seiner  „Hess.  Landesgesehichte**  (1785)®)  dafflr, 
dass  die  ganze  „Titulatur  kein  Kenner  des  Alterturas  für  echt  halten*  könne  *'')j 
Indes,  wenn  er  auch  die  Ungehörigkeit  des  Ausdrucks  beanstandete,  der  kaut 
mehr  als   den  gewöhnlichen  Kriegsknecht  zulässt^^  so  übersah   er  die  ünraögJ 
lichkeit  für  einen  edlen  Franken,  im  Heerbann  des  Alemannenherzogs  sich  be 
finden  zu  können,  statt  in  dem  des  fränkischen  Herzogs  oder  unmittelbar  den^ 
des  Kaisers,  da  mit  dem  Tode  Eberhards  die  fränkische  Herzogisgewalt,  wie  io 
Sachsen,  mit  dem  Königtum  vereinigt  ward,")   Trutwin  selber  aber  als  Porso« 
hat  nirgendswo  einen   geschichtlichen  Anhalt  zu  dieser  Zeit  und  alle  Yersuche 

*)   Stalin  1,  433  u,  527.   -   '}  Brower  I,   504'-:   „nie   iJiclytB   viguit  S.  Flonm   me 
morift^   eist  non   parum  obscurata,   ex  quo  Curtonsos  Helvotiis  conTooderiiH  majoruni  pii^taMin 
B«    religiösem    abjccero.     Gerte   de   8*  Otbmnro,   primo    abbato   S.    Golli,    trjiditum   liitoriA   in 
Rbnetift  CurieuÄi  etiara  Pipini  terapor*^  praefuisso  eccleaiae,  cui  titulus  a  8,  Florino  roiifossor« 

5.  oben  Anm*  2,  8.  107,  -  *)  Stwliu  1,  536.  —  *)  Ooerz»  Mittolrhein*  Rop.  l,  29». 
*)  J.  Fiokor.  Vom  RoichBmralenstaiide.  1861, 1,  36  §  16  a.  17;  134  f.  §  97.  -  *')  Du  Cangc^ 
Honficbel  6,  763*.  —  ')  1,  52.  —  *)  1,  193  Anm.  —  ^  Der  gloioh«eitigü  Kremor»  Ong\ 
naaa,  1779,  1,  305,  Anm.  11  urteilt  noch  etnaa  derber,  wenn  er  ^agt:  „Wir  erwähnen  b« 
diesem  Grafen  den  ton  der  ehemaligen  Barbarey  im  Kloster  ScHunau  erfundenen,  dem  Drnt* 
win  beygclegten  Titel  „Baro  do  Lurenburg  Hcrmanni  Duoi«  Rheni  Alomannorum  ndoIiB^imiii 
Mtellea**  nur  darum,  um  unsere  Verwunderung  zu  äussern,  wie  e«i  )iahe  mögen  sein  können 
dftia  dieses  Klostcrgedicht  nooh  heutigeatAgs  Verteidigung  gefunden  hat."  Widmann,  AnnJ 
18,  43  hat  er  aber  so  wenig  als  Vogel   überzeugen  können*  —  ^^)  Bu  Cange-Hcnachctj^ 

6,  73^  t  —   **)  Oermanie,  chronic.    13,  99    bei  StruTc,   Gcrraanic.  Bcriptorura  2,  721:   »,Qua 
fuerunt  F^bernrdi,  titulo  juris  belli  imperutor  orcupat/*     Vt^rgK  StliUn  1,  41 4^  446. 


^Mf&lil 


109 

'encks,  Vogels  und  ihrer  Nachfolger,  ihn  aus  der  später  genauer  zu  unter* 
racbendon  Urkunde  zwischen  1102 — 24  über  die  Gründung  der  Propste!  Ltpporn 
alft  fläkhen  aufzuweisen,  zerfallen,  wie  weiter  unten  nachgewiesen  werden  soll, 
ebeftSHJ  m  sich,  als  die  mit  so  vieler  Zuversicht  vorgetragene  Vermutung  Vogels*), 
dio  «nen  so  überzeugten  Verteuliger  an  Schliephake*)  gefunden  hat,  dass  der 
ZeQgo  ,Drudoiuus"  unter  der  vorhin^)  angeführten  Urkunde  über  den  Zehnten 
der  Uumbach-Montabaurcr  Kirche  unser  Trutwin  und  gar  Vogt  der  Hurabacher 
Kirche  gewesen  min  müge,  weil  er  au  erster  Stolle  stehe.  Denn  unter  den 
Zi?ugeo  zumal  einer  kirchlichen  Urkunde  erscheint  an  erster  Stelle  immer  ein 
kirchlicher  Würdenträger,  hier  vermutlich  ein  trierischer  Domherr  und  dann 
d^  Kirchenvogt,  der  hier  offenbar  ^Hernbertus  comes  Palatinus"  ist*  Stellt 
doch  ausilrücklich  auch  im  Texte  der  Urkunde:  ^Cartulam  nostram  manu  [sc. 
.irrliuvpiücupi  llenrici]  simulque  fidclium  clericorum  laicorumve  corroboratum/ 
liinem  genaueren  Blicke  enthüllen  sich  aber  noch  weitere  verdächtige 
Dinge,  die  einen  zeitgenössischen  Erzähler  unmöglich  erseheioen  lassen.  So 
jind  die  vorhin  schon  gestreiften  „reni  alemani*^,  wenn  sie  nicht  als  Fahrlässig- 
keit des  freilich  höchst  kopflosen  Abschreibers  angesehen  werden  müssen,  der 
etwa  an  die  zuvor  geschriebenen  „reni  franci"  gedacht  haben  könnte,  eine  ge- 
»ehichtliche  Ungeheuerlichkeit*  Denn  besass  auch  das  Herzogtum  Alemannien 
tmei  «Uhingowe^,  beide  in  Rhütia  Curiensis,  den  einen  an  den  Quellen  des  Rheins, 
den  anderen,  auch  „RheIntaP  genannt^  beim  Einflüsse  des  Rheins  in  den  Boden- 
H^%  und  wurde  es  gleich,  da  es  Alsatia  miteinbegriff,  fast  in  seiner  ganzen 
Linge  vom  Rheine  durchzogen,  so  fiel  es  doch  nie  einem  Schriftsteller  ein,  am 
welligsten  einem  des  10.  Jalirhuuderts,  von  „reni  alemani**  zu  reden,  da  es 
cbi>n  keine  zwei  oder  mehrere  Alemannien  gab.  Was  konnte  also  den  Verfasser 
anderer  Erzählung  bestimmen,  von  „reni  alemani**  zu  reden,  wenn  nicht  die 
rieht  einen  Gegensatz  zu  den  Main-Alemannen  auszudrücken,  der  freilicli 
aer  war,  da  diese  sechshundert  Jahre  früher,  gedrängt  von  Jen  Burgunden, 
der  Mehrzahl  nach  ihre  Sitze  am  Mittel-  und  Untermain  verlassen  hatten  und 
eh  Süden  in  die  von  da  an  bleibend  innegehabten  oberrheinischen  Sitze  gezogen 
ml^)  Diese  Absicht  aber  ist  geradezu  vernichtend  für  die  Oeschichtliclikeit 
4K>ioes  Berichtes,  sein  eigner  sehr  unbeabsichtigter  Verräter.  Ebenso  verräterisch 
freilich  würde  es  sein,    wenn    die   Bezeichnung   „reni   alemani"  aus  der  blauen 


')  Besehr,  2S8.  —  *)  1,  97.  —  »)  8.  oben  Anm.  1,  S.  107.  —  *)  Chronioon  Gotwioanae« 

&«lrouiua.  Te^ernseo  1732,  743.  —  •)  Da  ilie  Annahm*?,  ein  Teil  der  Alomaiuien  hab© 
leli  der  8chüicbt  bei  Zülpich  (49$)  m  die  Alpen  und  nach  OberitaUen  zurQckg'ezogeiij 
«Ina  iiiiber«olittgte,  spiitere  Ut,  vcrgl.  StftLin  1,  149,  so  braucht  ate  hier  nicht  in  Betracht  zu 
kooiBi«!]!  aU  eine  dem  Oesichtskreis  des  Sohanauers  etwa  zugHngli<>h  gewesene.  Die  alton 
8ilM  dftr  Alemaniifn  aber  konnte  unser  BcriühterBtaitor  sieh  inüglieherweifle  aus  epiat.  123 
4«  IIloroDj'nius  ad  Ageruchium  (opp,  ed.  VaUar&ii  !,  1766  col.  913  f,)  zurechtlegen  oder  er 
ICMuiiv  dfo  Peutinger'sehe  Tafeli  die  die  AJcmaimeD  nurdlich  vom  Schwarxwald  setzt,  oder 
I  fr  IkAlte,  Wftif  nach  dem  alsbald  zu  Sagenden  am  wahrBcheinlichaten  ist,  Kunde  von  der  8teUe 
0«ogr«  Kateona»  4,  26,  wo  nach  dem  Oothen  Anarid  berichtet  wird,  da«ft  die  AJematinon 
ersten  Viertel  de»  6.  JalirliandertB  Asehatfenburg  mid  Wür^borg  besessen  haben  sollen. 
(iSUn  1,  Hf».  —  Zum  Übertlusa  setzen  wir  hinxu,  auch  Ostorley  kennt  in  seinem 
uch  keine  Uh  ein- Ale  mannen. 


^fidk 


110 

Luft  gegritfen  wilre.  Denn  dann  läge  Jer  nicht  minder  handgreifliche  Versuch 
einer  ebensolchen  altertüraelnden  Fälschung  vor.  Jedenfalls  ist  die  Bemühung 
Vogels^),  die  Ehre  unseres  Legendisten  retten  zu  wollen  mit  der  Behauptung:  ^ 
^Der  Ausdruck  dux  Rheni  Alemannorum  kann  im  Munde  eines  Mönches  nicht  ^M 
auffallen,  der  damit  Iferraanns  Ansitz  im  Einrich,  Eugersgau  und  Alemannien  ^« 
andeuten  wollte''  —  als  eine  verunglückte  zu  bezeichnen,  so  sehr  sich  auch  _^J 
Widmann^)  noch  auf  sie  bezieht.  Das  Mindeste^  was  man  sagen  kann,  ist  ^| 
Wencks  Wort^);  „Der  dux  Rcni-Aleniauorum  bleibt  immer  eine  seltsame 
Erscheinung/ 

Ein  gleiches  ist  es  mit  dem  Namen  der  „reni  francorum*^,  den  bisher  noch  ^ 
niemand  anstöasig  fand.  Denn  was  auch  Grollius  in  seinem  umfangreichen ^| 
^Responsum  ad  questionem:  an  et  qualis  fuerit  Franciae  ducatus,  rhenensis  ^^ 
praecipue,  a  Carolingicae  stirpis  lu  Germania  regnantis  interitu  usque  ad  Suevicum 
sive  Ilohenstauf.  regum  Germaniae  periodum*'*)  vom  Jahre  1773  und  Chr.  Jak. 
Krem  er  in  seiner  nachgelassenen  „Geschichte  des  rheinischen  Franziens  unter; 
den  Meroving.  und  Karoling.  Königen  bis  in  das  Jahr  843 ^^  fünf  Jahre  danach^) 
von  dem  Vorhandensein  einer  „Francia  rlieneusis"  zu  dieser  Zeit  mit  dem  höchsten 
Aufwand  von  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn  zu  erweisen  versucht  haben,  ©in 
solches  deutsches  Land  gab  es  niemals,  wie  das  heutige  Wissen  festgestellt 
hat.  Mau  weiss  nur  von  dem  bereits  oben  genannten  ducatus  Franciae."^) 
HüchstenSj  dass,  seitdem  die  Bischöfe  von  Würzburg  sich  vom  11.  Jahrhundert 
ab,  —  also  em  Jahrhundert  später,  als  unser  Mönch  geschrieben  haben  will  — 
Ilorzöge  von  Franken  nannten,  der  Name  Rheiufranken  in  Aufnahme  gekommen 
sein  küunte.')     Nur  einmal  wird  ^Francia   rhineusis**  genannt,   aber  von  einem 


I 


')  Bosohr.  283,  2:  —  -)  Annalou  18,  39,  Anm.  1.  —  '')  Eist  Abk  1«  52.  —  \|  Acta 
ncatleraiae  Thnodoro-Palotinoc^  111^  333 — 480,  —  '^J  Mftnnhc^im  1778.  —  *)  Von  meinem  vor- 
olirti'U  Frounde»  Herrn  Prof.  Fr,  Otto,  ilom  ich  bei  diesor  Oelcg^enhert  nicht  unterlassen  «larf, 
meitien  tiefsten  Dank  aujizusprechen  für  alle  seine  aufopfernden  BeiDuliuiigßn  »um  Ilerbd- 
.^«^liaffett  mncH  nicht  kleineo  Teils  der  mir  nutigen  litterarisohen  Ililfsmittelf  wie  nicht  nitnd^^r  ^ 
zur  ♦"inj;ehfMul**n  Beratmig^  hl^^^r  und  anderwürt»,  hiJfrei«?her  Winke  nicht  zu  gedenken»  werde 
icli  belehrt,  dass  Oiest'brecJii,  Oesch.  der  Kaiserzoit  1860»  l,  271  f»  und  Aum.  S.  809  eine 
Ven.»ijijgfung  des  Herzogtum»  mit  der  KroiK*  im  nimmt;  vergh  K^pko  in  den  Jahrb.  dea  deut- 
8(tbeu  Itoicha  l,  2,  93  ff.  v,  Daniels,  Hnndbueh  der  deutseh.  Reichs-  und  Stnat^sreehtstjeflch* 
1863^  2«  3,  373  f,  levgnet  aber  ilberhatipt^  das»  es  je  eigentliche  Herz{}ge  ia  Franken  gegeben 
höbe,  da  Kourad  nur  coraes,  Eberhard  offiziell  coraeg^  nur  bei  den  Annalist«»  diut  heisso, 
ebtniKo  Konrtid  der  liote,  —  Der  Seltsamkeit  wegen  setxen  T*ir  hiniu»  dass  Roth  a.  ä.  0  ^  XIX 
der  Anmerkung^en  den  Bericht  des  Schonauer  Munche»  stützen  zu  kuunen  vermeint  mit  dem 
Folgenden:  »Die  Grenze  von  Franoion  und  Schwaben  wird  im  wtlrtterobergischen  Urkb.  2,  87 
in  einer  Urkunde  von  1024  als  vom  süddeutschen  Mühlgau  gebildet  beaeiohnet,  der  Sohreiber 
der  Sehünauer  Überlieferung  schrieb  demnach  ganz  im  Geiste  alter  Einteilung  nach  Tolks^ 
atilmmen,  die  er  jedenfalls  einer  HUeren  Aufzeichnung  über  die  Gründung  Sohonaus  entnahmt* 
Nicht  nur«  dass  in  dieser  aus  Liinig,  Bptcileg.  eccles.  3^  120  entnommenen,  auch  von  Stiliii 
1,  319  u.  321  und  Chr.  J*  Krem  er  44  angezogenen  Urkunde  nueii  der  noch  südlicher  gelegene* 
Kochergau  vorkommt,  so  ist  damit  auch  nur  die  sudüstliche  Grenjee  gemeint  Zwischen  Franken 
und  Alemannien  war  dio  Grenze  bei  Heimsheim  (»wischen  Stuttgart  und  Pforzheim),  dann  anf 
der  Berghohe  xwtsohen  dem  Murr-  und  Leinüil  n&oh  Waitx,  Vurfassungsgeschichte  5,  10^. 
Vrri,H.  H tili  Ml  I,  222,  597,  —  *)  Österloys  Wörterbuch  z.  R  kennt  ihn  nicht  AMiTdings 
hl  Im   der  cod.    gt^rman.-mouaconsjs   589,    foh    Ih^    bei   Br^hmoUcr'Frommann    1,   H*i3   wirr 


wo! 


i 


111 

liriftstelkr  des  8.  oder  aDgehendou  0,  Jalirhimdortis,  der  uiitt^r  dem  Namen 
leograpb  von  Ravenoa  bekannt  ist,  itnd  das  in  der  nächsten  Nähe  derselben 
SltUt|  die  wir  bereits  in  einer  Anmerkung  oben  für  die  Alemannen  am  Maine 
beraitsuziehen  hatten.*)  Sollte  es  da  allzu  verwegen  sein,  wenn  ein  solchen 
StmiiDmeütreffen  uns  veranlasste,  iu  dem  Geographu»  IlavennaB  einen  der  ge* 
Mtrteii  Nothelfer  unseres  Sehönauers  bei  llerstellung  seiner  Märe  zu  erblicken? 
Weiter  muss  es  höchlich  auffallen,  dass  der  Schönauer  Mönch  allein  von 
der  Schenkung  des  „corpus  saneti  Florini"  an  das  „Gollegium"  zu  Coblenz  durch 
Herzog  Hermann  weiss.  In  Cobleuz  selber  weiss  niemand  davon.  Das  Archiv 
des  ehemaligen  Kollegiatatiftes  bewahrte  noch  1818  zwei  wohlerlialtene  Origi- 
nalien  von  jener  oben  angefahrten  Schenkung  des  Hurabacher  Zehnten^)  seitens 
doeiictbeu  Herzogs,  von  der  so  viel  wichtigeren  Schenkung  des  Leibes  des  Hei- 
ligen keine  Zeile,  Man  besasa  zu  Browers  Zeit  (1G70)  sowohl  in  Coblenz  als 
Trier  „antiqua  raembrana**  mit  den  ^acta  vitae  eius*^^),  aber  keines  weiss  von 
einer  „translatio**  nach  Coblenz,  so  dass  Brower*)  In  einiger  Verlegenheit  ist, 
sra  welcher  Zeit  er  das  Aufkommen  des  Dienstes  Florins  in  Coblenz  ansetzen 
Äall,  Von  einem  Vorhandensein  des  ^corpus"  des  rhätischen  Heiligen  aber  gar 
ImU  er  80  wenig  Kunde,  dass  er  vielmelir  berichtet,  am  8,  November  1378  habe 
ein  Mann  aus  gutem  Hause,  Wilhelm  Muy^bach,  das  in  seiner  Familie  vnn 
IftOgher  bewahrte  Haupt  des  Heiligen  dem  Florinstift  geschenkt!^)     Und   wenn 


Boneeke^MQllcr  3,  395:  ,,Oaterf ranken,  RinfraEiken"  auf,  aber  dnmii:  sind  zum  Üntcrsolüed 
\on  de»  „Franci  leroces"  an  der  Seine  die  Deutschen  gemeint  als  die  pFranci  orientoles'*  am 
Rlieiae  und  der  Donau.  8.  Schmciler-Frommann  ebenda.  Um  alle  Gerechtig^keit  zu  er- 
nitleii^  seuen  wir  noeli  das  uns  naehträglioh  von  Herrn  F^of.  OtU)  YermitteUe  aus  Wait^t, 
VerfAiivttsig»geach.  5,  162  f.  hin^u,  woselbst  die  Meinung  ausgesprochon  wird,  dass  »ieh  für  das 
obe  Franxion  kein  unterscheidender  Name  Geltung  verschafft  fmbe.  Es  hiess  gewulmlioli 
Rheinfranken,  wie  man  früher  einzeln  sagto»  sei  nicht  in  Gehrauch  geblieben.  Hierzu 
wird  nur  der  OeogT.  von  Ravenna  angeführt  und  bemerkt,  dass  das  Carmen  de  b.  Sox»». 
di»o  Wangiones  nenne.  Dagegen  fänden  sieh  bei  Wipo:  ^^Franci,  qui  supra  Rhenum  halii- 
lant*'  urjd  bei  Berthuld:  „Francia  eis  Rhenum,"  Es  heisao  auch  „FranHa  antiqua**  und  »vete- 
r«»  Francu*\  wie  seit  t053  zuerst  ,,FrAnconia*\  dessen  Namo  spiiter  auf  die  ustlichen  Striche 
•ich  lieschrilnkle.  Nehmen  wir  dies  mit  dem  von  uns  bereits  Bonicrkten  zusammen,  so  fmden 
ketue  üräache,  unsere  Meinung  xu  Andern.  Wipo's  ^^Franei**  und  Bert  hold«  ^.Frnnria*' 
eben  der  Gegensatz  zu  den  Franken  an  der  Seine. 
*)  4«  24:  Itcrum  ad  frontem  eiusdem  Frigonum  patriae  ..  ponjtur  patria,  quao  dicitur  Fran- 
cis Rhinenstn.  In  qua  patria  plurimas  fuisse  civitates  legimua:,,.  id  est  luxta  fluulum  Rhenum 
Moguötia**  etc*  Vergl.  Act.  Pal.  3,  334.  Chr.  Jac,  Kremer  35.  Wir  geben  diesem  angeb- 
Itohen  Rheinfranken  den  wirklicheu  Nameu,  den  es  führte,  aus  der  Urk.  Ottos  111,  von  D85, 
wo  c^s  heilst:  ^fCurtem  Tribuns  vocatam  in  Frantia  et  in  pago  Rlnchgouuo  uc  coraitatu  Co- 
nonla  dncis/^  Kremer,  Org.  2,  85,  indem  ^vir  ;suglcich  das  letzte  Wort  dem  von  v.  Daniels 
Betuuiptaten  cntgegenateUen.  —  ')  Vogel,  Archiv  59.  Yorgl.  Goerz,  Mittelrhein.  Rag,  275; 
nach  letzterem  sind  die  zwei  Ortginalausfertigungen  in  der  von  Ren  esse  ^schcn  Sammlung 
IP»we«en  ujid  ein  schönes  Original  mit  Siegel  ins  Staatsarchiv  nach  Cohleii«  gekommen.  — 
*)  Aimale«  trev.  1,  504,  ^  *)  Ibid.  —  ^)  2.  248,  Das  Register  berichtet  unabhujigig  vom 
T^xle:  „8.  Florini  caput  ConHuentiae  argento  includitur/*  Der  grossen  Freundlichkeit  des 
Archiirat  Dr.  Becker  in  Cobleuz  verdanke  ich  die  Nachricht,  dass  die  im  dortigen 
•afbewahrte,  dem  15.  Jalirhundert  entstammende  Handschrift  »^Statuta  et  privÜegia 
"  an  erster  Stelle  das  ,, Caput  sanoti  Florini  cum  capito  argenteo  et  rorona  argcntea** 
^  Damit  ist  B  row  er ^s  Registerbemerkung  bestätigt  Leider  hatte  das  Archiv  keine 
irNivr«^  Mill^ilung  zu  bieten. 


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MM 


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112 

er  dann  an  der  gleichen  Stelle  erzühlt,  im  JaLre  1332  habe  im  selben  Stifte 
eine  Suche  nach  den  dem  Gedächtnis  entschwundenen  hl.  Überbleibseln  statt» 
gefunden,  erfährt  man  nur,  dass  neben  anderen  der  Kopf  des  hl.  Silvester,  und 
eine  „statua  Caroli  magni"  und  die  „argentea  insignia*'  eines  edlen  Ritters 
Richard  mit  „versiculi  ad  S.  Florinum**  entdeckt  worden  seien.  Also  keine 
Rede  von  Überbleibseln  des  Ileiligen.  Und  kein  Wunder,  derselbe  Kanoniker 
von  St.  Floriü  in  Coblenz,  Jakob  Tectonius,  der  Brower  die  „epituroen  actonim** 
des  Heiligen  gesandt  hatte^  die  zuletzt  von  den  Wundern  des  hK  Leibes  be- 
richtet^), hat  nichts  zu  berichten  von  einer  Überführung  dieses  Leibes  nach  Coblenz* 
Nur  die  urkundlich  bezeugte  ThatsacUe  steht  fest,  dass  das  Florinstift  ehemals 
den  Namen  S.  Mariae  trug  und  in  der  letzten  Uälite  des  10.  Jahrhunderts 
seine  spätere  Benennung  erhielt.  Die  Urkunde  über  die  Schenkung  des  Ilum- 
bacher  Zehnten,  sowohl  in  ihrer  ersten  Ausfertigung  zwischen  931  —  49  zu  Leb* 
Zeiten  des  Herzogs  Hermann,  als  in  der  späteren  vom  13.  Februar  969  lasst 
den  Zehnten  „Dei  genitricis  sub  nomine  dedicato  cuidam  monasterio  Confluentie 
sito"  zu  teil  werden,  wogegen  eine  Schenkung  Otto's  1.  an  dasselbe  Stift  vom 
November  950  den  „fratribus  ecclesie  S.  Mariae  et  Florini  in  Confluentia**  gilt. 
Oleichwohl  nennt  jene  oben  vorgeführte  Urkunde,  w^elche  der  Enkel  Herzog 
Hermanns  und  des  Kaisers  Otto  L  zwischen  957  und  973  unterzeichnete,  mir 
das  „Marienkloster  im  Kastell  Coblenz  an  der  Mosel**.*)  Nun  hat  ja  der  launige 
Vers  der  „Frau  Aventiure"  Scheffels  Recht:  „Von  vielem  mangelt  Schriftbericht, 
denn  viel  geschieht  nur  mündlich",  aber  was  man  in  Coblenz  vergessen,  sollte 
das  in  Schünau  so  treu  behalten  worden  sein? 

Und  dass  ferner  der  Schünauer  Berichterstatter  dem  ^regi  romanorum^^) 
nicht  den  deutlichen  Namen  Ottt»  giebt,  dass  er  sich  jeder  Jahreszahl  bei  der 
Sclienkung  sowohl  des  „(corpus  St  Florini"  nach  Coblenas  ah  bei  der  Verbringung 
der  „pars^  desselben  In  die  Lipporner  Kapelle  enthalt,  während  er  doch  bei 
letzterer  ganz  genau   den  Tag  weiss:    „in  vigilia  apostolorum  petn  et  pauli***), 


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')  1,  5Q4»"  f.  —  *}  Goerx,  MittolrUom,  Reg.  1,  207»  268,  275,  298.  —  ")  Herr  Prot 
Otto  rnflclit  mtcli  darauf  uufmorksam,  ilass  schon  dicuo  nozeiohnun^  für  cineu  Mousohen  dei 
10.  Jahr  hunderte  |,' escli  ich  ts  widrig  ist,  da  Otto  L  sich  nur  „rcx"  oder  später  „imper«U>r** 
nannte,  „rex  RomaDorum"  dagegen  otlizieU  erat  bei  Lothar  aufkonunt  naoh  v.  Daniels  a.  a.  O» 
263,  z.  B.  IQ  der  Urkunde  vom  23.  Dezember  1125:  „Lotharius  IIL  Romanonmi  rex:*\  bei 
Jaff^,  Oe»ob.  des  deutschen  Reiobs  unter  Lothar.  1843,  41,  Anm«  62.  Im  Context  findet  sich 
0.  ft.  1108:  „regnante  Heinrico  Romanorum  rege,"  Wohl  aber  bciwt  e§  „R**™**öorum  impe- 
rator**,  vergL  z.  B.  die  Urkunde  Otto'a  IlL  ron  1000  bei  Krem  er,  Orig,  2,  97  u.v.a.  VergL 
das  Genauere  bei  Wait£,  Deutaehe  Yerfaasungageacb.  6,  100  f.:  ,,Unter  den  Königen  aus  dem 
f^ftnkiacben  Stamme  ist  ei  Üblich  geworden,  den  König  vor  dem  Empfang  der  katserUelifsil 
Würde  als  König  der  Römer  zu  beaeichnen,  ssuerst  vielleicht  von  Papst  Benedict  VIII.  (iOtere 
Urkunden  falsch  oder  iuter poliert),  aber  in  Beziehung  auf  den  Kaisertitel  gebraucht",  in  dor 
UnterHidirifl  „armo  Heinrici  invictissimi  regia  Romanorum  XIV,  imperü  II1*S  also  1016.  Von 
Heinrich  III.  wird  im  Gegensatz  zu  der  deutschen  und  burgundischen  Herrschaft  ebemlort  S«  104 
Anm.  I  angeführt :  „anno  regts  Rom.  secundo,  Burgund.  primi/^  Als  Titel  erscheint  er  znerftt 
unter  Heinrich  VI.  in  Briefen,  vielleicht  einzeln  m  it all enis oben  Urkunden,  hlaflgfT 
unier  Heinrich  V.,  seit  Lothar  und  Konrad  IIL  regetmU^sig.  —  *)  Der  Florinstag  wird  übrigfn« 
iu  CübltmK  am  18.  November  gefViert,  wlihrcnd  er  hier,  in  Chur  imd  sonst  »ttf  den  17,  angf»- 
set/i  ist;  vergL  ßruwer,  Annulen   l,  504''. 


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118 


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[tmd  da»  er  eDdlteh  als  Augenzeuge  nicht  einmal  die  Namen  der  so  wunderbar 
'Gebeilten    »ich   gemerkt  hat,    die  einen  solchen  biB  an  die  ^sidera*^  klingenden 
Jabel    verursaclit   hatten,  —  das  alles  ist  doch  wohl  wahrheitsgetreuer,  unver- 
(anglicber  Qe^chichtserzählung  nicht  eigen. 

Daa  Gleiche  haben  wir  vom  Schlüsse  der  Erzählung  zu  behaupten.  Dort 
werden  nicht  die  so  glorreich  besiegten,  gefangenen  und  vertriebenen  Feinde 
geoftoiit.  Kein  Name  des  meuchlerischen  Bauern,  und  was  noch  viel  beachtens- 
I worter  erscheint,  keine  Angabe  des  Grundes  für  seinen  Mord!  Ist  für  diese 
'  Zeife  an  eich  solche  Thatsache  eine  ungeheure  zu  nennen,  dass  ein  ^baro^  durch 
dio  Hjuid  eines  Bauern  fallt,  so  befremdet  doch  noch  ungleich  mehr,  dass  der 
gr^Itgiosus  baro**  einen  solchen  Feind  gefunden  haben  solh  Dergleichen  be- 
richtet Lambert  von  Asehaffenburg  aus  dem  Jahre  1066  doch  nur  über  den 
kircbeüräubirrischen  Grafen  Werner,  dass  er  bei  einem  Raube  in  Ingelheim 
im  Handgemenge  „a  quodam  nostri  monasterii  vilissimo  mancipio  vel,  ut  alii 
feru&t,  a  foemina  saltatrice  clave  percussus  in  capite  eorruit**^)  Aber  wenn 
dieser  gepriesene  Chronist  weiter  erzählt,  dass  der  zu  Tod  getroffene  Graf  noch 
■0  lange  gelebt  habe,  bis  er  von  den  anwesenden  Bisohüfeo  mit  der  Ver- 
weigerung der  „Sacra  communio"  bedroht,  das  dem  Kloster  Hersfeld,  freilich 
mit  kaiserlicher  Erlaubnis  entzogene,  Dorf  Kirchberg  wieder  zurückgegeben,  so 
metat  man  das  Vorbild  für  unseren  zu  Tode  getroffenen  ,,baro**  zu  sehen,  der 
fromm  seine  letzten  Minuten  mit  der  Anordnung  zum  Bau*)  eines  Klosters 
verbringt. 

Doch  wozu  uns  länger  zurückhalten,  wo  dieser  Geschichtschreiber  Schon- 
att^6  »ich  in  der  ganzen  Blosse  und  Grösse  seiner  dummdreisten  Fälschung 
»elber  entlarvt.  Das  „claustrum  benedictorum  nomine  schonaw**  von  den  Lippen 
de»  sterbenden  Trutwin  sagt  alles,  sagt,  dass  wir  nach  den  durchsichtigen 
Nebeln  des  10.  Jahrhunderts  in  der  Helle  des  12.  vor  den  Pforten  des  1120 
gegründeten  Klosters  Schönau  stehen  und  daas  der  übele  Erßnder  des  ganzen 
Märleins  nichts  anderes  mit  seiner  Dichtung  vorhatte,  als  —  wir  werden  sehen, 
warum  —  die  Urgeschichte  des  Klosters  zu  verschleiern. 

Wir  haben  deshalb  auch  kaum  noch  not,  darauf  hinzuweisen,  dass  selbst 
die  Namen  „lichtburnensis**  und  „lichtsbron'^  sieh  als  Machwerke  wohl  gar  erat 
des  14.  Jahrhunderts  darstellen«  Denn  der  Ort  zu  dem  lichten,  d.  h.  klaren 
Brunnen^},  wie  sein  Name  offenbar  gedeutet  werden  muss,  heisst  echt  ausgehend 


I 


")  StruTe,  Rer  Germ  gcriptores  1,  336.  Kremer,  Orig.  1,  271,  2T8,  296  hat  »ich 
di«  Freiheit  genommen,  diesen  Werner  ohne  weiteres  an  die  Stelle  TrutTwins  in  der  „Schön&uer 
ItittiriMge*^  ni  setzen  and  seine  Ermordung  hier  mit  etwas  anderen  Worten  in  dieser  erÄShlt 
a  finden.  Wir  dnd  ihm  dankbar  dafür,  wenn  atich  nicht  in  aeinem  Sinne.  -  ')  Zu  „conBtnii 
tocit"  «.  Du  Cnnge-Henichel  3,  178»:  „facere  =  assignare,  statuere."  —  *)  AI«  Analoga 
mit  dur  f üllen  Adjekrivform  bieten  sich  dar:  Lichtenborn  bei  Prüm  und  dasi?olbe  bei  Northeim, 
•owi«  Lichteobrunn  bei  Lobenstem  und  dasselbe  slaw.  Bila  studne  ^  lichter  Brunnen  bei  MähriHcli- 
Tlib«L  donit  sind  der  Zusammensetzungen  mit  Licht-  und  Lichten-  wohl  mehr  als  200 
lid  Rudolph,  Vollst,  geogr.-fopogr.-stat.  Ort^lexilcon  von  Deutach  Und,  Leipzig  1870,  1,  2551 
bis  2557  lu  finden.  Föratemann,  Altdeutflchea  Namenbuch.  Nordh.  1872,  989'=991  kennt 
ooff  LflilowB,  fielleicht  Lichtenau,  Lichtateiga,  Lichtensteig  hei  St.  Oallen  und  Liechtenftfl« 
bei  Baabergf  alle  drei  aa«  dem  II,  Jahrhundert. 


114 


alid.  „Lietprunin**,  „Lietprunnin",  „Lietpruneo**,  ^Lietprun",  wie  das  davon  gebit« 
dete  latinisierte  Adj.  „lietprunensis**,  zusammengezogen  Libbrunne*),  von  ^liohti^, 
fliehte**  ^=  hell  und  „pruno**,  „brunno**  =s  brannen,  während  „lichtburnensis** 
rein  mhd,  ist  und  sein  zweiter  Teil  nur  aus  dem  13.  oder  14.  Jahrhundert  her- 
stammen kann,  da  sich  erst  dann  die  niederdeutsche  Versetzung  des  r :  „burn* 
statt  ^brunne**  zeigt.*)  „Lichtsbron"  iet  dazu  eine  rein  etymologiache  Erfindung 
unseres  Mönches,  der  einen  Brunnen  des  Lichts  aus  dem  lichten  Brunnen  macheu 
zu  müssen  meinte;  und  wegen  „bron*,  das  kein  mhd*  Wörterbuch  kennt,  eine 
sehr  späte* 

Das  Kloster  hat  übrigens  später  selber  dafür  gesorgt,  dass  man  den  Wert 
der  Federleistung  seines  früheren  Mitglieds  nicht  überschätze.  Das  lehrt  zu* 
nächst  schon  die  äussere  Erscheinung  der  letzteren.  Die  Dichtung  bildet,  wie 
schon  durch  Widmann  bekannt*),  den  Nachtrag  späterer  Hand  zu  der  ihr 
vorausgehenden  Legende  des  hL  Florin,  Während  nun  diese  vor  allen  anderen 
Stücken  des  ganzen  Bandes  nicht  nur  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass  spätere 
lateinische  Zahlen  am  Rande  sie  in  17  sehr  ungleiche  Abschnitte  teilen,  sondern 
dass  sie  auch  an  ihren  schmutzigbraunen,  teilweise  eingerissenen  und  wieder 
geflickten  Rändern  die  Spuren  starker  Verlesenheit  zeigt,  ist  letztere  verhält* 
nismässig  unberührt  und  besitzt  auf  ihrem  ganzen  Blatte  in  vier  Spalten  keine 
Einteilung  —  ein  Zeichen,  daaa  man  sie  nicht  der  Ehre  öfterer  Benutzung  beim 
Vorlesen  im  Refektorium  wert  hielt.     Warum,  ist  unschwer  zu  erkennen» 

Lehrreicher  aber  bei  weitem  sind  die  drei  verschiedenen  Redaktionen^ 
die  unsere  Erzählung  von  späterer  Klosterhand  erfahren  hat:  eine  gereimte 
deutsche,  von  der  weiter  unten  zu  handeln  ist  und  zwei  deutsch-prosaische. 
Von  den  letzteren  befindet  sich  eine  in  der  viel  benutzten  amtlichen  Kloster- 
schrift „Rettung  derer  Freiheiten  und  Rechte  des  Unmittelbaren  unter  Chur- 
fürstlich-Mayntzischer  Über-  und  Hochfürstlich  Nassauischer  tfntervogtey  biaz 
daher  gestandenen  alten  Beeodiktiner-Closters  Schönau  in  der  Rheinischen  Land- 
schafft Einrieb  und  Ertzbischöflich-TrierischenDioeces.  Im  Jahre  des  Hejls  1753.* 
Sie  ist  für  unsere  Zwecke  wichtig  genug,  ihr  den  folgenden  wörtlichen  Abdruck 
ihres  Jj  VII  auf  8.  5  zu  widmen.  „Es  ist  nämlich  zu  mercken,  dass  die  er- 
zählte, vom  Oraven  Rupert  von  Laurenburg  vollbrachte,  Stifftung  des  Closters 
Schönau  nicht  gleich  die  erste  Stifftung  der  Mönchen-Versammlung  gewesen 
und  hierher  gesetzt  worden,  sondern  dass  diese  vorher  ein  Closter  zu  Liehtbom 
gehabt  und  nur  nach  Schönau  in  ein  neues  Closter  versetzt  worden  ist  Als 
Grav  Drutwin,  welchen  Textor  in  seiner  Nassauischen  Chronik  als  des  Graven 
Ruperts  Vaters  Bruder  anführet,  von  einem  Feldzug  auf  sein  Gut  Strütli  zurück- 
gekommen, und  auf  der  Jagd  an  eben  dem  Orte,  wo  der  hohe  Altar  der 
Schonauischen  Kirche  stehe,  von  seinem  Hofmaon  nicht  erschlagen,  wieTextor 
meldet,   sondern  mit   einem  Pfeil  geschossen  worden,   soll  derselbe  nach  denen 


*)  Kremer,  On>.  2,  151  f.  200;  Sauer,  Xasa.  Urkundenb.  l,  151;  ,,Llc)uUiniii^'  Uoi 
Vogel,  Beachr.  288  stammt  auB  dem  fehlerhaften  Abdruck  der  „Rettimg**,  Reyl.  HL  8.  2 
und  iBt  mit  Reclit  von  Kehre  in,  Nass*  Namenbuch  230  beanstandet  als  8|ir  ach  widrig,  rergU 
Oraff,  Ahd.  Sprachschatz  2,  147  und  3,  310*  -  ')  Bencoke-Matler-Zarnüke,  Mhd.  Udw. 
1,  2(19;  Grimm,  Deutsches  Wbch.  2>  243.  —  *)  ÄnnaL  18,  3d, 


idiä  ADü  S.  FIoriDo')  in  denen  drey  Tagen,  die  er  noch  gelebt^  verschatlt 
Terordnet  haben,  von  der  orfochtenen  Beute  daselbst  das  Kloster  aufeu- 
worauf  dann  nicht  allein  die  Reliquien  des  hl  Florini  aus  der  Kirche 
III  Lkslilboro,  sondern  auch  die  dasige  Congregation  mit  allen  Herrlichkeiten 
und  Gütern  nach  Schönau  transferiert  worden."  Diese  amtliche  Darstellung 
aber  findet  ihre  Ergänzung  in  der  bei  Wenck»)  aufbehaltenen  anderen  Re- 
daktion^ die  so  lautet:  ^Die  Mönche  zu  Schönau  tragen  sich  mit  der  Tradition, 
Ton  der  auch  Textor  wusste,  dass  Druthwin^  nachdem  er  von  der  Besiugung 
aer  Feinde  bei  Coblenz  auf  sein  Gut  Strüth  zurückgekommen,  auf  der  Jagd 
BQ  aeinem  eigenen  Hofmann  ohne  Vorsatz  seie  verwundet  worden  und  zwar 
an  oben  dem  Orte,  wo  it^t  der  hohe  Altar  der  Kirche  zu  Schönan  stehe; 
Druthwein  habe  also  in  den  drei  Tagen,  die  er  noch  gelebt,  verordnet,  von 
meiner  erfochtenen  Beute  an  ebeji  dem  Orte  ein  Kloster  aufzubauen.  Die 
Scbooauer  wollen  diese  Erzehlung  noch  mit  einer  besonderen,  der  Deduktion 
t.  »Kettnng*  u.  s.  w*]  nicht  angedruckten  Urkunde. . .  bestärken.** 

Wird  man  nun  auch  billiger  Weise  zugeben  dürfen,  daas  der  erste  dieser 
beiden  Berichte  möglicherweise  ein  Auszug  des  volleren  zweiten  ist,  so  geben 
beide  doch  zu  erkennen,  dass  sie  nicht  Vorgänger,  sondern  Nachfolger  des  von 
un«  bitther  behandelten  lateinischen  sind;  und  dass  sie  eine  stillschweigende, 
nicht  zu  de3«en  Oun&ten  lautende  Kritik  seines  Schlusses  darstellen.  Man  stiess 
«ich  Äü  die  bereits  von  uns  oben  gekennzeichneten  UDglaublichkeiten,  verbesserte 
ite  aber  nicht  etwa  aus  der  Geschichte,  sondern  tauchte  munter  den  Pinsel 
in  denselben  Farbentopf  der  Erfindung  wie  der  Vorgänger,  nur  mit  mehr  Oe- 
ftehmaek,  besser,  mit  mehr  Berücksichtigung  der  kritischer  gewordenen  Zeit. 
Zwar  auch  jetzt  w  erden  noch  nicht  die  Feinde  Trutwin'a  genannt,  aber  wenigstens 
der  Kampfplatz  bei  „Coblenz.**  Der  hussliche  Meuchelmord  wird  beseitigt,  wie 
irung  mitten  im  Triumphgefühl  seines  Opfers,  der  unbekannte  bos- 
Bticulus*'  wird  zu  dem  freilich  auch  nicht  sehr  viel  bekannteren  Strüther 
Y  Hufmann '^y  der  auf  der  Jagd  das  Unglück  hat,  seinen  Herrn  mit  einem  Pfeile 
la  verwunden.  Der  Getroffene  hat  dann  noch  ganze  drei  Tage  Zeit,  die  Stift- 
■tlg  des  Klosters  Schönau  vorzubereiten.  Dass  damit  keine  wirkliche  Ge- 
«chichte  geschaffen  sei,  hat  gleichwohl  niemand  besser  gefühlt  als  das  Kloster 
\  indem  es  seinen  Rechtsanwalt  ein  bescheidenes  „aoU*  in  die  Erzählung 


diese  Veränderung  der  ursprünglichen  ^Legende**,  von  der  neben- 
bei bemerkt  das  Kloster,  „nach  denen  Legendis  von  S.  Florino**  des  eigenen 
Bariehts  zu  schliessen,  mehrere  Ausgaben  gehabt  haben  muss,  stattgefunden 
bft  unschwer  festzustellen.  Sprachen  wir  schon  von  der  kritischer  ge- 
[>rdeQen  Zeit,  so  können  wir  diese  nun  mindestens  ans  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts hinausrücken,  wenn  nicht  in  den  Anfang  des  18.  Die  alte  Legende 
Bimlich  genau  bis  zur  Zeit  zwischen  1613  und  1629')  vorgehalten,  ids  das 
ater  eilno  Erneuerung  erfahren  und  damit  die  gereimte  Erzählung  ^in  ve»tilmla 


^^ti  «iod  uoch  citjirial  berührt  S.  401  datelt«t*  ^  *)  Bint  Al>h.  t,  50,  Aiun.  6« 
!  tu  «DU,  Annal.  IS.  37. 


llß 


templi  oben  an  der  Mauwero*^^)  verschwundQU  und  „aiugulari  etudio/  wie  l'Ie- 
han")  behauptet,  nicht  wieder  eraeuert  wordeu  ist.  Nun  aber  musste  mau  docfc 
minileateos  eiu  Menschenalter  verötreicheu  lassen,  bis  man  die  Veränderung 
der  alt-  üud  allbekannten  Trutwin'acheD  Mordgeachichte  wagen  durfte,  die  Dan 
der  deutsehen  Reime  überhaupt  nicht  so  leicht  auszurotten  war.  Das  Eude* 
de«  17»  Jahrhundertö  wird  demnach  eine  nicht  zu  späte  Änderuogazeit  genannt 
werden  dürfen. 

Diese  vielbesprochene,  gereimte  Erzählung  aber,  zu  der  wir  uns  entgegen 
der  Zeitfolge  nun  erst  wenden,    weil  sie  zu  dem  Alten   ein    völlig  Neues   fugt, 
bedarf  trotz  der  ihr  bisher  gewidmeten  Sorgfalt  eine  eingehendere  Besichtigung, 
Auch  von  ihr  müssen  wir  uns  zunächst  einen  Abdruck  erlauben,  ob  wir  deren 
gleich  vier  besitzen*),  da  wir  die  Wiederherstellung  des  ursprünglichen  Texte«! 
an    verschiedenen  offenbar   verderbten   Stellen    des  jetzigen   zur  Rettung   nicht! 
bloss   der   reimerischen,   sondern   auch  geschichtlichen   Ehre   seines  Verfassers^ 
vorzuschlagen  haben*     Wir  lesen  unter  Zugrundlegung   des   sich  in   der   That 
als  älteren  ausweisenden  Widmannsehen  Textes  folgendermassen : 

1.  Ich  hab  mich  des  billich  vermessen 

Ehr,   Lob  vnndt  Preiss  nicht   vergessen 

Von  Dreyen  adeler  wohl  erzogen 

In  einem  Nist,  ist  nicht  erlogen, 
5,  Was  Diese  Drey  brüder  han  gestifTt, 

Bin  ich  erfahren  wohl  durch  ihre  schrift; 

Alpertus*),  verstehent  mich  auch  recht, 

Ein  Bischoff  zu  Meintz  vnndt  Gottes  Knecht, 

Dudo  zu  Lippurg,  eyn  seltzem  Ding, 
10,  Das  man  izundt  Nenndt  vff  dem  Rinck, 

Da  wähnten  eins  Ritter  vnndt  Knecht, 

So  izundt  Da  wohn  Azelln  vnndt  Specht, 

Truthwinus  diss  lants  recht  patron 

Von  Lureoburch  der  edel  baron, 
15.  Ala  der  mitt  recht  hat  bezwungen, 

Die  feindt  alle  vberrungen^) 

Dar**)  sähe  man  nuhn  billich  vnndt  oben 

Sein  Herz  in  frewden  schweben; 

Aber  seyn  freyer  Kühner  muth, 


')  Ebenda  36.  Hiernacb  ist  die  Bemerkung  „auf  einem  AltArblatte  in  def  Kirche  tn  ' 
Bchunau  geschrieben**  bei  Roth,  Die  Yisienen  der  hl.  Elisabeth,  VIL  zu  beoieBseAt  der  darb 
schon  Besseres  aus  Kremer  I^  278  hätte  wissen  dürfen.  —  ^)  Ebenda  37.  —  ^)  Yoii  171^ 
bei  Kremer,  Orig.  2,  379  ff,,  von  1837  bei  Niklas  Vo^t,  Eheim  Geschichten  und  Sa^n. 
Fniiikfiirt  a  M.  2,  878  ff.,  von  1866  bei  Schliephake,  OesoL  Nassaufl  1,  195  f.  und  von  1884 
\m  Widmanii,  Annd.  18,  84  f.  —  *)  fiewuhnliche  Lesart:  ,,Rupertu8",  —  ^)  Oewöbnlichor 
Text:  „vberwunden";  ,,vberrungen**  aber  s.  belLexer,  Mhd.  Hdwbch.  2,  1651  =  überwinden; 
vbivr  ist  dabei  md.  —  *)  Kremer,  Sohliephake,  Widmann:  ,^da8*';  Vogt  richtiger  „da";! 
,,dar'*  för  „da**  noch  bei  Lohenstein  (f  1683)  s.  Weigand,  Deutsches  Wörterbuch,  Gieasen  1873, 
1^  8üL 


117 


I 


20.  Den  er  Drug  vndor  sein  cm  oissea  llut, 

Was  in  ihoi  nicht  Lenger  Daureu*), 

Das  geschähe  Durch  eioen  Bawreu, 

Der  macht  sich  halt  vff  die  Strassen, 

Seynen  Zorn  wolt  er  nicht  LasBcn, 
25.  lu  einem  Pusch  lag  er  verborgen, 

Er  wacht  den  Abent  und  morgen 

üf  die  Zukunfft  dieses  baren*) 

Des  Dott  er  Hatt  hart  geschwarcn/**) 

Da  Kham  geritten  enndtz eilen*) 
30.  Tnithwin  mit  seinen  gesellen 

Zu  Sfrrüdt  Hie  auf  Dieser  fardt, 

Da  derselb  bawr  auch  auf  ihn  wardt, 

Er  schoss  den  Graffen  vff  dem  Pfcrdt, 

Das  er  zu  Dodt  Stürtzt  vff  die  Erdt» 
35.  Die  Stath  der  Graf  auch  mercket  eben, 

Dieweil  er  noch  hat  das  Leben; 

Er  was  dem  geistlichen  Leben  holt, 

Er  schätzt  ailber,  vnndt  auch  sein  golt, 

Schonaw  ein  Kloster  vff  der  Stadt 
40.  Stifft  er,  Da  er  durchschossen  wardt. 

Selig  was  dar  Graffe^)  Truthwin, 

Den  Heiligen  Patron  Sant  Florin 

Vber  all  sein  guth,  gült  auch  Kcnth 

Lrbt^  er  in  seinem  letzten  testament. 
45.  Mann  Schreib  Datum,  sag  ich  furwar, 

Dausend  Hundert,  Zwantzig  sex  Jar. 

Zur  Verteidigung  der  von  uns  vorstehend  versuchten  Besserungen  haben 
wir  nicht  bloss  daraufhinzuweisen,  dass  dieselben  einen  besseren  Sinn  hersteilcu 
and  dem  Misstand  abhelfen,  dass  vier  Verse  nicht  einmal  ordentlich  dureli 
Assonanz  reimen;  wir  meinen  auch,  durch  den  Umstand  dazu  berechtigt  ge* 
Wesen  zu  sein,  dass  der  hergebrachte  Text  nur  auf  späten  Abschriften  einer 
Abschrift  beruht,  deren  Schreiber  sich  entweder  nicht  mehr  in  das  ältere  Deutsch 


()  GenitiT  des  hier  zam  erstenmal  im  äiteren  Hhd.  vorkommenden  Wortes.  Ver^l. 
Orimm,  Deutaches  Wbch.  2,  839 ;  Weigand  1,  309.  —  ')  Gewöhnlicher  Text:  „Graffen*;  bei 
teltm eller* Fromm ani),  Baver.  Wbch.  Stuttg.  und  Tüb.  1872,  1»  2ö3:  „Was  tat  der  hoHi- 
gtabom  bar,  swen  er  daz  wart  gewar."  Vor j^K  Graf f,  3,  153;  2,  741,  Grimm,  Reclitaaltcr- 
tiner  810.  Deutache«  Wbch.  1,  1139.  Lexer  1,  126. —  •)  Gewöhnlicher  Text;  „geschworen"; 
abir  „f«ich waren'*  s.  Lexer,  2,  1363.^*)  Wie  bei  Vogt,  und  ist  mhd.  ^^enselen**:^ einzeln; 
4h  Leaart  der  Anderen  „Tnndt  Zellen**  ist  einfach  ünainn;  und  die  Annahme  Widmanns 
„larütett  aud  gezeHen'*  d.  h-  ^,den  Paaa  gegangen**  ist  darum  unhaltbar,  weil  da«  Tart,  heisacn 
«(bite:  geleitet,  wenn  überhaupt  ^^zellen**  für  „zelten**,  „zclden",  „zeltenen"  TOrkam  Vcrgl, 
Lex0r  8,  1055.  —  ■)  Widmann:  „war  daa  Graffen/  wag  keinen  Sinn  gibt  und  gegen  den 
ikvifcn  Gebrauch  unser  es  Reimen  ist,  der  immer  „waa''  fQr  y^war**  aagt  Beaaer  daher  Vogt: 
^wu  ^m  Graff«'.**  —  "l  Naa».  Mundart;  erben  =  zum  Erben  einii^t^n,  tt.  Orimm ^  Deuteohea 
WM«  S,  711»^  auch  mhd.t  s.  Loxcr  1^  612. 


US 


tiüdeu   koDUtü   und   daher   nur  den  Siim  wiedergab   oder  UnsiDU  schrieb,   öX\ 
aber   die  schadhaft   gewordene  Schrift  an  der  Wand  (schadhaft  vermutlich  tai^ 
meist  an  den  äusseren  Rändern,   welche  die  Reime  enthielten,)  nicht  mehr 
lesen  vermochte  und  sich  daher   aufs  Raten   angewiesen  sah.     Stand  doch  d\i 
Schrift,    als  Lösch^)  1590  sein:    ^Ist   bis  uf  anno    1590  Da  Schönaw   gestii 
worden  464  Jar*^  unter  die  Abschrift  setzte,  ungefähr  80  »Tahre^)  schon  an  de^ 
Wand,  die  wenige  Jahre  vor  1634  mit  der  Kirche  einer  Erneuerung  benötigt  war.*) 
Die  Verantwortung  wegen  des  tieferen  Einschnittes  in    den  Text,    den  w'iv  mi% 
„  Alper  tu  s*' vollziehen  muasten,  haben  wir  erst  vorzubereiten  mit  der  BeurteiluBj 
des  Inhaltes  der  Reime,  zunächst  mit  der  Wiederaufnahme  der  von  Widmaon 
mit  so  grossem  Geschick  beinahe  zum  Abschluss  geführten  Untersuchung  ubef 
die  Abfassung  unserer  Knüttelverse.     Es  wird  uns   das  gleichzeitig  Auföchlu«»* 
über  den  Zweck  derselben  bieten. 

In  dem  von  der  ^ Rettung*^*)  beigebrachten  Bruchstück  aus  den  flAnnaHbuf 
Schonaugiensibus    sub  A.  1506"*    lesen    wir   von    einem   zwischen   dem   Manns^ 
und  Frauenkloöter  über  Waldbenutzung  entstandenen    ziemlich   hitzigen  Streit 
der   eine    „dieta  pro   huiusmodi  rixa  consopienda'^   nötig  machte.     Die  Kloster^ 
frauen,  angeführt  von  ihrer  „Domna**  aus  gräftich  nasaauischem  Blute  und  ge 
stützt  auf  die  gniflichen  „patronos  suae  usurpatae  libertatis",  brachten  bei  diese 
Gelegenheit  vor,  dass  ihr  Kloster  vor  dem  Manuskloster  gegründet  worden  se 
und   ihnen   deshalb    die  Yorherrachaft  gebühre.     Die  Klosterbrüder   aber   ent^ 
gegneten,   dass    Trutwiu   auf  ilirer  Stätte  getütet  worden,   die  Versetzung  de 
Brüder  von  Lipporn  nach  dieser  hierauf  zufällig  erfolgt,  die  Stiftung  also  keine 
neue,  sie  darum  die  ersten  auf  dem  Gebiet  gewesen  seien.     Die  vorgewiesenen 
Exemplare  der  Gründungsschriftstucke  machten  nach  langem  Hin  und  Her  dein^ri 
Streit  zu  Gunsten  der  Mtmche  ein  Ende,*)  ^^ 

Nehmen  wir  zu  dieser  Nachricht  die  andere  hinzu,  dasa  um  dieselbe  Zeit 
die  Klosterkirche  in  Schönau  umgebaut  worden  ist  von  dem  am  14.  Dez.  151( 
vei*storbenen  Abte  D.  Joannes  Schwelm"),  so  liegt  nichts  näher  als  anzunobmcaj 
dass  von  demselben  Abte,  der  wohl  auch  der  Reimschmied  war,  genau  zwischen 
1506  und  1510  die  Verse  an  die  Kirchen  wand  gekommen  sein  müssen  zu  einen 
beständigeu  Zeugnisse  für  alle  die  Klosterkirche  Besuchenden,  dass  dem  Kloste^ 
die   Ehre   der   Trutwinstiftung   gebühre.     Es   mussten   eben   Verse,   und   diesfl 
mussten  deutsch  sein,  und  ein  entsprechendes  Gemälde  mussto  zu  ihrer  augenJ 
scheinlichen  Erläuterung   dienen,   dass  allen  Klosterbesuchern  der  dem  Kbdteij 


*)  Widniann  35,  —  »)  Ebenda.  —  ^)  Ebenda  37.  —  *)  S.  86  f.  —  *)  Der  WoiÜäu 
hi  dieser:  ^jRursum  friTolo  [moniaies]  objicumt,  earura  MoiiBÄtorium  (verius  autem  Clausoriun 
fundatum  füisae  ante  noetruin  Mouasterium,  ideoquo  ad  ipsaa  praedoniinftUoneni  rcspicero  jUqut 
conoernoro,  nee  recolentes,  quod  Druthwino  hoc  in  loco  necato  sie  translatio  fratrum  de  Lippor 
huTic  ad  looum  ox  conttogenda  facta  o»t,  non  autem  fundatlo  nuva,  erjc^o  eranius  prius  tu  hU 
Territoria;  sioque  reBpon»uiii  est  Poitrenio  ubi  negotium  istud  Titioßum  ab  utrisque  parübu 
uliquaiidiu  v^ntilahim  fuemt^  twndem  produotis  lecti?que  copiifi  üttorarum  fundationis  in  pala 
ümnibuB  Monialium  vel  Nounarum  temeranus  succubuit  conntus/*  —  Laut  Du  Cungi}*Hpnßehß| 
2,  590^  iflt  tiüopia^'  excmpluni  acripti  Tc|>(tiiot6itr>u  aive  originalin,  was  hier  um  so  näher  lii»gt, 
da  die  Mönche  doch  nur  mit  Originalscbriften  etwas  beweieen  konnten.  -  *)  W^IrMann 
und  BiicelinuSj  Qermania  top.  chron.  stemmatu^raph.  Aug,  Tind*  1662,  4^^  180' 


tI9 


wichtigt»  Thatbestand  fiir  immer  eingeprägt  werde,  —  eine  Absicht,  die  so 
ndlich,  wie  wir  oben  bereits  andeuteten,  erfüllt  worden  ist,  dass  noch  heute 
die  Kunde  davon  im  Yolke  lebt  und  diese  nebenbei  bemerkt  eben  jene  sog. 
Sogs  darstellt,  der  seit  Wagner  eine  solche  Wichtigkeit  beigelegt  worden  ist^), 
ala  sei  sie  ein  selbständiges  Erzeugnis  geschehener  Dinge  neben  den  schrtft* 
Uehcu  Berichten  her. 

Dürfen  wir  aber  mit  Fug  daa  Bild*  und  Reimwerk  an  der  Scbonauer 
Kircfaenwand  den  Vorgänger  der  „Rettung**  von  1753  nennen,  so  haben  wir  in 
dieaem  nicht  bloss  den  Ausdruck  des  ehrlichen  Ülaubens  und  Reehtsbewusstseinis 
dea  Klosters  im  Unterschied  von  seiner  bewussten  Zusatzdichtung  zur  Legende 
Florin*i  zu  erkennen^  sondern  dürfen  auch  überzeugt  sein,  in  ihm  den  Auszug 
alles  dessen  vor  uns  zu  haben»  was  das  Kloster  an  ihm  rechtskräftig  erscheinenden 
Boweiscu  für  seine  Gründung  besass,  mit  anderen  Worten,  den  Auszug  aus  dem 
ihm  auf  der  Tagfahrt  von  1506  vorgebrachten  und  vorgelesenen  „copiis 
rarum  fundationis**,  —  ein  Beleg,  im  Vorbeigang  gesagt,  dafür,  dass  nicht 
der  bekannte  Sündenbock  in  diesen  Dingen,  der  dreissigjährige  Krieg,  das 
Klosterarchiv  seiner  wichtigsten  Urkunden  beraubt  hat^),  noch  auch  etwas  von 
ihnen  zu  Mainz  sich  finden  kann.^)  Eine  absichtliche  Dichtung  des  Klosters 
Jüerbei  muss  schon  um  deswillen  ausgoschlossen  erachtet  werden,  dass  es  von 
len  auf  der  Tagfahrt  anwesend  Gewesenen,  namentlich  von  den  ihm  auf  den 
Dienst  lauernden  Nonnen  im  Falle  eigener  Erfindungen  des  Betrugs  geziehen 
erden  konnte. 

Das  vom  Kloster  Vorgebrachte  scheidet  sich  nun  aber  deutlich  in  drei 
Teile.  Den  einen  mittleren  Teil  (V.  13 — 44)  erkennen  wir  sofort  als  gereimte 
ie^lergabo  hauptsächlich  des  Endes  der  ^miracula  s.  Florini  in  frantia  gesta.** 
e  Zuthaten  des  Reimers  beschränken  sich  lediglich  auf  unschuldige  Aus- 
ftchmückungen  seiner  Vorlage;  sonst  ist  er  von  so  sklavischer  Treue  gegen 
diese,  dass  er  z«  B.  selbst  das  „coUigens^  derselben  mit  „schätzt*^  =  sammelt^) 
ebt. 
Der  andere  oder  Schlussteil,  den  wir  hier  vorausnehmen,  weil  wir  seinen 
Inhalt  zur  Erklärung  des  folgenden  benützen  müssen,  wird  von  der  Datums- 
angabe gebildet  und  beruht  offenbar  auf  einer  im  Kloster  vorhanden  gewesenen 
iUiercu  Aufzeichnung,  sei  diese  auch  nur  über  der  Klosterpforte  eingemeisselt 
gedacht,  da  wir  auch  ausserhalb  desselben  auf  deren  Kenntnis  stossen.  Ho 
hftt  der  schon  vorhin  genannte  Pfarrer  M.  Joh.  Plebanus,  der  von  1606 — 1618 
b  dem  benachbarten,  Schönau  unterstellten,  Welterod  amtierte,  nach  den  Mit- 


^  AnDid.  1,  2,    197,  Vogel,  Besehr.  287,  Schliephake   1,   100,  Widmanti  31;  ein 

imlwlnindt»!!  aber  vor  ihnen  schon  Reinhard,  Jurist  und  bist,  kleine  AuÄfuhrungen,    Cik'aaeo 

1747,  ;i.  105^  wenigstens  in  Be^ug  auf  die  Burg  »,Löpeni",  —  l>ic  Rchweizerische  Herkunft  der 

Jlerm  von  Luppern**  findet  schon  bei  Sohlicphake   genügende  iieleuchtuug.     Doeh  hat  dies 

oth  nicht  »bgehalten,   dietselbe  frischweg  Aufs   Neue   jtu  ln^Kn«iiten,   Viaronen    X- 1    D*ä  Ün- 

ifvliohste  in  dieser  Richtung  hat  er  iuilcsnen^   uobonbei  benii^rkt,  8,  YIII  geleistet,  indem 

trtbi«o  rt^'  ^'"8  Tuuto"  mit  unserem  Tuto  verkoppelt  und  diesen  dann  van  1089  — 1 117  eine 

(.         I      i>  mit  Sehaffhansen   spielen   tüsat,  dass  man  seinen  Augen  nicht  traut.  ~ 

0  JL^ittmg*'  u.  9.  w.  mb,  Widmann  42.  —  *)  „Rettung**  2,  Anm.  —  *)  Lexcr  2,  673, 


120 


teilungen  Widmauna*)  aus  zweien  seiner  Berichte  vou  1613  und  16^4  neben 
dem  wohl  nur  irrtümlichen  Jahre  1121  zweimal  das  Jahr  1126  als  Gründungs- 
zeit  Schönaus  und  wohl  auch  Todesjahr  Trutwins  bezeichnet  Seine  Angabe 
ist  für  uns  um  so  bedeutsamer,  als  er  uater  dem  ^der  evaDgelischeu  Lehre 
zugethanenen  Abte*^  Lorichiua  (f  1613)  Gelegenheit  genug  gehabt  haben  wird, 
sich  genaue  Kenntnisse  aus  dem  Klosterwissen  zu  verschaffen.  Ebenso  be- 
deutsam erweist  sich  die  kurze  Nachricht  bei  dem  gleichzeitigen  Textor*): 
^Trudewin  ist  im  Jahre  1126,  da  jetzt  das  Closter  Schonaw  ligt,  erschlagen 
worden.** 

Der  dritte,  in  Wahrheit  erste,  Teil  endlich  enthält,  wie  V,  6.:  „Bin  ich 
erfahren  wohl  durch  ihre  schrift"^^)  klärlich  dartliut,  —  wir  können  diese  nüch- 
terne Wahrheit  den  Schwärmern  für  die  „Sagen  und  Lieder  der  nassauischou 
Heldenzeit '^  seit  Vogt*)  nicht  ersparen  —  den  Auszug  aus  den  noch  heute 
uns  vorliegenden  Urkunden  nach  der  Deutung  des  Klosters,  und  eben  deshalb 
Wahrheit  und  Dichtung!  Diese  bereits  von  der  y,Rettung*'^)  fehlerhaft  abge- 
druckten Urkunden  sind:  1)  die  undatierte  aus  den  Jahren  zwischen  1102  und 
1124,  laut  welcher  „Tuto  de  Lurenburg  advocatus  lietprunin  locum  ipsum 
in  comitatu  Luduvici  situm  cum  omnibus  bonis  ad  ecclesiam  illani  pertinentibus** 
dem  „SchafiTImseDsi  monasterio"  übergiebt,  und  2)  die  vor  dem  13.  September*) 
1132,  in  welcher  Adelbert,  Erzbischof  von  Mainz,  bekundet,  dass  ^Ruobertus 
de  Luoronburch",  sein  ,,cognatus",  das  „monasterium  Sconoue  in  predio  buo 
fundatum*'  dem  Erzstifte  Mainz  übergeben  habe. 

Aus  der  ersten  erwächst  uns  zunächst  „Dudo  zu  Lippurg*  (Y.  9).  Aller- 
dings „eyn  seltzemDing*^,  nur  in  anderem  Sinne  als  dem  des  Bruders  Versmachc 
wenn  man  erwägt,  dass  dieser  klärlich  den  geschichtlichen  „Tuto  de  LureB 
bürg"  aus  einem  Vogt  der  Kirche  zu  „Lietprunin"  mit  seioen  Brüdern  zmn 
Herrn  von  Lipporn  macht«  während  doch  Trutwin  nach  der  Urkunde  nur  ein 
,jpredium  Lietprunin**  d.  h,  eben  dort  besessen  und  der  Kirche  des  Ort^  ge- 
schenkt hatte,  der  Ort  selbst  aber  so  wenig  Eigentum  der  Laurenburger  war, 
dass  er  noch  1361  als  gemeinsamer  Besitz  der  ^ Vierherrn"  erscheint^},  wie 
Strüth  und  Welterod,  allerdings  nur  in  dem  Sbne,  dass  die  Vierherrn  daselbst 
bloss  Gerichts-  und  Centherren  waren,  während  Schönau  das  Hubengericht  über 
sie  in  späterer  Zeit  besass.^)  Es  kommt  das  aber  offenbar  aus  demselben  Miss- 
verstand des  Wortes  ^locus**  der  Urkunde  her,  den  sich  auch  die  ,|RettuEg**) 
hat  zu  Schulden  kommen  lassen  und  den  bereits  Krem  er***)  ausführlich  klarzu* 
Htelleu  bemüht  war,  ohne  dass  freilich  Roth  sich  davon  abhalten  licss,  ihn  zu 
erneuern.^ ^)    Der  gute  Bruder  verstaud  unter  „locus"  den  Ort  Lipporn  selber, 


I 


*)  8.  Se  f.  —  »)  Nftszawiache  Cbroiiiok.  Herborn  iei7,  56.  —  =)  Mit  riclitigem  Geftthl 
haue  Widttiauu  diesen  Vers  gesperrt  drucken  lussen,  aber  „il»'*^**  *1*  i-  ^^^  ürkuDdenateUer 
jjScbrifk"  mi^skeDnend,  S.  41  gonieint:  „Dcnuiaoh  hatte  der  Sohrdber  der  deutschen  ßcinie 
noch  ©ine  andere  Vorlage  ah  die  „Legende'*,  d.  h.  abcrlioferte  schriftliche  Erruhlung,"  — 
•)  Rhein.  Gesch.  und  Sag.  2,  373*  —  *)  Beyl,  K  und  IIL  Kreniefi  IL»  151  f.,  158  fl'.  (lotzU»re 
aU6  Gudoni,  Cod.  dipl.  IJO.)  SohUcphake  1,  196  f.  und  198  f,  Bauer,  Nass.  ürkb.  l,  127  f. 
—  *)  ,^Naoh  Massgabe  des  Regicrungsjahres  des  Königs,"  Sauer  a.  a,  O.  127.  —  ')  Anuftlen 
23,  69.  83  f.  —  ')  „Rettung*'  35  ff.  und  45.  —  T  8.  5  f.  —  '^)  Orig.  T,  305.  —  »»i  Die 
Visionen  der  hl.  Elisabeth,  IX. 


121 


zu  »einer  Zeit  freilich  dem  Kloster  gehurtü,  wiUircrj<l  nur  die  Kirche  mit 
ihrem  Zubehör  von  Qüteru  damit  gemeint  war,  wie  der  Zusammenhang  klar 
ergiebt  Weil  nun  Tuto  das  ganze  Dorf  verschenken  konnte  nach  des  Vera- 
kdaBllers  Annahme,  war  er  ihm  auch  Herr  von  Lipporn,  und  er  ward  bestärkt 
in  dtttem  Oedanken  durch  die  angebh'che  frühere  Burg  daselbst,  die  nach  den 
biahiir  nur  von  dem  Nichtfaehmann  Wagner  untersuchten  Resten  einer  King- 
maaer*)  aus  Bruchstein  und  Lehm,  der  berühmten  ^Burgschale*'  seit  Beinhard*X 
ühae  jegliche  Innenreste  freilich  nichts  weniger  als  eine  solche,  vorsichtig  ge- 
sprochen, gewesen  zu  sein  scheint,  obgleich  sie  in  dieser  Eigenschaft  die  tapferste 
Tcrteidigungsmannschaft  von  1525^)  an  bis  auf  den  heutigen  Tag  an  einer 
n  Reihe  Geschichtschreibero  gefaudeu  hat.*)    Doch  nein,  —  warum  nicht 

ich  diese  romantische  Mannschaft  zur  WafFenatreckung  zwingen?  —  nein, 
fliebt  die  angebliche  Burg  hat  den  Dichter  geschaffen,  sondern  der  Dichter 
die  schon  sprachlich  ganz  unmögliche  „Lippurg**.  Was  keines  ^jSängers  Fluch** 
jemals  niederzureissen  gehabt  hätte,  einzig  unseres  Sängers  kühner  Flug  baute 
das  ^soltzem  Ding,  das  man  izundt  nennt  \*  dem  Rinck*^  zu  einer  Burg  aus 
imd  belebte  es  mit  Rittern  und  Knechten,  indes  der  nüchterne  Sinn  des  Volkes 
des  Dichters  „Azelln  und  Specht"  in  den  Trümmern  eines  soviel  richtiger  von 
ihm  bezeichneten  alten  Volksbollwerks  wohnen  liess.^)  Was  aber  nutigte  den 
Schonaaer  Mönch  zu  dieser  völlig  freien  Dichtung  seiner  Phantasie  V  Offenbar 
die  Abeicht,  den  Rechtszusammenhang  zwischen  der  ehemaligen  Propstei  Lipporn 
und  der  Abtei  Schönau  stillschweigend  Ausdruck  zu  geben,  da  er  es  in  der 
Kr  die  Unterschrift  unter  einem  Gemälde  nötigen  Kürze  nicht  rund  brachte, 
der  Stiftung  von  Lipporn  selbständig  zu  gedenken.  Denn  wunderbarer  Weise 
ist  von  dem,  was  diese  „Drey  bruder  hau  gestifft*^  dem  Dichter  alles  ausser  der 
Btifkuiig  des  einen  Trutwin  in  der  Feder  stecken  geblieben,  wie  denn  der  Zu- 
mmtmiwihang  des  Ganzen  so  sehr  keiner  ist,  dass  ein  Abgrund  gähnt  zwischen 
den  »wei  ersten,  nur  als  Statisten  aufgeführten  Brüdern  und  dem  letzten,  dem 
tU  eigentlichem  Stifter  der  Löwenanteil  am  ganzen  Schönauer  Epos  wird. 

Kommen  wir  nun  aber  vor  dem  zweiten  zu  diesem  letzten  Bruder,  um 
den  Zusammenhang  mit  der  Urkunde  zu  wahren,  aus  der  der  Mönch  seineu 
Tuto  nahm.  Dort  ist  freilich  von  keinem  Bruder  Trutwin  die  Rede  und  wenn 
UOBere  Geschichtschreiber  recht  hätten,  so  wäre  das  auch  eine  Unmöglichkeit» 
Denn  ihnen  ist  es  ein  Trutwin  des  10,  Jahrhunderts,  Vogels  ,,Drutwin  I.*^,  eben 


')  Ton  der  jetzt  abor  nicbU  mehr  vorhanden  Ut,  Vergl.  LotÄ-Schneider»  Die  ßau- 
lUnkmiUer  des  Ref.-Bex.  Wieib^en.  Berlin  1800,  299.  —  *>  Jiir.  und  hlat  kl.  Ausf.  2,  105. 
—  •)  8.  die  wundersamen  Dokumente  ober  dio  Herren  von  Lopcrn  etc»,  die  auch  Textor  bo 
Irtati^rsig  wiedergiebt,  bei  Orlers,  La  g^nualogie  de*  illustre»  comte«  de  Nassav,  Leyden  1615, 
tat  M,  t  ff.  —  *}  Textor  32.  Tolner,  Historia  F&latina,  Fraiikf.  a/M.  1700,  183.  Reinhard 
B.  «.  O.  Vogel,  Beschr.  287.  Schliephake  1,  98  ff.  Widmann  33.  —  ^)  Der  Gemarkuogs- 
DMM  «fiiti^'  findet  sich  nach  K<*hrein  B,  528  auch  im  Qobieie  des  benaehbarten  Welterod* 
Wim  \m  ämm  von  Bleasenbach  bei  Kunkel.  Nach  Grimm,  Doutsehes  Wbeh.  7^  990  wird  da«« 
Wort  von  Erdw&llen  gebraueht,  bei  Forste  mann,  Die  deutsch.  Ortsnamen.  Nordlingen  1863, 
2,  nO  kommt  es  in  der  Bedeutung  ron  BefestigungÄWork,  bei  Bück,  OberdeutÄchoa  Flur- 
BtuUg.  1880,  S  219  ats  ninder  FTftgel,  auch  Ringmauer  vor.  Letiterer  Nam« 
elfiUtjg  im  Ntw«auischon,  vergl  Kchrciu  u*  a.  0*  502. 


,.  .«>..— .^ 


122 

der,  den  die  Schönauer  Zugabe  zur  Florinlegende  zu  nennen  scheint.     Nur  hat 
sich  dann   das  Merkwürdige  zugetragen,   dass  Tuto   von  Lurenburg,  der  Mann  i 
des  12.  Jahrhundorts,   indem   er  die  Propstei  Lipporn  für  seine  Seele  und  die  | 
seiner  „parentum",  ^Precipui   trutwini"    stiftet,   einem  Vorfahren   das  Denkmal ' 
gesetzt  haben  soll,  welches  dieser  nach  der  Legende  200  Jahre  lang  vergeblich 
gewünscht  hatte!     Hier   aber  haben  wir  nun  eine  wirkliche  Hilfe  an  unserem 
Schönauer  Barden.     Wir  empfangen   von   ihm   nämlich   einen   dreifachen  Auf- 
schluss  über  das  uns  Wissenswerte,  der  als  die  amtliche  Auffassung  des  Klosters 
seiüer   Zeit   mit    einiger    Sicherheit   die    Überlieferung   des   Klosters   überhaupt  j 
darstellen   wird.     Aus   den    bereits  besprochenen   Schlussversen  des  Gedichtes  j 
zunächst:    „Mann  Schreib  Datum,   sag  ich  furwar,  Dausend  Hundert,  Zwanzig 
sex  Jar",  gewinnen  wir  die  Gewisaheit,  dass  das  Kloster  seine  lateinische  Gründ- 
ungslegeude,   unbekümmert   um    die   groben  Zeitverstösse  ihres  Verfassers  itCb 
12.  Jahrhundert   verlegt,  wie  nach  unserer  Beweisführung   oben  der  Verfasser 
schliesslich   selber;    Trutwin   also   diesem  Jahrhundert  angehört,  ja  wo  möglich 
in  dem   bezeichneten  Jahre  gefallen  sein  soll.     Sodann  wird  unter  dieser  Vor- 
aussetzung klar,   daas   das  Kloster   in  den  ^parentes'^   der  Urkunde  genau  das  | 
sieht,    was    Du   Cange-HenscheP)    von    „parens**    als    „sanguiue    proximus, 
aguatus,  cognatus**  schreibt,  die  Blutsverwandten;  mitbin  der  siegesgewisse  Schluss 
Vogels*),  der  an  Schliephake*)  einen  so  warmen  Lobredner  und  an  Widmann*)  I 
und  Roth^)   bis  heute  so  treue  Gläubige  gefunden  hat,  der  Schluss:  ,|[n  einer 
Urkunde,  die  zwischen  1102  und  1124  abgefasst  ist,  zählt  Dudo  IV.  von  Lauren- 
burg, Vogt  von  Lichtborn^   den  Drutwin,  der  die  Kirche  von  Lichtborn  gestiftet  1 
und  dieser  Stiftung  sein  praedium  daselbst  von  seinem  Patrimonialgut  zugewandt,  [ 
ausdrücklich    unter   seine   Vorältern,   von  welchen   er   diesen    allein   anführet 
und  für  dessen  Seelenheil  vorzugsweise   sorgt.    Dadurch  stehet  die  Sache  über     ii 
allem  Zweifel  da!"  —  als  leere  Seifenblase  zerrinnt  und  Trutwin  als  Zeitgenosse  fl 
Tutors  erscheint^   der  sogar  zur  Zeit  der  Gründung  des  Klosters  Lipporn  noch  ~ 
am  Leben   war.     Denn   so   fasste   offenbar   der  Mönch  mit  seinem  Kloster  die 
Stolle  des  Tuto'schen  Stiftungsbriefes  auf,   wo  es  von  Trutwin  heisst:    „qui  de 
suo   patrimonio  istud  predium  Lietprunnin   quasi  deo  decimam  optulit  in  sacri* 
fioium**,  da  in  der  oben  mitgeteilten  Stelle  aus  den  „Annalibus  Schönaugiensibus* 
ausdrücklich   gesagt    wird:    ^Quod  Druthwiuo   hoc  in  loco  necato  sie  translatio 
fratrum  de  Lipporn  hunc  ad  locum  ex  contingentia  facta  est",  was  sich  durch* 
aus  deckt  mit  dem  von  Plebanus^)  erhaltenen  Berichte;  „Sic  olim  legi  in  anti-l 
quo  mauuscripto^) :  monasterium  S.  Florini   in  Sconaugia  Treverensis  Dioecosis 
fuudatum  est  a  Drutwino  Comite   de  Lurenburg  Ordinis  S.  Benedicti^)  in   pro- 1 


*)  5,  94^  —  ')  Beichr.  288.  —  "*)  1,  96.  Von  dorn  Urfipriiiig^e  des  Hfttisos  Nassau.  ^ 
Wieab.  1857,  54.  —  *)  Annal  18»  33.  i3.  —  *)  Di©  Visionon  Vm.  —  •)  Widmann  37. 
^)  In  wclelicm  wir  aber  nicht,  wie  Widmann,  die  die  Legendo  cntbaltende,  eondern  einol 
andere  Handschr.  mit  Aufzeichnungen  aus  der  Klostergcschichto  sehen,  da  die  Lege o de  nicht«  I 
von  dem  Hochaltar«  als  BexeichniiDg  des  Todeßortes  Tnitwins  erzählt.  AllerhöchÄlens  dlirftQ  | 
an  eine  andere  RezQUüioii  dorsolbeD  gedacht  werden.  —  *J  Dasa  dudurch  Trutwin  al»  Benc' 
diktiner  bezeichnet  sein  »ollC|  wie  Widmann  halbwegs  annehmen  möchte,  m  doch  woh!  duroh  j 
die  B^zeiohnung  ^^comefl^'  ausgetohlosaen«  ^^Ordinii  S.  Benedict]'*  gehört  offenbar  tu  ^moafl*f 
etcrium/* 


dHHüJHML^ 


123 

prio  fundo,  qui  Tulneratus  in  loco  ubi  summum  altare  stat,  satU  dotavit  locum, 
translaio  Prioratu  de  Lipporn  fedt  abbatiam  l^  —  Dasa  aber  Trutwin  auch  Bruder 
Tuto's  war,  das  folgt  unserem  Mönche,  wenn  er  es  nicht  aus  der  Überlieferung 
des  Klosters  hatte,  aus  der  Stelle  der  Urkunde,  wo  es  heisst:  ,si  ego  [Tuto] 
Tel  aliqnis  de  proxima  consangwinitatis  linea  succedens  advocatus.''  In  der 
nächsten  Linie^)  liegt  für  Tuto  der  Sohn  oder  Neffe,  in  der  gegenwärtigen  also 
der  Bruder. 

Nun  erst  kommen  wir  zu  dem  dritten  angeblichen  Bruder,  den  der  über- 
lieferte Text  ^Rupertus''  nennt,  wir  aber  Albertus  oder  Alpertus  lesen  za  müssen 
meinen.  Es  fuhrt  uns  das  zu  der  oben  angezogenen  Urkunde  von  1132,  in 
welcher  die  beiden  Namen  vorkonunen:  «comes  Ruobertus  de  Luorenburch^  und 
yAdelbertus  Dei  gratia  Moguntinus  Archiepiscopus  et  Apostolice  sedis  L^^atus.'' 
Indem  wir  aber  diese  Urkunde  allein  massgebend  sein  lassen,  brechen  wir  gleich- 
zeitig den  Stab  über  den  Versuch  Vogels  und  seiner  Nachfolger,  den  Rupertus 
des  überlieferten  Textes  ab  wirklichen  Erzbischof  von  Mainz  nachweisen  zu 
woDeUf  wenn  dies  überhaupt  noch  möglich  wäre,  nachdem  es  der  Text  und 
die  Geschichte  schon  längst  besorgt  haben.  Der  Text,  indem  er  mit  seinem 
ausdrücklichen  Jahre  1132  keinen  Mainzischen  Erzbischof  des  10.  Jahrhunderts 
meinen  konnte.  Die  Geschichte,  indem  sie  berichtet,  dass  jener  Erzbischof 
Ruprecht  von  Mainz  von  970 — 975  kein  Nassauer,  sondern  ein  Sachse  war.*) 
Ob  nun  aber  auch  ^Rupertus  verstehent  mich  auch  recht,  Ein  Bischoff  zu 
Meintz  vundt  Gottes  Knecht'  hüen  muss?  Wir  geben  zu  erwägen,  dass  unsere 
Urkunde  ron  1132  das  Kloster  Schönau  dem  Mainzer  Stuhl,  bezw.  dem  hL  Martin, 
d.  h.  dem  Mainzer  Dom  übergiebt,  dass  Schonau  nach  ihr  gehalten  war,  das 
Jahrgedäcbtnis  der  Ordination  wie  des  Todes  der  Mainz»  Erzbischöfe  zu  feiern, 
und  alljährlich  ^in  festo  beati  Martini'  em  reines  Sakramenttuch*)  auf  den 
Altar  der  Domkirche  ,in  memoriam  et  argumentum  quod  eins  coenobium  de  patri- 


')  JLinie  fCiiea)  heilet  die  fortUafeiide  Reihe  der  AbstomeBdeo."  Wetzer  ond  Weite, 
CrehcBlezikoiu  FreONir^  1856,  12.  1227.  —  ^  Daaut  dieser  IrriaB  etn  für  sOemAl  «ns  der 
■MA.  Gesciüdite  mageroiicc  werde,  bemerken  wir  hier  masdrileUieh,  daatTogel,  Beschr.  286, 
Aam.  2  seh  einei  icfaweren  Teneheu  fchnldi^  mseht,  wenn  er  all  Beleg  za  seiner  im  Text 
angefahrtes  Behaopning  schreibt:  .^oannis  SS.  Rer.  Mognnt  1.  447,  wo  aber  fiber  Mine 
\Empncka  Herknnft  mmr  M atauanngen  aitgeteilt  werden,  die  ihn  f&r  einea  Sachsen,  aber 
anrh  ffir  einen  Lothringer  aasgeben.*^  Joannis  sagt  1,  447,  2  ▼on  Rapertas:  ^JUaftri  apad 
Saxoaea  g»Aere  naxam  fmase,  ehronicon  tradit  magdebargeiiae  Bscr.:  Qao  [Hatmne]  poat  aanaai 
sahmeto  latfwiiiT  Rocbertns,  ex  nobOiafiaM  Saxonaa^  sieat  adhae  perspieaam  est  ia  his,  ^ai 
ex  eins  gencre  dcaeenderant.  et  primas  inter  principes  regni^.  8.  448  dagegen  widerlegt  er 
den  dritten  Irrca»  des  Coispilators  des  „¥icr.  annoris"  ait  den  Wonen:  ^TcniaB  faiase  Rapertaai 
hane  e  liochanagiae  IhKibBS,  cains  Baltae,  inqait  ideai  au.,  in  Spaabeia  hodse  aMmstnuKar 
At  peraiiieet  «OBpilat€»'  hie  S.  Bapertaai,  eaias  jitmm  üb.  U  d«di,  eaa  Arehiepf- 
hne  Raperto  aostro,  nt  ex  iOa  ipsa  tissl  in  qaa  etiaa  aano  aetatii  saae  XX«  aMirtaas 
daraa  «k  et  ex  äs,  qoa^  de  illo  Saaeto  plara  sparsit  la  SpaahsiaMaoi  cnmob  Tri- 
esc  Troczdea  kac^  ooch  Sehliepbake  1,  ^  achreibea:  J[>tn  Erzacahl  za  Xaiax 
kane  *m  Bapreeht,  über  de«i««n  HerkuzLft  man  lange  im  ünUaren  gewesen  ist,  in  den  Jahren 
laa  fiO— 975  'mDi-".:  —  *>  «^and&m  eorponle^.  «jaimlkh  ein  Taeh.  das  mal  Beiichang 
md  Las.  ti^  ^i  von  Leinwand  ^  and  daher,  weil  der  hL  LA  (Corpnsi  ^mnud  gdegt  wird. 
Cmpscafe  kaaar*.  Wetz«:r  ssd  Weite  2,  SM  1. 


124 

monio  sit  Bcati  Martini*^)  zu  liefern*  Sollte  unter  diesen  Umständen  woW 
denkbar  aein,  dasa  Schönau  die  ^series  archiepiscoporuni  moguntinorum*^  unbe* 
kannt  gewesen  sei?  Noch  mehr,  die  nassauischen  Klöster  hatten  doch  wohl 
alle  wegen  ihrer  örtlichen  Nähe  Kunde  von  ihrer  gegenseitigen  Gründung;  und 
da  sollte  es  Schönau,  dem  Mainziacben  Kloster,  wenn  schon  im  Triorer  Sprengel^ 
aus  dem  Gedächtnis  gekommen  sein,  das»  ein  Jahr  vor  seiner  Übergabe  an 
Mainz  dessen  Erzbisehof  Albertus  senior  das  Kloster  Eberbach  gestiftet  hatte^); 
derselbe  Erzbischof,  unter  dem  auch  Norbert  geblüht,  der  gewissermassen  geistige 
Stifter  des  1139  gegründeten  nahen  Praemonstratenserklostcrs  Arnstein!*)  Aber 
abgesehen  Yon  diesem  allem,  war  angesichts  der  vom  Kloster  als  Fundations- 
briof  erachteten  Urkunde  von  1132  die  Nennung  eines  Rupertus  als  Mainzischen 
Erzbiachofs  in  einer  üffeDf.Iichen  und  bleibenden  Kundgabe,  wie  dem  Gedicht 
der  Kirchenwand,  rein  unmöglich,  wenn  die  Mönche  sich  nicht  —  wir  sprachen 
schon  oben  davon  —  der  Gefahr  aussetzen  wollten,  einer  offenbaren  Fälschung 
bezichtigt  zu  werden.  Es  erscheint  demnach  als  zwingende  Notwendigkeit,  den 
überlieferten  Rupertus  des  Gedichtes  als  einen  Irrtum  des  Abschreibers  fallen 
zu  lassen.  Liegt  es  doch  gar  nicht  ferne  bei  der  Ähnlichkeit  des  jedenfalls 
nach  Gewohnheit  der  Zeit  gotisch  geschriebenen  „Ru-*  und  etwa  »AU-*  ein 
Versehen  anzunehmen,  wenn  man  nicht  will,  dass  der  Abschreiber  etwa  nur 
noch  ein  »pertus"  oder  ^bertus*  als  Kest  des  Wortes  vorfand  und  nach  seinem 
Gutdünken  ergänzte. 

Müssen  wir  aber  den  des  Versfusses  wegen  znm  Albertus  gemachten 
Adelbertus*)  der  Urkunde  au  Stolle  des  herkömmlichen  „Rupertus*  setzen,  so 
fragt  es  sich  nur,  wie  konnte  unser  Versmachor  diesen  für  einen  Bruder  Tutos 
oder  Trutwins  ansehen,  da  doch  ^Ädelbertus  I.  sivo  Albertus  I.  aut  senior *> 
wie  ihn  Joannis  aufführt^),  ein  Graf  von  Sarbrücken  war?  Wir  meinen  ein* 
fach  infolge  eines  Schlusses  aus  <[em  ^cognatus  noster*,  als  welchen  Erz- 
bischof Adelbert  den  Grafen  ^Ruobertus  de  Luorenburch**  in  der  Urkunde  be- 
zeichnet. Nun  ist  freilich  »cognatua"  zuuächst  dem  Lateiner  nur  der  Bluts- 
verwandte bn  allgemeinen,  aber  dem  Mittelalter  Übersetzung  von  ^ueve*,  was 
ebensogut  den  Schwester-  und  Brudersobn,  wie  selbst  den  Oheim  und  danach 
allgemein  den  Verwandten,  den  Vetter  bezeichnen  kann,")  Bezeichnender  Weise 
steht  darum  über  einem  Briefe  des  Schönauer  Abtes  Symon,  der  in  demselben 
von  Elisabeth   als   seiner  Muhme  (matertera)  redet:    ^Incipit   epistola   Symonis 


*)  Diese  Bedingungen  fehlen  freilich  in  den  beglaubigten  AbBohriften  der  ürk.,  welehe 
KasSRU  in  dem  Streite  mit  Scliönau  vorlegte,  wie  aelion  Kremer  2,  161  bemerkt  und  Sauer, 
Naes*  Urkb.  1,  127  wiederholt;  aber  freilich  nicht  mit  Hecht,  wie  denn  die  Behandlung  Schönau« 
«eitens  Nassaus  nicht  eben  die  säuherUchste  zu  nennen  sein  wird.  —  *J  Joannis,  Her-  Mogunt. 
I,  548.  Zatfl,  Beiträge  zur  Qesohiohte  des  Erzatifts  Mainx.  Wiesbaden  1880^  6.  Widmann, 
Die  Erbnchor  Chronik  des  ^fainz«  Erzstlftea  in  „Neue»  Archiv  der  GeficUschaft  für  ältere  deutsclu 
GeschicIitFikunde,'^  Hannover  1888,  13,  133.  —  *)  Vit«  Ludovici  bei  Kremer  2,  367.  Joannit» 
1,  541.  —  *)  Furatomann,  Altdeut»chcs  Namenbuch  1,  140  —  142  bietet  aus  der  ahd.  Zeit 
unter  anderen  folgende  Varianten  des  Namens:  Ädalberecht,  Athalbraht^  Adalbert,  Adelbreoht, 
Adolpcri,  Alpreobt^  Albert;  nhd.  Albert,  Albrecht,  AÜepraoht,  und  att»  Vorname  Adalbert.  — 
Die  vorhin  angezogenen  Mainzer  Chroniken  nennen  unseren  Adelbertus  nur  AlbertuR.  —  *)  1,533, 
—  *J  LcAcr  2,   *il;   auch  ahd*   novo  ^  nepoa,   sobriuus,   cognatus     ürul'f  2,  1052, 


I 


idi 


125 


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tognati  beate  Elizabeth  de  Scoaaugia  cenobio  do  ipsa  beata  Elizabeth!"*)  Was 
litoderie  also  den  Schönauer  Mönch,  aus  ^cognatus*^  eioeo  wirklichen  NefPeu  zu 
lOflichea?  Lag  es  ihm  doch  nahe,  so  am  besten  die  auffällige  Überga1>o  eines 
Trieri»ebeu  Klosters  in  Mainzische  Hände  zu  deuten.  Über  die  wirklichen  Ver- 
waadticbafltäverhultnisse  geben  ja  die  Er/.bischofsverzeiehnisse  keine  Auskunft. 
Und  es  ist  auch  bis  heute  nicht  einmal  versucht  worden,  den  Grad  der  Ver- 
waDdtschait  xwischeo  Erzbischof  Ädelbert  und  dem  Grafen  Ruprecht  von  Lau- 
retibtirg  festzustellen.*)  Ist  aber  Adelbert  Oheim  Ruprechts  für  den  Schönauer, 
dann  hat  er  auch  ein  Recht,  ihn  den  Bruder  Trutwins  und  Tutos  sein  zu  lassen. 
Damit  scheint  uns  der  Würdigung  der  Quellen  der  sogenannten  Scbönauer 
Sage  Genüge  geschehen,  und  wir  haben  wohl  nach  allem  Vorgebrachten  die 
Erlaubnis  zu  erklaren,  dass  fürder  das  Recht^  noch  von  dieser  «Sage*  zu  reden, 
Terwirkt  ist.  Was  als  Sage  seither  gefasst  werden  wollte,  hat  sich  uns  teils 
ab  mbsichtliche  und  dazu  recht  plumpe  Dichtung,  teils  als  verkehrte  Schluss- 
folgerung  aus  geschichtlichen  Thatsachen  entlarvt.  Nach  Abzug  beider  ergiebt 
sich  nur  folgender  geschichtlicher  Rest:  L  Trutwins  gew^altsamer  Tod,  2.  sein 
Uraden'erhahnis  zu  Tuto,  3.  seine  Beziehung  zur  Klostergriinduug»  Weiteres 
wird  sich  später  ergeben.  Und  es  ist  nun  unsere  Aufgabe,  au  der  Hand  der 
Geschichte  diesen  Rest  zu  bestätigen,  indem  wir  gleichzeitig  nachweisen,  warum 
IDAD  zur  Dichtung  oder  deutlicher  Geschiehtafalschung  griff  und  darum  nachher 
falsche  Schlüsse  ziehen  musste. 

Damit  treten  wir  in  den  zweiten  Teil  unserer  Untersuchung  ein,  in  welchem 
wir  den  Ausgangspunkt  von  einer  anderen  Gründung  dieser  Zeit  nehmen  müssen, 
die  ausserlich  besehen  nichts  mit  der  von  Schonau  gemein  zu  haben  scheint, 
Ton  der  der  Burg  Nassau*  Die  Notwendigkeit  für  diese  scheinbare  Abirrung 
wird  sich  indes  alsbald  ergeben. 

Wir  erfahren  aus  der  Randbemerkung  auf  einer  alten  Abschrift  des 
nassauischen  Teilungsbriefes  vom  Jahre  1255,  dass  das  „Caatrum  de  Nassau  er- 
bawet  an.  1101*  ist.^)  Wer  die  Erbauer  gewesen,  wird  nicht  gesagt;  wir  gelangen 
gleichwohl,  mit  Hilfe  zweier  Urkunden,  zur  sicheren  Kunde  ihrer  Namen.  Die 
erste  vom  Jahre  1159'*),   die  den  Lchnsvertrag  zwischen  Erzbischof  Ilitlin  und 


^)  S.  bei  Roth,  Die  Visionen  etc.  154.  —  '}  Aach  Scldiepliake  1,  137  Anm.  und  108 
begnOgt  sich  mit  der  Urkundenau^bc  ^Cognat**;  luiBere  Ermittolung  s.  unten.  —  ')  Reinhard 
«»«.0*3,  151.  Sohliephake  1,  IBU  Diese  Angabe  beruht  tVcilich  auf  falscher  Lesung. 
0(0  richtige  tautet  nach  des  letsteren  „Zusätzen"  1,  485:  ^Castrum  in  Nassau  erbawl  Ao.  1001.* 
Iwlei  dl#se  stellt  sich  als  offenbarer  Schreibfelilor  dar,  wie  Schliephake  treffend  nachweist. 
Bitlitig,  wenn  freilich  wohl  nur  annähernd^  kann  einzig  1101  sein  und  der  Schreibfehler  rCUirt 
Ttmitttljcli  daher,  dass  sein  Schreiber  ein  MC  Tor  Augen  hatte,  das  er  in  Gedanken  zu  100t 
niffiiatite^  statt  die  runde  Zahl  1100  zu  «chreiben,  die  ab  die  ungefähre  die  entsprcchendsto 
itin  wird.  Es  ist  deshalb  YoUkommen  angemessen,  dass  Seh liephake  die  falsche  Lesart  als 
die  annilhcmd  richtige  Angabe  aufrecht  erhüit,  vne  wir  hier.  Denn  für  fite  zeugen  die  Ur- 
kiiod^n  TOR  1150,  deren  Besprechung  1,  182  tf.  wir  nur  heisuftigen  haben,  dass  die  doppelte 
DiJ^tellung  der  Sachlage  einen  eigentümlichen  Zuwachs  erhält  durch  die  Worte  des  pfipst- 
Uiriieu  Schreibeiui  von  1154:    «^bona  eorum  de  Castro  Nnssow  et  oircum  positis  loois  —   —   vio- 

d^tioere  presumunt**.  —  *)  Sehannat,  Historia  wormat.  2,  78  ttV  Reinhard  2,  175  if, 
f«llfiBthtfttn,  UintoriatrevtreuBisdiplom.  1,  5S5a^  Sohliephake  1,  200  (f.    S.  18lir.   Daselbst 


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120 


dem  Hause  Laurenburg  wegen  Burg  und  Hofgut  Nassau  enthältj  berichtet,  üäss 
die  ^predecessores  ruoberti  et  arnoldi  de  Lurenburch**  auf  dem  der  Wormser 
Dorokirehe  gehörigen  Gebiete  die  Burg,  aller  Einsprache  derselben  ungeachtet^ 
erbaut  haben.  Die  andere,  der  Drohbrief  des  Papstes  Anastaäius  vom  Jahr  1154^)^ 
meldet^  dass  der  Vater  der  genannten  beiden  Grafen,  einer  der  .predeceflsore»*, 
deswegen  in  den  Bann  gethan  worden  und  darin  jählings  verstorben  sei»  Nun 
wissen  wir  aus  der  Lebensgeschichte  des  Grafen  Ludwig  von  Arnstein*),  dasB 
^Rupertus  et  Arnoldus*  Söhne  des  mit  der  vierten  von  den  sieben  Arusteiner 
gräflichen  Schwestern  vermählten  ungenannten  Nassauers  waren.  Anderseita 
hat  sich  uns  aus  dem  oben  gemeldeten  Wissen  der  Scbönauer  des  angehenden 
16.  Jahrhunderts  ergeben,  dass  Graf  Ruprecht  ein  Neffe  des  Grafen  Tuto  und 
dieser  ein  Bruder  Trutwin*s  war.  Trutwin  ist  also  ohne  Zweifel  Vater  Ruprecht« 
und  Arnolds,  wie  ihrer  Schwester  Demudis;  ob  mit  Tuto  auch  der  ^predecessor* 
beider,  werden  wir  weiter  unten  sehen.  Zu  dem  gleichen  Ergebnis  ist  nun 
zwar  auch  VogeP)  mit  seinem  Nachfolger  Schliephake*)  auf  dem  Wege  blosser 
Vermutung  gekommen»  Nichtsdestoweniger  aber  hat  der  von  uns  soeben  er- 
schlossene Trutwin  samt  seinem  Bruder  nichts  zu  schaffen  mit  Vogels  «Drut- 
win  IV/  und  „Dudo  IV/,  denn  der  von  ihm  für  beide  aufgerufene  Eintrag 
des  ^Liber  Tradit*  Blidenstat/*^  vom  Jahr  1076^)  kann  unsere  gräflichen  Brüder 
unmöglich  meinen.  Es  ergiebt  sich  das  aus  einem  Vergleich  mit  dem  Lebens- 
alter der  uns  bekannten  Arnsteinischen  Zeitgenossen  beider. 

Da  ist  vor  allem  Trutwin's  Schwager,  Graf  Ludwig  H.  von  Arnstein.  Von 
ihm  berichtet  die  lateinische  Lebensbeschreibung  seines  Sohnes,  dass  er  bei 
dessen  Eintritt  in  die  Jünglingsjahre  gestorben  sei^  wobei  bemerkt  wird,  dass 
er  ,ex  hoc  mundi  naufragio  brevis  hospes  evasit*,  also  eines  frühen  Todes 
verstarb.  Die  deutsche  Übersetzung  dagegen  behauptet  in  ihrer  einzigen  be- 
deutenderen sachlichen  Abweichung  von  der  lateinischen  Vorlage,  dass  der  Sohn 
beim  Tode  des  Vaters  drei  Jahre  alt  gewesen  sei.*')  Da  letztere  Nachricht 
wegen  ihrer  Bestimmtheit  auf  genauerem  Wissen  des  Übersetzers  zu  beruhen 
scheint,  und  überdies  zu  dem  frühen  Tode  Ludwigs  II.  besser  stimmt,  so  haben 
wir  Ursache  sie  gelten  zu  lassen.  Weil  nun  ,,nach  einer  Bemerkung  aus  dem 
Arusteiner  Kloster  Ludwig  HL  im  Jahre  1109  geboren  sein  soll**'),  so  darf 
man  das  Ableben  seines  Vaters  ins  Jahr  1U2  setzen.  Der  Todestag  ist  sicher 
der  28.  Mai.**)  Sein  Geburtsjahr  wird  demnach  30—40  Jahre  zuvor,  also  frühestens 
zwischen  1072  und  1082  anzusetzen  sein,  zumal  wir  seinen  Unterschriften  unter 


I 

I 

I 


wird  die  Abweichung^  ooserer  Urkuade  von  den  gleichzeitigen  der  Wormser  Kirche  genflgend 
gewilrdigt,  so  doBs  wir  sie  hier  nusser  Betracht  lassen  dürfen.  Für  1159  a.  Schlieph.  1,  190. 
»)  Hennes,  Oeschiohte  der  Grafen  von  Nataau.  Kiiln  1843;  1,  223.  Vogel,  ßeschr* 
300*  —  •)  Widmann,  Ann.  18,  247.  Kremer  2,  361  —  ')  BeBohr.  296,  —  *)  l.  155— 16L 
—  ^}  Beseht.  292,  Anm,  6.  Sauer  1,  55.  Schon  Bohliephske  1,  159  Anm.  hAtte  dies  er- 
kennen können,  wenn  er  »einem  Argwohn  gegen  Vogels  Annahme  weiteren  Raum  KOKt'ben 
hÄtte.  —  •)  Widmatta,  Die  Lcbenabesehr.  des  Grafen  Ludw.  111.  von  Arnflttsin.  Annal,  18, 
248  und  desselben  ,,Ka3s.  ChroniBten  des  Mittelalters/*  Wiesb.  1882,  19.  VergL  Sohlicp- 
hake  1,  158  f.  Vogel,  Besohr.  201.  —  ^)  Schliephake  1,  169.—  ")  Becker,  Das  Neero- 
logicuu  der  vormaligen  Praemonstratenser-Abtei  Arnstein  a.  d,  Lahn*  Wiesbaden  1881.  AnnaL 
17,  iie. 


^m 


127 


ITrkiincleii  nocb  zwischen  1105  und  1108  begegnen.^)  Nun  wird  er  ausserdem 
Leben  Beines  Sohnes  der  Versorger  seiner  sieben  Schwestern  genannt'),  wird 
k>  nicht  wohl  «1er  Jüngstgeborene  des  Hauses  gewesen  sein  und  schon  darum 
kaum  an  Jahren  verschieden  von  seinem  vierten  Schwager,  Trutwin  von  Lauren* 
bürg,  da  uns  dieser  nicht  als  Witwer  genannt  wird.  "Wir  haben  denmacli 
auch  des  erstereu  Geburt  nicht  vor  1072  anzusetzen,  und  die  des  jüngeren  Bruders 
Toto  selbstverständlich  noch  später. 

In  annähernd  dieselbe  Zeit  ist  die  Gemalilin  Ludwigs  11.^  Udilhildis,  zu 
rücken.  Der  Lebensbeschreiber  ihres  Sohnes  berichtet,  dass  sie  „longo  post 
eonversionem  filii**)  gestorben  sei.  Munch  wui*de  dieser  aber  1139*)  Da  sie 
steh  auf  ihre  väterliche  Burg  Odenkirchen  an  der  Niers  im  heutigen  Kreis 
Düsaeldorf  zurückgezogen  hatte,  und  in  dem  dem  jetzigen  vorangehenden  Dome 
tu  Köln  beerdigt  wurde,  so  vermutet  Fischer^)  nicht  mit  Unrecht,  dass  ihr 
Tod  erst  nach  1151  erfolgt  sein  möge,  weil  zu  dieser  Zeit  erst  Erzbischof 
Arnold  II.,  der  das  .oaBtellum  Odenkirchen*  für  Köln  erworben,  auf  den  Erz- 
stuhl gelangt  sei.  Wenn  Fischer  hinzusetzt:  ,Sie  muss  aber  auch  so  gar  alt 
noch  nicht  gewesen  sein,  weil  sie  über  einer  besonders  für  eine  Dame  beschwer- 
Uchen  Feldarbeit  und  zwar  die  sie  noch  zur  Abendzeit  verrichtet  hat,  krank 
forden  und  daran  nachher  gestorben  ist**'),  —  so  ist  das  jedenfalls  und  erst 
pht  für  eine  mittelalterliche  Frau  zuviel  gesagt.  Ihr  Erkranken  und  Sterben 
erklärt  sich  vielmehr  soviel  besser,  wenn  wir  sie  zu  dieser  Zeit  in  der  Nähe 
ilirea  siebenten  Jahrzehntes  denken.  Dies  ihr  Alter,  dürfen  wir  aber  gleich  hier 
hinzusetzen,  ist  nicht  bloss  zur  ungefähren  Bestimmung  desjenigen  Trutwins 
dienheh,  sondern  noch  vielmehr  massgebend  für  die  Lebeosdauer  der  ihr  uu- 
gefilhr  gleichalterig  zu  setzenden  Gemahlin  desselben,  welche  als  die  Mutter 
Ruprechts  und  Arnolds  in  dem  päpstlichen  Drohbriefe  nur  mit  dem  Anfangs- 
bochstaben  »B/  bezeichnet  wird,  die  wir  aber  in  der  ebenfalls  schon  genannten 
Urkunde  1159,  wie  später  entgegen  den  Behauptungen  von  B ro  wer  bis  Schi iep- 
hake  erhärtet  werden  soll,  Beatrix  genannt  ttnden,  und  demnach  als  hoho 
Siebeozigerin  zu  dieser  Zeit  annehmen  dürfen. 

Nicht  minder  bestimmender  Art  ist  die  uns  ganz  genau  bekannte  Lebenszeit 
Lildwigs  IIL  Denn  von  diesem  wissen  wir,  wie  oben  bemerkt,  dass  er  1 109 
gieburen  ist;  aus  seiner  Lebensbeschreibung  aber  erhellt,  dass  er  1185'),  mit- 
liia  alfl   76 Jähriger,   starb.     Wie   könnte   also  sein  Oheim  Trutwin    109  Jahre 


» 


•)  Togel,  Bescbr.  200,  ^  *)  Widmann  ft.  a.  O.  247.  Krem  er  2,  362.  —  *)  Wid- 
aa&n  «,  a.  O.  249.  Kremer  2,  364.  —  *)  Ebenda  254.  Kremer  2,  369.  —  *)  GeschleohlB- 
«igiflter  der  uralten  deutschen  reichBstilndigen  Hiluscr  Ifienburg,  Wied  und  HtinkeL  Mannk 
tTt\  aS  und  69.  Reck,  Gesch.  der  grafl.  und  fürstL  Häuser  Isenbur^,  Runkel,  Wied.  Weiin. 
18S5,  42  llSJai  Udilhlld  Odenkirchen  an  das  Erzstift  yermaohen.  Dazu  bietet  aber  die  auch 
fOn  FtBoher  benutzte  Nachricht  bei  Geleniün,  De  adjniraoda  saora  et  civiU  tnagnitudine 
OpIoniAe,  Col.  1645»  9b  keinen  Anhalt.  Dasselbe  erzSJilt  auch  Schliephake  1,  210  ohne 
Jlcnnung  seiner  Quellen  Ftsoher  und  Reck.  —  ')  Vita  Ludovici  (Widmann  249;  Kremer 
f,  864):  ,,Kater  Tero  longo  poat  coutersionom  filii  tempore  Tivens  cum  originanam  terra  (?) 
fttrtJfTuUm  mandi  curvaret  ad  veaperam^  in  predio  suo,  quod  Udinkirchtn  dicitur,  tertio  nona« 
/ulfi  dlifoi  eUusft  ej^tremam,  et  in  ecolesia  maiori  Golonie  re<|U]eacit.**  ~^^)  Widmanu  u.  a.  O. 
f^r<»mer  2.  378, 


iÜMMriita 


128 


zuvor  das  Begräbuis  eeioeß  Vaters  In  Bleidenstadt  besorgt  haben?  Zugleicl 
aber  wollen  wir  scboo  hier  festhalten,  dass  Ruprecht  und  Arnold  im  ungefahreu 
Alter  dieses  ihres  Geachwiaterkindsvetters  Ludwig  IIL  gestanden  haben  müssen. 
Das  einzige^  was  uns  bei  diesen  Zeitansätzen  beirren  konnte,  wäre  eine 
Urkunde  von  1093,  in  welcher  der  Bruder  Trutwins,  Tuto,  als  ^comes  de  Luren- 
burg*')  erscheinen  soll.  Ist  nämlich  unsere  seitherige  Rechnung  richtig,  so  künute 
Tuto  bei  dieser  Gelegenheit  kaum  18 — 20 jährig  gewesen  sein.  Nun  giebt  es^ 
ja  freilich  noch  jüngere  Zeugen.  In  einer  Urkunde  des  Bischofs  Heinrich  von 
Lüttich  vom  Jahr  1151*)  stehen  nebeneinander:  „Henricus  et  Gerardua  et  fili- 
ülus  domini  Ilenrici/  Aber  hier  handelt  es  sich  auch  um  Familiendinge  und 
die  Genannten  gelten  nicht  sowohl  als  Zeugen,  denn  als  anwesend  Bezeugte. 
Die  13  namhaft  gemachten  Zeugen  der  in  Rede  stehenden  Urkunde  von 
1093  aber  können  wir,  Tuto  allein  ausgenommen,  mit  einiger  Sicherheit  um 
eine  ganze  Generatiun  älter  als  diesen  vermeintlichen  Bruder  Trutwins  nach* 
weisen.^  Wie  sollte  also  ein  so  junger  Mann  in  den  Kreis  der  älteren  gekommen 
sein?  Da  liegt  es  doch  weit  näher,  an  den  Vater  der  Brüder  Trutwin  und 
Tuto  zu  denken,  den  wir  dann  an  die  Stelle  des  angeblichen,  im  Jahre  107C 
gestorbenen  Tuto  setzen  und  als  den  nachweisbar  ältesten  Ahnherrn  des  i 
nassauischen  Hauses  ansehen  müssen.  Mit  ihm  hätten  wir  alsdann  auch 
einen  weiteren  .predecessor*  gewonnen  und  könnten  des  Bruders  Tuto  als  eines 
solchen  entraten,  was  schon  der  mittelalterlichen  Bedeutung  dieses  Wortes  wegen 
sich  empfiehlt.^)  Es  wäre  damit  gleichfalls  der  Vater  Tuto  als  Anfanger  des 
Nassauer  Burgbaues  zu  betrachten,  aber  vor  Vollendung  desselben  gestorben, 
noch   unbehelligt   von   der  kirchlichen  Ahndung,   die  erst  Trutwin,  als  ältester 


')  T.  Hontbeim  a.  a.  0.  1,  442,  besBer  Act.  Pal<  3,  121  ff.,  vergL  Fischer,  ürkb. 
38  f.  —  ')  Krem  er  2,  171.  —  '')  Der  Aua^teller  der  Urkunde^  Pfalz^af  Heinrich,  1045  au 
seiner  Würde  erhoben»  stirbt  zwei  Jahre  darnach  1093  (Tolner  275.  279);  Herzog  Hetnrirh 
von  Limburg  stirbt  1218  fv.  Hontheim  1,  442^  Anm.  e);  Graf  Wilhelm  von  Lützelburg, 
oognatus  des  Pfalzgrafen^  1128  (daaelbBt);  die  Grafen  von  Arlo,  Walram  und  Fulko  oder  Yotko 
Bind  naeh  der  ^^Domus  ardennensiB  tabula  gonealogica  L*'  in  Joh,  Martin  Eremer,  Genealog« 
Gesch.  des  alten  ardennisohen  Geschlechts.  Frankf.  und  Leipz.  1785  um  zwei  Menai^heniilter 
früher  als  Trutwin  und  Tuto.  Graf  Hermann  von  Yirneburg  weiss  ich  nur  von  1093  und  1102 
nachzuweisen  aus  den  beiden  Urkunden  in  den  Acta  Palat  3,  123  und  126.  Von  den  BrSdern 
IMeffried  von  Wied  und  Richwin  von  Kempenich  ist  ersterer  zwischen  1093  und  1129,  der 
letztere  zwischen  demselben  Jahre  und  1112  bezeugt,  Reck  a.  a.  O.  33  ff.  und  1,  Tafel, 
Fischer  a.  &.  0.  62  f,).  Burohard  uud  Heinricli  von  Ulbuoke  erscheinen  ebenfalls  zwischen 
1093  und  etwa  1112  (Fischer  63  f,),  Reimbold  von  Isenburg  kommt  1073  bis  1119  in  Ur- 
kunden vor  (Fischer  tab.  II  und  8,  105  f.);  Volkhold  von  Brule  endlich  zwischen  1093  und 
U12«  zu  welcher  Zeit  schon  ein  Sohn  mit  ihm  Zeuge  ist  (Acta  PaL  3,  123  und  126).  Auch 
das  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  ,,Dudo  comes  de  Lurenburg*^  in  der  die  Stiftung  von ' 
Laach  bestltigenden  Urkunde  von  1112  fehlt  mit  Ileinricus  dux  de  Limburg,  WUhelmus  comes 
de  Lutzellenburg,  Walramua  et  Yolco  cumites  de  Arlo  und  Renboldu»  de  laenburrh.  Auf  seinen 
Tod  zu  der  Zett  ohne  weiteres  zu  schliessen,  ist  allerdings  nicht  erlaubt^  da,  wie  eben  nach* 
gewiesen,  von  den  soebf'n  Mitgenantiten  mehrero  noch  am  Leben  waren.  Nur  von  dem  bei  beidoti  | 
Urkunden  noch  thätigen  Pfalzgrnfen  Sigfried  wiesen  wir>  dass  er  am  9*  März  1113  seinen  inj 
der  Schlacht  bei  W&msted  erhaltenen  Wunden  erlag,  Goerz,  Mittelrlu  Regelten  1,  463.  — 
*)Du  Cange-Hensohel  5,  397*:  „Praedeceaaor  farailiae  dicitur  de  majoribus,  qui  praeoesferiiliti 
in  gestis  Tanoredi  upud  Martene  tom,  3,  Anccd.  eol.  111.** 


I2n 


Sohn  auf  »ich  zog  oder,  was  nach  der  päpstlichea  Bedrohung  von  dessen  beiden 
S<&hD6Q  Ruprecht  und  Arnold  noch  glaubhafter  erscheint^  als  alleiniger  Yollender 
dde  Baues.  Bruder  Tuto  hatte  dann  als  der  kirchlichere  bei  Seite  gestanden, 
wie  sein  kirchlicher  Sinn  ja  durch  die  Gründung  des  Klosters  Lipporn  genugsam 
beleuchtet  ist  und  wir  späterhin  noch  glaublicher  machen  werden* 

Das  genüge  zur  Klarstellung  der  Lebenszeit  der  uns  beschäftigenden  Er- 
bauer der  Burg  Nassau  und  ihrer  nächsten  Angehürigeuj  um  nun  den  verhäng- 
nisvollen Polgen  des  Burgbaues  unsere  Betrachtung  zuzuwenden,  Auffalligerweise 
ist  das  bis  jetzt  noch  von  niemand  versucht  worden^  so  dringend  nahe  es  auch 
gelegen  hatte.  Man  glaubte  vielmehr  alles  gethan  zu  haben,  wenn  mun  die 
seil  1842  durch  AufBndung  des  oben  berührten  Drohbriefes  des  Papstes  Ana- 
atadus  bekannt  gewordene  Thatsache  feststellte^  dass  Trutwin  wegen  seines 
Burgbaues  auf  dem  von  der  Worraser  Hauptkirche  als  Eigentum  beanspruchten 
Qrund  und  Boden  in  den  Bann  gethan  worden  sei.  Und  doch  ist  gerade  dieser 
Bann  die  Angel,  um  die  sich  die  ganze  uns  hier  vorliegende  Geschichte  dreht. 
Erwägen  wir  also  zunächst  die  Bedeutung  eines  Bannes  im  Rahmen  mittel- 
alterlicher Weltanscljauung,  Wenn  nach  dem  päpstlichen  Briefe  von  1154  der 
Vater  der  Grafen  Arnold  und  Robert,  ^uinculo  excomraunicationis  astrictua** 
genannt  wird,  so  bedeutet  das,  dass  er  nicht  etwa  mit  dem  sogenannten  kleinen 
Baoci,  der  ^excommunicatto  minor*,  belegt  worden  war,  der  nur  von  den  Sakra- 
inenten  und  der  Wählbarkeit  zu  einem  Kirchenamte  ausschloss'),  und  der  über- 
dies liloss  wegen  Umgangs  mit  einem  Gebannten  verhängt  wurde^,  sondern 
Abm  er  im  grossen  Bann,  der  ,excommunicatio  major'*  des  kanonischen  Straf- 
rechta,  stand.  Denn  es  heisst  in  der  Anrede  an  den  Trierer  Erzbiachof  von  den 
Söhnen,  dass,  wenn  sie  innerhalb  40  Tagen  nach  der  erzbischoflichen  Ermahnung 
den  Befehl  zur  Vollziehung  der  päpstlichen  Auftbrderung  verachteten^),  .eandem 
in  eoa  exeommunieationis,  in  terram  uero  eorum  interdicti  sententiam  proferas^ 
i|tte  iD  patrem  eorum  pro  eadem  causa  fuerat  proniulgata,*)  Die  Ver- 
bindung des  Interdikts  für  das  gräfliche  Gebiet  mit  dem  persüntichen  Banne 
iiuicbt  den  letzteren  ohne  weiteres  zum  grossen.  Was  das  aber  heissen  will  zu 
damaliger  Zeit? 

War  es  doch  an  sich  schon  ein  ungeheures  Verbrechen  in  den  Augen 
nicht  bloss  des  Klerus,  sondern  ebenso  sehr  oder  noch  viel  mehr  gar  der  Laien 


*)  Im  Corp.  jur.  ottnon. :  Oratüui.  ad  oap.  24.  o*  XL  qu.  3  o.  2.  X.  de  exoept.  (2,  25) ; 
t.  I€L  X*  d«  cleric.  exeom,  (5,  27);  e.  59  X.  de  aent  excomm.  (5,  39).  Vergl  Wetxer  und 
Wftll«  I,  229  und  002.  —  ')  Pontificale  romanum  GlementtB  VUL  ac  ürbani  VIIL  Venet 
17S9|  879.  —  ^  ,,81  uero  infra  XL  diea  post  commonitionem  tuam  executioni  mnndiirG  cüntem- 
pi#riol*  (Hennes  durch  Üborflehung  dea  eotsprecheDden  Abkarzungsstrichea :  cuntepserint], 
HwT  Prof»  Otto  unterrichtet  mich,  daas  die  Yerbludtuig  von  contemDere  mit  dem  Infinitiv  uaeh- 
klMiisck,  doüb  schon  bei  Boras  (ep*  Ip  I,  29,  i^O),  Seneca  Phoen,  197  and  Aputeiu»  vor- 
fcoinffi0»  nach  DrAger^  Bist.  Syntax  der  tat.  Spraohe.  1878,  2,  330.  Ebenso  naohklassisch 
til  Bsndare  ohne  Objekt,  wi«?  auch  die  Bedeutung  toq  contemoere  =  noUe,  recusare;  wm  alles 
Du  CangOoHenschel  unberücksichiig^t  gelassen  hat.  Man  vrltd  deshalb  so  üborsetxen  müssen: 
««con  si«  innerhalb  40  Togen  nach  deiner  Yerwarnung  (sc,  die  Aufforderung)  dem  Yolhug 
n  Aberg^ben  rerschm&ht  hoben  worden/  —  ^)  Sohliephake  1,  187  kennt  seltsamer  Weise 
Mf  dfo  Bann  für  Trut\riii. 

9 


130 


dieser  Zeit,  Kirchengüter,  die  ausDahmslos  ^pro  remedio  anime*  geschenkt  waren,] 
au  deuen  ako  ia  gewissem  Sione  das  Seelenheil  der  Stifter  hing,  zu  raubeu,  d.  h, 
eben  diesem  ihrem  Zwecke  für  das  Seelenheil  der  Scheuker  zu  eutfremden. 
Wir  entnehmen  das  unter  anderem  daraus,  dass  die  kirchliehen  Kanonen*)  der 
Zeit  noch  nicht  einmal  dies  Verbrechen  ausdriieklieh  hervorheben^  sondern  es 
der  tridentiniechen  Gesetzgebung  überlassen,  die  ^occupantes  bona  ecclesiarum, 
montium  pietatia  seu  alterius  loci  pii:  vel  impedientes,  ne  ab  iis,  ad  quos  jure 
pertinent,  percipiantur"*),  besonders  namhaft  zu  machen,  weil  zu  dieser  Zeit 
bekauutlich  die  Entfremdung  der  Kirchengüter  in  grossem  Stile  begann.  Was 
Wunder,  dass  die  ^^sententia  excommunicationis  majorts*  mit  doppelter  Wucht 
auf  den  Kirchenräuber  jener  Zeit  fiel 

Die  Kirche  hat  es  verstanden,  schon  gleich  die  Verkündigung  dieser  ihrer 
furchtbarsten  Strafe,  die  gleichwohl  vom  Corpus  jur.  can.  der  ,felix  muero 
opiscopi*"  genannt  wird''),  mit  allen  Schauern  ihrer  sinnbestrickenden  Macht  zu 
umgeben.  Wir  erfahren  dies  genau  aus  dem  ^Libollus  de  ecelesiasticis  dis- 
oiplinis  et  religioue  christiana,  colleetus  ex  jussu  domini  metropoUtani  Rathbodiy 
trevericae  urbis  episcopi,  a  Reginone,  quondam  abbate  prumiensis  monasterii, 
ex  diversis  sanctorum  patrum  concilüs  et  decretis  romanorum  pontiticum**) 
vom  Jahre  899,  dessen  Bestimmungen  fiir  diesen  Fall  sich  wortgetreu  in  dem 
„Pontificale  romanum  Clemcntis  VUI  ac  Urbani  VHI"*)  vom  Jahre  1596  i^ieder- 


*)  Im  Corp»  jur  can*  o,  107*  e.  XI.  qii.  3  werden  zwar  „ecclesiarum  dei  violatores" 
genannt  ab  der  Exkommunikation  verfaUen,  indes  inBurchardi  wonnatiensia  ecclesiae  epigcopi 
„Dccretorimi  libri  KX"  Hb  IL  o.  6.  Ter^L  SohaniiEt-Uartzheim,  CoDcilia  Germaniae.  Colon» 
1760,  2,  576  werden  dieselben  mit:  ^Tideticet  raptores,  depraedatores  et  homioidae*  er* 
blntert,  so  dasa  unser  Fall  kaum  gemeiot  sein  kann.  -  ")  Couo,  trident»  o.  11.  &eot,  22  do 
reform*;  vergl.  Vitus  Pia  hier,  Surama  juris  prudentiae  äacrae  universae  ßeu  jus  canonicura. 
Aug.  Vind.  1728,  foU  5,  409**,  —  ')  c.  1.  c.  XVI.  qu.  II,  wie  die  Summa  OstionaU  an  der 
weiter  unten  anzufOlirenden  Stelle  mit  der  ehemaligen  Oitierweise  des  Corpus  sagt:  „et  de 
hoe  anathemaie  potest  intelHgi^  quod  est  mucro  episoopalis  XVL  qu.  IL  visis  [AnfangBwort 
des  i\  I]  in  Ane^,  nur,  dass  ?un  ihr  das  Beiwort  „feÜx^  ausgelassen  wird.  —  *)  BeiSckannat* 
Hartz  ho  im  tom,  2,  435—582,  unser  Fall  573—76.  Wir  unterlassen  des  Raumes  wegen  hier 
die  Wiedergabe  des  lat.  Textes.  —  *)  Wir  benutzen  die  schon  vorhin  angezogene  Ausgabe: 
Yenetüa  1729,  Zu  bemerken  ist  indessen,  dass  das  „Pontificale  romanum''  darin  von  Beginn 
aUwf^icht^  dass  es  gcmäes  der  späteren  Zeit,  indem  es  zwischen  excommunicatio  minor,  major 
und  nnathema  unterseheidetf  die  beiden  letzteren  Baunformen  auseinanderhält^  die  ehemals 
eins  waren.  Denn  mit  Recht  sagt  Silbernagl,  Permaneders  Handb.  des  gemeingültigen  katbo* 
liBuhen  Kirchenreehts.  Landsh.  1@65|  §  338  8.  571 :  ^il^i^  Bezeichnung:  excommunicatio  major 
und  minor  ist  erst  viel  späteren  Ursprungs.  'Avdö^Yjjia  (oxeoratio)  war  nämlich  im  Wesent- 
lichen mit  der  excommunicatt«»  gleichbedeutend  und  nur  durch  die  beim  anathema  gewöhnlichen 
SoleniiitÄten  unterschieden.*^  Wir  beweisen  das  mit  zwei  der  berühmtesten  Summen.  Zuerst 
mit  der  ^Bumma  Hostiensis  super  titulis  Decretalium^  in  der  unpnginierten  GrossfolioauagahCf 
V^onetiis  1480  .,De  aententia  exoomm.  Üb.  V."  unter  der  Überschrift  ^Quut  sunt  species  excom- 
municationis/ Da  hebst  es:  ^^Due  sunt  species  tantum.  Una  species  excommunicationis  est, 
que  dicitur  anuthema,  quo  simpliciter  exciudit  ab  ingressu  eeelesie  et  comraunione  Üdelium 
et  etiam  saoramentis,  que  et  dicitur  maior  excommunicatio ...  Tel  die,  quod  dicitur  miuar 
excommunicatio,  quando  simpliciter  profortur  sine  solonnitatc,  puta^  quando  dtcir  iudex:  ex* 
communico  talem  .  * .  ^  quando  vero  cum  solennitate,  tunc  dicitur  anathema «. .  alia  vero  ipeoies 
excommunicationis  est,  que  dicitur  minor  excommunicatio  et  quo  a  sacramontts  ccclcsie  tantitm 
separat. "    Ebenso  heisst  es  in  der  „Summa  Ang^l»^"'^  ^»n^  Vfinnr»^'  ^  •  niaifn-l 


Da  Jäollte  der  Bischof  ?or  versammelter  Oeraeinde,  urageben  von  12 
Priestern  mit  brenueodeD  Lampen  in  den  Häoden,  zunächst  die  vorgeachriebeno 
lateiaische  Ansprache  halten,  in  welcher  unter  Heranziehung  biblischer  Worte 
das  R^ht  der  Kirche  zur  AusachUesaung  des  Sünders,  wie  dessen  Verbrechen 
dargetban  sind.  Alsdann  erfolgte  die  Ausschliessung  mit  den  Worten:  ^Daher, 
weil  or  unsre  Mahnungen  und  häußgon  Auffordern Dgeu  verachtet  hat;  weil  er 
zum  dritten  Male  nach  des  Uerrn  Gebot ^)  aufgerufen,  zur  Besserung  und  Busse 
tu  kommen  vorsohmiiht  hat;  weil  er  seine  Schuld  nicht  erkannt  noch  bekannt 
liAt,  noch  durch  Absenduug  einer  Botschaft  an  uns,  die  wir  in  seiner  Sache 
Richter  sind,  da  er  unser  Spreugelangehüriger  (parroechiauus)  ist,  Verzeihung 
gefurdert  hat  5  weil  er  in  der  begonnenen  Bosheit,  da  der  Teufel  sein  ]Ierz 
\*  V  f  hat^  verharrt  und  gemäss  dem,  was  der  Apostel  sagt,  nach  seiner  Ver- 
M  r  uud  seioem  unbussfertigen  Herzen  sich  den  Zorn  Gottes  auf  den  Tag 

des  Zornes  häuft'),  —  deshalb  scheiden  wir  ihn  mit  seinen  sämtlichen  Genossen 
und  Verbündeten  und  Begünstigern  durch  das  Gericht  des  allmächtigen  Gottes, 
Vaters,  des  Sohnes  und  des  hl.  Geistes  und  des  seligen  Apostclfürsten 
Petras  und  aller  Heiligen,  wie  nicht  weniger  unserer  Geringheit  Ansehen  und 
uns  von  Gott  verliehenen  Gewalt  zu  binden  und  zu  lösen  im  Himmel  und 
itif  Erden  vom  Empfang  des  kostbaren  Leibes  und  Blutes  des  Herrn  und  von 
df*r  Oemcinf*chaft  aller  Christen  uud  schliessen  ihn  aus  von  den  Schwellen  der 
beUigen  Mutter  Kirche  im  Himmel  und  auf  Erden  und  heschliessen,  das« 
ein  Gebannter  und  Verfluchter  sei  und  verurteilen  ihn  als  Verdammten  mit 
PH  Teufeln  und  seinen  Eagoln  und  allen  Gottlosen  im  ewigen  Feuer,  wenn  er 
icht  von  den  Stricken  des  Teufels  lasst  und  zur  Besserung  und  Busse  zurück- 
kehrt und  der  Kirche  Gottes,  die  er  geschändet  hat,  Genüge  thut,*  Darauf 
antworten  die  Umstehenden  dreimal:  „Amen"  oder  ,tiat,  tiat''  oder  „anathema 
«it*  untl  die  zwölf  Priester  werfen  ihre  Lampen  zur  Erde  und  zertreten  sie 
mit  den  Füssen.^)  Alsdann  hatte  der  Bischof  dem  Volke  in  seiner  Sprache 
(fommunibus  verbis)  den  Bann  zu  erklären,  damit  alle  erkannten,  wie  schreck- 
lich jener  verdammt  sei,  und  damit  sie  wüssten,  dass  er  von  jener  Stunde  an 
hinfort  nicht  mehr  für  einen  Christen,  sondern  für  einen  Heiden  zu  halten  sei 
und  daaa  der,  welcher  mit  ihm,  wie  mit  einem  Christen  verkehre,  oder  mit  ihm 
'  oder  trinke,  oder  ihn  küsse,  oder  mit  ihm  eiu  vertrauliches  Gespräch  halte 
sei  denn,  dass  er  sich  bestrebe  denselben  zur  Genugthuung  und  Busse  auf- 
zufordern), oder  dass  er  ihn  in  seinem  Hause  empfange  oder  gleichzeitig  mit 
Hirn  bete*),   zw^eifelsohne  gleicherweise  gebannt   sei.      Hiernach    sollen   Briefe 


»m  JaHrn  lA^ü  unter  dem  Worte  „Excommunicatiü"  ^  „Quotu[ilex  est  excommuriioatio  ?  ßc^ipon- 
ITfift  dicUur  maior  et  liec  priußt  11  flacratnenti«   et   conßortio  houiinum  et 

11^    et   muliia   ;ilüs . . .   et   Itcc   dicitur   aoatheroa Alia   dioitur   minore   hec 

ie|>«nil  n  iuonunentis  tan  tum.'' 

*)  MnttJu  18,  15  —  18.    -  ^j  Rom.  2,  5.  —  ')  Die  fwulf  Priealer  mit  ihren  Lampen  und 

W^rfung  zur  Erde  und  Zertretung  waren  achon  eino  Bestimraujjg  des  Corp.  iur.  tanon*, 

l  c^  XL  i|iL   in.         •)  Die  verseifrige  epatere  Zeit,    die   das   i^anse  Corp.  iur.  can,    nsw'h 

Inhiül  in  Ycree  seUte,   hat  aucli  deu  Umfang   der  excommunicatio   in   den  Hßxatiiet4?r 

I:  *,0«^  crran»!  vale,  cummuiiiu,  meu^a  uegatur.*'     Yergl.  Silbernagl  a.  a.  0.  572« 


m      ..-    .—  ^1 


]:V2 


des  Priestern  durch  den  Sprengel  goschicki:  werden,  mit  dem  Inhalt  der  Weist 
der  Bauüung,  m  denen  befohlen  wird,  dass  au  den  Sonntagen  nach  Lesung 
des  Evangeliums  dem  veröamraelten  Volke  die  Bannnng  verkündet  werde,  damU 
nicht  jemand  aus  Unwissenheit  mit  dem  Gebannten  verkehre.  Auch  andereij 
Bischöfen  muss  die  Bannung  bekannt  gemacht  werdend) 

Da  alles  dieses  wortgetreu  in  dem  ^LiboUuö"  verordnet  ist,  welcher,  wifi 
wir  sahen,  auf  Befehl  des  Trierischen  Erzbischofes  Ratbad  2U  stände  kam,  so  kann 
kein  Zweifel  sein,  dass  sich  in  ihm  das  Verfahren  darstellt,  dem  auch  Trutwip 
als  Augehöriger  des  Trierer  Sprengela  unterworfen  worden  ist.  Dies  Verfahren 
war  aber  noch  dadurch  verschärft,  dass  schon  die  Androhung  des  Bannes,  wil 
dies  noch  jetzt  an  dem  erhaltenen  Drohbrief  des  Papstes  Anastasiua  gegen  die 
Orafen  Arnold  und  Robert  von  Laurenburg  an  sechs  Nagellochern  und  den  da- 
durch entstandenen  Rissen  au  jeder  Seite  des  Pergamentes  zu  erkennen  ist^) 
40  Tage  lang  an  der  Kirchenthüre,  ^vermutlich  zu  Trier",  angeschlagen  wa 
7M  jedermanns  Einsichtnahme. 

Und  doch  w^urde  der  Schärfe   dieser  kirchlichen  Strafe  erst  der  todesge-j 
fiihrliche  Schleiffaden  zugesetzt  durch  das  mit  ihr  verhängte  Interdikt,  welche» 
das  grätliche  Gebiet,  Trutwins  „terra*",   wie  der  päpsthche  Brief  es  nennt,   mit 
seiner  damals   unentrinnbaren  Gewalt  traf.     Man  kennt  diese   geistliche  Folterj 
obersten  Grades,    die   erst   im  11.  Jahrhundert  ibre  volle  Ausbildung  erhielt^)|( 
genugsam   aus   der  Geschichte,    um   ihr  hier  eine  gleiche  Darstellung,  wie  der 
Exkommunikation,  widmen  zu  müssen.    Wir  dürfen  nur  auf  die  nach  kirchlichei] 
Begriifen  klassische  Beschreibung  hinweisen,  die  ihr  ein  so  von  der  Grosse  der 
kirchlichen    Macbtftille    begeisterter    Schriftsteller,    wie   der    spätere   Konvertilj 
Fr.  Hurter,  in  seiner  „Geschichte  Papst  Innocenz  des  Dritten*  entworfen  hat.^) 
Und  wenn  derselbe  bemerkt'*),    dass  er  „zusammenstelle,    was  bei  einem  Inter-** 
dikt,  wenn    es  mit   voller  Strenge   vollzogen  wird,    augeordnet  war",  so  haben 
wir  hier  nur  hinzuzufügen,  dass  es  gerade  für  unseren  Fall  passt*    Denn  im  An- 
fang des  12.  Jahrhunderts,  in  dem  wir  hier  stehen,  hatte  die  Kirche  noch  nicht 


^)  Nebeu  diegor  obigen  Formel  werden  S.  575  f.  ncM!li  drei  weitere  mitgeteilt,  von  denen 
die  letzte  kürzeste  blosse  Wiedergabe  derjenigen  des  Corp,  iur,  can,  c.   107  c.  XI,  qu.  IIl,  i»t,| 
die  erste  mit  kürzeren    Worten   das   oben    Mitgeteilte   umschreibt,    die    dritte   aber   unter   der 
Übersohrift  ^Item  alia    terribilior  exoomrauniontio**  bloss  die  Bannformel  enthält.    Da  Silber- 
nagl  a.  a.  0.    achreibt:    „Nachdrticklicher   trat   die   Unterscheidung   zwischen    Bannfluch   und 
Bann  in  dem  weit   seltener   gebrauchten  Maranntha   herror  (1.  Cor.  16,   22,   oone,  Tolei.  Yi.J 
0*  75,  XVI.  10/)*,  so  ist  diese  dritte  Formel  offenbar  die  seltener  gebrauchte.     Denn  sie  ont-l 
hält  dies  grausige  apostolische  Wort  neben  den  nicht  minder  grausigen  aus  5.  Bios.  28>  16— Is] 
und  schliesst  mit  den  Worten  Über  die  VerHiichten :  „seputlura  asini  sepeliantur  [Jerem,  22,  1 9)  ] 
et  in  äterquilinium  sint  super  faciem  terrae  [Jerem.  8,    2]»   Et  aicut  hae  lucernao  de  manibufll 
nostris  proiectae    hodie   extinguuntur,    sie    eorum    lucerna   in  eteroum    extinguatur,   nisi    fortel 
resipuorint  et   erolesiae   dei,   qumn    taeserunt,   per  emendationem   et   condignam    poenitentiiuiij 
snttsfeeerinL^  Keine  dieser  drei  Formeln  hat  Aufnahme  in  das  ^PontiBeale  romanum'*  gerunden,  —j 
-)  Hennesa.  a.  0,48,  Anm.  1.  Vogel,  Beschr  300,  Änm.  K  8ehliephakc  1,  187  Anra,  — 
')  Silbernagl   a.    a.   0.   573.    Gieseler,   Lehrb.   der  Kirchengesch.    Bonn    1846,  2,   1,   S48_ 
kennt  das  erste  unwidersprochene  Beispiel  eines  unwidersproohenen  Interdikts  vom  Jahre  I 
als  gesetzlich  geregelter  Strafe  aber  erst  seit  dem  conc,  Lemovicense  Tom  Jahre  lOSt.  ^ —  *) 
hurg  1834,  f.  l,  373-386,  im  Nachdruck:  Ebingeu  1835,  1,  825-88Ö.  —  *)  IbiiL 


I3ö 


I 


eriuumt,  dass  dm  Intordikt  eine  ^weischneidigo  Waffe  war,  die  obeosa  sehr  ihren 
Verbrecher,  wie  sie  selber  tötlicb  zu  verwunden  wusstc.  Es  war  erst  um  Ende 
dM  Xin*  JahrbuDderts,  dass  man  «ich  in  der  Kirche  voll  bewusst  wurde,  wie 
durch  die  etrenge  Durchfuhrung  dieses  kirchlicheo  Zuchtmittels,  welches  die 
EinstelluDg  des  öffentlicheD  Gottesdienstea  und  aller  feierlichen  kirchlichen  Be- 
Üiütiguugen  einschluss')^  *die  Gottlosigkeit  des  Volkes  wuchs,  Ketzereien  empcr- 
kamen,  unermessliche  Gefahren  für  die  Seelen  sich  erhubeu,  und  den  Kirchen 
ohne  ihre  Schuld  die  schuldigen  Leistungen  entzogen  wurden"*),  um  zu  begreifefi, 
dus  MilderuDgeu  in  grösserem  Masse  Bedürfnis  für  die  Kirche  selber  seien. 
Buseliid  solcher  Milderungen  waren  ja  freilich  schon  früher  gewährt  worden, 
aber  keine  vor  dem  Jahre  1170.^ 

Wir  können  demnach  ermessen,  welche  Wirkung  das  Intordikt  auf  die 
itiisehuldige  Grafschaft  Trutwins  haben  musste,  und  in  welcher  Beleuchtung 
ihr  dadurch  der  Bann  ihres  Grundherrn  erschien,  der  allein  ao  dem  über  sie 
verhängten  kirchlichen  Elend  schuld  war.  Sehr  klein  konnte  ja  schon  das  Gebiet 
oiebl  «ein,  da  sonst  der  gewünschte  Druck  für  den  Gebannten  ein  kleiner  gc* 
iresaii  wäre.  Zum  Uochdruck  gehörten  \iele  unzufriedene,  wie  es  zur  ebenso 
wirksamen  wie  kurzsichtigen  Übung  aller  Zeiten  der  Kirche  gehörte,  bei  günstiger 
Oelegenheit  das  Volk  gegen  seine  Gewalthaber  auszuspielen*  Nun  ist  es  ja  wahr. 
dass  wir  hier  in  den  Zeiten  Heinrich  des  IV,  und  V.  leben,  die  dem  mehrfachen 
Banne  Paschalis  IL  zu  trotzen  wagen  konnten  und  dabei  Geistliche  auf  ihrer 
Seite  batten,  die  selbst  die  Messe  verheirateter  Priester  nicht  anstössig  fanden.^) 
Bernoldus  schreibt  zum  Jahre  1100  in  seiner  Konstanzer  Chronik*)  sogar: 
^Schoü  beginnt  fast  überall  die  Strafe  des  Bannes  an  Wirksamkeit  zu  verlieren^ 
iodaas  selbst  gewisse  Klosterleute,  die  bis  dabin  in  jener  Sache  vom  glühendsten 
Eifer  erfüllt  waren,  sich  von  den  Katholikern  scheiden  und  sich  nicht  scheuen 
imicr  die  Gebannten  befordert  zu  werden  !*"     Ja  etwa  40  Jahre  später  konnte 

*)  Sübernagl  b.  a.  O.  573.  —  *)  8exH  c*  24*  de  sentetit.  excotnm.  (V.  11):  ^QuU  vero 
rx  dbtrictione  huiustnodi  stattitorum  exoroscit  indcrotio  populi,  ptillulunt  haereaes  et  mtluitn 
(»erirulji  umatarum  insurgunt  ac  eceleBÜB  eine  culpa  earum  dobita  obscquia  Bubtrahuntur^^  cei. 
Wir  t>emerketi,  da«8  der  ,,Liber  aextus  decretalium  d.  Bonifacil  papae  VIII/^  erat  1298  za^ammen- 
(MieJU  wurde.  —  *)  Wie  weni^teni  Silbernagl  schlieesen  läast,  der  nach  eeinen  von  uns 
BSollKfaciüa^eaen  Citaten  atu  dem  Corp.  iur.  cao.  nur  die  toh  1170  aufiTiilirt,  während  tod  seinen 
iboImii  imderen  fünf  aoa  dem  Jahre  1214,  eine  aua  1210  und  eine  aus  1236  stammca.  Sic 
bcaolieii  sich  auf  die  KaJtung  wenigstens  einer  woehentlichen  Predigt,  auf  Kindertaufe  und 
FinBOBg,  Beichten  für  Kranke,  Kreuzfahrer  und  Pilger,  Wegxehrung  für  Sterbende,  Haua- 
fOttoidieaat  in  den  Klöstern,  wie  die  Abbetung  der  kanonischen  Tageazeiten  in  StifU-  und 
KlotKridrchen  von  je  »wei  oder  drei  Geistlit^hen,  Jedoch  ohne  Gesang,  die  kirchliche  Beerdigung 
ma  G«aitfehen,  die  das  Interdikt  gehalten,  eine  stille  wöchentliche  Messe  für  die  dem  Interdikt 
mmä  am  Exkommunikation  nicht  rnterworfooen  ohnt?  Glockengeliute  und  Gesang  bei  »er- 
•cUottesexi  ThGren  für  die  Dauer  des  Interdikts,  Weitere  Xaohläaae  brachten  die  folgenden 
JahrhoBderte  erst.  VergL  Oieseler  a,  a.  0.  2,  2,  520,  Anm.  i,  —  *J  Gie8eler2,  252,  Anm*  Ö* 
—  ')  Bei  PertÄ,  Mon.  Germ.  Vllf,  407  ^ Jam  multura  paene  ubique  sententia  t*xcommunipationi« 
OOfpil  tepeaccro,  ut  etiam  quidam  religiosi^  qui  usque  ad  hoc  tcmpua  in  illa  causa  erarit  fcrven- 
I,  a  calholici»  discedereot  et  ioter  excommuuicatos  jiromoveri  nou  timerent.**  Vcrgl. 
Ot#ft«l^f  ^'hfftdÄ  Anm.  10.  Die  Begründung  fftr  diesen  Zustand  der  Dingo  versuchi  lUoner 
^.  2  »f  ab  J««ait.    Nur  verwechselt  er  Bernoldus  mit  Bertholdits,  dessen  Forl- 

i.^  Hln«ßf  .i.-  Hermannnna  contractos. 


tftolbat  die  hl  Hildegard,  als  ihr  Kloster  mit  dem  loterdikt  tielogi  wordeö  war, 
weil  sie  einen  ExkommunlzierteD  daselbst  faatt^  begrabeii  lassen^  an  das  Mainzer 
_  Domkapitel  schreiben:  »Wer  dem  Willen  Gottes  zuwider  gehandelt,  dor  inuss 
von  dem  Körper  der  Kirche  getrennt  werden,  so  wie  er  sich  selbst  durch  Un- 
gehorsam von  ihr  abgewandt  hat,  bis  er  durch  Reue  gereinigt,  vom  Qeiötlicheu 
zur  hl  Kommunion  wieder  zugelassen  wird.  Wer  aber  sich  nicht  bewusst  ist, 
auf  solche  Weise  gebunden  zu  sein,  kann  getrost  an  den  hL  Sakramenten  teil 
nehmen/*)  Dagegen  will  bedacht  sein,  dass  zu  allen  Zeiten  der  Fanatiker 
nicht  wenige  sind.  So  lesen  wir  auch  aus  dieser  Zeit»  was  der  Trier'sohe 
Scholastieus  Quenricus  von  solchen  mit  den  Worten  berichtet:  , Einige,  in  der 
Absiebt,  die  durch  den  Eingang  und  Ausgang  der  Kirchenschänder  beaud elter. 
hl  Orte  zu  reinigen,  lassen  den  Wind  durch  die  Tag  und  Nacht  offenstehenden 
Kircbenthiiren,  Andre  ihre  Aufmerksamkeit  auf  die,  wie  sie  versichern,  durch 
die  Berührung  der  Utiheiligen  entchristliehten  Steine  und  Balken,  mit  Be^en 
und  Wasser  wendend,  machen  als  abergläubische  Steintäufer,  während  sie  die 
jüdischen  Taufen  (Waschungen)  erneuern,  aus  der  Thorheit  den  Wahnwitz.**) 
Nicht  minder  lesen  wir,  dass  der  nachmalige  Stifter  des  Klosters  Marbach  im 
Elsass,  der  Priester  Manegold  von  Lutenbach,  sich  nicht  scheute,  zur  selben  Zeit 
in  seiner  gegen  den  den  Papst  Gregor  VII.  in  Angelegenheit  Heinrichs  IV. 
schwer  angreifenden  Brief  des  Bischofs  Theodorich  von  Verdun  verfasston  Schrift 
zu  erklären,  ^dass  diejenigen,  welche  Gebannte  nicht  aus  eigener  Rache,  sondern 
zur  Verteidigung  der  Kirche  töten,  nicht  als  Mörder  Reue  haben  raüssten  oder 
gestraft  werden  sollten/^)  Und  ward  auch  der  Schreiber  dieses  grusslichen 
Wortes  selbst  von  Anhängern  Gregors  verurteilt,  so  dass  mau  wünschte,  seine 
Schrift  mit  ihm  begraben  zu  sehen,  so  hielten  nichtsdestoweniger  Andere  dieselbe 
gleichsam  wie  eine  Antwort  göttlicher  Eingebung.'*)  Aber  damit  das  Mana  des 
Grauens  voll  werde,  so  erklärte  Urban  IL  (1088 — 1099)  selber  dem  Bischof 
Oodefredus  von  Lucanien:  „Den  Tötern  der  Gebannten  lege,  wie  ihr  es  in  der 
Ordnung  der  römischen  Kirche  gelernt  habt,  gemäss  ihrer  Absicht  ein 
passender  Oenugthuung  auf.  Denn  nicht  halten  wir  für  Mörder^  wol 
chen  gegen  Gebannte,  brennend  von  Eifer  für  die  katholische  Mutter, 
es  sich  gefügt  hat,  einige  derselben  tot  geschlagen  zu  haben.  Damit 
jedoch  die  Zucht  derselben  Muttor  Kirche  nicht  im  Stiche  gelassen  werde,  so 
sollst  du  ihnen  in  dem  Sinne,  den  wir  genannt  haben,  eine  passende  Busse 
ansagen,  durch  welche  sie  im  stände  sind,  die  Augen  der  göttlichen  Einfalt 
gegen  sich  geneigt  zu  machen,  wenn  sie  etwa  gemäss  der  menschlichen  Schwach-  1 
beit  bei  demselben  Streich  in  etwas  Zweifelhaftes  geraten  sind/    Dieses  päpstliche 


')  Honnos,  GenohicUt©  der  Omfeo  von  Niwsutt,  1,  47.  —  »|  Pexii  Theaaur.  unecdot  2, 
231:  Alii  loca  »acra  snonlogorum  iiigressu  et  eorre«8u  contamiuftt«  repurgaturi,  patonlibus  per 
dieei  et  U0€teni  eccleaine  lanuiB  ventua  recipiunt.  K\i\  in  Initide«  et  ligna  prufanorutn»  ut 
ft88«nmt,  contactu  dcsLihristjariata,  aciopi»  animadvcrtcntos  ftt  »4Uft  äuperfiHtiosi  lapidtiru  h^y 
dum  iudoica  rovocaut  baptismata,  do  staltitia  iDsamam  faüiuiil*,  VergL  OiesoUr  2,  _ 
Anm.  35.  —  *)  BeiGic«cIcr  2,  229,  Atim»36:  „quod  lii,  ijui  excommunicato«  tiou  pm  prtimia 
tniuTia»  »od  occlostam  dcfcndrndo  iiiterflciuiit.  non  ut  Homicidae  iHjeiiiteantnr  icl  puniannir.* 
*|  Bbeadii:  ^»oripla  oiu«  quasi  responna  coeloeti»  uraculi". 


135 


aber  ist  so  wenig  jemals  widerrufen,  daas  ihm  vielmehr  schon  1151  die 
beklagenswerte  Ehre  zu  teil  wurde,  ak  Kanon  in  das  von  Oratian  gesammelte 
römbohe  Kircbengesetzbuch  aufgenommen  zu  werden,  in  dem  es  noch  heute  steht J) 
Genug,  ziehen  wir  nun  aus  dem  VorätehenJen  Schlüsse  für  unsere  Ge- 
achiohte.  Steht  es  zunächst  nach  den  im  ersten  Teile  unserer  Untersuchung 
vernommenen  Zeugen  fest,  dass  Trutwin  eines  gewaltsamen  Todes  starb,  so 
haben  wir  nach  dem  zuletzt  Vorgetragenen  nichts  Geringeres  als  das  Recht 
erworben,  diesen  Tod  der  Wirkung  der  kirchlichen  Strafvollstreckung  dringend 
verdächtig  zu  erklären.  Wir  raussten  es  oben  freilich  ungeheuerlich  finden, 
daas  ein  Edler  zu  dieser  Zeit  etwa  ans  Privatrache  durch  die  Hand  eines  Un- 
r    ■  fjillt  worden  sein  könne.     Denn  hätten  auch  noch  so  viel  Unthaten  des 

L  urger  Grafen  gegen  seinen  Unterthaaen  oder  den  eines  anderen  Herren 

vorgelegen^  eine  so  i,  grobe  bäuerische  Thaf^,  als  welche  der  Legend  ist  sie  mit 
seinem  ^rusticulus**  anzumalen  versucht,  wie  es  scheint^  war  damals  in  deutschen 
Landen  unerhört,  ebenso  wie  das,  dass  ein  solcher  Mörder  von  einem  anderen 
feindlichen  Edelo  hätte  gedungen  werden  können.  Zieht  man  aber  in  Betracht, 
welcher  Thaten  allezeit  der  Fanatismus  zur  vermeintlichen  grösseren  Ehre  Gottes 
zu  vollbringen  im  staude  war  und  ist,  dann  liegt  nichts  naher,  als  im  Blicke 
auf  das  Bäuerlein  an  Huss^  Seheiterhaufen,  gerade  einen  Bauern  tu  tollwütigem 
Ulaubenswahn  die  meuchlerische  *  Waffe  auf  einen  Edeln  anlegen  zu  sehen, 
der  sich  nicht  bloss  erfrechte,  der  heiligen  Mutter  Kirche  zu  trotzen,  sondern 
der  auch  in  seinem  Trotze  schuld  war,  dass  so  viele  fromme  Kinder  dieser 
Mutter  ihres  Segens  beraubt  erschienen,  und  das  erst  recht,  wenn  gar  dieser 
Segen  an  der  eigenen  Person,  im  eigenen  Hause  entbehrt  wurde,  Stand  doch 
auch  der  Mann,  wie  jeder  Fanatiker,  nicht  allein,  sondern  hinter  ihm  der  ganze 
Uaufe  derer,  die  mit  ihm  empört  entbehrten,  was  ihnen  Lebensbedingung  war. 
Und  wenn  gar  noch  fanatische  priesterliche  Rede  den  Sinn  erhitzt  hatte !  Wenn 
NVorms  nicht  nutbätig  gewesen  war,  die  bäuerische  Empörung  zu  schüren,  die 
bIq  Vorteil  war!  Freilich  im  papstlichen  Briefe  steht  nur:  „superuentento 
te  in  ipsa  damnationis  seotentia  satisfactione  nequaquam  exhibita  ioterceptus", 
d.  h.  dass  Trutwin  mitten  in  der  Strafe  der  Verdammnis  ohne  die  geringste 
Leidtung   einer  Qenugthuung  vom  unvermutet  hereinbrechenden  Tode  dahinge- 


^  0»  47  0.  XXni.  qti.  YI :  ,^Exoommimicatoram  interfectoriba«  (proni  In  ordine  ecolesiae 

nao  didkistb)  Becundum  intenttonem  [Ivo  et  Paniiormia :  ipBonim]  modum  oongmao  aatis- 

üonis  iniunge.     Non  enim  homjciäas  arbitramur^  quoa  adTersus  excommuiiicatos  »tlo  catho* 

cac  matiiB  ardeiites,  aliquos  eoruni  trucidas&e  contigerit.    Ne  tarnen  etusdem  cccicsiue  mutrii» 

caplioa  deaeratur,  eo  tenore,  quem  diximus,  poenitentiani  ois  mdicito  congruentem,  qua  divtiiao 

I  ocalos  adversus  se  complacare  valeant,  si  forte  quid  duplicitatis  pro  Humana  fragi* 

tu  eodeui  flagitio  innirrennt*.    Mau  bemerke  die  päpatUche  üntertcheidun^^   von  ^intor- 

i*  —  blo!»ben  Tötern  und  abomicidoe*  —  Mordern.    Nur  leistete  werden  mit  den  ach  wcraten 

ifen  belogt.     S.  die  kanon.  Belege  bei  Silber nagl  5,  91,  der  aber,  soweit  wir  Heben, 

Kanon  vorübergeht!  -   ^Duplicitas**  ist  hier  al«  Gegensat«  von  „simplicila«*'  in  dem 

llcbl  klassischen  Sinne  von  „dubietae,   ambiguitas'*  gebraucht,   wie  Du  Cauge-Henschol  2, 

lehrt.  —   Dan   unpassende    ^didicistis**    licss   ich   atehcnf   da   es  die   von  mir  gebrauehte 

des  Corp.   lur.  can.  Colon.  iMunatinae  1717  hat,   vermuttich   aber  ^didieieti'^   2U  Itisen 

flntt  iririL 


136 


rafft  worden  sei.  Aber  nicht  nur,  dass  das  mmdcstens  40  Jahre  nach  der  That 
gedchrieben  war,  so  konnte  doch  auch  Anastasius  nicht  das  Gottesgericht^  das 
ihm  im  plötzlichen  Tode  Trutwins  erschien,  abschwächen  wollen  durch  den 
Beisatz  des  Meuchelmordes,  der  jenes  hervorgerufen  und  von  dem  er  vermutlich 
nie  erfahren  hatte.  Und  dass  der  Schooauer  Berichterstatter  sich  aussehweigt 
über  die  Natur  des  Meuchelmordes^  das  ist  doch  wohl  das  beredteste  Zeugnis 
dafür,  dass  er,  der  nichts  von  Bann  und  Interdikt  reden  durfte,  erst  recht  nichts 
vom  Fanatismus  des  Meuchlera  reden  konnte.  Selbst  das  Fehlen  jeglichen 
Wortes  des  Abscheus  über  die  Blutthat  des  Bauern  ist  bezeichnend.  Der  Mönch 
kann  den  Mord  eines  Gebannten  nicht  verurteilen,  drum  hat  er  nichts,  am  wenig- 
sten ein  Wort  der  Empörung,  über  ihn  zu  sagen.  So  redet  auch  dies  Schweigeo. 
Und  spricht  nicht  ebenso  für  das  Wesen  der  That  das  Verhalten  der  Hinter- 
bliebenen Trutwins?  Ein  Gottesgericht,  wie  es  der  Mörder  in  seiner  Verblendung 
doch  zu  üben  gedacht,  hätte  mittelalterliche  Menschen  sicher  vom  Verharren 
in  ihrem  Vorhaben  weggeschreckt,  lodern  aber  die  Laurenburger  trotz  des 
Todes  des  Hauptes  ihres  Hauses  unbewegt  bleiben^),  zeigen  sie,  dass  sie  in 
dem  Morde  nur  die  blutige  Folge  des  zu  Unrecht  über  ihr  Haupt  verhängten 
Bannes  und  Interdiktes  erblicken;  dass  auch  diese  blutige  Folge  sie  nicht  in 
ihrem  Rechtsbewusstsein  zu  erschüttern  vermag,  „in  eodem  castro  se  aliquid 
proprietatis  habere**,  wie  es  die  Urkunde  von  1159')  besagt  Ihr  Trotz  wird  zur 
Kache  wegen  des  unschuldig  vergossenen  Blutes  und  die  Gemahhn  des  Ermordeten, 
die  bis  in  ihre  greisen  Witwentage  nicht  von  ihrem  Rechte  lässt,  zu  einer 
Art  von  Krimhild.  Worms  aber,  das  wie  ein  anderer  Shylock  auf  seinem 
Scheine  besteht  und  ihn  zur  gelegenen  Zeit  erneuern  lässt,  wie  es  dieselbe 
Urkunde  in  die  Worte  fasst:  „et  illi  per  sedem  apostolicam  in  eos  censurani  ^j 
occlesiasticam  non  desisterent  exercere^,  beweist,  dass  ihm  der  Mörder  ein,  wenn  ^| 
auch  vergeblicher,  göttlicher  Gerichtsbote  war.  Es  kann  das  kleine,  noch  dazu  ^^ 
jenseitige  Burggebiet  aus  den  „XL  mansus*,  d.  h.,  den  mansus  zu  36  Morgen 
gerechnet'),  aus  den  1200  Morgen  eigenen  Geländes  nicht  missen,  weil  es 
das  blutige  Siegel  auf  seinem  erlangten  Schein  von  Rom  nicht  missbilligen  will. 
Ob  es  vorher,  das  bemerken  wir  nebenbei,  sein  vermeintliches  Recht  mit  Ge- 
walt zu  schützen  versucht  hat  und  daher  die  Worte  der  Worraser  Urkunde*) 
aus  ihrer  Trierer  Wiederholung'^)  rühren:  „predictum  castrum  de  Nassove  ante* 
cessores  Ruoberti  et  Arnoldi  de  Lurenburg  per  violenciam  aliquando  oceupavc« 
rant",  steht  dahin,  wie  wir  auch  nur  angedeutet  haben  wollen,  dass  die  Ausdrücke 
der  Legende  von  den  „devictia  tempore  quodam  hostibus  suis,  captis,  spoliatis 
etexactis*^  und  dem  „magno  triumphi  gaudimonio"  der  „commilitones''  Trutwins 
iti  ihrer  verhüllten  Gestalt  von  jenem  üewaltstreich  des  letzteren  gegenüber 
der  bewaffneten  Macht  des  Wormser  Domstifts  sprechen  möchten*'},  dem  un- 
mittelbar der  fanatische  Mord  des  Siegers  gefolgt  ist. 


I 


^)  Qraf  Wilhelm  von  Luxemburg  befreite  aioh  nooh  im  gleichen  Juhro  1 122  Ton  dom 
ihm  uur  angodrohton  Banne  we^en  Kirch ooräuborei  durch  demütige  Unterwerfung!  Vergl,  dk 
Regesten  bei  Ooeras,  1,  479.  —  ^)  Schlieplittkc  1,  204.  -  *)  Vogel,  Beschr*  145.  - 
*)  Srhliephakc  I,  200.  —  *»  Ebenda  202,  —  *)  Da««  die  Besiegung  der  Feinde  bei  Cobleui 
stattgefunden«   wie   die  bei  Wenck   aufbehaltene,  oben   mitgeteilte  Erz^hlun^  will,   ersoheint 


!37 


Wo  die  MordUiut  geschehen,  um  auch  das  an  dieser  Stelle  /m  l»erciin^en, 
U(t  mit  Sicberheit  zunächst  dahin  fedtzuBtelleu :  Nicht  ao  der  vom  Schuuauer 
Höooh  geDaanteii  Stelle.  Deno  wie  hätte  Tuto  diese  vom  voratorbenon  Bruder 
angeblich  bezeichnete  Statte  bei  der  zu  dosuen  Ehre  unternommeiien  Gründung 
de«  Klosters  Lippom  übersehen  dürfen!  Verfuhr  doch  Tuto  gerade  mit  der 
Wahl  Lipporns  im  Sinne  des  gemordeten  ßruders,  der,  wie  wir  schon  einrnul 
das  Wort  der  Urkunde  zwischen  1102  and  24  herangezogen,  hier  von  seinem 
flterlichen  Erbgute  der  Kirche  den  Zehnten  als  ein  Opfer  ^quast  deo*  darge* 
bracht  hatte,  und  wir  dürfen  nun  auch  mit  einiger  Sicherheit  sagen,  wann. 
Wir  brauchen  nor  der  vom  Schonauer  so  klar  gezeichneten  Spur  nachzugehen, 
lodern  wir  den  Sterbenden  ein  wirkliches  Testament  machen  lassen,  eben  jenen 
Zelmlea  seines  Erbes  für  die  Lipporner  Kirche.  Handelte  doch  Trutwin  damit 
geoan  so,  wie  1125  oder  26  tiumpert  von  Teilna  (Thailen,  Kreis  Merzig),  wel- 
cher Too  einem  gewissen  Fridehart  mit  einer  Lanze  durchbohrt  ins  Kloster  Metlach 
gebtaehl^  am  dort  noch  drei  Tage  unter  grossen  Schmerzen  zu  erleben,  sein 
AOod  Teiltia  diesem  Kloster  vermachte.^}  Einem  unter  dem  Kirchenbanne  sterben- 
dfio  Manne  uAt  das  doch  erst  recht  ähnlich.  Und  denken  wir  an  das  im 
pApatlidien  Drohbriefe  gebrauchte  Wort  „aatisfactione  nequa^uam  exhibita''^ 
•0  hmk  m  etae  Beleuchtung,  die  dies  Wort  selber  erst  ins  rechte  Licht  rückt. 
Sbek  d^Eu  wird  dadurch  voll  klar,  warum  gerade  Lippom  mit  einem  Kloster 
wurde.  Ob  nun  auch  Lipporn  oder  ein  Ort  in  seiner  Nähe  die 
That  geschehen  sah?  Möglich  sagen  wir  vorerst.  Jedenfalls 
—  auch  dafür  scheint  unser  Mönch  ein  sicherer  Gewährsmann  mit 
sur  halb  verschleierten  Angabe  der  «villa  Struode*"  —  in  einem 
oder  wohl  gar  in  einem  Sumpfe  verübt.  Denn  damals  wusste 
gaaz  genau,  dass  stmot  oder  strut  GebÜÄch,  Buschwald,  Dickicht 
Sas^f  bedeutete^  und  der  gleichnamige  nahe  Ort,  unser  heutiges 
wie  gemacht,  um  de«  erfinderischen  Mönches  Gedanken  auf  diese 
m  gvoat^e  Yerhüllung  zu  lenken.  War  doch  damit  das,  wie  wir 
werden,  kircklich  bedenkliche  Kloster  Lippom  mit  Glimpf  aus  der 
und  Sdiönaa  als  eigentliche  Stiftung  Tmtwins  ins  Licht  gestelh. 
aitf  richtiger  Fährte  uns  befinden,  konnte  möglicherweise  sogar 
Schonauer  KlosterüberUeferung  bezeugen,  die,  wie  wir  oben 
Tnrwiii  auf  der  Jagd  angeschossen  werden  lässt.  Denn  müssen  wir 
m  temem  ja  auch  nur  für  Schonau  arbeitenden  Berichte  den  oben  ange- 
Xmmi/Af  eine  unbequeme  Überlieferung  zeitgemaaeer  zu  gestalten, 
iidli  niebia  entgegen,  hier  einen  Rest  ältester,  eohter  Überlieferang 
Kaa  hatte  dabei  freilich  den  mordgierig  lauernden  ^rusticului*** 
dir  I40n4t  am  ttsachuldigen  rustieus  villae,  d.  h,  f,Uofmann'^  des  Grafen  ge* 

flis  aar  Ul  ge^Mat^  4a  wir  airgends  emeo  Anhslt  rsr  Rie  muM  der  gidehMtMgmt  M- 

te  MqgMt  daröbsr  ssait  deo  ubrigeo  Ajigabea  bei  Go«rt,  Mlit#lrlu  Regvlffi 
i9r  t,  1354  f*  tlosere  Ahinttif  tn  der  vorigen  AbtiAndiani;,  AfiOAlen  S3,  75 
mm  h^h,  «li  wir  in  ,Slrode*   den  ^Pmoh'^  de«  Rcisfedktilet  zu  erfcattDca 

A  war  aur  iumm%  Bachseglsubie  Muhme  ton  der  tdtm  ^Ral»aa(e.*^ 


1S8 


macht, ^)  tlud  ein  Ilofmann  auf  der  Jagd  mit  dem  Grafen,  gleich  diesem,  wm 
der  Schu88  zeigt,  jagend,  reimt  sich  wenig  zu  mittelalterlicher  Gepflogenheit* 
Ja  man  riecht  sogar  etwas  wie  Pulver  dabei.  Deou  bei  der  Armbrust,  die  um* 
70  Meter  weit  treibt,  ist  die  Möglichkeit  eines  irrenden  Auges,  es  aei  denn  bei 
starker  Dämmerung,  ausgeschlossen,  wenn  nicht  etwa  Kurzsichtigkeit  angenommen 
werden  soll  schon  für  die  damalige  Zeit.  Dies  samt  dem  offenbaren  Schlag- 
wort  aus  der  Legende  vom  ^fidelissinms  satelles*',  was  Wenck,  wie  oben  mit- 
geteilt, gleichzeitig  von  Schönau  berichtet  erhielt,  zwingt  uns,  mit  der  entfernten 
Möglichkeit  einer  alten  Überlieferung  uns  zu  begnügen. 

Mit  um  so  grösserer  Sicherheit  treten  wir  dafür  an  das  heran,  was  uns 
die  andere  Wirkung  des  Bannes  und  Interdiktes,  die  der  so  eben  erwogenen 
auf  dem  Fusse  folgt  und  die  wir  bereits  gestreift  haben,  zu  erwägen  giebt,  an 
die  Gründung  des  Klosters  Lipporn.  Es  ist  hart,  es  auszusprechen,  aber  die 
Wahrheit  lüsst  keine  andere  Wahl;  bis  dahinging  man  mit  geradezu  verbundenen 
Augen  an  der  Bedeutung  derselben  vorüber.  Man  sah  nur  eine  Klostergründuog 
gewöhnlicher  Art  und  erkannte  in  ihr  lediglich  „den  ehrenden  Zug,  den  da^ 
Zeitalter,  in  welchem  die  Laurenburger  lebten,  so  häufig  bei  den  Tornehmen, 
nicht  selten  bei  den  Genngen  gezeigt  hat,**^)  Und  doch  stand  schon  immer 
die  alles  besagende  Stelle  in  der  Ilrkuude  Tutos :  „Ut  auteui  parentum  meorum 
memoria  in  schafhuseDSi  monasterio  sepiua  presentaretur  quasi  vivens  hostia 
Precipue  trutwini,  qui  de  suo  patrimonio  istud  predium  lietprunnin  quasi  deo 
decimam  optulit  in  sacriticium  legaliter  constitui  ut  siugulis  annis  in  anniver- 
sario  ipsius  marcka  argenti  de  isto  loco  fratribus  schaflFhusonsibus  solveretur  Undo 
caritafcive  monachis  servicium  impenderetur/  Freilich  wollen  diese  Worte  anders 
übersetzt  sein,  als  es  Schliephake^)  fchut,  wenn  er  sie  also  wiedergiebt:  „Zu 
dem  Endzweck,  auf  dass  das  Andenken  meiner  Vorvordern  im  schaff häuscr 
Kloster  öfters  vergegenwärtigt  werde,  gleichsam  als  lebendiges  Sühnopfer,  vor- 
näralich  aber  das  Gedächtnis  Drutwins"  u.  s.  w.  Denn  nicht  nur,  dass  wir 
seine  „Vorvordern*  schon  oben  ablehnen  mussten,  so  hat  auch  „presentaretur* 
em  andere  Bedeutung  und  das  ^Gedächtnis  Drutwins"  ist  geradezu  wider  den 
Siun  des  Textes.  Die  Übersetzung  muss  vielmehr  so  lauten:  „Damit  das  Ge* 
dächtnis  an  meine  Blutverwandton  öfter  vollzogen  werde^),  gewissermassen  als 
lebendiges  Sühnopfer,  voruämlich  fürTrutwin,  der  von  seinem  väterlichen 
Erbe  eben  das  Landgut  Lietprunnin  gewissermassen  Gott  als  Opfer  dargebracht 
hat*  u.  s.  w.  Hiermit  ist  allerdiugs  zunächst  nur  eine  das  Salvatorkloster  in 
Schaffhausen  angehende  Bestimmung  getroffen.  Dort  soll  nämlich  auf  den 
Todestag^)  Trutwins  ein  Totenamt ^)  für  die  von  Lipporn  fliessende  Mark  Silber 
abgehalten  werden  als  ^gewissermassen  lebendiges  Sühnopfer/  Aber  die  Absicht, 
dass  damit  eine  öftere')    (sepius)  Darbringung  geschaffen  werde,    bedingt,   dass 


I 


*)  Du  Cange-llensohel  5,  831**t  ^Rusfcicuß  villao,  idem  *{m  villiciiB,  ranjor  TiUne^. — 
»)  Sclilicphake  1,  177.  -  *)  Ebenda  1,  153.  —  *)  Du  Cange-Henschel  5,  4I0<^:  Praescii- 1 
mre  pro  repraeaentare".  —  *)  Du  Ceiige-HenBcliel  1,  2$3^:  „Anniversurium,  dios  annuu«, 
quo  ofticium  dcfunctorum  pro  aliquo  defunüto  peragitur,  ipsu  obitus  rocurrente  die,"  Ver^L  1 
Wetaer  und  Weite  1,  257  und  5,  486  t  —  *)  Ibid.  4,  SSa*»:  „Memoriae,  exequiae-**  Ühwl 
die  letzteren  als  eigentliches  Totenamt  «.  die  Ausführung  bei  Wetzer  und  Weite  3,  847  f.j 
—  ^  Wetzer  uud   Weite  3,  846:    »Im   Mittelalter   v^urdcn   die   Leichen   der   Vcritorbeneu J 


üipporn  fler  ci^enHtcnc  Ort  dieses  Totenamtes  ist.  Das  besagt  demnach  im 
(iruudc  Dicht  mehr  und  nicht  weatger,  als  dass  dan^  Klostor  zu  Lipporn 
ein  SuhiiekloBter  darstellt.  ^Yivens  bostia**  ist  ati  sich  sciiou  dor  liturgiscbo 
Ausdruck  für  das  AltaraakramentV) ;  dass  ihr  das  ^quasi^  vorgcäetst  wird,  will 
ftbcTj  weit  entferut,  eine  müssige  WiederholuDg  zu  sein,  die  Feier  des  Toten* 
amtee  selber  unter  den  Gesichtspunkt  eines  lebendigen^  d.  h.  niemals  aufhörenden 
Sühnopfera  stellen^  ganz  ähnlich  wie  Graf  Gerhard  mit  der  Übergabe  seiner 
Guter  au  das  Kollegiatstift  zu  Oemünden  eine  ^hostia**  darbrachte.*)  Ihrem 
Wesen  nach  bedeutet  diese  ^vivens  hostia*  überdies  dasselbe,  wie  das  ^saerifieium*, 
^welches  Trutwnu  gleichsam  Gott  dargebracht  hatte  in  dem  ^{»rediumLietpruniiin'' 
den  Zehnten  seines  Erbes  --  ein©  Art  Überleistung,  nebenbei  bemerkt, 
irenn  man  annehmen  darf,  dass  dabei  an  den  Pharisäer  des  evangelischen  Gleich- 
nfsset*  gedacht  ist,  der  nach  der  Übersetzung  der  Vulgata  als  ein  Übermass 
seiner  Gesetzlichkeit  neben  dem  zweimaligen  Privatfaaten  in  der  Woche  die 
Oabe  des  Zehnten  von  allem  seinem  Besitz  nennt.*)  Wird  doch  auch  die  Mark 
Silber  von  den  Erträgnissea  desselben  ^prcdium*'  bestritten,  d.  h,  „de  isto  loco.* 
Wetentlich  endlich  noch  für  die  Bedeutung  eines  Sühneklosters  ist  der  bereits  an- 
gegebene  Umstand,  dass  in  SchaflFhausen,  wie  also  auch  in  Lipporn^  die  Totenmesse 
af  den  Todestag  Trutwins  gehalten  werden  soll;  Trutwin  demnach,  nicht  die 
tideren  „parentes*,  der  Mittelpunkt  der  gestifteten  , memoria'*  ist.  Ja,  Trutwin 
steht  so  »ehr  im  Vordergrund  der  ganzen  Stiftung,  dass  die  Worte  der  Urkunde : 
pro  dei  honore  pro  anime  mee  et  parentum  meonmi  salute",  obwohl  sie  vor- 
stehen, schon  um  deswillen  nicht  ins  Gewicht  fallen,  weil  Trutwins  V^ermächtnis 
f5r  die  Lipporner  Kirche  den  Grundstock  der  ganzen  Stiftung  ausmacht,  —  ein 
Bewet«  mehr  für  den  Sinn  des  Trutwin'schen  „sacrificium*,  von  dem  wir  soeben 
nad  vorhin  sprachen.  Das  Kloster  Lipporn  ist  mit  anderen  Worten  nur  eine 
Erweiterung  und  Vertiefung  des  von  Trutwin  gefühlten  und  bethätigten  Sühne- 
bedurfnisses,  alles  Weitere  eine  ebenso  zufallige  als  herkömmliche  Zuthat  des 
CrammeD  Gefühls  Tutos  und  vielleicht  gar  nur  dazu  bestimmt,  den  Sühnegedanken 
oiclit  aUzustark  hervortreten  zu  lassen  für  amtlich  kircfalfche  Augen. 

Denn  es  unterliegt  nach  allem,  was  uns  zur  Beurteilung  übrig  geblieben, 
ketoem  Zweifel :  Das  Kloster  Lipporn  ist  ein  deutlieh  laienhaftes  Sühnekloster; 
amtliche  Kirche  hat  an  ihm  keinen  Teil     Es  entbehrt  mit  anderen  Worten 


oft  ia  mehrere  Kirchen  getragen,    damit  so  das  hL  Opfer  häutiger  für  dieselben  dar- 
M  werde'*. 

*)  Ich  Terdanke  diese  Auskuaft  der  Oüt<j  des  Herrn  Oberlehrer  Dr  Wedewer.  VennaUich 

i  der  Aoidrock  aus  Röui,  12»  2.  —  *)  Kremor,   Orig*  2,  16.    ^Praetcrea  dam  hacc  ad 

im  meora  ordinavcram^   quasi  semper   rivens  hostiam   offerendo   obtuli   eidem   ecclesiao 

tm  r«  meae  proprietatis,   quas  hoc  DominaTi  voeabulo  provende  Lehn,"    Nur  dass  hier 

fhard  tdber  als  ge wisse rmassen  immer  Lebendiger  das  SQhnopfer  bringt  mit  der  Hingabe 

Otter  an  die  OemOndener  Kirche.  —  *)  Luc.  18^  12:    »,Jejuno  bis  in  saldiato,  docimatf 

itaD,  quae  possideo*.    Der  griechische  Text:  ndvta  Saa  xim*iiäi  ^  alles  was  ich  erwerbe, 

;  aber  schon  die  griechischen  KirohcnTÄtor  haben  daraus  ndvi«  tw  'k^ifr/r/vra  p.'/'j  gemacht, 

Tttahendorf,  Nov.  Test,  graece.   Editio  octava  critica  major.    Ups.  1S69,  »o  das»  die 

ÜreliUdl«  Oborüeferung  darsteUt.  —  Von   hier  war  freilieh   nur    ein  Schritt  zu  de» 

^Oaiiiia  bona  et  hostium  suovum  trtbuta  coUigoue." 


j^ 


HUI 


140 

der  regelrechten  Bestätigung  des  Erzbischofs  von  Trier,  Zwar  hei&st  der^öcölns» 
der  uns  überkommenen  ^alten  Cupie***)  der  Urkunde  Tutos:  ^Huiuß  privilegii 
statuta  rogo  devotissirae  posco  coufirmari  sanctiri  auctoritate  baiino  Bninonig 
treverenais  archiepiscopi  et  cuiuslibet  succeaoris  sui/  Indes  auch  abgesehen  da- 
von, da88  dieser  Schliiss  nicht  mit  der  herkömralicheu  Unterschrift  des  Urkunden* 
ausstellers  und  der  Aufführung  der  Zeugen  versehen  ist,  also  eine  Unregelmässigkeit 
in  der  Ponn^  vorliegt,  so  erweist  sich  die  ebenso  undatierte  erzbischöflichc 
Urkunde  nicht  als  eine  Antwort  auf  das  Begehren  Tutos.  Es  ist  vor  allem 
wider  die  Wahrheit,  wenn  die  Verteidigungsschrift  des  Klosters  dieselbe  über- 
schreibt :  ^Confirmatio  superius  petita  a  Brunone  archiepiscopo  et  traditio  decimae 
in  Meilingen*,  und  Schliephake  dies  im  Texte  seiner  Geschichte  nachahmt, 
während  er  ein  richtiges  Regest  der  Urkunde  selber  vorsetzt.^)  Der  Erzbiachof 
überlässt  vielmehr  in  erster  Linie  auf  Bitten  des  Abtes  Adelbert  von  Schaff- 
hausen und  Tutos  den  Zehnten  vom  Dorfe  «milingen  deo  et  sancto  äorino  ad 
monasterium  liebbronncnso",  alsdann  erst  erfolgt  die  Bestätigung  des  Klosters 
selbst.  Aber  diese  bestätigt  nun  nicht  Tutos  ^huius  privilegii  statuta*,  sondern 
gewährt  nur,  ^eidem  oongregationi  tale  Privilegium  sub  banni  nostri  et  ana- 
thematis  vinculo",  dass  niemand  gewaltthätig  sich  an  deren  Eigentum  vergreife 
und  Tuto  samt  seinen  Erben  die  Rechte  der  Vogtei  gewahrt  bleiben,  wie  dass 
Abt  Adelbert  und  seine  Nachfolger  dem  Lipporner  Kloster  vorstehen  und  dem- 
selben den  Propst  vorsetzen.  Von  Tutos  Bestimmung  über  das  Totenamt  für 
Trutwin  keine  Spur,  so  wenig  als  überhaupt,  wie  sonst  üblich,  der  Zweck  des 
Klosters  berührt  wird.  Wie  hätte  auch  der  lürchenfürst  eine  Stiftung  auf  den 
Namen  des  im  Kirchenbann  Gestorbenen  bestätigen  können!  Der  Kirche  gilt^ 
wenn  gleich  nicht  im  Sinne  des  Dichters,  dessen:  „Dein  Name  sei  vergessen, 
in  ew'ge  Nacht  getaucht/  Daher  auch  der  oft  genannte  päpstliche  Brief  nicht 
Trutwin,  sondern  nur  den  „pater"*  Ruprechts  und  Arnolds  erwähnt,  und  selbst 
der  Arnsteinische  Lebensbeschreiber  Ludwigs  in.  vermutlich  nur  darum  die  Namen 
der  Männer  der  sieben  Arnstein'schen  Töchter  nicht  genannt  hat,  weil  er  den 
Trutwins,  dos  kirchlich  ewig  Verlorenen,  nicht  mitnennen  wollte;  wie  es  denn  auch 
klar  ist,  dass  die  Urkunde  für  Schönau  sich  dieses  kirchlich  geächteten  Namens 
aus  gleichem  Grunde  enthält.  Kein  Zweifel  also,  die  Stiftung  Tutos  hat  eine 
Bestätigung  erfahren,  wie  gei^nsse  Ehen  nur  durch  die  sogenannte  passive  Assistenz 
des  PriesterB.  Bei  Strafe  des  eigenen  Bannes  durfte  Bruno  das  fromme  Be- 
gehren Tutos  nur  beschränkt  erfüllen.  Ja,  es  darf  wohl  noch  mehr  gesagt,  es 
darf  behauptet  werden,  dass  der  Er^sbischof  seine  Befugnisse  überschritten  hatte 
zu  gunsten  des  gräflichen  Bitt^ätellors.  Es  fehlen  nämlich  der  Urkunde  jegliche 
kirchliche  Zeugen,  die  doch  bei  einer  Klostergründung  in  erster  Reihe  stehen 
müssteu»     Ob  das  Trierer  Domkapitel  sich  weigerte,  Zeugen  zu  stellen  zur  Ver* 


>)  Bchüephakel,  197.  —  ^)  Schliephake  setzt  ^eto.^  während  ^Rotfcung^  Boyl.  Ilt 

Hucli  die8  fortlässt«  An  dor  Echtheit  der  Urkunde  desItAlb  zu  zwoifoln  ht  keine;  Unsacho. 
Aber  e»  i«t  immerhin  auffaUig,  dass  der  Abschreiber^  wenn  er  nocli  Weitere»  vorfand»  die« 
nicht  mit  abschriebt  da  er  es  doch  bei  der  folgenden  Urkunde  wenigstens  nicht  ganz  uuior- 
liesi.  —  «)  ^Rettuoff**»  BerL  IV.  SohUephake  1,  154  und  197,  Öehon  TIeunes  l,  4  hatte 
sich  dea  gleichen  Irrtums  schuldig  gomaobt^  wie  auch  Kremer  2»  152. 


i^n 


B     erkc 


I 


dieser  kirehlich  anrüchigeu  Stiftnog?  Ob  der  Erzbischof  ea  weislich 
Yermied^  Aas  Kapitel  mitthun  zu  loöseii?  Geuiig,  die  gelstlicheu  Zeugen  fehlen, 
und  die  Urkunde  erhitlt  dadurch  neben  der  beschränkten  (fewäliruug  der  Bitton 
Tutes  ein  gewisses  halbamtliches  Aussehen. 

Und  selbst  diese  beschränkte,  gewissermasaen  halbamtliche  Bestiitigung 
—  da«  dürfen  wir  dreist  hinÄusetzen  —  war  ihrem  Ilauptteil  nach  nur  durch 
den  Zwang  verwaadtschaftlicher  Rücksicht  erreicht  worden.  Auch  das  ist  bis- 
her ttiierkatint  geblieben,  obgleich  es  deutlich  van  der  fraglichen  Urkunde  eben- 
saselir,  als  von  anderen  Seiten  bezeugt  wird.  In  der  Urkunde  nennt  der  Erzbischof 
den  Grafen  Tuto  ,amicus  noater.**  Schliephake  war  sehr  im  Irrtum,  dies 
m  der  al trumischen  Bedeutung  , Freund**  zu  fassen*),  da  es  doch  die  sehr  deut- 
licbo  Übersetzung  des  mittelalterlichen  und  noch  beute  im  Volk  gangbaren 
Wortes  ,FreunJ*  im  Sinne  von  Verwandter  ist.^)  Das  wird  denn  anderwail« 
anCa  Unzweideutigste  bestätigt.  Erzbischof  Bruno  war  ein  Graf  von  Laufen.') 
Bor  Arnsteinische  Lebensbeschreiber  aber  berichtet,  das»  die  fünfte  Tochter 
«eiiiea  Orafenhauses  mit  einem  Grafen  von  Laufen  vermählt  wurde.^)  Und  es 
ist  sogar  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  wir  Bruno  selber  als  Ver mitteler  dieser 
Ehe  ansehen  dürfen,  da  er  zu  dieser  Zeit  nachweislich  noch  Propst  an  dem 
Plofinstift  in  Coblenz  war^)  und  bei  der  Nähe  dieses  Orts  und  Laurenburgs  zu 
de«  letzteren  Grafen  auch  in  wirklich  freundschaftlicher  Beziehung  gestanden 
bftlieii  wird.  Ausserdem  sind  wir  genau  über  den  Grad  des  verwandtächaftlichen 
hältniflses  zwischen  beiden  Häusern  unterrichtet»  Die  von  Wenck^  aufge- 
llte, von  Stalin^)  gutgeheissene  Stammtafel  der  Grafen  von  Laufen  lässt 
erkeni^n^  dass  Bruno  Oheim  des  von  beiden  genannten  Geschichtsforschern 
riehtig  erschlossenen  Grafen  Kourad  von  Laufen  war^  der  sieb  mit  jener  un- 
genannten fünften  Arnsteinerin  vermählt  hatte.  Diese  genealogische  Bestimmung 
*-^*  -kichzeitig  eine  um  so  erwünschtere  Bestätigung  der  von  ims  oben  festge- 
a  Lebenszeiten  unaerer  Laurenburg'schen  Grafen  zu  dieser  Zeit,  als  un» 
Bruno  berichtet  wird,  dass  er  hochbetagt  1124  starb.**)     Für  uns  hier  aber 

LT,  hiernach  zu  wissen^  dass  der  Erzbischof  als  angeheirateter  Verwandter 
und  durch  diesen  auch  Tutos  nicht  gleichgiltig  dem  an  ersterem  ver- 
fabten  Morde  gegenüberstehen  konnte  und  eben   darum  innerhalb  der  Grenzen 


*)  l,  154,  Anm.  —  *J  Schon  ahd.  „friimt*  =  pureoB,  Q  raff  3,  784,  mhd.  „vriunt**  neben 
Affioii,  eonBangtuneus,  Terwandter,  Lex  er  2,  526  mit  nelen  Beispielen.  Ebenio  ist 
tt  lÜT  den  hectttgen  Gebrauch  bezeugt:  in  B&icrn  bei  Schmeller-Fromniaiin  1.  822^  in 
Kor^etaeii  bei  Vilmar,  Kurheas.  Idiotikon.  Marb.  1868,  110,  in  NlederdeatAchland  bei  Sebam- 
kft«1i,  Wbrb*  der  niederd.  Mundart  IlaoDOver  1§58,  281,  in  Ostfrieslaiid  bei  Htüreoberg, 
Öiifr.  Wdfterb,    Äurich  1857,  62,   in  Weetfalen  bei   Wocste,   Wörterb.   der  vresit  Mundart 

■^  1862|  $10  u.  s.  w.,  tuuneßtUüb  aber  noch  in  Naaeau  bei  Kehrein  2,  145,  nur  daaa 
>Mc»aem  ^mn  Tioleti  Orten^  mit  ^ überall **  zu  crfteteeu  ist.  «^Freund**  hat  mdeftsen  die  Bedeutung  n^^^* 
Mwmäkär^  gewabnlich  im  Sinne  angeheirateter  oder  doch  netterer  Yerwandt£ehaft  —  ^)  Staltn» 
WtffteBb.  Qcaelt.  2  (1847)  416.  Brower  2,  2.  —  *)  Widmann,  AnnaL  18»  248.  Kremer, 
Orif.  2,  363.  —  *)  Brower  2,  2.  —  *^)  Hess.  LandeagcBiL  1,  254.  Die  Ton  Kremer,  Ortg. 
l,  333  »ufgeitcllte  GeschlechtsUfel  macht  Bruno  irriger  Weite  zum  Bruder  Konradt.  — 
'•  it  41<l. —  *)  Brower  2,  19  zum   Jahre  1124:  ^lude  graTibua  et  periculusia  morbia   ipeaquc 

•  «»tiac^ta  i|uas«ato  curpure,   aeptimo  Kalcnd,  Mati,    hora  diei  prima,  riveudi  üncm  fecit,' 


142 

Heines  amtlichen  Küuneus  den  Beatrebungen  des  letzteren  förderlich  boin  musste. 
Dazu  kommt,  tiasa  Bruuö^  wie  ebenfalls  die  Urkuüde  zeigt,  ubne  dass  es  bis 
jetzt  wäre  erkannt  worden,  noch  anderen  verwandtschaftlichen  Bittstellern  gegen- 
überstand als  Tuto.  Wir  finden  unter  den  Zeugen  des  letzteren  und  unmittelbar 
neben  ihm  „Reginboldus  de  romorsdorff,**  Das  ist,  da  Rommersdorf  im  ICreise 
Neuwied  eine  löenburg'sche  Burg  war,  niemand  anders  als  der  uns  bekanntere 
Roginbold,  Reinbold  oder  Rembold  III.,  der  mit  der  sechsten  Ärnsteinerin  ver- 
mählt w^ar^),  der  Sohn  jeues  Reinbold,  den  wir  in  der  oben  behandelten  Urkunde 
von  1093  als  Zeugen  kennen  lernten  neben  Tuto,  dem  Vater  Trutw^ins  und 
Tutos-  Der  auf  ihn  sofort  folgende  weitere  Zeuge  ^Henricus  coraes  de  dyetsche" 
enthüllt  sich  uns  als  Trutwins  Mitschwieger,  da  er  der  Vater  des  Grafen  Embrico 
von  Dietz,  und  dieser  Gemahl  der  Tochter  Trutwins,  Demudis,  war.-)  Kein 
Zweifel  also,  Tuto  hatte  die  ganze  in  Betracht  kommende  Verwandtschaft  zur 
Seite  und  Bruno  um  so  weniger  Gelegenheit,  sich  auszusefa Hessen,  wo  alles  dazu 
angethan  war,  seine  ganze  metischliche  Neigung  zu  beschlagnahmen. 

Eine  innerliehe  Geneigtheit  bei  äusserlicher  Förmlichkeit  imd  Zurückhaltung 
ist  aber  noch  durch  anderes  zu  erhärten.  Bruno  hatte  selber  jahrelang  die 
kirchliche  Censur  dafür  gekostet,  dass  er  von  Heinrich  IV.  auf  den  erzbischöflichon 
Stuhl  war  erhoben  w^orden.  Nicht  nur,  dass  mau  ihn  zur  Niederlegung  seiner 
Würde  bestimmen  wollte,  als  er  sechs  Jahre  nach  seiner  Wahl  zum  Erzbischof 
sich  in  Rom  stellte,  so  musste  er  sich  auch  drei  Jahre  lang  die  Busse  gefallen 
lassen,  die  Messe  ohne  Dalmatica  zu  lesen.')  Als  deutschgesiunter  lürchenfürst 
und  Erwählter  dos  mehrfach  gebannten  Kaisera  konnte  er  dazu  dem  Banne 
der  Kirche  nicht  den  römischen  Wert  beilegen*  Was  mehr  als  das  ist,  er  war 
auch  ein  aufrichtig  frommer  Mann*),  infolge  dessen  allen  schroffen  Handlungen 
abhohl,  überall  zum  friedlichen  Vermittleu  bereit,  so  dass  er  bei  beiden  Parteien 
in  Achtung  stand,  zumal  er  ausserdem  ein  kluger  und  gelehrter  Mann  und  von 
nicht  geringer  Beredsamkeit  war.  Selbst  der  strenge  Jesuit  Brower  hält  ihn 
des  Lobes   wert,    wenn   er  gleich   an  ihm   tadelt,   dass  er  ,schismatis  maligni 


')  Wir  Bchliessen  dies  mit  voller  Stolierheit  aas  den  von  Reck  a.  a.  0.  35  f.  und  40  bei- 
gchrac'liteii  urkuTnJliohoii  Belegen.  VergL  auch  dessen  Stammtafel  der  Isenburger.  Die  Ver- 
warn lUehnft  mit  AmBtoiii  n,  Kiemer,  Orig.  2»  363.  Widniann,  AnnaJ.  18,  248  und  Progr.  15. 
Fischer  kann  nur  für  die  Urkuiidenbologo  gebraucht  worden:  seine  eigeoen  SchlÜase  be* 
dürfen  sehr  der  Berichtigung.  Die  BeliRU|jtung  Günthers,  die  Wegeier,  Die  PrSmonatraten^ 
ser-Abtei  Rommersdorf.  Nach  einer  Handschrift  und  ürkundensammlung  des  Weihbi»ehof§ 
W.  A.  Günther  bearbeitet.  Coblenz  1882»  4  kritiklos  wiederholt,  dass  die  von  Isenburg  und  Rom- 
mersdorf zwei  yerschiedone  DynastengoschJechter  darBfeellen  mucUten,  ist  durch  Reck  srhon 
beanstandet.  —  *)  V«rgL  Wenck,  Hess.  Landcsgesoh.  1,  538.  v,  Arnoldi,  Ocsch  der  Gran - 
Nääh  Länder  2,  55.  Vogel,  Bcackr.  206.  Krem  er,  Orig*  2,  363,  Widmann,  AjmaK  18, 
247.  Ein  Verwandter  dieses  Grafen  scheint  auch,  aus  Wenck  1,  537  tu  sebliessen,  der  lui- 
mittelbar  nach  ihm  folgende  „Anshelmua  de  Moloberg",  d.  h^  Molsborg  zu  sein.  Über  den- 
selben a.  Goerz,  Nachrichten  über  die  Burg  und  die  Gest^hiehte  der  Herrn  von  Motsberg, 
Annal.  3,  341,  Vogel,  Beschr,  257.  Die  übrigen:  „Anefriet  de  tornc?dorir  (Dorndorf  bei 
Hadamar),  fredericus  de  brubach,  Wernhcrus  asinhaga'*  (V)  Dietfryt  de  nentrr^  iNi'^tpr  bei  Marion-' 
atfttt),  „WlneUart  et  Oerlach  de  miliggin"  (Meilingen),  ,,Ello  de  Lontroth'  )  sind  oicfcl 

nSher  tu  bestimmen.  —   ^)  Mn^'num  chron,  belg,  bei  8truvo,  Rerum  g«r'» 
i,  152  t  -    *J  Ebenda, 


143 

fiubilo  »emcl  perfuaus*  gewesoü  sei.^)  Nehmen  wir  hinzu,  dass  er  damals  im 
li5hereu  Alter  ataud,  also  um  so  milder  und  nachgiebiger  seiu  musste,  so  ist 
mehr  aU  gewiss,  dasa  er  dem  frommen  Verlangen  Tutos  soviel  Herz  zuwandte«, 
ah  sich  nur  mit  der  Würde  seines  Ivirchenarats  vereinigen  liess.  Der  Verwandte, 
der  Christ,  der  Greis  verglich  sich  nachgiebig  und  klug  mit  dem  Kirchenftlrsten, 
tind  dos  Kloster  durfte  sein. 

Es  ist  aber  noch  ein  anderes,  was  uns  die  halbwegs  hinter  dem  Rücken 
der  amtlichen  Kirche  zu  stände  gekommene  Oründung  der  Propstei  Lipporn 
anzudeuten  scheint:  die  Berufung  alemannischer  Munche  zu  ihrer  Besiedelung, 
Man  hatte  ja  wohl  gesagt:  ^dasa  Ordensbrüder  bei  neuen  Klöstern  xu  deren 
Übernahme  und  Einrichtung  weither  gerufen  wurden,  und  als  formliche  Kolonie 
mit  ihrem  kirchlichen  Bedarf  einzogen,  sei  nichts  Seltenes."')  Indes  nicht  nur, 
ifaisä  dies  für  Nassau  hier  zum  erstenmale  geschah  und  die  von  Schliephaice*) 
li^rbeigezogenen  Klostergrüudungen  zu  Eberbach  und  Arnstein,  wie  auch  die 
tu  Rommersdorf,  erheblich  später  fallen,  ja  wie  letztere,  unser  Lipporn  offenbar 
zum  Muster  haben*),  so  liegt  auch  bei  allen  diesen  Stiftungen  kein  Stiftuugs- 
gründ  wie  der  unserige  von  Auch  ist  es  nach  unserer  obigen  Darstellung  eine 
gegeostandelose  Vermutung  Schliephake's'*),  wenn  er  sagt:  „Zur  Erklärung 
des  zwischen  Lipporn  uud  Schaff  hausen  hergestellten  Verhältnisses  mag  der 
Umstand  dienen,  dass  Erzbischof  Bruno  zu  Trier,  der  aus  dem  Hause  der  Grafen 
von  Laufen  abstammte,  für  Schaffhausen  sich  besonders  verwandte  und  seinen 
Freund,  den  Grafen  Tuto,  zu  jener  Anordnung  zu  gunsten  von  St,  Salvator 
iwog.*  Denn  wie  durfle  Bruno,  wenn  auch  nur  heimlich,  befördern,  was  er 
ntlich  so  zurückhaltend  behandeln  musste;  und  dies  selbst  von  dem  Gesichts- 
punkte  aus,  dass  er  der  Schaffhauser  Abtei  noch  so  viel  näher  stand,  als  Sehliep- 
hake  bekannt  erscheint.®)  Bruno  ist  nämlich  als  der  Blutsverwandte  von  deren 
Stifter,  dem  Grafen  Eberhard  von  Kellenburg,  dem  Seligen  bezeugt,  der  selber 
iu  diese  seine  105Ü  gemachte  Stiftung  zwischen  1075  und  79  eiotrat.'l     Ausser- 


*)  If  td,  woselbtit  auch  das  ^^iriedluin  forire  didlciaset"  zu  aeiuem  Lobe  erwfilmt  wird. 
Trtidperi  Neu^art  in  seinem  nachgelassenen,  von  Hodo  herausgegebenen  zweiten  Bniido 
fiel  ersten  Teils  seitice»  wichtigen  «^Episcopatus  Constantiensis  giib  luetropoli  mo^untina  chrono- 
loigice  et  diploraatic-e  illustratus/*  Fribur^ Brisgovie  1862,  21  bemerkt:  ,,Ex  epiacüpi«  Germaiiifte 
Bruno  TreTirenais  pro  auctoritate  utque  juribos  imperatoris  tarn  prudenter  atque  moderate 
propiigDATU,  ut  edam  apnd  papam  grada  valeret.**  Weiteres,  was  man  über  Bruno  urkundlich 
mm»9t  ut  bei  Stalin  2,  418  gesammelt.  —  =)  Schliephakc  1,  154»  Anm.  —  ')  Ebenda.  — 
*>  Rommersdorf  wurde  geg^rOndet  von  einem  Gerlach  aus  dem  Hause  Isenbur^^- Rommersdorf, 
wie  wenigstena  Reok  41  wahrscheinlich  findet.  Einen  t^Reginboldua  de  romorsdorff^*  aber  haben 
wir  oben  kennen  gelernt.  Das  Jahr  der  Gründung  ist  nicht  festgestellt,  aber  nach  Sehliep- 
bake  später  als  daa  der  Gründung  Lipporns«  Vergh  Goerx,  Mittelrh.  Regesten  1,  547.  Berker, 
Da*  Kecrologium  der  Abtei  Arnstein,  Annel.  16,  42.  Roth,  Die  Viaionen  VllL  Wegeier  3  f. 
wliHlerholt  nur  Günther  mit  seinen  irrigen  Anstltzen  und  führt  8.  5  der  ,, Annales  sacri  et 
eaiKHtlci  ordinis  Praemonstratensls^^  Nancy  1734  für  ein  Gründungsjahr  1125  an.  —  *)  A.  a.  11, 
t£  Wenok,  Hist.  Abh  1»  51!  —  ^J  In  cod.  mso.  bibliotbecne  Schaffhua.  8.  Joannis  vooatur 
..:^_..  f^berhardi  eomitia  qoi  locum  Schaffbusanum  [1.  e.  monasterium  O,  O,  8.  8.  scu 
istruxerat^  rir  divinarum  »c  secularium  rcTUm  ^«'ientia  ad  plurimum  instructuV, 
lt.  1,  2,  21.  VergLStÄHnl,  553  f.  Die  mlhere  Verwandtschaft  liebe 
(irafeu  von  Xellcnburg  und  Laufon  ist  aber  /ucht  mehr  fe»txu**teUen, 


ma 


144 


dem  uoterlnolt  er  den  leblrnfteston  Verkehr  mit  den  Mönchen  des  Klosters. 
Densen  Abt  Adelbert  erlangte  vun  ihm  auf  vieles  Bitten  die  Leiber  der  hL 
Conatana  und  Alexander,  ehemaliger  Senatoren  von  Trier^  wie  den  des  hl.  Bischofs 
Leguntius.')  Da  letzteres  bei  einem  Aufenthalte  Brunos  in  Schwaben  für  daa 
Jahr  1117  bezeugt  ist,  m  meinte  1816  sehon  auch  Neugart,  daas  er  den  Grafen 
Tuto  von  Laureuburg  „wahrscheinlich '  überredet  habe,  das  von  diesem  ge- 
gründete Kloster  Lichtboro  dieser  Abtei  Aller  Heiligen  zu  unterstellen.*)  Aber 
auch  seine  Annahme  ist,  abgesehen  von  dem  bereits  Gesagten,  deshalb  völlig 
grundlos,  weil  sie  nur  einen  Schluas  aus  Tutos  und  Brunos  Urkunden  darstellt.^) 
Nein,  Tuto  handelte  selbatändig*  Musste  er  auch  von  den  nahen  Beziehungen 
des  Erzbischofs  zum  SchatFhauser  Kloster  wissen,  so  konnte  ihn  dies  bei  der 
Wahl  auswärtiger  Ordensbrüder  nur  insofern  leiten,  als  sich  Schaffhausen  ihm 
als  das  dem  Erzbischof  so  nahestehende  Kloster  besonders  empfehlen  mochte. 
Sein  Hauptgedanke  hatte  sich  vielmehr  darauf  zu  richten,  Mönche  für  seine 
Stiftung  zu  gewinnen,  die  seiner  Sühneabsicht  entsprachen.  Dazu  waren  solche 
von  weither  am  besten  geeignet,  weil  sie  vorurteilsfreier  dachten,  als  die  mit 
dem  Sachverhalt  genauer  bekannten  der  Nähe,  Vielleicht  auch,  dass  Tuto  iu 
Erfahrung  gebracht,  dass  die  Schaff  hauser  Mönche  zu  jenen  „religiös!*'  gehörten, 
von  denen  wir  oben  uns  erzählen  lioissen,  dass  sie  dem  Banne  freier  gegenüber- 
standeu.  Ausserdem  wird  ja  freilich  auch  in  Betracht  zu  ziehen  sein,  dasa  die 
Scliatt'hauser  Benediktiner  als  Männer  strenger  Askese  minder  anspruchsvoll 
waren  als  andere.  In  Lipporn,  daa  geht  aus  der  Urkunde  Brunos  hervor,  waren 
ihnen  so  karge  Bissen  zugemessen,  dass  sie  sich  noch  den  Zehnten  in  Meihngen 
ausbitteu  mussten.  Scheinen  doch  die  gleichen  Yerhältnisse,  wie  in  Rommers- 
tlorf,  obgewaltet  zu  haben,  von  dem  uns  erzählt  wird,  dass  die  Schaffhauser 
Miinche  daselbst  bei  einer  alten  Kapelle  unter  ihrem  Abte  Hermann  daa  klöster- 
liche Leben  solange  führten,  bis  sie  wegen  zu  grosser  Dürftigkeit  des  Orts 
denselben  wieder  verlassen  mussten.*)  Auf  alle  Fälle  erhellt  ans  deu  beiden 
Lipporner  Urkunden,  dass  Tuto  seine  Absicht  erreichte.  Der  Abt  Adelbert 
übernahm  das  Toten  am  t  in  Schaff  hausen,  schickte  seine  Mönche  zu  gleichem 
Zwecke  nach  Lipporn  und  vereinigte  sich  mit  Tuto  zur  Bitte  um  den  Zehnten 
in  Meiliugen  für  die  junge  Stiftung.  Und  diese  Verbindung  mit  Schaffhausen 
ward  offenbar  auch  dann  nicht  gelöst^  als  die  Propstei  Lipporn  nach  Schönau 
versetzt  wurde,  um  dort  zur  Abtei  zu  werden.  Denn  in  dem  Weis  tum  des 
letzteren   vom  Jahre  1573,    „so  sich    auf  ein  älteres  fundiret  de  anno  1407***), 


Derselbe   2,    418.     Yergl  aurh  Brower  1,  545\  der  dabei  irrig  vom,  ^moniisteno  . . .  uomino 
tiaoilceim  apostolorum  oondito"  redet. 

')  Naoh  einem  gieiohzoitigen  Mse,  bei  Neugart  a   a.  O,  —  "'^j  Ebenda  22:  j,et  teriai- 

nlliter  Dudoni  de  Laurenburg   persua^it,  ut  mouaaleriuin    Lietitburnenee   ob   ipso  fundatuni, 

»atiae  O.  O,  8.  S.  sabmittGret'*    RoÜi,    Die  Visionen  VIII   arheint  au<?b  hiervon  zu  wissen, 

aber  dreist ,^vt?naiiniliter**  au»  dem  SpiH,  das  übrigens  auch  Ooerz»  MiUeirli  Regenten  1,  471 

bear*htet  hat,  und  erfindet  ebenso  dreist  aUea  Weitere^  entsprecJiend  dem  ganzen  Romane, 

•*  aus  Tutoe  Leben    herausgezaubert   bat»  —  ^J  Das  geht   hervor   aua    seiner   Bemerkung 

:  «Faotam    craditionem   Bruno   eonfirniaTit     Vide  Uttera«   Dudonis  et  BrunonJs  arehiep. 

nkb  earentcä  in  deduetione:  „Rettung"  u.  s    w.  —  *)  Goer«»  Mitteirh.  Regesten  1, 

igclcf,  2.  ^  '^)  „Rettung'^  14  und  BejL  ,X1T  S.  10  und  12«     Dieselbe  SteMe  bat 

ick,  Hiat.  Abb.  1,  52  und  Roth,  Die  Visionen  XI  abgedruckt 


145 

Bisst  es:  „Item  haben  dio  Scheffen  gcweist  ihren  Oborhoff  zu  ScliafFhaiisen  mit 
ölcheni  unterscheideo,  welche  Parthey  ausheischet,  diesolte  deu  Schelfen  bostellen 
eiDeo  Karn  und  dafür  spaoneo  einen  Fülleu,  der  neue  Ingespannt  sy  und  mit 
Hanen-Dorn  beschlagen  aeye  und  sie  gesund  liefPern  gegen  Schaaffhausen,  und 
her  wieder,  und  wann  dem  Fällen  ein  Eisen  abfalt,  da  sollen  sie  über  Nacht*) 
verbleiben,  und  da  solleu  sie  den  Scheffen  wohl  gütlich  thun/  Das  Mutter- 
kloster zu  Schaff  hausen  behielt  also  trotz  der  Mündigkeit  der  Tochter  ein  altes 
Vorrecht. 

Ihre  noch  heute  sichtbare  Spur  aber,  das  darf,  da  wir  ohnedies  durch  das 
bisher  Gesagte  das  Wie  der  Gründung  Lipporos  genugsam  beleuchtet  erachteu, 
dieser  Stelle  einzuschalten  nicht  unterlassen  werdenj  hat  diese  geistliche  Schaff- 
bauser  Kolonie  in  der  von  uns  oben  behandelten  Trutwin-Legende  hinterlassen* 
Nicht  als  ob  wir  die  biederen  Alemaonen  selber  für  die  Erfinder  derselben 
erklären  wollten.  Aber  sie  haben  ohne  Zweifel  das  dazu  mitgebracht,  was  der 
Erfinder  so  unglücklich  für  seine  Erfindung  benutzt  hat:  die  Geschichte  vom 
Herzog  Hermann  und  seinem  j,capellanus'*  Hartbert.  Sei  es  nun,  dass  sie  den 
Stoff  dazu  unter  ihren  Bücherschätzen  in  Gestalt  einer  alemannischen  Chronik 
mit  sich  führten,  oder  sei  es,  dass  sie  ihn  an  Ort  und  Stelle  durch  Anfzeichmingen 
aus  der  Geschichte  der  Heimat  bereiteten.  Es  will  uns  deshalb  nicht  ausge- 
schlossen erscheinen j  dasa  die  von  uns  oben  so  mühsam  zusammengeklaubten 
Bruchstücke  alemannischer  Geschichte  sieh  irgendwo  noch  einmal  im  Zusammen- 
hange entdecken  lassen  in  einem  glücklich  wiedergefundenen  Bande  aus  der 
Lipporn-  Schünauer  Bücherei,  von  der  auch  nicht  eine  einzige  weit*  oder  kirchen- 
geschiehtliche  Handschrift  auf  uns  gekommen  ist,  obwohl  sie  solche  sicher  neben 
ihren  Andachts-  und  dogmatisch-scholastischen  Schriften  beherbergte^  wenn 
anders  echt  benediktinischer  Geist  im  Kloster  wohnte,  namentlich  der  geschicht- 
liche Sinn  von  Schaff  hausen  mitgebracht  war,  der  andere  Klöster  des  Xonstanzer 
Kirchensprengels  auszeichnete. 

Komraeu  w^ir  nun  zum  Wann  der  Tuto' sehen  Stiftung,    Schon  oben  wurde 

^fcemerkt,  dass  uns  durch  die  Sorglosigkeit  der  Abschreiber  oder  durch  w^elchen 

Zufall   sonst   das  Datum   der  Lipporner  Urkunden    vorenthalten  ist     Wir  sind 

deshalb  auf  die  Zeit  zwischen  1102  und  1124  gewiesen,  in  welcher  Bruno  nach 

Ausw^eis  sicherer  Geschichte  Erzbiscbof  von   Trier    war.     Innerhalb    dieser  Zeit 

»circa  an.    1114*  anzusetzen,  wie  Kremer*)  that,  ist  rein  willkürlich.    Ebenso 

hinfallig    erweist  sich    der  Ansatz   des    Coblenzer  Archivars    Goerz^)    auf  das 

Jahr  1117,   da    er   sich  auf  das  von  uns  oben  zurückgewiesene  „verisimiliter** 

seines  Gewährsmannes  Neugart  stützt.    Der  einzige  Anhalt,  der  sich  aus  Tutos 

Urkunde    bietet,   ist    dessen   Bemerkung:    „iam   diu  deliberavi."     Darnach    ist 

l^schon   eine    geraume  Zeit"    verflossen,    seitdem  Trutwin  erschlagen   ward  und 

'«eine  Stiftung   für  die   Lipporner  Kirche   bestand.     Da   wur   nun    voraussetzen 

^)  Im  Texte  steht  .Macht",     Roth  liest  darÄUs  „Waebt**  und  setzt  \n  K Jammern  dabei 

„(ob  Nacht?)!"  „Rettung'*  U  steht  dafür  doch  klärlich  „fiberuttohteii'*  und  ihr  Verfaeaer  orklfirt 

m72:  ^Bie  Fehler  in  denen  Beylagen  wiü  der  Verfasser  nicht  Ändern,  ala  welcher  den  Druck 

fderewelben  g^or  nicht   und  nur  den    äeiner  Schnffi  von  p.   165   biss   zu   Eiid    revidirt   hat/*  — 

*)  Orjg,  2,  151  r  —   0  Miftelrh.  Regesten  l,  471, 

10 


^ 


146 


dürfen,  dasü  der  Mord  des  Bruders  nicht  gerade  m  die  ersten  Jahre  des  zwölften 
Jahrhunderts  fiel,  weil  doch  imraerhiD  erst  eine  langjährige  hartnäckige  Ver- 
[shtung  der  kirchlichen  Strafe  seitens  Trutwins  und  ein  laDgdauernder  Entzug 
Her  gewohnten  kirchlichen  Gnadenmittel  den  Fanatismus  zur  Mordwaffe  greifen 
laisaou  mochte,  so  ist  eine  Hinausrückung  in  das  zweite  Jahrzehnt  des  gedachten 
Zeitraums  für  den  endlichen  Entschluss  Tutos  um  so  mehr  geboten,  ah  diesem 
die  Sühne  des  Bruders  durch  die  Schenkung  an  die  Kirche  zunächst  als  eine 
auskömmliche  erscheinen  rausste.  Was  konnte  also  seinen  Gedanken  eine  andere 
Richtung  geben?  Und  was  leitete  sie  auf  eine  grössere  Busse,  als  die  mit 
der  Schenkung  an  die  Kirche  vollzogene?  Wir  gehen  schwerlich  fehl,  wenn 
wir  an  erschütternde  Zeitereignisse  denken,  die  nicht  bloss  Tuto,  sondern  auch 
andere  Zeitgenossen  auf  ernstere  kirchliche  Gedanken  brachten*  Solcher  aber 
bieten  sich  zunächst  in  dem  schrecklichen  Erdbeben  dar,  da9  im  Jahre  1117 
„acht  Tage  nach  dem  Feste  Johannis  des  Evangelisten**  sich  über  den  ganzen 
Erdkreiß  verbreitete  und  zweimal  zwischen  Tag  und  Nacht  die  damalige  Welt 
in  einer  Weise  entsetzte,  dass  keine  Chronik^)  vergessen  hat,  von  den  erlebten 
Häusereinstürzen  und  Menschenverlusten  zu  erzählen.  Ausserdem  tieas  das 
ganze  Jahr  eine  Reihe  so  schreckhafter  anderweitiger  Naturerscheinungen  schauen, 
dass  man  den  letzten  Tag  gekommen  erachtete,  und,  wie  ein  Annalist  bemerkt, 
„viele  ernstlich  an  Besserung  ihres  Wandels  dachten.**  Zu  dem  allem  verbreitete 
der  von  Erzbiachof  Adelbert  von  Mainz  angeschürte  Krieg  seine  Schrecken.*) 
Sollte  da  die  Annahme  allzu  gewagt  erscheinen,  dass  ein  Mann  wie  Tuto,  den 
wir  durch  eine  Klostergründung  ernsteren  Gedanken  im  Sinne  seiner  Zeit  zu- 
gänglich sehen,  der  allgemeinen  Bussstimmung  seinen  Zoll  bezahlt  und  an  die 
Ausführung  eines  Entschlusses  gedacht  haben  werde,  den  er  schon  lange  mit 
sich  herumtrug  ?  Will  uns  doch  scheinen,  dass  gerade  der  unauslöschliche  Ein- 
druck, den  solche  ungeheure  Erlebnisse  auf  die  Seele  so  gestimmter  Menschen 
zu  machen  pflegen,  ihm  gewissermassen  die  göttliche  Erlaubnis  zu  geben  schien, 
auf  eigene  Faust  eine  Suhnung  zu  suehen,  die  ihm  die  Kirche  verwehrte,  und 
gleichzeitig  dabei  sein  eigenes  Seelenheil  mit  dem  seiner  übrigen  Sippe  zu  be- 
denken. Die  Geissler  und  so  manche  andere  ausserkirchliche  Erscheinungen 
des  Mittelalters   von   innerst   kirchlichem  Sinne   sind   uns  des  sattsam  Gewähr, 


M  Goerz,  Mittelrk  Hegesten  1,  470  bat  ihm  ein  eigenen  Regest  gewidmet  und  eiDO 
Anzahl  von  chronikalen  Xaohriohteii  daaelbst  veraeichuet,  denen  wir  noch  die  boi  Neu  gart, 
EpisG.  const.  !,  2,  22  beifügen  und  aus  Nassau  den  Bericht  der  Eberbaober  Chroniken  bei 
ZaiSi  Beitrag  zur  Geschichte  des  Erzstifts  Mains  6  und  Widmann  im  Neuen  Archiv  13,  l£t3. 
—  *)  AnnaL  8axo»  Bodeehin.  bei  Keugart  a.a.O.  Brower  2,  ]3fasat  dies  alles  xuaaminen» 
wenn  er  sehreibt:  ^Porro  huius  anni  intoleranda  mala,  ae  perniciosa  Reipublicae  disaidia  con- 
citoro  Adolherto  Moguntino  acerrime,  haud  faaile  sopienda,  proximo,  coelestia  prodigia  auxer 
euni  Buperum  ira,  non  minore  nooendi  acerbitate,  erupit:  nam  ingens  hieme  gelida  terr 
mi>tQH,  et  elisorum  fulminura  ubique  jaetua,  tremenda  quoque  tonitrua,  quälen  nemo  meminerat, 
cum  grandine  immissae  tcmpestates.  Coelum  deinde  Tisam  igni  ardere  plurimo,  tanttia  dentquo 
terror  homincs  ubique  pervasit,  ut  mente  propemodum  attonitis,  subiret  norissimam  adesae 
mundo  noctem,  Omnium  igitur  nationum  populis,  ad  pnoem  Dei,  veniamque  impetraiidam 
conversis,  solum  Qernianiae  regnum,  velut  amisso  jam  sensu  oulamitatis,  neque  moti  ira  Numini^ 
ncquc  tot  ultro  oitroquo  et  illatis  et  acooptis  cladibua  malorum  flnem  invenit,*^ 


I  do  getrieben  vom  unermesälicheii  Zeitelend  die  kirchliche  Ordnung  durch* 
trechen  und  ihr  Heil  auf  eigener  Fährte  suchen,  weil  es  die  Kirche  ihnen  nicht 
bieten   zu   können    schien.     Dasa  eine  nüchterne,   geschäftliche  Urkunde  davon 
nichts  zu  erzählen  weiss,  kann  nicht  wundernehmen.     Das  mittelalterliche  Qe- 
fühl    hat   ohnedies    mehr   Thaten,   als  Worte.     Und   das  Kloster   Lipporn  war 
^ftiae   solche  That     Setzen   wir  also   immerhin,   da  die  geschriebene  Geschichte 
uns  schweigt,  das  Jahr  1117  als  das  mutmasslich  entsprechendste  Geburts- 
dds  Stiftnngsgedankens  in  der  Seele  Tutos  fest.    Jedenfalls  haben  wir  dabei 
ich  das  für  uns,  dass  das  am  weitesten  hinausgerückte  Jahr  uns  mit  dem  so* 
iel  Älteren  auch  den  soviel  ernster  gestimmten  Stifter  zeitigt.    Jünglinge  stiflteu 
eine  Klöster  und  der  einer  allzustark  genossenen  Welt  satte  Graf  Ludwig  war 
loch  auch  schon  30  Jahre  alt,    als  er  Klosterstifter  und  Mönch  zugleich  ward. 
^Tuto   aber   haben   wir   zu   dieser  Zeit   nach  unserer  Rechnung  als  angehenden 
Tiorziger  zu  denken  und  vielleicht  gar  als  kränklichen  Mann^  du  er  bald  nach 
fixier  Stiftung  gestorben  sein  muss.     Denn  von  nun  an  hören  wir  nichts  mehr 
Ion   ihm.     Die   von   ihm   aller  Wahrscheinlichkeit   nach    bevormundeten  Sohne 
Pde«  Bruders,  Ruprecht  und  Arnold,  treten  vom  Jahre  1123  ab  in  Unterschriften 
als  ZeugeOy  also   als   angehende  Männer   und   mündige  Verwalter    ihrer   Graf- 
schaft, auf.^) 

Aber  nicht  bloss  dass  Tuto  zu  dieser  Zeit  aus  der  Geschichte  verschwindet, 
verschwindet  auch  seine  Stiftung  mit  ihm.  Bereits  1126,  wie  wir  oben  sahen, 
ist  Sohunau  an  seiner  statt  erstanden.  Woher  dieser  plötzliche  Wandel,  der 
lieh  für  uns  ebenso  stumm  vollzieht,  wie  im  Grunde  die  Stiftung  Lipporn? 
Luch  hier  also  hat  die  geschichtliche  Mutmassung  au  die  Stelle  der  Geschichte 
zu  treten,  und  wir  denken  derselben  diesen  ihren  Charakter,  wie  bisher,  zu 
wahren,  wenn  wir  das  Folgende  zur  Erwägung  stellen. 

Am  25,  April  1124  hatte  Bruno  seine  müden  Augen  geschlossen,  und 
wir  haben  alle  Ursache  anzunehmen,  dass  es  seinen  bis  dahin  offenen  gelungen 
war,  dem  ihm  untergebenen  Bischöfe  von  Worms  zu  bedeuten,  dass  er  mit  seineu 
lurenburg'schen  Verwandten  den  Streit  wegen  Nassau  beruhen  Hess,  Denn 
loch  am  1.  April  1124  sehen  wir  die  beiden  Grafen  Ruprecht  und  Arnold 
friedsam  die  bereits  oten  berührte  Urkunde  zur  Bestätigung  eines  „beneficium^ 
Pfalzgräfin  Adelheid  für  ihren  „capellanus^  Manegold  mit  dem  Bischof  Bucco 
^^n  Worms  in  Mainz  als  Zeugen  unterschreiben.*)  Aber  schon  ^zwei  Monate 
und  acht  Tage"  darnach,  im  Anfang  des  August^),  wurde  der  frühere  Dom- 
ftQ  Ton  Trier,  Godefridus,  ein  Lütticher  von  edler  Geburt,  zum  Erzbisehuf 
ittHit  gewählt,  und  noch  im  selben  Jahre  finden  wir  den  Neuerwählten  in 
rorms,  wo  er  in  erlesener  Fürstenveraammlung  gemeinsam  mit  den  Bischöfen 
von  Mainz,  Köln  und  Toul  unter  dem  Vorsitze  des  Kaisers  und  in  Gegenwart 
päpstlichen  Legaten,   Bischofs    von  Praeneste,  die  auf  der  Tagesordnung 


*)  Vogel,  Boachr.  298  mit  dm  Belegen.  —  *)  Act,  Pal.  8»  82.    Die  Grafen  tind  dabei 
'«w«"  ohne  iHren  Titel  ^,de  Luronburg^*  aufgoführt,  aber  der  unmittelbar  nach  ibnen  verieichnete, 
I  TOD  üben  bekannte  ^^AnshelmuB  de  MoUesberg^*  l&sst  als  ihnen  Nahestehender  kernen  Zweifel 
[hrm  Solbigkf^it,  die  denn  auoh  big  jetzt  noch  Ton  Niemanden  beatritten  iat.  —  'J  Browcr 


«O'. 


10* 


148 

stehendo  Saeho  des  Btachofa  Gebhard  von  Würzburg  mitborateu  hilft,*)  DasJ 
bei  dieaom  Anlasse  Unterreduiigcu  mit  dem  Bischof  Bucco  stattgefunden  haben 
werden,  die  sich  um  Nassau,  wie  nicht  minder  um  das  Kloster  Lipporn  drehten» 
darf  mit  Sicherheit  augenommen  werden.  Der  neue  Trierer  Kirchenfiirst  hatt<^ 
keine  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  verwandtschaftlichen  und  altersschwachen 
Gefühle  seines  Vorgängers,  stand  wohl  schon  gleich  als  Mitglied  des  Domkapitelä)|| 
wie  wir  oben  andeuteten,  denselben  entgegen,  und  der  Bischof  von  WormsJ 
hatte  schwerlich  mehr  als  offene  Thüren  einzustossen,  um  seiner  Kirche  Rach^ 
XU  verschaffen,  wenn  er  die  verhasste  Stiftung  für  Trutwin  als  Hindernis  seiueij 
Ansprüche  auf  Nassau  zunächst  zur  Ausrottung  empfahl  Liegt  es  doch  auch 
nahe  zu  vermuten,  dass  die  dem  alten  Bruno  ganz  ungewöhnliche  Tonart  in 
Androhung  des  Baanes  gegen  den  kirchenräuberischen  Grafen  Wilhelm  von 
Luxemburg  zwei  Jahre  vor  seinem  Tode  nicht  ohne  Drängen  dos  mächtigen 
Domkapitels,  mithin  auch  Godefrlds,  angeschlagen  worden  ist.*)  Überdies  leseil 
wir  im  Briefe  Heinrichs  V.  an  den  neuen  Erzbischof  etwas  von  den  Anfangen 
seiner  Herstellung  eines  neuen  Zustandes  der  Dinge  im  Trierer  Erzbistum,  uni 
es  wird  nur  dem  auch  schon  alten  Manne  noch  grössere  Energie  vorzugsweise 
gegen  den  wieder  rückfiillig  gewordenen  Luxemburger  empfohlen,  offenbar  unten 
dem  Zuthun  des  ihm  abgünstigen  Domkapitels.^)  Genug,  Lipporn  musstc  falleuJ 
und  wenn  etwas,  so  ist  sein  Fall  das  erste  Siegel  auf  unsere  Erörterungen 
über  die  Natur  dieser  wohl  einzig  in  deutscher  Kirchengeschichte  dastehenden 
Gründung. 

Aber  es  sollte  niclit  ins  Freie  fallen  und  nicht  allsogleich.  Das  beze 
die  Gründung  Sehönaus  und  vor  allem  die  wichtige  Nachricht,  die  wir  den 
oben  berichteten  Streite  zwischen  dem  Mönchs-  und  Nonnenkloster  dieses  Ortes 
aus  dem  Jahre  150G  verdanken,  dass  der  Nonnen  „Monasterium,  veriue  auteti 
Clausorium"  das  erste  auf  dem  Platze  gewesen  sei.'*)  Man  gewährte  also,  wid 
daraus  ersichtlich,  den  Laurenburgern  die  Gunst,  die  Verlegung  durch  ein^ 
scheinbar  nötig  gewordene  Erweiterung  der  alten  Anlage  vor  den  Augen  de 
Welt  zu  verdecken.  Aber  da  man  doch  nicht  die  Einkünfte  Lipporns  dran 
gab*),  sondern  nur  das  Kloster  selbst,  so  haben  wir  allen  Grund,  nunmehr  noch 
einen  Schritt  weiter  zu  gehen,  als  oben,  wo  wir  allein  die  Möglichkeit  der  Er- 
mordung Trutwins  in  Lipporn  zugaben.  Das  Sühnekloster,  das  wird  nun  klar, 
stand  auf  dem  durch  den  Tod  eines  im  Banne  Gewesenen  entheiligten  Boden, 
und  der  Schönauer  Legendist  hat  uns  auch  diese  geschichtliche  Thatsache  ge- 
rettet, indem  er  sie  für  seinen  frommen  Grafen  Trutwin  schlau  nach  Schöna 
verlegte,  wo  dieser  „in  eodem  loco,  cjuo  fixus  fuerat,  claustrum  benedictoru 
nomine  schönaw  construi  fecit 


*)  Ebenda  20K  —  «)  Goerz»  Mittelrb.  Rcgeaten  1,  479.  —  ^)  Brower  2,  21»:  „Quan 
ut  ^am  [pacemj  tota  dioeceäi  provineiaquc^  uti  quldem  corpisti,  lueltuB  exrolere  in  poüteruii 
queas,  te  graviicr  eiiam  et  serio  moneo  ntqui'  adhortor."  —  ^)  Hiernach  sinil  aUc  seitherige^ 
Angaben  von  dem  »pütoren  Entstehen  dei  ^'annenk^08tc^Ä  zu  boi'icli tagen.  Schon  hiernach  li 
die  Angabe  bei  Brower  2,  21  falsch.  —  ^)  Wie  au8  dem  pUpstlioheD  BeBtiUi^uug^briefc  da 
Klogfer«  yom  Ö.  Mtkri  1213  hertorgeht.  Vergl  ^^Kettunf^^*  4  und  Beyl.  IL  8.2  und  Thritmofuj^ 
Chrgru  hirBäug,    St.  Gallen  1C90,  l,  384,  wie  Schliephuke  1»  1G8. 


149 

Eine  weitere  VerdeckuDg  des  Laurenburg'schen  R(iek/.ugs  war  die  Er- 
hebung der  Propste!  Lipporn  zur  Abtei*)  Schönau,  die  auch  baulich  sicher 
mehrere  Jahre  in  Ansprach  oahiu.  Aber  dieser  Küek2ug,  sobald  er  sich  vollendet 
zeigt  im  Bau,  kehrt  nun  —  ein  bedeutsames  Zeichen  und  ein  weiteres  Zeugnis 
für  die  Richtigkeit  unserer  bisherigen  Darstellung  —  mit  einmal  seine  Spitsse 
gegen  Trier  und  wird  zum  deutUchen  Gegenzuge  gegen  es.  Denn  nun  tritt  die 
Urkunde  von  1132  in  Kraft,  die  wir  oben  vorübergehend  in  Betracht  zu  ziehen 
hatten,  und  die  es  nun  gilt,  näher  zu  besehen.  In  ihr  verkündigt  Erzbiachof 
Adelbert  von  Mainz^  dass  sein  Verwandter,  Graf  ^Ruobertus  de  Luorenburch**, 
ijjas  auf  seinem  Gute  in  Schunau  für  sein  und  seiner  Blutsverwandten  Seelenheil 
gerundete  und  dem  monchiöchen  Leben^)  unter  dem  Abte  Hildelin  überant- 
wortete Kloster  dem  hL  Martin  in  Mainz  mit  allem,  was  zu  ihm  gehöre,  auf 
|wig  zu  eigen  gegeben  habe.  Er  bestimmt  dabei,  dasa  die  Mönche  freie  Abts- 
il  haben,  ihr  Erwählter  aber  von  ihm  und  seinen  Nachfolgern  die  Investitur 
und  vom  Erzbiachofe  in  Trier  die  Weihe  empfangen  solle.  Hierauf  folgt  die 
schon  oben  gemeldete  Auflage  betreffs  des  am  Martinstage  zu  liefernden  Cor- 
porale^s  und  der  Feier  der  erzbischöflichen  Jahresgedächtnisse,  und  endlich  die 
Festsetzung,  dass  der  Graf  die  Vogtei  über  die  Abtei  aus  der  Hand  Adelberts 
empIfUBge  ttnd  dass  dieselbe  fortan  gebunden  sei  an  die  Besitzer  von  Meilingen, 
sowie  dass  kein  Zweiter  oder  Dritter  sie  von  den  erblichen  Laurenburg'schen 
Beslczern  erhalten  dürfe.  Dies  alles  wii*d  bekräftigt  mit  der  herkömmlichen 
Bannandrohung  für  die  Verletzer  der  Festsetzung  und  unter  Zufügung  der 
Zeugen.  Auffalliger  Weise  ist  zuletzt  nur  das  Jahr  1132  in  herkömmlicher 
Art,  nicht  der  Monatstag  genannt. 

Was  geht  aus  dem  allen  hervor?  Doch  unverkennbar  das  zunächst,  dass 
die  neue  Stiftung  für  immer  der  feindseligen  Einsprache  Triers  entrückt  ist  und 
Schonau  nun  ebenso  unter  dem  Schutze  eines  Verwandten  steht,  wie  ehemals 
Lipporn.  Diese  Verwandtschaft  aber,  —  das  wollen  wir  hier  zum  erstenmale 
feststellen,  nachdem  wir  es  oben  in  der  seitherigen  Schwebe  gelassen,  —  kommt 
auf  folgende  Weise  zu  stände.  Der  von  Schliephake  zwar  genannte,  aber 
nicht  eDtsprechend  benutzte  Job.  Mart.  Kreraer  berichtet  in  seiner  „Genea- 
logischen Geschichte  des  alten  ardennischen  Geschlechtes*',  dass,  wie  Erzbischof 
Adelbert  ein  Graf  von  Sarbrücken'*),  dessen  Nichte  Agnes*)  die  Gemahlin  des 
Herzogs  Friedrichs  H.  von  Schwaben  und  dieser  ein  Blutsverwandter  Ludwigs  IIL 
von  Arnstein  war,^)  Da  nun  Graf  Ruprecht  als  Sohn  Trotwins  auch  Solm 
einer  Arnsteinischen  Gräfin,  der  Muhme  Ludwigs  HI,,  ist,  so  ist  der  Grad  der 
mit  »cognatus*  angedeuteten  Vetterschaft  bezeichnet* 


*)  Nicht  nur,  da«s  sie  später  so  genannt  wird,  so  wird  bereits  in  der  aIi  Stiftungabrief 
djonunden  Urkunde  von  1 132  Hildeliiius  „abb««"  betitelt  und  das  Kloster  ,,abbatia."  —  *J  „monantioe 
conTorjiationl^* ;  ^conver&atio**  hei^Bt  sonnt  allein  schon  znonaohiamus,  vtta  mouaatica,  rorgl. 
DuCangc-Henschel  2,  583*  und  unten  Trithemitts.  —  *l  8.  US  f.  —  *)  8.  136  luid  tab. 
d,  X.  —  *)  8.  140  und  rita  Lud.  bei  Kremer  2,  372.  Widniann,  Annal.  18,  258. 
iiungen  2u  Arnstein  s.  bei  Becker,  NecroL  AnnaL  16»  130  und  mehr.  Eine  Verwandt- 
aohari  swiachon  ßufirecbt  und  rdalrloh  Ton  Idstein,  der  auch  «^oognattis**  dei  firxbiBchofs  ge- 
ni  ^'mK  "^i"  '^«»Ht^i"   ^«<«  Hiieht,  AjinnL  3,  3,  TiO,  iit  hierduroh  naohgewieaen. 


i^ai 


■mÜ 


150 


Aber  nicbt  bloss,  dass  Schönau  durch  deu  Schutz  eines  bo  mächtigen 
reiehsfürstlichen  Venvandten  vor  der  ÜDguust  Triers  sichergestellt  war^  auch 
die  alte  Tuto'sche  Bestimmung  blieb  unter  ihm  in  Kraft.  Nicht  zwar  dem  Wort- 
laut uacb.  Aber  es  war  Ruprecht  doch  gestattet  „pro  remedio  anime  sue  et 
parentum  auorura**  das  neue  Kloster  zu  stiften,  und  wer  durfte  es  ihm  wehren, 
seinen  Vater  Trutwin  in  erster  Linie  unter  den  letzteren  zu  denken!  Der 
Kirche  war  nur  dem  Namen,  nicht  der  That  nach  eine  Genüge  gethan.  Da« 
Wort  ^parentum**  birgt  denselben  Laurenbnrg'schen  Trotz  gegenüber  der  Kirche, 
wie  die  Behauptung  der  Burg  Nassau.  Bedeutsam:  ein  winziger  „rocher  de 
brooze*  lässt  dieser  Laurenburg'sche  Laienwille  die  eherne  Macht  der  Welt- 
kirche  sich  an  ihm  brechen,  und  die  ihm  helfen  müssen,  sind  zwei  Würdenträger 
derselben  Macht!     ,,Gutta  cavat  lapidem!" 

Doch  Lipporn,  Schönau,  Nassau  sind  Kinder  desselben  zielbewussten  Willens 
der  Laurenburger.  Wir  haben  deshalb  des  letzteren  Geschichte  nur  auszuer- 
zählen,  um  die  der  beiden  ersten,  seine  Wirkungen,  mit  dem  vollenden  zu  können, 
was  wir  als  die  letzte  Folge  dieses  Willens  für  die  Kirche  zu  bezeichnen  haben : 
wir  meinen,  mit  der  Schlussbeleuchtung  ihrer  Legende. 

Bucco,  der  streitbare  Bischof  von  Worms,  hatte  die  Bedeutung  des  Schach- 
zuges  seiner  Gegner  wohl  erkannt.  Er  holte  demnach  zu  einem  neuen  Schlage 
aus,  als  der  Reichstag  drei  Jahre  später  in  den  Mauern  seiner  Bischofsstadt  tagte. 
Die  „diuturna  querela  Buggonis",  wie  sie  die  zwei  Worraser  Urkunden  von  1159 
nennen*),  fand  endlich  Gehör  bei  Lotbar.  Die  Laurenburger  wurden  verurteilt, 
das  „castrum**  Nassau  herauszugeben*  Ihr  mächtiger  Mainzer  Gönner  liess  ea 
geschehen.  Er  wusste  warum  und  seine  Günstlinge  wussten  es  mit  ihm.  Was 
vermochte  Lothar?  Sie  störten  sich  nicht  an  den  Beschluss  des  Reichstage, 
und  Bucco  starb  ohne  Sieg.  So  vergingen  noch  neun  volle  Jahre*  Da  hielten 
die  Kanoniker  der  Wormser  Domkirche  die  Zeit  für  gekommen,  abermals  ein 
fulmen  brutum  auf  die  unbeugsamen  Verächter  kirchlichen  und  kaiserlichen 
Machtgebots  niederzucken  zu  lassen.  Der  Römer  Konrad  von  Subarra,  ehemals 
Abt  von  S.  Rufin  in  der  Dioecese  Orleans,  dann  Stellvertreter  des  flüchtigen 
lunocenz  IL,  nunmehriger  Papst  Anastaaius  IV*,  den  Otto  von  Freisingen  einen 
^homo  veteranus  et  in  consuetudine  Curiae  exercitatus^  nennt*},  und  von  dem 
selbst  Baronius  nicht  unterläsat  zu  bemerken,  dass  er  „nimiae  facilitatis  repre- 
heosus**  gewesen  aei^,  schien  dazu  am  geeignetsten.  Es  erschien  der  Drohbrief 
vom  5.  Mai  1154,  von  dem  oben  so  vielfach  schon  die  Rede  war.  Rache  ist 
sein  erster  Laut:  „Qui  paterne  iniquitatis  imitatores  existunt,  a  uindieta 
quoque  non  debent  existere  alieni.'^  Und  wüe  er  sich  nicht  scheut^  die  keines 
Titels  Gewürdigten*)  mit  ihrer  greisen  Mutter  Beatrix  an  den  Pranger  zu  stellen^ 
so  wird  auch  noch  der  meuchlings  gemordete  Vater  als  ewig  Verfluchter  aus 
dem  Grabe '  gezerrt  und  ihnen  selber  dessen  Loos  verkündigt,  wenn  sie  nicht 
innerhalb   40   Tagen   ihren  Raub   herausgeben*     Aber   auch   dieser   ungeheure 


i 


0  Sohliephake  1,  200,  202  vergL  204.  —  'j  Bei  R.  P.  Nutttlis  Alexoudor,  HistoHa 
eoclesiatil*  Luci&e  1734,  7,  52.  — -  *)  Yergl.  Heu  nee  1,  47  und  Spondani,  Annnliuin  Ba,roiiii 
epitome.  Lugd.  Bat,  1678,  2,  569,  —  *)  .♦•  i,quod  Äniolduü  et  Robertus  cum  B.  matre  «ua 
iniquitiitem  patria  »iii  «ef^fAiit«*»*'« 


151 


P 


Blite  erwies  sieb  als  kalter  Schlag.  Die  Betroffenen  bleiben  ungerührt^  und 
m  Wirtirt  üoch  gau^e  ffiüf  Jahre,  bis  Worms  sich  gar  zu  einem  Vergleiche  her- 
twibssen  nuis^.  Ben  luhalt  desBclbon  erfahren  ^ir  aus  den  drei  weitläuftigeu 
Urkunden  vom  Jahre  1159*),  deren  Außlegung  in  Bezug  auf  die  Laurcüburg'tjchen 
PersooeD  bisher  bo  viel  Schwierigkeit  bereitet  hat.  Wir  haben  nach  der  um« 
fassenden  DarBtellung  bei  Hennea*)  und  Schliephake^)  hier  nur  noch  zu  sagen, 
dass  Worms  »ich  verstand,  seine  Ansprüche  auf  Nassau  an  den  Erzbischof 
HQHii  von  Trier  gegen  dessen  Gut  in  Partenheim  abzutreten,  und  dass  Lauren- 
bürg  gegen  eine  entsprechende  Vergütung  aus  der  Hand  des  Letzteren  Nassau 
zu  ewigem  Leben  empfing,  unter  der  Bedingung,  das»  der  Erzbischof  sich  ein 
Haas  und  eine  Kapelle  im  Burgberinge  zum  Zeichen  seines  Besitzrechtes  erbaue. 
Von  grösserem  Belange  ist  es,  Klarheit  über  die  bereits  angedeutete  Personal- 
frage zu  gchaifen.  Man  glaubte  seither  annehmen  zu  müssen,  dass  die  im 
tliohen  Briefe  genannten  Grafen  samt  ihrer  Mutter  vor  der  Eröffnung  der 
leichsverhandlung  gestorben  gewesen  seien.  Denn  der  Leheusvertrag  zwischen 
Erzbischof  Hillin  und  dem  Hause  Laurenburg  zeige  neben  einer  „beatrix  comi- 
tiwa"  nur  deren  „coheredes"  als  „filii  ruobcrti  et  arnoldi  de  lurenburch**,  erstere 
Bm  mithin  letzterer  Mutter  bezw,  Muhme  als  Tochter  des  Herzogs  Walram  von 
Limburg  und  Gemahlin  Ruprechts,  wie  dies  Oebhardi  zuerst  festgestellt  hat/) 
Indes  man  hat  dabei  vollständig  ausser  acht  gelassen,  dass  die  Verhandlung 
zwiseheu  Trier  und  Laureuburg  nur  durch  kirchlich  Unbescholtene  geführt  werden 
kuaote.  Erfuhren  wir  doch  schon  oben,  dass  mit  Gebannton  zu  verkehren  bei 
Strafe  des  eigenen  Bannes  verboten  war.  Wie  hätte  also  mit  Kuprecht  und 
Arnold  verhandelt  werden  könjien,  mit  ihnea,  die  keine  Miene  seither  gemacht 
hatten,  sich  von  dem  Banne  durch  Herausgabe  Nassaus  zu  befreien.  Ja  nicht 
eimnal  mit  Gräfin  Beatrix  und  ihren  Miterben  wurde  unmittelbar  verhandelt 
rhneu,  als  Angehörigen  der  Gebannten,  war  nur  gestattet,  sich  als  Bittende  an 
den  Erzbischof  zu  wenden.  Das  Geschäft  selber  war  in  den  Händen  ihrer  Go- 
iichäftstr%er :  Gerlachs  von  laenburg  und  Eberhards  von  Burgensheim,  und 
swtacben  ihnen  und  dem  Erzbischof  stand  wieder  der  Gaugraf  des  Einrieb, 
Reinbold  von  Isenburg.  Diese  werden  selbst  als  Vermittler  des  Gesuclis  der 
Orafuj  zu  betrachten  sein,  wie  die  Urkunde  vermuten  lässt.  Was  kann  also 
bindern^  unter  f,beatrix  comitissa**  dieser  amtlichen  Schrift  die  nur  mit  „B.*  im 
Drohbriefe  des  Papstes  Anastaaius  angedeutete  Mutter  der  Grafen  Buprecht  und 
Arnold  zu  erkennen,  zumal  wir  ihre  Lebenszeit  für  diesen  Fall  schon  oben  gc- 
siehan  haben?  Wir  sind  um  so  sicherer  in  unserem  Rechte,  als  in  unserer 
Urkunde  deutlich  zuerst  die  gebannten  ^ruobertus  et  arnoldus  de  lurenburch** 
erscheinen,  dann  als  Bittende  „beatrix  comitissa  et  coheredes  eins  scilicet 
filii  rtioberti  et  arnoldi  de  lurenburch'^  erwähnt  werden  und  zuletzt  der  ^co- 
inittsae  nidelicet  et  coheredum  eius  Ruoberti  et  aliorum^  als  solcher  gedacht 
istt  welche  die  entsprechende  Summe  von  150  Mark  für  den  Hof  Partenheim 
eriilgl  haben.     Denn  wer  kann  der  letztgenannte  „Ruobertus*^  anders  sein,  als 


»J  Schliephnke  1,  200—200.  —  *)  l,   48  ff.  -  ")  1,   190  tf.  -  *)  Verifl.  das  KÄliere 


mm 


152 


Graf  ßuprecbt  mit  seinem  Sohne  Wabani  und  seinem  Bruder  Arnold  mit  desseii 
Sohne  Ruprecht,  dem  Streitbaren,  ganz  wie  es  der  Lekensbeschreiber  Ludwigs  UT. 
sagt?  Wer  ist  also  Gräfin  Beatrix,  wenn  nicht  die  Mutter  Ruprechts ?  Und 
was  kann  es  uns  anfechten,  dass  auch  die  Gemahlin  Ruprechts  Beatrix  geheissed 
nach  Ausweis  des  Arnstein'schen  Gedenkbuchs,  zumal  diese  ausser  dem  früher 
gestorbenen  und  darum  später  nicht  mehr  genannten  Arnold  Walram  zum 
Sohne  gehabt,  wie  es  dasselbe  Gedenk  buch  einmütig  mit  dem  Amstein^schen 
Lebensbeschreiber  bekundet?*) 

Fassen  wir  nun  aber  das  ganze  Rechtsgeschäft,  in  welchem  Laurenburg 
nach  beinahe  sechzigjährigem  Kampfe  seinen  Frieden  mit  der  Kirche  schliesstj 
in  einem  Blicke  zusammen,  so  ist  zu  sagen,  daas  sich  hier  zum  drittenmald 
wiederholt,  was  bei  der  Gründung  Lipporns  und  Schönaus  zu  Tage  getreten 
ist:  das  kleine  Grafenhaus  hat  unter  dem  Scheine  einer  Niederlage  den  Sieg 
seines  Willeüs  ertTotzt   und   die   Kirche   unter   dem  Scheine   eines  Sieges    du 


*)  Becker  a.  a.  0,  13.    Dieser  Eintrag   erscheint  an  sich  schou  als  Bürge  dafür,    dai 
die  hier  genannte  Beatrix  nicht  dieselbe  mit  der  in  den  Urkunden  von  1159  aein  kann.    Dem 
er  bekundet  mittelbar  die  Abwendung  von  Schonau^  das  doch  dieae  erhebliche  Rolle  im  Kampfe 
mit  WormS'Trier  gespiolt  hatte.   Der  Einkauf  in  das  Arnstetnor  Seelengednchtnis  kann  nSmlich 
nicht  als  VervieinUtigung   eines  schon  in  Schonau    erwirkten  gtjfflsat  vrerden,    da  der  dort  be- 
dachte Gemahl  Ruprecht   nicht    mitgenannt  iat,  sondern  nur  der  Sohn  Walram.    Es  wird  iwar 
im  Toteubuch  Arnsteina  unter  dem  23.  Dezember  eines  ,,Ruperti  comitts  de  Nas^auw**  gedacht 
fBecker  a.  a.  0.  209),   aber  der   kann   nicht  Ruprecht  I.   sein,   weil   eben   ßcin  Käme   nicht 
unter  den  Scheakern  des  Klosters  steht,  und  unter  diesen  sein  Sohn  Arnold  ebeuBowenig  vor- 
konimt|   aU  er  im  Totenbuch  erscheint.     Der  Einkauf  ist   also  offenbar  nach  beider  Tode  g( 
•ichehen.     Nun  hat  Bioh  allerdingä  Gräfin  Beatriic  an  der  Beerdigung   der  Sohönauer  Elisabci 
116&  beteiligt  (Nebe,  Annal.  8,  231),  aber  vermutlich  nur  wegen  der  besonderen  Frömmigk* 
dieser,   deren  Name   auch    im   Arnsteiner  Totenbuch   unter   ihrem  Todestag   am    18.  Juni  yoi 
zeichnet  ist,     Sie   erscheint   dadurch   als   besonders  kirchliche  £*rau;   und    erwägen   wir,   di 
Sohönau  seit  seiner  Stiftung  durch  Ruprecht  sich  keiner  Zuwendungen  mehr  aus  dem  nassai 
ischen  bezw.  laurenburgtschen  Hause  ku  erfreuen  hatte,  das»  yielmehr  nur  auf  Bitten  des  erst^ 
Abtes  Hildetin  die  Kirche  zu  Lipporn  und  1211  noch  einmal  diese  und  diejenige  su  Welten 
wegen  allÄUgrossen  Bedürfnisses  rom  Trierer  Erzbtsohofe  mit  ihren  Einkünften  geschenkt  wurdei 
(b.  die  Urkk.  „Rettung**  lieyl  N,  V— VlI),   so  ist  die  Anuahme  wohl  gcroohtfertigt,  doss   dii 
Idrchl icher   gerichtete   Gemahlin   Ruprechts   samt   der   ganzen   spateren  Familie   fthnlicher  Art 
sich  Schonau  entfremdet  zeigt.     Ihre  Gunst   ist  Arnstcin    geworden.     Daä   beseetigt  der   gai 
die   nasaauische    Famiüe   betreffende    Eintrag  jenes   Eingangs   dieser  Anmerkung   angefilhrte] 
alten   Schenkregisters,   das  die   Namen   des   Neffen    Ruprechts   L»    den   Kreuzfahrer   Ruprec! 
{f  1190  auf  dem  Kreuzzuge)  mit  seiner  Gemahlin  Elise  und  seinem  Sohne  Hermann,  wie  di 
jenigen  yon  Beatrix,  ihrem  Sohne  Walram,  dessen  Gemahlin  Kunigunde,  beider  SChne  Heiori« 
und  Ruprecht^   wie   ihrer  Tochter,    und   ebenso    der  Sohne  des  ersteren  von  diesen,    Rupre<»hl 
und  Heinrich  umfasst.     Und   dass  die  Qeschenkc   au  Arnstein   nicht  unansehnlich   waren,    be- 
leuchtet eine  Urkunde  von   1198  (Guden.  Cod.  dipL  2,   27  ff.),    laut  welcher  die   torgenannte 
Gräfin  Kunigunde  ,,omuera  decimarum  proveutum  de  novalibus  in  Estenervorst^*  diesem  Klost 
mit  der  ihre  kirohlieht  Stellung  deutlich  genug  kenneeiehnenden  Bestimmung  schenkt:  f,ai 
quo  predictus    coracs   [Walrumus)  adhuo    in   corpore    vivens   ex  oporum  illicitorum   commi 
impenitens  morte  deceaserat,  corum  precum  iiminiculo  npud  miiiencordiarum  Patrem  mJserit'ui 
diter  expiaretur.**    Ihr  Sohn  Ruprerht  aber  trat  nach  dem  Tode  seiner  Gemahlin  in  das  Deutscl 
ordenshaus  in   Mainz>   nachdem    er   1222   da»  C-istorzicnscrfrauenkloster  Affholderbach  gcstift( 
hatte  (vorgl  Becker  &.  a  U.  17).      Alles  doch  wohl  deutliche  Zeugnisse  für  eine  der  Stil 
Lipponi*Sohdnau  abgeneigte  Stimmung  in  der  »pÄteren  Familie  der  Stifter  ftctbr 


153 

Niederltige  ihrer  Auaprüche  vorborgen.  Bann  «od  Interdikt  mussten  aufgehoben 
werden,  ohne  dans  die  Grafen  nur  darum  zu  bitten  gehabt  hätten,  und  weit 
»otforot  eiDO  Macbteinbusse  erfahren  zu  haben,  hatten  dieselben  nun  als  Vasalteu 
!des  mächtigen  Trier  eine  um  ßo  grössere  Machtfülle  erworben,  zumal  sie  auch 
mit  der  Burg  das  ganze  Gebiet  Nassau  für  ihre  150  Mark  erhielten.  Sie  treten 
nun  als  die  mächtigen  Grafen  von  Nassau  in  die  Geschichte  ein.  Was  Bruno 
für  LipporUf  was  Adelbert  für  Schönau,  ist  Hillin  für  Nassau  geworden.  Des 
Vaters  Trutwin  Wille  ist  erreicht  und  des  Vaters  Ehrung  trotz  Bann  und 
Interdikt  durchgesetzt.  Nassau  ist  seinem  Geschlechta  geworden,  und  Schonan 
.betet  fiir  seine  Seele,  wie  es  Lipporn  gethan*  Denn,  das  ist  der  Sinn  der 
ßcbönauer  Legende,  Schönau  erkennt  ihn  als  seiuen  eigentlichen  Gründer  und 
die  im  Ealendarium  der  Abtei  auf  den  „VIL  Idusaprirm"  angesetzte  „commemoratio 
fuüdatorura*'^)  bedeutet  die  Feier  seines  Totenamtes  vor  allem^  wie  es  Tuto, 
ja  vielleicht  schon  Trutwin  selber  angeordnet  für  seinen  Todestag,  den  wir  also 
im  7.  April  ohne  weiteres  zu  sehen  haben.  Alles  dies  war  ja  freilich  unter  nn- 
glaublich  günstigen  Verhältnissen  für  die  Laurenburger  erreicht  worden.  Denn  zu 
der  Verwandtschaft  mit  den  Erzbisehöfen  Bruno  und  Adelbert  kam  neben  der 
treuen  Vetters chaft  dos  mächtigen  Gaugrafeu  Roimbold  von  laenburg  die  besondere 
Friedensliebe  Hillins.-)  Aber  es  war  erreicht  und  die  Kirche  um  eine  der  vielen 
DemütiguDgen  reicher,  die  ihr  Bann  und  Interdikt  schon  eingetragen. 

Und  doch  war  der  Kirche  noch  eine  ungleich  tiefere  Erniedrigung,  weil 
sittliche  Schädigung,  als  Frucht  der  drei  Siege  Laurenburga  beschieden.  Sie 
iiitti»ste  —  und  damit  nennen  wir  das  letzte  und  eigentliche  Siegel  auf  die  Wahr- 
heit unserer  ganzen  Untersuchung  —  zur  Geschieh tsfalschung  greifen  und  jene 
Legende  ersinnen,  die  wir  zum  Ausgangspunkte  unserer  Erörterung  genommen. 
Das  Haus  Laurenburg  litt  es  nicht,  dass  innerhalb  des  Bannkreises  seiner  Macht 
und  zu  dem  gehörte  die  Vogtei  Schönau  —  der  Name  seines  meuchlings 
l^emordeten  Oüedes  fürder  als  kirchlich  entehrter  gelte,  Sie  hatten  auf  ihre 
uaienweise  für  das  Heil  der  Seele  des  Verstorbenen  durch  Gründung  von  Lipporn 
und  Schönau  gesorgt,  und  sie  hatten  dieser  Sorge  kirchliche  Geltung  verschafft 
im  Widerstreit  mit  dem  amtlichen  kirchlichen  Willen.  Was  blieb  unter  so  fester, 
^•keiner  Wahl  Raum  gebenden  Hand  anders  übrig,  als  das  kirchlich  entstellte 
}3d  Trntwins  in  den  Augen  der  Nachwelt  und  zur  Rechttertrgung  der  Stiftung 
ond  des  alljährlichen  Totenamtes  vor  sich  selber  kirchlich  zu  ersetzen  mit  dem 
Tfughilde  eine.^  Trutwin,  der  statt  eines  Kirchenschänders  ein  Kirchenliebhaber, 
ein  ^religiosus'*  gewesen,  ein  besonderer  Verehrer  des  hk  Florin,  und  im  Sterben 
noch   die  Kirche   bedacht  habe  mit  der  Stiftung  eines  Klosters  auf  der  Statte 


»}  WidmBnii«  Aunftl.  18,  41.    Roth^  Die  Visiooeu  165,  —  ')  Dieselbe  geht  nicht  bloss 

am  den  Worten  der  Urkimdc :    ^iios   tantam  diftcordiam   et   liih  mateiiain  de   medto  tollere 

icnpicntcs^  etc.,  sondern  auch  aud  Browers  Bemerkung^,  dos»  HiUin  ^praecipua  quAedam  animi 

r»«>d^rfttio*  (2|  56)  bescHJHeri,  hervor,     Tni  Übrigen   ist  die  Darstollung  Browers  vom  Hergang 

^'iing  des  Streite»  2,  64  IfMÜglich  üni«chreibung  der  ürkmide,   und  ea  darf  %¥ohl  an- 

ti  werden^   dasa  dieselbe  sämtHohe  naedauifiahe  Geschiohtsehreiber  bceinfiuaat  hat,  da 

trtkhUt  «(«uppliee»  affitere  parentibu«  orbi  LurenbtirgU,  Beatrix  ao  Euperti  et  Ajttoldi 

■in  Iiberi*\  was  nach  unserer  Darlegung  doch  nur  ein  fal.schor  Selüaaa  aus  der  Urkunde  ist. 


154 


8oiüer  Todesursache!  Der  Ralmieu  zu  einem  solchen  Bilde  fand  sich  leicht. 
Die  Florinlegende  war  vorhaDden;  man  durfte  ihr  nur  einen  kleinen  fränkischen 
Anbau  geben,  und  die  Gläubigen  konnten  nicht  fehlen.  Man  weiss,  was  die 
mittlere  Zeit  auf  dem  Gebiete  der  Legendenütteratur,  diesem  Zwitter  von  Ge- 
schichte und  Dichtung,  geleistet  und  erreicht  hat.  Man  darf  sich  also  nicht 
wundern,  dasa  die  Schunauer,  als  Kenuer  ihrer  Zeit,  lieber  ihre  Zuflucht  zu 
einer  Legende  als  zu  einer  chronikalen  Aufzeichnung  nahmen. 

In  der  ersten  Zeit  war  diei  freilich  weder  möglich  noch  nötig»  Wer 
durfte  es  wagen,  der  Zeit  etwas  anderes  zu  erzählen,  als  was  sie  selber  erlebt 
hatte!  Dazu  nahmen  ja  auch  ohne  Zweifel  die  geistlichen  Insassen  Schünaua 
gar  keinen  Anstoss  an  der  Grundursache  ihres  dortigen  Seins,  wie  wir  oben 
bereits  andeuteten  und  hier  damit  bestätigen  wollen,  dass  die  Visionen  der  hl. 
Elisabeth  sich  zwar  selir  \iel  mit  der  entarteten  Kirche,  aber  niemals  mit  der 
Kirchenschändung  durch  einen  Gebannten  beschäftigen.  Die  Visiouäriu  war 
eben  die  nahe  Freundin  der  hl.  Hildegard,  von  deren  kirclilich  freier  Stellung 
wir  oben  Kenntnis  nahmen,  ausserdem  gut  kaiserlich  gesinnt  samt  ihrem  Bruder 
Ekbert,  der  sich  überdies  dem  Gedanken  einer  Lostrennung  der  deutschen  Kirche 
von  Rom  nicht  fremd  zeigte.*)  Und  ist  nicht  zu  allen  Zeiten  die  niedere  Geist- 
lichkeit geneigt,  den  Absichten  der  höheren  ihren  eigenen  Willen  entgegenzu- 
setzen? Nimmt  man  dazu,  dass  durch  Elisabetli  das  Kloster  zu  hohen  Ehren 
gekommen  war  in  den  Augen  der  Mitwelt,  so  begreift  man,  dass  unter  dieser 
ge Wissermassen  göttlichen  Bezeugung  und  Begnadung  der  Makel  des  Klosters, 
wenn  er  überhaupt  als  ein  solcher  von  den  Zeitgenossen  empfunden  wurde, 
mehr  als  getilgt  galt. 

Aber  es  kamen  andere  Zeiten,  und  in  diesen  w^ill  uns  der  Zeitpunkt  bemerkbar 
erscheinen,  in  denen  Laurenburg-Nassau  kirchenamtsföhig  geworden  war.  Für 
einen  kirchlichen  Würdenträger  konnte  es  selbstredend  nichts  weniger  als  er- 
w^ünscht  sein,  von  einem  im  Banne  Gestorbenen  abstammen  zu  sollen,  so  wenig  i 
auch  das  Kirchengesetz  diesen  Fall  vorgesehen  zu  haben  scheint  und  so  sehr' 
die  sogenannte  Irregularität,  d»  h.  die  Untüchtigkeit  fiir  ein  Kirchenamt,  nach 
dieser  Seite  hin  sich  nur  auf  uneheliche  Geburt,  den  sogenannten  defectus  natalis, 
bezog, ^)  Id  bedenklichen  Zeiten  aber  war  es  immerhin  möglich,  dass  auch  aus 
solcher  Abstammung  Kapital  geschlagen  wurde.  Man  kennt  das  ja  sattsam 
aus  der  Geschichte.  Und  so  wagen  wir  denn  unter  allem  Vorbehalt,  aber  nicht 
ohne  ernstlichen  geschichtlichen  Anhalt,  die  folgende  Mntmassung  vorzutragen, 
die,  wenn  sie  das  Richtige  treffen  sollte,  zugleich  genau  die  Zeit  angiebt,  unter 
der  unsere  Schönauer  Sage  entstanden  ist,  nachdem  wir  oben  nur  ihr  Jahr- 
hundert annähernd  genannt  hatten, 

Diether,  der  älteste  Sohn  Walraras  II.  von  Nassau,  war  nach  dem  Berichte 
seines  Zeitgenossen,  des  Minoritenbruders  Werner  von  Saulheim,  „sonder  Wissen^ 
der  (verwittweten)  Mutter  (Adelheid)  in  das  Predigerkloster  zu  Mainz  gegangen.**') 
Von  dort  erhob   ihn  im  Jahre  1300    über   den  Kopf  des  Domkapitels  hinweg 


Hb 


«)  Roth,  Die  Visionen  XCIX  L  -  »)  Weisser  und  Weite  ^,  BU,  —  ')  Sohliephako 


^ 


I 


Papst  Bonifatius  VI  IL  auf  deo  Erzstuhl  in  Trier,  auf  dem  er  sieben  Jahre  zu 
stsen  berufen  war.  Die  eigentümliche  Art  seiner  Erwählung,  die  nur  päpstlich 
poMiohe  Ursachen  hatte,  war  geeignet,  alle  die  mit  ihm  unzufrieden  zu  machen, 
die  nicht  bei  ihr  beteiligt  waren.  Nicht  nur,  dass  sofort  der  Kampf  mit  König 
Albrecht  den  Neuerwählten  in  Anspruch  nahm,  so  waren  auch  seine  beiden 
Residensen  zu  Trier  und  Coblenz  seine  Feinde.  Und  fand  er  sich  gleich  mit 
der  ©rstereu  endlich  zurecht,  so  machte  ihm  Coblenz  doch  vier  Jahre  lang 
schwere  Mühe.  Bei  solchen  Gelegenheiten  ist  es  üblich,  dass  nicht  bloss  mit 
den  Waffen  gekämpft  wird.  Die  böse  Nachrede  und  die  schriftstellerische 
Peder  sind  oft  noch  viel  stärkere  Kampfmittel,  und  nichts  wird  geschont,  was 
wie  eine  Blosse  des  Gegners  erscheint.  Nun  darf  doch  angenommen  werden, 
dass  gerade  Coblenz,  die  nächste  Nachbarin  des  Einrieh  und  der  Heimat  des 
Erzbiachofs,  trotz  einer  fast  zweihundertjährigen  Vergangenheit  sich  der  ein- 
drucksvollen Geschichte  des  im  Kirchenbanne  meuchlerisch  gemordeten  Trutwin 
dunkel  erinnern  und  diese  Erinnerung  verwerten  konnte  zu  Ungunsten  des 
rerhassten,  aufgezwungenen  erzbischöflichen  Herrn.  Da  galt  es  Gegenwaffeu 
schmieden.  Und  wenn  wir  nun  in  unserer  Schönauer  Legende  den  Namen 
Coblenz  ganz  unvermutet  lesen  und  an  diesen  eine  Geschichte  geknüpft  sehen, 
die  den  ehemaligen  wohlbekannten  Gönner  des  Florinstiftes,  den  Herzog  Hermann, 
ztun  Schenker  des  Leibes  des  hl.  Florin  macht,  als  welchen  ihn  niemand  bis 
dahin  gekannt,  und  wenn  wir  weiter  lesen,  daas  dieses  Wohlthäters  der  Stadt 
^ipse  Truthuinus  satelles  erat  fidiseimua*'.  ein  „religiosus  baro**  und  Liebhaber 
Florins,  gleich  jenem,  den  die  Wunder  des  Heiligen  samt  seiner  frommen  Stiftung 
so  irouderbar  verherrlicht  haben,  sollte  es  da  zu  gesucht  erscheinen,  jene  heim- 
lichen Oegenwaffen  in  solcher  Schriftleistung  zu  erblicken?  Freilich  das  Gegenteil 
TO0  letzterer  lag  ausser  im  dunkeln  Volksgedächtnis  im  Trierer  Archive.  Aber 
das  ersterc  war  mit  alter  Schrift  zu  besiegen  und  das  letztere  in  den  Händen 
IXeihers,  und  das  blossstellendste  Zeugnis,  der  Drohbrief  des  Papstes  Anastasius, 
m  wohlgeborgen,  dass  bemerkenswerter  Weise  kein  Trierischer  Oeschichtschreiber 
immÜB  davon  Kunde  erhielt  Erst  das  Jahr  1842  forderte  ihn  ans  Licht*  Was 
aber  war  leichter  für  den  Erzbischof,  als  durch  seine  Verwandten,  wie  durch 
mnn  eigenes  Ansehen,  die  Schönauer  Fälschung  ins  Werk  setzen  zu  lassen? 
Ob  810  gewirkt  hat,  ist  eine  andere  Sache.  Die  im  Jahre  1307  unter  dem 
Drucke  der  ganzen  Diöcese  Trier  zu  stände  gekommene  Beschwerde  des  ge- 
«amteo  Klerus  gegen  ihren  Erzbischof  an  den  Papst  hatte  keinen  Erfolg,  da 
Diether,  im  Begriffe  zu  seiner  Verteidigung  nach  Avignon  zu  reisen,  vom  Tode 
fibeirascht  wurde.  ^) 

Wie  aber  immer  sich  die  Sache  verhalten  haben  mag,  Schönau  war  zum 
Fibcbeo  gezwungen  worden,  und  darnach  zum  ewigen  Schweigen.  Das  erste 
beweist,  wie  dargethan,  seine  Legende,  das  letzte  die  spätere  auswärtige  Nach* 
rieht  über  die  Gründung  der  Abtei,  von  der  nun  noch  ein  Wort  zu  reden  ist. 
VTjt  lm«If7An  liieselbe,  was  auch  bis  dahin  noch  niemand  sich  die  Mühe  genommen 


*/  BtumtsT  2,  84,   woseUist  iiucli  aUes  Übrige  aus  der  Gescliicltte  Diethors  zu  Icdeo  \ni^ 


ddIL 


156 

Imt  festzustellen,  in  fünf  DarstellungeQ,  Drei  davon  riilirea  van  dem  berühmten 
Abte  Johannes  Tri t he m ins  her,  eine  von  Gabriel  Bucelinus  und 
eine   von  Christoph   Brower.     Wir  fuhren  dieselben  der  Zeitfolge  nach  vor. 

Die  erste  findet  sich  in  dem  „Chronicon  spanheimense**,  das  im  Jahre  1506 
von  Trifchemius,  dem  Abte  des  Klosters  zu  Sponheim  bei  Kreuzuach,  vollendetJ 
ward,  wie  die  Vorrede  besagt,^)     Dort  heisst  es  unter  dem  Jahre  1125*):  ^In' 
diesen  Zeiten   stiftete   auch   ein  Graf  von  Lurburg  ein  Kloster  unseres  Ordens 
im  Gebiet  des  Trierer  Sprengeis,   welches  Schouau  genannt  wird,   dem  er  alaJ 
ersten    Abt   von    frömmstem   münchischeu   Leben   Hiidelin    vorsetzte,    welchem] 
nachher  Eegebert  folgte,   der  in  göttlicher  sowohl  als  weltlicher  Schrift  Hoch- 
gelehrte, der  Bruder  der  hl  Elisabeth,  der  Nonne  und  Meisterin  des  Schönaue 
Klosters,  welches  der  vorgenannte  Abt  Hildelin  für  die  Jungfrauen  Christi  neben 
seinem  vorgenannten  Kloster  im  Felde  gegen  Süden  aufführfco.     Die  Gründung 
dieses  Klosters   bestätigte   der  mainzer  Erzbischof  Adelbert,    der  Vetter  dieses 
Grafen,   als  eine  der  mainzer  Kirche  dargebrachte,   sowie  es  aus  der  Urkunde 
derselben  erhellt,  welche  folgenden  Wortlaut  hat;  (liier  folgt  alsdann  wörtlich 
die  ganze  Urkunde  von  1132,  nach  ihr  heisst  es  weiter:;     Und  bemerke,  dass, 
vorgenanntes  Kloster  ^uvor   eine  Propstei   war,   erbaut  an   dem  Ort,   welcher 
Lipporn   genannt    wird,    wo  jetzt  eine  Pfarrkirche   mit   einem  Dörfchen   in  depj 
Entfernung  einer  Meile ;  und  sie  war  dem  Kloster  und  Abt  zu  St.  Salvator  in 
Schaff  hausen  in  dem  Constanzer  Spreogel  rechtlich  unterstellt.*') 

Die  zweite  Darstellung  desselben  Verfassers  ist  in  dessen  ^Chronicon 
hirsaugiense"  erster  Ausgabe,  das  1495  angefangen  und  nach  1503  vollendet' 
w  urde^),  enthalten  und  hat  diesen  Wortlaut :  „  Im  vierten  Jahre  des  Abtes  Volmar, 
welches  das  1125  8te  der  Geburt  des  Herrnj  dritter  Indiction,  war,  wird  das 
Schönauer  Kloster,  Trierer  Sprengeis,  unseres  Ordens,  ungefähr  vier  Meilen 
von  der  Stadt  Bingen,  auf  der  anderen  Seite  des  Rheins,  entfernt,  von  einem 
edelen  und  reichen  Manne,  Namens  Hildelin  gestiftet,  welcher  nach  Vollendung 
des  Klosters  Mönch  und  erster  Abt  daselbst  geworden  ist.  Er  erbaute  auch 
in  Stein wurfs weite  ein  Kloster  für  Nonnen  unseres  Ordens,  in  welchem  für  dioj 
Folge  eine  hohe  Frömmigkeit  der  Jungfrauen  Christi  blühte.**^) 


')  Opera  hiatorica.    FrftncofurL  1601»  2,  237.  —  ')  Kuch  trierisoher  Zeitreebnung,   ftUou 
1136,  wie  Auoh  jene  Yergle ich giur künden  im  trierlsclieii  Jahre  115S  ausgestellt  sind,  in  Wirk« 
liohkeit  aber  1159,    Vergl.  Schliephake  1,  190*  —  *)  Opera  2,  243  f*:  „His  etiam  temporibu 
ooroeB  de  Lurburg  monaateriüm  noatri   ordinis   t'undauik  in  finibus  Treuerensia   dioeoetia,   quod 
Sconaugia  Tocatur,  cui  primum  praefcoit  Ilildelmum  rcligiosissimae  eonuersationis  abbateni,  oul 
postca   suGcessit  Ecgebertus^   m   acnpturis  tarn   divinis   quam   secularibus   eruditJBsünuB,   frater 
Banctae    Heltüabeth    monialis   monasterü   Schonaugienflia   et   MogiMtrae,    quod  praefatue   abbat 
KildelinuB,  pro  ChriBti  virginibaa  prüpe  monnstenum  fuum  praefatum  in  campis  Tersus  tneridiem 
construxit.    Huiu»  monasterü  fuiidationcm  Adelbertiis  archiepiscopus  Moguiitinua,  cognatua  ipaius 
üouiitis  de  Lurburg^   ecelesiao  Mogundnae  obtatam  contirniauit:    sicut  patet  ex  literis  etuidcmJ 
quae  seqtiuntur,  et  sunt  talea,  —  —  Et  «ota,   quod   praefatum   monasterium   autea   fuit   praG-j 
poflitura  conatructa  in  eo  1o(H),  qai  Llpron  dicitur,  vbi  titinc  parochiali»  eoolesia  cum  rillula 
fÜBtantiam  ynius  medü  müliaria,   foitque   monasterio  et  abbat!  aancti  Saluatoria  in  Seoffhauseu 
CouBtantienais  dioeeesis  subiecta".  —   *}  Annale»  hirsaug.    St  GalL  1690,  Vorrede^  —  ^)  üperü 
2,  119:  ^AüDO  Yolman  ab  bat  i«  4.  qui  futt  dominice  natiuitaÜB  1125.  indirtione  3.  monojstvriuii 
Sohonaugiensa  Trcueren^iH  diüeeeds  twniti  ordinin,  quatuor  ferme  miliaribus  ab  oppido  BingianumJ 


imai 


liL 


157 

Der  dritte  Bericht  wird  von  dorsclbcu  Chronik,  nachdem  bicj  von  ihrem 
TorfiMser  im  Jahre  UOlM)  umgearbeitet  worden  war^  in  folgenden  Worten  ab- 
geat^tt4lt:  ,1125,  Im  fünften  Jahre  des  Abtes  Volmar  erbaute  ein  gewisser 
Gi«f  TOD  Lurburg  ein  Klo&ter  unseres  Ordens  in  eetner  vor^nannten  Qraf* 
sefaaft  im  Sprengel  Trier,  Schonau  genannt,  was  von  Mainz  vier  und  von  der  Stadt 
Bürbarach  am  Rhein  eine  Meile  entfernt  ist,  in  dem  Gau,  welcher  iomitten 
«wischen  Hessen  und  den  Rheinlauden  Einrieb  gemeinhin  genannt  wird.  Nach- 
dem  endlich  das  Kloster  vollendet  war,  legte  der  genannte  Graf,  mit  Namen 
HÜdelln^  der  Stifter,  den  Gürtel  der  weltlichen  Ritterschaft  ab,  und  Mönch  ge- 
worden UxT  Christus  in  der  Propstei  Lieporna,  wurde  er  zum  ersten  Abte  des 
Sehonauer  Klosters  verordnet,  ein  trefflicher  Mann  und  von  glühendstem  Eifer 
in  der  hl  Religion.  Auf  Steinwurfsweite  gegen  Süden  vom  genannten  Kloster 
der  Mönche  gründete  derselbe  überaus  fromme  Graf  auch  ein  Kloster  für  Nonuen, 
m  welches  er  eine  Menge  von  in  Liebe  Christo  dienenden  Jungfrauen  versetzte; 
und  «owohl  für  der  Mönche  als  für  der  Nonnen  gegenwärtiges  Leben  besorgte 
er  das  Notwendige.  Es  muss  aber  bemerkt  werden,  das  das  vorgenannte  Schönauer 
Mönchskloster  einst  als  eine  Propstei  unseres  Ordens  an  eben  dem  Orte,  der 
von  den  Eingebornen  jenes  Landes  heute  Lieprona  genannt  wird,  errichtet  war, 
wo  jetzt  ein  Dörfchen  mit  einer  Parochiaikirche  liegt,  auf  eine  halbe  Meile 
Entfernung  von  Schönau*  Und  diese  Propstei  war  vor  Alters  den  Äbten  und 
dem  Kloster  St.  Salvator  in  Schaifhausen  mit  voller  Rechtsbefugnis  unterworfen. 
Heutzutage  ist  nicht  die  geringste  Spur  mehr  von  ihr  vorhanden.**^ 

Die  vierte  Form  der  Erzählung  in  Gabriel  Bucelinus  „Germania  sacra**') 
ans  dem  Jahre   1655   ist  diese:    j,Sehönau   ein  berühmtes  Männerkloster  Bene- 


m\^  ftliA  pjirte  Rheni  dietanfi,  fundatur,  a  quodam  nabili  viro  et  diuite  nomine  HildellDO,  qui 
eompleto  coenobto  monachua  et  prioius  abbas  in  eo  facius  est.  Ad  iaotum  quoque  lapidis 
^o^uobium  »ancHmonialiuin  nofltri  ordinig   eonstruxit,    in  quo  magna   deincepe  Christi  vir^inum 

viguit** 

*)  Annmles  hirsaog.  1,  Vorrede,  —  *)  Ebenda  1,  384:  MCXXY.    „Anno  Yolmari  abbatlt  V. 

quidam  de  Lurburg  Monasterium  nostri  Ord.  eonstruxit  In  praefato  comitatu  suo  Lur> 
Ifurigengi  Trevircnsiä  Dioccesi's  Scliönaugia  dictum^  quod  a  Moguntia  quatuor^  et  ab  opiiido 
Bachcraob  luxta  Khenum  uno  distat  milÜanbtj«,  in  pago,  qui  Hassiis  et  RhenenBibus  inter- 
«tüdiuii  Kinrich  vulgariter  nuncupatur.  Conaumato  Monaaterio  tandem  Comes  niemoratu»  nomine 
nild^linus  fundator  oingulnm  saeoulariB  nülitiae  deposuit,  et  HonachuB  factus  pro  Cbriato  in 
rra^positura  Lieporna  primua  Schonaugionsis  Coenobii  abbaa  ordinatua  fuit;  vir  bonus,  et  in 
Haocta  rcligione  ferrenÜBaimus,  Äd  factum  quoque  lapidiB  ad  Meridionalem  plagam  a  dicto 
ItoDUterio  Monachorum  aliud  Coenobium  Montalium  idem  Comos  religiosisaimu»  conatituit;  in 
i|iMi  mulütudinem  Christo  in  charitate  servientium  Virginum  ooliocavit;  et  tarn  Monachiß,  quam 
MotiUllbas  %itae  prae^entia  necessaria  procuraTit.  Notandum  vero^  quod  Monachorum  Coenobium 
SehtoattgitnBe  praefatum  quondam  erat  Ord.  nostri  Praepoaitura^  in  eo  loco,  qui  ab  ineolls 
terra«  üUus  hodfe  Lieprona  vocatur  posita,  ubi  nunc  viUuia  oura  Paroehiali  Eccteaia  sita  est, 
■il  imln»  medii  milliana  diatantiam  a  Schünau^Ja.  Et  haoc  Praepositura  fuit  antiquitus  Abbatibus 
•1  Monaaterio  S.  Salvatoria  in  Schaffhausen  pleno  jure  aubjecta,  eius  hodie  nullum  omniuo 
ersparet  veattgium/'  Vergl  Krem  er,  Orig,  1,  Md.  Schliephake  1»  168,  Inm.  verateht 
4ff9  lauten  Satz  offenbar  irrig  Tom  Aufhdren  der  Rechtsverbindung  mit  3ehaffhausen.  —  ^)  Da 
mir  von  Bucelin  nur  der  2.  Teil  der  ,, Germania  topo>chrono-etemmatographiea  sacra  et  profana/' 
^  '    1672  zugänglich  ift,  80  muRS  ioh    mich   leider  auf  die  Treue  der  Wiedergabe  der 

^iv  S.  l  f.   verlaasen^    wo  aua   „Germania  aaoro    P.   11.   p.    70'*   dies   angeführt   wird: 


^AÜ 


158 


4 


diktinerordeDs  im  Trierer  Sprengel  ungefähr  vier  Meilen  von  der  Stadt  Bingen^ 
ist  im  Jahre  ChriBti  1125  von  Hildelin,  einem  Edelmanne,  gegründet  worden, 
der  in  demselben  sich  der  Gottheit  weihend,  nachher  desselben  erster  Abt  war." 

Die  fünfte  Stiftungsgeschichte  endlich  in  Browera  ^ Annales  treviren»es*'*) 
vom  Jahre  1670  lautet  so:  ,Iü  dieser  Zeit  (1125)  ist  der  Trierer  Sprengel  ^J 
wieder  durch  das  neue  und  sehr  berühmte  Sehünauer  Kloster  bereichert  worden*  ^M 
Dies  ist  auf  einem  Landgute  der  Laurenburger  Grafen  jenseits  des  Rheins  16000 
Schritte  gegen  Bingen  im  Landstrich  Einrieb  von  Uildelin,  einem  reichen  Manne, 
angefangen j  vom  Laurenburg'aehen  Grafen  Rubert  darnach  vollendet  und  dem 
seligen  Floriu,  durch  dessen  hl.  Asche  es  ausgezeichnet  ist,  geweiht  worden, 
Ilildelin  aber  stand  als  erster  Abt  dem  Kloster  vor^  der  auf  einen  Pfeilschuss 
ebenso  eine  andere  Wohnstätte  mit  demselbeu  Namen  für  Jungfrauen  gründete, 
in  welchem  nachher  die  an  Heiligkeit  und  himmlischen  Eingebungen  fruchtbare 
und  wegen  des  Lobes  ihrer  bewundernswerten  Frömmigkeit  besungene  Jung&au 
Elisabeth  von  Schönau  blühte,  die  auch  Abt  Hildelin  in  ihren  Gesichten,  welche 
sie  über  die  Auffindung  der  11000  Gefährtinnen  der  Ursula  hatte,  lobte**' 

Aus   der  Vergleichung   dieser   fünf  verschiedenen  Berichte   ist  vor   allem 
ersichtlich,  dass  sie  alle  Trithemius  zum  geistigen  Urheber  haben.     Von  den 
drei    ersten   muss   das   nicht   erst    begründet  werden,    von  dem  fünften  sagt  es 
Brower  ausdrücklich,  indem  er  am  Rande  vermerkt:  ^Tritth.  in  chro. Spanheim,  ^j 
&  MS.  documenta'',  bei  der  vierten  geht  es  aus  der  Ortsbestimmung  Schonaus  ^f 
und  der  Benennung  Hildelins  als  „vir  nobilis**  hervor,  welche  beide  im  zweiten       ' 
Berichte  Trithem^s  enthalten  sind.    Wir  haben  es  also  in  Wirklichkeit  nur  mit 
einem  Berichterstatter  zu  thun  und  dessen  verschiedene  Darstellungen  derselben 
Sache  zunächst  ins  Auge  zu  fassen. 

Da  ist  denn  vorab  festzustellen,  dass  der  gelehrte  Abt  als  naher  Freund') 
der  beiden  Schonauer  Abte  Melchior  und  Johannes  (1468 — 1510)^)  um  so  sicherer 
Schönauer  Quellen  benutzt  hat,  als  er  in  seinem  ersten  Berichte  die  sogenannte 
Stiftungsurkuude  mitteilt,  freilich  ungenau.  Denn  er  lässt  nicht  nur  den  Namen 
des  Grafen  Ruprecht  weg,  wie  im  Kontext,  so  auch  unter  den  Zeugen,  von  denen 
er  überhaupt  nur  die  zwei  ersten  nennt,  sondern  setzt  auch  an  die  Stelle  von 

,»8oli{jDaugia,  Vironun  celebre  Benedicdiu  Ordjim  iu  Dioeoesi  Trevirensi  quatuor  fere  milli- 
aribus  a  Bingiorum  oppido  CooDobium  fimdatum  A*  C.  1125  ab  Hildeliuo  quod&m  Viro  nobiܫ 
(|U)  in  eodem  Numini  ae  dorovens  cjusdem  pottea  primus  Abbas  exdtiL"  Dabei  soll  ebenda 
HilddinuH  auoh  noch  ^^Djnasta^*  genannt  äein,  vfüs  Roth,  indem  er  in  seinen  ,,Yisionea'*  die 
Stelle  nur  verkürzt  wiedergiobt,  aucli  bemerkt.  Es  ht  nicht  erstohtliob,  ob  er  doa  au^  eigener 
Anschauung  hat,  wenn  er  schon  dem  Titel  dea  Buebes  1(>55  beifügt, 

*)  2,  20*^  f.:  Quo  tempore^  TreTirorum  dioeeesis,  nOTO  rursua  et  percelebrl  Schooaugionsi 
monaaterio  ancta  est ;  id  in  Lurenburgensimn  Comitum  praedioi  trans  Rhenum,  sedecim  contra 
Bingam  miUibuB  paesunm^  Kbrichae  tractu,  ab  Uilduwino  loouplete  riro  inchbatum,  a  Rubert« 
Lurenbüfgensi  Comite,  postea  perfcctum^  atque  B,  Florino,  ouiiis  sacriB  insignitum  cincribua, 
dicatum  est  Hildelinus  autem  primus  Abbaa  monasterio  praefuit,  qui  ad  teU  inde  jaetum, 
aliud  item  Virginibus  eudem  nomine  domicilium  constituit ;  in  quo  sanotimonlae  ot  caeleetium 
instinctunm  foecunda,  nee  non  admirandae  piotatis  laude  cautata,  Tirgo  Elisabeth  de  Sobonaugta, 
pofltea  ciaruit:  ijuao  et  Hildelinum  Abbatem  in  visis  suis  quae  super  XL,  millium  Urtttiae 
Bodalium  inventione  habuit,  laudavit.**  —  Auch  bei  Both^  Visionen  Xl,  —  '}  Nebe,  Die  hl. 
Elisabeth,  Annat.  9,  156.  —  '^jNach  Bnoelinuay  Qennania  topo-chrono-stemmatographlca  2,  ISO, 


i 


^^_^^ 1 59 

1132  die  Jahreszahl  1125.  Gleichwohl  ist  nach  Abzug  dieser  VerfehluDgen 
der  erste  Bericht  vüllkomraen  geschichtagetreu  bis  auf  die  Gründung  des  Nouuen- 
klosterB.  Da  jedoch  dessen  Stiftung  vor  dem  Mönchskloster  erst  bei  dem  ge- 
launten Streite  irn  Jahre  1507  festgestellt  scheint,  Trithemiu8  aber  zu  der  Zeit 
aicht  mehr  in  dem  nahen  Sponheim,  sondern  in  Würzburg  sich  befand,  so  muss 
angenommen  werden,  dass  seine  irrige  Darstellung  in  diesen  Stricken  dem  Nicht* 
risseo  seiner  äbtUchen  Gewährsleute  zur  Last  fallt. 

Um  so  mehr  hat  mau  zu  fragen,  wie  es  möglich  war,  die  zwei  anderen 
Berichte  zu  schreiben,  und  wer  an  ihnen  Schuld  trägt.  Gleichwohl  liegt  die 
Autwort  recht  nahe.  Trithemius  muss  seine  Erzähluog  in  der  Sponheimer  Chronik 
im  Laufe  der  Jahre  vergessen  und  letztere  bei  seiner  neuen  Arbeit  nicht  zu 
Rate  gezogen  haben»  War  er  doch  auch  infolge  innerer  und  äusserer  Zwistig- 
keiten  vom  Jahre  1506  an  nicht  mehr  Abt  zu  Sponheim,  sondern  nach  7  monat- 
lichem Aufenthalt  beim  Kurfürsten  Joachim  von  Brandenburg  in  Berlin  Abt  des 
Jchottenklosters  St  Jakob  zu  Würzburg,  wo  er  1516  starb.*)  Aber  der  Viel- 
cbreibeude  und  darum  Vergessliche  muss  eine  Abschrift  jener  Schönauer  Urkunde 
ien  haben,  in  welcher  der  Erzbischof  Adelbero  von  Trier  dem  Abte  Hildelin 
!ie  Seelsorge  und  den  Zehnten  von  Welterod  überträgt.*)  Dort  kommen  die 
Worte  vor  in  Bezug  auf  Hildelin :  „ecciesiam  Weltrod  secus  claustrum  suuni 
in  fände  ecclesiae  suae  sitam,  sni  juris  suaeque  donationis.'^  Aus  ihnen  Boss 
(htrcb  verkehrte  Auslegung  der  reiche  Edelmann  Hildelin,  der  Mönch  und  Abt 
arde.  Denn  man  fasste,  wie  dies  auch  die  „Rettung**  gethan^),  alle  die  „suum, 
iae,  sui*^,  als  Hildelins  Besitz  anzeigende  Fürwörter  auf,  während  sie  lediglich 
den  Besitz  der  Schönauer  Kirche  bezeichnen.^)  So  kam  der  zweite  Bericht 
le  alles  Zuthun  von  Seiten  Schönaus  zu  stände.  Der  dritte  unterscheidet 
^ch  nur  dadurch  von  diesem,  dass  Hildelin  zum  Grafen  von  Lurburg  gemacht 
rird,  weil  Trithemius  doch  wohl  noch  etwas  von  der  früher  gelesenen  Urkunde 
aern  mochte,  in  welcher  ein  Laurenburger  Graf  —  den  Namen  hatte  er 
damals  schon  ausgelassen,  konnte  ihn  also  mit  dem  Hildelins  ersetzen  —  als 
Itfler  Schönaus  genannt  war. 

Hiernach  verstehen  sich  die  Darstellungen  bei  Bueelin  und  Brower  ziem- 
Geh  von  selbst.  Obwohl  ersterer  die  Äbtereihe,  die  er  im  zweiten  Teile  seiner 
.Qermaata  topo-  chrono-  stemmatographica*  bringt,  unmittel-  oder  mittelbarer 
nur  einer  Mitteilung  aus  Schönau  verdanken  konnte,  so  hat  er  doch, 
wie  vorhin  bemerkt,  deutlich  den  zweiten  Bericht  Trithems  vor  sich  gehabt, 
eo  dritten^  obwohl  er  sich  handschriftlich  eine  Zeitlang  in  dem  Kloster  Wein- 
deasen  Prior  er  war,  befand,  konnte  er  nicht  kennen,  da  dies  vor  seiner 
Zeit  lag,  die  zweite  Ausgabe  der  Hirsauer  Chronik  aber  erst  1690  im  Drucke 
chien.  Den  ersten  hat  er  aufialliger  Weise  so  wenig  gekannt,  ob  er  gleich 
ieiner  Zeit  gedruckt  vorlag,  wie  Brower,  dem  der  dritte  ebenso  verborgen 
eb*    Bei  diesem  aber  fallt  es  um  so  mehr  auf,  als  er  die  Sponheimer  Chronik 

»)  Wetter  und  Weite  11,  2»ß.  -  ^  „Rettrog'*  B«jrL  5.  IT  8.  3  f.   Krener,  Ong. 
tn  IW  f.     Die  Urkunde  mi  undatiert.     TerjfL  ScHliepbske  1,  174  f.  und  Brower  2,  45.  — 
^  la  Uir^iB  Eegeflie  ühet  die  Urk^   das   nucb  auf  Krem  er   überg^cgian^en   ut    —  *)  Yogtl« 


mi 


d^ti 


160 


ausdrückb'cli,  aber  irrig  alä  seine  QueOe  neiiat.  Aber  freilick  er  hal 
andere  Quelle,  die  in  der  SponheimeF  Chronik  gebraucht  ist,  das  ^Ha.  t 
der  Urkunde  von  1132.  Dieae  verschweisst  er  nach  aeiiier  Anal^fuig  mü 
zweiten  Berichte  Tritbems  unter  Zuthat  voo  anderweitigem,  was  er 
Lektüre  entnommen  haben  mus^.  Den  ^reichen  Mann^  HildeltH)  wie  &  ift^ 
liehe  Lage  von  Schonau  und  den  Bau  des  Nonnenklosters  durch 
er  von  Trithemius.  Den  Grafen  , Robert "^  von  Laurenburg  eo 
Urkunde  von  1132,  und  ein  irriger  Schlnss  aus  derselben  war  ea,  dieses 
blossen  YoUender  des  Klosters  zu  machen.  Denn,  indem  er,  wie  Nebe  in  dcioer 
nunmehr  auch  hinfalUg  gewordenen  Darstellung'),  ein  ^a  se  ipso'^  bei  dem  ^ia 
proprio  predio  suo  fundatum^  vermisste,  machte  er  das  ^fundatum*  m 
Werk  des  Hildelin  und  die  Übergabe  an  die  ^monai^tica  couTersaüo*  ni 
solchen  Ruprechts.  Ausserdem  hatte  er  die  Tisionen  der  hl  Eli^beA 
Aber  recht  oberflächlich.  Denn  das  ganze  Lob,  welches  dort  Hildelin  gespeodel 
wird  bei  Erwähnung  der  ,Sancta  Verena  \ii^o  et  martir",  ist  dies:  ,Hec  per 
manum  ?enerandt  abbalis  nostri  Hildelini  inde  in  locum  nostrom  translata  est-**)! 
Die  andere  Brower  eigentümliche  Nachricht,  da^s  das  Scbonauer  Kloster  , 
instgnitum  eineribus'^  Ftorins  sei,  steht  mit  der  Schönauer  Ijegeode«  wie 
seiner  eigenen  vom  Haupte  dieses  Keiligen  in  Coblenz,  in  bedenklielistem  Wider- 
streite» Denn  Asche  reimt  sich  weder  mit  dem  «corpus'^  in  Coblenz^  noch  mit 
der  9 pars  reliquiarum'^  in  Lipporn  nach  der  Legende,  noch  mit  dem  «caput* 
Brower s.  Auch  das  ist  auffällig,  dass  er  „Hiiduwinua^,  «Hilduinus^  und  „Hilde- 
linus*^  nebeneinander  gebraucht  und  am  Rande  bemerkt:  «Hilduinus  «)ui  et 
Hildelinus  autor  monasterii.*^  Man  könnte  versucht  seifli  erstare  Namen  ab 
eine  Verlesung  von  ^Drntwinus^  anzusehen  und  dabei  an  das  ob^i  geounjite 
«antiquum  manu^riptum^  Plebans  denken,  in  welchem  seltsamerweise  Tmiwiii 
,Ordinis  8,  Benedicti^  genannt  schemt.  Indes,  so  sehr  man  auch  die  Kenntaia 
der  gleichen  alten  Handschrift  schon  bei  Trithem  voraussetzen  mochte,  gekannt 
können  sie  beide  nicht  haben,  da  dort  vom  ^vulnernatus*"  Trutwin  erzählt  ist. 
Die  verschiedeoe  Schreibung  des  Namens  Hildelins  bei  Brower  kann  also  nur 
auf  fehlerhafter  Abschrift  der  von  ihm  benutzten  Urkunde  von  1132  beruhen. 
Lät  aber  auf  diese  Weise  der  Wert  aller  ausserschönauer  Berichte  ober 
die  dortige  Klostergründung  auf  sein  wahres  Mass  zurückgeführt,  nachdem  der 
Inhalt  derselben  lange  genug  Irrlichtsdienste  verrichtet  hat,  so  bedarf  ea  keiaes 
weitereu  Wortes,  dass  sie  alle  das  tiefe  Schweigen  Schönans  selber  über  seine 
Urgeschichte  bedeuten.  Für  sie  hat  kein  Trutwin  gelebt,  war  keiner  gemordet, 
kein  Bann  und  Interdikt  verhängt  worden.  Um  so  mehr  ist  noch  ein  Wort  dar- 
über am  Platze,  dass  sie  miteinander  eine  thataachliche  Beseitigung  der  Scfadnauer 
Legende  darstellen*  Es  kommt  nur  darauf  an,  festzustellen,  auf  wessen  Rechnung 
die  Beseitigung  zu  setzen  ist.  Wir  sahen  oben,  dass  der  eigentliche  Schöpfer 
aller  genannten  Berichte,  Trithemi US,  in  unmittelbarer  Beziehung  mit  Schönau 
stand  und  zwar,  das  setzen  wir  Wer  hiuzu,  ungefähr  zu  derselben  Zeit,  als 
letzteres   an  seiner  neuen  Kirchen  wand  die  alte  Legende  mit  neuer  Einleitung 

f)  iL  a.  O.  ISO,  Anm.  —  ^  Roth«  Ykioiien  12a   In  Begiiter  iat  dat  TorkoAmen  dss^ 
Kmiaens  mn  dieaer  Steüe  vergesseti. 


^ 


4 


ieder  aufleben  liena,    Sollton  wir  ihm  die  Tücke  zutrauen  dürfen,  das«  es,  was 
daheim  etwa  unter  gräflich  naBsau'^ehem  Zwange  gethan,  auswärts  leugncu 
iems?    Nicht  dooh,  das  würde  gegen  den  nur  für  seine  eigenen  Äugen  bestimmten 
rieht  über  den  Streit  mit  den  Nonnen  im  Jahre  1506  Verstössen.    Wir  können 
nur  utitiehmen,  daas  es  Abschrift  gab  oder  nehmen  lieas  von  reinen  alten  Schriften 
od  s&war  mit  Einschhiss  der  Legende,  an  die  es  glaubte,  War  es  Trithemiu« 
mn^    der   letztere   verwarf  und  aus  den  ihm  gelieferten  Urkunden  allein  seine 
Brzlihlung  wob?     Seine  vielen  Werke  zeigen  ihn  niemals  als  scharfen  Urteiler% 
wohl    aber   oft    als   urteilsiosen  Sammler.     Er  kann  also  zu  seiner  Erzählweise 
nur  dadurch  gekommen  sein,  dass  er  entweder  die  Schünauer  Abschriften  ver- 
loren Itattei  oder  sich  keinen  Rat  wusste,  wie  er  die  Legende  mit  dem  Urkundeu* 
verknüpfen    sollte.     In   dieser  Verlegenheit   mochte   ihm   das  Geratenste 
nen,  nur  die  Urkunden  reden  zu  lassen  und  auch  sie  nur  io  seiner  befangenen 
Auslegung,     Seine  Berichte,  mit  Ausnahme  des  ersten,  verraten  ja  deutlich  ge- 
äugt dasa  geschichtliche  Treue  nicht  seine  Stärke  war,   wenn  er  gleich  in  der 
Vorrede  zur  Sponheimer  Chronik  sagt:  ^Zugleich  bitte  ich  den  Leser,  dass  er 
nicht  irgend  etwas  von  dem,  was  wir  geschrieben,  verurteile,  bevor  er  sorgfältig 
gepritft   oder  einen  offenbaren  Irrtum   gefunden  hat.     Denn  es  ist  eine  verab- 
idieneiiswerte  Art  der  Menschen,  Männernaehtarbeiten  (virorum  lucubratioues), 
die  sie  weder  nachahmen  noch  besser  machen  können,  mit  gottlosem  Zahne  zu 
und  was  sie  nicht  richtig  zu  unterscheiden  vermögen,  mit  anspruchs- 
Iter  Verwegenheit   zu   verunglimpfen»'**)     Es  scheint  demnach,   das  ist  unser 
Mttss,  hier  das  geheimnisvolle  Walten    der  Geschichte  vorzuliegen,    dass  un- 
;i»Qhtite  Verbrechen  an  ihrer  Wahrheit  sich  solange  in  dauerndem  Irrtum  und 
bstbetrug  rächen^  bis  sie  endlich  ihren  Entdecker  finden.  Zeigt  sich  doch  dasselbe 
wie  in  dem  Reim  werke,  so  in  dem  langen  Kampfe  des  Klosters  mit  seinem  ehe- 
imaligen  frommen  Stifter  Nassau,  der  in  der  oftgenannten  j,Rettung*'  des  ersteren 
den  letzten  schriftlichen  Niederschlag  von  Dichtung  und  Wahrheit,  von  Anwalts- 
kniff und  begründeter  Beschwerde,  von  gelehrtem  Flitter  und  prunklosem  Rechte 
efunden  hat.*) 

Wir  sind  zu  Ende«  Ob  wir  befugt  waren,  in  dieser  einschneidenden  Art 
ISericht  zu  üben  nicht  bloss  an  Schonau,  sondern  auch  an  seinen  bisherigen 
Anwälten,  hat  der  unparteiische  Leser  zu  entscheiden,  wie  es  der  künftigen 
UeHchichtscbreibung  obliegen  wird,  das  Feuerbeständige  unserer  UntcrsuchuDg 
tu  verwerten« 


0  Op,  2,  236,  -  ')  Schliephake  1,  171  f. 


II 


Das  alte  Wiesbaden. 

Mitgeteilt  von  F.  Olfa. 


1*  Das  Hniiiienborger  Tlior  und  der  Wioj^eiihriiiitioii  im  Jaliro  17i{8, 

Einem  Schreiben  vom  22.  Februar  1738  ober  eine  etwaige  Erweiterung 
der  Stadt  am  Sonnenbcrger  Thor  liegt  die  folgende  Zeichnung  der  Örtlichkeit 
bei.  Sie  zeigt  una  zunächst  das  genannte  Thor  neben  dem  „Ritter",  dann 
rechts  und  links  von  dem  Wege  vor  demselben  zwei  grosse  Gärten,  weiter 
den  alten  Landgraben,  dann  den  Weg,  der  von  dem  Sonnenberger  Weg  hinab 
zu  den  Wiesen  führte,  zuletzt  die  Allee,  welche  hin  zu  dem  Wieaenbrunnen 
geleitete^  und  diesen  selbst  mit  seiner  Einfassung  von  Bäumen;  wir  haben  ihn 
zu  denken  auf  dem  Platze  vor  dem  jetzigen  Kurhause.  Zm*  rechten  Hand 
finden  sich  unmittelbar  vor  dem  Thore  und  weiterhin  zwischen  Landgraben  und 
Weg  Brennofen,  Hafner-  und  Ziegelhütten,  endlich  rechts  unten  ein  3 — 4  Schuh 
Hefer  gelegener  Garten,  wo  früher  Weiher  and  Graben  sich  befand;  an  dem- 
selben flosa  der  warme  Bach  vorbei*     Vgl.  unsere  Abhandlung  Ann,  XV,  S.  83. 


4 


2.  Der  Mauritiiisplatz. 

In  dem  Streite  des  Inspektors  Hellmund  mit  der  Stadtgemeintle  wegen 
des  Geschnatters,  welches  die  Oanae  um  die  Mauritiuskirche  und  das  Pfarrhaus 
herum  machten,  verlangte  u.  a*  der  Inspektor,  dass  der  ganze  Itaum  durch 
eine  Mauer  eingeschlossen  werde,  wie  es  wenigstens  früher  z.  B.  der  Fall  ge- 
wesen sei.  Den  Verhandlungen  liegt  der  folgende  Plan  der  Örtlichkeit  vom 
Jahre  1738  bei.  Er  zeigt  uns  im  Mittelpunkte  die  Mauritiuskirche,  um  sie 
herum  den  (alten)  Kirchhof,  der  aber  nicht  wie  jetzt  ein  Viereck  bildete;  links 
liegt  die  Wohnung  des  Inspektors,  dahinter  die  Ükonomiegebäude  und  ein 
Garten,  rechts  vorn  die  Schule,  etwas  vorspringend  in  die  Strasse  (bis  1816; 
8.  ra.  Geschichte  der  Friedrichschule  S.  11,  dt\zti  Ann.  XIX,  S.  100  f)  Vor 
tler  Kirche  ist  die  ehemalige  Kirchhofsmauer  angedeutet,  ihr  gegenüber  ausser 
andern  Hliusern  der  Schröder'sche  Hof  eingezeichnet. 


Dm  Sonnenberger  Thor  and  der  Wlesenbranoeii  sn  Wiesbaden  Im  Jahre  1738. 


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Brennofen 


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Garten 


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Ritter 

Hoff. 
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StaU 

Hoffmannischer 
Banngarten 


Krau 


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I    Hirtenhaui 

ScMitfscher 
I  Brauhaus 


\Haui  n- 

1 1     Sd«tgr, 


Garten 


Xst  Groben 
tttta  TV'ei/ier  ^«o<r««».  /^«^  Oarten, 
(Joc/i  ^-4  Schuh  tUfer  ali 

l3S2E=ZZZr; 


2.  Der  ManritiiispUtz, 


^erh&user 


Geschichte  der  Steigbügel 


Voo 

A*  Schliebeiii 

Hierzu  Taf.  I  big  YI  mit  352  Abbildutigvn. 


I 


Es  ist  eine  zwar  oftmals  störende,  eigentlich  aber  sehr  natürliche  Ersclieinuug, 
SS  wir,  90  weit  unsere  Kenntnis  nur  aus  schriftlichen  Quellen  des  Altertums 
geschöpft  ist,  über  einfache  und  alltägliche  Dinge  bisweilen  weniger  gut  unter- 
richtet sind,  als  über  verwickelte  und  seltene  Fragen.  Es  kommt  dies  daher, 
dass  Einrichtungen  und  Gebrauchsstücke,  welche  sich  lange  Zeiträume  hindurch 
fa«t  gar  nicht  änderten,  vielen  Yölkern  gemeinsam  und  darum  jedcrmanu 
geläufig  waren,  keine  Veranlassung  zu  eingehender  Beschreibung  boten,  w^ogegen 
aolche  Dinge,  welche  andere  Völker  anders  anfertigten  oder  gebrauchten,  vor- 
it^aweise  der  Erwähnung  wert  gehalten  wurden. 

So  sind  wir  mit  wenigen  Ausnahmen  nur  unvollkommen  unterrichtet  über 
die  Einzelheiten  alles  dessen,  was  sich  auf  Fahren  und  Reiten  bezieht,  über  die 
Pferderassen,  den  Gang  der  Dressur,  die  Hülfen  und  Anforderungen  der  Schul- 
reiterei, über  Anspannung,  Beschirr ung  und  Zäumuug,  Beschaffenheit  und 
Atisrüstang  der  Sättel,  über  Form  und  Befestigung  der  Sporen,  Hufeisen, 
Steigbügel  und  zahllose  Kleinigkeiten,  welche  den  Sportsman  interessieren,  und 
doch  wissen  wir,  dass  die  Fferdeliebhaberei  und  die  Rennwut  bis  ins  Mittel- 
alter hinein  gleich  einem  epidemischen  Wahnsinn,  wie  Frocop  sagt,  das  Volk 
beherrschten,  dass  die  Sportsmen  vom  Kaiser,  durch  die  Reihen  der  Ritter, 
Senatoren  und  Bürger  hinab  bis  zum  letzten  Stallknecht  Stammbaume  und 
Leiituiigen  der  Fferde  auswendig  kannten^  und  dass  zur  Katsorzeit  alle  grössereu 
Städte,  TOD  Jerusalem  bis  Sevilla,  von  Britannien  bis  Nordafrika,  dieselben 
Erscheinungen  wie  Rom  und  Konstantinopel  boten. 

Das  Wesentliche  bei  der  Beschirr  ung  und  Ausrüstung  der  Pferde,  bei 
4ca  Reanen  und  Reitübungen  war  seit  den  allerültesten  Zeiten  fast  gar  nicht 
Teriadert  und  daher  jedermann  bekannt;  nur  gelegentlich  werden  wir  auf 
Emselheiten  aufmerksam  gemacht.  Erst  zur  Kaiserzeit  Finden  sich,  Xonophun 
situgenommen,  Schriftsteller,  welche  durch  Schollen  oder  besondere  <Jnomastica 
die  verschiedenen  Gegenstände  sachlich  und  sprachlich  erklärten,  ohne  jedoch^ 


166 

da  sie  sich  selbst  oft  schlecht  unterrichtet  zeigen,  unsere  Wissbegierde  in  allen 
Punkten  zu  befriedigen.  Sache  der  Altertumsforscher  ist  es  nun,  aus  den 
gelegentlichen  schriftlichen  Nachrichten  und  jenen  oft  sich  völlig  widersprechenden 
Erklärungen  das  Richtige  herauszufinden. 

Diese  Aufgabe  würde  in  vielen  Fällen  unlöslich  sein,  wenn  uns  nicht 
eine  wesentliche  Unterstützung  durch  die  Fundstücke  zu  teil  würde,  welche 
die  Gegenstände  teils  selbständig  und  greifbar  vor  Augen  führen,  teils  wenigstens 
in  Abbildungen  erkennen  lassen.  Und  dieses  Material  mehrt  sich  von  Tage  zu 
Tage;  in  der  alten  und  neuen  Welt  findet  sich  im  Schosse  der  Erde  ein  Stück 
nach  dem  andern,  welches  unsere  Kenntnis  längst  vergangener  Zeiten  mehrt 
und  uns  schliesslich  einen  Überblick  über  das  Oanze  gewinnen  lässt.  Auch 
die  Frage,  welche  uns  diesmal  beschäftigen  soll,  nachdem  Hufeisen  und  Sattel 
früher  schon  (Band  XX  und  XXI  der  Annalen)  behandelt  sind,  nämlich  die 
nach  dem  ersten  Vorkommen  und  der  geschichtlichen  Entwickelung  der  Steig- 
bügel, wird  gerade  durch  Betrachtung  der  Fundstücke  wesentlich  gefordert. 

Hierin  liegt  der  Grund,  weshalb  eine  Wiederaufnahme  und  Vervollständigung 
früherer  Untersuchungen  gerechtfertigt  erscheint,  denn  seit  Beckmann,  welcher 
in  seiner  Geschichte  der  Erfindungen  (IV.  Band,  S.  102)  ausführlich  darüber 
geschrieben,  Fundstücke  aber  gar  nicht  berücksichtigt  hat,  sind  nahezu  hundert 
Jahre  verflossen,  und  seitdem  so  viele  Einzelheiten  zu  Tage  gefördert,  dass 
dieselben,  unter  einen  gemeinsamen  Gesichtspunkt  gebracht,  wohl  geeignet 
scheinen,  die  Bemühungen  zur  Lösung  der  Frage  einen  bedeutenden  Schritt 
weiter  zu  bringen. 

I. 

Es  ist  längst  bekannt,  dass  die  Steigbügel  den  Alten  unbekannt  waren, 
es  muss  aber  bei  allen  Völkern  eine  Zeit  gegeben  haben,  zu  welcher  sie 
erfunden  oder  eingeführt  wurden.  Um  diese  zu  ermitteln,  wird  es  zunächst 
darauf  ankommen,  nachzuweisen,  wie  lange  man  im  Altertum  oder  im  Mittel- 
alter sich  ihrer  nicht  bediente. 

Der  Zweck  der  Bügel  ist  ein  doppelter,  nämlich  dem  Reiter  das  Auf- 
und  Absitzen  zu  erleichtern  und  seine  Füsse  während  des  Reitens  zu  unter- 
stützen, sowohl  um  der  Ermüdung  zu  begegnen,  als  um  den  Sitz  zu  festigen; 
bei  einzelnen  Völkern  dienen  sie  überdies  zugleich  zum  Antreiben  des  Pferdes 
oder  Maultieres.  Beckmann  meint,  dass  man  sich  wundem  müsse,  eine  so 
einfache  Erfindung,  wie  die  Steigbügel,  im  ganzen  Altertum  nicht  zu  finden, 
aber  er  übersieht,  dass  Bügel  ohne  einen  festen  Sattel  nicht  gut  anzubringen 
sind,  und  dass  gerade  diejenigen  Eigenschaften  des  Pferderückens,  welche  den 
Alten  beim  Reiten  auf  Decken  oder  einem  Ephippium  wünschenswert  waren, 
nämlich  ein  fleischiger,  runder  Rücken,  wie  ihn  Virgil  und  andere  ausdrücklich 
verlangten  *),  der  Befestigung  eines  einzelnen  Bügels,  oder  eines  Bügelpaares  an 


*)  Virg.  Georg.  III,  87:  Ät  duplex  agiiur  per  lumhas  spitm:  Varro  IF,  7,  5;  Columell. 
VI,  29,  2;  Geopon.  XVI,  1.  Nemes.  Cyneg.  243;  Ovid.  Met.  XII,  401.  Calpurn.  cclog.  VI,  54: 
das  Gegenteil,  eine  exstans  spina,  wird  getadelt  Grat,  cyneg.  526;  Varro  1.  c. 


167 


sr  iiber  den  üeckeo  Schwierigkeiten  bereiteten,  da  zum  Verhindern  tl(?B  Herom- 
gerade  ein  hoher  und  scharfer  Widerrist  vorteilhaft  ist.  Vor  Ein- 
f&Iirang  des  Sattels  mit  festen  Bäumen  werden  wir  das  Vorkommen  von  Bügeln 
DQ  vornherein  nicht  erwarten  dürfen;  beide  gehören  zusammen.  Sieht  man 
Bu  Wert  der  Bügel  vorzugsweise  in  dem  erleichterten  Auf-  und  Absitzen, 
«o  würde  ein  Paar  solcher  lose  über  die  Decke  gehängter  Bügel,  auch  wenn 
man  annehmen  wollte,  dass  der  Nebenmann  auf  der  rechten  Seite  durch  Fest- 
halten derselben  da«  Herumrutschen  verhindert  hatte,  den  Soldaten  doch  niemals 
von  der  Notwendigkeit  entbunden  haben,  sich  noch  mit  einer  anderen  selbständigen 
Art  des  Aufsitzens  für  den  Fall,  dass  er  allein  wäre  und  keine  Unterstützung 
filude,  vertraut  zu  machen.  Bei  Feldherren  und  vornehmen  Personen  hätte 
immerhin  eine  Ausnahme  stattfinden  können,  und  doch  finden  wir  stets,  dass 
sie  in  anderer  Weise  aufs  Pferd  hinauf-  oder  von  demselben  herabstiegen. 
Da  wir  jedoch  auch  in  späterer  Zeit,  als  die  Bügel  längst  bekannt  waren, 
immer  noch  vom  Hinauf-  und  Herabspringen  lesen,  so  kann  dies  allein  nicht 
ali  Beweis  gelten^  dass  die  Alten  die  Bügel  nicht  gekannt  hätten;  wir  haben 
andere  unzweifelhafte  Beweise  dafür. 

Dass  die  Griechen  nichts  von  Steigbügeln  wussten,  geht  unter  anderem 
darane  hervor,  dass  Hippocrates  von  den  Scythen  und  allen  eifrigen  Reitern 
a^gif  dass  sie  von  dem  fortwährenden  Herunterhängen  der  Schenkel  Flüsse 
(xeStiata)  bekämen.  Diese  im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  gemachte  Bemerkung 
wird  noch  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr*  von  Galeuua  bestätigt J)  Qermanicus 
kräftigte  seine  schwachen  Schenkel  durch  Reiten,  indem  er  bei  dem  freien 
Herunterhängen  derselben  durch  die  kräftigen  Bewegungen  des  Pferdes  eine 
vermehrte  Blutcirkulation  erreichte  (Sueton,  Caligula  3). 

Von  entscheidender  Beweiskraft  ist  es,  dass  wir  ganz  genau  wissen,  wie 
die  Alten  aufs  Pferd  stiegen.  In  dem  Buche  Xeuophons  von  der  Campagne- 
reiterei,  wie  wir  sagen  müssten  (Xen.  hipp.  7,  1 — 2),  wird  eine  Anleitung 
gegeben,  wie  die  Soldaten  aufs  Pferd  springen  sollen.  Gottfried  Hermann 
(optttc.  I,  63)  hat  diese  oft  raissverstandene  Stelle  vollkommen  klargelegt, 
Xenophun  sagt,  dass  man  auf  zwei  Arten  aufs  Pferd  steigen  könne,  entweder 
mitHOlfe  der  Lanze  oder  ohne  dieselbe;  in  beiden  Fällen  solle  man  den  Leitzügel 
(die  Alten  führten  ihre  Pferde  an  einem  besonderen  Zügel,  pTaY^Yr];)  hübsch 
]wag  in  die  linke,  die  eigentlichen  Zügel  in  die  rechte  Hand  nehmen.  Dann 
aolte  der  Reiter  entweder  mit  der  linken  Hand  den  Spiess,  oder,  wenn  er  ohne 
dkeen  aufsitzen  will,  ein  Büschel  Mahne  in  der  Nähe  der  Ohren  ergreifen,  die 
Becbte  aber  mit  den  sanft  anstehenden  Zügeln  auf  den  Widerrist  setzen  und 
gleiohfklls  damit  in  die  Mähne  greifen,  sodann  den  Körper  in  die  Höhe 
•ehwiogen,  den  rechten  Fuss,  ohne  den  Rücken  zu  berühren,  auf  die  rechte 
Seite  briogen,  sich  sanft  niederlassen  und  die  Zügel  ordnen.  Wohlweislich 
lünt  Xenophon  die  rechte  Hand  nicht  auf  den  Rücken,  sondern  am  Widerrist 


'>  Eippoorfues  do  a^re   ac^^uis  et  iocis  ed.    Kühn  I»   pag.    561;   ed.   Chart.,    pikg.   2Ü1K 
de  parrae  (lUae  exereitio  c.  d.;  de  tuoada  saiiitate  11^   IK    Man  Icne,  waa  über  die^e 
Bontfac.  llhodtgitiui  Uhi,  iudicra  Yl^  a  aagt. 


168 


aufsetzen,   was  auch  ein  kitzliches  Pferd  sich  gefallcu   lässt     Äholich  läest 
den  Reiter  voü  der  rechten  Seite  aufsitzen,  er  kannte  also  sicher  die  Steigbügel  nic^ 

Die  römischen  Soldaten  übten  sich  im  Springen   an  hölzernen  Voltigie 
bocken.     Der  Kriegsschriftsteller  Vegetins,    welcher    Ende   des  4.  Jahrhundert 
n.   Chr.  lebte,    schreibt   vor   (I,  18),  dass  diese  Übung  von  allen    Reitern   vq 
der  rechten  und  linken  Seite,  mit  und  ohne  Rüstung  und  selbst  mit  gezückte 
Schwerte    eifrig    betrieben    werden    soll.      Also    hatte   man   damals    noch    kein 
anderes  Mittel,  ohne  fremde  Hilfe  aufs  Pferd  zu  steigen.    Auch  andere  Schril 
steller  aller   Zeiten    erwähnen    das   Auf-   und  Abspringen,   sodass   über   dies 
Punkt  kein  Zweifel  besteht/^)    Mit  älteren  Reitern  machte  wenigstens  Xeoophd 
eine  Ausnahme,  indem  er  ihnen  gestattete,  sich^  wie  er  sagt,  nach  Persersit 
durch    den   Nebenmann    unterstützen    zu    lassen   (Xen,  mag,  equ*  I,  17),     AI 
auch  in  Persien  und  im  ganzen  Orient  hatte  der  gemeine  Soldat  kein  anderes 
Mittel  aufs  Pferd  zu  steigen. 

Vornehme    und    ältere    Personen    stiegen    mit     Hilfe    eines    Dieners 
{atrator,   avaßoXc'ic),   welcher  seine  Hand  als  Tritt  darbot.     Bei   Suidas   heid 
es:    ivaßoXrj^  6  ewi  tov  r:r7cov  ava^tov.     Vom    sfrator   spricht    Aelius    Spartiao 
(C'aracalla  7)  r  aim  ülimi  m  eqmtm  sfrafor  leraref,  ebenso  Aramianus  Marcellind 
(imper.  Valens  et   Valent   XXX,    21;    irap,   Julian.   XXI,    1):    lapso   mllite 
Jtdianum  incessurum  eqm  dextra  manu  ertfxU^    Beide  Stellen  beziehen  sich 
die  zweite  Hälfte  des  4,  Jahrhunderts  n.  Chr.     In  dieser  Weise  ist  auch   dre 
Stelle  Esther  G,  8  zu  verstehen,  wo  Mardochai  auf  des  Königs  Pferd  gesetzt  wir<^ 
impoHere  sujter  equum  sagt  die  Vulgata;  ebenso  Math.  21,   7:   eirixiifs^av  ijrd^ 
inwv  sc.  t(öv  Smv,  Lucas   19,   35:  liCEß(ßaaav   i*>TOv,   1  Könige   1,  33:   impofi 
Salomtmem  t^upet  mulam  mcam.     Als   Sapor,   König   von    Persien,    den   Kaia 
Valerian  gefangen  genommen  hatte  (3.  Jahrhundert),   benutzte   er   den  Rückd 
dieses  Greises  als  Fussschemel,  so  oft  er  zu  Pferde  stieg  (Eutrop.  Hb,  IX^  init.); 
Tamerlan  soll  es,  beüäutig  gesagt,  mit  Bajazet,    den  er  1402   in   der   Schlacht 
bei  Ancyra  gefangen  nahm,   ebenso  gemacht   haben,   wenn    wir  Paulus  Jovi^ 
(elog.    vir.   illustr.  II,   pag.  111)   glauben  wollen.     Ein  Pendant  dazu    bildet 
die  Mädchen  aus  Cypern,  die  xAtji.ax{3s<;^  welche  der  Königin  den  Rücken  boten, 
wenn  sie  den  Wagen  besteigen  wollte  (Plut.  de  adulat.  et  araic,  3). 

Ein  anderes  Mittel,  dem  Reiter  das  Aufsitzen  zu  erleichtern,  bestand  darin, 
dasB  man  die  Pferde  abrichtete,  sich  auf  die  Kniee  niederzulassen.     So  sollen 
es  dtr  Bucepbalus  Alexanders,  das  Pferd  Traians  und  fast  allgemein  die  Pferde 
der  Iberer  gemacht  haben.     (Curt.  6,  5;  Sil.  Ital.   10,  465;  Dio  Cass,  49,  *d^^J 
m,  18;  Strabo  3,  4  pag.   163,  C;  Plut.  praec.  polit  13,  11,)  ^M 

Es  ist  eine  irrige  Ansicht,  dass  die  Lanzen  der  Alten  einen  Dorn  gehabt 
hätten,  dessen  man  sieh  als  Tritt  beim  Aufsteigen  bediente,  obgleich  ein  solchi 
auf  einer   in   Baiae    gefundenen   Vase    und    auf  einer   Gemme   abgebildet    ii 
Winckelmann    irrt,    wenn    er    aus    einer    seltenen   Ausnahme    eine   allgemeil 
Regel    herleitet.     (Ginzrot,  Fuhrwerke  der  Römer  und  Griechen  II,    165,  Tij 


lt.); 
icbt    I 


»)  Virg.  Aen,  XII,  287;  Arrmni  j»enpl.  PonL  Eiix,  c.  17;  Polyb,  VI,  85,  4;  XI,  ^l,j 
PluittroUi  coniag.  {iraecept.  9;  Valtnnus  de  re  milit»  X.  c.  3.     Ptutareh.  Poropeiut  4K 


u;f> 


14;  Winckelmaüo,  Aüsg,  v;  Ferüow,  Drestl.  1808,  L  8.  285;  Jacobs  zu 
Xenoph.  pag*  151.}  Noch  heute  sollen  Kosaken  und  Tataren  ohne  Benutzung 
der  Bügel  mit  Hilfe  der  Lanze  sich  aufa  Pferd  schwingen;  nur  so  ist  gegen 
die  Ansicht  von  Lipsius  (de  milit  Rom.  pag*  140  in  Petiscus,  Lexic.  antiqu.) 
da«  Absitzen  bei  Livius  4,  19  zu  verstehen:  Cornelius  Cosms  hmia  innisu» 
sc  iw  pedes  recepit. 

Endlich  gab  es  fiir  das  bürgerliche  Leben,  für  bejahrte  Leute  und  un- 
BÜbte  Reiter  an  öffentlichen  Wegen  Steine^  welche  das  Aufsitzen  erleichtern 
[>lUen.  C.  Gracchus  machte  sich  durch  das  Aufstellen  solcher  Trittsteinc 
Staffelsteine,  suppedanea)  in  inäasigen  Abständen  au  öffentlichen  Strassen  beim 
rümiscben  Volke  sehr  beliebt.^)  PoUux  spricht  von  einem  derartigen  Aufsitzen 
(L  203),  welches  er  bei  jungen  rohen  Pferden  dem  Springen  vorzieht. 

Diese  Trittsteine  wurden  bald  allgemein  üblich  und  haben  sich  bis  iu 
unsere  Zeit  erhalten.  Wir  finden  sie  später  am  Hofe  Karls  des  Grossen  (Monach, 
St«  Gallensis  de  vita  Caroli  I,  6  bei  Pertz^  Mon.  II,  733),  wo  ein  jugendlicher 
Bi^cbofekandidat  es  verschmäht,  mit  ihrer  Hilfe  aufs  Pferd  zu  steigen  und 
hinauf  springt.  Im  Sachsenspiegel  wird  die  Dispositionsfahigkeit  bei  vorge» 
sehrittenem  Alter  davon  abhängig  gemacht  „daz  her,  begurt  mit  eime  swerte 
nnd  mit  eime  schilde  üf  ein  ros  körnen  mag  von  eime  steine  oder  stocke  einer 
dumelne  ho  (also  eine  Elle  hoch,  vom  Daumen  bis  zum  Ellenbogen  gemessen, 
bfudistens  40  cm)  sunder  mannes  helfe,  deste  mau  im  das  ros  und  den  stegc* 
reif  halde . .  .**  Hier  ist  natürlich  der  Steigbügel  schon  bekannt  (13.  Jahr- 
hundert) und  der  Trittstein  für  den  rechten  Fus«,  als  Vorstufe  für  den  Bügel 
bestimmt  (Sachsensp.  I,  52  und  feud,  H,  33). 

Im  Jahre  1502  wurde  ein  solcher  Stein  in  Frankfurt  a./M,  am  Körner 
aufgerichtet  (Beckmann  IV,  110).  Noch  vor  Kurzem  konnte  mau  an  Markt- 
plätzen, vor  Dorfschenken  und  an  anderen  verkehr  reichen  Orten  dergleichen  Steine 
eben,  welche  sehr  nützlich  waren,  da  der  Bauer,  wenn  er  sein  Pferd  zum 
Markte  bringt,  noch  heute  auf  Decke  ohne  Bügel  reitet  und  höchstens  einen 
hitj«  übergelegten  Strick  mit  2  Schlaufen  zur  Stütze  der  Füsse  benutzt.  In 
England  und  Amerika  sollen  Trittsteine  noch  häufig  zu  finden  sein. 

Im  Französischen  heisst  ein  solcher  Stein-  moutoir  und  die  Unke  Seite 
des  Pferdes  danach  c6te  du  montoir,  obgleich  zu  der  Zeit,  als  dieser  Ausdruck 
ifkam,  die  Bügel  längst  bekannt  waren.  Beringer,  Verfasser  einer  Geschichte 
es  Reitens  (Übers,  von  Ileubel,  S.  83)  teilt  eine  angeblich  von  Crassus  lier- 
eode  Inschrift  mit,  welche  er  seinem  Maultiere  Crassa  auf  einem  solchen 
Steine  gesetzt  hat:') 


ikii  rel,  Victoritu,  var.  lect.  lib.  37,  c.  15  ist  die  Stelle  des  Polybius  UI,  wo  er  von  Hannilml 
«{nichts  ffgirjpi'iTicTat  und  Psßrjif'wTai  erklärt.  —  *j  Der  übliche  Anfaug  Das  Muftibu»  mcrum 
wird  hier  |>arodiert.  Statt  Ciuciae  lies  CiUciae;  in  Khihi-Asiün  gab  es  vomü^Uebc  MauUiüru» 
IfgL  Schlicbcn,  Pfordo  des  Altertums  72  u.  f.,  bene  feretUi  entspricht  dem  üblicheti  hene 
^mt^     Die  Inschrift  wird  angexweifelt. 


170 


Diis  pedihus  saxumJ 
Ciuciae,  dorsiferae  et  vhmiferae, 
Ut  insultare  ei  desuliare  eomtnodetur 
Pub.  Crassus  mulae  suae  Crassae  bene  ftreitti 
Snppedaneum  hüc  cum  risu  posuit. 

Vixii  anuos  XI, 

Wenn  Beckmaou  behauptot,   da88  ein  Trittstein  im  Wappen  der  alten- 
Imrgiachen  Familie  von  Salern  vorkomme  und  sogar  mehrere  Stufen  zcige^    si 
durfte  dies  auf  einem  Irrtum  beruhen.   Bei  Siebmacher  (Wappenbuch^  Bd.  VI^  1, 
Abgestorbener  bayr.  Adel  S,  174,  Taf,  119)  ist  das  Wappen  abgebildet,  wird 
aber  für  einen  Stufengiebel  erklärt. 

So  viel  wir  suchen,  wir  Hnden  keine  Stelle,  aus  welcher  das  Vorkommen 
von  Steigbügeln  vor  dem  6,  Jahrhundert,  wie  wir  sehen  werden,  hervorginge; 
andere  behaupten,  glücklicher  gewesen  zu  sein.  Sie  übersetzen  einfach  ivaßoXsij^' 
mit  Steigbügel,  und  wo  Suidas  (s.  v.  Masanasses)  sagt,  dass  Masinissa  bis 
in  sein  spätestes  Alter  ohne  Hilfe  eines  Dieners  habe  aufs  Pferd  steigen  können, 
„TicTiov  yi^ipk  avaßoXiax;  sjdßaivev*'  sagen  sie  einfach  „ohne  Steigbügel. '^  Sie 
berufen  sich  dabei  vermutlich  auf  die  Erklärungen,  welch©  die  Scholiasten  von 
diesem  Werke  geben. 

Suidas  selbst  sagt:  avaßoXH?)^  6  tid  tov  tTrxov  ävÄYtov  .  .  *  avaßoXe'i;  xat 
Tta^a  Tto^iatotc  \z'ifj\it/r^  <3%iXa :  unter  oxaXot  heisöt  es :  oTciXa  'Vt$i\xaiaxl  6  ivaßoXeö- 
Ferner  sagt  Eustathius:  ivaßoXeic  6i>  jxövov  tö  otSfjpiov,  tji  Tb^>^  i:68a?  svti^svT»: 
l'^iTTTOt  Ytvovtat  Tt'vsc*  iX)*a  %al  ävö-pwTCoc,  o^  kc;  toiöütov  sp^ov  %ad*>"0'>f/fGL  Beide 
kannten  natürlich,  da  sie  im  12.  und  14.  Jahrhundert  lebten,  die  Bügel,  aber 
wenigstens  Suidas  meinte  in  der  Stelle  über  Masinissa  sicher  nur  den  Dienor, 
da  er  sein  Citat  aus  Appian  (Punic.  106)  entnommen  hat  und  zur  Zeit  der^ 
Punisehen  Kriege  und  noch  weit  später  eine  solche  Neuerung  völlig  unbekannt 
war,  welche  einmal  erfunden,  nicht  wieder  verloren  gegangen  wäre.  An  uod 
für  sich  konnte  ja,  w'ie  Beckmann  anführt»  das  Wort  ivaßoXEi);  die  Bedeutung 
Steigbügel  ganjs  nach  Analogie  des  deutschen  Wortes  Stiefelknecht  erlialteu 
haben,  welches  einen  Menschen,  welcher  die  Stiefel  auszieht,  bedeuten  konnte 
und  dann  auf  das  hölzerne  Instrument,  welches  denselben  Dienst  leistet,  über 
ging.  So  konnte  auch  der  Steigbügel,  weil  er  den  Dienst  des  Reitknechtcfj 
leistete,  avaßoX^ü;  heissen. 

Andere  berufen  sich  auf  eine  Stelle  bei  Pollux,  welche  in  der  Ausgabe^ 
von  Hemsterhuis,  Amsterdam,  1706  in  der  lateiuischen  Übersetzung  wirklich 
das  Wort  siapedes^  Steigbügel,  enthält.  Diese  Übersetzung  ist  jedoch  grundfalsch. 
Der  Text  xii  Y^p  Tj  InyJK  'Xiov  ijd  twv  i^mjxotcöv,  7^  i;rl  twv  xa^cCojJtlvtüv  ist  so 
übersetzt:  dapedes  enhn  matjis  ad  standum  quam  insidendum  parat i  mnf  undj 
zeigt,  dass  der  Übersetzer  den  Sinn  gar  nicht  verstanden  hat,  denn  InyJK  soll  KraftJ 
Nachdruck,  aber  nicht  Steigbügel  heissen.  Pollux  1,  11,  15  sagt  ganz  richtig,  dasi] 
der  Reiter  mehr  Kraft  hat  uud  Schwert  und  Speer  bessor  führen  kann,  wenn  e 
auf  dem  Pferde  melir  steht  als  sitzt.  Seine  ganze  Gelehrsamkeit  ist  ja  n 
eine  Umschreibung  dessen,  was  Xenophon  (Uipp*  YII,  5)  über  diesen  Punkt 


M 


171 


I 

^  Pfer 

I 


tinfl  ein  Mtssverst&ndnis  datier  gar  nicht  möglich:  feite^^v  ^s  t^^^^Jv  xaiKCr^tx 

lb|  coCv  oxsXotv,  denn  our  so  köDDe  er  das  Pferd  beherrschen  und  äeine  eigenen 
Krüfte  gebrauchen* 

Endhch  giebt  es  noch  eine  kleine  Münze,  welche  bei  Cohen  unter 
medailles  eonsulaires,  Blatt  VII,  bei  Eckhel  Tom,  II,  vol.  V,  8,  145,  abgebildet 
ist.  Sie  gehört  der  gens  Atia,  einer  plebejischen  Familie,  und  hat  die  Um- 
ichrift  A,  Labienus  Parthicus  irap.  Dieser  Labienus  ist  derselbe,  welcher 
zuerst  Unterfeld herr  Caesars  war  und  später  zu  Porapeiua  überging.  Die  Münze 
wigt  ein  Pferd,  von  dessen  weit  zurückliegendem  Sattel  etwas  wie  ein  Hosenbein 
herunterhängt*  Mau  behauptet,  es  wäre  dies  wirklich  ein  solches,  welches,  der 
Lange  nach  offen,  unten  ein  festes  Brett  oder  einen  Steg  hatte,  auf  welchem 
der  Fuös  rulieu  konnte,  während  das  vielleicht  gepanzerte  Beinstück  über  den 
Schenkel  geschlagen  wurde.  Die  Idee  wäre  nicht  übel,  die  Entdeckung  steht 
aber  zu  vereinzelt  da,  um  allein  das  Vorkommen  von  Bügeln  zu  beweisen. 
Vielleicht  sehen  auch  andere  ganz  etwas  anderes  darin;  zu  diesen  gehöre  ich 
auch,  nachdem  ich  mehrere  Exemplare  der  Münze  genau  besehen  habe* 

Wenn  sich  also  in  der  klassischen  Zeit  und  den  nächsten  Jahr- 
hunderten keine  Quellen  finden,  in  welchen  Steigbügel  erwähnt  werden,  so 
müssen  wir  die  Schriftsteller  der  späteren  Zeit  inB  Auge  fassen.  Da  ist  nun 
zunächst  der  Kaiser  Mauritius  zu  nennen^  welcher  Ende  des  G.  Jahrhunderts 
lebte  und  ein  Buch  über  die  Kriegskunst  geschrieben  hat  (Mauricii  tact.  ed, 
Schefferi,  UpsaUae  1664  II,  8  pag.  22  u.  64),  in  welchem  zum  ersteumale 
der  Steigbügel  mit  folgenden  Worten  Erwähnung  geschieht:  Xpvj  l/siv  li^  la^ 
gßiÄ<  <nu^j^z  <iiÄr|pdc  8^>o  und  an  der  zweiten  Stelle:  Ast  lac  Sm  axoXa^  twv 

x^jp^,  iK  söt/c  irrci,  xat  rf|V  aXXr^v  ;rpo<;  rji  wr^i^x^STjpß-Q»  iva  icöv  om  iirl  rov  tincov 
ß9aXo{iivci»v  ivipy£<5i^3rt,  tow'jitv.  itnoö  zt  xat  xm  aizoisAyoru  i  piv  5ia  Tffi  Tt^M  t^ 
tr>)p^  fjx/iXoLi;  ivspyerat,  o  Sk  M  tf^c  ^pöc  xti  i^-o*oxö»>pß:jj.  Hier  ist  also  un- 
zweifelhaft von  eiserneu  Steigbügeln  die  Rede,  aber  der  Kaiser  will,  dass  sie 
nicht  iu  der  gewöhnliehen  Weise,  w;  £>o;  sadv,  angebracht  werden,  sondern 
beide  auf  der  linken  Seite,  hinten  und  vorn,  damit  ausser  dem  eigentlichen 
Reiter  noch  ein  auf  dem  Schlachtfelde  aufgefundener  Kampfunfähiger  auf  das 
Pferd  ateigen  könne,  der  dann  seinen  Sitz  auf  der  Kruppe  tindeu  würde.  Die 
Worte  «0^  2doc  i^-v  sagen  zwar  indirekt,  aber  ganz  bestimmt,  dass  gewCdinlich 
e  Bügel  auf  verschiedenen  Seiten  angebracht  waren  und  nur  für  die  Deputari 
eine  Art  Sanitäts^Korps  — ,  welche  die  Verwundeten  aufsuchten,  eine  Äus- 
tmbme  stattfinden  sollte. 

Im  ?•  Jahrhundort  spricht  Isidorus,  Bischof  von  Sevilla,  iu  seinen  ürigines 
fi»  Bügeln :  scansuaey  ferrum  per  quod  equm  scanditur. 

Aus  dem  9.  Jahrhundert  haben  wir  das  Zeugnis  des  Leo  Oraramaticus 
(wL    Becker,    pag.    233),     welcher    den    Tod    dos    Kaisers    Michael    erxühlt: 

mik%^  ^poijds:^  0  irnco;  Sisorif^v  Ät>tdv,     Aus   dieser   Stelle  kann   man  zugleich 


172 


oDtnehmen,  daas  die  Bügel  zlemlicli  eng  gewesen  sein  müssen,  wuh  auL-ü 
weitig  bestätigt  wird  und  uns  später  ausführlich  beschäftigen  wird* 

Aimonlus  de  mirac.  S.  Benedict!  II,  6  erwähnt  die  Steigbügel  als  scandU\ 
Er  sagt:  a  quilrns  et  sella  osiendehatur,  quae  dilapsn  cum  equo  fuerat,  cw 
scandilia  quamvis  nova  et  untelam  suis  impatiens  pedihm  ipse  disrupr 
Seine  Worte  beziehen  sich  auf  ein  Ereignis  seiner  Zeit,  und  da  er  Ende  des 
9.  Jahrhundert«  lebte,  so  ist  sein  Zeugnis  sehr  wertvoll;  ob  er  aber  von  eisernen 
Bügeln  spricht,  bleibt  zweifelhaft. 

Der  nächste  Schriftsteller,  welcher  eiserne  Bügel  erwähnt,  ist  Kaiser  h 
welcher  dem  Ende  des  9*  und  Anfange  des  10.  Jahrhunderts  angehört»  (Leo 
tact.  VI,  10;  ed.  Köchly  u.  ßüstow  Ü,  2,  pag.  318.)  Er  sagt:  slc  Si 
(3l).Xa;  S''>o  ötoTjpäg  oxdXa?.  Vou  jetzt  an  ist  öfter  von  ihnen  die  Rede,  vii 
Citate  jedoch,  die  sich  wie  eine  Erbsünde  durch  alle  Schriften  über  die) 
Gegenstand  hinziehen,  sind  falsch.  So  heisst  es  unter  anderen,  acbon  der 
heilige  Hieronymus,  den  ich  auch  als  angeblichen  Gewährsmann  für  Sättel  ver- 
geblich durchsucht  habe,  sei  der  erste,  der  von  Steigbügeln  spreche,  man  führt 
sogar  seine  Worte  an ;  se^  cum  quasdd^  accepit  liUeras^  iummtum  consccfisu^ 
iam  pedes  habuisse  in  hhiapia;  bis  jetzt  hat  jedoch  nach  niemand  diese  St 
in  seinem  sehr  umfangreichen  Kachlasse  auffinden  können.  Da  Hierony 
schon  im  Jahre  420  starb,  so  wäre  sein  Zeugnis  das  allerälteste  und  s< 
wichtig,  aber  es  existiert  eben  nicht.  Wie  ich  sehe,  hat  schon  Du  Gange  darj 
aufmerksam  gemacht,  dass  Jas  Citat  nicht  von  jenem  heiligen  Ilieronymusf 
sondern  von  Hieronymus  raagius  (Miscellan.  II,  14),  einem  Schriftßteller  du» 
16,  Jahrhunderts  herrührt,  welcher  jene  Stelle  aas  dem  Gedächtnisse  ciui 
und  mit  einem  ni  fnlUr  auf  seinen  älteren  Namensvetter  verweist,  Salmaai 
Vossiys  u.  a.  liaben  dann  zur  weitereu  Verbreitung  des  Irrtums  beigotrag^ 
(S.  Du  Gange  unter  bistapia).  Du  Gange  führt  unter  stapia  eine  andere 
Stelle  an,  nämlich:  Dum  virgunculae  plact^re  cuperem  pes  haesit  stapiae 
tractns  interii.  Das  Gitat  ist  ein  Teil  eines  vou  Berenger  (Gesch.  d.  Reite: 
übers,  von  Heubel,  S.  85)  mitgeteilteu  Epigramms,  welches  jedoch  vi 
Montfaucon  u,  a.  fiir  unecht  gehalten  wird,  Beckmann  (IV,  113)  und  Du 
Gange  führen  es  auf  Franc.  Columna  (somn.  Polyph.  I,  19)  zurück,  weld 
im  16.  Jahrhundert  lebte,   es  ist  also  wie  das  vorige  von  sehr  spätem  Datu; 

Ein   anderes   sogenanntes  Beweisstück   aus   alter   Zeit,   eine  Silbermün 
auf  welcher  Kaiser  Konstantin   zu  Pferde   mit   Steigbügeln   dargestellt  ist, 
gleichfalls  unecht.    Sie  ist  bei  Du  Gange  Bd.  X,  Tab.  4  abgebildet,  doch  ka] 
ich  die  Stelle  nicht  auffinden,   in  welcher  sie  in  diesem  Werke  besprochen  ist. 

Auf  ein  anderes  Zeugnis  macht  Professor  Braun  im  XXXIII,  Bande  der 
llheiD.  Jahrb.,  Bonn  1803,  8.  134  aufmerksam*  Im  Chronicon  Novaliciense 
(Novaleso  am  Fusse  des  Mont  Genis)  vom  Jahre  1060,  Buch  II,  c,  10  uud  11, 
wird  erzählt,  dass  Waltharius,  Sohn  des  Königs  von  Aquitaniec,  einst  ein  be* 
rühmter  Held»  in  Kovalese  Mönch  geworden  sei  uud  einen  Räuber  mit  eiD< 
Steigbügel  erschlagen  habe:  Cumquc  coejnssent  illi  fWaUhanoJ  tehemcnfisst 
tnmfacere,  Walthariits  dam  abstrahens  a  sella  retifiacutum,  in  quo  pt\^  rins  mi 
hmrebat,  percussit   uni  earum   in  capHe^    qui  md^ns   in   krram  vclut  mortx 


dö^ 


-  '-^-^^'-^ 


173 


N 


^ 
^ 


I 


Hier  heisst  der  Bügel  retinamlum^  und  es  ist  darum  nur  von  einem 
weil  Walthariu»   nur   auf  einer  Seite  den  Bügel   lösen    konnte    und 

nur  einen  gebrauchte;  ziemlich  massiv  muss  er  aber  inimerbio  gewesen 
sdn«  Dass  hier  retinacidum  nicht  Zügel  faeissen  kann,  geht  aus  dem  Sinn  der 
Stelle  unzweifelhaft  hervur.  Wenn  auch  das  Chronicon  erst  1027  geschrieben 
ist,  so  wird  da«  Faktum  doch  früher  zu  legen  sein. 

Sttinde  es  fest,  dass  der  Waltharius  Eckebards,  welcher  im  10*  Jahrhundert 
rerfasut  und  mohrfach  überarbeitet  ist,  mit  dem  Waltharius  dieser  Chronik  ein  und 
dieselbe  Person  wäre,  so  würde  dieses  Zeugnis  von  grossem  Werte  sein,  denn 
das  WaUhariuslied  erziihU  wie  das  Nibelungenlied  durch  Dichtungen  veränderte 
sagenhafte  Begebenheiten,  denen  ein  allerdings  kaum  kenntlicher  Kern  aus  dem 
5,  Jahrhundert  zu  Grunde  liegt,  und  es  würde  somit  ein  Anschluss  an  die  Nach* 
richten  der  Byzantiner  des  6.  Jahrhunderts  gegeben  sein.  Diese  Identität  ist 
aber  wahrschemlich  nicht  vorhanden*  Während  im  Eckehard'schen  Waltharius 
bestimmt  zwischen  Franken,  Burgundern  und  Aquitaniern  unterschieden  mrd^ 
iko  eine  Zeit  gemeint  sein  muss,  in  welcher  diese  Keiche  noch  nicht  vom  Franken- 
reiche  verschluDgen  waren,  spielt  der  Novaleser  Waltharius  in  der  Zeit  des 
Desiderius  (im  8.  Jahrhundert),  aber  auch  er  ist  sagenhaft  und  wahrscheinlich 
eine  Lombardische  Tradition,  welche  sich  bei  anderen  Völkeru  wiederfindet. 
(San.  Marte,  Walth.  pag.  48;  35;  20.,  J.  Grimm,  Lat.  Ged,  des  10.  und 
IL  Jahrb.  S.  78  u.  f) 

Man  könnte  in  dieser  Stelle  eine  Bestätigung  der  Ansicht  finden,  dass  man 
in  ältester  Zeit  nicht  eiserne  Bügel,  sondern  nur  Riemen  oder  Schlaufen  gehabt 
habe,  weil  retinaadum  sonst  nicht  für  Bügel  vorkommt.  Da  aber  Waltharius 
sein  altes  Streitross,  welches  er  dereinst  in  das  Kloster  mitgebracht  hat,  sich 
a^tftttichte^  80  wird  er  auch  dessen  ganze  Ausrüstung,  zu  der  auch  Steigbügel 
g^^Arteo,  benutzt  haben.  Kr  wird  den  Käuber  schwerlich  mit  dem  blossen 
BSgelriemen  erschlagen  haben. 

Fassen  wir  nun  die  Ausdrücke  ins  Auge,  welche  im  Mittelalter  für  Steig- 
bügel gebraucht  wurden  und  folgen  wir  dabei  zunächst  den  Angaben  von  Du 
Cft&gei  so  finden  wir  eine  reiche  Blumenlese.  Die  Citate  sind  aus  verschiedeneu, 
%wn  Teil  bis  ins  10.  Jahrhundert   zurückreichenden  Sehriflen  entnommen. 

Staffa,  stapha,  stapedium  und  stapelium  kommen  teils  in  den  leges 
AtheUtani  regis  (924 — 940),  teils  im  13.  Jahrhundert  bei  Kaiser  Friedrich  IL 
de  arte  venandi  II,  71  pag.  152  vor:  pofitä  pedem  unum  in  sioffa  sellaej  aecipiens 
crcwm  sellae  anterioris  manu  sua  sinistra.  Ähnlich  klingend  finden  sieh^  sta* 
phtle,  ataphiliSy  staphilum  u.  a.  Ascensorium  oder  sterifium  findet  sich 
1127 :  peg  eius  sterifio  sive  ascensorh  sellae  infmesit  ac  ^c  per  devia  ac  abrupta 
hrmius  calcibus  equi  et  ohkdu  arborum  tniserahiliter  est  protritus,  Stapia, 
•Iftpeda,  stapes,  scandile,  scansile,  scirrup^  strapas,  kommen  bei  Ael- 
fridoa  im  10.  Jahrhundert  vor;  stiva  in  Chronicon  Reichenspergense  a.  1160: 
mq^ervtore  frmum  equi  et  sHvam  sellae  tmentef  wobei  Du  Gange  strivam  lesen  will, 
Teripos  findet  sich  1141  bei  Ordericus  Yitaiis:  tum  sacerdos  sinütrttm  pedem 
jpp  *^:...,j^.ff^  mifdt  manumque  afTcptis  hris  clUellac  imposuif;  sedipes  steht  Vitae 
8.^  ^  U   YJI^   maii  pag,  158:    subsellares,  stregula,    enedraculum, 


il2l 


i^HL 


174 


und    I 

i 


streuga  1160,  strepes,  strepua  11 10  und  1118,  strepa  1038,  1155,  11 
Acta  Adriani  papae* 

Dos  Wort  strepa  mit  seinen  Nebenformen,  von  denen  wir  vorhin  aw 
ätrapaB  kennen  lernten,  erinnert  an  iotpißY],  den  bequemen,  hauptsächlich  für 
Maultiere  bestimmten  Sattel,  über  den  ich  im  vorletzten  Jahrgange  der 
Annaleu  ausführlich  gehandelt  habe;  denn  das  a  am  Anfange  ist  nur  euphonisch 
(Passow),  aoTpaßtjC  heisst  fest,  unerschütterlich,  aTcpißTfj  kann  daher  ein  Ding 
sein,  welches  fest  sitzt,  oder  auf  welchem  man  fest  sitzt,  ein  Sattel  Daher 
sagt  Aeschylus  (suppL  285)  i<TCfwtptCo^jaa'.  xa|j,i^Xot^  (ah  xi|i7]Xot).  Der  Stamm 
des  Wortes  ist  otpißT],  eine  Schlinge,  von  otp^^o).  Sollte  nun  nicht  strepa  und 
besonders  die  Nebenform  strapas  denselben  Stamm  haben  und  die  stre 
ursprünglich  zur  astraba  gehört  und  vielleicht  einen  hölzernen  Bügel  nach 
der  von  den  Kosaken  und  Tartaren  zusammengedrehten  Hölzer  (Ginzr 
Taf.  86,  14)  oder  unserer  Fig,  224,  welche  eine  heute  noch  im  Gebrauch 
befindliche  Bügelart  zeigt,  bedeutet  haben?  Noch  vor  20  Jahren  bedientt 
sich  die  ostpreusßischen  Bauern  solcher  Bügel  von  Birkenholz,  Fig,  298,  vi 
welchen  noch  die  Rede  sein  wird, 

Isidorus,  den  ich  in  dem  erwähnten  Aufsatze  schon  in  anderer  Weise  zu 
rechtfertigen  versucht  habe,  dürfte  mit  seiner  Erklärung:  asfraha^  fnbeUn  in 
qua  pedcs  requiescunt  doch  insofern  recht  haben,  als  au  Stelle  der  Bügel  für 
Herren  an  der  für  Frauen  bestimmten  astraba  ein  Brett  trat,  wie  es  im  Hortua 
deliciarum  abgebildet  ist  und  uns  in  der  Normandie  unter  der  Bezeichnung 
planchfUe  als  heute  noch  üblich  wieder  begegnen  wird.  Wie  weit  mutatis  mutandis 
die  Erfindung  zurückreicht,  sehen  wir  an  den  assyrischen  Skulpturen  von  Koyouudjik* 
Wir  geben  in  Fig*  337  und  338  nach  Place  und  Layard  zwei  Abbildungeu 
von  Bildwerken,  welche,  obgleich  teilweise  zerstört,  gerade  den  in  Rede  stehenden 
Brauch  ganz  deutlich  zeigen;  in  beiden  Fällen  sitzen  zwei  reitende  Frauen 
rittlings  auf  einem  erhabenen  Sitz  mit  bankartiger  Fuaaunterlage.  (Place, 
Niniveh  et  TAsayrie  III  pl.  50  und  Layard,  Monuments  de  Niniveh,  London, 
John  Murray  1849,  Platte  82). 

Da  der  Kaiser  Mauritius  die  Bügel  ausdrucklich  von  Eisen  verlangt,  8o_ 
könnten  wir  vielleicht  zwischen  den  Zeilen  herauslesen,  dass  sie  anfanglich  nie 
immer  von  Metall  gemacht  wurden  und  sich  zu  seiner  Zeit  schon  in  einem  höher 
Stadium  der  Vollendung  befanden,  vielleicht  also  schon  längere  Zeit  in  Clebraul 
waren  und  somit  viel  früher  erfunden  wurden.  Wir  werden  später  hierauf  zu- 
rückkommen. Das  Wort  ^[A^  steht  übrigens  häufig  allgemein  für  Fahre 
Lenken  (Hom,  II,  YIII,  168;  XVn,  699;  XX,  488;  Odyss.  XV,  205); 
dieser  Wurzel  zusammengesetzte  Eigennamen  hatten,  wie  die  auf  ithto?,  in  der 
Sportwelt  einen  vornehmen  Klang:  Strepsiades  heisst  bei  Aristophanes 
Pferdenarr,  der  etwas  besonderes  vorstellen  soll,  Strophios  dagegen  der  rosa 
kundige  Vater  des  Pylades.  Strabe,  astrabe,  strapas  und  strepa  passen  req 
gut  zusammen.  Lacroix  (moeurs,  usages  et  costumes  au  moyen  %e^  B. 
leitet  strepa  von  streben,  stützen  ab;  besser  dürfte  an  Strippe  (gedrehte  8cbn«i 
zu  denken  sein,  da  es  in  vielen  in  dem  Exeurs  von  Du  Cange  't  *~!^«nat 
ed«  Niebuhr  V,  pag.  3titj,  angeführten  Fallen  so  übersetzt  werden  I 


175 


k 


steepsai  die  Bügel  selbst  aber  seandalae  geoannt  werdea.  Es  bandelt 
«idi  in  jeoer  AUtaodliiiig  darum,  ob  der  Kaber  verpflicfatet  ist,  dem  Papst  den 
B&gA  SU  halten«  Kenaldas,  Fürst  von  Aniiochiea  (Mitte  des  12.  JahrfaimdertH), 
filut  das  Pferd  des  Erzbisehola  von  Cypem,  die  Strippe  in  der  Hand  haltend : 

weidem  die  1273  bei  der  Kranong  Rudolfs  tod  Habeburg  beobachteten  Cere* 
ttoaieo  gansE  geaan  beschrieben,  wobei  gesagt  wird,  daiss  der  Kaiser  dem  Papste 
«wolil  beim  Auf-  wie  beim  Absteigen  den  Bügel  hielt  (Schultz,  Hof- Leben 
1,510);  tine  aedere  Stelle  ans  dem  Sachseuspi^el  wird  noch  erwähnt  werdeo« 

Das  Wort  slaflEa  würde,  wenn  es  Ton  ors^  umkraoien,  umgeben,  abzuleiten 
eüie  gaaz  äfanhche  Etymologie  haben,  wie  strepa  mid  das  Holz  oder 
beMdhneOy  welches  kraiuförB^g  gebogen  den  Fiiss  dea  Beiters  imigiebC 
Weaii  e9  aber  mit  Stapfe  zusammenhänge  wovon  noch  dn  Betl  in  dem  Worte 
ftsaitapfe  zu  finden  ist,  so  konnte  auch  Stapfe,  die  omkruizte  Fuasspitr,  der 
Cnriia  derselben,  von  isdrfm  kommen.  Im  Italieniachen  und  Spanischen  ist 
ilaii  der  Ste«b§gel  und  Stmffeite  daher  ein  berilteiier  Bote.  Smge  denken 
•ndi  an  Stab,  Stiitse«  Im  Griechiscben  betssen  die  Bügel  «däai  (an  bei 
Msmitnia,  Leo«  Suidas,  Eoatathius,  Codinns  de  offie,  3  und  9  n.  a.),  d>enao 
kaa%  aber  Tti^a^m^  (bei  Paehymer.  de  Mick  Paleolog.  T,  27,  PUles  Omtaeuz. 
ed.  Wennndorff  pag.  218  u.  a.):  seltener  und  spater  ist  der  Anedmck  oMoyia, 
von  wdcbem  noch  die  Rede  sein  winL 

Die  deutschen  B^eicbnungen  für  den  Bugd  sind  niebl  aehr  frühen  Datums. 

Pardval  heisst  es:  ,em  gerte  Stegereifa  niht*  und  „er  sprang  dmf  ine 
Im  WolMietrieh  siebt:  ^Ohne  Stegreif  der  Fretge  da  in  den  Sattel 
ifrang.^  Im  Sachaenpiegel,  der  d^n  13.  Jahrfannderl  angehört,  steltf  I,  It  1- 
gD«B  babite  isl  onch  gesazt  zu  rlteo  zu  bescheidener  zft  Af  eirae  blanken 
plorde  nod  der  kajner  aal  in  den  stegereif  baUeo  dnrdi  ites  der  aadel  niht 
ÄhnEeb  lautet  es  I,  52,  2. 

ist  der  Ausdruck  ,ans  dem  Stegreife  reden*.  Wie  in  Oriecben* 
hnd  an  den  Bacchus-Festen  die  den  Zag  zn  Wagen  Begldtenden  in  admeil 
gonaefaten  Yeracben  nü  dem  Pubtibim  ihren  Sehers  und  Speü 
auch  hm  den  rSminehen  Triumphen  allerlei  tmfffOfinerte,  eft  seh 
wie  man  sagte  i£  V^j^  ^^  ^  ptam$iru^  losgeksaen  wurdoi,  eo  wurden 
Ha  Mittelalter  angeiäylicldicher  Eingabe  folgende  ktraere  oder  Hagere  Änaae- 
no^en  ab  nn»  dem  St^reile  gehalten  beneidnel.  (Dioajt«  HaEe.  TU,  i2.> 
Relteo  und  im  Stegreif  sieben  war  die  Besebifiignng  eines  rQ8l%en  Ifaimeej 
der  rasch  von  Entedihiss,  auch  schnell  eine  Antwort  &nd.  mit  der  es  dann  an 
ICnan  nicht  genomnien  wurde.  Ancfa  andere  sfrichwörtficbe  Bedefiaatten  kaJIffiai 
lieh  an  den  Si^roC  ,On  Stegreif  in  den  Sallri  spngea^  hessü  arndl  ab 
«hue  Hufe  asderer  etwas  ansttihren.  ,8ich  des  Stegreib  emOifes*  hieas  ranben 
oad  nehnienj  wo  man  elwaa  hefcomwien  kann,  nd  wnrde  ven  vagabanffierenden 
IdeHeolen  gebrancht  Dan  Wort  Ste%bngel  seil  nach  Giimai  etil  im  17.  Jahr^ 
lumdert  aa%eknaiHM»  nein.  JBm  Steigbügelirunk,  den  man  ^"^^■■'*,  wenn 
et  auf  dem  PGerde  sitzt,  hai  seine  Bridirug  daria,  dbss  der  Wirt  nacb 


n(^ 


bezahlter  Rechnung,  wenn  der  abreiöende  Gast   schon    aufgestiegen    war,    noöl 
einen  Abscbiedötnink  als  letzten  unentgeldlich  vor  die  Thür  brachte. 

In  dem  Sinne  «aller  Anfang  ist  schwer^  oder,  wie  mir  wahrschelalicher 
iflt  fiohne  Bügel  kommt  man  nicht  Ln  den  Sattel^  sollen  nach  Wander  (Sprich* 
worterlexikon)  gewisae  afrikanische  Negerstämme  den  Steigbügel  den  Vater  des 
Sattels  nennen.  Umgekehrt  wäre  es  wohl  ebenso  richtig.  Auch  über  die  Steigbügel- 
riemen  mag  ein  Wort  gesagt  werden.  Bis  zum  Jahre  1752  wurden  sie  in 
Preussen  bei  der  Kavallerie  statt  der  Spiessruten  verwendet;  ein  Unteroffizier 
sehritt  dem  Verurteilten,  indem  er  ihm  die  Säbelspitze  vor  die  Brust  hielt, 
voran*     (Meyer,  Convers.-Lex,) 

Auftallend  ist  die  Bezeichnung  hebison  in  Ulrich  von  Lichtensteios 
Prauendienat  (Ausg.  v,  Laehmann  8.  37).  Es  ist  vom  Jahre  1223  die  Rode. 
Ulrich  hilft  seiner  Herrin  vom  Pferd  steigen: 

v.  6:  Die  vrowen  hiez  man  do  abheben: 

ich  bat  mir  daz  hebisen  geben: 

ich  huob  die  vrowen  alle  vil  gar. 
V.   13  :  daz  hebisen  ich  dar  truoc. 

si  sprach  ir  sit  nicht  starc  genuoc 

ir  mügt  mich  abe  geheben  niht. 
v.  18.:  dA  trats  uf  daz  hebisen  so 

du  si  her  von  dem  satel  steif 

bi  minem  h&v  si  mich  begreif  . .  * 
Die  gute  Frau  machte  dabei  den  artigen  Scherz,  ihrem  Ritter  eine  ganze 
Locke  auszureissen.  Wie  dieses  Hebeisen  beschaffen  war,  erfahren  wir  nicht, 
nur  daes  es  nicht  fest  mit  dem  Sattel  verbunden  war^  sondern  erst  herbei-, 
gebracht  wurde. 

Anderseits  wird  in  Flore  und  Blanscheflor  v.  2743  von  den  Steigbügeln 
an  dem  schonen  Zelter  gesagt,  dass  sie  fest  am  Sattel  saaseu,  von  Gold  und 
iiirlit  von  Kupfer,  Eisen  oder  Messing  waren  und  mit  Darstellungen  von  Löwen, 
Drachen  und  anderem  Getier  verziert  waren.  Natürlich  ist  dies  alles  Dichtung. 
Siegfried  hält  Ouuther  Zaum  und  Stegreif  (Viollet-le-Duc,  Dict  rais.  du  mobilier, 
Fr,  Y,  S.  415  unter  ärler  führt  andere  Beispiele  an.) 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  zur  Ritterzeit  sämtliche  Sättel  mit  Bügeln 
versehen  waren,  wenn  jedoch  in  Gedichten  schon  in  frühester  Zeit  solche 
erwähnt  werden,  wenn  die  Dichtung  Karl  den  Grossen  mit  Rittern  umgiebt  und 
die  späteren  Verhältnisse  auf  jene  Zeit  überträgt,  so  dürfen  wir  uns  dadurch 
nicht  täuschen  lassen.  Die  naiven  mittelalterlichen  Dichter  kleideten  eben  alle« 
iu  das  Gewand  ihrer  Zeit,  wie  Diercks  (Die  Araber  des  Mittelalters,  S.  203) 
sagt:  Christus  und  seine  Hauptleute  oder  Mannen,  nämlich  seine  Junges 
Alexander  der  Grosse  und  seine  Feldherru,  Artus  und  seine  Tafelrunde,  FC 
Wladimir,  die  Sonne  Kiews,  mit  den  Seiaigen^  Karl  und  seine  Pairs  —  sie  alle 
machte  die  Dichtung  gleich,  lieh  ihnen  dieselben  Kleider,  zeichnete  sie  mit  den- 
selben Sitten,  Hess  sie  dieselben  Thaten  vollbringen,  dieselben  Worte  spreehenf 
wie   man   sie  den  Mitgliedern   der  Ritterorden   zuschreibt.     Abnlich    und   dies 


177 


I 


* 


I 


oirnnt  an»  zii  «tatten,  malten  die  Maler  des  16.  Jahrhanderts  alte  Heilige  m 
Ko)«tüfneu  und  mit  dem  Hausrat  ihrer  eignen  Zeit 
Interessant  für  die  Geschichte  der  Steigbügel  ist  eine  Bemerkung  des 
Salernitaner  Anonymus  (bei  Du  Gange  unter  staffa).  Leider  ist  es  nicht  möglieh, 
die  Schrift  selbst  aufzutreiben,  ich  kann  daher  nur  citioren,  was  dort  zu  lesen 
ist;  sellam  nupcr  quam  equitabaf  stajfamque  solitam  pouebai.  Hiernach  scheint 
eSf  als  wenn  die  Bügel  nicht  fest  mit  dem  Sattel  verbunden  gewesen  wären^ 
wmdern  nur  zum  Aufsteigen  angehängt  und  dann  wieder  entfernt  wurden,  iibnlioh 
wie  wir  os  soeben  beim  deutschen  Hebeisen  kennen  lernten»  Der  Salernitaner 
Anonymus  lebte  erst  im  16,  Jahrhundert  uod  es  wird  nicht  gesagt,  aufweiche 
Zeit  sich  seine  Angabe  bezieht, 

Leo  Africanus  (ed  Floriani,  Antw.  1557,  pag,  145),  ein  Scliriftsteller  des 
ÜK  Jahrhunderts j  beschreibt  die  Ceremonien  am  Hofe  des  Königs  von  Fessa 
Nova  (Fez  in  Mauritanien) :  Eegem  nonnuUi  praecedmdy  qui  divet^ms  habeiU 
funrtioncs  • .  .  uirhnque  stipatorfs  inccdunt^  quomm  alius  stapedes,  alhis  regis 
iaculumy  aliu$  ephippii  stra(fulum^  alius  equi  fert  capistnim  . , ,  Danach  wurden 
also  die  Bügel  zum  jedesmaligen  Auf-  und  Absitzen  erst  angemacht;  aber  wie 
gesagt,  68  ist  von  Afrika  und  dem  16.  Jahrhundert  die  Rede.  Auffallend  ist, 
dftss  zu  diesem  Zwecke  zwei  Bügel  (stapedes)  verwendet  werden.  Es  giebt  aber 
eine  ähnliche  Nachricht  älteren  Datums,  die  an  das  erwähnte  deutsche  Hebeisen 
erinnert.  Jahns  (Ross  und  Reiter  H,  47)  und  LöfBer  (Das  Pferd  HI,  S.  172) 
iBfaren,  jedoch  ohne  nähere  Quellenangabe,  eine  Stelle  an,  welche  sich  auf 
Wübelin  U,  von  England,  also  auf  das  1 1 .  Jahrhundert,  bezieht :  non  expectato 
ascmsoriü  sonipedem  iuitiliens,  Dass  der  Zwerg  Walberan  (Schultz,  Höfisch, 
Leben  I,  389)  sich  eine  prächtige  Letter  machen  und  neben  dem  linken  Bügel  an  den 
Sattel  hängen  läsat,  um  daran  aufs  Pferd  zu  klettern,  ist  nur  seinem  körperlichen 
Unvermögen  zuzuschreiben,  kann  aber  nicht  zur  Verstärkung  jener  Vermutung 
herangezogen  werden,  obgleich  das  Bedürfnis,  bequem  aufs  Pferd  zu  steigen, 
tief  wie  dort  dasselbe  ist. 

Interessant,  wenn  auch  nicht  auf  Pferde,  sondern  auf  Kamele  bezuglich, 
ist  eine  Handzeichnung  im  germanischen  Museum  in  Nürnberg  (abgebildet  bei 
Stacke,  Deutsche  Oesch.  I,  716),  welche  trotz  mangelhafter  Darstellung  der 
Kamele  auf  eigener  Anschauung  des  Künstlers  beruht  und  die  älteste  vorhandene 
Abbildung  von  Türken  ist  Sie  bezieht  sich  auf  die  Belagerung  Belgrads 
dareb  Mohammed  IL  im  Jahre  1456.  Man  sieht  auf  dem  Bilde  unter  anderen 
Beilom  einen  Türken  auf  einem  Kamele,  dem  die  Ohren  gestutzt  sind,  so 
sitsen,  dass  er  den  linken  Fuss  auf  ein  breites  Band  stützt,  welches  von  der 
Halfter  ausgehend,  durch  einen  Ring  an  einer  Halskoppel  zu  einer  Art  Uralauf 
oder  Hinterzeug  geführt  ist.  Dass  der  Fuss  auf  dem  Bande  wirkUch  ruht, 
mAt  man  aus  dem  scharfen  Winkel  und  der  deutlichen  Anspannung.  Da  das 
Baad  am  Kopfe  befestigt  ist,  so  wäre  es  möglich,  dass  es  als  Leitaeil  diente, 
wemi  das  Tier  geführt  wurde,  oder  vielleicht  auch  als  eine  Art  Sprungzügel, 
der  mit  dem  Fusse  gehandhabt  wurde,  darüber  lässt  sich  jedoch  aus  der  Figur 
nidits  Bestimmtes  entnehmen.  Der  Strick  ist  nur  auf  der  linken  Seite  sichtbar. 
Utit  or  als  eine  Art  Steigbügel  zum  Auf-  und  Absitzen  gedient  habe,  welches 

18 


178 


eiie 

m 


beim  Kamel  ja  bedcuteii<I  mehr  Schvk  ieri^H^üiteu  ah  beim  Pferde  maco^fSo 
eiDe  Notiz  bei  Leo  Africaüus  (Deecriptiu  Africae  1,  lO**)  wahrscheinlich,  in  welchi 
gesagt   wird^   dass  die  Araber  der  Wüste  nur  auf  Kameieo   reiten  uod   dal 
die  Füsae  auf  den  Hals  setzen  —  was  übrigens  alle  Kamelreiter  thun  —  im 
dass  sie   keine   Steigbügel   keooeo,    sich  vielmehr  statt   ihrer  nur   eines  Seiles 
bedienen.      Daas    man    sich    bei    Kamelen    in   einzelnen   Gegenden    nur    eines 
Steigbügels  zum  Hinaufklimmeu  bedient,  der  bei  der  Höhe  des  Tieres  wohl  ent- 
sprechend tief  heruDterhängt,  wird  durch  eine  nicht  genauer  datierte  Abbildung  bei 
Denmiin  (Waffenkuude  S,  647)  erwiesen,  welche  einen  nordafrikanischen  Kaniel- 
aattel  mit  geschnitzter  Vorder-  und  Hinterlehne  und  nur  einem  auf  der  linken  Seite 
herabhängenden  dreieckigen  Bügel  darstellt.    Dasselbe  geht  aus  einer  Abbildung 
von   Hans   Guldenmundt   in   den    Mitteilungen    des    Wiener   Altert -Ver,    187 
Bd.    15   hervor^   welche   sich   auf  die   erste   türkische   Belagerung  Wiens   vi 
1529  bezieht.     Es   ist   daher   wahrscheinlich,    dass  auch   bei  jener  Darstellung 
das  Band  der  linken  Seite  als  eine  Art  Steigbügel,  aber  nur  zum  Aufsteigen  dien 
Es    würde    aus   den    angeführten,    von  transportablen  Bügeln  sprechend 
Stellen    der  Sehhiss   zu   ziehen   sein,   dass  man  anfanglich  mehr  Wert  auf  di 
Erleichterung  des  Aufateigens,  als  auf  die  Unterstützung  der  Füsse  während  d( 
Reitens  legte  und  dass  sie  hauptsächlich  von  solchen  Personen  gebraucht  wurdei 
welche   w^eniger   rüstig   zu    werden  anfingen.     Die  Gewöhnung   an    das  Reit 
mit  Bügeln  hatte  für  denjenigen,  der  gewohnt  war,  ohne  solche  äu  reiten,  einige 
Schwierigkeit.     Der  Naturreiter  sowohl^   welcher  sich  mit  den  Unterschenkeln 
festklemmt,   als   auch  der  Geübtere,  der  nach  Xenophons  Vorschrift  mehr  steht 
als  sitzt  (Xenoph.  hipp,  7,  5),  und  sich  gewöhnt  hat,  das  Bein  zu  strecken,  daa 
Fussgelenk   aber   unbeweglich   zu   halten,    finden   beide   Schwierigkeiten  dari; 
den  Bügel   festzuhatten,   und  verfallen  sehr  leicht  darauf,  sich  steif  zu  machi 
und   in    den  Bügeln   zu   stehen,   wobei  der  feste  Sitz,  die  Einwirkung  auf 
Pferd  und  die  Fähigkeit  der  Waffenführung  verloren  gehen.     Es  ist  daher  schon 
aus  diesem  Grunde  nicht  zu  verwundern,  wenn  die  Bügel  nur  langsam  Eingang 
fanden    und    das  Loos   vieler    ausgezeichneter  Erfindungen  teilten.     Es  scheint 
80gar  die  Benutzung   von  Steigbügeln   längere  Zeit  ein  Vorrecht  der  Vor- 
nehmen und  Anführer  gewesen  zu  sein,  wenigstens  ganz  sicher  in  England« 
Die  Statuta   de   armis   vom  Jahre    1295   bestimmen  ausdrücklich,    dasd  Scbilc]^_ 
knappen  genau  wie  Knechte  ausgerüstet  werden  und  keine  Steigbügel  am  Sattd^H 
haben  sollen  (Meyrick).    Die  Bügel  wurden  übrigens,  abgesehen  von  der  Form, 
aufänglich  sehr  lang  geschnallt,  in  England  dauerte  diese  Mode  von  Wilhelm 
bis  Jleiurich  VII.,  also  bis  zum  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  dabei  sind  die  Büg< 
auf  der  Tapete  von  Bayeux   teils   am  vorderen  Sattelknopf,   teils  in  der  Mii 
des  Sattels  befestigt  (Fosbroke),     In  den  Scenes  and  Characters  of  the  Middl 
Ages  by  thegliev.  E.  L.  Cutts  pag,  31 B  findet  sich  eine  Illustration  einer  Han* 
achrilt  des  Prudentius,   w^orin  ein  Sachsenkönig   (saxon   king)   ohne  Steigbügi 
abgebildet  ist.     Die  Sachsen  regierten  bekanntlich  bis  ins  11.  Jahrhundert| 
ihnen    Wilhelm    der    Eroberer    folgte.      Dagegen    erwähnt    Meyrick    (Critic 
En<iuiry  into  Ancieut  Armourj  Platte  8),  einen  Normannenköuig  vom  Jahre  106| 
mit   platten   eisernen  Bügeln.     Alexander  L,  Konig  von  Schottland,    HOT,  k 


plaUe  Jreieckigo  Bügel,  ebeoso  David,  Earl  v.  Huttingtou,  nachmals  König 
Too  Sehottland;  auf  Siegeln  haben  Richard  Pitz-Hugh,  Earl  von  Chester  und 
Krmig  Richard  L  dreieckige  Bügel  (Mejrick,   Platte  10,   13,   14). 

Auf  der  Tapete  von  Bayeux,  welche,  angeblich  auf  Veranlassung  der 
Königin  Mathilde,  Gemahlin  Wilhelms  L  von  Eügland  angefertigt,  dem  IL,  narh 
adorou  aber  dem  12,  Jahrhundert  angehört  und  in  72  Scenen  530  Figuren 
sthälty  sind  Reiter  sowohl  mit  als  ohne  Steigbügel  zu  sehen.  Ludwig  VI- 
hatte  im  Jahre  1100,  bevor  er  Konig  wurde,  auf  seinem  Reitersiegel  keine 
S^  '  '  :f^l.  Auf  bayerischen  Münzen  kommt  ein  Reiter  mit  Bügeln,  wahrscheinlich 
11  I  der  Löwe,  zuerst  im  12.  Jahrhundert  vor,  daneben  linden  sieh  andere  Her* 

Ä*ige  derselben  Zeit  ohne  Bügel.  (Obermayr,  Hist.  Nachr,  von  bayr.  Münzen, 
T«f,  I,  16;  VIII,  99  —  102).  Münzen  von  Friedrich  Barbarossa  und  dem  Land- 
grafen Hermann  von  Thüringen,  beide  aus  dem  12.  Jahrhundert,  zeigen  diese 
als  Kelter  mit  Bügeln.  Ein  Reitersiegel  Qerhardi  Dapiferi  de  Alzei  a.  1228 
xeigt  diesen  mit  sehr  weit  vorgestreckten  Beinen  uod  sehr  kleinen  Bügeln 
(AciA  acad.  Theod,  Palat  bist.  Vol.  VII,  pag.  268). 

Die  schriftlichen  Nachrichten  reichen  in  Deutschland  zwar  nicht  über  das 
10.  Jahrhundert  zurück,  es  tritt  dafür  aber  sogleich  eine  gewisse  Vertrautheit 
mit  den  Bügeln  zu  Tage.  Den  nordiachen  Reitern  reichte  im  IL  Jahrhundert 
der  Schild  von  den  Augen  bis  über  die  Steigbügel,  wie  Weinhold  (Nord.  Leben 
S*  208)  anführt*  Dass  man  bei  den  Nordländern  verhältnismässig  wenig  schriftliche 
Nachrichten  findet,  hat  zum  Teil  darin  seinen  Grund,  dass  sie  in  alter  Zeit  wenig 
litten;  sie  waren  zu  schwer  für  ihr  wohl  nur  leichtes  Pferdematerial,  wie  aus  Olaus 
Kagnus  (Hist.  de  gentibus  septentr.  Antw.  1558,  XVII,  132  j  und  II,  23)  her- 
vorgeht. Es  wird  uns  erzählt,  dass  die  Qauten  die  körperliche  Fülle  so  hoch 
chätzten,  dass  sie  ihren  -  König  danach  koren ;  wer  einen  mächtigen  Stuhl,  ge- 
cht  für  zwei,  ausrüllfee,  ward  gewählt.  Als  sich  in  Gautenland  niemand  fand, 
wurde  ein  Fremder  Thoris  Ilandsfuss,  Enkel  König  Rings,  gewähU  (Rolf  Kraka 
8.  c.  29;  Weiühold  S.  30).  SörH,  Sohn  des  Upiandkönigs  Erling,  war  so  gross 
und  schwer,  dass  ihn  auch  der  stärkste  Hengst  nicht  läoger  als  einen  halben 
Tag  tragen  konnte.  Den  gewaltigen  Fusskämpfer  Egge  konnte  ebenfalls  kein 
Rofts  tragen,  er  ging  nur  2U  Fuss  und  erregte  dadurch  des  alten  Hildebrand 
tTusufriedenheit  (Jahns  II,  23). 

Trotzdem  spielt  schon  in  der  Heldensage  der  Steigbügel  eine  Rolle.  In 
der  Orkneyinga  Saga  bindet  Sigurd  das  Haupt  des  erschlagenen  Feindes  an 
»einen  Steigbügel  (Simrock,  Myth.  H,  Aufl.  S.  222).  Wenn  dieser  Vorgang  auch 
dem  Mythus  angehört,  so  beweist  er  doch,  dass  man  Vorbilder  kannte,  bei  welchen 
£ese  Sitte  bestand.  Noch  im  IL  Jahrhundert  übten  die  Isländer  ganz  wie 
Hannen  und  Slaven  diesen  Brauch    (Weinhold,  Nord.  Leben  S.  310).    So  lauge 

keine  Steigbügel  hatte,   hängte  man  diese  Trophäen  den  Pferden  um  den 
»oder an  die  Zügel  Herodot  IV,  64  erzählt  es  von  den  Seythen,  Diodor  U,  29 
Eid  Sirmbo  IV,  4,  pag.   198.  C.  von  den  Galliern;   letzterer  nennt  es  eine  Ge- 
wohnheit fast  aller  mitternächtigen  Völker.     Von  den  alten  Irländern  schreibt 
ch,  Stanihuratius  (bei  Du  Gange,  Lib.  I  de  rebus  hibernicis):  Hibenws  ferreis 
alis,  quat  a  nonnulU  stapedea  dicunlHrj  in  eguos  wiiiime  a^eemJa'e^  sed  iubamm 

12* 


tur- 

I 

der 

auf 

den 

sonders 


setas,  quae  frontihm  hmnmmt,  auf  equorum  auriculas  sitmlra  apprehendere  a\ 

dum  equi  ohstipls  capiÜbus  quieti  inclinant  (nam  ad  talem/acditafenu  nt  est  em 
dociliiaSf  a  domitorihus  ßnguntur)   equites  etiam  sagis  atd  loricin  nmiHos  ti 
corporis  agilUate  ae  efferre  divaricatisque  cruribm  ephippiaj  clitelUs  non  di\ 
miles^  stihiio  occupare,     StanihursHus  lebte  im  16.  Jahrhundert. 

Wenn  wir  noch  in  späterer  Zeit  lesen,  dass  Ritter  vom  Pferde  herab  oi 
auf  dasselbe    hinauf  springen,    so  dürfen  wir  daraus  nicht  schliessen,    dass  sie 
keine  Bügel   hatten,   ebenso  wenig  wie   man  aus  der  Statue  des  grossen  Kur- 
fürsten, welcher  bekanntlich  ebenfalls  ohne  Bügel  zu  Pferde  sitzt,  diesen  Schi 
ziehen    kann;    vielmehr    war    es    ein   Zeichen    von  Kraft   und   Gescbicklich! 
ohne  Bügel  in  den  Sattel  tu  springen.   Der  sogenannte  Ritteraprung,  der  Spn 
aufs  Pferd,  rausste  dem  Ritterschlage  vorher  gehen.     Im  Wölfdietrich  heisst  es 
„Ohne  Stegreif  der  Freige  da  in  den  Sattel  sprang"  und  im  Orendel:  „Eisej  der 
kühne  Weigand,   ohne  Stegreif  in   den  Sattel   sprang/      Siegurd    springt    auf 
das  ßoss  Ooti  (Edda,  Simrock  304),    Auch    die  alten  Nordländer  machten  den 
Sprung    aufs   Pferd   und    das  Wechseln    derselben   im  vollen  Laufe^    besonders 
auf   glattem    Boden,    im  Winter,    zum   Gegenstand  besonderer  Übung, 
Magnus  ed,  Äntw.  1558,  VIII,  pag.  85). 

Vielleicht  liegt  in  dem  Umstand,  dass  statt  des  früheren  insilire  und  r/m 
im  8.  und  9,  Jahrhundert  die  Ausdrücke  scandere  equos  und  descendere 
kommen,  eine  Andeutung,  dass  man  anfing  mittels  der  Bügel  auf  das  Pferd  zu 
steigen,  statt  hinauf  zu  springen.  So  heisst  es  bei  Ermoldus  Nigellus  II,  475 
und  III,  377; 

Donat  equos  varios  praestaniia  colla  ferentes 
Quorum  vix  poterant  scandere  dorsa  sui; 
An  der  anderen  Stelle: 

Scandit  equum  velox,  stimulis  praefgit  acutin 
Frma  tetiens  gyros  dat  quadrupes  vartos, 
Kunig  Günther  steigt  zu  Pferde :  phalerati  terga  cavalU  gcandit  (Waltha- 
rius  S.  1063). 

In  den  Annales  Fuldenses  (Mon,  Germ.  I,  vol.  V,  pag*  407)  heisst  es  von 
den  Franken,  welche  in  der  Schlacht  an  der  Dyle  891  vom  Pferde  fiteigen, 
um  zu  Fuss  zu  kämpfen,  neqtw  descendunt*^ , 

Merkwürdig  ist  die  veraltete  französische  Bezeichnung  saufoirs,  von  $a\ 
für  Steigbügel)  welche  ihren  Namen,  wie  lucus  a  non  lucendo,  davon  zu  hal 
scheinen,  dass  man  bei  ihrem  Gebrauch  eben  nicht  mehr  aufs  Pferd  zu  springen 
brauchte.  Die  Erklärung  bei  Du  Gange  lautet :  sautoir,  Hrier  pour  aider  u 
sauter  ä  cheraL  Aus  diesem  Worte  ist,  wie  Du  Gange  behauptet,  das  spät- 
griechische  cxönjpCa  gebildet  (bei  Suidas:  saltatorium),  welches  bei  Constantinus, 
Porph.  pag.  15  und  Leo  tact  6,  8  vorkommt  und  Sattel  bedeutet  (Stephan! 
thesaur.  Gr.  unter  a(»)njp'la  und  Du  Gange  unter  saltatoria  und  staüa).  Das- 
selbe Wort  findet  sich  aber  auch  im  Altenglischen.  Nach  Meyrick  (Critical  Enquiry 
into  Ancient  Armour  VoL  XI,  pag.  18)  wurden  die  Steigbügel  im  14«  Jahrhundi 
so  genannt,  nämlich  sautouers,  aber  auch  schon  die  Statuta  de  armis  vom 
1395  schreiben  vor:     ^he  stdd  hare  fia  mutoure  ut  Ins  sadill^f   wie  gleicbfi 


eigen, 
ineenl 


181 


.  Die  soDstige  Bezeiclir 
tung  vuD  Stegreif  oder  von  stiffh-ropej  sowie  die  Ableitung  des  französischen 
Wortes  Hrier  gleichfalls  von  dem  deutschen  Stegreif,  am  Ende  des  zweiten  Ab- 
tfchüittes  besprochen  ist 

Haben  wir  in  den  auf  Europa  bezüglichen  Quellen  kein  älteres  schriftliches 
Zeugais,  als  das  de»  Kaisers  Mauritius  aus  dem  6,  Jahrhundert  gefunden,  so 
giebt  €8  doch,  wie  Olshausen  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  anthropolo- 
giaehen  üesellachafl  vom  Jahre  1890,  S.  20ii»,  mitteilt,  ein  solches  in  der  chine- 
«tichen  Litteratur,  im  Nanshib  e,  45,  8.  11,  welches  sich  auf  das  Jahr  477 
n,  Chr,  bezieht.  Der  Verfasser  meint  die  Steigbügel  schienen  damals  ganz  bebannt 
und  vielleicht  schon  Jahrhunderte  lang  im  Gebrauch  gewesen  zu  sein;  nach 
dieser  Zeit  sollen  sie  öfter  erwähnt  werden.  Im  7,  bis  9.  Jahrhundert  soll  das 
Volk  eiserne  Bügel,  die  Würdenträger  aber  solche  aus  T'au-Metall  gehabt  haben, 
einer  Komposition,  über  welche  einige  Mitteilungen  und  Vermutungen  beigefügt 
werden,  nach  welchen  es  äusserlicb  dem  Messing  ähnlich  zu  sein  scheint. 

Die  älteste  schriftliche  Quelle  würde  also  diese  chinesische  sein,  sie  ver- 
legt den  Ursprung  der  Bügel  nach  Asien  und  ihren  Gebrauch  ins  5.  Jahrhundert, 
sodass  man  ihre  Erfindung  gewiss    noch   frülier,    vielleicht   ius   4.  Jahrhundert, 

^    setzen  kann. 

H  Wir  haben  jetzt  also  eine  zusammenhängende  Reihe   schriftlicher  Nach« 

^M    richten,  welche  mit  dem  5.  Jahrhundert   beginnt,  und  wollen  nun  untersuchen, 

^Lgno  die  Funde  damit  übereinstimmen. 


I 


II. 


Wenn  wir  versuchen,  die  bis  jetzt  geraachten  Funde  von  Steigbügeln 
&U3&ählen  und  zu  ordnen,  um  im  Anschluss  an  die  im  vorigen  Abschnitte 
l&itgeteilten  allgemeinen  Angaben  schliesslich  zu  einer  Geschichte  der  Bügel 
zu  gelangen,  so  dürfen  wir  uns  die  Schwierigkeit  dieses,  soviel  ich  weiss,  ersten 
Versuches  nicht  verhehlen.  Nicht  tiur,  dass  das  Material  in  einer  Unzahl  von 
Büchern,  Annaleu,  Katalogen  und  kleinen  Schriften  zerstreut  ist,  so  geben  auch 
die  bisweilen  sehr  oberflächlichen  Mitteilungen  nur  in  seltenen  Fällen  eine  Vor- 
stellung von  Form  und  Grösse  und  noch  weniger  einen  Anhalt  für  die  Zeit, 
welcher  die  Fundstücke  angehören.  In  vielen  Sammlungen  giebt  es  fast  nur 
undatierte  Stücke  mit  unbekannten  Fundorten  \  es  geht  hier  beinahe  wie  mit 
den  Hufeisen,  von  welchen  oft  ganze  Kisten  voll  aufbewahrt  werden,  ohne  dass 
man  überhaupt  weiss,  wie  sie  in  die  Sammlung  hineingekommen  sind.  Solche 
Sachen  sind  für  unseren  Zweck  rorläutig  ganz  wertlos,  bis  man  im  stände  sein 
wird,  ohne  grosse  Irrtümer  allein  aus  der  Form  auf  die  Zeit  zu  scbliessen,  und 
dies  wird  möglich  seiu,  wenn  man  recht  viele  Zeichnungen  wird  vergleichen 
können. 

Die  früher  allgemein  gültige  Annahme  eines  in  verschiedenen  Perioden 
erfolgten  Zuges  der  ganzen  jetzigen  Bevölkerung  Europas  aus  Asien  nach  Westen  hat 
iö  ueueror  Zeit  der  gerade  entgegengesetzten  Theorie  IMatz  gemacht*  (Linden- 
selunk,   Haadb.  d.  Deutseh.  Altert.-Kunde  I,   EinL  S.  4  u.  f.     Vircbow,  Verh, 


im 


lAS 


182 


Qcr  j 

1 


a.  Berlin,  anthrop.  Ges.  1884,  S.  220.  Krause,  Taisco-Land,  S.  12 
Nehmen  wir  aber  auch  an,  daas  in  allerältesfcer  Zeit  ein  Zug  von  Westen  nach 
Osten  stattgefunden  hat,  so  bleibt  doch  die  Thatsache  bestehen,  das3  in  bistoridoher 
Zeit  eine  Bewegung  in  umgekehrter  Richtung  stattfand,  dass  die  Bewohner 
Europas  vielfach  ihre  Wohnsitze  änderten,  und  dass  ein  Volk  das  andere  v< 
drängte,  um  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit  ebenfalls  bei  Seite  geschoben 
werden.  Uns  interessieren  indessen  nur  diese  jüngeren  Völkerzüge  nach  dei? 
einen  oder  anderen  Richtung  und  auch  nur  insoweit,  als  die  in  den  Qräbern 
gemachten  Funde  damit  im  Zusanimenhange  stehen  und  einen  Schluss  auf  die 
Zeitfolge  gestatten.  Das  Vorkommen  von  Kurz-  und  Langschädeln,  die  Folge 
von  Finnen,  Kelten,  Crcrmanen  im  Norden,  die  Ausbreitung  der  Wenden  in  der 
Mark,  Pommern  und  MeckleDburg  im  5.  und  6.  Jahrhundert  und  ihre  Grenze 
an  der  Elbe  und  Baale,  die  Aufeinanderfolge  der  Bojer  (Kelten),  Marcomannen 
(Germanen)  und  Slaven  in  Böhmen,  die  Einfalle  der  Mongolen,  sowohl  ihre 
früheren  Züge  nach  dem  schwarzen  Meere  und  der  Donau,  als  ihre  ins  4.  Jahr- 
hundert fallenden  Züge  nach  Norden  und  ihr  im  13.  und  14,  Jahrhundert  er- 
folgtes Vordringen  nach  Russland,  sowie  andere  ähnliche  Vorgänge,  die  Portschritte 
der  Kultur,  namentlich  der  in  verschiedenen  Ländern  zu  sehr  verschiedener 
Zeit  erfolgte  Übergang  zur  Eisenzeit,  die  Annahme  des  Christentums  —  dies 
alles  beachten  wir  hier  nur  soweit,  als  die  hauptsächlich  aus  der  Beschaffenheit 
der  Gräber  über  diese  Vorgänge  gewonnene  Kenntnis  der  Erklärung  und  Datierung 
derjenigen  Funde  dient,  welche  uns  über  die  Beschaffenheit  und  Verbreitung 
der  Steigbügel  Auskunft  geben*  ^i 

Ebenso  wichtig  aber  sind  für  die  Verbreitung  die  Handelsbeziehung^H 
welche  seit   den   ältesten   Zeiten    zwischen   dem  Süden   und  Norden  Europa^ 
sowie  zwischen  dem  Osten  einerseits  und  dem  Westen  andererseits  nach  Mittel*  | 
Europa  bestanden.    Auf  gsinz  bestimmten,  uns  wohl  bekannten  Strassen,  welche 
vom   mittelländischen   und   adriatischen,    aber   auch  vom  schwarzen  Meere 
nach   der  Ostsee   führten,   und   in   frühester  Zeit   in   den  Händen  der  Semii 
(Fhönicier)  waren,  wnirden  den  Völkern  des  Nordens  die  Erzeugnisse  des  Südens, 
hauptsächlich  die  schönen  Bronze  waren,  zugeführt,  w^elche  wir  in  ihrem  Besitze 
linden,  denn  weder  die  Nordländer,   noch  die  Gallier  oder  Germanen  haben  in 
frühester  Zeit  diese  Sachen  selbst  gefertigt.    Auf  denselben  Wegen,  welche 
Unterbrechungen  bis  ins  Mittelalter  hinein  bestanden,  wurden  nordische  W) 
namentlich  Bernstein,  zurückbefördert,  auf  ihnen  fand  der  Austausch  von  all« 
Gebrauchsgegenständen,   die   Mitteilung   nützlicher  Erfindungen   und   politisi 
Ereignisse  statt.     Auch  die  Steigbügel  folgten  diesen  Strassen,  welche  sich 
Donau  aufwärts  durch  Ungarn,   Mähren,   Böhmen,   längs   der  Elbe,   Oder  und 
Weichsel  nach  der  Ostsee  zogen,  doch  werden  wir  auch  auf  andere  Verbreihi 
wege  ötossen.    Alle  Funde  aber  gehören  nicht  jener  ältesten  Zeit,  sondern 
dem  jüngeren  Eisenalter  an,  wie  wir  im  einzelnen  sehen  werden. 

Bei  fast  allen  europäischen  Völkern  wurden  bei  der  Bestattung  den  Kri' 
je  nach  ihrem  Rang  Kostbarkeiten,  Waffen,  ausgerüstete  Pferde,  Wagen,  Schi 
Habichte^  bei  einzelnen  auch  Frauen  und  Diener  zur  Benützung  in  jener  V 
mit   ins  Grab  gegeben.     Als  König  Uarald   Hildetonn  in  der  Bravallaschli 


chej 
Bns.  I 


183 

gefallen  war,  lies«  König  llw^  vim  Seliwodpn  tue  Lniciho  auf  den  Wagen  IngiTi, 

inf  dem  Harald   in  den  Kampf  gefahren  war,    einen  Hügel  auf  werfen  und  den 

!FolM    hinein fiihren.       Das   Ross   ward   getötet^    und   König  Ring   gab    seinen 

ü^Den  Sattel  her,    indem   er    dem   Toten   sagte,    er   möge  jetzt  thiin,   wie    er 

wolle«    Dach  Walhall    reiten   oder    fahren   (Pornaldur    Saga   I,  387;    Weinhold, 

Nord*  Leben    S.  495),     Besonders    diese  in  den  sogenannten  Skeletgrabern, 

in  welchen  die  Toten  unverbrauut  bestattet  wurden,  gefundenen  Pferdeausröstungen 

ptd  für  ans  von  grog&ter  Wichtigkeit,  wahrend  bei  Brandgräbern  auch  andere  Bei- 

beo  auf  den  Gang  der  Kultur  und  die  Zeit  schliessen  lassen.    Xach  Annahme 

de»  Chriatentums  werden  keine  Pferde  mehr  mit  den  Toten  bestattet,  es  werden 

bcr  keine  Steigbügel  mehr  in  den  Gräbern  gefunden. 

Wir  beginnen  mit  der  Besprechung  der  Ts  eh  u  den -Grab  er.  Tschuden  w^ar 
der  milgemeine  Name  für  alle  Finnen  und  Mongolen,  w^elche  nördlich  der  Scythen 
wohnten  und  vom  Altai  und  Ural  nach  dem  schwarzen  Meere  zogen.  Die  Griechen 
machten  Sy.'>i^j^  daraus*  Die  Finnen  sitd  vielleicht  die  älteste  und  stärkste 
Vülkerfamilie,  welche  ursprünglich  den  grussten  Teil  von  Europa  und  Asien  im 
Beeitz  hatte,  bis  die  Indoenropäer  (Kelten,  Gaflier,  Britaunier,  Germanen  und 
Slaven)  kamen  und  sie  verdrängten.  Im  4*  bis  *l.  Jahrhundert  tinden  grosse 
Wanderungen  uralischer  Volker  uud  öftere  Züge  tschudischer  Stämme,  zu  weU 
eben  auch  Hunnen,  Avaren  und  Bulgaren  gehörten  (SchafFarick,  slav.  Altert.  I, 
286  hiÄ  319;  Klaproth,  tableanx  de  l'Asie  235  bis  254),  bis  in  die  pontischen 
Gegenden  statt. 

Diese  Tschuden  haben  nun  in  dem  ganzen  grossen  Gebiete  vom  Altai, 
Jecii«ey  und  Ural,  durch  das  europ.  Russland  bis  zum  schwarzen  Meere  un- 
aiUige  Hügelgräber  hinterlassen.  In  den  ansehnlicheren  derselben,  welche 
^majaki  heisaen^  tinden  sich  oft  neben  den  Menschengerippen  Pferdekiipfe  mit 
^K2Satioi  und  Stange,  zuweilen  auch  Steigbügel  von  Eisen  oder  mit  Silber- 
■  iflecli  überzogen.  Auch  in  den  gewöhnlichen  Gräbern,  welche  slansn  heissen, 
^  fiodea  sich  viele  Steigbügel  Eine  dritte  Art  Gräber,  die  l-Hrganie^  die 
p5a8ten,  scheinen  kein  Eisen,  eine  vierte  auch  kein  Gold,  eine  fünfte  endlich 
iiberh.iupt  nichts  Wertvolles  zu  enthalten,  i  Ritter^  Erdk.,  HI.  Teil,  IL  Buch 
Asien,  Bd.  2,  ^  56  oder  S.  328  uud  f.).  Schon  Pallas  erwähnt  die  Steig- 
bügel in  den  majaki  und  slanzi.  Siewers  1703  uud  Meyer  1826  fanden  solche 
Oriber  am  Irtisch  mit  Pferdegeschirr  von  Kupfer,  dünn  übersilbert,  und  kupferne 
Steigbügel  mit  Holzresteu;  auch  Bunge  fand  Bügel  (Ritter  II,  S.  649  und  902). 
Diese  Gräber  haben  eine  ziemliche  Litteratur  hervorgerufen^  die  aber,  meistens 
to  roeaischer  Sprache  abgefasst,  leider  wenig  Verbreitung  gefunden  hat.  Neuere 
Untersuchungen  (Andree,  Die  Metalle  bei  den  Naturvölkern,  Leipzig  1884,  S.  125) 
eu  den  Fund  von  Steigbügeln  in  den  grossen  Kurjanen,  welche  jedoch 
fjenem  Urvolke,  sondern  einem  eingewanderten  Reitervolke  türkischen 
Stammes  angehören  sollen,  durch  welches  jenes  Urvolk  vertrieben  wurde.  Es 
laiideii  »ich  Bügel  von  Eisen  mit  Silber  und  Gold  ausgelegt  und  Spuren  von 
S&tteln  und  Sattelzubehör.  Diese  Reitervölker  kamen  von  Norden,  zwischen  Ural 
und  Altai,  nicht  von  Westen  her.  Nach  den  Ausführungen  von  Mone  (Gesch. 
d.  Heideot.  1,  8.  104)   bestätigt   die  Volkssage   es  nicht,   daas  die  Ungarn  als 


^^"^  ^     ^- 


mm 


184 

StammesgenosBen  der  Türken  vom  kaspischen  Meere  oder  von  Pcraien  her 
kommeti  wären,  alles  deutet  vielmehr  darauf  hin,  dass  beide  von  Norden  kamen. 
Dass  man  nicht  auf  Fiauen»  sondern  auf  ein  türkisch-tatarisches  Volk  schlieBst^ 
beruht  auf  anthropologischen  Gründen,  namentlich  darauf,  dass  man  nur  brachy- 
kophale  Schädel  gefunden  hat. 

Ändere  Gräber,  in  denen  sich  ganze  Schach-  und  Brettspiele  von  Gold, 
Medaillen  und  Metallspiegel  finden,  weisen  durch  gleichfalls  darin  enthaltene 
Schalen  und  Münzen  mit  kufischen  Inschriften  auf  den  muhamedanischen  Kul- 
turkreis hin  und  müssen  jünger  als  jene  sein,  da  die  arabischen  Münzen  mit 
kufiacher  Schrift  erst  im  7.  Jahrhundert  aufkamen.  Da  nun  jene  anderen  Gräber 
Münzen  ohne  diese  Schrift  enthalten,  so  dürfen  sie  für  älter,  als  die  Einführung 
des  Islam  gelten. 

Aber  auch  das  erwähnte  Auftreten  des  Schachspiels  läast  uns  einen 
Schluss  auf  das  Alter  der  Gräber  machen.  Das  Schachspiel  soll  nämlich  nach 
dem  Zeugnis  Firdusis  im  6.  Jahrhundert  nach  Persien  und  um  diese  Zeit  auch 
von  Indien  nach  China  und  an  fast  alle  orientalischen  Hofe,  auch  nach  Arabien 
gekommen  sein ;  schon  die  Gefährten  des  Propheten  sollen  Schach  gespielt  haben. 
Aus  sprachlichen  Gründen  soll  überdies  hervorgehen,  dass  das  Schachspiel  direkt 
aus  Asien  durch  tatarische  Völker  nach  Russlaod  gekommen  sei  (v.  Bilgner, 
Handb,  d.  Schachap.  S,  4  und  16),  Nach  von  Linde  gehören  aber  alle  diese 
Angaben  in  die  Schachmythologie;  nach  ihm  datiert  die  älteste  schriftliche  Nach- 
richt aus  dem  10.  Jahrhundert  und  findet  sich  bei  Masudi  (v,  Linde,  Gesch.  d. 
Litt.  d.  Schachap.  I,  10;  I,  2;  III,  C),  Das  Spiel  verbreitete  sich  aus  Indien, 
WC  es  im  7.  Jahrhundert  zu  finden  ist,  über  Persien  nach  Arabien,  jedoch  nicht 
vor  dem  8.  Jahrhundert,  Mohammed  kannte  es  nicht ;  von  den  Arabern  wurde 
es  nach  Europa  gebracht.  Alle  anderen  Nachrichten  beruhen  auf  Verwechse- 
lungen mit  anderen  Brettapielen,  welche  seit  den  ältesten  Zeiten  her  bekannt 
waren*  Aber  selbst  wenn  es  sich  bei  jenen  Funden  um  das  Spiel  Mignan 
handelte,  welches  die  Mongolen  nachweislich  aus  dem  Tibetanischen  entlehnten, 
so  wäre  ein  Zusammenhang  mit  den  im  Norden  Europas  auftretenden  Spielen 
möglich.  Wir  finden  Friethjof,  ja  Odin  und  die  nordischen  Götter  beim  Brett* 
spielj  welches  in  der  Völuspa  einfach  Schach  genannt  wird.  Die  Vorgänge  in  der 
Friethjof-Sage  spielen  sehr  früh,  und  wenn  wir  finden  sollten,  dass  aus  jener 
Zeit  Steigbügel  im  Norden  nachzuweisen  sind,  so  könnten  diese  wie  das  Brett- 
spiel, welcher  Art  es  auch  gewesen  sein  mag,  von  Nord-Osten  her  in  die  Ost* 
seeländer  gekommen  sein. 

Schlüzer  sieht  in  den  Tsehuden  die  Bulgaren,  welche  schon  im  5.  Jahr- 
hundert an  die  Donau  kamen,  andere  erkennen  darin  Hunnen  oder  Avaren,  welche 
demselben  Stamme  angehören.  Die  von  diesen  wandernden  Reitervolkern  auf 
ihrem  langen  und  langsamen  Zuge  schon  im  ai>iatischen  Russtand  in  ihren 
Gräbern  zurückgelassenen  Bügel  müssen  demnach  mindestens  ins  4.  oder  5. 
Jahrhundert,  wenn  nicht  noch  weiter  zurückreichen.  Aspelin  verlegt  die  Funde 
in  Scythien  sogar  ins  1.  Jahrhundert  vor  Christus, 

Neueste  Forschungen  bestätigen,  dass  die  Tachudengräber,  welche  ätmo 
und  Eisen  enthalten^  zwar  sehr  alt  sind  (Erman,  Archiv  für  wiss.  Kunde  vuo 


^ 


185 

id,  Bd.  XIX,  S.  55),  dass  aber  ein  uninittel barer  Ziisiimnionhaii)L^  der 
hndeii  mit  den  Hcytheo,  welche  uns  Hcrodot  schildert  {l\\  71—72;  man 
vergleiche  Herodot  I,  205;  Strabo  XI,  pag.  51B),  nicht  nachweisbar  ist,  ob- 
gleich die  Beschreibung  ihrer  Begräbnisfeierlichkeiton  und  mancher  andere  Zug 
däKU  nufFordero. 

Id  einem  Berichte  des  Prof.  Radi  off  aus  Kasan,  enthalten  in  den  Ter- 
bandlungen  der  Berl.  Gesellsch.  für  Anthrop*  1882,  S.  430,  wird  bestätigt,  dass 
die  sibirischen  Gräber  der  Eisenperiode  eine  Menge  von  Pfordeknochen  zeigen, 
die  der  Bronzeperiode  dagegen  niemals,  und  dass  erstere  ausser  eisernen 
Steigbügeln  eine  Menge  anderer  zum  Gebrauch  des  Reiters  nötige  Dinge  ent- 
halten. Er  Bchliesst,  dass  die  Eisensachen  nicht  den  Nachkommen  der  Bevölkerung 
der  Bronzezeit  angehören,  sondern  fremden  Einwanderern,  welche  von  Süden 
her  zum  Altai  kameu,  und  dass  diese,  wie  er  durch  eine  Notiz  aus  chinesischen 
Schriften  erhärtet,  zum  türkischen  Stamme  gehörten. 

Die  bei  Aspelin  (Antiquites  du  Nord-Finno-Ougrien,  III,  Abschn.,  8.  202, 
•*ig.  767)  beschriebenen  und  abgebildeten,  in  den  Gräbern  der  Meren  gefundenen 
'Steigbügel  gehören  jedoch  nicht  dieser  ältesten  Zeit  an.  Sie  wurden  mit  sama- 
nidischen^  deutschen  und  angelsächsischen  Münzen  zusammen  gefunden  und 
weisen  auf  eine  Herkunft  aus  dem  10.  oder  IL  Jahrhundert  hin.  Auch  ihre 
Form  (Fiff.  57),  welche  an  Ungarn  erinnert,  verweist  sie  in  diese  Zeit.  Weit 
älter  scheinen  dagegen  die  gleichfalls  bei  Aspelin  abgebildeten,  in  den  Skelet- 
gräbern  der  Mordwinen  gefundenen  Bügel  zu  sein  (Fig,  40).  Beide  finnischen 
Völker,  die  Meren  an  der  oberen  Wolga  und  unteren  Oka,  die  Mordwinen  in 
ihrer  Nähe  am  oberen  Don  wohnend,  breiteten  sich  später  bis  zur  Ostsee  und 
snun  heutigen  Polen  aus  (Mullenhof,  Deutsche  Altert.  11,  71), 

Es  scheint  demnach  unzweifelhafit,  dass  die  Steigbügel  in  den  ersten  Jahr- 
(lunderten  unserer  Zeitrechnung  den  Yölkern,  welche  von  Nord- Asien  und  vom 
Ural  her  nach  dem  schwarzen  Meere  und  der  Donau  hindrängten,  bekannt  waren. 
Dies  scheinen  aber  nicht  dieselben  Stämme  gewesen  zu  sein,  welche  von  Central- 
Asien  aus  den  Altai  überschritten  und  die  ältesten  Gräber  zurückliessen,  sondern 
später  nachdringende  Scharen,  w^elcho  in  weitem  Bogen  an  die  Donau  gelangten, 
fmrährend  andere  vielleicht  direkt  nach  Westen  ziehend  zu  gleicher  Zeit  das 
heutige  Ungarn  erreichten.  Alle  diese  Horden  gehörten  dem  türkisch- tatar- 
iicfaen  Stamme  an,  sie  brachten  die  Bügel  in  die  Donauländer. 

Einen  weiteren  Aufschluss  über  die  Zeit  der  Einführung  giebt  die  von 
Hampel  (der  Uoldfund  von  Nagy-Szent-Miklos  S.  86,  Fig.  46  und  47)  be- 
schriebene und  abgebildete  Sassaniden-Schussel,  eins  der  vielen  derartigen 
Fundstucke,  welche  orientalischen  Ursprungs  sind.  Die  unsere  gehört  dem  4. 
bis  5.  Jahrhundert  n,  Chr.  an.  Sie  ist  von  Silber  und  zeigt  grosse  Jagdscenen 
in  «ehr  deutlicher  Ausfülirung,  Auf  diesen  Darstellungen  haben  die  jagenden 
^firaten  Steigbügel,  deren  Form  ganz  deutlich  zu  erkennen,  der  der  älteren 
ItUBgarischen  Bügel  durchaus  ähnlich  ist;  sie  sind  fast  rund,  nur  die  Sohle  ist 
Iwaa  Hacher,  aber  breit  (Fuj.  I  u.  2).  Andere  vornehme  Personen  haben 
ine  Bügel.     Die  Trachten  erinnern  an  persische  Kostüme. 


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186 

Da  über  die  Achtheit  und  das  Alter  jener  Fuude  kein  Zweiiei  besteht, 
so  niüdseu  wir  die  BekaiiDtachaft  mit  den  Steigbügela  im  Orient  ios  4,  bis  5. 
Jahrhundert  zurück  verlegen,  was  nach  unseren  früheren  Betrachtungen  keinem 
Widerspruche  begegnet  und  von  den  angeführten  chinesischen  Quellen  bestätigt 
wird.  Es  unterstutzt  hier  die  schriftliche  Quelle  den  Fund  uod  umgekehrt  der 
Fund  die  Quelle.  Welcher  Nation  aber  die  hier  im  persischen  Kostüme  abge» 
bildeten  Reiter  angehörten  und  von  wem  und  wann  diese  die  Bügel  erhalten 
haben  ^  das  bleibt  vorläufig  noch  unaufgeklärt. 

Obgleich  nun  die  Steigbügel  in  chinesischen  Quellen  schon  im  5.,  in  griech- 
iächen  (Kaiser  Mauritius)  wenigstens  im  6.  Jahrhundert  erwähnt  werden,  siod 
die  ersten  Funde  in  Europa  doch  etwas  jüngeren  Datums.  Sie  verteilen 
sich  auf  Ungar D,  Rusaland,  Preussen  und  Schleswig.  Wurden  sie  von  einem 
Keitervolke  aus  Asien  nach  dem  schwarzen  Meere  gebracht,  so  werden  einer- 
seits die  ewigen  Kriege  mit  den  Nachbarnj  anderseits  die  bestehenden  Handels- 
verbinduagen  für  die  weitere  VerbreituQg  gesorgt  haben. 

Schon  vor  Christi  Geburt  hatten  griechische  Kaufleute  eine  Strasse  vom 
PontuB  Euxinus  nach  der  Ostsee  gefunden.  Sie  ging  den  Dniepr  und  Pripat 
entlang  und  wurde  unter  Alexander  Severus  für  zwei  Jahrhunderte  während 
der  Züge  der  Goten,  Germanen,  Hunnen  und  Slavon  verlasseu,  aber  im  5. 
oder  6.  Jahrhundert  wieder  aufgeaommen.  Gegen  Ende  des  7,  Jahrhunderts 
kamen  die  ersten  Münzen  mit  kufischeu  Buchstaben  nach  Dänemark,  sie  wurden 
mit  römischen  vermischt  iu  Menge  auf  Bornholm,  Gotland  und  anderen  Inseln 
gefunden.  Zu  derselben  Zeit  blühte  der  Handel  mit  Lievknd  und  Nowgorod;  er 
dauerte,  wie  die  Münzen  nachweisen,  bis  ^um  10,  Jahrhundert  (Rougemont 
S.  461  bis  463).  Da  aber  der  Handel  zwischen  dem  Ural  und  der  Ostsee  erst 
später  beginnt,  so  ist  es  nicht  wahrscheiolich,  obgleich  immerhin  möglich,  dass 
die  Bügel  direkt  aus  dem  nördlichen  Russland  nach  Preussen  kamen.  Dass^ 
aber  auch  die  Araber  nicht  diejenigen  gewesen  sind,  welche  sie  verbreitet  haben, 
obgleich  ihre  Münzen  häufig  mit  ihuen  gefunden  werden,  dass  vielmehr  die 
Araber  erst  sehr  spät  sich  der  Bügel  bedienen  lernten,  geht  aus  einem  Bericht 
des  Arabers  Ibn  Chaucal  hervor,  welcher  hervorhebt,  dass  die  gemeinen  Araber 
des  10.  Jahrhunderts  sehr  schlecht  zu  Pferde  saasen,  weil  sie  sich  der  Bügel 
entweder  nicht  bedienen  konnteu,  oder  nicht  wollten,  sondern  ihre  Beine  lose 
herunter  hängen  Hessen.  (Dozy,  Gesch.  d.  Mauren  in  Spanien,  H,  112.)  An- 
derseits ^agt  eine  Notiz  über  den  Klialifen  al  Mamuu  aus  dem  Anfange  des 
J).  Jahrhunderts  (Linde  a,  a.  0,  I,  20),  dass  dieser  vom  Pferde  herab,  ohne  den 
Fuss  aus  dem  Steigbügel  zu  heben,  in  Datnascus  24  Millionen  Dirrheme  ver- 
teilte. Die  Bügel  waren  zu  seiner  Zeit  wohl  nur  bei  vornehmen  Arabern  im 
Gebrauch.  Es  war  hier,  wie  im  Westen;  wir  werden  sehen,  dass  Bügel  bis 
ins  12.  Jahrhundert  überall  nur  von  Vornehmen  benutzt  wurden. 

Bevor  wir  die  Funde  einzelo  anführen,  muss  noch  eine  bei  Tiollet-le»Duc, 
Le  mobilier  francais  V,  8.  413,  befindliche  Angabe  besprochen  werden,  wonach 
schon  zur  römischen  Kalserzeit  die  Steigbügel  den  Numidiern  oder  Iberern 
bekannt  gewesen  seien.  Unsere  vorhergehenden  Ausführungen  widerspreohen 
seiner  beweislos  hingestellten  Behauptung  durchaus,  wenn  er  auch  anfuhrt,  das^  1 


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rei  derartige  Bugcl,  welche  wir  nach  fteinor  Zeichnung  unter  F/r/*  B42  u.  S4B 
ib^büdet  haben,  im  Neapler  Museum  aufbewahrt  würdeu. 

Die  Form  der  Bügel  macht  nicht  den  Eindruck,  aU  wenn  sie  jenen  Jahr- 
htinderten  angehörten^  wenn  auch  der  eine  an  die  primitiven  Büget  Fig.  27B 
o.  S(^  erinnert.  Das  Einzige,  was  der  Verfasser  zur  Begründung  seiner  sonst 
Too  niemand  geteilten  Behauptung  anführt^  ist,  dass  jene  alten  Völker  einen 
festen  Sitz  notwendig  gehabt  hätten,  weil  sie  vom  Pferde  aus  mit  dem  Bogen 
•oboflsen  und  sieher  trafen.  Dazu  waren  aber  Bügel  nicht  nötige  denn  niemand 
Terstood  dies  besser  als  die  Parther,  und  doch  hatten  diese  bestimmt  keine 
Bügel,  wie  alle  Skulpturen  übereinstimmend  zeigen.  (Man  vergleiche  für  die 
ultere  Zeit  Livius  35,    U    und  Strabo   17,   3,   pag.   828.    C;    Horaz.,   Od.    2, 

15,  17;  1,  19,  10;  Virg.  Georg.  3,  31.)  Dieser  Grund  ist  also  nicht  ausreichend, 
fitine  Behauptung  zu  erweisen.  Aber  auch  das  ist  falsch,  dass  derartige  Bügel 
im  Museum  zu  Neapel  aufbewahrt  würden.  Auf  eine  Anfrage  hatte  der  Direktor 
der  Musei  di  autiquit^,  Signure  Giulio  de  Petra,  die  Güte  mir  zu  antworten, 
daas  nichts  ähnliches,  was  als  Steigbügel  gelten  könnte,  dort  aufbewahrt  wurde, 
dies  sei  auch  ganz  natürlich,  da  bekannt  sei,  dass  die  Alten  dergleichen  nicht 
im  Gebrauch  gehabt  hätten.  Es  ist  schade,  dass  Viollet  nicht  angegeben  hat, 
woher  er  seine  überraschende  Nachricht  genommen  hat.  Ebensowenig  ist  darauf  zu 
geben,  wenn  hier  und  da  jemand  einen  Bügelfund  bekannt  macht  und  ihn 
mindestens  für  römisch,  womöglich  aber  für  etruskisch  erklärt*  So  heisst  es  in 
einem  englischen  Berichte  (Archaeological  Assoc.  1873):  „dies  ist  einer  der 
ersten  römischen  Steigbügel,  welche  ans  Tageslicht  gekommen  sind*,  während 
das  Stück  —  ich  vermute  das  indessen  nur  —  ein  Kettenbügel  ist,  der  wahr- 
scheinlich dem  12.  Jahrhundert  angehört,  früher  kommt  die  Verwendung  der 
Ketten  dabei  nicht  vor.  Ein  anderer  schreibt  (Archaeologia  VoL  24,  pag.  58) 
von  einem  bei  Hampdon  Shill  gefundenen  Bügel:  „er  ist  wahrscheinlich  etrus- 
kischen  Ursprungs**,  aber,  nach  der  Beschreibung  zu  scbliessen,  dürfte  er  dem 

16.  Jahrhundert  angehören.  Gründe  sind  überall  nicht  weiter  angegeben.  Wahr- 
echeinlich  auf  Viollets  Autorität  hin  hat  ein  neuerer  französischer  Schriftsteller 
Le  Vsllet  (Le  chic  k  cheval,  histoire  de  requitation,  Paris  1891,  S*  7)  dieselbe 
Behauptung  aufgestellt  und  erzählt  dann  weiter,  daas  Atfeilas  Horden,  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts^  zuerst  Bügel,  aus  drei  Holzatücken  bestehend,  gehabt  hätten, 
verrät  aber  nicht,  woher  er  diese  Nachrichten  genommen  hat,  oder  ob  ihm 
vielleicht  ein  der  Vermoderung  entgangenes  Exemplar  vorgelegen  hat.  Die  Sache 
ist  ja  an  sich  nicht  unwahrscheinlich^  obgleich  diese  Völker  wohl  damals  schon 
im  Besitze  von  Metallbügeln  waren.  Dass  Holzbügel  älter  gewesen  seien,  be- 
ruht nur  auf  einem  Schluss  a  priori  oder  nach  Analogie  mit  heutigen  wilden 
Völkern. 

Wir  müssen  jetzt  der  Reihe  nach  die  in  den  einzelnen  Ländern  gemachten 
Funde  aufzählen  und  fangen  dabei  mit  Ungarn  an,  weil  dort  eine  Fülle  von 
iBgeln  gefunden  wurde,  welche,  gut  datiert,  sich  ihrer  Form  nach  systematisch 
rdoen  lassen.  Herr  Nagy  Qeza,  Kustos  und  Adjunkt  am  National -Museum 
Budapest,  bat  in  Archaeolugiai  urtesitö,  XI,  2  von  1891,  S.  115,  seine 
TJoiersuchungeD    veröffentlicht.    Leider  ist  es  mir  nicht  möglich  gewesen,   von 


188 


wir 

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rfte. 

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dorn  Inlialto  Kenntnis   zu   nelirnen,    da  ich  keinen  genügenden  Übersetzer 
treiben  konnte.    Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  die  vielen  in  ungarischer  Spra< 
alljährlich    gemachten  Publikationen   nicht  daneben  auch  in  einer  Weltsprache 
stattfinden,  wie  die  von  Aspelin  über  die  Finnen,  da  alle  Nicht-Ungarn  ohne  ei\ 
solche  Doppelzüngigkeit  vod  der  Benutzung  ausgeschlossen  sind.     Ich  bemei 
ausdrücklich,  dass  ich  die  meiner  Abhandlung  beigefügten  Figuren  zum  grössl 
Teile  au  Ort  und   Stelle  nach  den  Originalen  flüchtig  aufgezeichnet   habe^ 
der  Regel  ohne  die  in  Glasschrunken  aufgestellten  Exemplare  hinreichend  gen 
betrachten  oder  messen  zu  können,  und  dass  es  mir  nicht  um  das  Detail,  sond 
nur  um  einen  Anhalt  für  die  Form  zu  thun  war.     In  Betreff  der  Schätze 
ungarischen   National -Museums    in   Budapest    bin    ich    dem   Kustos -Adjunkten 
Herrn  Dr.   Bela  v.  Posta  zu  grossem  Danke  verpflichtet,  weil  er  ausser  v 
schiedenen   eigenen   Angaben   den  Dolmetscher  machte,   da  weder  Herr   Na 
Gi5za  der  deutschen,   noch  ich  der  imgarischen  Sprache  mächtig  war  und  wir 
in  seiner  Abwesenheit  nur  zum  Latein  unsere  Zuflucht  nehmen  konnten,    ei 
Sprache,  in  der  sich  über  Steigbügel  und  ihr  Detail  nur  mühsam   eine    vöUij 
Verständigung  erreichen  lässt,  wie  der  Leser  bei  einem  Yersuche  finden  dürfVe 

Das  heutige  Ungarn  wurde  der  Reihe  nach  von  Kelten,  Germanen,  Hunnen» 
Avaren  und  Magyaren  bewohnt.    Sie  hinterliessen  in  ihren  Gräbern  eine  zahll 
Menge  von  Gebrauchs-    und   Schmuckgegenständen   für  Meuscheu    und  Pfer< 
welche  im  National-Museum  zu  Pest  in  grosser  Vollständigkeit   beisammen  sind 
und  durch  immer  neue  in  der  Nähe  der  grösseren  Flüsse,  namentlich  der  Donau 
und  der  Theiss,  gemachte  Funde  fortwährend  vermehrt  werden.  Die  Kelten  nahmen 
schon  im  3.  Jahrhundert  y.  Chr.  Pamionien  in  Besitz,    Ihnen  dürfen  wir  indedsen    ' 
keine  der  gefundenen  Steigbügel  zuschreiben,  da  sie  dieselben  wohl  überhaupt 
nicht  kannten*     In  Keltengräbern  sind  auch  niemals  bis  jetzt   irgendwo  8tei^^ 
bügel  gefunden  worden.  ^^ 

Nagy  Oeza,   dessen  System  ich  versuchen  will   wiederzugeben,  teilt  die 
ungarischen  Bügel  folgendermaasen  ein. 

1.  Hunnisch-germanische  Bügel,  a)  Der  Fuud  von  Kesthelj  in 
Nähe  des  Plattensees.  Er  war  von  Münzen  römischer  Kaiser,  und  zwar  vou 
Philippus  Arabs  (244^ — 249)  und  sieben  seiner  Nachfolger  bis  Valentinian 
(375—392),  begleitet,  kann  also  nicht  aus  einer  früheren  Zeit  als  dem  Eni 
des  4.  Jahrhunderts  herrühren,  eine  Grenze,  welche  mit  dem  Anfange  der 
Völkerwanderung  zusammenfällt.  Zu  dieser  Zeit  war  das  Land  noch  von  Germanen 
bewohnt,  welche,  vou  den  Hunnen  gedrängt,  sich  über  die  Donau  zurückzogen. 
Die  älteste  hunnische  Form  ist  nicht  bekannt,  sie  fallt  vielleicht  mit  dieser 
zusammen.  Es  ist  anzunehmen,  dass  die  von  den  Hunnen  mitgebrachten  Bügel 
sich  schnell  bei  den  eingesessenen  und  benachbarten  Völkern,  Goten  und 
Oepiden,  verbreiteten  und  auch  Änderungen  in  der  Form  erlitten,  deren  eine 
uns  in  diesem  Funde  vorliegt,  welcher  Fiff.  3  und  mit  etwas  anderem  Kup£a 
Fig.  4  abgebildet  ist.  (8.  Dr.  Lipp.  Vilmos:  A  Kesthely  Sirm.  S.  17,  Fig.  2! 
Charakteristisch  ist  bei  ihnen  die  Sohle,  welche  in  den  Winkeln  umgestülpt  isi 
sodass  die  umgelegten  Enden  eine  Vorlfiugerung  der  Seiten  wände  (Schenki 
nach  unten  zu  bilden,     b)  Die  Bügel  von  Ordas,    älterer  Art  (wir  werden  \n\ 


189 

wie  bei  andereu  Fundorten,  noch  einen  jüngeren  Typus  kennen  lernen),  wel- 
che der  ganzen  Form  nach  den  vorigen  entsprechen,  Fit/,  5,  c)  Der  Fund 
voD  PÜ8pök*Szent-Erz8ebet  (St.  Elisabeth)  Fig.  0  und  d)  der  von  Leroes,  Fiß.  7. 
Letztere  bilden  der  durch  einfaches  Zusammenbiegen  der  Eisenstange  gebildeten 
Öse  halber  den  Übergang  zur  folgenden  Art,  während  sie  der  Form  der  Sohle 
Dach  3tu  der  vorigen  gehören. 

2,  Avarisch-hunniöche.  a)  Der  Fnnd  von  Szentendre  (8t.  Andreas), 
<M«(«r  Typus,  Fig>  S,  Nur  die  untere  Hälfte  ist  flach,  mit  kleinem  Urat  auf 
i\er  Aussenseite  der  Sohle;  die  Ose  ist  durch  einfaches  Zusammenbiegen  ge- 
bildet, b)  Die  Bügel  von  Ordaa,  zweiter  Typus,  Flf/.  .9,  aus  mehreren  stark 
oxydierten  Bruchstücken  und  einem  ganzen  Exemplar  bestehend»  Obgleich  sie 
dnrch  eine  Mün^e  von  Philipp us  Arabs  begleitet  waren,  soll  der  Fund  doch  später, 
QDd  zwar  ins  6,  Jahrhundert  zu  setzen  sein.  Ausserdem  gehören  hierhin:  die 
Funde  von  Szegedin,  erster  Typus,  Fit/,  lOj  von  Kassa  und  Bolcske.  Die 
letj^teren  sind  abgebildet  und  besprochen  im  Archaeologiai  ertesitö  1891,  XJI,  3, 
8.  2H9,  Die  Bügel  sind  kreisrund,  die  Ösen  zum  Teil  wie  unter  a,  zum  Teil 
wie  bei  den  avarisehen  gebildet. 

3.  Avarische,  Sie  zeichnen  sich  durch  die  Form  der  Ose,  welche  in 
einem  mehr  oder  weniger  laugen,  selbständigen  Halse  sitzt,  und  eine  flache, 
fast  die  Hälfte  der  kreisähnlichen  Rundung  einnehmende  Sohle  aus*  Es  ge- 
hören hierher  die  Bügel  a)  von  Szentendre,  zweiter  Typus,  Fig,  11,  Münzen 
Von  lustinuä  Thrax  (518 — 527)  und  Phocas  (602 — 610),  sowie  verschiedene 
OotdBaeheu  verweisen  dieselben  in  das  6.  oder  7.  Jahrhundert.  Der  Bügel  ist 
etwa  12  cm  weit  und  beinahe  kreisrund,  der  flache  Hals  4  cm  lang,  b)  Die  Bügel 
Von  Nagy-Manyok,  Fi<j,  12^  abgebildet  und  besprochen  in  Archaeoh  ertes.  1890, 
X,  5  S,  432  und  c)  von  Bicacs,  Fitj,  13^  schliessen  sieh  jenen  an.  d)  Die  Bügel 
von  Szeged,  zweiter  Fund,  Fig,  14  (s.  Archaeol.  ertes,  S.  154).  Sie  alle  stammen 
ans  dem  7.  Jahrhundert. 

4*  Ungarische,  a)  Pusta-Vereb.  Münzen  von  Karl  dem  Kahlen  (840 
bis  877)  und  Berengar  (8S8 — 924)  verweisen  die  beiden  dort  gefundenen 
Bügel,  Fig,  S4f  ins  10,  Jahrhundert  b)  Porös,  Fig,  35^  den  vorigen  ähnlich, 
10.  Jahrhundert,  c)  Pilin.  Hier  sind  mehrere  Bügel  %^on  ähnlicher  Form  aber 
rerscliiedener  Grösse,  von  einem  nur  Bruchstücke,  gefunden,  Sie  sind  datiert 
dorcb  eine  Münze  Ludwigs  des  Frommen  (814 — 840).  Genauere  Abbild- 
ungen befinden  sich  bei  Hampel,  Archaeolog.  ertes.  1885,  S,  322;  1887,  8.  63 
|889,  S.  269;  Archaeol  kötzlem.  IX,  1,  S.  21.  Die  letztgenannte  Zeichnung 
Fig,  i7,  den  allgemeinen  Typus  der  anderen  Fig.  18.  Die  Bügel  von 
Czorna  mit  Münzen  Ludwigs  des  Deutsehen  (840 — 876)  und  Monaji  sind  hier- 
bei einbegriffen.  Bei  den  sehr  ähnlichen  Bügeln  von  Nesmely,  Fig.  19^  welche 
üDten  einen  schwachen  Grat  auf  der  Sohle  zeigen,  lagen  Münzen  von  Berengar. 
Bei  Ki«  Varda  wurde  mit  den  Bügeln  ein  Sporn  gefunden;  die  von  8zol)nra, 
Fig.  MOf  Bind  sehr  gross,  14  cm  breit,  sonst  ähnlieh  jenen.  Derselben  Zeit  ge- 
hlkroo  auch  die  Funde  von  Bene  Pusta  und  Nagy  Teremini  an.  Einen  zweiten 
iwgmriachen  Typus  zeigen  die  Funde  von  Oalgocz,  Fig.  ^i,  und  Rakos,  Fi(/.  2:4, 


«i^^iMi^M 


1^ 


190 


Während  alle  früheren  freistehende  Ösen  hatten,  haben  diese  die  Ösen  in  der 
in  der  Schenkelebene  erbreiterten  oberen  Rundnng.  In  Galgocz  wurde  eine 
Münze  des  Samaaiden  Naszr  ben  Ahmed  (913 — 942)  mitgefuoden. 

5,  Avarisch- ungarische*  Hierher  gehören  die  Funde  von  Szegec! 
Othabra,  Fig.  15^  Szeged  Bojarhalmi  u.  a.,  welche  Übergangaformen  zeigen, 
älter  als  die  ungarischen  und  entwickelter  als  die  avarischen  sind.  (Arch. 
ertesit.  1891,  XI,  2,  S.  104).  Eine  andere  Durehgangaform  ist  die  von  Oödöllri 
mit  einer  Münze  Athelstans  (924 — 940).  Die  Bügel  von  Szentes,  Fig.  iff, 
schliessen  sich  an.  Der  ganze  Typus  würde  ins  9,  bis  10.  Jahrhundert  zu 
Hetzen  sein,  ins  IL  dagegen  der  Ftg,  26  abgebildete  ungarische  Bügel,  dessen 
Herkunft  nalr  nicht  mehr  erinnerlich  ist  Ausser  diesen  Bügeln  befinden  sich 
im  Pester  Museum  noch  eine  Anzahl  anderer,  welche  unfehlbar  magj^arischen 
Ursprungs  sind,  aber  aus  unbestimmter,  späterer  Zeit  stammen ;  sie  sind  in  den 
Fig.  27^33  angedeutet. 

Die  Bügel  im  ungarischen  Nationalmuseum  bilden  also  eine  fortlaufende 
Reihe  vnm  4,  oder  5.  bis  zum  IL  Jahrhundert;  es  kommt  nun  darauf  an^  die 
in  anderen  Landern  gemachten  Funde  mit  Berücksichtigung  der  besonderen 
Umstände  und  eigenen  Datierung  hiermit  zu  vergleichen. 

Zunächst  befinden  sich  im  Wiener  naturhistorifichen  Museum  (Saal  XIIL 
Schrank  58)  Bügel,  welche  zum  Teil  mit  jenen  eine  grosse  Ähnlichkeit  haben. 
Fig,  38  zeigt  ein  Paar  Bügel,  welche  der  Öse  nach  in  die  avariach-hunnische, 
der  Sohle  nach  in  die  buBuisch-gormanische  Zeit,  also  etwa  ins  6.  Jahrhundert 
gehören  können ,  Der  Katalog  des  Museums  bezeichnet  sie  als  der  merowin- 
gischen  Periode  angehörig.  Sie  stammen,  wie  die  folgenden,  aus  den  Flach- 
gräbern von  St.  Veit  bei  Hietzing  in  der  Nähe  von  Wien.  Ein  anderer  Bügel, 
Fig.  3(if  gleicht  genau  dem  von  St,  Andreas  in  Fig.  IL  Fig,  37  zeichnet  sich 
dadurch  aus,  dass  seine  Sohle  durch  Niete  mit  den  Schenkeln  verbunden  ist, 
wogegen  Fig,  35  wieder  der  merowingischen  Form  ähnelt.  Alle  diese  Bügel 
dürften  dem  6.  bis  8.  Jahrhundert  angehören,  während  ein  bei  Feistritz  in  Krain 
gefundenes  Exemplar,  Fig,  39^  nach  den  flaschen förmig  verlängerten  Schenkeln 
und  der  gewölbten  Sohle  zu  urteilen,  wohl  jünger  ist. 

Wenden  wir  uns  jetzt  den  Ostseeländern  zu,  so  erseheiiit  ein  im  Moore 
von  Walby  in  Schweden  gemachter,  der  älteren  Eisenzeit  (vor  700)  angehörender 
Fund  dadurch  besonders  interessant,  dass  ein  bronzener  Steigbügel  mit  dem  Thors» 
zeichen,  wie  es  »im  XXYII.  Bd.  der  Jahrbücher  des  mecklenbg,  V.  für  Gesch. 
und  Altert.  S.  179  genannt  wird,  versehen  war.  Es  ist  dieses  Zeichen,  welche« 
sonst  Hakenkreuz,  Suastica,  bei  drei  Haken  triquetrum  genannt  wird,  aber  auch 
bei  vieren  diesen  Namen  führt,  oft  gleichbedeutend  mit  den  verschiedenen  Abände- 
rungen  der  Radscheibe,  welche  die  Fig.  330—334  zeigen  und  kommt  auf  einer 
grossen  Anzahl  von  Gegenständen  aUer  Länder  vor.  Es  scheint,  arischen  Ursprungs, 
den  Feuerquirl  vorzustellen.  Der  ältesten  Zeit  angehörend  und  wahrscheinlich  von 
Norden  ausgehend,  hat  es  sieh  über  die  ganze  alte  Welt  verbreitet  und  findet  sich  so- 
wohl im  Norden  von  Europa,  als  in  Spanien,  Sicilien,  Griechenland,  KJeinasien, 
Ägypten  und  Indien.  Schliemann  fand  es  schon  in  Hios,  wo  es  bis  ins  2.  Jahrtausend 
V.  Chr.  hinaufreicht;  auf  lycischen  Münzen  des  5.  oder  6.  Jahrhunderts  kommt  es  ufl 


191 

nwt  Kftdreiffen  lujd  bezeiclinotcm  Mittelpuiikte  vor,  wie  es  gleich  den  alten  Agjp- 
türn  unsere  Astronomou  als  Bild  der  Sonne  gebrauchen.  Es  war  ohne  Zweifel 
ein  alte«  Kultusbild  der  kreisenden  Bewegung  der  Sonne,  ihrer  Wiederkehr 
und  ihrer  Schnelligkeit^  vielleieht  in  abgeleiteter  Bedeutung  der  Unsterblichkeit. 
Dem  Bild  der  Schnelligkeit  entspricht  die  Variante,  welche  drei  oder  vier  Beine 
«tttU  iler  Haken  zeigt  (Triskelej  und  noch  In  heutigen  Wappen  vorkommt.  Es 
tmd  die  verschiedensten  Vermutungen  zur  Erklüruug  dieses  Zeichens  ausge- 
sprochen worden.  Vau  hat  darin  S}niboIe  von  Odin,  Freyer  oder  Thor,  oder 
aller  drei  xusamraen  gesehen,  die  Haken  auf  den  Blitz  bezogen,  und  sein  Vor- 
kommen auf  mecklenburgischen  Thongefässen  und  etruskischen  Urnen  aU  Zeichen 
Je»  Glaubens  an  die  Unsterblichkeit,  der  Wiederkekr  des  Lebens,  gedeutet.*) 
Es  scheint  mir  notwendige  einem  so  allgemein  vorkommenden  und  also  auch 
wohl  allgemein  verstandenen  Symbol  eine  möglichst  einfache  Bedeutung  unter- 
»nlegen,  ohne  daas  man  bei  jedem  Gegenstände,  auf  welchem  es  sich  vorfindet, 
eine  Beziehung  auf  die  tiefsten  Geheimnisse  der  Religion  zu  denken  hat, 
Und  dieser  Forderung  scheint  es  mir  zu  entsprechen,  wenn  man  es,  wie  bei 
Specren,  Schwertern,  Steigbügeln  passend  ist,  in  Anlehnung  an  die  schnelle  und 
ausdauernde  Bewegung  der  Sonne,  an  ihre  belebende  wie  zerstörende  Kraft  als 
Symbol  der  Schnelligkeit  und  Kraft  erklärt.  Bei  der  überwiegenden  Wichtigkeit,  wel- 
che in  alter  Zeit  überall,  im  Norden  wie  in  Griechenhind  und  Asien,  dem  Schuell- 
laufe  vor  allen  anderen  Leibesübungen  eingeräumt  wurde,  ist  es  nicht  zu  ver- 
wundern, wenn  ein  äusseres  Zeichen  für  die  Schnelligkeit  in  verschiedenen 
Abänderungen  des  Hakenkreuzes  von  laufenden  Füssen  und  Pferdeleibern  bis  zum 
vierspeichigen  Rade  (dem  Feuerrade  am  Sonnen  wendfeste)  überall  da  angebracht 
wurde,  wo  man  den  Grundgedanken  zum  Ausdruck  bringen  wollte,  mochte 
dieser  einfach  der  Wirklichkeit  entsprechen,  oder  nur  als  Wunsch  bei  dem 
Verfertiger  oder  Besitzer  des  Gegenstandes  bestehen.  Es  wird  danach  die  An- 
bringung des  Zeichens  auf  einem  Steigbügel  als  Ausdruck  des  Wunsches  grosser 
und  anhaltender  Schnelligkeit  der  Bewegung  sehr  passend  erscheinen.  Es  ist 
dabei  nicht  ausgeschlossen,  dass  mau  es  in  anderen  Fällen  auch  gleichsam  als 
ein  Schutzzeichen  oder  Amulet  anbrachte,  wie  Gallier,  Sachsen,  Angelsachsen 
und  andere  Stämme  Eberbilder  trugen  und  wie  man  Kreuze  und  Kruzifixe 
ohne  jeden  Gedanken    au  ihre   religiöse  Bedeutung   anbringt.     (Schlieben,  Das 


*)  VergL  MeckleEburgiscUe  Jahrb.  XXVI,  177;  IX,  393;  XIII,  383.  Movera,  Phon.  189, 
Iti  die  Triqueira  (Eekhol  I,  184)  auf  den  numidlsolien  Baal-Choii  oder  den  geiuer  Drei- 
yH  w«gen  T^'.itXÄT.o;  genannten  ohaldäisch-babjlonisehen  Mithra  und  erinnert  an  die 
t!ft»i  Ä{}fel  des  Heraoles,  welche  den  drei  Jalireazeiten  entsprechen,  Joh.  Lydus  de  meiisb.  IV, 
4(J,  pftg.  Sl.  Ein  lingerer  Aufsat«  befindet  »ich  in  den  Yerh,  d.  anthrop.  Ges.  zu  Berlin  17,  4^ 
1S86,  8.  277,  Ton  Olshausen.  Man  sehe  auch  Hamy,  Refne  d^ethnographie  II,  1883,  S.  412, 
die  rroix  gammiSe,  welche  als  Saa«tioa  im  Sanskrit  vorkommt,  ferner  Henri  Oaidox:  Le 
Gaulois  et  le  symbolysme  de  la  roue,  Paris,  LerotLx  186G  und  besonders  J.  P.  Scbmitx: 
donneiirad,  Montabaur  1888^  Sauerborn.  Die  ausführlichste  Abhandlung  findet  §ioh  bei 
EnMiM^  Toisco-L&od,  S»  343,  welcher  ich  nur  hinzufügen  mochte»  dass  das  triquetnim  auch 
■of  «joem  nenpunischen  VotlT-Holief  im  assyrischen  Saale  des  neuen  Museums  in  Berlin  vor* 
iK^mnit,  welchem  der  Inschrift  nach  atiB  dem  2.  Jahrhundert  ?.  Chr.  stammen  soll  Krause 
4firflo  ditreliaus  dai  Richtige  getroffen  haben. 


ÜMB^ 


W2 


Scbwein  in  der  Kulturgeschichte,  S.   10).    Ursprünglich  Symbol  des  zum  heilig6ti 
Werkzeuge   gewordenen  Feuerquirls    der  Arier  ist  ea  allgemeines  Ueilszeicfaen 
geworden,  es  wird  noch  heute  den  Buddhisten  als  Segenszeichen,  Suastica^  auf 
die  Stirn  gezeiehnet;  es  ist  ihnen  das,  was  dem  Ägypter  das  Henkelkreuz  u 
den  Christen  das  Kreuz  war    Der  Übergang  des  Feuersymbols  auf  den  Sonnei 
goft  und  das  Hervortreten  der  Bedeutung  der  schnellen  Bewegung  ist  etwas  gai 
natürliches   und   findet   Ausdruck   in    den   üblichen   Feuer-    und   Sonoenrädern* 
(Krause,  a.  a*  O.) 

Nach  dem  Leitfaden  für  nordische  Altertumskunde,   herausgegeben   voi 
Sekretariat  der  Kopeofaagener  Gesellschaft,   S.  48,   werden  Steigbügel,  Satt« 
knüpfe    von    Bronze    in    Form    von    Ticrküpfen,     Sporen    ohne    Räder, 
einem  Stachel    endigend,    von  Bronze  und  Eisen  in  nordischen  Gräbern,    uut 
welcher  Bezeichnung  die  in  Dänemark,  Norwegen  und  Schweden  gemeint 
Bind,  nicht  selten  gefunden.     Die  gleichfalls  zuweilen  gefundenen  Hufeisen  (S.  G' 
atammou  aus  der  christlichen  Zeit,  wie  ausdrücklich  angeführt  ist.     Die  Bügel 
welche    mit    Kupfer,    Kupfer    mit    Eisen,    Bronze    und    Eisen    allein    gefunde; 
wurden,   werden   wir  frühestens   ins  6<   Jahrhundert  setzen  können,   späteste] 
aber  in  die  Zeit  der  Einführung  des  Christentums,   da  später  den  Toten  kei 
Pferde  mehr  ins  Grab  mitgegeben  wurden.    Obgleich  nun  Ansgar  bereits  unt 
Ludwig  dem  Frommen  die  Bekehrung  begonnen  hat,  können  wir  den  allgemein! 
Übergang  zum  Christentum  doch  nicht  vor  dem  Jahre  1000  annehmen. 

Die  bei  Worsaae  (nord.  oldsager  i  det  kgl,  Mus.  i  Kjöbenhaven,  S.  11 
abgebildeten  nordischen  Bügel,  von  welchen  F/^.  .^f/  mit  Silber,  Fiff,  4!/  u.  ; 
mit  anderem  Metall  ausgelegt  sind,  zeigen  den  Geschmack  der  zweiten  Eisenzeit 
und  dürften  ins  10.  Jahrhundert  zu  setzen  sein,  da  sie  auch  im  übrigen  in 
der  Form  dieser  Zeit  entsprechen.  Besonders  bemerkenswert  ist  der  kleine 
Ansatz  an  den  unteren  Enden  der  beiden  Schenkel.  Bei  den  zwischen  dem 
8.  und  12.  Jahrhundert  bestehenden,  durch  zahllose  Münzen  erwiesenen  lebhaften 
Handelsverkehr  zwischen  dem  Norden  und  Eussland  einerseits  und  dem  Orient 
andrerseits  könnte  angenommen  werden,  dass  diese  Bügel  aus  dem  Süden  ein- 
geführt seien,   wofür  auch  die  vorhandenen  Tauschierungen   sprechen   würden. 

Das  Charakteristische  dieser  in  den  nordischen  Ländern  an  der  Ostsee  von 
Schleswig  bis  nach  Oatpreussen  gefundenen  Bügel,  Fowie  eines  aus  dem  Rhein  bei 
Mainz  gehobenen  Exemplares,  die  wir  teils  unterm  9.,  teils  unterm  10.  Jahrhundert 
aufführen,  besteht  in  der  hohen  Dreiecksform,  wodurch  sie  grosse  Ähnlichkeit 
mit  dem  erst  viel  später,  wenn  unsere  Datierung  richtig  ist,  auftretenden  gotischei 
Spitzbügen  zeigen;  ferner  in  der  erhöhten,  oft  durch  Umlegen  der  breite; 
Flächen,  wie  bei  den  alten  ungarischen  Bügeln,  gebildeten  Sohle,  der  viereckigen, 
oft;  querstehenden  Öse,  dem  gedrehteu  Halse  und  den  Tauschierungen, 
welchen  Eigenschaften  jedoch  nicht  bei  allen  Exemplaren  alle  vorhanden  sin 
sondern  verschiedene  Kombinationen  auftreten.  Sie  gehören  alle  dem  jüngerei 
Eisenatter  an,  welches  in  Schweden  von  700,  in  Norwegen  von  800  beginn: 
und  finden  sich  bis  zur  völligen  Christianisierung  der  Länder  im  11.  Jahrhunde; 
Der  Fig.  ~i(f  abgebildete  Bügel,  w^elcher  sieh  auch  in  Mestorfs  vorgeschichtliche! 
Altertümern  und  im  Katalog  des  Kieler  Museums  1885,  S*  32,  findet^  ist  uei 


I 


von 


193 


I 


undereii  Pracbtatucken  im  Mainzer  Museum  in  vortreffllicher  Nachbildung  Tor- 
baoden,  an  welcher  man  die  schöne  Tauschierung  bewundern  kann.  Der,  wie 
dio  beiden  andern  eben  erwähnten,  in  Schleswig  gefundene  Bügel  ist,  nach  einer 
ulteron  von  Lindeoschmit  herrührenden  Aufzeichnung  in  der  Bibliothek  des 
hiesigen  Altertumsvereins,  aus  dem  9. — 10.  Jahrhundert,  da  er  an  fränkische 
Arbeiten  erinnert. 

Diese  Annahme  entspricht  den  von  Worsaae  aemer  zweiten  Eisenzeit 
voiraiigeBohickten  Bemerkungen.  Dem  genannten  Werke  von  Fräulein  Mestorf 
sind  auch  Fig,  119  u*  43  entnommen^  welche  gleichfalls  in  Schleswig  gefunden 
wurden.  Ich  halte  ersteren  für  jünger,  letzteren  für  älter.  Unter  Fiy,  41  (Mestorf 
TIS,  Lindenschmit,  heidnische  Vorzeit  IV,  23,  1)  ist  ein  Bügel  mit  Gold- 
tausehterung  aus  den  Skeletgrabern  von  Immenstedt  gegeben.  Er  ist  mit  einem 
xweiteti  {Fig.  42)  ebendaselbst  gefundenen  und  einem  dritten  {Fig,  44)  aus 
dem  Riiein  bei  Mainz  von  Lindenschmit  abgebildet,  welcher  die  beiden  ersten 
ndt  Bestimmtheit  dem  9«  Jahrhundert,  also  der  karolingischen  Zeit,  zuweist. 
Zu  dem  gleichen  Schlüsse  kommt  auch  Handelmann  in  dem  sogleich  anzu« 
enden  Aufsatze.    Alle  drei  Bügel  sind  dadurch  merkwürdig,  dass  ihr  Oberteil 

ht  ist,  sodass  die  Öse  senkrecht  zu  der  Ebene  eines  durch  Schenkel  und 
Sohle  gelegten  Durchschnittes,  der  Bügelebene,  steht.  Dasselbe  gilt  von  einem 
bei  Melldorf  in  Holstein  gefundenen  und  anderen  aus  unseren  Abbildungen 
ersichtlichen  Exemplaren  (Fig,  45,  46,  47\  48).  Die  zunehmende  Höhe  bei 
flacherer  Sohle  halte  ich  für  ein  Zeichen  etwas  späterer  Zeit. 

Nicht  in  allen  Gräbern  werden  Ausrüstungsstücke  für  Reiter  oder  Pferde 
gefunden^  nur  die  Gräber  der  Vornehmen,  der  Anführer,  welche  ihren  zu  Fuss 
kiaipfenden  Scharen  hoch  zu  Ross  voranzogen,  sind  durch  diesen  Schmuck 
atiag^seiebnet.  Reitergefechte  waren  weder  bei  Deutschen  noch  bei  Nordländern 
vor  der  karoliogiachen  Zeit  üblich,  worauf  wir  später  noch  näher  eingehen 
werden,     ^llandelmann,  Vorhandlungen  d.  Anthrop.  Ges.  1883,  S.  25.) 

Aber  aus  dem  Umstände,  dass  Steigbügel  in  den  Gräbern  nicht  gefunden 
werden,  ist  noch  nicht  mit  Sicherheit  zu  schliessen,  dass  auch  keine  darin  waren; 
Motsllbügel  alletdtngs  nicht;  diese  scheinen  lange  nur  eine  Auszeiclinung  für 
Vomebroe  gewesen  zu  sein,  aber  vielleicht  hölzerne,  von  denen  sich  natürlich 
kei&0  Spur  erhalten  hat.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich^  dass  die  geringen  Leute, 
sie  überhaupt  mit  Bügeln  ritten,  sich  ursprünglich,  wie  noch  im  Anfange 
Jahrhunderts  die  ostpreussischen  Bauern,  hölzerner  Bügel  bedienten, 
ja  nach  einer  Anmerkung  bei  Wilde,  Catalogue  af  Antiqu.  S.  603,  sollen  eiserne 
Bigel  in  England  bis  zum  16.  Jahrhundert  unbekannt  gewesen  sein,  wobei 
Poabfokea,  Encyclop.  of  Antiqu,,  citiert  wird.  Dieser  Schriftsteller  spricht  zwar 
nicht  von  hölzernen  Bügeln,  sondern  von  Lederriemen,  welche  mit  einer  eiserneu 
Fuavplatte  versehen  waren,  ist  aber,  wie  wir  später  bei  den  Riemenbügeln 
wdtef  besprechen  werden,  allerdings  der  Meinung,  dass  ganz  eiserne  Bügel  erat 
im  16.  Jahrhundert  vorkommen.  Für  England  mag  dies  vielleicht  richtig  sein, 
dimn  alle  dort  vorhandenen  Bügel,  so  viel  ich  weiss,  scheinen  nicht  vor  dem 
lö.  Jahrhundert  zu  datieren,  mit  Ausnahme  des  bei  uns  unter  Flg,  HS  abge- 
hildfeten,  w»*lohi^rv  ieli  für  viel  älter  halte.    Vom  Norden  und  Osten  Europas  gilt 

la 


194 


dies  natürlich,  wie  wir  saheo,  nicht, 
dieses  Thema  zurückzukommen, 


Wir  werden  noch  Gelegenheit  haben. 


en, 

i 

h«*r^ 


Viele  Funde  von  Steigbügeln,  hauptsächlich  einzelneu,  sind  in  den  Meckleo^^ 
burgischen  Jahrbüchern  (XXÜI,  242;  D,  83,  b;  XVII,  373,  a;  VIII, 
XXX,  3,  a;  XXXVIII,  119  u.  a,)  aufgezählt    Die  Bügel,  zum  Teil  von  BronzeT 
rnit   einem  oder  zwei  Sporen  gefunden,   sind  für  unsere  Unteräuohung  wertl 
weil   sie  in  keiner  Weise  datiert,  auch  nicht  beschrieben  oder  abgebildet  aii 
Andeutungen  über  die  Form  der  mit  ihnen  gefundenen  Sporen  lassen  auf  di 
Ende  der  heidnischen  Zeit  schliessen. 

Auffallen  könnte  es,  dass  so  viele  einzelne  Bügel  gefunden  werden; 
wäre  ja  möglich,  dass  ebenso  wie  zu  Zeiten  —  durchaus  nicht  immer  —  n\ 
ein  Sporn  getragen  wurde,  auch  nur  ein  Bügel  am  Sattel  befestigt  gewei 
wäre,  nur  bestimmt,  das  Auf-  und  Absteigen  zu  erleichtern,  und  dass  die  Unt( 
Stützung  beider  Füäse  während  des  Reitens,  besonders  in  der  ersten  Zeit 
Einführung  der  Bügel,  nicht  üblich  gewesen  wäre.  Wir  haben  vorhin  gesehen, 
dasö  die  gemeinen  Araber  noch  im  10.  Jahrhundert  auf  diese  Bequemlichki 
verzichteten  und  dass  ursprünglich,  im  6.  Jahrhundert,  nach  der  Angabe  d< 
Kaisers  Mauritius,  beide  Bügel  auf  der  linken  Seite  des  Sattels  befestigt  s 
sollten,  offenbar  nur  zum  Zweck  des  Aufsitzens,  Trifft  dies  zu,  so  wüi-de  mancher 
einzelne  Bügel  einer  Zeit  zugewiesen  werden  müssen,  in  welcher  die  betreffen- 
den Völker  noch  nicht  zum  Kampf  zu  Pferde  übergegangen  waren,  also  der 
vorkarolingischen  Zeit. 

In  Ostpreusseu  finden  sich  Steigbügel  ungemein  häufig  und  bis  in  di 
Zeit  des  13,  Jabrhundert.s  überwiegend  in  grossen  Pferdebegräbuisplätzen»  Ei 
im  13.  Jahrhundert  wurden  nämlich  die  Ostpreusseu  Christen,  von  da  an  wurdi 
ausgerüstete  Pferde  nicht  mehr  mitbegraben,  Auf  diesen  Plätzen  finden  si' 
grosse  Aschenschichten,  in  denen  Waffen,  Scherben,  Gebisse,  Schmuck,  kleiJ 
Bronzeschnallen  und  allerlei  andere  Sachen  unregelmässig  zerstreut  liegen.  Zum 
Pfertle  gehören  zwei  Bügel,  Gebiss,  Schnallen  und  meistens  Glocken«  sowohl 
grössere  von  Eisen,  als  kleinere  von  Bronze.  Die  Sporen  liegen  nicht  immer  bei 
Pferde,  sondern  häufig  allein,  vermutlich  weil  sie  zum  Manne  und  nicht  z 
Pferde  gehörten.  Aus  dieaen  Funden  ergiebt  sieh  auch,  dass  die  Behauptuj 
die  Alten  hätten  nur  einen  Sporn  getragen,  in  dieser  Allgemeinheit  nicht  richtig' 
ist,  da  bis  zum  6.  Jahrhundert  sowohl  einzelne  als  zwei  zusammengehörige 
Sporen  gefunden  werden.  Die  gefundenen  Bügel  reichen  bis  in  die  Wickinger- 
Zeit  zurück;  die  in  einem  Begräbnisplatze  des  Wäldchens  Aub  zu  Wiskiauten, 
Kreis  Fisch  hausen,  gefundenen  gehören  dem  9.  bis  10.  Jahrhundert  an.  Dr. Tischt 
in  Königsberg,  dem  ich  diese  Angaben  verdanke,  machte  schon  im  Kataloj 
der  anthrop.  Ausstellung  zu  Berlin  1880  S.  409  darauf  aufmerksam,  dass 
Steigbügel  durch  asiatische  ßeitervölker  nach  Europa  gebracht  wurden,  eil 
Ansicht,  die  wir  schon  besprochen  und  näher  begründet  haben.  Er  verwi 
Andere  im  Karalog  angeführte  Fuüde  (8,  424  und  425  aus  Dolkheim^  445  aus 
Insterburg,  446  aus  Labiau  und  Fischhausen)  sehr  unbestimmt  ins  8. 
14.  Jahrhundert,  In  einer  Rede  über  die  Gliederung  der  Urgeschichte  Oi 
preusseus  spricht  er  sich  dahin  aus,  dass  die  Bügel,  welche  in  Ostpreusseu 


ohl 

i 


195 


I 


fttoden  werden,  UDgemein  fonneoreicb  siod  und  dass  io  der  letzten  Heideusceit, 
ftlso  im  13.  Jahrhundert,  versilberte  Bügel  in  prachtvoller  und  kostbarer  Aus- 
führung im  Lande  verfertigt  wurden.  Leider  sind  mir  davon  keine  Abbildungeu 
bekannt  geworden,  es  dürften  in  diese  Zeit  aber  wohl  auch  die  unter  West* 
fireudBeQ  hier  aufgeführten  Nummern  71 — 75  zu  rechnen  sein,  welche  in  Form 
und  Ausführung  von  den  übrigen  gänzlich  abweichen.  Mau  hat  die  Vorliebe 
für  9cfaÖDe  Bügel  ak  einen  Beweis  angesehen,  dass  damals  schon  Preussen  ein 
Hauptland  für  Pferdezucht  war.  Die  von  uns  nach  Zeichnungen  von  Olehausen 
abgebildeten  Bügel  Fig,  62—54  stammen  aus  Wiskiauten  in  Oatpreussen. 
Während  diese  durch  die  ausgebildete  viereckige  Ose  an  die  bereits  besprochenen 
Funde  aus  Schleswig  und  den  westlicheren  Gegenden  und  die  sogleich  anzu« 
führenden  dreieckigen  Formen  erinnern,  zeigen  sie  im  übrigen  gleich  den  der  Blell- 
sehen  Sammlung  entnommenen  Exemplaren,  Firj,  60 — 65,  ungarischen  Tj-pus. 
Jedenfalls  geboren  alle  der  Zeit  vom  8.— IL  Jahrhundert  an,  wir  dürfen  sie  aber 
wohl  ins  10.  Jahrhundert  setzen.  Die  im  ganzen  Norden  verbreitetste  und 
gewöhnlichste,  Jahrhunderte  andauernde  Form  ist  die  hohe,  Fig,  108,  VI  u,  a» 
Auch  sie  findet  sich  gleich  der  vorigen  im  10.  Jahrhundert,  aber  auch  vorher 
und  oacbher,  von  Island  bis  nach  Deutaehland  hinein,  überall  mit  besonderen 
Abänderungen,  aber  vorherrschend  viereckiger  Ose.  Man  findet  zahlreiche 
Vermischungen  ungarischer,  westpreussischer  oder  russischer  Formen,  wie  die 
Abbildungen  zeigen. 

Die  in  Ascheraden  an  der  Düna  in  Livland  gefundenen  eisernen  Bügel, 
Fig.  55  u.  56^  welche  Kruse  (Necrolivonica,  Dorpat,  1842,  Taf.  5,  Fig.  4  u.  5) 
abgebildet  hat,  gehören  wahrscheinlich  den  Waräger-Russen  und  sind  ins 
9.— lt.  Jahrhundert  zu  setzen.  Sie  schliessen  sich  in  der  runden  Form  den 
preussischen  und  ungarischen  an  und  deuten  sowohl  dadurch  als  durch  die 

n weise  in  jener  Gegend  gefundenen  orientalischen  Münzen  auf  ihre  Her- 
klinfk  aus  dem  Süden  auf  einer  der  erwähnten,  dem  Laufe  der  Flüsse  Dnjepr 
und  Düna  folgenden  Handelsstrassen.  Leider  giebt  die  Zeichnung  kein  ProHl, 
fodosH  die  Form  nicht  sicher  zu  erkenneu  ist.  Dasselbe  gilt  von  den  Abbil- 
diingenf  welche  Biihr  (Graber  der  Liveu,  Taf.  XVI,  iS  u.  7)  giebt.  Auch  sie 
lind  in  Ascheraden  gefunden  und  zum  Teil  jenen  ganz  gleich  und  kreisrund, 
Fijr-  BS  u.  59  \  sie  werden  von  Bahr  ins  8, — 12»  Jahrhundert  gesetzt. 

Durch  besondere  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Zsehille  in  Grossenhain  bei 
n,  welcher  in  ähnlicher  Art,  wie  er  es  mit  den  Sporn  bereits  gethan  hat,  Zeich- 
niuigeii  von  Bügeln  lierausgeben  wird,  bin  ich  in  der  Lage,  nach  seinen  bereits 
fert^eo  Tafeln  die  Fig.  67 — 75  hier  mitzuteilen.  Es  sind  alles  Bügel,  welche 
in  Westpreussen,  hauptsächlich  in  Dolkheim  gefunden  sind  und  der  Zeit  vor 
dem  13^  Jabrhuudert,  also  noch  der  heidnischen  Zeit  angehören. 

Es  sind  vorzugsweise  die  Köpfe  abgebildet,  da  die  Sohle  bei  allen  ziemlich 
die  gleiche  ist.  Wenn  man  a  priori  urteilt,  sollte  man  die  Form  ohne  Ösen, 
ik  die  einfachere,  für  die  älteste  halten,  denen  die  durch  einfaches  Zusammen- 
bii|ge&  der  Eisenstange  gebildete,  unten  offene  Öse  gefolgt  wäre;  dann  würde 
die  iielbständige  Ose  folgen,  und  zwar  zuerst  die  auf  kurzem,  dann  die  auf 
l*ng^i>m  und  die  auf  abgeschnürtem  Stiele,  und  man   könnte   eine  weitere  Aus- 

13» 


196 


bildung  annehmen,  je  nachdem  die  Öse  rund  oder  eckig  ist.  Dieser  Betrachtimg 
entspricht  aber  die  Wirklichkeit  keineswegs.  Nur  wenn  ein  Volk  die  ganze 
Eotwickelung  äelbständig  durchgemacht  hätte,  konnte  diese  Folge  vorkommen; 
wir  finden  aber  im  Gegenteile  in  Ungarn,  wo  alle  diese  Formen  vorkommen, 
eine  ganz  andere  Folge,  soweit  wir  den  Datierungen  Glauben  schenken  dürfen. 
Hier  in  AYestpreussen  scheint  allerdings  die  Form  ohne  Ose  die  ältere 
zu  sein,  leider  stehen  mir  aber  gar  keine  Datierungen  zu  Gebote,  auch  habe 
ich  die  näheren  Umstände,  unter  welchen  die  Stücke  gefundea  wurden^  nicht 
erfahren  können.  Die  Bügel  72-74^  welche  mit  Messing  und  Silber  tauschiert 
sind,  und  7i,  welcher  deutliche  Spuren  früherer  Versilberung  zeigt,  oder  Fig.  75^ 
wird  man  wohl  nicht  für  die  ältesten  halten  wollen,  da  weder  der  Eaelsrücken 
(so  heissen  die  nach  oben  geschweiften  Bogen,  Fig.  71y  93  in  der  Architektur), 
noch  die  viereckigen  Ösen  dafür  sprechen,  wenn  man  sie  nicht  der  Tauschierang 
wegen  mit  den  nordländischen  ins  9.  Jahrhundert  setzen  will;  man  wird  als 
älteste  vielmehr  die  in  Fig,  67 — 6!f  in  der  angegebenen  Reihenfolge  nehmen 
müssen.  Bei  dem  letzten  Exemplar  in  ß8  ist  sogar,  wie  der  Qrundriss  erkennen 
lässt,  ein  Versuch  zur  Schrägestellung  des  Bügels  gemacht,  indem  die  Ose  in 
einem  Winkel  vor  die  Bügelebene  vorspringt^  Dieser  und  ^.9  mögen  ins  IL, 
71  und  7.7  ins  IL  oder  12,  Juhrhundert  gehören. 

Wie  sich  später  aus  den  Bemerkungen  über  die  Ausbildung  des  Reiter- 
wesens ergeben  wird,  darf  man  das  massenweise  Vorkommen  von  Bügeln  über- 
haupt nicht  zu  früh  annehmen,  da  vor  dem  10.  Jahrhundert  wohl  nur  einzelne 
Führer  und  kleinere  Trupps  beritten  waren.  Ich  möchte  daher  die  sämtlichen 
Funde  in  Ost-  und  Westpreussen,  bei  den  Waräger-Russen  und  ihren  Nachbarn 
nicht  vor  das  10,  Jahrhundert  setzen,  wohl  aber  später.  Dass  die  schön 
tauschierten  Exemplare^  deren  Nachbildungen  im  Mainzer  Museum  sich  befinden, 
ins  9,  Jahrhundert  gehören  sollen,  glaube  ich  auf  die  Autorität  von  Linden- 
schmit,  jedenfalls  gehorten  sie  nur  vornehmen  Personen  an  und  waren  damals 
eine  Seltenheit. 

Man  sieht,  dass  schon  die  älteren  Formen  lang-eiförmig  sind  und  sich  allmählich 
der  Dreiecksform  nähern,  auch  ist  auf  die  Absätze  am  unteren  Ende  der  Schenkel 
aufmerksam  zu  machen,  welche  sich  in  Skandinavien^  Preussen  und  Ungarn 
finden,  wie  die  Fig.  62,  63,  64.  €U,  73,  18,  10,  11.  107,  108,  111  n.  a.  zeigen. 
Die  vorhandenen  Tauschierungen»  welche  wir  im  9,  Jahrhundert  in  Skandinavien 
fanden,  sollen  auch  hier  auf  orientalischen  Ursprung  deuten,  besonders  die 
mit  Kupfer  und  Silber  ausgeführten,  und  es  mögen  einzelne  schöne  Exemplare 
aus  dem  Süden  auf  den  vorhandenen  Ifandelswegeu  eingeführt  sein,  es  darf 
jedoch  daraus  nicht  gefolgert  werden,  dass  die  Nordländer  die  Bügel  überhaupt 
aus  dem  Orient,  etwa  aus  dem  von  ihnen  häufig  besuchten  Konstantinopel,  erhalten 
liätten,  es  ist  ebenso  möglich,  dass  sie  direkt  aus  dem  Osten  über  das  heutige 
liussland  in  ihren  Besitz  kamen,  und  dass  diese,  von  anderen  Wanderstämmen 
herrührend,  wie  die  ungarischen,  deshalb  auch  eine  andere  Form  zeigen^  daas 
also  hier  in  Westpreussen  die  hoch-eiförmigen  die  älteren  sind  und  der  Einflus9 
ungarischer  und  ostpreussischer  Formen  erst  später  stattfand,  die  Entwickelung 
also  eine  selbständige  gewesen  ist. 


A 


197 


la  Schleaieo,  iq  der  Nähe  der  Lubat,  eines  NebeDflusses  der  Neiase, 
^M  unter  anderem  in  einem  Burgwall  ein  Bügel  (ob  Stoigbügol  iat  nicht  ge- 
«igt),  Sporen  und  Hufeisen,  bei  Niemitsch  eine  Trense  nnd  ein  ßteigbügelartiger 
Oogenstand,  alles  aus  Eisen,  gefunden  worden.  Weitere  Angaben  fehlen,  doch 
Wirden  die  Sachen  in  die  wendische  oder  sogar  in  die  germanische  Zeit  ver- 
wieseti ,  würden  also  vielleicht  dem  3. — 6,|Jahrhundert  angehören  (Verh.  d. 
anthrop.  Qea.  Berlin  1882,  8.  367).  Bedeutend  jünger  scheint  ein  Fu/.  fW  ab- 
gebildeter Bügel  zu  sein,  welcher  in  einem  wendischen  Burgwalle  bei  Drense, 
Provinz  Brandenburg,  gefunden  wurde  und  im  märkischen  Provinzial-Museum 

^m  Berlin  (II,  11851)  aufbewahrt  wird. 
Fassen  wir  nuo  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchung  hier  zusammen, 
jm  wir  die  ältesten  Zeiten  der  an  historischen  Nachrichten  armen  Yölker  ver- 
■üseo,  80  scheint  soviel  sicher,  dass  Yölkerschaften,  welche  im  Besitze  von 
Steigbügeln  waren,  im  4,  oder  5.  Jahrhundert  dieselben  nach  Ungarn  und  dem 
Orient,  vielleicht  auch  nach  Westpreussen  und  den  Ländern  an  der  Ostsee 
brachten^  dass  aus  dem  6.  Jahrhundert  schriftliche  Nachrichten  von  Kaiser 
Mauritius,  also  aus  Konstantinopel,  vorliegen  und  etwa  aus  derselben  Zeit  seit 
der  Niederlassung  der  Avaren  in  Ungarn  wirklich  gut  datierte  Fundstücke 
vorhanden  sind.  Durch  Kriege,  deren  Schauplatz  Osteuropa  Jahrhunderte  lang 
war,  und  auch  auf  friedlichem  Wege  verbreiteten  sich  die  Bügel  wahrscheinlich 
zunächst  nach  Norden.  Dänemark,  das  südliche  Schweden  und  die  ganze  Küste 
der  Ostsee  erhielten  sie  frühzeitig  durch  den  lebhafiten  Handel,  welchen  sie 
»owohl  durch  das  heutige  Russland  als  auf  dem  Wege  längs  der  Elbe  und 
Oder  mit  dem  Orient  unterhielten. 

Es  empfiehlt  sich  hier,   wo  wir  die  zum  Teil  praehistorischen  Funde  ver- 
en,  etwa  mit  dem  Jahre  1000  einen  Abschnitt  zu  machen,   und   bevor   wir 
nach  dem  Westen  von  Europa  und  namentlich  nach  Deutschland  wenden, 
^ges  nachzuholen  und  einige  allgemeine  Betrachtungen  anzustellen. 

So  weit  wir  bis  jetzt  gesehen  haben,  stehen  die  aus  den  gemachten 
Funden  gezogeuen  Folgerungen  mit  den  schriftlichen  Nachrichten  in  Einklang, 
et  giebt  aber  einige  Punkte,  welche  eine  vollständige  Umwälzung  hervorzubringen 
geeignet  wären,  wenn  wir  bestimmt  wüssten,  dass  wir  hei  ihrer  Beurteilung 
nicht  einem  groben  Irrtum  unterliegen, 

Herr  Dr*  Gross  hat  nämlich  (Anzeiger  f.  Schweizer  Altertumsk,,  Zürich  1879, 
8.  909,  und  Lindenschmit,  Altert,  der  heid.  Vorzeit  IV,  4,  Taf.  23)  im  Brienner 

ISee^  in  der  Nähe  von  La  Tene,  ein  Paar  von  ihm  als  Steigbügel  bezeichnete 
O^gf^Ofttände  von  Bronze  gefunden,  Fiff,  335^  welche  jedoch  ihrer  Kleinheit 
wBgen  nur  zur  Aufnahme  der  grossen  Zehe  bestimmt  gewesen  sein  können. 
Mit  der  Öse  12,5  cm  hoch,  haben  sie  einen  Durchmesser  von  8,5  cm.  Gross 
hält  sie  für  etruskisch*  Wer  diesen  Fund  für  einen  Steigbügel  erklärt,  muss 
übersehen,  dass  die  untere  Fläche  rauh  gemacht  ist  und  ziemlich  scharfe  Zähne 
k^  Ein  Reiter,  der  nur  eine  oder  zwei  Zehen  in  den  Ring  steckt,  muss  die 
andern  fortwährend  an  den  Zähnen  scheuern  und  würde  sehr  bald  auf  den 
Laxae  eines  solchen  Bügels  verzichten»  der  ihm,  wenn  er  nicht  etwa  umwickelt 
war,  unnützer  Weise  die  Füsse  blutig  reibt-     Steigbügel,  und  gar  etruskische 


■ü 


lii^ 


198 


aus  vorrömischer  Zeit,    scheiDcn   mir   die   Fundstücke   nicht   gewesen   zu 
wenn  ich  auch  nicht  sagen  kann,  was  sie  waren. 

Daas  ein  nur  für  die  grosse  Zehe  bestimmter  Bügel  nach  unseren  Begrifl 
unpraktisch  erscheint,  ist  unleugbar;  es  gehört  dazu  ein  ganz  unbekleidetel*'' 
Fuss.  Gross  bezieht  sieh  auf  Hamy,  Documenta  iuedits  sur  les  Bougoirs  du 
gouvernement  Tomak,  Paris  1875,  worin  dieser  Gebrauch  russischen  Hordea 
vindiziert  wird.  Hamy  sagt:  „Ihre  Bügel  sind  klein  (8,5  cm),  nicht  für 
ganzen  Fuss  bestimmt.  Noch  jetzt  haben  viele  Horden  dergleichen.  Die  heutig 
Kirgisen  haben  Bügel  mit  platten  Sohlen,  während  alte  in  den  Gräbern 
Kains  gefundene  runde  Sohlen  haben*  Die  alten  Bügel  sind  wie  alle  Gral 
fuode  von  Tomsk  von  gegossenem  Knpfor  und  haben  mit  den  heutigen  die  vi 
eckigen  Ösen  gemein***  Ein  anderer  Vergleich  mit  ungarischen  Bügeln, 
Hamy  macht,  stimmt  aber  nicht.  Nun  sind  allerdings  bei  uns  viele  sehr  kle| 
Bügel  gefunden  worden,  welche  man  ihrer  Abmessungen  wegen  als  Kinderbüg 
bezeichnen  knunte  Es  giebt  heute  noch  Volker,  welche  nur  ganz  kleine,  nur 
fiir  eine  Zehe  passende  Bügel  in  Gebrauch  haben*  Im  Postmuseum  zu 
Berlin  befindet  sich  als  Geschenk  von  Emil  Riebeck  ein  aus  Jeipore  in  Zentral- 
Indien  stammender  Sattel,  dessen  Steigbügel  in  einer  Schnur  bestehen,  welc 
lose  über  den  Sattel  gehängt  wird  und  an  beiden  Enden  eine  Schnalle 
kurzer,  etwa  2  cm  breiter  Strippe  hat  (Fiff,  Sil);  diese  wird  so  geschnall 
dass  die  grosse  Zehe  gerade  darin  Platz  findet.  Die  Somalis  benutzen,  bot 
sie  nicht  mit  arabischen  Bügeln  ausgerüstet  sind,  gleichfalls  ein  nur  fiir  einfj 
Zehen  bestimmtes  Eisen  (FiV/.  V^/).  Audi  die  aus  IIulz  geschnitzten  kleinen 
Bügel  von  der  Insel  Timor,  welche  im  Völkermuseum  zu  Berlin  sich  beHndou, 
gehören  hierher  {Fiff.  2*J9).  Der  von  Gross  gefundene  Bügel  soll  den  in 
russischen  Hügeln  —  wohl  den  besprochenen  Tschudengräbern  —  gefundenen 
durchaus  ähnlich  sehen,  eine  Angabe,  welche  nach  dem  mir  zu  Gebote  stehendei^  , 
Material  indessen  nicht  zutrifft* 

Der  Vollständigkeit  wegen  will  ich  noch  erwähnen,   dass  das  Museum 
Kiel    17  eigentümliche   Bronzeringe   besitzt,   deren   innerer  Durchmesser   5 
7,5  cm,  bei  einigen  nur  3  cm  beträgt,  und  welche  man,  da  sie  eine  zum  Durd 
ziehen   eines  Riemens  geeignete  Öse   besitzen,  gleichfalls  für  Steigbügel  halten 
wollte,    obgleich   bei  dem    einen  drei  lose  daran  hängende  Ringe  dies  unwalf 
scheinlich    machen    iFig,   S3Ü — S4t).     Alle    sind    in   Schleswig    und   Holst 
gefunden  und  dürfen  nach  Frl.  Mestorf  mit  Bestimmtheit  dem  Anfang  der  älteB 
Eisenperiode  vorrömischer  Zeit  zugerechnet  werden;  nur  wenige  ähnlicher 
befinden    sich    in  Kopenhagen,   Schwerin,   Hamburg,   Hannover  und  Halle, 
ganzen  26  Stück.     Dieser  Verbreitung    nach   vermutet   man,   dass  sie  alle 
Elbe  herunter  gekommen  sind.     Schon  diese  Angaben  sprechen  dafür,  dass 
es  eher  mit  Gürtelschuallen  oder  dergleichen,   als  mit  Bügeln  zu  thun  hat, 
die  im  Süden  wohnenden  Verfertiger,  wenn  sie  selbst  nicht  ähnliche  Bügel 
nutzten,  schwerlich  für  die  Bewohner  des  Nordens  eigens  solche  ihnen  bis 
hin  unbekannte  Stücke  erfunden  haben  werden.     Ist  es  denn  überhaupt  wah~ 
scheiülieh,  dass  Steigbügel  in  so  früher  Zeit  existiert  haben,  ohne  Verbrei 


199 


zti  fijideOy  und  welche  nordischen  Völker  gingen  und  ritten  barfus.s,  um  eine  solche 
Krfiodung  macheu  oder  auch  nur  benutzen  zu  können? 

Ü01  diesen  Fragen  näher  zu  treten,  müssen  wir  noch  auf  ein  drittes  Pund- 
itück  aufmerksam  machen,  welches  bis  jetzt  unerwähnt  und  unerklärt,  den  Gebrauch 
der  ßügel  in  Europa  in  sehr  frühe  Zeit  verlegen  würde.  Herr  Emil  Naue  in 
München«  bekannt  als  Uistorienmaler  und  Prähistoriker^  zeigte  mir  eine  in  Lindau 
gefiindetie  und  in  Bregenz  aufbewahrte  kleine  Keiterfigur  von  etwa  10  cm  Höhe; 
m  isl  aus  Bronze  und  hat  ganz  den  Hallstadter  Typus,  das  Pferd  trägt  ein 
SeheUenhalsband  oder  etwas  dem  ähnliches  und  eine  Art  Sattel;  der  Reiter 
«eheint  eigentümlich  gebogene^  nicht  ganz  geschlossene  Steigbügel  zu  haben. 
Besonders  deutlich  ist  dies  am  rechten  Pusse  zu  sehen,  Fig,  336.  Naue  meint, 
u  tollen  wirklich  Steigbügel  sein,  und  ich  kann  nach  genauer  Besichtigung 
kaun  widersprechen.  Daas  Reiterfiguren  in  der  Hallstadter  Periode  vorkommen 
und  die  damalige  Generation  am  Reiten  Gefallen  fand,  ist  durch  viele  Funde 
na< '  -en,  wenn  ich  auch  keine  Figur  kenne,  welche  ein  so  richtig  gearbeitetes 

Pfe,  ^  -- n^--  ^^^  einzige  Fehler  könnte  nur  der  sein,  dass  die  Figur  nicht  der 
UiUstfidter  Periode  und  auch  nicht  den  späteren  Jahrhunderten  bis  in  die  Mitte 
des  Mittelalters  angehört.  Ich  überlasse  die  Frage  der  Entscheidung  besser 
üalcrrichteter  Leser  und  bitte,  die  Figur  in  Augenschein  zu  nehmen*  Verdächtig 
ttl  mir  die  Haltung  des  Reiters,  welcher  einen  vollständigen  Spaltsitz  und  ganz 
zurückgenommene  Unterschenkel  zeigt,  obgleich  sich  im  Wiesbadener  Museum  kleine 
Retterfiguren  aus  Xanten  von  ähnlicher  Haltung  befinden.  Die  grosseu  Bogeo, 
welche  wie  Vorder-  und  Hinterzwieael  eines  Sattels  aussehen,  sind  auch  bedenk- 
Ikh,  8CNla88  jemand,  der  an  die  Vorgeschichte  des  Stücken  nicht  glaubt,  auf  einen 
tßhr  späten  Ursprung  der  Figur  raten  könnte. 

Immerhin  wäre  dieses  frühe  Vorkommen  von  Bügeln  nicht  ganz  vereinzelt, 
wenn  eine  Mitteilung  bei  Weinhold  (Altnordisches  Leben  S,  18)  ihre  Richtigkeit 
hat.  Danach  sollen  sich  schon  in  den  Keltengräbern  des  Nordens  Steigbügel 
finden.  Auch  hier  könnte  insofern  ein  Irrtum  vorliegen,  dass  man  die  Bügel 
twar  IQ  Eeltengräbern  gefunden  hat,  dass  diese  letzteren  aber,  ähnlich  wie  es 
mit  den  Gräbern  der  Finnen  durch  die  Kelten  nachweislich  geschehen,  ein 
iwoitea  Mal  von  jüngeren  Völkern  benutzt  wären«  Leider  ist  nicht  angegeben, 
wo  diese  Bügel  jetzt  zu  sehen  sind;  rühren  sie  wirklich  von  den  Kelten  her, 
m  würde  allerdings  ein  Grund  mehr  vorliegen,  das  Vorkommen  der  Bügel  in 
Earopaf  ond  zwar  im  Norden,  in  frühester  Zeit  anzunehmen. 

Xun  sind  zwar  niemals  in  Keltengräbern  Bügel  gefunden  worden,  aber 
die  kclten  können  desshalb  doch  Bügel,  allerdings  keine  eisernen,  sondern  höl- 
ceme,  welche  sich  nicht  erhalten  konnten,  gehabt  und  nur  einige  vornehme 
Pertooen  solche  von  Metall  besessen  haben.  Wahrscheinlich  ist  es  jedoch  keines« 
weg*,  da  die  Erfindung  gewiss  allmählich  nach  Süden  vorgedrungen  und  auch 
den  Römern  und  anderen  bekannt  geworden  wäre,  und  dafür  spricht  nichts^ 
wen»  maD  nicht  auf  die  früher  widerlegte  Behauptung  von  Viollet-Ie-Duc  zu* 
riekkooimen  will  Wir  müssen  daher  vorläufig  beim  4*  Jahrhundert  Halt 
nüeiira. 


^#äb 


itea 


200 


Auch  Demmin  verlegt  das  Vorkommen  dor  Bügel,  allerdings  ohne  oähöro 
gründuug,   in    diese  Zeit     Wenn   er  meint,    dass  man  anfänglich  nur  Ricii 
benutzt  habe,  so  kann  er  Recht  haben^  die  seiner  Waffenkunde  (Ausgabe  181 
8.  355)  entlehnte  Fig.  76  stellt  einen  merovingischen  Ritter  der  Kirche  St.  JuliSn 
in  der  Uaute-Loire^  angeblich  aus  dem  8.  Jahrhundert,  dar.     Die  plumpe  F 
zeigt  einfache  Riemen  statt  der  Bügel 

Sehr  alt  scheint  auch  die  S.  650  abgebildete  Elfenbeinschnitzerei  der  Di 
kanzel  zu  Aachen  zu  sein,  doch  ist  es  bei  dieser  nicht  unmöglich,  dass 
entweder  eine  sehr  hohe  Riemenschlaufe  mit  einer  festen  Sohle  oder  gar  einen 
Metallbügel  vor  sich  hat,  letzterer  würde  allerdings  die  ungewöhnliche  Höhe 
von  etwa  40  cm,  nach  den  Yerhältnissen  der  Zeichnung  zu  schätzen,  gehabt 
haben.  Es  ist  eine  Jagdszene  dargestellt  und  wie  mir  scheint»  ein  Riemen- 
bügel mit  fester  Sohle  zu  erkennen.  Im  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen,  in 
w^elchem  die  Figuren  die  Kostüme  der  Zeit  der  Abfassung,  des  9,  Jahrhunderts, 
tragen,  sitzen  die  berittenen  Anführer  im  Heere  Davids  auf  Sätteln  mit  Steig- 
bügeln, welche  als  einfache  Riemen  gezeichnet  sind,  iiti,  77.  Allzuviel  ist  je- 
doch aus  den  oft  ziemlich  undeutlichen  kleinen  Zeichnungen  der  Miniaturen  nicht 
zu  schlie^sen.  Heute  noch  bestehen  in  China,  wie  ein  Sattel  im  Postmuseum 
zu  Berlin  bezeugt,  die  Bügel  in  einem  lose  über  den  Sattel  gehängten  zollbreiten 
Bande,  welches  au  jedem  Ende  eine  Schlaufe  hat^  gross  genug,  um  den  Fuss 
aufzunehmen,  Fig,  312, 

Bei  Viollet-le-Duc  I,  56  ist  nach  einem  dem  13.  Jahrhundert  angehörenden 
Manuskript  der  Pariser  Bibliothek  ein  Wagen  gezeichnet,   dessen   Führer   auf 
einem   der  Pferde   reitet   und   zur   Unterstützung   der  Beine  Riemen   beni 
welche,  vielleicht  mit  einem  Querholze  versehen,    an  dem  Brustblatte   des 
schirres  befestigt  sind.     Riemen  und  Stricke  werden   noch    heute   von   un» 
Bauern   ähnlich   benutzt.      Die  später   besprochene   Ableitung   des    englisc 
Wortes  stirrup  von  stig-ropi^  Steigriemen,   kann  als  Beweis  gelten,  wenn  ii 
sie  für  richtig  hält*     Nach  Fosbrokes  Encyclopaedia  of  Antiquities,  welche 
auf  die  Nouvelle  Diplomatique  beruft,  ist  ein  deutlicher  Lederriemen  auf  eioi 
gräflichen  Siegel  zu  erkennen*     Dieser    lederne  Riemen    soll   später   mit  eij 
eisernen  Fussplatte  versehen  worden  und  erst  im  Iß.  Jahrhundert  der  ganz  oiserfl! 
Bügel  aufgekommen  sein.    In  der  Darstellung  der  Zusammenkunft   von  Franz  l, 
und  Heinrich  YHI.  anfangs  des  16.  Jahrhunderts,  sollen  lederne  Bügel  in  Menge  ' 
zu   sehen   sein.      Wenn    diese    Angaben    richtig    sind,   was   zu   bezweifeln  [^H 
obgleich  sich  auch  Wilde  (Catalogue  of  antiqu.,  S.  603)    darauf  beruft,    so  Wfl 
es   in   England  und  Frankreich   ganz    anders   als   im  Osten  Europas  gewej 
wenn  schon  auch  hier  Kiemenbugel  vorkommen. 

Die  nächst  höhere  Stufe   bildete    wahrscheinlich   ein    zusanimengeboj 
Holz,  wie  es  Kosaken,  Kalmücken  und  Tataren  benutzen  und  Oinzrot  (Fuhrw 
der  Römer,    Tafel  86,    14)  abgebildet  hat;    ein  ähnliches  findet  sieh  an   einem 
tatariachen    Sattel,    w^elcher    nach    Böheim    1556    erbeutet    wurde    (Fig, 
Sättel  aus  Patagonien  im  Völkermuaeum   zu  Berlin   zeigen   Bügel,    welche 
einem  in  zwei  Lederstrippen  hängenden  Holzstücke  bestehen    und   ein  Dreieck 
bilden;   dazu  gehören  ebenso  primitive  Sporen,   nur   aus  zwei   spitzen  Hol 


so  nfl 
WQ^aa^ 

rwenH 


201 

iebend,   wolche  unter  den  Fuss  gebunden  werden,    Fuj.  z^.i  u,  oX.^>.     Noch 

BWttizig  Jahren  bedienten  sich  die  osfpreuasischen  Bauern  hölzeroer 
fiugol,  wie  sie  Fi  ff,  298  abgebildet  sind,  aus  vierkantigem  Birkenholz  gefertigt  und 
oben  zu  Sana  menge  bogen.  Von  alteren  Bügeln  dieser  Art  ist  de«  vergänglichen 
Matemk  wegen  keine  Spur  mehr  vorhanden,  jedoch  besitzt  Herr  Blell  in 
«einer  reichhaltigen  Sammlung  (Villa  Thüngen  in  Gross-Lichterfelde  bei  Berlin) 
ein  Paar  dergleichen  neuerer  Zeit.  Zahllos  sind  die  hölzernen  Bügel,  welche 
beute  noch  bei  verschiedenen  Volkern  im  Gebrauch  sind.  Einige  davon^ 
meistens  dem  Volkermuseum  entnommene  Exemplare,  zeigen  die  Fxg*  298^ 
:i99,  300,  $01  802,  303,  304,  305,  309,  310,  313.  Fig.  84''  zeigt  wahrscheinlich 
auch  einen  Holzbügel  Sie  ist  dem  Codex  Egberti  aus  dem  Ende  des  10.  Jahr- 
banderts  entnommen  (Bonner  Jahrb.  Bd.  70,  S.  56)  und  zwar  der  Stelle,  welche 
die  Parabel  vom  Gastmahle  enthält;  auf  derselben  Tafel  befinden  sich  noch 
ige  ganz  ähnliche  Bügel. 

Die  deutschen  Ordensritter  waren  durch  ihre  Statuten  verpflichtet,  sich 
hiilzeruer  Bügel  zu  bedienen  und  bezogen  dieselben  aus  dem  Schnitzhause^  in 
welchem  die  Holzsachen  angefertigt  wurden.^) 

Auch  den  Mönchen  i^  Cisterzienserordend,  der  sich  anfänglich  ebenfalls 
grosser  Einfachheit  befleissigte,  war  es  verboten,  eiserne  Bügel  an  den  Sätteln 
zu  haben  (Capitul.  gener.  Cisterc.  disc.  13,  c,  1 1 ;  Du  Gange  unter  ßtapha),Wir  wissen 
aoBserdem,  ^ass  Mönche  hölzerne  Bügel  oder  solche  von  Bast  oder  Saite  hatten 
(Schultz,  Das  höfische  Leben,  8.  497),  Im  übriigen  gehörte  es  zu  den  schimpflichen 
Strafen  des  Mittelalters,  wenn  einem  Bitter  wegen  Ehrlosigkeit  Waffen  und 
ritterliches  Gerät  untersagt  wurden,  und  dazu  gehörte,  dass  er  Stiefel  ohne 
Sporen,  ein  Pferd  ohne  Hufeisen  und  Sattel  und  dazu  einen  bastenen  Zaum 
brauchen  musste    (Götze,  Kealtexikon  d*  deutscheu  Altert,  unter  Strafen,  8.  049). 

Funde  von  Steigbügeln,    auch   solchen   von  Metall,   aus    älterer  Zeit   sind 

itoismassig  selten.  Lindenschmit  (Handb.  I,  132)  zählt  die  Gräber  auf, 
in  welchen  Pferdeschädel  oder  ganze  Skelette  gefunden  wurden ;  die  meisten, 
oimlich  17  Stück  mit  8  Trensen,  fanden  sich  in  Beckum.  Wenn  nicht  einmal 
jedem  Pferde  ein  Zaumzeug  beigegeben  wurde,  so  sei  nicht  zu  verwundern, 
wenn  dies  mit  ganzen  Sätteln  mit  Bügeln,  welche  gewiss  sehr  selten  waren, 
«rst  recht  nicht  geschah.  Auch  Hufeisen  seien  noch  in  keinem  einzigen  Grabe 
der  merovingischen  Zeit  gefunden^  solche  überhaupt  niemals  sicher  nachgewiesen.^) 

Im  Westen  von  Europa  scheinen  sich  die  Bügel  überhaupt  später  und 
er,  als  im  Osten  und  Norden  verbreitet  zu  haben.     Der  Grund  davon  lag 

Teil  in  der  damaligen  Beschaffenheit  der  Hoere  und  dem  PferdemangoL 
leich    die   gallischen   und   germanischen  Reiter  zu  Casars  Zeit   in  grossem 


*)  BtitotOD  de»  deutschon  Ordeni,  Aa«g.  y.  Hctinig,  Kdni^Bbg.  ISOG,  ep.  XXVIIL 
(gOcrvoIinbeicoii*).-  ^Der  marschalc  mag  nemtn  ran  deme  snitzhuiie  sUffreiffe^  armbruti  un  bogen 
ribi  Amdercfi  lu  Uhtttf^  da  hrr  sihi  das  m  bestiitit  iBt  '^  Die  «Gewohnheit«»'^  sind  zum  ^rormen 
TtÜt  sa  &lt  wie  die  „Hegeln*^  die  letzteren  »olJen  tod  Hermann  von  BaIka  «elbst  vorfaMt 
mm  (IX  Jahrhundert).  —  '|  Lindenichmit,  Handbuch  I^  295;  VeriL  d.  anthrop.  Oe» ,  Berlin 
8,  55*    Sohlieben,   Die  Hufoweafrago  in   den   Annalen  d*   N»»i,  AUcrt^Yor,,  Wi^ibadon 


202 


Ansehen  etaiKlen,  so  ging  doch    mit   dem  Ausgange  der  Völkerwanderung  um 
der  Niederlassung  in  festen  Wohnsitzen  das  Reiterweseu  im  ganzen  westliche] 
Europa  zurück,    während    es  im  östlichen,  namentlich  in  den  DonauländerD, 
hoher  Blüte  stand.    Unter  den  100^000  Franken,  welche  Theodebert  im  6,  Jahr- 
hundert nach  Italien  führte,  waren  nur  wenige  im  Gefolge  des  Königs  berittej 
und  noch  Pipin  legte  den  Sachsen  und  Thüringern  einen  jährlichen  Tribut  voi 
300  Pferden  auf,  weil  die  Pranken  daran  Mangel  hatten.     Erst  unter  Karl  dem 
Grossen,    w^elcher   die  Zucht   durch    spanische   Hengste    veredelte,   verwandelt 
sich    der  Mangel   in  Uberfluss.     An   der   unteren  Donau   dagegen   gab    es   sei 
alter  Zeit  nur  Reitervölker,  die  Yandalen  wurden  sogar  nach  ihrer  Ansiedelung 
in  Paunonien,  Ende  des  5,  Jahrhunderts,  aus  Fusskämpfern  eine  ausschliesslich 
zu  Pferde   kämpfende   Nation.      Auch  Goten   und   Araber   fachten   zu   Pferde, 
während    die  Franken   noch   in  der  Schlacht  zu  Poitiera  732  absassen  und  zu 
Puss  kämpften.     Erst  etwa  755  wurden  auch  die  Franken  ein  Reitervolk,  und 
Ende  des  9.  Jahrhunderts  war  der  Fusskampf  bei  ihnen  überhaupt  nicht  raeh 
gebräuchlich.^)     Da  sie   aber   schon   das  Christentum   angenommen   hatten,   si 
können   wir   schon   aus  diesem  Grunde   keine  Pferde   mit  ihrer  Ausrüstung  iu 
ihren  Gräbern  mehr  antreffen. 

Im  Norden  und  Nordosten  von  Europa  stand  die  Sacho  nicht  viel  anders- 
Es  ist  eine  falscheVorstellung,  wenn  mau  nach  den  Schilderungen,  w(4<^he  Herodot 
von  den  Scythen  uud  anderen  Völkern  jener  Gegend  giebt,  glauben  wollte,  daas 
alle  im  heutigen  europäischen  Russland  nördlich  des  schwarzen  Meeres  wohnende] 
Völker  in  ähnlicher  Weise  sozusagen  nur  auf  den  Pferden  gelebt  hättej 
Im  Gegenteile  waren  auch  die  im  heutigen  Gothland,  Livland,  Kurland  au  der 
Düna,  sowie  alle  südlich  der  Ostsee  wohnenden  Völker,  selbst  die  Norweger 
Schweden  und  Dänen  lange  Zeit  nur  Fusskänipfer.  Erst  nachdem  Rurik  mil 
den  Waräger-Russen  im  9,  Jahrhundert  über  die  Ostsee  gekommen  war  und  sie 
vou  den  Tschuden,  Slaven,  Kriwitschen,  Mordwinen  und  anderen  gerufen,  an  di 
Düoa  niedergelassen  hatte,  begann  die  Zeit,  iu  der  man  anfing,  zu  Pferde  zi 
kämpfen.  Leo  Diaconus  sagt  (VIII,  5^  10;  IX),  dass  die  Russen,  welche  von  ihm 
Scythen  oder  Tauroscytheu  genannt  werden,  aber  nichts  mit  den  alten  Scytb 
Herodots  zu  thun  haben,  in  der  Schlacht  zu  Dorystolum  972  einen  Vcrsu 
machten,  zu  Pferde  zu  kämpfen,  während  sie  bisher  nur  zu  Fuss  fochten.  Au' 
die  Dänen  erhielten  erst  zur  Zeit  des  englischen  Königs  Ethelred  I,  im  9.  Jah 
hundert,  in  Ostangeln  Pferde  und  drangen  damit  ins  Innere  Englands  ein. 
Ebenso  war  es  bei  den  Normanen  (Kruse,  Necrolivonica  I,  Beilage  C,  8,  17). 
Schon  unter  Swätoslaw  967  erschienen  die  Russen  zum  ersten  Male  zu  Pferde, 
Aber  diese  Reiterei  blieb  nicht  bestehen,  sie  ging  wieder  verloren ;  094  schaffte 
Wladimir  abermals  eine  Reiterei  (Nestor  zum  Jahre  994  u.  995),  auch  sie  sehet: 
wieder  zu  Grunde  gegangen  zu  sein,  und  erst  1067  hören  wir  von  einem  gUiuzcj 
den  Reitergefecht,  in  dem  zugleich  die  Lanze  eine  Hauptrolle  spielte,     Allgemei 


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SS       j 

er      I 
z^i 


*)  Brunner,   Der   Reiterdienst  u.  liie   AnßDj^'e   de»   Lelinswesens,   in   der  Zeits^hr 
KoohtBgeaeh,    VIL  Band,    1877;   Jahns  II,   37;    Schliebön,  Rittorlioho    Übungen    und    Cirku 
BeluBtigungen,  S.  52. 


äfi^fe 


203 


Würde  also  die  Reiterei  nicht  früher  als  im  Abeodlandc  eingeführt,  obgleich 
schon  Oleg  (Nestor  zum  Jahre  904)  teils  zu  Schiffe,  teils  zu  Pferde  gen  Kun- 
sfcandnopel  zog.  Es  war  wie  im  Westen,  so  auch  im  Norden,  der  Besitz 
von  Pferden  anfanglich  selten  und  wohl  nur  auf  die  Heerführer  und  Fürsten 
beschränkt,  wofür  die  Seltenheit  der  Funde  vod  Steigbügeln  in  den  Gräbern 
spricht,  während  dereinst  bei  den  alten  Tschuden  und  bei  den  Völker- 
schaften, welche  aus  Asien  von  Norden  oder  Süden  her,  in  die  Donauländor 
ein  wanderten  j  der  Besitz  von  Pferden^  von  Sätteln  iiod  Steigbügeln  viel  häutiger 
geweseo  zu  aein  acheiot.  Die  Nord  mannen  fanden  ihre  Starke  im  schnellen 
Fussmarscb  und  im  Laufen  (Ermoldus  Nigellus  IV,  pag,  13  u.  14.),  später  liesseii 
sie  sich  von  den  Sachsen  Pferde  als  Tribut  liefern  (Saxa  Graramat  pag.  166) 
und  kauften  solche  von  den  Franken,  Böhmen  und  Ungarn,  Sie  hatten  daher 
auch  wohl  einen  grösseren  Pferdes  ehiag,  als  die  übrigen  Ostseeländer,  worauf 
man  aus  den  in  den  Gräbern  (Ascheraden)  gefundenen  grösseren  Gebissen  schlieB- 
sen  will.  Es  kann  indessen  diese  Tliatsache  nicht  als  sicherer  Beweis  genommen 
werden,  denü  fast  überallj  seihst  in  den  Ländern,  von  welchen  wir  wissen,  dass 
sie  nur  einen  kleinen  Pferdeschlag  hattet),  werden  sehr  grosse  Trensen  gefunden. 
Man  muas  daher  entweder  annehmen,  dass  überall  grosse  Pferde  wenigstens 
für  den  Kriegegebrauch  vorhanden  waren,  oder  daaa  man  die  Gebisse  stets  viel 
grösser,  als  das  Pferdemaul  erforderte,  zu  wählen  pflegte.  Sehr  humau  ging 
man  schon  im  klassischen  ÄUertume  mit  dem  Pferdemaule  nicht  um,  wie  die 
noch  erhaltetien  Gebisse  und  die  Abbildungen  beweisen^  und  da  das  Mittelalter 
bis  in  die  neuere  Zeit  den  Pferden  wahre  Folterwerkzeuge  ins  Maul  legte  (man 
sehe  die  Reitkuost  von  Job,  Geiascrt  vom  Jahre  1615  u.  a.),  so  mag  man  auch 
in  unseren  Fällen  in  Anwendung  grosser  und  scharter  Gebisse  ©in  übriges 
gethan  haben. 

Da  also  im  Osten  seit  alter  Zeit  sehr  viele,  im  Westen  aber  erat  seit 
der  karolingi sehen  Zeit  nur  sehr  wenige  Steigbügel  gefunden  wurden,  so  muss 
man  schliesseo,  dass  die  Bügel  vom  Osten  nach  dem  Westen  sieh  ver- 
breiteten, und  den  Mangel  an  Funden  damit  erklären,  dass  seit  der  Zeit  ihrer 
EinführuDg  bei  den  Franken  keine  Tiergräber  mehr  nachweisbar  sindj  wenn 
auch  eine  Zeit  lang  noch  allerlei  Pferdezeug  einzelnen  Gräbern  beigegeben  wurde. 
Andererseits  ist  es  bei  diesem  späten  Auftreten  der  Bügel  nicht  ausgeschlossen, 
dass  sie  den  Westeuropäern  von  Norden  her  über  Dänemark  und  Norwegen 
zugeführt  wurden^  da  der  Handel  übers  Meer  und  auf  dem  Rhein  stets  sehr 
lebhaft  betrieben  wurde  und,  obgleich  im  4,  Jahrhundert  ins  Stocken  geraten, 
doch  im  6.  und  7.  wieder  aufgenommen  wurde.  Namontlich  gilt  dies  für  die 
Bewohner  von  Britannien,  welche  seit  der  Wickingerzeit  mit  dem  Norden  in 
fortwährender  Verbindung  standen.  Im  8.  Jahrhundert  beginnen  die  Normannen- 
züge nach  England,  im  9.  nach  der  friesischeß  und  französischen  Küste,  vom 
10,  an  finden  wir  nordische  Krieger  als  Söldner  in  Konstantinopelj  welches 
Jahrhunderte  lang  als  Sitz  aller  Herrlichkeit  gepriesen  wurde  (Kunstenopel  in 
der  deutschen  Heldensage).  Es  bestanden  also  so  zahlreiche  Verbindungen 
nach  allen  Richtungen ^  dass  die  Erfindung  ebenso  leicht  aus  dem  Orient,  wie 
aus  dem  Norden  nach  dem  Westen  Europas  gelangen  konnte. 


204 


Wir  haben  indessen  schon  bei  Besprechung;  der  nordischen  Bügel 
aufmerksam  gemacht,  dass  sie  Formen  zeigen,  welche  keinen  Anhalt  in  orien- 
talischen Mustern  finden,  und  dass  andere  ira  Norden  früher,  im  Süden  später 
auftreten  und  umgekehrt.  Namentlich  findet  sich  im  Norden  statt  der  kreisrunden 
die  ogivale  hohe  Wölbung,  welche  an  den  gotischen  Bogen  erinnert.  Bemerkens- 
wert ist,  dass  ein  solcher  Bügel  im  Rhein  gefunden  w^urde  (Fig.  44)^  und  wenn 
ähnliehe  Formen  in  England  vorkommen  sollten^  so  würde  die  Wahrscheinlichkeit 
der  Verbreitung  der  Bügel  von  Norden  her  zunehmen.  Es  kommt  hin 
daas  die  Bügel  des  Nordens  aus  dem  O.Jahrhundert  übereinstimmend  mit  den  gleid 
zeitigen  fränkischen  allein  Ösen  zeigen,  welche  zur  Bügelebene  senkrecht  steh 
Fi(/,  70,  80^  81.  Lijidenschmit  hat,  wie  wir  anführten,  in  den  nordischen  Bugi 
einen  Anklang  an  fränkische  Formen,  Sophus  Müller  an  angelsächsische  gefund 
und  Hygh  (Nord.  Oldsager)  behauptet,  dass  die  Sachen  nach  irischen  Mustern,  ^ 
aber  in  Norw^egen  angefertigt  wurden  und  dass  die  Form,  welche  wir  ont^f 
108  abgebildet  haben,  im  ganzen  Norden  nicht  nur  die  gewöhnlichste  ist,  sonde^fl 
auch  sehr  zahlreich  auftritt.  Es  herrschte  also  in  der  Form  im  Westen  ein 
vom  Osten  unabhängiger  Oeschmack,  welcher  gegen  die  Verbreitung  von  Osti 
und  für  die  von  Norden  her  spricht 

Es  scheint,    dass  die  Franken  bis  zum  10.  Jahrhundert   die  Bügel  nie 
allgemein   benutzten   (Jahns  II,  46)  und  dass  dies  auch  bei  ihren  Nachbarn, 
den  Aquitaniern   und  Arabern,  nicht  der  Fall  war.     Wir  haben   früher   einen 
dies   bestätigenden    Bericht  Ibn   Chaukals   aus    dem   0.  Jahrhundert   angeführt. 
Obgleich   Isidorus   von   Sevilla   (s.  vorn)  die    Bügel   schon   im   7.    Jahrhundert 
kannte,   so  haben  wir  doch  gesehen,  dass  andere   schriftliche  Nachricbten  im 
Westen   nicht  vor  dem    10.  Jahrhundert   auftreten.     Im  9.  Jahrhundert  aollen 
sie  bei  den  Angelsachsen  nachweisbar  sein  (Jahns  11,  141).    In  den  Abbildungen 
des  Fsalterium   aureum,   welches   aus    dem  9.  Jahrhundert  stammt,    haben  sic^ 
wie    schon    besprochen    nur    die    Führer,     die    gewöhnlichen    Soldaten    nie! 
Wir  haben  ausserdem    gesehen,    dass    noch   die   englischen  Statuta    de    an 
aus    dem  Ende    des    13.  Jahrhunderts    ausdrücklich    vorschreiben,    dass    m 
Schildknappen,  wie  Knechte,  ohne  Bügel  am  Sattel  ausrüsten  soll,  es  folgt  al 
hieraus  und  aus  den  weiteren,  im  ersten  Teile  gemachten  Angaben,  dass  sei 
im  13.  Jahrhundert  die  Bügel  noch  nicht  allgemein  verbreitet  und  nur  im  Beeil 
von    Vornehmen     waren,      Dass    der    Kaiser    Mauritius    seine    Reiter    bei 
Steigbügel  auf  der  linken  Seite  des  Sattels  nur  zu  dem  ausgesprochenen  Zw^ecl 
befestigen  Hess,  zwei  Reitern  das  Aufsteigen  zu  erleichtern,   und  die  Naehricl 
in  Ulrich  von  Lichtensteins  Frauendienst  (Ausg.  Lachmann,    S,  37,  V.  6)   au» 
dem  13.  Jahrhundert,  dass  man  Frauen  ein  tragbares  Hebeisen  zum  Äbsitzi 
hinhielt,  lässt  vermuten^  dass  ursprünglich  die  Bügel  überhaupt  nur  zum  Au 
und  Absitzen  gebraucht  WTirden,  auch  wohl  nur  von  älteren  Leuten,  wie  das 
früher   angeführte  Verfahren   des  jugendlichen  Bischofs  bei  Karl  dem  GrosseiL. 
zeigt.     Offenbar  waren  damals  Bügel  noch  eine  Seltenheit,  da  man  erwartel 
dass    der   Bischof  die   überall   vorhandenen    Tnttsteine   benutzen    würde.     Di 
griechische,  auch  ins  Lateinische  übergegangene  Wort  oxdAa,  Leiter,  für  Bi 
und  andere  mittelalterliche  Ausdrücke,  ascemonunty  scandile^  unterstützen  di 


u^^ 


soft 


I 


T^nnutong.  Das  deatodie  SHe^eid^r  kmio  Stdgkder  imd  Stej^ler 
du«  Wort  sU^raiff  bedeutet  einen  Reifen  ^  Ring  zum  AuCilt^geii«  und  liegt 
dem  eoglbchen  tiirrup  m  Grunde*  Xath  dem  Oentleoians  Magaiuiei  YoL  44, 
p«g.  316,  bedienten  sieli  die  allen  Sftchsen  in  Eogltiid  nur  einea  Siridees,  mptj 
xtt  diesem  Zwecke  ond  nannten  diesen  stigh-rope.  Kaeh  Fosbroke  (Encyelap. 
of  Anliiiiitdea)  naanlen  die  AngebaeltseD  »ie  siigt-rapa.  Das  deutsche  Won 
Seegreif  liegt  aueb  dem  fraAsösiscbeii  Arier^  eslricr^  estrief,  r^/re/(oa6hYiol]el*le*Dtte) 
zu  Grunde;  man  kann  daher  sehliessen,  dass  eine  Übertragung  der  Sadi«  sogleich 
mit  dem  Nanien^  und  zwar  von  Deutschland  aoSf  stattgefunden  hat. 

Tom  11.  Jabrbundert  an  sind  die  Büge!  häufiger  im  Gebraueli.  Kaiser 
Friedrich  Barbarossa  hielt  1055  dem  Papat  den  Steigbügel  (Helmoldus  1,  80), 
nd  es  entstund  ein  langer  Streit,  ob  der  Kaiser  dazu  verpflichtet  sei  und  ob 
er  den  rechten  oder  den  linken  Bügel  anfassen  müsse.  Der  Papst  nahm  diese 
Ehrenbeiioigung  Überall  als  schuldige  Leistung  entgegen.  Heinrich  II.  ?an 
England,  Ende  des  12.  Jahrhunderts,  hielt  Thomas  Becket  den  Bügel,  wenn  er 
zu  Pferde  sdeg.  Nach  einer  Notiz  bei  Fosbroke  waren  die  Bügel  des  Papstes 
mit  rotem  Tuch  überdeckt. 


ni. 


Bei  dem  Versuche,  die  Terschiedenen  Fundstüeke  auf  die  einzelnen  Jahr* 
hunderte  zu  verteilea,  müssen  wir  ausser  den  WaiTensammlungen  auch  die 
Bilderschriften^  deren  uns  vom  9.  Jahrhundert  ao  mehrere  zu  Gebote  stehen, 
durefamustern.  Es  kommt  uns  dabei  zu  statteu,  dass  die  Figuren  in  der  Regel 
(las  Kostüm  der  Zeit  ihrer  Entstehung  tragen,  und  oft  bis  ins  Einzelne  genau 
einen  Schluss  auf  die  zur  Zeit  übliche  Bügelform  erlauben.  Diese  ist  indessen 
sehr  schwankend^  am  gleicbmässigsten  noch  im  16.  und  17.  Jahrhundert.  Aus 
liieser  Zeit  existieren  auch  eine  grosse  Zahl  sicher  datierter  Stücke  in  alten 
Sammlungen. 

Für  die  Zeit  der  Völkerwanderung  haben  wir  nur  aus  Ungarn  einiger- 
maisen  sichere  Kunde,  und  es  lässt  sich  nur  sehr  allgemein  sagen,  dass  die 
kreisrunde  Form  einer  hohen  folgte,  dann  aber  lange  anhielt.  Die  Dreiecks* 
form  und  die  hoch-eiförmige  finden  sich  im  Norden  vom  9.  Jahrhundert  au; 
letztere  ist  in  Deutschland  vom  9.  bis  14.  Jahrhundert  die  herrschende,  wenn 
auch  nicht  ausschliessliche.  Erst  nach  dieser  Zeit  treten  neue  Motive  mit  der 
EntwickeluDg  der  Renaissance  auf. 

In  frühester  Zeit  und  namentlich  bei  den  uncivilisierten  Horden,  welche  aus 
Asten  hervorbrachen  und  uns  die  Bügel  brachten,  gab  es  wahrscheinlich  keinen 
festeu  Stil,  der,  nach  einiger  Zeit  durch  einen  anderen  abgelöst^  uns  auf  das 
Alter  schliessen  liesse.  Jahrhunderte  lang  mag  die  Form  von  der  Laune  und 
O      hicklichkeit  des  Arbeiters  bedingt  worden  sein.     Daher  sind  solche  Gründe, 

e  sich  auf  die  leichtere  Ausführbarkeit  der  Arbeit  stützen,  als  Alterszeicheu 
tmncher.  Wollte  man  a  priori  schliessen,  so  würde  man  Bügel  ohne  Öse  für 
die  ältesten  halten,  dann  die,  welche  an  Stelle  der  Öse  nur  eine  Ausbieguug 
n  (Fu^.  6f),  folgen  lassen,  diesen  dann  die  mit  kurzer,  die  mit  tanggestielter. 


20(i 


nd    j 


die  mit  abgesetzter  Öse  sich  anschlieüäen  laBseo  und  ähnlich  die  mit  nach  uati 
konvexer  Sohle  für  alter  als  die  mit  gestauchter  oder  nach  oben  gewölbte 
Sohle  halten.  Aber  gerade  den  umgekehrten  Gang  sehen  wir  bestimmt  in  Unga: 
und  wohl  auch  in  Preussen  und  anderen  Ländern,  wo  gleich  zu  Aüfaug  eine 
etwas  hohe  Form  mit  aufgostiilpter  Sohle  auftritt.  Vielleicht  hat  man  die  Fori 
einer  Strickschlaufe  oder  eines  Riemens,  welche  die  ersten  Bügel  vertraten  u: 
lang-eirörmig  herabhingen,  zum  Muster  genommen. 

Lindenschmit  behauptet  (Heid.Vorz.  S.  23),  daas  die  Bügel  in  Deutschland 
ursprÜDglich  rund,  dann  dreieckig  mit  rundem  und  später  mit  flachem  Bod 
zur  Ritterzeit  fast  gleichseitig  und  noch  später  sehr  hoch  waren*  Einzel 
Abweichuu«:en  und  das  gleichzeitige  Vorkommen  mehrerer  Formen  sind  nicht 
ausgeacbloaaen.  Fundstücke,  welche  die  runde  Form  nachwiesen»  scheinen  in 
Deutschland  und  Frankreich  indessen  nicht  zu  existieren,  Zeichnungen  aus  dem 
Ih  Jahrhundert  zeigen  bereits  die  Dreiecksform,  und  diese  hielt  sich  das  ganze 
Mittelalter  hindurch.  Für  Ungarn  und  den  Norden  gilt  obige  Folge,  wie  schon 
gezeigt,  auch  nicht.  Runde  Bügel  zeigt  F/V/,  89^  sie  gehören  aber  erst  dem 
12.,  der  in  Fiy.  122  sogar  erst  dem  13.  Jahrhundert  an.  Einen  anderen  Bügi 
von  runder  Form  aber  mit  grader  Sohle  aus  dem  Anfange  des  13.  Jahrhundert 
zeigt  eine  Miniatur  des  lateinischen  Psalters  in  der  Pariser  Nationalbibliothek, 
Flg.  loö.  Runde  Bügel  sind,  nach  diesen  Beispielen  zu  urteilen,  in  Deutschland 
vor  den  langen  und  dreieckigen  nicht  nachweisbar,  wohl  aber  linden  sie  8i< 
in  Ungarn  seit  dem  7.  Jahrhundert,  sind  dort  aber  auch  nicht  die  ältesten.  Die 
oben  erwähnten  Miniaturen  aus  dem  psalterium  aureum  von  St.  Gallen  aus  dem 
9,  Jahrhundert  (Ausgabe  von  Uuber)  zeigen  die  Fig>  82  u.  83.  Andere  fränkische, 
dreieckige  Bügel  sind  nach  Viollet-le-Duc  (Mobilier  franc.  V,  pag.  68)  unter 
79,  ^Oj  81  abgebildet.  Von  diesen  soll  der  erste  eine  genaue  Kopie  einer  Figur 
desjenigen  Schachspiels  sein,  von  welchem  man  irrtümlich  glaubt,  dass  es  schou 
Karl  der  Grosse  benutzt  habe.  Alle  drei  Bügel  sind  aber  dadurch  gaüz  be- 
sonders ausgezeichnet,  dasa  die  Öse  quer  zu  der  durch  Schenkel  und  Sohl 
gelegten  Ebene,  der  Bügelebene,  steht,  wie  wir  es  ähnlich  nur  bei  den  nordischi 
Bügeln  derselben  Zeit  gefunden  haben.  Dort  aber  ist  die  Ose  zugleich  gedrel 
und  der  ganze  Bügel  tausohiert;  ersteres  ist  hier  nicht  der  Fall,  letzteres  nicht 
zu  beuiieilen.  Diese  Übereinstimmuog  in  einer  Erscheinung,  von  der  sich  im 
Osten  keine  Spur  findet,  ist  im  höchsten  Grade  bemerkenswert  und  ab  eiui 
der  Beweise  für  den  Zusammenhang  der  fränkischen  und  nordischen  Bug^ 
wie  wir  ihn  im  vorigen  Abschnitt  besprachen  haben,  aufzufassen. 

Auf  welche  Funde  sich  die  Angabe  von  Jahns  (Boss  u.  Reiter  II,  S*  4 
bezieht,  dass  mau  in  Gräbern  dos  9,  Jahrhunderts  verzinnte  eiserne  Steig büj 
gefunden  habe,  konnte  ich  nicht  ermitteln.  Seiner  Behauptung,  dass  auoh  d: 
Reiter  der  fränkischen  Periode  keine  Steigbügel  kannten,  widersprechen  die 
von  uns  zum  9,  Jahrhundert  beigebrachten  Zeichnungen,  wenn  auch  Ledei 
Schlaufen  häufiger  gewesen  sein  mögen  als  Holz-  oder  Metallbügel,  wie  früh 
am  Schlüsse  des  zweiten  Teiles  ausgeführt  wurde.  Auch  über  die  transportablen 
Bügel  ist  schon  im  ersten  Teile  gesprochen  worden. 


9| 


207 


i 


Für  das  10.  Jahrhundert  lassen  sich  droieokige  Bügel  our  in  wenigen 
lieleu  auffinden.  Fir/.  W  zeigt  die  Bügel  der  apokalyptiachen  Retter  aus 
Handschrift  der  Bamberger  Stadtbibliothek-  Die  Trachten  der  dargestellten 
Figuren  gehören  dem  Ende  des  10.  Jahrhunderts  an  (Janitschek,  Qesch,  d. 
isch.  Malerei^  8.  74).  In  dem  Evangelium  von  Echternach  ist  eine  zur 
^ftrabe!  vom  Gastmahl  gehörende  Darstellung,  Fig.  84  (Janitschek^  S.  66)* 
Das  Werk  ist  zwischen  983  und  991  entstanden.  Auf  einem  Wandgemälde 
tief  Kirche  zu  Veleraer  in  Ungarn,  Fig.  85j  dem  10.  Jahrhundert  angehörend, 
id  die  Bügel  vollständig  dreieckig  und  scharfkantig.  Sonst  linden  wir,  wie 
en  besprochen  ist,  in  Preussen  und  Ungarn  um  diese  Zeit  vorzugsweise  runde 
Bügel.  Dagegen  zeigt  sich  bereits  im  10.  Jahrhundert,  wenn  wir  VioUet-le-Duc 
folgen  wollen  (V,  8.  413),  eine  merkwürdige  Eigentümlichkeit  der  Konstruktion, 
nämlich  die  vorgebogene  Ose.  Fig.  96  zeigt  einen  solchen  Bügel,  der,  wenn 
er  frei  im  Riemen  hängt,  sich  in  die  liichtung  der  sogenannten  Schwerlinie  stellt, 
wodurch  der  eine  Rand  der  Sohle  etwas  höher  als  der  andere  zu  stehen  kommt 
und  der  Fuss  an  d^r  scharfen  Kante  weniger  leicht  hin-  und  hergleitet,  als 
dies  auf  einer  glatten  Fläche  der  Fall  ist.  Diejenige  Kante  der  Sohle^  nach 
welcher  die  Öse  hin  gebogen  ist,  stellt  sich  höher  ak  die  abgekehrte,  je  nach 
der  Gröase  des  Winkels  und  der  Länge  der  entstehenden  Hebelarme.  Solche 
Bügel  sind:  Iffiy  141^  130  — HO,  178  u,  a.  Sie  waren  nach  Zsehille  sogar  schon 
vom  9.  Jahrhundert  an  üblich  und  finden  sich  bis  zum  14.,  ja  noch  in  unserem 
Jahrhundert  zeigen  die  Bügel  an  den  Geschirren  der  amerikanischen  Artillerie 
von  1802,  von  welchen  eine  Sammlung  im  Erdgeschosse  des  Berliner  Zeug- 
bauaes  aufgehängt  ist,  dieselbe  Konstruktion,  und  zwar  ist  die  Befestigung  am 
Sattel  derart,  dass  die  Öse  nach  aussen  zeigt. 

DieFormen  des  IL- — 13.  Jahrhunderts  können  wir  zusammenfassen,  eiu 
Blick  auf  die  Zeichnungen  wird  die  übereinstimmenden  und  die  abweichenden 
Merkmale  erkennen  lassen.  Mit  Ausnahme  einiger  rundlicher  Bügel,  welche 
aber  auch,  wie  die  langen,  sehr  eng  sind,  herrschten,  in  Deutschland  wenigstens, 
die  iang-eiftkraigen,  die  lang-dreieckigen  und  die  gleichseitig-dreieckigen  vor. 
Nach  der  Spitze  zu  zeigt  sich  allmählich  eine  durch  einwärts  geschweifte 
Scbenkel  herbeigeführte  Verengung.  Schlanke  und  zierliche  Dreiecksformen  mit 
cTundeten  Ecken  habeu  wir  schon  im  9.  Jahrhundert  kennen  gelernt. 
In  der  englischen  Archaeologia  (Vol.  1,  pag.  336)  befindet  sich  die  Ab- 
bildung eines  Siegels  des  Bischofs  Odo  von  Bayeux,  Bruders  von  Wilhelm 
dem  Eroberer,  1055—1112,  auf  welchem  er  als  Earl  von  Kent  dargestellt  ist. 
Er  hat  einen  sehr  modernen  Sitz  mit  ganz  zurückgenommenen  Schenkeln  und 
anscheinend  rundliche,  jedenfalls  sehr  enge  Bügel  Übrigens  haben  auch  Wilhelm 
und  Toustain  auf  der  Tapet©  von  Bayeux  ganz,  denselben  Sitz  mit  anscheinend 
nicht  runden,  aber  sehr  langgeschnallten  Bügeln,  sodass  sie  in  denselben  zu 
«tehen  scheinen.  Der  eine  Retter  hat  die  Bügel  vorn,  der  andere  in  der  Mitte 
im  SaUel«  angebracht. 

Die  Schetikel  sind  in  dieser  Zeit  nicht  selten  dreikantig,  was  wir  nur  noch 
UL%  »icn  älteren  Bügeln  des  9,  Jahrhunderts  finden.  Bei  Demay  (Le  costum«* 
du  nioyen  äge  d'aprcs  les  .sceaux,  S.  171)   sind   die  Fig,  Slß   gegebenen  Bügel 


^'^     *    ^ 


innyi 


208 


abgebildet,  nämlich  a)  runde  mit  Riemen  vom  Jahre  1155,  b)  solche  mit  Ketten 
vou  1163,  c)  dreieckige  mit  Riemen  1170—1235  und  d)  mit  Ketten  1215  — 1367* 
Nach  dem  Uandbuch  des  Waffenwesena  von  Wendelin  Böheim,  Kustos  der 
Waffensammlung  des  Österreichischen  Kaiserhauses  (Leipzig,  bei  Seemann, 
1800,  IV.  Lief.,  S.  193),  kommen  1163  zum  erstenmale  Bügel  in  Ketten  hängend 
vor,  sind  um  1127  die  Bügel  flaschenförmig  und  werden  sie  im  Laufe  des  13*  Jahr- 
hunderts vollkommen  dreieckig,  Fig.  61  giebt  den  bei  BÖheim  abgebildeten 
Bügel;  einen  ganz  gleichen  spanisohen  bildet  Demmin  ab  (8.  382),  er  setzt  ihn 
jedoch  ans  Ende  des  14*  Jahrhunderte,  während  er  in  Madrid  Jakob  dem 
Eroberer  (f  1270)  zugeschrieben  wird.  Die  Form  hielt  sich  bis  zum  14.  Jahr- 
hundert, jedoch  treten  gleichzeitig  andere  mit  gebogenen  Schenkeln,  sogar  runde 
auf.  In  der  Manesse-Liederhandschrift,  welche  etwa  1230  in  Konstanz  ent- 
standen ist,  hat  Herzog  Heinrich  dreieckige  hohe  Bügel,  dagegen  sein  Knappe 
solche  von  rundlicher  Form  {Fig.  lOS  u.  104). 

Auf  einer  spät-gotischen  Elfenbeinschnitzerei  nordischer  Herkunft  hat  ein 
Ritter  einen  dreieckigen  Bügel^  während  die  nach  Männerart  reitende  Dame 
einen  rundlichen  Bügel  mit  sehr  breiten  Schenkeln  benutzt,  den  man  vielleicht 
für  eine  Lederkappe  halten  muas  (Lübke,  Gesch,  d.  Plastik,  Leipzig  1863, 
pag.  140),  Fig.  106,  Auch  in  England  finden  sich  dreieckige  Bügel  zu  derselben 
Zeit  Bei  Meyrick  (Crifcical  Enquiry  into  Ancient  Armour)  zeigt  Platte  10  einen 
dreieckigen  Bügel  Alexanders  L  von  Schottland  vom  Jahre  1007  und  einen 
anderen  von  1140^  Platte  14  einen  ebenaolcben  Alexanders  IL  vom  Jahre  1214. 

Fig.  88  ist  einem  Reitersiegel  des  Grafen  von  Flandern  von  1170  ent- 
nommen, w^elches  dem  des  Pierre  Courtenay  von  1184  durchaus  ähnhch  ist 
und  sich  bei  Demay  findet.  Die  bei  Worsaae  (No.  505)  abgebildeten  Figuren 
einer  isländischen  Kirchenthür,  welche  nach  Demmin  dem  IL— 12.  Jahrhundert 
angehören,  zeigen  ähnliche  Bügel,  welche,  dem  damaligen  Sitze  mit  vorgestreckten 
Beinen  entsprechend,  an  dem  vorderen  Sattelbogen  befestigt  sind.  Dieser  Sit« 
und  die  entsprechenden  langen  Bügel  finden  aich  noch  im  14.  Jahrhundert.  Am 
aufTallendsten  ist  er  auf  einem  Aquamanile  von  Bronze,  Fig,  !f(f,  bei  welchem 
die  Kanten  der  Bügel  etwas  abgerundet  erscheinen;  die  Form  der  Sporen 
weist  auf  das  12.— 13.  Jahrhundert  hin.  Der  heilige  Georg  vom  West- 
portale der  Liebfrauenkirche  in  Esslingen  (Lübke,  Gesch,  der  Plastik,  Fig.  135), 
aus  dem  15.  Jahrhundert  stammend,  aber  das  Kostüm  des  13.  zeigend,  hat 
sehr  enge,  unten  abgerundete  Bügel,  Fig,  lOL  Die  Bemerkung  in  Fosbrokea 
Encyclopädie,  dass  die  Bügel  des  12.  und  13.  Jahrhunderts  die  Sohle  nicht  am 
äussersten  Ende  der  Schenkel,  sondern  etwas  weiter  oben  hätten,  ist  wenigstens 
für  den  Kontinent  nicht  richtig.  Wir  haben  diese  Erscheinung  schon  bei  den 
älteren  ungarischen  und  späterhin  bei  den  nordischen  Bügeln  gefunden,  sie 
kommt  öfters,  am  häufigsten  aber  im  10.  und   17.  Jahrhundert  vor. 

Interessant  ist  in  dieser  Be^^iehung  ein  ostpreussischer  Bügel  der  Bleir sehen 
Sammlung  (Villa  Thüngen  in  Lichterfelde  bei  Berlin),  welcher  nach  Angabe 
des  Besitzers  dem  Übergange  aus  der  heidnischen  in  die  christliche  Zeit  an- 
gehört, also  dem  Jahre  1 100,  Fig.  .Vi.  Er  ist  ausser  durch  seine  offene  Sohle 
durch  zwei  Ansätze  merkwürdig,  welche  sich  unter  der  Sohle  befinden  und  also 


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209 


Die 


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eben  besprochene  Erscbeimmg,  wenn  auch  m  etwa«  analerer  Form,  zeigen, 
Diftielbeii  Aosätse  kommen  iu  Oestalt  von  auifaltendea  Spitzeu  in  den  Zeich- 
Dtiiigen  zum  Hortus  deliciarura  des  12.  Jahrhunderts  (Ausg,  von  Engelhard, 
Tat  3  und  7)  vor,  wahrend  die  Bugel  souat  von  etwas  abgerundeter  Dreieclcü- 
tmn  sind,  Fiff.  *J:i  u.  93. 

Auf  Seite  889  hat  Demmin  einen  französischen  berittenen  Boguer  aus 
dem  14.  Jahrhundert  abgebildet,  welcher  vollständig  gleichseitige,  dreieckige 
hat,  welche  sehr  eng  sind*  Auf  S  892  steht  ein  englischer  Bogenschütze 
nfange  des  15,  oder  16.  Jahrhunderts  neben  seinem  Pferde,  dessen 
Bügel  nur  wenig  höher,  aber  in  der  Spitze  etwas  abgerundet  ist.  Die  drei- 
eckigen Bügel  sind  also  das  ganze  Mittelalter  hindurch  zu  finden. 

Einen  deutschen  dreieckigen  Bügel,  dem  12.  Jahrhundert  angehurond. 
hat  Demmin  nach  den  im  Braunschweiger  Dom  ausgeführten  Wandmalereien 
and  einen  runden,  Fig.  122^  aus  dem  13.  Jahrhundert^  nach  einem  Original 
Im  Museum  zu  Sigmaringen  abgebildet.  Wenn  die  Zeichnung  genau  ist,  so  ist 
die  durch  Zusammenbiegen  hergestellte  Ose  iu  dieser  Zeit  bemerkenswert. 
Die  Gründe^  weshalb  dieser  Bügel  für  deutsch  gehalten  und  dem  13.  Jalirhundert 
lUgesi^h rieben  wird,  sind  nicht  angegeben,  wer  dieselben  nicht  kennt,  konnte 
Bügel  für  ungarisch  oder  westpreuasisch  halten. 

Seit  dem  13.  Jahrhundert  finden  sich  auch  oiellierte  und  mit  Edelsteinen 
betetEte  Bügel.  Wahrend  die  vorderen  Sattelbogen  im  13.  Jahrhundert  immer 
niedriger  werden  und  schliesslich  zu  einem  Knopf  zusammenschrumpfen ^  von 
1350  au  jedoch  wieder  höher  werden,  machte  man  umgekehrt  die  Bügel  an- 
fiLügliGh  immer  hoher  und  erst  später  wieder  niedriger. 

Unter  Fi//.  04  haben  wir  ein  Suulenfragment  der  Vorhalle  der  Kirche  zu 
Veselay  (Ungarn)  mitgeteilt,  dessen  Bügel  vielleicht  nicht  von  Metall  sind,  sondern 
ins  Riemen  oder  verzierten  Bändern  bestehen,  wenn  nicht  auch  hier  die  Ose 
quer  «ur  Bügelfläche  steht.  Sind  es  Riemen,  so  würde  die  Figur  ein  Pendant 
KU  105,  100  u.  //;  bilden. 

Wir  dürfen  also  sagen,  daas  dreieckige  Bügel  das  ganze  Mittelalter  hin- 
tlarcfa  vorkommen ;  noch  im  Frey  dal  (Ausgabe  v.  Leitner),  welcher  die  Turniere 
Kaiaer  Maximilians  I,  behandelt  und  auf  Veranlassung  des  Kaisers  selbst  in 
der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  mit  Bildern  gedruckt  wurde,  finden 
sich  »ehr  häufig  die  unter  97  u.  98  mitgeteilten  Formen,  neben  andern  dem 
16.  Jahrhundert  eigentümlichen.  Die  deutschen  dreieckigen  Bügel  haben  in 
flcf  R^^el  breite  Schenkel,  welche  erst  allmählich  schmäler  werden  und 
mgleicb  nach  oben  zu  sich  der  Form  des  gotischen  Bogens  nähern,  welcher 
im  12.  tmd  13.  Jahrhundert  in  der  Architektur  auftritt  und  auch  auf  die 
Bfigel  übertragen  wurde. 

Dofi  14,  Jahrhundert  bildet  einen  Übergang  zu  den  spitzbogigen  Formen 
dei  15.  Die  lange  Dreiecksforra  mit  den  durch  die  Schenkel -Verlängerung 
gebildeten  Ansätzen  (Fig,  124)  geht  in  eine  Art  Fünfeck  über,  aus  welchem 
durch  weitere  Veränderung  der  Bogen  entsteht,   zugleich  werden  die  Schenkel 

ir*  Die  Figuren  128 — 134  zeigen  den  Übergang,  obgleich  einige  aus 
iueh^   Manuskripten   entnommene  Abbildungen   ihrer  Kleinheit  und  Uu* 

U 


äiu 


deutlicbkeit  wegeü  nitjht  sehr  öicliere  Sehlöaae  gestatteu.  Nach  iJeiiiiiiiu  (Waffeo- 
kunde  S.  6Ö1)  kommt  die  Form  Fuf,  134  schou  im  11,  Jahrhimdert  vor,  weoß 
seine  Datierung  richtig  mL 

Im  15.  Jahrhuodert  haben  wir  zwei  versehiedeJic  Eracheiuuügen»  welche 
d#m  Auftreten  der  italienischen  Renaissance  und  der  Fortbildung  der  deutschen 
Formeü  ihre  Entstehung  verdanken. 

Die  ReEaissance,  welche  in  Italiea  im  15*  Jahrhundert  zur  Geltung  ge- 
langte und  von  der  Baukunst  ausging,  erstreckte  sich  auch  auf  das  Kleingewerbe. 
Meiateoä  werden  die  Bügel  unsymmetrisch  geformt,  sodass  der  rechte  und  linke 
sich  unterscheiden.  Bei  Fig.  fif^  einer  von  Yerrochio  begonnenen  und  Ende 
de«  16.  Jahrhüudertö  von  Leopard!  volleudeteu  ßeiterstatue^  ist  dies  nicht  der 
Fall,  wohl  aber  bei  der  in  der  Mitte  des  15,  Jahrhunderts  von  Donatello  ge- 
fertigten Statue,  F^g,  153 ^  die  wie  die  vorige  in  treiHicliem  Abgüsse  im  neuen 
Museum  in  Berlin  steht. 

Ahnlich  unsymmetrisch  sind  ein  Paar  Bügel  im  National-Museum  zu  München, 
Fiif,  154^  welche  in  diese  Zeit  gehören;  ferner  der  zu  einem  Krippeusattel 
gehörende  Bügel  aus  durchbrochenem  Eisen  bei  Büheim,  welchen  Fiff,  152 
zeigt,  und  andre  in  der  Abbildung  wiedergegebene  Funde,  namentlich  drei 
(FUf.  156 — 158)y  welche  den  Zeichnungen  von  Zschille  entnommen  sind.  Der 
zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  gehört  der  Bügel  zu  einem  Feldharuisch  an, 
welcher  bei  v.  Sacken  (Rüstungen  und  Waffen  der  Ambraser-Sammlung  in 
Originalphotographien  Bd,  11,  Taf.  14)  abgebildet  ist  und  eine  ganz  abweichende 
Form  hat. 

Die  andere  im  15,  Jahrhundert  auftretende  Hauptform  spaltet  sich  wieder 
in  zwei  Richtungen,  beide  sind  hauptsächlich  in  Deutschland  zu  Hause.  Bügel 
der  einen  Art,  Ftg,  ISO — 140^  finden  eich  häutig  in  der  Mark  Brandenburg 
und  scheinen  zur  Ausrüstung  des  gemeinen  Reiters  gehört  zu  haben,  die  der 
anderen  Art  haben  vielleicht  einen  ungarischen  Anstrich,  Fig.  141 — 140^  und 
kommen  ähnlich  noch  im  17,  Jahrhundert  vor.  Sie  zeigen  einen  den  Bügel- 
riemen deckenden  Voraprung  an  der  Ose,  welcher  im  folgenden  Jahrhundert 
eine  weitere  Ausbildung  in  Form  eines  Kastens  erhält  und  sich  auch  bei  den 
Renaissance-Formen  findet.  Andere  Bügel  zeigen  noch  auffallendere  Ansätze 
vor  und  über  der  Öse  und  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  ungarischen  Formen, 
wie  sie  bis  zum  19,  Jahrhundert  nicht  nur  in  Ungarn  selbst,  sondern  auch  in 
anderen  Ländern  an  den  ungarischen  Pferdeausrüatungen,  welche  eine  Lieb- 
haberei vornehmer  Personen  bildeten,  vorkommen.  Zwei  dem  Ende  des  Jahr- 
hunderts  angehörende  echt  ungariache  Bügel  Fiif.  147  u.  148  können  als  Beispiele 
dienen. 

Als  besondere  Erscheinung  sind  die  als  Bügel  dienenden  Eisenschuhe 
zu  erwähnen,  welche  in  diesem  und  dem  folgenden  Jahrhundert  vorkommen  und 
hier  zusammen  besprochen  werden  sollen.  Fig.  150  ist  ein  englischer  Eisenschuh, 
ähnlich  ist  Fig.  204a,  Der  von  Demmin  entnommene  Schuh  Fig.  149  wird  van 
einigen  als  Pantoffel-  oder  Frauenbügel,  von  andern  als  Turnierbügel  des  16,  Jahr- 
hundert»  angesehen,  zu  welcher  Klasse  der  sehr  ähnliche,  in  F'ig.  204  h  dargestellte 
Büge!  aus  dem  Jahre  1543  bestimmt  gehört.  Auch  Fhj  205  ist  kein  Frauenbügel, 


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1 


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211 


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llotcJi  Demmin  ihn  dafür  halten  mochte.  Wenn  es  ein  Eisenschuh  ist,  würde 
^für  Frauen  unzweckmäasig  sein ;  er  gehört  in  die  Mitte  des  id.  Jahrhunderts. 
Ein  Paar  prächtiger  Eisenseh uhbügel,  teilweise  vergoldet,  befinden  aich  im 
Kunstgewerbe-Museum  in  Magdeburg,  Fig,  206-^  sie  gehören  dem  15*  oder 
10  Jahrhundert  an  und  haben  an  der  äusseren  Seite  eine  Platte  zum  Schut/.e 
der  Knöchel  und  der  Ferse.  Ein  ähnliches  einfacheres  Paar  aus  dem  Jahre 
1458  ist  bei  Meyrick  (Engraved  Dlustrations  of  Ancient  Arms  PI.  4,  Fig*  G) 
abgebildet  und  ein  drittes  auch  bei  diesem  (Vol,  II,  pag.  70)  als  in  Warwick 
Ca«t)e  befindlich  erwähnt.  Der  Fubs  war  beim  Gebrauch  dieser  Schuhe  nicht 
mit  dem  Soleret  bekleidet. 

Da  auch  über  Damenbugel  gesprochen  werden  muss,  so  mögen  über  das 
Reiten  der  Frauen  und  die  Mittel,  ihrem  Sitx  durch  Unterstützen  der  Füsse 
dnige  Sicherheit  zu  geben,  hier  einige  Bemerkungen  Platz  finden,  welche  sich 
an  das  im  ersten  Teile  bei  Besprechung  der  adraba  Gesagte  anschliessen,*) 

Ohne  dieses  Thema  hier  weitläufig  abzuhandeln,  sei  nur  daran  erinnert, 
fioss  im  Altertum  die  Frauen  sowohl  rittlings  als  seitwärts  sassen,  dass  aber 
die  letzte  Art  die  gewöhnliche  war,  dass  auch  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
Wide  Arten  vorkommen,  dass  aber  hier  die  Frauen,  welche  selbständig  ritten ^ 
wie  auf  der  Jagd,  selbst  die  voruehmsten,  nach  Männerart  zu  Pferde  sassen. 
Wir  geben  unter  Fig,  ^08  einen  Bügel  der  rittlings  sitzenden  Herzogin  von 
Savoyen  aus  dem  16.  Jahrhundert,  Der  Quersattel  soll  nach  Jahns  (Rosa  u. 
Reiter  II,  115)  zuerst  im  12.  Jahrhundert  von  Anna,  Tochter  des  böhmischen 
KoEiigd,  In  Gebrauch  genommen,  aber  erst  im  14.  Jahrhundert  allgemeiner  ge- 
worden sein.  Aber  es  war  auch  bis  zum  16.  Jahrhundert  üblich,  dass  Frauen  hinter 
den  Uännern  auf  demselben  Pferde  sassen;  Königin  Elisabeth  von  England 
(16,  Jahrhundert)  sass  oft  hinter  ihrem  Stallmeister  Lord  Leicester.  Diejenigen, 
welche  quer  auf  dem  Pferde  oder  auf  dem  Esel  sassen  und  nicht  selbständig 
ritten,  sondern  die  Führung  einer  anderen  Person  überlieflsen,  hatten  keine 
Bügel,  sondern  eine  Art  Fussbank,  welche  an  den  Sattel  gebunden  oder  ge- 
schnallt wurde*  Von  den  Bildern  aus  Ilerrad's  von  Landsberg  Hortus  deliciarum 
(12,  Jahrhundert)  ist  schon  die  Rede  gewesen  {Ausgabe  von  Engelhard  mit  12 
KQpferiafeln).  Jfach  einem  Passionale  von  Zweifalten  In  der  königl.  Bibliothek 
zu  Stuttgart  sitzt  die  heilige  Pelagia  auf  der  rechten  Seite  ihres  Esels  und 
itützt  die  Füsse  auf  eine  kleine  Bank,  welche  mit  einer  verzierten  Decke  behängt 
ist.  Im  Nationalmuseum  zu  München  ist  ein  Damensattel  aus  dem  IG.  Jahr- 
hundert, welcher,  für  den  Sitz  auf  der  rechten  Seite  eingerichtet,  zwei  SchnaUeu 
an  der  Satteltasche  zum  Anschnallen  zweier  Bügel  oder  wahrscheinlicher  einer 
solcbeD  Bank  zeigt,  Fig.  327. 


L     aoicbeo  1 


» *)  über  den  Sitz  der  Fraaen  im  üiertum  »iehe  ScMiobon,   ^Die  B«it-  und   Paek^Sttel 
tu  den  Annalen  des  Naas.  Altert- Vereins,  Wiesbaden  1S89»  Hd.  XXL,  S.  18,    Über 
4«it  Site  uo  Mittelalter  Scherr,  Deutsche  Fraaenwelt  1, 194,  und  Jälins,  Boss  und  Heiter  11, 112. 
Ktnig«  Abbüdungen   von   Dameti  auf  der  Falkenjagd  vom  12.  bis  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
äch  bei  Viollet-lcDuc  II,  437,  429,  443,  445,  446,  44S;  111  418«   419.     Sie  zeigen  die* 
aon^  Jifi  alt»  %ur  Seite  sitzend,  uml  iwor  teib  refhu,  teils  Utiks,   beim  Sitx  nach 

»rt  iffallend  kurieen  Bügelu. 

ll* 


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^^Mlfi&^äluiiii 


212 


Braiitume  spricht  in  äeinen  Meoioiren  von  der  planrhdfc  d'or  der  ITerzodR 
vun  Savoyen  (Ende  des  IG.  Jahrhunderts)  und  versteht  darunter  offenbar  eimi 
Fussbank  für  den  Sattel,  wie  sie  heute  noch  die  Einwohnerinnen  von  Caux  in 
der  Norraandie  benutzen.  Mau  nennt  diesen  Sitz  ä  la  plamheUe  (Racinet, 
Coatumes  histor.,  VI.  Band,  pl*  490)  Ficf.  32(L  Im  Nürnberger  Museum  ist 
©in  Damensattel  ganz  ohne  Bügel  (No,  1854).  Indesfion  kam  im  IG.  Jahr- 
hundert bereits  der  jetzige  Damensattel  auf,  Katharina  von  Medicis  (Anfang  des 
10.  Jahrhunderts)  soll  die  erste  gewesen  sein,  welche  den  Fuss  in  eine  Qabel 
legte,  wo  dann  nur  noch  ein  Bügel  nötig  war. 

Andererseits  finden  wir  auch  zu  dieser  Zeit  Frauen,  welche  nicht,  wie 
Ordericus  Vitalis  YIII,  1 7  sagt,  femineo  more  equltubattt  et  in  mulifhribus  W/i> 
miehanf,  sondern  nach  Mannerart  ritten.  Racinet  bildet  die  Comtesse  St  Balmont 
80  ab  (PL  327,  das  Bild  bezieht  sich  auf  das  Jahr  1645),  einer  ihrer  Bügel  ist 
Fig,  208  gegeben.  Von  dem  in  Ulrich  v.  Lichtenstein  erwähnten  Ilebeeisen, 
welches  den  Reiterinnen  von  einem  starken  Manne  hingehalten  wurde,  hat 
sich  keine  Spur  erhalten.  Wir  fügen  noch  oiuon  Dameubügel  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert  bei  (Fig,  Ml)^  welcher,  im  Berliner  Zeughause  beündlich,  dieselbe  Kon- 
struktion zeigt,  wie  der  noch  vor  wenigen  Jaliren  übliche  Pantoffelbügel,  nur 
dass  letzterer  einen  Schuh  hatte  {Fiij,  294a)\  zu  dem  modernen  Damenbugel 
(Fifjn  2*Mh)  gehört  ein  Polster,  welches  den  Bügel  nach  oben  zu  so  weit  schliesst, 
dass  der  Fuss  nicht  zu  weit  hinein  kann,  Ftfj.  2r}(i  zeigt  einen  stark  vergoldeten 
Damenbugel  ohne  Öse  aus  dem  17.  Jahrhundert,  das  Original  befindet  sich  im 
Berliner  Zeughause,  Die  aller  neuste  Konstruktion  eines  Damensteigbügels  be- 
steht aus  einem  Doppelbügel  (Fig.  JSQ.j  \i,29G)\  auf  dem  inneren,  nicht  mit  Polster 
versehenen,  ruht  der  Fuss,  währeud  der  äussere  zur  Befestigung  des  Bügelriemens 
dient.  Der  innere  dreht  sich,  wenn  die  Fussapitze  beim  Sturz  gegen  den  obere« 
Bogen  druckt,  um  ein  Scharnier  dicht  an  der  Sohle,  wodurch  letztere  ausgehakt 
wird,  umklappt  und  den  Fuss  vollständig  frei  lässt. 

Die  Bügel  des  16.  Jahrhunderts  zeigen  eine  grosso  Mannigfaltigkeit  und 
sind  in  allen  Sammlungen  am  stärksten  vertreten.  Sie  haben  im  allgemeinen 
einen  fculpenformigen  oder  glockenförmigen  Durchschnitt,  breite  mit  drei  bis  fünf 
senkrechten  Parallelreifen  versehene  Schenkel,  welche  in  der  Regel  nach  unten 
zu  über  die  Sohle  vorstehen.  Diese  ist  durchbrochen  oder  hat  einen  vollständigen, 
durch  2—4  Balkon  gebildeten  Kost  oder  ein  anderes  Muster*  Auch  hier  hängt 
infolge  der  Konstruktion  der  Öse  die  hintere  Bügelsohle  zuweilen  hoher  als 
die  vordere  und  ist  ausserdem  noch  gezahnt.  Die  Ose  liegt  frei,  ist  aber  nicht 
drehbar;  sie  ist  durch  einen  vorgebauten  Aufsatz  verdeckt  und  dieser  dann 
meistens  mit  der  Muschel  verziert,  welche  in  diesem  und  dem  folgenden  Jahr- 
hundert die  Rolle  der  Leitmuscheln  in  der  Geologie  spielt,  Fig.  19H^  171^  170^ 
17!»  u.  a. 

In  den  Yerzierungen  und  namentlich  in  der  Form  des  Aufsatzes  zolgi 
sich  die  Einwirkung  der  Renaissance,  wie  sie  uns  bei  den  Bügeln  der  voa 
Leopardi  gefertigten  Statue,  Fig,  WJ,  entgegentritt. 

Das  Einziehen  der  Bügelriemen  in  die  Ose  scheint  nicht  in  der  bei 
uns  üblichen  Art  geschehen  zu  sein.   Da  der  Aufsatz  offenbar  darauf  berechn«** 


mttm^ 


"-^^    ^"^ 


213 


iti^  dais  die  Vürzieruug  oder  die  Muschel,  weun  der  Bügel  am  Sfttiel  herunter- 
bäogt^  nach  ausseü,  und  wenn  ihu  der  Reiter  auf  dem  Fusse  hat,  nach  vorn 
£etgt,  ao  IDU8S  der  Reiter  damals  den  Fusb  anders  in  den  Bügel  geBchobeu 
baboQ^  wie  wir  es  jetzt  thnu.  Wir  nelimen  ihu  von  aussen,  sodass  die  nach 
ddm  Pferde  zu  hängende  Fläche  nach  vorn  kommt,  zu  jener  Zeit  nahm  mau 
aber  den  Bügel  von  innen,  sodass  die  nach  aussen  hängende  Verzierung  nach 
vorn  gekehrt  wurde.  Es  ist  dies  ganz  deutlich  aus  den  Zeichnungen  zum  Frey- 
dal,  z.  B.  8,  21,  zu  entnehmen;  bei  Böbeim  (8.  204)  scheinen  die  Verzierungen 
jedoch  auch  zuweilen  nach  innen  zu  hängen.  Den  Übergang  zu  unserer  Art, 
den  Bügel  zu  nehmen,  bildeten  die  querstehenden  und  die  drehbaren  Ösen; 
die  lelxiere  kommt  vorherrschend  im  17.  Jahrhundert  vor  und  hielt  sich  bis 
mm  Anfange  des  19»  Jahrhunderts.  Die  eratere  ist  sehr  deutlich  in  den  Ab- 
bildungen TM  erkennen,  welche  den  Berichten  des  Wiener  Altertums-Vereins 
(Bd.  XV,  1875,  S*  It7)  beigegeben  sind  und  türkische  Reiter  aus  der  ersten  Be- 
lagerung Wiens  im  Jahre  1529  darstellen,  wie  sie  der  Nürnberger  Briefmaler 
Baus  Guldenmundt,  ein  Zeitgenosse,  gezeichnet  hat*  Während  die  sonstige 
Form  dieser  Bügel  unstreitig  dem  16.  Jahrhundert  angehört  (Fig,  352)^  linden 
sich  auch  andere,  kreisrunde,  in  Ketten  hangende  Scheiben  (Fig*  ^^'V^  welche 
«onst  nicht  rorkommen.    Ob  sie  nach  Originalen  gezeichnet  sind,  kann  zweifel- 

fr  sein,  da  Guldenmundt  mehrfacli  in  diesen  Bildern  seiner  Phantasie  gefolgt 
(Siehe  den  oben  erwithnteu  Bericht  S*  104.)    Wir  haben  schon  im  9.  Jahr- 
hundert Bügel  mit  querstehenden  Ösen  gefunden  (79,  80^  61)^ 

Bei  Meyrick  (Critical  Eufjuirv^  into  Ancient  Armour,  Vol  I,  pag.  159) 
tiöde  ich  ein  lateinisches  Manuskript,  betitelt  Speculum  regale,  erwähnt^  welches 
dem  14.  Jahrhundert  zugeschrieben  wird  und  Vorschriften  enthält,  wie  man 
den  Fuss  ia  den  Bügel  setzen  soll  Vielleicht  hat  jemand  tlelegeuheit,  dieses 
Manuskript  einzusehen  und  die  hier  angeregte  Frage  weiter  zu  verfolgen.  Es 
ist  nicht  unmöglich,  dass  jene  Schrift  Aufschluss  darüber  giebt,  vielleicht  sind 
sogar  noch  andere  interessante  Punkte  darin  besprochen. 

Da  das  Tragen  der  Lanzen  und  Fahnen  in  freier  Hand  auf  die  Dauer 
beschwerlich  ist,  so  kam  man  frühzeitig  auf  die  Erfindung  des  Fahnen-  oder 
Lanzeoschuhes,  einer  Vorrichtung  am  rechten  Steigbügel,  um  die  Spitze  des 
Schaftes  festzuhalten.     Bei  Demmin  (Waffenk.  8,  646,  No.  18)  ist  ein  solcher 

jel    aus   dem  Anfange  des   16.  Jahrhunderts  abgebildet,    es  ist  jedoch  nicht 

itchtlich,  ob  der  Schuh  mit  dem  Bügel  aus  einem  Guss  besteht  oder  ob, 
wie  bei  uns,  eine  Lederhübe  an  den  Bügel  angebunden  ist;  letzteres  ist  wahr- 
scheinlich, weil  am  linken  Bügel  au  der  entsprechenden  Stelle  vier  Löcher  zu 
sdiGo  sind,  welche  wohl  die  Biuderiemen  aufnahmen. 

Ob  die  an  den  ungarischen  Bügel  u  F«V/.  156  befiudlichen  drei  Löcher 
moo  ähnlichen  Zweck  hatten  (an  einer  ungraden  Zahl  von  Lochern  i^t  schlecht 

ras  anzubinden),  kann  ich  nicht  behaupten.  Von  Bügelu,  welche  zum  Tragen 

jaterne  eingerichtet  waren    und  die  Demmin  anführt  und  mit  Pyrophor 

—    er    hätte    ebon^jogut   Phosphoros    oder   Lucifer    sagen    können, 

WfOö   er   nicht    angiebt,    in    welchem   griechischen   Autor   dergleichen  erwähnt 

WcrdoO)  denn  sonst  versteht  man  unter  Pyrophor  ganz  etwas  anderes  — ,  habe 


214 


ich  Dichtd  Kaden  köauen,  nach  seiner  Angabe  sollte  dioEO  Lateruc  leuchten  and 
die  FiisöG  wärmen. 

Obgleich  die  Bügel  in  der  Regel  hinten  tiefer  hingen  als  vorn,  so  lat 
doch  bisweilen  die  Öse  hinter  der  Uosette  ausdrücklich  nach  vorn  gebogen  und 
dadurch  der  Bügel  gerade  gestellt,  Ftg.  177.  Ausser  den  Bügeln  mit  Rachen 
Schenkeln  giebt  es  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  und  später  auch  solchcj  deren 
Schenkel  aus  runden  Stangen  bestehen ;  besanders  war  dies  bei  denjenigen  der 
Fall,  welche  zu  den  Mailänder-  uder  Bärenachuhea  gehörten,  wie  sie  von  14ÜÜ 
bis  1560  getragen  wurden.  Gegen  Ende  den  Jahrhunderts  werden  die  Bügel 
höher  und  haben  bereits  vereinzelt  die  dem  17.  Jahrhundert  angehörende  dreh- 
bare Öse,  welche  auch  früher  ab  und  zu  vorkam.  Sie  findet  sich  dann  auoh 
an  den  Zügelringen  der  Zamnzenge;  als  Beispiel  kann  eine  Reitstango  aus 
der  Wiener  Waffensanmilung  (Saal  Karls  V.,  No,  38t>)  angeführt  werden» 

Verschiedene  für  hoho  Herren  augefertigte  Prachtbügel,  Fig,  ISO  u.  a., 
zeigen  einen  besonderen  (feechmack;  sie  tielen  ganz  dem  Kunstgewerbe  anbeinit 
welches  namentlich  in  durchbrochenen  Arbeiten  ganz  Ausserordentliches  leistete. 
Dasselbe  gilt  in  noch  höherem  Grade  vom  fulgonden  Jahrhundert:  die  Bügel 
"Wallensteinsj  Fig»  22f}^  welche  im  Nationalmuseum  in  München  sich  befinden, 
zeigen  die  sogenannten  araule^  n  fenHres,  Andere  Prachtstücke,  welche  durch 
schöne  Gravierungen,  Silbertauschieruugen  und  Garnierungen  mit  Edelsteinen 
ausgezeichnet  sind,  bilden  dio  Zierden  aller  Waffonaammlungen.  Einige  wenige 
davon  zeigen  die  Fi(j,  18^  MB,  2S2,  31:^^  Einen  prachtvollen  Bronzebügel 
mit  schonen  Reliefs  bildet  Meyrick  pl,  81,  Fig.  3  ab. 

Im  17.  Jahrhundert  wird  dio  Form  allmählich  etwas  verändert;  als 
charakteristisches  Zeichen  tritt  fast  überall  die  drehbare  Öse  auf,  welche  früher 
nur  vereinzelt  vorkommt.  Die  breiten  Schenkel  machen  runden  Stangen  oder  einer 
Verbindung  von  oben  runden  und  unten  flachen  Bogen  Platz,  welche,  sehr 
hoch  gezogen,  im  oberen  Teile  sich  dem  Viereck  oder  Fünfeck  nähern  und 
dem  Zeitgeschmack  entsprechende  Verzierungen  haben.  Die  schweren  und 
plumpen  sogenannten  Karabiner-Reitstiefel,  engl,  jack-boots^  wie  sie  zur  Zeit 
des  grossen  Kurfürsten  getragen  wurden  und  für  Kuriere  und  andere  Personen 
inwendig  mit  eisernen  Reifen  und  Schienen  versehen  waren,  sodass  der  Reiter 
beim  Sturz  des  Pferdes  den  Fus^a  unversehrt  hervorziehen  konnte,  erforderten 
nicht  minder  grosse,  besonders  aber  hohe  Bügel,  als  die  Bärenfüsse  breite, 
Fig.  2BS.  Dio  Mailänder  Schuhe,  welche  bis  20  cm  breit  waren  —  ein  Exem- 
plar im  Wiener  Rathause  ist  noch  etwas  breiter  — ,  waren  bis  über  die  Mitte 
des  17.  Jahrlmoderts  im  Gebrauch. 

Unter  den  abweichenden  Bügelforraen  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  be- 
merken wir  namentlich  auch  orientalische  und  ungarische,  wie  sie  in  den 
Fig,  217,  218,  221.  222,  223^  232,  350  wiedergegeben  sind.  Gewisse  im  öst- 
lichen Europa  ansässige  Nationen,  Tataren,  Russen,  Polen,  die  Stämme  dos 
byzantinischen  Reiches,  die  Ungarn  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  selbst 
die  Böhmen,  standen  in  den  Ponnen  der  kriegerischen  Ausrüstung  seit  den 
ältesten  Zeiten  unter  dem  Einflüsse  des  Orients.  Böheim,  welcher  in  seinem 
llandbuche  des  Waffenwesens  8.  200  diese  Bemerkung   macht,  sagt,   dam 


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215 

Polen  und  Ungarn  aus  dio  orientalische  Art  der  Pferdcausrüsfcung  zuerst  io 
Deutschland  Eingang  fand.  In  Österreich  leiten  die  ersten  Spuren  ins  14.  Jahr« 
hundert  zurück;  im  16.  Jahrhundert  finden  wir  dio  Zaumungen  ungarischer  Art 
in  Italien.  Die  ungarischen  Sättel  haben  eine  Art  Bock,  die  deutschen  Polster. 
Ungarische  Sättel  mit  ihrem  Zubehör  wurden  im  15.  Jahrhundert  auch  von 
deutschen  Reitern  häufig  benutzt.  Als  Beispiel  können  die  vollständig  orienta- 
lischen Bfigelschuhe  (Fig,  221)  eines  Ritters  des  16.  Jahrhunderts  im  Zoughause 
zu  Berlin  gelten. 

Das  orientalische  Reitzeug  König  Christians  von  Sachsen,  1602  in  Prag  ge- 
fertigt, war  überaus  prachtvoll,  die  Bügel,  mit  böhmischen  Granaten  besetzt,  waren 
ODgarischen  Geschmacks,  Fig.  25t) ;   das  Ganze  befindet  sich  in  der  Dresdener 
Waffensammlung.     Ähnlichen  Charakter  haben  die  Bfigel  eines  Sattels,  welchen 
der  Fürst  Radziwill  an  König  Georg  III.  schenkte,  und  welcher  dadurch  merk- 
würdig ist,  dass  auf  der  Sohle  ein  Dom  hervorsteht,  um  das  Festbalten  des 
Bugeis  zu  erleichtem,  lig,  257  ebendaselbst.    Prinz  Georg  Lubomirski,  Ende 
des  17.  Jahrhunderts  unter  König  Kasimir  von  Polen,  ritt  ein  vollständig  arabisch 
ausgerüstetes  Pferd,  dessen  Bügel  wir,   Fig.  270^  nach  Racinet  wiedergegeben 
haben.     Wollen   wir  uns  für   die<se  Nachahmung  orientalischen   Geschmackes 
nach   einem  Yorbilde  aus  alter  Zeit  umsehen,  so  können  wir  Alexander  den 
Groesen  anfuhren,  welcher  nach  Diodor  17,   77,   als  er  auf  dem  Gipüel  seiner 
Macht  stand,   seine  Pferde  mit  persischem  Geschirr  ausrüstete.     Yon   diesem 
Vorgange  darf  man,   beiläufig  bemerkt,   die  Einfuhrang  des  persischen  Sattels, 
soweit  er  damab  ausgebildet  war,  an  Stelle  des  griechischen  Ephippinm  datiere. 
Näheres  findet  man  darüber  in  meinem  Aufsatze  über  die  Sittel  der  Alten  in  den 
Ann.  d.  Xass.  Altert  -Ter.  (Bd  XXI,  1889.  S.  21).  Da  übrigens  schon  Karl  Kartell 
den  Arabern  viele  Pferde  abnahm  und  Karl  der  Grosse  Znchthengste  von  dem 
KhaEfen  Haran-al-Raschid  erhielt,  so  mag  »cbon  damals  manches  orientalisebe 
Aosrüstangsstück  von  den  Franken  in  Gebrauch  genonmien  sein«    Der  in  F^ty,  fßfß 
abgebildete,  für  seine  Zeit  ungewöhnliche  Bügel  Biebards  L  von  England  vom 
Jahre  1200  hat  auch  orienulischen  Typus  und  Ähnlichkeit   mit  Fig.  ^p17  oder 
^1B\   ob   dabei   ein  Dnfluss   der  in  den  Krenzzngen  gemachten  Bekasntsdiaft 
mit  orientalischen  Ausrüstungen   m   sehen  ist.   mag  dahin  gesCeDt  UeibeB«   es 
wire  dies  dann  ein  vettere«  BeispieL    IKe  Abbildnngen  in  den  alten  Beitbfieheni 
des  16.  n.  17.  JahrtuBderts  ron  L/jfaneisen,  FlovipeL  Griso  u«  a.  zeigea  eben« 
80  viele  orientalische  al*  andere  BügeL  Fig.  252. 

Der  bei  unserer  Kzxkßerie  hvb  faeux^  venu  auch  mit  einigen  Vcrbeic rangen, 
beibehaltesie  Sattel  b^i&s?  ^d^  ongari^ebe  Boeksaixei^ :  «lein  Obergvrt  vird  darefa 
den  ,nngarä^ies  Kzy/uen'^  znhunsiytfoz^iuiiuaL  dessen  zeftraabenier  Sefafau« 
idir  venig  fsr  ;:i;«^«r  Terlütcibiie  pa«s.  Die  Form  der  nngariKb»  BigeL 
Fig.  22*».  iÄ  li*  ir  :;!;**?  Jatrhuden  La»«a  von  der  kxhf»  EavalkfK  nnd 
Artillerie  i^si  ü^r  ^ULa:«!L.  vSe  die  Flzum  ram  19.  Jafafaaisrt  zeigen,  i» 
aflgeaKises  V^.-^kh«  v.irien.  «/^  zspnkntth  «e  uaKstfitfa  Ür  rauoie; 
ist.  ▼»•V^  «i^^iieJ!  aVffvrag^-B  f^Aen  vnd  ithm  in  des  ^mipm  fUa^ 


216 


I 


Rinige  liemerkuitgeii  über  diu  iu  dou  Tatblu  uuLliaitcueii  Abl»i)üung4^ii 
aus  dem  16»  uod  IT,  Jahrhuodert  dürften  hior  arn  Platze  sein.  Den  l^nterschied 
gegen  die  lleDaissance-Formen  des  15.  Jahrhunderts  sieht  mau  am  deutlichsten 
in  den  Fig*  170y  174^  180^  181^  232  u,  a,,  welche  überdies  dario  übereiustimmou, 
dass  sie  oben  Äueammengedrückt  sind  und  sich  nach  unten  erweitern^  Der 
Bügel  Fi(f.  ISS  wird  von  Le  Vallet  (Le  chic  ä  cheval,  S*  85)  dem  14. 
Jahrhundert  zugeteilt;  ich  habe  ihn  hierhin  gesetzt,  weil  ich  ihn  dort  oiobt 
unterbriogen  kann.  Viollets  Gründe  kenne  ich  nicht,  die  Fürm  aber  scheint 
ihn  hierbin  zu  verweisen.  Dass  die  Farmen  lS7t  I&öj  lS*f  aus  Jost  Anuuans 
Wappen-  und  Turnierbuch  vom  Jahre  1589  diesem  Jahrhundert  angehören 
Bollen^  scheint  mir  zweifelhaft,  ich  würde  sie  für  älter  halten*  Ebenso  würde 
ich  die  Formen  24 J  u.  242,  welche  Deoimin  ins  17.  Jahrhundert  setzt,  etwa  ^ 
200  Jahre  zurückdatieren,  wenn  ich,  ohne  die  uahcrou  l  hnstände  zu  kennen,  B 
urteilen  wollte.  Den  Bügel  243,  welcher  im  Berliner  Zeughause  als  dem  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  angehörend  aufgeführt  ist,  umss  ich  ins  17.  setzen^  da 
Form,  Drehöse  und  Verzierungen  dafür  eprechen.  Mit  Fi<j*  240,  26 L  2(i2  weiss 
ich  gar  nichts  anzufangen.  Wenn  die  Yorsprünge  des  ersten  Reste  eines  ab- 
gebrochenen Üaenschlussos  sind,  so  kann  er  ins  15.  Jahrhundert  gehören,  und 
vielleicht  auch  der  folgende  Bügel;  den  letzten  könnte  man  ganz  gut  ins  17, 
oder  18,  setzen.  Die  undatierten  Bügel  absonderlicher  Form  machen  das 
meiste  Kopfzerbrechen!  Wunderbar  ist  ein  im  Palaste  Montecuculi  in  Venedig 
gefundener  Bügel,  Fitj,  254,  welcher  zum  Zusammenklappen  eingerichtet  ist. 
Der  Zweck  dieser  Einrichtung  ist  nicht  begreiflich,  da  er  die  Dienste  eines 
Sturzbügels  nicht  leisten  kann.  Ein  anderes  seltenes  Stück  zeigt  Fhj,  2ö6^ 
welche  den  Zeichnungen  von  B*  Zschille  in  Grossenhain  entnommen  ist  und 
ein  Pendant  zu  Fig.  297,  einem  Geschenke  des  Sultans  an  König  Otto  von 
Griechenland,  bildet.  Ersterer,  dem  17.  Jahrhundert  angehörend,  würde  einen 
Vorgänger  im  15.  Jahrhundert,  Fig,  lOßb,  haben,  wenn  die  Angabc  bei  Demmio, 
Waffenknnde,  S.  623,  No.  25,  richtig  ist.  Ich  selbst  muss  dieses  Stuck  im 
Münchener  Nationalmuseum  übersehen  uod  nur  für  einen  Sporn  mit  auffaltender 
Befestigung  gehalten  haben,  ich  gestehe,  nicht  recht  einzusehen^  wie  der 
Bügelriemen  angebracht  gewesen  sein  soll,  da  eine  Befestigung  an  der  vor- 
handenen oberen  Schiene  gewiss  recht  unpraktisch  gewesen  wäre. 

Fig.  236  ist  aus  W.  II.  Wildtj  Catalogue  of  Antiqu.  No.  47,  Fig.  504  cnt- 
nommeu.  Das  Original  befindet  sich  im  Schlosse  Bkoklostcr  in  Schweden,  südlich 
von  Upsala,  der  Familie  Brahe  gehörend.  Der  Graf  Wrangel  hat  zahllose 
Beutestücke  aus  dem  30jährjgen  Kriege  dort  zu  einem  Museum  vereinigt,  dar- 
unter auch  verschiedene  Steigbügel.  Der  unsere  ist  5  engl  Zolle  hoch  und 
4  breit,  die  radförmige  Sohle  hat  2^/i  Zoll  im  Durchmesser,  Die  Korbbügel 
Fig.  201,  202,  203,  255j  treten  an  die  Stelle  der  schweren  Eisenachuhe  2t^^ 
205,  206,  149,  150 \  einzelne,  wie  Fig,  100,  sind  sehr  klein,  für  Knaben  bestimmt« 
Kinderbügel  finden  sich  überhaupt  in  den  Sammhingen  häufig,  Fig*  17$,  J359,] 
329.  Es  ist  leider  nicht  möglich  gewesen,  alle  Bügel  in  demselben  Maassstabe 
zu  geben,  da  die  Umstände  in  der  Regel  eine  genaue  Zeichtiung  nnlif  \''o^atn\ 
auch  die  Angaben  in  Büchern  meistens  keine  Maasse  enthalten. 


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■ühJI 


217 

Das  18.  Jahrhundert  zeigt  wieder  wesentlich  einfachere  und  nöehtcrnere 
Formen.  Die  Schenkel  sind  schmal  —  Ziethens  Husarenbügel  (Fi(f.  ^6H)  natür- 
lich ausgenommen,  welche  die  ungarische  Form  behalten  haben  —  die  Öse  ist 
drehbar  oder  fest  mit  dem  Bügel  verbunden,  die  meist  offene  Sohle  pflegt  mit  den 
Schenkelenden  abzuschneiden.  Stücke  aus  diesem  Jahrhundert  sind  merkwürdiger- 
weise fast  in  keiner  Sammlung  zu  finden  und  viel  seltener  als  solche  aus  dem 
16.  oder  17.  Jahrhundert.  Künstler  geraten  in  Yerlegenheit,  wenn  sie  historische 
Bilder  aus  diesem  Jahrhundert  anfertigen  sollen,  und  sind  fast  allein  auf  Ab- 
bildungen beschränkt.  Bügel  Friedrichs  des  Grossen  befinden  sich  im  Hohen- 
zollero-Huseum  in  Berlin,  Fig.  366;  sie  sind  genau  dieselben  wie  die  Kürassier- 
Bügel  seiner  Zeit  Am  Denkmal  des  grossen  Königs  unter  den  Linden  hat 
die  Sohle  keinen  ZwiBchensteg.  Ganz  dieselben  Bügel  wie  J^66  empfiehlt  de 
la  Gueriniere  als  die  besten.  Ähnlich  waren  die  Bügel  von  Friedrichs  Generalen, 
Fiff.  26:^.  Die  Drehringe  an  den  Ösen  verschwinden  wieder,  letztere  stehen 
häufig  quer  zur  Bügelflache. 

Im  19.  Jahrhundert  herrscht  die  grösste  Yerschiedenheity  der  franzosische 
Geschmack  hat  dem  englischen  Platz  gemacht.  Die  Offiziere  der  preustischen 
Armee  führten  anfangs  halbmondförmige  Bügel,  Fiy.  277^  jetzt  englische  Fig.  278. 

Die  für  die  Bocksattel  in  der  Armee  eingeführten  Bügel  der  Mannschaften 
zeigt  Fig.  281j  im  Laufe  der  Zeit  sind  sie  etwas  erweitert  worden,  weil  die 
reitenden  ArtiUerister.  beim  Abspringen  häufig  darin  sitzen  blieben.  Dem 
ungarischen  Sattel  entsprechen  aber  diese  Bügel,  welche  bis  auf  den  heutigen 
Tag  die  rundliche  Form  mit  breiter  Sohle  beibehalten  haben.  Fig.  283  ist  ein 
fraozösiseber  Bügel  von  1870.  Fig.  288  ist  ein  russischer  Artiüerie-Bfigel 
mit  dreikantigem  Schenkel;  früher  hatte  die  Artillerie  dieselben  Bügel  wie  die 
preussische  bdm  Material  von  1810,  mit  runden  unten  etwas  verbreiterten 
Sehenkeln  und  kreisförmiger  Sohle.  Die  Bügel  der  Chevalier-Garde  von  1827 
nntefscheiden  sich  nur  durch  eine  ausgezackte  kreisförmige  Sohle  (^Fig.  2H7)^ 
ganz  anders  sind  die  der  Leibgarde-Ulanen  (Fig  286).  Die  Originale  befinden 
sich  sämtlich  im  Berliner  Zeogfaaose. 

Es  seien  nur  noch  die  Fig.  27U  abgebildeten  Sturzbugel  erwähnt,  welche, 
wenn  der  Foss  des  Reiters  in  ihnen  hängen  bleibt  und  also  der  Druck  auf  die 
Sohle  aufhört  und  ein  Ziehen  am  auswendigen  Schenkel  eintritt  —  sie  mfissen 
dem  entsprechend  eingezogen  werden  —  sich  oben  in  der  Bogelose  offoen  und 
so  den  Bägd  vom  Bien>en  befreien.  Sie  funktionieren  ganz  neber  und  verfain« 
dem  das  Gesehleifrwerden. 

Ein  Bügel  vom  kleinen  Araber  Napoleons  L«  Fig.  2tf3  ist  im  iPreadwer 
Johaaneiun.  er  ectsprichr  geoan  der  von  Le  Tauet  «etrier  ä  grille  modele  cbez 
Ic  roi*  genaanten  Form,  Fig.  274. 

Ich  will  nicht  unterUssea.  ein  Knnütwerk  hiier  zo  ervähfien,  vekbei  ein 
eiagehenies  Scadiam  der  S^gbogelfcMiiien  verrät.  Dämlicb  das  von  W.  Walter, 
anf  dem  konf^üeLen  .Scallgebiade  in  Dresden  bergesteDte  KdosaaMSenäUe, 
welches  die  gasz«  Jj^nzf:  der  Angnsta-StraMC  eimuBBtt  umd  die  täekiMebe» 
FiffMen  in  Ua^a  Z'i^*:  vom  12.  b»  l-f-  iahthiuA^rt  ra  If^rle  in  hwirisdi 
Tracht  dantdö. 


IIB 


Was  über  «lie  äusseren ^^piii^ehetl  Bögfl  zu  sagen  ist,  geht  grosseii- 
tmh  aus  fler  Erklärung  der  Tafeln  liervor.  Es  wird  hier  keineswegs  Vollständigkeit 
bearidprufht^  Bondern  nur  gegebou^  was  «ich  gelogentlich  zusumiiiengefuuden  hau 

Wunderliche  Formen  zeigen  die  zusararaengestclltcn  Holzbügel,  welche 
alle  unserem  Jahrhundert  angehuren.  Bei  allen  ist  die  obere  Wölbung  an- 
nähernd kreisförmig  und  die  Sohle  Hach»  ausser  bei  dem  ostpreussischen^ 
welcher  länglich  ist.  Die  Fig.  314  und  315  sind  araukanischen  Ursprungs  und 
von  schwerem,  massiven  Silber  gearbeitet.  Ausser  den  abgebildeten  befinden 
sieb  noch  mehrere  ähnliche  im  Berliner  Völker-Museum.  Die  Fi(j.  J^l^i  zeigt 
einen  bronzenen  Steigbügel  aus  Süd -Vorderindion,  welcher  mit  Rasselstit>en 
versehen  ist.  Die  Sohle,  welche  die  Form  einer  Pferdekartätsche  zeigt,  ist  hohl 
und  statt  der  Borsteubündol  mit  bronzenen  Sfeifteu  von  etwa  3  mm  Dicke  und 
2  cm  Länge  versehen,  welche  sich  in  Lüchern  im  unteren  Boden  hin-  und  her» 
bewegen  und  ein  klapperndes,  für  börbarische  Ohren  gewiss  sehr  angenehmes 
(Jeräusch  machen.  Unsere  Schellenbügel  im  Mittelalter  bilden  eine  Parallele 
dazu.  Fitj,  320  ist  ein  Bügel  von  Bu§*alo-Bills  Keiterri  aus  West* Amerika, 
von  Eisen^  sehr  weit  und  breit.  Der  Kern  ist,  wohl  um  den  Rost  zu  ver- 
decken, mit  Leder  überzogen  und  das  Ganze  mit  einem  grossen  Lederschurz 
überdeckt,  w^elcher  zur  Seite  fast  einen  halben  Meter  herunterhängt,  Er  soll 
den  Fuss  gegen  Sonne  und  ^^ässe  schützen  und  wohl  auch  AugriflFe  von  Fliegen 
vom  Bauche  des  Pferdes  und  dem  Fuaao  des  Reiters  abhalten.  Die  japanischen 
Bügel  sind  von  schon  lackirtem  festem  Holz.  Die  Orientalen  benutzten  die 
scharfen  Spitzen  ihrer  schaufelförmigen  Bügel  (F/>/,  319  u.  a.)  statt  des  Sporns, 
um  das  Pferd  auzutreiben.  Viele  bei  fremden  Völkern  gefundene  Bügel  sind 
nicht  national,  sondern  einfach  von  Europäern  eingefiihrt. 

Zum  Schlüsse  muss  ich  noch  einen  Bügel  besprechenj  der  vielfach  als 
Steigbügel  angesehen  wird,  aber  keiner  ist,  näralich  den  in  Fuj,  344  u,  349 
abgebildeten  Armbrust bügel.  Erhat  oben  zwei  Lappen,  mit  welchen  er  auf 
der  Mitte  des  Bogens  mittels  Riemen  festgebunden  wird.  Beim  Spannen  der 
Armbrust  trat  der  Schütze,  nachdem  er  dieselbe  gesenkt  hatte,  mit  dem  Fusae 
in  diesen  Bügel,  um  nicht  den  gauzen  Druck  mit  der  Brust  auszuhalten.  Alle 
diese  Bügel  haben  ungefähr  dieselbe  Weite  von  10  cm,  sind  dreieckig  und  auf 
der  Aussenseite  der  Sohle  mit  einem  scharfen  Grat  versehen.  Vier  solcher 
Bügel  betinden  sieh  im  märkischen  Proviuzial-Museum  in  Berlin,  je  einer  itt 
München,  Wiesbaden,  Nürnberg,  Linz  a.  d,  Donau  und  in  anderen  Sammlungen. 
Im  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  (neue  Folge,  Nürnberg,  Mitt.  d, 
German.  Mus.  XXVIII,  1881,  S.  134)  wird  ein  solcher  als  Sattelbügel  abgebildet, 
aber  als  undatiert  und  unbekannter  Herkunft  bezeichnet;  es  ist  eben  ein  Arm- 
brustbügel,  welcher  dem  15.  Jahrhundert  angehören  kann. 

Obgleich  die  Armbrust  eine  sehr  alte  Waffe  ist  und  vom  12,— 16*  Jahr- 
hundert zur  Bewaffnung  der  Heere  gehörte,  so  sind  doch,  wenigstens  in  Frankreich, 
wie  VioUet-le-Duc  angiebt,  keine  älteren  Exemplare  als  aus  dem  15.  Jahrhundert 
vorhanden,  Schöne  Exemplare  von  Armbrüsten  aller  Art  sind  im  Dresdener 
Johanneum.  Wir  geben  eine  kleine  Auswahl  solcher  Bügel  {Fftf.  34r» — 34(9) 
vom    14.— 16.    Jahrhundert.      Die   Waffe  M'^S    ist    für    den    Gebrauch    %u 


I 


219 

Pferde  bestimmt;  wurde  sie  zu  Fuss  gebraucht,  so  trat  der  Spanner,  auch 
wenn  er  sich  des  Geissfusses  oder  einer  anderen  Maschine  bediente,  mit  dem 
Fuss  in  den  Bügel,  um  die  Armbrust  festzuhalten.  Wir  sehen,  dass  wenigstens 
in  Frankreich  die  BGgel  ihre  Form  dem  Zeitgeschmack  anpassten,  in  Deutschland 
scheint  dies  nicht  der  Fall  gewesen  zu  sein,  die  späteren  haben  nur  kleine, 
viereckige  Bügel. 

Ein  ähnlicher  Irrtum,  wie  er  in  diesem  Falle  begangen  ist,  kann  bei  den 
Bugein  Torkommen,  welche  unsere  Schmiede  zum  Bewegen  ihrer  Blasebälge  mit 
der  Hand  erfassen;  sie  sind  Steigbügeln  oft  sehr  ähnlich  und  haben  die  ab- 
sonderlichsten Formen.  So  lange  sie  am  Blasebalg  hängen,  wird  eine  Ver- 
wechslung allerdings  nicht  eintreten,  wohl  aber,  wenn  sie  gelegentlich  gefunden 
werden. 

Als  dritter  derartiger  Bügel  ist  der  am  Tragoriemen  des  einspännigen 
rbeioischen  Karrenfuhrwerks  befindliche  zu  nennen,  in  welchem  die  Scherbäume 
ruhen,  dessen  oft  kolossale  Abmessungen  zu  wunderlichen  Anachronismen  Ver- 
anlassung geben  könnten. 

EIndlich  sind  noch  die  schon  in  den  Keltengräbern  in  Uallstadt  vorkom- 
menden, der  Römerzeit  angehörenden  Geräte  zu  erwähnen,  deren  eines  mir  in 
einer  Sammlung  von  dem  Diener  gleichfalls  als  Steigbügel  bezeichnet  wurde; 
in  Wirklichkeit  sind  es  Eissporen,  Fig.  350.  Sie  haben  auf  der  Unterseite 
einige  Spitzen  und  wurden  vermutlich  mit  Riemen  am  Fusse  befestigt.  Die 
Sohle  ist  8—11  cm  weit.  Schon  y.  Sacken  bildet  ein  derartiges  aus  Hallstadt 
herrührendes  Steigeisen  ab  (Taf.  XXVI,  10).  Mit  Hilfe  einiger  Riemen  könnten 
sie  allerdings  zur  Not  als  Steigbügel  dienen. 


Hiermit  schliesse  ich,  indem  ich  diesen  Versuch  nicht  allzustrenge  zu 
beurteilen  bitte.  Ich  habe  mich  vielfach  dem  Urteile  derjenigen  anschliessen 
müssen,  welche  die  Stücke  besprochen  haben ;  ohne  Kenntnis  der  näheren  Um- 
stände ist  es  nicht  möglich,  eine  eigene  Meinung  aufzustellen.  Demjenigen, 
der  alle  Einzelheiten  kennt,  wird  es  leicht  werden,  bei  diesem  oder  jenem  Fund 
meine  Ansicht  zu  berichtigen,  mir  war  dies  bei  so  vielen  einstweilen  nicht 
möglich.  Ich  hoffe  selbst,  da  ich  weiter  sammle,  zu  besseren  und  umfassenderen 
Resultaten  zu  gelangen  und  werde  sehr  dankbar  sein,  wenn  mir  aus  dem 
Kreue  der  Leser  nutzbare  Mitteilungen  zugehen.  Besonders  angenehm  wird 
es  mir  sein,  ganz  sicher  datierte  Stücke,  auf  die  es  ja  hauptsächlich  ankommt, 
mit  den  Beweisen  ihrer  Achtheit  kennen  zu  lernen. 


220 


IV. 

Erklärung  der  Abbilduugen,  Angabe  der  Quellen^  der  Fund-  und 
Aufbewahrungsorte^  der  Besitzer  u.  a« 

No.  Jahrhundert. 


1   U.   2 


3  u.  4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 
18 


19 
20 
21 
22 
23 
24 
25 
26 
27—34 

35  u.  36 

37 

38 

39 

40 
41  u.  42 

43 


Älteste  Darstellung  von  Steigbügeln  auf  einer  Sassa- 
niden-Silberschüssel  nach  Hampel  (Der  Goldfund 
von  Nagy-Szent-Miklos,  8.  90) 

Fund  von  Eesthely  in  Ungarn,  aufbewahrt  im  Un- 
garischen National-Museum  in  Pest    .... 

Fund  von  Ordas,   Ungarn,  erster  Typus,  Pest    .     . 

Püspök-szent-Erzsebet  (heil.  Elisabeth),  Ungarn,  Pest 

Lomes,  Ungarn,  Pest 

Szentendre  (St.  Andreas),  erster  Typus,  ebenda    .     . 

Ordas,  zweiter  Typus,  ebenda 

Szegedin,  erster  Typus,   ebenda    ....... 

Szentendre,  zweiter  Typus,  ebenda    .     .     .     .     .     . 

Nagy-Manyok,  ebenda 

Bicacs,  ebenda 

Szegedin,  zweiter  Typus,  ebenda 

Szeged-Öthalom,  ebenda 

Szentes,  ebenda 

Pilin,  ebenda 

Allgemeiner  Typus  einer  Anzahl  Piliner  Bügel,  wel- 
che in  Archaeolog.  ertesitö  von  Hampel  abge- 
bildet sind 

Nesmely,  Ungarn,  Pest 

Szolyva,   ebenda      .     .- 

Galgocz,  ebenda 

Rakos,  ebenda 

Szeged-Bojarhalmi,  ebenda 

Pusta-Vereb,  ebenda 

Porös,  ebenda 

Ungarischer  Bügel,  Fundort  unbekannt,  ebenda    .     . 

Acht  ungarische  Bügel  späterer  Zeit,  ohne  genaue 
Datierung,   ebenda 

St.  Veit  bei  Wien,  Nat.-hist.  Museum,  Wien  .     .     . 

St.  Veit,  die  Sohle  ist  vernietet,  Wien,  ebenda    .     . 

St.  Veit,  Wien,  ebenda 

Feistritz  in  Krain,  Wien,  ebenda 

Mordwinischer  Bügel,  nach  Aspclin 

Imraenstedt  in  Schleswig,  Nachbildung  im  Museum 
zu   Mainz 

Eckernforde?  aus  Mestorf  (Vorgeschichtl.  Altert,  v. 
Schleswig-Holstein),  Kiel 


IV -V 


VI 


n 

VII 

« 

V 

IX-X 

V 

1t 


X 

Jt 
n 
Jt 
Jt 

XI 


VI— VIII 
VIII 

x-xi 
vni 

IX 


221 


No. 

44 

45 

46—48 

49 
50 

51 
52-54 

55  u.  5ß 

57 
58—59 

60-65 

66 

67-75 


76 

77 

78 


79 

80  u.  81 
82  u.  83 

84a 

84  b 

85 

86 
87 
88 


Bei  MaiDz  im  Rhein  gefunden,  Mainz 

Holstein,  Kieler  Museum 

Nach  Rygh  (Norske  Oldsager)  in  Norwegen  gefunden, 
Christiania 

Nach  Worsaae  (Nord.  Altert.)   in  Dänemark  gef.     . 

Nach  Worsaae  und  Lindenschmit  in  Schleswig  gef., 
Kopenhagen      

Nach  Worsaae  aus  Dänemark 

Buge!  ausWiskiauten  in  Ostpreussen,  nach  Olshausen, 
Königsberg 

Ascheraden  in  Livland  in  Gräbern  der  Waräger- 
Russen,  nach  Kruse  (Nocrolivonica,  Atlas  V,  5) 

Merisch-Ugrischer  Bugel,  nach  Aspelin 

Ascheraden,  Livland,  nach  Bahr  (Gräber  der  Liven, 
Taf.  16,  Fig.  6  u.  7) 

Ostpreussen,  Samland.  Aus  der  Waifensammhing  von 
Blell  in  Lichterfelde  bei  Berlin 

Aus  einem  wendischen  Burgwall.  Provinzial-Museum 
in  Berlin 

Dolkheim  in  W ostpreussen.  Aus  der  Waffensammlung 
und  nach  Zeichnungen  von  R.  Zschille  in  Gros- 
senhain bei  Dresden.  72,  78  u.  74  sind  mit  Mes- 
sing und  Silber  tauschiert,  71  war  versilbert    . 

Riemenbügel,  Skulptur  an  einer  Kirche  in  St.  Julien, 
Frankreich,  nach  Demmin  (Waffenkunde)     .     . 

Riemenbügel,  nach  dem  Psalterium  aureum     .     .     . 

Riemenbügel,  Holzschnitzwerk  an  einer  isländischen 
Kirchenthür,  einen  skandinavischen  Ritter  vor- 
stellend, Demmin,  Kopenhagen 

Angeblich  genaue  Kopie  einer  Figur  des  sogenannten 
Schachspiels  Karls  des  Grossen,  nach  Yiollet-le- 
Duc  V,  69.     Die  Öse  sitzt  quer 

Nach  Yiollet  V,  69  u.  71.    Öse   quer 

Dreieckige  Bügel  anscheinend  mit  gebogenen  Schenkeln, 
nach  dem  Psalt.  aur 

Wahrscheinlich  Holzbügel  aus  dem  Codex  Egberti 
(Bonner   Jahrbücher  Bd.  70,  S.  56)     .     .     *     . 

Nach  dem  Evangelium  von  Echternach,  nach  Janit- 
scheck 

Nach  einem  Wandgemälde  aus  der  Kirche  zu  Velemer 
in  Ungarn,  nach  Magyar  regesceti  emiek      .     . 

Nach  einer  Bamberger  Handschrift 

Von   der  Tapete  zu  Bayeux,   nach  Yiollet  UI,  431 

Reitersiegel  des  Grafen  von  Flandern  nach  Demay  . 


Jahrhundert 
IX 


IX-XI 

VIII- -XII 

VlII-XI 

VI-XI 

IX-XIH 

VIII 
IX 

ix-xri 

IX 

X  E. 
X 


XI 
XII 


^^^H 

■ 

^^^^H 

Jahrhundmr 

^^^^B 

Runder  Bügel   a)  mit  RietneD,  b)  mit  Ketten;  drei- 
eckiger Bügel,  c)  mit  Riemeu,  d)  mit  Ketten,  nach 

Deraay 

XII— xiv 

^^^P 

Aquamanile  aus  dem  Museum  zu  Kopenhagen,  nach 

Demmin 

XIII-XIV? 

^^H 

Ostprcussischer  Bügel,  Sammlung  Blell 

itoo 

^^H 

Aus   dem    Ilortus  deliciurum,   Ausg.   von  Eugelliard, 

^^^H 

Taf.  7  u.  3 

XFI 

Fragment  von  einem  Kapital  der  Kirche  zu  V^zelay 

in  Ungarn,  nach  VioUet  lU,  432 

iiao^l 

^^H 

Bügel  Richards  L  von  England,  zweites  Siegel,  nach 

1 

Mejricks  Critical  Enquiry,  Platte  13     .     .     ,     . 

XII  E.     1 

^^H 

Bügel   mit  vorgebogener   Öae,   nach  Yiollet,  wie  Bio 

■ 

vom  9.  bis  14.  Jahrhundert   üblich  waren     .     . 

iX-XI^ 

^^H 

ITäufigöte  Bügelfurmen  vom  10.  bis  14.  resp.  IG,  Jahr- 
hundert,  nach  dem  Freydal,  Ausg.  von  Leitner 

8.  22,  33,  34,  49,  lOl/ 102,  105 

(  X-XIV 

^^H 

Bügel  an  Altarschnitzereien,  d.  heih  Martin  betreftend. 
Mus.    des   Sachs.  Altert.- Ver.   im   gr.  (j arten  in 

iresp.  XVI 

Dresdeu       . , 

1 500  u.  1521 

^^H 

Aus  einem  lateinischen  l^salter,  Viollet  111,  433  .     , 

XIII  A. 

^^H           ^^^ 

Vom  heil,  Georg  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Esaliugen, 

nach  Lübke,  Gesch,  der  Plastik 

XIII 

^^H 

Aus    der    Hiatoire    de    la    vie   et    des    miracles   de 

St.  Louis,  nach  Viollet  III,  460 

13(»0 

^^^B 

Bügel   des  Herzogs  IleiDrich   resp.   seines  Knappen, 

iu  der  Manesse  Liederhandschrift 

XUI 

^^H 

Statue  des  heil.  Stephan  im  Dom  zu  Bamberg,  nach 

M 

Lübke,   Gesch.   der  Plastik 

"  ^ 

^^H 

Damenbügel,  nach  Lübke,   ebenda 

XIV     ■ 

^^H 

Nach  Rygh    (Norske  Aarsberetning   for  1882).  >*'or- 
wegischer  Bügel    Die  Schenkel  sind  mit  Bronze 

4 

besehlagen.   Christiauia 

800—1050 

^^H                     108 

Nach  Rygh,  Norske  Oldsager,  in  Norwegen  gewöhn- 

lichste Form     , 

n 

^^H                     109 

Nach  Monteliuö.    Schwedischer  Bügel 

700-1050 

^^H           110 

Aus  der  BleU'schen  Sammlung,    Ostpreussen   .     .     . 

m 

^^H            111 

Wiakiauteo,  Ostpreussen,  nach  Olshausen.    Königsberg 

X 

^^H 

Städtische»  Museum  in  Braunschweig,  Herkunft  unbe- 

^^H 

kannt       

X? 

XV 

Angeblich  Mailänder  Bügel.  Germ.  Mus.  iu  Nürnberg 

^^H                      114 

Nach  Mestorf,  Vorgesch.  Altert  von  Schleswig*HoI- 

steiu.    Kiel 

XI?  ^ 

223 


^0.       \ 

115  Eisenbiigel  mit  Silbertauschierung  nach  Mestorf,  Ka- 
I  talog  des  Mub.  zu  Kiel 

116  Aus  der  BleH'schen  Sammlang,  Ostpreossen    .     .     . 

117  Aus  der  Zsehille'scben  Sammlung, -Westpreussen 

118  I  Nach  Wilde,  Catalogue  of  Antiqu.  Bügel  aus  dem 
I  Museum  zu  Skokloster  in  Schweden     .... 

119  Nieder-Finow,    Prov.    Brandenburg,    angeblich    dem 

13.  bis  14.  Jahrhundert  angehörend.  Mark.  Prov.- 
Mus.  Berlin 

120  Flaschenformiger  aragonischer  Bügel,  nach  Böheim 

dem   13.,   nach  Demmin  dem   14.  Jahrhundert 
angehörend 

121  \  Nach  dem  Anzeiger  für  Kunde  d.  deutsch.  Yorz.  Neue 
I  Folge.  Nürnberg,  Germ.  Mus.  28.  Bd.  1881, 
!  S.  134,  14 

122  !  Deutscher  Eisenbügel,  nach  Demmin,  Sigmaringen  . 

123  a        Statue  des  heil.  Georg,  Prag 

123  b        Nach  einer  Miniatur  der  Weingartner  Liederhand- 

sehrift   zu  Stuttgart ... 

124  Nach  den  Miniaturen  zu  Lancelot  du  lac,  Paris.  Nat- 

Bibüoth 

125  Statue  Eonrads  HL,  Dom  zu  Bamberg 

126  Bügel  ohne  Öse,  nach  P.  Lacroix  (Moeurs,  nsages  et 

costumes  du  moyen  äge  U,  15) 

127  Miniatur  aus  der  gemalten  Handschrift  der  Jahrb.  t. 

Genua,  nach  Stacke,  D.  Gesch.  I,  400.  Der  Bügel 
scheint  an  einer  Kette  befestigt 

128  Vergoldeter  eis.  Bügel,  nach  YioUet   dazu  soll  ein 

Kissen  gehört  haben 

129  Aus  Histoire  de  la  rie  et  des  miracles  de  St  Louis, 

nach  VioUet  III,  460 

130  Fragment  eines  kupfernen  Armleacbters,  nach  Yidlet 

I,  401 

131  Wie  129,  nach  Viollet  III,  444 

132  Ans  einem  Mannskript  der  Pariser  Nat.*BibliotlL,  nach 

Yiollet  UI,  467 

133  Wie  129,  nach  Viollet  m,  439 

1-34  Südfiranzosischer  Jagdbügel,  nach  Böheim  .... 

135  Linker  Bügel  für  Sehnabelschnlie  (solerets  depoufauiie), 

nach  VioDel,  dazu  gehörte  ein  Kissen  .... 

136  Jüterbock,  mit  einem  goldenen  Magdeborger  Bractea- 

ten  und  einem  Sporn  ans  dem   12.  Jakrlmiidert 

gefiiodea.  aber  wohl  spater.  Berliii,  M.  ProT.^Moi. 

ISi        j  Sacrow-Pareu  (Putadamj  ebenda 


Jahrhnnderi. 


VIII~XI 
XI— XII 


XUI-XIV? 


p 
XUI? 
XIV 


1304 

XIU 

XIV  E. 

1300 

XIV 

9 

1480 
1390 
XIV 

XIV  E. 


xv? 


224 


No. 

138  Gleissen,    Schenkel    nach    hinten    zu  weiter  gestellt, 

ebenda    

139  Oross-Beeren,  ebenda 

1 40  Deutscher  Bügel,  ebenda,  nach  Angabe  Alfieris  älter 

141  Kaukasischer    Bügel,    Berlin,    Zeughaus,     angeblich 

1500  bis   1700 

142  Eiserner  Bügel,  ebenda 

143  Nach   Demmin,    zu    einem  Elfenbeinsattel    gehörend, 

Berlin 

144  Hohen-Lübichow,   Brandenburg,   Prov.-Mus.  Berlin  . 

145  Aus  einem  sächsischen  Grabe,  mit  ähnlichen  zusam- 

men.   Mus.  des  Sachs.  Altert.-Yer.,  Dresden 

146  Schandau,  ebenda    

147  Ungarischer  Bügel   aus  der   kais.    Waifensamml.   in 

Wien,  No.  192 

148  Ungarischer  Bügel,  ebenda,    No.  112 

149  Frauen-  oder  Turnierbügel?  mit  durchbrochener  Arbeit, 

nach  Demmin,    Paris,  Artill.-Mus 

150  Englischer  Eisenschuh,  nach  Demmin,   Schloss  War- 

wick 

151  Peldharnisch-Bügel,  nach  Sacken,  Ambraser   Samm- 

lung, Wien 

1 52  Erippensattelbügel ,     unsymmetrisch  j    nach    Böheim, 

S.  207.    Bei  Demmin  ist  er  verkehrt  gezeichnet 

153  Statue  des  Erasmus  de  Narni  im  Berliner  Mus.  .     . 

154  München,  National-Mus 

155  Museum  in  Linz  a.  d.  Donau 

150  u.  157    Ungarische    Bügel    von  Eisen,    mit    Messing    belegt, 

Kais.  Waffensamml.  in  Wien,  No.  77  u.  78 

158  Bügel  aus  zierlich  durchbrochenem  Eisen,  Saal  Maxi- 

milians I.,  ebenda,  No.  37 

159  Statue  des  Bart.  Colleoni,  Berliner  neues  Mus.    .     . 
IGO  Arabischer  Bügel,  reich  mit  Silber  und  Gold  nielliert, 

nach  Demmin 

161—163      Gotische  Bügel,  nach  Zschille 

164  Schmiedeeis.  Bügel  zum  Schutze  des  Knöchels,  nach 

VioUet  und  Demmin 

165  Nach  Lacroix  IV,  119 

166  a        Bügel  eines  türkischen  Kriegers  auf  einem  Holzschnitt 

von  Hans  Guldenmundt,  nach  Stacke,   Deutsch. 

Gesch.  H,  97 

166  b         Angeblicher  Sporensteigbügel   des  Herzogs  Christian 
von  Bayern,  München,  nach  Demmin  .... 


Jahrhandert. 
XV? 


XV  E. 

.? 

j)  • 
um  1500 


XV 


XV  E. 
XIV  R. 

XV  A. 
XV-XVI 


XV 

XVI 
XV 


225 


Ko. 

167  Bügel  des  Erzherzogs  Ferdinand,  nach  von  Sacken, 

Ambraser  Sammlung,  Wien 

168  u.  169    Deutsche  Bügel,  München,   National-Mus 

170  Rheinischer  Bügel  mit  durchbrochener  Arbeit,  nach 
Racinet  II,  87 

171  Vergoldeter  Muschelbügel,    München,    National-Mus. 

172  Bügel  des  Herrn  v.  Fugger,  nach  Hiltl,  Waffensamml. 
des  Prinzen  Karl,  Berlin 

173  Rost  eines  Bügels,  vorn  gerade  und  scharf  gemacht, 
hinten  halbkreisförmig,  königl  Waffensamml.  im 
Johanneum  zu  Dresden 

174  Italienischer  Bügel  aus  vergoldetem  Messing  mit  Ver- 
zierungen in  italienischer  Renaissance.  Kais. 
Waffensamml.  in  Wien 

175  Bügel  des  Kurfürsten  Georg  von  Brandenburg,  Jo- 
hanneum in  Dresden 

176  Bügel  Augusts  I.  von  Sachsen.  Die  Schenkel  haben 
5  Reifen,  der  Rost  drei  Stangen,  hängt  vorn 
tiefer  als  hinten,  ebenda 

177  Bügel  mit  vorgebogener  Öse,  damit  er  vorn  nicht 
tiefer  hängt,  ebenda 

178  Bügel  mit  vorgebogener  Öse,  nach  Viollet  .... 

179  Muscheln  an  der  Sohle  und  der  Öse 

180  Kleiner    Prachtbügel    eines    Prinzen,    Dresden,   Jo- 

hanneum      

181  Deutscher  Bügel  aus  vergoldetem  Messing,  mit  meister- 

haften Reliefs,  kais.  Waffensamml.,  Wien,  No.  386 

182  Prachtbügel    mit    Edelsteinen    besetzt,'    Sohle    voll, 

wahrsch.  16.  Jahrhundert,  Dresden,   Johanneum 

183  Bügel  mit  drehbarer  Öse  und  ovalem  Rost,  nach  Le 

VaUet,  S.  45 

184 — 189      Aus  Jost  Ammans  Wappen-  und  Stanmibuch,  Frank- 
furt a.  M,  bei  Siegmund  Feyrabend,  1589  .     . 

190  Bügel  zum  Scharfrennen,  Dresden,  Johanneum    .     . 

191  Von   einem   Stechsattel  Kaiser  Maximilians  II.,    aus 

dem  Freydal,  S.  48 

192  Aus  der  Bleirschen  Waffensamml 

193  Bügelösen,  München,  Nat.-Mus 

194  Sehr   grosser   Bügel   für    breite   Mailänder   Schuhe, 

München,  Nat.-Mus 

195  Desgl.,  ebenda 

196  Deutscher  Bügel,  ebenda,  wohl  17.  Jahrhundert  .     . 

197  Ebenda,  gehört  wohl  auch  ins  17.  Jahrhundert   .     . 

198  Bügel  Karls  V.,  nach  Hirth 


Jahrhundert. 
XVI 


XVI  E. 
XVI 

? 

n 

1550 
XVI? 
,  E.? 


E. 


XVI? 
XVI? 
XVI 


15 


^^^^       226 

^^^^^^1 

■ 

^^^H 

Jahrb^MP 

^^^H            199 

Bügel  für  Mailänder  Schuhe,  Möncheü,  Nat,-Mu6.     . 

XVI 

^^^H 

Deutscher  Bügel,  Berliner  Zeughaus,  1530  bis  1540 
datiert,  doch  vielleicht  dem  17.  Jahrhundert  an- 

1 

gehörend 

n  m9 

^^^H 

Grosser  Korbbügel,  Berlin,  Zeughaus 

^1 

^^^1           202 

Kleiner  Korbbügel  für  ein  Kind,  ebenda     .... 

^^H 

^^^H           203 

Prunkbügel  Kaiser  Maximilians  IL,   nach  Böheim     . 

^H 

^^^H 

Eiaenschuh,  nach  Demay 

n-^^^H 

^^^H 

Englischer   Turnierbügel,    nach    Mejrrick:    Engraved 

^^^1 

lilustrations  of  Ancient  Arms   PI.   VIII,    Fig.  9 

154^« 

^^^H 

Ritterbügel,  Bleirache  Sammlung 

XYI    ■ 

^^^H 

Eisenachuh  mit  Seitenblechen  auf  der  äusseren  Seite, 
Mus.    für    Kunstgewerbe    in    Magdeburg.     Der 
Bügel  ist  von  vergoldetem  und  ausgelegtem  Eisen, 

m 

^^^H 

undatiert 

^^^^1 

Bügel  Friedrichs  IIL,  Herzogs  von  Liegnitz  und  Berg, 

nach  V.  Sacken,  Wien,  Ambraser  SammL     .     . 

^  Aj| 

^^^H 

Bügel  der  Herzogin  von  Savoyen,  nach  Racinet  .     . 

^H 

^^^V 

Bügel  Karls  V,,  nach  Racinet  IV,  260 

IT   ^^^^H 

^^m           210a  u.  b 

Bügel  für  Entenschnabelschuhe,  nach  Demmin,  Wien, 

^^1 

Ambraser  Samml.,  und  Meyrick  Fl,  IX,  Fig.  4  . 

D  ^^^^M 

^^^H 

Vom  Sattel  Kaiser  Maximilians  1.,  Wien,  kais.  Waf- 

^^1 

fensamml.  No.  195 . 

1510  ■ 

^^^1 

Ungarischer  Bügel  vom  Reitzeuge  Erzherz.  Ferdinands 

■ 

von  Tirol,  ebenda  No,  410     ....     , 

1583    ■ 

^^^B 

Desffl.»  ebenda  No.  477 

XVI  E. 

^^^^      2M  u.  215 

Eiserne,    ciselierte    Bügel,    wahrscheinlich  für  Maul- 

tiere, nach  Demmin 

1585    1 

^^^B 

Eiserner  Bügel  in    getriebener   und    durchbrochener 

■ 

Arbeit,  nach  Demmin,  London,  Tower     ,     .     . 

XVI    ■ 

^^^H          217 

Ungarischer  Bügel  aus  verzinntem  Eisen,  nach  Böheim 

^1 

^^^H 

Eisenbügel,  München,  Nat.-Mus .     , 

9f     ^^^1 

^^^H          219 

Persischer  Bügel  aus  einer  Handschrift  des  16.  Jahr- 

^H 

hunderts,  nach  Demmin 

^^^^^1 

^^^1 

Ungarischer  Bügel,  nach  Ilirth      .,,..,. 

n   ^^^^1 

^^^H 

Bügel,    ^u    einer   orientalischen    Rüstung    gehörend, 
Berlin.  Zeughaus  . 

^ 

^^^^H 

Arabischer  Bügel  mit  durchbrochener  Arbeit,    nach 

n    ^^^H 

Demmin,  Paris,  Artill-Mus 

•   ^^^^1 

^^^H          223 

Ungarischer  Bügel  mit  Silberfiligran  und  vergoldeten 

Rosetten,  nach  v.  Sacken,  Wien,  Ambraser-8.   . 

«  ^^^H 

^^^H 

Tatarischer  Bügel,    nach    Böheim;    ganz    ebensolche 

finden  sich  bei  Burjaeteu  und  Kalmücken     .     . 

f    ^^^^^H 

227 


Ko. 

225  Bügel    Wallensteins,    feinste    durchbrochene   Arbeit, 

München,  Nat.-Mus 

226  Bronzebügel,  teilweise  rot  und  grün  bemalt,   Berlin, 

Zeughaus 

227  Bügel   des   Kurfürsten   Maximilian   I.    von    Bayern, 

München,  Nat.-Mus 

228  Messingbügel,  nach  Demmin,  fiir  die  englischen  Jack- 

boots bestimmt 

229  Bronzebügel,  Spätrenaissance,  Berlin,  M.  Prov.-Mus. 

230  Schwerer  Eisenbügel,  München,  Nat-Mus.       .     .     . 

231  Bügel  von  Jean  de  Wert,  nach  Hirth 

232  Prachtbügel,  vergoldet,  Berlin,  Zeughaus    .... 

233  Sehr  grosser^  zu  den  schweren  Reiterstiefeln  passender 

Bügel  aus  der  Zeit  des  grossen  Kurfürsten, 
Blell'sche  Sammlung 

234  Eisenbügel,  Berlin,  Zeughaus . 

235  Deutscher  Eisenbügel,  Berlin,  Zeughaus      .... 

236  Nach   Wilde,    Catalogue   of  Antiqu.,    Brahe-Museum 

zu  Skokloster  in  Schweden 

237  Gelenkbügel,  Blell'sche  Sanunlung 

238  Bügel  des  Herzogs  Bernhard  von  Sachsen- Weimar, 

nach  Hirth 

239  Bügel  nach  Pluvinel 

240  Bügel  des  Grafen  Styrum,  nach  Hirth 

241  Deutscher  Bügel  des  Kasseler  Museuros,  nach  Demmin 

242  Bei  Dielfort  gefunden,  Museum  in  Sigmaringen.    Die 

Datierung  dieses  und  des  vorhergehenden  Bügels 
scheint  ganz  unrichtig  zu  sein,  beide  dürften  ins 
15.  Jahrhundert  gehören 

243  Deutscher  Eisenbügel,  Berlin,  Zeughaus.    Der  Bügel 

ist  dort  wohl  irrtümlich  dem  15.  Jahrhundert 
zugeschrieben 

244  Franzosischer  Bügel 

245  a        Aus  Le  parfait  6cuyer  vom  Herzog  von  New-Castle 

(I,  10,  20)  als  beste  Art  Bügel  bezeichnet  .     . 

245  b        Yon  einer  Gobelin-Tapete  im  HohenzoUern-Museum 

zu  Berlin 

246  a  u.  b     Englischer  Bügel  des  Lieut.  Colonel  Eyrle,   von  zwei 
Seiten  gezeichnet 

246  c        Messingbügel,  Blell'sche  Sammlung 

247  Bügel  von  einem  türkischen  Sattel  aus  der  Zeit  der 

Belagerung  von  Wien,  Blell 

248  Bronzebügel,  bei  Rottenmann  in  Obersteiermark  ge- 

funden, Graz,  Museum 


Jahrhundert 


xvn 


1680 
XVII 


A. 


E. 


1646 
XVII 


16* 


228 


249  Eiserner  Bügel,  volle  Sohle,  Blell 

250  Vergoldeter  Daraeubügel,  Borliu,  Zeuglmus 

251  Damenbügel,  ebenda    .  ...... 

252  Nach  Pluvinel     .,,.,,.. 

253  Bügel  eioes  vou  Max  Emauuel  1G88  bei  Belgrad 
erbeuteten  orientalischen  Sattels^  München,  Nat.- 
Museum .     ,     .     , 

254  Bügel  zum  Zusammenklappen,  im  Palast  Monteeuculi 
zu  Venedig  gefunden,  Wien,  Arsenal   .... 

255  Measing-Korbbügel,  Mus,  d.  sächs.  Altert.-V.,  Dresden 

256  Bügel  mit  Hporn,  nach  ZschilJe . 

257  Geschenk  des  Fürsten  Radziwill  au  Georg  IIL  von 
Sachsen.  Auf  der  Sohle  ein  Dorn.  Dresden, 
Johanneum       ...  ...... 

258  Ungarischer  Bügel  von  einem  mi  Türkenkriege  er- 
beuteten  Sattel  für  kklüe  Prluzeti,  Suhle  voll, 
Dresden,  Johanneum  ... 

259  Prachtbügel  mit  böhmischen  Granaten  besetzt,  von 
einem  Reitzeuge  Christians  II.,  ebenda     .     .     . 

200—262      Drei  eiserne  Bügel  aus  Lübtow  bei  Pjritz,  nach  dem 
Jahresbericht  der  Ges.   für  pommer^sche  Gesch. 

und  Altert.  1877 

26S  Bügel   der  Generale   Friedrichs   des  Grossen  ausser 

Ziethen,  Berlin,  Denkmal  unter  den  Linden 

264  Bügel  Ziethens,  ebenda 

265  Tscherkessen-Bügel,  nach  Büheira,  Zarskoe-Selo  .     . 

266  Bügel  Friedrichs  des  Grossen,  Berlin,  llohenzollern- 
Museum.  Dieselbe  Form  hatten  die  damaligen 
Kürassier-Bügel 

267  Französischer  Büge),  Sohle  voll,  keine  Öse,  Dresden, 
Johanneum 

268  Aus  L'art  de  monter  ä  cheval,  von  Eit^enberg     .     , 

269  Ungarischer  Bügel,  von  einem  Reitzeuge  Kaiser 
Josephs  IL,  Wien,  kaiserliche  Waffensammlung 
No.  895       

270  Bügel  des  Prinzen  Georg  Ludomirski^  nach  Kacinet 
VI,  455 

271  Türkischer  Bügel  aus  vergoldetem  Eisen,  nach  Bo- 
heim  . 

272  Türkischer  Bügel,  vorn  geschlossen,  kais.  WaffensammL, 
Wien,  No.  26 

273  Patagontscher  Bügel,  Holz  mit  Lederriemen,  Berlin, 
Völkermuseum       .  


Jahrhunilert. 

XVII 


1683J 


xvni 


/XVII 
(   XVIII 

XVIU 


229 


No. 
274—276 


277 

278 
279 
280 

281 
282 
283 

284 


285 


286 

287 

288 
289 
290 
291 

292 
293 


294 

295  u.  296 

297 


298 


299 

300 
801 


Drei  französische  Bugel,  und  zwar  ^trier  ä  grille, 
modele  chez  le  roi,  i^trier  ä  grille  a  coeur  und 
]ßtrier  ä  Tanglaise,  planchette  k  grille.  Nach  Le 
Valiet,  8.  157 

Preussischer  Offizier-Bügel,  früher 

Desgl.,  jetzt 

Sturzbügel,  geöffnet 

Bügel  der  preussischen  Feld-Artillerie  von  181 6, 
Berlin,  Zeughaus 

Preussischer  Bügel  f&r  Bocksättel 

Bügel  der  französischen  Lanzenreiter  ...... 

Bügel  der  französischen  Ulanen'1870,  Berlin,  Zeughaus 

Bügel  der  französischen  Chevauxlegers,  nach  Le 
Valiet,  8.  181 

Messingbügel  der  amerikanischen  Artillerie  vom  Jahre 
1862.  Die  Bügel  sind  so  am  Sattel  befestigt, 
dass  die  Öse  nach  aussen  gebogen  ist  und  der 
hintere  Sohlenrand  höher  steht,  Berlin,  Zeughaus, 
im  Erdgeschoss 

Bügel  der  russischen  Leib-Garde-Ulanen  Caesare- 
witsch,  Berlin,  Zeughaus 

Bügel  der  russischen  Chevalier-Garde  1827,  Berlin, 
Zeughaus     

Bügel  der  russischen  Artillerie  1827,  ebenda  .     .     . 

Bügel  der  russischen  Feld- Artillerie  1870,  ebenda    . 

Bügel  für  Österreich.  Husaren   1824,  WieU;   Arsenal 

Bügel  für  österreichische  Kavallerie  und  Artillerie 
1854,  Wien,  Arsenal 

Bügel  der  belgischen  Artillerie,  Berlin,  Zeughaus  .     . 

Bügel  Napoleons  I.,  aus  der  Schlacht  bei  Dresden 
herstammend,  Dresden,  Johanneum,  entspricht 
der  Form  274 

Moderner  Damenbügel 

Damen-Sturzbügel,  geschlossen  und  geöffnet    .     .     . 

Bügel  mit  Sporn.  Geschenk  des  Sultans  an  König 
Otto  von  Griechenland,  München,  Nat.-Museum, 
Vgl.  256 

Bügel  von  Birkenholz,  noch  bis  Mitte  dieses  Jahr- 
hunderts in  Ostpreussen  im  Gebrauch,  Lichter- 
felde, Bleirsche  Sammlung 

Holzbügel  von  der  Insel  Timor  (Neu-Guinea),  Berlin, 
Völkermuseum 

Holzbügel  aus  Chile,  ebenda 

Holzbügel  aus  Araukanieni  ebenda 


Jahrhonderi. 


xvni 

XIX  A. 

»  E. 


»  A. 
»  E. 

u 

7t 


1862 

XIX  A. 

1827 
1827 
1870 
1824 

1854 
XIX 


1813 
XIX 


^^^^^^230 

^ 

^^^^^B 

Jatirhundart. 

^^^^H 

Uolzbügel  aus  Mexiko,  ebenda       .  ^^^^^B    '     ' 

XIX      ^ 

^^^^H 

Holzbügel  aus  Sibirien,  ebenda      .     .  ^^^»T    .     . 

^H 

^^^^^^^H 

Holzbü^el.  ebenda       

^H 

^^^^H 

Holzbügel    von    der    Insel  Luzon,    Wien,     Nat.-hiat» 

^^^^1 

^^^^^B               3Ü6 

Museum ..*... 

^^^1 

Araukauischer  Bügel   aus  Lederriemen,   sechs  über- 

einander, und  einem  eisernen  Stift  gefertigt  »     . 

^  ^^^H 

^^^^^B 

Chinesischer  Bügel  Berlin,  Völkermuseum  ...» 

*  ^^^1 

^^^^H              30» 

Chinesischer  Soldatenbügel,  nach  Racinet  U,  87  .     . 

^^^^H 

^^^^H 

Japanischer  Bügel  aus  schön  lackiertem  Hok,  Berlin, 
Völkermuseiim ;    ein    ganz  ähnlicher   im    ethno- 

graphischen Museum  zu  München 

9    ^^^M 

^^^^H               310 

Japanischer   Bügel,    Eisen    mit   Messing  und  Kupfer 

^^M 

verziert,   Magdeburg,  Kunst-Gewerbe-Museum    , 

^  ^^^1 

^^^^H 

Central-Indien.  Nur  für  die  grosse  Zehe.   Postmuseum 

^^H 

^^^^H 

in  Berlin 

^^^B 
^^^1 

China,  Bandschleife,  ebenda  . 

^^^^H 

Holzbügel   von   einem   russischen  Jagdsattel,  bemalt. 

1           Wien,  kais.  Waffensamml.  No.  160       .     .     ,     • 

.^^^H 

^^^^H             314 

Massiv  silberner,  araukauischer  Bügel,  Berlin,  Völker- 

^^^^H 

Museum 

n   ^^^H 

Massiv    silberner,    araukauischer    Bügel,    unten    mit 

einem  glockenförmigen  Ansätze,  ebenda    .     .     . 

^^^^H 

^^^^^H 

Silberner  araukanischer  Bügel,  ebenda    ,     ,     ,     .     . 

^^^H 

^^^^H 

Arabischer  Stahlbügel,  München,  ethnograph.  Museum 

^^^^H 

^^^^H              818 

Haussabügel  mit  Goldraustern,  ebenda 

^^1 

^^^^H 

Algerischer  Eisenbügel,  Wien,  Nat.-hist,  Museum 

^^^M 

^^^^H 

Bügel    der  Westamerikanischen  Reiter  Buffalo-Bills ; 
der   eigentliche  Bügel  ist  von  einer  Lederdecka 

■ 

verhüllt 

^^^H 

^^^^H 

Somalibügel,  nur  für  eine  oder  zwei  Zehen  .... 

^^^H 

^^^^H 

Mesainghügel   des   Königs   Theodor   von    Abessinien, 

^^1 

Berlin,  Völkermuseum 

^^^H 

^^^^H 

Schwerer    MessingbUgel    aus    Columbia.    Zwei    sehr 

ähnliche  Paare  im  Völkermuseum  zu  Berlin  .     , 

^  ^^^H 

^^^^H 

Bronzebügel  mit  Rasselstiften  aus  Vorderindien,  ebenda 

^  ^^^1 

^^^^H 

Eisenbügel  aus  Radschputana  (Jeipore,  Vorderindien), 

^^^^H 

ebenda    , 

^^^1 

Sattel   mit   planchetto   aus   Caux   in   der  Normandie, 

nach  Racinet 

^^^^B 

^^^^H 

Damensattel,  München,  Kat.-Museum 

XYI      ■ 

^^^^H 

Patagonischer  Sporn,  Berlin,  Völkermuseum     .     .     . 

xvm   ■ 

^^^^^B 

Kindcrbügcl,  bei  Killstadt  im  Elsass  gefunden,  Bertin, 

^^1 

Mus.  für  Volkstrachten » 

f  ^H 

231 


No. 
330-334 

335 

336 


337 

338 
339—341 

842  u.  343 


344 


345—348 
349 
350 

351  u.  352 


Verschiedene  Formen  des  Hakenkreuzes  und  des 
Sonnenrades. 

Im  Neuenburger  See  gefundener  angeblicher  Steig- 
bügel, nach  Lindenschmit,  heid.  Yorz.,  und  Gross. 

Bügel  an  einem  Abguss  einer  bei  Lindau  gefundenen 
Reiterfigur,  angeblich  aus  der  Hallstadter  Periode, 
Besitzer  E.  Naue,  München. 

Relief  aus  Eouyoundjik,  nach  Place  (Niniveh  und 
Assyrien  HI,  50). 

Desgl.y  aus  Layard  (Monuments  de  Niniveh,  82). 

Bronzeringe  aus  Dänemark  und  den  Eibländern,  nach 
Mestorf. 

Angeblich  römische  Steigbügel  aus  dem  II.  oder 
in.  Jahrhundert.  Sie  befinden  sich  nicht  in 
Neapel,  wie  VioIlet-le-Duc  und  nach  ihm  Le 
Vallet  (Le  chic  k  cheval,  S.  57)  behaupten. 

Deutscher  Armbrustbügel,  Berlin,  Mark.  Prov.-Mus., 
ebensolche  befinden  sich  in  Nürnberg,  Wiesbaden, 
Linz  a.  d.  Donau  u.  a.  0 

Verschiedene  Armbrustbügel,   348   für  Eavalleristen 

Armbrustbügely  Sammlung  Straberger  in  Linz  a.  D. 

Eisspom,  Verein  für  Gesch.  der  Stadt  Leipzig,  ähn- 
liche in  Hallstadt  und  Halle 

Zeichnungen  von  Hans  Guldenmundt,  das  türkische 
Heer  der  I.  Belagerung  von  Wien  betreffend.  Aus 
den  Mitteilungen  des  Wiener  Altert.- Ver.  1875, 
Bd.  15,  Taf.  n  und  III 


Jahrhundert. 


XV 
XV- XVI 


1529 


Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden. 


Von 

A*  V*  Cohausen» 


Trotz  der  grossen  Bautliätigkeit  der  Stadt  hat  sich  doch  nur  eine  geringe 

Anzahl  von  Fundstücken  ergeben,  welche  für  die  Örtlichkeit  bezeichnend  sind. 

Der  Quellensinter^  über  den  wir  bereits  in  den  Annalen  XII,  317;  XXI, 

9  und  XXIIl,    153  gesprochen   haben,    und   der    uns  zeigt,    wohin   die  Koch- 

brunnenquelle  einst  ihren  Abfluss  genommen  hat,  wurde  gefunden : 

am  Kreuzungspunkt  der  Emser-  und  Schwalbacher-Strasse,  auf  127,08 
Amst*  Pegel,  1,76  m  unter  dem  Strassenpflaster  in  einer  Stärke  von 
1,50  m,  darunter  folgt  ins  Unbestimmte  Lehm; 
auf  dem  Markt  am  Anfang  der  Ellenbogengasse  (114,01  Amat.  Pegel) 

lag  1,30  m  unter  dem  Pflaster  der  Sinter  1,50  m  stark; 

in   der    Delaspeeatrasse  No.  7,    in    den    Fundamenten    im    ehemaligen 

DaschVhen   Garten,    lag   der    Sinter   0,50  m    mächtig   auf  110,8^ 

Amst,  Pegel  in  2,60  m  Tiefe. 

Aus  der  Zeit,   von  der  wir  am  Archivgebaude  und  am  Schlachthaus   dio 

Mardellen   gefunden   haben,    ist  uns  oichfcs  vorgekommen,    wohl   aber    aus   der 

Latine-Zeit,  welche  der  römischen  Besitzergreifung  am  Rhein  vorausging,  fand 

sich  ein  rundliches,  bodenloses,  korrekt  mit  Strichen  in  Felder  eingeteiltes  und 

mit  Quadraten  verziertes  Töpfchen,  und  zwar  beim  Fundamentieren  eines  Hauses 

an  der  Ringstrasse,    südlich   der    neu    zu   erbauenden   protestantischen    Kirche. 

AhnltcheB  ist  auch  früher  in   der  Nähe,    am  westh'ohen  Ende  der  Rheinstrasse, 

gefunden  worden. 

In  der  Delaspeestrasse  No.  7,  dem  ehemaligen  Dasch'ßchen  Garten»  fand 
sich  von  dem,  AnnaL  XIV,  427  erwähnten  römischen  Friedhof  die  Fortsetzung 
an  der  vom  Stümpert  nach  der  Mainzerstrasse  führenden  Rümerstrasse.  Nur 
ein  kleiner  Teil  der  Fundstücke,  deren  grossen  Teil  unehrliche  Arbeiter  ver- 
bracht hatten^  kam  ins  Museum. 

In  den  Fundamenten  des  Karlsruher  Hofes,  in  der  Goldgasae  und  der 
Barenstrasse,  fanden  sich  römische  Töpfereien  und  ein  Lavamühlstein,  und  in 
der  Rheinstrasse  No.  30  fand  sich  in  dem  bekannton  Zug  der  romischen  Waaaer- 
leitung  (AnnaL  V,  1877,  pag,  47}  ein  Schlammkaaten  mit  Röhren. 

In  den  Fundamenten  der  in  der  oberen  Webergasse  neu  aufgebauten 
Stadt  Frankfurt,  No,  37,  fand  man  einen  gereifelten,  nicht  glasierten  Stein zeug- 
Topf,  der  durch  seine  Backrisse  und  verzogene  Gestalt  zeigte,  dass  er  nie  in 
Handel  gekommen,  sondern  nicht  fern  von  seinem  Fundplatz  angefertigt 
worden  ist. 


■itH^Seid 


Burgen  in  Nassau. 

Von 

A.  Y.  Cohausen. 

Mit  Taf.  VII-X. 


1.  Neukatzenelnbogen  oder  die  Katz  bei  St.  Goarshausen 

liegt  über  dem  Städtchen  in  halber  Höhe  des  Hochrückens,  der  bei  Oberweisel 
beginnt  und  mit  seinem  westlichen  Ende  an  den  Rhein  vorstösst  (Taf.  YH,  1, 
2;  Vni,  1,  2;  IX,  1).  Überragt  vom  Gebirg,  ist  die  Burg  durch  einen  Fels- 
graben^  der  mit  der  Einebenung  des  Bauplatzes  entstand,  von  jenem  getrennt. 
Seine  vielen  Felsabstürze  nach  der  Rheinseite  machen  sie  hier  und  auch  nach 
der  andern  Thalseite  ganz  oder  fast  unzugänglich.  Die  Burg  war  im  Jahre 
1393   von  dem  Grafen  Johann  lU.  von  Katzenelnbogen  erbaut. 

Ihr  Mantel  bildet  ein  40  m  langes  und  30  m  breites  Siebeneck,  auf  dessen 
gegen  die  Felshöhen  gerichtete  Schmalseite  .und  Ecke  ein  runder  Bergfried  a  mit 
einem  Drittel  seiner  Stärke  vortritt,  und  den  zu  seiner  Linken  gelegenen  Ein- 
gang flankiert.  Er  hat  10,45  m  äussere  und  bei  einer  Mauerstärke  von  1,85  m 
eine  lichte  Weite  von  6,75  m,  in  welche  sechs  Pfeiler  vortreten  und  mittels 
flachen  Kappen  ein  Elostergewölbe  tragen. 

Der  Eingang  ist  ebenerdig,  aber  nach  dem  zweiten  Stock  führt  ein  aussen 
angelehntes  Schneckentürmchen,  von   dem  Holztreppen   weiter   hinauf  geleiten. 

Seine  ganze  Mauerhöhe  beträgt  20  m ;  er  hatte  aber  über  dem  umlaufenden 
Bogenfries  noch  einen  niederen  Mauerstock,  auf  welchem  ein  schieferbekleideter 
achteckiger  Zimmerstock  mit  spitzem  Pyramidendach  für  den  Wächter  ruhte. 
Er  hatte  zu  hessischen  Zeiten  zu  Thal  fahrende  Schiffe  zu  Wahrschauen,  damit 
die   damals   noch  bestehende  fliegende  Brücke  ans  Land  zu  fahren  Zeit  hatte. 

Die  siebenseitige  Mantelmauer  der  Burg  hatte  einen  auf  Pfeilern  und 
Rundbogen  hinter  den  Zinnen  herführenden  Wehrgang,  vor  dem  die  Zinnen- 
mauer gleichfalls  auf  Friesbogen  vorgerückt  war. 

Die  Mauer  umschloss  einen  Hof,  durch  den  der  Bergfried  vom  Palas, 
dem  Wohnhaus  des  Kommandanten,  und  einem  kleinem  Thorzwinger  getrennt  war. 

Mehrfache  Zwinger,  verschiedener  Form  und  Breite,  umzogen  die  eigentliche 
Burg,  die  ihrer  auf  der  steilfelsigen  Rhein-Seite  nicht  bedurfte,  die  aber  auf 
der  anderen  Thalseite,  wie  gegen  die  Höhe  hin,  zu  ihrer  Sicherheit  bei- 
trugen, indem  von  dem  Städtchen  aus  ein  Pfad,  und  thalaufwärts  beginnend  ein 


234 


Falirwog  herauf  kamen.     Die    ihnon   cntlaDg  geführten  Zwlugcrmaiiöm  e  sii 
durch  iü  neuerer  Zeit  angelegte  Soldateaquartiere  und  viele  Klei nge weh rscharteu 

verteidigt. 

Nach  der  für  das  Ende  des  14.  und  während  des  15.  Jahrhunderts  beliebten 
Überzahl  von  bewimpelten  Türmen  uod  Türmchen  ist  auch  die  Katz  auf  allen 
Kcken  mit  sechs  solchen  versehen  (a,  b,  c,  rf,  /j,  die  bald  als  Schnecken,  bald 
nur  als  Erker  dienen.  Sie  siud  aussen  rund,  innen  meist  sechseckig  und  mit 
Klostergewülbeo  überwölbt. 

Ausser  der  obengenannten  Erbauungszeit  von  1303  ist  von  der  Bauge- 
schichte der  Burg  kaum  etwas,  und  von  ihrer  Kriegsgcachichte  kaum  mehr 
bekanut,  als  wie  sie  bei  der  Verteidigung  der  Festung  Rheinfels,  einmal  bei 
dem  Angriff  gegen  dieselbe,  mitgewirkt  hat. 

Was  im  15.  und  16.  Jahrhundert  sich  mit  der  Burg  ereignet  hat,  ist  uns 
nicht  bekannt  geworden,  mit  dem  30  jährigen  Krieg  erst  tritt  sie  in  die  Handlung 
ein.  Bei  der  Belagerung  von  Rheinfels  1626,  wo  St.  Goar  durch  die  Spanier 
genommen  und  geplündert  wurde,  hielt  sich  die  Festung  aber  durch  den  Oberst- 
lieutenant von  Uffeln,  und  die  Katz  unter  ihrem  Kommandanten  Hauptmann 
Dietrich  Suale  gegen  fünfmaligen  von  Verdugo  selbst  geleiteten  Ansturm, 
obschon  sie  nur  mit  SO  Mann  und  10  Geschützen  verteidigt  war,  Sie 
wurde  von  den  AngrifFsbatterien  auf  dem  Wackenberg  (die  sie  demontierte)  und 
auf  dem  Patersberg  so  beschossen,  dass  sowohl  die  Kommandanten- Wohnung 
als  der  Bergfried  bis  auf  das  Mauerwerk  niederbrannten. 

Erst  am  4,  September  1626  verliesseu  auf  Befehl  ihres  Herrn,  des  Land* 
grafen  zu  Hessen-Kassel,  die  tapferen  Verteidiger  ihre  Testen,  mit  allen  krie- 
gerischen Ehren:  mit  Sack  und  Pack,  mit  lautem  Trommelschlag,  fliegenden 
Fähnlein,  brennenden  Lunten,  und  die  Kugel  im  Munde.  So  kam  und  blieb 
Hessen- Dar matadt  von  1626  bis  1647  in  Besitz  von  Rheinfels  und  der  Katz, 

Um  diese  Zeit,  1647,  konnte  die  Landgräfiu  von  Hessen-Kassel,  Anna 
Elisabeth,  es  nicht  länger  verschmerzen,  dass  ihrem  Haus  Bheinfels  und  die 
Grafschaft  Katzeneliibogeu  entzogen  war.  Bei  dem  Versuch,  sie  wieder  zn  er- 
langen, ergab  sich  die  Katz  nach  dem  ersten  Bombardement  —  und  mussto  bei 
der  Beschiessung  von  Rheinfels  mitwirken,  da  dies  sich  unter  seinem  Komman- 
danten y.  Koppenstein  länger  wehrte  und  dieser  erst  auf  Befehl  seines  Herrn,  des 
Landgrafen  von  Hessen-Darmstadt,  am  14.  Juli  1647  Rheinfels  mit  allen  krie- 
gorischen  Ehren  verliess.  Allein  schon  1648  kam  Kheinfels  mit  der  Katz  und 
der  Grafschaft  Katzenelnbogen  wieder  an  EasaeL 

Bei  der  Belagerung  von  Rheinfels,  1692,  durch  die  Franzosen,  war  das 
rechte  Rheinufer,  St.  Goarshausen,  die  Katz  und  die  Berge  von  Nochern  und 
Patersberg  in  den  Händen  der  Hessen  geblieben,  sodass  die  dortigen  Batterien 
die  französischen  bei  Werlau  und  dem  Wackenberg  zu  wiederholten  Malen  2um 
Schweigen  brachten.  Die  Franzosen  unter  dem  General  Tallard  mussten  am 
h  Januar  1693  die  Belagerung  aufgeben  und,  verfolgt  von  einem  Teil  der 
Reichsarmee,  nach  Trarbach  ttieheu,  während  der  Kommandant  der  Festung, 
General  von  Görtz,  sich  hohe  Ehren  erworben  hatte. 


4 


ai 


235 

1698   rerliess   rite   hesscn-kasscrflcho   Besai:2iiiig   Rheinfels,  und  Ilcsacn- 
■JUieiofels  rückte  ein*    Denn  es  waren  drei  hessische  Stämme^  die  sich  während 
17«  Jahrhunderts  dort  bekämpften«    Da  aber  Hessen-Kheinfels  zu  schwach 
war,  ao  wurde  es  unter  den  Kaiser  gestellt  und  bei  dringender  Franzoscogefahr 
Itm  Hessen-Kassel   1702  die  Katz  nach  wenigen  Kanonenschüssen  wieder  in 
titx,  bis  1718,  wo  [lessen-Ilheinfels  wieder  in  Besitz  kam,  unter  fortwährenden 
ßttigkeiteu  und  wiederholten  Oeriehtsentscheidungen. 

Ein    versuchter  Überfall    der  Festung   durch   einen   französischen  Partei- 
er  missglückte  1730. 

Endlich  1758  verzichtete  Hessen-Rheinfels  (Hoteuburg)  nicht  nur  auf  das 
Resatzungsrecht,  sondern  auch  auf  das  Eigentum  der  Stadt  und  Festung,  sowie 
auf  die  Katz  und  die  Grafschaft  Katzenelnbogen. 

Allein  Kassel  hielt  die  Festung  so  schlecht,  daes  die  Franzosen  1758 
wieder  einen  Handstreich  auf  St*  Goar  und  Kheinfols  versuchten,  und  der 
9n-kaasersche  Kommandant  kapitulierte. 
Aber  der  der  Katz,  Kapitän  v.  Ende,  nahm  die  Kapitulation  nicht  an, 
verteidigte  seinen  Posten  noch  3  Tage,  bis  alle  Munition  verschossen  war  und 
rückte  dann  mit  40  Mann  bei  Nacht  erst  ab. 

Nun  behielten  die  Franzosen  wieder  Rhein fels  und  die  Katz  bis  zum 
Hubertusburger  Frieden  1763,  wo  sie  sie  räumen  mussten  und  Hessen-Kassel 
wieder  m  Besitz  kam  und  bis  1794  in  Besitz  blieb. 

Der  einzige  Weg  aus  dem  inneren  Deutschland  führte  über  Patersberg 
und  St.  Goarshausen  mittels  einer  fliegenden  Brücke  nach  St.  Goar  und  auf  den 
Hundsrucken,  während  nur  Pfade  längs  dem  Rheine  nach  Oberwesel  und  nach 
Hirzenach  führten. 

Kaum  besser  war  es  auf  dem  rechten  Ufer,  wo  unterhalb  ein  runder, 
,  oberhalb  ein  viereckiger  Turm  stand,  welche  durch  eine  gezinnte  Mauer,  auf 
reicher  einige  Häuser  aufsassen^  verbunden  waren  (Taf,  VIII,  Abbild.  2  /*  u.  t). 
Als  die  Revolutionsarmee  sich  näherte,  bestimmte  der  Kriegsrat  von 
Rheinfels  schmäblicher  Weise,  sich  nach  dem  rechten  Ufer  zurückzuziehen. 
Auf  der  Katz  war  Hauptmann  v.  Ende  mit  50  Mann  Kommandant,  während 
die  Batterien  auf  dem  Patersberg  u.  s.  w.  unter  General  v.  Lerap©  standen,  die 
^sich  dann«  als  auch  das  rechte  Rheinufer  an  Frankreich  kommen  sollte,  eben- 
Ji  zurückzogen. 

1Z97  befahlen  die  Franzosen  die  Sprengung  von  Rhoinfels  und  1812  seinen 
Terkauf  als  Staatseigentum;  im  Jahre  1843  wurde  es  vom  Prinzen  von  Preusson 
angekauft  und  verblieb  bis  heute  der  kgl.  Familie*  Die  Katz  aber  wurde,  nach- 
em  sie  nassauisch  geworden,  demontiert,  und  ibrem  Kommandanten,  Hauptmann 
V,  Trott,  1817  nebst  den  zugehörigen  Feldern  und  Gärten  auf  25  Jahre,  aber 
uhne  daran  etwas  beschädigen  zu  dürfen,  für  6  fl.  10  kr.  in  Erbpacht  gegeben. 
Unter  gleichen  Bedingungen  verkaufte  er  die  Burg  1819  an  den  Major  von 
Chmieliusky.  Von  ihm  bekam  sie  seine  Tochter,  die  Ehefrau  des  Stadtschultheisaen 
Wappner  in  St.  Goarshausen,  und  da  es  zwischen  ihren  Kindern,  vier  Söhnen 
und  zwei  TOchtern,  zur  Erbteilung  kam,  so  verkaufte  sie  die  Burg  etc.  I82G 
für  25  fl*  jährlich  und  6  fl.  Mutation  an  Herrn  v.  Lützew,  der  sie  seiner  Tochter 


^sSSl^^tS^ 


236 

Katharino,  Gemahlin  dos  Kammerherrn  v.  Langen  zu  Nachhof  bei  Warin  in 
Mecklenburg  (der  1857  dazu  den  Konaeus  erhielt),  überwies.  Der  Burgbesitx 
besteht  aus  125  R.  82' Weinberg,  102  R.  69'  Feld,  4,16  Wald  und  1,23  Weg, 
Die  Familie  von  Langen  ist  im  Besitze  der  Burg,  des  Geländes  und  des  vier- 
eckigen Turmes,  den  sie  auch  erhalten  muss.  Von  der  Stadtmauer  gegen 
den  Rhein  besteht  nichts  mehr  als  dieser  und  der  runde  Turm,  den  die  Stadt- 
gemeinde erhalten  muss  (Taf,  VIII,  Abbild.  2,  k  u.  /). 


2,  Sterreiilierg,  Liebeiistehi  und  Bornhoft^ii  (Taf.  VII,  3;  IX,  2,  3;  X,  1,  2). 

Die  beiden  Burgen  Sterrenberg  und  Liebenstein  liegen  kaum  200  Schritt 
voneinander  auf  der  Gebirgs  -  Halbinsel,  welche  durch  den  bei  Kloster  Born- 
hofen  in  den  Rhein  mündenden  Bach  gebildet  wird, 

Sterrenberg,  etwa  30  m  tiefer  als  Liebenstein  gelegen,  war  eine  alte,  an 
die  Bolanden  beliehene  Reichsburg,  während  Liebenstein  von  jenen  im  12*  Jahr- 
hundert erbaut  wurde. 

Die  Umfassung  von  Sterrenberg  bildet  ein  längliches,  von  Südost  nach 
Nordwest  gestrecktes  Viereck  von  etwa  70  Schritt  Länge  und  40  Schritt  Breite^ 
vor  dessen  Westecke  Zwiugerräumc  den  abstürzenden  Bergrücken  einnehmen. 
Bei  der  Ausgleichung  des  inneren  Raumes  bewahrte  man  in  dessen  Mitto 
einen  Grauwacke- Felskopf  von  etwa  10  ra  Höhe  und  baute  darauf  den  Berg* 
fried  a,  um  so  seine  Mauern  vor  dem  Untergraben  und  Ausbrechen  bei  etwaiger 
Belagerung  zu  schützen.  Der  Bergfried  hat  einen  quadratischen  Grundriss  von 
8,15  m  und  etwa  37  m  jetzige  Höhe,  Er  hat  in  halber  Höhe  eine  rundbogige 
Pforte  und  auf  jeder  Seite  nur  eine  kurze  Lichtspalte»  Er  war  auf  demselben 
Felskopf  mit  einem  ungleich  breiten  Zwinger  b  umgeben,  welcher  auf  der  Oat- 
eeke  durch  einen  Steg  zugänglich  war;  dieser,  von  dem  Sclmeckentürrachen  c 
eines  viereckigen,  1^2  m  langen  und  breiten  Wohnpalas  d  ausgehend,  ermöglichte 
die  Rettung  in  den  Bergfried.  Der  Palas  springt  nach  der  östlichen  Thalseite,  von 
wo  auch  der  Weg  heraufgeführt  ist,  vor  die  Umfassungsmauer  vor.  welcher  hier 
auch  ein  Zwinger  vorgelegt  ist.  Die  nach  der  Höhe,  welche  die  Burg  Lieben- 
stein einnimmt,  gerichtete  AngrifTseite  ist  durch  eine  Mantelmauer  abgeschnitten. 
Dieselbe  hat  30  Schritt  Lange  bei  10  m  Höhe  und  1,8  m  Dicke  und  dient  von 
Ionen  Wirtschaftsräumen  als  Anlehnung;  sie  hat  nahe  der  linken  Seite  ein 
Einfahrtsthor  im  Rundbogen.  Vor  der  Mantelmauer  liegt,  durch  einen  Fels- 
graben geschützt,  der  Zwinger  i  Ä*,  neben  dem  noch  ein  besonderer  kleiner 
Thorzwinger  abgeschnitten  ist. 

Die    Zwingermauer    hat    uur    Zinnenfeuster.    während    die    Mantclmauf 
zwischen  demselben,  eine  über  die  andere,  lange  Sehieasscharten  hat. 

Das  Mauerwerk  besteht  überhaupt  aus  Grauwacke  mit  Kalkmörtel,  ist 
unverputzt,  aber  über  dem  Eingangsthor  ist  in  Roliefputz  eine  Fahne,  die 
ohne  Zweifel  einst  bemalt  war,  dargestellt.  Das  Mauerwerk  des  Zwingern 
um  den  Borgfried  besteht  zum  Teil  in  Fischgrätenverband.  — 


stamn 


237 

Die  Burg  LiebenHtein,  höher  und  dominiereDd  g^en  Sterrenberg  gelegen, 
bildet  mit  ihren  mit  5  quadratischen  Türmen  a,  h,  c,  d,  e  besetzten  UmfaaaiiDgeD 
etwa  ein  Rechteck  von  130  Schritt  dem  Rhein  paralleler  I^nge  und  120  Schritt 
Breite,  iu  dessen  Mitte  ebenfalls  ein  FeUkopf  erhalten  ist,  auf  dem  sich  der 
Bergfried  a  erhebt.  Die  Angriff^teite  ist  zwar  gegen  das  höher  ansteigende 
Gebirg  gewendet,  doch  aber  sind  die  dicken  Mauern  des  Bergfrieds,  ein  nord- 
westlicher, starker  Eckturm  d  mit  eingebrochenen  Oeschuczscharten  und  eine 
Batterie/  von  2  Stockwerken  mit  je  3  Geschutzscharten  nach  der  Burg  Sterren- 
berg gerichtet  An  diese  Batterie  und  den  starken  Eckturm  d  sind  neue  be- 
wohnte Wirtschaftsgebäude  angelehnt.  Links  neben  ihnen  öffnet  sich  das 
Thor  e  zum  Thal,  sowie  an  der  oberen  Abschnittsmauer  auf  der  linken  Seite 
das  Thor  g  nach  der  Höhe.  Hier  ist  ausser  dem  tiefen  Felsgraben  kein 
Zwinger  Torhanden. 

Obscbon  Bomhofen,  in  dessen  Mittelpunkt  die  1435  erbaute  Kirche  liegt, 
1280  zur  Stadt  werden  sollte,  so  ist  doch  ron  einer  Befestigung  derselben 
and  Toa  einer  Verbindung  mit  Sterrenberg  und  Liebenstein  nichts  Torhanden. 
Doch  haben  wir  es  nutzlich  gefunden,  die  Ehesten  der  beiden  Burgen  und  des 
Klosters  msammenzustellen. 

Sterrenberg  ist  alte  Reichsburg,  welche  im  12.  Jahrhundert  die  Ton  Bo- 
baden  zn  Lehen  hatten,  und  etwas  spater  die  hoher  gelegene  Burg  Liebenstein 
erhantai. 

1140— 13äf>]  Bornhofen  war  schon  1140—1250  Burgsitz  derer  von 
Bonüurfen. 

1190]  Um  1190  war  Udo  von  Wiselo  Burgmann  der  Bolanden  und  Stamm- 
Täter  des  Rmergeschlechts  von  Sterrenberg. 

ltih—lißi\  Die  Bolanden  erhoben  den  Ilheinzoll,  von  dem  sie  Kloster 
Eberbach  befireiten.  was  auch  ihre  Erbesnachfolger,  die  von  Sponheim,  be- 
ic&dgten.     Diese  besassen  nämlich  einen  Teil  von  Sterrenberg. 

i:99i>|  B«>mhofen  wird  eine  Stadt  genannt;  hatte  schon  1224  einen  Priester 
ind  eine  Kapelle  mit  einem  wunderthätigen  Muttergottesbild. 

IftÄJ  Ton  der  Burg  Liebenstein  verkauften  die  Sponheim  die  Hälfte  an 
äe  ächoikea  von  Sterrenberg  und  die  andere  Hälfte  mit  dem  anstossenden  Wald 
139^  Hagen,  sowie  ein  Yiertel  der  Stadt  Bornhofen  an  Enolph,  Kantor  der 
IMI|  Martinskirebe  in  Worms  und  dessen  Bruder  Ludwig.  1300  hatte  Jud  von 
1317]  Boppard  ein  Drittel  der  Burg  Liebeneck  in  Besitz,  Trier  aber  brachte  1317 
ISÜf  and  1320  den  andern  Teil  von  Sterrenberg  in  seinen  Besitz. 

I34#>|  Die  von  Liebenstein  und  die  Schenken  von  Liebenstein  waren 
^»nonheim'ache  TaaalleD. 

1352 1  Beyer  von  R^ppanl,  der  Erbburggraf  von  Sterrenberg  war,  musste 
lacö  meinem  Streit  mit  Trior  viarauf  verzichten,  sodass  Lamprecht  von  Schönen- 
Tmtz  rrlerlscher  Amtuunn  u«d  Hwrjgraf  wurde.  Die  Beyer  von  Sterenberg 
^vrdcn  Borgmanuou  «It^iionur  Von  da  an  blieb  Trier  im  Besitz,  der  dann 
jaf  ^9äBaxL  und  auf  I^vm««vm^  uWr^in^  und  blieb. 


238 

1433]  Da  1423  die  Schenken  von  Liebeneck  ausgestorben  waren,  so  be- 
1427]  lehnte  Nassau-Saarbrücken  als  Nachfolger  der  Bolanden  die  von  Lieben- 
stein und  den  Johann  von  Thorne  mit  der  Burg. 

1435]  wurde  in  Bornhofen  die  jetzt  bestehende  Kirche  von  Johann 
Bromser  von  Rüdesheim  erbaut. 

1482]  Da  Engelbrecht  von  Thorn  auf  den  Besitz  von  Liebeneck  verzichtet 
1495]  hatte,  so  wurden  1495  die  von  Mudersbach  und  1523  die  von  Stein  mit 
der  Burg  belehnt.  1637  kam  sie  durch  das  Aussterben  der  von  Liebenstein 
an  die  Waidenburg,  genannt  Schenker,  und  nach  deren  Aussterben  an  die 
Herren  von  Preuschen,  welche  sie  nebst  2  Hofhäusern  noch  besitzen. 

1657]  Nach  Wellmich  und  St.  Goar  1657  übergesiedelte  Kapuziner  hoben 
die  Wallfahrt  nach  Bornhofen  sehr,  und  es  wurde  durch  die  1679  hierher  versetzten 
Franziskaner  schon  seit  1662  der  Gottesdienst  gehalten  und  die  Vorhalle  zur  Kirche 
erbaut.  1662  wurde  ihr  Kloster  erbaut  und  1666  bezogen.  1813  wurde  das 
1813]  Kloster  aufgehoben,  für  den  Staat  verkauft  und  zum  Wirtshaus  gemacht, 
im  Jahre  1850  von  Redemptoristen  wieder  bezogen,  und  diese  durch  den  Kul- 
turkampf 1873  wieder  vertrieben;  darauf  zogen  1890  die  Franziskaner  ein. 


Die  Frankengräber  von  Schierstein. 


Von 

B*  Plorschtttz* 


m. 

Die  letzten  Funde  aus  dem  fränkischen  Friedhofe  von  Schierstein,  im 
Terrain  des  Herrn  Qeorg  daselbst,  beschränken  sich  auf  den  Inhalt  von  noch 
zwei  Gräbern,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  den  letzten  des  ursprünglich  bis 
zum  Beginn  des  Hohlweges  reichenden  Grabfeldes. 

Es  ergaben  sich  —  eine  Sonderung  der  Gegenstände  nach  dem  jeweiligen 
Grabe  war  nicht  mehr  ganz  zuverlässig  —  an  Waffen: 

Grosse  Franziska.  Länge  19  cm,  Breite  der  Schneide  10  cm,  Höhe  und 
Breite  der  Bahn  5  und  4  cm. 

Grosses  Messer,  Sax.    Länge  24  cm,  Höhe  35  mm. 

Drei  kleine  defekte  Messer,   Höhe  durchschnittlich  2  cm. 

Drei  zum  Teil  sehr  elegante,  kurze  Lanzenspitzen  von  breiter  Blattform 
mit  eingeschlitzter  Tülle.  Gesamtlänge  10  cm,  Länge  des  Blattes  65  mm, 
Breite  30  mm. 

An  gewohnlichen  Gebrauchs-  und  Schmuckgegenständen: 

Bronzenadel,  17  cm,  mit  aufgerolltem  oberen  Ende  als  Knopf. 

Bronzepinzetto  mit  verbreiterten  Endplatten,  Länge  85  mm. 

Bronzenähnadel  mit  Öhr,  G  cm. 

Schnalle  aus  Weissmetall,  30 :  20  mm.  Sehr  breite  (17  mm)  Platte  des 
Dornes. 

Zwei  kleine  Schnällchen  (Weissmetall)  mit  schmalem  Dorn,   12 :  10  mm. 

Reste  von  drei  eisernen  Schnallen,    im  allgemeinen  35 :  22  mm. 

Zwei  schwer  zu  bestimmende  schmale  Leisten  aus  Eisen  und  ein  desgl.  flacher 
Ring,  zusammengehörig  und  in  ihrer  Form  und  Lage  wahrscheinlich  als  Be- 
schlagstücke einer  Gürteltasche  anzusehen.  Länge  der  Leisten  10  und  14  cm, 
Ring  6  :  2  cm. 

Von  Töpfereien  waren  nur  zwei  Gefasse  erhalten.  Ein  gelblicher 
Topf  mit  abgedrehtem  Rande;  Höhe  13  cm,  bei  12  cm  lichter  Weite.  Leicht 
gerillt. 

Urne  von  grauer  Färbung,  Höhe  12  cm,  Durchmesser  des  scharf  abge- 
setzten Bauches  17  cm;   lichte  Weite   der  ÖiTnung  15  cm,   Oberteil  jgerillt.  — 


240 


Endlich  wurde  das  5  cm  lange  Bruchstück  eines  cylindrisch  abgeschliffenen  j 
Uärnatits,  BUitstems,  erhoben.   — 

Id zwischen  haben  sich  weitere  archäologische  Fondstellen  bei  Schierstemi 
ergeben,    und   zwar   südöstlich   von  dem  bisher  geschilderten  FrankenfriedhofeJ 
in  dem  Winkel    zwischen   der   Chaussee   nach  Wiesbaden   und   dem  Fahrwege  1 
nach  Mosbach.    Es  konnten  daselbst  zunächst  am  Nord  Westrand  des  Lösabrucbea 
des  Herrn  Dr.  Peters   in  einer  Tiefe    von  2,20  m   die  Überreste  einer,   wie  es 
scheint,  ursprünglich  sehr  grossen  Mardelle  nachgewiesen  werden«    Man  fand 
eine  in  der  Mitte  noch  annähernd  20  cm  mächtige  Kohlen-  und  Asehensehicht 
mit  geschwärzten  Oefassstücken   von   neolithiachem  Typus,   aus  welchem  unter 
anderem  ein  becherförmiges  rohes,  mit  Steinchen  durchsetztes  Gefass  von  14,5  cm 
Hohe  und  12,5  cm  lichter  Weite  rekonstruiert  werden  konnte,  wie  wir  solchen  — 1 
ganz  gleich  in  Form^  Material  und  Mache  —  so  häutig  in  den  neusteinzeitlichen 
Pfahlbauten  der  Ostschweiz,  speziell  des  Bodenaees,  begegnen.     Daneben  fanden 
sich  einzelne,   schwer  bestimmbare  Bruchstücke  von  Tierknochen  und  ein  sehr 
mürbes  und  defektes  menschliches  Seiteuwandbein.    Nach  Angabe  der  Arbeiter 
dürfte  der  ursprüngliche  Durchmesser  der  ganzen  Mardelle  auf  9 — 10  m  zu  be-j 
rechnen  sein. 

In   nächster  Nähe  hiervon,   nordwestlich   und   dicht  an  der  Wiesbadener       i 
Chaussee,    hatten    die  Herren  Seipel   aus  Schierstein   behufs   Fundamentierung  ^M 
eines  Hausos  den  Löss  in  Quadratform  mit  9,60  m  Seitenlänge  und  bis  zu  etwa  " 
1,50  m  Tiefe   ausheben   lassen.     Hierbei    waren  die  Arbeiter  seinera^eit  auf  die 
Überreste   von   vier   Skeletten  gestossen,    sämtlich   in  regelmässigen  Abständen 
je   2   und  2   von   NW.    nach  80.   gelegen.     Und   es  ist  entschieden  auffällig, 
dass   auch  in   dem  von  Lindenschmit  beschriebenen  Gräberfeld  am  Hiukelstein 
bei   Monsheim    dieselbe    nordwest  -  südöstUche    Bichtung  der    Gräber   und    ihre 
Skelettreste   beobachtet   wurden.      Zwei  Skelette   waren   einfach  in  den  Boden 
eingebettet  gewesen  (sämtliche  fanden  sich  etwa  SO  cm  unter  der  gegenwärtigen  ^M 
Erdoberfläche);    ein    drittes,    anscheinend   einem  jungen  Individuum  augehörig, ^| 
war  mit  einfachen  Kollsteinen   dürftig   bedeckt;    das   vierte  hatte  jedoch  eine 
Unterlage  von  Kalkplatten,  und  scheint  aus  gleichen  Platten  eine  sehr  mangel- ; 
hafte  Orabkammer  hergestellt  gewesen  zu  sein.  An  Ort  und  Stelle  wurden  nur  bei 
Bestattung  III  noch  verschiedene,    sogenannte  Wackensteine   vorgefunden;    am' 
Platze  der  Bestattung  IT  aber  fanden  sich  zerstreut  fast  sämthche,  aus  Ceritbien- 
kaik  bestehenden,  dünnen  und  unbearbeiteten  Platten,   welche  die  Orabkammer 
gebildet  hatten.    Sie  waren  von  un regelmässiger  Form  und  schwankten  zwischen 
25 :  35  und  32 :  45  cm  Breite  und  Höhe.    Zwischen  Grab  IH  und  IV  war  man 
auf  verschiedene  Reste   vou  Tüpfereien  gestossen;    es  gelang  nachtraglich  aus 
einigen    derselben   die  Profilierung   eines   sehr  grossen  urnenfurmigen  Gefässea  ^^ 
wieder    festzusetisen    und   ist   nach   den   gewonnenen   Massen   die   Gesamthöhn  ^| 
desselben  auf  50  cm,  der  grösste  Durchmesser  des  Bauches  auf  etwa   55^   die 
lichte  Weite  auf  42  cm  anzusetzen.    Der  horizontale  Boden  zeigt  15  cm  Durch- 
messer; durchschnittliche  Dicke  der  Bauchwandung  1  cm.    Der  nach  seinem  Fuss  { 
hin  steil  abfallende  Topf  ist  von  graubrauner  Färbung ;  sein  3  cm  hoher  Rand 
ist  scharf  ausgezogen  und  den  Hals  umgiebt  ein  2  cm  hohes^  mittels  der  Finger 


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241 

eriiaben  ausgearbeitetes  Schnurornament.  Interessant  ist  an  dem  nicht  unbedeuten- 
den Rand-  und  Bauchstuck  der  Mangel  eines  Henkels,  welcher  durch  zwei, 
anti»'halb  des  Halsornamentes  angebrachte,  2  mm  starke,  Durchbohrungen  der 
GefiUswand  zum  Durchziehen  einer  gedrehten  Sehne  behufs  Aufhängen  des 
Oefiasea  ersetzt  ist.  Diese  Löcher  befinden  sich  in  einem  Abstand  von  3  cm 
Toneinander;  ihnen  würden  zwei  gegenüberliegende  entsprochen  haben.  Der 
obere  Teil  der  Urne  ist  sorgfältig  geplättet,  der  untere  dagegen  rauh  gehalten 
und  läset  das  Geföss  daher  auf  seine  Verwendung  zum  Kochen  schliessen. 

Yen  menschlichen  Überresten  waren  nur  noch  äusserst  defekte  Schädel- 
bmchstQcke  vorhanden,  welche  eine  Zusammensetzung  nicht  gestatteten.  Merk- 
würdig gut  erhalten  war  dagegen  der  angeblich  zu  diesem  Schädel  gehörige 
TeO  des  Ober-  und  Unterkiefers  mit  tadellosen  Zähnen,  welche  beiderseits  in 
ganz  auffalliger  Weise  horizontal  abgeschliffen  waren  und  damit  auf  vollständigen 
Orthognatismus  hinweisen. 

Ein  abschliessendes  Urteil  ist  selbstverständlich  im  Augenblicke  über  die 
neue  interessante  Fundstelle  nicht  abzugeben.  Erst  eine  weitere  sorgfaltige 
Untersuchung  wird  die  gewünschten  Aufschlüsse  über  diese,  wie  wir  wohl  trotz 
der  dürftigen  bisherigen  Erhebungen  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  annehmen 
dürfen,  neoUthische  Begräbnisstätte  liefern.  Von  Wichtigkeit  für  unsere  Frage  ist, 
abgesehen  von  der  in  nächster  Nähe  gelegenen  Mardelle,  noch  der  ganz  be- 
deutende Umstand,  dass  bereits  im  Jahre  1876  (Ann.  XIY,  431)  der  Konser- 
vator, Herr  Oberst  von  Cohausen,  Schierstein  als  neusteinzeitliche  Fischer- 
station feststellen  konnte,  und  zwar  auf  Grund  einer  Reihe  einschlagender 
Erhebungen  aus  der  Ziegelei  des  Herrn  Zimmermeister  Jacob  von  der  Rhein- 
gewann am  oberen  Ende  des  Schiersteiner  Hafens.  In  180  cm  Tiefe  fanden  sich 
da  im  Löss  ein  geschliffenes,  durchbohrtes  Steinbeil,  ein  Bonaparteshut  von 
Lava,  schwarze  Topfscherben,  Netzbeschwerer  und  andere  aus  Thon  gebrannte 
Gegenstände,  gebrannter  Lehmbewurf  der  Hauswand  u.  a.  — 

Schliesslich  sei  den  Herren  Dr.  Peters  und  Seipel  der  beste  Dank  f[ir 
Überlassung  der  Fundgegenstände  ausgesprochen  mit  der  Bitte  um  weitere 
gefallige  Unterstützung. 


16 


Eine  neue  Knoclienliölile  in  Steeten  a.  d.  Lahn. 


Von 

B*  Plorschtt2* 

(Mit  2  Abbildimgefi  auf  Tafel  YIIL) 


Durch   freaodliche  MitteiluDg   des   HerrD  Bürgermeisters  Eschbofen   zu 
Steeten,  kam  uns  im  Frühaomraer  des  verflossenen  Jahres  die  Nachricht,  dass  i 
bei  den  nun  einmal  unvermeidlichen  AbsprenguDgen  des  devonischen  Korallen- 
kalkes  in   der   durch   die   Annalenberichte    (AnnaK   XIII,   XV,  XVI   und  XX) 
berühmt  gewordenen  Schlucht  „in  der  Leer*  eine  neue,  wenn  auch  kleine  Höhle  1 
entdeckt  worden  sei. 

Die  Besichtigung  derselben  ergab  ihre  Lage  südwärts  von  dem  Wildhaudj  ] 
iu  der  gleichen  Kalkwand,  doch  um  etwa  10  m  höher  und  damit  ungefähr  20  m 
über  der  Tbalsohle  und  dem  damals  durch  Gewittergüsse  angeschwollenen,  roman^ 
tisch  über  die  Felstrüramer  der  Leer  hinschatimenden  Wildbach.    Der  Anstieg  zur  1 
Ilühle  war    nicht  gerade  ein  bequemer  zu  nennen;  wer  nicht  um  einen  steilen 
Felsgrat  herum  auf  schwindelndem  Pfade  sich  ihr  nähern  wollte,  war  genötigt,  | 
von    unten   auf  über   das    abgesprengte,    in    der  Sonnenhitze    glühende  Geröll 
des  Kalksteinbruches   sich  in  die  Höhe  zu  arbeiten,    wobei  allerdings  ein  nach 
Anordnung  des  Herrn  Oberst   von  Cohauaen   um   einen  schweren  Steinblock 
auf  dem  kleinen  Plateau  vor  der  Hohle  befestigter,  kräftiger  Hanfstrick  ebenso  j 
auf-  wie  abwärts  eine  vorzügliche  ünterstützuDg  bot. 

Die  betreffende  Höhle  war  angesprengt  worden,  und  wie  sich  später  er- 
wies, an  ihrem  ursprüDglichen Eingang,  der  durch  einen  kleinen  Schuttkegel  teilweise  j 
verdeckt  gewesen  war.  Das  durch  die  Sprengung  gewonnene  senkrechte  Profil 
ergab,  bei  einer  Mächtigkeit  des  roten  Höhlenlehmes  von  1,55  m,  eine  Eingangs- 
Öffnung  von  0,70  m  Höhe,  welche  im  Innern  der  Höhle  bis  zu  1,70  m  anstieg. 
Im  Schuttkegel  selbst  waren  bereits  Knochenreste  von  Bos  und  Rbino7.crofl  j 
gefunden  worden. 

Nach  Ausräumung  der  Hohle,  welche  mittels  zweier  Arbeiter  schon  binnen 
zweier  Tage  vollendet  werden  konnte,  ergaben  sich  als  absolute  Masse  für  den 
Eingang  2,25  m^  für  die  su  ziemlich  in  der  Mitte  gelegene  höchste  Höhe  4  und  ^ 
für  die  Gesamtlänge  annähernd  6  m  bei  einer  gröasten  Breite  von  2,50  m.    Die  j 
Hohle   war  keine   einfache  Spaltbildung  Im  Gebirge,  wie  z.  B.  das  Wildhaiu» ; 


flie  erschien  «chon  am  abgespreogten  Profil  nach  den  verscliiedenaten  Richtungen 
ausgewaschen  und  ausgedreht,  je  nach  den  verschiedenen  Widerständen,  welche 
die  härteren  und  weicheren  Partien  des  anscheinend  homogenen  Stringokephaleu- 
Ralkes  den  einwirkenden  Kniften  entgegengesetzt  hatten.  Gerade  das  gewonnene 
»«ükrcehte  Profil  gah  ein  typisches  Bild  für  die  eigootümlichen,  scharf  begrenzten 
neckenhausahnlichen  Windungen,  wie  wir  dieselben  früher  am  Wildpütz, 
irt  mit  senkrechter,  hier  mit  mehr  wagrechter  Drehachse,  kennen  gelernt 
hsbeOi  nur  das»  sie  dort  annähernd  horizontal  und  damit  parallel  Torlaafen, 
während  hier  —  und  besonders  im  Innern  der  Höhle  —  das  krause  Durch- 
einander air  dieser  parabolischen  Ausschliffe  einen  frappierenden  Eindruck  her- 
vorruft. Zwei  enge,  rührenfürmig  ausgedrehte  Gänge  Messen  sich  in  der  Decke 
(der  eine  am  hinteren  Ende  der  Hohle)  beobachten;  ein  dritter  verlief  in  die 
linke  Seitenwand,  doch  konnten  alle  nur  auf  kürzeste  Entfernung  verfolgt  werden, 

Der  Felsboden  war  nur  in  seiner  hinteren  Hälfte  annähernd  horizontal; 
ine  vordere  bildete  ein  bis  zu  0,50  m  überhöhtes,  nach  hinten  sattelförmig  aus- 
geschweiftes Podium,  das  dann  mit  30  cm  steil  abtiel  und  in  der  Mitte  einen 
schmalen  Gang   von  kaum  30  cm  Breite  eben  durch  diesen  Äbschluss  freitiess, 

Der  untere  Teil  der  Höhle  war  bis  zu  einer  Höhe  von  etwa  1  m  mit 
durchaus  homogenem,  fettigem,  lebhaft  rot  gefärbtem  Höhlenlehm  ausgefüllt, 
ohne  Spuren  diluvialer  Eeste.  Über  diese  Grenze  hinaus  wurde  der  Lehm 
lockerer,  nahm  ein  immer  dunkleres,  aschen-  und  kohlenfarbiges  Aussehen  an, 
um  fichliesälich  das  Aussehen  und  die  Beschaffenheit  eines  mit  Geäteinstrümmern 
durchsetzten  Waldhumus  zu  bieten.  Die  unteren  Lagen  dieser  zwischen  30  bis 
50  cm  mächtigen  Schicht  boten  die  Fundgegenstände  der  Diluvialzeit;  eine 
Sinterdecke  fehlte,  wie  ebenso  Stalaktiten  an  den  Wänden  der  Höhle. 

Menschliche  Artefakte  waren  nicht  nachzuweisen;  dagegen  zwei  ausge- 
dehnte Feuerstellen.  Die  erste  befand  sich  am  Eingang  der  Höhle  und  waren 
ihre  1 — 2  cm  starken,  noch  mit  Holzkohlenresten  durchsetzten  Spuren  an  den 
Seitenwänden  sowohl  wie  auf  dem  Boden  bis  fast  zur  Mitte  der  Höhle  zu  ver- 
folgen. Eine  zweite  fand  sich  in  breiter  Ausdehnung  im  Hintergrund  der  Höhle, 
60  cm  unter  der  augenblicklichen  Oberfläche.  Auch  siebesass  nur  eine  Mächtigkeit 
von  1 — ^2  cm  und  wurde,  wie  ebenso  die  erste,  einer  genauen  chemischen  Unter- 
suchung unterworfen,  um  jeden  Irrttim  auszuschüessen. 

Über  diesen  Feuerstellen  aber  und  ihrer  nächsten  Nähe  lagen  die  Knochen* 
reste  der  Mahlzeiten,  welche  die  nomadisierenden  Jägerhorden  des  Diluviums 
sich  dort  zurecht  gemacht  hatten  —  des  Pferdes,  Auerochsen  und  der  riesigen 
Dickhäuter,  die  sie  zu  erlegen  verstanden.  Freilich  nicht  mittels  tiefer  Fall- 
gruben, wie  uns  gewöhnlich  gelehrt  wird  —  denn  für  diese  fehlten  die  ersten 
Vorbedingungen :  die  geeigneten  Werkzeuge.  Wohl  aber  war  gerade  die  tiefe 
Schlucht  der  Leer  insofern  ein  ausserordentlich  günstiges  Jagdterraiu,  als  sie 
selbst  eine  Art  enger  Falle  darstellte,  in  welche  man  ein  von  seiner  Herde 
durch  Geschrei  und  Feuerbrände  abgedrängtes  Tier  sehr  wohl  hineinscheuchen 
konnte,  um  es  dann  von  den  sicheren  Höhen  der  steilen  Felswände  durch  her- 
abgerollte Steine  und  Felsmassen  ungefährdet  zu  erlegen.  Was  von  dem  erlegten 
Wilde  mittels  der  primitiven  Steinwerkzeuge  abgeacbnitten  werden  konnte,  wurde 

16^ 


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244 

dann  in  die  nächste  Höhle  getragen  und  zum  Mahle  —  noch  ohne  jede  Töpferei 
—  zugerichtet.  Dann  zog  die  kleine  Horde  der  Jäger  weiter,  um  unter  günstigen 
Verhältnissen  gelegentlich  denselben  Platz  nochmals  aufzusuchen,  vielleicht  auch 
gefolgt  von  einer  anderen  Horde,  welche  demselben  Jagdverfahren  oblag. 

In  den  Zwischenzeiten  aber  kamen  Hyänen  und  kleineres  Raubzeug,   an 

den  Abfallen   dieser  primitivsten   menschlicher  Mahlzeiten  fleissig  Nachlese   zu 

halten ;  das  bezeugen  ihre  Nagespuren  und  ihre  eigenen  Überreste,  speziell  Zähne. 

Im  allgemeinen  ist  die  diluviale  Fauna  der  kleinen  Höhle  als  eine  kleine, 

aber  trotzdem  recht  interessante   zu  bezeichnen.     Es  fanden   sich  (nach   den 

freundlichen  Bestimmungen  des  Herrn  Konservator  Römer)  die  Überreste  von 

Hyaena  spelaea^  Höhlenhyäne  (Zähne); 

Felis  catus,  Wildkatze  (ünterkieferstück) ; 

Canis  [Vulpes]  Spelaeus  minore  kleiner   Höhlenfuchs  (Eckzahn  des 

Oberkiefers) ; 
Ärvicola  amphibius,  Wasserratte  (Unterkiefer  und  Schneidezähne); 
Rhinoceros  lichorhinus^  Nashorn   mit  knöcherner  Scheidewand,  Be- 
gleiter des  Mammut.     (Ulna  und  Radius,   sowie  Humerus  — 
letzterer  nach  Herrn   Hofrat  Dr.   Liebe   vielleicht   dem   Rh. 
Merkii  zugehörig); 
Equus  caballm,  Pferd  (Backen-  und  Schneidezähne,  Mittelfussknochen, 

Sprungbein,  Ulna,  Keilbein  und  anderes); 
Cervus  capreolus,  Reh  (Zehenglied); 

Cervus,  Edelhirsch  (Backenzähne,  Mittelfussknochen,  Fersenbein  u.  s.  f.); 
Bos,  Rind  —  ob  Wisent  oder  Ur?  (Ulna); 
Mustela  martes,  Marder  (Humerus). 


)er  Wilde  Pütz  bei  Steeten. 

Von 

A«  V.  Cohausen. 

(Hit  &  Abbildungen  auf  T«fel   X.) 


^ 


Wir  haben  in  den  Annalen  des  Naspaiiischen  Geschichts-  und  Altertums* 
Vereins,  18T4,  XUI,  397;  1879,  XV,  329;  1882,  XVII,  73  u,  1888,  XX,  371 
Bericht  erstattet  über  die  Huhlen  bei  Steeten  an  der  Lahn,  und  dabei  ausaer 
der  vorgeschichtlichen  Menschen-  und  Tier-Reste  insbesondere  auch  des  Wilden 
FStzes  Erwähoung  gethan. 

Es  ist  dies  eine  schachtartige,  runde  Vertiefung  von  durchschnittlich 
1,10  m  Durchmesser  mit  Ausreifelungen  der  Wände,  welche  aus  wagrechten 
Hohlkehlen  von  4  bis  10  cm  Tiefe  bestehen,  welche  sich  bald  scharfkantig 
begrenzen,  bald  zu  weiteren  Hehlkehlen  verbinden  (Abb.  2), 

Ehe  der  Wilde  Pütz  von  den  hineingeworfenen  Steinen  und  Schutt  befreit 
war,  konnte  man  wohl  denken,  einen  Gletschertopf  vor  sich  zu  haben;  allein 
diese  sind  im  Gletschergarten  zu  Luzern  immer  nicht  schacht-,  sondern 
trichterförmig  und  haben  z,  B.  bei  1,30  m  oberem  Durchmesser  eine  Tiefe 
von  3  m,  bei  2  ra  Durchmesser  3,50  m  und  bei  8  m  Durchmesser  eine  Tiefe 
von  7,50  m. 

Man  nimmt  an,  dass  ein  aus  einem  Felspalt  auf  eine  Felsplatte  sich  herab- 
stürzender Wasserstrahl  Steine  mit  hinabgerissen  und  dadurch»  dass  er  diese 
auf  der  Platte  bewegte,  auch  wohl  in  drehende  Bewegung  gesetzt,  das  Gestein 
ausgebohrt  habe.  Dabei  musste  aber  nicht  nur  für  das  von  keinem  Wind 
bewegte  hinabstürzende  Wasser,  auch  für  das  ausweichende  Wasser  Raum 
erzeugt  werden,  und  daher  die  trichterförmige  Gestalt  entstehen. 

Bei  grösser  werdender  Tiefe  setzte  die  bereits  unten  befindliche  Waaser- 
masae  der  herabstürzenden  einen  Widerstand  entgegen,  sodass  diese  in  der 
Tiefe  keine  Gewalt  mehr  ausüben  konnte  (Abb,  2), 

Dies  musste  auch  in  dem  (trotz  der  Auskehlungen)  cylindrisch  bis  zu 
7,30  m  Tiefe  hinabreichenden  Wilden  Pütz  eingetreten  sein  und  die  Bewegung 
der  untenliegenden  Steine  unmöglich  gemacht  haben. 

Gegen  diese  Qletschcrtopf- Theorie  spricht  aber,   ausser  der  cylindrischen 

Form  des  Schlotes,  auch  seine   etwas   nach  Westen    geneigte  Lage,    und   dass 

lief  Felswand    an  der  er  hinabgeht,  aufwärts*eine  Rinne  mit  halbkreis^ 


246 

förmigem  Qaerschnitt,  als  Fortsetzung  des  Schlotes,  nocli  um  mindestens  ebenso 
viel  nach  der  Hohe,  als  er  nach  der  Tiefe  geht,  hinaufziehen  sieht.  Es  ist  die 
Hälfte  des  Schlotes,  dessen  andere  Hälfte  abgestürzt  ist,  und  hat  auch  dieselbe 
geneigte  Lage,  sodass  der  ganze  Sehlot  mindestens  15  m  Hohe  hatte.  Seine 
obere  Mündung  hört  mit  den  Felsen  auf  und  lag  vielleicht  noch  höher»  Er 
wurde  allmählich  mit  Steinen  und  Schutt  fast  augefüllt*  damit  niemand  hinab- 
stürzen m()ge. 

In  der  Fortsetzung  der  Felswand  über  dem  Wilden  Pütz  sieht  man  noch 
mehrere  solcher  aufsteigenden  Rinnen,  welche  wohl  ähnlichen  Schloten  an- 
gehört haben. 

Das  Thal,  die  Leer  genannt,  weil  gewöhnlich  kein  Wasser  durch  das* 
selbe  fliesst,  ist  der  Durchbruch  durch  eine  dolomitische  Strinchocephalen- 
Kalkbank,  welche  mit  einer  Länge  von  etwa  250  Schritt  und  einer  Breite  von 
30  Schritt  ein  weiteres  wasserreiches  Thal  staute  uüd  den  Bach  nötigte,  unter- 
irdisch unter  den  zertrümmerten  Felsen  der  Leer  hin  nach  der  Lahn  zu  fliessen. 
Der  genannte  Durch bruch  hat  durch  seine  senkrecht  aufsteigenden  Felsen  und 
durch  deren  eckige  Bruchstücke,  zwischen  denen  nach  Regengüssen  die  Leer- 
bach  sich  durchwindet,  ein  neues,  unfertiges  Ansehen,  das  ihm^  durchwachsen 
mit  Buchen-Bäumen  und  Hecken,  einen  hohen  Reiz  gewährt. 

Im  Sommer  1891  kamen  die  Steinbrecher,  welche  wegen  der  hydraulischen 
Eigenschaft  des  Kalkes  leider  das  schone  und  merkw^ürdige  Thal  zerstören 
werden,  auch  auf  einen  auf  der  anderen,  linken  Seite  des  Thaies  schräg  auf- 
steigenden Schlot  von  beistehender  Form  (Abb.  3).  Er  war,  soweit  er  messbar  war, 
14,30  m  lang,  und  60  bis  100  cm  weit  rundlich  ausgehöhlt,  war  grösstenteils 
ganz  leer  und  enthielt  nur  etwas  roten  Thon.  Seine  Wände  zeigten  oben  einige 
grössere  Tropfsteinbildungen,  die  aber  unten  bald  aufhörten;  an  ihre  Stelle 
traten  zellenförmige  Auswaschungen,  wie  ich  solche  an  einem  Turm  von  Kalk- 
bossenquaderu  auf  dem  Ehrenberg  bei  Wirapfen  gefunden  hatte. 

Die  Art,  wie  Vertiefungen  oder  Höhlen  in  einem  Felsen,  vorzugsweise 
Kalkfetsen  entstanden  sind»  kann  eine  mehrfaltige  sein. 

1.  Durch  die  aus  wühlende  Kraft  eines  aus  der  Höhe  herabstürzenden 
Wasserstrahles  —  Strudel  oder  Gletschertöpfe  (Abb.  2). 

2.  Durch  die  weitere  Ausspülung  und  Ausreibung  einer  Felsspalte,  durch 
welche  das  Wasser  strömt  und  Baclikiesel  und  Saud  mit  sich  führt.  So  fanden 
wir  das  enge  Wildhaus  bei  Steeten  auf  dem  Grund  mit  gerollten  Steben 
erliillt,  Waren  auch  die  Seiten  mehr  angegriffen,  so  waren  Ströme  von  den 
Seitenwänden,  auch  wohl  von  der  Decke  herabgestürzt,  wodurch  sich  die  Höhle 
erbreitert  und  erhöht  hatte.  Sie  würde  auch  w*ohl  mit  Tropfstein  bekleidet 
worden  sein,  wenn  eine  mächtigere  Kalkschicht  über  ihr  gelegen,  w^elche  aus- 
gelaucht,  sich  dann  wieder  als  Tropfstein  niedergeschlagen   hätte. 

3.  Eine  dritte  Art  der  Ilöhlenbildung,  wie  sie  auch  im  Saudsteingebirg 
vorkommt,  geschieht  dadurch,  dass  sich  eine,  wenn  auch  unbedeutende  Quelle, 
durch  einen  wagerechten  oder  senkrechten  Spalt  durchdrängt  und  das  nächste 
Gestein  feucht  erhält,  wo  dann  durch  Frost  oder  Thau  immer  kleine  Körner 
abgesprengt   werden   und   die  Höhlung   vergrössern,     Dieselbe  Wirkung   kann 


btt^SBi&i 


247 


auch  eintreten,  wo  ein  feuchter  Niederschlag  auf  dem  kalten  Geateio  sich  ao- 
setit  und  Frost  oder  Thau  dasselbe  Spiel  treiben.  So  mag  die  Wilde  Scheuer 
auf  dem  linken  Ufer  der  Leer,  vorn  6  m  breit  und  7  m  hoch  und  immer 
eoger  werdend,  ihre  18  m  Länge  und  ihre  Weite  erlangt  haben. 

Wir  haben  hier  dreierlei  Höhlenbildungen  in  bestehendem  hartem 
Kalkgestein  vor  uns.  Wir  fragen  nun  weiter^  was  geschieht  unter  den  nach- 
stehenden Verhältnissen  ? 

Am  Fusse  eines  Oebtrges  bricht  eine  Süsswasserquelle,  deren  Sammel- 
Becken  hoch  oben  liegt,  hervor.  Sie  wird,  wenn  der  Druck  stark  ist,  sich  wie 
ein  Springbrunnen  erheben^  und,  wenn  sie  kalkige  oder  kieselige  Bestand* 
teile  hat,  wie  die  Qeyser  in  Neuseeland  oder  Kolorado,  ein  Becken  um 
sich  herum  niederschlagen^  ja  eine  Art  Röhre  bilden.  Ist  ihr  Wasser  rein,  so 
wird  letzteres  nicht  geschehen. 

Was  wird  aber  dann  mit  dem  stark  auftreibenden  Quellatrahl  entstehen, 
wenn  rieh  das  Thal  am  Gebirgsfass  mit  einem  Meeresarm  füllt?  (Abb.  4.)  Es  wird  je 
nach  der  Stärke  des  Druckes  die  Quelle,  wenn  nicht  als  Springbrunnen,  doch 
als  aufquellender  Wasserhügel  über  dem  Seespiegel  sich  bemerkbar  machen, 
wie  35.  B*  im  Hafen  von  La  Spezzia,  oder  auch  wohl  an  der  norwegischen 
Küste,  sodass  es  Ansti*engung  kostet,  auf  den  Hügel  einen  Kahn  hinaufzutreiben. 
Das  Meer  aber  wird  seine  festen  Bestandteile,  seinen  chemisch  gelösten  (strineho- 
kephalen)  Kalk  fortfahren  niederzuschlagen,  die  Quelle  aber  wird  sich  ihre 
Mündung  und  ihre  Bahn  im  Meereswasscr  etwa  so  freihalten,  wie  eine  Rauch- 
säule aus  einem  Kamine  in  die  freie  Luft  aufsteigt ^  —  rund  in  ihrem 
wagerechten  Querschnitt  und  wolkig  in  ihrem  senkrechten  Aufriss.  Sie  wird 
ziemlich  senkrecht  aufsteigen,  jedoch  auch,  wenn  eine  Meeresströmung  sie 
zwingt,  mehr  oder  weniger  geneigt  ihr  folgen,  immer  eingeengt,  aber  nicht  ver- 
hindert durch  die  Jahrtausende  fort  und  fort  stattündendon  MeeresniederschlägOt 
die  sich  ruhig  aufbauen,  aber  die  Quellenstrümung  freilassen»  Es  wird  in  dem 
allmählich  sich  bildenden  Gestein  eine  Bohre  entstehen,  welche  in  Quer-  und 
LiDgenschnitt  wie  eine  Rauchsäule  oder  auch  wie  die  Schlote  in  der  Leer 
rieh  gestalten  werden  (Abb.  5), 

Die  Quelle  durchdringt  also  nicht  ein  fertiges  Gestein,  sie  spült  sich 
keinen  Weg  aus,  sondern  sio  steigt  in  dem  Seewasser  auf  und  dessen  Absatz 
respektiert  den  Weg  der  süssen  Quelle  und  setzt  nur  neben  diesem  seinen 
Niederschlag  ab. 

Ob  dies  ausreicht,  auch  die  mehr  wagerecht  liegende  wolkenäh nlichc 
Gestalt  der  vorstehenden  und  einiger  anderer  Höhlen  in  der  Leer  2U  erklären, 
wollen  wir  hier  nicht  durch  zufuhren  versuchen. 


Grabschrift  des  Gustav  Ernst  von  Sevdlitz 
ZU  Nastätten^ 

Mitgeteilt    von    Fr.    Olto. 


\1T'    M 

em  V 


Id  der  evangelischen  Kirche  zu  Nastattea  findet  sich  nachfolgende  Inschrift 
(h,  8.  249)  auf  dem  Grabstein  des  Gustav  Ernst  von  Seydlitz;  wir  geben  sie  hier 
mit  ihren  Sonderbarkeiten  in  der  Orthographie  (quoeris,  proefectus  und  sogar 
Spartoe;  charua  und  moestus  entspricht  der  früheren  Schreibung)  wieder  und 
fügen  einige  erläuternde  Beraerkuogen  hinzu. 

Der  Grabstein,    welcher  die  genannte   Inschrift   trägt,    stand  früher   auf' 
recht  in  der  evaugelischeo  Kirche  zu  Nastätten,  an  die  Wand  gelehnt.  Hier  schrieb 
sie   vor   längerer  Zeit  Herr  Oberst   von  Cohausen   ab.     Später  erregten  ihm 
einige  Worte  Bedenken,   doch   gelang   es   ihm   nicht   eine  Vergleichuog  seines 
Textes   mit   dem  Originale   herbeizuführen,   zumal  da  der  Stein  aus  seiner  ur- 
sprünglichen Stellung   inzwischen   entfernt   worden   war.     Glücklicher  war  de 
Verfasser  dieser  Zeilen.  Auf  seine  Bitte  verglich  der  jetzige  Pfarrer  von  Nastätten,' 
Herr  Klein,  in  höchst  dankenswertem  Entgegenkommen  die  Abschrift  mit  dera^ 
Original  und  stellte  nicht  allein  dadurch  den  Wortlaut  derselben  sicher,  sondern 
fügte   auch   noch   die  Resultate   weiterer  Nachforschungen   in   den  Archivalien 
seiner  Kirche  u.  s.  w,  hinzu,  welche  es  möglich  machten  die  folgenden  Bemerk -^Ä 
ungen  zur  Erläuterung  niederzuschreiben.  H 

Ehe  wir  die  Grabachrift  selbst  betrachten,  schicken  wir  voraus,  dass  der 
Flecken  Nastätten  zur  Zeit  von  Seydlitz  Tod  zu  dem  hessen -kasselischen  Amte 
Reichenberg  in  der  Nieder-Grafschaft  Katzenelnbogen  gehörte*)  und  nach  dem^ 
Yertrage  von  1648  mit  diesem  an  die  rheiofelsische  Linie  von  Hessen  vorbe« 
haltlich  der  Landeshoheit,  der  Regalien  und  der  Kriegsbesatzung  abgetreten 
worden  war*);  die  dort  stehenden  Truppen  waren  also  dem  Landgrafen  vonj 
Hessen-Kassel  untergeben*  Eine  Abteilung  derselben  stand  unter  einem  Oberstj 
zu  Nastätten.  Der  Landgraf  Ernst  von  Hessen-Rfaeinfels  hielt  am  30.  Här< 
1649  den  Einzug  in  seine  Residenz  St.  Qoar  (Rheinfels)^] ;  in  der  Mitte  de^ 
folgenden  Jahrhunderts  fiel  das  ihm  überlassene  Gebiet  an  die  Ilauptlinie  zurück*] 


*)  Büschinj?,   Eriibeschrcibungt   1768,   VlI.  S     1093.   —  ')  Rommel,   Oosohichtc  Toa 
Hewen,  VlII,  S.  771 ;  TX    S.  «Q.  —  ')  Orebel,  Oesohiolile  iler  8tadt  St.  Ooftr,  8.  130. 


249 


Quoeris  quis  fuerim 

Viator! 

fui 

GVstaVus  Emestus  a  Seidlitz 

nobilis  Silesius 

natus 

die  XL  Aug.  MDCXXCVI 

Castra  secutus 

Inter  Copias  Hasso-Saecicas 

Maioris  excubiarum  proefecti 

Vices  gessi 

Uxorem  charissimam 

reliqui 

Yiduam  moestissimam 

Annam  Elisabetham  Phillippinam 

Natam  de  Westerfeld 

Illustrium  parentum 

Filius  undecimus 

sine  prole 

febri  acuta 

decessi 

die  XIIL  Maii 

GVstaVI  Ernestl  a  SelDLItz 

VIrtVtis  honorl 

Et  Spartoe  et  generl 

Moesta  reLICta 

ponlt. 


350 

Kommen  wir  jetzt  zu  dem  Inhalt  der  Qrabschrift.  Sie  teilt  zunächst  mit, 
dass  der  Edle  (nobilis)  Gustav  Ernst  von  Seydlitz  aus  Schlesien  am  11.  August 
1686  geboren  war  und  iü  hessen-schwedischen  Diensten  die  Stelle  eines  Oberst- 
Wachtmeisters  bekleidete  (major  excubiarum  praefectus).  Hessen-schwedisch 
heissen  diese,  weil  der  Landgraf  Friedrich  von  Hessen-Kassel^  welcher  seinem 
Vater  Karl  am  13.  März  1730  in  der  Regierung  gefolgt  war,  als  Gemahl  der 
KonigiD  Ulrike  Eleonore  von  Schweden  zur  Zeit  von  Sej^dlitz  Tode  zugleich 
König  von  Schweden  war. 

Von  Kriegsthaten  berichtet  die  Inschrift  nichts,  obgleich  es  wahrscheinlich 
ist,  dass  Seydlitz  während  seiner  ersten  Dienstjahre  mehr  als  einen  Feldzug  im 
spanischen  Erbfolgekriege  mitgemacht  hat,  freilich  in  untergeordneter  Stellung, 
Seit  dem  Ende  dieses  Krieges  gab  es  für  die  hessischen  Truppen  keine  Ge- 
legenheit zu  Kriegsthaten,  und  Seydlitz  mag  im  Frieden  langsam  zu  höheren 
Stellungen  aufgerückt  sein. 

Sodann  erfahren  wir,  dass  er  mit  Anna  Elisabeth  Philippine  von  Wester- 
feld  vermiihlt  war  und  dass  er,  selbst  der  elfte  Sohn  seiner  ^erlauchten"  Eltern, 
kinderlos  starb.  Welcher  Linie  des  weitverzweigten  Geöchlechtes  der  Seydlitz  er 
angehörte,  wird  nicht  gesagt,  auch  die  Namen  der  Eltern  werden  nicht  genannt 
und  können  hier  nicht  angegeben  werden,  da  ein  erschöpfender  Stammbaum 
der  Familie  nicht  vorliegt.  Vielleicht  veranlassen  diese  Zeilen  zu  weiteren 
Nachtbrschungen  über  die  Vorfahren  und  Verwandten  des  berühmten  Roiter- 
generals  Friedrichs  des  Grossen. 

Ferner  erzahlt  der  Stein,  dass  die  betrübte  Witwe  das  Denkmal  setzen 
Hess,  und  gibt  in  einem  lateinischen  Distichon  durch  die  in  Unzialeu  einge- 
meiaselten  Zahlbuchstaben  das  Jahr  au,  in  welchem  am  13.  Mai  Seydlitz  aus 
dem  Leben  schied;  die  genannten  Buchstaben  orgeben  die  Zahl  1730^);  er  war 
gerade  zwei  Monate,  vom  13.  März  bis  13.  Mai  1730  hessen-schwedischer 
Uberstwachtmeister  gewesen.  Wir  setzen  die  beiden  Verse  in  lateinischer  und 
deutscher  Sprache  hier  nebeneinander: 

Gustavi  Ernesti  a  Seydlitz  virtutts  honori 
Et  Spartas  et  generi  maesta  relicta  ponit*), 

Trauernd  geweiht  von  der  Witwe  dem    trefflichen  Edlen  von  Seydlitz, 
Gustav  Ernst:  er  war  treu  im  BeruP)  und  geehrt. 


I 


»)  Die   Zfthleu  sind:   MDCLLVVVYliramil   ^  lOOO  +  500  +  100  4    (2  x  50  =] 

100  4-  (4  X  6  =)  20  f  |10  X  1  =1  10  =  1730.  -  »)  In  dem  Worte  ponit  stackt  ein 
Ifnhtor  ifCjitoii  die  Proaodie;  der  Yorfasser  der  Inschrift  bedurfte  hier  noch  eine«  jambUehea 
üdor  jijrrrhioliJioheii  Worte»  (\^  — ;  v-^  v«/)  mit  dem  einen  Zahlbuchtlaben  I;  um  den  Ictx- 
tiffon  ÄU  gewinnen,  wühlte  er  ohne  Bedenken  dm  PrJUens  von  ponere,  da  das  Perfect  drei* 
NilbifC  1*^  (^*)*1  ^^0'  ^nhttjuehstAben  (Vf)  enthl&lt^  roueste  sich  aber  dabei  die  Kürzung  de«  o 
in  pOnlt  orinuboiK  —  ")  Dip«  (Beruf)  bedeutet  daa  Wort  Sparta  nach  dem  aua  dem  Grieohiflchen 
(dof  Kuripidos)  entlehnten  Sprichwort  bei  Cicero  ep.  ud.  Att.  IV,  ß,  vergL  I,  20:  I«df>Tav  sXoix*'*» 
xoMw  itAojiti  ^  8partam  nac^tua  ob,  hane  onui^  d.  h,  dir  iat  Sparta  zugefallen,  sehroacke  09 
(  »urfie  fOr  e«K  Auf  diese  8tot)on  Ciceros  hin  haben  spHtore  und  namentlich  neulatoinücho 
KileKiiuxi»n-JÄg*'r*  dai  Wort  Sparta  für  den  Bcgntf  Amt,  GeaohÄft,  Beruf  angewendet. 


261 


Die  ABgaben  über  das  Alter,  den  Todestag  und  die  dienstliche  Stellung 
Seydlitx  bestätigt  das  Kircheülmch  der  evangolischen  Pfarrei  zu  Nastätten; 
hier  heimi  ea  in  dem  Verzeichnis  der  Oesturbeneu  des  Jabres  1730: 

^Gustav  Erost  von  Seydlitz'),  Obristwachtmeister  unter  dem  Wilckischon 
{iment,  gebtorben  den  13.  Mai,  begraben  am  17,  Mai  ssur  »eiten  des  Altars 
ph  der  Sakristei  zu  nocb  etwas  unter  seioom  Stuhl,  alt  43  Jahr  9  Mon.  2  Tag*" 

Darau8^  dasa  Seydlitz  einen  eigenen  Stuhl  in  der  Kirche  hatte,  könnte 
man  schliessen,  dasg  er  ein  Mann  von  kirchlicher  Gesinnung  vrar,  wenn  sicher 
wäre,  dass  elieser  Stuhl  der  Familie  angehorte  und  nicht  etwa  rait  der  Stelle 
eines  Oberstwachtraeisters  verbunden  war. 

Ausser  dem  genannten  aufrecht  stehenden  Grabstein  findet  sieb  aber  noch 
ein  zweiter  vor,  welcher  auf  dem  Boden  —  sicherlieh  über  der  Gruft  selbst  — 
lag;  er  hat  gleichfalls  eine  Inschrift,  welche^  wie  Herr  Pfarrer  Klein  mit- 
teilt, sauberer  und  gleichmässiger  und  zwar  in  Unzialen  ausgeführt  ist;  sie  lautet: 

,Alhier  ruhet  der  hoch  wohlgeborene  Herr,  Herr  Gustav  Ernst  von  Seydlitz, 
seiner  königlichen  Majestät  von  Schweden  und  Landgrafen  von  Hessen  gewesener 
Obristwachtmeister.     Starb  den   13.  Mai   1730.** 

Der  Name  des  Wilckischen  Regiments,  bei  welchem  nach  dem  Sterberegister 
Seydlitz  «tand,  erscheint  in  dem  genannten  Kirchenbuche  zuerst  in  dem  Monat 
September  des  Jahres  1728:  doch  \iird  schon  1725  Wilcke  auf  dem  Grabsteine 
«einer  Frau  (f  im  Jahre  1725)  genannt,  während  das  Regiment  hier  als  Wutge- 
nauisches  bezeichnet  wird.  Die  von  Wilcke  waren  ein  niedersächsisch-thüringisches 
Geschlecht;  eiu  Volrat  von  Wilcke,  wohl  der  unsrige,  starb  im  Jahre  1744  als 
hessen-kaäselischer  Oberst.*) 

Herr  Pfarrer  Klein  fand  ferner  unter  alten  Papieren  das  Konzept  eines 
Schreibens,  das  mit  dem  Tode  des  Seydlitz  in  naher  Verbindung  steht  und  das 
wir  deshalb  ebenfalls  hier  mitteilen.  Die  W^itwe  errichtete  nämlich  bald  nach 
ilctn  Tode  ihi-es  Gemahls  eine  Stiftung  zum  Besten  der  Armen  von  Nastätten; 
sie  bestimmte,  dass  die  Zinsen  eines  Kapitals  von  100  Gulden  alljährlich  unter 
die  Armen  von  Nastätteu  lutherischer  Konfession  verteilt  werden  sollten.  Das 
Schriftstuck  lautet: 

„Wir  zu  Eod  unterschriebene  bezeugen  und  bekennen  hiermit  krafft  unserer 
eigenhändigen  Unterschrifft,  dass  Ihro  hochwMjhlgebohrne  Gnaden  die  Frau  •-,,*) 
von  Seydlitz  gebohrne  von  Westervelt  nach  tadtlichem  Hintritt  Ihro  Hochfrey- 
herrlicher  Gnaden  des  weyland*)  Hochwohlgebohrnen  Freyherrn  Gustav  Ernst 
von  Seydlitz  gewesenen  Oberstw^achtmeister  unter  dem  hochloblichou  Obrist 
Baron  von  WUckischeu  Regiment  in  Diensten  Ihro  Königlichen  Majestät  in 
Schw^edeu  aus  Christliclier  liebe  uud  zur  beforderung  der  Ehr  Gottes  und  Ewigen 
Chriatliehen  Andencken  zu  einer^j  lutherischen  Kirchen  in  Nastätt  vermacht  ein 
eapitiJ  TO0  hundert  Gulden,   davon  jährlich  unter  die  Annen  die  Zinsen  sollen 


')  Die  Inflchrift  des  Denkmals  schreibt  Seidtitz,  die  weiter  unten  folgende  Seydiitz. 
Üie  Stihfeibiing  des  Namens  war  früher  willkürlich.  —  *>  Kneachke,  Deutacbes  AdeUIcxikou, 
IX,  8.571,  —  *J  Die  Vornamen  fehlen*  —  *)  Nach  dem  Worte  ,weyland*  iat  üborjijeaohriehfVM 
da*  Wort  ,mtttiv*?»i*,  wie  e»  s«'heint,  ebomto  nach  dem  folgenden  ^^^J^'l^wohlgyiibolirne"»  - 
•j  übcrguachrieben  „der  evangcliuch*'. 


^mm 


252 

ausgetheOt  werden,  und  dass  nach  der  Christlichen  iutention  Ihro  Hochwohl- 
gebohren  capital  .  .  ,  .^)  an  gewisse  leute,  davon  die  Zinsen  zur  bestirnten  Zeit 
können  erhoben  werden,  soll  verleiht  und  die  fallende  Zinsen  zum  besten  der 
Armen  angewendet  werden." 

Die  Unterschriften  fehlen;  das  Schreiben  scheint  gerichtet  an  das  hessische 
Konsistorium;  denn  das  besagt  eine  langatmige  Anrede,  die  jedoch  verkehrt 
auf  derselben  Seite  des  Papieres  geschrieben  ist.  Ausserdem  enthält  es  auf 
beiden  Seiten  viele  Notizen  von  Ausgaben  und  deren  Addition,  und  da  zu  einer 
die  Jahreszahl  1731  zugefügt  ist,  so  wird  daa  Schreiben  alsbald  nach  dem 
Tode  von  Seydlitz  verfasst  sein.  Was  es  für  einen  Verlauf  mit  der  Stiftung 
nahm,  ist  aus  anderen  Aufzeichnungen  nicht  zu  ersehen  gewesen ;  zur  Zeit  be- 
steht eine  solche  nicht  mehr  für  sich  zu  Nastätten, 

Wir  kommen  zum  letzten  Punkte,  zu  dem  Wappen,  welches  die  Inschrift 
abschliesst*  Dasselbo  ist  das  noch  jetzt  von  der  Familie  geführte.  Wir  teilen 
es  deshalb  in  der  ursprünglichen  Form  hier  nicht  mit,  soodern  benutzen  Heber 
die  Gelegenheit,  um  ein  anderes,  aus  anderen  Gründen  interessantes,  ab- 
zudrucken'); es  stimmt  mit  jenem  in  seinen  Hauptteilen  vollständig  uberein, 
fügt  aber  noch  eine  lateinische  Umschrift  hinzu.  Mit  diesem  Wappen  und  der 
Umschrift  hat  es  nach  der  gef.  Mitteilung  des  Herrn  OeneralHeutenant 
v,  Seydlitz  Excellenz  dahier,  in  dessen  Besitz  ein  Abdruck  des  Originals  sich 
befindet,  folgende  Bewandnis. 

Es  befindet  sich  das  Wappen  auf  dem  Bruchstücke  eines  Steinzeugkrugs, 
welcher  in  dem  nassauischen  Kannenbäckerlande  im  Jahre  1685,  wie  es  in  der 
über  dem  Wappen  zugefügten  Jahreszahl  selbst  sagt,  verfertigt  ist;  wir  haben 
an  ihm  also  eine  Probe  der  Kunstfertigkeit  in  diesem  Industriezweige,   wie  sie  ^| 
vor  zweihundert  Jahren  war.     Der  Krug   gehörte   einem   Zweige   der   Familie 
von  Seydlitz   an.    welche  den   Adel    abgelegt  und  in  der  Stadt  Köln  sich  dem 
geschäftlichen  Leben  gewidmet  hatte,  um,  wie  die  Umschrift  uns  belehrt,  durch 
eigne  Kraft  und  Thätigkeit  sich  eine  Stellung  in  der  menschlichen  Gesellschaft 
zu  erringen,  welche  anderen  —  und  ihr  selbst  —  die  A^bstammung  ohne  eigne  ^ä 
Mühe  darbot.    Darauf  weist  also  die  Umschrift  hin ;  sie  ist  entlehnt  den  Meta-  ^ 
morphosen  des  Ovid  und  zwar  der  Rede  des  Ulysses  entnommen  (XIH,  140),  in 
welcher  dieser  seine  Ansprüche  auf  die  Waffen   des   AchiUea   gegenüber   den 
leidenschaftlichen  Worten  des  Ajax,  der  sich  u,  a.  auf  seine  hohe  Abstammung  be- 
rufen hatte,  auch  damit  begründet,  dass  nicht  die  Geburt  und  die  Ahnen  oder 
das,  was  wir  nicht  selbst  uns  geschaifen  haben,  unser  wirkliches  Eigentuoi  aeL  i 
Die  Worte  lauten  bei  Ovid  im  Zusammenhang  der  Rede  also; 
Nam  genus  et  proavos  et  quae  non  fecimus  ipsi, 
Vix  ea  nostra  voco. 
Denn  das  Geschlecht  und  die  Ahnen  und  was  nicht  selbst  wir  errungen, 
Nenne  ich  kaum  noch  das  unsre. 

Damit  nun  diese  Worte  auch  ausser  dem  Zusammenhange  für  sich  stehen 
konnten,  musste  nam  (denn)  wegfallen ;  am  einfachsten  wäre  gewesen,  es  in 


I 


^)  Unleserliobea  Wort.  —  ^)  3«  oben  B,  249;  et  ist  ungoräbr  tiin  Kwei  Drittel  verkleinert. 


i^ÜÜ 


253 

entsprechend  dem  folgenden  et,  umzuändern.  Es  beliebte  aber  dem  Yer- 
fosser  der  Umschrift  ein  anderer  Weg,  welcher  das  ganze  Satzgefüge  zerstörte 
und  ihn  veranlasste  einen  Fehler  gegen  Prosodie  und  Metrik  zu  machen.  Er 
dichtete  (so  lautet  nun  die  Umschrift): 

Quod  genus  et  proaTUS  et  que  non  fecimus  ipsi, 

Yix  ea  nostra  puta. 
Was  das  Geschlecht  und  der  Ahn,  nicht  wir  uns  selber  errungen, 
Ist  wohl  das  unsere  kaum.  (Oder:  Kaum  ist^s,  glaub'  es,  das  unsre.) 

Ein  Fehler  ist,  dass  die  letzte  Silbe  von  proavus  als  Länge  gebraucht  ist;  statt 
quod  hätte  es  wenigstens  quae,  entsprechend  dem  folgenden  quae  (vielleicht 
erst  der  Steinkrugverfertiger  machte  daraus  que),  heissen  sollen ;  die  Änderung 
von  voco  in  puta  ist  annehmbar. 

Ist  auch  so  der  Vers  nicht  gelungen,   so  bleibt  er  immerhin  ein  Zeugnis 
für  den  wackeren  Sinn  des  Auftraggebers   und  arbeitsamen  Bürgers  Seydlitz. 


Der  romisclie  Grenzwall. 


von  CohauKen  uud  MoiiiiuMf  il 


Der  bekannte  Professor  Mommaen  hat  um  Weihnachten  1890  eine  Kon- 
ferenz nach  Heiilelberg  berufen,  <b^ren  meiste  Mitglieder  sich  mehr  oder  minder 
teils  theoretisch,  teiln  praktisch  mit  dem  rumischen  Grenzvvall  beschäftigt  hatten» 

Sie  bestund  aus  nenn  Männern  (die  wir,  jeden  in  seiner  Art,  hochschärzeu), 
immer  aus  den  Ländern,  durch  die  der  Grenzwall  zieht,  nämlich  dem  Professor 
Dr.  V.  Brunn,  General  K,  Popp  aus  Bayern;  Prof.  Dr.  v.  Herzog  und 
Fluauzrat  Dr.  Paulus  aus  Würtemberg ;  Prof.  und  Oberbibliothekar  Dr.  Zangen- 
meister und  Geheimer  Ilofrat  Dr.  Wagner  aus  Baden;  Fr»  Kofier  aus 
Hessen;  Major  von  Leszezynski  und  Prof.  Dr,  Nissen  aus  Preussen.  Zu 
ihnen  wurden  noch  als  Sachverständige  mit  beratender  Stimme  der  Kreisnchter 
Conrady  für  Bayern  und   der  Baumeister  Jacob i  für  Preussen  beigezogen» 

Es  ist  nun  Jedem,  dem  die  Literatur  des  Grenzwalles  nur  irgend  bekannt 
ist,  aufgefallen,  dass  der  Unterzeichnete  nicht  in  die  Konferenz  gewählt  worden 
war,  —  nur  ihm  selbst  nicht. 

Nachdem  ich  im  Jahr  1884  mein  Qrenzwallwerk  (Wiesbaden  bei  Kreidcl) 
herausgegeben  hatte,  bat  der  bekannte  Prof.  Mommsen  im  darauffolgenden 
Jahr  1885  den  fünften  Bund  seiner  römischen  Geschichte  veröffentlicht. 

Darin  hat  er,  wo  er  vom  Qrenzwall  spricht,  eine  grosse  Zahl  der  von  mir 
zum  erstenmal  dargelegten  Ergebnisse  und  Aneichten  aufgenommen. 

Das  war  recht,  und  dafür  war  mein  Buch  geschrieben;  es  konnte  mich 
nur  erfreuen  und  mir  als  Bestätigung  dienen^  wenn  ein  so  bedeutender  Schrift- 
gelehrter es  benutzt  \  uud  ich  konnte  daraus  ersehen,  wie  meine  auf  Thatsaehen 
und  Entdeckungen  beruhenden  Angaben  und  Ansichten  auch  mit  den  römischen 
Schriftsrellern  und  Inschriften  übereinstimmen  und  von  keinem  widersprochen 
wurden. 

Prof,  Mommsen  wurde  sich  noch  dieser  Ausnutzung  an  meiner  Arbeit 
haben  erfreuen  könneu,  wenn  er  zu  seinen  sonstigen  ausgezeichneten  Eigen- 
schaften auch  die  der  willigen  Anerkennung  uud  der  Bescheidenheit  hätte« 


255 

Um  80  befremdender  war  es,  als  der  Herr  Professor  nach  aller  Verwertung 
der  praktischen  Resultate  meiner  Arbeit  es  nicht  unterlassen  konnte,  von  seiner 
Kathederhöhe  herab,  und  unter  dem  unbezweifelten  Beifall  seiner  zahlreichen 
Trabanten  im  Philologenkreise,  auszusprechen,  dass  dem  Verfasser  des  Grenz- 
wallwerkes auch  die  oberflächlichste  Kenntnis  der  lateinischen  Sprache  wie  der 
römischen  Kriegsaltertümer  abgehe.  Was  ihm  so  die  Laune  yergällt  in  meinem 
Buch?  oder  dass  es  erschienen  ist?  weiss  ich  nicht. 

Jedenfalls  war  es  ein  hartes  Urteil  gegen  Einen,  der  seinen  lateinischen 
und  griechischen  Gymnasial-Kursus,  wie  er  hoffte,  nicht  vergeblich  durchgemacht 
hatte,  und  dem  die  trefflichsten  Klassiker- Ausgaben,  Kommentare,  Übersetzungen 
und  Erläuterungen  zu  Gebot  standen,  mit  denen  jene  Herrn  uns  das  Altertum 
erö£Pnet  zu  haben  glaubten  und  uns  oft  recht  erheitert  haben. 

Auch  über  meine  Kenntnis  des  römischen  Kriegswesens  konnte  mein  Grenz- 
wallwerk, meine  Rekognoscierungen  für  Napoleons  Leben  Cäsars,  wohl  auch 
der  Legionär,  den  ich  Seiner  Majestät  dem  hochseligen  Kaiser  Wilhelm  vor- 
führen durfte,   eine  etwas   bessere   Censur   erwarten  lassen. 

Alles  das  glaubt  der  bekannte  Prof.  Mommsen  besser  zu  wissen  und 
soweit  es  ihm  schriftlich  auf  den  Tisch  gelegt  worden  ist  —  wird  es  wohl 
auch  so  sein.    Dagegen  werde  ich  wieder  andere  Dinge  besser  verstehen  als  er. 

Wer  das  Altertum  verstehen,  und  anderen  verständlich  machen  will, 
muss  die  Gegenwart  kennen.  Wie  aber  steht  es  mit  seinen  militärischen,  mit 
seinen  technischen  Kenntnissen  der  Neuzeit,  hat  er  ein  Urteil  über  das  Gelände, 
das  wir  Terrainkenntnis  nennen  und  über  seine  geognostischen  Unterlagen,  weiss 
er,  was  zum  eigenen  Klarsehen  so  nötig  ist,  das,  was  er  ausdrücken  möchte, 
durch  Messung  und  Zeichnung  darzustellen?  Ich  fürchte,  er  würde  in  diesen 
Fächern  kein  besseres  Zeugnis  bekommen,  als  er  mir  ausgestellt  hat. 

Ich  berühme  mich  durchaus  nicht  hoch,  wenn  ich  sage,  dass  Prof.  Mommsen 
nicht  im  stände  ist,  das  zu  leisten,  was  ich  in  Feld  und  Wald  und  altem  Gemäuer 
geleistet  habe. 

Ich  sage  daher,  er  hat  Recht,  wegen  dem,  was  er  selbst  nicht  kann,  sich 
mit  einem  Kreis  von  Männern  zu  umgeben  und  nicht  nach  mir  zu  verlangen, 
der  ich  nicht  wohl  mit  ihm  gegangen  wäre.  Er  hatte  recht,  sich  Männer  zu 
wählen  oder  wählen  zu  lassen,  die  ihm  das,  was  in  zahlreichen  Vereinsschriften 
zerstreut  Hegt,  wohlgeordnet  auf  den  Studiertisch  legen,  die  ausgehen,  um  das 
aufzusuchen,  was  noch  Thatsächliches  fehlt,  damit  er  das  daraus  zieht,  was  er 
in  Schrift  und  Inschrift  nimmer  fände. 

Ich  sehe  in  ihm  wie  in  jedem  tüchtigen  Philologen  willkommene  Gehilfen, 
die  herbeifahreu,  nicht  nur  was  die  klassischen  Archäologen  bedürfen,  sondern 
auch  die  Archäologen,  welche  sich  mit  der  prähistorischen  Kultur  und  der  Ur- 
geschichte Deutschlands  beschäftigen,  um  das  Gebäude  aufzubauen,  dessen  Steine 
in  zahlreichen  Gräber-  und  Höhlenfunden  aufbewahrt  sind. 

Mommsen  hat  versucht,  seine  Tafelrunde  mit  einer  Art  von  Instruktion 
zu  versehen. 


256 


una 
seifl 


Da  ieli  nun  seit   langem   mit  dorn  Grenzwall   in   einem  Verhältnis   »te\ 
ich  möchte  sagen,  in  einem  orinnerungsreichcn  Verhältnisse  stehe,  und  es  mii 
nicht  um   Streit,  in   dem  es  dem   Herrn   ProfeBsor   nicht   an    Trabanten    und 
Lanzen   fehlen  würde,   es  mir  auch  nicht   um  das  Rechthaben  zu  thun  ist, 
werde  ich  mich  über  jede  Bestätigung   meiner  Beobachtungen    und  Meinun] 
freuen,  aber  noch  mit  erhöhtem  Interesse  jede  gute  Widerlegung  derselben  lese 

Wer  sich  mit  dem  Grenzwall  beschäftigt  hat,  weiss,  dass  sein  Studium  ziemlich 
hoch  hinaufreicht,  und  dass  gar  Vieles  zerstört  ist,  was  z*  B.  vor  70  Jahren  noe]fl 
dastand;  dass  es  sich  also  um  ein  genaues  Studium   der  bezüglichen  Schrifte^ 
handelt,  und  dass  ihren  Fingerzeigen  nachzugehen  ist 

Der    „Verein   für  nassauische   Alterturaskunde   und   Geschichtsforschung** 
wurde  1822,  eigentlich  schon  1817  und  zwar  ursprünglich  zum  Zweck  der  Er 
forschung    des    Pfahlgrabens   gegründet,   und    hat   durch   Männer  wie    Habelj 
Rössel,  Luja,  F.  W.   Schmidt,    Hanapel,   Preuschen   und    Andere  dies 
Studien  stets  fortgesetzt.     Aus  dieser  frühen  Zeit,  wo  kein  anderer  Verein  da 
selbe   Ziel  verfolgt    hat,   wurde   eine   grosse   Anzahl    von   Schriftstücken    unfl 
Zeichnungen  aufbewahrt,  und  zum  teil  in  den  Annalen  des  Vereins  veröffent 
licht,  welche  jetzt,  weil  tlie  Gegenstände  zerstört  sind,  unraöglich  zu  beschaffen 
wären. 

Als  ich  als  königlicher  Konservator  für  das  ehemalige  Herzogtum  eintrat 
und   mir   den   Grenzwall    zur  ersten  Aufgabe   gestellt,   stand    mir   dies  Akten* 
material  bleibend  offen   und  that   mir,   als  ich^   vom  Königl.  Ministerium    und 
dem    Verein   unterstützt,   zeichnend   und   messend   dem    Grenz  wall   folgte^    di^fl 
besten  Dienste.  ^ 

Es  mussten  mir  bei  diesen  Gängen  viele  praktische  Fragen  aufstossen,^ 
die  natürlich  dem  Herrn  Professor  wohl  kaum  in  den  Sinn  kommen  konnten fl 
denn  anders  denkt  ein  an  den  Schreibtisch  Gewöhnter  —  und  mit  anderen  Ge- 
danken kommt  ein  mit  der  freien  Natur  Vertrauter  aus  Wald  und  Fli 
zurück. 

Daher  ist  die  Instruktion,  die  er  seinen  Ausgesandten  gab,  wenn  sie  nichl 
selbst  das  Beste  mitbrächten,  recht  ungenügend.  Da  ich  aber  wegen  meines 
oben  erwähnten  Verhältnisses  zum  Grenzwall,  und  weil  ich  einige  Erfahrunge; 
an  ihm  gemacht,  und  dabei  doch  manche  Frage  ungelöst  lassen  musste,  fu] 
die  ich  mich  fort  und  fort  interessiere,  so  erlaube  ich  mir,  die  Mommsen'sch 
Instruktion  zu  ergänzen,  indem  ich  den  Kommissions-Mitgliedern  teils  Frage 
teils  Ansichten  vorlege,  die  bei  ihren  Arbeiten  zu  berücksichtigen   ich  sie  biti 


en 
in-Ä 


1 


Agenda  zur  weiteren  Untersuchung  des  Orenzwalles. 

1,  Vor  allem  und  allgemein  lege  ich  der  üntersuchungskommission  an^ 
Herz,  das  noch  Bestehende  auch  der  Nachwelt  zu  erhalten,  damit  dU 
vom  Reich  gewährten  Mittel  nicht  einen  Vandaliamus  zum  Erfolj 
haben  und  jedem  Bauer,  jedem  Wegbauer  die  Stelle  zeigen^   wo 


257 

Sterne  für  seinen  Gebrauch  holen  kann,  sondorn  dass  sie  keine  Untersuch- 
iHigsstelle  verlasBen,  ehe  sie  gemessen,  gezeichnet  und  eingetragen  ist, 
und  wenn  sie  nicht  unter  bleibende  Aufsicht  gestellt^  und  in  bewährter 
Weise  erhalten  werden  kann,  wieder  mit  Erde  bedeckt  werde, 

2,  Ich  glaube  zuerst  dem  Orenzwall  eine  militärische  Bedeutung  ab-  und 
die  einer  Zollgrenze  zugesprochen  zu  haben,  was  auch  Prüf.  Mummsen 
acceptiert  hat,     (G.  W.  348.) 

3.  Gegen  kleine  Raubzüge  war  er  gut.    (G.  W,  348.) 

4.  In  dieser  Eigenschaft  wirkte  er  zum  Schutz,  nicht  zur  Unterdrückung 
der  Landeseingeborenen.     (G.  W.  348,  349.) 

5,  Es  war  daher  billig,  daas  sie  dazu  auch  etwas  leisteten,  zu  seiner  Be- 
wachung beitrugen,  teils  in  zahlreichen  Hilfskohorten  in  den  Kastellen, 
teils  als  Wüchter  auf  den  Türmen,  (G.  W»  340.)  Danach  berechnet 
sich  die  Zahl  der  Mannschaften  (nicht  der  Legioushecre)  je  nach  dem 
zeitweiligen  Kriegstheater. 

C.  Der  Lauf  des  Grenzwalles  ist  auf  lange  Strecken  auf  seine  strategisch 
guten  oder  schlechten  Eigenschaften  betreffend  seines  Vor-  und  seines 
Rückzugs-Gelandes  zu  prüfen. 

7,  Auch  auf  kurze  Strecken  ist  er  in  gleicher  Weise  auf  seine  taktischen 
Mängel  oder  Vorteile  zu  prüfen. 

8,  Es  ist  nach  den  Motiven  zu  suchen,  welche  nicht  im  Gelände,  sondern 
etwa  in  Volks-,  Gau-,  Gemeinde-Rechten  —  die  zu  achten  waren  — 
wohl  auch  in  der  Fruchtbarkeit  und  Steuerfahigkeit,  in  Thermen  und 
Salzquellen  lagen. 

9,  Diese  Fragen  sind  auch  zu  stellen  über  die  Lage  der  Kastelle  und  es 
sind  die  G.  W.  335  aufgestellten  Erfordernisse  zu  prüfen,  einzelne  anzu- 
erkennen oder  zu  beetreiten. 

10.  Wenn  Prof.  Mommaen  mit  vielem  philologischen  Aufwand  den  Grenz- 
wall oder  Limes  für  einen  Querweg  oder  auch  überhaupt  für  einen 
Weg  erklärt,  so  ist  er  im  Irrtum,  selbst  wenn  man  damit  auch  nur 
einen  mit  ihm  parallelen  Weg  bezeichnen  wollte;  denn  Wege,  welche 
auf  längere  Strecken  neben  ihm  und  zumal  hinter  ihm  herlaufen,  giebt 
es  nicht.  Dass  Wildpfade  hier  und  da  hinter,  auf  oder  vor  ihm  her- 
liefen und  von  den  Zollwächtern  benutzt  wurden  ^  mag  niemand  bestreiten, 
aber  dach  aufs  neue  untersuchen  und  an  den  einzelnen  Stellen  aus- 
sprechen, 

11.  Der  Grenzwall  bildet  einen  sehr  brauchbaren  chronologischen  Strich  — 
wenn  man  so  sagen  darf  —  von  etwa  200  Jahren  Breite,  an  den  sich 
andere  undatierte  Anlagen  anschliessen  lassen. 

'12.  Durchschneidet  der  Grenzwall  ungestört  einen  Ringwall  oder  sonstige 
Wallanlage  oder  wird  er  von  ihnen  unbeachtet  durchfahren?  (O.W.  32.) 
—  Welche  Beziehungen  sind  zwischen  diesen  Verschanzungen  und  dem 
Grenzwall  zu  entdecken? 

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fadi 


fittfiki 


258 


13.  Lehnen  sich  Hügelgräber  an  den  Grenzwall  oder  Bind  sie  von  ihm 
angeschnitten?    Was  weiss  man  von  ihrem  Inhalt?    (Q*  W.  60.) 

14.  Hat  der  Grenzw^all  die  Richtung  auf  entfernte  hochliegende  Punkte 
genommen?    (G.  W.  74.) 

15.  Hat  der  Grenzwall  im  Mittelalter  als  Landes-  oder  Gemeindegrenze  ge- 
dient oder  dient  er  noch  als  solche?  Vielleicht  als  Grenze  zwischen 
Dialekten  und  Volkscharakteren  ? 

16.  Giebt  es  Verdoppelungen  des  Grenzwalles?  und  wie  sind  sie  zxt  deuten? 
als  Vorstärkung?  als  Korrektur?  (G.W.  141,  148.)  —  Zieht  der  Grenz- 
wniU  wie  ein  vereinzelter  Arm,  ohne  Anschluss  ine  Auslaud?  Und  wenn 
etwas  derart  sich  zu  finden  scheint,  wie  ist  es  zu  deuten?  Ist  es  mittel- 
alterlich? Allen  Verschanzungen,  Weg-  und  Bergabschnitten  ist  der 
Sicherheit  wegen  nachzugehen,  sie  sind  zu  messen  und  zu  zeichnen, 

17.  Der  Oberstlieutenant  F.  W.  Schmid,  der  den  richtigen  Endpunkt  des 
obergermanisehen  Limes  gefunden  und  veröffentlicht  (ich  übergehe  hier 
einige  geographische  Irrtümer  in  Mommsens  röm.  Geschichte)  —  der 
aber  doch  noch  weitere  Fortsetzung  des  Grenzwalls  auf  dem  Gebirge 
angenommen  hat,  welche  Lokalforscher  vervielfältigt  und  beschrieben 
haben  —  wurden  von  mir  G.  W.  252,  266,  268,  274  als  irrtümlich 
nachgewiesen,  und  empfehle  ich  diese  Methode. 

18.  Die  Frage  von  den  Pallisaden  ist  durch  Nachgrabungen  zu  untersuchen 
und  zwar  nicht  nur  am  Pfahlgraben,  sondern  auch  an  der  Teufelsmauer, 
wo  der  Namen  Pfahl  ebenso  oft  vorkommt,  und  je  nach  Befund  aus 
der  Welt  zu  schaifen,  so  wie  es  ja  auch  gelungen  ist,  die  akademischen 
Römertürme  mit  Bossenquadem  zum  Schweigen  zu  bringen  (G.  W.  323, 
23  u.  Nachtrag  1886,  137.) 

19.  Was  ist  die  Bedeutung  des  Grähchens  vor  der  Teufelsniauer?  (G.W.  10.) 
Es  findet  sich  vor  dem  Pfahlgraben  wohl  nirgend? 

20.  Sind  die  G.  W.  336  aufgeführten  Erfordernisse  für  die  Lage  der  Kastelle 
ausreichend?  auch  im  einzelnen  geprüft?  auch  längs  der  Teufelsmauer 
zutreffend? 

21.  Sind  nicht  noch  mehr  kleine  Zwischenkastelle  (Manipularkastelle)  längs 
des  Pfahlgrabens  und  längs  der  Teufelsmauer  zu  finden? 

22.  Ist  ein  Unterschied  zwischen  den  Kastellen  des  Pfahlgrabens  und  der 
Teufelsmauer  je  nach  der  geognostischen  Unterlage  in  der  Werkweise 
zu  erkennen,  die  etwa  zur  Bestimmung  der  Bauzeit  oder  auch  der  Ver- 
schiedenartigkeit der  Bauleute  führen  konnte? 

23.  Fundamentieruug  mit  gestickten  Steinen?  Mauerverbände,  Handquader 
Rauhmauer,  Fischgräten. 

24.  Verputz,  scheinbare  Quadrierung,  rote  Fugen. 

26.  Der  Mörtel  schlecht  oder  gut,  woher  der  Kalk?  Der  Sand  schlecht  und 
lehmig,  ausge&oren,  ausgespült? 


259 


26.  Wo  liegen  die  Steinbrüche  der  Mauersteine?  der  Hausteine? 

27.  Was  ist  für  die  Unterkunft  der  Mannschaft,  der  Pferde  geschehen  und 
nachzuweisen  ? 

^28.  Setxen  die  mit  oder  ohne  Haustein  gemauerten  Tlioranlagen  etwa 
hölzerne  Thor  blenden  voraus?  (G.  W.  203.) 

29.  Die  Kastellgraben  zu  untersuchen  nach  etwa  hineingestürzten  Zinnen- 
deckeln oder  andern  Steinmetzarbeiten.  Läset  die  Aufeinanderlage  der 
Schuttachicfaten  auf  Holz-  und  Lehmbauten,  auf  Stroh-  oder  Schindeldächer 
sehliessen  ? 

30*  Liegt,  wie  wir  das  zuerst  behauptet  haben,  vor,  hinter  oder  neben  jedem 
Eastell  eine  Villa,  Zollbeamten-  oder  Kommandanten-Wohnung,  Canabae, 
heizbare  Räume?  die  von  Bädern  wohl  zu  unterscheiden  sind? 

3L  Ausdehnung  der  bürgerlichen  Niederlassungen  rings  um  dos  Kastell 
Auch  die  Gräber  sind  aufzuführen.  Von  wo  und  wie  wurde  das 
Wasser  beschafft? 

32.  Ich  werde  wohl  zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht  haben,  dass  die 
Pfahlgrabentürme  auch  noch  etwas  anderes  waren,  als  Signalposteu, 
Stehen  sie  auch  längs  der  Teufelsmauer  an  Nebendurehgängen  und 
durchführenden  Pfaden?  Sehen  sie  sich  untereinander?  Stehen  sie  so^ 
dass  sie  ins  Ausland?  ins  Inland  sehen  können?  bezüglich  gesehen 
werden  können?  Wie  sind  Gruppen  von  2 — 3  solcher  Türme  zu  deuten? 
Kann  man  manche  Hügel  als  Unterlagen  von  hölzernen  Türmen  an» 
sehen  ? 

'33»  Als  Zeichen,  dass  sie  allerdinge,  wenn  auch  nur  auf  kurze  Strecken,  als 
Signaltürme  dienen  sollten,  stellt  die  Trajanssäule  neben  ihnen  Ilolz- 
und  Strohhaufen  dar,  gibt  ihnen  für  die  Fackelsignale  ausgekragte  Um- 
gänge und  für  die  Rauchsignale  ein  Loch  in  dem  Dachfirst. 

"^34,  Was  geschah  nach  dem  Sturz  der  Römerherrsehaft  mit  den  Kastellen 
und  Türmen?  Gaben  die  Umwohner  den  Grenzschutz  und  die  Wohnung 
nebst  dem  bearbeiteten  Ackergelände  alsbald  auf?  Lassen  sich  dafür 
oder  dagegen  Beweise  bringen? 

35,  Es  wird  nicht  möglich  sein,  die  Limes-Untersuchung  auf  einen  schmalen 
Landstreifen  zu  beschränken:  wir  wissen  dies  aus  dem  Mangel  von 
Kastellen  längs  der  Teufelsmauer,  statt  deren  wir  immer  auf  die  Kastelle 
hingewiesen  werden,  die  dahinter  liegen  sollen,  und  von  denen  nichts 
als  der  problematische  Namen  bekannt  oder  unbekannt  ist,  von  denen 
aber  kein  Mauerwerk,  kein  Stück  Kastellgrundriss  vorgelegt  werden 
kann«  Auch  hier  werden  die  Lokalforscher  wohl  das  Beste  zu  liefern 
h&ben. 

36.  Zu  den  Untersuchungen  sind  überall  die  Vertreter  der  zunächst  be- 
rührten Vereine  einzuladen  mit  der  Berechtigung,  Notizen  zu  machen^ 
3tu  zeichnen,  zu  messen  und  zu  publizieren. 

17* 


260 

Wir  schliessen  diese  Agende  mit  der  eingangs  ausgesprochenen  Bitte,  auch 
die  Erhaltung  im  Auge  zu  halten  imd  durch  die  That  zu  bewirken,  sowie  mit 
dem  Antrage,  dass  ein  Gesetz  veranlasst  werden  möge,  welches  die  Forstschutz- 
beamten imd  die  Feldschützen  ermächtigt  und  verpflichtet,  gegen  jeden,  der 
am  Limes  und  seinen  Bauresten  etwas  arbeitet  oder  etwas  nehnien  will,  wie  gegen 
einen  Wald-  oder  Feldfrevler  vorzugehen. 

Nach  der  Reichstags- Verhandlung  am  16.  Jan.  1892. 

V.  Cohausen. 


Mittlerweile  ist  der  Oberst  v.  Cohausen  zu  der  am  7.  April  zusammen- 
tretenden Grenzwall-Eommission  durch  den  Kgl.  Minister  nach  Berlin  berufen 
worden. 


Vereinsnachrichten. 


Berieht  des  Sekretärs. 

(Yom  1.  April  1891  bis  1.  April  1892.) 

Unsere  .Annalen*  sind,  wie  dies  in  der  Generalversammlung  vom 
10.  Dezember  1890  angekündigt  wurde,  im  April  vorigen  Jahres  zum  Versand 
gelangt.  Dieser  Zeitpunkt  ist  auch  diesmal  beibehalten  worden;  eine  Yerzögening 
der  Herausgabe  fand,  trotz  des  grösseren  Umfanges,  nur  um  wenige  Tage 
infolge  des  Buchdruckerstrikes  statt. 

Wie  immer  wurde  die  Bibliothek  des  Vereins  durch  Kauf,  Umtausch  und 
Geschenke  in  ihrem  Bestände  vermehrt.  Die  Benutzung  der  Bibliothek  war 
erfreulicher  Weise  eine  sehr  ausgedehnte,  sowohl  durch  Ausleihen  von  Büchern, 
als  auch  durch  Gebrauch  derselben  zum  Quellenstudium  in  unseren  Räumen. 
Auch  unsere  Handschriften  wurden  fleissig  benutzt. 

Für  Geschenke  an  Büchern  etc.  zu  Dank  verpflichtet  sind  wir  seit  der  Ver- 
öfiFentlichung  der  Annalen  des  vorigen  Jahres  den  Herren:  Oberst  z.  D.  von 
Cohausen  (wiederholt),  Major  z.  D,  Freiherr  von  Wangenheim,  Hauch 
(Frankfurt  a.  M.),  Major  a.  D.  Kolb,  Justizrat  Dr.  Geiger,  Freiherr  A.  von 
Kruse.     Wir  danken  den  gütigen  Gebern  herzlichst! 

Die  Yorstandssitzungen  fanden  nach  Bedarf  statt,  die  öffentlichen  Sitzungen 
am  zweiten  Mittwoch  der  hierzu  ausgewählten  Monate,  im  H6tel  zum  „Grünen 
Wald^ 

Es  sprachen  seit  der  letzten  Veröffentlichung  vor  Beginn  des  neuen 
Cyklus  die  Herren: 

Direktor  Fischbach   in   öffentlichem   Vortrag  über    „die   Textilfunde 
und  die  antike  Ornamentik  in  Peru  vor  der  Inkazeit^  (im  April). 
Major  a.  D.  Schlieben  über   „die  Symbolik  des  Esels  in  der  Kultur- 
geschichte** (im  November). 
Der  neue  Cyclus  begann  mit  dem  Bericht  des  Herrn  Oberst  z.  D.  von 
Cohausen    über    die   am    30.  August    in   Sigmaringen  abgehaltene   General- 
Versammlung  der  deutschen  Geschichts-  und  Altertums -Vereine  (im   Oktober). 


262 

Es  sprachen  ferner: 

Herr  Sanitatarat  Dr,  Plorschtitz  über  „die  Beziehungen  der  Geologie 
zur  Altertumskunde  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Yor- 
geschichte  des  Nassauer  Landes*.  (In  der  Generalversammlung 
vom  9.  Dezember  v.  Js.) 
Herr  Schriftsteller  C.  Spiel  mann  über  „General  Marceau^s  letzten  Feld- 
zug" und  die  Frage  „Marceau's  Asche*  (im  Januar  1892). 
Herr  Gymnasiallehrer  Dr.  Wedewer  über  ^Geographisch- Archäologiachi 

Mitteilungen  in  Schweden  und  Norwegen**  (im  Februar), 
Herr   Realschuldirektor  Dr.   Kaiser    über    ^ Zahlzeichen    und   Zahlen- 
systeme**. 
Die   im   Sommer   übliche   Pause   gab   zu   anderweitiger  Yereinsthätigkeit 
Veranlassung,    Am  30.  Mai  w  Js,  machte  der  Verein  mit  dem  hiesigen  Archi- 
tekten- und  Ingenieur-Verein  zusammen  einen  Ausflug  mit  Damen  nach  Limburg 
an  der  Lahn  zur  Besichtigung  des  dortigen  Domes  und  der  Domschätze  unter 
zahlreicher  Beteiligung,     Der  hochwürdigste  Bischof  Herr  Dr.  Klein  hatte  in 
aufopfernder    Liebenswürdigkeit    die    sachgeraässe,    interessante    Führung    und 
Erläuterung    übernommen.      Die    „Hessische   Ludwigsbahn**    unterstützte    den 
Ausäug    durch    Überlassung    eines    Salonwagens    zu    ermässigtem    Preise    in 
dankenswerter  Weise. 

Am  17,  August  hatten  wir  die  Freude,  Damen  und  Herren  des  Frankfurter 
„Historischen  Vereins^    bei  uns  zu  sehen.     An  die  Besichtigung  des  Museums  1 
achloas  sich  ein  gemeinschaftliches  Abendessen*     Wir   hoffen,    dass  unser  Ver- 
kehr mit  diesem  Verein  immer  mehr  zunehmen  wird. 

Am  19,  August  fand  ein  Ausflug  mit  Damen  nach  Oppenheim  statt, 
W02U  Herr  Rheder  Faber  dem  Verein  gütigst  seinen  Privatdampfer  „Sagitta** 
sfiur  Verfügung  gestellt  hatte. 

Auch  für  dieses  Jahr  sind  mehrere  Ausflüge  in  Aussicht  genommen. 
In  Schriftenaustausch  trat  der  Verein  mit  nachfolgenden  Vereinen: 
Karlsruhe.     Grossh.  Badische  Altertümer-Sammlung. 
Meiningen,     Verein  für  Meiniogische  Geschichte  und  Landeskunde, 
Roda  S.-A.     Der  Geschichts-  und  Altertumsforschende  Verein, 
Mölln   i,    Lauenburg.     Verein    flir   die  Geschichte   des  Herzogtums 

Lauenburg, 
Neubrandenburg.     Museums  verein  zu  Neubrandenburg, 
Schw.  Hall.     Historischer  Verein  für  Württembergisch  Franken. 
Dillingen.     Historischer  Verein. 
Eichstätt,     Historischer  Verein  zu  Eiobstätt. 
Torgau.     Altertumsverein  zu  Torgau 
Prüm.     Gesellschaft  für  Altertumskunde  in  Prüm. 
Dürkheim  (Pfalz).     Altertumsverein  für  den  Kantim  Dürkheim. 
Emden.    Die   Gesellschaft   für   bildende   Kunst    und   vaterländische 

Altertümer  in  Emden. 
Heilbronn.     Historischer  Verein  zu  Heilbronn. 


MMi 


268 

Reutlingen  (Württemberg).    Der  Verein  für  Kunst  und  Altertum 

in  Reutlingen. 
Berlin.    Märkisches  Provinzialmuseum. 
Klagen  fürt.    Kämtnerischer  Geschichtsyerein  zu  Klagenfurt. 
Salzburg.    Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde. 

Mit  zahlreichen  weiteren  Vereinen  ist  Schriftenaustausch  angeknüpft. 

Seit  November  1890  traten  dem  Verein  38  Mitglieder  bei,  54  verlor  er, 
davon  leider  viele  durch  den  Tod. 

Es  traten  ein  als  ordentliche  Mitglieder: 

Herr  Niemes,  L.,  Rentner,  W. 

„  Becker,  L.,  Kaufinann,  W. 

„  Meyer,  R.,  Generalagent,  W. 

yt  Brems,  P.,  Buchdruckereibesitzer,  W. 

„  Floeck,  F.,  Architekt,  W. 

^  Bredemann,  0.,  Dr.  phil.,  W. 

„  Henzel,  A.,  Ingenieur,  W. 

„  Tietz,  Dr.  phil.,  W. 

„  Hesse,  A.,  Kaufmann,  W. 

„  Ott,  cand.  phil.,  W. 

„  Altenburg,  E.,  cand.  phil.,  W. 

^  Kunz,  J.,  Bildhauer,  W. 

„  Feldner,  C,  Lehrer,  Steeten  a.  d.  Lahn. 

„  Kurz,  Dr.  H.,  Apotheker,  W. 

y,  Stolley,  Hof-Dentist,  W. 

y,  Lieber,  Th.,  Hofrat,  Professor,  Gera. 
Fürst  von  Waldeck  und  Pyrmont,  Durchlaucht 

Herr  Drexel,  J.  J.,  Kaufmann,  W. 

„  Frisch,  Major  a.  D.,  W. 

„  Schenck,  Major  a.  D.,  W. 

n  Bindewald,  Kgl.  Landrat,  Weilburg. 

„  Franz,  Kgl.  Regier.-Bauführer,  W. 

yj  Reinhold,  Medizinalrat,  Eisenberg,  Sachsen- Altenburg. 

^  Ebhardt,  C,  Rentner,  W. 

„  Fischer,  F.j  Rentner,  W. 

jf  Stahl,  Amtsgerichtsrat,  Hachenburg. 

„  Bröcking,  W.,  Dr.  phiL,  W. 

y,  Graf  Friedrich  zu  Solms-Laubach,  Erlaucht 
Se.  Kgl.  Hoheit  Fürst  Leopold  von  Hohenzollern-Sigmaringen. 

Herr  Rupp,  F.,  Dr.  theol.,  Herborn. 

y,  Eggert,  Regierungs-  und  Baurat,  W. 

y,  Frank,  G.,  Dr.  med.,  W. 

yf  Weitzel,  Pr.-Lieut.  i.  3.  Grossh.  hess.  Liftr.-Regt.  (Leibregiment) 
No.  117,  Mainz. 


264 

In  derselben  Zeit  traten  aus  bezw«  starben: 

Herr  Hartmann,  Postsekretär,  Stettin. 

„  Michelsen,  Dr.  med.,  W. 

„  Knowles,  Rentner,  W. 

„  Theiss,  Rentner,  W.  f 

,  Freitag,  Rentner,  W. 

„  Haniel,  A.,  Rentner,  W.  f 

,,  von  Gerstein-Hohenstein,  Excellenz,   Generallieutenant  z.  D., 

Wiesbaden,  f 

„  Grabe,  F.,  Rentner,  W.  f 

„  Fleischer,  Sanitatsrat,  W. 

T^  von  Eck,  E.,  Nassau,  f 

„  Rabe,  Landrat,  Limburg. 

„  Stahl,  Hofgerichtsrat,  Hachenburg.  f 

„  von  Körber,  Excellenz,  W. 

jf  Hartman n,  M.,  Frankfurt,  f 

„  Knopf,  Rentner,  W.  f 

„  Wächter,  Privatier,  Epernay. 

„  Schickel,  Redakteur,  Oberlahnstein. 

„  Ort,  Dr.,  Frankfurt. 

„  von  Kietzeil,  Oberstlieutenant,  Diez. 

„  Frhr.  von  Malapert-Neufville,  Major  a.  D.,  W. 

„  Lauth,  Kreisbauinspektor,  Fulda. 

„  Kirchner,  Apotheker,  W. 

„  Graf  von  Reedern,  Oberstlieutenant  z.  D.,  W. 

„  Lehr,  Kaufmann,  W.  f 

„  Kolbow,  Rentner,  W. 

^  Rh  od,  Pfarrer  a.  D.,  W.  f 

„  Linde,  Lieutenant  a.  D.,  W. 

„  Rupp,  Pfarrer  a.  D.,  Langenbach.  f 

„  Vigelius,  Ministerialrat,  W.  f 

„  von  Lilien,  Lieutenant  a.  D.,  W.  f 

„  Schwartz,  Generalmajor  a.  D.,  W.  f 

^  Müller,  Postmeister,  Hadamar. 

„  Strampel,  Apotheker,  W. 

„  Keier,  C,  Rentner,  W. 

Der  Verein  hat  demnach  einen  Bestand  von  397  Mitgliedern,  inkl.  Ehren- 
und  korrespondierenden  Mitgliedern. 

Der  Vorstand  setzt  sich  nach  der  Generalversammlung  vom  9.  Dezember 
1891  zusammen  wie  folgt: 

Direktor:  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz. 
Sekretär:  Herr  Premierlieutenant  a.  D.  Hoff  manu. 
Konservator:  Herr  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen. 


265 

Ferner  die  Herren: 

Geheimer  Baurat  Cuno. 

Geheimer  Justizrat  von  Eck. 

Rentner  Gaab. 

Landgerichtsrat  Eeutner. 

Landbau-Inspektor  Dr.  von  Ritgen. 

Major  a.  D.  Frhr.  von  Wangenheim. 

Gymnasialoberlehrer  Dr.  Wedewer. 

Direktor  Weldert. 
Ersatzmänner  die  Herren: 

Dr.  med.  Ahrens. 

Dr.  phil.  Lohr. 

Landgerichtsrat  Dussel. 
In   die  Rechnungsprüfungs-Eommission   wurden   wiedergewählt  die 
Herren : 

Geheimer  Baurat  Cuno. 

Eunstgewerbeschuldirektor  a.  D.  Fr.  Fischbach. 

Rentner  Isenbeck. 
Herr    Sanitätsrat    Dr.    Fleischer    schied    auf    seinen    Antrag    wegen 
Erankheit  aus. 

Bezüglich   der  Einsendung   von  Manuskripten  in  die  Annalen   sehe  man 
die  Bemerkung  auf  der  Rückseite. 

Wilh.  Hoff  mann. 


Bericht  des  Konseryators  Oberst  Ton  Cohausen  ßber  die  Erwerbungen 
für  das  Altertams-Museom  in  Wiesbaden  w&hrend  des  Jahres  1891. 

Seit  unserer  vorigjährigen  Generalversammlung  sind,  wenn  auch  nicht 
viele,  aber  wertvolle  Gegenstände  in  den  Besitz  unseres  Museums  gekommen. 
Es  werden  Ihnen  viele  Enochen  auffallen,  welche  nicht  nur  für  uns,  durch  die 
Steetener  Höhlen,  sondern,  wie  Ihnen  dargelegt  wird,  von  grossem  allgemeinem 
wissenschaftlichen  Interesse  sind. 

Ich  danke  für  zahlreiche  Gaben  dieser  und  anderer  Art  den  gütigen  Ge- 
schenkgebern. 

Von  Herrn  Oberstudienrat  Dr.  Fraas  in  Stuttgart  empfingen  wir  ver- 
schiedene Enochen  und  Zähne  von  der  Hyäne,  dem  Bären,  dem  Hirsch  und 
andere,  welche  zur  Zeit  meiner  Ausgrabungen  in  den  Steetener  Höhlen  ein 
Herr  aus  Oranienstein  an  sich  und  nach  Stuttgart  verbracht  hat,  die  aber  der 
obengenannte  Natur-  und  Altertumsforscher  wieder  an  uns,  wohin  sie  gehören, 
gegeben  hat. 

Aus  einer  daselbst  neuerdings  entdeckten  Höhle  sind  noch  weitere  Skelett- 
teile direkt  in  unser  Museum  gelangt;  auch  einige  weitere  aus  den  Baufunda- 
menten zwischen  der  Frankfurter-  und  Langenbeckstrasse. 


266 

Von  Herrn  Dr.  Peters  erhielten  wir,  durch  Verraittelung  des  Herrn  Dr,  Flor- 
schütz, aus  des  Erstgenannten  Ziegelei  bei  Schieratein  die  Ergebnisse  aus  Mardellen 
und  Gräbern  an  Knochen  und  Töpfereien.  Es  ist  angrenzend  an  die  Stelle, 
aus  welcher  wir  von  Herrn  Jacob  1876  Gegenstände  verwandter  Art  empfangen 
hatten. 

Da  es  nicht  nur  zur  Eiszeit  von  Hohlen-,  sondern  auch  noch  später  von 
braunen  Baren  in  unserem  Lande  gewimmelt  hat  und  die  Überreste  beider 
zugleich  mit  dem  Menschen  und  dessen  Erzeugnissen  vorkommen,  so  fallen  deren 
Knochen  in  das  Studium  der  Anthropologie,  und  es  war  uns  des  Vergleiches 
wegen  sehr  willkommen,  als  uns  Herr  Becker,  Nachfolger  von  J*  M.  Roth, 
aus  seinem  Delikatessenladen  die  vollkommenen  Skelette  der  Vorder-  und 
Hinterhackseu  des  Bären  schenkte. 

Von  Herrn  Alfred  Villeroy  empfingen  wir  die  Schlacken  aus  zwei  Ab- 
achnittswälloü,  welclie  den  Limberg  bei  Saarlouis  teilen.  Sie  erinnern  sich, 
dass  wir  die  Einlage  von  Hülzern  in  Steiuwällen  als  Bindemittel  zuerst  auf 
dem  Altkönig  entdeckt  und  auch  weiter  die  bei  dem  Brand  der  Holzer  ent- 
stehenden Schlacken  ao  den  Volkszufluchtschanzen  nachgewiesen  haben. 

Von  Herrn  Lehrer  Feldner  in  Steeten  empfingen  wir  einige  Bronze- 
Schmuckstücke  aus  Gräbern  auf  der  Hochfläche  von  Dehreu, 

Durch  Vermittelung  des  Herrn  Direktor  Fischbach  kam  der  interessante 
Inhalt  eines  Grabes  aus  Erbenheim  in  das  Museum,  sowie  durch  Herrn  Phil. 
Heinr.  Marx  ein  rümischer  Mühlstein  aus  den  Fundamenten  des  ehemaligen 
Karlsruher  Hofes  am  Mauritiusplatz. 

Bei  der  lebhaften  Bautbätigkeit,  welche  hier  herrscht^  gelangten  durch 
die  Bereitwilligkeit  des  Herrn  Bücher  mit  den  Schädeln  die  Beigaben  römischer 
Gräber  aus  dem  ehemaligen  Dasch^schen  Garten  an  uns.  Es  lag  da  die  Fort^ 
Setzung  des  römischen  Friedhofes,  welchen  wir  in  der  Museumsstrasse  und 
Garten  schon  als  Begleiter  der  im  Salzbachthal  weiterziehenden  Landstrasse 
kennen.  Römischen  Ursprungs  sind  auch  ein  von  Herrn  Wollweber  in  der 
neuen  Bärenstrasse  gefundenes  Krüglein  und  ein  Stück  der  römischen  Wasser- 
leitung, bestehend  aus  Röhren  und  Schlammkasten,  welche  wir,  durch  Dr.  Reuter 
beschrieben,  in  der  Rhein-  und  Luisenstrasse  kennen.  Diese  Stücke  danken 
wir  dem  Herrn  Rechtsanwalt  Kuli  mann. 

Von  Herrn  R.  Forrer,  von  dem  wir  ägyptische  Gewebe  und  Kataloge 
von  solchen  und  rümischeu  Geweben  erworben  haben,  empfingen  wir  Muster 
von  byzantinischen  Geweben  des  5, — 6.  Jahrhunderts  aus  Achim- PenopoÜs ; 
und  für  unsere  ethnographische  Sammlung  Strick-  und  Netzgeräte  aus  Alt- 
Peru.  — 

Ferner  kamen  durch  Ankäufe  noch  an  uns  eine  schöne  römische  Brenz 
kanne,  angeblich  aus  Simmern,  eine  Brouzepfanne,  angeblich  von  Boppard,  ein 
vortrefflicher  Gagatschmuck,  sowie  fränkische  Goldringe. 

Herr  Professor  Otto  schenkte  dem  Museum  zwei  silbergoldeno  und  eine 
Bronze-Regenbogen-  (gallische)  Münzen. 


tau 


2«7 


VOD 


Auü  Merowingischcr  Zeit  kameD  durch  Schcnkting  des  Herrn  Lieutenant 
V.  Lilien  sehr  schöne  und  charakteristische  Schmuckstücke  aus  der  Gegend 
von  Soest  au  uns. 

Bei  dem  jetzt  so  häufig  besprochenen  Gegensatze  der  altheimischen  Töpferei 
der  vom  Lausitzer  Typus  war  es  uns  von  grossem  Interesse^  einige  Muster 
letztgenannten  Stils  im  Museum  zu  haben,  und  kamen  wir  durch  Uberein* 
kunft  mit  dem  Herrn  Dr.  Voss,  Direktor  des  prähistorischen  Museums  in  Berlin, 
aus  diesem  iu  Besitz  von  aolchen  Töpfereien,  —  welche  durch  Herrn  Dr.  Hein- 
rich noch  durch  mehrere  schöne  Stücke  aus  Schlesien  vermehrt  wurden. 

Durch  die  Aufmerksamkeit  des  Herrn  Reg,-Bauraeister  H,  Rossler  ge- 
langten aus  den  Baggerarbeiten  im  Rheine  bei  Eltville  mehrere  sehr  interessante 
Stücke  in  das  Museum;  ein  Eisenschwert  des  10.,  zwei  Degen  oder  Pallasche 
mit  Körben  des  16.  Jahrhunderts,  ein  Infauteriesäbel,  ein  gut  erhaltenes  Pilum 
oder  Ango,  eine  Anzahl  von  eisernen  und  steinernen  Geschutzkugeln  und  Gra* 
naten  (unter  den  steinernen  Kugeln  waren  jedoch  auch  einige  natürliche  Sep- 
tarieo),  zwei  schwere  und  eine  leichte  Lanzenspitze  und  eine  gelb  glasierte 
Ofenkachel.  Eine  Thonkachel  aus  dem  18.  Jahrhundert  von  Bierstadt,  sowie 
zwei  verzierte  Gussplatten  kamen  durch  Kauf  in  das  Museum. 

Zu  nennen  sind  ferner  einige  Kupfermünzen  von  Herrn  Rud.  Hauch. 
Zwei  Petschaften  und  ein  Taschenmesser  mit  Schrift  von  Herrn  Aug.  Herber, 
dem  wir  schon  früher  schöne  Stücke  danken. 

Von  einem  Kurgaste,  dem  Herrn  Direktor  Buch  aus  Bergen  in  Norwegen, 
empfingen  wir  einen  dort  gebräuchlichen  Silberring. 

Von  Frau  Gräfin  von  der  Golz,  die  uns  schon  lange,  noch  als  Frau 
Preyer,  eine  gütige  Geberin  war,  erhielten  wir  mehrere  venetianische,  sogenannte 
gesprengte  Schlüssel, 

von  Herrn  Edmond  Elton  in  Clevedon  Court  Someret  zwei  schöne  Vasen 
mit  nach  chinesischer  Art  ablaufender  Olasur, 

TOD  Herrn  Alfred  Boch  in  Fremersdorf  zwei  bedruckte  Fayence- 
Teller,  die  Ende  der  dreissiger  Jahre  in  llettlach  und  Vallerfangen  gemacht 
sind, 

von  Herrn  General  von  Bernut  eine  Vase  und  einen  Leuchter  aus  Sigel* 
erde,  schöne  moderne  ägyptische  Arbeiten, 

von  Frau  von  Cofaausen  einen  Knopf  mit  feiner  moderner  Glasmosaik. 

Durch  Austausch  kamen  wir  in  Besitz  von  zwei  Millefiori-Gefässen, 
einer  kleinen  Vase  und  einem  Alabastron. 

Von  Herrn  Major  Sc  blieben  vermittelt  erhielten  wir  einen  vergoldeten 
Bockknopf  aus  der  Mosel  von  Herrn  Dr.  Maurer, 

von  Herrn  Sanitätsrat  Dr  Florschütz  eine  aus  dem  Rheine  gebaggerte 
Bronzebarre,  die  er  dem  rörnisch-germanischen  Museum  dankt.  —  Durch  billigen 
Ankauf  gelangten  in  die  ethnographische  Sammlung  mehrere  schöne  persische 
Itertümer;  ein  gewaltiges  Richtschwert  mit  unentzifferbarer  Inschrift,  ein 
•Im,  ein  Schild  und  eine  Haudberge  mir  bemalten  Relieffiguren  und  ein  aus 
gitriebenesy  reich  verziertes  Kamel. 


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ijfi 


Als  sehr  erfreuliches,  in  die  Augen  leuchtendea  Stück  hätteu  wir  zu€ 
nennen  können:  ein  Relief- Mosaik-Gemälde  in  Glas  und  Rahmen. 
atelU  eine  der  Pforten,  die  KliDgenpforte,  im  Rheingauer  Gebück,  zwischen 
Neudorf  und  Schlangenbad,  dar  und  iet  durch  die  kunstreiche  Hand  des  ver- 
storbenen Dr-  Creves  in  EltYille  angefertigt  worden.  Ich  hatte  schon  seit  1874 
mein  Auge  darauf,  konnte  es  aber  weder  als  Schenkung,  noch  durch  Ankauf 
erwerben ;  bei  ihrem  Tode  aber  gedachte  die  Tochter  des  Genannten,  FräuL  ] 
Frida,  des  Museums  und  Hess  es  als  teueres  Vermächtnis  durch  die  Vermit- 
telung  ihrer  Schwester,  Frau  Steuerrat  Pfaff,  an  uns  gelangen,  wo  es  zum 
Andenken  an  die  Familie  in  Ehren  gehalten  werden  wird. 


Wir  bringen  gerne  folgende  Urkunde,  welche  im  August  vorigen  Jahres 
dem  Vorstande  zugegangen  ist,  zur  Kenntnis  der  Vereinsmitglieder, 

Scheukoiiij:s-Urkuinle, 

Beseelt  von  warmer  Liebe  zu  dem  herzerhebcuden  Gesang,  uud  dadurch ' 
auch  zu  dem  Wiesbadener  Manne rgesangve rein,  dessen  aktiver  Mitglied- 
ßchaft  er  sich  erfreut,  hat  Unterzeichneter  Wilhelm  Bruch  von  NassauJ 
zur  Feier  dos  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes  des  Vereins  im  Jahre  1891,  ein 
Geschenk  angefertigt,  das  er  durch  diese  Urkunde  dem  genannten  Verein  ab 
unveräusserliches  Eigentum  verehrt.  Nicht  weniger  begeistert  für  sein  Fach 
hat  er  zu  diesem  Zweck  einen  orablematischen  Schrank,  aus  Nussbaumholz, 
in  italienischem  Renaissancestil  gearbeitet,  und  zwar  so,  wie  er  nebenstehend 
(Seite  3  dieses  Bogeiis)  photographtsch  dargestellt  ist^)» 

Sollte    aber    der  Verein  unverhofft  jemals    sich    auflösen   oder    aufgelöst! 
werden,     dann    wird    der    Nassauische    AUertums-Verein    (zur    Zeit    im 
Muaeumsgebäude    in    der    Wilhelmstraaae    M     zu    Wiesbaden)    kraft   diesj 
Urkunde  unbestrittener  Eigentümer  des  vorbenannten  Schrankes* 

Wiesbaden,  den  31.  Juli  1891. 

(gez.)  Wilhelm  Bruch, 

Zur  Beglaubigung  der  Unterschrift:  Der  Königl  Bibliothekar: 
(gez.)  Prof.  Dr.  von  der  Linde. 


^)  Auf  dem  Bureau  des  AltertumsTereins  einzusehen. 


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Nachruf  an  Anton  WecL 


Der  laDgjuhrige  Diener  unseres  Vereins  und  Aufseher  des  Laades-Museuma 
für  Altertumer  wurde  den  15.  Miirz  1813  in  Fischbach,  Amt  KünigBteia  im 
Taunus,  geboren.  Er  diente  vom  15.  April  1833  bis  zum  1*  April  1839  im 
2.  Nassauischen  Infanterie-Regiment,  teils  in  Wiesbaden,  teils  in  Weilburg  und 
ging  von  demselben  nach  der  gesetzmäsaigen  Dienstzeit  von  6  Jahren  mit  dem 
Zeugnis  guten  Betragens  ab. 

Bei  den  durch  den  Verein  in  den  Jahren  1836,  1841  und  1858  am 
Hömerkastell  auf  dem  lleidenberg,  wo  jetzt  das  städtische  Krankenhaus  steht, 
unternommenen  Ausgrabungen  zeichnete  er  sich  alsbald  durch  Anstelligkeit 
und  Verständnis  so  vorteilhaft  aus,  dass  er  zu  ähnlichen  Untersuchungen  und 
Vermessungen  stets  als  Vorarbeiter  und  als  Aufseher  verwandt  wurde. 

In  dieser  Weise  war  er  beschäftigt  unter  den  Vereinsdirektoren:  Regierungs- 
präsident Dr.  Müller,  Oberappellationsgerichtsrat  Strobel,  Bibliothekssekretär 
Ebenau,  Begierungsrat  Dr.  Seebode,  BibUotheksaekretär  Ebenau,  Medizinal- 
rat Dr.  Reuter,  Hofgerichtsprokurator  Dr.  Braun,  Oberschulrat  Dr,  Schwarz, 
l Appellationsgerich ts-Präsident  Hergenhahn,  Medizinalrat  Dr.  Reuter,  Gym- 
luasialprofessor  Otto,  Gymnasialdirektor  Spiess,  Sanitätarat  Dr.  Florschütz; 
sowie  unter  den  Museums -Konservatoren  Archivrat  Dr.  Ilabel  mit  dem 
Architekt  Kihm,  Archivrat  Dr.  Rössel,  Bibliothekar  Dr.  Schalk,  Dr.  Kekule 
und  Oberst  von  Cohausen« 

Unter  diesen  Direktoren  und  Konservatoren  betrieb  oder  leitete  Weck  die 
Folgenden  Ausgrabungen : 

Am  Römerkaatell  Wiesbaden  1839,  1841,  1858;  des  Kastells  bei  Hof  heim 
1841,  1842,  1843;  am  Kranzplatz  1842;  bei  Ueddernheira  1860,  1863;  an 
dem  sogenannten  Kastell  Rambach  1846,  1856,  1861,  1862;  am  Landgraben 
(Kurve)  und  die  Gräber  bei  der  Spelzmühle;  auf  Röder,  auf  der  Hasselt,  an 
der  Wellritzraühlej  am  Höfchen  und  in  der  Bierstadter  Flur;  am  Münzberg 
und  im  Nerothal,  alles  in  den  Jahren  1847  und  1848,  Ferner  in  Marienfels 
1849,  von  dessen  Villa  er  1849 — 1850  das  im  Museum  befindliche  Modell  ge- 
, macht  hat,  nachdem  er  1848  bei  dem  Bildhauer  v.  d.  Lauuitz  in  der  Lehre 
|6W08en  vrar.  1849  machte  er  Gypsabgüsse  und  Papier-Abklatsche  von  den 
Kirchenstublen  in  Kiedrich  und  1850  in  Eberbach.  Er  half  bei  der  Vermessung 
der  1852  abgebrannten  Mauritiuskircho,  1853  und  1856  machte  er  Ausgrabungen 
am  Zugmantel-Eastell     Er  war  bei  den  Ausgrabungen  der  Frankengräber  am 


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270 


SchierßteiDer  Weg  1854,  1863,  1865,  1866,  1867,  1868  thätig  und  grub  185^ 
ao  der  rümlschen  WasserleituDg  im  MütileDthal  und  an  der  Mosbacher  Bisen- 
bahn,  ferner  an  den  Hügelgräbern  am  Weissen  Turm  und  bei  Auringen  1863, 
sowie  an  den  römischen  Altertümern  bei  Stieratadt  1864,  bei  Fischbach  1865 
und  verschaffte  dem  Museum  durch  seine  Aufmerksamkeit  1871  eine  grosse 
vorrömische  Urne  mit  Deckel  und  Kupfermesser;  im  Jahre  1878  beaufsichtigte 
er,  von  seinem  Sohn  Fritz  unterstützt,  thätig  die  Ausgrabung  dar  reichen 
Frankengräber  bei  Erbenheim, 

Überhaupt  hatte  er  bei  der  Auffindung  und  Ausmessung  bei  den  Fun- 
damentbauten der  Stadt  den  regsten  Anteil  und  diente  dorn  Museum  über  viele 
Gegenstände  und  Unternehmungen  als  zuverlässige  Chronik. 

Im  Jahre  1879  am  16.  April  hatte  er  die  Ehre,  dem  Prinzen  Wilhelm, 
unseres  jetzigen  Kaisers  Majestät,  Anleitung  im  Abklatschen  von  Steiuinschriften 
zu  geben*     Im  Jahre  1889  erhielt  er  das  Allgemeine  Ehrenzeichen. 

Allgemein  betrauert  starb  er  den  19,  Mai  1890: 

Er  hatte  1835  die  Katharina  Specht  geheiratet  und  zwei  Söhne,  Wilhelm 
und  Fritz,  welche  Landwirtschaft  und  Fuhrwesen,  sowie  der  jüngere  Steinmetz 
und  Spezereihandel  betreiben,  und  drei  Töchter,  Marie,  Juli<f  und  Johanna» 
welche  tüchtige  Handwerksmeister:  Schlosser  Hanaon,  Anstreicher  Schlepper 
imd  Schlosser  Freund  geheiratet  haben,  hinterlassen. 

Weck  ist  uns  ein  erfreuliches  Beispiel,  wie  ein  Mann  mit  einer  tüchtigen 
Frau,  der  mit  nichts  weiter  als  mit  35  Kreuzern  (1  Mark)  Taglohn  beginnend, 
nach  S5  Jahren  mit  einem  Jahresgehalt  von  1080  Mark  schliessend,  durch 
Ordnungsliebe  und  Sparsamkeit,  durch  Ankauf  von  Ländereien  und  Häusern, 
die  früher  allerdings  nicht  den  jetzigen  Wert  hatten,  ein  Yermögen  von 
70000  Mark  hinterliess  und  —  dies  sei  hier  besonders  hervorgehoben  — , 
geschah  das  nicht  nur  ohne  jeglichen  Zwischenhandel  oder  dergleichen,  sondern 
auch  bei  untadelhafter  Rechtlichkeit  und  vollkommener  Interesselosigkeit  und 
Austand  gegenüber  allen,  die  das  Museum  besuchten. 

Der  Altertumsverein,  sowie  der  Konservator  des  Museums  werden  ihm  ein 
ungeteilt  auerkenuaudes  Andenken  bewahren. 

von  Cohauseu. 


271 


Beriehtigung  zn  pag.  51  ff.  des  Torjfthrigen  Altertomsbandes. 

Naoh  einer  MitteiloDg  vom  26.  I^ovember  1.  J.  hat  Herr  Archivrat 
Dr.  Sauer  in  einem  jüngst  ihm  erst  bekannt  gewordenen,  dem  Wiesbadener 
Staatsarchiv  zugehörenden  Briefwechsel  zwischen  Schliephake  und  dem  ehe- 
maligen Idsteiner  Landesarchive  betreiFs  der  Ersterem  nach  Heidelberg  zuge- 
gangenen Archivalien  gefunden,  dass  das  Original  des  Weistums  vom  6.  Juli 
1361  genau  nach  der  «Geschichte  von  Nassau*  2,  65  in  der  That  im  Mai  1866 
unter  Abf&Uen  u.  dergl.  in  einem  Schranke  des  Idsteiner  Archivs  entdeckt  und 
von  Schliephake  bis  zum  6.  September  des  gleichen  Jahres  benutzt  worden 
ist,  nicht  ohne  Klage  über  die  schwere  Mühe  der  Entziiferung.  Ich  nehme 
deshalb  auf  ausdrücklichen  Wunsch  des  genannten  Herrn  Archivrates  und  eigner 
Ehrenpflicht  gerne  hierdurch  zurück,  was  ich  zu  Ungunsten  Schliephakes 
in  diesem  Stücke,  S.  51  f.,  meiner  Abhandlung  über  «das  Landgericht  der  vier 
Herren  auf  dem  Einrieb"  im  vorigen  Annalenberichte  geschrieben  habe,  und 
bemerke  weiter,  dass  aus  dem  gleichen  Briefwechsel  die  Bemühung  des  ver- 
dienstvollen Forschers,  auch  über  den  «Ahorn*  des  Weistums  und  die  Mal- 
statten des  Einrichs  Gewissheit  zu  verschaffen,  hervorgeht,  da  auf  seine  Ver- 
anlassung Anfragen  hierüber  an  verschiedene  Oberforstereien  ergingen. 

Miltenberg,  13.  Dezember  1891. 

Ludw.  Conrady. 


Im  Verlage  von  Rud.  Bechtold  &  Comp,  in  Wiesbaden,  sowie 
in  allen  Bachhandlangen  und  im  Altertums-Maseum  daselbst 
sind  za  haben: 

Antiquarisch-technischer  Führer 

doroh  das 

Alteitons-Museum  zu  Wiesbaden. 

Von  A.  T.  Cohaosen^ 

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Geistliche,  Lehrer,  Land-  und  Forstwirte. 

Yon  A.  T.  Gohaosen, 

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Yon  Sanitätsrat  Dr.  B.  Florschfltz. 
Mit   fä   XaTeln. 

Freis:  50  Pfg. 


Wanderungen 


duroh  das 

Altertums-Museum  in  Wiesbaden. 

Von  Wilhelm  Holhnann^ 

Preml«rli«Dt«nant  a.  D.  vad  8«kr«tir  dM  Y«r«lM  für  Nattaatoch«  AUartomtkunde 
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Annal  d.  Vereins  f.  Kas&  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  XXK. 


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Annal.  d.  Vereins  f.  Nas«  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  HK. 


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Annai.  o.  Vereins  l.  NasR  Alfert  u  Gesch  Bd    XXff. 


Annal.  d.  Verein«  f.  Nas&  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  XXff 


Taf 


Aniial.  d  Verein»  f.  Nas&  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  UBL 


TafY 


.■\niiai.  g.  Vereins  t.  Nass.  Altert,  u.  üesch.  Bd.  XXE. 


TafVI 


Annal.  d.  Vereins  f.  Nas&  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  2XIL 


Taf.V] 


,  \v:^?^«wT?^ 


Die     CATZ    v  Süden. 


Annal  d-  Vereins  f.  Kass.  Alfert.  u.  Gesch  Bd.  Uff. 


Tiif-vm 


Annal.  d.  Vereins  f.  Kasa  Altert,  u.  Gesch  Bd.  SIL 


Taf  H 


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Annal.  d.  Vereins  f.  Nass.  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  WL 


Tai:  X. 


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SreRRENBERG 


Zur  Becuihtwng. 


Das  AUertumsmuseum  ist  vom  1.  Mai  bis  31,  Oktober  Montags^ 
Dienstags,  Mittwochs,  Donnerstags  und  Freitags  von  2 — 6  Uhr,  Sonntags  von 
11 — 1  Ilir  geöffnet.  —  Behufs  Besichtigung  der  Sammlungen  zu  eifier  anderen 
Zeit  —  1  Mark  Eintrittsgeld  —  toende  man  sich  an  den  Museumsaufseher 
König  (Friedrichstr.  1  oder  Friedrichstr.  9,  Hof  rechts). 


Das  Sekretariat  und  die  Bibliothek  sind  jeden  Mittwoch  und  Sams- 
tag nachmittags  von  3 — 5  Uhr  geöffnet;  an  den  übrigen  Wochentagefi  werden 
Bücher  nach  vorheriger  schriftlicher  Bestellung  verabfolgt. 


Drucksa^chen  und  Zuschriften  beliebe  man  an  das  Sekretariat 
(Friedrichstr,  1),  Geldsendungen  an  Herrti  Rechnungsrat  BegerS  (Bahn- 
hofstr.  15)  zu  adressieren. 


Das  Preisverzeichnis  der  noch  vorhandenen  früheren  Annalenbände  und 
sonstigen  Veröffentlichungen  des  Vereins  befindet  sich  am  Schlüsse  des  vorliegen- 
den Jahrganges.  Bestellungen  auf  dieselben  und  auf  den  gegenwärtigen  Band 
werden  sowohl  vom  Sekretariat  wie  auch  von  der  Firma  Rud.  Bechtold  &  Comp, 
in  Wiesbaden,  an  welche  seit  dem  1.  April  d,  J.  der  Verlag  der  Annalen  über- 
gegangen ist^  entgegengenommen. 


Wir  machen  unsere  Herren  Mitarbeiter  darauf  aufmerksam^  dass  JBei^ 
träge  zu  den  Annalen,  welche  von  jetzt  ab  regelmässig  im  Aprü  eines 
jeden  Jahres  erscheinen  werden^  bis  zum  15,  Dezember  des  vorhergehenden 
Jahres  beim  Vorstand  eingereicht  sein  müssen.  Spätere  Zusendungen  können 
für  den  betreffenden  Jahrgang  nicht  berücksichtigt  werden.  Die  Manuskripte 
müssen  leserlich  und  immer  nur  auf  einer  Seite  geschrieben  sein. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAÜISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAÜI8CHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


FÜNFÜNDZWANZIÖSTER  BAND. 
18  9  3. 


VT  9  LITHOOKAPHRKTHI  TARLH. 


WIESBADEN. 

TBRLAG  VON  BDD.  BECHTOLD  &  COMP. 
1893. 


Inhalts-Verzeichnis 

des  fünfundz^vanzigsten  Bandes. 


Seite 

I.  Die  Beziehung^en  der  Geologie  zur  Altertumskunde.    Von  B.  Florschatz  1 
II.  Die  ,,Swige  Lohe<<  bei  Homburg  v.  d.  Höhe.    Von  H.  Jacob i.    Mit  2  Tafeln 

(I  und  II) 15 

III.  Vorrömische  Altertümer.    Von  A.  r.  Cohausen 21 

1.  Der  Brunhildissteiii  auf  dem  grossen  Feldberg.    Mit  Tafel  III      ....  21 

2.  Der  Abschnittswall  und  der  Ringwall  auf  dem  Rücken  der  Hofheimer  Kapelle. 

—  Ein  Jadeitbeil  (mit  Abbildung  auf  Taf.  III) 23 

lY.  Bömiflche  Altertümer.    Von  A.  y.  Cohausen 25 

1.  Der  Stand  der  Limes-Forschung 25 

2.  Die  Saalburg 29 

3.  Römischer  Schmelzschmuck  und  Goldschmiedgeräte.    Mit  Tafel  lY  .    .    .  30 
y.  Burgen  in  Kaeeau.    Von  A.  y.  Cohausen 37 

1.  Burg  Schwalbach.   Mit  Tafel  V 37 

2.  Der  NoUing  oder  NolUcht    Mit  Tafel  VI 41 

YI.  Kachtrag  zur  Oeechichte  der  Steigbügel.    Yon  A.  Sc  blieben,  Major  a.  D. 

ffierzu  3  Tafeln  (YII  bis  IX)  mit  155  Abbildungen 45 

YIl.  Über  die  Gründung  der  Behem'echen  Druckerei  in  Mainz.   Yon  Dr.  H.  Forst  53 
YIII.  Neuere  das  Vereinsgebiet  betreffende  oder  berührende  Litteratur.    Yon 

F.  Otto 54 

IX.  Vereins-Kachrichten. 

Bericht  des  Sekret&rs  Dr.  Focke  (für  das  Etatsjahr  vom  1.  April  1892  bis 

31.  März  1893) 62 

Bericht  des  Eonserrators  Oberst  von  Cohausen  über  die  Erwerbungen  fQr 

das  Altertums-Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres  1892    ....  71 

X.  Verzeichnis  der  Mitglieder 74 

XI.  Verzeichnis  der  Akademien,  Gesellschaften,  Institute  und  Vereine,  deren 

Druckschriften  der  Verein  in  regelmässigem  Schriftenaustausch  erhält  85 


Die  Bezieliungen  der  Geologie  zur  Altertumskunde. 


Von 

6«  Florsch&tz. 


I 


I 


Es  ist  ein  ausgesprochener  CTrundäatz,  dass  jedes  Lebeweaeo  unserer  Erde 
abhängig  sei  von  dem  Bodeo,  vou  dem  es  seine  Nahrung  zieht.  Dieser  Satz 
gilt  in  des  Wurfes  eigentlichster  Bedeutung  für  die  Ptianzenwelfc  —  möge  sie 
als  bescheidene  Flechte  auf  den  Höhen  der  Gebirge  oder  auf  einem  ver- 
schlageoen  erratischen  Block  ihr  scheinbar  kümmerliches  Dasein  fristen,  oder 
als  ragende  Palme  ihre  schlanken  Wedel  in  der  lauen  Luft  des  Südens  sich 
wiegen  lassen.  Jede  Art,  jedes  einzelne  Exemplar  einer  Art  von  Pflanzen  ist 
ein  an  chemische  Stoffumsätze  gebundener  Körper,  der  nur  eben  da  gedeihen 
kann,  wo  er  die  für  seinen  Organismus  notwendigen  Nährstoffe  dem  Boden  der 
Mutter  Erde  entnehmen  und  für  sich  verwenden  kann.  So  ist  denn  die  Vege- 
tation eine  andere  auf  granitischem  oder  basaltischem  Grundej  wie  auf  den 
Terrassen  unseres  Lösses;  und  der  Keuper  bietet  uns  andere  Blüten  und 
FrüchtOi  wie  das  in  seinen  Pflanzenformen  meist  so  originelle  Kalk-  oder  Jura- 
gebirge.  Ein  Faktor  ist  freilieh  bei  alledem  uuerlässlich,  so  günstig  auch  die 
Ernährungsverhältnisse  des  Bodens  sein  mögen:  das  ist  der  unterstützende 
Einfluss  des  Klimas.  Wo  beide  Bedingungen  sich  die  Hände  reichen,  linden 
wir  überall  die  üppigste  Fülle  an  Formen  und  Arten,  welche  —  selbstverständ- 
lich fossil  —  auch  da  noch  nachzuweisen  ist,  wo  wie  in  Island  und  Grönland 
die  gegenwärtige  Erniedrigung  der  Temperatur  jede  irgend  beträchtlichere  Vege- 
tationsentwickeluüg  unmöglich  macht.  Von  der  Pflanzenwelt  aber  war  von 
jeher  die  Existenz  der  vou  ihr  lebenden  Tiere  abhängig  - —  vou  den  Pflanzen- 
fressern aber  die  so  mannigfach  gestaltete  Masse  der  Raubtiere,  die  zu  ihrer 
Erhaltung  auf  erstere  angewiesen  waren. 

So  sehen  wir  eine  fortlaufende  Reihe  von  Lebewesen,  von  denen  eines 
\*on  dem  Wohl  und  Wehe  des  anderen  abhängig  ist.  Eine  reiche  Vegetation 
ermöglicht  eine  in  körperlicher  Entwickelung  wie  in  Artenreiohtum  ausgezeich- 
nete pflanzenfressende  Tierwelt,  und  diese  ist  wieder  von  einer  entsprechenden 
Formeareihe  von  Raubtieren  begleitet.  Tritt  die  Pflanzenwelt  durch  klimatische 
SturuDgen  zurück,  so  öodeu  wir  ein  Gleiches  bei  ihrer  tierischen  Gefolgschaft. 

1 


*^-"-   -'  *- 


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Die  mehrfiii'Ucn  Wandorungen  unserer  Pflanzen  von  Böden  nach  Norden  ito< 
amgekehrt  waren  mit  wenigen  Ausnahmen,  wie  wir  später  sehen  werden,  von 
gleichzeitiger  Verschiebung  der  Tierwelt  begleitet;  und  die  gleiche  Erscbeinung 
wird  wieder  eintreten,  sobald  äussere  Verhältnisse:  eine  neue  übermässige  Äb- 
kublung  unserer  Breiten  oder  eine  auSuUige  Temperatursteigerung  derselbeii| 
auf  dem  gleichen  Nährboden  die  Existenzbedingungen  beider  w^ieder  alterien 
werden. 

Unter  diesen  Wechselbeziebungen  ist  seinerzeit  auch  das  gefUhrliohste 
aller  Raubtiere,  der  Mensch,  ins  Dasein  getreten,  UrsprungUch  von  ihnen 
abhängig,  lernte  er,  dank  seiner  höheren  geistigen  Befähigung,  sieh  von  ihnen 
allmählich  freisumachen,  ja  sie  selbst  zu  beherrschen. 

Wann  aber  —  und  dabei  wollen  wir  mit  den  ersten  Aufgaben  unserer 
Altertumsforschung  beginnen  —  wann  aber  war  die  Zeit,  da  der  erste  Mensch, 
nicht  mit  dem  furchterUchen  Gebisae  des  Gorilla  und  seiner  Muskelstärke  be- 
waffnet, das  Licht  der  Sonne  zum  erstenmal  erblickte?  Mit  anderen  Worten: 
Wie  alt  ist  denn  überhaupt  das  Geschlecht  der  Menschen,  dem  wir  selbst  an- 
gehören  und  dessen  Ursprünge  wir  daher  mit  berechtigtem  Eifer  nachspuren  P 

Es  ist  das  eine  alte,  viel  umstrittene  Frage^  die  heute  noch  die  Kopfe 
der  Forscher,  und  nicht  der  schlechtesten,  beschäftigt.  Liegt  doch  für  uns, 
die  wir  Geschichte  betreiben  und  jedes  grössere  Ereignis  mit  Jahreszahlen  vor 
and  nach  Christus  festzustellen  suchen,  ein  höchst  vorlockender  Reiz  darin,  den 
greifbaren  Massstab  unserer  geschichtlichen  Vorgänge  auch  an  die  dunkle  Vor- 
geschichte des  Mensehengeschlechte«  im  einzelnen  und  im  ganzen  anzulegen. 
Bb  giebt  uns  GewohnheiCsmenscheu  eine  gewisse  Beruhigung,  auch  hier  mit 
Jahreszahlen,  und  wenn  sie  nach  vielen  Tausenden  rechnen,  aufmarschieren  zu 
könoim,  und  mit  ihnen,  wie  wir  glauben,  den  Boden  der  Hj-pothese  und  der 
wissenschaftlichen  Unsicherheit  zu  verlassen.  Die  Berechnungen  der  Gelehrten 
gehen  aber  weit  auseinander.  Ein  hochberühmter  Anthropologe  der  Kheinlande 
hat  noch  vor  iiiclit  zu  langer  Zeit  von  10  000  Jahren  gesprochen,  welche  er 
dem  Menschen  von  seinem  ersten  Auftreten  bis  zur  Jetztzeit  zuweisen  möchte. 
Ob  er  dabei  bedacht  hat,  um  eines  zu  erwähnen,  dass  vor  schon  ca.  6000 
Jahren  das  alte  Ägypten  ein  hoch  entwickelter  Kulturstaat  gewesen  f  Einige 
sprMhaa  toq  200—250000  Jahren;  andere  wieder  von  Aonen^  d.  h.  für  uns 
flberiiittpi  nnfiMsbaren  Zeiträomen. 

Wir  wollen  mhtg  sagen,  dass  die  ganze  Frage,  in  dieser  Form  gestellt,  nie* 
mab  sor  Beantwortung  gelangen  wird.  Sie  ist  schon  an  und  ßr  sich  und  von  vom- 
herein  nnsulisetg  —  ao  an  sagen,  eine  Gleichung^  die  überhaupt  nicht  angeeetzt 
werden  kann.  Wfieeten  wir  nur  vor  allen  Dingen,  mit  welchen  körperlichen  Eigen* 
tümUehkeiten  der  erste  Mensch  Oberhaupt  ausgestattet  gewesen  ist!  Konnten 
wir  wisseoaeluiftlicli  festoelsen,  wodurch  der  Beginn  seiner  Art  sich  trpESch  stt 
dynkteciaerao  vemDoekte!  VVo  ist  der  Schädel,  wo  sind  die  Skeletteile  des 
ersten  Repriteiitiirtim  des  Mmna  mipims,  der  spater  die  Weh  beherrseheo  eoUie? 

Wir  kennen  ihn  gmr  nteht  nnd  haben  gdemt,  uns  dieser  Eardtnalfrage  gegen* 
fiber  sehr  beseheiden  mrQekauludten.  Ea  gab  eine  Periode  «  nnd  sie  liegi 
nicht  so  lange  hinler  uns  ^i  da  wurde  jeder  alle  Menschen srhidel  anf  seine 


i 


* 


i 


^ 


'enSIinlichkeU  uniorsucht   und  gloichzeitig  glaubte  man  in   dorn  Ausbau  der 
tnden  niederen  Menschenrassen    die  Brücke  zu  finden,   welche  von  den  so- 
nnten Menscliervaffen  r  dem  Oraug,  Chimpanse  und  Gorilla,  zu  uns  herüber* 
hren  sollte.     Es  war  eine  Zeit  grosser   allgemeiner  Aufregung  für  die  ganze 
gebildete  Welt  und  mannigfachen  Gezeters.    Wohl  forderten  diese  Untersuchungen 
manche   interessante   Züge   einer   anscheinenden  Arten  Verwandtschaft  zu  Tage, 
her  eine  auegesprochene  typische  Übergangs-    oder   VermitteluDgsform  konnte 
lie  und  nirgends   festgestellt  werden.     Und  sie  wird  jetzt  nicht  mehr  gesucht, 
tiachdeni  man   zu   der  Überzeugung   gelangt   ist,    dass   der  Mensch  bereits  vor 
der  Entwickelung   des   anthropoiden  Affen,   und   zwar   aus  den  Lemureu   seine 
bzweigung  genommen  haL 

Bei  solch'  unsicheren  Prämissen  lassen  sich  keine  Berechnungen  auf 
Tausende  von  Jahren  und  Jahrtausenden  anstelle q. 

Die  Frage  bekommt  ein  anderes  Gesicht,  wenn  wir  sie  nicht  mehr  deduktiv 
flufatellen^  wie  früher,  von  uns  Kulturmenschen  ableitend  und  rückwärtsschreitend 
bis  zur  unbekanDteo  Grösse  der  ersten  menschlichen  Erscheinung.  Sie  gelangt 
KU  ihrer  Beantwortung  —  freilich  niemals  mittels  trügerischer  Zahlen,  die  wir 
^tiiia  bei  unseren  Studien  ein  für  allemal  abgewöhnen  müssen  —  wenn  wir  auf  dem 
Wege  der  induktiven  Forschung,  deren  konsequente  Verfolgung  wir  vor  Allen 
Virchow  verdanken,  vorwärts  gehen. 

Wir  haben  die  Frage  nach  dem  Alter  des  Menschengeschlechtes  und  da- 
mit nach  dem  Beginn  unserer  Urgeschichte  und  Altertumskunde  überhaupt  dem- 
Bach  in  der  Weise  zu  formulieren,  dass  wir  fragen: 

Unter  welchen  äusseren  Verhältnissen,  ebenso  klimatischen  wie  geogra- 
phischen, kann  der  erste  Mensch  —  einerlei  ob  affenähnlich  oder  nicht  —  in's 
Dasein  getreten  sein?  Welche  Periode  in  der  Entwickelung  unserer  Erdober- 
fläche mag  ihm  die  ersten  Existenzbedingungen  geboten  haben? 

Und  hier  nun  ist  es  die  Geologie,  die  Lehre  von  der  Entwickelung  oder 
Oescbiehtc  unseres  Erdballes,  die  wir  um  ihre  freundliche  Unterstützung  bitten 
müssen.  Sie  gewährt  uns  dieselbe  in  reichem  Masse.  Hier  kommt  nun  in  erster 
Linie  die  Frage  vom  tertiären  Menschen  —  der  in  den  letzten  Jahren  ge- 
rade so  viel  ventilierte  Streit^  ob  der  Mensch  bereits  zur  Zeit  der  sogenannten 
Tertiärbildung  unseres  Weltkörpers  vorhanden  gewesen  sei  oder  nicht. 

Wir  wissen,  dass  unsere  gute  Mutter  Erde  nicht  immer  dasselbe  Angesicht, 
mcht  immer  dieselbe  Oberfläche  mit  den  gleichen  Pflanzen  und  Tieren  aufge- 
wiesen hat,  wie  sie  uns  heute  umgeben,  Sie  hat  in  den  unberechenbaren  Zeit- 
räumen ihres  Daseins  eine  Reihe  durchgreifender  Wandelungen  erlebt,  welche 
wir  in  der  Hauptsumme  der  jeweiUgen  typischen  Erscheinungen  als  Zeitalter 
bezeichnen  pflegen,  deren  jedes  wieder  eine  Reihe  von  einzelaen  Perioden 
uder  Zwiöchenformationen  umfasst. 

So  reden  wir  von  einem  ersten  Zeitalter,  entsprechend  der  ui'sprüuglichen 
Bratarrungskrusto  der  Erde,  in  welchem  Llierreste  irgendwelcher  Lebewesen 
btafaer  mit  Sicherheit  nicht  nachgewiesen  werden  konnten.  An  dieses  schliesst 
ein  zweites  Zeitalter  an,  ausgezeichnet  durch  das  Auftreten  der  ersten 
rochenen  tierischen  Formen.    Zunächst  sind  ausschliesslich  die  niedersten 

1* 


Meeresbcwolit 


vcftrefcti :  »plUcr,  in  der  noch  ur:iprüii^licheu,  aber  Ai 
roichen  Flora  der  Kohlonformation,  erscJiemeu  die  ersten  Insekten,  gedchwäozid 
Aiupliibieu,  Küorpelfisclie  und  die  ersten  echten  Reptilien.  Letztere  erreioheo 
den  Höhepunkt  ihrer  Eutwickelung  durch  die  mächtigen  Saurier,  spesdell  der 
Jiir  L^*  on,  im  dritten  Zeitalter.    Daneben  kommen  in  letzterem  die  ernten 

Kun  he  und  die  fliegenden  Echsen  vor,  welche  zum  ersten  Urvogel»  dem 

ArcheopUrix^  überfuhren.  Das  vierte  Zeitalter  entspricht  endlich  der  Bilduiigs« 
epoche,  welche  wir  —  man  verzeihe  den  Kontrast  der  Worte  —  als  Tertiärxeit 
S5U  bojßeichnen  gewöhnt  sind.  Es  bildet  im  grossen  ganzen  den  Übergang  zur 
Jetztzeit  und  ist  das  eigentliche  Zeitalter  der  Säugetiere,  die  nunmehr  ihre 
vollste,  körperlich  geradezu  oft  riesenhafte  Ausbildung  erreichen.  Geographiscfae 
und  klimatische  Verhaltnisse  haben  sich  in  dieser,  jedenfalls  weit  ausgedehnten 
Zeit  vereinigt,  bei  einer  bis  2U  den  Polen  hinauf  verhältnismässig  gleichartigen 
Wärme  ihre  vollste  Schöpferkraft  zu  entfalten.  Und  so  bietet  jetzt  eine  weit 
ausgedehnte,  üppige  Vegetation  der  nunmehr  höchst  entwickelten  Tierwelt,  die 
wir  in  erster  Linie  als  kolossale  Pflanzenfresser  kennen  lernen,  ein  weites  und 
bequemes  Feld  der  Ernährung  auf  Kontinenten^  welche  in  ihren  beutigen  Haupt- 
formen schon  abgegrenzt  sind,  wenn  auch  mannigfache»  weitverzweigte  Meere«* 
arme  sich  noch  in  das  Innere  des  Landes  drängen  und  damit  seine  Frucht- 
barkeit begünstigen. 

An  das  vierte  Zeitalter  aber  sehloss  sich,  um  den  althergebrachten,  aber 
durchaus  ungeeigneten  Ausdruck  zu  gebrauchen,  dat»  Diluvium^  d.  h.  zwei  Eis* 
xeitHD  mit  mächtigen  Olotscherbildungen,  welche  durcb  eine  jedenfalls  wieder 
8ebr  lange  Zwischeneis-  oder  Interglacialzeit  getrennt  waren.  Dann  kam  die 
Neuzeit,  in  deren  neuester  Periode  wir  selbst  unseren  Kampf  ums  Dasein  fuhren.  -^ 

Doch  kehren  wir  zur  TertiäK6eit  und  dem  problematischen  Tertiärmeosoheo 
EuruckI  A  priori  dürften,  und  darüber  sind  alle  Gelehrten  einig,  einem  Au^ 
treteii  des  Menschen  zwt  Tertiarzeit  besondere  klimatische  and  nnderweittge 
Verhinderungen  nicht  im  Wege  gestanden  haben.  Wo  die  Mehrzahl  der  groesen 
Laiidaäuger  «ich  wohlbefand,  konnte  entschieden  auch  er  seine  Lebenabedin* 
gmifeti  finden,  Oedieh  doch  damals  bis  79°  nordl.  Br.  hinauf  auf  dem  jetzt 
von  1—3000  m  starken  Gletschereis  überdeckten  Grönland  ein  so  reicher  Pflanzcn- 
wuehs,  daaa  sich  aus  demselben  Braun*  '  '  'Hze  bis  zu  Z  m  Dicke  bilden 
konnten.  Dort  oben,  indem  heute  so  vcr^  werten  Norden,  wuchs  der  WaD- 
nnssteum^  die  Platane,  die  mit  Recht  eine  Zierde  unserer  Wiesbadener  Alleen 
genannt  wird,  daneben  Eiche,  Pappel,  Ahorn,  Epheu  und  die  Weinrebe. 

Und  wen  dem  Norden  £Ugut  kam^  war  nicht  xoni  mindesten  in  unaerer 
Breite  Tolhiftlg  itnd  voUkräitig  vertreten.  Gerade  unser  Naasauer  Land  ist 
eine  hochinteressante  Stelle  tertiärer  Formationen.  Hoch  ragte  sein  quarasitisebes 
Urgeböse  wii  eoiiMn  kijatnUinisehen  Schiefern,  xum  Oftaren  nodi  dnrehbroohen 
Toai  iilittoiiisekeii  Bni|itioiiQn.  In  die  anliegenden  Tertiäreolikhlen  aber  sebolien 
mek  weitmiiiKedehDle  Meefeabecken,  vor  allem  das  eogen«  Mainzer  BeekeUt 
dna  eidlidi  vrai  Tannni  beginnend  von  Bingen  und  WieBbndao  mmm&^  über 
Kreaaudi  bb  snm  Pfillzer  Haardtgebirge^  anderseita  twieehen  l^iniu«,  Vogeb- 
berg  bia  Uieeeen,    deo  Maio   hinaof  bt»  Aacbaffenbnrg   und   den  Rbetn  hinauf 


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fiwi  bis  nach  Basel  sich  erstrockte,  ürspriioglich  ein  Meeresarra,  war  es  später 
ein  süsser  Binnensee,  bis  ihm  schliesslich  bei  Bingen  Durchbruch  und  Abfluss 
gelang*  Ein  kleiues,  gleichartiges  Becken  war  bei  Limburg*  Die  Bodensätze 
de«  Mainzer  Beckens  nun  haben  uns  gelehrt,  wie  es  damals  mit  Klima  und 
Flora,  ganz  abgesehen  im  Augenblick  von  der  Tierwelt,  bei  uns  bestellt  ge- 
wesen. Da  gediehen  zwischen  iraraergriinen  Eichen  der  Zimmetbaum,  Magnolien. 
Akaxien,  Cypresscu  und  Palmen,  und  neben  der  Traube  reifte  die  Feige.  Hätte  nicht 
damals  schon  der  Mensch  in  unseren  Gauen  ganz  behaglieh  leben  können?  Gewiss! 
Aber  es  ist  der  geoguostischen  Forschung  bis  jetzt  nicht  gelungen,  in  den 
Tertiärlagerungen  unserer  Breiten,  wie  ebenso  ganz  Europas  irgend  eine  zu- 
verlässige Spur  des  Menschen  oder  seiner  Thätigkeit  nachzuweisen*  Und  das- 
Ibe  gilt  für  die  übrigen  Weltteile,  soweit  diese  zur  Untersuchung  gelangen 
mten,  mit  Aufnahme  vielleicht  von  Kalifornien,  wo  Marsh  und  Wymanu, 
zwei  der  gediegensten  Gelehrten  Amerikas  auf  dem  Gebiet  der  Geologie  und 
Altertumskunde,  in  den  obersten  Schichten  der  Tertiärzeit  menschliche  Spuren 
wollen  gefunden  haben,  freilich  auch  nur  ^mit  grosser  Wahrscheinlichkeit",  wie 
sie  selbst  sagen* 

VTiv  sind  demnach  iu  der  Lage  zu  sagen:  dass  der  Mensch  der  Tertiär- 
jteit,  soweit  wir  bis  jetzt  eruieren  konnten,  zunächst  bei  uns  noch  nicht  existiert 
hat.  Nicht  nur  tinden  wir  keine  kurperlichen  Überreste  desselben,  was  bei  der 
nncndlichen  Zeitdauer  auch  nur  unter  den  denkbar  gunstigsten  Umständen 
möglich  wäre,  wir  haben,  mit  Ausnahme,  wie  gesagt»  vielleicht  von  Kalifornien 
und  New*Jersey,  auch  keine  Arbeitsprodukte  seiner  Hand,  z,  B*  erste  Stein- 
iustrumente,  welche  seine  vergänglichen  Reste  würden  überdauert  haben.  Und 
wir  w^ollen  bei  dieser  Gelegenheit  wohl  betonen,  dass  wir  bei  unserer  Suche 
nach  dem  Anfang  des  Menschengeschlechtes  gerade  auf  diese  seine  primitivsten 
Artefakte,  als  erste  mensch  liehe  Bethätigungen,  ein  Hauptgewicht  zu  legen  haben. 
Der  einfach»  aber  regelrecht  zugeschlagene  Peuersteinsplitter,  wie  ebenso  später 
der  geschliffene  Keil  oder  Kelt,  sie  bilden  das  Leitfossil  fiir  die  ersten  Etappen 
unserer  Vorgeschichte.  Das  gleiche  aber  gilt  für  die  an  das  Tertiär  sich  an- 
sclilieasende  erste  grosse  Eiszeit,  den  Beginn  der  sogenannten  Diluvialepoche. 
Mit  der  ersten  ebenso  wie  mit  der  ihr  später  folgenden  zweiten,  um  vieles 
weniger  ausgedehnten  Eiszeit  ist  es  nun  eine  eigentümliche  Sache,  für  die  wir 
oine  ausreichende  Erklärung,  offen  gestanden,  nicht  zu  bringen  wissen.  Wohl 
läset  aus  den  Überresten  der  zweiten  Hälfte  der  Tertiärzeit  sich  eine  fort- 
schreitende Abkühlung  der  Temperatur  und  de»  Klimas  nachweisen,  die  unge- 
heure Vereisung  jedoch,  die  verhältnismässig  unvermittelt  den  steten  bisherigen 
Entwickelungsgang  unterbricht,  passt  weder  iu  den  Kahmen  der  fortschreiten- 
Iden  Abkühlung  der  Erde,  noch  des  soviel  berufenen  platonischen  Jahres  mit 
seinen  Excentricituten  der  Erdaxe.  Und  ebenso  ungenügend  ist  eme  Erklärung 
[durch  die  Verschiobnug  der  Wärmezonen  unseres  Erdballes  oder»  zunächst 
[für  Europa,  das  nachgewiesene  Versinken  der  nordischen  Tiefebene  unter  das 
Wir  haben  für  diese  so  ganz  eigenartigen  Allgemein -Erscheinungen 
sr  VerrautUDg  nach  auf  ausserhalb  unseres  Erdballes  liegende  Ursachen  zu 
&ü,  deren  Boi^prechung  aber  hier  zu  weit  führen  würde. 


mamm 


den  Spitseo  der  höheren  Gebirge  begaoB  mie  Tetgletsdieraii^,  tmniir 
«iM^welleiKl  tiod  ihre  Eidamssea  io  fortfedeizter  Folge  Ihdabwärte 
Die  noek  heilte  ToriumdeoeD  Oleteebergehiete  nahmeii  in  ihreo  Aos* 
breitiiiigeii  und  Ausatrahiiuigen  allfnählich  solche  DüneDsioneD  an«  da»  fon  doD 
abuidbaTiflcheo  Alpen  ans  die  giiixeii  nordiacheD  Meere  ia  ettie  ßnmafle  Ter* 
wmnddl  wiirdeo,  deren  Rand  von  Calaia  ans  durch  Frankreich  nsd  Bedien 
hmdtrreh  nach  Bonn,  dann  nordöstlich  dureh  ÜVealfalen  nnd  das  tidEche 
HannoTer  bb  xnns  Nordrand  dee  Harzes,  südw^tlich  mit  tiefem  Bnaen  bis  nach 
Thärtttgen  luneiD,  ^er  diireli  Saebaeii  und  südUeh  von  Dresden  am  RieBenge* 
hiiga  und  den  Sodeten  entlang  doreh  Poleo  bis  Kiew  htoiof  *  So  weü  reiehle 
Ton  Nofdea  her  för  Europa  die  gevral%e,  b  ihren  TerMUiiiiBsen  gar  nichl  ah- 
tntchitiende  Teigle^ehemag.  Tiefer  noch  ging  ihre  Qrense  in  Nocdamefika 
beranfer,  wo  sie  bia  in  die  Breite  rata  Sixffien  sieh  erstredte. 

Zur  gtoieben  Zeh  aehoben  sieh  tqq  Süden  her  die  Gletsebennaasea  dv 
Alpen  nnd  das  Jnrageliirges  in  woditiger  Ansdehnong  nordwtrta.  Und  so  kam 
naf  der  Hahe  der  Ofsten  Eisseit  wm  den  540000  Qnadimlläla- 
aaseres  DeatadOanda  nicht  wen%ar  ab  360000  nnta^  starren  Bs  begfmboD 
Um  mlea  gflnstigtr  kam  Franloeieh  fort,  denn  kaom  der  fnnEMgsle 
Tmk  aainaa  Temtomtms  vetghtadierte^  Unser  duwnrdigea  Taanmgebirge  ist,  ao* 
weit  bis  jßtai  nnahgawieaen^  aber  Yargtesehemng  wohl  nicht  gewird^  worden; 
aber  es  ist  selbetrenündlieb,  data,  wie  nberbanpc  anf  der  achmatwi  mittel* 
denlsdmn  Zone,  welebe  iwiscb«  der  nördlichen  und  södlicben  HJimafMie  übrig 
hieb  —  nnab  bei  ms  mit  Sntwendigliii  sich  ein  rein  nerAscbes  Klima  eai* 
wkkein  mnasln.  Ancb  diene  Torlmleiinfeü  gugen  natnrüeh,  wie  £ea  bei  dar 
bla,  mit  Ansrnrinm  feBranisrher  Siftrnnge'ai  ran  jeh»  Geseta  gewesen,  nnr 
a^Bll  ftr  Sebritt  irar  sick.  Die  rmhm  Vegetation  der  TertSneit  sog  sieb  nneh 
ihr  langte  die  grosse  Tiarweh,  ao  wdt  sie  nicht  der  Uagnant  das 
Opfar  fiaL  nm  und  Fauna  wurden  rmn  norfiseh, 
I  Tondiee  am  Kameere  finden,  aber  unser  hJkrhstes 

DidEbivcer  — 

i»  wir  »ar  ab  KepraaeninBlen  warmer 

ans  Beqaemicbkeit  oder  Gott  weiss !  wd* 

UnnAt.  nete  Wind  nnd  Kille  nnd  Sehnen  nnd  Bs 

Sie  wnsuiin  sich   daidi 

ärer  Zahastmktar   der 
nnd 


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I 


Dio  Gletschermassen  kamen  zunüehst  von  ihren  Räüdern  her  in's  Schmelzen, 
Sie  Hessen  dabei  weite  Qeröllhalden  (MorÜnenschutt),  und  mächtige^  geschichtete 
Ifossablagerungen  zurück,  wie  sie  heute  noch  die  Vorlande  der  Alpen  und 
Torssttgs weise  die  nordische  Ebene  charakterisieren.  Mammut  und  Nashorn 
«her  zogen  in  grossen  Herden  dem  weichenden  Eise  nach  Norden  nach,  bis 
dabiii^  wo  beute  noch  am  Eismeere  ihre  Überreste  in  erstaunlieber  Menge 
gefunden  und  das  , fossile  Elfenbein**  geradezu  bergmännisch  abgebaut  wird. 
Dort  ist  auch  seiner  Zeit  so  manches  von  ihnen  in  die  mit  Firnschnee  ver- 
wehten Schluchten  des  Terrains  geraten  und  rettungslos  eingefroren^  um  uns 
mit  Haut  und  Haar  erhalten  zu  bleiben.  Andere,  weniger  wanderlustig,  liessen 
bei  uns  ao  Ort  und  Stelle  den  Wechsel  der  Zeiten  über  sich  ergehen,  um 
endlich  ihrem  gefährlichsten  Gegner,  dem  Menschen,  zu  unterliegen. 

Die  geradezu  unberechenbaren  Eismaasen  der  ersten  Eiszeit  regen  die 
Frage  an,  woher  die  Unmenge  Wassers  gekommen,  aus  welcher  diese  sich 
angebaut.  Und  da  ist  es  selbstverständlich,  dass  diese  Massen  in  erster  Linie 
den  breiten  Flächen  der  Meere  entnommen  sein  müssen ;  mit  dem  Wachsen 
des  Eises  musste  naturgemäss  der  Meeresspiegel  sinken.  Genaue  Lotungen 
haben  uns  gelehrt,  dass  es  diesen  Verhaltnissen  entsprechend  eine  Zeit  gab, 
in  welcher  breite  Landzungen,  aus  dem  sinkenden  Mittelmeere  auftauchend, 
unser  Europa  mit  Afrika  verbunden  haben,  Brücken,  die  später  ebenso  all- 
mählich nach  der  Abschmelzuug  der  Gletscher  wieder  von  den  steigenden  Fluten 
überdeckt  wurden.  Über  die  Brücken  nun,  deren  hauptsächlichste  wir  bei 
Gjl>raltar  und  Sizilien  zu  suchen  haben,  fand  zur  Besiedelung  des  von  seiner 
Winterstarre  sich  erholenden  Europas  eine  Einwanderung  von  Afrika  aus  statt, 
—  in  ihren  typischen  Tierformen  den  tertiären  Schöpfungen  entsprechend,  aber 
in  massiger  Entwickelung  des  Einzelindividuuras  sie  überholend. 

Da  kam,  um  die  Gewaltigsten  zu  nennen,  der  Elephaa  antiquus  und  das 
Jthinoceros  Merclii.  mächtige  Flusspferde,  Bisons,  Urochsen  und  andere,  gefolgt  von 
den  kräftigsten  und  grössten  Raubtieren:  Höhlenbären»  Löwen»  Hyänen  u.  s.  w. 
Und  mitten  unter  air  dem  bunten  Treiben  kam  auch  der  erste  Mensch  nach 
Europa  —  ein  dunkelfarbiger  Wilder,  wie  wir  nach  allem  anzunehmen  haben, 
nur  bekannt  mit  der  Erzeugung  des  Feuers  und  der  Herstellung  des  Fliotspanes, 
der  ihm  Hauptwerkzeug  und  Waffe  war.  Wir  dürfen  wohl  sagen,  dass  von 
seinen  körjjcrlichen  Überresten  uns  mit  Ausnahme  einiger  verdächtigen  Unter- 
kiefer^) nichts  übrig  geblieben  ist.  Dafür  aber  hat  er  uns,  als  Leitfossil  für 
sein  Auftreten,  seine  höchst  einfachen,  aus  Stein  geschlagenen  resp.  abgesprengten 
Werkzeuge,  sowie  die  zerschlagenen,  oft  geschnitzten  und  selbst  künstlich  ver- 
zierten Knochen  der  von  ihm  erlegten  und  verzehrten  Tiere  hinterlassen,  und 
oft  genug  auch  die  alten  Feuerstellen,  an  denen  er  ihr  Fleisch  geröstet  Diese 
Überreste  werden  einmal  in  den  Schwemmgebilden  verschiedener  Flüsse  ge- 
funden, besonders  in  dem  der  Somme  in  Frankreich,  welche  mit  den  Knochen 
der   Diluvialtiere    gemischt    in   grösster    Anzahl    noch    geschlagene   Feuerstein- 


'*)  Doch  vgl.  deu  Bericht  ron  PaiiJ  Girod  in  ^BuJl,  de  Ia  soci^t^  vaudoi^e  do»  scioncoB 
Qftturolloa^  voL  XXVIIi  No.  105.    LausAime,  Fevr.  18d2. 


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inatmmenrp   .infw^ist   (tmd    xu  solchen  FuodplätÄen  gt^horen  auch  die  geradeij^ 
klufidische  Kalktutfe  von  Taubach  bei  Weimar),  dann  aber  auch,  und  ror  allen 
Diogeo,  io  «Ion  unzähligen  Grotten  und  Hohlen,  welche  vorzugsweise  der  Kalk*| 
speziell  der  Jorakalkformation  angeboren. 

Aach  in  diesen  Dingen  haben  auswärtige,  zumal  französische  und  belgiaekcT 
Forscher,  den  ersten  Markt  beherrscht  und  der  jungen  Wissenschaft  nach  ihren 
Fundplätsen  und  Erhebungen  ihre  Nomenklatur  gegeben,  unbekümmert  darum, 
dass  früher  schon  deutsche  Gelehrte  unter  den  gleichen  Verhältnissen  zu  den* 
selben  Resultaten  gelangt  waren.  Uns  selbst  darf  es  eine  ge^^isse  Befriedigung 
gewähren,  dass  wir  im  Nassauerlande  auch  die  Spuren  derselben  ersten  Menschen 
haben,  welche  unter  berühmten  ausländischen  Namen  in  der  Weltlitteratur  der 
Ürgedchicbte  florieren*  Die  besonders  durch  den  königlichen  Konservator  Herrn 
Oberst  v.  Cohausen  in  den  Steetener  Höhlen*)  bei  Limburg  a.  d.  L.  erhobenen 
Funde  sind  ToUständtg  gleichwertig  allen  anderen  Beobachtungen.  Diese  Kalk- 
Idftfks  und  Strudeltöpfe  geboren  mit  zu  den  besten  Stellen  in  Europa,  welche 
uns  luverlassige  und  unzweifelhafte  Kunde  vom  ersten  Auftreten  des  Meneobefii 
vom  Dilavialmenscben,  bringen* 

Diese  ersten  Menscheo  von  Steeten  können,  wie  bereits  gesagt,  aller  Vor-» 
gttasetiiiiig  nucb  nur  Wilde  auf  tiefster  Kulturstufe  gewesen  sein,  wie  heutzutage 
die  FenerÜnder  und  wohl  auch  noch  einige  Stämme  am  nordL  Eismeere.  Keine 
Spur  von  Weberei  oder  Töpferei,  den  ersten  Beschäftigungen  der  menschlichen 
Gesetkchafl,  nichts  ist  tob  Ackerbau  nachweisbar.  Sie  scheinen  als  Jägervolk 
ihr  Dnsein  gefristet  zu  haben,  und  mag  ihnen  die  ebenso  enge  wie  steile  Schlnelil 
von  Stneten  dn  Torzügliches  Jagdterrain  gerade  für  die  Dickhäuter  gewesen 
sein.  HoUeDbewohner  können  wir  sie  nicht  nennen,  dafür  fehlen  die  Spure» 
cbraemden  Aufenthaltes;  sie  kamen  gelegentlich,  der  Jagd  nachzugehen,  um  dann 
in  den  sicheren,  steilgelegenen  Felsspalten  die  abgeschnittenen  Teile  der  im 
Abgrund  zerschmetterten  Pferde,  Elefanten  und  Nashörner  sich  zu  braten« 

Und  wieder  änderte  sich  das  Klima.  Eine  zweite  Eiszeit  nahte  heran, 
isa  ihren  Ursachen  nns  ebenso  unerfindlich  wie  die  erste,  wenn  »e  anefa  sich 
nnf  einen  um  Tiel^  besclirankteren  Raum  erstreckte.  Es  wurde  wieder  (rostig 
nnd  kalt ;  Ton  neuem  bequemte  sich  die  Vegetation,  die  so  üppig  auf  dem  Ldss- 
boden  der  eratra  Qlelseher  und  auf  dem  Zwiscfaengletscherterraln  Plalx  ge* 
gnttm^  nneh  Süden  m  flüchten,  und  ihr  folgten  die  grossen  Pflansenfressert 
Blllie,  wie  wir  früher  sahen,  b  notwendiger  Folge  die  Raubtiere.  Aber  sie 
konnten  nneli  dem  warmen  Afrika^  Ton  dem  sie  einst  herübefgekommen,  nicht 
oübr  mrackgelangen.  Die  damaligen  Brücken  waren  mit  dem  AbschmelBon 
der  cnlaa  gnmen  Oletscher  nnter  der  Oberfläche  der  steigenden  tfeereaihil 
TendiwiiiideD,  and  sie  moastea  elend  ?erkimniem  und  ak  rettungslos  teiloren 
tdifiiMGdi  m  Onmde  gehen. 

Der  Henscli  aber  blieb,     Wohl  erhielt    er  oieht,    wie   früher  nni 
den  gWdiea  fJnutisden  Mammut  und  Nashorn,  ein  scfaütiendes  Wollkleid,  ( 


U.  IV  a  SOI,  ttS;  B4.  17,  II,  5.  71,  88;  B4  90,  Sw  ai^  sswis  B4  U.  9.  SU. 


ü^Hlli 


0 


wnsstc  durch  seine  Intelligenz  den  nötigen  Schutz  sich  selbst  zu  beschaffen, 
Dur  das»  er  aus  dem  froheren  Mammut-  und  Elefantenjäger  ein  Rentierjäger 
warde.  Mehr  und  mehr  sah  er  das  früher  gewohnte  Wild  vor  seinen  Augen 
Äch winden,  und  so  hielt  er  sieb  an  die  der  fortschreitenden  Abkühlung  ent* 
sprechende  Tierwelt,  um  sohliesalich  beim  Ran,  Moschusochsen,  Schnocbaseu 
und  anderen,  jetzt  rein  arktischen  Tieren  anzulangen,  welche  ihm  halfen,  über 
die  Harte  der  zweiten  Eiszeit  hinwegzukommen,  und  unter  welchen  das  Ren- 
tier sein  Ein  und  Alles  wurde.  Wir  sehen  das  Gleiche  noch  heute  bei  den 
Anwohnern  des  nordlichen  Eismeeres,  die  wir,  ebenso  nach  ihren  Stein waffen 
und  anderen  Artefakten,  wie  nach  ihrer  dunkelbraunen  Hauttarbung  und  Pig- 
mentbildung jetzt  allgemein  als  die  Kachkommen  der  ersten  Bewohner  unserer 
Qetilde  betrachten.  Auch  in  Steeten  haben  sich  massenhaft  die  Überreste 
von  Rentiergeweihen,  bearbeitet  und  unbearbeitet,  gefunden,  Als  typischsten 
Fundplatz  für  die  Rentiermenschen  in  Deutschland  am  Ausgang  der  zweiton 
Eiszeit  und  damit  des  Diluviums  kennen  wir  die  berühmte  Schüssen  quelle 
nordlich  des  Bodenseos,  welche,  wie  ebenso  in  neuester  Zeit  die  Rentierstation 
Schweizerbild  bei  Schaff  hausen,  von  grösster  Bedeutung  für  die  Keuutuis 
der  gleichzeitigen  geologischen,  sowie  kulturhistorischen  Periode  zu  werden 
verspricht. 

Die  zweite  Eiszeit  ging  allmählich  zur  Jetztzeit  über,  selbstverständlich 
wieder  unter  Entwickelung  gewaltiger  Massen  von  Schmelzwässern,  die  all- 
mählich sich  zu  unseren  noch  heute  bestehenden  Flussläufen  gestalteten,  bei 
gleichzeitiger  Ausbildung  neuer,  weiter  Lössablagerungen,  Die  Ausdehnung 
der  letzten  neueiszeitlicben  Yergletscherungen  w^urde  markiert  durch  die  Moränen- 
blöcke, die,  oft  von  gewaltiger  Grösse,  an  dem  Rand  der  Eistelder  liegen  blieben 
und  oft  genug  auch  heute  noch  die  Reste  nordischer  und  hochalpioer  Flora 
aufweisen. 

Der  Diluvial  mensch  war  mit  den  arktischen  Tieren  dem  zurückweichenden 
Eise  folgend  nach  Norden  gezogen,  sein  grimmigster  Gegner,  der  Höhlenbär, 
nur  noch  in  seinen  Knochenresten  vorbanden.  Der  reichliche  Loss  aber,  mochte 
er  nun  geschichtet  auftreten  als  Niederschlag  der  Schmelzwasser  oder  woch- 
soloder  Triftströmungen,  oder  mochte  er  nur  aus  angewehten  Staubmaseen  sich 
zusammensetzen,  entwickelte  sich  zunächst  zu  einer  weiten  Steppenlandschaft 
mit  der  entsprechenden  Tierwelt,  um  deren  Kenutuis  Nehring  sich  die  höchsten 
Verdienste  erw^orben  hat.  Dann  scheint  für  Mitteleuropa  und  speziell  auch  für 
unsere  Gegend  eine  allgemeine,  dichte  Bewaldung  durch  unsere  jetzt  noch  be- 
stehenden Hölzer  eingetreten  zu  sein. 

Um  diese  Zeit  findet  eine  zw^eite  Besiedelung  Süd-  und  Mitteleuropas 
statt.  Von  der  früheren  Tierwelt  sind  Auerochse  und  Rentier  vereinzelt  zu- 
ruckgebljeben  oder  haben  sich  wieder  in  diese  Breite  gezogen.  Sie  haben  «ich 
noch  lange  bis  in  unsere  historische  Zeit  herein  bei  uns  erhalten;  wurde  doch 
noch  Karl  der  Grosse  bei  einer  Jagd  im  Ingelheimer  Wald  von  einem  Auer- 
ochsen in  Leib-  und  Lebensgefahr  gebracht.  Die  zweite  Menschenbesiedelung 
aber  kam  diesmal  nicht  mehr  von  Afrika,  sie  kam  von  Osten,  und  zwar  den 
früheren    Einwohueru   gegenüber   als   eine   vcrhäUuismüssig   civilisierte  Völker- 


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wolle,  die  sich  allinählich  über  Europa  hinweg  bis  zu  den  eüdticlieii  Meeren 
und  zu  dorn  atlaatischen  Ocean  ausbreitete.  Sie  brachte  den  Ackerbau  mit^ 
schon  in  ziemlicher  Ausbildung,  die  Weberei  und  eine  bereits  nach  Form  und 
Ornamentik  hoch  entwickelte  Töpferei,  wenn  dieselbe  auch  noch  ohne  Dreh- 
scheibe uod,  wie  oft  die  zarten  Nagelornamente  zeigen,  von  Frauen  mit  sehr 
zierlichen  Fingern  ausgeübt  wurde.  Noch  ist  der  geschlagene  Feuerstein  zu 
mancherlei  Zwecken  im  Oebrauch,  aber  zur  Leitmuschel  für  diese  neue  Etappe 
unserer  Vorgeschichte  wird  uns  das  geschliffene  Beil,  der  polierte  Steinkeil, 
der  zu  deo  verschiedeDartigsten  Verrichtungen  ebenso  als  Werkzeug  wie  als 
Kriegs waffe  gedient  haben  mag.  Von  der  Weberei  jener  Leutchen  ist  uns 
selbstverständlich  (mit  Ausnahme  der  Pfahlbaufunde)  nichts  erhalten;  aber  wir 
haben  ebenso  ihre  Spinnwirtel,  wie  ihre  Zettelstrecker  aus  gebranntem  Thoa 
und  mancherlei  Knochenwerkzeug,  oft  zierlich  genug  zugeschnitten,  um  den 
Schussfaden  durch  die  Kette  zu  führen.  Ihre  Töpferei  erhebt  sich  neben  rohen, 
vielfach  mit  Steinchen  durchsetzten  gewöhnlichen  Qefassen  bis  zu  wirklichen 
Prachtexemplaren  frühester  Keramik,  deren  Strich-  und  Dreieckornamente  durch 
eingelegte  weisse  Ivalkmasse  auf  dem  angeschmauchteu  oder  auch  graphitierten 
Grunde  ein  heute  noch  hervorstechendes  und  gefalliges  Muster  bilden«  Dass  dieae 
neuen  Einwanderer  aus  Asien  herübergekommen  sind,  dafür  spricht  nicht  nur 
die  Art  und  Weise  ihrer  Ausbreitung,  dafür  spricht  vor  allem  das  fremdartige 
Haterial,  das  bei  vielen  ihrer  geschliffenen  Gerate  zur  Verwendung  kommt: 
der  Nephrit,  Jadeit  und  Chloromelanith,  amphibolisehe  Gesteine,  die,  wie  Vir- 
chow  mit  Recht  betont,  ausnahmslos  als  Geschiebe  und  dann  wohl  aus  den 
Flüssen  des  Künlün-Gebirges  und  aus  dem  Irawaddi  aufgelesen  sein  müssen. 
Ein  ähnliches  Material  wird  heute  noch  in  Birma  bergmännisch  gewonnen^ 
ebenso  ist  es  auf  Madagaskar  und  Neuguinea  zu  Hause.  Bei  uns  hat  man  es 
nur  ganz  vereinzelt  in  Schlesien  getroffen  und  im  übrigen  alle  Gebirge 
speziell  die  Alpen  umsonst  nach  ihm  durchsucht.*) 

Immerhin  sind  die  Hilfsmittel  dieses  neu  eingewanderten  Volkea,  6mm 
Ackerbau  betrieb  uüd,  wie  es  seine  Ansiedelungsreste  uns  zeigen,  schon  ni 
Qometnweseu  sich  emporgeschwungen  hatte,  noch  beschränkt  genug,  uro  e^ 
auf  bestimmte  geologische  Verhältnisse  zum  Zwecke  seiner,  nunmehr  an  die 
Scholle  gebundener  Siedelung  anzuweisen.  Seine  Domänen  sind  iu  erster  Linie 
die  Losaterrassen,  dann  die  nuhleü.  Den  weichen  Boden  der  ersteren  brauchte 
es,  um  mit  seineu  noch  uubehilflichen  Werkzeugen  sich  die  Trichterwohnung, 
die  Mardelle,  auszubauen.  Da  genügten  die  einfachsten  Instrumente:  der  ge- 
schliffene breite  Kelt,  als  Hacke  benutzt,  die  Augensprosse  des  Hirschgeweihes, 
die  Schaufel  des  Elches.  So  wurden  trichterförmige  Gruben  geschaffen  bis  m 
S  m  Tiefe  und  von  verschiedenem  Durchmesser;  oft  alleinstehend,  oft  aber  auch 
in  der  Form  ganzer  Dorfschaften  zusammengestellt.  Der  Boden  wurde  hart 
zur  Tenne  geschlagen;  ein  paar  oft  weit  hergeholte  Steine,  mit  Vorliebe  Sand* 
»teine,  bildeten  den  Herd^  auf  dem  Aschenre^ite  und  Knochen  verzehrter  Tfere 


4 


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^)  Doch  v-r 
hildor  Aui  der  Ili>til> 


uuMt.-     Bühl   18S*2.     8.  2a  f. 


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tu  deo  meiiitoii  Fallen  Hegen  bliöben,  über  dem  Erdboden  aber  war  ein  Dach  aus 
Stangen  zusammengesteUt,  mit  ausgestochenem  Kason  bedeckt  oder  mit  Zweigen 
durchfloobten  und  wenigstens  innen  dann  mit  Lehm  dicht  verstrichen.  Das 
waren  die  Wohnräume  der  Leute  der  Neusteinzeit^  der  neoHthiachen  Be- 
völkerung. 

Ein  ans  Steinen  zusammengetragener  Wall  mochte,  wie  auf  dem  soge- 
nannten Herrnplatz  über  den  Steetener  Höhlen^  die  Haustiere  zusammenhalten 
und  gegen  die  jetzt  nur  noch  vorhandenen  Raubtiere:  den  braunen  Bären, 
Luchs,  Fuchs  und  Wolf  und  kleinere,  eine  wirksame  Abwehr  bilden.  Die 
Überreste  solcher  Wohnungen  sind  gerade  bei  uns  selbst  in  Wiesbaden  sehr 
häufig*  Sie  wurden  z.  B.  beim  Bau  des  Archivs  und  des  Schlachthauses  auf- 
gedeckt, und  als  die  Herren  vom  Casino  sich  einen  Weinkeller  anlegten,  da 
fand  man  zwei  kleine  derartige  Wohnstatten  nebeneinander^  deren  längst  ver- 
schollene Bewohner  aus  sehr  gefaUigen  Töpfen  sich  die  kulinarischen  Genüsse 
des  Torfschweines,  das  den  Pfahlbauten  zueignet,  hatten  zukommen  lassen.  Im 
allgemeinen  kann  der  Satz  ausgesprochen  werden,  dass,  wo  der  Löss,  zumal 
der  ungeschichtete»  sich  ausbreitet,  wir  überall  auf  diese  ersten,  wirklichen 
Wohnreste  stossen  werden.  Kofier  will  bei  Grossgerau  tausende  derselben 
gefunden  haben. 

Höhlenbewohner  waren  die  neolithisohen  Leute  nur  an  wenigen  Plätzen, 
gaos  besonders  in  den  Grotten  der  lieblich-romantischen  fränkischen  Schweiz, 
wo  sie,  oft  dorfähnlich  zusammenwohnend,  eine  ganz  besondere  neusteinzeitliche 
Kultur  ins  Leben  riefen,   die   sieh    vor   allem   durch  die  zahlreichen    Artefakte 

Lio  Knochen  und  Hirschhorn  auszeichnet ;  ein  ähnliches  Verhalten  wurde  in 
jüngster  Zeit  in  der  bei  Krakau  vorhandenen  jurassischen  Formation  nach- 
gewiesen* 
Im  Gegenteile  haben  sie  mit  Vorliebe  die  Höhlen  als  Begräbnisstätte 
ihrer  Toten  benützt,  welche  mit  grösster  Sorgfalt  möglichst  im  Hintergründe 
teils  auf,  teils  in  dem  Boden  bestattet  wurden,  unter  Beigabe  von  mancherlei 
Gebrauchsgegenständen  und  Töpfereien,  oft  auch  ohne  alles.  Häufig  sind  diese 
Totenhohlen  durch  Steinplatten  oder  rohes  Steinwerk  nach  aussen  abgeschlossen. 
k  Auch  hierfür  wieder  sind  die  Höhlen  von  Steeten  massgebend  und  zeichnen 
«ch  nebenbei  durch  eine  ganz  wunderbare  Erhaltung  der  Skelettreate.  besonders 
»der  Schädel,  aus.  Von  vornherein  liegt  wohl  etwas  ausserordentlich  Verlockendes 
in  dem  Gedanken,  Menschenreste,  die  selbst  zwischen  den  Knochen  diluvialer 
Tiere  zur  Auffindung  gelangen,  als  Zeitgenossen  des  Mammut,  kurz  des  Dilu- 
viums zu  begrussen;  eine  genaue  kritische  Untersuchung  der  Lageruugsverhält- 
nisse  aber  wird  bei  allen  bisher  untersuchten  Knoehenhuhlen  erweisen,  dass 
■  die  menschlichen  Skelettreste  in  den  Höhlen,  mögen  sie  mit  (wie  in  der 
^  Wildscheuer  von  Steeten)  oder  ohne  Töpfereien  bestattet  sein,  mit  den  da- 
runter oder  selbst  daneben  liegenden  Überresten  grosser  Tiere,  menschlicher 
Braudplätze  und  Artefakte  aus  der  Urzeit  nichts  zu  thun  haben.  Sie  sind 
in  da«  Diluviale  später  hineingetragen.  Was  wir  von  Steeten  aber  sagen, 
g3t  von  allen  Höhlenfundeji  im  übrigen  Deutsehlandj  in  Belgien,  Frankreich, 
Italien^  Spanien  und  Portugal»  sowie  England,     überall  tiuden  wir  das  gleiche 


t9 


Verhalten  und  sämtliche,  archäologisch  und  aothropologisch  znra  Teil  so  hcJeS 
geschätzte  Schädel,  wie  besonders  der  berühmte  Neaüderthaler»  gehören  ein- 
fach der  neolithischen  Begräbniszeit  zu  und  nichts  anderem,  trotz  aller  MühenJ 
die  man  sich  um  ihn,  um  den  von  Eogis,  den  Cannstätter,  den  Schädel  voa 
Spy  und  andere  gegeben  hat,  sie  als  die  ältesten  Urformen  hinzustellen,  Wii 
wollen  hierbei  überhaupt  einschalten,  dasa  wir  in  der  Neuzeit  und  gerade  aui 
Grand  der  sorgfältigsten  Erhebungen  aus  den  Hohlen  gelernt  haben,  derartig 
alten  Schädeln  wenigstens  nach  dieser  Richtung  mit  einem  gewissen  Skepticiamua 
gegenüberzutreten.  Haben  w4r  doch  zu  konstatieren»  dass  wir  fast  überall  boij 
diesen  ältesten  Schädelfuuden  durchaus  abweichende  Raum-  und  Bildungaver-- 
haltnisse  des  Hirnschädels  vorfinden. 

Wir  können  dies  interessante  Kapitel,  in  welchem  wieder  Stceten  oiu€ 
massgebende  Stelle  einnimmt,  hier  nicht  weiter  ausführen  und  wollen  nur  be^ 
tonen,  dass  wir  hierbei  Thatsachen  begegnen,  welche  die  zuverlässige  Eoustruktiofl 
eines  solchen  alteren  Rassentypus  überhaupt  unmöglich  machen.  Ist  doch  gerade^ 
wieder  bei  den  Schädeln  von  Steeten,  welche  einem  kleinen,  unter  denselbec 
Verhältnissen  lebenden  Stamm  aogehörteu,  der  zur  selben  Zeit  seine  Leute 
begrub^  kein  Hiruschädel  dem  andern  gleich.  Wir  haben  mit  einem  Worte  zu 
erklären,  dass  dieselben  bei  den  Leuten  der  zweiten  Steinzeit,  deren  korper^ 
liehe  Reste  wir  endlich  und  wirklich  zwischen  den  Fingern  halten,  schon  lange 
zu  den  verschiedensten  Bärmen  sich  ausgebildet  hatten,  ehe  dieses  Volk  M 
uns  kam.  Ihr  Gesichtsschädel  aber  ist  gleichartig  und  typisch,  und  mit  seiuefS 
mongolisch  breiten  Ausladung  der  Jochbogen,  der  sehr  tiefen  Anlage  der  Schlafem 
grübe,  mit  entsprechender  Abdachung  der  Seitenwandbeine,  mit  unangenehmenJ 
uiedrigbreiten  Augenhöhlen  und  Nase  bei  sehr  roh  angelegten  KieferpartienJ 
bezeichnen  wir  ihn  als  turanisch.  Die  letzten  Reste  dieses  grossen  Volksstamtnea 
sehen  wir  körperlich  erhalten  in  dem  eigentümlichen  Völkchen  der  Baakeii 
dann  aber  noch  in  einer  ganzen  Reihe  typiecber  Formen  zwischen  uns  seibs 
und,  nach  Ranke^  besonders  zahlreich  in  Bayern. 

Da  wir  von  den  Höhlen  als  neolithischen  Begräbnisplätzen  gesprochen,, 
dürfen  wir  wohl  fragen,  wo  die  Bewohner  der  breiten  Lösstlächen  ihre  Toten 
bestattet,  zumal  die  HöhlenbiUlung  doch  immer  nur  in  vereinzelten  Gebirgs- 
formationen  sich  vorfindet;  und  da  entdecken  wir,  wenn  auch  selten,  bei  un^ 
die  ausgedelmteo  ältesten  Friedhöfe  unserer  Fluren;  die  Gräber,  meist  einfacli 
in  den  Boden  eingeschnitten,  selten,  gleichsam  als  Nachbildung  des  Höhlen^ 
grabes  aus  Steinplatten  gefügt,  wie  in  primitivster  Weise  z.  B.  in  Schierstein^ 
Die  Leichen  wurden,  wie  meist  in  den  Höhlen,  sitzend  beerdigt;  ein  geschlitTener 
Steinkelt,  ein  Feuersteinmesser,  einige  Töpfereien  bildeten  die  meist  sehr  (jpär-| 
liehe  Beigabe.  Hm  vieles  interessanter  gestalten  sich  die  neolithischen  Bestat^ 
tungen  am  Rande  des  Bodens  der  zweiten  Eiszeit,  dort,  wo  ihre  erratischen' 
Blöcke  geblieben  sind  und  nun  ein  rohes,  aber  gigantisches  Material  für  die 
Errichtung  der  Dolmen  und  grösseren  Ganggräber  boten.  Unserem  Lande  tind 
diese  interessanten  Hünengräber  versagt,  denn  bis  zu  unseren  Gauen  habeii 
sich  keine  nordischen  Granite  und  Gneise  auf  der  breiten  Fläche  der  alt 
Qletscherwelt  heruntorgowagt,  aber  wir  kennen  sie  wohl  alle,  au»  eigener  An^ 


13 

bliauung  oder  wenigsteuä  aus  Bildern,  diese  tiefernsten  und  dabei  so  gewaltigen 
Lu«i*eruugen  einer  Pietät  für  geliebte  Tote,  die  viele  Jahrtausende  über- 
dauert haben. 

Ib  dieselbe  Zeit  und  vorzugsweise  in  die  gleicheu  Gegenden  fällt  die 
Errichtung  uralter  Steindenkmäler,  zu  welchen  ebenfalls  die  erratischen  Blöcke 
das  Material  geben.  Mächtige  Steinriesen  stehen  allein,  ab  Menhirs,  oder  ?ai 
Kreisen  oder  grossen  Gruppen  geordnet,  oft  mit  Tragsteiuen  überdeckt,  Ihre 
Bedeutung  scheint  meist  kultureller  Art  zu  sein.  Bei  uns  fehlen  dieselben, 
wie  die  eben  erwähnten  Dolmen.  Aber  die  Errichtung  der  Menhirs  der  oeo- 
lithischen  Leute  scheint  doch  ein  allgemeinerer  Gebrauch  gewesen  zu  sein,  sodass 
sie,  wie  im  Orossherzogtum  Hessen  z,  B.  in  den  verschiedensten  Stücken,  wenn 
jcli  nicht  aus  erratischen  Gesteinen  aufgerichtet,  auffällig  häufig  erscheinen 
id  unter  dem  Namen  Langenstein,  Gluckenstein,  Gickel-  und  Hünerstein  u.  s.  w, 
h(!Ute  vorzugsweise  als  alte  Grenzsteine  aufgefasst  werden.  Dass  diese  Erklärung 
freilich  nicht  immer  stimmt,  mag  aus  dem  mächtigen  Monolithen  erhellen,  der 
seinerzeit  als  Wahrzeichen  auf  dem  berühmten  neolithischen  Gräberfeld  von 
Mousheim  dem  Sturm  der  Jahrtausende  getrotzt  hatte;  einen  zweiten,  umge- 
stürzten fandea  wir  auf  dem  gleichartigen  Friedhofe  von  Nierstein.  Bei  Hom- 
burg steht  heute  noch  ein  Glocken-^  richtiger  wohl  Gluckenstein,  seit  langem 
ein  ausgesprochenes  Grenzmerkzeichen,  und  doch  scheint  sein  Name  eine  land- 
läufige Umunderung  von  Hühnerstein  zu  sein,  verdorben  aus  dem  alten  Hünen- 
stein, dessen  Begriff  und  Abstammung  verloren  gegangen  war.  Und  zur  Be- 
stätigung dessen  grüsst  dabei  von  der  Höhe  des  Taunus  herüber  der  alte 
Kingwall  der  Gickelsburg,  deren  Namen  wir  schliesslich  auch  auf  die  Vorfahren, 
die  Hünen,  zurückführen. 

Die  Leute  der  zweiten  Steinzeit  haben  aber  nicht  nur  auf  oder  in  dem 
Löas  ihre  Wohnsitze  gehabt.  Sie  haben  wahrscheinlich  schon  beim  Beginn 
ihrer  Einwanderung  zunächst  die  östlichen  Seen  und  Sümpfe  als  Pfahlbauern 
bewohnt.  Wir  wollen  uns  hier  nicht  des  weitern  auf  die  Eigenart  der  Woh- 
nungen, der  Lebensweise  der  sogenannten  Pfahlbaueru  einlassen;  dieselbe  darf 
als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Die  zahlreichen  und  so  mannigfachen  Über- 
reste aber,  die  wir  in  ihren  abgebrannten  Seedörfero,  in  erster  Linie  des  Boden - 
sees,  gefunden  haben  —  die  geschliffenen  Steininstrumente,  die  eigenartigen 
Töpfereien,  sowie  die  übrigen  Kunstgegenstäude  —  sind  in  Form  und  Mache 
mit  den  Artefakten  unserer  neolithischen  Bewohner  fast  ausnahmslos  identisch. 

Die  Hinterlassenschaft  unserer  neusteinzeitlichen  Bevölkerung,  mögen  wir 
diese  nun  den  Höhlenbestattungen,  den  Mardellen,  den  Dolmen  u.  s.  w.  ent- 
nehmen, giebt  uns  den  uuumstüssliehen  Beweis  in  die  Uand^  dass  wir  ohne 
jedes  Bedenken  die  alten  Pfahlbauern  vrie  ebenso  die  ihnen  in  jeder  Richtung 
nahestehenden  Leute  der  Terramaren  jenseits  der  Alpen  demselben  grossen 
turanischen  Volksstamm  zurechnen  müssen,  den  wir  gewohnt  sind  als  die  Cro- 
Magnon-Leute  zu  bezeichnen,  der  aber  ebenso  gut  nach  unseren  Steetener 
Toten  genannt  sein  könnte. 

Wir  sehen  auf  diese  Weise  ein  grosses  einheitliches  Yolk  vor  uns,  auf 
einer  gleichmässigen  Kulturstufe  stehend,  aber  noch  ohne  Kenntnis  der  Metalle. 


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IkmJiM 


14 

In  enter  Linie  Ackerbau  treibend,  wurde  und  blieb  es  bei  uns  sesshaft;  ja  et 
hat  sogar,  trotz  aller  spateren  Stfirme,  seine  letzten  Reste,  wenn  aach  ganz 
yereinzelty  bis  in  unsere  G^enwart  gerettet.  Seiner  Entfaltung  standen  keine 
neuen  klimatischen  Yeränderungen  im  W^e,  wie  die,  welche  seinen  VorgSngem 
das  Leben  erschwert  hatten;  aber  noch  waren  für  ein  gutes  Gedeihen  bei  der 
Mangelhaftigkeit  der  Ausrüstung  gewisse  günstige  geologische  Bedingungen  not- 
wendig geblieben,  ein  mühelos  zu  bewohnender  und  zu  bebauender  Bodeni 
unter  Umständen  selbst  ein  Schutz  in  den  Seebecken,  welche  die  Stimmoränen 
der  letzten  Gletscher  geschaffen.  Als  dann  neu  aus  dem  Osten  andringende 
Yolkeri  die  wir  als  arisch  bezeichnen,  ihnen  den  Boden  streitig  machten,  teils 
sie  Temichtend,  teils  sich  mit  ihnen  mischend,  als  verhältnismässig  bald  die 
Metalle  im  Kriegs-  wie  im  Friedenshandwerk  anjBmgen  die  Oberhand  zu  gewinnen, 
lernte  auch  bei  uns  der  Mensch  sich  mehr  und  mehr  yon  den  geologischen 
Bedingungen  zu  lösen,  die  ihn  bisher  mit  Notwendigkeit  an  sich  gefesselt  hatten. 
Und  ab  er  endlich  das  wichtigste  und  edelste  aller  Metalle,  das  Eisen,  seinem 
Willen  fügbar  gemacht  hatte,  da  war  er  zum  erstenmale  wirklich  frei  yon  den 
Hemmnissen,  die  ihm  die  Natur  bis  dahin  angelegt,  und  mit  stolzer  Freude 
schritt  er  in  ein  neues  Zeitalter  seiner  eigenen  Entwickelung.' 


ie  „Ewige  Lolie^^  bei  Homburg  v.  d.  Höbe. 

eine  friihgeschichtliche  Orabstütte. 

Von 

H*  JaCObii   Kgl.  Reg.-Baufülirer. 

Mit  Tafel  I  und  H. 


I 


I     noc 

I 


Die  Uotersuchung  von  Ortsuamen  und  FIurbezeichouDgen  bildet  ein  zu- 
verlässiges Hilfsmittel  zur  Auffindung  von  geschiclitlichen  Fundstätten*  Gerade 
für  die  deutsche  Vorzeit,  zu  deren  genauer  Erkenntnis  öchriftüche  Aufeeicb- 
DUDgen  fehlen,  sind  sie  von  hoher  Bedeutung,  weil  in  ihnen  oft  historische  Be* 
gebenheiten  einen  Ausdruck  gefunden  und  bis  zum  heutigen  Tage  mit  wunder- 
barer Energie  erhalten  haben,  die  man  sehr  leicht  in  das  Reich  der  Sagen  zu 
weisen  geneigt  ist.  Mauern,  die  noch  in  späteren  Jahrhunderten  über  die  Erde 
hervorragten  oder  unter  derselben  dem  Ackeramann  beim  Pflügen  viel  Be- 
schwerde bereiteten,  Brandachutt  und  Reste  von  Gefassen  und  Waffen,  die 
dort  zu  Tage  kamen,  zeugten  von  einer  älteren  Kultur,  und  es  lag  nahe,  wenn 
man  damit  die  Überlieferung  in  Verbindung  brachte,  an  Ansiedlungen  zu  denken, 
die  durch  grosse  Kriege  von  dem  Erdboden  verschwunden  waren.  In  der 
späteren  Zeit  machte  man  den  dreissigjährigen  Krieg  dafür  verantwortlich,  der 
noch  als  das  letzte  grosse  zerstörende  Element  in  Aller  Erinnerung  lebte. 

In  der  Umgebung  von  Homburg  v,  d.  Höhe,  wo  man  den  Flur-  und 
markungsnamen  stets  einen  besonderen  Wert  beilegte,  ist  es  gelungen,  nachzu- 
weisen^ dass  eine  Reihe  von  Ortschaften,  die  angeblich  durch  jenen  grossen  Krieg 
verwüstet  sein  sollen,  wahrscheinlich  nie  existierten  und  nichts  weiter  als  vor- 
römische, römische  oder  fränkische  Niederlassungen  und  Kultatätten  waren. 
In  alten  Flurnamen,  wie  „Blutige  Haide",  ^Streickarf*  oder  „Streickert*'  = 
Streitplatz  u.  a-  m.  ist  die  Erinnerung  an  frühere  Kämpfe  erhalten  geblieben  j 
Ausgrabungen  an  Ort  und  Stelle  haben  eine  interessante  Ausbeute  an  Alter- 
tümern ergeben. 

Eine  alte  Flurbezeichnung  wie  „Ewige  Lohe**  musste  deshalb  die  vollste 
Aufinerksamkeit  erregen,  besonders,  nachdem  auch  vereinzelte  Scherben  von 
dort  abgeliefert  waren.  Man  dachte  bei  dem  Ausdrucke  ^Ewige  Lohe**  an  eine 
alte  Opferstätte,  indem  man  „Lohe"  ^  „wallende  Glut"  nahm.  Dem  steht  aber 
nüber,    da^s  in   alten  Karten,    Urkunden   sowie    im  Volksmunde  die   Flur 


Obl 


10 


„Eppi^c  LüIjc**  genauüt  wird.      „Eppich**  liciss^t  bei  deu  Bauern  jene 
s=  Epheu  (Grimm:  Eppich,  Ebich  und  Ewich),  und  es  ist  wahrseheiDÜcIi,  da 
die  Flur  in  früherer  Zeit  Wald  war,  woselbst  Epheu  in  grosser  Menge  wucl 
daher    die    Bezeichnung    ^=    „Epheu wald**.       „Lohe*'     bedeutet    Hoviel     wfe' 
„Wald**    (Grimm:  loh  =  Wald,  Holz,  Walddistrikt).     Prof.  Arnold  schre 
darüber    in     seinem    Buche:     „Ansiedelungen    und    Wanderungen     deutscB 
Stämme^  mit  Bezug  auf  Hessen:    „loh,   lat.  Incus^   in   der   uraprunglichen 
deutung  jetzt  erloschen  \  wir  brauchen  jetzt  dafiir  Hain  oder  Wald ;    \^iel   hj 
figer   ist  unser    „loh**    in    den   Feld-    und   Waldorten,   einfach  und  zusaram^ 
gesetzt  . .  «  begreiflicherwoise  findet  sich  das  Wort  in  den  Flurnamen  häuf 
als  in  den  eigentlichen  <  )rtsnamen  .••**—    und   an   anderer  Stelle :    „Ich 
mute,    dass  das  Wort  ursprünglich  gleich  dem  lat  luais  die   dem   religiös j 
Kultus   geweihten  Waldorte    bezeichnet   und   erst  in  der  christlichen  Zeil  \ 
einen  allgemeinereu  Sinn  angenommen  hat     Denn  nur  so  weiss  ich  es  2U 
ktureUt    dass   nicht   bloss   einzelne  ganz   isolierte  Waldstücke   sich   vielfach 
auf  die  Gegenwart  erhalten  haben,  sondern  dass  vorzugsweise  solche  auch  dfi 
Namen  „loh**  fuhren  .  .  •     Bei  Feldorten    verrät   oft   die  Präposition  auFtn, 
vor  dem  Lohe  wieder  die  alte  Bedeutung  .  .  ,    Von  Zusammensetzungen  fül 
ich  beispielsweise  au:  das  grosse,  kleine,  hohe,  schone,  lange  „loh*  etc. 

Bei    Homburg    kommen    Bezeichnungen    wie    „Eichenlohe,    Lindenloha*^ 
(^  Wald)  vor,   die  bei  Untersuchungen  Überreste   römischer  oder  fränkiscH 
Ansiedelungen  aufwiesen.*) 

Die  „Ewige  Luhe**  bei  Homburg  liegt  dicht  hinter  den  Miueralquell 
am  Feldwege  (alter  Römer- Weg)  nach  Gonzenheim ;  sie  bildet  den  südöstUcfa 
Teil  des  vor  dem  Hardtwalde  nach  dem  Quelleugebiete  zu  abfallenden 
banges,  der  jetzt  mit  Obstbäumen  bedeckt  ist,  in  alter  Zeit  aber  ohne  Zwe 
zur  „Hardt*"  gehörte.  —  In  der  dort  gelegenen  Braun'schen  Sandgrube 
Ziegelei  wurden  schon  früher  einzelne  vorrömische  Gefasse  gefunden,  die  aller* 
dings  einen  grossen  Teil  ihres  Wertes  dadurch  eingebüsst  haben,  dass  ihr  ge- 
nauer Fundort  sowie  ihre  Zusammengehörigkeit  jetzt  nicht  mehr  nachzuweis 
ist.  Endo  August  1891  stiessen  Arbeiter  beim  Abheben  der  oberen  Schicht! 
in  der  nordwestlichen  Ecke  der  Grube  wiederum  auf  Scherben.  Da  sie  sofi 
davon  Mitteilung  machten,  und  der  Besitzer  Herr  Johann  Braun  wie  scfa 
öfter  in  dankenswertester  Weise  die  Erlaubnis  zum  Nachgraben  gab,  konj 
die  Stelle,  die  sich  als  frühgeschichtlicbes  Grab  erwies,  genau  untersucht  wer- 
den. Da  dieser  Fund  der  erste  frühgeschichtliche  ist,  der  sowohl  in  dieser 
interessanten  Flur,  wie  auch  überhaupt  im  Homburger  Gebiet  voUstÄndig 
hoben  und  aufgenommen  werden  konnte,  so  dürfte  einer  etwas  ausführliche 
Beschreibung  Kaum  gegeben  werden,  — 

Die  über  den  Scherben  liegende  ca.    1  m   hohe  Erdschicht  bestand 
angeschwemmtem,  fest  zusammengewachsenem  Löss,  der  ab  und  zu  von  klcii] 
Eisensteinen')  durchsetzt  war.     Nur   mübsam   gelang  es,   aus  der  harten 


')  Ffof,  Arnold  sotit  die  Entstehung  dioser  Beseichnongen  in  seine  ftllaste  Periode. 
*l  Dkhi  bei  der  Fundstelle  liegt  eine  Gemarkung  ^EUoaberg*^,  in  der  früher  Eit*eDiteifie 
sucht  wurden. 


17 


mit  Hilfe  Yon  Messeni  die  Scherbou  berauszuschiieideD^  die  ganz  durchweicht, 
trotz  gnmster  Voraicht,  viel  unter  den  Messern  litten^);  an  der  Luft  wurden 
[»ie  später  wieder  hart.  Sie  lagen  über  einen  fast  kreisfürmigeo  Raum  von 
ca.  1,50  m  Durchmesser  ausgebreitet;  durch  den  auf  ihnen  lastenden  Erddruek 
war  eine  Anzahl  GeßLsöe,  die  auf  der  alten  natürlichen  Erdoberfläche  zusam- 
menstanden» zerdrückt  und  ihre  Bruchstucke  in  einer  Höhe  von  ca:  20  cm  dicht 
aufeinaudergepresst  worden.  Auf  dem  stark  eisenhaltigen  Urboden  lag  unter  den 

IBcherben  ein  vullständig  verrostetes  Eisenschwert  mit  der  Spitze  fast  genau 
nach  Norden  orientiert.  Senkrecht  zu  diesem  fand  sich  ein  eiseroes  Dolch- 
tnesser  vor,  und  neben  dieseui  auf  eine  Schale  aufgerostet  ein  halbringformiges 
eisernes  Hesser  (vergl  Taf.  I,  Fig.  1  u.  2).  Eine  Steinpackung  war  nicht  vor* 
banden;  von  Aschen-  und  Knochenresten  keine  Spur;  dagegen  zeigten  sich 
spärliche  Überreste  von  Holzkohlen,  Es  konnte  mithin  nicht  mehr  zweifel- 
Ihaft  aein^  dass  man  ein  frühgeschichtliches  Grab  erhoben  hatte,  in  dem  ein 
reicher  Krieger  mit  seinen  WaflFen  und  Hausgeräten  nach  der  Verbrennung 
beigesetzt  war. 
Was  die  einzelnen  Fundstucke  anlangt,  so  sind  die  Eisengegenstände 
die  weitaus  wichtigsten.  Das  eiserne  Schwert  ergab  nach  sachverständiger 
Ablösung  des  Rostes  in  seinem  Kerne  die  auf  Taf.  I,  Fig.  3  und  3  a  abge- 
I  bildete  Form.  Sie  ist  typisch  für  jene  noch  in  geringer  Zahl  gefundenen 
frühgeschichtlichen  langen  Eisensch werter  der  Hallstadtzeit  und  für  die  Zeit- 
stellang  und  Klassifizierung  des  Grabes  in  erster  Linie  massgebend.  Das 
Schwert  hat  jetzt  noch  die  beträchtliche  Länge  von  1,07  m  und  erreicht  somit 
diejenige  des  in  Hallstadt*)  gefundenen*  Die  Klinge  ist  geschweift  und  in  der 
Mitte  an  der  breitesten  Stelle  ^  6  cm;  eine  Mittelrippe  lässt  sich  bei  der 
starken  Oxydation  nicht  mehr  feststellen.  Das  Heft  ist  besonders  angesetzt 
un<l  war,  wie  erhaltene  Spuren  beweisen,  mit  einem  hölzernen  Griffe  versehen. 
Von  gleicher  Bedeutung  ist  das  dabei  liegende  Dolchmesser  (Taf.  I, 
Fig.  4),  das  ebenfalls  für  eine  Reihe  von  Hallstadtgräbern  der  Eisenzeit  eigen- 
lich  ist  Es  hat  einen  geschweiften,  ziemlich  breiten  Rücken,  ist  21  cm 
und  imitiert  ebenso  wie  das  Eisenschwert  die  Form  von  Bronzewaffen. 
Das  halbringförmige  Messer  ist  ebenfalls  aus  Eisen,  besser  erhalten  wie 
die  beiden  vorigen,   doch  sehr  dünn    {Taf.  I,  Fig.  5).      Bronzemesser    in   der- 

I  selben  Form  sind  öfters  gefunden. 
Die  zu  Tage  gekommenen  Scherben  wurden  sorgfaltig  zusammengelegt, 
doch  war  die  Lage  der  einzelnen  Gefässe  zu  einander  nicht  mehr  zu  er- 
kenuen.  Mit  grosser  Bereitwilligkeit  hat  sich  Herr  Seibel  aus  Homburg  der 
nicht  geringen  Mühe  unterzogen,  die  ßefasse  zu  kitten.  Vollständig  zusammen- 
gekommen sind  7  Stück,  von  3  weiteren  sind  Bruchstücke  vorhanden.  Im 
übrigen  ist  es  nicht  nötig,  dass  alle  Oefasse  vollständig  erhalten  sind,  da  man 
dem  Verstorbenen  wie  bei  den  Griechon  und  Römern  wohl  meistens  seine  Ge- 


')  Diei  zwt  Erklärung  für  diejenigen,  welche  in  diesen  EioBchnitten  etwa  beabaichtigte 

[^IcliDiiiigcn  zu  sehen   glaaben.  —  *)  Tergl   den  Aufgütz   Ton  Lindenschmit   über  dm  vor- 

tÜicliL*    Btsenschwert    in    dessen!     ^AttertQmcr   unserer  heidnischeD   Vorzeit^  Band  IV, 


Oberer 

unterer 

Orösfter 

DurcbmeMOr 

Durchineuer 

Ourchmeaser 

1. 

38 

15 

55 

2. 

34 

t4 

4G 

a. 

24 

e 

— 

4. 

24 

9 

— 

5. 

2t 

6 

— 

6. 

23 

6V. 

— 

8. 

6 



11 

braitcbsgefiisse  mitgab^  auch  wenn  sie  zerbrochen  waren.    Taf.  II  giebt  in  ihr^ 
oberen    Hälfte   die   Form    der   im    August    1801    aus^^egrabenen   (refasse;    ihi; 
Masse  sind  folgende: 

Bezeichnung  r\.™u t\. i, r^ t.-., Hob» 

Taf.  II,   Fig.  l.  38  15  55  50 

44 
8 
8 
8 
7 

Oofasa  Fig.  1  von  sehr  grossen  Dimensionen  läuft  nach  unten  koatsoli 
zxi  und  ist  infolge  seines  auffallend  kleinen  Bodens  sehr  wenig  stabil;  es  war 
wahrscheinlich  beim  Gebrauche  eingegraben  oder  an  einem  Ringe  aufgehängt. 
Die  Oefässwände  sind  dick,  nach  unten  zu  stellenweise  fast  vollständig  durch* 
gebrannt.  Das  Äussere  ist  künstlich  durch  Reisig  oder  grobes  Tuch  raub  ge- 
macht, um  den  Topf  besser  handhaben  zu  können.  Gefass  Fig.  2  ist  von  gelb- 
lich-rotem Thone,  hat  glatte  Oberflache  und  eine  geschwungene  Form. 

Fig.  3—6  sind  flache  Schalen  mit  dünnen  Wänden,  aus  feinerem  Thon* 
aussen  schwarzbraun ;  ein  besonderer  Boden  ist  nicht  vorhanden^  das  sackartig 
durehhängende  Gefass  war  durch  Aufstellen  auf  den  Boden  unten  platt  gedruckt. 

Fast  ganz  erhalten  ist  ein  kleiner  Trinkbecher  (Fig.  8),  ebenfalls  von 
feinerem  Thon;  er  läuft  nach  unten  in  eine  8pit2e  aus,  mit  der  er  jedenfalls 
in  den  Erdboden  eingedruckt  war. 

Fig.  7  giebt  Bruchstücke  einer  ganz  dünnen  Schale,  deren  Form  sieh 
leicht  ergänzen  lässt;  sie  hat  einen  Durchmesser  von  15  cm.  ist  rot  und  hat 
am  oberen  Rande  einen  2  cm  breiten  schwarzen  Streifen  aus  Graphit.  —  Das 
GefasBp  dessen  Henkel  in  Fig.  9  dargestellt  ist,  lässt  sich  nicht  mehr  rekon* 
struieren. 

Die  Technik  der  GefUsse  ist  eine  sehr  ursprüngliche ;  Formund  Material 
weisen  darauf  hin,  dass  sie  an  Ort  und  Stelle  hergestellt  und  gebrannt  sind 
(die  Ziegelei  liefert  einen  Thon,  der  heute  noch  von  deu  Töpfern  verwandt 
wird);  ein  so  umfangreiches  Gefass  wie  Fig.  l  wird  man  auch  nicht  aufWan» 
derungen  mitgenommen  haben.  Der  Thon  der  grosseren  Gefasse  ist  sehr  stark 
mit  Quarzsteinchen  durchsetzt,  zum  Teil  wohl  um  ein  leichteres  Brennen  xii 
erreichen.  Dio  Drehscheibe  scheint  nicht  zur  Anwendung  gekommen  zu  sein, 
die  GefTiss wände  sind  nicht  gleich  stark,  ihre  Oberfläche  ist  sehr  uneben  und 
ohne  jeglichen  Schmuck.  Die  Bruchstücke  Fig.  7,  8  u.  9  machen  eine  Ao^ 
nähme.    Die  feinere  Technik  legt  die  Vermutung  nahe,  dass  diese  importiert  sind. 

Da  in  gegebenem  Falle  alles  Neue  und  Auffalleüde  erwähnt  zu  werden 
verdient,  so  sei  noch  eines  pyramidenftkmigen  Quarzkrystalls  in  der  Urtoie 
einer  Kinderfaust  gedacht.  Derartige  Krystalle  kommen  in  der  d(»r  *  ^«'geod 
nicht  vor,  sonderu  fiudeu  »ich  nur  jenseits  des  Taunus  bei  Katz  i.  _iibAeli» 
ein  Beweis  dafür«  dass  man  damals  eine  Yerbinduug  mit  jener  Gegend  kanntr. 


4 
4 


19 


Der  Brauch,  den  Toten  besondera  gestaltete  oder  gefärbte  Steine,  sei  ea  als 
Aiideaken  an  ihre  Heimat,  oder  das»  man  ihnen  eine  besondere  Bedeutung 
i»eimai^8,  mitzugeben,  findet  sich  auch  bei  anderen  Völkern  wieder,    — 

Von  den  im  Jahre  1880  in  der  ^Ewigen  Lohe**  gefundenen  QefKasen, 
welche  ebenfalls  zusammen  den  Inhalt  von  Gräbern  ausmachten,  aber  leider 
uhne  Zuziehung  von  Sachverständigen  der  Erde  entnommen  wurden,  habe  ich 
die  hauptsächlichsten  auf  Taf*  II  in  der  unteren  Hälfte  angegeben.  Ihre 
Masae  sind  folgende: 


Bezeiohnung 

Oberer 
Durohmesser 

Unterer 
Durchmesaer 

Grösator 
Durohineiwer 

Höhl 

Tftf.  II,  Fig. 

10. 

27 

8 

30 

23 

n              Ti 

U. 

29 

8 

— 

18 

V            yt 

13. 

21 

6 

— 

8 

«             f» 

14. 

17 

8 

20 

8 

TT                  n 

15. 

12 

3 

— 

5 

if                  fi 

16. 

13 

7 

— 

9 

Die  Gefasae  Fig,  10  u.  14  sind  schwarz  und  sehr  hart  gebrannt  Fig.  14 
i«t  echinusfOrmig,  am  oberen  Rande  mit  richtigem  Gefühle  eingezogen^  um  ein 
Überfliessen  zu  verhindern.  Im  Gegensatz  dazu  hat  Fig.  13  einen  flachen, 
gerade  abgeschnittenen  Rand;  die  Sehale  ist  sehr  roh  gearbeitet,  die  Wände 
sind  sehr  stark.  Von  ebenso  primitiver  Herstellungsweise  sind  Fig.  12  u.  15, 
von  denen  soviel  Bruchstücke  vorbanden  sind^  dass  ihre  Form  hergestellt  werden 
kann.  Fig*  11  u.  16  sind  beide  von  sehr  altertümlicher  Technik:  Fig.  16  aus 
»ehr  unreinem  Thon  mit  starken  Wänden  und  besonders  angesetztem  Bodeu- 
rand.  Die  auf  seiner  «Oberfläche  angebrachten  Nägeleindrücke  dienen  w*ohl 
nicht  alß  Verzierung,  sondern  nur  zum  Rauhmachen;  sie  sind  sehr  klein  und 
lassen  auf  Anfertigung  durch  Frauenhände  schliessen,  wie  dies  auch  von  an- 
deren Völkern  bekannt  ist. 

Besonders  interessant  ist  das  Bruchstück  eines  sehr  grossen  Oefassea 
(Fig.  17),  vielleicht  von  einem  oberen  Durchmesser  von  ca.  60—70  cm.  Der  Thon 
ist  sehr  grobkörnig,  bei  der  grossen  Dicke  der  Gefösswände  aus  technischen 
Gründen.  Am  Halse  trägt  es  einen  Ring,  der  mit  den  Fingern  angeknetet  ist; 
die  höchsten  Punkte  desselben  bilden  eine  wellenförmige  Linie.  Er  giebt  viel- 
leicht eine  Erklärung  fiir  den  Transport  eines  solchen  Gerätes  und  ahmt  ent- 
^weder  das  gewöhnlich  um  den  Hals  gelegte  Tau  aus  Hanf  oder  Stroh  nach, 
Ider  diente  dazu,  das  Hinaufrutschen  eines  Strickes  zu  verhindern.  Die  Gefässe 
Fig.  11,  13,  15,  16,  17  bilden  ihrer  unbeholfenen  Form  wegen  einen  eigen- 
artigen Kontrast  zu  den  übrigen  auf  der  „Ewigen  Lohe*^  gefundenen.  Man 
braucht  deshalb  niehi  anzunehmen,  dass  sie  älter  sind  wie  die  anderen,  da 
primitive  Herstellungsweise  nicht  immer  die  ältere  ist.  Wir  dürfen  eher  in 
der  UnvoUkommenheit  der  Technik  einen  Beweis  dafür  erblicken,  dass  derartige 
it?Ij  f:  !  '  Gebrauchegegenstände  im  Lande  selbst,  wie  es  eben  die  lokalen  Ver- 
rb  ^  erlaubten,    in  uuHerem  Falle  möglicherweise  nicht  weit  vom  Fundorte 

gefertigt  sind. 


20 

Mit  diesen  Scherben  wurde  auch  das  Bruchstück  eines  eisernen  Schwert- 
griffes mit  Bronzeknöpfen  ausgegraben.  — 

Die  Fundstücke  sind  sämtlich  im  Saalburg-Museum  zu  Homburg  aufge- 
stellt und  vertreten  in  der  Homburger  Abteilung  der  Sammlung  die  älteste 
Kultur  jener  Gegend. 

Betrachtet  man  die  Gräberfunde  von  1880  und  1891  im  Zusammenhange 
mit  den  wiederholt  an  verschiedenen  Stellen  der  „Ewigen  Lohe^  aufgefundenen 
vorrömischen  Scherben,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dass  die  Flur,  in  alter 
Zeit  mit  Wald  bedeckt,  eine  ausgedehnte  Grabstätte  bildete,  deren  hohes  Alter 
schon  durch  die  geologische  Formation  des  Bodens  bewiesen  wird.  Dass  diese 
Gemarkung  bis  heute  den  Namen  „Ewige  Lohe^  behalten  hat,  wäre  eine  Be- 
stätigung der  von  Prof.  Arnold  gegebenen  Erklärung  für  die  mit  „loh^  zu- 
sammengesetzten Lokalnamen.  Da,  wie  oben  erwähnt,  der  Hardtwald  eich 
unfraglicb  über  die  „Ewige  Lohe^  hinaus  erstreckt  hat,  und  sich  in  letzterem 
jetzt  noch  mehrere  Hügelgräber  befinden^),  ist  es  wahrscheinlich,  dass  auch 
die  Gräber  auf  der  „Ewigen  Lohe^  von  Hügeln  bedeckt  waren,  welche  bei 
der  späteren  Kultur  des  Bodens  abgetragen  wurden.  Vielleicht  hat  auch  die 
Natur  die  Einebnung  selbständig  bewirkt  und  die  Grabhügel  jener  interessanten 
Flur  verschwinden  lassen,  deren  Bedeutung  als  einer  einst  geweihten  Stätte 
heute  nur  noch  in  der  Flurbezeichnung  nachklingt. 

Eine  genaue  Zeitstellung  der  Funde  anzugeben,  ist  zum  mindesten  ver- 
früht; einen  vorläufigen  Anhalt  dazu  giebt  der  umstand,  dass  dicht  bei,  zum 
Teil  auch  auf  der  „Ewigen  Lohe^  Reste  von  römischen  Ansiedinngen  gefunden 
worden  sind;  u.  a.  wurde  daselbst  im  Jahre  1880  eine  grosse  römische  Yilla 
aufgegraben.^ 

')  Nooh  nicht  untersucht,  doch  in  der  archäologischen  Karte  von  Dr.  Hammeran  an- 
gegeben. —  *)  Vergl.  darQbcr:  v.  Cohauson  und  Jacobi,  «Kumische  Bauwerke".  Annalen 
XVII,  pag.  123  ff. 


Vorröinische  Altertümen 

Von 


m 


1.   D^r  Brnnhilflisstein  auf  ilem  grossen  Pelilberg, 

Mit  Tafel  IIL 

Auf  dem  Gipfel  des  grossen  Peldbergs  im  Tauaus  ragt  ein  Felsen  auf, 
der  nach  der  Sonnenseite  einen  sanften  Abfall,  nach  Norden  aber  eine  senk- 
rechte zerklüftete  Wand  in  Gestalt  eines  Dreiecks  hat,  deren  Grundlinie  etwa 
10,  deren  Höhe  2,75  m  beträgt;  am  Fuss  derselben  liegt  zwischen  herabge- 
stürzten Blöcken  einer,  auf  dessen  ansteigender  Oberfläche  eine  schalenförmige 
Vertiefung  und  ein  breiter  Auslauf  zu  erkennen  ist 

Der  Felsen  ist  schon  in  einer  Grenzbegehung  des  Klosters  Bleidenstadt 
mn  812  der  Brunhildenstein,  1043  das  Brunhildenbett^)  „lectulus  Brunbilde", 
eine  nahe  Quelle  Brunhildenboro,  ein  Wald  Brunforst  genannt  worden.  ]>er 
Name  erinnert  an  Wodans  Walküre,  auch  w^ohl  an  jene  gewaltige  auatrasische 
Königin,  deren  schreckliche  Thaten  und  Tod  nach  200  Jahren  wohl  noch  im 
Volksbewusstaein  lebten.  Dazu  die  weit  ins  Land  hioauablickende  Lage  auf 
der  öden  und  erhabensten  Höhe  des  Taunus  haben  den  Stein  mit  einem  un- 
heimlichen, sagenhaften  Schleier  umhüllt,  in  dem  sich  die  Gebilde  der  nordischen 
Ootterwelt,  deren  Verehrung  durch  blutige  Opfer,  för  welche  die  Opferschale 
und  Blutrinne  noch  nachgewiesen  w^erden,  abheben,  und  uns  in  jene  fcragisch- 
etische  Welt  hinüberzaubern. 

Wenn  wir  aber  die  Brille  klar  wischen,  so  erkennen  wir  die  vordere 
natürliche  Schichtfläche,  und  in  der  hinteren  blaugrauen  Wandfläche  der  zer- 
klüfteten Felsen  drei  weisse  Flecken  von  elliptischer  Form  (a,  6,  c),  Sie  haben  20 
bis  30  cm  Durchmesser  und  bestehen  aus  einer  anderen  helleren  Masse,  oder  eiuer 
Niere,  w^elche  allem  Anschein  nach  noch  so  scharf  umrissen  und  voll  vor  uns 
stehen^  weil  sie  gegen  Sonne  und  Regen  geschützt  nicht  ausgewittert  sind; 
wäre  das  geschehen,   so   würden  sie   oben   solche  Schalen    hinterlassen  haben, 


')  Wir  folgen  hier  Yogeli  BtiHchreibimg  von  Nassau  und  der  landtäuligcn  Benenn ung^ 
obdolion  anter  dem  eigenüiohen  ßrunlüdeoBtein  in  der  GreDzbegebung  von  BlcidensUdt  812 
die  Hebe  Kanzel,  6  km  norddenicb  der  Platte,  und  in  der  Orenzbegehung  Ton  Schloesborn 
lOIS  der  Felaen  aaf  dem  Feldbcrg  als  das  BrunhUdeubett  gemeint  ist 


22 


wie  4ie  in  dem  Block  am  Fusa  der  Felsen  jetzt  vorhandene  (d).  Man  erkennt  b 
eine  30  cm  weite,  Itj  cm  tiefe  Schale  und  in  dieser  das  Gefüge  des  umschli 
»enden  Oesteins  in  gekrimimten  und  gezogenen  erhabenen  Reifein  und  Ver- 
tiefungen, an  denen  nie  eine  menschliche  Hand  eine  ölattung  versucht  hat; 
man  erkennt  hier  den  Abdruck  einer  ebensolchen  Niere,  wie  sie  in  der  senk- 
rechten Wand  noch  erhalten  sini  Aber  was  sind  diese  Nieren,  und  wie  kom- 
men sie  dorthin?  Durch  diese  Frage  gelangt  die  Sache  aus  dem  Gebiete  der 
Mythe,  wie  so  manche  andere,  in  das  der  Naturkunde.  Und  wir  gestehen, 
dass,  dies  voraussehend^  wir  den  auch  als  Geologen  weltberühmten  Professi 
Dr.  Tolger  in  Sulzbach  bei  Soden  eingeladen  hatten,  unseren  Ausflug  mi 
zumachen. 

Mag  es  manchen  Laien,   der  die  häufigen  Metamorphosen  der  Minerali 
im  kleinen  wie   im  grossen  nicht  kennt,    überraschen,    wenn  er  hört,    dasa  di 
Quarzitgestein  des  Taunus  nicht  immer  das  war,  was  es  jetzt  ist  und  wie 
es  vor  uns  sehen,  sondern  Kalk,  der  überlagert  mit  Quarzgebildcn  durch  den 
Losung  in  Quarz  umgesetzt  worden  ist,  während  der  Kalk  ausgelaugt  und  fei 
geführt  dem  Quarz  seine  Gestalt  hinterlassen  hat.    Daher  die  wenn  auch  nid 
aOxu  häufigen  Versteinerungen  und  Abdrücke  von  Tier-  und  Pflanzenreaten  im 
Quarzit   und  seinem  Naehbargestein,    und  unter  jenen  auch  die  hellen   Nieren, 
welche  uns  die  Gestalt  des  Seeschwamms  erhalten  haben  —  als  Yersteineruugi 
in  der  Felswand,   als  Abdruck    in   der  Opferschale.     Mögen  die  Seeacbwäm 
der  Einfilterung  des  Kieselstoffes  länger  widerstanden  haben  und  dieser  dadu: 
in  Farbe  und  Material  etwaa  geändert,  auch  ihre  Form  etwas  verdrückt  word 
»ein  —  immerhin  ist  ihre  Form  in  der  Schale,    ihr  Stiel  in   dem    Aualauf  un«i 
aus  einer  unendlich  fernen  Zeit  und  trotz  unendlicher  Wandlungen  der  Gebirge 
erhalten. 

Aus  dieser  trockenen  unpoetischen  Betrachtung  müssen  wir  noch  ein 
auf  den  Kultus  zurückkommen,  der  auch  ohne  Opferschale  und  Blutrinne 
das  Brunhitdenbett  noch  gefeiert  worden  sein  mag. 

Bei  einem  anderen  Ausflug  auf  dem  Feldberg  mit  Freunden,  die  im  v< 
liergcgangenen  Jahre  Algier  und  Tunis  bereist  hatten,  wurde  ihnen  einige  Kil 
meter   von   letzter  Stadt  ein  Felsen  gezeigt,    auf  dessen   schräger  Fläche 
Beduinen weiber  auf  der  vorderen  oder  auf  der  Kehrseite,  je  nachdem  sie  «ii 
einen    Kindersegen    vom    Himmel   erflehen    oder    davon    genug    haben^    hinal 
rutschen.     Der  Felsen,   bei   dem  ein   kleiner   Tempel  steht,   aber  kein  Biid«»- 
iMJer  Waschplatz  sich  befindet,  heisst  ,Sidi-B!aten^. 

Von  den  frühesten  Bewohnern  unseres  Landes  kennen  wir  aus  den  Rflgel- 
gribern  kaum  viel  mehr  als  ihren  Bronzeachmuck  für  den  Hals,  die  Arme  und 
Beine;  er  iat  ganz  gleich  dem,  den  jene  Völker  in  Afrika  noch  tragen.  Sollen 
jene  auch  ähnliche  Votivgebräuche  gehabt  haben  wie  diese?  Alterdings  wid«r* 
strebt  es  uns  zu  glauben,  dass  die  germanischen  Frauen  dasselbe  für  gesii 
hielten,  was  sich  für  die  Beduinenweiber  noch  schickt 

Wenn  nun  auf  dem  Foldbergfeste  die  Turner  den  Stein  werfen  uo< 
Weitsprung  üben,   so  folgen   aie  nur  dem  Vorbild  der  Brunhilde,    von  d 
Nibelungen^Lied  «agt: 


i 


23 


^Brunhildeni  Starke  zeig^E^iö^^iüliflclaijij 
Man  tru^  ihr  2U  dem  Kreise  einen  Bchweren  Stein^ 
Qross  und  ungeheuer^  rund  und  fltark  und  breit^ 
Ihn  trugen  kaum  zwölfe  dieaer  Degen  kühn  im  Streit. 
Den  warf  sie  allerwegen  —  wie  aie  den  Spiess  verschosaon. 
«  *  .  Da  trat  sie  hin  geaehwinde,  zornig  war  ihr  Mut, 
Den  Stein  hoch  erhob  Bie,  die  edle  Jungfrau  gut; 
Sie  «ohwang  mit  groaien  KrSften  ihn  ferner  von  der  Hand^ 
Dann  aprang  sie  nach  dem  Wurfe,  ämn  laut  erklang  ihr  Qewand, 
Der  Stein  war  geflogen  zwölf  Klaftern  von  dem  Sohwtmgi 
Die  Jungfrau,  wohlgeaehaffen,  erreicht  ihn  doch  im  Sprung«** 

Nibelungen-Lied,  übersetzt  von  Dr.  K.  S im m rock,  7.  Abenteuer, 


3.   Der  Ab8eluilttswalt  und  dt^r  Kingwall  auf  dem  Rücken  der 
Motlieimer  Kapelle.  -  Ein  Jadeitbeil  (Taf.  III). 

Den  Abschnittswall,  welcher  den  Rücken,  an  dessen  südlichem  Ende  die 
Uofheiiner  Kapelle  liegt,  begrenzt,  haben  wir  im  Bd.  XX,  p.  0  der  Annaleo  dar- 
gestellt. Da  wo  eine  Schneise  300  Schritt  hinter  dem  Wall  dessen  Biegung 
durchschneidet^  um  zum  Lorsbacher  Thal  zu  führen,  wurden  bei  der  Anlage 
eines  Promenadenwegs  in  dem  Geröllo  des  Walldurchschnittes  zwei  Steinbeile, 
weiche  zur  Zeit  der  Wallaolage  keine  Beachtung  erweckt  hatten,  gefunden  und 
durch  llerrn  Otto  Engelhard  aus  Hofheira  dem  Altertumamuseum  in  Wies- 
baden geschenkt.  Das  eine,  von  grünlich-grauer  Qrauwacke,  ist  16  cm  lang^ 
6  cm  breit  und  2,5  cm  dick,  das  andere,  bei  weitem  kostbarer,  aus  hellgrau- 
grünem  Jadeit  mit  einer  in  bräunlichen  Wolken  angedeuteten  Schichtung  unter 
45%  bildet  ein  gleichschenkliges  Dreieck  von  25  cm  Hohe  und  einer  beilförmig 
abgerundeten  Grundlinie  von  97  mm  und  ist  nirgends  dicker  als  17  mm. 

Der  genannte  Geschenkgeber  mit  dem  Herrn  Forstmeister  Kehrein  und 
Herrn  Fach  entdeckten  am  Südende  des  Bergrückens,  200  Schritt  südwestUch 
von  der  Kapelle^  eine  im  Saud  und  Kies  geebnete  Fläche,  deren  Rand  nach 
Norden  ansteigt,  nach  den  andereu  Seiten  aber  abfallt  und  einem  elliptischen 
Kingwall  von  äusserst  schwachen  Profilen  Raum  gewährt.  Derselbe  ist  von 
Westen  nach  Osten  innerhalb  seiner  äusseren  Grabenlinie  38  m  und  von  Norden 
nach  Süden  37  m  breit  Die  Mitte  bildet  eine  6  &  11  m  grosse  Fläche,  von 
einem  seichten  Graben  und  niederen  Wall  umgeben,  den  der  äussere  Graben 
mit  dem  oben  bemessenen  Rand  um/Jeht.  Kein  Graben  ist  50  cm  tiefer  und 
kein  Wall  30  cm  höher  als  diese  Mittelfiäche,  die  man  sich  mit  einer  Flecht- 
wand umgeben  und  in  irgend  einer  Weise  gedeckt  als  Wohnraum  vorstellen 
mag,  während  der  äussere  Wall,  auch  mit  Pfählen  besetzt,  die  durch  Flechtwerk 
miteinander  verbunden  sind,  das  Vieh  beherbergte.  Die  Nordseite  ist  die,  auf 
die  der  Angreifer  vom  Gebirge  her  zuerst  stosst  und  den  Ringwall  überhöht, 
während  die  anderen  abfallenden  Seiten  ihm  keinen  Vorteil  bieten. 
Hl  Auch  der  oben  erwähnte,  1800  Schritt  nordwärts  auf  dem  Gebirgsrücken 

Hgal^gene  Abschuittswall  hat  seinen  Graben   auf  der  Nordseite,  als  derjenigen, 


24 


«rerk 

I 


von  welcher  der  Angriff  erwartet  ^iirde.      Er   hat    ausser   diesem   Grabet 
sich  auch  Doch  einen  hinter  sich,   zum   Zeicheu   der    Eile,    weil   dadurch   ei 
doppelt  80  fiele  Arbeiter  angestellt  werden  konnten,  um  den  WaU  in  kürzerer 
Zeit  in  die  Höhe  zu  bringen. 

Auch  bei  dem  beschriebenen  Ringwall  sind  die  Graben  vor  und  hinter 
dem  Wall^  wenn  auch  nur  in  schwachen  Abmessungen,  angedeutet;  und  e» 
ist  nicht  unmöglich,  dass  derselbe  mit  dem  Abschnittswall  durch  Pfahlwerk 
oder  Gebücke  längs  der  Ränder  der  beiden  Parallelthäler  in  Zusamraenh 
gebracht  ist* 

Wie  der  Uingwall  Schlingwald  bei  Lorsbach  (Annal.  XXI,  p.  5)  mit  starl 
Wall  und  tiefem  Graben  den  Angriff  vom  Gebirge  her,  aus  dem  Walde  Katzei^ 
liicke   erwartete,    so   war   auch    der   Hoflieiraer   Wall   uröprünglieh   gegen   das 
selbe^   gögen   einen    von   Norden   her   kommenden  Feind   angelegt;   aber   auch 
gegen  einen  vielleicht  ach  wacheren,  minder  ausdauernden  Feind  von  Süden 
konnte   er   schützen,      Herrn    Fachs   Grossmutter  erzählt,    als    die   Frauzoi 
uach   der  Schlacht  bei   Leipzig   in   hungrigen  kranken  Haufen  nach  Mainz 
eilten,  trieben  die  Hofheimer  ihr  Vieh   in   den  Wald,   wo  es   durch  die 
schanzuogen    zusammengehalten  wurde,   um   nicht  nach   den  alten  Ställen 
ao  in  die  Hände  der  Marodeure  zu  laufen.  — 

Über  Nephrit  und  Jadeit  ist  das  reichhaltige  Fundamentalwerk  von  Hi 
rieh  Fischer,  Professor  in  Freiburg  i.  B,,  Stuttgart  1875,  noch  immer  m 
gebend.  Der  Genannte  hat  unser  Museum  1875  besucht  und  die  damals 
handenen  Steinbeile  auf  ihre  mineralogischen  Bezeichnungen  untersucht» 
interessantesten  sind  der  Nephrit,  der  Jadeit  und  der  Chloromelanit,  sei 
dadurch,  doss  sie  in  Europa  weder  in  ihrem  natürlichen  Lager,  noch  in  Oei 
vorkommen,  sondern  nur,  wie  es  scheint,  in  uralter  Zeit  als  Steinbeile 
Asien  importiert  sind,  und  zwar  die  Nephrite  aus  Turkestau,  die  Jadeite  aus 
Tibet;  über  die  Herkunft  des  Chloromelanit  ist  man  ohne  Auskunft.  Durch 
die  zahlreichen  Funde  dieser  exotischen  Gesteine  in  den  Schweizer  Pfahlbauten 
wurde  die  Aufmerksamkeit  auf  sie  gelenkt.  Sie  sind  zumeist  in  Form 
grüsseren  und  kleinereu,  nicht  durchbohrten  Steinbeilen  bearbeitet,  welche 
einer  Länge  von  z.  B.  25  cm  kaum  2  cm  Dicke  haben,  und  zeichnen  sich  durcfi 
eine  ungemeine  Zähigkeit,  durch  ihren  Klang  und  eine  meist  grünliche  F\ 
aus»  Von  allen  Mineralien  sind  es  eben  diese,  die  zu  schneidenden  W 
xeugen^  ehe  man  die  Metalle  kannte,  am  geeignetsten  waren,  da  ihre 
zwischen  dem  Feldspat  und  dem  Quarz  liegt.  Aber  nicht  nur  in  den  Pfal 
bauten»  auch  im  trockenen  Land  zwischen  den  Alpen  und  einer  diesseits 
Harz  berührenden  Linie  werdeu  sie  nicht  allzu  selten  gefunden,  nördli 
nicht.  Ausser  dem  oben  bei  Hofheim  gefundenen  Jadeitbeil,  von  allen 
längsten,  besitzt  das  Museum  zu  Mainz  fünf,  in  der  Nähe  bei  Gonsenheim 
sammen  liegende  und  das  Museum  zu  Bonn  ein  bei  dem  nahen  Wes«»aJ 
gefundenes  Jadeitbeil  von  18,8  cm  Länge  und  7  cm  Breite. 


Römische  Altertümer. 

Von 


1.  Wer  Stand  der  limes-Forselmiigv 

Aöküüpfeiid  an  das,  was  wir  im  XXIV.  Band  unserer  Annaleu,  pag.  254 
gesagt  habeu,  eriDneru  wir  daran,  dasä  danach  das  Reicfasministerium  vom 
7. — 9»  April  1892  eioe  Kooferenz  nach  Berlin  berufen  hat,  iu  welcher  preua- 
sischerseits  die  Herren  Geh.  Oberregieruogsrat  Dr.  Althoff  in  Berlin,  Landes- 
direktor der  Rheioprovinz  Geb.  Oberregierungarat  Klein  In  Düsseldorf,  Oberst 
z.  D*  und  Konservator  von  Co  hausen  in  Wiesbaden,  r)berstlieutenant  vom 
Nebenetat  des  Grossen  Generalstabes  von  Leszcynski  in  Berlin,  Geh.  Regie- 
rungsrat Professor  Nissen  in  Bonn,  Baumeister  Jacobi  in  Homburg  v.  d. 
Hohe,  sowie  als  Mitglieder  des  geschäftsführend eu  Ausschusses  in  Heidelberg 
die  Herren  Generalmajor  a.  D.  Popp  von  München,  Professor  von  Herzog 
von  Tübingen  und  als  Vorsitzender  Hofrat  Professor  Zangemeister  von  Heidel- 
berg —  und  endlich  als  Dirigenten  bei  der  Reichskommission  der  General- 
lientenant  z,  D.  von  Sarwey  und  der  Professor  und  Museumsdirektor  Dr.  Hett- 
uer  in  Trier  bestimmt  wurden.  Als  Streckenkommissär  zwischen  den  grauen 
Bergen  (resp.  Lochmühle  bis  zum  Feldbergkaatell)  wirkte  der  Baumeister  Jacobi; 
weiter  hat  sich  in  unserem  Gebiet  die  Untersuchung  noch  nicht  erstreckt,  aber 
vom  Königlichen  Kultusministerium  ist  als  Sammelstelle  für  alle  längs  des 
Pfahlgrabens  in  Preusaen,  also  von  der  Lochraühle  bis  Rheinbrohl,  zu  findende 
Altertümer  vorläutig  das  Königliche  Landes-Museum  in  Wiesbaden  bestimmt. 
Des  weiteren  habe  ich  dann  auch  Homburg  für  alle  Funde  aus  der  Umgegend 
der  Saalburg  von  der  Lochmühle  bis  zum  Heidenstock  in  Antrag  gebracht. 

Für  diejenigen,  welche  sich  auch  für  die  übrigen  Strecken  von  der  Loch- 
raühle bis  zur  Donau  interessieren,  sind  dadurch,  dass  jeder,  insonderheit  auch 
die  dem  Limes  zunächst  liegenden  Vereinsniitglieder,  sich  während  und  nach 
den  Ausgrabungen  an  Ort  und  Stelle  Notizen  machen,  messen»  zeichnen  und 
veröffentlichen  dürfen,  sodass  also  eine  öffentliche  Kontrolle  besteht,  wo  sie 
beliebt  werden  sollte,  reichlich  die  Mittel  gewährt,  diese  Interessen  ganz  zu 
verfolgen.  Von  berufener  Seite  aber  wurden  bereits  durch  den  archaolo- 
giBchen  Dirigenten  in  dem  „Archäologischen  Ansseiger"  pro  1802,  p.  147  u.  f., 


26 


wie  durch  den  Herrn  GeueralmaJL»r  a.  IK  Tüpp  m  der  ^Müncheuer  Allg?^ 
meinen  Zeitung^  !No.  7,  9  und  10  eingehende  Berichte  erstattet,  und  die  Ori* 
ginalberichte  der  Streckenkommissäre,  der  Herren  Jacobi,  Kofier  und  Pro* 
fessor  Wolff,  ferner  von  den  Herren  Conrady,  Schumacher,  SteimeU 
Kohl^  Eidam  und  Winkelmann,  denen  erläuternde  Bemerkungen  Ton  den 
Profesaoreo  Momnisen  und  Zaogeraeiater  beigefügt  sind,  in  dem  „Lime»- 
Blatt**  I.  u.  II.,  einem  Beiblatt  zur  „Westdeutöchen  Zeitschrift'*  verÖfFeütlichi, 
Hchüeselich  soll  die  ganze  Arbeit  zAisammengofasst  und  mit  den  erfordorüchcn 
Pläoen  veröffentlicht  werden.  Uns  hat  hier  vorläufig  nur  die  Strecke  von  der 
Saalburg  bis  zum  Feldbergkastell  zu  beschäftigen. 

Die  Saalburg  selbst  hat  den  Dirigenten,  unter  Führung  des  Baumeisters 
Jacob i  und  des  Verfassers,  als  Lehrobjekt  gedient,  an  dem  weitere  Unter- 
suchungen nicht  nötig  erachtet  wurden.  Die  Arbeit  erstreckte  sich  daher  nur 
auf  daa  kleine  Manipularkastell  Heidenstock  (Körn.  Grenzwall,  p.  129)  und  das 
Feldbergkastell  (Rom.  Grenzwall,  p.  137). 

Der  Heidenstock  zeigte  sich  nach  der  Abräumung  des  Steinwalles  als  ein 
in  Trockenmauer  aus  Lesesteinen  aufgeführtes  Rechteck  von  23,40  zu  19,40  m 
Grösse,  dessen  Mauern  von  1,90,  2  bis  2,05  m  Stärke  mit  abgerundeten  Ecken 
bis  zum  Wehrgang  nicht  wohl  über  2  m  hoch  gewesen  sein  konnte.  Es  wird 
von  einer  schmalen  Berme  und  einem  seichten  Grabeu  umzogen  und  hat  dem 
PfaMgraben  zugewandt  einen  3,10  m  breiten  Eingang.  Uns  scheint  es,  da  die 
Romer  überhaupt  die  schweren  Hölzer,  welche  wir  als  Palissaden  gebrauchen, 
nicht  hatten,  sondern  sieh  leichter,  etwa  4  — 6  cm  starker  Pfahle  bedienten,  das« 
die  Brustwehr  vor  dem  Wehrgang  aus  solchen  durch  Flechtwerk  zu  einem 
Ganzen  verbundenen  Pfählen  bestand,  welche  dicht  vor  der  Mauer  eingeschlagen, 
durch  Zweiganker  in  der  Mauer  gehalten,  dem  Ganzen  den  genügenden  Halt 
gaben.  Möglich,  dass  die  Pfahle  auch  schon  an  der  Berme  durch  einige  Flecht- 
zweige verbunden  waren  und  oben  verlängert  Zinnen  mit  Wintbergen  bildeten, 
das  Flechtwerk  auch  mit  Graslehm  verputzt  war,  wie  auch  dass  die  Barack«; 
im  Innern  mit  ähnlicher  Wandbildung  und  mit  einem  Dach  aus  Stroh  oder  aber 
aus  Reisern  und  Rasen  gebaut  war,  da  der  Mangel  an  Dachziegeln  und  die 
Menge  gebrannten  Lehmes  mit  Kohlen  darauf  hinweisen.  Nehmen  wir  noch 
an,  dass  statt  des  hölzernen  Thores,  wofür  Schwelle  und  Anschlag  aus  Stein 
oder  Holzspureu  fehlen,  ein  astreicher  Baum  in  die  Thorlücke  geschleift  wurde? 
so  haben  wir  die  Ausrüstung,  mit  welcher  die  Grenzkosaken  und  selbst  unsere) 
Grenz  Wächter  ihre  notdürftige  Unterkunft  wohnlich  und  sicher  machen ;  und 
grössere  Ansprache  werden  auch  die  römischen  Grenzwächter  nicht  gemacht 
haben,  denn  die  zahlreichen  in  Maassen  und  Konstruktion  so  verschiedenen 
Zwischenkaatelte  deuten  auf  solche  nicht  offizielle,  sondern  freiwillige  nnd  not* 
gedrungene  Konstruktionen  hiu. 

Die  Funde  beistanden  aus  3  schönen  Gewandnadeln,  einigen  BrunzenHinzeo, 
Lanzen*  und  Pfeilspitzen,  einem  Hammer  und  einigen  Nägeln,  Thünscbcrbeiii 
kleinen  Ziegeln  und  einem  Mühlstein  von  Mendiger  Lava,  der  zeigt,  daaa  die 
Wächter  auch  ihr  Mehl  sich  selbst  bereiten  raussten. 


4 


^Si 


27 

Wir  bentiteen,   laugs   des   Pfahtgrabens    weiter  gebetxd«   dio  Oelegeaheit, 
tm  Rom.  GreQÄwall  noch  nicht  erwähnten,  1887  vom  Furstnieister  Herrn 
lluene  entdeckten  Turmöberrest  (No,  31^  2)  nachzutragen,  welcher  152;i 
chrttl  weiter  als  der  Stoekplacken  (Rom.  Grenxwall  136)  liegt. 

Von  groÄsem  loteredse  sind   die  Ansgrabungen    am  FeldbergkasteH :    aie 
brachten  Dinge  zu  Tage,   die  uns  bei  der  Bearbeitung  des  Rom.  Qrenzwalles 
uobdiannt  blieben,   da  wir  keine  Mittel  zu  Aasgrabungen  hatten,   und  uns  auf 
Jiü  Aufnahmen  des  Oberförsters  Baum,  der  1842  im  Auftrag  des  Nassauischen 
imsrereins  Messungen   und   kleine  Nachgrabungen  gemacht  hatte,   sowie 
niiäere  eigenen  Messungen  beschranken  mussten. 
Das  Feldbergkastell,   auf  einem  sanften  Wald-  und  Wiesenabhang  nörd* 
cb  des  grossen  und  des  kleinen  Feldbergs  gelegen,   hat  in  den  Aussenkanten 
sr  1,50  03  starken,  solid  mit  Mörtel  gebauten  Mauer  93,40  zu  78,50  m  Grösse, 
einfache,  durch  je  zwei  Türme  verstärkte  Thore  von  3,50 — 3,60  m  lichter 
Teite  und  hinter  den  gerundeten  Ecken  einen  Turm  von  3,18  zu  2,90  m  lichter 
Um  das   Kastell   läuft  vor   der   1  m   breiten   Herme   ein    Spitzgraben, 
860  Sohle^    wo  Strömung   der  Quell  wasser   der  Weil   zu  beachten   war,    mit 
erundeter    Pflasterung   versehen    ist.      Über   den   Graben,    der   auch   vor   den 
boren   durchlief,   müssen  Holzbrücken  gefuhrt   haben.     Denn  es  sind  an  den 
Dgängen  regelrechte,    nach   aussen  abschliessende  Verbindungsmauern  herge- 
pellt,   welche   als   Auflager   einer   Holzbrücke   zu    dienen   geeignet   sind.     Wir 
uns  zu  diesem  Zwecke   nicht  etwa  eine  Zugbrücke,   sondern  eine  leicht 
tirücfc-  und  vorzuschiebende  RoUbrücke  vorstellen,  und  wäre  deren  Konstruktion 
einem  feststehenden  gezimmerten  Gegenufer  bei  eioer  Spannung   von  etwa 
m  leicht   zu   finden    und   durch   die   vielen   verfügbaren  Mannschaften   leicht 
ad  rasch  zu  bewegen. 

Die  Mauer  ist  grossenteils  bis  zur  Webrganghöhe    1,50  m   erhalten,    und 
dögeo  die  abgestürzten  Steine  bis  zu  80 — 85  cm  Höhe  ausreicheo. 

Fünfzig  Schritte  vor  dem  Kastell,  aber  noch  innerhalb  des  Pfahlgrabens 
gt  die  kleine  Villa  als  Schutthaufen,  die  sich  jedoch  bei  der  Nachgrabung, 
wie  im  Rom«  Grenzwall  dargestellt  ist,  zeigt,  nur  umgekehrt,  Nord  wurde 
äd»  Sie  bat  auf  der  Nord  Westseite,  wohl  wegen  des  dahin  abhängigen  weichen 
leläadea,  vier  Strebepfeiler  und  zwischen  diesen  das  Schiirloch,  durch  welches 
Hypokausten  von  drei  Räumen,  der  mittlere  mit  zwei  Exedren,  geheizt 
rerden  konnten;  die  vier  anderen  Räume  sind  ohne  Heizung.  Davor  ist  ein 
IdwestUcher,  2  au  2*/i  m  weiter  Raum  durch  Plättung,  Cementierung  der  Wände 
Viertelrundstäbe  in  den  Wickeln  als  ßaderaum  für  kaltes  Wasser  gekenn- 
t^icbnet,  zumal  aus  ihm  ein  unterirdischer  Ablauf  uoter  dem  als  Küche  zu 
zeichnenden  südöstlichen  Anbau  hindurch  ins  Freie  läuft.  Nichts  bindert  in 
.Küche,  das  Wasser  zu  wärmen  und  in  den  Kaltbadraura  zu  tragen,  aber 
irfte  nicht  ausreichen,  das  ganze  Gebäude  als  Badehaus  zu  bezeiobneo, 
"ie  man  an  anderen  Kastelleo,  wo  eine  derartige,  auch  grosse  Villa  nie  fehlt, 
('ersucht  hat. 

Die  Lage  der  Villa    in   einem   weichen  Wiesengrund    hat  allem  Anschein 
eine  tiefe  Fundamentierung  erfordert»  und  in  dieser  fand  sich  beim  Nach* 


*^  **"*- 


so 


3.  Komischer  Hehnielz^chmnck  nnd  Ooldschniieflji^erilte. 

Mit  Tafel  IV. 

Im  Oktober  1892  wurde  in  Mamz  (Gaogaase  16  links  beim  Aul^ 
Aufraum  für  einen  Hausbau  eine  Anzahl  von  römischen  Emailarbeiten  gefunden, 
welche  mit  andern  Goldschmiedgeräten  und  Brandscbutt,  auch  wenigen  Thon* 
Scherben  in  einem  Mauerwinkel,  wie  in  einem  Versteck  zusaranienlageu  und 
daa  Gerücht  verbreiteten,  man  habe  mit  einer  Emailfabrik  zu  thun. 

Der  Finder  und  Grundbesitzer  verlangte  so  hohe  Preise,  dass  keines  der 
benachbarten   Mui^een    allein   die  Sachen   ankaufen  konnte,    sondern   es   einem] 
Antiquitätenhändler  überlioss,    dieselben  an  sich  zu  bringen   und  in  Partien  aa 
dm  rOmiäch-germantsche  und  an  das  Wiesbadener  Museum,  teils  anderwärts  xnl 
verkaufen« 

Das  romisch-germanische  Museum  reinigte  die  Fundstücke  und  behielt  die 
Vorhand, 

Der  Fund  bestand  im  wesentlichen  aus; 

15  schmekverzierten  Knöpfen,  aus  solchen  3  Fibeln,   5  Haften,    Zie^« 

knöpfen,  4  Eapseldeckeln  und  B  Kapseln   (Duflbüehsen), 
aus  einigen  (etwa  12)  gewöhnlichen,  unverzierten  Bronzespangen, 
aus    einer   grossen    Anzahl    (etwa    100)    von    weissen    und    schwarx 
Kapellen, 

12  Bronze-Löffeln  mit  geknicktem  Stiel  (Fig.  11). 

13  Drabtstäbchen,  am  Ende  zum  Schüppchen  ausgeplättet  und  mit  einen 
länglichen  Öhr  versehen, 

14  Punzen,  1   Zängelchen, 
19  sehr  verrosteten  eisernen  Siegelringen  ohne  Stein  oder  Schmelz,  Nägeln, 

Schlüsseln,  eisernen  Messern  mit  und  ohne  Bronzebeschlag.  5  Latrun* 

culi,  vielen  Würfeln, 

verschiedenen  Ziegeln  mit  dem  Stempel  der  22,  Legion  und  andere,  auc6 

einem  Hohlziegel   mit  diesem  Stempel  —  womit,  wie  es  scheint,  etil 

Weg  zu  der  Werkstätte  gestickt  war* 

Da   ich    nun  im  Jahre  1873    im   12,  Band  unserer   Annalen^  eine  kletnn 

Abhandlung    über   römischen    Scbmelzschmuck  geschrieben   und   der  LitteratuC 

über  diesen  Gegenstand  gefolgt  bin,    und   obschon   ich  von  dem  dort  Oesagieii 

tiur  wenig  xu  ändern  und  nur  über  die  alte  Goldschmiedtechnik  einiges  beisu^ 

fugen  habe^  so  hielt  ich  es  doch  für  meine  Pflicht,  über  den  Fund  hier  zu  be« 

richten. 

Es  ist  mir  dabei  weniger  um  die  Kunstformen,  als  um  die  Tecitnik  zu  thunj 

Schon  vor  den  Römern  zur  Latonezeit  vom  4.  bis  L  Jahrhundert  r,  Ghri 

wurden  emaillierte  Schmucksachen.    Waffen  und  Sporen  in    das   uördliohe   und 

östliche  Deutschland  und  Gallien  exportiert,  wohl  weil  dahin  der  Seeweg  »icherei! 

»ein  mochte,  als  die  durch  die  Wälder  Mitteldeutschlands  führenden. 


*)  Dtr  Tereifl  bfwist  ocNth  ftinvi  Aoulil   vtm  Sand^fmltdrackcn  mit  iwei  Tjif«tii  FwrU«»«] 
dnmk,  di«  er  «orkiuftieb  su  t  M.  nbgieUt. 


81 


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I 


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I 

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( 


Wir  kennen  die  lüdustriepiodukte  aus  den  Werkstätten  vom  Moot  Beuvrai, 
dem  alten  Bibracte  (Autuo,  Saone  et  Loire),  Dieselben  erzeugten  vorzugsweiae 
oioeo  roten  (Blut-)Schmelz,  der  iu  heissem  Zustand  in  die  Höhlungen,  Gruben 
der  EU  verzierenden  Gegenstände  (Schwertknäufe,  Fibeln)  gegosaen  und  dann 
durch  Abfeilen  des  Überflüssigen  geebnet  ^^urde.  Unser  Museum  besitzt  von 
dieser  Industrie  eine  eidechsenßrmige  Fibel  vom  Ältkönig  und  wenig  andere 
ale  Beispiele*  Um  dies  Studium  hat  sich  der  leider  zu  früh  dahingeschiedene 
O*  Tischler  nicht  mit  philologischer  Akribie^  yondern  mit  den  Kenntnissen  der 
Gegenwart,  mit  chemischen  Untersuchungen,  mit  Dünnschliffen,  Mikroskop  und 
Polarisierungs-Instrumenten  verdient  gemacht 

Zur  Zeit  der  römischen  Kaiser  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr«  kamen  die 
römischen  Schmelzarbeiten  nach  Deutschland,  Gallien,  Britannien.  Es  war  nur 
Qrubenschmelz,  die  Farben  nicht  durch  eingelötete  Stege  geschieden.  Denn 
diese  Werkweise,  der  Zellenschraelz,  kam  erat  viel  später  (um  1100)  aus  Byzanz 
nach  Deutschland. 

Der  Orubenschmelz  verschwand  mit  dem  Sturz  der  Römermacht  ums  Jahr 
400.  An  seine  Stelle  traten  die  Gold-  und  Silberschmiede-  und  Juwelierarbeiten, 
die  wir  in  den  Gräbern  der  Franken  und  Alemannen  finden.  Sie  bedienten  sich 
dünner  Gold-  und  Silberplatten,  die  auf  Bronzeplatten  befestigt  waren,  und  ver- 
zierten sie  mit  Almandinen  (edlem  Granat)  und  Pyropen  (böhmiachem  Granat)^ 
welche  ihnen,  zu  Tafelsteinen,  Dünosteineo  geschliffen,  wohl  aus  dem  Orient 
zukamen  und  denen  sie  gewaffelte  Goldfolien  unterlegten,  Rotes  durchsichtiges 
Glas  war  im  Altertum  unbekannt  und  tritt  erst  im  Mittelalter  Ende  des  10.  Jahr- 
hunderts in  Kirchenfenstern  auf.  Die  roten  Steine  an  den  fränkischen  Schmuck- 
stücken sind,  wenn  keine  ganz  neue  Fälschung,  daher  immer  acht,  dagegen  wurden 
auch  blaue  und  grüne  Glasflüsse,  selbst  Perlmutter  und  Elfenbein  eingesetzt 

Den  römischen  Goldschmieden  waren  zwar  Filigran-  und  Kügelchenarbeit^ 
auch  das  Tauschieren  und  Niellieren  bekannt,  doch  übten  sie  die  beiden  letzteren 
Zierarten  lange  nicht  so  häufig  wie  die  Pranken  und  Alemannen  und  tauschierten 
nicht  wie  diese,  in  den  reichen  und  nationalen  Mustern  in  Gold  und  gar  nicht  auf 
Eisen.  Die  fränkischen  Künstler  produzierten  zwar  auch  Filigran,  meist  aber 
zwirnten  sie  den  Draht  nicht,  sondern  gaben  ihm  nur  durch  Einhacken  den 
Anschein  des  Filigrans. 

Autfallend  ist  es,  dass  in  Rom  und  überhaupt  in  Italien  sowohl  Scbmelz- 
arbeiten  wie  Terra  sigillata - Gefässe  so  selten  sind.  Lindenschmit  schreibt 
dies,  und  gewiss  mit  Recht,  dem  feineren  Geschmack,  dem  Reichtum  und  dem 
dort  herrschenden  Luxus  zu,  welcher  ächten  Goldschmuck  und  statt  der  Thon- 
gefäase  solche  von  Silber  verlangte,  die  minderwertige  Ware  den  Provinzen 
überliess,  und  für  sie  anzufertigen  und  zu  vertreiben  gutfand. 

So  verschwanden  beide  Industrien  mit  dem  Sturz  der  R5mermacht.  An 
Stelle  des  Schmelzschmuckes  trat  der  mit  dünnen  Gold-  und  Silberplatten  und  mit 
fragwürdigen  Edelsteinen,  und  statt  der  reichverzierten  Terra  sigillata  kamen 
schwarze  oder  graue,  nur  mit  Eindrücken  und  Strichen  gekennzeichnete  Gebrauchs- 
töpfe auf  den  alemannisch -fränkisch  eu  Markt.  Die  für  den  Hausgebrauch  arbeiten- 
den Tüpfereien  und  Glashütten  konnten,  wenn  auch  durch  die  Unruhe  der  Völker- 


^H^^tMKmm 


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32 


Wanderung  öfters  uuterbrochoo,  nicht  aurgegeben  werden;  das  was  sie  bUdeteHt 
hatte  nicht»  mehr  gemein  njit  den  Erzeugnidsen  der  Romer.  Bedurfoisforaita 
und  VerzieruDgen  waren  andere  geworden»*) 

In  dem  Fund  auf  der  Gaugasse  zu  Mainz  1892  haben  wir  es  mit  atwei 
Techniken  zu  thuu,  oder  wenn  man  will,  mit  einer  Email  werkstatte  und  einer 
Gold-  und  Silberöehmiede.  Beide,  wenn  auch  unvollkommen  vertreten,  geben 
doch  Gelegenheit,  ihrer  Werkweise  nachzuspüren  und  sie  mit  denen  der  Qogeti- 
wart  zu  vergleichen.  Es  sind  zwei  Schamierfibeln  mit  Schmelzplatten,  die 
eine  rautenförmig;  der  Mittelkreis,  von  einem  Bronzesteg  umschlossen^  ist  rot 
mit  schwarzen,  gelburakreisten  Tupfen.  Darum  eine  griine  Raute»  mit  weiasoö 
schwarzumkreisten  Tupfen  und  um  diese  eine  rote  Raute  ohne  Verzierung.  Man 
erkennt,  wie  die  Felder,  als  sie  noch  Schlammraassen  waren,  mit  einem  Rioglein. 
gelb  oder  schwarz  und  in  dessen  Mitte  mit  einem  gleichfalls  eingedrüekteü 
schwarzen  oder  weissen,  runden  Olasfadenabschnitt  verziert  worden  sind,  wie  wir 
dies  p.  20  des  citierten  Schriftchens  oder  der  Annalen  XII,  p,  228  gesehen.  Auch 
mag  mau  das  Ringlein  unmittelbar  auf  das  Glasstäbchen  wickeln  und  mit  diesem 
abzwicken. 

Bei  zwei  Heftplatten  in  Form  eines  Fisches  (Fig.  6  u,  7)  mit  zwei  Knebeln 
auf  der  Ruckseite  und  einem  beweglichen  Ring  auf  der  Aussenseite,  ist  der 
eine  Kurper  grün  ohne  Verzierung,  der  andere  blau  mit  fünf  roten,  weissum- 
kreisten  Tupfen  geschmückt,  welche  in  gleicher  Weiße  wie  oben  entstanden 
sind.  Die  grossen  roten  Augen  der  Fische  sind  von  einem  Bronzesteg  nteht 
eben  korrekt  umschlossen,  aber  von  dem  Schmelzscblamm  vollständig  ausgefüllt 
und  durch  einen  unregelraässigen  weissen  Tupfen  vollendet. 

Bis  sind  noch  vorhanden  die  Deckel  von  Duftbüchschen,  mit  Lochern  am 
Boden  und  an  den  Seiten,  welche  wohl  auch  als  Kapseln  für  iTkundensiegel 
angesehen  worden  sind.  Auch  hier  stossen  die  grünen  oder  roten  Schmelzmassen 
unmittelbar  aneinander  und  schliessen  an  die  Bronzeränder  dicht  an. 

Eine  andere  Klasse  aber  sind  die  scbeibeufürmigen  Zierknopfe,  welche  an 
die  Stelle  der  Fibula  treten,  nur  dass  sie  auf  der  Rückseite  keine  Nadel  und 
Nudel^eheide,  sondern  in  der  Mitte  nur  einen  Knopf  haben,  also  wie  etw*a  unsere 
Manschettenknöpfe  in  ein  oder  in  zwei  Knopflöcher  hintereinander  eingeknöpft 
werden  können.  Sie  haben  die  in  Fig.  1  u*  2  in  doppelter  Grosse  dargestelUtr 
Form.  Sie  bestehen  aus  einem  ursprünglich  höchstens  2  mm  starken  Bronze- 
blech, welches  auf  der  Gesichtsseite  mit  Aussparung  der  Stege  bis  auf  schwach 
1  mm  Dicke  ausgedreht  ist  und  einen  kaum  1  mm  starken  schräg  abfalleoden 
Rand  behalten  hat.  Die  Schmuckseite  ist  in  zwei  oder  mehrere,  durch  die 
Metallstege  oder  Grubenränder  getrennte  Zonen  geteilt  und  mit  Glasschmek 
gleichfalls  von  kaum  t  mm  Stärke  erfüllt.  Metall  und  Schmelz  sind  dünn 
gehalten,   damit  sie  durch  ihre  Ausdehnung  und  Zusammenziehung  in  Wärme 

^}  Uet  den  GlSAem  kann  man  bemerken,  wte  die  BJSiner  aben  weite  Triitkeohalen  null 
Kiiunen  mit  fein  profllferten  und  nng&selKton  Henkeln  hatten,  die  Franken  aber  Sohalün  dIibi* 
Staritlbodeo,  iclbil  unten  Eu^etpiute  Triaki^lilAer,  aber  keine  OefAsBo  mit  Henkeln  Aaferti|ften 
Man  kanu  aas  letst«r«iD  eelbat  tchUeaton,  daaa  ihre  Qlaahütteo  kernen  Kühlofen 


93 


I 


» 


Site  nur  gerioge  Kraft  aufeinaader  ausüben  können  und  zum  Reidsen  oder 
Biegen  keine  Oelegenheit  geben. 

Eine  grosse  Hilfe  wurde  der  Emaillierkunöt  dadurch,  dass  man  die  Eunat 
des  Millefiori,  welche  nicht  ohne  die  des  Überfangena  möglich  war^  mit  heranzog. 

leb  glaube  am  besten  äu  thuo,  nicht  die  einzelnen  Zierscheiben  (Man- 
schettenknöpfe),  sondern  das  Verfahren  bei  ihrer  Anfertigung  zu    beschreiben : 

Nachdem  das  Braüzeblechstück  etwa  durch  Prägung  seine  Hauptforra,  die 
Rundung  und  den  schräg  abfallenden  Rand  erhalten  hatte,  wurde  seine  Vorderseite 
mit  Aussparung  der  Stege,  welche  die  Zonen  trennen,  etwa  1  mm  tief  abgedreht, 
sodass  nur  der  1  mm  starke  Boden  für  den  Schmelz  übrig  blieb  und  dieser 
als  Farbachlamm  von  rotem  oder  grünem  Schmelz  mit  einem  Schüppchen  (Fig.  13) 
eingefüllt  wurde.  Letzterer  war  am  flüssigsten^  kochte  leicht  auf,  diente  aber, 
iudemer  den  Boden  in  sehr  dünner  Lage  überzog,  auch  als  Klebstoff  für  die  weissen 
oder  blauen  Millefioriwürfel,  welche  auf  ihn  eingesetzt  wurden.  Ebenso  dient 
auch  der  rote  Schmelz,  welcher  zwischen  den  MillefioriwürfelQ  hervorquillt,  aber 
auch  selbst  kreisförmige  Mittelfelder  und  Zonen  oder  auch  würfelförmige  Felder 
bildet,  in  welcher  Millefiori-Ornamente  eingedrückt  sind,  als  Klebstoff, 

Diese  kleinen  Ornamente  in  den  Würfeln  sind  aus  schwarzen,  weissen  und 
roten  quadratischen  Stäbchen  zusammengesetzt  und  bilden  Kreuze  oder  Dambrett- 
chen^  oder  sie  bilden  Blümchen,  bestehend  aus  einem  gelben,  rotumkreisten  Mittel- 
punkt, an  welchen  sich  acht  spitzwinklige  Dreiecke  als  Blättchen  mit  der  Spitze  an- 
heften (Fig.  3,  4,  5).  Diese  feinen,  nur  mit  der  Lupe  zu  analysierenden  Orna- 
mente wechseln  in  den  Farben ,  die  Kreuze  schwarz  und  weiss,  oder  auch 
schwarz,  weiss  und  rot,  die  Blümchen,  je  nach  dem  Medium,  in  das  sie  ein- 
gesetzt sind,  mit  8  blauen  oder  weissen  Blättchen.  Diese  Ornamente  sind 
natürlich  nicht  ursprünglich  in  dieser  Feinheit  gemacht,  sondern  in  vielleicht 
1  cm  starke  Packete  zusammengelegt,  geglüht,  mit  der  Plattzange  zum  Quadrat 
geformt  und  dann  vor  der  Lampe  glühend  ausgezogen,  wodurch  sie  mit  Bei- 
behaltung ihrer  Form  bis  auf  jedes  Mass  verdünnt  werden  konnten.  —  Man 
erkennt  das  sowohl  an  den  Kreuzen ,  wie  an  den  Blümchen ,  welche  von 
sehr  verschiedener  Grösse  sind.  Die  so  entstandenen  Stäbchen  (Fig.  16)  werden 
entweder  abgeknipst,  in  die  kalte  rote  oder  die  grüne  Schlammmasse  gesteckt, 
oder  sie  werden,  ohne  zerstückt  zu  werden,  mit  blauem  oder  weissem  Glas 
fiberfangen  und  mit  der  Plattzauge  zu  einem  quadratrischen  Stab  von  den  un- 
gefähren Abmessungen  gepresat  und  dann  mit  dem  Meissel  zu  dünnen  Blättchen 
abgehackt,  wir  wir  sie  in  Fig,  1  im  doppelten  Masssfeab  dargestellt  finden.  Wir 
aehen  hier  die  äussere  Zone  mit  rotem  Schmelz  erfüllt,  der  nicht  nur  selbst- 
stäüdige  Felder  bildet  uod  mit  je  4  Kreuzchen  verziert  ist,  sondern  auch  die 
WBlsaen  und  die  blaueo  Würfel  festhält,  verdrückt  hat  und  zwischen  ihnen  her- 
v-orgequollen  ist. 

Man  sieht,  die  ganze  Arbeit  ist  liederlich  und  voller  Fehler  zu  Stand  ge- 
bracht* Aber  eben  diese  Fehler  sind  es,  die  uns  das  Arbeitsverfahren  enthüllen, 
Wibr&Jid  eine  korrekte  Arbeit  sie  verstecken  würde. 

Dma  Mittelfeld  der  kleinen  Zierseheiben  ist  ganz  mit  rotem  oder  mit  grüu- 
Uaüüm  Sclimcliic,  der  gekocht  hat,  angefüllt  und  es  sind  in  denselben  in  uuge- 


34 


fahren    Reihen    otwa   vierzig  Kreuze   gesteckt,    deren    Grösse    von  2    zu  3 
variiertf   je   oachdem  das  MUIetioripäekclieo  am  oberen  und    unteren  Ende 
gekniffen  und  verwandt  worden  ist.    Da  die  Schnielzflächen  und  die  MUlefiori- 
Würfel  und  Stäbchen  nicht  alle  gleich  hoch  sind,   so   werden  aie  abgedchlü| 
um  auch  die  Metallstege   wieder   blank  zu  machen,    worauf  das  Stuck  ^    d| 
m  nicht  poliert  werden  muss,    wieder   in  den  Ofen  kommt   und  die  Oborfli 
etwas  schmikt  und  dadurch  glänzend  wird. 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  Fundstiicken^  die  man  einer  Gold-  oder  Sill 
schmiede  zuschreibt.     E&  sind  vor  allem  die  Kapellen  (Fig.  9  und  10  in  ufi 
lieber  Grösse).     Es  waren  deren  etwa  100  Stück. 

Soll  ein  Stücken  Oold  oder  Silber  probiert,  oder  von  dem  Zuaatz  uno 
Metalle  gereinigt  werden,  öo  geschieht  daa  durch  das  Abtreiben  auf  der  Kap 
(Fig.  9  u,  10),  welche  auf  einem  Blech  in  der  Muffel  (Fig.  15fi)  steht,  wähl 
die  Muffel  rings  von  glühenden  Kohlen  auf  ein  Paar  Eisenstäben   im  Uuffet4 
(Fig.  156}  steht. 

Das  Verfahren  beruht  darauf,  dass  dem  edlen  MetaU  in  der  Kapelle  einej 
gewisse  Menge  Blei  beigegeben   wird,   das   sich   mit   den   edlen   und   unedleni 
Metallen  legiert,  mit  letzteren  zusammen  zu    Oxyd   verbrennt,  diese  Oxyde  (aU 
ßleiglittte)  schmelzen  und  von  der  porösen  Masse  der  Kapelle  aufgesaugt  werii 
80  dass  das  reine  Edelmetall  geschmolzen  auf  der  Kapelle  zurückbleibt, 
in  die  Einzelheiten  des  Verfahrens  und  der  Erscheinungen  einzugehen^),  lel 
uns  die  Kapellen,  die  in  Mainz  in  römischen  Trümmern  gefunden  worden 
daaa  zur  Kömerzeit,  ebenso  wie  noch  heute,  verfahren  worden  ist.    Die  Kap€ 
(Fig.  9  u,  10),  welche  vor  dem  Gebrauch  weiss  sind,  sind  gleichfalls  aus  feuc 
Knochenasche  mit  Holzkohlenasche  in  einem  Cylinder  mittels  eines  FormstempeE 
geformt   oder  geprägt  worden,   wieder    getrocknet  und  geglüht,   und   dann 
noch  heute  mit  Edelmetall  und  Blei  beschickt  in  die  Muffel  und  den  Muffel 
gebracht  worden.    Nach  dem  Oebraucb  erscheinen  sie,  wie  sie  in  Fig.  9 
gestellt  sind,  grauschwarz  und  schwerer  als  die  weissen,  eben  durch  die  ei|i 
«ogenen  Oxyde  und  auch  Kohle. 

In  derselben  Werkstätte  hatte  man,    wie  es  schien  aus   derselben, 
ähnlichen    Masse    weisse    und    grünschwarze    Würfel    mit    ungefärbten    Aiigen| 
sowie    einige    Latrunculi   von   Porzellan-    oder   Frittmasse  gefunden   und 
nun    gleich    bereit,    die    Kapellen    für    Spielmarken    oder    Damsteine    «u 
klaren*    So  geformte  Damsteine  oder  Spielmarken  sind  aber  niemals  gefuc 
worden,  und  es  muss  wohl  bei  der  von  uns  gegebenen  Erklärung  sein  Bewenl 
haben.  | 

Von  sonstigem  Qoldschmiede Werkzeug  fanden  sich  noch  14  eiserne  Punzeui 
(Fig.  14),    die,   wie  wir  sie  auch  jetzt  noch  macheu,   in  der  Mitte  dicker  sindj 
damit    sie    nicht ,    wenn    sie    gleichmässig    dünn    wären ,    in    der    Hand 
jedem   Schlag  ititterten.     Sie   dienen  dazu,   runde,    drei-   und   viereckige 
tiefaDgen  einzuschlagen,    wie  wir  sie  z,  B.   in  gewissen  Tieriibeln  mit  SchmeTd 


Liigeni 

-1 


*}  Sie  Biiid  In  jedem  Bandbuoh  der  te^hnischcD  Chemie  oiler  Oold-  und  SiJb<»ri»cii 
%ilft9t,  I.B.  in  £.  R.  Schuberths  Elemente  d«r  techtiiBclien  Chemii*,  udt^r  in  R.  v.  fCtiU 
Hsodbuoh  fQr  (h)ld-  und  SUbflr&rbciteD,  Weimar  1887,  »Acbiuleten, 


Hfl 


igefülU  hudüü.    Auch  diuaon  sie,  um  iu  tlüuuü  Metallplatteu  auf  der  eatgo^en- 
etzteü  Seite  danach  gestaltete  ErhöhungeD  aufzutreiben. 

Drahtstäbcheo,  etwa  13  (Fig,  12  a.  13)»  welche  unten  etwas  angegpitzt, 
üben  aber  zu  einem  Schuppchen  plattgeschlagen  sind  nnd  unter  demselben  ein 
KiDglicheis  Ohr  haben.  Da  bei  einigen  die  Schüppchen  etwas  aufgerollt  sind,  so 
hat  man  sie  für  liaarnadoln  gehalten  und  das  Öhr  zur  Befestigung  mittels  eines 
Fadens  am  Haar  gemutraasst.  Wohl  noch  besser  wird  das  Werkzeug  als 
Schüppchen  zum  Gleichstreichen  des  Schmekmassenteiges  und  das  Öhr  zur 
Befestigung  eines  flachen  Borstenpinsels  zur  gleichzeitigen  Wirkung  mit  dem 
Schüppchen  zu  halten  sein. 

Es  wurden  ferner  noch  einige  weisse  und  einige  braune  Stäbchen  von 
30  mm  Länge  und  3  mm  Durchmesser  gefunden^  die  man  fiir  Schmelzfarbe 
hielt,  ohne  dass  ich  die  Richtigkeit  erhärten  kann. 

Allein  7Mt  Goldschmiede-  und  Emaillierwerkstätte  fehlen  sehr  viele  Dinge, 
wenn  gleich  man  ein  Zängelchen  und  auch  einen  Hohlziegel  der  22.  Legion 
6ind,  aüs  welchem  letzterem  man  wohl  eine  Muffel  konstruieren  konnte,  da  alle 
fUideren  dazu  tauglichen  Thonscherben  fehlen» 

Zwischen  dem  römischen  Schmelzschmuck  und  der  enkaustischen  Malerei 
!er  Alten  besteht   eine  gewisse  Ähnlichkeit,    nicht   in  den  Darstellungen,    denn  * 
diese  sind  beim  Schmelzschmuck  immer  klein,  ornamental  und  mosaikartig,  sondern 
in  der  Arbeit,  in  den  Werkzeugen  und  in  der  Farbenbehandlung. 

Bereits  1885  gab  Otto  Donner  von  Richter  iii  den  ^Praktisch-chemisch- 
technischen  Mitteilungen*  eine  Abhandlung  heraus:  ,, Technisches  in  der  Malerei 
der  Alten,  insbesondere  in  der  Enkaustik*,  in  welcher  dargelegt  ist,  wie  die 
Alten  ihre  Farben  bereiteten,  wie  sie  dieselben  aufgetragen  und  wie  sie  das 
Gemälde  geglättet  haben.  Er  geht  dabei,  indem  er  die  alten  Schriftsteller  mit 
technisch  eindringendem  Blick  liest  und  wieder  liest  und  sie  mit  praktischen 
Versuchen  auf  ihre  Genauigkeit  prüft,  in  einer  Weise  vor,  dass  jeder,  der  sich 
nicht  mit  erfahrungslosen  Übersetzungen  oder  hinschlüpfenden  Redensarten 
begnügt  und  nicht  in  einem  Autoritätsglauben  befangen  iat,  die  Richtigkeit  seiner 
Darlegung  anerkennen  muss.  In  diesem  Sinn  hat  Donner  von  Richter 
jahrelang  die  Malerei  der  Alten  in  Italien  studiert  und  seine  Skizzenblätter  mit 
Dingen  gefüllt,  welche  von  zünftigen  Archäologen  über  die  Schulter  angesehen 
werden,  für  die  Kenntnis  der  römischen  Altertumsreste  in  Deutschland  aber 
von  grösstem  Interesse  sind. 

Was  er  über  die  Bereitung  der  Farben  sagt,  hat  auf  unser  vorliegendes 
ema  keinen  notwendigen  Bezug.*)  Die  Alten  malten,  ausser  in  Tempera  und 
eseo,  mit  puniachem  Wachs  (cera)^  mit  demselben,  mit  dem  sie  auch  die 
Schrifltäfelchen  (tabellae)^  die  sie  mit  dem  Stylus  im  Gürtel  trugen,  überzogen. 
Solche  Tafelchen  und  Styli  haben  wir  auf  der  Saalburg  gefunden  und  eine  Nach- 
ahmung solcher  in  Mainz  vorgekommener  in  unserem  Museum  aufbewahrt.  Aber 
Wir  gestehen,  daas  wegen  der  Härte  und  Zähigkeit  des  Wachses  die  Versuche 


^)  fc*w  \3i  nwmnx    zu   einem  anderen  Zweck,   zur  Konsemerung  des  Eieens,  an  anderer 
iiirackzukonuneih 

3* 


36 


iTer-  I 
irb* 
für 
[loa,  I 

HP 


damit  nicht  ebcu  elegaot  geliiigeu  wollten,  wir  hatten  kein  punisches  Wachs 
konnten  uns  keines  von  Tnaia  kommen  lassen.  Donner  von  Richter  belej 
uns  aber  an  der  Hand  von  Plinius,  dass  das  Wachs  erst  dadurch  die  noi 
Geschmeidigkeit  erhält,  vrenn  es,  abgesehen  von  einigen  kleinen  Nebenoperation^ 
einige  Zeit  mit  Nitrum  (d.  i.  Natron)  gekocht  und  dadurch  einer  Art  von  Ver 
seifung  unterzogen  worden  ist.  Dieser  Seife  oder  Salbe  (cera)  wurden  die  Färb 
Stoffe  zugesetzt^  um  die  Wachsfarbeu  (cerae)  zu  erhalten :  schwarz  oder  rot  für 
die  Schreibtafelchen,  das  Purpurisium,  das  Indigoblau,  das  Weiss  von  Miloa, 
das  Arsenikgelb^  das  Appianiache  Grün,  das  Bleiwoias  für  die  Malerei.  ImmeggL 
hin  aber  bleibt  das  so  Behandelte  tur  den  Pinsel  zu  steif  und  zu  wenig  flüsi 
wenn  nicht  noch  Eigelb  oder  Eiweiss  oder  Olivenöl  beigefügt  wird,  damit 
Uaare  des  Pinsels  die  Farbe  aufsaugen  und  entlassen.  Wohl  aber  gelang  das 
Schreiben  oder  Zeichnen,  sowie  das  Glätten  und  Verstreichen  sehr  wohl  mit 
der  Spitze  des  Styles  und  mit  dem  Schüppchen  oder  der  Spatel  am  anderen  Ende. 
Betrachten  wir  nur  die  vorn  abgeplatteten  Drohtatucken,  die  wir  in  der 
Schmelz'  und  Goldschmied werkstätte  gefunden  und  Taf.  IV,  Fig.  13  abgebildet 
haben,  so  haben  wir  zwar  nicht  den  spitzen  Stylus,  wohl  aber  das  Schuppchen 
oder  das  Cestrumi  mit  dem  wir  die  schlammigen  Schmelzfarben  aufgetragen 
und  glattgestrichen  haben. 

Ebenso  wurden  auch  bei  der  Wachsmalerei  die  Farben  aufgetragen^  oder 
wenn  man  will,  aufgeschmiert. 

Das  aber  machte  die  Waohtämalerei  nicht  zur  Enkaustik.  Durch  die  salbet 
artige  Weichheit  des  punischen  Wachses  bedurften  wir  zum  Farbenauftrag  der 
Wärme  nicht,  der  Wärme  oder  Hitze  bedürfen  wir  aber,  wie  der  Name  er 
heischt,  doch  sehr  wohl,  indem  wir  über  das  vollendete  Gemälde,  dem  noch 
atOrendo  Strichlagen,  unvermittelte  Übergänge  und  Rauhigkeit  anhaftet,  mit  d( 
Cauterium,  einem  mehr  oder  weniger  heissen  Eisen  hinfahroD,  ohne  sie  zu 
rühren^  die  Farben  zum  Schmelzen,  nicht  zum  Verfliessen  und  Tropfen,  mnii 
nur  das  zugesetztes  Olivenöl  zum  Verdunsten  oder  zum  Verharzen  bringen  ui 
dadurch  dem  Gemälde  einen  gleichförmigen  Glanz  oder  Schimmer  geben. 

Dasselbe  geschah   aber   auch  mit   der  Schmelzmalerei;   nachdem  dieaelbe 
in  der  Mutfei  eingeschmolzen  und  unter  dem  Schleifstein  geebnet  worden 
wurde  das  Stück  noch  einmal    in  die  Muifel  gebracht   und   erhielt   mehr   ni 
als  eine  massige  Hitze,   welche   der  nach  dem   Schleifen   noch    rauben  Flä( 
einen  Glanz  verlieb,   welcher   nur  durch  langes  Feinschleifen   und  Polieren 
erreichen  gewesen  wäre.  — 

Von  dem  römisch-germanischen  Museum,  dessen  Direktor  und  Gründer 
gestern   in  tiefer  Trauer   zu  Grabe  getragen,   in   dessen  Sohn    wir  aber  eii 
Konservator  besitzen,  der  seine  Kenntnis,  seine  technische  und  geschäftliche 
fahruug  seit  4  Jahren  bewiihrt  hat,  wird  beabsichtigt,  den  ganzen  Fund  zu 
üffaEtUchen. 


ocb  I 


Burgen  in  Nassau, 

Von 

A.  V*  Cohaasen. 


^ 


I 


1.   Di©  Barg  Schwalbach  (erbaut  1368—1371). 
Mit  Tafel  V. 

Unter  den  oassauischen  Burgeu,  ja  vielleicht  uoter  deutschen  Burgen 
überhaupt  zeichnet  sich  die  Burg  Schwalbach  durch  ihren  symmetrischen  Grund- 
riss  und  ihren  regelrechten  Aufbau  aus.  Auf  dem  rechten  li^fer  des  Palmbachs 
und  der  Aar,  welche  sich  hei  Diez  in  die  Lahn  ergieast  und  10  km  siidÖBtlich 
von  dieser  Stadt  nimmt  sie  das  Ende  eines  kurzen  Bergvorspriinges  ein  und  ist 
auf  drei  Seiten  durch  dessen  steile  Abhänge,  auf  der  Ostseite  aber  durch  einen 
tiefen  Pelsgraben  von  der  hoher  ansteigenden  Berglehne,  dem  Angriffsgeläode, 
getrennt*  Ihr  äusserer  Bering,  die  hohe  und  starke  Zwingermauer,  bildet  an- 
nähernd ein  Rechteck  von  80  Schritt  Breite  und  65  Schritt  Höhe,  vor  dem 
ein  fünfter  Wbkel  20  Schritt  vorspringt.  In  diesem  Fünfeck  liegt,  etwa  25, 
12  und  7  Schritt  zurücktretend,  der  ebenfalls  sehr  regelmässige  Onindriss  der 
Burg,  ein  Fünfeck,  in  dessen  Kapitalwiukel  der  runde  Bergfried  und  in  dessen 
Rehldeite  der  rechtwinklige  Rittersaalbau  angebaut  liegt. 

Um  zur  Burg  zu  gelangen,  dient  ein  steiler  Fahrweg,  welcher  vom  Flecken 
her,  die  Burg  immer  rechts  lassend,  den  Felsgraben  erreicht  und  durchfahrt, 
um  in  den  unsymmetrisch  vor  der  rechten  Fünfeckaeite  angebauten  Thorzwiogor 
zu  gelangen.  Dessen  erstes  Thor  ist  von  einem  runden,  ausgekragten  Turm 
auf  der  Ecke  des  Hauptzwingers  überwacht,  der  den  am  Thor  Stehenden  in 
den  Rücken  (en  revers)  fasst.  Der  Eingelassene  gelaugt  dann  an  das  andere 
Ende  des  langen  und  schmalen  Thorzwingers»  an  das  Thor  unter  dem  Porten- 
haus-  Diesem  Haus  sind  noch  einige  Wirtschaftsränme  im  Zwinger  angebaut, 
während  der  entgegengesetzte  Winkel  des  Zwingers  die  Kapelle  birgt.  Zwischen 
ihr  und  dem  Palas,  dem  Rittersaal,  zieht  sich  der  Weg  zu  dem  linken  Schulter- 
punkt, und  kommt  durch  ein  schiefes,  gotisches  Thor  in  einen  Vorraum  und 
von  diesem  entweder  geradeaus  in  die  Küche  oder  rechts  in  einen  engen  Hof  (wie 
ihn  der  Gutenfels  und  viele  andere  Burgen  aufweisen),  auf  dessen  rechter  Seite, 
der  Küche  symmetrisch,  noch  zwei  GemäGher  ebener  Erde  liegen.  Eine  dritte 
Tfair  fuhrt  rückwärts  in  den  ebenerdigen  Stock  des  Rittersaales,  von  dem  eine 
*üm  Keller  führt.    Eine  Sohnecke,  eine  Wendeltreppe,  führt  zum  zweiten 


und  drittea  Stock  und  zum  Wehrgang.     Dieser  ist  hier  uud  überall  Auf  eine 
Bogenfries  vorgerückt  und  auf  den  beidou  Ecken  nach  der  Thalseito  durch  el 
rundes  und  ein  sechseckiges  Wichthäuschen    mit  Scharten    unterbrochen.     Af 
diese  genaonten  Räume  sind  dreimal  überwölbt 

Um  zum  Bergfried  zu  gelangen,    benutzt   man  diese   und    deu  Dachrau 
der  Seitenflügel  oder    ersteigt    von  den  Gemach ern   neben   dem  Hof  auf  einl 
geraden  Treppe   in   der  Mauerstärke  den   Wehrgang.     Von  ihm  aus    wird    dl 
Hof  auf  einem  abwerfbaren  HoIz8teg  überschritten,  der  auf  Kragsteinen  vor  der 
50'  über  der  Hofäohle  gelegenen  Pforte  aufruht ;  derselbe  mag  aus  zwei  Half 
bestanden  haben,  sodass  er  von  dem  Dachraum  des  einen  oder  des  anderen 
bäudeflügels  benutzt  werden  konnte.     Durch  diese  Pforte  gelangte  man  auf 
erste  Überwolbung,  von  welcher  ein  Loch  in  das  Verliess  sich  öffnete.    Dies 
Verliess  ist  jetzt  vom  Hof  aus  ebener  Erde  zuganglich,  da  man  wahrscheiulid 
schon  vor  dem  17,  Jahrhundert  hier  in  den  Turm  eine  weite  Üfl'nuug  gebrochen  und 
80  eine  Art  von  Grotte  gebildet  hat.     Ob  in  derselben  etwa  der  Bruuneo  ati 
lief,    dessen  Leitung  während    des  Bauernkrieges    abgeschnitten   wurde,    wiss^ 
wir  nicht  zu  sagen.     Der  Hof  war  jedenfalls  ein  gesicherter  Ort,   da   ihn 
Bergfried  mit  seiner  Hoho  und  mehr  als  doppelter  Breite  gegen  die  Geschoa 
von   der  Angriffsseite   schützte.     Die  Mantelmauer,    die    sich    zu    beiden  8eifc 
an  den  Bergfried  anschliesst,  hat  ihm  zunächst  eine  Dicke  von  mehr   als  5 
also  eine  Breite,  die  sie,   da  sie  dachlos  war,   auf  der  einen  oder   der  anderen 
Seite  zur  Aufstellung  von  Schuss-  oder  Wurfmasehinen   ^ehr  geeignet  macb 
Das  Verliess  im  Bergfried  wurde  schon  zur  Zeit  der  Hexen prozesso  nie 
mehr  benutzt  und  an  dessen  Stelle  trat  ein  Gefängnis  in  dem  sechseckigen  Wie 
iiau«  auf  dem  linken  Schulterpunkt  der  Zwingermauer.    Von  dem  Gewölbe  ül 
dem  Verlies»  führte  eine  Wendeltreppe  an  drei  überwölbten  Stockwerken  vorüber 
auf  die  gezinnte  Wehrplatte  des  Bergfrieds.    Dort  sieht  man  in  den  FeUgrabq 
liiiiab  und  auf  das  östliche  Angriffsgelände.  den   Honnigsberg  mit  dem   Hexe 
kippel,    wo  die  Hexen  von  Burgschwalbach  verbrannt  worden  sind,    nach  deu 
andern  Seiten  aber  in  das  Palmbach-  uud  Aarfha),  sowie  über  dies  hinweg 
den  Höhenzug  der  Fuehsenhohl  mit  der  3  km  westlieh  gelegenen  Burg  Holüf 
fela      Der  Bergfried  bleibt  nur  so  wenig  von  der  Äussenseite  der  Maatelmad 
zurück,  dass,  um  den  Wehrgang  vor  ihm  herumzuführen,  sechs  Tragsteine 
gesetzt  sind,   den  Gang  zu  tragen ;  ob  zwischen  den  Tragsteineu  einst  Masc 
kuU  angebracht  waren,    ist   trotz  ibrer  Zweckmässigkeit   an   dieser   Stelle, 
Masohikuli  an  deutschen  Burgen  überhaupt  nur  sehr  selten  angewandt  wor4 
sind,  unwahrscheinlich. 

Überall,   Rowohl  am  Bergfried,   als  am  Kern  werk,   wie   an   der  Zwic 
mauer,   sind   die  Zinnen  auf  Bogenfriosen   hinausgerückt.     Der  VVehrgang 
Uauptzwingermauer   ist   auf  den  Schulterpunkten    links   durch    einen    zum 
föugnis  dienenden  7  eckigen,    der  rechts,   der  das   erste  Thor   verteidigt,   du 
einen  runden,  ausgekragten  Turm  oder  Wichhaus  unterbrochen.  Überhaupt  gel 
wenige  Fenster  nach  aussen :  die  der  Wohnräume  zumeist  nach  dem  Hof;  jeai; ' 
wie   die   am  Rittersaal,   können    durch  Fallladen   geschlossen  werden,    weshdb 
hior   iilii^r  ö^n   i<rkn|»|>i»ltrn   FrriMtfrn   eiserne   Hinge  angebracht   sind. 


I 


Das  Portenhaus  auf  der  rechten  Keblecke  hi  unten  massiv,  oben  mit  aus^ 
gekragtem  Fach  werk  und  spitzem  Giebel  erbaut. 

Ihm  gegenüber  in  dem  andern  Winkel  steht  die  Kapelle  mit  Balkendecke, 
welobo  otnen  Fruchtboden  trug,  mit  einem  im  halben  Achteck  geschlosaenen  Chor, 
in  dem  einst  ein  schöner,  geschnitzter  und  gemalter  Flügelaltar  aus  dem  16,  Jahr- 
hundert —  jetzt  als  Geschenk  des  Herrn  A.  H.  Metzler  in  Frankfurt  a.  M. 
im  Museum  zu  Wiesbaden  —  stand.  Die  Kapelle  konnte  durch  einen  Kamin, 
dessen  Schlot  im  westlichen  Giebel  ausgekragt  hinaufführt,  geheizt  werden»  Aus 
der  Kapelle  fuhrt  ein  jetzt  verschütteter  Gang  abwärts. 

Am  Fuss  des  Burgberges  liegt  das  lang  vor  der  Burg  genannte  Dorf 
Schwalbach  mit  mehreren  Edelsitzen.  Es  kommt  unter  dem  Namen  Squalbaeh 
schon  790  als  eine  Schenkung  Karls  des  Grossen  au  die  Abtei  Prüm  und  831 
durch  Tausch  mit  der  Abtei  Fulda  vor.  Vögte  der  Abtei  waren  hier  die  Grafen 
von  Katzenelnbogen,  von  denen  Graf  Eberhard  1368  bis  1371  die  Burg  baute 
und  dem  von  jetzt  an  Burgschwalbach  genannten  Flecken  Stadt-  und  Befes- 
tigungsrecht verschafilte.  Die  Kapelle  Im  Flecken^  in  deren  Grundmauern  noch 
der  äbrenformige  Verband  vorkommt  und  welche  noch  einige  romanische  Reste 
aufweist,  scheint  jedenfalls  schon  im  13,  oder  12.  Jahrhundert  erbaut. 

Innerhalb  der  Umschliessung  des  Fleckens  liegen  vier  adlige  Höfe:  Ober- 
haasen  am  Abhang  des  Burgberges,  bewohnt  von  den  Junkern  Rode  (deren 
Stammsitz  bei  Idstein)«  der  Herrschafts  ho  f,  später  von  den  Lönern  von  Lauren- 
hurg  (Stammsitz  zwischen  Nassau  und  Diez  a.  d.  L.),  der  Borgsitz  am  Schloss- 
berg, bewohnt  von  Eydell  von  Waldmannshausen  (dessen  Stammsitz  7  km  nörd- 
lich Too  Hadamar),  dann  von  Hans  Kaspar  von  Buches,  dann  von  Johann  von 
Elingelhach  (bei  Katzenelnbogen),  dann  von  Philipp  Rode;  der  Brederhof 
zwischen  dem  Herrsch aftsliof  und  der  Kirche  gelegen,  dem  Breder  von  Hohen- 
slein  (an  der  Aar  unfern  Bad  Scbwalbach),  später  einer  Agnes  von  Bicken, 
geb.  Forstmeister  von  Gelnhausen,  dann  dem  Junker  Philipp  Rode  gehörig.  Unter 
den  Besitzern  dieser  Adelshöfe  werden  weiter  noch  genannt  die  von  Weiters, 
die  Ton  Hattstein  (2  km  nördlich  von  Reifenberg),  von  Bicken  (6  km  östlich 
TOH  Hej^bom),  Mosbach  von  Lindenfels  (im  Odenwald),  v.  d.  Leyen  (am  Mittel- 
f]ia]i)|  Ton  Lindenau,  von  Carben  (in  der  Wetterau),    von  Buseck  (östlich  von 

Wahrscheinlich  waren  diese  Edelsitze  schon  vor  der  Gründung  der  Burg 
voriiaiiden  und  bewohnt.  Als  Burgraannen  werden  genannt:  Die  von  Schön- 
born  (Schönborn,  der  Stammsitz  des  in  Franken  noch  blühenden  Geschlechtes, 
hm  Katzenelnbogen),  die  Schenk  von  Schweinsberg  (östlich  von  Marburg),  von 
Blieinberg  (an  der  Wisper  die  alten  Rheingrafen),  die  Köth  von  Wanscheid 
^25  km  nördlich  von  Wahnerode),  die  Rode  von  Burgschwalbach* 

Von  den  Grafen  von  Katzenelnbogen  kam  nach  ihrem  Aussterben  Burg- 
lehwalbach  1479  an  Hessen   und    nach   einigen  Zwischenbesitzern    und  Pfand- 
1536   an  Nassau-Weilburg.     Bei   dem   Bauernkrieg   1525   wurde   die 
leitung  der  Burg  zerstört,  aber  um  1598  wieder  hergestellt. 
Graf  Wilhelm  von  Nassau- Weilburg  lebte  hier  bis  zu  seinem  Tode  1594, 
»eine  Witwo,  Erica  OtjiHn  von  Isenburg,  erst  1028  hier  starb. 


U 


40 

Schon  uro  1583  bemühte  steh  der  Graf  Albrecht  von  Nassau- WeilburgT 
den  im  Aarthal  3000  Schritt  westlich  des  Fleckens  eutspringendeD  Sauerbrunneö 
nutzbar  zu  machen.  Derselbe  findet  jetzt  als  Jobanntsbrunnen  reichlichen  Ge- 
brauch und  Verband.  Auch  wurde  der  Weinbau  um  diene  Zeit  an  den  Abhängen 
des  Eichelherges  fleissig  betriebeu,  sodass  er  z.  B-  15tjB  über  22  Fuder  ergab, 

Ura  1737  war  die  Burg  sehr  in  Verfall,  sodass  Möbel,  Thüren  und  Fensi 
Öfen,  Dach  und  Ilolzwerk  versteigert  wurden.    Nur  das  Dach  der  Kapelle  büi 
da  über   ihr   ein  Kornspeicher   und   in  ihr   Ställe    waren;    das  Portenhaua   mit 
Stallung  blieb  gleichfalls  bestehen* 

Das  Portenhaua  wurde  von  der  nassauischen  Regierung  1817  auf  den 
Abbruch  versteigert  and  für  100  Gulden  dem  Zimmermann  Georg  Philipp  Schnabel 
Sttgeschlagen^  der  die  Erlaubnis  erhielt,  es  bestehen  zu  lassen,  und  seitdem  ei] 
Wirtschaft  darin  führt,  in  welcher  Touristen  und  Künstler  zeitweise  auch  wohn 
sie  wird  durch  den  Sohn  Philipp  Heinrich  Schnabel  zur  Zufriedenheit  f< 
gefllbrt     Für  die  Erhaltung  der  Burg  giebt  der  Staat  jährlich  60  Mk  aus. 

Wir  haben  in  der  Burg  Schwalbach  ein  schematisches»  alles  umfassen« 
Bild  dessen,  was  man  im  14.  Jahrhundert,  zur  Zeit,  wo  so  viele  Burgen  gebi 
wurden,  von  einer  deutschen  Burg  verlangte,  unbehindert  durch  Vorteile  tw 
Nachteile  des  Geländes,  oder  durch  Hemmnisse,  die  im  Gelüste  oder  dem 
vermögen  des  Bauherrn  oder  im  Baumaterial  lagen.  Der  vom  Bergfass 
Burg  weg  Aufsteigende  hat  von  Anfang  an  die  Burg  immer  zu  seiner  Rechten 
durch  kein  Schild  gedeckten  Seite;  sowohl  in  der  Kehle,  wie  auf  der  linken 
Burgscite  und  im  tiefen  Felsgraben,  und  da,  wo  er  vor  dem  ersten  Thor 
Thorzwingers  anhält,  ist  er  immer  übersehen  und  hier  selbst  im  Rücken 
nommeu.  Der  Thorzwinger  selbst  zieht  sich  von  da  lang  und  schmal  bis  st 
Thor  unter  dem  Portenhaus.  Beide  Thore  haben  weder  einen  Vorgraben,  nocfe 
Fallgatter,  weil  der  Weg  zu  ilinen  so  gut  beobachtet  ist.  Auch  innerhalb  der 
Ilauptzwingermaucr  umkreist  der  Weg  fast  die  Hälfte  der  Burg,  die  er  im 
rechts  lässt  und  von  den  mit  Fallladen  geschützten  Fenstern  beschossen  wen 
kann,  ehe  er  die  Pforte  au  der  linken  Burgschulter  erreicht. 

Das  Angriftsgelände   steigt   östlich    der  Burg   sanft    au    und   ist 


Ken 

de»  I 


von 


Höhenstrasse  aus,  welche  zwischen  Hahnstetten  und  Dauborn  das  Aar-  und 
das  Wörabach-Thal  verbindet,  leicht  zu  befahren  und  bietet  daher  den  Seht) 
und  Wurfmaschinen  des  12,  Jahrhunderts  eine  leichte  Anfahrt,  Aus  dies 
Grunde  sind  auch  die  dorthin  gerichteten  Mauern  der  Burg  sehr  stark 
alle  Räume  zwei-  und  dreifach  überwölbt.  Der  Bergfried  ist,  weil  die  Belagerer 
sich  nach  beiden  Seiten  ausbreiten  können,  rund,  nicht  allzu  cück  und 
starken  Mauern  versehen  und  doppelt  so  breit,  wie  der  Hof,  der  durch 
defiliert  wird. 

Zum  Behagen  der  Burgbewohner  liegen  die  Wohnräume  nach  der  souniij 
Südseite.     Die  Kapelle  ist  richtig  orientiert  und  selbst,  eiu  seltener  Fall,   h4 
bar.    Für  die  Oeselligkeit  unter  den  Grafen  von  Katzenelnbogen  und  von  N« 
Weilburg  war  durch  den  zahlreichen  Adel,   der  die  Burg  umgab,    und  die 
je  zwei  Kaminen  heizbaren  Festräume^  die  Rittersäle^  von  denen  aus  die  Tr 


iflil 


mMM 


pacli  dem  Keller  ging,   und  wohl   auch  durch    den  Landwein  des  Eichelberges 
jgeüügeDd  gesorgt* 

Ausser  meinen  Aufnahmen  und  den  Oesprächen  mit  G.  P.  Schnabel  in 
|Burg«chwalbach  wurden  hier  die  Mitteilungen  des  Herrn  Bürgermeister  Oapp 
[daselbst,  sowie  Yogela  „Naasau''  und  Lotz's  „BaudeDkmäler*^  und  zahlreiche 
'Notisen  von  Herrn  Schüler  im  Wiesbadener  Tagblatt,  Dezember  1886,  benutzt. 


> 


2.  Der  Nollliig  oaer  NoIHcht. 

Mit  Tafel  VI. 

Auf  dem  steil  aufsteigenden  Bergrücken,  dem  Wachten-  oder  Burberg 
über  der  Stadt  Lorch,  der  das  Wisper-  vom  Rheinthal  scheidet,  liegt  ein  Turm, 
NvUlng  oder  Nollicht  genannt,  welcher  meist  als  eine  Burgruine  bezeichnet 
wird,  obschon  er  nicht  einer  Burg,  sondern  der  Befestigung  von  Lorch  ange- 
hört. Die  Stadt  war  zwar  am  Auäfiuss  der  Wisper  mit  einem  runden  Turm> 
Strunk  genannt,  längs  des  Rheins  mit  einer  Mauer  befestigt,  deren  Grund  man 
bei  Anlage  des  Leinpfads  fand  und  abbrach,  und  welche  sich  durch  das  Ober- 
darfer  Thor  an  die  längs  des  Bergabhanges  hinziehende  Mauer  mit  der  Eeller- 
pforte  dem  Platzer  Thor  anschlossj  und  vor  dem  Katzengraben  an  der  Wisper 
mit  dem  Burgthor  oder  der  Kuhpforte  endigte.  Auch  auf  dem  rechten  Wisper- 
tafer  war  der  dortige  Stadtteil  durch  die  Steilheit  des  Wachtenberges  und  die 
Weiober^smauern  geschützt,  welclie  in  dem  Sauer thor,  dem  runden  Wolfischen, 
später  Hexenturm^  dem  Weiseler  Thor,  dem  Waideoker,  später  Breitenbaeher 
Hof  and  am  Rhein  in  dem  Niederflurer  Thor  einigen  Halt  bekamen.  Die  Stadt 
haite  aber  eben  nur  von  dieser  Seite  einen  Angriff  zu  fürchten,  weil  vor  ihr 
die  Burgen  ihrer  Feinde  Gutenfels,  Sauerburg,  Rheinberg  und  andere  lagen, 
itod  fahrbare  Höhenwege  zum  Nolling  auf  dem  Wachtenberg,  der  die  Stadt 
bdieiTBchie^  führten.  Derselbe  musste  daher,  obschon  er  400  Schritt  vor  der 
Sladimiifiuaung  lag,   mittels   eines  starken  Werkes  in  die  Befestigung  gezogen 


Es  geschah   dies,   wahrscheinlich    im    14.  Jahrhundert,   durch    den    Turm 

SoDiiig,   von  dem  rechts  herab  ins  Wiesenthal   bis  zum  Sauerthor   eine  Mauer 

I  geaufgen  werden  sollte,   aber  aus  Mangel  an  Qeld  unterblieb   und  durch  Palis- 

mämi  nnd  dergleichen  zwischen  den  Weinbergsmauern   ersetzt  werden  musste^ 

wilireiid  auf  dem  Rhein abfall  wegen  dessen  Steilheit  und  leichter  Überwachung 

Matter  nicht  nütig  befunden  wurde. 

Der  Tann  wurde  auf  einen  Absatz,   den  mau  durch  einen  tiefen  Graben 

Rücken   abschnitt,   gesetzt.     Er  erhielt  die  Gestalt,   dass  eine  Quer- 

«wei  dreiviertel  Rundtürme  verband  und  hinter  ihr  ein  viereckiger  Turm 

wurde. 

Alb  Kauern    waren   von   Zinnen   gekrönt,    die    des   viereckigen   Turmes 

ab  die  vordere.     Die  Kurtine   war  zwischen   den  Türmen  mit  diesen 

boeh,  4,86  m  lang,  2,20  m  dick  und  verband  sie  mit  einem  engen,  ober* 


"*-^"^ 


42 


riAii  AP.  1 


wölbten  Gang.     Der  Unke,  der  den  Rhein  überblickte,  würde  einen  drelvU 
runden  Turm  von  :J,75  m  Durchmesser  und  1,90  m  lichter  Weite  bilden,  w€ 
er  nicht  einen  orillonartigen  Ausbau  hätte,    durch  welchen   in  etwa  7  m  Höhe 
ein  Ausgang  führte,    um  längs  des  RfaeinabhangeB  zwischen  den  steilen  Wein»] 
bergen  zur  Stadt  hinab  zu  gelangen.    Der  rechte  Rundturm,  der  mit  */«  se 
Umfanges   in   der  Kurtine  steckte,   hatte   im  übrigen    dieselben  Abmessung 
an  ihm  ist  die  Verzahnung  zu  sehen,  an  welche  die  1,57  m  starke  StadtmaiiecJ 
die  den  Berg  hinab  an  das  Sauerthor  fuhren  sollte,  anzusebliedsen  war.       ^M 

Das  merkwürdigste  an  der  Ruine  ist  aber  der  viereckige  Anbau,  ^H 
breit,  8  m  lang  und  etwa  7  m  hoch,  der  sich  an  die  Kurtine  anschloss  und  von 
ihr  aus  zugänglich  war.  Man  erkennt  nämlich  im  Innern  an  den  1,37  m  dickenl 
Mauern  überall  die  Eindrücke  des  Holzgerüstes,  welches  entweder  ganz  oder 
nur  auf  drei  Seiten  von  Mauerwerk  umschloasen  und  auf  einer  Seite  überputzt 
war.  Man  hat  dadurch  die  ganze  Zeichnung  des  durchschnittlich  30  cm  starken, 
Hrtizwerkes  vor  sich,  bemerkt  unten  die  zahlreichen  Ständer,  von  welchen  die 
an  den  Ecken  mehrfach  verstrebt  sind,  um  niche  nachzugeben,  wenn  sie  u]||h| 
angehjiuen  wurden,  und  erkennt  mehrere  Balkenlagen,  welche  den  Stock wei^H 
nicht  entsprechen,  aoudern  zur  Verstärkung  und  Verankerung  zahlreicher  sind; 
auch  mag  ein  Teil  einer  Holztreppe  noch  erkannt  werden. 

In  alter  Zeit  wurde  in  Holz  viel  mehr  gebaut,   als  heute  und  viel 
als  jetzt  noch  sichtbar  übrig  geblieben  ist. 

Viele  Befestigungswerke,  welche  rasch  begründet,  fertig  und  verteidigunge^i 
fähig  sein  mussten,   konnten  nur  durch   einen  vorbereiteten  Holzbau  entstehen«] 

So  geht  die  keineswegs    unwahrscheinliche  Sage   von   der   Gründung 
Wartburg  zwischen   1G67  und   1070  durch  Ludwig  den  Springer,  der  zwei 
Bergfriede    und  ein  Wohnhauti  aut*  Hulz  zimmern    und   sie    auf  den  Berg, 
jetzt  die  Wartburg  steht,  bringen  und  unversehens   aufschlagen  liess. 

Nach  der  „Limburger  Chronik*"  schlugen  die  Grafen  von  Nassau  und  voui 
Katzenelnbogen  eine  Burg  Ureveneck  dem  festen  Haus  Elkershausen  an  der 
Lahn  gegenüber  auf  und  beherrschten  es«  sodass  es  von  Stunde  an  gebrochdUi 
war.  Balduin  schlug  eine  Burg  Trotz-Eltz  am  Weg  dicht  vor  dem  Thor 
Burg  Eltz  auf.  Das  wäre  ohne  einen  plötzlich  aufgeschlagenen,  verteidig 
fähigen  Turm  nicht  möglich  gewesen* 

0er  Dcutschnrden  besetzte  einen  Landstrich  dadurch,  daas  er  in 
Eile  eine  Holzburg  aufschlug:    so  Martenwerder  bei  Kauen   im  Mai  1384^1 
er  14  Fuss  dicke  Mauern  gab,  sie  mit  300  Mann  besetzte  und,  obwohl  vol^ 
det,   nach    kräftiger  (tegenwebr  schon  im  September  desselben   Jahres 
verlor. 

Immer  begegnen  wir  dem  Ausdruck,  dass  die  Burg  „aufgeschlagen*  wu 
ebenso  wie  der  Zimmermann   noch  heute  das  Zimmergerüst  eines  Hausefi 
schlägt,  das  der  Maurer  dann  ausmauert. 

Bei   der  vielfachen   Verwendung    der   Zimmerleute   zum    Bau    and   AufJ 
«ehlagen  der  Belagerungstürme,  der  Schutzdächer,  der  Wurf  maschinell  wardo 
BUedenmeiitter  ausgebildet,  welche  auch  die  Wehrbauten  einer 
varbereiteten  und  aufBchtugen. 


"unge^i 
ehenj 


I 


Plötzlich  über  Nacht  wurden  die  zubereitatea  Hölzer  au  Ort  und  Stelle 
"fragen  und  von  ileu  Zimmernieiäterii  geordnet  und  aufgeschlagen.  In  wenigen 
inden  atand  das  Gerüst  da  und  wurde  unten  mit  starken  Bohlen  bekleidet, 
es  schon  den  Bauleuten  Schutz  gewahrte  und  von  den  Reisigen  ver- 
teidigt werden  konnte.  Während  die  Bekleidungsbohlen  beseitigt  und  durch 
Mauerwerk  ersetzt  wurden,  welches  das  Ztmmerwerk  umkleidete,  waren  die 
Bohlen  weiter  oben  angebracht  worden  und  in  dieser  Weise  fortgefahren,  bis 
das  Mauerwerk,  wenn  auch  noch  firisch  und  nicht  abgebunden,  durch  das  Holz- 
werk verankert  und  verstrebt,  einem  Angriff  trotzen  konnte. 

Das  ist,  waB  uns  das  alte  Gemäuer  erzählt  hat.  da  uns  keine  Urkunde 
von  den  Schicksalen  des  Baues  im  Lauf  der  Jahrhunderte,  von  welchen  die 
Stadt  mit  ihrem  zahlreichen  Adel  von  der  Ritterschaft  der  Umgebung  bedroht 
berichtet 

Statt  der  Ue^hichte  des  Kriegs  können  wir  nur  die  vom  Verfall  und  von  dem 
Beeitzweehsel  ersahleo,  die  wir  von  dem  Herrn  Bürgermeister  Schulte,  dem 
Herrn  H,  J.  Pendel  in  Lorch,  dem  Herrn  Amtsrichter  A.  Musset  in  Rüdes- 
beicn  und  von  der  jetzigen  Besitzerin  der  Burg  Noiling,  der  Frau  von  Tsche- 
bitteheff,  geborene  Fürstin  Obolenska^  freundlich  mitgeteilt  bekamen: 

Am  30.  März  1844  hat  Dr.  Rössel^  Sekretär  des  Altertumsvereins  und 

fVDD^crvator,  den  Nolllng  für  85  M.  70  Pf.  (50  Ü.)  von  der  Gemeinde  gekauft. 

Er  verkaufte  ihn    am   K  Januar  1860   an   die  Eheleute  Chr.  Hofert   in 

Emaw   omebdem  er  noch  einige   Ländereien   dazu  gekauft   hatte,   für   5 143  M. 

laOOO  11.). 

Von  diesen  kaufte  der   Marquis  Albizzi  (ein   Florentiner  Edelmann)  die 
Liigenicbftft  für  10800  M.   (6300  fl.).     Derselbe   baute   sich  auf  derselben  ein 
and   beschäftigte  sich,   wie  mau  mir  1872  erzahlte,   mit  Fuchsfaug. 
Konkurs  geriet,  nahm  ihn  der  Fürst  von  Leuchtenberg  als  Ver- 
ten  auf  seine  bayrischen  Güter  nach  Stein,  wo  er  jetzt  lebt.     Er 
iit  ivriieinitet  mit   einer  Stieftochter  des  genannten  Fürsten  und  lebte  mit  ihr 
m  iem  Blockhaus,  bis  es  abbrannte.     Sie  ist  leidend  und  lebt  in  Madera. 

Albiz3Ei*a  Sachwalter,  Herr  Götz  in  Wiesbaden,  übernahm  den  Turm  mit 
«dM  oyrininften  Landereien  am  IL  Dezember  1878  für  3040  M.,  welche  Frau 
T#a  Albizsi^  die  an  den  Besitz  attachiert  war,  in  kleinen  Raten  an  Herrn 
Ci€i  «bcatnigen  suchte.  Da  aber  dieser  die  Sache  bald  erledigt  wUnschte, 
0m  tnt  «le  Freundin  von  Frau  von  Albizzi,  die  Witwe  Frau  von  Tschebi- 
^seheff  fSr  sie  ein  und  zahlte  an  Herrn  Qotz  (am  17.  Juli  1888)  3786  M. 
mmi  mt  RNmft  jetzt  Besitzerin  der  Ruine,  der  zugehörigen  Weinberge  und  des 
Landes.  Sie  hat,  wie  ich  höre,  Freude  an  dem  Besitz  und  hat  nicht 
Ahaieht^  daran  etwas  zu  restaurieren,  sondern  nur  den  Nolling  zu  erhalten, 
SoDte  wieder  ein  Besttzwechael  eintreten,  so  kann  ich  nur  wünschen,  dass 
Hände  der  Stadt  kürnn  und  <lass  diese  ihren  alten  BefestiguDgsturm 
»o  pietätvoll  Itpjijimlrlrk  MHige,  wie  er  sich  nunmehr  seit  7  Jahr- 
erhalten hat 


*"■'^'-^^' 


^■^■■"■-^' 


Burgenfeste  Lage  der  Kloster   uud  Stifte  an  der  Lahn. 

Nicht  nur  für  Burgen  liebte  man  steile  Berge  und  Bergzungen,  BODdem* 
auch  für  Klöster  und  Stifte  wurden  bei  der  frühen  Gründung  solche  LageoJ 
zum^l  an  der  Lahn,  gewählt;  es  ist,  als  ob  die  ersten  Lehrer  und  Verbreiter 
des  Christentums  als  Franken  vor  den  neuen  Christen  —  den  Chatten  jenBeiti 
der  Lahn  —  noch  nicht  so  sicher  gewesen  wären,  dass  sie  nicht  den  Fall  vor^ 
ausgesehen  hätten,  ihre  Gründungen  auch  wohl  gegen  jene  wieder  Terteid|^ri 
3EU  müssen,  ^^ 

Das  Wallburgisstift  zu  Weilburg,  welches  der  Landgraf  Konrad  unl 
900  wohl  auf  einer  älteren  Kultusatatte  gründete,  liegt  auf  einer  auf  S  steilen 
Seiten  von  der  Lahn  umflosaenen  Halbinsel,  welche  durch  eine  tiefe,  in  vor- 
geschichtlicher Zeit  von  dem  Fluss  durchströmten  Einaenkung  vom  übr 
Land  getrennt  ist. 

Die  hoch  von  einem  Felsen  herab  in  der  Lahn  sich  spiegelnde  Kircbd 
von  Dietkirchen  erhebt  sich  auch  gegen  die  andere  Seite,  die  sich  gegei^ 
Liraburg  hinzieht,  steil  abfallend.  Sie  wurde  als  kleine  üolzkapelle  von  den^ 
Apostel  des  Landes,  dem  heil  Lubentius,  gebaut,  welcher  diese  Stelle  «ur  GrÜD^ 
düng  wählte,  nachdem  er  den  heidnischen  heiligen  Hain  Reckenforst  zerstört 
hatte  und  den  neuen  Christen  wohl  nur  wenig  getraut  haben  mag. 

Die  Praemonstratenser- Abtei  Arn  stein  liegt  auf  einem  hohen,  nach 
Seiten  steil  abfallenden,  nur  mittels  eines  schmalen  Kammes  mit  dem  hoh^ 
Gebirge  zusammenhängenden  Berg,  von  dem  sie  auf  das  Lahnthal  und  die 
Langenau   hinabschaut      Sie   verleugnet   nicht    ihren    Ursprung    als    Burg 
Grafen  von  Arnstein,  welche  diese  zum  Kloster  gestiftet  hatten. 

Die  Brunne  bürg,  auf  hohem  Felsen,  an  dessen  Puss  eine  Heilquelle  ei! 
springt^  gelegen,  ist  auch  an  der  Landseite  von  steilen  Abhängen  umgeben,  aiij 
denen   man  die  Umfassungen  erkennt,   die   sie   als  Burg   bedurfte.     Eine   arn- 
steinisehe  Tochter  Gisela   stiftete   hier   um    1061  — 1070   ein  adeliges  Präulein-i 
Kloster  nach  der  Regel  von  Praemonstrat. 

Der  Dom,   d.  h,    das   St.  Georgenstift   vou   Limburg,    liegt   auf  ein 
Felsen,  der  von  «wei  Seiten  von  der  Lahn  bespült  wird,  bei  Hochwasser 
konnte  man  sagen,  dass  er  einst  ringsum  wie  eine  Insel  von  Wasser  umgel 
war.     Schon  zwischen  814  und   847    wurde   hier   eine   Kirche  des   heil  G« 
gegründet,  dessen  Lindwurm  hier  wie  anderwärts   zum  Namen  des  Ortes 
anlassung  gab.     Um  910  wurde  die  Kirche  zum  Qeorgenstift  erweitert. 

Das  Benediktiner-Nonnenkloster  Dirstein^  jetzt  das  Kadettenhaus  Orani| 
stein,   war  wahrscheinlich   eine  diezische  Stiftung.     Es   liegt   auf   einem   g€ 
die  Laiin  vortretenden  Felsen,    welcher    durch    ein   jetzt   ausgetulltes  Thal 
der  Hochfläche,  dem  Hain  von  Diez,  getrennt  war. 


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Ctrc53 


jraiori 

ailei| 


I 


facbtrag  zur  Geschichte  der  Steigbügel 

im  XXIV.  Bande  der  Aimaleii  (1892), 


Von 

A«  Schlleben^ 

MäJof  »,  n. 
Hierzu  Tafel  Vn  bia  DC  otit  156  Abbihluu^en. 


Die  Tafeln  Vll  bis  IX  bieten  eine  Nachlese  von  älteren  und  neueren 
Sieigbägelformen,  welche  ich  neuerdings  in  den  Städten  an  der  Ostsee  vou 
Königsberg  bis  Kiel,  in  Dänemark  und  Schweden,  an  verschiedenen  Orten  im 
laaerQ  von  Deutschland,  sowie  in  bildlichen  Darstellungen  aller  Art  noch  ge- 
fanden  habe.  Wer  einmal  angefangen,  pflegt  auch  w^eiter  zu  sammelo  und  wird 
dem  Geschick  nicht  entgehen,  dass  alles,  was  er  veröffeullicht,  kaum  gedruckt, 
•ebon  wieder  unvollständig  ist.  Ich  habe  nachträglich  Sammluogen  gefunden, 
in  denen  die  Bügel  nicht  nach  Dutzendeo,  sondero  nach  vielen  Hunderten  zählen, 
«o  Bmmentlich  die  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  und  der  Prusuia 
in  Königsberg,  welche  gerade  durch  das  massenweise  Wiederkehren  derselben 
Fomsn  einen  ganz  bestimmten  Charakter  zeigen,  wodurch  einzelne  abweichende 
Sticke  tun  so  mehr  hervortreten. 

Die  in  meiner  Geschichte  der  Steigbügel  versuchte  Charakteristik  der 
Vmen,  welche  in  den  einzelnen  Jahrhunderten  vorherrschen,  finde  ich  auch 
hei  den  m  diesem  Nachtrage  aufgeführten  Exemplaren  bestätigt.  Bei  den  fast 
nUküeo  Bügeln  der  beiden  Königsberger  Museen  liegen  leider  nur  sehr  wenige 
Zeitangaben  vor.  Tischler  setzt,  wie  früher  atigeftihrt  ist,  fast  alle 
in  die  Zeit  bis  zum  XIIL  Jahrhundert,  d.  h.  der  letzten  Heidon- 
doeh  amfGtssen  die  Funde  an  einzelnen  Orten  viele  Jahrhunderte  und  reichen 
in  die  Wikinger^Zeit  zurück.  In  dem  Bericht  über  die  prähistorischen 
der  phys.-okonom.  Ges.  Band  XVIII,  1877  setzt  er  alle  in  die  Zeit 
dna  Jahr  1000.  Vielleicht  geht  man  nicht  fehl,  wenn  man  in  Ermangelung 
Anhaltspunkte  die  schwereren  und  sorgfältiger  gearbeiteten  Stücke  der 
die  einfacheren  und  zum  Teil  ganz  auffallend  leicht  gehaltenen  der 
Zeit  zuschreibt.  Je  allgemeiner  der  Gebrauch  der  Bügel  und  je  grosser 
Bedarf  wurde,  desto  weniger  Sorgfalt  konnte  auf  die  einzolnen  Exemplare 
werden 


46 

Eine  andere  Bemerkung  drängt  sich  bei  dem  Vergleich  der  nordischen 
Formen  mit  den  mitteldeutschen  auf,  die  uns  ja  grösstenteils  nicht  in  wirklichen 
Fundstücken,  sondern  in  bildlichen  Darstellungen  vorliegen.  Die  eigentliche 
Dreiecksform  scheint  im  Norden  gar  nicht  vorzukommen,  vielmehr  zeigt  sich, 
ausser  der  vorherrschenden  hohen  und  der  ganz  runden  Form,  hauptsächlich 
die  lang  gezogene  eiförmige  in  verschiedenster  Abstufung  und  Ausführung. 

Wir  haben  schon  früher  gesehen,  dass  die  Bügel  mit  der  Zeit  überall 
länglich  werden  und  dass  nur  die  Ungarn  auch  in  neuerer  Zeit  wieder  auf  die 
runde  Form  zurückgegangen  sind. 

Die  Zeichnungen,  denen  die  deutschen  Bügel  zum  teil  entnommen  sind, 
dürften  doch  nicht  als  durchaus  massgebend  anzusehen  sein;  abgesehen  davon, 
dass  sie  bei  Miniaturen  oft  recht  undeutlich  sind,  zeigen  eie  auch  auf  grösseren, 
sonst  recht  genauen  Zeichnungen  höchst  auffallende  Schnörkel  und  Ausführungen, 
die  man  am  liebsten  der  Phantasie  der  Künstler  zuschreiben  möchte,  so  die 
Fiffureti  159,  150,  147,  US,  151,  152  u.  a. 

Störend  wird  es  vielleicht  empftinden  werden,  dass  nicht  die  nordischen 
und  die  im  mittleren  Deutschland  vorkommenden  Bügel  gesondert  aufgeführt 
sind;  bei  einem  nochmaligen  Zusammenstellen  aller  früheren  und  der  jetzigen 
Formen  wäre  dies  vielleicht  durchf&hrbar.  Wo  die  Form  ein  ununterbrochenes 
Fortschreiten  zeigt  und  sich  über  mehrere  Jahriionderfe  erstreckt,  sind  der 
Übersicht  luliebe  frühere  and   spatere  Fandstücke  Easammengehalten   worden. 

Lässt  auch  die  Datierang,  besonders  bei  ganz  vereinzelt  vorkommenden 
Fanden  ohne  sonstige  Beigaben  noch  zu  wünschen  übrig,  so  bieten  doch  die 
2«eichnangen  mit  diesem  Anhange  nun  schon  eine  solche  Fülle  sicherer  Stücke, 
dass  man  nicht  mehr,  wie  bisher,  irgend  einer  Form  völlig  radas  gegenüber 
stehen  wird.  Ganz  entmutigt  kann  man  aber  werden,  wenn  man  in  emzelnen 
Gegenden  Pommerns  und  Holsteins,  in  welchen  die  Knechte  mit  vier  Pferden 
fahren  and  dabdl  auf  dem  Sattelpferde  reiten,  die  Bügel  betrachten  welche  sie 
fuhren.  Alle  Master  s^t  dem  XTI.  Jahriiand^rt  und  diese  von  dner  Weüe, 
wie  sie  damals  die  Barenfusse  and  Mailander  Schuhe,  spater  die  schweren 
R^losti^ri  erforderten^  wkA  in  allen  Troddlad^i,  iA  nicht  einmal  paarweise 
panoid,  angekauft  und  müssen  jetit.  an  ^eut  Sattettdssen,  einer  Art  von 
^ih^pium^  um  es  klassisch  lu  benennen^  befestigt,  die  mit  gr»st$en  Holzschuhen 
bekMdeten  Ban^rnfSase  anfinehmen.  Tiele  dies«'  Bügel  habe  ich  wirklich  für 
all  g^haHsB^  dam  acdche  Formen  find^  man  sonst  nur  bei  d«i  nordischen 
«ft  das  ktetML  uad  vorl^xleii  Jahrhundots. 

dw  Flures  beigegeboie  Beadirnbung  »ithah  zujrleich   diejenigen 
woldie  e^gentiieh  im  Text  hattai  besproefa^i  weiden  müssen. 


Ifciiraii«  4w  AbMMwis»^  As^abe  der  f^tVLtm  ud  B<sitE<^r. 

Dit  itainhcB  13ifclMM  Tiffiia  biAttm  4k  Jala^«i»ikTL 

Kriiif:bei|r   in   Holsmr^    durch 

Zeit  aj^pehoread  sieber  na^ihg^wieä^n, 

GmJL  T.  ScUeiw..Hobc-LaBeBh$,    Kid  1^^$^  Bd.  XTI, 


47 


354. 
355. 
35G. 


357, 


358. 


359. 

360. 

362. 
363, 
365. 
366. 
367. 

368, 


369. 
370, 
372. 


S*  411.  Es  wird  angenomfDCDj  daBs  der  Bügel  mit  den  Frankeu  each 
dem  Norden  gekorameo  ist.     IX. 

Altert. -Muaeum  Kopenhageo,  Bronze,  Öse  abgebrocheo.  X.? 
Fund  im  Torfmoor,  Bronze.    Ebenda.     X, 

Landfund  aus  Jütland,  der  Bügel  ist  mittels  Bronzeplatte  auf  ^lem  Bügel- 
rieraen  featgenietet,  Museum  in  Kopenhagen,  X,  Daseibat  noch  mehrere 
andere  bis  75  cm  hohe  Biigel,  zum  teil  tauschiert,  alle  zerbrochen,  aber 
mit  dreieckigeii  Schenkeln^  umgebogener  Sohle  und  knopfartiger  Verstär- 
kung am  Beginn  derselbeUj  ähnlich  Fig,  WS, 

Aus  Kösnicken  in  Oatpreus&enj  Sohle  3 — 4  cm  breit  und  etwas  gewölbt, 
befindet  sich  im  Museum  der  phys.-ökon,  Oea.  in  Königsberg.  X.  — XIII. 
Ana  Löber&hof,  Kreis  Labiau,  Ostpr.  Dort  sind  fast  alle  Formen  in 
Hunderten  von  Exemplaren  vertreten,  meist  paarig,  viele  sehr  leicht,  durch 
Münzen  und  anderes  datiert,  sie  umfassen  mehrere  Jahrhunderte.  Man 
kann  5  Typen  unterscheiden:  1)  Ohne  Ose,  fast  rund,  Sohle  schmal,  Fhj,  Sft9; 
2)  ohne  Ose,  Schenkel  mehr  gestreckt,  Sohle  breit,  Fiff,  S81j  3)  rundes 
Osenloeh,  Absatz  vor  der  Bohle,  Fig.  391;  4)  Ose  viereckig,  breit.  Sohle 
zungenförmig,  kein  Absatz,  Fig*  358 ;  5)  hohe  Form,  wahrseh.  die  älteste^ 
Fig.  401.  Ganz  dieselben  Formen  finden  sich  in  Popelken,  Kreis  Wehlau. 
Alles  im  Prussia-Museum,  Königsberg.    XI.— XIIL 

Aus  Ostpr euasen,  jüngste  heidnische  Zeit,  physik.-ökon,  Gesellsch.  Königs- 
berg.   Silbertausehierung,  10  cm  Durchm.     Vor  XIH. 
Eisen,  vergoldet,  Stockholm.  Nat.-Museum. 
Sehr  leicht,  Kopenhagen,  Altert-Museum. 
Aus  Kirpehnen,  Ostpreussen,  Königsberg, 
364.    Cornieten,  wie  359.     XIL 
Wie  359,  aber  nicht  tauschiert 

Kirpehoen,  daneben  die  Formen  von  358.  Prussia.       XL— XIII. 
Relief  auf  einer   isländ.  Kirchenthür;    der    Bügel   ist  am  Sattelknopf  be- 
festigt, Kopenhagen,  Alt. -Museum.     Um  1030. 

Federzeichnung  aus   einem  Pergament-Manuskript,  enthaltend  des  Pfaffen 
Konrad  Gedichte  von  Karl  d.  Gr.  d.  Bibliothek  zu  Heidelberg,  aus  Hefner- 
Alteneck  Bd.  II,  Taf.  79.     XII. 
Löbershof  a.  358. 

371.   Ostpreussen,  phys.-ökon.  Gesellsch.     XIIL 

Kreis  Fiachhausen,  nebst  vielen  anderen,  teils  runden,  teils  länglichen  Bügeln, 
Sohle  bisweilen  ganz  flach,     Prussia,     XIIL 

Gallhofen,  mit  Silbertauschierung,  Königsberg,  phys.-ökon.  Gesellsch.  XHL 
Ebenda.     XIII. 

Fast  kreisrund,  häufig.     Ebenda.    XIII. 
377.  Ebenda.     XHL 
Kirpehnen,  Prussia.     XIIL 
Phys.-ökon.  Gesellsch.  XIIL 
Iliachken,  Kreis  Wehlau.     Prussia.     XIIL 
Löbershof  s.  358, 


XL -^  XIIL 
XII. 
Prussia.     XL— XIL 


382.  Ganz  leicht,  wie  Kinder bügel,  wie  379.     XIII. 

383.  Cornieten,  OstpreuB&ea.  Öse  gedreht^  aber  abgebrochen,  gaii£  leicht, 
10:7  cm.     Phys.-ökon.  Oeaelkch.     Xllh 

384.  Sehr  leicht.     Ebenda.     XIIL 

385.  In  Kt'jnigsbera  irüfimdeu,     Prussia.     XIII. 

386.  Wie  372. 

387.  Übereinander  geüchweisste  Schenkel,  Sohle  ebenao  breit,  aber  ihre  Fläche 
senkrecht  zu  jener.  Polwitten,  Ostpr.  Auch  tauachierto  Exemplare  mit 
Goldstreifen,  ähnlich  in  Cornieten,  aber  uehr  klein,    Phya.-ükon.  GeseUach. 

xin. 

388.  Aus  einem  Pfahlbau  bei  Lubtow.     Stettin,  Museum.     XIII. 

389.  Der  hintere  obere  Rand  steht  etwas  höher,  als  der  vordere,  daher  schräge 
Fliehe,  in  wenigen  Exemplaren  vorhanden,  phys.-ökon.  Geselkch,     XJII. 

390  a  u.  b    Oberteile,   c  Sohle    au    ostpreusa.   Bügeln.      Ebenda.     XIIL 

391.  Löbershof  s,  358  u,  392. 

392.  Typische  Form,  Sohle  oft  noch  runder  und  etwa  so  breit  wie  die  Schenkel, 
aber  senkrecht  zu  diesen  stehend.  Gallhofen  und  Cornieten^  Ostpr.  Phys.- 
ökon.  Gesellach.     XIII. 

393.  Gallhofen,  Silbertauach.    12:11  cm.     Ebenda.     XIIL 

394.  Genietet  ebne  Öaenloch   13:  12  om.     Cornieten,  ebenda.     XIIL 

395.  Prachtstück;  durch  ein  Gerippe,  dessen  zugehörige  Rüstung  dasselbe  Or- 
nament hat,  als  sicher  dem  XIIL  angehöreud,  nachgewieaen ;  a)  Aufriss, 
b)  Seitenansicht,  oben  Lederstrippe  mit  Metallbeschlag,  c)  Sohle.  Aus 
Kunterstrauch,  Kr.  Fischhausen.     Königsberg,  Prussia. 

396.  Prachtstück.  Aus  Dolkheim,  Ostpr.  10  cm,  Silbertausch.  Phys.-ukon. 
GeseUsch.  XIU. 

397.  Ostpr.    HäuBge  Form,  ebenda.     X.— XIII. 

398.  Stadt.  Museum  Danzig,  kolossaler  Bügel,  30:12  cm.     X.~XIII, 

399.  Gef.  bei  Radegast  bei  Dessau,    jetzt  im  Museum  zu  Kühnau  bei  Desai 

400.  Der  Aufsatz  ist  9  cm  breit,  der  Bügel  11:11.    Phys.-ökon.  GeseUsch.    XIII 

401.  Aus  Ilischken,  Ostpreussen,  von  einem  heiduisehen  Begräbnisplatze ^ 
12:9  cm.     Prussia.     XUI, 

402.  Wie  400. 

403.  Aus  Gallhofen,  Ostpreussen,  8:10  cm,  wie  400.     XIIL 

404.  Aus  Kösnicken,  Silbertausch,,   14:11  cm,  wie  vorher.     XUI. 

405.  Fragment,  sehr  fein,  Stockholm,  Nat.- Museum.     XIIL 
40*1.   Ostpreussen,  wie  400. 

407.  Bei  Gothenburg  in  einem  Hügel  gefunden,  Stockholm,  Museum.     XIIL 

408.  Aufriss  und  Seitenansicht.     Öse  querstehend,  wie  400.     XIIL 

409.  Polwitten,  schön  tauachiert,  11:8  cm,  stark  zerfressen,  wie  387.     XIU. 

410.  Stockholm,  Nat.-Museum.  Andere  hohe  Bügel  mit  umgestülpter  Sohle  oisd 
sehr  breiten  Öaen,  oft  dreimal  so  hoch  als  breit,  alle  mit  Knöpfen  Über 
der  Sohle.     Ebenda,     XIIL 

41 L   Cornieten,  s.  363.     XUI. 
412.  Wie  410.     Vor  XIU. 


4 


Sft/ 


413, 

4U. 

415. 

416. 
417. 
418, 

419. 
420. 

421. 

422. 

423. 

424. 
425. 

426— 

432. 
433. 

434. 


435, 
436. 

437, 
438. 

439. 


440. 
441. 


Skulptur   vom  Grosa-Münster   iu    Zürich,    nach  Farrer    und  ZBchille   „der 
Sporn''  Taf.  IV,  11.     XI. 

Aus   der   Äoeide   Heinrich   v.   Veldekes,   BibL   Berliu,    nach   Forrer   uod 
Zachille  Taf.  ¥11,  7.     XH. 

Wandgemälde  in  der  Albambra  nach  Wagner,  „Trachten  des  Mittelalters **, 
Taf.  V,  1.     XIII, 

Schloss  Ilseuburg,  Eisen,  wafarsch  ein  lieh  maurisch.     XIIL 
Aus  den  Costume-Bildern  von  Panquet  freres,     XIV. 
Aus  Hefner- Alteueek,  IL  Abt.  Taf.  31.    Dar  Bügel  scheint  unter  den  Sattel- 
gurt geschnallt  zu  seiu*     XIV. 

Darstellung  des  heil.  Georg  auf  einer  Mesaingachüsael.  Mus,  m  Stralsund. 
Aus  eiDem  Manuskript  des  XV.  Jahrh.,  den  Ritter  Georg  darstellend. 
Aoz.  des  germ,  Museums  zu  Nürnberg  1892,  2,  Nr.  42.  XV. 
Griechisches  Gemälde  auf  Holz  aus  Hist,  de  Tart  d'apr^a  les  monuments, 
Kaiser  Theodorus  (?)  vorstellend,  Tom.  V,  table  90.  XIH. 
Bügel  des  Herzogs  Ludwig  voo  Bayern;  Federzeichnung  aus  dem  Fechtbuche 
von  Paulus  Kai,  Hefner  IV,  267.     1479. 

Aus   dem   Turniorbuche   von  Hans  Burkraaier.     Augsburg    1553.     Bügel 
Friedrichs  HI.  von  Sachsen.     Hefner,  Tafel  109.     1497. 
Ebenda.     Bügel  Maximilians  I,     1497. 

Aus   einem   Schachzabelbuche    der  Bibl.    zu  Stuttgart,    nach   Hefner   DI, 
328.    XV. 

431.    Aus  Zeichnungen,  die  Wahl  und  Krönung  Heinrichs  VH.  1307  dar- 
stellend.    Altert. -V.  Wiesbaden,     XIV. 

Deckengewölbe  in  der  Alhambra  nach  Hefner  IHj  182,     XIV, 
Aus  Codex  793  des  germ,  Museums,  Nürnberg,  aus  dessen  Anzeiger  1892, 
Nr.  52.     XIV-XV. 

Prachtstück  mit  Silber  ausgelegt.  Original  im  geh.  Archiv  zu  Königsberg, 
stammt  aus  der  Schlacht  von  Rudau  am  17.  2.  1370  (Herzog  von  Litthauen 
gegen  d.  deutschen  Orden),  also  mit  Bezug  auf  Bd.  XXIV,  S.  201  vpohl 
litthauisch.  XIV.  Die  Form  d.  Sohle  erinnert  an  No,  490,  103,  199,  2B0, 
Museum  in  Wismar,  ebenda  ein  kleinerer  derselben  Form. 
Aus  Hefner  U,  Tafel  1.  Der  Bügel  iat  von  Innen  auf  d,  Fuss  genom- 
men.    1480. 

Daratellung  des  h,  Georg  im  Artushofe  zu  Danzig.     XV. 
Mongolischer  Bügel,  Relief  von  einem  Helme,  wahrscheinlich  die  Schlacht 
von  Ancyra  1402  darstellend.     Besitzer  Herr  Blell  in  Lichterfelde, 
Kolorierte   Federzeichnung   aus    dem  ,|  welschen    Gast**    nach   Hefner  U, 
Taf.  107.    a)  eines  Kriegers,   b)  des  Dichters,    Riemenbügel   mit  Buckeln 
verziert.     XIH. 

Von  einer  isländ.  Kirch enthür,  vielleicht  Riemenbügel,  am  Sattelknopf  be- 
festigt.    Nach  Worsaae,  nord.  Altert,  S.  127.     XH. 
Hölzernes  Standbild   des  h.  Georg  mit  eisernen  Bügeln,   der  Mittelbogen 
der   Sohle   ist   ganz   nach    oben   gewölbt,     Kopenliagen,    Altert. -Museum. 
Ungefähr  XV. 

4 


nO 


1 

I 


442.  Maurisches  Wandgemälde  der  Alhambra  nach  Wagner,  ^Trachten  des 
Mittelalters**,  Taf.  lY,  1.     XHI, 

448.  Angeblicher  Wikinger-Bügel  vod  Söborg  auf  Seeland.  Viele  solche  Bügel 
sind  in  Jütland  gefunden,     Kopenhagen,  Altert -Museum. 

444.    AuB  der  Sammluog  von  Grosa-Kühnau  bei  Dessau,     XT. — ^XVI. 

445—448.  Die  Bügel  wurden  io  einem  Pfahlbau  bei  Zantoch  auf  dem  linkeii 
Ufer  der  Warthe  gefunden ,  einer  iuselartigen  Erhöhung,  auf  welcher  aicb 
Fuudstücke  aus  allen  Jahrhunderten  bis  s&um  vorigen  herab  fanden.  Landa- 
berg a.  d.  Warthe,  atädtiBche  Sammluog,     XY.  — XVI.  J 

449.  Museum  in  Stettin.     XVI.  * 
460.    Standbild  des  h.  Georg  aua   der  grossen  Kirche   in  Stockholm,   jetzt   im 

Museum;  Sohle  mit  umgebogener  Zunge,  unsymmetrisch,     XV. 
46L    Aus  dem   atädtiachen  Müseum   im  Franziskanerkloster   in  Danzig;    dies 
Form  liegt  das  scharfwinklige  Dreieck  zu  Grunde,     XV. 

452,  Gantschendorfer  Fund,  paarig,  Sammlung  in  Stralsund.     XV, 

453.  Polnischer  oder  ungarischer  Bügel,    Stadt  Sammlung  in  Landsberg  a.  d, 

XVI.— xvn, 

464,  455.  Aus  der  Galerie  der  Meisterwerke  altd.  Holzschnitzkunst  von  v.  Eye 
und  Falke,  germ.  Museum,  Nünberg  1858,  den  Triumpbzug  Maximilians  I. 
darstellend.     XVL  j 

45t).   Relief  auf  Solenhofener  Stein,  nach  Hefner  VII,  479,     XVL  ^ 

457.  Aus  Henne  v,  fihyn,  Kulturgesch.  des  deutschen  Volkes,  H,  S.  120, 
Bügel  mit  Lanzenschufa.     XVH. 

458.  Bügel  des  Herzogs  Wilhelm  IV.,  nach  Hefner  VlH,  558,     1550. 

459.  S.  454  u,  455. 

460.  Wie   456,     Bügel  Karls  V.     Hier   wie   dort  sind   die  Bügel    von    Innei 
auf  den  Fusa  genommen,     XVL 

461.  Federzeichnung  des  germ.  Museums,  nach  Hefner  \1I,  487.     XVI. 

462.  Hist,  Museum  Dresden.     Hefner  VIII,  565.     XVL 

463.  464,  Sammlung  in  Gross- Kühnau  bei  Dessau. 

465,  Bügel  aus  Westergothland,     Stockholm.     Vielleicht  XVL 

466,  467,  470.  Bügel  von  schwedischen  und  norwegischen  Bauerusätteln  auf 
dem  Stockholmer  Museum.    Zeit  nicht  genau  zu  bestimmen,  vielleicht  XVU 

468.  Städtisches  Museum  in  Danzig.     XVH. 

469.  Nach  Hefner  VIH,  508.     Mitte  XVL 
471.    Angeblich  von   den   Hussiten   herrührend,    11  :  16  cm.     Der  Bügel   hän; 

an  einer  Kette,  deren  Ilaken  in  die  Ose  greift;  und  durch   eine  Schraub 
geschlossen  ist.     Bernau.     XV.  ^t 

472  —  474.  Drei  Paar  ganz  auffallender  Bügel  auf  der  Feste  Coburg,  ungefah— ^^ 
25  cm  hoch  u.  15  cm  weit,    die  Schenkel  20  cm  breit,    die  Sohle   auf  ^/^^=^ 
der  Höhe  von   unten    angebracht,    bei  472   durch   einen    eisernen  BüIid 
festgehalten.     Sie  sind   von   Eisen,   mit  Zeug  gefüttert;    bei   474   ist   ^c — » 
offene  K ahmen  mit  farbigem  Tnch  bekleidet;  sie  waren  wohl  für  Festli 
keiten  bestimmt.     XVL — XVU. 


Tl. 


476. 
477. 

478. 


179, 
481, 
482* 
483, 
484. 
485, 

486. 

487. 


488. 


492. 
493. 


495. 
496. 
497. 
498. 


499. 


HexikaniscIi-äpaniBche   Bügel   nach   Demmio  S.  656,    welcher  sagt,    dass 

die  Spanier  derartige  sehr  schwere  Bügel  unter  Ferdinand  Cortez  in  der 

Schlacht  von  Oturnba  führten.     XVI. 

Atta  der  Sammlung  in  Wisby.     XVL 

Altert.-Museum  in  Kopenhagen,     XVI. 

Sammlung  auf  der  Ros^trappe.     Derselbe  Bügel  ist  im  Schweriner  Museum 

als  bayrischer  Kürassierbügel   von  1866  bezeichnet,  vergl.   Fig,  434,  103. 

xvn. 

480,  Im  Harz  gefunden.     Sammlung  auf  der  Rosstrappe.     XVII. 

Wie  466, 

Wie  476.    XVD. 

Meseingi  vergoldet,  Stockholm,  National-Museum,  1611—1654. 

Stettiner  Museum.    XVU. 

Ostpreussen,    Museum   der  Prussia,   mit  Silber   tausehiert.     Öse   drehbar. 

xvn. 

Im  Sohloss  zu  Dessau.     XVII. 

Schwedischer  Bügel  zur  Zeit  Karls  XI.  u.  XII.     Bei   den  Geschirren  des 

XIX.  Jahrh.  hat  die  Sohle  noch  einen  Mittelsteg  und  ist  scharf  gemacht, 

Stockholm,  Artill. -Museum.     XVII.  resp.  XEX. 

Bügel  Heinrichs  H.  nach  Wagner,  „Trachten  dos  Mittelalters",   Heft  IV, 

Blatt  2,   No*  5.     Original  in  der  Sattelkammer   zu  München.     XVI   oder 

xvn. 

Aus  dem  Schloss  zu  Ileenburg,  wohl  ungarisch.  Angeblich  Daraenbügel, 
Öse  nicht  drehbar,  Sohle  oval,  Höhe  mit  Öse  20  cm,  vgl  Fig,  214.  XVH? 
Paar  Messingbügel,  angeblich  von  der  Tannenberger  Schlacht  1410  her- 
rührend, in  Elbing  gekauft*  Prussia  in  Königsberg.  Wahrscheinlich  XVIL 
Paar  kleiner  Bügel,  12  cm  hoch,  dem  Baron  v,  Feilitsch  auf  Stendorf  bei 
Kosen  gehörig.     XVII, 

Bügel  eines  Tuarik-Fursten  (Wüste  Sahara),  schwarz  mit  Gold.  Kopen- 
hagen, ethnograph,  Museum,  vergl.  250. 

Schwedischer  Bügel  aus  dem  Museum  in  Stettin,  sehr  gross,  drei  Buckeln 
auf  jeder  Seite  der  aufsteigenden  Sohle,  deren  Ebene  auf  der  Schenkel- 
ebene senkrecht  steht.     XVUI, 

Schwedischer  Bügel  für  Artill.-Offiz.,  Modell  1815,  1837  und  1846;  ganz 
ähnlich  dem  vorigen.     Artill.-Museum  Stockholm.     XIX, 
Schwedischer  Bügel  für  Artillerie,  1876  und  1871.     Ebenda.     XIX. 
Bügel  eines  Balifürsten  (bei  Java).  Ethnograph,  Museum  Kopenhagen,  XIX. 
Aus  West-Nigritien  (Senegambien).     Ebenda.     XIX* 
Sturzbugel,  Patent  Hawkins,  London.     Zwei  getrennte  Bügel,  durch  Stifte 
aufeinander  festgehalten,    fallen  auseinander,    wenn  der  innere  durch  den 
festsitzenden  Fuss  gedreht  wird.     XIX, 

Mes^ikanischer  Steigbügel,  sehr  sauber  in  Holz  geschnitten,  Öffnung  für 
den  Fuss  13  cm  hoch,  ganze  Höhe  19,  Breite  25,  Tiefe  oben  14,  unten 
22  cm.  Im  Besitze  des  Rittergutsbesitzers  Herrn  E.  Duderstadt  auf 
^everstaven  bei  Oldesloe. 

4* 


^Miy^ 


52 

500.  Bügel  mit  EisensohieueD,  unbekannter  Bestimmung,  vielleicht  Teil  einei 
Maschine  oder  zum  Schutz  gegen  den  Deichselschlag,  dann  wäre  aber  die 
obere  Platte  falsch  eingezogen;  letztere  ist  9  cm  breit,  die  senkrechte  53 
hoch,  6V2  breit,  Bügel  23  hoch,  Sohle  15  lang.     Stettin,  Museum. 

501.  Beispiel  einer  Fussbank  am  Frauensattel,  von  einem  Reliquienschrein  aui 
der  Eunstkammer  des  Fürsten  G.  A.  von  Hohenzollern,  nach  Hefner, 
7.  Lief.,  PI.  41  und  42. 

502.  Isländischer  Sattel  mit  Fussbank  nach  den  Abbildungen  aus  dem  nordischen 
Museum  in  Stockholm,  herausg.  von  Hazelius  1890,  2.  und  3.  Abt.,  PI.  17. 
VergL  den  Text  der  Annalen,  Band  XXIV,  S.  211. 

503.  Rechter  Bügel  der  Statue  Kaiser  Conrad  III.,  oder  nach  Anderen  Stephans, 
des  Schv^agers  Heinrichs  II.  Die  Statue  befindet  sich  im  Dom  zu  Bam- 
berg; bei  der  ungünstigen  Stellung  derselben  ist  das  Detail  des  Bügeh 
nur  schwer  zu  erkennen.  Er  scheint  unsymmetrisch  zu  sein.  Eonrad  HL 
lebte  im  XII.,  die  Statue  scheint  aus  dem  XIY.  Jahrhundert  zu  sein. 

504.  Bügel  aus  Immenstedt  in  Schleswig,  Wiederholung  von  Fig.  42^  welche 
etwas  verzeichnet  ist. 

505.  506,  507.  Wiederholung  der  Fig,  49j  50,  51,  welche  gleichfalls  verzeich- 
net sind. 


Von  den  Seite  218  erwähnten  Armbrustbügeln,  welche  zu  Verwechse- 
lungen mit  Steigbügeln  Veranlassung  geben  können,  habe  ich  noch  Exemplare 
in  Upsala  und  Bernau  gefunden.  Bei  Worsaae  (Fig.  488)  ist  ein  nordischer 
derartiger  Bügel  abgebildet,  welcher  an  der  Sohle  dieselben  Umstülpungen,  wie 
die  hohen  Steigbügel  {Fig.  108,  109,  110,  117  u.  a.)  zeigt,  welche  im  Norden 
die  verbreitetsten  waren  und  noch  im  XUI.  Jahrh.  vorkommen.  Dieser  Arm- 
brustbügel gehört   der  Zeit   des   nordischen  Spitzbogenstiles  (1300  —  1536)   an. 


Berichtigungen. 

Fig.  42 f  dafar  ist  zu  setzon  Fig.  504. 

Fig.  4.0,  50,  51,  dafür  ist  zu  setzen  Fig.  505,  506,  507. 

Fig,  90  inuRs  ganz  schrfige  stehen,  sodass  das  I^ein  mit  der  Horizontalen  etwa  einen  Winkel 

von  30  Qrad  bildet. 
Fig.  105  u.  125  sind  ganz  zu  streichen;  letztere  Zeichnung  ist  nach   Bode,  Geschichte  der 

Plastik,  Berlin  1887,  S.  66  aber  nicht  richtig,  siehe  So.  503. 


über  die  Gründung  der  Behem'schen  Druckerei 

in  Mainz. 


Von  Br.  H.  ForsI« 


Eine  nicht  uninteressante  Ergänzung  zu  dem  im  Jahre  1889  an  die  Mit- 
glieder des  Vereins  verteilten  Werke  von  Dr.  S.  Widmann  über  Franz  Behem 
findet  sich  im  zweiten  Bande  der  „Geschichte  der  katholischen  Kirche  in  Irland^ 
von  Dr.  A.  Bellesheim  (Mainz  1890)  S.  692!  Beilesheim  veröffentlicht  dort 
einen  lateinisch  geschriebenen  Brief  des  bekannten  katholischen  Schriftstellers 
Coohlaeus  an  den  irischen  Erzbischof  Robert  Wauchop,  datiert  Worms,  den 
20.  November  1540.  Hier  erzählt  Cochlaeus,  wie  sein  bisheriger  Drucker  in 
Leipzig,  Nicolaus  Wohlrab,  nach  dem  Regierungsantritt  des  lutherisch  gesinnten 
Herzogs  Heinrich  verhaftet  und  die  Druckerei  gesperrt  worden  sei.  Dann  fährt 
er  fort: 

„Also  wurde  ich  gezwungen,  mich  an  einen  anderen  Verwandten  zu  wenden, 
der  in  Dresden  wohnte  und  unter  Herzog  Georg  Buchbinder  und  Buchhändler 
war.  Dieser  verkaufte  und  verliess  auf  meinen  Rat  alles,  was  er  in  Dresden 
besass,  zog  mit  seiner  Frau  (die  meine  Nichte  von  meiner  Schwester  her  ist), 
und  seinen  kleinen  Kindern  nach  Mainz  und  kaufte  von  einem  anderen  zu 
Leipzig  wohnenden  Verwandten  gute  metallene  Schrift,  um  mir  und  anderen 
katholischen  Schriftstellern  zu  dienen.^ 

Dies  stimmt  genau  zu  den  Thatsachen,  die  Widmann  S.  2 — 4  über 
Franz  Behem  zusammengestellt  hat. 


m 


eos  in 


Kelten:  H.  Schaaffhausen,    Die  Kelten*     Bonner   Festschrifk   zum   50 ji 

Jubiläum  des  Vereins  von  Alfcertumsfreunden  im  RheiDlande.  1891,  S.  62  ff. 

Kloster:   Q*  Bucelin^  Übersicht  der  Mönehsabteieu   des  BeDediktinerordeos  in 

Deutschland,  Österreich   und   der  Schweiz   bis   zum  Aofiini^  di»^sos 

hunderts,     Archiv.  Zeitschr.  N.  F.  n  (1891),  S.  188  fi 

Kloster  sagen:  A,  Kaufmann,  Wunderbare  und  denkwürdige  üescbichten  aub 

den  Werken    des   Caesarius  von  Heisterbach,   ausgewählt,    übersetz!    Qod 

erläutert,    ü.    Ann.  d.  hiator.  Ver.  f*  d.  Niederrhein,  H.  53,    Kulo  IS91. 

Krieg  und  Kriegswesen:  B.  Poten,  Geschichte  des  militärischen  ErziehuDga^ 

und  Büdungswesene   in    den  Landen  deutscher  Zunge,     Berlin  1891 

8,  323 — 391  Die  nassauisohe  Kadettensehule)*    Vgl.  Khein,  Kurier  1 

No.  247. 

Isenbartf  Geschichte  des  herzogl.  nass.  2.  Regimentes,  Stamm  des  kgL 
preuss.  2.  nass.  Infanterie-Regiments  Ni>*  88,  von  1808  —  1866, 
17  Skizzen   und   einer  Übersichtskarte.     Berlin,  Mittler  1891. 
u.  253  S. 
v.  Memert)%    Das   Offizierkorps   des   Füsilier  •  Regiments   v,   Oersd 

No,  80,  von  1866—91.     Berlin,  Mittler  1891, 
König  Adolf  8.  Nassau. 
Gotthold,    Die   Schweden   in   Frankfurt  a.   M.    III.     Frankfurt    1891 

Progr.  der  Elingerschule. 
(Sauer),  Die  nass,  Kreiskompagnie  in  Mainz  1792.   Kheto.  Kurier  1 

No.  32G,  327,  328. 
Fr.  T.  Weech,  Badische  Truppen  in  Spanien  1810—1813.     Badisofae 
Neujahrsblätter,  2.  BL  1892  (S.  5,  18  u,  o.  über  nass,  Trtippe 
Spanien)* 
W,  Sauer,  Blüchers  Übergang  über  den  Rhein  bei  Caub.    Nebst  Mit 
teilungen  über  den  Aufenthalt  des  Yorkschen  Korps  im  Herzog! 
Nassau  von  Ende  Okt.  1813  bis  zum  Januar  1814.    Mit  dem 
simile  eines  Briefes  Blüchers.    Wiesbaden,  Kreideis  Verlag  189 
J.  V,  Schmidt,  Die  vorm.  Kurhessische  Armeedivision  im  Sommer  1866" 
Auf  Grund  des  vorhandenen  aktenmassigen  Materials  sowie  der  eige- 
nen Erlebnisse.     Kassel  1892  (u,  a    über  die  ^Kleine  hübsche 
pedition''  nach  Zorn,  wie  sie  Generat  v.  Zimiecki  nannte). 
Kreuzzüge:  R.  Röhricht,   Studien   zur  Geschichte  des   5.  Kreuzzuges.    1 
(Graf  Diother  von  Katzenelnbogen  und  Graf  Gebhard  von  Diez,  121 
Kunst  und  Kultur:   Cuno,   Die  Kunstgeschichte  des   rechtsrheinischen  Ti 
der   alten   Erzdiocese  Trier   bis   zum   Ausgange   des  Mittelalters.     W: 
baden,  Brems  (1891). 
Leiningen:  E.  Brinkmaiers   Genealogische  Geschichte  des  uradeligen^  reicl 
gräflieben,  reicfasfurstlicheu,  standesherrlichen  erlauchten  Hauses  Leiningoi 
und   LeiniDgen-Westerburg.     Nach   archivalischen,   haudschrifilicheii   tun 
gedruckten   Quellen   umgearbeitet   und   vermehrt   von   K.  Em.  Graf   voi 
Leiningen- Westerburg,     2  Bde.     Braunschweig,  Sattler  1890,  1891. 


M  U-^ 

I 

1866J 


57 

telEnder:   R*  Schmidt,   Ein  tahmist   als  Kaiserlicher  Feldmarschali  im   30- 
jährigen  Kriege.  11.   1891.     Berlin.  Gärtner. 
Maotabaur:   A.  Eleinschmidt,  Aus  den  letzton  Tagen  des  KöDigreiehs  West» 
falen,     Zeitechn  d.  Ver.   für  hess.  Oeacbichte,  N.  F.  XVI.   (Jeröme  auf 
der  Flucht  zu  M.) 

Ifuseum  zu  Wiesbaden:  Museum  der  Altertümer.  Westdeutsche  Zeitsehr.  1891, 
8.  393;  1892,  S.  238.  Vgl.  Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft 
1891,  IL  8.   148,  Anm,  4  u.  8. 

Kunstmuseum:  Tfa.  Frimmel,  Kleine  Galeriestudien,  I.  1891   (8,  98  bis 
114  Wiesbaden). 
Nassau:    A.    Oüth,    Landes-    und    Provinzialgesckichte,    Heft    10 B.     Nassau 
(und  Frankfurt).    Leipzig  1891   (zu  den  bei  K.  Voigtländer  erschienenen 
geschichtlichen  Lehrbüchern  gehörend). 

H.  Susann,  König  Adolf  von  Nassau  und  Älbrecht  von  Ostreich  vor 
Kenzingen.  Zeitschr,  der  Gesellschaft  zur  Beförderung  der  Ge- 
schichte .  .  .  von  Freiburg,  dem  Breisgau  u.  s.  w.  IX,  1890,  Frei- 
burg; auch  als  Programm  der  heberen  Bürgerschule  zu  Kenzingen 
1890  erschienen. 
Ulmann,  Kaiser  Maximilian  I.  Auf  urkundlicher  Grundlage.  Bd*  2.  Stutt- 
gart 1891.  (Graf  Adolf  von  Nassau,  Graf  Engelbrecht,) 
F.  Otto,   Graf  Johann  von  Nassau,   Herr   zu   Idstein   und  Wiesbaden. 

Evang.  Gemeindeblatt  1891,  No.  30,  31,  32,  33. 
H.  Hüffer,   Die  Kabinetsregier ung   in   Preussen   und   J.  W.  Lombard. 
Leipzig  1891.    (S.  526  wird  eine  Prinzessin  von  N.-Usingen  (?)  ge- 
nannt  als   Küsterin   im   Stift   Herford ;    gemeint    ist   wohl   Auguste 
Marie,  Tochtep  des  Fürsten  Karl  von  N.-Weilburg,  welche  1802  als 
Dechantin  starb.) 
A.  Heldmann,   Zur   Geschichte  des   Gerichts    Viermünden   und   seiner 
Geschlechter.    I.  Die  Vogte  von  Keseberg.    Zeitschr.  d,  Ver.  f.  heas. 
Gesch.  N.  F.  XV,    1890.    (Urkunden  mehrerer  Grafen  von  Nassau- 
Dillenburg,  Heinrich,  Emicho,  Johann  von  1299,  1308,  1321  u.  1409.) 
Mitteilungen  aus  dem  Stadtarchiv  von  Köln,   Heft  21,   S.  80  und  81 ; 
1437  Agnes  und  Elsline  von  Nassau,  Kan.  zu  S.  Ursula,  1450  Mar- 
garethe  von  Nassau,  Äbtissin  von  S.  Ursula. 
Jungfer,  Der  Prinz  von  Homburg.    Berlin  1890.    (Graf  Ludwig  Hein- 
rich von  N.-Dillenburg  bewarb  sich   1660   um  die  Hand  der  Gräfin 
Brahe;   abgewiesen  veröifentlicht  er  eine  Schmähschrift,  worauf  die 
Antwort  erfolgt:    der  beantwortete  zwar   ungenannte,    aber  überaus 
schamlose  und  unverschämte  Nassau-Dillen  burger  Pasquillant.  1660.) 
W.  Sauer,   Das  Herzogtum  Nassau  in   den   Jahren  1813—1820.     Ein 
Beitrag   zur  Geschichte   der  gleichzeitigen  politischen  Bewegungen 
in  Deutschland.     Wiesbaden,   Kreideis  Vorlag    1893,  Vi  u.    186  8. 
Vgl.  Rhein.  Kurier  1892.  No.  269  u.  270. 
Meinecke,  Die  deutschen  Gesellschaften  und  der  Hoff  mau  nische  Bund. 
Stuttgart  1891, 


,-Slj^ 


dl 


S8 


A,  Stern,   Ein  Kapitel    aus  der  Geschichte   der   deutschen    Einh^ii 

strebuDgeQ.     Nation  1892,  No.  15, 
Sauer,   Die  deutschen  OeselUebaften  und  Nassau    in  den  Jahren 

bis  1815.     Rhein.  Kurier  1891,  No.  343,  344  u.  348. 
R,  Kolb,  Herzog  Wilhelm  von  Nassau,     Gedenkachrift  zum  lOOjähriged 
Jahrestag   seiner  Geburt     Wiesbaden  1892.     Mit   dem  Bildnis 
Herzogs, 
J.  A.  M,  Messinga,    Das  Haus  Nassau.     Herold  30,    S,  153—155, 

V.  Göckingk,  ebenda  S,   172. 
F.  W.  E.  Roth,  Das  Nassauer  Epitaphienbuch  des  Malers  Doraen  roi 
Altweilnau,    Vierteljahrsschr.  t  Wappen-,  Siegel-  und  Familienkundo 
19  (1891),  8.  537—76. 
R.  Hauch,  Münzen,  Medaillen  und  Ehrenzeichen  der  Grafen  und  Fu 
von  N.-Weilburg-SaarbrQcken   und    der  Herzöge   von  Nassau 
sammelt  von  R.  Hauch.     Prankfurt  a,  M.  1891. 
Münzen  des  Grafen  Gerlach  von  Nassau,  Erzb,  von  Mainz  (5  Dukaten) 
und  des  Grafen  Adolf  von  Nassau,    Erzb.  von  Mainz  (10  Dukaten). 
Mitteil,  des  Ver.  f*  hess.  Gesch.  1890,  S,   133, 
(Sauer),  Die  Ordnung  der  Farben  in  der  nassauischen  Fahne.     R! 
Kurier  1891,  No.  214. 
Prfihistorie:  Schiersteiner  Funde.    Westdeutsehe  Zeitschr,,  Korr.-Bl.  X,  8p.  262, 
Plorschütz,  Die  Urbevölkerung  Nassaus.    Separatabdruck  aus  der  Wi 
Presse  1891,  No.  35. 
Recht:    H,  Waschersieben,    Deutsehe  Rechtsquellen  des  Mittelalters*     Leipzig, 
Veit  u.  Co.  1892.     (Über  das  Rheingauische  Weistura  vgl.  Sauer  in 
AnnaK  XIX,  S.  33  ff,) 
Keformationszeit;   F.  Otto>   Die  Visitationen  der   nassauischen  Kirchen 

Mainzer  Sprengeis  in  den  Jahren  1548 — 1550.    Evang,  Gemeindoblatt  1892' 
No.  47,  48,  49,  50, 

Lenz,    Briefwechsel  des  Landgr.  Philipp   von  Hessen   mit  Bucer 
Leipzig    1891.     (Katzenelnbogener   Erbfolgestreit,    schmalkaldiflchei 
Krieg») 

A.  Kleinscbmidt,    Hermann   von   Holzhausen.     Zeitschr.   f.   Kircheng«- 
schichte  XL  (1891),    S.  252  ff.    (irs  Mutter  [t  1498]   oft  zur  K\ 
in  Wiesbaden;  W.  Nesen  von  Nastätten  1520  ff.) 
E,  Otto,  Mitteilungen  aus  Butzbacher  Kirchenbüchern.     Quartalbl 
hess.  Ver.  1892,  S.  186  (Pfarrer  Nikol.  Bleichenbach  geht  1530 
Sulzbacb  und  Soden  nach  Butabach,  Konr.  Stet-senbach  1540  K 
herr,   Joh.   Brendel,   Diakonus   zu   Cronberg   1550,   Zach.   Rültnü 
von  Usingen  1677  Caplan  zu  Butzbach). 
Fr.  v*  Reiffenberg:  P.  Colliachon,  Frankfurt  a.  M.  im  schmalkaldischen  Kri 

Straasburg  1890. 
Ringvrälle:  F.  Kofler,  Westdeutsche  Zeitschr.   1892,  8,  210  ff. 
Der  h.  Hock   zu  Trier:  (Sauer),    Nassauisches   zur  Geschichte  des  b«   Ri 
Rhein.  Kurier  1891,  No.  214^ 


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tSmen&eit:  Funde  zu  Heddernhoim  (A.  Rieae  und  G.  Wolff  in  der  Westd. 
Zeitachr.  Korr.-Bl  1891,  Sp.  12  ffi),  Höchst  (G,  WolfF ebenda  1892,  Sp,  1  ff,); 
Didaskalia  1891,  26  Nov.),  Wiesbaden  (Rhein.  Kniier  1891,  14,  und 
16.  Aug.). 

Limes,  Weatd.  Zeitscbr.,  Korr.-Bl.  1892,  Sp.  20. 

Limesblatt,    Mitteilungen  der  Streckenkommisaare  bei  der  Reiohslimes- 

kommission,  herausgegeben  von  F.  Heller-Lintz.   Trier,  No.  1.    1892 

(Sp.  1  ff,  Berichte  von  L.  Jacobi  über  die  Ergebnisse  vom  Taunus; 

Sp,  5  ff.,  Mommsen  über  die  Feldbergiuschrift ;  Sp.  12  ff.,  F.  Koller, 

Sp.  24,   G.  Wolff  über  die  Funde   in  der  Wetterau    bis  Marköbel), 

Legionsgeschichte:  v,  Domszewski,  Zur  Geschichte  der  leg.  XIIII  gem. 

Westd.  Zeitschr.,  Korr.-Bl.  1891,  Sp.  252  f.;  Zur  Gesch.  der  Legionen 

Xin  bis  XX,  ebenda  Sp.  59. 

tJL  Riese,  Das  rheinische  Germanieu  in  der  alten  Litteratur.     Leipzig, 

Teubner  1892. 
V.   Loher,   Zustände   im  römisch-deutschen    Kulturlande.    Sitzuogsprot* 
der  Münchener  Akad.  der  Wissensch.,    phil-hist.  KK   1891,   S.  1  ff. 
Hang,  Die  Viergöttersteine.     Westd.  Zeitachr.  1891,  8.  9  ff.,    125  ff., 

295  ff. 
Uübner,  Jupitersäulen;  ebenda,  Korr.-Bl.  1891,  Sp.  254  ff. 
W,  Liebenan,  Zur  Geaehichte  und  Organisation  des  römischen  Vereins- 
wesens.    Leipzig  1890. 
Vertriebene   Salzburger    in   Nassau:    P.  Otto   im   Evang.    Gemeindebl.  1891, 

No.  18,  19,  20  u.  21. 
8.  Goarshausen  und  die  Katz:  M.  v.  Ditfurth,  Hessenliind,  1890,  8.  129. 
Schinderhannes;   K.  Rauchhaupt,    Akteumässige  Geschichte   über  das  Leben 
und  Treiben  des  berüchtigten  Räuberhauptnianns  J.  Bückler  gen.  Schinder- 
hannes und  seiner  Bande.     Kreuznach  189L 
Schule:  K.  Spielmann,  Schola  et  Methodus  Gaertneriana.     Separatabdruck  aus 
den  Mitteilungen  f.  deutsche  Erziehung  und  Schulgeschichte.    1892. 

W.  H.  Riehl,    Die  Idylle    eines   Gymnasiums  (Weilburg   1837—41)  in 
den  Kulturgeachtchtlichen  Charakterköpfen  1891,  S.  1  —  57. 
»räche:  F.  Kehreiu,  Volkssprache  und  Wlirterbuch  von  Nassau;  Volkstümliches 
aus  Nassau;    Nassauiaches    Namenbuch.     Neue    (Titel)-Auflage.     Leipzig, 
Lesimple  189L 

J.  Heinzerling,    Probe   eines    Wörterbuchs   der   Siegerländer   Mundart. 

Progr.  des  Realprogymn.  zu  Siegen.    1891.   Buchstabe  B. 
K.  Bach,   Beiträge  zur  Deutung  der  Ortsnamen  in  der  Umgegend  von 
Homburg.    Mitteil  d.  Ver.  f.  Geschichte  von  Homburg,  IV.  S.  1  —  10- 
K.  T,  Staraford:   Die   Heirat  Jolantas  von  Lothringen   mit  Landgraf  Wilhelm 
von  Hessen.     Zeitschr.   des  Ver.  f.  hess.  Geschichte,  N.  F.  XVI,     (Reise 
durch  Nassau,  Nass.  Fürsten  auf  der  Hochzeit  zu  Kassel.) 
Marianne  vom  Stein:  A.  Kleinschmidt,  Das  Daraenstift  Wallenstein  zu  Hom- 
burg unter  Jeröme.     Zeitachr.    des  Ver.  f.  hess.  Geschichte,    N.  F.  XV., 
S.  269  ff. 


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Nassautsche  Studenten  zu  Köln:  H.  Keussen,  Matrikel  der  Universität 
1389—1559.  Bd.  I,  1389^1466.  Bonn  1892.  Vgl  J.  Hansen  in 
Mitteil  aus  dem  Kölner  Stadtarchiv  20. 

Zu  Giessen:  R  Klewitz  und  K.  Ebel  (1664 — 1685),    Mitt.  des  oberheas. 
Oeachichtsvereins,    N.  P.  IIL  1892. 
Sueben:  Koaaina,  Westd.  Zeitachr.  1891,  8.  104;  A.  Riese,  ebenda  S.  293, 
Barthol  Usingen,  Prof.  der  Theologie  zu  Erfurt;  Q.  Oergel,  Beiträge  zur 

schichte  des  Erfurter  Uumanismus.     Mitt.  des  Ver.  f.  Oeach.  von  Erfurt, 
15.  (1892),  8,  39—100. 
Urkunden,  Regesten  und  Handschriftliches; 

O.  V.  d.  Ropp^  Urkunden  zur  Reichsgeschichte  aus  einem  Falkensteiner 

Kopialbuche,    Neues  Arch.   16,  S.  624—31   (1259—1398). 
F.  W.  E.  Roth,  Kaiserurkunden  und  Reichssachen;  ebenda  S.  632  (121 

bia  1421). 
,  Deutsche  Kaiaerurkunden ;  ebenda  S,  435— 38  (1349-14181 

—  —  — ,  Urkuodea  und  Auszüge  zur  Geschichte  der  Erzbischöfe  und 
Kurfürsten  von  Mainz,  Köln  und  Trier.  Korr.-Bl  des  Gesamtver» 
eins  39,  S.  123,  139. 

E.  Friedländer,  Rheinische  Urkunden.    Ann.  des  bist*  Ver.  f  d.  Nied 
rhein  50,  S.  237  ff.  (Zwei  Urk.  betreffen  Diez  und  Sayn  von 
und  1458), 

P,  W,  E.  Roth,  Mitteil.  aus  Handschriften.   (Kl.  Arnstein  und  Not  G- 
Germania  36  (1891),  8.  262—67, 

F.  W,  E.  Roth,  Nassauer  Urkunden  (1558—1623  aus  dem  Rheii 
Korn-Bl  des  Gesamtver.  39,  S.  44,  71,  89,  107. 

—  —  — ',  Ungedruckte  Regesten  zur  Geschichte  edler  Familien  BemmS 
und  der  Rheinlande.    Vierteljahrsschr.  f.  Wappen-,  Siegel-  und  Fa; 
jienkunde  19  (1891),  8.  364-391. 

^  — »  Urkundliche  Nachrichten  über  die  Edlen  von  Waldeck  (Nassaul 

Ebenda  19  (1891),  S.  33-37. 
H.  Reimer,  Urkundenbuch  zur  Geschichte  der  Herren  von  Hanau  und 
der  ehemaligen  Provinz   Hanau.     I.   766—1300.     Mit  zwei  Tafeln. 
(Publikationeu  aus  Kgl  preuss.  Staatsarch.  48*)  Leipzig  1891. 
K*  Varrentrapp,    Joh.  Schulze  und  das  höhere   preusaiache  Uuterrichtswesen 
in  seiner  Zeit,    Leipzig   1889  (Gantesviler,  Meusebach,  Karoline  Rössler, 
Steinmetz,  Friedemann,  B.  Hundeahagen,  L.  Snell)* 
Verkehr:    F.  H.  Quetsch,  Geschichte  des  Verkehrswesens  am  Mitteirbein  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Ausgang  des  18,  Jahrb.    Mit  42  AbbildongeQ. 
Preiburg,    Herder    1891.     Vgl.    auch  K.  Theile,   Bilder  aus   der  Chronik 
Bacharachs  und  seiner  Thäler.     Ein  Stück  rheinischer  Orts-  und  Kirchen* 
gesehiehte.     Gotha,  Perthes  189L 
Waldeck:  s,  Urkunden. 

n.  Wachenhusen,  Aus  bewegtem  Leben.  Erionerungen  aus  dreissig  Kri< 
und  Friedensjahren.  2  Bde.  Straasburg  1890  (berührt  an  verschiedi 
Orten  Naeaau,  insbesondere  Wiesbaden). 


61 

Weilburg:  Hermann  Theuerkauf  aus  W.,  Pfarrer  in  Offenbaoh  1427.    Quar- 
talbL  des  bist.  Yer.  im  Grossherz.  Hessen,  1890,  S.  74. 
Riebl,  s.  unter  Schule. 
Wiesbaden:  s.  unter  Museum. 

F.  Nippold,  Der  Jesuitenstreit  zu  Wiesbaden.   Ein  Einzelbild  im  Rahmen 

der  gegenwärtigen  Agitation  für  den  Jesuitenorden.     Halle  1891. 
F.  Otto,   Die  Reformierten  zu  W.    Evang.  Gemeindebl.  1891,  No.   17. 
(Sauer),   Zum  75jähr.  Stiftungstage  des  Wiesbadener  Kasinos.     Rhein. 
Kurier,  No.  87. 
Zollwesen  im  Mittelalter:  K.  Hummel,  Die  Mainzölle  von  Wertheim  bis  Mainz 
bis   zum   Ausgang   des   15.   Jahrh.   mit   besondrer  Berücksichtigung   von 
Frankfurt  a.  M.     Westd.  Zeitschr.  1892,  S.  109-145. 


Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft,  herausgegeben  von  J.  Jastrow.  Jahr- 
gang 1889,  1890  u.  1891.  Berlin  1891-93.  In  Abteilung  II :  Mittelrhein 
von  F.  Otto. 


Allgemeine  Deutsche  Biographie: 

Band  X2CXI. 
Th.  Schliephake  (1808-1871).    Ausfeld. 
Schinderhannes  (1783—1803).     Schüler. 

Band  XXXII. 
W.  J.  Schmitt  von  Lorch  (1760—1820).    Winckel. 
Fr.  Jac.  Schmitthenner  (1796—1850).    Schröder. 
E.  Schnaase  (1798—1875).   v.  Donop. 
E.  Schnepf  (1495—1558).    Brecher. 
R  Scholz  (1831—1871).   Brummer. 
Joh.  Ph.  V.  Schönbom  (1605—1673).   Bockenheimer. 
Joh.  Ph.  Schramm  (1676—1753).    Cuno. 
E.  L,  Ph.  Schröder  (1764—1835).    Lier. 

Band  XXXIII. 
Schütz,  Die  Maler  Chr.  Georg  (1718—1791),  Franz  (1751—1781),  Joh.  Georg 
(1755-1813),  Heinr.  Jos.  (1760-1822),  Chr.  Georg  (1758-1823).   Stricker. 
K.  D.  V.  Schütz  zu  Holzhausen  (1825—1883).    Ratzel. 
TL  Schwartz  (1809—1885).    Otto. 
jL  V.  Schweiss  (16.  Jahrhundert).    Otto. 
J.  D.  Q.  Seebode  (1792-1868;.    Hoche. 
W.  H    Snell  (1725—1793).    Cuno, 
Er.  Sarcerius  (1501 —  155^*;.    HoUr^^in. 


Vereins -Nachrichten. 


Jahresbericht  des  Sekretärs* 

(Vom   1.  April  1692  bis  3L  MArs   1693,) 

Allgemeiuei».     Das  Etatsjahr   ist  für  den  Verein  in  der  üblichen  Wi 

ifen.     Der  Vorstand   ist  bemüht;  gewesen,   durch  Vermehrung  der  Bib! 
thek  —   besonders    auch   im  Wege  des  Äuatausches  —  die   wissenschaftlicbeQ 
Arbeiten  zu  fordern   und  durch  Veranstaltung  von  Vorträgen  das  Interesde 
der  Altertumskunde  und  Qesohtchte  zu  heben* 

Der  Vorstand  trat  viermal  zusammen,  und  zwar  am  10.  Juli,  15.  Oktober, 
ö.  November  und  3*  Dezember.  —  Die  ordentliche  Generalversammlung  fand 
am   10.  Dezember  statt. 

Die  Generalversammlung  des  Gesamtvereins  der  deutschen  Geschicbts* 
und  AltertumsvereiDc,  welche  vom  4.  bis  7.  September  in  Münster  i.  W.  tagen 
sollte,  konnte  wegen  der  damals  bestehenden  Choleragefahr  nicht  stattiindei 

Ausflüge  wurden  während  des  Sommers  nicht  unterooraraen. 

Es  wurden  6  Vortragseitzungen  abgehalten,  darunter  2  öffentliche  im 
Museumssaale.  Der  Bericht  über  die  Vorträge,  welche  sämtlich  gut  besucht 
waren,  folgt  unteo. 

Wir  bitten  unsere  Mitglieder  und  Freunde,  auch  im  neuen  Jahre  dem 
Verein  ihr  Interesse  und  ihre  wohlwollende  Unterstützung  zuzuwenden. 

Mitglieder  und  Vorstand,     Durch    den    Tod    verloren   wir   2   Ehr 
mitglieder :  die  Herren  Dr.  Schaaffhausea ,  Hermann,  Professor,  Geh.  M 
zinalrat  in  Bonn   (f  26.  L  93)   und   Dr.   Linden schmit,   Ludwig,   Profesi 
Direktor  des  römisch-germanischen  Centralmuseums  in  Mainz  (f  H.  2»  93). 
Von  den  ordentlichen  Mitgliedern  schieden  aus: 
ii)  durch  den  Tod: 

Herr  Aumüller,  Beoefiziat,  Östrich; 

„     Bernhard,  Professor,  Gymnasialdirektor,  Weilburg; 

^     Geis,  Hauptlehrer,  Ems; 

„     Dr.  jur.  Stamm,  Eugen,  Justizrat,  W,  (f  28.  L  93); 

„     Trüstedt,  Carl,  Oberstlieutenant  a.  D.,  W.  (f  26.  2.  93); 

,     Scholz,  Carl,  Juatizrat,  Rechtsanwalt,  W.  (f  15.  3.  93); 

„     Fauser,  Carl,  Rentner,  W,  (f  24.  3.  93); 

,     Fischer,  O.  Friedrich  W.,  Rentner,  W.  (f  25,  3.  93). 


63 


b)  diireti  Aaslritt: 

Herr  Altenbarg,  Eduard,  cand,  pfaU.,  Hanau; 
WöstmanD,  H.,  Pfarrer,  Nieder-Lahnstein ; 
Thietf  Steaerrendaot,  Biedenkopf; 
Lüdicke,  F.,  Kentoer,  W.; 
Bot  lieber,  R,  Haoptmonn  a.  D.,  MüncheD; 
Bonn,  Joseph,  Dekan,  Nieder-Erbaeh ; 
Bonn,  Adani)  Pfarrer,  Wellmich  a.  Hb.; 
Mabl,  Begieruags*  ond  Forstrat,  W.; 
Joseph f  PauV  Lehrer,  Frankfurt  a.  M, ; 
Halber,  Geh,  Ober-Regierungsrat,  Berlin; 
Brema,  Buchdmckereibeeitzer,  W.  ; 
Jleckel,  J.  L„  Rentner,  W.; 
Frh.  von  Wendt,  W.; 
Walcb,  B„  Hochheim; 
Hesse,  Ad.,  Kaufmann,  W.; 
Schupp,  Pfarrer,  Sonnen berg; 

Dr*  Ton  Ritgen  f  Landesbauinspektor,  Königsberg  L  Pt. ; 
Dr.  Adam,  Professor,  W. ; 
Mackauer,  August,  Geisenheim; 
Wrede,  Fr.,  Rentner,  W.; 
Leonhardt,  C.  L*,  Kaufmann^  W,: 
Togeläberger,  Kaufmann,  Ems; 
Frisch,  Major  a.  D.,  W.; 
Schenck,  Major  a.  D.,  W.; 
Cretius,  Oskar,  Lieutenant  a.  D,,  W.; 
Klett}  Heinrich,  Kapitanlieutenant  a.  D«,  W. 

Diesen   M  ausgeschiedenen   ordentlichen   Mitgliedern   stehen  fol- 
ade  dO  neo  aufgenommene  gegenüber: 

Herr  Tboma,  Hermann,  Hotelbesitzer,  W.; 

Y     Momberger,  Jakob  August,  Weinhändler,  W. ; 
,     Wagner,  Carl,  W.; 
,     Fehr,  Theodor,  Fabrikbesitzer,  W. ; 
^     Engelhard,  Otio^  Fabrikant,  Hofheim  im  Taunus; 
Schierenberg.  Ernst,  Rentner,  W.; 
Baron  von  Bistram,  W.; 
Elgershauseo,  Lnitpold,  W.; 
Osterroth,  Arthur,   Rittergutsbesitzer,    Scbloas   Schönberg   bei 

Oberwesel; 
Dr.  phn.  Panzer,  Conrad,  Königlicher  Archivar,  W. ; 
Herrmanu,  Johannes^  Inspektor  der  Wiesb. Kronenbrauerei,  W,; 
Freinsheim^  Friedrich.  Rentner,  W.; 
Oornick»,  WLadislaus^  W,; 
Dr.  jur.  Böninger,  Eugen,  Reebtsaiiwak,  W,; 


64 


Herr  Reusch,  Heinrich,  Referendar,  W. ; 

^  Trosiener,  F.,  Ingenieur,  W. ; 

,  Scliröder,  Hugo»  Photograph,  W. ; 

„  Leisler,  Ernst,  Referendar,  W,; 

^  Ab  egg,  Philipp,  W.; 

^  Kriege,  Ernst  Jakob,  Oberst  a.  D,,  W.; 

„  Vietor,  Moritz,  W.; 

^  Lex,  Adolf,  Regierungsassesaor,  W, ; 

^  Dr.  med.  Ideler,  Carl,  Geh.  Sanitätsrat  W*; 

^  Aufermann,  Wilhelm,  Rentner,  W.; 

^  Dr.  phil  Merbot,  Reinhold,  Sekretär  der  Handelskammer,  W.; 

^  Opitz,  Hermann,  Ober-Regierungsrat  u.  KonsistortaUPras.^  W,: 

„  von  Hirsch,  Friedrich,  Kaufmann,  W,; 

^  Schüler,  Theodor,  Archiv-Kanzlei-Sekretär,  W»; 

^  Dr.  med.  Güntz,  Theobald,  W  ; 

^  Leo,  Ludwig,  Privatier,  W. 

Der  Verein  zählt  also  z.  Z,  6  Ehrenmitglieder,  5  korrespondierende  und 
*dl8  ordentliche  Mitglieder.  Dem  vorliegenden  Annalenbande  ist  ein  mit  mög- 
licher Sorgfalt  aufgestelltes  Mitgliederverzeichnis  eingefügt. 

Die  VeränderuDgen,  welche  sich  seit  dem  1*  April  1892  in  der  Besetzung 
des  Vorstandes  vollzogen  haben,  sind  folgende.  Es  schieden  aus  die  Herren: 
Landesbaninspektor  Dr.  von  Ritgen,  Sanitatsrat  Dr»  Fleischer  und  Major 
z.  D.  Frh.  von  Wangenheim.  Sie  wurden  ersetzt  durch  die  Herren:  Land- 
gerichtsrat Dussel,  Major  a.  D.  Schlieben  und  Oberatlieutenant  z.  D.  Sar- 
torius.  —  Den  Herren  Major  z,  D.  Frh.  von  Wangenheim  uod  Sanitatarat 
Dr.  Fleischer,  welche  lange  Jahre  hindurch  die  Interessen  des  Yereins  aufs 
Eifrigste  gepflegt  und  gefordert  haben,  sei  hiermit  der  wärmste  Dank  ausge- 
sprechen.  —  An  Stelle  des  von  hier  verzogenen  Herrn  Premierlieutenant  a.  D. 
Hoff  mann  übernahm  —  mit  Genehmigung  Sr.  Ercellenz  des  Herrn  Ministers 
der  geistlichen,  Unterrichts*  und  Medizinalangelegenheiten  —  der  Unterzeichnete 
am  L  August  die  Verwaltung  des  Sekretariats,  —  Die  derzeitige  Besetzung  des 
Vorstandes  steht  an  der  Spitze  des  Mitgltederverzeicbnisaes. 

Bibliothek.  Der  Zuwachs,  den  die  Bibliothek  erfahren  hat^  gründet  sich 
in  erster  Linie  auf  das  Aus  tausch  Verhältnis,  in  dem  wir  mit  sehr  vielen  wissen- 
schaftlichen Instituten  und  Vereinen  stehen.  Während  des  abgelaufenen  Jabrea 
sind  in  dieses  Austauschverhältnis  folgende  7  Gesellschaften  nea  einge;^ 
treten  : 

Der  Verein  f&r  Geschichte  von  Annaberg  und  Umgegend   in  Annaberg ; 

die  Kaiserl  Königl.  heraldische  Gesellschaft  „Adler*^  in  Wien; 

der  Verein  fiir  das  Museum  schlesischer  Altertümer  in  Breslau; 

die  Soci^te  nationale  des  antiquaires  de  France  in  Paris; 

die  Comeniusgesellöchaft  in  Münster  i.  W. ; 

die  Badische  historische  Kommission  in  Karlsruhe; 

die  Abbaye  de  Maredsous  (Belgien). 


65 


Dagegen  tsc  nur  l  Geselldchaft : 

dif   KäIö.  Konigl.  geographische  Oesellöchaft  in  Wien 
*u«  dem  Verhältnis  aii§g:eKchiedeii. 

Ein  Verzeichnis  aller  Vereine  und  Institute,  deren  Veröffentlichungen  wir 
Itirch    re^e^  n    Austatiäch    gegen    unsere   Annalen   erhalten,    steht    am 

Ichlusae  di«:  ^      ..^ades- 

Aach    durch    eine   Reihe    von    Geschenken^    welche    da:!    Wohlwollen 
mehrerer   Gönner   des   Vereins  der  Bibliothek   zuwandte,    ist   ihr  Bestand  ver- 
mehrt worden«    Wir  sprechen  dafür  den  verbindlichsten  Dank  aus:  Der  König- 
Jieheu  Regierung  hierselbst,  der  Landea-Direktion  hierselbst,  sowie  den  Herren; 
riikl.   Staatarat   von  Becker^   Oberst  z.  D.    von  Cohaueen,    Geh.    Baurat 
i^QDCi,  Sanitätsrat  Dr.  Florsehütz,  Landesdirektar  Sartorius,  Amtsgeriehts* 
ruf  Strpiflierg,  Dr  Weidenbuseh  —  sämtlich  io   Wiesbaden. 

Vortrage. 

1)  Sitzung  im  „Grünen  Wald**  am  9.  November  18Ö2. 
Der  Vereinsdirektor   Herr  Sanitätsrat   Dr,  Florschütz    begrüsat 

die  erschienenen  Mitglieder  und  Gäste« 

Der  Sekretär  des  Vereins  Herr  Dr*  Focko  widmet  dem  am 
18»  Oktober  1892  verstorbenen  Direktor  des  germaniachen  Museums  In 
Nürnberg  Geheimrat  Dr.  August  von  Essen  wein  einen  Nachruf. 

Der  Königliche  Konservator  Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohausen 
hält  einen  Vorfrag  „über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Limesforschung*. 
^gl*  den  vorliegendeu  Band  8,  25  bis  28.) 

2)  Generalversammlung  im  Museumsaaale  am  10.  Dezember  1892. 
Der  von  Herrn  Dr.  Foeke   gehaltene  Vortrag  wird  unter  dem 

Titel  t|Zur  Vor-  und  Prühge»chichte  der  Germanen  und  des  nordwest- 
lichen Deutschlands^  im  Laufe  dieses  Jahres  in  den  „Preussischen 
Jahrbüchern^   veröffentlicht  werden. 


3)  Sitzung  im  „Grünen  Wald*  am  11.  Januar  1893* 

Herr  Sehriftstelier   Spielmann    hält    einen   Vortrag 


„über  die 


demagogische  Bewegung  in  Nassau  in  den  Jahren   1818 — 1820*. 

Der  Vortrag  versetzte  die  Zuhörer  zurück  in  die  Zeit  nach  den  Befreiungskriegen, 
der  das  deutsche  Volk  von  den  Fürsten  Dank  für  seine  Mithilfe  bei  dem  grossen 
ke  verlangte:  Selbstverwaltung  und  Mitregierung,  Das  Werk  der  Verfassungs- 
ebung  ging  nur  langsam  vorwärts»  und  die  Verwirküchung  der  deutschen  Ein- 
^Itsbestrebnngen  erfolgte  nicht.  Die  Hauptträger  des  Einheitsgedankens  waren  die 
.  auf  denen  sich  unter  den  Mitgliedern  der  damaligeri  Burschenschaften 
Landungen  gegen  die  sogenannten  Reaktionäre  und  Natiorialfeinde  bildeten. 
^Uch  im  Herzogtum  Nassau  fing  es  an  zu  gären,  weil  die  Regierung  es  unterliess, 
■e  Landständc  gemäss  der  Verfassung  von  1814  einzuberufen.  Die  Zahl  der  Opponenten 
*^Krlc  fiich  rasch,  und  zu  den  vornehmsten  gehörte  der  Freiherr  vom  Stein.  Der 
^»•«te  Landtag,  1818,  begann  sogleich  mit  einem  Zwiste  Steins  und  der  nossauischeii 
'*-egi«nmg,  und  die  Folge  war  die  Ausschliessung  des  Ministers  und  dessen  grollender 
_55ck«ag  auf  seine  Guter,    Die  Hf^wef^ung  im  Lande,  besonders  in  den  ehemals  oraaischen 


Gebieten,  wuchs  rinterrlcs  immer  mehr  und  erreichte  ihren  Ausdruck  in  der  sogenannten 
-Dillenbiirger  Petition >  ati  den  I.andtag.  Der  Kampf  gegen  die  Regierung  begann* 
Als  dio  Petition  keinen  Erfolg  hatte  und  ihr  Verfasser,  Kriuiinalrichter  W.  SneU 
zu  Dillenbiirg,  wt'geu  seines  folgenden  subordiuationswidrigen  IJetragens  seines  Amtes 
entsetzt  wurde,  auch  der  Landtag  keine  befriedigenden  Resultate  ergab,  gtieg  die 
Unzufriedenheit  noch  höher,  Geschtlrt  wurde  sie  durch  das  Erscheinen  einer  Flng- 
schrift:  ^Prüfende  Bemerkungen  ftber  Nassaus  Laiidstände>»  welche  bezweckte,  den 
Minister  v.  Marschali  zu  stürzen*  Der  anonyme  Verfasser  des  Pamphlets  blieb  un- 
entdeckt:  es  kann  aber  nun  als  ziemlich  erwiesen  gelten,  dass  der  Pfarrer  F.  SneU 
zu  Naaheim  (bei  Kirberg)  sie  schrieb,  Stein  sie  mit  Zusätzen  versah  und  auf  aeiiie 
Kosten  drucken  Hess.  Die  Regierung  verteidigte  sich  nach  Kräften;  als  aber  18 lÖ 
der  Lindtag  wieder  zusammentrat,  erschien  von  demselben  Anonymus  eine  zweite 
FlögÄChiift,  iü  noch  schärferem  Tone  als  die  erste  gehalten.  Auch  auf  diesem  LandtiMge 
kam  es  zu  erbittertem  Kampfe  (ttber  einen  veränderten  Paragraphen  des  ArmeQ* 
Edikts),  der  indes  mit  einem  Siege  der  Regierung  durch  die  Beredsamkeit  und  Lo^ 
des  Prilsidenten  Ibell  endigte.  Dadurch  wendete  sich  der  Unwille,  ja  der  ganze  Hass 
der  Opposition  gegen  diesen  verdienten  Mann*  Die  fanatischsten  Schwärmer,  Mitgliedüf 
des  Bandes  der  «Giessener  Schwarzen*,  bildeten  ein  Komplot  zur  Ermordung  Ibel]&, 
und  die  Ausftlhrung  des  Mordplans  tlbemahm  Karl  Löning  von  Idstein,  ein  dareh 
politische  Schwärmerei  und  zerrüttete  häusliche  Verhältnisse  verwirrter  junger  Maiio* 
Das  bekannte  Attentat  zu  Langenschwalbach  am  1.  Juli  1819  misalang  indessen,  tmd 
der  Verbrecher  tötete  sich  im  Gefängnisse  durch  Verschlucken  von  Glasscherben  und 
Verweigerung  der  Nahrung.  Eine  strenge  Untersuchung  der  revolutionären  Umtriebe 
begann  hierauf,  und  wie  es  in  solchen  erregten  Zeiten  oft  geschieht,  eine  Anzahl 
Unschuldiger  wurde  schwer  getroffen.  Auf  Stein  fiel  zwar  ein  starker  Verdacht,  tlass 
er  an  der  Abfassung  der  Flugschriften  mitbeteiligt  sei;  Beweise  gegen  ihn  aber 
konnten  nicht  erbracht  werden«  Doch  hat  man  schon  damals  nicht  daran  gedadit^ 
den  grossen  Staatsmaim  der  Beziehung  zu  den  Verbrechern  und  den  Extremen  der 
Bewegung  überhaupt  zu  zeihen«  Die  Massnahmen  der  Regierung  hatten  aber  aoch 
die  schlimme  Folge,  dass  der  Regierungspräsident  Ibell  zurücktrat.  Dies4>r  war  mit 
der  Durchführung  der  ^Karlsbader  Beschlüsse»,  an  deren  Ausarbeitung  Minister  von 
Marschall  tbiitig  mitgewirkt  hatte,  nicht  einverstanden  und  nahm  auch  jetzt  in  d<T 
Domänenfrage  einen  anderen  Standpunkt  ein,  als  dieser  letztere  und  der  Landesbarr. 
Seine  Vorschläge  liefen  auf  Nachgiebigkeit  iler  Regierung  gegenüber  der  Volkavcr- 
tretung  hinaus,  um  einen  Kampf  zu  verhüten,  und  auf  Vermeidung  von  Ausnahme- 
zuständen. Als  diese;  Vorschlifgc  keinen  Anklang  fanden,  trat  Ibell  zurück»  Doch 
liess  er  sich  auch  nicht  verleiten,  au  die  Spitze  oder  in  die  Reihen  der  OpposiUoo^ 
parte!  xu  treten,  sondern  er  entsagte  der  Politik  gänzlich»  Somit  ist  Karl  TbeU  wohl 
die  reim?te  und  beste  Gestalt  aus  jener  ganzen  sturmbeweglen  Zeit. 

Darauf  folgt   ein   Vortrag   des   Herrn   Major   a*   D.   Schltebeii 
«über  Wasseruhren,  besonders  die  des  Kteaibios**, 

Die  Beschränkung  der  Verwendung  der  Sonnenuhren  auf  den  eigentlichen  Tlg, 
ihre  Abhängigkeit  vom  Wetter  und  Klima,  welche  durch  die  oft  gefimdene  Aubchrlfl 
«horas  non  numero  nisi  serenas^  ausgedrückt  wird,  nötigten  zu  Versuclien,  in  anderer 
Weise,  unabhängig  von  der  Sonne,  die  Zeit  zu  messen.  Kleine  Trichter,  aus  welchen 
eine  hineingegossene  Wassermenge  tropfenweise  ausfloss  (Klepsydrae)«  wurden  in  Atü^ 
spAter  auch  in  Rom.  benutzt,  um  den  einzelnen  Rednern  eine  bestimmte  Zeit  jcmni* 
motten,  während  welcher  sie  sprechen  durften.     Dies  waren  jedoch  noch  keine  UhroA« 


«7 


«Ja  de  in  keiner  Br/ichung  zur  Länge  des  Tages  standen ;  wolü  aber  finden  wir  eine 
solche  im  Poliorketicon  de»  Taktikers  Aeneas  beschrieben»  welche  darauf  beruhte» 
dass  man  eine  bestimmte  Wassermenge  in  ein  Gefäss  laufen  Hess,  welches  derartig 
gütt^ilt  war,  dass  man  beurteilen  konnte»  der  wievielte  Teil  der  ganzen  Wassermasse 
ausgelaufen  war.  War  diese  dann  so  abgepasst,  dass  sie  die  ganze  Nacht  vorhieltt 
so  konnte  man  sehen,  der  wienelte  Teil  der  Nacht  vertlossen  war.  Sie  diente  zur 
Ablösung  der  Nachtwachen  und  wurde  för  die  langen  Wiutcrntichte  durch  Verstopfen 
der  Ausflussöffnungen  mittels  Wachses  so  reguliert,  dass  da^  Wasser  je  nach  der 
LiiigG  der  NAchte  langsamer  floss  and  die  ganze  Nacht  vorhielt;  von  Genauigkeit 
konnte  bei  dieser  Einrichtung  keine  Rede  sein. 

Die  grösste  Schwierigkeit  machte  die  Ungleichheit  der  Stunden,  welche  den 
langen  Soramertag  wie  den  kurzen  Wintertag,  von  Aufgang  bis  Untergang  der  Somie 
gerechnet,  immer  in  12  gleiche  Teile  zerlegen  mussten.  So  lange  man  daran  fest- 
hielt, immer  dieselbe  Wassermenge  laufen  zu  lassen,  musste  man  auf  Mittel  sinnen, 
die  AusflussOffnung  stets  so  gross  zu  machen,  dass  das  Wasser  den  ganzen  Tag  über 
lief,  wobei  «Ue  Höhe  des  Wasserspiegels  über  der  Ausftussöffiiung  von  wesentlichem 
Kindu^e  ist.  Ktesibios  von  Alexandrien  (um  170  vor  Chr.)  machte  die  ersten  er- 
folgreicheu  Versuche  zur  Verbesserung  der  bisherigen  Uhren,  Leider  sind  die  Mit- 
teilungen Vitravs  darüber  sehr  unklar,  offenbar  fehlte  ihm  selbst  das  Verständnis. 
Professur  Bilfinger  gebührt  das  Verdienst,  das  ganze  Kapitel  geniessbar  gemacht,  zu 
haben.  Ktesibios  richtete  zunächst  den  Ausfluss  so  ein,  dass  er  mechanisch  sicher 
reguliert  werden  konnte;  er  soll  auch  den  Einfluss  des  Abstandes  des  Wassersi^iegels 
von  der  Ausflussöffuung  gekannt,  ja  sogar  zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht  haben, 
obgleich  Vitruv  darüber  schweigt.  Durch  Probieren  brachte  er  es  dahin,  dass  er 
System  fand,  nach  welchem  er  die  Ausflussöffnung  höher  oder  tiefer  stellte,  indem 
den  Tierkreis  oder  die  Monatstage  als  Index  dazu  benutzte.  Später  ging  er  dazu 
über,  das  AusÖussgefäss  stets  ganz  gefüllt  zu  halten  und  dafür  das  Mass,  an  welchem 
das  ausgeflossene  Wasser  und  somit  die  Zeit  gemessen  wurde^  nach  der  Tagesläuge 
veränderlich  zu  gestalten.  Das  Wasser  floss  in  ein  cylindrisches  GefÄss  und  hob  da- 
durch einen  Schwimmer,  wodurch  ein  Stab  oder  eine  Figur  aus  dem  Gefässe  heraus 
trat,  welche  seitwärts  an  einer  Skala  die  Höhe  des  Wasserstandes  zeigte.  Bloss  im 
Winter  an  kurzen  Tagen  nur  wenig  Wasser  aus,  so  stieg  auch  der  Stab  nur  wenig 
emi>or,  und  die  12  Stunden  lagen  nahe  beisammen,  während  sie  im  Sommer  auf  der 
Tafel  weit  auseinander  lagen;  die  Äquinoktien  hielten  die  Mitte.  Denkt  njan  sich 
8e  gleichen  Stunden  auf  der  senkrechten  Tafel  durch  Striche  verbunden,  welche  vom 
rinter  zum  Sommer  hin  anstiegen,  so  konnte  ein  Lot,  auf  einer  oberen  Skala  ver- 
stihiebbar«  die  Stelle  anzeigen,  wo  der  Abstand  der  einzelnen  Stundenlinien  der  Tages- 
t&nge  entsprach*  So  weit  scheint  Ktesibios  gekommen  zu  sein.  Etwa  150  Jahre 
gpfiiter  beschreibt  Galenus  eine  solche  Uhr,  welche  bedeutende  Verbesserungen  zeigt. 
Er  richtete  die  Uhr  so  ein,  dass  sie  Tag  und  Nacht  zeigte,  indem  das  Wasser  aus  einer 
festen  tiffiaung  volle  24  Stunden  lief,  der  Zeiger  immer  gleich  hoch  stieg  und  die 
hl  Linien  für  Tag  und  Nacht  enthielt.  In  den  Äquinoktien  wurde  der  ganze 
in  24  gleiche  Teile  geteilt,  welche  die  Mitte  der  Tafel  einnalimen.  während 
der  einen  Seite  12  kurze  Nachtstunden  und  darüber  12  lange  Tagesstunden  far 
Liier  augebracht  waren,  fttr  den  Winter  auf  der  anderen  Seite  umgekehrt, 
ii  b  Linien  verbunden,  welche  das  oben  erwähnte  Lot  an  der  richtigen  Stelle 

schnitt.     Die  Wassermenge  der  ühr  kontrollierte  sich  selber. 

Schliesslich  findet  sich  bei  Vitruv  noch  die  Besclireibung  einer  Aufzugsuhr,  d.  h. 
ittaer  L'hr,    bei    welcher   das  Wa&ser   nur   zum  Teil    die  treibende  Kiaft,    mehr    den 


Kegülator  abgibt  ein  >sRiidSAeK  eine  W  c ül  dreht  und  diese  einen  Knopf  (den  Stunden- 
xdger)  im  Kreide  unter  einem  feststehenden,  von  Draht  gehihleten  Stondennetz  fortgeben 
lässt.  Dieses  Stnndennet2  als  ein  sogenanntes  Planispbaerinm  erkannt  und  somit  die 
ganxe  vage  ßeschroitmng  Vitravs  Oberhaupt  geniessbar  gemacht  m  haben,  ist  wieder 
das  Verdienst  Diltingers* 

Wasseruhren  blieben  bis  im  späte  Mittelalter,  ja  bis  ins  XVIT.  Jalirhundert 
im  Hausgebrauch.  Erst  die  Einführung  des  Pendels  ira  \VI.  Jahrhundert  (bei  den 
Ai'abem  war  es  vielleicht  schon  etwas  früher  bekannt)  brachte  die  Uhren  einen  be- 
deutenden Schritt  weiter. 

4)  Sitscunj5  im  ^GrüneD  Wald«  atn  8,  Februar  1893. 

Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohausen    widmet  dem  am   26.  Januar" 
verstorbenen    Ehrenmitgliede  des  Vereins   Geh.  Medizinalrat   Professor 
Dr.  Schaaff hausen  in  Bonn  einen  Nachruf. 

Herr  Oberstlieutenant  z.  D.  Sartoriua  hält  einen  durch  Zeich- 
nutigen  erläuteirten  Vortrag  „über  die  römische  Legion  in  ihren  Wand- 
langen^. 

Das  römische  Heerwesen  hat  sich  von  Anbeginn  des  Römischen  Reiches  an  aus 
den  von  Geschlecht  zn  Geschlecht  überlieferten,  festen  Grundlagen  umfassender  Kriegs^ 
erfahrungen  eines  halben  Jahrtausends  zu  wissenschaftlich  begründeter  Organisation 
herausgi'bildet  und  ist  in  seinem  ganzen  Stufengange  stets  im  iunigsteu  Zusammen- 
hange mit  der  jeweiligen  Staatsverfassung  geblieben 

E§  treten  in  diesem  Stufengauge  &  charakteristische,  voneinander  unterschiedene 
Organisationen  hervor  und  zwar: 

1.  Die  nach  Ständen  gegliederte  Legion  der  ersten  Könige^  als  deren 
Kern  die  patrizische  Reiterei  anzusehen  ist; 

2.  Die  auf  der  Grundlage  der  Vermügensklassen  des  Volks  gegliederte  und, 
behufs  mrksamer  Bekämpfung  der  nach  griechischen  Vorbildern  organisierten 
Hlruskischen  Phalangenstellungcn.  schwergerüstete  und  eng  geschlossene 
Phalangen-Legion  des  Servius  Tullius,  durch  welche  der  Schwerpunkt 
der  Waffenmacht  nunmehr  von  der  Reiterei  auf  das  Fussvolk  übertragen 
wurde; 

H.  Die  nach  Dienstalter  und  Waffenfähigkeit  gegliederte,  aus  Staats- 
kosten besüldete  und  dafhirch  zu  Feld/ügen  von  längerer  Dauer  verwend- 
bare Manipular- Legion,  deren  ei-ste  ßildung  der  Zeit  des  Camillus 
angehört  (die  Phalangen-Stellung  des  Servius  wird  in  Maniiiel  auf  einer  Linie 
auseinandergebogen  —  l.  Manipular-Stellung)  und  die  im  Laufe  der 
Zeit  mehreren  Veränderungen  unterworfen  wurde,  deren  Kenntnis  uns  durch 
die  Schilderungen  des  Livius  und  Polybius  überkommen  ist,  nämlich  in  der 
2.  Manipular-  oder  t^uincuucial-Stollung.  in  der  verbesserten 
iJuincuncial-Stellung  und  itn  f'luTgang  vnn  «h>r  Manipular-  inr 
Kohorten-Stellung; 

4*  Di(*,  alle  früheren  organisatorischLn  Stüt^imnkte  der  Ueereä-Gliedening  ver* 
nichtende.  einheitliche  Organii>atiou  der  Kohorten -Legion  des  Mariui». 
der  nach  der  Niederlage  der  Volkspartci,  um  die  Macht  der  nobilitaa  zu 
brechen  uml  um  die  durch  Kämpfe  mit  bisher  nicht  gekannten  Völkeni 
notwendige  AndcniUK  in  der  Organisation  des  Heeres  herheisufühnni,  ein 
«itcheodes  Söldnerheer  mit  unbedingtem  Gehonam  gegen  den  Fcldherm 


HBaii 


69 


schuf.  Di^  Reichen  enlzielien  sicli  dem  andauei-ndon  Kriegsdienst,  die  capite 
censi  treten  zahlreich  in  das  Heer,  der  Krieg  wird  als  Handwerk  betrieben, 
die  soliden  bürgorlichen  and  militärischen  Tugenden  bogiimen  zu  schwinden. 
Eine  weitere  Änderung  sehen  wir  in  der  Kohorten- Legion  des 
Augustusi  der,  um  die  Existenz  der  Kaiserherrschaft,  die  durch  Waffenge- 
walt gegründet  war,  auch  durch  Waffengewalt  zu  sichern,  ein  stehendes, 
bleibendes  Heer  schuf,  welches  nur  dem  Kaiser  den  Eid  leistete: 

fi.  Die  Rllckkehr  zu  einer  Phalangen-Legion,  die  wieder  verschiedene  Waffen 
glieder  weise  enthält  (ganz  wie  unter  Servius  Tüll  ins)  mit  vorherrschend 
defensivem  Charakter,  welche  den  Zeiten  des  Verfalles  der  Kaiser- 
herrschaft angehört  und  die  am  besten  darp^estellt  wird  in  der  Legion- 
Stellang  des  Trajan. 

Der  Verfall  <ler  sittlichen  Kraft  des  römischen  Heeres  nahm  stets  *m,  sodass 
je  mit  dem  allmählichen  Verfall  des  Reiches  immer  tiefer  sank. 

Sodann  stellt  Herr  Sanitlitsrat  Dr.  Flor  schütz  eine  Reihe  von 
Arbeiten  grönländischer  Eskimos  aus  der  modernen  Steinzeit  vor. 

Bis  waren  teils  sehr  geschickt  hergestellte  Hals-  und  Arrabunder  für  die  Frauen. 
eiU,  und  der  Mehrzahl  nach,  höchst  originelle  Schnitzereien  aus  Walross/alin,  svclche 
chwimmende  Seevfjgel,  Seehunde^  ja  selbst  einen  Moschusochsen  darstellten.  Gerade 
Btj^ere  Arbeiten  zeugen  von  einer  scharfen,  natürlichen  Beobachtungsgabe  und  er- 
egen  hierdurch  sowie  durch  ihre  Technik  unser  archäologisches  Interesse,  da  sie 
«ehr  oder  weniger  den  ältesten  Knoclienschnitzereien  unsorei  llöhlenfunde  L'ntsprcchen, 
Ein  weiteres  Interesse  gewann  die  kleine  Ausstellung  dadurch»  dass  sie  bei  Gelegen- 
beit  der  letzten  Expedition  zur  Aufsuchung  von  Sir  John  Franklin  durch  Mac  Clin- 
i"k  zwischen  1857  und  1859  erworben  wurde;  als  besondere  Reliquie  dürfte  eine 
chneebrille  betrachtet  werden,  welche  Mac  Clintock  bei  den  letzten  ÜbeiTesten  der 
aen,  aber  unglacklichen  Forschungsreiseuden  auf  King  William-Land  gefunden  hatte» 

6)  Sitzung  im  «Grünen  Wald*'  am  8.  März  1893. 

Herr  Oberst  z,  D.  von  Cohausen  widmet  dem  am  14.  Februar 
verBtorbenen  Ehrenmitgliede  des  Vereins  Prof.  Dr.  Liudensch  mit, 
Direktor  des  römisch-germanischen  Centralmuäeums  in  Mainz,  einen 
Nachruf. 

Im  Ansohluss  daran  spricht  Herr  Gewerbeschuldirektor  a.  D, 
Fischbach  ^über  Ludwig  Lindenachmit  als  Förderer  des  Deutschtums**, 

Der  Redner,  welcher  inzwischen  seine  Ausftlhrungen  als  Broschtlre  im  Kommis- 
sionsverlage von  W*  Roths  Buchhandlung  (Conrad  Reinhardt)  in  Wiesbaden  hat  er- 
beinen  lassen,  behandelte  in  erster  Linie  die  unvergessüchen  Verdienste,  welche 
Nestor  der  deutschen  Altertumswissenschaft  als  unerschrockener  Vorkämpfer  gegen- 
Iber  der  Keltomanie  seiner  Zeit  sich  erworben  hat. 

Darauf  hält   Herr  Oberst  z.  D.   von   Cohausen   einen  Vortrag 
^über  neue  Fuude  von  römischem  Schmelzschmuck  in  Mainz,** 
Tgl.  den  vorliegenden  Band  S.  30  bis  36.) 

Zum  Schluss  bespricht  derselbe  , Theodor  (irafs  Galerie  antiker 
Porträt«  aus  hellenistischer  Zeit", 


70 

Es  handelt  sich  um  eine  Reihe  von  Porträts,  die  in  der  ägyptischen  Profinz 
Fftiyilm  in  der  Nähe  von  Rnbaijat  gefunden  worden  sind.  Es  sind  aof  Holz  gemalte 
Bilder,  welche  Aber  das  (Besicht  der  Mumie  gelegt  und  durch  die  Binden  der  üm- 
hfillnng  in  der  Weise  befestigt  waren,  dass  das  Porträt  sichtbar  blieb.  Sie  gebra 
zum  ersten  Mal  ein  Bild  von  dem  Können  der  antiken  Porträtmalerei.  Neben  Er- 
zeugnissen roherer  Art  finden  sich  die  yollendetsten  Kunstwerke.  Als  Zeit  der  Ent- 
stehung der  Bilder  hat  man  das  1.  und  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  bestimmen  können; 
der  Name  des  Ortes,  an  welchem  sich  die  Grabstätten  befanden,  war  Kerke.  — 
unsere  Bibliothek  hat  die  von  dem  Besitzer  herausgegebenen  photographischen  Nach- 
bildungen nebst  Katalog  erworben. 

6)  ÖfFentliche  Sitzung  im  Museumssaale  am  18.  März  1898. 

Herr  Wirklicher  Staatsrat  von  Becker  hält  einen  Vortrag  ^ilber 
die  Geschichte  der  Eeltenfrage''. 

Da  der  Vortrag  auch  dem  Zwecke  dienen  sollte,  das  Andenken  Ludwig  Linden- 
schmits  in  öffentlicher  Sitzung  zu  feiern,  so  verbreitete  sich  der  Redner  im  Laufe 
seiner  Ausfflhrungen  in  eingehenderer  Weise  über  das  Verhältnis  des  Grenannten  zur 
keltischen  Frage. 

Im  flbrigen  sei  insbesondere  das  Folgende  hervorgehoben.  Die  Kelten  sdlen 
ihren  Namen  von  dem  Kelt  oder  Streitmeissel  haben,  von  dem  viele  Tausende  in 
unseren  Museen  aufbewahrt  werden.  Redner  hat  nun  schon  im  Dezember  1876  in 
der  (Augsburger)  «Allgemeinen  Zeitung»  nachgewiesen,  dass  das  Wort  celtis  im  Alter 
tum  gar  nicht  existiert  habe  und  deshalb  einem  Volke  seinen  Namen  nicht  ge- 
geben haben  könne.  Das  Wort  celtis  (Redner  spricht,  nm  nicht  mit  einem  Worte 
eine  Ausnahme  zu  machen,  nicht  Kelten,  keltisch,  sondern  Celten,  eeltisch)  komme 
erst  im  15.  und  16.  Jahrhundert  vor,  und  zwar  1)  in  der  lateinischen  Bibelüber- 
setzung, der  Vulgata,  und  zwar  Hiob  19,  23,  24,  wo  statt  certc  fälschlich  celte 
geschrieben  sei,  und  2)  in  einer  dalmatinischen  Grabschrift;  diese  Inschrift  sei  aber 
modern,  wie  aus  ihrem  scurrilen  Inhalt  hervorgehe  (Gruteri  Corp.  inscr.  p.  329). 
Seit  17  Jahren  habe  nun  Niemand  das  frühere  Vorkommen  des  Wortes  Celt  oder 
Kelt  nachgewiesen,  und  man  solle  endlich  aufhören,  die  Palstäbe  und  Hohlbeile  in 
unseren  Museen  Kelte  zu  nennen. 

Dr.  Focke. 


n 


lerloht  des  Konservators  über  die  Erwerbungen  für  das  Altertums- 
^m  Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres   1892. 

^m         Ich  folge  dem  Gebrauche,  in  unserea  HauptverBammluBgen  nicht  nur  die 

^^in  das  Museum  gekommenen  Gegenstände,    sondern   auch  die  im  Vereinsgebiet 

dahin  einschlagenden  Vorkommnisse  zu  besprechen  und  den  Gebern,  sowie  denen, 

die  uns  auf  altertümliche  Gegenstände  aufmerksam  gemacht  haben,   bestens  zu 

danken. 

Wir   zählen   unsere  Ring  wälle   zwar   zu   den   vorromischen  Bauwerken, 

I welche  aber  doch  wie  in  der  Urzeit  auch  noch  in  späterer  Zeit  als  Zufluchts- 
orte gedient  haben.  Da  man  auf  dem  Altkönig  einen  Turm  bauen  wollte, 
«o  gelang  es  auch  unsererseits,  die  Ablehnung  herbeizuführen.  Ferner  gelang 
es,  die  Entnahme  von  Steinen  in  der  Nähe  des  Alraerskopfes  auf  ein  dem 
dortigen  Ringwalle  unachädüches  Mass  zu  beschränken,  was  wir  der  Aufmerk- 
samkeit des  Herrn  Landrat  Bindewald  in  Weilburg  danken.  Auch  die  Aus^ 
beutung  des  durch  seine  Politur  merkwürdigen  grauen  Steins  über  dem  Nieder- 
hauser  Tunnel  gelang  zu  verhindern.  Auf  dem  Berg,  auf  welchem  die  Hof- 
heimer  Kapelle  liegt,  wurde  durch  die  Herren  Forstmeister  Kehrein,  0.  Engel- 
hard und  Fach  ein  kleiner  Ringwall  entdeckt,  über  den  im  nächsten*)  Annalen- 
bande  berichtet  werden  wird;  allem  Anscheine  nach  ein  letzter  Punkt  der 
Annal.  XX^  9  beschriebenen  Verschanzung  quer  über  dem  genannten  Berg- 
rücken. Daselbst  wird  ein  Aussichtsturm  ohne  allen  Sehaden  für  die  genannten 
^Verschanzungeu  beabsichtigt, 

B  Ober  das  Brunhildis-Bett  auf  dem  grossen  Feldberg,  welches  urkund- 

lich schon  sehr  frühe  genannt  wird,  ist  schon  viel  phantasiert  worden;  man  hat 
dasselbe  mit  uraltem  Götterkultus  in  Verbindung  gebracht,  zumal  weil  man  bei 
demselben  eine  napfförmige  Aushöhlung  im  Felsen  entdeckt  und  in  ihr  eine 
Opferschale  mit  Blutrinne  gesehen  hatte.  Selbst  ziemlich  nüchterner  Natur 
besuchten  wir  mit  dem  Geognosten  Herrn  Professor  Volger  und  dem  Vereins- 
direktor die  Stelle  und  erkannten  auf  der  Nordostseite  des  Felsens  mehrere 
hellfarbige  Nieren  von  weissem,  weicherem  Gestein^  welche,  wenn  sie  wagrecht 
gelegen  hätten,  sodass  Wetter  und  Frost  auf  sie  hätten  einwirken  können,  wie 
jene  „Opferschale*'  auch  schon  längst  die  Gestalt  jener  angenommen  hätteo. 
Die  Erklärung  dieser  Nieren  führt  uns  auf  das  benachbarte  Gebiet  der  Geognosie, 
die  lehrt,  dass  das,  was  wir  jetzt  als  harten  Quarzit  vor  uns  sehen,  einst  Kalk- 
stein war,  mit  Einlagen  nierenformiger  Spongiten,  welche  aber  durch  Infiltration 
und  chemische  Metamorphoöe  zwar  ihre  Form  ziemlich  behalten,  doch  aber 
selbst  in  Quarzit  umgewandelt  worden  seien,  aus  dem  jene  zu  Quarz  gewordene 
Spongiten  ausgespült  und  zu  Opferschaleu  und  Blutrinneo  geworden  wären. 

Durch  die  Aufmerksamkeit    des  Herrn  Bauinspektor  8 oberer   empfingen 
wir  einen  alten  Mal  stein,  vod  einer  Steinart,  welche  man  gewöhnlich  als  von 
fiedermendig  herkommend  ansieht,  welche  sich  aber  doch  auch  in  dem  schlak- 
Ligen  Basalt  des  Wester waldes  findet.  —  Dem  Herrn  Otto  Engelhard  danken 

•)  jetzt  vorliegenden 


tfb^ 


72 

wir  eni  M^hr  wertvolle«  t.ei  Hofheim  gefundeneö  Beil  von  Jadeit,  nebat 
VOM  Grauwacke.  Nebeo  diesem  aiud  ausgestellt  zwei  Kelte  von  Kupfer,  der 
eine  gegenüber  der  Hamtuermüble  gefuoden,  der  andere  aus  dem  Rhein  ge- 
baggert, —  Von  Frau  Gräfin  v.  d.  Goltz,  die  uns  schon  froher  so  achoiie 
Gaben  zugewandt  bat,  erhielten  wir  zwei  griechische  Vasen,  die  eine  The- 
rakleiisobeD  Stiles  mit  fabelhaften  Tieren  bemalt,  die  andere  archaischen  Stiles, 
auf  rötlichem  Grunde  menschliche  Gestalten  in  Schwarz  darstellend.  Von  Frau 
V.  Cohausen  erhielt  das  Museum  eine  römische  Lampe  aus  Thon  von  Pompeji. 

Sie  wissen,  dass  nach  einer  Vorversammlung  iu  Heidelberg  erst  in  Berlin 
im  Reiohsministerium  und  dann  wieder  in  Heidelberg  eine  Limes-Rommissioti 
zusammengetreten  ist,  welche  die  Aufgabe  hat,  den  römischen  Grenzwall,  der 
zuerst  der  Gegenstand  unseres  Vereins  war  und  über  den  ich  in  dessen  Auftrag 
den  „Römischen  Orenzwall"  mit  52  Tafeln  (Wiesbaden,  bei  Kreidel  1884)  ge* 
schrieben  habe,  nunmehr  durch  Ausgrabungen  auf  seiner  ganzen  Länge  von 
der  Donau  bis  zum  Niederrhein  zu  untersuchen.  Dies  soll  geschehen  durch 
zwei  Dirigenten,  Generallieuteoant  von  Sarwey  und  Prof  Ilettner,  sowie  durch 
verschiedene  Streckenkommissäre,  —  von  der  Saalbnrg  bis  zum  Feldbergkastell 
durch  den  Baumeister  Jacobi.  —  Alle  Funde  sollen  iu  dem  Lande,  wo  sie 
vorkommen,  verbleiben :  also  (wie  ich  gebeten  habe,  mit  Ausnahme  der  Funde 
aus  der  Gegend  der  Saalburg,  vom  Kopperner  Thal  bis  zum  Heidenstock,  welche 
im  Saalburg-Museum  in  Homburg  bleiben  sollen)  sollen  auf  Befehl  des  Kultus- 
Ministeriums  alle  Funde  bis  zum  Ende  des  Pfahlgrabens  bei  Rheinbrohl  iu 
unser  Museum  kommen. 

So  sind  bei  dem  Feldbergkastell  sehr  interessante  Stücke  gefunden 
worden.  Iu  dem  Fundamente  der  Villa  vor  dem  Kastell  fand  sich  ein  Stein 
mit  einer  Inschrift,  nach  welcher  er  der  Julia  Mamea,  der  Mutter  des  Sc  vor  u« 
Alexander,  von  den  Kundschaftern  Halieenses  geweiht  worden  war|  nämlich: 


IVLIAE'MAME 

AEAVG   MATRI 

SEVERIALEXAN 

DRIAVG   NCAS 

TRORVM    SE 

NAT VS  *  PATR I 

AE    QVEEXPL 

HALIG'ALEXAN 

DRIANA    DEVO 

ANVIVIINI 

El '  IVS 


JuUae  Mameae 
Auguetae  matri 
Severi  Alexandri 

AugUBti  nostri 

castrorum  senatua 

patriae 

que  ezploratio 

halioenaia 

Alezandriana 

devota  numinia 

eüus 


Der  Stein  ist  aber  nicht  allein  wegen  seiner  Weihung,  sondern  auch  wegen 
der  Weihenden  merkwürdig,  da  die  Inschrift  es  wahrscheinlich  macht,  data 
dieser  Truppenteil  aus  einem  Laüdstricb  stammte,  in  dem  Salz  gewonnen  wurde, 
wie  unser  Land,  das  so  reich  au  Mineralquellen  ist,  welche  alle  salzhaltig 
sind  und  wohl  alle  :6ur  Satzbereitung  gedient  haben,  ao  Soden  am  Spes^ait, 
der  Schwalheimer  Sauerbrunnen,  Nauheim,  Rossdorf  in  der  Wetterau,  Selterser 
Brunnen^  Homburg,  Sulzbacb,  Soden  etc.  im  Taunus,  Wiesbaden  und  wohl  noch 
andere,  welche  die.'«  Lund  gewiasermassen  zum  Salzkammergute  der  Römer  ge- 
macht haben. 


I 

4 


Ghi 


jmm, 


73 

unter  yerBchiedenen  kleinen  Erz-  und  Eisenteilen  fand  sich  im  Feldberg- 
kastell namentlich  ein  sehr  gut  erhaltener  Pentagondodekaeder,  von  welchem 
Zeichnungen  und  Abgüsse  vorliegen  und  dessen  Zweck  und  Gebrauch  man  zu 
erraten  sich  bemühen  möge. 

Unter  den  römischen  Gegenständen,  welche  das  Museum  erworben  hat 
—  eine  Feldflasche  aus  Thon,  ein  Erzbecher  in  Form  eines  Rehkopfes,  ein 
zierlicher  Löffel  aus  Erz,  zahlreiche  kleine  Schmuckstücke,  namentlich  zwei 
goldene  Ohrringe  mit  Delphinköpfen  —  sind  es  namentlich  die  Glasarbeiten, 
welche  unsere  Aufmerksamkeit  erregen.  Eine  kleine  Vase  mit  eingeschmolzenen, 
blauen,  gelben  und  grünen  Zickzackverzierungen  ist  wohl  ägyptischen  Ursprungs. 
Ferner  ist  zu  erwähnen  ein  Yexierbecher,  auf  dem  ein  Hirsch  liegt,  durch  dessen 
Maul  man  den  Becher  aussaugen  kann.  Der  Glaskünstler  Zitzmann  in  der 
Kolonnade  hat  eine  Nachahmung  dieses  Bechers  gemacht  und  einen  Becher  mit 
„Häuschen  im  Keller^  dem  Museum  geschenkt. 

Es  sind  ferner  hier  ausgestellt  viele  Bruchstücke,  die  durch  ihre  Ein- 
förmigkeit und  Menge  auf  eine  römische  Glashütte  an  der  Nahe  hinweisen. 
Auch  spätere  Gläser  finden  sich  darunter  und  weisen  auf  eine  Fortdauer  dieser 
Industrie  bei  uns  hin. 

Aus  fränkischer  Zeit  haben  wir  diesmal  nur  wenig  auszustellen,  darunter 
aber  zwei  runde  Fibeln  aus  Gold  mit  Steinen  und  andere  Stücke,  darunter  eine 
kleine  Silbermünze,  welche  Herr  Isenbeck  als  eine  Matasunda,  Gemahlin 
Vitigis  (536—540),  erkannt  hat. 

Weiter  erhielt  das  Museum: 

Yen  Herrn  Gerhard  einen  sogenannten  Linkhand -Dolch,  von  Herrn 
A.  Zais  einen  Eesselhaken,  wie  sie  früher  bei  offenem  Herdfeuer  aus  dem 
Schornstein  herabhingen,  von  Herrn  Demmin  einen  kyprischen  Blumenständer 
und  andere  Gefasse  von  dort  her,  von  Baron  Wen  dt  das  gusseiserne  Modell 
einer  Kanone. 

Aus  den  Fundamenten  eines  Forsthauses  in  Battenberg  empfingen  wir 
durch  die  Aufmerksamkeit  der  Eönigl.  Forstbehörde  15  Silbermünzen  (Tourones). 
Für  unseren  Münztresor  erhielten  wir  von  den  Herren  Streitberg  und  von 
Ititgen  eine  Anzahl  älterer  und  neuerer  Münzen. 

Das  Museum  war  1891  von  4926,  im  Jahre  1892  von  3867  Personen 
besucht. 

Oberst  von  Cohausen. 


Verzeichnis  der  Mitglieder.*) 

(Abg^sohloBsen  am  81.  März  1898.) 


Vorstand. 
Direktor:  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florsehfltz. 
Sekretär:  Herr  EuBtos  der  Eönigl.  Landesbibliothek  Dr.  Foeke. 
Konserrator:  Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohansen. 
Ferner  die  Herren: 

Geheimer  Justizrat  von  Eek^ 

Rentner  Oaab^ 

Landgerichtsrat  Kentner^ 

Geheimer  Baurat  Cano^ 

Oberlehrer  Dr.  Wedewer^ 

Sohnldirektor  Weldert^ 

Dr.  med.  Ahrens^ 

Oberlehrer  Dr.  Lohr. 
Ersatzmänner  sind  die  Herren: 

Landgerichtsrat  Dfissel, 

Major  a.  D.  Schlleben^ 

Oberstlieutenant  z.  D.  Sartorius. 
Die  Rechnungsprüfungs-Eommission  wird  gebildet  durch  die  Herren: 

Geheimer  Baurat  Gono^ 

Gewerbeschuldirektor  a.  D.  Flschbaeh^ 

Rentner  Isenbeck. 

Ehrenmitglieder. 

Herr  Hodgkin^  Thomas,  Esqu.,  Falmouth. 
,     Dr.  Menzel^  Earl,  Professor,  Bonn. 
,     Dr.  Mommsen^  Theodor,  Professor,  Berlin. 
„     Schellenberg^  Carl,  Geheimer  Regierungsrat  a.  D.,  Wiesbaden. 
„     Sehaermans^  H.,  Premier  prösident  de  la  cour  d'appel,  Li^e. 
„     Dr.  von  Sybel^  Heinrich,  Direkt,  d.  geh.  Staatsarchivs,  Wirkl.  Geh.  Ob.- 
Reg.-Rat,  Berlin. 

*)  Unsere  p.  T.  Mitglieder  werden  dringendst  ersacht,   Veränderungen  der  Titolater 
ttod  des  VlTohnortes  sowie  etwaige  Berichtigungen  gütigst  dem  Sekretariat  mitratttlen. 


75 


Korreapandlerende  Mitglieder, 
err  Franz  Pascha,  Kairo. 

Dr,  Heider,  Sektionsrat  im  K.  K.  Minist  i  Kult.,  Wien. 

Michelattt^  Heflry,    CoDservateur  du  departement  des  manuacripte  de  la 

Bibliotheque  nationale,  Paris. 

Dr.  Overbeck,  Johannes,  Prof.,  Geheimer  I-Iofrat,  Leipzig. 

BaroD  de  Septeiiville,  Chateau  Li^nieres  (Püix). 

Ordentliche  IMitglleder. 

I.  In  Wiesbaden. 
Herr  Abegg,  Philipp. 

Dr.  med.   AhretlH«  Friedrich,  Arzt. 

Anfermaiiiit  "Wilhelm,  Rentner. 

von  Aweydeu,  Adolf,  Ober-Regierungsrat. 

BartUng:,  Eduard,  Rentner  und  Stadtrat. 

ßeehtold,  Rudolf,  Buchdruckereibesitzer. 

Becker,  Ludwig,  Kaufmann. 

Beger^,  Heinrich,  Rechnungsrat,  Rendant  dos  Verein». 

Bergniaiiii,  Fritz,  Verlagsbuchhändler, 

Berl^,  Ferdinand  R.,  Banquier. 

Dr.  med.  Berlein,  Martin,  Arzt. 

?on  Bertoiich,  Geh.  Regieningarat  a,  D.  und  Karamerherr. 

Dr.  med.  Bertrand,  Carl,  Geh.  Sanitätarat. 

Baron  von  Bistrani. 

Dr.  jur,  Boniuger^  Eugen,  Rechtsanwalt* 

Bornemann,  Carl,  Wirkl.  Geh.  Kriegarat  a,  D. 

Dr.  phiL  Bredemann,  Carl  Otto. 

Dr.  phLl.  Bröckln^,  Wilhelm. 

Büdingen,  Wolfgang,  Kaufmann  und  Badhausbesifczer. 

Charlier^  Albert,  Rentner. 

Dr.  veter.  med.  Christmanu,  Heinrich,  Tierarzt. 

TOn  Cohansen^  August,  Oberst  z.  D,,  Konservator. 

Dr,  med.  Conrady*  Max,  Geh.  Sanitätsrat. 

Conrady,  Ludwig,  Pfarrer  a.  D. 

Dr.  theol.  de  la  Crolx,  Otto,  Oberregierungarat  und  IConsist.-Präsid.  a.  D. 

Cano^  Eduard,  Geh.  Baurat  und  Regierungarat. 

Donnann^  Philipp,  Bauunternehmer, 

Drexel^  Jacob,  Kaufmann. 

DÜ8sel,  Hermann,  Landgerichtsrat* 

Freiherr  von  Dnngern«  Max,   Präs.  d.  Grossh*  Luxemh.  Finanzkammer. 

Freiherr  von  Eberstein,  Alfred,  Oberst  z.  D, 

Ebhardt,  Karl,  Privatier. 

von  Eck,  Victor,  Geh.  Justkrat,  Rechtsanwalt 

Eekerlin«  Heinrich,  Bauunternehmer. 

Eggert,  Hermann,  Regierange-  und  Baurat, 


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76 

Herr  Elgershansen^  Luitpold. 

9  Dr.  theol.  Ernst^  Carl,  Oeneralsuperintendent. 

„  Fehr^  Theodor,  Fabrikbesitzer. 

«  Flsehbaeh^  Friedrich,  Gewerbeschuldirektor  a.  D.^ 

9  Flöek^  Friedrich,  Architekt. 

„  Dr.  med.  Florsehfltz^  Bruno,  Sanitätsrat. 

„  Dr.  phil.  Foeke^  Rudolf,  Kustos  der  Kgl.  Landesbibliothek. 

„  Dr.  med.  Franko  Georg. 

I,  Franz^  Wilhelm,  Regierungsbaufuhrer. 

„  Freinshelm^  Friedrich,  Rentner. 

„  Dr.  Fresenlas^  Remigius,  Geh.  Hofrat,  Professor. 

„  Friedrich^  Lothar,  Pfarrer. 

„  Frltz^  Heinrich,  Rentner. 

.  Fritze^  August,  Professor,  Oberlehrer. 

„  Faehs^  Wilhelm,  Landgerichtsrat  a.  D. 

9  Oaaby  Christian,  Rentner. 

„  Oeeks^  Leonhard,  Buchhändler. 

„  Ton  Ooeeklngk^  Hermann,  EgL  Eammerherr  und  Premierlieutenant  a.  D. 

«  Oötz^  Friedrich,  Hotelbesitzer. 

Frau  Gräfin  Ton  der  Goltz. 

Herr  Gomlekl,  Wladislaus. 

„  Orftber,  Ferdinand,  Eommerzienrat. 

„  OriUier^  Robert,  Oberst  z.  D. 

„  Dr.  jur.  Grimm^  Julius,  Professor. 

9  Grosehwttz^  Carl,  Buchbinder. 

„  Dr.  med.  Gfintz,  Theobald,  Privatier. 

„  Dr.  Hagemann^  Arnold,  Kgl.  Archivar. 

„  Helbtg,  Hermann,  Baurat,  Kreisbauinspektor. 

„  Hensel^  Carl,  Rentner. 

«  Hensler^  Joseph,  ständischer  Ingenieur  und  Inspektor. 

y,  Menzel^  Nicolaus,  Ingenieur. 

„  Herrmann^  Johannes,  Inspektor. 

„  Hess^  Johannes,  zweiter  Bürgermeister. 

„  Hess^  Simon,  Kaufmann  und  Stadtverordneter. 

„  Dr.  med.  Heobaeh^  Hans,  Arzt. 

„  HeyM^  Ferdinand,  Kurdirektor,  Kais.  Ottomanischer  Yicekonsul. 

„  Dr.  phil.  Hintz^  Ernst  Jacob. 

„  von  Hirsch^  Friedrich,  Kaufmann. 

„  Höhn^  August,  Polizeirat. 

„  HoAnann,  Otto,  Rentner. 

fl  Dr.  jur.  von  Ibell,  Oberbürgermeister,  Mitglied  des  Herrenhauses. 

),  Dr.  med.  Ideler,  Carl,  Geh.  Sanitätsrat. 

„  Isenbeck^  Julius,  Rentner. 

„  Ketm^  Wilhelm,  Landgerichtsrat. 

„  Dr.  theol.  Keller^  Adam,  päpstl.  Hausprälat,  Geistl.  Rat,  Dek.  u.  Stadtpfarrer. 


Herr 


frau 
Herr 


Kentner«»  Joseph,  Landgerichtsrat. 

Ki88lItt^^,  Carl,  Möbelfabrikant. 

Knaaer,  Friedrieb,  Kentüer. 

Freifrau  von  Ktioop. 

Koeii«  Gottfried,  Kaufmaaii« 

Kolb,  Richard,  Major  a.  D. 

KreideK  Carl,  Mecbaaiker. 

Kriege«  Krnst  Jacob,  Oberst  a.  D. 

K11112,  JohanueH,  Bildhauer, 

Dr.  phil  Kurse^  Hermann^  Apotheker. 

Labes,  Otto  Friedrich,  Oberst  a.  D* 

Dr.  phil  Leliniann,  Julius. 

TOii  Lelimaiiu,  Peter,  CTenerallieutooant  /..  I>. 

Leisler,  Ernst,  Roferendar. 

Leo,  Ludwig,  Rentner. 

Dr.  med,  Letzerich,  Ludwig,  Arzt, 

Lex,  Adolf,  Regierungsasaessor. 

Limbarth,  Christian,  Buchhcändler. 

Freiherr  Low  von  Steiiifart,  Erwin,  Oberlieutenant  a.  D. 

Dr.  phil,  Lohr,  Friedrich,  Gymnasialoberlehrer. 

MSckler,  Heinrich,  Rentner  und  Feldgerichtsacböffe* 

Dr.  phil  Meilicus,  Friedrich  Carl,  Professor* 

Meister,  Philipp,  Laüdgerichtarat  a.  D, 

Dr.  phil.  Merbot,  Reinhold,  Sekretär  der  liandelakatiimer. 

Dr.  med.  Menrer,  Carl,  Augenarzt, 

Meyer,  Richard  Adolf,  Generalagent. 

Momberjs:er,  Jacob  August,  Weinhäudter. 

Moritz,  Joseph,  BuchhäDdler. 

Nlemer,  Louis,  Rentner* 

NörtersliÄoser,  Gisbert,  Buchhändler. 

NOtzeU  Wilhelm,  Fubrikbesitzer. 

Oissoii,  Hans  Hermano,  Juwelier. 

Opitz,  Hermann,  Oberregierungsrat  und  Konsistorialpräsident 

Otto,  Friedrich,  Prufessor,  Prorektor  am   KgL  (tymnasium. 

Dr.  phil  Otto,  Heinrieh,  Gymnasiallehrer. 

Dr.  phil.  Panzer,  Conrad,  Königlicher  Archivar, 

Peiperft,  Hugo,  Rentner  und  Stadtverordneter. 

von  Pestel,  Eduard,  Oberst  a.  D. 

Dr.  med.  PfeitFer,  August,  Regieruuga-  und  Mediziaalrat, 

Dr.  med,  Pfeiiter,  Ernil.  Sanitätsrat. 

Pohl,  Joseph,   Weinhändler. 

Beber,  Johannes,  Pfarrer  a.  D. 

Reinliunit,  Conrad,  Buchhändler, 

ReuHeh,  Heinrich,  Gerichtsreferendar. 

Kieck»«,   Wilhelm,   Wirkl.  Geh.  Kriegsrat  und  Militärintendaut  a.   IK 


mä 


78 


Herr 


Biseh^  JaliuBy  Geh.  Begierungs-  und  Schalrat. 

Bitter^  Carl,  Buchdruckoreibesitzer. 

Dr.  jur.  Bomelss^  Hermann,  Rechtsanwalt. 

Boos^  Heinrich,  Kaufmann. 

Bospatt^  Lambert,  Geh.  Regierungsrat. 

Both^  Adolf,  Rentner. 

Dr.  phil.  Bnppel^  Carl,  Oberlehrer. 

Sartorins^  Adalbert,  Oberstlieutenant  z.  D. 

Sartorias^  Otto,  Landesdirektor. 

Dr.  phil.  Sanier^  Wilhelm,  Staatsarchivar  und  Archivrat. 

Dr.  jur.  Schalk^  Heinrich,  Bibliothekar. 

Ton  Schellha^  Dietrich,  Oberst  a.  D. 

Sehellenberg^  Alfred,  Architekt. 

Sehellenberg^  Carl,  Rentner. 

Sehellenberg^  Louis,  Buchdruckereibesitzer. 

TOn  Seheyen^  Wilhelm,  Botschaftsbeamter  a.  D. 

Sehlerenberg^  Ernst,  Rentner. 

Sehlaadt^  Wilhelm,  Oberlehrer. 

SehUeben^  Adolf,  Major  a.  D. 

Schmitt^  Adam,  Rentner  und  Stadtverordneter. 

Dr.  phil.  Schmitt^  Conrad,  Hofrat 

Schramm^  Philipp,  Rentner. 

Schröder^  Hugo,  Photograph. 

Sehfller^  Theodor,  Archiy-Eanzlei-Sekretfir. 

Schultz^  Otto,  Oberst  a.  D. 

Ton  Schweder^  Adolf,  Oberst  z.  D. 

Schweisgoth^  Carl,  Rentner. 

von  Seydlitz^  Hermann,  Generallieutenant  z.  D. 

Dr.  jur.  Slebert^  Eduard,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 

Splelmann^  Christian,  Schriftsteller. 

Spiess^  August,  Gymnasialdirektor  a.  D. 

Stein^  Christian,  Bauunternehmer  und  Stadtverordneter. 

Stolley^  Harald,  Hofdentist. 

Strasborger^  Paul,  Banquier. 

von  Tepper-Laskly  Victor,  Regierungspräsident. 

Thönges^  Hubert  Christoph,  Justizrat. 

Thoma^  Hermann,  Hotelbesitzer. 

Thomeyssen^  Alexander,  Rentner. 

Dr.  phil.  TIetz,  Oscar. 

Trosiener^  F.,  Ingenieur. 

Yletor^  Moritz,  Kaufmann. 

Yogeler,  Julius,  Rentner. 

Wagner^  Carl. 

Freiherr  von  Wangenheim,  Otto,  Major  z.  D. 

Dr.  theul.  Wedewer^  Hermann,  Oberlehrer. 


lerr  Weldert,  Carl^  Direktor  der  höheren  Töchterschule. 
,     Wiencke,  Rudolf,  Königlicher  Lotterie-Einnehmer, 
Dr*  jiir.  Wilheliii,v,  Albert. 
Willett^  Martin,  Architekt  und  Stadtverordneter, 
Winter,  Ernst,  Baurat,  Stadtbaudirektor. 
VVirth,  Christian,  Landeadirektor  a.   ü* 
Wissmann,  Eduard,  Landgerichtarat. 
Worst,  Hermann,  Seminardirektor  a.  T>, 
Zais,  Wilhelm,  Hotelbesitzer. 


II,   Ausserhalb  Wiesbadens. 

Herr  Abel,  Rcohtsauwalt,  Hadamar. 

„     Dr,  von  Achenbach^  Heinrich,  Staatsmiumter  u.  Oberpriisident,  Potsdam. 

Achenbacli,  A.,  Konigl.  Berghauptinaou,  Klausthal. 

Dr.  Alefeld,  Darmstadt. 

Almenröder,  Pfarrer,  Ober-Biel  (Kreis  Wetzlar). 

Anthes,  Eugen,  Pfarrer,  Nassau. 

Dr,  phil.  Aasfeld,  Eduard,  Königl  Archivar,  Koblenz. 

Biibr^  Joseph,  Landwirt,  Frauenstein  bei  Wiesbaden. 

fiahl,  Christian,  Ehi*on-Domherr,  Bischöfi.  Kommisaariua  und  Stadtpfarrer, 

Frankfurt  a.  M. 

Batton,  Postmeister,  Nassau. 

Baaer,  Major  an  der  Schiessschule,  Jüterbogk, 

Baunaeh,  Wilhelm,  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  Beck,  Ludwig,  Hüttendirektor,  Rheinhütte  bei  Biebrich. 

Dr.  Beckmann,  Fr.,  Landrat,  Usingen. 

Dr.  Berg^  Direktor  des  Knaben pensionats,  Oberlahnsteio. 

Bimler,  Oberbergamtsmarkacheider,  Breslau, 

Bludewald,  Landrat,  Weilburg. 

Blell,  Rittergutsbesitzer,  Lichterfelde  bei  Berlin. 

von  Bni;li,  Eugen,  Geh.  Kummerzienrat,  Mettlach. 

Dr.  phil.  Braun,  Anselra,  Professor,  Oberlehrer,  Hadamar. 

Brofft,  L.  H.,  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  phil.  Büsgeu,  Gymnasialdirektor,  Rinteln. 

Dr.  phil.  Freiherr  von  Canstein,  Ökonomierat,  Berlin. 

Conrad}^,  Wilhelm,  Kreisrichter  a.  D.,  Miltenberg  a.  M. 

Dahlen,  Heinrich  Wilhelm,    Generalsekretär  des  deutschen  Weinbauver- 

eins,  Geisenheim, 

Deissmann,  Pfarrer,  Erbacb  am  Rhein. 

Dei88mann,  Dekan  a.  D.,  Pfarrer,  Cubach  (Post  Weilburg), 

Dr.  med.  Dettweiler,  Peter,  Geh.  Sanitatsrat,  Falkenatein  i.  T. 

von  Donop,  Hugu,  Major  z.  D.  und  Oberhofraeister,  Weimar. 

Dr.  med.  Bijttmamh  Otto,  Arzt,  Montabaur. 
Frau  Baronin  von  Düngern,  Schloss  Dehrn  bei  Limburg  a.  <l.  Lahn. 


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Herr  DjrckerhofT,  Rudolf^  Fabrikbesitzer^  Biebrich. 

,     Ebhardt,  LandgerichtBrat  a,  D,.  Limburg  a.  d.  L. 

.     Graf  m  Eltz^  Carl,  Eltville. 

^     Engel hard^  Orto,  Fabrikant,  Iloflieim  im  Taunud, 

^     Graf  zn  Eolenburgt  Botho,  MiDUterpräsident,  Berlin. 

»     Feldner,  Lehrer,  Steeten  bei  Runkel  a.  d.  Lahn. 

,     Dr.  phiL  Fleckeisen,  Professor,  Dresden. 

^     Fonck^  Geh.  Rcgieruugsrat,  Rüdesheim. 

,     Dr.  phiL  Forst,  H.,  Osnabrück, 

^     Fromme,  Landrat,  Dillenburg. 

,     (loltz,   B*,   Major   im    Westfälischen   Infanterie  -  Regiment   No.    57, 
WesoL 

,     Dr.  GraiMlhoiuiue,  Sanitätsrat,  Kreisphysikus,  Prankfurt  a.  M. 

,     Haas,  F,,  Rektor  des  Realgyronasiuras,  Limburg  a.  d.  L, 

,     Graf  von  Hachenbnrg,  Hachenburg. 

,     Dr.  phil  HaniJiieran,  A.,  Frankfurt  a.  M. 

♦     Uaneh«  Rudolf,  Frankfurt  a.  M* 

„     Hecker,  CJerichtsschreiber^  Nassau. 

„     Dr.  Hegert,  Archivrat,  Geh.  Staatsarchivar,  Berlin. 

,     Dr.  med.  Merxheimer,  Salomoo,  Sanitiitsrat,  Arzt,  Frankfurt  a.  M. 

,     Hess,  Heinrich,  Weiukomroissionär,  Östrich. 

,     Hetssel,  Professor,  OyuHiasialoberlehrer,  Dillenburg. 

,     Freiherr  v.  d,  Hey  dt,  Landrat.  Homburg  v.  d.  H. 

,     Heyne,  M,.  Oberlehrer  am  Real-Progynmasium,  Biebricb. 

,     Hilf,  Hubert  Arnold,  Justizrat,  Rechtsanwalt,  Limburg  a.  d,  L. 
Hillebraiid,  Professor,  Oberlehrer,  Hadamar. 

^     Hilpiseli,  Johann  Georg,  Pfarrer,  Direktor  der  St,  Leonhardskirche,  Frank* 
fürt  a.  M.  M 

„     Hoifmann,  Guti^besitzer,  Niederhöchstadt  (Post  CVonberg  i.  T.)  i 

,     Uofl'muuu,  Wilhelm,  Premierlieuteuant  a.  D.,  Redakteur,  Gummersbach,^ 
8e.  Königliche  Hoheit  Leopold  Filmt  von  Holienzollei-n^  Sigmaringen. 
Herr  Hosst^us,  Inspektor  der  Heilanstalt,   Falkenstein  i.  T. 

^     Uuhalek,  H,,  Steeten  bei  Runkel  a.  d    Lahn. 

,     Jacolii,  Baumeister,  Homburg  v.  d.  H. 

,     Janothat  Herzogl.  Schlossinspektor  a.  D.,  Weilburg. 

,     Ilgen,  Kapitän  in  der  Kgl,  Niederländischen  Armee,  Padang,  iSuujutr 

,     Graf  von  Ingelheim,  Oeiseuheira. 

,     Dr.  Kalle,  KommerÄienrat,  Biebrich. 

,     Dr.  phiL  Kaufmann,  A.,  Archivrat,  Wertheim  a.  M. 

,     Kaafhiann,  Heinrich,  (ierbereibesitzer,  Lorch. 

«     Keller,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar,  iJmburga.  d.  L. 
Frao  Gräfin  von  Klelmaun«c*gge,  Nassau, 

Herr  Klein,  Hermann,  Hütten besitsser,  Karlshutie  (Post  Buchenau,  Kr.  Bieden^ 
kopfi. 

„     Dr.  llu^il.  Klein,  Karl,  Bistcliof,  pilpstL  Hau»prul«t»  Limburg  a.  d.  I4* 


ron  KBehel,  HeiDrich^  Oberst  z.  D.,  Sonnenberg  bei  Wiesbadeo. 
Dr,  med.  Kobelt,  Wilhelm,  Arzfe^  Schwanheira. 
KöiiiiBTsteüi,  Kilian,  Pfarrer,  Bornheira  bei  Frankfurt  a.  M, 
Kohit-Speier,  Frankfurt  a.  M, 
Dr.  phil.  Kraus,  F.  X.,  Professor,  Preiburg  l  B. 
Kröck,  Hauptmann  a.  D.,  Berlio. 
Krücke,  Wilhelm,  Pfarrer,  Limburg  a.  d.  L. 
^vou  Lade,  E.,  Geiaeuheim. 
'  iiebe,  Th.,  Hofrat,  Gera. 

Dr.  Lieber^  Reichstags-  und  Landtagsabgeordneter,  Camberg. 
li{ifzenkircbeii,  Heiorich,  Buchhändler,  Bonn  a,  Rh. 
Magewirth,  J.,  Oberpfarrer,  Homburg  v.  d    H. 
Maliuros,  Amtsrichter,  Limburg  a,  d.  L. 
Manper,  Fr.,  Pfarrer,  Dillenburg. 

Freiherr  Marschall  von  Biebersteiii,  Ober^tlieutenant,  Koblenz. 
Frau  Gräfin  von  Matnschka,  Schloae  YoUrads  bei  Winkel  a.  Rh. 
Meckel^  J.  Fr.,  Kaufmann,  Herboro. 
Dr.  med,  Miehel,  Theodor,  Arzt,  Niederlabostein. 
Moureau,  J^farrer,  Erbenbeim  bei  Wiesbaden. 
Müller,  Mich-,  Pfarrer,  Seck  (Kreis  Weeterburg). 
Müllers,  Erster  Seminarlehrer,  Montabaur. 
Mnlot^  Heinrich,  Rentner,  Haiger, 
Massety  Landgericbtsrat,  Limburg  a,  d.  L. 
Nick,  Pfarrer,  Salzig  bei  Boppard. 
Opperinann,  Ferdinand,  Bad  Soden. 

Osterroth,  Arthur,   Rittergutsbesitzer,    Schlosa  Schönberg  bei  OberweseK 
OU5  Joseph,  cand.  pbil,  Biebrich. 

Pauli,  Gutsverwalter,  Sehloas  Bodenstein  bei  Regensburg. 
Dr.  Feters,  C,  Scbieratein. 

Pfarrius,  Alexander,  Pfarrer,  Dodenau  (Post  Battenberg). 
Pfau,  ßmil,  Direktor  der  Aktienbrauerei,  Nansau. 

Freiherr  von  Preuschen  nnd  zu  Liebenstein,  Forstmeister,  Rüdeaheim. 
Pnlch,  Gerichtsschreiber,  Katzenelnbogen. 
Beiefaert,  Domänen^Rentmeister,  Weilburg. 
von  Beinaeb,  Albert,  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  med.  Beinhold,  Medizinalrat,  Eisenberg  (Sachsen-Altenburgi. 
Bensch,  C.  Ed.,  Bürgermeister,  Oberlahnsteiu. 
Reuter,  Fritz,  Weinhändler,  Rüdesheira. 
Riedel,  Amtsgerichtsrat,  Frankfurt  a.  M. 
Bäcker,  F.,  Lehrer,  Ritterähauaeu  (Post  Straaseberabach). 
Rnpp,  Friedrich,  Reallehrer,  Herborn. 
Scliellenberg,  Carl,  Pfarrer,  Battenberg. 
Hchilo,  Wilhelm,  Pfarrer  und  Kreis-Schuliospektor,  Idstein. 
I Schutt,  J.,  Dekan,  Eltville. 

[Sellttlidt,  Ferdinand,  Professor,  Gymnasialdirektor,  Dillenburg. 

6 


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KJ. 


82 

Herr  Schmitz^  Johann  Poter,  ProfesBor,  Oberlehrer,  Montabanr. 

I,    SdiinSlder,  Kaufmann,  Biebrich. 

,     Dr.  Schneider^  Friedrich,  Domkapitular,  Geistl.  Rat,  Mainz. 

.     Sehneider,  Robert,  Pfarrer,  Buchenau  (Eoreis  Biedenkopf). 

„     Scholl,  Bernhard,  Radesheim. 

I,    Schreiner,  Pfarrer,  Barmen. 

9    Schröder,  J.,  Fabrikant,  Oberlahnstein. 

^    Schnlx,  Forstmeister,  Eaub. 

„     Schuster,  Pfarrer,  Frisohborn  bei  Lauterbach  (Oberhessen). 

,    Freiherr  Schwartzkoppen-Bottorf,  Weinheim  a.  d.  Bergstrasse. 

j,    Seyberth,  Oeh.  Regierungsrat,  Landrat,  Biedenkopf. 

,     Siegel,  Johannes,  Pfarrer.  Weilburg. 
Se.  Erlaucht  Friedrich  Graf  zu  Solms-Lanbach,  Laubach  (Oberhessen). 
Herr  Stahl,  Amtsgerichtsrat,  Hachenburg. 

„    Stelnhelmer,  0.  J.  B.,  Gutsbesitzer,  Östrich. 

„    Dr.  phil.  Stenblng,  Harrach'sches  Institut,  St.  Goarshausen. 

,     Stier,  Hauptmann  a.  D.,  Fürsten walde. 

,     Stlflt,  Amtsgerichtsrat,  Höchst  a.  H. 

„     Stippler,  Bergwerksbesitzer,  Limburg  a.  d.  Lahn. 

„     Stoff,  L.|  Dechant,  Kassel. 

y    Sturm,  E.,  Weingutsbesitzer,  Rüdesheim. 

,    Trog,  C,  Lehrer,  Bosbeck  (Kreis  Essen). 

„    Ton  Trott  m  Solz,  Landrat,  Marburg  L  H. 

„    Dr.  phiL  Yelke,  Wilhelm,  Stadtbibliothekar,  Mainz. 

,     TSmel,  E.,  Pfarrer,  Homburg  v.  d.  H. 

„     Vogel,  Arnold,  Pfarrer,  Kirberg. 

„     Togel,  Hermann  Arnold,  Pfarrer,  Eppeurod  (Post  Nentershausen,  Bezirk 
Wiesbaden). 
Se.  Durchlaucht  Georg  Victor  Fürst  zu  Waldeck  und  Pyrmont,  Arolsen. 
Herr  Walter,  G.,  Rentner,  Schloss  Qutenfels  bei  Kaub. 

„     Weber,  Amtsgerichtsrat,  Wetzlar.  # 

„     Weitzel,  Premierlieutenant  im  Inf.- Reg.  117,  Mainz. 

„     Wehr  heim,  Wilhelm,  Direktor  des  Taubstummen- Instituts,  Camberg. 

,     Widmann,  Bernhard,  Frühmesser,  Eltville. 

„     Dr.  phil.  Widmann,  Simon,   Rektor  des  Real-Progymnasiums,   Oberlahn- 
stein. 
Se.  Durchlaucht  Wilhelm  Fflrst  zu  Wied,  Neuwied. 
Herr  Wilhelm!,  Georg,  Pfarrer,  Diez. 

,     Wilhelmy,  August,  Prokurator,  Hattenheim. 

„     Willi,  Dominikus,  Abt,  Abtei  Marienstatt  (Post  Hachenburg). 

,     Winter,  Wilhelm.  Regierungspräsident  a.  D.,  Elmshausen  (Post  Buchenau, 
Kreis  BiedenkopO- 


83 


III.  Ordentliche  Mitglieder  tind  femer  folgende 
ArohiTe,  Behörden,  Bibliotliekeii,  Museen  und  Vereine. 

Berlin: 

Königliche  Bibliothek  (W.,  Platz  am  Opernhause). 

Königliche  geologische  Landesanstalt   und   Berg-Akademie 

(N.,  Inyalidenstrasse  44). 
Königliches  Kunst-Oewerbe«  Museum  (SW.,  Prinz  Albrechtstrasse). 

Biebrieh-Mosbaeh : 

Real-Progymnasium. 

Biedenkopf: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Biedenkopf. 
Königliches  Real-Progymnasium. 

Cassel: 

Ständische  Landesbibliothek. 

Koblenz: 

Königliches  Staatsarchiv. 

Darmstadt: 

Orossherzoglich  Hessisches  Haus-  und  Staatsarchiv. 

Diez: 

Kreisausschuss  des  Unterlahnkreises. 
Real-Progymnasium. 
Dillenburg: 

Königliches  Gymnasium. 
Kreisausschuss  des  Dillkreisos. 
Historischer  Verein. 

Ems: 

Real-Progymnasium. 

Erbaeh  im  Odenwald: 

Gräflich  von  Erbach-Erbachsches  Gesamt-Hausarchiv. 

Frankfurt  a.  M«: 

Kreisausschuss  des  Landkreises  Frankfurt  a.  M. 

Magistrat. 

Stadtbibliothek. 

St.  Goarshansen: 

Kreisausschuss  des  Kreises  St.  Goarshauscn. 
Hadamar: 

Königliches  Gymnasium. 
Herbom : 

Altertumsverein. 
Höchst: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Höchst. 

6» 


86 

BrÜQii,  MähriBches  Oewerbemuseum. 

— -,   K,  K.  mährisch-schlesi^che  Gesellschaft   zur  Beförderung   dos   Acker* 

bauea,  der  Natur-  und  Landeskunde. 
Brüssel,  Soci^te  des  bollandistes. 
Charieroi,  Soci6t6  pal6ontologique  et  archeologique* 
Chemnitz,  Tercm  für  Chemnitzer  Geschichte. 
Christiania,  Kongelige  Norske  Frederiks-üniversitet. 

—  ,   Museum  nordischer  Altertümer, 

Copeofaagen,  Kongelige  Nordiske  Oldtikrift-Selskab. 

Cottbus,  Niederlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Altertumskunde. 

Dan  zig,  Westpreussischer  Geaehichtsverein. 

Darmstadtf  Historischer  Verein  für  das  Gros^herzogtum  Hessen. 

Dessau,  Verein  für  Anhaltische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Dillingen,  Historischer  Verein. 

Donaueschiugen,  Verein  für  Geschichte  und   Naturgeschichte  der  Baar  uq3 

der  angi*enzendeo  Länder, 
Dresden,  Konigl.  sächsischer  Altertumsvereiu, 

■ — ,   Verein  für  Geschichte  Dresdens, 

Dürkheim,  Altertumsverein  für  den  Kanton  Dürkheim, 

Düsseldorf,  Düsseldorfer  Geschichts-Vereio, 

Eicbstätt,  Historischer  Verein. 

Eisenberg  (S.-AIteiiburg),  Geachichts-  und  altortumsforBchender  Verein, 

Eis  leben,  Verein  für  die  Geschichte  uod  Altertümer  der  Grafschaft  Mausfeld. 

Elberfeld,  Bergischer  Geschichtsverein. 

Emden,  Gesellachaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Altertümer. 

Erfurt,  Konigl.  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften, 

,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Essen,   Historischer  Vereiu  für  Stadt  und  Stift  Essen. 
Prankfurt  a.  M.,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

— ,    Taunusklub. 

Frankfurt  a.  d.  0.,  Historischer- statistischer  Verein. 

Freiberg,  Altertums  verein. 

Frei  bürg  i,  Br.,  Oosellschaft  für  Beförderung  der  Geschichts-,  Altertums-  un 

Volkskunde  v.  Freiburg,  dem  Breisgau  u,  d.  angrenzeaden  Landsohafcen« 
St,  Gallen,  Historischer  Verein. 
Gl  essen,  Oberhessischer  Verein  für  Lokalgeschichte. 
Glarus,  Historischer  Verein  des  Kantons  Glarus. 
Görlitz,  Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wisaensehaften. 
Graz,  Historischer  Verein  für  Steiermark. 
Oreifswald,  Rügisch-Pommerschc  Abteilung  der  Oesellschaft  für  Pom morsche 

Geschichte  und  Altertumskunde  in  Stralsund  und  Greifswald. 
Guben,  s.  Cottbus. 

Sehw.  Hall»  Historischer  Verein  für  Württembergrsch  Franken. 
Halle  a.  S.,  Thüringisch-Sächsischer  Verein  für  Erforschung  des  vaterländbc 

Altertums  un^I  Erhaltung  seiner  Denkmale. 


8T 


I 


» 


'g,  Verein  für  liamburgische  Geschichte. 
Hanau,  Hanauer  Bezirksverein  für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde- 
Hannover,  Historischer  Verein  fiir  Niedersachsen, 

Heidelberg,  Histor.-philosophiacher  Verein.  [„Neue  Heidelberger  Jahrbücher'*.] 
Heilbronn,  Historischer  Verein. 

Hermann  Stadt,  Verein  für  Siebenbürgische  Landeskunde. 
Hohenleuben.  Voigtländischer  altertumsforschender  Verein. 
Homburg  v.  d.  H^  Verein  tür  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Jena^  Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Innsbruck,  Ferdinandoum, 

Kahia,  Vorein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  zu  Kahia  und  Roda. 
Karleruhe,  Grossherzogliches  Museum. 

— ,   Die  Badische  historische  Kommission  [^Zeitschrift  für  die  Geschichte 
des  Oberrheina**.] 
EasaeL  Verein  für  Hessische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Xempten,  Altertums- Verein  Kempten. 
Kiel,  Gesellschaft  für  Schleswig-Holatein-Lauenburgische  Geschichte, 

,  Anthropologischer  Verein  in  Schleswig-Holstein. 
Klagenfurt,  Kärntnerischer  Geschichtsverein. 
Köln»  Historischer  Verein  f.  d.  Niederrhein,  insbesondere  f.  d, 

f  Stadtarchiv. 

Königsberg  i,  Pr.,  Königliche  und  Universitätsbibliothek. 

— —  ,  Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft. 

— — ,  Altertumsgesellschaft  Prussia. 


Erzdiözese  Köln. 


Kornik  in  Poseui  Bibliotheka  Kornicka. 
Krakau,  Akademie  der  Wissenschaften. 
Laibach,  Historischer  Verein  für  Krain» 
Landahut,  Historischer  Verein  für  Niederbayern. 
Leiden»  Maatschappij  der  aedcrlandsche  Letterkunde. 
Böhmisch-Leipa,  Nordböhmischer  Exkursionsklub. 
Leipzig,  Verein  für  Geschichte  Leipzigs. 
Leisnig,  Geschichts-  und  Altertums  verein. 
Lincoln,  Nebraska  State  Historical  Society. 

k Lindau  i.  B.,  Verein  für  Geschichte  des  Bodensees  und  seiner  Umgebung. 
Linz  (Österreich),  Museum  Francisco  Carolinum. 
London,  Society  of  antiquaries  of  London. 
-y  South  Kensington  Museum. 


I 


Lübeck,  Verein  für  Lübeckische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Lüneburg,  Museums  verein  für  das  Fürstentum  Lüneburg. 
Luxemburg,  Section  hiatorique  de  Tinstitut  Royal  Grand-ducal  de  Luxembourg. 
Luzern,  Historischer  Verein  der  fünf  Orte :  Luzern,  Uri,  Sehwyz,  Unterwaldeu 

und  Zug. 
Magdeburg,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  des  Herzogtums  und 

Erxstifts  Magdeburg. 
Uainx,  Verein  zur  Erforschung  der  rheinischen  Geschichte  und  Altertümer. 


86 

Brunn,  Mährisches  Gewerbemuseum. 

,   K.  K.  mährisch-schlesische  Gesellschaft  zur  Beförderung   des   Acker- 
baues, der  Natur-  und  Landeskunde. 
Brüssel,  Soci^tä  des  boUandistes. 
Charleroi,  Soci6t6  pal^ontologique  et  archeologique. 
Chemnitz,  Yerein  für  Chemnitzer  Geschichte. 
Christiania,  Kongelige  Norske  Frederiks-Universitet. 

, .  Museum  nordischer  Altertümer. 

Copenhagen,  Kongelige  Nordiske  Oldskrift-Selskab. 

Cottbus,  Niederlausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Altertumskunde. 

Danzig,  Westpreussischer  Geschichts verein. 

Darmstadt,  Historischer  Verein  für  das  Grossherzogtum  Hessen. 

Dessau,  Yerein  für  Anhaltische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Dillingen,  Historischer  Verein. 

Donaueschingen,  Verein  für  Geschichte  und   Naturgeschichte  der  Baar  und 

der  angrenzenden  Länder. 
Dresden,  Königl.  sächsischer  Altertumsyerein. 

,  Verein  für  Geschichte  Dresdens. 

Dürkheim,  Altertumsverein  für  den  Kanton  Dürkheim. 

Düsseldorf,  Düsseldorfer  Geschichts- Verein. 

Eichstätt,  Historischer  Verein. 

Eisenberg  (8. -Altenburg),  Geschichts-  und  altertumsforschender  Verein. 

Eisleben,  Verein  für  die  Geschichte  und  Altertümer  der  Grafschaft  Mansfeld. 

Elberfeld,  Bergischer  Geschichtsverein. 

Emden,  Gesellschaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Altertümer. 

Erfurt,  Königl.  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften. 

,,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Essen,  Historischer  Verein  für  Stadt  und  Stift  Essen. 
Frankfurt  a.  M.,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

,   Taunusklub. 

Frankfurt  a.  d.  0.,  Historischer-statistischer  Verein. 
Freiberg,  Altertumsverein. 

Freiburg  i,  Bt,j  Gü8<jllächaft  für  Beförderung  der  Geschichts-,  Altertums- und 
Volkskunde  w  Freiburg.  dem  Breisgau  u.  d.  aogrenzenden  Landschaften. 
St.  Gallen,  Uistoriieher  Verein« 
Giesaenj  Oherlm«9i«cher  Verein  für  Lokalgesehichte. 
Glarus^  HiatoriiM?}»rn   Ti^orn  des  Kantone  Glarus. 
Gortitst,  Obeilau^^  sellechaft  der  Wissenechaften. 

1   Steiermark. 

r»cho  Abteilung  der  Gesellschaft  für  Pommersche 
ifertumskunde  in  Stralsund  und  Greifswald. 


n  für  Württembergisch  Franken. 
her  Verein  für  Erforschung  des  vaterländischen 
rialtnng  seiner  Denkmale, 


89 

Schaffhaosen,  Historisch-antiquarischer  Yerein  des  Kantons  Schaffhausen. 

Schmalkalden,  Yerein  für  Hennebergische  Geschichte  und  Landeskunde. 

Schwerin,  Yerein  (ur  Mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Sigmar ingen,  Yerein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Soest,  Yerein  für  die  Geschichte  von  Soest  und  der  Börde. 

Speier,  Historischer  Yerein  der  Pfalz. 

Stade,   Yerein  für  Geschichte  und  Altertümer  der  Herzogtümer  Bremen   und 

Yerden  und  des  Landes  Hadeln. 
Stettin,  Gesellschaft  für  Pommersche  G^chichte  und  Altertumskunde. 
Stockholm,  Nordiska  Museet. 

-,  EongL  Yitterhets  Historie  och  Antiquitets  Akademien. 

Strassburg,  Soci^e  pour  la  conservation  des  monuments  historiques  d'Alsace. 

^  Kaiserliche  üniversitats-  und  Landesbibliothek.     [„ Jahrbuch   des 

historisch-litterarischen  Zweigvereins  des  Yogesenklubs^.] 
Stuttgart,  Königliche  öffentliche  Bibliothek. 

,  Königlich  Württembergisches  Haus-  und  Staatsarchiv. 

Tokio  (Japan),  Imperial  üniversity  of  Tokio. 

Torgau,  Altertumsyerein. 

Tri  er  ^  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen. 

Tübingen,  UniYersitats-Bibliothek. 

Ulm,  Yerein  für  Kunst  und  Altertum  in  Ulm  und  Oberschwaben. 

Washington,  Smithsonian  Institution. 

Wernigerode,  Harzverein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Wien,  Kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften. 

,  Yerein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich. 

—  ,   Akademischer  Leseverein  der  K.  K.  Universität. 

—  ,  K.  K.  Centralkommission  zur  Erforschung  und   Erhaltung  der  Kunst- 

und  historischen  Denkmale. 

,   Altertumsverein. 

,   Archäologisch-epigraphisches  Seminar  der  Universität  Wien. 

,  Anthropologische  Gesellschaft. 

,  Kais.  König],  heraldische  Geselkchaft  «Adler*^. 

Wiesbaden,  Gewerbeverein. 

—  —        -  .  Verein  für  Naturkunde. 
,  Rheinischer  Kurier. 

— ,  Handelskammer. 

Worms,  Altertumsverein. 

Würzburg,  Historischer  Verein  für  Unterfranken. 

Zürich,  Antiquarische  Gesellschaft. 

,  Allgemeine  geschichtsforschende  Gesellschaft  der  Schweiz. 

Zwickau,  Altertumsverein  für  Zwickau  und  Umg^end. 


Preis -Verzeichnis 


der 


iuf  Lager  beflndliohen  Vereins- Annalen,   SeparatabdrOcke  und 

sonstigen  Publilcationen 


des 


Yereins  fikr  Nassanische  Altertamskniide  und  Geschfchtsforsehnng. 

(Mitglieder  des  Vereins  zahlen  die  Hälfte  des  Preises.) 


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2.20 
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2.60 
3.40 

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XXI. 

XXII. 
XXIII. 
XXIV. 

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VI. 

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.     .     .    10.— 

VII 

.     .     .      6.— 

-     VIII. 

T.  Cohausen,  Der  römische  Grenzwall,  Lief.  I,  2,  3  fast  vergriffen.  (Doeh 
können  vollständige  Exemplare  zum  Preise  von  24  Mark  von  J.  F.  Berg- 
manns Verlag  in  Wiesbaden  bezogen  werden.) 

Bär's  Geschichte  von  Eberbach  von  Dr.  Rössel,  I.  Band,  1.  Heft  .  Mk.  2.70 


I. 

I. 

I. 
II. 
II. 


2. 
3. 
4. 
1. 


2.— 
2.— 
2.40 
2.— 
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Urkunden  von  Eberbach  von  Dr.  Rössel,  I.  Band,  1.  Heft     .     .     .  Mk.  1.70 

T)  7)  7)  n  n  »^•7)*'T»'-*7)        1'40 

T)  n  u  H7»  n         ^'        D       ^'        D       '      '      '      T)      1.70 

„  „  7,  T,       7,  7,      n.       „      1.  Abteil,  1.  Heft    „     1.70 

n  n  7)  7771  „11.       „l.„2.    „^     2.70 

77  7)  7)  TT)  7)  H.  „  2.  „  .        ,        .        j,        3.60 

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Das  Qraae  Haus  su  Winkel  im  Rheingan,  Yon  R.  Görz,  mit  1  Tafel. 

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Die  Abtei  Eberbaoh:  Das  Refectoriom,  Ton  Dr.  K.  Rössel,  mit  7  Tafeln. 

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Die  Abteikirohe  zu  Marienstatt  bei  Haohenburg,  t.  Oberbaurat  R.  Qörz,  mit 
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von  Wiesbaden,  mit  Plan „     3.—  „     —.50 

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und  biographische  Mitteilungen   über  dessen  Grün- 
der und  Förderer,  von  Dr.  Schwartz      .     .     .     .  „     6.50  „       2. — 

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rungspräsidenten Karl  von  Ibell ^     2.50  „     — .50 

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Pfarrer  A.  Deissmann ^     2.60  „     — .40 

11.  J.    G.    Lehmann,    Geschichte    und    Genealogie    der 

Dynasten  von  Westerburg „     2.70  „     — .40 

12.  Schmid,   Wahl   des  Grafen  Adolf  von   Nassau   zum 

römischen  König  1292 j,     2. —  „     — .40 

13.  Münzsammlung  des  Vereins,  von  Dr.  Schalk   .     .     .  „     2. —  „     — .30 


Im  Verlage  von  Rud.  Bechtold  &  Comp,  in  Wiesbaden,  sowie 
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,Ewige  Lohe"  bei  Homburg  v.dHöhe. 

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gewachst  tief  Boden. 

1    Querachniit. 


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2  Aufsicht. 


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,Ewige  Lohe"  bei  Homburg  v.d  Höhe. 


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gewachaener  Boden. 

1    QuerschnHl. 


2.  Aufsicht: 


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M«Ä«sUb;  1:20  i«  Fig.  In.?. 

Mnasatab:  1:5  lü  F%.  3-5. 


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, Ewige  Lohe"  bei  Homburg  v.d  Hohe. 
Fund  von  1891. 


Fund    von    1880. 


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Annal.  d.  Vereins  f.  Nasa  Altert,  u.  Gesch.  Bd.  XXV. 


Burg    Schwalbach. 


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lal.  d.  Vereins !.  Nass.  Alfert.  u.  Uescd.  Dd.  AA^. 


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miiiai.  u.    fviisiii^  I.  noaa.  /%n^i  t.  m.  y^i\^\*^* 


\V.uA.  ^ecV\o\^  5s^  CtÄTSk-^M^ 


Zur  BeachttMtg. 


Das  Altertununniisekini  ist  vom  1.  Mai  bis  Sl.  Oktober  Montags^ 
Dienstags f  Mittwochs^  Dminerstags  und  Freitags  von  2—6  Uhr ,  Sonntags  von 
11 — 1  Uhr  geöffnet.  —  Behufs  Besichtigung  der  Sammlungen  zu  einer  anderen 
Zeit  —  oO  Pfg,  Eintrittsgeld  —  wende  man  sich  an  den  Museumsaufseher 
König  (Friedrichstr,  1  oder  Friedrichstr.  9,  Hof  rechts). 


Das  Sekretariat  urul  die  Bibliothek  sind  jeden  Mittwoch  und  Sams- 
tag nachmittags  von  S — 5  Uhr  geöffnet;  an  den  übrigen  Wochenfoffen  werden 
Bücher  nach  vorheriger  schriftlicher  Bestellung  ve^-abfolgt. 


I>ruek8€te1wn  uiul  Zuschriften  beliebe  man  an  das  Sekretariat 
(Friedrichstr.  1),  GelÜHeruhingen  an  Herrn  Rechnungsrat  Begerf  (Bahn- 
hofstr.  15)  zu  adressieren. 


Das  Preist^erxeichnis  der  noch  vorhandenen  früheren  Annalenbände  und 
sonstigen  VeröffentHchungen  des  Vereins  befindet  sich  auf  der  inveitm  und  dritten 
Jiyischlagsseite  des  vorliegenden  Jahrganges.  Bestellungen  auf  dieselben  und  auf 
dm  gegenwärtigen  Band  werden  sowohl  vom  Sekretariat,  wie  auch  von  der 
Firma  Hud.  Bechfold  dr  Comp,  in  Wiesbaden  entgegengenommen. 


Wir  machen  unsere  Herren  Mitarbeiter  darauf  aufmerksam^  dass  Bei^ 
trä4je  XU  den  Annalen,  welche  regelmässig  im  April  eines  jeden  Jahres 
erscheinen^  bis  zum  15,  Dezember  des  vorhergehenden  Jahres  beim  Vorstand 
eingereicht  sein  müssen.  Spätere  Zusendungen  können  für  den  betreffenden 
Jahrgang  nicht  berücksichtigt  werden.  Die  Manuskripte  müssen  leserlich  und 
immer  nur  auf  einer  Seite  geschrieben  sein. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAÜISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAUISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


SECHSUNDZWANZIGSTER  BAND. 
18  94. 


WIESBADEN. 

VKRLAG  VON  KDÜ.  BKCHTOLO  &  COMP. 
1894. 


1 


I 


Inhalts -Verzeichnis 

des   sechsundzwanzigsten   Bandes. 


Seite 

T.  Die  Geschichte  des  Hauses  Nassau.   Von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  den 

ersten  Trägem  des  Namens  Nassau.    Von  Ludw.  Conrady 1 

II.  Der  Name  Wiesbaden.   Von  W.  Streitberg 181 

III.  Gigantengruppen  und  St.  Georg.   Von  O.  Tietz 185 

IV.  Die  Mennoniten  und  ihre  Bedeutung  für  die  Kultur  in  Nassau.    Von 

C.  Spielmann 187 

y.  Alte  Topographie  des  Vereinsgebietes.   Von  A.  v.  Cohausen 145 

VI.  Der  Limes  im  Taunus.    Von  B.  Florschütz 148 

VII.  Vereins-Nachrichten. 

Bericht  des  Sekretärs  Dr.  Ritterling  (für  das  Etatsjahr  vom  1.  April  1898 

bis  81.  März  1894) 152 

Darin  Vorträge: 

Y.  Cohausen:  Generalversammlung  des  Qesamtvereins  S.  156.  — 
V.  Cohausen:  Aino's  S.  156.  —  Schierenberg:  Pueblo's  in 
Centralamerika  S.  156.  —  Florschütz:  Alamannisch-f ränkische 
Waflfen  S.  157.  —  Clouth:  Ruinen  von  Angkor  Wat  S.  157  f.  — 
Schlieben:  Wassermühlen  im  Altertum  S.  158  f.  —  v.  Cohausen: 
Volkstrachten  in  Nassau  S.  159  f.  —  Schlieben:  St.  Georg  als 
Drachenkämpfers.  161  f.  —  Spielmann:  Adolf  v.  Nassau  und  die 
luxemburgischen  Kaiser  S.  162  f.  —  Schlieben:  Braungart's  Ge- 
schichte des  Hufeisens  S.  168f.  — Florschütz:  Hochäcker  S.  164. 
-  Genth:  Aberglaube  und  Volksmedizin  S.  164  f.  —  Heuer:  Kaiser 
Sigmund  S.  165  f.  —  Düsseil:  Volkstrachten  im  Goldenen  Grund 
S.  167  f.  —  Düsseil:  Logbäume  S.  168. 

Bericht  des  Konservators  Oberst  von  Cohausen  über  die  Erwerbungen  für 

das  Altertums-Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres  1898  ....       168 


QKMn  war  Hilf«  benuiziebeii  xu  kSmuen.  Ffir  matte  DmnMhiJog 

wir  am  m  mabr  «nf  die  Oedald  des  Lesen  so  sihlen,  ak  die 

krftiiebe  Art  uoferer  UoterraehaDg,  weit  entfernt  den  «i  ridi  schon  rciilonsn 

gensftlofiseben  Oegenstand  zu  beleben,  noch  dazu  seine  angestrengte  Naeh- 

prflflung  beansprucht 


I.   Die  Hattoe/) 

1.  Tom  Worms-  ram  Konfgssnndragav.    Hatto  I.— HI. 

Wenn  wir  uns  in  der  Gesamtübersohrift  anbebcbig  machten,  die  (Jeschiehle 
des  Hauses  Nassau  nvon  den  Ältesten  Zeiten''  an  zu  behandeln,  so  kann  das 
nach  dem  bereits  Qosagten  nicht  den  Sinn  haben,  den  unsere  alten  Stamm* 
baumkflnstlor  damit  verbanden,  als  sie  kflhn  in  die  Zeiten  Caesars  hinabstiegen 
und  dort  die  luftigen  Qeschlecbtsspinnfllden  ihrer  gelehrten  Einbildungskraft 
anknflpfton.  Auch  hier  setit  nur  die  Urkunde  den  Anfang,  aber  sie  eetri 
ihn  um  etwa  ein  Jahrhundert  Arflher,  als  man  bisher  annahm,  und  uns  damit 
ungewollt  gleich  Ton  vornherein  in  Widerspruch  mit  unseren  Vorgängern,  ob- 
schon  wir  nur  ihnen  den  Aulass  tu  dieser  Neuerung  danken.  Denn  da  wir 
uns  mit  dem  von  Ihnen  gefundenen  Urahnen  des  nassauischen  Hauses,  dem 
Orafbn  lUtto  des  Kßnigssundragaues,  nicht  zufrieden  geben  dürfen,  so  geben 
wir  etnfkioh,  wie  sich  alsbald  beweisen  soll,  zu  dessen  uns  noch  eben  erreich- 
baren fHihoston  gleichnamigen  Vorfahren  zurflck  und  lassen,  um  dies  gleich  an 
(llo  Hpitso  SU  ROtson,  dio  Wiege  des  Ilauses  Nassau  im  Wormsgau 
sloheii,  imohdoin  wir  unn  zuvor  vcrgowissert  haben,  dass  die  Urkunde,  die  der 
Nanio  diestm  Urahnen  selber  darstellt  uns  jede  Auskunft  über  Stammesabkunft 
Keines  ersten  TrSgers  vorenthält,  da  derselbe  über  alle  deutschen  Stamme  gleich- 
ntitssig  verteilt  erseheint.*) 

Uie  1  trafen  des  Namens  Hatte  sind  im  Wormsgau  durch  die  (ulder  und 
lorseher  Sehenkungsverseiehnisse  vom  Jahre  756— S3S  bezeugt,  doch  so.  dass 
ihn^  Keihe  ntehrfaeh  von  anderen  durchbrochen  erscheint  oder  dass  gleichzeitig 
«eiHMi  ihnen  ander**  verseichnel  werden. 

11  alle  t«  wie  wir  ihn  mangels  früherer  Quellen  nennen  müssen«  tritt 
%M\  als  «\H^nns^  und  ersui^r  /.euge  einer  Urkunde  vom  25.  Juni  dieses  Jahres 
auf,  in  der  ein  gewisser  H^qfrioU  das  ihm  von  Vaner  und  Brüdern  ^in  pago 
VmMrnvaoinense  iu  uiUa  Truhimaresheim*  hinterla$s^ne  Erbe  an  das  Ekster 
Fulda  Aberzieht. '"^  Am  2.").  Juli  756  aber  winl  ein  Qraf  Leidrsx  als  Schenker 
«mu>»  We^nWr):«  in  IVinenheim  ebemlahin  pmannu  d«r  j<bon  im  Jahre  znvor 
aU  WMrkAuiV'r  eine«  Acker»  in  niainrer  Markung  erscheine    Und  nun  ist  ,Toto 


♦,  C♦^  i  "^  !^c\*««*L  \>Mt«*  H<i»»j*aws>  MAi^fcj— L    Uf«.  ITM  i   Xr.  4:  Draak», 


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I 


comi«^  erster  Zt^ugo,  also  offenbar  Oaugraf '),  wie  er  es  tags  zuvor  oder,  wenn 

^rooke  recht  hat,   am  22.  Juli  757,   bei  der  Schenkung  Rantulphs  in  Baten- 

jieim   in   doppelt  ausgestellter   Urkunde   war.*)    Dem  Nameu  Hatto   begegnen 

nr  erat  10  Jahre  später,  767^  wenn  wir  nicht,  was  wahrscheinlich,  einen  ohne 

|eonies  bezeichneten  Hatte  als  Zeugen  einer  Urkunde  vom  21.  Juni  756  für  den 

HrafoD  haiton  müssen, ^)     Nun  kommt   in   der  ganzen  Zwischenzeit  auBser  den 

Ihereits  Genannten   nur  noch   einmal   der  orstere   von  ihnen,   Leidrat,   765  als 

Verkäufer  eines  Gutes  ^in  Castro  Pinginaie"  und  Schenker  in  Thrutmareäheim 

Ivor."^)    Da  er  aber  damit  nur  als  Grundbesitzer,  nicht  als  eigentlicher  wormser 

[Oaugraf  gekennzeichnet  scheint,   wie  Voto,   so  ist  anzunehmen,   dass   letzterer, 

Iwenn  er  nicht  ein  zweiter  Graf  des  Gaues  oder  Hatto's  Stellvertreter  war,  als 

iGaugraf   während    dieses   Zeitraums   zu   betrachten    ist,    Hatto  750   also   seine 

|1etzte  Amtshandlung  verrichtet  hatte. 

Für  diese  Annahme  glauben  wir  folgende  Vermutung  als  Stütze  bieten 
fxu  können.  Am  5.  Oktober  772  schenkt  eine  „Luitsuuinda**  „39  jurnales** 
[Ackerland  in  Heimradesheim  an  das  Kloster  Lorsch  mit  der  Bestimmung :  „pro 
remedio  auimae  Hattonis,  filii  mei".'^)  Es  ist  das  vermutlich  dieselbe,  welche 
am  6,  Juni  780  eine  „hnbestat"  in  Oppenheim  an  dasselbe  Kloster  vergabt^), 
lam  26-  September  des  gleichen  Jahres  „pro  remedio  animac  meae*  einen 
^mansus**  und  „de  terra  aratoria  jurnales  XXX  in  Waristater  raarca*  eben- 
[dorthin  stiftet^),  dies  am  30.  September  788  mit  allem  ihrem  Besitz  dortselbst 
iolt'^),  hierauf  mit  ihrem  Bruder  Adelbert  am  27.  März  79ti  einen 
in  Sauuelnheim  dem  gleichen  Kloster  übergibt  und  endlich  mit  dem* 
«elben  Bruder  „aream  I^  in  Teinenheim  dem  Kloster  Fulda  zuwendet  am 
25.  Mai  802.^)  Nehmen  wir  nun  an,  dass  der  Sohn  Harto,  was  nachher  weitere 
Begründung  erhalten  soll,  der  767  zum  erstenmal  auftretende  Graf  Hatto  ist, 
den  wir  von  da  an  bis  zum  Jahre  802  im  Worrasgau  genannt  finden^  so  haben 
j  wenn  wir  uns  auf  die  mittelalterliche  Gewohnheit  der  Vererbung  des 
Kamene  vom  Vater  auf  den  Sohn  verlassen  dürfen,  in  Luit-  oder  Liutsu- 
tiizida  die  Gemahlin  Hatto' s  L  zu  erblicken  und  dürfen  ihren  Sohn  Hatto  IL 
nennen.  Dass  dieser  nicht  sofort  nach  dem  Tode  des  Vaters,  den  wir  in  das 
Ende  des  Jahres  75t»  setzen,  als  Graf  erscheint,  mag  darin  seinen  Grund  haben, 
dass  er  zu  dieser  Zeit  noch  minderjährig  war.  Denn  die  Erblichkeit  des  Gau- 
grafentums  ist  schon  für  diese  Zeit  mit  einiger  Sicherheit  anzunehmen. ***)  Die 
Mutter  aber  wird  dem  Sohne  schon  so  frühe  ein  Seelengedächtnis  gestiftet 
haben,    weil   dieser   die   Gefahren   des   Langobarden-  oder  Sachsenfeldzugs   im 


)   SGbann&t  2,  Nr.  8,  4,  Nr.  7;  Dronke  9,  Nr.  12,  vergl  Ö»  Nr.  8.  —  ^  Sohannai  4, 
Nr.  C,   G,  Nr.  10;   Dronke  8,   Nr.  Ha  u,  b.   —  *)  Schimnat  5,  Nn  5;    Dronke  kennt  die 

lürktinde  nicht,    —    *)    Schannat  12,  Nr.  22;    Dronke   16,  Kr.  26.   —   ^)   (Laraej),   Codex 

I  prini'lpis  olim  laurGshamenaiB  abbatiae  diplomaticus,    Mannh.  1768.  2«  141,  Nr,  1101.  —  '^j  Cod. 

llaur.  2,  239.  Nr.  155T.  —   •)  Cod.  Uur,  2^  149,  Nr.  12J8.    —   '*)  Cod,  laur.  2,  149,  Nr.   1217* 
—  ^  Sohitnnai  77,  Nr.  157;  Dronke  99,  Nr.  175.  —    *')  Waitz,  Deutech©  VerfaaBungs- 

^  geaeltirlit©.    Kiel  1847  ff.  2,  336;  3,  328;  Solirudcr,  Li-hrbucb  d.  deutschon  RecbtsgescJiiolite. 

f  Leipzig  1889*  129;  Kaufmann ,  DeuUche  Geflobichtc  bit«  auf  Karl  den  Grossen,  Lcnp/i;;  1880. 

{t,  tf>5,  »51  f. 

V* 


Jahre  773  zu  bestehen  hatte,  eine  Wahrscheinlichkeit,  die  dadurch  gewinnt, 
dass  wir  ihn  am  31.  Juli  773  selber  die  Schenkung  eines  Weinbergs  an  da« 
gleiche  Kloster  in  demselben  Ileiraradeaheim  machen  sehen  und  erst  im  Jahre 
77G  wieder  als  Gaugrafen  bei  einer  Schenkung  in  Harasheim  thätig  finden,*) 
Da  Luitsuuinda  noch  im  Jahre  802,  wie  wir  sahen,  am  Leben  ist,  so  rauss  an- 
genommen werden,  dass  sie  die  zweite  Gemahlin  Hatto's  L  und  die  Ehenach- 
folgerin einer  grabfeldischen  Vorgängerin  war. 

Wir  meinen  dies  aus  Folgendem  begründen  zu  dürfen.  In  den  von  Pistor 
lß07  zuerst  herausgegebenen,  von  Struve')  erneut  aufgelegten  ^jTradltionea 
fuldenses"  werden  „Roggo  comes,  Hatto  come^,  Nordio  frater  illorum*^  nebe« 
^Brunicho  comes  et  Moncbo  fiater  eius,  Eggihart  et  Job  frater,  Emthild  abba- 
tissa**  als  Schenker  der  „marca  Ratersdorf^  (Rasdorf  bei  Hünfeld)  genannt, 
Schanuat,  der  dieselbe  Urkunde  auszugsweise  wiedergibt^),  bemerkt,  dasH 
sie  von  815  stamme  und  „in  litteris  amicabilis  corapositionis  initae  inter  Rat- 
gerium  abbaten]  Fuldensem  et  Woifgangum  Episcopum  Herbipolensem**  bestehe. 
Das  in  derselben  enthaltene  ^tradiderunt**  der  von  ihm  nur  aufgeführten  pRogga» 
Hatto,  Brunicho  Coraites  et  Emehilt  Comitissa"  geht  noch  auf  die  Zeiten 
Karls  des  Grossen  zurück,  wie  eine  „vetus  membrana*  besage,  und  mag  schon 
um  800  oder  noch  früher  stattgefunden  haben,  da  in  diesem  Jahre  Emhild  mit 
ihren  Klosterschwestern  den  ihnen  zugehörenden  Grundbesitz  in  einer  ganzen 
Anzahl  Dörfer  des  Grabfelds  samt  ihrem  Kloster  Miliza  an  Fulda  übergibt*) 
Schon  783  aber  hatte  dieselbe  AbHssin  ihre  Güter  an  ihre  Stiftung  Milka  ge- 
schenkt und  die  darüber  aufgenommene  Urkunde  hatte  an  erster  Stelle  ,,rogga 
Cornea**  und  weiterhin  der  dort  ^^nordiu"  genannte  Bruder  mit  unterzeichnet^) 
Die  Zeit  steht  demnach  nicht  im  Wege,  den  Bruder  Hatto  mit  unserem  Hatto  II. 
für  dieselbe  Person  zu  erklären,  und  das  um  so  weniger,  als  er  weiter  nicht 
in  grabfeldischen  Urkunden  erscheint^  die  mit  ihm  genannten  Schenker  aber 
sich  als  wormsgauische  Eingesessene  ausweisen.  Denn  Eggihart,  Moric  und 
Brunicho  kommen  801  nebeneinander  in  einer  worrasgauer  Urkunde  vor'*)» 
Brunicho  aber  erscheint  mit  anderen  Zeugen  jener  Urkunde  796  und  800,  ohne 
diese  777,  806  und  813  und  zweimal  816.^  Es  darf  also  mit  Fug  angenommen 
werden,  dass  Hatto  L  auch  im  GrabfeUl  begütert  war»  wie  sich  dies  nicht 
minder  bei  anderen  Grafen  mit  weit  entlegenem  Grundbesitz  zeigt,  beispiels* 
weise  bei  den  Grafen  Manto  und  Megingoz,  die  im  Jahre  788  ihre  Güter  in 
nicht  weniger  als  sechs  Gauen  und  25  eigenen  Dürfern  an  Fulda  schenken/) 
Was  Hatto  I.  im  Grabfeld  vermutlich  durch  königliche  Schenkungen  zu  eigen 
geworden  war,  mochte  er  durch  die  Heirat  mit  einer  grabfeldischen  Erbin 
vermehrt  haben,  sodass  er  dort  ebenso  Orossgrundbesitzer  war,  wie  im  Worma 
gau.  Weil  nun  nach  einer  Bestimmung  des  Königs  Chlotocbar  U*  vom  Jahr 
014  nur  Grossgrundbesitzer   in  einem  Gaue  zum  Grafenamt  daselbst   boiahigt 

^)  Uod.  litif.  S,  140,  Nr.  1188;  %  38,  Nr*  917.  —  ')  Remm  e^ertiiajiiraruni  iKjnplorM 
8,560.  —  *}  Corp.  tra<L  fuld.  37L  —  *)  ätruve  3,  383  f.;  SohaiitiAt  88  f.  Nr.  UO;  Druoico 
8«,  Kr.  IST.  —  •)  StruTo  3,  561  ff.  —  ')  Schttniiftt  T4,  Nr.  ISO;  Dronki^  5»5,  Nr.  168.  — 
^)  8«^li«tjniit  00,  Nr.  130;  68,  Nr.  139;  70,  Nr.  37;  04,  Nr,  200;  110,  Nr,  '.'47;  120,  Nr.  283; 
ISI,  Nr.  288»  —  'I  Sfliiinndl  41  f,  Nr.  R3;  I>ronk^  y^,  Nr  «7, 


^g^ 


warcn*)>  ^^  ^^^S  I^*^gg**  ^^l**  Sohn  tsrüet  Ehe  dort  zum  Orafon  erüariüt  worden 
Boin,  zumal  wenn  wir  bedenket],  das»  bei  dem  mächtigen  Eiufluss  von  Mainz 
auf  Fulda  dem  König  und  der  Königin  diese  Ernennung  im  Qrabfeld  und  der 
ganzen  Buchonia  sehr  erleichtert  war.  Ilatto  11.  aber  sicherte  der  durch  seine 
Mutter  vermehrte  Grundbeäitz  im  Wormsfigau  da»  dortige  Grafenamt  des  Vaters. 
Yersichern  wir  uns  hierbei,  um  in  der  Zeitreihe  zu  bleiben,  seiner  Amts* 
handluDgen^  soweit  wir  von  ihnen  Kunde  haben,  so  ist  entgegen  der  Darstellung 
Andr,  Lamey-s  in  seiner  „Pagi  wormatiensis,  qualis  sub  Carolingis  maxime 
rcgibus  fuit,  doscriptio*  vom  Jahre  1766^)  znnächat  zu  wiederholen,  dass  die- 
selben in  die  Zeit  von  767  bis  802  und  nicht  bloss,  wie  jener  will,  ins  Jahr  800 
fallen.  Wir  haben  zu  diesem  Zwecke  nur  die  fulder  und  lorscher  Schenkungs- 
beriehte  genauer  zu  lesen  als  dieser  verdienstvolle  Herausgeber  der  letzteren, 
E»  kommt  der  Graf  Hatte  zuerst  als  Zeuge  einer  Schenkung  Kandulfs  an 
Lorsch  in  Ibernesheim  am  30,  Mai  767  vor.')  In  dem  alsdann  folgenden  Jahre 
771  begegnen  wir  seiner  Zeugenpchaft  bei  einer  Schenkung  au  Fulda,  welche 
die  sechs  Brüder  Haguno,  Hartnand,  Rathat,  Gebehart,  Hather  und  Hludiiin  in 
Zarezanheim  und  Moniouhoim  am  16.  Februar  machen.  Nicht  Graf  genannt, 
ist  er  doch  als  erster  Zeuge  in  dieser  Eigenschaft  beglaubigt,  wie  er  bei  der 
Grenzangabe  des  Weinbergs  in  Momonheim  als  Grundbesitzer  namhaft  gemacht 
wird.^)  Das  Jahr  772  bringt  seinen  Namen  zweimal:  am  28.  Februar  schenkt 
Odagrus  mit  seiner  Frau  Hruodsuinda  und  der  Tochter  Lantsuvinda  Güter  in 
Vuacharenheira  an  Fulda,  am  3.  Mai  Hartmunt  solche  in  Truthmaresheim 
ebendahin.  Beidesmal  ist  ^comes"  Hatto  an  erster  Stelle  Zeuge,^)  Seine  eigne 
Schenkung  an  Lorsch  vom  31.  Juli  773  sodann  nannten  wir  schon  vorbin. 
Weiter  bezeugt  er  am  26.  JuH  776  die  Schenkung  Ilarafrid's  in  „Harasheim 
marca**  an  dasselbe  Kloster**),  am  19,  Februar  777  beurkundet  er  die  Schenkung 
Vto'«  „pro  remedium  (!)  anime  Geilsuvindae  uxoris  meae^  „infra  Civitate  (!) 
Moguntia**  und  ^in  villa  Brettonorum"  (Brezzenheim^j,  am  30,  Juni  779  dio- 
jonige  der  Nonne  Uda,  die  ausser  im  „Rinahgowe"  ihre  Güter  in  Thornhoim, 
Elimaresbaeb  und  Erifeldon,  wie  im  ^Loboditigowe**  in  Strizzesheim  und  Sahsen- 
heim,  solche  in  .Wormatiense**  in  Dulaheim,  Dinenheim  und  Oppenheim  au 
Lorsch  giftet.^)  Sechs  Jahre  später  alsdann  trägt  die  Schenkungsurkunde  eines 
Priesters  Vualther  vom  22,  März  785,  der  einen  Garten  innerhalb  der  maiuzer 
Mauer  au  Fulda  vergibt,  das  übliche  ^f  signum"  seiner  schreibunkundigeu 
Zeugenschaft,  ebenso  diejenige  von  dessen  Vater  Bernhard  der  seinen  Besitz  in 
Battenheim  ebendortbiu  stiftet,  wie  die  einer  gewissen  Cremhilte,  die  ihren 
Weinberg  in  mainzer  Markung  ebenfalls  dem  Bonifatiuskloster  schenkt.^)    Drei 


^)  Pertz,  Legg.  1,  13:  Ut  tiullus  judex  [cKfines]  de  alÜB  provinoüa  aut  rcgtoaibuB  in 
tüta  looa  ordinetur;  ut  si  aliquid  toftli  de  qiiibuslibet  conditionibtig  perpetrarcrit,  do  suis  pro* 
priU  rebus  exiade  quod  male  abstulerit  jiixta  legis  ordincm  debeat  reatitucre,  Vergi  Waitz, 
Yerfttisangageachichte  2,  B34;  8 ohröder,  Lolirb,  129;  Kaufmanu,  Deutsche  Qetoh.  2,  S5t. 
—  »)  Acta  acftderome  Theodore  Palatinae  1,  289,  —  ")  Cod.  laur.  2,  16  f  Nr.  859,  —  *)  Sohan- 
nnt  15,  Nr  28.  Diese  Urkunde  kennt  Dronke  nicht  —  *)  S^hanuat  19  r.  Nr.  36,  38; 
Dronke  25  r,  Nr,  39,  40.  —  *)  Cod.  laur.  2,  38,  Nr.  UJ7.  —  ^}  Schannat  27  t  Nr.  52; 
Droiike  utibekHiiiit  —  *)  Cod.  laur.  1,  302  t  Nr,  198.  -  ">  Suhannut  36  f,  Nr.  72.  73,  7-1: 
D ranke  48  t  Nr.  79,  80,  81. 


Jahre  später  lesen  wir  seinen  Namen   bei   der  Schenkung  eines  Bernachar  fal| 
Viuicharenheira  vom  30.  Jan.  788,  und  am  25.  Mai  des  gleichen  Jahres  unter- 
zeichnet er  zwei  Urkunden,  in  welchen  die  von  Schannat  falschlich  dafür  ge- 
haltenen Eltern  des  berühmten  Hrabanus,  Vualuramus  und  Vualrat  zuerst  ,,ar&aQt , 
unam  cum  casa  et  cum  omni  aedificio^  in  Mainz  und  sodann  ihr  ganzes  Besine« 
tum  in  Truthmareaheim  an  Fulda  zu  eigen  geben**)     Zwei  folgende  Urkunden  | 
au8  dem  Jahre  790  sind  dadurch  merkwürdig,    dass  sie  den  Grafen  Hatto  „in 
Pago  Navinse",  dem  beuaehbarteo  Nahegaue,  im  Dürfe  Ilrocchesheira  (Uoxhoim) 
bei  einer  Schenkung  Ratboto^s  nnd  seiner  Gattin  Hruodlind  thätig  zeigen  und 
zwar   in   der   ersten    mit   den   sonstigen   wormagauer   Zeugen.     Diese   ist    vom 
13.  AugM   die  zweite  ohne  Zeitangabe,  aber  wegen  der  gleichen  Scheoker  und 
betreffs  des  gleichen  Orts  wohl  aus  demselben  Jahre,  indes  „in  publico  conciUo, , 
quod  dicitur  Pathrafons*,  ausgestellt  und,  ausser  einem,  scheint  es,  wormsischen,  | 
mit   uns   unbekannten    Zeugen.^     Hatto  IL  befand  sieh  damals  also  auf  einem 
Reichstag  zu  Paderborn.    Am  18.  Dezember  792  sodann  bezeugt  er  gleichzeitig 
mit   dem    ihm   voranstehenden ,    also   wohl   als    umissus   dominicus^    wirksamen 
Grafen  Vuolfrod  eine  Schenkung  Vuolfbald's   und  seiner  Gattin  Ludabirg,   die 
sich  als  eine  solche  in  Mainz  —  die  Urkunde  selber  sagt  das  nämlich  nicht  - 
erweist,  da  dieselben  Geber  789  und  801  dort  als  solche  erscheinen.^)    Weiter^ 
am  25.  Mai  79tl  wird  von  ihm  die  Schenkung  der  Nonne  Hiltuvar  in  Sulzbeim 
bestätigt  und  am  25.  Mai  797  ebendort  diejenige  von  deren  Mutter  Regimsuvind«,^) 
Am  21.  Februar  798  finden  wir  seine  Unterschrift  in  einer  Güter    des  Atu  in 
Talaheim  betreffenden  Sehen kungsurkunde/"^)     Die   sich  dieser  unmittelbar  an» 
achliessonde  einer  Nonne  Burgrat  betreffs  eines  Ackergebietes  in  „Mogontiorum 
marca*  vom  25.  März  desselben  Jahres  ist  zwar  nur  mit  „f  Hattoni"  an  sechster 
Stelle^)  unterschrieben,   aber  da  die  anderen  Zeugen  im  wesentlichen  dieselben 
sind,  so  kann  die  Selbigkeit  der  Person  nicht  bezweifelt  werden.^)    Die  Urkunde  ] 
einer  gewissen  Baldsuvinda  über   ihren  Besitz   in  Uabarinesheim  vom   28.  Juli 
des  gleichen  Jahres  hat  gar  erst  an  letzter  Stelle,   aber  unter   denselben  Um- 
dtäuden,   die   genannte  Unterzeichnung*),   während   die   vom  25.  Oktober   ebeni 
dieses  Jahres,  die  die  Schenkung  des  Adalleicius  in  Mainz  und  ,in  HaniHheimo 
marcam  (!)*  bekundet,  die  volle  Bezeichnung  an  erster  Stelle  trügt.    Wiederum 
an  letzter  Stelle  steht  ein  .f  Hattoni*  in  einer  Urkunde  vom  2.  Februar  799,1 
in  welcher  der  schon  785  als  Schenker  genannte  Vualthor   einen  Weinborg  inj 
mainzer  Gemarkung  an    Fulda   gibt.*)     Am   4.  Mai  800   beglaubigt  llatto    aU 


')  8fih«nniit  40,  Nr.  T9»  4i  f.  Nr.  35.   88;    Droiiko  55  f-   Nr*  i>0,  91,  5J2,   122.     0m 
UloictiQ  hatte  nach  Will,  Ilegeatofi  xiir  Oeschiohtö  der  Miunter  ErtMtchofo.     Inuabr  J877,  f. 
l^  XIX  auch   Eck  hart   in    ^Comment.  Frauüiao  orietit.^   l,  736   tu  or^ieisou  ^oftuciht.     Indc«,  J 
WM  Will  nicht  einnuil  benrorhobt,  iVw  Lebenszeit  des  llrabanus  Maurtaj  iet  eiafacti  ÜA^ogon, 
wenn  er  desaeti  Qoburtija^i'  um  77(!  ansetat.  —  *)  Seh.  4e  f*  Nr  D2,  93;  Dr.  $7  f.  Kr.  95,  99. 

—  •}  8 eh.  50,  Kr.  101,  vef*^!.  15.  Kr.  89  u.  74  f.  Kr.  151;  Dr  02,  Nr.  TOi,  wo  daa  nchUf^ 
Jahr  angogeboii  in,  —  •)  Soh,  56  t    Nr    114,   «it,  Kr.  125;   Dr.  67  f.  Kr.  IH,   81,  Nr.  H|. 

—  »)  8 eh.  62  r  Nr.  128;  Dr,  84.  Nr.  H9.  —  »)  lo  der  obciigrnttiintpn  Urkunde  rom  22,  Mir« 
tS5,  Bch.  a7,  Kr.  72  komnit  »clbat  ^Uatto  Cotni«^  an  7,   St..»llr  vor:   AbtiHoh  andorwArta,  f gt  j 
Dr.  62,  104.    -    '»   8ch,  63,  Nr.  129;    Dr.  84,   Ko.  lÄf  ^ok  $4,  Kr.  I$l|    I>r,  a^j 
Kr.  l^t^  —  •*>  >*'^>'    '*^'   ^''    1  "'*     (»-   ^»V  V.    ^51^ 


ooftiGs  sügtir  vor  Landbert  „nuntius  doraini"  und  dem  echon  79ß  vorgekomraoneu 
gVuolfrad  comes*  die  Schenkung  der  Tochter  Nardpraht'a  Hclmsuvind  und  Cra- 
puclia  für  des  Vaters  Seeleoheil  in  Vuachareuheira  und  am  10.  Juni  des  gleichen 
Jahres  mit  blosaetn  „f  Hatto"  diejenige  Ilertings  und  Odilprant'a  in  Vuanes- 
heim.  *)  Hierauf  kommt  sein  Name  und  Amt  bei  einer  dritten  Schenkung  des 
obengenannten  Vualuram  vom  22.  Mai  802  vor,  durch  die  dieser  eine  Kirche 
in  Uofun  .in  Pago  superiori  Ilinensae*  mit  allem  Zubehör  von  Gütern  und 
Ilörigou,  auch  dem  in  Oppenheim  befindlichen,  und  ^areaa  tres*,  eine  in 
mainzer  Mark,  die  andere  in  Uruodolfesheim,  die  dritte  iu  Teiocnheim  an 
Fulda  gibt.^  Nun  begegnen  wir  zwar  seinem  Namen  noch  fünfmal  in  fuldischen 
Schenkungen,  nümhch  805,  810  und  dreimal  813.  Da  jedoch,  wie  ein  müh- 
samer Vergleich  uns  gelehrt  hat,  die  Namen  der  Mitzeugen  wesentlich  andere 
aind  und  ausserdem  seine  Amtsbezeichnung  fehlt,  so  wagen  wir  nicht,  diese 
Urkunden  für  seine  Person  zu  verwerten. 

Wir  begnügen  uns  deöhalü  hier,  nur  noch  festzustellen,  dass  die  in  Lamey's 
angeführter  ^^Descriptio^  versuchte  Zwischenschiebung  anderer  Grafennamen  in 
die  von  uns  hergestellte  Reihenfolge  der  Hatto'schen  eine  irrtümliche  ist.  Denn 
der  771  genannte  „Warnherus  comes**  wird  in  der  betreiFenden  Urkunde  nur 
als  Nachbar,  also  Grundbesitzer  aufgeführt/'^  «Cuniberctus  comes^  vom  Jahre 
779  ist  ebenfalls  nur  Grundbesitzer  in  jjSauvilenheira  in  Pago  Vuormazfeld*'  und 
wird  von  Stalin  als  Graf  einer  der  fränkischen  Gaue  seiner  Heimat  beansprucht, 
wohin  überdies  alle  Ortsnamen  der  Urkunde  mit  Ausnahme  Saulheims  weisen, 
das  dieser  Gelehrte  nicht  zu  bestimmen  w^usste,  weil  er  »Vuormazfeld*  ver- 
mutlich übersah.*)  ^Heiraerich  comes**  mit  seinem  vermutlichen  Bruder  Herman 
ergibt  sich  ebenso  als  schenkender  Grundbesitzer  in  Oppenheim  nach  der 
Urkunde  von  781*)  und  ist  Graf  im  oberen  Rheingau.*^)  Hruodpraht  endlich, 
der  790,  796,  801  und  804  iu  wormsfeldischen  Urkunden  erscheint,  gibt  sich 
ebeufalls  als  wormsgauer  Grossgrundbesitzer  zu  erkennen,  während  er  ebenso 
als  oberrheingauischer  Graf  bekannt  ist  und  823  mit  Erzbischof  Haistulf  misaus 
dominicus  „in  Mogunfina"  warj) 

Nehmen  wir  hiernach  den  oben  fallen  gelassenen  genealogischen  Faden 
wieder  auf,  so  haben  wir  nun  unser  obiges  Versprechen  betreifs  der  Abkunft 
Hatto's  n.  von  Liutsuuinda  bei  seinen  Söhnen  einzulösen.  Wir  w^enden  zu  dem 
Zwecke  unsere  Aufmerksamkeit  dem  Eintrag  eines  aller  Vermutung  nach  lorscher 
Necrologiums  aus  dem  3.  Jahrhundert  zu,  welches  sich  dem  Martyrologium  Boda*8 
auf  der  Würzburger  Dombibliothek  einverleibt  zeigt.  Dort  heisst  es  zum  13, 
Mai  (841):  „Obitus  Adalberti  comitis,  fratris  Banzleib  et  Hattonis  comitis.**') 
Nun  ist  nach  dem  diesen  Eintrag  bietenden  Crollius  gewiss,  dass  Adalbert,  den 
Nithard  zuerst  Grafen  von  Motz,  dann  Herzog  von  Austrasien  nennt  und  den 
wir  als   trierer  Grafen   oder  Legaten   der   provincia   trevirensis   kennen^),   die 

')  Schannat  71,  Nr.  143,  144;  Dronke  91  f.,  Nr.  161,  —  ^)  Sek  76  f.  Kr.  156;  Dr. 
98,  Nr.  174.  —  »)  Cod,  lnur.  2,  2,  Nr.  820.  —  ')  Wirtembergisclie  Geschichte.  Stuttgart  u, 
Tob.  1041,  1847,  1|  332,  vergl  312,  —  *)  Cod  laur.  2,  235,  No.  1539.  —  *)  Act.  PäI.  2,  17y  f. 
—  ')  Aot.  Pal.  2,  180  r.;  HftrtzUeim,  Cono.  Oerman.  2,  32b.  —  "")  Act.  Pul.  6,  132.  —  **)  Di* 
Crollius  den  Beleg  bierfar  schuldig  bleibt,  so  ergänzen  wir  ihn  aus  dem  Cupitularc  jinni  83{l 


Hl. 


.Anuales  fuldenscs*  a.  d,  Ilf»  id.  Maii  (13.  Mai)  841  aber  im  Gefecht  gefallen 
büzcugcn,  voü  Geburt  ein  Franko  aus  der  Nachbarschaft  von  Mainz  gewesen 
sei.  Ebenso  ist  nach  demselben  Gewährsmann  und  seinen  Belegen  seiü  Bruder 
Bauzleib  als  comea  in  Ostfalia  bezeugt,  und  endlich  erzählt  gemäss  ihm  Nitbard, 
doss  Ilatto  nach  Adalberts  Fall  von  Kaiser  Lothar  mit  dem  Erzbiachof  Otgar 
von  Mainz  zum  Schutze  des  Rheins  zurückgelassen  worden  sei,*)  Da  wir  nun 
dort  einen  Hatte  als  Gaugrafen  auftreten  sehen,  so  ist  doch  wohl  kein  Zweifel, 
dass  dieser  der  Zeitfolge  entsprechend  mit  seinen  Brüdern  ein  Sohn  Hatto'a  IK 
sein  muss.  Erinnern  wir  uns  alsdann,  dasa  der  Bruder  Liutsuuinda*6  Adalberi 
geheissen  bat,  so  haben  wir  au  der  Hand  dieses  Namens  das  gleiche  Recht, 
einen  ähnlichen  Sehluss  auf  seinen  metz-trierischen  Hiiträger  zu  wagen^  indem 
wir  diesen  dessen  Grossneffen  und  den  Urenkel  von  seinem  —  wir  wagen  auch 
dies  —  gleichnamigen  Vater  sein  lassen*  Dieser  Vater  aber  dürfte  dann  derjenige 
Adalbert  sein,  mit  dessen  Schenkungen  die  von  uns  so  reichlich  schon  benutzten 
^Traditiones  fuldenses^  anheben.  Am  25.  Januar  750  übergibt  dieser  mit  seiner 
Gemahlin  Irminsuuinda  „caso  (!)  fragilitatis*  d,  h,  als  Greis  ,pro  antmas  nostras  (!) 
remedium"  ^arealem  I"  innerhalb  der  Hauer  von  Mainz»*)  Am  18.  Jan*  753 
verkaufe  er  ebenso  nach  Fulda  einen  Weinberg  innerhalb  der  Stadtmauer  tiiid 
schenkt  dazu  einen  anderen  ausserhalb  ^in  uilla  nominata  Prittonorum.^^  Alter 
Wahrscheinlichkeit  nach  ist  er,  um  auch  das  zu  berühren,  ein  Schwager  de« 
obengenannten  Grafen  Leidrat.  Denn  dessen  Schwester  heisst  Irminsunindi 
und  ist  bereits  oben  von  uns  genannt  worden.^) 

Ilaben  wir  damit  die  spärlichen  urkundlichen  Anführungen  nach  Kräften" 
verwandtschaftlich  verwertet,  so  ist  es  nun  unsere  Aufgabe,  das  uns  so  erstandene 
dritte  Geschlecht  des  Hatto^schen  Hauses  vom  zweiten  zeitlich  abzugrenzen  und 
dieses  zugleich  noch  auf  einem  neuen  Gebiet  für  uns  zum  erstenmal  seine» 
Amtes  walten  zu  sehen.  Wir  verliessen  Hatte  II.  im  Jahre  802.  Da  im  gleichen 
Jabre  seine  Mutter  Liutsuuinda  noch  am  Leben  war,  wie  wir  sahen,  so  können 
wir  ihn  unmöglich  zu  dieser  Zeit  schon  aus  dem  Leben  gesohieden  denken.  Es 
verbietet  uns  dies,  was  bisher  übersehen  wurde,  die  Thatsache,  dass  in  dem 
Testamente  Karls  des  Grossen  vom  Jahre  811  nach  den  Bischöfen  als  Zeugen 
seines  letzten  Willens  verzeichnet  sind  die  ^Comites  Walacho,  Meginherua, 
Otulfus,  Stephanus,  Unruochus,  Burchardus,  Meginbardus^  Hatte,  Rihwinus, 
Edo,  Bero,  Hildegerus,  Roccolfus*.*)  Es  verbietet  uns  das  ausserdoju  eine 
Urkunde  von  819,  in  der  von  Ludwig  dem  Frommen  unter  anderem  darüber  Be- 
schwerde gefuhrt  wird,  dasa  in  dem  durch  den  Totl  des  Königs  Adolf  berühmt 
gewordenen  Gylenheim  (Göllheim)  dem  Kloster  Ilornbach  einiges  (»quasdam  rea*) 
„interiiellaute  [HjAttone  c|uondara  coraito*  vorenthalten  worden  sei*  Dies  sei 
bereit»  , tempore  domini  et  geuitoris  nostri  Karoli  bonae  roemoriae  piissimi  August! 
eo  Dou  iubeute,  imo  [»ror^us  uesciente^  geschehen,  genauer:    ^dum  in  commune 


wotölbiit  111»  in  C.  25  (De  noiniiiibua  locorum,  in  qaibtis  MUsi  Dominici  le^atioua  funguntur) 
bciMt;  ^In  Trorins  H«tta  «iroluopifiropufl  o(  AtlftlbertUfi  coini^s*'.  Hürtsheiiti,  Conc.  Oorin.  2,  S'iK 
*)  Nithiirt!*»  UUtoria  in  Müijuto*  Ocrin.  2,  6C7.  V|;L  Will,  Kugett,  1,  ÖO.  Nr.  3».  — 
»I  Sc'hatmnt  i,  ?ir  1;  Droulie  I»  Nr  Ä*  —  ^  8cIl  I,  Nr.  2;  l)r,  ö,  Nr,  a.  -  *\  si^rniatm 
gjtts,  Öch    12,  Nr    2«  -    Hr    IT,  Kr.  36*   —  *>  Einbardi   vit»  Karüii  in  Mon.  Qerm,  2,  4$3. 


9 


I 


I  a  Wftruario  et  Widono  monasterium  possideretur*^.')  Von  Waniarius  oder  Werious 
wisaen  wir  geaau,  Jass  er  im  Februar  des  Jahres  814  zu  Aachen  getötet  wurde,*) 
IIa  aber  daa  Kloster  zu  seiner  Klage  vor  Ludwig  jedenfalls  erst  den  Tod  Hatto*8 
abgewertet  hatte,  so  ist  dieser  erst  als  zwischen  814  und  819  erfolgt  anzusehen. 
Wir  sind  demnach  in  der  Lage,  Hatto  IL  als  einen  ungefähren  Siebenziger  dem 
ufifentlichen  Gerichte,  ,in  mallo  seu  judicio  publico**,  am  15,  Mai  814  Vorsitzen 
zu  sehen,  in  welchem  der  Kellner  des  Klusters  Bleidenstat  Salicho  durch  Zeugen 
darthut,  dass  das  Kloster  seit  den  Zeiten  Karls  des  G  rossen  im  Besitze  eines 
Bifanga  ,in  Villa  seu  marca  Didelesbei*c'^  (Diedenbergen)  sich  befunden  und 
Guntram  kein  Recht  an  diesen  anzusprechen  habe.^)  Es  wird  das  zu  um  so 
grösserer  Gewissheit,  als  der  oben  als  Bruder  des  Grafen  Heimerich  angesprochene 
Herman  vom  Jahre  781  die  Urkunde  unmittelbar  hinter  Hatto,   dem  Altersge- 

[  nossen,  als  oames  unterzeichnet. 

Indem  wir  dies  die  letzte  Amtshandlung  Hatto's  IL    sein  lassen,   brechen 
wir  doppelt  mit  der  bisherigen  Überlieferung  der  nassauischen    Geschichtschrei- 

Ibuug.  Denn  die  lässt  in  dem  in  der  Anmerkung  gerügten  irrigen  Jahre  815 
ihren  „Hatto  L"  seine  erste  Amtshandlung  begehen  und  setzt  ihn  einzig  in  den 
, König-  und  Rhcingau**,  in  dem  sein  Geschlecht  von  den  Merowingischen  Zeiten 
an  gewaltet  habe.*)  Da  w^ir  nun  zu  dieser  Zeit  keine  zwei  Grafen  des  Namens 
Hatto  kennen,  so  haben  wir  uns  durch  die  vorgelegte  Urkunde  aus  dem  ersten 
(„anno  primo  regnante**  etc.)  Jahre  des  Kaisers  Ludwig,  also  814,  belehren  zu 
lassen^  dass  die  Kuningeasuntara,  in  welcher  Didelesberc  lag,  mit  dem  Worms- 

I  gau  unter  einem  Grafen  stand,   zur  Zeit  unserem  Hatto  H.,  der  bald  darnach 

I  gestorben  sein  rauss.  Bei  der  verhältnismässigen  Kleinheit  dieses  altnassauischen 
Gaues  kann  dies  nicht  Wunder  nehmen,  da  ähnliche  Zusammenfassungen  von 
Gauen  in  eine  Grafschaft  nichts  weniger  als  ungewöhnlich  waren.  So  erweist 
»ich  beispielsweise  der  Zeitgenosse  des  alsbald  näher  zu  besprechenden  Hatto  IH., 

iGrafPopo,  als  ^coraes  pagorum  GrabfelJ,  Tullifeld,  Folkfeld,  Gotzfeld  et  Werin- 
/*)  Auch  wären  wir  schon  längst  über  dies  Yerhältnis  aufgeklärt,  hätte 
es  nicht  das  Missgeachick  gewollt,  dass  die  alten  Urkunden  zu  gründe  gingen. 
Ausserdem  brachte  es  das  Wesen  des  Königsgaues  mit  sich^  dass  zu  Schenkungs- 
urkunden, die  uns  darüber  Aufklärung  bringen  konnten,  wonig  Gelegenheit  war. 
Denn  der  Name  „Kuningessuntara"  besagt  bekanntlich,  dass  der  König  dort  Haupt- 

I  grossgrundbesitzer  war,  da  das  ahd.  Femininum  „suntara*^  proprium,  Besonder- 
heit bedeutet.^  Schenkungen  daselbst  gingen  also  der  Hauptsache  nach  von 
ihm  allein  aus.     Gleiclizeitig,   das   will   auch    bedacht  sein,    gehörte   der   ganze 


»)  Act.  PaL  6,  249.  —  ')  Act  PaL  6,  218.  —  *)  Will,  MoDumerita  BUdcottatenaia 
Miec.  IX,  X  et  XI.  Innsbr*  1874.  17,  Nr.  1 ;  Sauer,  Noss.  UrktiiidenbuLh.  Wicabadeu  1886« 
1,  17  t  Die  falsche  Jahreszahl  S15  bei  Vogel »  BeBOhr.  189  u,  Schlieph-  1,  106  f.  kommt 
mn  ßoilniaüti,  Rheing.  Altertümer  604.  —  *)  Bodm.  Rheing.  Altert.  45;  Schlieph.  1,  105, 
Anm.;  Roth,  Geach,  d.  Stadt  Wiesb.  7.  —  *)  Gonno,  De  duo.  Franc.  Orient  §  20,  p.  4311 
f.  naoti  Act.  Pal.  B,  344.  Andere  Beispiele  Yerxeichnet  Waitz,  Verfassungs^csch.  3,  324, 
10,  33.  An  letzterer  Stelle  wird^  allerdings  erst  im  Ausgang  des  10»  Jahrhunderts,  ein 
totliringiscber  Graf  mit  15  Grafachafteu  genannt.  —  ")  Halt  aus,  Glossarium  1697;  Oraff, 
AUhucInl»  4SpraohFchätÄ  6,  50.  Man  tergleiche  hierbei,  was  bei  Waitz,  Verfasaungisgesch.  U, 
56  aber  den  königlichen  Grundbesitz  im  allgemeinen  gesAgt  wird« 


10 

■Sfdidie  Tefl  d«  Gaoes,  wie  diet  die  aaf  des 

818)  nricknfiilireiid 

etetO  Okidiwohl  kun  EandgniBdl 

MB,  wem  wir  die  aaf  uns 

tnÄt  siebeB.*)    Bedenisem  fir  uns  hier  isl  es  dedialb, 

Helto'ielie  Heus  im  Kfo^igma  b^fitert  wmr.  Wiri 

882  ud  839  maageMatea  Uikmude.  in  weldier 

aerfu%  d.  h.  der  Torlm  genucte  Graf  diens  Namens  nnd  Bender  Hnito's  DL, 

der  ndi,  wir  dürfen  des  je  wohl  herrorfaeben,  durch  fiese  nnIMBge  ffennnnnh 

nnng^  wie  seine  ebenfeUs  namhaft  rn  machenden  Schcaknngcn  an  drei  KKstar 

in  doppdlem  Sinne  ak  ,fiddb*  des  fronnnen  Kaisers  erweist,  ,in  Fago  qni 

dieiftnr  Knmgeshnndra  in  TÜk  nnneapata  Waldalb 

mit  6  KSnigsmansen,  einem  Wewherg  ,ad  sex  Oanadas  Tini%  sowie  66 

eipien  nnd  alles  sonst^e  Znbdm,  ,in  oppido  Oobdeoee  nnnenpato,  qnod  Oon- 

flnentia  fidtnr«,  an  FnUa  schenkt  nnd  dabei  den  Besiti  in  Waünf 

Ech  «patrimonmm  menm*  nennt*)    Dass  der  Graf  mit  letiterer 

Bedite  war,  wird  durch  eine  Schenknng  des  Kaisers  Lndw%  Ton  Attigny  ans 

am  20.  NoYember  834  bestitigt    Denn  da  heisst  es:  .eoneessbnaa  eidem  fidei 

nostrOi  Adelberto  nomin^  ad  proprium  qaaadam  res,  qnas  idem 

mnnere  in  pago  Ynormieense  et  in  Cnniges  Sonteri  hactenns  inre 

possedit,  id  est  in  TÜla,  qni  dicitnr  Horagaheim  (Hrndibebn) 

eatam  et  alios  qninqne  mansns  ad  enm  pertinentes  et  in  TiDa  Ynaldoi& 

dinm  mansnm  et  maneipia  nnmero  tria.*^    » Ynaldor&*  ist  dabei  olienbar  ] 

des    Termntlieh    romanischen    Schreibers  fnr  ,YnaIdoflBn*,  wie  «Snntori*  als 

Genetiv  tod  einem  «sunteram*  sich  als  Yerkennong   des  deutschen    «snntara* 

aasweist.     Dürfen  wir  eine  Yennutnng  wagen,   so  stammt  dies  „patrimoninm'^ 

Adelbert*s  aas  dem  Nachlasse  seines  Urgrossvaters  Adelbert     Denn   in   einer 

fuldischen  Schenkung  des  8.  Jahrhunderts  heisst  es:  ^Adelbreht  trad.  sco.  Bon« 

in  uilla  Waldaffa  aream  unam  et  X  bubas  cum  familia.*^^)    Nicht  minder  aber 

war  Adalbert  in  dem   WalluiF  benachbarten  Dorfe  Rode,   dessen  Gemarknng 

nun  zu  Neudorf  gehört,  seitdem  es  ausg^angen  ist%  begütert.    Denn  ,ez  bi- 

fango  ad  Rode*    schenkt   ,Adilbertus   comis'^    zwei   Mausen  baubaren  Landes 


*)  Vogel,  Beschr.  190;  Will,  Mon.  Blid.  24:  Sauer,  Xass.  Urkandenbaeh  1,  24  C; 
Will,  Hegest  1,  48,  Xr.  19.  Da  das  Kloster  eine  ScifhiDg  Karls  des  Orossen  war,  so  darf 
sein  arsprfiBgliches  Gebiet  als  eine  Schenkung  ans  königlichem  Besitz  angesehen  wardsa.  fia 
Beweis,  wie  nmfangreich  dieser  war.  —  ')  Mit  Recht  bemerkt  deshalb  Otto,  OeschSehta  der 
Stadt  Wiesbaden.  Wiesbaden  1877,  67  f. :  .Das  eroberte  Land,  soweit  es  herrenlos  war,  gng 
in  den  Besiti  des  frSnkischen  Königs  über,  dessen  Domanium  im  Lande  der  Mattiakea  aber  so 
gross  war,  dass  der  Gan  den  Xamen  Kunigessundragao,  Sondergau  erhielt;  daaebea  moolitea 
einselne  angesehene  Franken  oder  ältere  Einwohner  grössere  Besitzongen  erhalten  oder  bs> 
halten  haben;  aus  ihnen  gingen  die  späteren  Herren-  und  Adelsgeschleehter  des  Tisato 
henror^  —  'J  Schannat  179,  Nr.  447;  Dronke  235,  Nr.  529;  auszugtweiBe  Saaer  1,  tl  C 
Nr.  58.  Die  Urkunde  hat  nur  das  Datum  YI.  idus  augusti  (8.  Aug.);  das  Jahr  SIC  isl  Via 
Schannat  fälschlich  hinzugesetzt,  daher  Ton  Sauer  in  den  Zeitraum  822 — SS  gebesBeii.  — 
*)  Sauer  1,  23  f.,  woselbst  die  Qbrigen  Belege.  —  ^i  Dronke,  Traditiones  et  aaüqaitatss Mk 
denses.  Fulda  1844.  111,  Nr.  214;  Sauer  1,  12,  Nr.  214;  Schannat  298,  Nr.  102.  —  ^  ▼efsl, 
Beschr.  577. 


I 


11 

samt  Wald  und  4  IIüHgon  au  Bloitloustat  ')  Dazu  '/.eigto  er  sich  glüichzeitig 
als  wormsgauer  Grundbesitzer.  Denn  an  das  oben  genannte  Kloster  Hornbach 
veruolieüki  er  im  Jahre  827  einen  flof  in  Hesiuloch,  allen  Besitz  in  Dittilos- 
heira  und  Thuringbeim  und  einen  Weinberg  in  Mittenheim. ")  Wir  haben  kaum 
hinzuzusetzen,  wie  sehr  die  so  erwiesene  Doppel begüterung  im  Wurms-  und 
Königsgau  unsere  Behauptung  vom  gleichzeitigen  Grafentum  Ilatto's  in  beiden 
erhärtet 

Um  sie  aber  ausser  allem  Zweifel  zu  stelleu,  haben  wir  nunmehr  nur  fort- 
zufahren und  Hatte  HI.  dieselbe  vom  Vater  ererbte  I^ersonaluuion  vertreten 
36U  sehen.  Über  seine  Person  sind  wir  freilich  bisher  auch  nur  sehr  spärlich 
nnterrichtet,  da  wir  ihm  ausser  in  einem  Briefe  Egiuhard's  au  Kaiser  Ludwig, 
iu  dem  mit  ihm  die  Grafen  Popo  und  Oebehard  als  eomites  Äustrasiae  be- 
zeichnet werden^'),  nur  sechsmal  und  nur  in  seinen  letzten  17  Lebensjahren 
begegnen.  Aber  das  Vorhandene  genügt  unserem  Zwecke  vollauf,  uud  wir 
haben  ausserdem  die  Genugthaung,  bisher  tTubekanutes  zufügen  zu  dürfen. 
Gleich  die  erste  Urkunde  vom  Jahre  837  ist  entscheidend,  wurde  aber  noch 
nicht  einmal  in  Betracht  gezogen.  Denn  in  dieser  bestätigt  der  bislang  fiir 
Königs-  und  unteren  Rheingau  in  Anspruch  genommene  Hatto  einen  Güter- 
tausch zwischen  dem  Abgesandten  des  Klosters  Fulda,  Nordalaho  einer-  und 
Rohingo  und  Emhild  anderseits,  innerhalb  der  mainzer  Gemarkung.*)  Das 
wormsgauer  Grafentum  ist  also  noch  nicht  bei  ihm  erloschen.  Und  doch  be- 
stätigt er  am  28.  Oktober  838  als  erster  weltlicher  Zeuge  das  Geschenk  des 
Erzbischofs  Otgar  von  Mainz  „in  pago  Reni  in  uilla  quae  dicitur  Gisinheim*' 
an  das  Kloster  Bleidenstat^)  Offenbar  dasselbe,  da»  vom  Meiden stater  „Sura- 
marium  et  registrum**  mit  den  Worten  geschildert  wird:  ^In  Gisinheim  dedit 
nobis  Ottgarius  archiepiscopus  curtile  I  cum  agris  et  vinois  ad  VI  carradas  et 
mancipia  VI'*^},  wenn  auch  hier  die  „curtis**  der  Urkunde  nach  bleidenstater 
Schätzung  Eum  verkleinerten  „curtile**  wird.  Dass  aber  Hatto  in  dem  erz- 
bischöflichen Schriftstück  unmittelbar  hinter  Otgar  und  Fulco,  dem  Bischof 
von  Worms  verzeichnet  steht,  macht  ihn  unseres  Eraehtens  nicht  zum  Grafen 
im  unteren  Rheingau,  der  in  der  Urkunde  ausserdem  gar  nicht  als  solcher  be- 
zeichnet ist,  wie  wir  sahen,  wenngleich  Bodmann^)  ihn  „als  den  ersten  fest- 
erweislieheu  Grafen  unseres  Rheingaues  anerkennen"  wilL  Er  steht  vielmehr, 
wie  das  Sitte  Ist,  als  Advocat  des  Klosters  Bleidenstat  hier  an  seiner  Stelle, 
zum  ersten  mittelbaren  Zeugnis  für  dies  Amt,  dessen  unmittelbare  Bezeugung 
wir  alsbald  bei  seinem  Nachfolger  finden  werden.  Das  nach  seinem  „8**  stehende 
„S.  Adilberti  comitis*^  darf  wohl  seinem  Bruder  gelten,  da  der  in  einer  Schen- 
kungsurkunde des  Klosters  S.  Älbau  zu  Mainz   vom   2L  Juni  847  sich  ^AdiU 


0  Will,  Mon.  BL  10,  Kr  13;  Sauer  l,  35,  Nr.  13.  -  ">  Act  Fal.  1,  195  t  — 
*)  Epiüt.  n-  LVU  in  Act.  Pal  »,  3*4-  —  *)  Schannat  171,  Nr,  429,j  Dronke  109,  Nr.  205- 
Letzterer  entbehrt  allerdings  der  JahresmhL  —  *)  Will,  JIoii.  BL  29,  Regest  1,  58,  Nr  26; 
Bttuor  I,  24  t,  Nr  58.  Das  Jahr  846  bei  Vogel,  Bescbr  181  und  Scliliepli.  1,  106  hi 
irrig.  -  "^  Will,  Mon,  Bl  9,  9;  Sauer  1,  35|  g.;  Will,  Reg  1,  58,  Nr  26.  Von  dicButi 
»Ireicn  mt\\  als  Orundhtgo  dc%  Eintrags  die  Urkunde  von  838  cUenso  ht'range«üffüi».  — 
V  Khein^.  AU.  603. 


mm 


12 

bcrt  quundam  Gomcs^  nennen  de,   also  offenbar  abgesetzte  Oraf,   wie  die« 
auch  sein  Zusatz  in  der  Urkunde  „graviUtcra  pcccatorum  meorum  eoiisideran 
al«  SchenkuDgsgrund  bezeugt,  nicht  in  Betracht  kommen  wird,    wenn  er  scbiS 
wogen   seiner  Schenkung   ^in   pago  Nabgowe   in   Migelinbache,   in   Simera^ 
RicUeswilari"    etc,    benachbart  erscheinen    künnte.*)      Eine  Urkunde    au»   do 
gleichen  Jahre  838  vom    14.  Juni  bezeugt,   dass  Uatto  lU.  vier  Monate  zun 
am  königlichen  lioflager  in  Neumagen   („in   palatio    apud   Niomagum    oppidui 
constituto**)    sich   befand,    an    dem    neben    einer   ganzen    Anzahl    von   Grafq 
und  ^innumerabilibus  vasallis  dominicia*^  auch  die  Sohne  Ludwigs,  Ludwig  un 
Karl,  uiclit  fehlten.    Es  wurde  da  vor  dem  König  und  den  Grossen  des  Retolj 
ein  Handel  zwischen  dem  fuldischen  Abte  Hrabanus  und  einem  gewisaen  Uc 
bert  ausgetragen,  der  von  der  Stiftung  der  Gebrüder  Folcholt,  Burgio  und  HraS 
an  das  fulder  Kloster  von  dem    Bifang   zu  Elmaha  im  Saalgau   sich  unreell 
mässigerweiae  eiuen  Teil  angeeignet  hatte.*)     Hinter   den    7  Erzblschüfen    uii 
Bischöfen    steht   unmittelbar   Graf  Adelbert,    alsdann    erst   an    siebenter   Stell 
Uatto  und  hinter  ihm  noch  drei  weitere  Standesgenossen.    Bei  der  Ausfolgting 
dos   vorenthaltenen  Teiles   der  Stiftung   am   darauffolgenden    16.  Juli   wird 
„advocatus  domini  Hrabani**  Leidrat  gen?innt,  in  dem  wir  wohl  den  Grafen 
der  vorhin  besprochenen,    Geisonheim  betreffenden   Urkunde   erkennen    diirföl 
der  als  der  dritte  hinter  Hatte  und  Adelbert  erscheint.^)   Hiernach  ist  die 
künde  vom  13.  Nov.  849  zu  nennen,  in  der  Hatto  III.   ,pro  reraedio  animc  mi 
et  parentum  meorum**  Güter  in  „Wilene**  (Dorfweil),  in  „Statero  raarca**  (Gbe 
etetten)  und  in  „Sulenburc**  (Seulberg)   „in  pago  Nithagowc**  an  Bleidenstat  ver- 
machr;   am  ersteren  Orte  eine  „area",   die  zu  einem  der  Anlieger  ^Luilfridd 
conies,   uepos  meus***)  hat,  am  zweiten  einen  Wald,  in  dem  200  Schwein©  zij 
Weide  gehen,   im  letzten  3  Manseu  mit  allem  Zubehör   —  diesmal  menschlid 
geordnet  —  von  Hörigen,  Waldern,  bebauten  und  unbebauten  Äckern,  Wiese 
Weiden  und  Wasaerläufen.     Das  Schriftstück  ist  ausgefertigt:    ^Costene  cora 
raissis  domini  nostri  Ludewici  regis,"*) 

Nehmen   wir  das  noch   zu   nennende  Todesjahr  und   die   von   uns  erst 
herangezogene  Urkunde  von  837  aus,  so  ist  dies  alles  der  bisherigen  nassauisoh^ 
Gescbiehtsehretbung  Bekannte.     Vermehren   wir  es  deshalb  nuü  mit  dem  vc 
sproehenen  Neuen,  das  sich  unserem  Suchen  in   zwei  weiteren  Tbatsachen  ai 
dem  Leben  Hatto's  111.  bot.     Die  Nachricht  über  die  erste  ist  freilich  viel 
kurz,  um  die  seitherigen  ebenso  kurzen  durch  mehr  als  ein  neues  Lebenszeich^ 
von  unserem  Grafen  übertreffen  zu  können.    Aber  sin  bestätigt  wenigstens  se 
Leben  schon  im  Jahre  823.    Denn  in  diesem  Jahre   melden  die  wolfenbüttel 
Annalen  lakonisch,  dass  Graf  Hatto  und  der  königliche  Vasall  Peretott  sich  in 


»)  Act.  Tal  5,  I7i  f.  -  «>  Seh  im  out  172,  Nr  484,  fergl  S.  422;  Üronko  226,  Kr.  M 
•»  ')  Kr  kommt  848  noch  oiximiü  iu  dicker  Eigenftülmfk  vor,  Seh  191,  Kr  4?!;  Dr  ti 
Kr  ft56;  notlmuiint  Rhcing.  AU  ÄOIJ  «otiot  ihn  den  ,boröTimloiJ  OtAfoti  Leidrat*'.  —  •)  iL] 
wohl  «inen  Vetter,  nicht  aWr  einen  EiikeL  mt  Vogul,  Bcschr  19S  und  Solille]jk  1*  It 
ftTgl.  Boauioun,   Hlieing.  Alt.  60t,  annehmek  —    ^)  Will,  Mon^  Bl.  17,  Kr.  2;   ä»itor] 

f7     Vr     rt» 


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Gegenwart   des  Königs  gegenseitig  angeklagt   hätten.^)     Die  Unbekanntschaft 
(mit  der  Person  Pcretolts  oder  Bertholds  verbietet   uns  selbstverständlich  schon 
ein  Raten    über  den  Gegenstand  der  gegenseitigen  Anklage.     Um  so  wichtiger 
ist  die  andere  Thatsache,  die  uns  zum  ersten  und  leider  einzigen  Mate  in  un- 
Iserer  ganzen  Untersuchung   einen  Blick   in   den   Bildungsstand   eines   der  uns 
beschäftigenden  Grafen,   hier  Hatto's  III.,    thuo  lässt.     Wir  sind  näralich   der 
Meinung,   das»  der  uns  glücklicherweise   aufbehaltene   Brief  des   frierer  Chor- 
oder Landbischofs  Thegano*),  des  Verfassers  der  Vita  Mludowici  vom  Jahre  835^ 
an  den  »dux**  und  ^conaul"  Hatte  iinserem  Grafen  gilt    Derselbe  ist  das  Be* 
I  gleitschreiben  zu  einem  Geschenke  an  Hatto^  und  das  Geschenk  die  von  Alcuiu 
Iverfasste   und   Karl  dem  Grossen  gewidmete   Schrift    über   die  Dreieinigkeit/^) 
[Begründet  wird  die  Schenkung   wie   mit   der   Dankbarkeit  für   das  genossene 
I  unverdiente  Wohlwollen  des  Grafen   und  dem  Wunsch,   sich   seinem   frommen 
Gedächtnis    zu   empfehlen,   so   mit   der   Absicht,   dass   der   Graf  daran   seinen 
[frommen  Geist  übe.    Es  darf  uns  nicht  irren,  dass  Hatto   dabei    „dux**  genannt 
wird*     „Thegano  braucht**,  mit  Waitz*)  zu  reden,   „den  Titel  überhaupt  sehr 
häufig."    Dass  er  aber  auch  nicht  mehr  als  ein  Titel  ist  zeigt  nach  ihm  gerade 
unser  Brief.     „Conaul**  ist  allein  der  wirkliche  Äratsname  und  bekanntlich  nur 
lein   anderer  Ausdruck  für   ^comes".     „Dux"    mochte   Thegano  von   Adelbert, 
dem  Brudor  Hatto's,  her  geläufig  sein  und  dessen  von  uns  oben  berührte  Amts- 

I Wirksamkeit  im  Triergau  die  Ursache  der  Bekanntschaft  mit  Hatto  gewesen 
*)  Ann,  Guolferbitam  in  Moo.  Germ.  1,  46:  ^823,  in  eo  anno^  quando  Hatto  comes  et  rassus 
•lomiüi  reg-ia  Peretolt  inter  se  aocu^arunt  coram  imperator©**«  —  *)  Nachträglich  finde  ich,  belehrt 
durch  Roth,  Gesch.  u.  hißt.  Topogr.  der  Stadt  "Wiesbaden,  B,  das«  am  KorrespondenzbK  1882, 
N.  7  des  Briefes  bereits  Erwähnung  geaohieht.  Cbrigena  hat  Roth,  scheint  c8,  mit  mir  aefn  eigenes 
Regest  36.  J,  832,  Fontes  rer.  nass.  1,  1»  502,  das  von  der  gleichen  Sache  handelt,  übersehen*  Dieser 
auii  Martene  et  Durand,  Coli,  amplms.  t  1,  p.  84,  in  Hon.  Germ.  2,  586  wieder  abgedruckte 
IDrief  lautet:  ^Domino  vcnerabili  et  in  Christo  patri  Hattoni  nobilissimu  duci  nc  consuli  TbeganuH 
Ijieecator,  licet  antistes  in  domino  Jesu  Christi,  dicit  saliitem.  Cum  mihi  diu  cogitanti  quid  ex 
Ipaüpertate  mea  vestrae  serenae  praesentiae  pracsentare  potuisaem,  propter  immensam  benigni- 
Itatem  vestram,  quam  aasidue,  oon  meia  merttis  exigentjbus,  ostendere  dignati  fuisti^,  et  ut 
Ifiomini«  mei  memoriam  vestrae  pietati  eommeodarem,  nikil  aliud  ad  raentem  cucurrit,  nisi  ut 
aliquod  opusculum  aanctorum  patrum  vobis  dirigerem,  in  quo  sanctum  Ingenium  veatrum  exer- 
rere  potniasetis,  et  ideo  istud  volumen  Tobis  transmisi,  qnod  sanctua  aleiiinus  summus  scolosti- 
leus  ex  varüs  libris  sancti  Augustini  congregavit  in  unum,  quod  peritjssimo  ac  nobtliaaimo 
lioiperatori  Karolo  tradidit,  siout  prologua  iatiua  libri  iudicata  ubi  inveniri  polest,  siout  maxima 
boeeaBitas  est  mortalium,  de  divtna  natura  ac  de  essentia,  de  aeterna  gignentia  Det  patris,  de 
pi4«t«ma  nativitate  filii  Dei,  de  aeterna  prooesaione  Spiritus  sancti,  de  incamatione  Jesu  Christi 
ßlii  Dci,  quomode  (!)  ait  unus  Deus  trinua,  et  trinua  unus,  aicut  vera  fides  oredere  jubet,  et 
Iqui  sie  non  credit,  alienus  a  Chriato  est.  —  [Von  anderer  Hand:]  Inclyta  gloria  Christi  te  diu 
hoc  saeculo  custodire  et  protegere  dignetur,  et  poat  haeo  mortalia  tempora  ad  illam  beati- 
odinem  porducat,  oui  fini«  adpropinquare  non  potest  Valeto.  Sal^c  magne  parena,  felix  eia 
emper  in  aomm  Dona  superna  Deus  addat  ubiqiie  tibi.  Sic  Theganus  erat,  sie  semper  poatu- 
at  ipae;  Auditor  Dominus  sit  quoque  celsithrouus**^  —  *)  Die  Schrift  ist  betitelt:  „De  Hde  s. 
ti  indiridue  trinitatie  libri  111  ad  Carolum  M.  cum  inroeatione  ad  a.  trinitatem  et  «jmbolo 
Üdei^  und  ein  Kompendium  der  ganzen  Dogmatik  mit  starker  Benutzung  der  Werke  Augustina. 
ITgL  GuH.  Caire,  Scriptorum  ecclesiaat.  hiatoria  litcrariA.  Gcncr,  1694.  2«  349;  Knrtz,  Hand- 
bueh  dar  allg.  Kirchengcüfh.    Mitau  1857.  2,  1,  540.         ')  VerfasBungsgi^srh,  3,  318,  Anm.   3, 


14 

sein.  Der  Empfang  eines  si»khen  Briefes  und  Geschenkes  aber  beweist  für 
diesen,  dass  er  nicht  nur  der  lateinischen  Sprache  kundig,  sondern  auch  im 
Stande  war.  die  gelehrten  Werke  seines  Zeitahers  zu  verstehen,  mit  anderen 
Worten,  dass  er  gleich  einem  Karl  dem  Grossen  und  Ludwig  dem  Frommen 
auf  der  im  wesentlichen  theologischen  Bildungshöhe  seiner  Zeit  stand.  Nehmen 
wir  dazu,  was  der  Brief  mittelbar  über  den  gesellschaftlichen  Stand  des  Grafen 
bekundet :  so  dürfen  wir  zufrieden  sein  mit  diesem  so  glücklich  uns  erhaltenen 
Vollbild  unseres  Grafen.    Nebenbei  erzählt  uns  der  Brief  auch  etwas  über  das 

'  Lebensalter  Harto's  III.    Da  er  noch  in  die  MachtfuUe  des  Grafen  fallet!  muss 

wegen  des  gebrauchten  Wortes  -duK-.  so  gehün  er  der  Zeit  vor  S42  an.  Wird 
Ilatto  nun  -in  Christo  pater"  genannt,  so  war  er  zu  der  Zeit  ein  älterer  Mann. 
Das  stimmt  genau  zu  unserer  Annahme,  dass  sein  Vater  S14  ein  ungefährer 
Siebenziger  war.  Er  selber  war  also  im  Jahre  S54^  .  in  dem  er  starb,  etwa 
SO  Jahre  alt. 

Dass  Hatto  nicht  ohne  Unterbrechung  seines  Amtes  im  Künigsgau  gewaltet 
hat.  tragen  wir  nun  nach,  indem  wir  berichten,  dass  in  den  Jahren  842  und 
844*)  ein  ^Unalaho  comes*^  dem  Grafenamte  daselbst  vorstand.  Im  Oktober 
des  ersteren  Jahres  —  der  Tag  bleibt  merkwürdigerweise  ungenannt  in  der 
T'rkunde  —  wird  unter  seinem  Vorsitz  ,in  castello  viila  puplica'  die  Schenkung 

.  eines    unbenannten   Gutes    .in   pago  Cunigess::nderon*    seitens   Manegolt's   und 

*  seiner  Söhne  Arnulf  und  Liutulf  vollz-^gen*^,  am  24.  April  S44  schenkt  Immeza 
t  von  Lorch  durch  die  Hand  ihres  ,mundiburtus*  d.  h.  Vormundes  Hruothard 
^  zweien  Hörigen  die  Freiheit  mit  der  Bedingung,  dass  sie  fortan  an  Bleidenstat 

•  Zinsen.  Die  Urkunde  darüber  schliesst  nach  der  Namhafrmachune  des  Königs- 
t                                      jahros  mit  dem  Zusatz:   -W.^hh-jiio  eomire."*      Wir  glauben,  was  auch  seither 

unboachtot  blieb,  mit  eiiLi^ror  Sjohvrheir  sa^en  zu  kVr.uer..  wie  'iieso  Unierlreehung 

l  der  Hatto'soheu  Anusrh.-itiirkoit  zu  Jeuton  ist.     E>  wurie   jlt-n  «S.  S>  berichtet, 

C  dass  Hatto   mir    dem   Erzbisoh::V  0:«:ar  von   L  ihar   zum    Schutze  des   Rheins 

',  /urückirelasser.  worden  war.    Wir  :::\Vo:i  aber  nun  i:inzuzusv:7on.  -lass  der  dort 

•  ancez^'^one  Boriohforstatter  le:    :i-:>er  Gele^enhoi:    ::o  oili^o  F:Ur;h:  der  zurück- 

gelassenen  Sohüt/or   vor   dem   hvranziehen-ivn    Heorr-    Luhvigs   -ies  Deutschen, 

seines  Sohnes    Karlmauu   und    Svines   Bruiers    Karl    des  Kahlen    am  17.  März 

>42  meldet.^      Was  Wur.  ur  a'.s.\  dass  U.\::-  .    :er  ParteiiTä-jirer  des  besiegten 

*"■  Wor.ii  wir  uns  äu:  iie  v;:-.  Yojt'..  Er  ?  hr  IS-.  Ar.-  '  &::*:?: ihre  *^»uelle  der 
Chror..  brev.  S.  Oaüi  bii  :u  Cr.v-r.o  ;^.  46^  Tvr'ä5*rr.  ilr:'-::i.  "».hürih.  1.  V*^  ha:  «ich 
lier  Todo^anirabe  tr.sh.ViTer..  Ko:'. .  Gojoh.  -i.  Si.-ii:  W ;.-<:.  f  ■  f:-::  5e-^ir  zi-^t  das  abce- 
krir7t»>  Ciwi  VojTOi*.  —  •■  Für  .ias  er^torv  Jähr  '-\t1  \:z  Vj^t'..  Fr?:Kr.  li*l  ur.i  Schliep- 
hako  I.  107  irri^  >7;?  allere ct*en.  für  iä?  --ir-::v  tvt.  Vc  jo'.  IA'2:  ifl  .\  Tor.  ^ebl!ef■h-  1. 
109:  S95  und  Tor.  Wil-,  Ml  r..  Bi.  31:  ^Oj»  •::►!?:■  irri^-.  «:•  Si-'r  ül  :e-  l-e:re*<?nden 
Orton  überzeugend  nachweist.  -  ■  Ar.n.V.  S.  2.  :.^.  i.^.  öS:  Sä -fr  1.  23.  Xr  5?.  — 
*^  Will,  Mon.  Bl  31:  Sauer.  1.  26.  >>.»..•=::  ifr  *:  hr.j?'  A==:  1.  S.  27.  -  '  Mihardi 
Hist.  III.  A,  842  {Hon.  Genn.  2.  667  :  .i^'-ci  c-=  vt^ar-?  Mc j^-.l:  a-:  fv.'.i*  •r-U-opu*,  Ha::o 
coDioa,  Heriolda«  oeterique  Tidt^runt.  ouv*  Lvihar.L«  .■.'  r. ;  ir.;::  r-Iiyu-:r.»:.  u;  f.Iis  rransirum 
proUbuMeDt»  nraore  perterriii,  liiore  ro*.:::*-  :u^vr-r.:.-  Ks  >►:  h.er-r  das  flr  >~a5»au  nichr 
Usviehligv  Ucr  bemerkt.  iUm  naoh  NiiV.ar:  Kar-r-,-.  .y-r  K- •  r  ■  h:  ♦  ■  «\.r.":-.T.:;Awi-.  lein 
Vllii%«Hgiyl  II    der  Ilrere.  /oi;. 


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IS 


I 


und  seit  dem  Vertrag  von  Verdüü  (Auguet  843)  auf  Mittelfranken,  d,  h,  das 
Land  zwischen  Scheide,  Maas,  Saune  und  Rhone  im  Westen,  Rhein  und  Alpen 
im  Osten j  und  auf  Italien  angewiesenen  Lothar  von  Ludwig  dem  Deutschen, 
der  Ostfranken,  d,  h.  alle  Teile  dos  Reichs  auf  dem  rechten  Rheinufer  ausser 
Priesland,  wie  die  Gaue  von  Mainz,  Worms  und  Speier  auf  dem  linken  Ufer* 
im  allgemeinen  zwischen  Rhein  und  Elbe,  erhielt,  zunächst  seines  Amtes  ent- 
hoben und  dann  zur  Strafe  auf  den  Königsgau  beschränkt  wurde?  Damit  war 
die  Macht  des  Gefährlichen,  den  Thegano  uicht  umsonst,  wenn  immer  über- 
treibend, ^dux'^  genannt  hatte,  gebrochen.  Die  Beschränkung  auf  Güter  rechts 
des  Rheins  bei  Stiftung  seines  Seelengedäcbtnisses  am  13.  Nov.  849  scheint 
sogar  auf  Eiubusso  seines  wormsgauischen  Besitzes  schliessen  zu  lassen.  Jeden- 
falls dürfte  auf  diese  Weise  am  bündigsten  die  Trennung  der  Grafengewalt  im 
Worms-  und  Königsgau  erklärt  sein. 


I 
I 


2,  Im  Koiiigsfiundragan.    Hatto  IV.— YL 

Wir  treten  demnach  nunmehr  cndgiltig  auf  den  Boden  der  Kuningessuntara 
über  und  beschäfltigen  uns  Äunächst  mit  Hatto  IV,,  den  wir  dem  Namen  und 
der  Zeit  nach  unbedenklich  als  Sohn  Hatto's  lU.  gelten  lassen.  Von  seiner 
Grafen  würde  im  Gaue  zeugt  leider  nur  eine  Urkunde  vom  19.  Januar  882. 
Konig  Ludwig  UL,  der  Jüngere,  schenkt  in  ihr  auf  Bitten  des  Erzbischofs  Luit- 
pert  von  Mainz  und  der  geliebten  Grafen  Konrad  und  Meingoz  der  Kirche  des 
heiligen  Ferrutius  in  Bleidenstat  „ex  fisco  nostro  Wisibad  in  pago  Cunigeshundra 
in  Villa  que  dicitur  Nordinstat  in  comitate  Hattonis  comitis**  drei  Mausen  mit 
Ilüfen,  Gebäuden,  Hörigen,  Äckern,  Wiesen,  Feldern,  Wäldern,  Weinbergen, 
Wassern,  Wasserläufen  und  allem  dazu  Gehörigen.  Gegeben  ist  die  Urkunde 
von  ,jFranconofurt  palatio  regio**')  und  dadurch  bemerkenswert,  dass  sie  dem 
Tode  des  Königs  einen  Tag  vorangeht,  nachdem  dieser  schon  seit  einiger  Zeit 
am  Fieber  krank  gelogen  hatte.*)  Den  furbittenden  Grafen  Konrad  haben  wir 
wohl  im  Lahngau  zu  suchen,  wo  er  S8C  Güter  mit  dem  Kloster  Lorsch  tauscht'^), 
während  Meingoz  der  Graf  des  Worms-Nahegaus  sein  wird/)  Vom  Grafen 
Hatto  IV,  aber  erfahren  wir  nunmehr  auch  das  andere  unmittelbar,  was  wir 
bei  seinem  Vater  erschliesssn  zu  müssen  glaubten,  dass  er  Vogt  des  Klosters 
Bleidenstat  war.  Denn  als  „advocatus  ecclesie  nostre*  bezieht  er  aus  dem 
vom  Erzbischof  Luitpert  (8C3— 889)  geschenkten  Weingut  des  Klosters  in 
Winkelo  2  Fuhren  Wein  und  6  solidi  im  Herbste  und  ^in  vicinia  eiusdem  ville 
[Rammscheid]  habemus  diversas  curtes,  quas  habet  Hatto  comes  in  beneticio."^) 
Nach  884  aber  schenkt  er  an  Bleidenstat  zwei  Hüben  mit  Höfen  „in  Berestat** 
samt  6  Hörigen.^)    Wir  sagen  nach  884,   weil  wir  so  allein  aus   den  deutlich 


»)  Will,  Mon.  Bl.  21,  Kr.  l;  Sauer  l,  32,  Kr.  T3.  -  *)  Goerz,  Mrttelrhein.  Regöet. 
Cobl*  1876  f»  1,  207,  Nr,  726.  —  ^)  Cod.  laut.  3,  4,  Nr.  B040,  vgl.  Vogel,  Beaohr.  179.  — 
*J  Act,  Pal  3,  402,  —  **)  Will,  Mon.  Bl  10,  Nr.  14,  16;  Sauer  1,  SO,  Nr.  14,  Iß;  Vogel, 
ßeftchr.  181),  Aiun.  2.  —  ")  Will,  Mon.  Bl  11,  Nr.  20;  Sauer  l,  36,  Nr.  20,  Bierstadl,  uiiht 
Haj-NtA(tt,  wio  Will  und  StitiPr  in  ilirei)  Hcge8to(i  wollen,  bt  gerne iiil,  da  letzteres  sstim  Uiiler- 


jgjm 


^Ü 


10 


nach  der  Zeitfol^  geordneten  einzelnen  Schenkiingeii  des  ^Sammariam 
regintrum^  des  KlofitorB  die  unsere  Schenkung  betreffende  Angabe  2u  bestimmen 
vortoOgen.  Denn  der  unmittelbar  vorangehende  ^Earolus  Imperator*^,  Karl  der 
Dicke  (876 — 888)  ward  884  Kaiser,  Leider  ist  das  aber  auch  alles,  waa  wir 
von  Hatto  IT,  zu  aagen  wissen.  In  Anbetracht  dessen^  dass  sein  %*on  uns  an- 
genommener  Vater  Ifatto  HL  854  geatorben  ist,  müssen  wir  aonebmeo,  daas  er 
Ende  des  H.  oder  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  dem  Vater  im  Tode  folgte.^) 

AU  sein  Zeitgenosse  erweist  sich  —  wir  müssen  dies  für  spätere  An* 
kiiüpfungen  einschieben    —   ^Udalricus  eomes^,  der  ebenfalls  swtschea  803 

und  880,  der  Lebenszeit  des  Erzbiachofs  Luitpert,  mit  seiner  Gemahlin  Gisil- 
hild,  „mansoe  (!)  III  cum  hubis  suis  in  WidiUassen"  und  in  „Husun"  an  Bleiden* 
stat  schenkt.')  Der  erste  der  beiden  Orte,  Wildsaehsen,  gehört  dem  Königsgatt 
zu;  wohin  der  zweite  ^n  setzen  ist,  kann  nicht  ausgemacht  werden^  da  es  der 
Orte  Hausen  mehrere  giebt. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  Hatto  V.,  für  dessen  Lebenszeit  wir  einen 
sinhoren  Anhalt  an  der  Urkunde  des  Königs  Heinrich  L  vom  29.  Dezember  928 
hubün.  Der  König  schenkt  dem  Kloster  8*  Alban  in  Mainz  sein  Gut  zu  Kost* 
Ijoim  „in  pago  CunigeBhundra,  cui  Hatte  comes  preesse  conspicitur»*)  Die  beiden 
utulereu  Angaben,  die  wir  noch  über  ihn  besitzen,  sind  wenigstens  annübemd 
zeitlich  festzustellen ,  wenn  wir  der  bereits  vorhin  von  uns  geltend  gemachten 
Antmlime^  dass  die  einzelnen  Schenkungen  des  bleidenstater  ^Summarium  et 
regintrum"  der  Zoitfolg«^  nach  geordnet  sind,  weiter  folgen.  Dort  wird  hinter 
einer  Schenkung  des  genannten  Königs  (919 — 936)  in  Massenheim  diejenige 
dos  Grafen  Hatte  und  »einer  Schwester  Waltrud  in  Waldaffa  mit  einem  Wein- 
berg und  seiner  übrigen  Guter  in  Biburch,  und  hinter  einer  des  eben  gestorbenen 
Erzbischofs  Ileriger  von  Mainz  (f  927)  eine  eben  solche  von  einer  Hube 
Villa  Hocheheim^  genannte,  die  derselbe  Graf  ^cum  filiis  suis"  gemacht  hat,*) 
lJ<»ide  Schenkungen  mögen  demnach  in  das  Ende  der  zwanziger  oder  den  An- 
fang der  dreisüiger  Jahre  des  10,  Jahrhunderts  zu  setzen  sein.  Beide  beurkunden 
köuigsgauor  Besit»,  der  in  Waldaffa  erinnert  uns  an  den  angeerbton  des  Grafen 
Adelbert  daselbst 


i 


rbeii)|;iiti  geliort,  in  dorn  wir  die  kOnigBgau'sohen  Orsfon  nicht  begütert  findeti.    Siehe  tuitim 
Antn.  1,  H.  23. 

^)  Dio  y%tmam$  Tofsli,  Büdir.  19t,  Anm.  1,  dio  Roth.  Q^ch.  d«r  8udt  WIm- 
liftdon,  S  ohne  wsiierss  sur  Oewiisheit  «rheht^  dass  »Mvginfridus  comes*  ftU  OfaT  det  Roni),*t- 
gaiia  iiad  Y^fgi  roti  Bleidemtadt  ^mofesehAit  wsHm*  dQrfs,  wsil  «r  aoi  I,  Detsiute  878  di# 
8cli«akuiig«ii  flu«!  f9wi»ei]  Uoto  «n  das  KJoslar  Blsldeutili  btitohend  aus  «Imbi  Bifani^ 
^  fiaga  Wtttf^roihn  in  l«f¥ijiut«r  msrcis*!  huji  7)  Manien  mit  Qehliiden  «In  TÜla  Ba]lnidsah( 
9xm  V«  Xaasos  ,in  Trci««*  und  aus  der  Mitj^ifl  teln^r  Gattin  Rntlind  «in  Albfatttlittfcni* 
ifiuiren  hiin  (Kindtinger,  Gasoh.  d«r  deutschen  Hdrifkeit,  Il^rlin  lSt9.  218;  Will,  Mon. 
HL  2»  »i  Scriba,  ttafvüen  der  Prot.  OborKaMi^  Darmsl.  1849.  14,  Nr.  3 IS),  ist  yoflllig, 
da  offenbar,  wie  einh  aiü  dem  dam  eomee  lolgafidaB  waitareo  Zanfen  Walabelm  {\gl  Will 
tL  tu  <K  l,  t)  erfibty  ii^  Qaofraf  da«  8ch«*nken  am  der  Wetttfan  ^meiot  ist;  SchhopK 
I,  108  wafi  Mna  btsaksMiuit.  —  ")  Will,  Mon.  BL  10,  Jfr  15;  Sauer  1,  86,  Nr.  1^.  — 
V  Yo|tl«  llM^ir.  l7St  Will,  Kacaüüi  1»  »9,  Nr.  f.  -  «)  Will,  Ma».  Bl  II,  ^r  18  «.  83| 
9aarr  1,  88. 


^^  IT 

lueh   diesem  Hatto  gebt  eiu  Zeitgenosse    „rtlfffTWö  noraes"    zur  SoitOj 

»den  raaa  freilich  »eit  der  Darstelhmg  des  Freiherrn  Schenk  von  Schweinsberg') 
gewohnt  ist,  für  dieselbe  Person  mit  dem  bereits  genaanten  zu  halten,  nicht  zu 
j^edenken,  daas  er,  wie  dies  derselbe  Gelehrte  richtig  erkannt  hat,  von  Vogel 
und  Schliephake  gar  mit  dem  des  11.  Jahrhunderts  verselbigt  worden  ist. 
I  Wir  sondern  ihn  aber  von  Udalrich  1.  als  Udalrich  EL,,  wie  wir  Hatto  V, 
Hvon  Hatto  IV.  auf  grund  der  Annahme  chronologischer  Ordnung  des  ältesten 
Hbleidenstater  Schenkungsregisters  schieden.  Denn  er  schenkt  in  demselben 
B  Zwischenraum  von  919  und  936  seinen  Hof  in  Bibure  mit  drei  Uiirigen  an 
Bleidenstat.*)     Nach  der   letzten  Schenkung   Hatto's  V.   in  Hochheim  muss  er 

Iaber  schon  gestorben  sein.     Denn  nach  dieser   ist  die  Schenkung  Vudilhild's 
-jjpro  remedio  patris  sui  IMah*ici  comitis**  „in  villa  Jossebahe"  mit  zwei  Hüben 
verzeichnet,    die   mit   Zustimmung   ihrer   beiden  Soime   Udalrich   und  Eugor 
geschehen  war.*)    Und  zur  gleichen  Zeit  wird  berichtet»  dass  dieselbe  „domina**, 
bevor  sie  Schwester  in  Bleidenstat  geworden  war,  mit  Zustimmung  ihres  Sohnes 
I     yjTTdalrici    prepositi   in    Hornawe",   also   wohl    auch   schon   nach    dem  Tode 
■Kugers;    sechs  Äcker   mit    zwei  Hörigen    an   Bleidenstat   vergabt  habe,*)     Die 
"Begüterung   im  Niddagaue,    dem    beide  Ortschaften   angehören,    ist   bedeutsam, 
da  sie  derjenigen  Hatto-s  und  der  Luitfride  daselbst  entspricht,  also  eine  Ver- 
wantschafl   der   drei  Häuser  zu    bestätigen  scheint,    wie   dies   nicht  minder  die 
iSehenkung  an  das  gleiche  Kloster   beweisen  mochte,   dessen  Vogtei  Familien- 
Ibesitz  ist.     Die  Annahme,    dass  Udalrich  H.    ohne   männliche  Erben   gestorben 
[uei,  weil  seine  T<3cliter  für  dessen  Seelengedächtnis  Sorge  trage,  kann  als  ziem- 
llich  gesichert  gelten  und  wird,  wie  sich  später  zeigen  soll,  durch  die  Folgezeit 
Inahezu  verbürgt. 

Nicht  minder  wichtig  ist  es,  noch  eines  anderen  Zeitgenossen  Hatto's  V. 
m  gedenken,  Eberhard's,  der,  wie  er,  Graf  im  Künigsgau  in  einer  Urkunde 
^om  12*  März  927  genannt  wird.     In  diesem  zu  Worms  ausgestellten  Schrift- 


")  KorretpondensbL  de«  Oesamtver.  d.  deutochon  Oesoh/s  u,  Altertum 8 v er.  1874,  Nr.  9, 

efi  f.    nun  folgt  naoh  Both,  Ge«ch.  d.  Stadt  WIesb.  11.  —  •)  Will,  Mon.  BL  11,  Nr.  24. 

'^  •)  Ebenda  t2,  Kr  43.  —  *)  Ebenda  Nr,  44.    Will  interpungiort  irotz  der  Einrede  Roth 's 

11.  a.  0.  n,  Antn.  1    richtig,  wenn  er  hinter    „Hornawe*"   ©in  Komma  setzt   und    im    KegiiJter 

LUdftlrifu»  zum  „prcpositus''  in  Uornau  machr,  wahrend  Vogel,  Beschr.  233  irrig  die  Sckenk- 

lung  nach  Hornau  verlegt,  entgegen  seiner  eigenen  Angabe  S.  851,  wie  ihm  das  so  oft  begeg- 

Itiet  in  dem  aus  seiner  „Topographie^  herüber  genommenen  topographischen  Teile  seiner  ^Be- 

iBühreibtiug**,   dass  Hornau  seit  der  Schenkung  Routllmrs   mit   8  Hansen   im   Jahre   879   dem 

I BartholoraßuBstift  in  Frankfurt  gehört  und  samt  dem  benachbarten  Kelkheim  eine  eigene  Vog- 

liei  bildet,  die  zugleich  den  Blutbann  hatte  und  mit  der  du«  Stift  die  Herren  von  Eppstein,  die 

hier  alle  14  Tage  Oencht   zu  halten   hatten,   belehnte.      Dieser   Belehnung   wird   zwar  erst  in 

iner  Urkunde  vom  1.  Februar  1369  gedacht,  als  vom  Dekane  des  Stifts  ndomino  Eberharde, 

[lomina  in  Eppenstein''  die  ^advocacia*^  über  ^Kalcheim^    „tamquam  feodum  et  nomine  feodi^ 

[jbergebeu  ward.     Aber  es  heisst  ausdrücklich  dabei,   dasB  dies    ^ab  antiquo*^  geschehe.     Vgl. 

Bdhmer,    Cod.    dipL  moenofrancfurt.    Frankfurt    1836.    1,    723.    Da   es   nun    in   Hornau   kein 

üo»ter  gab,    so  bedeutet  ^prepositus^  hier  dasselbe  wie  advocatus   und   wird   auch   anderweit 

ebraucht,  vgL  Du  Gange -Henichcl  5,  405'   f.    Damit  fällt  der  hergebrachte  „Propst^, 

en  ^conscnsns*  nusserdcni    gar  ni«^ht    stn  bethlitii^en  s^oweson  wäre,    dn  er  al«(  Holoher  Kitdi 

»f»)n*«8  VormugeuM  begeben  haben  würde. 


19 

simd»  «Jb^aJksm  ÄUaanm  mml  mimt  Gattn  Äiat  dm  ündbaofr  in  K^d  fir  3ir 
SaehMliei  nd  e«%c9  Lcila  Sdca  Bedlz.  Jkme  eat  camcn  I  sam  in  ! 

in  cf»m3t«t«  £merkar4i  emmas  m  a3a  Bf^ÜHOn  fitsa  com 

joa^  CHBfK^   €<r«  naBerdeoB  %  Msdbbb  vir 

i  GtBBoblBokE.  TM  doMB  «  3S  Bi^iicsai   aoHoer 

4  m  EiiimiihiiB    4  m  rnekn  imfiBer  Am  Sii- 

v«B  4er  jäeSA  15  ücififi  Zäss  filksL  nsd  S  ^ii 

.')    UnKrikar  mch  dm  ,^  TwMiS 
^JBkalttt«  cmiBk^  ni  d»  ms  «Mnoorai  ,JL&iBiwfi 
Aa  ww  Hju»  T.  OK  «SS  ab  CMb 
«weja  wM  mcjMl  das  Bhakid  t»  iaMm  dm  Gme 

<iw  freSdk  mhefaf:»  S^cftndht  T«^eUS  'fc  S^kliepkmk«^ 
gO«.  WMn  mL.  dm  EWchvi  «ka  Kl  jik  Gnf  m  ^^iKsm 

Et 

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Gnfea 


>ti  L«ir««¥lef ,  Cl      1   il     1    L  4L  GodlL  4L 
Xi:  «X:  $««er  1.  4i^  3^.  8Sl    I^  ipk  Lae«MMet  ks 

4Kr  nisfts  »s%  Ffrfi<rB«as.  JL&C  iiai iiflni  h  2.  31  as  «isr 

i^fifiidk  Iciinan^ffiK  V<m—ipi  m  Gtm£  Eammd  941  Wseng:^   ^^  Ls«>yk^U7  :.  3^  5zl  *!«. 
901.  v^  C«^  ÜKn  U  l4Sw  Szi  «K    Eici&iBirtef  WsftftsL  •isr  :iiu0ri  Cckimfe  aar 

4is  rnoiMBflk  3cib*r^  v^  ihirarfi  5e.  Si&^  ^L.  94l     Bii  ■.iiiwiwfi    vi«k.   wi» 
ms  wxr^   l^iniiBisMaK^  sc  IffiimiSiiQs  cbl  T^cEscäuu.  'isa  Scoroiiiics^   wv 

*iA    OCÜo?     «ORBSK    OK    SBBSPnt    L TfamuBK     mi^^c    T^üHDHDBSIL.       UVB     ÜUBL    X*linBIllBff 

ft*  kaum  jetiiadUIs  ine^  *fie  ^«üariin  crts  «x  qua  «£  «uüul"  b«  D  a  C;&ii  ^  - 
■cKJMb«!  C.  SIP*  seni:.  Ssübkö»  ac  ▼icÜBSfir  <ia»  wm.  mduciam  =  «ttnnm  ^ödiiets  Jb^^ksiv. 
K»  .^fiKT»  «fiKKW^  jenfiec  «ie^alb  «nv^cksmtfaar  sif  kimfgfiiffiw  Se&enkiiK  ^   imi  ist  «^k» 

tn  sadls  yiiL^iiaciu  <&Hff  <fie  fUsefa«  ishSnrt^  tob  30  atec  2S  Soosai  »»iwwnWta. 
je»  PtettMtaa»  imii  ^aiäaehXsmai  ICanTfirr^  Süib^  kammfL  —  ^  Beoean  I^. 
B»  BodBSjm^  B&em^  A&erc  6Qt.  —  *;  L  109.  —  "^  Das  aiediei  ;;«- 
r  IFtict  ^  gtimäata*^  sc&einc  ieAtdb  oft  (fi«  Bedeafim^ :  zur  Zoc  ies  Grsfiaiiamu  oiier 
Mml.  mbaoL  ^(^fnaxbß^  za  habeuy.  wie  denn  emiifhMTm  niekc  bim»  Gfa&cbaft;  ^mi- 
m  MUtth  <fi«  IFSpie  <ie»  Grafen  bezeiciuiec  mck  Du  Caiige-H«nscii<*I  1.  4if5^.  Uber^es 
r  w3L  hemebtet  Min^  was  ^^^hrGder,  Lehrb.  131  «^:  .J>iirefc  &  znanmgädtig<an  P!fieitteit 
Graftm,  moBündicb^  damh  srnnai  Hof-  ami  Hsenfienst^  wurde  bimi^  ^b»  BedüHm»  mmar 
bat  T  ut  ^gt  ufen>  Anassr  >iat  ScbnlÜteiBBen.  die  jm  ffir  ibrs  ffimtiertscbiid^  sbl  'üeaer 
bariifi«.  woran«  HeoKn  aefr  <fie  Gcafen  büiifig  atuA  «inreit  Spe^AlbeTQlImlcb- 
t%te  ▼•rtrctsB.  Owientfig&a  Substiiauen»  <fie  den  ISiei  ▼ieeeondias  oiier  Tk*««faiadni  führtmu 
!■■■■»  aaft  4gm  ^fffr-g  des  9.  Jabrboniierts  bin  und  wieder  rar.  Als  wirkliebes  Amt  b«^e^ 
der  TieegraÜKB  erat  am  MitteiBiter.     TgL  Yaitz.  3^  397  £.* 


Ift 


?riegesheitu  und  Sulburc  im  Niddagau  an  BleideastatJ)  Da  die  Urkunde  ausser- 
ioni  noch  von  ihrem  Bruder  „Eburhard"  unterzeiclmet  ist,  so  darf  unterstellt 
rerden,  daBS  in  seinem  Namen  der  des  Vaters  wiederkelirt.*) 

Gehen  wir  nun  weiter,  so  würden  wir  nach  der  gewöhnlichen  Lesart  der 

hetreffenden  Urkunde   ohne  w^eiteres  einen  Hatto  VL'')  zu  verzeichnen  haben. 

Die  Urschrift  dieses  Schriftstücks  vom  25.  Februar  960  bietet  jedoch  Hat  hold. 

Es   werden   nach   ihm    von    König   Otto  h   einem    gewissen    Thiatgaz,    seinem 

^«jtidelis",  Güter  geschenkt,    unter  andern  «in  pago  qui  dicitur  Cuninghessundra 

^■n  villa  Waldhoffa  iu  comitatu  Hatholdi  comitis"."*)    Gleichwohl  wird  ein  Ver- 

^■ehen  in  dem  sonst  nicht  vorkommenden  Namen   vorliegen^   wenn   nicht   etwa 

^^nznnehmen  sein  sollte*    daas  Hatto   die  Koseform    desselben  darstellt,    ähnlich 

Iwie  aus  Sund'^rold  Sunzo  oder  auch  wohl  Stmdo  entstand/')  Denn  es  scheint 
hiebt  von  ungeföbr,  dass  der  von  Wenck®)  nach  einer  Abschrift  gegebene 
Text  der  Urkunde  ^Hattoni  comitis"  setzt.  Derselbe  bringt  nämlich  auch 
peben  anderen  Abweichungen  in  der  Schreibung  der  Eigennamen  und  des  son- 
fttigeu  Textes  die  Besserung  zweier  unrichtig  geschriebener  Ortsnamen.  Der 
JlLbschreiber  erweist  sich  demnach  als  sachkundiger  Verbesserer,  Da  wir  nun 
In  der  näcbsten  Geschlechtsfolge  noch  einmal  dem  Namen  Hatto  begegnen^  p.o 
^dürfen  wir  wohl  nicht  anstehen,  den  Hatbold  der  Urkundenurschrift  als  Ilatto  VI. 
^BU  fassen.  Sein  Name  ist  leider  aber  auch  alles,  was  uns  von  ihm  über- 
l^iefert  ist. 

Dafür  haben  wir  ihm  gerade  10  Jahre  zuvor  einen  Vorgänger  bezw^.  Stell- 
jrertreter  im  Grafen  Gerung  zu  geben.    Es  kommt  dieser  in  einer  zu  Walech 
[Walbeck)  aufgenommenen  Urkunde  König  Otto's  L  vom  1.  Mai  950  vor,  worin 
letzterer  auf  Bitten  seines  Sohnes  Ludolf  ihm,   der  ^vasallus**  Ludolfs  genannt 
fird,    ^hobas  regias  VI    in  villa  Wanaloha  [Wallau]    et  Brechenheim   sitas    in 
pago  Kunigessundera  vocato  in  comitatu  prefati  Gerungi  comitis*  und  für  den 
fall,   dass  diese  nicht  voll  dort  gefunden  werden,   den   Rest   in    dem    benach- 
barten Nornestat  schenkt.^)    Schon  die  Unsicherheit  in  der  Beschenkungsweise 
^cheint   üerung  als  Fremdling  im  Gaue  zu   kennzeichnen,   wie  die  Schenkung 
ßlber  in  diesem,  da  sie  im  Einvernehmen  mit  dem  Grafen  geschehen  musste, 

»)  Will,  Mon,  Bl.  18;  Sauer  1,  45,  Nr  93;  Togel,  Beaohr.  188,  Woher  Kotb, 
Jpsch.  d.  Stadt  Wiesb.  9  die  Zuversicht  schuj>ft,  dass  ^Grar  Eberhard  des  König8gaue8  —  jeden- 
^nlls  von  dorn  im  Niedgau  921  auftretenden  Grafen  Eberhard  verachieden'*  sei,  ist  unerfind- 
lich. —  *)  Der  von  Bodmunn,  Rheing.  Altert.  601  entworfene  Stammbaum  würde  von  Wert 
e^in,  wenn  «ebe  Quellen  augegeben  waren.  —  ^}  Dass  Bodmann  570  ebenfulU  einen  Hatto  YL 
kennt,  also  zdhlt^  wie  wir,  hätte  Vogel  und  Schliephake  bei  ilirer  Zählung  bedenklich 
Flachen  müsflen.  Freilich  sind  ihm  die  Hattoe  Grafen  im  Rheingau,  die  aie  nie  waren.  Vgl. 
a,  4^  s,  9.  _  *)  Sauer  1,  44,  Kr.  92.  —  **)  Förslemann  1,  1128;  Will,  Regest.  1, 
LXVII  tt.  84.  —  **)  Hess.  Landesgeaoh.  2,  30  fürkb.).  Von  Abweichung  in  der  Schreibung 
der  Eigennamen   ist  zu  verzeichnen:   Bobbonis  statt  Popponia,  Diatgaz  statt  Thiatgas,   Hunolt 

fttt  Huuald,  Treyae  statt  Treise,  Cunigessundra  statt  Cuningheiaundra.  Sonstige  Änderungen : 
;iredicitim  statt  pre«criptam,  annuli  statt  anuli,  recognovi  statt  rocognovit  (S.  R.).  Ausgelassen 
»i:  Signum  Öttonis  invictissimi  (L.  M.)  regis  und  2U  actum  Wormatiae  zugesetzt:  in  Domino 
feüciter^  Ajneo.  Die  unrichtig  geschriebenen  Ortsnamen:  Wo<laha  und  Spiazcesheim  heiasen 
liier  Woiaha  (ailcrdinga  mit  dem  QbergesetÄten  d)  uml  Spiojtebheim.  —   ')  Sau  er  1,4H,  Nr.  U«L 

chwvtfltch  sind  die  Kamen  Wanaloha  und  Norueslat  richtig. 


fllnmir  nioh  aUo  unkundig  in  den  Besitzverhältnissen  zeigt.  Es  mag  deshalb 
ilnrNollin  Oorung  sein,  den  wir  960  im  Taubergau,  965  und  968  im  Speiergao, 
97«!  wiodnr  im  Taubor-  und  im  gleichen  Jahre  im  Gollahgau,  yielleicht  gar 
iiooh  1002  im  Kinagouuo  thätig  finden.')  Die  Yasallitat  war  nebenbei  gesagt 
koino  HoHchränkung  soiner  OrafonwQrde.*) 

Von  olnom  Naohfolgor  llatto^s  VI.  sind  uns,  wenigstens  nach  unserer 
iitNimtd  KU  l)ogründon<hui  Annahme,  zwei  Urkunden  erhalten.  In  der  erst«! 
aUN  Paviii  vom  17.  Jan.  970  schenkt  Kaiser  Otto  I.  dem  Kloster  S.  Johann 
In  Magdoluirg  (KUor  zu  ^winokara  et  noranstat  in  pago  et  comitatu  Euninges- 
Nuudra,  oui  Immat  comos  proosse  videtur*.  So  nach  der  in  Magdeburg  auf- 
bowuhrtou  AuMHtollung''*),  während  die  in  Berlin  erhaltene  richtig  „Wikkara*, 
uhor  ohouMO  irrig  «NorinstAt**  für  Nordinstat  liest.^)  Der  in  beiden  gleichlautende 
Naino  «Imnmt**  bosoitigt  für  immer  den  wunderlichen  Lesefehler  ,,Numat*,  wie 
(lio  au  ihn  gokuflpflon  KoMserungsversuche.^)  Dagegen  müssen  wir  .Immat* 
»olbor  auf  grund  der  von  uns  angemeldeten  zweiten  Urkunde  für  einen  Schreib- 
A^hlor  orkläriMK  Naoh  dioser,  welche  in  Botveldun  am  18.  Sept.  974  ausgestellt 
i«t»  nolionkt  Kainor  Otto  IL  dem  Kloster  Ililwartshausen  Güter  in  Schieratein 
im  KiVuigMumlragau  und  in  dor  Grafschaft  des  Grafen  .Ymico*^,  sowie  in 
Uraulmol)  in  dor  Grafschaft  Uoilbertsu  welche  Einrichi  heisst,  und  zu  Garden 
au  dor  M^mol/)  Da  nun  Vmioo  (Imicho,  Emicho,  Emmicho')  aus  dem  nahen 
Worni«*Naht'}niu  dor  bokannton^  ist,  so  darf  mit  Recht  vermutet  werden,  dass 
\lor  S\^hr^*ibor  iu  Paxia  das  ihm  vorli^^nde  Immico  bei  der  leichten  Verwech- 
!n^lui\|ninWV|;liohkoit  d*>*  mittolaltorliohon  o  und  t  für  ImmeCo,  der  Nebenform 
x^Mi  lmm,'*f*\  :«U!iah  und  daftlr  dsw  ihm  jr^liiutisrere  Immat  schrieb.  Bei  der 
IvrtMfT»  bomorktou  xiuriohtic^Mi  SohrtMbunv:  «U^r  Orr;>nÄmen  wird  dies  um  so  wahr- 

Wo;  ;st  nuu  \  miko  vvlor  V'mioho-^  Wir  hdber  allen  GrunJ.  denselben  in 
.u*^u  ^»rAtVn  *:o>  Na^i^us  5U  orb;:oko:\  dor  in  ^lor  \v  rhiu  a:ig>?£Ofirenen  Urkunde 
x.^v.  ^hn^  ^N-'lvvt  n,^:V.x\?  H."%::x^  \.^rkor.r.n:  v.r.^:  •'::  .ie^so-  Grafsohaf^  die,  was 
\xvi".'-KT^  «^i*.N  .».^N  orsrort^  \  .^r.  .^  vt  r  SotrrT^.  .-iucr  run:  Wormsscai:  geneohnecen 
IV, V:  S;  .s^i,*N>i^  ."  ..r.'.  Vr**^  >o  ^v"?"j:;  >»er.:o.:  I\rs-:y:«e  niie^u'sche  Graf 
>^^v..'\^  «-.x^'^o  ..:  ,;.^:  l  :'v,-.",:o  x.::;  1^:^  Vä.  :^:*:,  :-.  ^rl.it^r  K'cu:  «>no  den 
\vAU^"  4.*v..,vr.  ,..  .;  V;a  ..iv*  *U*r<*:.v:c  iVl:^:  .::•*>  N4>.ric*:i>  •»r  Emicho- 
. ,» -*   .  v-  *  ,  V  ^.*  *    ^  *    *  *>  •"  Ji  V :  ;•  -    V  Ar;  r  s:^ :  r;  < :  >  ;•  -  <•  ■      V.  :•:  r  >*:   vlri  i^  der  Ur- 

V  ■/   X    ''   :"■     V..i..v    ^'SS    ■•X   '."^.T*  v^o'T";  r*    . .?    :-;r:TJLr::  E:n::i:eT*  comi- 
^'    <v   s      .    « ,' ,  \>   -*.      V '■.;■-'/     "o" -i.  .  :. .-    /■-::■  7    v  r-  ?*■!:•:-   Kr-rig  an  die 

'AV4.-  .  : .  w"    \  \',    j^v^^v:*-      *  '  ".  *   ;■  T;-  \  *v^:  ;.■:    k"-i.y:   ."•?::">  ITI.  \<m 

>    .  >»    *'  Ti    .    .     ^  ♦  ■»*      V     .  n  .>-^-    Nww    :    *•     Are   ?^.     K   5»,  15!»: 

V  I  •  ,    1  »  •     V        .  .r»."«»        ^  .  I  -n.»  * '  1.1  V        •»     X  *  ■  ♦        ■>  ».       -,-.  .•         •.  ^X".      £  .  f  K  %#rB 

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V    >^  .  ,  ..»    k  .  ^  . .    »»     "»^  •  .  ,  ,     \     ,  *  - .    ^-.--,-j^-  ^u-   öw  ^nftrCMB 

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21 


03  wercleü  7  Manson  „in  villa  Norstein  in  pago  Nachgoiive  in  eomitatu  Emi- 
honiö*'  an  da%  Kloster  Selz  im  Eleaa^  geschenkt,')  Es  ist  dasselbe  Niersteiiu 
dB  211  den  Zeiten  Ludwigs  des  Kindes  zum  Wormsgau  gehört  hatte^);  ein 
eiebon,  im  Vorbeigang  bemerkt,  dass  za  dieser  Zeit  der  Landstrich  zwischen 
ingen,  Mainz,  dem  Pfrierabach  und  Douuersberg  wieder  zum  Nahegau  geborte, 
ie  ehemals.^)  In  dem  gleichen  Jahre  993  hatte  derselbe  König  am  14.  Jan. 
er  Abtei  S.  Alban  bei  Mainz  6  Künigshufen  Waldes  zwischen  Kelersheim  und 
icselbach  im  Nahegau  in  der  Grafschaft  Emicho's  geschenkt.*)  Und  wiederum 
m  10,  Nov.  995  gibt  derselbe  freigebige  Herrscher  an  seinen  Cietrcuen,  Beci- 
lioi  daa  ^^praedium  Domnisse  (Densen)"  ^in  pago  Nachgovve  et  in  comitatu 
Emiohonis  comitis**.*) 

DasB  damit  nicht  eine  abermalige  Verbindung  des  Königsgau's  mit  dem 
Vorms-Nahegau  gesetzt  ist,  verbürgt  die  Folgezeit.  Wir  haben  deshalb  Emi- 
oho  ebenfalls  nur  als  Stellvertreter  anzusehen,  aber^  wenn  nicht  alles  trügt, 
nunmehr  als  einen  in  verwantschaftlichen  Beziehungeu  zum  Hatto'schcn  Hause 
stehenden.  Wir  meinen  zu  dieser  Vermutung  durch  folgende  Thatsachen  be- 
rechtigt zu  sein,  die  gleichzeitig  den  weitereu  geschichtlichen  Verlauf  darstellen 
od  deshalb  an  dieser  Stelle  eingeschoben  werden  müssen. 


II.    Die  Trutwine  und  Tutoe  im  Königssundragau  und  in  Laurenburg* 

Trutwin  I.  nnd  IL     Tuto  L  und  II.     Eiiibricbo  h  Terschwägernng 
mit  den  Urafeii  von  Leiniugen. 

Wir  finden  zwischen  den  Jahren  992  und  1009  den  Königsgau  durch 
ftincn  Grafen  Trutwin  verwaltet.  Am  29.  Dec.  992  schenkt  König  Olto  IIL 
an  das  Kloster  Selz  sein  Praedium   „Biburc  et  Moskobach**,   gelegen   ^in  pagu 

JunigesöUüderou  in  comitatu  Druwini  oomitis**/')  Am  9,  Dec.  995  gibt  derselbe 
lom  Kloster  Bleideustat  sein  Praedium  .Laresbach  in  pago  Kunigissundero  in 
bomitatu  Trutwiudi  comitis*'.^  Und  im  Jahre  1009  geschieht  die  Übergabe 
les  Eigentums  eines  ,militaris  homo'*  lleginbod  und  seiner  Gattin  Lieba  „in 
Winckelo**  an  Bleidcnstat  „coram  Drutwino  comite  et  scabinis"*),  womit  aber 
licht  gesagt  ist,  wie  angenommen  wird,  dass  Trutwin  gleichzeitig  im  RheiDgau 

!raf  gewesen  sei.  Vielmehr  ist  er  nur  ab  advocatus  des  Iviosters  mit  den 
Jchöifen  Zeuge  der  „traditio''.  Dieser  Trutwin  1*  aber  erweist  sich^  da  eine 
Rrwerbung  des  Klosters  Bleidcnstat  im  Jahre  1017'^)  ,ab  Ilattonc,  patruo 
predicti  I>rutwnni"^  d.  L  des  zweiten  dieses  Namens,  also  unzweifelhaft  des 
Sahnes  Trutwin's  L,  gemacht  wird,  als  Bruder  dieses  Hatte  und  damit  ebenso 


')  Ad.  Pal.  l,  287;  2,  255.  —  *)  Gudonu«,  Cod.  dipL  l,  367,  v^'L  Act.  VaI  2,  265. 
*)  ßo  dm  Atta,  Diplomat.  NaoHrichC  von  der  fürstl.  Wild-  u.  Rhoingräil.  Landgrnfsohnft  im 
lahgftu.  Erfurt  1792,  4  f.  Derselbe,  Rbeing.  Alt.  203;  Christ  Jak.  Krem  er,  Oesch.  d.  rhein. 
PrAiii.  M&nnlu  1778.  147  f.  —  *)  WilU  Regest  U  127,  Nr.  84.  -  ^)  Fr*3her,  Orig.  Palat 
Bidelb.  1686.  2,  44,  —  *»)  Krem^r,  Ori^^  Nass.  2,  91  t  -  ')  Will,  Mon.  Hl  22,  Nr.  3; 
m«r  U  ^^  Nr.  100;  Will,  Regest  130,  Nr.  112.  -  *)  Will,  Mon.  BL  31,  Nr.  7;  Sauer 
1,  51,  Kr.  104.  -  ^  Willy  Mon.  Bt  Id,  Nr.  3;  Sauer  1,  59,  Nr.  110,  3. 


iliill 


rrafeiJitF  Mj*  Sxtx  Hfc-ir;"*  \X    Gaäffenfggr  w^ri  iur  aTi*  Tröfp»!r  Brufcr   Der 

B^pcrxJe  Tjpt  jgöiggr  S^öae  Txu  «TL  ^Ei  tlLi  feräaz  ^timKriEit  i  iiin  -ä 
SonSui  zxäiUL  um  ^mi  -»oeilsiB  iz  B^sirr!  «»xsi  hvm  TL  Tnui'fniTif,  ic^ 
Visus»  «t  MimJw»   *i  •nn  p^srsaemiänB'''    ^pn  7«me5>  4.T..n:i."iJi  «lünai'^  .la 

£e  Txr-j«  Tsyrrig-  fa  ist  G«fefi£>><scsraä)e  TmiwzEi  erseisiDai-  Diss?  zr  Böer- 
sadc  Tsi  B«<ir{<&.  vie  wEr  ooeot  si&«n.  &■:&  Hiz^rie^**?  B^rnz  im«,  -nr-te 
eJKS&ILi   sxf   iJJiiLigibage  T-*rvmBac&ifi   feä^e««!!  jsssüix.  w^ilx  'm^   Eeaeihtt 

«iiü  SeeimäiaL  «ii^  rL*3ai*re  AIcer  is  S!ib«ks^  xl«!  jeuitc  loea  seinasa  naLauin- 

«aer   Bensas^xK   ^^a   BgwrnnyHi    «ir»   IFfffta^Hfffcftjtggr?    bi   Biiainerz    {!in:& 

pflco  Cioieessasfin  fa  ctHiiKEa  Bezinarf:'^  lKs«9i*i  r^niMsnz  virP.  Se  £1:01:- 
bac  'ier  rckxsfif»  T^iraasieissecic.  zu  «ealicaseix.  fjos  Tmrr5i  L  sa  iier  Zes  re- 
fCorikBL   im   mnaBe.     Begmari   i«ib€r  jier   wirf    aar   iik   «et   Scs»iI»«LU«ia 

g^fi^rrtL  Hjcso  ezh  Jaltr^  1017. 

I>L  w^  wir  faxten,  'ier  in  <ien  bünisLsoser  Crkm'ieg.  T.a  Si»«nL  Jxäre 
ja  seit  Smieode  Trscwin  ULidraskEefc  aL§  y«&  <£eaes  H.iiro  leseiiranisc  wir^L 
jo  SR  mmmebr  Ton  Trnciriii  IL  mIa  Gra£sn  «Les  Konieancifiaaz^ak»  211  re^ien. 
Abc  Hscbeet  erkauft  1017  ^a  Dnirwino  comice  •lartsn  in  Bt}«fe  •:iim  'r.ks&  ec 
üBUieipa:»  ni  or>  XTTTT  atird».'^''»  Li  Ro«ie  cefiia»!  ii«!a  3ii»!a  rrüier  Bäiierkuini 
Haca>*i4!h€r   fa«ir.  Aie&iin'jctier  B^srz.    *5   iids    ii'ia   la*!^    iieser  Säre     ier 

Znaamtman  fü^irff   mft:  liem  V'mgvgagpr   HiOde   Z»!H»:tr<K  -fTrHiäiHnr.     U'wrße*  3IIIä«( 

in  E«>ie  aocii  «fer  3Luiäiz»  Aekeriaa^i  zefer^sn  haben,  ier  iem  ^pamn:?*  ELicro 
2:eiiiirc  hasce.  «ia  er  oime  ▼röere  •T^rtao^irabe  oamirajlbar  hinrer  iem  ▼«rijafien 
BeHCE  Tmrwin'i  «iaselbsc  Jkarz^tahrz  wirL  Hlenaf  in^iec  s«!ä  lecsienjr  10 1> 
ab  Zeo^e  min  ^Wigaat  Ti«:etionmia:i'*'  beim  Terk-iife  ^on  I^  Xx'iiea  A:ker  Li 
B<3me  «bei  Bi£fden:ica£  uti  «ier  Sihenkan^  von  ^  Jochen  mic  ^iaer  W^ese  :iir 
«Ja^  ewige  Hniv:  ies  Alrars   les  i.  FermciTi:*  seicen:*  Mein^riti*    X2«i  Iv^lJ  ver- 


\)  Will.  »iiL  BL  IJ,  5r.  4:  Sat^jt  1.  4i>  >'r.  lü  Becsac  ä.  wie  Vj^«:.  3«fscfir. 
±3«)  3-  537  riciixür  iii2«?noiiiiiiiMi  aac  Bü*rsa«ir.  D^mii  ^l  kaninit  b^fniirs  ,in  ytvpi  Cuni^»»- 
Enmiiero  in  Pwiacacer  niir:*-  Tor.  Wi::.  Mon.  BL  •!.  Jr.  li:  '?A:i^r  L  iL.  5r.  7..  W:e 
E^te  beiden  G*iiearxa  ji  iflr«!ai  E^s*üiz  za  iies^r  Trirunie  aiir  ier  ,35rsia;zär  3Lirk  m  iem 
Küiii:r«miin2vi''  irren,    w  !rr^n  «e  lacn  In    i»*ni  R**2«t  lar  Tinceaentien    n^z   ier  I}«»maii:r 

Btirscaiit  ieoki.  .  Lu  rioz  ittäe  la  ier  «>r»!ize  ier  CamwKianiira  linr*  ^''^-r  iiaben  .luer 
•jiwn  9chiia  Aom.  -i,  •?.  1  "5  iei-hst  Ber^scv  fir  Biersciiir  reaoimneii.  iaö  aucii  ieun>  .m  V  ..ik;*- 
smiide  3^r§caeti-  "i^iasc  ^.e  B5rici»it  ^Bannrne^i-.  —  '  :Jai-?--  L  3i,  ».  I  Jl^  .*UÄSu:;^w»Mfi« 
cuui  auHeriem.  als  TqniächcüT  lezeitrhnet  J-itieniails  jdmiiieii  w;<ikir  imiurco.  lucii  r*JiC?iiini. 
BOfta  imperimn  zur  Jiar««2anL  —  •  Wil..  Mon.  Bl.  U.  5r.  i.  Sai-^r  I.  J5.  Xr  Llj.  *.  — 
*'»  "Will.  Man.  Bl.  U.  Xr  S:  Sii-r  I.  i.>.  Vr  11),  -i.  Der  ,Tii!e«ioiiiina'*-  ^-ni  iier  ^«jht 
Biehc  flis  Ticecunies.  wniiem  »L«  priep«}>HnL'«  jii»?r  je^ronoma.'*  i»*-*  5Iust-*r?  lu  ▼»rstvien  ^«lo. 
Tjl.  5«i!ir»i-i«r.  Lehrb.  li-i. 


23 


»etzt  Graf  Triitwin  b*'^^  coaaeneu  et  voluatate  fratns  sui  Einbrichoais  |Ij 
curiam  in  Giaenheim  ot  tiaulum  in  Waldaffa  pro  LV  marcis  et  diinidia.'**) 
Büdatin  wird  1028  die  „curia  in  Mossebaeh"  „iq  placitu  Drutwiui"  Bleidenstuf 
xuorkauut,*)  Im  Jahre  1032  beim  Versatz  einer  „curia  in  Neisse  pro  XYlll 
mareis  et  ditnidia*^  durch  den  Grafen  Wigger  sind  Zeugen:  ^Arnold  come«, 
Dnitwin  comes,  Gisilbert  vicedominus**.^)  Zweiaial  endlich  noch  begegnet  uns 
der  Name  dieses  Trutwin  1034:  das  erste  Mal  bei  der  Gelegenheit,  wo  „Em- 
bricho  cum  conseusu  uxona  sue  Adeliudis'*  oiaen  Mansus  in  llusen  bei  Bar- 
stadt für  17  Mark  ^ot  quanto  (!)  fuit  in  captivitato  iterum  VI  marcia"  versetst 
und  alsdann  „mausum  rogatu  fratris  sui  Drutwini  nobis  dimisit**^);  das  andere 
Mal  gab  Abt  Ezzo  dem  Grafen  Trutwiu  15  Mark,  „pro  quibus  habemus 
piscaturam  in  Iteuo.*^)  Dass  er  dann  zwischen  diesem  und  dem  Jahre  1040 
gestorben  ist,  bezeugt  die  Thatsache,  dass  in  letzterem  ein  Graf  Sigfrid  in 
der  Königssundara  erscheiot.^ 

Und  nun  ist  es  an  der  Zeit,  dass  wir  unsere  vorhin  ausgesprochene  Ver- 
mutung von  einer  verwantsohaftliohen  Beziehung  zwischen  dem  llatto- 
Trutwin*8chen  und  dem  Eraich^scheu  Hause  näher  begrüuden.  Anlaas 
dazu  bietet  der  soeben  erwähnte  Bruder  Trutwins,  Embricho  L  Die  seit- 
herige Geschichtschreibung  hat  aus  seinem  Namen  nur  Schlüsse  auf  dessen 
vermutliche  Nachkommen  gezogen,  indem  sie  ihn^  wie  Bodraann'),  zum  Ahn- 
herrn der  Ilheingrafeo  oder,  wie  Vogel®)  und  Schliephake^),  zu  dem  des 
dietzischen  Hauses   muchte.     Wir  halten    es  für  angezeigt,    aus  seinem  Namen 

^dcn  vermutlichen  Vorfahren,  d,  h.  Namengeber  zu  erschliessen. 

Zu  dem  Ende  fassen  wir  zunächst  den  Namen  an  sich  ins  Auge  und  bo- 

^haupten,  dass  aus  ihm,  der  ursprünglich  Ambrichö  laufet  und  auch  in  den 
Formen  Eraricho,  Emhrico  und  Embricho  vorkommt,  »ich  die  Koseform  Amicho, 
Emicho,  Emmicho,  Imicho  gebildet  hat.^**)  Wir  wissen,  wie  sehr  diese  Be- 
hauptung der  seitherigen  Annahme  von  der  Verschiedenheit  beider  Namen  wider- 
spricht, und  wie  sehr  sie  sprachlich  anfechtbar  erscheint.  Gleichwohl  zwingt 
uns  zu  ihr  der  urkundliche  Befund,  So  sehr  nämlich  auch  diese  Namen  in 
denselben  Urkunden  nebeneinander  vorkommen,  so  sehr  erweisen  sie  sich  eins 
für  ihren  Träger  in  unabhängig  voneinander  auFgenoramenen.  Wir  köniien  da« 
freilich  nur  aus  solchen  des  12,  Jahrhunderts  erweisen.  Da  finden  wu'  bei- 
spielsweise unzweifelhaft  für  denselben  Mann:  1122  „Embricho  viccdominus**, 
1123  „Embrico  vicedomiuus'*,  1124  ^Emicho  viccdominus**  und  1135  „Embricho 
vicedominus.****)  Forner  wird  derselbe  erftirt-maiuzischo  ^prepositus  8,  Sevcri'' 
1128  „Emichor,  1120  ^Embricho«,  1130  „Eraicho«*  zweimal,  1130  und  1131 
,,Emiche"  und  1132    „Emercho**  genannt.*^)     Sodann  kommt  1146    „Emmecho 


0  Will,  Mon.  BL  13,  Nr.  10;  Sauer  1,  35,  Nr.  HO,  10,  —  ')  Will,  Mun,  Bl.  H, 
Kr,  ID.  -  *)  Ebenda  14,  Nr  19.  —  *)  Ebenda  14,  Nr,  23.  —  *)  Ebenda  14,  Nr.  24.  - 
•)  Vogel  292j  Sohlteph.  1,  l?*2  nach  SpiesB,  Aufklärungen  i.  d.  aesoh.  u.  Diplomatik  221. 
—  *)  Rheing.  Alt.  508  ff.  —  ")  Beachn  203  f.  u.  291  f.  —  "j  1.  131.  —  »*)  Forste  mann  !♦ 
80,  77ö  u.  81,  776.  —  ")  Wttrdtwoin,  Dioec-  mog.  1,  477;  Qudenus,  Cod.  dijd.  i,  55; 
ebenda  1^  «3;  Wurdtwein  ä.  a.  0.  1,  335.  -  '=*)  Gndenus  I,  79;  Act.  Pal  5,  184;  Hauer 
1«  109;    QudenuB  1^  82;    Joannia,    Eenim  moguuL   2,  582;   Gudenus  1,  93,  99,  104.     In 


oomea  do  Nucnburc"  vor,  der  im  gleichen  Jahre  an  anderer  Stelle  „Kmhrtco  ilo 
Novo  Castro**  heisst;*)  Endlich  bietet  sich  uns  die  fulgeude  Reihe  der  lcinin;;i- 
öchen  Grafen  dieses  Namens  dar:  1128  ^Emercho'*  und  „Emicho'^,  1140  und 
1143  „Emicho«.  1144  „Emmecho",  1151  „Embicho*.  1156  „Emmencho%  1160 
^Embrichu«  und  yjEraecho",  1163  „Emicho",  1167  „Erabrico",  1170  „Emicfao% 
1173  ^Emb^icho^  1197  „Embecho",  1198  „Embecho^^  Ans  dem  IK  Jahr* 
hundert  tritt  uds  nur  einmal  der  Name  ^Embricho"  in  der  Iciuiugischeu  Familie 
entgegen  und  auch  dieser  wird  uns  erst  in  einer  Urkunde  von  1128  bekannt^ 
in  welcher  „Embricho  Augustensia  episoopus",  genannt  und  dieser  in  der  An* 
merkung  von  Gudenus  als  ^antehac  praep.  Mogunt»,  comes  de  Leiningen** 
bezeichnet  wird.^  Er  wurde  1064  zum  Bischof  von  Augsburg  erwählt  und  ntarb 
in  dieser  Würde  1077.*)  Ausserdem  soll  nicht  vergessen  seiu,  dass  <lai5  uassauischo 
Dorf  Emraershauaen,  das  sonst  als  Emmerichshausen  und  Heimerahausen  vor- 
kommt, 1710  Emekhausen  genannt  wird.^) 

Warum  wir  uns  mit  dieser  Zusammenstellung  aufhalten  musstcn,  hat  »ich 
dem  Einsichtigen  wohl  schon  sofort  ergeben.  Es  gilt  uns,  den  sicheren  Unter- 
bau  iur  die  bis  dahin  noch  nicht  versuchte  Annahme  zu  gewinneUf  dass  Graf 
Embrichu  seinen  Namen  von  dem  Vater  seiner  Mutter  trage,  und  daas  dte^o 
eine  Tochter  des  oben  besprochenen  Grafen  Ymico  sein  müsse.  Von  diesem 
selber  aber  nehmen  wir  an,  daas  er  einer  der  Ahnen  des  leiningischen  Hauf§CÄ 
war.  Hat  man  nUmlich  schon  längst  mit  Hecht  dafür  gehalten,  daas  der  mit 
einer  Schenkung  von  Wald  „in  Linunga  marca**  an  das  Kloster  Lorsch  am 
23.  Juni  779  auftretende  Amicho  der  Stammvater  dieses  Hauses  sei**)  und 
wird  man  billigerweise  in  einer  in  Egratesheim  ausgestellten,  eine  Schenkung 
au  Fulda   in   Tienenheim   und  Talaheim   im   Wurmsgau   betreffenden    Urkuude 


lotzlofor  Urkunde  lesoD  freilich  äohlieph.  1,  199  und  Buuor  1,  128  naoh  der  UrBchrift  im 
kdntgliclten  StAtfiarobive  zu  Wieibaden:  ^Emeoho'*, 

«)  Gudenu«  l,  177  u.  182.  —  *)  Sauer  1,  106;  Gudenus  l,  79;  Sauer  I,  135,  Mo; 
JaariniSi  Uer.  mog.  2,  586;  Sauer  1,  145;  Mart.  Kremor,  GeneaL  GoscIk  d.  alten  ardim* 
nifloheu  OoAofitecht«  2^  248;  t.  Honiheim,  Hiat.  trev.  i,  589;  Gudcnut  \,  404  f^  I,  248; 
Kreroer  ebenda  2,245;  Gudenus  l,  256^  259;  Joanni»  2,  690;  Kremer  2,  21^;  ÖcUau- 
nat,  Hi«t.  epiöo.  Worm.  l,  18*  —  *)  Cod.  dipl.  1,  78.  —  *)  Joannia  2,  212;  Brinkmcier, 
Gcneal.  GoBch.  dc^s  erlauchten  Hauses  L@imn|peu.  BruttU6ehw.  t890,  1,  10  macht  ihn  wunder- 
ÜohorweUe  zum  Bischof  Ton  Würxburg  trotz  der  von  ihm  selber  aufgeführten  Bezeichnung 
i^augustoasis"  und  Terwechselt  ihn  offenbar  mit  dem  Btschof  Embncho  von  Wiirxburg  (IIS 
bis  1146)«  der  nach  den  einen  ein  Graf  von  Leiningetip  a/inli  den  anderen  ein  Herr  von  Esp«d 
feld  war,  «welche  leUier«  Meinung  auch  walirtchetnlicher  ist"*,  wie  Chr.  F«rd.  Scabiuus, 
RolaÜones  dipl.  hist.  de  fratribus  domus  Kiltani  oder  kurjegefaaste  histor.  Nachricht  ron  dcno 
Domherren  dos  Hoohstifts  Wflrtiburg.  Letpdg  1741,  20  meint  --  ^)  Vogel»  Topogr.  26 
Bekehr.  857;  E  ehre  tu,  Kamenb«  1,  19L  Von  Herrn  Professor  Otto  darauf  nufmerktam 
macht,  tragen  wir  an  dieser  SteUe  zu  unserer  Getiugthuung  nnch^  diiss  K.  0,  Andrcsen, 
ftUdeuttohen  Ferionennameti  in  ihrer  Entwicketung  und  Erscheinung  als  beutiire  Geschlechts* 
njim«n.  Mainz  1873.  60,  Imico«  Emicho»  Imniioh,  Emich,  Kmmich  ebenfaUs  alt  Kusefurm^  aber 
von  KrmanHoh«  Krturiob,  Emrich^  Emerloh,  Emmerich  fasat  und  diesen  Xanten  in  seinem  üfstnn 
Teil  von  Irmin  ableitet,  Li'td^r  hat  er  seine  Abweichung  von  Forste  mann  nicbt  begründet 
und  lÄsat,  wie  dieser,  neben  der  sprach wissenschaftHohen  die  geschichtliche  Bcgrilndung  rcr- 
misscn^  die  d^r  Xaine  dc«ftclben  Mannes  odvr  de«Sttlben  üaui^s  tu  aeiner  Wandlung  bietel. 
•)  Cod.  laur  2,  \6S,  Xr    lim. 


$ 


vom  20.  April  825  den  dort  unter  den  Zeugen  genannten  Emicho  für  einen 
NÄchkonimen  desselben  ansehen  dürfen'),  so  geht  man  auch  nicht  fehl,  wenn 
uian,  wie  dies  schon  Crollrus*)  gethan  hat,  aouimmt,  dass  jener  Vasall  den 
Grafen  oder  Herzogs  Konrad,  «nomiDe  Emicho",  der  am  30.  Mai  940  von  dem 
Ablc  H^damar  in  Fulda  tauschweise  Güter  zu  Horegheim  im  Wormsgau  und 
zu  Ingelnheim  gegen  andere  zu  Alehesheira  im  selben  Wormagau  erhielt^), 
wiederum  ein  Nachkomme  des  oben  genannten  Emicho  gewesen  sei,  da  „llorch- 
hoim  ohnweit  Worms  und  Aisheim,  woselbst  eine  dem  h.  Bonifacius  gewidmete 
Kirche  ist,  ohnweit  Guntersblum  liegt."  Dass  dieser  aber  der  Vorgänger  des 
20  Jtthro  später  erscheinenden,  gleichnamigen  Grafen  war,  von  dem  wir  oben 
bandelten,  geht  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  aus  dem  Umstand  hervor,  dass 
letzterer  in  demselben  Nahegau  seit  960  Gaugrafenrechte  ausübt,  indem  der 
hinterlassene  Sohn  des  955  gefallenen  Herzogs  Konrad,  Otto  von  Worms,  956 
als  achtjähriger  Graf  urkundlich  genannt  wird*);  derselbe,  der  von  978  au  als 
Herzog  von  Eärnthen  und  dabei  Graf  im  Worms-,  Speier-,  Kraich-  u»  Elsonz- 
gau  und  ausserdem  als  Markgraf  von  Verona  vorkommt.''*)  Wir  lassen  es  dahin 
goatellt  sein,  ob  damit  eine  Vasallenschaft  Emicho^s  im  Grafentum  unter  dem 
Herzog  Otto  ausgesprochen  ist,  wie  dies  Crollius,  dem  wir  die  vorstehenden 
Angaben  entuehraen,  zu  gunsten  seines  „ducatus  Francia  Rhenensis"  und  nach 
ihm  Lamoy  behaupten.^)  Jedenfalls  scheint  eine  nähere  Beziehung  zwischen 
beiden  vom  Vater  Konrad  her  unverkennbar.  Nun  ist  ja  freilich  wahr,  dass  die 
nahegauischen  Grafen  Emich  im  IL  Jahrhundert  dem  wildgräflichen  Hause 
entstammen,  wahrend  die  gleichnamigen  des  Wormsgaues  dem  Hause  Leiningcu 
angehören.  Aber  gerade  die  Gleichnamigkeit  gebietet,  die  letzteren  als  Namen- 
gober  anzusehen,  da  sie  die  ältesten  sind  und  Nahe-  und  Wormsgau  lauge  eins 
waren.  Ausserdem  nennt  Bischof  Fridrich  L  von  Worms  aus  dem  Hause  der 
von  den  Wildgrafen  abgezweigten  Raugrafen  in  einer  Urkunde  von  128t  die 
Grafen  Fridrich  und  Emich  von  Leiniogon  ausdrücklich  seine  „consanguioei,"^) 
Es  ist  demnach  anzunehmen,  dass  ein  Leininger  eine  nahegauische  Erbtochter 
heimgetuhrt  und  der  wildgräflichen  Familie  den  Namen  Emich  vererbt  habe, 
wenn  wir  schon  mit  dieser  Annahme  unseres  Wissens  die  ersten  sind. 

Kommen  wir  aber  auf  unsere  Vermutung,  dass  der  königssunderaiHche 
Graf  Embricho  ein  Enkel  mütterlicherseits  jenes  von  uns  dem  leioingischen 
Hause  zugezählten  Emicho  vom  Nahegau  ßcin  müase,  zui-ück,  so  sehen  wir  uns 
nun  veranlasst,  sie  durch  eine  ungleich  gewagtere  zu  vermehren,  die  uns  das 
seitherige  Unvermögen,  die  Herkunft  des  laurenburg'schen  Besitzes  in  der  Hand 
der  Grafen  des  Königsgaues  zu  erklären^  aufzwingt.  Scbliephake  berichtet, 
leider  uhne   urkundliche  Belege   beizufügen:    „Das   Haus  Leiningen   hatte  Be- 


')  Schannftt   153,   Nr.   380;   Dronke  202,   Nr.  459.     Benierkenswerterweise   wird   in 

I  domselbtn  Teinenlieim  eiu  Embricho  als  einer  der  Atiliogor  an  einem  WeiDberpro   j^eiiamit, 

der  um  803  mit  and&rf?n  Gul:eni  an  jinderon  Orten  an  Fuldu  verscheukl:  wurde,  äehannat  ^9^ 

77  mit  fftl<<cber  Jiihrcaziihl  786;  Dronke  108,  Nr.  198.  —  ')  Act  Pal.  *i»  252.  —  ')  Schitunnt 

|285,  Nr.  573;    Dronke  316,   Nr.  683.   —   *)  Schannat,   Hi^t.  epi«e.  Worm.  2,  20,   Nr.  23, 

fl,  Ut  PaL  3,  4t6,  5,  168.  ^  ^}  Act.  Pal.  a,  417  f.  —  **)  Ebenda  5,  18!^.  —  0  Schannal, 

opUc.  Worm.  47,  TgL  382. 


26 

Sitzungen  in  der  Grafschaft  Dietz,  in  Vilmar,  Hadamar,  Creuch."^)  Wie  nun, 
wenn  wir  diese  niederlahngräfliche  Begüterung  mit  dem  nahen  Laurenburg  ver- 
mehrt und  letzteres  als  Mitgift  der  Tochter  Emicho's  an  ihren  von  uns  ange- 
nommenen Gemahl  Trutwin  I.  übergegangen  denken?  In  diese  Zeit  nämlich 
muss  die  Erwerbung  Laurenburgs  für  das  Trutwin*sche  Haus  erfolgt  sein,  dazu 
drängt  der  zuerst  1093  bezeugte  Besitz,  und  haben  wir  uns  in  der  Herleitung 
des  Namens  Embricho  aus  dem  Hause  Leiningen  nicht  geirrt,  so  muss  diesem 
der  frühere  Besitz  zugeschrieben  werden,  wenn  wir  uns  nicht  entschliessen 
wollen,  Trutwin  I.  in  einer  früheren  Ehe  mit  der  Tochter  eines  niederlahn- 
gau'schen  Grafen  vermählt  gewesen  anzunehmen.  Das  aber  ist  unmöglich,  da 
die  Schwester  Embricho's,  also  die  Tochter  Trutwins  L,  Richildis,  mit  dem 
niederlahngauischen  Grafen  Wigger  vermählt  war,  wie  dies  der  Eintrag  in  das 
bleidenstater  Schenkregister  unter  dem  Jahre  1044  erweist,  wo  sie  unter  der 
Zeugenschaft  ihres  Bruders  Embricho,  „hobam  in  Neisse  pro  anniversario  mariti 
sui",  desselben,  der  ebendort  als  Graf  Wigger  eine  „curia"  für  187«  Mark  an 
dasselbe  Kloster  unter  der  Berechtigung  des  Rückkaufs  versetzt  hatte,  schenkt.*) 
Nun  hat  zwar  Vogel  diesen  Wigger  mit  seinem  vermutlichen  Bruder  Arnold 
zum  Grafen  vom  Einrieb  machen  wollen,  indem  er  behauptete,  dass  die  Urkunde 
über  die  Schenkung  des  Bischofs  Azecho  von  Worms  betreflFs  seines  Praediums 
„Nassouva"  an  den  Altar  der  hh.  Hippolytus  und  Nicomedes  in  Worms  es  ver- 
sehen habe  mit  dem  Zusatz:  „situm  in  pago  Loganehe  in  comitatu  Wiggeri  et 
Arnoldi  comitum/  Es  müsse  vielmehr  heissen:  „in  pago  Einrieb",  da  Berg- 
nassau „niemals  zum  Lahngau"  gehört  habe.')  Aber  die  dort  geschenkten 
„XL  mansi"  begriffen  nicht  bloss  Bergnassau,  sondern  auch  das  gegenüber- 
liegende Nassau  in  sich.  Dies  geht  ausdrücklich  aus  dem  bekannten  Tausch- 
vertrag zwischen  Worms  und  Trier  vom  Jahre  1159  hervor,  wo  es  heisst:  „iani 
dictum  predium  Nassove  quod  situm  in  pago  Logene  XL  mansos  continet  a 
longo  retractis  temporibus  libera  donatione  felicis  memorie  acechonis."*)    Wigger 

»)  1,  402  Anm.  —  ^)  Will,  Mon.  Rl  14,  Nr.  19,  31.  —  »)  Beschr.  198;  Sohannat, 
Hist.  episc.  Worm.  prob.  51;  Kremer,  Orig.  Nasa.  2,  110.  —  *)  Schliepb.  1,  200.  Man 
konnte  sagen,  diese  Stelle  der  Urkunde  sei  derjenigen  Azecho's  entnommen  und  daher  fehlcr- 
Iittft,  wie  diese.  Aber  abgesehen  davon,  dass  seinerzeit  schon  Azecho  wohl  gewusst  haben 
muss,  was  er  schrieb,  so  stimmt  sie  weder  auf  den  Buchstaben,  noch  ist  anzunehmen,  dass 
man  einen  so  viel  umstrittenen  Besitz  bezüglich  seiner  Lage  nicht  ganz  genau  festgestellt 
liabe.  Dazu  würde  das  „situm  in  pago  Logene"  im  10.  Jahrhundert  ein  Fehler  gewesen  sein. 
Denn  als  König  Konrad  L  seine  „curtem  Nassowa"  am  9.  Aug.  915  an  Worms  schenkt,  bc- 
sclirieb  er  ihre  Lage  mit  den  Worten:  „in  utroque  latere  fiuminis  Logene  in  duobus  Ulis 
comitatibus  Sconenberg  et  Marvels",  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  50.  Damals  also  gehörte  die 
jetzige  Stadt  Nassau  in  den  Engersgau  mit  dem  Gaumal  Sconenberg.  Im  11.  und  12.  Jahr- 
liundert  dagegen  erscheint  sie  im  Lahngau,  wie  die  obigen  Urkunden  beweisen  und  Schliep- 
hake  1,  184  demgemäss  richtig  bemerkt:  „Im  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  erscheint  der 
Engersgau  mit  dem  Niedorlahngau  unter  einem  Grafen".  Er  widerspricht  sich  aber  selber, 
wenn  er  bezüglich  des  in  der  Azecho'schen  Urkunde  gebrauchten  Ausdrucks  vom  Lahngau 
behauptet:  „dass  der  Name  Lahngau  in  diesem  weiteren  Verstände  benachbarte,  am  Lahnfluss 
belegene  Landschaften  einschliessend,  genommen  wird,  kommt  verschiedentlich  vor,  vgl.  unten 
S.  191."  Denn  nicht  nur,  dass  er  S.  191  nur  ein  Beispiel  beibringt,  so  ist  dieses  gerade  das- 
jenige der  Urkunde  von  1159,  das  Einrieb  und  Engersgau  im  Niederlahngau  aufgehen  lässt, 
von  deren  beiden  letzteren  er  die  Einheit  seit  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  meldet. 


27 

und  Arnold  waren  alöu  wirklich  Orafou  des  Nicderlahngau'ö  mit:  tlcni  schon  zu- 
gcröchneton  Einricli,  letzterer  offenbar  fiir  diesen  Bergnasßau  enthaltenden  Teil» 
cratcrer  für  den  übrigen  Gau,  in  dem  Nassau  lag*  Diese  urkundliche  FestHtelluug 
ergibt  gleichzeitig  die  IliuRilligkeit  der  anderen  Vermutung  Vogels*),  die  Schiiep- 
hake*)  sich  angeeignet  hat,  dass  unser  Trutwin  I.  —  der  ihrige  ist  bekannt- 
lich der  der  „schönauer  Reimsage**  —  in  zweiter  Ehe  mit  einer  ^Erbtochter 
aas  dem  Niederlahngau"  vermählt  gewesen  sein  solle.  Dieser  Ehe  sei  Embricho 
und  seine  Schwester  Riehildis  entsprossen  und  beide  hätten  die  „ansehnliche 
laliDgauidche  Erbschaft*'  übernommen^  während  Trutwin  II.  aus  erster  Ehe  an 
ihr  unbeteiligt  geblieben  sei.  Vogel  und  Schliephake  suchten  mit  dieser 
Vermutung  freilich  nur  dieselbe  Brücke  zwischen  Laurcnburg-Nassau  und  Dietz, 
die  wir  nachher  benutzen  werden.  An  dieser  Stelle  aber  ist  sie  unmöglich, 
wenn  man  nicht  verschiedene  niederlahngauiache  Örafenhäuser  annehmen  w*ilK 
Indes  selbst  eine  solche  Annahme  könnte  beiden  Forschern  nicht  einmal  zu 
gute  kommen,  da  ihre  ganze  Aufstellung  von  der  irrigen  AutFassung  ausgeht, 
dass,  wie  alsbald  klar  zu  stellen  sein  wird,  Embricho  mit  seinem  gleicli- 
namigen  Sohne  dieselbe  Person  sei. 

Dürften  w^ir  auf  diese  Weise  unserer  Vermutung  über  den  Zusammenhang 
der  Leininger  mit  den  späteren  Laurenburgeru  einiges  Itecht  erstritten  haben, 
80  vermögen  wir  dieselbe  vielleicht  mit  zwei  anderen  Thatsachen  zu  stützen. 
Die  erste  ist  das  oben  gemeldete  Auftreten  des  Grafen  Iraico  in  der  Königssundara 
für  die  Jahre  970  und  975.  Ist  dieses  nicht  durch  die  Nachbarschaft  des  Nahe- 
gaues  bedingt  und  als  rein  goschiiftliche  Ileichshandlung  aufzufassen,  so  liegt 
es  doch  wohl  nahe,  dasselbe  auf  einen  letzten  Willen  des  bis  dahin  erblich  er- 
scheinenden letzten  Besitzers  der  Grafschaft,  Hatto  VL,  und  diesen  Willen  auf 
eine  nicht  ungewöhnliche  frühe  Ehobcredung  mit  Inüco  zurückzuführen,  die 
zugleich  die  Erhaltung  der  Grafschaft  für  den  minderjährigen  Trutwin  durch 
den  künftigen  Schwiegervater  in  sich  schloas, 

3.  Azecho,  Bischof  von  Woruis^  Soliu  Triitwins  I. 

Als  zweite  Thatsache  bietet  sieh  uns  das  (lesehenk  des  Bischofs  Azecho 
üu  ilen  wormser  Dom  vom  Jahre  lüB4  aü.  Schannat  hat,  wie  man  weiss, 
diesen  wormser  Kirchenfürsten  zu  emem  Nassauer  gemacht,  indem  er  im  Beginn 
von  ilessen  kurzer  Lebensbesehreibung  sagt:  „Praeter  eximias  tum  corporis  tum 
animi  dotes,  quae  avitae  Nassoviorura  stirpis,  unde  et  ortum  traxerat,  quasi 
hereditaria  erant  decora,  eum  summopere  commendabat  eximiao  prudentiae  ac 
eruditionis  laus.*^)  Es  spricht  für  sich,  dass  eine  solche  Nachricht  nicht  aus 
gleichzeitigen  Quellen  stammen  kann,  da  es  noch  kein  nassauisches  Haus  zu 
der  Zeit  gab.  Möglich  also,  dass  Schannat  sie  bei  einem  Späteren  gefunden 
hat.  Am  wahrseiieinlichsten  aber  wird  er  ihr  eigner  Erliuder  zu  uennen,  und 
seine  Quelle  die  Urkunde  Azechn'»  sein*  Denn  er  gibt  dieser,  offenbar  verführt 
von  ihrem  „praedium  quodcuraque  Nassouva'*,  die  Cberschrift:    „Ejuadem  Aze* 


»)  Boechr,  291  f*  —  «)  1,  U2.  —  '}  llUt.  epbu.  Worai,  335. 


28 


chuniä  Episcopi  charta,  per  quam  Praedium  suum  Gentilicium  NasBova  con- 
fert  ad  Opus  erocti  a  se  altaris  S,  S.  Ilyppoliti  et  Nicomedie/  Ist  das  so, 
daun  muas  seine  Nachricht  falsch  genaeot  werden.  Denn  die  Urkunde  bezeichnet 
das  Praedium  ausdrücklich  als  ein  „proprio  labore  meo  libera  manu  acquisitum,** 
Gleichwohl  dürfte  Schannat  wider  sich  selbst  Recht  haben.  Man  weiss,  welch 
ein  Kampf  um  dies  Praedium  im  Jahre  1159  zum  Auatrag  kam.  Der  Kampf 
hatte  es  zwar  nur  mit  dem  den  geschenkten  40  Maosen  Azecho's  gegenüberliegen- 
den „castrum  Nasaauue"  zu  thun,  und  in  der  Urkunde^  in  welcher  das  Domstift 
Worms  seine  Ansprüche  auf  Weiler  und  Berg  Nassau  an  Erzbischof  Hillin  von 
Trier  gegen  Güter  in  Parteoheim  abtritt,  wird  ausdrücklich  zwischen  „caatrum 
de  Nassove*  und  der  ^  curia  adjacens"  unterschieden,  die  im  weiteren  Verlauf 
allein  auf  die  ,,libera  donatio*'  Azecho's  zurückgeführt  wird,-)  Die  diesen  Tausch- 
vertrag bestätigende  Urkunde  des  Bischofs  Kunrad  von  Worms  nennt  dagegen 
nur  das  „predinm  eorum  (der  Domherren)  de  Nassove,  tarn  castrum  quam  cu- 
riam  adjacentem  XL  mansos  continentem.**')  Und  diese  Einheit  hält  der  hier- 
nach folgende  Lehensvertrag  zwischen  Hillin  und  den  Laurenburgern  aus  dem 
gleichen  Jahre  1159  um  so  mehr  fest,  als  letzterer  nicht  nur  unter  Mitwirkung 
der  die  Sachlage  aus  der  Nähe  kennenden  Laurenburger  zu  st^inde  kam,  son- 
dern auch  die  Schenkungsurkunde  von  1034  der  gleichen  Sachlage  entspricht, 
indem  sie  das  ganze  Gut  in  dem  oben  gekennzeichneten  „comitatu  Wiggori  et 
Arnoldi  comitum**  liegen  läset.  ^)  Wenn  nun  in  dem  gedachten  Lehens  vertrag 
bemerkt  wird,  daas  die  Laurenburger  „in  eodem  Castro  ae  aliquid  proprietatia 
habere*',  so  kann  sich  dies  doch  unmöglich  auf  die  von  ihnen  erbaute  Burg 
beziehen  wollen,  die  uhnedies  ihr  eigen  war  und  von  den  Wormsern,  weil  auf 
ihrem  angeblichen  Boden  erbaut,  eigenmächtig  in  Anspruch  genommen  wurde, 
sondern  oa  muas  eben  den  Boden  der  Burg  bedeuten,  den  „mons*'  des  Lehens- 
vertrags. Beanspruchen  aie  den  aber  als  altes  Eigentum,  so  scheint  klar»  dass 
es  der  ererbte  Grundstoek  war,  um  den  Azecho  ,,rait  seiner  Mühe  und  aeiner 
freien  Hand"  das  Übrige  hinzuerworben  hatte.  Nach  dem  alten  Satze:  „deno- 
minatio  fit  a  potiori*  hatte  er  alsdann  das  Ganze  eigene  Erwerbung  genannt, 
weil  der  Hauptteil  os  wirklich  war.  Was  kann  uns  also  hindern,  Azecho  einen 
weiteren  Sohn  Trutwin's  L  zu  nennen,  zumal  er  auch  den  Jahren  nach  —  er 
stirbt  1044*)  —  als  Zeitgenosse  der  übrigen  Kinder  desselben:  Trutwin,  Em* 
bricho,  Richildia,  gelten  dart?)  Und  wer  kann  uns  hindern,  seine  Erhebung  auf 
den  wormscr  Bischofsstuhl  im  Jahre  1025  der  Mitwirkung  der  Worms  nahen 
leiningischen  Verwantachaft  zuzuschreiben,  nächst  der  Gunst  des  Kaisers  Kon- 
rad IL,  zu  dessen  und  seiner  Familie,  wie  der  früheren  wormaer  Bischöfe  und 


»)  Sohlieph.  1,  200.  —  «)  Ebenda  1,  202.  —  *)  Eboiida  I,  104.  -^  ')  Schannat,  HiuL 
m'im.  Worm,  336.  —  *)  SoJbat  der  Name  könnte  dies  geBtutten,  sofern  Azoebo»  tler  autih  in 
der  Form  H&ÄCchü  erscheint,  als  die  Verkleinerung^Bforni  von  Hatto  in  Belraebt  gezogen  wer- 
d^n  darf.  Freilich  bietet  einmal  eine  gallo-frunkiBGhe  Quelle  aus  dem  Jahre  673  Chadiohu»,  aber 
nicht  nur,  daeä  dieser  Xamo  aonst  als  Eticho  sieb  lindet,  FGrütemnnn,  Ältd.  namenbuoh  1, 
642,  und  Athaeho  aucb  nur  dem  S.  Jahrhundert  gebort,  ebenda  132^  sü  seheint  die  spätere  Zoit 
den  Umlaut  des  t  in  i  zu  begilnatigen;  denn  AzaehOt  Azecho^  A7.ekü,  Eziko^  ebenda  191»  jfo> 
hören  dem  10.  und  IL  Jahrhundert^  ebenso  üe^eeho,  Ha^eco,  Bezieh,  ebenda  650. 


29 

hinein  eigeneu  Seelenheile  er  die  gaaze  reiche  SüiltiLDg  niachte  ?  bt  doch  selbst 
dieser  Koorad  der  Urenkel  jenes  Ronrad  und  Enkel  jenes  Otto,  denen  die  Lei- 
ntnger  ihre  Nahegaugrafachaft  verdankten,  und  letzterer  bei  dem  Vorgänger 
Axeoho's  Burkard  auferzogenJ) 

Kehren  wir  aber  noch  einmal  zu  den  Ansprüchen  der  späteren  Lauren- 
burger  auf  den  Berg  Nassau  zurilck,  so  glauben  wir  aus  der  Urkunde  A/.eoho's 
ersehlicssen  zu  dürfen,  dass  die  ganze  Schenkung  aus  Abwendung  von  der 
eigenen  Familie  geschehen  ht*  Wir  sehen  andere  Kirchenfürsten  bei  solchen 
und  so  bedeutenden  Stiftungen  für  ein  Seelengcdächtnis  ihre  Verwanten  in 
den  Schutz  der  letzteren  miteinbegreifen**)  Dass  Azecho  das  nicht  that,  setzt 
einen  Bruch  mit  seiner  Familie  voraus.  Und  die  Bedenkung  des  Kaisers,  seiner 
Gemahlin  Gisela  und  seines  Sohnes  Heinrich  in  erster  Linie,  mit  denen  keiner- 
lei Blutsverbindung  vorlag,  so  sehr  dies  auch  von  Schannat  vermutet^  wurde, 
seheint  mit  ziemlicher  Sicherheit  darauf  hinzudeuten,  dass  der  Bruch  aus  poli- 
tischen Gründen  erfolgt  war,  deutlicher  zu  reden,  dass  die  laurenburg'schen 
Grafen  Anhänger  des  Wahlmitbewerbers,  des  jüngeren  Konrad,  sein  mochten. 
Wir  finden  deshalb  auch,  dass,  als  es  sich  am  30.  Januar  desselben  Jahres  1034 
darum  handelte,  dass  die  Besitzungen  des  Klosters  Bleidenstat  und  dessen  Zoll- 
freiheit  auf  Rhein  und  Main  die  kaiserliche  Bestätigung  erfahren  sollten,  nicht 
der  Blutsverwante  der  königsgau-laurenburg' sehen  Vögte  des  Klosters,  Azecho, 
sondern  der  Erzbischof  Bardo  mit  der  kaiserlichen  Gemahlin  die  Antragsteller 
waren.*)  Die  spateren  Laurenburger,  geleitet  von  der  Familienüberliefernng, 
beanspruchten  also  deutlich  ein  ihnen  wider  den  Familien  willen  entfremdetes 
Erbstück,  und  dass  sie  darin  Recht  hatten,  scheint  unzweideutig  aus  dem  so 
geflissentlich  betonten  , proprio  labore  meo  libera  manu  acquisitum*'  von  1034, 
wie  aus  der  ebenfalls  nicht  müssigen  „libera  donatione  felicis  memorie  Acechonia 
ijuondam  episcopi  nostri*  von  1159  hervorzugehen.  Die  Freiheit  war  eine  im 
Gegensatz  zum  Familienwillen  genommene  und  durch  die  grössere  eigene  Er- 
werbung beschönigte.'^)  Der  Familienbesitz  auf  dem  Berge  Nassan  aber  bestätigt 
unsere  Annahme  von  der  damaligen  Begüterung  der  künigsgauer  Grafen  im 
Niederlahngau* 

3.   Embricho  F,  und  IL  im  Niederlalinirau  und  in  Dietz,   Verwantscliaft 

mit  den  Kheiiigrafen. 

Nehmen  wir  nunmehr  den  bei  Embricho  stille  gestellten  Gang  unserer 
Untersuchung  wieder  auf,  so  geschieht  es  zunächst,  um  uns  noch  einer  weiteren 
Pamilienverbindung  seines  Hauses  zu  versichern,  die  bis  dahin  mit  unzureichender 
Kraft  vermutet  wurde.  Wir  meinen  die  mit  den  Grafen  von  Dietz.  Man  hat 
mit  Recht   angenommen,    dass  Graf  Embricho   der  Ahnherr   dieser  Grafen   sei, 


*)  Wippo,  vitn  Conradi  p.  425  und  MonAchus  Kirschgartensis  iu  chron.  Worm.  c.  25, 
p.  es,  —  *)  8.  unten  Anro.  6,  8,  36,  z.  B.  die  Stiftung  des  Erzbiacbafs  Sigfrid.  —  ')  Hi«t. 
#pl»c.  Worin,  H35,  ^  *)  Will.  M«in.  BL  23,  Nr.  4.  —  ')  Hiermit  dilrflo  der  F^inwand  Schniid«* 
äteiuerK,  Annal.  3,  3,  120  u.  138  gegerj  die  AbstMnjmuug  Aisedio'»  um»  !aureDljurg'st'li*«ni 
Hauiiv  t!rledigt  sein,  da  er  sich  ledtgliüh  auf  das  ^proprio  labore^  etc.  der  Urkunde  stütict. 


30 

aber  zu  Unrecht  hat   man  ihn,   wie  oben   bemerkt   mit   seinem  gleiehnamigeD 
Sohne  verwechselt. 

l^nser  Graf  Embricho,   Sohn   Trutwin's   I.,    hat   folgende  Spuren    seines 

Tiobons  in  den  uns  überkommenen  Urkunden  hinterlassen.    Von  seiner  Zustim- 

nuing  zum  Vorsatz   der  «curia   in  Qiseuheim*    und  des    „naulum  in  Waldaffa" 

durch  Trutwin  II.  im  Jahre  1010,  ebenso  von  seiner  eigenen  Verpfandung  eines 

Mansus  in  Husen  in  Gemeinschaft  mit  seiner  Gemahlin  Ädelindis  im  Jahre  1034 

war   bereits   die  Rede.     Es   ist  aber   nun   am  Platze,  gerade   die  letzte   einer 

näheren  Betrachtung  zu  unterziehen,  da  sie  uns.  wenn  wir  uns  nicht  tausehen, 

wichtige  Enthüllungen  zu  machen  hat.     Besehen  wir   uns   nämlich    den   vollen 

Wortlaut  des  bleidenstater  Eintrags  darüber  genauer,  so  stellt  sich  das  bereits 

oben  vorgeführte  Nacheinander  von  Einzelhandlungen  dar.  das  erst  im  Jahre  1034 

seinen  Abschluss  gefunden  haben   kann.')    Die  Verpfandung  liegt  offenbar  vor 

dem  geiiachten  Jahre  und  diente  deutlich  zur  Bestreitung  einer  Rüstung  für  den 

Krieg.     In  diesem  Kriege  geriet  Embricho   in  Gefangenschaft   oder,   wenn   die 

Bod man n'sche  Lesart-^  «in  egestate"   richtig  sein  sollte,  in  Geldnot,  zu  deren 

Hebung  weitere  0  Mark  gereicht  wurden.     Als  die  eine  oder  andere  auf  horte, 

war  er  erst  im  stände,  den  Bitten  des  Bruders  nachzugeben  und  das  verpfändete 

Eigentum,   vermutlich  ebenso,    wie  es  seine  Schwester  1044   mit  dem  Hofe   in 

Xeisse  ihat«  an  Bleidenstat  zu  schenken.  Damit  war  das  ganze  Geschäft  vollendet, 

\^  und  nun  erst  geschah  der  Eintrsg  1034.    Wir  sind  aber  auch  wohl  im  stände, 

das  Anfangsjahr  des  Geschäfts  zu  bestimmen.   Erinnern  wir  uns.  daas  Graf  Wig- 

gor  seinen  Hof  in  Neisse  1032  an  Bleidenstat  für  IS'  *  Mark,  also  für  nur  V  * 

M.irk  mehr  als  sein  Sohw.sger  Embricho  verpf^indote.  ?o  scheint  es  doch  in  die 

Av.c  :i  .'".*  >vrir.Ct'':K  ^^^>>  iV.:'.  -ior  j"oio::e  Zweck,  wie  den  Schwäger,  hierzu  he- 

ur  jT '.eiche:;  Zoi:  <ie*i  \er?ch,;-^:e.     Pi>s  wir  hierin  das 

:   .iir  .-\\:?chev.    le-.:  Wi^^er    ur. :  E'^trich.'    be: reffenden 

vflc ::.::;•;:  c.e>    V'.e:  :er.5:;i:er   .Reir:>:r'.;!!is*  klar,    in  dem 

;i'>  er  >:.h  .v.;f  c*e"  K::e.:>rv.c  ":  o.:.^'' .    •  Mark  tür  ein 

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81 


gelteod  machte.  Gestatteten  wir  uus  nun  schoD  vorliin  die  künigsgau-lauren- 
burgcr  OrafoD  in  den  Reihen  der  der  Wahl  Konrad»  Abgünstigen  zu  suchen, 
so  ist  ©9  jetzt  wohl  nicht  zu  kühn,  sie  als  Bundesgenossen  Otto's  zu  vermuten. 
Die  Besitzergreifung  Biirgund's  durch  Kaiser  Konrad  im  Jahre  1033  und  die 
dabei  erfolgende  ßrechuog  der  gegoerischen  Burgen  mochte  leicht  die  Gefangen- 
schaft Embricha's,  der  dann  die  Auslosung  folgte,  bringen.  Irren  wir  nicht 
in  dieser  Vermutung,  so  haben  wir  darin,  nebenbei  gesagt,  eine  Bestütigung 
für  unsere  Annahme,  dass  Azecho  abseits  der  Familie  sein  Seelcngedächtnis 
für  Kaiser  Konrad  1034  stiftete. 

Was  wir  weiter  von  Embrrcho  wissen,  ist  zunächst  seine  gleichfalls  bereits 
gemeldete  Zeugenschaft  im  Jahre  1044  bei  der  Stiftung  des  Seelengedrichtuisses 
für  Wigger,  dessen  Tod  im  gleichen  Jahre  oder  nicht  lange  zuvor  damit  bezeugt 
wird,  Hierauf  begegnet  er  abermals  als  Zeuge  1048  bei  der  Gelegenheit,  wo 
eine  ^domina  Blltrudis*^  ihren  Hof  in  Lahnstein  unter  dem  Torbehalt  des 
Rückerw^erbs  ionerhalb  zweier  Jahre  für  25  Mark  an  Bleitlenstat  verpfändet,') 
Als  Mitzeugen  werden  von  ihm  aufgeführt:  ^Arnold  comes,  Gerlach  comes**. 
Arnold  kennen  wir  bereits,  und  die  erste  Stelle  zeichnet  ihn  augengcheiolich 
als  Oaugrafen  für  den  Eiorich.  Aber  wer  ist  Gerlach?  Niemand  gibt  Auskunft. 
So  wagen  wii*  die  Vermutung:  er  ist  der  im  Amte  Wiggers  nachrückende 
Bruder  und  mit  diesem  und  Arnold  ein  Sohn  des  niederlahngau'schen  Grafen 
Oerlach,  der,  wie  Wenck-)  «larthut,  iu  Urkuoden  von  996 — 1008  vorkommt  und 
ein  Sohn  des  im  Jahre  978  im  Einrich  als  Graf  erscheinenden  Hugo  büchster 
Wahrscheinlichkeit  nach  sein  wird,  wie  derselbe  Gelehrte  glaublich  macht/*) 
Dieser  aber  ist  unverkennbar  wiederum  ein  Sohn  des  974  eben  dort  bezeugten 
Rodbertus.*)  Nun  kann  ja  Embricho  in  die  Mitzeugenschaft  der  Bruder  AtdoIJ 
und  Gerlach  als  Schwager  Wiggers  aufgenommen  sein,  wenn  er  nicht  etwa 
vogteiliche  Rechte  dabei  wahrnahm,  w^as  freilich,  nach  den  sonstigen  bleiden- 
stater  Einträgen  zu  urteilen,  nicht  immer  nutig  gewesen  zu  sein  scheint.  Naher 
aber  scheint  es  zu  liegen,  hier  eine  Familienangelegenheit  gebucht  zu  sehen. 
Die  in  Lahnstein  begüterte  Blitrudis  wird  die  verwitw^cte  Schw^ester  der  Brüder 
Arnold  und  Oerlach  und  Embricho  ihrer  aller  Schwager  sein.  Das  letztere 
Verhältnis  werden  wir  ja  alsbald  näher  würdigen.  Deshalb  hier  nur  unsere 
nackte  Vermutung,  dass  Embricho's  Gemahlin  eine  Schwester  der  dumina  Bli- 
trudis sein  wird,  und  so  die  lahn-  und  königsgauischen  Familien  durch  Kreuz- 
heirat verbunden  erscheinen,  da  wir  Richildis  bereits  als  Embricho's  Schwester 
und  Wiggers  Witwe  kennen  gelernt  haben. 

Zum  letztenmale  erscheint  Graf  Embricho  1052.  Es  ist  offenbar  nach 
dem  Tode  aller  seiner  Geschwister  und  Schwäger.  Er  bezeugt  an  erster  Stelle 
mit  seinen  nfichsten  jüngeren  Verwanten :  „Dudo  et  frater  eins  üdalrich**, 
von  denen  nachher  zu  reden  ist,  die  Stiftung  einer  „domina  Itemma"  förderen 
verstorbenen  ungenannten  Gemahl  an  das  Kloster  Bleidenstat,  bestehend  in 
einem  Hofe  zu  Winkel.    Ifir  Bruder,  Graf  Ludwig,  der  hierzu  sein  Eiüverstilnd- 


'j  Wni,  Müll,  Bl.  15,  Nr.  39. 
I,  46.  Nr.  95, 


»J  lliat  Alih,  l,  17  f,   -   "l  Ebenda    13,  —  *)  Sauur 


32 

ni8  bekundet,  fDgt  noch  einen  Weinberg  in  Ibingen,  nach  seinem  Ertrag  auf 
drei  Karronlaston  angeschlagen,  hinzu. ^  Da  Vogel ^);  wie  bereits  Schliephake*) 
nachgewiesen  hat,  unrichtig  vermutet  dass  Hemma  die  Witwe  des  oben  ge- 
nannten Qrafen  Sigfrid  sein  möge,  so  empfiehlt  es  sich,  mit  letzterem  anzu- 
nehmen, dass  08  die  Witwe  des  Qrafen  Arnold  gewesen  sein  werde,  zumal  wir 
dies  durch  die  angeführte  verwantschaftliche  Beziehung  Embricho's  zu  unter- 
stfltien  vermögen.  Ludwig  aber  ist  der  Qraf  des  Rheingaues,  der  in  Urkunden 
swischen  1050  und  1078  erscheint^),  und  den  wir  deshalb  für  einen  sehr  viel 
jflngeren  Stiefbruder  Hemma^s  und  Adelind^s  halten  müssen. 

Und  nun  erst  sind  wir  im  stände,  unser  längst  gegebenes  Versprechen 
lietrefFs  der  Verwantschaft  Embricho's  mit  den  dietzischen  Grafen 
ganx  »u  orffillen.  Denn  nun  gebietet  uns  die  Zeitfolge  von  dem  Embricho  za 
sprechen,  den  die  Früheren  mit  dem  jetzt  besprochenen  verwechseln,  während 
wir  ihn  als  seinen  Sohn  anzusprechen  haben,  da  zu  dieser  Zeit  auch  die  üb- 
rigen vcrwanten  Zeitgenossen.  Embricho*s  I.:  Trutwin  seit  1034,  Wigger  seit 
1044,  Oorlach  seit  1048  und  Arnold  seit  1050  vom  Schauplatz  abgetreten  sind 
und  nur  der  soviel  jüngere  Rheingraf  Ludwig  noch  am  Leben  ist.  Ausserdem 
tritt  Embricho  IL  als  lahngauischer  Oraf  auf.  Als  solchen  lernen  wir  ihn  in 
der  Urkunde  Konig  IIeinrieh*s  IV.  vom  27.  Mai  1059  kennen,  wo  dieser  uSex 
mansivjt.  tn^  soilicet  in  villa  Brechelebach,  duas  Sekaha«  unam  Westemaha,  in 
|>agt>  autom  Logenaho  et  in  comitatu  Imbrichonis  comitis  sitos  ad  altare  S. 
Oei^i  Martins  in  loco  Lintpurc*"  schenkt.^)  Desgleichen  bestätigt  derselbe 
Konig  am  24.  Februar  1062  die  Schenkung  seiner  Mutter  Agnes  für  das  Seelen- 
heil iioines  Vaters,  Kaiser  Heinrioh's  III.,  bestehend  in  je  einem  Mansus  zu 
IK^deriohosbÄol»  und  HiKleshrtjren.  ,^n  dasselbe  Kloster.  Die  Orte  liegen  ebenso 
»in  oomit,'*tu  Kmbriohonis  oomiiis  et  in  pago  Logenahe"^»  und  wie  Vogel  richtig 
her\ erhebt ''^,  samt  den  bereits  iren.^nnten  .in  den  westerwälder  Kirchspielen 
der  iir:Usohaft  Diet?".  Am  deutlichsten  jedoch  wird  die  von  uns  gewählte  Be- 
zeichnung: «F.mbricho  11.*  durch  eine  l'rkunde  lies  Jahres  1073.  in  welcher 
der  Kanoniker  W'ejyil  vom  S.  Victv^rstif:  in  Mainz  «duos  niansos  apud  villam 
lUvlenheim  >itivs  a  liberis  hv>minibus  coniiic  F.mbrich.ne  e:  fratre  suo  de  Di- 
desse  et  domino  Wolfcanco*  kauf:  ;:nd  ar.  i?cn  Kreura'.tar  seiner  Kirche  schenkt.*) 
Hier  also  hat  Kmbricho  einen  H:udcr.  vier.  >vhi  ?:  .:ic  Bereichnuni:  »de  Dide*»e* 
\on  der  Hrnderschat^  mit  F.mbrivV..^  1  aussor/.iess:,  Ti^er.i:  es  nicht  die  so  viel 
sjviter«^  Zei:  thun  seilte  Fnvliob.  .ia  :v.ar.  .;ie  Zeil  s:r.oz  lei  Embricho  nirht 
.;;   AnscV'a^:  brachte,   konnie  es  c«^vhe*:.i v..    .:as>  V    ^^o'/      liesen    ungenannten 

>Ä    :       Vor    Iv    -.N.  44:  SÄtf-   :     S.S.   Nr    ;:    .  44  ^     r.T-srV.r   ^?'*:     -     =     1.  132  f. 

'  rr  ».y.ricr  v.  m  iV .  -» ,' r,r  c  K  -r »• " .;  :  ,V  i  .  .,ir.  '  i ; : : «■  r  r-  #i  ■■  • .  r'k .  r  tr.  f  -  .iss* .  ^  f-  i!  ?•  1  1 99  h« 
>.T.  n,>i.K  '.»"*'*»'*  ^'.w  «''J  h^TTr.JkV  >!.>  Ka  »>;■:  11  f  --.-►^  '/,'  V-<.T."f  "« .  it  I  .Vi-rT.  lOW  Tff- 
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,M  .N.nr  \r*  X  ri^«  r  x .'  <  .«si^  .•,>.;.•  v^tt.-...  s:..t  ;■:  •  .\.rr  :*r..  Vt;  '  r;  :r  TUürr-  Enrichf* 
^.VrV:.   K-.-Trrv   v^  ,i    Nä,«   f    :  :.■     *.  s .  .  tt.  :    -r  \    \  -v.  •  Ä-r  '  *.   ♦   •.  : :  ^.  Nr.  ISS;  SABer  I, 

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Bruder  von  Dietz  in  dem  Grafen  Gotebold  ontdccke»  zu  mdsaen  moioto,  der 
am  5*  Aug.  1053  bei  einer  Schcukuog  des  Kaisers  Hoinrieh  III.  in  Yilimar  und 
andern  diesem  benachbarten  Orten  an  die  Abtei  S.  Matthoi«  in  Trier  aU  Graf 
des  Lahngaues  aufgeführt  wird,*)    Sein  leider  auch  sonst  allzu  willfähriger  Nach- 
folger Schliephake')  hat  ihm  zugestimmt.    Und  doch  hatte  lange  zuvor  schon 
^Wenck  geschrieben  r    ,^Ich  will   mich  zwar  nicht  darauf  berufen,    dass  in  dem 
^rozess,   worin   die  Urkunde   gebraucht  worden^  der  Gegentheil  sie  für  uniicht 
erklärt,   muas   aber  doch   bei   näherer  Überlegung   bekennen,   daas   mir   dieser 
Oodebold,  dessen  Namen  den  Rheinischen  Gegenden  so  ganz  und  gar  unbekannt, 
^deo  Hennebergern  dagegen  so  eigenthümlich  ist,  als  würklicher  Graf  des  Nieder* 
^johngaues  verdächtig  erscheint.     Da  man   einmal,    nach    unserer   obigen   An- 
Ihrung^  weiss,  dass  zu  gleicher  Zeit  ein  Zweig  des  Hennebergisehen  Gescbloohb 
^die  Orafenwürde  im  Lobdengau   und  Ober-Kheingau  im  Besitz  hatte,  so  mogte 
die  Vermuthung   wohl    weniger   auffallend  finden,    dass    etwa  damals   ein 
lerr  aus  dem  nemlichen  Geschlecht  durch  irgend  eine  unbekannte  Ursache  auf 
kurze  Zeit  in  den  Nieder-Lohngau  eingekommen.     War  er  etwa  Vormund  des 
£iiibricho  von  Dietz,  der  gleich  6  Jahre  nach  ihm  als  Gaugraf  erscheint?     In 
dom  Speiergaa  kommt  unterm  Jahr  1114  ein  Elsbertus  Advocatus  in  vice  Ege* 
aoiijfl   puerl  Advocati  vor^,   fuhrt  also  blos  als  Vormund  des   Egenonis  puori 
Advocaii  selbst  den  Titul  eines  Advocati:  sollte  nicht  der  nemliche  FaQ  auch 
bei  dem  Godebold  statt  finden?*     Da  wir,  ohne  Wenck^)  zuvor  zu  Bäte  ge- 
zogen zu  haben,   der  gleichen  Meinung   waren,   so  kann  die  Übereinstimmung 
mit   ihm   nur  unsere   eigene  Annahme  bestarken,   und   wir   verzichten    um   so 
lieber  auf  seinen  in  den  ^Histor.  Abhandlungen^^)  gemachten  Zusatz:  ^Will  man 
1)^    iiideesen  diesen  Godebold    der  Dietzischen  Genealogie  nicht  nehmen  lassen,  90 
l^kiitM  er  der  Zeit  nach  eher  für  einen  älteren  Bruder  des  Embricho  von  Dietz,  aU 
^nir  eejaen  Vater  gelten^,  als  wir  bereits  den  Tod  samtlicher  in  Betracht  kom- 
VlneiideD   Oraieu    des   Niederlahngaus    mit    dem    von   gleichzeitigen  Verwanteu 
luieligeirieaen  haben.     Godebold  kann  nur   ein  fremder  Stellvertreter  der  1058 
noch   miiiderjälirigen   dietzischen  Brüder  gewesen  sein,   etaer  von   den  vieleu, 
die  wir  eeitber  schon  im  Konigsgaue  kenuen   zu    lernen    hatten    und   die,   wie 
Bodmann^)  richtig  bemerkt,  «die  Reihe  der  ächten  Gaugrafen  und  ihre  Geoe«^ 
kgiea  gewohnlich  vefdonkehi.' 

Wir  woQeii  aber  uicht  die  den  Aulass  zu  dieser  Auamia2ider»etzun£ 
g^^eade  Uiksade  von  1073  verbuieii,  olme  den  in  ihr  gmanatea  Oft  Bades- 
hetnv  du  heutige  Bodeobeimi  ebes  niliereii  Biickea  gewürdigt  zu  haben*  la 
ien  friherea  Zeiten  wurde  m  iiaeh  den  loneha*  und  fiilder  Uikandeo  is  im 
WiMJingaa  gereehnet^,  and  weoa  es  aaeh  aadiber  zam  Ifabegaa  ziUte,  10 
geborte  es  doch  immer  dneai  Gaae  ao,  tu  deoti  £e  Leanoger  begütert  war«. 
«ÜB  das  nicht  aar  Stütze  unserer  Aiiwah"y*  von  der  verwantachaftliehen 


*}  T.  HvBthetB,  Hiit  tnw,  1,  3M;  Eremar,  Ori^.  ItMi.  2,  im  L;  Beyer«  IfUtl* 
R«g.    l,  3S4,  JTr.  13M.   —   ^)  1,  Ul.  -   »)  Ad.  PtL  a,  4tt.  ^»1»  &.  ^ 

1,  saa,  Abb.  k  —  •)  1,  af  c  --  ^j  BiMtar-  ^it*  ^oa«  ^        '  ^«t 
a«.  nvi.  a 


34 

Verbindung  letzterer  mit  den  königsgauer  Grafen  die  Vermutung  gestatten, 
dass  hier  die  Veräusserung  eines  von  Leiningen  ererbten  Gutes  vorläge,  das 
um  so  mehr  auf  das  väterliche  Teil  Embricho's  I.  kommen  mochte,  als  dieser 
durch  seine  von  uns  vermutete  lahngauische  Vermählung  nur  stiller  Teilhaber 
an  dem  nicht  veräusserungsfahigen  königsgauer  Hausvermögen  sein  konnte,  wie 
z.  B.  an  Laurenburg,  wenn  wir  der  unbelegten  Aussage  v.  Arnoldi^s^)  hier- 
über Glauben  schenken  dürfen? 

Eine  Teilung  des  Niederlahngaus  zwischen  Embricho  11.  und  seinem  un- 
genannten Bruder  von  Dietz,  bei  der  ersterer  den  westerwälder,  letzterer  den 
Teil  an  der  Lahn  erhalten  hätte,  anzunehmen  hat  zwar  Vogel*)  versucht,  wie 
nach  ihm  Schliephake.')  Wir  sehen  uns  aber  nicht  genötigt,  ihnen  zu  folgen. 
Denn  von  den  hierbei  geltend  gemachten  zwei  Landgerichten  der  Grafschafl; 
Dietz  zu  Beckenforst  und  Winden,  ist  das  letztere  erst  aus  dem  13.  Jahrhundert 
bezeugt.^)  Ausserdem  war  der  Graf  nicht  an  eine  Gerichtsstätte  im  Gaue  ge- 
bunden.^) 

Berichten  wir  deshalb  nur  noch,  dass  Graf  Embricho  II.  uns  zum  letzten- 
male  1076  als  Zeuge  bei  der  Stiftung  begegnet,  die  Graf  Trutwin  für  Begräb- 
nis und  Seelengedächtnis  seines  Vaters  Tuto  durch  Schenkung  von  6  Mark  aus 
den  Einkünften  in  Eloppenheim  und  mit  Wald  und  Feld  bei  Bleidenstat  an 
dieses  macht. ^)  Sein  Name  steht  unmittelbar  hinter  dem  des  Bruders  Trut- 
win's,  Tuto,  als  der  eines  nächsten  Vetters  und  hinter  ihm  der  des  uns  bekann- 
ten Grafen  Ludwig  I.  „cum  filiis  suis^,  nämlich  Richolf  und  Ludwig  11.,  wie 
uns  Bodmann  belehrt.^  Nahmen  wir  früher  an,  dass  Ludwig  I.  ein  Schwager 
des  Grafen  Arnold  sei,  so  werden  wir  ihn  einen  angeheirateten  Oheim  Em- 
bricho's n.  nennen  müssen  und  dürfen  weiter  nebenbei  vermuten,  dass  dieser 
zugleich  Mitschwiegervater  Ludwig's  n.  sein  müsse.  Denn  Ludwig  IL  hat  einen 
Embricho  zum  Sohn  und  dieser  Name  ist  von  da  an  erblich  in  der  Bhein- 
grafenfamilie.  Wir  verbessern  damit  Bodmann®),  der  offenbar  von  diesem 
Erbnamen  ausgehend,  Embricho,  wie  früher  bemerkt,  zum  Stammvater  der  Rhein- 
grafen machen  wollte.     Die  Herkunft  Ludwig's  I.   bleibt   freilich   im  Dunkeln. 

4.  Erheiratung  von  Eppstein-Idstein. 

a.   Graf  Sigfrid  von  Nürings. 

Nachdem  wir  so  den  Anschluss  der  dietzischen  Grafen  an  die  königs- 
gauischen  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht  haben,  kehren  wir  zu  diesen 
zurück,  denen  wir  bereits  um  zwei  Glieder  vorangeeilt  sind,  aber  freilich  um 
abermals  einen  Anschluss  zu  besprechen,  den  der  Eppstein-Idsteiner  an 
sie,  den  man  bis  dahin  vergeblich  gesucht  hat. 


*)  Gesch.  der  Oranien-Nassauisohen  Länder  1,  20.  -—  *)  Beschr.  204.  —  ')  1,  131.  — 
*)  Vogel,  Beschr.  204,  Anm.  5.  —  ^)  Waitz,  Verfassungsgesoh.  4,  312:  „Die  ge wohnlichen 
Gerichte  des  Grafen  haben  auch  in  dieser  Zeit  an  verschiedenen  Stätten  innerhalb  seines  Gaues 
stattgefunden,  wahrscheinlich  da,  wo  von  jeher  die  Hunderten  sich  versammelten.^  —  ^)  Will, 
Mon.  Bl.  15  f.,  Nr.  53;  Sauer  1,  55,  Nr.  110,  53.  —  ^)  Rheing.  Altert.  571  f.  —  *)  Rheing. 
Altert.  570  f.;  Vogel,  Beschr.  229  f. 


d 

II     ii 


nn 

Wir  brachen   oben  bei  Tmtwin  U.  ab,  von  dem  wir  festgestellt  hatteu, 
daes  er  zwischen  1034  und  1040   gestorben    sein   raüsae,    da    wir    1040    einen 

igfrid    als  Grafen  des  Königsgaues  trafen.     Von  diesem   nun    nimmt  Vogel 

n»  das»  er  ein  Nachkomme  seines  „Drutwin  III.",  unseres  Trutwin  II.  und 
der  Vater  des  mainzer  Erzbrschofs  Sigfrid  I.  (1059 — 1084)  gewesen  sei^  den 
zuerst  Bruschius  einen  „baro  de  Eppenstein",  Dieffenbach  in  einem  hand- 

chriftlichen  Kataloge  einen  „comitem  de  Eppenatein"  nennt  und  den  Ff.  Cor- 
^nelius  in  seinem  „Breviarium  fuldense"    ebenfalls   von   den  Eppsteinern  stand- 
en läset'),  wie  auch,  fügen  wir  hinzu,  Brower  von  seiner  eppsteiuer  Abkunft 

pricht.*) 

So  verlockend  aber  auch  eine  solche  Annahme  erscheint  und  so  sehr  ihr 

chüephake^)  seine  vorsichtige  Unterstützung  gehehen  hat,  so  wenig  besteht 

ie  vor  einer  näheren  Beleuchtung.  Die  bereits  oben  gestreifte  Urkunde  vom 
2.  März  1040*)  besagt  ullerdinga,  dass  Sigfrid  Graf  der  Königsauodara  war,  als 
Kaiser  Heinrich  HI.  die  Schenkung  Otto's  HL  in  Scerdistein  an  das  Hochstift 
in  Augsburg  bestätigt  Und  SchÜephake  zieht  mit  Recht  noch  die  Urkunde 
vom  4.  April  1057  heran,  in  der  offenbar  derselbe  Graf  Sigfrid  den  Rechts- 
spruch König  Heinrich's  IV*  und  der  Fürsten  raitbezeugen  hilft,  dass  der 
„miles**  des  Erzbischofs  Luitpold  von  Mainz,  Udalrich,  zum  dreifachen  Schaden- 
ersatz für  das  angehalten  worden  sei,    was   er  sich  widerrechtlich  von  der  Be- 

itzung  des  St.  Michaelsklosters  zu  Bamberg  in  demselben  Schierstein  angeeignet 
ite,  nachdem  er  1052,  damals  unter  Entschädigung,  zur  Verzichtleistung  auf 

eine  Ansprüche  genötigt  worden  war.^)     Aber  nicht  nur,  dass  in  dem  zuletzt 

enannten  Zeugnis  von  einem   königsgauer  Grafontura  Sigfrida  nicht  mehr  die 
ede  ist,  so  verbietet  sich  auch  nach  1040  ein  solches  Amt  dadurch,  dass,  wie 

iben  dargethan,  Embricho  1052  als  comes  den  Brüdern  Tuto  und  Udalrich 
|Vorausteht,  demnach  als  Gaugraf  betrachtet  sein  muss.  Dass  er  1040  nicht 
auch  als  solcher  auftritt,  mag  sich  darans  leicht  erklären,  dass  er  damals  im 
Feldzug  gegen  die  Böhmen  die  königsgauer  Mannschaft  führte.  Denn  ihn  dort- 
hin mitzunehmen  und  in  der  Heimat  ihm  einen  Stellvertreter  in  der  Person 
Sigfrid's  zu  bestellen,  wird  Konig  Heinrich  IH.  um  so  aogcmesaeoer  erschienen 

ein,  als  Embricho  dessen  Vater  nach  unserer  früheren  Annahme  Schwierig- 
keiten bereitet  hatte.  Freilich  könnte  sich  die  Sache  auch  so  verhalten  haben, 
dass  Trutwin  II.  mit  dem  Bruder  Embricho  und  ihrer  beiden  Vetter  Tuto  II, 
in  den  Krieg  gezogen  wären  und  der  erste  und  letzte  dort  ihren  Tod  gefunden 

ätten.*') 

Aber  auch  die  eppstelner  AbstammuDg  Sigfrid's  zerfällt  vor  der  Erwägung, 
dass  für's  erste  die  Eppsteinor  als  solche  niemals  Grafen  gewesen  sind,  sondern 


')  Joannig,  Rer.  mog.  1,  496.   —  *)  Fuldensiura  antiqait.  Uhr.  IIIL   Antwerpen  1612. 

jf3:    «EppeDsteinioniin  UluBtri  sangoine.'*   —  *)  1,  132  ü.  136.    —   *)  Sieb©  Anm.  6,  S.  23.  — 

Schfinnat,  Vindom.  lifer,  1,  43  im  Auszug;*ScbH©ph,  1^132,  134;  Vogel,  Besohr.  293; 

lubmer,  Regeata  85,  Nr.  1793;  Will,  Regesten   1,   179,  Nr,  17.   —    ")   Die  Nachricht  de« 

[tirnianuus  cuntractus  in  seiner  Chronik  zum  Jahre  1040  würde  dies^glaubli  oh  machen:  ^Heu- 

rex  diiccm  Bocmiae  beUo  petit,  sed  multis  proceribu»  et  mUitibus  in  praestructiono  avlvap 

f»  ot  ultra  nrcifiit  vol  capdB  nil  digtium  efflcere  potuit>    8truvo,  Ror.  i^crm.  sfTt|it.  1^  281. 

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*       '"^''^ 


—  -  ^•^-  ^^^» 


■^    ---"^ 


36 


einfache  domini,  uud  für^s  zweite,  was  schwerer  wiegt,  dass  der  Name  Sigfrid 
bei  ihaeii  erst  vom  13.  Jahrhundort  an  und  auch  da  nur  in  den  drei  Trigeni: 
Sigfrid  IL,  Erzbiachofe  von  Mainz  (1201—1230),  Sigfrid  HI.,  seinem  Nachfolger 
(1230—1240)  und  Sigfrid,  Herrn  zu  Eppstein  (1283—1316)  vorkommt.  Wer 
hier  in  Rede  stehende  Graf  Sigfrid  ist  vielmehr  dem  benachbarten  Niddagaiw 
2UZU weisen  und  deutlich  ein  Graf  von  Nürings,  wie  der  Stammbaum  scbaii 
bei  Bodmann  darthutJ)  Letzterer  hat  seine  Aufstellung  freilich  nicht  urkundltch 
belegt,  auch  scheint  sie  nicht  von  willkürlichen  Annahmen  frei.  Gleichwohl 
stimmt  in  ihr  das  für  Sigfrid  angesetzte  Jahr  1057,  ausserdem  können  wir 
das  Geschlecht  derer  von  Nürings,  in  dem  der  Name  Berthold  vorwiegt,  wenigstcttf 
1081  im  Niddagaue  nachweisen.  Denn  in  diesem  Jahre  beurkundet  Erzbiacbof 
Sigfrid  K  von  Mainz^  dass  der  edle  Mann  Ruodeger  und  dessen  Ehefrau  der 
Kirche  des  Klosters  8.  Alban  daselbst  zu  ihrem  Seelenheile  6  Mausen  zu  Erlen- 
bach im  Niddagau  in  der  Grafschaft  Berthold'a  und  Sigfrid's  geschenkt  haben*") 
Als  weltliche  Zeugen  sind  dabei  hinter  dem  Stadtpräfekten  Gebeno  der  Kethe 
nach  angegeben  die  Grafen  Drutwin,  Sigfrid  und  dessen  Sohn  Berthold,  Qerlach 
und  Rudolf.  Ausserdem  ist  der  letztgenannte  Sigfrid  schon  1069,  1071,  1074 
und  1079  nachzuweisen*^)  Er  kann  also  füglich  als  Sohn  des  von  uo«  ab 
Stellvertreter  im  Konigsgau  angenommenen  Grafen  Sigfrid  gelten ,  wiew<(^ 
Bodmann  ihn  zum  Sohne  Ezzo^s  macht. 

Haben  wir  aber  damit  in  Sigfrid  einen  Grafen  des  Niddagaues  und  insl 
sondere  von  Nürings  entdeckt,  so  dürfte  sich  nebenbei  auch  wohl  die  alte  Frag«^' 
nach  der  Herkunft  des  ihm  von  Vogel  zum  Sohne  gegebenen  Erzbiöchof» 
Sigfrid  L  der  Losung  naher  führen  lassen.  Dass  man  diesen  so  beharrlich^) 
einen  Eppensteiner  nennen  konnte,  wird  in  erster  Linie  vermutlich  daher  kommeSt 
dass  der  zweite  Träger  dieses  Namens  auf  dem  mainzer  Erzstuhl  wirklich  ein 
solcher  war*  Es  kann  aber  ebensogut  daher  rühren,  dass  man  in  späterer  Un* 
kenntnis  des  Sachverhaltes  für  eppensteinisch  ansah,  was  von  Ilause  aus  nürtogtucb 
war,  da  die  nttringische  Erbschaft  teils  auf  Falkenstein,  teils  auf  Eppstein  ge- 
kommen war.*)  Und  dieser  Meinung  mochten  wir  sein,  indem  wir  die  Ver- 
mutung aussprechen«  dass  Erzbischof  Sigfrid  L  ebenfalla  dem  Geschlechti!  derer | 
von  Nürings  zuzuzählen  sein  werde.  Wir  vermögen  diese  allerdings  nur  dureh 
deüaelben  Eintrag  in  das  bleidenstater  Register  zu  stützen,  den  Will®)  für  seini 
Vermutung,  dass  Sigfrid  eppensteiniscber  Abkunft  gewesen  sei,  herangezogra 
hat:  „A.  dorn.  MLXX VII  dominus  Sifridus  archiepiscopus  dedit  nobia  pro  annU 
versario  parentum  suorum  XII  marcas,  que  cedunt  de  curia  sua  in  Huste.* ^ 
Aber  da  wir  nachgewiesen  habeöi  dias  der  Name  Sigfrid  zu  dieser  Zeit  niohl 
eppensteinisch  sein  kann,  so  dürfen  wir  in  Höchst,  das  niemals  eppensteiniM!lii 
war,    nilringi»cheu  Besitz  *««  w>irf»'n,     Di»im   t^s   ist  di.ch  aniunehmeo,    daas    dei 


f 


«)  llheinjc^  Altert.  57«.    -    ')  VVUl,   K<>^^t4iji    l,  ili^   Kr.  H».  ^  *j  Saoer  I.  S8 
Kr.  ISTT    TO,  Nn  28;  Will,  Hon.  BL  16.  Nr.  W,  20,  Nr,  a.  •  »)  Um  PtofMPor  Otto 


Bieh  a*rattf  »ttftn^t»fi*w.  Uj»»!  äucH  Tlii»ocl.  Lindiiitr,  Allf.d#«la^o  Biofrafikic.  L«lp«.  IStt.  ; 
U,  258   noch   di«   cjiptteinterhi.   Abkunft  Si$(M\  l^hmufitot     Rr  K  mim  Rotli.   Qmmh.  A^ 
«.    *.  «*.    I     .g    Antn    2,    in  IImü«   •^invr  V«irgäiifirtr.  -  •)  Itodoiftoii,  Uhrnng.  Altart.  ^' 
,   t,  LVI.         ^    W;U,  Mati.  111    I«.  Nr  A« ;  St^tr  I,  W,  Kr.   %ln,  m.         i 


8T 

t  Erzbischof  vom  FamlHeDerbgut  das  Seeleugodächtnis   seiner  Vorfahreu   bestellt 

'haben  werde.     Ausserdem  will  uns  die  Wahl  Bleidenstats  für  dies  Gedächtnis 

bczeicbneod  erBchcinen.     Hierher  hatte  die  ^domina  Adeliod,    vidua    Bertboldi 

comitia"  im  Jahre  1061    ihren  Hof  in  Patersberg  gestiftet/)     Dieser  Berthold 

aber,  der  im  Jahre  1042  und  1043  vorkommt*),  muss  der  Zeit  nach  ein  Bruder 

[des  vorhin  genannten  Grafen  Sigfrid  sein.    Es  ergibt  sich  also  die  Möglichkeit, 

daes  er  der  Vater  des  Erzbischofs  Sigfrid  I.  war.    Ihm,  der  Mutter  und  früheren 

kVorfahren  ein  Gedächtnis,  zu  dem  er  in  seinem  vielbewegten  Leben  bis  dahin 

f'iiicht  gekommen  sein  mochte,  zu  stiften,   dazu  konnte  diesen   offenbar  nur  der 

Gedanke   bewegen,   dass  er  zu  dieser  Zeit  flüchtig  von  seinem  Erzbischofssitze 

Iund   ungewiss   über   seine   Zukunft   sein  Haus   im  Geiste   der  Zeit   auch   nach 
dieser  Seite  hin  bestellen  müsse.     Betrat  er  doch  auch  von  da  an  die  Heimat 
Dicht  vrieder,  sondern  starb  7  Jahre  später  in  Thüringen.^) 
^  b.  Tuto  IL  und  IIL     Udalrich  L 

\^    Genug.    Wir  meinen  mit  diesem  allem,  ableimend  und  Neues  setzend,  aus- 
reichend dargefehan   zu   haben,   dass   die  Verbindung   des  Hatto-Trutwin^sehen 
oiit  dem  Eppenstein-Idsteiner  Hause  sich  nicht  an  den  Namen  Sigfrid^s  knüpfen 
i^Basat.     Die  Brücke  zwischen   beiden   ist   uns   vielmehr   der   Name  Udalrich, 
^^BDesaen   idstein-eppensteinische   Herkunft    erscheint,    wie   sich    alsbald   ergeben 
IHboHi  durch  die  Folgezeit  gesichert.     Seines  Vorkommens   in  der  Königsaundra, 
unabhängig  von  dem  Hatto's,  haben  wir  schon  zu  zweien  Malen  früher  gedenken 
müssen.     Wir   hatten    bereits    aus  dem  Besitz    der  Träger  dieses  Namens  auf 
reine  gewisse  Familienverbindung  mit  den  Hattoen  schliessen  zu  sollen  gemeint, 
I^P^un   aber   begegnet  uns   der  Name  Udalrich   im   Hatto-Trutwin'schen  Hause 
Vaelber*     Wir   fanden  1052  „Dudo  comes  et  frater  eins  Udalrich*'  als  Zeugen 
"Angegeben,^)  Vogel^)  glaubt  diese  ohne  weiteres  als  Nachkommen  „Drutwin's  IH/ 
bezeicknen  zu  dürfen.    Das  erlaubt  ihm  aber  weder  ein  ausdrückliches  gesehicht- 
^icbea  Zeugnis,   noch   der  Name  Tuto,  der   in   diesem  Geschlechtsalter   an  die 
itelle   desjenigen  Trutwin^s   tritt   und    von   da   bis   zu   seinem  Erlöschen   noch 
Bweimal  mit  dem  brüderlichen  Trutwin's  erscheint.     Vielmehr  ist  gerade  dieser 
letzteren  Thatsache  wegen  anzunehmen,  dass  Trutwin  IL  nach  dem  Jahre  1035 
foder  1040  ohoe  mUnnliche  Erben  gestorben  war,  und   die  Nachfolge  im  Gau- 
rafentum,   nachdem    wir   sie   im   Jahre  1052  in   den  Händen   seines  Bruders 
Cmbricho  gesehen  haben,  auf  die  Nachkommen  seines  Geschwisterkindsvetters 
Tuto  IL   überging,   der,   wie  wir   oben   erwähnten,   im  Jahre    1005  mit  seiner 
jjHATutter  Kotrude   die   Einwilligung  zur  Stiftung  seines  Vaters,   Tuto  L,   für  ein 
^H'amilienseelengedächtuis  gab,   und,    wie  wir  nachher  möglich  sein  liesseD,    im 
Jahre  1040  gefallen  sein  mochte.     Von   diesem   nun  muss   behauptet  werden^ 
lass,  w'io  er  der  Vater  Tuto's  lU.  und  üdalrich's  ist,  so  auch  um  des  Namens 
pieses  seines   zweiten  Sohnes  willen   der  Gemahl  einer  idstein-epponsteiniachen 
Itandesgenossin  sein  wird.     Denn  von  Udalrich  L,  wie  wir  ihn  als  den  ersten 


*)  Will,  Mon.  Bl.  15,  Nr.  51;  Sauer  I,  55,  Nr.  UO,  5K  -   *)  Vogel,  Böiohr.  195  f. 
Will,  Regestoii  1,212,  Kr.  ia5j  217,  Nr.  163.  —  *)  8;  Anm.  I,  S,  32.  —  *)  ßea<5lir,  gdS  f* 


riiii 


38 

dieses  Namens  in  der  gaugräflicben  Familie  nennen  müssen,  verzeichnei;  der 
bleidenstater  Abt  im  Jahre  1057 :  „Udalricho  comiti  vendidi  equum  pro  XVI 
marcis,  pro  quibus  comparavi  agros  nostris  conterminatos  in  Auroffa.*^)  Nun 
ist  ja  wahr,  dass^diese  Worte  nicht  ohne  weiteres  von  einem  Tauschgeschäft 
berichten  müssen.  Erwägen  wir  aber,  dass  AurofF  der  nächste  Nachbar  Idstein's 
ist,  so  müsste  doch  wohl  ein  ungeheuerer  Zufall  walten,  wenn  der  Abt  bei 
dieser  Gelegenheit  gerade  hier  Güter  erworben  haben  sollte,  wo  wir  in  nächster 
Nähe  den  Sohn  Udalrich's  als  Grafen  später  finden  werden,  wo  noch  dazu  ein 
idsteinischer  Burgmann  „Eginolf  von  Eythichenstein^,  genannt  Musilin,  mit  seiner 
Gattin  Justitia  1253  eine  Schenkung  von  seinen  Gütern  zur  Beleuchtung  der 
Martinskapelle  in  Bleidenstat  macht.^  Wir  haben  deshalb  wohl  ein  Recht, 
auch  hier,  wie  bei  Wigger,  Embricho  und  Hugo  von  Wiesbaden,  das  Kloster 
als  Güterbank  und  den  Grafen  Udalrich  als  Verkäufer  eines  Besitzes  in  Auroff 
oder  auch  in  idsteinischer  Markung  zu  erkennen,  der  uns  ihn  als  idsteinischen 
Besitzer  enthüllt. 

Damit  aber  kein  Zweifel  darüber  sei,  in  wessen  Händen  sich  ehemals 
dieser  Besitz  befunden  habe,  ziehen  wir  aus  demselben  bleidenstater  „Registnim^ 
die  Aufzeichnung  zum  Jahre  1024  heran.  Diese  besagt:  „Dominus  Rutgerus 
tradidit  nobis  curiam  suam  in  Itigisten,  ut  agatur  eins  memoria.^')  Der  Name 
Rutger  ist  sprachlich  derselbe  mit  Ruger.*)  Ein  Ruger  aber  hat  sich  uns  schon 
oben  samt  dem  Bruder  „praepositus^  Udalrich  nach  927  als  Enkel  des  Grafen 
Udalrich  ergeben.*)  Rutger  hier  gehört  demnach  demselben  Geschlechte  an.^ 
Da  nun  die  Bestellung  des  Seelengedächtnisses  auf  ein  höheres  Alter  schliessen 
lässt,  so  muss  Rutger  Tuto  I.  gleichalterig  gewesen  sein;  und  das  legt  es 
nahe,  in  ihm  den  Schwiegervater  Tutors  II.  zu  erblicken.  Freilich  war  Rutger 
nicht  in  unmittelbarer  Geschlechtsabfolge  der  Nachkomme  jenes  Grafen  Udalrich, 
der  mit  seiner  Gemahlin,  wie  wir  sahen,  in  Wildsachsen  und  Hausen  Schenkungen 
an  Bleidenstat  gemacht  hatte,  aber  er  war  der  Nachkomme  der  Enkelin  beider, 
Vodilhildis,  die  offenbar  mit  einem  Ruger  oder  Rutger  vermählt  war;  und  es 
wäre  nicht  unmöglich,  dass  dieser  Inhaber  idsteinischer  Besitzungen  gewesen  ist  und 
letztere  infolge  seiner  Verbindung  mit  der  Erbtochter  Udalrichs  mit  denen  bei 
Eppstein  vereinigt  hatte.  Der  Name  unseres  Rutger  wäre  dann  Bürge  für 
diesen  urväterlichen  Besitz. 

Von  seinem  mutmasslichen  Enkel  Udalrich  I.  dürfen  wir  nun  aber  auch 
Wühl  sagen,  warum  er  1057  ein  Pferd  in  Bleidenstat  erhandelte.  Unmittelbar 
vor  dem  diesen  Handel  bezeugenden  Eintrag  steht  der  andere  des  Abtes: 
„Dcdi  Herdeno  VHI  niarcas,  quando  in  Saxoniam  profeetus  est,  de  quibus 
habcmus  ceusum  III  solidorum    de    curia   sua  in   Gisinbeim."^)     Nun    berichtet 

')  Will,  Mon.  Bl.;i5,  Nr.  50.  —  ^)  Vogel,  Beschr.  570.  —  ')  Will,  Mon.  El.  13,  Nr.  16. 
—  ')  Vgl.  Förstemann  1,  727  f.  —  ^)  Siehe  S.  17.  —  ®)  Freiherr  Schenk  von  Sohweins- 
bcrg  hat  seinen  Irrtum,  Rutger  zum  Bruder  des  praepositus  Udalrich  gemacht  zu  haben  (Korre- 
spondenzbl.  1874.  68  und  in  der  beigegebenen  Stammtafel),  stillschweigend  verbessert  in  den 
., Mitteilungen  des  hanuuer  Bczirksvereins*^  1880,  Nr.  6,  S.  25,  wo  er  gleich  uns  Rutger  einen 
Nachkommen  Ruger's  sein  lässt.  —  ^)  Will,  Mon.  Bl.  15,  Nr.  49;  Sauer  1,  55,  Nr.  HO,  49. 
Proficisci  ist  hier  deutlich  das  ahd.  reison,  wovon  reisa  iter  und  cxpeditio  militaris,  daher  auch 
mhd.  =  ins  Feld  ziehen.     \^\,  Graft'  2,  524;  Loxer  2,  395. 


39 


Lambort  von  Aachaffeiiburg  in  seiuem  Zmtbuclie,  dass  die  Sachaen  auf  Äaatiften 
Otto's,  dea  natürlichen  Brudora  des  soeben  verstorbenen  Markgrafen  Wilhelm, 
sich  1057  verschworen  hatteo,  nicht  bloss  Otto  an  dessen  Stelle  zu  setzen, 
sooderD  auch  den  7jährigen  König  Heinrich  IV.  ans  dem  Wege  zu  räumen 
und  ihrem  in  Aussicht  genommenen  Markgrafen  die  deutsche  Ktmigskrüne  auf- 
zusetzen. Die  Reichsregierungj  davon  in  Kenntnis  gesetzt,  läsat  den  jugendlichott 
K«jnig  früher  nach  Sachsen  aufbrechen.  Dieser  eilt,  io  Merseburg  den  Peter- 
uud  Paulatag  (20.  Juni)  zu  feiern  und  dort  die  sächsischen  Fürsten  zu  einer 
Beratung  zu  treffen.  Als  man  nun  dorthin  zieht,  ein  jeder  nach  seinem  Ver- 
mögen umgeben  von  einem  grossen  Heerhaufeo  C^P^"^  ^^^  singuli  copia  magna 
militum  manu  stipati"),  geschieht  es^  dass  die  Vettern  dos  Königs  lirun  und 
Ekbert  durch  Zufall  in  den  Haufen  des  dem  Königshof  zueilenden  Otto  geraten. 
Es  entspinnt  sich  sofort  ein  noch  von  eigener  gegenseitiger  Erbitterung  geschürter 
Kampf,  in  dem  Brun  und  Otto  sich  einander  durchbohren,  und  Ekbert,  obschon 
verwundet,  die  führerlose  Sachsenschar  zur  Flucht  treibt,  sodass  diese,  ihres 
Bannerträgers  beraubt,  nichts  weiter  gegen  den  König  zu  unternehmeu  wagen.^) 
Sollte  es  da  zu  viel  gewagt  seinj  den  Pferdeakauf  mit  diesem  starken  Zuge 
nach  Sachsen  in  Verbindung  zu  setzen? 

Und  wenn  wir  nun  gar  im  stände  wären,  die  Geldnot  Udalrichs,  die  ihn 
zur  Veräusserung  von  Grundbesitz  veranlasste,  zu  erklären!  Mae  hat  seit 
Weock  angenommen,  dass  unser  Udalrich  derselbe  mit  dem  schon  oben  er- 
wähnten Udalricus,  „Luitpoldi  Magontiensis  Episcopi  miles"  sei,  der  wegen 
Majestätsbeleidigung  unter  Heinrich  HI.  in  die  ßeichsacht  gethan,  längere  Zeit 
in  Italien  zubrachte,  dann  zurückgekehrt  im  Jahre  1052,  durch  einen  Reichs- 
tagabeschluss  zu  Mainz  am  9,  Juni  gegen  Entschädigung  auf  seine  Ansprüche 
an  das  „prediura  Scerstein",  das  Kaiser  Heinrich  IL  dem  Michaels-Kloater  in 
Bamberg  geschenkt  hatte,  verzichten  musste,  nach  dem  Tode  Heinrichs  lU, 
aber  sich  gewaltsam  in  den  Besitz  der  Güter  setzte  und  deshalb  am  4.  April 
1057  auf  dem  Reichstag  zu  Worms  zur  Erstattung  des  dreifachen  Schaden- 
ersatzes verurteilt  wurde.*)  Schou  Wenck  vertrat  mit  urkundlichen  Belegen 
die  Meinung,  dass  die  Bezeichnung  ^Udalricus  milefl  qaidam"  der  Urkunde 
dessen  grüHicher  Würde  keinen  Eintrag  thue,  und  wir  können  seinen  Belegen 
noch  die  weiteren  hinzufügen,  dass  auch  Graf  Adelbert  von  Calw  unter  die 
„milites  et  fideles"  des  Klosters  Lorsch  gezählt  wurde  und  Erzbischof  Sigfrid  I. 
in  einer  Urkunde  von  1074  vom  Grafen  Bertold  von  Ravengirsburg  sagt: 
„Bertüldus  etiam  comes  Miles  noster  effectus  est,"*'')  Es  hindert  also  nichts, 
dass  unser  Grraf  l'dalrich  auch  Vasall  von  Mainz  für  Güter,  die  er  von  dorther 
zu  Lehen  trug,  sein  konnte.  War  das  aber  der  Fall,  so  war  der  dreifache 
Schadenersatz  für  das  Schiersteio  Entzogene  wohl  im  stände,  seine  Kasse  zeit- 
weilig zu  erschöpfen  und  ihn  zwischen  dem  4.  April  und  29.  Juni  zur  Ver- 
äusserung von  Grundstücken  in  der  auroffer  oder  idsteiner  Gemarkung  zu  nötigen, 


*)  Struve,  Rer.  germ.  acript.  1,  323.  —  *}  Wenck,  Histor.  Ahli.  1,  G6;  Will,  Ro- 
gcsten  1^  177,  Nr.  2.  S.  oben  Anm.  5|  B.  35.  SL-heuk  v.  Sohwcinaberg,  Mitteilungen  dea 
banauer  Bezirksver.  G,  26.  —  ■)  Cod.  laur.  1^  183;  Guileiius,  Cod.  dipL  1,  37iK  VgL  übrigemj 
fkuoh  Wnitz^  Verfassungsgescli.  3,  457;  4,  216  t  und  583, 


40 

Qin  feiner  Reiohtpflioht  auf  dem  Zuge  gegen  die  Sachsen  in  genfigen«  Yon 
einem  Besitie  dee  gaugrftfliohen  Hauses  in  Sohiersteiu  wissen  swv  wneie 
dflrftigen  QueHen  nichts,  aber  mit  Recht  bemerkt  Schliephake:  «das«  üdal- 
rioh  nicht  ohne  Ansprflche  auf  das  streitige  Gut  war,  wird  deutlich  genüg  dudi 
die  ihm  frflherhin  bewilligte  Entsch&digung  bewiesen.^  und  wenn  etwas  die 
ZngehSrigkeit  Udalrich's  lur  kSnigsgauer  QrafenfiEtmilie  darthon  möchte,  so  ist 
es  dieser  Familienzug  des  hartnäckigen  Bestehens  auf  ihrem  Rechte  nnd  flu« 
Übeneugung  wider  Kaiser  und  Kirche,  den  später  der  Burgban  in  Nassan 
mit  allen  seinen  Folgen  in  ein  so  deutliches  Licht  gestellt  hat  und  den  wir 
schon  froher  bei  Einseinen  •  des  Qeschlechts  wenigstens  andeuten  konntoi,  so 
Tieler  Zflge  gleicher  Art  in  so  viel  späterer  Zeit  bis  herab  anf  den,  der  dem 
letiten  tapfsren  Nassauer  den  Thron  kostete,  nicht  su  gedenken. 

Dagegen  mflssen  mr  uns  hier  einmal  fOr  allemal  dagegen  verwalireii, 
dass  man  noch  länger  unseren  Orafen  Udahrich  mit  dem  berfichtigten  Ratgeber 
des  Kusers  Heinrich^s  IT«,  Udalrich  von  Oosheim  oder  wie  ihn  Lambert 
▼on  Ascbaifenburg  nennt,  yon  Oosheim'),  f&r  dieselbe  Person  halte.  IJnseras 
Wissens  hat  Wenck  diesen  Irrtum  in  unsere  Geschichte  eingef&hrt,  wohlweie» 
Koh  aber  Udahrich  yon  Oosheim  der  Zeit  wegen  zu  einem  Sohne  unseres  Udsl- 
rieh  gemacht^,  während  Vogel*)  und  Schliephake^),  letzterer  nach 
Art  mit  vorsiohtigem  Yorbehalt,  ihn  ohne  weiteres  denselben  sein 
Lambert*s  Oosheim  ist  ihnen,  wie  schon  Wenck  und  nach  ihm  Bodmann^ 
fraglos  Oosthmm  bei  Hains  „in  der  Herrschaft  Eppstein.''  Dieses  OoaOeim 
abw  hiess  su  d«r  Zeit,  me  Bodmann  im  Widerspruch  mit  sich  selbst  in  dem- 
selben Atem  berichtet,  Kuffstein  und  findet  sich  nach  ihm  noch  1115  unter 
dorn  Namen  „castrum  Cuphese.''  Jener  Udalrich  war  zudem  Ton  Oosheim 
oder  Godesheim*) ;  und  noch  viel  mehr :  unser  Udalrich,  wie  sich  alsbald  ergeben 
wird,  im  Jahre  1076«  als  jener  Udalrich  von  Gosheim  in  den  päpstlichen  Bann 
gothan  wanL  gar  nicht  mehr  unter  den  Lebenden. 

Dagegen  sind  wir  berechtigt  im  Blick  auf  den  oben  uns  bekannt  ge- 
wonlenen  ^Udalrious  prepositus  in  Ilornauwe'^  den  ^Udalricus  advocatus*, 
der  uns  in  zwei  Urkunden  des  Erzbischofs  Sigfrid  aus  den  Jahren  1067  und 
1071  als  Zeuge  begegnet,  als  unseren  in  Rede  stehenden  Grafen  anzusprechen. 
In   der  ersteren  bestätigt   der  £rzbi:$ehof  auf  Bitten  des  Propstes  Thiemo  und 

n  ScruT«,  Her.  s*«»  *^*rii^'  U  SS4  f..  367,  416,  4^0,  423.  —  *)  Eist.  Abb.  1,  S7.  — 
*^  lW*^hr.  2*3.  -  '>  l,  l».  -  *^  Khein^.  Alt*«.  602.  —  0  I>*n  S^chTerbmlt  hatte  beraito 
Sohmiiiv«  AnBdüen  3,  2,  10  erkannt«  und  Floto»  lithk'*t.  Kaiser  Hemrich*s  IV.  and  seines 
Xeitaltvr*  l.  3>^7  e«  be»ie»en,  Um«  iuvio^heim  an  der  Weser  oberhalb  Höixter  die  Heiaat 
jeaM  Vdalrieb  sei.  da  die  :>a^'bsen  ihn  im  S|K>tie  .Rirter  Yoa  Goneshass*  nannten,  mdem  sie 
das  liodesheim  in  ein  inKle«hus  umdaohivii.  Wonu  nun  Schlieph.  U  13&  Floto  bemiBgcla 
jtt  kCttoen  meint  mit  der  IVmerkun^:  «Naoh  ober\loutscher  Aussprache  bs  Goabeia  mnd  Coa- 
beim  kaum  su  unterKrheiden«  so  konnte  v\^eim  als  Gv^eiai  t erstanden  und  für  Gottcabeni 
^seut  aerxiea*.  i\«  ist  ^rade  das  Gec^utvil  rix^hti^:.  Oas  sv'hart"  icespnx^bese  vetsfUmehe  G 
(iel  in  das  sUddeut^K^be  Obr  Lambreobt's  als  K  v^'^  und  k«  scbuf  er  «ein  irrefübreadea  Coa» 
beim  V«i  diesem  su  i\*<ibeim  t*5  au<>er\iem  n\^*h  ein  of^aln^rer  S-rhri:?.  des  sirb  kcäw 
Mundart  tr>M4  aller  Lie^e  lur  tWeb»iabe««erseuutt^  erUubi:    s  »:rd  nie  $«. 


41 

Am  StiftoB  8.  Peter  seu  Mainz  dessen  Stiftiuig  durch  seiuen  Vorgänger  Fridrich, 
iDsbesondere  die  Schenkung  der  Kirche  zu  EUville  und  der  Dörfer  Walluf, 
Steinlioitri,  Kiednch,  Erbach  und  Uattenheim,*)  In  der  letzteren  gibt  er  seiue 
(jenebmiguog  /m  dem  Spruche  des  auf  der  Lützelau  unter  dem  Vorsitze  des 
Grafen  Ludwig  abgehaltenen  Gaugerichta,  durch  den  die  von  der  Matrone 
Hiltrudis  und  ihrem  Sohne  unter  Zustimmung  ihres  Vormundes,  des  Grafen 
Ludwig,  dem  Stifte  S.  Peter  zugewendeten  Schenkungen  in  Winkel,  Eibingen 
und  Lorch  bestätigt  werden.*)  Ausserdem  wird  es  unser  Udalrious  sein^  der 
IQ  der  Urkunde  desselben  Kiruhenfürsten  vom  Jahre  1070  mit  einer  ganzen 
Reihe  anderer  Grafen,  unter  diesen  auch  dem  hier  nur  nicht  mit  Bruder  be- 
iseichneten  „Dudo",  bezeugen  hilfl,  dass  schon  von  Erzbischof  Lupoid  dem 
Kloster  S.  Jakob  in  Mainz  die  zu  den  Zeiten  des  Erzbischofes  Bardo  erbaute 
Basilica  des  h.  Nicomedes  geschenkt  worden  sei.')  Weiter  ist  auch  wohl  kein 
anderer  als  der  unsere  jener  ^Vodalricus  coraes",  den  wir  in  der  Mitte  «wischen 
den  Grafen  Rudolf  und  Erkenbrecht  1072  als  Zeugen  bei  der  Bestätigung 
des  Besitzes  der  erzbischöflichen  Höfe  im  Erzstift  seitens  des  8.  Peterstiftea 
durch  den  Erzbischof  Sigfrid  antreffen.*)  Endlieh  wird  ein  Udalricus  in  der 
von  Kindlinger  nur  unvollständig  überlieferten  Urkunde  von  1074  genannt, 
in  der  abermals  Erzbischof  Sigfrid  bezeugt,  dass  Walther  und  dessen  Bruder 
Bupertf  Dieustleute  seiner  Kirche,  den  Klosterbrüdern  zu  Bleidenstat  zum  eigenen 
Seelenheil  alles  geschenkt  haben,  was  sie  zu  Gonsenheim  im  Nahegaue  in  der 
Grafschaft  Emicho^s  besassen.*)  Von  w^eltlichen  Zeugen  finden  sich  in  ihr  „Emicho 
comes",  nach  einer  kleinen  Lücke  „Bertolfus  comea  et  frater  eius  Sifridus"^ 
nach  grösserer  Lücke  ^Uermanus  comes  Udalricus",  hierauf  nach  kleinerer 
„Eberhardus  Erabricho.'*  Da  Udalrich  neben  fast  sämtlichen  Zeugen  früher 
vorkommt,  so  darf  kein  Zweifel  sein,  dass  hinter  ihm  comes  ausgefallen  ist; 
wir  ihn  also  für  den  unserigen  erkennen  dürfen.  Von  nun  an  aber  verliert 
pich  jede  weitere  Spur  und  wir  können  sein  Ende  mit  um  so  grösserer  Zuver- 
iicht  zwischen  1074  und  1076  ansetzen,  als  wir  schwerlich  mit  der  Unterstellung 
irren,  dass  er  bei  der  Ausrichtung  des  Begräbnisses  und  Beelengedächtuisses 
lur  seinen  Bruder  Tuto  in  dem  zuletzt  genannten  Jahre,  wovon  oben  die  Rede 
w^ar,  schw^erlich  gefehlt  haben  würde,  wenn  er  noch  am  Leben  gewesen  wäre. 
Damit  bescheinigen  wir  aber  auch  den  Tod  dieses  seines  Bruders  Tuto  II L 
im  gleichen  Jahre  mit  dem  Bedauern^  dass  uns  ausser  der  vom  Jahre  1052 
und  der  vorhin  entdeckten  vom  Jahre  1070  jede  andere  Spur  von  seinem 
Dasein  fehlt. 


■)  Sfttter  1,  68  f.  —  ')  Ebenda  1,  70  f.  Sauer  irri  aber,  wenu  er  ttn  Regest  der 
Urkunde  Ludwig  auüb  zum  Sohne  der  lültrtidiB  tnaolit  Will,  Eegesten  1^  195,  Nr.  65  hat^ 
»ie  wir,  dem  Texte  entsprechend,  ^Vormund*'  gesetzt  —  *)  VVill,  Rcgeaten  1,  192,  Nr.  5H. 
Atmal.  12,  3.  —  *)  JoannU,  Rer.  mog,  2,  579;  Sauer  1,  71,  Nr.  129.  Die  von  erste- 
au  den  Kand  gesetzte  Lesart:  „ludict,  X  yel  a,  MLXXVIl*'  erweiat  »ich  nach  uösorem  im 
Texte  auBgegprocheneD  Vermuten  über  die  Todeezeit  ITdalrich's  als  irrig.  Es  ist  deshalb  zuviel 
Voraiclit  Wiir»,  Kegesten  1,  195»  Nr.  70,  dieselbe  in  Klammern  zu  mederholeu.  —  *)  Will^ 
Mun.  BL  20,  Nr.  6. 


48 


5*  Trutwiu  III,  uud  Tiito  IV.  von  Laurenhnrg. 

Da   wir  iu    dem  Voranstelieadeu   die  Anfange    der  Verbindung    JeT 
gniflichon  Geschlechts  der  Köuigasuutra   mit   dem   eppstein-idsteiniacheu 
gewiesen  glauben^    wenden  wir  uns  jetzt  wieder  dem  erateren  zu  und  hfl 
vsunächst  von  den  Söhnen  dos  zuletzt  genannten  Tuto  III.     Wir  erfuhren 
Namen  schon  bei  der  noch  oben  angeführten  Bestellung  der  LeichenfeierUcI 
für  ihren  Vater.    Trutwin  III,  als  der  Besteller  derselben  wird  ohne  weil 
als  der  altere  gelten  dürfen,  und  sein  Name  iat  ohne  Zweifel  mit  Rücksicht  da 
gewählt  worden,  dass  er  die  Ansprüche   der  ursprünglich  Trutwin'schen 
Schaft  zur  Geltung  bringe,    Tuto  IV*  als  jüngerer  setzt  den  väterlichen  Na 
fort.     Von  Trutwiu  III.   kannte   man   seither   nur  das   eben  Berichtete, 
haben  aber  wenigstens  seine  Zeugenschaft  im  Jahre  1081,  die  wir  schon 
bei   Beurkundung  des   Grafen   Sigfrid    zur    Sprache    bringen    mussten,    hfi 
zusetzen.^)    Dass  er  dort  als  der  erste  nach  dem  mainzer  Stadtpräfecten  Qe| 
verzeichnet  ist  und  sogar  dem  Grafen  des  Niddagaues,   in  dem  die  Schenl 
geschieht,  voransteht,  lässt  neben  seiner  gaugräflichen  Würde  seine  ansehnllcB 
Stellung  hervortreten.     Mit   Tuto   IV.    erscheint    zum    erstenmale    die   Fa 
nach  einer  Burg  genannt.    Es  ist  im  Jahre  1093,  wo  er  genau  in  der 
14  erlauchten  Zeugen  als  ^Dudo  comes  de  Lurenburg**  bei  der  Beurktind 
der  Stiftung  des  Klosters  Laach  genannt  wird.^)     Ihn  zum   andernraale 
auch  sprachlich  ungewöhnlichen  Form  „de  Lurenburc  Dudo  comes*  als  Zeii 
in   einer  Urkunde  von    1105  nachweisen   zu   wollen,   wie  Kremer'')  und  nacE 
ihm  Sehliephake*j   versucht  haben,    ist   leider   vergeblich,   da   wir   dles^ 
gefälscht  bezeichnen  müssen.'^)     Dass  Tuto   aber  1093  ohne   seinen  Brude^ 


*)  Siehe  oben  Anm.  2,  S.  36.  —  ')  Vgl.  AnimJ.  24,  128.  —  *)  Orig;,  Naaa.  l, 
*|  l,  153.  —  *)  Vorjib  ist  schon  düB  Jahr  1103  un  sich  ein  Fehler»  wie  die  Einflichtajüiina 
von  beidou  Gelehrten  angerufenen,  leider  einzigen  Quelle,  Trithemü  Chron.  sponhcim,,  opp 
hUt.  2,  240,  sofort  ergibt.  Denn  wenn  dort  angegeben  ist:  „MCV,  Indictione  tertia.  XI 
l^ndas  Septembris^  —  Ooerz,  Mittelrhein.  Regest  1,  486,  Nr.  1771  liest  irrig  1115 
widerBprieht  die  ludiction  der  JaKreszahi.  Das  Jahr  1105  hatte  die  indict.  XIll.  Nimnil 
aber  an,  dass  , tertia"  oder  III  Versehen  für  XIII  sei,  sodass  1105  gemeint  gewesen  wi 
ist  dem  die  Tbatsache  zuwider,  das«  dan  Kloster  Sponheim,  dessen  vogteiliche  Verhalt 
Urkunde  regeln  wiU,  erst  Yom  Jahre  1118  ab  Tom  Grafen  Meginbard  Ton  Sponheim, 
Aussteller  der  Urkunde,  der  Vollendung  seines  ßaues  cntgegengeführt  worden  ist,  na 
der  Vater  Stephan  (|  1118)  es  1101  su  bauen  begonnen  hatte,  Trithem.  237  f.  Kr 
26.  März  1124  wird  der  Bau  den  Ton  Ersbisohof  Adelbert  von  Mainz  datu  beorderten  8  | 
Stern  und  4  Conversen  aus  dem  3.  Albana-  und  S.  Jakobskloster  in  Mainz,  beide  Bcnedtk 
ordcns,  vom  Grafen  Meginhard  übergeben,  Tri t kern.  238.  Lässt  man  aber  1105  ciin 
solches  Versehen  sein,  wie  das  Jahr  1225  der  alsbald  zu  nennenden  kaiserlichen  Uri^ 
das  für  1125  steht,  und  behält  die  ind.  III  als  richtige  bei,  wie  dies  Goerz  gethao  Ha 
wtlrdc  das  Jalir  1125  herauskommen.  Aber  auch  das  widerspricht  den  Thatsachen*  Trith« 
miu«  führt  der  ausdrucklie heu  Zeitreihe  nach  zuerst  die  Urkunde  an,  in  welcher  Graf  M« 
liard  dem  Erzbischof  Adelbert  das  Kloster  am  7.  Juli  1124  übergibt,  sodann  die  in 
siebende  mit  der  Regelung  der  Vogteirechte  und  endlich  die  Urkunde  Kaiser  Hein 
vom  26.  UUrz  1125,  worin  die  Rechte  de;«  Elostors  bestätigt  werden,  und  die  Übergab« 
Urkunde  (Ibcr  die  Vogtotrechte  an  den  Abt  ausdrdoklioh  boscheinigt  wird.  Wie  ktVnnie  [ 
also  vom  2U  Aug.  1125  gegeben  tein^''   Wir  dürfen  ja  dem  Oesch ich tschr eiber  TritHi»! 


Zeuge  auftritt,  achoiut  mit  eiuigcr  Sicherheit  darauf  öchlieasou  zu  lassen,  dusa 
dieser  damals  nicht  mehr  am  Leben  war  Und  schauen  wir  uns  in  der  Zeit- 
geschichte um,  80  rauchte  der  Grund  hierfür  in  deaseu  Teilnahme  an  der  Be- 
lagerung Rom'a  durch  Kaker  Heinrich  IV.  in  den  Jahren  1081 — 1084  zu  suchen 
smo,  die  manches  edle  deutsche  Leben  kostete.  Ist  aber  Trutwin  eines  frühen 
Todes  gestorben,  so  hat  er  auch  keine  Kinder  hinterlassen.  Jedenfalls  wird 
der  soviel  länger  lebende  Tuto  nicht  kinderlos  geblieben  sein.  Und  wir  haben 
wohl  um  so  eher  ein  Recht,  ihn  für  den  Fortiiihrer  des  laurenburgischen  Stammoa 
zu  halten,  als  er  nach  der  genannten  Urkunde  von  1093  der  Bekannte  des 
Grafen  Walram  von  Arlon  war,  dessen  Enkel,  ^Graf  Walram  paganus'*  der 
Schwiegervater  des  später  zu  nennenden  Grafen  Ruprecht  von  Laurenburg 
werden  sollte.  Indem  wir  aber  damit  unserer  Annahme  in  der  Abhandlung 
über  ^die  schönauer  Überlieferung*)"  eine  neue  Stütze  geben,  bestätigen  wir 
nur,  dass  sich  bei  Fortführung  des  laurenburgischen  Hauses  durch  Tuto  IV, 
wiederholt,  was  wir  bei  Tuto  iU.  zu  unterstellen  hatten*  Auch  seine  Söhne 
nennen  sich  Trutwin  und  Tuto,  der  erstere  als  vierter;  der  letztere  als 
fünfter  dieses  Namens. 


wie  wir  Annal.  24,  156  ff.  Baheo  unil  bei  den  anderen  zu  sehen  »t,  die  wir  zu  unserer  tmclt- 
träglioben  Oenugthuung  bei  Will,  Regest,  I,  234,  Nr.  55,  als  Verurtci]er  des  Abts  icusammcn- 
geßtellt  finden,  viel  zutmuen  in  irrigen  und  Terwirrten  Angaben.  Aber  eine  solch©  rbereilimjj 
würo  doch  etwa^  zu  stark.  Nehmen  wir  aho  zu  seiner  Ehre  an^  dasa  er  oder  sein  Heraus- 
geber Froher  sich  aowolii  im  Jahre  als  der  Indiction  geirrt  habe^  ao  würde,  wenn  wir  statt 
iad.  JIL  iod.  11  setsen,  aich  das  erträgliche  Datum:  1124  lud.  II,  XU  Ka).  sept.  ergeben  nnd 
die  Urkunden  Tom  7.  Juni  1124,  21.  Aug.  1124  und  26.  Mai  1125  sacb-  und  zeitgeuiäss  ein- 
ander  folgen.  Aber  selbst  dieser  Besserungsvorsehlag  ist  umsonst.  Denn  die  Urkun<Ie  legt 
an  üich  ein  Veto  gegen  jedes  Datum  aus  dem  12.  Jahrhundert  ein.  Goerz  und  der  von  ihm 
angerufene  Lehmann,  Gesch.  der  Grafschaft  Sponheim,  haben  dies  bereits  geahnt,  wenn  üig 
die  Urkunde  „stark  interpoliert^*  nennen.  Sie  wären  aber  schon  verptitchtet  gewesen,  auf 
dreiste  Unterscliiebung  zu  erkennen.  Denn  wie  wäre  es  möglich  gewesen,  dass  Graf  Megin- 
hardf  der  Stifter  des  Klosters,  sieh  zu  der  Bestimmung  hätte  hergeben  sollen,  dass  die  ihm 
und  seiner  Familie  im  ältesten  Gliede  vorhehaltene  Yogtei  des  Klosters  Iboi  und  dieser  sollten 
abgenommen  werden  können,  wenn  Übergriffe  des  Vog^te«  nach  dreimaliger  Vermabnung  des 
Ensbischofs  tou  Unln/.  ungesübnt  blieben,  nachdem  der  Graf  bei  Obergabe  des  Klosters  an 
den  Erzbischof  nicht  bloss  das  Verbleiben  der  Vogtei  bei  dem  Ältesten  der  Familie,  sonderu 
sogar  eine  etwaige  Auflüsung  des  Klosters  sich  ausbedangen  und  nur  zugestanden  hatte,  dass 
der  Erzbischof  bei  etwaigen  Üborgriflfen  den  jeweiligen  Vogt  „corrigere  ac  ad  emendatloiiem 
cogorc"  dürfe.  Und  nun  winl  gar  noch  der  Älteste  des  damals  noch  gar  nicht  vorhauderjen 
kreu£naoher  Zweiges  der  Familie  als  Rechtsnachfolger  Meginhnrd*g  genannt  und  diesem  zu- 
gemutet: ^Ad  placitum  publicum  in  terminis  monaj^terii  non  sodebiti  nisi  ab  abbate  fuerit  in- 
uttatui*^!  Alles  Dinge,  die  ron  dem  späteren  Unabhängigkeitsgelüste  des  Klosters  aurecht  ge- 
schnitten wurden.  Und  nun  die  der  Urkunde  beigegebenen  nächsten  Zeugen  nach  den  Pröp- 
sten Tpon  Diasibodenberg  und  Schwabenheim:  .,Goswinus  de  Lurburk,  Dudo  comes,  Ernestus 
rieedominus**  etc.!  Wie  könnte  da  nach  Kremer *8  Vorschlag  hinter  Goswinua  ein  Komma 
gesetzt  werden  können,  sodass  derselbe  ohne  Bezeichnung  bliebe.  Ein  ^Qoswinus  de  Lurburk** 
aber  ist  ein  Unding  und  darum  ^Dudo  oomes'^  eine  ebensolohe  Erfindung.  Wie  wir  aber  nach 
allotn  diesem  die  ganze  Urkunde  für  fnitergcschoben  erklären  müssen,  so  möchten  wir  auefi 
die  ilir  bei  Trithemiua  folgende  Kaiserurkunde  für  gefÄlMcht  halten,  und  nur  ungern  ver- 
sagen wir  uns  die  Begründung  dieser  Behauptung,  da  sie  ausaerholb  unserer  gogenwärtigen 
Aufgabe  liegt. 

*)  Annal.  24^  128. 


düaiK 


u 


6.   Trtitwiti  lY.  und  Toto  Y.    Stiftung  der  Propstei  LIpporn« 


ken  VerselieiÄj-j 
geseUoeato^HMi 
der  Stelle  dri^V 


An»*       . 


Dio  Geschichte  dieser  beiden  ist  mit  BeDutzimg  der  dürftigen  Quellen  iO 
MisfAhrlich   in  der  gedachten   AbhaudluDg    dargestellt,    dass    wir  hier  AUf  äe 
voTEichteD  dürften,  hätten  wir  uns  nicht  in  zwei  Punkten  eines  starken  VerselieM 
schuldig  gemacht.     Wir  gingen,    was  den  ersten  betrifft,   leider 
Auges   wie   unsere   VorgilDger    und   durch  sie  mit    verleitet,   an  der 
Urkunde  Tut^^s  V.  über  die  Stiftung  Lipporn's  vorüber,  die  uns  das  Stiftangt»     V 
jähr  annähernd  eu  bestimmen  ermdglicht.     Dort   steht  ausdrüdclich    die 
sehiaggebende  Bezeichnung  von  Lipporn,  dass  es  «in  comitatu  Luduwiei*^  g&legon 
•ei*);  und  wir  köunten  nur  dann  bei  unserer  früheren  Annahme  bleiben,  wenn 
miter  diasem  Ludwig  der  dritte  dieses  Namens,  der  Gründer  des  Kketers  Ara^ 
sieb,  verstanden  werden  konnte.  Das  aber  wäre  nur  möglich,  wenn  er  ab  Mind 
jilirigir   die  Qmiignifeehaft   innegehabt  haben   würde.    Denn    beim  Tode 
Bnbisebofes  Btimo  vonlMir  am  84.  April  1124,  unter  dem  die  Urkunde 
geAusI  iai,  war  Ludwig  UL  erat  15  Jahre  alt,  da  er  1 109  geboren  tst.^     Nns 
kfMunil  es  ja  vor,  dass  bei  d^  Erblichkeit  der  Oaugra&dialfen  aneh  eiii  Miaihif^ 
^dir%er  $h  Ttmlargraf  eraeheint  Wir  lernten  selion  oben  den  aohtjährigeo  Onfiu 
Otto  ?nii  Woran  kenoea  nach  der  Urkunde  Tom  6,  Mi»  956,  wo  ea  beinl: 
,b  pago  Nahgowe  in  Focesto  dosIto,  Ynoeago  nominale^  in  Oontitattt  OHmus, 
Pilti  Cnooradi  daeia,*^    Aber  oiefat  nur,  daaa  Otto  ein  Hanegpaolm  war,  ao 
wird  er  aneh  dealfidi  als  Sohn  und  damit  demtKeh  ak  ICoderjUirlger  beaeiebiiet 
in  unaerer  Urkiindo  fehlt  dagegen  die  Beteichnung   ,filü^.     Wir  koiwea  dea- 
iMlb  mk  gvimm  ktiliaebeoi  Oewiaaeo  acbweriieh  jenand  aadert  in  den  ange* 
Mkrtes  Werten  ak  Uiaber  des  Oaognfentaraa  im  Karieh  Imeidiiel  aeben, 
ab  Ledw%  IL    Ton  iKesen  haben   wir   wabradieiiifidi  gtmmAk^  daas  er  am 
Sa  Mai  1113  gestorben  ist*)    Die  GrüiiAtng  des  Kloslera  Lippom  kann  dem- 
il  erfolgt  aein  uni  der  Morl  l^ittvin's  fialgevmse  eoräl 

wir  nnft  diese  Zeit,  ao  will  aieb  nna  im  Jahre  1 107  ein 
wo  bereite  der  Ben  nnd  woU  aadk  der  Mord  TnttwinV 

Denn  ea  ist  in  diesem  Jahre^  daaa  wir  lEe  Edelea  dea 
OeMrakjMde  nm  Bitto  leiaaamell  mImb.    Avf  Üir 
dM  QfftMH^g  dea  rjgwBertoft  Amnatmer  ClwitlietTPMMa  (H|winpersbeeii)  ; 
mwHft  beüitigt  nnd  nnfer  den  Zeegen  Mika  £e  Lanreebnxger,  wikreod  «Ludov 
ieAiteMm^  iwcmiiitn   Wir  dmdE«.  dea  ist  kern  ZttkU.  DerBaim 

ao  Mi  mMh  i 
üfkindM  eiis  dem  Lebsa  dos  iwimlMB  imaea  Kireliea*  nnd 
BmUUbmfdUfmAim  boMad^  ftetoBlM  Bnmo  aar  im  Awaü  1110  etn  Bnbe^ 
pm^mdom« 


wer  oert^gen  r  ■unaKwmm  ine 


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ihm  selber  angekauften  Gütern  zu  verbriefen.')  Betrachten  wir  aber  die 
Zeugen  der  unter  den  Augen  Bruno's  ausgefertigten  Stiftungsurkunde  für 
Lipporn:  ,Tuto  comes  de  lurenburg,  Reginboldus  de  romersdorff,  Henricus 
corae8  de  dyetsche,  Anshelmua  de  Moloberg,  Anafryt  de  tomedorff,  Fredericu» 
de  Brubach,  Wernherus  de  Asinhaga,  Dietfryt  de  nistere,  Winhart  et  Gerlach 
de  roiliggin,  EIIo  de  lantroth^^,  so  sind  das  durchweg  Edele  aus  der  nächsten 
Käfae  von  Coblenz,  und  es  kann  auch  wohl  kein  Zweifel  darüber  sein,  dass 
Tuto  das  nahegelegene  Coblenz  benutzt  hat,  um  dahin  seine  Mitzeugen  aufzu- 
bieten, da  eine  Reise  nach  Trier  zu  diesem  Zwecke  eine  zu  grosse  Zumutung 
für  dieselben  gewesen  wäre.  Überdies  war  Bruno's  Thätigkeit  für  das  coblenzer 
Florinstife  wie  gemacht,  um  die  Angelegenheit  für  eine  Gründung  zu  Ehren 
desselben  Heiligen  in  Lipporn  vorzunehmen.  Zugleich  haben  wir  wohl  den 
Abt  Adelbert  von  Schaffhauaen,  der  in  der  Urkunde  als  Bittender  mit  aufge- 
führt wird,  anwesend  und  nicht  minder  als  Aussteller  der  Urkunde  zu  denken. 
Es  scheint  das  nämlich  aus  der  Schreibung  „dyetsche*  hervorzugehen.  Das 
ist  alemannische  Sprach  weise,  die  uns  nur  noch  einmal  1336  für  das  sprach- 
gemässe  ,,Dietse*'  oder  „Diedisse*'  begegnet.*)  Auf  den  fremden  Schreiber 
können  aber  auch  ^Moloberg*^  statt  Molsberg,  ^Asinhaga*'  statt  des  vermutlichen 
Asinauga  (Eschenau  bei  Weinähr),  „miliggin"  statt  des  in  dem  Texte  selber 
richtig  geschriebenen  inilingen,  „lantroth^  statt  Lautroth  sehliessen  lassen,  wenn 
nicht  Lesefehler  des  späteren  Abschreibers  angenommen  werden  müssen.  Dort 
in  Coblenz  aber,  das  will  nicht  minder  bemerkt  sein,  war  auch  der  Ort,  wo 
Bruno,  unbehindert  von  seinem  schwierigen  Domkapitel,  von  dem  der  Bann 
über  Trutwin  ohne  Frage  erfolgt  war,  und  bei  dem  er  sicher  noch  in  frischem 
Andenken  stand,  dem  Zuge  seines  menschenfreundlichen  und  verwantschaftlichen 
Herzens  folgen  konnte.  Es  kam  aber  noch  ein  anderes  hinzu,  was  ebensosehr 
Tuto  die  Aufbietung  so  vieler  Standesgenossen  erleichtern,  als  Bruno  noch 
geneigter  machen  mochte,  dem  kirchlich  anstössigen  Willen  seines  Verwanten 
nicht  entgegen  zu  sein.  Wir  dürfen  daran  erinnern,  dass  in  eben  diesem  August 
des  Jahres  1110  König  Heinrich  V.  ein  Heer  von  30000  Mann  sammelte,  um 
seine  Kaiserkrönung  in  Rom  wirksam  betreiben  zu  können.  Sollte  da  Coblenz  nicht 
eine  Sammelstelle  für  die  rheinischen  reisigen  Edelen  gewesen  sein,  und  musste 
aich  nicht  auch  Tuto  unter  ihnen  befunden  haben?  Es  wird  das  um  so  gewisser, 
wenn  wir  in  Tutors  Urkunde  lesen,  dass  er  die  Stiftung  in  erster  Linie  für 
sein  Seelenheil   und    dann    erst  für  das  seiner  Yerwanten   („pro  antme  mee  et 


»)  Beyer  l,  4T9;  Günther,  Cod.  dipL  1,  166»  Mittelrhein,  ürkundeobüch  2,  671, 
Nr  463;  Goerz,  Mittelrhem.  Regesten  1,  457,  Kr  1634.  —  *)  Wenn  Yogol,  Beichr  635 
bemerkt:  ^Ein  Adeliger  £Uo  von  Laudrotli  kommt  tllO  vor*^,  so  kann  sich  dos  doch  wohl 
nur  unf  unsere  Urkunde  beziehen,  obgleich  er  diese  S.  288  unbeatimmt  zwischen  1102  und 
1124  geachriebeu  sein  lägst  Ebenso  gründet  sich  seine  Bemerkung  ebenda  618:  ^Ein  Win- 
tiard  und  Gerlach  ?on  Milingen  erscheinen  um  1110*"  sicher  nur  auf  unsere  Stelle.  Da  er  die- 
selben Nachrichten  worüieh  schon  in  seiner  ^Topographie**  S.  72  und  85  auffuhrt,  die  er  ge- 
wfthnJioh  in  der  gleichen  Gestalt  in  seiner  f,Beschr.^  verwertet  hat,  so  hat  er  bei  ersterer 
offenbar  andere  Quellen  benutzt,  deren  Kenntnis  uns  yorenthalien  ist.  Es  muss  dat  um  so 
mehr  beklagt  werden,  als  sich  seine  Annahmen  mit  den  unseren  decken,  ohne  den  gleichen 
Quellen  entnommen  za  sein.  —  ^)  Kehrein,  Noss.  Nnmenbuoh  1,  162;  FtSrstemann  2,  1144. 


46 


parentum  meorum  salute^)  macht.  Das  ist  eines  in  den  Kriege  Ziehenden  nach 
der  Sitte  der  Zeit  Art«  Er  versichert  seine  Seele,  wo  der  Leib  in  Gefahr  Ut, 
Und  wenn  er  bei  diesem  Anlass  seines  Bruders  gedenkt,  zu  dessen  Seelenheil 
er  bis  dahin  noch  nichts  getban  batte^  obgleich  es  ihm  lange  schon  im  Sinne 
lag  („ium  diu  deliberaui")»  so  gehört  das  erst  reclit  mit  zu  einer  solchen  letxten 
Versicherung,  zumal  die  Söhne  des  Gemordeten  noch  minderjährig,  ja  geradezu 
noch  Knaben  waren.  Und  es  war  wohlgethan  im  Sinne  des  Zeitalters.  Denn, 
80  müssen  wir.  nun  besser  unterrichtet,  schliessen,  Tuto  kehrte  nicht  \vm 
von  Rom. 

Wir  begründen  das  mit  der  Thatsache,  dass  1112  ein  fremder  Graf  tm 
Königsgau  auftritt.  Ein  Zeugnis  nebenbei  gesagt,  dass,  wenn  wir  uns  nicht 
der  früheren  ebenso  massgebenden  Yertretungen  alle  im  Königsgau  erinnern 
wollen,  man  keinen  minderjährigen  Titulargrafen  bei  den  Beurkundungen  in 
gewohnlichen  Fällen  zuliess.  Schon  Schmidt')  hat  die  Urkunde  dieses  Jahren 
herangezogen  und  VogeP),  wie  Schliephake^),  haben  sie  in  ihrer  Weise  m 
verwenden  gesucht,  in  der  Erzbischof  Adelbert  von  Mainz  die  Schenkung  des 
Allods  der  Witwe  Cuniza  ,in  villa  Wilibach  in  pago  Cuniogesundera  in  eomitatu 
Rudolfi  comitis  situm"  an  das  Jakobskloster  in  Mainz  bestätigt/)  Sehliep* 
hake  in  seiner  irrigen  Annahme,  dass  der  Königsgau  zuletzt  geteilt  gewe^n 
sein  möge^  und  in  dem  östlichen  Teile  die  Familie  Udalriehs  gewaltet  habe, 
will  diesen  Grafen  Rudolf  zwar  auch  diesem  ^ Seitenzweige"  zuweisen  und 
„zwischen  die  beiden  Udalriche**  setzen,  aber  derselbe  ist  erweislich  Graf  im 
Kiddagau.  Schon  Bodraann^)  führt  im  Stammbaum  der  niddagauer  Grafen 
zwei  Yerschiedene  dieses  Namens  im  ausgehenden  zehnten  und  ersten  Viertel 
des  elften  Jahrhunderts  auf,  und  Ton  dem  letzteren  dürfen  wir  eine  Schenkung 
zu  seinem  und  seiner  Qemafalin  Seelenheile  in  Crnfcela  im  Niddagau  namhaft 
machen.^}  Einen  dritten  Grafen  Rudolf  aber  finden  wir  in  den  von  uns  oben 
für  Udalrich  und  dann  für  Trutwin  LII.  angezogenen  Urkunden  von  1069,  1070, 
1072  und  1081,  sodass  gar  kein  Zweifel  sein  kann,  dass  der  Rudolf  des  Jahres 
1112  niddagauischer  Abkunft  sein  muss.  Begegnen  wir  doch  noch  1238  einem 
Rudolf  unter  den  Grafen  von  Ziegenhain  und  Nidda.') 

Nun  wäre  ja  freilich  ein  anderer  Stellvertreter  für  den  minderjährii^'rn 
Sohn  des  gebannten  und  dann  gemordeten  Trutwin  aus  dem  eigenen  llaui^v^  tu 
erwarten  gewesen^  Graf  Udalrich  von  Eppstein-Idstein.  Indes  ihn  machteo, 
wenn  wir  aus  den  damaligen  politischen  Yerhältnissen  schliessen  dürfen,  gerade 
dietie  zu  der  Zeit  unmöglich.  Ja,  es  wird  uns  erlaubt  sein  müssen^  um  eben 
dieser  politischen  Dinge  willen  eine  Fntzweiung  in  der  gaugräfiichen  Famißp 
anzunehmen,  die  Laurenburg  von  Idstein-Eppstein  schied.  Wir  sehen  Lauren« 
bürg  in  der  Person  Tuto's  auf  Bruno's  Seite  und  deshalb,  da  dieser  auf  Kaiser 
Heinrich*«  V.  Seite  stand,  kaiserlich  gesinnt,  während  Udalrich  schon  der 


I 


V)  Antiftl.  3,  8,  108.   —    *)  Betchr.  228.   —    *)  1,  136.  —   •)  Snu^^r  I,  95  t  Kr.  l«}' 
Will,  Kegoiton  1,  248,  Nr,  129.  —  ")  Rhcing.  Altert.  eOK  —  •)  Will,  Idon.  B1.  U,  Kr»; 
»Aurr  1,  &4,  Nr  tlO»  89*   ~  ^)  Sorib»,   Regcsteu  zur  Landes-  unil  OrUgcsrh.  dtn  f]n>«tli. 
Iletson.    DAfiiist.   1849.    2,  34,  Nr  432. 


sioer  Besitzuugea  nach  und  vielleicht  nicht  weniger  seiner  Oemahlin  wegen 0 
l^u  Erzbißchof  AJelbert,  dem  erklärten  Feinde  des  Kaisers  hielt.  Nun  ward 
gerade  im  Dezember  1112  der  schon  seit  einem  Jahre  als  Feiod  verdächtige 
^Adelbert  auf  drei  Jahre  in  strengste  Haft  genommen.*)  Wie  hätte  da  sein 
;er  mit  einem  Reichsamt  betraut  werden  können,  der  sicher  in  der 
iinaxima  militum  eopia*^  Adelbert^s  sich  befand,  über  welche  das  kaiserliche 
[anifest  Klage  fuhrt/)  Allzulange  wird  diese  kaiserliche  Ungnade  nicht  ge- 
•  dauert  haben^  zumal  wir  auch  den  Grafen  Rudolf  nur  das  genannte  eine  Mal 
Iseines  Stellvertreteramtes  walten  sehen.  Will  uns  doch  schon  das  Jahr  1114 
[ein  anderes  zeigen,  wenn  wir,  wovon  nachher,  üdalrich  als  Führer  des  gau- 
ji-ätUchen  Fähnleins  im  kaiserlichen  Heerbanne  vor  Köln  zu  erblicken  meineo. 
Dies  die  eine  Besserung  unseres  damaligen  Versehens.  Die  andere  ist 
ivon  ungleich  geringerem  Belange,  aber  die  Gewissenhaftigkeit  gebietet,  sie  nicht 
'zu  unterdrücken.  Wir  übersahen  damals,  dass  in  Bruno's  Urkunde  betreffs 
des  ,ias  advocacie*^  der  neuen  Gründung  ein  ^ut  prescriptum''  beigesetzt  war. 
Dieser  Beisatz  hat  in  der  Urkunde  selber  keinen  Anhalt,  muss  sich  also  auf 
die  Urkunde  Tutos  beziehen,  in  der  die  Rechte  der  Yogtei  des  neuen  Klosters 
jenau  geregelt  werden.  Daraus  geht  hervor,  dass  nicht  bloss  die  Stiftung,  son- 
iem  auch  die  Stiftungsurkunde  ihre,  wenn  auch  verdeckte,  Bestätigung  erhalten 
bat,  sodass  sie  wenigstens  als  massgebende  Beilage  der  Bruno'schen  Klosterbe- 
ItAtigung  anerkannt  ist.  Ja,  wir  dürfen  wohl  noch  weitergehen.  Diese  Beilage 
stand,  wie  das  „ut  prescriptum'  deutb'ch  zu  machen  scheint,  auf  einem  Perga* 
nent  mit  Bruno's  Urkunde  und  war,  wie  die  sonst  nicht  gewohnliche  Art,  die 
eitworter  nach  altklassischem  Gebrauch  ohne  et  zu  verbinden,  in  beiden  zeigt, 
ron  derselben  Hand,  die  wir  als  die  des  schaffhauser  Abts  vermuteten*  Au» 
diesem  Umstände  mag  sich  auch  ergeben,  dass  nur  die  Bruno^sche  Urkunde 
mit  dem  Namen  der  Zeugen  versehen  ist  und  das  ^etQ,^  unter  der  Tuto's, 
was  der  ^Hettung^  fremd  ist,  auf  einem  Zusatz  des  Schreibers  der  von  Schliep- 

Ibake  benutzten    „alten  Copie"    beruht.     Jedenfalls   verdient   der  Abdruck  der 
LRettung^  in  diesem  Stuck  mehr  Glauben,  da  das  um  sein  Recht  gegen  Nassau 
Bireitende  Schönau  nach  WenckV)  richtiger  Bemerkung  «,die  Originalurkunden 
Bern  Richter  vorzulegen  verbunden*   war.     Wir   werden   hierin   bestärkt  durch 
den  am  Schlüsse  des  Bruno^schen  Schriftstücks  gebrauchten  Ausdruck:  ^Testes 
autem    huius   pactionis   hie   asscripti    retinentur,*     „Pactio*  ist  Vertrag   und 
^Jconnte  daher  von  Bruno^s  Bestätigung  nicht  allein  gebraucht  werden,   sondern 
^Betzt  Tuto's  Urkunde  als  die  des  Mitpartners  voraus,  und  das  selbst  dann^  wenn 
H^pactio'^  hier  den  Sinn  eines  zunächst  geheimen  Vertrags  haben  sollte,  der  erst 
*iin    Notfälle   veröffentlicht   werden   dürfe.      Den   Vertrag   zwischen   Bruno   und 
Schafffaausen  abgeschlossen  zu  denken,  verbietet  sich  um  deswillen,  daaa  letzteres 
Ie<liglich  dem  Vertragsgegenstand  eingeordnet  war. 

*)  In  der  später  xu  besprecbesdeti  Urkimde  von  1 128  wird  üdftlricli  nicht  bloss  »eogna- 

i^on  f  Adelbert  f^enannt,  sondern  Ton  seiner  GemAfalin  niekl  nunder  AHtdrücklicb 

1  Site  Idfttthildi«  etiam  cognate  mee.*^    Gudenus,  Cod.  dipl.  1^  761;  Sauer 

104,  Hr.  11«.  —   »^  Will,  Ilegegten  I,  246,   Xr.  27.  —  ^  Ebenda.  —  *)  Qktor.  Abhjuidl. 


jiJM 


48 

Aber  wenn  dann  anch  Tnto^s  Antrag  die  erzbiaehofliche  WiUfaümuig  ge- 
Ainden  hat,  so  wird  die  ganze  Abmachung,  wie  wir  ehemals  herrorhabai,  als 
eine  kanonisch  nnregelmassige  bezeichnet  werden  müssen.  Und  das  seibat  in 
dem  Falle,  dass  wir  Lippom  nach  den  Regeln  des  Benediktinerordens  als  blosses 
Filiale,  weO  blosses  Priorat,  von  Schaffhaosen  anzusehen  haben^X  üi  ihm  also 
eine  blosse  Erweiterung  des  schaffhauser  Mutterklosters  erblicken  müssen.  Denn 
nicht  nur  dass  die  gewöhnliche  Bestätigungsform  umgangen  ist,  so  ist  gerade 
in  der  Heranziehung  eines  firemden  Klosters  der  Beweis  einer  Ausnahme  ge- 
liefert Oder  hatte  es  nicht  nahe  gelten,  dass  das  demselben  Orden  ange- 
hörende Bleidenstat  das  Filiale  übemonmien  hätte,  zumal  es  zur  Yogtei  Lauren- 
bnrg's  gehörte?  Bleidenstat,  das  zudem  die  Beerdigungsstätte  seiner  Vögte 
war?  Dass  es  unbeteiligt  bleibt,  kann  kaum  anders  denn  als  Ablehnung  einer 
an  es  gestellten  Aufforderung  gedeutet  werden.  Es  muss  also  einen  Haken  in 
der  Sache  gefunden  haben,  und  dieser  kann  nicht  der  gewesen  s&ii,  dass  lipjKmi 
ausserhalb  seiner  kirchlichen  Heimat,  dem  mainzer  Sprengel,  lag,  denn  auch 
Schaffhausen  gehörte  nicht  in  den  trierischen  Machtbereich«  Ausser  der  kirch- 
lich bedenklichen  Sache  werden  die  wenig  einträchtigen  Beziehungen  zwischen 
den  beiden  Erzbischöfen  Bruno  und  Adelbert  mitgespielt  haben.  Der  letztere 
hatte  mit  Yerleumdungen  und  sonstiger  Tücke  nicht  aufhört,  bis  er  den  wegen 
der  Jugend  Heinrich's  Y.  von  den  Fürsten  zum  Obsorger  des  Reichs  und  SteU- 
Tortreter  des  königlichen  Hofes  (,procurator  regni  ac  Ticedominus  regiae  curiae) 
bestellten  Bruno  von  diesem  Amte  gebracht  und  sich  selbst  in  dessen  Besitz 
gesetzt  hatte.*)  Bleidenstat  aber  musste  es  mit  seinem  nahen  kirchlichen  Ober- 
herm  halten,  wie  Tuto  es  mit  Bruno  zu  halten  beflissen  war.  Lippom  war 
demnach  mit  seinem  Bestand  lediglich  auf  die  persönliche  Gunst  Bruno's  ge- 
wiesen. Nicht  einmal,  dass  es,  soweit  wir  wissen  können,  wie  andere  die  könig- 
liche Bestätigung  erfahren  hat.  Gleichwohl  stand  es,  wie  wir  nun  mit  ziem- 
licher Sicherheit  rechnen  dürfen,  unbehelligt  seine  Tollen  16  Jahre,  bis  es  1126 
in  die  Abtei  Schönau  überging.  Es  will  das  etwas  bedeuten,  wenn  wir  bedenken, 
dass  ihm  der  Schutz  seines  weltlichen  Gründers  fehlte,  derjenige  von  dessen 
minderjährigeo  Nachfolgern  aber  kaum  in  Betracht  kommen  konnte. 

Soyiel  Ton  dem,  was  wir  zur  Berichtigung  unserer  Darstellung  in  der 
«schunauer  Überlieferung^  nachzutragen  uns  verbunden  hielten.  Wir  können 
damit  aber  noch  nicht  den  Zeitraum  verlassen,  in  den  die  geschilderten  Begeb- 
nisse fielen.  Denn  es  ist  aus  dieser  Zeit  noch  die  Geschichte  des  anderen 
Zweiges  des  königsgauer  Hauses  zu  berichten,  in  die  wir  vorhin  schon  uns 
einen  Yorgriff  erlauben  mussten,  da  es  den  Ausgang  des  idstein-eppensteiner 
Hauses  darzustellen  gilt. 

7.  Udalrich  U.  und  Konrad  von  Idstein.    Fdalrich  III. 
von  Idstein-Eppstein. 

Yom  Tode  Udalrich's  L  an  bis  zum  Jahre  1162  fehlt  uns  hier  alle  Nach- 
richt.   Eine  Urkunde  dieses  Jahres  aber,  auf  die  schon  Kremer^)  und  65  Jahre 

')  ^^gJ-  Wetzer  u.  Weite,  Kirchenlexikon  8,  771.  —  *)  Brower,  Annal.  trer.  2,  5* 
n.  7*.   -   »)  Orig.  Xää8.   1,  SI5,  Anm.  5. 


49 

später  Schmidt-Steiner^)  aufmerksam  gemacht  hatten,  die  jedoch  Vogel*), 
wie  Schliepbake  unbeat'htet  liesaen,  sodass  Freiherr  Schenk  vob  Schweins- 
berg^)  sie  aufs  neue  in  das  verdiente  Licht  rücken  muaate,  bietet  an  erster 
Stelle  nach  dem  mainzer  Stadtpräfecten  Gerhard  „Vdalricus  et  Cunradus, 
frater  eius  de  Etichenstein*'»  Der  Üispensator  des  mainzer  S,  Jakobskloaters, 
Härtung,  verbrieft  io  ihr  die  Verpfandung  des  Dorfes  Roth  und  eines  Mansua 
in  Schwanheira  seitens  des  im  erstgenannten  Orte  geborenen  Besitzers,  der 
auch  Vdalricua  heisst,  für  100  Talente  an  aeio  Kloster  samt  allen  daran  ge- 
knüpften Abmachungen p*)  Die  Zeugenschaft  der  genannten  Beiden  hierbei  rührt 
augenscheinlich  daher,  dasa  Schwanheim,  wie  Schenk  beibringt^),  ein  Vogtei- 
lehen des  Klosters  an  die  Herren  von  Eppenstein  war.  Dass  aber  nach  ihnea 
nur  Mitglieder  des  niederen  Adels:  „Cuno  de  Maoendale"  und  „Franco  et 
Hubertus  de  Birgestat**  aufgeführt  werden,  bot  dem  des  Sachverhaltes  unkundigen 
Herausgeber  der  Urkunde,  Joannia,  Anlaas,  die  beiden  ideteiner  Bruder,  wie 
Schenk  richtig  bemerkt,  im  Register  cbenlalls  dem  niederen  Adel  beizuzählen. 
Name  und  Ortsangabe  aber  bezeichnen  sie  uns  unverkennbar  als  Söhne  Udal- 
richs  I,  wie  als  Grafen.  Wir  nennen  doshalb  den  ersten  und  also  wohl  al- 
teren von  ihnen  Udalrich  H,,  sehen  uns  aber  genötigt,  der  seitherigen  Annahme 
entgegen,  beide  Brüder  als  Zeitgenoasen  Trutwin's  HI,  und  Tuto's  IV.  aufzu- 
fassen und  darum  nur  dieses  eine  Mal  Zeugnis  von  ihrem  Vorhandensein  ab* 
legen  zu  lassen-  Denn  unsern  Udalrich  II.  mit  dem  bisher  so  genannten  als 
eine  Person  zu  nehmen,  würde  soviel  sein,  als  den  letzteren  zum  Überleber 
zweier  lauren bürg' sehen  Geschlechter  zu  machen  und  ihn  von  einem  Vater 
Udalricli  L  abstammen  zu  lassea,  der  bei  seinem  ersten  Auftreten  im  Jahre  1052 
schon  ein  gereifter  Mann  sein  musste. 

Wir  gestatteo  uns  deshalb,  den  bisherigen  y,Udalrich  H."  als  Sohn  unseres 
Udalrich  H.  vom  Jahre  1102  anzusehen  und  ihn  Udalrich  HI.  zu  nennen. 
Dieser  Name  ist  mit  einem  Berichte  aus  dem  Jahre  1114  verknüpft,  den  wir 
der  Zeit  entsprechend  zunächst  einer  erneuten  Prüfung  zu  unterwerfen  haben, 
so  bekannt  er  auch  aus  Vogel's*^)  undSchliephake's^)  Darstellung,  um  Früherer 
nicht  zu  gedenken,    ist.     Brower®)   erzählt   nach   einem   ihm   zu  Geaichte  ge- 


*)  AiiDalcn  3,  3,  117*  —  •)  tJnd  doch  kunnte  er  die  Urkutide  naoli  Befl«Ur*  871,  — 
")  Mitteil,  des  Hanauer  Bezirkerer.  6,  24.  —  *)  Joannis,  Ren  mog.  2,  805.  —  ")  YenniitUcli 
gestutzt  auf  Yogel,  Besohr.  871.  —  ")  Besohr.  204,  —  ^)  1,  139.  —  «)  AnnaL  trm.  2»  12». 
Der  bequemeren  Nachprüfung  unserer  Darstellung  wegen  seteen  wir  den  voUen  Wortlaut  des 
Briefes  hierher:  ^Udalricma,  coroitis  üdalrici  cliens  militariSj  proTinciam,  quam  Toeamtü  Haanam^ 
conjuratis  plerisque  asäumptiaf  inrasit  liostiliter,  et  incolas  alios  membris  foede  truncarit^  alios 
morte  aßecit.  Ät  Uli,  iit  sunt  efferi  et  iminanea,  cum  dato  signo  concurrunt  undique  ad  auorum 
necem  injuriaeque  vindicatidafli  usque  ad  fluTium  nostrum  Loganam  fitgientem  hoBtcm  inBceutL 
»unt.  Quare  dirupti»  et  eursu  fesais  jumentia,  cum  onnttere  fugam  cogitur  UdalrieuB,  plerique 
abjectis  arinia  pedites,  ailva  eos  tegeute,  perioulum  fuga  deelinarunt  j  caeteri  in  Ecelesiam  liane, 
telut  ad  asylum  confugientea,  dum  altaria  certatim  amplectuiitur,  geiii  illa  effrems  in  ipaum 
manaiitenuni^  pateraetis  vi  elaustn»,  irrunipons^  nonnullo^j  in  Ecdesiae  Binii  eaptos,  eorreptos- 
que  ad  pocnam,  nefarie  atrarit  et  occidit.  Quamohrem  hanc  inatani  Baailißae,  et  8.  Oeorgio 
Domino  8uo  rim  atque  injuriam,  ut  cordi  habere,  et  quanam  poena  pleeti  violentoa  ooiireiiiat, 
dispieere  Bruno  velit,  eomiuiiiiiter  rogant  et  obtestantur** 


kommeoen  Schreiben  der  Kanoniker  des  S.  Georgsstiftes  in  Limburg  an  dei 
Erzbischof  Bruno  in  Trier  vom  Jahre  1114,  dass  ein  KriegsTasall  de«  Grafen 
Udalrieh»  selber  des  Namens  Udalrieh,  mit  einem  Haufen  von  Dienstgenossen 
in  das  Gebiet  von  Habn  eingebrochen  sei  und  Einwohner  desselbeu  teils  griai*  r 
lieh  yerstümmelt,  teils  getötet  habe.  Die  übrigen  hätten  sich  hierauf,  roh  und 
grausam,  wie  sie  seien,  auf  ein  gegebenes  Zeichen  zusammengerottet,  am 
Mord  uud  die  ünthat  an  den  Ihrigen  zn  rächen,  und  den  fliehenden  Feind  bii 
nach  Limburg  verfolgt,  wo  der  Rest  von  ihm  im  Georgskloster  Schutz  gesuch 
hätte,  nachdem  die  andern  unter  Zurücklassung  der  zersprengten  und  ermüdeten 
Zugtiere  zu  Fusse  im  Walde  Zuflucht  gefunden  hatten.  Hier  hätten  die  Ver^ 
folger  die  Tbüren  erbrochen  und  in  der  Kirche  ein  Blutbad  angeriebteL  Di( 
Schreiber  des  Briefes  bäten  deshalb  darum,  dass  Bruno  die  der  Kirche  und  ihrem 
Herrn,  dem  h,  Georg,  zugefügte  Gewaltthat  zu  Herzen  nehmen  und  ausfindig 
machen  wolle^  wie  die  Gewaltthätigen  zu  strafen  seien. 

Dass  die  hierbei  genannte  „provincia  Haana*'  nicht  der  Einrieb  sein  kSnoei 
wie  Brower  und  mit  ihm  Gebhardi  annahmen,  indem  sie  Einrieb  zu  nainricii 
oder  HAnrich  umdeuteten,  hat  schon  Kremer  nachgewiesen.*)    Doch  irrt  auch 
er,  wenn  er,  verfuhrt  von  dem  Ausdruck  ,,provincia^,  auf  die  «Saynischen  Lande^ 
rät,   weil  «in  dieser  Gegend  noch  jetzt  mehrere  Orte  in  ihren  Namen  das  An 
denken  dieser  Provinz  behalten:    Hayn  oder  Hahn,    Langenhahn,   Rotzenhahn. 
Hellenhahn,  Zinnhahn« *^    Yogel,  dem  sich  Schliephake  nach  Gewohnheit  an* 
schliesst,  hat  diese  Deutung  benutzt,  aber,  obwohl  richtiger  „provincia*  in 
seit  Tertullian')  gangbaren  Bedeutung  von  G^end  fassend,  ebenso  willkürlich 
auf  die  Gegend  von  Hoen,  das  ehemals  Hana  geheissen  habe,  beschränkt,^)  Wäh< 
rend  er  alsdann  textgemäss  den  Zug  des  Dienstmannes  Udalrieh  deutete,  lieas  erl 
sich  später  verleiten,  einen  Kriegszug  zur  Geltendmachung  von  Erbansprücheo 
seines  Grafen  an   das   dietzische  Gebiet   zu   vermuten.     Nicht   nur   aber, 
der  Bericht  hiervon  keine  Silbe  meldet,  so  laast  dieser  schon  seinem  Wortlaut 
nach  gar  keinen  andern  als  einen  barbarischen  Mordzug  zu,  da  nur  von  Ter* 
itfinmeln   und  Toten  der  Überfallenen  die  Rede  ist.     Wir  denken,    die  Saehe 
Uegt  sol  Brower  berichtet  vor  Erzählung  dieses  Frevels,  dass  Kaiser  HeinrichV^ 
Itaeil  seiner  Vermählung   mit  Mathilde,   der  Tochter   des   Königs  Heinrich    van 
EiiiglaDd,  um  Epiphanias  1114  in  Mainz,  sich  zur  Belagerung  des  anCstfindisobco 
Köln  angemacht  habe.     Da  die  Hoffnung  auf  Einnahme  trog^   so  wandte  mdh 
der  Kriegssom,  mit  Brower  zu  reden,  auf  Verwüstung,  oder  vielmcV-    -''  die 
gAüsales  Cokmienses*^)   besser  wissen,    die  Kolner  verheeren   die    k  hm 

BfattzoBgen  am  Bhda,  namentlich  Andernach  und  Sinzig,  im  Attgust  und 
tooib^r«    Und  als  es  darnach  im  Oktober  zur  Schlacht  zwischen  den  K   * 

qikI  KSlMra  bei  Andernach  kommt^  werden  die  aus  Sachsen,  Franken,  A..: nea, 

Baieni  a^nd  Borgiifidern  bestehenden  Ersteren  aufs  Haupt  geschlagen«    Wie  mia<, 
wmfl  an  diasem  Zuge  auch   der  Heerhaufe  des  Grafen  Udalrieh,  den  wir  Im 


^>  OrCf.  Han*  1,  315.   --  ")  de  snims  c,  43,  hn   Du  CsDg»-Hesie1iel  S%  4IU^.  —  | 
I,  I,   ICD  f^  Bssolir.  294.  -  •)  Moiu  Oerts,   i7,  T4$  f,;  Tgi  0«ert,  MRtviribm. 
I,  4«5,  Mr.  leri. 


61 


I 


dieder  Gelegenheit  als  Gaugrafeo  />u  denken  hatteD,  beteiligt  gewesen  wäre 
und  eine  unter  Führung  des  gleichnamigen  Lehensmannes^)  stehende  Abteilung 
auf  dem  Rückwege  das  an  der  alten  Strasse  zwischen  Köln-Ltmburg-Frankfurt 
Hegende  Dorf  Hahn  im  Amte  Walmerod,  mit  seiner  Umgebung  das  hahnisehe 
Gebiet,  die  ^provincia  Uaana'^')  von  den  Briefschreibern  gefaeissen,  zur  Ahndung 
wegen  etwa  auf  dem  Ilio^ug  verübter  Gewaltthaten  oder  aus  altem  Nachbarhasse, 
wie  wir  gleich  begründen  werden,  oder  aus  einem  noch  viel  triftigeren  Grunde, 
den  wir  später  nennen  wollen,  überfallen  habe?  Es  entspräche  das  dem,  dass 
der  Bericht  nur  von  Verstümmeln  und  Morden,  nicht  von  Bauben  erzählt  und 
gleichwohl,  wie  das  die  bei  der  Flucht  erwähnten  Zugtiere  klar  machen,  Fuhr- 
werke dabei  sein  lässt,  die  demnach  nur  das  Heergeräte  zu  fuhren  bestimmt 
waren,')  Überdies  ist  der  im  Anfange  des  Berichtes  gebrauchte  Ausdruck  „con- 
juratis  plerisque  assuraptis**  nicht  von  Mitverschworenen  zu  verstehen,  die  üdal- 
rich  für  seinen  Mordzweck  hinzugenommen  hätte,  denn  ^conjurare**  im  mittel- 
lateinischeu  Sinne  bedeutet:  zur  Vasallen-  oder  Hörigenpflicht  rufen.*)  Die 
„conjurati^  hier  sind  also  in  Pflicht  genommene  Dienstmannen  des  Grafen  Udal- 
rieh.  Besehen  wir  uns  dabei  den  Vasallen  Udalrich  genauer,  so  haben  wir 
wohl  in  ihm  denselben  Mann  zu  entdecken,  bei  dessen  Qüterverkauf  an  das 
Kloster  8.  Jakob  „Vdalricus  et  Cunradus  frater  eins  de  Etichen stein'*  erste  Zeu- 
gen nach  dem  Stadtpräfecten  waren,  und  die  nach  ihnen  verzeichneten  „Cuno  de 
Manendale^  und  „Franco  et  Hubertus  de  Birgestaf*  Uire  idsteinischeu  Burg- 
männer sein  werden.  Nun  wird  der  Vasall  „Vdalricus*,  der  damals  (1102)  noch 
ein  junger  Mann  gewesen  sein  muss,  da  er  nach  der  Urkunde  gegebenen  Falles 
eine  Hörige  des  Klosters  heiraten  soll,  als  ein  „de  vico,  qui  Roth  nuncupatus, 
oriundus**  genannt.  Da  sich  in  der  Nähe  Schwanheims,  in  dem  Udalricus  4 
Mausen  vorkauft,  kein  Dorf  dieses  Namens  befindet,  der  Verkauf  in  eraterem 
yielmehr  als  ein  besonderes  Geschäft  bezeichnet  wird,  bei  dem  neben  dem  Stadt- 
präfecten Gerhard  nur  der  Vetter  üdalrich's,  Almar,  zugegen  war,  so  dürfte 
au  Roth  in  der  Nähe  Hahnes  zu  denken  sein,  und  dann  wäre  wohl  der  Nacli- 
barhass,  von  dem  wir  vorhin  als  einer  möglichen  Ursache  zum  Überfall  Hahns 
redeten p  in  genügendes  Licht  gesetzt,  ebenso  wie  die  Grausamkeit  auch  dieses 

1)  Der  Ausdruck  ,^CUeDB  militaris'^  begegnet  nur  hier.  Soost  bedeutet  clieM  allein  schon 
armiger,  dann  aber  auch  vasallug,  Du  Cange-Henschel  2,  397*.  Beides  wird  also  den 
Kriegs  Vasallen  oder  Lehensmann  bezeichnen,  und  es  wird  hier  in  Betracht  kommet}^  was 
Waiti,  VerraasxmgBgesoh.  3.  232  bemerkt:  „Es  ist  nicht  zu  Kweifeln,  dass  die  Vornehmen  des 
Reichs  sich  gerne,  wie  mit  unfreien  Dienern,  die  bewaffnet  waren»  so  auch  mit  Vasallen  um* 
gaben,  welche  ihnen  Schutz  und  Hilfe  bei  Terschiedcnen  Vorkommnissen  gewährten.*^  —  ^  Ist 
das  Wort  richtig  gelesen  von  Brower,  so  ist  seine  ungewöhnliche  Form  bemerkenswert. 
Das  12,  Jahrhundert  kennt  noc]i  keine  Dehnung  durch  aa;  aa  ist  ihm  Zusammeneiehung  aus 
aha,  wie  liaal,  Kesselhaken  aus  hahal^  Qraff  4,  772.  Hier  dagegen  mQsste  eine  Zusammen- 
ziehung aus  aga,  da  der  Käme  vom  ahd.  hagan  kommt,  stattfinden.  —  ^)  Dass  unter  den 
^utnenHs**  zunächst  Zugtiere  zu  rerstehen  sind,  beweist  der  erste  Beisatz  ^diruptis'^.  Auf  der 
wilden  Flucht  Bind  die  Gespanne  zersprengt  worden;  „fessis*^  bezieht  sich  dann  Yorzugsweise 
luif  die  unter  den  ^jumentis'^  mitbegriffenen  Rosse  der  Reisigen,  die  dadurch  gezwungen  wer* 
den,  nach  Abwerfung  ihrer  schweren  Waffen  als  „peditea*^  im  Walde  ihre  Zuflucht  zu  suchen, 
wfihrend  die  Übrigen  leicht  bewaffneten  Fussgänger  sich  nach  Limburg  HOohten.  —  ^j  Du 
Uange-Henschel  2,  540*. 


53 


Westerwilders ;  ^efferi  et  immaDes''  nennt  sie  ja  der  Bericht.  Und  dodi  id 
diese  Grausamkeit  auch  dann  noch  so  ungeheuerlichj  dass  wir  die  TermutiiQg 
nicht  2U  UDterdruckea  vermögen,  hier  habe  vielmehr  die  Rache  für  Trutwia'» 
Mord  ihr  spätes  blutiges  Qericht  gehalten.  Oder  Hegt  es  so  fern  ab,  anziuielimeii, 
da^  der  Morder  entflohen  war,  in  dem  entfernten  Hahn  einen  langjahrigeii 
Versteck  gefunden  hatte,  dann  endlich  ausgekundschaftet  worden  war,  tiod  d«r 
wilde  Ftückzug  nach  der  verlorenen  Schlacht,  der  die  Mordbegier  nur  geaie^gerl 
hatte,  die  heissbegehrte  Gelegenheit  bot,  ihn  auf  fremdem  Boden  niederzuatosMa 
oder  vielmehr  ihm  den  Rücken  zu  brechen^)  und  seine  Helfershelfer  mitbiiaseB 
zu  lassen?  Den  limburger  Beschwerdefuhrero  konnte  das  ja  nicht  bekanjit 
sein.  Aber  dem  Grafen  Udalrich  war  es  ohne  Zweifel  nicht  verborgen  luid 
geschah  auf  seinen  geheimen  Befehl,  als  des  einzig  noch  übrigen  mundifea 
Blutrachers,  der  nun  durch  einen  Knecht  eine  Enechteathat  ahnden  l«8tea 
konnte,  wo  ihm  selber  Blutrichter  zu  sein  versagt  war. 

Dass  der  Graf  darnach  als  wirkliches  Haupt  des  konigsgauer  Haiisoi 
auftritt,  glauben  wir  aus  seinem  Namen  unter  den  mehr  als  dreissig  Zeugen 
der  Oeiatlichkeitt  des  hohen  Adels  und  der  mainzer  Dienstmaonen  auf  dem 
Freiheitsbrief  vom  Jahre  1118  schliesaen  zu  müssen,  den  Erzbischof  Adelbeft 
zum  Dank  für  seine  Befreiung  ausstellte.^  Er  ist  dort  als  ^Ydalricus  dt 
Edichenstein  ^  verzeichnet.  An  seiner  Stelle  aber  sind  bei  der  Bestätigung  Aimm 
Briefes  1135  seine  Vettern  „Arnoldus  comes  et  frater  eius  Rutbertus  de  Luren- 
bure.*^  Nur  noch  einmal  sodann  bekundet  er  uns  sein  Dasein  als  Zeuge  und 
nun  unter  dem  Namen  .IMalricus  de  Eppenstein^  bei  der  Gelegenheit,  wo 
Encbiachof  Adelbert  der  Abtei  S,  Jakob  1122  den  Besitz  der  Parochialkirehe  in 
Geusini  (Ginsheim)  bestätigt.^)  In  dieselbe  Zeit  aber  müsste  die  angebliche  Scheok- 
ung  lidalrichs  an  Adelbert  oder  das  Martinsstift  in  Mainz  fallen,  die  unter  den  dem 
Erzbischofe  wahrend  seiner  Regieruogszeit  gemachten  auderweiten  Zuwendungen 
an  letzter  Stelle  mit  den  Worten  angeführt  zu  werden  pflegt:  ^Caatnim  Dingen* 
burc,  munitionem  Oberoldeshusen  cum  prediis  suis:  Castra  duo^  Elhecbenatein 
et  Eppenstein,  que  comes  Ydalricus  dedit  cum  universis  predtts  suis  et  miitii- 
terialibus  suis,  sicut  probatur  per  quoddam  Privil^ium  Ecclesie  Sti  Jaeobi^  qood 
habest  super  quibusdam  bonis  in  Rudensheim.*^ 

Diese  Aufzeichnung  hat  ihren  seitherigen  Auslegern  viel  Mühe  g^maeliif 
doch  nur  in  Bezug  auf  die  zwei  ersten  in  ihr  namhaft  gemachten  Orte,  Ein 
^Dingenburc*  kennt  niemand*  Vogel  hat  daher  zu  Gunsten  seiner  Annahm? 
von  der  Bedeutung  des  oben  geschilderten  Einfalls  in  das  bahnbehe  Gebiet 
es  in  den  Resten  einer  Burj^  ^innerhalb  der  Grenzen  des  alten  Gerichte«  H« 


4 


*)  Dm  war  wesigstens  im  Mordes   und   im   friesischen  Rechte  des  Mm^laiM^re  dia 
rklrtlieh«  8tr&fe  für  den  Mord,    rgl  Sehr  öder,  Lehrb.  72.     Daher  das  plUot  neo 
Iraaeatit*  dteBmchteiiy  weil  es  ikh  irictieicht  nicht  blou  um  einen  lleuehelm^rder  handrttaf 

-  >>  Ottdenii»,  Cu<l.  dipL  I,  116  ff.;  Will«  KegMt  1,  Ul,  Hr.  U.  —  *)  Oiidenii«  t,  ISa 

—  «J  WOrdtwein,  Dioee,  mo^.  I,  477,  —  •)  Giidenn«  1,  ml  t%  Will,  RofMt  1,  atm 
Hr.  801 ;  Roth,  Fonlei  rer.  oaM.  1,  h&L   Dmo  Roth,  Ge^h.  d.  SladI  Wl^k  U  aal  ümil 

Stelle  davon  reden  kaa%  da»  0dAlneh  di«  Buripeii  Eppetein  «ad  Ideiefo  fü» 
9m  Leliiti  gv'trftf«»  habe,  bt  —  telueoi. 


«i 


idUBL 


63 


» 


zwischeo  Seck  und  Uelleoham^  suchen  zu  sollen  gemeint  und  findig  die  Ding- 
stitte des  nahen  StuhlliDdengeritihts  bei  Winden  als  Namensursaehe  der  Burg 
deuten  wollen.  Die  „munitio  Oberoldeshusen"  dagegen  »uchte  er  als  „bcfeatigten 
Burgsitz"  in  der  Nähe  von  Niedernhausen,  weil  sich  dort  eine  „alte  Burgachale* 
finde,  die  in  der  Sage  der  Umgegend  als  ^erste  und  eigentliche  Stammburg 
der  Herren  von  Eppstein*  gelte  und  später  Oberhausen  geheisseu  habe,*) 
Schliephake  bat  diese  Vermutungen  warm,  aber  nach  seiner  Art  vorsichtig 
unterstützt ^f  ohne  zu  bemerken,  dass,  wenn  Bchou  die  Herleitung  von  , Dingen- 
bitfO^  aus  ding  eine  sprachliche  Unmöglichkeit  ist^  die  höchstens  durcli  Zuhilfe- 
nahme des  Zeitworts  dingen  =  Recht  sprechen  einigermassen  gehalten  werden 
könnte,  die«  in  erhöhtem  Masse  für  die  angenommene  Gleichung  Oberhausen: 
Oberoldesbusen  gilt.  Schenk  von  Sohweinsberg  sucht  deshalb  den  sehr  an- 
sprechenden Ausweg,  dass  „Dingenburc*  Verschreibung  für  Clingenberg  a.  M. 
8ei;  da  sich  cl  leicht  verwechseln  lasse  mit  d,  wie  dies  nachweislich  in  einer 
würtemberger  Urkunde  von  1230  bei  demselben  Worte  geschehen  ist.  Auch 
sei  Klingenberg  ein  mainzisches  Lehen  gewesen.^)  Desgleichen  hatte  er  schon 
früher  die  ,munitio  Oberoldeshusen"  in  Obertshansen  im  sog.  Kodgau  entdecken 
wollen,  da  dort  uicht  bloss  die  geräumige  „Trümmeratätte  einer  Burg*^  gefunden 
worden,  sondern  auch  bei  Oberoldesbusen  eppsteiniBcher  Besitz  seit  1278  ur- 
kundlich nachgewiesen  sei.*)  Indes,  so  bestechend  da«  auch  für  den  ersten 
Augenblick  klingt,  ^ Oberoldesbusen*'  kann  sprachlich  nie  zu  Obertshausen 
werden.  Das  letztere  ist  nur  das  von  ihm  als  Abbrach tshusen,  Obratshuain 
und  Abrachtishusen  1329,  1348  und  1371  nachgewiesene  Dorf,  das  mit  dem 
Personennamen  Audoberath,  Odebrecht,  Audebert,  Otbert,  Othbraht,  Otperaht, 
Obert,  Opert,  nhd.  Obert,  Odebrecht,  Oppert  gebildet  wurde*),  während  Ober- 
oldesbusen von  dem  «einzig  mit  der  Praeposition  ubar  zusammengesetzten  Per- 
sonennamen** Oberolt  stammt,®)  Schenk's  Gewährsmänner  Scriba  und  Wörner 
haben  beide  Namen  schon  in  ungerechtfertigter  Weise  zusammengeworfen,  in- 
dem sie  zu  Oppershofen  sogar  Oppoldeshusen  stellen,  während  das  mit  dem  letz- 
teren gleichnamige  Oppoldeshusen  in  der  Herrschaft  Itter,  das  deutlich  ein  zu- 
sammengezogenes Oberoldesbusen  ist,  allein  steht,^) 

Sehen  wir  aber  nun  genauer  zu,  welchem  Zweck  zu  Liebe  dieser  Aufwand 
Ton  Scharfsinn  und  Gelehrsamkeit  getrieben  worden  ist,  so  kommen  wir  zu  der 
wehmütig  nüchternen  Erkenntnis,  dass  derselbe  ein  von  Grund  aus  verfehlter 
genannt  werden  muss  und  nur  der  verkehrten  Druckweise  Guden^s  oder  der 
verkehrten  Zusammenschreibung  seiner  Vorlage  ein  unseliges  Dasein  verdankt. 
Die  Worte  „Castrum  Dingeoburc,  munitionem  Oberoldesbusen  cum  prediis  suis**, 
die  Guden  dem  Udalrich  betreffenden  Absatz  des  Schriftstücks  zugewiesen 
hat,  gehören  in  Wahrheit  dem  vorangegangenen  an,  dessen  Wortlaut  mithin 
dieser  war:  „Ministeriales  omnes,  quos  Comes  Adelbertua  in  montanis  circa 
Nuenkirchen  habuit,  Filia  et  Vir  suus  Marchio  Conradus  Sto  Martine  et  Archie- 
piseopo  cum  cetera  familia  dederunt.     Castrum  Dingenburc,  munitiouem  Ober- 


*)  Besohr.  233,  295.  —  ')  1,  142  ff.  —  ^)  Mitteil,  des  haoauer  BöÄirksver.  5«  12;  Roth, 
Gesch.  d.  Stadt  Wie»b.  13.  —   *)  Korrespondenzbh   dos  Oesamtver,   der  deutsch.  Oesch,'«  u, 
^AltertumBTor,  1874,  Xr  9,  8.  69.  —  *)  Försteniann  I,   \m  f.  —  "^  Ebeadu  I,  969  u.  1267. 
')  Kegoflten  der  Provinz  Starkenburg.    Darmst,  1B47.    273. 


tm 


54 


oldeshuaen  cum  prediis  suJs.^  Sie  bilden  dort  denselbea  unvermittelten  Nachtriigf 
wie  in  dem  Absatz  vorher  die  ebenso  durch  einen  vorangesetzten  Punkt  alleiii 
gestellten  Worte  ^Munitionem  Altenheim  cum  prediis  suis**,  die  gleichwohl  von 
einem  dicht  vor  dem  Punkte  stehenden  ^dedit"  abhängen.  Es  entspricht  die« 
auch  ganz  genau  dem  Sinne  der  Stelle.  Der  in  ihr  genannte  Graf  Adelbert 
ist  unstreitig  ein  Graf  dieses  Namens  von  Calw,  dessen  Yater  schoo  unter 
Heinrich  IV,  sich  des  Klosters  Lorsch  als  Schütacer  gegen  den  Erzbischof  Adelbert 
von  Bremen  annahm,  und  der  selber  als  Vogt  des  Klosters  bezeiclmet  werdec 
muss,  da  es  sein  Sohn  Gottfrid  sicher  war.^)  Markgraf  Konrad  dagegen  dürfte 
nach  Guden  ein  Zähringor  sein,  der  1145  als  Vater  Otto*8  genannt  wird**) 
Das  in  der  Stelle  aber  genannte  Nuenkirchen,  das  heutige  Neunkirehen,  beinafat 
auf  dem  Gipfel  der  2364^  hohen  neunkircher  Hohe^),  liegt  nur  2  '/s  Stunden  vom 
Kloster  Lorsch,  also  unfehlbar  in  dessen  Bannkreis,  wenn  es  auch  nicht  namentUcli 
darin  aufgeführt  wird  bei  Dahl,  Die  rätselhafte  ^Dingenburc*  entpuppt  sich 
also  einfach  als  das  heutige  Zwingen  berg,  27»  Stunden  von  Neunkiroben  an 
der  Bergstrasse  gelegen  und  ebenfalls  Lorsch  ehedem  asugehörig.  Die  Ursprünge 
liehe  Form  des  Namens  ist  Twingenburg^);  und  wie  das  mhd«  twiogen  mit 
dwingen  wechselweise  erscheint^),  so  konnte  ebensogut  Dwingenburc  geschrieben 
werden.  Der  Schreiber  unserer  Stelle  hat  also  ein  w  oder  u  vergessen  oder 
übersehen.  Hierdurch  wird  dann  auch  die  Vermutung  Wenck's  hinfällig,  dass 
die  Burg  Zwingenberg  unter  dem  Grafen  Diether  lU.  von  Eatzenelnbogen  im 
13.  Jahrhundert  angelegt  sein  möchte.*')  Aber  freilich  wird  die  Burg  erst  1312 
mainzisches  Lehen'O)  während  sie  es  nach  unserer  Urkunde  schon  vor  1127 
sein  sollte.  Doch  kann  uns  das  nicht  stören,  da  ein  Beaitzwechsel  im  Laufe 
des  Jahrhunderts  nicht  ausgeschlossen,  oder  aber  auch  hier  geschehen  ist,  was 
wir  alsbald  von  Idstein  und  Eppstein  zu  berichten  haben»  Was  endlicli  die 
(^munitiu  Oberoldeshusen*  betrifft,  so  muss  bedauert  werden,  dass  man  settbor 
«munitio'^  nie  anders  als  in  der  Bedeutung  Feste  gefasst  hat,  während  doch 
seine  Stellung  neben  „castrum*^  darauf  führen  musste,  das  Wort  in  seiner  mittel* 
alter  liehen  Bedeutung  zu  verstehen,  in  der  es  redditus,  fructus  beisst,  ako  mir 
die  Einkünfte  von  Oberoldeshusen  bezeichnet.^)  Ob  aber  Oberoldeahuseii  im 
von  Schenk  in  der  Nähe  von  Seligenstadt  festgestellte  ist,  kann  mit  oqc 
dermaligen  urkundlichen  Mitteln  nicht  bewährt  werden. 

Kommen    wir  demnach  zu  dem  uns  allein  angehenden  Iteste  dos  uns  bb 
dabin  beschäftigenden  Urkundenabschnittes.     Er  bestätigt  als  wirklicheii  Beski 


I 


I 


M  Cod.  iHVLT.  2,  183,  Kr.  189 1  Dalil,  Hist.  topogr.  etat  G^soh,  des  FürtlenUmn«  ] 
DarmBt  1S12.  BS,  U2  t,  145;  StSlin,  Wirtemb.  Gesch.  2,  370.  ~  *)  Cod.  dipl.  l,  ITl.  WmT 
Stalin  2,  203  sagt:  ^In  boiden  Bohr  entfernten  Oegendeii  der  geiianai^o  Gaoe  Dffgiit  ^il 
Mningau  treffen  wir  im  Anfang  de«  12.  Jahrhundertfi  die  Murkgrafon  ron  Boden  begütert,  wmi 
dicdos  Bohwerlich  lufllÜge  Zunanimentrcffen  erklärt  sich  am  leichtesten,  wenn  wir  hier  to  den 
Markgrafen  vt»n  Baden  die  Re<tKt«rjachf olger  der  Grafen  von  CaH  annehmen**,  so  dürft«  Wer 
in  dem  Markgrafen  Konrad,  den  8  tili  im  nicht  kenotf  der  Ptiokt  den  Zusammen«chliiai)«a  gv 
geben  »ein«  —  *i  Wagner,  Stat,  topegr.  Bettchr«  dee  Gruftah.  HeBaeu,    Darm»t.  1S39.    I.  tC 

—  *)  Soriba»  Regoaten  I,  24S.  -  ^)  ^tehe  Lexer  2,  1S02.  —  ^}  Heus,  Landeegetck 

—  ^)  Oydenu«,  Cod,  dipl.  3,  72.  -  "i  Du  Cange^Henich'-'  f   'T'^ 


6& 


I 


Üdalrich's  Idstein  und  Eppensteio,  aber,  wenu  wir  auch  hier  genauer  prüfen, 
nur  diesen.  Denn  Idstein  ist  niemals,  soweit  wir  das  urkundlich  verfolgen  können, 
in  muinxiöche  Hände  übergegangen.  Eppstein  aber  konnte  gar  nicht  vom  Grafen 
Udalrich  verschenkt  werden,  da  es  Reichslehen  war.  Nach  einer  Urkunde  vom 
;iO.  Mai  1124  schenkt  erst  Kaiser  Heinrich  V,  auf  Bitten  seiner  Oemahliri 
Mathilde  und  des  Erzbischofs  Ädelbert  die  Hälfte  der  Burg  an  Mainz.*)  Die 
andere  Hälfte  aber  blieb  Reichelehen,  selbst  als  sie  an  Hessen  veräussert  w^orden 
war.*)  Und  w^enn  es  auch  im  eppsteiuischen  Lehensbuch  des  13.  Jahrhunderts 
heisat:    ^Item  vom   bysthum  zcu  Mencze  die  borg  zcu  Eppenstein*^,   so  kann 

»sich  das  nur  auf  die  mainzische  Hälfte  beliehen.     Hat   man  doch  auch  bisher 
übersehen^   dass   dem  Schreiber   von    dieser   Schenkung   kein   Schenkungsbrief 
vorlag,  sondern  dass  er  seine  Nachricht    nur  einem  „Privilegium"  des  Jakobs- 
klosters über  dessen  Güter  in  Rüdesheira  entnahm.    In  diesem  Schriftstück  kann 
aber  eine  solche  Schenkung  selbstverständlich  nicht  an  sich  enthaltou  gewesen 
^aein,  sondern  höchstens  in  einer  Neben-  oder  Randbemerkung  vorkommen,  die 
iB^ermutlioh  nähere  Erläuterung  über  den  Schenker  der  rüdesheimer  Güter  gab. 
^Wenn  wir  nun  lesen,  dass  unter  dem  Abte  Burchard  (1108^1119)  das  Kloster 
gewisse   Weinberge   (^vineas    quasdam")    in    Rüdesheim   erhalten   habe*),    und 
wenn   wir   uns   dabei   erinnern,   dass    oben   bei    der  Schenkung   der  Kirche  in 
Ginsheim  an  dasselbe  Jakobakloster  in  Mainz  Graf  Udalrich  Zeuge  war,  so  mag 
wohl   sein,   dass    dieser   der  Schenker  jener  Weinberge   war  und  ein  Späterer 
ihn  bei  dieser  Gelegenheit  am  Rande  auch  als  Schenker  von  Idstein  und  Epp- 

■  etein  bezeichnete,  wie  man  gerüchtsweise  annahm.     Es  mochte  dieses  Gerücht 
Hfieiner   Zeit   eine   wirkliche   Unterlage  gehabt   haben,    wie   bei  der  sogleich  zu 
^besprechenden  Schenkung  von  Bierstadt.    Wir  bleiben  also  dabei,  dass  das  Ver- 
zeichnis  der  Schenkungen   an   Mainz  uns   nur  Gewissheit   über  den  Besitz  Id- 
steins und  Eppsteins  in  der  Hand  des  Grafen  Udalrich  gibt. 

Wir  kommen  nun  zum  letzten  Schrifitzeugtiis,  in  dem  der  Name  dieses 
Grafen  noch  einmal  zum  Vorschein  kommt.  Erzbischof  Adelbert  hatte  sich 
1128  iniRückblick  auf  seine  stolze  Vergangenheit  —  auch  Schliophake^)  spricht 

■  vom  „starken  Selbstgefühle*^  Adelberts  —  veranlasst  gefunden,  eine  Dankheka- 
Piombe   zu   opfern.     Er  that  dies  in  Gestalt   einer  umfänglichen  Zuwendung  an 

seine  ^fratres  8.  Martini  de  Domo.**    Das  erste,  was  er  diesen  zu  eigen  verbrieft, 

ist,  um  mit  seinen  Worten   zu  reden:  „curia  in  Birgestadt,  qui  fnit   Comitis 

Ydalrici  cognati  mei  et  uxoris  sue  Mattildis  etiam  cognate  mee,  et  quam  ipsemet 

^prius   voto    tradidit    S,  Martine;    ipsa   autem   post  mortem   eiusdem  mariti  sui, 

Beicut  uxor  fidissima  et  devotissima,  quod  ipse  minus  fecit,  nostro  rogatu  et  per- 

^»ugau,  eoram  multis  astantibus  et  idoneis  testibus  sollemniter  adimplevit."*)   Hier- 

atiB   geht   doch   wohl  vor  allem   als  Bestätigung  unserer  vorangegangenen  Be- 

hMptung   zur  Genüge   hervor,    dass  Graf  Udalrich    nicht   der  grosse  Schenker 

Ton  Idstein   und  Eppstein  gewesen  sein  konnte,  da  er  hier  ein  so  kleines  Lob 

als  einer  empfängt,  der  noch  nicht  einmal  seinem  Gelübde  in  Betreff  Bieretadts 


*)  Siiuor  1,  JOl,  Nr,  172.  —  ^)  Ledderliose,  Kl.  Sohrr.  3^  73  flf.  in  Mitteü.  4  bau* 
5,  13.  —  *)  Sauer  I,  132,  Anin.  2.  —  *)  Joantiis,  Rer.  mog.  2^  84.  —  *)  l,  139» 
♦)  Qadoaus,  Cod,  dipK  l,  76;  Siiuer  1,  104,  Nr.  176, 


66 

umdigekoiiiiiien  ad.  Und  aach  hier  bedurfte  es  erst  der  Bitte  und  Überredung 
des  ErzbischoCi  bei  der  Witwe.  Es  stdit  deshalb  zu  vermaten,  dass  Udahrich 
Grösseres  gelobt  hatte,  and  dass  dämm  Adelbert  das  wirklich  Emp&ngene,  so 
Tid  Kleinere  mit  schlecht  Terhehltem  Tadel  beschräiigte. 

Ist  aber  sodann  etwas  geeignet,  den  Znsammenhang  Udalrich's  mit  dem 
konigsganer  Hanse  zn  Terbürgen,  so  ist  es  eben  dies  Bierstadl.  Wir  haben 
frfiher  gesehen,  dass  nach  unserer  Richtigstellnng  Hatte  lY.  dort  zwei  Hnben 
mit  Hmgen  an  Bleidenstat  schenkt^),  und  dass  dies  Tnto  L  so  Tiel  später 
mit  einem  Obstgarten  und  einer  halben  Habe  wiederholt.  *)  Ans  diesem  Grande 
sdien  wir  ohne  Zweifel  aach  anter  der  ganzen  Urkunde  Addbert's  «Amoldus 
et  frater  eins  Rubertus  de  Lurenburgh'^,  von  denen  akbald  zu  reden  sein  wird, 
nach  «Emicho  Comes  de  Snddeburgh  et  frater  eins  Gerlachus'^  und  «Emidio 
Comes  de  Liningen'^,  tou  dem  noch  besonders  spater  zu  sprechen  ist,  als  Zeugen 
aa%efuhrt  und  in  diesem  Zusammenhang  gewinnt  es  erst  an  Bedeutung,  dass 
Adelbert  hier  Udalrich  seinen  «cognatus'^  nennt.  Er  ist  dies,  wie  wir  seiner 
Zeit  nachgewiesen  haben  durch  den  eben  genannten  Grafen  Ruprecht  von  Lauren- 
bnrg^,  demnach  als  ein  von  Haus  aus  Blutsverwanter  der  laurenburg'schen 
Brfider.  Diese  Blutsverwantschaft  wird  überdies  durch  einen  anmerkungsweise 
unserer  Urkunde  beig^ebenen  Eintrag  aus  dem  .über  animarum'^  des  Martins- 
stiftes, in  dem  es  zum  2.  April  heisst:  «Obiit  Ylricus  Comes  de  Nassawe  qui 
contulit  nobis  Tillam  Birgestadt'',  bestätigt^)  Natürlich  kann  das  erst  nach  dem 
Jahre  1169,  wo  die  Laurenburger  sich  nach  Nassau  zu  nennen  begannen, 
zugeschrieben  sein,  aber  es  stellt  ohne  Frage  das  sichere  Gedächtnis  des 
Stiftes  Ton  der  Abkunft  Udalrichs  dar.  Dass  aber  die  Brüder  von  Laurenburg 
allein  von  den  Yerwanten  —  wir  werden  hierzu  spater  einen  Nachtrag  zu 
machen  haben  —  Zeagen  sind,  berechtigt  zu  dem  Schlüsse,  dass  Udalrich, 
dessen  offenbar  zu  der  Zeit  auch  bereits  yerstorbene  Witwe  allein  genannt 
wird,  ohne  männliche  Erben  gestorben  war.  Setzen  wir  hinzu,  dass  Idstein 
▼on  nun  an  überhaupt  nicht  mehr  im  Zusammenhange  mit  Eppstein  vorkommt, 
so  haben  wir  es  schon  jetzt  unmittelbar  nach  dem  Tode  Udalrich's  in  den 
Händen  der  Laurenburger  zu  suchen,  zum  abermaligen  Zeugnis  dafür,  dass  es 
verwante  Hände  sind,  und  dass  Eppstein  Reichslehen  war,   das  mit  dem  Tode 

«)  8.  Anm.  6,  8.  15.  —  *)  8.  Anm.  1,  8.  22.  —  •)  Annal.  24,  149.  —  *)  Sauer  a.  a.  O. 
gibt  als  Marg^nalDotiz  der  Urkunde  selber  die  Worte :  ^Item  Ulricus  comes  dedit  villam  Birg- 
stad  ecelesie  Maguntine  et  obiit  III.  noD.  Aprilis.  Vide  Id  libro  preseDciarum  III.  dod.  Aprilis**. 
Es  geht  daraus  herror,  dass  das  MartiDSstift  neben  dem  Seelenbnch  noch  ein  solches  für  Ge- 
schenke (praesentiae)  besass.  Das  letztere  unterscheidet  sich  im  Wortlaute  Tom  ersteren  und 
zugleich  im  Tage.  Das  Seelenbuch  hat  ^IV  Non.  Aprilis*",  was  als  der  genaueren  Quelle  ent- 
stammend, das  Richtige  sein  wird,  wenn  es  auch  wegen  „de  Nassawe*"  ein  späterer  Eintrag 
ist,  d.  h.  aus  einem  umgeschriebenen  Seelcnbuch  stammt.  Aus  beiden  Eintragen  aber  scheint 
henrorzugehen,  was  wir  zur  nachträglichen  Bestätigung  unserer  im  Text  zuvor  gemachten  Be- 
hauptung wegen  der  Schenkung  von  Idstein  und  Eppstein  hinzusetzen  wollen,  dass  diese  nie- 
mals geschenkt  wurden,  da  ihrer  hier  nicht  gedacht  wird,  während  es  doch  in  jenem  grossen 
Schenkregister  des  Erzbischofs  heisst:  ^Hec  sunt  Allodia,  que  Dominus  Adelbertus  Venerabilis 
Moguntinus  Archiepiscopus  Deo  et  Sto  Martine  in  Maguntia  contulit.''  Wie  hätten  so 
bedeutende  Schenkungen  vergessen  werden  können  ^in  libro  presenciarum*",  das  mit  seinem 
Eintrag  augenscheinlich  alles  angibt,  was  Udalrich  jemals  dem  Martinsstitt  geschenkt  hat! 


S7 


^dtn  ohn«  mäonliGheo  Nachkomtnen  gebliebenen  Udalrich  in  andere  Hände 
IJibergiiig'),  zur  Hälfte^  wie  wir  bereit«  sahen^  an  Mainz,  zur  andern  Hälftci 
raie  die  spätere  Geschichte  zeigt,  an  die  Herren  von  Hanau,  um  von  da  ab 
Ider  Sitx  eines  den  Laurenburgern  fremden,  blossen  Herrengeschleehtes  zu  seiti« 
|ati  de^en  Geachichte  wir  deshalb  Torüber  zu  gehen  babeo.^ 

Man   hat   aeither^   nm   auch  das  nicht  ungesagt   zu  lassen,   die  Todeszeit 

\  Udalrich *8   nicht   bestimmen  zu  koonen  gemeint,   und  doch  stehen  zwei  sichere 

i  Allhaltspunkte  einer   solchen   Bestimmung    zu   Gebote.     Der   erste   ist  der  im 

kSeeienbuch  des  Martins:«tifte8  genannte  Todestag,  der  3.  April,  der  andere  das 

Datum  der  Belehnuog  des  Domstiftes  mit  Eppstein  am  30.  Mai  1124.     Sobald 

Udalrich  tot  war,  galt  es  für  den  schlau  berechnenden  Adelbert  der  erste  auf 

dem  Platze  zu  sein,   um   allen    zuTor  die  mächtige  Burg  des  Yerstorbenen  an 

[gewinnen.     Udalrich  ist  also  am  S.  April  1124  gestorben,  und  die  Yerzogeruiig 

Ider  BelehnuDg  bis  zum  30.  Mai  trotz  des  nahen  Datumsortes  Worms  möglicher- 

durch    die   Belagerung   dieser   Stadt  seitens   des   Kaisers   Heinrich   V.^ 

^yeraolasst  worden.   Denn  am  Schlüsse  der  Urkunde  heiast  es  nicht  nach  Gaden*a 

i irrigem  Abdruck:  ,data  ante  Wormatiam*,  sondern  wie  die  Urschrift  besagt: 

la   autem  Wormatiae*''*)     Dass   die  Schenkung   Bierstadt's    in  das  gleiche 

Iri  vielleicht  in  dieselbe  Zeit  gefallen  sein  muss,   und  nicht,  wie  man  bisher 

annahm,  in"«  Jahr  1128,   ergibt  sich  ron  selber  daraus,  dass  sie  zum  Seelen- 

gfNlaehtni^   des  Verstorbenen  geschah.     Mit   der  Gewinnung   der  reichen  Gabe 

hatte  Adelbert   wohl  um  so  leichteres  Spiel,  als  er  in  der  Urkunde  von  1128 


Malbitdis   „etiam  cognata  mea*^   nannte,  nur  dass   diese  Terwanfscbaft  leider 


ichl  nachzuweisen  ist,  wie  die  mit  Udalrich, 


III.    Ruprecht  I.  und  Arnold  L  von  Laurenburg. 

Als  Urknndenzeugen.    Klopfer  Schonan  und  seine  Übergabe  au  Mainz. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  (Jeschichte  des  Uauses  Laurenburg  zurück,  m 
haben   wir   uns   zunächst  mit   den  beiden  schon  genannten  Grafen  Ruprecht 
luod  Arnold   zu   beschäftigen,    die   wir  aus  der  ^schönauer  Überlieferung*  ab 
Sbne  des  gemordeten  Trutwin  lY.  kennen.^)     Als  erster  von  Beiden  b^^net 


')  Es  galt  hier  der  RechUgruii(UaU,   den  Sohr&der^  Lehrb.  397  f.   mh  den   Worten 
^Die  SuccessioQ  beschrSakte  sich,   wie  in  Italien,   auf  die  De«cead«8teii  aiu  don 
nsaflaninie,  umfadste  aber  nicht  wie  dort  die  gesamte  lehn^fahi^  KaehkoBiDOiiadiall  dea 
Erwerber«^  sondern  nnr  diejenige  des  letzten  Beaüsen»  sie  war  demnach  aiiMolilieMlich 
Bdentenftuccesmon  und  U eis  die  Aacendeoten  nnd  die  Settenrerirandten,  aelbsl  die  Brüder 
>sebt]gt>  —  ')  Der  Vertnch  Schenk^i   an  den  a.  Orten,   die  Anfinge   de«  Berren* 
deohte«  auf  Ivppstein   in  klareres  Licht  zu  setien,   m  jedenfallt  der   TerkeinaoftgiTeUele 
fallen  bi»hcr  Angestellten.     ITnaere   Beanstandnng   einzelner  »einer   Behaii|itinigeD   befÜft 
BD  Kern  «einer  Damtellung  nicht.    So  kann  e»   die«keiii   auch   nicht   schaden,  daas  wir  «eiaa 
tion  oppite mischen  Hau«ei   mit  dem  alten  grifljebea  in  Abrede  «teUen,  In« 
m  Idstein  kinderlos  slerbeo  latjon,  —  *)  Sohanoal,  Hitt  epiae.  Wormat. 
il  ^ehweinib.,  Hitteil.  d.  han.  Bexirkaver,  6,  24.  —  *)  AnnaL  34,  1^0. 


58 


uns  ini  Jahre  1123  «Ärnoldus  de  Liirioburg.^  Neben  den  uns  bereita  bekannten 
^Emicho  comes  et  frater  suus  Gerlach"  von  Scbmidtburg,  und  „Meinhardut 
comes  de  Sponheiro",  die  ihm  voranateheu,  und  ,Sifridus  comea  de  Nuringen*, 
pAlbero  de  Hachinfels'*  und  ^Eberhardus  de  Hoataten'*,  die  ihm  folgen,  ist  er 
Zeuge  bei  der  Beurkuadung  doö  Erzbischofs  Adelbert,  dass  Meingutt,  Sohn 
des  verstorbenen  Kämmerers  Embricho,  bei  Antritt  einer  Wallfahrt  nach  Jeru- 
salem dem  Kloster  Altmünster  mit  Zustimmung  seines  Bruders  Tuto,  da  er 
selbst  ohne  Leibeserben  sei,  seine  Güter  zu  Östrich  und  Keiehartsbausen  mit 
dem  Beding  vermacht  habe,  dass  ihm  Rir  den  Fall  seiner  Rückkehr  der  Unter- 
halt auf  Lebenszeit  von  diesem  gewährt  werde.*)  Dass  damit  Arnold,  wenn 
er  auch  im  Verlauf  der  nachfolgenden  urkundlichen  Bezeugungen  hin  und  wieder 
seinem  Bruder  voransteht,  nicht  als  der  ältere  der  Brüder  gelten  kann,  besagt 
die  spätere  Geschichte.  Seinen  Namen  hat  er  unverkennbar  von  dem  Gross- 
vater seiner  Mutter  Beatrix,  den  wir  im  Jahre  1050  als  Gaugrafen  im  Einrieb 
kennen^,  wie  denn  auch  Ruprecht  seinen  Namen  von  dem  Ahnherrn  der  Matter 
Rodbertus  haben  wird^  der  eben  dort  in  gleicher  Eigenschaft  974  erscheint,*) 
Auf  alle  Fälle  ist  wichtig,  schon  hier  festzustellen,  was  auch  durch  das  Folgende 
bestätigt  wird,  dass  ein  Vertreter  Laurenburgs  mit  dem  erzbiscböflichen  Hofe 
in  Mainz  in  Beziehung  tritt.  Damit  ist  eine  Wendung  in  der  seitherigea  Haus« 
poIitik  vollzogen,  die  wir  auf  Rechnung  des  mit  Mainz  verbündet  gewesenen 
Grafen  Udalrich  IIL  zu  setzen  berechtigt  sind*  Der  in  der  Fülle  seiner  Maebt 
stehende  Verwante  in  Mainz  bot  höhere  politische  Vorteile  für  das  Haus,  als 
der  seinem  Ende  entgegengehende  machtlose  Bruno  in  Trier,  obsehon  auch 
dieser,  wie  wir  ehedem  festgestellt  haben,  ein  Verwanter  des  Hauses  wan*) 

Wir  sehen  deshalb  gleich  im  folgenden  Jahre,  am  L  April  1124,  die 
beiden  Brüder  —  und  diesmal  geht  „Ruobertus  comes**  dem  „Arnoldua  frater 
eius*  voran  —  als  Zeugen  in  einer  Urkunde  Adelberts,  in  der  dem  St.  Geoi^ 
stift  in  Limburg  die  Schenkung  der  Pfalzgräfin  Adelheid  Rir  das  Seeleniild 
ihres  Gatten,  des  Pfalzgrafen  Heremann,  In  Eisen  und  Meud  bestätigt  wird.*) 
Sie  sind  die  ersten  unter  den  weltlichen  Mitzeugen,  aus  denen  nur  ihr  Ver- 
wanter, ^Anshelmus  de  Mollesberg**  noch  hervorgehoben  sei.  An  erster  Stelle 
der  geistlichen  Zeugen  befindet  sich  ihr  nachmaliger  Feind,  „Buche  Worma* 
tiensis  episcopus",  der  von  Adelbert  in  Bann,  vom  Kaiser  in  die  Reichsacbt 
gethan,  in  diesem  Jahre  von  den  wormser  Bürgern  auf  eigene  Hand  auf  aeineii 
Bischofssitz  zurückgeführt  worden  war.**)  Dies  wiederholt  sich  in  der  Urkunde 
vom  7.  Juni  1124,  durch  welche  Adelbert  die  Stiftung  des  Klosters  Sponhdnt 
und  die  Übergabe  desselben  an  das  mainzer  Martinsstift  durch  die  Brfider 
Meginhard  und  Rudolf,  Grafen  von  Sponheim,  bestätigt.^)  Buggo  ist  als  erstar 
Zeuge  genannt  und  die  freien  weltlichen  sind :  „ Arnoldus  vrbis  praefectus,  coflnss 


")  8audr  1,  9Ö  f.,  Nr  170;  Will,  Regesten  1,  Ita,  Nr  142.  -  ■)  Kremor«  Orif^ 
KaiS.  2,  123.  -  *}  Sauer  I,  4S,  Nr.  05.  -  *)  AnnaL  24.  141.  ^  ^)  Saui^r  1,  100,  Nr.  ITH 
Aot.  Pml.  3,  81;  Will,  RegeBien  l,  278,  Nr.  148.  —  ^)  Sohanaat,  Hisl.  episo.  WofüL  MU 
—  ')  Trithomiti»,  Chron.  sponh.  2,  289;  Will,  Reisten  1,  274,  Nr  151.  Die  Urkmidf 
f»t  von  Hennes  1,  10,  nichl  gekannt,  ebensowenig  ron  dem  ihn  honnUendon  Sefilifipbake 
1,  165,  daniiD  aacb  von  uns  Annal.  24,  147  unbeachtet  gebUebea* 


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59 


Goswinus  et  Hliue  eius  Gerardua  et  frafer  eius  Emicho,  Arnoldus  et  frater  eius 
Rapertus  de  Lurenburgk,  comes  Fridericus  Bertoifud  et  frater  eius  Sigcfridus, 
Henricus  de  Catzenelnbogen,  Rorichus  et  frater  eins  Gerlachuu  [von  Merxlieim]*), 
Vdalricus,  Fulcoldus.**  Wir  schliessen  daraus,  dass  zu  dieser  Zeit  friedliche 
Beaiehungen  zwiaclicn  Laurenburg  und  Worms  bezüglich  der  Burg  Nassau  be- 
standen  haben  müssen*  Ob  dieselben  einem  zeitweihgen  Yerzicht  auf  letztere 
seitens  L^urenburgs  oder  einem  klugen  Gehenlassen  der  Dinge  seitens  Buggo's 
zuzuschreiben  sind,  oder  ob  ein  gutlicher  Ausgleich  versucht  worden  war,  läast 
aich  nicht  bestimmen«  Wir  mochten  aber  glauben^  dass  ein  Ausgleicbsversuch 
am  meisten  für  sich  habe.  Denn  zwischen  1124  und  1126  füllt  die  Übersiede- 
lung des  Klosters  Lipporn  nach  Schön  au.  Und  diese  bedeutet  ohne  Frage 
©in  Nachgeben  der  Laurenburger,  Lipporn  war  als  Sühnestätte  für  den  Er- 
bauer Nassaus,  Trutwin,  ein  unverkennbares  Vorwerk  dieser  Burg.  Gab  man 
es  dran,  so  schien  die  Burg  zu  halten  zu  sein.  Vorerst  dürfte  jedoch  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Aufhebung  Lipporn'a  nur  ein  Gegenstand  gütlicher  Besprechung 
gewesen  sein.  Denn  bis  zum  25,  April  1124  lebte  Bruno,  der  Beschützer  des* 
selben,  und  Godefridus  folgte  ihm  im  Anfang  des  August.  Alsdann  erst  erhielt 
Buggo,  wie  wir  seiner  Zeit  rautraassten^),  Macht,  der  Besprechung  seinerseits 
Nachdruck  zu  verleihen. 

Vier  Jahre  später  finden  wir  die  laurenburger  Brüder,  diesmal  auch 
wieder  in  der  Ordnung  „Arnoldus  et  frater  eius  Ruobertus  de  Lurenburch**,  in 
der  oben  besprochenen  Urkunde  Adelberts  vom  Jahre  1128  wieder.  Ihre  Mit- 
zeugen^  „Emicho  comes  de  Smideburg  et  frater  eius  Gerlaus,  Emercho  comes 
de  Liningen,  Dammo  de  Bvochen  et  Siegeboto  [von  Hanau],  Bertoldus  et  frater 
eius  [Sigfridus]  de  Nvoringen**,  gehören  sämtlich  der  rheiniachen  Ritterschaft  an, 
ein  Zeugnis  nebenbei,  dass  sie  selber  dieser  immer  trotz  ihres  Besitzes  an  der 
Lahn  angehört  haben*  Im  Jahre  1129  sodann  ist  es  „Rubertus  comes  de 
Lurenburc*  allein,  der  ausser  den  geistücheu  Zeugen  mit  Arnold,  Grafea  von 
Lon  und  mainzer  Stadtpräfecten,  wie  Advocaton  des  Stifts,  Gerlach  von  Veldeoz 
und  Heinrich  von  Eatzenetnbogen  bezeugen  hilft,  dass  Adelbert  auf  die  wieder- 
holten Klagen  des  limburger  Georgsstiftes  über  die  Widersetzlichkeit  seiner 
Hörigen  zu  Brechen,  Bergen,  Netzbach  und  Zeuzheim  den  Widersetzlichen 
ihre  Pflichten  gegen  das  Stift  einachärft.^)  Wir  dürfen  schon  hier  darauf  auf- 
merksam machen,  dass  der  genannte  Mitzeuge  Heinrich  11.  von  Katzenelnbogen^ 
der  Ruprecht  gleichalterig  war,  mit  diesem  das  sog.  Vierherrengericht  auf  dem 
Einrieb  im  Jahre  1158  erwarb.*)  Aus  dem  Jahre  1130  liegen  uns  nicht  weniger 
als  vier  Urkunden  Adelberta  vor,  in  denen  die  Grafen  von  Laurenburg  mit* 
einander  als  Zeugen  genannt  i^ind.  Während  der  ähnlichen  Zeygen  wegen 
twei  von  ihnen  vor  den  12.  Dezember  zu  legen  sein  werden,  ist  die  dritte  am 
12.  gegeben  und  die  vierte  um  die  gleiche  Zeit  verfasst.  In  der  ersten  zu 
8t.  Älban  bei  Mainz  aufgestellten  entscheidet  der  Erzbi.schof  einen  Streit  zwischen 
dem  Stiftskapitel   zu  S.  Victor   in    Mainz   und   den  Mönchen    des  h.  Disibodus 

')  Ooerz,  Mittelrh,  Regest,  l,  492  f.,  Nr.  1801,  -   •)  xViinftL  24,  145.  —  »)  Sauer  1, 
Ig?,  Kr,  178;  Act  Pal.  3,  82;  Will,  Rejesteti  I,  288,  Nr.  212.   -  *)  Wenok,  Hest.  Linde«* 
Ij  289,  243  S. 


id^Ji 


aber  den  Zehnten  von  malischem  Boden  in  SoberDheim  derart,  daas  die  Hol 
den  Zehnten  fortan  allein  genieasen,  dafür  aber  dem  Victorstift  den  Gotteclndka* 
hof  am  Stockburgthor,  dessen  Grundzins  für  die  Zukunft  vom  Erzatift  effbttOii 
wird,  und  einen  Mansus  in  Algesheim  abtreten.  Die  freien  weltlichen  Zeiig^ 
sind  der  Reihe  nach:  «Rubertus  comes  et  frater  eins  Ärnoldus  de  Lurenburdi, 
Qerlaus  de  Limburg,  Heinricua  de  Katzeneinbogen,  Sigebodo  de  Baehoo,  B^r- 
tülfus  [sein  Bruder]  comes  de  Lindenueles,  Sigfridus  comes  de  Nuriogen  [eben* 
falls  Bruder],  Cunradus  de  Wallrestein,  Cunradus  de  Bickenbach,  Anshetisii» 
de  Oumeldiogen.*^^)  In  der  zweiten  ersahlt  Adelbert  die  Stiftung  des  KkMt)in 
Bischofsberg  (später  Jobannisberg)  durch  Erzbischof  Ruthard,  seinen  Yorgmag^f 
und  erklärt  es  selbständig,  nachdem  der  Abt  von  S.  Alban  auf  seine  dmröbtf 
gehabten  Rechte  verzichtet  hatte.  Auch  verleiht  er  dem  Kloster  Pfarrredito 
und  vermehrt  seine  Besitzungen.  Die  Zeugen  sind  dieselben,  nur  daas  swiadiofi 
Higfrid  von  Nürings  und  Konrad  von  Wallreatein  noch  „Gerardus  de  Scowtti* 
burch*^  eingeschoben  und  statt  des  letzteu  „Cuonradus  Spore*'  und  «Cunradiii  de 
liageno^  (Hanau)  zugesetzt  sind.-)  Die  dritte  Urkunde  vom  12.  Dezember 
stellt  die  erste  in  kürzerer  Fassung  dar  und  hat  als  weltliche  Zeugen  ntir: 
^Amoldus  et  frater  eins  Rupertus  de  Lurenburch,  Heinricus  de  Katzenelnbogeit 
Bertolfus  de  Lindeufels,  Adelbero  et  frater  eins  de  Hachenfels.^^  Die  vierte 
endlich  stellt  eine  Erweiterung  der  zweiten  dar,  wie  Sauer  mit  Recht  geg^ 
seine  Yorgängerf  die  sie  mit  dieser  im  wesentlichen  übereinstimmen  und  um 
gleichen  Tage  ausgestelU  sein  lassen,  hervorhebt,  da  sie  von  anderer  Ilaod  ge- 
schrieben ist,  und  die  freien  weltlichen  Zeugen  nur  sind :  „Oerlahus  de  Felden- 
zun,  Ruobertus  et  Arnoldus  de  Lurenburg,  Heinricus  de  Katzenelnbogen«  Berh- 
toldus  comes  et  frater  eins  Sigfridus.**) 

Das  Jahr  1132  bringt  uns  die  wichtige  Urkunde  von  der  Übergabe  des 
Klosters  Schonau  an  Mainz.  Zu  unserer  ehemaligen  Besprechung  dervelbeii^ 
haben  wir  noch  das  Folgende  nachzutragen*  Zunächst  überhaben  wir  in  Beiteff 
ihres  Datums  gleich  unseren  Vargaogeru,  dass  dies  mit  einer  unrichtigen  In 
diction  versehen  ist,  und  dass  diese  unrichtige  „Indictio  VUI**  (statt  X*)  m 
bloss  an  ungewöhnlicher  Stelle,  d.  h.  statt,  wie  gebräuchlich,  nach  der  Jahres- 
sahl|  sogar  vor  dem  dieser  vorangehenden  „  Actum '^  steht,  sondern  auch, 
es  eine  leere  Zeile  vor  sich  hat^  eine  solche  nach  sich  folgen  steht.  Des^Ieiefaeo 
hat  eine  erneute  Untei^uehung  der  Urschrift^  ergeben,  dass  der  ganze  hierauf 
folgende  Schluss,  der  die  genaue  Jahresangabe  enthalt^  von  anderer  HandL 
niimlich  voa  der  des  Martinsstiftapropstes  neinrich,  der  sich  am  Ende  als  solcher 
zu  erkennen  gibt,  herrührt.  Nehmen  wir  die  andere,  bereits  von  Sauer^ 
zeichnete  Unregelmässigkeit  hinzu,   dass  vor  Aufführung  der  Zeugen  sich  oodi 


*)  JoAimii,   Her.  Mof.  2,  581;   Will,  Registeii  1,  2tl,   9fr,  2^9;   .lnSeüeo«  TlUt^ 
VcrfohJaag  fQr  Till.    -    *j  Sauer  1,  108,  Nr,  m;   Will,    R^geiteo  1,  291,  Kr.  2S|.    Pk 
faUcho  lodict,  XU  bei  Qudenut  I,  8:i  ßült,   wie  6«uer  iMmtrkt,  nur  diceem  tut  LuU 
^  Joaanis,  Her.  Mo^.  2,  bSt;  Will,  Regf>it«ii  t,  29),  Nr.  230.  —  «)  Snusr  t,  111«  Nr.  ili|| 
VfL  110;  Win,  Rofeateo  1,  291«  Nr.  291.  —  *>  Annal  21,  10,  123^  119.  —  ^)  Esrr 
rnl   Dr.  Sauer   hattii  dis  gromö  Gate,   iieli  d«r»«lb4!i]   aaf  aatorct  Bittm  » 
')  h  12S. 


61 


k 


eine  10  cm  lange  leere  Zeile  befindet,  so  scheint  Stoff  genug  vorhanden  zu  seini 
^lira  die  Urkunde  verdächtig  zu  finden.  Und  doch  löst  sich  die  Sache  sehr  ein* 
fach.  Der  Schreiber  der  eigentlichen  Urkunde  war  augenscheinlich  ein  Neuling. 
Er  schrieb  das  bis  zum  Datum  abgeschlossene  Konzept*)  ins  Reine,  Hess  vor 
den  Zeugen  einen  Zwisohenrauni,  der  sich  dort  zufallig  finden  mochte,  und  nach 
demselben  zur  Aufnahme  der  umstund  liehen  Jahresangabe  einen  soviel  grösseren. 
Dann  setzte  er  seine  eigenmächtige  und  verkehrte  „Indictio  VIII'**,  Dompropst 
Heiorich,  der  den  Fehler  nicht  bessera  durfte,  da  er  sonst  die  Urkunde  rechts- 
ungiltig  gemacht  haben  würde,  musste  um  seinetwillen  auch  den  freigelassenen 
Raum  unbenutzt  lassen  und  schrieb  nun  ohne  Indie(iou  die  Jahresangabe,  fügte 
aber,  damit  die  andere  Hand  keinen  Zweifel  an  der  Echtheit  der  Urkunde  auf- 
kommen lasse,  sein  „Data  per  manum  Ueinrici  prepositi  in  Maguntia'^  hinzu. 
Denn  „Data^  bedeutet  hier  nichts  anderes  als:  Das  Datum  Ist  von  der  Hand 
des  mainzer  Propstes  Heinrich,*)  Die  Sache  war  so  wenig  anstössig,  das» 
spätere  Abschriften  die  verkehrten  Zwischenräume  samt  der  ebenso  verkehrten 
Indictioo  einfach  wegliessen*  Gudenus^)  hat  deahiilb  beides  in  seiner  Vorlage 
nicht  gesehen,  und  ebenso  fehlt  es  in  der  ^copia  auüientica  Archivt  Idsteinen- 
sis",  die  Kremer^)  abgedruckt  hat. 

Bedeutsamer  ist,   daas   die  Urkunde  unter  den  Zeugen  nicht,    wie  zu  er* 

warten  gewesen  wäre,    den  Grafen  Arnold  nennt,   und  dasa  sie   überhaupt  nur 

fünf  freie  Edle    als  Zeugen    aufführt.     Aber   auch    dafür   dürfte   die  Erklärung 

nicht  allzuschwer  sein*     Die  Geschichte    berichtet  uns,   dass  König  Lothar    im 

September  1132  mit  einem,    wenn  aucli   schwachen,   Heere   zu   seiner  Kaiser- 

kronung  nach  Rom  zog.     Nun  ist  unsere  Urkunde  allerdings,    wie  die  Angabe 

„anno  regni  sui  VH'*  in  ihr  lehrt,  da  das  7.  Jahr  erst  am  13,  Septemiter,  dem 

,      Jahrestage  seines  Regierungsantritts,  voll  war,   vor  diesem  13.  September  aus- 

^kestellt.     Aber  bedenken  wir,    dass  die  Zurüstung  zu  der  Heerfahrt  alle  dabei 

^■beteiligten  Hände  in  Anspruch   nehmen   musste,    so    leuchtet   wob!    ebensosehr 

^M  *J  Die  Annahme  von  Konscepten  für  Urkunden  ist  nach  Ficker,  Beitrjlge  zur  ürkundeu- 

^mehre.  Innsbruck  1877  f.  23,  §  202  zweifellos.  Ober  naohtrSgtiohe  Datierung  in  der  Ecin- 
^»chrift  9.  S.  252  ff.  daaelbat.  —  •)  Du  Cange-Henschel  2,  744^':  „Data  seu  Datum,  Anni, 
meiistj!  dieique  et  loci  Diplomati  seu  Chartae  adacripta  notutio.''  Vgl.  Ficker^  BeUrügc  Y.ur 
Urkundenlehre  2^  207,  §  307.  Von  besonderem  Nachdruck  würde  diese  Datierung  durch  den 
Dompropst  Heinrichf  den  späteren  ErzbtBcbof  von  MainSf  sein,  wenn  sieb  die  Angabe  dm 
mainzer  Dom necroLogiuma  als  richtig  erwiese,  dta  ihn  ^Henricus  de  Nassave*"  nennt,  Guden., 
Cod.  dipl.  2,  818  und  5,  1103.     lüde«   die    Unterauchuug    Schenk'»,    Archiv    f.   lies»,  Gesch. 

PJ3,  3,  497  C  und  Korrespondenzbl.  d.  Oeaamtver.  1874,  Nn  9,  S.  69  stpHt  wob!  ouBser  Zweifel, 
dass  Erzbischof  Heinrich  thüringischer  Abkunft  war.  VgL  Will,  Regesten  1,  LXKL  — 
*)  Cod.  dipl.  I,  104.  —  *)  Orig.  Nass.  2,  100  if.  Nur  die  von  Trithemius,  Chron.  sponh. 
2»  243  abgedruckte  Urkunde  liest:  „Actum  dominicae  ineamationis  anno  MCXXX  Indictiono 
(K)tava  regnante  Lotario  tmperatore.  Data  per  manum  Kenrici  Notarii  et  Fraepositi  in  Mo- 
ritia.*'  Das  ist  aber  allzuileullicb  eine  der  talächen  Indiction  der  Urschrift  zu  Liebe  gemachte 
Andc^rung  —  indict.  YUl  gibt  nämlich  das  Jahr  1130,  Ihre  Verkehrtheit  thut  sie  dabei  da- 
mit kund,  dasa  aie  Lothar  1130  Kaiser  sein  ISasfc,  während  er  es  erst  am  4.  Juni  1133  ward, 
bemaali}  ein  Beweis^  wie  wenig  Verlass  selbst  auf  die  von  Trithemius  mitgeteilten  Urkunden 
it  Und  doch  ist  dieser  besondere  Fehler  bisher  noch  nicht  einmal  gerügt  worden.  Will, 
fi  ip  295,  der  ausdrücklich  Trithemius  anfahrt»  hätte  daau  Anlsas  gehabt» 


IWiillH^ 


68 


« 


eiB,  dass  Oraf  Aroold  sich  unter  den  Rüstenden  befunden  haben  wird,  ak  dam 
zu  der  Zeit  in  Mainz  nur  ein  kleiner  Kreis  unbeteiHgter  Edeler  Yorbandeo  sein 
konnte*     Ton  den   mit  Kuprecht  aber  genannten  Zeugen   sind   zwei    an  Main 
gebunden:   der  Stadtpräfect  Arnold   und  Gerlach   von  Yeldenz  als    f,de6  geist-, 
liehen  primatidchen  Erzstifts  Erzirucbsess   und  Küchenmeister*^,   wie  Crotli 
ihn  nennt*),   während  des  letzteren  Bruder  Graf  Emicho  von  Schmidburg   ?tr 
mutlich  den  König  ebenso  nach  Italien    begleitete,    wie  die  Brüder  der  beidi 
anderen   mitgenannton  Zeugen   Budolf  von  Sponheim    und  Dammo   von  Nidda, 

Auch  das  sei  nicht  übersehen,  dass  der  vermutliche  Yeranlasser  oder  doch 
Aülassgeber  zu  dem  in  der  Urkunde  namhaft  gemachten  Schritte  des  Grafeo 
Kuprecht  mit  unter  der  Zahl  ihrer  Zeugen  ist  und  unmittelbar  dem  Stadtprm 
feeten  folgt.  Es  ist  Graf  Meginhard  von  Sponheim.  Derselbe  hatte,  wie  wiri 
oben  sahen,  am  7.  Juni  1124  das  von  seinem  Yater  Stephan  begonnene^  von 
ihm  fertig  gebaute  Kloster  Sponheim  mit  seinem  Bruder  Rudolf  dem  Domstifi 
in  Mainz  übergeben,  und  auch  dort  befanden  sich,  wie  damals  bemerkt  wurde, 
unter  den  Zeugen  der  Übergabe  die  beiden  laurenhurger  Grafen.  Da«  Gleiche 
geschah  1 1 30  mit  dem  ihm  zugehörigen  Kloster  Schwabenheim')  und  wenn  dabei 
unter  den  6  edelen  Zeugen  die  Laurenhurger  fehlten,  so  rührte  das  offenbar  dahefi 
dass  sie  sich  bei  dem  Ueere  Lothar's  befanden,  das  dessen  Rechte  gegeu  neiodJ 
Nebenbuhler  Pridrich  und  Kourad  verfocht*  Jedenfalls  war  mit  beiden  Schenk- 
ungen Ruprecht  ein  nachahmenswert  erscheinendes  Beispiel  gegeben.  Be* 
sprechuDgen  mit  dem  Schenker  werden  hierbei  mit  um  so  grösserer  Gewisahat 
anzunehmen  sein,  als  dieser  zum  Mitzeugen  bei  der  Ausstellung  der  ürkuod*» 
erwählt  war. 

Nur  da€  eine  unterschied  beide  Schenker,  dass,  während  Graf  Meginhard^ 
die  Vogtei   über   die  beiden   verschenkten  Klöster  als  Eigentum  zurückbehielt,  H 
Graf  Ruprecht  auch  diese  in  die  Hände  des  Erzbischofs  legte  und  sie  von  ihm  ^ 
als  Lehen   zurückerhielt.     Warum   er  das   that,    oder  warum  das  ausbedungen 
wurde?    Sicher  nicht  aus  dem  von  Schliephake  angegebenen  Grunde:  ,Mi& 
steht   aus  diesem  Artikel,    dass  die  Geistlichen   besorgten,   durch   Entfremduag 
von  der  Person  des  laurenhurger  Erbherrn  in  Nachteil  und  Bedrängnis  zu  ge* 
raten.*'"'*)    Denn  das  Vogteilehen  an  sich  war  von  minderer  Kraft  als  das  Vpgtei* 
eigentum,  es  überstieg  aber  das  letztere  an  Kraft  in  der  mächtigereo  maiusar 
Hand,    und   darum   wurde   es  in   diese  gelegt,   genau   so,   wie   sich  spater  die 
Laurenhurger  dazu  verstanden,  die  Burg  Nassau  als  Lehen  von  Trier  zu  nehm^u j 
nur  dass  es  hier  galt,  Schönau  vor  diesem  sicher  zu  stellen  bei  dem  damals  aitf| 
dem  Gipfel  seiner  Macht  stehenden  mainzer  Erzbischofe.    Graf  Meginhard  halt« 
solche  SicherstelluDg  bei  seinen  unangefochtenen  Stiftungen  nicht  nötig.    Damm 
behielt   er  die  Vogtei  in   eigener  Hand.     Aber   er  musste  sieh  gefallen  humm,  j 
dass  in  die  päpstliche  BestätigungsbuUe  für  Sponheim  vom  23*  MänE   1127  diaH 
Klausel  aufgenommen  wurde:  „Sepulturara  quoque  istius  loci  liberam  esae  omaiiici 
censemus,  ut  eorura,  qui  ilHc  sepeliri  desiderauerint  (nisi  forte  excommoni- 
cati  fuerint)  donationi  et  voluntati  nemo  obsistat,*'*)    Wenn  wir  erwägün»  Ja» 


')  Act,  Pal,  2,  268.   —    *)Gudciiui,  Coth  dipl  t,   07 
liui,  Clu-oo.  »ponh.  2,  241. 


K  JC9.   -   n  TrU 


63 

asur  Erlangung  dieser  Bulle  ein  Mönch  des  Klosters  eigens  nach  Rom  abgesandt 
worden  war,  so  können  wir  kaum  zweifeln,  dass  dessen  Wissen  von  dem  Vor* 
gange  in  Lipporn  dabei  massgebend  gewesen  sein  wird,  zumal  sich  nach  dem 
Berichte  darüber  derselbe  lange  genug  in  Rom  aufgehalten  hat.') 

Schliesslich  soll  nicht  vergessen  sein,  dass  unsere  Schenkungsurkunde  auch 
noch  die  nicht  unwichtige  Nachricht  von  dem  Erstgeburfcsrecht  Ruprechts  enthält. 
Denn  nicht  nur,  dass  dieser  in  der  Urkunde  als  Scfaeiiker  des  auf  seinem  Qrund 
und  Boden  erbauten  Klosters  auftritt  und  mit  diesem,  wie  vor  ihm  Tuto,  für 
eein  und  seiner  Verwanten  Seelenheil  ein  Denkmal  stiftet,  so  wird  er  allein 
auch  dessen  Vogt  und  dabei  mittelbar  der  „dominus  in  Castro  Lurenburch 
hereditarius  et  legitimus*'  genannt,  sofern  sein  Erbfolger  in  der  Vogtei  ein 
solcher  sein  soll  Da  letztere  in  erster  Linie  aber  an  den  Besitz  des  „predium 
de  Millene*  geknüpft  wird,  so  muas  dieses,  was  durch  „eins"  als  sein  Eigentum 
^  bezeichnet  ist,  ein  besonderes  Eigentum  des  Erstgeboreueu  oder  vielmehr  ein 
H  w^esentliches  Stück  der  Herrschaft  Laureoburg  gewesen  sein. 

^  die    mal 


I 


3.  Kloster  Gronau  keine  laarenbnrg^scbe  Stiftung. 


Gehen  wir  nun  weiter,  so  tritt  uns  eine  neue  Klostergründung  entgegen, 
die  man  gewohnt  ist,  in  die  gleiche  Zeit  zu  verlegen  und  an  die  Namen  der 
beiden  Grafen  Ruprecht  und  Arnold  zu  knüpfen.  Es  ist  die  Gründung  des 
Schönau  benachbarten  Klosters  Gronau.')  Die  leider  einzige  Quelle  dafür 
bietet  Trithemius,  und  unglücklicherweise  hat  man  bisher  noch  dazu  nur  eine 
Stelle  seiner  Werke  dazu  herangezogen,  die  seiner  hirsauer  Chronik^),  wo  unter 
|dem  Jahre  1130  gesagt  wird:  „In  diesen  Zeiten  errichteten  auch  die  Grafen 
von  Lurenburg  ein  Kloster  unseres  [Benedictiner]  Ordens  an  dem  Orte,  welcher 
Gronawe  genannt  wird,  im  Gebiet  des  trierer  Sprengel:^,  eine  Meile  von  dem 
oben  genannten  Coenobium  Schönau  und  zwei  vom  Rheine  entfernt,  in  das 
sie  unter  Leitung  eines  Abtes  die  ihr  geistliches  Leben  fuhrenden  Mönche 
setzten,  denen  sie  gemäss  der  Regel  unseres  h,  Vaters  das  zum  Leben  NöHge 
für  den  Dienst  des  H^rrn  vorsahen.  In  diesem  Kloster  wird  das  Haupt  des 
h.  Märtyrers  Sebastian  gezeigt,  welches  die  Gründer  durch  Geschenk  des  Papstes 
Honorius  II.  von  Rom  hergebracht  haben  sollen. "^^J  Wenck,  der  diese  Stelle 
zuerst  benutzt   hat   nach  ihrem  Wortlaut   bei  Kremer'),   und   dem   Hennes, 


*)  TjHoo  ipso  anno  [1126]  Bemhelmuä  abbaa  Anshelmiun  monaobum  (qui   post  BertUol- 

prior  factus  est)   Romam  mmi  ad   sedem   apostolicam    ad   impetrandum  a  papa  Honoria 

rmflegittm  npoetoticae  defenaionis  huius  monasterii  spoaheimcnsis,  qui  rc?ersus  pHuilegmui 

fmh  ipBo  papa  [23.  März  1127J  obtiimit.'*    TrithemiuSi  Chron.  «ponli.  2,  245*  —  *)  Henne», 

le«ch.  d<  Grafen  von  Naaaau.    Köln  1843.    15;   Yoget,  Topographie  70  f.,  Besohr.  298,  617; 

$chlieph«  1,  176.  —  ■)  1,  397*  —   *>  .»His  etiARi  temporibufl  Comites  de  Lurburg  Monaste- 

ium  Ordlnis  noetri  oonatruxerunt  in  loco,  qui  dicitur  GronaTve,  In  finibuB  Trevirensia  Dioeoeaia 

ao   a   Bchünangiensi   dupradicto  Cuenobio  et  duobus  a  Rbeno   dlätaoä  milliartbuB,   in  quo  MO' 

ttflchon  8ub  imperio   eonTersantes  AbbatiB   posuerunt,    quibua  vitae   necesaana   ad   serviendum 

)tffribo  »ecundum  D.  Patri«  nostri  Regnlam  proTideruiit,     In  hoc  Monasterio  Capat  8.  Öebaa- 

imi  Martyrts  ostenditur,  quod  fundatores   dono  Papae  Honorii  II  Roma  tranatuliBse   perbiben» 

'    t>rig.  NftHb.  1,  348  t 


i.3. 


ühJL 


64 


Vogel   und  Schliephake   folgen,   war   der  Meinung^^   das»   «Buceliotis  ud« 
andere  Neuere"  sie  «auch  ohoe  Zweifel  zu  ihrer  einzigen  Quelle  gehabt*'  hätten.'] 
Er   irrt   aber.    Buceliuus*)   weuigsteos  kounte  »ie  gar  nicht  kennen,    da  wem 
Werk  vor  1662  gedruckt  ist,   die  ^ChroDica  hirsaugiensis*'    aber  erst  1090  im 
Drucke  erschien,   und  die  von   ihr  veranstaltete  erste  Ausgabe  Fr  eher'«   von 
1601    die  Stelle  gar  nicht  enthält,    da  diese  nur  den  Abdruck  des  ersten  Ent» 
Wurfes  darstellt,  den  Trithemius  im  Jahre  1503  vollendet  hatte,  während  dit*, 
ITxnarbeitung  und  Vollendung  des  Ganzen  in  das  Jahr  1509  fällt.')    Die  QueIlQ< 
des  BuceÜDus  ist  vielmehr  das  „Chronicon  sponheimense^,  das  ebenfalls  1601 
durch  Fr  eh  er   zum  Abdruck   gelangte.     Dort  heisst  es  aber  unter  dem  Jahre 
1132:  fl  Ungefähr  zu  diesen  Zeiten  ist  auch  ein  Kloster  unseres  Ordens,  welches 
Groinavv   genannt   wird,    im   Gebiete    des    trierer   Sprengeis,    nicht    weit   voft 
Sohouavv^  über  das  wir  schon  früher  sprachen,  durch  einen  Grafen  von  Lauron* 
bürg   gegründet   worden,    iu   welchem    das  Haupt   des  h.  Märtyrers   Sebastian 
gezeigt  wird,  das  durch  den  Grafen  herbeigeschafft  worden  sein  soll«'^^) 

Es  bedarf  keines  Beweises,  dass  diese  Quelle  des  Bucelinus  auch  die» 
jenige  des  Trithemius  bei  der  zweiten  Ausgabe  der  hirsauer  Chronik  war, 
und  dass  letzterer  in  der  uns  von  Schönau  her  bekannten  Weise  seinen  alten 
Stoff  ummodelte«  Aus  dem  „Comes  de  Lurenburg"  wurden  die  „Comites  de 
Lurburg**,  die  Entfernungsangaben  für  Gronau  raussten  seine  Lage  deutlicher 
machen,  Mönche  und  Abt  angedeutet  werden  und  das  Haupt  Sebastians  vom 
Papste  Honorius  IL  geschenkt  sein.  Weil  dieser  aber  am  7.  Februar  1  ISO  starbt 
80  war  statt  des  Jahres  1132  das  ungeföhre  Jahr  1130  zu  wählen.  Oleichwohl 
muss  der  wirrsälige  Chronist  eine  Urquelle  benutzt  haben,  und  das  kann  nach 
allen  Anzeichen  nur  die  dürftige  mundliche  oder  schriftliche  Überlieferung  sein, 
die  er  von  seinen  beiden  schönauer  Freunden,  den  Abten  Melchior  und  Johaunes^X 
oder  deren  Nachkommen  in  Gronau  erholt  haben  wird.  Die  aber  schopfteüt 
wie  die  nur  ungefähre  Zeitangabe  und  das  „perhibetur"  und  „perhibentur"  be- 
weisen, nicht  aus  Urkunden,  sondern  aus  mündlicher  Überlieferung;  ein  ZoicheOt 
dass  schon  damals  das  gronauer  Kloaterarchiv  seiner  alten  Urkunden  verlustig 
gegangen  war,  wie  denn  noch  heute  keine  über  das  16.  Jahrhundert  hinais»* 
gehenden  sich  gefunden  haben,*^)  Und  doch,  eine  Urkunde  stand  den  alten  Ratero 
vermutlich  zu  Gebote.  Das  war  der  dem  Haupte  des  h.  Sebastian  beigegelien«* 
Zettel  mit  der  Nachricht  von  dessen  Herkunft.  Dergleichen  pflegte  sonst  wenig» 
sten.H  beigelegt  zu  werden.  Dagegen  wird  mau  den  oder  die  Grafen  voo 
Laurenburg  mit  einiger  Sicherheit  auf  die  alleinige  Rechnung  des  Trithemius 
setzen  dürfen,  wenn  sie  nicht  etwa  Scheuker  jenes  Hauptes  gewesen  sein  soUteo. 
Denn  Gronau  war,  soweit  unsere  Kunde  reicht,  niemals  laurenburg^achea  Eigen* 


*)  Hess.  Laadeagesoh«  ],  120,  Anm.  k.  —  ')  Germanid  topo-ohroao- stein mutoffimphia«, 
p.  4K  -  •)  AtiniiL  24,  156  t  Die  8,  151  ang(»gebene  Jfthrcsjciihl  „1109**  ist  ein  Drurkftltlfr. 
—  •)  Opern  Itist  2,  217 j  ^Ciroa  iftU  quoquc  tempora  moonstenum  no«trt  nrdiniA,  quöil  ßroi- 
nifT  voeatur^  in  confinibus  TreuirtMihia  dlueeesis^  non  proctil  »  Seh  "♦ 

antea)  (»er  Comiiom  d<>  Lurt^nbiir^  rutidututtt   <*st.   in  qtio  caput  8  .  '^ 

iljtiir^  qtiod  ntlatum  p«r  Comitf^m  pcrliib«tui       -       )  AotiaL  24,   168.  lippliak*  1^ 

l«6f  Aam. 


I 


es 


tum.   Dagegen  wisaeo  wir  aus  dem  Jahre  1326,  dass  es  Katzeuelnbogen  gehörte,^) 
Vor  den  Grafen   von  Katzenein  bogen  können   es  nur  die  Grafen  von  Arnsteiu 

I besessen,  und  weder  der  gronauer,  nucb  die  schnnauer  Äbte  können  von  lauren* 
burg'scher  Gründung  gesprochen  haben,  da  ihnen  die  Beaitzverhältniaae  bekannt 
iiv'areo.   Sehr  wohl  aber  konnte  Trithemius,  durch  die  Nähe  der  beiden  Klöster 
verführt,  Gronau  für  ein  ursprünglich  laurenburg'sches  Eigentum  halten,  zumal 
er  Schönau  in  einen  „comitatus  lurburgensis*'  verlegt,")    Wie  leicht  war  es  da, 
in  Ermangelung  genauer  oder  von  ihm  vergessener  Nachricht  die  Klostergründung 
idemselben  Grafenhaus   zuzuschreiben^   dem  er  die  Gründung   von  Schönau  mit 
JKecht  zugeschrieben  hatte!     Weuck  war  also  durchaus  berechtigt,  die  Glaub- 
I Würdigkeit  des  Trithemiuö'schen  Berichtes  in  Zweifel  zu   ziehen,    und  es  hat 
mel  für  sich,  wenn  er  Gronau  eine  Gründung  Katzenelnbogeus  zu  nennen  vor- 
schlügt^  insbesondere  den  Grafen  Heinrich  IL    dieses  Hauses   als  Stifter  mut- 
masst,   denselben,    den    wir    1129    und    1130   mehrfach   mit   unseren  Grafen  in 
IZeugengemeinschat^  fanden  und  später  noch  finden  werden.    Von  selber  mochte 
Ider  YerkehTi   die  Richtigkeit   der   ungefähren  Gründungszeit  Gronau's   voraus- 
etzt,    die  gleichen  Gedanken    w^ecken    und   den   einen    zum  Nachahmer   des 
leren   machen^   ganz   abgesehen  davon,    dass   Klostergründungeo   zum  guten 
Tone  der  Zeit  gehörten»    Selbst  die  Wahl  der  Namen :  Schonauwe  und  Grunowe, 
d.  h.  die  schöne  und  die  grüne  Aue,  verrät  gleichen  Geschmack.    Beide  lehnen 
^  sich  vermutlich  an  Ps.  28,  2  als  Übersetzung  des  dortigen  „locus  pasouae*  der 
■  Yulgata  an,*)     Die  Gründung  Grouau's  durch  laurenburger  Grafen   wird  dem- 
nach ein  für  allemal    aus  der  nassauischen  Gesobicbte  zu  streichen  sein,    auch 
Iwenn  man  gar  nicht  in  Betracht  zieht,  worauf  Weuck  mit  Recht  aufmerksam 
macht,    dass  die  Gründung  zweier  Klöster  zu   gleicher  Zeit  das  Vermögen  der 
Laurenburger  überstieg. 
3.   Weitere  ürkundenzeugenseliaft,    Verurt^iliiiig  wegen  der 
^  Burg  Nassau* 

Fahren  wir  darum  nach  dieser  unvermeidlichen  Ausscheidung  eines  fremden 
Stoflfes  in  der  wirklichen  Geschichte  unserer  Grafen  fort,  und  berichten  wir, 
dass  in  einer  Urkunde  des  Erzbischofes  Adelbert  vom  Jahre  1133,  in  welcher 
bezeugt  wird,  dass  Emmecho,  ein  ehemaliger  Kanoniker  von  S,  Victor,  nachdem 
er  wegen  seiner  Verdienste  in  Besitz  von  zwei  Propsteien  gelangt  war,  dem 
Victorstift  ein  aus  eignen  Mitteln  erkauftes  Haus  „iuxta  ecclesiam  Beate  Marie 
ad  gradus*'  geschenkt  habe,  „Rupertus  et  Arnoldus  de  Lurenburch*  unmittelbar 
hinter  dem  ersten  weltlichen  Zeugen,  dem  ^praefectus  civitatis  Arnolfus",  stehen, 
und  hinter  ilmen  ^Hermannus  Bawarus*  und  „Auselmus  de  Gumeldinge**  verzeich- 
net niad/)     Im  selben  Jahre,  vor  dem  13,  September,  ist  „comes  Arnoldus  de 


\)  Wenok,   Ilew*  LftndeBgeach.   1,  121.    —   »)  Chran,  hirsaug.  1,  384,   rgh  Ananl.  24, 
—  *)  Wie  helif^bt  die  ßezeiclinung  „ouwo"   selbst  jq  splUerer  Zeit  tiocli  war,  bozeiigt  die 
Ite  hn  „Leben  der  h.  Elisabeth'*,  heröUHgegebeii   Ton  Bieg  er.    Stuttg.   l»r,K.  220M:  ,in  der 
loiftgdft  oiiwe  %u  Aldenburg*"   nh  IJexeiehnung  des  Kloster«  dieses  NameiiR  nn  der  liahti.    Yg\* 
)tiifS«r  t,  n>:i  —  *)  JoanniB,  Ror.  mog.  2,  itHX    Die  m  der  Urkunde  aogegobene  mdiet  X 


Luronburch*'  ohne  seiuen  Bruder  mit  ^Theodoricus  de  Geilenhuseo,  Gerbardaii 
comeB  et  frtiter  eiuB  Heiaricus  de  Berbach,  Dammo  et  Sigebodo  de  Buccbo, 
Conraduft  de  Bickenbach,  Gerhardus  de  Uagenhusen,  Gerhardus  de  Kelberovre, 
Bcrewicue  et  frater  eiua  Meginlaus"  Zeuge  bei  der  Beurkundung  Adelberts  aber 
die  Schenkung  der  von  dem  Freien  Hugo  erkauften  Güter  in  Zozenheim  in 
Nahegau,  in  der  Grafschaft  des  Grafen  Emicho  von  Smedeburch  an  das*  Martins- 
stift  in  Mainz.*)  Ebenfalls  in  diesem  Jahre,  aber  nach  dem  13.  September, 
dtebon  beide  Brüder  unter  den  „laici'^  als  Zeugen  in  der  Urkunde  des  gleichen 
Erzbiaohofes,  in  der  dieser  den  Chorbrüdern  des  h.  Martin  das  20  Hansen  b»* 
tragende  und  jährlich  23  Schweine  und  zwei  Pfund  entrichtende  Gut  seu  Bare- 
bach  schenkt,  das  er  für  120  Mark  von  dem  neugegründeten  Kloster  Ilbenstaik 
erkauft  hatte. >)  Die  Zeugen  sind  der  Reihe  nach:  „Arnoldus  urbis  pra^« 
comes  Oerhardus  de  Berbach  et  frater  eius  Heinricus,  Rupertua  et  frater 
Arnoldusy  comes  de  Lurenburc,  Heinricus  de  Cazenelnbogen,  Dammo  de  Buebo» 
Sigebodo,**  Im  darauffolgenden  Jahre  1134,  zwischen  dem  4.  Juni  und  13.  Sep* 
tember,  sehen  wir  betde^  wie  schon  oben  berührt  wurde,  an  Stelle  ihres  Vette« 
Udalrich  auf  dem  erneuerten  Freiheitserlasse  des  Erzbischofes  ftir  die  Mains«'/) 
Es  folgen  sieh  hierbei  die  Namen  der  beteiligten  weltlichen  Edelen  in  der  fBr 
die  Brüder  ehrenvollen  Weise  so:  „Willehelmus  comes  de  LuzclenburCp  dw 
Frithericus,  item  praefectus  civitatis  Arnoldus,  Arnoldus  comes  et  frater  mwB 
Rutbertus  de  Lurenburc,  comes  Hermannus  de  Salmis  et  frater  eius  Otlo 
de  Kineche,  Emmecho  comes  et  frater  eius  Gerlaus,  comes  Gerhardus  et  frml^r 
eius  Heinricus  de  Berbach,  Heinricus  de  Cazenelenboge,  Dammo  et  Sigebodo 
de  Bucho."  Ebenfalls  im  Jahre  1134  und  vor  dem  18.  September  helfen  ,T>ttx 
Frithericus,  Arnoldus  et  frater  eius  Rupertus  de  Lurenburc,  comes  Sigfndus  de 
Nuringes,  Gerart  de  Hagenuhese,  Adelbertus  de  Jude^  bezeugen,  dass  Adelbeit 
dem  Stiftskapite!  von  S,  Victor  einen  Ort  zur  Anlegung  einer  Mühle  aswtscbeo 
der   steinernen   Brücke   und   Rudolfeshusin    verleiht,^)     Zwischen   4.    Juni   and 


I 


Btimmt  nicht,  wie  bcroita  JoftnßiB  am  Kande  bemerkt,  und  Will,  Regceten  1,  :297,  Nr,  t$i 
Angedeutet  liat,  mit  dem  mt tangegeben eit  8.  Regierungsjahre  Lothar^  da  sie  dai  IaIit  ti^f 
dieftcfl  aber  1133  vor  dem   \X  Sept.  anzeigt,    Sie  ist  also  in  XI  lu  verbeflsern. 

*)  Oudenui,  Cod,  dipl  1,  110;  Will,  RegeaK^n  1,  2i)7,  Nr.  2Ö0.  -^  »)  Üuduuaj» 
Cod.  dJpL  1,  Uli.  In  dem  Datum:  11^5.  ind.  XI,  a.  regni  IX,  imper.  l,  itt«  wie  Will,  llaif. 
t,  $97|  Nr.  2iVl  nahtig  bemerkt  liat,  daa  Jahr  verfehlt  Indiodoti  und  Regjerungajahr  Lothar'i 
weiitn  auf  da«  Jahr  11. HH  nach  dem  13.  Sept  Schlieph.  1,  167  hilft  sieb  mit  otoam  ,«■ 
dieae  Zeit*,  Genauer  warde  zu  datieren  sein:  1133  zwiaohen  4,  Juni  (Beginn  dee  ersten  ICaaMf- 
jahre»)  und  13.  Sept,  (de*  Kömg«jahres).  —  ')  Oudenus.  Cod.  dipL  1,  V2ü,  Auch  hi«r  hi 
dat  Datum  fehlerhaft:  113ä  ind.  XII  a.  regni  Till,  imp.  IL  Indiotion  wie  Kdnig^ahr  p^mn 
nur  tum  Jahre  U3i,  nur  das  Ketaerjahr  könnte  auch  1135  ror  dem  4.  Juni  gejitatt4»B,  Da 
08  aher  mit  dem  4.  Juni  1134  beginnt^  so  kann  gh  obeüso  gut  dieses  bezeichnen.  Stfaimafl 
die  drei  Angaben  zusammen,  so  haben  wir  wohl  ein  Recht  zu  unserer  Zeitbestuumuiif^  !■ 
Texte  uod  dürfen  es  Will,  Regesten  1,  364\  Nr.  27K  aberlassen,  auch  nooh  das  Jahr  IUj 
bb  min  4«  Juni  sur  Wahl  zu  stellen.  Hennes  1,  18  seltt,  wie  wir,  1134«  Suhtteph.  I,  lil 
da«  Jalir  1135.  —  *)  Joanois,  Rer.  mog.  2«  UHS  f.  Auoh  hier  stimmen  die  DatamingaWi 
im  Jahr«  1135:  lad.  XI,  regn.  Villi,  imp.  IL  nioht.  Ind.  XI  ist  U33«  KGiiffsjahr  YflH 
IH.  Sept.  1133  bti  dahin  1134,  Kais(»rjahr  IL  4.  Juoi  1134  bis  dahin  llHIi.  WIM,  Ro|««Mi 
1,  :ia(^  Nr.  ^m  setxt  deshalli  mit  rraffoxLnohvn  -  Juni*  an.    Wir  4ifftu  aUr  4k» 


I 


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■h 


87 


^: 


B^f.  1135  befinden  sich  ^Comos  Arnoliius*)  et  frater  eius  Rypertus  de 
srenlmrg'*  an  letzter  Stelle  nach  den  freien  Edelen  „Cornea  civitatis  Adel- 
^arduö,  comes  Emicbu  de  Liningou,  comes  Ernmecho  de  Kyreburc  et  frater  eins 
lerlacus^  »um  letzte nmale  in  einer  Urkunde  Adelbert»,  der  in  dieser  die 
icheukuDgen  au  die  Propste!  (Philippß-)Zell  im  Nahegau  durch  die  Abte  von 
lornbach,  bsbesondere  den  Besitz  der  Kirchen  zu  Hareweaachem  und  Buaeneß- 
lieim  und  des  Ortes  Hornbach  mit  der  Kirche  bestätigt*) 

Es  ist  dies  bemerkenswerterweise  zugleich  das  Jahr,  io  dem  die  Grafen 
lu(  dem  Reichstage  zu  Worms  zur  Herausgabe  der  Burg  Nassau  verurteilt 
rurden^),  und  der  Bischof  Buggo  die  ihm  zuerkannte  Besitzung  siegesstolz  in 
enschein  nahm.^)  Da  nun  Erzbischof  Adelbert  noch  bis  zum  23.  Juni  11B7 
lefte,  so  sind  wir  entgegen  unserer  früheren  Annahme^)  der  Meinung,  dass  die 
^•OD  ihrem  Gönner  nicht  abgewendete  Verurteilung  die  Grafen  diesem  bis  zu 
Binem  Ende  entfremdet  habe.  Denn  wir  finden  sie  alsbald  zwischen  dem 
4.  Juni  und  13.  September  1136  am  Hofe  des  trierischeii  Erzbischofes  Adalbero. 
Ss  gilt  die  Entscheidung  dieses  Kirchenfürsten  in  einem  Streit  zwischen  dem 
Sitoeonsstifte  in  Trier  und  dem  von  S.  Georg  in  Bamberg  über  den  Zehnten 
zu  Hoingin  am  Rhein  zu  beurkunden.  Die  freien  Edelen  dabei  sind:  „Wille- 
minus  comes  palatinus,  Ernmecho  comes  et  frater  eins  Gerlacus  de  Veldenz, 
^-Godefridus  comes  de  Sponheim,  Gerlacus  de  laenburch,  advocatus  in  Hoingiii, 
l^homes  Rupertus  et  frater  etus  Arnoldus  de  Lurenburch.^*^)  Ebenso  erscheinen 
^Hie  Grafen  im  Jahre  1138  als  Zeugen  in  einer  Urkunde,  in  welcher  derselbe 
^^Irzbischof  dem  S.  Simeonsstift  ein  Gut  zu  Kyle  bestätigt,  das  diesem  geschenkt, 
aber  durch  Ritter  Hezelo  entzogen  worden  war.  Auch  hier  nehmen  sie  die 
letzte  Stelle  hinter  „Wilhelmus  comes  palatinus,  Friderious  comes  de  Vianna^ 
|H|Berlacus  de  Isenburg,  Reimboldus  de  Isenburg**  ein/^)  Es  könnte  nun  zwar 
^Bngenommen  werden,  dass  diese  Anwesenheit  in  Trier  eine  rein  zufallige  ge- 
^Bireaen  sei,  und  sie  wäre  es  in  der  That,  wenn  Hennea^)  mit  seiner  Behauptung 

anfl  «ngesetzte  Zeit  mit  am  so  besserem  Hechte  behaupten,  als  Herzog  Fridrich  ^egen- 
Ärtig  >var^  wie  wohl  in  der  ungefähr  gleichen  Zeit  bei  der  Urkunde  zuvor. 

'j  Die  Verwechselung  TOn  d  and  f  begegnet  öfter  in  Urkunden,  diigegen  wird  Rypertus 

oder  Druckfehler  sein,    da  es  ein  unmdglieber  Name   i«t  für   Rupertus.  —  *)  Würdt- 

ein,  Dioec.  mog.  l,  HIU;  Will,  Regesten  1,  80n,  Nr  281.  —  ^)  Wenck,  Hiat.  Abh.  l,  SH; 

ennoB  l,  46;   Schlieph,  I,   185.    —  *)  Sohannati  Hist,  episc.  Worm,  :i5:?:  „Hie  nliisqu© 

'18   detinebatur  Burchardus,    quaudo   Kupertus   et  Arnoldus^   Lurenburgii   Comiteg,   quorum 

tita  sede»  inter  Dietzium    et  Nassoviam  erat,  hanc  postreraam  arcera   Wormatieneis  ecclesiae 

ominio  avellere  ubique  usurpare  conati  sunt;  hinc  tumuJtuariae  litis  exorta  materia,  sed  quam 

plorata  moz  Caesaris  justitia  sustulit;  restitutua  itaque  in  priätinum  jus  suum  Praosul,   dum 

bovam    loci  passessionem  ipsemet  adit"*    etc.     Sohannat  beruft   sich  dabei  am  Rande  auascr 

|uf   die    Urkunde    von    1159    auf   ^Anonymi  Chron.  Worm.  MS."   —   *)  Annalen  24,  150»  — 

T.  Hontbeim,   Hist.  trev.  1,  Ö32  f.    Die  Datumangaben  der  Urkunde:  J,  Uri6,  vad,  XIII, 

►HB.  I,  a.  pontif.  nostri  IV,  regni  X»  imp.  III,  stimmen  bis  auf  Indiction  und  Concurrente  iiber- 

n;    dahi?r   unsere   Datierung   im  Texte,    bei    der   Kaiser-   und   Köuigsjahr   bestimmend    sein 

m^ie^   aufrecht   zu   erhalten  Ist  gegenüber  Goerz,  Mittelrh*  Regest.  1,  5U,  Kr*  1881,  der 

der  Bemerkung:   ^Da  alle  Zeitbestimmungen   im  Datum  ausser  II  aß  auf  1135  weisen,  in 

gesütjtt%  dem  Thtttbesttinde  widerspricht.    —    ♦)  r,  Honlheim   I,  "ilO;    Beyer,  ürkk 

Kr  UUS;  Goerz,  Mittelrli.  Regest   l,  ri2:i,  Nr,  lü25.  —  ")  1,  21. 


68 


Bedti 


letzten  maingifiefaen 


TrkunJeo  auch  dit?  letzten 
oeiea.  Aber  ein  Blick  in  WilTs  Regestea  belehrt  una^  daii^  der  < 
üricQiKkD  bis  ziitn  Tode  des  Erebischofea  noch  ein  Dutsend  iat,  tmd  d«w  b 
Omen  frühere  Hitzeegen  unserer  Qrafeo  wiederholt  Torkommea,  allerdiog»  iiidil 
mihr  m  der  gewohnten  Anzahl.  Dazu  kommt  das  andere,  da^a  das  Gef&U  dsf 
Hiederlige  bei  den  Qrafen  am  so  mehr  versoliärft  wurde,  als  Boggo  leiaeB 
Sieg  mit  der  Rachaneht  eines  ehemals  Besiegten  auaznnQtzen  sich  aogel^» 
aem  Besä.  Niehl  nnr,  daas  er,  wie  berichtet,  die  Burg  Na&saa  mil  etgoeo  Hiadeo 
IQ  Besila  nalmi^  ao  unterliegt  es  auch  keinem  Zweifel,  daas  er  dem 
erraaigeBeii  und  nicht  allzu  reichlich  ausgestatteten  Kloster  Schonau  etaeo 
weit  an  Glanz  des  Baaes  und  der  Einkünfte  überragenden  Kebeobabler 
dem  er  ebenfitUs  den  Namen  Schonan  beilegte.*)  Er  begann  gerade  sii 
Zeit  jenea  ^elegans  ac  sumptuasum  hand  proeul  Heidelbergm  eoe&obiiuii« 
ob  peramoennm  situm  gratamque  solitudinem  Scbonangie  nomen  indidit*', 
Schannat  arglos  von  dem  Bau  seines  besonderen  Lieblings  berichten  zu 
meint.  Wenn  er  aber  dann  hinseist:  ^eomque  rasto  operi  fortiter  insudaiet,' 
mox  de  Lodiarii  Caeaarta  morte  nuncius  superreniens  üliid  abraptt  ac  ipai  Tebit 
e  manibus  extorsit*')«  so  ist  es  uns  ein  Kleines,  au  erkennm,  waa  Bau  oail 
Naaeii  dieaer  atohMi,  in  der  strahlenden  kaiserlichen  Gunst  nntemommeon 
Sliftmig  bedeutet  Kein  Zweifel  also:  das  starke  Gefühl  ihrer  Niederlage  trieb 
die  Grafen  Ton  Hains  w^  nach  Trier.  Und  nicht  umaoast  beeilte  sich  der 
aeues  kaiaerfieben  Gönners  beraubte  Buggo,  die  auf  Betrieb  des  Btsbtidiofa 
Adalbero  xnr  WaU  des  neuen  Königs  Konrad  atatt  nach  Mains  nadi  Oobkat 
ReiohaterBaaimhnig  am  beaaehen  und  den  OewäUtaii  ajebt  naebr  voo 
SU  weichen/) 


#«  Alberata,  Uamahlln  Emieho*s  ron  Lelningen,  eine  Tochter 

Idalrichs  IIL 

Da  die  gleiebe  Zeit  €«  mit  sich  bringt^  ae  sind  wir  geiiii%t,  an  dieser 
Stelle  die  rnteranehni^  Über  eb  weibUchea  Mitgfied  des  koiitgtganiachen  Grafi» 
hawiei  eimuacbiebefi,  das  als  solch«  bisher  auch  noch  der  Totleo  Aaerkennnig 
gewartet  hat  Schannat  beriehtet»  daas  im  Jahre  1135  gEmtcho%  dea  Orafni 
Bnkaid  ?on  Leiaingeii  ¥od  der  Gtifln  AdellieM  Sohn,  von  himmlisch«»  Te^ 
laageo  ^ibeod,  seiner  Gemahlin  Alberata,  die  Toa  naaaoisehen  Oralen  ifarffl 
Un|Nni^g  herleitete.  AnUss  war,  daas  sie  mit  ihm  xur  Grtodnng  eiooa  geweihtet 
Kkaterfti  ta  dem  ihre  Leiber  nach  dem  Ilintritt  geborgen  werden  aollten«  Ih«- 
^*^^^"*  Sie  atiftalen  in  dem  Zwecke  in  der  Nähe  von  AUleiningen  das  Anguümr* 
Uoater  Haimi  (Haaingen,  Haniagen),  das  im  Jahre  1141  von  Bischof  Bügg* 
gewaÜit  wnrde^  und  in  deaseo  Kirdia  sie  ihr  Andenken  mit  den  Hexametitfa: 


Laaifamhl»  Ofaiaatai  ia  UnivHiaBicea 
Weiser  mii  Watte,  KirobwOMikaa  \iML    JHm 


S&a:  ^mmc  m  Isürs  «Ia»  i 


60 


I 


riDitas  UDa  (leus,  oblatuni  Buscipe  opus, 
Emicho  quod  donat  cooaensu  conjugb  Älbrat« 
vcrcwi^D.    Auf  ihrem  Grabmal  aber  stebeo  die  Verse : 

Hie  jacet  in  tumba  comas  Emicho^  coosociata 
CoDJuge  dicta  Albrat,  qui  templum  caBdidit  istud.^') 
channat  hat  die  Abkunft  Alberata's  aus  dem  allerdings  verfrüht  so  ge- 
rn nassauischen  Hause  offenbar  ebenso  für  ausgemacht  gehalten,  wie  die 
f,aUen    leiningischen    Geschlechtstafeln**,    die    Scbliephake   zur    Begründung 
seiner  Mutmassung  über  den   späteren  Anteil  Leiningen^s   an   der  Burg  Wies- 
baden heranzieht,^    Natürlich  ist  dies  kein  entscheidender  Grund,  die  Annahme 
beider  für  zweifelloß  zu  halten,  zumal  Schannat  sein  Wissen  wohl  aus  letzteren 
geschöpft  hatte,^    Das  erkennt  auch  Scbliephake,  und  wurden  wir  seiner  in 
solchen  Dingen  sich  immer  zwischen  Ja  und  Nein   bewegenden  Beweisführuog 
folgen,    80  müssten   wir  sogar  die  alte  Nachricht   geradezu  für  irrig  erklären/) 
Denn   ist,   wie    Schliephake   will,   die  Gemahlin   Ruprecht's   des   Streitbaren, 
des  Sohnes  des  uns  bis  dahin   beschäftigenden  Grafen  Arnold,  von  dem  später 
zu   reden    sein  wird,   die  Tochter   des  Grafen  Emicho  III.  von  Leiningen,  und 
dieser  ein  Sohn   Emicho's  II.,   dessen   Qemalilin   eben  jene   Alberata  war,   so 
würde  der  kanonisch  unzulässige  Fall  eingetreten  sein,  dass  Huprecht  der  Streit- 
bare  die  Enkelin    einer  Tochter   seines    eigenen  Hauses  geheiratet  habe.     Die 
Bluts verwan tschaft   war   aber  genau   noch    um  einen  Grad  näher.     Denn  wird 
das  in  der  später  zu  besprechenden  Urkunde  des  dafür  angenommenen  Jahres 
1159  oder  1169  vom  Grafen  Emicho  HI.  fiir  Ruprecht  gebrauchte  Wort  „gener 
[meus**  im  spätklassischen   und  daher  im  Mittelalter  üblichen  Sinne  genommen, 
[wie   es  hier  ohnedies  die  Lebenszeit  Ruprechts  verlangt,   so  bedeutet  es  nicht 
[Schwiegersohn,   sondern    Schwager,*)     Und   dann   ist,   wie  dies  später  genauer 
nachgewiesen  werden  soll,  seine  üemahlin  eine  Tochter  Alberata's.     Eine  Ehe 
bei  solcher  Blutsnähe  war  selbst  mit  Dispens  nicht  zu  ermöglichen«    Zum  Über- 
flüsse setzen  wir  noch  hinzu,  dass  der  Lcbcnsbeech reiber  des  Grafeu  Ludwig  III. 
I'von  Arnstein  nur  von  einer  laurenburg^schen  Tochter  dieser  Zeit,  von  Demudis, 
[Weiss.     Soll   also  Alberata  wirklich   eine   „nassauische*^   Urafeutochter   gewesen 


*)  Hist  cpisc.  Worin.  150.  —  *)  l,  401.  VermutHch  hat  Schliephake  nur  die  Be- 
Krem er'Sf  Orig*  Nasa.  1,  357  vorgelogen,  und  nein  misicherea  Auftreten  in  der  Sache 
tid  in  der  Bestreitung  der  Richtigkeit  der  leininger  Kachriehten  durch  Krem  er.  — 
rie  auch  K  rem  er  a.a.O.  urteilt.  —  *)  Brinckmeier,  Genealogiaehe  Oesch.  des  Ilausea 
□Ingen  1^  16  begnügt  sich  mit  der  farblosen  Bemerkung:  ^Seine  [Emicho's  IL]  Gemahlin 
s,  wie  beider  Leiohenstein  besagt,  Albratf  Alverat  oder  Alberat  und  scheint  dem  Hause 
fftSfiiiu  angehört  zu  haben, ^  Zur  BeetättguDg  führt  er  ^Menzel  u.  Sauer,  Cod.  dipL  Nass. 
p.  138"  an  und  setzt  dazu:  ^Daa  Ori^aal  in  MOnohen.^  Aber  das  angefilhrte  Werk  hat 
weder  an  genannter  Stelle,  noch  sonst  irgendwo  diesen  Namen.  Es  ist  deshalb  unerfindlich, 
was  es  mit  „ Original  in  München'*  auf  sich  hat.  Vermutlich  hat  sich  daaselb«  au«  einer  an- 
deren Anmerkung  des  Verfassers  hierher  verirrt.  Er  pflegt  aber  auch  sonst  wohl  leider  wie 
YoltAire  zu  citieren.  -^  ^)  Da  Gange -Henschol  ti^  504'':  ^Oener,  agnatus,  affinis,  maxime 
oris  marituB.'^  Auch  Lexer  2,  1832  f.  irrt  deshalb,  wenn  er  aus  Diefenbach's  Glossa- 
rium Ui.-germ.  Frankf.  1857.  259*:  f^Oener,  swäger*"  letateren  in  der  Bedeutung  von  Schwieger* 
Boho  lAjüeo  will, 


70 


rtoiii,  SO  sinri  wir  gcnr»tigt,  8ic  in  ilom  idstoin-eppüteinischon  Zwci|fe  nm 
zu  suchen  und  milaaen  annehmen,  dass  aie  eine  Tochter  des  Gräfe«  Vi 
rieh  in.  war.  Für  diese  Annahme»  so  gewagt  sie  auch  maugels  jeder  attdercti 
goschichtlichen  Überlieferung  erscheint,  spricht  unseres  Erachtens  wenig^ai 
ein  Zeugnis.  Es  ist  die  von  uns  bereits  behandelte  Urkunde  von  1128,  ta  d«r 
Erzbischof  Adelbert  dem  Domstifte  in  Mainz  die  Höfe  Bierstadt  und  Spurcbon- 
heim  nebst  vielen  anderen  schenkt,  und  in  der  als  ^laici^  die  zum  Teil  berdti 
genannten  Zeugen:  j,Emicho  comea  de  Smideburch  et  frater  eins  Ocrltiu, 
Emercho  comes  de  Liningen,  Arnoldus  et  frater  eius  Ruobertus  de  Lurenbarcfa, 
Dammo  de  Bvochen  et  Sigeboto,  Bertoldus  comes  et  frater  eius  de  Nvoringeo  et 
alii  liberi"  stehen.  Nehmen  wir  nun  an,  dass  wegen  des  überwiegend  grossen» 
Teils  der  Schenkungen  aus  dem  Nahegau,  wohin  vor  allem  der  Hof  Sporkenheio] 
in  der  Gemarkung  Niederingelheim  gehört,  die  Vertreter  dieses  Gaues  die  Ge- 
brüder Emicho  und  Q erlach  von  Schmidburg,  voranstehep,  so  ist  nichts  natür* 
lieber,  als  im  Grafen  Emercho  oder  Emicho  von  Leiningen  den  Schwiegersohtt 
des  ehemaligen  Herren  von  Bierstadt  und  in  den  Ihm  folgenden  Brüdern  vou 
Laurenburg  die  nächsten  Verwanten  desselben  zu  sehen,  denen  sich  die  ihöco 
nachfolgenden  Zeugen  als  Nachbarn  anBchlieasen.  Nun  war  freilich  die  Gemahlia 
Emercho's  oder  Emicho's  eine  Erbtochter.  Aber  ihre  Evbberechtigung  koußti) 
trotzdem  nur  eine  beschränkte  sein,  da  sie  von  der  des  Gesamthauses  abhiog, 
dem  der  Landbesitz  des  Erblassers  nach  altem,  auch  zu  dieser  Zeit  noek 
geltenden  salischeu  Rechte  in  seinen  männlichen  Vertretern  zufiel.^)  Der  ITit- 
besitz  Wiesbadens  seitens  Leiningens,  dem  wir  im  Anfange  des  13.  Jahrhundertf 
begegnen,  und  der  sich  möglicherweise  noch  auf  andere  Teile  des  Nachla»«c4 
Udalrichs  erstreckte,  würde  demnach  als  eine  Art  Pfandschaft  anzusehen  fleioi 
die  Laurenburg  Leiningen  zur  Sicherung  des  anderweitigen  Erbes  Alber ala^fi 
»ukomineu  lassen  musste.  Und  er  ist  es  auch  ohne  Zweifel,  da  er  die  Heiroi 
Ruprecht»  des  Streitbaren  mit  einer  Tochter  Alberata's  veranlasst  hat.  Diese 
galt  der  Beseitigung  der  lästigen  Fessel  des  Hauses^  die  deshalb  vor  Endo  i^ 
13,  Jahrhunderts  gelöst  erscheint. 

Warum  sich  aber  ein  solches  verwantschaftliches  Verhältnis  zwisoheii 
Laurenburg  und  Leiningen  bis  zu  dem  Grade  verschleiern  konnte,  das«  mr 
noch  eine  dunkele  Überlieferung  Kunde  von  ihr  gab,  ist  unschwer  zu  enträtseln.  H 
Emicho  als  Graf  des  Wormsgaues  und  Lehensträger  des  Bischofes  von  Worms  ™ 
durfte  mit  dessen  Feinden  keine  Gemeinschaft  haben.  Wir  begegnen  deshalb 
fast  zwei  Jahrzehnte  laug  seinem  Namen  in  keiner  Urkunde,  in  der  die  Lauron* 
burger  als  Zeugen  sich  finden.  Diese  Stellung  musste  sich  aber  um  so  AmU 
lieber  auabildon^  je  schärfer  sich  die  Dinge  zwischen  Laurenburg  und  Buggti 
zuspitzten.     Hieran   durfte   seihst  die  gemeinsame  Verwantschaft  mit  Udalitehy 


i 


*)  T«ex  SalicA  tit.  H2:  ,,t>e  ierm  rero  snlicfi  in  mixlierem  nQlU  |>ortii»  lieredttiiiU  tnodl^J 
sod  hoc  ririlis  »exiis  acquiriL''    Vgl.  Eichhorn,    Dcutseho  Staats*  tj.  RccfHtag^tohicIiUu   OSI- 
tingeti  t82L    1,  19»  u.   L*«  609.     Ebcusc»   besagt   das  tUuHngi^cho   Recht!   «üaqu«  »4  qiiiniftiB J 
gcoerationem  pfttenm  generftHo  soeeedat.     Fast  qointam   autom  fiUa  ox   loto^  tlve  d^  |^Alzii| 
»Ire  niAirls  parto,  in  heredUntoüi  suecodal,  et  Inno  demum  hereditas  ad  ftisum  atanoMt 
ual.**     Vjyl.  S('hrödor,  Lohrb.  ai9. 


71 


die  in  Alborata  iliren  Ausdnick  gefundoD  hatte,  nichta  ändern.  Erst  als  der 
Streit  zwiachen  Worms  und  Laurenburg  einem  Waffenstillatand  gewichen  war, 
konnten  sich  friedlichere  Beziehungen  auch  Äwischen  Laurenburg  und  Leiningen 
entwickeln.  Und  das  geschah  vom  Ende  des  Jahres  1146  ab,  wie  wii*  zeigen 
werden*  Es  ist  also  klar:  die  gespannten  Verhältnisse  zwischen  beiden  Häusern 
mussten  die  alte  Verbindung  Leiningena  mit  den  nahen  Verwanten  des  lauren- 
burg'schen  Hauses  in  ein  Dunkel  rücken,  das  die  spätere  Zeit  nur  noch  durch 
unsichere  Überlieferung  aufzuhellen  im  stände  war.  Hatten  sie  doch  auch,  um 
davon  noch  ein  Wort  zu  reden,  die  soviel  ältere  der  Vergessenheit  anheimgegeben, 
die  wir  bei  Trutwin  I.  erschliessen  zu  müssen  glaubten,  und  die  wir  nun  die 
Mutter  der  mit  Alberata  besiegelten  zu  nennen  uns  erlauben«  Denn  da  nicht 
»Jleigung,  sondern  Hausbedürfnis  die  Ehen  unserer  hohen  Geschlechter  schafft^ 
m  hat  auch  dies  allzeit  wachsame  und  mit  starkem  Gedächtnisse  bewaffnete 
Bedürfuis  durch  Alberata's  Heimholuog  nach  Leiningen  nur  das  wieder  heimzu- 
holen gesucht,  was  es  damals  au  Laurenburg  verloren  hatte.  Eine  Verbindung 
Emicbo^s  mit  Oemudis  Hess  das  Zerwürfnis  Ihres  Hauses  mit  Worms  nicht  zu 
und  konnte  das  reichere  Erbe  einer  Erbtochter  nicht  ersetzen.  So  musste  Albersta 
die  Erwählte  werden,  die  ausserhalb  der  Parteien  stand.  Wir  denken,  einen 
solchen  Schluss  zu  ziehen,  ist  angesichts  der  so  sehr  deutlichen  Verbindung 
dea  streitbaren  lluprecht  mit  einer  Tochter  Alberatas,  von  der  wir  vorhin 
gprachen,  nicht  unerlaubt. 


» 


I 


&.   Stellung  zu  Mainz  und  zum  Kaiser.    Bupreclit  I*  Kreuzfahrer. 

Wie  aber  hier  das  Hausbedürfnis  das  allein  massgebende  ist,  so  zeigt  es 
fiich  auch  dort  auPs  Neue,  wo  wir  es  schon  vorhin  beobachtet  hatten.  Denn 
nun  haben  wir  bei  der  weiteren  Verfolgung  der  Geschichte  Laurenburgs  zu 
berichten,  dass  der  notgedrungenen  Entfremdung  von  Mainz  die  Wiederan- 
näherung an  es  folgt.  Zeugnia  dafür  ist  uämiich  die  zwischen  L  Januai*  und 
13,  März  1139  fallende  Urkunde,  in  der  der  Neffe  Adelberts  L,  der  Erzbischof 
Adelbert  H.,  auf  Bitte  des  Propstes  Heinrich  von  8*  Victor  diesem  Kloster  in 
ehrendem  Andenken  an  seineu  Vorgänger  und  Oheim  die  ihm  zukonimenden 
Einkünfte  von  Weinbergen  in  Dulcesneheim  schenkt.  Denn  hier  wird  von  den 
freien  weltlichen  Zeugen  nach  „Comes  Symon  de  Sarebruch,  Advocatus  eiusdem 
ecclesie,  comes  Willeheimus  de  Olizberc,  comes  de  Lengenburc,  Egbertus, 
üerlacus  de  Isenburch**  zuletzt  „Arnoldus  de  Lurenburc**  genannt,'}  Aber 
iwenn  wir  nun  gewahren,  dass  dies  die  einzige  Zeugnisleistung  Laurenburg*s 
bis  zu  dem  am  17.  Juli  1141  erfolgenden  Tode  Adelberts  U,  ist,  und  dass  es 
von  da  ab  nur  bei  Beurkundungen  des  Königs  Konrad  und  des  späteren  Erz- 
bischofes  Heinrich  von  Mainz  aU  Zeuge  mitwirkt,  so  erkennen  wir,  dass  die 
jWiederaunäherung  an  Mainz  nicht  sowohl  diesem  als  dem  Könige  galt,  der 
m  Gegensatz  zu  dem  Schwiegersohne  des  Laurenburg  feindlichen  Lothar, 
li^inrich  dem  Stolzen,  gewählt,  worden   war,   und  dem  Adelbert  IL  seinen  Erz- 


*)  JMftauie,  R6r«  mog.  2,  ^84;   Wall,  Re^esteü  1,  30»^  Nr,  U. 


72 


stuhl   3SU  verdanken  hatte.     Aber  als  der  letztere  schon  im  Juli  1139^)^ 
wie  sein  Ohnif  sich  auf  die  Seite  Heinrichs  schlug,  war  trotz  der  YerwantBcbaft] 
das  Band   zwischen    ihm   und   den   Grafen   von   Laurenhurg  aserschnitten.     Sioj 
trieben   von   nun  an  auf  eigene  Faust  die   ihnen   förderlich    scheinendo  ho^ 
staufische  Politik^  die   sie   mit  dem  Anschhiss  an  Trier  eingeleitet  hatten* 
ist   am  Platze,    dies    hier   auszusprechen,    da   es   bisher   übersehen    worden 
Wir  finden  deshalb  am  K  August  1143  ^Robertus  dp  Lurenburch**  am  königli^ 
Uoflager  auf  Schloas  Cochem  an  der  Mosel,  wos»^llmt  er  als  der  Zweitktztö 
^Herimannus    Palatious    comes,    Adelbertus    raarohio   de  BaxoQia,    Gerebardu 
Cornea   de  Sulcebach^    Godefridus  comes    de  Sponheim,    comea  Otto   de  Rineka 
üiusque  eunsanguinei  Otto  et  Othalricus  de  Ära,  comes  Heriraannus  de  Uc 
burch  und  Reimboldus  de  Isenburgh"  Zeuge  in  der  Urkunde  ist,  durch 
Koutg  Konrad  die  Besitzungen  und  Rechte  des  Klosters  Sprenkirsbach  bestät 
Im    Jahre    danach,    am    20.    April    1144,    sehen    wir    ^Arnoldus    de    Lurobfl 
beim  nachnächsten  Nachfolger  Adelberts  IL,  dem  Erzbischofe  Heinrich  1.,  zu  Um 
Mit  , Damme  de  Hagenowe,  ITenricus  de  Cazenelenhogeu*^,  die  ihm  voranati 
und  „Wolfram  de  Wertheim  et  frater  eins  Diether,  Eggebertas  de  Degenet 
Godefridua  de  Hoste*,  die  ihnen  folgen,    bezeugt  er,  dass  der  Erzbisehof 
longa,  die  Gattin  Adelberts,  mit  ihren  ti  Kindern  von  der  Familie  der 
Kirche   und   der  Hörigkeit  ihres  Advocaten,  des  Stadtpräfecten  Ludwige   Id 
eprocheu  und  dem  Peterstifte  in  Asehaffenburg  als  Ministeriale  übergeben  hi 
Die  Zeugenschaft   so    vieler  Edeleu    und   die   besonders  kunstvolle  AussCmti 
der   Urkunde^)   bei   einem    verhältnismässig    geringfügigen   Anlasse   wolle 
bei   dieser  Gelegenheit  nicht  unterlassen,    als    kutturgeschrohtliche  Besond*! 
ausdrücklich    hervorzuheben,   die  Müssigkeit  des  Adels  und  die  Prunklieb« 
Geistlichkeit   erhält   damit   eine    beachtenswerte  Beleuchtung.     Auftalligcri 
treffen  wir  den  Grafen  Arnold  niemals  anders  an  als  in  Mainz,  wie  sich  oac 
noch  einmal  zeigen  wird.    Seinem  Bruder  Ruprecht  begegnen  wir  dafür  ifl 
Folge,  wie  im  Jahre   1143,  zuerst  1145  viermal  am  königlichen  Hoflagcr. 
erste  Mal  ist  es,  unbestimmt  in  welchem  der  lots^ten  Monate  dieses  Jabre^p  ^ 
er   unter  den    Zeugen   einer   nijmeger   Urkunde   König  Kourads  Hl,    nteh 
dftr  dieser   der  Abtei  Werden  ihre  Gerechtsame»   insbesondere   das   von 
Konrad  D.  ihr  ertciUo  Recht  auf  Beachiffung  der  Ruhr,  nachdem  er  durch 
hier7.u   bostollten  Grafen   Hermann    alle   Hindernisse   hatte   wegräumen    la 
bestätigt.      Die    Zeugenreihe    dabei     ist    diese:     ^Arnoldus  col  arr^"  -       ij| 
Wernerus  monanteriensis  episcopus,  Heinricu«  comes  de  gelre,  Heiiu 

*)  Will,  Re^esten  1,  hu\  Nr.  17.  —  *)  Act-  PaU  :i,  112  ff.;  Beyer,  Urkanttoiili 
5tKI,  Nr.  532.    Die  Urkunde  ist  datiert:  J.  1144,  Ind.  VI»  Kdnigigahr  VI,  KaL  Aair.   I>a  i 
Ind.  i\m  Jahr  IHH  ergibt,    so  hat  Gocr^,  Mittclrh.  Regest.  I,  Ä4U,  Nr,  2iHi*l  nach  St« 
2n.H,  Xr,  34*30,   das  Jahr  ll4:i  als  das  riolUige  geselait,    weil   der    1.  Augu«    nur  in  4a 
i:i.  Ulirz  beginaende  i».  Künigrsjabr  pa^at     Schon   in  den  Kcgesten   xuiii   Mittolrh.  Urkii 
buch  2,  »»IH,  Nr.  591    hatte   übrigen»   Ooerx,   der  VerfRÄ«er   dersolbeo,   gesagt:    ,lj|it 
regn.  o.  H  weiaon  auf  iu:i  Aug.  L**   —  *)  audenus,  Cod»  dipl,  l^  mm  IT.;  WSU»  Reg 
l,  :V2A^  Nr.  22  hat  öbersehen,  dasa  ind.  VI  falsch  ist  und  YH  hoissen  niUFs.  —  ^Oudcncitl 
merkt  autdrijoklich:  ^Supcrbit  diplomu  hoc  caracterurn  ornatu  peculiart  uaqttO  adrO|  nl 
tis  üuluslibci  platio  rapiat  ad  mirationem.** 


^läfc 


Ma,..     ^   n— t.. 


T8 


0  Limbvfch  [Riipreoht*8  Schwager],  Adolfiis  aduocatus  ecciesie  et  Evcrardu» 
lius  eiufl,  Ruotbertus  oomes  de  lurenburch,  Godefridus  et  heriinannus  de  cuiche/') 
'ftts  zweite  Mal,  genau  am  18,  Oktober  1145,  befindet  sich  Ruprecht  iu  Utrecht 

IiiDter  den  49  Zeugen,  die  König  Konrad  den  Besitz  der  Grafschaften  Oater- 
kind  Westergau  seitens  des  Bisturas  Utrecht  bestätigen  helfen.*)  Um  Weihnachten 
Ist  er  in  Aachen  bei  der  Verbriefung  des  Königs  für  Propst  Gerard  in  Bonn 
über  den  Verkauf  einer  Liegenschaft  zum  Baufonda  seiner  Kirche.')  Und  eben 
Bort  bezeugt  er  am  30.  Dezember  mit  dem  Erzbischofe  von  Köln,  den  Bischöfen 
[roo  Lüttiohf  Münster^  Basel,  Verdun  und  Havelberg,  dem  Pfalzgrafen  HerniaüD, 
lleinrich  von  Liraburg  und  dessen  Bruder  Walram,  Grafen  von  Arlon  nebst  12 
weiteren  Grafeo  die  königliche  Bestätigung  der  Besitzungen  und  Freiheiten  <Ies 
ochstiftea  Cambrai.*) 

Es  mag  hiernach  autfallen,  dass  Graf  Ruprecht  dem  königlichen  Hoflagcr 

verhältnismässig  weite  Ferne   gefolgt   ist,   während   er  sich  von  ihm  äugen- 

beiulich  ferne  hielt,    als  es  während  der  ersten  Hälfte   dos  Jahres    iu   seiner 

ähe  zu  Worms,  Speier  und  Andernach  sich  befand  nach  Ausweis  des  könig- 

chen  Itinerars."'^)     Sollte  sich  das  etwa  daraus  erklären  lassen,  dass  er  Kunde 

on  der  Absicht   seines  Vetters,   des  Grafen  Ludwig  UL    von  Arnstein,  hatte, 

in  Kloster  zu  dieser  Zeit  vom  Könige  bestätigen  zu  lassen,  und  dass  er  diesem 

nd  dessen  Gönnern  nicht  begegnen  wollte,  da  es  scheinen  will,  dass  das  Gegeu- 

ü  von  verwantschaftlichem  Einvernehmen  zwischen  ihnen  stattgefunden  habe? 

oun  nirgends  begegnen  wir  beiden  zusammen    io  Urkunden,   auch    nicht   vor 

dem  Jahre  1139,   wo  Ludwig  Mönch    wurde.     Ebenso   wird    die  Grafschaft  im 

Einrieb,  was  so  nahe  gelegen  hätte,  von  letzterem  nicht  an  Laurenburg,  sondern 

ÄQ  Isenburg  abgegeben,    als   er  ins  Kloster  ging.     Jedenfalls    steht  soviel  fest, 

daas  die  Bestätigung   Arnsteins   in   seinem  Besitze   und  seinem  Kochte  durcb 

en  König  zwischen   dem  13.  März  und  24.  September  1145   zu  Speier   ohne 


*)  Lacorablet,  ürkb.  1,  245,  Nr,  SöS.  Das  Datum  ist:  U47,  ind.  X,  a,  regui  X* 
tVL  Kill,  novembria  (IT.  Okt.).  Biea  hat  Hcmies  1,  ri3  Anm.  ruhig,  aber  kKIj^'ücli  mit  der 
blossen  Jahresangabe  hingenomiDen,  Schliephake  1^  179  ist  ilim  unvorsiclitig  gefolgt  tiiit 
dem  Motiatitdatum  dazu  und  deshalb  mit  dem  starken  geMchichtlichen  Sohnit^er  aU  Zueatss: 
iln  ihm  imc hinten  Jahre q  unternahm  Kaiser  Kotirad  den  Kreuzzug^,  während  er  hiltte  wiüBen 
aüsseUi  dass  Konrad  diesen  anfange  Mai  1147  schon  angetreten  hatte.  Das  Datum  iat  alst> 
DO  Zweifel  unrichtig.  Eaumer,  Geach,  der  Hohenstaufcn  2;  457  setzt  do»halb  im  Itinorar 
konradfl  bei  Anführung  der  Urkunde  ©in  einfaches  ^falsch*^.  Stumpf  Nr.  3r>'>2  erkannte  auf 
FÄlsehung  der  Urkunde,  musste  jedoch  spater  deren  Echtheit  wieder  anerkennen,  Die  Würz- 
burger Immunitäts-lTrkonden  des  X.  u.  XI.  Jahrhunderts.  Innsbr.  1874.  1,  12.  Erst  Fickor, 
JoitrJtgo  iur  ürkundenJehre  2,  142,  §  270  sotiSte  die  Handlung  in  die  letzten  Monate  des  Jahres 
|14.>  mit  dem  Bemerken,  daas  auch  im  ersten  Viertel  des  Jahres  1147  ein  Teil  der  Zeugen 
cim  Könige  in  Aachen  sich  befand^  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Datierung  ^zweifel- 
als  ^nachträgliche  YoUziehung  eines  von  Konrad  bereits  genehmigten  Textes^  anzusehen 
Wir  sind  den  Herren  Prof.  Otto  und  Arehi?rat  Dr*  Sauer  zu  besonderem  Danke  ver- 
bflichtet,  daas  sie  uns  auf  einen  Teil  der  im  Vorstehenden  benutzten  Litteratur  aufmerksam 
emacht  haben.  —  *)  Bondam,  Charterboek  der  hertogen  tau  Gelderland  192.  Vgl.  Hennes 
21  f.;  Böhmer,  Regest.  118,  Nr.  2219;  Suhliophake  1,  179.  —  ')  Hennes  I,  28;  Buh- 
l«r  UN,  Nr  2052;  Schliephake  1,  1711.  —    *)  Hennes  u.  SchUephako  a.  a.  i>.;  Büh- 


ler  Nr.  2051 
Uhr  1U5. 


Ooerz,  Mittelrh.  Regesten  1,  555,  Nr,  202J.    —    ^)  Böhmer,  Regesten   U7, 


74 

(lio  Mitxoiigonsoliaft  RnprochtH  und  soinos  Bruders  vor  sich  ging.  Mitzeuge 
war  diigogon  der  liiiuronburg  foindliche  Bischof  von  Worms,  Buggo,  und  von 
tlon  iindorun  Vorwanton  ausser  dem  „consanguineus"  Ludwigs,  dem  Herzoge 
Krio<lrich  von  Schwaben,  Heinrich  von  Eatzenelnbogen  und  Gerlach  von  Isen- 
hurg.>) 

Dan  Jahr  darnach  aber  treffen  wir  auch  Ruprecht  beim  Erzbischofe  Hein- 
rich von  Mainz.  Das  bezeugt  die  Urkunde  vom  20.  März  1146,  in  der  letzterer 
die  Kirche  in  Goisenhcim  dem  Stiftskapitel  in  Mainz  einverleibt  und  für  be- 
Hondero  Besoldung  des  Domscholasters  und  Thürstehers  sorgt,  insbesondere 
auch  den  llerriMi  und  Brüdern  des  Domstiftes  die  6  Fässer  Wein  von  Lahn- 
Htoin  bestätigt  und  sieh  dem  Gebete  am  Tage  seiner  Ordination  und  nach  dem  Tode 
am  Tage  soinos  Jahrosgedächtnisses  empfiehlt.')  Hier  ist  „Comes  Rupertus  de 
LurtMiburo*  der  erste  der  freien  weltlichen  Zeugen,  es  folgen  ihm:  „Gerhardus 
oonios  do  Nuringes,  Bertholdus  oomes  de  Nitha,  Arnoldus  de  Hagenowe,  Em- 
brico  do  Novo  oastro,  Thei>doricus  de  Birberc,  Henricus  de  Thidesse**.  Da» 
Faulo  dos  Jahres  bringt  die  denkwürdigen  Tage  der  Entscheidung  für  den  ver- 
hungnisvollon  zweiten  Kreuzzug  in  Speier.  Auch  Ruprecht  ist  anwesend,  und 
dio  gt^waltigo  Predigt  Bernhards  von  Clairvaux  am  29.  Dezember  1146 
wini  OS  wohl  fortig  gebracht  haben,  dass  der  alte  Groll  zwischen  Ruprecht 
und  Buggi^  in  dor  Begeisterung  für  die  Kreuzfahrt  begraben  ward.  Denn  als 
am  5.  Januar  1147  Konig  Konrad  mit  Hilfe  der  versammelten  Reichsfiirsten 
den  siobonjahrigon  blutigen  Streit  zwischen  dem  Erzbischofe  Adalbero  von  Trier 
und  dorn  Grafen  Heinrich  von  Namur  wegen  der  Abtei  S.  Maximin  bei  Trier 
luMlogt,  tindon  wir  unter  den  42  Zeugen  der  Urkunde  nicht  bloss  Buggo,  sondern 
;4iuh  vJioV.:  v.obor.  Joui  iirafon  F.mioho  von  l.o:nii;coii  •Koibortus  comes  de  Lucem- 
bu:^:*.  .?.   ■'..   l.uronburc.*       Uiorii.Kh   belehr:    ;:::<    ei::e   Urkunde    ohne  Datum, 

*     M  /  ?. ; >. .'  :v.    : .       :  :    Kr <.  -.v. e  r .    *.V  c.  Ni>>.   -.   '.    T  ;    G  -  : t  r.  - 5 .    Cod.  dipl.  *J,  1«» ; 

i«  /  .■      .  V.:t*:"    H.\:    ■,        -Nr    :   ;    .    H.  CT     _■;:.   r.-vr     i    IVi-.-sTTi: -K'vM:er«    Arn5U*in 

.  N.-    :.    ^^      V..    r.i;.i.      .   :,.    V^r-r.:-:-     K;*cv>-        -     »    .:   r.    S:.=:rf.  R-^:oh*kÄniler 

N-  l^A*  ?a;  .-:    s:     Sy  >."  '.    -        r."    V*/..   :.;—    .\-r   II    R.  =     r^ce   jl  r^j^ii  VII. 

r  *  ^.-.r    v:   *  .-r  a.  *     -  i    I\    r^  •    :•. :  •  :>;-:..  .  ;:    r-.t  :  :  -  ^  :    . ;  -iin^r*:=:.  -    Terre**en. 

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TR 


I 


jdie  aber  der  Zeugen  wegen  wahrscheinlich  in  des  Königs  Aufenthalt  /n  Frank- 
furt im  März  1147  ßUt,  dass  Graf  Ruprecht  abermals  in  des  letzteren  Umgebung 
ich  befindet*  Der  König  beötätigt  auf  Bitte  deä  Abtea  Richard  von  Sprenchirs- 
ach  und  durch  Vermittelung  des  Abtes  Wibald  von  Stablo  einen  Gütertausch, 
welchen  der  erstgenannte  Abt  mit  dem  Erzbischofe  Arnold  von  Köln  durch  die  Hand 
des  Erzbischofes  Adelbero  von  Trier  gemacht  hatte.*)  Zeugen  sind:  „Albero 
Treuirensis  archiepiscopus,  Arnold us  coloniensis  archiopiscopus,  Heinricus  Leo- 
diensis  episcopus,  Herimannus  palatinua  comes  de  Reno  et  frater  suus  Hein- 
ricus de  Cacenelnboge,  Robertus  comes  de  Lurenbureh,  Heinricus  comes  de 
Limburch  et  frater  auus  comes  Walleramus,  Otto  comes  de  Rineeha,  Reinaldus 
eomea  de  Bar,  Heinricus  comes  de  Saines,  Reimbaldus  de  isenburch  et  frater 
BUU8  Gerlachus  et  ceteri  quamplures."  Daas  Graf  Ruprecht  sich  im  Mai  des 
gleichen  Jahres  dem  zu  Augsburg  veraammelten  Kreuzheere  angeschlossen  habe, 
darf  wohl  als  gewiss  gelten,  da  er  Zeuge  des  begeisterten  Tages  in  Speier  ge- 
wesen war  und  sein  Land  den  Händen  Arnolds  überlassen  konnte.  Das  Schw*eigcn 
des  arosteiner  Mönches  hierüber  ist  kein  Gegengrund.  Denn  wenn  dieser  bloss 
er  Teilnahme  des  Neffen,  Ruprechts  des  Streitbaren^  im  nächsten  Kreuzzug 
gedenkt,  so  geschiebt  das  nicht  bloss,  wie  Schliephake,  das  Für  und  Wider 
pn  seiner  Weise  unschlüasig  erwäge&d,  annimmt,  weil  dieser  seiner  Zeit  soviel 
[näher  stand,  sondern  weil  er  der  in  des  Mönches  Augen  höchsten  Ehre,  des 
fSterbens  auf  diesem  Zuge,  teilhaftig  geworden  war.  Graf  Arnold  blieb  jeden- 
falls zurück.  Das  bezeugt  eine  Urkunde  von  1148,  in  der  Erzbischof  Heinrich 
von  Mainz  dem  Kloster  Ochtricheahusen  (Ichtershauaen)  die  Schenkung  der 
Kirche  in  Egenstaete  durch  seine  nahe  Verwante,  die  „nobilis  ac  religiosa  ma- 
[trona  nomine  Frideruna",  und  deren  Sohn  „MarquardusdeGruombach**  bestätigt.*) 
Das  Datum  der  Urkunde  hat  den  ausdrücklichen  Beisatz:  „gloriosi  regls  Cun- 
radi  secundi  secundo  peregrinationis  anno/  Hat  Will,  wie  es  scheint,  rccht^ 
30  ist  die  Urkunde  im  Februar  zur  Zeit  des  Aufenthaltes  des  Erzbischofes  in 
Brfurt  ausgestellt»  Dorthin  würde  also  der  mituuterzeichneto  Graf  Arnold  samt 
dem  ihm  voraustehenden  späteren  Mitachwieger,   dem  Grafen  Emiclio  von  Lei- 

Iningen,  seinem  Gönner  gefolgt  sein,  zum  Beweis,  wie  weit  sich  der  erzbischüf- 
licho  Hofdienst  auch  für  Freie  ausdehnte,  und  wieviel  die  erzbischöfliche  Gunst 
wert  schien.  Wie  aber  Graf  Arnold  beharrlich  am  mainzor  Hofe,  so  finden 
wir  seinen  Bruder  auch  dann  am  Königshofe,  als  dem  Könige  Konrad  der  Neffe 
Fridrich  L  gefolgt  war.  In  der  am  20.  April  1152  in  Köln  ausgestellten 
Urkunde  setzt  dieser  das  Kloster  Laach  wieder  in  Besitz  des  ihm  von  seinem 
Stifter,  dem  Pfalzgrafen  Heinrich,  geschenkten  Hofes  Bedendorf,    den  Heinrich 

allein  bei  Beyer  und  Goerz  richtig,    die  Yerschroibung  ^Luoemburg**    ifür  Lureiiburg  Sühim 

von  Toi n er  erkannt,    Luxemburg  Icunu  es  um  so  weniger  lieiaseti,  als  es  keinen  Robert  dieBCS 

Namens  gab,  und  ausserdoni  in  der  gleiohen  Urkunde  rier  Edele  ^de  Luceleiiburg'*  vorkommen. 

')  Act.  Pal,  3,  116;  0Onther  l,  29ö;  Boyer  1,  5H9;  Goerz,  Mlttelrh.  Regest.  1,  502, 

[Nr,  2046,     Von  letzterem  allein  in  das  richtige  Jahr  gestellt     Von  hier  aus  auch  Schliop- 

[liake  1,   178  mit  der  irrigen  Augabe  ^zwiBclien  1144  und  lUö*"  zu  berichtigen.  --  *)  ätum|if, 

Acta  mog.  i*ec.  XII.    Innsbr.  J8H3.    43,  Nr.  ftH;  Will,   Regesteu    l,   aal,    Nr.  iM>;   Schlieii- 

lliako    1,  ITß. 


I 


7« 

von  Molleepcrg  sieh  unrechtmässiger  weise  als  Lehen  zugeeignet,  nun  aber  gegm 
60  Mark  an  dou  Künig  wieder  abgetreten  hatte.')  Unter  den  nicht  weniger 
als  33  bei  Schlicphake  aufgezählten,  den  hüchsten  Reichsständen  angehdrea* 
den  Zeugen  nimmt  »Rotbertus  comes  de  Lurenburch*  die  22.  Stelle  ein. 


G.   Trotz  päpstlielion  Bannes  endlicher  Erwerb  Nagsauj^. 

Zu  dieser  Zeit  aber  muas  es  gewesen  sein,  dass  die  Grafen  im  Vertraaoti 
auf  die  königliehe  Gunst  sich  gewaltthätig  des  Zankapfels  zwischen  ihnen  und 
Worms,  der  von  ihrem  Vater  erbauten  Burg  Nassau,  bemächtigten*  Denn  vom 
4.  Mai  1154  datiert  der  bekannte  papstliclie  Drohbrief.*)  Derselbe  ist,  wii 
wir  seitter  Zeit  hervorzuheben  unterliessen,  ebenso  sehr  ein  Zeichen  für  die  to* 
zwiijchen  gewonnene  Machtstellung  Laurenburgs«  als  er  die  Ohnmacht  van 
Worms  kennzeichnet,  das  die  letzte  Karte  ausspielt,  nachdem  der  erste  trierisebo 
Buun  und  Lothars  Spruch  sich  als  wirkungslos  erwiesen  hatten.  Worms  «ah 
Laureüburg  in  königlicher  Gunst,  darum  war  nur  noch  der  Papst  seine  Zufluehi 
Laureaburg  aber  war  offenbar  um  so  sicherer  in  seinem  Vorgehen,  als  es  «ich 
ausser  auf  die  Gunst  des  Königs  auf  sein  gutes  Recht  stutzen  konnte.')  Was 
wollte  es  dagegen  heisseo,  dass  von  1154  on  der  Name  seiner  Grafen  in  keiner 
IVkunde  erscheinen  konnte,  ein  Umstand,  der  thörichterweisc  bis  dahin  an 
den  Tod  Ruprechts  und  Arnolds  zu  dieser  Zeit  glauben  Hess,  obgleich  sie  so 
deutlich  der  päpstliche  Brief  meint,  wie  ihren  Namen  nicht  minder  deutüdi| 
was  auch  bisher  übersehen  w^urde,  die  zwei  wormser  Urkunden  vom  9.  Mirs 
1  löD  nennen  samt  der  alsbald  xu  nennenden  Hillin's  vom  gleichen  Tage! 
Der  Besitz  von  Nassau  war  ihnen  mehr  wert.  Sie  trotzten  einfach  5  Jahro 
laug  und  ertrotzten  damit  den  berühmten  Vergleich  vom  Jahre  1159,  Dieser 
Erfolg  ist  um  so  bemerkenswerter,  wenn  wir  bedenken,  welch  eine  strenge 
Strafe  Kaiser  Fridrich  noch  an  Weihnachten  1156  auf  dem  Hoftage  zu  Worms 
über  den  Pfalzgrafon  Hermann  und  den  Erzbischof  Arnold  von  Mainz  wegen 
Landfriedensbruches  durch  das  bekannte  Hundetragen  verhäügt  hatte.*)  Der 
Kaiser  muss  demnach  den  laurenburg'schen  Fall  mit  anderen  Augen  angc* 
sehen  haben  als  das  wormser  Domstift  und  das  um  so  mehr,  als  Bischof  Kon- 
rad  von  Worms,  der  Nachfolger  Burkard's  oder  Buggo's^  selber  in  des  KaLicrä 
Gunst  stand.  Nicht  nnmögUch  also,  dass  von  letzterem  ein  Druck  auf  Konrad 
ausgeübt  worden  sein  mag,  den  ärgerlichen  Streit  aus  der  Welt  zu  scfaaflfit, 
und  kein  Wunder,  dass  Schannat  den  Austrag  desselben  mit  den  bitt4)nQ 
Worten  berichtet:  ^ Immer  war  unser  Kourad  dem  Kaiser  als  Begleiter  itir 
Seite,  uud  wuhrend  er  sich  zur  Übernahme  der  kriegeriseheu  Mühcu  rüstete^ 
ging  er.  zufallig  nach  Trier  verschlagen,  den  schändlichen  und  unseligen  Vertrag 


')  Oanthcr  1»  331;  Bo^cr  1,  61^  Nr.  561;  Oocn,  Mittelrh*  liogresten  2,  2,  K?»  4; 
^^ohHcphtike  1,  180,  —  ")  Annal.  24,  150.  —  *)  Dürfen  wir  doch  zu  der  »ohoti  fmbw  um 
llUlin*«  Ürkttodo  roa  1159  angefahrten  Stell©:  ,dicento«  in  eodom  cu»tro  se  iilti|uid  |»fu- 
prii?t*tis  hubere",  dio  bis  dabiii  von  uns  und  unaoren  Vorgängern  tJbcrseheoe  andere  wuthtig» 
&te\\Q  denelhen:  ^ct  persone  nostmo  et  oodesiac  quidquid  in  eodem  «ftjitro  Iqri»  Allo^i^ 
habebiint,  rcsi^narcnt*  (Schlicphakc  1,  2(>4)  in  Botriicht  neben*  —  *)  Vgl,  Wlil,  Rttftfm 


77 


> 
> 


I 


dem  Erzbischofe  Hillin  eio.  Er  trat  diesem  die  Burg  Nassau  uml  das 
ihr  aogrenzeade  herrliche  Landgut  von  40  Maaaea  ab,  wiibrend  er  umgekehi't 
den  nur  19  Manaeu  umfassenden  und  dazu  jeder  Gerichtsbarkeit  entkleideten 
Hof  Partenheim  von  ihm  in  Tauach  nahm.  Es  geschah  das,  wie  in  den  Urkunden 
glänzend  berichtet  ist,  unter  der  nachherigen  Billigung  des  Gegenpapstes  Victor 
im  Jahre  1160,  Es  wird  deshalb  von  einigen  Schriftstellern  der  wormser  Ge- 
schichte Hillin  dabei  wie  ein  gewaJtthätigen  Raubes  Schuldiger  angeklagt, 
während  er  im  Gegenteil  von  seinen  eignen  Leuten  und  von  Einheimischen  be* 
schuldigt  wird,  als  habe  er  jene  Sache  weniger  schlau  behandelt  und  zu  Ende 
gebracht.  Dass  deshalb  von  Neuem  ein  Schaden  über  die  wormser  Kirche 
gekommen  sei,  darüber  gibt  gewiss  der  Besitz  der  beiden  Landgüter  einen  Wink, 
der,  wer  weiss  aus  welchem  Grunde  oder  Geschicke,  bei  der  trierer  Kirche 
blieb,  da  sie  die  Grafen  von  Nassau  von  da  an  Kraft  des  Lehens  als  ihr  Ver- 
ptiichtete  und  ihr  Gut  in  Partenheim  bis  zum  Jahre  1GG5  gegen  den  Churfüraten 
von  der  Pfalz  wegen  des  behaupteten  Wildfanges  in  Anspruch  zu  nehmen  ver- 
sucht hat/^) 

Was  das  Ausserliche  der  Beurkundung  wegen  Nassaus  angeht,  so  ist 
hier  nachzutragen,  dasa  wir  uns  seiner  Zeit  vom  Ansehen  unserer  Gewährs- 
männer lleunes  und  Scliliephake  verleiten  Hessen,  nur  vier  Urkunden  über 
diesen  Fall  anzunehmen :  die  der  Kanoniker  des  wormser  Domstiftes,  die  des 
Bischofes  Konrad,  beide  vom  9.  März  1159,  die  Hillin 's  vom  1.  April  1159, 
die  Schliephake  nach  den  Urschriften  mit  den  beiden  ersten  abgedruckt  hat, 


I 
I 


*)  EIbL  opiso.  Wornmt.  356  f. :  ^ Adhaeserat  caesari  comes  ubique  Conradug  noater,  tleni- 
que  aünul  ad  aubeundos  militiao  labores  sese  acciogeret,  forte  Trovirem  dolatita,  turpem  nc 
infaUBtum  iUic  cum  HHlino  Arohipraeüule  Tractatum  imit:  huic  gi  quidcTn  Nossowa  itrccm 
eique  annexiim  XL  mansoruiD  nobüe  praedium  cessit,  dum,  vice  versa,  iion  niai  Curtem  Par- 
tenheim^  manaos  dumtaxat  XIX  complectentem,  neo  boq  omni  iniuper  jurisdictioiie  destitu- 
ium,  utui  in  Tabulas  speciose  [spatioBe^J  relatum^  probaute  pgbtmadum  auno  MCLX  Victore 
Antipapa.  Hinc  a  nonaullia  Wormatiensium  rerum  BOriptoribus  [am  Rande:  Qolscher,  Geeta 
Trcvir,  apud  Ecoard.  Scrij)t.  Tom.  11  j  Hiliinus  in  lioo,  velut  violonti  spoUl  reus  inouBatur, 
dum  e  contrario,  a  propriis  ac  domoaticiä  culpatur,  quasi  minus  caute  rem  iUam  tractarit  ac 
peregerit.  Certo  damnum  inde  ex  integro  in  Wormatiensem  redundasse  EcclcBiamf  sads  innuit 
praedii  utriusque  simul  posaeasio,  quae  nescio  qua  ratione  aut  fortiina,  penes  Trevirenaem  per* 
manait,  cum  haeo  NasaoTiae  Comitea  feudi  lege  exinde  obnoxios  sibi  habeat^  et  Partcnheimiitm 
auum  adbuo  Aruio  MDCLXV.  adversua  Palatino tn  Electorem  ä  praetenao  jure  Wildfangiatus 
vindicare  conata  fuent.*"  Das  ^forte  TreTirem  delatua*^  ht  übrigena  ein  Irrtum  Sclianuat'a, 
ßifl€liof  Konrad  sagt  deutliofa  in  aemer  Urkunde  vom  9.  MUrz  I15B  (Sohliephake  t^  20t): 
^qualitcr  .....  interfuerim  ouidam  ooncambio  in  uilla  Partenheim,  quod  yeraabatur  inter 
dominum  Hyllinum  uenerabilem  treuirenaia  eoclesie  arohiepiacopum  upostolic.  aedia  legatum  üi 
iuler  confratreR  noatrao  oanonicoa  Sancti  Petri  maioria  domua,  et  illam  comrautationem  pro- 
mouerim  et  coufirmauerim.*^  Dem  Termerko  an  ihrem  Schlusae  gemJlas  achoiut  nur  die  Aua- 
fertigung  der  Urkunden  in  Trier  erfolgt  zn  sein.  Aber  auch  darin  wird  Sohannat  in  »einer 
EntrOatnng  %n  weit  gegangen  sein,  daas  Partenheim  nicht  in  wormser  Besitz  übergegangen 
•ein  tolle.  Denn  da  IliUin  in  seinem  Tausehvcrtrag  auadrüoktich  betreffs  dieaca  Outea  sagt: 
^exoepta  aolummodo  decima  et  udvocutia,  quae  ante  tempora  mea  a  praedecedsoribua  meh 
«ront  inbeneficiata'*  [i.  e.  in  benelicium  data,  vgl.  Du  Cange-IIenschel  3,  7B(>*],  ao  gehörte 
«och  der  Wildfang  zu  den  von  Trier  vorbehaltenen  Rechten,  sei  es  nun,  daa9  dieaea  als  Wild* 
bann  oder,  was  wahracheinllcher  ist,  atä  das  Recht,  Fremde  ala  eigene^  d.  h.  Yogteileute,  etn- 
stifangen,  zu  rerateben  ist. 


mutam 


78 

und  endlich  die  de«  Papstes  Victor  IV.  vom  25.  Juli  1160.  Es  gab  aber  ooch 
eine  fünfte,  die  uns  Schaunat')  aufbebalteu,  und  auf  die  schon  Kremer")  ver- 
wiesen  hat.  Diese,  ebenfalls  vom  9*  März  1159,  iät  das  Gegenstück  zu  der 
Urkunde  Kunrada  und  gibt,  ausgestellt  von  Hillin,  den  Sachverhalt  des  io  Parteo- 
heim  abgeschlosseuen  Tausch  Vertrages  zwischen  Trier  und  Worms  von  eraterer 
Seite  an.  Sie  bietet  im  wesentlichen  nichts  Neues,  sondern  stellt  nur  da»  von 
den  beiden  wormser  Urkunden  Vorgebrachte,  mehrfach  wörtlich,  aber  in  eigener 
Ordnung,  zusammen.  Gerade  das  jedoch  macht  sie  merkw^urdig.  Denn  indem 
sie  genau  den  wormser  Rechtsstandpunkt  bezuglich  Nassaus  wiedergibt,  mttt 
sie  sich  in  Widert?pruch  mit  der  Urkunde  vom  1.  April,  in  der  nach  Gebühr 
das  laurenburg'scho  Recht  gewahrt,  und  der  Sachverhalt  der  Wirklichkeit  eat- 
sprechend  dargestellt  ist,  so  wie  er  wenigstens  von  seiten  Laurenburgs  ange- 
sehen worden  zu  sein  scheint.  Überdies  widersprechen  sich  beide  Urkunde 
in  Bezug  auf  den  Zweck  des  Tausches.  Nach  der  vom  9.  März  geschieht  d« 
Tausch  in  der  Absicht,  dass  Worms,  weil  ihm  der  Besitz  Nassaus  lästig  ge- 
worden sei,  und  dies  ihm  zu  entfernt  liege,  in  dem  näheren  Partenheim  (bei 
Wörstat  in  Rheinhessen)  einen  Ersatz  finde,  und  Trier  dafür  einen  Besitz  inner* 
halb  seines  Sprengeis  erhalte.  Die  Urkunde  vom  1.  April  vorsichert  dagegen, 
der  Tausch  sei  aus  dem  Wunsche  hervorgegangen,  die  Streitursache  zwisobc 
Nassau  und  Worms  aus  dem  Mittel  zu  thun  und  zugleich  der  trierer  Kirchd 
einen  Vorteil  und  Nutzen  zu  verschaffen.  Als  ob  der  Streit  damit  ein  End« 
habe,  dass  Nassau  in  die  Hände  eines  anderen  Besitzers  gekommen  sei !  Dann 
erst  kommt  die  Hauptsache.  Nachdem  Trier  friedlich  und  ruhig  in  Beaits 
Nassaus  gelaugt  gewesen,  seien  die  Laurenburger  mit  der  Bitte  hervorgetreten. 
dass,  w^eil  sie  keinen  Streit  mit  Trier  wünschten,  vielmehr  diesem  immer  ergeben 
gewesen  seien,  auch  manchen  Dienst  ihm  geleistet  hätten  und  weitere  versprächen, 
Nassau  ihuen  zu  Lehen  gegeben  werde.  Zum  Ersatz  („pro  restauratione**')  für 
das  ohnehin  ein  wenig  zurückgegangene  Partenheim  hätten  sie  150  Mark  für 
den  Ankauf  eines  anderen  Landgutes  gegeben  und  zugleich  auf  ihr  Allodialrecht 
an  Nassau  verzichtet.  Aus  diesen  widerspruchsvollen  Darstellungen  der  Urkunden 
wird  erst  recht  klar,  dass  die  Triebfeder  zum  Tausche  weder  in  Worms  uoch  in 
Trier,  sondern  in  Laurenburg  und  am  kaiserlichen  Hofe  lag.  Man  ummantelte 
nur  die  harte  Notwendigkeit,  um  die  kirchliche  Würde  zu  wahren.  Die  zwischen 
Worms  und  Trier  gewählte  Form  der  Darstellung  erschien  den  Fülireru  der 
Unterhandlung,  vor  allem  Hillin,  notwendig,  um  dem  wormser  Domkapitel  Sand 
in  die  Augen  zu  streuen.  Bei  der  mit  Laureoburg  geführten  Sprache,  von  dar 
Worms  nicht»  boren  durfte,  galt  es  Hillin,  das  eigene  Domkapitel  glauben  zu 
machen,  dass  er  lediglich  im  Interesse  Triers  gehandelt  habe.  Denn  auch 
dieses  bedurfte  einer  solchco  Täuschung,  da  es  5  Jahre  zuvor  an  der  Ausführung 
des  ptlp»Uichen  Bannes  kirchenordnungsgemäss  beteiligt  war.  Deshalb  auch 
in  der  Urkunde  vom  1,  April  kein  Wort  von  der  Zuriicknuhme  des  Bannei» 
KtHt  iVw  Vorteile  von  einer  Verbindunc:  Laurenbur^rf?  mit  Trier»   dann  verstand 


hftt  Ulf r  *Ui*  nuhi'lHUrrlii'ht«  H(ik<ulung  *uii  «ininpunfÄlio.    Vgl.  Üii  C«ii|pe«Hi*ii«rhrl   \  Tlifi* 


79 


^aich  die  Aufhebung  des  Bannes  von   selber,   die  wir  deshalb   in   einer   hierauf 
[ilgenden  eigenen,  leider  verloren  gegangenen  Urknüde  erwarten  dürfen.'} 

Aber   auch  das  findet  noch  aeine  Erklärung,   dass  Laurenburg   bei  dieser 

^Angelegenheit  eine  so  auffallend  geringe  Beteiligung  seiner  nächsten  Nachbarn 

Hfand.     Nur  lü  freie  Edele  nennt  die  Urkunde  vom    1.  April  1159  als  ^testes*^ 

Hlind  ^obrndes*^ :    ^Reinboldus  c.  de  ysenburg  et  Gerlacus  nepos  eius,  Heinricus 

rtomes  de  seina,  Kuobertus  comes  de  Berebaeh,  Fridericus  de  Brubach,  Euerardu« 

de   Burgensheim,   Egenolfus   de  Wruthe,    Vdo   de   hegere,    Sifridus   de    ruukel, 

SifriduB   de   biegen/     Ton  diesen  sind   zunächst  zwei  angeheiratete  Yerwaute. 

leinbold  von  Iseuburg  ist  der  vierte  dieses   Namens  und  Sohn  Keinbolda  III,, 

1er  eine  der  6  arnsteinischen  Töchter  geheiratet  hatte,  zugleich,  wie  die  Urkunde 

bezeugt,   Inhaber  der  Grafen  würde   im   Einrieb.*)     Sein  Neffe  Qerlaoh  V.,  als 

uhn  Gerlachs  IV.,  kommt,   wie  sein  Vater,   auch  als  Herr  von  Kovein   vor*^) 

^Der  diesen  folgende  Graf  Heinrich  von  Sain  ist  derselbe,  der  mit  seinem  Bruder 

Eberhard   die  Burg  Sain  Erzbischof  Hillin    1152  freiwillig  aufgetragen  und  als 

Lehen  von  diesem  empfangen  hatte.     Eine  solche  Ergebenheit  gegen  Trier  trug 

ihnen    100  Pfund  Heller   als  Jahresgehalt   mit   der  Bestimmung  ein,   dass  ihre 

L  erblichen  Nachfolger  die  Burg  und  diesen  Jabrgehalt  ohne  „Heregewede**  und 

H|,Mere8ture''    haben   sollten.^)      Und   doch    war   das   Ganze   nur  ein  Werk  der 

■Kot,  da  im  Sommer  des  gleichen  Jahres  die  Burg  durch  den  Erzbischof  Arnold 

"von  Köln  von  Grund  aus  zerstört  worden  war»^)     Was  Wunder,  daas  Lauren- 

ni    bürg   sich    hieran    ein    Beispiel   nahm,    und    dass    einer    der    Beispielgeber    mit 

Htinter  den  Zeugen   und  Geiseln   war.     Der    weitere  Zeuge  Graf  Ruprecht   von 

^Berebach    scheint   in   keiner  näheren  Beziehung   zu   Laurenburg   als  der  einer 

LBekanntschaft  vom  erzbischöflich   mainzischen  Hofe  gestanden  zu  haben,  da  er 

^m  ')  Zu  dieser  Erwartung  berechtigt  uns  ausser  den  Vorscliriften  des  kanoniaclien  Rechtes 

^^^Pein  ihalicher  Vorgang  ans  ungefähr  derselben  Zeit.     Graf  Stmen  I.   von  Sarbrücken,    Bruder 

'    des  Erzbisohofes  Adelbert  I,  von  Mainz,  hatte  lange  Zeit  dorn   Kloster  Sehwarzaeh  tm  Elsass 

die  ^curtis  in  SuuinderAthesheim^  gewaltsam  vorenthalten.    Kaiser   Fridrich  L   erkannte    1152 

XU  Recht,  dass  der  Hof  dem  Kloster  gehöre,  Giidenus,  3ylloge  458  ff,    Graf  Simon,  der  des- 

Phalb  vom  Bischöfe  von  Strassburg  nach  päpstlichem  Spruche  in  Bann  gethan  war,  rousste  sich 
tiieniüch  zur  Herausgabe  des  Hofes  verstehen^  that  dies  aber  in  der  Weise,  dass  er  sich  \ota 
Abte  Konrad  in  Schwarzach  UM  ^ex  rebus  ecclesiae  magna  difficultate  comjuieitas  marcas'* 
I^eben  liess,  „aliquod  tarnen  inter  haeo  luorum  ¥01608*^,  wie  es  iu  der  Urkunde  heisst,  trotzdem 
hr  sein  Unrecht  eingesehen  hatte  und  den  Hof  an  den  Bischof  Günther  von  Speier  abtrat,  der 
jthn  dem  Kloster  wieder  austeilte.  ,8ique  demum*",  heisst  es  alsdann  in  der  darüber  aufge- 
nommenen Urkunde  Günther's  von  115*2,  „concesHione  Dni  Argentinensis^  ad  quem  potestü» 
llunc  itoltendi  spectabat,  uostra  auctoritate  ab  exeommunicationo  solutus  est*.  SyUoge  462.  ■ — 
')  Der  Satz:  „qui  tuuc  tempori»  eundem  comitatum  teoebafc*',  in  dem  wir  bereits  ^tunc  tem- 
pcrria''  in  der  Bedeutung:  ^zu  der  Zeit*^  siebergesteUt  haben,  Anna],  23,  64,  besagt  bei  näherer 
l^ßötrachtung,  dass  zu  dieser  Zeit  bereite  Terliandlungen  betreffs  des  Terkaufes  der  Grafschaft 
^^Bn  Laurenburg  und  Katzenelenbogeu  im  Gange  sein  mussten,  da  sonst  wohl  ein  ^tenet'"  stehen 
^^vwdfde.  Möglich  bleibt  freilich  ein  Versehen  des  Urkundeverfaasers.  Sein  eigenes  „tunc 
^BU»mporia**  konnte  ihn  dies  machen  lassen,  indem  ihm  das  im  Sinne  gehabte  ^ku  dieser  Zeit'' 
unwillkürlich  xu  einem  «, damals'^  wurde  und  eine  Zeitform  der  Vergangenheit  zu  fordern  schien. 
»}  Reck,  Gesch.  d.  Häuser  [«enburg,  Runkel,  Wied.  Weimar  1825.  :<S^  40.  —  *)  Boy  er 
ll^SI,  Nr.  aTt;  QoerA,  Mittolrhein,  Regenten  2,  T,  Nr.  2a.  *)  Die  Quellen  hierüber  sifhe 
ei  Öoerx  ft.  a.  0.  2,  5,  Nr.  17* 


80 

BQüAi  in  maiazisohen  Urkundeo  vorkommt.')     Seine  Grafacbaft  liegt  im  tbfiriiig* 
ischen  Monregau.*)     Fridrich  von  Braubach  gehört  den  Adeligen  von  dort  m, 
die   schon  1153  genannt    werden.^)     Eberhard  von  Burgensheim,  jetzt  Bilrre»- 
beim  bei  Mayen  im  Regierungsbezirk  Coblenz,  darf  wegen  der  nicht  allzu  femeii 
Lage  seiner  Burg  zu  dem  Bekannteokreise  der  Laurenburger  gezählt  werden,^)  | 
In  Egenolf   von  Wruthe   haben    wir   wohl  den    ersten  Adeligen  von  Fnicbl  IQ 
crkenneo.^)    Udo  voo  Haiger,  Sigfrid  von  Runkel  und  Sigfrid  von  Bicken  treim 
auch  hier  zum  ersten  male  als  altnassauiache  Adelige  auF,^)     Unter  den  18  Mi* 
nisterialen  ist  es  nur  Roricus  de  Milena,  der  sich  uns  als  nast^auischer  Eigeum^iui  i 
zu   erkennen  gibt,  und  der  als  Ahnherr  derer  von  Miehlen  zu  betrachten  ist/l  I 
Das  sind  nun  alles,  trotz  ihrer  Zahl  von  26,  keine  bedeutenden  Namen,     Aber  \ 
mit   den  42    auf  der  Gegenseite   verhält  es   sich  geradeso.     Die   1 7  geidtticfapo  j 
Zeugen    davon   gehören   alle  Trier    oder    seiner   nächsten  Nähe   an.     Von  den 
nur  9  freien  Edelen  vertreten  6  zugleich  Laurenburg,    und  von  den   16  Minsi* 
terialen    thut   dies    sogar   noch    der  Marschalk  Wilhelm,     Gleichwohl   wäre  eb 
Schluss  hieraus    auf  das  geringe  Ansehen  Laureoburgs  das  Gegenteil    von  der  H 
Wahrheit.    Es  konnten  nicht  mehr  Zeugen,  und  dieselben  konnten  keine  anderm  " 
als  diese  zum  Teil  bejahrten  sein,    da  alle  kriegatüchtigen  Männer  sich  zu  der 
Zeit   in   dem    Ileere   Fridrichs  L   befanden,   der  die   lombardisehen  Stiidte  tu 
5(ücht]gen  hatte. 


7.  Rutireelit  TU,,  der  Streitbare,  znm  ersteniiiale  Urknndenxeüge. 

W^ir  mussten  dies  alles,  da  es  zusammen  gehört,  in  einem  Zuge  zu  Ende 
fuhren*     Eine   mainzer  Urkunde   aber   nötigt   uns   nun,   ehe   wir  weiter  geheo, 
um   ein  Jahr  zurückzugreifen.     Dieselbe  ist  1158    ausgestellt  und  berichtet  diel 
vom  Erzbischofe  Arnold,  wie  es  am  Ende  heisst:  „in  camenata  nostra  Moguntie^»| 
vollzogene   Schlichtung   des    Streites    zwischen    dem   Kloster   Winkel    und   deel 
Vormündern    des  Kheingrafen  Embricho  IV.    über  die  voo  letzteren  erhobenen 
Erbansprüche  auf  das  AUod  Rendewineshuba,  das  der  Ministeriale  des  Martin»* 
Mtiftcs  Wulfricus    von    Winkel   dem  Kloster   geschenkt  hatte.     Als  freie  Laten^ 
zeugen    werden    dabei    genannt:    „comes  Gerhardus   de  Nurinkes*^  und  y^cocn» 
UupertUB  de  Lurenburch.^^)    Schliephake  hat  ohne  weiteres  in  letzterem  dm 


^)  Qudonus,   Cod.   dipl.    1,   281;    Wonck,    Hesäsclie  Lundasgesoh.    1,   Urkb.  101.^1 
•j  Joannia,  Ror  niog.  2,  4G5,  489  f.;  Will,  Rogesten  1,  311,  Kr.  18.  —  »)  Vogel,  Tofiap^.f 
yi,  Boiiohr  646,   —    *)  MfUelrh.  Urkb*  2,  LKXIII.  —   *)  r.  Konthoim  1,  r>8H   »ohrribt  iiflfl 
«WriuOiotni''.     Die  Vcriauschuog^  von  v  und  w  kommt  Öfter  vor»    8o  Wolkoldo«  für  Yolkolibw 
Im  Ho  utile  im  1,442.  Wiesenrt  für  Vieicart  oder  Fischart,  Jahresber.  d.  Ge8<»Jiiolit«wiii«it<4. 
iierlln  1H9:1.    2,  104.    Ob    „Wezil  de  Yroohte  et  frater  oiuü  Arnoldus*'   in   der   Urkyad«  tm 
Jahn  llttO  «eiDe  Sohne  sind?    Ygl   Joanuis,    Spicileg.  21,    Mittelrh.   Reg^eii.    ^,   UU    Um 
oh  oioht,  waa  wichtiger  »ein  mochtCi   er  der  Ahnherr  derer  von  Stein  bi,  die  in  FrOcIit  ' 
IfiKcrt  waren  mal  einen  Egenolfiis  im  amsteiner  Necrologium  verzeichnet  haben?  VgL  Vof«l|j 
Topogr.  Ü5,  Be«chn  (Jäl;    Becker,    Ann«),  1«,  14.    —    *)  Vogel,   Beachr,  712,  2.V2,  '^'k 
0  Artioldi,  Miaeellaneen  141,  AnnaL  16,  15,    —  •)  Bodmann,  Rbcing.  Ali«»rt.  iTö;  f^as«! 
i,  172«  Nr.  238.    Da  die  Urkunde  nur  da»  Jahr  1158  und  Ind*  6  angibt,  so  hat  die  ung^t 
BMtintcnttDg  de«  Munal»  Schwierigkeiten  rornnaiiht.    Will,  Uegesten  1,  365,  Nr.  ftl  MHal  ali 


«** 


IvoD  uns  seither  besprochenen  Ruprecht  sehen  zu  müssen  gemeint  und  in  dieser 
Jrkunde  die  letzte  Bezeugung  für  ilin  vor  seinem  Tode  gefunden.*)     Sehr  mit 
Jnrecht*     Der    Altgraf  Ruprecht   befand   sieh    zu  dieser  Zeit   noch  im  Banne, 
l'war   also    zeugniüunfähig*     Zudem   hätte   ihm  Gerhard    von  Nüringa  nicht  vor- 
astehen  können,   da  er   diesem   gegenüber   der  Altere   war.     Denn   Gerhard 
fbegeguet  un8  in  Urkunden  erst  vom  Jahre  1143  an.')    Es  muss  also  ein  jüngerer 
f  Ruprecht  sein,  und  wenn  wir  bedenken,  dass  vor  dem  Banne  Arnold  sich  auf- 
fällig oft  am  mainzischen  Hofe  zeigte,  so  liegt  es  wohl  am  nächsten  anzunehmen, 
kdase  es  dessen  Sohn  Ruprecht  der  Streitbare  ist^  und  dass  die  Veraalassung, 
Idie  den  Vater  so  oft  dorthin  führte,  dessen  Eigenschaft  als  mainzischer  Lehens- 
träger war,    wie  ehemals  die  Udalrichs.     Es  will   sich  uns  das  nämlich  daraus 
lergeben,  dass  die  Zeugen schaft  diesmal  dicht  vor  dem  Kriegszuge  nach  Italien 
ffltatt  hat.   Was  kann  da  natürlicher  sein,  als  dass  der  Sohn  des  gebannten,  vielleicht 
^auoh  schon  gestorbenen  Vaters   au   dessen  Stelle  sich  bei  dem  Erzbischofe  als 
,mitos'^   und  „fidelis"   einfindet,    um  ihn  nach  Italien  zu   begleiten!     Als  Sohn 
ies  laurenburg'schcn  Hauses  und  als  Sohn  des  nicht  regierenden  lauronburg^schen 
Vaters   aber   stand  Ruprecht   natürlich   dem   regierenden  Grafen   Gerhard    von 
TüringB  nach. 


»1 

I 


TorJujii**f  offenbar  geleitet  yon  dem  Gedanke n,  dass  Erzbischof  Arnold  bereits  im  Anfang  de» 

uoi  mit  einem  glänzenden  und  wohlbewaffneten  Heere  auflzieht  und  zu  dieser  Zeit  mit  Kaiaer 

ridrich  in  Augsburg  zuBammentnift,  ebenda  'il>7,  Nr.  69.    Sauer  setzt  die  Zeit  Tom  14.  Aug. 

is  24.  Sept.    und  lüaBt  flieh  dabei  von  den  beiden  Anhaltspunkten   der  zuerst  toq  ihm  genau 

ach  dem  Original  wiedergegebenen  Urkunde  bestimmen,  dass  der  als  Zeuge  angegebene  Abt 

arpert  von  B.  Alban  dies  erst  nach  dem  25.  Mai^  dem  Todestag  seines  Yorgi&iigerB  Baldemar, 

ein  konnte,   und  dass  der  für  den  Namen  des  Abtes  von  Eberbaoh  freigelaatene  Raum  den 

14«  Aug*  1158  (1152  ist  Druckfehler  bei   Sauer,   der  gioh  auf  Baer,   Oesck  der  Abtei 

Iberbaoh,  1,  2'M^  wo  das  richtige  Jahr  steht,  beruft)   erfolgten  Tod  des   Abtes  Ruthard  vor* 

auBsetsie.     Da  aber  Ton  der  Hand   desselben   Schreibers   noch   eine  Urkunde  rora  Jahre  1151» 

mit  der  Ind,  VII  vorliege,  die  ebenfaKs  den  Raum  für  den  Kamen  des  eberbachor  Abtes  frei- 

Jaase,  so  sei  ersichtlicli,    dass  dieser  nach  der  am  24.  Sept.  beginnenden  sog.  kaiserlichen  In- 

ietion  reohne,  mithin  als  Ausstellungszeit  die  Zeit  sswiaehen  14,  Aug.  und  24.  Sept.  an;^nehmen 

li.     Beide  Golehrto   haben    mit  ihren  Festsetzungen  recht;   Will,   unwissend,   da  et  in  dem 

ihm  vorliegenden  Bodmann*Boben  Texte  nur  den  Namen    des  dort   von  diesem   hier  einge- 

iten  Abtes  Ruthard  kannte,  für  das  Konzept  der  Urkunde,  Sauer  für  ihre  AusferHgun>c. 

aber  die  Urkunde  in  diesem  Stücke  für  die  Diplomatik  lehrreich  ist,  so  ist  sie  es  auch  in 

iiug  auf  die  Zeugen.     Bei  dem  Konzepte  der  Urkunde,   In  der  Kemenate   des  Er;sbischofeay 

waren  offenbar  noch  die  Äbte  Baldemar   von   S.  Alban   und   Ruthard  von  Eberbaoh  zugegen. 

Bei  der  Ausfertigung  waren  sie  tot.    Tote  Zeugen  sind  keine.    Also  wurde  der  dem  Schreiber 

bekannte   Nanhf olger  Baldemar's  Harpert  ohne   weiteres    an  dessen   Stelle  gesetzt,    und   da 

der  Nachfolger  Ruthard^s,  Eberhard,  der  zuvor  von  Clairvaux  kommen  sollte  und  deshalb  erst 

vom  20.  Nov.  bezeugt  ist,  vgl.  Baer  1,  231  Anm.,  zu  der  Zeit  seinem  Namen  naoh  noch  un- 

bokaimt  war,  so  blieb  die  Stelle  ftir  diesen  frei  zum  sp&teren  Eintrag,  der  nie  erfolgte.   Auch 

ier  ist  ersichtlich,  dass  die  Urkunde  nur  dadurch  Wert  hatte,  daas  ihre  Zeugen  nudgenfalls 

lom  Eidö  gefordert  werden  konnten,  vgl.  Ficfcer,  Beitrüge  zur  Urkundenlehre  l,  85  ff.   Man 

war  deshalb  auf  Ersatz  der  inzwischen  Verstorbeneu  bedacht.   Die  Ersatzmänner  können  dann 

aU  iestes  facti,  d,  h.  zu  Zeugen  Gemachte,  gelten^  vgl.  Ficker  1,  86* 

»)  t,  189.  —  ")  Vogel,  Bewahr.  197. 


iSi 


IV.  Die  Grafen  von  Nassau. 

1.  Der  arngteiner  Bericht  und  seine  Ergänzung, 

Was  nun  zuüiichst  folgt  in  der  Geschichte  dea  von  da  an,  wie  bekanottl 
sich  Nassau  nennenden  Hauses,  hat  den  biBherigen  Darstellern  dieser  nm 
Anlas»  ihrer  irrigen  Annahme  über  die  beim  Vertrage  mit  Trier  beteiligten 
Glieder  des  Hauses  so  viele  vergebliche  Mühe  gemacht,  dass  uns  so  gut  «rie  I 
alles  EU  entwirren  übrig  geblieben  ist.  Wählen  wir  deshalb  unsern  Weg  sorg- 
föltig.  Die  Grundlage,  von  der  auszugehen  ist,  bleibt,  wie  wir  seinerzeit  schon  i 
darthaten,  auch  jetzt  der  Bericht  des  arnsteiner  Mönches,*)  Nach  diesem 
war  der  uns  als  Trutwin  IV.  bekannt  gewordene  Laurenburger,  der  ihm  b«- ] 
reits  Nassauer  ist,  der  Gemahl  der  vierten  Arnsteinerin,  die  wir  abseits  von 
ihm,  wie  den  Gattt»n,  unter  dem  Namen  Beatrix  kennen.  Aus  dieser  HIhe 
entsprossen:  Ruprecht,  Arnold  und  Deraudis,  die  letztere  vermählte  sich 
mit  Erabricho  und  war  die  Mutter  des  Grafen  Heinrich  von  Dietz,  wie  j 
dieser  der  Vater  des  Grafen  Gerhard  von  dort.  Von  Ruprecht  kennt  der  Mdneh 
nur  den  einen  Sohn  Walram.  War  ihm  doch  auch  der  Name  der  GemahliD 
Ruprechts  unbekannt  geblieben.  Wir  aber  sind  im  stände,  mit  Urkunden  seiner 
Unkunde  zu  Hilfe  zu  kommen*  Wir  wissen  seit  Gebhardi,  dass  die  Gemahlin 
dieses  ersten  Ruprecht  Beatrix  hiess  und  eine  Tochter  des  Herzogs  Walnun 
von  Limburg,  mit  dem  Beinamen  Paganus,  und  dessen  Gemahlin  Jutta  oder 
Judith  war,  sowie  dass  ihr  erster  Sohn  von  Ruprecht  den  Namen  Arnold  trug. 
Dies  macht  alles  die  eine  Urkunde  des  Bischofes  Heinrieh  von  Lüttich  von  li6l 
klar,  in  der  dieser  bestätigt,  dass  die  in's  Augustinerkloster  getretene  Witwe 
Walrams,  Jutta,  diesem  unter  Zustimmung  ihrer  Sohne  Heinrich  und  Gerhard 
die  Kirche  in  Lomundesheira  mit  allem  Zubehör  geschenkt  habe,  und  doas 
bei  ihrer  Beerdigung  in  gedachtem  Kloster  die  anwesenden  Söhne  mit  dorn 
gleichnamigen  Söhnchen  des  ersteren  von  ihnen,  wie  mit  „Arooldua  quoqtM 
filiua  Ruberti,  comitis  de  Lunneburg,  natus  ex  domina  Beatrice,  filia  praedicia^; 
dominae,  et  Theodoricus,  filius  Ekeberti  comitis  de  Titkeinburg,  natus  ex  wüm 
tilia",  die  genannte  Kirche  förmlich  übergeben  hätten/')  Der  Name  „Lunneburg*, 
der  in  den  Urkunden  von  1158  und  1212  des  gleichen  Betreffs  mit  Lunenbnrg 
und  Lunenboreh  wechselt,  ist  nur  ein  Schreibfehler  für  Lurenburg,  wie  bereit» 
Kremergesehen  und  festgestellt  bat.'*)  Dass  wir  diesem  erstgeborenen  Sohne 
Ruprechts  L  nicht  weiter  begegnen,  ist  ein  Zeichen,  dass  er  früh  gestorben 
sein  wird,  möglicherweise  auf  dem  ersten  italienischen  Feldzuge  Kaiser»  Prid- 
ricbs  L  zwischen  1154  und  1155,  der  noch  vor  Verkündigung  der  päpstlichen 
Bannandrohung  an  Laurenburg  begann,  sodass  sein  Tod  des  Kaisers  Gunst  gegen 
letzteres  vermehren  helfen  konnte.  Dem  arnsteiner  Mönche  aber  blieb  da» , 
ebenso  verborgen,  wie  das  VorhandoTisein  noch  eines  anderen  Sohnes  KuprechtaL«J 
vun  dem  erst  weiter  unten  geredet  werden  kann«    Ebenso  verrät  er  ein  halbdi  i 


*)  Krem  er,  Orig.  Näm.  2,  a6:i;  WidrannUt   Annalen  18,  247,  —  *j  Krcnior,  Oiff. 

Nna«.  2,  l7l  t,  vgl.  184  t  u.  249  tt   -    *>  Orj|f.  Kam.  1,  352  Aiim.,  v^l   «^^h-v»'     »     '^^   ' 


^Q/^ 


am 


I 

I 


Wisaen,  wenn  er  weiter  berichtet:  „Arnoldus  comes  pater  extitit  Ruberti 
eomitis  viri  bellicoei,  qui  in  expeditione  imperatoris  Froderici  peregrinus 
ubiit  iD  partibus  tranamarinia" ;  und  sein  Übersetzer  weiss  Dicht  mehr,  wenn 
er  das  überträgt  mit:  „Arnold,  eyn  atam,  dar  vss  sproiss  Ruprycht  eyn  juock 
rey68,  eyn  sti'eytbaftich  man,  der  da  gedynet  was  dem  Romischen  Keyser,  Keyser 
Frederich,  vnd  von  godes  wyllen  starp  vff  dem  mere,"*)  Fünf  alte  Nachrichten 
belehren  uns  nämlich  über  einen  Graten  Heinrich  zu  dteaer  Zeit,  der  niemand 
anders  ala  ein  Sohn  Arnolds  gewesen  sein  kann,  wie  dies  bereits  Kremer 
dargethan  hat'),  ^^^^  Nachfolger  finden  zu  können.  Sein  Name  ^Ueiuricus 
Cornea  de  Nassowe"  wird  zuerst  in  einer  Urkunde  von  1160  genannt,  in  der 
Erzbischof  Hillin  dem  Bischöfe  Albert  von  Verdun  die  Burg  Mussy  an  der  Mosel 
zu  Lehen  verspricht,  falls  derselbe  sie  von  dem  Paganus  von  Muasy  erobern 
werde.')  Graf  Heinrich,  der  als  der  Erste  seines  Geschlechtes  den 
Namen  Nassau  hier  führt,  tritt  dabei  als  erster  und  einziger  freier  weltlicher 
Zeuge  auf.  Die  nach  ihm  verzeichneten  13  Ministerialen  sind  der  Mehrzahl 
nach  dieselben,  wie  die  in  der  Urkunde  vom  1,  April  1159.  Er  hat  demnach 
den  waten  Teil  des  «weiten  italienischen  Heereszuges  Kaiser  Fridrichs  nicht  mit- 
gemaobtt  Erst  der  Nachschub  neuer  llilfsmannscbaft  beteiligt  ihn  daran.  Das 
gibt  die  zweite  Urkunde  vom  1.  September  1161  zu  erkennen,  die  ausgestellt 
„in  territorio  Medyolanensi  apud  Landrianvm**,  die  kaiserliche  Schlichtung  des 
Streites  zwischen  Hillin  und  dem  kaiserlichen  Bruder,  Rheinpfalzgrafen  Konrad, 
enthält  Als  Zeugen  werden  dabei  ausser  den  geistlichen  Würdenträgern  auf- 
geführt: ^Lodwicus  prouincialiB  comes,  Euerardus  comes  de  Seyne,  Henricus 
comes  de  Dithesae,  Robertua  et  Henricus  coraitea  de  Nassowe,  Sifridus  comes 
de  Wedeh,  Hermann ua  comes  de  Saffenberch'^  und  weitere  6  vom  niederen 
Adel/)  Da  Graf  Heinrich  von  Dietz  voransteht,  so  kann  „Robertus**  nicht 
Ruprecht  L  sein.  Dagegen  scblieast  die  Nichtbezeichnung  als  Bruder,  wie  in  so 
vielen  anderen  Urkunden,  nicht  aus,  dass  die  Genannten  von  Nassau  die  beiden 
Söhne  Arnolds,  Ruprecht  der  Streitbare  und  Heinrich  sein  können.  Wir  sagen 
aber  nur  „sein  können",  da  die  Möglichkeit  zu  bedenken  ist,  dass  Ruprecht 
als  Lehensmann  des  Erzbiscfaofes  Arnold  von  Mainz  mit  diesem  im  Jahre  IICO 
nach  Deutachland  zurückgekehrt  sein  könnte  und  Zeuge  von  dessen  schmach- 
vollem Tode  durch  die  empörerischen  Mainzer  am  24.  Juni  dieses  Jahres  ge* 
wesen  wäre.^)  In  diesem  Falle  hätten  wir  in  yjRobertus"  den  oben  angedeuteten 
Sohn  Ruprechts  I.  zu  sehen,  von  dem  später  zu  handeln  ist.  Die  dritte  Urkunde 
über  Heinrich   vom   Jahre  1163,   die  Schliephake   noch   nicht  kannte,   stellt 


')  Widmann,  Animlen  18,  247.  CliArakteristisch  für  die  Roth'ache  Oeßchichtsdör- 
Stellung  ist,  da§8  er  8.  16  seiner  OeBch.  d«  Stadt  Wie  ab,  zu  Bohreibeu  wagt:  ^Arnold  f.  hatte 
ak  Sohne  Heinrieh  L,  Hertnaon,  Ruprecht  IT.  und  Huprecht  UI.  den  Streitbaren,  mit  dem 
diese  Linie  ausHtarb^.  Als  Schreibfehler  nur  sei  ihm  angerechnet,  dass  er  S.  1 7  Huprecht  III. 
jtum  Sohne  Walrams  t.  macht,  da  er  dicflen  auf  derselben  Seite  vorher  als  Ruprecht  IV.  ycr- 

I  xeiohnet  hatte.  —  »)  Orig.  Nas«.  i^  nR4,  Yg\.  Schliephake  1,  269  ff.  —  ')  r,  Hontheim 
l^  590:  B«yer  J,  680;  Ooerz,  Hittelrh.  Regest.  2,50»  Kr.  16t».  —  *)  v.  Hontbeim  1,  595; 

[B#yer  l,  687,  Nr.  627;  Ooerz,  Mittelrh,  Regelt,  l,  r>5,  Nr.  l!*ß.  -   ^}  Siehe  die  Quellen  bei 

Nvni,  Regcj^ien  l,  y7;i— 76. 


•^^■■--^  ^ 


84 


(lieäeo  ebenso  aebeo  einen  Ruprecht  seines  Hauses.     Erzbischof  Eonrad  Li 
Mainz   legt   mit   ihr   den  Streit   zwiseheu    dem  Eloster   S.  Jakob   daselbst] 
Konrar]    von    Rüdesheini   bei.     Die   hierbei   genannten    «laici^    sind   der 
nach:    „Riipertus    et  Ileinricus  de  Nassowe,   Eraicho  irsutus  comea^    Gerhi 
Cornea  de  Nuringis,   Wernherus   de   Walebach,   Embrieho  comes  Reni,    Wefi 
horus  de  Bolauden,  Hartradus  de  Mijronberc,  Cunradus  de  Leitgastere,  Ernbi 
de  Winkelo,    Wernherus   dapifer,    ArnoUlus   rufus.**^)     Hier  nun   scheint 
entgegenzustehen,   die  au  erster  BteUe  diesmal  genannten  Nassauer  als  Ui 
anzusehen«  Die  vierte  Urkunde  zeigt  uns  den  Grafen  Heinrich  abermals  in  It 
E«  ist  eine  solche  des  gleichen  Erzbischofes,  vom  März  („in  mense  martio*') 
,in   opiscopatu  Faventino   apud  S,  Proculum**  ausgestellt,    die  den  Kaoonil 
des  matnzer  Domstiftes  die  Kirche  und  den  Zehnten  „de  inferiore  Vlmene  viffal 
[Niederolm]  uberlässt.    Ausser  20  geistlichen  Zeugen  werden  dabei  genannt 
Namen:   „Comitis  Embriconis  de  Liningen,  Gerlaci  comitis  de  Veldenza. 
comitis   de   Thuringia,   Heinrici  comitis    de  Nassowe,   Embriconis   de   Wiia 
Burchardi   et  Cunradi    de   Asehaffenburg,    Dudonis,    Marquardi    de    Berg 
Cunradi  filii  Wignandi,  Tirrici  de  Selliova,   Ludewici  Walpodi  Moguntini, 
bodonis   de  Pinguia,    DudoniK  et  Hertwici  de  Lorecho. ***)     Die   fünfte  Urk 
endlich   aus   der  gleichen  Zeit   und  vom  gleichen   Orte   enthält  die  kaiaeii 
Boi^itiitigung  der  vorangegangenen.    Ausser  2  Bischöfen  und  einem  Abte  wer 
hier   aber  nur    als  Zeugen  genannt:    „Frater  noster  Cunradus  comes  Palo 
de  Reno,  Fridericus  dux  de  Rodenburc,  Erwinus  comes  de  Thuringia,  Heiii 
comes  de  Nassowe."*)    Befand  sich  aber  hiernach  Graf  Heinrich  im  kaiserli| 
Feldlager,    so  besteht    kein  Zweifel,    dass  er  auch  der  ^H.  comes  de  Ntis« 
ist,    den   der   Cardinal    Nicolaus   von    Aragonien   in    seiner    ^Vita   nonnnllii 
pontificum  rom/  unmittelbar    nach  „Fredericus  Bavariae   dux**  und  mit 
chardus    comes    de   Aitremont,    IL    comes    de    Lippia,    R.  cancellarius  eecM 
Colon,  inlrusus  et  L.  frater  ejus  comes^  episcopus  Verdeusis  pertinax  scbisrud 
als  einen  der  «pauci  faraosissirai"  der  damals  innerhalb  7  Tagen  vor  Ron 
Pest  Erlegenen  des  deutschen  Heeres  nennt,    welche  den  Kaiser,   wie  der 
bemerkt,    ,,octavo   idus  Aug.    [G.  August  11G7|  nou  sine  manifesta  eoufiifii^ 
/.wang,    von  Rom  vm  entweichen«   um  im  Frühjahr  11  GS  nach  Deutaehland 
rückzukehren,*) 


^)  Roth,    OeachichtsqueUen  aus   Ifassau.    Wiegbaden    18fi0,   2,   7  f.;    S«tier   I«  j 
Will,  Regelten  2,  4,  Kr.  24.  —  *)  Oudenu«,  Cod.  dipl.  1,  254  ff.;  Goer«,  Miitijlrli. : 
2,  T4,  Nr,  258.    Fioker,  Beitrüge  ziir  Urk uii de d lehre  2,  495  macht  darauf  atirniisrk8ftm,1 
tu  dieBcr  Urkunde  ein  ^Zusammenwerfen  Ton  Zeugen  der  Handlung  und  Beurkundunf^* 
gefunden  habe,   erstere  «ei  nach  Mainz,  Jotitere  nach  Italien  zu  verlegen.     Will  hat  djä 
künde  nicht  vorxeichnct.  —  *)  Gndenus,  Cod.  dipl   l,  25i;  f.;  Will,  Regesten  :.*,  Z 
Fioker  TiOO  nennt  die  Urkunde    ^ein  sehr  auffallendes  Beispiel  der  Ahhan^^jfrkeit  da« 
koll«  ftogsr  von  der  bcstiltigten  Privaturkunde^,  d.  h.  der  xuvor  genannten  und  bemerkt 
«Ab«r  M  stimmt  auch  [in  beiden]  die  unrichtige  Ind.  M  statt  1<>,  virntet  daa  richtige  Ueg 
9tett  dee  kandeigemILiisen  14,    vor  allem   aber   fHe  in  dieser  Zeit   gan?.   ungewuhnliehe 
«tftndigc  Tagesangabe.''  —  *)  Murateri«  Script  rer  Itai,    tom,  Hl,  p,  I,  p.  45»  V>ei  KrcmurJ 
Orig.  Nass.  1,  :iH({  Anw^  vgL  Sehliophake  1,  274  f.    Weiter«»«  b^i  Btfittn^  Wirteai^ 
sebielite  2,  loi. 


65 


^ 


dieae  fünf  Zeuguisse  vom  Lcbcü  utui  Tode  doa  Grafen  Heinrich  waren 
für  den  Mönch  in  der  arusteiuer  Zelle  nicht  vorhanden.  Er,  der  zwischen  1198 
und  1230  schrieb*),  kennt  nur  die  Namen  der  mitlebenden  naasauischen  Grafen 
und  deren  nächste  Ahnen,  Graf  Heinrich  lag  vor  seiner  Zeit.  Ja  nicht  einmal 
seinen  Zeitgenossen,  den  Sohn  des  von  Dim  genannten  Ruprecht  des  Streitbaren^ 
Hermann,  scheint  er  gekannt  zu  haben,  da  dieser  als  Kanoniker  des  St.  Peter- 
stiflt€B  in  Mainz  seinem  Blick  entrückt  sein  mochte.*)  Nennt  er  doch  auch  nicht 
den  zweiten  Sohn  des  Grafen  Heinrich  von  Dietz,  den  jüngeren  Heinrich,  der 
noch  bis  1234  lebte,  während  der  von  ihm  genannte  Bruder  desselben  Gerhard 
nach  1223  nicht  mehr  vorkommt''),  zu  geschweigen,  dass  er  von  den  ebenfalls 
Mitlobenden  des  dietzischen  Hauses,  die  uns  auch  nur  dem  Namen  nach  be- 
kannt sind,  von  Berthold,  Diether  und  Philipp*)  nichtö  weiss.  Und  ist 
denn  nicht  sein  ganzer  genealogischer  Bericht  ein  selir  summarischer  zu  nennen? 
Während  er  von  den  6  arnateinischen  Töchtern  vier  ganz  flüchtig  mit  der  Be- 
merkung abthut,  dass  die  erste  und  zw^eite  au  ungarische  Barone  verheiratet 
wurden,  die  dritte  dem  Pfalzgrafen  von  Tübingen  in  St.,  Goar  mit  grosser  Pracht 
zugeführt  ward»  die  sechs^te  das  isenburg'scho  Geschlecht  gebar,  verweilt  er 
bei  der  vierten  und  fünften  nur  deshalb  länger*  weil  die  Nachkommen  dieser^ 
die  Grafen  von  Nassau  und  Katzenelnbogen,  ganz  in  seiner  Nähe,  die  erstereu 
sogar  die  Vögte  des  Klosters  sind*^)  Aber  selbst  bei  diesen  arnateiner  Vögten, 
deren  laurenburg'sche  Abkunft  er  nicht  einmal  kennt,  da  er  der  vierten  Arn- 
steinerin  gleich  einen  Nassauer  zum  Gemahl  gibt,  verfahrt  er  deutlich  mit  der 
Absicht,  nur  den  jetzt  regierenden  Grafen  die  nächsten  Stammväter  zuzuweisen 
und  darum  die  Nebenlinien  bloss  anzudeuten. 

Wir  dürfen  uns  deshalb  nicht  wandern,  dass  die  soeben  von  uns  vollzogene 
Ergänzung  seines  Berichtes,  die  uns  Arnold  als  den  vermutlich  ältesten  8olm 
Kuprechts  1.  und  Ueiurich  als  den  zweiten  Sohn  Arnolds  L  kennen  lehrte, 
uns  nun  noch  zu  einer  weiteren  zwingt,  wo  es  gilt,  einmal  für  alle  Male  dem 
seitherigen  Gewirre  des  Namens  Ruprecht  in  der  nassauischen  Genealogie  ein 
Ende  zu  machen  und  dabei  mit  wesentlichen  Annahmen  unserer  Vorgänger  in 
dieser  verwickelten  Sache  zu  brechen.  Denn,  um  es  gleich  zum  voraus  zu 
en,  es  ergibt  sich  uns  die  Notwendigkeit,  den  beiden  Grafen  Ruprecht  des 
«Vnsteiner  Mönches  noch  zwei  weitere  zu  gesellen,  von  denen  der  eine  bis  jetzt 
nur  schüchtern  Anerkennung  gefunden  hat,  der  andere  aber,  obwohl  längst  ent- 
deckt^ zum  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Entdeckung  von  uns  auf  eigenem 
Wege  als  solcher  erkannt  wurde.  Schliephake  ist  uns  dabei  ein  vorzüglicher 
Wogweiser  und  zwar  ebensosehr  durch  den  von  ihm  eingeschlagenen  Weg  als 
durch  seinen  Zweifel,  ob  derselbe  zum  Ziele  führe.  Sein  Weg,  die  Uuprechte 
durch  ihre  Gemahlinnen  zu  bestimmen'^J,  erprobt  sich  durchaus, 

*)  Widmunn,  Hass.  ChronUt^n  des  Mittelalters,  Wiesbaden  1B82.  l:j,  —  ')  Ee  dQrft^ 
das  ein  Zeiiguiä  dafür  sein,  daas  seine  Vita  näher  au  1230  als  an  ll^H  geeohrieben  gein 
wird«  da  Uormaun  1212  noch  nicht  iu  den  geistlichen  Stand  getreten  war,  und  der  K&nuniker 
ent  1240  uns  be«eugt  Ut  VjjL  Vogel,  Bescbr.  3U7  f.;  ßodmaon,  Rheing.  AUort.  874.  - 
■)  Tog«),  Beachr  20ft.  —  *)  \Venok\  Hess.  Lnndesgesob.  1,  530.  —  *)  v*  Arnpldi,  Oeadh 
ilttr  Oraa*  Naas,  Lande  3,  1,  211.  —  ^)  1|  -3'^- 


R» 


2.   Die  Bupreehte  und  ihre  (ieiuahUaiieiu 
a.   Ruprecht  L  und  Beatrix. 

Ihn  Kupreeht  I.  bedarf  dies  keiöes  Beweises  metr.  Auch  ist  er  (ür  um 
nicht  erat  durch  aciue  Gemahlin  Beatrix,  die  denselben  Namen  mit  setner  Mutter 
führt,  und  die  wir  Yogel  und  Schliepbake  entgegen  als  seine  einzige  aner* 
keuuen«  sondern  ebensosehr  durch  die  seither  über  ihn  vorgelegten  Urkunde« 
festgestellt  Und  wenn  wir  hier  noch  einmal  auf  ihn  zu  reden  kommen,  so  geschieht 
es  nufi  lim  festzustellen,  dass  mit  Sicherheit  nur  die  Verhandlungen  /.wischeo 
Worms,  Trier  und  Laurenburg  seinen  und  seines  Bruders  Arnold  Namen  zum 
lot/^tenmale  bieteu.  Wie  der  letztere  von  da  an  überhaupt  nicht  mehr  vorkommt| 
so  sind  auch  die  Träger  des  Namens  Ruprecht  seit  den  60er  Jahren  des  12, 
Jahrhunderts  augenscheinlich  andere  als  Ruprecht  I.  Es  darf  das  nicht  Wunder 
uehmeu,  denn  war  es  auch  beider  Vetter,  Ludwig  III,  von  Arnstein,  vergönnt, 
als  75 jahriger  im  Jahre  1185  erst  zu  sterben,  so  scheinen  der  Kriegsdieost 
und,  wie  wir  bei  Ruprecht  L  annehmen  dürfen,  die  Folgen  der  Teilnahme  an  dem 
Verhängnis  vollen  Kreuzzuge  unter  Konrad  III.  ihr  Leben  gekürzt  zu  bal 
Ausserdem  mochten  sie  um  10  und  mehr  Jahre  älter  als  Ludwig  sein,  da 
sie  schon  1123  als  Zeugen  auftreten  sahen,  wo  Ludwig  erst  13  Jahre  alt  wmr. 
Uleichwohl  dürfte,  um  das  an  dieser  Stelle  noch  einzuschieben,  der  «Com« 
de  Nassogen*^  vom  Jahre  1166,  auf  den  bis  jetzt  nur  Hennes')  und  Will*) 
aufmerksam  gemacht  haben,  noch  als  Ruprecht  L  anzuerkennen  »ein.  Es  wird 
nämlich  in  der  weitläufigen  „Descriptio  bonorum  Rhingravieorum^  aus  dem 
Anfang  des  13.  Jahrhunderts  unter  anderem  berichtet,  dass  Rhetngraf  Embrieo 
zu  der  Zeit,  als  der  Erzbisehof  Christian  von  Mainz  auf  Befehl  des  Kaiaoo 
Fridrieh  den  Kriegsxog  gegen  die  Lombarden  mitmachen  w^ollte,  die  YetQiiwtmg 
traf,  dass  für  den  Fall  seines,  des  als  Vaaall  Mitziehenden^  T^tdas  der  Sohn 
seiner  Schwester  Lukardis,  Wolfram  (von  Stein),  die  von  ihm  selber  Udiier  ini 
gobi^bi^i  Lehen  erhalten  solle.  Unter  diese  Lehen  geborte  von  SaÜMi 
^Cömea  de  NM^ogen*  ,ain  wtllbao'  swisehen  der  Waldaifa  und  Wtsper,  da« 
Dorf  Rin^rETtnhuaeo,  die  txkm  bleideoatater  Hofe  gebörigeo  Eigenleale  twiaobw 
Waldaffa  und  Wi&per,  Weinberge  in  den  Oemarknngsleileii  OYeobaefa,  M< 
luken  luid  Riuhelden,  die  der  Wildfördter  Womer  in  (After*)  Leb« 
Weiobei^  in  BattendaL,  ebeneolcbe  und  Zina  in  Lare<hn»eii|  die  Pokotad  is 
(A(ker«>Lehen  innebacte^  Weinberge  endlich  auf  dem  Berge  Allnnills,  die 
briM  Too  Tilmar  bostts«.^)  Dn  Brsbieebof  Ckrbikn,  der  daanb  nnr  eni 
wihlter  (etectna)  wnr^  im  Uerbsle  Am  Jabrea  1  IM  Bach  Itafien  aog,  der  Beriebl 


2,  ÄK  Xr.  ty, 

fn  Iieitin  ^'^Ct  ^velclbti» 
ieL    VgL  ttenatt  K  Ul  t 


*  *)  Kramtr.  Otif .  Sum.  ^ 


«ad  «to  Will  a.  ik  Ol 


a? 


V 


aber  tmr  von  einem  oder  dem  Grafen  von  Nassau,  also  ufTenbar  dem  regierenden 
spricht,  so  ist  die  Zeit  nicht  entgegen^  dass  wir  den  Altherrn  des  Hauses, 
Grafen  Ruprecht  L,  der  damals  ein  hoher  Sechziger  sein  mochte,  in  diesem 
Orafon  von  Nassau  erblicken,  zumal  die  in  der  Zeit  genannten  anderen  Glieder 
des  Hauses  nur  als  Zeugen  erscheinen.  Die  Urkunde  ist  aber  auch  nach  oiner 
anderen  Seite  hin  noch  wichtig.  Sie  zeigt  vorab  Nassau  im  Besitze  des  Wild- 
bannes  innerhalb  des  Rheingaues.  Diesen  konnte  es  nur  von  Mainz  zu  Lehen 
tragen,  da  Mainz  Besitzer  dos  Rheingauea  war.  Heiast  es  doch  auch  deshalb 
soviel  später  in  der  Urkunde  des  Erzbischof  es  Q  erlach  vom  Jahre  1847:  ,Auch 
bekennen  Wir  in  [den  Grafen  Adolf  und  Johannes  von  Nassau],  dass  si  vnser 
Oberste  Vorster  sin  von  der  WaltafFen  vber  vnsern  Walt,  daz  die  Hohe  heisset, 
bitz  zu  Lorche  in  den  Rin."*j  Hier  werden  wir  also  das  Lehen  haben,  um 
deswillen  wir  oben  den  Grafen  Heinrich  und  vor  ihm  seinen  Vater  Arnold  als 
mainzische  Lehonsleute  bezeichneten,  Sie  sind,  so  scheint  sich  hiermit  zu  er- 
geben, als  Vertreter  des  Geaamthauses  in  dieser  Eigenschaft  aufgetreten.  So- 
dann zeigt  die  rheingräfliche  Urkunde  den  Grafen  von  Nassau  noch  im  Besitze 
der  Vogtei  Bleidenstadt,  da  sie  die  ^homines*  des  Stiftes  innerhalb  des  Rhein- 
gaues als  seine  Vogteileute  kennzeichnet.  Und  endlich  berichtet  sie  uns  von 
seiner  Begüteruug  im  Rheingau.  Soviel  von  Ruprecht  L  und  seinem  vermutlich 
letzton  Auftreten. 


» 


b.   Ruprecht  lU.  und  Elisabeth,   Tochter  des  Grafen  Emicho  H. 

von  Leiningea 

Schwierig  wird  die  Sache  erst  bei  dem  von  uns  bereits  genannten  Sohne 
Arnolds  L,  Ruprecht  dem  Streitbaren.  Seine  Gemahlin  soll  Elisabeth 
heissen^  denn  das  besage,  so  behauptet  man  einhellig,  der  Eintrag  in  dem  am- 
Steiner  Totonregister :  ^Rupertus  comes  de  Nassowe  et  uxor  eius  Elysa  et  tilius 
eorum  Hermann us**.*)  Aber  welche  Elysa  soll  das  nun  gewesen  sein?  Man 
war  bisher  der  einstimmigen  Meinung,  dass  es  nur  diejenige  sein  könne,  die 
in  einer  Urkunde  des  Jahres  1235  als  „Elysa  quondam  comitissa  de  Nasso- 
uuia"  vorkommt*),  und  die  als  Tochter  des  Grafen  Emicho  von  Leiningen,  wie 
wir  nachher  darthun  werden,  erwiesen  ist.  Grundlage  dazu  bot  die  von  uns 
schon  8.  69  oben  gestreifte  Urkunde,  die  nach  Senckenberg  und  Kremer 
dem  Jahre  1159,  nach  Knoch  1169  angehören  soll*),  selber  aber  ohne  Jahres- 
angabe ist.  Graf  Emicho  von  Leiningen  erklärt  in  ihr^  dass  er  mit  Zustimmung 
seiner  Gemahlin  Elisa  und  seiner  Söhne  Herraano,  Eberhard  und  Fridrich  die 
ihm  als  Vogt  des  Klosters  Höningen  zustehenden  30  solidi  wormser  Münze  und 
10  Scheffel  Hafer  diesem  zur  Unterhaltung  eines  Nachtlichtes  für  sein  und 
»einer  Verwanten  Seelenheil  schenke  und  ausserdem  die  zwischen  ihm  und  dem 
Kloster  bisher  streitige  Abtei  wähl  letztcrem  endgiltig  überlasse.  Als  Zeugen 
werden   dabei    aufgeführt:    ^Cunradus   Wormatiensis   episcopus,    Ego   Emicho, 


')  KremeTf  Orig.  Koaa.  2,  319;  Bodmann^  Rhein^.  Altert  2^ä;  Hcnoc»  1,  142  f. 
—  ^  Hacker,  Das  Necfologiujn  der  Abtei  Arnsteiii.  Annal.  16,  13.  —  ^)  Kretoer,  Orig, 
IfikBs.  2,  274;  Sohliephnke  1,  263  Anm.  —  *)  Vgl.  Schliephnke  1,  261  Anm. 


8B 


Hermaniius,  Eborhardu«,  Fridericus  filii  inei,  Euberkus  oumes  de  NaMOwai 
gen  er  meus.^  Die  anderen  10  sind  Ministerialen  Emicho's.  Wird  quo,  wfe 
sdther  angeDommen^  dass  die  für  den  Grafen  Ruprecht  gebrauchte  Bezeichntuig 
^gener"  Schwiegersohn  bedeute,  so  würde  sich  ergeben,  dass  wenn  die  Ver* 
biudung  Ruprechts  mit  Elisa  eben  erst  im  Jahre  1150  oder  1169  geschloesen 
worden  wäre  und  /^war  bei  einem  Alter  der  letzteren  von  etwa  17  Jabrettt 
dieae  im  Jahre  1235  entweder  93  oder  83  Jahre  alt  gewesen  sein  müsse.  Ein 
80  hohes  Alter  ist  auch  Schliephake  „ungewöhnlich**,  wie  er  nicht  miufler 
die  45jährige  Witwenschaft,  die  vom  Tode  Ruprechts  1191 — 1236  zu  recboen 
ist,  bemerkenswert  findet.  Nun  würde  letztere  ja  an  sich  nichts  ^anz  Ausser- 
gewühnliches  sein.  Die  Mutter  Ruprechts  I.  muss  sogar  über  50  Jahre  Witwe 
gewesen  sein  und  die  (jfemahlin  Ludwigs  IL  von  Arnstetn,  üdilhildis,  mindestous 
42.^)  Aber  beider  Oemahle  starben  auch  schon  im  ersten  Ehejahrzehnte.  Rup- 
recht der  Streitbare  dagegen  muss  bei  seinem  Tode  mindestens  als  Sechziger 
angenommen  werden,  da,  wie  wir  sahen,  sein  Vater  Arnold  bereits  1123  al« 
Zeuge  auftritt.  Hätte  er  sich  um  1169  oder  69  vermählt,  so  würde  er  schon 
ein  29  oder  39  jähriger  gewesen  sein,  was  für  eine  Füratenheirat  UDgewöholidi 
zu  nennen  wäre.  Hat  er  sich  aber  der  Sitte  gemäss  im  Anfang  der  zwanziger 
Jahre  vermählt,  dann  war  die  anzunehmende  17 jährige  Gemahlin  etwa  11%^ 
geboren,  mithin  1285  nicht  weniger  als  102  Jahre  alt.  Das  scheint  denn  dodi 
des  Guten  zu  viel  zumal  der  angebliche  Vater,  Emicho  HL,  erst  in  den  fünf* 
ziger  Jahren  des  12.  Jahrhunderts  als  Zeuge  genannt  wird.  Kann  demnach 
sclion  von  hier  aus  unbedenklich  auf  die  Unmöglichkeit  einer  Verbindung  Hup- 
rechts  des  Streitbaren  mit  dieser  Elisabeth  von  Leiningen  orkanut  werden,  m 
ist  es  uns  eine  nicht  kleine  Genugthuung,  dies  auch  auf  anderem  Wege  io 
gleicher  Weise  zu  erhärten. 

Wie  wir  schon  vorhin  bemerkten,  kommt  Elisabeth  1235  in  der  Urkunde 
vor,  TU  welcher  „Luckardis  comitissa  de  Sarebrugon"  bekennt»  dass  sie  „vna  cum 
sororibus  nostris  Aluerada,  quondam  comitissa  de  Cleberc  et  Elysa,  quondam 
etiam  comitissa  de  Nassouuia  communicato  oonsitio*  einen  Mansus  in  Croicbe, 
einem  eingegangenen  Dorfe  bei  idmburg^X  für  eine  Lampe  im  Katharinenchot« 
der  limburger  Kirche  spendet.  Von  dieser  Lukardis  nun  wissen  wir  aus  der 
„defecteu  Copie'*  einer  vor  den  17,  Juli  119G  Pallenden  Urkunde  »in  dem  ab- 
teilichen  Chartulare*^  des  Klosters  Wadgassen,  dass  Graf  Simon  von  Saarbrücken 
mit  ihr,  als  seiner  Gemahlin,  und  aus  ihrem  väterlichen  Erbe  dem  Martenkloster 
in  „Wadegocinge**  das  Patron atsrecht  über  die  Kirclie  S.  Michael  in  „Bücken- 
heim^  (Bockenheim)  unter  der  Bestimmung  schenkt:  ^ut  U'delicet  singulis  anoii 
anniuersarius  dies  noster  et  patris  mei  et  matris  mee  et  anuiuersarius  dies  cotnttii 
Emmechonis  de  Lininga  et  eius  uxoris,  ttliorum  filiarumque  suarum  S'»"  >er 

in  endem  ecclesia  celebretur."')    Dass  die  L^rkuude  wirklich  vor  die  b  i.:W 

Zeit  (ullt,  bezeugt  etno  andere  dieses  Datums,  in  der  Luppold  von  Worms  als 
Bischof  und  derzeitiger  Archidiacon  dem  Abte  Gotfried  von  Wadegozingen  utid 


I  Aiuml  t4,  127,  15'/  Aum*   —  •)  Vogel,  Bi»chr.  7h*.',  -  »)  Mittelrk. 
lüöt  $ohli«|ih.  1,  %U  Atim,;  Goer/,  Mirtolrh«  Bcgcat*  t^  2iU^  Nr,  f<jb. 


Urkutiikoliiiik 


80 


I 

I 
I 


deasou  Nachfolgern  dio  Uechtc  eiuos  Plebans  (Pfarrers)  über  die  vom  Grafen 
Simon  von  Saarbrücken  und  dessen  Gemahlin  Lukardis  demselben  "geachenkto 
Kirche  8,  Michael  in  Bockenheim  verleiht,*)  Eine  andere  nur  aus  dem  genea- 
logischen Manuskripte  Andreae's  erhaltene  Urkunde  des  gleichen  Jahres  besagt: 
^Vlricus  in  Wormatia  major  prepositus**  thut  kund,  dass  Graf  Simon  und  seine 
Gemahlin  Lutgardis  die  Kirche  8.  Michaelis  in  Bockenheim,  die  ihnen  nach 
dem  Erbrechte  zukam,  dem  Marienkloster  in  Wadegozingen  „pro  remedio  ani- 
marum  suarum  nee  non  etiam  parentum  suorum*  übergeben  haben;  ausserdem 
habe  ^comitissa  Alberadis  de  Cleberc,  aoror  praenominatae  comitissae,  marito 
et  liberis  orbata,  zelo  pietatis"  das  Patronatsrecht  der  „ecclesia  S,  Martini  cum 
omni  iure  in  eodem  villa  Bockenheim  aupra  dicto  coenobio**  übertragen,^)  Aus 
dieser  letzten  urkundlichen  Nachricht  erhellt,  dass,  was  die  erste  nur  andeutete, 
Graf  Emicho  von  Leiniogen  der  Vater  der  Lukardis  ist,  also  alle  drei  Schwestern 
leiningischer  Abkunft  sind,  und  Elisabeth  zwar  nicht  als  die  jüngste,  doch  b\$ 
die  der  Schwester  Alberata  nachfolgende  jüngere  kenntlich  wird, 

Kechnen  wir  nun.  Waren  im  Jahre  1159  oder  1169  die  drei  vorhin  ge- 
nannten leiningischen  Brüder  Hermann,  Eberhard  und  Fridrich,  zu  denen  wir 
hier  drei  Schwestern  gefunden  habeo,  die  aber  ausserdem  noch  zwei  jüngere 
Brüder,  Adolph  und  Emicho,  hatten^),  mündig,  wie  ihre  Zeugenschaft  zu  beweisen 
scheint,  so  darf  doch  wohl  unter  der  Voraussetzung,  dass  sie  die  älteren  waren, 
angenommen  werden,  dass  die  Schwestern  sich  höchstens  10 — 12  Jahre  im 
Alter  von  ihnen  unterschieden.  Setzen  wir  also  für  Lukardis,  bei  der  uns  genaue 
Jahre  gegeben  sind,  aufs  Geradewohl  1149  oder  1159  als  Geburtsjahr  und 
bedenken  wir  sodann,  dass  ihr  Gemahl,  Graf  Simon  von  Saarbrücken,  nach  dem 
Jahre  1214  starb*),  so  müsste  sie  in  letzterem  Jahre  entweder  eine  65  oder 
5ö jährige  Witwe  sein*  Von  dieser  Witwe  aber  wissen  wir,  dass  sie  sich  in 
der  Folge  wieder  verheiratete  mit  dem  Grafen  Lothar  von  Wied,  wie  dies,  von 
allen  weitereu  geschichtlichen  Angaben  abgesehen,  im  Jahre  1235  das  Siegel 
an  ihrer  Urkunde  bezeugt,  das  eine  in  der  rechten  Hand  eine  Blume  haltende 
Frauengestalt  mit  der  allein  noch  lesbaren  Inschrift:  „Comitissa  de  Wide'  zeigt.*) 
Eine  mehr  als  55  oder  65  jährige  fürstliche  Witwe,  die  durch  den  Tod  ihrer 
fünf  Brüder,  die  Kinderlosigkeit  ihrer  einen  Schwester  und  den  geistlichen 
einzigen  Sohn  der  anderen  die  Anwartschaft  hatte,  mit  ihrem  allein  übrig  ge- 
bliebenen Sohne  Pridrich  II,  von  Saarbrücken  Erbin  der  umfangreichen  Graf- 
schaft Leiningen  zu  sein  —  eine  solche  Witwe  soll  nun  eioen  zweiten  uneigen- 
nützigen fürstlichen  Gatten  gefunden  haben!  Das  glaube  wer  mag,  und  selbst 
wenn  die  Geschichte  bezeugt,  da^s  diese  Ehe  kioderlos  war. 

Dio  Sache  wird  aber  noch  toller,  wenn  wir  dem  Berichte  Kremers  und 
seines  blinden  Nachtreters  Brinckmeier  Glauben  schenken  sollen*  Lukardis 
hatte  von    ihrem    ersten  Gemahl    fünf  Kinder:   Simon  IlL,   Heinrich,    Fridrich, 


')  AUttelrh.  Urkb.  !>,  U»6;   öoerz,   Mittclrh.  R^geat.  2,  210,   Nr.  769.  —  ')  Kremer_ 

lonejüog.  ücBcb,   des  alteo  ardennisohen  GeBchleclit».    30H.    —  ')  Brinokmeiorr   Genoalog. 

fOcsch.  de«  Hause»  Leiningon  1,  22  f.    —    *)  Brinokmeier  J,  2;»   lässt    im   Texte   arwar  den 

|GrAfen  Simon  ,vor  oder  in  dorn  Jahre  1211**  sterben,  in  der  Anmerkung  aber  wird  sein  Leben 

noch  bis  13H  urkundlich  bezeugt!  —  *j  Kromer,  Orig.  Kabb,  1,  3U1,  Anm.  5. 


90 

Stephan  und  Oiäcla,  Yoti  Heiurleh  und  Fi'idrich  duq  wird  behauptet,  das» 
mit  ihrem  Yater  Simon  II.  in  der  wederswoiler  Stiftungsurkunde  ven  11 
Zeugen  genannt  seien,*)  Sie  waren  demnach  mündig,  ihre  Geburt  w 
etwa  ia  dae  Jahr  1160  zu  legen  sein,  die  des  Vaters  vor  1140,  die  der' 
ungefähr  in  die  gleiche  Zeit.  Dann  kommt  heraus,  dass  Grälin  Lukardis  121 
eine  etwa  74jährige  Witwe  war  und  als  selche  in  eine  zweite  Ehe  trat!  Aber 
mala  eine  Unmögiichkeit,  der  freilich  der  so  viel  besonnenere  Crollius  dadurcl 
entgangen  ist,  dass  er  die  genannten  Zeugen  um  ein  ganzes  Oeschlechi 
rückwärts  weist') 

Wir  kommen  demnach  zu  dem  Schlüsse,  dass,  wie  in  letzterem' 
andere  Personen  für  die  vorhandenen  Namen  zu  suchen  waren,  ein  8o 
späteres  Jahr  für  die  auf  1159  oder  1169  eingestellte  Urkunde  anzunehme; 
Das  Recht  dazu  gibt  uns  ohnedies  ihre  bereits  bemerkte  Niehtdatierung. 
sind  aber  auch  in  der  Lage,  es  urkundlich  ausüben  zu  können.  Briuckme 
leistete  uns  hierbei  wider  Wissen  und  Willen  den  erspriesslichsten  Di<m^ 
Neben  seinem  vielen  urteilslos  zusammengehäuflen  Stoffe  des  bisher  Gedruc^H 
hat  er  ausnahmsweise  eine  uagedruckte  Urkunde,  wenn  auch  ohne  Eenntmj 
von  ihrem  Werte  nur  auszugsweise,  mitgeteilt,  die  uns  mit  einem  Male  aui 
allen  den  bisherigen  unsinnigen  Verlegeuheiten  rettot*  Er  bietet  aus  einesj 
Pergamente  des  germanischen  Museums  in  Nürnberg  vom  Jahre  1179*)  di^ 
massgebenden  Worte:  „ego  Emicho  Dei  gracia  comes  de  Lyningen  et  conseil 
mea  Elisa  et  pueri  mei  Eberhard  us  et  Fridericus  canonicis  Cellensia  ecciesie, 
salute  nostra  et  in  remedium  animarum  pareutum  nostrorum  in  benefioium 
vimus  et  perhenniter  confirmavimus*/)  Also  sind  die  genannten  Söhne  Emi 
1179  noch  „pueri*'  gewesen,  d.  h,,  da  sie  nach  Brinckmeier's  Veraich 
auch  Kanoniker,  das  will  offenbar  besagen  Dtmiicellaren,  des  Stiftes  in 
wareti,  noch  nicht  mündige  Jünglinge.  Setzen  wir  demnach  hoch  gegriffen  iKi 
Geburtsjahr  um  1105,  so  bleibt  uus  für  dasjenige  der  offenbar  jüngerofl 
Schwestern  der  Spielraum  zwischen  diesem  Jahre  und  1175.  Alberata  rooehti 
dann  1196  eine  etwa  25  jährige  Witwe^  Lukardis  1214  eine  hohe  Dreiasigeriil 
und  Elisabeth  1235  eine  angehende  Sechzigerin  seie.*^) 

Diese  Altersverhältnisae  stimmen  gleicherweise,    was  nicht  wenig  zu 
Bestätigung  dient,  aufs  Beste  mit  uns  überlieferten  anderweiten  Angaben. 
finden  am  14.  April  1 189  den  etwa  25  jährigen  Grafen  Fridrich  von  Leiningeu, 
Emicho's  111.,  am  kaiserlichen  Hoflager  in  Hagenau,  wo  er  als  Erster  unter 
Bezeichnung:   „F.  coraes  de  Lmingen"   den  Verzicht  des  Kaisers  Fridrich  I,j 
die  seither  vom  Bischöfe  von  Strassburg  zu  Lehen  getragenen  Güter  zu  „Spi 


*)  Kroroer,  Oenealog,  Gesch.  d.  ardeiiniacheo  Hauacs.  13»;   Britickmoior  1, 
^  Orig.  Bipont  I,  209.    —    ')  ,Ind,  XL"  und  danach:    ^nub  summo  porttifioe  Al^xandr 
inüasen   freilich  mit  Ind.  XU  und   Aloxandro  HI.  ersetzt  worden^   wenn   nicht  ein    Veci 
BrjQGkiiieier^t  vorliegt.  —  *)  Brinokmeier  1,  20  Anm.  —  ')  Bei  die«(^r  FesUteUitiigj 
um  die  von  Brinckmeier  1,  22  Angeführte,  ober  nicht  naehgewiogeno  Urkund«  niohi  hd 
in  der  «Emicho  rumet  de  LiniJigeii  et  filius  oiua  Eberhardus*'  als  Zeugen  bei  einen  vom  1 
von  Worms  gein lichten  Vertrage    orsoheinen.     Denn  nicht  nur,   das«   hier   niMnahmüweiid 
minderjährige  Sohn  genannt  sein  könnte^   *o  haben    wir   auch    bei  Brinekm»-ipr  «ich 
dingt  attf  tlie  Rsohtigkeit  dor  vua  ihm  gef^eheoen  Jahreszahl  lu  reehnen* 


91 


bach*  und  ^Tegerenbach**  zu  Oiinsten  des  Bischofes  mit  noch  aoderea  für  uns 
UDwesentlicheu  Bestimmungeu  mitbezeugt^),  während  sein  Vater  am  7,  Mai 
des  gleichen  Jahres  sich  «apud  Basileam"  im  Gefolge  des  zurückbleibenden 
Königs  Heinrich  VI,  befand^,  also  noch  ein  sehr  wegfertiger  Mann  gewesen 
sein  mu88.  Was  uns  aber  mittelbarerwcise  noch  mehr  von  seiner  Jugend- 
liobkeit  überzeugt,  ist  7  Jahre  später  seine  Teilnahme  an  der  Heerfahrt  Hein- 
richs VI,  nach  Apulien,    Das  Andenken  an  sie  ist  durch  sein  eigenes  Minnelied 


I 


^j  Wardtwein,  Nova  lubeid.  12»  118  f.     Der  solbst   in  seinen  Anfülirungen  durchaus 

tinxuverlJUflige  und  dabei  mit  vielen  Druokleblern  betastete  Brinckmeier   üitiert  hier:  ^XV. 

IL  C.**!  —   Besonders  auffilllig  konnte  es  dcheinenf    dass   Graf  Fridrich   am    folgenden  Tage, 

lö*  April,   nioht  mit  dem  von  hier  aus  den  Kreuzzug   antretenden   Kaiser   mg,   AnnaL  Marb> 

tÄ4  bei  Riezler,  ^Der  Kreuzzug  Kaiser  Friedrioh's  I>  in  ^Forschungen  z,  deutsehen  Oesoh,** 

GSttingen  1870.    l(i^  24^   sondern   erst  am  2U,  Juni  118l>  im  Gefolge  de*  mit  dem  kaiserlichen 

Oheime  veruneinigten  Landgrafen  Ludwig  von  Thüringen   sieh  in  ßrindisi  einschifft,    Riessler 

26,  Kl     Denn  dass   er   in  dessen  Gefolge    üeh  befand,   besagen  die  Verst»  in  dem  bekanuton, 

In  »einer  gegenwärtigen  Gestalt  allerdings  ein  Jahrhundert  späteren  Gediehte  fiber  diese  Fahrt 

Z.  1707  f. 

^Der  edele  von  Liningeu  Ein  menlioh  herre  gar  waa  er^ 

Grare  Friderich,  so  hiesi  ouoh  der,  Vest  gomvt  ?f  strites  werk.** 
und  Z.  3134  wird  ebenso  ^Orauo  Friderioh  von  Lyningen**  genannt,  Fried.  Heiur.  v.  d. 
Hagen^  ^T^e&  Landgrafen  Ludwig  des  Frommen  Kreuzfahrt. '^  Leipzig  1854.  5B,  104,  vgl.  den- 
selben ^Die  Minnesänger^.  Leipzig  18H0.  4^  IUI,  letztere  auch  von  Brinckmeier  1,  36  an* 
geführt,  aber  mit  Auslassung  der  zweiten  Stelle,  Es  OUlt  dagegen  auf,  dass  der  sorgfültige 
Kies] er  in  seinem  ^Yerzeiohnis  der  in  den  Quellen  genannten  Teilnehmer*^,  Beilage  H  den 
Grafen  ausl&sst,  wahrend  er  doch  doA  genannte  Gedicht  S.  14(»  ausdrüeklich  zu  seinen  Quellen 
Mät  Um  so  genauer  hat  dies  R5h rieht,  Beiträge  zur  Gesch.  d.  Kreuzzügo.  Berlin  1878. 
2,  387  naohgeholtf  aber  mit  r.  d.  Hagen  zu  Unrecht  Z«  44in  d&7M  angeführt.  Die  Sache 
wird  sich  aber  so  verhalten  haben.  Die  Urkunde  berichtet:  ^Huic  contraotui  ioterfuit  pre- 
dileetus  filius  noster  Heinricus  illustris  Born.  Rex  Augustus^.  Graf  Fridrich  hat  sich  demnai^h 
im  Gefolge  dieses  Königs  befunden,  der  von  seinem  Vater  in  Hagenau  Abschied  nahm^  und 
gehorte  off'enbar  zum  Kreise  der  diesen  begleitenden  Minnesänger,  vgl.  Toeehe,  Kaiser  Hcin- 
rioh  VI,  Leipzig  1H67.  504.  Er  hat  sich  auch  selber  dort  wohl  von  dem  Bruder  seines 
Sohwagers  Simon,  dem  Grafen  Heinrich  von  Saarbrücken,  verabschiedet,  der  am  kaiserlichen 
Krenzzuge  teilnahm,  vgl.  Wilkeu  4,  9r»;  Riezler  25,  147,  noch  vielmehr  von  seinem  Oheime, 
Grafen  Ruprecht  dem  Streitbaron.  Denn  daaa  dieser  ebenfalls  sich  in  Hagenau  befand,  be- 
zeng^n  die  Annales  Marbacenses,  Monuroenta  Germ.  17,  164:  „A.  D.  1189  in  octavo  paras- 
oettes  id  est  17.  KaL  Mai,  nostrates  fetieissimum  iter  arripuerunt  et  Imperator  de  Hagenowe 
ae  movit.  Cum  quo  hii,  quos  solos  novimus  prlncipes,  filius  suus  videlieet  dux  Sueviae,  no- 
mine Fridericus,  et  dux  Meranie  Bertholdus,  episcopus  Herbipolensis,  episcopua  Leodiensis, 
cpiseupus  Baäüeen!«is,  episoopus  Tullensis,  episcopus  Ratisponensis,  episcopus  Monosteriensjs, 
episcopus  Pataviensis  et  frater  suus  Missinensis,  Friiiaiugensis  episcopus,  marcgrauius  de  Baden, 
marchio  de  Vrobruo,  comes  de  Dorenbusch,  comes  Bertholdus  de  Kuowenburch^  oomes  de  Hol- 
lunden,  comea  Robertus  de  Nassowe  et  episcopi  et  principe»  multi  et  nobilcs  iverunt.'^ 
Graf  Fridrich  ist  dann  wohl  am  7.  Mai  mit  seinem  Vater  zu  Hofe  beim  Könige  gewesen  und 
mag  MOh  von  dn  aus  vom  Vater  und  Könige  verabschiedet  und  alsdann  nach  Dalien  zu 
seinem  Gefolgherrn,  dem  Grafen  Ludwig  von  Thüringen,  begeben  haben.  Beziehungen  zu 
diesem  waren  ja  vorbereitet  durch  diejenigen  seines  Vaters  Simon,  der  als  Zeuge  neben  dem 
Grafen  Ruprecht  IL  von  Nassau  bei  der  Zuteilung  de»  Herzogtums  Westfalen  an  Erzbisohof 
Philipp  von  Köln  in  Gelnhausen  am  la.  April  Hho  gegenwärtig  war,  also  auch  zu  dessen 
Gotreaen  zTihlte,  vgl.  Lacomblet,  Urkundenbuch  l,  332.  —  *)  Böhmer,  Hegesten  147, 
Ar,  2736. 


^-       ^^ 


^^ 


n 


an  seine  Oemahün  Gertrud  verewigt  und  von  dieser  ebensa  ernvndert  worden*') 
Wie  dasselbe  die  eigene  Jugendlichkeit  des  Sängers  darthut^  —  denn  nur  die 
Jugeud  kann  so  singen  —  so  besingt  er  aucb  die  der  Gemahlin  und  damit 
wieder  die  eigene.     Denn  von  ihr  heisst  es  darin: 

„got  hat  81  80  gebildet, 
do  min  herze  nit  enkan 
noh  al  min  sin  erdenken^ 
wie  81  schöner  kvnde  sin 
du  minnekJiche  frowe  min, 
du  mir  wil  froide  krenken/ 

Zum  gleichen  Lande  zog  damals  sein  gleichalteriger  Schwager,  Orif' 
Simon  n.  von  Saarbrücken.  Das  beweisen  wir,  wie  mit  dem  Liede  die  Fahrt 
Fridrichs,  mit  der  Stiftung  des  Seelengedächtnisses  im  Kloster  Wadgasseu  von  1 19ß, 
von  der  wir  oben  redeten.  Und  wir  müssen  dies  um  so  mehr  thun,  ak  es  bisher 
nicht  bloss  unerkannt  war,  sondern  uns  hier  auch  dazu  dient,  das  jugendliche  Alter 
des  Stifters  sicher  zu  stellen.  Denn  sehen  wir  sonst  das  Alter  solche  StifltungeD 
machen,  so  ist  es  aogezeigt,  die  jugendliche  Stiftung  des  Grafen  Simon  mit 
der  Fahrt  nach  Apulien  zu  begründen.  Er  kauft  sich  in  die  mittelalterliche 
geistliche  Lebensversicherung  ein.  Und  dass  dabei  aucb  seines  Schwiegervaters 
gedacht  ist^  hat  uns  für  ein  Zeichen  von  dessen  kurz  zuvor  erfolgtem  Todo 
zu  gelten;  ist  also  ebenfalls  ein  Beitrag  zur  Feststellung  der  Altersverhältnisse. 
Einen  noch  wichtigeren  Beitrag  hierzu  liefert  das  Ändere,  dass  Graf  Simon  zwar 
sein  und  seiner  Gemahlin,  wie  seines  Yaters  und  seiner  Mutter  Seolengedachtnis 
gestiftet,  aber  seiner  Kinder  mit  keinem  Worte  gedacht  hat,  während  er  bei 
seinem  Schwiegervater  die  Söhne  und  Töchter  nicht  vergessen  hatte.  Kntwedef 
hatte  er  damals  also  keine  oder  sie  waren  noch  in  den  jüngsten  Jahren. 

Diesem  letzteren  scheint  nun  freilich  entgegenzustehen,  dass  im  Jahre  1196 
0Ogar  schon  erwachsene  Kinder  des  Grafen  Simon  und  seiner  Gemahlin  Lukardis 
vorhanden  gewesen  sein  sollen.  Kremer  und  nach  ihm  Brinckmeier  nennen 
als  solche  die  uns  bereits  bekannten:  Simon  ni.,  Heinrich,  Fridrieh,  Stephan 
und  Gisela.  Von  diesen  trete  Simon  bereits  1212  als  Erbe  von  Saarbrücken 
auf  und  sei  1243  gestorben.  Heinrich  erseheine  1217  als  Bischof  von  WornM 
uüd  habe  bis  1239  gelebt.  Fridrieh  als  Gründer  des  zweiten  leiningischen 
Hauses,    d,   h.  Erbe  seiner  Mutter,   sei    1237   gestorben.     Stephan  komme   ab 


*)  Briookmeier  1,  87  f.,  der  das  Lied  nach  der  vom  Grafen  Etu*!  Kmioh  ton  Lai- 
ningeii  im  ^Deutschen  Herold*^  14  {tS83),  Nr.  10  gomoohten  Mitteilung  aus  der  HaneMtsrJtta 
llaiidftchrifl  abdruckt^  meint  dieses  irrigorweise  auf  den  Kreuzzug  beziehen  »u  dOifei^  ila  d«r 
Dichior  in  ihm  von  ^{luUe"  (Apulien)  spreche,  von  wo  man  in  der  Hohenstaufcnzcit  don  2ii^ 
nach  PalitetiflA  aogetroten  habe.  Es  iat  aber  nicht  ein  Gedanke  au  das  h.  Laiiü  dririn,  lumdt 
08  beiMt  denüioh  Tom  Ziele  der  Fahrt: 

»Muos  ich  ny  scht^idcn  sus  ron  ir, 

da  ich  ir  hulde  gar  enbir» 

O  we  der  leiden  verte, 

die  danne  gegen  pulle  tvt  min  lib.*^ 


93 


Propst  von  Neuhauaen  von  1216 — 1263*)  ror,  und  OiBela«  mit  dem  zwiBchen 
1212  und  1263  auftretenden  Wildgrafen  Konrad  L  von  Kyburg  vermählt,  sei 
|i24G  aus  dem  Leben  geschieden.')  Wir  haben  aber  schon  oben  bemerkt,  welch 
&in  genealogischer  Unfug  durch  Verwechselung  gleicher  Namen  im  saarbrückischen 
lause  getrieben  worden  ist,  und  brauchen  hier  nur  zu  sagen,  dass  bei  Simon  UI. 
jflenbar  eine  Verwechselung  mit  seinem  Vater  Simon  II,  vorliegt,  Heinrich  aber 
3er  Bruder  des  letzteren  sein  muss.  Denn  da  er  bereits  1212  Propst  zu 
feubausen  war^),  so  musste  er,  wenn  er  diese  Würde,  was  unmöglich  erseheint, 
chon  in  dem  für  einen  Priester  notwendigen  kanonischen  24.  Lebensjahre 
erhalten  hätte^  im  Jahre  1178  mindestens  geboren  sein.  Seine  angebliche 
_JIutter  würde  dann  als  hohe  Sechzigerin  zur  zweiten  Ehe  geschritten  sein* 
Wir  haben  demnach  nur  Simon  III.^  Fridrich  n*,  Stephan  und  Gisela  als 
Cioder  der  letzteren  zu  betrachten.  Die  Angaben  über  das  Leben  dieser 
LBtimmen  aber  mit  dem  von  uns  angenommenen  Festpunkte  1196. 
I^l  Sind  damit  einigermassen   die  Altersverbültnisse  der  für  uns  in  Betracht 

j^Bcommenden  Personen  klargestellt,  so  sind  die  folgenden  Schlüsse  erlaubt.  Vor- 
gab ist  die  aus  uns  unbekannten  Gründen  auf  die  Jahre  11 5J^  oder  1169  verlegte 
Urkunde  erheblich  nach  dem  Jahre  1179  zu  setzen,  in  dem  die  Brüder  Elisa* 
beth*8  noch  ^pueri"  genannt  werden*  Sodann  kann  fürder  nicht  mehr  von 
einer  Verbindung  Ruprechts  des  Streitbaren  mit  dieser  Elisabeth  geredet  werden. 
)enn  hätte  er  selbst  mit  ihr  in  zweite  Ehe  treten  woOen,  womit  man  sich 
seither  immer  geholfen  hat,  so  war  EUisabeth  bei  seinem  Tode  doch  kaum  mehr 
Js  15  oder  16  Jahre  alt.  Damit  fallt  die  dritte  seitherige  Annahme,  dass 
lermann  dieser  Mutter  Sohn  gewesen  sein  könne.  Schliephake  hat  demnach 
fechte  wenn  er  bemerkt:  „Ist  nun  aber  alter  Zweifel  darüber  gehoben,  dass 
Slisen's  von  Nassau  Gatte  jener  in  dem  leiningischen  Scheokungsbrief  genannte 
iraf  Ruprecht  gewesen  ist,  so  müssen  wir  doch  daran  erinnern,  dass  wir  eines 
iftusdrücklichen  Nachweises,  ob  dieser  eben  Ruprecht  der  Streitbare  war,  ent- 
behren.*'*) Letzterer  ist  in  der  That  nicht  der  Gemahl  der  „Elim  comitissa 
de  Nassouuia/ 

Gleichwohl  hat  der  Eintrag  im  arnsteiner  Totenbuch  recht.    Ruprecht  der 

I Streitbare  war  wirklich  einer  Elisa  von  Leiningen  Gatte,  aber  diese  Elisa  war 
hiebt  Tochter,    sondern   Schwester  Emicho's   IQ.   und  gleichnamig  mit  dessen 
pemahlin,   ihrer  Schwägerin.     Wir   hatten   demnach   guten  Grund,  schon  oben 
neu  „gener*^  der  angeblich  1159  oder  1169  ausgestellten  Urkunde  mit  Schwager 
zu  übersetzeü.    Auch  ist  Hermann  dieser  Beiden  Sohn*    Das  bewährt  die  zwar 
indatierte,   aber  unzweifelhaft  vor  den   8.  November   1195   fallende  Urkunde, 
der    Erzbiöchof  Johann    von  Trier    dem  Kloster  Himmerod   die  Vogtfreiheit 
3iuer  Güter  im  Bezirke  Coblenz  bestätigt,  nachdem  Graf  llerraann  von  Nassau 
tifolge  der  früheren  Bestimmung  seines  Vaters  „guten  Andenkens*^,  des  Grafen 
ert,    in  Gemeinschaft    mit  seinem  Vetter   („cognatus**)  Walram  die  Vogtei* 
chtigkeit   vor   dem    zu  Coblenz  anwesenden  Erzbischofe  in  die  Hände  des 


')  Br  ine  km  ei  er  1,  2ß  nennt  das  Jahr  1236|  es  ist  aber  offenbar  einer  der  Tielen  ßclireib- 

4<jr  Druckfehler  eetoca  Bucliea,  bei  denen  die  Zahlen  versetzt  erscheincnp  so  hier  liü  statt  i»3«  — 

Kr^niar,  QeneaL  Oegcb,  153  f.;  Brinokmeier  1,25  f.  —  *)  Kremer  155.  —  ')  1,  265. 


94 

Rheinpfalzgrafen  Eonrad,  von  dem  sie  dieselbe  zu  Lehen  trugen,  zurückgegeben, 
und  dieser  sie  dem  Erzbischofe  für  die  Abtei  übertragen  hatte. ^)  Dort  in  Coblenz 
ist  nämlich  Ruprecht  der  Streitbare  Vogt  gewesen.  Denn  in  der  der  Beilegung 
des  Streites  zwischen  den  Kanonikern  des  trierischen  S.  Simonstiftes  und  der 
Bürger  von  Coblenz  wegen  des  leidigen  Zolles  gewidmeten  Urkunde  von  1182 
heisst  es  ausdrücklich:  „Ipse  quoque Robertus  comes  de Nassowe  Confluentinorum 
advocatus  sub  poena  banni  sui  districti  inhibuit,  ne  unquam  aliquis  in  posterum 
super  praedicto  fratrum  telonio  aliquam  moveret  querimoniam.^^  Dieser  Ruprecht 
aber  kann  trotz  Yogel^  kein  anderer  als  der  Streitbare  sein,  wie  dies  mit 
Recht  auch  Schliephake^)  behauptet,  und  die  vorangegangene  Urkunde  ausser- 
dem deutlich  lehrt.  Vom  Grafen  Hermann  aber  liegt  nur  noch  die  oben  bereits 
gemeldete  Nachricht  vom  Jahre  1240,  dass  er  Kanoniker  des  S.  Peterstifl^es 
in  Mainz  war,  vor.  Ob  „Hermannus  de  Nassoua^  in  einer  Urkunde  des  Peter- 
stiftes vom  7.  April  1235  und  in  einer  ebensolchen  des  gleichen  Jahres  vom 
25.  Mai  der  dort  offenbar  nur  verschriebene  „Hartmannus  de  Nassove''^)  mit 
ihm  eine  Person  ist,  können  wir  nicht  entscheiden,  ebenso  wenig,  ob  dies  mit 
dem  1252  und  83  vorkommenden  „scholasticus  Hermannus''  des  Peterstiftes 
der  Fall  ist.«*«) 

c.  Ruprecht  lY.  und  Elisabeth,  Tochter  des  Grafen  Emicho  III. 

von  Leiningen. 

Aber  welcher  Ruprecht  war  nun  der  Gemahl  jener  Elisa  des  Jahres  1235  P 
Wenck^)  hilft  uns  auf  die  sichere  Spur,  und  es  ist  zu  bedauern,  dass  sie  von 

>)  Günther,  Cod.  dipl.  Rheno-Mosell.  1,  500:  Mittelrh.  Urkb.  2,  163;  Goerz,  Mittel- 
rhein. Regesten  2,  182,  Nr.  653;  Hennes  1,  133  f.;  Schliephake  1,  344.  Die  von  beiden 
letzteren  gemachte  Bemerkung,  dass  die  Söhne  Walrams,  Heinrich  und  Ruprecht,  hier  zum 
erstenmale  als  Unterzeichner  einer  Urkunde  vorkämen,  beruht  auf  der  irrigen  Annahme,  dass 
die  Ton  Günther  an  drittletzter  Stelle  aufgeführten  Zeugen:  „Henricus  ....  et  Robertus  de 
Nassowe^  diese  Sohne  sein  müssten.  Beweisen  aber  schon  die  von  Günther  gesetzten  Punkte 
die  Lücke  seiner  Vorlage,  so  bezeugt  die  Ausfüllung  derselben  aus  dem  himmeroder  Ghar- 
tulare  III  in  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  mit  „Roricus",  die  wir  dem  Mittelrh.  Urkb.  verdanken, 
dass  diese  drei  Namen  drei  Ministerialen  der  Burg  Nassau  angehören.  Roricus  wird  ein  Sohn 
jenes  Ministerialen  Rorich  von  Milen  sein,  der  einen  Burgsitz  und  ein  Haus  in  Nassau  hatte, 
vgl.  Arnoldi,  Miscell.  341.  Waren  doch  auch  dazumal  die  Söhne  Walrams  noch  minder- 
jährig. —  «)  V.  Hontheim  1,  613;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  204;  Mittelrh.  Urkb.  2,  93; 
Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  136,  Nr.  483.  —  ^)  Beschr.  303.  —  *)  1,  342.  —  *)  Joannis, 
Rer.  raog.  2,  476  f.  —  ®)  Ebenda  2,  502.  Dass  Ruprecht  der  Streitbare  auch  eine  Tochter 
Richarda  gehabt  habe,  die  an  einen  geldrischen  Grafen  —  man  nennt  Otto  lU.  —  verheiratet 
gewesen  sei,  wie  Krem  er,  Orig.  Nass.  1,  390  ff.  zufolge  die  geldrischen  Geschichtsohreiber 
behaupten,  und  Arnoldi,  Gesch.  der  Oran.  Nass.  Lande  1,  27,  3,  106  ff.,  wie  Schliephake 
1,  341  f.,  darthun  mochten,  muss  beim  Mangel  jeder  zuverlässigen  Unterlage  als  leere  Ver- 
mutung abgewiesen  werden.  Geschichtlich  unanstossig  ist  nur  die  von  den  Genannten  bei- 
gebrachte Grabechrift  des  Cisterzienserklosters  Ruremonde :  „Obiit  anno  Domini  MCCXIX  ipso 
die  beati  Severi  Episcopi  Gerardus  comes  Geldriae  et  Zutphaniae,  qui  cum  Margaretha  uxore 
sua  ad  instantiam  raatris  suae  Richardae  de  Nassovia,  primae  huius  loci  Abbatissae,  monaste- 
rium  istud  fundavit  anno  MCCXVIII."  Richarda  ist  also  wohl  eine  Nassauerin.  Wessen  Tochter 
sie  aber  war,  kann  zur  Zeit  nicht  gesagt  werden.  Bemerkt  mag  nur  noch  werden,  dass,  wie 
bei  Alberata,  auch  ihre  Mitgift  durch  die  Vermählung  des  Sohnes  Walrams,  Heinrichs  IL, 
mit  der  Gräfin  Mechtildis  von  Geldern  wieder  heimgeholt  wurde.   —  ^)  Hist.  Abhandl.  1,  103. 


95 


tn  Nachfolger a  unbenutzt  blieb.    Denn  sie  hatte  dieselben  vor  einem  starken 
ItTtume    bewahrt.     Der   hochvenliente  Forscher   ist  nämlich   der   unzweifelhaft 

(richtigen  Meinung,  dasa  jener  ^Rupertus,  filius  Henrici  de  Nassouwa*,  der 
in  einer  bisher  immer  in  das  Jahr  1235  gesetzten,  an  sich  durchaus  undatierten 
prkunde  des  Erzbischofes  Theuderich  von  Trier  genannt  wird,  ein  Sohn  jenes 
Heinrich  L  sein  müsse,  den  wir  oben  als  Sohn  Arnolds  L  beurkundeten,  und 
behauptet  ebenso  mit  gutem  Rechte,  dass  die  genannte  Urkunde  dem  Jahre 
1217  angehöre,  da  Brower^)  die  in  ihr  berichtete  Angelegenheit  in  dieses  Jahr 
verlege.  Das  Jahr  1235  ist  ihr  nur  willkürlich  angedichtet  worden,  v.  Ilont- 
heim')t  dem  wir  ihre  Kenntnis  verdanken^  hatte  ohnedies  an  den  Rand  der- 
selben nur  ein  vorsichtiges  ^circa  1235**  gesetzt  und  gibt  ausserdem  in  einer 
Anmerkung  den  Aufschluss,  dass  die  ihr  unmittelbar  folgende  Urkunde  vom 
Jahre  1235  ihrer  Vorgängerin  so  nur  ^immediata  subjecta  iu  antiquo  cbartario 
saec.  XIV"  sei.  Brower  hatte  also  von  anderwärts  her  geschöpfte  bessere 
Kenntnis,  als  er  das  Jahr  1217  für  ihren  Inhalt  wählte,  weon  er  sich  gleich 
iea  Irrturaes  schuldig  gemacht  hat,  an  Stelle  des  yjRupertus  tilius  Henrici"  einen 
^Henricus  zu  setzen.  Wäre  das  rechtzeitig  erkannt  w^orden,  so  würde  man  nicht 
auf  den  verzweifelten  Gedanken  gekommen  sein,  dasa  jener  Heinrich  ein  Sohn 
Walrams  gewesen   sei,    der  1217    ein  angehender  Dreisstger  war,   da  er  1192 

Inoch  unter  Vormundschaft  stand^),  und  dass  sein  vom  amsteiner  Totenbuch*) 
verzeich oeter  Sohn  Ruprecht  als  Knabe  nach  der  genannten  Urkunde  vom  Erz- 
bischofe  Theoderich  GO  kölnische  Mark  für  das  Allod,  was  er  in  „Ditse"  und  „in 
«uperiori  Laiustein"  besass,  empfangen  habe,  um  es  als  Burglehen  zurück  zu 
empfangen  und  dafür  „in  caatro  Monthabur*  seinen  Sitz  habe,  samt  den  weiter- 
Khin  namhaft  gemachten  Burgmännern:  ^Gerhardus  de  Derinbach,  Hermannus  de 
Bedondorf,  Anaelmus  de  Hoübach,  Conradus  de  Widergis,  Dythardus  de  Paffen- 
dorf, Hermannus  et  Sifridus  de  Hademar,  Ludewicus  de  Vrencede,  Pleinricus 
^^ Herren,  Wilderichus,  Wilhelmus  de  Keifenstein,  Fridericus  Carpennus,  Henricus 
^■de  Lainsteiu,  Conradus  Elicbam  de  Everhain,  Kuno,  Reinardus,  Guntramus, 
^Dido,  Johannes  de  Schuppach,  Sifridua  et  Gerlacus,  Sybodo,  Gerlacus,  Hugo 
Henricus  de  Stocheini,  Enolfus,  tilius  Henrici/^)  „Rupertua  filius  Henrici** 
Ist  darum  deutlich  Heinrichs  I.  Sohn.     Entsinnen  wir  uns  nun  der  schon  oben 


')  AjinaL  Trer.  2,  llft.  —  *)  1,  7UJ  f.    Der  Ton  Krem  er»  Ong,  Nms,  2,  27ri  gegebene 

kbdruok  Ist  in  Bezug  auf  seitieD  letzten  Absatz  geradezu  irreführend,  da  derjenige  aas  y.  Hont- 

eint,   der   das  Jahr  1235  ivTigt  und  ihm  vorangeht,   ohne  weiteres  ausgelaesen   ist*     Freilich 

at   dieser  letS5te   Absatz  gar    keinen  erBiohtlichen  Zusammenhang  mit  dem   vorangegangenen 

machte  damit  deutlich  beweisen,  d&ss  auch  der  uns  angehende  Teil  der  ganzen  urkundlichen 

litteiluiig  von  dem  Zosammensteller  des  Chartariums  blindlings  vor  das  vom  Jahre  1235  Ge- 

raohte  gestellt  worden  ist.    Auch  dos  zeugt  für  die  blinde  ZusammenwQrfeluug  von  der  Zeit 

ch  ungusammengohüriger  Teile»    dass   der   genannte   letzte  Absatz,    der  Bestimmungen    über 

iia  Brüder  Hemrich  und  Ruprecht    enthält,    gar  nicht  nach    oder  vor    1235   fallen   kann^    da 

preoht  bereits  1231  als  deutscher  Ordensritter  auftritt,  vgL  Vogel,  Beschn  31 L  AufliUliger- 

wird  das  Ganze  ohne  jeglichen  Absatz^   als  wäre  es  eine  zusammenhängende  Urkunde, 

Mittalrh.  ürkb.  3,  421  abgedruckt,  und  Goorz,  Mittelrh.  Regest.  2,  57:i,  Nr.  2194  hat  das 

5«iv  K   ^  ')  Sohliephafco   l,  409  f,  —  *)  Annnl.  1«,  la.  —  *)  Vogel,  Besehr.  alt), 

•  {»hakr»   t^  yn"   W;  Becker,  AnnaL  IG,  IT* 


9ß 


angeführten  Bemerkung  Schliepliake'»')  vom  Besitze  Leüüngen»  lo  der  Gl 
ichaft  Dietz,  so  gewinnt  claa  aooben  genannte  Allod  Ruprechtes  in  ^Ditse* 
ganz  besondere  Bedeutung  für  uns.  War  doch  »EIjsa  quondam  comitidsa  de 
Nasitouuia^  im  Jahre  1235  Sohenkerin  jenes  Mansus  in  dem  nur  eine  Stunde 
von  da  entfernten  „Croiche**  bei  Limburg.  Wird  es  demnach  zuviel  gewagt 
tcin,  wenn  wir  das  Allod  in  Dietz  als  ein  Stück  ihrer  Mitgift  fassen  und  in 
ihr  die  Gemahlin  dieses  Ruprecht,  Sohnes  Heinrichs  I.^  sehen?  Das  Lebena* 
aller  beider  wurde  aufs  YoUkommoDste  damit  stimmen,  denn  starb  Hetnrieh 
tl(i7  als  mittlerer  Dreissiger,  so  darf  die  Geburt  seines  Sohnes  etwa  um  1160 
gesetzt  werden.  Die  Elisabeths  fällt  nach  unserer  Berechnung  etwa  10  Juhre 
Hpäter,  Hindernis  aber  ist  es  wahrlich  nicht,  dass  Oheim  und  Neffe  nacbeinander 
sich  aus  demselben  Hause  Leiningen  Frauen  holen.  Ira  Gegenteil,  die  Ver* 
mähiiing  des  Oheims  war  die  Vorbereitung  zu  derjenigen  des  Neffen.  Die 
durch  den  Ersteren  einander  nähergerückten  beiden  Häuser  brachten  die  zweite 
Verbindung,  die  nähere  Kenntnis  der  Personen  die  nähere  Kenntnis  des  ver- 
lockenden Heiratsgutes,  Und  über  das  Alles:  kann  sonst  auf  keine  Weise  Eli- 
iabeth  zu  dieser  Zeit  mit  einem  anderen  nassauiscbeu  Grafen  verbunden  gedacht 
werden,  so  hat  unsere  Annahme  das  für  sich,  dass  sie  auf  ihre  Art  am  ein- 
fachsten und  ungezwungensten  aus  aller  Verlegenheit  hilft.  Ein  seltsames  Zu- 
sammentreffen wird  es  dabei  zu  nennen  sein,  dass  beide  Teile  des  vou  um 
susammengefundenen  Pares  nur  ein  einziges  Mal  und  unabhängig  voneinander 
urkundlich  deutlich  auftreten.  Und  ein  ebenso  seltsames  Zusammentreffen  wird 
es  genannt  werden  müssen:  dass  Elisabeth  mit  ihrer  verwitweten  Schwester 
Alberata  von  Kleberg  das  Loss  teilte,  kinderlos  zu  sein,  sei  es  nun,  daae  sie, 
wie  diese,  ihre  Kinder  alle  verloren  hatte,  oder  ohne  Kinder  geblieben  war. 
Es  ergibt  sich  das  nämlich  daraus,  dass  ihre  Schwester  Lukardis  das  GIQek 
allein  liatte,  die  mächtige  Grafschaft  Leiningen  an  ihre  mit  dem  Orafini  Simun 
von  Saarbrücken  gewonnenen  Kinder  zu  vererben. 


d.   Ruprecht  II,  und  Elisabeth  von  Schaumburg. 

Ist  aber  damit  der  von  uns  verheissene  vierte  Ruprecht  gefunden,  »i» 
übrigt  es,  nun  den  schon  länger  gefundenen  dritten  dieses  Nameus  scu  vermähleo« 
Denn  darüber,  wessen  Sohn  dieser  sein  müsse,  ist  wohl  kaum  mehr  ein  Wort 
2U  verlieren,  nachdem  schon  längst  unseren  Vorgängern  klar  geworden  war,  dmsa 
Ruprecht  I.  nicht  mehr  derselbe  mit  dem  sein  könne,  dessen  Käme  urkundlich 
bis  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  erscheint  Er  muss  notwendig  Ruprechts  I. 
Sohn  gewesen  sein,  den  der  arnsteiner  Mönch  ebenso  übergangen  bat»  wie  Ar* 
nold  IL  Ihn  aber,  wie  Vogel  will'),  einer  ersten  Ehe  dieses  Ruprecht  L  ent- 
stammen lu  lassen,  dazu  n5tigt  uns  nichts.  Denu  dass  er  im  arnsteiner  Toteii* 
buch  nicht  neben  Beatrix  als  deren  Sohn  wie  Walram  genannt  Ut,  cBe«  Loes 
Icitt  er  mit  dem  unzweifelhaften  Sohne  deeaelben  Aroold  IL,  und  Becker  iiAi 
offenbar  volles  Recht,  wenn  er  dies  dem  Ende  des  13.  oder  AnCuig  des  14. 
Jalirhunderts   angehörende  Bruchstück   eines  Totenbaebee   ,tiB6ii  Aimiif  Mi» 


'}  3.  oben  kmm,  1,  8.  ISC  -  7 


ir.  t«e. 


9T 


pmem  ersten  Necrologiura  der  Abtei"  nennt.  Wie  leicht  konnten  die  Namen 
Lrnold  und  Ruprecht  von  dem  Auszieher  übersehen  worden  seio.  Und  war 
las  nicht  der  Fall,  so  waren  eben  beide  Brüder  lange  vor  jenem  alten  Eintrage 
^gestorben,  der  überdies  nicht  von  der  Gräfin  Beatrix  als  noch  lebender  ausge- 
gangen sein  konnte,  da  sie  steinalt  geworden  sein  müsste,  um  auch  noch  die 
in  ihm  mitgeoaünteu  Urenkel  Ruprecht  und  Heinrich,  die  Söhne  ihres  Enkels 
Heinrichs  U.  zu  seheu. 

Für  diesen  Ruprecht  H.,  Sohn  Ruprechts  I»,  bleibt  von  den  uns  ur- 
kundlich bekannten  gräflich  nassauischen  Gemahlinnen  dieser  Zeit  nur  die 
„Elysa  coraitissa  dicta  de  Schowenburg"  übrig,  die  wir  aus  der  Schenkung 

I einer  Wiese  bei  Hadaraar  im  Jahre  1197  kenneu  lernen,^)  Mit  dieser  Wiese 
aber  hatte  es  folgende  Bewantnis,  „Comes  Rupertus  de  Nassouwa"  hatte  sie 
nach  dem  eberbacher  Berichte  seiner  Zeit  von  zwei  Brüdern  in  Mulenbach  bei 
Hadamar  für  20  Mark  gekauft  und  sie  nachher  Heinrich,  Freiem  von  Dern,  für 
»Vi  Mark  versetzt.  Nach  dem  Tode  des  Gemahles  schenkte  nun  GräKn  Elisabeth 
die  Wiese  dem  Kloster  Eberbach,  das  zur  Lösung  der  Pfandschaft  Heinrich 
von  Dem  die  geliehenen  8  Mark  und  einen  Pcrto  bezahlte  und  eine  9,  Mark, 
j^äie  es  ihm  dabei  versprochen  hatte,  „pro  deo*^  erlassen  bekam.  Der  Gräfin 
Htelisabeth  aber  waren  dabei  2  Mark  zurückgegeben  worden.  Jedoch  ihre  Tochter 
Luotgard  zeigte  sich  samt  ihrem  Gemahle,  Grafen  Hermann  von  Virneburg, 
mit  dieser  Schenkung  unzufrieden.  Sie  brachteu  es  deshalb  1217  nach  dem 
Tode  der  Mutter  fertig*  dass  ihnen  für  dieses,  ,,in  remedium  aaime  Domini  et 
mariti  mei  comitis  Ruperti"  gemachte  Geschenk  der  Mutter  noch  7  Mark  zurück- 
bezahlt wurden,  sodass  die  angebliche  Schenkung,  wie  Baer  bitter  bemerkt,  das 
Kloster  „ohne  Spesen  18^/4  Mark**  kostete,  also  1%  Mark  weniger  als  den  ehe- 
maligen Kaufpreis.  Die  Bestätigung  der  Schenkung  war  von  Gräfin  Elisabeth, 
wie   es   in  der  Urkunde   heisst,    „apud   castrum   Schouwenburg"   erfolgt.     Da 

P Schaumburg  damals  sich  in  den  Händen  der  Isenburger  befand^  so  ist  hier- 
nach eine  Verbindung  des  nassauischen  mit  dem  isenburgischen  Hause  bezeugt, 
wie  denn  auch  unter  der  Urkunde  ein  „Henricus  de  iBenburg"  als  Zeuge  steht. 
Aber  das  ist  auch  alles.  UrkuDdennachrichten  stillen  nun  einmal  keinen  Wissens- 
_  durst^  machen  aber  dankbar  auch  für  ihre  Tropfen :  die  Ehe  Ruprechts,  seine 
f  Tochter,  sein  Lebensende  (1194  oder  1197),  wie  dasjenige  seiner  Gemahlin  (vor 
1217). •)    Weiteres  will,  wie  folgt,  erschlossen  sein. 

1^)  Baer,  Diplomat.  Gesoh.  d.  Abtei  Eberbftoh  1^  404,  494  ff.;  Wenck,  Hess.  Landesgesoh. 
2,  ürkb.  124.     Die   von   Roth,   GeachichtgqueUen  auB  Nasaau,  3,  318  ff.  abgedruckten    ^Tra- 
ditiotieB  Eberbacenses'^  bieten  über  diese  Schenkung  einen  doppelten  Bericht,  Tgl.  8.  305  und 
S57.     Nur  der  letztere  spätere  ist  von  Wenck  mitgeteilt  worden.     Der  kuriere  frQhore,  vor 
dem  Jahre  121 1,  wie  S.  Hr>f>  lehrt,  abgefasste  lautet :  „Gomea  Ruoperthus  emerat  a  duobua  fratribun 
Meinhardo  et  Ditberico  pratum  in  Mulenbach  pro  XX  marcis,  quod  postea  expositum  fuit  Hein* 
rico  Frien  pro  VIII   marcis   et   fertone.     Idem   pratum   et  eius   proprietatem   comitiasa   Elyae 
eotitulit  eociesie   nostre   pro  dono  et  nos  dedimus  pro   redemptione  illius  Heinnci  Frien  VIH 
maroM  et  fertoneni.*"     Die  Datierung  Weneks   i^vor  und  nach  1194**  erweist   sich  beztigliob 
r  der  ereiteren  Angabe  gegenüber  dem  von  Baer  mitgeteilten:  ^ Actum  anno  inoartiationis  domini- 
Icae  MCXCVII  apud  portam  Ebcrbacensem**    als   irrig.  —  •)  Es  ist  nicht  unwichtig,   auB  einer 
|Urku7ide  von  1222,  die  seither  in  der  naeifauifcheii  Geaehichte  noch  nlrfat  benutzt  wurde,  etwni  vou 

AniialBn      Bd.   X.XVI.  T 


■T"ff''tirii     -■»! 


ü. 


»8 


8*    Bnpreeht  II.  in   Urkunden  und  der  Geschichte. 
(Walrani  yon  Laurenburg.    Raprecht  IIL) 

Siod  aber  so  die  Vier  des  Naraens  Ruprecht  mit  ihrea  QemahlioDen  ur- 
kuodlicli  nachgewiesen,  so  kommt  es  nur  noch  darauf  an,  die  anderweiten  ür* 
kiiriden,  in  denen  ihr  Name  begegnet,  unter  die  zwei  zu  verteilen,  die  noch  ia 
Betracht  kommeo,  aachdem  wir  bereits  mit  Ruprecht  L  abgeschlossen  und  ▼an 
Ruprecht  lY.  bemerkt  haben^  dase  er  überhaupt  nur  einmal  namenilicti  tor* 
kommt.  Daas  dabei  zwischendurch  Walram  nicht  unbeachtet  bleibt,  bringt 
schon  die  Erörterung  der  ihn  mitbetreffenden  Urkunden  zuwege.  Von  Rup- 
recht IV.  ist  noch  einmal  abgesondert  zu  reden*  Zur  Unterscheidung  d^r 
Träger  des  Namens  Ruprecht  aber  wählen  wir  für  den  Sohn  Ruprechts  L  die 
bereits  gebrauchte  Bezeichnung  Ruprecht  IL,  für  den  Sohn  Arnolds  L,  den 
wir  a\n  den  Streitbaren  schon  kennen,  die  weitere:  Ruprecht  III.,  den  Solui 
Heinrichs  I.  haben  wir  soeben  schon  Ruprecht  IV.  genannt*  Zum  Überflmse 
sei  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Bezeichnungen  nicht  mit  den  &otUA 
rtnclers  gemeinten  Vogel*8  verwechselt  werden  dürfen,  da  wir  mit  diesem  blosse 
.1  klilen*y  nicht  Personengemeinschaft  teilen.  Das  unterscheidende  Merkmal  omi, 
wem  vou  den  Vettern  Ruprecht  IL  und  UL  das  Recht  gebührt,  in  den  er* 
httUenen  Urkunden  als  gemeint  zu  gelten,  kann  allein  das  Vorrecht  desjenigen 
abgeben,  der  als  der  Herr  des  Hauses  zu  betrachten  ist  Vogel  hat  das  bereits 
richtig  gefühlt,  und  Schliephake  würde  sich  nicht  in  Gegensatz  zu  ihm  ge* 
bracht  haben,  hätte  ihn  die  Urkunde  über  die  Schenkung  des  Klosters  Scbdnau 
an  Mainz  von  1132  belehrt,  wer  das  führende  Haupt  der  i-^?"^  -en  Familie 
war,    Vogel  scheint  sich  zwar  auch  nicht  von  dort  die  mas^^  Belelinuig 

gidioU  SU  haben,  aber  er  nimmt  wenigsteos  richtig  an,  dasa  Ruprecht  L  al< 
das  Haupt  zu  betrachten  war.  die  Befugnisse  eines  solchen  also  auf  seinen  Sohn 
übonugelien  hatten.  Wir  unsererseits  brauchen  uns  nur  auf  das  früher  in  dieser 
Bedehang  Gesagte  2U  berufen^  um  Ruprecht  L  als  den  urkundlich  so  geoaiuiteo 
, dominus  in  eastro  Lurenburch  hereiiitarius  et  legitimus^  anerkannt  zu  wissen 
und  damit  die  Zweifel  und  irrigen  Behauptungen  SchliepfaakeV)  kurier  Haed 
abzuweisen.  War  Kuprei^ht  L  aber  der  Herr  des  Hauses,  so  ist  Ruprecht  IL 
als  sein  Sohn  der  Nachfolger  setnes  Rechtes,  und  Ruprecht  HL,  wie  der  IT. 
k%5nnen  nur  da  in  Betracht  kommen,  wo  Ruprechts  IL  Bereehtigung  nicht  vor- 
liegt oder  sweiMluift  erscheint. 

Kann  oiaii  dengemiss  aadi  vielleieht  Doeh  ureifela,  ob  Rupreelil  IL 
oder  UL  in  den  bereits  behandelten  Ulkenden  Ter  1170  geamant  isli  m  bestellt 


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kein  Zweifel,  daas  vor  allem  die  Urkunde  von  1170  den  crsteren  meint.  In 
ihr  bekunden  ^Conradua  de  Bopardia*^  und  aeine  Gattin  Hildegardia,  dass  sie 
^in  Villa,  quae  dicitur  Lietprun**  ein  Gut  samt  Hörigen  für  60  Mark  von  »Albo 
de  Carpania*'  und  seinem  Bruder  Theodericb  erworben  und  dieses  mit  einem 
Teile  der  Hörigen  der  Kirche  S.  Plorina  „in  Schonaugia*  „pro  salute  domini 
Boi  imperatoris  Friderici  et  pro  salute  animarum  auarum  suorumque  filiorum 
et  filiarum^  mit  der  Bestimmung  übergeben  haben,  dass  nach  ihrem  Ableben 
eine  bestandige  tägliche  ^memoria  tn  missis^  stattfinde.  Von  dea  drei  und 
mehr  Pfunden  der  Einnahme  soll  eines  den  Schwestern,  „quae  juxta  eundem 
locum  manent",  mit  der  Auflage  zufalleo,  dasa  beider  Gedächtnis  nach  dem 
Tode  an  einem  Tage  daselbst  gefeiert  werde,  und  dass  den  Brüdern  von  einem 
Pfunde  und  den  Schwestern  von  10  solid!  Handreichung  geschehe.  Dieser  Ur- 
kunde bat  Kaiser  Fridrich  sein  Siegel  anhängen  lassen,  und  die  ganze  Handlung 
kam  zu  stände:  „sub  Araoldo  Trevirensium  archiepiscopo  atque  sub  Ecberto 
abbate  et  ßuperto  comite  de  Nassau,  advocato  eiusdem  loci,"*)  Die  Annahme 
Schüephake's*),  dass  der  Kaiser  „vielleicht"  in  Schönau  dabei  gewesen  sein 
könne,  ist  zulässig,  da  die  Anwesenheit  desselben  in  diesen  Gegenden  für 
Prankfurt  am  2.  Januar  und  25,  Juli  dieses  Jahres  urkundlich  gesichert  ist.^) 
Als  regierender  Graf  ist  Ruprecht  IL  auch  sicher  der  „comes  Nas- 
soviensis",  von  dem  ßrower  zum  Jahre  1172  die  kurze  Meldung  thut,  dass 
er  mit  gewaifneter  Hand  die  emser  Silberbergwerke  sich  anzueignen 
trachtete,  aber  von  Erzbischof  Arnold,  seinem  Lehensherrn,  ebenso  abgewiesen 
ward.*)  Was  ihn  zu  diesem  Schritte  bewogen  hatte,  wird  leider  nicht  berichtet* 
Ein  Kecfatsanspruch  konnte  es  schwerlich  sein,  da  eine  Urkunde  des  Kaisers 
Fridrich  vom  26.  April  1158  das  königliche  Bergrecht  bei  Ems  nach  dem 
Urteil  der  Fürsten  ausspricht  und  Fridrich  deshalb  gestattet,  den  Erzbischof 
nillin  und  seine  Amtsnachfolger  mit  ihm  zu  belehnen,^)  Wenn  Nassau  gleich- 
wohl später  im  Besitze  der  Silbergrubeu  erscheint^,  so  konnte  das  sicher 
nur    von     kaiserlicher     Belehnung   oder     einem     trierischen     Afterlehen     her- 

^}  Rettung  derer  Fre^rheiten  des  Clusters  Seh Ooau,  Beü,  8,  S.  B;  Krem  er,  Orig.  Naas. 
2,  200  t,  vgl.  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  84,  Ifr  287.  —  *)  1^  279.  —  *)  Böhmer,  Regest. 
IS5,  Nr  2535  u.  2543.  —  *)  Annsl.  trev.  2,  76:  rtComitem  quoque  Nassovionseoi  occupare 
ArgendfoditiAm  ad  tbennas  Emptsianas,  regtonis  Loganae,  parata  yi  moüentem  pari  virtute 
Arnoldua  ropresait.''  Ygl.  Gol«cher,  Gesta  Trev.  in  t*  Hont  heim,  Prodrom.  hi»t  trer.  2,  758, 
üea  den  Streit  in  die  Zeit  HiUin's  verlegt,  aber  indem  er  von  diesem  aagt:  ^Yiriljter  repressit 
Comilein  de  Hassanen  iura  eoolebiae  Trev.  sibi  usarpantom  in  argentaria  fosea  Hentecen'',  be- 
weisii  dass  er  Brokers  Werk  über  Arnold  vor  sieb  hatte  und  diesen  mit  jenem  verwech- 
selte» weil  Hillin  mit  den  Silbergrubeo  belehnt  worden  war.  Es  sind  deshalb  die  irrigen  An- 
nahmen bei   Wenckf  Hisior.  Abb.  l,  100  u.  Hess.  Landesgesch.  1,  156,    wie  Schliephake 

I,  280,  hiernach  zu  berichtigen,  —  *)  t.  Hontheim  1,  588;  Beyer,  Urkb.  1,  673.  Sehr  öder, 
Lehrb«  d«  deutsch.  Rechtsgesch.  Leipzig  1889.  522  sieht  in  dieser  Urkunde  den  deutlichen 
Beleg  dafür,  dass  entgegen  der  noch  heute  herrschenden  Meinung,  die  Könige  hätten  erst  im 

II.  und  12.  Jahrhundert  das  Bergregal  ertrotzt  oder  erschlichen,  dieses  von  jeher  zu  Recht 
bestand.  Graf  Ruprecht  konnte  also  das  Bergrecht  nicht  ertrotzen  wollen,  gondern  höchstens 
die  Belehnung  damit.  Daher  auch  nur  der  Streit  mit  Trier,  nicht  mit  dem  Kaiser.  Möglich, 
daas  bei  dem  Lehcoauftrag  Nassau's  an  Trier  von  letzterem  Yersprechungen  betreffs  Emi^  gc* 
maelil  worden  waren,  die  es  nicht  gebalten  hatte,  —  ^)  Schliephake  1,  280, 


100 

rfihren.  Ein  Yogteirecht  des  Orafen  von  Nassau  über  das  dem  Castorstifte  in 
Coblenz  gehörige  Dorf  Ems  zu  dieser  Zeit  anzunehmen,  wie  Yogel*}  auf  Grund 
dieses  Streites  thut,  und  Schliephake^  weitläufig  mit  Vermutungen  nachzu- 
weisen sucht,  ist  jedenfalls  unberechtigt,  da  jeglicher  urkundliche  Anhalt  da- 
für fehlt. 

Weiter  wird  es  Graf  Ruprecht  II.  sein  müssen,  der  als  der  vierte  welt- 
liche Zeuge  nach  dem  Rheinpfalzgrafen  Konrad  und  den  Grafen  Hugo  von 
Dagsburg  und  Emicho  von  Leiningen  in  der  Eaiserurkunde  vom  2.  Juli  1173 
erscheint,  die  der  mainzer  Geistlichkeit  das  wichtige  Recht  der  selbständigen 
Verfügung  über  ihr  bewegliches  Vermögen  zugesteht.')  Das  Hoflager  befand 
sich  damals  dem  Datum  der  Urkunde  nach  zu  Speier.  Die  Anwesenheit  der 
benachbarten  Reichsfirsten  verstand  sich  also  ganz  von  selber.  Ebenso  bezeichnet 
in  einer  Urkunde  des  gleichen  Jahres,  in  der  Erzbischof  Christian  von  Mainz 
den  Verkauf  einer  Rheininsel  bei  Hattenheim  an  das  Nonnenkloster  Tiefenthal 
zu  Bingen  verbrieft,  der  erste  Laienzeuge  «Rupertus  comes  de  Nassowe'^  unseren 
Grafen,  dem  sich  der  Reihe  nach  der  Truchsess  des  Erzstiftes,  Graf  Gerlach 
von  Veldenz,  Gottfrid  von  Eppenstein,  Rheingraf  Embricho  mit  seinen  Brüdern 
Sigfrid  von  Stein  und  Wolfram,  der  Kämmerer  Dudo,  Embricho  von  Walbach, 
Franco  von  Lorch  und  Wernher  von  Geisenheim  anschliessen.^)  Abermals  am 
kaiserlichen  Hoflager,  diesmal  zu  .Sinceche*'  am  9.  Mai  1174,  treffen  wir  ihn 
als  fünften  weltlichen  Zeugen  bei  der  kaiserlichen  Bestätigung  der  Besitzungen 
des  Klosters  Siegburg,  zunächst  nach  den  Grafen  Eberhard  von  Sayna  und 
Heinrich  von  Ditse.*) 

Dass  er  dem  Kaiser  im  Spätjahre  nicht  nach  Italien  folgte  zur  leider 
erfolglosen  Züchtigung  der  lombardischen  Städte,  beweisen  zwei  kölnische 
Urkunden.  Der  Graf  sucht  also  Fühlung  mit  dem  kölner  Erzbischofe,  nach- 
dem die  Beziehungen  zu  Trier  durch  den  emser  Handstreich  eine  Trübung 
erfahren  hatten.  In  der  ersten  hilft  er  dem  Erzbischofe  Philipp  die  Überlassung 
der  Vogtei  Wile  an  das  S.  Cassiusstift  zu  Bonn  und  deren  Propst  Lothar,  nach- 
dem diese  bisher  ein  erzbischöfliches  Lehen  der  Grafen  von  Katzenelenbogen 
gewesen  war,  bezeugen.^)  Aus  der  anderen  vom  Jahre  1176  erfahren  wir,  dass 
Ruprecht  zu  Gunsten  der  S.  Marien-  und  Clemenskirche  zu  Rindorph  (Schwarz- 


')  Topogr.  113,  Beschr.  662.  —  *)  1,  282  f.  —  ^)  Würdtwein,  Subsid.  1,367;  Joan- 
nia,  Rer.  mog.  2,  588  ff.  Vgl.  Sohliephake  1,  283.  —  *)  Bodmann,  Rheing.  Altert.  235  f.; 
Will,  Regesten  2,  37,  Nr.  116.  Letzterer  datiert  vom  „nov.?**  Der  von  ihm  angefQlirte 
Fioker,  Beitr.  z.  Urkundenlehre  1,  253  aber  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Urkunde 
„während  Christians^  Ab  Wesenheit  in  Deutschland  auf  seinen  Namen"  nur  ausgestellt  sein  könne, 
oder  letzterer  ^habe  in  Italien  trotz  der  Einleitung  mit  Datum,  Ort  und  Zeugen  nach  der  in 
Deutschland  („apud  Pinguiam")  geschehenen  Handlung**  geurkundet.  —  *)  Kremer,  Beiträge 
3,  47;  Lacomblet  1,  315;  Sohliephake  1,  284.  —  °)  Günther  1,  421  ff.  Daa  Datum: 
1175,  ind.  VIII,  a.  imp.  XXIII,  a.  regn.  XXV  stimmt  allerdings  nicht,  da  nur  die  Indict.  für  1175 
richtig  ist,  das  Kaiserjahr  aber  1178  und  das  Konigsjahr  1177  bietet.  Ausserdem  muss  ange- 
nommen werden,  dass  Erzbischof  Philipp  schon  1175  wieder  aus  Italien  zurückgekehrt  sei. 
Denn  dass  er  am  Kriegszuge  dorthin  teilgenommen  hat,  bezeugt  die  Urkunde  von  1174,  in 
der  er  „ad  Italice  expeditionis  preparationem"  von  der  Stadt  Köln  1000  und  von  „Gerardus 
ante  curiam**  600  Mark  leiht,  Lacomblet  l,  318,  Nr.  452.  Sohliephake  1,  285  kennt 
dieife  Anstände  bei  der  Datierung  nicht. 


101 


^ 


rheiodorf  bei  Bona)  auf  seine  Vogtoi  Ethedorp  (Eitorf  a.  rl.  liukon  Seite 
der  Sieg))  die  er  an  Ludwig  von  Gendorsdorf  zu  Lehcu  gegeben  hatte,  nach 
dem  Rate  des  Erzbischofes  gegen  eine  Eotschädigung  von  25  Mark  und  eine  Zug- 
last  Wein  verzichtetet)  Woher  diese  abgelegene  Vogtei  stammle,  ist  nicht 
zu  ermitteln,  Unmoglieh  aber  wäre  nicht,  dass  sie  etwa  zur  limburgidchen 
Mitgift  der  Mutter  des  Grafen  gehört  hätte. 

Wie  sehr  sich  Ruprecht  IL  die  guten  Beziehungen  zum  erzbischöflicheu 
Hofe  angelegen  sein  Hess,  bezeugt  auch  die  Thatsache,  dass  sein  jüngerer 
Bruder  Wal r am  am  25.  April  des  gleichen  Jahres  mit  den  Grafen  Heinricli 
vou  Seina,  dessen  Bruder  Everard,  Gotfrid  von  Heimesburg  und  Oerlach  von 
Isenburg  unter  den  Zeugen  der  Urkunde  steht,  in  der  Erzbischof  Philipp  der 
Abtei  Mere  den  Besitz  von  Gütern,  welche  die  Gräfin  Hildegund  an  verschiedeneu 
Orten  Ton  ihren  Ministerialen  teils  eingelöst,  teils  angekauft  hatte,  bestätigt 
und  diese  mit  den  übrigen  Beziehungen  des  Klosters  unter  seinen  Schutz 
nimmt*^)  Dass  Walram  bei  dieser  Gelegenheit  mit  dem  Zusatz  „de  innen burgh" 
erscheint,  wird  demselben  niederrheinisehen  Sprach-  oder  Gehörfehler  zuge- 
schrieben werden  müssen,  dem  wir  schon  einmal  begegnet  sind.  Wichtig  aber 
ist  die  Bezeichnung,  da  sie  die  Weiterbewohnung  der  Stammburg  des  Hauses 
durch  ihr  jüngstes  Mitglied  beweist,  Schliephake  hebt  deshalb  mit  Recht 
hervor,  dass,  während  Walram  in  einer  Urkunde  von  1195  als  Graf  von  Nassau 
erscheint,  seine  Witwe  sich  noch  1198  des  Siegels  mit  der  Umschrift;  ^Sigillum 
eomitis  Walrami  de  lurenburgh**  bedient*^) 

Wenn  wir  weiter  die  bekannte  Urkunde  von  1179,  in  der  Bischof  Sigfrid 
von  Brandenburg  die  von  ihm  in  Vertretung  des  noch  in  Italien  abwesenden 
Erzbischofos  Christian  von  Mainz  am  5,  Juni  dieses  Jahres  vollzogene  Einweihung 
der  Kirche  zu  Alten  bürg  bei  Heftrich  samt  der  Geschichte  von  ihrer  Ent- 
stehung erzählt  und  bezeugt^),  mit  dem  Grafen  Ruprecht  H,  in  Verbindung 
setzen,  so  geschieht  es  im  Widerspruche  mit  der  gewohnten  Annahme,  dass  in 
ihr  nur  von  Ruprecht  HL  oder  Streitbaren  die  Rede  sei.  Für  diese  scheint 
allerdings  der  Wortlaut  der  bezüglichen  Stelle  von  der  Begiftung  der  Kirche 
zu  sprechen:  „Huius  vero  dotis  auctores  sunt  dominus  Ruobertus  de  Nasova 
et   fiuus   cügnatus  Walraven,   qui  quinque    mansos   tarn  cultos   quam   incultos 


1)  Lnoomblet  1,  322;  Sohliephake  1,  285  IL  Data  der  Graf  bei  der  BeurkunduDg 
nioltt  zu§;egen  war^  bezeugt  das  Fehlen  »c^iner  Uiitergehnft^  an  seiner  SteUe  aber  stehen  offen- 
bar „Lodüwieus  de  genderetorp.  LodeTvicus  de  neatere".  Ob  der  letztere  ein  Solin  des  „Diot- 
frjrt  de  nestere'*  tat  in  Bruno's  Urkunde  über  Lipporn,  Schliepbako  1,  19B?  Er  würde  dann 
als  nossauiseher  Burgmann  zu  betrachten  sein  und  den  Adeligen  von  Niater  zugchoren,  die 
nelber  eine  Burg  dieses  Namena  bei  Marienstafe  beeaaaen,  Yg],  Vogel,  Topogr.  135,  Beschr. 
m'S.  —  *)  Lacomblet  1,  319,  Nr.  •i:>4;  Schliephake  1,  28ö;  Fischer  Hl  f.  Die  Urkunde 
trügt  bei  letzterem  zwar  das  Jahr  1175,  ist  aber  nicht  bloss,  wie  Schliephake  willj  wegen 
der  Ind.  IK,  sondern  eben  so  sehr  wegen  des  a.  praesulatus  YII  in  das  Jahr  1176  zu  setzen, 
fgl,  Kolb,  Serie»  episcop.,  urchiepiacop*  et  eleotorum.  Rottwilae  1725.  109  f.  Der  Abdruck 
„auadem  Carttüar  der  Abtei"  bei  Lacomblet  hat  deshalb  die  richtige  Zeitangabe.  —  ^  Schliep- 
bak»  l,  288.  Diu  Abbildung  des  Siegela  siehe  bei  Krcmer,  Orig.  Nasa.  1,  Tafel  5,  — 
*)  Gadoous,  Cod,  dipl.  1,  267;  Krenier,  Orig.  Nass.  2,201;  Sauer  1,  19Ö  f , ;  Will,  Reg. 
2t  53,  Kr.  175;  Schliephake  1,  289  ff, 


102 


super  altare  et  reliquias  beatorun)  martirum  Eyliani  et  socioruin  eiun  obtul 
in  dotetn  ecciesie  pro  remedio  et  salute  suarum  parentumque  Buorum  aDiaij 
Wir  geben  indessen  vor  allera  zu  bedenken,  das«  die  Urkunde  nicht  von  eüieoi 
einheimischen,  mit  den  verwantschaftlichen  Verhältnissen  des  Hauses  Naaaao 
Vortrauten,  sondern  von  dem  fremden  brandenburg'schen  Sigfrid  oder  seiBen 
Geheimschreiber  aufgenommen  ist.  Nun  war  dieser  zwar  im  aUgemeiDen  dofdi 
den  Beirat  der  mainzischen  höheren  Geiatltchen,  die  er  ausdruckiteh  nennt, 
über  die  Sachlage  unterrichtet.  Aber  nicht  nur,  daas  unter  den  Laienzeugeo 
^comes  de  Nassova  Ruobbertus^  allein  erscheint,  Walram  also  bei  Aufnahme 
der  Urkunde  nicht  zugegen  war,  so  mochte  auch  der  Umstand,  daas  dem  BiBohofe 
letzterer  als  Graf  von  Laurenburg  genannt  worden  sein  wird,  diesem  das 
Bruderverhältnis  nicht  deutlich  gemacht  und  ihn  darum  veranlasst  haben,  bloa« 
der  Bluts verwaotschaft  mit  «eognatus^  Ausdruck  zu  geben.  8<»dann  fällt  be- 
deutaam  ins  Gewicht,  dass  die  Verschenkung  von  Allodialbesitz  doch  nur  dem 
Haupte  des  Hauses  zustand,  und  wenn  es  seine  Richtigkeit  mit  der  mehrfaeb 
am  Pfahlgrabengebiete  gemachten  Wahrnehmung  haben  sollte,  dass  dieses  späteres 
Herrenland  sei,  so  war  dies  bei  der  Alteoburg  erst  recht  der  Fall,  da  diete 
am  Pfahlgraben  liegt.  Ferner  müsste  es  doch  ein  eigentümliches  Zusammen* 
treffen  sein,  wenn  Walram  mit  seinem  Vetter  Ruprecht  lU.  gemeinsam«Q 
Einzelbesitz  dort  gehabt  hätte.  Überdies  aber  darf  mit  einiger  Sicherheit  ange* 
nommen  werden,  dass  Ruprecht  HI.  im  Juni  1178  sich  noch  ebenso  bei  detn 
kaiserlichen  Heere  in  Italien  befand,  wie  Erzbischof  Christian,  den  der  Bischof 
von  Brandenburg  hier  vertrat.  Die  Brüder  Ruprecht  U.  und  Walram  waren 
demnach  augenscheinlich  die  Begifter  der  Kirche  als  die  Herren  des  regierendea 
Hauses,  und  «cognatus*  für  Walram  ein  irriger  Ausdruck  des  fremden 
kundeausstellers. 

Unzweifelhaft  sodann  ist  Ruprecht  IL  gemeint,  wenn  es  in  den  zu  Weiasen- 
bürg  vom  Kaiser  am  ersten  Sonntage  in  der  Fasten  (18.  Februar)  117S>  utf 
Bitten  der  Fürsten  und  Edlen  Rheinfrankens  für  zwei  Jahre  erneuerten  Land- 
friedens bei  Angabe  des  denselben  umfangenden  Bezirkes  an  der  bezüglichen 
Stelle  heisat:  dass  dieser  durch  die  ganze  Wetterau  über  die  Hohe  nach  der 
Grafschaft  des  Grafen  Heinrich  von  Dietz  durch  die  Landschaft  des  Grafen 
Ruprecht  von  Nassau  bis  dahin,  wo  die  Erzbistüraer  Köln  und  Trier  xa- 
sammenstosaen,  sodann  durch  den  ganzen  Einrieb  und  den  Rheingau  ziehe.') 
Damit  ist  zugleich  das  Gebiet  des  Grafen  zwischen  Wetterau  und  Einrieb  mit 
Rheingau,  und  zwischen  Lahn  und  Rhein  andererseits  deutlich  bezeicbnot,  und 


dea 


')  Böhmer,  Acta  imperii  «eleota.  Innabr.  1871.  l,  130,  Nr,  4274:  ^iade  tt»que  Eieliea- 
tiubol  abi  bot^i  epinpupahis  Wirceiibur^enBia,  inda  uaque  ad  pontem  Foldenteni  tibi  anitui' 
oomitiA  oomitii  Berdoldi  de  NroriDges  et  per  totam  terram  Wethereiha,  indo  per  AltitudtDo  (!) 
in  oomitKtiiin  comitis  Heinrici  de  Dioize  et  per  provinoiam  comitis  Ruoberti  de  NAMawe  u»q«o 
übt  finHitr  arohidiAOOisotiu  Coloniensii  et  Trovireodis  et  per  totam  terram  EinHoh*  et  per  I<k 
tain  HtngOTiam,*  —  i^ProTinciA^  i«t  hier  lediglich  ein  anderer  Ausdrack  (Hr  den  tmtiii1i«tlMr 
tuxoT  gebraaohten  .oomjtatu«*',  der  wiederum  mit  der  rorangeg'angeaen  ^comitiÄ*^  wooluslt 
Bei  lU«nnu0  1,  7(5,  der  die  Urkunde  noob  ttn},'odTtickt  nennt^  und  «einem  Ik^nutzcr  äcbltoj»- 
h^ko  l,  2fM  ist  als  Datum  irri^  der  ih,  UKn  ang^egebon,  «rührend  u»  aundrücklich  ^12. 
Mari.''  bei«8t. 


ai^^g 


103 


mati  begreift  nicht,  was  Schliephake  bewegon  konnte,  einer  suloheo  genauen, 
keine  andere  Herrschaft  sonst  zulassenden  Umschreibung  gegenüber  zu  behaupten, 
dass  dem  Lande  des  Grafen,  ,  wie  es  scheint,  auf  einer  Seite,  gegen  die  Laurenburg 
hin,  die  Besitzungen  des  Grafen  Walram  zunächst  in  der  Esterau  benachbart 
waren,  während  auf  der  anderen  Seite,  gegen  die  CÖlnische  Grenze  hin,  die 
Kesitzungen  seines  Namensvetters  Ruprechts  IIL  zu  liegen  kommen.**") 

Dieselbe  Verkennung  des  Landesherrn,  der  damit  von  selber  zum  Iteichs- 
rate  gehört,  legt  Schliephake  eben  dort  an  den  Tag,  wenn  er  Ruprecht  IIL 
auf  dem  berühmten  Fürstentage  zu  Gelnhausen  am  13,  April  1180^  bei 
dem  über  die  Reichslehen  des  in  die  Reichsacht  erklärten  Herzoges  Heinrich  de» 
Löwen  vom  Kaiser  anderweite  Verfügung  getroffen  wurde,  an  der  Unterzeichnung 
der  die  Verhandlungen  berichtenden  Urkunde  beteiligt,  wie  dies  vor  ihm  auch 
Hennes')  gethan  hatte.  Es  versteht  sich  von  selber,  dass  der  hier  unter  den 
83  Zeugen  an  20-  Stelle  stehende  „Rubertus  comes  de  Nassowe"  nur  Graf 
Ruprecht  IL  als  Reichsgraf  sein  kann  und  das  um  so  mehr,  als  er  schon  an 
dritter  Stelle  nach  den  Herzögen,  Land-  und  Markgrafen  folgt  und  selbst  dem 
Grafen  Emicho  von  Leiningeu  vorangeht/'*)  Das  „besonders  nahe  und  niemals 
gestörte  Verhältnis  der  Diensttreue  und  des  Vertrauens*^,  in  dem  nach  Schliep- 
hake Ruprecht  der  Streitbare  zu  Kaiser  Fridrich  I.  stand,  kommt  hierbei  gar 
nicht  in  Betracht,  da  amtliche  und  persönliche  Beziehungen  bei  einer  solchen 
Gelegenheit  zwei  verschiedene  Dinge  sind. 

Da  Erzbischof  Philipp  von  Köln  in  der  soeben  genannten  kaiserlichen 
Urkunde  von  dem  Reichslehen  Ueinrichs  des  Löwen  aus  dem  in  zwei  Teile 
geschiedenen  Herzogtume  Westfalen  und  Angarien  den  beträchtlichen  Teil,  der 
an  das  Erzbistum  Köln  und  das  Bistum  Paderborn  grenzte,  für  seine  Verdienste 
um  den  Kaiser  empfangen  hatte,  so  war  eine  solche  Mach  tver mehr ung  erst 
recht  dazu  angethan,  seine  Gunst  erstrebenswert  zu  machen.  Wir  treffen  des- 
halb am  27.  Jali  desselben  Jahres  1180  unseren  Grafen  Ruprecht  in  Köln  bei 
der  Beurkundung  seines  erzbischöüichen  Gönners  über  den  Vergleich  zwischen 
ihm  und  der  kölnischen  Bürgerschaft  wegen  des  gegen  dessen  Verbot  angelegten 
Befestigungsgrabens  und  wegen  der  auf  dem  Leinpfade  und  am  Markte  errich- 
teten Häuser.*)  Nach  nicht  weniger  als  39  geistlichen  Zeugen  unter  67  solcher 
überhaupt  nimmt  „Roberlus  comes  de  Nassowen"  nach  dem  Pfalzgrafen  bei 
Rhein  Konrad,  dem  Herzoge  Oodefrid  von  Löwen  und  dessen  Vetter,  „Dominus 
Ileinricus  de  Limburg,"  die  erste  Stelle  ein^  ein  bemerkenswertes  Zeichen  seiner 
räHichen  Bedeutung«  In  der  kaiserlichen  Bestätigungsurkuude  aus  Halberstadt 
am  18.  August  des  gleichen  Jahres  befindet  er  sich  abermals  unter  den  21 
engen.   Diesmal  freihch  als  der  17.  und  als  der  6,  unter  den  Grafen.*)    Schliep- 

*J  I,  295.  —  *)  1,  62.  —  ')  Lacomblet  1,  332  f.  Die  a^nst  richtig  datierte  Urlnuido 
rorfohli  m  nur  in  dem  a.  ^imperii  tero  XXYP,  Es  mass  XXY  heia^en.  —  *)  Ebenda  1,  33:^  f. 
Irrig  sind  der  Katserjnhre  boi  der  Zeitangabe  XXVII^  und  der  a.  preBulat.  noatri  undecimus 
et  tun  2  Jahre  verfehlt,  sodass  nur  Tocarnations-  und  Konigajahr  dummen.  —  '-'}  Ebenda  I^  'M'i  f. 
rermtitiiüh  veranJaast  durch  die  in  sie  wdrtltob  aufgenommene  Urkunde  des  Erzbiflchofes  leidet 
inch  diCBo  an  dem  Datierungsfehler  der  XXV 11  Kaiaerjabre,  während  Incarnationsjahre,  In- 
iiotion  und  Königsijahre  zutreffen  und  damit  auch  das  Jahr  U8i)  der  erzbisehoflichen  Urkunde 
fttJUlgoo, 


104 

hake  macht  hierbei  die  zutreffende  Bemerkung :  „Vielleicht  war  er  mit  Wahr- 
nehmung der  erzbischöflichen  Angelegenheit  besonders  betraut,  da  von  den  an- 
gesehensten Herren  aus  dem  Laienstande  nur  er  allein  sowohl  zu  Köln  als 
auch  zu  Halberstadt  bei  diesem  Geschäfte  zugegen  gewesen  ist."^)  Alsdann 
sehen  wir  ihn  im  selben  Jahre  noch  einmal  in  Köln.  Erzbischof  Philipp  ver- 
pfändete seinem  ^carissimus  frater  et  amicus",  dem  Erzbischof e  Arnold  von  Trier, 
für  232  Mark  kölnischer  Denare  Darlehen  seine  Höfe  Bense,  Sigenheim,  Rah- 
tecke  und^  Celtanc.^  Ruprecht  H.  aber  diente  ihm  hierbei  nächst  elf  höheren 
Geistlichen  des  Erzstiftes  als  erster  Bürge  („obses*)  von  vier  Edelen  („Robertus 
comes  de  nassowe^  Heinricus  comes  de  seina  et  frater  eins  Euerhardus,  pro 
quibus  frater  eorum  Bruno  prepositus  spospondit,  Renerus  de  froisbret^)  und 
10  benannten  Ministerialen.  Wie  dies  Zeugnis  für  die  innig  gewordene  Ver- 
bindung der  beiden  hohen  Herren  ablegt,  so  scheint  es  auch  neben  der  Ange- 
sehenheit des  Grafen  dessen  ansehnlichen  Vermögensstand  zu  bekunden,  eine 
Sache,  die  nicht  minder  durch  die  vier  ohne  Zweifel  mit  entsprechendem  Ge- 
folge unternommenen,  darum  ausgabereichen  Reisen  dieses  Jahres  belegt  sein 
dürfte,  die  uns  gleichzeitig  darthun  mögen,  zu  welchen  Opfern  sich  seine  Haus- 
politik verstand.  Denn  fürstliche  Vergnügungsreisen  möchten  damals  schwerlich 
Sitte  gewesen  sein,  da  sie  ungleich  kostspieliger  noch  als  die  heutigen  gewesen 
sein  würden,  neben  dem,  dass  sie  erheblich  mühsamer  gewesen  wären. ^) 

Im  Jahre  1182  aber  ist  es,  dass  wir  zum  Unterschiede  von  Ruprecht  IL 
dessen  streitbaren  Vetter  Ruprecht  HI.  in  der  schon  oben  geschilderten  Vogtei- 
sache  zu  Coblenz  thätig  finden.  Es  mag  diese  seine  Eigenschaft  als  „advocatus 
Confluentinorum"*)  auf  den  ersten  Augenblick  befremden,  da  sie  einen  Ein- 
griff in  die  Rechte  Ruprechts  II.  darzustellen  scheint,  der  als  Vertreter  des 
Hauses  auf  diese  von  Arnstein  geerbte  Vogtei  die  nächsten  Ansprüche  gehabt 
hätte.  Das  Befremden  verschwindet  jedoch  sofort,  wenn  wir  erkennen  müssen, 
dass  in  der  Abtretung  dieser  Vogtei  an  Ruprecht  IH.  ein  deutliches  Leibgedinge 
für  ein  nicht  regierendes  Glied  des  Hauses  vorliegt.  Die  Vogtbede,  die  seit 
dem  12.  und  13.  Jahrhundert  in  rechtlich  bestimmten  Beiträgen  der  Vogtleute 
von  den  geistlichen  Grundherren  anerkannt  war*),  mochte  eben  einen  unver- 
ächtlichen Beitrag  zu  dem  bieten,  was  das  Haus  sonst  noch  für  seine  Glieder 
aufzubieten  hatte,  oder  was  diese  erheiratet  haben  mochten.  Gleichwohl  mag 
Ruprecht  HI.  nicht  der  alleinige  Nutzniesser  dieses  Leibgedinges  gewesen  sein, 
wenn  er  schon  alleiniger  Vogt  sein  musste.  Denn  aus  der  oben  an  der  gleichen 
Stelle  mitgeteilten  Urkunde  von  1195  ersehen  wir,  dass  der  Sohn  Ruprechts  HI., 
Hermann,  mit  seinem  „cognatus"  Walram  auf  Vogteirechte  in  derselben  „ad- 
vocatia  et  jurisdictio  confluentina"  zu  Gunsten  des  Klosters  Himmenrode^  ver- 
zichtet.    Dieselbe  Gemeinsamkeit  des  Besitzes  in  diesem  Amtsbezirke,    diesmal 

\)  1,  300.  Er  meint  das  freilich  irrig  von  Ruprecht  III.  —  *)  Günther  1,  439  ff",; 
Mittelrh.  Urkb.  2,  95  f.,  vgl.  Honnes  1,  64,  Schliephake  1,  300.  —  ^)  Zur  Vergleichung 
dürfen  wir  hierbei  an  die  Klagen  der  Fürsten  wogen  der  bedeutenden  Kosten  für  die  Hof- 
fahrten erinnern.  Siehe  Toeche,5 Kaiser  Heinrich  VI.  16,  389.  442,  Anm.  2.  —  *)  8.  An- 
merk.  2,  S.  94.  —  ^)  Schröder,  Lehrb.  525.  —  ^)  Auch  Hemmenrode,  heute  Himmerode. 


105 


iü  dem  eiue  Stuade  von  Coblenz  entfernten  Motricha  (Metteroich'),  erweist  auch 
üine  Urkunde  von  120G.  In  ihr  bezeugt  Erzbischof  Johann  von  Trier  die  von 
Seiten  sämtlicher  Besitzer  erfolgte  Schenkung  des  bisher  unbebauten  Landes 
zwischen  Metternich  und  Rore  an  die  Abtei  Ilimmenrode.^  Als  „domiui  uille 
de  Metricha^  werden  genaoot:  „Henncus  eumes  de  Seina  et  frater  eins  Euer- 
hardus,  Robertus*)  comes  de  Nassowe  et  nepos  suus  Walerammus,  Anseiemus 
de  Moluesberg,  Salomena  nobilts  et  deuota  matrona  cum  filia  sua  Mathildi  et 
genero  suo  Rudolfo  palatino  comite  de  Tuingen,  Hermaunus  etiam  miles  eiusdem 
loci  indigena^  rusticornm  quoque  tota  communio,  qui  hereditate  possidebant  usu- 
aria/  Dass  die  genannten  Herren,  wie  seither  angenommen  wurde,  in  vor- 
wantachaftlichem  Zusammenhaüge  gostanderi  hätten,  ist  geschichtlich  nicht  zu 
erweisen.  Ein  zuGilliger  gemeinsamer  Besitz  hat  ebenso  viel  Berechtigung 
Wir  enthalten  uns  deshalb  des  Eingehens  auf  alle  daran  gereihten,  zum  teil 
mehr  als  kühnen  Vermutungen  unserer  Vorgänger.  Fest  steht  bloss  die  eine 
uns  hier  angehende  Verwantflchaft,  die  die  Urkunde  mit  ^Robertus  comes  de 
Nassowe  et  nepos  suus  Walerammus**  bezeugt.  Die  Frage  ist  nur^  was  ^ nepos* 
an  dieser  Stelle  bedeutet.  ^Enkel*'  hat  Schliephake*)  schon  mit  Recht  ab- 
gewiesen, so  sehr  auch  diese  Übersetzung  beliebt  worden  war.  Sein  ^Neffe** 
aber  führt  ebensowenig  zum  Ziele  und  bat  ihn  selber  unbefriedigt  gelassen.  Es 
hilft  nur  die  dritte,  dem  Mittelalter  bekannte  Bedeutung  des  Wortes.  Nepos 
ist  auch  patrueÜÄ  und  consobrinus,  d.  h,  von  des  Vaters  Bruder  abstammend, 
Geschwisterkind  und  wird  dann  vorzüglich  gebraucht,  wenn  der  so  Genannte 
der  an  Alter  oder  Würde  Geringere  ist,^)  Walram  ergibt  sich  demnach  einfach 
als  Geschwisterkind  mit  Ruprecht  dem  Streitbaren,  Die  von  beiden  in  Ver- 
bindung mit  den  genannten  Anderen  gemachte  Schenkung  Mit  aber  nicht  in 
das  Jahr  1206  der  Urkunde,  sondern,  da  Ruprecht  JH.  bereits  bei  Beginn  des 
Jahres  1189  mit  Walram,  den  Vettern  Heinrich  von  Dietz  und  Bischof  Her- 
mann von  Münster,  einem  Grafen  von  Katzenelobogen,  wie  mit  dem  kaiserlichen 
Kämmerer  Markwart  von  Neuenburg  die  Gesantschaft  nach  Konstaotinopel  zur 
Förderung  des  dritten  Kreuzzuges  angetreten  hatte  und  1190  auf  dem  Zuge 
starbt  jedenfalls  vor  das  Jahr  1189  und  war  möglicherweise  veranlasst  durch 
die  Kreuzfahrt.  Die  Urkunde  selber  stellt  nur  die  Bestätigung  der  Schenkung 
der  Nachkommen  der  bis  auf  den  Pfalzgrafen  Rudolf  von  Tübingen  verstorbenen 
ehemaligen  Besitzer  des  genannten  Gebietes  dar  und  ist  ausser  von  Geistlichen 
m}r  von  den  Ministerialen  der  beteiligten  Naehkoramen  bezeugt, 

-j  Schliephake  l,  347  setzt  Mettemioh  irrig  in  das  Maieafeld,  in  dorn  allerdings  auch 
ein  Dorf  dieses  Namens  lag,  das  Ortsregister  des  Mllielrh.  Urkb/s  aber,  das  soTiel  beAscro 
OrtskenntDiä  ausweist,   ist  für   die   von   uns  genannte  Lage  bei  CobleiiÄ.    —    ")¥.  Hontheira 

1,  646;  Kremer,  Orig.  Nasa,  2,  213  f.;  Älittelrh,  Urkb.  J,  2fi2  f.;   Gocrz,  Mittelrh.  Regest. 

2,  279.  Nr,  lül3;  Wenck,  Hist,  Abb.  1,  91  £,  Hes«,  LandesgeseL  3,  236  f.;  Honnes  l, 
Ä43  f.;  Vogel,  Beschr.  2^9;  Schliepbake  1,  344  ff.  Die  ind.  VIII  ist  mit  IX  zu  ersetzen, 
—  •)  So  liest  das  auf  der  StadtbibUothek  in  Trier  befindliche  Original,  das  im  Mittelrh.  ür- 
kundcnbuoh  wiedergegeben  ist,  v.  Hontheim  hat  dafür  irrig  ^Henricus*^,  Es  werden  damit 
alle  All  diesen  letzteren  Namen  geknüpften  Bemerkungen  der  Benutseer  r.  Hontheim«  hinfällig. 
Wir  müssen  ans  deehalb  nicht  mit  ihrer  Widerlegung  im  einzelnen  aufhalten.  —  *)  1,270.  — 
*)  Du  Cange-Hentebcl  4,   020*>:   Nepos,   patrueüs  vel  consobrinus.    Tum  vero  maximc  pa- 

\  lniel«8  ttil  oonsobrinos  nepotcs  diotos  Tolunt,  cum  aetate  inferiorem  crant  aut  dignitate. 


106 

Zu  Ruprecht  II.  führt  uns  nach  diesen  des  Zusammenhanges  wegen  zum 
teil  vorausgenommenen  urkundlichen  Angaben  das  Jahr  1184  wieder  zurück. 
Es  ist  am  Sonntage  der  Pfingsten  dieses  Jahres  auf  dem  berühmten  Reichs  feste 
auf  der  Marau  bei  Mainz^),  das  der  grosse  Kaiser  Fridrich  I.  mit  seinen 
Fürsten,  Prälaten  und  Rittern  in  strahlender  Pracht  abhielt,  dass  er  bei  dem 
in  der  Feldkirche  durch  den  Abt  Eonrad  von  Fulda  erregten  bekannten  Rangstreite 
mit  dem  Erzbischofe  Philipp  von  Köln  diesem  seinem  gekränkten  Lehensherren  mit 
des  Kaisers  Bruder,  Pfalzgrafen  Konrad  bei  Rhein,  und  anderen  Lehensträgern 
aus  der  Kirche  folgen  wollte,  indes  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen,  des  Abtes 
Lehensmann  und  des  Kaisers  Schwestersohn,  ihm  spottend  zurief:  „Heute,  Graf, 
habt  Ihr  euer  Lehen  verdient!*  worauf  er  mannlich  erwiderte:  »Wohl  habe 
ich  es  verdient  und  werde,  so  es  heute  not  thun  mag,  es  noch  mehr  verdienen.*") 
Dieser  Vorgang  scheint  unzweideutig,  wie  die  mannhafte  Art  unseres  Grafen, 
so  seine  nicht  unbeneidete  namhafte  Stellung  unter  den  Reichsfürsten  darzuthun, 
neben  dem,  dass  sie  die  Stärke  der  Beziehung  zu  Erzbischof  Philipp  erweist. 
Gegen  die  kaiserliche  Ungnade  bot  ja  freilich  der  Yorantritt  des  kaiserlichen 
Bruders  Deckung,  aber  dass  er  sich  sofort  nach  diesem  mit  den  Worten  erhob: 
„Auch  ich  werde  meinem  Herrn,  dem  Erzbischofe,  folgen**,  verrät,  dass  er  sich 
der  Tragweite  seiner  Macht  bewusst  war,  und  dass  der  von  da  ab  dem  Kaiser 
grollende  mächtige  Kirchenfürst  sich  auf  ihn  verlassen  durfte,  wenn  es  zur 
offenen  Entzweiung  mit  dem  Kaiser  kam,  die  erst  der  berühmte  Tag  in  Mainz 
vom  Jahre  1188  mit  seiner  flammenden,  alle  Zwiste  niederschlagenden  Begeiste- 
rung für  einen  neuen  Kreuzzug  auf  immer  aus  der  Welt  schaffte. 

Am  Ende  dieses  selben  Jahres  1188,  am  22.  Dezember  —  damit  schieben 
wir  ein  neues  bis  dahin  unentdeckt  gebliebenes  Glied  in  die  Kette  unserer 
nassauischen  Grafengeschichte  ein  —  war  Graf  Ruprecht  II.  am  Hoflager  des 
Königs  Heinrich  VI.  in  Worms  anwesend,  da  er  als  Zeuge  bei  einer  Beurkundung 
thätig  ist,  deren  Wortlaut  zwar  nicht  mehr  erhalten  scheint,  die  aber  offenbar 

*)  Annal.  10,  379;  Roth,  Gesch.  d.  Stadt  Wiesbaden,  17.  —  •)  Die  Geschichte  wird  in 
Arnold i,  Abbatis  lubecensis,  chronica  Slavonim  3,  9  (Leibnitz,  Script.  Bninsric.  2,  661  f. 
—  nicht  „Monum.^,  wie  Schliephake  1,  300  fälschlich  steht)  erzählt.  Dort  heisst  es  nach 
dem  Bericht  über  die  Worte  des  Rheinpfalzgrafen :  „Deinde  surgens  comes  de  Assowe  [in  der 
Anmerkung  verbessert:  Nassowe]  dixit:  Et  ego  in  gratiam  vestram  sequar  Dominum  meum 
Archiepisoopum'^.  Dann  heisst  es  wenig  weiter:  „Respondens  autem  Ludovious,  comes  pro- 
vincialis,  qui  fuit  homo  abbatis,  dixit  comiti  de  Assowe :  Bene  hodie  beneficium  vestrum  meru- 
istis.  Cui  ille:  et  merui  et  merebor,  si  hodie  necessitas  exegerit.'^  Vgl.  Hennes  1,  65  ff.; 
V.  Raum  er,  Gesch.  d.  Hohenstaufen,  2,  48.  Welches  dieses  vom  Landgrafen  gemeinte  bene- 
ficium, d.  h.  Lehen  auf  Lebenszeit  oder  auch  erblich  (vgl.  DuCange-Henschel  1,  650  ff.), 
gewesen,  ist  uns  leider  verborgen.  Dass  es  nicht  unbedeutend  gewesen  sein  muss,  verrät  der 
durch  den  Hohn  klingende  Neid  des  Landgrafen,  und  geht  ebenso  sehr  aus  der  Thatsache 
hervor,  dass  Ruprecht  IL  sich  als  ersten  kölnischen  Lehensträger  nach  dem  Rheinpfalzgrafen 
weiss,  da  er  sich  unmittelbar  nach  diesem  erhebt,  und  dann  erst  der  Graf  von  Flandern  und 
die  übrigen  folgen.  Dass  den  Landgrafen  der  Hohn  alsbald  reute,  beweist  der  Umstand,  dass 
er  nach  Beendigung  des  Festes  dem  Erzbischofe  nachreist  und  nicht  eher  Köln  vorlässt,  als 
bis  er  dessen  Unwillen  besänftigt  hatte,  ja  sich  in  der  Folge  mit  diesem  wider  den  Kaiser 
verband,  vgl.  T  o  e  c  h  e ,  Kaiser  Heinrich  VL  30  f.,  woselbst  auch  die  übrigen  Quellen  über  das 
Fest  angeführt  und  anderweite  Litteraturangaben  gemacht  sind. 


107 


lem  Erzähler  ihres  Inhaltes,  dem  Verfasser  des  „UhronicoTi  Hanoniense^« 
islobert  oder  Gisilbert,  vorgelegea  haben  muss.  Ihm  zufolge  hatte  der  König 
ch  mannigfachen  Verhandlungen  mit  dem  Grafen  Balduin  von  Hennegau 
lio  dem  Reiche  von  diesem  aufgetragenen  AUodien  und  Lehen  der  Grafschaften 
amur  und  Hennegau  zu  einer  Mark  vereinigt  und  letztere  dorn  Grafen  über- 
•ben,  wie  dies  bereits  sein  Vater  Fridrich  1184  festgesetzt  hatte.  Als  Zeugen 
hrt  Gisilbert  dabei  den  Erzbischof  Eonrad  I.  von  Mainz,  den  Rheinpfalzgrafen 
onrad,  die  Bischöfe  von  Worms  und  Speier,  die  Grafen  Robert  von  Nassau, 
(Kmioho)  von  Leiningen,  Robert  von  Uorne,  den  Kanzler  Johann,  von  Ministerialen 
cruer  von  Bolanden,  Cano  von  Minaebercb,  F(ridrich)  von  Husen  und  Hunfrid 
on  Falkenstein  auf.*)  Da  die  Sache  vorerst  geheim  gehalten  werden  sollte, 
I  80  haben  wir  in  den  Zeugen  Vertrauenspersonen  des  Königs  zu  erblicken, 
^Heugt  das  auf  der  einen  Seite  für  die  politische  Bedeutung  unseres  Grafen  in 
^Heu  Augen  des  Königs,  so  tritt  die  statsmännische  nicht  minder  hervor.  Denn 
PRs  sind  Statsmänner  ersten  Ranges,  unter  denen  sich  Ruprecht  II.  hier  befindet. 
Allen  voran  nicht  bloss  an  Amtswürde  steht  Erzbischof  Konrad  von  Mainz.') 
Jobann  bezeichnet  schon  seine  Kanzlereigenschaft  als  solchen,  wie  es  nicht 
minder  seine  bald  danach  erfolgende  Erhebung  auf  den  Erzstuhl  in  Trier  thut.**) 
Desgleichen  war  der  Bischof  von  Worms  als  geschickter  Vermittler  bekannt,*) 
Die  reichsministerialen  Ritter,  Werner  von  Bolanden  und  Kuoo  von  Minzenberg, 
ebenso  reich  begütert,  als  statsmännisch  gebildet,  zählten  zu  den  vertrauten 
Raten  des  Kaisers  Fridrich,  wie  seines  Sohnes  Heinrich*),  ebenso  der  Minne- 
sänger   Fridrich    von    Hausen.^      Es    ist    aber    noch    ein    Anderes,    was    die 


')  Mon.  Germ.  21,  .^04:  „Domitius  autem  rex  aduDaKs  tam  aUodiis  quam  feodia  ot  (amU 
Ks  et  ecolefiiia   in   iids   oomitatibus   Bitie,   ad  imperium  pertmentibuB^    ex  ih  princtpatum,   qui 
narohia  dioitar,   fecit  et  eandem   marohiAtn  comiti  Hanoniensi   in  feodo   llgio   conoessit;   unde 
omes  HanonienBis  ligium  ei  bominium  [homagium]  feoit,  sub  testimomo  priocipum^  scilioet  Con- 
rardi  ManguntinenBiB  archiepiecopi  et  Conrardi  oomitis  palatini  Reni  et  episeopi  Worroatiensis 
;  epiBcopi  Spirenaie  et  aliomin  muttorum,  Koberti  cotnitis  de  Na»soa^  .  .  ,  comttiB  de  Lioenghi» 
Robert!  de  Dorna  et  Johannis  oanoellani  et  miniflterialiiimi   acilicet  Weroeri  de  Bollanden, 
ooonifl  de  HJDseberob,    F.  de  Husa,   Uunfridi   de  Faloonis   Petra   et   aliorum   muitorum   tam 
c^bilium  quam  ministerialiuni.    Sicque  comes  Hanooiensis    et  princeps  imperii  et  marohio  Nu* 
Burcensjä  raotus  est.^    AußUlligorweiiie  hat  WiH  diese  Urkunde  nicht  in  seinen  Regesten  rer- 
aet,  und  Toeohe  sie  als  solche  nicht  erkannt.     Ebenso  ist  des  letzteren  Datum:  ^Weih- 
1189'*  S.  101  In  1188  zu  Terbeflsem,   das  seine   Regesten  S.  643   richtig  angeben.  -~ 
Poecheil5;  Will,  RegeuL  2,  IV,  —  *)  Toeche  116. —  *)  Ebenda  3H,  115.  —  *)  Ebenda  2a. 
—  •)  Riexler  (s.  S.  110,  A.  «  unten)  115  f.;  Toeche  59,  Anm,  2,  83,  51*4  T,  wo  sein  Tod  bei 
der  Verfolgung  der  Seldachuoken  vor  Philomelium,   IJ,  Mai  1190,   durch  einen  Druckfehler  in 
L196  gesetzt  ist.     Es  mag  an  diesem  Orte  nioht  unerwünscht  scheinen,  hinzuzufügen,  was  ich 
er  0Qte   des  Herrn  Professor  Otto  verdanke,  dass   Fridrieh  von  Hausen   sich  so  nach   der 
ihr   anspreohenden  Vermutung   Sc  henk 's  (^Zur  Frage  nach  dem  Wohnsitze  Friedrichs   von 
ansen''  in  der  Zeitachr,  f.  deutsch.  Altertum  IH87.   :^2,  4H)  von  unserem  St.  Ooarshausen  ge- 
nannt hut,  das  ehemals  nur  Husen  hiess,    Tgl.  Vogel,   Topogr,  86,    Besohr.  63H.     Er  gehörte 
cur  rheinischen  Ritteraohaft  und  war  Nachbar   unserer   Grafen.     Möglich,    dass  der  1 159 
Zeage   io   dem    worms-trier-laurenburg'schen  Handel  vorkommende    .,Walteru8   de   husen^ 
^chliephake    l,   2U3)   der   Vater   Fridrichs   war     Schenk  rerrautet,    dass   ^Friderious  de 
rubac^  in  dem  Vertrag  zwisoheu  Hillin  und  Laurenburg  aus  dem  gleichen  Jahre  (Schliep- 
"^ake  1,  205  —  Schenk'»  Citat  ist  irrig)  ein  Verw anter  Friedrichs  von  Hausen  gewesen  »em 


108 

Zeugenschaft  unseres  Qrafen  bei  diesem  Anlasse  bemerkenswert  macht.  Die 
endgiltige  Verleihung  der  Harkgrafschaft  an  Balduin  hatte  auch  eine  Spitze 
gegen  den  Lehensherm  Ruprechts  EE.,  den  Erzbischof  von  Köln,  die  dieser 
bereits  auf  dem  vorhin  besprochenen  Reichsfeste  gefühlt,  und  die  seine  Ver- 
stimmung über  die  kaiserliche  Bevorzugung  des  Abtes  Eonrad  von  Fulda  nicht 
wenig  gesteigert  hatte.  Damals  war  nämlich  dem  Grafen  Balduin,  der  das 
Reichsschwert  bei  dem  Feste  vorangetragen  hatte,  von  Kaiser  Fridrich  bereits 
die  Zusicherung  geworden,  dass  er^  die  von  seinem  alternden  Oheime  zu  er- 
wartende Grafschaft  von  Luxemburg  und  Namur  mit  Hennegau  vereinigt  als  Mark- 
grafschaft  erhalten  sollte.^)  Dieser  Zuwachs  an  Macht  erschuf  ihm  aber  be? 
denkliche  Nebenbuhler  an  seinen  französischen  Nachbaren,  dem  Grafen  von 
Flandern  und  dem  Herzoge  von  Brabant  und  an  dem  diesen  beiden  verwanten 
und  benachbarten  Erzbischofe  Philipp  von  Köln,  und  verwickelte  ihn  in  be- 
standige und  gefahrliche  Fehde  mit  diesen,  —  ein  Grund,  der  die  endgiltige, 
von  den  Gegnern  durch  höhere  Angebote  immer  hintan  gehaltene  Belehnung 
vorerst  noch  zu  einer  Geheimsache  machte,  bis  es  endlich  im  Oktober  1189 
gelang,  den  Erzbischof  voll  zu  versöhnen  und  sogar  zum  Friedensmittler  zwischen 
den  Streitenden  zu  machen.*)  Das  Hineinziehen  in  das  königliche  Vertrauen 
bedeutet  also  für  Ruprecht  II.  ein  Abziehen  vom  kölnischen  Erzbischofe,  war 
aber  zugleich  von  der  königlichen  Statskunst  wohl  berechnet,  um  den  Grafen 
zum  Mitwirker  am  endlichen  Frieden  mit  dem  Erzbischofe  zu  machen.  Wir 
hatten  deshalb  wohl  ein  Recht,  von  der  politischen  wie  statsmännischen  Bedeutung 
Ruprechts  H.  zu  reden. 

Wie  hier  aber  die  Machtstellung  und  das  statsmännische  Gewicht  des 
Grafen,  so  ist  es  abermals  der  unverkennbar  gute  Vermögensstand  desselben, 
den  uns  in  dieser  Zeit  eine  Urkunde  des  Erzbischofes  Konrad  von  Mainz  offen- 
bart. Stumpf  teilt  dies  bemerkenswerte  Schriftstück  aus  dem  Originalconcepte 
im  Archive  zu  Wurzburg  (München)  mit  und  setzt  es  —  es  ist  undatiert  — 
zwischen  die  Jahre  1187  und  1190.')  In  ihm  schildert,  um  mit  den  Regest- 
worten Stumpfs  zu  reden,  „Erzbischof  Konrad  I.  von  Mainz  und  Cardinalbischof 
von  Sabina,  in  welchem  Zustand  der  Verwüstung,  Unterdrückung  und  Demütig- 
ung er  die  mainzer  Kirche  bei  seiner  Rückkehr  (1183)  getroffen  habe,  zählt 
ferner  genau  die  Verluste  auf,  die  dieselbe  durch  die  verschiedenartigsten 
Veräusserungen,  Belehnungen,  Verpfandungen  erlitten  und  verzeichnet  dann 
ausfuhrlich,  welche  Güter,  Schlösser  u.  s.  w.  und  um  welche  Summen  er  für 
die  Kirche  zurückerworben  und  gekauft  habe.**  Hier  heisst  es  nun  von  unserem 
Grafen:  „Pignori  obligate  diximus  comiti  Ruberto  de  Nassowe  curtim  Loginstein 
pro  CL  marcls  examinati  argenti;  eidem  comiti  Ruberto  Ramsei  cum  aliis 
adiacentibus  possessionibus  LVII  marcis"  und  danach:  „Deinde  a  comite  Ruberto 
curtim    de  Loginstein   et  Ramsei   et  Drissungen   et  Espelscheit   pro  CG  marcis 

möge.  Alles  in  Anlehnung  an  Sauers  Mitteilung  „Zur  älteren  Gesch.  der  Herren  v.  Eppen- 
stein  und  v.  Homburg",  Annal.  19,  56. 

*)  Die  Urkunde  wurde  veröffentlicht  von  Prutz,  Heinrich  der  Löwe  483  und  bei 
Toeche  600  f.  Hier  sind  schon  Werner  von  Bolanden  und  Kuno  von  Minzenberg  Zeugen, 
ausserdem  aber  auch  Graf  Heinrich  von  Dietz.  —  'j  Toeche  49  ff.,  99  ff.,  117.  —  ')  Act. 
Magunt.  114  ff.;  Sauer  1,  209  f.  Nr.  287;  Will,  Regest.  2,  100,  Nr.  91. 


109 


en 

m 


recollegimuö,**    Der  Graf  verzichtet  also,  wenn  richtig  gebucht  ist^),  auf  7  Mark, 
urch  den  VerÄichl,  wie  das  Darlehen  beweisend,  daas  es  ihm  nicht  an  klingen* 
'dem  Gute  gebrach^   noch  an   dessen   kluger  Verwertung.     Was   die  ihm  ver- 
landeten Orte   betriö't,   so   ist  der  Hof  von  Lahnstein  bekannter   mainzischor 
Besitz,  Ramsei  mit  dem  etwa  eine  Stunde  entfernten  Espelschied  rheingauisches 
ügentum    des  Erzstufales,    und  Drissungen    offenbar  ein   ausgegangenes   Dorf 
in  deren  Nähe,    wie  die   erste  urkundliche  Bezeichnung:   „Ramsei  adiacentibus 
possessionibuB^  schliessen  lässt,    wenngleich    die  EoduDg  -ungen    ins  Hessische 
er  Thüringische  weist,   wo   sich   allerdiogs  kein  Ort   dieses  Namens   findet, 
ie  Zeit,  in  der  Versatz  und  Auslösung  vor  sich  giog,  wird  von  Schliephake 
anter  dem  falschen  Gesichtspunkte,   dass  Ruprecht  III,  der  „comes  Rubertus** 
er  Urkunde   sei,   einseitig   und  noch   dazu   unter   NichtbeachtuDg   der   in  ihr 
vorliegenden  anderweiten,   von  seinem  Gewahrsmanne  Stumpf*)  genau  hervor* 
gehobenen  ZeitbestimmuDgen  zwischen  1187  und  1189  gesetzt,  während  Scholz 
nachzuweisen  sucht,  dass  die  Urkunde  aus  drei  Teilen  bestehe,  von  denen  der 
erste  zwischen  die  Jahre  1180  und  1190  gehöre,   der  zweite  aber  erst   in   die 
it    Dach    1195   gesetzt  werden   müsse, ^)     Da   die  Angaben    über   das  unsere 
rafen   betreffende  Geschäft  dem  ersten  Teile  zuzuweisen  sind,   so  dürfen    wir 
ie  Scholz'sche  Feststellung  gelten  lassen,   von   der  diejenige  Stumpfes  sich 
nur  durch   das  Anfangs  jähr   1187    unterscheidet.     Der   freigebige   Erlass   mag 
dann  immerhin  der  Kreuzzugsbegeisterung  des  Jahres  1189  zugeschrieben  wer- 
den, die  das  nassauische  Haus  um  so  tiefer  erfasst  zeigt,  als  zwei  seiner  Glieder 
in  80  hervorragender  Weise  an  dem  Kreuzzuge  beteiligt  waren. 


4.  Walrams  vorzeitige  Röckkehr  vom  Kreuzzuge  und  Ruprecht  IL 

Aber   freilich    sehen    wir  diese   Begeisterung    bei    einem   derselben,   dem 

^Grafen  Walram,   schon   gleich   im  Anfange   verraucht.     Wir   müssen   das   aus 

jiner  Urkunde  des  Jahres  1190  schliessen,  in  der  er  mit  seinem  älteren  Bruder 

Ruprecht  11,  als  Zeuge  in  Köln  erscheint,    Dass  wir  uns  damit  in  Widerspruch 

ait  unseren  Vorgängern  setzen,  ist  ein  um  so  grösserer  Anreiz,  unseren  Schluss 

iesto  unanfechtbarer  zu  begründen.    In  der  Urkunde  bezeugt  Erzbischof  Philipp, 

BS  uComes  Theodoricus  de  Widho**  seine  Burg  Holebriche  (Olbruck),   soweit 

*hr  Graben  reicht,  mit  ihrem  Boden  und  Zugange  der  Kirche  S.  Petri  in  Köln 

EU  Lehen  aufgetragen  habe.    Unter  den  26  Zeugen  mit  dem  Erzbisch  ofe  selber 

an  der  Spitze   stehen  „Hubertus   comes  de  Nassawe  et  Walramus**  an  6,  und 

Stelle.     Als  Datum   ist   ausnahmsweise   nur   das  Jahr    1190   angegeben  mit 

lern  Zusätze  am  Schlüsse  der  ganzen  LTrkuode:  „regnante  Priderico  Romanorum 

aperatore  augusto."    Der  erste  Abdruck  des  Schriftstückes  in  Joannis' Spici- 

ium^)    stimmt    wörtlich  mit    dem    PiacherVj    ^ex   Chartulario   Colonienai**, 

mit  dem  bei  Lünig^)  überern  und  weicht  nur  sehr  unwesentlich  von  dem 

tittelrh.  Urkundenbuches')  „aus  Kindlinger's  Sammlung*  ab.  Man  begreift 

*)  Die    SumiDen    stimmen    nämlich   in    der    ganEen    Äufteichnung    nicbt    Qberoin,    wie 
llltnipr  117,  Aiim.  darthtit.   —    ')  8.  XXX.    —   ')  De  Conradi  L   principe  territor.  37  f.   bei 
rill,   K<>jf«i<ten   2,  61,   Nr,  61.   —   *)  S.  19  f.    —   *)   GeschlechUre^.   der  Hiiusot  Isenburg^ 
HujikeL    2,  40.  —  *)  Corp.  jur.  feudali«.    l,  H5ti.  -   ")  2,  140  f.  u.  74G,  Nr.  833. 


110 

deshalb  nicht,  wie  sich  Uennes^),  der  allerding3  nur  den  Abdruck  das  JoaoBii 
und  Fiacher's  kannte^  zu  der  Behauptung  verirren  konnte,  nachdem  er  dai 
Jahr  1190  der  Urkunde  beanstandet  und  willkürlich  in  1185  verwandelt  luUle: 
Die  Urkunde  ^iat  auch  sonst:  90  korrumpirt,  dass  sie,  wie  es  scheint,  dethilb 
nicht  in  Lacomblet8  Urkundenbuch  aufgenommen  worden  iat'^  EUesler,  d^ 
Herauägeber  dieses  Teiles  des  Mittelrh.  Urkundenbuches,  hat  mit  Recht  keben 
AnstosB  an  der  Urkunde  gcDommen,  und  sein  Regiätrator  Qoerz  bemerkt 
deshalb  mit  eben  so  gutem  Rechte  zu  ihr:  ^Da  Kaiser  Fridrich  L  1190,  Juni  19. 
im  Flusse  Saleph  ertrank,  in  die  erste  Hälfte  des  Jahres  1190  fallend,"*)  Erat 
in  i»einen  Mittelrh.  Regesten  Hess  letzterer  steh  in  der  Datierung  irre  macbea 
und  bemerkt  zu  dem  ins  Jahr  1185  gesetzten  Auszuge  der  Urkunde:  „Da  die 
Grafen  von  Nassau  im  Jahre  1190  noch  bei  dem  Ereuzheere  im  Orient  waren, 
Bo  nimmt  Hennes  einen  Schreibfehler  in  der  Datierung  der  corrumpirl»! 
Abschrift  an  und  verbessert  1190  wohl  mit  Recht  in  1185/*)  Schliepbake^} 
war  ihm  hierin  vorangegangen.  Keiner  bedachte,  dass  das  Datum  einer  XJf* 
künde  so  lange  unantastbar  ist,  bis  die  schwerwiegendsteo  ander  weiten  geschieht 
liehen  Umstände  gegen  es  sprechen.  Yom  leichtesten  Gewicht  aber  ist  der 
Grund,  dass  die  beiden  Grafen  Ruprecht  und  Walram  sich  damals  noch  bti 
dem  Kreuzbeere  befunden  haben  sollen.  Nur  vom  ersteren  ist  dieses  aicher 
anzunehmen,  und  das  ist  nicht  der  Zeuge  unserer  Urkunde,  da  dieser  selbst 
nach  Schliephake  nur  Ruprecht  U.  sein  kann,  der  am  Kreuzzuge  so  wenig 
teilgenommen  hatte,  als  sein  Lehensherr,  Erzbischof  Philipp.  Des  Grafen  Walran 
aber  wird  seit  seiner  Rückkehr  aus  der  Gefangenschaft  in  Konstantinopel  am 
28.  Oktober  1189  nicht  mehr  bei  dem  Kreuzheere  gedacht.  Hennes  ist  ei 
selber^),  der  uns  den  Quellen  gemäss  berichtet,  dass  Kaiser  Fridrich  sowohl 
im  Briefe  aus  Philippopel  an  seinen  Sohn  Heinrich  VI.  vom  18.  Novembor^r^ 
fds  tn  einem  solchen  an  Herzog  Leopold  von  Ostreich  aus  Adrianopel  vom 
Winter  1189 — 1190^)  nur  den  Bischof  Hermann  von  Münster,  den  QrafcQ 
Robert  und  den  Kämmerer  Markwart  als  Gesante  nennt  Er  hätte  aber  \m^ 
umsetzen  können,  dass  der  Verfasser  der  „Chronica  Slavorum*,  Abt  Arnold  von 
Lübeck,   überhaupt    nur   diese   drei    Gesanten   kennt.^)      Wie   aber  konnte  es 

*)  1,  lU,  Anm.  2.  —  *)  Oregoriua  IV„  Catholicufl  der  Armenier,  meldet  ar»t  im  Jittj 
oder  Au^iut  IVMi  mit  den  Heitherigen  Thtten  des  Kaiser«  Fridrich  in  Qrieohenluid  md 
düB  Soltan  SfllAdln  deasen  Tod.  YgL  Röhricht ,  Eegeeta  regni  hieroaolymitani.  Innibr,  1H9I.| 
18&,  Hr.  694.  —  •)  2,  154  f.  Anm.  Die  ftlr  Hennes  angegebene  BeitenzAlü  ,106,  Kott  3*i 
bt  nach  unserer  obigen  Angabe  bei  Uun  tu  Terbessem,  ^  *)  1,  HOT.  —  *)  1,  U7»  d9  Aas. 
"  *)  Kach  RSetler^  Der  Kreiusug  des  Kaisers  Friedrich  in  «.Forsch,  i.  deutseli.  Getdi.^  X« 
4d  tu  112  f.  ist  es  der  16.  Xot.  —  0  Biezler  U3  setzt  den  Brief  ^c.  1189,  Ende  No?«nibar*. 
—  *)  8|3U;  ^RiB  rerbis  nimis  crodulus  et  pcrterritus  ConstantinopolitAnus  ntincios  imperalorii, 
Spboofnnn  Tideltcet  Monftsteriensem  et  Robertum  de  Assowe  et  MmrfittArdum  cammararliBi 
cum  qniDgeniis  müitibus  comprehendi  prsecepif  Leibnits,  Script,  Hnusr.  2^  fktB;  Ifo^ 
Germ.  21,  172.  Nicht  ersichtlich  tst,  ans  welcher  Quelle  Browcr^  Annal*  trtTtr«  t,  Si  ge- 
■fliUpft  hat,  wenn  er  von  den  am  Kreiusiige  Beteiligten  der  trierischea  DlöoeM  unter  andere» 
tagt:  vTrant  Rhennm  adseripti,  manu  famaqae  strenui^  Roberto«,  Comes  NiMOTioa,  et  hde  a 
tiOgaae  Tiolnii  uterqae  üeuncus  junior  saniorqne  Comiles  Dietadi.  Naeaorlns  juntorqu«  Ot<l^^ 
in»  ob  iaduatriae  Tirtnüsqne  spectala^  famam«  Nonbergeoti  conTentu,  ledl  da  pacx» 
ad  laaaQum  Aiigaliim  OHifntiA  imp^ratorra ;  mifuiquo  can  Monaatartaiiai  Kptooopo  < 


I 

1 


111 


^ 


I 
I 


gescbeben,  da^s  Qraf  Walram^  der  doch  von  Ansbert  auBdrüeklieh  ah  Mitge- 
santer  genaunt  wird,  seit  der  Rückkehr  von  Konatantinopel  oicht  mehr  erwähnt 
wird?  Wir  dürfen  kaum  annehmen,  daas  die  bei  der  schnöden  monatelangen 
Oefangenechaft  erlittenen  Drangsale  ihn  zur  sofortigen  Rückkehr  in  die  Heimat 
veranlasst  haben  könnten.  Wohl  aber  scheint  es  der  kaiserliche  Empfang  in 
Philippopel  gewesen  zu  sein,  der  ihn  gekränkt  in  die  Heimat  trieb.  Denn  der 
Augenzeuge,  Bischof  Dietbold,  berichtet  vom  Kaiser,  dass  er  beim  Empfang  seiner 
mit  so  viel  Feierlichkeit  von  ihren  Landsleuten  eingeholten  Gesanten  nur  in 
die  UraarmuDg  des  Bischofes  von  Münster  und  des  Grafen  Ruprecht  geeilt  sei 
und  diese  mit  Thräuen  empfangen  habe.^)  Wie  leicht  konnte  diese  Auszeichnung 
den  nicht  mitausgezeichneten  und  nach  seinen  gleichen  Erlebnissen  doch 
gleicher  Ebren  gewärtigen  Grafen  Walram  verstimmen.  Wir  haben  die  Ehr- 
begriffe der  hohen  Herren  dieser  Zeit  noch  in  frischer  Erinneruag  vom  Erzbischofe 
Philipp  her.*)  Jedenfalls  muss  etwas  der  Art  vorgelegen  haben,  was  den  Grafen 
beatimmtOi  sich  eigenmächtig  seines  Kreuzzugagelübdes  zu  entbinden  und  in  die 
Heimat  zu  eilen.  Denn  nur  in  diesem  der  gläubigen  mittelalterlichen  Zeit 
peinlichen  Liebte  gewionen  die  bis  heute  noch  uoerklärten  Worte  der  Gemahlin 
Kunegundis  in  der  Urkunde  von  1198  Bedeutung,  in  der  sie  „ob  anime  mariti 
8ui  Comitis  Walrami  memoriam  et  remedium  non  aolum  manu  voluntateque 
ttbopai    verum   etiam    vniversorum   ministerialium    assensu   consilioque    indueta 

polim.**  Auch  hier  ist  Walram  aaigelassen.  Die  „Continuat.  Zwetlenaia  altera**,  Mon.  Oerra. 
U,  544  kennt  gar  nur  swei  Abgesante:  f,Epi6copum  autem  MonadterieDBem  et  comitem  de 
Kaaaowe,  riroa  prudentes  et  magni  consilii  prlncipea,  proniiaerat  ad  regem  Grecorum  Ysachlum 
ad  praeparnndam  Ttam  et  mercetum.^  Wie  schwankend  überhaupt  die  damaligen  Zeitbücher 
über  die  Zahl  der  Gesanten  sind,  beweist  auch  der  von  Hennea  1,  H3  bereits  angeführte 
Gottfried^  deflaeo  Bericht  in  den  nun  längst  ron  Karl  Veriz  mustergildg  herausgegebenen 
„Annale«  Colonienses  Maximi",  Mon,  Genn.  17,  779,  Zeile  24  ff.  vorliegt,  und  der  nur  die 
Orafen  Rupreoht  und  Walram  nennt  und  beide  noch  dazu  irrig  von  Nicaea  (Niiiaa)  an  den 
Ort  ihrer  Bestimmung  abgehen  ISsst.  Der  sog.  Ansbert  —  ^sog,^,  weil  erst  eine  Hand  au^ 
der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  der  Handachrift  aus  dem  Eode  des  12.  Jahrhundert«: 
^Ystoria  de  expeditione  Friderici  imperatoris  edita  a  quodam  Austnensi  clerico,  qui  eidem 
interfuit**  die  Worte  zugesetzt  hat:  „nomine  Anaberti**,  vgl.  Riezler  BD  —  iat  es  allein,  der 
alfl  Gesante  ^episcopum  Monasterieusem  et  comitem  Rudpertum  de  Nasaowe  et  cognatuni 
eiaa  Walrab  comitem  et  Henricum  iuniorem  comitem  de  Diez  et  Maroh  cammerarium  öuum* 
nennt.  Canisius,  Lectiones  antiqu.  3,  504  f.  Fontes  rer.  austriacarum  5,  14,  16.  Befremd- 
liehorweiae  lässt  Wilkcn,  Gesch.  der  Kreuzzüge  4,  M,  obwohl  er  die  Quellen  in  ihren  alten 
Ausgaben  kennt,  nach  Anm.  ♦>  nur  den  Bischof  von  Münater,  die  Grafen  Robort  von  Nassau 
und  Heinrich  von  Diech  und  den  Kämmerer  Marqwatt  gesendet  sein  und  weiaa  bloss  das 
falsche  „Diech"  3.  16  nach  der  QueUe  in  ^Bietz**  zu  verbessern,  obwohl  er  S.  95  alle  Namen 
ans  Ansbert  wiedergibt. 

^)  „Dominus  vero  Imperator  de  domo  suo  e&iens  in  amplexus  Episcopi  et  Comitia  irrutt, 
cum  multis  lacrj'mii»  eos  suscepit,  dicena;  Gratias  ago  Deo,  qula  filii  mei  mortui  erant  et  re- 
uixerunt,  perierant  et  inuenti  sunt*^  Tageno,  Desoriptio  expeditionis  asiat.  bei  Frehcr- 
Struve»  Script.  Germ.  1,  409;  Mon.  Germ,  17,  510.  Oder  sollten  gar  die  vom  Kaiser  ge- 
brauchten Worte  aus  dem  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohne«  Luc.  15,  24,  verstimmend  gewirkt 
liaben?  —  •)  Arnold  ist  in  seiner  Chron.  Slav,  freilich  der  Meinung,  dass  der  Abt  von  Fulda 
der  Ehrgeizige  gewesen  sei,  und  läast  deshalb  der  Erzählung  des  Sachverhaltes  ein  ganzes 
Kapitel  (£.]  ^de  superbia  deteatabili  monachorum**   folgen.     Mon.  Germ.  21,    1(3,   vgl.  Riet- 


112 


omnem  decimarum  proventum  de  novalibus  in  Estenforst,  qui  ad  eins  proprie- 
iatem  apectabftt,  Ecclesie  S.  Nieoki  in  Arnestcin  fratribusquc  Deo  ibidem 
servientibus  meute  devota  dooavit,  \it,  si  quo  predictus  Cornea  adhuc  tD 
corpore  vivens  ex  operum  illtcitorum  commisso  ioipenitens  morte 
dooesserat,  eorum  precum  aminiculo  apud  misericordiarum  Patrem 
misericorditer  expiaretur.**V)  Der  gläubigen  Witwe  lag  ein  Fluch  dea 
Gatten  auf  der  Seele^  und  welcher  könnte  dies  mit  grösserer  Gewiasbeit  geweseo 
sein,  als  der  des  gebrochenen  Rreuzzugsgelübdes  ?  Sehen  wir  doch  auch,  dass 
der  Zeitgenosse  des  Grafen,  der  arnsteiner  Mönch,  schweigend  an  Walrasa 
vorflbergeht^  während  er  nicht  unterlassen  hat,  des  streitbaren  Vetters  als  eioe» 
aperegriuus'^  zu  gedenken.  Und  dass  alle  anderen  ebenso  Bertifenen  schweigen, 
redet  auch.  Man  scheute  peinliche  Berichte  bei  der  heiligen  Sache  des  Kreuz* 
iLuges^,  man  scheute  wohl  auch  den  mächtigen  Grafen  und  den  noch  machtigereo 
Kaiser. 

Was  darf  uns  unter  solchen  Umständen  hindern,  Walram  mit  seinem 
Bruder  Ruprecht  bei  der  gedachten  Urkunde  von  1190  als  Zeugen  thatig  m 
sehen?  Sicherlich  nicht  die  seither  gangbar  gewesene  Annahme,  dass  Wairam 
samt  seinem  Vetter  Ruprecht  in.  am  5.  März  1190  die  Urkunde  zur  Gründung 
des  deutschen  Ordens  mit  unterzetcluaet  habe.')  Denn  die  neuesten  Forschungen 
auf  diesem  Gebiete  haben  ergeben,  dass  die  Grandung  erst  am  5.  Mür2  1198 
stattgefunden  hat*),  die  Namen  der  beiden  Grafen  also  einen  sp5*  -  -  f —^-ng 
in  die  Li^te  der  damals  Anweaenden  darstellen  würden,  der  daher  i  i^i. 

daas  man  schon  frühe  den  vierten  Kreuzzug  mit  dem  dritten  Terwechseke  und 
dinim  die  Namen  der  letzteren  in  jenen  übertrug.  Liess  sieb  dc»cb  selber 
Kaiaer  Pridrich  EL  verleiten,  seinen  Grossvater  Fridrieb  L  Gründer  dee  Onleiia 
tu  neoiieii«^)  Von  grosserem  Belange  dagegen  könnte  es  seheinen,  daaa  Graf 
Tbeoderich  von  Wied.  der  Lehensaufbager  der  Burg  Olbrück  an  Kdlo^  tn  der 
obea  geoa&nten  Urkunde  sich  audi  beim  Kreuzheere  beGuid.  Denn  unter  dea 
iipriores  et  odetriorei^  der  Lageigeiiossen  bei  Philippopel  wird  roa  Ansbert 
aoidriieklieh  ^Dietricus  comes  de  Widen*  genannt,')  Ebenso  wird  beriebtei, 
dast  die  Maanea  dea  Btaefaofea  tod  Würxbui^  und  die  Grafen  von  S§lm, 
Wied  tiod  SpMheiiD  drei  veo  WalladieD  bewohnte  Städte  beaetit.  die  beideo 
«raten  ebne  Wideralmod,  die  dritte  mit  Schwertes  Scharfe  genommen  hatten, 


^  Kfeaiar,  Ong.  Umi  2,  t14  t;  Üadeaat»  Cod.  dipL  t»  f7  1;  8elilie|ifcal[e  I« 
les  1;  Htr^ai»!.  ÜrkbL  d.  PrtooMiraacaMr-iaovIert  AnMteia.  ITmik.  tftSS.  l\  Kr.  t.  ^ 
^  IKReebllMteEifilerfShwter:  ^ITamkiMiW  igt  AatVtrti 

mmk  fßitm^kwt  «ad  MCgM*  fcJiiiMUli«,  als  ikk  war.«  Di« 
[  ftibr  ItirreM.  —  *)  Ktaatt  1, 110;  SektiepHak«  1,«I8*  —  •}  Das  Rtfiti 
iM»  Rlkriftbl,  Rafatla  n^  lusmolim.  tt7.  Kr.  740.  «aMOü  dJa  iMge  Um- 
dir  vir  «BT  «oe^  Ri#sUr  »5  oad  Will,  B«fte>sa  1, 110»  Kn  $SO  laOfta.  la  ibdfo 
Utaa»«  ead  $e1ilU|iliaka  «hoa  dar«^  «a  hm  Bm^m  Qmmiktmum  Taigt, 
t.  ade  «k^  tidiaiii  AafiW  ine  wardta  Mtow^  4am  ^vkl«.  ja  £* 
la  dar  niiJMifcioaflr  gnaiTOnai  ftislw  aa  d«r  Kreadttit  im  Jttes  liee  ^ar 
mIi»m*   Abar  frelM  T aif  I  wdkm  nar  ] 

I^ktT  U9^\    -   *)  Riatltr  S«.    W^  iMtea  Jtda«^  spliar  #4m  maämt  firtUfoif  ^irraW 
•  0  WiUtn  %,  ftX 


n 


113 


sodass  man  5000  Tote  des  Feindes  zählte,*)  Aber  bief^ESttsit  tn  Betracht^ 
unsere  Urkunde  den  Grafen  nicht  alö  gegenwärtig  bezeiolinet,  und  sein 
fame  auch  nicht  unterschrieben  ist.  Dagegen  stehen  an  erster  Stelle  nach 
*  dem  Erzbiachofe  Philipp  „Ulricus  comes  de  Nurberch,  Gerardus  filius  suus  comes 
de  Are."  Diese  aber  sind  zweifeHos  allernächste  Verwante  des  Grafen  Theo- 
derich, wenn  man  einer  Angabe  des  Gelen ius  trauen  darf,  nach  der  Erzbischof 
Arnold  von  Köln^  der  Vorgänger  Philipps,  aus  wiediöchem  GeschlechtCj  einen 
^Lambertus  de  Nuerberch**  zum  Neffen  hatte. ^)  Man  wird  deshalb  annehmen 
dürfen,  dass  sie  als  Vertreter  des  Abwesenden  dessen  Willen  vollzogen  haben, 

^^P  5.  Tod  Ruprechts  III. 

H^  Haben  wir  aber  mit  dieser  Auseinandersetzung  der  Urkunde,  die  sie  ver* 

Hanlasste,  das  Recht  ihres  Datums  1190  und  ihrer  beiden  fiir  uns  in  Betracht 
B  kommenden  Zeugen,  des  Grafen  Ruprecht  II.  und  seines  vorzeitig  vom  Kreuz- 
m  scug  heimgekehrten  Bruders  Walram  erstritten,  so  ist  es  nun  an  der  Zeit,  das- 
selbe Jahr  als  Todesjahr  des  Vetters  beider,  Ruprechts  m.,  in  ähnlicher 
Weise  zu  erstreiten  und  dies  mit  derselben  alten  Quelle^  die  unseren  Vorgängern 
zum  teil  Raum  für  andere  Zeitbestimmung  zu  gewähren  schien.  Diese  Quelle 
aber  ist  einzig  des  arnsteiner  Mönches  schon  berichtete  Bemerkung  bei  Ruprecht 
dem  Streitbaren:  „qui  in  expeditione  imperatoris  Frederici  peregrinus  obiit  in 
partibus  transmarinis,***)  Die  deutsche  Übersetzung  hat  das  mit  den  ebenfalld 
früher  gemeldeten  Worten  wiedergegeben:  „der  da  gedynet  was  dem  Romschen 
Keyser,  Keyser  Frederich,  vnd  von  godes  wyllen  starp  vff  dem  mere."  Auf 
den  ersten  BHck  scheinen  damit  freilich  zwei  Quellen  vorzuliegen,  da  nach  dem 
lateinischen  Texte  Ruprecht  auf  dem  Lande,  nach  dem  deutschen  auf  dem 
Heere  stirbt.  Es  ist  deshalb  nicht  zu  verwundern,  daas  Schliephake*)  den 
letzteren  als  Stütze  seiner  Vermutung  vom  Ende  Ruprechts  ansehen  zu  dürfen 
glaubte.  Wir  sind  aus  diesem  Grunde  genötigt,  von  der  vermeintlich  zweiten 
Quelle  zuerst  zu  reden  und  sofort  dem  letzten  verdienten  Forscher  über  das 
Verhältnis  beider  Texte,  Widmann^),  zu  bestätigen,  dass^  wenn  etwas  den 
deutschen  Text  als  eine  hochgradig  „schlechte  Übersetzung*  des  lateinischen 
nachzuweisen  vermag,  dies  unsere  von  Widmann  nur  zum  kleineren  Teil  be- 
nutzte Stelle  in  schlagendster  Weise  tbut,  denn  der  von  diesem  Gelehrten  allein 
angemerkte  grobe  Fehler  „starb  ufF  dem  meere"  wird  erst  recht  zu  einem  solchen 
durch  die  bei  weitem  gröbere  Verfehlung  des  Sinnes  der  vorangehenden  latei- 
nischen Worte.  „Der  da  gedynet  was  dem  Romschen  Keyser,  dem  Keyser 
Frederich**,  soll  Übersetzung  des  lateinischen:    „qui  in  expeditione   imperatoris 


k 


')  Riexler  44  f.  --  ^j  De  magoitudine  Colon.  95  bei  Fisoher,  Gesohlecktareg.  09» 
EltOBler  im  Vorwort  zum  2.  Bande  des  Mlttelrb«  Ürkundeubttohe«  tbut  dieser  VerwanUchaft 
zwar  weder  bei  den  Grafen  von  Are-Nurberg-,   tioob  bei  deoen  von  Wied  LV  u.  LXIX  f.  Er- 

fmg,  aber  schon  die  bei  ihm  angeführten  Namen  Udalrich  und  Tbeoderich  lassen  auf  eine 
ndung  Bchliesson   und    bestätigen   ao  mittelbar  die   Annahme   Fisohors   von  einer  Linie 
^Neuerburg.  —  ")  Kremer,  Or.  NasB.  2,  313;   Widmann,  Aiinal.  18,  247.  —  *)  1,340. 
Kasi,  Chroniken  im  Mittelalter  10  ft,,  Annal«  18,  244. 
iiMtsit,  »d.  xx\L  a 


114 


n«derici^  »ein.  Der  Übersetzer  keont  also  die  BedeutUDg  von  ^expeditiV 
nebt,  daji  seinem  Sehreiberf  wie  es  fast  seheiot,  selber  aus  KenDtnie  der  ,Ys- 
fcorim  de  expeditiooe  Frederici  imperatoris^  des  sog.  Ansbert  geläufig  wmr 
ab  Kri^gs^ug^  sondern  niromt  das  Wort  in  dem  späteren  mittelalterlichen  Sini 
ir<m  der  Verpflichtung  zum  Kriegazug  im  Dienste  eines  Herren,  hier  also  A 
Kaisers«^)  Wenn  er  aber  dann  fortfährt  zu  übersetzen:  „vnd  von  godes  willen 
»tarp  vff  dem  mere",  so  will  uns  bedanken^  dass  ihn  das  Nichtversteben  der 
lateinifchen  Vorlage  zu  eiuem  Meisterstücke  gröblichster  Gewaltthat  an  dieser 
feiföhrt  hat.  Dürfen  wir  nämlich  sein  „von  godes  wyllen"  nicht  als  den 
freilich  ungewöhnlichen  und  sonst  unbezeugten  Ersatz  des  herkömmlichen  ^vmbe 
gotte«  willen*  verstehen,  sodass  eine  Umschreibung  vou  »peregrinus"  als  des 
Maones,  der  um  Gotteswillen  die  h,  Stätten  besucht,  vorliege,  während  peregrinu» 
io  Wahrheit  an  dieser  Stelle  nur  den  Kreuzfahrer^)  bedeutet,  so  hat  der  Über- 
setzer dieses  Wort  im  späteren  mittelalterlichen  Sinne  gefaaat,  wonach  die  pere- 
grinatio  eine  von  der  Kirche  aufgelegte  Straf  loistung  für  begangene  Verbreclw 
war.*)  flVon  gottes  wyllen"  ist  dann  von  Oottes  oder  deutlicher  von  Rec; 
wegen  und  der  Tod  auf  dem  Meere  der  Ausdruck  göttlichen  Strafurteils,  und 
in  der  That»  diese  Auffassung  entspricht  dem,  dasa  er  zuvor  „viri  bellieoäi" 
mit  „eyn  streythaftig  man"  übersetzt  hatte,  denn  das  an  der  Stelle  von  atril- 
bare  gesetzte  mhd.  strithaftik  heisst  ausser  bellicosus  auch  contentiosus,  factioitt«. 
Er  verrät  also,  dass  bellicosus  ihm  die  ebenfalls  mittelalterliche  Bedeutung  von 
rixosus,  jurgiosus  hatte.*)  Dass  er  dann  „in  partibus  transmarinis*  mit  dem 
geraden  Gegenteile  „vfT  dem  mere"  überträgt,  finden  wir  bei  einem  Manne 
begreiflich,  der  ebenso  sinnlos  an  späterer  Stelle  den  Vater  des  Kaisers  Prid* 
rieh  I.,  den  Herzog  Fridrich  von  Schwaben,  trotz  der  deutlichen  Vorlage  ohne 
weiteres  zu  diesem  Kaiser  selber  macht/')  Ein  Milderungsgrund  könnte  haohsteob 
für  ihn  sein,  dass  er  an  der  herkömmliclien  Abkürzung  träs  für  trans  die  etwa 
zu  lang  ausgefallene  Überstreichnng  für  eine  Durchstreiehung  genommen, 
bloss  ^marinis^  gelesen  hätte. 

Ist  damit  die  alte  deutsche  Übersetzung  mindestens  an  dieser  Stelle  fiLr 
immer  als  Quelle  gerichtet,  so  seheint  sich  als  solche  der  Urtext  um  so  iau^- 
lieber  zu  erweisen.  Der  Ausdruck  „in  expeditione  imperatoris  Frederici*,  beim 
Worte  genommen,  lässt  keinen  Zweifel  darüber,  dass  der  Tod  Ruprechts  HL 
auf  dem  vom  Kaiser  selber  noch  geführten  Zuge,  also  vor  dem  10.  Juli  1190^ 
wo  der  Kaiser  im  Kdykaduos  ertrank^  erfolgt  ist  Da  nun  Ruprecht  am  28. 
Oktober  1181»  mit  seinen  Genossen  von  Konstantinopel  beim  kaiserlicheD  Htme 
in  Philippopcl  eintraf,  so  sind  damit  Anfangs-  und  Endpunkt  seiner  Todetitftt 
gegeben.  Dass  er  nicht  im  Kampfe  fiel,  scheint  das  ,,obiit*^  besagen  in  sollen, 
wie  dies  auch  das  Stillschweigen  der  gleichzeitigen  Rerichte  bestätigen  niochttf». 


')  Da  Cttiif«*IIenioH«l  3»  15$)^:    Ezpeditic».    Gloiiiir*  Ut  gr.:    Ex|>odiOi,  1»^  hi^i^ 
iimi)t4)  9tf^aTt<utUiv«     S«d  Bcquiorihug   Süeculis  hnec  vox  uBurpMur  pro   ohli^ntiont  Ptmili  , 
exeroUum  iloniini.    Dmbur  dor  Ausdruck  «expediiionftUtor  Tcoiro'*^    WaEIs^  D4»i«li<At  V^ 
f»tiiißgigt»ch.  4,  4f..i,  Anm.  I.   —  *)  Du  ÜAiige- Honte  hei  '»,  201»:    Pcr(»|(ri'iQUi,   mmee 
naiun.    —    *)  Kbeöd»  \  *HH\i°:  Pßrogriniitio  iadictai  in  poviiain,   —    *)  f.Hxi<r  l*,   »?*  :    rd 
CAn^e*Hen«ch6l  1,  S41^    -  ')  Widmann,  Annsl.  IS,  2&S. 


I 


I 


115 

Denn  wäre  der  der  Ehre  der  kaiserlichen  Freundschaft  und  dazu  der  des  Banner- 
trügers  ira  vierten  vom  Kaiser  selber  geführten  Zuge  gewürdigte^)  Graf  Rup- 
recht im  Kampfe  gefallen,  so  würde  uns  wohl  das  Echo  der  Klage  über  seinen 
Tod  ebenso  aufbehalten  sein,  wie  das  über  den  Heldentod  Fridrichs  von  Hausen, 
von  dera  die  kölner  Ännaleu  berichten,  es  sei  über  diesen  eine  solche  Trauer 
entstanden,  dass  Alle  den  Kampf  aufgegeben  und  das  Kriegsgeschrei  in  lautes 
Weinen  verwandelt  hätten.*)  Er  wird  also  wohl,  wie  so  zahllose  Andere,  der 
Entkniftung  oder  Seuche  zum  Opfer  gefallen  sein,  sodass  nicht  einmal  sein 
Todesort  bekannt  geworden  ist  Die  allgemeine  Umschreibung  „in  partibus 
transmarinis**  ist  der  Beweis  dafür.  Freilich  würden  dann  diese  ^.partes  trana- 
marinae*  im  weiteren  Sinne  zu  fassen  sein,  da  der  zu  dieser  Zeit  gangbare  der 
von  „partes  hiersolymitanae**  oder  gelobtem  Lande  war.  Aber  dass  man  auch 
zu  dieser  Zeit  nicht  allzu  genau  bei  der  Wahl  der  Worte  verfuhr,  sondern 
das  Ziel  der  Fahrt  mit  dieser  gleichbedeutend  setzte,  geht  aus  einem  Verzeichnis 
der  in  dem  ganzen  Kreuzzuge  gefallenen  hervorragenden  Helden  hervor,  das 
der  zu  diesem  Zwecke  abermals  als  bisher  unbekannte  Quelle  von  uns  benutzte 
und  nach  Toeche's  Urteil^  überhaupt  „noch  immer  nicht  völlig  gewürdigte** 
hennegauische  Chronist  Gislebert  bietet",  und  das  zugleich  das  erste  und  einzige 
aussernassauische  Zeugnis  vom  Tode  Ruprechts  darstellt  Dieser  Mann,  der 
zwischen  1155  und  1223  lebte*),  sagt:  ,,Da  aber  im  jerusalemischen  Gebiete 
sehr  viele  höheren  und  niederen  Standes  aus  dem  Leben  geschieden  sind,  so 
muss  von  den  mächtigeren  Fürsten  und  anderen  Edelen  und  strengen  Rittern, 
die  hier  aus  der  Welt  gegangen  sind,  und  deren  Namen  uns  bekannt  sind,  ge- 
nannt werden:  Fridrich,  der  römische  Kaiser^  sein  Sohn  Fridrich,  Herzog  von 
Sehwaben,  des  Kaisers  Neffe,  der  Landgraf  von  Thüringen,  Graf  Robert  von 
Nassau,  Graf  Heinrich  von  Dietz  und  Fridrich  von  Hausen,  des  Kaisers  Freunde 
und  Vertraute."*'*)  Von  diesen  6  Deutschen,  denen  weiterhin  die  Franzosen 
angereiht  werden,  sind,  wie  wir  wissen  und  Gislebert  nicht  unbekannt  sein 
konnte,  Kaiser  Fridrich  und  der  Ritter  Fridrich  von  Hausen  noch  in  Eleinasien 
gestorben,  während  Herzog  Fridrich  von  Schwaben  der  Seuche  vor  'Akku  am 
20.  Januar  1191  erlag,  und  der  kranke  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen  am 
16.  Oktober  1190  auf  der  Heimkehr  vom  Tode  vor  Cypern  ereilt  worden  war* 


^)  Anonym.  Can.  507:  Signifer  electus  est  Rupertus  comes  de  Na&&owA,  in  belUois  rebus 
exercitatua  et  manu  promptuB.  Vgl.  Hennes  1,  hk  f,^  Röhricht,  ßeitr.  z.  Geflch.  d.  Kreii2- 
süge.  2,  142.  —  *)  Biezler  58,  Anm.  —  *)  Forschungen  suf  deatsohen  Qetoh.  10^  704.  — 
*)  Arndt  in  Mon,  Oertn.  21,  485,  488,  —  *)  Mon*  Oerm,  21,  579:  ^Cum  auteni  quainplure» 
in  parttlius  IheroBolymitani«  tarn  maioree  quam  mittoree  decesserint,  de  potentioribua  pnnoipi- 
buB  ei  aliia  noblübus  et  miliübus  atrenuiB  dioendum  eat,  qui  ibi  a  aaootilo  migravorunt,  quorum 
nobts  nomina  nota  sunt:  Fredericas  R4>mananim  imperator^  FrederiouB  filiua  elus,  dux  Sueyo- 
rum,  landgravint  Duringbie,  ipsius  imperatorta  nepos^  Robertuii  comes  de  Nassoa  et  Henrious 
nomes  de  Dieeea  et  FrederieuB  de  HuMa,  ipsiua  itoperatoriB  familiäres  et  secretarlL*^  —  8ecre- 
tarius  ist  hier  nach  Du  Cange-Uenschel  6,  150*:  coasiliorum  arcanorum  particepB.  —  Da 
Oraf  Heinricb  der  Jüngere  von  Dietz  noch  bis  zum  Jahre  1207  bezeugt  ist,  vgl.  Vogel, 
Beschr,  207,  so  haben  wir  bei  dieser  Gelegenheit  auch  erwünschte  Kunde  von  dem  Auagange 
dea  Alteren  Grafen  Heinrich,  ron  dem  wir  bis  dabin  ala  letztes  nur  wuE^ten^  daBS  er  ala  Ge- 
aaiit^r  Tom  Kaiser  an  Saladiii  ani  2(k  Mai  11KH  abgeschickt  worden  war,  vgl*  Riezler  20, 
14»;  SohliepliAke  1,  313. 


116 

GlmchwoU   läset   er   sie  Alle   «in  partibos  IherofioliinitaniB*   ümkoinmeii,    ein 
Zeicheo,  dass  auch  ihm  diese  „partes*  einen  weiteren  Begriff  hatten. 

Nach  dieser  Darl^nng  sollten  wir  der  Besprechung  der  seither  gangbaren 
Meinungen  über  das  Ende  Ruprechts  m.  enthoben  sein.  Wenn  wir  gleich- 
wohl in  eine  solche  eintreten,  so  geschieht  es  nur,  um,  was  an  uns  ist,  deren 
geschichtsverwirrendes  Fortwuchem  zu  yeriiindem,  da  sie  sich  selbst  in  ausser- 
nassanische  GeschichtsdarsteUungen  neuester  Zeit  bedenklich  wmtergepflanst 
haben.  Es  betrifft  zunächst  die  schon  von  Hennes^  angezweifelte,  aber  Ton 
Schliephake*)  wieder  angenommene  Vermutung  Kremers^,  die  sich  auch 
T.  Arnoldi^)  angeeignet  hat,  dass  Ruprecht  IDL  unter  dem  ,comes  Rupertus* 
gemeint  sei,  der  in  dem  damals  sogenannten  „Chronicon  urspergense*')  mit 
anderen  auf  der  Seite  des  Königes  Philipp  von  Frankreich  bd  der  Belag^img 
von  'Akka  gestanden  habe.  Diese  Nachricht  ist,  wie  die  neuesten  Heransgeber 
des  nun  sich  ^Burchardi  et  Cuonradi  urspergensium  chronicon'  nenn^iden 
Weri^es,  Otto  Abel  und  Ludw.  Weiland,  darthun*),  der  „BrcTis  historia 
occupationis  et  omissionis  Terrae  sanctae*  entnommen^  und  Imdet  an  sich 
schon  an  der  üurichtigkeit,  dass  unter  den  Bundesgenossen  des  französischen 
Königs  auch  der  Landgraf  Ludwig  Ton  Thüringen  genannt  wird.  Dieser  aber 
war  ber^ts,  wie  wir  oben  sahen,  am  16.  Oktober  1190  gestorben,  während 
d^  Köoig  erst  am  13.  April  1191  vor  ^Akka  eintrat^  Ausserdem  melden  die 
,  Annales  Einsidleoses*^,  dass  die  nach  dem  Tode  ihres  Führers,  des  Herzoges 
Fridrich  von  Schwaben,  zurückbleibenden  wenigen  Deutschen  sich  unter  dem  Be- 
fehle des  mächtigen  Konrad  von  Montferrat,  der  auch  an  jener  Stelle  wie  ^marchio*, 
so  «fiuitor*  des  Königs  von  Frankreich  heisst,  befanden,  indes  die  kölner 
Annalen^^  berichten,  dass  dieselben  die  ersten  4  Wochen  unter  einem  gewissen 

*)  1,  111  f.  —  *j  1,  339.  —  »J  Orig.  N««.  1,  389.  —  *)  1,  26.  —  *)  8.  229.  —  •)  Mob. 
Gem.  23,  359.  —  ^  Die  tod  Kremer  nicht  ganz  mitgeteflte  Stelle  lantet  nach  Moo.  Gem. 
23,  360:  ,Ciim  rege  Franciae  iati  fantores  erant:  dnx  Bnrgiindiae,  comes  ClarimontiB,  marchio 
Cttonradoi^  ciriiiB  poientia  magna  erat  in  exercita,  Templarü,  Janoenses,  lantgraTins  de  Turin- 
gi%  eomes  Rapertns  et  BelTacenas  epiaeopns.  In  parte  regia  Angliae  faenmt  isti:  eomes 
flaiidriaoaa,  comes  Campaniae,  rex  Wido,  Hospitalarü,  Pisani  et  plores  alii*.  —  Wir  wollen 
weniger  Wert  darauf  legen,  dass  diese  Gmppiening  aoch  deswegen  unrichtig  erscheint,  weO 
die  Geaneaen  Tor  den  Pisanem  neh  unter  die  Fahnen  Richards  gestellt  hatten,  s.  Röhricht 
IB  Foneli.  mr  dentsehen  Gesch.  16,  513.  Gerügt  aber  darf  es  wo^en,  dass  die  ganze  ins 
Jäkr  1191  gehörende  Angelegenheit  Ton  Kremer  wohl  nor  durch  einen  Schreib-  oder  Druck- 
feUer  iat  Jahr  1194  gesetzt  wird,  und  t.  Arnold i  dies  achtlos  nachschreibt  Im  übrigen  sind 
dam  TOB  US  gerügten  Verstösse  der  ^Breris  historia*^  an  der  geschichtlichen  Wahrheit  Ton 
Eiesler  bei  Beschreibung  dieser  Geschichtsqueüe  S.  107  übersehen  worden.  Er  weiss  nur 
imm  einem  Tersehen  ihres  Terfassers,  dass  er  den  Herzog  Fridrich  ron  Schwaben  wenige 
Übge  maA  seiner  Ankunft  Tor  *Akk4  sterben  lisst.  Ebenso  ist  ron  den  Herausgebern  des 
■ilfMgu  Zeitbnches  übersehen  worden,  dass  die  inEccardi,  Corpus  historicura  medü  aeri  2, 
1049  £.  zuerst  abgedruckte  ,Breris  historia''  die  Xamen  des  Grafen  Robert  und  des  Bischöfe« 
wtm  Beasrais  nidit  enthalt.  Ein  Zweifel  an  der  Echtheit  der  Namen  ist  damit  allerdings  nicht 
an  bs^gründen^  ob^deh  Eccard  in  der  Yorrede  sich  darauf  beruft,  die  .Breris  historia^  au« 
Handsehriftanbande  des  angehenden  13.  Jahrhunderts  abgedruckt  zu  haben. 
Chroniitan  muas  eben  eine  andere,  wie  ihre  Herausgeber  meinen,  italienische 
¥0f gelegen  haben.  —  •)  Röhricht  in  Forsch,  i.  deutschen  Gesch.  16,  511.  — 
3,  149.  —  ^  Ann.  ool.  mtLU,  Mon.  Germ.  17,201;  Tgl.  Rieiler  86,  Anm.  3. 


m 


Heinrich  uorl  darauf  6  Wochen  unter  einem  gewissen  Gerhard  gestanden  hätten. 
'Von  einem  so  hervorragenden  Fuhrer  wie  Ruprecht  dagegen  verlautet  nichts. 
Nun  ateht  ausserdem  der  »comes  Rupertus*  zwischen  dem  Landgrafen  von 
Thüringen  und  dem  französischen  Bischöfe  von  Beauvais,  sodass  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden  darf,  daas  er  nicht  einmal  ein  Deutscher, 
sondern  ein  Franzose  ist  oder,  worauf  die  Abwesenheit  jeder  nähereu  Bestimmung 
führen  möchte,  Italien  angehöre,  wie  der  Berichterstatter.     Für  unseren  Grafen 

ET?..«..A^|^t   bleibt    demnach    keine  Stelle   in   dem  italienischen  Verzeichnisse  der 
^s*^  des  französischen  Königs, 
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6»  Ruprecht  ü.  und  Walrani,     Bnprechto  IL  Tod. 

un  hatte  ja  bereits,  wie  bemerkt,  Kenn  es  die  Richtigkeit  der  soeben 
abgewiesenen  Vermutung  Krem  er  s  angezweifelt,  aber  mit  einem  Grunde,  der  uns 
die  andere  irrige  Annahme  ufaer  Ruprecht  kennen  lehrt.  Ihre  Berichtigung  lässt 
uns  gleichzeitig  einen  weiteren  Schritt  in  der  Geschichte  seines  Vetters  Rup- 
recht II.  than.  Hennes  ist  nämlich  der  Ansicht,  dass  Ruprecht  IIL  mit 
seinem  Vetter  Walram  noch  als  Zeuge  in  der  Urkunde  vom  25.  Juni  1191 
erscheine,  in  der  Erzbischof  Konrad  von  Mainz  auf  Grund  eines  Rechtsspruches 
der  Abtei  8.  Maximin  bei  Trier  das  Patronatsrecht  der  Kirchen  zu  Weinheim» 
Albec  und  Oozolvesheira  gegen  die  Brüder  Gotfrid  und  Embricho  von  Kreuznach 
und  Gotfrid  und  Heinrich  Schelhevena  bestätigt')  Das  ist  denn  auf  Toeche 
übergegangen,  wenn  er  mit  Berufung  auf  Hennes'  Quelle,  Gudenus,  bemerkt: 
,m  25,  Juli  1191  zeugen  die  Grafen  Robert  und  Walram  von  Nassau,  von 
Kreuzfahrt  heimgekehrt,  zu  Mainz  beim  Erzbischof  Konrad.**)  Und  Röhricht 
schreibt  ihm  mit  dem  gleichen  falschen  Monate  nach:  „Am  25.  Juli  1191  zeugen 
beide   R.    und  W,   schon    wieder   in   Mainz/*)     Bei   der   seither   herrschenden 

I Unsicherheit  über  das  Ende  Ruprechts  IIL  und  das  Leben  Walrams  in  unserer 
Bassauischen    Geschichtschreibung    sind    solche    Irrtümer    ja    begreiüioh,    aber 
gchmerzlich  bleibt  immerhin,  daas  unsere  Unsicherheit  diesen  Wiederhall  in  der 
deutschen   Geschichtschreibung   Anden    musste,    und   dass   unsere    Stimme   hier 
möglicherweise  nicht  laut  genug  sein  wird,  um  diesen  für  immer  zu  übertönen* 
Und  doch  darf  uns  das  nicht  hindern,  sie  zu  erheben  und  zu  erklären:    es  ist 
nicht  Ruprecht  der  Streitbare,    sondern  der  regierende  Graf  Ruprecht  H*,   den 
wir  mit  seinem  Bruder  Walram  hier  zeugen  sehen.     Sah  doch  schon  8 c hl i op- 
ake  die  Richtigkeit   dieser  Thatsache  ein.^)     Freilich  ward  ihm  das  nur  da- 
durch möglich,  dass  er  Walrams  Schicksal  von  dem  seines  Vetters  trennt  und 
ren  nach  dem  Tode  des  Herzogs  Fridrich  von  Schwaben  heimkehren  Hess, 
irend  letzterer  ihm  nach  dem  Falle  'Akka's  starb. '^)    Dass  aber  beide  gräfliche 
Brüder    zu   dieser  Zeit    in  Mainz    als  Zeugen    auftreten,   verdient  um  deswillen 
«besonders  bemerkt  zu  werden,  weil  es  einen  Blick  in  ihr  politisches  Verhalten 

^^^  *)  Ondenus,  Cod.  dipL  3,  1072  ff.;  Mitt€lrh.  Urkb.  2,  155  f.;  Will,  BegeAlen  3,  85» 
^KFsA«.  Ind.  X  «teht  irrig  für  IX.  —  »)  Kniaer  Hebriob  VI.  Itt4,  Anin.  X  —  »)  Beibr.  ssur 
^^BöMcti.  der  Kreuzisage  2,  ;H0.  --  *)  i,  308«  Auch  Will  ■,  a.  0,  nimmt  keine  Kotiz  ?ati  ihtiij 
»i    f«id«ni  nur  von  iletmes  und  Toeche.  —  *)  l,  ^8,  iMU* 


118 

werfen  lässt,  wie  uns  dünkt.  Nur  einer  ihresgleichen  ausser  den  Qeistlichen  und 
Ministerialen  ist  noch  mit  ihnen  Zeuge  und  steht  ihnen  voran,  der  uns  unbe- 
kannte ^Fridericus  comes  de  Witelingersbach."  Das  ist  nicht  von  unge£ahr. 
Die  meisten  deutschen  Fürsten  waren  den  Fahnen  Heinrichs  YI.  gefolgt.  Aber 
es  waren  auch  etliche  zurückgeblieben.  Ausser  den  Dreien  finden  wir  noch 
den  Grafen  Fridrich  von  Leiningen  daheim.  Das  bezeugen  uns  zwei  Urkunden 
von  1191,  die  seinen  Namen  in  Angelegenheit  der  Anstellung  eines  Yiceplebanes 
an  der  Kapelle  zu  Wenigen-Vilmar  bieten.^)  Seine  Anhänglichkeit  an  den 
verstorbenen  Landgrafen  von  Thüringen,  mit  dem  er  im  Gegensatze  zu  Kaiser 
Fridrich  I.  den  Kreuzzug  unternommen,  und  dessen  Erbe  Heinrich  VL  sich 
anzueignen  vergeblich  versucht  hatte,  mochten  ihn  diesem  Kaiser  abgeneigt 
gemacht  haben.  Für  die  Nichtanteilnahme  der  nassauischen  Grafen  am  ita- 
lienischen Feldzug  fehlen  uns  alle  Gründe  ausser  dem  einen,  der  Walram 
damals  vom  Kreuzzug  zurücktreten  liess.  Auch  lässt  die  Anwesenheit  am 
erzbischöflichen  Hofe  in  Mainz  nicht  auf  dessen  Mitabneigung  gegen  den  neuen 
Kaiser  schliessen.  Denn  Erzbischof  Konrad  war  zu  dieser  Zeit,  scheint  es^ 
noch  ein  getreuer  Anhänger  dieses  Kaisers.  2)  Wenn  wir  gleichwohl  an  der 
Fürstenempörung  gegen  Heinrich  YI.  im  Jahre  1192  auch  die  rheinischen 
Fürsten  beteiligt  sehen,  so  werden  unsere  Grafen  nicht  unbeteiligt  zu  denken 
sein,  und  schon  das  Jahr  1191  wird  sie  für  weifische  Einflüsterungen  nicht 
unzugänglich  gefunden  haben,  um  so  mehr  als  die  allmähliche  Entstehung  der 
Verschwörung  bis  jetzt  noch  nicht  aufgehellt  ist. 

In  dieser  Auffassung  der  Dinge  bestärkt  uns,  abermals  im  Widerspruche  mit 
unseren  Vorgängern,  ein  Ereignis  des  Jahres  1192.  Erzbischof  Johann  von  Trier, 
der  ehemalige  Hofkanzler,  hatte  bei  dem  Kaiser  und  seiner  Umgebung  durch 
grosse  Geschenke  („magnis  expensis"),  wie  die  betreffende  Quelle  meldet*),  fertig 
gebracht,  dass  ihm  die  ansehnliche  Reichsabtei  Echternach  übergeben  und  an 
deren  Stelle  dem  Kaiser  das  bisherige  trierische  Lehen,  die  Burg  Nassau,  ausgefolgt 
wurde.  Nassau  war  damit  ein  Reichslehen  geworden.  Wenn  Schliephake*) 
aber  nun  meint,  dass  dieser  Wandel  für  Walram,  den  er  zu  dieser  Zeit  schon 
als  allein  regierenden  Grafen  annimmt,  „willkommener"  gewesen  sein  möge, 
als  das  seitherige  Lehensverhältnis,  so  widerlegt  ihn  die  Thatsache,  dass  gerade 
der  vom  echternacher  Vogte,  dem  Grafen  Heinrich  von  Luxemburg,  aufgerufene 
Freund  der  nassauischen  Grafen,  Erzbischof  Konrad  von  Mainz,  es  ist,  der  mit 
Hilfe  der  Geschenke  des  Grafen,  wie  mit  derjenigen  des  Protonotars  Sigillo 
und  des  ebenfalls  den  nassauischeu  Grafen  von  der  konstantioopeler  Gesaot- 
schaft  her  befreundeten  Reichstruchsess  Markwart  den  schmählichen  Handel 
rückgängig  macht,  der  dem  habgierigen  Trierer  eine  reiche  Abtei  und  dem 
machterweiterungssüchtigen  Kaiser  die  Grafen  von  Nassau  als  willkommene 
Beute  überliefern    sollte.^)     Wahrlich,  wäre   der  Schacher  im  Sinne  Ruprechts 


^j  Mittelrh.  Urkb.  2,  158  f.  —  *)  Toeche  239.  —  ^)  LibeUus  de  propugnata  aduersus 
archiepiscopum  Treuirensem  übertäte  Epternacensis  monasterii  in  Martone  et  Durand, 
Collect,  ampliss.  4,  453—467,  abgedruckt  bei  Kromer,  Orig.  Nass.  2,  382—404,  vgl.  Brower, 
Annal.  trev.  2,  Hl)  ff.  —  *)  1,  349.  —  ^)  Die  Regesten  über  die  betreffenden  Kaiserurkunden 
mit  deren  Quellen  Yora  17.  Mai,  nach  9.  Juni,  vor  7.  und  vom  24.  Aug.   siehe   bei  Toeche, 


119 


Wstrams  giewesen,  sie  hätten  Mittel  und  Wege  geoug  gtfimdeii,  threa 
b  'ilsdüz  für  den  Tausch  in  Bewegung  xii  setzen,  deateii  Bückgaogig* 
tiBurlwing  ikm  keinerlei  Gewinn  abwarf.  Er  haadeltis  also,  indem  er  lelstere 
belriebf  nur  in  ihrem  Sinne,  zumal  er  schon  zu  dieser  Zeit  im  Bande  der 
aufr&lirerisdiea  Forsten  sich  befand,  wie  seine  Tom  kaiserlichen  Kaplane  Gardulf 
aii%efkogenen  Brtefechaften  bewiesen.')  Auch  würden  wir  nteht  in  der  fcaiaer* 
lieben  Urkunde  Tom  24.  August  U92  ans  WeiMoan  bei  Mainx,  die  daa  aHe 
erbältnis  endgiltig  wiederherstellt,  die  den  Nasaanem  TerwanidD  und 
^t^efremdeten   Hanner,   die   Grafen    von  Diets  und  Katoeneleobogeo   imd   den 

\o{  Hermann  Ton  Munster,  als  Zeugen  finden.^  Überdies  aber  beweisl 
'die  aufiallige  Abwesenheit  Ruprechts  11.  und  Walrams  vom  katserltcben  Hef* 
lager  in  dieser  gansen  Zeit  und  bis  zum  Jabre  1195,  dasa  sie  mit  dem  gamen 
Handel  nichts  zu  thun  hatten.  Der  unbefragte  G^esstand  ein»  Tausebge* 
aefaiftoa  zu  sein,  das  war  wenig  geeignet,  die  seitherige  Unzufriedenheit  mit 
dem  kaiserlichen  Regimente  abzuschwäehea. 

In  dieser  Zeit  nun  muss  es  auch  geweaeu  aein,  da«s  Bupreehl  IL  ans  den 
Leben  schied,  da  wir  Ton  1195  an  Walram  als  alletnregierenden  fiadea*  Wir 
ürfen  demnach  das  Jahr  1197,  in  dem  seine  GemaUin  Elisabeth  die  aebaii 
oben  besprochene  Schenkung  füi  aein  SedeobeQ  macht,  nicht  für 
mittelbar  vorangegangene  Todeaaeifc  bestimmeiid  halten.  Denn  da  die  I 
von  der  Tochter  angriödUen  wurde,  so  ergibt  sie  sieh,  aunal  m  naeb 
der  Familie  fremden  Eberbach  geseUebt^  ala  eine  zafiJfige  spatere,  die 
der  in  Arnstein  zu  vermutenden,  offenbar  Ton  Eberbadi  selber  rar  Yergrikacffwug 
aeber  ,grangia'^  in  Hadamar  angeregt  wurde.  Erscheint  es  doch  für  mkielaller- 
liebe  Anschauung  rein  unmeglicb,  dasa  ein  wirklieJies  Seeleogedäcbtois,  gar 
noch  Ton  der  Tochter,  aa%ebabeii  wurde.  Wir  hmben  uns  aus  diesen  Grunde 
lartan  zunäcbst  nur  nocb  mit  Wdrmm  an 


7*  Walramg  Alleiuregfersiig  und  Ende« 

Von  ihm  berichtet  zuTörderst  die  für  die  nawisuinrhr  Geachiehte  wicht^e 
de  aus  Worms  vom  6.  Xovenber  1195,  daaa  er  auf  BefeU  md 
mit  WtUen  Kaiser  Heinrichs  TL  mit  dem  Bischöfe  Heimieb  tou  Woms  die 
entstandene  Irntng  ^de  oppido  Wileburg*^  gutlich  bqgfieheu  habe.  Walram  er- 
kennt die  grundherrlicben  Rechte  des  BisdiofeB  in  Besag  auf  ^hubereeht,  buwe- 
ieO,   beste  wahtmal*')  und   die  Bete  Upetieio*)  im 


ta^ 

Huw 


Henrich  TL  656— «59. 
gar  nichiL 


£81  ProgcmwB  des  kMgL 
safatrkaa»  »  »sebfiD  die  Otee 

*)  Toeche  235*,  äS5  1  —  *>  BertliaUl, 
Hesnei  I,  117;   Scfaliepliake  l,  331;   Will, 
■w  Hcniiet.  -  «)  HMbereekt  f. 


d«r 
Ott«  Rasbaeh»  Ble 
L  M  H 
sa  Tom  lasst,  le  £, 


h^  71S;  S,  SS;  j,  421  W  Lexer  (1,  l^M);  fcaaitia  elv 


da  fauMWan  IT,  preavt  37,  vgl. 
1,  SS,  Ür.  m^  dtr  gehtiepliak« 
idükliepkako  i,  4$7 
äJh^Am  ivadn^BaK  Ori««,  We 

,ija  Ted  dfs  vaa 


120 

(^m  ioferiori  et  in  saperknri  officio*)  an.  Die  Stnfeii  („hicTs  iudieiomm") 
im  gtLDien  Bezirke  („in  toio  pago  ülo,  qoi  spectat  ad  Wüebnrg'X  ralu^D  ne 
non  YOfa  GeUbnwen  («de  compoaitionibas,  qnod  wlgo  wette  yocatnr")  oder 
Yon  Gericbtsatrafe  her  («de  Jndicio  qnod  gedingeze  dicitur*^*),  werden  zwiaclien 
Bischrfe  und  (trafen  gleicbheitlich  yerteflt.  Wird  die  Stadt  über  den  Berg 
hinaus  gebaut,  so  soll  alle  ISnnahme  aus  Zoll  oder  Münze  odor  Strafe  (,lucro*) 
ebenso  geteilt  werden,  doch  soD  des  Orafen  Hälfte  bischöfliches  Lehen  sein. 
Der  Graf  darf  wohl  ein  Haus,  aber  kein  Burghaus  daselbst  orrichten.  Die 
Yom  Chrafen  als  Yogtlente  beanspruchten  Bewohne  sollen,  wenn  der  Biaebat 
sie  als  seine  Kinisterialen  ausweisen  kann,  vom  Yogtrecht  befirdt  sein.  Dem 
Bischöfe  yerbleibt  das  Recht  der  «cupelweide''  (Koppelweide).  Der  Graf  gibt 
dem  Bischöfe  Entschädigung  für  aHes  ihm  zugefugte  Unrecht.  Auf  dem  Berge 
findet  weder  vom  Bischöfe  noch  Grafen  gewaltthatige  Einlagerung  statt.  Ein- 
mal im  Jahre  nur  haben  die  Einwohner  die  Yerpflichtung,  den  Bischof  m 
herbergen  und  seine  Auslagen  nach  Köglichkeit  dabei  zu  erstatten.  Zur  Siche- 
rung des  Yertrages  wird  der  Graf  zehn  —  die  Urininde  fuhrt  aber  11  auf  — 
Yon  seinen  Leuten  (,,homines'')  und  Ministerialen,  die  mit  Namen  genannt  werden, 
bestimmen,  die  dem  Bischöfe  eidlich  versprechen,  dass  sie,  wenn  der  Graf  seinen 
Yertrag  brechen  sollte,  nach  14  Tagen  auf  Aufforderung  des  Bischofes  sich  nach 
Worms  b^^ben  und  die  Stadt  ohne  bischöfliche  Erlaubnis  nicht  wieder  yer- 
lassen*  Dasselbe  thnt  der  Bischof  mit  10  ebenso  namhaft  gemachten  seiner 
Leute,  die  sich  dann  nach  Nassau  begeben  und  dies  ohne  grafliche  Erlaubnis 
nicht  wieder  verlassen.^) 

Aus  dieser  Urkunde  geht  vor  allem  hervor,  dass  die  Ansprüche  Walrams 
auf  Weilburg  lediglich  vog^iliche  waren,  wie  diejenige  des  Bischofes  von  Worms 
grundherrliche.  Wie  Worms  zu  dieser  ansehnlichen  Grundherrlichkeit  gelangt 
ist,  wissen  wir  genau.    Königliehe  Schenkungen  vom  Jahre  993  bis  1062  haben 


Erblehenmanne  hinterlassenen  fahrenden  Gutes,  welchen  sich  der  Herr  nehmen  durfte^,  Lex  er 
1,  401 ;  beste  watnial,  da  wätmal  grobes  WoUenzeng  bedeutet,  das  beste  Qewand  daTon, 
Lexer  3,  705;  Schröder,  Lehrb.  439.    Hennes  1,  119  ist  hiemach  zu  berichtigen. 

')  Du  Cange-Henschel  4,  155<':  Lucrum,  mulcta  judiciaria;  3,  918<':  Judicium^  di- 
strictos  judlcis.  —  ')  Hennes*  1,  121  und  Schliephake's  1,  358  Übersetzung:  ^^Yergleiche^ 
ist  falsch.  Denn :  „Compositio  mulcta  sonti  imposita  ad  luendum  crimen  damnumre  resarcien- 
dum**,  Du  Cange-Henschel  2,  502*,  was  einer  der  Bedeutungen  Ton  ^ wette *"  entspricht. 
Tgl.  Lexer  3,  808,  die  in  diesem  Falle  auch  „gewette*^  heisst,  vgl.  Schröder,  Lehrb.  54, 
Anm.  30,  85,  Anm.  33.  Die  Höhe  dieser  Busse  siehe  ebenda  S.  342,  Anm.  68.  Eine  Urkunde  Ton 
1268  nennt  ,,aliqua8  emendas  ratione  forefacti,  que  dicuntur  Wette^.  Oudenus,  Sylloge  255.  — 
^  Auch  hier  verfehlt  mit  Hennes  Schliephake's  „aus  der  Abhaltung  der  Gerichte*^  den 
8inn.  „Judicium,  poena  per  Judicium  statuta*^;  Du  Cange-Henschel  3,  919^  „Oedingeze'' 
oder  „gedingede**  findet  bei  Lexer  1,  771  ff.  die  wenig  genfigende  Erklärung:  „Versprechen 
einer  Zahlung,  die  Schuld  oder  Zahlung  selbst.**  Deutlicher  ist:  Piaculum,  bedinge,  Diefen- 
bach,  Glossar,  latino-german.  Frankf.  1857.  432«  in  Grimm,  D.  Wbch.  3,  2029  aus  dem 
15.  Jahrhundert,  wo  „beding**  für  „geding**  geschrieben  zu  werden  beginnt.  Eine  Urkunde 
von  1327  nennt  „aliquas  exactiones,  quae  vulgariter  dicuntur  gedinge.**  Wurdtwein,  Nov. 
subs.  3,  183.  —  *)  Schannat,  Hist.  episc.  Worm.  Urkb.  88;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  207  ff.; 
Schliephake  1,  467  ff.;  Hefnr.  Boos,  Urkb.  der  Stadt  Worms.  Berlin  1886.  1,  79,  Nr.  96, 
der  Schliephake  aufzuführen  vergessen  hat. 


121 

bekanntlich  den  grossen  Besitz  nach  und  nach  in  seine  Hände  geliefert.  ^)  Ein 
anderes  ist  es  mit  der  nassauischen  Yogtei  Weilburg.  Nachdem  die  alte 
Herleitung  der  nassauischen  Grafen  aus  salisch-fränkischem  Stamme  sich  als 
hinfallig  erwiesen  hat,  hielt  sich  Vogel')  berechtigt,  durch  die  Gemahlin  Walrams, 
Eunigundis,  so  wenig  auch  ihre  Abkunft  bekannt  ist,  eine  Erbverbindung  mit 
dem  Grafen  Werner,  der  zu  Anfang  des  11.  Jahrhunders  im  Besitze  Weilburg's 
vorkommt,  zu  mntmassen,  die  Schliephake')  bei  allem  Yorbehalte  so  wenig 
zur  Aufklärung  der  Sache  ungeeignet  erschien,  dass  er  sie  in  ihrem  vollen 
Umfange  vorfuhrt.  Indes,  wie  sehr  man  bei  diesem  Anlasse  die  genealogische 
Findigkeit  Vogel' s  schätzen  lernt,  auch  hier  ist  die  Kühnheit  seiner  Vermutungs- 
gabe grösser  als  deren  Glück.  Wir  haben  eben  einfach  kein  Recht,  Kunigundis 
zu  einer  Tochter  des  Grafen  Poppo  von  Holinden  zu  machen  und  sie  einer  Seiten- 
linie des  kinderlos  verstorbenen  Werner'schen  Geschlechtes  zuzuteilen,  da  uns 
über  beides  jede  geschichtliche  Nachricht  fehlt.  Es  bleibt  uns  deshalb  nur  die 
Auskunft,  dass  die  Vogtei  Weilburg  auf  dieselbe  Weise  an  Nassau  gekommen 
sein  muss,  wie  das  mit  Coblenz  geschehen  ist.  Die  dem  nassauischen  Hause 
zustehende  Vogtei  über  dieses  Gebiet  war,  wie  wir  oben  sahen,  ein  pfalzgräf- 
liches Lehen.  Wie  nun  Pfalzgraf  Konrad  als  trierischer  Obervogt  der  Vergeber 
dieses  Lehens  war,  so  wird  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  er  in  der  Eigen- 
schaft auch  als  Obervogt  der  wormser  Bjrche  der  Verleiher  der  weilburger 
Vogtei  gewesen  sein  muss.  Als  solchen  lernen  wir  ihn  nämlich  zufallig  in 
einer  Urkunde  des  Bischofes  Konrad  von  Worms  vom  Jahre  1174  kennen, 
nachdem  wir  noch  1159  beim  Vertrag  über  Nassau  den  Grafen  Simon  von 
Saarbrücken  in  dieser  Würde  haben  walten  sehen.*)  Graf  Simon  aber  war 
von  der  Mutter  des  Pfalzgrafen,  seiner  Schwester,  her  dessen  Oheim,  die  worm- 
sische  Vogtei  demnach  saarbrückisches  Erbe,  freilich,  wie  es  scheint,  erst  mit 
Gewalt  dem  Grafen  Simon  entrissen,  als  Kaiser  Fridrich  L  1168  seinem  Halb- 
bruder, dem  Pfalzgrafen,  zuliebe  die  Burg  Saarbrücken  mit  drei  anderen  saar- 
brückischen  Burgen  brechen  liess.^)  Daraus  geht  dann  hervor,  dass  die  Be- 
lehnung Nassau's  mit  der  Vogtei  Weilburg  erst  nach  dem  Jahre  1168  statt- 
gefunden haben  kann,  was  auch  unserer  Urkunde  entspricht,  da  diese,  wie 
bereits  Vogel  und  Schliephake  richtig  hervorgehoben  haben,  die  Zustände 
unter  den  früheren  wormser  Bischöfen  dem  gegenwärtigen  entgegenstellt  und 
damit  das  alte  Recht  gegenüber  den  versuchten  Rechtseingriffen  der  jüngeren 
Zeit  begründet. 

Ob  diese  Rechtseingriffe,  die  uns  die  Urkunde  vermuten  lässt,  von  nassau- 
ischer Seite  im  Vertrauen  auf  den  pfalzgräflichen  Lehensherrn  versucht  worden 
waren  und  etwas  von  der  weifischen  Neigung  des  Grafen  verraten,  die  durch 
die  im  Jahre  zuvor  vollzogene  Heirat  der  einzigen  Tochter  des  Pfalzgrafen  mit 
dem  jungen  Weifen  Heinrich  begünstigt  schienen  ?  Jedenfalls  lässt  die  Urkunde, 
die  gerade   zwei  Tage   vor  dem  Tode   des  Pfalzgrafen  in  Heidelberg   oder  auf 


»)  Schliephake  1,  355  ff.  —  *)  Beschr.  303  f.  —  ®)  1,  361.  —  *)  Kremer,  Oeneal. 
Gesch.  d.  alten  ardenn.  Hauses  138;  Tolner,  Histor.  Palat  31,  309.  —  **)  Dodechin  zum 
Jahre  1168  bei  Krem  er  a.  a.  0. 


128 


8tahleck')  vollzogen  worJeu  war,  nicht  bloss  duroli  fhren  Inhalt,  »rmdern  auch 
durch  die  Be^eichoüDg  des  Bi»chofe$  mit  „dilectus  nodter  H^iinricus  worraa- 
tiensis  episcopua",  während  ^Comes  Waleramus  de  Nassauwe**  unbefreiindet 
uachfolgt,  eine  Spitze  gegen  den  letzteren  erkennen.  Bischof  ,Heioricu8*  stand 
ebeu  in  besonderer  GuDöt  des  Kaisers.  Nicht  nur,  daas  er  von  letzterem  zum 
kaiserlichen  protonotarius  erlesen  worden  war^  so  verdankte  er  dem  Kaiser 
Huch  seinen  Bischofssttihl  seit  dem  23.  Februar  1192*),  war  desBen  Vertrauter, 
ward  als  Gesanter  in  Italien  verwendet  und  zum  ^vicarius  imperialis  curiao^ 
ernannt/)  Kein  Wunder»  daes  In  dem  Vertrage  die  Rechte  des  Bischofes  aufe 
Peinlichste  gewahrt  erscheinen  und  Walrara  sogar  verpflichtet  wird,  in  einem 
Stücke  wenigstens  zum  Lehenamanne  des  Bischofes  zu  werden.  Dennoch  ist  du 
Ganze  mit  so  kluger  Mässigung  abgefasst,  dass  man  das  Bestreben  des  Kaisers 
herausfühlt,  es  trotz  alledem  mit  Walram  nicht  zu  verderben.  Hatte  der  Kaiser 
doch  auch  diesen  nötig  für  die  Durchführung  des  gewaltigen  Planes,  mit  dem 
er  sieh  zu  der  Zeit  trug,  das  deutsche  Wahlreich  in  ein  Erbreieh  zu  verwandeln 
und  sein  normannisches  Erbe  mit  diesem  zu  vereinigen. 

Nicht  vergessen  sei  endlich,  dass  unsere  Urkunde,  wie  sie  Walrain  ab 
regierenden  Grafen  behandelt,  also  mittelbar  den  Tod  seines  älteren  Bruder« 
Ruprecht  H-  bescheiaigt,  dies  auch  mit  der  Bestimmung  thut,  daas  Nassau^  und 
nicht  sein  früherer  Wohnsitz  Laurenburg,  der  Ort  der  etwaigen  Einlagerung 
der  wormser  Geiseln  sein  soll  Dorthin  weist  uns  aber  auch  einer  der  von  dem 
Grafen  zu  stellenden  Geiseln:  Egenolfus  Longns.*)  Denn  diesen  lernen  wir 
in  den  „Traditiones  Eberbacenses*  als  Gutsbesitzer  in  Hadamar  unter  der 
Bezeichnung  « Dominus  Egenolfus  de  Nassouwe^  im  Jahre  1225  kennen.') 
Doch  konnte  er  auch  jener  Egenolfus  sein,  der  neben  Egenolfus  Longus  als 
Bruder  des  ^Heinricua"  und  Sohn  der  „Sophia**  in  der  schon  oben  angeführtes 
Urkunde  der  Gräfin  Kunigundis  von  1198  vorkommt  und,  wie  das  arnsteiner 
Necrologium  ergibt,  ein  Herr  von  Stein  war.*)  Dann  wäre  wenigstens  der  auch 
unter  den  Geiseln  genannte  Heinricus  als  Burgmann  von  Naasaa  bestinmii 
Eben  dorthin  wird  auch  der  w^eiter  genannte  , Heinricus  filius  Rifridi"  zu  rechnen 
sein^,  da  Rifridus  unter  den  Ministerialen  erscheint,  die  als  Zeugen  in  dem 
berühmten  Vertrage  über  Nassau  von  1159  aufgeführt  werden.  Nicht  wenigor 
mag  „Roricus"  ein  Sohn  des  Zeugen  ,jRoricus  de  Milene"  der  letzteren  Urkunde 
sein,  sodass  schon  hierdurch  allein  Walram  als  regierender  Graf  nach  der 
früher  erwähnten  Bestimmung  bezeichnet  wäre.*)  Sehen  wir  aber  genauer  bu« 
flo  erweisen  sich  alle  zehn  als  Burgmänner  von  Nassau.  Denn  bei  den  Geinelo 
des  Bischofes  vermögen  wir  urkundlich  festzustellen,  dass  bis  auf  zwei  Unbe- 
stimmbare,  die  anderen  in  Worms  ansässig  waren. ^)     Auch  weisen   , Ruperte 


4 
4 


^ 


»)  Toliier  :i2^i.  -  *)  Riezier  21H;  Will»  Regwt^n  2,  S7,  Nr,  258.  —  ')  ßUittf 
238^  329^  431.  —  *)  Ebenso  genannt  im  nrnAUiner  Necrologtuni,  Ann&l.  t6»  14.  —  ^)  Rotl!« 
Oeiohichtsquelleo  aut  Nasmui.  3,  353.  —  *j  Annal.  le,  U.  —  ^)  Da«  nrnetoiner  Kecrologntn, 
Annul.  Mi,  U,  bestätigt  das  mii  dem  Eintrag :  „RifriduÄ  et  mor  eiu«  et  p\  Oiterlindb  et  Jiliof 
oorum  Henricus.''  —  ")  Auch  das  erflÜirt  seine  Bestätigung  durch  dieselbe  Quelle  S.  Ij,  — 
•)  Boot,  Urkb»  Amr  Stadt  Worni«,   thut   uns   dabei   die   weteotlichAt^n  Dieniite:   8  tit 

n»cb  »einer  Wilwe  su  ichlieswen  „burgenais*'  von  Worms  1,  S6,  30«    Erlewinu«  i4tt 


128 


Bjiifoschalcus**  und  „Sjfridus  pincerDa*'')  auf  die  nächste  ümgebuDg  des  Grafen 
■l^alram,  und  »Dythoricus  de  Staphele*   wird  drei  Jahre  dauach  ^dapifer**  der 
^Bräfin  Kunigundis    und  Sohn   des  Anseimus   genannt*),   aodass   wir  gleichzeitig 
Buch   einen    Blick   in    den    gräflichen   Hofhalt    gewinnen^),    ^ne    nicht    minder 
HFIieder  des  niederen  nasisauiächen  Adels  von  damals  kennen  lernen/) 
H         Eine  zweite  Kaiserurknnde,   kaum  mehr   als    drei  Wochen  später  als  die 
Hoeben   besprochene,    ausgestellt   zu  Kaiserslautern    am   28,   November    11^5*), 
B^igt)  dass  die  Entscheidung  der  letzteren  den  Wünschen  Walrams  entsprochen 
^Hbn  muss.    Denn  wir  sehen  in  ihr  „Walrabanua^)  comes  de  Nassau wen^  nach 
^KW  Kaisers  Bruder,   dem  Herzoge  Konrad  von   Schwaben,   und  dem  Herzoge 
Bäeinrich    von   Brabant    (dux   Louanensis)    mit   dem   nach    ihm   erst    folgenden 
Trucbsesse  Markwart,  dem  ehemaligen  Genossen  in  Konstantinopel,  und  anderen 
Hofbediensteten    die  kaiserliche  Bestätigung   aller  Besitzungen   und  Rechte  dos 
Klosters  Otterberg  in  der  Pfalz  bezeugen.    Graf  Walram  befindet  sich  demnach  am 
kaiserlichen  Hoflager  und  hat  dasselbe  vielleicht  seit  Worms  nicht  verlassen.    Es 
ist  deshalb  begreiflich,  dass  er  auch  auf  dem  Reichstage  in  Worms  nicht  fehlt, 
^en    der  Kaiser   zur   endgiltigen  Beschlussfassung   über  einen   neuen  Kreuzzug 
Bart  abhielt    Er  wird,  was  bisher  noch  unbekannt  war^),  ausdrücklich  unter  den 
Büselbst   versammelten  Relchsitirsten  genannt^)^   während   seiner   nicht  gedacht 
ist    bei  dem  zum  gleichen  Zwecke  veranstaltet  gewesenen  Reichstage  in  Geln- 
hausen Ende  Oktober.    Von  der  Teilnahme  an  dem  neuen  Kreuzzuge,  zunächst 
Hon  der  zu  ihm  verpflichtenden  Anheftung  des  Kreuzes,  hielt  ihn  vermutlich  sein 
A.lter   ab.     Das   letzte  Zusammensein   mit   dem  Kaiser  findet   ein   halbes  Jahr 
später  in  demselben  Worms  am  10,  Juni  1196  statt.    Es  handelt  sich  hier  um 
die  Bestätigung  einer  Urkunde  vom  4.  April  1190®),  worin  dem  Bischöfe  Konrad 
Bon  Worms  die  Vogtei  über  Dirmstein  überlassen  war,  und  dieser  dem  Colte- 

unter  den  Zeugen  „de  Wormatia**,  82,  31.  Ge  modus  ist  ^tam  de  conailio,  quam  de  uniTer- 
aitate  civitatit**  (Wormatiae)  102,  33,  ConraduB  Rufus  80,  33,  Otto  93,  4,  GodefriduÄ 
de  Stocheim  102,  21,  Bertholfus  de  DirmBtein  76,  28,  Adellieras  de  YTofmatia 
erweist  sich  von  selber  als  Wormser.  So  ist  kein  Zweifel,  dass  auch  Welfridus,  der  in 
unserer  Urkunde  aUein  vorkommt,  und  Cunradug,  der  sehr  oft  eraoheint,  aber  nirgends  mit 
Deutlichkeit  als  Wormaer  auftritt,  Wormser  gewesea  sein  müssen. 

*)  Wird  mit  Unrecht  von  Heu n es  1^  Hl    und   Sohliephake   !,  372    za  einem  Herrn 

?on  Stein  gemacht.     Da«   Necrologium    von   Arnstein    behandelt    ihn    unabhÄngig    von    dieaer 

Familie,  Annal,   1(>,  14.  —   *)  Urk.  v.  ilös  bei  Schliephake  I,  46^J;    Anist,  Necrol,   AnnaK 

^6»  U.  —  *)  Vgl  Honnes  J,  14a    —   *)  Crafto  de  Bilstein  wird  Ton  Arnoldi,   Hiseell, 

BD94  und  Vogel,  Beschr.  727  nicht  aufgefülirt,   obgleich  beide  unsere  Urkunde  kennen,    wäli- 

Tfend  beide  Dagemar  von  Merenberg  und  Dythericus  de  Staphele  von  hier  aus  nennen. 

Irrig  macht    Arnoldi  429   letzteren   zum    ,dapifer  Comitiss,  Cunegundis  de  Dietse"  trotz  der 

^bei  angeföhrten  Urkunden  von   IU)5  und  1198*     Es  soll   auch   nicht  vergeesen  sein,   dass  9 

^den  Genannten  als  Woblthäter  des  arnsteiner  Klosters  unmittelbar  hinter  den  Mitgliedern 

liehen  Hauses  verzeichnet  sind,  also  auch  hierdurch  ihre  Zugehörigkeit  zu  Nassau  be- 

Ygl.  Annal.  ItJ,  14  f.  —  *)  Frey   u.  Reraling,  Urkb,  d.  Klosters  Otterberg.  ürk.  4; 

Hennes  1,  223  f.;  Boos,  Urkb.  der  Stadt  Worme  T'J,  Nr.  9fi;  Toeche  (178.    Die  Ind.  XUH 

muas  in  XIU  verbessert  werden.     Zur    Urkunde   vgl.   Schlieph.    I,  3Ö3  f.    —   *)  Über  diese 

^aniensform  r,  Änm.  7,  S.  125.  —  ')  Vgl  Hennes  1,  125;  Schlieph.  1,  :it>4,  wo  seine  An- 

Äbsonbeit  nur  vermutet  wird.  —  ®)  Annal,  Heinhardi^bronn.   2nH^  bei  Toech©  JlftU.  —   *)  Statt 

^pd*  IUI  muss  es  XIV  heissen« 


124 


gisUtifte  S.  Martin  in  Worms  eine  jährliche  Präbonde  von  1(1  Pfund  ckfäF 
ri<*hten  sollta,  dasa  letzteres  den  Zoll  in  Boppard  wieder  überlassen  hatte»     Üi 
wird  der  Zwist  zwischen  dem  Stifte  und  den  Rittern  Kourad  und  Dietrich 
Waldeck  geschlichtet.*)     Unter  den  Zeugen  der  Urkunde  befindet  eich, 
an  bevorzugter  Stelle  nach  den  Geistlichen  und  den  beiden  Brüdern  des  Kai« 
Walram  von  Nassau, 

Da88  es  diesem  mit  seiner  Annäherung  an  den  Kaiser  ernst  warj  geht  aac|i, 
aus  seiner  nahen  Verbindung  mit  dem  Erzbischofe  Konrad  von  Mainz  in  die 
Jahre  hervor,    die  durch    nicht  weniger   als  4  Urkunden  belegt  ist.     Dean 
der  Erzbischof  vier  Jahre  zuvor  die  Seele  der  Pürstenerapörung  gewesen  war, 
so  lag  ihm  nun  daran,  zu  dem  Kaiser  zn  halten,  damit  der  Kreuzzug  zu  staode 
k/ime,  den  er  anführen  sollte.     Man  hat  dies  freilich  auf  Grund  einea  Beric 
des  „Chronicon  lialberstadense*  bestreiten  wollen,  der  die  zweite,  aus  Anlass 
kaiserlichen  Bestrebens,  das  deutsche  Wahlreich  in  ein  Erbreich  zu  verwandeln^ , 
entstandene  Schilderhebung  der  Fürsten  mit  dem  mainzer  Erzbischofe  in 
bindung   bringt*     Toeche   aber   hat  unseres  Eracbtens  die  Verworrenheit 
darum  Unechtheit   dieses  Berichtes  so  schlagend  nachgewiesen,   dass  ein  abei*i 
maliges   Zurückgreifen    auf  denselben    seitens  WilUs   unbegreiflich    ersehe 
zumal  eine  Widerlegung  Toeche* 8  von  ihm  nicht  einmal  versucht  worden  ii 
Die  Thatsache  kann  für  uns  um  so  ausgemachter  gelten,  aU  die  erste  Urkti 
dos  Erzbiscbofes,  in  der  Graf  Walram  nach  einer  Reihe  von  Geistlichen  oel 
dem  Grafen  Poppo  von  Wertheim  und  anderen  Edelen  die  Qestattung  der  fräsen 
Propstwahl   für   das  Nonnenkloster   8,  Petri  zu  Kreuznach  bezeugen  hilft, 
18.  November  lir»6,   also  zu  der  Zeit  ausgestellt   ist,   in  deren   nächster  N^ 
die  frankfurter  Fürsten  Versammlung  stattfand,  in  welcher  .mediantibus  Ci 
rado  Mnguntino  archiepiscopo  et  duce  Suevie  Philippo*  der  dreijährige 
Iloiurichs  VI.   zum   deutschen  König  gewählt   wurde.*)     Die  drei  übrigen 
künden   aber   folgen   dieser,   wenigstens  nach  der  Anordnung  WilPs^   der 
un»  anschliessen.    In  der  zweiten  verleiht  der  Erzbischof  dem  von  ihm  besond 
geliebten   Kloster    Elvenstat     (Jlbenstat)    die   Pfarrkirche    in   Sothle    (Sodel] 
und   hier   ist    nach   den  Priestern    „Walrarmus   comcs  de  Nassowe*    der  c* 


*J  Sohaaoat,   U'i»L  cpisc,  \Vi»rm-    L^rkb.  1)0,  Nr.  rV7;   Toeche  m\;   Hi}0^,    Urktj 
t<3,  Nr.  90;   Hennea  1,  12H  f.;    Scliliophnk«   1,  364.     Die  Beraerkiutg  4ei   lt)Utor«n, 
^ilio  Ver1iandlungi«ri  über  die  Sacho  mehror*j  Jiihro  früher  unter  Bise  hofiCoDrad  iteltg^fyi] 
haben*  Tielkicht  auf  dem  im  Aufange  dm  Jahroe  livrj  2u  WormB  ^ehaltefleo  B«idhsta^', 
ledigt  sich  durch  d«ii  im  Texte  genannten  4.  April  1190.     Die  Urkunde  dieaee  Datunif  iloiia 
.Menum.  boic,  XXXI^  I,  439   bei  Toeche  645,  Nr.  74.   —    »)  Toeohe  4J.%   Anm.   I,   ri.V»j 
Will,  K€ge«eeii  2,  103,  Nr.  3.V2.  —  *)  Mittelrh.  Urkb,  2,  2(K);   Wardtwein,    Monaat 
5,  :il2;  Uoer»,  Mittelrh,  Kegefit.  2,  213,   Nr.  778;   Hennes    1»  131;  Sohliephakc  1, 
Will,  Re^^len  2,  103,  Nr.  350,  353;  Toeche  441,  Anm,,  144.    Will  hat  beidioser  Urkv 
tom  XH.  November  lum   nur  daa  Jahr  KKKIU   det  Kxili  dee  Krsbisohoret  beanaiandetf 
in  der  That  das  Jahr  XXJCl  sein  musete,  nh^r  er  hat  die  falsche  Ind.  XV  abersehen; 
dieae  nun  in  den  drei  folgenden  Urkunden  riohtig  als  XIV  sieh  darstellt,    wiederholt  sieh  , 
den  sewei  nilchRtou  die  Angabe  des  falschen  Exilsjahres,   das  m-it  in   der   leiKteo 
4et«t  wird.  —   *)  üudenus,   Cod.  dipL    I,  331;  Würdtwein,  Notltia  bist  dipL   du  j 
llbenstadt.    Mog.  I7ß0.   ai  f.;  Will,  ßegtalett  S.  1U4,  Kr.  *ftT. 


12& 


weltliche  Zeuge,  dem  noch  fünf  weitere  folgen.  Dasselbe  ist  der  Fall  in  der 
dritten  Urkunde,  in  der  der  Erzbischof  bezeugt^  dass  der  Freie  Arnold  den 
Brüdern  der  h.  Maria  xu  Otterberg  12  Mansea  in  Gudinbach  uod  Heinwilre 
zu  deren  Unterhalte  geschenkt  habe*);  wie  bei  der  vierten,  in  der  eben  derselbe 
die  Abtrennung  der  Kirche  in  Gosbach  (Josbach)  von  der  seit  den  Zeiten 
Kaiser  Ottos  des  Jüngeren  dem  Stepbansstifte  in  Mainz  gehörigen  Kirche  in 
Burno  (Schlossborn)  und  deren  Selbständigkeit  als  Pfarrkirche  bekundet.-) 
^  Da  der  Erzbisehof  gegen  Ende  des  Jahres  oder  doch  im  Anfange  des  nächsten 
f  sich  auf  den  Kreuzzug  begab^),  so  darf  der  Aufenthalt  des  Grafen  Walram 
am  erzbischuflichen  Hofe  als  Abschiedsbesuch  aufgefasst  werden,  um  so  mehr^ 
als  der  Erzbischof  schon  bejahrt  und  dazu  körperlich  geschwächt  war,*) 

Denselben   Zweck    scheint    die    um    dieselbe   Zeit   bezeugte   Anwesenheit 
B  Walrams  am  pfalzgräl^icben  Hofe  in  Heidelberg  (?)  gehabt  zu  haben,  da  Pfalz- 
graf  Heinrich  noch  am  27.  Mai  1197  sich  in  der  Heimat  befunden  hat,     Demi 
^m  dass   derselbe   den   Kreuzzug   mitgemacht   habe,   ist   ausser  Zweifel/'^)      Dieser 
H  bestätigt  nämlich  im  Beisein  der  Grafen  Walram  von  Nassau,  Simon  von  Saar- 
brücken,   Heinrich    von   Zweibrücken,    Poppo    von   Laufen    und   anderen    dem 
Cisterzienserkloater  Schönau  bei  Heidelberg  den  Besitz  des  Landgutes  Opphove 
nebst  den  dabei  gelegenen  Rheininseln.®)   Da  der  Pfalzgraf  von  seinem  Schwieger- 
vater Konrad  her,  wie  wir  wissen,  Lehensherr  Walrams  war,   so  erscheint  ein 
P Abschiedsbesuch   auch  bei  ihm   natürlich*     Dass  dabei  auch  ein  Gedankenaus- 
tausch über  deutsche  Reichsangelegenheiten    mit  dem  mächtigen  Weifen  statt- 
gefunden  haben   werde,   wird   bei   der  früheren    Parteinahme  Walrams  für  die 
Weifen  nicht  ausgeschlossen  erachtet  werden  dürfen.     Was  konnte  dem  mittel- 
alterlichen Fürsten  über  die  Interessen  seines  Hauses   gehen?     Jedenfalls  war 
^es  die  letzte  Begegnung,  wie  Walrara  damals  auch  den  Erzbischof  Konrad  zum 
Hletztenmal  gesehen  hat. 

^B         Denn  nur  noch  einmal  begegnet  uns  fortan  der  Graf.    Am  20.  Januar  1197 
^oezeugt  er  zu  Coblenz  nach  den  Priestern  als  „Walrabo^)  comes  de  Nassowen* 

tmit  Graf  Embecho  von  Leiningen,  den  Grafen  Heinrich  uod  Eberhard  von  Seine, 
Heinbold  und  Bruno  von  Isenburg,  Werner  von  Bolanden  und  anderen  die  Be- 
ütätigung  der  Güter  der  Abtei  Arnstein  durch  den  Erzbischof  Johann  von  Trier,®) 
»>  Abftchrift  bei  KindJinger  137,  56  in  ßöhmer's  Ma,  5;  Will,  Regest  2,  !()5,  Nr.  360: 
Hoiines  1,  131;  Scblieph.  1,  370.  —  ')  Joannis,  Rer.  mog.  2,  525  f.;  Würdtwein, 
Dioec.  wog.  2,  84;  Hennes  1,  130;  Schliepk  1,  305  ff.;  Will»  Regeaten  2,  105,  Nr.  :iGJ. 
Wartim  Will  bei  diesen  beiden  letxten  Urkunden  das  Jahr  1190  mit  einem  Fragezeichen  ver- 
sieht, ist  nicht  klar,  da  die  Datumsangabe  in  beiden  keinen  Zweifel  gestattet.  ~  ')  Röhricht/ 
Beilr,  zur  Gesch.  d.  Kreuzzüge  2,  355;  Will,  Regeaten  2.  107,  Nr.  367.  —  *)  Abt  Oerbert 
von  Gemhloux  erinnert  in  dieser  Zeit  den  Erzbiächof  brieflich  an  seine  y,eitis  et  imbocillitaB 
corporis^^  vgl.  Will,  Regeaten  2,  106,  Nr.  363,  —  ^')  Röhricht,  Beitr.  2,  358.  —  °)  Schan- 
at,  Hiet.  episc.  Worra.  ürkb.  155;  Henne«  1,  132;  Schüeph.  1,  370.  —  ^)  Zum  Über- 
UB»6  sei  daran  erinnert,  dass  die  ursprüngliche  Form  des  Namens  Walahraban  ist,  Wie  aber 
Tabon  (Rabe)  auch  als  hram  und  ram  vorkommt,  bd  ebenfalls  alü  rabo  und  rabe^  vgl.  Graff 
U4tl  f.  Daher  die  Formen  Walram  und  Walrabo,  Walrab,  Walrar,  die  Forstemann 
1233  nicht  kennt  —  ^)  Herquct,  Urkb.  d.  Prfimonatrat.  Klosters  Arustein  12,  N.  H.; 
ittelrh,  ürkb.  2,  205  (hat  Walrauo);   Gudenua,  Cod»  dipl.  2,  24;    Kremer,  Orig.  Nass.  2. 


IM 


Die  emte  Stelle  hierbei  macht  es  zweifellos,  das8  er  als  Vogt  dm  Kloelan 
Zeuge  ist.  Damit  wird  aber  zum  erstenmal  die  arnsteioidche  Vogtei  als  nasaaitisdi 
beglaubigt,  b  welcher  Eigenschaft  sie  bis  zum  Jalire  1542  verblieb,  OSenbar 
hatte  das  Kloster  erkannt,  dass  die  freie  Vogtwahl,  die  ihm  1142  voo  Papft 
Inoocens  IL  und  1145  von  König  Konrad  III-  zugestanden  war,  am  beateo  voo 
ihm  geübt  sei,  wenn  es  den  mächtigen  Nachbaren  in  Nassau  zu  seinem  ScfainQ* 
herrn  erkiese,*)  Aus  diesem  Gründe  sehen  wir  wohl  schon  beim  Begräboisse 
des  Grafen  Ludwig  von  Arnstein  im  Oktober  1185  die  Grafen  von  Naasau  an 
der  Spitze  der  Leidtragenden  und  Leichenträger.')  Demselben  Umstände  v«r- 
dankt  man  sicher,  wie  schon  früher  angedeutet  wurde,  ein  paar  Jahrzehnte  später 
die  bevorzugte  Berücksichtigung  des  Hauses  Nassau  vor  den  übrigen  amsteiner 
Verwanten  in  der  Lebensbeschreibung  des  Grafen  Ludwig,  wenngleich  dieselbe 
mehr  von  der  Pflicht,  als  von  der  Neigung  für  das  Vogthaus  eingegeben  scheint, 
denn  Arnstein  hat  zu  dieser  Zeit  Klage  beim  Papste  geführt  gegen  seine  Dränger, 
und  Gregor  IX.  die  Erzbischofe  von  Mainz  und  Trier  zum  Schutze  gegen  dioM 
in  der  Bulle  vom  13,  Mai  1229  aufgerufen.^) 

Wann  aber  ist  Graf  Walram  gestorben  ?  Die  schon  oben  von  uns  voraus* 
genommene  Urkunde  vom  Jahre  1198  bezeugt  die  Bestellung  seines  Seelenge* 
dächtnisses  in  Arnstein  durch  seine  Witwe  Kunigundis."^)  Da  nun  das  arnsteiner 
Totenbuch  dies  Gedächtnis  auf  den  1.  Februar  zu  setzen  scheint*),  so  wäre  ja 
wohl  seine  Todeszeit,  wie  dies  gewöhnlich  geschieht^),  auf  den  1.  Februar  1198 
festzustellen.  Bedenken  wir  jedoch,  dass  nach  dem  Verzeichnisse  der  üaujit* 
withlthäter  des  arnsteiner  Kirchenbuches  Walrara  schon  selber  für  sein  Seelen* 
gedächtnis  Vorsorge  getragen  haben  muss^,  so  erscheint  die  Stiftung  KunigundeV 
als  eine  bloss  nachhelfende  spätere,  die  darum  das  Todesjahr  Walrams  nicht 
bestimmen  kann.  Suchen  wir  aber  im  Totenbuch  nach  einer  solchen  Spende 
des  letzteren,  m  bietet  sich  die  bisher  nur  künstlich  gedeutete  des  5.  Juli  dar: 
„Heinrici  comitis  de  Nassauwe  et  Walrami  comitis  fratris  eiusdem,  qui  contulit, 
nobis  totam  decimam  de  foreste  apud  Esten  sitam."^)  Nach  Becker's  D»"  ^ 
die  sieh  derjenigen  von  Hennes^  undSchliephake'**)  anschliesst^  sollen  ll 
und  Walram  die  Söhne  Heinrichs  des  Reichen,  also  Enkel  unseres  Walram  Li 
sein.  Aber  das  Gedächtnis  dieses  Heinrich  Becker's  ist  bereits  auf  den  2) 
Hai  des  Totenbuches  gesetzt  und  mit  den  bezeichnenden  Worten :  „Uenrici  aeo* 
laris,  filii  Henrici  comitis  de  Nasaauwe",")  Wie  sollte  hier  der  dort  bloaa  als 
yscolaris^  aufgeführte  als  „comes*^  und  noch  dazu  dem  regierenden,  also  älteren 


I 


210;   Goert,   Mitt^lrh,  Regest  2,  21*5,  Nr.  7SM>;   Hennes  l,  184  f      "^'^hnephnko  I»  a7<»; 
Toeohe  442,  Änm. 

•)  ▼,  Arnoldi,  0©»ch.  d.  Orao.-Naa«.  Land«  3,  l,  212  ff.;  Vogol,  B^^schr,  6il7,   Die  Ufl 
kltadetl  mit  weiterer  Littersturotigftbe  liehe   bei   Herquek,   ITrkb.  1 — 5.    Tgl.  oben  Anau  1,1 
g.  74.  _  f)  ViU  LudoTici,   Widmanu,   Annol.  IR,  2ftri.    —   *)  Uerquet,   Urkb.  l».  Kr.  Ittl 
—  *)  8.  obeo  Aiim.  1,  8.  112.  —  *)  Becker,  Animl,  1«,  ir»,  57.  —  *)  Henne«  l,  IHÖ;  l^gei; 
BuRobr.  306;   Sohliephake  l,  370  f,    —   ')  Die  Überschrift,   AntinL  \%  13,  sagt 
«Hü  luot,    qtti   nobia   pro   reroedio    «nimarum    suaruni    suaa   Inrgiti    sunt    el^Ofnoeitiiw.* 
«)  AtiJial.   10,  134.  —  •)   l,   130  f.   -    »'*)  1»  im.   -   »»)  Annftt.   i%  116, 


127 


Iruder  voransteheD  können^  der  ausserdem  die  SchenkuDg  allein  gemacht  hätte 
Uqui  *  ,  .  coütulit").     Es  bleibt  demnach  keine  audere  Wahl,  als  ein  Verseheu 
pes  Abschreibers^)  des  Eintrages  anzunehmen  und  an  die  Stelle  von    ^fratri«" 
latris  z\x  setzen.    Dann  fallt  der  Todestag  von  Vater  und  Sohn  auf  denselben 
Juli,  und  der  Sohn  steht  nur  voran,  weil  der  Eintrag  erst  nach  dessen  Tode 
Jemacht,  und  der  des  Vaters  nach  einer  älteren  Aufzeichnung  hinzugefugt  wurde. 
E«    begreift  sich   dann   aber  auch  erst   ganz   die  Schenkung  Kunigunde'a   „de 
ptovalibus  in  Estenvorst**.    Graf  Walram  hatte  bei  seinen  Lebzeiten  den  Zehnten 
Iteses  Waldes  dem  ICloster   vermacht.     Es  waren    aber,    ebenfalle    offenbar  zu 
seinen  Lebzeiten,    Rodungen    in  demselben  vorgenommen  worden,    die,    da   der 
Zehnte  bloss  vom  Forste  lautete,  die  Gabe  an  das  Kloster  minderten.    War  nun 
lie  Schenkung   wohl    im  Hinblick   auf  die   in   ihrer  Vollendung   unterbrochene 
Lreuzfahrt  so  reich  ausgefallen,  so  war  eine  solche  Beschneidung  derselben  ein 
doppeltes  Vergehen.     Kunigundis  musste  demnach  mittelalterlich   ängstlich  be- 
strebt sein,  diese  „opera  illicita^  ihres  Gatten  zu  sühnen  und  schenkte  so  auch 
den  Zehnten  der  Neurode  im  Forste,   vermutlich  nicht  wenig  dazu  angetrieben 
durch  die  Klagen  des  Abtes  Herebord^   der  als  erster  Zeuge  in  ihrer  Urkunde 
teht.     Dürfen  wir  aber  auf  diese  ungezwungene  Weise  den  bisher  als  Todes- 
Walrams  angenommenen  1.  Februar   fallen  lassen    und  diesen  Walram  IL 
hinweisen,  um  dafür  den  5»  Juli  an  seine  Stelle  zu  setzen,  so  sind  wir  nun  auch 
verpflichtet,   sein  Todesjahr  als   das  Jahr  1197    festzustellen.     Ist   nämlich   die 
Stiftung  Kunigunde's  nur  durch  das  Jahr  1198  bestimmt,  so  trägt  die  Urkunde, 
der   ihre  Sohne  Heinrich    und  Ruprecht    „pro   remedio   anime   patris   nostri 
Wabarmi  nee  non  et  nostrarum**  mit  ihr  selber  auf  die  Vogteieinkünfte  aus  den 

|t»ei  Wise  (Mosel weiss)  gelegenen  Gütern  der  Kirche  von  Romersdorph  für 
18  Mark  Silber  Entschädigung  verzichten,  das  Datum  des  20,  März  1198.*) 
Graf  Walram  ist  demnach  am  S.Juli  1197  gestorben.  Nicht  unerwähnt  bleibe, 
daas  bei  seinem  Tode  Idstein  ausdrücklich,  wenn  auch  nur  mittelbar,  seioem 
Uerrschaftsgebiete  einverleibt  erscheint*  In  der  Urkunde  der  Gräfin  Kunigundis 
Iwird  nämlich  als  letzter  der  Ministerialen,  mit  deren  ZuatimmuDg  und  Rat  sie 
die  Schenkung  des  ganzen  Zehnten  vom  Rodland  im  Estenforste  gemacht  babe^ 
^Fridericus  Prun')  de  Etiehenstein"  genannt.  Die  Schenkung  von  5  Manaen 
b  dem  benachbarten  Altenburg  bei  Heftrieh  vom  Jahre  1178  wird  dadurch 
kls  eine  vom  Uausgute  geschehene  bestätigt. 


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')  Als  Abschreiber  erweist  er  sich,  da  nach  Becker,  Annal.  ID»  33    „die  erste  Anlage 

Ides  Ddortttariuma  nicht  lange  vor  dem  Jahre  1232,  aber  auch  nicht  lange  nach  den  Jahren 
1232  und  1254  erfolgt  sein  wird.**  —  *)  Günther  1,  493;  MittelrK  ürkb.  2,  215  u.  759, 
Kr.  902;  Ooer;!,  Mittelrh,  Regestea  2,  225,  Nr  822;  Sohlieph.  1,  371,  469  t  —  ^)  Prim 
bei  Schliephake  1^  464  ist  entweder  Sohreib-  oder  Lese-  oder  Druckfehler,  da  es  keinen 
iSinn  gibt,  Pmn  oder  Bnin,  der  Braune,  aber  auch  spSter  bezeugt  ist,  vgl.  Vogel,  Beschr.  825, 
Däss  aber  Fridrich  Prun  nicht  etwa,  wie  Craflo  de  Bitstein  und  Dageraarua  de  Merenberg, 
ur  BurgmanuscbafY  in  Nassau  gehurte,  erscheint  dadurch  ausgeschlossen,  dass  die  Brun,  wie 
lie  PoiOf    Mut^eliii  und    Syiiekin   von  Idstein    zur  Burgmannschiift    diiaelbst    gehörten^    Vogel , 


^M^d^ 


I2B 


8*    Bupreebt  TT,  als  Kreuzfahrer  and  Ruprecht  T» 
als  Deutschordensritter, 

Damit  dürften  wir  unsere  Absicht,  die  Geschichte  des  nassauiachen  Ghufen* 
bauses  bis  zu  den  ersten  wirklichen  Trägern  dieses  Namens  zu  verfolgeu,  erreicht 
halten.  Indes  uoch  ein  YerspreeheQ  ist  uneingelödt^  dessen  Erfüllung  sieh  an  das 
dem  Todesjahre  Walrams  folgende  Jahr  1198  knüpft  und  Ruprecht  IV.  betrifft, 
den  wir  bisher  nur  aus  dem  Jahre  1217  kannten,  wo  er  Burgmann  des  Erz* 
blschofes  Theoderich  von  Trier  zu  Montabaur  wird.  Wir  hatten  geseheo,  daas 
die  Gründung  des  deutschen  Ordens  nicht,  wie  bisher  angenommen  wurde,  auf 
den  5.  MiirÄ  1190,  sondern  1198  fiel,  die  Namen  der  Grafen  Ruprecht  und 
Walram  also,  die  man  seither  in  der  Liste  der  Gründer  des  Ordens  glaubte, 
nur  nachträglich  dort  eingesetzt  sein  konnten.  liier  müssen  wir  nun  zunächst 
sagen ^  dass  diese  letztere  Annahme  sich  bei  näherer  Betrachtung  noch  data 
als  Irrtum  erweist.  Sie  gründet  sich  nämlich  auf  die  Angabe  Voigt'»  ans 
8,  8  der  Ordenschrouik,  die  ihm  als  Manuskript  vorlag,  «lass  dortselbst  nach 
den  übrigen  Teilnehmern  „die  Grafen  von  Nassau,  Henneberg  und  Sponheim* 
genannt  seien.  ^)  Nicht  nur  aber,  dass  hier  keine  Vornamen  genaunt  werden, 
so  erlaubt  auch  der  Ausdruck  ^die  Grafen^  nicht  einmal,  auf  zwei  nasaaiiiitelie 
Grafen  zu  schliessen,  'da  die  Mehrzahl  gleichzeitig  für  Nassau^  Henneberg 
und  Sponheim  gilt.  Kann  nun  im  Jahre  1198  keine  Rede  mehr  sein  voo 
Ruprecht  lU.  und  Walram,  so  bleibt  für  Nassau  als  einzig  Mündiger  in  diesem 
Jahre  Dur  Ruprecht  IV.,  der  Sohn  Heinrichs  L,  übrig.  Und  liegt  es  denn  so 
fernv,  anzunehmen,  dass  diese  müssige  jugendliche  Kraft  von  der  im  nahen 
Mainz  so  ungleich  höher  als  vor  dem  vorangegangenen  Kreuzzuge  lohenden 
Begeisterung  für  den  heiligen  Krieg  ergriflfen  worden  sei,  und  dans  es  Walram 
nicht  sehr  angelegen  haben  solle,  zur  Sühne  für  sich  einen  Ersatz  ins  h.  Land 
mitzuseoden?  Ja,  wir  haben  sogar  den  Mut,  ihn  wirkHch  genannt  zu  findea 
als  Kreuzfahrer,  wenn  auch  ohne  seinen  Vornamen,  und  an  verkehrter  Stellow 
Das  Gedicht  „Willielm  von  Österreich**)  nennt  mit  noch  vielen  anderen  Edelea 
einen  Grafen  von  Nassau  in  der  Genossenschaft  des  Herzogs  Heinrich  von 
Brabant.  Nun  ist  aber  dieser  Herzog  nicht,  wie  das  Gedieht  will,  am  dritten 
Kreuzzuge  beteiligt  gewesen,  sondern  nachweislich  1197  ins  h.  Land  gezogeii. 
Da  sich  der  Dichter  solcher  Verstösse  gegen  die  geachichtliche  Walirheit  mehrere 
hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  so  sind  wir  berechtigt,  einen  solchen  auch 
bei  seinem  Grafen  von  Nassau  zu  unterstellen,  und  diesen  unseren  Ruprecht  fV'. 
zu  nennen.  Wir  haben  allen  Grund,  eine  Bestätigung  dieser  Annahme  in  der 
Thatsaehe  zu  sehen,  dass  der  deutsche  Orden  seit  dem  Jahre  1217,  wo  ihm 
da.H  Patronat  der  Kirche  in  Wiesbaden  überwiesen  wurde,  als  besonderer  Pfleg- 
ling de»   nassauischen  Hauses   erscheint.*)     Freilich    tritt    weder   hier   noch   in 

*)  Oeioli.  Prouflson«  2,  648,  —  ')  Von  Ruh  rieht  nbgeijruckt  in  Znoher*«  SSttJtaf'liritl  T, 
16^  flf.  Vera  16916,  17810.  Ver^L  deeftelbeii  Beiir.  z.  OeBoh.  iL  Krcuu.  2»  a30  und  Voigt, 
acTjH^h.  PriiuMcn»  2,  047.  —  »)  Oudcnua»  Cod.  dipl  ü,  107^^  ingO,  l,  4  Orj 

N«*».  ä,  *.'ri4.  2rM  f,;  ir^K  Will,  Rogi^ten  2,  \m,  Xr.  'itri,  wosHbst  iUo  i  .        ■    mr  : 

AuannfiRift  von  Scblioph.  1,  UH7  fl. 


4 


mm. 


Wtätm 


129 


m  zahlreichen  späteren  Zuwendungen  an  den  Orden  der  Name  Ruprechts  IV,  auf, 
leimehr  sind  nur  die  Söhne  Walrams,  Heinrich  der  Reiche  und  Ruprecht  V,*), 
Be  Schenker,  und  letzterer  Tora  Jahre  1231  etwa  gar  Ordensbruder,  Aber 
Bide  sind  eben  die  Vertreter  des  Hauses  und  als  solche  die  Besitzer  des  Haua- 
lermügens.  Auch  das  steht  unserer  Annahme  nicht  entgegen,  dass  die  erste 
iiäsauische  Schenkung  an  den  Orden  verhältnismässig  so  spät  nach  Qründung 
lesselben  Killt,  Denn  sind  gleich  die  Ballei  Coblenz,  zu  der  diese  Schenkung 
m  ersten  Grund  legte,  die  Balleren  Thüringen,  Oesterreich,  Hessen,  Franken 
ad  Utrecht  zum  Teil  um  10  Jahre  vorangegangen^,  so  beginnt  doch  dia 
Jgentliche  Besitzentwickelung  des  Ordens  mit  seinem  ersten  nachhaltigen  Por- 
lerer Kaiser  Fridrich  IT.  In  dessen  erstes  Regierungsjahr  aber  fällt  die  Schenkung 
des  Patronates  der  Kirche  in  Wiesbaden.  Auch  war  die  Schenkung  erst  niog- 
Bch  seit  dem  5.  September  1214'),  wo  Fridrich  II.  vor  Jülich  dem  Deutsch- 
erden  die  Erwerbung  reichslehenbarer  Besitzungen,  dergleichen  das  Patronat 
Wiesbaden  eine  war,  urkundlich  und  unter  der  Mitzeugenschaft  des  Grafen 
leinrich  II.  von  Nassau  zugesteht.*)  Bemerkenswert  darf  es  ausserdem  vielleicht 
IrscheineUj  dass  die  Schenkung  in  Wiesbaden  geschieht,  wo  der  Bruder  der 
lemahlin  Ruprechts  IV.,  Graf  Fridrich  von  Leiningen,  Mitbesitzer  war  und 
löbald  nach  der  Schenkung  seinerseits  sich  mitthätig  erwies  in  der  Befreiung 
BS  vom  Orden  hinzu  erworbenen  Mansus  von  allen  Lasten,^)  Nicht  minder 
^ndet  die  im  Jahre  1230  erfolgende  weitere  Schenkung  an  den  Orden,  aber- 
mals in  Gestalt  eines  Kirchenpati'onates,  diesmal  in  Oberlahnstein,  statt,  wo 
Ruprecht  IV.    sein    Allod    1217    an    den   Erzbischof  von   Trier   als   Lehen   für 

«[ontabaur  aufgetragen  hatte.^     Endlich  aber  wird   man  kaum  umhin  können, 
ie    verhältnismässig   starke    Beteiligung   des    niederen    nassauischen  Adels   am 
Orden  derselben  personHcben  Anregung   zuzuschreiben,   die  jene  Schenkungen 
Bfaulasst  hatte.     Seither  wusste  man  bloss,   dass  Graf  Ruprecht  V.  ums  Jahr 


*)  Wenck,  Hist  Ahlu  1,   HiH  f.  Bi?hlie§«t  auB  dem  Umstaiiile^  dass  dio  Genannten  sich 

Brüdor  in  den  Urkunden  nennen,  dasa  Ruprecht  der  in  Rede  stehende  Kuprec^ht  IV.  sein 

lue.     Aber  t.u  Unreoht.     Düä  :«cigt  deutlich  z.  B.  die  Urkimdo   von  1221    betrefTs  Sonnen- 

>rg9|  wo  beide  Griifen  ebenso  nebentMnander  Btehen,   aber  die  g:teichzeiti^  mit^ennnnten  Oe- 

nhlmnen  Mechtildia  und  Gertrudia   sie   u\s  Bruder   kennen   lehren,    Oudenua,    Cod.  dipl.  1, 

t»;  Kremer,  Orig,  Nasa.  2,  2«2.  —  *)  Vgl.  Voigt,  Oc«ch.  d.  deutschen  Ritterorden».  Ber- 

185?,  t,  1—04,  87  f*    Leider  hat  er  8.  U   dua  folaohe  Jahr   1191    fflr   die   Sehenkun^r   in 

hejsbaden  nach  Gudonu»  M,  11)70.    —   ^)  Von  diesem  Datum  aus  (vgl  Böhmer,  Eegesten 

S7,  Nr.  3n5>7)   sind  wir  bereehtigi,   die   widersprechenden    betreff«  der  Sohenkung  der  wies- 

uler  Kirche    richtig   zu   stellenf    wie   dies    bereits    Uennes    I,   158    Änm.    angebahnt    hatte, 

^hüephake  l,  897  aber  nicht  durchzuführen  Termochte.    Das  Datum  der  Schenkungsurkunde 

Rr   Grafen   Heinrich   und   Ruprecht  weist   dabei   den   Weg.     Die   irrige   Angabe   des  Jahres 

ICCXI  bei   GudenuB  3,  107^   und   Krem  er  2,  254   ist  durch  das  Ausfallen  einer  V  zu  er- 

|$r«fi,    welche  allein   in  der   von   Vogel,  Beseht.  5H8,  Anm.  7    gemeldeten  Originalurkunde 

Het2t  ist.   Die  Schenkung  ist  also  am  20.  Nut*  1214  erfolgt.    Die  karserliche  ßestStf- 

H  ii[ide,  die  da«  Datum  21.  Jan.  1214  trilgt^  iat,  wie  dies  bereits  Böhmer,  Regost  IVK 

Ir.  33R:J  vorgeschlagen  hatte,  wegen  ihrer  „ind*  tertia*'  ins  Jahr  121.")  äu  setsen.  —  *)  Böh- 

Vur-Fieker,  Reg.  imp.  V,  Nr.  747;    Bennes  1,  Li4 ;  Will,  Regestea  2,  159,  Nr.  230,  — 

fl«»nn«s  l,  225;    Sohliephake  1,  40(».  —    '»)  Hennes,    üpkb.  d.  deutsch,  OrdenÄ  U  85; 

•ulbipn,  Gesnb.  d.  Orat'ei)  von  Xo^hau   I,  172;  Sohliephake  1,  432  f* 


130 

1231  in  den  deutschen  Orden  trat,  und  dass  1237   sich  mifc  ihm  Heinrich 
Ybach  (Eibacb)   und  Konrad  Rubsamen    von  Merenberg  im  Orden   befände 
Wir   dürfen   aber   nunmehr   einen    Deutschordensbruder   aus  Nassau    sogar 
h.  Lande  nennen  und  schon  vom  Jahre  1229:    ^Counradus  de   Nasaowe*! 
aU  »olcher   am  20.  April   eine   Tauachurkunde   des  Ordens   mitunterzeichne 
Derselbe   wird   in   den   Urkunden   vom   7,  Juli    und    11.   September    1244 
„praeceptor  magnus^  oder  „praeceptor  Theutonieorum*^  aufgeführt^)  und  ist 
17.  Oktober  1244  gefallen/)     Da  ein  naasauischer  Graf  dieses  Naroens   uu| 
kannt  ißt,   so  musa   angenommen    werden,    dasa  Konrad   dem  Geschlechte 
Burgmänner  von  Nassau  angehört.    Seine  Anwesenheit  im  h.  Lande  1220  bü 
aber  wohl  dafür,  dass  er  dort  schon  länger  ansässig  war,  wie  denn  auch  sei 
Erhebung  zum   Praeceptor    oder   Gummen thur   auf  längere  Zugehörigkeit   zi 
Orden  deutet.    Ist  doch  vou  dem  1225  nebeo  ihm  genannten  „Andreas  de  non| 
(Hoheuloh)  bekannt,   dasa   er  mit   seinen  Brüdern  Heinrich   und  Fridrich   1£ 
bereits  in  den  Orden  getreten  war  und  als  solcher  vermutlich  den  Feldzug 
Damiette  mitgemacht  hatte.  ^) 

Soviel  von  den  letzten  mühsam  nur  aufgedeckten  Spuren  des  Letzten 
der  Nachkommenschaft  der  ersten  Träger  des  Namens  Nassau.  Schliesscn  wir 
mit  der  Tbatsache,  dasa  ea  von  nun  an  nicht  bloss  Grafen  dieses  Namens  giht^ 
sondern  dass  nach  allen  Wandelungen  der  Gaugrafschaft  Worms-Kuuingessunu 
in  eine  Erbgrafschaft  diese  letztere  auch  von  nun  an  den  Namen  Nassau  füfa 
Die  um  1230 — 1231  anzusetzende  Urkunde  des  Grafen  Heinrich  H,,  die 
Abfindung  mit  seinem  in  den  deutschen  Orden  getretenen  Bruder  Ruprecht ' 
verbrieft,  indem  sie  die  Dörfer  Frickhofen,  Mühlbach^  Thalheim,  Ilambad 
Ftusternthal,  Ober-  und  Niederauroft'^  Dotzheim,  Breitscheid,  Erdbach,  AVö 
dorf,  Fischbachi  Walsdorf  und  die  Mühle  Arde  aus  dem  Bereiche  der  ga 
Ürafaehaft  („tooiua  nostre  comicie*^)  ihm  verschreibt,  trägt  auf  der  Rückaeilit 
^von  wenig  späterer  Hand"  die  Inschrift:  «De  übertäte  quaruudarum  villanun 
et  curiarum  in  comicia  Nassauge/**) 

»)  WQrdtwein,  Dioec.  Mog.   2,  128;    Wenolc,  Hiat  AWu   1,    104;   Honnen  l,  tf 
Sohliephake  l»  421.  —    *)  Strehlke,  Tabu!,  ord.  TheutooicL    Berlin  i«69.    51   f.  Nr, 
Alt h rieh t|  Redest,  regn.  tliorosoljmit.  2ß3,  Nr.  I(M)2.     In  degselben  Iloitr,  iL  Gaachichtt 
KreussQge  2,  38s  [$1  irrig  20.  April  1228  geeotxt  —  ")  Strehlke  75  C  Nr.  98;  Kiihricl 
R©ff«iit.  298,  Nr,  1120,  299,  Nr.  1123;  BcitrÄgro  2,  385.  -  *)  Röhrtcht,  Rßgoat.  2f»v 
Amn,  2.   —  *)  Stfllin,  Wirte mb.  Gesch.  2,  541,  553.    Sie  werde»  in  den  ilAselbst  ; 
Urkunden  von  12U»  tind  122(j  ^nobiles  pueri'',  d.  h.  Edelknappen  ^^onannt.     Vgl,   Riihrirl 
Beitri&ge  2,  IJOH.  —  *)  WyBfl,  Hess.  ürkK    Leips.  18T**  (Publioationen  nii«  den  preuai^ 
ATchiTon.    H.  Bd.)    1,  18. 


Sohly»jibeinerk«ng.     Trotz   sorgfEltigtter  Korrektur  vnirdc   leider   abersette«, 
8^  4a,  Z*  4  T.  n.  1102  9taU  11^2   xu  «tehen  hat^   und    dass   der  arnsteiiiificben  T{Volit«r  fi. 
2.  VI  ?.  o.    und    S,  H.'v  7j.   14  r.  o.  tilidii  (1,    sondern  7  nind,    wie  berotti)    AntiAt.  24,  12* 
miS  itlber  berichtet  war.      Die   N»4?hprüfung  der   Riohtigkett   dt»r   Citate   konnte  lumdM 
nach  unseren  Aufiseirhnungon  geacshvhen,  da  die  Besehleunigting  des  Drttcke»  da»  KaAhaeMtfWi 
in  dati  xum  großen  Teile  entliehen  gewesenen  Werken  aDflüchtosi. 


Stammtafel 

des 

Hauses    Nassau. 

Von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  den  ersten  Trägern  des  Namens  Nassau. 


Stammtafe 

von  den  ältesten  Zeiten  bis  2 


Oral 

?  firsto  Gemahlin  tma  dorn  Qrabfold.       ?  Zweite  Gemal 


?  Roggo  ?  Nordio 

Graf  im  Grabfeld.  Graf  im  Worms-  u.  KÖnigi 

788.  790.  792.  796.  797. 

?  Adelbert 
Herzog  von  AuBtrasien,  Graf  in  Metz  u.  Trier.         Graf  im  Worms-  u.  KÖn 
822(-839).  834.  837.  f  841.  82S 


Graf  im  KSnigwi 


P  Waltrut 
t  nach  936 


Hatte 
1017.  ?  C 


P  Azecho  Kichildis  Embricho  I. 

Bischof  Yon  Worms.  1034.  f  1044.         Gemahlin  des  Grafen  Wigger.  Gemahlin  Adelind,  Schwester 

1044.  Wigger's.   1034.   1044.  104S.  lOM». 


y  Embricho  II.  ?  ]S.  de 

Graf  im  Nicderlahngau.  1  ().'>*.).  I()fi2.  K 

1073.  107H. 

I 

?  N.,  Gemahlin  Ludwiga  IL, 

des  Rheingrafen. 

I 

y  Embricho 

Rheingraf. 


Ruprecht  I. 

Gcmalilin  Beatrix,  Tochter  Walrams  von  Limburg. 

irJ4.    1125.    1121».   1130.    1132.    1133.    1134.    113.").    113«.    113S.    1143. 

114.").    11415.    1147.    11  .Vi.    li:)4.    ll")!».    1  HJH.     f  '^ 

Arnold  II.                           Ruprecht   II.  Walram  I. 

n.M.                          (icniahlin   Klisabcth   von  Schaum-  Gemahlin  Kunignndis.     117<>  Graf 

t  zwischen   li:)4  u.  li:)."».        hur;;  (1197).    ?   1  U>n.  1170.   117ll.  von  Lnurenburg.   117J».  1 IHO.  ll^MJ.          G< 

1173. 1174.  ?117»;.  ll7'i.llso.  11S4.  ll'J5  Graf  Ton  Nassau.    in»6.              Ei 

ni^V>.   WXK   IHM».   1101.   1102.  t  ■>.  Juli   1107.                              I 
t  vor  iio:.. 

I  . ^ -V 


Luotgard  Heinrich  II.     Ruprecht  V. 

(icmuhlin   Hermanns  von  Yirnc-  1217.  1230.  Deutschordons- 

burg.  1217.  ritter  1231. 


Hises  Nassau 

n  Trägern  des  Namens  Nassau^ 


^Toehi 


ter  f  Adelberts  und  Irminsuinda^s  im  Wormsgau. 


1^  771.  772.  773.  776.  777.  779.  785. 
■Ot.  814.     t  zwischen  814  u.  819. 


h 


4bb  Klosters  Bleidenstadt. 
t  854. 


ntehen  863  a.  889. 


P  Banzleib 
Graf  in   Ostfalen. 


Batto  Y. 

W9  XL  936. 


(Hathold)  VI. 

960. 


•ntwio  L 

hlir  Imioo's  Ton  Leiningen. 
L  995.  1009. 
^^ 
Btwin  n. 

19.  1028.  1032.  1034. 
▼or  1040. 


Udalrioh  I. 

Graf  (WiIdMelia«n  und  Haai«n) 

xwisch«n  863  u.  889. 


Udalrioh  II. 

Graf  (BUbrich)  919  o. 


Yodilhild  —  ?  Gemahl  Ruger 

(Josbaoh)  nach  987. 


?  Tuto  L 

Gemahlin  Rotrade. 

1005. 

Tuto  II.   — 

1005.  t  ?  1040. 


Udalrioh  III. 

preposilus  in  Hornaa 
nach  9S7. 


Rager 
naeh  927. 


Rutger 
Harr  ron  Idatain.  10S4. 


-  N.,  Gemahlin 
T.  Idstein-Eppstein. 


Tuto  III. 
1052.  1070.    t  1076. 


Udalrich  I. 
1052.  1057.  1067.  1070.  1071.  1072.  1074.   f  vor  1076. 


Hn  m.  Tuto  IV. 

,   -f-  TOr  1093.         Graf  Ton  Laurenburg.  1076.  1093. 


Trutwin  IV. 

Gemahlin  Beatrix  von  Amstein. 

?  1101.    t  1107. 


Tuto  V. 

?  1110.    t  vor  1112. 


Arnold  I. 

wll28.  1130.  1132.  1134. 
Ln89. 1144.  1148.  1154. 
1159.     t  ? 


Heinrich  I. 

1160.    1161.    1163. 
t  1167. 


Buprecht  IV. 
Geamhlin  Elisabeth, 
^WditerBmiolM'sni. 
■«11(1235). 


Demudis 

Gemahlin  Embrioho's 

von  Dietz. 


Heinrich 

der  Jüngere,  Graf 

Ton  Dietz. 


P  Udalrich  H. 

Ton  Idstein  1102. 

I 

Udalrich  DI. 

Gemahlin  Mathildis 

[1128].    1114. 

1118  von  Idstein. 

1|22  TonEppstein. 

f^^^  April  1124. 

I 

?  Alberata 

Gemahlin  Emioho*s  II. 

Ton  Leiningen. 


? Konrad 
Ton  Idstein  1102. 


EUHa  fiAfViiiM  ^«^^ 


Da  die  Tontdiende  Stammtafel  im  eigentlichsten  Sinne  die  Tnhaltiangabe 
der  ihr  Toransgehenden  Abhandlang  darsteUt,  so  ist  letztere  Beltwtredend  ienm 
anareiohende  Eridirong.  Es  bedarf  deshalb  für  den  unkundigen  nvr  besflgüsh 
ihrer  äusseren  Einriehtung  der  Auskunft,  dass  die  in  ihr  der  Eflne  irqgai 
gesetiten  Fragesdohen  die  von  uns  nur  vermutete  oder  ersohlossene  Ahhnfl^ 
beiw.  eheliohe  Verbindung  bezeichnen  soUen,  während  die  den  betreffiBadsa 
Namen  beigesetzten  Jahreszahlen  deren  urkundliches  Yorkonunen  bd^gen  md 
ein  Fragezeichen  vor  diesen  die  nicht  vollige  Sicherheit  derselben  bedeutet 


Der  Name  Wiesbaden. 


Von 


Prof,  W*  Streitberg  (Freiburg  i.  d.  Schweiz). 


Einharrl  achreibt  in  der  Translatio  88.  Marcellioi  et  Petri:  „Cum  nie 
qüaedam  ueceääitaä,  secundum  consuGtudinem,  comitatum  regit)  adire  compelle- 
ret  mense  Decembrio,  in  ipsis  (ai  bene  recolo)  Kalendis  de  loca  martyrum  pro- 
movens  aequenti  die  ad  c^strum,  quod  moderno  tempore  Uuisibada  vocatur, 
ibi  mansionem  habiturus  adveni/     Vgl  Acta  S8.  Jun,  I,  196. 

Die  Rei»e,  auf  der  Einhard  Wiesbaden  berührt  hat,  fallt  ins  Jahr  827, 
die  AbfasauDg  des  Reiseberichte  ins  Jahr  830.  Aus  dieser  Zeit  stammt  also 
die  erste  Überlieferung  des  Namens  Wiesbaden,  Die  späteren  Schreibungen 
des  Wortes  ündet  man  bei  Förstemann,  Altdeutsches  Namenbuch  IL  s.  v, 
Qtid  bei  Kehrein,  Nassauisches  Namenbuch  S.  287.  Sie  lehren  uns  nichts 
neues,  brauchen  daher  an  dieser  Stelle  nicht  angeführt  zu  werden. 

An  der  Etymologie  des  Stadtnamens  hat  man  sieb  oft  und  gern  versucht. 
Meist  freilich  mit  mehr  als  zweifelhaftem  Erfolg.  Ich  will  gar  nicht  einmal 
von  jener  alten  naiven  Deutung  sprechen,  wonach  Wiesbaden  seinen  Namen 
erhalten  habe,  weil  man  sich  in  den  Quellen  ^weiss"  wasche.  Aber  auch  manche 
der  neueren  Ableitungen,  wie  z.  B.  die  von  Prof*  Boltz  (Annalen  XII,  314), 
der  Wimni  und  badu  in  Wiesbaden  sucht  und  dadurch  zur  Bedeutung  ^Büffei- 
tummelplatz*  gelangt,  darf  man  getrost  mit  Prof.  Otto  als  einen  lusus  ingenii 
bezeichnen.  Kaum  besser  ist  die  Erklärung  Prof.  Grimmas,  wenn  sie  auch 
mehrfach  Zustimmung  gefunden  hat.  Danach  soll  das  erste  Kompositionsglied 
irisi"  dem  altindischen  inshds^  griecb.  to?  und  lat.  virus  entsprechen*  Nun  ist 
aber  die  indogermanische  Bedeutung  des  Wortes  keine -andere  als  „Qift*^.  Wenn 
man  also  auch  ganz  von  den  schweren  lautlichen  Bedenken  absehen  wollte, 
die  allein  schon  die  Gleichung  verbieten,  so  ergäbe  sich  doch  nur  als  Resultat 
die  mehr  als  seltsame  Bezeichnung  „Giftbad**.  Wenn  Prof.  Grimm  statt 
dessen  mit  kühnem  Gedankensprung  zu  ^Salzbad^  gelangt,  so  entspricht  das 
allerdings  eher  den  Forderungen,  die  man  an  eine  Benennung  der  alten  Aquae 
Mattiacae  stellen  darf,  desto  weniger  aber  den  Prinzipien  der  Semasiologie. 

Dass  sich  auch  die  Keltomanie  ein  so  dankbares  Versuchsobjekt  wie  den 
Namen  Wiesbaden  nicht  hat  entgehen  lassen,  kann  nicht  wunder  nehmen.  Wie 
sollte  es  sie  auch  abschrecken,  dass  der  Name  offenbar  erst  in  nachkeltischer 
Zeit  entstanden  ist?  Was  Freiherr  von  Medem  in  seiner  kleinen  Schrift  über 
Wiesbaden,  den  Namen,  seine  Herkunft  und  Bedeutung  (Homburg  1880)  noch 
23  Jahre  nach  Glück*»  klassischem  Büchlein  über  keltische  Namen  vorzubringen 
wagt,    tragt   so   sehr   den  Stempel   wildester  Phantast! k,    dass  eine  nähere  B#- 


MittJ 


asäm 


Jd^jL 


132 


teuchtung  seiaer  Hypothese  peinlich  wirken  müsste.  Man  wird  sie  mir  deshalb 
erlassen.  Und  was  gelegentlich  Vorgänger  und  Nachfolger  in  gleichem  Sinün 
geäussert  haben  —  darum  ist  es  nicht  besser  bestellt. 

So  bliebe  denn  von  allen  bisher  versuchten  Deutungen  nur  noch  die  Val» 
gaterkhirung  übrig,  die  Wisibada  als  ^ Wiesenbad  ^  fasst.  Man  vergleiche  ita-^ 
rüber  besonders  Friedemann,  Archiv  für  hessische  Oeschiehte  und  Altertums^ 
künde  VI,  (1851),  S,  357  ff. 

Zweifellos  darf  Friedemann's  Aufsatz  als  das  Beste  besseichnet  werdeis» 
was  je  über  den  Namen  geschrieben  ist  Es  thut  seinem  Wert  keinen  Eintrag, 
weim  auch  das  Ergebnis  unhaltbar  geworden  ist.  Denn  Friedeinann  bleibt 
das  Verdienst,  zuerst  auf  die  lautlichen  Schwierigkeiten  aufmerksam  gemacht 
zu  haben,  die  hei  der  Erklärung  von  Wisibada  als  „Wiesenbad**  hostolien. 
Es  ist  nicht  seine  Schuld,  wenn  das  Mittel,  das  er  angewendet  hat,  die  Be* 
denken  zu  heben,  durch  spätere  Forschung  als  unzulänglich  erwiesen  worden  ist 

Die  Ilauptschwierigkeit  bildet  nämlich  der  Vokal  der  Kompositiousfuge. 
Er  ist  *,  Man  kann  daher  die  Frage  nicht  umgehen:  Welchen  NominalstamiB 
hat  man  h\  wisi-  zu  suchen? 

Jedenfalls  weder  einen  n-,  noch  einen  o-8tamra.  AJid.  nisa  ^ Wiese"  iit 
aber  entweder  n*  oder  o-Stamm.  Jenes  ist  jedenfalls  das  ursprünglichere,  wo* 
rauf  auch  altnordisch  veisa  „palus  putrida**  hinweist,  EinJ  oder  i  ist  im  Stamm 
nie  gewesen.  Es  erscheint  auch  nicht,  wo  irina  unzweifelhaft  als  erstes  QliwI 
eines  Kompusitums  auftritt;  Wimnsieten  (8,  Jh.)  u,  dgl  sind  it-Stämme.  Es 
läast  sich  daher,  wenn  man  von  wisa  ausgeht,  die  Form  wisi'  in  H'i^Kirfii 
ninht  erklären.  Das  hat  Friedemao n  «charfen  Blickes  erkannt.  Wenn  er 
aber  der  Schwierigkeit  dadurch  abhelfen  wollte,  dasa  er  als  Nebenform  einen 
jO'Stamm  anzusetzen  versuchte,  so  fehlt  die  ausreichende  Begründung  dureli 
die  Thatsachen. 

Wenn  nun  alle  alteren  etymologischen  Versuche  gescheitert  sind,  ojid 
zwar  in  erster  Linie  an  tlen  Klip|>eu  der  Lautlehre,  so  darf  man  wohl  die  Frage 
aufwerfen^  ob  nicht  gerade  die  Lautlehre,  indem  sie  die  Ungangbarkeii  der 
bisher  betretenen  Wege  darthut,  auch  zugleich  einen  Fiiv  ■  gibt,  der  noe 

zu  einem  in  »achlicher  wie  formeller  Beziehung  befriedigri.  i  .  /jcle  weist.  Ich 
glaube,  ja.  Rein  vom  Stund punkt  der  Lautgeschichte  betrachtet,  läast  der 
Stamm  wim-  drei  Erklärungsmöglichkeiten  zu.  Er  kaun  1.  i*,  2,  ja*  oder/(H» 
3.  f*-8tamm  sein. 

Jn  den  beiden  ersten  Fällen  mangelt,  soviel  ich  sehe,  ein  befriedjgeodei 
Etymon  durchaus.  Anders  im  dritten  FalK  Hier  eröifnet  sich  uomittelbar  der 
Ausblick  auf  eine  passende  Anknüpfung,  seitdem  IL  Rogel  auf  wim-  als  eretai 
Qtied  germanischer  Eigennamen  aufmerksam  gemacht  hat.  Vgl,  liiteratiirb! 
fdr  german.  und  roman.  Philologie  1887,  Sp.  108:  ^german,  «rmi*  in 
namen  {Wimcari,  Wimneh  u.  a.)  =  allgall  vemu*  (Vatttarmf  Vemmm^  &9II9* 
it4nt$)  =^  altind.  väsu-  ^gut"  {V^ammanas  u.  s.  w.,  vgl.  Fick,  Persononnamee 
CCXI),  illyr,  l%'selef'e»'ii<  (Tomaschek  in  Bezzenbergers  Beitrügen  IX,  MX 
Das  Adjektiv  wemi-  ist  aUo  schon  im  Imlogormanischen  zur  NamenbitdoDg  ter* 
wendet  worden.^    Weitere  Verwanten  finden  sich  in  griecb«  ü^  au«    ftodc  und 


f 


$ 


I 


ia3 

—  mit  anderer  Ablautform  —  in  got,  ins  „gut**,  tusha  „bcBsor",  iusila  „Besse- 
rung",  vgl*  Pick,  Wörterbuch  der  iodugorman.  Sprachen«  4.  Aufl.  8.  133. 

Lautliche  Bedenken  bestehen  bei  dieser  Etymologie  in  keiner  Weise.  Denn 
der  Übergang  von  unbetontem  u  zu  i  in  der  Eompositionäfuge  ist  der  gewöhn- 
liche* Man  vergleiche  die  zahlreichen  BoispielCf  die  wisu-  selber  gewährt: 
Neben  dem  bereits  zitierten  Wistfcart  eracheint  mehrfach  im  8.  Jahrhundert 
Wisigardi  im  0,  Jahrhundert  Vinchart^  statt  Wim-rtch  tritt  in  derselben 
Periode   Wisirfch^   Wisirth  auf. 

Auch  im  Gotischen  sind  wimi^  und  wisv-  belegt.  Neben  sprachgeschicht- 
lich  älterem  Vlsu-mdr  erscheint  bei  Jordanes  Vishnär.  Über  Visibadus  vgl. 
Wrodo,  Sprache  der  Ostgoten,  3,  132.  Vor  allen  Dingen  kommt  aber  der 
Name  der  sogenannten  Westgoten  in  Betracht:  Wisujothae.  Mit  „Westen* 
kann  sein  Whi-  aus  sachlichen  und  grammatischen  Gründen  nichts  zu  schaffen 
haben,  wie  ich  in  längerer  Erörternog  bewiesen  zu  haben  glaube.  Sie  wird 
demnächst  im  vierten  Bande  der  von  Brugmann  und  mir  herausgegebenen 
„Indogermanischen  Forschungen**  erscheinen.  Auch  die  0{»t(;ßotjpTftot  dos  Ptolo- 
maios  haben  wem-  als  erstes  Kompositionsglied.  Der  Name  bezeichnet  den 
Stamm  als  die  „gute  Burgen  besitzenden**.  Vgl,  R.  MucH,  Paul -Braun  es 
Beiträge  zur  Gesch.  der  deutschen  Sprache,  XVIl,  132  f. 

Als  Parallele  kann  man  sich  die  Entwicklung  eines  anderen  f<-StammeS) 
%.  B.  fridu'y  in  gleicher  Stellung  vergegenwärtigen*  Es  stehen  nebeneinander 
Fridtihold  und  Fridlbold^  FrUhuburg  und  Fridiburg,  Frithuger  und  Frldiger, 
Fridugcri  und  Fridigart^  Fridugis  und  Fridtgis  u.  dgl.  m.  Sprachgeachichtlich 
sind  natürlich  die  M-Formen  die  ätterenf  die  /-Formen  die  jüngeren. 

Man  sieht  also,  von  Seiten  der  Lautgeschichte  steht  der  vorgeschlagenen 
Deutung  kein  Hindernis  im  Wege. 

Dass  iwtt-,  whi'  auch  sonst  in  Orts-,  nicht  bloss  in  Personen*  und  Volks- 
uameu  auftritt,  beweist  das  ungemein  durchsichtige  Kompositum  Wlsu-mmt^ 
d,  i.  Weisemar  an  der  Lahn,  nördlich  von  Giesaen.  Mit  Wisibada  in  der  Be- 
deutung aufs  nächste  verwandt  ist  Wlaihrtinneiiy  d.  i.  Wiesenbronn  bei  Rüden- 
hausen, nordöstlich  von  Iphofen  in  Unterfranken. 

Nach  Allem  kann  meines  Bedünkens  kein  Zweifel  mehr  bestehen^  das» 
wir  Wmbada  in  wisit-  „gut**  und  bad  „Bad**  zu  zerlegen  haben,  dass  also 
die  Bedeutung  keine  andere  als  „gutes,  d.  b»  heilkräftiges  Bad^  gewesen  sein 
kann,  üass  diese  Bedeutung  des  Namens  zum  Charakter  des  durch  seine 
Quellen  schon  früh  berühmten  Ortes  aufs  beste  stimmt,  braucht  nicht  erst  be- 
tfunders  hervorgehoben  zu  werden. 

Noch  ein  Punkt  bleibt  zu  erledigen»  Schon  früh  hat  man  den  Namen 
ll'udbada  mit  den  rsipctcH^  Usipilf  Usipi  zusammengestellt,  vgl.  Jac,  Orimra, 
Ueechichte  der  deutschen  Sprache  1.  Aufl.,  S.  535,  An  unmittelbare  Verbindung  ist 
freilich  nicht  zu  denken.  Immerhin  enthält  jedoch  die  Vermutung  eine  Ahnung 
des  Richtigen.  NachK.  Much's  glänzender  Etymologie  (Paul-Braune's  Bei- 
träge, XVil,  138  f.)  ist  der  Eigenname  in  Vs-ipetf^s  zu  zerlegen  und  als  „die 
gnlen  Reiter''  zu  deuten.  AltgalL  -ipetes  entspricht  lautgesetzlich  dem  lat. 
djfnilci^,  galL  -ipii  dem  griechischen  i^rmöu    us-  ist  nach  gallischem  Lautgesetz 


134 


aiiB  vesiu)'  bervorgegaugeu.  Vgl,  das  Ussnbium  des  Itin.  Aot.,  das  detn  Vesu* 
bh  der  Tab,  Peut.  gegenübersteht.  Vom  rein  etymologischen  Standpuakt  aus 
betrachtet,  eteht  also  Wisibafla  mit  den  l/si2}etes  allerdings  in  einem  gewtKtKtn 
Zusammenhang:  beide  haben  das  erste  Kompositionsglied  (iudogerm,  wcsu*  »gut'» 
gemeinsam.  Ein  historischer  Zusammenhang  darf  deshalb  zwischen  dem  keU 
tischen  Volksnamen  und  dem  deutschen  Ortsnamen  natürlich  nicht  koii« 
struiert  werden. 

Zum  Schluss  noch  ein  Wort  über  die  alte  Benennung  des  Ortea,  der 
moderno  tempore  Wisibada  vocatur.  Sie  lautet  ager  Müttiacus  (Tac,  Ann,  XI,  20), 
MaUiacum  (Plin.  Hist  nat.  31,  2,  27),  Matriaxov  (Ptul  11.  11,  29),  Aqnitc  Mat- 
tiacac  (Amm,  Marc.  XXLX,  4,}  u.  s.  w.  So  wenig  daran  gezweifelt  werden 
darf|  dass  Wisibada  ein  gut  deutsches  Wort  ist,  so  wenig  kann  geleugnet 
werden,  dass  Mntiiacm  nur  keltischer  Herkunft  ist.  Mit  dem  deutschen  Worte 
Malte,,  dessen  Stamm  nmlira-  ist,  kann  es  schon  aus  diesem  Grunde  nichts  tn 
sohafFen  haben.     Übrigens  ist  die  Etymologie  durchsichtig  genug. 

Das  Suffix  gall.  -ä^o-,  -deo-  bildet  nichtpatrony mische  Peraonennatndo, 
sowie  Völker-  und  Ortsnamen  in  grosser  Anzahl,  bezeichnet  jedoch  niemals  die 
Abstammung.  VgL  Holder,  Altceltischer  Sprachschatz,  8p-  20  ff.  Diesen 
Suffix  gebt  ein  i-Stamm  voraus ;  Matti-,  Lassen  wir  vorläufig  die  Geminatioa 
des  i  bei  Seite,  so  ergibt  sich  eine  Etymologie  unmittelbar  in  dem  Adjektiv* 
stamm  mati',  i,gut",  der  im  Altirischen  als  maith  erhalten  ist*  Der  Stamm 
tritt  in  Eigennamen  öfters  auf,  vgl  MatidonnnSy  Maticius.  Neben  dem  i-Stamm 
existiert  auch  ein  f4-8tamm  mo/u*  von  gleicher  Bedeutung;  er  erscheint  in 
Matuffenm.  MalHCCiHS,  Zu  dieser  Wortsippe  gehört  u.  a,  auch  oetgoi,  malkc* 
in  Mathvmicntha^  dem  Namen  einer  Tochter  Theoderichs. 

Was  nun  das  doppelte  t  in  Mattiatns  gegenüber  dem  einfachen  von  wiWi% 
matu'  anlangt,  so  verdankt  es  seine  Entstehung  den  Kurznameu,  worin  nach 
alti udogermanischem  Bildungsprinzip  Gemination  eintreten  muss.  Man  vergleiche 
die  altgallisehen  Kurzformen  MuUo  =-  kymr.  Math  (Glürk,  Keltische  Nameti, 
8.  Ö7,  FuBsnote  3),  Mattonim,  Mattius, 

Auch  im  Germanischen  tritt  der  Name  Matto  aur.  E;^  kauu  jedorh  kaum 
zweifelhaft  sein,  daiss  die  germanischen  Namen  mit  ntathu-  nicht  als  aite^  Erb* 
gut,  sondern  als  Entlehnung  aus  dem  KeUiscbeu  zu  betrachten  sind.  Denn 
hier  ist  mutH-,  matt-  Mitglied  einer  grossen  lebendigen  Si|»pe,  dort  steht  mathi* 
ziemlich  isoliert  da.  Eine  solche  Entlehnung  darf  nicht  befremden .  Wir  köunea 
an  zahlreichen  germaniseheo  Eigenuameu  deutliche  Spuren  keltischen  Eintlun^es 
nachweisen«  loh  betone  die  Fremdartigkeit  des  mathu'  deshalb  ausdruckliültt 
dass  niemand  versucht  sei,  in  dem  keltischen  Namen  Mattiaci  ein  echt  gemuk 
nssehes  Wort  zu  sehen. 

Aus  den  bisherigen  Erörterungen  ergibt  sieh  als  Resultat :  diui  Adjoklif 
tttattincHs  ist  von  einem  Kurznamen  MatthiH  abgeleitet.  Es  bezeichnet  d«i| 
was  ihm  zugehört.  Die  Mutiinci  siud  also  nichts  anderes,  als  -l*^  V-ji  f]| 
Clan  eines  Häuptlings  Mattius. 


Gigautengruppeu  und  SL  Georg. 


Von 

Dt,  0.  Tietz. 


P 


» 


Wenn  man  in  Erwägung  zieht,  dasa  alle  bekannten  Fundorte  der  Giganten- 
aäulen  innerhalb  eines  eng  begrenzten  Gebietes  der  römischen  Provinzen,  und 
zwar  in  Gallien  und  Germanien,  liegen,  sowie  dasa  die  Säulen  aus  einer  hervor- 
mgend  kriegerischen  Periode  des  Hl.  Jahrhunderts  n.  Chr.  stammen,  so  darf 
man  wohl  der  Annahme  Raum  geben,  daas  diese  eigenartigen  Monumente  ganz 
bestimmten  Veranlassungen  ihre  Entstehung  verdanken  und  zur  Oesehicbte  des 
Bodens,  auf  welchem  sie  standen,  iu  enge  Beziehung  zu  bringen  sind. 

Über  die  allgemeine  Deutung  dieser  Gigantensäulen  sind  die  verschiedenen 
Forscher  übereinstimmender  Ansicht  insoweit,  dass  sie,  wenn  nicht  die  voll- 
ständige Gleichheit,  doch  die  nahe  Verwantachaft  der  Darstellungen  auf  allen 
uns  erhalteneu  Säulen  anerkennen.  Anders  liegt  es  jedoch  mit  der  Deutung 
des  Reiters  und  mit  der  damit  eng  verknüpften  Frage,  ob  die  verschiedenen 
Gruppen  bestimmte  historische  Episoden  zu  verherrlichen  berufen  waren,  oder 
ob  dieselben  einen  rein  mythologischen  Begriff  verkörpern  sollten.  Ohne  hier 
auf  die  Kontroverse,  welche  Person  mit  dem  Reiter  gemeint  sei,  näher  ein- 
zugehen, so  scheint  doch  soviel  sicher,  dass  die  gesamte  Darstellung  den 
Kampf  zweier  feindlichon  Elemente  (ob  den  des  Kömerreiches  mit  den  in 
ihrer  Gefährlichkeit,  nach  Vorbild  der  Gigantoraachie,  selbst  als  Giganten 
wiedergegebenen  Barbaren?),  und  den  Sieg  des  einen  von  ihnen  auszudrücken 
bestimmt  war. 

In  dieser  Auffassung  begegnen  wir  einer  merkwürdigen  Parallele  mit  der 
bekannten  Darstellung  des  Ritrers  Georg,  welcher  ebenfalls  der  Gedanke  dos 
Kampfes  zweiter  Elemente  zu  Grunde  liegt:  des  siegreichen,  repräsentiert  durch 
den  Ritter,  des  unterliegenden,  repräsentiert  durch  einen  Dracheu  oder  Lind- 
wurm* Es  ist  nicht  nachzukommen,  wann  der  Ritter  Georg  zuerst  bildlich  dar- 
gestellt wurde;  indessen  war  bereits  im  lU*  Jahrhundert  n.  Chr.,  also  etwa 
zur  Zeit  der  Errichtung  der  Gigantensäulen,  im  Orient  ein  Ritter  Georg  be- 
kannt und  wurde  wegen  seines  Sieges  über  die  Dämonen  —  feindliche  Elemente 
in  jeder  Beziehung  —  als  Heiliger  verehrt, 

Angesicbta  nun  der  aufialligen  Verwantschaft  der  Gigantengruppen  und 
der    St.   Oeorgsgruppcn    in    ihrer    Ausführung,   sowie   des    Auftretens    dieser 


im 


beiden  typischen  Figuren  »u  ein  und  derselben  Zeit  dörfke  wühl  dio  Aunftfame 
nicht  zu  gewagt  erÄchcinon,  dass  beide  Typen  aus  einer  gomeinsamcD  Wurxcl 
hervorgegangen  sind  und  beide  ursprünglich  die  gleiche  symbolische  Bedeutung 
hatten.^)  Dieser  Annahme  konnte  Yielteicbt  als  weitere  Stütze  dienen  der  Umütand« 
dass  damals  die  engsten  Beziehungen  zwischen  den  verschiedenen  Bewohnern 
des  römischen  Reiches  stattfanden;  ist  es  doch  eine  Thatsache,  dasa  gerade  in 
der  ersten  Hälfte  des  rH*  Jahrhunderts  eine  Reihe  von  orientalischen  Truppen- 
körpern :  Parthor,  Osrhoener  und  andere,  infolge  der  Oermanenkriege  des  Cara- 
calla,  Alexander  Severus  und  Maximinua  Thrax  an  den  Rhein  gekommmi  sind. 
Hatte  doch  auch  schon  auf  demselben  Wege  und  auf  demselben  Terrain  der 
persische  Mithraskultus  Eingang   und  weite  Verbreitung  gefunden. 

Im  Verfolg  dieser  Auffassung  dürfen  wir  nach  dem  Vorbilde  do«  ho  nahe 
verwanten  heiligen  Qeorg  wohl  auch  von  unseren  Oigantensäulen  annebmen, 
dass  sie  nicht  nur  als  Symbole  der  siegreich  überwundenen  Elemente  aufgestellt 
wurden,  sondern  auch  die  Bedeutung  eines  (/enius  iociy  des  Schutzheiligen  für 
dfus  betreffende  Besitztum,  erhielten^)  und  als  solche  religiöse  Verehrung  ge* 
aoaseo.  Dann  wäre  auch  für  die  eigentümlichen  Umstände,  unter  welchen  unsere 
Sehiersteiner  Säule  gefunden  wurde,  eine  ausreichende  Erklärung  vorhanden: 
religiöser  Fanatismus  zerstörte  die  Monumente,  warf  die  Schutzheiligen  der* 
selben  in  dio  Brunnen  oder  Senkgruben  oder  suchte  sie  gar  durch  die  ausser- 
ston  Hilfsmittel  ursprünglicher  Technik,  wie  in  Sohierstein,  für  ewige  Zeit4!0 
unsichtbar  und  damit  unschädlich  zu  machen. 

Treffen  diese  Ausführungen  das  Richtige,  so  gewinnt  auch  die  Zer^toniiig 
der  Uigantensäulen  engere  geschichtliche  Beziehung  zu  dem  Boden,  auf  wel- 
chem wir  sie  finden;  sie  sind  in  ihren  meist  dürftigen  Üburresteu  der  Ausdruck 
einer  gründlichen  Zerschlagung  der  romischen  Weltherrschaft  auf  unserem 
heimischen  Boden  durch  germanische  Hände. 


')  [Erw'oisi  sioli  oincr  cingcliendeu  Forsohung  gegenüber  eine  aolclie  Ver^  '  %[% 

iffirklicli  bestehend,  ao  Iciinn  sich  die  Ansieht,  welche  in  den  Darsu^llutigeii  der  »v-  ri* 

•iulen  die  Wiedergab«  einer  lokmlen,  keltischen  oder  genniiniilchctif  mytholo^tiiehcn  AuHübmu* 
ung  ^liHekt  («o  «.  B.  Hettner:  Wcutd.  Zeitachr.  IV,  3HO  f.),  ituf  »iioeieUe  Aiinlügioon  bo* 
rufen:  ia  Ägypten  und  in  dem  unter  Ägyptischem  Einflüsse  »tehenden  ben«ehb«rteti  Smen 
bat  die  Verehrung  und  bildliche  DttrstolUing  de»  ein  Untier  bekämpfenden  Ritten  Gcor^  »o 
den  oniapreehenden  altimtiomilcn  Mythus  von  Horus  ftugeknüpfl  (vgl.  Glerinuni-G«uue«ii; 
Her,  «roh<'K)l.  Ih77.  Nouv.  Svr.  Tome  XXXII»  8.  lUÖ  ff.  und  dauaeb  ÜArtoo:  Wo»tormiuiu\ 
llluÄtr.  Monatsh,   mn,  Febr.  S,  «2t*  ff.)    (E.  R.)J 

*i  (In  diesem  Zusammenhange  darf  TieUeiobt  darauf  hingewieucn  werden,  dasi  dioiii 
Dt^nkffliUer  durch  die  in  d«n  daxu  gehörigen  Innehririen  verhiUtüiiniiwig  hAufig  bi^g«gii«ndc^ 
mehr  oder  weniger  auagoaehriobeno  Formel  ^iu  luo  punuit"  «ich  aufdrtlekboh  al«  Privath^llif* 
iOnor,  gegvnaber  den  in  ütfcntltchon  Tcmpidu  crriiditotcn  Alkiron  und  GSUerbildorn«  tu  fr» 
kennen  geben.  Zu  einer  Aufstellung  in  oder  bei  dem  Hmi*^  d^»  Dedtkantcn  «timflit  «eifir, 
dass  die  drei  Namen  de»  Dodikanteu  uftor  nieht  auigescltriobijn,  sondern  nur  mit  den  drri 
Anfangtbuehstaben  besetchnet  sind.    (IL  R.)) 


4 


Die  Mennoniten  und  ihre  Bedeutung  für  die 
Kultur  in  Nassau. 

Von 

C.  Spielmann« 


Etwa  zwei  Jahre,  nachdem  das  Herzogtum  Nassau  durch  die  Rheiabunds- 
akte  als  Staat  der  Confederation  germanique  konstituiert  war,  hielten  die  beiden 
Staatsminister,  Freiherren  von  Marschall  und  von  Gagern,  ihren  Souveränen,  dem 
Herzoge  und  dem  Fürsten  zu  Nassau  zum  erstenmale  Vortrag  über  den  ge- 
samten Zustand  des  Landes.  In  dem  dazu  ausgefertigten  Schriftstücke  kommt 
bezüglich  der  Landwirtschaft  die  folgende  Stelle  vor:  „Der  Ackerbau  bleibt 
die  Hauptquelle  des  deutschen  Wohlstandes.  Wäre  er  nicht  von  so  guter  Bc- 
sohaiFenheit,  wie  hätte  unsere  Nation  so  viele  Leiden''  (gemeint  ist  das  durch 
die  Kontinentalsperre  hervorgerufene  Elend,  das  im  vorhergehenden  Abschnitte 
geschildert  war)  „ertragen  können !  Die  grossen  Theorien  anderer  Länder  finden 
wir  zwar  bei  uns  nicht;  wenige  unter  uns  sind  vielleicht  selbst  unterrichtet 
genug,  um  sie  ganz  zu  würdigen.  Aber  in  dem  praktischen  Teil  ist  dennoch 
Leben  und  Betriebsamkeit.  Vorzüglich  unsere  Wiedertäufer  gingen  mit  Bei- 
spiel voran,  Nachbarn  der  vormaligen  Unterpfalz,  und  mit  ihnen  rivalisierend 
schreitet  man  überall  vorwärts.  Der  Kleebau  hat  uns  geholfen.  Die  Brache 
ist  eingeschränkt  Die  Viehzucht  prosperiert.  Allein  wir  bekennen  gern,  dass 
wir  noch  ein  weites  Feld  vor  uns  haben."  — 

Diese  sogenannten  Wiedertäufer,  die  hier  als  Pioniere  einer  neuen  prak- 
tischen Bodenkultur  dargestellt  werden,  sind  Mennoniten.  Wenn  sie  nach 
dem  Zeugnis  der  beiden  Staatsmänner  sich  um  die  Landwirtschaft  also  verdient 
gemacht  haben,  so  verdienen  sie  selbst  wohl  wiederum,  dass  ihre  Herkunft,  ihr 
Verbleib  und  ihre  Arbeit  in  unseren  heimischen  Qauen  eine  kurze  historische 
Beleuchtung  erfahrt. 

Es  ist  bekannt,  dass  zur  Zeit  der  Reformation  das  ganze  Niederdeutsch- 
land von  einer  weitverzweigten  religiös-kommunistischen  Bewegung  ergriffen 
wurde,  deren  Tragweite  ebenso  gefahrlich  war  wie  die  der  Empörung  der 
Reichsritter  und  der  Bauern  in  Mittel-  und  Oberdeutschland  kurze  Zeit  vorher. 
Träger  dieser  Bewegung  waren  die  Wiedertäufer^  oder  wie  sie  sich  selbst 


138 


narintcD,  die  Taufgesionton.   Und  auch  ein  grosses  politisches  Moment  wirkte  mit, 
detnukratische  Teadenzen,  die  an  die  hansischen  Revolutionen  der  Vergaii^eii«| 
heit  erinnerten  und  an  der  damaligen  löbischen  Bewegung  Stütze  fanden.    ADetii^ 
die  Excesse  im  münsterischen  Königreiche  Neu-Zion,  der  Hochburg  der  Wieder* 
täufer,  forderten  die  niederdeutsche  Fürstenmacht  zum  Kampfe  gegen  die  Uot«| 
sturzler  auf.     Die  folgenden  Ereignisse  sind  bekannt.    Münster  wurde  belagert ' 
und  fiel ;  mit  blutiger  Strenge  unterdrückte  das  Richtschwert  die  Taufgesinoieti* 
Als  politische  Macht  waren  sie  vernichtet;    die   grosse   Bewegung   war    unter* 
drückt*    Die  Reste  der  Glaubensgenossen,  verfolgt,  zerstreuten  sich  in  alle  Laode, 

Man  würde   indessen  fehl  gehen,   wenn   man   glauben  wollte,    die  groMe 
Mehrzahl   der  Taufgesinnten   hätte   den    religiös-mystischen,    blutig*tleisehUehen 
Mischmasch-Lehren   zugestimmt   und   das   Treiben    in  Münster  gebilligt      Dm] 
war  nicht  der  Fall ;  die  Folge^seit  lehrte  es,  als  der  Prediger  der  Taufgesinnteo  j 
zu  Altena,  Menno  Simonis^   die   zerstreuten  Qläubigen   sammelte.     Es   ist   seio  \ 
Verdienst,   den  Genossen,    nach   ihm    Mennoniten   genannt,    eine   feste   geistigf 
Organisation   gegeben   zu   haben;    eine   äussere,   soziale   oder  politische   aller-^j 
dings  nicht,  weil  dies  den  Grundsätzen  seiner  Lehre  widersprach,  wie  wir  noch 
sehen  werden.     Trotzdem  war  die   religiöse  Überzeugung   und   das   Festhatten 
am   Worte   bei   den   zerstreuten   Taufgesinnten-Gemeinden   so   stark,    dass   sie 
mehrere  Jahrhunderte  untereinander  in  der  innigsten  Verbindung  standen^  ohne 
ein  geistliches  Oberhaupt,   sei  es  in  einer  Person  oder  in  einer  mehrgliodrigiMi 
Behörde,  zu  besitzen. 

Den  niederdeutschen  Mennonitengemeinden  schloss  sich  eine  Anzahl  ober* 
deutscher  an,  die  sich  auf  gleicher  Grundlage  wie  jene  konsolidiert  hatten*  Eji 
waren  Reste  der  Waldenscr,  die  sich  trotz  aller  Verfolgungen  in  der  Schweiz, 
in  Tirol,  im  Elsass,  in  Bayern  und  Schwaben,  ja  in  Ungarn  erhalten  hatten, 
fleissige,  friedliche,  fromme  Leute,  die  niemals  daran  dachten^  eine  politisebe 
Rolle  zu  spielen,  sondern  ak  treue  Ünterthanen  dem  Lande  dienten,  desaea 
Herren  sie  unterstanden. 

Dennoch  liees  ihnen  religiöse  Feindschaft  keine  Ruhe.  Wie  die  spaniflche 
Inquisition  nnd  das  Würgeschwort  Alba*s  die  niederländischen  Mennoniten  tmn 
Teil  nach  Niedersachsen  und  dem  Herzogtumc  Preussen  vertrieb,  so  begannen  aueh 
die  CaWinisten  in  der  Schweiz  und  die  Katholiken  im  Eisaas  die  Verfolgung^« 
Man  sah  hier  in  den  Mennoniten  die  gefürchteten  Wiedertäufer,  Staats-  und  sozial«, 
religions*  und  sittengefahrliche  Menschen.  Aber  ohne  Zweifel  spielten  auch  Hab* 
sucht  und  Raubgier  bei  den  Nachstellungen  eine  grosso  Rolle,  Diese  letzteren  b©* 
gaonon  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  und  nahmen  besonders  in  der  Folge- 
zeit, namentlich  in  einigen  Kantonen  der  Schweiz  in  grossem  Mansstabe  zit 
Nach  dem  grossen  Kriege  erreichten  die  Verfolgungen  den  Höhepunkt.  Trotz 
verschiedener  Anschreiben  der  Generalstaaten  an  die  Schweizer-Republiken 
hörten  die  Peinigungen  nicht  auf  Viele  der  braven  Leute  wurden  der  fial- 
sehesten  Anklage  nach  gemartert,  getötet  oder  des  Landes  verwiesen,  nachdem 
man  ihre  Güter  konfisziert  hatte.  Eine  der  schlimmsten  Verfolgungen  war  die 
im  Kanton  Bern^  1671 — 72«  Dutzende  von  oberdeutschen  Mennoniten  TerlieMtQ 
deshalb,  um  den  Anfeindungen  zu  entgehen,   das  ungastliche  schweizer  ß^biiit 


i 


13» 

nd  zQgBü  rheinabwärU  io  das  kurpfäkbche,  wu  s^ie  der  Ijaudeaherr  Karl  Lud- 
ig  (1632 — 80)  freuodlich  aufnahm.  Bald  darauf  wurden  sie  durch  Glaubens- 
ito«8ea  aus  dem  Elsass  verstärkt,  die,  ebenso  flüchtig  wie  sie,  nlch  den  Nach- 
ellungen  des  ^grossen"  Roi-soleil,  Ludwigs  XIV»  entzogen* 

Arm  kamen  die  Einwanderer  zumeist  nach  ihrem  neuen  Vaterlande;  aber 
r  rastloser  Floiss  tiberwand  alle  Mühen  und  Entbehrungen.  Wenn  sie  nur  Grund 
d  Boden  vorfanden,  hiesd  es  bei  ihnen,  urbar  machen  und  bebauen  woHten  sie 
n  schon.  Und  gab  es  nicht  noch  damals  vom  grossen  Kriege  her  Hunderte 
>n  Morgen  Ödlandes  mitten  in  den  Kulturgebieten!  Aber  kaum  war  das  neue 
leim  einigermassen  gegründet,  die  Erde  mit  saurem  Schweisso  betaut^  die 
Hand  am  Pfluge  und  an  der  Karre  rauh  geworden,  da  nahte  wieder  «las  Ver- 
rben.  Als  die  Sendlinge  des  „allerchristlichöten  Königs*  die  fruchtbaren 
cgenden  am  Rheine  in  eine  Wüste  verwandelten,  als  die  Städte,  Dörfer  und 
oilcr  der  schönen  Pfalz  zu  Hunderten  in  Flammen  aufgingen  und  die  Brand* 
olken  auf  Meilen  hinaus  die  Sonne  verfinsterten  wie  tler  lleraucli,  da  standen 
oh  die  Mennoniten  an  dem  „Grabe  ihrer  Habe**. 

Und  wiederum  legten  sie  Hand  ans  Werk,  und  wiederum  erstand  aus  den 
rümmeru  ein  neues  Ueim.  Trotz  der  mannigfachen  aufeinander  folgenden 
riegsläufte  wuchsen  die  mennonitischen  Siedelungen  an  und  blühten.  Aber 
sehr  man  in  Kurpfalz  notgedrungen  dem  Fleiss  und  der  Geschicklichkeit 
r  fremden  Bewohner  Beifall  zollen  musste,  man  betrachtete  sie  dennoch 
mer  mit  argwöhnischen  Blicken,  man  traute  ihnen  als  vermeintlichen  Ab- 
mmlingen  oder  Religionaverwandten  der  Wiedertäufer  nicht.  Man  glaubte^ 
is  sie  in  ihren  kirchlichen  Zusammenkünften  sozialgefiihrliche  separatistische 
Jeen  pHegten*  Deshalb  fing  auch  Kurfürst  Karl  Theodor  schliesslich  an,  wieder 
non  starken  Druck  auf  die  Eingewanderten  auszuüben* 

Ein  Teil  dieser  wollte  sich  das  nicht  bieten  lassen*     Sic  vernahmen  von 

Änem  toleranten  Fürsten,    der   nördlich   über  dem  Maine   wohnte   und   fremde 

eissigo  Ackerbauer   gern   aufnahm.     Dieser   Fürst    war    Karl   Wilhelm   von 

Nassau- Usingen  (1776 — 1803).     So  machte   sich   denn    zu  Endo   der    siebziger 

nd  Anfang  der  achtziger  Jahre  eine  Anzahl  mennonitiseher  Familien  aus  der 

egend  von  Heidelberg  und  Mannheim  auf  und  wanderte  ins  Nassauer  Land. 

Wie  die  Patriarchen    und   alttostamentlichen    Sfaramesaltesten,    mit  Weib 

ind  Kind,    ihre  bewegliche  Habe  auf  Wagen   und  ihr  Vieh   mit  sich  führend, 

meu  sie.    Hocherfreut  nahm  sie  der  treffliche  Regierungspräsident  von  Kruse, 

Ibst  ein  tüchtiger  Musterlandwirt,  auf.    Am  21.  Februar  1783  bezog  Valentin 

Dahlem,  der  spätere  Kirchensenior  der  südnassauischen  Mennoniten,  schon  da- 

iftls   wegen   seiner  Frömmigkeit   und  Intelligenz   hochangesehen    unter  seinen 

bensbrüdern,    als  Pächter  das  frei  herrlich  von  Krusische  Gut  zu  Mosbach, 

Und  jetzt  begann  die  Thätigkeit  der  sesshaft  Gewordenen.    Die  Regierung 

ihnen   teils   grössere,   teils   kleinere  Güter   in   Pacht,   meist  in  den  Herr- 

(   Wiesbaden  und  Idstein   und   an  Stelleü,    wo  in  der  Nähe  viel  Brach- 

L  ikvnd  lag.    Systematisch  war  Freiherr  von  Kruse  darauf  bedacht,  beson* 

die  Umgebung  von  Wiesbaden,  wo  sich  noch  Hunderte  von  Morgen  wüster 

ecken  befanden,  in  fruchtbare  Gefilde  zu  verwandeln»    Theoretisch  wie  prak* 


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140 


fciBüh  war  er  thätig.  Im  Jahre  1780  gab  er  anonym  eine  Sobrift  berat»: 
,  Kurzer  Lehrbogriff  der  Landwirtschaft  und  Ilaushaltungskundt  tum  Qebraoebe 
der  doutächoü  Schuleo  und  des  Landmanns  in  den  nassau-usingiachen  Landen.* 
Daa  leicbtfaaslich  geschriebene  Büchlein  wurde  in  den  Schulen  eingeführt  ujhI 
gelangte  auch  in  Dutzenden  von  Exemplaren  in  die  Hände  der  Bauern,  Es 
wurde  für  Südnassau  der  Katechismus  einer  rationellen  Nationalakonomie.  Aber 
auch  den  praktischen  Feldbau  betrieb  v.  Kruse  persönlich.  Seit  1783  begaan 
unter  seiner  Leitung  die  Urbarmachung  des  Geisbergs,  der  bis  dahin  noch  eioe 
herrenlose,  steinige,  mit  Qestrupp  bewachsene  Öde  dargestellt  hatte.  Bald  ttr- 
wandelte  er  sich  in  eine  mit  herrlichen  Saaten,  fruelitbaren  Äckern,  fetten 
Wiesen  und  sogar  streckenweise  mit  Weiogärten  bedeckte  Anhöhe^  und  ab 
ihn  171)6  der  Fürst  ankaufte,  bildete  der  Hof  samt  seinen  zugehörigen  Laniki- 
reien  einen  ganz  bedeutenden  Komplex* 

Bei  all  diesen  Bemühungen  leisteten  die  Mennoniten  der  Regierung  that- 
kräftige  Unterstützung.  Ihre  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  überkommenen 
und  stets  vervollkommneten  Weisen  der  Bodenbearbeitung  und  Bodenmeliuratiou 
wurden  von  Kruse  aufgeuoraraen  und  verwertet.  Besonders  war  es  die  Kultur 
der  Kartoffel  jeues  erst  in  damaliger  Zeit  im  Grossen  aagebauten  Nahrung»« 
mittels,  welche  die  Mennoniten  eifrig  betriebeo.  Man  kann  sich  denken,  wie 
wichtig  dies  in  dem  Jahrzehnte  nach  der  furchtbaren  Teuerung  von  177Ü  bis 
1772  war. 

Die  unermüdliche  Thätigkeit   der   Eingewanderten  hielt  auch   unter  Am 
Drangsalen  der  Revolutionskriege   an^   welch   letzlere   unser  Gebiet   von    1795 
Im  IHOOy   also   sechs   Jahre   laug   schwer   trafen.     Die   Zähigkeit,   mit  der  die 
Mennoniten  an  ihrer  Scholle  festhielten  uud  die  Liebe  zur  Landarbeit  liert: 
alle  Mühen  uud  Gefahren  standhaft  überdauern. 

Es  geschah  gerade  in  jener  sturnibowegten  Zeit,  dass  Albrecht  Thaer  in 
seinen  Annalen  der  niedersäcbsischen  Landwirtschaft  (1798 — 1804)  zuerst  die 
Grundsätze  der  rationellen  Ökonomie  darlegte,  während  er  1804  zu  Muglin  die 
erste  deutsche  Lehranstalt  für  Landwirte  eröflTuete.  Einige  Jahre  ssuvor  halte 
(1801)  der  Freiherr  von  Fellenberg  zu  Ilofwyl  in  der  Schweiz  seine  Muster* 
Wirtschaft  gegründet.  Bekanntlich  war  Adam  Ilaseloch,  der  Bebauer  (aeiJ 
1804)  des  nach  ihm  benannton  ^Adamsthales^,  ein  Schüler  Fellenbergs.  Aber 
im  allgemeinen  hatten  die  Ministor  reeht^  wenn  sie  sagten:  „Die  grossen  Theo- 
rieon  anderer  Länder  finden  wir  bei  uns  nicht;  wenige  von  uns  sind  vietleieht 
selbst  unterrichtet  genug,  um  sie  ganz  zu  würdigen,**  Die  3[ennoniten  botrtebeii| 
ohne  von  Thaer  und  Feilenberg  etwas  zu  wiBseo»  und  ohne  viel  Aufhebens 
viin  ihren  Errungenschaften  zu  machen,  die  Landwirtschaft  so  rationell  aU  tnuf- 
lich.  Die  sorgfältigen  Aufzeichnungen  Valentin  Dahlems  bezeugen  dies.  Die 
Erfahrung  war  nach  seiner  Ansieht  die  beste  Lehrmeisterin  und  »ein  Wshl« 
Spruch ;  Probieren  ist  besser  als  studieren.  Gewissenhaft  notierte  er  vciti  Jahr 
zu  Jahr  diese  Erfahmugen  und  zog  daraus  stets  das  Facit  für  die  kommende 
/^eit.  Vnd  darum  war  auch  das  Wort  der  Minister,  das  dem  oben  angeftihrieft 
folgte,  von  um  so  grösserer  Bedeutung:  ^Aber  in  dem  praktischen  Teil  iil 
dennoch  Leben  und  Betriebsamkeit.*^ 


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141 

Nach  der  Yergrösseriing  des  nassauischeD  Gebietes  durch  den  Reichs* 
deputatioQshauptschluss  und  die  Rheiabundsakte,  1803  und  1806,  ^alt  ea  auch 
der  Landwirtschaft  in  den  erworbenen  Ländern  aufy;uhelfen.     Nun  wurden  die 

tlenmmiten  geradesiu  als  Lehrer  der  Bauern  verwandt,  Wir  finden  ihre  An- 
ledelungeu  beim  Kloster  Eberbaeh,  wo  sie  die  kulturelle  Thätigkeit  der  Mönche 
irtitetzeDy  bei  Braubach,  im  Trieriachen  auf  dem  ll^nterweaterwalde  und  im 
lunkeh'schen  au  der  Lahn.  Auch  in  dem  damals  noch  nicht  nassauisehen 
febiete  der  Niedergrafschaft  Katzenelnbogen  und  des  ehemaligen  Fürstentiiniö 
Ditleuburg  treffen  wir  sie,     Sie   waren   allenthalben   wohlgelitten    wegen    ihres 

toacheidenen  Auftretens,    ihres   makellosen  Lebenswandels   und   ihrer  uneigen- 
üt^jgen  Uilfsbereitschaft.    Mit  Rat  und  That  gingen  sie  ihren  andersgläubigen 
laehbarn  zur  Hand,   vermieden  peinlieh  Zank  und  Streit   und  achteten  genau 
uf  die  Heiligkeit  des  Eigentums.    So  charakterisiert  sich  das  bürgerliche  Leben 
er  Mennoniten. 
Zu  Anfang  des  Jahrhunderts   begannen  sich  die  mennanitisehen  Gemein- 
den in  den  nassauischen  und  pfiilzischen  Gebieten  auch  in  kirchlicher  Beziehung 
zu  konsolidieren.     Es  war   dies  eine  Notwendigkeit,   die   sich   aus   den    gleich* 
zeitigen  politischen  Territorialveränderungen    ergab.     Zu   Ibersbeim   am  Rhein, 
,    auf  damaligem   französischem   Boden,    trat   am    5,  Juni  1803    ein    Konzil   der 
^^^frrediger  ton  sechsundzwanzig  mennonitischen  Gemeinden  zusammen,  und  nach 
^^Beschehener  Beratung  wurde  von  der  Versammlung  Valentin  Dahlem  zu  Wies- 
^^ftaden  beauftragt,  eine  Liturgie  für  die  Anfanger  im  Predigtamte  zu  entwerfen. 
Dahlem  unterzog  sich  der  Arbeit,  und  in  einer  zweiten  Zusammenkunft  an  dem- 
Hclben  i^rte,    am   9.  Juni    1805,    bestätigte   die    Kirchen  Versammlung   das    vor- 
^^elegte  Formularbuch,   das  nun  von  allen  rheinischen  Gemeinden  angenommen 
^^■rurdeJ)    Es  verbreitete  sich  über  folgende  Punkte:   1)  die  hl  Taufe,  2)  das  liL 
HjLbeudmahl,   3)   die   Kopulation,   4)   die   Wahl   und   Installation   der   Prediger, 
^^B)  die  Wahl  und  Installation  eines  bestätigten  Predigers,  6)  die  Wahl  und  An- 
^^■reisung  eines  Altesten,  7)  die  Absetzung  eines  Predigers  und  Altesten,  8)  die 
^^^Hir<5henzucht  —  und  gab  an,  wie  in  diesen  Stücken  zu  verfahren  sei. 

Wir  können  auf  die  einzelnen  Punkte  nicht  näher  eingehen;  es  würde 
^ins  das  zu  weit  führen.  Vieiraehr  begnügen  wir  uns  damit,  hervorzuheben, 
^^■rorin  die  Mennoniten  sich  von  den  übrigen  Protestanten  unterscheiden.  1)  Sie 
I^Mufen  nicht  die  Kinder,  sondern  erst  die  Erwachsenen  nach  der  Konürmation, 
Hinter  Berufung  auf  den  strengen  Wortlaut  von  Matth,  28,  19.  2)  Sie  ver- 
Hircigern  den  Eid  und  gehen  nicht  über  ^Ja**  und  ^Nein**  hinaus,  nach  Matth.  5, 
^^^■4 — 37.  3)  Sie  erlauben  Ehescheidung  nur  bei  vorliegendem  Ehebruch»  naeh 
^^latth.  5,  81 — 32»  4)  Sie  dienen  nicht  dem  Kriegshandwerke  nach  Matth.  5, 
33—89,  43~-41,  und  22,  39,  ferner  20,  52.  5)  Sie  halten  das  Verwalten 
obrigkeitlicher  Ämter  für  bedenklich,    nach  Luk.   12,  14.    6)  Sie  erlauben  nur 


')  Sein  voUstÄndiger  Titel  lautete:   ^ÄUgemeiaea   und   vollaUlndiges   Formularbuoh   für 

QotteBilien8tli«ibe  Handlungen  in  denen  Taufgcsinnfcen  ETAngeliachen  Monnoniten-Üemeindeiit 

ni*b»t  firbetorn  zum  Ocbrnurh   niif  iille   vorkommende  Fiille   h^lm  ofTentUt^ion  Ootteadtenat, 

^n»  aorh    dif^    Formert    und   Oobc^tern    uiuteriT    Brüder   am    Neckar.     Neuwied.     Gedruckt    bei 


143 


die  Heirat  mit  GlaubensgenosBen,  nach  1.  Kor*  14^  40  und  schliessen  Zuwider^ 
handelnde  aus. 

Wie  nun  fast  in  jeder  Keligionögeineinsehaft  eine  strengere  und  eine  ge- 
lindere Richtung  existiert,  so  war  dies  auch  bei  den  Menooniten  der  Fall,  Dti 
Anhänger  der  ersteren  nannte  man  Friesen  (Äminger,  Ajnmoniten),  die  der 
letzteren  Flanirainger.  Die  Aminger  unterschieden  aicb  von  den  Flammingcm 
durch  den  Gebrauch  der  Fuaawaschung  vor  dem  Abendmahle,  durch  die  Be- 
obachtung einer  strengeren  Kirchenzucht,  durch  den  Bart,  den  die  Flammbger 
nicht  trugen  und  durch  einfachere  Kleidung  mit  Krampen  und  Ösen  statt  dur 
Knöpfe.     Sie  nahmen  auch  die  Dahlem'sche  Liturgie  nicht  an. 

Die  Flanuninger  bestehen  heute  nicht  mehr  auf  den  obenerwähnten  seehs 
Unterdcheidungspunkten,  sondern  halten  hauptsüefah'ch  an  den  beiden  6ril4»ii 
und  dem  fünften  fest  (Verweigerung  der  Kiodertaufe,  des  Eides  und  der  Be- 
kleidung eines  obrigkeitlichen  Amteö). 

Die  Prediger  wurden  durchs  Los  von  allen  erwachsenen  mannlichen  uudi 
weiblichen  öemeindegliederu  gewählt.  Es  waren  sittlich  reine^  begabte  Leute. 
Nach  alter  Vorschrift  durften  sie  nicht  wissenschaftlich  von  andern  gebildet» 
dagegen  konnten  sie  Autodidakten  sein.  Was  ein  solcher  Autodidakt  leistete, 
davon  zeugen  V.  Dahlems  theologische,  litterarische,  naturwissenschaftliche  und 
landwirtschaftliche  Abhandlungen.  Er  verstand  griechisch  und  lateinisch  und 
sprach  das  Hebräische  Hiessend  —  ein  wirklicher  Bauern philosoph.  Das  zweite 
und  dritte  Erfordernis  war,  dass  der  Prediger  sich  verheiratet  hatte  und  sein 
Amt  unentgeltlich  verwaltete.  Bestätigt  wurde  der  Prediger  erst  durch  ©i 
/»weite  Wahl,  nachdem  er  drei  Jahre  provisorisch  amtiert  hatte.  Erst  dann] 
durfte  er  auch  die  Sakramente  administrieren.  Später  jedoch  wurde  für 
Prediger  eine  theologische  Schule  zu  Amsterdam  gegründet. 

Um  das  Jahr  1790  vereinigten  sich  die  in  Sud^Nassau  angesiedelten  Men 
nouiten,    die  zu    den  Flammingern   gehörten,   zu  einer  Gemeinde.     V,  Dahlei 
wurde  zum  Prediger  gewählt   und  verwaltete  sein  Amt    bis  an  seinen  Tod  ii 
Jahre  1840,  also  ein  halbes  Jahrhundert  lang.    Der  Prediger  wohnte,   wie 
wähnt,  zuerst  in  Mosbach,  dann  als  herrschaftlicher  Outspachter  auf  dem  Kop-' 
pensteiner  Ilof  (Dern'schcs  Hauö)  in    Wiesbaden,   seit  1820   abwechselutl  auf 
dem  Schafhofe  bei  Bleidenstadt  und  dem  Rosenkoppel  bei  Frauenstein«    Dme 
beiden  Höfe  hatte  er  für  zwei  seiner  Kinder  gekauft,  zwei  anderen  Sühnen  dei 
Hof  bei  Hornau  und  die  Steiners  Mühle  am  Dendelbache  (a.  d.  Emserstraaie] 
bei  Wiesbaden.    Alle  vierzehn  Tage  Sonntags  hielt  er  auf  der  letzteren  Qotte#- 
dienst,  zu  welchem  die  umwohnenden  Glaubensgenossen  zusammenkamen.    Di 
hohen  Feiertage  predigte  er  zu  Massenheim  und  reichte  dabei  das  Abendmahl; 
obendort   war  zu  Ostern  Kontirmatiou   und  Taufe.     Die  Gemeinde  führte  den 
Namen  Wiesbaden  und  besass  ein  Kirchensiegel.     Dieses  zeigt  die  Uatle  oin 
Teiche  Bethesda;    vier    Personen    stehen    unter   deren   Bogen,    drei  tauch»o 
das  Wasser,  oben  darüber  schwebt  der  Engel.    Die  Untei'schrift  lautet:  Joh. 
V.  8,  die  Umschrift:  Siegel  der  evang.  Menon.  Uemeiude  in  u,  hei  Wisibadeo. 


I 


dei  Verfanfri. 


MO  wie  das  Fofmularbock  imit , 


T.  OftUlvBii  tiad  in  Bmim 


143 


Es  sei  b^nerkt,  dass  Y.  Dahlem  eine  Zeit  lang  zugleich  die  Flamminger  Ge- 
meinde zu  Neuwied  am  Rhein  administrierte. 

Um  1880  etwa  stellte  sich  die  Anzahl  der  Glieder  der  mennonitischen 
Gemeinde  Wiesbaden  folgendermassen : 


Imter. 

Ortschaften. 

An: 

der 
Familien. 

eahl 
der 

Namen 

der 

Familien. 

1)  Hochheim 
.2)  Höchst 

3)  Wehen 

4)  Wiesbaden 

Massenheim 

f  Eschborn 

l  Hornau     1 

Schafhof  (Bleidonstadt)      .    . 

Wiesbaden  . 

RosenkSppel 

Schierstein 

Kloppenheim 

Mosbach 

1 
3 
1 
3 

1 

1 
1 

3 

6 
22 

5 

16 

8 
3 

7 

18(?) 

Mfiller 

Dahlem 

Hiestand 
l  Christoph 

Krehbiel  (Staufer) 

Dahlem 

Hüthwohl 
l  Steiner 

Dahlem 

Weber 

Oossmann 

Borkholder 

Kappes 

Kaltwasser 

Summa    .    . 

14 

85(?) 

Die  im  übrigen  Gebiete  des  damaligen  Herzogtums  Nassau  zerstreut 
wohnenden  Mennonitengemeinden  gehörton  der  strengeren  Richtung  der  Aminger 
an.  Der  Prediger  dieser  war  jahrelang  der  achtbare  J.  Unzicker  auf  dem  Hofe 
Henriettenthal  bei  Wörsdorf,  der  alle  kirchlichen  Funktionen  wie  sein  Kollege 
V.  Dahlem  versah.    Der  Gottesdienst  wurde  an  verschiedenen  Orten  gehalten. 

Um  1830  verteilte  sich  diese  Gemeinde  wie  folgt: 


.4.  .■* 


Anzahl 

Amter. 

Ortschaften. 

der 
Familien 

der 

Seelen 

1)  Braubach 

Weissmühle 

8 

2)  DUlenburg 

Feldbacherhof     . 

8 

3)  Eltrille 

Kloster  Eberbach 

8 

Neuhof  .... 

8 

4)  Idstein 

Henriettenthal      . 

8 

Schwickershausen 

8 

Walrabenstein     . 

8 

5)  Montabaur 

? 

3 

24 

6)  Rennerod 

? 

2 

14 

7)  Runkel 

Qladbacherhof     .... 

1 

7 

Hörderhof 1        1 

7 

8)  8i  Goarshausen 

Heppenhof {       2 

14 

Affenthalerhof 

.    .           1 

i 

8 

17 

130 

1 


imen  der   einzelnen   Familien   Bind  aui   nicht   bekannt  geworden^ 
i  ,e  Sebätzung  der  Seelenzahl  nur  upgdfthr. 

izen   wurden   also  um   1830  in  Naasaii   au  210 — 220  MenQoniiPQ 
'    .^.uen» 

ie   Zahl   ist   bedeutend   geschwunden.     In  Süd^Naseau   hat    »ich   dii^ 
ergemeinde  bald  nach  dem  Tode  V,  Dahlems  aufgelöst.   Ihre  GlieJt^r 
u  oder  heirateten    in   audere   ei^angeltsehe  Gemeinden,    und  die  Kinder 
^ieh  zu  deren  Olaubenähekenntni^se.    Q^;eiiwärtig  betragt  der  Rest  der 
Igen  Gemeinde  i^wei  Personen,    Im  übrigen  Nassau  mügen  noeh  stärkere 
absei  aeiUp') 
ging  eine  (lemeinachaft  ein,   die   einst  von   hoher  Bedeutung  für  die 
^and Wirtschaft   in  unserer  engeren  Heimat   war.    Sie  hatte   ihre  BeRtimmuiig 
:erföllt. 


')  Nioht  zu  vorwechielQ  sind  mii  den  Mennoniten  die  Baptiaton,  Jene  taufen  nur  mn* 
Enftt  \m  iler  KonfirfiiBtion«  diese  Kweimftlf  rmt'li  ilcr  Qdblirt  und  Itt^i  der  Konürmation  d^r 
Kinder  un«L  /.wnr  jedesmal  durph  Untertaui'tirn  düa  UliSnflioge,  wlihrend  die  Mc^nnoiilten  nur 
eini*  Ifntjdvolt  WiiKst^r  auf  df'Bscrt  nfiu|it  bringen.  Bapti4t0n<*Taufeti  änden  sii  WieHbadf'n  im 
Seb^iiribiiL'lie  Im  N&rottialc  statt  ^^ 


Alte  Topographie  des  A^ereiiisgebietes. 


Von 

A.  Y*  Qohausen» 


Schifferßtationen  länga   dem  Main.     Wenn  man  dem  rechten  Main- 
ufer vou  Qrosa-Krotzenburg  bis  Castel  und  weiter  bis  Schiersfeein  folgt,  so  kann 
man  bemerken,  wie  die  Ortschaften  alle  auf  einem  hohen  Ufer  liegen,  w^elches 
durch  JJiederuDgen    von   den   Ausläufern   des  Gebirges   getrennt   ist,    und  man 
^'ird  bei  näherer  Untersuchung  linden,   dass   diese  Ansiedelungen   vorrömische 
^BLItertUmer  aufweisen    und  Fischer-  oder  Schifferstatiaoen  waren,   welche  nicht 
^Bi|r  den  Fluss  benutzt,  sondern  auch  durch  die  Gewässer  der  Niederung  einen 
P^Hnssen  Schutz   genossen  gegen  die  in  Wald  und  Gebirge   hausenden    wilden 
und  raublustigen  Volksstämme. 

Groas-Krotzenburg  und  Groas-Auheim  schützt  der  Torfstich,  der,  von  der 
tahlbach  beginnend,  durch  die  von  den  Überschwemmungen  der  Kinzig  über- 
tuteten sumpfigen  Wälder  der  RinntaDnen,  des  Langen  Wassers,  der  Rottlache, 
les  Doppelbier  sich   durch   den  Lamboy-Wahl    im    Ober-  und  Unterbruch  bis 
lu  der  einst  irrtümlich  als  Römerkastell  angesprochenen  Sumpfburg  am  Kinzig* 
heimer  Hof  zieht  und  Hanau  umkreist,  ebenso  wie  diese  Sumpfe  umkreist  und 
Brmieien  werden   durch   die  alte  Landstrasse   von  Ilochstadt,  Wachenbuchen, 
littelbuchen,  Bruchköbel  bis  Langendiebach  und  weiter.    Ferner  setzt  sich  die 
Federung   fort    von    Hanau    durch    die   Lache    und   den  Weiher»   welche  dem 
iümerkastell  Kesselstadt  Schutz  gibt,  um  durch  die  Fluren  und  Seen  Langeu- 
liel,  Zimmersee,   Tiefeaee,  Waklsee,    Bodenaee   (zum  Schutz  Fechenheims),   die 
rorfatiehe  unter  Bergen,  den  Kolb-,  Sau-  und  Lange-See  bei  Seckhach  charak* 
^jrisiert  zu  werden,  bis  sie  mittels  der  Erlenbach  und  des  Konigsgrabens  durch 
lie  Bornheimer   Höhe   zum  Recheneigraben    und   zum   Main   abgelenkt   wird. 
Trotzdem  aber  liegt  Frankfurt  in  seinen  höchsten  Punkten,  wo  mau  die  römi- 
schen Baureste  fand,   gleichfalls   nicht   schutzlos   gegen   die   nordischen  Wald- 
barbaren,   da  die  alte   Stadt   durch   Mainarme   und   durch  jenen   Abliuas   des 
iecheneigrabena  inselartig  umschlossen  war.     Dieser  Schutz   war   zwar   durch 
;ie  Verbreiterung  der  Stadt  868  aufgegeben,    aber    durch   die  Erweiterung  im 
Jahre  1 343  wieder  erlangt  worden,  indem  die  Stadtmauer  bis  zu  einer  wasser- 
diehen  Niederung  ausgedehnt  wurde.     Abwärts  der  Stadt  sind  es   schon   diu 
ITaaser  der  Nied,  sowie  selbständige  Waaserreste,  welche  das  rechte  Mainufer 

Aoa«}«n«   ej.  XXVf.  1  0 


146 


in  Abstand  begleiteoi  während  Höchst  mit  Recht  seinen  Namen  trägt  und  der 
dort  einmündende  Liederbach  Abs  Lacbenfeld  und  verschiedene  Ableitungs- 
gräben die  Uferhöhen  schützen.  Dann  ist  es  der  Ooldbach,  der  vom  Gebirge 
kommend,  den  Lachrein  im  See  nördlich  von  Edderaheim  aufnimmt,  und  andere 
aichtbare  Parallelthälerf  welche  den  Weilbach  und  andere  Wässer  in  fimpfang 
nehmen  und  versiechen  lassen.  Der  Falkenberg  zwischen  Flörsheim  und  Hachheiiti 
achrebfy  indem  er  bis  an  den  Main  vortritt,  seinen  Felsriegel  vor,  welcher  auch 
den  Wickerer  Bach  direkt  zum  Main  lenkt.  (Hier^  wo  der  Uferweg  den  Fels- 
köpf  übersteigen  muss,  hat  sich  eine  römische  Ansiedelung  mit  interessantea 
gestempelten  Ziegeln  der  22.  Legion  gefunden.)  Erst  jenseits,  am  Fasse  der 
Weinberge  von  Uoohheim,  setzt  sich  das  hohe  Ufer  und  die  es  begleitende 
Niederung  fort,  umkreist  den  Hochheimer  Bahnhof,  sowie  Castel  in  naäiea 
Wiesen  und  Feldern  und  verbindet  sich  jenseits  der  hohen  Amöneburg  mit 
dem  austretenden  Wasser  der  von  Wiesbaden  kommenden  Salzbaeh  und  dem 
niederen  QeUnde  von  Mosbach,  das  von  dem  Dotzbeimer  Bach  gespeist  wird 
und  sich  jenseits  Schierstein  dem  Rhein  anschliesst«  Wir  verfolgen  Ufer  und 
Niederung  nicht  weiter. 

Überall  von  Oross-Erotzenburg  an  hat  man  die  Spuren  alter  Ansiede- 
lungen gefunden,  Steinbeile,  Reite  und  Bronzeschmuck,  bei  Frankfurt  auf  der 
Ptingstweide  und  unterhalb  der  Stadt  an  den  Bahnhöfen  und  an  den  Bahn* 
brücken  Bronzeachraucke  und  Koüektivfunde,  bei  Höchst  zu  Kähnen  ausgehöhUe 
Einbäume;  überall  Altertumer,  die,  wenn  auch  nicht  allein  hier,  sondern  auch 
am  Gebirge  zu  finden  sind,  doch  auf  alte  Schiffer-  und  Fischerstationen  sofalies* 
sen  lassen.  So  fand  sich  ein  vollständiges  Skelettgrab,  das  sich  im  Ufer  bei 
Flursheim  erhalteo  hatte  und  bei  uns  nicht  eben  hautig  vorkommt,  aber  doefa 
auch  bei  dem  8  km  entfernten  Breckenheim  in  den  Qebirgsaushiufen  entdeckt 
worden  ist.  Am  merkwürdigsten  siod  aber  doch  die  Funde,  welche  dureh 
Steiobeile,  Mahlsteine  und  Netzbeschwerer  auf  der  Schifferstation  bei  Schier* 
stein  vorkamen  und  woselbst  auch  Mardellen  entdeckt  wurden,  die  durch  ihre 
Funde  Formen  darstellen,  welche  sonst  in  unserem  Gebiete  nicht  vorkamen, 
nämlich  schwarze  glockenförmige  Qefasse  mit  weiter  Mündung  und  engem  Fum 
(luv.  14510—14518).  Solche  sind  bisher  nur  aus  den  Pfahlbauten  des  Boden* 
sees  und  von  dem  Michelsberg  bei  Bruchsal  bekannt  und  im  Karlsruher  Museum 
aufgestellt.  Dazu  kam  noch  ein  bei  uns  fremdländisches  ovales  Oellso  mil 
zwei  Henkeln.  Wollte  man  weiter  theorettsieren,  so  wäre  im  Bodensee^  d^n 
Bruchsaler  Berg  uod  in  Schierstein  den  Schiffern  der  Weg  angezeigt,  den  Bit 
mit  ihren  Produkten  genommen  hätten.  Wir  verdanken  diese  kostbaren  Funde 
dem  Herrn  Dr.  Peters  in  Schierstein,  der  sie  aus  seinen  Ziegelgruben  er- 
hoben hat. 

Diedenbergen.  Der  Heidenkippel,  1100  Schritt  nördlich  de«  Orta«^ 
auch  kleiner  Galgenkippel,  modern  Kanzel  genannt,  tritt  mit  einigen  Bäumen 
besetzt  aus  der  ^Gericht**  genannten  Feldfläche  vor  den  Wald  vor;  neben  ihm  sind 
von  einem  Manöver  her  Schützengräben  eingeschnitten.  Er  durfte  als  ein  bekannter 
Aussichtspunkt  nicht  untersucht  werden.  An  ihm  vorüber  fuhrt  die  Hoideii* 
cbaUB«ee  nordwärts  durch  den  Wald  nach  Langenhain  und  Eppatein«    Auf  iliTi 


I 


I 


ejHG^ 


147 

Iom  Heideokippel  390  Schritt  weiter  gehend,  liegt  60  Schritt  linka  der  Strasse 
er  ^grosse  Oalgenkippel^^  deo  wir,  einen  ähnlichen  rechts  liegen  ladaend^ 
ntersucht  haben.  Derselbe,  aaf  südwestlich  abhängendem  Geiäode  gelegen, 
at  bei  16  m  Radius  2,50  m  Höhe,  Er  wurde  in  konzentrischen  Ringgraben 
earbeitet.  Hierbei  fanden  sich  in  10  m  Abstand  von  der  Mitte  und  1  m  uut^r 
der  Högeloberfiäche  die  Spuren  einer  (nicht  verbrannten)  Leiche,  nämlich  7.wei 
seitlich  abgeschliffene  Fussringe,  der  eine  noch  mit  dem  entsprechenden  Schien- 
l^^ein,  zwei  Armringe,  die  Reste  eines  mit  Bronzedraht  gestickten  LedergurteU 
^Biehst  Gürtetschloadteilen  und  ein  Halsring  mit  Gusszapfen.  Eine  zweite  Gruppe 
■Fand  sich  in  gleicher  Entfernung  und  Tiefe  nordwestlich  vom  Mittelpunkt,  be- 
istehend aus  dem  Bruchstück  eines  Fussringes  mit  einigen  Knochen  und  Holz- 
stücken  nebst  einer  Art  von  Steinpackung  von  50  ä  50  cm  Abmessung.  Im 
I  übrigen  fanden  sich  noch  Spuren  eines  50  a  30  cm  breiten  Kohlenlagers  und 
j  ein  Feuersteinspan,  aber  keine  Töpferei.  In  der  Kiesheide«  westlich  des  Hetden- 
]  kippeis,  lagen  noch  etwa  10,  grossenteils  verschleifte  oder  zerstörte  niedrige 
I  Hügelgräber.  In  einem,  23  Schritt  vom  Weg^  fand  sich  eine  Urne  mit  Asche 
I  und  ein  Napf,  In  einem  anderen,  175  Sehritt  vom  Weg,  mit  versenkter  Mitte 
I  lagen  in  1  m  Tiefe  zahlreiche  Topfscherhen  in  Hugelgrabcharakter.  Wir  hatten 
!  daselbst  Ende  April  1893  mit  11  Mann  6  Tage  gearbeitet  und  dabei  von  Herrn 
I      Bürgermeister  Kleber  freundliche  Unterstützung  empfangen. 

Atta  Erben  he  im   empfingen    wir   durch   die  Aufmerksamkeit    dea  Herrn 
Bürgermeister  Born  mehrere  fränkische  Altertümer,    welche   sich   in  den  süd- 
^^lichen  Erweiterungsbauten  des  Dorfes  gefunden  hatten. 

^B  Ebenso   erhielten   wir  durch   die  Gefälligkeit  des  Herrn  Bergrat  Ulrich 

^HKenntnis  von  Frankengräbern  100  Schritt  ober  der  Station  Friedrichssegen 
^■an  der  Lahn:   zwei  Schalen  standen  auf  Briss  in  Bimsteinsand    l  m  unter  der 

»Erdoberfläche.  Die  Gräber  enthielten  keine  Erz-  oder  Eiseugeräte. 
In  Wiesbaden  fand  sich  in  den  Häuserfundamenten  auf  der  Nordweat- 
ecke  des  Kranzplatzea  eine  1\/»  m  dicke,  von  NO.  nach  SW.  ziehende  Mauer 
aus  40  ä  40  cm  grosaen,  4  cm  dicken  Ziegelpiatten  mit  den  verschiedenen 
Stempeln  der  22.  Legion  (Inv.  14529).  Beim  Abbrach  des  Hauses  an  der 
Lang-  tmd  Goldgassenecke  fanden  sich  mehrere,  wie  ea  scheint,  in  der  Nähe 
fabrizierte  Steinzeugtöpfe  ältester  Art 


10* 


Der  Limes  im  Taunus. 


Von 

B.  Florschüts. 


Nachtlem  auf  Anregung  MommseDS  uod  mit  finaDzieller  Unterstütasuc 
TOQ  Seiten  des  Staates  eine  systematische  Untersuchung  des  römischen  Qre&d 
Walles  in»  Werk  gesetzt  worden  ist,  sind  die  Augen  der  ganzen  gebildeten  Wef 
wieder  auf  jene  gewaltige  Abgrenzung  der  römischen  Herrschaft  auf  unseren 
Boden  gerichtet,  welche  in  einer  Länge  von  nicht  weniger  als  550  km  von  M 
Donau  bis  zum  Rheine  hinzieht  und  bereits  vor  10  Jahren  durch  Oberst  vi>| 
Cohausen  in  seinem  grundlegenden  Werke:  ^Der  römische  Grenzwall*  tu 
gehender  Weise  beschrieben  und  in  ihrer  Bedeutung  festgesetzt  worden 
Allerorts  längs  der  ganzen  Linie  regten  sich  die  fleissigen  Hände  der  Streektn- 
kommissare  und  so  manche  Grundmauern  der  antiken  Turme  und  oft  Über 
Erwarten  grosse  Kastelle  traten  mit  mancherlei  kleineren  Funden,  sowie  aofth 
sehr  bedeutsamen  Insehriftsteineu  seit  mehr  als  anderthalbtausend  Jahren  vitm 
erstenmale  wieder  an  das  Tageslicht.  Während  diese  sehr  dankenswerten  Res 
täte  im  grossen  Ganzen  überall  als  gleichwertig  zu  betrachten  sind,  liefe 
die  Untersuchungen  im  benachbarten  Uombnrger  Gebiete  neben  dem  hübsch 
Feldbergkastell^  dem  „alten  Jagdhause^,  dem  ^Ueidenstoek^  und  anderen  ß^ 
festigungen  ein  unerwartetes,  ganz  eigenartiges  Ergebnis,  welches  auf  eini 
ein  helles  Licht  in  die  viel  umstrittene  und  unklare  Frage  der  Greuzlegung 
römischen  Reiches  bringen  sollte,  und  das  wir  mit  vollem  Rechte  als  die  grottitc . 
Errungenschaft  der  neuen  Limesforschung  bezeichnen  müssen« 

Schon  von  Cohausen  hatte  in  seinem  Werke  auf  einen  klci^  ^ 
aufmerksam  gemacht»  welcher  in  Bayern  vor  der  sogenannten  1 
wie  der  Grenzwall  dort  genannt  wird,  an  verschiedenen  Stellen  aufgefoiideit 
worden  ist  Das  gleiche  ^Oräbchen*  ist  im  vorigen  Jahre  vom  Geheimen  Ober- 
schulrat  Soldan  auch  in  der  Nähe  der  Saalburg  verschiedentlich  nachgowbimi 
worden.  Herr  Baumeister  Jacobi  nun  als  Streckenkommissar  war  der  erstik 
welcher  dieses  bisher  unbeachtete  „ Grübchen^  einer  sorgfältigen  Krron«ribiiB|: 
unterwarf  und  er  gelangte  hierbei  und  im  Laufe  seiner  weiteren  eifrigen  Uoler* 
Buchungen  zu  folgenden  Resultaten^  die  wir  aelbstverständlich  an  die8<er  Steife 
nur  in  gedrängter  Kürze  nach  dem  im  Limesblatte  Nr,  7  und  B  niedeigtltgteo 
Berichte  Jacobi»  vorHlhren  können. 


^Umtm 


-^    - 


149 


Das  von  Sold  an  entdeckte  ^.Gräbchen*,  das  meistens  in  einer  gleiob- 
inässigen  Entfernung  vom  Rande  des  Grabens  und  Grenzwatles  hinläuft,  konnte 
wohl  daran  denken  lassen,  in  ihm  die  nach  römischer  Sitte  gezogene  Grenz- 
furche  zu  erblicken.  Der  Umstand  jedoch,  dasa  es  jetzt  noch  seinen  Erdaus- 
wiirf  auf  der  äusseren  Seite  zeigt,  sowie  ganz  besonders  die  Beobachtung,  dass 
bisweilen  seine  dem  Wall  parallele  Richtung  aufgibt  und  bis  zu  dem  Wall* 
grabou  lauft,  —  zwischen  dorn  Kastell  Maisei  und  dem  Cröftelthale  (Gemarkung 
Schlüssborn)  läuft  das  üräbohen  sogar  auf  der  Wallkronc  —  ergeben  die  un- 
bestreitbare Tbatsache,  dass  wir  in  dem  „Qräbchen'*  nur  einen  der  im  Mittel- 
alter beliebten  Grenzgraben  zu  sehen  haben  und  dass  dasselbe  wahrscheinlicli 
den  mittelalterlichen  Grenzgängen  (Grenzregulierungen)  der  Märker  seine  Ent* 

e stehung  zu  verdanken  hat. 
Die  Stellen  aber,  an  welchen  das  „Gräbchen*  gleichmässig  neben  dem 
Pfahlgraben  herläuft,  führten  zur  Entdeckung  des  darunterliegenden  wirklichen 
alten  rumischen  Grenzgrabens  mit  seiner  schon  von  den  römischen  Feldmessern 
betouten  ^versteckten  Äussteinung^;  man  hatte  eben  im  Mittelalter  an  diesen 
Partien  nach  alter  Tradition  und  gewissen  sichtbaren  Merkmalen  die  neue 
Grenzbestimmung  auf  die  alte  gelegt.  Dieser  alte  römische  Grenzgraben  ist 
I  auf  dem  Homburger  Gebiet  überall  nachgewiesen  vom  Grauen  Berge  bis  zum 
^ftKastell  Zugmantel  in  einer  Länge  von  30  km;  seine  Breite  beträgt  etwa  80  cm, 
^r seine  Tiefe  60—80  cm  und  seine  Bodenfläche  20—30  cm.  Derselbe  ist  auch 
H  da  aufgefunden,  wo  von  einem  Grenzwalle  resp.  Pfahlgraben  keine  Spur  vor- 
handen ist.  Er  ist  im  Gegensätze  zu  dem  Sold  aussehen  Gräbchen,  das,  wie 
erwähnt  oft  streckenweise  über  oder  mit  ihm  hinläuft,  vollständig  eingeebnet 
und  birgt  die  römische  Grenzverstoinuug  mit  ihren  Marksteinen  und  den  da- 
ißwischeu  befindlichen  Läufern  und  wollen  wir  deswegen,  um  Verwechselungen 
mit  dem  Sold  an' scheu  Gräbchen  zu  vermeiden,  diese  erste  Grenzanlage  einfach 
als  , Aussteinung*  bezeichnen. 

lu   dieser  Aussteinung   markieren  sich   zunächst   grössere  Qnarzitplatten, 
welche  in  gewissen  Abständen,  mit  der  glatten  Stirnseite  nach  unten,  die  GreoE- 
steine  darstellen,  durch  Steinsetzung  ausserordentlich  fest  verpackt  sind  und  an 
ihrer  Basis  manchmal  eigentümliche  Zeichen  trogen.  Zu  diesen  Marksteinen  dürfte 
ach  den  Untersuchungen  Jacobis  wohl  auch  der  interessante^  im  Wiesbadener 
fiuseuui  befindliche,  mit  einer    Kursiviuschrift  versehene   Stein  (Bramb.  1548) 
ehören.     Unter  ihnen  liegen,  wie  noch  heute  unter  unseren  Grenzsteinen  und 
euau  nach  den  Angaben  der  römischen  Feldmesser,   die  Grenzzeichen.     Die- 
eiben  bestehen  aus  den  verschiedensten  Materialien  und  zwar  aus  mancherlei 
efassscherben,   aus  Bruchstücken  von    Ziegeln   oder  Mahlsteinen    aus   Nieder* 
lendiger  Lava,  aus  abgerollten  Kieselsteinen  und  überhaupt  fremden  Gesteins- 
ten,  z.   B.    Rötel   und   Schiefer,   die   an   Ort   und   Stelle    nicht    vorkommen, 
isernen   Nägeln,    Holzkohle,   angekohltem  Holz   und  endlich  Asche.     Zwischen 
diesen  Grenzsteinen    nun  treffen  vnr   die   sogenannten  Läufer,    vorwiegend    aus 
langen   und   schmalen    Quarzitplatten    bestehend,   die,    oft    paarig,   fest    in    die 
rabensohle   eingelassen  sind.     Wo   die  Aussteinung  an   einer  Berglehne   hin- 
.uft|  bilden  diese  Laufer  sogar  häufig  eine  ausgeprägte  Kinne,  um  AbHutungen 


130 


der  Orenzfurche  durch  Wasser  zu  verhinderu.  Unter  gewöholicbeo  VerbUi* 
Hissen  künneD  die  Läafer  bis  zu  10  Meter  von  einander  entfernt  liegen,  so 
anderen  Stellen  aber  sind  sie  ersetzt  durch  eine  vollständige  Pflasterung  a«s 
kleiueren  Steinen  oder  aber,  wo  das  Steinraaterial  selbst  selten  ist,  durch  Brudi* 
stücke  von  GefSssen,  vereinzelte  kleine  Nägel,  Äsche  oder  Kohlen,  die  wir  auch, 
wie  zumal  Scherben  in  der  Nähe  der  Saalburg,  zwischen  den  einzelnen  Läufcni 
antreffen.  Stets  aber  ist  die  Aussteinung  vollständig  mit  Erde  überdeckt  imd 
eingeebnet  worden^  sodass  ihr  versteckter  Lauf  nur  für  den  Eingeweihten  durch 
gewisse  aufgepflanzte  Holzarten  oder  anstehende  Logbäume  erkennbar  war. 

Die  Aussteinung  läuft  stets  in  schnurgerader  Linie  von  eioera  Grenzpunkte 
zum  anderen,  wie  diese  eben  in  friedlicher  Yerhandlung  mit  den  Germanen 
festgelegt  worden  waren.  Diese  Punkte  waren  ursprünglich  durch  Grenxbügel 
markiert,  —  runde»  einem  flachen  Hügelgrabe  ähnliche  Bodenerhohungeu,  unter 
welchen  sich  wieder  eine  feste  Steiupackung  mit  einer  ceutraleo,  etwa  einen 
Kubikmeter  grossen,  mit  Erde  und  Asche  gefulUen  Öffnung  zeigte,  v.  Co  hausen  ^ 
fand  in  einer  solchen  das  Bruchstück  eines  Schleifsteines  und  einen  Nagel.  Sie  ^M 
bildeten  die  Spitzen  der  aus  der  Grenzabmessung  resultierenden  aus-  und  ein*  ^^ 
springenden  Winkel;  sie  sind  die  ersten  und  ältesten  Grenzbestimmungen  und 
so  angelegt,  dass  von  einem  zum  anderen  visiert,  und  die  Aussteinung  zwiaeben 
ihnen  regelrecht  ausgeführt  werdeo  konnte»  Die  Aussteinuog  läuft  dabei  bogen* 
förmig  an  der  Aussenseite  dieser  Grenzhügel  vorbei,  währead  der  später  ange- 
legte Pfahlgraben  direkt  über  sie  hin  wegführen  und  dann  noch,  wie  z.  B.  auf 
dem  Kieshübel,  hinter  ihnen  die  Fuodamente  eines  gleichzeitig  mit  ihm  erbauteo, 
gemauerten  Turmes  aufweisen  kann.  Die  Grenzhügel  wurden  ihrer  Lage  wegen 
früher  als  Fundamente  von  Holztürmen  mit  Fanalen  aufgefasst. 

Zwei  römische  Ruten,  gleich  20  romische  Fuss,  von  der  Aussteinung  an 
gerechnet,  haben  sich  mehrfach  kleinere,  vereinzelte  Stelnpackungen^  10  römische 
Fuss  voneinander  entfernt,  aufgefunden,  welche  in  ihrer  mittleren  Öffnung  nur 
zur  Aufstellung  eines  Pfahles  gedient  haben  können.  Diese  Yerpfuhlung  bildete 
allem  Anscheine  nach  die  iouere  Grenze  des  nach  aussen  durch  die  Auasteinuog 
abgeschlossenen  Quer-  oder  Grenzweges,  oder  wie  wir  sagen  würden,  Gewaon- 
Weges  —  des  Limes'  Mommsens,  der  oft  genug  nur  durch  entsprechende 
Ausholzung  mag  dargestellt  worden  sein. 

Dieser  Grenzweg  erfuhr  später,  wie  wir  wohl  annehmen  dürfen,  unter 
Trajan,  eine  bedeutende  Yerschmäleruüg.  Die  versteckte  Aussteinung  mag  nicht 
genugsam  mehr  die  Grenze  markiert  haben  und  so  wurde  hinter  derselben  auf« 
dem  Grenzwege  ein  breiter  und  tiefer  Greuzgraben  ausgehoben  und  sein  Material 
an  seinem  inneren  Rande  zum  Wall  aufgeschichtet.  Die  Entfernung  vom  Fimmi 
des  Walles  bis  zur  Aussteinung  beträgt  im  Durchschnitte  die  erwähoten  2ü 
rumischen  Fuss  und  wurde  der  Limes  damit  auf  einen  neben  der  Aussteintu^ 
herlaufenden  Grenzweg  von  nur  5  bis  ♦>  Fuss  Breite  reduziert.  Der  Grabes 
und  der  aus  seinem  Material  gewonnene  Wall  bilden  zusammen  das.  was 
als  römischen  Grenzwall  oder  Pfahlgraben  bezeichnen. 

Das  Riesenwerk  des  Grenz walles  konnte  erst  dann  zur  Ausführung  ge* 
langen^  als  eine  dem  Schutze  der  Grenze  entsprechende  Anzahl  von  gr&asi 


151 

and  kleineren  Kastellen  errichtet  und  mit  den  notigen  Mannschaften  versehen 
war.  Bei  diesen  Befestigungsanlagen,  die  wohl  nicht  so  ganz  unwahrscheinlich 
als  das  lang  gesuchte  munitnentum  Trajani  aufgefasst  werden  dürfen,  spielt  aber, 
wie  dies  schon  vor  Jahren  v.  Gehäusen  immer  und  immer  wieder  betont  hat 
and  wie  dies  durch  die  Forschungen  Jacobis  jetzt  glänzend  bestätigt  worden 
ist,  Wall  und  Graben  keine  fortifikatorisohe  Rolle;  dazu  waren  sie  nicht  ange- 
than  and  auch  von  Ursprung  an  nicht  bestimmt.  Sie  bildeten  nichts  mehr  und 
nichts  weniger  als  die  deutlich  ins  Auge  springende  römische  Territorial-  und 
damit  Zollgrenze  und  sind  uns  heute  noch  der  interessante  Beleg  für  die  Aus- 
dehnung des  alten  Weltreiches  auf  unserem  heimatlichen  Boden. 

Dieses  sind  die  Hauptresultate,  welche  Jacobi  bis  jetzt  an  der  von  ihm 
durchforschten  Limesstrecke  von  30  km  Länge  gewonnen  hat,  und  welche  ich 
teils  bei  der  Alteburg,  teils  in  der  Nähe  der  Saalburg  selbst  einsehen  konnte. 
Mögen  sie  auch  nach  mancher  Richtung  hin  noch  sehr  lückenhaft  sein  und  zu 
ihrer  vollständigen  Ergänzung  noch  sehr  viel  Qeld  und  noch  mehr  Zeit  erfordern 
—  das  Eine  steht  doch  fest,  dass  sie  für  die  weitere  Limesforschung  von  denk- 
bar grösstem  Werte  sind  und  auf  noch  vielfache  dunkle  Punkte,  die  uns  gerade 
auf  diesem  Gebiete  bisher  unverständlich  geblieben  sind,  ihr  klärendes  Licht 
werfen  werden. 

Ich  will  schliesslich  noch  betonen,  dass  inzwischen  auch  auf  der  Rhein- 
Limes-Strecke  Sayn-Oberbieber  die  von  Jacobi  für  den  Taunus  nachgewiesene 
römische  Aussteinung  in  ganz  derselben  Herstellungsweise  durch  Löschke  auf- 
gefonden  worden  ist. 


Vereius- Nach  richte  11  • 


Jahresberrcht  des  Sekretärs. 

(Vom    L    April   1693  bis   31.   M^s    1994.) 

Allgemeines*  Das  Vereiaaleben  war  im  verflossene o  Etatsjahre  erfreu* 
licherweise  ein  aehr  reges.  Varfttaadsaitzungen  wurden  drei  abgehalten,  am 
5.  August  und  6.  November  1893  und  am  20.  Januar  1894,  Es  wurde  be- 
dchloasen,  das  Sitzuogslokal  vom  ^Grünen  Wald*  Ju  das  »Uotho  Haus**,  Kirch- 
gasse 46,  zu  verlegen,  und  fanden  daselbst  im  Winter  sieben  YortragssiUungco 
statt,  welche  sich  sämtlich  eines  zahlreichen  Besuches  erfreuten;  der  Bericht 
über  die  Vorträge  folgt  weiter  unten.  Die  urdeutliche  Generalversammlung 
wurde  am  IG.  Dezember  im  grossen  Muaeumssaale  abgehalten* 

Der  Yorstand  ist  bestrebt  gewesen,  auch  in  der  üblichen  Sammorpauae 
das  luteresse  an  den  Zielen  des  Vereines  wach  zu  halten  und  den  Mitgliedern 
Gelegenheit  zu  geben,  im  personlichen  Verkehr  die  gemeinsamen  Bestrebuugdi 
XU  fi3rdern.  Demeutsprechend  wurden  Ausflüge  nach  der  Saalburg  im  Jttli, 
nach  Mainz  zur  Besichtigung  des  Domes  und  des  römisch -germanischen  Ce»- 
tralmuseums  im  Oktober  gemacht,  beidemal  in  Verbindung  mit  dem  hie^igou 
uatnrhistorischen  Vereine.  Auch  für  diesen  Sommer  sind  wieder  mehrere  Au«2_ 
flüge  in  Aussicht  genommen. 

Zur  Generalversammlung  des  Gesamtvereins  der  Deutschen  Qeschicht«« 
und  Alter turas vereine,  welche  vom  21.  bis  25»  September  1803  in  Stuttgart 
stattfand,  war  seitens  des  Vereins  der  Königl,  Konservator  Herr  Oberst  z.  I), 
von  Cohausen  delegiert  worden;  ihm  schlössen  sich  au  Se.  Excellem^  FratiaE 
Pascha  aus  Kairo^  der  Direktor  des  Vereins  Herr  Dr.  Florscbütz,  Herr 
Dr,  med.  Ahrens,  Herr  E.  Schier enberg.  Sämtliche  Herren  waren  von 
dem  Verlaufe  des  Kongresses  höchst  befriedigt,  und  steht  zu  erwarten,  dan» 
Vau  jetzt  ab  überhaupt  eine  regere  Teilnahme  von  Mitgliedern  unseres  Vereins 
an  diesen  regelmässigen  Zusammenkünften  stattfindet. 

Der  diesjährige  XXVL  Annalenband  konnte  in  gewohnter  Weite  bis  Ende 
April  fertiggestellt  werden.  Wir  danken  dies  in  erster  Linie  der  Muuifieenz 
Sr.  Königl  Iloheit  des  OrossherzogN  vt»n  Luxemburg,  welcher  durch  eine  gr 
mutige  Spende  den  diesesma]  sehr  beschränkten  Mitteln   di?s  Vereins  su  Hü 


i 


153 

kam  uad  hierdurch  die  voIlstäDdrge  Drucklcgiiog  der  Arbeit  dea  Herrn  Pfarrer 
/Oorady    über  die  älteste  Oeschichte  des   Hauses  Nassau  ermöglichte«     Dem 
"Hohen  Herrn  «ei  auch  an  dieser  Stelle  der  herzlichste  Dank  ausgesprochen. 

Mitglieder  uml  Torstand,    In  der  Vorstandssitzung  vom  5.  August  1893 
.wurde    Herr   Historienmaler   Dr.    Julius   Naue   in  München    zum   korrespoD- 
Idierendeo  Mitgliede  ernannt    Der  Verein  hat  auch  in  diesem  Jahre  den  durch 
Tod  verursachten  Verlust  zweier  Ehrenmitglieder  zu  beklagen:  der  Herren 
roh.  Regierungs-Rat  Carl  Schcllenberg  in  Wiesbaden  (f  23*  6.  93)  und  Geh. 
hiu*  u.  Regieruogs-Rat  a.  D.  Eduard  Cuno  in  Stuttgart  (f  5.  12.  93),   von 
denen   der  letztere   erst  wenige  Monate   vorher   bei  Oelegenhett   seiner   Über- 
siedelung nach  Stuttgart  zum  Ehrenmitgliede  ernannt  worden  war. 
Von  den  ordentlicheu  Mitgliedern  schieden  atts: 

a)  durch  den  Tod; 
Herr  Ebhardt,  Landgerichtsrat  a.  D.,  Limburg  a.  d.  Lahn  (f  8.  92), 

(erst  nachträglich  gemeldet). 

^     Dr.  phil  Kaufmann,  A.,  Archivrat,  Wertheim  a.  M.  (f  1*  i>.  93); 
Se.  Durchlaucht  Georg  Victor  Fürst  zu  Waldeck  und  Pyrmont, 

in  Arolsen  (f  12,  5.  93); 
Herr  Schramm,  Philipp,  Rentner,  W.  (f  15.  5.  93); 

„     Magewirth,  J.,  Oberpfarrer,  Homburg  v.  d.  H.    (f  29.  5.  93); 

„     Roth,  Adolf,  Rentner,  W.  (f  12.  6.  93); 

„     Bindewald,  Landrat,  Weilburg  (f  19,  6,  93); 

„     Spiess,  Aug.,  Prot,  Gymnasialdirektor  a.  D.,  W.  (f  26.  G.  93); 

„     von  Eck,  Victor,  Geh,  Justizrat,  Rechtsanwalt,  W.  (f  23,  8,  93); 

«     Gräser,  Robert,  Oberst  z.  D.,  W.  (f  30.  11.  93)  j 

^     Dr.  Modicus,  Friedrich  Carl,  Professor,  W.  (f  18,  12.  93). 

b)  durch  Austritt: 
Herr  Dr.  jur.  Böninger,  Eugen,  Rechtsanwalt,  W.; 

„     Risch,  Julius,  Geh.  Regierungs-  und  Schulrat,  W.; 

„     Moni  berger,  Jacob  August,  Weinhäudler,  W. ; 

„     Bornemann,  Wirkl.  Geh.  Kriegsrat,  W. ; 

„     Dr.  phil.  Lehmann,  Julius,  Mainz; 

„     Cuno,    Eduard,   Geh.    Baurat   und   Regieruugsrat  a*  D.   (wurde 
5.  8.  93  zum  Ehrenmitgliede  ernannt); 

„     Dr.  phil  Steubing,  A.,  Harrach'schea  Institut,  St*  Goarshausen ; 

„     Pauli,  Gutsyerwalter,  Schloss  Bodenstein; 

^     Graf  von  Hachenburg,  Hachenburg; 

^     Hoff  mau  n,  Wilh.,  Premierlieutenant  a.  D.,  Gummersbach; 

^     Deissmann,  Dekan  a.  Ü,,  Pfarrer,  Cubach; 

„     Krücke,  Wilhelm,  Pfarrer,  Limburg  a.  d.  L. ; 
Frau  Grätin  von  der  Goltz,  W.; 
Herr  Hetzel,  Professor,  Gymnasial-Oberlchrer,  Dillenburg; 

„     Dr.  Berg.  Direktor  des  KuabenpeusionatSj  Oberlahnstein; 

„     Meister,  Philipp,  Landgerichts  rat  a.  D.,  W, 


^mämm 


154 

Diesen  27  ausgesohiedenen  ordentlichen  Mitgliedern  stehen  fid« 
gende  28  neu  «nfgeiiomniene  gegenüber: 

Herr  Mondorf,  Georg,  Hotelbesitzer,  W.; 

,     Balzer,  Pfarrer,  Bromskirchen,  Kreis  Biedenkopf; 
Frau  von  Boch,  ZSegelberg  bei  Mettlach  a.  d.  Saar; 
Herr  Dr.  phil.  Ritterling,  Emil,  W.; 

«    Beckel,  Jacob,  Bauunternehmer,  W.; 

9     Dr.  phil.  u.  med.  Preyer,  Wilhelm,  Hofrat,  Professor,  W.; 
Se.  Durchlaucht  Georg  Friedrich  Ffirst  zu  Solms-Brannfels,  Braan* 

fels; 
Herr  Zorn,  Richard,  Obstbanmschnlbesitzer,  Hof  heim  a«  T.; 

„     Dr.  med.  Lossen,  Hermann,  Arzt,  W.; 

9     Gramer,  Landgerichtspräsideot,  W.; 

,     Weidenbusch,  Hans,  W.; 

9    Caesar,  Clemens,  Reg.-Rat,  W.; 

n    Schwedersky,  W.,  Lieutenant  a.  D.,  W.; 
Fräulein  Mawson,  Anna  Maria,  Privatlehrerin,  W. ; 
Herr  von  Brandt,  Ezcellenz,  W.; 

Frau  Todd,  W.;  . 

Herr  Dr.  phil.  Bodewig,  Oberlehrer,  Oberlahnstein;  ^ 

9    Eurtz,  Leonhard,  Hofyhotograph,  W.; 

„    Wilhelmj\  Otto,  Landgerichtsrat,  W.; 

,     y.  Wunster,  Wilhelm,  Oberst  a«  D.,  W.; 

j,    Lucas,  Friedrich,  Schulamtskandidat,  W.; 

„     Gossmann,  C.  G.,  Kloppenheim; 

„     Reifenrath,  H.,  Niederlahnstein; 

„     Plindt,  Wilhelm,  Kgl.  Kanzleirat  a.  D.,  W.; 

^     Nico],  August,  Buchhändler,  W.; 

„     Quiel,  Gustav,  Buchhändler,  W.; 

„     Bojanowski,  Julius,  Rechtsanwalt,  W. ; 

„     Busse,  Louis,  Rentner,  W. 

Der  Verein  zählt  also  z.  Z.  5  Ehrenmitglieder,  6  korrespondierende  und 
879  ordentliche  Mitglieder.  Auf  den  Abdruck  eines  vollständigen  Mitglieder- 
verzeichnisses wurde  in  diesem  Jahre  verzichtet. 

Von  den  Vorstandsmitgliedern  schieden  durch  Tod  aus  die  um  den  Verein 
hochverdienten  Herren  Geheimer  Justizrat  v.  Eck  und  Geheimer  Baurat  Cuno. 
An  ihre  Stelle  traten  die  Herren  Königl.  Archivar  Dr.  Hagemann  und  R^e- 
rungs-  und  Baurat  Eggert.  Die  plötzlich  erfolgte  Berufung  des  bisherigen 
Sekretärs  Herrn  Dr.  Focke  an  die  Königl.  Universitätsbibliothek  Göttingen  im 
Februar  d.  J.  machte  auch  die  Neubesetzung  des  Sekretariats  nötig;  dasselbe 
übernahm  nach  Wahl  dos  Vorstandes  der  Unterzeichnete.  Die  bisher  aus  drei 
Mitgliedern  gebildete  Rechnungsprüfungs-Kommission  wurde  in  Anbetracht  der 
bestehenden  staatlichen  Kontrolle  aufgehoben. 


1S5 


Die   derzeitige  Zusaiiiiiieiisetzungr  des  TorstaiideN   int    also    rolgcnJo: 

irektor:  Herr  San itätsrat  Dr,  Florschütz;  Sekretär:  Herr  Dr,  phil,  Ritter- 

og;    Konservator:    Herr  Oberiit  z.  D,  von  Cohausen      Ferner  die  Herren: 

Itcotner  Gaab,  Landgerichtsrat  Keutner,  Oberlehrer  Dr.  Wedewer,  Schul- 

direktor  Weldert,  Dr*  med*  Ahrens,   Oberlehrer  Dr.  Lohr,   Landgerichtarat 

Diiäsel,   Major   a.  D,    Schliebea.     Ersatzmänner   sind    die    Herren;    Oberat- 

lieutenant  z,  D.  Sartoriua,  Kgl.  Archivar  Dr.  Hagemann,   Regierungs-  und 

L     Baurat  Eggert. 

^H  Bililiothek.  Bei  der  grossen  Zahl  der  Yereine  und  Institute^  mit  welchen 
^Bnser  Verein  im  Austauschverhältnis  steht,  war  der  Zuwachs  der  Bibliothek 
^Hm  letzten  Jahre  wieder  ein  bedeutender  und  wurde  deswegen  auch  nach 
Bfceschluss  der  Vorstandssitzung  vom  5.  August  1893  die  Summe,  mit  welcher 

die  Bibliothek  gegen  Feuersgefahr   versichert  ist,  um  1000  Mark  erhöht*     Neu 

in  das  Austauschverhältnis  sind  eingetreten: 

tDer  Historisclie  Verein  zu  Lemberg  (UaiiziüuJ  [„Kwartaluik  histuriczuy**); 
die   Kgl.   Gesellschaft  der  Wissenschaften   zu   Uüttingen,    Philologisch- 
■  historische  Klasse; 

der  Copernicus- Verein  zu  Thorn. 
Dagegen  sind  aus  dem  Tauschverhältnis  ausgeschieden: 
Der  Historische  Verein  für  den  Regierungsbezirk  Marien werder; 
die  ComeDius-Gesellschaft  zu  Münster. 
Durch  das  Wohlwollen  mehrerer  Gönner  des  Vereins  ist  auch  in  diesem 
Nüanre  die  Bibliothek  mit  wertvollen  Geschenken  bedacht  worden.    Wir  sprechen 
dafür  den  freundlichen  Gebern  an  dieser  Stelle  den  verbindlichsten  Dank  aus: 
Ber  Königlichen  Regierung  hierselbst,  der  Landesdirektion  hierselbst,  sowie  den 
Herren  Oberst  z.  D,  von  Cohausen,   Sanitätsrat  Dr.  Florschütz   hierselbst» 
■Vremierlieuteuant  Hoffmann  in  Gummersbach,  Rechtsanwalt  E,  Leisler  (W.), 
^^,  A.  KHngholz  (W.),  J.  de  Rey-Paithade  in  Toulouse,  Laodesdirektor  Sar- 
torius  (W.),    Frl.  Marie  Schaffhausen  in  Bonn,    Verlagsbuchhandlung  B.  G, 
Teubner  in  Leipzig,  Herrn  Stadtbibliothekar  Dr.  W,  Velke  in  Mainz.    Auch 
der  kürzlich  verstorbene  Herr  Wirkl  Staatsrat  von  Becker  hatte  sein  freund- 
liches Interesse   für   den  Verein   durch   Zuweisung  einer  Anzahl   auf  badische 
Geschichte  bezüglicher  Bücher  an  die  Bibliothek  bethätigt. 


Vorträge. 

1)  Sitzung  im  „Rothen  Haus*^  am  8,  November  1898. 

Der  Vereinsdirektor  Herr  Sanitätsrnt  Dr.  Florschütz  begrüsst 
die  zahlreich  erschienenen  Mitglieder  und  Gäste  und  widmet  den  um 
unseren  Verein  hochverdienten,  seit  der  letzten  Sitzung  verstorbenen 
Herren,  Herrn  Professor  Dr.  Spiess,  dem  früheren  Vereinsdirektor, 
und  Herrn  Geh*  Justizrat  von  Eck^  dem  langjährigen  juristischen 
Berater  des  Vereins  einen  Nachruf. 


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.^1^^^^^ 


156 

Der  Königliche  Konservator  Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohausen 
berichtet  über  die  diesjährige  Generalversammlang  des  Gesamtvereins 
der  deatschen  Geschichts-  und  Altertumsvereine  in  Stuttgart,  zu  wel- 
cher er  als  Delegierter  entsandt  worden  war. 

Nach  einer  längeren  Aosftlhnmg  Aber  Wesen  und  Bedeotong  dieser  General- 
versammlongcn  verbreitet  er  sich  eingehend  über  die  zu  Stuttgart  gehaltenen  öffent- 
lidien  Vorträge  der  Herren  Dr.  Fraas,  Dr.  von  Stalin,  Generalmajor  von  Pfister, 
Dr.  Kraus  und  Dekan  Klemm,  fflr  welche  auf  den  inzwischen  im  Druck  erschienenen 
offiziellen  Bericht  Aber  die  Generalversammlung  verwiesen  werden  kann.  In  der  prä- 
historischen Sektion,  deren  Vorsitzender  der  Redner  war,  stand  noch  die  von  der 
letzten  Generalversammlung  flbemommene  Frage  Aber  das  Wesen  und  die  tirpischen 
Kennzeichen  der  vorgeschichtlichen  Kultusstätten  zur  Besprechung.  Auch  diesesmal 
gelangte  die  Frage  nicht  zur  Lösung;  es  wurde  vielmehr  eine  Kommission  ernannt 
behufe  Aufstellung  eines  erschöpfenden  Fragebogens,  der  an  geeignete  Persönlichkeiten 
versandt  werden  soll.  Die  Mardellen-Frage  konnte  auch  diesesmal  nur  gestreift 
werden.  Allgemeines  Interesse  erweckten  die  Mitteilungen  des  Herrn  Baumeisters 
Jacobi  in  Homburg  v.  d.  H.  tlber  seine  epochemachenden  Entdeckungen  am  römischen 
Limes  im  Taunus  (siehe  oben  S.  148  ff.). 

Sodann  spricht  Herr  Oberst  von  Cohausen  über  die  Urbevölke- 
rung Nord- Japans,  die  Ainos,  von  denen  zahlreiche  Handarbeiten  in 
Geräten,  Waffen  und  interessanten  Textiistücken,  welche  einem  Ge- 
schenke der  Frau  Polizeihauptmann  Höhn  für  die  ethnologische  Ab- 
teilung unseres  Museums  angehören,  ausgestellt  sind. 

Endlich  macht  Herr  E.  Schierenberg  einige  Mitteilungen  aus 
den  neuesten  Veröffentlichungen  des  Smithsonian  Institution  zu  Washing- 
ton, besonders  über  die  viel  besprochenen  Klippen  Wohnungen  in  den 
Gebirgsschluchten  von  Arizona,  New-Mexico  und  Utah. 

Während  manche  enthusiastische  Reisende,  welche  die  Gabe  zu  haben  scheinen, 
immer  weit  mehr  zu  sehen,  als  wirklich  vorhanden  ist,  in  ihnen  die  Überreste  einer 
uralten  untergegangenen  Kultur  erblicken  wollten,  hat  Major  Powell,  der  Vorsteher 
der  geologischen  Vermessung  der  Vereinigten  Staaten,  tiberzeugend  nachgewiesen, 
dass  sie  Indianerstämmen  angehörten,  welche  noch  jetzt  in  der  Nachbarschaft  wohnen, 
und  dass  sie  teilweise  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  benutzt  worden  sind.  In  gewöhn- 
lichen Zeiten  lebten  jene  Stämme  in  den  sog.  Pueblo's,  runden  oder  elliptischen 
steinernen  Gebäuden,  welche  bis  zu  sieben  Stockwerk  hoch  waren  und  einen  Hof 
einschlössen.  Sic  enthielten  Hunderte  von  Räumen,  welche  teils  als  Wohnungen,  teils 
als  Vorratskammern  dienten.  Von  aussen  waren  sie  bloss  mit  Leitern  zugänglich. 
Solcher  Pueblo's  sind  noch  einige  Dutzend  bewohnt.  Hunderte  liegen  in  Ruinen.  Wenn 
die  Bewohner  von  kriegerischen  Feinden  bedrängt  wurden,  verliessen  sie  die  Pueblo's 
und  nahmen  ihre  Zuflucht  in  den  schwerer  zugänglichen  Klippeuwohnungen  an  den 
senkrechten  Wänden  der  tief  eingeschnittenen  Schluchten  jener  Gegenden.  Dies  ist 
nachweisbar  noch  vor  nicht  langer  Zeit  geschehen. 


^^     187 

2)  Sitzung  im  ^Rothen  Haus*'  am  29.  November  1893. 
Die  Licbeiiswardigkeit  des  Konsiervators  des  Römisch-germanischen  Museums  zu 
Hcrnj    L.  Lindenscbmit   liatte   es   ermöglicht,    eine   ganz   vorzügliche  Aus- 
dlung  alamaimisdier  und  fränkischer  Schutz-  uud  Tnit/wafteri  den  Mitgliedern  vor* 
ttführcn.     Dicselbeu  bestanden   aus   Irisch  angefertigten,    in  Metall   und  Holz  lierge- 
Jlten   Nachbildungen   der    besten    Originale,    und    Hessen    mit    ihren   Lanzen    und 
eercn,    Bogen  und  Pfeilen,    gewaltigen  Schwertern,    einem    i»rachtvollen   Scramasax, 
en  verschiedenen  Arten  der  Franciaka,  dem  schimmernden  Helm  und  den  gebuckelten, 
ant   bematten  Schilden  die    altgermaniäcbe  BewafiTuang,    die  wir  sonst  nui*  in  mehr 
ier  weniger  defektem  Zustande  den  Gräbern  entnehmen,  in  neuem  Glänze  vor  uuse^ 
Auge  erstehen.     Herr  Dr.  Flor  schütz   schilderte    die  einzelnen  Stücke   in  ein- 
ehender  Weise,  nachdem  er  in  der  Einleitung  seines  Vortrages  auf  die  Schwierigkeiten 
afmerksam  gemacht  batte,  in  den  der  alamannisch-fränkischen  Ejwclie  vorausgehenden 
Pumlen    typisch   germanische  Formen    festzustellen,     Interessenten    verweisen    wir  anf 
Se  klassische  Arbeit  Lindenschmit's  in  seinem  Handbuch  der  deutschen  Altertums- 
Linde,  Band  I. 

Für  nächsten  Winter  ist  eine  ähnliche  Ausstellung  römischer  Be- 
waffnung in  Aussicht  genommen. 


3)  Oeneralversammluug  im  Museumssaale  am  16.  Dezember  1893* 
Der  von  Herrn   Dr.  Fooke   über    „Cliarlotlie  Corday"    gelialtene 

Vortrag  war  einer  grüeaeren  Arbeit  entnommen,  welche  demnaclist  als 
Monographie  ersoheineu  wird. 

4)  Sitzung  ira  „Rothen  Haus"  am  10.  Januar  1894. 
Der  Vorsitzeudo   Herr  Dr.  Plorsehiitz    widmet  dem  kllrzlich  in 

Stuttgart  verstorbenen  Ehrenmitgliede  des  Vereins,    rierrii   (Jeh.  Reg.-  ' 
und  Baurat  Cuno  einen  Nachruf. 

Sodann  legt  Herr  Dr.  Clouth  eine  Reihe  von  Photographieen  vor, 
welche  die  grossartigeu  Ruinen  von  Angkor  Wat  in  Siam  darstellen^ 
und  begleitet  dieselben  mit  einijj;en  orientierenden  Uemerkungeu«  weichte 
sich  an  einen  von  Mr  George  N.  Lurzon  am  24.  April  1893  in  der 
Sitzung  der  Royal  Geographica!  Society  zu  London  gehaltenen  Vortrag 
anlehnen. 

Die  Ruinen  befinden  sich  auf  dem  13.  Grad  nördl.  Breite  und  dem  104.  Grad  ustl. 
Mge  20  km  landeinwärts  von  dem  Binnensee  Talay  Sap,  südwestlich  vom  Mekong. 
Das  Gebiet,  auf  welchem  sie  liegen,  geh^^irt  zu  Siam;  um  sie  zu  erreichen,  bedarf  es  der 
chiifahrt  auf  dem  Siem  Rep,  dann  eines  Rittes  zu  Pferde  nach  der  IIau|>tstadt  der 
gleichnamigen  Provinz  und  von  da  eines  1 V»  stündigen  Marsches  auf  sehr  gut  gehaltener 
itrasse  bis  zur  äusseren  Terrasse  von  Angkor  Wat.  Die  Ruinen  bedecken  eine  Fläche 
m  32  qkm.  Nach  Lurzon 's  Ansicht  sind  die  Tempel  nicht  der  Drachenverehrung  (wie 
Pergusson),  auch  nicht  dem  Buddha  geweiht  gewesen  (wie  Garnier»  Legre e  und 
kudere  meinten),  sondern  sie  sind  rein  brahmanisch  und  erst  später  die  Statuen  des 
idlia  in  die  Nischen    und  Schreine    der    tlindugottheiten   eingesetzt   worden.     Für 


158 


iHe  Erbauer  der  TemjKjl  und  der  übrigen  Bauten  hält  er  die  Kbmer,  einen  wahr- 
scheinlich von  Indien  über  I-ond  gelcomraenen  Volksstamm.  Die  Zeit  der  Baoteu 
dürfte  nach  den  Forschungen  französiscLer  Gelelirter  in  das  11,  bis  7*  Jahriuindert 
vor  Chr,  fallen.  Das  Material  der  alten  Bauten  zeigt  durchgehends  nur  zwei  Stein- 
arten:  1*  einen  harten  feinkOniigon  SantL^tein,  der  besonders  fdr  die  Skulpturen  verwendet 
wurde,  und  2,  einen  rauhen  porösen,  rötlichen  Stein  für  den  Unterbau :  die  viel  spÄlerer 
Zeit  angehörigen  ßauten  bestehen  aus  gut  gebrannten  Ziegelsteinen.  Das  Steinmat^rial 
stammt  aus  Brüchen,  welche  mehr  als  50  km  weit  entfernt  waren;  die  Möglichkeit 
des  TransiH>rtes  solcher  Massen  bei  den  schlechten  Wegen  wird  nur  verstilndlich  durch 
ilen  noch  jetzt  in  fThina  zu  beobachtenden  Gebrauch^  Steinblöcke,  Glocken  etc,  auf 
4len  Schultern  von  Hunderten  von  Trägern,  durch  Gerüste  verteilt,  im  Mai^chteropo 
fortjcubewegen. 

Die  verschiedenen Oebfiudekompicxe lassen  sich  in  7  Grupi)en  teilen:  1,  die  Hainen 
auf  der  Hrdio  von  Puom  Krome  und  zu  Aihvethvea  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flus 
2.  der  eigentliche  grosse  Tempel  von  Angkor  Wat,   5  km  vom  Flusse  entfernt;   3. 
Hügel  von  ßakhong;  4.  die  Ruinen  der  Königsstadt  von  Angkor  Tom;  5,  8  km  weil 
östHcli  der  grosse  See  und  der  Sommerpalast  von  Barie  Mtdmni ;    ß»  auf  dem  fistlichen* 
Ufer  das  Flusses  die  Gruppe  von  Prasat  Kao;  7*  Ziegelbauten  von  Bathoum,   Mabn» 
und  f*rcarup* 

Hierauf  hält   Herr  Major  Schlieben    einen  Vortrag  über 
Erfindung  und  erste  Einrichtung  der  Wasaerraühlen", 

Die  erste  Erwähnung  einer  Wassermühle  als  Sehenswürdigkeit  der  Stadt  Kabirt 
in  F*onlus  findet  sich  bei  Straho,  und  Servius  berichtet,  dass  solche  Mühlen  kurz  vor 
Augustus  in  Rom  aufkamen.  Es  ist  nicht  unwalirscheinlich^  dass  Mithridates,  wie 
eine  unverbürgte  Nachricht  sagt,  wirklich  der  Eriinder  war  und  die  erste  Anlofe 
ins  erste  Drittel  des  L  Jahrhunderts  vor  dir.  föllt.  Durch  ein  Epigramm  des  Anil* 
pater  wird  das  Vorhandensein  von  Wassermühlen  in  Rom  zur  Zeit  Ciceros,  durds 
eine  Verordnung  Caligulas  und  spütere  Angaben  aus  ilem  lü*  Jahrhundert  das  Fort- 
bestehen von  Boss-  und  Eselmülden  erwiesen.  Die  von  Sklaven  und  VerbrecJjem 
getriebenen  schweren  Handmfthlen  hörten  unter  Thcodosius  auf,  kleinere  blieben  h\* 
in  die  neueste  Zeit  bestehen. 

Die  Getreidebereitung  zerüel  in  die  Anfertigung  von  Mehl  und  von  Graui^en, 
beides  durch  Stossen  oder  Mahlen.  Die  Anfertigung  der  Graupen  beschreibt  Plinins» 
Hiat.  uat.  XVIIL  10  (23),  dessen  Text  zunächst  richtig  zu  stellen  ist.  Falsch  ist  die 
Lciiart  ut  comidantur  grana  ferrumque  frangatur^  da  nicht  das  Zerbrechen  dct 
schweren  Eisens,  sondern  das  Zerquetschen  der  Kömer  sm  befürchten  ist,  was 
Oraui>en  nicht  vorkommen  soll ;  es  muss  gelesen  werden  ferroque  frangantur^  V 
wichtigüte  Stelle  ist  die  folgende:  ratis  etiam  (utitnr)^  quas  aqua  rej^scJ  obUer,  ei 
moliitf  nicht  molii  oder  molat.  Darunter  ist  zu  verstehen  nicht  ein  oberschlidi* 
tiges  Wasserrad,  wie  viele  wollen,  sondern  ein  senkrechtes  Rad,  welches  oboiltii, 
d,  h,  von  oben  leicht  aber  das  zu  enthülsende  Getreide  hinweggleitct  und 
gegen  die  scharfen  Kanten  der  umgebenden  Trommel  wirft;  denn  die  Wlrkmig 
ober*  oder  unterschlächtigeu  Wasserrades  ist  für  die  Bereitung  der  Grauiicn  g«!iuiit 
dle^be,  also  ganx  gleichgiltig*    Molia  wird  gelesen«  weil  man  sich  auch  der  Mahleo 


i 
4 


159 


nit  horizontalem  Stein,    wie  lange  Zeit    im    den   Flmer  Graupen   geschah,    hedienen 

koimie.   Es  wird  nun  eine  solche  Mühle  mit  Hülfe  der  Angaben  Vifcruvs  in  sehr  ein- 
Ifacher  Art  konalnaert,  bei  der  die  Umdrehungsgeschwindigkeit  des  senkrechten  Rades 
leih  dem  Zweck  entsprechendes  Mass  innehält.    Das  Ganze  wird  durch  die  in  Deutsch- 
land bb  ins   XVII,   Jahrhundert  übliche  Graupenbereitung,    welche  im  Prinzip   noeb 

heute  besteht,  erläutert  und  durcli  eine  Zeichnung  anschaulich  gemacht. 

Die  Einriclitung  der  Mehlraühlen  beschreibt  Vitruv  X»   5  (10)  sehr  ungeschickt 

and  undeutlich ;  der  Text  ist  gleichfalls  verdorben.  Unter  tympanum  intlummi  ist 
|eiu  Rad  im  Innern  der  Mühle  zu  verstehen,   während  das  Wasserrad  sich   draussen 

befindet.  Es  i,^t  zu  lesen :  quod  (axu)  haheaf  tympanum  denfatum  et  inelusum, 
Illicht  t*st.     Sodann  niuss  hinter   tympanum  maius    ein  Komma  stehen,    weil  die  Be- 

vegung  beschleunigt  werden  soll,  wahrend,  wenn  matus  zum  Folgenden  gezogen  wird, 
fdie  Wirkung  eine  entgegengesetzte,  zweckwidrige  sein  würde;  das  zweite  Rad,  das 
MphtfiHm^  d.  h.  horizontale,  muss  das  kleinere  sein,  Mola  ist  hier  der  obere,  sich 
I drehende  Mühlstein,    der  Läufer.     Die  weitere  Beschreibung  des   infundibulum  und 

ias  Fördern  des  Mchles  kann  nur  der  verstehen,  der  die  Einrichtung  bereits  kennt, 
che  genau  der  an  unseren  primitiven  Landmühlen  entspricht.  Auch  hier  wird  die 
ae  Einrichtung  durch  eine  Zeichnung  deutlich  gemacht. 

YitruY  kannte  nur  diese  erste  Einrichtung  der  Mühleu,  sie  blieb  im  allgemeinen 
iJahrhunderte  lang  dieselbe.  Im  Jahre  536,  als  die  Goten  Rom  belagerten  und  die 
'Wasserleitungen  zerstört  hatten,  erfand  Belisar  die  Schiflsmülden*    Allmühlich  trennte 

sich  das  Müllergewerbe  von  dem  der  Böcker,    während  früher  der  pistor  beide  aus- 

IAfale.  Windmühlen  scheinen,  nach  Gitateu  bei  Du  Cange,  erst  im  XIL  Jahrhundert 
iaufgekommen  zu  sein.  Erst  1784  wurde  nach  verschiedenen  nicht  gelungenen  Yer- 
ßuchen  in  England  die  erste  mit  Erfolg  arbeitende  Dampfmühlc  erbaut,  seitdem  sind 
die  Mühlen  und  mit  ihnen  die  Mehlbereitung  ganz  ausserordentlich  vervollkommnet 
worden* 

^5)  Sitzung  im  ^Rothen  Haus**  am  24.  Januar  1894. 
Der  Köüigliche  Konservator  Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohauspn 
hält  einen  Vortrag  über  „Die  Volkatrachten  in  Nassau*^. 
Der  Obstbaumzüchter  Herr  R.  Zorn  in  Ilofheim  hat  den  Antrag  gestallt,  der 
AUertumsverein  wolle  die  jetzt  noch  in  Nassau  vorhandenen  Landestrachten  der 
ländlichen  Bevölkerung  und  besonders  die  im  Verschwinden  begrift'enc  Tracht  des 
«Blauen  Ländchens»  (Di edenbergen,  Breckenheira,  Wallau,  Wildsachsen  etc.)  durch 
Beschreibung,  photographische  Aufnahme  oder  Modelle  in  den  Annalen  und  im  Museum 
er  Nachwelt  erhalten.  In  der  Garderobe  des  hiesigen  königlichen  Theaters  sind 
e  Trachten  von  Bäuerinnen  vorhanden,  welche  bei  Gelegenheit  des  ersten  Besuches 
les  Kaisers  Willielm  L  in  Wiesbaden  für  ein  Ballet  als  völlig  getreue  Nachbildungen 
er  wirklich  getragenen  Kleidung  angefertigt  worden  sind.  In  dem  sogenannten  Buch- 
nkenlande,  aus  welchem  uns  ein  Kostümbild  eines  Mädchens  vorliegt,  welches  wir  nächst 
em  Herrn  Landrate  Seyberth  der  Gefälligkeit  der  Frau  Präsident  Winter  in 
Imshauson  und  der  Frau  Pfarrer  Schneider  in  Budienau  danken,  wechseln  die 
rächten,  zumal  die  Mützen,  wenn  nicht  mit  jedem  Dorfe,  so  doch  mit  jedem  Amte, 
tlhrend  die  Mäddien  im  Breidenbachor  Grunde  rote  <Kubclchen>^,  d.  h.  cylindrischey 


'jKBi,^L^maätm 


Mä 


$teif  abgesteppte  Mützen  mit  schwarzen  ßäudera  tragen,  sind  dieselben  in  Batteol»er|t 
schwarz  und  anliegend  und  haben  in  Dantphe  fast  die  Form  eines  bayerischen  Gen- 
darmenhelme^  an^  schwarzer  Wolle,  Ein  besonderer  Staat  sind  dort  die  sicbthareß 
breiten  ^ Hosenbändel*,  d,  h.  Strumpfbänder  mit  roten  Quasten.  Sehr  klcidsaih« 
praktjseb  tmd  gediegen  ist  die  Tracht  der  Frauen  und  Mädchen  in  Brandoherntlorf 
im  Kreise  Usingen  (vergj.  Annalen  XVII^  27),  die  jetzt  freilich  nur  mehr  von  den 
Reicheren  und  Voniehmercn  getragen  wird.  Aber  auch  hier  sind  es  fast  ansschlies&lirh 
die  Frauen»  welche  die  Sitte  bewahren,  die  Kleidung  der  M&nner  erinnert  kanm 
mehr  an  eine  Landestracht.  Zwei  vorgelegte,  von  einer  Dame  ge^seichnete  BIldclieD 
zeigen  die  Einzelheiten  der  Tracht  der  Frauen:  sie  tragen  schwarze  Strftn»pfe^  eiocii 
kurzen  schwarzen  Rock  mit  dunkelblauer  Schürze»  eine  dunkelfarbene  geblümte  Jackf 
mit  hellem,  über  die  Schultern  gehendem,  hinten  geknüpftem  Ilalstuche,  einen  gestej^ttlen 
runden  Hut,  von  dem  ringsum  Spitzen  herabhängen,  welche  die  Augen  nicht  sehen 
lassen.  Die  Mädchen  haben  hellblaue  Strümpfe,  einen  kurzen  schwarzen  Rock  mit 
hellblauer  Sdiürze,  ein  braunes  Mieder,  das  die  Hemdärmel  freilässt,  ein  eng  an* 
liegendem  gesticktes  Mfttzchcn  mit  schwarzen  Bindebiindern. 

Auch  Herr  Ilauser  in  Mainz  sammelt  liindliche  Trachten,  namentlich  Uanhen 
und  Bänder  von  Frauen  und  Mädchen  aus  dem  'Blauen  Läudchen^  (eigeiiiüch 
die  1803  an  Nassau  gekommene  Herrschaft  Eppstein,  begrenzt  etwa  von  Hochheim, 
Hof  heim,  Eppstein,  Bierstadt).  Aber  auch  hier  fehlen  die  Trachten  der  Bnmchen 
tv^t  völlig;  dieselben  haben  nach  ihrer  Militärzeit  die  Freude  an  ihrer  l^ndcstraciit 
verloren.  —  Über  das  Alter  der  ländlichen  Trachten  darf  man  sicli  keiner  TäüschDug 
hingeben;  die  wenigsten  werden  über  das  16.  Jahrhundert  hinaufgehen;  es  sind 
Nachahmungen  städtischer  Moden,  die  beim  Laudvolke  etwas  länger  sich  erbjüten 
haben.  Ein  Beispiel  aus  der  neueren  Zeit  bieten  die  in  den  30  er  Jahren  aufi^ 
kommenen  Chignonänncl,  welche  jetzt  noch  in  Dachau  bei  Manchen  getragen  werden. 
Hoffentlich  wird  die  jetzige,  der  Weiblichen  Gestalt  so  sehr  widersprechende  Damen* 
tracht  nicht  ebenfalls  als  eine  ^Volkstracht*  aufgegriffen.  In  dem  \ortrelHichcD 
Werke  von  Kretschmer:  Deutsche  Volkstrachten,  Leipzig  1870,  betreffen  tmch 
Ä  Blätter  unser  Vereinsgebiet,  2  Blätter  Riedenkopf,   1  Blatt  Wetzlar. 

Was  nun  die  praktische  Seite  der  von  Herrn  Zorn  angeregten  Fro^,  ilit 
Sammeln  bezw.  Erhalten  dieser  Trachten  seitens  des  Vereins  angeht,  so  ist  «n  eine 
Sammlung  von  üriginalkleidungsstQcken  schon  aus  dem  Grunde  nicht  zu  denken,  woil 
uns  im  Museum  volUtändig  der  Platz  hierzu  feliit.  Wohl  aber  wäre  eine  Sammiwsf 
von  ausgemalten  l'hutographieen  der  Trachten  in  Kabinettformat  möglich.  Iliefi« 
die  Mittel  zu  gewähren  und  in  iliren  Kreisen  die  Sache  in  die  Hand  ku  nebJDiii^ 
würden  die  Kreisstände,  die  ohnehin  Mitglieder  unseres  Vereins  sind,  am  geeignetidcii 
sein  und  müssten  seitens  des  V^ereins  darum  gebeten  werden. 

In  der  längeren  an  den  Vortrag  anknüpfenden  Debatte  erbietet 
sich  Herr  Juetizrat  Thonges^  Zeichnungen  von  Traehteo  atta  dem 
Amte  Dillenburg,  der  Gegend  von  Montabaur,  Wallmerod.  naehenburp 
und  Limburg  zu  beschaffen,  Herr  Direktor  Fiscbbacb  i*t"iwh\»|||t 
dringend  die  Beaehaffung  von  Originalkostiimen* 

Hierauf  hält  lli*rr  Mtfjur  Heb  Heben  einen  Vortrag  Über  ,St,  UiMirg^ 
aU  l)raeheukiitnpft*r^. 


4 


161 


y  Man  denkt  sich  St.  Georg  als  sUittlichen  Kitter,  welcher  zu  Pferde  gegen  einen 
Draclieti  kämpft  und  ihm  den  Speer  in  den  Rachen  stöstst.  Da&  Yorhitd  dazu  lieferte 
Jacobtis  de  Voragine  in  seiner  Legenda  aurea.  Er  verlegt  den  Kampf  eines  Ritters 
gegen  einen  Drachen,  um  eine  Jungfrau  m  befreien,  nach  Libyen,  andere  Bearbeit* 
ungen  nach  Kappadocien.  Syrien,  Palüstina,  eine  derselben  nennt  als  die  befreite 
Jungfiau  die  bU  Margarethe,  welche  mit  dem  Drachen  abgebildet  zu  werden  pflegt. 
Der  Codex  des  Jacübus  de  Voragine  stammt  aus  dem  XII,  .Jahrhundert,  stützt  sich 
aber  auf  einen  älteren  aus  dem  VIIL  Jahrhunderl.  Älter  als  diese  Erzählung  ist 
die  von  dem  Megalomartyr  Georg,  welche  die  Acta  Sanctorum  enthalten.  Dieser 
wurde  unter  Diocletian  als  Verteidiger  der  Christen  gefoltert  und  am  23.  April  303 
umgebracbu  Er  ist  der  kirchliche  Heilige,  jedoch  ist  bei  ihm  von  einem  Drachen- 
kampfe keine  Kede ;  die  Kirche  fajBSte  später  diesen  Kampf,  welcher  demselben  Georg 
als  Jugenrlthat  zugeschrieben  wurde,  nur  symbolisch  als  Überwindung  von  Unglauben 
und  Ketzerei,  als  Überwindung  des  Teufels  und  als  Sieg  des  Christentums  auf. 

Eine  Erzählung  bei  Vertot,  Histoire  de  Malthe,  welcher  einen  Maltheser  Ritter 
auf  Rhodos  im  XIV.  Jahrhundert  gegen  den  Befehl  seines  Grossmeisters  einen  ahn* 
liehen  Drachenkampf  bestehen  lässt,  hat  Schiller  den  Stoff  zu  seiner  Ballade  -^Der 
Kampf  mit  dem  Drachen*  geliefert.  Aus  dem  XIII.  Jahrhundert  gibt  es  noch  äbn- 
liche  deutsche  und  englische  Dichtungen. 

Drac.hensagcn  gibt  es  bei  allen  Völkern;  als  Drachen  bezeichnete  Ungeheuer 
sind  jedoch  nur  PhantasiegebiUle.  zu  denen  die  Apokalypse  und'  die  Heldensagen  die 
Vorbilder  geliefert  haben.  Sie  wurden  als  Standarten  und  in  Wappen  geführt,  und 
stehen  heute  noch  in  ('hina  in  Verehrung.  Drachenkämpfer  waren  Ilama,  Rüstern, 
Apollo*  Herakles,  Jason,  Kadmos,  Bellerophon,  Perseus,  Beowulf,  Ortnit^  Wolfdietricb, 
TristAii  und  Sigurd  oder  Siegfried.  Diese  Kämpfe  beziehen  sich  in  der  nordischen 
Mythologie  auf  den  Kampf  des  Sommers  gegen  den  Winter,  d,  h.  Odins  oder  seiner 
Stellveilreter  gegen  die  Reifriesen  oder  Thursen  zur  Befreiung  der  Sonnenjungfrau, 
der  schon  in  den  ältesten  Zeiten  in  Deutschland  dramatisch  dargestellt  wurde.  An 
Odinji  Stelle  traten  die  Sonncuhelden  und  schliesslich  St.  Georg,  da  nach  Einführung 
des  Christentums  die  Eigenschaften  und  Verrichtungen  Wuotans  und  anderer  Götter 
xnm  Teil  auf   christliche    Heilige,    wie  Georg,  Martin,  ilswald,  Mlcliael,    übergingen. 

Der  hl.  Georg  genoss  schon  unter  Konstantin  grosse  Verehrung,  sein  Bild  wurde 
mit  dem  des  Mithras  verschmolzen;  in  den  fortwährenden  Überarbeitungen  der  alten 
Legende  wurde  er  zum  glänzenden  Jüngling,  zum  Lichtgott,  nach  dem  die  alten  Iberer 
am  Kaukasus  sich  Georgier  nannten,  zum  Drachenkämpfer  und  durch  die  Kreuzfahrer, 
welclie  ihn  in  dieser  Auffassung  kennen  lernten,  namentlich  durch  Richard  Löwen- 
herz, zum  Ritter,  der  für  die  Kreuzfahrer  gegen  die  Ungläubigen  kämpfte.  So  kam 
er  als  Ritter  vom  Morgenlande  ins  Abendland  und  wurde  volkstümlich,  da  man  in 
ihm  den  Stellvertreter  Wuotans  mit  dessen  Schimmel  und  Speer  sah. 

Der  hl.  Georg  wurde  Patron  der  Krieger,  der  Reiter  und  ihrer  Pferde.  Die 
Bauemritte  um  die  Linde  am  Georgitage  (23.  April)    und  die  Wettrennen  bezeugen 

idies.  Die  Sago  wurde  vielfach  lokalisiert,  so  in  Leipzig  and  Mansfeld,  In  letzterem 
Orte  wurde  der  hl.  Georg  als  Schutzpatron  auf  die  Münzen  geprügt;  berühmt  sind 
die  Georgsthaler  des  Grafen  David  von  Mansfeld,  weil  an  ihnen«  besonders  an  den 
Uirgängen  UJ09  und  1(111  der  auf  einem  wunderbaren  Vorfall  aus  dem  HOjithrigcn 
■       J|MI41#JI,    liil.  XXVI.  1 1 


162 

Kriege  beruhende  Aberglaube  haftet,  dass  sie  unverwundbar  machen.  Der  hl.  Georg 
schfitzte  aber  auch  gegen  Krankheiten  und  Tod  und  deshalb  standen  die  Aussatz- 
uiid  Pesthäuser  unter  seinem  Patronate.  Allerlei  Aberglaube  gründete  sich  auf  diese 
Vorstellungen,  wovon  beim  Kugelsegen  und  beim  Schäfflertanz  noch  Spuren  zu  finden 
sind.  Die  verschiedenen  Georgsorden  gehören  heute  noch  zu  den  höchsten  Auszeich- 
nungen, namentlich  in  England  und  Rusdand. 

Zum  Schluss  zeigt  der  Yorsitzende  Herr  Sanitatsrat  Dr.  Flor- 
schütz  einen  ihm  zum  Geschenke  gemachten  „Panzerbrecher*  vor, 
eine  dolchartige  Waffe,  mit  sehr  spitzer  und  schmaler  Klinge  und  da- 
durch befähigt,  im  Nahkampf  zwischen  die  Schuppen  und  Ringe  der 
Panzer,  gegen  die  Schwert  und  Lanze  nichts  auszurichten  vermochten, 
einzudringen.  Er  überweist  den  wegen  seiner  grossen  Seltenheit  sehr 
wertvollen  Gegenstand  dem  Museum. 

6)  Sitzung  im  „Rothen  Haus^  am  14.  Februar  1894. 

Herr  Schriftsteller  Spiel  mann  hält  einen  Vortrag  über  ,  Adolf 
von  Nassau,  Kurfürst  von  Mainz,  und  die  luxemburgischen  Kaiser^. 

In  unseren  Tagen  ist  die  Dynastie  Nassau  in  den  Besitz  des  Grossherzogtums 
Luxemburg  gelangt.  Aber  bereits  vor  etwa  500  Jahren  traten  die  Glieder  beider  fürst- 
lichen Häuser  öfter  zu  einander  in  Beziehung,  zuerst  zur  Zeit  Kaiser  Karls  IV.,  Königs 
von  Böhmen,  aus  dem  luxemburgischen  Geschlechte.  Karl  war  bestrebt,  mit  allen 
Mitteln  seine  Hausmacht  zu  vermehren,  meist  durch  staatskluge  und  gewante  Akte, 
weshalb  man  ihn  auch  als  den  ersten  Diplomaten  auf  dem  römisch-deutschen  Kaiser- 
throne bezeichnet  hat.  Seine  Politik  lässt  sich  charakterisieren  als  vorsichtig  im 
Versprechen,  treulos  im  Halten,  zurückhaltend  im  Gewähren,  unerbittlich  im  Fordern, 
schlau  im  Erkennen  des  rechten  Zeitpunktes,  nachdrücklich  im  Verfolg  des  einmal 
Begonnenen.  Persönlich  zeichnete  ihn  einnehmendes  Wesen,  Höflichkeit  und  Gelehr- 
samkeit aus;  die  Eigenschaften  dreier  Nationen  vereinigten  sich  in  ihm:  deutscher 
Ordnungssinn,  welsche  Bildung  und  slavische  Verschlagenheit.  Ihm  kam  es  vor  Allem 
darauf  an,  seinem  Hause  ein  dauerndes  Übergewicht  in  Deutschland  zu  verschaffen; 
deshalb  fügte  er  zu  Böhmen  Schlesien  und  die  Lausitz  unmittelbar  hinzu,  verleibte 
die  den  Witteisbachern  entrissene  Mark  Brandenburg  seinem  Königreiche  ein  und 
machte  die  slavischen  Herzöge  von  Mecklenburg  und  Pommern  von  sich  abhängig. 
Sein  gesamtes  Reich,  zu  welchem  er  noch  die  Oberpfalz  hinzu  erwarb,  erhielt  eine 
feste  Organisation  und  als  erste  dauernde  Residenz  Prag.  Der  Landfriede  wurde 
gewahrt,  die  Bodenkultur  befördert,  Handel  und  Wandel  gehoben  und  der  Grund  zu 
einem  stehenden  Heere  gelegt.  Erst  nachdem  er  sich  so  eine  feste  Grundlage  zur 
Durchführung  seiner  weiteren  Pläne  geschaffen  hatte,  wandte  er  seine  Aufmerksam- 
keit dem  Reiche  zu.  Allein  hier  trat  ihm  eine  Persönlichkeit  gegenüber,  die  seine 
Pläne  zum  Scheitern  brachte.  Dies  war  Adolf  von  Nassau,  der  jugendliche  Urenkel 
des  deutschen  Königs  gleichen  Namens.  Ursprünglich,  wie  sein  Oheim,  der  verstorbene 
Erzbischof  Gerlach  von  Mainz,  ein  Anhänger  des  Kaisers,  wurde  er,  durch  die  Politik 
Karls  zweimal  von  dem  Throne  des  ersten  geistlichen  Fürstentums  ausgeschlossen, 
zum  erbitterten  Feinde  des   luxemburgischen  Hauses  gemacht.     Der   Kaiser   nämlich 


163 

battG  bei  seinen  Organisationgbestrebungeu  1iaiii)t£4ichlich  wiederum  die  Befestigung 
seiner  eigenen  Macht  in  Westdeutschland  im  Auge  und  zielte  auch  auf  Erblichmachung 
der  Krone  in  seinem  Gcselilechte,  Sein  Bruder  Lesass  bereits  Luxemburg,  ßrabant, 
Limburg*  nnn  suchte  Karl  durch  Bündnisse  und  Heiraten  sein  Ansehen  iin  Westen 
weiter  in  befestigen.  Adolf  aber,  dem  es  inzwischen  doch  gelungen  war,  die  Main/er 
Kurwürde  zu  erhalten,  l*ehauptete  sich  in  seinem  Besitze  und  verfocht  seine  Inleressen 
iu  blutigen  Fehden  gegen  des  Kaisers  Bundesgenossen,  weshalb  er  den  Beinamen 
^dcr  beissende  Wtilf*  von  seinen  Zeitgenossen  erhielt.  Als  dann  Karl  starb^  ohne 
Ziel  erreicht  zu  haben,  und  sein  Sohn  Wenzel  KOnig  wurde,  suchte  dieser  Adolf 
"dadurch  zu  gewinnen,  dass  er  ihn  iu  seiner  Stellung  als  Kurfürst  anerkannte.  Aber 
dessen  Streben  ging  jetzt  noch  höher:  er  selbst  wollte  an  der  Spitze  seiner  Bundes- 
genossen an  Stelle  des  Königs  Ordner  des  Reiches  und  dessen  Lenker  werden.  Zur 
Erreichung  dieses  Zieles  wnsstc  er  den  Streit  zwischen  Königtum,  Ritterschaft  und 
Städten  geschickt  zu  benutzen,  sodass  er  stets  als  Schiedsrichter  der  Parteien  anerkannt 
wnrile.  So  kam  es,  dass  Adolf  endlich  dem  Könige  alle  Macht  aus  der  Hand  ge- 
wunden und  die  luxemburgische  Hausiwlitik  durch  seine  eigene  verdrängt  hatte, 
Wenzel  zog  sich  nach  Böhmen  zurück  und  ktiranierte  sich  nicht  mehr  um  das  Reich* 
Doch  noch  ehe  Adolf  sein  Ziel  völlig  erreicht  hatte,  starb  er  in  noch  jugendlichem 
Alter.  Sein  Bruder,  der  spätere  Kurfürst  Johann  von  Mainz,  der  dem  Reiche  nach- 
einander 3  Könige  gab,  setzte  Adolfs  Politik  mit  Erfolg  fort.  Die  grosse  nationale 
Bedeutung  Adolfs  liegt  darin,  dass  er  in  erster  Linie  es  war,  welcher  verlijndertCi 
da&s  die  deutsche  Plinlieit  von  Böhmen,  d.  h.  durch  slavischo  Interessen  bestimmt, 
und  dass  dieses  Land  das  Hauptland  Deutschlands  wurde« 

Hierauf  bespricht  Herr  Major  Schlieben  eiue  grossere  Arbeit 
dea  Professors  Dr,  Braungart,  welche  im  3.  Hefte  des  XXIL  Bandes 
der  Landwirtschaftlichen  Jahrbücher,  Berlin  1893  abgedruckt  ist,  über 
„Die  Hufeiseufunde  in  Deutschland  und  die  Geschichte  des  Hufeisens". 

Der  Redner,  welcher  im  XX.  Bande  der  Annalen  des  nassauischen  AUertums- 
vereins,  Wiesbaden  1888,  selbst  einen  längeren  Aufsatz  über  die  Ilufeisenfrage  ver- 
öffentlicht hat,  der  dem  Verfasser  unbekannt  geblieben  ist,  ist  anderer  Ansicht,  als 
dieser  und  glaubt  viele  von  dem  Verfasser  wieder  vorgebrachte  Ansichten  und  Bei- 
spiele schon  widerlegt  zu  haben.  Er  wendet  sich  zunächst  gegen  einen  Fundameiital- 
satz  des  Verfassers  und  seiner  Autoritäten,  dass  die  gallischen  Hufeisen  kleiner  gewesen 
seien,  als  die  germanischen  und  führt  dafür  eine  Anzahl  Beweisstellen  aus  Cäsar,  Tacitus, 
Florus  Appian,  Plutarch  an,  bezweitelt  die  Beweiskraft  der  Funde  von  Alesia  und  die 
Kichtigkeit  der  Folgerungen  auf  die  Funde  in  Deutschland,  und  kann  namentlich  dem 
Verfahren,  wie  die  alamannische  und  suevisch'baiuwarische  licihe  von  alten  Eisen  nach 
dem  blossen  Augenschein  durch  Aussuchen  aus  einem  Haufen  von  300  Stück,  deren 
Ursprung  ganz  unbekannt  ist  und  die  er  selbst  früher  gesehen  hat,  um  so  weniger 
zustimmen,  als  der  Verfasser  selbst  gesteht,  kein  Entwickelungsprinzip  darin  entdeckt 
zu  haben  und  dass  die  Eisen,  sowohl  aus  den  Schanzen  bei  Alesia,  als  aus  den  baye- 
rischen Hochäckern  zum  Teil  wie  solche  aus  dem  XIL  Jahrhundert  aussähen  (S,  390). 
Audi  in  den  beigegebenen  Abbildungen  sind  die  Unterschiede  in  den  Eisen  nicht  so 
bedeutend,  um  90  einsckneidcnde  Klassifizierungen  zu  rechtfertigen,  was  schon  der  Aus- 


1^ 


164 


driit-k    «Htark  germmlsicrtes  kdtiscbes  ^Emm*  bei  Fmden  toü  der  Stdtmrjt  bi 
welche  vrm  allon  Funflen  die  am  beitai  begläiibigfai  «ad  datierte«  siorl  und  doi 
Formen  zeigen  (8.  432.  20).    Der  Redner  mukt  icfciieMlicih  seinersdu  nocb 
hiprkungen    Ober  den  llttf  vom  Pferd«  Cims  inteeftaui,   wddm   sich    bei 
CAKar  61  itnd  M  Sfilintts  45  findmi  irod  sieIH  miiebB«  dAiin  eine  mtf  d^  Abiirglaal 
Bcimr  Landfiteuto   fpekulierende  Tinedning  Ciaars  zu  «eben«   welcher  die  Weltl 
idiaft  erKtrehte.  Wie  nüher  erörtert  wurde,  könnte  darin  der  Aufiaag  des  den 
damals   noch  nnbekanuten  Nagelbes^hlagcs  zu  sncbeo  sein   mid  würde  er  dann 
frühere  Ansicht,    dass  der  Nagelbescblag  erst   in   den   ersten  Jahrbonderten 
Zcitrechnting  lofkani,  aas  diesem  und  anderen  neoeren  Gründen  etwas  äodertL 

Die  Besprechung  von  auf  Hocbäcken]  gefundenen  Huf  '  ^ 
anlaaat  den  Vorsitzenden  Herrn   Dr.  Florschütz    darauf   u 
zu  machen,   dass  diese  merkwürdigen  Überreste  des  kdtiacheii  A« 
baues  auch  in  der  nächsten  Nähe  Wiesbadens  beim  Chaiuaeehause  7 
beobachten  sindJ) 

Endlich  weist  Herr  Dr,  Tietz   auf  die  Ähnlichkeit    hin,    wd 
zwischen   den   Gigantengruppen    und    den   Darstellungen    dea 
Oeorg  besteht  (siehe  oben  S.  135/186). 


7)  Sitzung  im  „Rotben  Haus*  am  28.  Februar  1894. 

Herr  Dr.  med.  Genth  aus  Schwalbach  hält  einen  Yortrag 
„Aberglaube  und  Volksmedizin  in  der  Gegenwart*^. 

Aberglaube  ist  der  Rest  einer  alten  religiusen  Vorstellung,  der  ürh  ttach 
dringen  eines  Denen  Glaubens  erhalten  hat;  welche  grosse  Lebensi^htgkeit  diese 
rcste  be^it/en,  beweist  der  Umstand,  dass  noch  im  XVTL  Jahrhundert  tm  (Mj^ 
heidnische  Opfer  dargebracht  worden  sind.  Wesentlich  davon  versdiieden  iil  die  i 
Oriente  ausgehende,  namentlich  dnrch  die  Araber  nach  dem  Westen  verlireil 
hcimc  Wissenschaft  der  Magie,  die  man  im  Gegensatze  zum  Volkiab 
•  Kttustaberglanben*  bc/eichnen  kann.  Der  Vulksaberglaube,  der  allein  tfkc  um  Um 
in  Betracht  kommt,  zeigt  am  meinten  Verbreitung  in  der  VolkbTnedizio.  Die  Kruk- 
heit  wird  hier  nicht  als  eine  organische,    als  Störung  physiologischer  Vorgdtn^^ 


rselil 


^)  Eine  Begehung  der  Strooke^  welche  am  31,  März  von  den  Herren  Dr.  Flori 
Prot  f,  THttdiohttm  aus  Tübingen  und  dem  Unterzeichneten  ausgeführt  wurde  (aiL 
KW«it«ti  am  IX  April  Torgenommenen  beteiligten  sich  auch  die  Herren  Obentt  t.  Oehaotea 
Hr.  Tiott),  ergab,  daM  der  güdliobe  besw.  pQdwestllcbe  Abhang  in  einer  Brilie  ton  H\ 
Hohritt  mit  durohichnittlich  10  Schritt  breiten,  mehr  oder  weniger  regelmlidg  paraUel«! 
beil<iekl  l»t;  diesetbon  beginnen  im  Walde  unmittelbar  westlich  von  der  Htatian  Chi 
und  laaien  »ich  in  mehr  oder  weniger  scharfen  Proülen  bis  in  die  Nähe  der  Ol 
UhauMeehautp  wo  sie  von  der  Schwalbacher  Chaussee  durohiohnitten  werd«!^  Tftrfolfis,  Oi«i^ 
halb  der  Iflataren  sind  deutltebo  Spuren  nicht  beobachtet  worden.  Nach  Aiudofie  näaw 
dirartig^r  Anlagen  wird  man  roit  diesen  Äckern  einerseits  die  tYilher  aiifg«d«el(te^  ^m  4m 
hL^r  Biihii  Äum  TcW  durtliftchnirtoncn  HügelgrÄber  (aieh©  Annalen  XXI,  Ml»  I  £|^ 
itN  den  Hingwatl,  det«aen  Kcstp  stob  auf  dorn  nahen  Seh IJlfeM köpf*  Dodttn,  ni  fimtm- 
nf^ohang  lottitn  dilrfati.  l^ine  genaue  ITnterauohung  und  Aufnahme  dtf  gasMo  Anlifn  wM. 
lUlinflichit  vorgonoromen  werden. 


165 


Jern  ab  dio  Wirkung  eines  Dämons  betrachtet,  darch  dessen  Vertrcibnng  bozw,  Un- 
$chlldlichmachung  allein  ilio  Heilung  bewirkt  werden  kann.  Die  Entsühnting  Ist  daher 
die  älteste  Form;  dieselbe  wird  zunächst  vollzogen  durch  blutige  Menschen-  oder 
Ticrofifer^  wie  sie  im  Märchen  noch  erscheinen  im  Ritter  Blaubart  und  in  «lern  Opfer- 
tmle  der  Jungfrau  im  -Armen  Heinrich*.  Als  Reste  davon  sind  anzusehen  die  Ent- 
mannung bezw*  Beschneidung,  die  heilende  Wirkung,  welche  man  dem  Blute  Hin- 
gerichteter zuschrieb,  sowie  der  kulturelle  Aderlass,  Weiter  fand  eine  EntsMbnung 
durch  Feuer  oder  Wasser  statt,  welche  schon  bei  Persem  und  Juden  üblich  war  und 
auch  in  den  Sonnen wendfenern  ihren  Ausdruck  fand.  Sehr  grosse  Bedeutung  aber 
legt^  man  bei  Heilung  von  Krankheiten  der  Sitte  des  ^Besprechens»^  bei  und  hierin 
zeigt  sich,  dass  die  JaJirtausende  alten  Formeln  zum  Teil  noch  heute  im  Gebrauch 
sind,  natürlich  ohne  in  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung  erkannt  zu  werden  (so  wird 
der  Schiusa  eines  der  bekannten  Merseburger  Zaubersi>rüche  in  Hessen  und  Böhmen 
noch  jetzt  gegen  bestimmte  Leiden  angewendet).  Mit  dem  Besprechen  sind  hliufig  norh 
Manipulationen  verbunden^  wie  das  Umgreifen,  Abringein  und  das  Anblasen,  welchem 
letztere  sich  z.  B.  in  dem  Anhauchen  hei  der  Taufe  erhalten  hat*  Wichtig  ist,  dass 
bliese  Handlungen  schweigend  ausgeführt  werden,  meist  von  einer  Person  des  anderen 
Geschlechts;  geschieht  dies  nackt,  so  ist  anf  ein  besonders  hohes  Alter  des  Gebrauchs 
I  zu  schliessen.  Der  Gedanke,  dass  die  Krankheit  auf  andere  Gegenstände  oder  lebende 
oder  lote  Wesen  tibertragen  werden  könne,  liegt  den  sympathetischen  Kuren  zu 
Grunde,  welche  schon  Plinius  kennt.  Auf  dem  Neuhof  bei  Marburg  wird  die  Krank- 
I  heit  von  den  in  einen  Birkenwald  geführten  Kranken  durch  Zauberspruch  auf  einzelne 
I  Bäume  Obertragen.  Unter  den  Tieren  eignen  sich  zur  Übertragung  besonders  Kreuz- 
schnabel, Meerschwein  und  Schnecke.  In  der  Wetterau  worden  Zahnschmerzen  auf 
einen  Esel  öbertragen,  indem  man  denselben  auf  das  Maul  küsst.  Die  Volksmedizin 
kennt  aber  auch  vorbeugende  Mittel  zur  VcrhOtung  der  Krankheit  und  auf  diesem 
Gebiete  besitzt  der  Aberglaube  die  weiteste  Verbreitung  in  aUen  Schichten  unserer 
I  Geseli^'haft.  Hierher  gehört  der  Schutz  gegen  den  Kinfluss  der  Toten,  welche  die 
I  Überlebenden  nach  sich  ziehen  wollen.  Damm  müssen  dem  Toten  die  Augen  zu- 
I  gedrückt,  die  Fenster  des  Sterbezimmers  geöffnet,  die  Thüre  geschlossen  werden  u,  a,  m, 
Der  Glaube  an  das  Verschreien  und  Beschreien,  hervorgegangen  aus  der  Meinung 
von  dem  Neide  der  Götter,  ist  besonders  in  der  Wochenstube  sehr  allgemein*  Gegen 
die  scbÄdliche  Einwirkung  solcher  Einflüsse,  sowie  der  Hexen,  Alben,  Truhten  etc, 
Igibt  es  Amulette,  welche  auch  schuss-  und  hiebfest  machen.  Endlich  ist  auch  die 
Wahl  des  Tages,  sowie  der  ab-  und  zunehmende  Mond  für  bestimmte  vorzunehmende 
I  Handlungen  nicht  gleichgiltig. 

Es  wäre  sehr  zu  wünschen,   dass    von    den    Überresten   des    Volksaberglaubens, 
{speziell  in  Nassau,  eine  Zusammenstellung  veranstaltet  würde. 

Daraufmacht  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Flurschütz  Mitteilungen  über 
die  neuesten  Ergebnisse  der  Limeafuröchung  im  Taunus  (vcrgl.  oben 
S.  148  ff.). 

8)  Sitzung  im  ^Rothen  Haus**  am  14.  Mtirz  1894. 

Herr  Dr,  0.  Heuer  aus  Frankfurt  a.  M,  hält  einen  Vortrag  über 
»Kaiser  Sigmund**, 


166 


Im  allgenieinen  beBchräukt  sich  die  Kenntnis  von  Kaiser  Sigmimds  Tbaten  auf 
die  durch  ibii  erfolgte  V^erta^teUfitig  des  Huss,  die  Einsetzung  des  ersten  IloheuzoUoni 
in  Brandenburg  und  die  unter  ihm  wütenden  Hussitenkriege.  Es  liegt  dies  zum  Teil 
an  tler  bisherigen  Anpassung,  weiche  .sein  Bild  nur  schief  und  falsch  zeichnete,  ihn 
«einem  Charakter  nach  als  einen  Lump,  seiner  iK)liti9chen  Thfitigkeit  nach  als  eino 
Null  darzustellen  gewohnt  war.  Uauptsäehlich  dem  Parteiliass  ist  diese  geschichtliclMB 
Fälschung  ziizuschreibeü:  die  Protestanten  sahen  in  ihm  steU  den  Mörder  de«  kirdb« 
liehen  Üeforniators  IIuss,  obne  dabei  dem  fanatischen  Deutschenhass  des  C^sechon 
Rechnung  m  tragen;  von  den  Katholiken  wiederum  hatte  er  nichts  Gutes  zu  envarteo, 
weil  sein  Bestreben,  tlie  Maclit  des  Papsttums  zu  bescb ranken,  ihn  in  dauernden 
Kampf  mit  Rom  setzte*  Endlich  hat  auch  die  preussische  Geschichtschreibung,  welclie 
ihre  Fürsten  nur  zu  oft  einseitig  schildert,  Sigmund  wegen  seines  Bruches  mit  Fried* 
nch  T,  von  itoheuzoUern  in  wenig  günstiges  Licht  gesetzt.  Doch  eine  unpartoiisdiu 
Forschung»  welche  namentlich  in  den  allmälüieh  erschlossenen  Reichstagsakten  soi&er 
Regierung  ein  reiches  Material  findet,  gewinnt  ein  wesentlich  günstigerem  Bild  tob 
diesem  Kaiser. 

Als  Sohn  Kaiser  Karls  IV.  1368  geboren,  erlangte  er  ilureh  die  Uand  seiner 
Gemahlin  Maria  ilen  ungarischen  Königsthron«  Im  Jahre  1410  erfolgte  seine  Wahl 
mm  deutschen  König.  Bei  derselben  war  für  die  Kurftlrsten  bestimmend  gewesen, 
dass  Sigmund,  der  keinen  Fuss  breit  deutschen  Bodens  besass,  eine  Hausmacht  xa 
griinden  nicht  leicht  versucht  werden  konnte,  da  ihm  männliche  Nachkommen  venttgt 
geblieben  waren.  In  dieser  Berechnunia:  bat  man  sicli  auch  nicht  getäuscjit;  Sigmimd 
stand  während  seiner  ganzen  Regierung  über  den  Parteien;  ihm  lag  das  Intereao 
des  Reiches  und  der  Krone  aufrichtig  am  Herzen.  Sein  klares  und  festes  Programm, 
mit  welchem  er  im  Jahre  1414  mich  Deutschland  kam,  lautete:  Wiederunfrtchtung 
der  tief  gesunkenen  königlichen  Macht,  Besserung  der  wirtschaftlichen  Zustände  ijd 
Ueiclie,  Reform  des  Handels  und  MUnzwesens,  sowie  Herstellung  der  kirchlichen  Ein- 
heit. Zur  Durchführung  seiner  Pläne  musste  er  sich  Bundesgenossen  suchen»  da  dio 
bedeutenden  Kräfte  des  weiten  Ungarreiches  fUr  Deutschland  nicht  verfugbar  warco. 
Mit  Erf(dg  stutzte  er  sich  dabei  vorzugsweise  auf  die  Reichsstädte  und  die  Reich*' 
ritterschaft,  welche  in  ihm  ihren  natürlichen  Halt  gegen  die  ttberhandnehniende  Maclit 
der  Fürsten  erblickten.  Seine  Bestrebungen  waren  zu  Anfang  auch  von  Erfolg  ge- 
krönt^ wozu  nicht  wenig  seine  persi^nlicheu  Eigenschaften  beitrugen.  Er  hesass  eine 
bestrickende  Liebenswürdigkeit,  binreissende  Beredsamkeit  in  fünf  Sprachen,  über* 
raschende,  ja  oft  verblüffende  Schwungkraft  des  Geistes,  eine  rastlose  Arbeit^ikrali 
und  eine  Energie^  die  oft  in  Heftigkeit  und  Jähzorn  ausartete.  In  der  Verlogenboil 
ond  Verschlagenheit  seiner  Politik  stand  er  unter  dem  Einflüsse  seiner  ganacon  ZdU 
Sein  grö&stcr  |K>litisrher  Fehler  war,  dass  er  zu  hohe  und  weitgesteckte  Ziele  m 
erreichen  trachtete  und  dabei  das  Nächstliegende  übersah  oder  in  seiner  Ik^deutung 
unters<'hätzte.  Dazu  kam  noch  seine  grosse  GenussfUhigkett,  die  sich  in  Keigung  zum 
Trünke  und  zum  schrmcn  Geschlecht  dokumentierte;  aber  Einfluss  auf  sinne  |iotiUs 
Stellung  haben  Weiber  niemals  unter  ihm  gehabt.  Seine  rastlose  persönliche  Thlt; 
kcit  lÄsst  sich  noch  erkennen  aus  der  Übereinstimmung  der  ans  seiner  Kaiutlei 
vorgegangenen  Scliriftstücke  mit  dem  Inhalte  von  Äusseniiigon  und  UntarodtitiBQa^ 
die  ima  anderweitig  von  ihm  bekannt  geworden  sind. 


4 


4 
4 


f 


167 


Auf  dem  KonEile   tm  Konstanz,   dessen  Zustandekommcu   in   erster   Linie  sein 
Werk  war»   erfreute  er  sicli  zu  Anfang  grosser  BeUebtheit  und  gelang  es  ihm  auch, 
üe  drei  zur  Zeit   fungierenden  Papste    zur    Abdankung    zu   veranlag»eu.    wodurch   er 
Jaurn  fllr  seine  Reform  zu  ^;e\viimen  hoffte.     Aber  bei  seinem  Streben,  zunächst  die 
<tform  durchzuführen,    dann   erst   zur   neuen  I^apstwahl    zu   schreiten,    war  or  allein 
ttf  die  Untersintzung  der  deutschen  Kirchenfürsten  angewiesen,  die  anderen  Nationen, 
Italiener^  Franzosen,  endlich  auch  die  Engländer  setzten  ihm  hierbei  den  hartnilckig- 
Bteo  Widerstand  entgegen    inid    brachten    seine   Pläne    zum    Scheitern,     Dieser  Miss- 
folg  wirkte   auch   auf  seine  Stellung  in  Deutschland   zurück,    was   sich   bei   seinen 
Versuchen,    die  Reichsstädte    in   einem  Bunde    zu    vereinigen,    die  WasserzöUe  aufüu* 
beben,  sowie  eine  einheitliche  Münze  zu  schaö'en,  zeigte;  denn  Niemand  war  geneigt, 

ivon  seinen  Rechten  zum  Besten  des  Ganzen  auch  nur  einen  Bruchteil  aufzugeben. 
VieUeicht  hätte  Sigmund  doch  endlich  noch  Erfolge  erzielt,  wenn  nicht  nach  dem 
iTode  seines  Bruders  Wenzel  die  czechische  Revolution  ausgebrochen  wäre.  Seine 
E^OÜtik  bestrebte  sich  zunächst,  diese  gefährliche  Bewegung  durch  diplomatische  Schach- 
lüge hinzuhalten,  bis  auf  dem  Breslauer  Reichstag  1420  der  Kreuzzug  gegen  die 
[lussiten  beschjossen  wurde.  Aber  die  dauernden  Misserfolge,  welche  die  deutschen 
und  ungarischen  Heere  gegen  die  an  Zahl  meist  geringeren  fauatisierten  Scharen  in- 
folge der  neuen  Taktik  derselben  (Wagenburg,  und  nach  abgeschlagencni  Angriffe 
auf  dieselbe  entscheidender  Ausfall)  erlitten,  haben  seine  Stellung  in  Deutschland 
^■untergraben.  Dazu  kam,  dass  er  auch  in  seiner  polnischen  Politik,  welche  ihm  in 
^■erster  Linie  durch  die  Interessen  seines  ungarischen  Reiches  diktiert  vNUt'de,  Unglück 
^BiattG,  wenn  es  ihm  auch  gelang,  den  polnischen  König  von  einer  wirklichen  Ver- 
■  bindung  mit  den  Czechen  abzuhalten,  Friedrich  von  Brandenburg,  der  in  Ungarn 
Sigmunds  Politik  kennen  gelernt  hatte  und  bisher  dessen  festeste  Stütze  im  Kur- 
[farstenkollegium  j^ewesen  war,  setzte  sich  durch  die  Verlobung  seines  Sohnes  mit  der 
Srbtochter  des  polnischen  Reiches  in  offenen  Gegensatz  zu  Sigmund»  Dieser  Zwist, 
Jer  zu  vielen  diplomatischen  Kämpfen  führte,  endete  erst,  als  die  Tochter  des  Polen- 
königs  starb  und  diesem  bald  darauf  ein  uiännlicher  Thronerbe  geboren  wurde.  Von 
Srfolg  gekrönt  war  Sigmunds  Römerzug,  auf  dem  er  durch  geschicktes  Unterhandeln 
len  Papst  dazu  brachte,  ihn  zum  Kaiser  zu  krönen.  Durch  sein  persönliches  Kingreifen 
rerhin<lerte  Sigmund  auf  dem  Konzil  zu  Basel  ein  neues  Scliisma.  Vor  seinem  Tode 
Boch  gelang?  es  ihm,  die  böhmischen  Wirreu  beizulegen  und  als  anerkannter  König 
in  Prag  einzuziehen. 

Mit  einem  Hinweis    auf  den  Unterschietl    zwischen  der  damaligen  Zerrissenheit 
md  (Ihnmacht  des  Reiches  und  dem  heutigen  festgefügten  stolzen  Bau,  au  dem  frei- 
einzelne Glieder  der  Nation  bereits  beginnen,    in  partikularistischen  Gelüsten  zu 
Btteln,  schloss  der  Redner  den  mit  vielem  Beifall  aufgenommenen  Yortrög, 

Hierauf  legt  Herr  Landgerichtsrat  Düsaell  einige  von  ihm  er- 
worbene Stücke  der  Volkstracht  aus  dem  „Goldenen  Grunde"  (Amt 
Caniberg)  vor. 

Die  charakteristischen  Teile  der  Frauentracht  sind  die  Haube  (*Komodchen^  ge- 

ein  gesiickter  und  mit  Seide  überzogener  Deckel  mit  einfachem  Band,  welcher 

bar  das  Hinterhaupt  bedeckt),  das  Schultertuch,  sowie  die  Jacke  (»Mutzen  od,  Motzen*}, 


168 

Emige  kolmerie  Bilder,  welche  diese  Tracht  darstellen,  erÜLatem  die  Art.  wie  jene 
Kleiduigsstücke  getragen  werden. 

Endlich  macht  Herr  Landgerichtsrai  Düssell  noch  einige  Mk- 
teilongen  über  den  Gebrauch  und  die  Bedeotnng  der  Lügbanme. 
Das  WotI  Logbanm  (mit  langem  ö)  hat  mit  Loch  nichts  zn  thnn:  es  hingt 
vielmehr  mit  dem  germanischen  Verbom  ladian^  wdches  einbauen  bedeotet,  zosanuBen 
und  bezeichnet  den  betreffenden  Baom  also  ab  den  mit  einem  eingdiaoenen  ZeicJiai 
Tersehoien.  ebenso  wie  z.  B.  anch  ein  «lachender  Stein»  genannt  wird^  von  d« 
gldchen  Verbom  abgdntet.  Die  Bezeichnung  findet  sich  sdion  im  Jahre  1012 
«arbcM*  lögbore» ;  in  den  Weistflmem.  z.  B.  der  Hohen  Mark,  ersdieinen  hiofig  «gelogte 
Biume».  Im  Xassauischen  ist  der  Ausdruck  jetzt  nidit  mehr  Üblich,  er  findet  sich  nur 
mdir  in  Eigennamen.  In  Privatwaldungen  stdien  hsl  nirgends  Grenzsleine,  die  Gren- 
zen werden  vielmehr  durch  Blume  bezeichnet.  Torzugswdse  w^den  dazu  'ELAem, 
iMswdl«!  auch  Buchen«  selten  Hasel  benutzt.  Die  Bezeidmung  geschah  dadurdt»  daas 
auf  der  Seite  des  Baumes,  welche  dem  Grundstücke,  dessen  Grenze  er  bezd^uen 
soUte.  zugekehrt  war,  dn  Stück  aus  der  Rinde  herausgeschllt  wurde,  eine  Pirozedur. 
die  im  Laufe  der  Jahre  natftrlidi  öfter  wiederin^t  werden  muss.  Bd  der  Hasd  wird 
ein  stärkerer  und  daneboi  ein  sdiwidierer  Trieb  stehen  gdassen  und  letzterer  um 
erst«»  gewundoi  (Kringd).  Wird  ein  soldier  Baum  abgehauen,  so  bleibt  der  Stumpf 
mit  dem  Zdchen  st^en.  Die  Form  des  Zeidi»s  gab  bd  den  Hdden  hiufig  die 
Hausmarke,  bd  den  Christen  war  es  das  Kreuz. 

Dr.  Ritterling. 


Berickt  des  Konservators   über   die  Erwerbungen  für  das  AHertuns- 
Museym  m  Wiesliaden  wihrend  des  Jahres  1893. 

Für  die  Räume  des  Museomäy  wdche  kaum  mdir  eine  lehrreiche  Auf- 
stellung, sondern  nur  noch  eine  Magazini^ung  erUnben,  waren  die  Erwerbungen 
nicht  unbedeutend.  Wenn  wir  die  bisherige  Bnteilung  bdbehalten,  ao  and 
aus  der  ältesten,  etwa  der  terra  mare-Zett  uns  durch  die  Gute  des  Hern 
Dr.  Peters  in  Schierstein  eine  Anzahl  Ton  Mardellen-Funden  zugegangen^ 
die  in  hohem  Grade  dankens-  und  beachtenswert  «nd,  weil  sie  uns  Formen 
geben,  wdche  in  hiesiger  Geg^id  nicht»  sondern  nur  etwa  in  den  PCsüübauten 
des  Bodenseetf  und  auf  dem  Michdsberg  bd  Bruchsal  zum  Yorschein  gekomuMn 
sind.  Es  sind  zwei  glockenförmige  und  ein  orales  Gefiss,  sowie  einige  Werk- 
zeuge Ton  Hirschhorn,  Enoch«i  und  Zahn.  Hieran  schfiessen  sich,  etwa  der 
HaDstidter  Periode  angehörig^  einige  Erzringe  für  den  Hab,  Arm  und  Fuaii^ 
fie  wir  teils  aus  Weidenbach  bd  Xastätten  erworben^  teils  im  Walddutrikte 
Kqppd  bei  Diedenbergen  selbst  ausgegraben  haben.  Die  Funde  dnd  nidkt 
;  beneichaend,  weil  steh  trotz  eines  Feaersteinnwssars  auch  noch  eine  Münze 
sowie  ein  eänaer  Nagd  dabd  gefunden  hat.    Ans  jener  Gegen! 


Ißft 

iammt  auch  eiü  eigentümlichor  Teil  eines  Mainmutzahnes,  den  wir  dem  Herrn 
lärtoer  Zorn  aus  Hoilieim  verdanken.  Unbekannter  Zeit,  aber  wohl  der 
fzngegend  von  Frankfurt  a.  iL  gehört  ein  schönes  Bronze-Hamraerbeil  und 
in  Kclt  mit  Tülle  an.  Ein  wahres  Prachtexemplar  einer  vorrömischen  Urne 
anken  wir  der  Güte  des  Herrn  Dr.  A.  Remy  zu  Weissenthurm,  in  desaen 
Fabriketablissement  sie  gefunden  wurde;  vermittelt  wurde  das  Geschenk  durch 

Ifterrn  Landgerichtsrat  Düsaell  hier. 
I  Interessanter  noch  waren  mehrere  romische  Funde.  Im  Rheiugau 
rird  nur  wenig  gefunden,  trotz  seiner  alten  und  reichen  Bevölkerung,  ohne 
^weifel,  weil  in  dem  Abfall  zum  Rhein  schon  früher  die  Wälder  ausgerodet 
lud  zu  Feld  kultiviert  waren  und  die  in  alter  Zeit  entdeckten  Altertümer  schon 
^damals  zerstreut  wurden.  Desto  angenehmer  war  uns  ein  Fund,  der  1000  m 
^HreBtlich  von  IT  allgarten  in  einem  römischen  Brandgrab  gemacht  worden  war. 
^Er  bestand  aus  zwei,  29  und  24  cm  hohen  schwarzen  Urnen  mit  Knochenasche, 
^^1  gewöhnlichen  Waaserkrüglein^  2  Sigillataschalen,  einem  kugelförmigen  Glas- 
^Baschchen  mit  Henkel,  einer  erzenen  Gewandnadel  und  drei  Münzen  von  Nerva, 
^^^onätantin  und  Tetricua^  alle  aus  den  untereinander  ferngelegensten  Zeiten. 
^^  Von  grossem  Interesse  auch  waren  die  Gegenstände  aus  einer  in  der 
Oaugasse  in  Mainz  gefundenen  Werkstätte  eines  Gold-  und  Schmelz- 
irbeiters;  wenn  auch  nicht  der  ganze  Fund,  so  ist  doch  eine  Anzahl  von 
bharakteristischen  Stücken  in  unser  Museum  gekommen,  die  wir  bereits  im 
lXV.  Annalenband  pag.  30  beschrieben  und  auf  Tafel  IV  abgebildet  haben, 
lachdem  wir  schon  im  Jahre  1873  in  unserem  XII.  Annalenband  eine  Be- 
schreibung des  Schmelzverfahrens  gegeben  hatten.  Wir  erwähnen  daher  hier 
lur  noch  die  drei  emaillierten  Zierscheiben  von  3,5  cm  Durchmesser  in  der 
Form  unserer  heutigen  Manschettenknöpfe  und  die  Kapellen^  die,  je  nachdem 
sie  zum  Abtreiben  von  Blei  aus  den  edlen  Metallen  schon  benutzt  worden  sind, 
schwarz  oder  grau,  wenn  noch  unbenutzt,  weiss  geblieben  sind.  Man  wird 
^immer  mehr  erkennen,  dass  zum  Studium  des  Altertums  auch  die  Kenntuis  der 
Qeuen  Zeit  in  Kunst  und  Werkweise  erforderlich  ist  Nahe  verwant,  wenn 
nicht  derselben  Technik  angehörig,  sind  verschiedene  Kratzen  und  Schüppchen 
Erz  und  eine  Schmiedezange,  die  wir  aus  Heddernheim  erhalten  haben* 
ficht  ganz  sicher  ist  mir  aber  die  Herkunft  zweier  schöner  Bronze vasen,  welche 
3och  wahrscheinlich  aus  der  Rheinpfalz  stammen,  die  eine  mit  zwei 
"kunstgerechten  Seitengrüfen  ist  36  cm,  die  andere  mit  einem  Überhenkel  ist 
14  cm  hoch. 

Für   die   römische  Topographie   unseres  Landes  ist  die  Auffindung   eines 
römischen  Bauwerkes,  da  wo  die  Felsen  rechts  des  Wickerer  Bachs  dem  Main 
nächsten  kommen,  wichtig;    es  wird  durch  einen  skulpierten  Sandstein  und 
je  Ziegel  der  LXXII  C*  V.  bestimmt,  welche  wir  der  Aufmerksamkeit  des 
Ihren fabrikanten  Herrn  Hockel  in  Flörsheim  verdanken.    Aus  einigen  schon 
fOT  mehreren  Jahren   bei  T>otzheim  zerwühlten   römischen  Brandgräbern  em- 
pfingen wir  3  Scheren,  3  Messer,  sowie  einen  Fingerring  von  Eisen  mit  Schmelz- 
scamee,  eine  Bronzefibula  und  eine  Münze  der  Faustina  junior.     Wir  verzeichnen 
Doch  einen  schönen  römischen  Bronzehelm,  eine  desgleichen  Schüssel  und  Pfanne, 


-'^-  -" 


-•  — "-^ 


ITO 


Aozftfal   Too  BfuüzcflcfaiimrkguicKeai  Fibulae  mit  Schmeli,  teils  t< 
fm  HodderDhetm.    Ym  erst^eauimleBi  Orte   aber  beben  wir 
I  mbt  lebAiira  goUeoes  Ofarriog  mit  Filigraa  und  mit  eiBer  Berloek,  wdebt 
Bi]i0  Udoe  Kanne  IrS^  aawie  xwei  kleinere  goMeae  Obrrioge,   dasi 
ooefa  einen  Behwarzen  Beeber  mit  au^eepritzter  Ja^, 

Aiu  dem  Zug  des  Pfahlgrabeos  bei  seinem  Übei^aog  tiber  die  Aar  b« 
AfloKbaek  erbieicen  vir  Ton  der  eiostigeD  dortigea  Brücke  zwei  anbescUageae 
PfiUe.  Eben  giit  erhaltene»  Litnod  (Heereahoro).  der  bei  Fhlrsheim  doreb 
den  Baggenneiater  Schroeder  atu  dem  Main  gebaggert  worden  und  mir  biK 
itimmQDgaoiiaaig  durch  den  Herrn  Regienings-Baameister  R oraler  ibergobea 
worden  war,  habe  icb  gtdchfalU  bestiinmnngsmäsaig,  weil  er  in  KönigCeber 
Arbeit  und  Arbeitaatelle  zu  Tag  gekommen  war^  an  dajs  Königliebe  MneeiiB 
in  Bertin  getandt,  nicht  ohne  einen  sehr  guten  Gipsabguss  ditreh  die  GefiU%kift 
dea  Direktora  des  romiacb-gennaniscben  Muaeumis  Herrn  Linden Beboiil  ftLr^ 
QQtor  Hnaenm  empfangen  zn  haben. 

Was  wir  too  fränkischen  Funden  zu  Terzeichnen  haben»  i»i  em  »chw« 
BVt  cm  hohe«  Töpfchen  mit  einem  Schwert  und  einer  Pfeilspitze«  welche« 
«üdfiehen  Aut^ange  von  Erben  heim  bei  Fundamentarbeiten  gefunden  wurde, 
und  eine  Bronzeaehässel  aus  Köln.  Aus  dem  mehr  oder  minder  späten  If  itli 
alter  und  der  Renaissance  wurden  dem  Museum  einverleibt  ein  Yexierl 
▼on  Steinzeug  als  Geschenk  des  veratorbenen  Steuerrats  Ton  Winkler. 
derselben  Masse  ein  Tintenfass,  einen  Löwen  vorstellend.  Yon  dem  H€ 
Grafen  zu  Eltz  ein  eigentümliches  flaschenformiges  Tbongefass  ohne  At 
aber  mit  vier  Seitenlöcherny  ab  ob  zum  Eicstecken  von  Blumen;  aie  finde 
sich  öfters  in  den  Weinbergen  in  SjTmien.  Eine  Anzahl  von  bemallen  Glas- 
scheiben ans  dem  10.  unc)  17,  Jahrhundert  vom  Niederrhein*  Ein  Krug 
Steinzeug,  so^.  ßartmann,  und  zwei  Butterstander  vom  selben  Stoff^  einst 
Wiesbaden  in  BeDutzung« 

Eh  ist  ein  schöner  Gebrauch,  dass  einige  Glashütten,  wie  die  von  Yiller^ 
und  Boch  tn  Warlgassen  und  die  von  Herrn  Rauder  in  Ehrenfeld,   wie 
früher   die  von  Tachi,   uns  ihre  Nachahmungen  antiker  Oläser  schenken, 
erhielten  wir  eine  Art  Diatreta  und  zwei  zierliche  Kannen  von  ersterer 
und    dann   von    letztgenannter  Firma  die  Nachbildung  einea  in  Ostpreussen 
einem  Grabe  bei  Ossewen  gefundenen  Gla:*hurapens,    Wir  sagen  beiden  unser 
beHffrn  Dank.     Eine  Spaltaxt  uud  das  Zimmermanns-Zunftzeichen  erhielten 
noch  von  dem  leider  hingeschiedenen  Zimmermeister  Herru  Jakob  hier. 

Durch  die  Aufmerksamkeit  der  Königlichen  Wasserbauboamtcni  iosonde 
auch  des  Herrn  Baurat  Ileniäch  und  de^  Regierungsbaumei^ters  Herrn  RussU 
empfing  das  Museum  aus  deu  Baggerarbeiten  im  Main,  uamentlich  bei  Uöohl 
eine  Anzahl  sehr  verrosteter  Waffen,  welche  aus  der  siegreichen  Schlacht  dadeU 
im  Juni  1622,  die  der  Feldmarschall  Tilly  gegen  den  Herzog  Christian 
Braunschweig  schlugt  dort  verloren  worden  sind.  Ea  sind  Palaache,  Sil 
Dolcbmüsser,  Flinten  mit  Radscblössern,  Sporen,  Pferdegeschirr  und  einige  m 
von  dieser  Niederlage  herrührende  Stücke* 


171 


¥ 


Von  Herrn  J,  Isenbock  hier,  deo  wir  als  unseren  Münzwardein  ansehen 
dürfen,  empfingen  wir  eine  Münze  von  Marokko  und  eine  von  Kongo;  von 
Herrn  Niemer  eine  von  Kongo  und  von  Finland;  von  Herrn  Direktor  Spangen- 
borg in  Merzig  einen  Qermanicus,  und  endlich  von  Herrn  Qaab  hier,  der 
unser  Münzkabinett  schon  mit  so  vielen  wertvollen  Medaillen  beehrt  hat,  eine 
solche  von  Gustav  Adolf,  Maria  Theresia,  Groasherzog  Friedrich  von  Baden, 
Gutenberg  und  einen  Silberthaler,  welcher  1796  in  Frankfurt  aus  kirchlichen 
und  bürgerlichen  Geföasen  zur  Zahlung  der  französischen  Kontribution  geschlagen 
werden  musste.  Von  Herrn  Maurice  Prou  vom  Mcdaillen*Kabinett  der 
National- Bibliothek  in  Paris  erhielten  wir  den  Zinnfolien-Abdruck  einer  Münze 
von  Theoderich,  die  wir  auch  besitzen,  aber  für  eine  Matasunda  gehalten  hatten. 

Unsere  ethnographische  Sammlung  nimmt  eigentlich  nur  durch  Ge- 
schenke, darunter  aber  sehr  schätzenswerte,  zu.  Wir  erwähnen  vorläufig  zwei 
Jerichu-Rosen  (die  eine  erst  eben  im  Aufblühen  begriffen  von  Herrn  TeQdelau)| 
dann  aber  eine  schöne  Sammlung  von  der  Goldküste,  die  wir  der  Frau  Mann- 
heimer verdanken:  es  sind  schön  gearbeitete  schwarze  Thonschalen  und  eine 
Lampenschale  mit  Kreuzgrifi',  ein  Schwert  mit  arabischen  Zeichen  auf  der 
Klinge  mit  Gehänge,  Zaumzeug,  Dinge,  welche  die  Haussa-Händler  aus  dem 
Innern  von  Afrika  bringen,  eine  Kaiebaase,  Bogen,  Pfeil  und  Köcher,  Wurfspiess, 
Matten  aus  Lagunengras.  Beigelegt  sind  einige  Photographieeo  aus  jenem  Lande. 
—  Von  Frau  Polizei-Hauptmann  Höhn  und  deren  Fräulein  Tochter  empfingen 
wir  ausser  einer  Anzahl  wertvoller  indischer  und  japanischer  Münzen  eine  An- 
zahl von  Gegenstünden  der  ATuo,  welche  die  nördlich  von  Japan  gelegenen 
Inseln  bewohnen,  es  sind  namentHch  fünf  Überröcke  mit  Stickerei,  Schürzen, 
Gürtel^  Stirnbinden  und  Leibbinden,  Schneeschuhe  und  Schuhe  aus  Fischhaut, 
Perlschnüre,  Löffel,  Messer,  Webegeräte,  Schilfmatten,  Bogen  und  Pfeile,  ein 
Fetisch,  der  Kopf  eines  Albatross, 

Allen  gütigen  Gebern  und  Geberinnen  w^ird  hiermit  nochmals  der  Dank 
unseres  Museums  ausgesprochen. 

Das  Museum  war  18J>2  von  3867,  im  Jahre  1893  von  4668  Personen 
besucht, 

Oberst  von  Cohausen. 


«HÜ 


ilfil 


iMÜ 


Im  Verlage  von  Rud.  Bechtold  &  Comp,  in  Wiesbaden ,  aonde 
iir  allen  Bachhandlangen  ond  im  Altertama-Maseam  daselbii 
Bind  xa  haben: 

Antiquarisch-technischer  Fühi*er 

diiroh  dM 

Altertams-Museiim  zu  Wiesbaden. 

Von  A.  Y.  Cohaosen^ 

IafmiMr-Ob«ik  m.  D.  «ad  KoaMtratw. 

Freia:  Mk.  IfiO. 


Die  AltertOmer  des  Vaterlandes. 

Eh  f  «weiiiir  M  im  Alte  zum  MeniiB 

fOr 

Geistliche»  Lehrer,  Land-  und  Forstwirte. 

Von  A.  T.  Gohaosen, 

iMiriwi  Ob«w>  s.  D.  «ad  Kouanstor. 

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S.  Aufl.    PreiB:  Mk.  1,60. 


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Wanderungen 


durch  das 

Altertums-Museum  in  Wiesbaden. 

Von  Wilhelm  Hoffniauii^ 

Pr«inIerU6at«Dant  a.  D. 

Preis:  50  Pfg. 


DRUCK  VON  RUD.  BECHTOLD  *  COMP.,  WIESBADEN. 

Bl'CHUaOCKUIIU  *  IJTIIOOK.  AVIITALT. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAUISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFOBSCHÜNG. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAÜISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


SIEBENUNDZWANZIGSTER  BAND. 
18  95. 


Mit  dem  Bildnisse  des  Konservators  A.  y.  Cohausen,  drei  uthooraphibrten 
Tafeln  und  25  Textabbildungen. 


WIESBADEN. 

VERLAG  VON  BÜD.  BECHTOLD  &  COMP. 
1895. 


Inhalts-Verzeichnis 

des  siebenundzwanzigsten  Bandes. 


Seite 

I.  Karl  Aug^t  von  Oohausen,  Oberst  z.  D.  und  Eönigliclier  Konservator,  f  am 

2.  Dezember  1894.     Von  B.  Florschütz 1 

II.  Drei  Münzfiinde  aus  Nassau.    Von  J.  Isenbeck 9 

in.  Töpfer-  und  Ziegelstempel  der  flavischen  und  vorflavischen  Zeit  aus 

dem  unteren  Maingebiete.    Von  Prof.  Dr.  GeorgWolff 39 

lY.  Goethe  in  Nassau.    Von  Friedrich  Otto.    Mit  zwei  Tafeln  (I  u.  II)  .    .    .        53 

V.  Zur  Abwehr.    Von  A.  Schlieben 189 

VI.  Erfindung  und  erste  Einrichtung  der  Wassermühlen.  Von  A.  Sehlieben. 

Mit  einer  Tafel  (III) 190 

VII.  Einige  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  von  Oonrady:  »»Die  Geschichte 

des  Hauses  Nassau*S  in  Annalen  XXVI.    Von  Dr.  W.  Sauer     .     .    .    .      195 

VIII.  Christian  Daniel  Vogel.    Von  Dr.  W.  Sauer 197 

IX.  Zu  den  Buprechten  von  Nassau  und  ihren  Gemahlinnen.  Von  Professor 

Joseph  Hillebrand 209 

X.  Berichtigungen  zu  Bd.  XXVI  der  Annalen.   Von  Landgerichtsrat  Düssell      214 
XI.  Römische  Geschtttze.     Von  0.  Dahm,  Oberstlieutenant  a.  D.     Mit  25  Ab- 
bildungen      215 

XII.  Erwiderung  auf  „Einige  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  von  Conrady:   „Die 

Geschichte  des  Hauses  Nassau**,  in  Annalen  XXVI**.    Von  Ludw.  Conrady      223 
XIII.  Vereins-Nachrichten. 

Bericht  des  Sekretärs  Dr.  Adalbert  Schroeter  (f.  d.  Etatsjahr  vom  1.  April 

1894  bis  31.  März  1895) 227 

Darin  Vorträge: 

Florschütz:  Slavische  Bauernburgen,  S.  232.  —  Schlieben:  Die 
Martinsgans,  S.  232.  —  Sartorius:  Das  Postwesen  der  Römer,  S.  234. 
—  Heuer:  Wesen  und  Ziele  der  historischen  Forschung,  S.  235.  — 
Florschütz:  Die  Mardellen,  S.  235.  —  Wedewer,  Die  Geisiler- 
fahrten  und  andere  Bussprozessionen  des  Mittelalters,  S.  236.  — 
Caesar:  Das  Leben  der  höfisch-ritterlichen  Gesellschaft  zur  Zeit  der 
Hohenstaufen,  S.  237.  —  Meinardus:  Das  politische  Testament  des 
Grafen  Johannes  von  Idstein  -  Wiesbaden  (1603—1677),  S.  239.  — 
Stinnes:  Die  Entwiokelung  dep  Bergbaues  in  den  ältesten  Zeiten, 
S.  241. 


VI 


Vorträge  der  ^filitorischen  Sektion*: 

Grimm:  Marken  und  MitkgenofiseiiRßhafteiii  S.  242.  —  Orimm: 
Zeit  und  YerajilBaaniig  des  ßaues  der  Coateler  Landwehr  und  ihrer 
Warten,  3i  243.  —  Otto:  Mühlen  im  Gebiete  der  Stadt  Wiesbaden  xa 
Ende  des  15^  Jahrbuadertg^  S.  244.  —  Sauer:  Wappen  der  rhebgMi- 
lachen  8tädte  und  Dörfer,  S.  244. 

ßericbt  dea  KonserTatora    aber  die  Erwerbiuigen    für  das  Altertums-Museum 

in  Wiesbaden  wfilirend  des  Jahres  1B94     -...,.♦..-.,       24h 

KIV,  Verzeichnia  der  Mitglieder   ,    .    .    -    - ,    ,    .     .      248 

XV.  Verzeiciiiiie  der  AkademieiL,  @eB6llaehaftaii,  Institute  und  Yereine^  darea 

Bruckachriften  der  Verein  in  regelmäasigem  Schriftenaustauach  erhält  2h^ 
XYL  Inhalts  -  Angabe  der  Bände   I  — XX¥I    der  Annaleti   des  Teraina  für 

Naflsaaische  Altertumakunde  und  Oeschichtsforachung      .....      263 


Durch  ein  Ye riehen  lai  auf  8,  2*M>,  Z.  Ib  v 
angegebeot     Dieser  Batz  iai  zu  streichen. 


Berlehtigiing, 

Herr  Bnuriit  Winter  als  Kaueerrali^r 


Sendungen,  die  für  den  Verein  bestimmt  »ind,  beliebe  man  an  den  Verein,  nicht  an  ein 
einzelnes  Mitglied  des  Vorstandes  zu  adressieren. 


ItftgCE  von  RCra  BKf^lJTOLP  4  COMP.,  WIEBBAPEN. 


Karl  August  von  Coliauseu, 

Oberst  z.  D.  und  Königl.  Konservator,  f  am  2.  Dezember  1894. 


Der  Verein  für  Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung  — - 
und  mit  ihm  die  gesamte  archäologische  Wisaenschaft  —  hat  in  diesem  neueu 
Bande  seiner  Anoalen  einen  schweren  Verlust  zu  yerzeichnen.  In  der  Nacht 
vom  1.  zum  2.  Dezember  vorigen  Jahres  verschied  plötzlich  und  unerwartet 
der  weit  über  die  Grenzen  des  Vaterlandes  bekannte  und  hochgeschätzte  Kunigl. 
Konservator,  Herr  Oberst  z.  D.  Karl  August  von  Cahausen.  Trotz  fast 
vollendeter  83  Lebensjahre  war  der  Verblichene^  abgesehen  von  einer  vor  etwa 
4  Jahren  überstundenen  längeren  Influenza-Erkrankung,  bis  zu  seinem  letzten 
Tage  von  rüstiger  Körperkraft  und  Gesundheit,  und  alle  Wiesbadener  werden 
sich  gerne  der  ritterlichen  Erscheinung  erinnern,  wie  sie  mit  den  klugen,  wohl- 
wollenden Augen,  dem  ehrwürdigen  weissen  Barte  und  dem  mächtigen  schwarzen 
Schlapphute  sich  durch  die  Strassen  der  Stadt  bewegte,  oder  ihm,  den  zusammen- 
gelegten Poncho  auf  der  Schulter  und  den  Hakenstock  am  Arme  hängend 
draussen  in  Wald  und  Feld  begegnete.  Am  beneidenswertesten  aber  war  die 
seltene  geistige  Frische,  welche  der  hochbetagte  Mann  sich  bewahrt  hatte,  und 
die  seit  seiner  letzten  Erkrankung  unter  dem  Einflüsse  einer  gross  angelegten 
wiBsenschaftlichen  Arbeit,  welcher  er  sich  mit  eisernem  Fleiase  unterzogen  hatte, 
in  neuer  Zunahme  begriffen  schien.  Noch  am  letzten  Abend  war  er  der 
heiterste  in  seinem  traulichen  Familienkreise  und  nahm  sich  noch  verschiedene 
Briefe  mit  ins  Schlafzimmer,  die  er  an  demselben  Abend  vor  dem  Einschlafen 
im  Bett  lesen  wollte ;  früh  fand  man  ihn,  seit  Stunden  bereits  ruhig  entschlafen, 
ohne  irgend  welche  Spur  eines  Todeskampfes.  Ein  Schlagfluss  hatte  seinem  an 
Arbeit  und  an  Ehren  reichen  Leben  ein  glückliches  schmerzloses  Ende  bereitet. 

Karl  August  von  Gohausen  wurde  am  17.  April  1812  zu  Rom,  in  dem 
damaligen  kaiserlich-französischen  Postgebäude,  dem  Palazzo  Firenze,  geboren. 
Sein  Vater,  Salentin  von  Cohausen,  fungierte  unter  der  napoleonischen  Herr- 
schaft als  directmtr  des  esiafeUes;  seine  Mutter  war  eine  geborene  Freiin  von 
Leoprechting.  Seine  Kinder-  und  Jugendjahre  verlebte  Karl  August  von 
Co  hausen  in  Heidelberg,  Koblenz,  Mannheim  bei  seiner  Muttor  Schwester  Frau 
von  Steube  und  Saarburg,  woselbst  sein  Vater  Landrat  war,  dann  wieder  bei 
Verwandten  in  Heidelberg  und  absolvierte  seine  Gymnasialzeit  1831  in  Trier, 
Im  August  desselben  Jahres  begann  er  seine  militärische  Laufbahn  durch  den 

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Eiotritt  bei  der  8.  PioDierabteiltiDg  io  Koblenz;  seine  mathematisch  uod  techoiscfa 
hochentwickelte  Veranlagung  hatte  ihn  sich  für  diese  interessante  und  anregende 
Disziplin  entscheiden  lassen.  18S3  avancierte  er  zum  Offizier,  um  alsdiiuu  die 
Artillerie-  und  Ingenieurschule  in  Berlin  zu  besuchen,  wo  er  gleichzeitig  den 
anregendsten  Verkehr  im  Meusebach'scheii  Hause  bei  Bettina  v.  Arnim, 
Goethes  Freundin,  fand.  Nachdem  er  noch  in  Luxemburg  und  Erfurt  gestanden, 
nahm  er  1840  seinen  Abschied,  um  in  der  berühmten  Stmngutfabrik  von  Villeroy 
u,  Boch  zu  Mettlach  die  Stelle  eines  zweiten  Direktors  zu  bekleiden  ttod 
daselbst  am  24.  April  1841  den  Ehebund  mit  seiner  Cousine  FrL  Klothilde 
von  Cohausen,  welche  ihn  jetzt  als  Witwe  betrauert,  zu  schliessen,  lu  dieü 
Stellung  verblieb  er  bis  zu  dem  Jahre  1848  und  eignete  »ich  dabei  solch  pra 
tische  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  gesamten  Keramik  an,  daaa  er  wohl 
mit  Ftecht  als  einer  der  berufensten  Kenner  derselben,  von  ihren  rtUe«ten 
Perioden  bis  zur  Neuzeit,  bezeichnet  werden  durfte,  wie  er  denn  auch  in  dieser 
Eigenschaft  im  Jahre  1873  nach  Wien  zur  Jury  für  die  keramische  Abteilung 
der  Weltausstellung  berufen  wurde.  Während  dieser  Zeit  erbaute  er  auch  in 
Mettlach  1842  die  dortige  katholische  Kirche,  sowie  die  in  dem  nahe  gelegene 
Orte  Saar-Holzbach. 

Die  Ereignisse  des  Jahres  1848  üessen  dem  jungen  thatkräftigeu  Manne 
in  dem  Stilleben  Mettlachs  keine  Ruhe.  Er  meldete  sich  von  neuem  zur  Armee 
und  trat  als  Premier- Leutnant  wieder  in  Saarlouis  ein,  ist  aber  stets  in  dem 
treuesten  Freundschaftsverhältnis  mit  der  Familie  Villeroy  &  Boch  geblieben. 
Dann  stand  er  im  llunsrück  und  zu  Köln.  Auf  dem  Hunsrück  fand  er  Gelegen- 
heit, sich  zum  erstenmale  eingehend  mit  den  dort  betind liehen  zahlreichen  Be- 
festigungen der  Vorzeit  zu  beschäftigen,  ein  Studium»  welchem  er  von  da  ab 
bis  zum  höchsten  Alter  oblag,  und  welches  durch  die  eingehendsten  Forschungen 
der  burgtichen  Bauten  des  Mittelalters  bis  zur  modernen  BefestiguugBweij!»e 
erweitert,  ihn  zu  dem  gediegensten  Kenner  dieses  ebenso  schwierigen  wie 
interessanten  Oebietea  werden  liesa.  Die  mustergikige  Aufnahme  zahlloser  Be* 
festigungeo  aus  der  älteren  und  mittleren  Zeit,  welche  seine  geschickte  Uand 
entworfen,  haben  bei  Gelegenheit  dieser  Untersuchungen  im  llunsrück  ihrej 
Anfang  genommen.  Von  dort  aus  wurde  der  hochtalentierte  Ingenieur-Oftlzi« 
nach  Mainz  kommandiert,  wo  noch  heute  mancher  Teil  der  Befestigungen, 
apesiell  in  den  ebenso  praktischen  wie  gefälligen  eisernen  Sperrthoren,  an  sein 
Thltigkeit  erinnert.  Dann  wurde  er  als  Hauptmann  nach  Ehrenbreitstein  vc 
aetst^  woselbst  er  eine  rege  TItätigkeit  im  Baufach  entwickelte.  Er  erriclitete 
o.  a.  die  dortigen  Thalbefestigungen  vom  Pfaffendorferthore  nach  dem  Aster- 
stein,  -  der  schone  Luisentumi  dort  ist  ebenfalls  sein  Werk  —  und  vou 
naoh  dem  Blindthal  und  Clausenberg,  woselbst  er  die  Burg  Buschmann  aaa 
fahrte,  und  dann  weiterhin  nach  dem  Sauer wasserthor  mit  den  beiden  scbi'^iieB 
Türmen  bis  hinauf  zu  Oberehren breitsteiu.  Ebenso  ist  er  der  Erbaue«'  de«  fo 
der  Kaiserin  Augusta  so  viel  und  gern  besuchten  dortigen  Klosters  der 
herzigen  Schwestern.  Im  Jahre  1857  trat  er  sodann  etoe  grossere  Rei^o  duntb 
das  Deutschordensland  in  Preussen  und  nach  Italien  an,  um  die  dortigen  mittel! 
akeriiehen   Befestigungsbauten  xu   studieren.     Im   Jahre    1858    wurde   er    de 


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Bundcamilitiirkoniinission  in  Frankfurt  a.  M.  beigegeben,  hatte  sich  aber  bereits 
eio  solcbes  Ausehen  als  praktischer  Archäologe  im  In-  und  Auslände  erworben^ 
dasi  er  im  Jahre  1862  von  Napoleon  IIL  berufen  wurde,  um  an  dessen,  »einer- 
zeit  epochemachendem  Werke:  ^Julius  Ceasar"  mit  Kat  und  That  teilzu- 
nehmen; e^  verweilte  10  Tage  in  Compi^gne  als  Gast  des  Kaisers.  Ebenso 
bekam  er  von  der  preussischen  Regierung  den  höchst  ehrenvollen  Auftrag,  die 
Fundstätte  des  Hildesheimer  Silborsehatsses  einer  exakten  Durchforschung  zu 
unterziehen  und  den  Wert  des  groasartigen  Schatzes,  sowie  alle  mit  dessen 
Auffindung  verbundenen  finanzielleu  Fragen  festzustellen  und  zu  erledigen*  Im 
übrigen  blieb  er  in  Frankfurt  a,  M.  bis  1866,  um  hierauf  xur  preussischen  Ge- 
sandtschaft nach  Paris  als  Militär- Attache  kouiraaudiert  zu  werden.  Im  Jahre 
1870  fungierte  er  als  Platzingenieur  zunächst  in  Minden  und  späterhin  in 
Koblenz,  woselbst  er  sich  durch  die  technisch  vollendete  und  äusserst  geschickte 
Ausfuhrung  zweier  grosser  Barackenlager  für  die  25000  daselbst  internierten 
Franzosen  auszeichnete  und  die  Gefahr  einer  drohenden  Revolte  derselben  in 
der  Neujahrsnacbt  1870/71  durch  Energie  und  Kaltblütigkeit  abzuweisen  ver- 
stand. Diese  Barackenlager,  von  denen  das  erste  auf  der  Veste  Alexander,  im 
Volksmunde  Karthause,  das  zweite  späterhin  hinter  der  Yeste  Franz  auf  der 
linken  Moaelseite  von  ihm  angelegt  wurden,  waren  die  mustergiltigsten  in  ganz 
Deutschland  und  so  eingerichtet,  dass  sie  unter  dem  Feuer  von  Kanonen 
itanden,  deren  Batterien  elektrisch  untereinander  verbunden  waren.  Durch  diese 
Einrichtung  würden  bei  dem  ersten  Anzeichen  einer  Revolte  beide  Lager  sofort 
von  einem  Ilagel  von  Kartätschen  überschüttet  worden  sein,  während  die  Wacli- 
mannschaften  durch  unterirdisch  angebrachte  Gänge  ihre  rechtzeitige  Deckung 
finden  konnten. 

Im  Jahre  1871  wurde  von  Co  hausen  als  K5nigl.  Konservator  für  die 
Provinz  Nassau-Homburg  angestellt,  welche  Stellung  er  bis  zu  seinem  Tode 
inne  hatte;  gleichzeitig  war  er  von  1874  ab  Mitglied  des  römisch-germanischen 
Central-Museums  in  Mainz,  sowie  seit  1885  des  germanischen  Museums  in 
Nürnberg ;  auch  dieße  Kreise  werden  dem  Verblichenen  ein  ehrendes  und  dank- 
bares Andenken  bewahren. 

In  dieser  Stellung  als  Konservator  in  Wiesbaden  war  es  von  Cohausen 
ermöglicht,  seine  ganze  Arbeitskraft  der  praktischen  Erforschung  der  Alter» 
tümer  unseres  hiermit  so  reich  gesegneten  Landes  zuzuwenden,  und  die  in  den 
Annalen  und  anderen  Schriften  von  seiner  Hand  niedergelegten  Mitteilungen, 
sowie  die  zahlreichen  Altertümer,  mit  denen  er  unser  Museum  bereichert  hat, 
aind  die  besten  Zeugen  für  die  rastlose  Thätigkeit  des  bis  zu  seinem  Tode 
unermüdlichen  Forschers.  Mit  dem  scharfen  Blick  des  Pioniers  und  Ingenieur- 
OfiRziers  entdeckte   er  jede  künstliche  Erhebung  des  Bodens,   mochte   dieselbe 

i  ein  Hügelgrab  oder  ein  altes  Schanzwerk  bedeuten ;  mit  allen  nötigen  Mess- 
Instrumenten  war  er  von  Jugend  auf  vertraut;  der  Spaten  forderte  ihm  sicher 

I  da»  zu  Tage,  was  der  Boden  an  Altertümern  barg,  und  als  Mann  der  realen 
Praxis  war  er  nur  von  dem  überzeugt,  was  er  selbst  mit  eigenen  Händen 
daraus  hervorgeholt  hatte.  Er  war  eben  ein  durchaus  nüchterner  Forscher, 
der  durch  sein  praktisches  Vorgebeu  der  Altertumswiasensohaft  die  wichtigsten 


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Dienste  geleistet  hat,  allen  Freunden  gründlicher  Forschung  ein  lehrreiches, 
anspornendes  Beispiel,  Andern  freilich,  die  nur  auf  schriftliche  Überlieferungen 
oder  auf  den  freien  Spielraum  ihrer  Phantasie  sich  verliessen,  nicht  immer 
ganz  bequem.  Neben  seinen  nicht  hoch  genug  zu  veranschlagenden  tech- 
nischen Kenntnissen  und  der  durch  ein  langes  Leben  herausgebildeten  archäo- 
logischen Erfahrungen  stand  ihm  ein  reiches  Wissen  auf  den  meisten  natur- 
wissenschaftlichen Disziplinen  zu  Gebote,  welche  mit  dem  Studium  der  Alter- 
tumskunde verknüpft  sind.  Er  war  ein  guter  Geologe  und  Botaniker;  die 
Paläontologie  war  ihm  eine  liebe  Freundin ;  als  selbstthätigem  Baumeister  wurde 
ihm  Wesen  und  Eigenart  der  ältesten  und  ursprünglichsten  Bauwerke  durch 
das  Mittelalter  hindurch  bis  in  die  neueste  Zeit  so  bekannt  und  vertraut,  wie 
kaum  je  einem  Anderen.  Und  so  gehörte  eine  Wanderung  mit  dem  rüstigen 
Manne  zu  den  schönsten  Genüssen.  Jede  Pflanze  am  Wege  war  ihm  bekannt 
wie  die  Tierwelt,  die  sich  um  sie  bewegte,  jedes  irgend  fremdartige  Gestein 
erregte  sein  Interesse ;  auf  jede  Verwerfung  im  Gebirge  machte  er  aufmerksam, 
keine  mittelalterliche  Befestigung  um  eine  alte  Stadt  oder  einen  alten  Friedhof 
mit  Kirche  entging  seinem  Auge ;  sorgfaltig  ward  die  Anlage  der  Dörfer,  sowie 
die  Bauweise  und  das  Material  ihrer  Häuser  studiert;  dabei  wurde  kein 
interessanter  Baum  vergessen  und  noch  weniger  die  Eigenart  der  Menschen- 
kinder, denen  man  unterwegs  begegnete.  Und  wie  so  ganz  besonders  inte- 
ressant und  belehrend  war  die  Untersuchung  der  alten  Befestigungswerke,  vom 
einfachen  uralten  Abschnittswall  bis  zum  trutzigen  Bergfried  der  mittel- 
alterlichen Burgen  und  darüber  hinaus  zu  den  modernsten  Befestigungswerken ! 
Aus  dem  Schatze  seiner  Leistungen  auf  nassauischem  Boden  soll  nur 
einiges  hervorgehoben  werden.  Es  sei  hier  zunächst  nur  an  seine  bahn- 
brechenden Arbeiten  über  die  Ringwälle  des  Taunus  erinnert,  in  welchen  er 
als  Erster  die  ursprüngliche  Einlagerung  von  Hölzern  zwischen  den  Stein- 
setzungen betonte  und  auf  dem  Altkönig  selbst  direkt  nachweisen  konnte ;  seine 
allerorts  angestellten  Untersuchungen  über  die  fast  bei  jeder  solcher  Be- 
festigungen nachweisbaren ,  örtlich  auftretenden  Verschlackungen  des  an- 
gewandten Steinmaterials  haben  den  Begriff  der  sogenannten  Glasburgen  in 
Deutschland  beseitigt.  Epochemachend  für  die  Kunde  der  Urzeit  waren  seine 
Ausgrabungen  in  den  Höhlen  von  Steeden  an  der  Lahn ;  ihre  Resultate  stellen 
sich  denen  der  berühmtesten  diluvialen  Fundorte  vollständig  ebenbürtig  zur 
Seite  —  schade  nur,  dass  ihre  Kenntnisnahme  wenig  über  das  Gebiet  der 
Annalen  des  Nass.  Altertumsvereines  hinausgedrungen  ist.  Die  zahlreichen 
Burgen  unseres  Landes  und  noch  weit  über  dessen  Grenzen  hinaus  haben  in 
von  Cohausen,  welchem  auf  diesem  Gebiete  nur  v.  Essenwein  nahe  kam, 
ihren  besten  und  gründlichsten  Darsteller  gefunden.  Von  höchster  Bedeutung 
waren  seine  Erforschungen  des  römischen  Grenzwalles,  welche  er  in  einem 
umfangreichen  Werke  mit  zahlreichen  Tafeln  niederlegte;  dieses  Werk  bildet 
heute  noch,  wenn  auch  an  manchen  Punkten  durch  die  neuesten  Explorationen 
erweitert  und  vervollständigt,  die  Basis  für  die  durch  Mommsen  ins  Leben 
gerufene  Limesforschung,  zu  deren  Kommission  er  selbst  einberufen  wurde. 
Es  würde  allein  genügen,  dem  Verstorbenen  ein  dauerndes  Andenken  zu  sichern. 


Auf  technischem  Gebiete  beschäftigte  er  sich  neben  vielem  Anderen  mit  dem 
Studium  des  römißchen  SchmelzachmuckeB ;  seine  Arbeiten  über  römiache  und 
überhaupt  alte  Schlösser  und  Schlüasel  sind  bis  jetzt  nicht  übertroffen.  Sein 
Lieblingskind  aber  war  die  achoue  Saalburg  bei  Homburg  v.  d,  Höhe,  das 
best  erhaltene  RömerkasteU  auf  deutschem  Bodeo^  für  welches  er  auch  das 
ochste  Interesse  eines  Mannes  wie  Moltke  zu  erwecken  wusste.  Dort  hat 
er  mehrtausendjähriges  Mauerwerk  konser^neren  gelehrt,  wie  yor  ihm  noch 
kein  Anderer;  seine  Methode,  den  Mauorresten  eine  flache  Cementmulde 
mit  eingepflanztem  Grasboden  aufzusetzen,  ist  wohl  jetzt  von  allen  Konser- 
vatoren angenommen,  Im  übrigen  sind  die  Begriffe  Saalburg  und  von  Cohausen 
E überhaupt  unzertrennlich,  und  was  er  da  oben  auf  der  alten  Passhöhe  des 
Taunus  zusammen  mit  seinem  ebenso  eifrigen  wie  genialen  Freunde  und  Mit- 
arbeiter, dem  Baumeister  Jacob i  zu  Homburg,  geschaffen  hat,  kann  nur  der 
verstehen,  der  die  Saalburg  und  das  Saalburg-Museum  eingehend  studiert  hat. 
Es  ist  wohl  selbstverständlich,  dass  der  Verewigte  bei  solcher  Befähigung 
und  allseitiger  Bethätigung  derselben,  die  er  in  grösseren  und  kleineren 
Arbeiten  veröffentlichte,  einen  weit  ausgedehnten  Kreis  von  Freunden  und 
l^^geistigen  Mitarbeitern  flnden  musste.  Aber  auch  die  Anerkennung  von  höchster 
^pSeite  hat  ihm  nicht  gefehlt.  Wir  erwähnten  oben  seine  ehrenvolle  Berufung 
^  zur  Untersuchung  des  Hildesheimer  Silberfundes,  sowie  zu  den  wnssenschaft- 
lichen  Arbeiten  i^apoleons  HI, ;  aber  auch  unser  Kaiserhaus  ist  zu  ihm  in  nahe 
und  herzlich  warme  Beziehung  getreten.  Wie  hatte  unser  hochseliger  Kaiser 
Friedrich  unter  seiner  Führung  die  alten  römischen  Reste  da  oben  lieb  ge- 
^Äwonnen  und  wie  oft  hat  er,  selbst  ein  feiner  Kenner  römischer  Altertümer, 
^pdort  zu  seiner  Erholung  geweilt!  Das  Gleiche  gilt  von  Ihrer  Majestät  der 
r^Kaiserin  Friedrich,  welche  so  oft  an  der  Seite  des  altehrwürdigen  Mannes  mit 
^■Beinem  grossen  schwarzen  Schlapphute  den  klassischen  Boden  betreten  hat  und 
^Pheute  noch  mit  grösstem  Interesse  den  dortigen  Ausgrabungen  folgt.  Das 
^.Gleiche  ebenso  endlieh  von  unserem  hochverehrten  Kaiser  Wilhelm  IL,  der  auf 
^Bder  Saalburg  seine  ersten  mit  bestem  Erfolge  gekrönten  Ausgrabungen  gemacht 
^Hiind  dort,  wie  im  Museum  zu  Wiesbaden,  unter  von  Cohausens  Augen,  welcher 
Allerhöchstihm  auch  die  Heidenmauer  demonstrierte,  sich  die  ersten  archäo- 
logischen Sporen  Yerdieote. 

Karl   August   von   Cohausen   w^ar   ein  energischer,    in    sich    fest    ab- 

E geschlossener  und  zielbewusster  Charakter;  er  war  nicht  nachtragend  und 
wusste  jedem  Gegner  die  beste  Seite  abzugewinnen  und  zu  achten.  Van  tief 
religiöser  Veranlagung,  besass  er  ein  reiches,  für  alles  Gute  und  Schöne 
empfangliches  Gemüt  und  war  ein  begeisterter  Verehrer  der  Kunst  und 
Wissenschaft.  Seinen  Freunden  aber  war  er  immer  der  treueste  und  un- 
eigennützigste Berater. 

Jetzt  ruht   er    auf   der    vorspringenden  Ecke   des   hohen  -Friedhofes    von 

[*faffendorf  am  Rhein,  in  welchem  Orte  die  Familie   einen   kleinen  Besitz  hat. 

ine  Familien-Grabstätte  hat  er  noch  ein  Jahr   vor   seinem  Tode   dort   selbst 

angelegt  und  Alles  selbst  bestimmt.    Er  hat  sich  eine  herrliche  Stelle  gewählt; 

echts  Hegt  das  sfolze  Ehrenbreitstein,  an  dessen  Befestigung  er  so  fleissig  und 


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geschickt  mitgearbeitet  hat,  —  von  drüben  grüsst  das  ihm  so  lieb  gewordene 
Koblenz  —  nnd  zu  seinen  Füssen  weit  unten  im  Thale  ziehen  die  grünen 
Wogen  des  schönsten  deutschen  Stromes,  zu  dessen  geschichtlicher  und  yor- 
geschichtlicher  Ergründung  er  so  viel  beigetragen. 

.  Friede  seiner  Asche,  und  Ehre  seinem  Andenken! 


Aus  den  zahlreichen  litterarischen  Arbeiten  heben   wir   nach   dem  Jahre 
ihres  Erscheinens  folgende  hervor: 

1842  Hohlziegelbräcke  in  Mettlach  (Philanthrop  in  Trier). 

1848  Eulenspiegel,  vom  Bauen  (Merziger  Baaernfreand  No.  40,  41). 

1852  Verschanzungen  auf  dem  HunsrQcken  (Bonner  Jahrbücher  XVIII). 
Der  Palast  zu  Ingelheim  (Mainzer  Altertümer). 

1853  Restauration  von  Ingelheim  (Bonner  Jahrbücher). 

1854  Verschanzungen  bei  Koblenz  (Bonner  Jahrbücher  XXVI). 

1857  Reliquienschrein  in  Mettlach  (Zeitschrift  f.  christl.  Archäologie). 

1859  Die  Kirche  St.  Nicola  da  Mira  in  Giornica  (Zeitschrift  f.  Bauwesen). 

1860  Bergfriede  (Bonner  Jahrbücher  XXVIII). 

1861  Rezension  von  Lindenschmids   „Hohenzollersche   Altertümer"   (Korrespondenz- 

blatt des  Gesamtvereines). 

1862  Ringwälle  (Westermanns  Monatshefte). 

1863  Verschanzte  Dörfer  auf  dem  Gau  (Westermanns  Monatshefte). 

1864  Besprechung  von  Prevast  forts  vitrifieds  (Bonner  Jahrbücher). 
Aufstellung  von  Ilintorlaclern  (Archiv  f.  Artill.-  u.  Ing.-Oflizierc). 
Feuchte  Kasematten  (daselbst). 

18()5  Der  hohe  Turm  in  Xeckar-Bisohofsheim  (Anz.  für  Kunde  d.  deutsch.  Vorzeit). 
18<i6  P^inleitung  (Zeitschrift  f.  prcussischc  Landeskunde). 

Terrain  de  ßlementsplane  (Archiv  f.  Artill.-  u.  Ing.-Ofüziere,  59.  Band). 

Selbstwirkende  Thorverschlüsse   (daselbst). 

Bockenheimerwarte  (Didaskalia). 

Fahrthor  (daselbst). 

Esrhenheimer  Turm  (dasolbst). 

Römische  Wasserleitungen  in  Trier.   Mainz  und  Köln  und  ein  ähnliches  Projekt 
für  Frankfurt  (Frankfurter  Reform). 

Kultur  der  Bronzezeit  (Anthropologische  Zeitschrift). 

Kömische  Steinbrüche  am  Felsberg. 
18()7   Vermutliche  Schlackenwälle  bei  Koblenz  (Bonner  Jahrbücher  XLII). 

Schallgefasse,   Altbaumburg  a.  d.  Nahe  (Bonner  Jahrbücher). 

Caesar  am   Rhein  (Bonner  Jahrbücher  XLIII). 

Caesars  Kheinbrückcn  (Leii)zig  b.  Teubner). 
IbiJS   Kschenheimer  Thor  (Zeitschrift  f.   Bauwesen  i. 

Brückenbo^'en    unter    der    Fahrgasse    (Mitteilungen    an    die     Mitglieder    des 
Frankfurter  Vereins). 
1869  Caesar  am  Rhein  iBonner  Jahrbücher  XLVII  u.  XLVIII). 

Beiträge  zur  (iesch.  d.  Befestigung  Frankfurts   (Archiv  f.  Frankfurter  Gesch. 
u.  Kun>t). 


1871 


1873 


Fyndstelle  des  Siiherscbatzes  (Hildesheimer  Sonntagsblatt). 
Von  der  Barg  (Bazar). 
^    IftTO  Kasernen-Abtritte,     Geschichte  d,  Abtritte  (Archiv  f.  lug.-  u.   ArfUI  -Off) 
Kuppelgewölbe  (daselbst). 
Sehmass  I  und  II  (Bazar). 

Silberfundstolle  bei  niUlcsheim  (\m.  f.  Kunde  d.  deutsdicn  Vor/oltu 
Boppard  (Bonner  Jalirbücher). 
Der  alte  Torrn  in  Mettlach  (ZeiUchr,  t,  Bauwesen). 
Gefangenenlager  bei  Koblenz  (ebenda). 

Index.     Fenchtigkeit  d.  Pulvermagazine  (Archiv  f.  Ing.-  u.  Arti1K*()if.). 
Brfteken  von  Hohlziegeln  (Zeitscbr.  f,  Bauwesen). 
Der  römische  Schmelzschmuck  (Annaion  XII). 
Gräber  im  Kammerforst  (Ännalen  XIl). 
Portal  zu  Lorch  (Annalen  XII), 
Miscellen  (Annalen  XII), 
Von  Stiefeln  und  einigem  Anderen  (Bazar). 
Der  See  (Bazar). 

Der  Schmuck  der  ältesten  Bewohner  Deutschlands  (Bazar). 
Warme-  und  Kühlkugeln  (Bazar). 

Schlttssel  und  Schlösser  bei  den  Römern  (Annalen  XIII). 
Das  Rheingatier  Gebttck  (Annalen  XIII). 
Miscellen,  Gblser,  Renaissance- Architektur  (Annalen  XIV). 
ludubtrie   der  Stein-,    Thon-  und  Giaswarcn    (in    dem  amtl,  Bericht  ober  die 

Wiener  Ausstellung). 
Römische  Steinbrüche  am  Felsberg  au  der  Bergstrasse,     von  (-ohausen  unrl 

Wörner  (Darmstadt,   Brill), 
Aulofen  in  Saulberg  und  Wölbtöpfe  (Annalen  XIV). 
Ursprung  des  Dorfes  Glashütten  (Annaleu  XIV). 
Hügelgräber  im  goldenen  Grund  (Annalen  XIV). 
Hügelgräbef  im  Schiersteiner  Wald-Pfuhl  (Annalen  XJV). 
Ilugelgraber  zwischen  Nahe  und  Hunsrücken  (daselbst). 
Miscellen,  Heidenraauer,  deutsch.  Gläser  (daselbst). 

Römerkaslell  Saalbnrg.  tob  Coh aasen  und  Jacobi  (Homburg b,  Frann holz). 
Spinnen  und  Weben  bei  den  Alten  (Annalen  XV), 
Zur  Geschichte  der  Eisenindustrie  (Annalen  XV), 
Guftus,   Mamiila^   Venicidum  (Annalen  XV), 
Höhlen  und  Wallburg  bei  Steeden  (Annalen  XV). 

Die  Wallbnrgen,  Landwehren,  Schanzen  im  Reg.-Bez.  Wiesbaden  (ebenda). 
Miscellen.  Frankengräber  (Annalen  XV), 
Merkwürdige  Bäume.    Würfel  (Annalen  XV). 

Die  Thon-  und  Glaswaren  auf  der  Pariser  Ausstellung  (Gewerbebl,  Wiesbaden). 
Ländliche  Waschanstalten  (Gewerbebl.  Wiesbaden). 
Dekoration  der  Fussböden  (Zeitschrift  f.  Bankunde), 
Wehrbauten  zwischen  Rhein,  Main  und  Lahn  (daselbst). 
Die  Altertümer  im  Fürstentum  Birkenfeld  (Picks  Monatsheft), 
Über  den  Bau  und  die  Einrichtung  der  Provinzial-Museen  (ebenda). 
Erinnerungen  aus  Hohenzollern  (Korresp.-Blatt  des  Ges.-Ver.), 
Höhlen  von  Steeden.  —  Hügelgräber  bei  Huhr,  —  Hügelgräber  bei  Brandobem- 
dorf,  —  Hügelgräber  im  Wald  Pfarrhofen  bei  Nastätteu.   --  Reihengräber.  — 


1876 
1877 


(1878 
1879 


1880 

1881 
1882 


10 

2.  Pfals:  Pfalsgraf  Lodwig  lY.,  1489—1449. 

Weistgrosohen  Ton  Baoharftoh  Ton  1448. 

Hfc  •ir*Da*Stt*(IX— Oa  •XLYm    wie  No,  l. 

Bm.  •Monep— •aovw-— •BTOm'   wie  no.  l 

GiteM  86  MBU    Gewicht  1,70  Gr. 

3.  Pfalz:  Pfalzgraf  Ludwig  lY.,  1439—1449. 

WeiMgrosohen  Ton  BaohMaoh  ohne  Jahr. 

Hl.  •  LVDWI'  •  aXomes)  •  —  F(alatiiiu8)  •  R'(heiii)  •  DVX  •  BXayariae) 

Wie  No.  1. 
Bs.  •MOÄff  — •  ÄOVW#  Bmm'    wie  No-  1. 

Gritae  86  Mnu    Gewicht  2^0  Gr. 

4.  Pfalz:  Pfalzgraf  Ludwig  m.,  1410—1436. 

Weingroichen  tob  Bacharach  ohne  Jahr. 

Hs.  .LVDWKT.ff.P.E'.DYX.BW 

Unter  einem  gotiachen  Bogen  das  Brustbild  St  Petrus'  mit  Kreuaatab  nnd 
Schlflssel. 

Bs.  «MOÄeii— w  o  Äonr  •  —  •  Biraa* 

lu  einem  spitzen  Dreipass  der  gevierete  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  L 

Yon  Pfiids,  2.  u.  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
In  den  Spitzen  des  Dreipasses  befinden  sich  kleine  Wsch.,  darin  rar  Beohten 

das  Bad  Ton  Mainz,  zur  Linken  das  Kreuz  von  Trier,  unten  der  Löwe  I. 

▼on  Jülich. 
Grösse  24  Mm.    Gewicht  2,00  Gr. 

5.   Pfalz:  Pfalzgraf  Friedrich,  1449—1476. 
2  Stück  Weissgrosohen,  zu  Bacharach  geprftgt. 

Hs.  FRID'  Q'  P'  —  R'  DVX  *  BW 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Ereuzstab  und 
Schlösse!  über  dem  hochgcteilten  Pfalz-Bayerischen  Wsch.,  rechts  der 
Löwe  1.  von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern. 
Es.  ♦  MORS'  —  ♦  ROVW  #  —  ♦  BITOß' 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  gevierete  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1. 

von  Pfalz,  2.  u.  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
In  den  Spitzen  des  Dreipasses  kleinere  Wsch.,  darin  in  dem  Wsch.  oben 
rechts  das  Rad  von  Mainz^  links  das  Ereuz  von  Trier,  unten  das  Kreuz 
von  Eöln. 
Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,20  Gr. 

6.   Pfalz:  Pfalzgraf  Friedrich,  1449—1476. 
Weissgrosohen,  zu  Baoharach  geprftgt. 

Ganz  wie  die  vorstehenden,   aber  mit   der  Eontremarke  von  Hildeaheim, 

dem  gekrönten  tf  bezeichnet. 
Gröaie  25  Mm.    Gewicht  2,10  Gr. 


11 


7.    Pfalz:  Pfalzgraf  Friedrich,  1449—1476. 
Weiasgroaoheti,  tu  Heidelberg  gepr&^. 
Hs.  Wie  No.  5. 

Rs,  •  MORS-—  #  R0V17  #  —  üeiDai(berg) 
Die  Wappen  wie  auf  No.  5* 
GrOMe  24  Mm.     Oewioht  2^10  Gr. 

8.   Mainz:  Erzbischof  Theodor  Graf  von  Erbach,   1434— 14B9. 

WeissgToaohen,  in  BiDgeo  geprSgt. 
Ufl.  #  THeODÄlBBI   —    WRaPr-M(oguntiae) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus^  mit  Kreuzstab  und 

Schlüsse),  darunter  der  Wsch.  von  Erbach  mit  den  3  Sternen:  2  u.  L 
Oben:  #  MBBH*  — *  ROYTT  #  — *  BlttöXenais) 
Geviereter  Wsch.  im  spitzen  Dreipass^   1.  u.  4.  Feld  das  Rad  von  Mainz, 

2.  u.  3.  Feld  die  3  Sterne,  2  u.  1,  von  Erbach. 
lo  den  Spitzen  des  Dreipasses  je  ein  Wsch.,  in  dem  oberen  zur  Rechten 

das  Kreuz  von  Trier,  zur  Linken  das  Kreuz  von  Köln,  in  dem  unteren 

die  Wecken  von  Bayern. 
Grdsce  24  Mm.  Oewioht  2,10  Gr. 
Cappe,  Mainzer  Münzen,  8.  135,  No.  608  Tar. 


Ra 


Hs. 
Ra. 


9.    Mainz:  Erzbischof  Theodor  Graf  von  Erbach,  1434- 
Weiftsgrosohen,  in  Bingen  geprUgt 
-    HWKLm  *    Wie  No.  8. 


-1459. 


Wie  No.  8. 
Grtese  24  Mm. 


Oewioht  1,80  Gr.    Oeloohi. 


10.  Mainz:  Erzbischof  Theodor  Graf  von  Erbach,  1434- 
Weisegrosohen,  in  Bingen  geprÄgL 

is.  *  ir'ßO  *  DM*  —  T  •  CDDCX  ♦  XLV     Wie  No.  8. 
Rs.   Wie  No,  8. 

GrSese  24  Mm.    Oewioht  2,00  Or. 


-1459. 


IL   Main«:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462—1475. 

Weinfigroschen. 

Hs,  ^  TtDOhr  flLO'  —  ST .  aOKF(irmatua)  MlT(guntiae) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus^  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel;  darunter  Wsch.  mit  dem  nassauiscben  Löwen  1. 

Rb.  »MORa*— *nOVTT»  — *imöVß(tiae) 

Im  spitzen  Dreipass  ein  hochgeteilter  Wsch ,  darum  3  kleinere  Wach.,  im 

Felde  zur  Rechten  das  Rad  von  Mainz,  zur  Linken  der  Lowe  gekrönt, 

l.  mit  Schindeln  im  Felde:  Nassau. 
Im  Wach,  oben  zur  Rechten  das  Kreuz  von  Trier,  zur  Linken  das  Kreuz 

von  Köln,  unten  die  Wecken  von  Bayern. 

Ordsse  24  Mm.    Gewicht  2^00  Gr. 

2* 


12 

12.  Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462 — 1476. 

WeisBgrosohen. 

Hs.  •  WDGgßJ^, WR  —  lUÖPr  WR  *      Wie  No.  11. 
Rs.  Wie  No.  11. 

Grösse  24  Mm.    Gewicht  2,30  Gr. 

13.  Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462 — 1475. 

WeisEgroBohen. 

Hs.  o  ITDOLF'  WR  — OüftlQPr  Mlf    Wie  No.  11. 
Rs.  Wie  No.  11. 

Grösse  24  Mm.    Gewicht  2,10  Gr. 

14.  Mainz:   Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462 — 1475. 

2  Stüok  WeissgroBohen. 

Hs.  ♦  KDOLP'  TTR  — GRÖPr  MW  Wie  No.  11. 

Rs.  ♦  MOKff^— MiOVn  *  —  *  MOreVIi  *    Wie  No.  11. 

15.  Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462 — 1475. 

WeiRBgroBchen. 
Hs.  ITDOLP'  WR  — OMÖF  M7r  Wie  No.  11. 

Rs.  ♦  MOßö'  — •  ßOVir  *— M7TeVR   Wie  No.  11. 
Grösse  24  Mm.    Gewicht  2,10  Gr. 

16.   Mainz:  Erzbischof  Diether  H.  Graf  von  Isenburg,  1475 — 1482. 

WeiBBgroBchen. 

Hs.   *  DW*  HLHU^  -  HfT.aOttFIR 

Unter  einem  gotiachen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 

Schlüssel;  unter  ihm  ein  Wsch.  mit  den  2  Balken  von  Isenburg. 
Rs.  Oben  *  MOIW   --*0©^?5^^  -*  MuGV' 

In  spitzem  Dreipass  der  geviorote  Wseh.,  umgeben  von  3  kleineren  Wsch., 

im   1.  u.  4,  Felde  des  JLuipiscIiildes  das  Rad  von  Mainz,   im  2.  u.  3. 

Felde  die  2  Balken  von  Isenburg. 
Im  Wsch.    oben    rechts   das   Kreuz    von  Trier,    links  das  Kreuz  von  Köln, 

unten  die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,40  Gr. 
Cappo,  Mainzer  Münzen,  S.   Hö,  No.  OT"». 

17.    Trier:  Erzbiscliof  Werner  von  Falkenstein,   1388—1418. 
Weiöygroschen,  zu  Oberweeel  geprägt. 

Hs.   *  WHRUHR'»KR0P'     TKH'(  vireusis)  * 

Vduv  einem  gotischen  B'\i;en  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel. 
Rs.        MOimT»        i:  UOW:       WHSiri/iiensis) 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  hochgoteilte  Ilauptschild,  von  3  kleineren 
Wscli.  in  den  Passecken  umgeben,  im  Ilauptschilde  rechts  das  Kreuz 
von  Trier,  links  quergeteilt  das  Familien  Wappen:  Falkenstein. 


Im  kleiacren  Wscb.  oben  rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  die  Weekeo 
von  Bayern,  unten  der  Löwe  l  von  Jülich,  das  dem  Vertrage  am  Ende 
des  Jahres  1417  beigetreten  wan 

Grßase  ^5  Mm.    Geirtoht  2,00  Qr* 

Bohl,  S.  78,  No.  31. 

18    Triftr:  Erzhischof  Otto  von  Ziegenhain,  1418—1430. 
Weissgrosohen,  in  Trier  geprAgi. 

"Hsr"ÖTT01Ü8'  ^  IT  Zwei  gekreuzte  Schlüssel  ^  RÜP  *  TRÖ* 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St*  Petrus*  mit  Kreuzatab  und 

Sohlüssel. 
Ks.  *  MOK'  —  ^  HOT  —  -  TRÖ  —  #  VffR' 

In  einem  Vierpass  ein  hocbgeteilter  Hauptachild  mit  4  kleineren  Wseh,  in 

den  Winkeln  des  Vierpasses^   im  Hauptschilde   rechts  das  Kreuz   von 

Trier,  links  quergeteiU,  oben  ein  Stern,  unten  Gold:  Ziegenhain. 
Im  kleineren  Wsch.  oben  das  Rad  von  Mainz,  rechts  das  Kreuz  von  Köln, 

links  die  Wecken  von  Bayern,  unten  der  Löwe  L  von  Jüiich,s.  vorstehend 
GrSBSQ  26  Mm.     Gewiobt  2,30  Gr. 
Bohl,  S.  93,  No.  12. 

19.    Trier:  Erzbiachof  Jakob  L  von  Sirk,   1439—1456. 
3  StÜGk  WetBBgrosohea,  in  Koblenz  gtspr^gt^  tod  1444. 

#  7r  •  Dir  #  SR  ♦  a  —  ooa  ^  XLini 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus*  mit  Kreuzatab  und 

SchlüsseL    Unten    ein   AVsch.    mit   einem    Schrägrechtdbalken,    worauf 

3  Vögel  liegen,  das  Familienwappen  von  Sirk. 
♦  MOßa*  —  *  R0V1J  *  —  ♦  aOVöXlonsis) 
In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Ilauptschild,  darum  3  kleinere  Wsch., 

im  Hauptschilde   im  1.  u.  4.  Felde  das  Kreuz   von  Trier,    ira  2.  u.  3. 

Felde  Schrägrechtsbalken  mit  3  Vögeln  belegt:  von  Sirk, 
Im  kleinen  Wsch,   oben  rechts  das  Rad  von  Mainz,   links  das  Kreuz  von 

Trier,  unten  die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  25  Mm.     Gewioht  2,20,  2,10  u,  2,00  Gr. 


20.   Trier:  Erzbischof  Jakob  von  Sirk,  1439—1456. 

2  Stück  Weksgroachen,  in  Koblenz  geprägt. 

#  IWaOBVS  •  —  *  TTROPI  *  TR^ 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel.  Darunter  ein  Wsch.,  dessen  Schrägrechtsbalkeu  mit  drei 
Vögeln  belegt,  das  Familienwappen  des  Erzbischofs. 

Oben  -  MORS^  —  ♦  XRIVW'  —  aOVö* 

Im  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschildj  umgeben  von  3  kleine- 
ren Wach.j  im  1.  n.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von  Trier, 
im  2.  u.  3.  Felde  der  Schrägrechtsbalken  mit  3  Vögeln  belegt. 


i^^JB^iSfeL. 


14 

Im  oberen  Wscb.  rechts  das  Rad  van  Mainz,  linke  am  Kreuz  roo  Trteff 

im  uotereo  die  Weckea  ?od  Bayero, 
Of5M«  25  Um,    Gewicht  1,90  b.  1,50  Gr, 
Bükt,  8.  IM,  No,  1. 

21.    Trier:  Erzbiachof  Jakob  von  Sirk,  1439—1466, 
2  Stück  Weiaagroaahsi],  in  Kob1«o£  geprlgt. 

Hi,  •  KTOOB'  •  ^  —  KOPr  TR     Wie  No,  20, 
Es,  Oben  «POßff  —  *  UOY^T  *  —  •  aOT0^ 

Wie  No.  20,    statt  des   kleineren  unteren  Wüch*   aber   eine   Roee    in    der 
BreipasBspitze  unten ;  die  beiden  oberen  Wsch.  haben  jedes  ein  Kreu^. 

Grtae  25  Mm.     Gewiolit  1,80  u.  1,70  Gr. 

Bokl,  &  107,  No.  10. 

22,   Trier:   Erzbischof  Johann  IL  Markgraf  von  Baden,    1456 — 1503, 

2  Stück  Wekagr Dachen^  in  Kcbleaz  geprägt. 
H0,  *  lOir  *  aLS«(tu8)  —  QT  itaORP'(irmatus)  *  r(revirensis) 

Unter  einem  gotiBchen  Bogen  das  Brustbild  St,  Petrus'  mit  Krensstab  und 

SohlÜBsel.     Darunter  ein  Wsch.   mit  dem   Schragrecbtsbalken   in  gol* 

denem  Felde  von  Baden. 

Ks.  Oben  ^  MOUQ'  —  *  ROTHT  *  —  *  aOVa* 

Im  ipitzen  Dreipass   ein  geviereter  Hauptscbild^    umgeben   von    3  kleiDe-* 
reo  Wsch.»  im  L  n.  4.  Felde  des  Hauptacbildes  das  Kreuz  von  Trier, 
im  2,  u,  3.  Felde  der  Sehrägreehtsbalken  in  Gold  von  Baden. 
Im  oberen  Wach    rechts  das  Rad  von  Mainz,    linka  daa  Kreuz  von  Trier 

im  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 
GrOste  25  Mm.    Gewicht  2.00  Gr. 
Bohl,  8.  111,  No.  10. 

23.   Köln:  Erzbischof  Theoderich  IL  Graf  von  Mors,    1414—1463. 
WeissgroBchen,  in  Bonn  geprägt. 

Hb,   iraeODÖRiaV  —  S  WUea»  aOLConiensis) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel;  auf  der  Bru^t  ein  Wsch.  mit  dem  Kreuz  von  Köln.  Oben 
über  dem  Bogen  2  Wsch.  mit  dem  Saarwerden'schen  doppelköpfigen 
Adler;  unter  dem  Heiligen  ein  Wappenschildchen  mit  dem  Balken 
von  Mors. 
Es.  o  ffiOßaT8l  —  •  HO  Vir  I :  B  —  OUIiöR  ♦ 

Im   spitzen   Dreipass    ein   geviereter   Hauptschild,   im    1.  u.  4.  Felde   das 
Kreuz  von  Köln,  im  2.  u.  3.  Felde  der  Balken  von  Mors. 

Im  oberen  Dreipasswinkel   rechts  2  gekreuzte   Schlüssel,   links  das  Kreuz 
von  Trier  in  einem  Wsoh.,  im  unteren  eine  sechsblätterige  Rose. 

Gra«6  25  Mm.    Gewicht  1,80  Gr. 

Cappe,  KlUnisehe  Mantw  Ko.  1066  var. 


16 

24.  Köln:  Erzbisohof  Theoderich  Graf  van  Mors,  1414—1463. 

WeiisgroAGhen,  in  Riele  ge^rlLgt. 

Hb.  f  TOÖODI  —  TTRaPr  ff 

St.  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen  hält  einen  KrßQzstab  und  einen 
Schlüssel;  unter  ihm  ein  Wsch.  mit  dem  Balken  von  Mura. 

Rfl.  #  MORff  —  •  HOVTT  *  —  *  RILÖ'C^sis) 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  umgeben  von  drei 
kleineren  Wsch,,  im  1.  iL  4.  Felde  des  Hauptschildea  das  Kreuz  von 
Köln,    im  2,  u.  3.  Felde   der  Balkan   auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 

Im  oberen  kleineren  Wsch.  rechts  der  Balken  auf  goldenem  Grunde  von 
Mors,  links  das  Kreuz  von  Köln,  im  unteren  2  Delphine. 

Grösse  25  Mm*     Gewicht  1,70  Gr. 

Oappe,  Kglntflolie  MQnzeii  No.  1077;  t.  Merle,  8.  194,  Ko.  6. 

25,  Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Mors,  1414—1463. 
WeiüsgroBchen,  in  Riele  gepr&gt. 

H«.  ♦  TftHoor  -  iTRöcpr  *  ao* 

8t  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen    hält    einen  Kreuzstab   und  einen 
Schlüssel;  unter  ihm  ein  Wsch.  mit  dem  Balken  von  Mors. 
Rs.   Oben  *  MOHff  —  »  R0V1T  *  —  RILa^ 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptaehild,  umgeben  von  drei 
kleineren  Wsch.,  im  1.  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von 
Köln,   im  2.  u.  3.  Felde  der  Balken   auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 

Im  oberen  kleineren  Wsch.  rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz 
von  Trier,  im  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 

Oröese  24  Mid.     Gewicht  1 JO  Gr 

GroMhen-KAbinet,  X.  F&ch,  Taf.  IX,  No.  82;  t.  Merle,  8.  Id4,  Ko.  5;  Cappe,  Kdl- 
ciBohe  Mauzen  No.  lOSO. 


26.    Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Mors,  1414 — 1463, 
WeiasgrosoheDp  in  Riele  geprägt. 

Hfl.  ♦  TRÖODIG'  ♦  TTROPr  *  aOLO* 

St.  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen   hält  einen  Kreuzstab   und  einen 

Schlüssel. 
Rs.  *  MOR'  —  •  KOr  _  ♦  RIL  »  —  #  «RS  ♦ 

In  einem  Vierpaas  ein  geviereter  Wsch.,  umgeben  von  4  kleineren  Wsch. 

Im  L  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von  Köln,  im  2.  u.  3. 

Felde  der  Balken  auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 
Im  oberen  kleineren  Wsch.    das   Rad   von   Mainz,   rechts  das   Kreuz   von 

Trier,  links  die  Wecken  von  Bayern,  im  unteren  der  Löwe  I.  von  Jülich. 
Gritase  26  Mm.    Gewicht  1,80  Gr. 
Cappe,  Kölnische  Miinten  No.  1095, 


27.    Kfiln:  ErEbisehof  Theoderich  Graf  von  Mors,   1414—1483. 

Weijftgröacli«ii  toh  1444. 

H».  Oben  *  TliSOD*  —  *  ItROPr  —  ÜOLOR* 

Iß  oiiiom  spilzeii  Draipos»  ein  geviereter  Hauptachild,  umgeben  von  dm 
kleineren  Wi^eh.,  im  L  u«  4,  Felde  dea  HauptachUdes  das  Kreuz  voo 
KoIq^  im  2.  u,  3.  Feld  der  Balken  auf  goldenen]  Grunde  von  Mor«. 

Im  oberen  kleineren  W»chi  ssur  Rechten  daa  Bad  von  Maiu^  zur  Linken 
da«  Krau/,  von  Trier,  ira  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 

El.  W'ßo  -  D  •  sß «•  a  —  an*  xLimn 

St.  Fetriiii  unter  einem  goüächen  Bogen  halt  einen  Kreuzitab  und  einen 
Schl&a&el;  unter  ihm  ein  Waeh.  mit  dem  Balken  auf  goldenem  Grunde 
von  Mör«* 

Orüii«  %k  Mm.    Gowlolii  1^0  Or. 

f.  H«rt«,  a  206,  No.  87;  Üatipe,  Köttnadie  Mütiztm  No.  IIOG. 


I 

I 


S8.  lC5ln:  Erzbisohof  Theuderich  Graf  von  Mors,  1414— 1463. 
Wtlsfgroiolieit,  tu  Rj«le  geprägt^  hat  Doppdbchl&g, 

BM.wmm  DI  -  TTBOFr  *  ao 

St,  PetriiB  unter  einem  gotischen  Bogen   hält  einen  Ereuzatab  {und  einen 
Schlitsel).    Darunter  ein  Wach,  mit  dem  Balken  auf  goldenem  Grunde 
von  Hori. 
\ÜA.  Oben    *  HOKö«—  wmmm  —  •  RILe 

In  einem  tpihien  Brerpaaa  ©in  geviereter  Hauptachild,  von  3  kleineren  Wsch 
uuig^oeü.  iJufcb  den  Doppeibohlttg  ist  der  linke  Teil  der  Ro.  verwlocLi, 
!•  u.  4.  Feld  des  Hauptschildes  das  Ereuz  von  Eöln,  2.  u.  3.  Feld 
der  Baiken  auf  goldenem  Felde  von  Mors. 

Im  oberen  Wsch.  rechts  der   Balken   auf  goldenem  Felde  von  Mors,   der 
obere  Wsch.  links  und  der  untere  Wsch.  sind  nicht  sichtbar. 

QfOtM  25  Mm.    Gewicht  1,70  Gr. 


i 


29.   Jülich:  Herzog  Reinhald,  1402—1423. 
i  Stück  WttUsgTiMchen,  in  Bergheim  geprigt 

H«^  •  R«lir  •  DVX  •  lYL  e«L  ÖO^ 

St.  PeCrus  unter  einem  gotischen   Bogen   hält  einen  Ereuzstab   and  eiiien 

Schlüssel. 
lU,   •  MOW*  —  •  UOV*  —  •  BaR  •  —  •  aTier(mensis^ 

Tierpass  inmitten  Wsch.   mit  dem  Löwen  1.  von  Jülich,   umher  4   kreas- 

w«»e  g«6ii^te  Wsch. 
In  Wscii.  oben  das  Rad  von  Mainz,  rechts  das  Ereoz   von  Trier,   finks 

das  Kreuz  tvvq  K«S4n«  unten  die  Wecken  von  Bayen. 
Oi«M»  «;  Itük    G«vic4t  2,00  Gr.;  2.1^  Or. 
er#i*,  MliwiM  B.  TU,  S.  4«>,  Xr.  $«.  1. 


..^aä 


17 

♦  30.  Berg:  Herzog  Adolf,  1408—1423. 
RaderalbuB  mit  dem  Yierpass,  in  Mfllheim  geprAgt. 

Hs.  ITDOLPRVS  ♦DVX*Da  »MOT« 

Der  Herzog   in  halber  Qestalt  mit  platter  Mütze,   ein  Schwert  mit  beiden 
Händen  schräg  rechts  haltend,  unter  einem  gotischen  Bogen. 
Rs.  *  MOÄ^-tßOV—  »MOS*  —  *Lßa'(men8i8) 

In  einem  Yierpass  der  gevierete  Hauptschild,  von  vier  kleineren  Wsch.  um- 
geben. Im  Hauptschild  das  1.  u.  4.  Feld  mit  dem  Löwen  1.  von 
Jülich,  das  2.  u.  3.  Feld  mit  dem  doppelt  geschwänzten  Löwen  1. 
von  Berg. 

Im  Wsch.  oben  der  zweischwänzige  Löwe  1.  von  Berg,  rechts  der  Adler, 
links  der  Löwe  1.  von  Jülich,  unten  die  3  Sparren  von  Ravensberg. 

Grösse  25  Mm.    Gewicht  1,80  Gr. 

31.  Berg:  Herzog  Adolf,  1408—1423. 
2  Stüok  RaderalbuB  mit  dem  Yierpass,  in  Mülheim  geprägt. 

Hs.  Wie  No.  30,   aber  mit  o    statt  der  Sternchen. 
^®'     1»       »     30,      »»•'>»»  7t 

Grosse  26  Mm.    Gewicht  2,30  u.  1,90  Gr. 

32.  Jülich  u.  Berg:  Herzog  Gerhard,  1437— 14T5. 
Raderalbus,  in  Düren  geprägt. 

Hs.   eöRD'  ♦  DVX  *  IVL(iacensis)  ♦  Z  MOT'  *    (et  montensis) 

Unter  einem  gotischen   Bogen   der  Herzog   in  halber  Gestalt,    mit  platter 
Mütze,  hält  mit  beiden  Händen  ein  Schwert  schräg  rechts. 
Rs.  *  MOß'  —  *  ROY  *  —  D VR  —  GüaS(is) 

In  einem  Yierpass  der  gevierete  Hauptschild,  von  4  kleineren  Wsch.  um- 
geben. Im  Hauptschild  das  1.  u.  4.  Feld  mit  dem  Löwen  1.  von  Jülich, 
das  2.  u.  3.  Feld  mit  dem  doppelt  geschwänzten  Löwen  1.  von  Berg. 

Im  Wsch.  oben  der  Löwe  1.  von  Jülich,  rechts  der  Adler,  links  der  zwei- 
schwänzige Löwe  1.  von  Berg,   unten  die  3  Sparren  von  Ravensberg. 

Grösse  25  Mm.    Gewicht  1,80  Gr. 

Wellenheim  No.  8064  hat  MOS  statt  MOR 

33.   Jülich  u.  Berg:  Herzog  Gerhard,  1437—1475 
Raderalbos,  in  Dfiren  geprägt. 

Hs.   eaRF  *  DVX  IVL'  Z  MOT  Wie  vorstehend. 

Rs.  ♦  MOU'»  — *ßOV'»—  *DVR  — GUaS'^c 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,90  Gr. 


18 


II. 

Am  18.  Juli  1881  wurden  beim  Bau  einer  Holzremise  in  der  Hofraite 
des  Franz  Faber  in  Schlossborn,  Haus  No.  16,  3  Häuser  von  der  Kirche,  nur 
wenige  Zoll  unter  der  Erde,  in  einem  braunen  Steinkrügelchen  41  Goldgulden 
gefunden.     Sie  wogen  zusammen  135  Or.  und  sind  nicht  ganz  18  karatig. 

1.   Baden:  Markgraf  Christoph,  1475—1527. 
Goldgulden. 

Hs.  QRISTOF  o  MITE  —  QMO  S  BTTDÖftS 

Brustbild  St.  Petrus'  mit  Heiligenschein,  Schlüssel  und  Buch  über  geviere- 
tem  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  der  Schrägrechtsbalken  von  Baden,  2.  u.  3. 
Feld   16  mal  geschacht   in   4   Reihen    wegen   der  hinteren   Grafschaft 
Sponheim. 
Rs.  MOßö  o  uo  o  TTVReiT  o  BTTOeßSIS  o  ISO?« 

4  Wsch.  in  den  Winkeln  eines  Lilienkreuzes,  1.  Wsch.  der  Schrägrechts- 
balken  von  Baden,  2.  Feld  16mal  geschacht  in  4  Reihen  wegen  der 
hinteren  Grafschaft  Sponheim,  3,  Feld  hochgeteilt,  Lowe  1.  von  Mahl- 
berg, und  der  Balken  von  Lahr,  4.  Feld  querliegender  Flug  Ton 
Usenberg. 

Gröase  23  Mm.    Gewicht  3,82  Gr. 

2.  Nördlingen:  Friedrich  IH.  König  1440—1452,  Kaiser  bis   1493. 

Ooldgulden. 

Hs.   FRIDRKIVS«  llOSll\:\V  ^  LSUPtRirTOR  + 

In   eiuom   mit    Punkten    verzierten    Dreipasse,    dessen    äussere    Ecken    mit 
Blättern  verziert  sind,  der  Reichsapfel. 
Rs.   M/OW(-T  n  \H^\\:  o  U  ---  OKDLIUOeSo 

Der  stehende  St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  das  Lamm  mit  Schein  auf 
seinem  linken  Arme ;  unten  zu  seineu  Füssen  Wsch.  mit  den  3  Schild- 
chen von  Weinsberg. 
Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,27  Gr. 

3.  Nördlingen:   Friedrich  111.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

Goldgulden. 

Hs.   FRIDRIOVS  ^^  ROMirU  ^  IMF  + 
In  einem  Dreipasse  der  Reichsapfel. 

Rs.  MOweT  •  UO     xnmmAM 

Der   stehende   St.    Johannes    mit    dem    Lamme    auf    dem    linken    Arme; 
zwischen  seinen  Küssen  ein  Wsch.  mit  den  3  Schildchen  von  Weinsberg. 
Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,32  Gr. 
1S7S  Hess,  Kai.  314S,  M.  10.-:   ISs*^^  Fund  ron  Lenzhahn. 


19 

4.   Frankfurt:  Kaiser  Sigismand. 
Goldgulden. 

Ha.  SIOISMTD'»  RO'»  RORfSM»  RtX* 

Der  Reichsapfel  in  einem  Sechspass,  der  mit  Kleeblättern  verziert  ist. 
Rs.  MORCT  ♦  RO  —  PRmiPORD 

St.  Johannes  erhebt  die  rechte  Hand  u.  hält  in  der  linken  einen  Kreuzstab. 

QrÖBse  23  Mm. 

Gappe,  Eaisermfinzen  Bd.  I,  No.  813;  Blätter  far  Manxkunde,  Bd.  I,  No.  259. 

5.  Frankfurt  a.  M.:  Friedrich  HL  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

2  StQok  Goldgulden. 

Hs.  FRIDRiaVS  o  RO'ßORV  *>  RffX  * 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 
Rs.  KORQ^mnO  —  FRWaaFOR' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,   weist  mit  der  Rechten  auf  das  Yon  ihm 
auf  dem   linken  Arme  getragene  Lamm.     Zwischen  seinen  Füssen  Q. 
Also  wahrscheinlich  von  Conrad  von  Weinsberg,   der  1431  zu  Frank- 
furt das  Munzrecht  erhielt  und  18.  Jan.  1448  starb. 
Qrösse  22  Mm. 
Cappe,  Kaisermünzen,  Bd.  III,  No.  739. 

6.  Frankfurt  a.  M.:  Friedrich  HL  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

2  Stack  Goldgalden. 

Hs.  FRIDRiaVS  o  ROMWK'o  IMP'(erator)  * 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 
Rs.  MOIiöT  o  ßO  —  FRTTIiaFD' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,   weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.     Zwischen  seinen  Füssen  ein 
Wsch.  mit  den  3  Schildchen  von  Weinsberg. 
Grösse  23  Mm. 
Oappe,  KaisermOnzen,  Bd.  in,  No.  776;   Voigt,  8.  75,  No.  12. 

7.  Frankfurt  a.  M.:  Friedrich  m.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

Goldgalden. 

Hs.  FRIDRiaVS  o  ROßOR'  o  IMPWT' .  * 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 
Rs.  MOUÖTTT  o  liO  —  FRITßaFOR' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.     Zwischen  seinen  Füssen  QC. 

Grösse  23  Mm. 

Cappe,  KaisermODsen,  Bd.  III,  No.  769  Tar. 


20 

B.   Frftiikfurt  a.  M,;  Friedrich  m.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1495. 

QoldguMen* 
Ha,   PRIDRiaVSi^  ROMm?Olt  IIIPIT' (imperator)*!« 

Der  RelchBEpfel  in  eiDom  ruaden  Dreipass, 
Eh,  MOfiQ'nTi*  MO  ^  FEimaF^D^ 

St.  Johaoaea  mit  HeüigeDB^bein^   wet»t  mit  der  RocbteD  auf  das  voq  ihm 
auf  dem  liuken  Arme  getragene  Lamm.     Zwiscbeo    seinen   Füsaaci  fcv 
0f6u^  2a  Mm, 


9.  Frankfurt  a.  M,:  Maximilian  L,  1498—1519, 

2  Stück  QoMgulden. 

Ha.  SEwxiSRiLrirHva  c  ßoiira  o  Rax* 

Der  ReicbBapfel  in  einem  runden  Dreipass, 
Jls,   SßO  -  HO  ^  FR  ^  imOF  ol^q^. 

St.  Johannes  mit  Heiligenscheio^   weist  mit  der  Raobten  auf  das  ran  tbm 

auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm,     Unter  ihm  Wach,    ml    deu 

3  Schildchen  von  Weinsberg. 
araaae  2^  Mm. 
Gappe,  Kaiiermatixeai  Bd,  Ult  No.  855  Yftr. 

10,  Prankfurt  a.  M.:  Maximilian  Ly   1493—1519, 

Hs,  sairxmaLnrHvs «  ROiün  ^  r9x+ 

Der  Reichsapfel  in  einem  rundeo  Dreipass, 
Es.  O  SRO  0  KO  -  FR  -  '^rBttF .  1 5^9 6 

St.  Johanne»  mit  Ueiligeoscheb,  weiat  mit  der  Rechten  auf  dai  von  ihm 
auf  dem   linken  Arme   getragene  Lamm.     Unter   ihm  Wach,   mit   den 

3  SchiJdchen  von  Weins  he  rg, 
QrOue  2ä  Mm. 

Cttppe,  Kaiiennüneeti,  Bd.  III,  S57  TAT, 

11.   Markgrafschaft  Brandenburg  in  Franken:  Albrecht  Achilles, 

1471_1486. 

2  Stück  Sohwabaoher  Goldg^den. 
Ha.  1TLBT'  :  5ßirR0Gft  —  BRITßD  t  ÖLTO' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.  Zwischen  seinen  Füssen  der 
Brackenkopf  r. 

Rs.  SÄORanr  s  iia»w  §  7r\g^g|^woB'iraii' + 

Auf  einem  Blumenkreuze  der  Churschüd  mit  dem  Scepter;  in  den  Winkeln 

4  Wach.,  im  oberen  der  Adler  von  Brandenburg,  zur  Rechten  toq 
Weiss  und  Schwarz  gevieret:  Zollern,  zur  Linken  der  Greif  1.  Ton 
Pommern,  unten:  Löwe  1.  in  Weiss-  und  Rot-Einfaasung :  Nürnberg. 

OrOtte  23  Mm. 

1868  Sohnlthett-Reohberg,  Kat  No.  3482. 


21 


12.   Markgrafflcbaft  Brandenburg  in  Frauken:  Albrecht  Achilles, 
P  1471—1486. 

8ahwabaoher  Gold^utden, 

Ha.  T^LBT .  SRlTRa  —  U  :  BRITD  :   ffLT^ 

8t.  JohaoDeB  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
mk  auf  dem  linken  Artne  getragene  Lamm.     Zwischen   seinen  Füssen  der 

H  Brackenkopf  r. 

WL.  ffiOliöKr  Z  ROVTT  :  TTYR  :  SW0B7TaR'«f 

Auf  einem  Blumenkreuze  der  Churschild  mit  dem  Scepter;  in  den  Winkeln 
4  Wach.,   im   oberen   der   Adler   von   Brandenburg,   zur  Rechten    von 
H  Weiss   und   Schwarz   gevieret:   Zollern,  zur  Linken   der    Greif  L  von 

V  Pommern,  unten:  Lowe  1.  in  w^eias  und  roter  Einfassung:   Nürnberg, 

Grinse  23  Mm 

13.  Markgrafschaft  Brandenburg  in  Franken:  Friedrich  u,  Sigismund, 

1486—1495. 
3  Stück  Qoldgulden. 

Ha.   FRID'  S  7 1  BI(^E|ffi(ünd)  —  ailTRüft  S  BRITliD 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist   mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 

auf  dem  linken  Arm  getragene  Lamm.     Zwischen   seinen  Füssen   der 

Brackenkopf  r. 
Rs.   SfiOliaTIT  t  UOTIT  S  TTVR  %  SWOB^(ni  + 

Blumenkreuz  mit  4  Wsch.  in  den  Winkeln,  oben  der  Adler  von  Branden* 

bürg,  zur  Rechten:  Weiss  und  Schwarz  gevieret:  ZoUeru,  zur  Linken: 

Greif  1.  von  Pommern,  unten:  Löwe  h  in  Rot-  und  Weiss-Einfassung. 
Grosse  23  Mm« 
1866  SchttUhess-Eechberg,  KM,  No.  8463. 

14.  Bacharach,  Prägestätte  von  Pfalzgraf  Ludwig  IH.,  1410 — 1436. 

Qoldgulden, 

Hs,   »  LVDWlö'  *  (r(omeä)  *  P(alatinus)  —  R^heni)  ^  DVX  *  BTrfvariae) 

Der  stehende  Pfalzgraf  hält  in   der  Rechten  ein  Schwert  geschultert   und 
hat  die  Linke  erhoben ;  auf  seinem  Haupte  ein  barettartiger  Hut,  über 
der  rechten  Schulter  ein  Stern.    Unten  zwischen  seinen  Füssen  eine  Rose* 
a.   MORÖTIT  ^  ROVIT    ITVRfflT  *  BIT'* 

Lln  einem  runden  Dreipasa  ein  geviereter  Wsch.,   1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1. 
von  Pfalz,  2.  u,  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
GrSsie  22  Mm. 
1868  Sohalthe88*Rechberg,  Kat.  No.  4260;  Joseph,  DeBibodenberger  Fund  No.  28,  c. 
15,  Pfalz:  Pfalzgraf  Philipp,  1476—1508, 
Kbeinlaoher  Goldgulden  toh  1493. 

iHa.  .PßlLI  — F.O'.F-R DVX-BTT 
In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch.   mit  Mittelschitd, 
^          1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1,  von  Pfalz,    2.  u.  3.  Feld  die  Wecken   von 


Us, 


82 

Bayern,  Mittelschild  nur  ein  Punkt.  Daneben  in  den  Winkeln  des 
Dreipasaea  3  kleine  WscIl,  oben  rechts  mit  dem  Bad  Ton  Mainz,  links 
mit  dem  Kreuz  Ton  Trier,  unten  mit  dem  Kreuz  von  Köln. 

Rs.  .  •MOiia.ÄOv— :rv.Re[(no.iJt9> 

Christus  auf  gotischem  Throne,  unten  ein  gespaltener  Wsch.  mit  dem  Löwen 

L  von  Pfidz  und  den  Wecken  von  Bayern. 
OritaM  S3  Ma. 

16.  Höchst,  Prägestätte  des  Erzbischofs  tou  Mainz:  Johann  11.  Oraf 

Yon  Nassau,  1397—1419. 
Ooldgnldeii,  too  1409—1417  gesehlsgeo. 

Hs.  ioma'*mKt  —  a  —mwr^QyriT 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,   in  zottigem  Mantel   mit  dem  Kreuzstab 
io  der  Unken,  das  Schloss  am  Mantel   wie  ein  Ringel  <>.    Zwischen 
seinen  Füssen  unter  dem  3  ein  Kreuzchen  -t*  . 
Ra.  HO  — ÄaTir.I.ROöiBWVP  — M0  + 

Grosser  hochgeteilter  Wsch.  mit  dem  Rad  von  Mainz  und  dem  nassauischen 
Löwen.  Oben  daneben  rechts  ein  Schildchen  mit  dem  Kreuze  von  Köln, 
links  ein  quergeteiltes  Schildchen,  dessen  untere  Hälfte  schraffiert  ist, 
Yon  Minzenberg,  dem  Famflienwappen  Kuno's  von  Falkenstein,  Erz- 
bischofii  von  Trier. 

GraMe  22  Ma. 

Jotepli,  Denbodenberger  Fond,  No.  8,  c. 

17.  Oberwesely  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Trier:   Werner  von 

Falkenstein,  1388—1418. 
GoldgnMen,  Ton  1409—1417  geprigt. 

m.  waRR«R  —  iTRap'  ♦  trs^ 

St.  Johannes  mit  Ueiligenscbein  in  zottigem  Mantel,  hält  in  der  Linken 
den  Kreuzstab;  zwischen  seinen  Fassen  ein  Halbmond  mit     ?     darin. 

Rs.  *  MOUflT  *  —*r.  rovt:  *  —  ♦  was^TL' 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  grosse  hochgeteilte  Wsch.,  rechts :  das  Eureuz 
yon  Trier,  links :  quergeteilt,  unten  Gold,  das  Familienwappen  (Minzen- 
berg). Oben  daran  rechts  das  Minzenberger  Wappen,  links  das  Rad 
Yon  Mainz,  unten  delphinartige  Schnörkel. 

Or6sM  22  Mm.    Gewicht  3,90  Gr. 

1868  Sehaltbesfl-Reehberg,  Kat  2261 ;  Joseph,  Denbodenberger  Fund,  No.  20,d  rar. 

18.  Koblenz,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Trier:  Raban  von 

Helmstädt,  1436—1439. 

Goldgulden  Ton  1438. 

Ha.  RITBW  —  TTROP  —  TRÖV  —  110'  •  aO'(velensis) 

Auf  einem  grossen,  die  Umschrift  teilenden  Kreuze  der  gevierete  Wsch., 
das  Familienwapp^i  des  Erzbischofs,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  des  Ebrz- 
süfkes  Trier,  2.  u.  3.  Feld  ein  Rabe. 


Ba.  iT'RO  #  DIU'  #  SR'^  aaaa » xxxvm  •  * 

Drei  Wsch,  in  Kleeblattform  zusammeDgestellt,  dazwiacheu  eine  Rose,  der 
Wsch.  oben  rechts  hat  das  Rad  von  Mainz,  der  Wach.  links  auf  gol- 
denem Ctrunde  das  Kreuz  von  Köln,  belegt  mit  einem  Mittelschilde, 
worin  der  Balken  von  Mors,  das  Familienwappen  des  Erzbischofs  von 
Köln,  Dietrich  H,  Grafen  von  Mors,  der  Wsch,  unten  ist  hoehgeteilt, 
rechts  der  Löwe  L   von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern. 

Gru886  22  Mm.     Gewicht  3,50  Qr. 

1868  SofaulthesB-Beohberg,  Kai  Ko,  2264. 

19,   Bonn,  Prägestätte   des  Erzbiachofs  von  Köln:    Dietrich  U,  Graf 

von  Mors,  1414—1463. 
Goldgulden,  UU— 1417  geprägt. 

Hs.   TliffODI  —  a  ITßöPI  —  aOLOIU 

Spitzer  Dreipaas,  darin  ein  grosser  geviereter  Schild,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz 
von  Köln,  2.  u.  3.  Feld  der  Balken  von  Mors.  An  dem  grossen 
Schilde  befinden  sich  oben  rechts  2  gekreuzte  Schlüssel,  an  Stelle  des 
trierischen  Wappenschildes,  oben  links  ein  kleiner  Schild  mit  dem  Kreuze 
von  Köln,  unten  eine  Rose. 
Ra.  MOnanr  —  BVmSlS  (Bonn)  Doppeladler. 

St.  Johannes   mit   üeiligenscheiu   in    zottigem   Mantel,    auf  der   Brust    ein 

kleines  Schildchen  mit  einem  Kreuze,  schultert  ein  Lilienscepter. 
Gr5flie  24  Hm.     Gewicht  3,50  Gr. 

1868  BchultheÄi-Reohberg,  Kat.  Ko.  1864;  rergl.  Zeitschrift  N.  P.  8.  96,  No.  136; 
1882  Joseph,  DesibcMlooberger  Fund  No»  37. 
appe«  KSlnisobe  Münzen  No.  1026,  T.  XI V,  230  ?ar.;   Wuerst,  Munsen  u.  Medaüien 
BonQB,  No.  46  0. 

20,  Riele,  Prägeetätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Dietrich  II,  Graf 

?on  Mors,   1414—1463. 
Goldgulden,  von  1425  —  1437. 

IIa.  TMODiO'  —  imapr*  aoL^ 

Der  Bischof  mit  segnend  erhobener  Rechten^  in  der  Linken  einen  Bischofsstab 
haltend.  Zu  seinen  Füssen  der  Balkenschild  von  Mors  ohneSchrafßerung. 

Rs,  MORffTir  *  ROTir  ^  irvRSir »  Rr  + 

Grosser  geviereter  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  u.  3.  Feld 

der  Balken  von  Mors. 
Gröiae  22  Mm. 
Joiepb,  Desibodenberger  Fund  No.  44. 

21.  Riele,  Pragestätte  des  Erzbisohofs  von  Köln:  Dietrich  IL  van 

Mors,  1414—1463. 
2  Stück  Qoldgalden,  Ton  1437—1461  geprägt. 

Ha.  TimO'  —  WROP  —  GOLO  —  UimV 

Langes  befusstee  Kreuz,  das  die  Umschrift  teilt,  darauf  Hegt  ein  grosser 
geviereter  Wsch.,  1,  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  u.  3.  Feld 
der  Balken  von  Mors  als  Familienwappen, 


24 

Rs.  MORÖTTT  #  ßOTIT  ^  TTVRem  #  RI  f 

Drei  Wsch.  in  Kleeblattforni  ziisamraongeatellt,  dazwisehea  ein  Balbmood. 

Wsch,   oben   rechts  Kreuz,   darauf  ein   Schildchen   mit   einer   Sdiräf- 

rechtsbmde,  worauf  8  Muscheln  liegen,  daa  slrkische  Familien wappeo; 

Wsch.   links   Rad   von   Mainz;    Wsch»    unten    hoohgeteilt,   recbta  der 

Löwe  L  von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern. 
GrOtse  23  Mm. 
Gappe«  Kdloische  MOiizen  No.  1052. 


22.   Königsdorf,   Prägestätte   des  Erzbischofs  von  Köln:   Dietrich 
Graf  von  Mors,  1414—1463, 
Goldgolden. 

Hfl,  •  TRöODia^ « ir  —  RQPr  *  aoLO' 

Der   stehende   St    Petrus   mit   Heiligenschein   schultert  mit   der    Rechten 
einen  Schlüssel   und  hält  in  der  Linken  ein  Buch*     Zu  seinen  FtjAi»eii 
ein  Wsch.  mit  dem  Balken  auf  goldenem  Felde:  Mors. 
Rs.  •  MOR'  —  *  ROV  —  *  KOR  •  —  *^  IX'  D*  (Konigsdorf  b.  Köln) 

Yierpass^  darin  ein  grosser  Wsch.  von  4  kleinen  umgehen.  Im  groasea 
Wsch*  auf  goldenem  Grunde  das  kölnische  Kreuz  mit  einem  Mitid- 
acfailde  belegt,  worin  das  Familien wappen  des  Erzbischofs,  der  Balken 
von  Mörs,  ist.  Im  Schildchen  oben  das  Rad  von  Mainz,  rechts  das  Krem 
von  Trier,  links  die  Wecken  von  Bayern,  unten  der  Löwe  1.  von  Pftl». 

OfSnaa  28  Mm.    Gewicht  8,43  Gr. 

Oappe,  KOlnisohe  Mfinzen  Ko«  1063,  T.  XI V,  No.  231. 


SB     T 


23.  Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Ruprecht,  Pfalzgrt 

1463—1477  t  1480. 
3  Siaok  Gotdffuiaeii. 

Hs,    :^:ROPfIRT  9'::  —  LHQ*  9ÜL'  flO' 

Der  stehende   St.  Petrus   mit  Heiligenschein   hält   in   der   Rechten   eini 

Schlüssel,   in  der  Linken  ein  Buch.     Unter  ihm   ein  Wsch«  mit  dem 

Löwen  1.  von  Pfalz. 
Rs.  •  MOU  •  —  »  UOTii  —  TTVRa  —  TT  RIL 

Langes  befusstes  Kreuz,  das  die  Umschrift  teilt,   darauf  Hegt  eb  gtomef 

geviereter  Wsoh.,    L   u.   4,  Feld   das   Kreuz  von   Köln,   2.   Feld   der 

Löwe  1.  vou  Pfalz,  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
Gftee  S3  Mm.     Gewioht  3,40,  3,40,  3t3a  Or. 
Kahler,  Dukaten-Kabinett  Ko,  921;  t.  MerU,  S*  20a,   No.   1;   Capp^,   K^MmS^ 

Manien  No.  1122. 


24.  Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln;  Rnpreobti  PfaUgr 

1463—1477  t  l-t80. 
Goldfiüdefi. 

Ha.  •  ROPeRTYS  —  lIWaBKRO'  (TV8  im  ROP^RTYS  ist  Doppelprige 
und  steht  tiefer). 


2o 

Der  auf  gotischem  Stuhle  sitzende  Heiland  segoet  mit  der  Rechten  und 
hält  in  der  Linken  ein  Buch.  Zu  seinen  Füssen  ein  hochgeteilter 
Wach,,  rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Lowe  1.  von  Pfalz, 

Hs.  MOHH^  UOYnmaSmH^  ILUHR^  ^  (durch  Doppelaehkg  aus  RlLfftt 
entstanden). 

BlumenkreuÄ,  in  dessen  Winkeln  4  Wach, :  oben  hucligeteiU  rechts  das 
Kreuj&  von  Köln,  links  dor  Löwe  1.  von  PfaU;  rechts  in  goldenem 
Felde  das  Kreuz  von  Trier  mit  Mittelschild^  worin  der  badische  Schräg- 
rechtsbalken, das  Familienwappea  des  Erzbischofs  von  Trier,  Johann 
von  Baden ;  links  hochgeteilt,  rechts  der  Löwe  h  von  Pfalz,  links  die 
Wecken  von  Bayern;  unten  das  Rad  von  Mainz. 

Grösse  22  Mra.     Gewioht  3,18  Gr. 

r.  Mertei  S.  212,  No   9;   Cappe,  Kdlmsolie  Mannten  Ko.  1135. 

25*  Bonn,  Prägeatätte  des  Erzbischofa  von  Köln :  Ruprecht,  Pfalzgraf, 

1463—1477  t  1480, 
Qoldgulden. 

Hb.  *  ROP«RTVS  —  TTROPr  QO* 

Der   auf  gotischem    Stuhle   sitzende  Heiland   segnet  mit  der  Rechten   und 
hält  in  der  Linken  ein   Buch.     Zu  seineu  Füssen    ein  hochget.  Wsch., 
rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  1,  von  Pfalz, 
ts,   *  MOI^H'   HOTn  *  ITVRHi:  #  BVftl^H  *  *  (DoppeUchlag) 

Blumeukreuz,  in  dessen  Winkeln  4  Wsch.,  der  Wach,  oben  ist  hochgeteilt, 
rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  K  von  Pfalz;  der  Wsch. 
rechts  hat  in  goldenem  Felde  das  Kreuz  von  Trier  mit  dem  badischen 
Schrägrechtsbalken  im  Mittelschilde,  als  Pamilienwappen  des  Erzbischofa 
von  Trier,  Johann  von  Baden  5  der  Wsch,  links  ist  huchgeteilt,  rechts 
der  Löwe  1.  von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern;  der  Wsch. 
unten  hat  das  Rad  von  Mainz. 

Grosse  24  Mm.     Gewicht  ;i,40  Gr. 

v«  Merle,  S.  212,  No.  11;  Eeichel  IV,  Abteilung  2,  No  2679;  Cappe^  K6Lmache 
Münzen  No.  1133;   Wuerst,  Münzen  und  Medaillon  Bonns,  No.  54  c. 


26.    Bonn,  Prägestätte  des  Erzbiscbol's  von  Köln:  Hermann  von 

Hessen,  1480—1508. 
GoldguldoD. 

^ft'MuP  fTLoti  — aaaLa'  aoLoir 

St.  Petrus  mit  Heiligenschein,  schultert  den  Schlüssel  und  hält  ein  Buch. 
Unten  ein  hochgeteilter  Wsch.,  rechts  quergeteilt  oben  ein  Stern, 
unten  Gold  von  Ziegenhain;  links  der  Löwe  1.  von  Hessen, 

M0K9  --  aOVT?  —  :rVRff^  —  BOlüi«  — 

Grossee  Kreuz,  befusst,  das  auch  die  Umsohrifi;  teilt,  darauf  geviereter  Wsch. 
1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  der  Lowe  K  von  Hessen, 
3.  Feld  quergeteilt,  oben  2  Sterne,  unten  Gold  von  Nidda* 

Oro»Be  22  Mm.     Gewicht  3,31  Gr. 

T*  Merle,  S.  2S1,  No.  9;  Cnppe,  Kölniaobe  Münzen  1181;  Wuersi,  Münzen  und 
MedniUen  Bonns,  No.  5dd. 

S 


27.  Dortmund,   Prägeatäfeto   voa   Kaiser  Friedricli  IlL,    1440    Kuoig 

bif  1452,  KuiBer  biö  1493. 

Ha.  PKI  DHIlKr  —  RO  t  IMP 

Ddf  steh  Otitis  Kitiüer  im  Kri>Du  ugsor  Dato;  zwischen  Beinen  Füssen  ein  Stern. 
It».    MOU  t  J^OVir  ft  TliHMOilMU 

Hano.     In  nimmt  rutidiiD  Droipat^^  der  Reichsapfel 

örOtiio  2:i  Hm*     Öewinht  3»34  Gr. 

CAppQf  Enimarmüiuon  111^  No,  7fl7,  etwas  nbwdohond.     LhT8  Heas,  Kat&log  No. 


28.    Lünpburgf  Prägestätto  von  Kaiser  Sigiamnod,  1411—1438, 

Goldifiildcn,  na*ih    l+:fi  — Hin  gcprUgt. 

Ua,   HltüSMVD'  -  !t()*I/()RV^  «  IMP^rjOR* 

In  ©iüum  runden  Drei  [ms»  der  ReichsapfeL 
R*t,   MOunr  *  UO  -  LVIWB'CiH' 

SL  »lohanntis  mit  Köpfsoliein,  weiist  mit  der  Rechten  auf  das  Lamm^  weit 
üf  auf  dorn  linkon  Armo  trägt,    Zwiacben  geineD  Fusion  mu  geiiei| 
Wiclh  mit  dorn  Löwea  L  van  Lüneburg, 
Qrflu«  n  Mm.    Oewiehl  3,3$  Or. 
Vargl  OgHlttof  Htnit^ßlltlQir  1S84,  g.  4T1;  t^7t  K&i  HaA»e  (Ui]>£if)No.  :iaS4;  ▼.  i^nfF-^ 
hjuiftun  üa.  üü37. 

2S».  Lünoburg,  Prftgi^stutte  von  Kaiser  Fried  rieh  ilL,  1440-1452-1493. 

Goldgulden. 

H«;   FUinrtRKlVS  *  RO'UOR'  •  RÖX  + 

Kundor  Droipass  aus  2  Zwillingäfaden,  darin  der  Reichsapfel. 
Rs.    MOimr  UiV  .  -    LYIWB  UH* 

St,  Johauno»    mit  Heiligenschein,    weist   mit   der  Rechten   auf  das  Lamm^ 
welches  er  auf  dem  linken  Arme   trägt.     Zwischen   seinen  Füssen  «n 
geneigter  Wsch,  mit  dem  Löwen  1.  von  Lüneburg. 
iSixV««'  :i:^  Mm.     Gewicht  XAi  Gr. 

BerlintT  MauibUtter  ISS4,  S.  4Tl;    C^ppe,   KaiseriDiIniec   III,   Xo.  750;   K.   k.  Misi- 
kabineU  in  Wien. 


SO.  Hamburg,  Pragestätte  von  Kaiser  Sigismund.  1411 — 143S. 

Gv^Idculden. 

Hs,  sMUSMViv    RtvuoRv*    imp::tor  ■!• 

Runder  I>reijvass  aus  2  Zwilling^faJeii,  darin  der  Reichsa{rfeL 
R.<.    NOUHT     UO        Tr.:MBVRi>rt 

St.  Petrus  m:;  Heiiigensohein  häU  den  Schlüsse!  geschultert  und  das  BscL 
GrJMM^  ioi  Xak     v*^wK!lit  .v^i«  Gr. 
C«rf>e.  R«H«r»4MM«  HU  NV  T^4 


27 

31.   Leipzig,   Prägestätte  von  Herzog  Albreoht  dem  Beherzten  von 

Sachsen,  allein  bis  1519. 
Goldgulden. 

Hs.  ITLBaETVS  t  D'»  ö  ^^DVX    S^TXOÄI  + 

Dreipass  aus  2  Zwilliogsfäden,  darin  der  Reichsapfel. 
Rs.  MO*  *  irVRäTT  —  Lipaeiisi 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  Lamm, 
welches  er  auf  dem  linken  Arm  trägt.    Zwischen   seinen  Füssen   der 
sächsische  Rautenkranz. 
Grösse  23  Mm.     Gewicht  3,22  Gr. 
1875  Dresdener  Doubletten-Aaktion  No.  347. 


ni. 

Fund  von  Lenzhahn  im  Jahre  1883. 

1.  Eärnthen  unter  dem  römischen  Kaiser  Ferdinand  L  (1521),  1558-1564. 

Dukaten. 

Hs.  FERDI .  D  :  G  .  EL(ectus)  •  RO(manorum)  —  I  ~  M(perator)  .  8(emper) . 
AV(gu8tus)  •  GECrmaniae)  •  HV(ngariae)  —  ; 
Der  stehende  geharnischte  Kaiser  hält  das  Scepter. 
Rs.  BO(hemiae) .  Z  .    •  REX  •  IN  .  Hl(spania) .  AJlCH(idux) .  AY(striae) . 

E(t) .  CA(rinthiae)  •  Z€ .     1564. 
Gekrönter  hochgeteilter  Wsch.,   1.  Feld  3  übereinanderschreitende  Löwen, 

2.  Feld  Querbalken. 
Grösse  21  Mm. 

2.  Nördlingen:  Kaiser  Friedrich  IIl.  1440-1452,  Kaiser  bis  1493. 

Goldgulden. 

Hs.  FRlDRiaVS  o  ROMAN(orum)  o  IMP(erator)  * 

Runder  Dreipass  aus  2  Zwillingslinieu,  darin  der  Reichsapfel. 
Rs.  MOftHT  .  ßO  --  TiORPLffi(gensis) 

Der  stehende  St.  Johannes  mit  Heiligenschein  weist  mit  der  Rechten  auf 
das  Lamm,  welches  er  auf  seinem  linken  Arm  trägt.    Zu  seinen  Füssen 
ein  Wsch.  mit  den  3  Schildchen  von  Weinsberg. 
Grösse  23  Mm. 
1878  Hess,  No.  :iH8,  M.  10.—  ;  1881  Fund  Ton  Schloßsboni. 

3,  Nürnberg,  Stadtmünze:  Zeit  von  Kaiser  Maximilian  I..  1493 — 1519. 

Goldgulden  von  1507. 

Hs.  SROVBTJX  o  9Y|iis  S  D  t  UVRSJdBaRG  S  150  7^S* 

Der  rechtshin  blickende  Reichsadler  mit  N  auf  der  Brust. 

3* 


28 

Rb.  siniQTVs  <*  u:  —  vRHßaivs 

Der  über  Flammen  stehcndo  Heilige  hält  einen  Rost  und  ein  Buch.  Zwisch 

dem  Felde  und  der  Umschrift  niedliche  Kreis- Verzierung. 
GrOBie  23  Mm. 

4.  Nürnberg,  Stadtmünze:  Zeit  von  Kaiser  Maximilian-I. 

Goldgulden  yon  1511. 

IIb.  5U0RffT .  irVR  o  Röl  o  py  •  RVRÖIiB  ol5  II  * 

Der  rechtshiu  blickende  Reichsadler  mit  N  auf  der  Brust. 

Rs.  siriidTva  o  Lir  -  -  YR&mms  <> 

Der  über  Flammen  stehende  Heilige  hält  einen  Rost  und  ein  Buch.  Zwiseh« 

dem  Felde  und  der  Umschrift  niedliche  Kreis- Verzierung. 
OrÖMe  28  Mm. 

5.  Nürnberg:  Freie  Reichsstadt. 

I>aurentiu8goldgulden  yon  1614. 

Hb.   U.  b.    MONE.REIPVB-K  NVRENBERG  1614 

Ovaler,  hochgeteilter^  verzierter  Wsch.,  rechts  der  halbe  Adler,  links  sech 
mal  schräg  rechts  gestreift. 
Rs.   U.  b.  ♦  SANCTV8  ♦  —  LAVRENTIV8 

Der  Heilige  stehend  r.,  hält  ein  Buch  und  einen  grossen  Rost. 

Grtat  23  Mm. 

6.  Nürnberg:  Freie  Reichsstadt. 

Laurentiusgoldgulden  von  1617. 

118.    r.  b.  MONK  V  KKirVH  V  )ß^  NYKENBERG     Unten  •1617* 

Ovaler,  hoohgotoilter,  verzierter  Wsch.,  rechts  der  halbe  Adler,  links  sechs 
mal  schräg  rechts  gestreift. 
Ks.    r.  b.  SANof VS  -    LAYKKXTIYS 

Per  Heilige  stehend  1.,  hält  vor  sicli  einen  grossen   Rost  und  in  der  linkoi 

Hund  eine  Taline. 
liKwo  l^^  Mm. 

7.    Miirkgrafschüft  Urandeuburg  in  Franken:    Friedrich  in  Ansbacl 
und  l^Ayrouth  i^l4S(>'  allein.   1405 — 1515  t   153t>. 
GoKi^ulvior.  vor.   r^«>\  •::  SohwaK^ioh  ccpräirt. 
Us     KKIPUUU  i  0  -  i>        M/'iriMlMo    ;   HKirVulenburg 

S:.  »K^h.-ir.r.os  :v*i:  Heilgor.schoi::.  \%oisr  v.v.x  .ier  Roohreu  au:*  das  auf  seiner 
;  vkrr.  Arir.o  /.oc^'" -^^  1.kv.:v.  :  :wi>o::o:i  seir^en  Füssen  der  Brackenkop 
r.    7.^\-.SvVr^"    :c:r.   T  '.  :v   *.:::.:  .:er  r::isohrif:  :v.ei>!or:e  Kreis- Verzieruni 

1^;.:::v:n:cu:  :v::  4  W>:;  -  l-^::  Wii^kel::.  OVeu  :er  AAIrr  vja  Brandes 
rurg.  ::.T  l\cr::iT.  govl-ro:  v  -  Schwarz  u:.i  Weiss:  Z.Uers.  zur  Linke 
ior  i^re:!**.  ^:"  r.-rr.err;  u":e"  ier  I.'we  '..  ir.  weiss-r?:er  Einfassung 
Nürr.rorg      Auf  .itr  >!:::•:   ies  B'.u:nenkreu:es  4  Veniefunjea. 


89 


8.   Baden;  Markgraf  Christoph,  1475—1527, 
Goldgulden« 

^  ORISTOP  ^  MIT  —  ROraO  -  m  °  BlTCdensis) 

BruötbilJ  St.  Petrus'  mit  Heiligeascheiu,  Schlüssel  und  Buch  über  eioem 
geviereten  Wöch.,  L  u,  4,  Feld  der  Schrägrechtsbalken  von  Baden, 
2.  u*  3.  Feld  16  mal  geachacht  in  4  Reihen  wegen  der  hiüteren  Graf- 
achaft  Sponheim. 

MORa^nr  noyir  °  u vröw  ^  BiTDera  •  i  s  - 

4  Wscb.  itt  den  Winkeln  eines  Blumenkreuzes,  1.  Wsch.  oben  Schräg- 
rechtabalken  von  Baden,  2.  Wach,  zur  Rechten  16  mal  geschacht  in 
4  Reihen  wegen  der  hioteren  Grafschaft  Sponheim,  3.  Wäch»  zur  Linken 
hochgeteilt,  Löwe  l  von  Mahlberg  und  Balken  von  Lahr,  4,  Wsch. 
unten,  querliegender  Flug  von  Uaenberg. 

Gfdfiso  24  Mm,    Gewicht  3,30  Gr* 

1883  HesB,  Katalog  No.  3418  vnr. 


1545. 


^■9,  Mainz:  Erzbisehof  Albert^  Markgraf  von  Brandenburg,  1514- 

^B  Goldgulden. 

"Hs.  °  o  irL(bertu«j  ^  a(rchi)  «^  fIP(isoopu3)  <=  VRi^oguntiae)  —  9  «>  5RHT  «  HTB 
Ber  auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzende  Heiland  hat  die  Rechte  zum  Seg- 
nen erhoben  und  in  der  Linken  ein  Buch ;  zu  seinen  Füssen  in  einem 
Wech,  das  Rad  von  Mainz. 

Oben  *  SEOßff-K—  +';rvRe[*:-  —  •iReiii:» 

In  spitzem  Dreipaas  ein  grosser  geviereter  Wsch.,  umgeben  von  3  kleinen 
Wsch.,  1.  Feld  das  Rad  von  Mainz,  2.  Feld  quergeteilt,  oben  Rot, 
unten  Weiss:  Magdeburg,  3  Feld  hochgeteiltp  rechts  Rot,  links  Weiss; 
Halbersitadt,  4.  Feld  der  Adler  von  Brandenburg. 

Im  Wsch,  rechts  das  Kreuz  von  Trier,  links  das  Kreuz  von  Köln,  unten 
die  Wecken  von  Bayern. 

GrdHse  23  Mm. 

Cappet  Mainzer  Mensen  No.  749,  T.  TV,  No.  69;  1868  Sohulthess-Rechberg, 
Kat.  No.  1997. 


Re. 


18* 


^R. 


10.   Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Dietrich  Graf 

von  Mors,  1414—1463. 
GoldguldeiL 

*  THeODIÜ  *  TTR  —  epi  *  (lOLOV; 
Der   stehende   heilige   Petrus   schultert   mit   der   Rechten   einen    Schlüssel 

und   hält   in   der  Linken   ein  Buch;    zu   seinen  Füssen    der   mördische 
Wsoh.t  der  Balken  auf  goldenem  Felde. 

#  MOU'  —  *  liOY^  —  #  RIL  *  —  *  mt& 
In   einem    spitzen  Vierpass   der  Hauptschild   von  4  Wsch*    umgeben.     Im 

Hauptschilde  das  Kreuz  von  Köln  auf  goldenem  Felde,  belegt  mit  dem 
Balkenschilde   von   Mors.     Im    Wsch.    oben   das  Rad    von  Mainz,   zur 


iBK 


UM 


Ra. 


im  Kieuz   ?oa  Tner,   %ar  Linken  die  Wfoken  tob 
usktmi  der  L<3we  700  Jöliefa. 
Qt^m»  UM«. 

11*  Bomi:  Ersbisehof  Raprecbt  von  der  Pfak,  Kdlii  1483 — 148(]^r 

•  EOPttBTVS''-  -'MEaPIYarchiepiaeopo«)  tlO'OoBieiw») 
Der  aof  ©sem  ^otiscbeo  Stuble  äitzeDde  BeHand  h^  die  Becbte  sutn 

oeo  erbobeo  unä  m  der  Liiikeii  ejo  Bcieh;  zn  ^em^a  Pfis^^i  in 
WacL  dm  Kad  ron  MaiDx. 

•  MOWH'  OOVa  •  7rVRtfn  -  BVUKff* 
In  doli  Winlteln  «ines  BliimeiikreaEee  4  Wtch.    Der  Wtek  oben  ist  ht 

l^ailt.  reebti  dss  Kreu^  vqd  Kq\u^  links  der  LGwe  L  Tun  PfmlM :  d« 
Wseb.  reebts  hat  in  goldenem  Feldi^  daa  Kreuz  toh  Trier  mdt  dem\ 
FaodiiD  Wappen  de«  £rsbiscboCi  ron  Tritr:  Johann  too  Baden,  dtia 
Sdifigrecbubalken  aU  Mitlekehild;  der  Wach,  links  ist  hochfeloUt;, 
recbri  der  L5we  h  von  PfaU^  links  die  Wecken  ron  Bajem:  ut 
da«  Had  Ton  Mainz, 

Gw^mm  ts  Mm. 

Woertt,   lliitx«ii  nad  MedAJlJea  Bomi  Mol  Me«  Tif.; 


12.   Bonn,  Prägeslitte  des  Eribiaebofft  too  Köln:   Heroia&ii  van 

U  essen,    1480—1508. 

m.  KTnrrrHermannö»)«n.afl(el©ctui)  — ÖOaWfite)  aOLOB*fi€ii«») 

St  Petras  mit  Heiligenschein,   schultert  den  Schlüssel  und  hält  ein  Bach, 
unten  ein  hochgeteilter  Wsch.,  rechts  quergeteilt,  oben  ein  Stern,  unten 
Oold  Ton  Ziegenhain;  links  der  Löwe  I.  von  Hessen. 
Es.  MOßa    -  ßOVTT  —  ITVßa'  —  BOmiQ 

Grosses  befusstes  Kreuz,  das  auch  die  Umschrift  teilt,  darauf  geriereter 
Wsch.,  I.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  Löwe  1.  von  Hessen, 
3.  Feld  quergeteilt,  oben  2  Sterne,  uoten  Gold  von  Nidda. 

Grö«e  23  Mm. 

T.  Merle,  8.221,  No.  ^;  Cappe,  Kölnische  Münzen  Xo.  1181;  Waerst,  MOnseD  mmd 
Medaillen  Bonns  No.  59  d;    1881  Fund  Ton  Schlossborn. 

13.   Köln:  Erzbischof  Hermann  von  Hessen,  1480 — 1508. 
Goldgulden  Ton  1508. 

Hs.  IVSRuV  TTR  —  OPF  OOLO' 

Christus,  auf  gotischem  Stuhle  sitzend,  hält  in  der  Linken  ein  Bach ;  zu 
seinen  Füssen  ein  hochgeteilter  Wsch.,  rechts  der  Löwe  1.  von  Hessen, 
links  hochgeteilt  oben  ein  Stern,  unten  Gold  von  Ziegenhain. 

Rs.  ♦  SRO'  ;rv  ♦  —  ♦  RaftG  ♦  —  s'  i  sc  s  * 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch.;  darum  3  kleine 
Wsch.:  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  der  Löwe  L  tob 
Hessen^  3.  Feld  quergeteilt,  oben  2  Sterne,  unten  Oold  von  Niddm. 


31 

Im  kleinen  Wsch.  oben  rechts  das  Bad  von  Mainz,   links  das  Kreuz  von 

Trier,  unten  der  Löwe  1.  von  Pfalz. 
GrSisse  24  Mm. 
y.  Soothe,  No.  543;  Cappe,  Kölnische  MODzen  No.  1200. 

14.   Köln:  Erzbischof  Hermann  V.  Graf  von  Wied,  1515—1546. 

Goldgulden. 

Hs.  wsfrni'  öLöT  —  I  eaaLö'  ao' 

Christus,  auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzend,  hält  in  der  Linken  ein  Buch; 

darunter  befindet  sich  ein  Wsch.  mit  dem  Kreuze  von  Köln. 
R9.  Oben  o  5R0'  'ffVR  —  Rdßa  —  S*  o  15  17  * 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  Wsch.,  umgeben  von  drei  kleineren. 

Im   grösseren   Wsch.    das    Kreuz   von    Köln,    auf   demselben   liegt   als 

Mittelschild   das   Familienwappen   von  Wied:    vier  rote,   schräg  rechts 

laufende  Balken,  auf  denen  sich  ein  Pfau  befindet.   Im  kleineren  Wsch. 

rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz  von  Trier,  unten  der  Löwe  1. 

von  Pfalz. 
Grösse  23  Mm. 
y.  Merle,  S.  236,  No.  6  var.;  Numismatische  Zeitung  1865,  S.  84,  No.  12  var. ;  Köhler, 

Dukaten- Kabinett  No.  931  var. 

15.  Köln:  Erzbischof  Johann  Gebhard  Graf  v.  Mausfeld,  1558—1562. 

Rheinischer  Goldgulden  von  1558. 

Hs.  »•  •  lOHA  .  GB  .  (Gebhard)  —  EL .  EC  .  CO  .  •* 

Der  Heiland,   auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzend,  erhebt  die  Rechte  zum 
Segnen  und  hält  in  der  Linken  ein  Buch.    Unten  ein  Wsch.  mit  dem 
Kreuze  von  Köln. 
Rs.  Oben  MO. AV RHNE 1-558  v 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch.,  umgeben  von  3 
kleineren  Wsch.  Das  1.  u.  4.  Feld  des  grösseren  Wsch.'s  ist  wieder 
gcvieret,  1.  u.  4.  die  3  Balken  von  Querfurt,  2.  u.  3.  je  6  Rauten  in 
2  Reihen  von  Mansfeld;  im  2.  Felde  ein  Adler  von  der  Herrschaft 
Arnstein,  im  3.  Felde  Löwe  1.,  über  welchem  ein  aus  2  silbernen  und 
roten  Schachreihen  bestehender  rechter  Schrägbalken  gelegt  ist  wegen 
der  Herrschaft  Heldrungen. 

Im  kleineren  Wsch.  oben  rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz  von 
Trier,  unten  der  Löwe  1.  von  Pfalz. 

Grösse  24  Mm. 

V.  Merle,  S.  253,  No.  2  var.;  Numismatische  Zeitung  1865,  8.  117,  No.  82  var. 

16.  Köln:  Erzbischof  Johann  Gebhard  Graf  v.  Mansfeld,  1558—1562. 

Rheinischer  Goldgulden  von  1558. 

Hs.  .  .  lOHA  ♦  GB  .  — .  EL'EC .  COL .     Wie  vorstehend. 


89 

Bs.  ObraMON.AY.  —  BBNEN.  — 155»* 

Wie  TortteheDd,  doch  sind  im  grösseren  Wsch.  die  Felder  des  1« 

Feldes  anders  gestellt,  nftmlich  1.  n.  4.  je  6  Rauten  in  2  Beüiei 

Mansfeld,  2.  u.  8.  die  8  Balken  von  Querfurt. 
Otesss  24  Mbl 
T.  Msrls,  8.  258,  Ho.  8;  HaminiAtisolie  ZeitiiDg  1865,  8.  117,  Ko.  88? 

17.  Köln,  Stadt. 
Bhefadsohsr  Goldgnldtn  Ton  1518. 

Hs.  •  (HYIT S  aO  —  L0Ka'ol5l3 

Obristas,  auf  gotischem  Stuhle  sitzend,  erhebt  die  Rechte  zum  Se^eo 
fallt  in  der  Linken  die  Weltkugel ;  unter  seinen  Füssen  ein  qnexget 
Wsob.  oben  mit  den  8  Kronen,  unten  als  Oold  gepunktet,  das  8 
Wappen  faat  unten  Silber. 
Bs.    *JttOn*  -  «ßOT  —  Ä  WVB'(enenses)  -  '^HQSV 

In  einem  spitzen  Yierpass  ein  quergeteilter  Wsch.  von  4  Wsch.  umgc 
Im  Hauptwappen  oben  die  3  Kronen,  unten  Oold,  als  Stadtws] 
(s.  Torstehend).  Im  Wsch.  oben  das  Rad  von  Mainz,  zur  Beeilten 
Kreuz  des  Erzstifts  Köln,  zur  Linken  das  Kreuz  von  Trier,  nnten 
Wecken  von  Bayern. 

Gitas  28  Mai. 

Capps,  KUniiolis  Mflnssn  Ko.  1286,  T.  Y,  Nc  82. 

18.   ZwoUe,  Freie  Reichsstadt  zur  Zeit  von  Kaiser  Rudolph  H 

1576—1612. 

H«.  MO  .  AV  .  IMP    -  CIVI .  ZWOL  • 

Wsch.  mit  dem  Kreuze  von  ZwoUe,  darüber  ein  gekrönter  verzierter  H 
der  von  einem  Engel  gehalten  wird. 
Rs.   RVDOL .  11  •  D  G  .  ELEC .  RO .  IM .  SEM  .  A 

Der  gekrönte  doppelköptige  Reichsadler  mit  dem  Reichsapfel  auf  der  Bi 

Urteo  2»  Mm. 

IS>.    Rrabant:  Philipp  11.  König  von  Spanien,   1555 — 1576—1598. 

Hs.  r.  b.  .POMINVS.MIHI.ADIVTOR. 

RrustbiUl   des   Königs   von   der   rechten   Seite.      Darunter   die   Hand 
Antwerpen. 

Ks.  rHvilippu^S.lVi):ii,rÄtia>.lUSr(aniarunr.  Z  REX  .  DYX  BRA(banl 
iiekröuier  geviereter  Wsoh.  l.  Quartier  ist  geviert:  1.  u.  4.  Feld 
Turm  von  Castilien,  2.  u.  3.  Feld  der  Löwe  1.  von  Leon.  2.  Quai 
ist  h*H*hgotoilt:  rocht*  3  I^hle  von  Arragonien,  links  schraggev 
oben  und  unten  4  l^hle«  auf  den  Seiten  je  ein  Adler,  Königr 
Sicilion.  Die  Spitie  iwischen  diesen  beiden  Hauptquartieren  hat  ei 
(irauatapfel  von  Granad«.     3.  Quartier  ist  queigeteih.  oben  die  Bi 


33 

von  Österreich,  unten  sechsfach  schrägrechts  gestreift:  Herzogtum 
Burgund,  4.  Quartier  ist  quergeteilt,  oben  mit  Lilien  bestreut,  unten 
ein  Löwe  1. :  Herzogtum  Brabant.  Der  Mittelschild  zwischen  den 
beiden  unteren  Quartieren  ist  hochgeteilt,  rechts  Löwe  1.  wegen  der 
Herrschaft  Flandern,  links  Adler  wegen  der  Grafschaft  Tirol. 
Grösse  24  Mm. 

20.  Stadt  Gent  1583,  1584. 

Noble. 

Hs.  MO  :  —  AVßEA  •  RESTAVR  •  METROPOL  •  GAN)    Oben  .  FLAND . 

Eine  gekrönte  stehende  Person  in  einem  Schiffe ;  sie  hält  in  der  Rechten 
ein  Schwert,  in  der  Linken  einen  Wsch.,  worauf  ein  Löwe  1.  Zu  ihrer 
Rechten  eine  Fahne  mit  einem  Löwen  1.;  in  der  Höhe  des  Kopfes 
N  —  T.  Das  Schiff  ist  auf  seinen*  Planken  mit  schreitenden  Löwen  1. 
und  Kreuzchen  verziert  und  trägt  unter  der  Fahne  einen  viereckigen, 
an  der  anderen  Seite  einen  sechseckigen  Behälter. 
Rs.  Oben  Kleiner  Löwe  1.  NISI  •  DNS  •  CVSTOD  .  CIVITAT  •  FRVSTRA  . 
VIGILANT.83- 

Im  Felde  ein  verziertes  Zwillingsfadenkreuz,  vor  dessen  Balken  Lilien 
stehen ;  in  der  Mitte  einer  Einfassung  eine  Rose.  In  den  Kreuzwinkeln 
je  ein  Löwe  1.  unter  einer  Krone.  Das  Ganze  ist  von  einer  achtbogigen 
Einfassung  umgeben,  deren  äussere  Ecken  mit  Kleeblättern  verziert  sind. 

Grösse  32  Mm. 

De  Bast,  II.  Suppl.  pl.  II,  No.  2;  C.  P.  Serrare,  Cabinet  du  Prince  de  Ligne  1847, 
No.  182,  8.  276. 

21.  Belgische  Föderation. 

Von  1596. 

Hs.   Auf  einer  verzierten  Tafel  in  5  Zeilen:  MO  ORDI  |  PROVIN  |  FOEDER  | 

BELG  AD  I  LEG  IMP  | 
Rs.  CONCORDIA  .  RES  —  •  P  —  AR ,  CRES  .  TRAU 

Der  geharnischte  Mann  r.  mit  geschultertem  Schwerte,  und  dem  Pfeilbundel 

in  der  Linken.     Zu  beiden  Seiten  15 ''96 
Grösse  23  Mm. 

22.  Belgische  Föderation. 

Von  1598. 

Hs.  Auf  einer  verzierten  Tafel  in  5  Zeilen:  MO  ORDI  |  PROVIN  |  FOEDER  | 

BELG .  AD  I  LEG  .  IMP  | 
Rs.  CONCORDIA  ^Wm  —  P  —  AR  CRES  •  TRAV' 

Der  geharnischte  Mann  r.  mit  geschultertem  Schwerte,  den  Pfeilbündel  in 

der  Linken.     Zu  beiden  Seiten  I5~98 
Grösse  23  Mm. 

23.   England:  König  Heinrich  VIII.,  1509—1547. 

Angel. 

Hs.  tllößRia??  V.I.I.P^DlVöRn'xReCK;  W6L%  ZxF'  — J 
Der  Erzengel  Michael  r.  tötet  mit  einem  Ereuzstabe  den  Lindwurm. 


3i 

33,  Oeldern:  Unierte  Kiederlandisclie  PfOTiöEen, 

Thaler  toq  1618. 

Ha,  MO(neta)  *  ARG(ei3t6a)  -  PEO  •  C  —  ONFOE .  BEL  •  GEL 

Stehender  Bitter   hält  in  der  Rechten   den  Kcimmitndo»tab,    in    der   linkea 

hält  er  ein  flatterndea  Band  zuiammen ;   vor   ihm    ein  Wsch.  mit  dem 

Löwen  1,  von  Geldern, 

Es.  C0NPIÜEN8 .  DNO  .  NON  •  MOVETVR  -16 

Das  Zeichen  der  Münzstatte  iit  nicht  auf  den  SchrotUng  gekonamen  J 
Löwe  l 
OfS^ie  4S  Mm. 

34,  Miraodola:  Herr  Ludwig  Pioixa  11,^  1571 — 1574. 

Soudo  d*oro. 

Us.  LVD(ovicua)  -  PICVS  •  ü  -  SB^  (andulae)  CON .  Q  -  DNS  * 

Geviereter  verzierter   Wach,   mit   Mittelschild;    L  u,  4,    Feld    der    Adler^,^ 
2,  u,  3.  Feld  auf  3  Qiierlmien  der  Löwe  L,  Mittelachild  gesohacht. 
Rs.  IN  •  TE .  DOMINE  CONFIDO  *  Kreu2  mit  Lilien  verziert, 

Gra«fle  24—25  Mm. 

35,  Mantua;  Friedrich  II,  1519,  Herzog  1530—1540. 

Hfi.   FED(ericuä)  •  DVX  -  MAN(tuae) .  ^  •  MAR(chio)  -  MONTIS  -  FE(rrati)  m 

Qeviereter  Wach*  mit  Mittelschild,   darüber   der   Berg  Olymp   unter    einer 
Krone,  die  4  Felder  des  Wsch,  enthalten  jedes  einen  Adler^  der  Mittel- 
schild  ist  auch  gevieret,   das   1.  u.  4.  Feld  zeigt  den   lombardbeben  ^ 
Ldwen,  das  2.  u.  3.  Feld  die  Querst  reifen  des  Hauses  Gonzaga. 
Es.   SI.LAB0RATI8.EG0.REFICIAM,*!* 

Christus,  in  Ualbfigur  von  vorn,    auf  einer  Estrade  predigend^  hinter  ibm 

das  Krenz  mit  2  Oeisselo, 
Grüsve  2t»  Mm.     Gewicht  3,80  Gr. 
1&75  ERmbargar,  Kat  Lahr,  Steoki  und  RegnäuU,  No.  50S7. 

36.  Lucca. 
Zecohino. 

Es.   .  8ANCTV8  ^  VVL  Schildchen  TY8  •  DE    LVC A  .  t 

Gekröntes  Brustbild  Christi. 
Es.   CAE0LYS.IMPEEAT0E.?K 

Verzierter  Schild,  darin  auf  einem  Bande    ipIBEETAS 

Grösse  25  Mm. 


37.  Lucca. 
Zeoohino  von  1552? 

Hs.   .  8 .  VVLTVS  ...._.  DE  LVCA  •  + 

Gekröntes  Brustbild  Christi. 
Es.   CAEOLVS.IMPEEATOE.    0benI5)ley2 

Verzierter  Schild,  darin  auf  einem  Bande  LIBEETAS. 

Gröise  24  Mm. 


37 

38.   Montalciüo,   Notmünze  von  König  Heinrich  IE.   von   Frankreich, 

1555—1559. 
£ou  d'or  Yon  1557. 

Hs.  . R.B. BEN. IN  MONTE. ILICINO.^ 

Die  stehende  Wölfin  1.  säugt  Romulus  und  Remus.    Im  Absch.  15  (A)  57 
Rs.  HENRICO  .II.  AYSPICE 

Kreuz  zwischen  2  Rosetten.   In  einem  verzierten  Schilde  auf  einem  schräg- 

rechts  liegenden  Bande  LIBERTAS  • 
Grösse  25  Mm. 

39.  Sicilien:  Johanna  und  Karl  V.,  1516—1555. 
Hs.  lOANA  o  ET  S  CAROLVS 

Geviereter  gekrönter  Wsch.  Das  1.  u.  4.  Quartier  ist  gevieret,  das  2. 
u.  3.  hochgeteilt.  1  u.  4.  Quartier  im  1.  u.  4.  Feld  die  Turme  mit 
den  3  Zinnen :  Gastilien,  2.  u.  3.  Feld  Löwe  1.  von  Gastilien ;  2.  Quar- 
tier rechts  das  Kreuz  wegen  Jerusalem,  links  das  Eettenviereck  mit 
gewöhnlichem  und  Andreaskreuze  von  Navarra;  3.  Quartier  rechts  die 
3  Pfahle  von  Arragonien,  links  schräggevieret,  oben  und  unten  4  Pfahle, 
auf  den  Seiten  je  ein  Adler:  Königreich  Sicilien.  Die  Spitze  zwischen 
den  beiden  unteren  Quartieren  zeigt  den  Granatapfel  von  Oranada. 
Rs.  HISPANIARVM  o  REGES  S  SICILIAE    Turm. 

In  einem  Vierpass,   dessen  innere   Spitzen   mit  Kleeblättern   verziert  sind, 
ein  befusstes  Kreuz. 

Grösse  23  Mm. 

40.  Sicilien:  Johanna  und  Karl  Y.,  1516 — 1555. 

Hs.  IG  ANA  o  ET  «  KAROLVS 

Geviereter  gekrönter  Wsch.  wie  vorstehend,  zu  dessen  Seiten  S  —  ^ 
Rs.   Wie  vorstehend. 

Grösse  22  Mm. 

41.   Spanien:  König  Philipp  H.,  1556 — 1596  und   Marie  von  England, 

seine  Gemahlin,  1554 — 1558. 

2  Dukaten. 

Hs.  PHLS.DrG^HISP^  A^SS^  REX  SCOSSES 

Die  beiden  gekrönten  sich  anschauenden  Brustbilder  ^es  Königs   und  der 
Königin;  oben  pj^,  zwischen  den  Brustbildern  «S- 
Rs.  .  SVB  ^  VMBRA  S  ALARVM  .  T 

Adler,  dessen  Kopf  und  Flügel  sichtbar  sind ;  auf  ihm  liegt  ein  gekrönter 
Wsch.  wie  No.  39  beschrieben. 

Grösse  29  Mm. 


88 

42.  Portugal:  König  Jobann  IH.,  1521—1557. 

Breiter  Dukaten  o.  J.  oder  Imlbe  Crusade. 
Hs.  lOANES .  V  III  V  R  V  PORTVGALIE .  a  A  >5C- 

Wsch.  mit  5  kleinen  Wsch.  kreuzweise  belegt,  deren  jedes  5  Pfennige 
Gestalt  eines  Andreaskreuzes  zeigt.     Der  Wsch.   ist  mit  einem  Bam 
eingefasst,   welches  8  Türme  mit  Thüren  und  Fenstern  entliält.     Di 
Ganze  ist  gekrönt. 

Rs.  IN. Y.  HOC Y.SlGNO-^-VINCESY. Kreuz,  darüber  3  Punkte. 
Grösse  27  Mm.    Gewicht  3,80  Gr. 

43.  Portugal:  König  Johann  III.,  1521—1557. 

a)  Hs.  I0ANE8 .  \ .  1 1 1 :  a  .  R :  a  .  PORTVG  ALI .  x 

Gekrönter  Wsch.  wie  vorstehend,  zu  dessen  Seiten  L  —  R 

Rs.  IN -A- HOC  .t-SIGNOr.VINCESY.  Kreuz,  darüber  8  Punkte. 
Grösse  23  Mm. 

Dasselbe  mit  PORTVG     und     h  -  R. 

Grösse  23  Mm. 

b)  Hs.  Dasselbe  mit  POR  und      Ä  -    i. 

Rs.  INA'HOCA'SIGNO-^  VTN    -A'      Kreuz,  darüber  3  Punkte. 
Grösse  23  Mm. 

o)  Hs.  Dasselbe  mit  PORT         und       R  —  i 

Rs.  IN  A  HOC  Y  SIQNO  Y  VINCKS     Kreuz,  darüber  3  Punkte. 
Grösse  23  Mm. 

d)  Hs.  lOANES  A-  111  ^-  R  -K  PORTVG  ALI    Ohne  Buchstaben  an  den  Seiten 
Rs.   Wie  vorstehend. 
Grösse  Ü4  Mm. 

41. 
a',  Jls.    [OA-.-  IlivI^OKvKT-.Af/.  R.1>:G+     IKu-  gokr:mto  Wsch. 

Rs.    I\  :  HOC  :  Sl        NO  :  AXDS  +  Kreuz  auf  (.inem  StoinlKuiren. 

<irösä(»  '23  Mm. 
h)  Ils.    )0\  .  III  :  rOI?  :  ET:  AL:  n:J):  .     )-|-  ])ov  gokrnTUo  Wsrli. 

Rs.    IN  :  ir(H,7:  10   -    NO  -  VINCK«  •!•         Kreuz  auf  o,inem  Sroinhauti-T,. 
Grösse  2  t  Mm. 

r)  Hs.    lOA  :  lli  :  IH>R  :  ET  :  AL  :  I?  ']-  Der  p^krönto  Wsdi. 

Rs.    IN  nOCS!    -   NO.VINCFS:  ^l-  Kivuz  aut  eiuom  Steinhaufen. 
Grösse  2:»  Mm. 

d)  Ils.    iOA  :\]]  '  POR  :  ET  :  AL  :   +  Dor  -i'krnnir   Ws.^h. 

lU.    IN  IIOCSI        NO.  VINCS:    +  Krouz  aar  (mimmu  Sroiühaufeu. 
(jröspe  2.t  Mm. 

4r>.    jNa'tuu.il :   Ivnniir  S('i)a«*fi:iJi.    i.!).")7- -  l.')TS 
J!s.   SEBASTIANVS.  i  :  i{EX  ;  P();c'rV+    Dov  ^^.\,r{\inv  W.sch. 
Ks.    !\   HOC  :  >hiNn  .  VlNd'.S    «^  Üofussrcs  Kn-uv.. 

(Jrössc  2."'--l-'b   Mni. 


Töpfer-  und  Ziegelstempel  der  flavischen  und  vor- 
flavischen  Zeit  aus  dem  unteren  Maingebiete. 


Von 

Prof.  Dr.  Georg  Wolf!* 


Die  Bedeutung,  welche  die  Niddalinie  und  besonders  die  Mündung  dieses 
Flusses  in  den  Main  für  die  römische  Okkupation  der  Wetterau  gehabt  haben 
muss,  war  von  älteren  Lokalforschern  wohl  erkannt,  in  neuerer  Zeit  aber 
weniger  beachtet  worden.^)  Als  nun  vor  3  Jahren  die  Auffindung  der  Central- 
ziegeieien  des  römischen  Kommandos  von  Mainz  zwischen  Höchst  und  Nied  die 
Aufmerksamkeit  jener  wichtigen  Stelle  von  neuem  zulenkte,  zugleich  aber  der 
älteren  Annahme  eines  Kastells  beimBorfe  Nied  die  Grundlage  entzog,  mussten 
sich  die  Blicke  um  so  mehr  auf  die  Stadt  Höchst  selbst  richten,  weil  ihre  Lage 
aliein  den  Voraussetzungen  für  ein  am  Mainknie  hinter  der  Niddamündung 
anzunehmendes  Kastell  entsprach  und  gleichzeitig  die  ersten  sicheren  Mitteil- 
ungen über  römische  Funde  auf  dem  Boden  von  Höchst  selbst  gemacht  werden 
konnten.  Diese  Funde  haben  sich  nun  in  den  letzten  Jahren,  seitdem  dem 
Orte  eine  ununterbrochene  Aufmerksamkeit  zugewendet  wh'd,  erheblich  vermehrt. 
Bei  der  Anlegung  einer  Quellwasserleitung  sind  in  den  verschiedensten  Teilen 
des  Stadtgebietes  römische  Münzen,  Gefasse  und  Militärziegel  aufgefunden 
worden,  und  auch  die  an  einzelnen  zugänglichen  Stellen  vorgenommenen  Nach- 
grabungen haben  günstigere  Ergebnisse  geliefert,  als  es  erwartet  werden  konnte 
gegenüber  der  Thatsache,  dass  der  Boden  von  Höchst  seit  der  karolingischen 
Zeit  von  Häusern  bedeckt  gewesen  ist.  Dass  dies  auch  bereits  in  römischer 
Zeit  der  Fall  war  und  dass  die  an  Stelle  der  heutigen  Stadt  gelegene  römische 
Niederlassung  zu  den  ältesten  Anlagen  des  Maingebietes  gehörte,  dafür  sprechen 
besonders  mehrere  an  sich  unansehnliche  Fundgegenstände,  welchen  deshalb  in 
den  folgenden  Zeilen  eine  eingehendere  Betrachtung  gewidmet  sein  soll.  Beim 


^)  Die  Bedeutung  der  Position  von  Höchst-Nied  und  die  ältere  Litteratur  über  die  dort 
gefundenen  römischen  Reste  ist  eingehender  behandelt  in  der  Schrift:  G.  Wolff ,  Die  römischen 
Ziegeleien  von  Nied  bei  Höchst  a.  M.  und  ihre  Stempel.    Frankfurt  1892. 


40 


Bau  des  Kreishauses  im  ustKchen  Teile  der  Stadt  war  ausser  AmphoreaBtudeo 
uud  aüderea  Antikaglien,  die  verrieten,  dass  dort  neben  der  damah  bcreiu 
vermuteten,  später  an  verschiedenen  Stelleu  auch  aufgefundenen  recbtamaiiii* 
sohen  Uferstrasse  ein  römisches  Haus  gestanden  habe,  eioe  fast  gauz  erbatt^e 
Sigillataschale  gefunden  worden,  welche  sich  durch  ihre  Form  und  Farbe,  «>• 
wie  durch  die  Beschaffenheit  dejs  Töpferütempels  von  der  im  Grenzgebiete  ge- 
wöhnlichen Ware  gleicher  Art  unterschied.  Nachgrabungen  im  anatosjsendeD 
Qarten  des  Herrn  Ingenieurs  Blecken  (jetzt  zum  Kreishauae  gehürig)  bestätig* 
ten  daä  Vorhandensein  römischen  Anbaues;  das  Glück  aber  wolhe  ea^  daas 
unter  den  B'undstücken  sich  zwei  ganz  kleine  Sigillatasplitter  befanden,  welche 
denselben  Töpfernamen  in  zwei  neuen  Yarianten  zeigten  und  erkennen  liesseii, 
dass  sie  von  Gefassen  stammten,  welche  dem  zuerst  gefundenen  in  Material  tiod 
Form  gleichartig  waren.  Die  Stempel  fallen  besonders  durch  die  regelmaAsigG 
Form  der  Buchstaben  auf,  deren  scharfe  Umrisse  deutlich  erkennen  lassen,  daii 
sie  mit  Metallmatrizen  eingeprägt  sind,  während  die  meisten  rheiniscfaeD  SigQ« 
latastempel  ebenso  zweifeltos  von  Holzmatrizen  oder  nach  solchen  hergestellten 
Thon stempeln  herstammen.  Von  besonderem  Interesse  aber  war  der  N 
des  Fabrikanten. 

Die  3  Stempel  haben  folgende  Formen: 

1.  tTC-l|   I    j^iif  2wei   nur  25  bezw.  30  mm  breiten»   dünnen  Soheri 

2.  JATI 1 1  ('^  Besitze  des  Verfassers). 

Auf  einer  gut  erhaltenen  mattroten  Schale  (früher  im  Bt» 


I 


3. 


CNKE 


sitze  des  Herrn  Bauunternehmers Kuuz  in  Höchst»  jetzt  der  Samai- 
lung  des  Höchster  Altertumsvereins  einverleibt),  auf  schmalem  Bod^a 
in  3  fast  geradlinigen  Absätzen  breit  ausladend,  mit  flachem,  etwas 
eingebogenem  Rande.     Durchmesser  1 8  cm,  Höhe  45  mm. 

Das  uomen  fjvniUr  Ateius,  einmal  mit  dem  praenomen  Qnaeus,  unter- 
scheidet  die  3  Stempel  von  der  grossen  Mehrzahl  der  oben  genannten^  dii» 
meistens  nur  eiuen^  oft  nachweisbar  keltischen  Individualnamen  zeigen,  und 
stellt  sie  den  Stempeln  auf  den  Henkeln  grosser  Amphoren  an  die  Seile,  bei 
welchen  die  regelmässig  abgekürzten  3  Namen  ebenfalls  auf  Import  sehliesaeo 
lassen.  Wichtiger  aber  durften  folgende  Beobachtungen  sein:  Der  Töpfer- 
namen Ateius  ist  in  zahlreichen  Varianten^  die  aber  grossenteils  doroli  diu 
charakteristische  Art  der  Ligaturen  eine  Verwandtschaft  untereinander  verraten^ 
sehr  häufig  in  Itulieu  (einschliesslich  dem  Polande),  oft  auch  an  der  OstküsC« 
Spaniens  und  in  Frankreich,  besonders  in  der  Provence,  vereinzelt  ira  die- 
maligen  linksrheinischen  Germanien,  Britannien  und  den  westlichen  Alpes* 
ländern,  sowie  in  Nordafrika,  nur  eiumul  aber  bisher,  soweit  mir  bekannt  iil, 
auf  dem  rechten  Rheinufer  gefunden  worden.  Eine  graphische  Darstellung  des 
Fundgebietes  lasst  eine  zunehmende  Dichtigkeit  der  Fundorte  von  der  Perir 
pherie    (Afrika,    Spanien,    Nordfraukreich.    Eogland,     Rheinland,    Cef  -n, 

Istrion)    nach    einem   Centrum   iKampanien)   ei  kennen < 
Fundorte  konnte  ich  festatoUeo : 


I 


I"  i  kii<-i>iikiio    \ 


41 
I.   Nur  mit  nomen  gentile. 


1. 

Ttl 

Höchst  1  =  Ghatülon,  Schaermans  534. 

2. 

ATI 

Höchst  2  =  Tarragona,.C.  J.  L.  ü,  4970,  51,  ?,»«,  m. 

Vienne,               ,     XQ,  5686,  81,  m. 

Genf  (Mu8.)       ,         ,        „       „     n,o,p. 

Narbotme           „        „       „       „     e. 

Sassari               »     X,  2,  8056,  49,  /. 

Greenwich          „  XVn,   1336,   95^(8chaer- 
mans  177  a.  Fröhner  528:  ATEL 

Limoges,  Schuermans  535. 

ChatiUon          „            535. 

Andernach,  Bonner  Jahrb.  86,  8. 161  (Eoenen) 
und  89,  8.  3  (Klein). 

Mainz  (Museum),  C.  J.  L.  !XTTT  nach  Mit- 
teilung Bohns. 

3. 

ÄE 

Tarragona,  C.  J.  L.  ü,  4970,  51,  d. 
Pozeuoli              ,        X,  2,  8056,  47. 

4. 

AEI 

Tarragona,  C.  J,  L.  11,  4970,  51,  k. 
Genf                   „    Xn,  5686,  81,  r,  s». 
Fr^us  (Mus.)      „     xn,  5686,  81,  6. 
Narbonne            „       „        „        „    y. 
Bregene  (Mus.)   ,     III.  8upp].  12014,  7. 

Friedberg?   Nasa.  Annalen  XIV,   8.  283,    10 
(Die£Penbach). 
5.  ATEI  Tarragonay  C.  J.  L.  II,  4970,  51,  e. 

Pozeuoli  „        X,  2,  8056,  48  a. 

j^Figlina  Campana^  C.  J.  L.  X,  2,  8056,  484. 
Pompeiiy  C.  J.  L.  X,  2,  8055,  8. 
Mainz  (Mus.),  C.  J.  L.  XHI  nach  MitteiL  ] 
Köln  (Mus.),  n         V       r>  9 


Syracus 

„       X,  2,  8056, 

48  CL 

Catania 

»           »         » 

48A 

Cagliari 

1»                  7)               7» 

48«. 

Tortona 

„       V,  2,  8115, 

m* 

y^IAhamae^ 

T)            n           • 

l^tlL 

Sie.  Colombe 

„      xn,    568t.  1 

Orange 

»           9)             a 

k 

Nimes  (Mus.) 

• 

7»               »                  • 

Genf 

1}                 9 

Comeilhan  {y,prope  Baeierrm 

AU. 

5686,  81, 

W?. 

Frejus  (Mus.), 

C.  J.I 

I,-^ 

Narlonne 

.- 

.x.^ 

^W«»(„Mas8U. 

mos.* 

.i 

10.  ATEtO 

11.  ÄIM 

12.  ATEIM 


Tarragöua,  C.  J.  L.  II,  4970,  51,  q. 
^Deae  apud  Lanmrte-FeUnes^ ^   C*  J.  L, 

5686,  81,  /. 
Fürü?  Schuermaos  594:  ATEIE. 
SL  Rem^,  C.  J.  L.  Xn,  5686,  81,/, 
Frejus  (Mus.),  C.  J.  L.  XH,  5686,  81,  c. 
j^  Vieilleville  prope  Sommüres^,   C.  J.  L.  Xu, 

5686,  81  V. 


18.  ATEIMANIB  oder  ATE  MB  Paris,  Schuermans  540,  Wohl:  Ligatur Ä.WB. 

14.  AT-  •  •  A  Augst^  Schuermans  523,  Wohl:  ATEIAA,  nicht 

mit  Fröhner  179:  ATELLANA  zu  ergänzeD. 

15.  DATEI  Orange,  C.  J.  L.  XH,  5686,  81,  k\ 


in.   Nomen   gentile   und   Praenomen. 

16.  CNÄE  Höchst  3  =  Serre  de  la  croix  (H.  Alpes),    C.  J.  L.  Xu, 

5686,  82,  bK 
Alesia^  nach  Bohns  Mitteilung. 

(CNAE P  Tarragona,  C.  J.L. II,  4970, 53, 6). 

17.  CNÄEI  Orange,  C.  J.  L.  XH,  5686,  82,  a. 

Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  52,  t. 
Tongres,  Schuermans  536. 

18.  OäEI  Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53,  L 

Orange  «       XII,  6686,  82,  b. 

Nages  ^ 


43 


19.  GN7C. 

20.  OÄ 

21.  CN7E.I 


22.  07CI 


23.  CNATEI 


24.  CNATE 

25.  CNATEFI 

26.  OATEI 

27.  CM7REI 
Cr€KE 

30.  [CNAPP 

31.  GATE 

32.  GATt 

33.  CA  El 


28, 
29 


Tarragona         ,        II,  4970,  53,  c. 

S<e.  Colombe      „      XII,  5686,  82,  e. 
Tofi^e«,  Sohuermans  537. 

(=  CNÄIP  Aquileia,  C.  J.  L.  Suppl.  It. 

Fase.  I,  1080,  88. 
Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53,  p. 
Capm  ,        X,  2,  8056,  50,  b. 

,Figlina  Campana',  C.  J.  L.  X, 2, 8056,  50,  a. 
Tarragona,  C.  J.  L.  n,  4970,  63,  h. 
Verona  ,        V,  2,  8115,  11. 

Leyden  (Museum),  nach  Bohns  Mitteilung. 
Vienne,  C.  J.  L.  XH,  5686,  82,  d\ 

»  i>  »  »       »     *• 

Cagliari,  „  X,  2,  8056,  50,  d. 

Tarragona  „  11,  4970,  53,  *. 

»  »  j»  »       i>    /• 

»  i>  »  »       »     *• 

»  n  »  »         »      M 

n        Ö2,   b. 

»  1»         »  jf      52,  c. 

Pozzuoli,      ^      X,2,  8056,  49. 


34.  CNÄfA 


IV.  Mit  Cognomen. 

Pozeuoli,  C.  J.  L.  X,  2,  8056,  46. 

Dieser  wie  die  folgenden  aus  Pompeii  und 
Herculaneum  stammenden  Stempel  sind 
C.  J.  L.  X,  2,  pag.  887  mit  Recht  auf 
Ateius  bezogen.  Doch  möchte  ich  in  dem 
Zusatz  UK  nicht  eine  Abkürzung  für  „mant- 
Ims^^  sondern  ein  Cognomen  vermuten. 

C,  J.  L.  X,  2,  8055,  1. 

«  1»  1»       4,  «— ^• 

7»  n  Ji         ^^    ^^   ^' 

7t  11  1»         6»   «1  6,  c. 

Pompeii  C.  J.  L.  X,  2,  8055,  8,  a. 
jjNeapol  mus^,  C.  J.  L,  X,  2,    8055,  8,  c 
ftGaUia  cisalpina,  rep.   ad  Carrü^j   C.  J.  Lu 

Suppl.  It.  Fase.  I,  1080,  87. 
Pompeii,  C.  J.  L.    X,  2,  8055,  b. 

jfNeapoL  mus.*^       „  ^^  ^      d. 

41.  CN7CJ  EVHODI  Im  Kreis  um  CN  gestellt. 

Tarragona^  C.  J.  L.  H,  4970,  61. 


35.  CNÄ/VI 

36.  CN  •  Ä  M 

37.  CNäA 

38.  CNAA 

39.  CN.Tt.Ä 


40.  CN-7^hAR 


44 


42. 

43. 

44. 
45. 

46. 

47. 

48. 

49. 

50. 
51. 
52. 

53. 

54. 
55. 


ÄIEVO  Tarragona,  0.  J.  L.  n,  4970,  57. 

=  ATEI  EVODP  Paris,  Schuermana  539. 

V(W)'  ^®*'''**  Palmzweig:  Fr^us  (Mus.),  C.  J.  L.  Xu,  5682,  a. 

Aspree  les  Veynes,  C.  J.  L.  Xu,  5682,  b. 
TtllVO  Orange,  C.  J.  L.  XH,  5686,  86. 

CNEI  CRESTI,  im  Dreieck  gestellt: 

Tarragona,  C.  J.  L.  ü,  4970,  55.  Von  E.  Hüh- 
ner erklärt  als :  C.  (At)ei  Cresti. 
Tarragona,  C.  J.  L.  ü,  4970,  56. 
Ich  möchte  lieber  „Oo.  Atei(a8)  Eros"  lesen, 

als  mit  Hühner  „Eros  Cn.  Atei". 
Pompeii,  C.  J.  L.  X,  2,  8055,  9. 
„Figlina  Campana",  C.  J.  L.  X,  2,  8056,  51, 

Tarragona,  C.  J.  L.  H,  4970,  58. 


CMÄEI 
EROS 


CN  •  ATEI  ER0NI8 
Q<-  TC-  ERM 
CNATEI 

FVRIAN 

CNATEI 

ZOIL///// 
ATEIZOIU 

AE///XE 
ET  ZOEL 

CN  •  ATEI 


ZOIL  •  8 


(TtIP) 


»  II  II       »       61a, 

Aquileia,  C,  J,  L.  Suppl.  It.  Fase.  I,  1080,  86. 
Tarragona,  C.  J.  L.  H,  4970,  61,  6. 

Andance,  „      XH,  5686,  87. 

Artaud  (Gall.  Narb.),  C.  J.  L.  Xn,5686,  85,6. 


56. 


57.  ATEI  XANTI 


58. 
59. 

60. 

61. 

62. 

63. 


XANTI 

lllKi  •  XNI  (CN  •  7E.I  -XAIIP)  „Prope  le  Luc  infundo  Ptotde"  (GaU.  Narb.), 

C.  J.  L.  Xn,  5686,  85,  a. 

=  ATEI  XNTI P  Tongres,  Schuermans  538. 

=  TtIXP  Tarragotia,  C.  J.  L.  H,  4970,  60,  b. 

X^^l   ^"  ^*®''®  ^^^  Striches  ein  Zweig: 

Genf,  C.  J.  L,  XH,  5686,  85,  c. 

Vindonissa,  Schuermans  543. 

Tongres,  Schuermans  532. 
„  »  538. 

Paris  „  546. 

Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  59. 

Cartagena,  C.  J.  L.  H,  Suppl.  6227,  23. 

Ampurias  („Emporiae"),   C.  J.  L.  H,  Suppl. 
6227,  58. 


ATEI//XA//NTHI 
ATEI  CNMAESP 

ATEI  OPTATI 

„ATEL 

SALVI 
CN  •  ATEI 

AM- AN 

CRE3 
CN-7t 


Yielleicht  gehören  auch  folgende  Typen  hierher: 
ATEPI  Ste.  Colombe,  C.  J.  L.  XH,  5686,  89. 

Aquileia,  „  Suppl.  It.  Fase.  I,  1080,  85. 


ATE 


INI 


45 


Auf  Ziegeln  kommeD  folgende  Typen  vor; 

C-ATCAVP    Isola  della  Scala    (Gallia  eimlpma).     C.   J*   L   BuppK  lt. 
Fase.  I.  1075,  77. 

Palestrina  (Praemste),  C.  J.  L.  XIY,  4091,  20,  a—d, 
Tivoli,  C.  J.  L.  XrV,  4091,  20,  e. 
CATEiPHlL^  ^Delphinns  dextrorsum'' , 

Tivoli,  a  J.  L-  XIY,  4091,  21,  a. 
Rom  „  „  „      21,  6. 


CATTEIVS 
FILTATVS 


> 


64.  ATE! 

65.  Arai 

66.  AT  I 

67.  ÄEI 


68. 


1' 
Ä 

69.  7L\ 

70.  CNATE 

71.  CNETEI 

72.  CNäEI 

73.  CNÄ- 

74.  MATI 

75.  CnATEI 


T.  Pigurenstempel   ohne   Coffnomen, 

Kreis  mit  Palmzweig,  Tarragona^  C.  J.  L.  IT,  4970,  51,  A. 
Jn  delphino'',  „  ^  „       51,  j. 

^m  .so/aa**,  ,,  „  „       51,  m. 

mit  Palmzweig,  Gm/,     C.  J.  L  XII,  5686,  81,  s^ 

JSTaw/^«*),    a      Xin,  nach  Bohns  Mitteilung, 
j^in  flore^^  Tarragona^  C.  J.  L.  Q,  4970,  51,  o. 

mit  Palmzweig,  Gmf,  C.  J.  L.  XII,  5686,  81,  5. 

„m  circuh)^,        Tnrragona^  C.  J.  L.  LI,  4070,  53,  g. 

TT                          9                  «  „          -      53;  l. 

„?7i  trijotio  cum  pahtta*^^  Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53^  o. 

Halbkreis  mit  Palmzweig,           „  „         „        ^       53,   4f. 

„t«  iri/olio  cum  palma^^y          „  „         ^        „       54. 

mit  Palmzweig,                   Narhonne,  „     XII,   5686,  82,  ^. 


Zu  den   oben   angeführten  Exemplaren   würden   nach    einer   gütigen  Mit- 

IteiluDg  Dr,  Bohns  noch  zahlreiche  Beispiele  verschiedener  Varietäten  des 
Stempels  ATEI  mit  und  ohne  Vornamen  CN  in  Holland  kommen,  deren  Typen 
aber,  wie  es  acheint,  sämtlich  in  unserer  Aufzählung  vertreten  aiüd.  Ob  dies 
auch  der  Fall  ist  bei  den  3  in  rheinischen  Museen  vorkommenden  Stempeln 
tnit  Vornamen  CN,  ist  wegen  der  Beschatfenheit  der  Exemplare  nicht  sicher, 
aber  nach  Bohna  Mitteilung  der  erkennbaren  Teile  wahrscheinlich.  So  dürfte 
1er  Stempel  des  Bonner  Provinzialmuseuma  unserem  Typus  17,  das  Kölner 
Sxemplar  („ap.  Niessen'*}  Typus  40  entsprechen.  Bei  dem  Xantener  Exem- 
plar CNÄH,  wohl  identisch  mit  FrÖhner  757  CNATl  (^=  Schuermana  1471), 
liegt  vielleicht  ein  neuer  Typus  vor.  Sicherlich  aber  dürfte  der  von  Pröhner 
f54  (=  Schuermans  1469)  mitgeteilte  Mainzer  Stempel  CNAEI  unserem 
Pypus  18  entsprechen,  zumal  da  Fröhner  ausdrücklich  bemerkt:  ^littera  N 
diBor*^.  Alle  diese  Funde  gehören  dem  linken  Rheinufer  an,  und  dasselbe  ist 
ler  Fall  bei  den  oben  unter  No.  2,  5,  14  und  67  angeführten  Exemplaren  von 


*)  Nach  Steiner,   Bonner  Jahrbw  87,  8.  91:   ^ Atems*'   Auf  der   Soherbe   eines   Napfes 
9n  feiner  sohwarzcr  Erde*^  (?),  gefunden  in  einem  Grabe  dicht  an  der  ümfassungsniauer. 


^^^H 


46 


Andernach,  Mainz^  Kolu,  Xanten  und  Augdt.  Aus  reobtsrheioisefaem  Oabi^ 
war  bisher  nur  eia  einziger  Fund  bekaaat,  der  von  Dieffenbach  mitgelefll«' 
Friedberger  Stempel,  bei  dem  ea,  da  die  von  Dieffenbach  überiiererle  Pann 
ÄXi  zweifellos  falsch  ist,  leider  unsicher  bleibt^  ob  er  zu  Typus  2  od«r 
gehört.  Wohin  das  Gefässfragment  gekommen  ist,  konnte  ich  nicht  fesisielltit. 
Unter  den  an  die  Museen  zu  Frankfurt  und  Darmstadt  verkauften  Friedb 
Fundstucken  scheint  es  sich  nach  Mitteilung  der  Herren  Dr  Qailling 
Henkel  nicht  zu  befinden.  Für  Auskunft  über  diese  Frage  bin  tob  aiidi 
den  Herren  Hofrat  Zangemeister  und  Dr.  Boho  zu  lebhaftem  Daoke  ?er-j 
pflichtet 

Bei  dieser  Gelegenheit  möge  auch  auf  folgende  Thatsaebe  hingewi 
werden.  Im  Wiesbadener  Museum  findet  sich  eine  dem  guterhaltenen  Hoobtt€f| 
Exemplar  ähnliche  Sigillataschale  aus  Mainz  mit  dem  Stempel  OF  *AROA  (Kala 
log  No.  13443),  Derselbe  ist  wohl  identisch  mit  dem  C.  J.  L.  U,  4970,  73, 
und  XD,  Ö686,  72,  a—ä  in  der  Form  OF'ARDA  angeführten  Typus  aua  Ti 
ragona^  Orange,  Sommu''re>t,  Nimes  und  Viejine  (II  ARDA),  Der  Name  (Ärdaeot^ 
kommt  in  verschiedenen  Varietäten  in  Vienne,  Genf,  Ste.  Colombe^  Tarrni 
(C.  J.  L.  Xn,  5686,  73,  a— c  und  H,  4970,  73,  a),  aueseidera  häufig  in  Frank* 
reich,  den  Niederlanden  und  am  linken  Kheinufer  (Schuermans  460—471, 
Fröhner  143,  146,  147  u.  149)  vor.  Auch  bei  diesem  Stempel  aprtcbt  das 
ausschliesslich  linksrheinische  Yorkoramen  für  frühzeitige  Heratellüng)  die  M 
dem  Wiesbadener  und  einem  Andernacher  Exemplar  (Bonner  Jahrb.  86,  174 
und  89,  3)  auch  durch  die  Form^  bezw«  die  Fundumstände  beatätigt  wird 


Aus  der  obigen  Übersicht  ergeben  sich  zunächst  folgende  Thataachen: 
L  Höchst  ist  ausaer  Friedberg  der  einzige  rechtsrheinische  Plats,  la 
welchem  der  Töpferstempel  Ateius  nachgewiesen  ist.  Er  fand  sich  dort  auf 
3  Gefaasen  in  3  Yarietäten,  die  in  der  Form  der  Buchstaben  und  durch  cbarak 
teriatische  Merkmale  (Ligaturen,  Yorname  Gnaeua  etc.)  untereinander  und 
den  in  allen  westlichen  Teilen  des  römischen  Reiches  gefundenen  Ateiuaal 
peln  übereinstimmen,  und  xwar  der  Art,  dass  teils  voUkommeue  Idenlhit  A 
Matrizen  nachweisbar,  teils  gleiche  Provenienz  in  hohem  Grade  wahrs<»h<»iö. 
lieh  ist, 

2.  Die  Verbreitung   der   Stempel    und   die   Beschaffenheit    des    Maieriai^ 
nötigen  uns,   für  die  Höchster  Ware  und  ebenso  wohl  auch  fiir  die  am 
und  in  den  Provinzen  gefundenen  Exemplare  auf  Import  zu  ficbliesa^n. 

3.  Als   Ausgangspunkt   dieses  Imports   ergeben   sich    mit  grosser  Wal 
scheinlichkeit   kampanische   Töpfereien,    um   so   mehr,    da   Pliniua    (Ifai.    hti 
XXXV^  160  u,  161)  ausdrücklich  bezeugt,  dass  die  Töpferwaren  von  Sorrem 
ebenso   wie  diejenigen  von  Arretium,  Pollentia,  Sagunt  und  Pergamun»   io  alle 
Welt  über  Land  und  Meer  versandt  wurden* 

4.  Auf  Plinius*  Zeit    weist    bei   den   Höchster  Gelassen   die  Übereinstim- 
muDg  mit  den  tu  Pompeii  auagegrabenen  Exemplaren  hin. 

5.  Eine  besondere  Stelle  nimmt   unter  den  in  Betracht  kommeodeu  Vt^ 
Tioseo  SpanioD  ein,   wegen  der  grossen  Anzahl  der   Coffnomina  einerseits  osd 


« 


47 


der  Figurenstempel  andererseits,  die  in  andereD  Provinzen  nicht  ?ertreten  sind, 
während  doch  hinwiederum  die  einfachen  Stempel  mit  der  Marke  ATEI  oder 
CNATEI  in  den  manDigfachsten  Ligaturen  mit  den  kampaniaeheD  übereinatimmen. 
Man  kann  die  erstgenannten  Gruppen  auf  Import  in  einer  anderen  (wohl  «pä- 
teren)  Zeit  oder  auf  provinzielle  Industrie  zurückführen,  die  dann  aber  in  eng- 
ster Yerbindung  mit  den  kampanischen  Töpfereien,  etwa  in  einer  Filialaolagei 
betrieben  worden  sein  dürfte. 

6.  Der  Namen  Ateius  scheint  nicht  wie  die  zahlreichen,   regelmässig  nur 

in  sehr  wenigen  Varietäten  oder  nur  in  einem  Typus  vertretenen  Topfernamen 

der  jüngeren  rheinischen  Sigillata  auf  Kleinbetrieb,    sondern   auf  die   Existenz 

einer  bedeutenden   Anlage   im    Besitz    einer   Familie   der  gens  Atekty   die   das 

.     Oeschäft  durch  Freigelassene  betrieb,  hinzuweisen/) 

^ft         7.  Auch  die  Verbreitung  des  Topfernamens  Ardacna    über  dieselben  Ge- 
^■liete  mit   Ausnahme  Italiens,    wenn   auch    in   weit   geringerer  Zahl,   sowie  die 
^TÄbnlichkeit  des  Wiesbadener  Tellers  mit  dem  Höchster  Exemplar  spricht  dafür, 
dass  der  Zeit  der  entwickelten  gallisch-rheinischen  Sigillataindustrie  eine  Periode 
des  Imports  aus  den  mittelländischen  Gegenden  vorausgegangen  ist,  in  welcher 
zuerst  provenzalische  Töpfereien  mit  den  kampanischen  Fabriken  in  Konkurrenz 
traten.     Neben  der  damals    wohl   teuren   und   darum  seltenen  Sigillata   scheint 
man  sich  in  jener  Zeit  für  die  Zwecke,  welchen  später  die  Sigillatanäpfe,  Tassen, 
Teller  etc.  dienten,  mehr  schwarzer  und  grauer  Ware  bedient  zu  haben/)   Denn 
dieselbe  hat  sich  iii  vollkommener  Übereinstimmung    nach    Material    und  Form 
weitaus  überwiegend  in  den  durch  Ziegelatempel  der  ersten  Periode  zugewiese- 
nen Kastellen    bezw.  Niederlassungen    von    Hoflieim,   Okarben   und  Höchst  ge- 
funden, während  die  für  diese  Orte  charakteristischen  Formen   an  den  Plätzen 
.     äes  äusseren  Limes  fehlen.    Die  frühe  Entstehungszeit  dieser  Gefässe  und  ihre 
^^eitliche  Zusammengehörigkeit  mit  unserer  Sigillataware  finde  ich  auch  in  dem 
^^oeben  erschienenen  Buche    von   Konstantin  Koenen,   Gefasskunde  der  vor- 
^^römischen,   römischen    und  fränkischen  Zeit   in  den    Rheinlandeni    Bonn    1895, 
Hiestiitigt.     Die    in    demselben  Taf.  VIH,  Fig.  15,  Taf.  X,  Fig,  21—23  abge- 
'^T)ildeten,    mit  den  oben  angeführten    Funden    übereinstimmenden  Geffisse   weist 
loenen  S.  64  u.  78  der  frührömischen,    die  auf  Taf.  X  abgebildeten  speziell 


t*^ 


*)  Zu  den  in  der   römischen  und  griechischen  Litteratur  erwähnten  Ateiern   habe  ich 

keine  Beziehung  gefunden.     Dagegen   dürften   die   in   C.  J.  L.   Bd,  VI,  2^   pag,  1549  ii.  1550 

aufgeführten  Orabiiiscbriften  tou  BVaueu  und  Mäunern  m\t  ttnsereni  notnen  petttile  wegen  ihrer 

griecbiBoheQ    cognmnina   zu   beachten   seio^    besonders   die  Grabaohrift  VI,  2,    12ri73,    auf  der 

sowohl   der   widmende   Fretgelassene   {Symphorus)    als   der    rerÄtorbene   Patronua   (Antiochu«) 

dieaet  oharaktensiiache  Merkmal  zeigen.    Die  Lesart  Atteius  sohlJesat,  wie  die  Noten  beweisen, 

^^^benaoMrentg  ihre  Beziehung  auf  unsere  Ateier  als  ihre    zweifellose  .Identität   mi<^   der   bereits 

^H).  J.  L.  V,  1^  pag.  2201  nach  anderen  Quellea  aufgeführten  Inschrift  aus,  deren  stadtrdmischen 

^Klrsprung  bereits   der  Herausgeber  (^fortaBse  originis  urbartae'j   vermutet    hatte.      Italische 

^PProTenienz   nimmt    für    die   mit   dem   Namen   Ateius    gestempelten    rheinischen    Gef&sse  auch 

Dragendorff  in  der  mir  erat  nach  der  VoUendung  der  Torliegenden  Untersuchung  bekannt 

gewordenen  Dissertation;  De  vasculis  Romanorum  rubrii,  Bonn  1894,  8    0    an. 

*)  VgL  F.  Hettuer,   Zur   rdmisohen  Keramik  in  Gallien   und   Germamen   (^Festschrift 
fUr  OTorbeck)^  S.  108. 

■- 


48 


der  Zeit  des  Claudius  und  seiner  unmittelbaren  Kachfolger  zu.  In  dieselbe 
Zeit  aber  gehören  nach  ihm  die  „hartgebackeiien  hellbrauuroten  Terrasigillata- 
Teller  mit  reich  profilierter  Wandung"  (S.  91,  A  u.  92),  welche  nach  der  Ab- 
bildung (Taf.  XIV,  Fig.  3)  genau  mit  dem  ganz  gefundenen  Höchster  Exemplar 
übereinstimmen,  auf  welches  auch  die  Beschreibung  der  technischen  Eigentum- 
lichkelteD  passt.  Für  die  Richtigkeit  seiner  An  Setzung  dürfte  aber  die  Ober- 
einstimmung unserer  Höchster  Ateiusötempel  mit  deu  in  Pompeii  gefundenen 
besonders  ins  Gewicht  fallen.  Sie  verbietet  uns,  die  Eotstchungszeit  dieser 
Gefäsae  über  die  flavische  Periode  herabzurücken.  Damit  ergibt  sich  durch 
deu  Friedberger  Stempel  ein  ueucr  Beweisgrund  für  die  erste  Okkupation  der 
Wetterau  bis  zur  Linie  Hanau-Friedberg  durch  Domitiaus  Chattenkrieg, 

Ohne  diesen  Friedberger  Fund  würde  ich  geneigt  sein»  die  Höchster 
Ateiuüötempel  wegen  ihrer  Verschwisterung  mit  anderen,  sämtlich  auf  frühe 
Zeit  hinweisenden  Gefassreuten  für  die  Vermutung  in  Anspruch  zu  nehmen, 
dftSB  das  Terrain  von  Höchst  schon  vor  dem  Jahre  83  n.  Chr.  von  den  Römern 
besetzt  war.  Ist  doch  bereits  früher  bei  der  Zusammenstellung  der  in  Höchst 
vorhandenen  römischen  Münzen  lokaler  Provenienz  durch  Dr.  Quilling^)  die 
relativ  grosse  Anzahl  der  Augustusmüuzen  aufgefallen.  Ebenso  stellt  es  sich 
immer  deutlicher  heraus,  dass  die  ältesten  römischen  Strassen  nach  dem  Taunus 
und  der  Wetterau  von  Höchst  ihren  Ausgang  nahmen,  was  in  Verbindung  mit 
anderen  Gründen  es  wahrscheinlich  macht,  dass  auf  dem  Boden  von  AU-Höchst 
das  Grenzkastell  einer  ältesten,  vorflavischen  Periode  römischer  Okkupation  in 
der  Wetterau  lag.  Für  diese  Annahme  haben  sich  nun  aber  weitere  Beweise  auf 
einem  beoaclibiirten  Gebiete  gefunden.  Durch  RitterlingVs  Arbeiten*)  ist  es 
mehr  als  wahrscheinlich  geworden,  dass  diejenigen  obergermanischen  Steinin- 
Schriften  der  22.  Legion,  auf  welchen  diese  noch  nicht  den  Beinamen  pia  ßdelis  ■ 

^)  AroliiT  für  Frankfurts  Geßchichte  u.  Kunst     Dritte  Folge,  IV.  Band  18U3,  8.  350  ff. 

°]  Emil  Ritterling,  De  le^ione  Remsnorum  X  Gemioa,  Liptriae  1885^  pn^.  tl  {f., 
besonders  pBg.  17  und  Zur  rümiBoheii  Legionsgeechifbie  am  Khein.  We«td.  Zeitaelir.  XO,  111, 
3.  207  ff,  8.  2B0  fF  Rhterliiig's  Hesultate  werden  in  einer  Boeben  erschien eoen  Diaserttttion 
von  A.  JänemaDHf  De  legionc  Romauoruin  \  adiutrlcc.  Llpsiac  1894,  m  manchen  PunkteOi 
beiondars  was  die  ZtiaatnTuenseUung  des  obergermanTächen  Heeres  sswigchen  den  Jabreo  71 
und  89  n.  Cbr,  betrifft,  beatritlen.  Es  ist  zu  bedauern,  i3aps  A.  June  mann  nur  die  biß  emn 
Jahre  1892  ersobienene  Liiteratur  gekannt  hat.  So  bat  er  beßonders  weder  Eitterling's 
oben  an  zweiter  SteUe  nltierten  Aufsatz  benutzt,  nooh  einen  in  derselben  ZeitBcbrift  erschieneneo, 
der  spesiell  die  GeBcbiehte  der  Legio  [  adiutrix  behandelt  (Weatd.  ZeitBobr.  XII,  TI,  106  ff). 
Ebenso  sind  ihm  die  für  Beine  Zwecke  wichtigen  Ergcbniaae  der  Ausgrabungen  von  Nied  nur 
aus  einem  Yortäufigen  kurzen  Referat  in  der  Berliner  philologischen  WochenBcbrirt,  nicht  aber 
auf  der  oben  citierten  auBführliehen  Bearbeitung  bekannt,  obechon  auch  dieae  bereits  vor  2 
Jahren  erschienen  ist  Daher  hat  er  die  in  Nied  gefundenen  Typen  der  genannten  Stempel 
ungenau  und  unTollstandig  angeführt  (1,  c.  S  112»  No  40);  ebenso  ist  seine  Auffassung  der 
Lokalität  und  ihres  YerbäUniases  zum  Limea  (t.  o,  S.  63)  uurichtig  und  die  auf  dieser  Qrund* 
läge  aufgebaute  Sc hluss folge rung  für  die  Geschiohte  der  Legion  unzutreffend.  Oberhaupt  ßnde 
iob  in  Jünemann^s  Ausf{lhrung^en  keine  Veraniasaung,  meine  Ansicht  über  die  Zusammen^ 
Setzung  des  obergermaniächen  Heeres  im  h  und  9.  Jahrzehnt  des  ersten  Jahrhunderts  zu 
ändern.  Vielmehr  musste  mich  in  derselben  der  Umstand  bestärken,  dass  Bitterling 
gleichseitig  mit  mir,  aber  z.  T.  aus  anderen  Gründen,  zu  einer  in  wesentlichen  Punkten  über- 
einstimmenden Auffassung  gekommen  war. 


I 


J 


49 

führt,  aus  der  Zeit  ihres  ersten  Aufenthaltes  in  Mainz,  vor  70  n.  Chr.  stammen, 
Solche  Inschriften  sind  mir,  abgesehen  von  dem  gerade  an  der  in  Betracht 
kommenden  Stelle  schadhaften  AschaflFenburger  Stein  (Brambach  1757)  aus  dem 
rechtsrheinischen  Gebiete  nur  4  bekannt,  die  sämtlich  aus  Kastei  und  seiner 
unmittelbaren  Umgebung  stammen,  nämlich  von  Kastei:  Brambach  1343,  von 
Bischofsheim  a.  M.  Br.  1383,  von  der  Gustavsburg  Br.  1382  und  aus  Flörs- 
heim Br.  1506.  Bei  den  Ziegelstempeln  im  allgemeinen  kann  bekanntlich  das 
Fehlen  der  Beinamen  nicht  als  Beweis  für  Frühzeitigkeit  angesehen  werden. 
Aber  hier  macht  gerade  die  22.  Legion  eine  Ausnahme;  von  ihr  sind  mir  von 
den  Nieder  Ziegeleien,  also  aus  der  Zeit  ihres  zweiten  Aufenthaltes  in  Ober- 
germanien, keine  vollständigen  Stempel  bekannt,  auf  welchen  der  Zusatz  p.  f. 
nicht  ganz  oder  z.  T.  vorhanden  wäre.  Die  von  Brambach  unter  703,  1431, 
1437,  1491,  1501  u.  1673  u.  1695  aufgeführten  Exemplare  gehören  teils  Ge- 
bieten an,  in  welchen  die  Legion  vor  dem  Jahre  89  n.  Chr.  stand  (No.  23  ff.) 
und  kommen  daher  nicht  in  Betracht,  teils  sind  sie  nach  meinen  Beobachtungen 
fragmentiert  oder  ungenau  überliefert,  bezw.  falsch  gelesen.')  Umso  über- 
raschender war  es  für  mich,  als  mir  im  Jahre  1893  Oberst  von  Cohausen 
Abklatsche  von  2  Stempeltypen  sandte,  die  sich  in  römischen  Trümmern  am 
Wickertbach  bei  Flörsheim  nahe  dem  Main  gefunden  hatten,  au  einer  Stelle, 
wo  die  von  Kastei  nach  Höchst  führende  rechtsmainische  Uferstrasse  den  Bach 
gekreuzt  haben  muss.  Die  übersandten  Exemplare  .waren  sämtlich  nach  rechts 
fragmentiert;  die  von  mir  sofort  ausgesprochene  Vermutung,  dass  die  Ziegel 
linksrheinischer  Provenienz  und  älter  als  die  Nieder  Ziegel  der  Legion  seien, 
erhielt  eine  bedeutende  Stütze  dadurch,  dass  ich  beide  Typen  auf  Abklatschen 
vollständiger  Exemplare  des  Wormser  Museums  fand,  die  nach  Dr.  Wecker- 
ling's  Mitteilung  erst  im  Jahre  1890  in  Worms  selbst  ausgegraben  wurden  und 
daher  in  den  von  dem  genannten  Forscher  veröffentlichten  Katalogen  noch  nicht 
vertreten  sind.     Die  Legenden  sind  folgende: 

1.  LXXIICV  Der  oblonge  Stempel  hat  innerhalb  der  Langseiten  als  Ein- 
fassung der  Buchstaben  parallele  Wulste,  die  an  den  Schmalseiten  in  Schwalben- 
schwänzen endigen :  1 1  cm  lang,  37  cm  hoch. 

2.  LGXXII  Oblonger  Stempel  mit  grossen  Schwalbenschwänzen  an  beiden 
Seiten:  10,2  cm  lang,  2,5  cm  hoch.  Ich  habe  an  anderer  Stelle  (Die  römischen 
Ziegeleien  von  Nied  bei  Höchst  a.  M.  und  ihre  Stempel,  Frankfurt  a.  M.  1892, 
S.  340)  gezeigt,  dass  die  Abkürzung  L  für  LEG(io)  bei  der    14.  und  21.  Legion, 


^)  Dies  kann  ich  nachweisen  von  den  No.  1431,  1437  und  1 50 r  aufgeführten  Exemplaren; 
bei  dem  Namenstempel  Br.  1491,  c,  2  dürfte  der  Beiname  in  den  beiden  letzten  Zeichen  stecken. 
Hier  sei  die  Bemerkung  gestattet,  dass  auf  denjenigen  vollständigen  Ziegelstempeln,  welche 
noch  nicht  den  Beinamen  p.  f.  zeigen,  regelmässig  auch  pr.  fehlt;  den  wenigen  Fällen,  welche 
dieser  Regel  widersprechen,  stehen  zahlreiche  andere  gegenüber,  in  welchen  p.  f.  oder  auch 
nur  p.  ohne  pr.  vorkommt  und  wieder  andere,  in  welchen  p(rimigenia)  nur  mit  p(ia)  verbunden 
ist.  Wir  haben  bei  allen  diesen  Exemplaren  aus  der  Zeit  des  zweiten  obergermanischen 
Aufenthaltes,  ebenso  wie  in  dem  analogen  Vorkommen  der  Stempel  LEG  Xllll  roit  und  ohne 
Beinamen,  und  zwar  im  ersten  Falle  bald  mit  G  allein,  bald  mit  QM  und  GMV  nur  eine  Unvoll- 
ständigkeit  der  Titulatur  zu  erkennen,  die  für  chronologische  Fragen  nicht  zu  verwerten  ist.  Als 
Grund  lässt  sich  in  vielen  Fällen  die  Ungeschicklichkeit  des  Stempelschneiders  erkennen,  dem  es 
schwer  fiel,   die  zahlreichen  Buchstaben   auf  der  vorher  begrenzten  Holzfläche  unterzubringen. 


50 


ttt»^e-4t»hen  von  einem    einzigen  NTeaepExcrapltir  der  ersterün,  tror  auf  /iJt« 
liiikwrlieiniachoii  Ziegeln   vorkurnirreo.    Dementsprechend  zeigen  säiiUliche  Nie 
Stempel    der    22.  Legion    die  Bezeichnung   LEG   ohne  Kürzung,     Sprach  »cJio« 
dieaer  Umstand   in   Verbindung    mit   dem  Fehlen   des  Zusatzes  pr.  p.  t  cLiAe 
da»H  die  Flitrüheimer  Ziegel  von  dem  ersten  Aufenthalte  der  Legion  h«     ^  i      letttl 
iiUü  vur  (iL'in  Jalire  70  n,  Chr.  gebraunt  sind»  so  auch  die  weitere  Bl"  !rifj 

diiB^  die  beiden  Typen  nur  äusserst  selfOD  und  auf  der  rechten  Seite  dea  fibeml 
nur  in  dnr  l'mgebuog  von  Mainz-Wiesbaden  gefunden  worden  sind      Bei  Tj|iiif  j 
II  spricht  Jie  Form  und  das  Fehlen  jedes  Beinamens  an  sich  für  Frühreif igkeit] 
Typus  I   acheiut,  wenn   man   die  Form   Leg.  (nicht  L)    auf  Ungenauigkeir  der 
Iberlieferung   s^urückführen    darf,    identisch   zu   sein   mit   den  bei   Brambftohl 
ir>37  f.  2  und  3  verzeichneten  Exemplaren    aus  Wiesbaden,    sowie  dem  Wie§- 1 
badener  Ziegel  aus  Mainz,  Br.   1377,  cf,  81,    Dafür  spricht  besonders  bei  1537 
f  8  und  1377,  g,  81  die  falsche  Lesart  N  vel  IV/)     Denn  zu  beiden  Erklärung«!!  < 
knnnte  der  t^mstaud   verführen,  dass  C    am  oberen  Ende  mit  V  zu  einem  Zuge 
vereinigt   ist.     Auch    der   Stempel    Becker,    Kat.    304,    12   aus   Mainz  gebSrt 
sicher  hierher.     Nur  den  Zusatz  C    zeigen  zwei  Stempel  von  Koblenz,  Rr.  707/] 
und  Bopimrd,  Br.  718;  doch  ist  der  erstere  nach  rechts  unvollständig,  was  aiidi 
beim  zweiten  der  Fall  sein  könnte.     Dass  die  Legion  zu  einer  gewissen  Zeit  den 
Ueinauiou  C*V*  führte,  würde^  wenn  seine  Qualität  unzweifelhaft  feststaude»  andi 
der  Legionsbaustein   von   Mainz    mit    der    Inschrift:   LEG  XXII- C*V*^   (Brai 
bach  1084)  beweisen,  st^tt  welcher  ein  anderer,  an  derselben  Stelle  (St.  Albas)! 
gefundener    Stein    die    Legende    LEGXXILC'F»    (Br.    1085)    und    ein    drittor ' 
LEG  XXII  ^p^  ^  primigema?)  (Br.  1086)  zeigt.     Was  die  Sigle  C  ■  V  betriÄ, 
m  ist  sicherlich  Beckor's  Erklärung    als    cohors  quinta  (Katalog  des  Maioaerl 
Huaeums«  304,   12)  zu  verwerfen,  dagegen  Bfambach's  Vermutung  (Regitier 
S.    887)    wohl   richtig,    dass    in    dem    ersten  Buchstaben  der  Beiname   ClatidU 
steckt*     Würde  nun  diese  Deutung  auf  eine  Herstellung  der  Ziegel  in  Claudiu»' 
oder  Nero'*  Zeit  führen,   sc    stimmt  dazu  auch  der  Umstand,   dasa  die  gering« 
Zahl  der  bisher  gefundenen  Exemplare  der  beiden  Stempel  auf  eine  frühe  Zeit 
hinweist,    Dass  diese  aber  nicht  wohl  vor  Nero*s  Regierung  anzusetzen  iMt,  gdtt 
AUS  der  früher  festgestellten  Thataaohe   (Die  ri>mischeu   Ziegeleien    von  Nied, 
S.  339)    hervor,    dass   am  Rhein    die  Sitte,  Militurziegel   mit    dem  Stempel  de« 
Truppenteils   zu    versehen,   kurz   vor   dem  Jahre   70  n.  Chr.  aufgekomutea 
Rekapitulieren  wir  nun,  was  bisher  festgestellt  wurde: 

L  Innere  Gründe^    in    Verbindung   mit   dem   Vorkommen    frühiei|]| 
QeflUsreste   und    zahlreichen  Augustusmünzen  sprechen  dafür, 
an   der  Niddamündung   bereite  vor  dem  Jahre  83  d.  Chr,  eine 
riedelung  bezw,  Befestigung  bestand. 
2.  Die  Florfllieimer  Ziegel  sind  vor  dem  Jahre  70  n,  Chr.  gebraimt 


•»  tdb  Ittba  ^  MdHi  eiaatpal  itt  WktlMdaBtr  MasMim  itielit  gotoilMi, 
I  fmM^  flaf»wtiwtet  KzMptar  siiwrtt  fiaftfttla«r  Tj^m  1  (Katalog  Ne.  I0ina\  wt^^h^ 
aadi  Aiiftb«  4««  KaUloft  in  d«r  ManrittaMtiaita  auff^fimfleii  wurdo^   Dmduttk  tot  die  ^ 
ftüigkatl  dir  FldfaMaMr  Bavtaa  lait  w6tchmk  ui  Wiasbadaa  trvitMa»  tifitidli  dU  Tcnniiiaii^, 
dM  «•  cksii  M  «lOT  AoftOkt  Bra«l»aekU  uai  anffBott»  tlMriMcraif  iudell,  ooek 


51 


an  einer  den  Main  begleitenden  Strasse  neben  den  von  den  Röraeru 
bereits  ira  1.  Jahrliundert  benutzten  Sandsteinbruchen  verbaut  worden, 

3.  Die  Besetzung  der  Gegend  von  Kastei,  Wiesbaden  und  Flörsheim 
vor  dem  Jahre  70  u.  Chr.  wird  auch  durch  Steininschrifteu  der 
22.  Legiou  ohne  die  Beinamen  pla  fidelis  und  zahlreiche  Münzen 
des  julisch-claudischen  Ilauaes,  besonders  auch  aus  der  Umgebung 
von  Flörsheim,  bestätigt. 

4.  Ba  alle  auf  eine  so  frühzeitige  Okkupation  hinweisenden  Erscheinungen 
vereint  nur  in  dem  Terraiuabschnitt  Mainz-Höchst  nachweisbar  sind, 
dagegen  schon  in  Heddernheini  und  Nied  fehlen,  so  ist  eine  der 
Okkupation  der  Wetterau  vorausgehende  Besetzung  und  fortifika* 
torische  Sicherung  der  Position  Höchst-Hofheim  um  so  wahrschein- 
licher, da  ohnedie.^  die  Behauptung  von  Wiesbaden,  dessen  frühzeitige 
Einbeziehung  in  das  Reich  schon  wegeu  seiner  heissen  Quellen  anzu- 
nehmen ist,  ohne  Beset/^ung jenes  Terrainabschnittee  kaum  möglit'h  war. 

Man  hat  nun  die  Wahl,  entweder  mit  Mommsen  (R.  G.  V,  S,  134  f.)  anzu- 
nehmen» dass,  wie  gegenüber  von  Köln  und  Koblenz,  so  auch  an  der  Main- 
muudung  nach  der  Varuskatastrophe  ein  Strich  Landes  besetzt  blieb,  welche» 
jjdeu  Römern  etwa  wie  dem  Festungskommandanten  das  unter  seinen  Kanonen 
liegende  Terrain**  galt  (L  c,  S.  115),  oder  an  eine  Wiedereroberung  vor  dem 
Jahre  70  n.  Chn  zu  denken.  Ich  möchte  mich  unbedingt  für  die  erstere  An- 
Uäbma  erklären,  zunächst  weil  die  zwischen  16  und  83  n.  Chr.  erwähnten 
Kriege  gegen  die  Chatten  uns  nirgends  einen  Anhalt  zu  der  Ansicht  bieten, 
dass  rechtsrheinisches  Gebiet  neu  erobert  sei.  Es  könnte  hierfür  nur  der 
Chattenkrieg  vom  Jahre  50  n.  Chr.  in  Betracht  kommen.  Aber  derselbe  war, 
wie  aus  Tacltus*  Bericht  (Aon*  XH^  27  u.  28)  hervorgeht,  nur  ein  defensiver 
Vorstoss  der  HilfstruppeUj  die  in  zwei  Abteilungen,  rechts  und  links  vor- 
rückend, die  Chatten  überraschten  und  ihnen  solche  Verluste  beibrachten,  dass 
sie  um  Frieden  baten.  Wenn  nun  die  nach  recht«  (dextris  et  propiorihns 
compe^ulm)  vorgerückte  Abteilang  sich  nach  dem  j^mons  Taunus*  zurückzog, 
wo  der  Oberfeldherr  Pomponius  mit  den  Legionen  das  Ergebnis  der  Expeditionen 
abwartete  —  doch  wohl  an  einer  Stelle,  an  welcher  die  Rückzugslinien  beider 
Abteilungen  zusammentrafen  — ,  so  ergibt  es  sich  von  selbst,  dass  das  erstge- 
nannte Korps  durch  die  Wetterau  gegen  die  Lahn  gezogen  war.  Das  andere 
könnte  etwa  durch  die  wichtige  Senke  von  Niedernhausen-Idstein  nach  dem 
Lahnthale  vorgerückt  sein.  Die  ganze  Darstellung  macht  den  Eindruck,  dasa 
es  sich  um  die  Sicherung  eben  des  rechtsrheinischen  Gebietes  um  Wiesbaden 
handelte,  welches  der  Plünderung  der  Chatten  sowohl  von  der  offenen  Wetterau, 
als  von  den  Taunuspassen  aus  in  erster  Linie  ausgesetzt  war.  Dazu  stimmt, 
dass  weder  seitens  der  Chatten,  noch  seitens  der  Romer  ein  Rheinübergang 
erwähnt  wird.  Ohne  Zwang  führt  uns  die  Darstellung  des  Tacitus  auf  die  Position 
von  Hofheim.  Dort  tritt  der  Taunus  in  südlicher  Ausbuchtung  zwischen  Höchst 
und  Flörsheim  am  nächsten  an  den  Main  heran,  um  sich  dann  entschieden  von 
demselben  zu  trennen  und  Raum  zu  lassen  für  die  Entwicklung  des  Fluss- 
systems der  Nidda.  Hier  trifft  die  uralte  Völkerstrasse  von  der  Weser  nach 
dem  Rhein  auf  den  ebenfalls  alten  Yerkebrsweg,  der  unter  dem  Namen  „Hübner- 


^^ 


52 


gtraase"  von  der  unteren  Lahn  durch  die  Niedernhausor  Senke   tum  MäÜ 
Rhein  ffihrro,  sich  aber,  bevor  er  die  Ebene  erreichte,  in  zwei  Arme 
welchen  am  Austritte  aus  dem  Gebirge  die  Kastelle  von  Wiesbaden 
heim   lagen.     Ist   deren  Existenz   auch    durch  die  in  ihren  Bauten  gel 
Ziegel  der  1.,  21.  u.  14.  Legion  erst  für  das  9.  Jahrzehnt  des  ersten  Jahr; 
zu    erweisen,    eo   schlieaat   dies  doch  eine   frühere    Besetzung,    besond 
der  wichtigen  Position  von  Hofheim  nicht  aus.     Pomponius  stand  dan 
<frenze   des   römischen  Reiches,   die  Feinde   nach   zwei  Seiten  bedrohi 
seinen    beiden    Korps   den  Ruckzug    Biehernd,    wie    denn  auch  Tacitus 
nicht  ins  Chattenland  einrücken,    sondern  nur  die  Hilfstruppen  in  dajiaelbe 
einschicken  lasst. 

Die    hier    dargelegten  Ergebnisse    privater  Nachforschungen    9i5 
Reichs-Limes- rConiraission    mitbestimmend    gewesen,   als    dieselbe   für    das 
1894/95  dem  Yerfasser  in  erster  Linie  Nachgrabungen  bei  Hofheim  und 
heim    übertrug*     Es  rauss  der  Kommission  vorbehalten  bleiben,   die  Ei 
dieser  Arbeiten  zu  veröffentlichen.     Doch   darf  hier  erwähnt  werden, 
selben  keine  der  oben  ausgesprochenen  Yeronitungen  widerlegt,  diesell 
mehr  in  wesentlichen  Punkten  bestätigt  und  ergänzt  haben  (ef.  Limesblatt 
Insbesondere    haben    auch    die    Nachgrabungen    und   Lokaluntersuchu 
Flftrsheini   die  Voraussetzung   frühzeitiger  Besiedelung  jener    Uegend 
gedehnter  Benutzung  der  dortigen  Kalksternbrüche  durch  die  Römer  i] 
Masse  bestätigt     Immer   klarer  tritt  die  grosse  Bedeutung  hervor, 
Mattiakergebiet   für   die  römische  Okkupation   des  rechtsrheinischen  G 
gehabt  hat.    Um  so  mehr  ist  es  zu  begrüssen,  dass  die  Reichs-Limes-Kouimil 
nun  auch  das  römische  Wiesbaden  selbst  in  den  Bereich  ihrer  Untersucfati; 
zu  ziehen  beschlossen  hat. 


Nachtrag. 

Durch    tU»    Kntpegenkoraincij    der    Herren    Museumedirektor    Lindensühi 
Koerher  in  Mainz  hatte  ich  Gelegenheit,    die  oben  an^efQhrteD  Mainzer  AteiuMtisiap^Kl  j 
träglich  omf»r  einpfehetiden  UnterMuchung   und  Vergleichung^  mit  den  unsrigen  Jtu  tin 
K»  sind  Ti  Exemplare,  ton  weichen  eines  i  No*  :i94>  dem  Typus  2,  drei  (No.  440,  44ä1 
dem  Trpu»  T»  entsprachen,  während  bei  dem  fünften  mangelhafter  Abdruck  oder  Veif 
an  der  Matrijce  die  Zugehörigkeit  am  dem  einen  CKler  dem  anderen  Typus  j:veifclhaffc 
laflacn.     AJJe  5  Stempel  aber  rühren  Ton  Matrizen  her,  welche  untereinander  und  yo 
dio  Huehster  Kxomplare  verwendeten   nach  Form    und  <JrÖii»e   verschieden  waren, 
dies   dafür,   dass   die  Zahl  der  Matrizen   noch    weit  griSftMT  war,    als  die  der  oben 
Corpus  und  ander»in  Quellen  mitgeteilten  Typen,    Im  übrigen  werden  unsere  obigen  At 
durch  die  BefschafTonheit  di>r  Mainzer  GefHisatücke   in   allen  Punkten   bestätigt.     Insb 
•timmen  dieselben  in  der  ^hrnun-gelb»roten**  Farbe,  welch©  Koenen  an  den  unserer  J 
Schale  in  der  Form  entfpreeh enden  rheinischen  QeflUaeo  au»   der  ersten  HMnodeaj 
liunderts  herrorhebt,  mit  diesen  und  den  Höchster  Stöcken  fiberein.     Mit  den  loUteq 
Rio   auch    die  Bigentümlichkeit   gemein,    das«   die    Seherben   an  den  Bruchstellen    wd 
gefUrbe    emcheinon,   als   die»    bei  der   rheiniechen    SjgUlata   des    2.   und   a*   Jahrhun^ 
Fall  TU  »ein  ptlegt,     Zwei  der  Mainzer  Exemplare   zeigen   auf  der   unteren  Soite   de 
eingeritzt  die  Namen  der  Bcaitzer,  welche  bei  der  Sigillataware  der  Limeskastelle 
nicht  an  diefior  Stelle,  sondern  an  der  Aui^seuHcite  de^  Hauelies  angebracht  lind. 


Goethe  in  Nassau. 

Von 

Fr*  Otto. 

Die  Stätte,  die  ein  grosser  Mann  betrat, 
Sie  ist  geweiht  für  alle  Zeiten. 

Nach  Goethe. 

Die  Schöpfuugen  von  keinem  andern  Dichter  sind  so  sehr  Ergebnisse  des 
eigenen  Lebens,  als  die  von  Goethe;  für  keinen  ist  daher  das  Selbsterlebte 
so  wichtig  zum  Verständnis  seiner  Werke  als  für  ihn.  Dadurch  ist  hinreichend 
der  Versuch  gerechtfertigt,  dasjenige,  was  er  in  Nassau,  das  er  wiederholt  be- 
suchte und  hoch  zu  preisen  pflegte,  als  Jüngling  und  Greis  erlebte,  zusammen- 
zustellen. Gaben  schon  die  bis  jetzt  veröffentlichten  Briefe  und  andere  Berichte 
manches  Bemerkenswerte,  so  haben  die  im  Jahre  1893  erschienenen  Tagebücher 
von  1814  und  1815^)  über  diese  inhaltreichsten  Jahre  seiner  Besuche  Nassaus 
so  viele  neue  Aufschlüsse  gewährt,  dass  es  möglich  schien,  auch  ehe  die  noch 
ausstehenden  Briefe  des  Weimarer  Goethe-Archivs  in  der  Weimarer  Goethe- 
Ausgabe  mitgeteilt  sind,  den  Versuch  zu  wagen,  und  der  Verfasser  dieser 
Schrift  glaubte  damit  eine  Pflicht  der  Pietät  zugleich  gegen  den  grossen  Dichter 
und  gegen  sein  schönes  Heimatland  zu  erfüllen. 

Grundlage  für  unsere  Darstellung  sind  vor  allem  die  eigenen  Mitteilungen 
Goethes,  also  für  die  früheren  Jahre  „Dichtung  und  Wahrheit",  für  die  Jahre 
1814  und  1815  die  Tagebücher,  dazu  die  Briefe  von  Freunden  und  andere 
Berichte;  und  um  den  Eeiz  und  die  Frische  der  Unmittelbarkeit  nicht  zu  ver- 
wischen oder  abzuschwächen,  haben  wir  die  einschlägigen  Stellen  wörtlich 
aufnehmen  zu  sollen  geglaubt.  So  schien  uns  am  lebendigsten  entgegenzutreten, 
was  dem  Dichter  hier  widerfuhr,  wie  er  sein  Leben  gestaltete,  worauf  sein 
Sinnen  und  Denken  gerichtet  war.  Dabei  könnte  uns  freilich  der  Vorwurf 
gemacht  werden,  dass  wir  mehrfach  uns  zu  sehr  auf  die  Kleinigkeiten  des  all- 
täglichen Lebens  eingelassen  haben ;  doch  würde  derselbe  zunächst  den  Dichter 
selbst  treffen,  der  durch  seine  Berichte  dazu  veranlasst  auch  diese  Dinge  zu 
betrachten  und  zusammenzustellen.  Und  schliesslich  ist  bei  einem  Manne  wie 
Goethe  selbst  das  Kleine  beachtenswert.  Polemik  gegen  einzelne  Punkte  in 
früheren  Darstellungen  haben  wir  im  allgemeinen  vermieden ;  der  Kundige  wird 
von  selbst  herausfinden,  wo  etwas  berichtigt  oder  ergänzt  werden  konnte. 

Eine  Übersicht  des  Inhalts  findet  sich  am  Ende  dieses  Aufsatzes;  dazu 
treten  2  Tafeln,  ein  Plan  des  früheren  Wiesbaden  und  ein  Kärtchen  für  die 
Lahnreise  von  1815. 

Wiesbaden,  im  Dezember  1894.  Fr.  Otto. 


^)  Goethes  Werke,  herausgegeben  im  Auftrage  der  Grossherzogin  von  Weimar.    III,  5. 
Goethes  Tagebücher,  1813-1816.     Weimar,  H.  Böhlau  1893. 


54 


Goethe  in   Nassau, 


L  1763—1764, 

Zam  eräteoniale  scheint  Goethe  als  etwa  vierzehnjähriger  Knabe  den 
des  späteren  Herzogtums  Nassau  betreten  zu  hahen;  es  war  zu  der  Zeit, 
er  lu  die  GcdellBcbaft  mehrerer  junge u  Leute  geraten  war,  bei  denen  ar  du 
»eine  grosse  Fertigkeit  Keime  und  üediehte  zu  varfaBsen  zu  eioem  gewin 
Ansehen  gekommen  war,  und  die  yon  dieser  seiner  Gewandtheit  für  ihre  aidit 
immer  harmlosen  Zwecke  Gebrauch  machten.  Mit  ihnen  unternahm  er  wohl 
Lustfahrten  auf  dem  Marktschiffe  nach  II  och  st;  sie  beobachteten  dann  ihre  Hem^ 
geführten  und  liesdon  sich,  neckend  und  scherzend,  mit  diesem  oder  jenen  m 
ein  Oe»|>räch  ein.  Da  zugleich  mit  ihnen  das  von  Mainz  heraufkommende 
Marktschiff'  zu  Höchst  anlaugte,  so  gab  es  immer  eine  vollbesetzte  Tafel,  oaflj 
welcher  sie  wieder  nach  Frankfurt  zurückkehrten.  In  ihrem  Kreise  hatte  er 
au^h  eine  herzliche  Zuneigung  zu  einem  Mädchen  Namens  Gretohoo  gefftüt, 
welche  ihn  fester  au  die  Gesellschaft  knüpfte,  ohne  dass  sie  selbst  seine  stilli 
Leidenschaft  nährte,  sondern  nur  den  unerfahrenen  Knaben  gut  beriet. 

Im  Frühjahre  1764  trat  die  Katastrophe  ein,  welche  diesem  von  §ei<<a  , , 
Goethes  harmlosen  Verkehr  ein  jähes  Ende  bereitete.  Als  man  gewissen  Ve^ 
untreu ungeii  eines  von  ihm  empfohlenen  jungen  Mannes  auf  die  Spur  gekon 
war  und  ihn  sogar  beteihgt  an  denselben  glaubte,  auch  das  Yerhdltni» 
Gretchen  ana  Licht  gezogen  wurde  und  schlimmen  Verdacht  erregte,  geriet 
in  »0  leidenschaftHchc  Erregung,  dass  man  auf  ernstliche  Mittel  siuncti  mnt 
ihn  3U  beruhigen  und  seinem  Sinne  eine  andere  Richtung  zu  geben.  Zn  dem'' 
Zwecke  gab  man  ihm  einen  Aufseher,  der  ilm  begleiten  und  beaufäicfaiigtn 
und  durch  Arbeit  und  Zerstreuung  allmählich  in  das  rechte  Geleise  briogoi 
goUe.  Da  er  den  Mann  hochschätzte,  so  gelaug  die  Sache.  Nach  und  nacfc 
besorgte  miin  nicht  mehr,  dass  er  in  seine  früheren  Neigungen  und  Verhültnis 
zurückfallen  könne;  man  Hess  ihm  allmählich  vollkommene  Freiheit  Wi^ 
lassen  nunmehr  Goethe  selbst  weiter  reden*): 

,Durch  zubillige  Anregung,    so  wie   in    zufälliger  Gesellschaft   siGiitt  fckj 
manche  Wanderungen  nach  dem  Gebirge  (dem  Taunus)  an,    das  von  Kiodlil 
auf  so   fern   und   ernst  vor  mir  gestanden   hatte.     So  beauchten  wir  UomlKtTg, 
Kronenburg,  bestiegen  den  Feldberg»  von  dem  uns  die  weite  Aussicht  immer 
mehr  in  die  Ferne  lockte*    Da  blieb  denn  Königstein  nicht  unbesucht.  Wies* 
baden,  Schwalbach  mit  seinen  Umgebungen  beschäftigte  uns  mehrere  Tag 
wir  gelangten  an  den  Rhein,  den  wir,  von  jenen  Hohen  herab,  weither  seUai^gcIa^ 
geeohen,     Mainz  setzte  uns  in  Verwunderung,  doch  konnte  es  den  jn^endltelie 
Sinn   nicht   fesseln,    der  ins  Freie  ging;   wir   erheiterten  una  an  der  Loge 
Biberioh,  und  nahmen  zufrieden  und  froh  unfern  Rückweg.^ 

Es  wäre  bei  dem  Mangel  weiterer  Mitteilungen  über  diese  AusHüge  vi 
geblicbe    Mttbe    ausforschen    zu    wollen,    was    Goethe    besonders     ••'  -    '- 


*)  «Dic^titutiip  iiod  Wahrbeif*  U,  0, 


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eschäftigte;  er  selbst  fügt  der  Erztihluag  binzu,   wie  er  aie  benutzte  und  was 
ir  eine    wohltbütige   Folge   sieb    für   iliu    daran   anscfaloss*     Er  föhrt    nämUcb 
also  fort: 

^H  ^Diese   ganze  Tour,    von   der  sich   mein  Vanr  juaiiclics  Bititt  versprach, 

^B^Äre  beinahe  ohne  Frucht  gewesen:  denn  welcher  Snui,  welches  Talent,  welche 
I  Übung  gehört  nicht  dazu,  eine  weite  und  breite  Landschaft  als  Bild  zu  begreifen I 
I  Uomerklich  wieder  zog  es  mich  jedoch  ins  Enge,  wo  ich  einige  Ausbeute  fand: 
denn  ich  traf  kein  verfallenes  Schloss,  kein  Gemäuer,  das  auf  die  Vorzeit  hin» 
deutete,  dass  ich  es  nicht  für  einen  würdigen  Gegenstand  gehalten  und  so  gut 
als  möglich  nachgebildet  hatte.  Selbst  den  Drusenstein  auf  dem  Walle  zu 
ainz  zeichnete  ich  mit  einiger  Gefahr  und  mit  Unstatten"),  die  jeder  erleben 
U8S,  der  sich  von  Reisen  einige  bildliche  Erinnerungen  mit  nach  Hause  nehmen 
will.  Leider  hatte  ich  abermals  nur  das  schlechteste  Conceptpapier  mitge- 
ommen,  und  mehrere  Oegenstände  unschicklich  auf  Ein  Blatt  gehäuft;  aber 
ein  väterlicher  Lehrer  liess  sich  dadurch  nicht  irre  machen;  er  schnitt  die 
latter  auseinander,  Hess  das  Zusammenpassende  durch  den  Buchbinder  auf- 
eben,  fasste  die  einzelnen  Blätter  in  Linien  und  nöthigte  mich  dadurch  wirklieb, 
je  Umrisse  verachiedeuer  Berge  bis  an  den  Rand  zu  ziehen  und  den  Vorder- 
grund mit  einigen  Kräutern  und  Steinen  auszufüllen.  Konuten  seine  treuen 
Bemühungen  auch  mein  Talent  nicht  steigern,  so  hatte  doch  dieser  Zug  seiner 
Ordnungsliebe  einen  geheimen  Einfluss  auf  mich,  der  sich  späterhin  auf  mehr 
als  Eine  Weise  lebendi^r  erwies/ 


IL  1765. 


^H  Zum  zweiten  Male  finden  wir  Goethe  in  Nassau  im  Jahre  1765;  er 
^■»esuchte  damals  Wiesbaden.  Was  ihn  dahin  führte,  in  welcher  Geseltschafi; 
^^er  sich  befand  u.  s.  w.,  ist  aus  der  einzigen  Quelle,  der  wir  diese  Kunde  ver- 
danken, nicht  ersicbttich.  Er  muss  sich  längere  Zeit  hier  aufgehalten  haben; 
am  19.  Juli  erhielt  er  einen  Brief  seiner  Schwester  Cornelie,  den  er  am  2L  des- 
selben Monats  beantwortete,  ohne  von  einem  Zeitpunkte  der  Rückkehr  zu  reden. 
Auch  wo  er  wohnte,  ist  nur  zu  vermuten.  Wenn  sieh  hinter  seinem  Hause  ein 
Garten  befand,  so  scheint  das  Gast-  oder  Badhaus,  welches  ihn  beherbergte, 
m  Abhänge  des  Berges,  der  sich  längs  der  einen  Seite  der  Langgaaae  erhebt, 
gelegen  zu  haben,  und  da  bleibt  für  Leute  seines  Standes  kaum  eine  andere 
ahl  anzunehmen,  als  dass  er  iro  „Adler**  oder  im  „Schützenhofe"  gewohnt  habe; 
eun  die  andern  ähnlich  gelegenen  Häuser  entbehren  entweder  des  Gartens 
der  waren  damals  meist  nur  von  Leuten  niederen  Herkommens  aufgesuobtt 
■wie  die  Kurlisten  aus  den  späteren  Jahren,  aus  denen  sie  noch  erhalten  sind, 
ausweisen. 

Der  Brief,  den  er  un  Cornelie  schrieb,  lautet  also*): 


^)  Dm  mittoUiCHfhdeiitsche   uns  täte  ist  jetjit  ausser  Oebrauoti;   es  bedeuttt 
tiilflose,  ungünstige  Luge,  dnnn  auch  Milbe,  Ungeaohick.    Lexer,  mhd»  WürterUt^  — 
8t  Mbgedrurkt  im  Goethe- Jahrbuch  VII,  8.  A  fl8Hf()  und  in  der  Weimarer  Ausgabe  t«a 
r«rktii  IV,  I  (1687),  8.  ö. 


nui 


se 


Liebe  Schwester, 

Damit  du  nicht  glaubest  ich  habe  dich  unter  den  seh 
Freuden  eines  ^tarck  beauchteu  Bades  gantz  vergessen;  so  wi 
einige  absonderliche  Sebicksaale,  die  mir  begegnet,  in  diesem 
2JU  wissen  thun.  Dencke  nur  wir  haben  allhier  Schlangen^  da» 
Ungeziefer  macht  den  Garten,  hinter  unaerm  Hause,  gant« 
Seit  meinem  Hierseyn,  sind  schon  4  erlegt  worden.  Und  heut< 
es  dir  erzählen,  heute  morgen,  stehen  einige  Churgäate  und  i( 
einer  Terasse,  siehe  da  kommt  ein  solches  Thier  mit  vielen  gewi 
Qdngeu  durch  das  QrasH  daher^  scliaut  uns  mit  hellen  fun ekelndes 
an,  spielt  mit  seiner  spitzigen  Zunge  und  schleicht  mit  aufgehab 
Haupte  immer  näher.     Wir  erwischen  hierauf  die  ersten  1^  "^ 

warfen   auf  sie  loss  und  traffen  sie  etliche  mahl,   dass  sie  i 

die  Flucht   nahm.     Ich  sprang  herunter,    riss    eiuen    mächtigen 
von    der    Mauer   und    warf  ihr   ihn    nach,     er   traf  und  erdrückt 
worauf  wir   über   dieselbe  Meister   wurden    sie  aufhängeten  und 
Ellen  lang  befanden.     Neulich  verwirrten  wir  uns  in  dem  Walde 
musäten  2  Stundenlang  in  selbigem^  durch  Hecken  und  Busche  dl 
kriechen.     Bald  stellte   sich   uns   ein   umschatteter  Fels   dar^ 
düstres  Gesträuch  und   nirgends   war  ein  Ausgang   zu  finden* 
wir   wären    bis»  in  die  Nacht  gelaufen;    wenn   nicht  eine  w^ 
Fee  hier  und  da,   an  die  Bäume  Papagey  Schwänze  (:die  ab< 
kurzsichtige  Augen    für   Strohwische   ansahen:)   den  rechten 
zu  zeigen    gebunden   hätte,     da   wir   dann   glücklich   aus   dem 
kamen.    Dein  Briefgen  vom  19.  Mai  war  mir  sehr  angenehm 
den  Brief  lass  Augenblicklich  dem  Pog  zustellen*     Lebe  wolt 
Jf,  M.  von  meinetwegen  die  Hand, 

Wisb.  d.  21,  Jun.   1765. 

Jf.    M,   ist   sicherlich    die    Fräulein    Charitas   Meixner   von  Wor 
Freundin   der  Cornelie,   die  sich  damals  ihrer  Ausbildung  wegen  zu 
aufhielt  und  in  dem  Hause  des  Legationsrates  Moritz,  eines  Hausfreund 
Familie   Qoethesj   wohnte*')     Wer   unter  Pog   gemeint  ist,   bleibt  zweifej 
wenn   es  Papa  gelesen    werden   müsste,   so   wäre   das    ^lass  .  .  zuste 
unpassender  Ausdruck   statt  ^übergib.*  —  Unter  dem  Walde,   in  we 
Wanderer  sich  verirrten,  haben  wir  denjenigen  zu  verstehen^  welcher 
den  Bergabhang  unterhalb  der  Platte  hinzieht  und  jetzt  meistenteils  mt 
Gepräge  «eigt^  namentlich  viele  mittlerweile  angelegte  Spaziergängo 

"Welcher  Art   die    in   dem  Briefe   erwähnte   Schlange   angehört^ 
Ooethes»  Worten  nicht  zu  erraten.     In  Nassau   gibt  es  verschiedene 
Schlangen,  die  Kirschbaum  in  der  Abhandlung  ,^Die  Reptilien  und 
Herzogtums  Nassau^,  Programm  des  Gymnasiums  zu  Wiesbaden  ld50,| 


')  Aafgohaben,  all  ttail  aof^liobfln.    Grionn,   D.  W.  t,  8p,  eos.   ~  ") 
K.  Qo»doke,  GrmtdniB  IV  2,  8.  575«  72  eimge  Ulteratur  «n. 


57 

Tod  den  daselbst  genanutea  pasat  nur  die  als  Elaphh  ßatmcens  bexeicliuetej 
nur  sie  die  von  Goethe  aogeführte  Länge  erreicht;  nach  demselben  Gewahrs- 
Bann  findet  sie  aich  nur  bei  Schlangenbad,  das  wohl  von  ihr  den  Namen  habe; 
Sxemplare,  die  zu  Wiesbaden  getroffen  wurden,  seien  abgemagerte  und  wohl 
Icr  Gefangenschaft  entronnene  Exemplare  gewesen.  Über  Schlangen  in  Bädern 
lehe  auch  von  Heyden,  Jahrbucher  des  Vereins  für  Naturkunde  im  Herzogtum 
fassau  XYI,  263  und  Becker  im  Frankfurter  Archiv  N.  8.  I,  32. 

Wenn  Goethe  von  einem  Begleiter  auf  dem  Waldspaziergang  sprichf,  so 

konnte  man  vermuten»  dass  der  Ausflug  von  1765  zu  den  unter  No.  I  erwähnten 
ghöre;  der  Begleiter  wäre  dann  der  Aufseher  gewesen.  Es  ist  jedoch  nicht 
rahrscheinlich,  dass  dessen  Amt  sich  bis  in  den  Sommer  1765  erstreckt  habe. 

Denn  in  demselben  erscheint  Goethe  nach  „Dichtung  und  Wahrheit**  ala  durch- 
18   geheilt   und  in  munterer,  fröhlicher  Gesellschaft.     Eher  kann  man  an  die 

^kleinen  Reisen^  denken,  die  er  mit  seinem  Freunde  Hörn  (dem  ^Hörnchen*') 
!ite  und  die  sie  nachher  poetisch  aufstützten. 


IIL  Die  Lahnreise  von  1772. 

Im  Sommer  des  Jahres  1772  weilte  Goethe  bekanntlich  in  Wetzlar  als 
Praktikant  bei  dem  Reichakaramergericht,  Verhängnisvoll  wurde  ihm  daselbst 
!ie  Bekanntschaft  mit  dem  braunschweigischen  Legationssekretär  Johann  Christian 
[estner  und  dessen  Braut  Charlotte  Buff,  welche  durch  ihre  Frische,  Natürlichkeit 
tnd  Munterkeit,  verbunden  mit  einer  bezaubernden  Erscheinung,  seine  ganze 
ineigung  gewann;  der  biedere  Bräutigam  legte  den  Besuchen  Goethes,  weil 
dessen  Sinnesart  genugsam  erkannt  hatte,  kein  Hindernis  in  den  Weg,  so- 
die  stille  Keigung  allmählich  zu  inniger  Liebe  emporwuchs;  Goethe  aber  war 
&8t  entschlossen  den  Frieden  der  Verlobten  nicht  zu  stören  und  schwankte  so 
rischen  Liebe  und  Entsagung,  die  in  ihm  kämpften,  bis  er,  durch  seinen  Freund 
lerck  aufgerüttelt,  beschloss  diesem  qualvollen  Zustand  ein  Ende  zu  bereiten. 
Im  11.  September  riss  er  sich  von  Wetzlar  los,  nachdem  er  von  Lotte  schrift- 
lich Abschied  genommen  hatte,  und  begab  sich  nach  Koblenz,  um  hier  mit 
Merck  bei  der  Frau  von  La  Roche  zusammen  zu  treffen.  L^ber  diese  Reise 
sen  wir  ihn  wieder  selbst  reden'): 

^Ich  hatte  mein  Gepäck  nach  Frankfurt,  und  was  ich  unterwegs  brauchen 
5nntej  durch  eine  Gelegenheit  die  Lahn  hinunter  gesendet,  und  wanderte  nun 
üesen  schönen,  durch  seine  Krümmungen  lieblichen,  in  seinen  Ufern  so  manniob- 
faltigen  FIuss  hinunter,  dem  Entschluas  nach  frei,  dem  Gefühle  nach  befangeii| 
einem  Zustande^  in  welchem  uns  die  Gegenwart  der  stummlebendigen  ^mJtm 
wohUhätig   ist.     Mein   Auge,    geübt    die    malerischen   und    übermaler 
pchönheiten  der  Landschaft  zu  entdecken,  schwelgte  in  Betrachtung  der 
ad  Fernen,  der  bebuschten  Felsen,  der  sounigen  Wipfel,  der  feuchten  Grtadfe. 
1er   thronenden   Schlösser    und   der   aus    der  Ferne  lockenden   blauM  B^p^ 
lien. 


^»  ^Dieiitutig  und  WuhrUeif*  lU,  13. 


58 


Ich  waüderte  auf  dem  rechten  Ufer  dos  Flusaes,  der  in  einiger  Tiefe 
Eütfernung  unter  mir,  von  reichem  Weidengebüsch  zum  Theil  verdeckt,  tin 
8 OD  neulich t  hingleitete.  Da  stieg  in  mir  der  alte  Wunsch  wieder  auf^  solckc 
Gegenstände  würdig  nachahmen  zu  können.  Zufallig  hatte  ich  ein  TadchiMJ- 
messer  in  der  linken  Hand,  und  in  dem  Augenblick  trat  aus  dem  tiefen  Orund 
der  Seele  gleichsam  befehlshaberiseh  hervor,  ich  sollte  dieses  Messer  ungesi^umt 
in  den  PIuhs  schleudern :  sähe  ich  es  hineinfallen,  so  würde  mein  krin»tleri«che«r 
Wunsch  erfüllt  werden;  wurde  aber  das  Eintauchen  des  Messers  durch  die 
überhängenden  Weideubüsche  verdeckt,  so  sollte  ich  Wunsch  und  BemühtiDg 
fallen  lassen.  So  schnell  als  diese  flrille  iu  mir  aufstieg,  war  sie  auch  aufge- 
führt: denn  ohne  auf  die  Brauchbarkeit  des  Messers  zu  sehen,  das  gar  maodie 
Geräthscbaften  in  sich  vereinigte,  schleuderte  ich  es  mit  der  Linken,  wie  icfc 
es  hielt,  gewaltsam  nach  dem  Flusse  hin.  Aber  auch  hier  musste  ich  die  trüg- 
liche  Zweideutigkeit  der  Orakel,  über  die  man  sieh  im  Aherthum  so  bitter  be* 
klagt,  erfahren.  Des  Messers  Eintauchen  iu  den  Fluös  ward  mir  durch  die 
letzten  Weiden  zweige  verborgen,  aber  das  dem  8turz  entgegenwirkende  Wasser 
sprang  wie  eine  starke  Fontäne  in  die  Hübe,  und  war  mir  vollkommen  sichtW- 
Ich  legte  diese  Ersch**inung  nicht  2U  meinen  Gunsten  aus;  und  der  durch  sie 
in  mir  erregt©  Zweifel  war  in  der  Folge  Schuld,  dass  ich  diese  Übungen  unter- 
brochener und  fahrlässiger  anstellte^  und  dadurch  selbst  Anlass  gab,  das«  diu 
Deutung  des  Orakels  sich  erfüllte.  Wenigstens  war  mir  für  den  Augenblic 
die  Aussenwelt  verleidet;  ich  ergab  mich  meinen  Einbildungen  und  EmpHnduagefit| 
und  Hess  die  wohlgelegenen  Schlosser  und  Ortschaften  Weilburg,  LimburgiJ 
Diez  und  Nassau  nach  und  nach  hinter  mir,  meistens  allein,  nur  ro&adio 
auf  kurze  Zeit  mich  zu  einem  andern  gesellend, 

Kaeh  einer  so  angenehmen  Wanderung  von  einigen  Tagen  gelangte  ich 
nach  Ems,  wo  ich  einigemal  des  sanften  Bades  genoss,  und  sodann  auf  eioom 
Kahne  den  Fluss  hiuubwarts  fuhr.  Da  en^ffnete  sich  mir  der  alte  Rhein;  Ak 
schöne  Lage  von  Oberlahnstcia  entzückte  mich:  über  alles  aber  herrlich 
und  majestätisch  erschien  das  Schloss  Ehrenbroitsteinf  welches  in  setoer 
Kraft  und  Macht,  vollkommen  gerüstet,  dastund.'* 

Wir  begleiten  di^ri  Wanderer  nicht  weiter;  bei  dem  Geh.  Rat  von  Im 
Ruche  und  seiner  Oemuhlio  fand  er  gastliche  Aufnahme  und  unterhaltende 
Oesellacbafit.  Die  sonderbare  Befragung  des  Orakels,  welche  der  ßoricht  mt^ 
teilt,  muss  an  den  Anfang  der  Wanderung  —  vor  der  Ankunft  in  Weilburg 
fallen.  Eine  durchaus  verbürgte  Sage  will  wissen,  bei  Obernbof  habe  Qc 
auf  einer  Anhiihe  ausgeruht  und  sich  au  dem  herrlichen  Anblick  der  vor 
liegenden  Laudschnft  erfreut;  mini  hat  dem  Punkte  den  Namen  Goethf 
plutzcheu  oder  Goethepunkt  gebou  woUeu. 

Von  Koblenz  aus  fuhren  Merck   und  Goethe   auf  einer  Jacht  den 
aufwärts,  und  ,,obschou**,  heisst  es  weiterhin,  , dieses  an  sich  sehr  langsam  ging 
so    ersuchten    wir   noch    überdies   die  Schiffer   sich  ja   nicht  zu  übereilen»     8^ 
geuossen    wir    mit  Müsse   der   unendlich   mannichfaltigen  Gegenstände,   die 
dem  herrlichsten  Wetter  jede  Stunde  au  Schönheit  Jtuxunehmen  und  suwuhl 
Gnisso  als  an  Oef/iHigkeit  immer  neu  zu  wechseln  scheinen;   und  icli 


69 


nur^  iadem  ich  dia  Nameo  Kheiufela  uud  St.  Goar,  Baclmrach,  Uiugoii,  Ell  Fol  d 
und  Biber  ich  ausapreche,  dass  jeder  meiner  Leser  iin  Stande  sev  sich  diese 
Gegenden  in  der  Eriunorung  hervorzurufen/ 

Am  21.  September  schrieb  Goethe  wieder  den  ersten  datierten  Brief  von 
Frankfurt  ans. 

Hatten  die  ersten  Ausflüge  nach  Nassau  einen  heilsamen  Einfluas  auf  die 
Stimmung  des  jungen  Goethe  und  infolge  der  Ordoungsliebo  seines  Aufsehers 
und  Begleiters  auf  seinen  Ordnungssinn  ausgeübt,  so  war  die  Lahnreise  viel- 
leicht von  noch  grösserer  Bedeutung  für  den  jungen  Mann.  Der  etwas  zweifel- 
hafte Ausgang  des  Orakels  drängte  die  Neigung  zur  darstellenden  Kunst  zurliek,  die 
Übung  im  Zeichnen  wurde  lässiger  betrieben,  uod  um  so  müchtiger  wurde  der 
Trieb  und  die  Kunst  dichterischer  Gestaltung  des  Erlebten,  von  der  alsbald 
die  Leiden  des  jungen  Werther  1774  Zeugnis  ablegten.  Goethe  wurde  so  dem 
Elemente  endgiltig  zugewiesen,  zu  dem  er  geboren  war,  in  dem  er  die  höchste 
Vollendung  erreichen  sollte.  Indessen  versäumte  er  das  Zeichnen  uichtj  und 
auch  darin  brachte  er  es,  wie  er  denn  ein  scharfer  Beobachter  der  Natur  war 
und  den  Griffel  sicher  zu  handhaben  lernte,  zu  einer  mehr  als  gewöhnliehen 
Fertigkeit. 

Sein  öfterer  Aufenthalt  auf  dem  Schlosse  zu  Dornburg  gab  ihm  später 
Gelegenheit  die  Erinnerung  an  die  schönen  Lahngegenden  aufzufrischen;  denn 
hier  waren  viele  Darstellungen  ihrer  bunten  Landschaften  aufgehängt  und  er- 
euten  das  Auge  des  Beschauers.*) 


IV.    1774,  Sindlingen. 


I^ii'euten 

^m  Sindlingen,  heute  ein  Dorf  des  Kreises  Höchst,  gehörte  bis  zu  Jahre  1803 

zu   dem    Kurfürstentum   Mainz,    Amtsvogtei   Höchst;    so    ist  das  Fest,    welches 

I Goethe   am  30,  Mai   1774    hier  mitbeging,    eigentlich    dem  Kreis  unserer  Dar- 
Btellung  fremd,  doch  dürfen  wir  es  wohl  nicht  ganz  übergehen. 
I  An   dem  obeo   bezeichneten  Tage   feierten   der  Kaufmann  Johann  Maria 

Allesina   und   seine  Frau  Franziska  Clara^   geborene   Brentano,   das  Fest  ihrer 
goldenen  Hochzeit  auf  einem  Gute  ihres  Schwiegersohnes  Schweizer   zu   Sind- 
lingen.    Goethe   stand   damals,   w^ie   mr   wissen,    in   naher  Verbindung  zu  der 
Familie  La  Roche;   Maximiliaue,   die  Tochter  des  Hauses  (1756—1793),   hatte 
einige  Monate  vorher  den  Kaufmann  und  kurtrierrschen  Residenten  zu  Frankfurt 
L^Peter  Anton   Brentano  geheiratet'*),  und  so  war  er  auch  mit  dieser  Familie  in 
■Beziehung  getreten.    Daher  wurde  denn  auch  er  zu  dem  festlichen  Tage  eioge- 
^  laden  und  tanzte  flott  mit.     An  die  Mutter  der  Maxe,  die  ,Mama"  Sophie  ran 
La  Roche,  berichtet  er  darüber  also'^): 


*)  C,  A*  H.  Burkhsrrlt,  OootheB  ITrjterhftltungeo  mit  dem  Kunssler  Fr.  v. 
I^7U,  8*  21,  —  »)  Di©  l'roklftojation  des  PaÄrea  war  um  2<i.  Dezember  lll'A  zu  Frmlctat  «f^ 
»Igt;  Mar  Bolli-Gontard,  Leben  in  Frankfurt  VI  4H.  Der  Kurfarst  von  Trier  fc^^p^^ 
lasti  die  Trauung  in  der  Hofldrrhe  zu  Koblenz  stattfinde  (Sonntag,  den  9.  Jitrar  IT:^ 
?.  V.  Locper,  llriefe  (loethes  an  Sophie  v,  La  Roche,  S.  XX»  —  *")  r,  Loefi^r^  m  m.  ^^ 
'i7etho«  Werk«,  Weira.  Ausgabe  IV,  2,  163. 


60 

^Zu  Singlingen  (sie)  auf  der  golder.en  Hochzeit,  da  ich  den  Geburtstag  Ihrer 
lieben  Max")  herbeitanzte,  hab  ich  Ihrer  viel  gedacht.  0  Mama!  es  waren 
viel  Lichter  da*^),  und  Schweyzers  Willemine")  kriegte  mich  am  Arm  und  fragte: 
warum  zündt  man  so  viel  Lichter  an?  Das  war  eine  Frage  einen  ganzen 
Sternhimmel  zu  beschämen,  geschweige  denn  eine  Ilumination.  Ich  hab  mich 
nach  Ihnen  umgesehen,  hab  Ihrer  Max  den  Arm  gegeben  wenig  Augenblicke.' 

V.    1774,  Ems. 

Die  Emser  Beisen^^)  des  Jahres  1774  knüpfen  sich  an  den  Besuch 
Lavaters  bei  Goethe  an.  Beide  hatten  ein  lebhaftes  Interesse,  auch  ohne  sich 
gesehen  zu  haben,  zueinander  gefasst.  Goethe  hatte  im  Jahre  1772  Lavaters 
Schrift  , Aussichten  in  die  Ewigkeit^  in  den  Frankfurter  gelehrten  Anzeigen 
besprochen,  zwar  ohne  sich  zu  nennen,  doch  war  es  nicht  unbekannt  geblieben, 
wer  der  Verfasser  der  Bezension  sei;  Lavater  hoffte  von  seiner  Bekanntschaft 
grosse  Vorteile  fiir  sich;  auch  hatten  ihn  mehrere  Aufsätze  von  Goethe  sehr 
angesprochen,  wie  der  über  deutsche  Baukunst,  das  Schreiben  des  Pastors  zu  ** 
an  den  Pastor  zu  **.  Daraufhin  war  im  Jahre  1773  ein  Briefwechsel  zwischen 
beiden  eingetreten,  der  zur  persönlichen  Bekanntschaft  führte,  als  der  Schweizer 
Theologe  im  Juni  des  Jahres  1774  seine  Bheinreise  machte  und  unter  anderm 
das  Bad  zu  Ems  besuchte.  Gross  war  die  Spannung  beider,  sich  von  Ange- 
sicht zu  Angesicht  zu  sehen.  Endlich  am  Abend  des  23.  Juni  traf  Lavater  in 
Frankfurt  ein  und  nahm  bei  Goethes  Eltern  Wohnung.  Sie  hatten  beide  eine 
ganz  andere  Vorstellung  voneinander  gehabt,  als  sich  jetzt  darbot,  aber  die 
gegenseitige  Zuneigung  stieg  bei  dem  persönlichen  Verkehr,  wenn  auch  der 
ernstere  Geistliche  den  übersprudelnden  Uumor  des  jüngeren  Freundes  bis- 
weilen beruhigen  musste.  Da  aber  Lavater  vielfach  von  anderen  Personen  in 
Anspruch  genommen  wurde  und  deshalb  Goethe  ihn  nicht  so  geniessen  konnte, 
wie  er  wünschte,  so  beschloss  er  ihn  auf  seiner  Weiterreise  nach  Ems  zu 
begleiten.  Am  29.  Juni  fuhren  also  beide  in  einem  besonderen  Wagen  ab  und 
verlebten  die  Zeit  in  ernsten  und  heiteren  Gesprächen  zu  ihrer  hohen  Zufrieden- 
heit. Nur  einen  Tag  verweilte  Goethe  zu  Ems,  da  Geschäfte  ihn  nach  Hause 
riefen;  auf  dieser  Rückreise  war  es,  wo  er,  im  Wagen  sitzend,  „Erwin  und 
Elmire"  fast  zu  Ende  brachte. 

In  Frankfurt  stellte  sich  bald  ein  anderer  Gast  ein,  ganz  verschieden  von 
dem  ersten  und  ebenso  so  vielgenannt  im  deutschen  Beich;  es  war  Basedow, 
der  sich  gleichfalls  nach  Ems  zur  Kur  begeben  wollte;  er  hoffte  zugleich  För- 

")  Ihr  Geburtstag  war  den  ;U.  Mai.  —  '-)  Dazu  bemerkt  v.  Loeper,  8.43:  Die  Einfach- 
Iieit  der  damaligen  Zeit  zeigt  sich  in  Goethes  Abneigung  gegen  die  ihm  als  unzulässiger  Luxus 
erscheinende  helle  Beleuchtung  der  Zimmer.  So  hebt  er  hier  die  vielen  Lichter  hervor,  so 
die  vielen  Lichter  am  Spieltisch  in  dem  Liede  an  Lilli  „Warum  ziehst  du  mich  unwidersteh- 
lich" und  in  den  Briefen  aus  der  Schweiz  (erste  Abteilung  zu  Anfang  des  vorletzten  Briefes). 
—  *•'')  Schwester  von  Schweizer.  —  ")  Hauptquelle  ist  wieder  „Dichtung  und  Wahrheit**;  die 
Chronologie  lässt  sich  aus  den  erhaltenen  Briefen  feststellen.  Vgl.  vornehmlich  v.  Loeper, 
Briefe  Goethes  an  Sophie  von  La  Koche  u.  s.  w.  1879  H.  Düntzer,  Frcundesbilder  aus 
aoethes  Leben  1853.  L  Lavater,  S.  1  ff. 


61 


derer  und  OuDoer  für  seine  ueue  ErziehungsanütaU  in  DedaaU)  deren  Errichtung 
wegen  des  Mangels  an  den  nötigen  Geldmitteln  ins  Stocken  geraten  war,  auf 
dieser  Reise  zu  gewinnen;  eben  hatte  er  den  Plan  zu  seinem  Unternehmen 
durch  eine  Schrift  „Vorscliläge  an  das  kundige  Publikum  über  Errichtung  einer 
Privatakademie'*  ersclieinen  lassen^  indem  er  durch  des  „kundigen  Publikums** 
Opferwilligkeit  die  fehlenden  Oeldmittel  zu  erhalten  dachte.  Von  Basedows  ihm 
vielfach  uuangeuehmeu  Gebaren  entwirft  Goethe  in  „Dichtung  und  Wahrheit" 
ein  anschauliches  Bild^  auch  wie  er  sich  dessen  zu  erwehren  suchte. 

Kaum  war  Basedow  abgereist,  so  beschloss  Goethe  die  beiden  Antipoden 
in  Ems  durch  seine  unerwartete  Ankunft  zu  überraschen,  nimmt  Urlaub  und 
reist  am  14,  JuH  ebenfalls  nach  Ems  ab;  am  15.  ist  der  ^Herr  Doctor  Goeddee*^) 
aus  Frankfurt"  in  der  Kurliste  als  angekommen  verzeichnet.  Die  drei  ungleichen 
Genossen  blieben  bis  zum  18.  Wie  Goethe  lebte,  wie  er  sicli  vergnügte,  davon 
entwirft  er  in  ^Dichtung  und  Wahrheit*  eine  lebendige  Schilderung,  bei  der 
ihm  nur  darin  das  Gedächtnis  untreu  war,  dass  er  die  erste  und  die  bald  folgende 
Anwesenheit  in  Ems  nicht  voneinander  scheidet;  ein  Irrtum  ist  es  ferner,  wenn 
er  sich  über  „Werthers  Leiden**  ausfragen  läset,  da  diese  Schrift  doch  erst  im 
Herbst  desselben  Jahres  erschien. 

Am  16.  oder  17.  Juli  wurde  der  Frau  v.  Stein,  der  Mutter  des  späteren 
Ministers,  ein  Besuch  abgestattet,  und  es  ist  heiter  zu  lesen,  wie  Goethe  auf 
der  Heimfahrt  Basedow  für  seine  frivole  Geschwätzigkeit  über  die  Dreieinigkeit 
abstraft,  indem  er  ihn  hinderte  In  einem  Wirtshause  seinen  trockenen  Gaumen 
anzufeuchten;  Basedow  hatte  gewünscht,  der  Kutscher  möge  hier  halten,  Goethe 
aber  feuerte  denselben  au  rasch  vorbeizufiahren.  Seine  heitere,  übersprudelnde 
Laune  beweist  der  Brief,  den  Lavater  am  Morgen  des  18.  an  seine  Frau 
schrieb.  Goethe  lag  noch  zu  Bett,  als  Lavater  zu  schreiben  begann;  kaum 
hatte  er  angefangen,  so  diktierte  ihm  jener  von  seinem  Lager  aus  die  Fort- 
setzung^ an  welche  dann  Lavater  wieder  anknüpfte: 

„Ich  schreib  Euch  (so  beginnt  dieser)  den  letzten  guten  Tag  von  Bm9 
aus,  Ihr  Lieben  .  .  .  ,  ^Unterdess  -  (diktiert  mir  Goethe  aus  seinem  Bett  iKnft^) 
—  Unterdeas  gehts  immer  so  gerade  in  die  Welt  'nein.  Es  schlaft  oek,  krt 
sich,  trinkt  sich  und  liebt  sich  auch  wohl  au  jedem  Orte  Gottes  wie  i 
folglich  also  —  schreib  er  weiter.**    —  Nun  ich  schreibe: 

Tage  der  Huli  und  des  Draugs  und  des  nouen  Menscben  Oenu 

Gönnte  mein  Vater  mir  hier  u.  8,  w,^**) 


^^)  Vgl  A.  Spiess  in  den  Aiuaalen  des  nase.  Vereins   fQr 
Ooedd^e,  wie  auch  nach  seiner  Abreise  in  der  Kurltste  der  Name  Untet»  liil^ 
selbst  geschrieben«   sondern  seinen  Namen  dem  '^trte   oder  Kellner 
BadhauBefi  angegeben,  der  ihn  dann  der  Auaspraehe  getreu  so  nkdei 
Aussprache   des  Mittelrheini   nimmt   es   nach  jctti   mit   den   DentAl< 
vielfach  Media  (d )  sUtI:  Tenuii}  oder  Aspirata  (t,  th] ;  ferner  spHchl  t 
wie  Goethe,  Lade  lang  aus ;  Goethe  selbst  muas  so  gesproobeii 
apJItes  Alter  seine  rheioische  Auasprache  nie  ganz  verleugnete  ui«^  i 
tett«.     Er  selbst  schrieb  irn  Tagebuch  Lado.     Vgl,  K.  Hildekr«»^ 
Ö.  4 IT  ff.  —  ***)  Goethes  Briefe,  Weimarer  Ausgabe  (IV)  Zf  IX#>. 


^<C 


'33\, 


teüte 


62 

Aber  auch  die  Dichtung  ging  nicht  leer  aus;  am  17.  Juni  entstand  „des 
Künstlers  Erdenwallen",  eine  Schilderung  des  genialen  Künstlers,  der  sich  durch 
Nahrungssorgen  zu  elenden  Lohnarbeiten  gezwungen  sieht,  am  18.  ,,auf  dem 
Wasser  gegen  Neuwied**  die  ältere  Gestalt  von  „des  Künstlers  Apotheose", 
„des  Künstlers  Vergötterung.  Drama"  ^');  in  beiden  wird  die  Apotheose  durch 
die  Bewunderung  dargestellt,  welche  das  von  dem  Meister  hinterlassene  Bild 
der  Yenus  Urania  hervorruft;  die  Ausführung  jedoch  ist  ganz  verschieden.  Der 
Fahrt  auf  der  Lahn,  die  sie  an  demselben  Tage  von  Ems  weg  nach  dem  Rheine 
führen  sollte,  verdanken  die  zwei  Zeilen  ihren  Ursprung: 

„Auf  der  Lahn,  18.  Juli  1774. 
Wir  werden  nun  recht  gut  geführt, 
'  Weü  Basedow  das  Ruder  fahrt."* 

Ferner  entstand  im  Anblick  von  Burg  Lahneck  auf  derselben  Fahrt: 

„Der  Qeistesgruss. 
Hoch  auf  dem  alten  Thurme  steht 
Des  Helden  edler  Geist, 
Der,  wie  das  Schiff  vorüberzieht, 
Es  wohl  zu  fahren  heisst. 

„Sieh,  diese  Senne  war  so  stark, 
Diese  Herz  so  fest  und  wild, 
Die  Knochen  voll  von  Rittermark, 
Der  Becher  angefüllt. 

Mein  halbes  Leben  stürmt'  ich  fort, 
Verdehnt'  die  Hälft'  in  Ruh, 
Und  du,  du  Menschen-Schifflein  dort. 
Fahr*  immer,  immer  zu." 

Wir  übergehen  die  weitere  Fahrt  nach  Koblenz  und  die  heitere  Scene 
in  dem  dortigen  Gasthause,  wo  Lavater  den  Landgeistlichen  über  die  Geheim- 
nisse der  Offenbarung  belehrte,  Basedow  dem  hartnäckigen  Tanzmeister  klar 
machte,  dass  die  Taufe  ein  veralteter  Brauch  sei,  Goethe  aber,  zwischen  beiden 
sitzend,  sich  es  wohlschmecken  Hess;  ebenso  muss  der  Verlauf  der  Reise  nach 
dem  Niederrheiu  hier  unbeachtet  bleiben,  nur  der  Zeilen  sei  gedacht,  die  in 
den  Versen  Goethes  auf  dem  Weg  nach  Neuwied  an  Ems  erinnern.    Zunächst 

die  bekannten  Verse: 

„Und  wie  nach  Emaus  weiter  ging's 
Mit  Geist  und  Feuerschritten, 
Prophete  rechts,  Prophete  links. 
Das  Weltkind  in  der  Mitten." 

Denn  sicherlich  wurde  er  zu  dem  Vergleiche  angeregt  durch  die  Namens- 
ähnlichkeit von  Ems  und  Emaus;  dass  bei  unsern  Reisenden  die  Sache  anders 
lag,  da  sie  von  Ems  kamen,  nicht  dahin  gingen,  thut  nichts  zur  Sache;  ist  doch 
auch  das  Verhältnis  in  einer  zweiten  Art  umgekehrt,  indem  auf  dem  iGang 
nach  Emaus  nicht  das  Weltkind  in  der  Mitte  sich  befindet,  sondern  der  Herr 
und  Meister,  dem  die  beiden  andern  bewundernd  zuhören.  ^®) 

")  V.  Loeper,  a.  a.  0.  8.55.  —  *®)  Darauf  macht  M.  v.  Waldberg  im  Goethe-Jahrb. 
IV,  355  mit  Recht  aufmerksam. 


» 


^_  63 

Sodann  sei  dea  Stamm  buch  verses  „In  das  Kalenderlein  der  Frau  Hofrätiu 
Kümpf.  Auf  dem  Rhein,  den  18.  Juli  1774"  erwähnt,  der  freilich  nur  loao  mit 
Erna  zusammeohängt  Zu  Ems  und  Neuwied  waren  die  zwei  Brüder  Kämpf 
Arzte,  Johaun  zu  Ems,  Wilhelm  Ludwig  zu  Neuwied,  beide  mit  dem  Titel  Hofrat; 
dos  Emsers  werden  wir  weiter  unter  noch  ausführlicher  gedeoken.  Derselbe 
mag  die  Reiaegettibrten  an  jenen  empfohleü  haben,  und  so  wird  es  gekommen 
sein,  dass  dessen  Oemahlin  in  Kobleuz  sich  zu  ihnen  gesellte  und  auf  der 
Rheinfahrt  abwärts  bis  Neuwied  ihre  Begleiteriu  war  und  für  sie  sorgte.  An 
sie")  richtet  nun  Goethe  folgende  Zeilen  in  ihr  Kalenderlein: 

„Sarah  kocht  unserm  Herregott, 
Elisabeth  tiötzen  m  der  Noth, 
Nahmen  ftioh  ihres  Httuses  an, 
Waren  Oott  lieb,  waren  lieb  dem  Mann, 
Du  sorgtest  für  die  Freunde  hier; 
Drum,  liebes  Weibohen,  dank*  ich  dir,** 

Am  25.  oder  26.  Juli  trifft  die  Reisegesellschaft  wieder  in  Ems  zusammen; 
Lavater  jedoch  eilte  schon  am  27.  in  die  Heimat  zurück,  die  beiden  andern 
verweilten  noch  etwa  14  Tage*  In  diese  Zeit  musa  hauptsächlich  das  lustige 
und  ausgelassene  Treiben  Goethes,  von  dem  „Dichtung  und  Wahrheit**  erzählt, 
fallen,  während  sich  Basedow  mit  weitaussehenden  Pläneu  für  Verwirklichung 
seiner  Anstalt  beschäftigte,  zu  ileneo  vielleicht  auch  unser  Goethe  im  Vertrauen 
hinzugezogen  wurde. 

Der  eben  genannte  Johano  Kämpf  (1726— 1787)  war  seit  dem  Jahre  1770 
zugleich  nassau-oranischer  Ilofrat,  Physikus  zu  Diez  und  Brunnenarzt  zu  Ems-"}; 
ein  unruhiger  Kopf  —  ein  Zeitgenosse  nennt  ihn  einen  grossen  Windbeutel  und 
unverschämten  Lügner^')  — ,  auf  die  Zeitstrümuogen  aufmerksam  und  zugleich 
für  das  Wohl  seines  engeren  Vaterlandes  bedacht,  macht  er  Basedow,  als  er 
von  den  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Errichtung  der  Erziehungsanstalt  ent- 
gegen stellten,  hörte,  den  Vorschlag*^),  diese  nicht  in  Dessau,  sondern  zu  Ilerborn 
im  Nassauisehen  zu  errichten;  er  hoffte  dabei  der  daselbst  bestehenden"),  aber 
im  Niedergang  begriffenen  hohen  Schule  wieder  aufzuhelfen  und  so  beide  An- 
stalten zu  fördern.  Basedow  ging  auf  die  Sache  ein,  da  Kämpf  ihn  beioabe 
nicht  von  der  Seite  Hess  und  seinen  Eifer  immer  mehr  anzufachen  wusste*  So 
ging  denn  eine  dahin  zielende  Anfrage  Kampfs  vom  6.  August  nebst  einem 
Schreiben  Basedows  vom  4.  August  nach  Dillenburg  an  den  Geh.  Rat  Winter, 
Mitglied  der  oranien-nassauischeu  Kegierung,  ab,  fand  aber  nicht  die  gehoffte 
Aufnahme,  und  das  Projekt  musste  fallen  gelassen  werden;  im  Dezember  1774 
wurde  die  neue  Schule  in  Dessau  eröffnet. 


^^)  Dass  es  die  Frau  des  Ni3uvYiodory  nicht  des  Etnser  Kllmpf  war^  Iti^st  sich  dtirauK 
boebmen,  das«  diese  Dur  kur/.e  Zeit  iia<)hher,  am  Aofang  des  August,  eines  Knftbleins  genas, 
also  am  18,  Juli  wohl  nicht  nielir  eine  Rheinraiäe  «ach  Neuwied  unternahm.  Vergl.  den  Brief 
in  der  Weatdeutschen  Zeitschr,  I,  24r»,  mitgeteilt  von  Joachim*  -  ^^]  Strieder,  Hess.  Oel, 
VI,  440,  —  ")  Randbemerkung  in  einem  Exemplare  von  Strieder«,  a.  0.  aus  Mosers  Leben 
1772,  IL  —  **)  E*  Joachim,  ßa^edow  und  die  hohe  Schule  xu  Herburn^  Westdeutoohe  Zoit- 
sohr.  I,  (1882),  S.  238-252.  —  -'i  Hi«>  war  1584  gostiftet  worden,  halte  aber  —  der  Kosten 
wegen  ~  auf  die  kaisorltche  Uenehmigung  deü  Ranges  und  Namens  einer  Unirersität  vernichtet 


lim 


64 


r  d«r 


Wir  kehren  nach  dieser  Abschweifang  zu  Goethe  zurück.     Am  3 1 .  Jt] 
kündigt   er   der   Frau   von   La    Roche   seinen   Besuch   zu   Ehrenbreitsteio   auf' 
Dienstiig  (den  2.  August)  au  und  bittet  zugleich  um  einige  Flaschen  Weiß 
^oder  Vielmehr,   fugt  er  hinzu,    ich    will   sie  mitnehmen  wenn  ich  kommen 
vergiften  aie  mich  mit  Getränk,**     In  demselben  Briefe  thut  er  eines  Unglüdcs 
Erwähnung,  welches  am  30.  Juli  zu  Ems  vorgefallen  war,     „Am  30.  Juli,  be- 
richten   die   Dilleoburgiacho   Intelligenz -Nachrichten**},    sind   zu   Bad-Ema    vier 
Knaben,    welche  krebsen  wollten^  in  der  Lahu  ertrunken.     Nach  dem  sie  drey 
viertel  Stund  unterm  Wasser  gewesen,  so  wurden  sie  herausgezogen,  aber  der 
angewandten  Mittel  ungeachtet,  nicht  wieder  zu  recht  gebracht.**     Über  di€ 
Unfrtll  schreibt  nun  Goethe  an  Frau  von  La  Iloche:  „Mein  Sinn  hat  sich  ud 
nicht  ganz  erholt,  da  vier  Knaben  gestern  Nacht  ertranken  und  keiner  gere 
wurde.     Nur  in  solchen  Augenblicken   fühlt  der  Mensch  wie  wenig  er  tat, 
mit  heissem  Atmen  und  Schweiss  und  Thrtinen  nichts  wurckt.* 

Dies  Ereignis  grub  sich  tief  in  die  Seele  Goethes  ein;  er  selbst  hat  aieh 
wohl  an  den  Wiederbelebungsversuchen  beteiligt  oder  ist  wenigstens  bei  dea» 
selben  anwesend  gewesen.  Noch  nach  einem  halben  Jahrhundert  war  die 
innerung  an  sie  in  seinem  Gedächtnis  lebendig  und  fand  eine  Stelle  in 
^Wanderjahren'*  (II,  12),**)  Hier  sind  fünf  Knaben  beim  Krebsen  ertruuk 
nachdem  sie  in  langem  Zuge  hereingetragen  und  in  dem  Gemeindehause  nie 
gestellt  worden  sind,  glückt  es  Wilhelm  Meister  durch  ein  offenes  Fenster 
einzuspringen,  da  man  ihn  nicht  einlassen  w^ollte,  „In  dem  grossen  Saale*, 
zählt  derselbe  weiter,  ,lagen  die  unglücklichen  auf  Stroh  nackt  ausgeat 
glänzendweisse  Leiber»  auch  bei  düsterem  Lampenschein  hervorleuchtend, 
warf  mich  auf  den  gröasten,  auf  meinen  Freund;  ich  wüsste  nicht  von  mein 
Zustand  zu  sagen,  ich  w^einte  bitterlich  und  überschwemmte  seine  breite  Bj 
mit  unendlichen  Thranen.  Ich  hatte  etwas  von  Reiben  gehört,  das  in 
Fällen  hülfreich  sein  sollte;  ich  rieb  meine  Thränen  ein  und  belog  mk 
der  Wärme,  die  ich  erregte.  In  der  Verwirrung  dacht'  ich  ihm  Athera  ein 
blasen,  aber  die  Perlenreihen  seiner  Zähne  waren  fest  verschlossen;  die  Lip| 
auf  denen  der  Absehiedskuss  noch  zu  ruhen  schien^  versagten  auch  das  lei« 
Zeichen  der  Erwiederung.  An  menschlicher  Hülfe  verzweifelnd,  watidt^ 
mich  zum  Gebet;  ich  flehte,  ich  betete;  es  war  mir  als  wenn  ich  in  die 
Augenblicke  Wunder  thun  müsste,  die  noch  lowohnende  Seele  hervorzurti| 
die  noch  in  der  Nähe  schwebende  wieder  hineinzulocken.  Man  rise 
wog  u,  8*  w.* 

Für   den  Augenblick   beschäftigte   den  Dichter  nach  seiner  Erzählung 
„Dichtung   und  Wahrheit*    (U,  Buch)  ein  andrer  Plan,  den  die  Beobacbl 
eeiner  beiden  Gefährten    in  ihm    erregt  oder  gefordert  habe;    danach   wollte 
das  Leben  Mahomeds   dramatisch    bearbeiten.     Indessen  scheint  auch  hier 
Gedächtnis  ihm  untreu  gewesen  zu  sein;  der  ^Gesang  Mahomeds^,  welche 


*•)  T,  LoDper,  m.  ii.  O.  Ä.  h\K  —   -")  Mitgeteilt  von  v,  Looper  «*  «,  O.  —  "^  Da 
maoht  V,  Luc  per  n,  a.  O.  mit  llooht  «uf merk  «Am, 


66 

alä  datiiQ  gehörig  anführt,  wurde  bereit»  im  Herbste  1773  durch  den  Qottinger 
Muflenalmanach  bekaout  und  fiillt  also  früher, 

Am   12.  August  reiste  Goethe   mit  Basedow,   der  sich  nach  der  Schweiz 
begeben  wollte,  wieder  von  Ems  ab;  am  14,  war  er  zu  Frankfurt, 


P 


\U    1793,  Juni,  Juli 

Goethe  liat  zwar  die  Geschichte  der  Belagerung  von  Mainz  im  Jahre  1793, 
soweit  er  derselben  beiwohnte,  oder  vielmehr  seine  Beobachtungen  während 
derselben  in  einer  besonderen  Schrift  geschildert,  aber  die  Ausflüge,  welche  er 
damals  nach  Nassau  machte,  nicht  erwähnt;  die  Kunde  von  denselheu  verdanken 

»wir  brieflichen  Mitteilungen  ia  diö  Heimat. 
Auf  den  Wunsch  seines  Herzogs  begab  er  sich  im  Mai  zu  dem  Belagerungs» 
[wer;  am  27.  traf  er  bei  demselben  zu  Marienboru  ein.  Die  Einschliessung  der 
Radt  hatte  im  April  begoonen  und  der  Kampf  um  sie  dauerte  bis  zürn  Ab- 
schluss  der  Kapitulation  am  23.  Juli*  lu  und  unmittelbar  nach  dieser  Zeit 
fallen  zwei  Ausflüge,  die  für  uns  hier  Interesso  haben. 

Am  9.  Juni  Rheinfahrt  nach  Rüdesheim;  daselbst  probierte  der  un- 
^^  kriegerische  Dichter  die  Keller  durch,  setzte  dann  an  dem  Mäuseturm  vorbei 
^1  nach  Bingen  über  und  kehrte  zu  Land  nach  dem  Lager  bei  Marienborn  zurück,*^) 
^B  Nach  dem  Ende  der  Belagerung,  dem  Abzug  der  Franzosen,  des  Königs 

^"  von  Preassen  und  des  Bebgerungsheeres  war,  sagt  Goethe,  keine  Ursache 
mehr  weiteren  Anteil  an  den  Unbilden  des  Krieges  zu  nehmen;  er  erhielt  Urlaub 
nach  Uause  zurückzukehren,  doch  wollte  er  vorher  noch  Mannheim  besuchen. 
Bevor  er  jedoch  dahin  abging,  machte  er  einen  Ausflug  nach  Schwalb  ach  und 
Wiesbaden,  von  dem  er  am  L  August  an  Christiane  Yulpius  Bericht  abötattet, 
und  da  er  noch  am  27.  Juli  einen  Brief  von  Mainz  aus  schreibt,  so  muss  der- 
selbe in  die  Tage  vom  28.— 31.  Juli  fallen.     Jener  Brief  an  Christiane  lautet: 

^H  „MajTiz  den  1.  Aug.   1793, 

^^^^  Nun  bin  ich  meine  Liebe  wieder  in  Maynz  nachdem  ich  einige  Tage 

^^^B  in  Schwalbaeh    und  Wissbadeu   mit  wenig  Freude   und  Interesse  war. 

^^^H  Es  fand  sich  gute  Gesellschaft  am  ersten  Ort,  unter  andern  Umständen 

^^^"  hätte  man  sich  wohl  da  vergnügen  können/"*) 

^^  Schwalbach    war   damals   noch  der  Ilauptkurort   für   die   vornehme   Welt 

und  hatte  durch  die  Fürsorge  seiner  Fürsten  sich  mächtig  gehoben;  man  ver- 
gleiche die  Mitteilungen  aus  den  Kurlisten,  welche  A*  Genth  aus  den  Jahren 
1788,  1797  und  1798  macht  und  ebenda  die  „Stimmen  aus  Schwalbaeh  vor 
hundert  Jahren."*^)  Kurz  vorher  —  1787  —  hatte  der  uns  bekannte  Joh.  Kampf, 
jetzt  Geh,  Rat  zu  Homburg  v.  d.  H.,  Vorschläge  zur  Hebung  des  Ortes  ge- 
macht, die  von  dem  Landgrafen  Karl  Emanuel  (1778 — ^1812)  gut  geheissen,  aber 


p 


*^j  Bridf  an  Herder,  Weimarer  Aasgabe  (IV)  10,  8.  79,  Tom  15  Juli^  tmd  an  Jaoobi, 
8.  89,  Yom  7»  Juli,  über  das  Datum  s.  R  Oüntzer  tind  F.  G.  v.  Herder,  aus  Herders 
Nachltti>a  l»  U4*  —  *^)  Brief  an  Chnetiano  Vulpius,  Weimarer  Ausg.  (IV)  10,  S,  Uli.  -^  ^)  ^^ai'li- 
trag  zu  der  Snhrift:  GeBchiohte  de»  Kurorts  SoUwalbach,  a.  Aufl.,  1884,  S.  2li  und  41  ff, 


L 


H^fca^ 


se 


Djobt  ausgeführt  wurden,  da  Kämpf  starb. ^^)  Wiesbaden  entbehrte  damila  faft 
aller  VeranfttaltungeD  zur  Unterbaltiiog  der  Kufgä.ste,  die  daher  auch  meitt 
ivirklich  Kranke  waren,  und  die  Stadt  hatte  in  Ansehung^  des  Ausaerlicheji  wenig 
Empfehlendes^^);  zudem  war  es  in  den  Kriegsjahreu  wegen  der  Nähe  ?od  Mainz 
mehr  Gefahren  ausgeset/^t.  Scharf  urteilt  über  die  Stadt  ein  Bericht  aus  jener 
Zeit  (1785)*'*)  „Wiesbaden  liegt  in  einer  niedrigen  Ebene  und  in  einer  G^eud, 
die  keine  besonderen  Annehmlichkeiten  in  sich  fasst,  sondern  sie  erst  in  der 
Nachbarschaft  und  in  einiger  Entfernung  gegen  den  Kheiu  hin  suchen  mu»*. 
Auch  fehlt  es  an  schattigen  Spaziergängen  und  an  merkwürdigen  Anstalten  su 
an»4täridigen  uffentlichen  Vergnügungen.  Wiesbaden  ist  ein  elendes  Stadäeio 
mit  engen  Gassen."  Naehdem  sodann  der  Verfasser  von  dem  Entwürfe  emee 
^sehr  grossen  Brunnenhauses'^,  welches  ehemals  für  den  Ort  bestinust 
gewesen  sei  und  im  Modellhause  zu  Kassel  sich  befinde,  gesprochen,  schliefst 
er  mit  den  Wonen:  „Wie  viel  hätte  nicht  Wiesbaden  durch  die  Ausführung 
eine»  solchen  Gebäudes  gewinnen  müssen!** 

Der  Plan  dieses  Brunnenhauses  ist  für  uns,  nachdem  die  Stadt  durch  dst 
Erbauung  dos  Kurhauses  und  durch  Erweiterung  der  früher  bestandeoen 
bescheidenen  Anlagen,  auf  die  wir  später  kommen  werden^  die  ersten  Scfarttie 
XU  ihrer  jetzigen  Bedeutung  als  „Weltkurstadt"  gethan,  zu  interessant,  ala  daas 
wir  ihn  übergehen  dürfen.     Er  wird  folgendermaa^en  beschrieben: 

„Dieses  (lobnude  hat  eine  vortreffliche,  seiner  Bestimmung  gemässe  An- 
ordnung, indem  um  lieide  Stockwerke  in  der  Kunde  zwei  grosse  Arkadengäoge 
hiufoo,  die  durch  sechs  grade  bedeckte  Gallerien  mit  dem  eigentlichen  Brunnen« 
hause,  das  iu  der  Mitte  liegt,  verbunden  sind.  Auch  das  geräumige  flache  Dack 
dieser  Arkaden  und  Gallerien  dient  bey  kühlem  Wetter  zum  Spazieren  und 
tiat  in  seiner  Mitte  eine  Kuppel  in  Form  eines  antiken  Tempels,  die  Ruhesitse 
enthält.  An  den  Arkaden,  die  im  ersten  und  zweiten  Stockwerk  rund  um  Amb 
Brunnenhaus  sich  winden  und  es  gleichsam  einfassen,  sind  als  Wohnungen  fllr 
die  Brunnengäste  zwei  lange  Flügel  ebenfalls  mit  einer  flachen  Decke  ange- 
hängt und  diese  endigen  sich  mit  zwei  Pavillons,  die  ein  gebrocheoes  Dach 
haben.  Bequeme  Treppen  und  Thüren  verbinden  alle  Theile  zu  einem  voH^ 
ständigen  Zusammenhang.  Man  wird  nicht  leicht  einen  Entwurf  zu  einem  grossen 
Brunnenhaus  finden,  der  mit  der  Schönheit  des  äusseren  Angehens  £Ugleieb 
soviel  gute  Anordnung  zu  seinem  Zwecke,  soviel  Bequemlichkeit,  soTiel  Anmut 
und  Heiterkeit  der  inneren  Einrichtung  vereinigte.*^ 

Es  ist  zu  bedauern,  dass  der  Plan  dieses  Brunnenhaused,  wie  es  scheiat, 
verloren  gegangen  ist,  Da^  Modellhaus  von  Kassel  ist  in  der  weatphiUaohto 
Zeit  von  den  Franzosen  geräumt  und  zerstört  worden  und  dabei  gi^geo  manche 
wertvolle  Modelle  zu  Grunde,  wahrscheinlich  auch  die  Darstellung  des  geuanatee 
Brunnenhauses,  sie  müsste  denn  verschleppt  worden  sein  und  in  irgend  etDein 
Winkel  vielleicht  einer  französischen  Sammlung  versteckt  sein,  b  Kaasel  wenige 
sieas  ßodet  sie  sich  nicht  mehr  vor.'')    Es  bleibt  freilich  für  den  Leser  maaehes 


i 


^^  Gtmb,  ».  •.  a  a  tX  -    »»•  Job.  BtmoulU  bei  Gsiilb,  a  41.  —  •».  i\  c 
Htrtebfsld,  Theorit  d«r  Usfteektuitt,  i:ss,  V,  111.  —  ^)  BHslütlis  Milleilttaf  4m  vwvlür^ 


S7 


^ 

k 


an  der  Beächreibung  dunkel,  vor  allem  der  Ort,  wo  daa  Gebäude  errichtet 
werden  sollte,  Euch  ob  der  Plan  von  einer  massgebenden  Stelle  ausging  u.  s.  vr\ 
Im  besten  Falle  kaoo  die  Sache  als  der  erste  Gedanke  an  die  etwa  zwanzig 
Jahre  spater  erfolgte  Errichtuo^  des  heutigen  Kurhauses  angesehen  werden, 

VII.  1814,  29.  Juli  bis  12.   September 
YIIL  1815,  27.  Mai  bis  IL  August 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  Jahren  1814  und  1815.  Sie  sind  für 
unsern  Zweck  bei  weitem  am  reichhaltigsten  und  lohoendsten  nicht  blos  wegen 
der  langen  Zeitdauer  von  Goethes  Aufeutbalt  in  Nassau  —  er  füllt  den  Zeitraum 
von  im  ganzen  fast  vier  Mooaten  aus  — ^  sondern  yoroehmHch  wegen  des  In- 
halts. Es  ist  der  gereifte  Dichter  fast  am  letzten  Ziele  seiner  poetischen  Lauf- 
bahn, den  wir  in  fröhlicher  Schaffenslust  verfolgen  können,  der  wissbegierige 
Forscher,  den  wir  auf  seinen  Exkursionen  begleiten  dürfen,  der  gefeierte  Meister, 
hochgeehrt  und  aufgesucht  von  alten,  die  ihm  nahen  kOnnen,  aber  auch  der 
nachsichtige  Richter,  der  auch  den  guten  Willen  anerkennt,  wo  Kraft  und 
Leistuug  höheren  Anforderungen  nicht  entsprechen,  der  Freund,  welcher  im 
trauten  Verkehr  gauz  Mensch  ist,  der  sich  unter  die  fröhliche  Meoge  mischt 
und  aus  ihrer  frischen  Lebenslust  sich  selbst  verjüngt.  In  den  Tagebüchern 
der  Weimarer  Ausgabe  (IIL  5,  1893)  liegt,  freilich  in  knappster  Form,  ein  so 
ausführlicher  Bericht  über  das  tägliche  Leben  vor,  dass  wir  auch  über  die 
gewöhnlichen  Vorkommnisse  desselben  genau  unterrichtet  werden;  und  was  ist 
bei  einem  Manne  wie  Goethe  nicht  wissenswert?  Erläuterod  treten  die  Annalen 
oder  Tag-  und  Jahreshefte  der  Jahre  1814  und  1815  und  andere  Aufzeichnungen^) 
hinzu,  sowie  die  zahlreichen  Briefe  von  befreundeten  Personen  und  an  dieselben, 
soweit  sie  bis  jetzt  verötientlicht  sind» 

Wir  haben  es  für  zweckmässiger  erachtet  die  beiden  Jahre  vereint  zu  be- 
handeln, da  vielfach  die  in  beiden  vorkommenden  Personen  und  Sachen  in  ein- 
andergreifen  und  so  einer  Zerreissung  des  Zusammeogehörenden  vorgebeugt  wird. 

1.  ßer  Etitsclilnss»  18U. 

Goethe  hatte  seit  22  Jahren  nicht  den  Rhein,  seit  17  Jahren  nicht  seine 
Vaterstadt  gesehen*  Und  doch  hing  er  mit  inniger  Liebe  an  dieser;  schon  die 
Lektüre  von  Hebels  alemannischen  Gedichten  lockte  ihm  das  Geständnis  ab, 
dass  sie  ihm  den  angenehmen  Eindruck  gebe,  den  wir  bei  Annäherung  von 
Stammverwandten  immer  empfinden.  In  Bezug  auf  die  Rheingegend  und  ihre 
Uerrlichkeit  bemerkt  er  in  einem  Briefe  von  Wiesbaden  aus  (5.  Juli  1815)'^), 
es  komme  ihm  in  dieser  schönen  Walt  denn  doch  wunderbar  vor,  dass  er  seine 
Frcuude  und  sich  selbst  hioter  dem  Thüringer  Wald  suchen  müsse,  da  man 
hier  nur  eine  Viertelstunde  Steigens  bedürfe,  um  in  die  Reiche  der  Welt  und 

**)  Z,  ß.  «ier  ReUeberit?ht  an  TerMhiadene  Freuode  wi©  Wolf,   Knebel  (9.  Nov»  18U)> 
(Öfter  abgedruckt.    VorgL  die  Anm.  sunt  Tagebuch  8»  354.  —  **>  Aa  Mejrer  in  F»  W,  Riomor, 
Briefe  von  und  an  Goethe,  IS46,  S,  105. 


6S 


ihre  Herrlichkeiten  zu  sehen;  die  Thüringer  Hügelberge  aber  nennt  er  am 
seinea  Lebens  triat.  Kein  Wnnder,  dass  er,  als  der  Friede  endlich  g< 
erachienf  ernetlich  den  Plan  erwog  wieder  einmal  nach  dem  Westen  stii 
Denn  früher  hatten  ihn  die  unsicheren  Zeitläufte  zurückgehalten,  wie 
11,  Juni  1813  seinem  Freunde  Fritz  Sclilosser  zu  Frankfurt  schrieb'*): 
lieben  Rheinstrom,  besonders  die  Bergstrasse  mochte  ich  wohl  einmal 
sehen,  ein  wildes  Ereignis  nach  dem  andern  verbietet  mir  aber  solche  Qeni 
Den  gleichen  Wunsch  in  Bezug  auf  seine  Vaterstadt  spricht  er  demselben 
über  am  22.  Februar  1814  aus'*'),  als  er  durch  seinen  von  Frankfurt  z\ 
kehrenden  Sohn  lebhaft  an  die  Freunde  daselbst  war  erinnert  worden.**) 
noch  dachte  er  nicht  ernstlich  an  die  Ausfülining  des  Wunsches;  am  7 
schreibt  er  au  Meyer*'-'),  er  wolle  zunächst  nach  Berka  gehen,  um  dem  gichtil 
Wesen,  das  ihm  manchmal  in  die  Glieder  fahre,  zu  steuern;  allenfalls  kTM 
er  sich  gegen  den  Herbst  noch  einige  Wochen  nach  Böhmen  wenden.  Dac 
allraähhch  reifte  der  leise  Wunsch  zum  festen  Entachluss,  dem  er  im  Mai  de 
Jahres  1814  schon  nahe  ist  „Ich  habe'',  so  schreibt  er  am  8.  dieses  Moott 
an  Schlosser***),  „diesen  Sommer  keine  sonderliche  Neigung  die  böhmischen  Eid« 
zu  besuchen;  wohin  ich  mich  wenden  soll,  ist  mir  noch  nicht  ganz  klar.  Ma 
Sie  mir  aber  eine  Schilderung  von  Wiesbaden  geben  und  von  der  Lebi 
daselbst,  nicht  weniger,  was  etwa  eine  Person  mit  einem  Bedienten  auf 
vier-  oder  sechs  wöchentlichen  Aufenthalt  zu  verwenden  hätte,  so  würde  i 
dankbar  erkennen,  um  so  mehr,  als  ich  die  Hoffnung  hege,  meine  wen 
Freunde  auch  einmal  wieder  zu  begrüssen.  Hiervon  bitte  ich  jedoch 
laut  werden  zu  lassen,** 

Die  Antwort  Schlossers  muss  nicht  ganz  ermutigend  gewesen  sein;  h 
Erwiderung**)  bekennt  Goethe  abermals  seinen  Wunsch  in  der  Nähe 
Vaterstadt  einen  Teil  des  Sommers  zuzubringen,  allein  die  Arzte  seien 
nicht  einverstanden  und  möchten  ihn  wieder  nach  den  böhmischen  Bi 
schicken,  die  ihm  freilich  mehrere  Jahre  bekommen  seien.  Und,  ßlhrt  er 
„w^enn  ich  aufrichtig  sein  soll,  so  hat  Ihre  treue  Schilderung  der  dorttgei 
stände  meine  frülieren  Erfahrungen  daselbst  wieder  geweckt  und  mir  ii 
innerung  gebracht,  welche  Leiden  ich  dort  bei  grosser  Hitze  in  den  Badhäi 
Bädern,  Gasthöfen  u.  a.  w.  erduldet  und  wie  ich  mehr  wie  einmal  in  di 
birge  geflüchtet,** 

Den  Zweifelnden  mögen  schliesslich  die  Freunde  Zelter  und  F,  A, 
welche  ihn  im  Juni  zu  Berka  besuchten  und  gleichfalls  vorhatten  die  B& 
Wiesbaden  zu  gebrauchen,  bestimmt  haben  seine  Bedenken  fahren  su 
im  Hinblick  auf  den  Verkehr,  den  er  mit  ihnen  dort  pflegen  konnte, 
freilich,  welcher  in  der  letzten  Woche  des  Juni  zu  Wiesbaden  eintraf 
in  der  Kurliste  als  Gast  des  , schwarzen  Bockes**  eingetragen),  war,  ati 
ankam,   wieder  abgereist.     Dafür   hielt   um  so   fester  Zelter   bei    dem  Fi 


)  In  Freie ^  Ooeihe^ßriefe  atu  Frit»  8chlt)aaer8  Naoltlaaa,  1877,  8.  52.  —  ^) 
:?.  :>s,   —   *•)  Tk  Creix«iiAohf    BriefweohBel   zwiÄohen   Uoethe  and   Marknnr^         '^'^* 
2.  Au«.  IÖ7«,   8.  2H.  —  *♦)  ifOOtbe^Jahrba(!her  IV,    lül,  ~    *^;  FreftO   Ö.  GO, 

B.  au 


69 


I 


aud;  er  war  am  12.  Juli  angekommen  und  ging  erst  am  31.  August  wieder 
ab,  einen  Tag  früher,  als  Goethe  nach  Winkel  im  Rheingaii  fuhr. 

Kaum  war  Zelter  zu  Wiesbaden  eingetroffen,  als  er  für  Goethe  zu  sorgen 
begaufl.  Von  Wolf  übernahm  er  für  ihn  dessen  noch  übrigen  Vorrat  an  Wein 
und  Mineralwasser ;  am  15.  Juli  meldet  er*^),  dass  er  ein  Quartier  für  ihn 
gefunden,  drei  ordentliche  Pioceu,  welche  in  zwölf  Tagen  frei  würden,  in  dem 
„Bären**  („dem  Neste")  in  der  „Angergasse*'  (offeubar  verhört  statt  „Langen 
Gasse"  oder  ^Langgasse").  Er  fügt  hinzu;  „Es  ist  hier  gut  und  angenehm 
leben,  da  man  durchaus  nicht  gebunden  ist  •  ,  Ich  habe  durch  Wolf  den  hie- 
sigen BibUothekar  lluodeshagee  kennen  lernen;  dies  ist  ein  junger  vielgeschickter 
Mann,  der  hübsch  zeichnet,  mit  Antiquitäten,  Botanik  und  mit  Landeshistorie 
beeohäftigt.  Dieser  wünscht  Dir  allerlei  Varietäten  der  Natur  und  Kunst  vor- 
zuführen. Willst  Du  Deine  Pferde  nicht  mitbringen,  so  ist  hier  das  Fuhrwesen 
nicht  übermässig  theuer,  um  die  schonen  Umliegenheiten  zu  befahren.  In 
Biebrich,  wo  der  Fürst  (Herzog  Friedrich  August)  residirt,  habe  ich  gestern 
eine  Stunde  im  Garten  zugebracht,  der  sich  sehr  schön  ausnimmt.  Von  Frank- 
furt bin  ich  auf  einem  Marktschiff  bis  Kochheim  gefahren  und  dann  zu  Lande 
hierher.  Die  bunte  Reisegesellschaft  hat  mir  den  grössten  Spass  gemacht. 
Dies  lebendige  Anschauen  des  Lebens  aus  der  Mitte  auf  die  beiden  Ufer  ist 
wahrhaft  lehrreich.  Ich  habe  weinen  müssen  über  die  lustigen  Lieder^  die 
dieses  Völklein  sang.** 

So  wusste  er  dem  erwsu'teteu  Freunde  Hoffnung  auf  mancherlei  Genüsse 
zu  erwecken. 


2.  Die  Beise,  1814. 

^Zu  den  Eheiiia  geatreekten  Hügeltif 

HochgedegDOteii  Gebreiten, 

Aueti|  die  den  FIusb  bespiegeln^ 

Weingeechmiickten  Landesweiten» 

Müget  mit  GedankenflügeLn 

Ilir  den  treuen  Freund  begleiten,** 


^Waa  ich  dort  gelebt,  genosBen, 
Was  mir  all  dorther  entaproBsenj 
Weiche  Freude,  welobe  KenotDisT 
War'  ein  allKuJang  Geständnia, 
M5g'  ea  jeden  so  erfreuen, 
Die  Erfahrenen,  die  Neuen.  "^ 

Nachdem  am  24.  Juli  die  Vorbereitungen  zur  Reise  getroffen  waren,  reiste 
Ooetho  am  25,  bei  herrlichem  Wetter  ah  und  kam  um  G  Uhr  in  Eisenach  an, 
wo  er  übernachtete j  ein  Diener  begleitete  ihn.  Am  folgenden  Tag  um  5  Uhr 
ging  ea  weiter^  gleichfalls  bei  herrlichem  Wetter  über  Hüufeld,  wo  Jahrmarkt 
war,  bis  Fulda;  am  Abend  um  6  Uhr  Ankunft  daselbst,  Weiterreise  um  6  Uhr 
des  folgenden  Tages  bis  HauaUj  7  Uhr;  bei  Neuhof  bemerkte  er  reifes  Korn, 
bei  Steinau  Hanf-  und  Flachsbrechen,    bei  Salmünster  den   ersten  Storch   und 


**)  Riemer^  ßriefwoulisel  iiwiscben  Goethe  und  Zelter  IL  1833,  8.  125. 


70 

erstes  KorDscimeiden;  die  Burg  zu  Gelnhausen,  die  ihn  bald  näher  besc 
8ollte,  zieht  seine  Aufmerksamkeit  auf  sich;  er  verzeichnet:  „"Würde  und . 
Lust  zu  zieren  ohne  Gefühl  der  Verhältnisse."     Hanau  fesselte  ihn  eioetii 
da  er  hier  Freunde  besuchen  wollte,    doch  traf  er   den  Geh.  Rat  v.  Leoii 
nicht  zu  Ilaude,  da  er  im  Bade  zu  Schwalbaeh  weilte*^^  dagegen  zeigtea 
sein  Faktor  Joh*  Menge  und  Schwager  Blum  vieles^  was  er  zu  sehen  wöa 
auch  das  Leislerische  Haus  und  Kofintendant  Schau  mburg^^)  wurden 
Am  Abend   herrliche   BeleuchtuDg   der   Dörfer   und  Villen   des   Unken  (Matn*^ 
Ufers,     Der  29.  Juli  war  der  Vaterstadt  gewidmet,    wo  am  Abend  zuvor   eiad 
Illumination  wegen  Ankunft  des  Königs  von  Preusaen  stattgefunden  hatte. 
Dichter  machte  einen    Spaziergang   vor   das   Thor   und   durch   einen   TeUij 
neuen  Anlagen;    es  mögen   lieblich(^  Bilder   der  Erinnerung   ihm   vorgeschwi 
haben,   aber  auch  Gedanken  an  die  Freunde,    die  er  in    der  Zwischenzeit   hi« 
verloren  hatte.     So  war  er  nicht  zu  Besuchen  aufgelegt,    nur  die   zwei  Br 
Schlosser,  Fritz  und  Christian,  sab  er  und  tauschte  sich  mit  ihnen  aius; 
Schlosser   besorgte   zudem   seine  Geldgeschäfte   zu   Frankfurt,   auf  die  er* 
seinen  Kuraufenthalt  gerechnet  hatte.     Um  6  Uhr,   als  sich  eben  ein  Oei 
auftürmte,  verliess  er  die  Stadt  und  traf  um  11   Uhr  zu  Wiesbaden  et%l 
ihn   Zelter   empfing.     So    hatte    er    in    fünf  Tagen,    in   die    freilich    auch 
längerer  Aufenthalt  zu  Hanau  und  Frankfurt  fiillt,  sein  Ziel  erreicht. 


3*  Der  erste  Tag,  m  Juli  1814. 

Eins  der  angesehensten  Bad-  und  Gasthäuser,  an  dessen  Stelle 
zur  Zeit  der  Römer,  wie  später  entdeckte  Funde  beweisen,  Bäder  be«ii 
war  das  Bad-  und  Gasthaus  zum  Adler.  Als  im  Laufe  des  15.  Jahrhttn« 
die  Schildnamen  der  Gasthäuser  zu  Wiesbaden  aufkamen,  erhielt  es  den  Nameo 
„zu  der  Kannen"  oder  „zu  der  Kante"  und  erscheint  so  zum  erstenmale 
Jahre  1505.*^)  Hundert  Jahre  später  vertauschte  es  ihn  mit  der  Bezeich 
,zum  roten",  dann  ^zum  güldenen  Adler*^;  noch  im  Laufe  des  18.  Jahrhun 
ragte  das  Bild  eines  goldenen  doppelten  Reichsadlers  auf  einem  Schilde 
in  die  Strasse  hinein.  Wenn  Guethe,  der  hier  zuerst  Wohnung  nahm, 
Haus  zum  ^weissen  Adler"  nennt,  so  irrte  er,  da  der  Adler  nie  die  Bej 
nung  weiss  oder,  wie  der  verdiente  Geschichtaschreiber  Schenck  bei 
schwarz  fuhrte,^*^  Hier  also  stieg  Goethe  zuerst  ab,  wahrscheinlich  weil 
Wohnung  im  „Büren**  noch  nicht  frei  war;  erst  am  6.  August  zog  er 
Qber.  Das  Badhaus  zum  Bären  war  eins  der  vornehmsten,  wie  es  schoo 
Zeit  des  dreissigjährigen  Krieges  bezeichnet  wird;  reicht  sein  Alter  auch  nielit 
in  die  Romerzeit  zurück,  so  muss  es  doch  schon  im  Mittelalter  bestanden  kab^; 
der  Name  ^zum  Bern*^  erscheint  zum  erstenmale  im  Jahre  14TI.  E«  bogg 
sein  Badewasser  aus  der  Adlerquelle  und  erwarb  zu  dem  alten  Besitz  im  Jahre 


*')  K.  C.  T.  Leonhardj  Xu»  ojiserer  Zeit  in  melDeni  Leben  IBM,  I,  8.44*^ 
Goethe,  KuD»t9c)i2ize  Am  Rhein  u.  s,  w.  unter  Haofttt.  —  **)  F;  Otto,  Merk6rbiu;li  i 
Wie^bAden^  S.  74  f  —  *^}  «Schenek,  Geschioht-ßeschreibung  der  Stadt  Wieab^deii  17fi 
u.  446»  nennt  da»  Hmu»  «tum  »obwarxeti  Adler**,   vcM-besgerte  «bor  in  iernem  noeii 
liaad«xoiDpUr  das  Wort  «tobwArx"  tn  «i^aiden". 


71 


1629  den  Anteil  derselben  (Juello,  welcher  bis  dahin  in  das  Schlosg  abgeführt 
wurde,  für  50ü  Rtlh,  sowie  den  des  neben  anstosseudeu  Badhauses  zum  Riesen, 

Idas  mit  ihm  verschmolzen  wurde.  Seinen  alten  Ruf  hat  das  Haus  bis  zu 
■einem  Aufhören  vor  einigen  Jahren  stets  bewahrt. 
I  Charakteristisch  ist,  wie  Goethe  den  ersten  Tag  zubrachte  und  benutzte. 
Kumichät  traf  er  seine  ^erste  Einrichtung'*  in  dem  Gasthause,  der  er  am 
h,  August,  da  sie  sich  als  mangelhaft  herausgestellt  haben  mochte,  die  „erste 
brdentliche  Einrichtung''  folgen  Hess;  denn  er  hielt  auf  Ordnung  im  Zimmer, 
nud  wiederholt  verzeichnet  das  Tagebuch  von  1814  „Ordnung  im  Zimmer** 
fl9.  August)  oder  „Ordnung"  (21,  und  31.  August)  oder  „Aufgeräumt.  Ge- 
ordnet** (10.  September).  Der  Vormittag  war  sodann  der  Umschau  gewidmet, 
die  Umgebung  der  Stadt  wurde  begangen,  die  neuen  Anlagen  und  Bauten  der* 
^wen»eu,  die  er  noch  nicht  gesehen,  die  Altertümer  und  Naturmerkwürdigkeiten 
^■li'urdeo  aufgesucht.  Und  in  der  That  hatte  die  Stadt  seit  seiner  letzten  An- 
^Bfiresenheit  sich  wesentlich  und  zu  ihrem  Vorteile  verändert.  Sie  war  freilich 
^^noch  klein  von  Umfang  und  die  Zahl  der  Bewohner  betrug  kaum  etwas  mehr 
als  4000;  doch  war  der  Anfang  zur  Vergröaserung  gemacht  und  die  Bevölke- 
rung stieg,  wenn  auch  nicht  so  rasch  als  heutiges  Tages,  so  doch  stetig.  Be- 
deutend   waren   die   baulichen    Veränderungen    und   Helen   am    meisten    in    die 


Lugen. 


Fast   an   der  Stelle    des   Wiesenbruunens   mit   seiner   Einfassung   von 


Feinem  Kranze  bejahrter  Rosskastanien,  zu  denen  eine  doppelte  Allee  von  Silber- 
pappeln hinführte  und  kühlen  Schatten  spendete^^),  war  in  den  Jahren  1808 — 1810 
las  Kurhaus   errichtet  worden,    noch  jetzt    von    den  Wiesbadenern    nach   dem 
lauptteil  gewöhnlich  der  Kursaal  genannt;  wie  es  auch  Goethe  thut,  ferner  die 
Lnlagen  vor  und  hinter  demselben  teils  neu  geschaffen,  teils  entsprechend  um- 
gestaltet.^*)    In  dem  Saale  waren  Nachbildungen  antiker  Bildsäulen  von  carra- 
pischera  Marmor  aufgestellt,  denen  auch  Goethe  seine  Aufmerksamkeit  schenkte; 
rornehmlich  erwähnt  er  die  Kopie  des  Apollo  von  Belvedere  von  Jos.  Chinard*^) 
lue  Lyon  (1756 — 1813),  die  der   talentvolle  Künstler   im  Jahre  1787    zu  Rom 
ßfertigt  hatte.     Die  neuen  Strassen,  Wilhelms-,  Burg-  und  Friedrichsstrasse, 
&n  dem  Plane  nach  entworfen,    aber  noch    nicht   ausgebaut,  ja   die  Namen 
der  beiden    ersten   standen    noch   nicht  fest^   die  Wilhelmsstrasse  naoote   man 
entweder  Alleestrasse  oder* nach  ihrer  Lage   am  sog.  warmen  Damm  Warme- 
^damm- Allee,   bis    sie  im  Jahre  1817    ihren  jetxigen  Namen   nach   dem  jungen 
^Herzoge  Wilhelm  erhielt;    die  Burgstrasse  aber,    weil    sie   den  Marktplatz   mit 
1er  neuen  Wilhelmsstrasse  verband,  hatte  bis  zum  Jahre  1821,  wo  sie  genüge 
Bam  „ausgebildet**  erschien,   den  wenig  geeigneten ^    wenn  auch  bezeichnenden 
ätbstrakten  Namen  Kommunikationsstrasse.    Den  warmen  Damm  nahmen  Kriuit- 
jnd  Baumgärten  ein.     Die  Häuser,  auch  die  der  neuen  Strassen,    waren 


-  )  Da«  Bild  in  RitterB  Detikwardigkeiten  der  Stadt  Wieabaden,  S,  81>  »owie  tfitfl 

ohntiüg  der  ÖrtUohkeit  in  den  Annulen  dei  Vereins  für  nasaiiuisohe  Altertumakuode  XXH;  1 

"—  *•)  3.  den  Plan  bei  Ebhardt,  Geschichte  der  Stadt  Wiesbaden,  auf  unserer  TafeL  —  ^  1 

ai  mM  die  richtige  Form  dea  Namen»,  nioht  wie  Gerning,  Hie  Rbeingegenden  8.  1%  mmm 

[Andere,  auch  HeyM  im  Fremdenführer  angibt,  Ghinard.    Goethe  nennt  iha  CP.C^h 

l^rtting  C.  F.  Ghinard,  tUU^t  in  dor  fliogr.  gen.  X,  'MH  »l  a,  Joseph  Chinai* 


den  heutigen  Begriffen  klein,  wie  noch  jetzt  einzelne  Gebäude  jener  Zeit  be- 
weiseu,  ihre  ionere  Eiorichtung  beschränkt,  Goethe  urteilt  daher  mit  woU- 
wollender  Nachsicht«  wenn  er  schreibt^**):  „Dem  Freunde  der  BaukuuBt  wird 
der  grosse  Curaaal  sowie  die  neu  aogelegten  Strassen  Vergnügen  und  Bfnster 
gewähren.  Diese  durch  ansehnliche  Befreiungen  und  Zuschüsse  von  h5cltsteii 
Behörden  entschieden  begünstigten  Anlagen,  zeugen  von  des  Herrn  Baudireeta 
Qoz**)  und  des  Herrn  Bauinspectors  Zais*^)  Talenten  und  Thätigkeit. 
grossen  Wohnräume,  die  in  den  neu  angelegten  Häusern  entstehen,  beleben  i 
Hoffnung,  dass  mancher  Vorsatz  auszuführen  sey»  den  man  hier  im  Still 
oährt,  um  eine  so  viel  besuchte,  an  Ausdehnung  und  Umfang  täglich  wachse 
Stadt  durch  Sammlungen  und  wissenschaftliche  Anstalten  nueh  bedeutender 
machen*^  Dieser  letztere  Wunsch  ist  denn  auch  später  in  Erfüllung  ge 
obgleich  vielleicht  nicht  in  dem  vollen  Umfange,  der  jetzt  von  manchen 
wünscht  wird. 

Qoethe  besuchte  also  an  dem  ersten  Tage  in  Begleitung  seines  Freondee 
Zelter  sogleich  die  nächste  Umgebung  der  Stadt  das  Bosket,  d.  h.  die  Anlagcii 
um  den  Kursaal  und  die  Reste  der  früheren  Anlagen,  des  Herrngartens  zwischen 
dem  Kursaal  und  der  Stadt,  dann  den  Kursaal  selbst,  am  Nachmittage  de 
Steinbruch  im  Mühlbachthale  (denn  dieser  ist  gemeint,  auch  wo  der  Zuaatz 
Mühlbachthale**  nicht  zugefügt  ist;  derselbe  zog  den  Mineralogen  oft  an);  da 
kehrte  er  zurück  zu  den  Resten  der  Stadtmauer,  dem  Schützenhof,  der 
Jahre  1783  einen  Umbau  erfahren  hatte,  und  dem  Kirchhof  hinter  demselb^ 
Hier  suchte  er  das  Grab  Wilhelms  v.  Wolzogen  auf,  der  im  Jahre  1809 
17,  Dezember  zu  Wiesbaden  gestorben  war  und  daselbst  begraben  lag;  da 
zog  ihn  die  pietätsvolle  Erinnerung  auch  an  Schiller,  der  bekanntlich  Woljso 
Schwager  war.  An  den  Kirchhof  stosst  die  HeideDmauer,  „die  alte  Haue 
die  er  mit  geschärfteren  Augen  als  früher  betrachtete,  ohne  ihr  wie  öberha 
den  Altertümern  der  Stadt,  deren  Zeit  noch  nicht  gekommen  war,  gr(j 
Interesse  abzugewinnen;  er  erwähnt  der  Mauer  nicht  mehr.  Die  Umschau  über 
das  Ganze  schloss  am  1.  August  ein  Spaziergang  auf  der  Schwalbacher 
Limburger  Strasse  ab,  die  damals  nur  durch  Gärten,  Baumstüeke  und 
führten,  jetzt  von  stattHchen  Häuserreihen  bis  weit  vor  die  Stadt  be 
sind;  auch  der  Steinbruch  lockte  ihn  abermals  an.  Dasa  er  den  Kocbbfiijioefi 
in  seiner  damaligen  unkünstlerischen  Gestalt  nicht  versäumte,  dürfen  wir  vor* 
auBsetzen,  wenn  er  auch  über  ihn  schweigt;  nur  am  11,  August  gede 
eines  Besuches  desselben  („nochmals  ausgegangen  zur  heissen  Quelle^). 


4*  Eiit»c]ilu88  uiitl  Reise^  1815. 

Im  Frühjahre  1815  befand  sich  Uoethe  nicht  wohl,  eine  frühzeitigere! 
tu'schicn  geboten^  „wozu  ich**^  schreibt  er  an  den  Geh,  Rat  von  Voigt  am  HK  M^il 


^)  KtuitlsobStie  am  Rhein^   Wiesbaden.  ^   ^*i  Geor^  KArJ   Fiorm»  v<oi£|   ilaq 
III  WiMlNideo   für  dat  Obtrmmt  Wiotbmden,  dio   Ämter  WüHbu  und  Wehen,  ~  ^v  Cltr 
Zait,  Baatnspckior  xu  Wiesbatletj  fUr  dio  Amter  EltTilte,  Rüdcnheim,  Kaub^  Id  ' 


73 

,darch  meine  Krankhaftigkeit  veranlasst,  durch  freundliche  und  ängstliche  An- 
triebe, ja  gewissermassen  durch  eio  Geheiss  unserer  gnädigsten  Fürstin  genöthigt 
werde^;  und  bald  darauf  —  Mitte  Mai^)  —  an  Zelter:  ,Ich  habe  mich  mehr 
aus  fremdem  Andrang  als  aus  eigener  Bew^^g  entschlossen  in  diesen  Tagen 
nach  Wiesbaden  zu  gehen  und  daselbst  so  lange  zu  bleiben,  als  die  umstände 
erlauben  wollen. '^ 

So  yerliess  er  denn  rasch  entschlossen  am  24.  Mai  des  Morgens  um  5  Uhr 
Weimar.  Diesmal  bot  die  Reise  weniger  Yeranlassung  zu  Bemerkungen;  das 
Tagebuch  beschränkt  sich  fast  nur  auf  die  Notizen  fiber  die  Orte,  durch  die 
ihn  sein  W^  führte,  und  die  Zeit  der  Ankunft  und  Abfahrt. 

„Am  24.  Um  VJt  in  Erfurt.  Um  11  in  Gotha.  Um  3  in  Eisenach. 
.  .  .  Gespeist  allein.    Kommandant  y.  Egloffstein. 

,25.  Von  Eisenach  ab  6  Uhr.  Von  Bercka  ab  SV'a.  Von  Fach  ab  11. 
Von  Buttlar  ab  1V>-  Hatte  gespeist.  Von  Häofeld  ab  SV«,  in  Fulda  ange- 
kommen 6Vs  Uhr.    Im  Posthause.    Gespräch  mit  dem  Postmeister. 

„26.  Mal  Heller  kühler  Morgen.  Von  Fulda  57«.  Neuhof  7.  Schluch- 
tern 10.    Saalmünster  11  V>-  Gelnhausen  1.   Gespeist.   Hanau  6.  Franckfnrt'^)  8. 

,27.  Mai.  Von  Frankfurt  8^4.  In  Hadersheim  (Hattersheim)  11.  In 
Wisbaden  Vl%.     Im  Bären  eingekehrt.     Zurichtung.* 

In  Frankfurt  machte  er  keine  Besuche,  wie  sich  aus  dem  Tagebuch  er- 
gibt, und  hielt  sich  nicht  länger  auf,  als  nötig  war.  Zu  Wiesbaden  fimd  er 
das  Badhaus  zum  Bären  sehr  Terändert.  Als  Zelter  am  6.  Juni  ihm  angekündigt 
hatte,  er  werde  sich  ebenfalls  einfinden,  da  ihm  das  Wasser  so  gut  bekommen 
sei,  erwidert  er  am  16.  Juni^):  ,Iq  den  alten  Bären  ist  Dein  baumeisterlicher 
Geist  gefahren;  er  würde  Dich  in  Verwunderung  setzen.  Der  dunkle  Gang 
ist  erweitert,  eine  durchaus  zusammenhängende  Reihe  Ton  2Smmem  angelegt, 
der  Vorplatz  hinter  dem  Balkon  macht  jetzt  mein  abgeschlossenes  Vorzimmer: 
so  ist  es  auch  auf  der  andern  Seite.  Wie  lange  ich  bleiben  werde,  wdss  ich 
nicht*  „Dass  der  alte  Bär*,  antwortet  Zelter  am  26.,  ,seine  Eingeweide  restan-' 
riert,  möge  ihm  wohl  bekommen,  wiewohl  ich  wünsche,  dass  sein  FeD  geschont 
würde;  das  alte  rotbraune  Gebäu  mit  den  beiden  Altanen  sah  mich  immer  an 
wie  ein  kupfernes  Schaustück  früherer  2^iten.*  Dieser  Wunsch  Zelters  ist  so 
wenig  erfüllt  worden,  dass  sich  der  alte  Bär  nicht  nur  einen  Xeabau,  sondern 
in  unseren  Tagen  die  völlige  Niederreissung  musste  gefallen  lassen,  um  einer 
neuen  Strasse,  der  Bärenstrasse,  in  deren  Name  sein  ehemaliges  Dasein  fort- 
leben wird,  für  den  gesteigerten  Verkehr  Platz  zu  machen.  Die  neue  Zeit  hat 
eben  auch  ihr  Recht  und  verlangt  sogar  in  Nürnberg  und  Rom,  dass  ihren  Be- 
dürfnissen Rechnung  getragen  werde. 


**  Der  Brief  ut  wöhl  der  im  Ta^boch  bezeidmete  tob  17.  Hai;  Riener  mus  äa 
Ende  lüO.  —  "  Goethe  «chreibt  bald  Fraakfart.  bald  Fraacktet»  a«rh  Fra^fiart.  EboMO 
ist  die  Sdireibnn^  von  Wiesbaden  wechselnd  b«i  ih«.  I«  setten  raaeb  yngevcrfeaca  5aöicn 
legte  er,  wie  die  damalige  Zeit  aberhanpc,  kvmm  Wert  aaf  Or^ogiaphie.  —  ■•  Riemer 
a.  a.  O.  miter  den  betr.  Ta^en. 


74 


5.  Kurleben,  IHU  uuti  1815. 

In  seinem  Briefe  an  Leouhard   vom  1.  August  1814*^)    hcmerkt 
er  gedenke  eine  ernsthafte  Badekur  von  wenigstens  vier  Wochen    tm  be«l 
und  sich  vs^ährend  dieser  Zeit    nicht   weit   zu  entfernen,   und   übereinstiinnii 
damit    bGriehtet    er    F,    A.  Wolf   In    dem    oben    erwähnten  Rei«eliericht    xo\ 
November  1814^  er  habe  die  Kur  auf  das  regehiiässigste  gebraucht,  doch 
e»  nicht  an  Unterbrechungen  gefehlt. 

Das  Tagebuch  bestätigt  beide  Augabeti  vollständig.  Was  zumicbst 
Jahr  1814  betrifft,  so  wurde  nur  au  wenigen  Tagen  und  meist  infolge  töi 
äuäneren  Umstanden  die  Badekur  ausgesetzt,  sodass  die  Zahl  der  Bader  t] 
ganzen  22  betrug;  nur  an  4 — 5  Tagen  findet  sich  kein  Grund  zu  einer  Um 
brechung  angegeben.  Wir  werden  die  Störungen  in  einem  besondern  Abschoitf^ 
weiter  unten  besprechen;  hier  mögen  sie  kurz  augeführt  werden.  Am  3,  Ä 
folgte  er  einer  Einladung  nach  Mainz  zur  Feier  des  Geburtstages  Setner  Majestil 
des  König«  von  Preussen;  am  15,  August  fand  der  Ausflug  nach  Rüdesbesi 
statt,  der  zur  Teilnahme  an  dem  Rochusfeste  am  16.  führte;  am  24.  und  25, 
verlangte  die  Anwesenheit  des  Orossherzogs  Karl  August  von  Weimar,  Jäm 
ihm  die  ganze  Zeit  gewidmet  werde;  am  29,  fühlte  Goethe  sich  unwoblt  wabr- 
ücheinlich  wegen  der  Strapazen,  welche  die  Feier  seines  Geburtstagas  ihm  airf» 
erlogt  hatte.  Mit  dem  Anfang  des  September  war  die  Kur  abgeschlossen, 
es  folgten  die  schönen  llorbsttage  im  Rheingau, 

Die  Kur  des  Jahres  1815  verlief  anfangs  gleich  gewissenhaft;  vom  28. 
bis  22.  Juni  setzte  Goethe  in  26  Tagen   nur  fünfmal  aus;    nachher  Terfuhr 
weniger  streng;    nach   einer  Pause  bis  11.  Juli  nahm  er  fünf  und   nach   eil 
zweiten  vom  16.  Juli  bis  5.  August^  in  welche  die  Reise  an  die  Lahn  itnd 
Köln  fallt,  noch  einige  Bäder,  die  diesmal  im  ganzen  die  Zahl  dreissig  erreicbteiu^ 

Mit  dem  Bad  verband  CToethe  das  Trinken  von  Schwalbacher,  seltener 
Wetlbacher  Wasser.  Jenes  rührte  zum  Teil  aus  dem  Bestand  von  F.  A.  Wolf 
her,  wie  wir  wissen;  er  nahm  es  gewöhnlich  des  Morgens  auf  oder  vor  etoeoi 
Spaziergang  zu  sich.  Geilnauer  Wasser,  das  er  zu  Mainz  gekostet  hüte, 
scheint  ihm  nicht  zugesagt  zu  haben.  In  beiden  Jahren  ist  elfmal  Schvralbaeliei^ 
dreimal  Weilbacher  Wasser  in  dem  Tagebuch  angemerkt. 

Die  körperliche  Bewegung  bildet  auch  einen  Teil  des  regelmasaigen 
lebens.     Während  des  Sommers  1814  beschränkten  sich  die  täglichen  9pi 
ginge  meist  auf  die  Anlagen'^*)  oder  dte  Gegend  vor  dem  Kursaal,  Yielfach  li 
Bogleitung  Zelters  oder  eines  anderen  Bekannten^  weitere  Ausfluge  waren  »eltei 
wir  werden  sie  weiter  unten  erwähnen;  hier  sei  nur  bemerkt,  das»  am  6.  Augi 
die  Friiuleiu  voo  Stein   eine  .FCte  zu  Sonnenberg**   veranstalteten  und  « 
und  18,  die  Platte  besucht  wurde. 

Im  Jahre  1815  zeigte  sich  Goethe,  nachdem   einmal,    wie    t.-^  >«  nem 
jiKninkhaftigkeit*   gewichen  war,   viel   uutcrnehmender.     In  Betreff  der 


*')  T.  LeonliAfrlj  Atu  umervr  ißvit  in  moüieui  Liberi  1»  44n,  \  Wr^nn  f«  ««  »Ul 

bcltit  Jn  den  lWibm'finnI«cheo?^  Anlagen^,  so  iti  der  i^iiftaU  Hetbm.  ein  Irrtum;  «ololiii  ^ali 
fii  Wie»b«d«n  niobt 


76 


er  —  am  29,  Mai  —  eines  Besuchs  der  pOberea  Vorstadt",  ein  Name^ 
der  für  die  kleine  Stadt  volltonender  lautet,  als  sie  verdient.  Sonst  bildet  zwar 
auch  wieder  der  Eursaal  mit  seinen  Anlagen  namentlich  vor  7'isch  („vor  Mittag^) 

(das  gewohnliche  Ziel  der  Spaziergänge  und  auch  die  Kalksteinbröcfae  wurden 
wiederholt  besucht;  aber  für  die  Naehmittage  oder  Abende,  manchmal  biü  in 
die  Nacht  hinein,  ist  jetzt  der  Geisberg,  den  er  1814  nur  einmal  betrat,  der* 
jeoige  Punkt,  welcher  den  Dichter  am  maiaten  anzog.  Hier  verlebte  er  im 
Kreise  von  Freunden  wie  Cramer,  Botsseräa,  8chl(»fl«er  bei  einem  Olaae  Wein, 
vielleicht  von  dem  gepriesenen  Elfer,  vergnigte  trauliche  SttmdeDf  die  aaefa 
ihren  Niederschlag  im  west^ostlichen  Di  van  gefunden  haben.  Yon  ihm  gilt, 
was  er  in  einem  oben  angezogenen  Briefe  sagt,  daaa  man  Uer  ^n  Wiesbaden) 
nur  eine  Yiertelstunde  Stcigeos  bedürfe,  um  in  die  Beicbe  der  Welt  und  ihr« 
Herrlichkeit  zu  sehen.  Hier  hat  man  die  Stadt  zu  «einen  Fümeüt  wettarbtn 
erblickt  man  sanfte  Anhöhen  hinter  und  neben  tkr^  die  Berge  jeoaaHa  de«  Rhetnfl% 
diesen  selbst  und  die  Türme  des  goldenen  Mainz,  sowie  linker  Hand  die  Et«M 
bifl  anm  Odenwald  hin.  Der  Oeisberg  war  damals  von  dnem  Ökraomiegiii 
eingenommen^  dessen  Besitzer  zugleich  Wirtschaft  betrieb;  er  faieei  HaitiBga'^, 
aetn  Kellner  war  ein  schöner^  blonder,  freundlieber  junger  Meoseb^  aa  dem 
Goethe  sein  Wohlgefallen  hatte;  am  Sons*  nnd  Montag  nnd  wütrend  der 
Sommermonate  auch  am  Mtttwoeh  und  Freitag^^)  spielte  hier  eine  Mstikbande. 
DieBe  adietnt  nun  onaere  Gaste  weniger  aageloelct  am  iuibeo,  denn  eine  ver- 
gleielieiide  Zosammenatelhing  belehrt  msy  dnaa  «e  fie  der  Mnaik  eolbebreoden 
Tage  för  ihre  Besuche  des  Oriea  Torzogen,  aber  die  anderen  doeli  aiebt  ganz 
Tcrmiedeii;  iii  die  Becbnung  ricbi%,  so  betrifca  jese  12  Tage  unter  IS. 

Andefe  Anafloge  des  Jahres  1815  Slnten  naek  der  Paptermible  m 
^aarenthal  (am  2^.  Mai)  und  der  Klosterranble   (am  3*  Angnat)  bei 
^^leiaen  Dorfe,  welchai  sieh  an  daa 
^Namens  (1296—1580)  angeadtlonMi  hatte.    Ten 

in  aeiner  Kahe  mM^Ugte  und  noeh  jetzt  besieliaide  XflUn  den  Kaan;  Ooethe 
nennt  sie  Nonnenniähle.    An  beiden  Qrteo  wnrdea  den  etakehteBdea  Giacen 
terabreieki.   Die  Kloatentfhle  arregte  äb&  in  gnaz  nadrer  We 
Intcreew.     &   glanbie  _ 

■llyiuUieft  in  «Hermann  od  Domihen*  fcihniin  an  hrtcn.    Die  Mttle 
im  Jahre   1792  ein  Johaanea  Beialmrd  ni»  SMÜtten  ftr  3000  t. 
Als  er  in  Jahn  1813  in  «taem  AMer  nm  45 
Witwe  nü  cjacr  zaUresehen 

iheotna  waren  Sohne,  wehAe  der  Mittler  bei  dcB  Bmkb 
wohl  jehnnUfreieh  zar  Seite  stehen  keaaaa;  m  ib%taeiaoTe 
Beonore,  geh.  na  30.  Aprfl  1T97, 


^^Msehongea 


B«ifi«r4e  m 
•*/  es  1mm  i.  a 


76 


ein  Mädchen  toq  18  Jahren  war;  die  anderen  Tochter  waren  jünger.  KathariBe 
Eleonore  tnuss  sich  der  Geschäfte  der  Haushaltung  und  Bewirtung  der  QikiJUs 
thätig  angenommeD,  auch  die  Mutter  hei  der  Erziehung  der  jiiugeren  Oeschwbter 
unterstützt  haben.  Sie  nun  rief  unserm  Dichter  das  Bihi  »einer  Dorothea  vor 
Augen.  9o  erzählte  er  am  17.  September"^)  den  Frankfurter  Freunden  is 
zahlreicher  OeselUchaft  von  der  schönen  Müllerstochter  auf  der  Nonneninühle 
bei  Wiesbadeo,  mit  der  ihn  Frau  Bansa®*)  bekannt  gemacht  habe,  als  mmm 
Gegenstück  zu  seiner  Dorothea:  ^Reinlichkeit,  Wulilliabenheit,  Schunheit,  Derb- 
heit Sie  spielt  Klavier,  die  Brüder  sind  zugleich  Fuhrleute,  eine  alte  Mutter'^) 
steht  dem  Haus  vor.  Eine  alte  Muhme  ist  der  Apotheker  aus  ^Hermann  und 
Dorothea*  und  recht  gut.  Sie  hat  noch  eine  Anzahl  Geschwister.**  Noch  ein- 
mal sah  Goethe  das  Haus,  es  war  auf  der  Rückreise  von  Nassau  am  31.  August, 
aber  wohl  ohne  einzukehren,  doch  vergisst  er  nicht  die  Nonnenmühle  und  daM 
or  an  ihr  vorbeigefahren,  zu  notieren.  Die  Katharine  Eleonore,  um  das  nicht 
zu  übergehen,  heiratete  später  den  Besitzer  des  ehemaligen  sog.  Mahrischen 
Hofes  Jakob  Wilhelm  Mahr  und  nach  dessen  am  17*  November  1832  erfolgten 
Tode  im  Jahre  1838  den  Badewirt  Philipp  Daniel  Herber;  sie  starb  suoa 
zweitenmale  verwittwet  am  23.  Oktober  J872, 

Weiter  ab  lag  der  Nürnberger  Hof,  dem  der  Besuch  am  6*  Juli  galt. 
Die  Fahrt  war  am  vorhergehenden  Tage  mit  Gramer  verabredet  worden^  der 
zwar  nicht  unter  den  Teilnehmern  genannt  wird,  aber  doch  wohl  nicht  gefehb 
hat,  da  seine  Familie®*')  zu  ihnen  gehörte  und  auch  das  Gestein  unter«udlt 
wurde.  Auch  dieser  Punkt  bietet  eine  herrliche  Aussicht  auf  die  tot  Sm 
liegende  Ebene,  durch  welche  majestätisch  der  Rhein  seine  Fluten  wäkt,  uni- 
geben  von  zahlreichen  Städten,  Dörfern  uud  Villen.''^)  Das  Tagebuch  gibt  di« 
kurze  Notiz:  „Mittag  auf  dem  Hofe,     Im  Freyen  schöne  Aussicht.* 

Regelmässig  ist  im  Tagebuch  verzeichnet,  wo  er  zu  Mittag  speiate.  Diu 
geschah  im  Jahre  1814  anfangs  an  der  Tafel  seines  Gasthauses,  wenn  kebo 
Abhaltung  durch  eine  Einladung  dazwischen  trat.  Vom  11,  August  an  aber 
heisst  03  fast  immer:  „Mittag  zu  Hause*,  oder  „Mittag  für  mich".  Er  war 
ia  seine  Wohnung  zum  Baren  übergesiedelt,  und  die  Gasthaustafel  moebt43  ihiu 
nun  unbequem  geworden  sein,  sei  es,  dass  seine  Massigkeit  in  Speise  und  Trank 
ihm  iüeselbe  verleidete  oder  er  nicht  die  Unterhaltung  fand,  die  ihn  befriedigle, 
oder  er  in  anderer  Weise  sich  beengt  fühlte.  Wir  kennen  die  GenOgsamkeit 
des  freilich   vierzehn   Jahre  älteren  Goethe   aus   den  Mitteilungen    über   Brno» 


i 


^^1  B.  Boifser^e,  dem  wir  die^e  Mliieilung  ?6rdaiiVen  (I^  2S0),  nennt  BonotAg  dm 
1^.  Soptemb^r  alt  den  Tag  der  Krzfthlung.  D«>r  Bonntag  dieser  Woohe  fiel  aber  im  Jalwt 
Ititr»  auf  don  17.  Sopkomber.  Scbaii  Creizoaaoh»  Briefwechsel  zwischen  Qoolhc»  «id 
M.  r.  WUlemer  ä,  50  bemerkt,  d«»»  Boisaeroed  Ani^abeu  der  Tage  sn  dieser  Zeit  nicht  ridikig 
ariea;  da«  Tagebuoh  »out  die  betreffemle  Oeaenachafl  auf  den  17.  Sept  —  ♦*)  Boiiier/a 
achreibt  Paiian.  —  •*>  Sie  bie«»  Marie  Stargurethe  und  war  eine  geb.  Erckel  von  WieabarftOf 
lobte  abrtgeni  oocb  bis  xutn  10.  Oktolter  1817.  —  ^'^i  VgL  den  Abücbniit  No.  8,  10  ifbilippiM 
Lada).  ^  ^*i  Sogar  Vogel,  Beschreibung  des  Herzogtunis  Xaasau  S»  544^  wird  iu  lointET 
ti$ob»t  lehrreichen«  aber  trockenen  Darstellung  zu  den  Worten  bingermen:  «Hier  hat 
flino  ajibaoclirei blich  seböne  Au«»icbt  niir»r  don  Hh*»i»»    ''*-  ^<l'*^ingau,  die  PfuU  n  •  •»,  hiaJ 


i 


77 


tüglicho  LeboDsweise  zu  Dombiirg  im  Jahre  1828*');  die  daselbst  erwähnte 
Liebhaberei   an    Artischokeü,    die    er   sich   selbst   zu   einem  Salat  mit   feinem 

iProveücerÖl  zubereitete  und  aus  Frankfurt  hatte  kommen  lassen,  bestand  auch 
schon  in  Wiesbaden;  seinen  Freund  Fr,  Schlosser  bittet  er  am  20.  August 
ISH**^,  wobei  er  sich  wegeu  des  sonderbaren  Auftrags  entschuldigt,  er  möge 
ihm  durch  einen  Fuhrmann,  der  zweimal  wöchentlich  nach  Frankfurt  fahre,  ein 
halbes  Dutzend  Artiachoken  senden;  hier  (in  Wiesbaden)  seien  sie  selten  und 
dann  nicht  gut  zu  haben,  und  dies  Essen  sei  seine  Leidenschaft.  Wie  wenig 
sein  Magen  ausserge wuhnlichen  Leistungen  gewachsen  war,  zeigt  sein  Unwohl- 

[seiD  nach  der  Geburtstagsfeier, 

Hier  müssen  wir  die  Anekdote,  die  ein  freilich  nicht  ganz  glaubwürdiger 
Berichterstatter  erzählt,   erwähnen,'**)     „Kurz  nach  den  Befreiungskriegen    traf 

r  Goethe**,  so  heisst  es,  „mit  russischen  Offizieren,  Liefländern  in  Wiesbaden  an 
der  table  d'hote  zusammen;  diese  brachten  ihm  den  Toast  aus:  „Sie  sollen  leben, 
Herr  Professor!**     Goethe,   der  ganz  einfach  gekleidet  war,   entfernte  sich  und 

'  erschien  nach  kurzer  Pause  wieder  mit  dem  Stern  des  russischen  St.  Annen- 
Ordens  auf  der  Brust  Die  Offiziere  gaben  ihm  nun  die  Excellenz  und  baten 
ihn  um  Entschulrligung,  die  Gesundheit  habe  nicht  ihm,  sondern  seinen  un- 
sterblichen  Werken  gegolten.  Die  weimarische  Excellenz  verharrte  in  stolzem 
Schweigen.**  Wenn  dieser  Bericht  auf  Wahrheit  beruht,  so  muss  die  Sache 
im  Gasthaus  zum  Adler  und  in  den  Tagen  stattgefunden  haben,  ab  Goethe  noch 
zugleich  ebenda  wohnte,  da  er  sonst  nicht  nach  kurzer  Pause  wieder  erscheinen 
konnte,   also   im  Jahre  1814.     Die  Tagebücher   aber  schweigen  an  diesen  wie 

|an  allen  Tagen  von  einer  Gesellschaß;  russischer  Offiziere  oder  von  einem  Vor- 
kommnis der  Art,  wie  das  erzählte  ist.  Wäre  Goethe  über  ein  solches  miss- 
ötimmt  wurden,  so  hätte  er  es  sicherlich  kurz  bemerkt,  wenigstens  die  Anwesen- 
heit der  Offiziere  erwähnt.  Gesetzt  aber  auch,  dass  sich  die  Sache  so  verhalten 
hat,  wie  Vehse  berichtet,  so  ist  das  Benehmen  Goethes  gewiss  weit  eher  dar- 
auf berechnet  gewesen,  die  lärmenden  Gesellen  zum  Schweigen  zu  bringen,  als 
aus  beleidigtem  Stolz  wegen   Versagung  der  Excellenz   zu  erklären.     Die  Ent- 

I  schuldigung  aber  wäre  ebenso  albern  gewesen,  als  gross  die  Unwissenheit  über 
die  Stellung  des  Yerfaasers  der  ^unsterblichen  Werke**,  die  sie  hoch  „leben**  liessen. 
Auch  im  Sommer  1815  speist  er  meist  zu  Hause;  nur  wenn  Besuche  ihn 
nutigen,  auswärts,  und  zwar  jetzt  meist  im  Kursaal;  diese  Fälle  wiederholen 
sich  öfter  infolge  der  Anwesenheit  Schlossers,  Boisser^es  u,  a. 

Den  Abend  brachte  er  ebenfalls  am  liebsten  zu  Hause  zu,  sei  es  im 
traulichen  Gespräche  mit  einem  Freunde  oder  mit  seinen  Arbeiten  beschäftigt. 
Einmal,  am  16,  Juli  1815,  speiste  er  zu  Abend  in  der  Loge*  Er  ging  in  der 
Itegel  früh  zu  Bette,  zu  Dornburg  regelmässig  um  9 — 9Vi  Uhr,  Nur  äussere 
Umstände  brachten  auch  hier  eine  Änderung  hervor,  wie  die  Anwesenheit  des 
Grossherzogs  oder  der  letzte  Abend  vor  der  Abreise  der  Frau  Äbtissin  v.  Stein, 
was  er  dann  niemals  zu  verzeichnen  vergisst     Für  das  Jahr  1815  finden  sich 


**)  Gocthe^Julirb,  U,  liVX 
I  deutschen  Höfe,  28,  2<H. 


—  •*)  Freae,  a,  tt.  0,  S.  0^.  ^  ">  Velisß,  Geschichte  der 


78 


selten  dahin  geheado  BemerkiiDgen  in  dem  Tagebuch f  doch  darf  man  vertoiileOi 
daas  er  es  ebenso  gehalten  hat.  Nur  die  Spaziergänge  auf  dem  Geisberg  dehnten 
sich  öfter  hlnger  aus,  bis  in  die  Dunkelheit  hinein. 

6.  Das  Theater. 

Hier  ist  wohl   der  passende  Ort,  über  Goethes  Besuch   des  Wieabad 
Theaters  zu  reden. '^*) 

Ein  Theater  betitand  hier  schon  längere  Jahre,  wenn  auch  ein  eigeaei 
Gebäude  fiir  dasselbe  fehlte;  die  Vorstellungen  wurden  in  einem  dazu  berge* 
richteten  Saale  des  Schützenhofea  gegeben.  Das  Theater,  seit  1810  hentoglieh 
nassauisches  Hoftheater  benannt,  stand  seit  1807  unter  staatlicher  Oberdirektioa 
und  erfuhr  dadurch  einen  höheren  Aufschwung.  Bei  den  für  notwendig  ^ 
achteten  Umänderungen  im  Inneren  des  Gebäudes  zog  man  den  geBcbickteo 
Dekorationsmaler  Friedrich  Beuther  (1770 — ^1856)'*),  der  sich  damals  zu  Frankfurt 
aufhielt,  zu  Rate;  dieser  hatte  seine  Stärke  in  der  Darstellung  der  PerspekHr« 
und  der  „Hintergründe**.  Auch  in  Weimar  ging  man  einige  Zeit  später,  iia 
Winter  1815  auf  1816,  damit  um,  das  Theater,  das  dort  ungleich  höher  stand 
als  in  Wiesbaden  und,  wie  Goethe  sagt,  „sich  in  Hinsicht  auf  reine  RecitatiOD, 
kräftige  Deklamation,  natürliches  und  zugleich  kunstreiches  Darstellen  auf  eineo 
bedeutenden  Gipfel  inneren  Wertes  erhoben  hatte**,  dem  entsprechend  in  seinen 
äusseren  Mitteln  zu  vervollkommnen.  Zu  dem  Zwecke  trat  Goethe  mit  Friedrich 
Bouther  in  Verbindung  und  gewann  ihn  fiir  die  Weimarer  Bühne,  bei  welchw 
er  im  Jahre  1816  als  Theatermaler  und  Dekorateur  angestellt  ist.^')  Als  oaoll 
die  Verhandlungen  schwebten,  mag  er  von  ihm  selbst  vernümmen  haben,  dass 
auch  die  Wiesbadener  Dekorationen  von  ihm  angefertigt  worden  seien,  und 
dieser  Umstand  lenkte  die  Aufmerksamkeit  Goethes  auf  dieselben  hin. 

Im  Jahre  1814  hatte  er  dem  Theater  in  Wiesbaden  wenig  Interoste 
entgegengebracht.'*)  Infolge  des  Krieges,  der  sich  im  Herbste  des  Jahre»  1813 
nach  dem  Mittelrhein  gezogen  hatte,  war  der  Hof  des  Herzogs  nach  üsisg^en 
übergesiedelt  (November  1813)  und  das  Theater  aufgelöst  worden;  im  Somroer 
1814  spielte  eine  Truppe  der  Direktrice  Müller  in  den  alten  Räumen,  tm 
Sommer  1815  die  des  Georg  Dengler;  diese  beiden  konnten  den  hohen  Kunit« 
sinn  des  Weimarer  Gastes  nicht  anziehen  und  befriedigen;  im  Sommer  IS14 
besuchte  er  das  Schauspiel  nur  einmal,  am  25.  August«  Das  wurde  auf  domil 
anders  im  Sommer  1815;  nunmehr  finden  wir  ihn  bald  nach  seiner  Aoktuift 
and  dann  noch  zweimal  im  Theater,  aber  schon  die  Zusätze,  die  er  bei  der 
Erwähnung  dieser  Besuche  im  Tagebuch  macht,  lassen  vermuten,  dass  es  sidi 
hier  um  etwas  anderes  als  um  das  Schauspiel  handelte;  am  4*  Juni  heisst  es: 
»Abends   Schauspiel;    Dekorationen   von   Beuter •    (sie);   am   6.       T      Thwrter 


">  Tgl  0,  Wftddigön,  Geftchiohte  de«  KönigU  Ttionttirs  in  Wieibadeu  ISO 4.  —  ")  übm\ 
idn  die  AUgciindtie  DeuUchi^  ßiogFsphic   und  Go«thcn  Atmulon    IHtr*.   -    '*i  ICof-  atid  SlmaU- 
h»ndlmoh  von  Sseh0on*Woimar*EUenAch,  i?.  J4>.  —   ^*i  Übor  da»  Foigtande  t.  F.  0.  ijo  Bk»* 
iiiich«n  Kurier  vom  S.  Juli  1S94. 


79 


r^eii  Dekorationen*,  und  am  14,:  ,Im  Tbeaier.  DekormtmieD**     unsere  Ver* 

mutung   wird  zm  OewUsheit  dtarch  etilen  Brief,   d«i  er  am  8*  Joni  an  setiie 

Frau  schrieb :  in  diesem  s^e  er^^):  ^Naeh  Beothers  Arbeiteo,  dar  das  hiesige 

Theater  emrichtete,  habe  ich   dogleiefa   Bachgefragt     Herr   Gebeimefatb   Ton 

Pfeiffer,  dem  die  hiesigen  Theatefgeschafte  untei^eben  sind**),  bat  die  ganz 

besondere  Gefälligkeit,   mir  an   sehiekltcheD  Abenden^    oaeb  Beendung   dea 

I     Sebattspiels,   wenn   die  Erleuchtung  nach  Toilstäodig  iat,  mehrere  Dekoraiioaeii 

'     oder  weojgstend   Hintergründe   zu   zeigen^   wo  iob  dami  daa  tin  greeaea  sehe^ 

was  wir  im  kleinen  schon  kennen  and  was  bey  ans  grSaser  aitsgefohrt  werden 

soll/     Wenn  er  sagt,  daäs  er  im  grossen  sehe,  was  sie  im  kleinen  schon  kennen« 

^^   geht  das  wohl  auf  die  Modelle  iu    kleinem  Massalabe,  die  Beuther  zu  ent- 

^Brerfen    verstand.     Wie    es   für   Wiesbaden   als   höbe  Ehre  und  Auszeichnung 

^BDffGsehen  werden  musste,  wenn  der  grosse  Kenner  der  Bulme  und  Leiter  des 

^Bprsten  Theaters  Deutschlands  in   damaliger  Zeit   Ton  dort  ^cfa  eine  Belehrung 

^ftder  wenigstens  die  Anschauung  der   in  Weimar  Torzunehmendmi  Neuerungen 

herholte,   so   war  es  für  diesen   von  Wichtigkeit   über  Beuthers  Leistungen  an 

Hdessen   Werken   sich    ein   sicheres   Urteil   zu   bilden.     Sobald  dieaes  Interesae 

^Htt|l^^  war,  hört  der  Besuch  des  Schauspiels  für  Gt>edie  aal 

^^^^^Bts  es  mit  der  Notiz  des  Tagebuchs  vom  15.  Februar  1815:  «Wiesbadener 

Theaterspass*  auf  sich  habe,  vermögen  wir  nicht  zu  erklaren.     Tielleiehf  gibt 

Iainer  der  nicht  veröffentlichten  Briefe  darüber  Aufscfaluss. 
I  £d  mögen  hier  noch  zwei  andere  Kunstgenüsse,  die  Goethe  zuteil  wurdeo, 
verzeichnet  werden. 
I  Am  6.  August  1814  horte  er  den  Ho%erichts- Advokaten  HaH wachs  aus 
Parmstadt  die  Glocke  von  Schiller  deklamieren*  Darüber  berichtet  er  am  7. 
an  seine  Frau^^):  ^ Gestern  sah  ich  eine  wunderliche  Erscheinung,  einen  jtingen 
I  Mann^  Advokaten  in  Darmstadt,  ganz  zum  Schauspieler  gebohren.  Schöne 
^ftleatalr,  schickliche  Bew^ungen,  wohlklingende  Stimme;  er  deklatmrte,  in  einer 
^^krt  von  Hamlets  Kleide^  Schillers  Glocke.  Leider  ist  er,  in  Ansicht  auf  Ddda* 
^Hnation,  ganz  auf  falschem  Wege,  er  müsste  völlig  umlernen  wenn  er  bey  Qua 
Gluck  machen  wollte  •  .  .  .  ein  prächtiger  Bursch  istV* 

Ferner  hatte  er  den  Hochgenuss  des  Spiels  auf  der  Mauhrommel.     Tage- 
buch vom  30*  Juli:    «Maultrommel.    Gesteigerte   Mechanik  derselben*   und  am 
13.  August:    «Gesang  und  Maultrommel   im   Adler**     Dieses   lange   verkannte 
muaikaliscfae  Instrument  war  erst  seit  dem  Ende  des  18.  Jahrhunderts  zu  höherer 
Lushildung   gelangt    und    hatte   durch    die   Vollkommenheit,    mit    der    es    von 
H,  Scheibler  zu  Krefeld  (1777—1838)  u.  a,  gehandhabt  wurde,  allgemeine  An- 
rkennung  und  durch  G,  Chr.  Grosahetm  (1764—1847)  den  edleren  Nameu  Mund- 
barmonika, den  Jean  Paul  aufgebracht,  gefunden.^   In  Wiesbaden  hatte  um  die 


"t  MU^eteiU  i«t  diese  8teDe  m  den  AnacrkiageB  m  dem  T«gel>Doh^  3.  372.  —  ^^  Frsiu 
Joftef  (»eit   1814  Yon  i  Pfeiffer  war  OaMawr  Ftnasznl  und  OeheUncr  StemlsrtftfMidir, 


dtm  Oktober  18U  Geheitserrmt  und  Gesermldtrekim'  d«r  todjftkieii  Stttieni. 
1814,  Ka«  22*  —  ^}  Die  Stelle  ist  nitgetoilt  in  den  Antaericiiiigeii  ssw  Tag^hicht  8«  S5f. 
')dolllUiikf ,  Encjrklopidie  der  mittikslUclieii  WiatensetiafteD  i^  (MM. 


iiB^ 


mmam 


Zeit,  in  dor  wir  une  vorsetzt  aohen,  ein  gewisser  Teichmuller  aus  Braunschwcig^ ' 
fiieh  durch  seine  Kunstfertigkeit  auf  der  Maultrommel  ausgeseiebDet;    er  selbit 
oder  ein  Sohüler  von  ihm  mag  es  gewesen  sein,  den  Oüothe  hier  zu  hären  bektOL 


?•  Terkehr  mit  Kurgästen.    Besuche  auswärtiger  Freuncie. 

Wir  werden  hier  zuerst  den  Verkehr  mit  Kurgästen  zur  Sprache  bringts,! 
die  nicht  aus  Frankfurt  waren,  dann  den  mit  Frankfurtern,  und  zwar  zunächat . 
vom  Jahre  1814,  darauf  von  1815,  sofern  nicht  eine  Verbindung  der  bddeQJ 
Jalire  Äweckmäsaig  erscheint. 

Den  lebhaßesten  Verkehr  unterhält  Goethe  während  seines  Aufentbatu 
^u  Wiesbaden  im  Sommer  1814  mit  seinem  nur  wenige  Jahre  jüngeren  Freunde 
K.  Fr.  Zelter  (1758 — 1832),  dessen  Einfluss  und  thätige  Vorbereitung  für  die 
Reise  schon  oben  hervorgehoben  wurde,  auch  dasa  er  bis  zum  31.  August  an«* 
hielt;  am  1.  September  sahen  sich  beide  fiir  kurze  Zeit  in  Winkel  wieder.  Da 
Zelter  auch  im  „Bären**  wohnte,  so  war  der  Verkehr  um  so  weniger  gebindeft 
oder  erschwert,  und  so  finden  wir  denn  beide  fast  täglich  zusammen,  manch» 
mal  mehr  als  einmal  an  demselben  Tage,  und  zu  allen  Stunden,  auf  dem  Zimmer, 
auf  Spaziergängen  oder  Ausflügen;  wir  glauben  nicht  nötig  zu  haben  die  einzel&ea 
Tage  aufzuzählen,  an  denen  sie  zusammen  erscheinen.  Von  den  Ausflügen  am 
3.  August  und  am  15.— 17.  August  wird  unten  die  Rede  sein  unter  dem  Ab* 
schnitt  , Unterbrechungen  oder  Störungen, "  Auch  zu  kleineu  Dienstleistungen 
war  Zelter  bereit,  wie  er  z,  B*  die  Rezension  des  Werkes  der  Frau  v.  Stael 
über  Deutschland  am  11.  und  12.  August  vorlas  und  am  28.  eine  alUuaaf* 
regende  Feier  von  Goethes  Geburtstag,  welcher  dieser  doch  nicht  ganz  entgiii|^ 
zu  verhüten  suchte.  „Ich  habe  alle  Hände  voll  gehabt  zu  verhindern*,  schreibt 
er  am  30.  an  den  Staatsrat  Schultz^^},  „dass  vorgestern  an  seinem  Geburt«ü[||l 
nicht  Aufruhr  in  Wiesbaden  wurde,  indem  ich  sagte,  er  gehe  von  dannen,  wl< 
er  denn  auch  in  Biebrich  beim  Herzog  von  Nassau  zur  Tafel  war.** 

Sie  kannten  sich  schon  lange  Zeit;  das  Verhältnis  hatte  sich  aber  seit  den 
freiwilligen  Tod  von  Zelters  Stiefsohn  1812  zur  innigsten  Freundschaft  gesteigert. 
Damals  gobraachfe  Goethe  in  der  Anrede  zuerst  das  vertrauliche  Du:  ,Du 
hast  Dich  auf  dem  schwarzen  Probiersteine  des  Todes  als  ein  echtes  geläuterte« 
Gold  aufgestrichen;  wie  herrlich  ist  ein  Charakter,  wenn  er  so  von  Oeiftt  und 
Seele  durchdrungen  ist*',  und  Zelter  durfte  seit  diesem  Briefe  dcnkon,  ao  Stelle 
dos  verlornen  Sohnes  einen  lebendigen  Bruder  gewonnen  zw  habeB.  Goethe 
schätzte  an  ihm  die  Kernhaftigkeit  seiner  Natur,  die  frei  von  aller  Sentimentatit&t 
war,  den  ufTenen  ehrlichen  Sinn,  der  empfänglich  war  für  alles  Oute  und  SctiiiiM!, 
Bei  ihm  fühlte  er  sich  wahrhaft  wohl. 


**)  Ä.  Schreiber^  Topo^nphischer  Nomenklator  dor  ^aiixeu  Khetnktlit«!  kX 

Kr  war  nioh   diesem   »ugleich  PorirÄriniiler.     Schilling   Bohreibt   den   Naro«n    L        \rt. 

F<^tU,  Bio^^phte  de«  üuftioien«  VII,  190  rerzeichnct  einen  K.  W.  Tdchmfillcr,  der  KOitiiliv 
«uf  dor  Violine,  FlOto  und  OuitHrr^  und  um  I93(r  Professor  der  Musik  zu  RrauniokwMg  fo« 
•«i;   Auch    hab«    er   iich    durch    sein    8piel    Auf  der   Mundlmmioiiika    Ixikmont 
**)  H.  Dflnia^r^  Briefwecbeel  zwiBohea  Qoethe  und  SohulU  1653,  8.  ISe. 


rfita 


am 


Die  Jkjar   irc   Zargr    r&ss   imäc  rm    itakammsL.      »tt    f.    ^eiiBnä^ 
b1  4bi  Pnoun  üKEL  rsbisitL  Diü^  luL   u!L  «ffTT   ^  iiiBg;..   niffffii  uat  not  en. 

-viL    "TK    KL   3Zir   ISl* 

XL  knzxnzisi  xiif  •?  HuEmznr  iDftcnH  -^   7iiixl    ibil  zl  flaäanfiL. 


Hrnnfnmttg^  «sS'^mex  izii£  ^  unssB:  mt  IjSseb:  mkfciHSL   sul  «cä 

jnti  "m?   RET  r!:i>!äi5L  ob:   iF'RCäSärmf  Hunoiami..   ^hzb:  Xi^ur 

TTi^BTSJux    äft   ZL-aiaäriiifarfiiiiiHr     -*'  ^^tttit  *      2z   j^^f^^y*»    snc 
PshbSc  bl  KSf  QfiT  HHirETt  *!rijeKDff  n  "Wenßic  itsoisism:  j*?^fsbi  hu^»!  hbl 

4 TT  r,  Abttä  ituiz^  €?    fi»t  irüBsiaäTir     ,  ^'y    ok    ^ 

In  mtnr  LanüEX:  ul  l .  A-iiTusi  üc  hl  üttf^ifuiz  ^^Rssfiiäms     .".Jircr  rfBOuär^. 

IWr  wiiaxsi   *ex  ^*sBprL'^  mr  ••jssert^    ^tüi   f.     figpy    *.m*nni»   rnn^ 

Eiiisottc  ^lt::  ^*'}*Riri,'JL  Li»?  oh:  luijea^  £jmä:  ägpiwan*.  ae  osn.  'iriiMii  i 

bi,  afer    &fc  "irc    ^TTT    iiif  S.atäi:    I-^fT-^r    bl    miL   rvnarr   in.   anr   ^™imt. 
Z^Q  iij»*ij:  j^'j'i:  •*»ftt»är*  S-Oiei;*  iis  aif  s-emn^HL.  mä.  iL  ^uisicaiac  mt 
Eil  r«:»:c:r*-£iii:  i*ir  ^  r*:r€L  mt  jLninrrfie  Zcstsiiu^ai:  jpemKsn:. 

G-jf&üxem:^    ilj:   V:»i?iiiir    wlj   hl    'zntsu^Bi^   zun,   J^äts 

iT^tfetüt»*  ir*^  L*>i^tvi'in.  •  *  ■  .    LH  ~   ^'LTTS'  Tar  -sivBiiBi  -EIL  «St.  Xsralisis 


ÄriüS'wa**'-    i»eiiier    -«^a    i.*ii»T   c    o^    äse     Ittm.    —   • 


8S 


Uerr  Graf  IlenckeWuDÜonnersmark,  königl.  preussmelier  General.****) 
iRt  Graf  Wilhelm  (1773—1823),  seit  dem  30.  Mai    1814    Oeneralmftjor;  JHJtr 
wirJ  Graf  Lazarus  sein,   welcher  im  Jabre  1813    zum    Adjutant    des    Genenb 
V,  Steinmetz  ernannt  worden  war/')     Mit  der  Familie  der  Grafen  war  Ooeth» 
sclion  von  Weimar  her  bekannf^   da  die   Mutter  des   Grafen   Wilhelm,   flriii 
Ottilie  geb.  %%  Lepel,  Oberhofrneisterin  der  Erbgroasherzopn   war;    später 
er  in  ein  noch  engeres  Verhältnis  zu  derselben,  al»  aein  Sohn  die  Enkel 
Gräfin«  Ottilie  v,  Pogwisch,  heiratete*     Ob   nun   Goethe   mit   beiden    oder 
welchem   von  beiden   er   vornehmlich  verkehrte,   giebt  er   nicht   an;    mit   A 
erateren,  dem  Rittmeister,    traf  er   schon    am  30,  Juli   wahrseheinlich    an  di 
Tafel  zusammen,  ebenso  ist  seine  Name   am  31.  Juli  und  1,  August  im  Ti 
buch  genannt;  am  8.,  9.  und  26.  August  kann   der  im  Tagebuch    aufgeführte 
Graf  lleackel  auch  Graf  Wilhelm,  welcher  bis  zum  6.  September  zu  Wiesbaden 
verweilte,  gewesen  sein.     Mit    ihm  erscheinen    am    9,    zusammen   die    Pranlfi^j 
V.  Steiß,  wie  sie  das  Tagebuch  vom  2.  August  kurz   bezeichnet     Sie   ware^H 
schon  eine  Woche  früher,  zwischen  dem   17.  und  24.  Juli  in  Wiesbaden  einge- 
troflen  und  hatten  »ich  im  Badhause  zum  schwarzen  Bock   eingemietet.     Nidi 
einem  Briefe  von  Goethe  an  seine  Frau  waren  es  (d.  fa.  wie  wir  sehen  wetdcn, 
nur  zwei  von  ihnen)  Schwestern  de»  ehemaligen  Oberforstmeisters   v.  Stein  m 
Weimar.****)     Es   waren   im  ganzen  vier  Damen  und   sie  werden  in    dem  Tage- 
buch und  der  Kurliste  so  übereinstimmend  aufgeführt,  dass  die  Vermutung  nahe* 
liegt,  die  eine  Aufzählung  sei  aus   der  anderen  geflossen.     Die   Kurliite   6a|t 
folgendermassen   (die   eingeklammerten    Worte   sind  bei  Goethe    weggel 
„Fr,^^  V,  Stein,  Äbtissin,  von  Witzenbaoh^;  Fräulein  v.  Stein  Stifts-  und 
dame  [bei  Ihro  Durchlaucht |  der  Frau  Churfürstin  von  Hessen-Kassel;  Fräuli 
V.  Stein,  Stiftsdame  und  Fräulein  \\  Willhan'**),  [beide]  von  Bobenhausen, 
die  erste  und  dritte  der  Damen  gehen    die   weiter    unten   angefülirten   Stami 
buchverse  derselben  nähere  Auskuuft.  Daselbst  unterzeichnete  die  erste  Eleon 
V.  Stein,    Äbtissin   von  Waitzenbacb,   die   dritte   schrieb    Christiane  t.  8i 
diese  beiden  waren  die  Schwestern®^)  des  Oberforstmeisters   v.  Stein    zu  Ki 
und  Oatheim  (f  1816).     Eleonore  (1775—1851)  war  die  PrÖpstin  (so  ]Mid» 
nach  der  Stiftungsurkunde  der  Titel  der  Vorsteherin)    des   Stifts  Wajtzenb«cli 
zu  Würzburg,  eines  lutherischen  freiherrliob  Truchsessischen  adeligen  Dameo« 
frtifte««,  tlas  im  Jahre  1733  für  fünf  adelige  Fmulein  von  mindestens  acht  Ahseii 
gegründet  worden  war.^^)     Christiane  (geb.    1779)   gehörte   dem   frtihefrlicli 
V.  Steinischen  adeligen  Damenstifte   auf  der   Birken   bei  Bayreuth  an;    iimm 
war  im  Jahre  1740  auf  Schloss  Birke  für  vier,  seit  1804  sechs  arme    adeHgf 
Witwen  oder  Fräulein  gegründet  worden.**) 


■*)  Kurliatc  rom  Jil.  Juli  bi«  T.  August  1814  und  W.  Graf  Henokel  von  Dol 
mark,  Erinnerungen  S.  344«  —  ^^)  r.  8ohdnin^«  Die  Generale  der  preuftaischen  Ar 
Wo,  1^06.  —  *•)  Anmerkung  xum  Tagetmch,   8   355.  —  ••)  Du  Tigebuch  »eUreilH   kkr 
am  SS*  Frau.  —  *^)  Auffallend  I^t  der  überetnatmimcndo  Fehler  Witieiilmch  statt  WaiIibbU 
•.  gleich  vtttea.  —  **/  Im  Tiijfebuch  WtlUjRlm.    —   '•*  (totb*i»<"heg  TA«<'lieiiljurli    »W  ft^SIrirr 
Ueheü  Hiluter  iaß3,  8>  454.  —  **)  GriUner,  Hnndburh  der  DumenstÜter,  5.  S4i 
da,  8.  ^6. 


SS 


Wer  die  zveite  der  Frioleiii  toa  Sem  v^ir.  Üa«  sick 
BMgemz  äe  vmr,  ab  die  SumBbedwntrige  Tsfu«  umitm. 
vad  ersclieiu  iiidit  uter  den  SefavibeiiMMn.  Dt  ae  ngiekt  Hrfii»iP  der 
KuifirftÜD  TOD  Hessen  wjx.  so  tx  nicfat  nnvidu9cUnlicL  dft»  se  deH  haMMcbcn 
Zweig  derer  t.  Seein  ai^ehorte:  «nd  in  der  TWi  imitt  mck  eine  Friederike 
T.  Stein-Iiebenstein  in  BnrddeM  {geK  17^)  db  Efcnniiinnihw?  n  Sckuken 
in  Walde^  Terzeidinec^  nnd  wenn  in  fieses  Soft 
Ton  1810  nur  Damen  nns  dem  Ftrstentnm»  Wnideck 
durften.  lier  Friolein  Ton  Adel  nnd  üm^  Tochter 
wahrend  die  Pröpsdn  eine  Priucssin  t:«  Wnideck 
wohl  zwischen  der  Familie  der  Friederike  t.  Stein  nnd  WaUedc 
statt,  die  ihre  Aofoahme  ermöglichten:  doch  erhidi  sie,  wie  hesaerku  nnr  dm 
Charakter  einer  Ehrenstiftsdame. 

An  ihrer  nnd  der  lierten  Strile  &nd«i  sich  nntcr  den  StammbnciMXKrigen 
fie  Namen  Lnise  t.  Wildungen  nnd  Lotte  t.  Bobenhansen:  |ene.  die 
sich  seihst  ab  junge  Freundin  des  Dichters  beneichnec  wird  die  zwieiie  Tochter 
des  hessischen  Oberforstmeisters  t.  Wiidni^en  gewetsen  detn'\  fiene  saounte 
ans  don  im  Mannsstamme  1836  erkschenen  fiwnkischen  GeacUechse  v.  BohaiH 
hmnaen,  dessen  Stammschloss  bei  Munnerstidt  im  WtiibnigLchen  lag  und  da- 
mals in  fremde  Hände  übergegangen  war:  £e  letzten  Nachkommen  lebten  sn- 
letzt  auf  Sehloss  Birken.^^  Sie  war  nidit  Stiftsdaaw«  beaeichnet  sich  wen^gstess 
nicht  so  und  wird  nicht  so  in  der  Knrüste  nnd  im  Tagebnch  genannt:  sie  wnr 
wohl  B^leiterin  der  Christiane  t.  Stdn.  Woher  die  Stiftadame  (Christiane)  t.  Stein 
zugleich  T.  Bobenhausen  genannt  wird,  Termag  ich  nidit  zn  sagen:  ea  kann 
sich  hier  ridleicht  nur  um  raie  unrichtige  oder  nndendkhe  Niederschrift  in 
der  Kurliste  haoddn« 

Was  nun  den  Verkehr  dieser  Damen  und  des  Grales  Henckd  mit  Goethe 
angdit,  so  gibt  das  Tagebuch  ausser  den  drei  ersten  Tag^»  fegendes  an:  ,den 
2.  August.  Mittags  die  Fräulräi  Stein  zn  Tische.  —  5.  Angnsi.  Zn  Fri.  t.  Stein. 
—  6.  August.  Fete  der  Damen  Stein  aaf  Sonnenberg.  —  S.  August.  Zeiter 
und  Graf  Henckel.  —  9.  August.  Abends  auf  der  Platte:  ron  Graf  Henckel 
ungeladen  mit  den  SteinischeD.  Herrliche  Aussicht.  —  17.  August.  Mit  Stein 
pp.  im  Cursaal.  —  IS.  August.  Mittag  auf  der  Platte  wt  Steins^  Gunden^^^ 
Steinberg.  Löwen.  —  25.  August.  Zu  FrL  Stein.  —  26.  Ai^gnst.  Graf  Henckel 
(zweimalj.  —  27.  August.  Nachts  bis  nach  12  Uhr  bei  Fran  Äbtissin  r.  Stein.* 

Bei  dem  Ausflug  auf  die  Plane  am  9.  oder  Tidmehr  im  Kursaal  am  17. 
mag  es  gewesen  sein,  dass  die  Einzeichnung  in  das  Stammbuch  Terabredet 
wurde.  Das  Album  ^^ /,  welches  Goethe  bri  sich  führte,  war  in  gdbes  geripptes 
Leder  gebunden,  mit  polierten  Stahlecken,  -Schild  und  -Schlosschen,  der  Em* 
schlag  Ton  citronengelber  Moiieseide^  Hochformat.  Die  ESntrage^  wddie  samt- 
lidi  die  hohe  Terehrung  für  den  Dichterfürsten  bekunden,  lauten  abo: 


•*)  Oothaischefl  Tascbenboch  üsC^  S.  4Sa.  —  **  Gritiaer,  Swä«i.  —  *  Strieder,  He«. 
GeMrter  XVII,  59.  —  ^)  Gothaisrber  Tttd^akmlMder  l$$a,  &  «(L  —  *^  Die  rMt^  SehrMJb- 
aag  des  Kameoi  ist  Günderrode.  —  ''*')  Die  BeArkmlNn;  «»d  £e  fblgcsdca  Gatrise  Md 
den  Artikel  Ton  W.  Valpias  ia  der  DitBcina  RvidselHUi  1:^9C^  «,  S.  Sil  C 


L  Die  Äbdasiii  Eleonore  v.  Stein  schrieb: 
,Mdoht6  zu  w  ei  Jeu  diOBer  höh  er©  BUok, 
roll  Riilie  und  Geht  und  GrSsBe  hier  Terweilin^ 
Und  Sifi  leisä  den  tiefen  Wimsoli 
Tueinea  Herseie  ^uro  AliBeheiiden 
für  lAnge^  heitre,  seg^ensTolIe  Tage  yernelim^ii. 
Ewig  mit  wahrer  Verehrung  und  Liebe. 
Wioib*i4leu  d,  19.  Auguftt  1814.  Eleonore  y.  Stein , 

Abtissiü  im  8tift  Waixenbai^li.* 

3,  .  „Chrkttane  voo  Stein 

Der  Name  einer  auB  treaem  und 
Di»kbftren  Herzen  Sie  innipt 
Verehrend  en.    - 
Wiesbaden  ü.  20,  August  1814.'' 

3.  Luise  ?on  Wildungen: 

„Darf  ich  als  junge  Freundin  auch 
bitten  für  Zukunft  und  itzt, 
dass  dieser  Name  niebt  ganz  rersch winde 
tmter  denen  der  Bittenden  alle 
um  Andenken  und  Gunat. 
Wieabiilen  d,  20.  August  181 4.  Luis©  von  Wildungen.** 


4,  Lotte  Ton  Babenbausen: 

^Vergebens  fielite  ioh  Ap<»Uoa  Hälfe  an 

Die  Krone  der  sehonen  Geister  napli 

Würde  zu  bofiiogen;  dooli  immer  wttre  mein 
Lied  nicht  würdig  gewesen,  yor  Ihrem 
Throne  zu  erscheinen,  denn  mir  fehlen 
selbst  Worte,  den  einzig  frohen  erhabnen 
Genuss  auszudrücken,  den  die  Augenblicke 
Ihrer  Gegenwart  auch  mir  gewfthrten. 
Die  Erinnerung  derselben  wird  meine 
Zukunft  erheitern,  und  nur  mit  meinem 
Seyn  schwinden;  so  wie  mein  tiefes 
Dankgefühl,  mich  hier  nennen  zu  dürfen  als 
Ihre  hochachtungsvollste,  innigste  Verehrerin 
Wiesbaden  am  20.  7  [8]  1814.  Lotte  von  Bobenhausen.*^ 

5.  Graf  Henckel  (die  Unterschrift  nicht  deutlich): 

„Wie  vermag  ich  Ihnen  der  Ver- 
ehrung und  des  Dankes  Gefühle  zu 
schildern?  —  Wie  kann  ioh  es  mehr, 
als  wenn  ich  es  laut  bekenne,  wie 
ioh  des  eignen  Strebens  bewusst, 
Doch  deutlich  erkenne,  dass  durch  Ihrer 
Lehre  geistvolle  Helle,  ich  erkannt  des 
Lebens  innerste  Quelle,  so  weit  mir  das 
Erkennen  beschieden  ist.  —  Und  wie  vermag 
ich  es  besser  zu  zeigen,  dass  ich  gefasst 
Ihrer  Lehre  erhaben  liebevollen  Sinn, 


85 


Als  wenn  ich  noch  heute  Ihnen  und  der  Gottheit 
Gelobe,  da&a  ich  fest  entachlossen  bin: 
Nicht  mit  Kummer  und  ftng^stÜoh  sorgend  oder 
zagend,  aber  mit  Muth  tmd  thatiger  Kraft^ 
nictii  allein  d&s  hesohiedene  Loos  zu  tragen, 
BOndern  auch  zu  Bobaffen  und  tu  wirken 
aus  all  meiner  eij5^Den  Kraft,  ao  weit  und 
80  viel,  ak  de«  Schicksals  Wille  en  gestatten  mag.*^ 
Wiesbaden  d.  22.  August  1814. 


Henokel.' 


I 


Wir  haben  noch  über  die  Teilnehmer  Jer  Fahrt  auf  die  Platte  vom 
18.  August  zu  reden.  Von  diesen  sind  die  dort  zuerst  genannten  Günderrode  uud 
Steinberg  schwer  zu  bestimmen.  Günderrode  wird  yielleicht  der  letzte  8 tadt- 
schultheiss  der  Stadt  Frankfurt,  Friedrich  Maximilian  v.  Günderrode  (1753 — 1824), 
gewesen  sein,  welcher  die  lauge  Reihe  der  Stadtschultheiöaen,  allerdings  unter 
den  veränderten  Verhältnissen  der  napoleonischen  Zeit,  von  1807  bis  Ende  1810 
abflchloas,***')  —  Der  Name  Steinberg  erscheint  ia  der  Kurliste  zweimal,  ein 
H,  V.  Steinberg,  groasherzoglich  würzburgischer  Kamraerherr  aus  Meinungen, 
(7. — 14.  August)  und  Fr,  v.  Steinberg  aus  der  Wetterau.  Am  30.  August 
machte  Goethe  einen  Besuch  „bey  Fr.  v.  Sternberg*,  vielleicht  ist  dies  die 
eben  genannte  Fr.  v.  Steinberg.****')  Mit  ^Löwen**  meint  er  ohne  Zweifel  den 
Oberjägernieister  Freiherrn  Philip pLöw  von  und  zu  Stein furth  von  Weil- 
burg, welcher,  wie  es  scheint,  zur  Kur  hier  weilte  und  in  der  Woche  vom  9, 
bis  14,  August  angekommen  war.  Geboren  am  26.  Januar  1756  war  er  im 
Jahre  1780  in  die  Dienste  des  Fürsten  von  Nassau- Weilburg  getreten  und  geuoss 
den  Ruf  nicht  nur  eines  tüchtigen  Forstmannes  und  Jägers,  sondern  auch  eines 
frommen  und  geraden  Menschen;  erstarb  hochbetagt  am  12.  Oktober  1841J''*) 
Wir  finden  ihn  noch  einmal  bei  unserm  Dichter  am  24.  August.  Mit  der 
Familie  der  Low  von  Steinfurth  war  Goethe  in  Beziehung  getreten  infolge  der 
Vermählung  der  Tochter  des  Freiherra  Wilhelm  Christoph  von  Diede  zum 
Fürstenstein  mit  dem  Bruder  von  Philipp  Low  zu  Steinfurth,**^)  Den  Freih. 
V.  Diede  und  seine  Gemahlin  Luise  geb.  Gräfin  von  Callenberg  nennt  Ooetlie 
seine  „werthen  Gönner  und  Freunde"  und  war  ihnen  zu  Liebe  im  Februar  1788, 
als  er  zu  Rom  weilte,  aus  seiner  Zurückgezogenfaeit  herausgetreten*'*'^)  Er  er- 
zählt u.  a.  von  einer  Fiinladung  zu  einem  Konzert  auf  der  kapitolinischen 
Wohnung  des  Senators  von  Rom  Fürsten  Rezzonico,  wo  „die  Dame,  wegen 
des  Flügelspiels  berühmt,  sich  hören  zu  lassen  willig  war.*  Und  weiter:  „Frau 
v.  Diede  spielte,  sehr  grosse  Vorzüge  entwickelnd,  ein  bedeutendes  Concert." 
Ihre  gleichnamige  Tochter  Luise,  geb.  1778,  hatte  sich,  wie  gesagt,  mit  dem 
Freih.  Georg  Low  zu  Steinfurth  vermählt,  war  aber  Ende  des  Jahres  1811 
nach  siebenjähriger  glücklicher  Ehe  Witwe  geworden  und  lebte  fortan  meist 
auf  ihren  Gütern  Staden  und  Ziegenberg  in  Hessen,  ganz  der  sorgfältigen  Elr- 


***')  Sohwartz  in  Ersch  und  Gruben  Encjklopftdie,  97.  Bd.,  8.  122  ff.  des  Seporat- 
«bdrucks,  —  *"/  Anmerkung  zum  Tagebuclr,  8*  358*  —  '")  Wilhelm  Freih.  Lu>w  von  und 
ÄU  8teinfarth,  Notkon  äb«?r  die  Familie  derer  Freiherra  Low  tou  und  lu  i^ieiururiU^  1808, 
8.  114.  -»  ^''*)  Ebenda  S.  110.  —  '*^^)  Italienische  ReiBe,  Bericht  zum  22.  Februar  1788. 

I 


86 

Ziehung  ihrer  Kinder  hingegeben.  Sie  war  eine  grosse  Verehrerin  von  Goethe 
und  eilte^  von  seiner  Anwesenheit  zu  Wiesbaden  unterrichtet,  herbei,  um  ihn 
zu  begrüssen,  am  30.  August  1814.  Wir  treffen  sie  14  Jahre  später  noch  ein- 
mal bei  dem  Dichter,  als  er  zu  Domburg  sich  aufhielt,  mit  ihrer  Tochter  Luise 
(nachher  vermählt*®^  mit  dem  Grafen  v.  Reventow).  Auch  der  Sohn  des  Freih. 
Philipp  V.  Low,  der  nachherige  Präsident  des  Oberappellationsgerichts  zu  Wies- 
baden, Ludwig  Low  zu  St.,  erbte  die  Yerehrung  für  Goethe  und  besuchte  den 
Dichter  einstmals  zu  Weimar. 

Die  anderen  Begegnungen  mit  Kurfremden  des  Jahres  1814  waren  mehr 
vorübergehender  Natur  und  weniger  eingreifend.  Das  Tagebuch  nennt  folgende 
Namen:  am  30.  Juli  den  preussischen  Generalmajor  Baron  [Fr.  L.]  t.  Loben tbal 
aus  Luxemburg^^^),  am  1.  August  einen  Dr.  Müller  nebst  Tochter  aus  Bremen, 
am  11.  August  den  Regierungsrat  El  wert  aus  Darmstadt  und  dessen  Sohn, 
Amtsassessor  Elwert,  am  17.  August  Ungers  aus  Berlin;  bei  dem  Buchhändler 
Johann  Friedrich  Unger  (f  1804)  waren  seit  1792  viele  Werke  Goethes  er- 
schienen, wie  1792  , Goethes  neue  Schriften'',  1795  , Wilhelm  Meisters  Lehr- 
jahre''; am  26.  erscheint  der  bekannte  Theologe  Mach  ein  eke  im  Tagebuch. 
Welcher  Herr  v.  Stein  es  war,  der  am  14.  genannt  wird,  ist  nicht  klar;  keines- 
falls war  es  der  Minister  vom  Stein,  der  sich  damals  zu  Nassau  aufhielt  und 
von  da  am  10.  und  19.  an  den  Minister  v.  Marschall  zu  Wiesbaden  Briefe 
richtete^^^),  in  der  Zwischenzeit  also  keinesfalls  dahin  gereist  sein  wird;  jener 
V.  Stein  wird  ein  Angehöriger  der  Fräulein  v.  Stein  gewesen  sein. 

Das  Tagebuch  bringt  am  6.  August  die  Bemerkung:  „Geh.  R.  Leonhard. 
Auf  der  Durchreise.  Prof.  Welcker  aus  Giesen"  (sie).  Der  in  der  Mitte 
zwischen  den  beiden  Namen  stehende  Zusatz  „auf  der  Durchreise'^  ist  ohne 
Zweifel  auf  beide  zu  beziehen.  Der  Philologe  Fr.  Gottl.  Welcker  (1784  bis 
1868)  hatte  bereits  im  Jahre  1805  den  von  ihm  hochgeschätzten  Dichter  zu 
Weimar  aufgesucht^^^),  war  diesem  also  schon  persönlich  bekannt.  K.  C.  v. 
Leonhard  stand  zwar  mit  ihm  schon  längere  Zeit  in  brieflichem  Verkehr, 
doch  hatten  sie  sich  noch  nicht  von  Angesicht  zu  Angesicht  gesehen,  und  auf 
der  Reise  hatte  ihn  Goethe,  wie  wir  berichtet  haben,  zu  Hanau  nicht  ange- 
troffen."®) Kaum  war  er  nun  in  Wiesbaden  angekommen,  als  er  —  am  1.  August 
1814  —  ihm  nach  Schwalbach  meldet,  wie  er  das  Missgeschick  gehabt  habe 
ihn  nicht  in  Hanau  zu  finden,  aber  seineu  Besuch  für  seine  Rückreise  ankündigt. 
Daraufhin  versagt  es  sich  Leonhard  nicht,  ihn  alsbald  —  auf  seiner  Durchreise 
—  in  Wiesbaden  zu  besuchen.  Den  Bericht  über  diese  seine  erste  Begegnung 
mit  dem  von  ihm  hochverehrten  Manne  glauben  wir  hierher  einrücken  zu  müssen, 
da  er  lebenswarm  darstellt,  wie  Goethe  dem  von  ihm  hochgeachteten  Mine- 
ralogen entgegentrat,  welchen  Eindruck  seine  Erscheinung  auf  ihn  hervor- 
brachte."*) 


*°*)  F.  J.  Fromm  an  n,  Das  Frommannsche  Haus  und  seine  Freunde  1879,  8.  39.  Goethe- 
Jahrb.  11,  320.  —  W.  v.  Low,  Notizen  u.  s.  w.,  S.  110.  —  *<'^)  Schoning,  a.  a.  0.  S.  236.  — 
*^*)  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau  von  1813-1820,  S.  13  u.  14.  -  *"*)  Kekul^,  Leben 
Welckers,  S.  37.  —  '*")  Rratranek,  Goethes  naturwissenschaftliche  Korrespondenz  I,  281. 
—   *"^  K.  C.  V.  Leonhard,  Aus  unserer  Zeit  in  meinem  Leben  1854,  L  441. 


87 


Als  Leonhard  den  Brief  erhielt,  war  er  freudigst  überrascht  und  bewegt: 
er  sollte  Goethe  sehen!  „Männer  von  grossem  Namen,  fährt  er  fort,  verlieren 
nicht  selten  bei  näherer  Bekanntschaft.  Wie  verschieden  war  das,  was  ich  fand 
bei  meiner  ersten  Zusammenkunft  mit  dem  Dichterfürsten »  der  uns  Grosses  und 
Herrliches  gebracht,  die  höchste  reinste  Poesie,  mit  einem  Manne,  der  durch 
die  Macht  reichen,  durchdringenden  gewaltigen  Qeiates  so  unendlich  hervorragte 
über  seine  Zeitgenossen. 

„Gespannt  mit  ganz  eigenem  Gefühl  —  was  soll  ich*s  in  Abrede  stellen» 
nicht  ohne  scheue  Ehrfurcht  überschritt  ich  die  Schwelle  des  Allgefeierten, 

,Der  Heros  der  Wissenschaft  kam  mir  entgegen  mit  dem  ihm  eigenen 
wahrhaft  hohen  Anstand,  mit  der  edlen  geistigen  Vornehmheit,  in  gemessener, 
aber  dennoch  ungezwungener  Haltung.  Er  begrüsste  mich  zutraulich,  bequem 
und  gütig,  offen,  frei  und  herzlich,  mit  der  ihm  gegebenen  Leichtigkeit  sich  mit- 
zuteilen, es  sei  schriftlich  oder  mündlich.  Goethe  reichte  mir  die  Hand^  nun 
fühlte  ich  mich  nicht  im  geringsten  weiter  in  Verlegenheit.  Was  ich  gesagt, 
weiss  ich  nicht  mehr,  nur  das  blieb  mir  im  Gedächtniss,  dass  er,  in  wohlge- 
fälligster Weise,  heitere,  freundliche  Worte  an  mich  richtete* 

„Sehr  bald  belebte  sich  das  Gespräch.  Ich  gestand  Goethe,  wie  unendlich 
er  mich  ehren  und  beglücken  würde,  wenn  es  ihm  gefiel,  auf  der  Rückreise 
nach  Weimar  in  Hanau  bei  mir  einzukehren,  mein  Haus  als  das  seine  betrachten 
zu  wollen.  Das  Erbieten  wurde  offenbar  gern  entgegengenommen,  die  Erfüllung 
meiner  Wünsche  jedoch  bis  zum  Spatherbst  hinausgeschoben.  Seine  heimath- 
liche  Gegend,  die  Main-  und  Rheinlande,  hatte  mein  Gönner  lange  nicht  ge- 
sehen, er  wollte  erfahren,  was,  nach  so  vielem  Missgeachick,  sich  daselbst  be- 
finde, bezüglich  auf  Kunst  und  Alterthum  und  die  verwandte  Wissenschaft,  wie 
man  zu  erhalten,  zu  ordnen,  zu  vermehren,  zu  beleben  und  zu  benutzen  gedenke. 

„Bezaubert  von  der  Persönlichkeit  —  die  Erscheinung  allein  war  erhebend 
—  schied  ich.  Wie  hatte  sich  die  Bewunderung  gesteigert,  welche  ich  dem 
grossen  Manne  nie  versagt. 

„Leuchtenden  Blicks  erzählte  ich  den  Meinen,  und  wer  in  Hanau  es 
hören  wollte,  vom  ausdrucksvollen  Gesicht,  von  der  hohen,  edlen,  gedankenreichen, 
majestätiachen  Stirn,  vom  Glanz  und  geistigen  Feuer  in  den  Augen,  von  Rede, 
Stimme,  Haltung,  Gang  —  Alles  wusste  ich  hegeielert  zu  schildern,  und  wie 
Goethe  mit  Mund  und  Herz  nicht  genug  zu  loben  und  zu  lieben  sei. 

„Er  musste  den  Ruhm  kennen,  der  ihm  zurückstrahlte  aus  allen  Ländern 
Europas,  er  war  sich  dessen  bewusst,  aber  auf  eine  naive  Weise,  die  nicht 
missfalleu  konnte.  Was  Bewunderung  verdiente,  fand  sie  bei  ihm,  um  jedes 
Talent  bekümmert  er  sich,  inniges  Gefühl  hatte  Goethe  für  alles  Gute.  In 
unseren  Unterredungen  fand  sich  wiederholt  Gelegenheit  mich  zu  überzeugen, 
dass  er  die  Verdienste  früherer  und  mitlebender  Männer  —  ich  rede  jetzt  nament- 
lich von  Dichtern  —  sorgfaltig  und  rein  anzuerkennen  bemüht  war,  dass  er 
die  Fortschritte  bedeutender  Leistungen  und  eines  nicht  unterbrochenen  Wirkens 
mit  froher  Theilüahme  unablässig  begleitete.** 

Als  solcher  Mann,  so  verehrt  und  hochgehalten,  von  allen,  die  seine  Grosse 
erkannten,  wandelte  Goethe  in  der  Fülle  seines  Ruhmes  unter  uns,  und  auch 
-  !• 


88  ^^ 

die,  welche  ihn  verkannten,  wie  er  ja  auch  seine  Gegner  hatte,  vermocbi 
ihm  nicht  auf  die  Dauer  zu  schaden»  im  Gegeuteil  steigerte  sich  im  Lattfe  der 
Zeit  die  Erkenntnm  und  damit  die  Bewunderung  seines  Geistes.  Dasjenige 
aber,  was  er  an  dem  Tage  von  Leouhardis  Besuch  in  das  Tagebuch  sehrieb, 
scheint  er  auf  dessen  Stirne  abgelesen  zu  haben;  es  sind  die  Worte,  die  aaf 
ihn  passen,  mit  den  Gegensätzen: 


Am   ehren  voll  aten, 


Würde 
Wissen 
Thatigkeit 
aber   auch 


Enge,  Pedant 
Philister. 


ara  anstrengendsten  für  Goethe  war  die 
Anwesenheit  des  Grossherzogs  von  Weimar,  die  wir,  weil  sie  eine  ITnterbrechuog 
der  gewöhnlichen  Lebensweise  herbeiführte,  in  anderem  Zusammenhange  be^ 
handeln  werden. 

Wir  gehen  zu  Frankfurter  Freunden,  die  sich  im  Jahre  1814  einfandeiii 
über.  Zuerst  ist  der  Geheimerat  Johann  Jakob  v.  Willemer  zu  verzeichneii 
und  Dlle,  Jung*  Über  das  Verhältnis  beider  zu  einander  und  zu  Qoethe  haodeU 
Th.  Creizenach,  Briefwechsel  zwiachen  Goethe  und  Marianne  v.  Willeraer 
Zweite  Auflage.  Stuttgart,  1878.  Willemer  hatte  Marie  Anna  Jung  als  sech- 
zehnjähriges Mädchen  in  sein  Haus  aufgenommen  und  mit  seinen  Tuchlcro 
weiter  ausbilden  lassen;  nachdem  er  zum  zweitenraale  Witwer  geworden  wmr, 
führte  er  sie  am  27.  September  1814  des  Wohlanstands  wegen  und  aus  Neigung 
mit  Zustimmung  der  Töchter  und  Schwiegersöhne  als  dritte  Gemahlin  zum  Altar. 
Mit  Goethe  war  er  schon  lange  Zeit  bekannt;  am  4.  August  1814  führte  er 
die  Verlobte  zum  erstenmale  zu  ihm;  der  baldige  Verkehr  im  Willemeriscben 
Hauäc  nach  der  Kur  zeitigte  manche  schöne  Frucht  an  und  von  dieser  seiner  Suleikn. 
Mit  Goethe  teilte  er  das  Interesse  für  das  Theater  und  war  einige  JaJire  Mit« 
glied  der  Oberdirektion  des  Frankfurter  Nationaltheaters  gewesen;  doch  da  er 
sich  mit  den  neuen  Direktoren  nicht  vertragen  konnte,  war  er  zurückgetr^ttti 
ohne  seine  Beteiligung  an  Theaterangelegenheiten  aufzugeben.  So  hatte  er 
kürzlich  wieder  eine  Schrift  gegen  die  Theaterdirektoren  ausgeben  lassen,  die 
er  am  7.  August  Goethe  zusandte:  „An  die  Theater-Aktionäre  zu  Frankfurt  a,  M« 
Eine  Streitschrift,     Frankfurt  a.  M.   1814.« 

Auch  im  Jahre  1816  besuchte  Willemer  den  Dichter  zu  Wiesbaden;  am 
3.  Juli  speiste  er  mit  ihm  im  Kursaal,  verfehlte  ihn  aber  am  21..  an  welelMüi 
Tage  Goethe  seine  Lahnreise  angetreten  hatte.  In  einem  Briefe  vom  i.  Anguit 
spricht  Goethe  sein  Bedauern  aus,  ihn  am  2L  Juli  j^versäumt*  zu  halien  q 
kündigt  seine  Ankunft  zu  Frankfurt  auf  den  12.  August  an. 

Sein  Albura  hatte  Goethe  bei  seiner  Abreiße  1814  den  Frankfurter  Frt^uddeoi 
suruckgelasseu^  damit  auch  sie  ihre  Namen  eintrügen.     Willemer  that  di 
9.  Dezember  1814  und  setzte  folgende  Zeiten  dazu:***) 

ff  Der  Wein  begeistert  den  Verstand^ 

Die  Liebe  das  Her«, 

Goethe  heide; 

liEMt  uQi»  trinkeD,  Uelzen,  Qoetbes 

Werke  letOD  und  ibii  kennen. 
I^rittikmri  a,  M.  d«  U.  Dac.  lUi.  WiUemer.* 


i 


')  8.  Vtilpiita  in  d«r  deuliolito  Kevue  ft,  «,  O. 


mm 


89 


Marianne  schrieb  am  11.  Oktober  1814: 


^Zu  den  Kleinen  zähl  ich  mich, 

Liebe  Kleine  nennst  Du  mioh; 

Willst  Du  immer  mioh  so  heissen, 

Word  ioh  stets  mioh  glfioklloh  preisen, 

Bleibe  gern  mein  Leben  lang 

Lang  wie  breit  und  breit  wie  lang."*) 

Als  den  Grössten  kennt  man  Dioh, 

Als  den  Besten  ehrt  man  Dich, 

Sieht  man  Dich,  muss  man  Dioh  lieben, 

Wftrst  Du  nur  bei  uns  geblieben; 

Ohne  Dioh  scheint  uns  die  Zeit 

Breit  wie  lang  und  lang  wie  breit. 

Ins  Gedächtnis  prftgt'  ioh  Dioh, 

In  dem  Herzen  trag  ich  Dioh, 

Nun  möcht'  ich  der  Gnade  Gaben 

Auch  noch  gern  im  Stammbuch  haben;"*) 

Wftr's  auch  nur  den  alten  Sang: 

Lang  wie  breit  und  breit  wie  lang. 

Doch  in  Demuth  schweige  ich. 

Des  Gedichts  erbarme  Dich; 

Geh',  0  Herr,  nicht  ins  Gerichte 

Mit  dem  ungereimten  Wichte;"*) 

Find  es  aus  Barmherzigkeit 

Breit  wie  lang  und  lang  wie  breit** 

Sonntag  den  7.  August  1814  beisst  es  im  Tagebuch:  „Brentano, 
Quaita^^^,  Frauen,  Mad.  Holweg.''  Wen  wir  unter  den  beiden  ersten  Frauen 
zu  verstehen  haben,  darüber  belehrt  uns  ebenfalls  das  Stammbuch,  in  welches 
auch  sie  ihre  Namen  eintrugen:  Antonia  Brentano,  Gemahlin  des  Franz 
Brentano,  geb.  Edle  von  Birkenstock,  über  die  wir  bei  Gelegenheit  von  Goethes 
Besuch  in  Winkel  sprechen  werden,  und  Meline  (Marie  Magdalene)  v.  Guaita- 
Brentano,  Tochter  des  Peter  Anton  Brentano,  des  Vaters  von  Franz,  und 
der  Maxe  Brentano,  geb.  La  Roche,  vermählt  im  Jahre  1809  mit  Georg 
Friedrich  v.  Guaita.     Deren  Gemahl  verewigte  sich  durch  folgende  Zeilen: 


**')  Zur  Erklärung  dieser  wiederkehrenden  Zeile  bemerkt  Greizenaoh,  S.  38:  „Breit 
wie  lang,  lang  wie  breit^  war  ein  Lieblingsausdruck  des  Dichters;  er  kommt  sohon  in  den 
siebziger  Jahren  vor,  in  einer  sp&ter  ausgeschiedenen  Scene  des  Jahrmarkts  zu  Plundersweilem, 
aber  auch  ein  Epigramm  aus  dem  Jahre  1815  ist  überschrieben  „Breit  wie  lang''.  In  der 
Scene  des  Jahrmarkts  spricht  der  persische  Minister  Haman: 

Religion  Empfindsamkeit, 

s'ist  ein  Dreck,  ist  lang  wie  breit.'' 
Der  Anfang  der  Strophe  „Zu  den  Kleinen  z&hl  ich  mich**  ist  wohl  eine  Anspielung  an  den 
Eintrag  der  Kinder  zu  Winkel;  s.  unten.  —  "^)  Greizenaoh  gibt  diese  zwei  Zeilen  also: 

nur  möcht  ich  Ton  Gnadengaben 

Dich  noch  gern  im  Stammbuch  haben. 
"')  Greizenaoh:   „Mit  dem  armseligen  Wiohte''.    Wir  haben  die  Fassung  und  auch 
Schreibung  des  Stammbuchs  beibehalten  zu  sollen  geglaubt,  —   "^  Goethe  sohreibt  meist 
guaita  statt  Guaita. 


^BeUeb^n  Sie  sich  boy  «tem  Namen 
des  unierzeichnetßn  ein  ei  [lirer 
anfrichdgitan  Verehrer  zu  erinijern, 
Frankfurt  d,  24.  Oktober  1S14.  Fr.  t.  Outita  BreulM 

uod  darunter  Meliue: 

^Audi  ich  mochte  nielit  von 
Ibuen  Terg eisen  werden, 

Melme  t.  Quaifca  Brenta 

Di©  dritte  —  Mad,  Hol  weg  —  war  Susanae,  Witwe  dei 
Holweg  (t  1808),  geb.  v-  Bethmanti,  die  Mutter  des  gelehrtei 
V.  Bethraatan-Holweg  (geb.  1795). 

Es  folgte  am  8*  Auguat  Hr.  v.  Neuf  ville,  der  Sohn  des  oranii 
Qeheimeorates  Robert  \\  Neaf ville  und  der  Walberta  Elbabetba 
Jobauu  Aoton  Friedrich  Wilhelm  Robert,  oranieD-naasauifcher  O 
f  35U  Bodo  1819.  In  dem  Hauäe  der  Frau  v,  KeufTiLIe  zu  Pr 
wie  Goethe  rühmt,  vorziiglicbe  Gemälde,  Auch  der  alte  Jugeni 
Jakob  Riese,  Kasteoachreiber  zu  Praukfurt,  fehlte  eicht  (10,  m 
ihm  verehrte  Goethe  d^mala  eiü  Exemplar  von  ^Herniaüu  und 
er  muas  viele  Exemplare  dieses  ihm  selbst  so  lieben  QedichteB  mi 
denn  wie  wir  sehen  werden^  erfreute  er  gern  gerade  mit  ihn 
Leute  auf  dieser  Reise* 

Mit  dem  Geheimearat   Johann   Jjaak   v.   Gerning"^)^  de 
TaunuB  uud  eifrigen  Sammler  von  Antiquitäten  und  Kunstwerken 
stand  Goethe  schon  seit  zwanzig  Jahren  in  Beziehung;  ihn  sah 
und    18»  August   zu  Wiesbaden,    am    17.   zu  Schieratein.     In   d 
schrieb  Gerning  am  13.  Oktober  1814  folgendes  Distiehoi]: 

^Tftuuna,  gedankt  eei  Dir  und  Deinen  verjUogenden  Quelleiii 
Üa^a  wir  jegliches  Jahr  wieder  den  Einzigeü  sehn. 

Zur  Erinnerung  an  frohe  Wie 
von  Ihrem 
dankbaren  Freund  nnd  Tifi 
Frankfurt  13,  Oktober  1811,  Gemin^.'^ 

uud  erhielt  von  Goethe  eine  Grabstichelarbeit  in  Aquatiuta^"*),  die 
Tochter  Rosette,    vermählte  Stadel,   an  seinem  Geburtstage  im 
mehreren  Exemplaren  gegebeu  hatte;  sie  stellte  Frankfurt  dar  n 
geschickten  Pfarrturm **  und  der  alten  Brücke,   ungefähr    wie  es 
Gerber miihio  ans  ausnimmt.     Darunter  war  dit^so  Widmung: 

^Flnas  und  Ufer,  Land  und  Holien 

Kühmen  seit  geraumer  Zeit 

Bö  dein  Kommen,  m  dein  QeheHj 

Zeugen  deiner  TbStigkeit, 
Weimar;  den  5.  Mai   l^m,  Goethe." 


"')  Gotbaiflcher  Tasehenkalender  Von  tB,>6,  S.  425.  —  '''i  CroiKenac 
—  ^**i  Eine  Lebentbcschreibung  von  ibm  gibt  K.  Schwarte  in  den  Annaiei 
Verpln»  für  AktTlum»* künde  Xl,  S.  109  ff,,  der  ibn  auob  gegen  die  Angnife  voi 
AufdriugLiohkeit  in  seinen  Be^iehuni^en  7M  den  Weimarern  in  Schutz  nimm' 
laine  Sehriften  reneeiohnet,  —  ^")  CrcixenAob^  S<  8L 


91 


Der  13.  August  führte  einen  Herrn  v*  Malapert  zu  Goethe,  vielleicht 
den  Friedrich  Philipp  Wilhelm  v*  Malapert  gen.  Neufville,  Schöffen  und  Syn- 
dikus (1784 — 1852).  Von  dem  Herrn  v.  Giinderrode  ist  oben  8.  85  die  Rede 
gewesen* 

Am  nächsten  von  den  Frankfurter  Freunden  standen  Goethe  die  Brüder 
Pritz  und  Christian  Schlosser,  Söhne  von  Hieronymus  Peter  Schlosser 
(t  1797)^  einem  Bruder  von  Goethes  Schwager  Johann  Georg  Schlosser;  be- 
sonders eng  war  das  Yerhältois  xu  dem  älteren,  Fritz  (1780 -1S52J.  Obgleich 
Rechtsgelehrter  und  Di\  juris^  hatte  dieser  im  Jahre  1812  die  Stelle  eines  Obor- 
schul-  und  Studienratea  sowie  Direktors  des  neugegründeten  Lyceums  zu  Prankfurt, 
wenn  auch  nur  für  kurze  Zeit,  übernommen  und  behielt  davon  den  Titel  Rat 
und  Direktor,  ein  treuer  Freund  und  inniger  Verehrer  Goethes,  und  er  wurde 
darin  nicht  beirrt  durch  die  Verschiedenheit  der  religiösen  Ansichten;  denn  am 
2L  Dezember  1814  trat  er  zu  Wien  mit  seiner  Frau,  dem  Vorgang  des  jüngeren 
Bruders  folgend,  zur  katholischen  Kirche  über;  das  Freundschaftsverhältnis 
blieb  von  beiden  Seiten  davon  unberührt,  gerade  so  wie  das  verschiedene  Be- 
kenntnis von  Sulpiz  Bois8er6e  nicht  hinderte,  dass  Goethe  mit  ihm  in  den 
innigsten  Verkehr  trat,  aber  auch  dieser  den  Altmeister  zu  verehren  lernte  und 
nicht  auf  horte  ihn  zu  verehren.  Eine  pietäts  volle  Darstellung  von  Fritz  Schlossers 
Lebensgang  und  sein  Verhältnis  zu  Goethe  hat  auf  Grund  von  den  Briefen 
Goethes  an  Schlosser  Julius  Frese  entworfen  in  dem  Werke  „Goethe-Briefe 
aus  Fritz  Schlossers  Nachlass.  Stuttgart,  1877",  auf  welches  wir  uns  sebou 
mehrfach  bezogen  haben.  Schlosser  sammelte  u,  a,  eine  reichhaltige,  ziemlich 
vollständige  Goethe- Bibliothek,  die  später  laut  testamentarischer  Verfügung  an 
das  katholische  Seminar  zu  Mainz  übergegangen  ist;  er  war  eifrig  bestrebt  zu 
„ Dichtung  und  Wahrheit**  Material  zusammenzubringen  und  alles,  was  an  den 
teuren  Freund  erinnerte,  zu  erhalten.  Einen  äusseren  Halt  hatte  das  Verhaltni» 
dadurch  gewonnen,  dass  Schlosser  nach  dem  Tode  der  Frau  Rat  Goethe  auf 
Wunsch  des  Sohnes  die  Verwaltung  von  dessen  Frankfurter  Vermöge usteilcn 
übernahm;  so  verknüpften  geschäftliche  und  rreundschaftÜche  Bande  die  beiden 
immer  fester. 

Was  nun  den  Verkehr  beider  im  Jahre  1814  während  der  Kur  a&f^L» 
so  beschränkte  er  sich  auf  den  Besuch  Goethes  auf  seiner  Durchreise  durcb 
Frankfurt  (oben  S.  70)  und  auf  mehrere  Briefe  meist  geschäftlicben  Inb«ltd. 
Am  1.  August  meldet  Goethe  seine  Ankunft  und  Wohnung  zu  Wiesbaden,  am 
7,  dankt  er  für  eine  erhaltene  Sendung,  am  20.  bittet  er  eine  für  ihn  ein- 
gegangene Sendung  ihm  zuzuschicken,  am  81.  dankt  er  für  die  scbooefi  Gmbea, 
die  zu  seinem  Geburtstage  angekommen  waren,  am  9.  September  ktedigt  er 
seine  demnächstige  Ankunft  an;  über  die  Geldsendungen^  die  Goetbo  dtuch  iba 
erhielt,  s.  weiter  unten.  Die  Briefe  Schlossers  sind,  wie  es  scbutut^  aiefai  er- 
halten, wenigsten.'  nicht  veröffentlicht;  derselbe  hatte  nach  Goethi»  Tod  sie 
sich  wieder  zu  verschaffen  gesucht. 

Konnte  auch  Fritz  Schlosser  während  des  AugustmoDiit^  »s  Wterf  nie» 
nicht  erscheinen,  so  that  es  doch  Christian  Schlosser.  Pa«  Tagrebndi  liiwcta^ 
folgendes:  „25.  August«  War  Schlosser  angekoiwoien,  —  2Ö.  (AtiMf^  S^to^gg 


02 


und  Zelter.  Mit  jenem  allein.  —  27.  Mit  Zelter  und  Schlosser  auf  dem  0©»- 
berg.  —  28.  Abends  Zelter,  Schlosser,  Luck,  —  30.  (nach  dem  Bad)  Sohloo^r. 
Legeadeo.  — ^31.  Zelter  und  Schlosser  gingen  ab**  (in  der  Frühe  nach  Winkel, 
wo  Goethe  sie  am  folgendea  Tage  wieder  antraf).  Von  dem  Besuche  schreitil 
Goethe  an  Fritz  in  dem  Briefe  vom  31.  August,  dass  er  ihm  viele  Freude 
bereitet  habe;  denn  er  sei  ihm  (Christian)  um  gar  vieles  näher  gekommecL 
Auf  seiner  demnächst  erfolgenden  Reise  nach  Heidelberg  erbat  er  sich  nogar 
die  Begleitung  desselben* 

In  das  Stammbuch  trugen  die  beiden  Bruder  folgende  Zeilen  ein: 

1.  Pritz  Schlosser: 

^Sohnell  eilen  die  Tage  rerQber,  in  w^lobea 
Sie,  geliebtester  MaDn,  uns  mit  Ihror  freund- 
lichen und  erhebenden  Nähe  begluokten.    Niq 
ftber  wird  Ihr  theures  Büd  und  das  Anden- 
ken dieser  köstlichen  Tage  in  unaern  Her- 
zen erldschen.     Und  so  rndge  auch  Ihre  Oüte 
der  dankbaren  Liebe  und  Verehrung,  womit 
wir  gegen  Sie  erfüllt  &iud,  ku weilen  eine 
^eundliche  Erinnerung  schenken« 
Frankfurt  den  20,  September  1814.  J,  F,  H,  Schlosser** 

Beigefügt  haben  ihre  Namen  Schlossers  Gemahlin  Sophie  (geb.  Dufay)  uml 
seine  Schwester  Susanne. 

2.  Christian  Schlosser: 

^Auf  Gnade 
Sey  08  geihan!  — 

Möchten  Sie  immerfort 
uns  Ihre  Güto  bewahren,  und  wir 
dieser  grossen  Güte  werth  werden. 
Frf,  20t«n  Tber  1814.  C.  F.  Sohloeser 

Wir  haben  des  Geburtstages  Goethes  schon  gedacht^  auf  ihn  mii-üi^eD 
oueh  einmal  zurückkommen.  Ausser  Schlosser  hatten  auch  andere  wie  Fr,  Bren» 
tanu  Geschenke  eingesandt;  eine  besondere  Feier  aber  veranstaltete  eine  xu 
Wiesbaden  anwesende  Verehrerin  des  Dichters  trotz  Zelters  Gegenbemühunjjen 
(«.  S.  80);  dies  war  die  Gemahlin  des  Freiherrn  Johann  Justinian  Georg 
V.  Uoizhausen  (1771  — 1846),  Karoline  Friederike  Luise  von  Holzhauson 
(1775 — 1846),  Tochter  des  nassauischen  Oberhofraeisters  v.  Ziegesar*'*),  tunl 
da  der  28.  August  auf  einen  Sonntag  fiel,  an  dem  Goethe  an  den  herzoglicheii 
Hof  zu  Biübrieh  geladen  war,  so  musste  der  Vormittag  zu  Hilfe  genommen 
werden.  Frau  v.  Uoizhausen  war  mit  ihrem  etwa  zwanzigjährigen  Sohne  Karl, 
damals  Grenadierlieutenant  im  k.  k.  Regiment  Prinz  von  Hessen,  schon  im  Juli'*^ 
zur  Kur  in  Wiesbaden  angekommen,  wo  sie  in  dem  Badhause  zur  Rose  Wohnung 
nahmen.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  beide  auch  schon  bald  mit  Goetba 
in  Berührung  getreten  waren,  doch  erwähnt  er  ihrer  nur  am  28,  AngttatT  wo 
es  heis»t:  ,Im  Cursaale  Dejeune  gegeben  von  Fr.  v.  Holzhausen*,  taod  v€t;^«t 


»•*)  Gothaiache«  Timchenbuch  1850,   8.  321,    18Sf>,    mv2,     Branner  Gon^^alof.   TaidifB^ 
buch  1*500,  SJ.  &7U.  —  »"/  So  be«^  die  KiirUeta  vom  10.— IT-  Juli. 


4 
f 


93 

dabei  nicht  des  „Apollo,  Copie  des  Belvederischen,  von  C.  P.  Chinard  1787** 
(s.  S.  71)  zu  gedenken;  sicherlich  war  derselbe  u.  a.  Gegenstand  des  Ge- 
sprächs gewesen.  Auch  diese  beiden,  Mutter  und  Sohn,  schrieben  sich  in  das 
Stammbuch  ein,  die  Frau  v.  Holzhausen  mit  folgenden  Begleitworten: 

„Das  GlQok,  Sie  zu  sehen,  yerdanke 
ich  dem  Himmel,  Ihnen  den  Qenoss: 
dass  der  Eindruck  Ihrer  hohen 
Würde  mit  der  laengst  empfundenen 
tiefen  Verehrung  und  Liebe  unaus- 
loschlioh  in  mir  lebt. 
Wiesbaden  d.  30.  Aug.  1814.  Caroline  t.  Holzhausen 

geb.  T.  Ziegesar. ** 

Karl  von  Holzhausen: 

„Weloher  Eindruck  auf  ein 
jugendliches  GemQth  kann 
Wohl  stärker  und  bleibender  seyn, 
als  das  schon  längst  als  Ideal 
des  Reinen,  Weisen  und  Guten 
Aufgestellte  nun  in  Ihrer  so 
werthen  Person  so  schön  und 
edel  personifioirt  zu  sehen! 
Gerade  der  Verein  einer 
erhabenen  Seele,  eines  so 
hell  erleuchteten  Geistes, 
mit  einem  lieberollen, 
mittheilenden,  sich  so  schön 
herablassenden  Aeusseren 
ist  das,  was  mein  Gemfith  so 
unaussprechlich  anreizt, 
festhält  und  zu  allem  stärkt. 

Wiesbaden  d.  1.  Septbr.  1814.  Carl  Ton  Holzhausen.* 

Wir  fugen  sofort  die  Besuche  und  Briefe  von  Frankfurter  Freunden  im 
Jahre  1815  an  und  zwar  in  der  Form  des  Tagebuchs.  «Arn  28.  Mai  [An] 
Fr.  V.  Brentano  Franckf.  —  6.  Juni  Brentanos.  [Sie]  fuhren  [am  Abend]  ab. 

—  15.  Sendung  von  Fr.  Brentano.  —  1.  Juli.  Brentanos.  Mit  ihnen  im  Adler 
gegessen.  —  18.  [Brief  an]  Fr.  v.  Brentano  Francf.  —  25.  [Zwischen  Nassau 
und  Ems]  Unterwegs  Franz  Brentano.  —  6.  August  [An]  Frau  Brentano  Francf. 

—  9.  Hr.  u.  Fr.  Brentano.  Mittag  im  Adler  mit  Brentano.  Sie  reisten  ab.* 
Mit  Brentano  war  Goethe  im  Herbste  1814  in  engere  Verbindung  getreten 
(s.  No.  9,4);  damals  hatte  er  unter  anderem  auch  die  Pauline  Serviere  schätzen 
lernen,  und  dadurch  wird  er  mit  deren  Familie  in  nähere  Beziehung  getreten 
sein.  Schon  in  seiner  Jugend  hatte  er  deren  frühere  Generation  gekannt  und 
erwähnt  der  Frau  Serviere,  „Gemahlin  eines  in  Frankfurt  lebenden  Kauf- 
mannes.*^^^)  Am  2.  Mai  1815  heisst  es  im  Tagebuch:  „Briefe  von  WilleniCT 
und   Serviere."    —   Am   4.:   [An]    „Dlle.   Serviere  nach  Frfurt*   —  Am  ••: 


'>)  ,,Diohtun£^  und  Wahrheif",  B.  13. 


94 


^Serviere  gefunden."     Ära  21,:    „Hr.  Serviere."  u.  am  9.  August:  *.r>!l<>. 
viere*   wahrscheinlich  in  Gesellschaft  der  Frau  Brentano. 

Am    15.  Juni:    ^Dr.  Neefe   von  Francf.**,   ein   kenntnisreicher  Botantkcrl 
Frankfurts,  Professor  und  Arzt,***) 

Am  1.  Juli:  „Mad.  Crespel**,  Witwe  des  humorvollen  Jugeodfreandew 
Goethes  Johann  Bernhard  Creapel,  der  als  Archivar  zu  Laubach   1813  »tArb**") 

Am  3.:  »Mad.  Bansa^,  mit  der  die  „NoDDenrauhle"  besucht  wurde  (S.  78)i 

Vom  7. — 14.  Juli  war  Fritz  Schlosser  zn  Wiesbaden  und  in  t^glicbem  j 
Verkehr  mit  Goethe.  Wir  lassen  auch  hier  das  Tagebuch  reden:  ,7.  Juli. 
(Nach  Mitt^]  Schlosser.  Mit  Schlosser  auf  dem  Oeiaberg.  —  8.  Spaziergang 
mit  SchL  Mittag  Schlosser.  —  9,  Schlosser  weiturafassendes  Gespräch.  [Ko^li 
der  Rückkehr  von  Biebrich]  Schlosser  Fortsetzung  der  Unterhaltung.  —  10.  Spa- 
zieren mit  Schlosser.  Mittag  mit  Schlosser  zu  Hause,  —  11.  Mittag  mit  Schlosier 
Cursaal.  Nach  Tisch  spazieren.  Mit  Cr[amer]  und  Schi.  Geisberg.  —  12.  Mittig 
mit  Schlosser  Cursaal  —  13.  [Nach  dem  Bade]  Mit  Schlosser  zu  Hause.  Mit 
Seh.  auf  dem  Geisberg.  —  14.  Mittag  Cursaal  mit  Schi.* 

Und  da  Schlosser  ihn  brieflich  eingeladen  hatte,  auf  seiner  Durchreise 
durch  Frankfurt  wie  früher  Wohnung  bei  ihm  zu  nehmen,  so  dankt  er  nm 
8.  August,  indem  er  bemerkt,  er  habe  schon  dem  Geh,  Rat  Willemer  zugefiagt; 
denn  es  sei  billig,  dass  bei  wiederholter  Erscheinung  in  seiner  Vaterstadt  «eh 
die  Wohlwollenden  in  die  Last  der  Einquartierung  teilten.  Und  so  stieg  er 
am  12.  September  in  der  Gerbermühle  ab. 

Endlich  trat  Sonntag  den  8.  August,  als  Boisaeree  sich  bei  Goethe  befttod, 
ein  weiterer  Jugendfreund  ein,  der  Forstschreiber  Kehr,  wie  er  in  der  Kiar« 
liste  eingetragen  ist,  von  dem  Boisseree  folgende  Beschreibung  macht' *^):  ,eia 
altes  Männchen  in  grünem  Rock  und  grünseidener  Weste  mit  schwänge- 
schnittenem  Sammt,  Forstmeister  von  Frankfurt,  ein  alter  Schulkamerad  von 
ihm.  Er  (Goethe)  war  unendlich  freundlich  gegen  ihn,  Hess  ihm  zu  Trinken 
bringen;  nach  einigen  lustigen  Reden  und  Fragen  über  andere  alte,  bekaoott 
Schulkameraden  kam  Cramer,  und  nun  ging  das  Gespräch  mit  diesem  und  mir 
fort;  das  alte  Männchen  blieb  immer  rohig  sitzen,  lange,  lange  Zeit,  und  trank 
sein  Gläschen,  und  wir  nahmen  immer  Rücksicht  auf  ihn,  ohne  uns  weiter  am 
ihn  zu  bekümmeru.  Seltsam  war  es,  dass  Goethe  weder  Cramer  noch  mir. 
als  wir  verrtchiedentlich  fragten,  wer  der  Mann  sey?  den  Namen  nicht  nannte, 
sondern  jedesmal  freundlich  sagte:  „Es  ist  ein  alter  Schulkamerad  von  mir,  der  | 
kömmt  alle  Jahre  nach  Wiesbaden  und  ist  schon  74  Jahre  alt.'  Der  Dichter 
muss  den  alten  Freund  und  Kameraden  lieb  gehabt  haben,  der  so  weit  hinter 
ihm  zurückgeblieben  war,  wie  er  ja  die  Frankfurter  Frouudc  und  Erionerungüo 
hoch  hielt.  Kehr  erwähnt  er  in  einem  Briefe  vom  30.  Oktober  1765,  in  dem 
er  als  Leipziger  Student   die  Mädchen  seiner  Stadt  und  Kehren  grCisa^n 


'**)  Kiia»iieliJltso  IL  t*  w.  in  Fmiikfuri.  Nfteh  der  Botli'Ooutard^  LiiVi«n  tu  F^uil^ 
fiirt  IX,  141,  Xf  11  kieis  er  Christian  Krnst  KeeL  —  ***)  v.  Loeper,  a.  a.  (K  R«fi«l«r.  ^ 
•»•i  Sulp.  Böi8»er««  1,  261. 


u 


Wir  gehen  Duninehr  zu  den  Beeuehen  von  Nicht-Frankfurtern  während 
lerKur  voo  1815  über  und  bedauern  hierbei  nur  mehrfach  die  Peraönlichkeiten 
und  ihre  Beziehungen  zu  Goethe  nicht  sicher  feststellen  zu  können* 

27,  Mai:  „NB.  Le  Bault  des  Naotes,  Preus,  (sie)  Ingenieur  de  Place* 
ist  Claude  Frangois  Le  Bauld  de  Nans,  Stabskapitän  im  iDgenieurkorps  seit 
1806;  er  wurde  1828  Inspekteur  der  zweiten  logenieur-Inspektion  und  1832 
als  Generalmajor  pensioniert.'*^ 

^^  4.  Juni:  ^Maj,  von  Roth."  In  der  Kurliste  ist  in  der  Woche  vom 
^■8.  Mai  bis  4.  Juni  eingetragen  „Hr.  v.  Roth  mit  Gemahlin,  Major  von  Frank- 
^piirt*  (Badhaus  zur  Rose),  vom  9.  bis  23.  Juli  in  der  Fremdenliste  (Gasthaus 
^asur  Stadt  Darmstadt)  „Hr.  v,  Rod,  Platzmajor  von  Frankfurt.*"  Vielleicht  sind 
beide  Personen  identisch;  ein  sacbsicher  Major  Johaon  Heinrich  August  v.  Rufh 

*war  im  Jabre  1815  zum  Kriege  ausgerückt.**^) 
I  4.  Juni:  „Reuss^;  es  ist  zweifelhaft,  wer  mit  diesem  Namen  gemeint  ist. 
18.  Juni:  ^v.  Natzraer**  traf  Goethe,  wie  es  scheint,  «u  Biebrich  an  der 
Tafel  des  Herzogs.  In  Mainz  stand  damals  ein  Oberst  v.  Natzmer,  der  in  der 
Kurliste  von  Wiesbaden  zweimal  vorkommt,  iu  der  Woche  vom  1. — 7.  Mai 
und  vom  9. — 16.  Juli,  wohl  derselbe  (Wilhelm)  v.  Natzmer,  der  1816  als 
Kommandeur  des  20.  Infanterie-Regiments  zu  Trier  stand *■**);  schwerlich  dürfen 
wir  an  den  bald  darauf  zum  General  ernannten  Oberst  Oldwig  v.  Natzmer*^*) 
denken,  der  eben  als  Brigade-Kommaudeur  der  Grenadierbrigade  der  Garde 
auf  dem  Wege  zu  Blücbers  Armee  war  und  am  22.  Juli  in  Paris  einrückte; 
am  18.  konnte  er  nicht  wohl  zu  Wiesbaden  sein,  da  er  an  diesem  Tage  noch 
nicht  zu  Homburg,  wohin  er  später  kam,  eingetroffen  war,  nachdem  er  am  15. 
einen  Brief  von  Gotha  aus  geschrieben  hatte. 

K30,  Juni:   „v.  Natzmer,  neugriechiacho  Lieder"     Darüber  s,  No.  IL 
20*  Juni;  ^Hr.  v.  ,  .  .  von  Wetzlar'^,   vielleicht  ein  Herr   v.  Hötzendorf 
US  Wetzlar,    der  iu   der  Kurliste   vom    IL — 18.   Juni    (Badhaus    zum   Bären) 
verzeichnet  ist. 

K30.  Juni:    „Preuss,  Garde  einquartiert.     Graf  He n ekel  von  der  Garde.* 
l  oben  S.  81  ff. 
4. — 7.  Juli:    „Major  v.  Haxthausen'^  wegen  der  neugriechischen  Volks- 
ieder  (s.  unten  No.  11). 

^4.  Juli;  Metzler.    Mad.  Soeligmann  und  Tochter,"     In  der  Enrlitle 
om  25,  Juni  bis  2.  JuH  ist  Geheiraerat  Metzler  aus  Offenbach,  vom  2, — 9.  Jali 
ijlad.  Seelig  mit  Bedienung  aus  Ilofheim  verzeichnet, 

9.  Juli:    ^Mittag    Bieberich    mit    Lynckers,*     Kurlisie  vom  2, — 9.  imE: 
]      ,Ur,  V.  Linker  mit  Fr.  Gemahlin,  Familie  und  Bedienuug,  grossherz. 
^■fteimarischer   Kammerherr   und    Oberforstmeister   aus   Weimar**  (J 
^Auch  am  20.:  „Fr.  v,  Lynker  und  Tochter.** 


**h   8  oho  Hing,    Die   Generale    ii,   s.   w.,   a  303.   —   "•)  N.  Kekndiip  ^H  «Ml  — 
^)  llasseL  Staats-  und  Adresa-llAndbucli  der  Teutsrhon  Bundes-Süult«  Vir  4m Star  1^14« 
$,  353.  —   *'^)  Gneomor  Ernst  r*  Natr.mer,   Aus  dem  Lelien   doi  Otsifüi  OiHf  «.  5«ts- 
ner,  1.  1^76,  3.  195  u.  196. 


iiM& 


99 


16.  JuH;  ^¥,  Hügel"  zu  Biebrich,  19.  Juli  auf  dem  Johannjsbefg  iiftd 
vom  1.  August  an  zu  WieFbadeo,  Der  Freiherr  Johann  Aloya  Joseph  r*  Hflfol 
war  ausserordentlicher  Gesandter  und  bevollmächtigter  Minister  des  Kaiaei« 
von  Österreich  auch  am  nassauischen  Hofe  und  wohnte  zu  Frankfurt.  Er  biUa 
am  10.  Juli  Qoetbe  die  Zeitungsnachricht  überbracht  (s.  unten  bei  dem  Alt- 
Hug  auf  dem  Jabannisberg),  dass  der  Kaiser  ihm  das  Eommandeurkreus  du 
Lcopoldordens  verliehen  habe,  und  überreichte  am  1.  August  bei  der  Mittags* 
tafel  im  Kursaal  Goethe  zum  Nachtisch  den  Orden  mit  eiQem  Begleitschreibeo 
dos  Fürsten  Metternich,  d.  d.  Paris  den  IG.  Juli.^^')  In  demselben  betont  der 
Furstj  S.  Maj.  der  Kaiser  habe  aus  Höchsteigener  Bewegung***),  unter  Atm 
Drungo  der  Geschäfte  und  unter  der  unausgesetzten  Sorge  für  daa  Qlfiek 
seiner  Unterthanen  in  seinem  Feldlager  [zu  Speyer  am  28.  Juni]  ibm  diMe 
Auszeichnung  zu  bescbliesaen  geruht  als  eine  ehrenvolle  Anerkennung  seiner 
ausgezeichneteu  Yerdieuste  um  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur.  Bs  gak 
nun  ein  Dankschreiben  an  den  Fürsten  abzufassen,  was  am  4.  August  gesehab: 
„Conoept,  dann  Mundum  des  Briefes^  an  den  Fürsten,  heisst  es  im  Tagebuch^ 
nach  welchem  das  Schreiben  von  H.  v.  Hügel  weiter  befordert  wurde, 

S.August:  ^Consistorialrath  Horst."  Georg  Konrad  Horst,  1767 — 1832, 
ein  äusserst  fruchtbarer  theologischer  Schriftatelier  und  u.  a,  Verfasser  der 
Zauberbibliothek,  6  Bände,  1820—1826,  war  Pfarrer  zu  Lindbeim  in  der  Wetteniii 
und  erhielt  1800  den  Charakter  eines  hessischen  Kirchenrates  (nicht  Konsiatoria]* 
nitos,  wie  Goethe  schreibt),  1823  eines  geistlichen  Geheimenrates'^J;  er  über- 
reichte Goethe  seine  kleine  Schrift  „Über  das  h.  Abendmahl,  eine  dogmen^ 
geschichtliche  Untersuchung  nebst  Vorschlägen  zu  einer  Beseelung  dieses  In* 
stituts  nach  den  Bedürfnissen  unserer  Zeit",  Üiesaen,  1815.*")  Im  Ansehlost 
an  dasselbe  unterhielt  sich  Goethe  am  folgenden  Tage  mit  Beisser^  ilbcr 
theologische  Gegenstände,  über  die  katholisch  gewordenen  Protestantea,  wie 
Stolberg  u.  a,,  sowie  über  eine  auf  Mysticismus  hinaus  laufende  Riehttmg  49t 
Protostanten.  —  In  der  Kurliste  ist  ein  Hofgerichtsrat  Horst  aus  Gieaaen  aitf- 
gefuhrt,  ob  irrtümlich,  ist  zweifelhaft;  denn  es  gab  auch  einen  solchen  zu  Oiesaea. 

Während  Goethes  Abwesenheit  auf  der  Lahn*  und  Rheinreise  (2L  bis 
:n.  Juli)  war  die  Grossfürstin  Katharina,  Witwe  des  Prinzen  Peter  von  Olden* 
bürg  und  Schwester  des  Kaisers  Alexander  von  Russland,  und  der  QressherKif 
von  Oldenburg  zu  Wiesbaden  eingetroffen;  sie  wsren  nach  der  Kurliste  in  den 
Lang*Ge versehen  Hause  abgestiegen.  Die  Grossfurstin  war  bekanutlich  eiop 
feingebildete,  geistreiche  Frau,  damals  etwa  28  Jahre  alt;  mau  sagte  von  ihr, 
sie  vereinige  die  Eigenschaften  von  Peter  dem  Grossen,  Katharina  H.  and 
Alexander;  sie  wurde  später,  im  Jahre  1816,  die  Gemahlin  des  Kronpriiisiai 
Wilhelm  von  Würtemberg»  der  bald  nach  der  Vermählung  seinem  V^imt  ak 
Konig  folgte.  Als  Schwester  des  Kaisers  Alexander  wurde  sie  m  Wt€#b«4fii 
hobbgefeiertf  am  30.  Juli  veranstaltete  man  ihr  zu  Ehren  eine  für  die  damaligen 

('>)  Mitffct«iU  im  Ooetho-JAbrb.  Xltt,  239.  —  ^'^i  S>tLm  vgl  den  Brisf  d<es  OrMSh«np«fl 
uiitor  No.  II,  T.  —  '•*>  Sofibii,  Lexikon  hcisUchcr  SohrifUtPÜer  1,  I5t.  U,  aii.  —  «*S  Bst 
Bot»»Br4«  I,  fjtt^  int  (l«r  Niuue  dfn  YcrfosAere  iiichi  genAnnt,  «Uer  diireli  im  Baoli  d«iilfioli 
bsssiolm»!. 


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4 
I 


9T 


YerbältDiase  grassartige  Dlumioation  des  pKurgeselbchaftshauses*  von  6000 
Lämpcheu;  der  grosse  Saal  war  mit  vielen  Wachslichtern  erleuchtet,  ein 
Transparent  i^eigte  den  hellerätrahlenden  Änfangsbuchstabea  ihres  Namens^  ein 
grosses  C.  Sie  hatte  kaum  von  Qoethes  Ankunft  gehört^  als  sie  ihn  zur  Tafel 
lud,  am  2*  August;  dazu  bemerkt  das  Tagebuch:  ^Hoheit  abgesagt/  Doch 
er  entging  seinem  Schicksal  nicht;  nach  einem  verfehlten  Besuch  am  4.  erfolgte 
'^eiue  zweite  Einladung  auf  den  5.  August,  der  er  sich  nicht  mehr  entziehen 
konnte,  doch  klagte  er  Boisseree  gegenüber,  dass  er  zu  ihr  sollte;  ^sie  haben 
niohts  von  mir,  und  ich  nichts  von  ihnen,  den  Herrschaften.  Ich,  fährt  jener 
fort,  vergleiche  die  fürstlichen  Personen  und  die  vornehme  Welt  mit  Gewässer, 
welches  um  uns  herum  anschwillt,  ein  Strom,  ein  See  werden  kann,  worauf 
man  schüft  und  segelt,  sich  aber  auch  wieder  verlaufen  kann.  Man  mnss  ihm 
nicht  trauen,  ist  und  bleibt  Wasser,"  Darauf  antwortet  Goethe:  ^Nun,  zu 
hypochondrisch  muss  man  sie  nicht  nehmen»  aber  so  als  Naturkräfte/'**)     Am 

18»  August  machte  er   „der  Herzogin  v.  Oldeuburg  K,  Hoheit"   üochn]al8  Besuch* 
I  4.    August:    ^v.    Burgsdorf",    Hofrat    aus    Dresden.      Derselbe    war    am 

p«  August  mit  Boisseree  in  Sehwalbach  zusammengetroiTen  und  hatte  ihm  u.  a. 
^on  Tieck  erzählt,  am  2.  ihn  „halbwegs*  nach  Wiesbaden  zu  begleitet.*^^ 
I  Am  8.  August   ist   der   Besuch  einer  „Dame  von  Johannisberg  pp/  an- 

gemerkt. 
Am  10.  August  erschien,    was   das  Tagebuch    nicht  sagt,   aber  Boisseree 
berichtet*^'),  der  preussische  Regierungsrat  Wilhelm  Butte  von  Köln;    er  war 
Professor  der  Staats  Wissenschaften  zu  Landshut  gewesen,  dann  aus  der  akade- 
^kitsehen  Laufbahn   ausgeschiedeu    und    von   der   preussischeu  Regierung  ange* 
^■nommen  worden,  ein  fruchtbarer  Schriftsteller  auf  seinem  Gebiete  uod  zugleich 
^auf  dem   der   politischen  Tagesfragen,     Nach  Wiesbaden    war  er  vielleicht  ge» 
^■kommen,   um   mit  dem  Buchhändler  L.  Schellenberg  über  sein  neuestes  Werk 
^^2U  verhandelo^  welches  bei  diesem  erschiea  unter  dem  Titel:   „Die  unerlässlichen 
^iiedingungen  des  Friedens  mit  Frankreich,  eine  freimüthige  prüfende  Darstelluug 
Häer  üffentlichen  Meinung;   hierzu  einige  Bemerkungen  über  das  Misslingen  der 
teutschon  Bundesakte.    Wiesbaden,   ISIS.**     Goethe  legte  er   ein  älteres  Werk 
^■vor,  das  er  in  deutscherund  französischer  Sprache  veröffentlicht  hatte:  „Orund- 
^Pinien    der  Arithmetik   des   menschlichen  Lebens   nebst  Winken  für  deren  An- 
wendung auf  Geographie,    Staat«-   und  Naturwissenschaft.    Nebst  IX  Tabellen. 
Landshut,    181 L    XXXIV    und   420    S,"      Die    französische  Ausgabe  erschien 
zu  Paris    1812;   eine  Ergänzung   bildete   die    „grosse  Karte  der  beiden  Hemi- 
sphären" nebst  kurzer  Erklärung  1812,  ebenfalls  in  den  zwei  Sprachen  verfasst* 
Der  unstreitig  geistreiche  Verfasser   will  nicht  nur  das  menschliche  Leben  auf 
^sfeste   arithmetische    Gesetze   zurückführen,    sondern   auch    andere    Gebiete   des 
^PViösens   denselben    Gesetzen    unterwerfen;    auf  diesem  Wege   verwirrt  er  sich 
in  mathematische  Phautasien;   kein  Wunder,  dasa  er  deshalb,  gerade   wie   bei 
früheren  Werken  ähnlicher  Art  von  1808  unJ   1809,   so  auch  jetzt  ungünstige 

Emgen    erfuhr;   sie   verdienten   nach   seiner  Meinung   aber   den   Namen 


'*)  S.  Boit^er^e  1,  25».  -  ^**)  Ebenda  S.  248»  —  '*^;  Ebenda  8.  266. 


MüMMbtr  Imimm.  frMiiiiiithu  Bieiter  mber  Indtai  fta  mmm  Bmtem.^ 
OmAtB  ■MMirt  äA  m:  ,WMa  bm  etmmal  n  Mkhei  SpM  fl^sebe,  wU  n* 
fibM  »lue  OM«  CS  dadv  m  so  du  inacnl  setoriiiMig  mmd  btUdi'^;  .  . 
4f«  DofeMIbnisg  tsi  BbseiM  g«M  Aib  iaiir,  wm  Uigte  «v  ^^i*  ^^  M^oa 
0lwft*  CjniiidMi  Ittbe;  ds»  er  aielil  etamsl  da  reudiefaet  ]fs»«dbipt  mwi 
KsftM,  mioitiii  beÜet  beicihipuui  ood  bcfledit  Im  mA  filtre.  üttter  des 
JfMttikripi  bl  fidMdtt  die  ob«  geniiote  poGüielu)  Scfaift  n  venidia. 

Wir  tteheii  bd  dem  letstes  BeenelMiT  der  für  Goedie  eehr  bedeotMogt roll 
und  oflmb&r  iboi  lehr  erwümefal  wiTi  dem  des  Solpiz  Boisseree,  aus  desteg 
Anfedebottflgeo  Aber  tetoe  Uolerbatesgeii  mit  Goethe  wir  seboa  iifter  emMfat 
AnsisniDgeD  wn  diesem  sngefBbri  hsben  snd  weiterhin  sof&breii  werden*  Den 
i{e  eivIreckeD  sieh  Qber  eioe  lange  Keihe  tod  Tagen  aach  über  Wiesbsdai 
bissun  uu*i  betreffen  die  mannigfaltigsieo  Gegenstiodey  die  beide  gerade  be^ 
Wt^gteo  oder  sich  ihnen  zufällig  darboten.  \Vlr  werden  hier  nur  emigea 
dsbso* 

Rh  halt«  Uoge  gedauert  und  grosser  Mühe  bedorft^  bis  Goerbe*^), 
Sinn  gt\U7,  auf  da«  Altertum  gerichtet  war,  dahin  umgeatrmrat  wurde,  da»»  tr 
auf  die  ganaj  der  mittelalterlichen  Kunst  zugewandte  Richtung  Boisserees,  der  ein 
groimor  IJewiinderer  und  Kenner  derselben  war,  einging  und  msbesondere  ftiek 
daa^u  herliesty  durch  lobende  Erwühnung  des  grossen  Domwerks  tod  Boisserr«^ 
dimtien  Veröffentlichung  zu  fordern.  AHmählich  schlug  das  Herz  unseres  Diehi 
für  die  Hache  und  I'or«oii  de«  rheinischen  Kunstfreundes  wärmer,  das  IGastrsiiea 
gegen  den  Freund  von  Fr.  Schlegel  wich,  und  es  erwuchs  ein  Bund  herzlkber 
Frc»undflchaft  zwisolien  den  beiden  so  verschiedenen  Männern.  Im  Jahre  1814 
kam  OS  erst  zu  einer  Begegnung  in  Frankfurt,  von  wo  aus  Boisseree  den  ultereo 
Freund  nach  Ihudelhorg  in  seine  und  seinem  Bruders  Bertram  Geroälde^am»* 
lung  geleitete;  denn  soweit  hatte  er  ihn  gewonnen,  dass  er  wiederholt  bririiich 
den  Wunsch  aussprach  die  Heidelberger  Schätze  bewundern,  sich  deren  erfreiieii 
und  durch  sie  heleliron  zu  können,***) 

Im  Jalire  1815  erfuhr  Boisseree  am  1,  August^   als  er  Goethe  «u  \Ti 
liaden  nicht  getroffen  hatte,  dann  nach  Schlangenbad  und  von  da  nach  Schwalbscb 
gegangen  war,  im  durtigcu   PoHthause,    daää  Goethe   am  Tage    vorher  dssell 
m  Mittag  gegessen  hatte,    und  erhielt  am  Abend  einen  Brief  Goethes  vom  I 
wurin  er  bedauerte,  dass  Boissertio  ihn  zu  Wiesbaden  verfehlt  habe;   er  biHi 
ihn,  wäre  es  auch  nur  auf  oino  Viertelstunde,   zu    ihm   zu  kommen,   eine 
sprechung  sei  hüchst  nötig.***)     So  erschien  dieser  denn  sofort   am   2.  Attgnil' 
Mittags;  es  war  ein  fröhlicher,  herzlicher  Empfang,  wie  er  sagt.    Was  Oeeüi« 
«un^chst  büschäftigtCi  war  das  Ersuchen   des  Ministers   v.  Stein,   mit   d 
übou  die  Uheinreise  gemacht  hatte,  dass   er   an    Hardenberg  ein   Sehril 
Ober  die  Kunst    und   die  antiquarischen  Angelegenheiten    am   Rhein   v 


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•  ein 
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*•)  Vorrtds  I«  d^n  OrunithnuMi,  S,  XIX.  Btu^Mr.  u  «.  a.  O.  —  *••►  Dßiiti«r,^- 
ÜMtfict  Prsmidtrttrsbtii  \t<(*s.  s  UuuMor«  n.  8.  J^G-3-l2;  —  ^*^  Id  ,D)«)itBng  und  Wa 
lii^ir,  IL  0.  Ilttoh,  |}*12,  —   **'  P  MoinueTi^e  II,  40  vom  IX  ttad  30.  kmisum' 

WlikAluMa^^ii  au«.  **^t  äL  Um  Uai  folgende  tiach  B,  1,  Ü49  C 


99 


IIB        fi,. 


1^' 


sollte;  darüber  wolle  er  ihn  beraten.  Er  giog  gleich  darauf  ein;  man  könne 
as  Schriftstück  zugleich  an  Metternich  schicken,  Jera  er  uhnehin  den  Dank 
für  dea  Orden  schuldig  sei;  Hai*ptgrundsatz  aolle  sein»  dass  die  KuDstwerke 
und  Alrertümer  viel  verbreitet  würdea,  jede  Stadt  die  ihrigen  behalte  uod 
iederbekomme.  Vom  Domwerk  »olle  gesprochen  werden,  von  Allem,  was 
einzelne  gethan  und  was  zu  erwarten  sei,  wenn  die  Unterstütärnng  der  Regierung 
zu  Hilfe  komme.  Dauo  kam  er  auf  die  Farbeolehre,  die  ihm  ja  besonderd  am 
Herzen  lag;  »ie  werde  jedenfalls  Anerkennung  finden  u*  ».  w.  Am  folgenden 
Tag  sprach  er  von  einer  neuen  Ausgabe  seiner  Werke,  der  italienischen  Reise,  mit 
deren  Daratellung  er  eben  beschtiftigt  war,  dem  Divan,  Spüfcer  klagt  er  über 
die  Uuredlielikeit  der  Schlegel  und  Tieck;  in  den  höchsten  Dingen  verlieren 
und  daneben  Absichten  haben  und  gemein  sein,  das  sei  schändlich.  Schiller  sei 
ein  ganz  anderer  gewesen,  der  letzte  Edelmann,  möchte  man  sagen,  unter  den 
deutschen  Schriftstellern,  sans  tache  [irrtümlich  at.  tacho]  et  sans  reproche. 

Am  Nachmittag  des  3.  August  spricht  er  den  Wunsch  aus  in  die  Gesell- 
chaft  der  verrückten  Hofräte  aufgenommen  zu  werden ;  der  Spass  sei  allerliebst, 
her  man  müsse  ihm  ein  gutes  ob,    d,  h,   eine   gute  Begründung   ins   Diplom 
eben,  etwa  ob  varietatem  scientiarum.     Da  sein  Wunsch  bald    erfüllt  wurJe 
ollen  wir  hier  einfügen,  wie   es   mit  dieser   Gesellschaft    stand, '*"^)     Etwa   im 
alire  1809  stifteten  in  Prankfurt  der  Arzt  Job,  Chr.  Ehrmann  aus  Strassburg*^*) 
1749—1827)  und   der  Philologe  Prof    Friedrich  Christian   xMatthiae  (1763    bis 
822)**^),    zuletzt  Direktor  des  Gymnasiums  zu  Frankfurt,   aus   eigner    Macht- 
vollkommenheit den  Orden  der  verrückten  Hofräte;  der  Orden  legte   den  Mit- 
gliedern, die  sie  ernannten,  keinerlei  Verpflichtung  oder  Leistung    auf;   es  ge- 
nügte irgend  eine  zufällige,   unschuldige  Eigenschaft   oder  Beschäftigung,   eine 
Eigentümlichkeit  im  Thun  und  Treiben^  um  achtbare,  hochgestellte  Männer  der 
Mitgliedschaft  für  würdig   zu  erachten.     Namentlich    dem    Spürsinn   des  sonst 
sehr  ehrenhaften  und  geachteten  Ehrmann,  der  unter  rauhem  Äusseren  ein  treff- 
liches llerz  besass,  entging  nicht  leicht  die  schwache  Seite  eines  Ordenskandi- 
daten.     Die  Diplome  wurden  stets  unter  dem  K  April  ausgestellt^  mit  grossem 
Oblatensiegel  versehen  und  mit  dem  Namen  Timander^*^')  unterzeichnet.     Der 
.Grund  der  Erneunucg  wurde  in  kurzen  treffenden  Worten  mit  ob  .  .  angegeben, 
B.  bei  dem  Heidelberger  Creuzer  mit  ob  pocula  mystica,  bei  Jean  Paul  ob 
iram  et  studiuni,  bei  Boisseree  mit  ob  architectonice  mensuratam  in  crepuscnlo 
urrim  Cathodralis  Argentinensis.  Goethe  erhielt  —  denn  nicht  viel  später  erfolgte 
eine  Aufnahme  —  „Kai.  Apr.  MDCCCXV'^  —  ob  orientalisinum  occidentalem. 
Nicht  alle  nahmen  die  Sache  so  leicht  auf,  manche  mit  Verdruss,     Es  wurden 
bis  1820  hundert  Diplome   ausgegeben»      Im   Jahre    1821    zog    Ehrmann,    der 
beiläufig  gesagt  Schwager  des  Philologen  Ph,  Buttmann  war,  zu  seinem  Adop- 
ivsohn   nach   Speyer,   und   so  endigte   der  Scherz  nach  etwa  einährigem   Be- 
stehen. 


***)  Crßizenftch»  8*  47.    v*  Leonliard,  8,   455,   —    '")  BoUi-Gontard,   Leben  in 
^'pftiikfurt  VI,    15G.    —    >*^)    Erk«t«iii,   Nomentaator   Philologonira    1s71,   8.  aßl  "^    Bo 

L^hreilit  Cr»*ijEonach,  Lfonhiird   TinRmler,     Tiniander  —  El»rmiinji. 


-    -  '-^^— 


100 


Aadere    Gegeoßtände    der   interesB&nten    Unterhaltungen    beider    Mi 
»oUeo  von  uns  an  auderen  Stellen  angeführt    werden,  wie  die    über   Pestaloa 
(8.   No.    8    unter   de    Laspee),    über   Goethes   Verhältnis    zu    deioent    Herso^ 
(b.  No.  9),  den  Divan  (No.  11).    Freitag  den  Ih  August  verliessen  beide  Fremiile 
Wiesbaden;   auf  der  Weiterreise   begleitete   Boisaerie  Goethe   und  schied 
XU  Würzburg  am  9.   Oktober  von  ihm.     Sein  erster  Gang  nach  der  Tr<HiDtiiig| 
war  in  den   Dom  zum  Gebet,   gewiss  auch  für  Gaethe,  der  auf  der  Reise 
mehrfach  unwohl  gefühlt  und  den  er  „unter  den  frommsten  Wünschen*  yerlaasei] 
hatte.**')     Am  IL  Oktober  traf  Goethe  in  Weimar  ein. 


iD«Je 
«i<^^V 


8*  Verkehr  mit  Einhelniischen, 

^Du  biBt  SU  oh  am  Kheio  gewesen, 
Audi  am  Hof  tu  Bieborioh; 
Magst  nun  an  dem  Maine  leaea^ 
Wie  es  luatig  war  um  dieh." 

Mit  diesen  Worten  druckt  der  Dichter  die  Stimmung  aus,  die  von 
angenehmen  Eindrücke«  seines  längeren  Aufenthalts  am  Rhein  und  des  Ver- 
kehrs am  gastlichen  hers^oglicheu  Hofe  zu  Biebrich,  auch  als  er  Wiesbadea] 
verlassen  hatte,  noch  fortdauerte.  Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  betrachtet^ 
haben,  wie  mannigfaltig  sich  der  Verkehr  mit  Fremden  und  Bekannten  ge- 
staltet hatte,  wollen  wir  nunmehr  zu  den  Einheimischen^  den  Rewuhnern  im 
uassauischeü  Landes,  übergeheo,  von  denen  einige  sein  höchstes  Interesse  er^ 
regten  oder  sogar  seine  FreuQdschaft  auch  für  die  Folgezeit  gewannen,  Wtr| 
begiunen  mit  dem  herzoglichen  Hofe. 


1.  Der  herzogliche  Hof  ku  Biebrich. 

In  dem  Aufsatz  „Kunstschatze  am  Khein*  u.  s.  w.  beisst  es  von  Biebrich***):! 
,,Nach  sü  vielen  Ruinen  alter  und  neuer  Zeit,  welche  den  Reisenden  am  Nieder*! 
rheiu  nachdeDkh'ch,  ja  traurig  machen,  ist  es  wieder  die  angenehmste  Emp6u*| 
duug  ein  wohlerhalteDes  Lustschloss  zu  sehen,  das,  ungeachtet  der  gefahrlicbttett 
Nachbarschaft  (von  der  Festung  Mainz)  in  völligem  Stande  von  seinem  Filrstenj 
bewohnt,  durch  einen  Hof  belebt  wird,  der  den  Fremden  des  liberalsten  E{ii*i 
l>faügea  genieasen  lässt.** 

Das  Schloss  war  von  dem  Fürsten  Georg  August  Samuel  erbaut  und  mit 
ihm  die  Anlage  eines  geschmackvolleu  Parkes  verbunden  worden  (seit  1704)**^; 
68  steht  noch  im  wesentlichen  in  seiner  alten  Gestalt;  der  Park  hat  veraehie 
Veränderungen  erlitten;  die  bedeutendste  Umgestahung  erfuhr  er  nach  den  Eat^l 
würfen  des  genialen  Gartenkuustters  Friedrich  Ludwig  v«  Skell  in  den  Jalirfäl 
1817  bis  1824.^''^)     Dem  fürstlichen  Bauherrn  war  es  nicht  vergönnt  gewoMsf 
seiner  Schupfung  lange  zu  geniessen;   er  starb    im  Jahre    1721,    nachdf^m 


**^)  8,  Boi»(*er<'e  I,  29  L  —  "*)  Auoh  die  Schreibung  vun  Biobrirl'  ^ 
Tagsburh  mit  Biebenoli  imd  Bibrioh.  —  *'')  Men^i^l,  GeBühiobtü  von  N  i 
8p(ülfiiiinrif  Animleti  du»  Verclru  für  »ass.  Alturtoiiukiiiida  XXI V,  <H  T  -  ^ 
tedn,   Hheiuiüchi»  OArteti    188C,  H.  Ul    fl*. 


-  .    Vit,    n« 


10t 


kurz  vor  seinem  Tode  eine  Hofkapelle  hergerichtet  worden  war,  m  dem  neu- 
I  erbautea  Schlosse.  Aber  erst  seitdem  die  Laodearegieriing  im  Jahre  1744  nach 
Wiesbaden  verlegt  worden  war,  wurde  es  —  fiir  eine  lange  Reihe  von  Jahren 
—  die  dauernde  Resident  des  Fürsten  und  Herzogs'^*),  bis  Hers^ug  Adolf  in 
dem  seit  dem  Jahre  1839  erbauten  Schlosse  zu  Wiesbaden  seine  Winterresi- 
denz  nahm* 

In  dem  Parke  liegt  von  einem  Arme  des  dort  angelegten  Weihera  um- 
fangen die  künstlich  als  Burgruine  erbaute  Mossburg.  Hier  hatte  ein  älteres, 
im  Jahre  1765  wegen  Baufätligkeit  zum  Teil  abgelegtes  Gebäude  gestanden^ 
die  Burg  oder  eine  Zeit  lang  nach  dem  Besitzer  die  Pentzenau  genannt,  welches 
vordem  an  Beamte  als  Wohnsitz,  dann  als  Erblehen  ausgegeben  worden  war; 
Herzog  Friedrich  August  kaufte  es  im  Jahre  1804  zurück  und  Hess  an  seiner 
Stelle  jene  Burgruine  errichten,  die  er  selbst  gern  bewohnte  und  die  jetzt  noch 
dem  Park  zur  Zierde  gereicht. ^*^)  Sie  zog  auch  Goethes  Aufmerksamkeit 
auf  sich. 

Die  herzogliche  Pamilie*^^  bestand  zu  der  Zeit,  als  Goethe  den  Hof  be- 
suchte,  aus  dem  regierenden  Herzog  Friedrich  August  (geb.  1788),  seiner  Ge- 
mahlin Luise,  Tochter  des  Fürsten  Karl  August  Friedrich  von  Waldeck,  ver- 
mählt im  Jahre  1775,  und  zwei  Töchtern,  Auguste  (geb.  1778)  und  Friederike 
(geb.  1784);  zwei  Söhne  waren  jung  gestorben,  ebenso  eine  zwanzigjährige 
Tochter  Luise  im  Jahre  1SI2;  zwei  andere  Töchter  waren  vermähltj  Luise  im 
Jahre  1791  an  den  Markgrafen  Friedrich  von  Baden,  Karoline  Friederike  an 
den  Herzog  August  von  Anhalt-Köthen  im  Jahre  1792;  doch  wurde  diese  Ehe 
im  Jahre  1803  wieder  getrennt,  und  die  Geschiedene  lebte  von  da  an  meist 
zu  Hochheim.  Da  der  Herzog  in  früheren  Jahren  ohne  Aussicht  auf  die  Nach- 
folge in  der  Regierung  gewesen  war,  so  hatte  er  auswärtige  Dienste  und  zwar 
der  Sitte  seines  Hauses  entsprechend  in  Österreich  genommen  und  blickte  auf 
eine  bewegte  und  ruhmreiche  Vergangenheit  zurück;  im  siebenjährigen  Kriege 
focht  er  mit  Auszeichnung  und  errang  z.  B,  bei  Hochkirch  durch  seine  Tapfer- 
keit den  Maria- Theresia-Orden;  er  stieg  von  Stufe  zu  Stufe  und  wurde  1780 
zum  FeldniarschalHieuteuant,  1790  zum  Feldmarschall  ernannt.  In  ruhigeren 
Tagen  lebte  er  in  der  Heimat^  meist  zu  Umngen,  wo  das  Stammschloss  seiner 
Vorfahren  stand,  seit  1786  wegen  seines  Amtes  als  Direktor  der  Reichs  Werbung 
mehr  zu  Frankfurt  a.  M.  Als  im  Jahre  ISOO  sich  die  Wahrscheinlichkeit  steigerte, 
dass  er  der  Nachfolger  seines  Bruders  Karl  Wilhelm  in  der  Regierung  sein 
werde,  legte  er  diese  Stelle  nieder.  Schon  nach  drei  Jahren  starb  der  Fürst 
Karl  Wilhelm  und  am  10.  Juni  1803  zog  Friedrich  August  als  Fürst  (seit  1806 
Herzog)  in  seine  Residenz  zu  Biebrich  ein.  Er  wird  als  ein  biederer  Herr 
geachitdert,  geschmückt  mit  allen  ritterlichen  Tugenden  seines  Hauses,  und  zeigte 
sich  als  einen  wohlwollenden,  für  das  Beste  seiner  Unterthanen  eifrig  sorgen- 
den Regenten.*^)     Ein  Beweis  des  schönen  Verhältnisses  von  Fürst  und  Volk 


»"^^  Menzel,  b.  a.  O.  S.  427.  -  ***)  Oitipteda.  a.  a.  0.  S.  m,  FäleohlHi  nalim  wm 
früher  on»  liier  habe  eine  kaiserliche  Burg  gestanden.  Vogelj  Beschreibung  ileg  HerKOgftums 
Naasau,  S.  541.  —  "*)  Meii?:ol  a.  a.  0.,  S,  907.  —  *^*)  Men^cel  a.  a,  O.  an  verftchieiienen 
Stellen.    Maria  Feodora  v.  Dalbcrg,  Au»  dem  Leben  einer  deutsdien  Fiirstin,  S.   l   ff. 

8 


H>2 


ist  folgender  Vorgang:  Der  Herzog  hatte  in  Übereinstimmung  mil  dem  Fti 
Friedrich  Wilhelm    von    N.- Weilburg  am  L    Januar  1808    die    Lieibeigeoac 
aufgehoben,  am   lO./H.  Februar  1809  ein  Gesetz  betr.  die  Qleicbheit  der  Aii- 
gabeu    und    Eiuführung   eines    direkten    Steuersyatems    und    iDfolgedasä^n 
l./ä.  September  1812  ein  weiteres  betr.   die   Aufhebung   der   ultereu    direk 
Abgaben  erlassen  und  dadurch  die  Uuterthanen  mit  lebhaftem  Daokgefdhl 
(ütU.     Dieses  offenkundig  auszusprechen  hatten  die  sämtlichen  GerneindeD   ii 
Herzogtums  sich  entschlossen,  durch  eine  Deputation   von  60  gewählteji  Ahg^ 
ordneten  und  5  Amtmännern   dem  Herzoge  Dankadressen    zu  überreicbeo    mit 
einer  Denkmünze,   welche    das   Andenken    an    diese   wohlthätige    UmgeatAltuii 
erhalten  sollte.     So  bewegte   sich    am    K   August    1813    diese   Deputation    ta 
Wiesbaden^    wo   sie   sich  versammelt   hatte,   nach    dem   Schlosse   atu    Biebrk 
hier  fand  ^ich  zugleich  der  Fürst  von  Weilburg  ein^  und  so  nahmen  beide  Fi 
die    dankbare    Huldigung   der    frohbewegten    Abgeordneten    entgegen.      Da 
wurde  diese  zur  Tafel  gezogen   und  ihnen  fQr  den  Abend   der  freie  Zutrilt 
dem  herzoglichen  Hoftheater  gewährt.     Hier  empfingen  sie  die  höchsten  H« 
Schäften  mit  einem  freudigen  Lebe  hoch!,  in  weiches  das  zahlreich  verBarumeH 
PubUkum  einstimmte.**^) 

Unter  den  Seinen  waltete  der  Herzog  als  liebender  Yater  und  gewann 
es  auf  die  vereinten  Bitten  seiner  Gemahlin  und  Tochter  über  sich,  die  kaum  gt* 
schlüssene  Verbindung  der  letzteren,  der  Prinzessin  Auguste,  mit  dem  Prini 
Ludwig  von  Hessen-Homburg  (2.  August  1804)  bald  nachher  wieder  zu  trenoeif 
(13.  Juli  1805),  als  er  sah  und  horte,  wie  unglücklich  sich  die  Tochter  an  der" 
Seite  eines  zwar  ehrenhaften  und  im  Kriege  erprobten,  aber  ungeliebten  Mann» 
fühlte,  da  ihr  Herz  einem  anderen,  dem  Hofjunker  und  Lieutenant  Friedrteii 
Wilhelm  v.  Bismarck  geborte;  ja  er  gestattete  in  väterlicher  Liebe  die  V« 
bindung  der  Liebenden,  die  dann  am  7.  September  1807  geschloss  '  h 
vorliiuHg  geheim  gehalten  wurde.^**^)  Aber  wahrend  der  langen  l 
der  folgenden  Zeit  war  Bismarck  als  Offizier  der  würtembergischen  Truppen 
so  in  Anspruch  genommen,  dass  er  erst  im  Herbste  1814  —  mit  den  Khre»* 
zeichen  militärischen  Ruhms  bedeckt  —  zu  seiner  Gemahlin  zurüokkel 
konnte.  In  der  Folge  stieg  er  zu  hohen  Ehren  und  Würden  empor  und 
nachdem  er  im  Jahre  1846  seine  Gemahlin  verloren  hatte^  im  Jahre  l( 
zu  Konstanz« 

Wir  haben  dies  vorausschicken  zu  müssen  geglaubt,  um  den  Kreia^  welelli 
Qoethe  hier  vorfand,   zu  schildern.     Denn  sowohl  während  des  SomiDera  181^ 
als  1815  war  er  fast  jeden  Sonntag  Gast  der  herzoglichen  Tafel    Er  erwähnt  rwir" 
nicht  einzelner  Persönlichkeiten  des  herzogliehen  Hauses,  aber  lernte  aie  4eber- 
lich  kennen,   und  wenn    er  auch  nicht  das  Yerständnis  und  Intere^s^  an 


ih»' 


"•i  Naw,  Ifil«Lltg«n2b1iitt  1813^  No.  32  vom  7.  August    Hier  finmi   aioi  buch   tat« 
•«hretbutt^   der   kunstvoll   gearbeiteten    Denkmtliisto   mit   ihrco   Kroblemco    und   iler   Tm»mf^    1» 
wdeheri  si«  in  dreifacher  Prägung   lUold,  Tcrgoldetem  Silber  un^ 
überreicht   wurde,     Vergl    FCti.  ii,.  Kurier  iSiM,    No.  83^,    der  AbiMi 
i^t  M    1^    %.  Dnlberir  H.  U  u.  »2«   S(*h«»artt,  UiitlKraf  K> 

Homburg  Hl,  5H. 


103 


inen  Schöpfungen  und  Bestrebungen  fand  wie  zu  Weimar^  so  war  er  doch 
}ie)chbefriedigt  von  dem  Empfange,  der  ihm  in  dem  gastfreien  Scblosae  zuteil  ward. 
Zum  erstenmale  erschien  er  hier  am  7.  August  1814,  wo  er  den  Park 
und  das  Ritteröchloss  besuchte,  dann  am  14.  und  21  ,  an  welchem  Tage  er 
auch  den  Pursten  von  Nassau- Weilburg  Friedrich  Wilhelm  antraf.  Wenn 
dieser  auch  ein  Mann  von  stärkerera  Willen  und  durchgreifenderer  Art  war, 
so  regierte  er  doch  in  Eintracht  mit  seinem  Verwandten  die  vereinigten  nassau- 
ischen Lande;  denn  bei  dem  voraussichtlichen  Aussterben  der  herzoglichen 
Linie  mussten  deren  Besitzungen  an  die  Weilburger  fallen,  und  so  war  die 
Regierung  und  Verwaltung  der  beiderseitigen  Lande  schon  jetzt  so  geordnet 
worden,  dass  alle  Gesetze  und  Verordnungen  in  dem  Namen  der  beiden  Regenten 
erlassen  wurden.  Am  25,  begleitete  Goethe  seinen  Herzog  Karl  August  nach 
Biebrich  und  nahm  sicherlich  auch  hier  am  28.  die  herzlichsten  Glückwünsche 
zu  seinem  Geburtstage  entgegen.  Nachdem  er  sich  am  IL  September  verab- 
schiedet hatte,  begegnete  er  am  12.  auf  der  Reise  nach  Frankfurt  der  Herzogin 
nebst  Gefolge,  die  vielleicht  ihre  Tochter  Auguste  nach  Frankfurt  begleitet 
hatte,  um  sie  in  die  Arme  Bismarcks  zu  führen ;  denn  hier  pflegten  wenigstens 
früher  die  getrennten  Gatten  für  die  kurze  Zeit  des  Urlaubes,  den  Bismarck 
erlangen  konnte,  unter  dem  Schutze  der  herzoglichen  Mutter  zusamraenzu- 
treifen.''^')  Auch  die  Fürstin  von  Nassau^Weilburg,  eine  Tochter  des 
Burggrafen  Georg  zu  Kirchberg,  Grafen  zu  Sayn-Hachenburg,  sah  unser  Dichter 
zweimal  zu  Frankfurt,  am  17*  und  2L  September;  das  Tagebuch  meldet  am 
17.:  |,zur  Fürstin  von  Nassau**,  am  2L:  „Fürstin  von  Nassau/ 

Belebter  war  der  Hof  zu  Biebrich  im  Sommer  1815.  Dazu  trug  haupt« 
sächlich  bei,  dass  der  Erzherzog  Karl  während  dieser  Zeit  Gouverneur  der 
Festung  Mainz  war.  Derselbe  hatte  sich  im  Laufe  des  Winters  1814/15  mit 
einer  Tochter  des  Fürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Nassau- Weilburg,  Henriette 
Alexandrine  Friederike  (geb.  1797)^  verlobt,  und  dieses  verwandtschaftliche  Band, 
welches  auf  herzlicher  Zuneigung  der  Verlobten  beruhte  und  eine  glückliche 
Zukunft  der  beiden  voraussehen  Hess,  führte  nicht  nur  den  Bräutigam  und  sein 
Gefolge  mehrmals  nach  Biebrich,  sondern  auch  den  Hof  von  Weilburg  und 
andere  Persönlichkeiten,  So  traf  Goethe  gleich  bei  seinem  ersten  Besuch, 
Sonntag  den  4.  Juni,  den  Chevalier  De  Lort^*^)  und  Graf  Künigl  u.  a.  an. 
Dieser,  Graf  Hermann  v,  Künigl,  war  Generalfeldwachtmeister  der  öster- 
reichischen Armee  und  damals  Artillerie-Direktor  der  Festung  Mainz,  später 
dem  k.  k*  Armeekorps  in  Frankreich  zugeteilt;  Joseph  De  Lort  war  Oberst 
des  33.  Infanterie-Regiments,  aber  dem  Generalstab  des  Erzherzogs  Karl  zu 
Mainz  als  Chef  desselben  zugeteilt;  im  Jahre  1818  hatte  ihn  Goethe  zu  Teptitz 
am  5.  August  kennen  gelernt,  als  er  noch  Oberstlieutenant  im  Generalquartier- 
raeister-Stab  war,  und  über  eine  Biographie,  die  er  in  Pinsk  in  eines  reichen 
Juden  Bibliothek  gefunden  hatte,  eine  Unterhaltung  gehabt**^);   er  muss  unge- 


>*^  Diin»«rg:,  Ä,  A.  O.  S.  168,  175,  176.  —  *")  üoetlie  adireibt  de  l'Or,  er  lieiaat  aber 
\m  rMiturtekiiinch«!!  ÖtaAUaoii^tuati^uiuti   und    in   eirtem  Aklenstuek  des  hieaigren  Stiiattarnliivft 


104 


wubDlicheti  HUerari»cheD  Sion  an  ihm  bemerkt  haben,  dexm  er  ütlte  den  Ter*| 
kehr  mit  ihm  fort,  wie  wir  sehen  werden. 

Am  U.  Juni  war  Jer  Erzherzog  Karl  selbst  anwesend«  ^Besafidere» 
Glück,  heitfst  es  m  deo  ADtialen  1815,  ereignete  «ich  mir  auch  ac»  BieberJclu 
irulem  des  Ilerro  Erzherzogn  Carl  K.  H.  die  Gnade  hatte,  nach  einem  iotere^ 
]>ianti^n  Gespräch,  mir  die  BeschreibuDg  Ihrer  Feldzuge  mit  den  hoebai  geitan 
und  sauber  gestochenen  Karten  zu  verehren.''  Wie  er  diese  Karten  splter  tm 
seinem  Zwecke  zu  ver\* enden  wusgte,  werden  wir  bei  Gelegenheit  der  I*iihii» 
ri'Jse  <Xo.  9)  erwähnen;  für  jetzt  war  er  an  den  zwei  folgenden  Tageo  mit  d«r 
Lektüre  des  Buches  beschäftigt. 

Am  18>  und  25.  Juni  bildeten  die  Nachrichten  vom  Eriegaschaoplmixe 
den  Hauptgegenstand   der  Unterhaltung;   an  jenem  Tage  war  ea  ja»  diua  die 

Ents^cheidung  bei  Waterloo  erfolgte,  von  der  man  freilich  noch  ntehta  winsm 
konnte;  kttum  dass  man  vcm  den  vorhergehenden  Kämpfen  etwaü  gehört  baben 
mochte.  Aber  es  waren  unbestimmte  Nachrichten  von  dem  bevurstebeadeji 
Aufbruch  der  Mainzer  Besatzung  eingetroffen,  an  deren  Stelle  auch  nassauische 
Truppen  einrücken  sollten;  der  Befehl  dazu  erging  indessen  erst  am  25.  durch 
das  Gouvernement  von  Mainz,  wurde  aber  alsbald  wieder  zurückgenommen. ^'^] 
Am  25,  war  zwar  der  Sieg  der  Verbündeten  bekannt  geworden,  doch  feUCeo 
noch  genauere  Nachrichten  über  die  Verluste  der  naasauischen  Tnippen;  aod 
Goethe  nalim  an  den  Sorgen  und  Befürchtungen  der  Nassauer  und  deiü  Hei 
innigen  Anteil,     Vergl,  unten  No*  9. 

Sonntag  den  2.  Juli  war  Goethe  nicht  in  Biebrteh,  sondern  speiste  «fBr 
sich/  Am  9.  heisst  es:  ^iMittag  Bieberich  mit  Lynckers,**^')  Min.  v.  Stein« 
Einladung/  Aus  dieser  kurzen  Notiz  konnte  man  ach  Hessen,  dass  auch  der 
Minister  v.  Stein  anwesend  war  und  dabei  Goethe  einlud  ihn  zu  Nassau  an 
besuchen^  doch  lässt  sich  dies  nicht  sicher  behaupten.  Noch  st^nd  damals  der 
Minister  v.  Stein  mit  dem  herzoglichen  Hause  auf  freundlichem  Fusse,  und 
unter  seinem  Beiräte  und  wesentlichen  Einfluss  war  die  nassauische  Verfaasung»- 
urkunde  vom  1./2.  September  1814  zu  stände  gekommen'^-),  auch  von  ihm  g«g»D 
Angriffe  auf  dem  Wiener  Kongrejä.^e  verteidigt  worden,  sodass  ein  Besuch  an 
dem  herzoglichen  Hofe  nichts  Unwahrscheinliches  hat.  Er.-tt  vom  Jahre  1816 
an  trübte  sich  das  Verhältnis  bis  zum  vollständigen  Bruche. 

Sonntag  den  16.  Juli  „wurde  ein  allgemeines  liankfest  wegen  des  von  den 
verbündeten  Heeren  unter  ausgezeichneter  Mitwirkung  der  herzoglichen  Trupjwn 
bei  Belle  Alliance  in  den  Niederlanden  erfochteuen  Sieges  in  allen  Kirchen  de» 
Herzogtums  mit  den  gewöhnlichen  Feierlichkeiten*  gehalten.'**')  AU  Text  ßr 
die  Predigt  in  den  Kirchen  waren  die  Verse  14— 1()  des  77*  Psalms  bestionfiit: 
«(14).  Gott,  dein  Weg  ist  heilig.  Wo  ist  so  ein  mächtiger  Gott»  aU  du^  Gott^ 
liiMt.  (15).  Du  bist  der  Gott,  der  Wunder  thut;  du  hast  deine  Macht  beweiMt 
unter  den  Volkern.     (IB),  Du  hast  dein  Volk  erlöset  gewaltiglich,   die  Kinder 


^•^}  SUatiarohir  »u  WicttUadon.  -   ^^^)  a  H.  95.  ^  >«*)  Sauer,  Dm  Hencoftum  Xi 
bi   dcQ   Jahren    It^ü)— 1H20,   urvlvr  AUschmtt  V<«rordiiuiig  vom  b,  Juli  1^15.    V 

iiuiii<«MAit  Xu,   iSi  vum  H.  Juh    IHi:», 


^^  105 

Jakobs  und  Josephs.  Sela.**  Zur  Verherrlichung  des  Tages  fand  am  Abend 
eine  Ilhimination  des  Qescilschafcdhauses,  wie  mau  das  Kurhaus  damals  nauiUo, 
statt;  es  braartten  5100  Larapchor^  und  ein  Ball  sdilos«  sich  an,  bei  welchem 
ain  zweites  Orchester  mitwirkte.  Der  herzogliche  Hof  feierte  den  Tag  durch 
BÜDe  grosse  Mittagstafel,  zu  der  Erzherzog  Kart  mit  dem  ganzen  QeneraKstab 
und  auch  Goethe  nebst  dem  Freiherrn  v.  Hügel  geladen  waren.  Es  waren 
zu  dem  Feste  Kanonen  nach  Biebrich  gebracht  worden,  welche  den  nötigen 
kriegerischen  Lärm  machen  sollten. ^^)  Nach  seiner  Rückkehr  scheint  unser 
Dichter  auch  die  Illumination  sich  angesehen  zu  haben.  Mit  dem  Feste  war 
eine  Oeldsammlung  verbunden,  deren  Ertrag  verwundeten  Kriegern  aus  Nassau 
und  den  nächsten  Angehörigen  der  Gebliebeneu  zugute  kommen  sollte;  er 
bolicf  sich  zu  Wiesbaden  auf  etwa  400  fl ,  in  ganz  Nassau  auf  etwa  4700  H.; 
der  Herzog  hatte  157  ft.   12  k.  beigesteuert.'^'*) 

Die  beiden  folgenden  Sonntage  war  Goethe  abwesend,  erst  am  6,  x^ugust, 
und  da  zum  letzteuraale  ist  er  in  Biebrich.  Anwesend  war  eine  grosse  Gesell- 
schaft, ausser  dem  Erzherzoge  der  Hof  von  Weilburg,  also  auch  wohl  die  Prinzessin- 
Braut,  und  „Dillenburger  Dienerschaft.**  Am  17,  September  fand  die  Ver- 
mählung des  Brautpaares  zu  Weilburg  in  der  (evangelischen)  Stadtkirche  durch 
den  geistlichen  Eat  Freiherrn  v,  Brakel  nach  katholischem  Ritus  statt;  ein 
Maskenball  zur  Feier  des  Tages  schloss  die  Festlichkeiten.  Die  damals  in 
Freude  und  Heiterkeit  versammelte  fürstliche  Familie  sollte  bald  den  Um- 
schwung des  Glückes  erfahren.  Das  Jahr  1816  raffte  rasch  hintereinander  den 
Fürsten  Friedrich  Wilhelm  am  9.  Januar,  den  Herzog  Friedrich  August  am 
24.  März  und  dessen  Gemahlin  Luise  am  17.  November  hinw^eg.  Seit  dem 
24.  März  regierte  der  junge  Herzog  Wilhelm  (geb.  1792)  allein  die  nassauischen 
Lande  bis  zu  seinem  Tode  1839,  wo  ihm  Herzog  Adolf,  jetzt  Grossherzog  von 
Luxemburg,  folgte.  Seit  dem  Jahre  1866  steht  das  Schloss  zu  Biebrich  unbe- 
wohnt da;  der  Park  entbehrt  der  früheren  Pflege  und  wird  nur  durch  fremde 
Spaziergänger  belebt,  welche  die  schattigen  Alleen  und  buschigen  Pfade  gern 
aufsuchen. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  auch  die  Kleinigkeit  nicht  unerwähnt  la^^scn, 
daas  Goethe  am  10.  August  1815  an  den  Holfouricr  Johann  Stritt  einen  Brief 
richtete.  Derselbe  mochte  die  Einladungen  zur  Tafel  an  Goethe  besorgt  haben 
und  verdiente  dafür  eine  metallene  Anerkennung.  Ein  Schreiben  an  den 
Oborhoftnarschall  L.  w  Bismarck  zu  Biebrich  vom  10,  September  1814  erwähnt 
das  Tagebuch;  es  scheiot  persönlichen  lohalts  gewesen  zu  aeiu,  da  es  in  den 
Akten  des  Hofmarschaltamts  nicht  enthalten  ist. 


2.   Die  höheren  Beamten. 

Als  hochstehender  Beamter  eines  kleinen  deutschen  Staates  glaubte  Goethe 
den  ihm  an  llang  gleich-  oder  nahestehenden  Männern  Besuche  abstatten  zu 
müssen.    Dies  geschah  denn  auch,  aber  nur  wenigen ''*^^)  ward  diese  Auszeichnung 


'"*)  Die  Angaben  Über  die  FesUiohkeiten  imch  »rchivalitchen  Notizen.  —  »^*,  Nüm.  In- 
toliigen^bL  1616    Oktober,  --   ^^^'*)  Über  die  Auswahl  derselben  vgl  8.  115. 


102 


i«t  folgender  Vorgang:  Der  Herzog  hatte  iü  Übereinstimmung  mit  dem  Pfir 
Friedrich  Wilhelm  von  N.-Weilburg  ara  K  Januar  1808  die  Leibeigeaact 
aufgehoben,  aoi  10./ U.  Februar  1809  ein  Gesetz  betr,  die  Gleichheit  der  Ab- 
gaben und  Einführung  eines  direkten  Steuersystems  und  infolgedeeseo  tm 
K/3,  September  1812  ein  weiteres  betr.  die  Aufliebung  der  alterea  direkten 
Abgaben  erlassen  und  dadurch  die  Unterthanen  mit  lebhaftem  Dankgefühl  er- 
füllt. Dieses  oftenkundig  auszusprechen  hatten  die  sämtlichen  Gemeindea  det 
Ker/ogtums  sich  entschlossen,  durch  eine  Deputation  von  60  gewähUeo  AI 
ordneten  und  5  Amtmännern  dem  Herzoge  Dankadressen  zu  überreichen 
einer  Denkmünze,  welche  das  Andenkon  an  diese  wuhlthätige  Umgestaltui3|( 
f^rhalten  sollte*  So  bewegte  sich  am  K  August  1813  diese  Deputatiou  von 
Wiesbadeu,  wo  sie  sich  versammelt  hatte,  nach  dem  Schlosse  zu  Biebric 
hier  fand  sich  zugleich  der  Fürst  von  Weilburg  ein^  und  so  nahmen  beide  Fürst« 
die  dankbare  Huldigung  der  frohbewogten  Abgeordneten  entgegen.  Darauf 
wurde  diese  zur  Tafel  gezogen  und  ihnen  für  den  Abeud  der  freie  Zutritt  xu 
dem  herzoglichen  Hoftheater  gewährt.  Hier  empfingen  sie  die  höchsten  Herr- 
Schäften  mit  einem  freudigen  Lebe  hoch!,  in  welches  das  zahlreich  versammelt«! 
I'ublikum  einstimmte.*^*) 

Unter  den  Seinen  waltete  der  Herzog  als  liebender  Vater  und  gew« 
es  auf  die  vereinten  Bitten  seiner  Gemahlin  und  Tochter  über  sich,  die  kaum  gi 
schlossene  Verbindung  der  letzteren,  der  Prinzessin  Auguste,  mit  dem  Frifi2€ii 
Ludwig  von  llessen-Homburg  (2.  August  1804)  bald  nachher  wieder  zu  trenneo 
(13.  Juli  1805).  als  er  sah  und  hörte,  wie  unglücklich  sich  die  Tochter  an  d« 
Seite  eines  zwar  ehrenhaften  und  im  Kriege  erprobten,  aber  ungeliebten  Mann« 
fühlte»  da  ihr  Herz  einem  anderen,  dem  Hofjuoker  und  Lieutenant  Friedrich 
Wilhelm  v,  Bismarck  gehörte;  ja  er  gestattete  in  väterlicher  Liebe  die  Vc 
bindung  der  Liebenden,  die  dann  am  7.  September  1807  geschlossen,  jedu^ 
vorlaufig  geheim  gehalten  wurdeJ*^)  Aber  während  der  langen  Kriegsjabre 
der  folgenden  Zeit  war  Bismarck  als  Offizier  der  würtembergischen  Truppen 
«o  in  Anspruch  genommen,  dass  er  erst  im  Herbste  1814  -  mit  den  Ehroo- 
xeichen  militärischen  Ruhms  bedeckt  —  zu  seiner  Gemahlin  zurückkehreil 
konnte.  In  der  Folge  stieg  er  zu  hohen  Ehren  und  Wurden  empor  und  «tarb, 
nachdem  er  im  Jahre  1846  seine  Gemahlin  verloren  hatte,  im  Jahre  lö€ 
zu  Konstanz. 

Wir  haben  dies  vorausschicken  zu  müssen  geglaubt^  um  Jen  Kreis,  welcheo 
Goethe  hier  vorfand,  zu  schildern.  Denn  sowohl  während  des  Sommers  1814 
als  1815  war  er  fast  jeden  Sonntag  Gast  der  herzoglichen  Tafel.  Er  erwähnt  zwar 
nicht  einzelner  Personlicbkeiton  des  herzoglichen  Hauses,  aber  lernte  sie  sicher* 
lieh  kenneu,   und  wenn   er  auch  nicht  das  Verständnis  und  Interesae  an  alleo 


^^\  Niua,  tni«l|[^«nstblall  1S1.H,  No*  ^2  vom  7.  Auguil.  Hi«r  findet  sich  ftueh  d&«  B«- 
noliroibuii^  d«r  tcutiiitvi>n  ^v«riteltetcti  Üerikmäjue  mit  Fhren  Kmblemcu  und  der  Toueo«  in 
wekb^ii  sie  in  dreifiMshor  Prägung  lüald,  vergoldetom  Hübrr  und  HilUer)  deti  beiden  FQnUm 
aberrei<}ht  wurd«.  Vnr^l.  Hh*s'm.  Kurier  1$94,  No.  3Ü9,  der  Ab««ndftUA|r«be  xwoitvH  liktt. 
»•*>  M,  h\  X.  Dukberi;,  A  II  O  S,  11  u.  ßtj  8rhw«flf,  LiiidjfrJif  Fricdritdi  V.  vuq  fIcM»i|. 
Uofnbufg  111,  TiM. 


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■  hoci 

I 
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1 


108 

semen  Schöpfuugen  und  BentrebuugöD  fand  wie  zu  Weimar,  so  war  er  doch 
hochbefriedigt  von  dem  EmpfaDge,  der  ihm  in  dem  gastfreien  Schlösse  zuteil  ward. 

Zum  erstenmale  erschien  er  hier  am  7.  August  1814,  wo  er  den  Park 
das  Ritterschloss  besuchte,  dann  am  14.  und  21  ,  an  welchem  Tage  er 
auch  den  Fürsten  von  Nassau- Weilburg  Friedrich  Willi elm  antraf.  Wenn 
dieser  auch  ein  Mann  von  stärkerem  Willen  und  durchgreifenderer  Art  war, 
so  regierte  er  doch  in  Eintracht  mit  seinem  Verwandten  die  vereinigten  nassau- 
lachen  Lande;  denn  bei  dem  voraussichtlichen  Aussterben  der  herzoglichen 
Linie  raussten  deren  Besitzungen  an  die  Weilburger  fallen,  und  so  war  die 
Regierung  und  Verwaltung  der  beiderseitigen  Lande  schon  jetzt  so  geordnet 
worden,  dass  alle  Gesetze  und  Verordnungen  in  dem  Namen  der  beiden  Regenten 
erlassen  wurden.  Am  25.  begleitete  Goethe  seinen  Herzog  Karl  August  nach 
Biebrich  und  nahm  sicherlieh  auch  hier  am  28,  die  herzlichsten  Glückwünsche 
zu  seinem  Geburtstage  entgegen*  Nachdem  er  sich  am  11.  September  verab- 
schiedet hatte,  begegnete  er  am  12.  auf  der  Reise  nach  Frankfurt  der  Herzogin 
nebst  Gefolge,  die  vielleicht  ihre  Tochter  Auguste  nach  Frankfurt  begleitet 
hatte,  um  sie  in  die  Arme  Bismarcks  zu  führen ;  denn  hier  pflegten  wenigstens 
früher  die  getrennten  Gatten  für  die  kurze  Zeit  des  Urlaubes,  den  Bismarck 
erlangen  konnte,  unter  dem  Schutze  der  herzoglichen  Mutter  zusammenzu- 
treffen.*^^) Auch  die  Fürstin  von  Nassau -Weilburg,  eine  Tochter  des 
Burggrafen  Georg  zu  Kirehberg,  Grafen  zu  Sayn-Hachenburg,  sah  unser  Dichter 
zweimal  zu  Frankfurt,  am  17.  und  21.  September;  das  Tagebuch  meldet  am 
17.:  „zur  Fürstin  von  Nassau**,  am  2L:  „Fürstin  von  Nassau.** 

Belebter  war  der  Hof  zu  Biebrich  im  Sommer  1815.  Dazu  trug  haupt- 
sächlich bei,  dass  der  Erzherzog  Karl  während  dieser  Zeit  Gouverneur  der 
Festung  Mainz  war.  Derselbe  hatte  sich  im  Laufe  des  Winters  1814/15  mit 
einer  Tochter  des  Fürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Nassau- Weilburg,  Henriette 
Alexandrioe  Friederike  (geb.  1797),  verlobt,  und  dieses  verwandtaehaftliche  Band, 
welches  auf  herzlicher  Zuneigung  der  Verlobten  beruhte  und  eine  glückliche 
Zukunft  der  beiden  voraussehen  Hess,  führte  nicht  nur  den  Bräutigam  und  sein 
Gefolge  mehrmals  nach  Biebrich,  sondern  auch  den  Hof  von  Weilburg  und 
andere  Persönlichkeiten*  So  traf  Goethe  gleich  bei  seinem  ersten  Besuch, 
Sonntag  den  4.  Juni,  den  Chevalier  De  Lort^^"^)  und  Oraf  Künigl  u.  a*  an. 
Dieser,  Graf  Hermann  v.  Künigl,  war  Generalfeld  Wachtmeister  der  öster- 
reichischen Armee  und  damals  Artillerie-Direktor  der  Festung  Mainz,  später 
dem  L  k.  Armeekorps  in  Frankreich  zugeteilt;  Joseph  De  Lort  war  Oberst 
des  33*  Infanterie^Regiments,  aber  dem  Generalstab  des  Erzherzogs  Karl  zu 
Mainz  als  Chef  desselben  zugeteilt 5  im  Jahre  1813  hatte  ihn  Goethe  zu  Teplitz 
am  5.  August  kennen  gelernt,  als  er  noch  Oberstheutenant  im  Generalquartier- 
meister-Stab  war,  und  über  eine  Biographie,  die  er  in  Pinsk  in  eines  reichen 
Juden  Bibliothek  gefunden  hatte,  eine  Unterhaltung  gehabt**^);   er  muss  unge- 


'*'^  DaJber^i  *.  a,  O.  8.  IG8,  HD,  176.  —  '**)  Ooetbe  aolireibt  de  TOr,  er  heisat  aber 
im  odierreiclitflcheo  StaaUsohciiiiaHttrinis  iin«!  in  einem  AktenstOek  des  liiesigen  StaatsArnhivi 
ht»  l^irt,    -   '^*f  Tftgt'btJüb,  8.  0«. 

8» 


102 


bgS 


ht  folgeöder  Vorgang:  Der  Herzog  hatte  in  Übereinstimraong  mit  dem  Fürstwi 
Friedlich  Wilhelm  von  N.- Weilburg  am  K  Januar  1808  die  Leibeige-oschd: 
aufgehobGü«  am  10,/ 14,  Februar  1809  ein  Gesetz  betr,  die  Oleichheit  der  Ab* 
gaben  und  Ktnfuhrting  eines  direkten  SteuerBystems  und  infi^lgoded»eii  am 
\^/'d,  September  1812  ein  weiteres  betr,  die  Aufhebung  der  älteren  direktwi 
Abgaben  erlassen  und  dadurch  die  Unterthanen  mit  lebhaftem  Dankgeföhl 
füllt.  Dieses  oftenkundig  auszusprechen  hatten  die  sämtlichen  QemeiodeQ 
Herzogtums  sich  entschlossen,  durch  eine  Deputation  von  60  gewählten  AI 
ordneten  und  5  Aratmiinoorn  dem  Herzoge  Dankadressen  zu  überreichen 
einer  Denkmünze,  weiche  das  Andenken  an  diese  wohlthätige  Umgestaltung 
erhalten  sollte.  So  bewegte  sich  am  1.  August  1813  diese  Deputation  tob 
Wii^sbaden,  wo  sie  sich  versammelt  hatte,  nach  dem  Schlosse  zu  P*  *  *  ': 
hier  fand  sich  zugleich  der  Fürst  von  Weilburg  ein,  und  so  nahmen  beide  l  ^...:  2 
die  dankbare  Huldigung  der  frohbewegten  Abgeordneten  entgegen,  Darai 
wurdo  diese  zur  Tafel  gezogen  und  ihnen  für  den  Abeud  der  freie  Zuiriti  tu 
dem  herzoglichen  Hoftheater  gewährt.  Hier  empfingen  sie  die  höchsten  Hei 
Schäften  mit  einem  freudigen  Lebe  hoch!,  in  welches  das  zahlreich  Yer4i4inini 
Publikum  einstimmte.'*^) 

Unter  den  Seinen  waltete  der  Herzog  als  liebender  Vater  und  ge 
es  auf  die  vereinten  Bitten  seiner  Gemahlin  und  Tochter  über  sich,  die  kaum 
schlossene  Verbindung  der  letzteren,  der  Prinzessin  Auguste,  mit  dem  Prinzen 
Ludwig  von  Hessen-Homburg  (2.  August  1804)  bald  nachher  wieder  zu  trenoei 
(13.  Juli  1805),  als  er  sah  und  hörte,  wie  unglücklich  sich  die  Tochter  an  d( 
Seite  eines  zwar  ehrenhaften  und  im  Kriege  erprobten,  aber  ungeliebten  Mannet^ 
fühlte,  da  ihr  Herz  einem  anderen»  dem  Hofjunker  und  Lieutenant  Priedrici 
Wilhelm  v.  Bismarck  gehörte;  ja  er  gestattete  in  väterlicher  Liebe  die  Ver- 
bindung der  Liebenden,  die  dann  am  7.  September  1807  geschlossen,  jedoch] 
vorläufig  geheim  gehalten  wurdeJ"*^)  Aber  während  der  langen  Kriegsjab 
der  folgenden  Zeit  war  Bismarck  als  Offizier  der  würtembergischen  Truppen 
so  in  Anspruch  genommen»  dass  er  erst  im  Herbste  1814  —  mit  den  Bhreo* 
zeichen  militärischen  Ruhms  bedeckt  —  zu  seiner  Gemahlin  zurückkehren 
konnte.  In  der  Folge  stieg  er  zu  hohen  Ehren  und  Würden  empor  und  sUrb, 
nachdem  er  im  Jahre  1846  seine  Gemahlin  verloren  hatte,  im  Jahre  180O 
zu  Konstanz. 

Wir  haben  dies  vorausschicken  zu  müssen  geglaubt,  um  den  Kreia^  welchen 
Qoethe  hier  vorfand,  zu  schildern.  Denn  sowohl  während  des  Sommer«  181 
als  1815  war  er  fast  jeden  Sonntag  Gast  der  herzoglichen  Tufel.  Er  erwähnt  zwa 
nicht  einzelner  Persönlichkeiten  des  herzoglichen  Hauses,  aber  lernte  sie  sicher- 
iich  kenneu,   und  wenn   er  auch  nicht  das  Verständnis  und  Intererao  an  allen 


^^)  N«ti.  Ifiielligenjüilntt  IHia,  No.  liS  vom  7.  Auguat.  Hbr  Bndt^t  tieh  aueh  di«  Ito* 
iiclir«ihung  tler  kuiiAtvoU  givarl leiteten  Denkmtlnjie  mit  ihren  Knibloiiien  and  der  Vaiaa, 
nclntipu  »i«  in  ^relf achter  Prügiirig  lUold,  vergoldnteiu  8ilbcr  und  Silber )  d©n  boidrii  fUnint' 
ab4»rreiobr  wurde.  Vergl.  KhiMii.  Kurier  18t44,  No.  339,  üer  Ali^uduuiiet^bit  iiweiU«  Bktl  — 
*^*t  M.  F.  y,  lltttberir,  11.  a  (>  M.  1 1  u.  *V2.  HehirftrU,  LaiidgrAf  KHf driidi  Y.  von  Hmmu* 
lluaiburg  üt,  fiJ<, 


m 


108 


seinen  9oh5pfuügeQ  und  BestrebuugeD  fand  wie  zu  Weimar,  so  war  er  doch 
hochbefriedigt  von  dem  Empfange,  der  ihm  in  dem  gastfreien  Schlosse  zuteil  ward. 

Zum  erstenmale  erschien  er  hier  am  7,  August  1814,  wo  er  den  Park 
und  das  Ritterschloss  besuchte,  dann  am  14.  und  21.,  an  welchem  Tage  er 
auch  den  Fürsten  von  Nassau-Weilburg  Friedrich  Wilhelm  antraf.  Wenn 
dieser  auch  ein  Mann  von  stärkerem  Willen  und  durchgreifenderer  Art  war, 
so  regierte  er  doch  in  Eintracht  mit  seinem  Verwandten  die  vereinigten  nassau- 
ischen Lande;  denn  bei  dem  voraussichtlichen  Aussterben  der  herzoglichen 
Linie  raussten  deren  Besitzungen  an  die  Weilburger  fallen,  und  so  war  die 
Regierung  und  Verwaltung  der  beiderseitigen  Lande  schon  jetzt  so  geordnet 
worden,  daas  alle  Gesetze  und  Verordnungen  in  dem  Namen  der  beiden  Regeuten 
erlassen  wurden.  Am  25,  begleitete  Goethe  seinen  Herzog  Karl  August  nach 
Biebrich  und  nahm  sicherlich  auch  hier  am  28*  die  herzlichsten  Glückwünsche 
zu  seinem  Geburtstage  entgegen.  Nachdem  er  sich  am  IL  September  verab- 
schiedet hatte,  begegnete  er  am  12.  auf  der  Reise  nach  Frankfurt  der  Herzogin 
nebst  Gefolge,  die  vielleicht  ihre  Tochter  Auguste  nach  Frankfurt  begleitet 
hatte,  um  sie  in  die  Arme  Bismarcks  zu  führen ;  denn  hier  pflegten  wenigstens 
früher  die  getrennten  Gatten  für  die  kurze  Zeit  des  Urlaubes,  den  Bismarck 
erlangen  konnte,  unter  dem  Schutze  der  herzoglichen  Mutter  zusammenzu- 
treffen. '^0  Auch  die  Fürstin  von  Nassau-Weilburg,  eine  Tochter  des 
Burggrafen  Georg  zu  Kirchberg,  Grafen  zu  Sayn-Hachenburg,  sah  unser  Dichter 
zweimal  zu  Frankfurt,  am  17.  und  21.  September;  das  Tagebuch  meldet  am 
17.:  „zur  Fürstin  von  Nassau",  am  2L:  „Fürstin  von  Nassau.** 

Belebter  war  der  Hof  zu  Biebrich  im  Sommer  1815.  Dazu  trug  haupt- 
sächlteb  bei,  dass  der  Erzherzog  Karl  während  dieser  Zeit  Gouverneur  der 
Festung  Mainz  war.  Derselbe  hatte  sich  im  Laufe  des  Winters  1814/15  mit 
einer  Tochter  des  Fürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Nassau- Weilburg,  Henriette 
Alexandrioe  Friederike  (geb.  1797),  verlobt,  und  dieses  verwandtschaftliche  Band, 
welches  auf  herzlicher  Zuneigung  der  Verlobten  beruhte  und  eine  glückliche 
Zukunft  der  beiden  voraussehen  Hess,  führte  nicht  nur  den  Bräutigam  und  sein 
Gefolge  mehrmals  nach  Biebrich,  sondern  auch  den  Hof  von  Weilburg  und 
andere  Persönlichkeiten,  So  traf  Goethe  gleich  bei  seinem  ersten  Besuch, 
Sonntag  den  4.  Juni,  den  Chevalier  De  Lort****)  und  Graf  Künigl  u.  a.  an. 
Dieser,  Graf  Hermann  v.  Künigl,  war  Generalfeldwachtmeister  der  öster- 
reichischen Armee  und  damals  Artillerie-Direktor  der  Festung  Mainz,  später 
dem  k.  k,  Armeekorps  in  Frankreich  zugeteilt;  Joseph  De  Lort  war  Oberst 
des  33.  Infanterie-Regiments,  aber  dem  Generalstab  des  Erzherzogs  Karl  zu 
Mainz  als  Chef  desselben  zugeteilt;  im  Jahre  1813  hatte  ihn  Goethe  zu  Teplitz 
am  5.  August  kennen  gelernt,  als  er  noch  OberstUeutenant  im  Generalquartier- 
meister-Stab war,  und  über  eine  Biographie,  die  er  in  Finsk  in  eines  reichen 
Juden  Bibliothek  gefunden  hatte,  eine  Unterhaltung  gehabt"^^);    er  muss  unge- 


**^)  Dalberg,  a.  a.  O.  S.  168,  IT5,  176-  —  '")  QoeÜie  schreibt  do  lOr^  er  heiist  aber 
im  iktcrreichii$ch«o  8tatiU4»ohematiimii9    und    in   eioem  Akteoatürk   dea  hientg^ei]   dtaatänrchivst 


De  Lart. 


Ttigcbutih,  8.  CG. 


S* 


HO 


«  — " 


aprochen  und  Cramers  MineraUensammlung  besichtigt;  aus  dem  folg^eorien  Etn- 
trag  dcö  Tagebuchs  scheint  hervorzugehen,  dass  Cramer  sein  Werk  über  Alien-I 
kirchoD  Goethe  mitgeteilt,    vielleicht  zum  Geschenk  gemacht  hat.     Im  Goetli«^'' 
Archiv  zu  Weimar  findet  aieh  ein  Faszikel  mit  der  Aufschrift  „Geognosta  und 
Oryktoguosie  des  Herzogtume  Nassau  1814^,  in  welchem  sich  Aufzeichnuiigüo 
meist    von    Cramers    Iland^    die    mineralogische   Litteratur    Nassaus    betreffend, 
Suitenverzeichnisse  und  eine  Übersicht  über  Cramers  Mineraliensammluog  t^ 
finden.»»^) 

8.  August  „Altenkirchen  von  Cramer/  vor  dem  Bad;  Goethe  eraSSnötel 
also  seine  Tagesarbeit  —  nach  einem  vorher  angemerkton  Besuche  Zelters  — 
mit  der  Lektüre  von  Cramers  Buch  über  AUenkirchen.  Nach  der  Mittagi»tarel 
bei  Minister  v.  Marschall  heisst  es:  „Bei  Bergr.  Cramer" ,  und  am  Schlüsse: 
„NB.  Moltern.  Borgm.  Ausdruck.  Siehe  Cramers  Beschreibung  des  Nasa.  Us» 
Berg  pp.  Wesens  1805,  p.  86  §  55.  Moll  kauten.'^')  Moll  Maulwurf.  Moll- 
hubel  MaulwurfshügeL"  Diese  ihm  unbekannten  Worte  entnahm  Goethe  der 
bezeichneten  Stelle,  v^^o  es  heisst:  „Höchst  wahrscheinlich  geschah  die  allererste 
Arbeit  unter  der  Oberfläche  der  Erde  mit  sogenanntem  Moltern  oder  mh 
Aufsuchen  der  von  Hauptgängen  abgeworfenen  Geschiebe.  Dies  war  jedoch 
wohl  hauptsächlich  oder  vielmehr  ausschliesslich  bei  den  wichtigsten  Eisensteiu* 
gäogen  der  Fall  .  .  .  Dass  das  sog.  Moltern  in  der  Vorzeit  geschehen  sein  soll, 
beruht  freilich  blos  auf  mündlichen  Sagen,  die  aber  .  .  .  durch  das  Ansehen  der 
Erdoberfläche  in  der  Nähe  wichtiger  Gisensteingänge  volle  Glaub würdigkail 
erhalten  .  .  .  Man  sieht  hier  mehrere  hundert,  ich  möchte  wohl  sagen  tausend 
kleine  Vertiefungen  oder  Kauten  (hier  sog.  Mollkauten),  woraus  jene  Greschtebe 
gefördert  wurden/  Nachdom  dann  als  Zeitgrenze  in  §  56  der  Anfaiig  des 
16.  Jahrhunderts  vermutet  ist,  wird  das  Wort  moltern  auf  Moll  s=  Maulwurf 
zurückgeführt,  indem  Moll  ein  provinzieller  Ausdruck  für  dieses  Tier  sei  und 
seine  aufgeworfenen  Hügel  MoUhübel  genannt  würden.  Hier  haben  wnr  alle 
von  Goethe  angemerkten  Worte  wieder.  Wir  können  uns  übrigens  der  Detituog 
und  Ableitung  der  Worte,  wie  sie  Cramer  hinstellt,  nicht  ganz  antscbliev^im. 
Moltern  freilich  wird  nicht  von  Molter  zu  trennen  sein,  einem  Wort,  welch» 
noch  in  Hessen  und  Nassau"")  neben  Moltruff,  Molteroff  u,  a.  statt  de«  hooii- 
deutschen  Maulwurf  vorkommt,  ursprünglich  Moltwerf  ^  das  die  Erde,  M0II4&, 
aufwerfende  Tier'*^);  von  diesem  Molter  kommt  dann  auch  Molterhauf  =  mn 
vom  Maulwurf  aufgeworfener  Hügel****)  und  Molterhübel.  Aber  mit  Moll  jicbeiiil  ^j 
GS  anders  zu  stehen;  es  wird  zwar  dialektisch  in  einzelnen  Gegenden  Mol^^l 
eigentlich  Molch,  Eidechse,  statt  Maulwurf  gebraucht*^*)*  aber  in  dem  Sayui-  ' 
sehen  Gebiet  soll  dies  nicht  der  Fall  sein,  wie  von  glaubwürdiger,  der  dortig^ti 
Landessprache  kundiger  Seite   versichert  wird.*^*)    Hingegen  ist  die  Herleitung 


*•**;  Aoinerkung  nun  Ta^Uitcli,  8.  356,  —  '"*)  80  iiiuse  gelesen  werd«ii,  nicht  Moli* 
kannten,  wie  dw  T«gebucli  hut*  8.  die  gleich  folgende  Stello  aus  Cnuners  Work,  —  "»»  Keiir^ 
ein,  Volkssprache  und  Wörterbuch  in  Kiwi«ti,  8.  281.  —  ^'"i  Lexer,  MIUelhiK'htieutBeliü 
Wörterbuch  III,  T40.  Heyne  in  Orimnit  dentsehem  Wörterbuch  VI,  2177.  —  *"y  Kehrvtii, 
8.  282,  "  ^**)  Lexer,  u.  d.  Wort,  tlejne  in  QHminf  deoiMhoai  Wdrterbaoh  VI,  2476v  ^ 
*•*)  Auch  Kobrein  hat  dw  Wort  nicht. 


4 


111 

doa  WortöB  Moll  kaute  von  mhd,  Molte  oder  Multef  jetzt  Mulde,  Staub,  Erde 
an  sich  viel  eiDleuclUeuder  und  vurständlichor,  also  ^  Erdkaute,  und  Moll- 
liübel  =^  Erdhügol.  Doch  wir  kehren  nach  dieser  Abschweifung  zu  unserer 
Aufgabe  zurück. 

Am  n,  August  begleitete  Cramer  seinen  neuen  Freund  zu  de  Laspoe.  ^^^j 
Am  10.  August  sagt  das  Tagebuch:  „Zu  Bergr.  Cramer.  Steinarten  bis  zu 
Ende**;  am  IL:  „Bei  Bergm,  Cramer";  am  12.:  „Carte  von  Allenkirehen.*^ 
Eine  Karte  von  Altenkirohen  ist  dem  Buche  von  Cramer  nicht  beigegeben,  aber 
in  einem  Faszikel  ttes  Goethe- Archivs  zu  Weimar,  „Papiere  auf  die  Reise  am 
Rhein,  Mayn  und  Neckar  im  Jahre  1844,  bezüglich^,  befindet  sich  u.  a. 
verzeichnet**');  „Charte  von  Altenkirchen.  Bergrath  Cramers  Literatur  jener 
Bergwerke/  An  demselben  Tage;  „Zu  Berg.  R.  Cramer.  Marmor  Tische.  Be- 
sonders Kupfer  Stufen."  —  13.  August:  „Bey  Oberbergr.  Cramer.  Bley'*; 
Sonntag  den  14.:  „Mit  0.  B.  R.  Cramer  zurück*'  von  Biebrich.  Die  folgenden 
Tage,  15.,  16.  u.  17.,  nehmen  den  Ausflug  nach  Rüdeshoim  und  zu  dem  Rochus- 
fest in  Gesellschaft  von  Cramer  und  Zelter  ein;  am  19.  heisst  es  wieder:  „Bey 
Cramer,  Die  letzteren  Metalle";  am  20.:  „Zu  Bergr.  Cramer**,  Sonntag  den  21.: 
yjBerg  R.  Cramer**,  den  22.:  „Bey  Cramer**,  den  23.:  „Bey  Cramer  catalogirt. 
Im  Garten,*  Nach  einer  Pause  während  der  Anwesenheit  des  Grossherzoga 
und  anderer  Besuche  kommt  erst  am  SO,  Cramer  wieder  zu  Goethe,  und,  nach 
dessen  Rückkehr  aus  dem  Rheingau,  am  9.  September  mit  Hnudeshagen,  in 
deren  Begleitung  er  einen  Spaziergang  zu  den  „Kalksteinbrüchen  des  Muhl- 
thalea"  macht;  am  10.  hilft  des  Morgens  Cramer  die  Mineralien,  die  Goethe 
gesammelt  hatte,  einzupacken^  des  Nachmittags  die  Kasten  zuzuschlagen; 
den  letzten  Abend  vor  der  Abreise,  Sonntag  den  11.,  widmet  der  scheidende 
Gast  dem  zurückbleibenden  neugewonnenen  Freunde,  wohl  wie  im  folgenden 
Jahr  in  der  Familie. 

Hatte  mit  der  Abreise  Goethes  auch  der  persönliche  Verkehr,  den,  wie 
man  sieht,  dieser  noch  mehr  aufsuchte  als  Cramer  und  bei  dem  er  mehr  der 
Empfangende  als  Gebende  war,  für  jetzt  aufgehört,  so  blieb  die  einmal  ange- 
knüpfte Verbindung  doch  bestehen.  Am  23.  September  schreibt  Goethe  einen 
Brief  zu  Frankfurt  an  Cramer  und  übersendet  ihm  eine  Kupferlasur  von  Chesy, 
und  der  Anfang  des  neuen  Jahres  vergeht  nicht,  ohne  dass  sie  einander  be- 
grüBsten,  Goethe  am  9.  Januar  1615,  Cramer  am  8.  Februar. 

Nicht  ungleich  verlief  der  Sommer  1815,  nur  dass  man  jetzt  den  Bedürf- 
nissen nach  geselliger  Unterhaltung  und  Spaziergängen  mehr  Rechnung  triijzt, 
ohne  jedoch  der  Wissenschaft  Abbruch  zu  thun.  Namentlich  wird  jetzt  der 
Qeisberg  vielfach  das  Ziel  der  Ausgänge.  Nach  dem  ersten  Besuche  Goethes 
am  28.  Mai  und  dem  Gegenbesuche  Cramers  am  29.  folgt  am  30.  sogleich  ein 
Spaziergang  auf  den  Geisberg,  ebenso  am  L  Juui^  wo  man  „spät  herein"  kam. 
Am  2.  wurden  „Mineralien  besichtigt,  Rheinbreitenbacher  *^^  Produkte,  phosplior- 
B[aures]  Kupfer,   dergl.  Bleye^   blätteriger  Malachit'^;    am   3.   ist   die  Rede  von 


**^/  8.  untufi  bei  de  L»«p4e.  ^  **•)  Anmerkutnj  tum  Tiigebuob,  H.  35«.  —  ""*^  Kheiu- 
breitbaoli,  Dorf  im  Amtsbestirk  Neuwied. 


*    --^ 


atid  zierlich  darchbrocheüen  Gallerien);  am  13.  betrachtet  Ooethe  bei  Hunfa* 
hagen'**')  eine  grosse  Stromkarte  des  Rheins.  Von  da  an  bis  zum  9.  September 
stockt  der  Verkehr;  an  diesem  und  dem  folgenden  Tage  ist  der  Nauie 
hagen  wieder  im  Tagebuche  notiert. 

Im  Winter  des  Jahres  1815  schickt  Hundeshagen  au  Ooetbe  etni 
druck  seines  Planes  von  Mainz,  „den  ersten,  welcher  aus  meioeu 
kommt*,  80  berichtet  er  in  dem  Brief  vom  15.  Februar  181 5"*) ;  „muchtoi 
Ihren  herrlichen  Ideen,  fügt  er  bei,  und  umfassenden  durchdringendeo  B^griflft 
das  Resultat  meiner  umfassenden  Beschäftigungen  wenn  auch  im  kleimta 
Ma988tabe  anschliessen,  dann  könnte  ich  ihm  für  mich  den  grussten  Wert 
logen. ^  Zugleich  bittet  er  um  Verteilung  einiger  beiliegenden  Ehcemplai^ 
Werkes  an  Weimarer  Freunde,  ein  Wunsch,  dem  Goethe  entsprach. 

Im  Sommer  1815  erscheint  sein  Name  weniger  häufig  im  Tagebirel 
27*  Mai,  2.,  5.,  17.  Juni  und  5,  August),  auch  sind  die  Gegenstände  der  Ijoö 
baltung  nicht  angegeben;  doch  wir  würden  irren,  wenn  wir  annehmen  wollt 
der  Verkehr  sei  minder  lebhaft  gewesen.  Goethe  las  in  diesem  Jahr  rorndm^ 
lieh  wahrend  des  Monats  Juni,  wie  er  im  Tagebuch  bemerkt  und  in  auderwili 
mitteilt,  eine  Reihe  der  Gottinger  gelehrten  Anzeigen  und  anderer  Zeitschr 
oder  Bücher,  die  er  der  Bibliothek  entnahm,  teils  wie  es  scheint,  in  dem  Loki 
derselben,  teils  in  seiner  Wohnung,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  er  aucb 
Sonntagen  mit  deren  Lektüre  beschäftigt  ist.  Wir  dürfen  annefameo,  dass  dii« 
Werke,  welche  bergmännische  Sachen  behandeln,  meist  der  Bibliothek  Craiii49% 
die  anderen  der  öffentlichen  Bibliothek  angehörten;  danach  wird  man  bf«ttrteifeQ 
können,  welche  Schriften  in  unserem  Verzeichnisse  unter  Lektüre  fXo.  10)^ 
Diensten  von  Hundeshagen  verdankt  wurden. 

Wir  lassen  nunmehr  die  Äusserungen  Goethes  über  Hundeätiageo 
die  Bibliothek  folgen.  In  dem  Aufsatze  über  die  ^Kunstscbät^e  am  Rl 
u.  s«  w,  sagte  er:  „Hier  [in  Wiesbaden]  ist  in  gedachter  Hückaicht  [Saiiimlttii|{f9 
und  Bibliotheken]  schon  viel  geschehen  und  mehrere  aus  Klöstern  gi^wooiMriM 
Bücher  in  guter  Ordnung  aufgestellt.  Ein  altes  Manuskript^  die  Visionen  d€r 
heiligen  Hildegard  enthaltend,  ist  merkwürdig/^)  Was  neu  in  dieser  As 
angeschafft  wird,  hat  Torzüglicb  den  Zweck  die  Staatsdiener  mit  dem  Lunreod^ 
der  litterarischen  und  politischen  Welt  bekannt  zu  machen/^^)  Sämtliche 
ungen  und  Journale  werden  deshalb  vollständig  und  in  bester  Ordnung  g^chaltc 
Dieses  geschieht  unter  der  Aufsicht  des  Herrn  Bibliothekar  Hundeehage 
"Welcher  dem  Publikum  schon  durch  die  Bemühungen  um  den  Palast  Friedricli] 
SU  Gelnhausen  rühmlich  bekannt  ist.     Leider  ist  die  ganze  volleodel«  Auaga 


rt«eil^Q 

m 

tfacUB 


'"^)  Kr  wohnt«  in  dem  Geblude,  weiches  Auch  die  Bibliothek  Uf»herbergt#» 
SchkiMt taulich kei teil  eof  dem  Markte,  die  spiter  niedergelegt  wurden;  im  Jaiir#  IR21 
Bihltothek  in  dai  Miueiuftt  and  iwar  in  mehrere  Zimmer  ebener  Erde,  THf»(;  in  Slirt  jeitagm 
Riamlichketten.  —  ^  aoethe-Jahrk  Yl,  126.  —  ^)  k.  ?,  Linde,  Die  HaadaolbnaMi  te 
KSm$l  t^andesMhltoibek  so  Wietbadeo.  —  F.  W.  E.  Roth,  Die  Codice«  de«  SeiTlaa  m.  a.  \ 
In  dan  Quartal blAttem  dee  liiator,  Ver.  f.  d,  Uroesherr.  Hessen  tSS7,  S  IM  ff,  —  ^ 
Ven»rdiuuif  Tora  i2.  Oktober  1813  im  VerordnungshlaU  1^13,  8.  57,  und  die  Voraii)  r 
Zweek,  Einrit^htung  und  Getiraut*h  der  GffrnlÜrhen  Bibliothek  tu  WiesbadM  tont  1. 
ISN  im  AUg.  IntJiUigcnjihlr»*   '-w    «^      't 


117 


Werkes  bei  dem  Bombardemeot  von  Hanau  verbrannt,  wiewohl  die 
Kupfertafeln  gerettet  wurden;  deshalb  man  die  Hoffnung  nähren  kann,  dass 
die  günstigere  Zeit  auch  die  Reife  dieses  Werkes  befördern  werde*  Der  Plan 
der  Festung  Mainz,  von  jenem  talentvollen  Manne  herausgegeben,  zeugt  nicht 
weniger  von  Fleiss  und  Oeschieklichkeit,"  Und  in  den  Annalen  von  1815 
heiaat  esi  „In  Uterarischer  Hinsicht  forderten  mich  iiicht  wenig  Göttinger 
Anzeigen,  deren  ich  viele  Bände  auf  der  Wiesbadener  Bibliothek  antraf  und  sie, 
der  Ordnung  nach'*'),  rait  gemüthlicher  Aufmerksamkeit  durchlas.  Hier  wird 
man  erat  gewahr,  was  mau  erlebt  und  durchlebt  hatte  und  was  ein  solches 
Werk  bedeute,  das  mit  Umsicht  aus  dem  Tage  entsprungen  in  die  Zeiten  fort- 
wirkt. Es  ist  höchst  angenehm,  in  diesem  Sinne  das  längst  Geschehene  zu 
betrachten.  Man  sieht  das  Wirkende  und  Gewirkte  schon  im  Zusammenhange, 
aller  mindere  Werth  ist  schon  zerstoben,  der  falsche  Antheil  des  Augenblicks  ist 
verschwunden,  die  Stimme  der  Menge  verhallt,  und  das  überbliebene  Würdige 
ist  nicht  genug  zu  schätzen." 

Auch  in  dem  Reisebericht  an  P.  A.  Wolf  vom  November  1814  spricht 
sich  Goethe  anerkennend  über  Hundeshagen  aus,  indem  er  sagt:  ^Herr  Haupt« 
mann  und  Bibliothekar  Hundeshagen  hatte  zugleich  durch  antiquarische,  artistisch* 
literarische  Mittheilung  am  Vergnügen  und  Nutzen,  die  ich  aus  meinem  Aufent- 
halt zog,  den  grössten  Antheil.** 

Die  Hoffnungen  freilich,  die  der  talentvolle  junge  Mann  in  ihm  erweckt 
hatte,  erfüllten  sich  nicht.  Derselbe  richtete  in  den  folgenden  Jahren  noch 
mehrere  Briefe  an  Goethe,  in  denen  er  von  seinen  wissenschaftlichen  Be- 
schäftigungen, insbesondere  dem  Funde  eines  Nibelungen-Kodex  und  der  Blos- 
legung  eines  römischen  Bades  zu  Wiesbaden,  Mitteilung  macht;  aber  er 
klagt  auch  bald  über  Zurücksetzungen,  die  er  zu  erdulden  habe,  Ende  des 
Jahres  1817  wurde  er  aus  seinem  Amte  zu  Wiesbaden  entlassen  und  siedelte 
zunächst  nach  Mainz,  dann  nach  Bonn  über,  wo  er  Vorlesungen  an  der  Universitil 
hielt  und  eine  Professur  zu  erlangen  hoffte.  Noch  bis  zum  Jahre  1825  finden 
sieh  einzelne  Briefe  an  Goethe  vor,  der  aber  dann  von  dem  ,iruiiderlidieB* 
Manne  sich  zurückzog,  welcher  auch  anderen  kein  Vertrauen  etafiSuBiB^  «■! 
immer  tiefer  sank,  bis  er  sein  Leben  im  Irrenhause  endete^ 


5.  Apotheker  Otto. 

Dr.  Karl  Philipp  Otto***),  geboren  zu  Grävenwiesbafib 
am  22.  März  1812  von  der  nassauischen  Regierung  die 


'**)  Aber  Dioht  der  ohraDoIogtsohen  Ordnung  nnoh, 
Audi   die  Zahl    der  gelesenen  Bßnde    Ut    geringer,    ak    ■• 
möchte,  —  '^*)  Auch  F.  G.  We loker  nennt  ihn,  wieOoettie  üi 
IH24,  dfts  hierher  2U  gehören  scheint  (Goethe^Jahrb,  VI,  IM 
ÖberflJl  seine  Netze  nuBwerfe,   um  einige  lukrative 
Briefe  an  S,  Boiaaer^e   TOra    15.  August  183L    8,  BoUa^' 
den  biographischen  Notixen   sind   teiU   dem  Staalaarekiw 
„Einleitung  in  die  wissenschafiliolie  Chemie*  u.  Il  ■ 
Bale  desnelbeii  berührt  kurz  Sauer,  Das  Hertoct«« 
und  gibt  weitere  Litteratur  Über  iho  an. 


WM  4m  T< 


118 


!0   dei 


zweite'Apotlieke  in  Wiesbaden  zu  gründen  und  dieaelbe  im  Judi  1813 
ein  Unternehmen,  das  wohl  hätte  glücken  können,  da  die  Stadt  Über  40M 
wohuer  zahlte,  wohl  bevölkerte  und  wohlhabende  Dörfer  in  der  Nähe  la^eo 
die  Kur  im  Sommer  viele  Kranke  und  überhaupt  Fremde  zuführte;  deoi 
dürfnis  genügte  kaum  mehr  die  Ilnfapotheke,  welche  seit  1808  im  Beeitx  itt 
Apothekers  August  Lade  sich  befand.  Otto  hatte  im  Jahre  1800  seiDe  phans*- 
ceutiäch-ehemiächen  Studien  mit  grosBem  Eifer  begonnen  und  mit  ibuea  siiglÄdt 
philosophische  verbunden  und  zwar  hauptaächlich  nach  den  LetirböcherB  fot 
Ch.  W,  Snell,  Rektor  des  Gymnasiums  zu  Idstein*'*),  weloher  die  Lefar««  im 
grossen  Königsberger  Philosophen  in  zahlreichen  Schriften  und  Redeo  dai 
weniger  gebildeten  Publikum  zugänglich  und  verständlich  zu  inachoa  stt( 
ihm  war  Otto  von  früher  Jugend  an  bekannt  und  erhält  von  ihm  das  L#ob 
er  die  von  seinen  Fähigkeiten  gehegte  sehr  günstige  Meinung  oteht  nur 
sondern  weit  übertrofFen  habe.  Denn  dadurch,  dasa  er  sich  bestrebte  Chi 
durch  Philosophie  zu  befruchten,  kam  er  den  Anschauungen  Soells  eDtg«gtO| 
der  sich  in  der  Vorrede  7.ü  Ottos  Werk  also  darüber  ausspricht:  „PhysikeUtebe 
und  chemische  Beobachtungen  oder  Versuche  geben,  wofern  aie  aiebt  dank 
Prinzipien  geleitet  und  nach  denselben  geordnet  werden,  nur  eiQ  tote^  AggttgUL 
von  Kenntnissen;  erst  dadurch  kommt  Geist  und  Leben  in  die  chaotisclie 
dasB  die  Erscheinungen  und  die  in  denselben  sich  offenbarenden,  dem  Anscbi 
nach  noch  so  verschiedenen  Kräfte  aus  einer  möglichst  geringen  Anxahl 
Grundkräften  als  aus  ihren  letzten  Quellen  abgeleitet  werden."  Dies  aei 
Otto,  wie  auch  der  grosse  französische  Naturkenner,  Herr  Senator  Bertht>lkl, 
bezeuge,  io  seiner  Schrift  vortrefflich  gelungen. 

Von  dieser  Schrift  erschienen  zwei  Abteilungen  des  ersten   BuDtles  »r 
in  dem  Jahre  1814-'*);  die  Vorrede  Snells  ist  am   1.  April,  die  Vorerinu« 
des  Verfassers  im  Juli  dieses  Jahres  geschrieben;  der  uns  vorliegende  erste' 
trägt  die  Jalireszahl  181 G  und  fülirt  den  Haupttitel:   ^Einleitung  in  die 
schaftliehe  Chemie  im  Geiste  von  Kants  und  Berthollets  Lehren  und  mit  er 
philosophischer  Berücksichtigung  der  damit  in  Widerspruch  stehenden  HypotbeML 
Als  Leitfaden    bei  Vorlesungen   und  beim  Selbststudium   für   in  diese  Wiaa^i^ 
Schäften  schon  Eingeweihete.    Mit  einer  Vorrede  bogleitet  von  Dr.  C,  W,  Sn 
Erster  theoretischer  Teil;"    Wiesbaden  1810.    Der  Nebentitel  lautot:   «Beitr 
zur  chemischen  Statik  oder  Versuch  eines  critisch-philosophibchen  Commeiit 
über  Berthollets  und  Anderer  neue  philosophii^che  Theorien.    Erster^  rein  tbtf^ 
retischer  Therl,  enthaltend  allgemeine  und  specielle  Critik  nebst  einer  aprioroch 
Daratellung  von  Berthollets  neuer  Theorie  nach  Kants  dynamischen   Frincij 
sowie  den  Erweiterungen    des  Herrn  Fischer  und  Karsten  und    den  eifrent 
liehen  des  Verfassers.**     Um  Goethes  Interesse  an  dem  Buche  zu  erklür^n,  191 
wir   auch    die  Überschriften    der  Hauptfetle    der    ersten  Abteilung    des 
Teils   (S.  1—200),  die   ihm   damals  gedruckt  vorlag,  an;   die  Übersehriit 


*^*}  Über  ihn  ^g\.  Strieder,  Heaa.  Od.  s.  v,    Sau  er,  Du  Herxogtum  N'iui&au  q, 
8,  40.  ~  ^**)  AokajidJiping   den  Verlegers   am    13.  August  1814.    Nii».  tiit«^Uii;<3tixlilAtt 


aelbeo  lautet:  ^Allgemeine  critisch-philosophische  Betraclitungen  über  die  wissen- 
schaftliche Bearbeitung  der  Cheinie  sowie  über  die  dynamiäche[n]  und  ato- 
mistischeln]  Systeme  und  Principieu  der  Dalton-  und  Berzeliusschen  Lohreu 
u»  s.  w,  als  Eioleitung  für  das  Ganze;  Cap,  1 :  über  das  Verhältnis  der  Philo- 
sophie zur  Chemie;  2.:  über  die  dynamiach-  und  atomistiach-  metapkyäiache[u] 
Principien  und  deren  Anwendung  auf  die  ersten  Gründe  der  Chemie;  Cap,  3: 
Kurze  historiäch-critische  Übersicht  der  Bemühungen  zur  Begründung  einer 
rationellen  Theorie  der  Chemie."  Das  sind  allerdings  vielversprechende  Titel; 
der  Verfasser  des  Buches  glaubte  offenbar  eine  sichere  philosophische  Grund- 
lage zur  wissenschaftlichen  Umgestaltung  der  Chemie  gefunden  zu  haben* 

Es  ist  zweifellos,  dass  Goethe  zuerst  durch  Hundeshagen  auf  das  Buch 
Ottos  aufmerksam  gemacht  wurde^  und  nicht  zu  verwundern,  wenn  der  grosso 
Kenner  der  Natur  neugierig  wurde,  dieses  und  den  Verfasser  selbst  kenneu 
zu  lernen.  Denn  am  Tage  nach  dem  zweiten  Gespräch  mit  jeneraj  am  5.  August 
1814,  eilt  er  des  Morgens  zu  dem  Apotheker  Otto^^''),  und  notiert  im  Tage- 
buch: „Otto  chemische  Abhandl.**  und  am  G.  ist  der  erste  Eintrag  in  demselben; 
„Otts  ehem.  Statin*  An  demselben  Tage  besucht  ihn  Otto;  dabei  sind  ver- 
zeichnet die  Namen:  (Otto,)  „französche  (sie)  Pharmac,  Medecin  auglois. 
Chirurgien  frangais.  Pharmacie  ailemande,"  verschiedene  Bezeichnungen,  die 
den  Gegenstand  der  Unterhaltung  gebildet  haben  mögen.  Es  scheint  aber  nicht, 
dass  der  Mann  befriedigende  Aufschlüsse  über  sein  System  gegeben  hat;  nur 
noch  einmal  wird  sein  Name  erwähnt  und  ohne  w^eiteren  Zusatz  am  20.  August* 

Was  die  weiteren  Lebensachicksale  Ottos  betrifft,  so  geriet  er  bald  nach 
Goethes  Abreise  in  Konkurs,  Anfang  Oktober;  über  seinen  wissenschaftlichen 
Arbeiten  und  Bauspekulationen  (er  erwarb  einen  Bauplatz  in  der  Fried richs- 
strasse)  mag  er  sein  Geschäft  versäumt  haben,  das  nun  bald  in  andre  Iländo 
überging.  Vergeblich  bewarb  er  sich  um  eine  Professur  in  Bonn,  Verfolgt 
von  Missgeschick,  verfiel  er  in  Geistesstörung  und  suchte  sich  an  seinen  ver- 
meintlichen Feinden  durch  Denunziationen  zu  rächen,  welche  scliliesslich  die 
hochstg  est  eilten  Beamten  Nassaus  nicht  verschonten,  und  endete  schliesslich 
durch  Selbstmord, 


6.  Habel  zu  Schierstein. 

Der  nassauische  Hofkammerrat  Christian  Friedrich  Ilabel-^^'),  geb.  1747, 
hatte,  nachdem  er  im  Jahre  1808  in  den  Ruhestand  getreten  war,  eine  Be- 
sitzung zu  Sehierstein  gekauft  und  hier  seinen  Wohnsitz  aufgeschlagen.  Er 
war  während  seiner  Dienstzeit  fortwährend  wissenschaftlich  thätig  geblieben 
und  hatte  mehrere  Schriften  verfasst  oder  kleinere  Mitteilungen  in  Zeitschriften 
veröffentlicht;  nunmehr  gab  er  sich  ganz  seinen  Lieblingsbeschäftigungen  hin, 
w^elche  hauptsächlich  die  Altertümer  der  Heimat  und  Mineralogie  zum  Gegen- 
stände hatten;  für  beide  hatte  er  schou  früher  Sammlungen   angelegt,    die  er 

*")  Er  wohnte  nioht  weit  TOn  Ooetlie  in  der  Langgasae.  —  *^')  LebenaDaehrichton 
über  die  beiden  Habel,  den  Hofkamniorrat  Christ ian  Frit^iloüli  und  <lon  Sohn^  Artjhivar  Fried- 
rich Gustav  Habel,  gibt  Hcliwartz  in  den  Annalen  des  nasa.  ÄUertumHvm'oina  XI,  t)l  fr.  u. 
186  ff. 


120 


jetzt  durch  Ausflüge,  welche  er  z,  T.  mit  seinem  Freunde  v.  Gerniog*'*)  maehf 
zu  bereicherD  Buchte.  Die  niineralogische  Sammlung  brachte  er  auf  2100  Num- 
mern, die  er  in  ein  wohlgeordnetes  A^erzeichnis,  einen  Quartband  von  Drei- 
Finger  Dicke  mit  einem  Rücken  von  Leder,  eigenhändig  eintrug.  Der  Tod  über- 
raschte ihn  am  20.  Februar  1814,  Sein  damak  zweiundzwanzigjahriger  Sohn 
Friedrich  Gustav  erbte  die  Liebhabereien  seines  Vaters  för  Altertumer  und 
Geschichte  und  wurde  später  ein  Mitbegründer  und  Ilauptforderer  der  AUer- 
tumsforächung  und  des  Vereins  für  nassauiache  Altertumskunde  und  Qeschichta- 
furachung*  Damals  (1814)  war  er  eben  von  der  Universität  zurückgekehrt  und 
wohnte  bei  seiner  Mutter  zu  Scfaieratein. 

Goethe  mochte  von  der  Ilabelachen  Sammlung  durch  Cramer  Kunde  er- 
halten haben  ucd  beschloas,  als  er  von  dem  Ausflug  nach  Ilüdesheim  und  dem 
Rochusfeste  zurückkehrte,  dieselbe  in  Augenschein  zu  nehraeD.  So  machte  er 
am  n,  August  1814  auf  der  Fahrt  von  Elfeville  nach  Wiesbaden  zu  Schierstein 
Halt  und  trat  mit  seinen  Reisegefährten  Cramer  und  Zelter  bei  Habel  dem 
Sohne  ein.  Das  Tagebuch  bemerkt  „Hahel  und  Geroing*',  woraus  man  schliesseo 
möchte,  dass  Gerning  damals  hei  Habel  sich  aufgehalten  habe,  zumal  da  ein 
zweiter  Besuch  zu  Schiersteio  nicht  mit  „und**  angeknüpft  wird.  Es  konnte 
sogar  möglich  sein,  dass  Gerning  den  Besuch  bei  Uabel  vorbereitet  und  die 
Freunde  dort  erwartet  habe.  Habel  wusste  die  Ehre,  Goethe  in  eeineni 
Hause  gesehen  zu  haben,  wohl  zu  schätzen;  noch  an  demselben  Tage  schickte 
er  ihm  ein  Mineral  zum  Geschenk,  welches  wahrscheinlich  dessen  besondere 
Aufmerksamkeit  erregt  hatte.  Wir  sind  durch  die  freundliche  Mitteilung  des 
Herrn  Pfarrers  L.  Conrady,  eines  Neffen  des  Archivars  und  Schenkers,  in  den 
Stand  gesetzt,  dieses  Geschenk  noch  genauer  zu  bezeichnen;  es  war  in  dem 
Kataloge  unter  No.  1433  eingetragen  und  also  beschrieben:  „Röthl.  und  gelbl. 
Glaskopfartiger  Eisenstein  mit  gekippertcn  Dendriten,  vom  Paulisch  Werk  bei 
Alfljendorf,"  Dabei  ist  zugefugt:  „Dem  Herrn  Geh.-Rth.  v,  Goethe  aua 
Weimar  vorehrt  den  16.  Aug.  14.*^  Der  Tag  stimmt  freilich  nicht  mit  dem 
Tagebuch,  in  dem  zum  17.  angemerkt  ist:  „Sendung  von  Schierst  ein**;  aber 
beide  Notizen  gehen  offenbar  auf  dieselbe  Thataachc,  und  da  eine  auf  einem 
Irrtum  beruhen  muss,  so  wird  man  sich  für  die  llichtigkeit  der  Tagebuchnotiss 
entscheiden,  da  kaum  anzunehmen  ist,  dass  die  Heise  nach  Rüdesheim,  nach 
Tisch  unternommen j  durch  einen  oder  vielmehr  mehrere  Besuche  in  Schiersteiti 
unterbrochen  wurde,  während  man  auf  der  Rückfahrt  den  ganzen  Tag  vor 
sich  hatte, 

Was  den  Eisenstein  selbst  und  seine  Herkunft  angeht,  so  erwähnt  Wenck 
in  der  hessischen  Laudesgeschichte***)  und  Habel  in  Elipateins  mineralogischeua 
Briefwechsel  I.  1781  der  Eisenstetnhergwerke  von  AUeudorf  bei  Katxeuelnbogen; 
Eisensteingruhen  nebst  einem  Hütteuwerk  hatte  kuri^  vor  1740  der  Bergrat 
Wagner   angelegt    und  uachher  ein  gewisser  Pauli   aus  Köln  erworben,   woher 


*^*)  Oerning  nBunto  nach  ihm  eine  QueUe  oder  einen  BrunEen  Habelsborn  in  temem 
Gedicht  «Die  llen<^udlei]  arn  Taunus*'  III^  90,  S,  12r»  und  rülimt  S.  235  aeiue  Verdienet«  um 
die  WiaseuschRfl;  auch  Bcjhieratei»  erfährt  eeiu  Lub  ill,  105  ff.  —  ***)  I,  157. 


miL 


131 

sie  den  Namen  Pauli'sche  Werke  erhielten*"*')  Zu  welcher  Gruppe  der  von 
Habel  genannte  Rot-  oder  Braunöisenstein  gehörte,  laust  sich  aus  seiner  Be- 
schreibung nicht  wohl  feststellen. 

Goethe  erwies  sich  dankbar,  sei  es  für  das  Geschenk  oder  die  freundliche 
Aufnahme  in  dem  HabeFschen  Hause;  er  verehrte  dem  jungen  Habel  ein 
Exemplar  seiner  Dichtung  „Hermann  und  Dorothea**,  das  später  leider  ab- 
handen gekommen  ist.  Die  Schwester  Habels  aber,  nachher  Frau  des  Hof- 
karamerrats  Conrady,  wnsste  in  der  Folgezeit  ihren  Kindern  zu  erzählen,  dass 
Goethe  ein  schöner,  grosser  Mann  gewesen  sei»*'*) 

Ausser  dem  Habelscheu  Hause  besuchte  Goethe  in  Schiorstein  auch  das 
der  Frau  v,  Hertling-**),  der  Witwe  des  Froiherrn  Philipp  v.  Hertling  zu 
Frohnhof  und  Schiersteiu,  welcher  im  Jahre  1810  gestorben  war  und  mehrere 
äöhne  hinterlassen  hatte;  ob  auch  einer  von  diesen  (der  älteste  wai*  1786 
geboren)  anwesend  war,  ist  nicht  ersichtlich*  Die  Frau  v,  Ilcrtling,  die  uns 
noch  einmal  begegnen  wird,  starb  im  Jahre  1843,^^^) 


7.  Hofrat  Götz  zu  Rüdesheim, 

Der  nassauische  Beamte  zu  Rüdesheim^  Hofrat  Wilhelm  Friedrich  Götz, 
war  nicht  nur  für  Goethe  auf  dem  Weg  zum  Rochusfest  ein  freundlicher  „Ge- 
leitömann"  und  zuvorkommender  Wirt  (s*  unten  No*  9,  2),  sondern  er  besass 
auch  eine  Sammlung  von  Mineralien,  die  er,  noch  bevor  man  den  Weg  zum 
Rochusberg  antrat,  dem  w^issbegierigen  Jünger  der  mineralogiachen  Wissen- 
schaft in  der  Frühe  des  16.  August  1814  vorzeigen  niusste.  Über  diese  spricht 
Goethe  sich  nicht  weiter  aus  und  besuchte  sie  auch  nicht  wieder,  als  er  am 
Anfang  des  September  acht  Tage  in  dem  nahe  gelegenen  Winkel  weilte  und 
mancherlei  Spaziergänge  zur  Belehrung  und  Unterhaltung  nach  der  Umgegend 
machte.  Aber  von  dem  Besitzer  bemerkt  er  in  dem  „Rochusfest"  mit  sicht- 
licher Befriedigung,  daas  die  Begegnenden  ihn  alle  freundlich  begrüssten  und 
rühmten,  wie  er  wesentlich  zu  dem  Gelingen  der  Feier  beigetragen  habe,  Götz 
wurde  im  folgenden  Jahre  von  Rüdesheim  versetzt  und  starb,  nachdem  er 
mehrere  höhere  Staatsämter  zu  Wiesbaden  und  Dillenburg  bekleidet  hatte,  als 
Geheimerat  und  Mitglied  des  Oberappellationsgerichtes  am  25.  Oktober  1823 
zu  Wiesbaden, 

Wenige  Monate  vor  diesem  Tage,  als  Goethe  sich  zu  Marion bad  befand 
(es  rauss  am  21.  Juli  1823  gewesen  eein),  sollte  er  auf  eine  eigentümhche 
Weise  an  seinen  Rüdesheimer  Bekannten  erinnert  werden.  Der  Vorfall  ist  ein 
Gegenstück  zu  der  scherzhaften  Weise,  wie  sich  Goethe  im  Jahre  1772  bei 
dem  Professor  Höpfner  zu  Giessen  einführte,  und  wurde  von  dessen  Tochter, 
der  Gemahlin  des  Geh.  Kabinetsrates  Aug.   Wilh.  Rehberg,    ins  Werk  gesetzt* 


*'*)  StaataarchiT  zu  Wiesbailen.  VgL  auöh  jetxt  dio  Beachreibimg  der  ßergreviere  WioB- 
biiden  uüd  Diez  ISyS»  S,  167.  —  "*)  Auch  dieee  beiden  NotizeD  verdanken  wir  der  fruuiidUehen 
Mitteilung  de»  oben  genannten  Pfarrers  Conrady^  eines  SoJince  von  Habola  Schwester  — 
*")  So  iat  7M  leseo  statt  j,v.  Hardiiig*"  im  Tagebuch.  —  ^■')  Ootliaiachea  geitealog.  Tasclieabuch 
der  freihorrliclion  HSuser  1860,  8.  329.  —  S.  unten  9-  128  Anra.  249. 


122 


Wir  glauben  iho,  obwohl  er  nur  lose  mit  Götz  zusammenhäQgt,  hier  einfugen 
zu  solleo,  zumal  da  die  Bemerkung  la  dem  weiter  uoten  folgenden  Briefe  der 
Frau  Rehberg^  dass  der  schwarze  Todesengel  achoa  über  dem  Freund  geschwebl 
habe,  den  Zeitpunkt  ausser  allen  Zweifel  stellt.**^)  Wir  schicken  den  erwäl 
ten  Scherz  Goethes  voraus,  wie  er  von  Hopfners  Frau  berichtet  wird, 

„Eines  Tages^  so  erzählte  die  Frau  Höpfuera  ihrem  etwa  vierzehnjährigen 
Stiefenkel,  dem  nachherigen  Obersteuerrat  Uallwachs  in  Darmstadt,  den  Vor- 
fall von  1772***),  meldete  sich  ein  junger  Mann  in  vernachlässigter  Kleidung 
und  mit  linkischer  Haltung  zum  Besuche  bei  Hopfuer  mit  dem  Vorbringen  an, 
er  habe  dringend  mit  dem  Herrn  Professor  etwas  zu  sprechen.  Hupfner,  ob- 
gleich damit  beschäftigt,  sich  zum  Gange  in  eine  Vorlesung  vorzubereiten, 
nahm  den  jungen  Manu  an.  Die  ganze  Art  und  Weise,  wie  sich  derselbe  beim 
Eintreten  und  Platznehmen  aostollte,  liess  Hüpfner  vermuten,  da«3  er  e«  mit 
einem  Studenten  zu  thun  habe,  der  »ich  in  Geldverlegenheiten  befinde.  In 
dieser  Ansicht  wurde  er  dadurch  bestärkt,  dass  der  junge  Mann  damit  seine 
Unterhaltung  anfing,  iu  ausführlicher  Weise  »eine  Familien*  und  Lebensver- 
hältnisse zu  Bchildern,  und  dabei  \on  Zeit  zu  Zeit  durchblicken  liess^  dass  diese 
nicht  die  glänKendaten  seien.  Gedrängt  durch  die  herannahende  Kollegienstunde 
entschloss  sich  der  Professor  sehr  bald  dem  jungen  Mann  ohne  weiteres  eine 
Geldunterstützung  zufliessen  zu  lassen  und  dadurch  zugleich  der  pein heben  Unter* 
haltuBg  ein  Ende  zu  machen.  Kaum  gab  er  jedoch  diese  Absicht  dadurch  zu 
erkennen^  dass  er  nach  dem  Geldbeutel  in  seiner  Tasche  suchte,  so  wendete 
der  vermeintliche  Bettelstudent  das  Gespräch  wissenschafthchen  Fragen  zu  und 
entfernte  sehr  bald  den  Verdacht,  dass  er  gekommen  sei,  um  ein  GeldgeschoDk 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Sobald  der  junge  Mann  merkte,  dass  der  Herr  Pro- 
fessor eine  andere  Ansieht  von  ihm  gewonnen,  nahm  das  Gespräch  jedoch  die 
alte  Wendung  uod  die  Andeutung  des  Studenten,  dass  es  schliesslich  doch  auf 
das  Verlangen  nach  eioer  Unterstützung  abgesehen  sei,  wurde  immer  verständ- 
licher. Nachdem  Hopfner  auf  diese  Weise  ein  und  das  andere  Mal  sich  iu  der 
Lage  befuoden  hatte  dem  jungen  Mann  Geld  anzubieten  und  dann  wieder  da- 
von  abstehen  zu  müssen  glaubte,  entfernte  sich  der  Student  und  liess  den  Herrn 
Professor  voll  Zweifel  und  Vermutung  über  diesen  rätselhaften  Besuch  zurück, 

„Als  Hüpfner  am  Abend  desselben  Tages,  doch  etwas  später  wie  gewöhn- 
lich, iu  das  Lokal  trat,  wo  sich  die  Professoren  der  Universität  gesellschaftlich 
zusammenzufinden  pflegten,  fand  er  daselbst  ein  vollständiges  Durcheinander.  Die 
ganze  zahlreiche  Gesellschaft  war  um  einen  einzigen  Tiach  herum  gruppiert, 
teils  sitzend,  teils  stehend,  ja  einige  der  gelehrten  Herrn  Stauden  auf  Stühlen 
und  schauten  über  die  Kopfe  der  Kollegen  in  den  Kreis  der  Versammelten 
hinein,  aus  dessen  Mitte  die  volle  Stimme  eiues  Mannes  hervordrang,  der  mit 
begeisterter   Rede    seine   Zuhörer   bezauberte.      Auf  Höpfoers   Frage,    was   da 


"*)  Boherer  im  Goetlie-Jahrb*  VI,  147  hat  den  Scherz  schon  aua  anderen  Grttnden  richtig 
ui  das  Jahr  1H23  goäct^t^  der  Tag  ergibt  e^ich  aus  der  Angabe  des  Tagebuchs^  daas  da«  Reh* 
borgsche  Ehepaar  ihn  am  21.  Juli  besuchte,  v.  Lceper^  Öoethe- Jahrbuch  Vül,  170.  — 
***)  Seherer  im  Goethe-Jahrb,  VI,  345.  VgK  damit  Goethes  Darfitelhmg  in  , Dichtung  und 
Wahrheit",  12.  Burh. 


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123 


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wird  ihm  die  Antwart,  Ooetlio  aua  WoUlur  sei  »clion  seit  eiüer  Stuudo 
hier.  Die  Unterhaituag  habe  nach  und  nach  sich  so  gestalte^  dass  Goethe 
fast  allein  nur  spräche  und  alle  verwundert  und  begeistert  ihm  zuhurten, 

„Höpfner,  voll  Verlangen  den  Dichter  zu  sehen,  besteigt  einen  Stuhl, 
schaut  in  den  Kreis  hinein  und  erblickt  seineu  Bettelatudenten  zu  einem  Gotter- 
jüngling  umgewandelt.     Hopfners  Erstaunen  lässt  sich  denken  »  .  .  *^ 

Es  war  nun  im  Jahre  1823,  als  Hnpfner«  Tochter  diesen  Scherz  erwioderte, 
Sie  lieas  sich  als  Bäuerin  und  Verwandte  des  Geheimorats  Götz  in  Rüdeaheim 
bei  Goethe  melden  und  wurde  angenommen.  Wir  wollen  sie  selbst  über  ihre 
nun  folgende  Unterhaltung  mit  Goethe  sprechen  lassen  durch  einen  Brief,  den 
sie  am  30,  November  achrieb;  der  Anfang  desselben  nuiss  sich  auf  eine  Be- 
gebenheit beziehen,  die  ihr  von  dem  Adressaten  mitgeteilt  worden  war  und 
wohl  den  Tod  des  Geheimerats  Götz  betraf^  welcher  nach  einer  uns  als  glaub- 
würdig verbürgten  Mitteilung  ein  freiwilliger  gewesen  sein  soll  Die  Thatsachc, 
obgleich  nicht  in  dem  Totenregister  eingetragen,  findet  darin  eioe  Bestätigungi 
dass  die  Bestattung  entgegen  der  bestehenden  Vorschrift  und  Sitte  am  Tage 
nach  dem  unglückseligen  Ereignisse  statt  hatte.     Frau  Rehberg  also  schrieb^"**): 

^ Welch  eine  Geschichte  haben  Sie  mir  von  G'6z  erzählt!  Wirklich  ich 
muäste  dreimal  lesen,  eh  ich  mich  überzeugen  konnte,  dass  Sie  das  wirklich 
geschrieben  hätten!  Peinlich  wird  mir  doch  immer  der  Gedanke  bleiben  den 
Freund  zum  Instrument  in  einer  Posse  gebraucht  zu  haben,  über  dem  schon 
der  schwarze  Todesengel  schwebte.  ~  Aber  die  ganze  Posse  überhaupt  war 
vielleicht  nicht  löblich.  —  Indess  ich  unternahras  im  Vertrauen  auf  den  Cate- 
chismus,  der  da  spricht;  Nothlüge  ist  erlaubt.  Und  da  der  Erfolg  den  Helden 
oder  Thoren  macht,  so  darf  ich  ja  wohl  den  Kopf  in  die  Hohe  heben. 

„Gern  möcht  ich  Ihnen  und  IL  [Hallwachs]  recht  viel  vom  Gespräch  mit 
Goethe  erzählen  können,  aber  es  geht  aus  vielen  Gründen  nicht,  Arn  Morgen, 
da  ich  bei  ihm  allein  war,  blieb  natürlich  die  Unterhaltung  in  der  Sphäre  der 
Gewöhnlichkeit;  ich  hatte  mich  so  gut  in  meinen  Basenmantel  eingemummt,  dass 
ihm  gar  kein  Zweifel  aufsteigen  konnte,  als  habe  ich  je  eine  Zeile  von  ihm 
gelesen,  ja  ob  ich  überhaupt  lesen  und  schreiben  könne,  blieb  ungewiss.  „Ach 
sage  Se  mer  doch,  Ihr  Excelenz,  ob  Se  sich  wieder  recht  gut  befinde,  ach  wie 
wird  sich  mein  Herr  Vetter  freie!  und  viele,  viele  Leit  werde  sich  freie!  Is 
es  denn  wahr,  dass  Sie  sich  selbst  curirt  habe?  —  Die  Leit  habe  sagt  der 
Dokter  hätte  Sie  nicht  ksund  mache  köune.*^ 

„Er  kam  nicht  aus  dem  Lächeln  über  die  komische  Base,  zog  sie  immer 
wieder  aufs  Canape  und  sagte,  ob  sie  denn  heute  nicht  in  Marienbad  bleslm 
wolle?  —  „Ach  nein,  Ihr  Exe.  sehn  Sie,  ich  reis'  mit  einem  alten  Herrft,  4v 
hat  absolut  nich  herkwolltj  aber  ich  hab'n  soviel  kbitt,  bis  ors  ktban  hsL  — 
Mer  wolle  nach  Prag,  das  soll  e  schöne  Stadt  sein,  und  zu  Ore#ifei  «bwI 
schöne  Bilder**  etc.  Was  war  auf  solches  Zeug  zu  antworten  und 
man  so  einer  Base  sagen?** 


*'*^  Ooetbe-Jahrb.  VI,  Ml.    Miti.  des  oberheas.  Üe»ch.-Ver,  V  lü^lj^i.; 


124 

Im  Vorzimmer  hinterliess  sie  beim  Weggehen  als  Qeschenk  ihres  Vetters 
Götz  einen  Krug  Rüdesheimer  und  einige  wertvolle  Mineralien.  An  den  Krug 
war  eine  Vignette  mit  folgender  Inschrift  geheftet: 

O  fand  ich  doch  gleich  Wort  und  Zeichen, 

Für  meines  Herzens  heissen  Dank, 

Ich  möchte  Dir  den  Labebecher  reichen, 

GefiÜlt  mit  reichem  Wundertrank, 

und  jeden  Balsam  in  den  Becher  senken, 

Den  die  Natur  erschafft, 

Und  ToII  und  immer  Toller  Dir  ihn  schenken 

Mit  LebensfQll  und  Kraft 

Am  Nachmittag  ging  Frau  Behberg  mit  ihrem  Qemahl  zu  dem  Dichter, 
um  sich  „Pardon^  zu  holen,  der  ihr  gewährt  ward.  Beim  Abschied  gab  er 
ihr  zwei  Steine  aus  seiner  Mineraliensammlung  mit  den  Worten:  ^Ich  muss 
Ihnen  doch  auch  ein  Andenken  schenken,  da  sind  ein  paar  Steine,  aber  ich 
nenne  sie  Ihnen  nicht,  denn  wir  haben  auch  unsere  Geheimnisse.  Fragen  Sie 
nur  den  ersten  besten  Mineralogen  danach.^  Der  über  die  Namen  befragte 
Professor  zu  Göttingen  Hausmann  gab  nach  Fr.  Behberg  die  Auskunft,  der 
eine  heisse  Pyrox6ne  =  Feuergast,  der  andere  Amphibole  =  die  Zweideutige. 
„Da  hatte  ich  also  meine  gnädige  Strafe'',  schliesst  der  Bericht.  Hausmann 
hat  übrigens  wohl  geantwortet,  die  Steine  gehörten  zu  der  Klasse  der  Pyroxene 
und  Amphibole,  da  die  Bildung  Pyroxene  und  Amphibole  als  Feminina  des 
Singularis  ungriechisch  ist.  Beide  Steine  gehören  zu  den  hornblendartigen 
Mineralien,  und  es  hat  die  Sippe  der  Amphibole  den  Namen  davon,  dass  die 
meisten  Arten  ihrem  Ansehen  nach  leicht  mit  anderen  Mineralien  verwechselt 
worden  können,  die  der  Pyroxene,  weil  man  glaubte,  dass  sie  trotz  ihres  Vor- 
kommens in  vulkanischen  Felsarten  durch  Wasser  entstanden  seien.^*^)  Es 
war  eine  sinnige  Erwiederung  Goethes! 

8.  Kammerberr  v.  Nauendorf. 

Die  Herrn  v.  Nauendorf  waren  ein  noch  nicht  lange  in  Nassau  einge- 
wanderter Zweig  der  sächsisch-thüringischen  Adelsfamilie;  im  Jahre  1812  wurde 
ihr  Adel  in  Nassau  anerkannt;  Ludwig  v.  Nauendorf  war  im  Jahre  1808 
zum  Kammerjunker  des  Herzogs  ernannt  worden,  erhielt  im  Jahre  1810  den 
Titel  Bergrat  und  im  Jahre  1813  den  Rang  eines  Kammerherrn.  Er  hatte 
Liebhaberei  an  Mineralien  und  legte  eine  Sammlung  an,  die  er  Goethe  am 
4.  Juni  1815  vorzeigte;  auch  nachher  begegnen  sie  sich  noch  öfter,  am  11.  und 
25.  Juni,  als  Goethe  in  Biebrich  zur  Tafel  war  (am  25.  sagt  das  Tagebuch: 
„Bey  Hrn.  v.  Nauendorf*)  und  am  22.  und  23.  in  Wiesbaden.  Von  der 
Mineraliensammlung  heisst  es  in  dem  Aufsatz  über  Kunstschätze  am  Rhein 
u.  8.  w.:  „Die  hier  [im  Schlosse  zu  Biebrich]  befindlichen  Bibliotheken  und 
NaturaliensammluDgen,  deren  Ordnung  durch  die  vieljährigen  Unbilden  des 
Kriegs   gelitten,   werden   nun  bald  auch  zum  Nutzen   und  Vergnügen  der  Ein- 

"^)  Leunis,  Schul- Jiaturgeschichte  III,  §  153  Anm.  und  §  156  Anm.  Hausmann, 
Mineralogie  II,  1,  463  u.  500. 


126 

Itieimisclion  und  Vorübergeherideo  aufgestellt  sein;  wie  denn  Herr  Kammerherr 
Ivoii  Nauendorf  seine  ansehnliche  und  wohlgeordnete  MineralieusaaimUing  dem 
Liebhaber  mit  Vergnügen  belehrend  vorweist/  Bei  dem  ersten  Besuche,  am 
[4.  Juni,  ist  zu  Nauendorfü  Namen  ^Lepidokrokit"  gesetzt;  wahrächeinlich  hat  ein 
[Exemplar  diesee  nach  seiner  schuppig-faserigen  Beschaffenheit  benannten  Eisen- 
]  Steins  Goethes  Aufmerksamkeit  besonders  erregt. 

Über  das  Schicksal  und  den  ungefähren  Umfang  der  Sammlung  hat  sich 
[bei   genauer  Nachforschung  folgendes   ergeben.     Der  Bergrat  L.  v.  Naueudorf 
hwurde  im  Jahre  1818  zum  Obeiforstmeister  in  Qeisenheim  mit  dem  Titel  Ober- 
[Jägermeister  ernannt  und  starb  hier  am  25.  November  1820.     Etwa  zehn  Jahre 
später  begann  der  Vorein  für  Naturkunde  im  Herzogtum  Nassau,  welcher  kurz 
Yurher   ins  Leben  getreten  war,   eine   mineralogische  Sammlung  anzulegen,  zu 
welcher  ein  Qeschenk   des  Herrn   v,  Stein   den  Grund  legte;    als  nächste  Er- 
werbung folgten  die  Sammlungen  des  Oberforstmeiäters  v.  Nauendorf  und  Berg- 
meisters  Jung.*'*)     Die   Rechnungen    und    Archivalien   des   Staatsarchives   uncl 
Vereins   für  Naturkunde*")   ergaben   nun,   dass   die  Nauendorf'sche  Sammlung 
von  der  Witwe  des  Besitzers  im  Jahre  1831  für  300  fl.  dem  Verein  überlassen 
wurde;   die   erste  Rate   der  Kaufsumme    wurde    am   20.   September    1831,   die 
I  anderen   in   den   folgenden  Jahren    ausgezahlt.     Der  Transport    der  Sammlung 
von  Mainz,  wo  sie  sich  befand,   nach  Wiesbaden  kostete  13  fl.  21  kr.     Ferner 
wurden  in  eben  dieser  Zeit    verschiedene  Kasten  und  Kästchen  für  Mineralien 
vom  Buchbinder  Selenka  angefertigt,  und  zwar  Ende  August  250,  im  September 
550,  im  Oktober  650,  zusammen  1 450.     Nehmen  wir  dazu,  dass  der  Vorsitzende 
des  Vereins  in  der  rächsten  Generalversammlung  die  Nauendorf  sehe  Sammlung 
als    in    mancherlei   Rücksichton    ausgezeichnet    nennt,    so   dürfen    wir  sie  nicht 
gerade   für   unbedeutend  halten,  und  Goethe  mag  nicht  blos  aus  Artigkeit  von 
I  ihr  das  Wort  „ansehnlich**  gebraucht  haben;  die  Ordnung  freilich  hatte  notgelitten 
[  und  es  bedurfte  einer  Neuordnung,  welche  der  Archivar  Habel  übernahm*     Von 
den    1450  Kästchen   möchte   ich  die  am  Ende  September  und  im  Oktober  ab- 
I  gelieferten    1050   fixr  die  in  Rede   stehenden  Mineralien  in  Anspruch    nehmen. 


9.  Johannes  de  Lasp^e. 

Johannes  de  Laap^e'  ">  entstammte  einer  aus  Belgien  nach  dem  Rhein- 
Igau   eingewanderten   Familie   und   wurde   am   25.   September    1783***)    in  dem 

»»•)  Thomae,   Qeftchiobte   des    Vereins  fttr  Naturkunde    1S42,  S.  42.  —    '»)  Wir  ver- 

[danken  die  Einsicht  in  dieselben  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Sanit&tsrates  Dr*  A.  Fagon- 

ütecher  und  des  Herrn  ArchivrateB  Dr.  W.  Sauer.  —  ***)  8o  schreibt  die  Familie  jetzt  den 

I  Kamen^  wie  ein  Schreiben  des  Sohnes  Ton  Joh.  de  Lasp^^  und  dessen  milDdüche  Versicherung 

TOrbürgt.    Goethe  hat  im  Tagebuch  die  Formen:  de  Lasp^e,  Delasp^^e  und  de  la  Spi^e;  Johann 

de  Laspee  schrieb  anfangs  (vor  18H)  de  rAftp<'e,  und   ao   fehJt   nur   noch  d'EIa^poe,   um  alle 

t  JMOgüohketten   der   Schreibung    zu   erschöpfen,      Lebensnachdchten    von    Johannes   de    Laspee 

[finden  aich  im  Neuen  Nekrolog    1825,   S,  137l*|  abgedruckt  aus  der  Schubeitung,  und  danach 

IScbwrartx,   Ann,  des  nass»  Vereins  u.  %  w.  XVTlf,  122;  dazu  traten  fQr  uns  niQndlichc  Mit^ 

Iteilungon   des   jt^^enannten   8ohne»   von  de  Laspee,  Herrn   August   de   Laspee.   —  ^"^i    So,   und 

laicht   1784,  nach   der  Mitteilung  de»   eben  genannten   Herrn  August  de  I^sp^e  dahier   und 

oh  der  Inschrift  auf  dem  Orabsiein, 


126 


Dorfo  Johaoüisberg  geboren.  Sein  Vater  war  Maurer,  und  der  Sohn  sollte  das- 
selbe Handwerk  ireiboo;  da  er  aber  den  Wunach  hatte  sich  höhere  Bildung 
zu  erwerben,  so  suchte  er  Mittel  und  Wege  auf  dies  zu  erreichen  und  verweilte 
desshalb  einige  Zeit  zu  Mainz,  dann  in  dem  Kloster  zu  Königsteio,  zuletzt  in 
Höchst,  wo  er  dem  Küster  betstand  und  den  Unterricht  mehrerer  Kinder  über- 
nahm* Als  er  hier  von  Pestalozzi  hörte,  beschloss  er  dessen  Schüler  zu  werden 
und  begab  sich  zu  Fuss  unter  vielen  und  harteo  Entbehrungen  zu  dem  Meister 
nach  IfFerten,  Aufangs  mit  wenig  Vertrauen  und  Entgegenkommen  aufgenommen 
gewann  er  doch  die  Liebe  Pestalozzis  und  wurde  ein  eifriger,  dem  Lehrer  teurer 
Schüler  und  bis  zu  seinem  Ende  treu  ergebener  Freund.  Als  er  die  Methode 
völlig  zu  beherrschen  glaubte,  wandte  er  aich  nach  Wiesbaden  und  erhielt  am 
0.  November  1808  die  Erlaubnis  daselbst  eine  Elemcntarachule  nach  Pestalcz- 
zischen  Grundsätzen  zu  errichten.  Sie  wurde  im  Jahre  1809  eröffnet"^*);  das 
Lokal  befand  sich  anfangs  in  der  Mitte  der  Langgasse,  nach  alter  Zählung  in 
No.  184,  am  Eingange  in  die  Kirchhüfsgasse,  später  in  einem  Hause  der  neu- 
angelegten Friedrich  astrasae,  wo  jetzt  die  nach  de  Lasp^e  benannte  Strasae  ist. 
Das  Glück  war  dem  Unternehmen  günstig,  und  das  Vertrauen  des  Publikums 
lohnte  die  Bemühungen  des  thatigen  und  geschickten  Mannes,  der  bald  nachher 
eine  Privatanstalt  zur  Erziehung  von  Knaben  damit  verband.  Die  Anstalt 
erfreute  sich  bald  eines  ausgezeichneten  Rufes  und  zahlreichen  Besuches  aus 
allen  Gegenden  Deutschlands,  ja  auch  ausserdeutschen  Gebieten,  sowie  von 
Gelehrten  und  Pädagogen,  welche  die  Lehrart,  Ziele  und  Erfolge  der  Schule 
kennen  lernen  wollten.  Im  Jahre  1810  hielt  sie  die  erste  öffentliche  Prüfung 
ah,  nach  zwei  Jahron  die  zweite;  von  der  dritten,  die  am  2ii.  und  26*  August 
1814  stattfand  und  der  Goethe  beiwohnte,  liegt  auafuhrliche  Ankündigung  vor; 
wir  setzen  sie   eben  wegen    der  angeführten  Thatsache   vollständig   hierher.*^) 

„Unterzeichneter  ladet  das  hochzuverehrende  Publikum  zu  der  auf  den 
25,  und  26.  August  festgesetzten  dritten  öffentlichen  Prüfung  der  hiesigen 
Pestalozzischen  Anstalt  hierdurch  hötlichst  ein.  Sie  wird  in  dem  Mahrischen 
Garteusaale  vor  dem  Schwalbacher  Thore  jeden  Tag  Morgens  von  8 — 11  und 
Nachmittags  von  2—5  Uhr  gehalten  werden.  Die  Gegenatände  des  Examens 
sind:  Lcscn^  Schreiben,  Rechnen,  Algebra^  Geometrie,  Zeichnen,  Singen,  deutsche 
urjd  französische  Sprache,  Naturgeschichte,  Geographie,  llcligionsuuterricht  und 
Gymnastik  sind  keine  Gegenstände  der  öffentlichen  Prüfung.  Da  auf  der  Prüfung 
nur  Resultate  erscheinen,  darum  werde  ich  suchen  am  folgenden  Tage  dem 
27.  in  den  oben  genannten  Stunden  für  die  Freunde  der  Pädagogik,  die  es 
wünschen,  den  Gang  der  Methode  in  meiner  Schule  darzustellen. 

Wiesbaden  den  20,  August  1814.  Job.  de  Laspee.** 

Über  die  Besuche  von  Fremden  liegt  uns  das  Konzept  eines  Briefes  von 
de  Laspee  vor,  dessen  Mitteilung   wohl    am  Platze   sein  möchte'^*);    der  Brief 


*'•)  Firuhaber,  Simultan^clrule  l,  2S7.  —  *^^)  WksbÄdeaer  Wm^benblatt  No.  34  Tom 
22.  August  ISH.  Die  vierte  Prüfung'  fand  am  19.  und  2ih  Juni  lHl»i  im  Scbiitzenhofe  statt 
—  "*)  Wir  verdanken  der  Oefllligkeit  des  Ehkel»  von  de  Laspee,  ilerrn  itiatitutavorst^her 
Kreis  dahier,  diese  und  andere  MiHeilungen. 


nt 


ist  gerichtet  an  den  Gohetmerat  v.  SchilliDg  zu  Karlsruhe,  von  dem  ein  Soha 
am  8.  April  1815*^^)»  ein  zweiter  am  12.  Juli  1816  in  die  Schule  eintrat; 
da  in  dem  Schreiben  nur  über  die  Portschritte  dea  älteren  berichtet  wird,  so 
w'rd  es  vor  dem  Eiötritt  des  zweiten  niedergeöchriebeo  sein  und  zwar,  da  die 
Anweaenhett  der  meisten  dort  benannten  Personen  nur  für  den  Sommer  1815 
nachweisbar  ist,  etwa  am  Ende  des  Sommerhalbjahres  1815.  „Die  vielen  Be- 
suche unserer  Schule  von  Gelehrten  und  hoheu  Personen,  so  schreibt  de  Laspfie, 
die  meistena  noch  meine  ohnehin  kurze  freye  Zeit  des  Tages  oft  bis  in  die 
Nacht  aufzehrenj  waren  Schuld^  dass  ich  Ihnen  nicht  früher  eine  Nachricht 
über  den  Staudpunkt  Ihres  wahrhaft  guten  Eduard  gab.  Im  Glauben,  dass  Sie 
vielleicht  einige  Besuche  unserer  Schule  genannt  haben  wollen,  bin  ich  so  frey 
Ihnen  den  Geh.  Rath  Goethe  [zu  nennen;  er]  war  in  unserer  Schule  8  Stunden, 
der  preuesische  Staatsrath  Süvero*^®)  5  Stunden,  der  bairische  Hofkommissar 
Baron  v.  Andrian-^^)  etliche  20  Stunden,  der  Oberschulrath  Schulz"*)  5  St,, 
der  preussische  Regierungsrath  Bufcte*^'^)  und  H.  v.  Kestcn  7  St*,  Graf  Sie  vors-*  ^), 
Generalmajor  in  rusöischen  Diensten,  von  Morgens  bis  Abends  9  Uhr  nebst 
mehreren  von  ihm  zur  Erlernung  der  Pestalozzischen  Methode  geachickten  OfK- 
zieren;  der  Staatsrath  Hatzfeld**^),  die  Frau  v.  Wolzogen '"'**)  über  14  St,,  die 
Gräfin  Trebra  aus  Cleve  über  9  St.,  die  Grossfurstin*^®)  nebst  dem  Fürsten 
Gagarin***)  und  der  Fürstin  Wolhanna  und  noch  mehrere  ihres  Hofes  über 
15  St.  Sie  hat  mir  gestern  die  Erzieherstelle  ihrer  Prinzen  angetragen  (die 
ich  ausschlug),  und  mehr  als  GO  grüsstentheils  Gelehrte  von  allen  europäischen 
Nationen."  Dahin  gehörten  z.  B.  die  Philologen  F.  A.  Wolf  und  Buttmanu, 
der  Ministor  Freiherr  v.  WaDgenheim,  Clemens  Brentano,  der  sich  auf  mehrere 
Wochen  bei  de  Laspee  einquartierte  und  dem  Unterrichte  beiwohnte;  die  Zahl 
der  Zöglinge  belief  sich  zu  Zeiten  auf  40  Pensionäre  und  100  Externe»^**) 

Goethe,  aufmerksam  auf  jede  neue  Erscheinung,  die  den  Keim  zu  etwas 
Gutem  in  sich  zu  bergeo  schien,  hatte  auch  die  Pestalozzische  Lehrmethode 
nicht  übersehen,  aber  noch  keine  Gelegenheit  gefunden  in  eigner  Person  sich 
über  deren  Weise  und  Resultate  zu  unterrichten;  im  Tagebuch  findet  sich  am 
7.  Juli  1814  die  Bemerkung:  „Sinn  des  Pestalozzischen  Wesens;  wunderliche 
Versuche  von  .  *  .  ,  in  Königsberg,"  Als  er  daher  nach  Wiesbaden  gekommen 
war  und  von  de  Laspee  horte,  sicherlich  durch  Gramer**®),  dessen  jüngste 
Tochter  die  Anstalt  besuchte^  beschied  er  alsbald  den  Yorsteher  zu    aich    und 


'**j  V,  Schilling  aus  Earlsrulie  ist  in  der  Kurliste  Tom  2.-9.  April  emgctragcti. 
—  "*«}  Kurliste  vom  2,  — *K  Juli  1815.  Baia&er(!e  I,  258,  —  "^)  KöHisto  vom  !*>.— 23,  Juli: 
H.  V.  Audrian,  Kammerherr  von  Würzlmrg.  —  *^)  Der  bekannte  Johannes  Schulze,  damals 
Direktor  des  GymnaBiums  /u  [fanau;  dort  sah  ihn  Goethe  auf  dor  Kückreise  am  24^  Okiober 
1814.  —  »^)  Im  August  1815.  S.  oben  S.  97  uml  Boisser/^e  I,  266.  —  *")  Boisseree  I, 
260.  —  »**)  KurJiste  vom  20.— 27.  August  (und  30,  Oktober  —  5.  Kovember)  Staatsrath 
V,  Hatzfeld  aus  Dusseldorf,  —  *")  Die  Frau  v.  Wolzogen  war  öfter  zu  Wiesbaden.  —  •*^^  Die 
Grosaftiratin  Katharina,  Orossherzogin  von  Oldenburgs  ri^i^bBt  Suke";  Kurliate  vom  16. — 23, 
Juli  1815,  S,  obea  8.  96.  —  ***)  Kurliate  vom  16.— 23.  Juli  1815;  der  Fürst  Qagarin  ^nebst 
Buite,"  —  '**)  SchwartK,  Annalen  a.  a*  0.  —  '**)  Wohl  nicht  durch  Willomer,  den  er  in 
Frankfurt  damab  nicht  beaut'bt  hatte,  wie  >^rir  wiaaon;  docii  konntü  am  4.  August  zu  Wieabaden 
die  Kode  auf  die  Anstalt  gekommen  sein. 


128 


am  8.  August  zum  zweiten  Male,  wie  dieser  an  demöelben  Tage  Pestalozzi 
berichtet'*'};  daa  Tagebuch  schweigt  über  beide  Unterrcdiingea;  in  der  zweiten 
äussert  er,  es  «ei  ihm  lieb,  wenn  er  die  Schule  boauchoii  dürfe.  y,Er  kommt, 
fährt  de  Laepee  io  dem  eben  geoanEten  Briefe  fort,  morgen  oder  übermorgen. 
Er  fragte»  ob  ich  selbst  bei  Pestalozzi  geweaeo.  Sonst  konnte  ich  nicht  viel 
über  die  Methode  mit  ihm  reden;  aber  in  meiner  Schule,  wenn  er  die  Fakta 
nicht  absprechen  kann,  muss  es  gehen;  auch  suchte  ich  gar  nicht  mit  ihm 
über  die  Methode  zu  reden,  bevor  er  in  meiner  Schule  war.  Auch  habe  ich 
grosse  Hoffnung,  dass  Geheimerath  Zelter^  der  die  Musik  nach  Pestalozzi  lehrt, 
ein  Busenfreund  %'on  Goethe,  sich  dieser  Tage  in  meiner  Schule  einfindet.  O, 
wie  freue  ich  mich  königlich.*' 

Und  in  der  That  trat  Goethe  am  0.  August  1814  in  die  Schule,  wie  nun 
auch  das  Tagebuch,  aber  ohne  de  Laspees  Namen  zu  nennen,  besagt. 2*^)  In  dem 
ang:eführten  Briefe  fährt  dieser  also  fort:  „Soeben,  9.  Aug.,  lasst  sich  Goethe 
melden.  Es  ist  halb  elf  Uhr.  Wie  freue  ich  mich!  Wenn  mir*ö  nur  gelingt, 
dass  ich  auch  vom  Guten  Gutes,  vom  Grossen  Grosses  sagen  kaon,  Gott  helfe 
mir!  Ich  setze  jetzt  zwei  Stühle!  Er  kommt!  Adieu.  —  Er  ist  soeben  fort  und 
wie  ich  glaube,  mit  grosser  Zufriedenheit  weg.  Er  blieb  bis  1  Uhr,  In  der 
Grammatik  fragte  er  manches  selbst;  besonders  intereasirte  ihn  die  Kopfalgebra 
und  überhaupt  das  Kopfrechnen,  aber  über  alles  ein  Examen  über  deutsche 
Sprache.  Ich  aber  fürchtete,  das  Ganze  erscheine  ihm  als  Prunk. **  Um  zu 
verhüten,  dass  die  frappanten  Resultate  dem  Uneingeweihten  als  Auswendig- 
gelerntes  und  mechanisch  Eingeübtes  erschienen,  forderte  de  Laspee  jeden 
Fremden  und  so  auch  Goethe  zum  Selbstexaminierea  auf.  „Als  er  erfreut  sagte, 
ich  möchte  doch  selbst  fortfahreUj  nahm  ich  eine  neue  Sprachseite,  von  der 
meine  Kinder  noch  nie  etwas  gehört  hatten,  was  sie  selbst  auch  laut  vor  ihm 
bekannten.  Vorerst  muss  ich  sagen,  dass  sie  mir  selbst  neu  war.  Aber  alles 
gelingt  mir  nur  mit  den  Kindern  und  zwar  dann  am  allerbeöten,  wenn  ich 
mich  in  einem  für  die  Mensehen  entschoidenden  Augenblick  dazu  auffordere 
oder  dazu  aufgefordert  werde.  .  .  Weil  mir  dieses  schon  ao  oft,  wie  ich  glaube, 
gelungen  ist,  fürchtete  ich  mich  auch  nicht  vor  Goethe,  und  die  Kinder  zeigten 
sich  kräftig  und  selbständig,  dass  sich  Goethes  Gefallen  an  der  Sache  zunehmend 
zeigte.  Soeben  erfahre  ich,  dass  Goethe  zum  zweiten  Male  kommen  will, 
so  gut  habe  es  ihm  gefallen.  Überhaupt  halten  die  meisten  Leute  Anfangs 
nichts  auf  den  Gang,  sobald  sie  aber  die  Kraft  gesehen  haben,  wollen  sie  nun 
diesen  wissen.  Mit  ihm  war  Oberbergrath  Gramer  und  Fräulein  Hertling**^) 
(diese  grosse  Dame)^^)  hier.    Der^^')  stärkste  Gegner  nach  Schnell"')  im  Nassau* 


I 


'*')  Morf,  Zur  Biographie  Pestaloziii  IV,  312flf*  Das  Konzept  dea  Briefes  lag  uns 
cbenraÜB  vor.  —  ^^•)  ♦»Ooy  .  ..  Unterricht  im  Pefitaluzzischcn  (sie)  Sinne.**  —  •")  Geoieiiit  ist 
die  oben  S.  121  genannte  Frau  Gisberta  v.  Hertling,  welche  dcuo  auch  in  der  Kurliate  tom 
21*  — 28-  Au^uat  verzeichnet  ist  als  Frau  v»  Hertling  aus  Hchierstein.  —  **^')  Diese  Besceiohnun^ 
mag  »ich  auf  ihre  würdige  Haltung  gründen,  die  verliunden  war  mit  Wohlbeieibtheit;  ein  Brief 
vom  3.  Januar  1S14  berichtet,  dass  ^diese  du^ke  Dame,  als  die  Russen  am  Freitag  Abend 
[31.  Dezember  1813]  zweimal  Ihre  Stubenthüre  im  Hcbtltzenhefe,  wo  sie  wohnte,  gestürmt  hätten, 
sich  durcli  das  Fenster  flüchtete  und  bei  dem  Hauseigentümer»  dem  alten  Kjlseberger,  Schuts 
suchte.*  Wiesbadener  Wochenblatt  1882,  No.  140,  S.  24.  —  *^')  Das  hier  Folgende  ist  dem 
KoDzepfc  des  Briefes  oiitnommcn.  —  '^')   Es  ist  der  obon  erwähnte  Rektor   des  Ojmnasiums 


129 


I 


ischen  war  am  Freitag  [5.  August]  das  erstemal  in  meiner  Schule.  Er  hat 
die  Sache  im  rechten  Liebte  gesehen  und  ist  ganz  iu  Flammen  für  die  Sache 
und  ich  soll  ihn  die  Methode  lehren,  dafür  will  er  mir  Unterricht  in  der  Astro- 
nomie etc.  geben;  er  l»t  der  grosste  Mathematiker  und  Schriftateller  in  dieser 
Wiaaenachaft  und  HofratL  dahicr.  P,  Scr.  vom  lü.:  Goethe  hat  den  10.  August 
einige  meiner  Kinder  mit  „Hermann  und  Dorothea"  beschenkt"  [ähnlich  wie 
Habel  und  Riese]. 

Dieser  nassayische  Hofrat  war  der  Kamraerkonsulent  und  Advocatus  üsci 
Heinrich  Christian  Brodreieh,  früher  fürstlich  Solms-Liehischer  Regierungsrat, 
der  auf  seine  Bitte  1804  als  Hofrat  von  Nassau  übernommen  wurde;  im  Jahre 
1815  wurde  er  pensioniert  und  starb  einige  Jahre  später  etwa  60  Jahre  alt.-^^) 
Geschrieben  hatte  er  nach  Meusel  im  Jahre  1805  „Versuch  einer  Theorie  des 
Schwungrades  und  der  Kurbel,  zweyer  für  die  Maschinenlehre  sehr  wichtigen 
Gegenstände  nebst  Prüfung  der  bisher  über  selbige  bekannt  gewordenen  Grund- 
sätze,    Frankfurt  a,  M,** 

Dass  Goethe  2*/!^  Stunden  dem  Unterrichte  in  der  de  Laspeeschen  Schule 
beiwohnte,  lässt  sein  Interesse  an  der  Sache  erkennen  und  dass  er  das  Wesen 
derselbe  ergründen  wollte.  In  den  folgenden  Tagen  bildete  die  Pädagogik 
Pestalozzis  einen  Hauptgegenstand  der  Unterhaltung  mit  Gramer***);  leider  hat 
er  selbst  nichts  über  den  Eindruck,  der  ihm  zuteil  wurde,  niedergeschrieben. 
Doch  war  mit  dem  einen  Besuch  sein  Interesse  nicht  erschöpft.  Als  ihm 
de  Lasp^e  am  20.  August  .Pestalozzi^che  Schriften"  über  bracht  hatte,  sehen 
wir  ihn  sofort  an  diesem  und  dem  folgenden  Tage  mit  der  Lektüre  von  „Lien- 
hard  und  Gertrude**  [so  schreibt  er  beide  Male]  beschäftigt. 

Am  26*  war  ein  Freudentag  für  de  Laspee  und  die  ganze  Anstalt:  Goethe 
wohnte  der  Prüfung  am  Morgen  und  Nachmittage  bei,  also  etwa  6  Stunden 
lang,  wodurch  sich  die  8  Stunden,  die  in  dem  oben  angeführten  Briefe  an 
Schilling  vorkommen,  als  Summe  in  runder  Zahl  ergeben.  Für  dieses  Mal 
entbehren  wir  nicht  nur  wieder  einer  Äusserung  Goethes,  sondern  auch  de  Laspe^s, 
der  doch  gewiss  einen  Bericht  nach  Uferten  abgesandt  hat. 

Noch  einmal  erscheint  1814  de  Lasp6e  bei  Goethe,  am  30.  August,  wo 
im  Tagebuch  die  kurze  Notiz  steht:  ^De  la  Spee  Pestaluzziana.'* 

Im  Jahre  1815  w^urde  die  Verbindung  zwar  wieder  angeknüpft,  aber  sie 
beschränkte  sich  auf  zwei  Besuche,  und  es  war  nicht  die  Schule,  die  sie  herbei- 
fübtte,  sondern  die  Schülerinnen,  von  denen  eine  die  folgende  schöoe  Erzählung 
niedergeschrieben  hat;  sie  nennt  sich  D.  St,  geh,  Cr.,  was  ohne  Zweifel  zu 
deuten  ist  als  Dorothea  St.**^)  geb.  Gramer;  Dorothea  Sophie  hiess  die  jüngste^ 


I 


EU  Idstein  Cli.  W.  Snell,  ein  Terdienter  und  in  bohem  Anteilen  atehender  Schulmann,  den  für 
lieh  zu  gewinnen  de  Latp^e  änsserBt  viohtig^  war;  des  wegen  lud  er  ihn  damals  zu  der  üffent- 
ItcliGD  Prüfung  ein  mit  dem  lockenden  ZufQgen,  er  werde  dann  auch  Goethe  kennen  lernen ; 
Snell  jedoch  ]Q}inte  ali  und  bedauerte  nicht  kommen  scu  können.  Schreiben  vom  24.  Angutti 
Wir  werden  nicht  irren,  wenn  wir  annehmen,  das»  er  froh  war  einen  Grund  2ur  Ablehnung 
2u  haben. 

^  »**)  8lmattarchtT  tu  Wteib»den;  Verordnungsbl.  ron  18i:>.  —  »»*)  S.  Boinaer^e  I,  260. 

I^fe  —   *^)  Den  Namen  ihre«  Mannea  war  bia  jet/t  nicht  mOglich  nu^^fiudig  «ii  machen. 


ü 


130 


am  29,  Dezember  1801  geborene  Tochter  Cramers  und  war  ScfaüleriQ  fle  Laspäes. 
Goethe  erwähnt  den  Vorfall  am  23.  Juni  1815  mit  dem  Nameo,  den  wir  denn 
auch  der  Episode  geben  wollen: 

„Gedicht  für  die  Kinder.** 

„Bekanntlich,  ao  erzählt  D.  St,***),  hatte  de  I'Aspee,  einer  der  besten 
Schüler  Pestaluzzis,  io  Wiesbailen  eine  Elementarschnle  gegrüadet,  welche  ich 
[D.  St.  geh,  Cr.]  mit  mehreren  meiner  Gesplelinneu  besuchte.  Um  den  Namens- 
tag [24.  Juni]")  unseres  hochverehrten  und  inniggeliebten  Lehrera  zu  feiero^ 
hatten  wir  einmal  einige  Zeilen  aufgesetzt,  in  denen  wir  ihm  unsere  Glück- 
wünsche darzubringen  gedachten.  Da  taucht  plötzlich  in  uns  der  Gelanke  auf, 
dass  Goethe  sich  vielleicht  bewegen  liesse  unsere  Zelten  in  Verse  umzusetzen. 
Rchüchtern  naht  sich  die  Kinderschaar  dem  grossen  Manne  und  trägt  üim  ihr 
Anliegen  vor»  indem  sie  ihm  die  niedergeschriebeDen  Sätze  übergibt.  Darauf 
erwiederte  Goethe  erst  mit  einem  gelinden  Verweise,  dass  wir  ihm  ein  su 
kleines  Stück  Papier  gebracht  hätten;  man  müsse,  fügt  er  hinzu,  stets  auf 
einem  grossen  Stück  Papier  beginnen,  der  kleine  Raum  beenge  die  Gedanken. 
Nachdem  wir  hierauf  ein  grösseres  Blatt  h erb eigebr acht,  schrieb  Goethe,  während 
wir  ihm  staunend  zuschauten,  in  kurzer  Zeit  auf  dasselbe  einige  Strophen, 
welche  den  Inhalt  unserer  Worte  wiedergaben.  Noch  heute  sehe  ich  im  Geiste 
den  grossen  Mano^  wie  er  erst  einzelne  Worte  in  angemessenen  Zwisclienräumeo 
niedersehrißb  und  dann  die  Silben  mit  der  Federspitze  zählend  die  Lücken  all- 
mählich ausfüllte;  zuletzt  zeichnete  er  unter  die  Verse  eine  aufgehende  Sonno 
und  schrieb  auf  ihre  Strahlen  unseie  Namen,  die  er  sich  von  uns  nennen  lies»,** 

Wieder  ein  Beweis  für  das  gute  Herz  des  grossen  Dichters,  das  den 
Kindern  soviel  Vertrauen  cinfiöaate,  dass  sie  es  wagten  ihn  mit  ihrer  Bitte  an- 
zugehen, ihn  aber  dazu  trieb  darauf  einzugehen!  Ks  war  wohl  noch  den 
Mädchen  im  Gedächtnis,  wie  aufmerksam  und  teilnehmend  er  im  verflossenen 
Jahre  dem  Unterricht  in  der  Schule  und  der  Prüfung  beigewohnt  hatte;  dazu 
ermutigte  sie  der  zwanglose  heitere  Verkehr  mit  Gramer,  in  dessen  Hause  er 
sicherlich  oft  auch  Dorothea  gesehen  und  mit  ihr  gescherzt  hatte.  Diese  wird 
denn  auch  unter  die  Anstifter  ihres  Unterfangens  gehört  haben. 

Das  Gedicht  für  die  Kinder  hat  sich  leider  nicht  erhalten;  die  Nachkommen 
de  Laspees  versichern,  dass  sich  unter  dessen  nachgelassenen  Papieren  nichts 
vorfinde,  das  so  genannt  werden  könne.  Damals  gab  es  Veranlassung^  daaa 
der  Verkehr  wieder  angeknüpft  wurde;  de  Laspee  besuchte  Goethe  am  1.  Juli, 
wohl  um  ihm  für  seine  Teilnahme  und  Mitwirkung  zu  danken,  Goethe  erwiederte 
den  Besuch  am  10,  Juli.  Und  damit  endete  für  dieses  Mal  und  für  immer 
sein  Verkehr  mit  de  Laspee» 

Indessen  kam  Goethe  noch  einmal  zu  Wiesbaden  auf  das,  was  er  in  der 
Schule  de  Laspees  gesehen  und  gehört  hatte  zurück,  eine  Episode,  die  S.  Boid- 


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I 


*^*)  Die  Erzählung   iflt   abgedruckt  in    Vlvk»   Moriatösohrift  I  (1R75),  287.   —  '*';  Also 
rällt,  wie  auch  das  Tagebueli  augibt,  der  YorfBll  io  dnä  Jahr  1815;  am  24.  Juul  1814  war  Goethe 


noch  nicht  in  WieBbaden, 


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aerue  erzählt"')  und  die  wir  mit  dessen  Worten  hiev  wiedergeben  wollea;  bei 
ihr  spielt  wieder  eine  Tochter  Craniera  eine  Rolle  und  zwar  eben  diese  Dorothea, 
als  sie  eine  Probe  ihrer  ReefaacikuDst,  die  sie  nach  Peätalozziseher  Methode 
erlernt  hatte,  ablegte.  Daas  es  Dorothea  war  and  nicht  eine  andere  der 
CranieriacheQ  Töchter,  geht  daraus  hervor,  daas  diese,  wie  wir  bakl  neben  werdeo, 
nicht  die  Pestalozzische  Schule  besucht  hatten,  und  wenn  Boisseree  sie  als  etwa 
sechzehnjährig  bezeichnet,  so  beruht  dies  auf  einem  Irrtum;  sie  w^ar  im  August 
1815  noch  nicht  volle  14  Jahre  alt. 

Die  Rechenkunst  der  Dorothea  Cramer 
»Abends  fam  5.  August  1815],  berichtet  Boisseree,  war  ich  mit  Goethe 
und  Oberbergratli  Gramer  auf  dem  Geisberg,  es  wurde  oben  gezecht  in  der 
Schenke  ...  Ein  Schwager  von  Gramer  aus  Hanau  kam  nach;  das  Töchterchen 
des  alten  Oberborgraths,  etwa  sechzehn  Jahre  alt,  führte  ihn  zu  uns,  ein  ganz 
einfaches,  frisches  Kind,  Goethe  neckte  sie  mit  ihrer  grosseu  Pestalozzischen 
Rechenkunst,  erzählte  uns  von  der  Schule  hier  und  Hess  dem  Mädcheu  keine 
Ruhe,  hh  sie  sich  selbst  eine  abgebraische  Aufgabe,  aber  in  Zahlen  gab  und 
die  Autlösung  maohte.  Es  war  eine  verwickelte  Aufgabe,  drei  unbekannte 
Zahlen,  von  denen  nur  die  Verhältnisse  unter  sich  angegeben  waren.  Mir 
wurde  ganz  schwindelig  bei  der  Auflösung;  vorerst  war  es  einmal  nicht  möglich 
zu  folgen,  dann  aber  die  Bestimmtheit,  die  Förmlichkeit,  womit  das  Kind  die 
trockenen  Dinge  aussprach,  die  man  sonst  nur  in  den  mathematischen  Hörsüleu 
zu  hören  kriegt,  und  wie  sich  dies  arme  Kopfchen  was  darauf  zu  gut  that,  mit 
den  hohlen  Zahlen  und  Verhältnissen  herum  zu  wirthschaften;  wie  es  selbst 
mit  über  diese  Kunst  sprach  und  vernünftelte,  warum  es  Elementarunterricht 
genannt  werde,  da  es  doch,  wie  Goethe  bemerkte,  ganz  darüber  hinausgehe, 
weil  jeder  selbst  finde  und  erfinde;  endlich  über  Buchstaben-Rechnungen, 
Gleichungen  u.  s.  w.  Das  alles,  mit  der  festen,  schulmeisterlicheu  Haltung, 
setzte  mich  wahrhaft  in  Schrecken,** 

Goethes  Urteil  über  das  Pestalozzische  Wesen  nach  Boisserees 

Mitteilungen, 

„Als  wir  im  Dunkel,  so  berichtet  Boi3ser6e  weiter,  gegen  zehn  Uhr  nach 
Ilause  kamen,  klagte  Goethe  seinen  Jammer  über  dies  Pestalozzische  Wesen. 
Wie  das  ganz  vortreftlich  nach  seinem  ersten  Zw^eck  und  Bestimmung  gewesen, 
wie  Pestalozzi  nur  die  geringe  Volksklasse  im  Sinne  gehabt,  die  armen  Menschen, 
die  in  einzelnen  Hütten  in  der  Schweiz  wohnen  und  die  Kinder  nicht  in  die 
Schule  schicken  können.  Aber  wie  es  das  Verderblichste  von  der  Welt  werde,  sobald 
es  aus  den  ersten  Elementen  hinaus  gehe,  auf  Sprache^  Kunst  und  alles  Wissen 
und  Können  angewandt  werde,  welches  nothwendig  ein  Überliefertes  voraus- 
setze, und  wo  man  nicht  mit  unbekannten  Grössen,  leeren  Zahlen  und  Formen 
zu  Werk  gehen  könne.  Und  nun  gar  der  Dünkel,  den  dieses  verfluchte  Er- 
ziehungswesen errege;  da  sollte  ich  nur  einmal  die  Dreistigkeit  der  kleinen 
Buben  hier  in  der  Schule  sehen,  die  vor  keinem  Fremden  erschrecken,  sondern 

***}  8.  Boisseree  1,  259. 


132 


uckU 


tho  hl  Sohrecken  setzeD!     Da  falle  aller  Respekt,  Alles  w^,  wbjb  die 
tnilier  «Haider  zu  Menschett   macht     Was  wäre  aut  mir  geworden, 

imm  ich  Dicht  immer  geoathigt  gewesen  wäre  Respekt  ror  Anderti  tu\ 
Vod  diese  Menscben   mit  ihrer  Verrücktheit  and  Wuth,   atlee  auf  dse 
IndiTidmun  m  reducireD  uod  lauter  Götter  der  Selbstständigkeit  zu 
wcrilea  ein  Tolk  bilden  aod  den  wilden  Schaaren  widerstehen,  wetm  dteee 
mal  steh   der  elemeotariseben   Handhaben   des   Verstandes   bemächtig 
welches  nun   gerade   durch  Pestalozzi   unendlich   erleichtert  ist.      Wo 
religiöse,  wo  moralische  und  philosophische  Maximen,  die  allein  sühütxeo 
Er  fühlte  recht  eigentlich  einen  Drang  mir  über  alles  dieses  sein  Herz 
achfitten^   und    ich   selbst   war    von  all  diesem   yoII^   es  sprach  mteh  gleieli 
wie  eine   Meldung   des  jüngsten  Tages,   und   die  Furcht   vor  den  Rusaea 
mir   beim  Namen   Stevers,   den  Gramer  als   einen   der  »diär&teii    Prüfer  4 
grOaaten  Rühmer   der   hiesigen  Schule  genannt   hatte,   in   ihrer   gunten 
aafgegangen.  —  So  führten  wir  uns  wechselseitig  in  das  Gespräch  hinei 
Goethe  bat  mich    wiederholt  nm  Gotteswillen,   nicht  in   die  Sehule  xu 
ich  würde  zu  sehr  erschrecken.     Gramer  hatte  mir  schon  ror  seiner  Ruekk^ 
gesagt,   dass  ihn  das  Pestalozzische  Wesen  ausserordentlich    intereedre  ujidj 
Immer  davon  spreche.^ 

Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass  von  diesem  Terwerfenden  Vi 
grteaere  Teil  Boisserte  angehört;  er  hat  den  Funken  in  Goethes 
betteii  Brande  angefacht  und  in  seinem  Sinne  uns  vorgeführt;  Goethe 
sicherlich  nur  die  Ausartungen  und  verkehrte  Anwendung  treffen  wollen, 
jede  neue  Erscheinung  mit  sich  zu  führen  pflegt.  Indessen  finden  sieh 
namentlich  in  den  «Wanderjahren*,  die  zu  den  oben  ausgesprochenen  Äitaaera: 
stimmen,  wie  wenn  er  der  Ehrfurcht  eine  so  grosse  Bedeutung  fOr  die 
Ziehung  beilegt,  überhaupt  den  Weg  und  das  Ziel  derselben  dort  ganz  aiidi 
gestaltet  haben  will,  als  durch  blos  formale  Schulung  erreicht  werden  bu 
Anch  in  den  Gesprächen  mit  Kanzler  v.  Müller  ist  er  nicht  ein  Freund  i 
mathematischen  Methode.  ,Die  Mathematik,  sagt  er^),  steht  ganz  faleeh 
Rufe  untrügliche  Schlösse  zu  liefern.  Ihre  ganze  Sicherheit  ist  weiter  nie 
als  Identität;  2  X  ^  '^^  nicht  vier,  sondern  es  ist  eben  2  X  ^i  ^°d  daa  tiem 
wir  abgekürzt  vier  .  .  .  Die  Pjrthagoreer,  die  Platouiker  meinten  Wunder,  j 
in  den  Zahlen  stecke,  die  Religion  selbst,  aber  Gott  muss  ganz  anders 
gesucht  werden**  — 

Johannes   de  Laspee   leitete   seine  Anstalt   bis   zu  seinem  Tode, 
20.  März  1825  eintrat,  geehrt  von  seinem  Fürsten,  hochgeachtet  ?on  all 
mit  ihm  in  Berührung  kamen. 


10.  Philippine  Lade. 

T^m  für  Frauenschunheit  und  Frauenliebe  leicht  empfungliohö  Hl 
damals  G5juhrigen  Dichters  fand  auch  in  Wiesbaden  Gelegenh^t,  wen]! 
nicht  in  heilen  Flammen  zu  entbrennen,  so  doch  eine  zarte  Neigung  sim 


***)  Btirckhttrdt,  Unt(»rliiiUiiO(t«u  mü  Kaiiili«r  v.  Maller,  8.  lOtv 


I 


13S 

jimgeii  Mädofaen  zu  fosseo,  das  er  im  Hause  des  Oberbergrates  Cranier  kennen 
lernte.  Dieser  hatta  ausser  der  ira  vorigen  Abschnitte  geoauüten  Dorothea 
noch  mehrere  ältere  Töchter,  von  denen  zwei,  Luise  und  Sophie,  damals  etwa 
18  Jahre  zählten;  sie  hatten  die  Friedrichaschule*^'**)  besucht,  welche,  aus  der 
alten  Lateinschule  hervorgegangen,  auch  Mädchen  ihre  Bildung  gab  und  sie 
mit  dem  li.  Lebensjahre  entliess;  mit  dieser  Entlassung  war  gewöhnlich  nach 
naßaauischem  Brauche  die  Konfirmation  verbuüden.  Die  beiden  Töchter  Cramers 
waren  irn  Jahre  1810  konfirmiert  worden  und  am  7.  Mai  1810  aus  der  Schule 
geschtedeu*  Ihnen  und  ihren  Mitschülerinnen  widmeten  bei  der  Entlassung 
au«  der  Schule  ihre  Lehrer  folgende,  gut  gemeinte 

„Letzte  herzliche  Worte***): 

Erfüllet  redlich  Eure  Paicht 
Und  hoffet  dann  mit  Zuvereicbt: 

Gott  «orgt  mit  Vaterliebe! 
Zu  ihm  erhebet  Eoreo  Bück! 
Er  sorgt  für  Eures  Lebens  GlQok, 

War'  auch  der  Himmel  trabe. 

Gehorchet  nioht  der  Sinnlichkeit! 
Gehorchet  Gott!  Was  ©r  gebeut, 

Ist,  wenn  Ihr  folgt,  Euch  »Segen, 
Von  drohenden  Gefahren  fern 
FOhrt  auf  der  Bahn  der  Tugend  gern 

Er  Euch  dem  Glück  entgegen. 

Gott  theilt  Euch  seinen  Beistand  mit; 
Drum  gehet  stets  mit  festem  Sohritt 

Fort  auf  dem  Pfad  der  Tugend! 
Die  Luit  verfuhrt,  —  die  Tugend  nie; 
Ein  guter  Gott  belohnet  sie. 

0  ebrt  sie  in  der  Jugend! 

^6ott,  Ihre  goldne  Jugendzeit 
Flieh  edel  hin  zur  Ewigkeit! 

Lehr^  Sie  die  Weisheit  wShlen! 
Mach'  Sie  tum  Dienst  der  Welt  bereit! 
Lass  Tugend^  Fleiss  uod  Fromm  rgkeit 

Nie  Ihrem  Leben  fehlen!^ 

Die    Namen    der    Schülerinnen    waren:    Johanne    Bühning,    Luise    und 
iiphie    Gramer,    Christiane   Frey,    Luise    Menke,    Charlotte   Niese,    Amalie 

Pfarrius,  Wilhelmine  Schmidt. 

Nur  wenig  jünger  als  die  Töchter  Oramerü  war  Philippine  Lade''), 
welclie  äie  iu  der  Schule  mochte  kennen  gelernt  haben  und  mit  ihnen  befreundet 
blieb.     Sie  war  am  8.  Februar  1797  geboren  und  wurde  im  Jahre  1811  kon- 


•***)  VgL  des  VerfaMora  OeBchichte  der  FriedricliMchuIe,  Otterprogramm  dea  Kgl.  Gym- 
nuaiuma  zu  Wienbadeii  18l!(0.  —  ^**)  Etu  Exemplar  de«  seltenen  üediohtes  befindet  aioh  im 
HeaÜsE  des  VerfaSÄers  dieser  Sehrift,  Wir  fögeii  e«  hier  eiu,  weil  es  fUr  die  Zeit  eharakte- 
rvAttsch  ist;  Verfiwaer  ist  wohl  der  Rektor  der  Schule,  Schellenbefg,  —  *••)  Vgl.  obeii  8.  61 
Anm.   15  über  die  Auanprache  des  Noraens. 

10 


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iÜS2 


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firmiert.     Ihr   Yater,   Christoph    August   Lade,    war   herxoglicber    Uoi 
Schreiber  gewesen  und  lebte  nunmehr  als  Pensionär  m  WieabacleOi    n 
eignes  Ilaus    in    der  Nahe    des   früher    städtischen  Wirtshauses    zum 
Löwen  besass,  nicht  fern  von  der  Wohnung  des  überbergrats.     Ala  am 
1813  das  Yorksehe  OfKzierskorps  einen  Hall  veran»taltete^  dem  auch  der  Ki 
Freussen  beiwohnte,  war  PhiHppine  gleichfalls  anwesend  und  hatte  die  El 
mit  dem  Feldmarschall  Blücher  zu  tanzen,  dem  sie,  da  er  durch  eiotto 
bei  dem  Tanze  in  die  Knie  gesunken  war,  wieder  auf  die  Fu^se  half« 

Nicht  viel  später,  im  September  des  Jahres  1814,  hatte  eie  ab^ 
Ehre,  wenn  auch  nicht  in  der  Gesellschaft  von  Königen  und  grossen 
fiihrem  sich  zu  bewegen,  so  doch  die  Autmerksamkeit  eines  KuDi^a  im  Kd< 
der  Dichtkunst  auf  sieh  zu  ziehen^  zunächst  nicht  durch  ihre  Scbunheit,  M 
d^srn  durch  ihre  klangvolle  Stimme.  Das  Tagebuch  erwähnt  ihrer  zwar  nii 
im  Jahre  1814,  aber  ein  Brief  Hundeshagens  vom  5.  Februar  1815  sagt* 
daas  sie  das  Glück  gehabt  habe  die  letzten  Stunden  in  Wiesbaden  wüti 
»choaern;  danach  wurde  die  Bekanntschaft  Goethes  mit  ihr  gegen  daa  Ea 
seines  Aufenthalts,  nach  der  Hückkebr  aus  dem  Bheingau,  vielleicht  er:»t 
IL  September  zu  setzen  sein. 

Über   ihren  Verkehr   mit  Goethe   liegen   zwei  Berichte    vor,    toh 
selbst  ein  kurzer   in  den  Gesprächen    mit  Kanzler  y.  Müller   und    eio 
von  M.  Belli-Oontard  in  der  Didaskalia,  dem  belletristischen  Beiblatt  zum 
fürter    Journal,    zu    denen    Creizenaeh     in    dem    Briefwechsel     von     M. 
\\  Willeraer  mit  Goethe  einige  Zusätze  gibt.    Wir  wollen  die  beiden  vd 
hier    mitteilen,     Creizenaehs    Zusätze    und    unsere   eigenen    Bemerkungen 
pas.Hendeu  Stellen  einfugen. 

Am  12.  Mai  1815  also  erzähhe  Goethe  dem  Kanzler  v,  Möller  ^rn\ 
reizenden  jungen  Mädchen,    der  Tochter  eines  Sekretärs  bei  irgend  einej 
partement  zu  Wiesbaden,  die  die  höchsten  Anlagen  zur  Deklamation  un< 
theatralischen  Spiel  besitze.     Sie    habe    ihm    den  Wasseriaucher    fTauehi 
Schiller]  vordeklamiert,  aber  mit  zuviel  Malerei  und  Gestikulation,   daran 
er  iiie  statt   aller  Kritik  gebeten    ea    noch   einmal   zu   thun,   aber    hini 
Stuhle  stehend  und  dessen  Lehne  mit  beiden  Händen  festhallend.    Daa 
Kind    habe   bald   Absicht   um!    Wohlthat   dii*ser  Bilte    empfunden    und 
dafür  gedankt.    Verwechsle  man  doch  nicht,  sehloss  er,  epische  narsteltung 
lyrischer  oder  dramatischer/ 

Der  zweite  Bericht  ist  ausführlicher  und  lautet  also: 

^  Philippine  war  zu  Besuch  bei  den  beiden  Töcliteru  des  Bergraia 
in  Wiesbaden  und  die  drei  jungen  Mädchen  allein  im  Zimmer.     Piutx;liei 
die  Thüre  des  Nebenzimmers  uuf  unil  in  derselben  steht  ein  alter  scliüuer) 
—   „Ki,  sprach  er,  das  ist  ja  eine  hübsche  junge  Gesellschaft;  e»  war  ti 
Stimme,  die  mich  anzog« *^     Darauf  erkundigte  er  sieh  bet  der  e'meu  der 
Schwestern,  ob  sie  sänge^  und  nixt  ihre  bejahende  Antwort  ersnebte  er 


')  BHpf  vom  4.  Mftm  |HH  im  Wi««U,  TagMAtt 

.iiiUri.,   VI»  127.    Viel    ilio  Antwort  Oo^rÜir^  -- t  -       * 


135 


I 
I 


I  Lied.  Auch  die  zweite  musste  äiugei),  Fräulein  Lade  aber  antwürtete, 
dass  sie  nicht  musikalisch  sei.  „Das  ht  die  Stimine,  rief  Ooethe  sogleich  nach 
jdieaea  Worten  uod  daan  fragte  er:  ^KenDeu  Sie  die  Werke  Goethes r"*  — 
^Nein,  antwortete  sie,  sie  ziehen  mich  nicht  an."  —  ^So!  [Zusatz  Creizenachs: 
^Nuü  ja,  für  so  Hebe  kleine  Wesen  sind  auch  meine  Sachen  nicht/]  Welelion 
Schriftsteller  lieben  Sie  denn  ganz  besonders?**  —  ^Schiller,  rief  Fräulein  Lade, 
den  liebe  ich  über  alles.  Ich  kenne  das  Meiste  von  ihm  auswendig,**  —  ^Hoho, 
meinte  Goethe,  dann  deklamieren  Sie  mir  einmal  etwas,  z.  B.  den  Anfang  der 
Braut  von  Messina/  Fräulein  Lade  errötete  betroffen,  begann  aber:  ,» Nicht 
eigne  Wahl**  n.  b.  w.  und  sprach  den  ganzen  Monolog  ohne  Anstoss.  Goethe 
klatschte  Beifall  und  bat  sie  dann  noch  um  den  Taucher. 

, Nachdem  sie  auch  diese  Ballade  gesprochen,  bemerkte  Goethe,  ihre  Be- 
wegungen mit  dem  Arm  seien  zu  heftig  geweseoi  bei  einer  Ballade  passe  sich 
das  nicht.  Sie  musste  wiederholen  und  dabei  eine  Stuhllehne  festhalten;  bei 
den  llauptscenen  jedoch  wackelte  der  Stuhl  gewaltig, 

^An  dem  Tage  musste  Fräulein  Lade  stets  an  Goethes  Seite  bleiben  und 
bei  Tisch  neben  ihm  sitzen,  wodurch  sie,  obwohl  noch  im  Alter  des  Back- 
tisches, ein  Gegenstand  allgemeiner  Aufmerksamkeit  wurde. 

,y Goethe  beschäftigte  sich  von  da  au  viel  mit  Fräulein  Lade.  Es  war 
im  Jahre  1814,  er  gebrauchte  die  Kur  in  Wiesbaden  und  hatte  seinen  eigenen 
Wagen  bei  sich.  Täglich  fuhr  er  mit  ihr  spazieren  und  nahm  sie  mit  ins 
Theater.  Dann  musste  sie  ihm  ihre  Meinung  sagen,  wenn  ihr  etwas  gefiel 
oder  missfiel  und  wesshalb|  wobei  er  sich  dann  angelegen  sein  Hess  ihren  Ge- 
schmack zu  läutern  und  zu  bilden.  Natürlich  gewann  er  dadurch  an  dem 
jungen  Mädchen  eine  enthusiastische  Verehrerin.*' 

Wir  unterbrechen  hier  den  Bericht,  um  einige  Bemerkungen  und  Ein- 
schränkungen zu  dem  zuletzt  Gesagten  zu  machen.  Soweit  sich  dieses  auf  das 
Juhr  1814  bezieht,  kann  nicht  davon  die  Rede  sein,  daas  Goethe  sich  viel  mit 
Fräulein  Lade  beschäftigte  und  oft  mit  in  das  Theater  nahm.  Denn  damals, 
wie  auch  im  folgenden  Jahre,  besuchte  er  das  Theater  selten,  im  Jahre  IS  14 
nur  elnmaL  Sodann  hatte  er  sie  am  Ende  seines  Aufenthaltes  von  1814  kennen 
gelernt,  wie  er  in  der  Antwort  auf  den  Brief  Hundeshagens  selbst  berichtet. 
Auf  eine  Sendung  Goethes  hatte  dieser  am  15.  Februar  erwidert:  „Da  sich 
der  schätzbare  Inhalt  theilen  liess,  so  konnte  ich  dem  Lüsten  nicht  widerstehen 
denselben  mit  der  artigen  Deklamatrice  zu  theilen,  welche  das  Glück  hatte 
u.  s.  w."  Darauf  erwidert  Goethe:  „Dass  Sie  Ihre  schöne  Mitbürgerin  au 
mich  erinnern  und  von  den  übersandten  Gedichten  vielleicht  Einiges  aus  ihrem 
Munde  hören  wollen,  weiss  ich  recht  sehr  zu  schätzen;  sagen  Sie  dem  liebeu 
Kinde,  dass  ich  bei  mancher  Uollenvertheilung  an  sie  denke  uod  mich  freue 
nächsten  Sommer  nicht  in  den  letzten,  sondern  in  den  ersten  Tagen  meines 
Aufenthalts  zu  Wiesbaden  ihrer  augenehmen  Gegenwart  zu  gemessen,^ 

Sodann  ist  die  Bemerkung,  dass  Goethe  einen  eigenen  Wagen  gehabt 
habe,  höchst  verdächtig;  er  hatte  nicht  einen  eigeneu  Wagen,  sondern  machte 
seine  Spaziergänge  zu  Fuss;  nur  zu  den  kleineren  Ausflügen  raielote  er  eium 
Wagen f  der  nach  Schlossers  Versicherung  leicht  und  nicht  teuer  zu  besobaffen 

10» 


jjUfllBB 


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iO. 


!3ß 


war.     In   einem   solcheu    mag  Philippine    den   Dichter    nach    der    Papii 
Kloatcrmüble  begleitet  haben*     Hätte  er  einen  eigenen  Wage«  gehabt 
er  bei  der  Fahrt  nach  Rudesheiin  anspannen  lassen,    niebl  aber, 
^hlt,  einen  Wagen  bestellen  müasea. 

Wenn  unser  Bericht  und  danach  Creizenach  damit  scbliesst,  dw^n  ^ 
bei  seinem  zweiten  Abschiede  von  Wiesbaden  am  4.  August  1815  dem 
Schreiber  Lade   das  Versprechen    abnahm    ihn    mit   seiner  Tochter    m 
tu   besuchen,   so  kann  —  ganz   abgesehen    von   dem   falschen    Datum 
nur  im  September  1814  geschehen  sein,  aus  dem  einfachen  Gruade^  weilJ 
IUI  August  1815  schon  ein  Vierteljahr  lang  tot  war;  denn  er  wmt  aio 
desselben  Jahres  76  Jahre  alt  gei^torben.     Aus  demselben  Grnnde  tat 
glaublich,  daas  schon  am  Tage  nachher,  am  27.  Mai.  dem  Tage  saioer 
Goethe  die  junge  Freundin  gesehen    hat;    wenn   hier   im    Tagebueb    ihr  Sm 
steht,   80  wird  das  zu  bedeuten  haben,   dass  er  sich   sofort    nach    ihr 
und  die  Mitteilung  des  Trauerfalles  in  ihrer  Familie  entgegeiiDahmy  nie 
er  sie  sofort  etwa  zu  sich  beschieden  oder  sie  ihn  von  selbst  besucht 

Erst  am  19.  Juni  erscheint  sie  bei  ihm  mit  einer  verheirateteD  S^d 
dann  am  6.  Juli  zu  dem  Ausflug  auf  den  Nürnberger  Hof   wie  daa  Ti 
zu  diesem  Tage  bemerkt,  den  aber  unser  zweiter  Bericht,    2U    dem    wir 
mehr  zurückkehren,  zu  einer  Landpartie  nach  Qeorgenborn  macht. 

,Auf  einer  Landpartie  nach  Jorgenboru  bei  Schtangenbad  (alao  ri^ 
auf  den  Nürnberger  Hof]  musate  Fräulein  Lade  wieder  nebea    ihm    tm 
sitzen  und  da  sie  später  eine  Skizze  nach  der  Natur  machte,  wünachte 
SU  sehen  und  fing  an  zu  kritisieren.     ,Ach!   Sie  können    alles  beaaer 
als  ich^,  rief  sie,  nahm  ihm  das  Blatt  aus  der  Hand  und  zerrias  ea,   wabf 
lieh  ein  wenig  gereizt.     „Aber    eins  kann  ich,    was   Sie   doch    nicht    k^ 
und  damit  tief  sie  rasch  einen  steilen  Weinberg  hinan.    Goethe  ihr  nach, 
der  Höhe  aber  stolperte  er  und  fiel   an  dem    steilen  Abhang    zu    Bodelj 
beiden  Händen  klammerte  er  sieh  an,  bis  auf  des  jungen  Mädcheoa« 
einige  Herren  von  der  Gesellschaft  herbei  eilten  und  ihn  aus  aetner 
Lage  befreiten.     Fräulein  Lade   zerfloss  in  Thränen,   Goetlie    aber    laol 
aucbte  sie  zu  beruhigen.* 

Schliesslich  wollen  wir  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass  die 
Hondeahagen  habe  sich  um  Philippinens  Hand  beworben,  schon  früher 
tum  erwiesen  ist'**);    sie  blieb  unvermählt  und  erreichte  ein  hohes  All 

Noch  einmal^  am  9.  August  1815,  steht  ihr  Name  im  Tpl-^^Vt-V 
der  letzte  Abend,  den  Goethe  bei  Gramer  zubrachte,  und  der  A 
zu  dem  sie  auch  zugezogen  war;  man  war  guter  Dinge  und  trennte  sich  if 

Pas  Verhältnis  Goethes  zu  Philippine  war  hervorgerufen   durch  ihr©  J 
Uge  zu   Deklamation   und   theatralischer  Darstellung,  die  jener  sofort  erkaa 
nod  irieileicht  auszubilden  und  für  die  Weimarer  Bühne  zu  verwertcin  gedac 
doafsbalb  wird  er  sie  eingeladen  haben   ihn  zn   Weimar   zu    besuchen,    we 
TüUeoiiete  Vorbilder  Jtuf  dt»r  d»trti*j:ort  liühno  i^ehen  "''^  -T*. !«.♦•. .|,    t*ifH|g|  j^  ^ 


M*)  a««ili#aalifk  a.  a.  Ü. 


IST 

Wuosche  UHch  Vollenduog  veranlasst  werden  kanüte*  Eioe  tiefere  Neigung 
eotwickelte  eich  nicht  au  dein  jungen  MüdchoD,  das  durch  die  gröaseren  Vorzüge 
einer  Marianne  v.  Willemer  bald  in  Schatten  gestellt  wurde. 


I 


ir,  Gerbermeister  Behringer  u,  a. 

Daa  Bild,  welehoe  wir  von  Goethes  Verkehr  entworfen  haben,  würde  un- 
vollständig sein,  wenn  wir  eine  Unterredung  mit  dem  Gerbermeister  Behringer 
zu  erwäll aen  unterlassen  und  einiges  Gleichartige  übergehen  wollten,  das  er  im 
Tagebuch  anmerkt. 

Behringer  war  der  Nachbar  Brentanos  äu  Winkel;  als  Goethe  sich  da- 
selbst aufhielt,  unterhielt  er  sich  mit  ihm  am  6.  September  1814  und  fragte 
den  mitteilsamen  Mann  über  sein  Gewerbe  und  den  Weinbau  aus.  Was  er 
vun  ihm  erfuhr,  hat  er  in  dem  Supplement  zum  Rochusfest  kurz  verzeichnet; 
im  Tagebuche  ist  fast  nur  mit  blossen  Substantiven  notiert,  was  dort  doch 
wenigstens  in  Sätzen  niedergeschrieben  ist.  Wir  wollen  hier  den  Wortlaut  des 
Tagebuchs  wiedergeben;  er  lautet  also: 

„Zu  Mittag  Nachbar  Behringer  Gerbermeister.  Über  Eichenwucbs,  13 
bis  14  Jahre,  schälen  der  jungen  Eichen.  Schaale  aller  Orten  hergehohlt,  über 
Heidclberg[J  bey  Trier,  Erleichterung  durch  Waaserfracht.  näute[,|  Nord- 
amerikanische  auch  während  des  Krieges  über  Fr^mkrelch,  Anstalten  von 
Mühlen  u.  s,  w.  Zeit  des  Garwerdens.  Sprichwörter  und  Redensarten.  Wein- 
bau, Mühe,  Vortheile.*®*')  Gewinn,  Verlust,  Zehente.  Ao  1811  wurden  in 
Winkel  800  Stuck  Wein  gebaut.  Spätes  Lesen.  Streit  zwischen  armen  und 
Reichen.     Vorzüge  des  Johaunisberges.* 

Und  wie  er  hier  Redensarten  und  Spruch  werter  sammelte  und  sie  in 
seinem  „ Rochusfeste **  niederlegte,  so  findet  sich  im  Tagebuch  folgendes  der 
Art  aufgezeichnet: 

31.  Juli.  „Trunkener  Bauer,  der  zum  König  von  Wirtenberg  sagt: 
Vor  allem  nehmen  sie  sich  vor  dem  eilfer  in  Aohf.** 

Au   demselben  Tage:    „ Jedem  was  er  will[,]  es  ist  noch  einmal  so  viel* 

31,  August;  „Murgens  rund, 

Mittags  gestampft, 
Abends  in  Scheiben, 
Dabey  will  ich  bleiben. 

(Cartoffeln.r*) 
„Kein  Kupfergang  so  gut, 
Er  hat  einen  Eisernen  Hut*** 

Der  erste  von  den  beiden  letzten  Sprüchen  wird  im  „Rochusfeste'*  einem 
Bergbewohner,  also  doch  offenbar  aus  der  Nahegegend,  mit  etwas  verändertem 
Schlüsse  in  den  Mund  gelegt.  Wenn  Goethe  aber  ihn  allein  mit  den  damtf 
folgenden  vom  Kupfergang  in  das  Tagebuch    und  zwar  unter  dem  31.  Au| 


An  demselben  Tag: 


'^^}  Über  de»  Weinbau^  seine  Muhen  and  Erträ^nisee  u.  9*  w.    1.    O.  Sarforian« 
Wembnu  m  Nmbiiu.    Ilerlin  1^71.  —  '**•)  V^L  Goothe-Jahrb,  IX,  227, 


U 


138 


setzte^  so  mus8  os  mit  der   Herkunft   und  Heimat   derselben    eiae  andere  Be- 
wandtnis haben.  Der  zweite  ist  ein  Bergmannsapruoh,  der  einer  Milteiluog  Crüniers 
—  am  30.  August  —  entstammen  mochte  und  daher  sicherlich  dessen  Heimat, 
dem  Westerwalde,  angehürte.    Warum  nicht  auch  der  Spruch  auf  die  Kartoffelü, 
zumal  da  der  Wester wälder  ein  Liebhaber  derselben  ist  und    sie   in    den    ver- 
schiedensten Arten  der  Zubereitung  zu  geuiessen  liebt?     Daas  der  Dichter  ihn 
nachher  frei  verwendete,  darf  keinen  Anstoss  erregen  und  ist  sein  Recht. 
Als  am  L  September  geschrieben  findet  sich  die  Winzerregel: 
„Wiesbaden  den  1.  September  1814. 
Was  der  August  nicht  thut, 
Macht  der  September  gut/ 
Vgl  die  Weimarer  Ausgabe  von  Qoethes  Werken  V,  4,  247. 


I 


0.  Störniigeii  und  Unterbretluiits:eu  des  regeliiiässigeti  Kurk*lH*ii8, 

a.  Im  Jahre  1814. 

Wir  haben  oben  gehört,  dass  (ioethe  die  Kur  im  Jahre  1814  zu  Wiesbaden 
ernsHich  und  regeloiässig  durchmachen  wollte,  dass  es  aber  auch  nicht  an 
Stürungen  und  l/nterbrechungen  felilte^  dieselben  mussten  wir  auch  schon  bei 
einzelnen  Gelegenheiten  berühren.  Nunmehr  sollen  sie  im  Zusammenhang  be- 
sprochen werden. 

L  Die  erste  Störung  trat  im  Jahre  1814  sehr  bald  nach  Beginn  der  Kur 
ein,  am  3.  August,  dem  Geburtstage  des  Königs  von  Preussen,  der  zum  ersten* 
male  nach  der  Befreiung  des  Hnken  Ilheinufers  von  französischer  Herrschaft 
in  dem  neugewonnenen  Mainz  gefeiert  werden  sollte.  Dazu  lud  der  Kommandant 
der  Stadt,  der  preussische  Oberst  v.  Krauseneck^^)^  am  Tage  vorher  Guethe 
ein,  und  dieser  glaubte  Folge  leisten  zu  müssen;  Zelter  begleitete  ihn  am  Morgen 
des  3.  August  dorthin.  Nachdem  er  an  der  „Funktion**,  d.  h*  der  militärischen 
Feier  des  Tages  auf  der  neuen  Anlage  teilgenommen  und  sich  dabei  an  der 
„herrlichen  Nähe  des  Rheines"  erfreut  hatte,  besuchte  er  den  Kommandanten, 
die  Zitadelle,  das  Kasino  und  fand  sich  dann  bei  dem  Festessen  ein.  Es  folgte 
ein  Feuerwerk,  das  er  %"erpaästc'^")  und  der  Festbali,  auf  dem  er  jedoch  nicht 
lange  aushielt.  Von  neuen  Bekanntschaften  nennt  er:  „die  Österreicher*  Gouver- 
neur Johann  Freiherr  v.  Frimont,  Feldzeugmetster  und  General  der  Kavallerie''"), 
den  Generalfeld  Wachtmeister  Heinrich  Graf  Hardegg  und  den  Generalfeld  wacht* 
meister  August  v,  Swrtnick^'*};  die  ^^Preussen*  Prinz  Ludwig  von  Hessen- 
Homburg,  Generallieutenant  und  damals  Gouverneur  von  Luxemburg  (von  182Ö 


*<^)  Der  Obenit  Wilhelm  Jobanii  v.  Krauseneck  (1775 — 1B50;  trat  aas  Anspao bische ti* 
Dtonateti  in  die  preuBsisoIieri  ein  und  Bohied  im  Jabre  18i8  ala  General  der  Kavallene  aus 
ileiiaelben.  Hcböniug,  Di©  Generale  der  preussiachen  Arimee^  S.  2H9,  Polen,  HandwSrter- 
liücb  V^  29L  —  **^)  Goethe  gebraucht  dieees  Wort  in  dem  doppelton  §inn:  harrend  an  sich 
vorbeigehen  lassen,  z,  B,  ein  Gewitter  —  und  harrend  Terahsäumen,  Wulcker,  Gr.  Deutsche» 
Wörterbuch  XI 1,  1158.  —  ***)  Die  genauere  Bezei**biiung  der  Stellung  ist  dem  8tajit8-Adf«ai»- 
handbueh  der  teukschcn  Bundesstaaten  filr  das  Jahr  1810  entlehnt.  —  *'**)  Goethe  soKfeibt 
Cwertenic. 


I 


189 


^  mein 


bis  1830  war  er  regierender  Landgraf  von  Ilessen-Homburg)"^),  deo  jungen 
Prinzen  Leopold  Friedrich  von  Anhalt-Uessau  (1704—1871),  welcher  Beinera 
(Jro88vater  im  Jahre  1817  in  der  Regierung  naclifi>lgte;  er  hatte  den  Feldzng 
von  1813 — 1814,  aber  im  österreichischen  Heere,  mitgemacht^'');  endlich  den 
Obersten  Kranseneck;  zuletzt  die  ^Mainzer**  F.  J.  Bodmann"*),  den  bekannten 
Geschichtsforscher  und  Sammler  von  Urkunden,  und  den  Freihcrrn  v.  Jungen- 
feld.  Am  4.  August  kehrte  er  über  den  „bewegten  Rhein*'  nach  Wiesbaden 
zurück,  nachdem  er  noch  den  befreundeteu  Hauptmann  \\  Luck  gesehen  hatte. 
Um  8  Uhr  trat  er  den  Heimweg  an. 

2.  Zum  15.  August  bemerkt  das  Tagebuch:  ^Einfall  nach  Rüdesheim  zu 
gehen,'^"*}  AnstaUen  dazu.  Mit  Zelter  zu  Hanse  gespeisst.  Mit  ilim  und  Cramer 
nach  Tische  abgefahren."  In  Übereinstimmung  damit  ist  nach  der  Erzählung 
im  pS.  Rochusfeste"  dieser  Ausflug  plötzlich  beschlossen  und  ausgeführt  worden; 
nur  darin  weicht;  diese  ab,  dass  nach  ihr  der  Mittag  schon  vorbei  war,  als  die 
Anstalten  getroffen  wurden.  „Vertraute  geselhge  Freunde,  heisst  es  hier, 
welche  schon  Wochen  lang  in  Wiesbaden  der  heilsamen  Kur  genossen,  empfanden 
eines  Tages  eine  gewisse  Unruhe,  die  sie  durch  Ausführung  langst  gehegter 
Vorsätze  zu  beschwichtigen  suchten.  Mittag  war  schon  vorbei  und  doch  ein 
Wagen  augenblicklich  bestellt,  um  den  Weg  ins^'")  angenehme  Rheiugau  zu 
suchen.**  Es  war  also  ursprünglich  nicht  die  Absicht,  wie  aus  beiden  Dar- 
stellungen hervorgeht,  etwa  dem  bevorstehenden  Rochusfest,  diis  in  diesem 
Jahr  wieder  zum  erstenraale  nach  der  französischen  Zeit  und  mit  besonderem 
Glänze  gefeiert  werden  sollte,  beizuwohnen;  erst  als  die  drei  Freunde  in  Rudea- 
heim  die  grossartigen  Vorbereitungen  zu  dem  Feste  und  die  fröhliche  Stimmung 
der  Menschen  über  die  wieder  ermöglichte  Feier  des  folgenden  Tages  sahen 
und  man  ihnen  grosse  Freude  und  grossen  Qenuss  bei  der  Teilnahme  in  Aus- 
sicht stellte,  beschlossen  sie  sich  der  Menge  anzuschliesson  und  den  ohnehin 
anlockenden  Aussichtspunkt  des  Rochusberges  aufzusuchen.  Da  der  Meister 
selbst  in  anmutiger  formvollendeter  Darstellung  eine  Beschreibung  des  Festes 
uns  hinterlassen  hat,  so  kann  es  nicht  unsere  Absicht  sein  einen  ausführlichen 
Bericht  über  seine  Erlebnisse  und  Beobachtungen  hier  zu  geben;  man  muss 
dies  alles  bei  ihm  selbst  nachlesen  und  dazu  das  lebensvolle  Bild  von  dieser 
Gegend  des  Mittelrheius  und  dem  regen  Thun  und  Treiben  der  Menschen  da- 
gelbst  nehmen,  welches  der  rheinische  Dichter  August  Ammaun  in  dem  lioder- 
reichen  Büchlein  ^dov  Rochusberg  bei  Bingen  am  Rhein.  A.  Koch,  Darmstadt 
18S)3**  gezeichnet  hat.  W^ir  wollen  nur  einiges  herausheben,  was  zum  Teil 
dem  Tagebuch  entnommen  ist. 

Durch  die  gesegneten  Fluren  des  Rhein gaues  wurden  unsere  Reisenden 
rasch  dahingetragen;  für  jede  Stadt,  für  jedes  Dorf  und  joile  Villa  hat  Goethe 
ein  freundliches  Wort,  für  Besonderheiten  stets  offene  Augen,     Nach  3^/^  Stunde 

*'^)  Dereeib«,  weloher  oben  S*  102  Torkum.  Seh  wart  z,  Landgraf  Friedfioh  V.  van 
lIoBsen-Homlmrg:  III,  74.  —  *")  Allg.  Deutficlio  ßiogr.  —  "*i  Dag  Tagebuch  sehreibi  fJotU- 
mÄnn.  —  *^*)  Vg!.  Duntjser,  Ooethe  und  die  RoehuBkapellc.  Mttnch.  Allg.  Z.  lS8:i,  No.  Mi) 
u.  :Uii.  —  *'*f  Der  Ultere,  gäohliche  tiebrouoh  dea  Wortes  RheiogHu  ist  am  Mittelrhein  allge- 
mein üldicli  geUlieben;  das  Volle  Ragt  hier  gewöhnlich  das  Rheingau. 


140 


Menge 
fliclier 


wt   Htidoaheim   erreicht^    wo    das   Gasthaus   zum   Adler'")    tm*.    uu:  i 
Beamte   des  Ürts,   Hufrat   Götz  (s,  ubeu)»    wohl   mit  Cramer    al«  »^  «wo 

Mineralien  bekannt,  gesellt  sich  zu  ihnen  und  mag  ihr  Führer  bei  dem  Spasivr- 
gang  am  Rhein,   zu   der  Burg   des  Grafen    von  Ingelheim,    aber    audi   so  ikr 
besten    Quelle   dea  Elfers,    den    man  kastete,  gewesen  sein;    deno  dieser  ilssd 
damals  auf  der  Höhe  seiner  GQte,  und  von  ihm,  einem  „Uauptjabr^  eiitspTOttsil* 
hiess  es,   er  sei  ^vorzüglich  gut  und  viel  gewesen,    wie  seit  Jahren  iiiebr 
Aber  auch  für  wissenschaftliche  Belehrung  sorgt«  Götz,    wie  wir   obeo  gi 
haben«     Nachdem   die   drei  Preuude  am  folgenden  Tage    unter  seinen]  Oeli 
über  den  Bhein  gefahren,  den  Berg  erstiegen  und  unter  der  fröhlichen  Menge 
verweilt   hatten,    kehrten    sie    befriedigt   zurück   und    fuhren    nach    frcundliclier 
Bewirtung  durch   ihren  „Oeleitamann"    noch  am  Abend  desselben   Tages  nach 
Eltville   zurück,    wo   sie   übernachteten.     Der  Morgen   des  17.  Augusi   bradbie 
sie  wieder,  nach  dem  Besuche  bei  Habe!  (a.  o.)  nach  Wiesbaden. 

Die  Eindrücke,    welclie  Goelhe  auf  dem  Ausflüge  empfangen,    die  U 
haltungen    der   Leute   und   die    Reden,    die    er    vernommen    hatte,    wirkten 
mächtig  nach,    dass   er  schon  unterwegs  den  Gedanken  fasste  den  Beaueh  d» 
Rocbusberges  litterarisch  zu  verwerten.    In  der  Nacht  vom  16,  auf  de«   17*  Aug. 
hatte  es  stark  geregnet  und  Hess  es  rätlich  erseheinen  die  Abfahrt  von  Elmlle^ 
zu  verzögern.     So   fand   sich   für   ihn   in  der  Frühe  des  17.  noch  Müsse  «dt^B 
Schema  des  Rochusfestes^,  wie  das  Tagebuch  sagt,  zu  entwerfen,  und  auch  to 
Wiesbaden    „setzte   er  das  Schema**    fort;    noch   mehrfach   holte   er    es  in  deo 
nächsten  Tagen,  am   19,  und  2»i.  wieder  hervor.     Die  Ausarbeitung  jedoeh  er- 
folgte  erst   im   Jahre    1816    wie   auoh    die  Stiftung   des   Rochusbildes,    dat 
„gelobt"    und    durch  Luise  Seidlor   zu   Jena    hatte    ausfuhren  lassen.     Die  all-] 
mähliche  Entstehung    und  der  Abschluss   der  Erzählung   sowohl  als  des  Bildes 
läast  sich  an  der  Hand  iles  Tagebuchs  genau  verfolgen:  jene  wurde  vom  23,  Mai 
1816    bis  Ende   des  Jahres    vollständig   ausgearbeitet   und  ausgefeilt,  gedruckt 
im  zweiten  Heft  des  ersten  Bandes  „Über  Kunst  und  Altertum**,    1Ö17,  die«» 
wurde   wohlverpackt   durch    die    fahrende   Post   den    18.   Juli   1816   abgesandt, 
nachdem  ein  Brief  an  die  geistliche  Behörde  in  Bingen  wegen  des  Auspaokena, 
der  Behandlung  und  des  Gegenstandes  des  Bildes  vorausgegangen  war, 

3.  Eine  dritte  Unterbrechung  erlitt  der  ruhige  Gang  dos  täglichen  LeboiM^ 
durch  die  Ankunft  de«  [OrosölHorzogs  Karl  August  von  Weimar.  Derselbe 
gebrauchte  in  diesem  Sommer  das  Bad  zu  Aachen;  am  2.  August  meldete  ibut 
dorthin  Goethe  seine  Ankunft  tu  Wiesbaden  und  empfing  am  8.  von  ihm  die 
Ankündigung,  dass  er  bald  Aachen  verlassen  und  nach  Mainz  kommen  wetde; 
ein  zweites  Schreiben  vom  16.  gibt  nähere  Bestimmung  über  den  Zeitputiku 
^Ich  eile  Dich  zu  benachrichtigen,  schreibt  der  Grossherzog,  dass  ich  küol^tgi 
Sonnabend  den  20.  von  hier  weg  und  gerade  nach  Coblenz  reise,  um  den  22j 
bei  guter  Essenszeit  in  Maynz  zu  seyn.  Wo  ich  logiren  werde,  weiaa  ich 
niobt  .  «  .  Wir  werden  uns  schon  finden.  Don  23.  Nachmittags  wollte  ich 
nach  Biebrich  und  Abends  nach  Wiesbaden  gehen,  um  von  dorten  Visiton  bei 


I 


^*j  Im  Roehtufett  hoisdt  isa  tut  Kr<>no. 


_  m 


}  Öarloriue,  •.  a.  O,  i3.  3iw 


Hl 


I 


» 


I 


Minister  v.  Stein  in  Nassau,  io  Schlangenbad  u.  s.  w.  zu  machen.  Sehr  freue 
ich  mich  Dieh  wieder  zu  sehen.     Lebewohl.***^) 

Der  letzte  Satx  wie  auch  der  ganze  Ton  des  Briefod  h'isst  klar  das  gHir/; 
eigenartige  Yerhültnis  erkennen,  das  damaU  zwischea  dem  Fürsten  und  seinüm 
Diener  bestand  und  fortdauerte,  bis  der  Tod  es  löste.  Ein  Jahr  später  spricht 
sich  Goethe  in  der  Unterhaltung  mit  Boisaeree  ara  8.  August  darüber  also 
aus'"'):  ^Was  die  VerhäUnisse  mit  Fürsten  theuer  und  werth  macht,  sey  das 
beständige  und  beharrliche  darin,  wenn  einmal  ein  Vertrauen  eitstanden ;  su 
zwiseheu  ihm  und  dem  Herzog.  Durch  allen  Wechsel  der  Verhältnisse  und 
Gesionungen  durch  habe  der  Herzog  ihn  immer  denselben  gefunden^  gesehen, 
dass  er  einen  braven,  ehrlichen  Mensehen  an  ihm  habe  und  so  sey  der  Herzog 
noch  jetzt  wie  in  ihrem  ersten  Freundschaftsverhältniss;  er  habe  ihm  kürzlich 
einen  Brief  geschrieben^  ein  Resultat  seiner  Leetüre  während  einer  UnpässUch- 
keit,  ganz  wie  aus  jener  Zeit  so  herzlich.' 

Lassen  wir  jetzt  über  die  Tage  des  Zusammenseins  das  Tagebuch  reden: 
jfAm  Nachmittag  des  23.  August]  kam  Geh.  Secr.  Vogel  [ScatulUer  im  Adresa- 
Ich  genannt].  Mit  ihm  nach  Mainz*"*)  Mit  Serenissirao  bifi  tief  in  die  Nacht. 
24,  Mit  Dr.  Stark.»'*)  [Geh.  Hofrat  u.  Leibarzt)  nach  Wisb.  .  .  Mit  Stark 
die  Brunnen  und  Bäder  [besucht].  Die  Gegend,  Cursaal  und  Anlagen.  Im 
Cursaal  mit  Stark  und  Zelter,  Kam  der  Herzog.  In  der  Gesellsch.  bis  Nachts. 
—  25.  Mit  Serenissimo.  Zu  Frl.  Stein.  Nach  Bibrich.  Nach  Hause.  Ins  Schau- 
spiel. In  den  Curaaal.  —  2H.  Mit  Serenissimo.  Graf  Henkel*  Briefe  vun  Weimar 
an  Serenis.  Fuhr  der  H(er35og)  ab.  [am  Abend]  An  Serenis.  [nachgeschickt] 
das  Stucden  Blatt  der  Estafette,  nach  Francfurt." 

Es  waren  anstrengende  Tage,  wenn  auch  der  Verkehr  mit  dem  fürstlichen 
Gönner  und  Freunde  noch  so  angenehme  Stunden  brachte.  Die  Kur  stand 
still,  und  es  bedurfte  einiger  Tdge,  bis  sie  wieder  aufgenommen  wurde. 

Es  erhellt  übrigens  aus  dem  Mitgeteilten,  dass  Goethe  den  Grossherzog 
weder  zu  dem  Herrn  v.  Stein  nach  Nassau  noch  nach  Schkugenbad  und  anderen 
Orten  begleitete,  wie  man  angenommen  hat. 

4.  Für  die  Kur  hatte  Goethe  vier  Wochen  in  Aussiebt  genommen;  diese 
waren  mit  dem  Ende  des  August  abgelaufen^  und  w^enn  er  auch  am  9.  Sep- 
tember noch  einmal  des  Bades  genoss,  so  bilden  die  Herbsttage  im  Rhein* 
gau,  zu  denen  wir  jetzt  kommen,  streng  genommen  keine  Unterbrechung, 
sondern  den  Abschluss  des  Kuriebons.  Indem  wir  jedoch  auch  auf  sie  noch 
einen  Blick  an  dieser  Stelle  werfen  zu  sollen  glauben,  wird  es  gerade  wie  bei 
der  Rochusfahrt  genügen  die  Tagebuchnotizen  hierherzusetzen,  da  er  selbst 
in  dem  Anhang  zum  Rochusfeste  sie  ausführlicher  aufgenommen  hat;  einige 
anderweitige  Mitteilungen  werden  beide  ergänzen. 

Am  1.  September  reiste  Goethe  zu  der  befreundeten  Familie  des  Franz 
Brentano,  nach  dessen  Landsitz  in  Winkel  am  Rheine  und  verweilte  daselbst 
acht   Tage.     Betrachten    wir   zuerst   «len  Kreis,    in   den   er   dort  eintrat.     Wir 


'*)  BriefweoKftel  *lis»  Orowherzogii  Karl  August  mti  Goelhe,  H.  —  ''^>  8.  ßoieiere«  l, 
;^bi    —  -'*j  Goethe  schrieb  irrtaraliob  Wiabaden  stott  Mainz.  —  **^  Das  Tagebuch  h«t  Starke« 


JSta 


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t4Z 

Imwm  Mm  fc«MM   mm  den  EkOtägeitu   velche  die  Mit^ioder  4am 
im  tiammImA  OoillMi   mmÄtem   ond  die  wir  weiler  unteu  mittelleB  ««^ 
llt«  JI»«|H  il«f  Fttntiltis  «M'  Fr^ftx  BfeiiriuHv  SeUff  nad  Sen^xor  ron  Frtaki 
H«llA  «rr»l«f  Kli«  flta  niehmalt  mit  Msxioitlbae  ron  La  Roche   Termlltlten  R 
Aif(«iii    HfimtAiK».      Hdne   tiamiüilja    mmt   ABtoiii%  Tochter    des    k.    k,   Ü4rf 
•ffiliniifi  Mtit^bior  v^  Birkeactoek.     Boide  habaa  wir  sehon  unter  den  Fr«iM 
ll<i«iii;l»rtri    in  Vfimh^lüU   aofUtirefi   laü^^eD.     Dann   folgen    tta    Stmmmhiiefa 
Niirn(ri]  dm  Kliidfir  vüq  Uetdeo,    Qeorg,  Maxitnlliane,  Jasophine^   PranBiski  i 
tCiirl«  iiiiiJ  iii(9  Friinkfurter  VerwiiDdteOf  VetterD  uod  Couainen,   Claudüie,  Sop 
Fruriys  und  Lu«tivig  Brootano,   ferner  Claudine  Piautaz^  die  satt  dem  Tode 
MitiliniDiiiift  Hroiilurut  (l7fKi)  dio  Rr^^iehung   der  Tuchter  P.  A.    Brentaiiiki< 
Inliitr**)  Imito,    dor    lUuiilülirer    Wildfayr   und   Pauline   Serviere    aus    dem 
liokiiniitoii  Itauio  Hurviora.     Umu  trsteu  für  deu  ersten  Tag  aU  Qä^ite  Zel 
t  Itiintidii  HtditoiNor    und   der  Fraiikfiirtor   Atta   und   kurcr^kanzlerischo  Il«i 
lh%  Wimjsid/") 

Dum  l^ignbuch  nlito  beriolitot:  ,,1.  Soptcmbor.  Früh  7  Uhr  aus  Wteshd 
um  UV*  ^'l*!*  lu  Winkel  Hoy  BrontanoB  fand  ich  Zelter  und  Sehloasefi  « 
IJi^lMiSnionU  Wi*iui)I,  Arsti  und  ActJöuidmur  von  Fmnkfurt.  Nach  Tlaclie  gin( 
jomt  Wf^itor  iiuP"*)  Bingou,  Mit  Urontanos  und  Wenstel  fuhr  ich  aufEibinj 
Imrub  mtt  iiilUyMnmn,  Ihimmjfmüxm  Uhus.'**)  Stadtkircho.  Kuckfahrl  M 
•ebiiii«ton  Abi^üd,*  -  Diu  Au3»flügü  um  2»  3i  und  4,  September  fohlen 
Tiijfidvnidi,  wir  f^rj^Unxon  aw  in  Kür^o  aus  den  ^Herbsttagen":  am  2.  w« 
HtddotA  VullnUbM  und  iKduuuiiaborg  hot«ucht,  am  3«  (ioiseoheim,  die  ätiillir  i 
kiira  Viirlior  «jllknlarl^ic^rUHi  unddaim  Hufgegeb^ncu  Kiiptiziner-Kladters  Not-Q^ 
d«f  MM^Wtld,  den  nmu  vom  Jagiischloj^s  aus  bis  za  dorn  Tempel  duf 
wimdt*r<t\  *ioh  au  iU>u  wnudorbaimi  AusÄichien  erfreueud,  am  4,  die  verfalle 
in  oiii  Winit^rlmiiA  vorwiiudtdtö  KapolUi  dm  h.  Rhabanus ****),  Weitiheiiii 
{lililiMnHl  rft^t  di>^  Ubt>iuoi«,  Niodci'ingt>lht>im,  wo  man  die  Reste  des  Palaj 
Kwth  \\m  Unsm^Hk  aufstuolittv*''^) 

l>M  T*j^dmcb  fiihrt  fiwt;  ^X  August,  Auf  Küdei^heim.  Im  Kaha  I 
^^inr^^^  ^t%nfio  naoh  Bingfu.  ^[miid^ng.  Gjp^-  Woher  ^  Melaacholb 
Wivtliiu  Hill  »^It^nit'tti  lWwuf$ti»<Hii  ihvo^  Zu^taades.  Abfahn.  Roefaosbc 
I^MK*  wif*)k*tton  Si«tt\m^ik  R4»chii$ka(M*lle.  i^igeL  Weiche  OrgeL  Kann 
iWf^k  Ut'ftlWb^s  ak'iiial»  gUMnag  la  schauende  Aassieht.  Gestein  obea,  aat 
INUirl  Kiaab^vinjkrtK  K^Mtii^t^n  li&ck^  IWrrlkhe  Chua^^^e.  Letcht  an  bearl 
IvfiAM'    ftaokft  l^^tfHft.     Uiacks  ab   \vm  der  Cbaass«^.     Saad,  jiittg^    Fidil 

g$lß%t^tls     W^m^  ]|m«c4n>«  ■«  »ftmk     Ate««»    wMla«%«»   ScUoob^     £ire 
kmftwitiwh  Jt»  Wa|s{N^  Af€  OtaWhNaiL    Baal«  Ff  ifiier-     Wenkaaau     AI 


143 


I 


^ 


Wirth,  Coniplex  der  acht  OrtacbafteD.  Ehenialigu  geriuge  Abgabe.  Pran* 
züsoiie  (eic)  Zeit.  Weinbau  sonst  nur  weiss.  In  Nachahmung  und  Nacheiterung 
von  Assnianshausen  roth.  Handel  mit  demselben.  Vorzüge.  Eilfen  Rückfahrt 
bis  Weiuheim.     Kahu^  Knaben^  aehoelle  Fahrt. 

^6,  September.  Früh  Hr.  Brentano  nach  Prancfurt,  Rodacktion  und 
Abschrift  der  bisherigen  Notaten.  Spaziergang  erat  allein,  dann  mit  Mad. 
llrcntano  und  Dlle,  Serviere-  PrI,  v.  Oiinderode  Leben  und  ToJ,**^)  Ort  ihre« 
Hclbiätmordes.  Kurz  vorhergehend.  Zu  Mittag  Nachbar  Behringer  Gerber  [s.  oben]. 

„8,  September.  Die  bisherigen  Aufsätze  durchgegangen.  Mit  Fr.  v.  Brentano 
und  Dlle.  Serviere  au  den  Mühlen  hin»  Clause. •*  Unter  diesem  Namen 
wird  gewöhnlich  die  ehemah'ge  St»  Georgsklause  am  Fusse  des  Johanniubergcs 
verstanden.  Mit  dem  Kloster  Johannisberg  war  ursprünglich  ein  Nonnenkloster 
verbunden»  das  aber  spater  von  jenem  abgelöst  und  unter  dem  Namen  St*  Oeorgs- 
klause  in  das  Thal  verlegt  wurde;  er  bestand  bis  zum  Jahre  1452,  wo  es  auf- 
gehoben und  seine  Güter  der  Abtei  Johannisberg  einverleibt  wurden, ^^^) 

Das  Tagebuch  fahrt  fort:  „Mittag.  Einsezung  der  Jesuiten,  Werners 
rbertriebenheiten.*  Diese  beiden  Einträge  bildeten  wohl  den  Gegenstand  der 
Unterhaltung  des  Nachmittags.  Papst  Pius  VII.  hatte  am  7.  August  1814  in 
feierlicher  Versammlung  die  Bulle  Sollicitudo  omDiuni  ecelesiarum  verlesen^ 
durch  welche  der  Orden  der  Jesuiten  förmlich  und  feierlich  in  alle  seine 
frühereu  Privilegien  wieder  eingesetzt  wurde.  Mit  dem  Namen  Werner  ist 
ohne  Zweifel  der  Romantiker  Zacharias  Werner  (1708—1823)  gemeint;  nach 
einem  höchst  ungeregelten  Leben  war  er  im  Jahre  1811  katholisch,  1814  Priester 
geworden  und  machte  damals  durch  sein  excenlrisches  Wesen  viel  von  sich 
rcden*^**);  nicht  lange  vor  seinem  Tode  trat  er  in  den  OrJen  der  Rcdenip- 
toristen. 

Die  Abreise  Goethes  erfolgte  au  demselben  Tage;  ^Nach  Wiesbaden**^  so 
echlicsst  das  Tagebuch  den  Bericht. 

Es  waren  genussreiche  Tage»  die  Goethe  in  der  ,,geliebtcn  und  verehrten 
Familie  Brentano*  verlebte,  und  daL'kbar  gedenkt  er  der  „glücklichen  Stunden". 
Die  „Herbsttage*  beendet  er  mit  den  ^^glücklichen  Ruudworten": 

^L  9 Am  Rhein,  am  KheLn^ 

H  Dn  wachsen  unsre  Hebor},^ 

H  Der  Familie  Brentano   verehrte    er   ein  Frankfurter   Laudschaftsbildchen, 

Bunter  welches  er  zur  Erinnerung  an  Winkel  die  Zeilen  setzte:'^^) 

^ft  „Waäserfälle»  Landee^rüsse» 

^■^  Heitrer  Himmel»  frohe  Hahn; 

^^K  Diese  WeHen,  diese  Flösae^^'') 

^^^F  Landen  auch  in  Winkel  an.^ 

^  **•)  Karolino  r.  Gduderrode,  geh,  am  U,  Februar  I7S0,  atiirb  Ijckanntlich  in  den  Fluten 

des  Elieines  citied  freiwilligen  Todes  am  26.  Juni  1806.  Vgl.  Ht  hwurU  in  der  Enf'vklopädie 
von  ErsoU  und  Gruber  1«  Bd.  97,  S,  56  des  SeparaNibdrucks,  —  *"")  Vogel,  nmiihreihung- 
des  llcr/ogtunia  NassaUi  S.  5U7.  —  '"*")  Vgl.  Arndt,  Meine  Wanderungen  und  Wandi^lungcn 
mit  Herrn  v.  Stein,  8.  231.  —  ***')  Creizen«oh|  8.  86.  —  *'*)  So  die  Weimarer  Ausgabe  [^ 
4^  ♦>*»    «'''•/♦»nach  minder  passend:  Flüsse* 


144 


Die  oben  er  wähnten  S  tarn  mbiichein  träge  des  Breotaoaischeii  IlaoiH 
folgend©,^»*) 

1.  Atitonia  Brentano  Bohrißb: 

^Winkel  im  Ebeiiigau. 
Hier  stand  dte  Hatur,  da  sie  ftui 
reicher  HantI  Qber  Hügel  und  Thal 
belebende  Scli5plun^  goas,  mit  rm- 
weilen  dorn  Tritte  still  —  hier  gefiel 
es  auch  Urnen  acht  schone  Tage  £U  wi?lloii| 
und  Ihrer  Gegenwart  Sonnenblick 
aohion  mir  der  Änmnth  Vellcndung. 
d*  6.  Sept,  tHU.  Antonia  BrfmtoJio 

gebohrone  Edle   von   Birkenftn 

2.  F  ran  SS  llrentano: 

^8e  yrie  das  woblthltige  Jahr  1^11 
hier  den  edlea  Kebetis^ft  ^nin 
Nektar  erhob,  m  ver!ierrUohte 
in  d^ei^ciu  Jahr  Ihr  freundlicher 
Besuch  untere  Getuhle! 

Dos  Andenken  daran  wird  mir 
unwergesslich  bleiben» 
Winkel  im  Kboingau  d.  8.  Sept.  1814,  Ftmmx  Br^atMÖu* 

3.  Dio  füigeüde  Seite  trägt  in  scböner,   aber   steifer,    unaus 
Kinderhaiid  die  Überschrift! 

^Aueh  die  Kleinen  liessen  Sie  tu  sieh  kotntnen" 

und  darunter  die  Namen  der  Kinder  des  Hauaes; 

^Oeorg  Urcütano 
Maximiliane  Brentana 
Josephine  Brentano 
Fronciska  Brentano 
Carl  Brentano,** 

Der  Name  des  daraala    einjährigen  Karl   und   die   Unterschrift: 
itu  Kheingati,  den  8.  Sept  1814*'  sind  von  der  Hand  der  Mutter. 

4.  ^Auch  wir  geboren  tti  den  Kl  einen  ^ 

oagt  die  dritte  Seite  und  ^eigt  die  Namen  der  Frankfurter  Vettern  und  Ccim 

^Cl&udino  Brentano 
Sophie  Brenteno 
Franz  Brentano 
Ludwig  Brentano«*^ 

Bowte  der  Claudine  Piautaz,  die  ^chon  im  nächsten  Jahre  berufea  war  Mn 
atelle  an  den  verwaisten  Kindern  seu  vertreten, 
5*  Der  Hauslehrer  Wildfeyr: 

.nOnine  tulit  punotnni  ijul  mis^uit  utile  dulci. 
Yiaieellae  @.  Sept  1814. 

(Jedweden  Sehieksalssehlag  Terwindel^ 
wer  Tüohligei  ntil  Liehlichem  ferbindeL)" 


j 


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WMtmp-. 


**!  Vülpiutf  HttQdschau,  a.  a.  O.  S.  35^  C 


145 


^atiline  Serviere: 

^Bonst  könnt  ioh  xu  OecUnken  Worte  ßnden^ 
Doch  nutif  da  toll  so  tiiibe  bei  Dir  wolmt, 

Traf  mich  ein  Strahl  au«  Deiner  Sternenkrone^ 
ich  wurde  stumm  und  tQhlte  mu'h  erblinden. 

Aoh,  wer  kfton  Ddineia  Zauber  lich  entwinden! 
loh  wa^  e«  nicht,  dem  guten  Oeißt  tum  Hohne* 
Mir  würde  8pott  und  Schande  bald  icum  Lohne, 
Wollt  ich  mit  Schwachheit  kühnen  Trotz  verbinden. 

ich  achleiohe  zum  l'aruaBH  ak  armer  Kranker, 
Da  such  ich  nun  mit  tiefbewegtem  Herzen 
Und  vierzehn  Helfern  Liudrung  meiner  Uualen. 

An  Deiner  Oütc  lieg  ich  hier  vor  Anker, 
Ein  freundlich  Wort  heilt  alle  meine  Schmerzen, 
Doch  kann  ich  nie  der  Wohlthat  Freude  malen. 
Winkel,  d.  8.  September  1814.  Pauline  Serviere.'* 

„Die  lieben  Kleinen,  so  erfahren  wir  spater***),  haben  sich  gar  nicht  gefreut, 
wenn  der  Oefeierte  Winkel  aU  Qast  beehrte;  sie  mudsten  daQu  sehr  brav  und 
sehr  still  sein,  durften  nicht  auf  dem  grossen  Speicher  spielen  u.  s.  w.  Da- 
gegen hatten  sie  bei  den  Spaziergängen  nebenher  zu  trippelu,  um  dem  hohen 
Herrn  die  Steine,  Muscheln  u.  s.  w.  aufzulegen,  die  er  mit  seinem  Stucke  be- 
zeichnete und  mit  seinem  Bergmannshämmerchen  untersuchte,** 

b.   Im  Jahre  1815. 

5.  Nachdem  im  Jahre  1814  Napoleon  besiegt,  Paris  eingenommen  und 
der  Friede  geschlossen  war,  schien  es,  als  ob  eine  weitere  Störung  der  Ruhe 
für  längere  Zeit  nicht  zu  befurchten  sei.  Daher  war  der  Sinn  der  Menschen 
von  heftigen  politischen  Einflüssen  frei  und  die  Teilnahme  an  öffentlichen  An- 
gelegenheiten beschränkte  sich  für  Goethe  höchstens  auf  Rückblicke  in  die 
Vergangenheit  oder  das  DurchblÄttern  von  Broschüren  über  Fragen,  die  doch 
anderswo  entschieden  wurden* 

Ganz  anders  im  Jahre  1815.     Als  er  zu  Wiesbaden  ankam,    stand    man 
am  Beginn  neuer  gewaltiger  Kämpfe,  denen  man,  seit  Napoleon  Elba  verl 
und  seinen  Einzug  in  Paris   gehalten    hatte,  unzweifelhaft   entgegenging, 
Achtserklärung  des  französischen   Eroberers    durch   die    Mächte    am    13. 
folgte  eine  neue  Verbindung  derselben  zu  seiner  Bekämpfung   und 
am  25.  März;    die  übrigen  Fürsten    traten   deren  Kriegsbündnis   nadi 
Verhandlungen  bei;  unter  den  ersten  waren  der  Herzog  Friedrieb  Ai 
Fürst  Friedrich  Wilhelm   von  Nassau. *^^)     Diese   hatten   schon 
den  Befehl  zu  Rüstungen  gegeben  und  am  25.  eine  allgemeine 
angeordnet;  u.  a.  sollte  neben  den  bestehenden  Reserve-   und 
kompagnien  bei  jedem  Landsturms- Bataillon  eine  Vefceranenl 
zQglich   aufgestellt  werden,   welche   zu  bilden  sei     1.  aus 


Der 


••*)  Mtiteilung   de»   n&ohnialig'en   GemmhU   der  Joiepli% 
RtmdMchau  a.  a.  O.  —    -**)  Menzel,  Üoaohkhte  von  ^mman 


m 


146 

bis  zum  45.  Jahr,  2.  aus  allen  unverheirateten  Landstormmannem  bis  zom 
45.  Jahr,  3.  aus  freiwilligen  Milizen  und  zum  Liniendienst  nicht  zugfahigen 
Reservisten  dritter  Klasse,  welche  im  Falle  des  Aufgebots  zur  Yaterlandsyer- 
teidigung,  mit  der  Landwehr  sofort  ins  Feld  zu  räcken  sich  verbindlich  machen; 
diese  sollten  zur  Auszeichnung  eine  silberne  Borte  um  den  Kragen  tragen.*^*) 
Während  noch  die  Rüstungen  und  Übungen  von  Landsturm  und  Landwehr 
fortdauerten,  rückte  am  21.  Mai  das  erste  Regiment  in  das  Feld  ab,  das  zweite 
stand  noch  vom  vorigen  Jahre  her  in  den  Niederlanden;  beide  nebst  den 
nassau-oranischen  Truppen  wurden  dem  Kommando  des  Herzogs  von  Wellington 
unterstellt.*^^)  Und  da  gegen  diesen  Napoleon  sich  zuerst  wandte,  so  war  es 
natürlich,  dass  in  Wiesbaden  und  ganz  Nassau  die  Spannung  ausserordentlich 
gross  war,  welches  der  Verlauf  und  der  Ausgang  der  bevorstehenden  Kämpfe 
sein  werde. 

Mitten  in  dies  aufregende  Treiben,  in  die  zwischen  Hoffnung  und  Be- 
fürchtung schwankende  Stimmung  fiel  die  Ankunft  Goethes,  und  wie  er,  selbst 
gespannt  auf  die  Entwicklung  der  Dinge,  das  militärische  Wesen  vor  seinen 
Augen  sich  abspielen  sieht  und  hört  (am  31.  Mai  wurde  zu  Wiesbaden  der 
Landsturm  verpflichtet,  am  4.  Juni  zu  Weilburg  die  Fahnenweihe  und  Beeidigung 
des  Landsturmbataillons  vollzogen),  auch  von  dem  nunmehrigen  Major  v.  Lack 
eingehendere  Nachrichten  erhält,  da  lässt  er  sich  mehr  als  einmal,  wie  das 
Tagebuch  verrät,  von  seinen  mineralogischen  Studien  bei  Gramer  und  seinen 
west-östlichen  Dichtungen  wegreissen  und  greift  zu  der  ihm  sonst  nicht  genehmen 
Lektüre  der  politischen  Blätter.  So  verzeichnet  das  Tagebuch  gleich  am  29. 
und  30.  Mai,  dann  am  5.  und  7.  Juni  „politische  Zeitungen^  oder  .Blätter*. 
Auch  auswärtige  Ereignisse  werden  aufgenommen,  wie  die  Nachricht  von  der 
am  23.  Mai  erfolgten  Einnahme  Neapels  durch  die  Österreicher;  König  Murat 
hatte  sich  am  31.  März  für  Napoleons  Sache  erhoben,  aber  durch  die  unglück- 
lichen Kämpfe  bei  Tolentino  im  Anfang  Mai  sich  gezwungen  gesehen  nach 
Frankreich  hin  zu  flüchten,  wodurch  den  Gegnern  in  Italien  freie  Hand  blieb. 
In  gleicher  Weise  ist  am  4.  Juni  Marschall  Berthiers  Tod  verzeichnet,  der 
am  I.Juni  durch  einen  Sturz  von  dem  Balkon  des  Bamberger  Schlosses  seineu 
Tod  suchte. 

Näher  gingen  ihn  schon  die  „neuesten  Abtretungen  und  Besitznehmungen", 
sowie  der  „ Ländertausch ^  (5.  und  13.  Juni)  an,  die  er  mit  Gramer,  dessen 
Heimat  sie  zum  Teil  betrafen,  besprochen  haben  mag;  durch  die  Verträge  vom 
14.  Juli  1814  und  31.  Mai  1815  hatten  sich  die  beiden  nassauischen  Haupt- 
linien, dann  die  walramische  mit  Preussen  so  verständigt,  dass  durch  verschiedene 
Abtretungen  und  Tausche  das  schön  abgerundete  Herzogtum  für  Nassau  und 
besser  zusammengelegte  Länderstrecken  für  Preussen  geschaflfen  wurden.***) 
Cramers  Heimat  fiel  infolgedessen  an  die  Krone  Preussen.  Zur  Ausführung 
dieser  Vereinbarungen   waren   alsbald   Kommissäre   bestellt   worden;    ihre    bia- 

'***)  Verordnungsblatt  1815,  No.  10.  —  *«')  Menzel,  Geschichte  von  Nassau  VH  (III), 
876.  Vor  dem  Auamarsch  des  ersten  Regiments  war  vor  dem  Kurhause  zu  Wiesbaden  am 
17.  Mai  ein  feierlicher  Gottesdienst  von  dem  katholischen  und  evangelischen  Geistlichen  ab- 
gehalten worden,     ^a88.  Intelligenzbl.  1815.  ~  "«)  Menzel  III,  778,  854. 


147 


^ 


herigon  Untertliaaen  ia  den  abgetreteoeu  Gebieten  entliesBen  die  Fürsten  von 
Nagsau  aus  dem  Uoterfhanenverbaude  am  ^  j^i[^  1815,"*)  Am  16.  Juni,  wo 
die  Entöcheidung  bevorstand,  bringt  Major  von  Luck  wieder  ^Politica  MUitaria** 
zum  Qespräch. 

Am  11.  Juni  war  Goethe  die  eben  erschienene  und  gerade  in  jenen  Tagen 
düppeltes  Interesse  erregende  Broschüre  des  Grafen  v.  Truchses»- Waldburg  in 
die  Hände  geCalloü;  ^Napoleons  Reise  von  Pontainebleau  nach  Frejus**"**');  sie 
zeigte  den  Imperator  auf  der  tiefsten  Htufe  moralischer  Schwäche  und  Halt- 
losigkeit, indem  der  eben  noch  so  gew*aUigo  und  übermütige  Mann,  um  vt>r 
dem  Unwillen  seiner  ehemaligen  Unterthanen  geschützt  zu  sein^  es  nicht  ver- 
geh mähte  österreichische  Uniform  anzulegen,  die  weisse  Kokarde  der  Bourbnnen 
anzustecken  und  im  Dunkel  der  Nacht  die  gefürchteten  Orte  vermied  oiler 
eilends  durchfuhr* 

Beunruhigend  wirkte  zuletzt  noch  am  18.,  an  dem  entscheidenden  Tage, 
die  Nachricht,  dass  die  Garnison  von  Mainz  aufbrechen  solle  (s*  oben),  an 
deren  Stelle  auch  nasaauische  Truppen  rücken  sollten.  Doch  bald  —  aber 
erst  drei  Tage  nachher,  am  21.  —  kamen  günstige  Nachrichten  von  dem  Kriegs- 
Schauplätze,  nachdem  ihnen  schlimme  vorausgegangen  waren.  Darüber,  sowie 
über  die  ganze  vorhergehende  Zeit  schreibt  Goethe  in  den  Annalen:  „Napoleons 
Wiederkehr  erschreckte  die  Welt;  hundert  schicksalschwere  Tage  mussten  wir 
durchleben.  Die  kaum  entfernten  Truppen  kehrten  zurück;  in  Wiesbaden  traf 
ich  preussische  Garde/"')  Freiwillige  waren  aufgeboten  und  die  friedlich  be- 
schäftigten, kaum  zu  Athem  gekommenen  Bürger  fügton  sich  wieder  einem 
Zustande,  dem  ihre  physischen  Kräfte  nicht  gewachsen  und  ihre  sittlichen  nicht 
einstimmig  waren.  Die  Schlacht  von  Waterloo,  in  Wiesbaden  zu  grossem 
Schrecken  als  verloren  gemeldet,  sodann  zu  überraschender,  ja  betäubender 
Freude  als  gewonnen  angekündigt.  In  Furcht  vor  schneller  Ausbreitung  der 
französischen  Truppen,  wie  vormals  über  Provinzen  und  Länder,  machten  Bade- 
gäste schon  Anstalten  zum  Einpacken  und  konnten,  sich  vom  Sehrecken  er- 
holend, die  unnütze  Vorsicht  keineswegs  bedauern." 

Die  Nachricht  des  Sieges  erfuhr  Goethe,  wie  es  scheint,  durch  den  Minister 
V.  Marschall,  doch  war  der  Bericht  noch  unvollständig;  genaueres  meldete  am 
22.  V.  Luck,  zugleich  aber  verlautete,  dass  die  Nassauer  zahlreiche  Verluste 
erlitten  hätten.  Und  in  der  That  waren  diese  bedeutend;  denn  da  sie  zwei 
der  am  meisten  gefährdeten  Punkte,  das  Schloss  Hougomont  und  den  Hof  la 
Haye  Sainte,  zu  verteidigen  hatten,  und  gegenüber  wiederliolten  kräftigen 
Angriffen  ihre  Aufgabe  glänzend  losten,  so  waren  viele  tapfere  Männer  gefallen 


=•"•♦)  Verordnungsbliitt  1815,  No.  20.  —  *"^)  S.  den  Titel  in  dem  Abschnitt  10,  Lektüre. 

*"*}  DüB  Tagebuch  erwiUtiit  diese  ersi  am  30.  Juni,    dabei   den  Grafen   Henoket.  Obrigen» 

Jwar  die  Einquartierung  von  Wiesbaden    in   dieöern  Jiihre   nitht   bedeutende     Der  Oberbefehl«- 

iltAber  der  mittelrheiriiBchen  Armee^  Feldmiirs^hiiU  Barcliiy  de  ToUv«  hatte  den  Befehl  erlaägei^ 

a«ia  die  rheinischen  BÜder  während  der  Badezeit  von  aUer  Einquartierung   verschont    bleiben 

•oUten.    Wiesbadener  Wocheiihlatt»   Bekanntmachung   vom   20.    nnd  27.  Juni  1815.     In  Ober- 

leingtiaimung  damit  weisen  dio  KinquartierutigHhiten  dei  Künigl.  ätaataarphivH  dahier  fflr  Wiefl« 

baden  nur  wenige  einquartierte  OfÜ^tere  und  Süldateo  auf. 


148 


oder  tervmidet  wordeu;  aber  wie  gross  die  Yerlutte  warea,  koonle  iofol  «I 
l^t^^t^ltt  werdeo^^  und  ao  schwebte  man  noch  T&fe  lao^  zm!»ehen  Furcht  i 
Doff&ütig.  Qoethe  nahm  an  dieaeu  Sorgeu  Anteil;  er  seb reibt  am  fiu  iii 
Meyfr:  itDie  grosseo  Nacbnchten  des  Yerlosras  erat^  dann  des  Oewinm  M 
hier  hollig«  D^r  Ifasäauer  eiuseloe  Leiden  und  Sorgen  teilte  maa  laäta 
Tl^*  Kaelidem  am  27.  das  ytieueate  Bulletin  vorgerückte  Ilaupft^aKtiq 
ganiiddet  Imiin^  erfährt  er  am  30,  durch  deo  Kammerberrii  f.  Naaeod 
,geaau«re  Relatiiin  der  grik^ea  Schlacht.^ 

Damit  war  för  Goethe  die  Bescbaßlgung  mit  Politik,  soweit  e»  d«t  * 
batli    erkt*iiaeix   läsat,    eräehopft;   er   kehrte  zu  seiai^r  ^wobnlicbeQ  IMfirf 
tiiliick,  dti9  der  WisseQ^chaft  und  Kunst  gewidmet  vran  V 

6,  Wir  wisten,  dass  der  Eriberzog  Karl  am  herao^Ilcben  IMb 
Biebtieh  nuiieren  Dichter  gesehen  hatte«  Dies  gab  ihm  die  VeraoläiMif 
«uk«T  GiaUdttsg  nach  MatEi^  der  Goetbe  am  18.  Juli  Fo%e  lernt eie.  Bs  i 
Tafel  werden  noch  Leute  aus  ddip  QoAljge  der  kaisertieben  Hobdt  gfii 
«M,  Qiat  dturn   m  Aaaflag  auf  deo  Johaoni^berg,   der    «xn    folg«ad#i  % 

mdel  wurde.     Aueb  den  Ob^wteo   ^CbeTsfier^  da  li 
Qo0lke  damab  n  Matta. 

7.  Di«  Fahrt  auf  deo  Jobannisberg  am  19.  Juli  mmchteßmAiti 
für  die  Gesdikhte  dies  Scbkissca  deiikwütt%eii  Vorgaiiga.   \ 

g«itift«fc  1 106^  hatte  mA  aafopga  ra«cb  an  eiaer  grvii 
MiaivittMlialt  ttad  Tv&A  dar  Zaekt  braehtn  m 
r,  dass  der  ßribsdicf  Daaid  roa  Miisa  (1S5S — 15^)  « 
mTicbM%  Md  ak  aiieb  in  der  Fol^e  die  Terhltanaw  a^ 
«ekien  es  gecaleii  sich  lieb^  des  fanxen  Be^txes  ma  entla« 
iw  PUda,  Koutaatiii  t,  bttkr.  wie  J^iuanliei^  dm  Bi 
a]i§i4ürig  aad  Ptfinas  dessdbeii  m  DevtaeUaad,  betcUni 
Abc«  xa  «rwerbcfi  wää  kaafte  sie  am  20  Jui  ITie.  Daa  ä 
Staad  aber  tikxtm  er  ak^t  wieder  uräck^  Mwlcia  b«faiQi  akbttld  aa  dir  Sl 
dir  Ptattrgtbaade   eia  S^Aom  n 

it»  liiiain  warde.    Uat«r  dec  Fai^tsehMTa 


149 


Hügel  übertragen.     Nach  den  Wiener  Verträgen,  Artikel  51   der  ICongros»- 
nkte,   und  dem  Vertrag  vom  12.  Juni   1815  zwiachen  (iaterreieh  und  Preusaen 
ging   da«  Schloss  in   das  Eigentum   des  Kaisers  von  Östorreicli   über,  und  der 
^Jlrzh erzog  Karl  erhielt  den  Auftrag  Besitz  von  demselben  zu  ergreifen,     Dieöer 
Vernatnite   darauf   den    Geheimerat   Paul    Anton    v.    Handel    zum    ^Obernahme* 
Kommißsarius*^   mit   dem  Auftrage  die  Übernahme  am  19.  Juli    1815  zu  voll- 
Blieben.     So  begab  sich  derselbe  in  Begleitung  mehrerer  Offiziere  und  Beamten 
^^au8  der  Umgebung  dea  Erzherzogs  an  dem  bestimmten  ^J^ag  an  Ort  und  Stelle: 
der    bisherige  Kellner    Pater  Arud    legte   die   letzten  Rechnungen    und   die  In- 
Byentare   vor   und   empfing   die  Bestätigung  seines  Amtes,   worauf  die  Besitzer- 
greifung Namens    des  Kaiserhauses   ausgesprochen  und  zum  Zeichen  derselben 
»das  kaiserlich  österreichische  Wappen  au  das  Hauptthor  augeschlagen  wurdc.'**^) 
Diesem   Akte   wohnte   Goethe  gemäss   der   Einladung   bei    und  berichtet 
darüber  im  Tagebuch  in  der  gewohnten  Kürze;  nach  der  Übergabe  wurde  von 
den   Anwesenden   ein    Spaziergang   um   den    Berg  gemacht,    wobei    der  Pater 
Arüd  den  Führer  und  „über  die  Kultur  desselben*  Mitteilungen  gemacht  haben 
Hivird.     Daran  schloss  sich   ein  heiteres  Mittagsmahl     Als  Teilnehmer  au  dem- 
~  selben  haben  wir  die  in  dem  Tagebuch  genannten  Personen  zu  denken:  den  Herrn 
^v.  Hügel,   den  Grafen    v.  Weatphalen,   wohl   den    k,  k.  wirküclien  Geheimerat 

■  Clemens  August   (1754 — -1818),    den   Generalfeldmarschall-Lieutenant   Gottfried 

■  Freiherrn  v.  Strauch,  Vizegouverneur  der  Festung  Mainz,  den  Geheimerat  Paul 

■  Anton  V,  Handel**),  später  Direktor  der  Bundespräsidialkanzlei,  den  Regierung«- 

■  rat  Joachim  Kleyle  aus  dem  Hofstaat  des  Erzherzogs  und  den  Adjutanten  des- 
■selben^  den  Obersten  Karl  Freiberrn  v.  Gudenau."^)  An  den  Grossberzog  von 
B  "Weimar  berichtet  Goethe  darüber  also*^):  „Nach  vollbrachter  Übergabe,  nach 
^  einem  Umgang  um  Schloss  und  Burg,  sodann  einem  heiteren  Mittagsmahl,  die 

Gegend  immerfort  bewundernd,  sah  ich  dann   den  kaiserlichen  Adler  über  den 
alten,   in  Eisen   gegossenen   fuldischen  Kreuzen    schweben    und  also   auoh  den 

I Besitz  dieses  merkwürdigen  Erdpunktes  entschieden.**  Entscfaieden  aber  war 
er  nun  doch  nicht  völlig;  denn  am  G.  November  1816  ging  er  durch  kaiserliche 
Schenkung  an  den  Fürsten  Metternicb  als  ein  volles  Eigentum  über  mit  dem 
Zusatz,  dass  das  Gut  unter  kaiserlicher  Oberherrlichkeit  bleibe  und  jährlich  ein 
Kanon,  bestehend  in  dem  Zehnten  des  Weiuertrags,  entrichtet  werde;'^\) 
Der  19,  Juli  war  für  Goethe  noch  in  anderer  Beziehung  wichtig  und  er- 
freulieh;  an  diesem  Tage  erhielt  er  durch  eine  Zeitungsnotiz  die  Nachricht,  da«is 
der  Kaiser  von  Österreich  ihm  das  Kommaodeur-Kreuz  des  Leopoldsordens 
j,     am  28.  Juni  zu  Speyer  verliehen  habe.     Die  Nachricht  davon  empfing  er,  wie 

■  es  scheint,  noch  zu  Wiesbaden  durch  Herrn  v,  Hügel     AU  er  sich   dazu  be- 


I 


^  Oli€r  die  Oeiclüohle  des  JoKaonbbergei  handelt  saoh  Utcreo  und  eigeotn  FotböH' 
imgim  ui  frQiidlich«r  Webe  der  Archivar  Habet  in  dem  Berichte  der  KomtniJision  der  nnM. 
Stände  tvr  Untersttofanng  der  sUuitarechUichen  VcrhlltnisBe  dei  Schlosei  Johannijiber^  vom 
15.  Min  lS49f  m  populirer  DartteUung  Zw  enger  in  der  Zeitschrift  HeMenland  1kh9,  H.  IHd^ 
20O  n.  2a^  und  K.  Braun  in  «einer  Art  in  den  «Bililem  «oa  der  deotachcn  Kleinaümterei  t, 
tm  fL  -  ^*  DmM  Tagebuch  »chretbt:  Heg.  H,  Ueiick#L  —  *""}  Rbeoda  beiaü  er  Um.  Adj. 
Bar.  Otttlienaa.  -  •••)  O.  Jahn,  UiMlhis  Brtefe  an  Voigt,  8.  53X.  —  •»*>  BaUel»  a.  •*  O.lkM. 


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«.  lAe  Lftiareis«  am,  21^  32L  od  SL  MP^^   war  a^isr 

me  'J^üsMczrrä.  Cctait^  ^f^rioatHL  xui  nü  irm  zrTHiBaHim*£Ü  nrr^nwmitrr    ^^lö 
■omdie    lenila«:   IL»annaä»   xui  FÜTW^äc:    sieä   Ttsr&enat  s&    w  ioL   umer    fie 

ww  v4fL  ihr  atlrm.   übt   xasür   <£e  k5i9ii«a  ELräsL    2sc   ä^   unöi:   lai^^iiiijixniisa. 
iJte  Tftz^Mttä  23IC  aar  öi7&%»ii  *ä«r  hnai  «ni^*»!  AjAeniip^f  u«r 
r^füig   ißtt  IAu»^   X3fi  i^uiKrcsL  Eräonöwe    hsr   äfüe.    lü^ai:   i^i^r    im- 
GL&«r  4»L  GtSfwiszL  la  Kfnaaiw  xui  Fm»w«tL  &*r  ^  m  vsrhMs^isa,  w^iv. 

Ijfe  Tfrufiiaiiii  iit  IS  är  n&  w\ial  >&  Emjsiifixnir   hi»  IFniMCg^  ^    5ci£bi 

Zk  4er  ■§■  II  itnjjiiigagg.  Exkxswft  srlcen  äe  Mseuaseeo.  Cruinr^  mc  Macämnc 
Gü«sfte  fe  LAfcB«s<ati  xäeäc  fciHiaL   xaif  <ar  kiimoe^  m*^  Er- 
4»  Jaäns  1772   3«a  &<äe&**it.    EmilnÄ  issa^   <r 
S«iaerkpäB«!&»L   6*?«Q:irx^g  isr^ii   tjn  Scnfiimy    •&» 
f«tt  dm  Erdkaxa^  K^  i&<r  f*»i  F^dxs^  ^hi  17>i  £*»n;KTHr  bHnunr 
Amt  (lfm  fcgig€g€h€ttett  Y&r>eääC  ?«oäKK  S3ti  iiiiL:«sr  £us;:«:2«H£e!L  Ki^r^eoL'^ 
ragefcqag  -ier  Lafcs  ▼»m  Wacciae'   ^ö   y.sr>ri!i£*.    xait 

t  4kt  Jj^iL  fior  &» 


151 


zu  führon,  ab  auf  ihre  sonstige  Brauchbarkeit.  „Ich  machte  die  Bemerkung, 
sagt  er,  dass  eine  gute  Militärkarte  zu  geognostiachen  Zwecken  die  allerdien- 
lichate  sei".  Nachdem  abo  der  Eatschluss  zu  der  Reise  gefaaat  war,  nahm  er 
eifrig  das  Studium  eben  dieser  Karten  und  von  Schriften  über  die  geognostische 
Beschaffenheit  dieser  aowie  ähnlicher  Gegenden  wieder  vor^'-),  um  sich  vor- 
I  zu  bereiten  und  Fragen  ateüen  zu  können,  deren  Lösung  er  dort  hoffen  konnte. 

y erfolgen  wir  nunmehr  an  der  Hand  des  Tagebuchs  den  Weg,  welche 
unsere  Reisenden  einschlugen.  Am  21*  Juli  fuhren  sie  über  die  Platte  nach 
Idstein,  wo  die  Kirche  und  das  Schloas  ihre  Aufmerksamkeit  erregte.  Das 
auf  einem  Felsen,  der  sich  in  der  Ebene  erhebt,  auferbaute  Schloas  steht  an 
der  Stelle  einer  älteren  Burg,  die  Graf  Ludwig  IL  (1602—1627)  im  Jahre 
IG  15  niederreissen  liess,  weil  sie  baufällig  geworden  war;  den  sofort  begonnenen 
Neubau  vollendete  sein  Nachfolger  Johannes  (1627 — 1677)  und  umgab  ihn  mit 
,  Gartenanlagen,  die  leider  verschwunden  sind.  Das  neue  Schloas  blieb  die  Resi- 
deoz  der  Grafen,  bia  Johanns  Nachfolger,  Fürst  Georg  August,  das  Schloss  zu 
Biebrich  erbaute  und  mit  ihm  die  Linie  Nasaau-Idstein  erlosch,  Graf  Johannes 
hatte  zugleich  die  Kirche  in  seinen  letzten  Kegierungsjahren  im  Innern  kunst- 
voll  ausbauen,  mit  Säuleuarkaden  von  Marmor  und  Gemälden  schmücken 
lassen. ^^^)  Von  Idstein  giag  es  nach  Oberselters^  wo  eine  minder  bedeutende 
Mineralt|uelle  ist,  dann  nach  dem  berühmteren  Niederaelters;  über  die  Ver- 
hältnisse der  Orte  gaben  der  Verwalter  Münz  und  der  herzogliche  Brunnen- 
kommissarius  Alexander  Westerraann  Aufschluss.^^*)  Die  Nacht  brachte  raau 
in  dem  Dorfe  Blessenbach  (nicht  Plessenbach,  wie  das  Tagebuch  bietet)  bei 
dem  reformierten  Pfarrer  des  Ortes  Johann  Jakob  Mess  zu;  vielleicht  besuchte 
man  auch  am  Abend  die  Dachsehiefergruben,  die  damals  noch  betrieben  wurden. 

Am  22,  Juli  kehrte  man  durch  die  waldreiche  Lange  Hecke,  die  dem 
Dorfs  den  Namen  gegeben  hat,  nach  Langhecke  zurück;  man  war  am  vor- 
hergehenden Tage  an  ihm  vorbeigefahren,  wahrscheinlich  weil  der  arme  und 
kleine  *)rt  kein  geeignetes  Nachtquartier  bot.  In  der  Langen  Hecke  gab  es 
viel  zu  sehen;  es  wurde  dort  Dachschiefer,  Blei  und  Eisen  gewonnen,  letzteres 
auch  verhüttet.  Der  llütteuschreiber  Eppstein  gab  Mitteilungen  über  daa,  was 
^seines  Wissens  war;  der  Betrieb  der  Gruben  reichte  zum  Teil  in  sehr  frühe 
'Zeit  zurück. ^*^)  Am  Mittag  fanden  sich  der  Pfarrer  Meas  und  der  Brurnen- 
kommisaar  Westermann  wieder  ein.  Dann  fuhr  man  nach  Limburg,  wo  der 
„rote  Ochse**  Nachtquartier  gewährte.^^*^)  lu  einem  Briefe  an  »eine  Frau 
vom  8.  August  vergisst  Goethe  nicht  zu  erwähnen,  dass  die  Lange  Hecke 
, berüchtigt  sei  wegen  Schinderhannes  Fluch twinkel*' ;  und  io  der  That  war  die 
f  Gegend  von  jeher  berüchtigt  und  gefürchtet,  weil  sie  oftmals  einzelnen  Räubern 


*^*)  Wir  haben  sie  oben  S.  tl2  erwähnt;  die  vollständigen  Titel  a.  in  Abschnitt  10, 
Lektürfii  schon  Ende  Juni,  dann  vom  14.  Juli  an,  —  '*'*)  Eizhnuh,  Einige  Naohrichten 
von  der  Stadt  IJätein.  Programm  des  GymnaBinma  zu  Iditein  17S7,  Ö,  35  flf.  W,  Ctiotz, 
Die  Kiriihe  zu  Idstein,  1868.  —  *^*)  Über  den  Brunnen  am  Ende  des  vorigen  JafirhuDderta 
vgl.  Sohlozers  Briefweohsel  IV,  22,  S,  275  u.  VIII,  43,  S.  IL  —  **^)  Vgl.  Wencken- 
bacli,  Beschreibung  des  Bergrevier»  Weilburg,  187U»  8.  114,  122,  135  ff*  —  *»**)  Jetzt  im  Be- 
aiU  der  Witwe  Kunigaberger  iL«derbandlung;,   »ohrfig  der  Post  gegenüber. 


ISS 


ttod  ganidQ  Banden   eine  Zufluchtätätte  geboten  hatte.     Der  bekaoiii 
hauptmaDD  Schrnderhaooes  (Johann  Bückler)   wurde   bei    WoIfenhaEsen 
Nübo  des  Dorfes   Laoghecke  am  31,  Mai    1802   gefangen   genommdü 
21.  November  1802  mit  mehreren  seiner  Qenosaen  zu  Mainz  hingerii 
wird  auch  von  ihm  und  seinen  Tbaten,  über  die  vieles  Schreckliche 
lieiteres  umlief  und  noch  jetzt  ensahlt  wird,  in  der  Mittagageßelbchart 
^^ewesen  seia,**^ 

Der  23.  Juli  führte  von  Limburg  nach  Nassau.  Zuerst 
Tiigebiieh:  »Preusüiseh  Militär'^;  seitdem  Preussen  im  Besitz  von  K 
dem  Rheinland  und  der  Stadt  Wetzlar  war,  bedurfte  ea  etoer  £ttt| 
£#  Wide  Landesteile  verband;  diese  war,  ho  lange  das  Hersogtni 
bestand,  die  Strasse  an  der  Lahn  und  berührte  Weilburg,  Limburgs  Di 
Tuseren  Reisenden  begegneten  also  preussische  Truppen^  welche  zu 
Weitlar  bestimmt  waren.  —  Dann  gelangten  sie  nach  Holzappei, 
Bilsiif  daon  nach  dem  kaiserlichen  General  Peter  Heiander,  Grafen 
appel,  der  die  Herrschaft  im  Jahre  1643  gekauft  hatte^**),  Hulzappel 
Uohapfel)  genannt.  Hier  empfing  sie  der  Bergkommissür  Schreiber^ 
oaeli  der  Silberschmehe"*)  geleitete  und  nachher  freundlich  bewin 
deutend  und  anregeud  müssen  die  Gespräche  über  daa  «Yerschieben 
ttnd  Aedres  Geologisches*  gewesen  seio,  zumal  da  hier  der  T< 
gediegeoea  Buches  darüber  damals  sich  aufhielt,  das  Goelbe  zu 
geleMa  katte.  Darüber  bemerkt  Goethe  in  den  Annalen:  ,Iq  Holzapfel 
bei  Gelegenheit  des  dortigen  höchstmerk w^ürd igen  Ganges,  kam  Werneft  Hl 
der  Batatehnag  der  Gange  (von  1791)  zur  Sprache,  ingleichen  dee  dort  i 
B  Teraehiebung  der  Gänge  (von  1810).*^)  Diese  ricl 
wo  oft  belraeht^e  und  immer  geheimnissvoll  bleibende  £rtscbeti 
vor  die  Seele,  und  ich  hatte  das  Glück  im  Labnlbal 
Abtei  ungeflUir  ge^nüber  [Arosteia],  auf  einer  ver] 
ilaitea  mit  kreuzweise  lattfeadeo  neb  mehr  oder  weniger  Tendni 
daa  Qmngiagea  m  fiadea,  wo  das  GruodpUUiQnieB  mit  den  Augen  ges^ 
mm  aaeb  aicbt  begrUTaa«  aeeh  weniger  aaigespreeben  wenleu  kann. 
BHrtfaaang  der  aa%ebobeaea  Abtei  Araalein  bei  aas  eeh^o  in  ,die  L 
«ehtucbten^  hinabgefilhft^O;  fiiat  adieint  «§,  ab  ob  aber  den  wi^aei 


IdiMerteaat«,   1891.  ^  ^  Tegel, 
.  ^  n«.  —  W,  Uef eiaaa«  Piter  MtlaadOT,  BtUmgni  m  Balaapp«!,    1881,  t 
-  «^  thm  4le  Btol-  aal  figteMüea  4^MAm  Mie  4m  hmchnSbrna^  der  Bcr^m^im 
Ota,   ie»3^  8.  loa  -   >*)  8Me  ^iMtkaüt  OK  Ltkiara»   I4^    hm   17«  im 

iter  Ott»   w  aoüte  ai^ifkl  iMte  (iwsL  &  hS^  jilii  OeaüeiHak«! 
m  mmm  SeUsekt  umktkm  c««i  8w|«a  hm  CümkaT.    Ut 

Or«a4  m  sa  Wiaalftla  ^,  m  katm  Av  Iciqpttskt  ^oa  fi >gthi 
rMlit  mU  aaoii  H  ifo  iweü»  fahareiw  tttS  IUIm.  alt  er  dmr^  4»  ,J 
ba^ttit;  ake  b  dia  3$.  JeK  ISIS«  wm  ^Mim 
raiaa  aioki  fMfrMMa  liw^^^  ttaiai 
Ml«  Ami  er  Clirtiii  — lliitMii,  ia  er  ita  Wig  litü  m  Twm  larisklig^u    mmd 


153 


Beobachtungen  und  dem  Funde,  den  er  hier  machte^  ganz  vergeaeou  habe 
den  Blick  auf  die  aus  der  waldigen  Eiosanikeit  plötzlieh  hervortretende,  prächtige 
romaoiache  Kirche  von  Arnstein  zu  werfen,  da  er  ihrer  nicht  weiter  gedenkt. 
Mit  der  Ankunft  in  Nassau  war  das  Ziel  der  mineralogischen  Seite  der  Lahn- 
reise  erreicht;  die  Wege  der  Reisenden  werden  sieh  hier  getreiint  haben,  iiidem 
Cramer  den  Heimweg  antraf,  Goethe  nunmehr  zu  dem  Besuche  des  Ministers 
V.  Stein  sich  anschickte.  Doch  werden  die  ünterhaltungou  vor  der  Trennung, 
am  Abend  des  23.  und  am  Morgen  des  24,  Juli,  noch  einmal  das  „Verw*erfeo  der 
Gänge"  aufgenommen  haben,  wie  aus  den  Bemerkungen  des  Tagebuchs  zu 
schliessen  ist;  die  letzte  Notiz  des  23.  heisst:  ^Theorie  des  Gang- Ver Werfens", 
die  erste  des  24.:  „Verwerfen  der  Gänge/ 

9.  Über  den  Besuch  bei  dem  Minister  v.  Stein  waren  wir  bisher 
ebenfalls  nur  ungenügend  unterrichtet;  nicht  einmal  wie  es  dazu  gekommen,  wusste 
E-  M.  Arndt  richtig  anzugeben''^'},  wenn  er  sagt,  Stein  habe  zufaltig  gehört, 
dass  Goethe  auf  einer  Lahnwanderung,  die  er  blos  zur  Erinnerung  an  die  frühere 
unternommen,  in  Nassau  rm  Löwen  abgestiegen  sei:  „er  [Stein]  flugs  in  den 
Löwen  und  holt  und  zwingt  den  Sträubigen  in  sein  Schloss  hinauf.*^  Nein, 
lieber  Arndt,  so  war  es  nicht,  wie  uus  das  Tagebuch  meldet.  Die  vorausge- 
gangene Einladung  Steins  haben  wir  oben  angeführt  und  auch  den  wissenschaft- 
lichen Zweck  der  Reise  genugsam  erkannt.  Und  am  Morgen  des  24.  Juli  kam 
nicht  Stein  zu  Goethe,  um  ihn  abzuholen,  sondern  dieser  Hess  sich,  wie  es  sich  wohl 
geziemte,  bei  dem  Minister  anmelden,  machte  dann  einen  Spaziergang  „übers 
Wasser",  da  die  jetzige  Kettenbrücke  noch  nicht  erbaut  war,  und  durchwanderte 
die  dortigen  Anlagen  auf  dem  Gebiete  der  Burg  Stein.  Ein  „eintretendes  Ge- 
witter verpasste*'^)  er  im  Adler."  Dann  begab  er  sich  in  das  Schloss  des 
Ministers. 

Wie  die  beiden  grossen  Münuer,  der  grosse  Dichter  und  grosse  Staatsmann^ 
beide  zu  jener  Zeit  ohne  Zweifel  die  grössten  Deutschen,  die  aber  so  ganz 
verschiedene  Vergangenheit  hatten,  so  ganz  verschiedener  Thätigkeit  und  auch 
religiöser  Anschauung  waren,  damals  sich  entgegengetreten  sein  mögen,  jeder 
des  anderen  Grösse  achtend,  Stein  ausserdem  als  Hausherr,  der  den  Gast  ge- 
laden, doppelt  zuvorkommend  und  fast  seine  eigene  Natur  verleugnend,  das 
können  wir  der  Schilderung  von  E,  M,  Arndt,  der  sie  bald  darauf  zu  Köln  zu 
beobachten  Gelegenheit  hatte,  entnehmen;  als  er  mit  Eichhorn  im  Dom  zu  Köln 
Stein  begrüsst  hatte  und  sie  nun  Goethe  vor  dem  Dombild  stehend  erblickten, 
sagte  Stein  zu  ihnen:  „Lieben  Kinder,  still!  still!  nur  nichts  Politisches!  das 
mag  er  nicht;  wir  können  ihn  da  freilich  nicht  loben,  aber  er  ist  doch  zu  gross!* 
, Wunderbar,  fährt  er  fort,  gingen  die  beiden  deutschen  Grossen  hier  neben 
einander  her  wie  mit  einer  gegenseitigen  Ehrfurcht,**  Und  weiter:  ^Ich  kann 
mir  denken,  wie  die  beiden  Reisegefährten  jeden  Zusammenstoss  vermieden j  es 
war  gewiss  die  äsopische  Heise  des  steinernen  und  irdenen  Topfes.  So  gingen 
sie    auch    in    Köln    neben    einander    hin    mit  einem  zarten   Noli    me  tangerc. 


"*)  E.  M.  Arndt,   Mein©   Wanderungen    und    Wandelungen    mit   dem    Reiehafreiherrn 
▼.  Stein,  1858,  S.  225.  —  '^")  Über  Tcrpassen  s,  oben  4$.  138,  Anw.  268, 


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Swziiirtn    Z'i   TirWi     7.-.    -         i  ."    i-".      .::       t*-:      .:     .  -   3  l-tj     7.:  --  :_;.— 


Traf  imier  «irn    !•*!    1 1."  i  2  - 1   :  *  ~    : 


1BB 

fcne  Famitie  dm  Ministorä  beaiand  damals  aus  Beiner  Gattin  Wilhelmiae, 
geb,  Gräfin  v.  WallmodeD-Giniborn,  mit  der  er  nunmehr  22  Jahre  verbunden 
war  und  ein  glückliches,  aber  vielfach  durch  Staatageschäfto  ußil  die  Achts- 
erklärung Napoleons  gestörtes  Leben  geführt  hatte,  uod  zwei  Töchtero,  von 
dcDen  die  altere  damals  19  Jahre,  die  jüngere  12  Jahre  alt  war^  anwesend 
war  ausserdem  eine  Frl.  v.  Walmoden  und  (am  29.  genannt)  eine  Fr.  v.  .  .  ., 
deren  Name  Goethe  entfallen  war;  sie  war  eine  geb.  Gräfin  Brühl. 

Die  Burg  Stein,  am  Fusse  der  Burg  Nassau  gelegen,  da,  wo  jetzt  das 
Standbild  des  Reichsfreiherrn  steht,  bildete  einen  beliebten  Spaziergang  der 
Familie;  schattige  Wege  liefen  zwischen  den  belaubten  Bäumeu  hin,  und  seit- 
wärts edte  in  der  schmalen  Wiese  der  Miihlbtich  dem  Wasser  der  Lahn  zu. 
liier  hatte,  ak  im  Herbste  1814  endlich  die  Rückkehr  des  Schlossherrn  bevor- 
stand j  ein  alter  Maurermeister,  vor  langen  Jahren  des  Ministers  Spielkamerad, 
durch  mühevolle  und  kunstreiche  Zusammenstellung  von  Steinen,  Moosen, 
Blumen  und  Zweigen  die  Thaten  und  Leiden  der  jüng^iten  Feldzüge^  den  Brand 
Moskaus,  die  Leipziger  Schlacht  u.  s.  w.  bildlich  dargestellt  und  Steins  Wappen 
und  Namen  und  wohlverdiente  Kränze  an  versehiedeuen  Stellen  angebracht. 
Als  Stein  diese  seine  Verherrlichung  erblickte,  geriet  er  in  Zorn  und  wollte 
alles  sogleich  wegschaffen  lassen;  erat  die  Fürbitten  seiner  Schwester,  Arndts 
und  andrer  Gäste  brachten  es  fertig,  dass  er  erlaubte,  dass  Wind  und  Wetter 
das  Werk  des  treuen  Manrermoisters  zerstören  durften.'**) 

Hier^  auf  der  Burg  Stein,  scheint  der  Minister  Goethe  den  Vorschlag 
mit  ihm  nach  Köln  zu  fahren  und  ihn  zugleich  mit  seinem  Wunsche  bekannt 
gemacht  zu  haben,  dass  Goethe  eine  Denkschrift  über  Kunst  und  Altertum  in 
den  Rheinlanden  ausarbeiten  und  dem  Fürsten  Hardenberg  einreichen  möge, 
wie  wir  schon  oben  bei  Boisseree  dargelegt  haben.  Goethe  ging  darauf  ein, 
und  80  unternahm  er  in  der  „ehrenden  Gesellschaft  des  U,  v.  Stein"  die  Heise 
nach  den  niederrheinischen  Städten  Köln,  Bonn  u.  s.  w.,  die  wir  hier  übergehen 
müssen.  Am  25.  Juli  sagt  das  Tagebuch:  „Mit  H,  v.  Stein  zu  Wagen  bis 
Erna,  ferner  bergan  und  bergab  bis  Thal  Ehrenbreitstein,  [von  da]  im  Nachen 
abwärts**  u.  s.  w.  Nach  einer  mehrtägigen  Abwesenheit  trafen  spät  am  Abend 
des  28,  Juli  unsere  Reisenden  wieder  in  Koblenz  ein.  Am  folgenden  Tage 
veranstaltete  der  Präsident  des  rheinischen  Keviaionshofes  von  Meusebach^  der 
früher  in  Dassau-oranischen  Diensten  zu  Dillenburg  geweseu  war,  ein  Frühstück 
/M  Ehren  der  beiden  Männer  auf  der  Carthause,  wozu  hervorragende  Person* 
lichkeiten  von  Koblenz  geladen  waren;  doch  die  Hoffnung  desselben  Goethe 
näher  treten  zu  können  verwirklichte  sich  nicht  da  dieser  zu  sehr  mit  den 
mineralogischen  Funden  besehäftigt  war,  die  ihm  von  einer  Art  Famulus  zuge- 
tragen wurden;  er  mochte  wohl  auch  an  Meusebachs,  in  der  Art  Jean  Pauls 
nach  künstlichen  Gedankensprüngen  haschender  Unterhaltung  keinen  Gefallen 
finden.  Meuaebach  war  von  dem  Znaammensein  mit  Goethe  höchst  unbe- 
friedigt/") 


^'•*)  Arndt  a    a.  0.  S,  222  ff.    —  ^'*)  Dae  Tagebtioh    iionnt  ihn   Meusburg.     Über  ihn 
vgl.  Anntden  des  nnss,  AlteriumairereinB  XX!|  -43  E  und  XXllj  1  0*.,  beßondors  8.  8. 


IM 


NaühdifPnmn  am  20.  in  Nassfiu   wieder  angelangt    war^    blieb 

rälireud  des  Tages  ganz  ia  dem  Ilause  des  MI  nistete 
Tagebuch  bonchtet:  „Mit  der  Familie  gespebL  Schüs  Gemälde.'^)  AÜial 
Thm  boy  Fr.  v.  Htein^  und  am  30.:  ^Im  (xiirten  mit  Hrn.  v,  Slein  uo«}  4^ 
IlameQ»  Oei^procbon  uitd  Gontradtoirt.  Mittag  FamilieDlafeL  SpaztergAag  ri 
don  Damen  in  ein  Thal  über  dem  Waasier  [Müblbachthäl].  Thee  und  Ami 
bei  Fr  V.  Stern.  Prusfident]  v.  Motz  m  Diez/^")  Und  am  31.:  ,,Oapmekt.  IG 
Hm,  T,  Stein  and  Motz  ioi  Garten*  Dazu  die  Damea.  Abachied*'^  Der  RU 
DrG!g  führte  aaoh  Bobwalbaeh^  wo  Goethe  ao  der  Tafel  den  0r.  Hat^feld,  Hü 
Gantard  mit  Familie  und  t.  Oppel  aua  Sacbsen  traf,  vom  da  Dach  glücklidü 
Fahrt  an  der  Nonnenmühle  vorbei  nach  WiesbadeB.  Uoterwegw  tiberdftefal 
er  die  Au^afbeitung  der  Denkschrift  über  die  Kunstschätze  am  Main  und  Jthm 
die  ihti  demBäohst  noch  weiter  beachäftigen  sollte  in  Gemeinschaft  mit  S.  Boiiseril 
In  ^Vleshaden  fand  er  viele  Briefe  und  Packete.  Das  Tagebuch  achltosst  i$ 
Bdrieht  über  den  Verlauf  des  Tages  mit  d^n  Worten:  «Aoagepackt,  Eingi 
rieht©*.'  Am  !0*  September  richtete  er  an  den  Minister  einen  Brief,  derwol 
eiae  Mttl4^ilnng  über  das  Ende  der  Heise  und  einen  Daok  filr  die  &eiaJid]Kli 
Aabahmo  enthalten  hats. 

Denn  von  dieier,  sowie  von  dem  Gewinn  des  Zusainmettäeitia  mit  4m 
Il^chafreifaerni  war  er  sehr  befriedigr.  An  den  Gebeimerat  t,  Yoigt  »chriil 
er  am  L  August  daröber  aUa:  .(Die  achttägige  Bebe)  war  aelir  fracfatbar  m 
T«tfiiiSg«ii  und  Belehrung.  Oass  ich  mit  H.  v.  Stein  in  m  nahe  Berükniii 
gekräinifD,  141  fSr  mjefa,  tu  ftetfacbem  Smne.  hdehst  bedeuteud  und  e^  crgelm 
iidl  aus  die«Mi  Anfange,  f^r  mich  und  für  andre,  gewiss  erwünsehte  Fotgoo«^^ 


Ifl,  Lektüre. 

Ei  dvcbeiiit  iwet^kma^ig^  um  die  LekTüre  Goethes  während  MW 
Alfealbalts  m  Wie$ba«kn  teiclit  tu  über^hauen,  die  Bücher  oder  geecfariebiM 
AiifietrhBungeit.  welche  er  in  dem  Tagebuch  nennt,  Ta^  für  Tag  fuaamnia 
üiHiltui  Wir  geben  die^  ZusammeosteUung  im  Folgenden  mit  Zufugring  di 
SritemahL  «nief  welcher  in  diesem  Anätze  jede  Sehrilt  erwilmt  wird. 


1814. 

IXmneT^fai:  den   4,  AufUi§^i:    ^Bi\\sehüre:  Adresse  an  die  Oermanea  # 

iiakefi   Kbeinufer»^.     Der   indle   Tiiel   i^:    Europa   ia  Bemg  auf  den   Friela 

Adimwi    an  die  Germanen  de«  Unken  RbmaJefigL     Im  Mai  IS] 4.  (8.  8 

Fteüif  d^a  S.  Austisi:  ,Oito  dieRU»ehe  AbhandL^   S.  den  Titel  8,  118 

den  «>    At^ptöi!  ^<Hu  theiik  Statk,*  (8.   11 

^     ,  ,       ,Barhani«M«  Pala&iV  [S.   114,  11 


•^  Viilliiali  M  tliatHf  am   ftmkNmt  IMm  i:^    a 


K^l  w.  Hl 


T  Hl  tr  ^tm^  iM^a   5«.  5 


tl 


a,  %  m,  IS«.  Ili$  a^  all. 


157 


I 


Sonntag  deo  7.  August:  ^WiUemerB  Btreitschrift  gegen  die  Tbcater- 
diroktion«.  [8.  88. 

Montag  ilen  8.  August;  „Altenkirchon  von  Cramor'^.  [Ö.  109.  110. 

Dienstag  den  9.  August:  ^Verschiedene  Bücher  und  Broschüren**. 

Mittwoch  den  10,  August:  ^Hundeshagoo  Tempelherrn  Capelle  an  der 
Mosel**  [8,   115. 

Donnerstag  den  lU  August:  ^Almedingens  Heft**.  Über  dasaelbe  Hess 
steh  nichts  ermitteln.  [8.  117. 

„Sereniseimo  Aachen,  Sartorius  Recension**-  Die  Recension  des  Göttinger 
Professors  Sartorius  betraf  das  Buch  von  Weisse,  Neueste  Geschichte  des  Kunig- 
rachs  Sachsen  seit  dem  Prager  Frieden.  Bd.  III.  1764—1812,  und  ist  in  den 
Göttinger  Gelehrten  Anzeigen  1814,  No.  122,  8.  1209  ff.  abgedruckt. 

„Zelter  las  die  Jenaische  Recension  des  Werks  der  Frau  v,  Stael* : 
Madame  la  Baronesse  de  Stael-Holstein,  de  rAllemagne,  6  Teile,  1813  und 
1814,  abgedruckt  in  der  Jenaischen  Allgemeinen  Litteraturzeitung  von  1814^ 
No.  139—144,  8p.  161—206,  und  mit  ^  unterzeichnet.  [8.  80. 

Freitag  den   12.  August:  „Carte  von  Altenkirchen'*.  [S.   HL 

«Zelter.  Recension  fortgesetzt*.  8.  den  11.  August.  „Neueste  Stücke 
der  Minerva  Freyh.  von  8 — a  über  deutsche  Litteratur**  =^  Barbarei  der  deutschen 
Litteratur,  aus  den  ungedruckten  Memoiren  des  Freyh.  v.  S— a.  Minerva, 
1814,  1. 

Samstag  den  13»  August:  „Gernings  Carte  aufgezogen**,  Karte  des  Taunus? 
«Grosse  Stronikarte  des  Rheins**.  [8.  116. 

Sonntag  den  14.  August:  „Rheinisches  Ai'chiv*^.  So  hiess  die  Monats- 
schrift für  Geschichte  und  Lttteratur,  die  seit  dem  Jahre  1810  bis  Ende  1814 
N.  Voigt  (zuletzt  J.  Neeb)  und  J.  Weitzel  herausgaben. 

Freitag  den  19,  August:  p Berliner  Zeitung**. 

Samstag   den  20,  August:    „Lienhard  und  Gertrude*,   von  H.  Pestalozzi, 


4  Teile,  zuerst  gedruckt  1781, 

Sonntag  den  21.  August:  ^Lienhard  und  Gertrudc". 
Montag  den  29.  August;  Englische  Karte* 


|S.  120. 

18.     . 


1816. 

Mittwoch  den  31.  Mai:  „Tavernier**.  Joan-Baptiste  Tavernier  (1605—1689) 
machte  grosse  Reisen  im  Orient,  deren  Besehreibung  unter  dem  Titel  erschien: 
Les  six  voyages  de  J.-B*  Tavernier,  qu^il  a  faits  en  Turquie,  en  Perse  et  aux 
Indes   pendant    Tespacc    de  quarantis   ans   et   par   touteg   les   routes   que   Ton 
peut  tenir.    Paris,    3   vol.   4^    1676^1679,     Goethe  studierte   sie  und  machte 
i     Excerpte  aus  Bd.  I  und  II;  von  Tavernier  sagt  er:  „Protestantische  Franzosen, 
B  die  eultivirtesten  Mensehen,  die  es  je  gab.^     8*  die  Anmerkungen  zu  den  Noten 
und  Abhandlungen   zum  Di  van,    Weimarer  Ausgabe   (I,  7  der  Werke)  S.  285. 
^Vgl.  den  Text  der  Noten  u.  s.  vf.  S.  214  und  die  Annalen  1815.     tS.  164. 
H  Donnerstag  den  1,  Juni:  „Göttinger  Anzeigen**.  [8,  116. 

H  Samstag  den  3.  Juni:  „Göttinger  Zeitungen  1814"«  ^       „ 

H  Montag  den  5.  Juni:  „Göttinger  Zeitungen  1814**.  ^       „ 


168 


DiensUig^  deo  6.  Juni:  f,Göttinger  Anzeigen*^.  ^^^V  l^*  ''^ 

MittwcKrh  den  7.  Juni:  |,GöttingGr  Anzeigen***  ^ 

Donnerstag  den  8.  Juuit  „Gottingor  Anzeigen  n^i>tMiri".  , 

Freitag  den  9.  Juni:  „Tavernier*'.     S.  den  3K  Mai. 
Samstag  den  10.  Juni:  ^Göttinger  Zeitungen*.  j, 

8onQt»ig  den  IL  Juni:  „Napoleons  Reise  nach  Elba**,  „Tavernier*.  — 
Die  Ileiae  Napoleon»  behandelte  das  Schriffchen:  Napoleon  Buonapartc's  Reise 
von  Foutainebleau  nach  Frejus  vom  17*  bis  29.  April  1814.  Herausgegeben 
von  dem  zur  Begleitung  Napoleon  Buonaparte's  allerhöchst  ernannten  konigl. 
Preuas.  Commiftsarius  Grafen  v.  Truchseg- Waldburg,  königL  Preuss»  OberBten 
u.  8,  w.  Einzig  reehtmäsöige  Ausgabe.  Berlin  1815.  Sie  ist  bald  darauf  tu 
das  Französische  übersetzt  und  später  neu  herausgegeben  worden  von  J,  Alex* 
Froih.  V.  Helfert,  Napoleon  L  Fahrt  von  Fontainebleau  nach  Elba  April  bis 
Mai  1814,  Mit  Benutzung  der  amtliehen  Reiseberichte  des  kaiserlich  öster» 
reichischen  Commissars  General  Koller.     Wien,   1874.  [S.   147. 

Montag  den  12,  Juai;  „Werck  des  Ensherzogs*.  —  ,Taveruier",  —  Grund- 
sätze der  Strategie  erläutert  durch  die  Darstellung  des  Feldzuges  von  1796  in 
Deutschland.    3  Bde.    Wien,  1814.  [8.  101, 

Dienstag  den  13.  Juni;  »Erzh.  Carls  milit.  Schrift.**  —  -„Tavemier  Diamant- 
gruben^.  In  Tavemiers  Werk  ist  die  Gewinnung  von  Diamant  ausführlich 
behandelt, 

Mittwoch  den  14.  Juni:  ^Leipz.  Lit  Zeittmg**.  —  „GöttiJiger  AnzeigcH^J^ 
—  ^Tavernier*. 


Mittwoch  den  21.  Juni;  „Göttioger  Zeitungen**. 


[8.  U6. 


Samstag  den  24.  Juni:  ^GöttiDger  Anzeigen  1812*.  »       # 

yUllmauns  Pranckenb.**.  —  Unter  diesem  Namen  ist,  sei  es  aus  Irrtum 
oder  durch  einen  Schreibfehler,  versteckt  das  Werk  des  Marburger  Profeasors 
der  Staatfiwissenschaftf  Berg-  und  Hüttenkunde  Job.  Chr.  Ulimann  (1771  hia 
1821):  Mineralogische  Beschreibung  des  Frauenberges  im  Oberfüratenthum  Hessen. 
Vgl.  Strieder,  liess.  Gel.  X\T  239,  XVU  394.  [8.  112. 

Samstag  den  25.  Juni:  «Gottinger  Zeitungen  1812^.  [S,   116. 

Mittwoch  den  28.  Juni;  ^v.  Hovel«  Gebirge  der  Grafschaft  M*irck*.  = 
F.  v.  Hövel.  königl.  Preuag.  Landrat  zu  Herbeck,  Geognostische  Bemerkungea 
über  die  Gebirge  in  der  Grafschaft  Mark  nebst  emem  Durohschnitt  der  Gebirgs- 
lagen, welche  daa  dortige  Kohlengebirg  mit  der  Grauwacke  verbrnden*  Hau* 
nover,  1806.     70  8.  4*.  [S.  112.  151. 

Donnerstag  den  29.  Jimi:  tiV.  Hovel*.  l»      »        n 

Freitag  den  30.  Juni:  „Beckers  Dillenburg*.  Gemeint  ist  das  Buch  vao 
Job.  Phil.  Becher,  mineralogische  Beschreibung  «ies  Westerwaldes,  1786,  oder 
mineralogische  Beschreibung  der  oranien-nassauischen  Lande  mit  einer  potm* 
graphischen  Charte  der  or,*niiÄS.  Lande  und  drei  Kupfern.  Marburg,  1789.  S\ 
Über  den  bedeutenden  Mineralogen  Becher  (1752^1831)  s.  Vogel,  Arohiv  der 
nass.  Kirchen-  und  Gelehrtengeschichte  L  S.  174  ff,  Gümbel,  Allg.  Deutsehe 
Biographie.  [8»  U 


159 

Sonntag  den  2,  Juli:  „AmusemenB  des  eaux  de  Schwalbach**.  =  MervilHeux, 
Ainusements  des  EaiLx  do  Schwalbacb,  des  Bains  de  Wisbaden  et  Schlangenbad 
U8W,,  1738,  und  deutsch:  Amusemens  des  Eaux  de  Schwalbacli  nder  Zeitvertreibe 
bey  den  Wasseru  zu  SchwnUmch,  denen  Badern  zu  Wisbaden  und  dem  Schlangen- 
bad  nebst  zweyen  lesenswurdigen  Erzehlungen,  darunter  die  eine  von  dem  Neuen 
Jerusalem  und  die  andere  von  einem  Theile  der  unter  Niemandes  Bothmaasig- 
kelt  stehenden  Tartarey  handelt.  Mit  Kupferstichen  versehen  und  aus  dem 
aösischen  ins  Deutsche  übersetzt.     Lüttich,   173Ü,  [S.  116. 

Freitag  den  14.  Juli:  „Schmidt  Verrückung  der  Gänge*.  =  Joh,  Chr. 
Leberecht  Schmidt^  Bergraeister  zu  Bickeu,  Theorie  der  Verschiebung  alterer 
Gänge  mit  Anwendung  auf  den  Bergbau,  Frankfurt  1810.  118  S.  8^    [8.  112.  152. 

Samstag  den  15.  Juli:  „Schmidt  Verschiebung  der  Gänge  1810**.   [i,      w       n 

Sonntag  den  16,  Juli:  ^Werner  Gangtheorie**.  =  Abrah.  Gottlob  Werner, 
Neue  Theorie  der  Entstehung  der  Gänge  mit  Anwendung  auf  den  Bergbau, 
besouders  den  Freiberger.  179L  Werner  (gb.  1749,  f  1817)  war  Bergbeamter, 
zuletzt  wirklicher  Bergrat  zu  Preiberg.  [S.  112.  162. 

Montag  den  17.  Juli:  , Werners  Gangtheorie**,  [«       «        w 

Dienstag  den  18.  Juli:  „Werk  des  Erzherzogs**.  [S.  (114)  150  f. 

Mittwoch  den   10.   Juli:    ^Erzherzogs   Werk.    Grundaätze  der   Strategie.'* 

fS.  (114)  150  f. 

Donnerstag  den  20.  Juli:  „Strategie  Zwischen  der  Sieg  und  Lahn." 
, Orientalisches**. 

Samstag  den  5.  August:  , Schreibers  Rheinreise*,  =  Aloys  Schreiber, 
Taschenbuch  für  Keisenden  am  Rhein  und  durch  seine  Umgebungen.  Heidel- 
berg, 1813,  [8.  116. 

Donnerstag  den  10.  August:  W.  Butte,  Grundlinien  der  Arithmetik  des 
Ischlichen  Lebens.     Den  Titel  des  Buchs  s.  oben.  [S.  97. 


tu  Eigenes  Schattetu 

1.   Divan. 

Die  Jahre  1814  und  1815  bezeichnen  bekanntlich  den  Zeitraum,  in  dem 
Goethe  den  grössten  Teil  der  Lieder  dichtete,  die  er  unter  dem  Namen  west- 
östlicher  Divan^^^^)  vereinigt  hat.  Die  Dichtung  des  Orients  war  ihm  in  früheren 
Jahren  nicht  fremd  geblieben;  die  poetisclien  Bücher  des  alten  Testamentes, 
namenthch  das  hohe  Lied,  den  Koran  und  arabische  Dichtungen  hatte  er  schätzen 
gelernt;  aber  eine  ganz  neue  Welt  ungealmter  Genüsse  und  Anregungen  er- 
wuchsen ihm,  als  er  J,  v.  Hammers  Fundgruben  (1809)  in  die  Hand  bekam. 
Es  begann  damit  für  ihn  ein  neues  dichterisches  Leben,  das  uns  die  köstlichsten 
Erzeugnisse  seiner  Lyrik  schaifeu  sollte. 


^^)  Divan  =  Satniulung  versohiedener  8tüfke  in  Prosa  oder  Poesie,  die  gewöhnlich  nach 
dem  Tode  des  Verf.  zusaiumengestelU  wurden.    Wurm,  Komiiientar  zu  Uoethee  weüt-ÖKtHohein 


160 


2. 

a. 

4. 

26.  Juni    II, 

-  II, 

-  II, 

1 
3 
4 

5. 
6. 

22.  Juli      I, 
~        IV, 

7 
1 

Im  Herbste  des  Jahres  1S13,  als  die  KriogsBtQrmc  an  Weimar  vorbei* 
gosatiBt  waren,  sehen  wir  den  nicbt  mehr  jungen  Mann  im  eifrigen  Studium 
der  Grammatik  des  Orients;  er  macht  Schreibübungen  mit  hebräischen,  83rri8cheii 
und  arabischen  Buchstaben,  verzeichnet  sich  Worte,  bemächtigt  sich  der  Dekli* 
nation  und  Konjugation.*'*)  Bald  versuch t  er  sich  in  eignen  Übertragungen  und 
Nachbildungen,  wobei  er  auf  gtuckliche  Weise  den  Reichtum  und  die  Anmut 
»einer  Vorbilder  mit  der  CTcdankcnfüUe  und  Tiefe  des  Occidents  zu  verschmels&eji 
weiss  oder  eigne  Wege  wandelnd  in  den  eignen  Schöpfungen  den  Glanz  des 
Urientfl  wiederspiegeki  lässt. 

Die  ersten  Lieder,  die  Goethe  in  den  Divan  aufnahm,  sind  im  Frühjahre 
1814  zu  Berka  gedichtet,  wo  er  das  Schwefelbad   von  der  Mitte  Mai   an    ge* 
brauchte,  dann  zu  Weimar  im  Juli;  von  den  datierten  gehören  hierher: 
1.    21.  Juni,      I,    8^'*):  Erschaffen  (Hana  Adam  war  ein  Erdenkloss);  W(eim)* 

A(usg).  S.  16, 
Beiname  (Mohamed  SchemBoddin  sage);  W,  A.  8.  33* 
Fetwa  (Hafis  Dichterzüge  sie  bezeichnen);  W,  A.  36, 
Der    Deutsche    dankt   (Heüigei    Ebusundi    hast*»   g<h 

troffen);  W.  A.  37. 
Elemente  (Aus  wie  vielen  Elementen);  W,  A.   14. 
Rath  (Höre  den  Rath,  den  die  Leier  tönt);  W.  A.  Ö7. 
Das  Gedicht  I,  5  (Vier  Gnaden)  hat  das  Datum  G.  Februar  1814,   doch 
vermutet  der  Uerausgeber  der  Weimarer  Ausgabe,  daas  es  dem  Februar  1815 
angehört  (S.  365  der  Anmerkungen). 

Kaum  aber  hatte  Goethe  im  Jahre  1814  die  Reise  an  den  Rhein  ange- 
treten und  ihn  die  frische  Luft  der  thüringischen  und  hessischen  Fluren  um- 
fangen, so  entströmte  seiner  Brust  eine  Fülle  von  Liedern;  er  zahlt  sie  in 
Briefen  an  seine  Frau  auf.***) 

Phänomen  (Wenn  zu  der  Regenwand);  W,  A.  17. 
Liebliches  (Was  doch  Buntes  dort  vorbindet);  W.  A,  18. 
Sollt'  einmal  clurch  Erfurt  fahren;  W,  A.  278« 
Zwiespalt  (Wenn  links   an  Baches  Rand);  W.  A.  16. 
Im  Gegenwärtigen  Vergangnes  (Ros"  und  Lilie  morgon- 

thaulich);   W.  A.  20. 
Derb  und  Tüchtig  (Dichten  ist  ein  Übcrmuth);  W*  A,  24. 
Lieblich  ist  des  Mädchens  Blick;  W.  A.  7a. 
Keinen  Reimer  wird  man  finden;  W,  A,  97. 
Übermacht,  ihr  könnt  es  spüren;  W.  A.  09. 
Wenn  Du  auf  dem  Guten  ridist;  W.  A.  100. 
So  laag  man  nüchtern  ist;  W.  A.  205. 
Und  was  im  Pend-Nameh  steht;  W.  A.  71."^) 

*••)  Ooothos  Werke,  Wdnmrer  Aüijyf«be  I\  7»  8.  300.  —  "*)  TkaEeiohoung  nii-h  dor 
Heiiip#l8ch<»ti  AuBgÄbi».  —  ^••f  Wcltii«rer  Au»gÄbo  1,  6,  8,  31 H.  *-  ■•^)  D}#»e0  luiil  die  folgf^mlvn 
Gediehie  tm^on  don  Tmg  dor  Entsteh titig  ta  der  Uiit«rschrift.  D«i  Oedicht  ^dtr  J»hrmiirkt 
SU  Hanf«ld*  fonn  36.  Jali  fud  kein«  AttfiuJunii  in  den  DhtOL 


7. 

26."  Juli 

I,    9 

8. 

• 

I,  10 

0. 

« 

IV,  19 

10. 

26.  Juli 

1,11 

11. 

« 

1,12 

12. 

* 

I,  15 

13. 

!» 

IV,    4 

14. 

1» 

V,    2 

15. 

H 

V,    5 

16. 

W 

V,    7 

17. 

f) 

IX,    5 

18. 

1» 

IV,    5 

t«I 


19. 

27. 

Juli 

V, 

8: 

20. 

29. 

Juli 

i, 

Iß: 

irat«n«p  m 
d«  Nubt 

p 


^ 


Als  wenn  das  auf  Namen  ruhte;   W.  A.  102* 
Allleben  (Staub  ist  eins  der  Elemente);  W.  A,  26. 


Diese  zwanzig  Gedichte  brachte  Goethe  nachweisbar  mit  nach  Wiesbaden 
oder  hatte  sie  vor  seiner  Ankunft  gedichtet  und  vierzehn  von  ihnen  auf  der 
Reise,  „Dean,  wie  er  Boiaseree  mitteilte*'^),  kämen  ihm  die  Gedichte  auf  ein- 
mal und  gauÄ  in  den  Sinn,  wenn  sie  recht  wären;  dann  müsste  er  sie  aber 
gleicli  aufschreiben,  sonst  finde  er  sie  nie  wieder;  darum  hüte  er  sich  auf  den 
Spaziergängen  etwas  auszudenken.  Es  sei  ein  Unglück,  wenn  er  es  nicht  ganz 
im  Gedächtniss  behalte;  sobald  er  sich  besinnen  müsste,  würde  es  nicht  wieder 
gut,  auch  andere  er  selten  etwas;  ebenso  sei  es  ein  Unglück,  wenn  er  Gedichte 
trliume,  das  sey  meist  ein  verlorenes."  So  schrieb  er  No.  8  im  Angesicht  von 
Erfurt,  No.  11  zu  Fulda  Abends  6  Uhr,  No.  15  ebenda  8  Uhr  und  16  ebenda 
zur  gleichen  Stunde;  No.  20  dichtete  er  unterwegs  in  der  Nacht, 

Nachdem  Goethe  in  Wiesbaden  um  11  Uhr  in  der  Nacht  des  29,  Juli 
eingetroffen  war,  ist  er  sogleich  am  30,  mit  dem  Divan  beschafrigt.  Kaum 
hat  er  die  erste  Einrichtung  getroffen,  so  schrieb  er  „Gedichte  an  Hatis"  ab 
und  kehrte  am  Abend  mit  Zelter  zu  Hafis  zurück;  am  31,  ist  im  Tagebuch 
dreimal,  Morgens  vor  und  nach  dem  Bad  sowie  nach  der  Tafel  wieiler  der 
Divan  notiert:  „Divan  geordnet  ,  ,  ,  In  obigem  fortgefahren  ,  .  Fortsetzung 
des  obigen.*  Es  werden  die  auf  der  Reise  entstandenen  Gedichte  gewesen 
sein,  die  er  hier  in  Reinschrift  niederschrieb  und  in  (vorläufige)  Ordnung  brachte. 
Dazu  aber  trat  bald  ein  neues  mit  der  ünterachrift  W[ie8]B[adcn]  d,  31.  Juli 
1814",  Hempel  I,  18;  es  trug  früher  die  Überschrift  „Selbstopfer"  (Wiesbadener 
Register  52)  oder  „Buch  Sad  Qasele  I.*  Zu  Grunde  liegt  dem  Gedichte  die 
dem  Orient  bebebte  Allegorie,  nach  welcher  der  Nachtfalter  das  Sinnbild 
der  treuesten,  sich  selbst  opfernden  Liebe  ist;  er  umHattert  das  Licht,  seine 
Qeliebte,  die  nie  ihm  sich  ihr  zu  nähern  gestattet,  bis  er  am  Ende  sich  selbst 
in  ihren  Oluteu  verzehrt.     Hafis t 

Wie  die  Kerze  brennt  die  Seele 

Hell  an  Liebeefiammen, 

Und  mit  reinem  8iime  hnb  ich 

Meinen  Lotb  geopfert. 

Bis  du  nicht  wie  dchmGUerlingc 

Aus  Begier  verbrennest, 

Kannsl  du  nimmer  Rettung  Hnden. 

Vor  dem  Gram  der  Liebe. 

Und  dieses  Bild  wird  zum  Ausdruck  der  Gottealiebe  erhoben: 

Wirft  »ioh  der  SoltnietterUng  des  Nachia  in  Kerißenst^hein, 
Werft  Euch  in  Gottee  Feuertneer  hinein!"*) 

Danach  also  dichtete  Goethe  am  3L  Juli  zu  Wiesbaden: 
(1,)  Selige  Selmsuüht. 
Sagt  es  niemand,  nur  den  Weisen, 
Weil  die  Menge  gleich  verhDhnel, 

»*^  S.  BoisBer^Se  I,  2tn.  -  "*)  Warm  S.  5ß  ffl    v*  Loeper  tu  U  18- 


IMiAk 


Dfta  Lebendige  will  ich  preisoD, 
Das  nÄ<jh  Flamineiitod  sich  selmet****) 

Ixt  der  Li ebeiD lebte  KCLlitung^, 
Die  dieh  zeugte,  wo  du  zeugtest^ 
Überflllt  dtcli  fremde  Fühluu^t 
Wetiö  die  stille  Kerie**'>  leuchtet, 

KicUt  mehr  bleliiest  da  umf&ngea 
In  der  FjuseerniB«  ßea^hattung, 
Und  dioh  reisset  neu  Verlangen 
Auf  SU  höherer  Begattung. 


Keine  Ferne  mai^ht  dich  ftchwierig, 
Komm  et  geflogen  und  gebannt, 
Und  zuJelxti  des  Lichts  begierig, 
Bist  dii  BehmetterUng  rerbranvl* 

Und  so  liLng  du  das  niolit  hast, 
Dieees^  Stirb  und  werdet 
Bist  du  nur  ein  trüber  Gast***] 
^    Auf  der  dunklen  Erde. 

Auf  diesen  viel  vcrheissenden  Anfang  verstummt  plötzlich  die  Muse  unseres 
Dichteri.  Wir  dürfen  wohl  anüebmen,  dass  zunächst  die  wiasen&ebaftlichen  An- 
regungen ihn  ^ni  sehr  in  Anspruch  nahmen,  vorab  die  mineralogiscfaeo  Studieo; 
auch  die  Kur  verlangte  ihr  Becht,  Besucbo  niid  der  Verkehr  mit  den  Freuoden 
traten  dazu.  Erst  am  Ende  des  folgenden  Monats,  den  BL  August^  sehrieb 
er  wieder  zwei  Gedichte  nieder.  Das  erite,  Ilemp.  III,  16^  W.  Ä,  8.  61,  früher 
(Wicsb*  Reg-  68)  überschrieben  ,Un verwehrtes*,  erhielt  später  die  Überschrift 
^Unvermeidlich**;  die  ersten  Zeilen  erinnern  an  Ilafis:  Wer  kann  wohl  gebieten 
Still  zu  sein  auf  der  Flur^»)?    Es  lautet: 

(2.)    Unvermeidlich. 
Wer  kann  gebieten  den  Vögeln 
Still  zu  sein  auf  der  Flur? 
Und  wer  verbieten  zu  zappeln 
Den  Schafen  unter  der  Schur? 

Stell  ich  mich  wohl  ungeberdig, 
Wenn  mir  die  Wolle  krausH? 
Nein!  Die  Ungeberden  entzwing^  mir 
Der  Scherer,  der  mich  zerzauset. 

Wer  will  mir  wehren  zu  singen 
Nach  Lust  zum  Himmel  hinan, 
Den  Wolken  zu  vertrauen, 
Wie  lieb  sie  mir*s  angethan? 


****)  Diese  Strophe  steht  bei  Hafis  am  Ende  des  Gedichtes:   Kennet  wohl  der  Pöbel  — 
Grosser  Perlen  Zahlwerth?  —  Gib  die  köstlichen  Juwelen  —  Nur  den  Eingeweihten.  —  •**)  Die 
stille  Kerze   ist   das  Licht  des   höheren  Lebens,   der  irdischen    entgegengesetzt,     v.  Loeper. 
—  *^')  Gäste  auf  Erden  sind  die  Menschen  auch  bei  Firdusi  (v.  Loeper): 
Die  Welt  ist  ein  Gasthof,  pack  auf,  geh  fort; 
Hier  geht  ein  Alter,  ein  Neuer  kommt  herein. 
»*»)  Wurm  8.  105. 


108 


^ 


Daa  zweite  Gedicht,  früher  „Glücklich  Qeheimniss'^  oder  (Wieflb.  Reg.  69) 
^Liebchen*  üborachrieben,  Bteht  jetzt  als  „Geheimes*'  im  Divan  III,  7,  W.  A, 
S.  63  und  lautet: 

(8.)   Geheimes. 
Über  meine«  Liebelieiis  5Lugeln.'**) 
Stehn  verwundert  alle  Leute; 
Ich,  der  wbaende,  dagegen 
Weiss  recht  gut,  was  das  bedeute. 

Denn  ea  heütst:  ich  Hebe  dieeen, 
Und  nicht  etwa  den  und  jenen. 
Lagset  nur^  ihr  guten  Leute, 
Euer  Wundern,  euer  Sehnen! 

Ja,  mit  ungeheuren  Mächten 
Blicket  sie  wohl  in  die  Runde; 
Doch  sie  sucht  nur  zu  verkünden^ 
Ihm  die  nllohste  süsse  Stunde. 

Aur^gutig  gab  Haiis: 

Über  meines  Liebchens  Äugeln 
Htaunen  Jille  Unerfahrne: 
leh  bin  so,  wie  ich  ersriieine, 
Während  aie  es  anders  wiseen.*^^) 

Am  29.  Auguat  Bchrieb  Goethe  an  Riemer:  ^Die  Gedichte  an  Hafis  sind 
auf  30  augewachseü  und  rnachea  ein  kleines  Ganze,  dm  sich  wohl  ausdehnen 
kann,  wenn  der  Humor  wieder  rege  wird.**^*^)  Und  er  wurde  während  der 
folgenden  Monate  wieder  rege,  besonders  aber,  als  der  Mai  1815  den  Dichter 
wieder  an  den  Rhein  führte,  und  wieder  war  es  die  Reise,  welche  ihm  zuerst 
eine  grosse  Anzahl  Lieder  entlockte.  Gleich  am  ersten  Tag  derselben  (24.  Mai) 
schrieb  er  zu  Eisenuch  an  seine  Frau:  ^Kund  und  zu  wissen  jedermann,  deu 
ea  zu  wisseu  freut  .  .  .,  Dasa  mich  unterwegs  sogleich  die  guten  Geister  des 
Orients  besucht  und  mancherley  gutes  eingegeben,  wovon  Vieles  auf  das  Papier 
gebracht  wurde. "*^')  Und  am  27.:  „Mein  Divan  ist  mit  18  Assessoren  vermehrt 
worden.^  Yen  diesen  18  Assessoren  können  wir  sieben  als  zu  Eisenach 
am  24.  Mai,  sechs  als  zu  Frankfurt  am  27*  Mai  und  einen  als  zu  Wiesbaden 
am  27,  niedergeschrieben  nachweisen;  dazu  tritt  ein  Gedicht  vom  28*  und  ein 
undatiertes  vom  Mai,  zu  Wiesbaden  wenigstens  abgeschlossenes: 

III,  10.     Schlechter  Trost.     W.  A*  57. 
VIII,     2.     Dass  Suleika  ...     W.  A.  144. 
VllI,     3,     Da  du  nun  Suleika  heissest  .  .  .     W.  A.  145, 

IX,     6.     Warum  du  nur  oft  so  unhold  bist?    W.  A.  206. 

X,     9.     Vom  llimmel  steigend  .  ,  ,     W.  A.  235* 

X,  10.    Es  ist  gut.     W\  A,  236. 

XI,     2.     Wenn  der  Mensch  ...     W.  A.  243. 

'*")  ÄugeUi  =  iruumUieh  blicken,   liebftugeln.     Grimm,  Deut8(^heB  Wörterbuch  I,  801. 
^)  Wurm  S,   106.    —  »**;  Goethes  Werke,  Weimarer  Ausgabe  I,  <ä,  S.  319  -  **'j  Eben- 


-'--^-  ~  ' 


164 


8. 

am  27. 

zu 

Frankfurt: 

l, 

6. 

9, 

« 

»         * 

ni, 

12. 

10. 

m 

!»                • 

m, 

15. 

11, 

« 

1»                • 

IV, 

6. 

12. 

J» 

n            ' 

IV, 

24. 

13. 

li 

»? 

IX, 

7. 

H. 

am  27. 

zu 

Wiesbaden: 

VII, 

2. 

15. 

am  28. 

zu 

n 

I, 

2. 

16. 

DezJSH- 

-Mai  1815: 

XII, 

10. 

WiMbrndi»». 

Qeatändnia.     W.  A.  13. 
Oru88.     W,  A.  59. 
Ergebung.     W.  A,  60. 
Reitest  Du  .  .  .     W.  A.  72. 
Höchste  Gunst,     W,  A.  88. 
Wenn  der  Körper  *  •  .  W.  A,  20T* 
An  Suleika,     W.  A.  139. 
Segonspfänder.  W.  A.  7  (zum  Teilt 
Siebeuschläfer.    W.  A,  267. 


Nunmehr  ruheto  die  Muse  einige  Zeit;  es  lagen  etwa  hundert  Gedichte 
vor,  wie  ein  Brief  vom  7.  Juni  besagt^  der  ganz  aus  der  frohen  Stimmung, 
welche  ilie  Beschäftigung  mit  dem  Orient  hervorbrachte,  geschrieben  ist:  „Die 
Rosen  blühen  vollkommen,  die  Nachtigallen  singen  wie  man  es  nur  wünscht 
und  so  ist  es  keine  Kunst  sich  nach  Sehiras  zu  versetzen.  Auch  siud  die  neuen 
Glieder  des  Divans  reinlieh  eingeschaltet  und  ein  frischer  Adresakaleuder  der 
Vei^amiuhing  geschrieben,  die  sieh  nunmehr  auf  hundert  beläuft,  die  Beygunger 
und  kleine  Dienerscliaft  nicht  gerechnet***)  Es  war  nun  die  erste  Arbeit  des 
Aufenthalts  zu  Wiesbaden  ein  wohlgeontnetes  Yerzeichuis  zu  machen,  und  das 
gesfthah  nach  dem  Tagebuch  am  27.,  28.,  29.  und  30.  Mai;  am  30.  war  m 
beendet  Es  führt  den  Titel:  „Des  deutschen  Divans  manigfaUige  Glieder"« 
und  umfaast  hundert  Nummern  •*'*),  in  Kurze  genannt  „das  Wiesbader 
Register,**  In  der  endgUtigen  Redaktion  des  Divan  wurde  es  wieder  ?er^ 
lassen  und  durchaus  umgestaltet. 

Daneben  liefen  Studien  der  Roisebeschreibung  von  Tavernler***),  dessen 
Name  am  31.  Mai,  9.,  IL,  12.,  13.  und  14.  Juni  im  Tagebuch  vorkommt; 
auch  am  8.  Juli,  am  9.,  12,  ist  der  Divau,  am  20,  „Orientalisches*  augemerkt. 
Von  Tavernier  heisst  es  in  den  Noten  zum  Divan:  „Tavernier,  Qoldschmidt  und 
JuwclenhUudler  [im  17.  Jahrhundert],  dringt  mit  Verstand  und  klugem  Betrugen 
...  an  die  orientalischen  Hlife  und  weiss  sich  überall  zu  schicken  und  %n 
Ktiden,  Er  gelaugt  nach  Indien  zu  den  Demantgruben  .  .  .  Dessen  hintarlassene 
Schriften  sind  buchst  belehrend.* 

Zu  Wiesbaden  sind  nach  den  Unterschriften  im  Jahre  1815  folgende 
Gedichte  des  Divan  niedergeschrieben,  gedichtet  oder  endgiltig  redigiert"^): 

1.  An  Suleika,  VII,  2j  im  Wiesbadener  Register  58  ^Rosenul**  üiier- 
schrieben,  am  27.  Mai.  Um  auch  nur  eine  kleine  Menge  Rosenöl  zu  erhalcen, 
bedarf  mau  eine  grosse  Anzahl  von  Rosen;  mit  diesem  Gedanken  ist  verbundeB 
die  im  Orient  beliebte  Anschauung  von  der  Liebe  der  Nachtigall  (Bulbul)  stur 
Rose.  Wie  Timur  Tausende  von  Menschenschadeln  zum  Bau  eines  Turms  ver- 
wendete, so  dürfen  wir  auch  die  Rosen   zu  unserem  Vergnügen  gebrauchen,"') 

^}  Ebanda  8.  324.  -  **»)  Abgedruckt  clonda  S.  aU  f.  --  ^)  Ö,  Ho.  10  (Uklir«) 
and  die  ^oten  uud  AbltandluDgen  tum  b«Moroti  VcntütidnU  de«  wcst-0«tliohen  Divan.  Wtloi, 
Aojig,  I,  7  S.  214.  —  ^^)  Die  Utterftrucbian  Nutitoii  statKoii  «tch  vornebmlich  »ur  dio  Aumtrk- 
uitg»R  ton  BardAch  In  d<»f  Wrimiir*»r  .\i«|fiibe  ilc»  Divuii,  1»  «^  :{I3  fl\  —  '•')  Wuria  S,  tCS. 
T.  Lo»p»r,  Attmisrk.  SM  di»tti  Gedicht 


I 


IWS.J. 


lubJI 


166 


Dir  mit  Wohlgerucli  äsu  koaen**'), 
Deine  Freuden  t.ü  erhSh'n, 
Knospend  müBsen  tausend  Rosen 
Eni  in  Qluthen  untergehn« 

Um  ein  FlS^chclien  zu  besitzen 
Da«  deu  Rucb*")  auf  ewig  halt, 
Schlank  wie  deine  FingerHpiteen, 
Da  hedarf  es  einer  Welt, 


Sulelka. 

Einer  Welt  von  LehenAtriehen, 
Die  in  ihrer  Fälle  Drang 
Ahneten  svhon  Bulhul«  Liehen, 
Beelerregenden  Gesang. 

Sollte  jene  Qual  uns  quälen, 
Da  sie  unsre  Lust  rermehrt? 
Hat  nicht  Myriaden  Seelen 
Timurs  Herrschaft  aufgezelirt? 


2.  Segenspfänder,   I,    2,    Wiesb.    Reg-   4.     Schon  am   L  Januar  1815 

brwähnt    das    Tagebuch    die    zweite    Strophe    mit    etc.    (Amulete    etc.),     am 

3.  August  las  Goethe   8.    Boisser^e  vor  Talismane,    Amulete,  Abraxas,  Siegel- 

vhi^  der   Araber  =  erste,    zweite^    vierte   und   fünfte   Strophe,     Zum   28.  Mai 

^^815  bemerkt  das  Tagebuch:  Talismane,  Amulete,  und  das  Wiesb»  Reg*  5:  Talis- 

^■natie,  Amulete,  Abraxas  und  Siegel.    Wenn  auch  alle  diese  Bexeiehnungen  von 

^ft,  2  nicht  ganz  zutreffen,  so  beweisen  sie  doch,  dass  ein  Gedieht  dieses  Inhalts 

^prorgelegen  hat,  also  die  vier  Strophen  fertig  waren;  die  dritte  mag  nacliher  ein- 

^^eschoben  sein,    und  zw^ar  im  Anschluss   an  das  jambische  Metrum  der  fiiuften 

im  Gegensatz  zu  dem  trochäischen  der  anderen;  dieser  Wechsel  der  Metra  soll 

vielleicht  den  Gegensatz  der  Zaubermittel  des  Orients  zu  den  Symbolen  des  Occi- 

Ideuts,  Siegeln  und  Inschriften,  auch  äusserlich  kennzeichnen. 
I  Zum  Verständnis  des  Gedichtes  bemerken  wir,    dass  Talisman^  persisch 

Telii^me,  =  Bezauberung  ist,  heute  gewöhnlich  eine  Inschrift  auf  Stein,  Onyx, 
Carneal  u.  s.  w.,  dass  Amulet,  arabisch  Hamele,  ein  mit  einem  frommen 
Spruch  beschriebenes  Papier  ist,  und  die  Talismaue  meist  von  Frauen,  die 
Amulete  von  Männern  getragen  werden.  Abraxas  war  der  Name  der  Talis- 
mane bei  den  Gnostikern:  die  Buchstaben  als  griechische  Zahlzeichen  ergeben  die 
Zahl  365,  die  Zahl  der  Engel  und  Uimmel;  die  Inschriften  und  eingegrabenen 
Bilder   waren  oft  seltsam,    wie  die   vierte  Strophe  und  der  Spruch  der  zahmen 

Xeuien  besagt; 

Nichts  sehreeklicheres  kann  den  Menflehen  gesoheh^Di 
Als  das  Absurde  verkörpert  zu  seh^n.*^^) 

SegenspfÜnder. 
Talisman  in  Carneol 
Gläub'gen  biingt  er  Glück  und  Wohl; 
Steht  er  gar  auf  Onyx  Grunde, 
KQss  ihn  mit  geweihtem  Munde! 
AU  es  Ühel  treibt  er  fort, 
Si'hQtzet  dich  und  soliützt  den  Ort: 
Wenn  das  eingegrabne  Wort 
Allahs  Namen  rein  verkilndet» 
Dich  zu  Lieb*  und  That  eutisündet. 
Und  besonders  werden  Frauen 
Sich  am  Talisman  erbauen. 

^*^l  Vgl.  Hilde brond  im  Deutschen  Wörterbuch  V,  1845:  mit  Dattv,  wie  früher  Heb- 
OQ  nnd  wie  schmeicheln.  —  ^*^)  Uuoh  =  Geroch,  veraltet,  aber  no*^h  bei  D^chtl^^n  hic  und 
in  aebraui'h.     Heyn«  im  Deutschen  Wörterbuch  VID^  LH40.  —    ''"')  Wurm  B.  :il  IT, 

15J 


^^jfe^l^^ 


160 


AmuJate  sind  darglßiclioi] 
Auf  Papier  gleich  Heb  ne  Zeiohen; 
Doch  man  ist  nicht  im  Oedrän^o 
Wie  Buf  edlen  Steines  Enge, 
Und  verfSnnI  mi  froaimen  Seelan 
L^gre  Yerae  hier  zxi  trählen. 
M^ner  hängen  lUe  Papiere 
Olüubig  um  als  Beapulire. 

Dici  Inflohrift  aber  hat  niohtf  hinter  eioh, 
Em  ist  ale  aelhat,  und  mufis  dir  alleti  aagen, 
Wat  hinterdrein  mit  redlichem  Behagen 
Du  gerne  sagst:  Ich  BAg'  e»!  Ich! 

Dooh  Abraxaa  hrlug^  ich  selten  1 
Hi<?r  aoU  meist  dai  Fratz enhafte. 
Das  ein  düstrer  Wahfiiiuu  schaffte, 
Für  das  AJlerhiiehate  gelten. 
Sag'  ii*h  ©neh  ahaardo  Dinge, 
Denkt,  dass  ieh  AbraxikS  l»rlnge. 

Ein  Siegelring  ist  schirer  %u  seißhnen. 
Den  hSehsten  8iun  im  engaten  Raum; 
Doch  welsat  du  hier  ein  Eehtes  anatuetgiien, 
Oograben  steht  das  Wort,  du  denkst  ca  kaum. 

3.  Auch  die  „SiebeuBchläfer",  XII,  9,  emd  wahrscheiDlicIi  sehoD  fr  über 
eiitstaufleii,  da  daß  Tagebuch  am  29,  Dezember  1814  notiert  flSiebeoschläfer'; 
die  Unterschrift  lautet  ,,Jena  [wohl  verschrieben  statt  Weimar]'**)  Ende  Dec* 
bis  Mai  1815.  Wiesb "faden];  da  das  Gedicht  im  Wiesb.  Reg.  9Ö  gotiaant  ist, 
muss  es  vor  dem  30.  Mai  niedergeschrieben  sein.  Die  Erzählung  verbindet  die 
Sage  des  von  einer  Fliege  verfolgten  Nimrud,  des  Götzendieners,  der  dem 
Abraham  nach  dem  Leben  trachtete,  und  die  Legende  von  den  Siebenschläfern, 
die,  wegen  ihres  Glaubens  von  Kaiser  Decius  (249-251)  verfolgt  und  samt 
ihrem  treuen  Hunde  eingemauert,  unter  Theodsius  11.  (408 — 450)  aus  ihrem 
Schlafe  erwachten.'") 


Siebenschläfer. 


Sechs  Begünstigte  des  Hofes 
Fliehen  vor  des  Kaisers  Qrimmc, 
Der  als  Qott  sich  lässt  verehren, 
Doch  als  Gott  sich  nicht  bewährt: 
Denn  ihn  hindert  eine  Fliege 
Guter  Bissen  sich  zu  freuen. 
Seine  Diener  scheuchen  wedelnd, 
Nicht  verjagen  sie  die  Fliege. 
Sie  umschwärmt  ihn,  sticht  und  irret 
Und  verwirrt  die  ganze  Tafel, 
Kehret  wieder  wie  des  hämischen 
Fliegengottcs^^)  Abgesandter. 


Nun  —  so  sagen  sich  die  Knaben  — 
Sollt*  ein  Flieglein  Gott  verhindern? 
Sollt'  ein  Gott  auch  trinken,  speisen, 
Wie  wir  andern?  Nein,  der  Eine, 
Der  die  Sonn*  erschuf,  den  Mond  auch, 
Und  der  Sterne  Gluth  uns  wölbte, 
Dieser  ist's,  wir  fliehn!  —  Die  zarten 
Leicht  beschuht-,  beputzten  Knaben 
Nimmt  ein  Schäfer  auf,  verbirgt  sie 
Und  sich  selbst  in  Felsenhohle. 

Schäfershund  er  will  nicht  weichen, 
Weggescheucht,  den  Fuss  zerschmettert, 


'^)  Goethe  verweilte  vom  7.— 18.  Dezember  in  Jena;  am  Ende  des  Monats,  Tom  18.  an, 
war  er  wieder  in  Weimar.  S.  Tagebuch.  —  *^^)  Die  QueUen  gibt  an  Wurm  S.  272  ff.  Vgl. 
T.  Loepers  Anmerkungen.  —  *^)  Fliegengott  =  Beelzebub. 


167 


r  Bioh  an  seinen  TTerrfn, 
fmä  gMellt  sich  zum  Vortiurgnen, 
Zu  fli»u  Lieblingeo  des  ^chlafed. 

Üod  der  FürBt,  dem  «ie  entflohen^ 
Liebeutrüätet,  sinnt  auf  Strafen, 
Weiset  ab  so  Sehweri  ah  Feuer, 
In  die  H5hle  sie  mit  Ziegeln 
Und  mit  Kalk  sie  lässt  vermnuerti« 

Aber  jene  schlafen  immer, 

Und  der  Engel***)»  ihr  Begrliötzer, 

Sjigt  vor  Oott«>8  Thron  berichtend: 

80  zur  Reclilen,  so  tur  Linken 

Hab*  ich  immer  sie  gewendet, 

DasB  die  sebCnen  jungen  Glieder 

Nir'ht  dc0  Moders  Qualm  verletze. 

Spalten  risa  ich  in  die  Felsen ^ 

Dflss  die  Sonne  ateigendf  siDkcnd, 

Junge  Wangen  frijch  erneute: 

Und  80  liegen  aie  beseligt.  — 

Auch  auf  heilen  Vorderpfoten, 

Sohllft  das  }IiLndlein  süssen  Schlummer. 

Jahre  flieheui  Jahre  kommen, 
Wachen  endlich  auf  die  Knaben'"^), 
Und  die  Mauer»  die  Termorschte, 
Alterelialben  ist  gefallen. 
Und  Jamblikft"')  sagt»  der  Schöne, 
Auiigebildete  von  allen, 
Als  der  Schäfer  fürchtend  zaudert: 
LauT  ich  hun!  und  hol'  euch  Speiste^ 
Leben  wag'  ii*b  und  das  GoId«ta<'k!  — 
Ephesus,  gar  manches  Jahr  sohoüi 
Ehrt  die  Lehre  des  Propheten 
Jesus.  iFriede  sei  dem  Guten!} 

und  er  lief,  da  war  der  Thoro 
Wart^  und  Thum  und  alles  anders. 
Doch  zum  nilchsten  Bäckerladen 
liVandt'  er  sich  nach  Brot  in  Eile.  — 


SchoTmf  so  rief  der  BRcker,  hast  dn, 
Jüngling,  einen  Srhatz  gefunden! 
Qib  mirj  dich  verrAth  das  QoldaKit^k, 
Mir  die  Hälfte  zum  Versuhueu! 

Und  sie  hadern,  —  Vor  den  KCmig 
Kommt  der  Handel;  auch  der  Köni;^ 
Will  nun  theilen  wie  der  Büi^ker. 

Nun  bethätigt  sich  das  Wunder 
Naeh  und  nach  aus  hundert  /eichen. 
An  dem  sell»sterbauten  Palast 
Weiss  er  sich  sein  Hecht  tu.  sichern. 
Denn  ein  Pfeiler  durohgegraben 
Führt  zu  scharfbenams'ten  Schützen. 
Oleich  versammeln  sich  GeschJechter 
Ihre  Sippschaft  zu  beweisen. 
Und  als  Ururvater  prangend 
Steht  Jainblika^s  Jugendfülle« 

Wie  von  Ahnherrn  hört  er  ep rechen 
Hier  Ton  seinem  Sohn  und  Enkeln« 
Der  Urenkel  Sehaar  umgibt  ihUf 
Als  ein  Volk  Ton  tapfern  Männer«, 
Ihn  den  jüngsten  zu  Terehren. 
Und  ein  Merkmal  über^s  andre 
Dringt  sieh  auf,  Beweis  YOllendond; 
Sieh  und  den  Gefährten  hat  er 
Die  Persönlichkeit  bestätigt. 

Nun  xur  l{j>hle  kehrt  er  wieder« 
Volk  und  König  ihn  geleiten.  — 
Nicht  zum  Kdnig,  nioht  2um  Volke 
Kehrt  der  AuserwäliUe  wieder: 
Denn  die  Sieben,  die  von  lang  her, 
Achte  waren^s  mit  dem  Hunde, 
Sich  von  aller  Welt  gesondert, 
Gabriels  geheim  Vermögen 
Hat,  gemäss  dem  Willen  Gottes, 
Sie  dem  Paradies  geeignet^*), 
Und  die  Flöhle  schien  vermauert. 


I 


4*  ^Frage  nichü,  durch  welclie  Pforte**,  IV,  12,  ist  mit  der  Über- 
schrift verdehen:  „Meiaem  Sobo,  zum  dreissigsteo  Mai  1815",  und  mit  der 
Unterschrift:  „Wiesbaden.  Goethe**,  nach  dem  Tagebuch  aber  am  10,  Juni  1815 
verfasst  oder  abgeschickt;  es  war  ein  Gluckwunach  zum  fünfzi^'abrigen  Dienst- 
Jubiläum  des  Geh,  Ilofrats  Kirms  und  des  Geh*  Rats  Schardt  zu  Weimar  und 


•"*)  Gabriel,  der  auch  am  Ende  des  Gedichts  mit  semem  Namen  genannt  uit.  —  *'*'l  Unter 
Kaiser  Theodoaius  FI,  408  — 45y,  wie  oben  bemerkt  wurde,  nachdem  sie  184  Jahre  geschlafen 
hatten.  —  ^\)  Jamlirha  bei  Hammer,  nach  andern  Berichten  JaJuleekI>a  und  Dschemlieha, 
beidei  ^=:=^  JambHi'hus;  er  war  der  Älteste  der  S(*hlAfer  und  ging  den  anderen  in  Allem  voran* 
'**)  Die  sieben  Hohläfer  und  ihr  Hund  sind  zu  der  Ehre  besondere  Schutzherren  tu.  sein 
gelangt;  der  Sohfifer  bteHH  Hahil  l,Abel;,  der  Hund  Kitmir;  die  Namen  der  anderen,  auch  die 
cbrintlichen  s.  bei  Wurm  S*  275. 


.^^.n^ 


IG8 


durch  die  Reise  verapätet     Die  Urschrift,  veruffeatlieht  im  März   1858   in  T^ 
Bchiedenea  Zeitungen  nach  einem  Blatt,  das  im  Besitz  des  Kreidricbtera  Kraku 
in  Ziegenruck  war,  enthielt  sieben  Strophen,  von  denen  nur  die  vier  ersteu 
dem  Divan  Aufnahme  fanden;   y.  Loeper  fügt  die  fünfte  hinzu.      Das  gaiii 
Qedicht  lautet  nach  der  Weimarer  Ausgäbe: 


FfAge  nioht  durch  welche  Pforte 
Du  in  Gottes  Stadt  gekomnten. 
Bondern  bleib  aui  sttlleD  Orte 
Wo  du  einmal  Platz  genonatnen. 

Soliauc  dunn  umher  uftoh  WeUen 
Und  niw'h  Mäohfgen,  die  Ltüfelilefi; 
Jene?  werden  unterweisen, 
Diese  That  und  Kräfte  stähleii. 

Wenn  du  nüiilich  und  gelaasen 
80  dem  Staate  treu  geblieben^ 
Wisae!  niemand  wird  dich  hitasen 
Und  dich  werden  viele  lieben. 


Und  der  FQrst  erkennt  die  Treue, 
Sie  erhalt  die  That  lebendig; 
Dann  bewährt  sieh  auch  da«  Neue 
Nächst  dem  Alten  auch  bestiEndig. 

und  YOilbringst  du,  krftftif;  milde, 
Deiner  Laufbahn  reine  Kreide, 

Wirst  du  auc*h  zum  Musterbilde 
Jüngeren  nucJi  deiner  Weiae, 

80  Ihr  beiden,  heut  gefeiert, 
Vor  viel  Tausenden  erlesen. 
Fühlet  jene  PHicht  erneuert. 
Die  Kuch  heilig  stet*»  gewesen. 


Bei  dem  fruhlichon  Vereine 
Diese«  spitte  Lied  entschuldigt, 
Das,  vom  alten  deutschen  Rheine, 
Eurem  schunen  Tage  huldigt. 

5.  ^Sussea  Kind,  die  Perlenreihen",  VlII,  17,  ist  wie  No.  2  u.  3 
gedichtet»  da  eü  in  dem  Wieöb.  Reg.  62  (Abraxaa)  verzeichnet  ist,  aber  n» 
der  Unterachrift  zu  Wiesbaden  am  längsten  Tage  1815  redigiert  und  am  8.  Atij 
Boisseree  vorgelesen,  der  es  als  zu  bitter,  hart  und  einseitig  zu  verwerfen  ri 
doch  vv^urde  es  später  als  17,  Gedicht  des  achten  Buches  aufgenommen;  in 
Weimarer  Ausgabe  ateht  es  uuter  dem  Nachlaaa.  Die  Ubersclirift  ^au  Suld 
ist  von  Eekermann  /Atgefügt,  Boisäeroe  nennt  es  Hass  des  Kreuzes^,  ni 
ganz  mit  Recht;  denn  er  verkennt,  dass  dieser  Hass  oder  vielmehr  diosi» 
neigung,  die  doch  eigentlich  nur  der  Darstellung  des  Gekreuzigten  gilt, 
Liebe  zu  der  Trägerin  des  Kreuzes  überwunden  wird.  Choeroes  Farvis,  Ki 
doÄ  Perserreiches,  aus  dem  Geschlechte  der  Sassaniden  (591  bis  (528),  halte 
seiner  Gcnialilin  Sira  oder  Schirin  1=  die  Süsse),  deren  Schönhöit,  Yeratand 
und  musikalische  Tatente  in  den  Dichtungen  der  Perser  viel  gepriesen  werden, 
eine  kostbare  Perlenschnur  geschenkt,  an  der  er  einst  ein  Kreuz  (Roisserco 
von  Bernstein)  befestigt  findet;  denn  sie  war  zugleich  eine  fromme  Chi 
zum  Leidwesen  der  Perser,  die  deswegen  dem  Choaroes  die  Verbi 
ihr  zu  vorleiden  suchten,  und  auch  er  mag  nicht  die  „moderne  > 
einen  ,Abraxa»",  das  „Jammerbild  am  Holze**,  so  sehr  er  auch  die  Vnrgii 
Christi,  Abraham^  Moses  und  David,  sowie  Christus  selbst  wegen  ihre»  tilau 
an  den  einen  Gott  feiert;  zu  ihnen  gesellt  er  —  vorgreifend  -  Mahai 
während  Salomo   sich    habe   verführen   lasi^en  violi»  Giitter  anT^ubcten.     U 


-I  t*ot9%9f6pwmgiiliin-  Hin  I  r^('r»rririti*fiit*r /j: 


rJun 


16» 


I 


will  auch  er  widor  aeine  Überzeugung  uüd  seineü  Glauben  aua  Liebe  zu  Selurla 
(las  Kreuz  an  ihrem  Halse  sieh  gefallen  laesen,  ja  sogar  einen  Vita&liputisli,  der, 
ein  mexikanes  Götzenbild,  im  Muude  de»  Cbosroes  eich  freilich  sonderbar 
ausnimmt. 

Wir   lasäen  nunmehr  daa  Gedicht   nach  dem  Texte  der  Weimarer  Aus* 


ibo  folgen, 

8u»^€8  Kind^  die  Pcrk^nrcih*^«, 
Wie  ich  irgend  nur  vo f mochte, 
WoUte  traalich  dir  YOrkiheti^ 
Ab  der  Liebe  Lumpeiidocbto. 

ITud  nun  kommst  du,  haut  ein  Zeichen 
Dran  g^ehangt,  das,  unter  aJlen 
Don  Abruxas  aeincBgleiöhen, 
Mir  am  ä4*hleoh tauten  will  gefallen« 

Diese  gans  moderne  Narrheit 
Magst  du  mir  nach  Schiraa  bringen! 
8on  irh  wohl^  in  seiner  Starrheit» 
HdUehen  quer  auf  Hdbcchen  singen? 

Abraham,  den  Herrn  der  Sterne 
Hat  er  eich  zum  Ahn  erlesen; 
Moaes  iat,  in  wCiater  Ferne» 
Durch  den  Einen  grosi  gewesen. 

David  auch,  durch  viel  Gebrechen» 
Ja,  Verbreehen  durch  gewandelt, 
Wttisfce  dooh  sich  los  xu  sprerhen: 
Einem  hab^  ich  rocht  gehandelt. 

Jesus  fühlte  rein  und  dachte 
Nur  den  Einen  Gott  im  Stillen; 
Wer  ihn  seibat  zum  Gotte  machte 
Kränkte  seinen  heil'gen  Willen. 


Und  80  mues  das  Uecbte  scheinen 
Was  auch  Mabomct  gelungen; 
Nur  durt'h  den  Begriff  des  Einen 
Hat  er  alle  Welt  bezwungen. 

Wenn  du  aber  dennoch  Huld'gung 
Diesem  leid'gen  Ding  verlangest; 
Diene  mir  cä  zur  Entschuldigung 
Dass  du  nicht  alleine  prangest«  — 

DxK'h  allein!  —  Da  viele  Frauen 
8alomonis  ihn  verkehrten» 
QOtter  betend  anzu8<<hauen 
Wie  die  Närrinnen  verehrten. 

Isis  Hörn,  Anubtt  Rachen 
lk»ten  sie  dem  JudenstoUe, 
Mir  willst  du  zum  Getto  machen 
Solch  ein  Jammerbild  am  Holssel 

Und  ich  will  nicht  besser  scheinen 
Als  es  sich  mit  mir  erftugnet» 
8aiomo  verschwur  den  seinen» 
Meinen  Qott  hab*  ich  verlAugnet» 

Lass  die  Kenegatcnbörde 
Mich  in  diesem  Kuss  verschmerzen: 
Denn  ein  Vitzliputzli  würde 
Talisman  on  deinem  Her/cn, 


An  die  Besprechung  des  Gedieh tea  mit  Boisseree  knüpft  Goethe,  alä  jener 
ea  2U  verwerfen  riet,  folgendes  an»  ^er  wolle  es  seinem  Sohn  zum  aufheben 
geben,  dem  gebe  er  alle  seine  Gedichte,  die  er  verwerfe;  er  habe  eine  Mengc^ 
besonders  persönliche  und  zeitliche.  Es  scy  nicht  leicht  eine  Begebenheit,  wo- 
rüber er  sich  nicht  in  einem  Ged'cht  ausgesprochen.  So  habe  er  seinen  Arger» 
Kummer  und  Verdruss  über  die  Angelegenheiten  des  Tages^  Politik  u.  s.  w. 
gewöhnlich  in  einem  Gedicht  ausgelassen,  es  sey  eine  Art  Bedürfnis  und  Herzens- 
erleichteruDg,  Sedes  p.  Er  schaffe  sich  so  die  Dinge  vom  Ilalso,  wenn  er  sie 
in  ein  Gedicht  brbge.  Sonst  habe  er  dergleichen  immer  verbrannt,  aber  sein 
Sohn  verehre  alles  von  ihm  mit  Pietät,  da  lasse  er  ihm  den  Spaas/ 

6.  Firduüi  spricht;  IV,  20.  Auch  dieser  Titel  steht  schon  im  Wie^ib. 
Reg,  49,  und  wenn  unter  dem  Ganzen  ab  Tag  der  Abfassung  der  1.  Juli  1815 
bemerkt  ist,  su  bezieht  sich  dies  auf  den  letzten  Teil  desselben.  Nach  Nutizeu 
im  Tagebuch  vom  Dezember  1814  und  Februar  1815  werden  die  zwei  ersten 
Teile  in  diesem  Winter  gedichtet  miu     I>or  erste  Teil   i^t  dem  Schah*Nameh 


IMI 


iä£i 


^^Ü^^ 


tto 

Firduaia  eot  lehnt  (Fuodgruben    H,  64),    der   zweite   Goethes   Entgegnung^   tler 

dritte  oiue  solbätundigo  AusfühTUDg  dea  BegriiTcs  Reichtum  im  Siotie  des  OrtoiiU 

ab  Genügsatnkett. 

Flrdufti  spncbt 

0  WeltJ  wie  scliamloi  und  boaliaft  du  bist! 
Du  näbrat  tmd  emeheat  ond  tödteat  ^ugleieh. 


ITur  wer  toq  Mlhh  begüuatjfet  Ut, 

Der  nährt  iich,  erdebt  iich^  lebendig  und  reiolh 

Wa«  beiast  denn  Reiobtbum?  Eine  wirmende  Sonao, 
Oem^ist  de  der  Beider^  wie  wir  sie  geoies^en! 
Es  in5ge  docb  kern  du  der  Beicbeii  verdriesaea 
Des  Bettlers  im  Etgeugiun  selige  Wonne. 

7.  Dem  Kellner,  Dem  Schenken,  IX,  S.  Diesea  Gedieht  muss  ebeii« 
faltä  die  nachbeaserade  Hand  im  Jahre  1S15  erfahren  haben:  es  steht  scbon 
im  Wiesb.  Reg.  74,  ist  also  danach  vor  dem  30.  Mai  1815  gedichtet,  trägt 
aber  die  Unterschrift:  L  7.  15.  Eä  bezieht  aleh  auf  den  Kellner,  der  Goethe 
auf  dem  Gejsberg  bediente  und  Ton  Boisseree  zweimal  erwähnt  wird,  einmal 
aU  ein  schöner,  freundlicher,  blonder  Aufwärter,  dann  als  schöner,  junger, 
blonder  Kelloer  bezeichnet.^**)  An  der  zweiten  Stelle  sagt  Boisseree  ausdruck- 
lich, daäö  dieser  der  Gogonatattd  de»  Gedichtes  sei.  Um  Gedicht  stellt  dicdem 
als  freundlichen  Schenken  einen  groben  Kellner  entgegen. 

Bern  KeUner. 

Betxe  mir  niobt^  du  Grobiaiif 

Mir  den  Krug^  äo  der>>  ver  die  Nase! 

Wer  mir  Wein  bringt  sehe  mich  freundlich  an, 

Honst  trübt  sich  der  Eilfer  im  Glase. 

Dem  Schenken. 
Du  zierlicher  Knabe,  du  komm  herein, 
Was  stehst  du  denn  da  auf  der  Schwelle? 
Du  sollst  mir  künftig  der  Schenke  sein, 
Jeder  Wein  ist  schmackhaft  und  heUe. 


Wir  haben  schon  mehrfach  bemerken  müssen,  dass  Goethe  im  August 
des  Jahres  1815  Gedichte  des  Divan  seinem  Freunde  Sulp.  Boisseree  vorlas. 
Dass  er  das  Bedürfnis  hatte  dies  zu  thun,  ist  ein  Beweis,  wie  sehr  er  in  diesen 
damals  ihn  ganz  erfüllenden  Schöpfungen  lebte,  wie  befriedigt  er  sich  in  dem 
Gedankenkreise  des  Orients  fühlte.  Und  da  er  wohl  dasjenige  zur  Mitteilung 
an  den  in  einer  ganz  anderen  Welt  stehenden  Romantiker  auserwählte,  was 
ihm  am  geeignetsten  schien  in  die  Anschauung  des  Orients  einzuführen  und 
nach  seiner  Ansicht  am  besten  gelungen  war  von  den  vollendeten  Gedichten, 
so  ist  es  nicht  ohne  Interesse  diesen  Punkt  weiter  zu  verfolgen  und  die  Reihe 
der  vorgelesenen  Gedichte  zusammen  zu  stellen;  unter  den  Text  Boisserees 
setzen  wir  die  Stellen,  wo   die   betreffenden  Stücke   sich   in    der  Hempclschen 

»•*)  8.  Boisseree  I,  259,  263. 


171 


und  Weimarer  Ausgabe  sowie  im  Wiesbadener  Register  finden  nebst  dem  Tage 
ihrer  Eütatohuog,  wenn  dieser  bekannt  ist.  Für  einige  glauben  wir  von  den 
BelnerkuDgen  der  Weimarer  Ausgabe,  der  wir  sonst  viel  verdanken,  abweichen 
zu  müssen« 

v|Am  3.  August  1815]«  Er  las  mir,  berichtet  Boisseroe,  eine  sinnreiche 
Introduktion,  eine  Exposition  des  ganzen  Orientalismua  und  seines  eigenen 
Verhaltens  dazu  vor.  Dies  letzte  /.uerat  anfangend  von  dem  Gegensat«  der 
Zeit  und  Trost  suchend  im  Orient.  (1.)  Talismane,  Anmiete,  Abraxaa^  Siegel- 
ring der  Araber.  (2.)  Haiiz,  der  Korankundige,  wurde  zum  Eigennamen 
des  Dichters;  Goethes  Gedicht  au  ihn  vergleicht  sich  mit  ihm,  weil  er  sich  die 
Bibel  augeeignet,  wie  das  göttliche  Angesicht  sich  auf  das  Tuch  abgedrückt  hat.  (3) 

„4.  August.  Nach  Tische  besprach  er  die  Fortsetzung  des  Di  van:  das 
Kosenül  (4.);  behandelt  die  Weiber  mit  Nachsicht  (5.);  Spiel  In  den  Locken  (6.); 
Uans  Adams  Geburt  (7.);  der  Tulbend  (8.);  Freude  der  Freigebigkeit  (9,);  Ver- 
sprechungen des  Liebhabers  (10.)  Alle  Pracht  des  Orients  hat  doch  am  Ende 
nichts  Höheresi,  wie  die  liebenden  Herzen.  Stolz  der  Armut  des  Liebenden 
und  viele  andere  herrliche,  prächtige  und  anmutige  Dinge.  Ich  sagte  Goethe^ 
lass  es  mich  an  Faust  erinnere,  wegen  der  Grosaartigkeit  und  Kühnheit  und 
ioch  wieder  in  der  Natürlichkeit  und  Einfachheit  der  Sache  und  in  der 
Form  und  Sprache,  was  ihm  dann  ganz  recht  und  lieb  war. 


Uawptli 

W«iBftr»r 

WlMt>»d«aer 

Oedlcbtfi 

AlUfftl»«. 

Au»c»be, 

ReffliUr. 

1,1. 

5. 

3«  Hegire. 

24.  XIL  14. 

Hegire.     Nord  uod  Weit  und  Sad. 

1,2. 

7. 

4,  8eg©na- 
pfönder. 

1.1.15.28  V,15. 

SegeiiBpfÄuder.     TalUman  in  Carnool. 

n,  L 

33. 

14.  Bej  nähme. 

2Ö.  VL  14. 

Beiname.     Mohamet  dchemBeddin  »age. 

VTI,  2. 

139. 

58.  RoBonöl. 

27.  V.  15. 

An  8ule»ktt,  Dir  mit  Wohlgerucb  m 
kosen. 

IV,  15. 

80. 

30.  Adam  und 
Evii. 

' — ' 

Behandelt  die  Frauen  mit  Kaehtiofat. 

in,  6, 

54. 

27.  Locken. 

^ 

Versunken,  VoU  Locken  kraua  an  Haupt 
so  rund. 

I,». 

lü. 

17,  Urvater. 

21.  VL  14. 

Ersolsaffen  und  Beleben.  Uane  Adum  war 
ein  ErdenkloBs, 

9. 

vni,  14. 

155. 

3L  Talbflud, 

17.  IL   15. 

Komm,  Liebchen,  komm !  Umwinde  mir 
die  Maue. 

9. 

IV,  4. 

70. 

24.  8nh5n 
Bittende, 

26,  VIL  14. 

Lieblioh    tat    dei    Mftdoheni  Blick,    der 

winket. 

10. 

VÜI,  16. 

158. 

57,  Überboten. 

17.  IL  15. 

Hätt*  ich  irgend  wohl  Bedenken. 

„Den  6.  August  fSonntag  Nachmittag,  ah  Goethe  von  Biebrich  zurück- 
kam].***)     Nachher   Gespräch    über    den    Divan.    Eutstehen[,I    (II,);    Lob    des 

*•*)  Zum  Vormittag  und  Nachmittag  des  0.  August  hat  Boieserifc  tergeason  ilaj  Datum 
2U  bemerken;  dasa  die  betr.  Stelle  dem  f>.  angehört,  geht  daraus  hervor,  das»  Qoethe  an  dieeem 
Tage,  einem  Sonntage,  in  Biebrich  ao  der  herioglicheu  Tafel  war. 


172 


Weios   (12.);    Frechheit  gegeo   das  Gesetz  (13.);    Di®  FbtIb  (14,);    UowiileD 
ober  die  Deutschen  (15*)i  ihre  Neuer ungsucht  uod  Zerstreuung  (16*) 

, Sonntag  am  6.  Abends  las  mir  Goethe  wieder  einen  Teil  aus  deintim 
Di  van  vor,  worunter  das  sehöDste  <,Adani  und  Eva*  (17,)  war,  wie  der  Schöpfer 
sie  macht  und  seine  Freade  aa  ihneu  bat.  Er  legt  dem  Adam  die  Eva  an  die 
Seite,  und  mochte  dabei  stehen  bleiben.  Ein  Bildchen,  eine  Idylle  von  der 
«schönsten,  reinsten  Naivität  und  wieder  der  höchsten  Grösse;  es  machte  mir 
den  Eindruck  wie  das  beste  plastische  Werk  der  O riechen.  Dann  las  er,  wio 
Jesus  das  Evangelium  gebracht  hat  und  wieder  mit  zam  Himmel  genommen 
hat  (18)  Aber  was  die  Junger,  jeder  auf  aeioe  Art  davon  behalten,  verstanden 
und  nnsBver.^tanden^  ist  soviel,  dasa  die  Menschen  genug  daran  haben  für  immer 
KU  ihrem  Bedarf.  Liebesgedichte  (19.)  Was  ich  verlange,  ist  nur  wenig; 
aber  für  die  Geliebte  alle  Schätze.  Ein  prachtvolles  Stücke  worin  alle  Herrlich- 
keit und  der  ganze  Handel  des  Orieiita  vorkömmt;  wo  alle  Elemente,  alle 
Kräfte  der  Natur  und  Menschen  io  Bewegung  gesetzt  werden,  um  der  Geliebten 
Geschenke  zu  bringen,  die  ihr  aber  doch  nichts  sind  gegen  die  Freuden  der 
Liebe*  Die  Feueranbeter  der  alten  Parsen  (20.)  Ein  solcher  stirbt  und  spricht 
seine  Lehre  als  Vermachtniss  aus,  Verehrung  der  Sonne,  durch  Ordnung  und 
lieintiehkeit,  damit  sie  sich  nicht  betrübe,  den  Schmutz  und  Wüstenei  der 
Menschen  und  Erde  zu  sehen.  (Stiftung,  eine  Gasse  zu  reinigen,  damit  die 
Hunno  mit  Freuden  hinein  scfaetneO  In  demselben  Bezug,  Ackerbau.  (Auf 
ähuliche  humane  Weise  erklärt  Goethe  sich  die  Yerebrung  der  Kuh,  als  nüt^« 
lichstes  Hauitier,  und  des  goldenen  Kalbes,  und  sey  also  nicht  gar  so  absurd 
und  abgeschmackt,  als  es  aussehe.)    Verehrung  der  Feuers  als  irdischer  Sonae.** 


11. 

12. 
13. 
14. 

15. 
16. 
17. 

18. 
19. 
20. 


HeiupeU 
Ausgabe. 


IX,  3. 


JX,  4. 

IX,  4. 

X,  4. 


V,  4. 

V.  8. 


Weimarer 
Aufgabe. 


Wiesbadener 
Register. 


Gedichtet. 


203. 


204,  1. 

204,  2. 

230. 


34.  Koran  u. 

Becher. 
i43.Truiicken- 
I       heit. 
33.  Perle 
Wider- 
spänstig. 
98.      92.  Leidiger 

I        Trost. 
102.      47.  Lands- 
I  leute. 

X,  10.        236.      60.  Gottesge- 

I  danken. 

X,  9.         235.      59.  Evange- 
lium. 
VIII,  15.      156.      56.  Kayser- 
!  gaben. 

XI,  1.    I     239.      65.  Vermächt- 

I  ni8. 


20.  V.  15. 


7.  II.  15. 
27.    VII. 


23.   XII 
24.  V.   15. 


14. 


24.  V.  15. 

17.  III. 
17.  V. 
13    III.   15. 


17.III.  )    . 
17.  V.  1  ^^• 


I 


Ob  der  Koran  von  Ewigkeit  sei? 

Trunken  müssen  wir  alle  sein! 

Da  wird  nicht  mehr  nachgefragt! 

Die  Perle  die  der  Muschel  sich  entrann. 


Befindet  sich  einer  heiter  und  gut. 
Als  wenn  das  auf  Namen  ruhte. 
Es  ist  gut. 

Vom  Himmel  steigend  Jesus  bracht\ 
Nur  wenig  ist's  was  ich  verlange. 
Vermächtnis  altpersischen  Glaubens. 


173 


„Dienstag  den  8.  Abends  liest  Goethe  wieder  Stücke  aus  dem  Divan. 
Der  Wenke  (l.  Schenke)  (21.)  Euss  auf  die  Stirne  (22.)  Eifersucht.  Das 
Mädchen  sey  eine  böse  ermüdende  Liebhaberei  für  den  alten  Freund.  Das 
Ganze  als  ein  edles,  freies  pädagogisches  Yerhältniss,  als  Liebe  und  Ehrfurcht 
der  Jugend  gegen  das  Alter;  yorzüglich  schön  ausgesprochen  in  einem  Gedicht: 
die  kürzeste  Nacht  (23.),  wo  Morgenroth  und  Abendroth  zugleich  am  Himmel 
sind.  Astronomie  Ethik.  Ein  andres  Gedicht  bezieht  sich  auf  den  schönen, 
jungen,  blonden  Kellner  auf  dem  Geisberg  (24.) 

„Timurs  Winterfeldzug.  (25.)  Parallelstück  zu  Napoleons  Moskowitischem 
Feldzug.  Eriegsrath.  Der  Winter  tritt  redend  auf  gegen  Mars;  Fluch  oder 
Verheissung;  gross,  gewaltig.  Hass  des  Ereuzes.  (26.)  Schirin  hat  ein  Ereuz 
von  Bernstein  gekauft,  ohne  es  zu  kennen;  ihr  Liebhaber  Cosken  (l.  Chosroes) 
findet  es  an  ihrer  Brust,  schilt  gegen  die  westlich  nordische  (1.  modische)  Narr- 
heit u.  s.  w.  Zu  bitter,  hart  und  einseitig,  ich  rathe  es  zu  verwerfen.*'  Vgl. 
oben  S.  168. 


Hempels 

Weimarer 

Wiesbadener 

Gedichtet. 

Aiugfftbe. 

Aasgabe. 

Register. 

21.  [  IX,  16. 

1 
1 

215. 

78.  Bohwän- 
qhen  und 
SchwaD. 

Okt.  14. 

Sohenke. 

22.  ,  IX,  9. 

1 

209. 

75.  Des  Schen- 
ken Eifer- 
sucht. 

Okt.  14. 

Schenke  spricht. 

23. 

IX,  20. 

220. 

89.  Sommer- 
nacht. 

16.  XII.  14. 

Sommernacht. 

24. 

IX,  8. 

208. 

74.  Kellner  u. 

1.  VII.  15. 

1  Dem  Kellner, 
l  Dem  Schenken. 

Schenke. 

25. 

VII,  I. 

137. 

84.  Winter  u. 
Timur. 

11.  XII.  14. 

Der  Winter  und  Timur. 

26. 

VIII,  17. 

288. 
NachhUf. 

62.  Abrazas. 

Redigiert  am 

längsten  Tage 

1815. 

Süsses  Kind,  die  Perlenreiben. 

Es  sind  also 

vorgelesen 

aus  Buch 

I:  3  Gedichte;            aui 

}  Buch    VII:  2  Gedichte; 

»       1» 

ü:  1  Gedicht; 

.       ^ni:  4         „ 

»             7) 

ni:  1       . 

«         IX:  7         , 

7)             fl 

IV:  2  Gedichte; 

X:  3         , 

n          it 

V:  2         „ 

XI:  1  Gedicht; 

1» 

» 

VI:  nichts; 

r» 

„        XII:  nichts. 

2.  Im  Herbst  des  Jahres  1813  begann  Goethe  die  Dichtung  einer  Oper, 
deren  Titel  „der  Löwenstuhl"  sein  sollte.  Das  war  bisher  aus  den  Annalen  1813 
bekannt,  wo  es  heisst:  „Der  Lüwenstuhl,  eine  Oper,  gegründet  auf  die  alte 
Überlieferung,  die  ich  nachher  in  der  Ballade  „Die  Kinder  sie  hören  es  gern^ 
ausgeführt,  geriet  ius  Stocken   und  verrharrte   darin."     Die  letzte  Bemerkung 


174 


iat  jedoch  niolit  ganz  zutreifend.  Im  Tagebuch  erscheint  der  Name  der  Oper 
Löwenstuhl  zuerst  am  28.  Oktober  1813,  dana  am  29.  die  Worte,  welche  auf 
«10  hinweiaeu:  „die  Kinder  sie  hören  es  geroe**,  am  30,:  „die  Kinder  pp.*| 
um  31.:  Es  höreos  die  Kinder  so  gerne*^,  und  endlich  am  20.  November:  „Dio 
Kinder  sie  hören  pp/  Indessen  kehrt  der  Dichter  im  Jahre  1814  nooh  swei- 
bia  dreimal  zu  diesem  Stoffe  zurück;  auf  der  Reise  nach  Wiesbaden  eotwmff 
er  den  Plan  zu  der  Oper,  sei  es  am  27.  Juli,  als  er  von  Fulda  bis  Uaoaa 
fuhr,  wie  eine  Notiz  besagt^^,  oder  zu  Hanau  am  28,,  wo  das  Tagebuch  den 
^Plaa  des  Lowenstuhls**  anführt  —  wenn  nicht  beides  zusammeafällt  und 
irgend  ein  Gedächtnisfehler  hei  der  ersten  Aufzeichnung  mituntergelaufen  iMt 
Aber  auch  am  L  August  ist  der  Löwenstuhl  im  Tagebuch  genannt:  , Schema 
des  Lowenstuhlö"  —  und  danach  erst  geriet  die  Dichtung  ins  Stocken  und 
verharrte  darin,  bis  sie  später  in  die  Form  einer  Ballade  umgegossen  und  von 
Goethe  selbst  einmal  als  „Die  Sänger  und  die  Kinder""*^)  benannt,  von  Späteren 
als  „Ballade  vom  vertriebenen  und  zurückkehrenden  Grafen**  betitelt  wurde. 
Der  Umstand,  dass  Goethe  die  Oper  in  Wiesbaden  —  am  1.  August  1814  — 
noch  einmal  vornahm,  veranlasst  uns  ihr  einige  Worte  zu  widmen. 

Den  Stoff  entnahm  er,  wie  die  Noten  zu  der  Ballade  berichten,  einer 
altenglischen  Erzählung,  die  unter  der  Regierung  der  Königin  Eliaalieth  nieder- 
geschrieben  wurde.***)  Nach  ihr  war  der  Sohn  des  bei  Evesham  am  4.  August 
1265  im  Kampfe  mit  König  Heinrich  von  England  gefallenen  Grafen  von 
Leicester,  Heinrich  von  Monfort,  in  der  Schlacht  des  Augenlichts  beraubt,  aber 
gerettet  worden  und  wählte  nunmehr  das  Los  eines  Bettlers;  seine  schune 
Tochter  jedoch  erweckte  die  Liebe  eines  Ritters,  dem  sie  auch  ihre  Hand  reichttf 
auf  der  Hochzeit  erschien  ihr  Vater  und  tragt  zur  Laute  ein  Lied  vor,  in 
welchem  er  sich  als  Sohn  des  Grafen  zu  erkennen  gibt*  Diesen  Stoff  bildete 
unser  Dichter  durch  Benutzung  von  einer  Erzählung  in  Boccaccios  Decameroiits 
(11,  8)  um;  in  ihr  wählt  ein  Graf  freiwillig,  veranlasst  durch  Yerläum düngen 
der  Königin  von  Frankreich,  das  Los  eines  Bettlers,  bis  die  Nichtigkeit  jeDcr 
Beschuldigungen  nach  dem  Tode  der  Königin  an  den  Tag  kommt;  aus  iltr 
entnahm  insbesondere  Goethe  das  Motiv^  welches  in  dem  wiederkehrenden  „die 
Kinder  sie  hören  es  gerne*^  enthalten  ist,  da  die  Kinder  seiner  ihn  nicht  et* 
kennenden  Tochter  den  freundlichen  Bettler  liebgewinnen,  und  ferner  die  harten 
Worte,  welche  der  Gemahl  der  Tochter  des  Bettlers  wegen  deren  FreunJUchkoii 
gegen  diesen  an  sie  richtet.  Neu  hinzu  that  er  den  Hintergrund,  in  dem  er 
die  Vertreibung  und  Rückkehr  des  Grafen  an  grosse  politische  Kämpfe,  dett 
Sturz  und  die  Wiedereinsetzung  des  rechtmässigen  Königs,  anknüpft. 

Von  der  Dichtung  Löwenstuhl  sind  im  Jahre  1892  aus  dem  Nachlansc 
Goethes  in  dem  12*  Bande  der  ersten  Abteilung  der  Weimarer  Ausgabe  folgende 
Stücke  veröffentlicht  worden:  1.  der  Plan  dos  Löwenstuhls,  8.  421  f.;  2.  etil 
Fragment,  vielleicht  das  obengenannte  Schema,  mit  wenigen  eingestreuten  Yer^oa, 


4 


^^\  OoeiheK  Werke  I,  3,  :17M:  ,Pl*n  lur  Oper  Ldiwenttühl,  auf  der  liei«is  Im  J«H 
«wiaohtn  Puld«  und  Han»u  i»otworfen  und  copirt  *  --  ***)  Oo^üid,  tut  K«ttirwiitotiKchA(\  ab#r^ 
Kftupt.   —  ***t  Vgl  Th.  Peror,  Roli-juw  of  ftucieiU  «agliiih  poetrjr*    London  IMi*   8,  Itn. 


8-  296 — 290;  3.  ein  Bruchstück  voa  mehr  oder  weniger  ausgearbeiteten  Scenoti, 
18»  300^ — 307;  4.  cino  Reihe  von  einzelnen  unssusamraeühängendea  Versen, 
S,  422  ff,  Aus  dem  zweiten  uod  drirten  Bruchstück  geht  h*.^rvor,  wesnhalb 
der  Dichter  sein  Werk  Löwenstuhl  benannte:  in  dem  grossen  Prachtaaale  der 
Burg,  die  der  Graf  ehedem  erbaut  hatte  (II,  28:  ^Und  er  baute  den  Palast^ 
Ach  ein  Gott  erschien  er  fast**)  befand  sich  ein  Freiatuhl  oder  Sessel  (UI,  133) 
mit  xwei  goldenen  Löwen  (11,  34:  „Und  zwei  goldne  Löwen  waren  Zeichen  der 
Gerechtigkeit*'),  aufweichen  die  Kinder  den  üreia  sich  zu  setzen  nötigen  wollen; 
wie  der  Stuhl  nach  den  Löwen  Löwenstuhl  htese,  so  der  Saal  Lowensaal.  Die 
KotdeckuDg  des  wahren  Standes  der  Tochter  und  ihres  Vaters  wird  auf  eine 
wunderbare  Weise   herbeigeführt,    indem  die  im  Saale  aufgestellten  Rüstungen 

^ lebendig  werden  (8.  299).*^) 
S*  Über   den  Plan    und   die  Ausführung   des  St.  Rochusfestes   haben  wir 
(8.   140)  schon  gesprochen. 
4,   In   dem   Jahre    1815,   ^u   dem   wir   nun  übergehen,    beschäftigte  sich 
he  neben  dem  Di  van  eifrig  mit  der  Abfassung  der  italienischen  Reise,  die 
ufKuontlich  im  Jahre  1816  und  1817  erschien.     Gleich  vom  zweiten  Tage  seines 
I Aufenthalts  zu   Wiesbaden    an  vorzeichnet   da^  Tagebuch  dahin    weisende    Ba- 
merkuDgen;  so  am  29.  und  30,  Mai  und  4»  Juni:  „Neapel  dictirt",  am  3L  Mai 
und   6,   Juni:    „dictirt   Sicilien*",   am  3.:    „dictirt   Vesuv  L**,   am  18.:    „dictirt 
Palermo",    und    wenn    am  L,    2.,    5.,    7.,  8,,   9,  und   10,  bis  24.  blos  „dictirt* 
bemerkt  ist,  so  siud  wir  berechtigt  ebenfalk  an  die  italienische  Reise  zu  denken. 
Die  Tage   vom  10. — 13.  waren   dem  |,Corrigiren  zum  Abschreiben**  gewidmet, 
am  20.  und   27,,   als   <lie   Krankheit   seines  Dieners   Karl   eich   verschlimmerte 


und  hindernd  dazwischen  trat,  wurde  ,,Sicilicn  durchgesehen*'*  So  waren  während 


'des  Mai  und  Juni  25  Tage  auf  diese  Arbeit  verwendet  worden;  vom  28.  Juni 
an  traten  andere  Abhaltungen  dazu,  sodass  die  weitere  Besohäfiigung  mit  der 
italienischen  Reise  —  wohl  aus  Schonung  für  seinen  Karl  —  fortan  während 
der  Kurzeit  zu  Wiesbaden  unterblieb. 

5.  Das  Gedicht  für   die  Kinder  vom  23*  Juli  ist  oben  (S    130)  erwähnt. 

6.  Der  Sommer  1815  brachte  Goethe  die  Bekanntschaft  mit  neugriech- 
ischen Liedern,  die  freilich  für  die  nächste  Zeit  keine  Früchte  zeitigte,  aber 
doch  ihn  lebendig  anregte  und  schliesslich  die  Übersetzung  der  „neugriecbisch- 
opiroti.'ichen  Iloldenlicder**  und  der  „neugriechischen  Liebe-Skolieu''  der  zwanziger 
Jahre  hervorrief.*"^)  Die  Annalen  1815  sagen  darüber  folgendes:  ^Wenig 
Fremdes  berührte  mich;  doch  nahm  ich  grossen  Antheil  an  griechischen  Liedern 
neuerer  Zeit,  die  in  Original  und  Übersjetzung  mitgetheilt  wurden,  und  die  ich 
bald  gedruckt  zu  sehen  wünschte.  Die  Herren  v.  Natzmer  [?]  und  Haxthausen 
hatten  diese  schöne  Arbeit  übernommen."  Das  Tagebuch  berichtet  über  diese 
beide«:  „SÜ.  Juni.  v.  Natißmer  [?]  Neugriechische  Gedichte.  —  2,  Juli.  Major 
[von    llaxtlmuden].    —    8,    Major    v.    Haxthausen    ßrtechiache   Volkslieder.    — 


^^^)  Ob«r  die  BaUade  und  ihre  t^uellcn  vgi,  i?t.  Waorioldr  in  «ier  /oirschrift  für 
doaUchen  Unterricht,  lO,  iJ,  502—515.  -  *^S  Die  Heldenlieder  *iud  vou  Goethe  übersetzt  iTti 
Jahre  1822,  gedniokt  1828,   die  Skolien  1825  und  1827.     S.  die  Weim*  AuBgiibe  I,  3,  4211  ff. 


ne 


4.  Überif^og  wegen  AuBgabe  der  Vulkslieder.    —  5«  M^BT  T.  Haifltmiiiti  | 
GmeUwbo  Toikilieder.  ...  Mit  Haxthausen  auf  d&m  OeUberg.    Symboltc  der 
Sprackverlititiime.  —  7,  v.  Haxthausen,  Neup-,  Volk»  L.*  — 

Was  für  ein  NaUmer  es  geweaeo  scio  mag«  dar  die  AtImsjI  dor  Uemti«- 
gäbe  der  Lieder   mit  Haxthaasen   übemehmeD  woUle,   ist  nicht  überliefert,  ja 
der  oben  (S.  95)  geDannte  Oldwig  r.  Natzmer  versicherte  dem  Yeffaaser  seiiier 
Btographiei  der  iha  darum  befragte^^'),   ihm  sei  diese  litterarisfibe  Arfaeti  gaos  , 
fremd  und  er  habe  io  jener  Zeit  keinen  Natzmer  gekannt,  der  steh  mit  Sehrifi*  | 
siellerei   beschäftigte;   von   ihren   näheren  Ter  wandten   könne   dieser   NaUmer 
gewiss  nicht  gewesen  sein.     Und  der  Yerfasser  der  Biographie  erklart,  or  habe 
nicht  in  Erfahnmg  bringen  können,  welcher  K.  die  Ehre  der  Mitarbeit  gehabt 
habe.    Sollte  Goethe  sich  im  Namen  geirrt  haben?  Sollte  nicht  Tteüaehr  v.  Uast^j 
bmnaeii  im   Tagebuch   am   30.  Juni   gelesen  werden?     Denn  dasa  jener  Namo  i 
oebeD  Haxthausen    auch  in  den  Annalen  steht,  thut  nichts   zur  Sache,  da  it^ 
aelben  nach  den  Tagebüchern  bearbeitet  sind. 

Der  Major  Werner  v.  Haxthausen  (1780 — 1842)  war  wohl  Ende  JuiT 
(zwischen  dem  25.  Juni  und  2.  Juli)  in  Wiesbaden  eingetroffen  und  ist  in  der 
Kurliste  als  Major  t.  H.  von  Hannover  zweimal  (No,  1838  und  1910)  venteichnet.*^')  i 
Er  hatte  mehr  als  100  neugriechische  Volkslieder  teils  geschenkt  erbalten  tdls  | 
selbst  gesammelt,  und  es  kam  ihm  nun  darauf  an  den  wertvollen  Schatz  deo 
Freunden  dieser  Dichtungsart  zugänglich  zu  machen.  Goethe  sollte  daher  für  «y 
die  ^ütwirkung  bei  der  Herausgabe  gewonnen  werden  und  sie  durch  seine  Tal*  ^M 
nähme  uder  doch  Empfehlung  unterstützen.*'*)  Mit  welchem  Interesse  er  in  ^" 
der  That  die  Lieder  las,  beweist  der  Umstand»  dasa  er  schon  am  5.  Juli,  also 
nachdem  er  sie  kaum  in  die  Hände  bekommen  hatte,  an  H,  Meyer  schrieb*"): ' 
^Laaseo  Sie  sich  von  August  etwas  über  den  Fund  neugriechischer  BaÜadeii 
(so  mögen  sie  genannt  werden)  sagen.  Das  ist  das  Beste,  waa  mir  in  dieser 
Woche  vorgekommen.  Sie  sollen  dem  vergangenen  Jahrhundert  angeboreB, 
dem  Besten  gleichend^  waa  wir  in  dieser  Art  haben,*'  Und  noch  am  2L  8ep* 
tember  desselben  Jahres  ist  er  voll  von  dem  Genüsse  der  Lektüre  und  errähll*^; ' 
zu  Heidelberg  seinen  Gästen  Creutzer  und  Daub  bei  Tische  ,von  den  imju* 
griechischen  Dichtungen  vor  etwa  fünfzig  Jahren  her.  Die  Helden  seyen  meist 
unabhängige  Seeräuber  und  in  den  Gebirgen  Landratiber,  oder  Familien  aef  1 
kleinen  Inseln,  es  seyen  meist  dramatische  Romanzen.  Alle  Elemente,  Irrtsclie^ 
dramatisch-epische,  seyen  io  einer  Form.  Der  Geist  derselben  sey  der  nordisebei  ^ 
schottische  mit  dem  südlichen  und  altmythologiscben  verbunden«  Das  Goapriell 
eines  Adlers  mit  dem  abgeschlagenen  Haupt  eines  Rauberanfuhrers,  welchea  er 
auf  die  Felshöhe  getragen.     Charon,   ein  Reiter^   welcher   die  Seelen   der 


4 


■^^t  Qneoinur  E.  r,  Naiimer,  su»  dam  l#«l»eii  0.  f .  Natinier,  I,  l!f2.  ~  "^  Et  w«efc-* 
teile  sein  I^o^is  dsher  bt  er  iweiaial  eint^trsfen,  gersdc  wie  aiioh  Ootth«  im  JaImv  iai4^ ' 
LebeatnacliHohteii  ttm  thm  •*  in  der  Allg.  Deutfteht^ti  Bio^»plue.  —  ***)  8.  Slelg,  üoeÜM 
and  die  BrAder  Gninni,  1892  8.  ISO  IT.  und  UoMbe- Jahrb.  Xll,  a^  ff.«  beMmdcr«  67;  Relffer- 
iifliieid,  Freuodethricfe  von  Wilkelm  und  Jakob  OHmnu  IHTa  8.  aS.   —   ^  Biamer^   BHuX^ 
mm  und  von  Ooethe,  1S4A  S.  1D4.  —  *^\  BoiiaerAo  f^  2^:i,  der  nijM^hlich  lagt,  ff  tm  Don*  | 
nmruims  den  22.  ^wcien;  dor  Dunnf^rnt&jr  war  abor  der  *21. 


177 

storbeneo  hinten  an  den  Schweif  seines  Bosees  biodet^  die  Kinder  an  den 
Sattel  hängt.  Ein  Pferd,  welches  seinen  erschlagenen  Herrn  beklagt  und  mit 
der  Hufe  scharrt.  Ein  Bräutigam,  der  auf  der  Überfahrt  zur  Braut,  in  einem 
siegreichen  Gefecht  mit  den  Türken  bleibt  und  wünsch t,  es  solle  der  Braut 
verweh  wiegen  worden.*^ 

Das  eriäte  der  hier  genannten  Lieder  hat  Goethe  später  unter  den  grieehiäch- 
epirotischen  neldeoliedern  als  No*  VI  herausgegeben.     Es  lautet  bei  ihm: 


Der  OlympofJ,  der  Kis8aY08,*''i 
Die  zwei  Bergd  huderten; 
Da  entgegnend  epraoh  OlympOB 
AIbo  zu  dem  KissaYos: 
„Kiolit  erhebo  dich,  Kissavoa, 
Türken-  du  Getretener. 
Bin  ich  dooli  der  Greis  Olympos, 
Den  die  ganze  Welt  venjahm. 
Zweiundsechzig  Gipfel  mhV  ich 
Und  sweitauflend  Quellen  klar. 
Jeder  Bruno  hat  seinen  Wimpel, 
Seinen  Kämpfer  jeder  Zweig. 
Auf  den  böohaten  Gipfel  hat  sich 
Mir  ein  Adler  aufgesetzt^ 
Fawt  in  seinen  nulcht^gen  Klauen 
Eines  Helden  blutend  Haupt.^ 


^Sage,  Haupt,  wie  ist's  ergangen? 
Fielest  du  verbreoberiseh?'*  — 
SpeiBc^  Vogel,  meine  Jugend, 
Meine  Mannheit  speiae  nur! 
Ellenlanger  wiehst  dein  FlGgel, 
Deine  Klaue  spannenlang. 
Bei   Louron,  in  Xeromeron 
Lebt'  ich  in  dem  Kriegerstand, 
Ho  in  Chaaia,  auf^ra  Olympos 
Kämpft  ieh  bis  m's  zwölfte  Jahr. 
Seehjsig  Agas  ich  ersehlug  sie, 
Ihr  Geüld  verbrannt'  ich  dann; 
Die  ich  sonst  noch  niederstreckte, 
Tilricen^  Albaneser  auch, 
Sind  icu  Tiele,  gar  lu  viele, 
Das8  ich  lie  nicht  sAhten  mag; 
Nun  ist  meine  Reihe  kommen, 
Im  Gefechte  fiel  iob  brav. 


"Das  zweite  Lied,  Charon,  ist  No.   VII,: 

Die  Bergeshöh'n  warum  so  schwarz? 

Woher  die  Wolkonwoge? 

Ist  es  der  Sturm  der  droben  kämpft, 

Der  Hegen,  Gipfel  peitschend? 

Nicht  ißt's  der  8turm  der  droben  kttnipft, 

iNicht  Regen,  Gipfel  peitschend; 

Nein  Charon  ist'«,  er  sauat  einher, 

Entführet  die  Verblichuen; 

Die  Jungen  treibt  er  vor  sich  hin, 

Schleppt  hinter  sich  die  Alten; 

Die  jüngsten  aber,  biuglinge, 

In  Reih'  gehenkt  am  Sattel. 

Da  riefen  ihm  die  Greise  zu, 

Die  Jünglinge  sie  knieten: 


y,0  Charon  halt'!   halt'  am  Geheg, 
Halt^  an  beim  kühlen  Bruj:nen! 
Die  Alten  da  erquicken  sich. 
Die  Jugend  schleudert  Steine, 
Die  Knaben  zart  zerstreuen  sich 
Und  pÜüuken  bunte  Blümchen." 

Nicht  am  Gehege  halt*  ich  still, 
Ich  halte  nicht  am  JJrunnen; 
Zu  schupfen  kommen  Weiher  an, 
Erkennen  ihre  Kinder, 
Die  M&nner  auch  erkennen  sie, 
Das  Trennen  wird  tmmdgUch. 


7,  Dies  sind  die  dichterischen  Ergebnisse,  welche  Goethe  aus  dem 
Aufenthalte  zu  Wiesbaden  und  am  Khein  nach  dem  Tagebuche  und  anderen 
Aufzeichnungen  davontrug.  Dass  aber  auch  andere  Studien  und  Beobachtungen 
fruchtbringenden  Gewinn  brachten,  haben  wir  zum  Teil  früher  gehört,  wenn 
sie,  wie  die  Lahnreise,  auch  nicht  litterarisch  verwertet  wurden.  Wir  wollen 
nach  einiges  hierzu  bemerken.     Am   1.  Juli  1815   finden    wir  Goethe  mit   der 

"M  Kiasavos  iat  der  moderne  Name  dei  Ossa,  welcher  dero  Olympo«,  j.  Olioiboa  oder 
ßlinibos,  gegenüber  liegt;  beide  trennt  daa  enge  Thal  Tempt). 


!i8 


Farb[eD]  Tab[elle]  beschäftigt,  wie  er  zu  seiner  Farbenlehre^  die  ihm  so  «ehr 
am  Herzen  lag,  auch  im  Jahre  1814  durch  einen  Brief  von  Staatsrat  Schulu 
war  hingeführt  worden/"*'**)  Ferner  wurde  er  im  Jahre  1815  bei  der  Berataii^ 
über  das  Blucber-Beakmal  in  Rostock  zu  Rate  gezogen;  auf  einen  Brief  d«t 
Kamnierherrn  v.  Preen  antwortete  er  ara  14,  Juh'  1815,  den  er  fiilschJich  tat 
den  Geburtstag  Oellerts  hielt*'**)  und  demgeniäsa  unterzeichnete  „am  Geburtstage 
Üellerts**,  dessen  das  Tagebuch  ebenfalls  am  14.  gedenkt;  auch  in  der  Folge 
war  er  für  das  Denkmal  thätig  und  verfasste  bekaontlieh  die  Inschrift.*") 

Endlich  müssen  wir  die  Nachwirkungen  hier  erwähnen,  welche  die  Tag« 
am  Rheine  hatten^  vor  allem  die  Aufsätze  ^über  Kunst  und  AUerÜmm  in  deo 
Rhein*  und  Main-Gegenden**  u*  a.  in  der  Zeitschrift  über  Kundt  und  Altertum 
18H1  ff.  Und  sicherlich  verdanken  manche  Lieder  des  Schenkenbuchs  im  Dtvau 
der  frohen  Eriuueruug  an  den  Elfer,  der  auch  im  „St.  Rochusfosf^  verherrlicht 
wird,  ihren  Ursprung.  Und  wie  jugendlich  frisch,  fast  überschäumend  küiidei 
das  „Ghasel  auf  den  Eilfer*  den  Ruhm  dieses  Göttertrankes!  In  seiner  nr» 
sprüngtichen  Gestalt,  die  nach  dem  Tagebuche  ara  18*  Oktober  1815  aen 
Meiningeu  auf  der  Heimreise  niedergeschrieben  und  erst  vor  wen  igen  Jahren 
veröffentlicht  wurde"*),  schien  es  dem  Dichter  für  den  THvau  zu  feurig,  sodass 
er  für  ihn  eine  abgeschwächte,  kürzere  Fassung  schuf,  die  aber  doch  keine 
Aufnahme  fand^  sondern  erst  18G8  aus  dem  Nachlasse  bekannt  gemacht  wurde." 
In  ihr  lautet  das  Gedicht  also: 


Wo  man  mir  Gutes  orieigt  aberall 

s*  i»t  eine  Fltt§ohc  Eilfer. 
Am  Khein  und  Mtün,  im  Necknrland« 

llun  bringt  mir  lächelnd  Eilfer, 
Und  nennt  gar  manchen  braven  31aim 

Viel  »eUener  aU  den  Eilfer: 
Hat  er  Menachhcit  wohl  getfaan, 

Ut  immer  noch  kein  Eilfer. 
Die  guten  Fürst eu  nennt  man  so, 

Beinahe  wie  den  Eilfer; 
Uns  tnaohen  ihre  Thaten  froh, 

8ie  leben  hoch  im  Eilfer« 
Und  manchen  Namen  nenn^  ich  lett 

8till  schuppelnd  meinen  Eilfer; 
Sie  weia»  m  wenn  es  tiiemaud  weisa, 

Da  Hohmeokt  mir  erat  der  Eilfer. 


Von  meinen  Liedt5rn  sprechen  aie 

Fast  rühm  Hüb  wie  vom  Eilfer, 
Und  Blum*  und  Zweige  brechen  ai» 

Mich  kränzend  und  den  KiJf« 
Dus  alle»  wAr^  ein  groAsreit  llrii 

leb  tbeilte  gern  den  Kilfer 
Nahm*  Hatis  auch  nur  «einen  Thi  u 

Und  schlurfte  mit  den  Eilfer» 
Drum  eir  ich  in  das  Paradiest 

Wü  leider  nie  vom  Eilfer 
Die  Uißub'gcn  trinken,     8eJ  er  aitai 

Der  Himmelawoin!  Kein  Eilfer 
Oeschwinde»  Hafif,  eile  hin? 

Da  itebt  ein  Homer  EÜfer! 


IS.  Abreise,   Erfolge.    Urteile. 

Die  Heiroreise  aus  der  Kur  trat  Goethe  im  Jahre  1814  am  12.  September 
an.  Auf  der  Fahrt  nach  Frankfurt  beobachtete  er  bei  Flöröheim  ^Kalk  Taff 
mit  Copohylion''  und  besuchte  deu  Schwefeibrunnen  zu  Woilbach      In  Fratik- 

»'^  DOntxer,  Briefwech*el  zwischen  GooUie  und  Staatsrat  Sebulti^  1853  8.  13«.  — 
**")  Geliert  int  am  4.  Juli  IT  IT»  geboren;  ahgeschekt  ht  der  Brief  am  i6.  Juli.  —  '■*)  tfj^t 
den  Aufaau  in  Kaumere  hiitnrischem  Tatcbenbueh,  1802  S.  :u:i  ff,  --  *^*)  Burdaeh  im 
Qoeihe-JahrU.  XI«  8.  3  It    ilt^SMI).  *  ***.<  Herttn,  IKGS,  jeUt   in  d^f  Weimarer  AQ»cab#  I^ 


178 


I 


» 


fürt  kehrte  er  bei  Fritz  Schlosser,  der  ihn  freuadlicb  emgeladen  hatte,  ein  und 
verweilte  dort  im  Verkehr  mit  alten  Freunden  und  Bekannten  bis  zum  24.  Nach- 
dem er  sich  darauf  vom  24.  September  bis  9.  Oktober  mit  Christian  Schlosser 
zu  Heidelberg  bei  8,  Boisseree  aufgehalten  hatte,  kehrte  er  nach  Frankfurt 
zurück  und  reiste  am  20.  nach  Ilanau,  wo  er  bei  Leouhard  einige  Tage  blieb, 
dann  über  Gelnhausen,  Fulda  und  Eisenach  nach  Weimar  und  traf  am  27, 
wieder  dort  ein. 

Im  Jahre  1815  verlies»  er  am  11.  August  morgens  um  6  Uhr  Wiesbaden 
in  Gesellschaft  von  8.  Boisseree.  Der  Weg  führte  sie  zunächst  nach  Mainz. 
„Auf  der  Höhe,  erzählt  dieser***),  sahen  wir  das  Rheingau  bis  Bingen,  „Was 
muss  das,  bemerkte  Goethe,  für  eine  Gewalt  gewesen  seyn,  was  muss  eine  Zeit 
daiLU  gehört  haben»  ehe  nur  das  Wasser  da  zum  Durchbruch  gekommen:  das 
hat  da  gewiss  lang  als  See  gestanden,  wie  der  Bodensee.  Und  nicht  allein 
die  Berge  haben  gehindert,  sondern  auch  das  Meer,  ehe  seine  Gewässer  abge- 
nommen." In  Mainz  wurden  unter  der  Leitung  des  Professors  Lehne  die 
Kunstschätze  und  die  Altertümer  in  Augenschein  genommen.  Vor  dem  Schlafen* 
gehen  betrachteten  sie  noch  leuchtendes  Holz,  das  Goethe  aus  Wiesbaden  mit- 
gebracht  hatte.  Samstag  den  12,  August  fuhren  sie  nacli  Frankfurt;  auf  der 
„Höhe**  von  Höchst  wurde  stillgehalten  wegen  der  prächtigen,  reichen  Aussicht, 
die  im  schönsten  Sonnenlicht  vor  ihnen  lag.  In  Frankfurt  angekommen  fulir 
Goethe  sofort  nach  Willeraers  Landsitz,  der  Gerbermühle,  wo  er  einzukehren 
zugesagt  hatte  und  den  grösaten  Teil  der  folgenden  Zeit  wohnte.  Hier  ent- 
wickelte sich  das  zarte  Verhältnis  zu  Marianne  v,  Willemerj  das  Creizenach  in 
seinem  Werden  und  Bestehen  in  dem  mehrfach  angezogenen  Buche  ausführlich 
geschildert  hat,  zu  voller  Blute  und  Hess  die  lieblichen  Früchte  des  siebenten 
Buches  des  Di  van,  des  Buches  Suleika,  hervorspriessen.  Am  18.  September 
verliess  der  Dichter  seine  Vaterstadt,  die  er  von  da  an  nicht  wiedersah;  von 
Heidelberg  aus,  wohin  er  sich  nochmals  gewandt  hatte,  wurde  Mannheim  und 
Karlsruhe  besucht,  und  am  7,  Oktober  die  Reise  nach  Weimar  angetreten,  das 
er  am  11.  erreichte.     Vgl.  S.  100, 

Seines  Aufenthalts  am  Rhein  und  Main  gedenkt  Goethe  verschiedene  Male 
mit  hoher  Befriedigung.  So  sprach  er  sich  am  12,  Mai  1815,  kurz  vor  seiner 
zweiten  Reise,  dem  Kanzler  v.  Müller  gegenüber  lobpreisend  „über  Nassaus 
Länder  und  Staaten^  aus  und  teilte  manche  hübsche  Episode  seines  dortigen 
geologisch-politischen  Lebens  mit^'*);  in  den  Annalen  1814  bemerkt  er  kurz: 
„Die  Reise  nach  den  Rhein-,  Main-  und  Neckargegenden  gewährte  eine  grosse 
Ausbeute  und  reichlichen  Stoff  an  Persönlichkeiten,  Kunstwerken  und  Kunst- 
reaten.*'  Ausführlicher  ist,  was  er  über  die  ganze  Reise  des  Jahres  1815  be- 
merkt: „Heitere  Luft  und  rasche  Bewegung  gaben  sogleich  mehreren  Pro- 
duktionen im  neuen  östlichen  Sinne  Raum.  Ein  heilsamer  Badeaufenthalt,  länd- 
liche Wohnung  in  bekannter  von  Jugend  auf  betretener  Gegend,  Theilnahme 
geistreicher,  liebender  Freunde  gedieh  zur  Belehrung  und  Steigerung  eines 
glücklichen    Zustanil^^-^,    dor    sioh    pinoni   jeden    Reinfülilciideu    aus    dem   Di  van 


"*')  S.  Boisaeri^e  1,  2üG.  —   ''V  UurkiiArdt  a.  a,  0 ,  S,  IG. 


flarbielen  mtisa**^    Dieser  StimmuDg  verdankte  wohl  das  Disticlioi]  den  Ursprung, 
welchei  überachrtebeo  ist: 

^Zum  Aridenkeii  des  28.  Au^cst  1815. 

AU  die  Tage  noch  wuciidetif  geÜel  duB  LcUen  mir  wenige 

Nun  abnehmend  mit  Eil\  könnten  gefallen  sie  mit  " 

Doch  vergisst  er  auch  nicht  das,  was  ibra  weniger  in  Nassau  gefuilr 
sagen,  ^uDächdt  in  Betreff  des  Zustandes  von  Land  und  Leuten^  über  den  er 
an  Voigt  den  1.  August  1815  schreibt"*):  „Was  für  Übel  den  Franzosen  be- 
gegnen ma^:,  so  gönnt  man  es  ihnen  von  Grund  des  Herzens»  wenn  rnao  die 
Übel  mit  Augen  sieht,  mit  welchen  sie  seit  zwanzig  Jahren  diese  tiegend 
quälten  und  verderbten^  ja  auf  ewig  entstellten  und  zerrütteten.  Die  neue 
Regierung  [in  Nassau]  findet  schwere  Aufgaben,  Davon  mündlich.  Auf  alle 
Fälle  leben  wir  dorthintcn,  mit  mehr  oder  weniger  Seelen,  wie  in  lirabo  patrum.*^) 
Und  in  Bezug  auf  Kunst  und  Wissenschaft  äussert  es  sich  in  dem  Briefe  vom 
6.  Juli  1815  an  Meyer  also:  .Kunst  und  Wissenschaft  und  deroo  Verwandte 
spielen  hier  (d.  h.  in  ziemlich  weitem  Kreise)  eine  sonderbare  Rolle."  Damit 
vergleiche  man,  was  wir  oben  selbst  bei  No»  8,  S.  106  i?iigen  mussten,  oder 
wie  man  —  und  diese  Sclmld  fiel  hauptsächlich  auf  den  Minister  —  die  Mineralien- 
Sammlung  Cramers  anzukaufen  versäumte  u.  a.  mehr.  Erst  später  erwachte 
namentlich  durch  des  Uerzogs  Adolf  eifrige  Sorge  für  Kunst  und  Wissenschaft 
ein  regeres  Streben,  um  auch  hierin  hinter  den  anderen  Gegenden  Deutschlands 
nicht  zurückzubleiben.  Freilieh  konnte  sich  damals  die  Stadt  Wiesbaden^  die 
nicht  einmal  ein  Gymnasium  besass,  und  Nassau,  das  eine  Universität  entbehrte, 
in  keiner  Weise  mit  Weimar  messen;  die  eben  erst  von  dem  Herzogtume  ge» 
wonnene  hohe  Schule  zu  Herborn  fristete  mit  Mühe  ihr  Leben  noch  bis  zum 
Jahre  1817  und  die  beiden  Gymnasien  zu  Idstein  und  Weilburg  waren,  vaii 
dem  Wehen  der  neuen  Kunst  und  Litteratur  wenig  berührt^  den  klasaischeü 
Studien  nach  altem  Muster  treu  gebliebeu.  Über  das  Leben  zu  Wiesbaden 
überhaupt  meint  Goethe  am  6.  März  1816*'*^),  dass  es  dort  zu  leicht,  zu  heiler 
sei,  als  dass  mau  nicht  verwöhnt  wurde  fürs  übrige  Leben.  Er  möge  daher 
nicht  zu  oft  hinreisen;  Karlsbad  störe  das  innere  Gleichgewicht  schon  weit 
weniger.  Oft  bestimme  die  kleinste  Zufälligkeit  die  dauerndsten  Verhältnisse  im 
Leben,  und  am  meisten  wirkten  Berge  auf  die  Verschiedenheit  der  Sitten  und 
Charaktere,  weit  mehr  als  Klima  und  Sprache. 

Zu  der  Befriedigung,  die  Goethe  über  seinen  Aufenthalt  zu  Wiesbadeu 
empfand,  trug  nicht  wenig  der  günstige  Erfolg  der  Kur  bei.  Wiederholt  sprach 
er  in  Briefen  an  Freunde  aus,  wie  gut  ihm  das  Bad  bekomme  oder  bekommon 
mit  dies  schrieb  er  an  Schlosser  am  7.  und  20.  August  1814^*)^  an  Boisseree 
am  13.  und  30.  August  1814  und  am  2.  Juni  1815*^),  an  Knebel  am  2.  Kch 
veniber  181 4.'*"')     Dabei  bemerkt  er  dem  ersten,  der  ihn  von  Frankfurt  aus  mehr- 


•^)  O,  JabB,  UoethM  Briffe  aa  ».  Voigt»  8.  343,  —  ■")  Limbun  ist  a.  a.  de?  Oft, 
an  dem  die  Seelen  der  tot  CKriitui  ventDrbenen  frommen  MAaner  weilen,  die  nioht  der  votltii 
Beligkeii  toilhaftig,  aber  ihr  nah«  iiiid.  W«tzer  nnd  Walla,  Kiroht^tileiakan.  ^  ^*^  Barli« 
iiardt  A   a.  O.,  8.  Itt.  —  •••)  Kreta  a.  a.  ü.,  8   m,  ili,  -   »«^)  ö.  Baiüün?«  11,  4*« 

Ooelh<''>iHlirli    VF     Iif3.  '*^>  Briefwechhel    xwiuJton  fiooüj«^  und   IvucbcL   1*^!>I- 


I 


181 

fach  mit  Geld  Tersorgte,  man  spüre  in  Wieebaden  sehr,  dass  die  Münze  rund  sei, 
uad  dieser  Ware  bedürfe  man  daselbst  überall,  wie  es  seheine,  mehr  als  anders- 
wo. Wie  hoch  «ich  übrigens  seine  Ausgaben  auf  der  Reise  und  insbesondere 
iu  der  Kur  beliefeUf  lasst  sieh  aus  den  nur  vereinzelten  Erwähnungen  in  Briefen 
nicht  feststellen.  Am  7«  August  1814  bescheinigt  er  Schlosser  324  fl.,  am 
9.  September  216  fl.  erbalten  zu  haben. 

Von  entscheidender  Bedeutung  endlich  war  die  zweimalige  Rheinreise  für 
Qoethes  Kunstrichtung/**)  Während  er  bis  kurze  Zeit  vor  dem  Jahre  1814 
einem  fast  einseitigen  Klassizismus  gehuldigt  hatte,  befestigten  ihn  nunmehr 
die  beiden  Reisen  in  der  neuen  Baho,  die  er  eingesehlagen  hatte.  Wir  haben 
oben  schon  auf  den  Einfluss  Boisserfes  hingewiesen,  dessen  Sammlungen  mittel- 
alterlicher Kunst  er  jetzt  selbst  kennen  lernte,  wie  er  die  Kunstschätze  am  Rhein 
und  Main  von  nun  an  mit  ganz  anderen  Augen  betrachtete.  Dazu  trat  der  freie 
Verkehr  mit  alten  uud  neuen  Freunden,  sowie  die  ungehinderte  Bewegung  unter 
der  heiteren  Bevölkerung  der  Rhein-  und  Mainlande,  die  sein  Ohr  und  Jlerz 
dem  Leben  und  Treiben  seiner  Landsleute  und  den  Liedern  fremder  Nationen 
mehr  uüd  mehr  öffneten.  Freudig  Hess  er  die  gewonnenen  Eindrücke  in  eignen 
Schupfungeu  austönen.     So  konnte  er  später  mit  Recht  sagen: 

^Wir  8iDd  rieUeiohi  zu  antik  gewesen; 
Kun  woUen  wir  es  moderner  lesen/ 


L\.  Spätere  Beziehungen  zu  Nassau,  1816,  1825,  1828. 

1.  Auch  im  Jahre  1816  gedachte  Goethe  das  Bad  zu  Wiesbaden  zu 
gebrauchen."^)  Zelter,  der  gleichfalla  die  Kur  daaelböt  wiederholen  wollte,  liatte 
ihn  im  Juli  zu  Weimar  besucht,  und  ea  war  abgeBprochen  worden,  dass  er 
wieder  für  eine  Wohnung  sorgen  sollte.  Dies  that  er  auch  sofort  nach  seiner 
Ankunft  zu  Wiesbaden  am  16*  Juli,  indem  er  ein  ,,stiileä  Quartier  in  der  Rose 
festlegte/  Doch  in  letzter  Stunde  wurde  die  Sache  vereitelt.  Denn  kaum  war 
Qoethe  am  20.  Juli  mit  Meyer,  der  ihn  begleiten  wollte,  abgereist,  als  nach 
zweistündiger  Fahrt,  kurz  vor  Münchenholzen  „der  ungeschickteste  aller  Fuhr- 
knechte**  den  Wagen  umwarf.  Da  Meyer,  wenn  auch  nicht  gefahrlich,  verletzt 
worden  war,  musste  die  Weiten-eise  zunächst  aufgegeben  werden,  und  da  die 
Heilung  wenigstens  14  Tage  in  Anspruch  nehmen  sollte,  so  entachloas  sich 
Goethe,  um  den  besten  Monat  nicht  zu  verlieren,  nach  Tennstedt  zu  gehen, 
TOD  deasen  Wassern  er  die  beste  Wirkung  hoffte.  Das  für  ihn  gemietete 
Logis  in  der  „Rose"  bestellte  Zelter  sofort  nach  der  Meldung  hiervon  ab,  musste 
aber  Vi  H.  Entschädigung  bezahlen,  „ein  Preis,  fügt  er  in  dem  Briefe  vom 
26*  Juli  zUf  der  nicht  zu  gross  seyn  würde,  wenn  Du  etwas  dafür  genossen 
hättest,  denn  das  Quartierchen  schien  mir  recht  für  Dich  zu  passen.** 


«V)  K.  Burdaoh,  Ooethe-Jahrb*  XJ,  H  ff,  —  '^)  Riemer,  BriefweohBel  a^wiflvheo 
Ooetiie  und  Zelter,  II,  282  &.  Goethe  ümlertc^  fibrigen»  •einen  Plan  und  wollte  niich  Haden 
geheiii  wo  d^au  Cott«  ein  Quartier  bestellte. 


192 

2.  Im  'Soremher  des  Jabtes  181S  selireibt  der  OrmAenog  Karl  Amgma/t 
MB  Goetbe^:  ^Wenn  mao  dot  den  Codex  der  h.  Hildegard  gefiehen  bekosiKa 
kfnmte,  um  ihn  selbst  zu  bearbeiten.  Über  die  Jagd  naeli  den  NibetasgeB 
hat  man  die  b.  Hildegard  rergeasen.  Es  eidstieri  der  Original-Codex  «nd  eine 
Copie  desselben  in  Wiesbaden.  Scbreibe  doch  an  Minister  t.  Xarseltnll,  er 
rooebte  nns  die  Copie  leiben,  er  hatte  mir  dieses  schon  im  Tor^en  Heriiat  Ter- 
sproeben.*  Im  Oktober  1815  war  der  Grossherzog  am  Rhein;  damaH  mn^  er 
den  Minister  t.  MarschaD  gesehen  ond  seinen  Wnnseh  mitgeteilt  habes^  wie 
er  aoeb  am  22.  Oktober  sich  eine  Mitteilung  dar  fnr  Nassau  eriamencn  Ter- 
lassnngsnrknnde  aasbat«'^ji  In  wie  weit  der  in  obigem  Brief  aoagesiHtidieBe 
Wunsch,  den  Codex  der  Hildegaid  zu  eriialten,  erfüllt  wurde,  ob  Goedie  die 
nötigen  Schritte  dazu  that,  konnte  nicht  festgestellt  werden. 

3.  Nicht  fibergehen  wollen  wir  ferner,  dass  am  16.  Oktober  1825  nof 
Minssterialbeschluss  rom  13.  Oktober  dem  Staatsminister  t.  Goethe  auf  AasoeheB 
ein  Pririlegium  gegen  den  Nachdruck  einer  ron  ihm  beabsichtigten  neuen 
Ausgabe  seiner  Werke  auf  einen  Zeitraum  von  50  Jahren  ertrih  und  dieser 
Beschluss  alsbald  den  Buchdruckern  und  Buchhändlern  in  Nassau  mitgeteflt 
wurde.  Die  neue  Ausgabe  erschien  im  Jahre  1827  und  den  folgenden  Jahren. 
Und  aU  im  Jahre  1835  ein  Nachdruck  derselben  zu  Paris  reranstaltet  wurde, 
so  verbot  die  nassauische  Regierung  —  am  2.  April  —  den  Vertrieb  desselben 
in  Nassau.***) 

4.  Ooethe  und  der  Verein  für  nassauische  Altertumskunde  und  Geschichts- 
forschung.^ Die  ersten  Anreguogen  zur  Gründung  eines  Vereins  zunächst 
zur  Erfortk^hung  der  rumischeD  Altertümer  in  Nassau  gehen  in  das  Jahr  1811 
zurück;  namentlich  betrieb  der  ältere  Ilabel  noch  während  des  Jahres  1812  die 
Sache  8ehr  eifrig'^^j,  doch  traten  die  politischen  Verhältnisse  bald  hindernd 
dazwischen.  IndcMsen  muss  Goethe  von  dem  Plane  unterrichtet  worden  sein; 
denn  in  dem  Aufsatze  über  die  Kunstschätze  am  Rhein  u.  s.  w.  sagt  er:  , Schon 
haben  sich  mehrere  Freunde  der  Kunst,  der  Natur  und  des  Altertums  [zu 
Wiesbaden]  unterzeichnet,  eine  Gesellschaft  zu  bilden,  welche  sowohl  überhaupt 
als  besonders  für  diese  Gegend  um  alles  Merkwürdige  bemüht  wäre.  Herr 
V,  Gerning,  der  das  Taunusgebirg  zum  Gegenstand  seiner  Dichtungen  und 
Betrachtungen  vorzüglich  gewählt,  mochte  wohl  zu  bewegen  sein  seine  reiche 
Sammlung  hierher  zu  verlegen  und  einen  Grund  zu  legen,  worauf  die  Gunst 
der  Fürsten  und  die  Bereitwilligkeit  mancher  dankbaren  Fremden  gewiss  mit 
Eifer  fortbauen  würde.**  Diese  Wünsche  sollten  sich  verwirklichen,  freilich 
später  als  man  damals  hoffte,  indem  in  der  That  drei  Vereine  jetzt  die  drei 
Gebiete  der  Kunst,  Natur  und  Altertümer  zum  Gegenstand  ihrer  Pflege  gemacht 
haben.  Aber  die  Zeiten,  die  auf  die  grossen  Kriege  folgten,  waren  diesen  fried- 
lichen Beschäftigungen  nicht  hold;  gerade  in  den  Rheingegenden  und  vornehm- 


*•*)  Briefwechsel  II,  77.  —  *•*)  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau  in  den  Jahren  1813—1820, 
8.20.  —  ••*)  StaatsarchiT  zu  Wiesbaden.  S.  Hirzel,  Verzeichnis  einer  Goethe-Bibliothek,  1884, 
8.  99  ff.  —  •*•)  Die  folgenden  Mitteilungen  beruhen,  wo  nichts  anderes  bemerkt  ist,  auf  den 
Akten  des  Vereins.  —  "*^)  Annalen  des  Vereins  XI,  5  und  XVII,  65. 


183 


lieh  in  Nassau  fingen  politische  Interessen  die  Qemüter  zu  beherrschen  und 
zu  beunruhigen  an,  geheime  und  offene  Bewegungen  und  Verbindungen  störten 
die  Freudigkeit  xu  wissennchaftlicher  Thutigkeit  und  führten  schliesalich  die 
Regierung  zu  energischen  Massregeln  gegen  das  Vereinaweöen.^^*)  So  kam 
es  erst  zehn  Jahre  nach  den  ersten  Ansätzen  —  im  Jahre  1821  —  zur  Gründung 
des  ältesten  der  genannten  Vereine,  des  Vereins  für  nassauische  Altertumskunde 
und  Geachichtöforschung,  und  auch  der  zweite  Wunsch  des  Altmeisters»  dass 
die  Sammlung  des  H.  v.  (ierniog  zu  Wiesbaden  eine  bleibende  Stätte  finden 
möchte,  ging  im  Jahre  1824  in  Erfülliing.*^^)  Als  der  Verein  auf  eine  mehr- 
jährige erfolgreiche  Thätigkeit  zurückblicken  durfte,  glaubte  man  mit  Ehren 
vor  der  wissenschaftlichen  Welt  auftreten  zu  können  und  beschloss  in  einem 
ersten  Hefte  der  „Annalen  des  Vereins*'  Mitteilungen  über  die  Ergebnisse  seiner 
Forschungen  zu  machen,  sowie  eine  Anzahl  namhafter  Gelehrten  zu  Ehrenmit* 
gliedern  des  Vereins  zu  ernennen,  denen  dieses  und  die  folgenden  Hefte  der 
Annalen  uneutgeltlich  zugehen  sollten.  Sobald  also  das  im  Druck  befindliche 
Heft  fertiggestelt  war  ~  Eade  des  Jahres  1827  — ,  machte  man  auf  Grund 
früherer  Besprechungen  ein  Verzeichnis  von  30  Männern  der  Wissenschaft  und 
Kunst,  denen  das  Diplom  ihrer  Ehrenmitgliedschaft  zugleich  mit  der  Druckschrift 
zugesandt  werden  sollte.  Der  Verein  hatte  damals  zwei  Direktoren,  einen  in- 
ländischen für  die  Geschäfte  innerhalb  Nassaus  und  einen  ausländischen  für 
die  Geschäfte  ausserhalb  des  Herzogtums;  letztere  Stelle  bekleidete  der  ge- 
nannte Geheimerat  v.  Gerning  zu  Frankfurt,  dem  zu  Liebe  sie  geschaffen  war. 
Ihm  wurden  also  am  9.  Januar  1828  21  Diplome  zur  Unterzeichnung  zugesandt, 
die  für  Goethe  und  einige  andere  Herren  folgten  erst  am  25.  April.  Fast  drei 
Monate  später  —  am  20.  Juli  -  überschickte  Gerniug  dem  Vorstande  ein 
Dankschreiben  Goethes  zugleich  im  Original  und  in  Abschrift  mit  der  Bitte  ein 
Exemplar  zu  behalten,  das  andere  ihm  wieder  zuzusenden.  Trotz  eifrigen  Nach- 
suchens  in  den  Akten  des  Vereins  ist  es  nicht  gelungen  das  eine  zurückbe- 
haltene Exemplar  aufzufinden. 

Inzwischen  hatte  es  der  Sekretär  des  Vereins,  der  jüngere  Habe!,  welcher 
in  dem  Annalenhefte  über  seine  bedeutungsvollen  Entdeckungen  der  ^Ruinen 
von  Heddernheira**,  namentlich  zweier  Mithras-Tempel  berichtete,  nicht  über 
sich  gewinnen  können  ganz  in  den  Hintergrund  zu  treten  und  am  17.  Februar 
1828  an  Goethe  ein  Schreiben  gerichtet,  das  er  mit  dem  genannten  Hefte  an 
diesen  absandte.     Das  Konzept  desselben  bat  sich  erbalten  und  lautet  also: 

^Ew,  Excellenz 
beehre  ich  mich  durch  gütigen  Einschluss  meines  Freundes  Braun^*^*^)  ein  Exem- 
plar der  gegen  Ende  vorigen  Jahres  erschienenen  Annalen  unseres  Alterthums- 
Vereines  zu  übersenden,  aus  welchen  Hochdieselben  die  Ergebnisse  unserer 
bisherigen  Bestrebungen  sowie  die  Richtung  unseres  Wirkens  geneigtest  ersehen 
wollen. 


™')  Sauer,  Diui  HerzogtiLm  Naasau  in  den  Jahren  isiit— Ls::u,  8.  i^s,  Meineeke^  Die 
d^utüOlien  OetielUchaften  und  der  HoftmannUch©  Bund,  18«K  —  **^J  Annalen  XI,  8»  IHtl.  — 
*^f  Prof.  Dr.  Braun  ^a  Mainz  war  ein  eifriges  Mit|;lied  des  Yereina. 

13* 


164 


4 


Unter    den    maDcherlei    ioteresaanteü    Piiokten    unseres   Landes    hat    der 
Verein   den    erst    einige   Jahre    unter    meiner  Leitung    begonnenen****)    Unter* 
suchungen    der   römischen    Überreste  bey  Heddernlieim    eine   vorzügliche   Auf*H 
nierkHamkeifc  geschc^nkt.     Ich  wage  es  den   in  unserer  Zeitschrift  abgedruckten  ™ 
Bericht    über    die    dortigen    Ausgrabungen    der   nachsichtsvollen    Beurtheilung 
Ew.  Excellenz  zu  empfehleQ. 

Ohnstreitig  sind  Ew*  ExcelL  durch  das  Stuttgarter  Kunstblatt  vor  mehreren 
Monaten  mit  der  letzten  interessanten  Ausbeute  aus  diesem  ausgedehnten  Über- 
reste, der  Entdeckung  zweier  Mitfaraätempel,  bekannt  geworden.  Die  im  Inneren 
desselben  gefundenen  merkwürdigen  Reliefs  wurden  jedoch  in  diesem  Blatt  durch 
Herrn  Hofrath  Dr  Dorow  auf  eine  so  unbescheidene  und  unwahre  Weise  dar- 
gestellt, dass  sich  der  Verein  verailasat  sah  eine  Zeichnung  dieser  plastischen 
Überreste  einstweilen  im  Umriös  lithographiren  zu  lassen,  um  die  Meinung 
competenter  Gelehrten  über  diese  manigfaltigen  und  z.  Th.  neuen  Symbole  zu 
vernehnn^n. 

In  dieser  Absicht  erlaube    ich  mir   einen    Abdruck    dieser   Lithographien 
beyzuschlieaseu.     Nicht  nur  der  Yerein,  sondern  das  ganze  gelehrte  Publicum 
Deutschlands  w^ürde    sich    unendlich   freueo,    hierüber    die    Ansichten    eines    so  J 
grossen  Kenners  des  Alterthums  zu  vernehmen,  und  Ew.  ExceÜ,   würden  mich  H 
besonders  verpflichten,  wenn  Dieselben  mir  erlauben  wollten  dieselbe  in  unsera 
Aunalen  bekannt  machen  zu  dürfen, 

In  Bezug  auf  die  Lithographien  bemerke  ich  nur  noch,  dass  auf  Taf.  HI 
die  Figuren  4  —  4%  auf  Taf,  V  die  Figuren  l  —  l**  in  meiner  Abwedeubeit 
durch  Versehen  des  Zeichners  hinzugefügt  worden  sind,  welche  nicht  zu  den 
in  unserm  Mithraeum  gefuDdenen  Gegenständen  gehören.  Eine  ausführliche 
Beschreibung  und  die  Orundrisse  beyder  51ithraen  dürften  in  dem  zweiten  Hefte 
von  mir  folgen.*^*) 

Genehmigen  Ew.  Excell,  die  Versicherung  der  ausgezeichnetsten  Verehrung, 
mit  der  ich  beharre 

Exped,  den  17*  Februar  1828,  Ew.  Excelh  gehorsamer  Diener 

F.  G.  ll|abel|.*' 

Unter  dem  Schreiben  steht  die  Notiz:  „Das  Diplom  zur  (Übersendung  über- 
geben (an  Gerning)  den  25.  April   1828/     Eine  Antwort  Goethes   hat  sich  in  ^ 
Ilabels  Nactdass  nicht  aufgefunden.  ^M 

In  dem  zweiten  Hefte   der  Annalen,    das   im   Jahre  1830   erschien,    sind 
63  Ehrenmitglieder  des  Vereins   in    alphabetischer    Ordnung   aufgeführt,    unter  ^ 
ihnen  auch  Goethe  mit  Zufüguug  der  Namen  aller  seiner  Orden*  H 

Wir  sind  zu  Ende;  denn  weitere  Mitteilungen  oder  Andeutungen  von  Be- 
ziehungen Goethes  zu  Nassau  haben  sieh  bis  jetzt  nicht  gefunden,  wenn  er 
sicherlich  auch  noch  immer  der  nassauischen  Lande  und  seiner  Besuche  der- 
selben gern  gedachte  und  die  wissenschaftlichen  Bestrebungen  der  Bewohner, 
die  er  erhofft  und  gewünscht,  freudig  begrüsste. 


*"*)  Seit  dem  Jftbre  1^23.  Ann.  J,  l,  H  48.  -  *^^^)Ge&cliiih  in  Ann.  1,2(1830>,  8.  161- Ige, 


Inhaltsangabe. 


185 


Seite 

Vorwort 53 

I.   1763—1764        ....  54 

II.   1765 55 

III.  Die  Lahnreise  von  1772     .  57 

IV.  1774.    Sindlingen     ...  59 
V.   1774.    Ems.    Juni— Juli     .  60 

VI.   1793 65 

VII.   1814,  29.  Juli  bis  12.  Sept.j 

VIII.   1815,  27.  Mai  bis  11.  Aug.)  ^^ 

1.  Der  Entschluss,  1814    .  67 

2.  Die  Reise,  1814       .     .  69 

3.  DerersteTag,30.Julil814  70 

4.  Entschluss  U.Reise,  1815  72 

5.  Kurleben,  1814  u.  1814  74 

6.  Das  Theater    ....  78 

7.  Verkehr  mit  Kurgästen. 
Besuche  auswärt.  Freunde  80 

8.  Verkehr      mit     Einhei- 
mischen        100 

1 .  Der  herzogliche  Hof  zu 
Biebrich      ....  100 

2.  Die  höheren  Beamten  105 

3.  Oberbergrat  Gramer  .  108 

4.  Bibliothekar    Hundes- 
hagen     .     .         .     .  114 

5.  Apotheker  Otto     .     .  117 

6.  Habel  zu  Schierstein  .  119 

7.  Hofrat  Götz  zu  Rüdes- 
heim         121 

8.  Kammerherr  v.  Nauen- 

dorf 124 

9.  Johannes  de  Laspee  .  125 
Gedicht  für  die  Kinder  1 30 
Die  Rechenkunst   der 

Dorothea  Gramer     .  131 
Goethes  Urteil  über  das 

Pestalozzische  Wesen  131 

10.  Philippine  Lade    .     .  132 


Seit« 

11.  Gerbermstr.  Behringer 

u.  a 137 

9.  Störungen  und  Unter- 
brechungen des  regel- 
mässigen Kurlebcns  .     .     138 

a.  Im  Jahre  1814: 

1.  Des  Königs  V.  Preusseu 
Geburtstags- Feier  zu 
Mainz 138 

2.  Das  St.  Rochusfest     .     139 

3.  Der  Grossherzog  Karl 
August  in  Mainz  und 
Wiesbaden        .     .     .     140 

4.  Herbsttage  im  Rhein- 
gau    141 


b.  Im  Jahre  1815: 
5.  Politische  Aufregungen 


145 


6.  Zu    Mainz    bei    Erz 
herzog  Karl     .     .     .  148 

7.  Auf  dem  Johannisberg  148 

8.  Lahnreise    .     .     .     .  150 

9.  Besuch   bei    dem   Mi- 
nister V.  Stein      .     .  153 

10.  Lektüre 156 

11.  Eignes  Schaffen    .     .     .  159 

1.  Der  Divan       ...  159 

2.  Der  Löwenstuhl    .     .  173 

3.  Das  St.  Rochusfest     .  140 

4.  Italienische  Reise  .     .  175 

5.  Gedicht  für  die  Kinder  130 

6.  Neugriechische  Lieder  175 

7.  Verschiedenes;    Nach- 
wirkungen       69.  100.  177 

12.  Abreise.  Erfolge.  Urteile  178 

IX.  Spätere  Beziehungen  Goethes 

.    zuNassau  1816,  1825,  1828  181 


186 


Verzeichnis 

der 

lor  Qcethee  Aofeathalt  am  Bbib  b^mrk^Kgwerteeteo  Namni 


r,  AlmefidingefL,  L.  Uin^dief  107, 

Arndt  E.  M.   153, 

ArasteiD  152  C 

Badtaradi  b% 

Bäam,  Frmit  76,  94. 

Biaedoir  60  t. 

Befariigo'j  Gertemieister   137. 

Bertliier,  Msradull  146. 

Beotlipr,  Fr.  7S  f. 

Kabkli  54.  5d.  €0,  100  ff. 

Bfl^l»  59.  65.   142, 

f.  Bbiaait^k,  Fn  W.  102  t 

L,  105. 
Bienen  Web   131. 
\\  Bobeiiliaus^ti,  I^tte  83  f. 
Bodinaan,  F,  J,   139. 
Boisseiw,  S.  75.  81,   98  ff.   131.   14  L 

168  L   170  ff,  179, 
Eretitatio.  Ma^e  59  I, 

„  Franz  iL  Aiitonia  69, 93. 1 II  ff. 

Eii>der  und  Yerwandte   142  ff. 
V,  ßurg^dorr  97, 
Bütte,  W,  97.    127- 
dimard^  Jtis*  71,  93. 
ClauM^  143, 
Cramer,  L.  \V,  75.  108  ff.   12ü.   127  ff. 

132,   139  ff,   150  ff, 
€ramer,  Loise  und  Sophie  133. 

Durotbra,  S^iphlc   129  ff, 
Ocspel,  Fnm  94, 
Cronberg  54. 
De  f.aspee,  Job.   125  ff. 
De  Lort,  Jos,   103.   148. 
Diei  58. 

DiUenburger  Dieuers^baft    lü5, 
Drnsusätctu  55, 
Ebrenbreitstmti  58, 
Kibiugeu   142. 


EllTiUe  59,  140. 

Elwert  84, 

Entts  58,  60  ff. 

Eppstein  151. 

Feldberg  54. 

Flörsheim    178, 

V.  FrimoBt,  J,  138. 

&€ilnaaer  Wasser  74. 

Getsberg  75,  92.  94,   111  f.    lai. 

GeisenbeiiEi  142. 

V,  Gemlnf,  J,  J,  90,  120.   1S2. 

GfiOfgeaboni  136. 

Goetiie,  Gebartstag  1814    80.   92.    103^ 

„       Kleine  Gedidita  62.   90,   143. 

„       UennaaD  nnd  Doratbea  75,   90, 

121,  129. 
Goethe,  Leajwldsordeii  98.   149  f, 

Orden  der  venfickten  HohüLte  99. 
Goethepunkt  Goethewinkel  58.  1 52  Aom. 
Gtietbit   113, 
Götz,  G.   K    Fl,   72. 
Goet^,  W,  Fr,   121  ff.   140. 
V.  Günderrode,  ^Fr.  M.)  85, 

„  Karoline  143« 

V,  GuÄita-BrentaBd,  G,  F.  89  f, 

Meline  89   f. 
V.  Gudeuaa,  K.   149, 
Habel,  Fr,  G.   119  f,   1S3  f. 
Hall  wachs  79, 
V,  Handel  P,  A.   149. 
V.  Hardegg.  Graf  Heinrich    138. 
V,   Haithanfen^   W.   95,   175, 
llem^kel  v,  Donncrsmark.   Graf   L.   81  L 

,*      W.  81  i 
V.  Hertliug,  Fran   121,    128. 
Hildegard,  die  heilige   116.    182« 
Höchst  54.   179, 
Holwegt  SiisaQBe  90. 
Uobappel   152. 


187 


V.  Holzhaasen,  Karoline  92  f. 

„  Karl  92  f. 

Horst,  G.  K.  96. 

V.  Hügel,  Job,  AI.  Jos.  96.  149  f. 
Hundeshagen,  B.  69.  114  flf.   134  f. 
Ibell,  K.  107. 
Idstein  151. 

Ingelheim,  Ober-  und  Nieder-  142. 
jDliannisberg  142.   148  f. 
V.  Jungenfeld  139. 
Kämpf,  Frau  63. 

„       Job.  63.  65. 
Karl,  Erbemjg  103  ff.   148. 
Karl  August,  [Grüss]tlemig  65. 140  f.  150. 
Katharine,  Grossfürstiu  90  f.  127. 
Kebr,  Forstschreiber  94. 
Kleyle,  Joacb.   149. 
Klostcrmühle  75. 
Koblenz  57.  62. 
Königstein  54. 
V.  Krauseneck,  W.  J.   138. 
V.  Kttnigl,  Graf  Hermann  103. 
Lade,   Philippine  132  ff. 
Labneck  62. 
Lahnstein  58. 
Lahnreisen  57  f.  150  ff. 
Langbecke  151. 
Langsdorff,  E.  H.   107. 
La  Roche,  Sophie  59.  64. 
Lavater  60  ff. 
Le  Bauld  de  Nans,  Cl.  95. 
Lehne,  Prof,  zu  Mainz  179, 
Lehr,  F.  A.   118. 

V  Leonhard,  K.  C.  86  ff. 

Leopold     BViedr, ,     Prinz    von    Anhalt- 
Dessau  139. 
Limburg  56.   151. 
V.  Lobenthai,  Fr.  L.   86. 
Low  von  und  zu  Steinfurth,  Pb.  83.  85. 

„  „  „  Luise  85. 

V.  Luck  81.   139. 
Ludwig,  Prinz  von  Hessen-Homburg  102. 

138. 
V.  Lyncker  95. 
Mainz  54.   65.   104.   138.   141.   179. 

V  MalaperL  F.  Ph.  W.  91. 
Marheineke   86. 

V  Marschall,  E.  F.  L.   106  f.  147.  182. 
Maultrommel  79. 

Mäuseturm  65. 
Metternich,  Fürst  96. 
Metzler,  Geh.-R.  95. 
V.  Meusebach  155, 


J.  J.  151. 
V.  Motz,  K.  156. 
Müller,  Dr.  86. 
Münz  151. 
Murat  146. 
Napoleon  145.  147. 
Nassau,    Herzog   Friedrich    August    69. 

101  ff. 
Nassau,  Fürst  Friedr.  Wrlh.  103.   105. 

„      Herzogin  Luise  101.   103. 

„      Fürstin         „     103. 

„      Prinzessin  Auguste  101  f. 

„  „  Henriette  103.  105. 

„      Stadt  56.  152. 

„      Land  53.  (67.)  180. 

,,      Kriegsrüstungen  145  ff. 
V.  Natzmer,  (W.)  95.  (175  f.) 
V.  Nauendorf,  L.  124  f.   148. 
Neef,  Chr.  E.  94. 
y.  Neufville,  J.  A.  F.  W.  R.  90. 
Neuwied  63. 
Niederwald   142. 
Xonnenmühle  75. 
Not  Gottes  142. 
Nürnberger  Hof  76.  136. 
Obernhof  58.  152  Anm. 
Otto,  K.  Ph.  117  ff. 
Papiermühle  75. 
Pestalozzi  126  ff. 
v.  Pfeiffer,  F.  K.  J.  79.  107. 
Piautaz,  Frl.   142. 
Platte  74,  83. 
Rehberg,  Frau  121  ff. 
Reinhard,  Kath.  El.  75  f. 
Reuss  95. 

Rhein  54.  58.  67.    138.   143. 
Rheinfels  59. 
Rheingau  141.  179, 
Riese,  J.  J.  90. 
v.  Roth  95. 

Rüdesbeim  65.  140.   142. 
8.  Goar  69. 

S.  Rochusberg  139.  142. 
S.  Rochusfest  139  f. 
Schierstein  119. 
Schlosser,  Chr.  70.  75.  91  f.    142. 

Fritz  68.  70.  75.  91.   94  f. 
Schmidt,  J.  Ch.  L.   152. 
Schreiber  152. 
Scbwalbach  54.  65. 
Schwalb  ach  er  Wasser  74. 
Seeligmann,  Frau  95. 
Selters,  Ober-  und  Nieder-  161. 


188 


Serviere  93. 

„       Paaline  93.  142.  145. 
SindliDgen  59. 
Sonnenberg  74. 
Stark  141. 
V.  Stein,  Matter  des  Ministers  61. 

„        der  Minister  104.  153  ff. 

„        Frau  and  Töchter  155. 
V.  Stein  86. 

„        Christiane  82  ff. 

„        Eleonore  77.  82  ff. 

„        Friederike  82. 
V.  Steinberg  (Stemberg)  85. 
V.  Strauch,  H.  149. 
Stritt,  J.  105. 
V.  Swrtnick,  A.  138. 
Taonos  54. 
IJngers  86. 
Togel  141. 
Yollraths  142. 
V.  Walmoden,  Frl.  154  ff. 
Waterloo  104.   147. 
Weilbach  175. 
Weilbacher  Wasser  74. 
Weilbarg  58. 
Welcker,  Fr.  G.  86. 


Wenzel  142. 
Westermann,  AL  151. 
V.  Westphalen,  Graf  149. 
Wetzlar  57. 

Wiesbaden  54  ff.  65  f.  68  t  70  ff.  141. 
„        BadhÄuser:    Adler    70.  76  L 

Bär   69  f.    73.      Rose   181. 

Schfltzenhof    78.      Schwmrzer 

Bock  68. 82.  Heidenmmiier  72. 
„        Anlagen  71.  141.  Kalkstein- 

brflche  im  Mflblbachthal  72. 

75.  111  ff.    Karsaal  71.  74. 

92.    94.    96.     141.       Koch- 

bninnen    72.      Landesbiblio- 

thek  114.  116. 
Wildfeyr  142. 
V.  Wildungen,  Luise  83  f. 
V.  Willemer,  J.  J.  88. 

„  Marianne  88  f. 

Willhan,  Fri.  82. 
Winkel  141  ff. 
Wolf,  F.  A.  68.  74.   127. 
V.  Wolzogen,  W.  72. 
Zais,  Chr.  72. 

Zelter,  K.  Fr.  68  f.  72.  74  f.  80  f.   120. 
138  f.  142.   181. 


8.     77,  Z.  13  des  Textes  t.  o.  lies  Liefländer, 

8.     83,  Z.   10     .,         ^        V.  u.     ^    8tein8  st  Stein. 

8.  116,  Z.  16      .,         .,        V.  o.  streiche  in  [anderwärts]. 


Zur  Abwehr. 


Einem  französischen  Gelehrten  G.  de  la  Noe  ist  es  gelungen,  eine  an- 
geblich ganz  neue  Entdeckung  zu  machen,  nämlich  dass  die  Römer  Reise- 
Sonnenuhren  besessen  haben.  In  den  Memoires  des  antiquaires  de  France, 
ser.  VI,  tom.  HI,  Paris  1893,  aber  erst  1894  erschienen,  pg.  151 — 162  ver- 
öfFentlicht  er  seine  Abhandlung,  welche  sich  auf  eine  Herrn  Emil  Huber  in 
Saargemünd  gehörende,  auf  dem  Herapel  bei  Forbach  gefundene  Bronzeuhr 
gründet.  Aber  genau  dieselbe  Bronzeuhr,  welche  mir  seinerzeit  von  Herrn 
Professor  Dr.  Zangen  meist  er  in  Heidelberg  übergeben  wurde,  habe  ich  schon 
im  23.  Bande  unserer  Annalen  1891,  S.  115  u.  f.  ausführlich  besprochen  und 
dort  unter  der  Überschrift  „Römische  Reiseuhren''  das  angeführt,  was  der 
französische  Gelehrte  jetzt  für  sich  in  Anspruch  nimmt,  ja  sogar  noch  zwei 
andere  Sonnenuhren,  die  eine  aus  dem  Mainzer  Museum,  auf  welche  mich  Herr 
Professor  Zangenmeister  aufmerksam  machte,  die  andere  aus  dem  Wiener  Hof- 
museum, ebenso  ausführlich  behandelt.  Da  ich  Herrn  Huber  schon  1890  ein 
Exemplar  meiner  Abhandlung  schickte,  für  welches  er  sich  am  13.  Dezbr.  1890 
bedankte,  so  ist  nicht  anzunehmen,  dass  er  Herrn  Noe  gegenüber,  als 
er  ihm  die  Uhr  übergab,  nicht  erwähnt  haben  sollte,  dass  sie  bereits  bekannt 
gemacht  und  erklärt  sei.     Herr  Noe  erwähnt  aber  nichts  davon. 

Die  Notiz  über  die  grosse  französische  Entdeckung  ist  in  alle  Zeitungen 
und  wissenschaftlichen  Blätter  übergegangen  und  als  etwas  Besonderes  gepriesen 
worden,  ich  erkläre  darum  hiermit  ausdrücklich,  dass  diese  Entdeckung  der 
römischen  Reiseuhren  nicht  von  Herrn  de  la  Noe  herrührt,  sondern,  wie  oben 
angegeben,  deutschen  Ursprungs  ist. 

.  Seh  11  eben,  Major  a.  D. 


Erfindung  und  erste  Einrichtung  der  Wassermulilen. 


Von 


A.  Schneien^ 

Major  a.  D. 

Hierxu  die  Tafel  III. 


Die  erste  Erwähoung  uud  wahrscheinlich  auch  die  Erfinduag  der  Wassc 
mühlen  reicht  bis  in  das  erste  Jahrhundert  vor  Christi  Geburt  zurück.  Strabo 
(XU,  3  fol.  556),  ein  Zeitgenosae  Caesars  und  Ciceros,  zählt  unter  den  Sehens* 
wiirdigkeiten  der  kleinasiatischen  Stadt  Kabira  in  Pontus  eine  Wassermühle 
auf,  welche  bei  ihm  i  '^^jxxXirr^;  heisst.  Da  Strabo  ganz  in  der  Nahe  geboren 
und  erzogen  wurde,  so  kann  man  annehmen,  dass  er  genau  unterrichtet  war, 
und  da  er  die  Erwähnung  dieser  Wassermühle,  nachdem  er  sich  in  der  ganzen 
Welt  uragesehen  hatte,  unter  den  Sehenswürdigkeiten  der  Gegend  an  erster 
Stelle  noch  für  augebracht  hielt,  so  lässt  sich  mit  Grund  annehmen,  dasa  der- 
artige Mühlen  bei  seinen  Lebzeiten  —  er  starb  24  v,  Chr.  —  noch  nicht  alt- 
gemein üblich  waren.  Damit  stimmt  eine  aus  Servius  Kommentar  zu  Virgil 
herrührende  Angabe,  welche  die  erste  Errichtung  von  Wassermühlen  in  Rom 
kurz  vor  der  Zeit  des  Augustus  erfolgen  lässt.  Sollte  jene  Wassermühle  bei 
Rabira  wirklich  die  erste  gewesen  und  Mithridates,  welcher  diese  Stadt  tnt 
Residenz  erhob,  einer  unverbürgten  Anunahme  zufolge,  selbst  der  Erfinder 
gewesen  sein,  so  muss  diese  Mühle  vor  seinem  Todesjahre  —  64  v*  Chr.  — 
erbaut  worden  sein.  Die  Erfindung  konnte  dann  im  Laufe  des  p  >ntischeri 
Krictges  bekannter  werden  und  kurz  vor  Augustus,  also  vor  dem  Jahre  30 
V.  Chr,  in  liom  Nachahmung  tinden,  wie  so  viele  Neuheiten  gerade  zu  jener 
Zeit  aus  Asien  eingeführt  wurden.  Die  Erfindung  der  Wassermühlen  wörde 
demnach  in  das  erste  Drittel  des  ersten  Jahrhunderts  vor  Chr.  zu  setzen  «ein. 

Dass  sie  etwa  zur  Zeit  Ciceros  in  Rom  bekannt  waren,  n^ird  durch  ein 
bei  Beckmann  (Qesch  d.  Erfindungen  II,  S.  15)  angeführtes  Epigramm  des 
gleichzeitigen  Antipater  erwiesen,  welcher  die  Sklavinnen  beglückwünscht,  dass 
sie  sich  nicht  mehr  in  der  Mühle  zu  quälen  brauchen,  da  Ceres  die  Najadi?u 
beauftragt  habe  die  Räder  zu  drehen,  welche  die  Mühle  treiben.  Dass  die 
Wassermühlen  gleichwohl  selten  blieben  und  keineswegs  allein  den  MebUiedarf 
decken  konnten,  geht  für  die  Zeit  df^s  Caltgula  daraus  hervor,  dass  ia  Rom  ein 
Brodmangcl   entstand,   als   er  die   Pferde,    Esel   und   Ochsen    aus  den  Htthlea 


4 


4 


191 

wegnahm  uod  zum  Transport  verwendete  und  für  die  spätere  Zeit  des  VIT.  Jahr- 
hunderts darauöj  daas  damals  noch  300  Rossmühlen  in  Rom  bestanden.  Von 
Sklaven  getriebene  grössere  Handmühlen  wurden  erst  nach  Einführung  des 
Christeotunis  von  Theodosiua  abgeschafft,  kleinere  Handmühlen  bestanden  noch 
viele  Jahrhunderte  in  kleineu  Haushaltungen,  Roös-  und  Eselmühlen  abor  giebt 
es  auf  dem  Lande  noch  heute« 

Die  Terwendung  des  Getreides  war  in  den  einzelnen  Ländern  eine  sehr 
verschiedene*  Gerate,  Weizen  und,  für  ärmere,  Roggen  wurden  entweder  nur 
enthülst  oder  grob  zerkleinert  und  gaben  dann  die  Graupen,  in  Griechenland  schon 
von  Homer  angeführt  (Odysa*  XX,  108;  U,  290),  iX^Jza  'wy/jomai  xnl  aXefata 
jitKXcr^  avSptov,  oder  sie  wurden  fein  gemahlen  und  gaben  dann  Mehl  von  ver- 
schiedener Güte,  aus  welchem  in  Rom  in  ältesten  Zeiten  ein  Brei  (puls)  ge- 
macht wurde,  da  das  Brodbacken  noch  unbekannt  war  (luv.  sat  14,  170;  PUn. 
h.  n.  18,  8  (19),  während  in  Griechenland  der  Brei  nicht  vorkommt.  Dieses 
Zerkleinern  und  Mahlen  geschah  nun  entweder  durch  Stossen  mit  einem  Stempel, 
die  gröbere  Art  (daher  der  Namen  pistor^  ursprünglich  pwmrj  der  Müller, 
welcher  das  Getreide  zerstösst,  später  auch  der  Bäcker,  der  es  backt),  oder  es 
geschah  durch  Mahlen  auf  kleineren,  durch  Mägde  oder  Sklavinnen  bewegten 
Handmühlen  oder  auf  grösseren  Werken,  welche  von  Verbrechern,  denen  eine 
7:w>oix%:rfi^  ein  hölzerner  breiter  Kragen  umgelegt  wurde,  damit  sie  nicht  mit 
den  Händen  in  den  Mund  reichen  konnten,  oder  von  Pferden,  Eseln  oder  Ochsen 
getrieben  wurden.  Für  diese  grösseren  Mühlen  fing  man  um  die  genannte 
Zeit  an  sich  der  Wasserkraft  zu  bedienen  und  rauss  nun  zwei  Arten  unter- 
scheiden: Graupenmühlen  und  Mehlmühlen.  Über  erstere  sind  wir  durch 
Plinius,  über  letztere  durch  Vitrnv  unterrichtet,  beide  Texte  bedürfen  aber,  um 
verständlich  zu  sein,  einer  Richtigstellung, 


I. 

Sprechen  wir  zuerst  von  den  Graupenmühlen  (Fig.  1).  Nachdem  Plinius 
(h,  n,  XVin,  10  (23)  fol.  127)  von  den  verschiedenen  Oetreidearten  gesprochen 
hat,  beschreibt  er  nicht  das  Mahlen  des  Mehles,  sondern  das  Anfertigen  der 
Graupen,  welches  er  mit  pistura  bezeichnet:  Pisiura  non  ottwium  facilis,  das  Zer- 
kleinern ist  nicht  bei  allen  Oetreidearten  leicht;  quippe  Eimria  spicam  farris  iosii 
pisetite  pilo  prtteferraio,  in  Etrurien  bedient  man  sich  nämlich,  um  die  Spitze  des 
gedörrten  Kornes  zu  entfernen,  einer  eisenbeschlagenen  Stosskeule,  ßstula 
serrata  et  Stella  intus  denticulata,  einer  sägeartig  geschärften  Mörserröhre, 
welche  unten  sternförmig  gezahnt  ist:  tU  nisi  intenti  pisant^  sodass,  wenn  die 
Arbeiter  nicht  vorsichtig  stossen,  concMantur  grana  fcrroque  frangantur^  die 
Kurner  verderben  und  von  dem  Eisen  zerquetscht  werden.  Die  Lesart  ferrnmqut' 
frangatur  halte  ich  für  falsch,  denn  nicht  das  schwere  Eisen  zerbricht,  sondern 
die  Körner  werden  zerquetscht,  was  bei  der  Graupe  nicht  geschehen  aulL 
Plinius  fährt  fort:  maior  pars  Italtae  rt$ido  utUur  pthj  der  grösste  Teil  Italiens 
braucht  rauhe  Stempel,  rotis  etüim^  quas  aqua  versei  obiter  et  molis^  aber 
auch  Räder,  welche  Jurch  Wasserkraft  bewegt  über  das  Getreide  hinstreicho^ 


m 


oder  bedtonen  sich  der  MüUeii.    Dieser  Sftls  macht  die  meiste  Schwier jgfcml^ 

ich  nehme  obiier  zu  versel  und  lese  mclis  atiitt  molü  oder  molai^  wie 
Ausgaben  haben.   Marquardt  und  andere  Terslehen  unter  rM»^  qiäas  0fu^  i 
obiter  sogenannte  obers^hlächuge  Wasserräder,   aber  ist  es  nicht  gau   ^tieh* 
giltig,  ob  das  Rad  ober-  oder  unterschlächtig  ist?  Beide  haben  dieselbe  Wiikmigf 
die  einen  kommen  mehr  im  Gebirge,   die   andern  mehr  in  der  Ebene   tot^   ea 
kommt  doch  nur  darauf  an,  wie  ein  Rad  und  zwar  jedenfalls  nicbl  das  Wawer* 
rad  direkt,  sondern  das  von  diesem  bewegte^  besondere  eingertchteta  Rad  oder 
der  Mühlstein  zum  Enthüben  dienen  kann.     Dieses  Yerfahren   geht  allein  aoa 
metner  Erklärung  hervor.     Ich  verstehe  die  Stelle  oämlich  so,  dass  ein  xwettm 
Rad,  auf  der  horizontalen  Welle  des  Wasserrades  sitzend,  also  senkrecht  stehendi 
mit  Einern  Gehäuse,  einer  Trommel,  umgeben  ist,  in  welcher  sich  das  Getreide 
am  Boden  befindet  und   dass   nun   dieses  Rad   bei  schneller  Umdrehung  über 
das  Getreide  hinstreicht,  es  gegen   die  Wand  der  Trommel    wirft,    welche   wie 
der  Umfang  de«  Rades  geschärft  ist  und  so  mit  der  Zeit  das  sogenannte  Spitzen 
oder  Abschälen  des  Getreides  bewirkt,  wie  es  in  einfachen  Werken  im  Prinsüpe 
noch  heute  erfolgt.     Da  das  Mühlrad  steh    nur  langsam   dreht,   so   war   wahr* 
scbeiulich  noch  eio  Multiplikator  eingeschoben,  d.  li.  au  der  Mühlwelle  sass  ein 
grosses  Zahnrad^    welche    in   ein   kleines  Getriebe  griff,  an  dessen  Achse  dann 
das  Graupenrad  sass.     Drehte  sich  das  Mühlrad  und  also  auch  das  erste  Stiru- 
md  mit  etwa  50  SUhneo  in  5  Sekunden  einmal  herum  und  hatte  das  Getriebe 
5  Zähne,  so  drehte  sich  das  Oraupenrad  in   1  Sekunde  zweimal  und  wenn  die 
l  Meter  im  Durchmesser  hatte,  so  legte  jeder  Punkt  der  Peripherie  in  1 
über  12  Meter  zurQck.     Das  auf  diese  Weise  mit  Heftigkeit  aufgeworfene  Gl 
ireide  fiel  von  der  Wand    wieder   zurück    und    der  Vorgang   wiederholte   siel 
bis  die  Schale  vollständig  ahgi^rirben   war.     Ausser   diesem  Verfahren   wandte 
man,  wie  Plinius  schliesst,  auch  gewöhnliche  Mühleu  an^  in  welchen  das  Koro, 
bei  sehr  weiter  Entfernung  der  beiden  Mühlsteine  voneinander,  nicht  »erdrückt, 
sondern   nur   gerieben    wurde,    hia   en   schliesslich  ohne   Hülse   tum  Vorschein 
kam,  vielleicht  auch  erst  grob  geschrotet  und  dann  glatt  gerieben   wurde,   in 
welchem  Falle  man  feinere  Graupen  iTliielt.    Zur  leichteren  Abluauog  der  Hüls 
wurde,  wie  Pliulus  gleich   darauf  ebenfalls  sagt,  das  Korn  vorher  eingeweicht 
dann  etwas  gerüstet  und  bisweilen  nochmals  eingeweicht. 

Ahnlich»  wie  hier  beschrieben,  wurde  die  deutsche  Graupenbereitung  bis 
ins  XVII.  Jahrhundert  betrieben;  erst  zu  dieser  Zeit  wurde  in  Saurdam  die  erst 
Graupenmühle  mit  horizontalem  Stein  gebaut.  Der  horizontale  Laufer  derselbe 
war  in  seinem  l'nifange  rauh  behauen,  hatte  keinen  Bodensteiu  unter  sich  und 
lief  in  einer  hölzernen  Umfassung,  welche  inwendig  mit  einem  reibeisenartig 
geschärften  Eisenblech  ausgefüttert  war.  Die  sogenannten  llmer  Graupeii 
wurden  dagegen  auf  einer  gemeinen  Mülilo,  deren  Steine  weit  voneinandc 
entfernt  standen,  gemahlen.  Selbst  das  vervollkommnete  Vorfahren  ist  im  Prinzip 
von  dem  römischen  nicht  verschieden^  nur  dass  bei  diesem  der  Stein  oder  das 
Rad  senkrocht  stand,  es  wurde  jedoch  auch,  wie  Plinius  am  Schlosse  sagt,  bis 
weilen  die  gewöhnliche  horizuntiile  Mülile,  wie  bei  den  Ulmer  GraupeUi  benutil 


193 


IL 

Wir  kammeo  jetzt  zur  Eiarichtuag  der  Melilmöhlen,  welche  Yitruv  [X,  5, 
(10)1  beschreibt  (Fig,  2).  Die  Stelle  hat,  wie  die  eben  angeführte  bei  Pliniu«, 
verschiedene  Aualegungeu  erfahren  und  muss  deshalb  ntiher  besprochen  werden* 
obgleich  trotz  aller  Verschiedenheiten  der  Sinn  nicht  zweifelhaft  iat. 

Nachdem  Vitruv  ein  Wassorachopfrad  beschrieben  hat,  fährt  er  fort:  Eadan 
rniione  etiafn  versantur  htjdraUtae  (tA.  hydratdae),  auf  dieeelbe  Weise  werden 
die  Mühlen  gedreht,  in  quihua  eadem  »mit  omnia,  bei  welchen  alles  ebenso  iöt, 
praetei'quam  quod  in  uno  capife  ajcis  haheat  iympanum,  ausser  das»  die  Achse 
(Radwelle)  am  anderen  Ende  ein  anderes  Rad  hat,  dmintum  d  inclusum  (andere 
lesen  fM  für  t^f  und  lassen  haheat  fort),  welches  gezahnt  ist  und  sich  im  Inneren 
des  Gebäudes  befindet  (dies  ist  die  Bedeutung  von  inclusum,  das  Wasserrad 
ist  drausaeü  und  dieses  Rad  drinnen).  Id  a}äem  ad  pvrpeitdivuhim  coUocatum  in 
rultrnm  versatur  mm  rota  parlier,  dieses  Rad  steht  senkrecht,  auf  der  Schneide, 
wie  das  Mühlrad,  Secundttm  Id  ttjmpanum  maitis  (andere  Erklärer  setzen  hinter 
tympanum  ein  Komma  und  ziehen  maius  zum  Folgenden,  wodurch  der  Sinn 
vollständig  ins  Gegenteil  verkehrt  wird),  neben  diesem  grosseren  Rade  item 
dtniatum  planum  est  rolhcatum^  ist  ein  ebenfalls  gezahntes  horizontales  — 
nach  meiner  Erklärung,  also  kleineres,  nicht  grösseres  —  Rad  angebracht,  ein 
Getriebe,  habetis  in  stimmo  capite  subscudeni  ferream^  qua  mola  conitneiur^ 
welche  am  oberen  Ende  der  Achse  einen  eisernen  Riege)  hat  (was  wir  Mühleisen 
nennen),  der  den  Läufer  (mola)  trägt.  Ita  dentes  fius  tympani^  quod  est  in 
fixe  inclusum^  iinpelloido  dentes  tympani  plant,  cogunt  fiet*i  molarum  circinationem, 
SU  bewirken  die  Zähne  des  inneren  Rades  an  der  Mühlwetle,  indem  sie  die 
Zähne  des  horizontalen  Rades  treiben,  die  Drehung  der  Mühle,  in  qua  machina 
impendrm  injundihuhim  .^uhmlnisttal  7HoUs  jramentum  H  eadem  versatiofie  sulf- 
iyiinr  farina,  über  der  Maschine  hängt  ein  Gefass,  welches  der  Mühle  das 
Getreide  aufschüttet  und  durch  dieselbe  Bewegung  wird  auch  das  Mehl  weiter 
betordert.  ** 

Offenbar  war  letztere  Einrichtung  ganz  wie  bei  uns*  Die  schüttelnde 
Bewegung  wird  durch  einen  an  der  senkrechten  Achse  angebrachten  Pflock 
bewirkt,  welcher  gegen  den  beweglichen  Runjpf  (infandihutum)  stosst,  während 
ein  an  derselben  Achse  angebrachter  anderer  Pflock  durch  Schläge  gegen  eine 
federnde  Stange  das  Beuteltuch  schüttelt  und  dadurch  das  Klappern  der  Mühle 
verursacht.  —  Dass  man  das  oben  erwähnte  malus  nicht  auf  das  zweite,  horizontale 
Rad  an  der  senkrechten  Welle  beziehen  darf,  sondern  nur  auf  das  erste,  an 
der  horizontalen  Welle,  ergiebt  sich  zweifellos  daraus,  dass  es  darauf  ankommt, 
die  Geschwindigkeit  des  Wasserrades  und  des  senkrechten  Rades  zu  be- 
schleunigen, nicht  zu  verlangsamen;  dies  ist  aber  nur  möglich,  wenn  ein  Rad 
mit  vielen  Zähnen,  also  ein  grosses,  ein  anderes  mit  weniger  Zähnen  bewegt: 
^  die  Geschwindigkeiten  stehen  dann  im  umgekehrten  Verhältnisse,  wie  die  Zahl 
[^B  der  Zähne.  Einen  Läufer  von  l  m  Durchmesser  lästtt  man  jetzt  in  der  Minute 
^H  etwa  200  Umdrehungen  macheu,  grössere  Steine  weniger. 


194 

Yergleicht  man  den  Text  Yitruvs  mit  dem,  wm  er  ohne  Zweifel  sagen 
wollte,  BQ  hat  man  in  dieser  Beächreibung  wieder  einen  auägezeiehneieD  Bele^ 
fiir  seine  Unbeholfenhett. 


Dies  aUo  war  der  Stand  der  Angelegenheiten  zur  Zeit  des  Pliaius^  welcher 
79  n.  Ohr.  beim  Aufbruche  des  Vesuv  uni3  Leben  kam,  und  dee  Vitrur, 
welcher  ein  Zettgenoöse  you  Augusttis  war,  die  Mühle  aldo  nur  in  ihrer  ältesten 
Form  kannte. 

Die  nächsten  Jahrhunderte  brachten  ohne  Zweifel  viele  Yerbesserungerii 
im  Einzelnen I  aber  nichts  wesentlich  Neues,  als  jedoch  die  Goten  unter  Yitiges 
im  Jahre  536  Rom  belagerten  und  die  sämtlichen  Waaserleitungen,  welche  die 
Mühlen  trieben,  abgeschnitten  hatten,  machte  die  Not  erfinderisch  und  brachte 
Belisar  auf  den  Gedanken,  Sehiffsm üblen  im  Tiber  einzurichten  (Procop.  belL 
Goth.  I,  13);  erst  viel  epäter  scheinen  die  Windmühlen  aufgekommen  zu  sein« 
Du  Gange  führt  als  fruhestea  Beispiel  ein  solches  ana  dem  Anfange  des 
Xir  Jahrhunderts  an.  Beckmann  (11,  63)  erzählt,  dass  da^  ehemalige  Augustiner* 
Kloster  zu  Wmdsheim,  nicht  weit  von  Z wolle,  eine  solche  bauen,  der  benach- 
barte Gutsbesitzer  aber  dies  verhiodero  wollte,  indem  er  behauptete^  der  Wind 
in  dortiger  Gegend  gehöre  ihm.  Der  um  Entscheidung  angerufene  Bischof  von 
Utrecht  aber  erklärte,  der  Wind  in  der  ganzen  Provinz  gehöre  ihm  und  gab 
im  Jahre  1391  die  Erlaubnis.  In  England  wurde  endlieh  im  Jahre  1784  dte 
erste  mit  Erfolg  arbeitende  Dampfmübie  erbaut,  nachdem  verschiedene  Yer* 
anche  in  Amerika  vorhergegangen  waren,  und  seitdem  vervollkommnete  und 
komplizierte  sich  der  Mühlenbau  und  die  Mehlbereitung  in  einer  Weise,  daaa, 
wenn  Yitruv  das  heutige  Yerfahren  in  seiner  Art  beschreiben  wollte,  kein 
Gelehrter  der  Welt  ihn  nach  abermals  1900  Jahren    würde  enträtseln  können. 


I 

I 


Einige  Bemerkungen 

zu  dem  Aufsätze  yod  Conrady,  ,,Die  OeBcbicbte  des  Hauses  Naäsuu'^, 

in  Annalen  XXVL 


Von 

Dr.  W.  Sauer^ 

KSntc^t  ArchlTrftt  und  St^AtfArcblvar  lu  WiMbftden. 


Daas  trotz  der  uugemoiQen  Mühe,  welche  in  vorhergegaogeDer  Zeit  der 
Aufklärung  des  Ursprunges  dea  Hauses  Nassau  zugewendet  ist,  erneute  Porscliuog 
Doch  beachtenswerte  Ergebnisse  erzielen  kann,  zeigt  CüErady's  varbezeieh- 
iiete  Arbeit.  Doch  auch  durch  diese  Forschungen  haben  wohl  noch  nicfit  alle 
Fragen  eine  abschliessende  Erörterung  gefunden.  Verfasser  übersah,  dass  die 
von  ihm  mit  Recht  an  die  Spitze  seiner  Untersuchungen  gestellten  Bezieliungeu 
des  Geschlechts  der  Hattonen  zum  Wormsgau  bereits  bei  Wenck,  H,  L.  O, 
II,  S.  54],  Stein ^  König  Konrad  I.,  Ilegel^  Mainzer  Chroniken  IP,  S.  11, 
Draudt,  Forschungen  zur  d.  Gesch«  XXUI,  478  erörtert  sind.  So  sehr  hier- 
durch einerseits  der  Wert  der  in  selbständiger  Forschung  vom  Verfasser  ge- 
wonnenen Ergebnisse  gesichert  wird,  so  bleibt  es  doch  anzunehmen,  dass  unter 
Benutzung  dieser  alteren  Untersuchungen  einzelne  Punkte  sich  würden  anders 
haben  gestalten  können.  Hierzu  gehört  auch  die  in  entscheidender  Weise  noch 
nicht  klar  gelegte  Frage,  ob  die  Hattonen  in  Wormsgau  Grafen  oder  nur 
Orossgrundbesitzer  waren. 

Auf  diese  Einzelheiten  der   anerkennenswerten  Untersuchungen  jetzt  hier 
einzugehen,    wird   nicht    beabsichtigt.     Es   sollen  hier  nur  einige  Versehen,   die 
dem  Verfasser  bei  der  Benutzung  Fulder  und  Lorscher   Traditionen   für   den 
ersten  Abschnitt  seiner  Arbeit  begegnet  sind,  vermerkt  werden. 
Zu  S.     2.   Die  nach  Schannat  S,  2,  No.  4,  Üronke  S.  7,  No,  9  angeführte 

Tradition  des  Eggiolt  ist  nicht  vom  25.,  sondern  vom  15.  Juni,  wie 

die  Drucke  richtig  angeben. 
Zu  S.     3,    Anmerkung  3,     Die  Angabe,  dass  Dronke  die  bei  Schannat  S.  3| 

(nicht  5,  wie  angegeben)  No.  5  gedruckte  Tradition  von  756  mit  dem 

Monatstage   XI.  Kai  Julii  nicht  habe,  ist  irrig.     Dieselbe  steht  bei 

Dronke  8,  7,  No.  10  mit  verbessertem  Monatsdatum  XV.  Kai.  Julii. 

Hiernach  ist  bei  Conrady  der  21.  Juni  in  17.  Juni  zu  ändern. 
_Zu  8.     5   bezw.  S.  3  ist  die  nach  Cod.  Lauresh.  O,  S.  16,  No.  859  angeführte 

Tradition  des  Radulf  —  nicht  Randulf  —  nicht  vom  30.  Mai,  soaderD 

vom  29.  Juni  767. 


196 


Zu  8.  5  wird  eine  Äusseraog,  ob  Verfasaer  den  Hatto  und  dessen  Sohn^ 
Egioo  778,  Cod.  Laureah.  II,  S.  5,  No,  829  zu  dem  Oeachlecbte  I 
rechoet,  vermisst:     Ist  die  Traditioo  übersehen? 

Zu  S.  f»,  Note  4  bt  die  Angabe,  dass  die  Tradition  Scbannat  8.  15,  No.  28 
bei  Dronke  fehle,  irrig;  dieselbe  steht  Dronke  S.  21,  No.  33, 

Zu  S.  5,  Note  7.  Auch  hier  wird  eine  Tradition  bei  Schannat  als  Dronki*  ^ 
unbekannt  geblieben  bezeichnet;  Schannat  8*  27,  No.  52.  Yerfaaaer  flj 
übersah  hier  doch,  dass  Dronke  es  S,  80  rechtfertigt,  weabalb  er  ^ 
diese  Tradition  mit  No.  143  und  mit  dem  Datum  797  März  16  «siu- 
ordnet.  Yerfasser  verarbeitet  hier  somit  Schannat'd  falache  Da- 
tierung 777  Februar  19. 

Zu  S.  t».  Verfasser  will  die  undatierte  Tradition  Dronke  No,  96,  ausgedte^llr 
w  puhlico  concilio  quod  dlcitur  Pathra/onSf  in  die  Zeit  der  Ausstellutig 
der  vorhergehenden  Tradition  No.  95,  deren  Monatsdatum  mit 
August  13  angegeben  ist,  setzen.  Nach  seiner  Annahme  würde 
die  Tradition  somit  in  den  August  790  fallen.  Ton  einer  Reicba- 
Versammlung  um  diese  Zeit,  und  am  wenigsten  zu  Paderborn,  iiit 
nirgends  die  Rede,  Vielmehr  ist  die  Tradition  wohl  ebenso  w^ie  die 
vorhergehenden  Traditionen  Dronke  No.  82,  83  im  Juni  785  auf  der 
Eeichsversaramlung  zu  Paderborn  ausgestellt,  Vergl,  Möhlhac!u»r* 
Regg.  Rar,,  ad  a,  et  d. 

Zu  8.  6.  Zu  der  hier  angeführten  Tradition  des  Adalleicus  fehlen  die  NachweidP. 
Dronke  No.  146  hat  das  richtige  Monatsdatum  Oktober  24,  während 
Verfasser  irrig  Oktober  25,  -  die  hier  vom  Verfasser  gerügte  Lese- 
art  marcam  bei  Schannat  ist  durch  den  Druck  bei  Dronke  beseit^« 

Za  8,  6.  Die  angeführte  Tradition  von  800,  Dronke  No.  161,  ist  nicht  voo 
Mai  4,  sondern  von  Mai  6,  wie  Dronke  richtig. 

Zu  S.  7  scheint  bei  Benutzung  der  Tradition  von  800,  Juni  10  der  Text  bei 
Dronke  nicht  eingesehen  zu  sein. 

Zu  8.  7.  Bei  Krörrerung  über  die  Brüder  Adelbert,  Banzleib  und  Hatto  w&re 
Wenck  II,  2,  S.  549;  Stein  S.  142,  227  zu  berücksichtigen  ^weseo. 
8.  1 1  wird  für  Hatto  III,  eine  Tradition  angeblich  vom  Jahre  837  au.nge- 
beutet«  Verfasser  weist  daselbst  Note  4  selbi^t  darauf  hin,  dass  der 
Druck  der  Tradition  bei  Dronke  No.  205  „der  Jahreszahl  entbehre*^, 
bezieht  sich  dafHr  jedoch  auf  den  Druok  bei  Schannat  8.  171, 
No.  429,  der  allerdings  das  Jahr  837  hat. 

Die  Vergleichung  der  Zeugen  lässt  jedoch  die  Feststellung 
dase  die  Tradition  nicht  dem  Jahre  837,  sondern  vielmehr 
dem  Jahre  787  angehört;  sie  ist  der  Tradition  Dronke  No.  90 
von  788  Mai  2o  etwa  gleichzeitig.  Die  Jahreszahl  bei  Schannat 
a.  a,  0.  DCCCXXXVII  ist  verderbt  und  leicht  in  DCCI.XXXVU 
zu  bessern.  Uiermit  fallen  die  S.  11  aua  dieser  Tradition  gesogeueo 
Folgerungen    bezüglich   ^des  wormsgauer  (Irafentums*    fort  und    ist 


I 
I 

I 


diese  Sr*Ml*v  Howie  die  woitore  Beatugnoliiiie  8.  12  zu  »tri?!« 


]UM, 


liristian  Daniel  Vogel.*) 

Von 

Dr.  W.  Sauer, 


Das  Furatentuni  Oranien-Nassau  galt  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen 
.Tahrlninrlerts  für  eins  der  am  besten  regie^^eQ  uud  somit  glüüklichaten  Läiiftelien 
Deutschlands.  Und  mit  Recht,  denn  der  Fürst  von  Oranien-Nasaau,  der  Erb- 
Statthalter  Wilhelm  V*  der  Niederlande,  der  seit  176C  selbst  die  Regierung 
der  vereinigten  oranischen  Erblande  führte,  war  ein  Mann  von  hohen  Geistes- 
anlagen, ein  gerechter,  wohlwollender,  der  Aufklürting  geneigter  Fürst,  so  recht 
ein  Oranier  von  altem  Schlage.  Freilich  kannte  man  den  Fürsten  von  Person 
in  seinen  Erblanden  kaum,  da  er,  dessen  Stimme  im  europäischen  Fürstenrate 
viel  galt,  fern  von  der  Heimat  auf  seinen  prunkvollen  niederländischen  Schlössern 
residierte  und  nur  selteu  sich  der  Fall  ereignete,  dass  er  in  die  Erblande  kam, 
um  iici  Dilleuburg  oder  Oranienstoin  zu  jagou,  Schaden  litt  jedoch  die  Ver- 
waltung der  Erblande  unter  diesen  Umständen  nicht,  da  der  Fürst  »ich  der- 
selben zu  allen  Zeiten  mit  vollster  Pflichttreue  und  Hingebung  unterzog.  Jede, 
auch  die  geringste  YerwaUungsangelegenheit  blieb  seiner  persönlichen  Ent- 
scheidung vorbehalten  und  es  wurden  zu  diesem  Zwecke  alle  Berichte  uud 
Anträge  der  Landesregierung  zu  Dillenburg  an  ihn  in  die  Niederlande  gesandt. 
Des  Fürsten  Wilhelm  V.  Vorbild  war  sein  grosser  Oheim  in  Sanssouci;  auch 
sein  Stolz  war  es,  die  Verwaltung  seiner  Erbknde  ausgezeichneten  Männern 
zu  unterstellen,  für  deren  Berufung  er  in  geeigneten  Fällen  persönlich  Sorge 
trug.  Er  hatte  das  Glück,  dass  seine  Wahl  selten  fehl  giog;  in  der  That  war 
damals  ein  Kreis  von  Männern  in  der  kleinen  Residenz  an  der  Dill  versammelt, 
die  den  besten  ihrer  Zeit  ebenbürtig  zur  Seite  treten  konnten.  Und  neben 
ihnen  standen  die  Lehrer  der  Herboruer  hohen  Schule,  deren  Entwickelung  dem 
Oranier,  dem  Kinde  jenes  freien,  an  ruhmvollen  Errungenschaften  in  Kunst  uud 
Wissenschaft  so  reichen  Landes  ganz  besonders  am  Herzen  lag,  Reiches 
geistiges  Leben  erblühte  damals  in  den  eng  verbundenen  Nach  bar  stadten 
I>illetiburg  und  Herborn;  es  ist  zu  bedauern,  dass  es  uns  bis  heute  an  einer 
umfassenden  quellen rnässJo-on   Darsh^llune'  drr  daninllgen  Zustände  fehlt. 


*i  Zuerst  veruffeniliiUt  im  HheinittclieTi  Kuritfi  ii^'Jtä^  ^o,  46,  47,  61. 


14 


UKHfei 


198 


Finden  wir  in  den  damfilfgcn  gclclirteri  Kreisen  von  Dillenburg  und  Ucrl 
alle  Zweige  der  Wissendchaffc  fast  gleichmäsäig  vertreten^  so  ist  es  doch  erklä 
lieh,  wenn  wir  vom  Fürsten  die  Geschichte  sowohl  des  eignen  Hauses  wie  mtn 
die  des  Landes  mit  einer  gewissen  Vorliebe  gepflegt  sehen,  Wühelin  V.  koooi 
mit  Stolz  zurückblicken  auf  die  ruhmvüllo  Geschichte  seiner  Ahnen;  kaum 
anderes  deutsches  Pürstongoschlccht  hatte  in  den  letztvergangenen  Kwoihuod^ 
Jahren  eine  so  grossartige  politische  Thatigkeit  entfaltet,  als  die  Orauier.  Reiche 
Schätze  barg  das  alte  Ilausarchiv  im  Stammschlossc  zu  üiUonburg;  hier  ruhi 
neben  den  Archiven  der  Krblande  die  ganze  auagedehnto  politische  Korrespoi 
denz  der  Oranier,  ein  geschiclitliches  Material  von  unschätzbarem  Werte, 

Den  Anstoss  zur  Erforschung  der  Geschichte  des  Hauses  gabea  damali 
die  Vettern  des  Walramischen  Stammes,  welche  die  auf  den  Schlössero  ^Btstresi 
vorhandenen  Archivalien  sammeln  und  vereinigen  und  auf  dem  verlasseoi 
Idäteiner  Schlosse  durch  Johann  Georg  Hagelgaus,  den  trefflichen  Begrüodi 
des  dortigen  Archivs  (1729^1762)  ordnen  Hessen.  Diesem  flciasigon  Farach^f^ 
verdankten  die  Walramischen  Vettern  die  1753  erschienene,  auf  grüudiicbe 
Ausbeute  des  urkundlichen  Materials  beruhende  Geschichte  dieses  Astefl  des 
Geeamthansed.  Durch  diesen,  endlieh  von  grossem  Erfolge  gekrönten  Eifer  der 
kleinen  Walramischen  Vettern  in  Biobrich  und  Weilburg  konnte  der  mächlige 
Erbstatthalter  im  Haag  sich  und  seine  ruhmreichen  Ahnen  nicht  in  den  SchallM 
stellen  lassen.  So  war  es  noch  dem  Fürsten  Wilhelm  IV.  in  seinen  letsleii 
Lebensjahren  gelungen,  den  Braunschweiger  Anton  Ulrich  von  Erath,  schoD 
damals  ein  Mann  von  ausgebreitetem  litterarischen  Rufe,  in  seineu  Dienst  sa 
ziehen,  Erath,  seit  1747  als  Justizrat  in  Dillenburg  angestellt,  übernahtn  die 
Aufgabe,  das  Archiv  dos  oranischen  Hauses  und  Landes  zd  ordnen  und  dia 
Materialien  für  die  Geschichte  beider  auf  breitester  Grundlage  zu  sammeln. 
Die  umfassendste  Berücksichtigung  auch  der  Landes-  und  Ortsgeschichte  eot 
sprach  dem  freien  Sinne  der  Oranier,  wahrend  die  Walramischen  Vettern,  umint 
Zöglinge  des  Hofes  zu  Versailles,  nur  dynastische  Interessen  verfolgten;  hiei 
Bollte  alles  der  Erhöhung  des  Lustre  des  hochfürstlichen  Hauses  dienen 

Des  Anton  Ulrich  von  Erath  Verdienste  um  Archiv  und  Erforschung  d©( 
Landesgeschichte  von  Dillenburg  bleiben  dauernd.  Seine  uns  handschriftlid 
erhaltenen  Arbeiten  sind  auch  heute  noch  ein  unentbehrlicher  Ratgeber.  Nichi 
minder  bedeutend  ist  ein  zweites  Verdienst^  welches  er  sich  erwarb;  als  Lehrei 
und  Meister  bildete  er  eine  treffliche  Schule,  die  es  verstand,  in  seinem  SintH) 
das  von  ihm  begonnene  Werk  mit  rastlosem  Eifer  weiter  zu  führen,  Di 
Namen  Rauschard,  Uegmann  und  Johannes  Arnoldi  werden  noch  lange  ZeJJ 
mit  Achtung  zu  nennen  sein.  Neben  diesen  haben  wir  den  für  Kirchen*  u 
Gelehrtengeschichte  thätigen  Steubing,  sowie  den  Herborner  Professor  Fuchs 
erwähnen. 

Christian   Daniel   Vogel    war   der    letzte    dieser    Schule;    als   SebQlerj 
Arnoldia   und  Hegmanns   dürfen  wir  ihn  derselben   zuzählen.     Weitergohend^ 
faehwissenschaftliche  Schulung    hatte  Vogel   nicht  ii^  er   war   T1 

und  als  solcher  nur  in  Herborn  und  in  einer  Zeit  ;;     ^      i  iet,    in   weh  i 
Verbältnisse  ein  geordnetes  und  plaumässiges  Studium  an  der  rasch  geii^uketi«ii 


i«rV 


19» 


Hochsobulo  rijchi  mehr  zulieäseu.  Kirclieugeschichtliche  Studien  führten  den 
hochbegabten  Jüngling  bald  üuf  das  Gebiet  der  Profangescfaichte  aemes  Vater- 
landes, auf  welchem  mau  ihn  noch  heute  als  Führer  und  Wegweiser  ehrt* 

Vogels  Vorfahren  uüllen  aus  Breitenbach  in  Uessen  in  das  Üillenbargische 
eingewandert  sein.  Seit  dem  Jahre  1727  bekleideten  dieselben  die  Stelle  eines 
Amtsjägers  mit  dem  Wohnsitze  zu  Neuliütte  in  der  Gemeinde  Stra8seberöt)ach. 
Hier  wurde  Christian  Daniel  als  Sühn  des  Försters,  späteren  Oberförsters 
Ludwig  Vogel  (t  1821)  geboren J)  In  herkömmlicher  Weise  erhielt  er  den 
ersten  Unterricht  in  der  Schule  seines  Dorfes,  später  bei  dem  Pfarrer  Dapptng 
in  Bergebersbach,  bis  er  vom  Herbste  1801  ab  die  Lateinschule  zu  Dillenburg 
besuchen  konnte.  Neben  gründlicher  Schulbildung  verdankte  er  dem  dortigen 
Rektor  Küraer  die  Anleitung  zur  Beschäftigung  mit  der  Botanik,  der  er  sein 
Leben  hindurch  treu  blieb;  bis  an  sein  Ende  wandte  er  seinem  Üausgarten 
die  aufmerksamste  Pflege  zu.  Aber  nicht  minder  ist  damals  in  Dillcnburg  die 
Neigung  r.ur  vaterländischen  Geschichte,  der  später  die  Lebensarbeit  des  ge- 
reiften Mannes  galt,  in  ihm  geweckt  worden,  wenn  auch  heute  nicht  mehr  fest- 
zustellen ist,  wie  weit  in  jenen  Tagen  schon  seine  Beziehungen  zu  dem  Dillen- 
burger  Kreise  gereicht  haben  mögen,  Zeugnis  von  seinen  damaligen  Studien 
legen  die  in  dieser  Oymnasial^eit  entstandenen  Sammlungen  für  eine  nassauische 
Oelehrtengeschichte,  welche  sich  noch  jetzt  in  seinem  handschriftlichen  Nach- 
lasse befinden,  ab.  Im  Frühjahre  1807  vertauschte  Vogel  Dillenburg  mit 
Herborn,  um  sich  auf  der  hohen  Schule  daselbst  dem  Studium  der  Theologie 
zu  widmen^  unterbrach  jedoch  im  Jahre  1809  die  begonnenen  Studien  und 
kehrte  zu  seinen  Eltern  nach  NeuLutte  xurüek. 

In  diese  ETerborner  Zeit  ftillt  Vogels  erste  litterarische  Arbeit,  eine  kleine 
Schrift,  deren  Ertrag  zum  Besten  eines  religiösen  Naturdichters,  des  verarmten 
Schlossers  Hermann  Schutte  im  Siegenerlande,  bestimmt  war.  Das  Schriftcheu 
„Hermann  Schutte,  ein  kleiner  Beitrag  zur  Vaterlandsgeschichte'',  erschien  zu 
Iterborn  1808  und  wai-  drei  Studienfreunden  des  Verfassers,  Ernst  von  Reiehenau, 
Bender,  dem  bekannten  späteren  Superintendenten  zu  Siegen,  und  Wickel  ge- 
widmet. Vogel  hatte  die  Vorrode  kühnen  Sinnes  aus  Ebersbach  im  Fürstentum 
Nassau-Dillenburg  datiert,  obwohl  dieses  durch  Napoleon  im  Jahre  1800  vun  der 
Landkarte  gestrichen  war.  Voll  Entsetzen  machte  ihn  ein  llerborner  Professor, 
der  Theologe  Jakob  Wilhelm  Oriram,  sein  väterlicher  Freund,  auf  die  möglicheu 
Folgen  dieser  staatsverbrecherischen  Worte  aufmerksam  und  riet  ihm,  die^selben 
in  jedem  Exemplar  zu  durchstreichen  und  durch  die  Worte  „im  grossherzog- 
Hchen  Bezirk*  zu  ersetzen.  Mit  dem  dankbaren  Hermann  Schutte,  desseu 
„(.'hristliche  Lieder**  der  genannte  Professor  Grimm  1811  in  Herborn  heraus- 
gab, blieb  Vogel  noch  lange  in  vertraulicher  Korrespondenz. 

Die  damaligen  Zeiten  wai^en  schlimm,  der  Fortsetzung  der  begonneneu 
theologischen  Studien  wenig  günstig.  Der  (Gefahr  einer  perciönlichen  Ableistung 
seiner    Militärpflicht    war    Vogel    durch    Stellung    eines   Einstehers    entgangen. 


VergL  den  Nekrolog  Voger«  von  Nebe,  NnBaauiscItefi  Schulbtjitt  1852;  Sohwarti  — 
Utto,  Aiiuol.  de«  Naiui.  Ali«flutiisvvr«iiii  XXI,  TS;  XXII,  5. 


200 


Private  Studien  und  der  nebenbei  betriebene  Unterricht  der  jüngeren  Gesell wiatari 
liessen  Vogel   hinlänglich  freie  Zeit,  den  gewünschten  Verkehr  mit   Dillenhurf  j 
zu  pflegen  utiJ  Verbindungen,  zu  denen  bereits  früher  der  Grund  gelegt   war,J 
fester  zu  knüpfen.     Von    bestirameEdem   Einflüsse   auf  ihn    wurden   jetzt  zw« 
Männer,  deren  Dillenburg    noch   heute   mit  Stolz   gedeuken    darf,    der    für  diet 
Entwickeking  unserer  Litteratnr  so  bedeutsame  K.  G.  H.  von  Meusebachi  vonl 
1803  bis   1814  dort  al«  Beamter  thätig,  und  J.  Arnoldi,  der  GeschicbtschreiberJ 
der   oranischen  Lande*     Des  letzteren  Einwirkung  künnen    wir    es    gewiss    zu-f 
schreiben,  wenn  Christian  Daniel  Vogel  für  seine  Thätigkt»it    bald    das  Gebiet ' 
fand,  für  das  er  geboren  war.     Ob  Vogel  schwankte   in   dieser  Zeit    bezüglich  _ 
des  Berufs,  dem  er  sich  bisher  bestimmt^  wir  wissen  es  nicht,  aber  drei  Jahrsfl 
dauerte  es,  bis  zum  19.  April  1812,  bis  er  wieder  in  Herborn  einzog,  um  sich 
nunmehr  zum  tbeologiachen  Examen  vorzubereiten.    Nachdem  er  m  den   folgen» 
den  Tagen  das  übliche  Tentamen  absolviert,  bestand  er  im  Juli  d.  J.   das  Staats* 
examen   gut,    wurde  ein   Jalir  später,    am    7.  Juni  1S13,    ordiniert    und   gleichtfl 
darauf  als  l'farrvikar  in  Ballersbacb  angestellt.    Wahrend  seines  nur  dreimooat- ^ 
liehen  Aufentbai tes  daselbst  schrieb  er  unter  Benutzung    des    Pfarrarchtvs   die 
, Geschichte  der  Kirche  und  Pfarrei    B allere bach'^,    welche   in    dem    1818    ver*1 
üffentlichten   1.  Baude  seines  „Archivs  für  Kircbengeschichte"  bald  ihren  Plat» 
fand.     Der  Aufenthalt  in  Ballersbach  war  nur  Tun  kurzer  Dauer;    bereits    ara 
1.  Oktober  wurde   er  von  dort  nach  Liebenscheid  versetzt*     In    diese    Lieben- 
scheider  Zeit  fällt  zunächst  seine  A^erheiratung,  dann  eine  grössere  Arbeit,  die 
Neuaufstclluag   der   ulten    Regierungshibliothek   zu   Dillenbyrg,   welche    in    der 
französischen  Zeit  aus  den  bisherigen  Räumen   entfernt   worden  war.      Lebhaft 
empfand  er  hierbei  die  Schwierigkeiten,   welche   durch   die   örtliche    Trennung 
von  dem  geliebteti  Dillenburg   aeioea  Studien   bereitet  wurde.     Doch  auch  der 
Fürapruch  seines  väterlichen  Froundüs  Arnoldi  reichte  nicht   hin,    um    die    be- 
triebene Versetzung   in  eine  dortige  Pfarrstelle  zu  erreichen;    am  1.  Juli    1815 
ging   er  als    zweiter    Pfarrer   nach    Marienberg.     Wurde    Vogel   durch    diesen 
Wechsel   auch   eine   gewisse   Erleichterung  geschaffcü,    so    blieb  es    doch    ein 
schwerer  Fehler  der  Regierung,  die  junge  aufsl rebende  Kraft  nicht  an  die  Stelle 
gesetzt  zu  haben,  wo  dieselbe  sich  zur  vollen  Leistungsfähigkeit  hätte  scbueller 
entwickeln  können.     Wir  werden  sehen,  dass  die  Regierang  sich  im  Jahre   1828 
desselben  Fehlers  unter  weit  erschwerenderen  Umständen  schuldig  machte,  als 
sie    einen   Antrag   auf   seine   Versetzung   in   die   Nähe    von   Wiesbaden,    nach 
Erbenheim,  abschlug. 

Durch  die  Versetzung  von  Liebenscheid  nach  dem  Amtsorte  Marien berg 
war  Vogel  der  Ausaeuwelt  wenigstens  etwas  näher  geruckt.  So  wurde  es  ihm 
leichter,  dem  Zuge  seines  Herzens  folgend  die  Verbindung  mit  dem  alten 
Oönuer  von  Meusebach  zu  pflegen,  der  am  27.  März  1815  die  Entlassung  aus 
dem  oranischen  Staatsdienste  erhalten  hatte,  nachdem  er  zum  Präsidenten  de» 
in  Koblenz  errichteten  Revisionshofes  ernannt  war.  Es  war  ehrenvoll  für  Vogel, 
dass  Meusebach,  in  Koblenz  in  ^  izendsten  Namen    gebildeten 

Kreis    gerückt,    des    jungen    ''  '"^.ht   vergass.     In    seinen 

Tagebiichern  gedenkt  er  u  1'  ^    1817, 


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es  itim  -eliKigon,  „den  Vogel  vom  Weatorwalde*  in  das  Koblenzer 
Ilüim  zu  luekcn.  Wir  verxeiclinen  diese  beide  Reisen  Vugols  mich  Koblen» 
hior  auch,  um  beiaufügeo,  daas  dieselben  zugleich  mit  eiuer  spätereu  Iteiäe 
nadi  Frankfurt  a.  M.  die  einzigen  sind,  welche  ihn  in  seinem  ganzen  Leben 
jjber  die  ürenzeu  des  Herzogtums  führten.  Für  Vogel  wird  es  bei  diesen  Be- 
tchon  in  Koblenz  wesentlich  von  Wert  gewesen  aein,  Beziehungen  zu  dem 
Archivar  Kanonikus  (lünther,  dorn  Herausgeber  des  ^^ Codex  diplomaticus  ilheuu- 
Mosellanus*  uuküüpfen  zu  können.  Meusebach,  im  Jahre  1819  nach  Berlin 
versetzf,  hat  Vogel  stets  freundschaftliche  Gesinnungen  bewahrt  und  diese 
später  bethätigt,  als  Vogels  Sohn  Reinhard,  der  Bildhauer,  zu  setner  Ausbildung 
Berlin  aufsuchte. 

Nach  dem  uns  erhaltenen  handschriftlichen  Nachlasse  Vogels  können  wir 
vermuten,  dass  bis  in  die  Marienberger  Zeit  hinein  seine  Studien  sich  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Kirchen-  und  Qelehrtengeschichte  der  oranischcn  Länder 
erstreckten;  bei  letzterer  zogen  ihn  die  Theologen,  namentlich  die  Herborner 
Professoren,  besonders  an.  Diesen  Studien  damals  w^eitergehende  Ziele  gegeben 
zu  haben,  ist  das  Verdienst  Arnoldis.  Johann  Arnoldi,  vom  Professor  Ersch 
als  Mitarbeiter  für  die  eben  begründete  „Allgemeine  Encyklopädie  der  Wissen- 
schaften** gewonnen,  hatte  sich  in  dessen  Auftrage  um  Unterstützung  des  weit- 
schichtigen Unternehmens  in  Nassau  zu  bemühen;  seine  Wahl  fiel  zunächst  auf 
Vogel-  Am  22,  September  1815  forderte  er  ihn  auf,  für  das  Sammehverk  die 
Bearbeitung  der  Biograph ieen  nassanischer  Gelelu'ten  sowie  ortsgeschichtliche 
Artikel  zu  übernehmen;  gleichzeitig  bat  er  ihn,  gegen  ein  festzusetzendes 
Honorar  das  Register  zu  seiner  oranischen  Landesgeschichte  anzufertigen.  Auf 
Arnoldis  Vorschläge  einzugehen,  scheint  nicht  in  Vogels  Absicht  gelegen  zu 
haben«  Mehrfach  rausste  jener  dieselben  erneuern  und  um  endliche  Beantwortung 
seiner  unerwidert  gebliebenen  Briefe  bitten,  obwohl  er  ihm  auch  die  Bear- 
beitung der  Statistik  des  Herzogturas,  für  welche  er  selbst  ausgedehnte  Samm- 
lungen angelegt  hatte,  abgetreten  hatte.  ()hne  Zweifel  hatte  Vogel  in  der 
Zwischenzeit^  augeregt  durch  Arnoldis  Vorschlage,  den  Plan  gefasst,  eine  Topo- 
graphie des  Herzogtums  nach  dem  Vorbilde  von  Büschings  Erdbeschreibung 
und  namentlich  Widders  Beschreibung  der  kurpfalzischen  Länder  als  selb- 
ständiges Buch  zu  veröffentlichen  und  war  deshalb  in  erklärlicher  Weise  nicht 
geneigt,  durch  voreilige  Veröffentlichungen  in  der  Encyklopädie  das  geplante  Buch 
zu  schädigen.  Mit  vollem  Eifer  muss  er  sich  während  des  Marienberger  Aufent- 
haltes den  Arbeiten  für  die  Topographie  gewidmet  haben;  am  10.  März  1817 
wurde  auf  seinen  Antrag  das  Central-Landesarchiv  zu  Idstein  vom  Ministerium 
ermächtigt,  seine  Studien  zu  unterstutzen.  Bis  zum  Februar  1819  war  es 
Arnoldi  nur  gelungen,  Vogel  eine  Biographie,  die  des  Herborner  Professors 
Aisted,  abzupressen;  erst  im  folgenden  Jahre  LS20  erhielt  er  die  in  der  Ency- 
klopädie ferner  zum  Abdruck  gelangten  topographischen  Artikel  Biebrich,  Bleiden- 
stadt,  Bornhofeu,  Braubach,  Burgschwalbach,  Caub,  Ciareuthal,  Crouberg^  Herborn 
und  Herschbach,  Das  geringe  Honorar  sowie  der  Umstand,  dass  die  der  Re- 
daktion weiter  eingelieferten  Artikel  Berbach,  Camberg,  Hohensolms,  beide 
Homburgt  Id6tein   und  Irmtraut   bei  dem   Drucke  übergangen  und   nicht   auf- 


202 


genoramoQ  waren,  acheint  Vogel  verstimmt  und  zum  Abbruche  der  Verbindung 
mit  der  Redaktion  bewogen  zu  haben,  Auaser  den  vorgenannten  Artikeln  hat 
die  Encyklopädie  weiteres  aus  seiner  Feder  nie  lit  gebracht.  Durch  den  Artikel  i 
„Cronberg**  hat  er  sich  daö  Verdienst  erworbeUi  die  Aufmerksamkeit  wieder 
auf  dies  fast  vergessene  Dynaetengeachlecht  gelenkt  und  Forschungen  über 
dasselbe  angeregt  zu  habeu.  Die  vorhin  gena unten  Artikel  sind  offenbar  seiner 
damals  in  Auaarbeitung  betiudlieheu  Topographie  entnommen;  \*ir  ßndca  sie  mit 
geringen  Abänderungen  hier,  sowie  in  der  später  erschienenoo  „Be^chreibtuig 
des  Herzogtums  Nassau*  wieder.  Um  sich  den  Arbeiten  für  die  Topographie 
ganz  und  ungehindert  hingeben  zu  können,  brachte  er  zunächst  die  kirchen- 
geschichtlichen  und  litterarhistorischeu  Furschungen,  welche  ihn  bis  dahin  vor- 
wiegend beschäftigt  hatten,  zn  einem  gewissen  Abschlüsse.  Im  Verlage  der 
neuen  Gelehrten- Buchhandlung,  Iladamar  und  Cobleuz,  erschien  im  Jahre  1818 
der  erste  (einzige)  Band  seines  „Archiv  der  nassauischen  Kirchen-  und  Gelehrten- 
geschichte",  welcher  im  ersten  Teile  fünf  kirchengeschichtliche  Aufsätze,  im 
zweiten  fünfzehn  Biographieeu  von  Gelehrten,  unter  welchen  wir  auch  den  fur^ 
die  Encyklopädie  bearbeiteten  Aisted  wiederfinden^  brachte.  Ausserdem  haiA} 
er  die  Zeit,  das  Register  zu  Arnoldis  oranischer  Landesgeschichte,  um  desses 
Anfertigung  ihn  dieser  im  Jahre  1815  geboten,  endlich  fertig  zu  stellen  und  im 
Jahre  1810  durch  den  Druck  zu  veröffentlichen.  Ferner,  im  Dezember  1820^ 
konnte  er  seinen  väterlichen  Freund,  dem  er  die  Hinweisuug  auf  die  reiebel 
Nachrichten  der  Limburger  Chronik  verdankte,  mit  der  Mitteilung  überrasche» 
dass  die  Topographie,  im  Plane  noch  als  ein  „Historisch-topographisches  Wörter 
buch  des  Herzogtums  Nassau'^  «gedacht,  feste  Gestalt  gewonnen  habe.  Der" 
alternde  Arnoldi  gab  sofort  seine  freudige  Zustimmung  kund  und  empfald 
nochmals  Widders  Beschreibung  der  Kurpfalz  als  Muster.  Doch  verginge 
noch  16  Jahre,  bis  das  einen  ungemeinen  Aufwand  von  Sammeleifer  und  Pleii 
erfordernde  Buch  zur  Drucklegung  fertiggestellt  war. 

Inzwischen  war  auch  im  südlichen  Teile  des  Herzogtums  das  luteress 
füi*  die  vaterländische  Geschichte  geweckt  worden.  Hier  zwar  brachten 
Verhältnisse  es  mit  sich,  dass  der  Forschungstrieb  sich  einem  anderen  Gebieti 
als  dem,  welches  den  Dilleuburger  Kreis  beschäftigt  hatte,  zuwandte;  hier,  be 
sonders  in  der  Landeshauptstadt  und  deren  nächsten  Umgebung,  bot  die  prj 
historische  und  besonders  die  römische  Zeit  den  Alter tuniefreunden  reichsten  Stofl 

Zwar  war  es  ein  Auawärtigerj  der  bekannte  Dorow,  der  zuerst,  nachdefl 
die  Stürme  der  grossen  Kriege  ausgetobt,  hier  im  Boden  ruhende  Schätze  de* 
Altertums  hob,  bald  aber  wandten  sich  auch  Einheimische  der  reizvollen  Aul 
gäbe  zu.  Die  beiden  Habelj  Vater  und  3ohu,  und  andere  planten,  um  il 
antiquarischen  Bestrebungen  mehr  Halt  zu  geben,  die  Gründung  eines  altert 
forschenden  Vereins,  der  jedoch  erst  im  Jahre  1821  feste  Gestaltung  erhielll 
Letzteres  war  zum  Teil  das  Verdienst  des  jüngeren  Habel,  der,  damals  wenige 
herrschsüchtig  v^'ie  später,  noch  nicht  verkannte,  dass  neben  seinen  geliebte 
römischen  Forschungen  doch  auch  mittelalterlicher  und  neuerer  Geschichte  d« 
gleichberechtigte  Platz  einzuräumen  sei.  Begann  doch  damals  —  durch  Steiu 
Verdienst  —  die  Erforschung  unserer  mittelalterlichen  Oeschichtsquellen  mächtil 


203 


emporzublühen.  Habel  trat  in  Y^rbinduDg  mit  Vogel^  der,  begeistert  für  das 
seinen  eigenen  Wunäelioü  ao  sobr  entsagende  Unteruehmeu,  iiueigimnüt/.ig  und 
freudig  «oine  Unterstützung  vorhpracb,  ohne  zu  ahnen,  wie  bald  Ilabols  Eigensinn 
ihm  grobe  Enttäuschungen  bereiten  und  ihn  aus  dem  liebgewordcnen  Arbeita- 
felde  verdrängen  würde»  Zu  den  drei  ersten  Bänden  der  „Aunalen"  des  Ver- 
eins steuerte  Vogel  treffliche  Aufsätze  bei,  auch  der  4.  Band  brachte  noch  eine 
Arbeit  von  ihm,  obwohl  sein  Bruch  mit  Uabel  und  dem  Vereine  sich  inzwischen 
vollzogen  hatte,  wie  wir  später  ^ehen  werden.  Der  1.  Januar  1823  brachte 
Vogel  die  Versctasung  von  Marieuberg  nach  Schönbach  als  Pfarrer  und  Schul- 
Inspektor;  eoinem  lieben  Archive  zu  Dillenburg,  wohin  zu  versetzen  ea  der 
nassauischen  Ilegierung  an  Einsicht  fehlte,  war  er  hierdurch  wenigstens  uäher 
gerückt.  Hier  achrieb  or  zunächst  „Johann  Friedrich  Fuchs,  nach  seinem 
Leben  dargestelU.  Eine  GedächtDisschrift.  Herborn  1823**,  zur  Erinnerung 
an  seinen  am  20.  Juni  d.  J.  dahingegangenen  alten  Ilerborner  Lehrer.  Im 
Jahre  182G  folgre  seine  Ausgabe  der  bekannten  Limburger  Chronik,  mit  Ein- 
leitung und  erläuternden  Anmerkungen.  Mit  dieser  Veröffentlichung  konnte 
Vogel  auf  eine  achtuögs werte  Reihe  von  geschichtlichen  Arbeiten  zurückblicken, 
die  von  der  zeitgenössischoo  Kritik  gebührend  anerkannt  wurden  und  ihm  im 
Lande  selbst  den  wohlverdienten  Ruf  einer  Autorität  verschaiTcen.  Im  Ministerium 
stand  man  nicht  an,  mit  Umgehung  des  Idsteiner  Archivs  über  schwierige  go* 
schichtliche  Fragen  Auskunft  bei  ihm  zu  holen.  Als  solche  zweifellose  Autorität 
auf  dem  Gebiete  der  mittelalterlichen  Landesgeschichte  wurde  er  deshalb  als 
Dritter  zur  Mitwirkung  an  einem  Unternehmen  berufen,  welchem  auf  miniBterieÜe 
Anordnung  die  Aufgabe  gestellt  war^  den  Ursprung  de.ii  Hausen  Nassau  zu  er- 
forschen und  die  Geschichte  des  zur  herzoglichen  Würde  gelangten  Walramischen 
Astes  zu  schreiben*  Ansprechend  und  verdienstvoll  war  ein  solches  LTnternehmen 
des  Hauses  unter  allen  Umständen,  mochte  demselben  auch  vielleicht  der  Gedanke 
zu  Grunde  liegen,  des  alt  und  stumpf  gewordenen  Arnoldi  Geschichte  der  nieder- 
ländischen Vettern  endlich  in  den  Schatten  zu  stellen.  Der  Vater  dieses  Gedankens 
war  fraglos  der  Leiter  des  Unternehmens,  der  bekannte  Publizist  Joh.  Weitzel, 
seit  1820  herzoglicher  Hofrat  und  Landesbibliotliekar  zu  Wiesbaden.'')  Das 
zweite  Glied  des  Bundes  war  natürlich  HabeP);  dieser  sollte  die  prähistorische 
und  römische  Zeit  bearbeiten.  Weitzel,  obwohl  Publizist,  scheint  doch  mehr 
wie  blos  die  künstlerische  Ausgestaltung  des  Fertigeo  und  Ganzen  als  die  seiner 
bewährten  Feder  zufallende  Aufgabe  angesehen  zu  haben/}  In  früheren  Jahren 
hatte  er  sich  darin  gefallen,  als  Historiker  von  Fach  zu  gelten;  er  soll  sogar 
versucht  haben,  durch  Vermittelung  des  Fürsten  Hardenberg  eine  Geschichts- 
Professur  in  Bonn  zu  erhalten. 

Weitzels  erste  Anträge  in  dieser  Sache  fallen  in  den  Juni  1827.  Er 
erklärte  dem  Ministerium^  den  Entwnirf  einer  Geschichte  des  Herzogtums  aus- 
gearboitct  zu  haben  nebst  einer  Ebleitung,  welche  sich  über  die  ältere  Geschichte 

H  *)  Über  WoiUel  v^jrgl.  Öchwart«,  Annalctn  XIV»  41  ff,  —  *)  Ober  den  Arohi?ar  Uftbel 

^m  vergl  Schwurtz,  Aimüko  XJ,  besonders  H.  J60  IT.  —  ^)  \*ir^l  zur  8arbe  auch  Boh^sris, 
^H    \nnalen  XI,  *i02. 


I 


2M 


DeotAchlandB,  dessen  kirchliche  uod  politische  Terfassung  und  Kultur 
8.  bi»  13.  Jahrfaundort  verbreite,  ächwierigkeiten,  meinte  er,  bereue  ihm  aar 
die  Entfernung  der  Archive  und  der  arehivalis^cbe  Stoff  selbst.  Beschäfti^ai 
oiU  iK>lchem  war  üim,  wie  er  gestand,  fremd;  weder  las  noch  verstand  er 
mktelalterlicbe  Urkunde.  lodeäaen  verschlug  dies  nach  seiner  Metnciii^ 
vk^l;  Abhilfe  sollte  hier  die  Errichtung  eineä  historischen  Archivs  in  Wie 
•ehaffen.  Für  die  Bildung  demselben  sollten  die  Landesarchive  alle  gesciiiehl 
wichtigen  Urkunden  hergeben.  Den  Auftrag,  diese  zu  ermitteln  und  zur  Cbe«^ 
(tifaning  nach  Wiesbaden  auszuscheiden,  zugleich  aber  Auszüge  aus  deiuelbcfl 
fiir  Weitzels  Zwecke  zu  fertigen,  erhielt  Yogel,  der  infolge  deaaeo  bia  warn  Eads 
des  Jahres  1827  in  Idstein  arbeitete.  Die  Angabe  von  Schwartz,  Annaleo  XI^ 
202,  dass  diese  Arbeiten  in  Id^ein  durch  Uabel  ausgeführt  seien,  ist  hiemaeh 
zu  berichtigen.  Im  Interesse  der  Sache  betrieb  Weitzel  damals  die  Veraetzni^ 
Vogels,  der  nach  seiner  Äusserung  ,,fast  zum  lebendigen  Archiv*  gewarden 
war,  auf  die  vakante  Pfarrei  Erbenheim,  aber  ohne  Erfolg,  Die  ArbeitQft 
währten,  nachdem  auch  Uabel  herangezogen  und  zum  Archivar,  das  heiasi  Tü^ 
Steher  eines  solchen  in  Wiesbaden  zu  gründenden  historischen  Archivs,  eroanial 
war,  bis  zum  Jahre  1829,  gerieten  aber  dann,  wohl  infolge  von  Eiferaocl 
zwischen  Ilabel  und  Vogel^  ins  Stocken.  Weitzels  wiederholte  Klagen^ 
keiner  seiner  Mitarbeiter  mehr  einen  Finger  für  die  Sache  r<^e,  konnte  Vogel 
sieghaft  wiederlegen;  er  übergab  am  17.  Juni  1830  ein  56  Bog^en  atarkes 
Manuskript,  betitelt:  „Geschichte  von  Nassau**,  zweite  Periode»  496 — ICNX*, 
während  er  die  aus  Urkunden  gefertigten  Auszüge  vorsichtig  für  »eine  Samm- 
lungen zurückhielt.  Gegen  Eude  des  Jahres  1832  klagt  Weitzel,  dasa  er  uitiht 
einen  Schritt  vorangekommen  sei  in  den  letzten  drei  Jahren;  noch  wisse  er 
nicht,  ob  sich  auch  nur  eine  geschichtlich  wichtige  Urkunde  in  den  Landes- 
arcliiven  vortiode! 

Die  Verbindung  Weitzel,  Habel  und  Vogel  konnte  hiermit  als  aufgelöst 
betrachtet  werden;  weitere  Vorkommnisse  vergrösserten  die  Kluft  zwischen  den 
Dreien.  Vogel,  der  einzige,  welcher  mit  aufrichtiger  Hingebung  bei  der  Sache 
gewesen  und  etwas  geleistet  hatte,  bescbloss  sich  wieder  auf  eigene  Füsse  zu 
stellen.  Den  einmal  angeregten  Gedanken  der  Abfassung  einer  naasauiachcn 
Qeschichte  Hess  er  ungeachtet  der  gemachten  Erfahrungen  nicht  aus  den  Augeu. 
Ab  Johannes  Weitzel  am  10.  Januar  1837  gestorben  war,  bewirkte  er  dureb 
Vermittelung  seines  Freundes,  dea  Ministerialrats  Vollpracht,  dass  der  Uerzug 
ihn  und  diesen  im  Februar  1838  mit  der  Abfassung  der  Landesgeschiehte  be- 
auftragte* Doch  ehe  wir  hierauf  eingehen,  habea  wir  manches  aus  Vogela 
Leben  nachzuholen,  an  welchem  uns  die  bisherige  Darsteliung  vorbeifuhrt i\ 
Seine  —  unter  den  damaligen  Umstunden  nicht  wohl  erklärliche  —  Versetzung 
nach  Eirberg  am  L  Januar  1831,  anstatt  des  von  ihm  aus  guten  Gründeu 
dringend  gewünschten  Erbenheim,  ist  zuerst  anzuführen.  Von  Kirberg  aus  vor* 
öffentlichte  er  1832  das  „Nassauische  Taschenbuch*'.  Auch  diese  Arbeit  brachte 
nur  gelegentlich  gereifte  Früchte,  kleinere  Erträge  seiner  grosseren  Forschuii 
diese  erstreckten  sich  auf  die  verscliiedeuartigsten  Gebiete  und  gaben  sv  ,.. 
treffendes  Bild   des   umfassenden  Fleisses  Vogels.     Wohlverdiente   Ehrung  be* 


205 


I leitete  ihm   der  Yereio   für  heasische  OeäcbicTite,    welcher  ihn  unter  dem  28, 
[Dezember    1835    Äiim   korreapondierenden    Mitgliedo    wäblte.      Für   die   beide» 

ersten    Bäudo   der   Zeitschrift    dieacü    Vereins    spendete    Vogel    kleinere,    aber 
»ehätzbaro  Beiträge;  mit  den  leitenden  Per^öuliclikciteu  diesea  Verein»,  namout* 

[lieh  dem  Hufrat  Dr,  Steiner,  stand  er  in  fieundschaftlicbem  Briefwechsel 

Wie  inzwischen  das  Projekt  einer  nassauiseheu  Landesgeschlehte  scheiterte, 

|i*t  vorhin  gesagt.     Vogel  niussto  von  dem  Unternehmen  mit  der  gewiss  wenig 

I  erfreulichen  EiupHndung  scheiden^  mehrere  Jahre  seines  Lebens  geopfert  za 
haben.     Tief  verstimmt  scheint  er  sieh    von  seinen  Wiesbadener  Freunden  zu* 

I  rüokge»;ogen  zu  haben,     Ü leichzeitige  Vorkommnisse  in  dctn  von  ihm  bis  dahin 

*  gestützten  Wiesbadener  Altertumsvereino  führten  zeitweilig  zu  einer  Isolierung 
des  Gekränkten, 

Den  Vorsitz   im  Altertumsverein   als  Direktor  führte   damals  der  Staats- 

Saen-Direktor   Hauth»    das  Museum   des   Vereins   verwaltete   als  Konservator 

Ben  Begrumler,    der  Archivar  HabeU     Ilabels  Verdienste   um   das  Museum, 

[um  Erforschung  und  Erbaltuug  der  Denkmäler  tu  unserem  Lande  werden  im- 
vergiinglich  und  unübertroifen  bleiben.  Habeis  Leistungen  wollen  mt  nicht 
verkleinern,  wenn  wir  beifügen»  dass  er  den  Verein  andererseits  auch  ebenso 
sehr  geschädigt  hat  durch  sein  Bestreben,  seine  einseitig,  nur  auf  die  Erforschung 
der  romischen  Zeit  gerichteten  Thätigkeit  die  ausschliessliche  Herrschaft  im 
Verein,  dessen  Mitgliedern  er  sich  nach  allen  Richtungen  hin  weit  überlegen 
glaubte,  zu  sichern.  Nicht  minder  entfremdete  er  sich  durch  seine  Bissigkeit 
und  kleinliche  Streitsucht  die  Freunde  und  Verehrer.  Schwere,  nur  langsam 
und  mit  Mühe  überwundene  Krisen  hat  er  über  den  Verein,  für  dessen  Wohl 
er  aufrichtig  zu  arbeiten  glaubte,  gebracht. 

Die  Streitigkeiten   zwischen   dem  Direktor  Hauth  und  Kabel,    welche  im 

[Jahre  1836  die  Auflösung  des  Vereins  herbeizuführen  drohteu,  scheinen  ihren 
TTrsprung  in  abweichenden  Anschauungen  beider  bezüglich  der  Auslegung 
einzelner  Bestimmungen  der  Vereinsstatuten  gehabt  zu  haben.  Im  November 
1836  hatte  sich  der  Kontiikt  so  weit  zugespitzt,  dass  der  alte  Direktor  Hauth, 
der  fortgesetzten  Reibunger  müde,  Jen  Vorsitz  niederlegen  zu  wollen  erklärte, 
Ilabel  nahm  von  dieser  Erklärung  mit  Behageu  Akt  und  teilte  dieselbe  Vogel, 
der  mit  ihm  dem  Vereiusvor stände  angehörte,  nach  Kirberg  nebst  einem  Vor- 
schlage zur  Herstellung  besserer  und  friedlicherer  Verhältnisse  im  Vereine  mit. 
Nach  diesem  Flaue  wollte  er  sich  mit  Vogel  in  die  Leitung  des  Vereins  teilen; 
Habe!  behielt  sich  das  Museum  und  die  Redaktion  der  Zeitschrift  des  Vereins, 
der  mittlerweile  zu  Ruf  gelaugten  Annalen,  vor,  Vogel  aber  sollte  von  seinem 
entlegenen  Wohnorte  aus  die  äussere  Geschäftsleitung  führen!  Letzteres  mu»8 
Vogel,  der  ja  bereits  kurz  vorher  in  hinlänglichem  Masse  recht  unliebsame 
Erfahrungen  in  seinem  Verkehre  mit  Habel  gemacht  hatte  und  der  auch  in 
diesem  Streite  nicht  auf  Ilabels  Seite  stand,  doch  wie  Hohn  geklungen  haben. 
In  einem  Briefe  vom  6,  Dezember  1836  lehnte  Vogel  in  wurdevoller  Weise 
die  Zumutung   ab,    indem   er    zugleich    bei    der  Neugestaltung  des  Vereiusvor- 

[  Standes  für  sieh  die  einAussreiche  Stellung  forderte,  welche  er  als  einziger  und 
verdienter  Forscher   auf  dem  Qebietc   der  mittelalterlichen  Geschichte  für  sich 


206 

zu  verlaogen  sich  berechtigt  hielt.    Er  forderte  für  sich  —  und  die  BerechtiguDg 
dieser  Forderung  war  unbestreitbar  —  die  Rodaktion  der  Vereinszeitschrift. 

«Es  thut  mir  sehr  leid,  so  antwortete  er  Habel,  dass  die  Geschichte  unseres 
nassauischen  historischeu  Vereins  immer  traurigere  Wendung  nimmt.  Es  ist  nun  an 
uns,  das  arme  Schifflein  unter  den  drohenden  Wellen  so  zu  führen,  dass  es  wenigstens 
erhalten  werde.  Hierzu  will  ich  gerne  nach  Kräften  mitwirken.  Ich  überlasse  also 
Ihnen  und  dem  Hauptmann  von  Bornhorst  die  interimistische  Direktion.  Sie  sind 
zur  Stelle,  haben  einen  sicheren  Überblick  und  Geschäftskenntnis  und  wissen  also  alle 
Vorteile  für  den  Verein  zu  ergreifen  und  zu  benutzen.  Handeln  Sie  hier  nur  rait 
aller  Liebe  für  die  Sache,  mit  Mannheit  und  Reinheit.  Ich  will  dagegen  die  Re- 
daktion der  Annalen  übernehmen,  an  deren  raschen  Fortschritt  alles  gelegen  ist. 
Übermachen  Sie  mir  nur  gütig  umgehend  alles  darauf  bezug  habende.  Ich  bedinge 
mir  nur  dabei  dieselbe  Freiheit  aus,  die  Sie  dabei  bisher  genossen  haben.  Ich  finde 
auf  diese  Weise  denn  endlich  auch  einmal  Gelegenheit,  für  den  Verein  thätig  wirken 
zu  können  und  bei  aller  Liebe  für  die  Sache  mich  der  drückenden  Ansicht  überhoben 
zu  sehen,  als  sei  ich  das  fünfte  Rad  am  Wagen.  Stimmen  Sie  also  darin  mit  mir 
überein  und  übergeben  Sic  mir  umgehend  alles,  was  zur  Fortsetzung  der  Annalen 
dient,  so  werde  ich  mit  aller  Kraft  für  den  Verein  wirken,  wo  nicht,  so  erkläre  ich 
hiermit  nicht  nur  meinen  Austritt  aus  dem  Vorstande,  sondern  auch  aus  dem  Verein.» 

In  der  schönen  Hoffnung,  dass  Habel  mit  ihm  übereinstimmen  würde, 
hatte  Vogel  sich  doch  erheblich  verrechnet.  In  seiner  Antwort  suchte  Habel 
sich  mit  der  ihm  zu  Gebote  stehenden  Dialektik,  wie  er  sie  später  in  noch 
höherem  Masse  in  seinem  ähnlichen  Streite  mit  dem  Idsteiner  Archivdirektor 
Friedemann  entfaltete,  um  Vogels  Forderungen  herumzuwinden,  um  dieselben 
schliesslich  abzulehnen.  Vogel  schloss  sich  sofort  den  weiteren  Schritten  des 
Vereinsdirektors  Hauth  an,  er  zeigte  seinen  Austritt  aus  dem  Vereine  an. 
Dennoch  aber  und  ohne  die  gestellte  Forderung  der  Übertragung  der  Redaktion 
der  Annalen  durchgesetzt  zu  haben,  meldete  er  sich,  nachdem  der  Regierungs- 
präsident Möller  das  Direktorium  des  Vereins  übernommen  hatte,  im  März  1838 
aufs  Neue  als  Mitglied  au  und  entsprach  in  der  Folge  auch  der  unter  dem 
1.  Dezember  1838  vom  Präsidenten  Möller  an  ihn  gerichteten  Aufforderung, 
Beiträge  für  die  Annalen  einzusenden! 

Vogel  griff  unter  diesen  Umständen  auf  seine  älteren  Studien  zurück, 
welche  durch  seine  Arbeiten  für  die  Landesgeschichte  Unterbrechung  erlitten 
hatten.  In  Kürze  erfolgte  die  Herausgabe  seiner  „historischen  Topographie 
des  Herzogtums  Nassau **,  mit  Vorrede  vom  1.  Juni  1836,  seinem  Freunde, 
dem  Regierungsrat  Vollpracht,  „dem  tiefen  Kenner  der  vaterländischen  Ge- 
schichte, Verfassung  und  Rechte"  zugeeignet.  Das  Buch  gibt  in  den  ersten 
6  Abschnitten  eine  Übersicht  über  die  ältere  Geschichte  und  Verfassung 
der  Länder,  aus  welchen  das  Herzogtum  sich  zusammensetzt.  Der  Behandlung 
des  Stoffes  in  den  folgenden  Abschnitten  die  alte  Einteilung  des  Landes  in  Gaue 
zu  Grunde  zu  legen  und  in  diese  Einteilung  die  28  Ämter  des  Herzogtums 
einzuzwängen,  veranlasste  ihn  der  ursprüngliche  Plan  der  Arbeit.  Verdienter- 
massen fand  das  Buch  vielfache  Anerkennung,  der  Herzog  liess  dem  Verfasser 
im  Februar  1838  für  dasselbe  eine  Gratifikation  von  400  Gulden  auszahlen. 
Übel  begegnete  dem  Verfasser  jedoch   der  Wiesbadener  Gymnasiallehrer  Josef 


207 


Muth,  damals  noch  katholischer  Priester  und  daneben  eifriger  Verfechter  der 
koufesflioüslosea  Schulen.  „Statt  der  nassauisehen  Geschichte**,  höhnte  Muth 
in  einer  vom  13.  Auguat  1836  datierten  Besprechung  des  Buches,  ^die  man 
schon  lang  aus  geübter  Feder  erwartet,  ist  dieser  Tage  erschieoen:  Vogel 
(Pfarrer  in  lürberg)  hiätorische  Topographie  des  Ilerzogtmtis  Nassau,  Wohl- 
gemeiDt,  aber  ohne  rechten  Plan,  viel  Steine  uud  Mörtel^  jedoch  kein  Bau, 
Das  Werk  iat  gewidmet  dem  Herru  Regierungsrat  Vollpracbt,  dem  tiefen  Kenner 
der  uassauischeu  Geschichte,  Verfassung  und  Rechte,  Der  Herr  Regierungsrat» 
ein  bescheidener  Manu,  auch  wohlbewandert  in  Verfassung  und  Rechten  des 
Herzogtums,  wird  sich  den  tiefen  Kenner  der  Geschichte  verbitten.  Die 
Sehmeichelei  ist  etwas  zu  plump,  ein  .Mann,  der  das  Wort  Gottes  predigt, 
sollte  nicht  schmeicheln,"  Muths  hämisches  Urteil  über  die  geschichtlichen 
Kenntnisse  VoUprachts  beruhte  doch  auf  Irrtum,  doch  können  wir  an  dieser 
Stelle  hierauf  nicht  eingehen,  Vollpracht  selbst  soll  diese  Bemerkung  Muths 
sehr  übel  vermerkt  haben;  durch  dieselbo  soll,  wie  erzählt  wird,  die  nicht  lange 
darauf  erfolgte  Versetzung  Muths  an  das  GvDmasium  zu  Weilburg  veranlasst 
worden  sein. 

Wir  haben  schon  des  am  10.  Januar  1837  erfolgten  Todes  W^eitzols  ge- 
dacht; der  WiesbEideoer  historischen  Kommission  wurde  hierdurch  auch  äusserlich 
das  Ende  bereitet.  Die  schwierige  Erbschaft  anzutreten,  hielten  der  Regier unga- 
rat  Vollpracht  und  Vogel,  der  nochmals  1837  die  uneingeschränkte  Erlaubnis 
zur  Benutzung  der  Landesarcbive  erhalten  hatte,  sich  für  berufen.  Durch  Ver- 
mitteluug  des  Ministers  von  Düngern  erteilte  der  Herzog  dem  von  Vollpracht 
ausgearbeiteten  Plane  im  Februar  1838  die  Genehmigung,  Vollpracht  erhielt 
die  Leitung  des  Unternehmens,  er  erbat  für  sieh  die  Bearbeitung  der  Geschichte 
der  „ihm  genau  bekannten  tinanziollcn  Verhältnisae  dea  Landes."  Das  Manuskript 
von  Vogels  nassauischer  Geaehichto  vom  Jahre  49b  bis  1000  wurde  ihm  aus- 
gebändigt. 

Zu  eioDui  Abschlüsse  in  dem  geplanten  Sinne  ist  jedoch  das  schon  vorhin 
berührte  l'nternehmon  aucli  in  diesem  zweiten  Stadium  nicht  gebracht  worden» 
Vogel  fuhr  fort,  mit  gewohntem  Pleisse  Urkunden  uud  Akten  der  Archive  zu 
exzerpieren  und  seine  bandschriftlichen  Sammlungen  durch  diese  Ausbeute  zu 
bereichern^  entschloas  sich  aber  bald,  die  Ergebnisse  seiner  Studien  für  eine 
zweite  umgestaltete  Bearbeitung  seiner  historischen  Topographie  zu  verwenden. 
Im  Ministerium  scheint  mau  mit  dieser  endlichen  Lösung  der  Aufgabe  einver- 
standen gewesen  zu  sein  und  so  erschien,  hnanziell  von  der  genannten  Behörde 
unterstützt,  im  Jahre  1843  sein  noch  heute  so  schätzbares  Hauptwerk,  die 
.Beschreibung  des  Herzogtums  Nassau,*  Von  der  Analysierung  dieses  Buches 
können  wir  an  dieser  Stelle  füglich  Abstand  nehmen  und  bemerken,  dass  seine,  wie 
wir  sahen,  bereits  1832  abgeschlossene  „Geschichte  von  Nassau**,  zweite  Periodcj 
40b  bis  1000,  hier  an  passenden  Stellen  Verwendung  und  Abdruck  fand. 

Das  Buch  sollte  in  6  Lieferungen  zu  40  Kreuzern  erscheinen;  die  drei 
ersten  Lieferungen  lagen  bis  Ende  Oktober  1843  vor. 

Aus  dem  äusseren  Leben  Vogels  in  dieser  Zeit  haben  wir  nachzutragen, 
dass  er  im  Jahre  1838  zum  Dekan,  1842  zum  Schulinspektor  zu  Kirberg  und 


308 

1849  zum  Inspektor  der  evangelischen  Schulen  im  Amte  Eirberg  ernannt  wcirde. 
Neben  der  geschilderten  wissenschaftlichen  Thätigkeit  hatte  er  somit  noch  den 
ausgedehnten  Anforderungen  seines  Amtes  gerecht  zu  werden.  Vielleicht  waren 
es  diese  Dienstpflichten,  vielleicht  auch  die  ersten  Kegungen  des  schweren 
körperlichen  Leidens,  dem  er  erlag,  welche  seine  weitere  wissenschaftliche  Arbeit 
einschrfittkten.  Nach  dem  Erscheinen  des  eben  besprochenen  Buches  haben 
wir  eine  grössere  Arbeit  nicht  mehr  zu  verzeichnen;  wir  finden  nur  kleine, 
gelegentliche  Mitteilungen  aus  dem  reichen  Schatze  seiner  Sammlungen.  Die 
letzte  dieser  Veröffentlichungen  dürfte  eine  kleine  Humoreske,  eine  «Scene  aus 
dem  ökonomischen  Leben  eines  Nassau-Dillenburgischen  Landschullehrers  aus 
dem  vorigen  Jahrhundert^  sein,  welche  das  nassauische  Schulblatt  noch  kurz 
vor  dem  Hinscheiden  des  Schwerkranken  aus  dessen  Feder  brachte.  Bald 
darauf,  am  29.  Juli  1862,  erlöste  ihn  ein  sanfter  Tod  von  seinem  schweren 
lieiden;  erst  am  4.  Juni  d.  J.  hatte  er  in  seinem  Pflichteifer  es  über  sich  ge- 
winnen können,  zur  Unterstützung  in  seinen  kirchlichen  Amtsgeschäften  sich 
der  Beihilfe  eines  Vikars  zu  bedienen. 

Das  entworfene  Bild  durch  Schilderung  der  Wirksamkeit  Vogels  als 
Geistlicher,  sowie  seines  sonstigen  ausgezeichneten  Lebens  zu  vollenden,  messen 
wir,  da  dies  ausserhalb  unserer  Aufgabe,  uns  versagen.  Nur  gehört  hierhin 
noch  die  Bemerkung,  dass  derselbe,  treuer  Anhänger  des  evangelischen  Be- 
kenntnisses, die  Anschauungen  anderer  Eonfessionen  ehrte;  die  Behandlung 
namentlich  der  Reformationsgeschichte  in  seinen  Schriften  zeigt  dies. 

Vogels  handschriftlicher  Nachlass  wurde  nach  seinem  Tode  für  da» 
Landesarchiv  zu  Idstein  angekauft  und  beruht  jetzt  im  Staatsarchive  zu  Wies- 
baden. Ein  im  Besitze  des  Altertums- Vereins  befindliches,  in  den  Annalen*) 
veröffentlichtes  Verzeichnis  dieses  Nachlasses  von  der  Hand  Rosseis  ist  fehler- 
haft und  unvollständig. 


*)  Annalen  XVII,  7ü. 


Zu  den 
Ruprecliten  von  Nassau  und  ihren  Gemahlinnen. 

Von 

Joseph  Hillebrand* 


In  Bezug  auf  die  Nassauischen  Grafen  dea  Namens  Ruprecht  herrseht 
'schon  insofern  Verwirrunf^,  als  sie  von  Vogel,  Schliephake-Menzel  und 
laenbeck  (in  der  St  am  rata  fei,  Annalen  XV,  187!),  S.  113  ff.)  verschieden  ge- 
zählt werden.  Ruprecht  L  wird  übereinstimmend  so  bezeichnet.  Ruprecht  IL 
Vogels  und  Isenbeeks  aber  will  Schliepliake  (I»  253  ff.  und  268)  über- 
haupt nicht  recht  gelten  lassen  und  zählt  er  nicht  mit.  So  ist  denn  Vogels 
und  laenbecks  Ruprecht  III.  (der  Streitbare)  ihm  der  Zweite  dieses  Nameus 
(in  Menzels  Register  allerdings  auch  der  Dritte),  Vogels  Ruprecht  IV.  ist 
bei  Schliephake  R.  III.  (in  Menzels  Register  H.),  bei  Isenbeck  R.  V.; 
Vogels  R,  V.  hinwiederum  ist  bei  Iseubeck  R,  IV.,  wahrend  er  bei  Schliep- 
hake-Mendel  wieder  nicht  mitgezählt  ist.  Herr  Pfarrer  Ludw.  Conrady  hat 
in  seiner  ^Geschichte  des  Ilauses  Nassau"  im  vorigen  Annalen-Bande,  wohl  um 
die  Verwirrung  nicht  noch  zu  vergrOssern,  mit  Recht  bei  der  Zählung  sich  an 
Vogel  angeschlossen^  wie  es  auch  hier  geschehen  solL  Es  empfiehlt  sich  das 
um  so  mehr,  weil  Vogels  Ruprecht  UI.  und  IV.  beide  Gemahlinnen  des 
Namens  Elisabeth  hatten  und  Conrady  nun  glaubt  auch  dem  Grafen  Rup* 
recht  II,  eine  seither  einem  anderen  Ruprecht  beigegebeno  Elisabeth  zuweisen 
zu  sollen f  w^as  eine  weitere  Verschiebung  in  den  genealogischen  Verhältnissen 
jener  Zeit  im  Gefolge  gehabt  hat.  Ruprecht  der  Streitbare  nämlich  (IIL  nach 
Vogel),  welcher  nach  der  seitherigen  Annahme  Elisabeth,  eine  Tochter  Em  ichs  IIL 
von  Leiningen,  die  als  1159  oder  1169  bereits  vermählt  und  noch  1235  lehoud 
galt,  zur  Gemahlin  hatte,  soll  eine  Elisabeth,  Tochter  Em  ichs  It.,  von  dem 
aber  eine  solche  nicht  nachweislich,  bekommen.  Der  Ruprecht  dagegen,  Vogels 
R,  IV.,  der  als  Gemahl  der  Elisa  von  Schaumburg  galt,  soll  nach  ihm  mit 
jener  Elisabeth,  der  Tochter  Emichs  Ilf*  von  Leiningen,  die  noch  1236  am 
Leben  war,  vermählt  gewesen  sein.  Und  der  Elisa  von  Schaumburg,  die,  wenn 
sie  nicht  geradezu  dem  Isenburgischen  Hause  angehörte,  mindestens  in  nahen 
verwandtschaftHchen  Beziehungen  zu  demselben  stand,  gibt  Conrady  statt 
Ruprechts  IV.  zum  Gemahl  Ruprecht  IL,  dessen  Gemahlin  seither  unbekannt  war.') 

*)  NiLcli  Vogel   troUiüli   i  Iletirhretb^.  de»  H^rt.  NAütou^  H.  302)  hieas  sie  Beatrix,    wie 
»*nnf  Muller,    wi>geg«ii    i.  Hcblieph.  1,    ^-    ^^^* 


210 

Ich  kann  Herrn  Conrady  hierin  aber  nicht  beistimmeD.  Er  geht  davon 
aus'),  dass  Elisabeth,  die  Gemahlin  Buprechts  III.  des  Streitbaren  (dass  dieser 
eine  Gemahlin  des  Namens  Elisabeth  gehabt,  schliesst  man  aus  dem  Arnsteiner 
Totenregister,  weil  dort  ein  Rupr.  und  EI.  als  Eltern  Hermanns")  bezeichnet 
sin4,  der  eben  ein  Sohn  Ruprechts  des  Streitbaren  war),  die  als  eine  Gräfin  von 
Leiningen  anzusehen  ist,  weil  in  einer  undatierten,  von  Senckenberg  und 
Kremer  ins  Jahr  1159,  von  Knoch  1169  gesetzten  Urkunde^)  bei  den  Zeugen- 
angaben es  heisst:  „Ego  Emicho,  Hermannus,  Eberhardus,  Fridericus  filii  mei, 
Rubertus  comes  de  Nassowen  gener  meus^,  dass  also  diese  Elisabeth  und 
die  Elysa  quondam  comitissa  de  Nassouuia,  die  im  Jahre  1235  vorkommt^) 
und  als  Tochter  Em  ich  s  III.  von  Leioingen*)  erwiesen  ist,  nicht  wohl  dieselbe 
Person  sein  könnten,  während  sie  ziemlich  allgemein  dafür  gehalten  werden. 
Wenn  Elisabeth  von  Leiningen  von  1235  die  Gemahlin  Ruprechts  HI.  wäre, 
meint  Conrady,  so  würde  1235  deren  Alter,  wie  es  für  diesen  Fall  mit  Hilfe 
verschiedener  Daten  über  Emichs  HI.  andere  Töchter,  besonders  Luckarde 
berechnet  wird,  ein  zu  hohes  sein.  Die  Elisa  vou  1235  muss  also  einen 
jüngeren,  später  lebenden  Gemahl  erhalten  und  erhält  durch  ihn  Ruprecht  IV., 
den  Sohn  Heinrichs  I.  von  Nassau,  dem  Schliephake  eben  die  Elisa  von 
Schaumburg  (Mutter  der  Gräfin  Luckarde  von  Virneburg)  zugewiesen  hatte, 
die  er  wegen  des  Isenburgischen  Mitbesitzes  von  Schaumburg  für  eine  Isen- 
burgerin  hielt.  Da  aber  doch  in  der  teils  1159,  teils  1169  gesetzten  Urkunde 
schon  ein  Ruprecht  von  Nassau,  der  nicht  wohl  ein  anderer,  als  R.  der  Streit- 
bare sein  kann,  als  gener  eines  Emich  von  Loiningen  Zeuge  Emichs  ist,  so 
soll  gener  hier,  wie  allerdings  nicht  selten,  sogar  „maxime**  nach  Du  Cange- 
Henschel,  Schwager  bedeuten  und  Ruprechts  IH.  Gemahlin  Elysa  also  eine 
Tochter  Emichs  des  Zweiten  von  Leiningen  sein. 

Dagegen  ist  Folgendes  zu  erinnern.  Die  undatierte  Urkunde  kann 
nicht  nur,  wie  Knoch  meint,  ganz  wohl  1109,  sie  kann  noch  später  ausgestellt 
sein,  nach  Schliephake^)  „merklich  später*,  auch,  wie  Conrady  selbst  8.  90 
darthut,  nach  1179.  Ich  finde  insbesondere  in  den  Namen  der  Zeugen  in  der- 
selben, wie  auch  sonst,  nichts,  was  dagegen  spräche.  Abgesehen  vou  den 
Zeugen  ist  übrigens  wenig  Anhalt  zur  Zeitbestimmung  geboten.  Der  Zeuge 
Konrad,  Bischof  von  Worms,  könnte  Konrad  I.  von  Steinach  (1150 — 1170)  oder 
auch  Konrad  II.  von  Sternberg  (1171 — 1192)  sein.  Von  Emichs  drei  genannten 
Söhnen  überlebte  Friedrich  den  Vater    und  lebte  Eberhard  noch  1179.*)     Der 

0  Ann.  XXVI,  87  ff.  —  ^)  S.  Becker,  Ann.  XVI,  13  u.  Vogel,  Beschr.  u.  s.  w.  307. 
Hermann  kommt  in  einer  zwischen  1190  u.  1192  fallenden  Urkunde  als  Vogt  über  Koblenzer 
Güter  vor,  der  die  Vogtei  resigniert  hat  (Mittelrh.  Urkdbuch,  II,  163  u.  749,  Reg.  No.  849) 
und  nocli  1240  als  Mainzer  Kanonikus  zu  St.  Peter  (Schlieph.  I,  342,  Bodmann,  Rheing. 
Alt.  II,  874).  Hermann  stammte  möglicherweise  aus  einer  ersten  Ehe  Ruprechts  und 
könnte,  da  Ruprecht  c.  1154  schon  erwachsen  war  (8chlieph.  I,  255),  Elisabeth  aber  viel- 
leicht erst  c.  1160  geboren  ist,  ein  ätiefsohn  von  dieser  gewesen  sein.  Doch  sind  wir  zu 
dieser  Annahme  nicht  geradezu  genötigt,  da  die  Geburt  Elisabeths  auch  um  das  Jahr 
1150  gefallen  sein  kann,  wie  weiterhin  gezeigt  wird.  —  *)  Kremer,  Or.  Nass.  If,  S.  191,  I,  390. 
—  ^)  Krem  er  1.  c.  II,  S.  274.  —  ^)  Dieser  f  vor  1189  nach  Lehmann,  Gesch.  d.  Burgen 
u.  8.  w.  d.  bair.  Pfalz,  III,  S.  21.  —  ')  I,  250.  -  ")  Conrady  I.e.  und  Kremer,  Or.Xass.  I,  891,  A.4. 


211 


Zeuge  Ildgorus  de  Frarikcnsftoin  ermaert  üu  uml  wird  vou  Köllncr')  uod 
Leliöiann**)  auch  j^'dmlteii  für  doa  1146  ürvviihnten  und  den  1164  als  Zeuge 
Mirtretendeo  Holeu^er  von  Frankeostrin,  Aber  auch  1195  eröcheineu  zwei 
Idlinger  von  Fraiikciistciu/*)  Ein  llugi*  (Huc)  und  eio  HildehoUi  von  Isen- 
burg  (Eiaeuborg)  treten^  wie  in  unserer  Urkunde,  so  im  Jahre  1146  bei  KöUner'-) 
auf,  sie  koutjun  aber  ebenso  gut  IIGO  und  spater  noch  gelebt  haben,  wie  Emieh 
seibat  Der  Zeuge  Siegfried,  Propst  ^eiuadera  loci*'»  also  wohl  des  Ortea,  um 
{\en  es  »ich  in  der  Urkunde  handelt,  des  Klasters  Ilogen  bei  Alf-Leiningen  in 
der  bairiachen  Pfalz^  jetzt  noningeü'"*),  das  Eniich  im  Jahre  1140  nach  Kremer^*), 
wahrscheinlich  1120  nach  Lehmann'*)  stiftete,  scheint  jedoch  für  1159  nicht 
zu  pasEien.  Denn  nach  einer  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  I.  vom  18.  Jan.  1160*^) 
war  U60  Propst  von  Hogeu  noch  Härtung,  der  erst©  überhaupt  von  den 
Pröpsten  nach  Schannat.^*)  Schanuat  kennt  dann  erat  aus  dem  Jjhre  1222 
wieder  einen  Propst,  nämlich  Amilius.  Aber  in  einer  undatierten  Urkunde  bei 
Baur'*),  die  dort  c.  U73  gesetzt  ist,  erscheint  allerdings  als  Zeuge  „Sigefridus 
prepositua  de  Ilagene",  worunter  ich  gegen  Kitsert  (im  Register  zu  Baur's 
Urkundeubuch)  das  Leiningische  Ilagen,  Höningen  verstehe,  nicht  Hageo  bei  Bo- 
lauden  (Köllncr  1.  c.  S.  321),  da  als  erste  Laien  Emich  von  Lüiningeu  und  sein 
John  Eberhard  Zeugen  sind  und  es  sich  in  der  Urkunde  um  Iberaheim  (Mbesheim 
hei  Alzey)  handelt,  wo  die  Leiningen  wenigstens  1237  einen  Hof  (Lehmann,  Gesch. 
der  Pfälzer  Burgen  IH,  34)  und  1285  eine  Vogtei  hatten  (Baur  U,  8-  380).  Das 
spräche  also  zum  mindesten  mehr  für  Knochs  Ansicht  über  die  Abfassungs- 
zeit der  Urkunde  Emichs  und  für  das  Jahr  1 169.  War  nun  damals  Ruprecht 
der  Streitbare  gener  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  des  Wortes,  wie  sie  doch 
auch  das  französische  gendre  bis  in  die  neueste  Zeit  hat,  also  Schwiegersohn 
Emichs  des  Dritten,  kann  also  seine  Qemablia  Elisabeth  um  1150  geboren 
sein,  so  war  sie  1235  85  Jahre  alt,  was  auch  noch  kein  so  ganz  ausser  ge- 
wöhnliches Alter  wäre.  Ist  aber  die  Urkunde  aus  der  Zeit  nach  dem  Jahre 
1179  etwa,  wofür  auch  wir  mit  Conrady  selbst  uns  entscheiden,  dann 
käme  als  Geburtsjahr  c.  11  CO  und  ein  Alter  von  unter  76  Jahren  für  das  Jahr 
1235  bei  Elisabeth  heraus. 

Sehen  wir  weiter  zu.  Luckarde^  als  deren  Schwester  1235  Elisabeth, 
„quondam  comittssa  de  Kassouuia'^  und  nach  der  seitherigen  Annahme  Witwe 
eben  jenes  Ruprecht  des  Streitbaren,  erscheint,  war  zuerst  mit  Simon  dem 
Zweiten,  Grafen  von  Saarbrücken,  vermählt,  der  vor  1208  starb'*),  und 
tritt  seit    1220'*^}  auf  als  Gemahlin  Lothars,   Grafen  von  Wted.     Wenn  also 


*)  Ge«ch.  d.  Hemcbft,  KiroUheira^BoUnd,  1854,  S.  298.  —  '*)  L  c.  U,  395.  —  »»i  Leh- 
mann  L  o.  —  ")  L  o.  6.  341,  A.  1.  —  *^)  Krem  er,  Gcsiih.  de»  Ardennisi-hcn  Oc«chIeclit« 
u,  8.  w.  17«5»  I,  156.  —  ")  1.  c.  ^  «)  1.  c.  UI,  8.  15.  -^  •*)  Kremer,  üesch.  d,  Ard.  0.  II, 
8.  248.  —  ^)  HiBtoria  epUeop,  Wormiit,  17H4,  I,  8,  151,  —  »»)  HeMWche  Urkimdea,  IT,  186«, 
8.  2S.  El  ist  die  ^von  Brinokmeier  l,  22  angefahrte,  aber  nicht  nachj^rewietiene*'  Urkundo 
(Conrady,  8,  W,  A.  J>).  —  **)  nach  KOIlner.  Geeoh.  de»  ßaarbrQck.  Lniidea,  1841,  IL, 
8.  79.  8.  »noh  Mittelrhein.  Urkdb,  II,  8.  315  ii,  S.  778  zu  Hegest  UM  »4.  Nach  Krem  er, 
0(«acU«  de»  Ardetin.  üesohl^cht«  1,  15H  war  er  1211  tot  Da*»  er  nach  1214  gestorben  »ei, 
wie  Conrad jT  rmch  Briackmeier'i»  unjcuverUnfiigen  Angaben  annimmt  iß,  89),  ist  wohl 
nicht  richtig.  —   '*)  Qörz,  Mitt<!lrh.  Kegesteu  U,  S.  411,  vergi.  8,  4HH  u.  434- 


212 


Luckarde   nicht   weit   von  der  Geburtszeit  von  Ruprechts  des  Streitbaren 
mahlin  das  Licht  der  Welt  erblickt  hätte,  so  wäre  me,   meint  Conrady,  bein 
Tode  ihres  Gemahls  Simon  55  oder  05  Jahre  alt  gewesen;  daas  sie  dann  nocj 
einen   zweiten  Gemahl   gefunden,    hält   er    für   höchst   uDwahrecheinlieb,     Naii 
nimmt   ja  aber   Conrady   doch    auch  die  Zeit  nach  1179  als  Ausstell ungazeid 
für   die   mehrerwähnte  Urkunde   ao,  kann   also  als  Gebnrtszeit    Luekarden 
etwa  das  Jahr  11 60   oder   später   ansetzen.     Und   dann  war  diese,    als  ihr* 
erster  Gemahl  (c.  1208)  starb,  eben  nicht  c,  65,  sondern  noch  nicht  48  Jahre 
alt*     In  der  Wersehweilerer    Stißungsurkunde    von    1180,   wo   als  Zeugen   ein 
Graf  Simon  (woher,  steht  nicht  dabei)  und  seine  Söhne  Heinrich  und  Friedrich 
genannt   werden'*"),    können  —  das    sagt   Conrady   selbst  —  nicht   Simon  dei^ 
Zweite    von   Saarbrücken   und    seine   und   Luckardens    Söhne    gemeint    seiajl 
Es  kann  und  wird  vielmehr  gegen  Kreraer  mit  Crollius,  den  Conrady  eitleri, 
noch  ebenso  an  Simon  den  Ersten  zu  denken  sein,  wie  in  einer  Urkunde  von 
1179*^),  wo  neben  des  Orafeu  von  Saarbrücken  Söhnen  Friedrich  und  Ileinric^ 
als   dritter  Sohn   Propst  Albert  geuannt  wird,   den  auch  Kremer'^)    für  eine 
Sohn  Simons  des  Ersten  erklärt,     Ist  das  so,  dann  braucht  man  fiir  Luckarde 
1180  noch  keine  erwachsenen  Söhne  anzunehmen  und  kann  sie  selbst  ab 
eben   erwachsen   in   diesem  Jahre   oder  kurz    verheiratet  gelten.     Sie  kann  ja 
von  den  Kindern  Emichs  111.  von  Leiniogen,  deren  wir  sieben  kennen**)^  eines 
der   jüngsten    oder  geradezu  das  jüngste  gewesen   sein,    wie  es  Lehmann  an- 
nimmt.    Lothar   von    Wied    war  c.   1208,    als  Luckardena  Gemahl    Siraon  D. 
von  Saarbrücken  starb,  auch  nicht  mehr  jung.     Denn  sein  Bruder  Theoderich, 
der    spätere   Erzbischof  von    Trier   (f  1242),    war   1189    bereits   Geistlicher"^)^ 
seine  Schwester  Theodora  war  1185  schon  mit  Bruno  von  Isenburg  vermtihlt''*)^ 
und   so   ist   nicht  ausgeschloasen,   nicht   einmal  ynwabrsclieiulich,   dasa  Lothar* 
Verheiratung    mit   der  Witwe   von    Saarbrücken  —  sie   erscheinen    urkundli< 


roi» 
icll 


I 


als  vermählt   zum   ersten  Mal  1220,    könnten    aber   nach   dem  Gesagten  seh* 
c.   1210  in  die  Ehe  getreten  sein  —  auch  seine  zweite  war.     Da   nun   abei 
als  im  Jahre  \\^i>  bereits  einigermasseu  erwachsene  Kinder  Simons  IL  und 
Luckardons    von  Saarbrücken    Simon  IlL,    Heinrich,  der  spätere  (1217 — 123 
Bi^schof  von  Worms,  der  schon  1212  Propst  war,  Friedrieli,  Stephan,  schon  121 
Propst,  und  Gisela  gelten*'),  woraus  nach  Conrady  folgt,  dass  Heinrichs  Gebu: 
schon  mindealena  1178  anzusetzen  sei,  Luckarde  jedoch,  wenn  sie  seine  Mutt 
gewesen  wäre,  wieder  als  „hohe  Sechzigeriu**  zur  zweiten  Ehe  geschritten   seil 
würde,   so    will   er   diesen   Heinrich    gar   nicht   als    Sohn   von   SiinoD   IL    nw 
Luckarde  gelten  lassen  und  sieht  in  Heinrich    eiuen  Bruder  Simons  IJ,     A 
gesehen  davon  jedoch,  dass  selbst  bei  Ausetzung  des  Jahres   1178  als  Geburt 
Jahres  des  Bischofa  Heinrich  von  Worms  Luckarde  c,  1210  keiue  hohe  SechzigeriifJ 
sondern   nur   eine   aogehende  Füofzigerin   zu  sein  brauchte,    widerspriclit  gau 
ausdrücklich  der  Vermutung  Conrady 's,  dass  Heinrich  ein  Bruder  Simons  U. 

*>)  Conrftd^r*  8.  90.    Vorgl.  Kremer  l  c.  1,   i:ui.   —  -')  H.  GürÄ,  Miltelrli.  Eegefiieti  11^ 
S,    115.  —    *■)    Gesch.   des    Anlenn,   Oeaihl   1,    HO  f.,    A,   0.    —    '*>  LeliDijiiiii,  U^soh.  d« 
Pfilzer  Bargen  Ol,  20.  —  *=^)  Oörz  I.  n,  II,  R.  173,  Mitteirb,  Urkdb.  IT,  S.   lJi3.   —    -*i  06f 
L  c.  n,  8.  154.  —   '^)  Krem  er,  Oeach.  d.  Ard,  Üt-HcUt.  1,   154  u.  Conraily  S.  02. 


213 

sei,  die  Urkunde  von  1221  bei  Kremer,  Orig.  Nass.  ü,  S.  264,  worin  Bischof 
Heinrich  von  Worms  den  verstorbenen  (»pie  memorie**)  Grafen  Friedrich  (L) 
von  Leiningen  seinen  Oheim  (avunculus)  und  den  Grafen  Friedrich,  der  als 
successor  eiusdem  bezeichnet  ist,  zugleich  frater  noster  nennt.  Wie  sollte 
Friedrich  von  Leiningen  avunculus  des  Bischofs  Heinrich  von  8aar- 
brficken  sein,  wenn  Heinrich  ein  Brnder  Simons  IL  von  Saarbrücken 
wäre?  Er  wäre  dann  sein  Schwager;  avunculus  aber  konnte  er  nur  genannt 
werden  als  Bruder  von  Heinrichs  Mutter,  Gräfin  von  Leiningen.  Ist  also 
Bischof  Heinrich  ein  Sohn  Simons  H.  und  Bruder  Simons  IH.  von  Saarbrücken 
und  Friedrichs,  der  die  Grafschaft  Leiningen  von  dem  kinderlosen  Oheim  erbte 
und  als  Graf  von  Leiningen  Friedrich  H.  heisst,  und  war  Heinrich  auch  etwa 
schon  1178,  wie  Conrady  will,  geboren,  so  hat  sich  eben  seine  Mutter  Luckarde 
zum  zweiten  Mal  als  ältere  Witwe  verheiratet,  bei  der  übrigens  nichts 
ein  höheres  Alter  anzunehmen  nötigt,  als  etwa  50  Jahre.  Es  ist  aber  dann 
auch  kein  Grund,  von  der  Schwesterschaft  Luckardens  und  der  Ge- 
mahlin Ruprechts  des  Streitbaren  Elisabeth  abzugehen  und  für  diesen 
eine  ältere  Elisabeth,  Tochter  Emichs  H.  von  Leiningen,  zu  erfinden,  die  Tochter 
Emichs  des  IH.  dieses  Namens  aber  einem  anderen  Ruprecht  von  Nassau 
ohne  weitere  Stützpunkte  zuzuweisen.  Und  so  gut  Luckarde  1235  noch  lebte 
(ihr  Gemahl  Lothar  noch  1243.  S.  mittelrh.  Urkdb.  HI.,  S.  576),  ebenöo  gut 
kann  auch  ihre  Schwester  Elisabeth  dieses  Jahr  noch  erlebt  haben,  mit  der 
und  deren,  wie  ihrer  eigenen  Schwester  Alberade  von  Cleberg  sie  damals'')  die 
Schenkung  an  die  Kirche  zu  Limburg  machte.  Das  Wort  gener  in  der  öfter 
erwähnten,  früher  c.  1159  oder  1169,  von  Conrady  selbst,  dem  wir  darin 
also  beistimmen,  nach  1179  gesetzten  Urkunde  muss  dann  freilich  seine  alte 
Bedeutung  „Schwiegersohn**  behalten. 


*»)  Kremer,  Or.  Nass.  U,  8.  274. 


15 


Band  XXVI  (1894)  der  Ännalen  des  Vereins  für  Nassauisclie 
Ältertumökunde  und  Geschichtsforschang. 


ein   gestickter   —  bedeckt*    —   ist   wa 

4  u.  5  V.  o.  lies  Loch  bäum  8t.  Logbanm. 

6  lies  labbaD  st.  laohan. 

10  Mm  tachbii€ha  st.  lögbore.    Übrigens   ist  dies  nicM  die   älteete 

ErwabBung  dieser  Grenzbäume. 
12  lies  FIurDamea  st.  EigeoDameü. 
Das  Folgende  bezieht  sich  auf  Waldungen  im  Kreise  Neuwied  (die  sogenannten 
Rahmhecken).     Der  letzte  Satz  soll   heissen:   Die  Form  des  Zeichens  ist 
häufig  die  einer  Hausmarke  oder  ein  Kreuz. 

D  ü  s  s  e  1 1 ,  Amtsgerichtarat. 


Römische  Geschütze. 

Von 

ObertilUnteniint  a.  D. 

Hierzu  25  Textabbildungen. 


Die  im  Herbst  1894  ausgeführte  Ausgrabung  des  5  km  nördlich  von  Ems 
gelegenen  Limeskastells  Arzbach- Äugst  ergab  unter  anderen  Funden  auch  eine 
Anzahl  Waffen  teile,  von  denen  einzelne  ein  besonderes  Interesse  beanspruchen. 

Der  praktische  Lokalforscher,  der  sich  der  mühevollen  Aufgabe  unterzieht, 
mit  Hacke  und  Schippe  den  oft  mehr  als  dürftigen  Resten  römischen  Anbaues 
und  römischer  Herrschaft  in  Deutschland  nachzuspüren,  begrüsst,  nach  oft 
tagelangem  vergeblichen  Suchen,  stets  mit  Freude  die  Auffindung  von  Baulich- 
keiten, bei  denen  —  wenn  oft  auch  nur  in  wenigen  Steinlagen  —  noch  Über- 
bleibsel des  aufgehenden  Mauerwerks  erhalten  sind,  besonders  dann,  wenn  An- 
zeichen vorliegen,  dass  die  betreffenden  Gebäude  durch  Feuer  zerstört  sind 
und  der  Brandschutt  seither  möglichst  unberührt  geblieben  ist.  Mit  neuem 
Eifer  wird  dann  die  Arbeit  fortgesetzt  —  aber  nur  zu  oft  werden  auch  in 
solchen  Fällen  die  Hoffnungen  auf  lohnende  Funde  getäuscht,  denn  die  Mehr- 
zahl der  römischen  Bauwerke  wurde,  nach  der  Wiedereroberung  des  Landes 
durch  die  Germanen,  erst  dann  den  Flammen  übergeben,  nachdem  sie  gründlich 
ausgeräumt  worden  waren.  Günstiger  lagen  die  Verhältnisse  im  Kastell  Arzbach- 
Augst,  denn  die  dortigen  Baulichkeiten  waren  augenscheinlich  vor  ihrer  Plünde- 
rung eingeäschert  worden,  entweder  bei  der  Erstürmung  dieser  Befestigung 
durch  den  Feind,  oder  beim  Rückzuge  der  Besatzung  durch  diese  selbst;  aber 
auch  hier  hatte  man  später  noch  genug  verwendbare  Gegenstände  gefunden, 
die  nicht  zu  hoch  mit  Schutt  und  Trümmern  bedeckt  waren  oder  zufallig  bei 
der  Einebnung  des  Terrains  und  durch  den  Ackerbau  zu  Tage  kamen. 

Am  ergiebigsten  an  Fundstücken  erwiesen  sich  die  Thortürme,  und 
unter  diesen  besonders  der  östliche  Turm  der  porta  praetoria,  dessen  Obermauer 
noch  in  Höhe  von  durchschnittlich  75  cm  vollständig  erhalten  war.  Gleich  zu 
Beginn  der  Arbeit  stiess  man  hier  auf  einen  starken,  halbverkohlten,  eichenen 
Balken,  der  beim  Niederbrennen  des  Turmes  in  die  rechts  vom  Eingange 
gelegene  Südecke  desselben  gestürzt  war  und  sich  hier  in  schräger  Stellung 
schützend  über  das  Essgeschirr  eines  Soldaten,  bestehend  aus  Napf,  Teller  und 
Tasse,  gelehnt  hatte,   welches  vor  mehr  als  1600  Jahren  dorthin  gestellt  und 

15* 


216 

nun  —  bis  auf  eine  unerheWiche  Beschädigung  des  Tellers  —  vollkommen 
unversehrt  zu  Tage  gefördert  wurde.  Die  daraufhin  mit  aller  Vorsicht  vorge- 
nommene völlige  AusriiurauDg  des  Turminnern  bereicherte  das  Museum  tu 
Wiesbaden  um  18  Fondnummern,  worunter  sich  die  wichtigsten  der  nachstehend 
aufgeführten  Gegenstände  befinden: 

1.  Zwei   Spitzen   der  gewöhnlichen,   zur  Ausrüstung    der  Hilf»- 
trnppen  gehörigen,  kleinen  Lanzen  (Fig.  1). 

2,  Ein   kleines   Bruchstück    von   der  Tülle  einer  solchen   Lanace 
(Fig.  4),     Dasselbe   ist  dadurch   bemerkeuswertj   daas   in   der  Tülle    noch    ein 

Stück  des  hökernen  Lausen- 
*^'      '^  Schaftes  vorhanden  und  letz- 

terer mit  einem  eisernen 
Kern  versehen  ist.  IHe0e 
Einrichtung  macht  es  erklär- 
lich, daas  es  überhaupt  mög- 
lieh war,  in  deu  überaus 
kleinen  Tüllen  dieser  Waffen 
genügend  haltbare  Schafte  an- 
zubringeo. 

3.  Zwei  eiserne  Ringe       , 
von  30  bezw,  35  mm  Durch-  fl 


messer,  mit  etwa  4x4  mm 
quadratischem  Querschnitt 
(Fig.  4').    Diese  Ringe  dien- 
Um    ohne    Zweifel    zur    Ver- 
bindung von  Eisen  und  Schaß 


I 


bei  aolt^hen   Watten,  die  mit  geschlitzter  Tülle  versehen  waren,   in  der  Weise» 
wie  dies  in  der  beigegebenen  Skizze  angedeutet   ist.      Dieses  anscheinend   pri- 
mitive Verfahren    ist   dennoch   ausserordentlich   zweckmässig,    weil  eine    solche  ^ 
VerbiuduDg  sehr  haltbar  ist  und  beim  Schwinden  des  Ilolzes,  infolge  Eintrock-  V 
nens  desselbeuj   leicht  durch   weiteres  Auftreiben   der   Ringe  auf  den    Konus 
nachgespannt  werden  kann, 

4.  Eine  ungewöhnlich  schon  geformte  und  sorgfältig  gearbeitete 
Spitze  von  einem  Pfeil  der  Armbrust  (Fig;  3), 

5.  Zwei  Spitzen  von  Pfeilen  der  (späteren)  Ballista  (Fig.  2)^  wie 
sie  in  älmlichen  Formen  öfters  in  den  Kastellen  gefunden  wurden  und  bei 
Lindenachmit:  „Die  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit  (VI,  5)**  abge- 
bildet sind.  Dieselben  werden  irrtümlich  zuweilen  für  Spitzen  einer  besonderen 
Ai't  von  Wurflanzen  gehalten. 

li»  Eiserne  Beschläge  und  sonatige  Teile  von  Geschützen')  (Fig.  5 

'}  Selbst  diejenigen  Leaer,   wcleho  mit  den  narhstoiienilen  Auafilhmiig-en^  inROweit  d}«- 
aelUen    sich   auf  die  riimiäi-ho  ArtiUerie  beziehc^n^    nkht    in    alten  Pnnkteii   einTerHtanden  siiiil,  { 
werden  zugeben   müssen,   dasfi   durcli    die  betreffenden  Funde   Yon  Arstbaoh- Äugst  eln^^    w«ii< 
▼orllufig  auch  nur  unftiehere  Grundtage   für  die  Kekoustrukliän   der  um  die  Mitte  des  iIHi 


217 


I 

I 


I 

I 

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I 


bis  25).  Die  ArmieruDg  der  germanischen  und  rätischen  Kastelle  mit  Geschützea 
wurde  bisher  lediglich  deshalb  vorausgesetzt,  weil  man  Steinkugelu  und  andere 
Gegenstände  auffand,  von  denen  man  annehmen  konnte,  dass  sie  ala  Geschosse 
gedient  haben.  Die  Funde  von  Ar^bach-Augst  liefern  zum  erstenmal  Stucke, 
die  teils  mit  Sicherheit,  teils  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als  Bestandteile 
römischer  Geschütze  zu  bezeichnen  sind;  dieselben  beweisen  deshalb  direkt  die 
Vorwendung  der  letzteren  in  den  genannten  Befestiguugeu  und  geben  gleich- 
zeitig einigen  Aufschluss  über  ihre  Konstmktion. 

Zu  den  gegebenen  Zeichnungen  wird  folgendes  bemerkt: 
a)  Schleuderhaken  (f)  eines  Onagers  (Fig.  5),  Dieses  Geschütz, 
lessen  Konstruktion  (nach  Köchly  und  Rüatow:  „Griechische  Kriegsschrift- 
steller'*) durch  die  beigefügte  Skizze  veranschaulicht  wird,  war  bekanntlich  das 
Warfgeschütz  der  späteren  Zeit.  Dasselbe  bestand  in  den  Hauptsachen  aus 
den  beiden  durch  Riegel  in  paralleler  Lage  zueinander  festgehaltenen  Wänden  ({x)y 
dem  durch  entsprechende  Durchbohrungen  der  letzteren  gezogenen  Spannnerven- 
bundel  (h)^  dem  Schleuderarra  (c)^  der  Windevorrichtung  (d)^  der  Schleuder 
(g)  und  dem  Widerlager  f%).  Das  Laden  des  Geschützes  erfolgte,  indem  der 
in  senkrechter  Richtung  mit  einem  Endo  durch  die  Spanunerven  gesteckte 
Sehleuderarm  (c)  mittels  der  Winde  (d)  in  eine  nahezu  horizontale  Lage  ge- 
bracht und  die  Schleuder  mit  Qeschoss  (g)  an  einem  am  anderen  Ende  dieses 
Armes  angebrachten  Haken  aufgehängt  iivurde.  Beim  Abschiessen  des  Geschützes 
löste  der  Geschützführer  durch  einen  kräftigen  Hammerschlag  gegen  einen 
Nagel  der  Spann  Vorrichtung  den  Schleuderarm,  der  nun  infolge  der  Elastizität 
der  Spannnerven,  unter  heftiger  Erschütterung  von  Geschütz  und  Geschützstand, 
bis  an  das  Widerlager  (e)  zurückschnellte,  wobei  das  Geschoss  (q)  frei  wurde 
und  im  hohen  Bogen  zum  Ziel  flog. 

Das  vorliegende  Fundstück  kennzeichnet  sich  als  der  zum  Aufhängen  der 
Schleuder  (g)  bestimmte  Beschlag  (f)  des  Schleuderarmes  (c)  einmal  durch 
seine  überaus  starke  Konstruktion  und  die  zweckentsprechende  Form  des  Hakens, 
dann  aber  vor  allem  durch  die  eigenartige  Verbindung  dieses  Beschlagteilea 
mit  dem  Holz.  Solche  Yerbindungen  wendet  man  nämlich  auch  heute  noch 
an  und  zwar  ausschliesslich  in  den  Fällen,  w^o  ea  sich  —  wie  beim  Schleuder- 
arm des  Onagers  —  um  Teile  handelt,  die  starken  Erschütterungen  ausgesetzt 
werden ;  sie  bestehen  darin,  dass  die  durchgezogenen  Niete  (h)^  wenn  nicht  an 
beiden,  so  doch  wenigstens  an  je  einem  Ende  mit  einem  starken,  cylindrischen 
Ansatz  0t)  versehen  sind,  der  den  Zweck  hat,  die  Anlagefläche  des  Nietes  zu 
vergröBsern  und  dadurch  zu  verhindern,  dass  derselbe  sich  infolge  der  Stösse 
in  das  Holz  eingräbt,  wodurch  zunächst  ein  Lockerwerden,  dann  aber  sehr  bald 


I 


ifahrhttnderte  n.  Clir.  bei  den  RSmern  im  Gebrauch  gewesenen  Geflchütze  gefichafTen  worden 
ist.  Der  YerfAascr  ist  der  Ansicht^  dass  auf  dieser  Grundlage  weiter  g^ebaut  werden  könne 
und  glaubt  annehmen  zu  dürfen,  dass  in  den  Museen  und  Frirat»amniluug;en  uocb  manche, 
bisher  als  ^tinbekatiuie  Itofcblagfeile'^  rubrizierte  Stücke  TOrbanden  seien,  die  sieh  willig  in 
den  Torhandenen  Bahmon  einfügen  la>i»en.  Mitteilitng'en  über  bezw«  bisher  nicht  publizierte 
Funde  (uiit«»r  der  Adr,  Berlin  W.,  Hchaperstr.  10)  wärden  denselben  jsu  besonderem  Dank 
veqiflichten. 


^ 


218 

ein  Abbrechen  des  betreffenden  Beschlages  herbeigeführt  würde.  Bei  dem  aof- 
gefiindenen  Schlenderhaken  sind  drei  solche  mit  je  einem  cvlindrischeii  Ansatz 
(Tc)  versehenen  Niete  (h)  vorhanden.  Dass  das  betreffende  Geschütz  stark 
im  Gebranch  gewesen  ist,  beweist  der  Umstand,  dass  man  Ton  aussen  in  das 
von  dem  163  mm  langen  Beschläge  umschlossene  Holz  in  schräger  Riebtang 
einen  noch  erhaltenen  eisernen  Nagel  eingetrieben  hat,  der  keinen  anderen  Zweck 
gehabt  haben  kann,  als  das,  trotz  der  soliden  Befestigung,  locker  gewordene 
Beschlagstück  wieder  festzukeilen. 

Bemerkenswert  ist  noch,  dass  auch  durch  die  Terrainbeschaffenheit  die 
Aufstellung  eines  Onagers  in  dem  Turm  der  porta  praetoria  des  Kastells,  woselbst 
der  in  Rede  stehende  Schleuderhaken  aufgefunden  wurde,  angezeigt  ist.  Das 
Terrain  fßXii  nämlich  vor  der  Prätorialfront  zuerst  sanft,  dann  steiler  zu  dem 
300  m  entfernten  Wetzelbach  ab.  Der  Abhang  dieses  Baches  war  von  dem 
Kastell  aus  nicht  einzusehen,  ausserdem  aber  erschwerte  der  nur  50  m  vor  der 
Front  des  letzteren  verlaufende  Grenzwall  den  Überblick  über  das  Yorterrain 
erheblich;  dass  unter  diesen  Umständen  hier  nur  Wurfgeschütze  mit  Vorteil 
verwendet  werden  konnten,  bedarf  wohl  keiner  weiteren  Begründung. 

Was  nun  den  Wert  dieses  Fundes  anbetrifft,  so  liegt  derselbe  haupt- 
sächlich darin,  dass  durch  die  Feststellung  des  Umstandes,  dass  zur  Geschütz- 
ausrüstung dieses  Kastells  ein  Onager  gehörte,  einiges  Licht  in  die  in  artille- 
ristischer Hinsicht  völlige  dunkele  Zeit  des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr.  gebracht 
wird.  Die  von  Yitruv  beschriebenen  Geschütze  der  ersten  Kaiserzeit  bestanden 
bekanntlich  aus  Katapulten  und  Ballisten;  beide  waren  in  den  Hauptsachen 
ziemlich  gleich  konstruierf,  nur  war  das  erstere  als  Flachbahn-,  das  letztere 
als  Wurfgeschütz  eingerichtet.  Die  Verwendung  dieser  Konstruktion  ist  nach- 
zuweisen bJH  in  das  zweite  Jahrhundert  n.  Chr.,  denn  man  erkennt  dieselbe 
wieder  auf  den  Darstellungen  der  Trajanssäule ;  von  da  ab  aber  fehlt  jede 
Nachricht  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  n.  Chr.,  wo  Am- 
niianus  MarcellinuH  uns  den  der  Ilandschleuder  nachgebildeten,  einarmigen 
Onager  als  Wurfgeschütz  und  die  Ballista  —  anscheinend  im  wesentlichen  die 
alte  Katapulte  -  -  als  Flachbahngeschütz  vorführt.  Wann  und  wie  der  Über- 
gang von  der  einen  zur  anderen  Periode  erfolgt  ist,  wissen  wir  nicht.  Durch 
den  vorliegenden  Fund  wird  nun  die  interessante  Thatsache  konstatiert,  dass 
die  römische  Artillerie  zu  der  Zeit,  als  das  Dekumatenland  geräumt  wurde  — 
also  etwa  2G0  n.  Chr.  —  bereits  in  ihre  zweite  Periode  eingetreten  war. 

b)  Bruchstück  eines  Drückers  (epitoxisj  (Fig.  10),  gefunden  in  einem 
Turm  dor  portff  pr'mcipali>i  shnstra.  Leider  wurde  beim  Lockern  des  Bodens 
mittels  der  Kreuzhacke  durch  den  betreffenden  Arbeiter  das  Fundstück  zer- 
schlagen und  konnte  das  zugehörige  Stück,  trotz  sorgfaltiger  Durchsuchung  der 
ausgeworfenen  Erde,  nicht  aufgefunden  werden.  So  sehr  dies  im  Hinblick  auf 
(1:18  Interesse,  welches  dieser  Fund  in  Anspruch  nimmt,  zu  bedauern  ist,  so 
genügt  andererseits  das  vorhandene  kleine  Bruckstück,  um  in  demselben,  nach 
den  auf  Grund  der  Überlieferungen  von  Heron,  Philon  und  Vitruv  durch 
Köchly  und  Rüstow  a.  a.  0.  entworfenen  Zeichnungen  der  antiken  Geschütze, 
mit  Sicherheit  die  rechte  Hälfte  der  Klaue  derjenigen  Vorrichtung  zu  erkennen, 


219 


die  2um  FesthaUen  der  tnifcteU  der  Winde  gespannten  Sehne  (x)  während  des 
Ladens  bzw;  zum  Abschiossen  des  Geschützes  diente  und  Drücker  genannt  wurde. 

In  Fig.  IQ  iät  das  aufgefundene  Bruchstück  durch  allerdinga  rohe  Schnitz- 
arbeit aus  Kiefernborke  soweit  ergänzt,  dass  wenigstens  das  Funktionieren  dieser 
Yorricfatung  veranschaulicht  wird;  erläuternd  ist  zu  dieser  Skizze  hinzuzufügen^ 
dass  der  Drücker  (y)  um  einen  am  ^Läufer*  des  Geschützes  befestigten  Quer- 
bolzen  soweit  drehbar  war,  dass,  wenn  die  Klaue  auf  der  Läuferbahn  aufliig, 
das  entgegengesetzte  Ende  des  Drückers  hoch  stand,  und  umgekehrt. 

Sollte  das  Geschütz  geladen  werden,  so  wurde  der  Läufer  so  weit  vorge- 
schoben, bis  die  Klaue  über  die  (ungespannte)  Sehne  übergriff;  dann  wurde  der 
keilförmige  Hebel  (js)  unter  das  hochstehende  Ende  (y)  des  Drückers  geschoben, 
der  Läufer  und  mit  ihm  die  durch  die  Klaue  festgehaltene  Sehne  mittels  der 
Wiudevorrichtung  zurückgezogen  und  schliesslich  der  Pfeil  auf  die  Läuferbahn 
gelegt.  Zum  Zweck  des  Abschiesseus  war  es  dann  nur  nötig,  den  Hebel  (z) 
mittels  eines  Abzuges  zurückzuziehen,  wodurch  das  hintere  Ende  (y)  dos 
Drückers  niederfiel  resp,  die  Klaue  hoch  ging,  die  gespannte  Sehne  (x)  frei 
wurde  und  das  Qeschoss  vorwärts  schnellte. 

Selbstverständlich  konnte  eine  solche  Yorrichtung  nur  bei  der  zweiarmigen 
BaIHsta,  nicht  aber  bei  dem  Onager  angewendet  werden,  und  so  bietet  denn 
dieses  Fundatück  einen  weiteren  Anhalt  für  die  Feststellung  der  Armierung 
des  Kastells  insofern,  als  dasselbe  darauf  schliessen  lasst^  dass  ein  solches  Ge- 
schütz an  dem  angegebenen  Fundort  aufgestellt  war.  Und  in  der  That  ent- 
spricht, wie  auf  der  Prätorialfront  das  Wurfgeschütz,  so  hier  das  Plachbahn- 
geschütz  vollkommen  den  Terraiusverhältnissen,  denn  auf  dieser  (der  linken 
Prinzipal-)  Front  fallt  das  Terrain  unmittelbar  vor  der  Berme  steil  zu  dem 
breiten  Wiesengrund  des  Arzbaches  und  das  vorliegende  Gelände  ist  überall 
bis  auf  eine  Entfernung  von  mindestens  400  m  vollständig  einzusehen, 

c)  Zwei  eigentümlich  geformte  eiserne  Ringe  (Fig.  6  u.  7).  Der 
kleinere  dieser  Ringe  wurde  in  dem  mehrerwähnten  Turm  der  porfa  prneforia, 
der  grossere  in  einem  Turm  der  porta  principalis  dextra  gefunden.  Beide 
Ringe  lassen,  trotz  ilirer  schlechten  Erhaltung,  eine  sehr  sorgfältige  Bearbeitung, 
eine  vollkommen  gleiche  Konstruktion  und  eine  fast  genaue  Proportionalität 
ihrer  Abmessungen  erkennen.  Ihre  Stärke  ist  im  Verhältnis  zum  Durchmesser 
(88  bezw.  108  mm)  und  zur  Breite  (23  bezw.  27  mm)  auffallend  gering  und 
nimmt  von  den  Rändern  nach  der  Mitte  zu;  am  äusseren  Umfange  sind  sie  mit 
jo  einer,  im  Querschnitt  parabolisch  gestalteten,  ziemlich  starken  Mittelrippe 
vorsehen.     (Siehe  Profilakizze.) 

Diese  ausaergewöhnliche  Beschaffenheit  der  Ringe  berechtigt  zu  dem 
Sohluss,  dass  dieselben  besonderen  Zwecken  dienten,  und  die  Funduniatände 
legen  die  Vermutung  nahe,  dass  sie  als  Geschützteile  Verwendung  fanden.  So 
überaus  schwierig  es  nun  iat,  die  Bestimmung  derartiger  Gegenstände  zu  er- 
kennen,  so  ist  in  dem  vorliegenden  Falle  doch  der  spezielle  Zweck  dieser  Ringe 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  festzustellen.  Sehen  wir  uns  die  antiken  Geschütz- 
konstruktionen näher  an,  so  muss  es  auffallen,  dass  man  die  Spannnerven  direkt 
durch   die  entsprechenden   Löcher  dar  Geschützwände  zog,   denn  es  ist  ein- 


220 

leuchtend,  dass  unter  diesen  Umstanden  beim  Laden  und  beim  Abscbiesscn  der 
Geschütze,  infolge  der  tordierenden  Bewegung  der  Spannnerven,  eine  starke 
Reibung  und  demzufolge  auch  eine  schnelle  Abnutzung  der  letzteren  eintreten 
musste.  .  Legte  man  aber  solche  Ringe,  wie  die  aufgefundenen,  in  die  betreffen- 
den Durchbohrungen  der  Geschützwände  so  ein,  wie  dies  in  der  zu  Fig.  6  und 
7  gehörigen  Skizze  bei  w — w  angedeutet  ist,  so  wurde  diese  Reibung  natur- 
gemäss  erheblich  vermindert  und  zwar  dadurch,  dass  die  Spannnerven  sich  nnn 
nicht  mehr  an  die  auch  bei  sorgfaltigster  Bearbeitung  immer  noch  rauhen 
Holzflächen,  sondern  an  die  glatten,  eisernen  Reifen  anlegten,  die  sich  ausser- 
dem infolge  ihrer  geringen  Stärke  den  Torsionsbewegungen  der  Spannneryen 
anschmiegten,  wodurch  die  Reibung  noch  mehr  abgeschwächt  wurde.  Die 
Rippe  auf  der  Aussenfiäche  der  Ringe  würde  dann  zweckmässig  zum  Festhalten 
der  letzteren  in  der  ihnen  angewiesenen  Lage  gedient,  insbesondere  ein  Hin- 
gleiten derselben  in  die  Durchbohrungen  der  Wände  verhindert  haben. 

Ist  diese  Vermutung  über  die  Verwendung  qu.  Ringe  richtig,  so  würden 
uns  dieselben  das  wichtigste  Mass  der  betreffenden  Geschütze  überliefern, 
nämlich  das  Kaliber,  welches  bekanntlich  durch  die  Stärke  des  Spannnerven- 
bündels im  Spannloch  bestimmt  wurde  und  das  Grundmass  für  alle  übrigen 
Abmessungen  der  Geschütze  bildete.  Demnach  würde  auf  dem  erwähnten  Turm 
der  porta  praetoria  des  Kastells  ein  (rund)  9  cm  Onager  aufgestellt  gewesen 
sein  und  vielleicht  ist  es  kein  Zufall,  dass  der  Durchmesser  des  dort  aufge- 
fundenen kleineren  Ringes  von  ca.  88  mm*)  ungefähr  dem  von  Vitruv  (X,  14) 
angegebenen  kleinsten  Kaliber  (von  5  Zoll  =  92,5  mm)  des  älteren  Wurfge- 
schützes (der  Ballista)  entspricht;  dass  man  an  dem  für  dieses  Geschütz  ein- 
geführten Minimalmass  auch  in  der  späteren  Artillerieperiode  und  bei  ver- 
änderten Konstruktionsverhältnissen  festhielt,  dürfte  nicht  unwahrscheinlich  sein, 
und  dass  die  Mehrzahl  der  Limeskastelle  thatsächlich  mit  Geschützen  kleinen 
und  kleinsten  Kalibers  armiert  war,  geht  aus  den  in  der  Regel  beschränkten 
räumlichen  Verhältnissen  der  Geschützstände,  sowie  aus  den  meistens  geringen 
Dimensionen  und  Gewichten  der  aufgefundenen  Geschosse  hervor.  Schwere 
Geschütze  verwendete  man  sicherlich  nur  in  grösseren  und  wichtigeren  Be- 
festigungen und  in  diesen  auch  nur  da,  wo  es  sich  um  die  Bestreichung  von 
Defileen,  schiffbaren  Flüssen  oder  dergl.  handelte. 

d)  Bruchstücke  eines  starken  eisernen  Beschlages  (Fig.  8).  Dieser, 
sowie  die  in  Fig.  11  bis  25  abgebildeten  Beschlagteile  wurden  ebenfalls  in  dem 
mehrerwähnten  Turm  der  porta  i^raetoria  gefunden.  Wenn  auch  nicht  behauptet 
werden  soll,  dass  diese  Gegenstände  sämtlich  von  dem  dort  aufgestellten  Onager 
herstammen,  so  kann  dies  ihrer  Beschaffenheit  nach  doch  sicher  von  der  Mehr- 
zahl derselben  angenommen  werden. 

Eiserne  Diebel,  wie  Fig.  8  einen  solchen  zeigt,  wendet  man  häufig  zur 
Anbringung  beweglicher  Holzarme  (n)  an  Gestellen  u.  s.  w.  in  solchen  Fällen  an, 


^)  Die  Grösse  des  Ringes  konnte,  wie  schon  aus  der  auf  photograpliischem  Wege  her- 
gestellten Zeichnung  ersichtlich  ist,  nur  annähernd  bestimmt  werden;  der  Durchmesser  desselben 
kann  ebenso  gut  um  einige  Millimeter  grösser  gewesen  sein  und  dem  von  Vitruv  angegebenen 
Mass  genau  entsprochen  haben. 


221 


Iwo  es  nicht  auf  eine  besonders  grosse  Haltbarkeit  der  Verbindung  ankommt. 
Der  Üichol  wird  zu  dieeem  Zweck  in  das  Hirnende  eingetrieben  und  um  letzteres 
[ein  heiasor  Ring  fest  heruragelegt, 

Fijr.  5  bis  25. 


e)  Bruchstück    eines  istarken,   eidernen  Beschl  i  uor   acht- 
Fkantigen  Holz  welle  (Fig.  9),  gefunden  im  Exerzierhause  de»  KastelR 

f)  Bruchstück  eines  kreisförmig  geschnittenen,  dünnen  Eiscn- 
blechstreifens  (Fig.  11).  Derselbe  konnte  zweckmässig  zur  Feststellung  der 
Elevation  des  Geschützes  dienen,  wenn  er  mit  einer  entsprechenden  Gradein- 
teilung versehen  und  so  am  Geschütz  angebracht  war,  dass  er  den  Winkel 
bestimmte,  den  der  Schleuderarm,  im  Zustande  der  Spannuug,  mit  dem  Geschütz- 
staude bildete.  Die  Drehachse  des  Schleuderarms  niusste  dann  in  dem  Mittel« 
punkt  desjenigen  Kreises  liegen,  nach  dem  dieser  Blechstreifen  geschnitten  war* 


222 

g)  Zwei  starke,  eiserne  Haken  (Fig.  12  n.  13),  wie  aofete  o.  i. 
aoeh  bei  Winden  zum  Befestigen  Ton  Tanwerk  rerwendec  werd«i. 

h)  Brachscüek  eines  langen,  eisernen  Bolzens  (Tig^.  14/  nm  q^Li- 
dradschem  Qaersehniu  and  stark  gewölbtem  Kopf. 

I)  1 1  Stack  eiserne  Nägel  Ton  Terschiedener  Form  xmd  Grodse  (Ti?.  15 
bis  25):  dieselben  warden  aa^  einer  grossen  Anzahl  in  diesem  Turm  ao&e- 
fandener  Xägel  aasgewählt.  Bescmders  bemerkenswert  sind  diejenigen  Fi?.  1'4 
bis  21,  welche,  nach  Art  der  Drahtstifte«  mit  dannen  ganz  flachen  und  ebenen, 
fist  genan  kreisranden  Köpfen  yersehen  sind:  desgleichen  die  in  Fig.  22  bis  25 
dargesteUten,  die  ohne  Zweifel  znr  Befestigung  starker  eiserner  Bedehläge  — 
auch  aof  gewölbten  Flächen  —  gedient  haben. 

7.  Ein  Pilam.^  Dieses  in  allen  Teilen  wohleibaltene  Fandstück  ist  für 
die  Festsiellang  der  Geschichte  dieser  Waffe  insofern  Ton  herrorragender  Be- 
deatang,  als  wir  aber  letztere  für  den  Zeitraam  vom  Ende  des  zweiten  bis 
zum  Aasgang  des  vierten  Jahrfaanderts  n.  Chr.  ebensowenig  antenichtei  sind, 
wie  fiber  das  romische  Geschutzwesen. 

Die  Konstraktion  des  Rlams,  welche  in  den  letzten  Jahrhunderten  t.  Chr. 
nnaasgesetzt  verbessert  wurde,  erreichte  za  Caesar's  Zeiten  ihren  HoheponkL 
Dasselbe  bestand  damals  aas  einer  durchschnittlich  7 — 800  nun  langen,  weich- 
geschmiedeten Klinge  mit  gehärteter  pyramidaler  Spitze;  das  Eisen  war  mittels 
Zwinge  and  Niete  mit  dem  doppelt  so  langen  Schaft  fest  verbanden.  Die  Haapt- 
Torteile  dieser  Konstraktion  lagen  darin,  dass  die  Klinge  geeignet  war,  Schild 
and  Mann  zn  darcbbohren  and  dass  infolge  der  Yerbiegang  des  weichen  Eisens 
im  feindlichen  Schilde  der  Gegner  am  Gebrauch  des  letzt^^n  behindert  wurde, 
da  Pilum  und  Schild  nicht  leicht  getrennt  werden  konnten.  Es  war  eine  echte 
und  rechte  Offensivwaffe,  die  in  allen  wesentlichen  Teilen  unverändert  nach- 
weislich bis  Antoninus  Pius,  vermutlich  aber  bis  zum  Anfang  des  dritten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  beibehalten  wurde. 

Mit  dem  Verfall  des  Staates  und  dem  Niedergang  der  Armee  verschwand 
diese  Nationalwaffe,  der  die  Römer  nicht  zum  kleinsten  Teil  ihre  militärischen 
Erfolge  verdankten,  und  der  Fund  von  Arzbach-Augst  lehrt,  dass  zu  der  Zeit, 
als  da«  Dekumatenland  von  den  Germanen  zurückerobert  wurde  —  also  etwa 
um  260  n.  Chr.  —  bereits  eine  Waffe  eingeführt  war,  die  den  Übergang  zu 
dorn  von  Yegetius  (ü,  15)  beschriebenen  Spiculum  bildete.  Die  viereckige,  mit 
zwei  Widerhaken  versehene  Klinge  hatte  eine  Länge  von  nur  190  mm  und  ein 
(iewicht  von  145g;  sie  war  mit  dem  Schaft  nach  dem  von  Plutarch  (Mar.  25) 
beschriebenen,  bereits  in  der  Cimbernschlacht  angewendeten  Prinzip  mittels 
eines  eisernen  und  eines  hölzernen  Stiftes  verbunden.  Beim  Eindringen  des 
l'ilums  in  den  feindliehen  Schild  rausste  der  liolzerne  Stift  brechen  und  der 
Schaft  wurde  an  dem  eisernen  Niet  nachgeschleift. 

Die  Waffe  war  zu  kurz  und  zu  leicht,  um  wirksam  zu  sein ;  sie  entsprach 
der  Qualität  der  damaligen  Armee. 

3)  Bonner  Jahrb.  Heft  XCVI,  ö.  226  ff. 


m 

ii 
n 


Erwiderung 

auf 

„Einige  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  von  Conrady,  „Die  Geschichte 

des  Hauses  Nassau",  in  Annalen  XXVI,   von  Dr.  W.  Sauer,  Königl. 

Archivrat  und  Staatsarchivar  in  Wiesbaden." 


Auf  die  vorstehend  genannten,  mir  durch  Mitteilung  des  Herrn  Yereins- 
sekrctärs  bekannt  gewordenen  „Bemerkungen^  finde  ich  ihrer  Reihe  nach  das 
Folgende  zu  erwidern. 

1.  Ich  müsste  mich  dagegen  verwahren,  wenn  Herr  Archivrat  Dr.  Sauer 
gemeint  haben  sollte,  dass  ich  meiner  Geschichte  des  Hauses  Nassau  den  Wert 
einer  „ abschliessenden **  Behandlung  des  Gegenstandes  beilege,  da  ich  wohl  einen 
„Neubau^  (8.  1  derselben),  aber  selbstredend  nicht  dessen  vollen  Ausbau  er- 
streben konnte. 

2.  Bezüglich  des  mir  zur  Last  gelegten  Übersehens  der  namhaft  ge- 
machten Litteratur  und  der  Versehen  im  Gebrauch  der  fulder  und  lorscher 
Traditionen  bemerke  ich  zunächst  im  Allgemeinen,  dass  meine  Arbeit  bis  nahe 
zu  ihrem  Schlüsse  in  Miltenberg  zustande  kam,  wo  mir  begreiflicherweise  die 
Ermittelung  und  Beschaffung  der  nötigen  litterarischen  Hilfsmittel  die  grössten 
Schwierigkeiten  bereitete.  Ich  holte  deshalb  das  dort  Versagte  mit  Hilfe  der 
Landesbibliothek  hier  im  weitesten  Umfange  nach,  konnte  aber  auch  bei  ihr 
nicht  alles  Gewünschte  erlangen.  Böhmer-Mühlbacher,  Regesta  imperii  1,  1 
z.  B.  war  zur  Zeit  meines  Bedürfens  hartnäckig  belegt  und  Dronke's  Cod. 
dipl.  verstellt,  sodass  ich  denselben  erst  dicht  vor  Abschluss  und  sehr  be- 
schleunigtem Abgang  des  Manuskripts  in  die  Druckerei  benutzen,  mich  also 
nur  oberflächlich  mit  ihm  bekannt  machen  konnte.  Dies  alles  in  der  „Schluss- 
bemerkung^  S.  130,  wie  meine  Absicht  war,  zu  berichten,  blieb  mir  versagt, 
da  der  mir  dort  noch  gewährte  Raum  nicht  reichte,  und  eine  neue  Seite 
wegen  der  folgenden  Arbeit  nicht  anzubrechen  war.  Ich  musste  mich  also  sehr 
wider  Willen  damit  begnügen,  dass  ich  S.  1  meine  „unzünftigen  Erfifte"  be- 
tont hatte. 


224 


3*  Was  iin  Besooderen  die  Nichtbenutzung  der  angezeigten  Stellett 
Wenck,  Stein,  Hegel  uod  Draudt  anlangt,  so  hat  dieselbe,  wie  ich  aehi 
meiner  Arbeit  nicht  die  mindciite  Einbusse  bereitet,  da  ich  alles  biete,  was  m 
und,  wie  ich  denke,  Vollständigeres,  deshalb  neugierig  wäre  zu  erfahren, 
mir  nachgewiesen  werden  köuDte,  ^dass  unter  Benutzung  dieser  älteren  Uoti 
suchuugen  einzelne  Punkte  sich  würden  anders  haben  gestalten  können.*  Merk> 
würdigerweise  befinde  ich  mich  dazu  mit  den  drei  zuletzt  Genannten  in  dei 
gleichen  Verdammnis,  wenigstens  die  Stelle  Wenck^s  übersehen  zu  haben. 
Noch  mehr,  uns  allen  vieren,  wie  Herrn  8.,  ist  die  Behandlung  der  Sache  bei 
Dahl,  Rhein.  Archiv,  herausgeg,  (zuletzt)  von  Neeb  u.  Weitzel,  1814,  14, 
233,  von  der  ich  jetzt  erst  ohne  Nutzen  Einsicht  genommen  habe,  eDtgangen. 
Ausserdem  wäre  Hegel,  um  genau  zu  sein,  !.  c.  10  Anm.  12  doch  nur  als 
Bestreiter  der  Idee  abzuweisen  gewesen.  Da  aber  Herr  8.  selber,  wie  er  sich 
erinnern  dürfte,  anfanglich  Bestreiter  derselben  war,  so  darf  ich  es  eigcnt 
lieh  finden,  dass  er  mir  ein  Versehen  zur  Last  legt,  dessen  er  aich  ad' 
schuldig  gemacht  hat  und  als  Fachmann  in  nassoicis. 

4.  Ablehnen   muss   ich   leider  die  Anerkennung^   dass   „der  Wert  der 
selbständiger  Forschung  von  mir  gewonnenen  Ergebnisse  gesichert  wird'\    C 
sichert  iät  doch  nur,  dass  die  genannten  Gelehrten  mit  mir  dasselbe  vermuiet 
und  mehr  oder  minder  wahrscheinlich  gemacht  haben, 

5.  Das  mir  zur  Auflage  Gemachte  wegen  der  Frage,   ,,ob   die   Hattoi 
im  Wormsgau  Grafen    oder  nur  Grossgrundbesitzer  waren*',    darf  lediglich 
Widerhall  von  Draudt'a  Bemerkung,   1,  c.  478:    .^dass    es   im  Zweifel    bleibt^ 
ob  dieselben  Guter  im  Wormsgau  beaassen  oder  aber  den  Gau  ganz  oder  teil 
weise  verwaUeten    (s.  Hegel   in  deo  Stadtechroniken   XVIH,    2,    8.    10,    I6)*'i 
bezeichnet  werden  und  ist  ^in  entscheidender  Weiae*^  aus  sclbstredcnden  Grfii 
den  nicht  festzustellen. 

6.  Über  die  genau  ein  Dutzend  umfassenden   „Versehen*',   die  mir   na 
gewiesen  werden  wollen,   habe  ich,   indem  ich  dieselben   der  Kürze  wegen  al 
ptuibetisch  bezeichne,  dies  zu  sagen: 

a)  Der  25.  für  den  15,  Juni  ist,  wie  ersichtlich  an  der  Verwechselung 
von  2  mit  1,  ein  leider  stehen  gebliebener  Schreibfehler  und  wohl  \au 
keinem  hohereu  Gewichte^  als  die,  die  Herrn  8.  Seite  195,  Z.  14  t 
oben  mit  „8,  550*  statt  541,  ,10**  statt  11  und  Auslassung  der  Seite! 
zahl  bei  Stein,  wie  Z.  20  von  oben  mit  ^im*  statt  ,in*  selber  bi 
g^net  sind,  wenn  der  mir  vorliegende  Revisions bogen  zum  Abdrin 
kam. 

b)  „B^^   abermals   Schreib-  oder  Druckfehler,   das  Übrige  erledigt    du^ 
meine  Beichte  in  No.  2, 

c)  „Randulf*    Druckfehlen    das  Übrige   durch  leidige  Verwechselang  t. 
Juni  und  Juli  beim  Übertragen  aus  dem  romischeu  Kalender  entstände 

d)  Die  „Donatio  Hattonis**   habe  ich    mit  Bedacht   ausser   acht  gel 
da  die  Bezeichnung  „comes^*  fehlte,    und  Egino  für  mich 


[tet 

i 


acht  gela^j^^^H 

ZI 


225 

unterzubriDgeu  war,  als  für   Dratidt  478,   dem   der   Frager  erat   die 
Wiaseascbaft  vom  Vorhandensein  derselben  verdankt» 

e)  u,  f)  Meine  nach  No.  2  zn  beurteilende,  im  übrigen  nichts  von  irgend 
welchem  Belange  verschuldende  Schuld. 

g)  Indem  ich  mich  betreffs  Mühlbacher*a,  dessen  Versagung  mir  gerade 
bei  dieser  Feststellung  sehr  peinlich  war,  auf  No.  2  berufe,  bemerke 
ich,  dase  die  nun  von  ihm  genommene  Einsicht  mich  in  der  gleichen 
Lage  lässt  Denn  die  Urkunde  mit  ihrem  „actum  in  publice  concilio 
quod  dieitur  Pathrafons**  in  den  Juni  785  setzen  zu  sollen,  wie  die 
beiden  namhaft  gemachten  dieses  Datums  mit  , actum  ad  Phadra- 
bunnen  publice**  und  „actum  ad  Phadrebunnen*',  widerstrebt 
meinem  diplomatischen  Gewissen»  wie  sich  denn  auch  Mühlbacher 
wohl  aus  gleichem  Grunde  gehütet  hat,  der  Urkunde  an  dieser  Stelle 
und  darum  überhaupt  zu  gedenken. 

h)  Die  Angabe  meines  Konzepts:  „Schannat  65,  No,  134"  ist  leider 
nicht  in  dit?  Reinschrift  gelangt^  und  da  erat  bei  der  Revision  dieser 
die  Vergleichung  mit  D renke  stattfinden  konnte,  die  letztere  unter- 
blieben. Cbrigens  verbessere  ich  hier  noch  das  von  Herrn  S.  unan- 
gefochten gebliebene  „Harasheimo"  in  „Harahesheimo"  des  Konzeptes 
und  Textes,  wie,  die  Gelegenheit  benutzend^  gleichzeitig  S,  128  den 
irrigen  ,,Heinrich''  in  den  richtigen  ,,JohaüQ^\  An  dem  irrigen  „25.  Okt." 
tragt  wieder  das  Versehen  beim  Übertragen  aus  dem  römischen  Kalen- 
der Schuld, 

i)  Derselbe  letztere  Fall  und  von  gleicher  Schwere  wie  a)  b)  c)  e)  f)! 

k)  Dieser  Schein  ist  einfach  durch  Auslassung  eines  ,,f/'  hinter  „No.  16 P^ 
erweckt  worden.  Im  Übrigen  konnte  gar  nichts  versehen  werden,  da 
die  Urkunden  bei  Schannat  und  D renke,  abzüglich  mehrfach  ver- 
schiedener Schreibung  derselben  Eigennamen,  bis  aufs  Wort  überein- 
stimmen, 

1)  Beide  Schriftatelier,  von  denen  der  letztere  auch  hier  des  ersteren 
Stelle  ebenso  unbeachtet  lässt,  wie  ich,  tragen  nicht  das  Geringste  zur 
Vermehrung  oder  Veränderung  des  von  mir  Gebotenen  bei. 

m)  Der  Versuch,  die  Urkunde  vom  Jahre  837  dem  Jahre  787  zuzuweisen, 
muss  so  lange  als  verfehlt  bezeichnet  werden,  bis  es  dem  Versucher 
gelingt,  die  Leichtigkeit  der  Verwandlung  der  von  Schannat  gebote- 
nen nlmischen  Jahresziffer  in  die  seine  und  dabei  die  Gleichheit  der 
Zeugen  in  beiden  Urkunden  nachzuweisen.  Die  Namen  Adalpraht  und 
Adalfrid  der  Urkunde  von  787  sind  nicht  dieselben  mit  Odil-  (Drouke; 
Vodil-)praht  und  Altfrid,  vgl.  Förstemanu,  Ahd.  Namenb.  L  s.  vv., 
und  bei  den  anderen  fehlt  einer  787,  Auch  hier  wäre  zuerst  der  Ver- 
derb der  Tlschr*  nachzuweisen.  Meine  „Folgerungen*^  werden  demnach 
bis  dahin  noch  9&u  beetehon  ein  gutes  Becht  und  die  Streichung  der 
„Bezugnahme  S«  12"  zu  unterbleiben  haben. 


226 

Damit  ist  meines  Erachtens  klargestellt,  d^ss  sämtliche  erhobenen  An- 
stände belanglose  Minutien  betreffen,  die  dem  Gange  und  Werte  der  Ton  mir 
angestellten  Untersuchung  den  mindesten  Abbruch  zu  thun  nicht  die  geringste 
Kraft  besitzen.  Immerhin  bin  ich  im  Interesse  der  Sache  aufrichtig  dankbar 
f&r  diese  mühsam  mikroskopiscbe  Reinigung  meiner  Arbeit  yon  unliebsamen 
Menschlichkeiten,  auch  wenn  sie  selber  von  Menschlichkeit  zeugen  und  dämm 
wohl  in  dieser  Form  nicht  geübt  sein  sollte. 

Wiesbaden,  13.  August  1895. 

L.  Conrady,  Pfarrer  a.  D,* 


*  Hiermit  i8t  diese  Polemik  für  die  Annalen  beendet. 

Die  Redaktion. 


Vereins-Nachrichten. 


Jahresbericht  des  SekretSrs. 

(Vom   1.  April   1894   bis   31.  März  1895.) 

Allgemeines.  Auch  im  verflossenen  Etatsjahr  war  das  wissenschaftliche 
wie  gesellschaftliche  Leben  des  Vereins  ein  reges.  Yorstandssitzungen 
fanden  statt  am  25.  August,  27.  Oktober,  4.  u.  19.  Dezember  1894,  sowie  am 
7.  Januar,  3.  u.  12.  Februar  und  12.  März  1895,  die  gewöhnliche  Oeneral- 
versammlung  am  15.  Dezember;  ihr  folgte  eine  ausserordentliche  Generalver- 
sammlung am  26.  März  1895. 

Auch  im  vergangenen  Jahre  wurden  während  der  Sommermonate  Aus- 
flüge unternommen,  um  den  persönlichen  Verkehr  der  Mitglieder  zu  ferneren 
gemeinsamen  gedeihlichen  Bestrebungen  zu  fördern.  Diese  Exkursionen  galten 
zunächst  dem  Besuch  der  Nachbarstadt  Mainz  und  zwar  den  eigenartigen 
Katakomben  unter  der  St.  Peter-  und  der  äusserst  sehenswerten  St.  Ignatius- 
Kirche,  sowie  einem  Besuch  der  altehrwürdigen  Stephans-Eirche.  Sodann 
folgte  eine  Fahrt  nach  Höchst  a.  M.  zur  Besichtigung  der  neurestaurierten, 
noch  aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen  herrührenden  Antouiter  -  Kirche  da- 
selbst, wobei  Herr  Pfarrer  Syring  in  liebenswürdigster  Weise  als  Führer 
diente;  von  Höchst  fuhr  die  zahlreiche  Gesellschaft  nach  Frankfurt  a.  M., 
um  dort  das  neu  eingerichtete,  nach  jeder  Sichtung  vorzüglich  ausgeführte 
historische  Museum  unter  Leitung  des  Herrn  Konservator  Cornil  in  Augen- 
schein zu  nehmen.  Eine  dritte  Expedition  galt  dem  durch  Herrn  Professor 
Wolff  aufgedeckten  römischen  Kastell  bei  Hofheim,  welches  das  höchste 
allgemeine  Literesse  erregte.  Der  vierte  Ausflug  galt  wieder  der  weitberühm- 
ten Saalburg,  wobei,  wie  ebenso  vorher  im  Saalburg-Museum  zu  Homburg 
V.  d.  Höhe,  Herr  Baumeister  Jacobi  die  Leitung  übernommen  hatte  und  seine 
hochwichtigen  Entdeckungen  über  die  römischen  Limitationen  und  Termina- 
tionen  an  Ort  und  Stelle  darlegte.  Diese,  sowie  die  inzwischen  neu  gemachten 
Entdeckungen  in  und  bei  der  Saalburg  'führten  zu  dem  allgemeinen  Beschluss, 
auch  im  nächsten  Jahre  wieder  einen  Ausflug  nach  dieser  klassischen  Stätte 
zu  unternehmen.  Weitere  geplante  Exkursionen  mussten  der  anhaltend  schlech- 
ten Witterung  wegen  unterbleiben.  — 

Die  Drucklegung  des  diesjährigen  XXYIL  Annalen-Bandes  hat  eine 
unliebsame  Verspätung  erfahren,  hervorgerufen  durch  tief  eingreifende  Störungen 


228 

des  bisher  gewohnten  geschäftlichen  Yereinsbetriebes,  welche  in  Anschluss  an 
den  Ausfall  der  Wahlen  in  der  letzten  Oeneralversammlung  nicht  nur  zu  einem 
neuen  Statuten -Entwurf,  sondern  auch  zur  Bildung  einer  besonderen  „his- 
torischen Sektion"  unter  Vorsitz  des  Herrn  Professor  a.  D.  Friedrich  Otto 
führten.  Wir  werden  später  Gelegenheit  finden,  auf  diese  Ereignisse  eingehen- 
der zurückzukommen. 

Dieselben  Vorgänge  trugen  Schuld,  dass  die  Wahl  der  drei  Ersatz- 
männer des  Vorstandes  annulliert  werden  musste  und  demnach  der 
Vorstand  bis  auf  weiteres  nur  aus  folgenden  Herren  zusammengesetzt  ist: 

Direktor:    Herr  Dr.  Florschütz,    welcher  gleichzeitig   im    Auftrage 

der  Königlichen  Regierung  provisorisch  die  Geschäfte  des 

verstorbenen  Oberst  von  Cohausen  bis  zur  Neuwahl  des 

Königlichen  Konservators  übernommen  hat. 
Sekretär:   Herr  Dr.  Ritterling.*; 
Ferner  die  Herren: 

Rentner  Gaab. 

Landgerichtsrat  Keutner. 

Oberlehrer  Dr.  Wedewer. 

Dr.  med.  Ahrens. 

Oberlehrer  Dr.  Lohr. 

Landgerichtsrat  Düssell. 

Major  a.  D.  Schlieben. 

In  der  Vorstandssitzung  vom  25.  August  1894  wurde  auf  Antrag  des 
Vorsitzenden  Direktors  der  Professor  a.  D.  Friedrich  Otto  zu  Wiesbaden 
zum  Ehrenmitgliede  ernannt. 

Von  den  ordentlichen  Mitgliedern  schieden  aus: 
a)  durch  den  Tod: 

Herr  Albert  Charlier,  Rentner,  Wiesbaden  (f  22.  4.  94); 
„     Janotha,  Schloss-Inspektor  a.  D.,  Weilburg  (f  7.  5.   94); 
„     Büsgen,  Dr.  phil.,  Rintelen  (f  4.  6.  94); 
„     Liebe,  Hofrat,  Gera  (f  5.  6.  94); 

„     August  von  Cohausen,  Oberst  z.  D.  und  Konservator  des  Ver- 
eins für  Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung, 
Wiesbaden  (f  2.  12.  94); 
„     Max  von  Dungern,  Freiherr,  Wiesbaden  (f  23.  12.  94); 
„     Otto  Hoff  mann,  Wiesbaden; 

„     Ferdinand  Schmidt,  Professor,  Dillenburg  (f  13.  2.  95); 
„     von  Wangenheim,  Major,  Freiherr,  Wiesbaden  (f  14.  2.   95); 
„     Hermann   von   Seydlitz,    Generallieutenant   z.   D.,  Excellenz, 

Wiesbaden  (f  1.  3.  95); 
„     Wilhelm  Winter,  Reg.-Präsident  a.  D.,  Elmshausen  (f  7.  3.  95); 
„     Johannes  Reber,  Pfarrer  a.  D.,  Wiesbaden  (f  23.  3.  95). 


*)  Seit  1.  April  1895:  Dr.  Adalbert  Schroeter. 


229 

b)  durch  Meldung  des  Austritts: 

Herr  Conrad  Reinhardt,  Buchhändler,  W.; 

„     Eduard  Ausfeld,  Dr.  phil.,  Archivar,  Koblenz; 

„     Eduard  Schmölder,  Weinhändler,  Biebrich; 

„     Letzerich,  Dr.  med.,  W. ; 

„     Kobelt,  Dr.  med.,  Schwanheim; 

„     Thoma,  Hotelbesitzer,  W.; 

„     August  Pfeiffer,  Regierungs-  und  Medizinalrat,  W.; 

„     Vogeler,  J.,  W.; 

„     Wilhelm  Franz,  Regierungsbauführer,  W.; 

„     Hermann  Klein,  Karlshütte,  Kr.  Biedenkopf; 

„     von  Trott  zu  Solz,  Landrat,  Marburg  i.  H.; 

„     Weber,  Amtsgerichtsrat,  Wetzlar; 

„     Friedrich  Otto,  Professor  a.  D.,  W.  (am  25.  August  1894  zum 
Ehrenmitglied  ernannt); 

„     C.  Abel,  Rechtsanwalt,  Hadamar; 

„     Weitzel,  Premierlieutenant,  Mainz; 
Fräulein  Anna  Maria  Mawson,  W.; 
Herr  Hugo  Schroeder,  Photograph,  W,; 

„     von  Schwartzkoppen-Rottorf,  Freiherr,  Weinheim  a.  d.  Bgstr. 

„     Richard  Ad.  Meyer,  Generalagent,  W.; 

„     Theodor  Blell,  Rittergutsbesitzer,  Lichterfelde  bei  Berlin; 

„     Friedrich  Rupp,  Reallehrer,  Herborn. 

Diesen  33  bis  zum  1.  April  ausgeschiedenen  ordentlichen  Mit- 
gliedern stehen  folgende  84  bis  zu  demselben  Termin  neu  aufgenommene 
gegenüber: 

Herr  Schmidt,  Landgerichtsrat,  Limburg  a.  d.  L.; 
„     Franz  Bossong,  Buchhändler,  W. ; 
„     Ferdinand  Nitzsche,  W.; 
Se.  Durchlaucht  Prinz  Albrecht  zu  Solms-Braunfels; 
Herr  Moritz  Richter,  Landgerichtsrat,  W. ; 
„     Rudolf  Faber,  Chemiker,  W.; 
„     Rudolf  Engelmann,  Justizrat,  W.; 
„     Adam  Schleidt,  Gerichtsvollzieher,  W.; 
„     Wahl,  Pfarrer,  Rüdesheim; 

„     von  Sachs,  Amtsrichter,  Mitgl.  der  Direktion  d.  Landesbank,  W.; 
„     Wilhelm  Vogelsberger,  Oberingenieur  a.  D.,  W.; 
„     F.  Mensing,  Vizeadmiral  z.  D.,  W.; 
„     Oswald  Tschacher,  Rentner,  W.; 

„     Theodor  Schneider,  wissenschaftlicher  Hilfslehrer  an  der  Ober- 
realschule, W.; 
„     Georg  Piepenbring,  Schlossermeister,  Königstein  i.  T.; 
„     Otto  Meinardus,  Archivar,  Dr.  phil.,  W.; 
„     Matthias  Stinnes,  Geolog,  Wiesbaden  u.  Mühlheim  a.  d.  R.; 

16 


280 


Herr  Alex*  •Schüttej  Major  a*  D»,  W»; 

„     Philipp  Kermanii  Leonhard,  Bildlmuer^  Eltvlll©  a*  Rh.; 

,j     Friedrich  Wilhelm  Kleidt,  Speaglar,  W,; 

,,     Adalbert  Schroeter^  Ruatoa  der  KonigHcheo  Landesbibliothek| 

J)r,  phil,  W,; 
j,     Hoiiirich  Fresenius,  Profeasor»  Dr.  phil.,  W.^ 
,,     Paul  Cleoien,   Dr.  phiL,   Provinml-KoDservator  der  Rbeioprci- 

yln/.,  Boüd; 
,^     Otto  Fohr^  GericbtaasseMor,  W.; 
^,     Georg  Thöging,  Laiidrichter,  W.; 
„     Emil  l^iederhiiuaer,  Dr,j  W*; 
j,     Tai,  Gerlach,  Dr.  med.,  W*; 
„     Karl  Roaer,  Dr,  med,,  W.; 
„     IL  Stobbe,  Dr.  jun,  W.; 
„    Wilhelm  Kaufmano,  Architekt,  W.; 
,,     Ernst  Brackebtisoh,  Besitzer  der  Oranien-Apotheko^  W,; 
,,     Heyn^  Pfarrer,  MarieDberg; 
„     Joa,  Hilf  rieh,  Kaplan,  W.; 
„     Wilhelm  Flügel,  Kaplan,  W, 

Weiterhin  rerlor  der  Verein  vom  1.  April  d.  J-  bia  sium  Erscheinen  der 
Antialen: 

a)  durch  den  Tod: 

Herrn  K  o  h  w -  9  p  e  i  e r ,  Korn nierxienraf,  Fr aük fii rt  a.  M,  ( f  1 9,  Mat) ; 
'  »,       Christian  Wirth,  Landesdirektor  a»  D.h  Wiesbaden  (f  26,  Apr.); 

,,       Wilhelm  Riecks,  Wirk!.  Geh.  Kriegarat  und  Militär-Intendant, 
Wiesbaden  (f  2.  Juli). 

b)  durch  Abmeldung: 

Herrn  Schalk,  Bibliothekar,  Dr.  jur.,  Wiesbaden; 

„       Johannes  Kunz,  Bildhauer,  W.; 
Dagegen  sind  in  dieser  Zeit  als  Mitglieder  neu  eingetreten: 
Herr  Max  Guttmann,  Rechtsanwalt,  Wiesbaden; 

„     Hermann  Schroeter,  Pfarrer  a.  D.,  W.; 

„     Born,  Landesgerichtsrat,  Limburg  a.  d.  L.; 

,,     Gerhardus,   Amtsrichter,  Limburg  a.  d.  L.; 

„     Josef  Kirchberger,  Buchhändler,  Ems; 

„     Lossen,  Oberlandesgerichtsrat,  Frankfurt  a.  M. ; 

„     S  eck  eis,  Gerichtsassessor,  Montabaur; 

„     Thewaldt,  Amtsgerichtsrat,  Ems; 

,,     Tilemann,  Amtsrichter,  St.  Goarshausen; 

,,     Gottfried   Zedier,   Kustos   der    Königlichen   Landesbibliothek, 
Dr.  phil.,  Wiesbaden; 

„     Bellinger,  Bergrat,  Braunfels; 
Frl.    Emilie  Vogler,  Bad  Ems. 


231 

So  stehen  bei  Abscbluss  des  Bandea  38  ausgeschiedenen  46  neu  hinzu* 
getretene  Mitglieder  gegenüber  und  besteht  der  Verein  gegenwartig  ausser  doin 
Vurätande  aus  5  Ehren-,  7  korrespoodierendcn  und  343  ordentlichen  Alitgliedern. 
Die  Gesamtheit  des  Vereins  umfasst  in  Sumroa!  355  Personen. 

ßihltüthek.  Die  Bibliothek  hat  einen  nennenswerten  Zuwachs  durt^h 
Ankauf  nicht  erfahren;  als  wertvolles  Geschenk  wurde  ihr  durch  Se,  Excellenz 
den  Herrn  Staatsminister  von  Stephan  das  Werk:  Veredarius,  Das  Buch 
von  der  Weltpost  3.  Aufl.  zugewiesen.  Weitere  Geschenke  erfolgten  durch 
Herrn  Sanittitsrat  Dr.  Flürachfitz,  Herrn  Oberstlieutenant  a.  D.  Sartor  ins 
(Kölner  Thorburgen  und  Befestigungen),  Herrn  G.  Piepenbring  {Die  Fesr- 
ungsruine  Kunigstein),  Herrn  Professor  aus^ni  Werth  (KunstdenkTnüler  des 
christlichen  Mittelalters  in  den  Rbeinlanden,  Bd.  1  u.  2.  Attas  m.  Text).  Herrn 
Ptofessor  a.  D.  Dr.  Otto  (Berichte  über  die  Visitationen  der  nassauiselien 
Kirchen  des  Mainzer  Sprengels  in  den  Jahren  1548—1550). 

Vortrüge.  Die  wissenschaftlichen  Vorträge  des  Vereins  wurden  Mittwoch 
den  31,  Oktober  1894  wieder  aufgenommen.  Die  Sitzungen  wurden  im  ^Roten 
Hause"  fortgesetzt,  während  die  „historische  Sektion^,  welche  sich  inzw^isclien 
gebildet  hatte,  um  gesondert  speziellere  Studien  zu  pflegen,  das  Lokal  gewi^oh- 
aelt   und  für  ihre  beeonderen  Vortragsabende  das  Crvilkasino    auserlesen  hatte. 

Die  Vorträge  im  j^Roten  Hause*  nahmen  folgenden  Verlauf: 

1)  Sitzung  am  31.  Oktober  1894  im  „Roten  Hause**. 

Nach  der  Begrüssung  der  erschienenen  Mitglieder  und  Gäste 
durch  Herrn  Sanirätsrat  Dr.  Florschütz  berichtete  Herr  Oberst  von 
Cohausen  über  den  Verlauf  der  Eisenachor  Generalversammlung  de» 
Gesamtrereins.  Von  Vorträgen  in  den  Hauptversammlungen  wurden 
hervorgehoben  derjenige  des  Herrn  Professor  von  Tluidiclium  über 
^die  Rechtssprache  als  Hilfsmittel  zur  Feststellung  der  ursprünglichen 
Gebiete  der  deutschen  Stämme**,  weiter  der  des  Herrn  Superintendent 
Marbach  über  ein  im  Jahre  1322  in  Eisenach  aufgefülirtes  geiatlichea 
Schauspiel  „Die  10  Jungfrauen",  sowie  des  Herrn  von  Thüna  über 
die  Geschichte  des  40*  Regimentes  im  siebenjährigen  Kriege.  An  die 
Hauptversammlungen  schlössen  sich  die  Sitzungen  der  Sektionen  an» 
von  denen  wie  üblich  l  und  2,  sowie  3  und  4  gemeinsam  tagten.  In 
der  erstercn  Gruppe,  in  welcher,  wie  gleichfalls  seit  Jahnen  üblich, 
Herr  Oberst  von  Cohausen  den  Vorsitz  führte,  legte  derselbe  zunächst 
den  Fragebogen  über  die  prähistorischen  Kulturstätten  in  Deutschland 
vor;  ein  gleicher  Fragebogen  soll  auch  für  die  Mardellen  aufgestellt 
werden.  In  der  2.  Sitzung  wurde  die  Frage  über  den  Denkmalschutz 
im  Anschluss  an  einen  Vortrag  des  Herrn  Architekten  Wallee  aus 
Berlin  behandelt.  Danach  sprach  Herr  Baumeister  Jacobi  aus  Hom- 
burg über  die  wichtigsten  Entdeckungen  in  der  Limesfrage.  In  der 
3*  und  4.  Sektion  wurde  die  Frage  des  Herrn  Ärchivrat  Jacobs,  seit 
wann   die  Kirchenbücher  in  Deutschland   existieren,    behandelt,   sowie 

IG* 


23a 

dtr  WiiQSch  auägesproobeti,  man  möge  eine  Ausstellung  von  Archi- 
iraJfaft  in  Harburg  veranntaUeu-  An  aelneu  eiDgebendeB  Bericht  kaüpfl 
Herr  ObürMt  vüd  Coli  au »cn  noch  einige  Bemerkungen  über  <las  inner- 
halb des  schon  längst  bekannteu  Saalburg-Kaatells  neuerdings  entdeckte 
ältere  KasicIL 

Darauf  hielt  Herr  Sanitätsrat  Dr,  Flor  schütz  einen  Vortrag 
über  i^Hbivi^cho  Üaueruburgon^  in  Mitteldeutschland^  speziell  in  der 
(jegoud  Vüii  Küburg  und  lleiningen. 
Dio.<^olbeu  i^iiid  durrrligeiieuds  reine  Erdbauten  und  unterscheiden  sich  daduri."li 
gratidiJltittieh  von  den  ^ogL'iL  RingwälJcn  der  keltischen  Zeit,  Eine  weitere  Eigen- 
tum! iebkDit  ist  ihre  I^age  auf  der  vorspringenden  Nase  von  Bergen,  nie  auf  der  Kui>i*c. 
und  '/.Viar  m^  dum  aivU  von  dür  oinen  nach  <ler  anderen  Befestigung  Signale  gegeben 
werdoti  küunten,  Ihro  Gestalt  ist  meistens  oval  und  die  Anlage  jsiemlicJi  klein,  nur 
fUr  ilie  Aufnahme  weniger  Familien  berechnet*  Im  Innern  des  vom  Walle  und  Graben 
unm*iilüssencn  llaumci^  iiiMlen  sich  die  einzelnen  Wohnstüiten,  deren  Mittelpunkt  eine 
trieb tcrfiirmige  Mardelle  mit  tonnenartig  gegliUteteni  Hoden  bildet«  Funde  von  Artefakten 
und  St^licrben  finden  J^icli  vorwiegend  in  den  Gräben  der  Uniwallnng.  Charakteristisch 
und  frir  die  riesümmung,  weldiem  Stamme  die  einstigen  Bewohner  dieser  Bauten  an- 
KühArten»  allci«  masssgebond  Bind  die  GefäsBscberben,  Diese  Gefäs^se  sind  mit  der 
Urohtehoibü  geformt^  ^m  Glimniertlion  sehr  hart  und  klingend  gebraunt  und  zeigen 
tnei&t  ein  welleaförmigoa  Oniamcnt,  Merkmale,  welche  ebenso  bei  den  slavischen  An- 
sicdclufigen  der  I.mi!^it4^  und  de»  Spree waldes  wiederkehren.  Die  Zeit  <lieser  slavischen 
Kiedcrkssuugeti  gebt  bis  in  das  Ende  der  Völkerwanderung  zurück,  doch  können 
dieselben  nicht  sehr  lange  bestanden  haben,  da  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  diese 
Oogcndon  bis  nach  Uegensburg  bin  als  loca  deserta  et  silresfria  bezeichnet  werden. 
Karl  der  Grosse  bat  dann  30  000  transalbingisdie  Sachsen,  die  bereits  halb  slavisiert 
waren,  dort  angesiedelt.  Von  ihnen  rühren  die  beute  dort  noch  so  häufigen  slavisclien 
Ortsnamen  her. 

2)  Sitzung  am  10.  November  1894  im  „Roten  Hause". 

Vor    einer    zahlreichen  Zuhörerschaft,    welche    diesesmal,    um  die 
Sitzung  mit  der  Martiusfeier  zusammenfallen  zu  lassen,  sich  ausnahms- 
weise au  einem  Samstag  versammelt  hatte,  hielt  Herr  Major  Seh  lieben 
einen  Vortrag  über  „die  Martinsgans**. 
l>io  Martinsgans  wird  zum  Andenken  an  den  hl.  Martin  verzehrt,  der  im  Jahre 
:>!(>    unsoror    Zoitreduning    zu    Sabaria    (jetzt    Stein  am  Anger)    in    Ungarn    geboren 
wurde,  sich  anfange  dem  Soldatenstando  widmete,  im  Jahre  375  aber  vom  Volke  zum 
Hisrhof  von  Toui^  erwählt   wurde.    Sein  Namenstag  ist  der   11.  November;   der  Um- 
stand aber,    dass  Martin   Luther  am   10.  November  1483  in  Eisleben  geboren  wurde 
und    dasvS   die  Feier    /u  Ehren  dos  Heiligen    in    der    Regel   am  Vorabende    stattfand, 
hat  /u  einer  Vorwoobselung  beider  Martine  geführt.     Der  hl.  Martin  galt  das  ganze 
Mittelalter   bindurob   als  der  Patron  der  Schlemmer,    aber  ohne  seine  Schuld,    da  er 
in  der  christlichen  Kirche    au   die  Stelle    des   heidnischen  Wuotan  trat,    von  dem  er 
rnnh  den  Schinunel    und  den  Mantel  als  Attribute  behalten  hat^    wie  ähnliches  auch 
den   Heiligen    Michael,    Georg,    Oswald    und    anderen    widerfahren    ist.     Die  Martins- 


233 


sind  die  umgewaiulcltcn  Jieidiiiselit  n  « 'jM^urstr,  im  NoviuiUcr  fanden  Imi 
unseren  AUvorderen  die  Eiritcopfor  statt.  Bei  dein  Martinssdimaus  si>iolt  die  Gans 
eilte  Hatiplrollc.  DiesiT  Vogel  ist  seit  lärmten  in  Mittelcnropa  heintisdi  nnd  stammt 
nicht  aus  Asien.  Die  Gans  ist  tapfer  und  wachstam  und  verdankt  es  diesen  Tugenden, 
dass  der  Vandalenfürst  Geiserich  sich  und  seinen  Sohn  Gcnza  nach  ifir  benannte.  Die 
Römer  dankten  ihr  die  Rettung  des  Kapitols,  sie  war  der  Juno  und  der  Proserpina 
heilig  nnd  ist  eines  der  ältesten  Haustiere.  Die  Gans,  auch  die  wilde,  galt  früher 
als  ein  schöner  und  lieblicher  VogeK  Penelope  hielt  sie  mr  Zierde  des  Uofcs^  zwischen 
NaI  und  Damajanti  machte  sie  den  Liebesboten*  Bekannt  ist  die  Gans^  welche  10*J(j 
die  Fllhrung  eines  Seh  warmes  von  Kreuzfahrern  und  verlaufenem  Gesindel  aus  der 
Gegend  von  Mainz  übernahm ;  indem  sie  einem  Weibe  ribcraU  hin  folgte»  erweckte 
sie  den  Schein,  dieses  infolge  göttlichen  Einflusses  zu  führen.  Bei  den  Griechen  war 
die  Gans  das  Sinnbild  einer  sorgsamen  Hausfrau,  bei  den  Chinesen  das  Symbol  der 
eheliehen  Treue,  bei  den  Indiern  der  Weisheit  und  der  Sonne*  Im  Uaushalt  ist  die 
(tmxs  fast  so  nützlich  wie  das  Schwein  und  heisst  daher  bei  einem  Dichter  auch  ein 
geiiügcites  Schwein,  Ihr  Käme,  wie  der  von  allen  Haustieren»  ist  jetzt  zum  Schimpf- 
wort geworden,  aber  mit  Unrecht  gilt  sie  als  dumm.  Die  Garn  kann  ein  hohes 
Alter  erreichen,  es  sind  60  bis  80  Jahre  alte  Gänse  beolmchtet  worden.  Wilde 
Gänse  sind  Wetterpropheten.  Zu  Pliniiis'  Zeiten  gab  es  grosse  Herden  im  heutigen 
Jicigien.  Die  verwohnten  Römer  verschmähten  das  Fleisch  der  Gans,  sie  assen  nur 
die  Leber  und  kannten  schon  die  Kunst,  grosse  Lehcrn  zu  erzeugen.  Im  Mittelalter 
glaubte  man,  dass  die  sogenannten  Baumgänse  auf  Bäumen  wüchsen,  und  ass  sie, 
dieses  pflanzlichen  Trsprunges  wegen,  als  Fastenspeise  trotz  des  Verbotes  des  Papstes 
Inuocenz  Hr.  Wie  der  hl.  Martin  mit  der  Gans  in  Verbindung  gebracht  wurde, 
dai'ttber  berichtet  die  Legende,  er  habe  sich,  zum  Bischof  gewählt,  in  einen  Gänse- 
stall  versteckt,  um  sich  dem  Amte  zu  entziehen,  sei  aber  von  den  Gänsen  verraten 
worden.  In  Wirklichkeit  kam  der  hl.  Martin  zur  Gans,  weil  ihm  zahlreiche  Kirchen 
und  Kliteter  geweiht  waren  und  zur  Zeit  seines  Namensfestes  ihre  Abgaben,  zu  denen 
vorzugsweise  Gänse  gehörten,  entrichten  mnssten.  An  vielen  Orten  bestanden  die 
Allgaben  ausserdem  aus  Wein  nnd  Most,  wodurch  alles  m  einem  Festessen  gegebeu 
war.  Bei  den  Schmausen  wurden  Gedichte  gemacht,  deren  aus  dem  16.  und  17.  Jahr- 
hundert verschiedene  vorhanden  sind.  In  England  trat  an  die  Stelle  des  hl  Martin 
der  hl.  Michael.  Zur  Erklärung  der  Sitte  des  Gänseschmauses  am  Michaclstagc 
(2i».  September)  wird  erzählt,  die  Königin  Elisabeth  habe  gerade  eine  Gans  gegessen, 
als  ülc  die  Nachricht  von  der  Vernichtung  der  Armada  erhielt.  Die  Sitte  ist  jedoch 
schon  viel  älter  nnd  mindestens  seit  dem  15.  Jahrhundert  nachweisbar. 

An  den  Vortrag  schlössen  sich  einige  Bemerkungen  des  Vorsitzen- 
den Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Florschätz  über  ,die  Beleuchtungsmittel  des 
Altertums**,  An  einige  während  des  nun  folgenden  Mahles  augeztiudeto 
römiscbü  Thoulärnpchen  anknüpfend  sprach  er  die  Ansicht  aus,  dass 
dieselben  nicht  nur  zur  Beleuchtung,  sondern  auch  zur  Erhaltung  des 
Feuers  gedient  haben,  und  dass  dem  nach  auch  die  Lämpchen,  welche 
sich  80  j&ahlreich  in  Gräbern  finden,  als  Beigaben  für  den  Verstorbe* 
nen,  um  sieh  daran  die  Speisen  zu  koeheUp  aufzufassen  seien.    In  der 


iiflh  daraii  »chliessendeQ  Diakuasion^  an  welcher  sich  die  Ilerreti  Oberst 
von  Cohausen^  Major  Schliebeü,  Dr.  Lohr  und  Re^ierungsrat  Petri 
betetligteD,  wurde  die  Ansicht  verfereteD,  dass  eine  groaserc  Aoa^ahl  sol- 
cher Lämpcben,  mit  Talg,  Fett  oder  Ol  gefüllt,  doch  wobl  bingereicbt 
hätten  zur  Erleuchtung  der  Terhältnismässig  engen  Etiumo  der  AUen, 
wobei  freilich  auch  Kien-  und  Wachsfackeln  eine  bedeutende  Rolte 
gespielt  haben  werden. 

3)  älb£ung  am  28.  November  1894  im  „Roten  Hauie*. 
Kaeh   Begrilsgung    der   aussergewohnlich    zahlreich    araehieneDeii 

Mitglieder  und  Gäste  seitens  dm  Yereinsdirektors  und  nach  Tertesuiig 
des  Protükolk  der  vorigen  Sitzung  hielt  Herr  Oberatlieutenaot  Sar- 
tor ins  einen  Vortrag  über  j^das  Postweeen  der  Römer "• 

Nach  einem  kurzen  t'berblick  über  die  iwataUschen  Kinricbtungen  im  alcce 
Orient  und  bei  den  Griechen  führte  di?r  Redner  dea  weiteren  aus,  dass  die  Römer 
die  ersten  gewesen,  welche  eine  Elnrichtttug  schufen,  von  der  nicht  allein  der  StaaL, 
^MuidüTn  auch  die  Allgemeinheit  Vorteil  hatte,  wenigstens  insofern  als  die  ausg<e^etch« 
ncten  Kunststrassen  nicht  wenig  ^tir  Hebung  de.s  Hantlels-  uud  Reiseverkehrs  bei- 
trögen.  Eine  feste  Organisation  brachte  in  das  Postwesen  erst  die  Kaiserzeit^  Sa 
Ifedßutendes  auch  der  CurfiHB  paMicus  (ilureh  setne  in  bestinrniteu  ZwischetiräafMfi 
angebrachten  ^iansionen  niid  Stationen)  leistete,  bildete  er  doch  eine  schwere  LaM 
fflr  die  Gemeinden ;  Kaiser  Kerva  befreite  weniis'stens  die  Italiener  von  dieiten  Ab» 
gaben^  indem  er  die  Kosten  auf  den  kaiserlichen  Fiskus  übernahm.  Auch  s^iätcra 
Kaiser,  so  TTadrian,  Pins  und  Scvcrus,  bemühten  sich  in  diestT  Ricbtun*,'  ?.f}  i^irk+^tv 
Trotzdem  häufen  sich  die  Klagen  über  Bedrückungen  und  missbräuchliche  Benutzung 
der  Staatspost  seitens  der  Beamten  in  diesen  Jahrhunderten  immer  mehr,  wie  ^ir 
aus  den  darüber  erlassenen  Gesetzen  und  strengen  Verboten  namentlich  des  3.  und 
4.  Jahrhunderts  ersehen.  Noch  im  Ostgotenreich  wurde  der  Cursus  publictis  nach 
dem  römischen  Muster  beibehalten.  Der  Redner  ging  näher  ein  auf  die  innere  Or- 
ganisation und  Verwaltung  der  Staatspost  und  schilderte  das  Leben,  welches  auf  und 
an  den  grossen  Heerstrassen  geherrscht  hat.  Zum  Schluss  gab  er  noch  eine  Über- 
sicht über  die  wichtigsten  Routen  dieses  grossartigen  Strassennetzes,  welches  durch 
den  Mittelpunkt  Rom  die  Städte  Hispaniens  und  Galliens  mit  denen  des  Ostens  in 
bc^iueme  Verbindung  setzte. 

Darauf  erläuterte  der  Vereinsdirektor  eine  Sammlung  von  india- 
nischen Waffen  und  Kleidungsstücken  aus  Dakota,  welche  für  diesen 
Abend  von  privater  Seite  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  waren 
und  die  besonders  wegen  ihrer  schönen  Perlenstickereien  von  den  an- 
wesenden Damen  bewundert  wurden. 

4)  73.  Hauptversammlung  am  15.  Dezember  1894  im  Museumssaale. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz,  begrusste 
die  Erschienenen  und  hielt  eine  begeisterte  Rede  zum  Gedächtnisse 
von  Cohausens,  der  23  Jahre  lang  im  Vereine  verdienstvoll  gewirkt 
hatte.     Er  hob  seine  grossen  Kenntnisse   in  der  Altertumswissenschaft 


235 


hervor,  seiuo  Yerdieiiste  um  die  Freileguug  dar  Saalburg  uud  forderte 
auf,  in  seinetn  Geiste  weiterzuarbeiten.  Darauf  trug  der  Sekretär  dea 
Vereins,   Herr   Dr,  Kitterlingf   den   ausführlichen  Jahresbericht   vor 

über  die  Thätigkeit  des  Vereins  in  Ausflügen^  Sitzungen^  Vorträgen 
und  Erwerbungen.  Die  Mitgliederzahl  ist  sich  fast  gleich  geblieben, 
indem  29  austrateo,  28  neu  eintraten.  Nachdem  Herr  Dr.  Florschütx 
kurz  die  einzeloeu  Erwerbungen  aufgezählt  und  erklärt  hatte,  hielt 
Herr  Dr.  Heuer,  Bibliothekar  am  Qoethehaus  zu  Frankfurt,  einen 
sehr  intereösauten  Vortrag  über  „Wesen  und  Ziele  der  hiötorischen 
Forschung'** 
Die  Ocistesrichtang  unserer  Zeit  ist  wesentlich  eine  historische,  auf  allen  Gc- 
bieten  herrscht  der  Sinn  für  das  Wirkliche,  Greifbare.  Zuerst  ist  die  Geschichte 
erzahlend,  sat'enhafi  wie  Ilomer,  Horodot,  die  Nibelungen,  dann  wird  sie  lehrhaft, 
subjektiv  wie  bei  Schiller,  zuletzt  wird  sie  genetische  Forschung,  wie  das  Einzelne 
geworden  ist  im  Zusammenhange  der  historischen  Begebenheiten.  Der  Forscher  hat 
die  Quellen  zu  kritisieren,  Fälschungen  aufzudecken  und  der  Legcndenbildung  nach- 
zugehen, wie  den  Sagen  von  Teil,  den  400  Pforzheiraern  bei  Wimpfen,  den  Weibern 
von  Weinsberg,  Die  Geschichte  giebt,  wie  alles  Menschliche,  keine  absolute  Wahr- 
heit^ sondeni  nur  im  ganzen,  in  der  Hauptsache.  Zuletzt  trat  Redner  der  von  Marx 
begründeten,  von  Friedrich  Engels,  Bebet  weitergeführten  materiellen  Geschichtsauf- 
fassung entgegen. 

Die  statutengemäss  ausscheidenden  Vorstandsmitglieder  wurden 
sämtlich  wiedergewählt  und  zwar  Oberlehrer  Dr.  Lohr,  Landgerichts- 
rat Düdsell^  Major  a,  D,  Schlieben.  Als  Ersatzmänner  wurden 
gewählt:  Herr  Oberstlieut.  z.  D.  Sartorius  und  Archivar  Dr.  Hage- 
mann.*) Als  Konservator  wurde  Herr  Baurat  Winter  mit  28  Stim- 
men gewählt, 

5)  Sitzung  am  9,  Jaouar  1895  im  ^Roten  Hause**,  y 

Der  angekündigte  Vortrag  des  Herrn  Stinncs  über  ^prähisto- 
rischen Bergbau**  konnte  wegen  Erkrankung  des  Herrn  Kedners  nicht 
stattfinden.  An  seiner  Stelle  sprach  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz 
über  „die  Mardellen",  und  speziell  über  die  in  Schierstein  gemachton 
derartigen  Funde. 
Ausgebend  von  der  ßedeutung  des  Wortes,  dessen  beide  Bestandteile  mar  uud 
teile  Einbuchtung,  Aushöhlung  bedeuten,  besprach  der  Redner  analoge  Erdaushuhl- 
piingcn,  wclclie  noch  jetzt  zeitweilig  als  Wohnungen  dienen  und  deren  Formen  sirh 
wiederholen  in  den  slavischen  Bauemburgen,  den  keltischen  lüngwällen,  u«  a.  auf 
dem  Taunus  und  bei  Meiningen.  Ob  auch  diese  Wohnungen  wie  die  Jetzt  noch  be- 
stehenden Kuhlerhnttcu  durch  oben  zusammengebogene,  im  Kreis  um  die  Aushöhlung 
gesteckte  Bftume  gedeckt  waren,  litsst  sich  natQrüch  nicht  mehr  feststellen.  In  den 
eigentlich  so  genannten  Mardellen  glaubte  man  früher  dauernde  Wohnstätten  sehen 
zu  dürfen;  doch  ist  dies  nicht  haltbar. 


♦)  Vgl  8.  22Ö,  Z.  7  ven  obon. 


2S6 

Die  Schiersteiuer  Funde,  von  dcneii  eine  Anzahl  schwarze  ThongefUssc,  Gcrile 
atis  Ilirschhoni  und  ICnüchen  u.  s.  w.  die  Ausführungen  erhtutertea,  gehören  der  o<*o- 
lithischcn  Pcrinde  an ;  ähnliche  werden  vielfach  im  Lüss  gemacht.  Bei  den  GefiLsectt 
ist  besonders  die  gloekenartige  Form  hevorjoigt.  Wer  die  Menschen  warea,  welehi; 
diese  Gefässe  fertigten  und  benutzten  j  wird  schwer  zu  entscheiden  sein.  Kcdncr 
verwies  hier  auf  die  Pfahlhauerbevölkerung  der  sogen,  tnranischen  Race  des  Biiden- 
scos.  Die  Bestimmung  dieser  Mardelleii  selbst  präzisierte  er  ab  wahrscbeixUiche  Ah- 
fallsgruben  und  Kellcrräume  für  die  Bedürfnisse  der  Umwohner, 

Ander  folgenden  Debatte  beteiligten  sich  die  Herren  Sehiereii- 
berg,  Oberstlieuteuaot  Sartarius,  Herr  Direktor  Fischbach  und 
wurde  auf  verschiedeno  analoge,  noch  jetzt  ini  Gebrauch  beündlichu  Erd- 
wohnungen  hingewiesen. 

6)  Sitzung  am  23,  Januar  1895  im  „Koten  Hauso*^. 

Da  Herr  Dr,  Stinnes  durch  einen  Auftrag  der  Hegiorung  lie* 
hindert  war,  seinen  angekündigten  Vortrag  zu  halten,  i^praeh  Herr 
Oberlehrer  Dr.  Wedewer  über  yjdie  Geisslorfahrten  und  andere  lln»^«- 

Prozessionen  des  MittelaUera'** 

An  alte  Vorbilder  anknüpfend  trat  das  Büsscrtum  zuerst  öffentlich  horror  im 
Jahre   1260  in  Perugia   und  s^war    in  der  Absicht,    durch  solche  Selhstka^steiung  das 

Elend  und  Laster,  welches  damals  überhand  m  nehmen  schien,  abzuwenden  und  zu 
slilmen.  Dieser  erste  Yersach,  welcher  in  seinem  weiteren  Verlauf  bereits  auszuarten 
bogann^  erioseh  schon  nach  drei  Jahren,  etwa  1263/04.  Erst  im  Jahre  1349  jeei- 
ti^cn  lihnliche  Ursachen  wieder  gleichartige  Erscheinungen:  besonders  war  es  der 
,, schwarze  Tod",  welcher  durch  seine  Verheerungen  die  Gemüter  der  Busse  zugäng- 
lich machte.  Und  zwar  tauchten  jetzt  diese  Bussprozessionen  fast  gleichzeitig  in 
den  verschiedensten  Ländern  auf.  Aber  die  immer  stärker  auftretenden  Ausschweif- 
ungen und  Zügellosigkeiten  veranlassten  den  Papst  Clemens  VI.,  gegen  das  ganze 
Wesen  einzuschreiten,  weil  unter  dem  Scheine  des  Guten  ,. alles  Böse  getrieben  werde**. 
Denn  allmählich  hatte  sich  ein  ganzes  System  und  Dogma  der  Geisselung  heraus- 
gebildet; die  Führer  erklärten  ihr  vergossenes  Blut  für  wertvoller  als  das  der  Mär- 
tyrer, sodass  die  Richtung  in  antikirchliche,  revolutionäre  Bahnen  einlenkte.  Als 
charakteristisches,  zeitgenössisches  Zeugnis  verlas  der  Redner  den  Bericht  der  Lini- 
burgcr  Chronik.  Er  ging  dann  noch  auf  andere  Prozessionen  über,  in  denen  derselbe 
Gedanke  der  Busse  zu  Grunde  lag,  aber  in  milderer  Form  zum  Ausdruck  gebracht 
wurde;  besonders  eingehend  schilderte  er  die  noch  jetzt  bestehende  Echternachcr 
Springprozession  aus  eigener  Anschauung. 

In  der  sich  anschliessenden  Debatte,  au  welcher  die  Herren 
Archivrat  Dr.  Sauer,  MeinarJus,  Kuppel  und  Panzer  teilnahmen, 
wurde  noch  auf  verschiedene  Punkte  hingewiesen,  besonders  auch  da- 
rauf, dass  ausser  den  religiösen  und  sittlichen  Gründen  auch  volks- 
wirtschaftliche Zustände  die  Bewegungen  mit  beeinflusst  hätten,  wo- 
durch sich  erkläre,  dass  im  Anschlüsse  daran  auch  Juden-  und  Ketzer- 
verfolgungeu  stattfanden;    bei   den  Spriogprozessionen    habe    auch    die 


237 


Tanzwut  als  Volkakrankheit  rartgewirkt.  Dio  Mouchsorden,  welche,  wie 
besonders  die  Dominikaner,  die  Goisslerziige  begücstigforij  handelten 
damit  direkt  gegen  das  Verbot  des  Papstes. 

Darauf  sprach  Herr  Dr.  Ritterling  über  das  im  rumischen 
Kastell  bei  Wieöbaden  1858  gefundene  Militürdipbiin,  Nach  ullge- 
Tneinen  Bemerkungen  über  die  Organisation  des  römischen  Ueorwesens 
der  Kaiaerzeit  erläuterte  er  den  Zweck,  die  Einrichtung  und  Verwen- 
dung dieser  Bronzetäfelchen,  welche  uns  Truppen  aus  den  verschieden- 
sten Vulkerschafteu  als  gemeinsanie  Verteidiger  der  rfimischen  Grenze 
gegen  die  Germanen  auf2ählen. 

Zum  Schlüsse  wurde  noch  eine  Anzahl  kureiiuischcr  Essgcfiisse, 
welche  Se.  Excellenz  Herr  v.  Brandt  dem  Museum  als  Geschenk 
überwiesen  hatte,  vorgezeigt. 

7)  Sitzung  am  7*  Februar  1895  im  „Koten  Hause**. 

Nach  Verlesung  des  Protokolls  hielt  Herr  Regiorungsrat  Caesar 
einen  Vortrag  über  „das  Leben  der  hofisch-ritterlichen  Gesellschaft  sur 
Zeit  der  Hohenstaufen**, 

Wer,  besonders  hei  uns  an  den  Ufern  des  Rheins,  die  Reste  der  Ritterburgen, 
jener  Denkmäler  einer  interessanten  Periode  unserer  Geschichte,  die  man  gern  als 
die  Mtoniantische'*  heyreiohnet,  betrachtet,  «lern  stci^rt  leicht  der  Wunsch  auf.  nüheres 
über  das  häusliche,  das  Familienleben  /m  jener  Zeit  und  in  jenen  Mauern  :^o  wissen. 
Es  fehlt  uns  mm  gldcklicherweise  nicht  an  Quellen,  die  uns  durch  Aneinanderreihen 
und  Vergleichen  derselben  ein  ziemlich  klares  Bild  jener  damaligen  LebensumstÄnde 
gehen.  Es  sind  dies  besonders  die  epischen  und  lyrischen  Difhtuiigcn  am  der  Ilohcn- 
slaufcn/cit,  doch  sind  diese  im  grösseren  Publikum  nicht  in  wünscheuswertem  Masse 
bekannt.  Rittertum  und  Adel  standen  sich  früher  gesondert  gegcnftber»  und  /.war 
das  erstere  als  das  niedrigere»  vom  /weiten  vielfach  Ahhiingige.  Zum  echten  alten 
Reichsadel  gehörte  man  nur  durch  die  Geburt,  während  das  Rittertum  erworben 
werden  konnte.  Später  aber  umfasste  die  Bezeichnung  des  Rittertums  sowohl  die 
Edlon^  als  auch  die  adeligen  Dienstmannen  und  die  mit  kleinen  Hofämtem  und  der- 
gleichen belehnten  eigentlichen  Ritter,  Auch  der  Edle  niusste  erst  den  Ritterschlag 
empfangen.  Der  sesshafte  Ritter  schuf  sich  eine  feste,  wehrhafte  Wühnung,  im  ebenen 
niederdeutschen  Lande  gern  von  Wasser  umgeben^  in  Oberdeutschland  auf  schroffem 
Bcrgkcgcl  oder  an  steilem  Bergebrand,  der  an  der  tiachcreu  Seite  mit  künstlichem 
Schutz  versehen  wurde.  Der  Hauptbestandteil  der  Burg  war  der  Bergfricil,  jener 
starke  Mittelturm,  der  keiner  rechten  Burg  aus  jener  Zeit  fehlt.  Hier  drängte  sich 
zuweilen  alles  zusammen,  Wohnnng,  ßefesügniig,  Speicher,  Gefimgnis  u.  s.  w.  Denn 
zuerst  kam  damals  die  Sicherheit,  dann  erst  die  Bequemlichkeit,  Konnte  die  Woh- 
nung der  Insassen  hier  nur  erbärmlich  sein^  so  war  das  Gefängnis  fürchterlich^  eine 
Hölle,  Liessen  es  Raum  und  Mittel  zu,  so  stand  neben  dem  Bergfried  der  Pallas, 
das  Wohnhaus  des  Ritters.  Dies  konnte  recht  stattlich  und  gcröunng  sein.  Ein 
schönes  Beispiel  davon  ist  der  Pallas,  das  lange  Hauptgebäude  der  Wartburg.  Vcr- 
mehrte  sich  die  Burgfamilie  durch  Kinder  oder  YMtng  von  Verwandten^  m  entstanden 
An*  und  Neubauten,   die  freilich  wegen  des  knappen  Raumes  oft  sehr  in   die  H5he 


gehen  mussten.  Für  eioc  solche  Burg-FamiiicDkolonie  ist  die  Borg  EStz  in 
Querthdle  der  Mosel  das  scliöoste  —  und  vollstäDclig  erhaltene  —  Muster,  Bkr 
lebte  nun  die  Ritterfamilie  schlecht  und  recht  —  d.  h.  im  laugen  deiitsclteEi  Wimm 
(im  heutigen  Sinne  des  Wortes)  herzlich  schlecht,  Man  sass,  in  Pelze  gcbflUl 
frOstclud  am  bekanntlich  schlecht  heizenden  Kamine,  oft  tagsftber  nur  bei  schmwAm 
kanstlichen  Lichte,  wenn  die  Fensterläden  wegen  Unwetters  geschlossen  werden  sw»- 
ten,  da  die  kleinen  trüben  Hörn-  oder  Pergamentfensterscheiben  nicht  genfl^^eoddt 
Schutz  dagegen  boten.  Eng  wohnte  alles  zusammen,  der  Wohnraum  war  oft  xngkld 
Schlaf-  und  Gastzimmer.  Die  heutigen  Gefängnisse  müssen  dagegen  als  AttMCNi 
traulich  und  gemütlich  bezeichnet  werden.  Daher  auch  die  sehnäüchtigen  KlAgeo  ila 
Minnea&nger,  dass  der  schlimme  Winter  gar  nicht  weichen  und  der  liolde  SoniBer. 
der  Ei'löser  aus  der  bedrückenden  Enge,  nicht  kommen  wolle.  Zog  der  letartere  m, 
so  zeigte  das  ritterliche  Hauswesen  ein  weit  freundlicheres  Gesicht,  Dann  war  es 
lustig,  vom  hohen  Erker  über  die  Wipfel  der  Bäume  ins  Thal  zu  scbanen  oder  im 
Gärtdien  an  der  Burgmauer  m  sitzen,  wo  Lilien  und  Hosen  blühten.  Dann  sab  <i 
auch  im  Saal,  dem  Hauptraum  des  Pallas,  lustig  und  hell  aus,  wo  schöne  Te|i]iidbe 
Wände  und  Fussboden  zierten,  wo  bunt  bemalte  Möbel  das  Auge  erfreuten,  wo  dts 
Kronleuchter  —  natlLrlich  von  sehr  primitiver  Gestalt  —  von  der  Decke  liiiigeii. 
Der  Haum  für  die  Frauen,  die  Kemenate  (von  caminata,  Raum  mit  Kamin)  war 
von  fleissiger  Frauenhand  geschmückt.  Denn  die  Edeldamen  von  damals  webtts, 
nahten  und  stickten  das  meiste^  das  sie  bedurften,  selbst.  Auch  FretndenjiironieT 
gab  es  in  den  Burgen,  wo  aber  oft  zwei  Gäste  in  einem  Bett  untergebradit 
wurden.  In  grösseren  Burgen  fehlte  auch  die  Badestuhe  nicht.  Eine  KafieOü 
war  ebenfalls  i^tets  vorhanden,  deren  „BurgpfafT*  zugleich  Sekretär  und  Haostekrer 
sein  musste.  Auf  Reinlichkeit  und  schone  Kleidung  wurde  sehr  gesehen,  ebenso  asf 
Schmuck,  Es  gab  da  schon  Schleppen,  spitze  Schuhe,  Handsc^lndje,  aber  aucli  — 
Schminke  und  falsche  Haare*  Den  Freuden  der  Tafel  war  man  sehr  ergeben^  fs 
wurde  viel  Fleisch,  viel  Gewürz  und  viel  (und  vielerlei)  Getränk  konsumiert,  beimische 
Weine,  diese  oft  wegen  ihrer  Rauheit  zu  Bowleji  verarbeitet,  fremde  Weine»  MetJu 
Obstwein  und  Bier.  Das  Fleisch  wurde  von  dazu  bestellten  Knaben  —  Junkern 
un<l  Jungfrttulüiß  zu  mundrecbten  Bissen  zerkleinert,  so  serviert  und  —  direkt  ml 
den  Fingern  zu  Munde  geführt,  da  die  Gabeln  damab  zu  diesem  Zwecke  noch 
benutzt  wurden.  Glücklicherweise  fand  vorher  ein  allgemeines  ceremonictles  Hände 
waschen  statt,  che  alle  Finger  in  die  Schüsseln  fuhren.  Vielfach  wurde  aber  vc 
zwei  Personen  aus  derselben  Schüssel  gegessen  und  aus  demselben  Becher  getninkeo 
Die  hotischen  Tischsitten  waren  sorgfältig  vorgeschrieben ;  die  Nägel  sollten  kurz  sew 
man  sollte  sich  hüten,  in  ilas  Tbchtuch  zu  schneuzen  —  und  was  sonst  löblich 
wissen  und  zu  beobachten  war,  Dass  die  Frauen  sich  hei  Tiifch  betranken, 
schon  damals  für  uoschicklich. 


8)  Sitzung  am  20.  Februar  1895  im  „Roten  Hause*"* 

Nach  Verlesung  des  Protokolls   der   vorigen  Sitzung   niaehl  de 
Vorsitzende  die  Mirteilung   von   der   im  Anfang  des   Monata  erfolgtet 
Koustituieruug  einer  Sektion  dos  Vereins  für  niittlüre  und  neuere  Gc 
schichte}   und  ladet  die  Mitglieder  des  Vereins   zum  Heitritt  ein* 


239 


rauf  hält  Herr  Dr*  Meinardus  einen  Vortrag  Ober  „das  palitiache 
Testament  dos  Grafen  Johannes  von  Idsteio-Wiesbaden  1603 — IßT?". 
Der  Redner  stellte  im  Verlaufe  de^  Vortrags  feet,  was  man  unter  dem  Begtiff 
,, politisches  Testament'*  fürstlicher  Personen  zn  verstehen  habe.  Dasselbe  sollte  keines- 
wegs  ein  »Jetzter  Wille**  ihrer  jM)litiÄchen  Verfnuungen  sein,  sondern  ein  Schriftstück, 
oft  lange  vor  dem  Tode  verfasst  oder  wenigstens  doch  begonnen,  in  welchem  sie  ihre 
politischen  and  wirtschaftlichen  Ansichten,  teils  zur  Rechtfertigung  ihrer  eigenen 
Handlungen,  teils  als  nützliche  Winke  nud  Fingerzeige  ftlr  ihre  Nachfolger,  nieder- 
legten. Es  existieren,  auch  aus  späterer  Zeit,  eine  Anzahl  solcher  poHiischen  Testa- 
mente, so  z,  B,  das  Friedrichs  des  Grossen  und  das  von  Friedrich  Wilhelm  IfL  von 
Prcnssen.  Das  des  obengenannten  nassauischen  Fürsten  verdient  als  das  ehrende 
Zeugnis  eines  tüchtigen,  hervorragenden  und  originellen  Herrschers  unsere  volle  Be- 
achtung. In  die  Regieruiigsjahre  des  Grafen  Johannes  von  Idstein-Wiesbaden  tiel 
Deutschlands  trübste  Zeit,  die  des  furchtbaren  dreissigjährigen  Krieges,  der  unser 
herrliches  Vaterland  in  eine  Wüste  und  in  einen  Volkerkirchhof  verwandelte,  da  man 
nach  glaubwürdigen  Schutzungen  annehmen  muss,  dass  wiihrend  jener  30  Schreckens- 
jahre sich  die  Bevölkerung  Deutschlands  auf  ein  Viertel  der  früheren  Zahl  ver- 
niindert  hatte !  Alle  Leiden  dieser  traurigen  Zeit  fielen  auch  auf  den  Grafen  Johannes 
und  auf  sein  Land,  Zuerst  suchte  er  in  der  Neutralität  Schutz  und  Ruttung,  aber 
vergeblich.  Er  wurde  durch  die  Umstände  zur  Parteinahme  gedrängt*  Als  evange- 
lischer Fürst  war  er  ja  ohnehin  dem  Zorne  des  Kaisers  und  der  Jesuiten  verfallen» 
So  kam  es  dahin,  dass  er,  ein  Flüchtling,  das  bittere  Brot  des  Elends,  der  Verban- 
nung, dreizehn  lange  Jahre  essen  musste.  Er  lebte  diese  lange  Frist  in  Strasslmrg 
—  und  zwar  zum  Teil  von  einer  (von  ihm  erbetenen)  französischen  Untersttltzung 
von  jährlich  6000  Livres !  Diese  eigentümliche  Stellung  zum  Auslande  ist  der  dunkle 
Punkt  in  seinem  Leben.  Er,  der  echt  deutsch  fühlende  und  sich  in  seinem  „Testa* 
meut**  äussernde  Fürst  nahm  ein  französisches,  immerhin  verdächtiges  Almosen  au. 
Er  sucht  sich  in  dem  genannten  Schriftstücke  deswegen  zu  rechtfertigen,  aber  — 
ganz  einwandfrei  und  klar  ist  der  Umstand  nicht,  wenn  auch  aus  der  —  sagen  wir: 
,,Naivetiit''  jener  Zeit  zu  erklären,  Graf  Johannes  war  ja  nicht  der  pjnzige !  — 
Aus  seinem  Familienleben  ist  noch  besonders  erwähnenswert,  dass  er  den  grossen 
Schmerz  hatte,  seinen  Sohn  Gustav  Adolf,  infolge  jesuitischer  Bekehrung,  in  Regens- 
burg zum  Katholizismus  übertreten  zu  sehen.  Ein  masslos  heftiger  Brief  au  den  Ab- 
trünnigen, in  welchem  er  diesen  mit  seinem  schwersten  Fluche  belegt,  und  der  uns 
erhalten  ist,  wird  in  seiner  Echtheit  augezweifelt.  Nach  dem  Ende  des  unseligen 
Krieges  ward  dem  zurückgekehrten  Fürsten  die  Aufgabe  zu  Teil,  sein  entvölkertes, 
total  verarmtes  Land  wieder  emporzurichten  uml  die  verwildert <*,  dünne  Bevölkerung 
wieder  sittlich  zu  heben.  Dies  sehOne  Fürstenamt  hat  er  in  trefflichster  Weise  aus- 
geübt und  sein  ,, politisches  Testament''  lässt  uns  die  Lauterkeit  seiner  Gesinnungen 
uud  den  heiligen  Ernst,  mit  welchem  er  an  seine  Aufgabe  herantrat,  aufs  beste  er- 
kennen. Es  wurde  schon  in  der  Zeit  seiner  Verbannung  begonnen  und  zerfällt  in 
drei  Teile*  Der  erste  Teil  handelt  meist  von  religiösen  Dingen,  der  zweite  vom 
weltlichen  Regiment,  der  dritte  von  Finanz-,  Staats-  und  wirtschaftlichen  Angelegen- 
Jiciten.  und  dieser  bricht  dann  unvollendet  juiiten  im  Sat^e  ab,  als  der  Tod  dem 
rafen  die  Feder  aus  der  Greisenhand  nahm.    Das  Gan;sc  ist  schon  von  K.  Fr.  von 


Moser   in    seinem   i^Ncncn   patriotischen  Archiv"   (1792 — 94)   veröffentlicht    worden« 
Dar  Vortru|ij:eiiile  führte  daim  aus^    dass  aus  den  Betrachtungen  des    G-rafeii  Joliaiinei  j 
üher  das  krinftige  Verhältnis    zwischen  Kaiser   und  Reich    ersichtlich   ist,    wie    schon  < 
im  frischen  Schutt    der  Verwüstungen   des  grossen  Krieges   die  Keime    des  modemen , 
Staalsleheiis  Wurzel  zu  schlagen  hcgannen;   wie  nötig  alle  Glieder   des  gemei 
Vaterlandes  hätten,  fest  zusammenzuhalten,  der  Gier  der  ungetreuen  Nachbarn  ge 
üher.     Zunächst   gelte    dies    für    alle  Fürsten  des  nassauischen  GesÄmihauses.      Danii ' 
betont  der  Fürst  das  Bedenkliche  der  Separatbündnisse  mit  dem  Aaslaiide   und  wänit 
eifrig    vor  den  Franzosen    (deren  Unterstützung  er   doch  früher  angenommen !).     Aus 
allem   geht   nach   Ansicht   des   Redners   hervor,    dass   Graf  Johaimes   zwar   in  seiner 
äusseren  J*olitik  Schitfbnich  erlitten,    dass  er  aber  in  der  inneren    desto  schönere 
Erfolge  erzielt  habe.     Denn  seine  Betrachtungen  über  das  Herrscheramt   sind   cheJiso 
richtig  als  ehrenvoll  für  ihn.    Die  Fürsten  sind  nicht  Herren  ihres  Volkes,   sondern 
Amtsleute,  Knechte  Gottes  und  Verwalter  des  Landes.    Er  seihst  fasst  sein  Ilerrschcr- 
amt  ganz  imtriarchalisch  uuf^  indem  er  für  die  sittliche  Erziehung  seiner  Unterthanea 
sorgt.     So    schrieb    er    sclir    eingehende  Land  Visitationen    vor,    die  sich   auch   um  i\h 
häuslichen  und  sittlichen  VerhiUtnissc  der  BetroiTenen  zu  kümmern  hatten.     Er  wanit 
vor  Luxus^  Kleiderpracht,  Wirtshauslaufcn.    Aber  —  kein  Licht  ohne  Schatten  !    Ali 
ein  Kind  seiner  geistig  unfreien  Zeit  stellt  er  auch  die  Vorschriften  für  die  schauder- 
haften Hexenprozesse  fest,    wenn  er  sie  auch    in  manchen  Einzelheiten  weniger  (grau- 
sam macht.     Um  seines  Vaters  grosse  Schulden  zu  tilgen,   sorgte  er,    unter  anderem 
durch  Verminderung  des  Verwaltungsapparates,  für  Sparsamkeit.    In  seinen  Wirtschaft-  | 
liehen  Anordnungen  zur  Hebung  der  Ijandwirtschaft  und  des  Verkehrs  und   der  Ver- 
besseruog    der    Verwaltung    bricht    das   „politische    Testament'',    wie   schon    erwiihnt, 
plötzlich  ab.     Der  Vortragende  führte  ausserdem  noch  Einzelheiten  aus  dem  Schrift- 
stück des  Grafen  an,    so  z.  B.  seine  Vorschriften  über  Prinzen-Erziehung.      Er  eifert] 
über  die  Modethorheit,  die  vornehmen  Jünglinge  zur  Vollendung  ihrer  weltmännischen 
Bildung  nach  Paris,  von  wo  sie  wenig  Gutes,  aber  desto  mehr  liaster  mit  heimbrächten, 
zu  schicken.    Eifrig  empfiehlt  er  die  Pflege  der  Musik,  wogegen  er  von  der  ,, Komödie'^ 
durchaus    nichts   wissen  wilK     Der   Redner   schloss   seinen  Vortrag    mit    dorn    Urteil,' 
dass  Graf  Joliannes,  wenn  auch  kein  Mann  der  hohen  Politik,    so   doch  ein  vortrcff- 1 
lichei"  fürstlicher  Hausvater  und  ein  echt  deutscher  Füllst  gewesen  sei. 

Nach  Eröffnung  der  Diskussion  teilte  Herr  Major  Kolb  einigea 
aus  dem  letzten  Willen  des  Grafen  Johannen  mit,  worin  er  besonders 
vor  der  kalvinistiächen  Lehre  warnt.  In  einem  Inventar  seines  Nach- 
lassea^  welcher  unter  den  Erben  verteilt  warde,  sind  besonders  be- 
merkenswert die  isahlreiehen  dort  aufgezählten  Weinsorten,  meist  gan» 
junge  Jahrgiinge.  Weiter  sind  darin  enthalten  die  Speisegeriite,  die 
Schmuck-  und  Wertgegenstände,  auch  ein  Verzeichniä  der  Bilder,  dorca 
Taxierung  auffallend  gering  ist. 

Herr  Baron  v.  Biatram  hob  noch  hervor,  dass  bei  der  IStoUung- 
uabme  zu  den  Hexonprüzesseu  in  jener  Zeit  auch  w^ohl  die  aittliche 
Verwitderiiog,  namentlich  des  weiblichen  Geschlechtes,  mitgewirkt  habe, 
gegen  welche  in  gewisser  Weise  die  Hexenrichter  einzuschreiten  för 
nötig  erachteten. 


241 


9)  SitzUDjj  am  6,  März  1895  im   „Roten  Hause**. 

Nacb  Verlosung  des  Protokolls  der  vorigen  SitzuQg  hielt  Herr 
Stinues  einen  Vortrag  Über  ,die  EntwickeluDg  des  Bergbaues  in  den 
ältcdton  Zeiten*^. 

Obgleicli  für  uns  die  Griechen  und  die  Römer  als  die  ersten  Kulturvölker  des 
Altertums  gelten  mu\  sie  auch  stets  in  Kunst  und  Wissenschaft  diesen  Rang  behaup- 
ten worden,  so  nehmen  &ie  doch  in  manchen  technischen  Fertigkeiten  nicht  die- 
selbe hohe  Stellung  gegentiher  anderen  Völkern  des  Altertums  ein.  So  auch  im  Berg- 
hau, In  vielen  asiatischen,  afrikanischen  und  europäischen  Ländern,  in  welchen  sich 
die  Griechen  und  Römer  als  Kolonisten  oder  als  Eitjberer  festsetzten,  faudcn  sie  iui 
Bergbau  und  in  der  Erzhereitung  eine  viel  ältere  und  höhere  Kultur  vor,  als  die 
ihrige  in  den  genannten  Gegenstiinden  war.  Sie  lernten  erst  von  ihren  Nachbarn, 
von  ihren  Besiegten*  Jahrhunderte,  sogar  Jahrtausende  vor  der  BKlte  Griechenlands 
und  Roms,  zu  einer  Zeit»  wo  der  Grieche  und  noch  mehr  der  IlOmcr  noch  ein  un- 
beholfener halber  Barbar  war,  schürfte  der  Kleinasiate,  der  Phönisder,  der  Hebräer, 
der  EgTrpter  und  «ler  Kelte  schon  nach  dem  heissbegehrtcn  Gold,  Silben  Kujjfer, 
Eisen  und  Blei,  trieb  seine  Stollcu  und  Gänge  in  das  harte  Gestein,  pochte,  schlemmte 
und  schmolz  das  Er/  und  fonnte  aus  ihm  den  edlen  Schmuck  und  die  schneidige 
Wafte.  Die  Anfänge  des  Bergbaues  mögen  aber  nicht  dem  spröden,  mit  schwachen 
Steinwerkzeugen  schwer  zw  gewinnenden  Erze  gegolten  haben,  sondeni  der  so  zuträg- 
lichen Speisewürze,  dem  Salai,  In  den  Salzbergwerken  Halleius  hat  man  eine  Leder- 
tasche aus  uralter  vorhistorischer  Zeit  gefunden,  in  welcher  sich  eigentümlich  geformte 
rundliche  Steine  befanden.  Diese  wird  man  aus  triftigen  Gründen  als  die  filtesten 
bekannten  Geräte  zur  bergmännischen  Salzgewinnung  bezeichuen  müssen,  als  steinerne 
,,Fäustcl'^  Die  ältesten  Spuren  des  Bergbaues  auf  Erz  finden  sich  im  mittleren 
Asien,  in  Iran.  Jedenfalls  wurde  das  erste  Metall  in  oberirdischem  Tagbau  und  in 
gediegenem  Zustande  gefunden,  Gold  und  Kupfer  mögen  die  ersten  Funde  gewesen 
sein,  wogegen  das  Eisen  erst  sjiÄter  in  die  Geschichte  tritt»  Lange  vor  den  euro- 
paischen Völkern  kannten  die  asiatischen  Semiten  schon  das  Eisen,  man  kaim  an- 
nehmen, schon  länger  als  4000  Jahre  vor  Christo*  Die  ersten  Nachrichten  über  die 
Verarbeitung  der  Erze  beginnen  in  der  Zeit  von  etwa  3000  Jahren  v.  Chr.  Sie 
stammen  aus  Indien,  Assyrien  und  Eg}i>ten.  Doch  ist  die  Ansicht  falsch,  dass  die 
Egypter  zu  den  ältesten  Kennern  der  Er^^gewinnung  und  Behandlung  gehört  haben; 
man  kann  vielmehr  annehmen,  dass  die  eingewanderten  hebräischen  Semiten,  also  die 
Juden*  ihre  eigentlichen  Lehrmeister  in  diesen  Fertigkeiten  gewesen  sind.  Eine  eigen- 
tümlich-interessante Hypothese  stellte  der  Redner  auf  (oder  gab  sie  aus  anderer  yuello 
wieder)  über  den  Dienst  des  „goldenen  Kalbes*',  dem  sich  aus  Egypten  ausgewanderte 
Juden  hingaben.  Sie  sollen  auf  ihrer  Wanderung  das  heissverehrte  edle  Gold  ge- 
funden und  ihm  die  Gestalt  des  Apis,  des  ep^yptischen  Sinnbildes  der  Arbeit  und  des 
Fleisses,  gegeben  haben,  natürlich  zum  grnssen  Zorne  ihres  Führers  Moses,  der  das 
kostbare  Symbol  zerschlug  und  ^  konfiszierte.  Schon  in  den  ältesten  Büchern  der 
Bibel  werden  die  Metalle  Kui»fer,  Eisen,  Blei  u.  s.  w,  crwäliut,  wie  auch  ihre  Fund- 
orte* Die  Griechen  enrpfingen  ilos  Eisen  von  den  semitischen  l'höui/iern,  wührend 
die  Römer  auf  Ihren  EroberungsseügeD  nach  Norden,   besonders   bei   den  Kelten   und 


242 


Iberern,  einen  hochentwickelten  Bergbau  nnd  eine  weitgehende  Knnst  der  Er;?be] 
lung  fanden.  Die  alten  Schriftsteller  rühmen  u.  a.  das  vortreffliche  skythi8ct[#^ 
Eisen.  Von  Phunizien  und  Egypten  kam  die  Kunst  der  Erzgewinnung  nach  den 
grossen  Inseln  des  Mittelmceres,  so^ie  später  nach  Griechenland,  während  Etmskcr 
und  Kelten,  Iberer  und  Dritten  die  Lehrmeister  der  Römer  waren.  Erstaunlich  iit, 
wie  die  alten  Völker  mit  ihren  immerhin  unvollkommenen  Gerätschaften  das  linrle 
Gestein  durdibrechen  und  wie  sie  die  Schächte  in  das  Innere  der  Berge  gralirfl 
konnten.  Ilir  uraltes  Hilfsmittel,  welches  noch  zu  dem  gleichen  Zwecke  bis  zur  Er- 
findung des  Schi  esspul  vers,  des  neuen  Sprengmittels,  dienen  niusstc,  war  das  siigen. 
„Feuersetzen*'.  Man  zöndete  dicht  vor  dem  erzhaltigen  Gestein  grosse  Feuer  aii  und 
goss  dann  gegen  die  beisse  FelsnAasse  Wasser  oder  Essig,  wodurch  das  Gestein  itißrbr 
und  leichter  zu  bearbeiten  wurde.  Auf  ähnliche  Weise  liess  Hannibal  durch  keitii5ch<' 
Bergleute  bei  seinem  berühmten  Alpen-tbergange  die  hindernden  Felsen  sprengen 
und  die  Sirasse  herstellen.  Auch  in  Spanien  fanden  die  Römer  den  Bergbau  in 
hoher  BlQte,  nicht  minder  in  Gallien,  Den  Karthagern  waren  schon  gewisse  Tor- 
kehrungen gegen  schlageufle  Wetter  bekannt,  auch  das  sogenannte  Rösten  des  Erz^s. 
Was  das  jetzige  Deutschland  anbelangt,  so  fanden  die  Römer  sch(m  z,  B.  au  der 
Lahn  blQhenden  Bergbau.  Ausser  dem  Zinn  fanden  sie  (oder  lernten  sie  vielmelir 
dort  kennen)  in  Britannien  auch  die  Steinkohle,  die  dort  schon  zum  ^^Feuerset-zen*' 
verwandt  wurde.  Wie  so  manche  Kultur  ging  auch  die  des  Bergbaues  in  den  StUmiCia 
der  Völkerwanderung  in  vielen  ländern  fast  ganz  unter,  nur  die  se«shaften  fränkischen«, 
alemannischen  und  thtlringischen  Volksstämme  hüteten  das  alte  Erbe  und  schufen  sich 
damit  eine  Quelle  des  Wohlstandes.  Hier  entstand  auch  das  alte  deutsche  nergrechl» 
welches  keineswegs  römischen  Ursprungs  ist.  Der  Redner  verglich  zum  Schlosse 
noch  die  Berggerechtsame  der  verschiedenen  Nationen^  sprach  von  dem  Obergang 
vom  Geraeinbesitz  zum  fürstlichen  Regal,  von  der  Belehnung  gegen  Erstattung  einc^ 
Zehntel  otler  Fünfzehntel  des  Ertrages,  schilderte  das  Entstehen  der  sogenannten 
„Kuxe"  und  dergleichen  und  schloss  mit  dem  lebhaften  Wunsche  für  das  fernere 
Gedeihen  des  deutschen  Bergbaues. 

An  der  folgenden  Debatte,  an  welcher  sich  ausser  dem  Redner 
Herr  Archivrat  Dr.  Sauer  und  Sanitätsrat  Florschütz  beteiligten, 
wurde  unter  anderem  die  Frage  aufgeworfen,  ob  dio  Kömer  den  Berg* 
bau  speziell  im  mittleren  Rheingebiete  bereits  vorgefunden  hatten^ 
weiter  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  die  gewaltigen  in  den  Fei»  ge- 
hauenen  Barggräben  mittelalterlicher  Burgen  wohl  nur  durch  Anweu* 
duug  der  Feuersetzung  hätten  ausgeführt  werden  können. 


4 


Über  die  Sitzungen   der    ^his torischen  Sektion"   im  Civilkaaino  liege 
folgende  Notizen  vor: 

Am  27,  Februar  sprach  Herr   Prof.  Grimm  über  ,, Marken  und 
Markgenossenschaften^^  mit  besonderer  Beziehung  auf  Nassau. 

Der  Redner  wendete   sich   zunächst  im  allgemeinen  gegen  die  verbnjitrte  An* 
sieht,  als  !*eien  die  grossen  Marl     ''  Mie  iu  der  Benutzung  der  F 

den  standen    und   von    den    Bcr  m*    untrr  Srhinn  und  Leu 


243 

lObcrmärkers   genossenschaftlich   verwaltet  worden*    nichts   anderes   gewesen,    als  der- 
jenige Teil  der  bei  der  ersten  Ansiedoinng  der  deutschen  Stumme  gegründeten  Orts* 
Itnarken,    welcher,  nicht  als  Sondercigenttim  verteilt,    im  gemeinsamen  Gehrauche  der 
|Gcsamtheit  gehliebou  sei,    somit  dasselbe  wie  Almende.     Nachdem    er   dann  die  ver- 
chiedenen  Bedeutungen  des  Wortes  Mark   festgestellt  hatte    1.  als  Zeichen,    2.  als 
durch  Zeichen  festgelegte  Schoidungslinie    zweier   Gebiete,    wofür  seit  dem   14.  Jahr- 
^^liundert   das   slavische  Wort    gtaniza,  Grenze*    Eingang  gefunden    habe,    3,   als   das 
begrenzte  Gebiet  seihst,  wurde  die  Art  der  Ältesten  Ansiedelung  criirtort.    Die  ersten 
«ftederlassongen  seien  im  gebirgigen  West-  und  Süddeutschland  zuerst  in  den  Thälem 
Jer  Flns«ic    und    i\cr  in  sie  einmündenden  Wasserläufe   erfolgt.     Da  wo  diese  Thälcr 
fvon  Höhenzügen    mit    dichtem   Urwald    begleitet   gewesen   seien,    habe    es    einer   Ab- 
grenzung der  einander  allmählich    näher  rückenden  Ansiedelungen    nur   tbalanf-    und 
khalabwürts  bednrft,  gegen  die  UiShe  bildete  der  Wald  die  natürliche  Grenze.    Schon 
'frühe    habe    man  den  /usammenhfingenden  Wald  die  Mark,    d.  i,  Grenze,    genannt. 
Atidi  im  Ntirdischen  bedeutete  das  Wort  niork  Wald.     Die  Erinnerung  an  die  Bc- 
leutung  Grenze   war  dort  geschwunden.     Die   Höhcnwaldungen.    welche   die   Thäler 
|toneinander   schieden,    wai'en   in  niemandes  Eigentum,    der  Wald    war   frei    und    die 
ingsum  Wohnenden  benutzten    ihn    nach    Dedarf  und  Belieben.     Erst  nach  Jahrbun* 
lerten  —  wohl  nicht  vor  dem  13,  Jahrhundert  —  führten  die  bei  der  vermehrten 
^evfdkerung  immer  berlroblicher  werdenden  Devastationen    zu  einer  Organisation  der 
Markgenossen,  ihre  Rechte  wurden  geregelt  und  mit  zunehmendem  Einflüsse  der  Ter- 
fritorialherren  mehr  und  mehr  beschränkt.     Die  Markgenossenschaften  seien  demnach 
nichts  Ursprüngliches,  sondern  Bildungen  einer  si)äterGn  Zeit.    Zum  Beweise  wies  der 
I  Vortragende    auf  die   im  Nassauischen    bis   in  dieses  Jahrhundert  bestandenen  Mark- 
rgenossenschaften  hin.     Er  erklärte  es  für  undenkbar,    dass  z.  B.   die  zu  der  Grefeu- 
hühe  (Wiesbader  Mark)  gehörigen  Ortschaften,   darunter  Biebrich,  Dotzheim,  Schier- 
stein im  Süden,  und  Idstein,  Neuhof,  Oden,  Wehen  im  Norden  der  Höhe  zu  irgend 
einer  Zeit  in  einer  Ortsmark  vereinigt  gewesen  seien.     Dasselbe  gelte  auch  von  der 
l'uchsenbülde,    der  Markwaldnng   auf  dem    linken    Ufer   der  Unter* Ahr.     Auch    hier 
kann  man  nicht  annehmen,    dass   die    markberechtigten  Orte   Katzenelnbogen,  Schön- 
born  u,  s,  w.  einerseits  je  mit  den  andererseits  gelegenen  Orten  Flacht,  Hahnstätten 
u.  s,  w,  in  einem  Urdorf  oder  seiner  Mark  vereint  gewesen  seien.     Der  unwegsame 
mcilenbreite  Bergwald   inmitten  einer  Ortsmark   hätte  den  Verkehr  der  Ortsgenossen 
fast  unmöglich  gemacht.    Ganz  unrichtig  sei  es  auch,  die  Almend,  d,  h.  denjenigen 
-Teil  einer  Ortsgeraarkung,  welcher  im  gemeinsamen  Genüsse  der  Bewohner  geblieben, 
nit  der  gemeinen  Mark  zu  identifizieren.    In  Wiesbaden  und  Biebrich  2.  B,  wurden 
Llmend  und  gemeine  Mark  scharf  unterschieden.     Auch  im  Hochgebirge  des  Südens 
die  Almend  nicht  gemeine  Mark  selbständiger  Dorfschaften,  sondern  gemeinsamer 
esitz  aller  Bewohner  einer  Gemeinde. 

An  den  Vortrag  knüpfte  sich  eine  längere  lebhafte  Debatte. 

In  der  Sitzung  vom  13.  März  erörterte  Herr  Prof.  Dr.  Qrimm 
zuerst  die  Zeit  und  Yeranlassung  des  Baues  der  ,,Ca8teler  Landwehr 
und  ihrer  Warten**  auf  Grund  meiner  nrebivali^cben  Studien, 


-•^ -— -. 


244 


Redner  bescBmo   an   der  Hand    einer    von   ihm   selbst    nach    äi' 
angefertigten  grossen  Karte  den  Zug  der  Casteler  Landwehr ;  sie   begaiiu   ... 
der  Mündung  des  Sabbacb  in  den  Rhein  nnd  erreichte  bei  Flörsheim  den  3lasik 
sie  endete.     Da  sie  nicht   genan    der  Landesgrenze  des  KarfÜrstentums  ^Amnt  fol 

m  waren  Streitigkeiten    über   die  Hoheitsrechte   in  dem  Gebiete    zwisch '  - 

wehr   und   der  nassauischcu  Grenze    ^(wischeu  Nassaa  and  Maiuz    onau. 
endeten  erst,  als  etwa  vor  50  Jahren  die  Sache  zu  Gunsten  Nassaus  beigelegt 
ijffcnbur  weil  man  zu  Damistadt  den  wahren  Sachverhalt  nicht  knnate. 

Sodann  sprach  Herr  Prof.  Otto  über  die  Mühlea»    we*.  nt^  in 
Ende   des    15,  Jahrhunderts   in  dem  Gebiete  der  Stadt   Wiesb«4|| 
wähnt  werden. 

Nachdem  er  kurz   die  rechtliche  Seite    der   Entwickelung   des   Mohleol^ 
bis  zu  diesem  Zeitpunkte  skizziert  hatte,    zählte    er   die    einzelnen    Moliluo    mat^ 
vom  Jahre  1022  an  bis  1500    und  vornehmlich  um  die  Mitte  des  14.  Jahrboiide 
(1530 — 1380)  genannt  werden   (sie  erreichen  die  stattliche  Zahl    von  zwölf  Mfthk^ 
von  denen    nur   wenige   unter   den   alten  Namen    dem   heutigen  Ges  '  *     "    , 
waren  oder  sind),  suchte  ihre  Lage  zu  bestimmen,  ihre  Namen  zn  i  i  ^u   itnd  tk 

rechtliche  Stellung  anzugeben.  Die  meisten  von  ihnen  sind  wl^irend  des  SCJUiii^ 
Krieges  eingegangen ;  di^  später  genannten  sind  um  das  Jahr  1700,  manche  %'ieUdcll 
au  der  Stelle  der  frllheren,  errichtet. 

Au  beide  Mitteilaogen  knüpfte  sich  eine  lebhafte  Beapr^dmif 
einzelner  Punkte,  die  zu  Erläuterungen  und  näherer  FfsstsMIunj^  rm 
Einzelheiten  führte. 

Sitzung  am  29*  März,  Nach  Erledigung  einiger  geachnfT] 
Angelegenheiten  besprach  Herr  Arehivrat  Dr.  Rauer  die  ,,\V4ii|*» 
der  rheingauischeo  Städte  und  Dürfer^^ 
Kedner  schickte  einige  allgemeine  Bemerkungen  aber  die  Wappen  vonm« 
wies  auf  die  Bedeutung  hin,  welche  die  Wappenkunde  für  die  Geschichte?  bal,  sovk 
auf  den  Aufschwung,  welchen  sie  in  neuester  Zeit  durch  sorgfültigercs  StiifÜuni  iumI 
in  den  freilich  nicht  immer  richtigen  Darstellungen  durch  unser  vollendeteres  Kfinrt* 
gewerbe  gefunden  hat,  Veranlassung,  gerade  die  rheingauischen  Wappen  /u  erüHc 
hatte  ilim  der  Umstand  gegeben,  dass  beabsichtigt  wird,  das  neuer  baute*  Kretsh 
zu  Radesheim  mit  den  Wapiien  der  zu  dem  Kreise  gehörigen  Urtc  /n  äcbmc 
Seine  Nachforschungen  ergaben  das  Resultat,  dass  diese  Stildto  und  Dörfer,  wie  ajid 
wUrts,  ursprünglich,  wenn  sie  überhaupt  ein  eigenes  Wappen  hatten,  wohl  alli! 
ihre^  Laiidoshorrn,  hier  des  Krzbii^chofs  von  Mainz,  also  das  zuerst  acht^>cicli 
dann  secbsspeicbige  rote  Rad  in  silbernem  Felde  führten.  Jetict  ist  Johann  tsberj 
der  einzige  Ort,  der  es  unverändert  erhalten  hat.  Die  anderen  haben  im  Lauft*  dii 
Zeit  mancherlei  Veränderungen  durcli  Zusätze,  dann  Weglassungcn  einzelner  Tdl^ 
oder  Verstümmelungen  vorgenommen,  die  teils  als  historisch  gewordene  GcäialtuEigvül 
jetzt  ihre  Berechtigung  haben,  sofern  de  heraldisdi  richtig  beliandelt  werden,  tdl 
wii*  hoi  RttdOÄholm*  Ilattenheini  und  Ncudnrf  völlig  im  "    *  hm 

gerade  dadurch  rnr  Nachforsihung  und  Krklürung  rclj^cu.    J  -    ,  itciu 

Rad,    wurde  zunächst    durch  ein  zweite»  Rad  orweiteiti    das   mit   dem   furzten   d« 


245 

inen  Balken   oder   ein  Kreuz  verbunden  wurde;    so  in  Ö strich.     Oder   man   fügt« 

bm  zweites  Bild  hiii/u,    das  die  Rechte  des  Zelintherrn   svmboliäierLe,    teils  in  freier 

^Gruppierang,   teils  so,    ilass   es  die  eine  H&lfte    des   iätigsgeteilten  Schildes   einnahm, 

.^ithrend  die  andere   dem  Rade  verblieb:    so  fügte  Lorch  den  h,  Martin  wegen  der 

I Mainzer  Dompropstei  zu,   El t vi  11  e  den  Schlttssel  wegen  des  St,  Peterstiftes*     Einzig 

I steht  das  Stadtthor  von  Geisenheim  da,    ein  Symbol    seiner  Eigenschaft   als  Stadt. 

Nur   die   Anfangsbutthstaben   ihrer    Namen    haben    Eibingen    und    Niederwalluf, 

Andere    führen   nur   noch  ihren  Kirchenpatron    oder  dessen  Attribute  im  Siegel,    die 

[kleineren  Orte   haben    wohl   erst  in   neuer  Zeit  ein  Wappen   nach   freier    Eründung 

[gewählt. 

Nach  diesen  Ausführungen,    die  der  Redner  durch   und    an   den 

Abbildungen  der  betreifenden  Wappen  näher  erläuterte  und  begründete, 
legte  Herr  Generalsekretär  Dahlen  eine  Reihe  von  ihm  geaanamelter 
rheingauiseher  Wappen  in  pbotographischer  Abbildung  mit  erläuternden 
Bemerkungen  vor.  Unter  ihnen  v^ar  von  hohem  Interesse  ein  von  ihm 
zu  Oeisenheim  gefundener  Wappenstein;  es  war  ihnj  gelungen,  dessen 
Herkunft  (von  Weissenthurn)  zu  ermitteln  und  dadurch  seine  Bestim- 
mung und  Deutung  nachzuweisen« 

Dr.  Adalbert  Sehroeter. 


Bericht  des  Konservators   Über   die  Erwerbungen  für  das  Altertums- 
Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres  1894. 

Dieselben  reihen  sich  folgendermassen  aneinander: 

Achat-  und  Thonperlen,  kleine  Provinzral-FibeU  z^vei  kleine  Thon- 
näpfchen,  Pfeilspitze  aus  Eisen  (sämtlich  römischen  Ursprungs). 

Ein  bronzenes  Oiirtelscbloss  und  eine  kleine  geschweifte  Franciaka, 
fräukisch  (aus  den  Gemarkungen  Dotzheimerstrasse)* 

Porzellanfigur  von  Höchst  (Knabe  mit  Katze  und  Kund). 

Bronze-Stempel   zum  Einbrennen   einer  gotisehen  Ornamentik  in  llolis. 

Eisenring  mit  Kamee. 

Römischer  Wasserkrug  vom  Krauzplatz, 

4  Ziegeln   mit   dem   Stempel   der  22,  Legion,   ebendaher. 

Thürschloss  vom  Patersberg. 

Ousseiserne  Ofenplatte  aus  Emrichshausen. 

Ein  Paar  römische  goldene  Ohrringe  mit  Öteluen  und  Filigran,  an- 
geblich aus  Köln. 

Eine  golden©  Gewandnadel  mit  rotweisser  Kamee,  ebendaher. 

Bronze-Zindeln,  wahrscheinlich  einem  Leder-  oder  Linnenpanzer  auf- 
genäht, aus  einem  Hallstattgrabe  bei  Dexenheim. 

Rot  bemalter  Trinkbecher  aus  Ountersblum. 

Ein  Thonschälchen  mit  zwei  HäugelöcherOj  ebendaher. 

Eine  Thouschale  aus  Niederingelheim  und  Schlangenfibula,  *!bt»nduhei-. 

n 


db 


246 


i 


Ein  Pttuxerbrecher  mit  Bron^eknopf  (Kreuzzüge),   Fundort  ufibekänut 

Zwei  Eberzähae. 

Ein  Stück  vergold^tei  Blech* 

Ein  Steingeachirr  älteBter  Art,   Topf  mit  rundem  Boden,    desgl,  hoher 

Trinkkrug  uad  Tase  mit  gefälteltem  Fusse^  sämtlich  grereifeltj  am 

der  Goldgaeae. 
Steinzeugkrug  (Bartmann). 

^  mit  HenkeL 

^  Topf  für  Topfgewölbe  (gereifelter  Becher.) 

Ein  römisches  goldenes  Armband  aus  dem  Rheine 

Siegburger  uud  Nass.  Trinkkrug.     Geacbenk  von  FrL  G.  BrauinAiin. 
Ein  Marmor  stück,  von  Trier, 
Ein  römiöcbes  Tboolämpchen. 

Schwachgebraunte  Urne  von  der  Goldgasse  (Frühmittelalter), 
Kleine  römiscbe  Thonvase  (Goldgasse). 
GrauschwarÄB  Urne  mit  Überresten  vom  Auorochs  n.  a*,    von  Niednr^* 

ingelhcinh 
Kleine  dunkelschwarze  Urne  von  etruakischer  Form,  ebendaher. 
Eiförmiger  Klopfsteiii  aus  KieaeUchiefer,  ebendaher. 
Durchbohrtes  Steiubeil  aus  Kieselschiefer,  von  Bechtheim. 
Omiibraune  Urne  von  Lauaitzer  Typus  mit  Henkel,  aus  Ookenheim. 
Zettolheschwerer  ans  gebranntem  Thou,  ton  Bingen. 
Net7.beschwerer  mit  eingedrückten  gezackten  Orn  amen  ton. 
Zwei  mittelalterliche  Eisenöehlüsaol 
Silbernei  Arm-  und  Halsband!,  gegliedert  mit  Intaglicu-  und  OlagBna«- 

einsätzen  (Völkerwanderung). 
Römisches   Bronzebesteck    mit    chirurgischen    Werkzeugen,    aus     dem 

Rhein  gebaggert  bei  Mainz. 
Bruchstücke  grösserer  neolithischer  Gefasse,    Bruchstücke  einer  durch 

Fiugereindrücke  ornamentierten,  gehenkelten  Tasse,  ein  in  gleicher 

Weise   verzierter  Spinuwirtel,   ein   Klopfstein   und   Knocheureate, 

aus  Grosswinternheim. 
Reichverzierte   Urne    der   Bronzezeit   mit   Thonperlen,    ornamentierter 

Spinnwirtel  und  Bruchstück  eines  Schmelztöpfchens,  aus  Bauchheim. 
Eine  mit  Dreiecken  und  Punkten  verzierte  graue  Urne,  neolithisch,  aus 

Königsstadt. 
Ein  goldener  Bauernring,  von  Herborn. 
Bronzepfanne  mit  etruskischem  Stiel,  angeblich  aus  Köln. 
Römische  Vogolfigur  mit  Jungen  auf  dem  Rücken  aus  Thon,  von  Köln. 
*  Achatperlen  von  Andernach. 
Zwei  Haarpfeile  und  sieben  Frauenkämme  aus  Hörn,  von  Herborn. 
Eine  ganz   bedeutende  Kollektion   von    alten   Landestrachten    aus    den 

verschiedenen  Kreisen  des  Nassauer  Landes,  in  erster  Linie  cha- 
rakteristisch  durch   die   zierlich   gestickten  Kopfbedeckungen  der 

Frauen  und  Mädchen  (sogen.  Kommödchen). 


247 

Wir  verdanken  dieselbe  nach  der  durch  Herrn  Zorn  zu  Hofheim  in  der 
vorletzten  .Generalversammlung  gegebenen  Anregung  der  unermüdlichen  und 
opferwilligen  Thätigkeit  des  Herrn  Landgerichtsrats  Düssell,  welchem  wir  auch 
an  dieser  Stelle  für  diese  ganz  neue  und  ausserordentlich  interessante  Bereiche- 
rung unseres  Museums  den  herzlichsten  Dank  aussprechen! 

Folgenden  Personen  haben  wir  für  die  freundliche  Förderung,  welche  sie 
unserer  Trachtensammlung  durch  Zuwendung  von  Geschenken,  durch  Erteilung 
von  Auskunft  oder  in  anderer  Weise  während  des  Jahres  1894  haben  zuteil 
werden  lassen,  hier,  mit  der  Bitte,  auch  fernerhin  den  Verein  in  seinen  Be- 
strebungen zu  unterstützen,  unseren  verbindlichsten  wärmsten  Dank  auszu- 
sprechen : 

Herrn  Professor  Braun  zu  Hadamar, 

„      F.  R.  Born  zu  Wallau, 
Frau  Dr.  med.  Cuntz  Wwe.  aus  Heidelberg,  z.  Z.  in  Wiesbaden, 
Herrn  Landgerichtsrat  Ebenau  zu  Limburg  a.  d.  L., 
„      Kaufmann  Flügel*)  zu  Montabaur^ 
„       Rechner  Groos  zu  Steinebach, 
Fräulein  Habel  zu  Wiesbaden, 
Herrn  Gerichtsassistent  Hansen  zu  Usingen, 
„       Kaufmann  S.  Hess  zu  Wiesbaden, 
„      Postmeister  Hey  mann  zu  Wied-Selters, 
„       Rentmeister  Hieb  er  zu  Montabaur, 
Frau  Pfarrer  Hümmerich  Wwe.  zu  Aisbach, 
Herrn  Feldgerichtsschöflfen  Kolb  zu  Walsdorf, 

„       Bürgermeister  Bauer  zu  Cransberg, 
Frau  Bürgermeister  Metz  zu  Heftrich, 
Fräulein  L.  Ochs  zu  Wiesbaden, 
Herrn  Bürgermeister  Reinhard  zu  Steinebach, 
„       Bürgermeister  Reuter  zu  Brandoberndorf, 
„       Gastwirt  Rocken  feller  zu  Dierdorf, 
„       Bürgermeister  Schmidt  zu  Reichenbach, 
Familie  H.  Sparwasser  zu  Wallau, 
Frau  Pfarrer  Tecklenburg  zu  Heftrich, 
Herrn  Referendar  Tecklenburg  zu  Wiesbaden, 
„       Beruh.  Walch  zu  Hochheim, 
„       Renteisekretär  Zeyher  zu  Dierdorf. 


*)  Inzwisohen  Terstorben. 


17» 


Verzeichnis  der  Mitglieder .*) 


Vorstand. 

Direktor:  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschfltz. 

Sekretär:  Herr  Dr.  Adalbert  Schroeter. 

Konservator:  f  2.  12.  94. 

Ferner  die  Herren: 

Rentner  Oaab^ 
Landgerichtsrat  Keutner^ 
Oberlehrer  Dr.  Wedewer, 
Schuldirektor  Weldert, 
Dr.  med.  Ahrens, 
Oberlehrer  Dr.  Lehr, 
Landgerichtsrat  Düsseil, 
Major  a.  D.  Schliebeii. 


Ehrenmitglieder. 

Herr  Hodgkin,  Thomas,  Esqu.,  Falmouth. 

„  Dr.  Menzel,  Karl,  Professor,  Bonn. 

„  Dr.  Mommsen,  Theodor,  Professor,  Berlin. 

„  Otto,  Friedrich,  Professor,   Wiesbaden. 

„  Schuermans,  H.,  Premier  pr^sident  de  la  cour  d'appel,  Lüge. 


Korrespondierende  Mitglieder. 

Herr  Franz  Pascha,  Kairo. 

„     Dr.  Heider,  Sektionsrat  im  K.  K.  Minist,  f.  Kult.,  Wien. 


*)  Unsere  p.  T.  Mitglieder   werden  dringendst  ersucht,  VerÜnderungen  der  Titulatur 
und  des  Wohnortes,  sowie  etwaige  Berichtigungen  gütigst  dem  Sekretariat  mitzuteilen. 


249 

Herr  Hichelant^  Henry,    Conservateur  du  departemont  des  manuscripts  de  la 
Biblioth^que  nationale,  Paris. 

jf  Dr.  Naue^  Julius,  München. 

y,  Dr.  Overbeck,  Johannes,  Prof.,  Geheimer  Hofrat,  Leipzig. 

y,  Baron  de  Septenville^  Chäteau  Lignieres  (Poix). 

^  Prof.  Gr.  Tocllescn^  Bukarest  (Rumänien). 

Ordentliche  Mitglieder. 

I.  In  Wiesbaden. 

Herr  Abegg^  Philipp. 

„  Dr.  med.  Ahrens^  Friedrich,  Arzt. 

„  Aufermann^  Wilhelm,  Rentner. 

„  von  Aweyden,  Adolf,  Ober-Regierungsrat. 

^  Bartling^  Eduard,  Rentner  und  Stadtrat. 

„  Bechtold^  Rudolf,  Buchdruckereibesitzer. 

„  Becker^  Ludwig,  Kaufmann. 

„  Beckel^  Jacob,  Bauunternehmer. 

„  Beger^^  Heinrich,  Rechnungsrat,  Rendant  des  Vereins. 

„  Bergmann^  Fritz,  Yerlagsbuchhändler. 

y,  Berl^^  Ferdinand  B.,  Banquier. 

„  Dr.  med.  Berlein^  Martin,  Arzt. 

„  Dr.  med.  Bertrand^  Carl,  Geh.  Sanitätsrat. 

„  Baron  Ton  Bistram. 

^  Bojanowsky^  Julius,  Rechtsanwalt. 

„  Bossong^  Franz,  Buchhändler. 

„  Dr.  Brackebusch^  Ernst,  Besitzer  der  Oranien-Apotheke. 

^  Ton  Brandt^  Excellenz. 

„  Dr.  phil.  Bredemann^  Carl  Otto. 

„  Dr.  phil.  Bröcking^  Wilhelm. 

„  Busse^  Louis,  Rentner. 

y,  Bfidlngen^  Wolfgang,  Kaufmann  und  Badhausbesitzer. 

„  Caesar^  Clemens,  Regierungsrat. 

„  Dr.  veter.  med.  Christmann^  Heinrich,  Tierarzt. 

„  Dr.  med.  Conrady^  Max,  Geh.  Sanitätsrat. 

„  Gonrady^  Ludwig,  Pfarrer  a.  D. 

„  Gramer^  Landgerichtspräsident. 

„  Dr.  theol.  de  la  Croix,  Otto,  Oberregierungsrat  und  Konsist.-Präs.  a.  D. 

„  Dahlen^  H.  W.,  Generalsekretär  des  deutschen  Weinbauvereins. 

„  Dormann^  Philipp,  Bauunternehmer. 

„  Drexel,  Jacob,  Kaufmann. 

.,  Dfissell^  Hermann,  Landgerichtsrat. 

„  Freiherr  von  Eberstein,  Alfred,  Oberst  z.  D. 

,  Ebhardt,  Karl,  Privatier. 

^  Eckerlin^  Heinrich,  Bauunternehmer, 


250 

Herr  Elgershausen^  Luitpold. 

„  Engelmann^  Rudolf,  Justizrat. 

yt  Dr.  theol.  Ernst^  Carl,  Generalsuperintendent. 

„  Faber,  Rudolf,  Chemiker. 

„  Fehr,  Theodor,  Fabrikbesitzer. 

„  Fischbach,  Friedrich,  Geworbeschuldirektor  a.  D. 

„  Flindt,  Wilhelm,  Königl.  Kanzleirat  a.  D. 

„  Flock,  Friedrich,  Architekt. 

„  Dr.  med.  Florschütz,  Bruno,  Sanitatsrat. 

„  Flflgel,  Wilhelm,  Kaplan. 

„  Fohr,  Otto,  Gerichts-Assessor. 

„  Dr.  med.  Frank,  Georg. 

„  Freinsheim,  Friedrich,  Rentner. 

„  Dr.  Fresenius,  Remigius,  Geh.  Hofrat,  Professor. 

„  Dr.  Fresenius,  Heinrich,  Professor. 

„  Friedrich,  Lothar,  Pfarrer. 

„  Fritz,  Heinrich,  Rentner. 

„  Fritze,  August,  Professor,  Oberlehrer. 

„  Fuchs,  Wilhelm,  Landgerichtsrat  a.  D. 

„  Gaab,  Christian,  Rentner. 

„  Gecks,  Leonhard,  Buchhändler. 

„  Dr.  med.  Gerlach,  Valentin. 

„  YOn  Goeckingk,  Hermann,  Kgl.  Kammerherr  und  Premierlieutenant  a.  D. 

„  Götz,  Friedrich,  Hotelbesitzer. 

„  Gornicki,  Wladislaus. 

„  Gräber,  Ferdinand,  Kommerzienrat. 

„  Dr.  jur.  Grimm,  Julius,  Professor. 

„  Groschwitz,  Carl,  Buchbinder. 

„  Guttmann,  Rechtsanwalt. 

„  Dr.  med.  Güntz,  Theobald,  Privatier. 

„  Dr.  Hagemanii,  Arnold,  Kgl.  Archivar. 

„  Heibig,  Hermann,  Baurat,  Kreisbauinspektor. 

^  Mensel,  Carl,  Rentner. 

„  Hensler,  Joseph,  ständischer  Ingenieur  und  Inspektor. 

„  Menzel,  Nicolaus,  Ingenieur. 

„  Herrmann,  Johannes,  Inspektor. 

„  Hess,  Johannes,  zweiter  Bürgermeister. 

„  Hess,  Simon,  Kaufmann  und  Stadtverordneter. 

„  Dr.  med.  Heubacb,  Hans,  Arzt. 

„  Hey'l,  Ferdinand,  Kurdirektor,  Kais.  Ottomanischer  Vicekonsul. 

„  Dr.  Hilfrich,  Jos.,  Kaplan. 

„  Dr.  phil.  Hintz,  Ernst  Jacob. 

„  von  Hirsch,  Friedrich,  Kaufmann. 

„  Höhn,  August,  Polizeirat. 

„  Dr.  jur.  von  Ibell,  Oberbürgermeister,  Mitglied  des  Herrenhauses. 


251 

Herr  Dr.  med.  Ideler^  Carl,  Geh.  Sanitätsrat. 

y,  Isenbeck,  Julius,  Rentner. 

^  Kaufmann^  Wilhelm,  Architekt. 

„  Keim^  Wilhelm,  Landgerichtsrat. 

„  Dr.  theol.  Keller^  Adam,  päpstl.  Hausprälat,  Ueistl.  Rat,  Dek.  u.  Stadtpfarrer. 

„  Keutner^  Joseph,  Landgerichtsrat. 

„  Kissling^  Carl,  Möbelfabrikant. 

„  Kleidt^  Friedr.  Wilh.,  Spengler. 

„  Knauer^  Friedrich,  Rentner. 

Frau  Freifrau  Yon  Knoop. 

Herr  Koch^  Gottfried,  Kaufmann. 

^  Kolb^  Richard,  Major  a.  D. 

„  Kreide],  Carl,  Mechaniker. 

„  Kriege,  Ernst  Jacob,  Oberst  a.  D. 

,  Kurtz,  Leonhard,  W.,  Hofphotograph. 

„  Dr.  phil.  Kurz,  Hermann,  Apotheker. 

„  Labes,  Otto  Friedrich,  Oberst  a.  D. 

„  von  Lehmann,  Peter,  Generallieutenant  a.  D. 

„  Leisler,  Ernst,  Rechtsanwalt. 

„  Leo,  Ludwig,  Rentner. 

„  Lex,  Adolf,  Regierungsassessor. 

„  Limbarth,  Christian,  Buchhändler. 

„  Dr.  med.  Lossen,  Hermann,  Arzt. 

„  Freiherr  Low  Yon  Steinfart,  Erwin,  Oberlieutenant  a.  D. 

„  Dr.  phil.  Lohr,  Friedrich,  Oymnasialoberlehrer. 

„  Lfitzenkirchen,  Heinrich,  Buchhändler. 

„  Mäckler,  Heinrich,  Rentner  und  Feldgerichtsschöfifo. 

„  Xeinardus,  Dr.  Otto,  Archivar. 

„  Mensing,  F.,  Vizeadmiral  z.  D. 

„  Dr.  phil.  Merbot,  Reinhold,  Sekretär  der  Handelskammer. 

„  Dr.  med.  Meurer,  Carl,  Augenarzt. 

,  Mondorf,  Georg,  Hotelbesitzer. 

„  Moritz,  Joseph,  Buchhändler. 

„  Nicol,  August. 

„  Dr.  Niederhäuser,  Emil. 

„  Niemer,  Louis,  Rentner. 

„  Nitzsche,  Ferdinand. 

„  Nortershäuser,  Gisbert,  Buchhändler. 

„  Nötzel,  Wilhelm,  Fabrikbesitzer. 

„  Olsson,  Hans  Hermann,  Juwelier. 

„  Opitz,  Hermann,  Oberregierungsrat  und  Konsistorialpräsidcnt. 

y,  Dr.  phil.  Otto,  Heinrich,  Gymnasiallehrer. 

„  Dr.  phil.  Panzer,  Conrad,  Königlicher  Archivar. 

„  Peipers,  Hugo,  Rentner  und  Stadtverordneter, 

jj  Yon  Pestel,  Eduard,  Oberst  a.  D, 


352 


I 


Ilerr  Dr.  med.  Pfelfffer^  Emil,  Sanitätsrat 
^     Polil,  Joseph,  Weinlmndler. 
,     PreyiTt  Wilh.,  Dr.  phil.  u,  med.,  Prot,  Hofrat 
j,     (|«iel,  Oufitav. 

„     Re lisch,  Heiririch^  aerichtareferetidapi 
„     itictitor,  Moritz,  Landgerichtsrat. 
„     Kitter,  Carl,  Buchdruckereibesitzer. 
„     Dr.  phiL  RItterlInt,',  Emil. 
,     Dr*  jur.  Roiiieiss,  HermaQo,  Rechtsanwalt. 
^     Dr<  med*  Roser,  Carl,  Spezialarzt  für  Orthopädie. 
,     Itüdi^  Ilomridi,  KaufmauD. 
^     RoHl>»ttf  Lambert,  Geh,  Regier utigsrat, 
„     Dr.  phiL  Rii]){ie],  Carlj  Oberlehrer. 
^     r^  HftcliB«  Änitiärlehter. 
„     Sartörliiis,  Adalbert^  Oherfttliout^Dant  z.  D* 
,     SartoHu«,  Otto,  Landesdirektor. 

n     Dr.  phil»  Hauer,  Williolm,  Staatsarchivar  und  Arohivrat 
^     TOri  Sftielihat  Dietrielj,  Oberst  a.  D. 
„     ScliellenheriJ,  Alfred,  Architekt, 
„     Hi'hi^lf'ithürg,  Carl,  Rentner. 
^     Scholl eiiberg^  Loui!),  Buchdruckereibesitzer. 
„     xmi  S(*h«»Teii,  Wilhelm,  Botschaftsbeamter  a.  D, 
„     Schii*r©iiherg,  Erust,  Reutaer, 
«     Hclilaatit,  Wilhelm,  Oberlehrer, 
y,     Schlleben,  Adolf,  Major  a.  D. 
„     Schleldt,  Adam,  Gerichtsvollzieher. 
„     Schmitt,  Adam,  Rentner  und  Stadtverordneter. 
^     Dr.  phil.  Schmitt,  Conrad,  Hofrat. 
^     Schneider,  Theodor,  wissensch.  Hilfslehrer. 
„     Schroeter,  Adalb.,  Dr.,  Kustos  an  der  Kgl.  Laudcsbibhothek. 
„     Schroeter,  Hermann,  Pfarrer  a.  D. 
„     Schüler,  Theodor,  Archiv-Kanzlei-Sekretür. 
^     Schultz,  Otto,  Oberst  a.  D. 
,     Schütte,  Alex.,  Major  a.  D. 
jy     von  Schweder,  Adolf,  Oberst  z.  D. 
„     Schwedersky,  W.,  Lieutenant  a.  D. 
„     Schweisi^uth,  Carl,  Rentner. 
Durchlaucht  Prinz  Albrecht  zu  Solms-Rraunfels. 

Dr.  phil.  Spielmann,  Christiao,  Schriftsteller. 

Stein,  Christian,  Rauunteruehmer  und  Stadtverordneter. 

Stinnes,  Matthias,  Geologe. 

Dr.  Stobbe,  H. 

Stolley,  Harald,  Hofdentist. 

Strasburger,  Paul,  Banquier. 

von  Tepper-Laski,  Victor,  Regierungspräsident. 


8c. 


253 


Herr  Thflsing^  Georg,  Landrichter. 

9  Thönges^  Hubert  Christoph,  Justizrat. 

Frau  Todd. 

Herr  Trog,  C,  Lehrer  a.  D. 

,  Thumeyssen,  Alexander,  Bentner. 

„  Dr.  phil.  Tietz,  Oscar. 

„  Tschacher,  Oswald,  Rentner. 

„  Vietor,  Moritz,  Schulvorsteher. 

„  Yogelsberger,  Wilhelm,  Oberingenieur  a.  D. 

„  Wagner,  Carl. 

„  Dr.  theol.  Wedewer,  Hermann,  Oberlehrer. 

,  Weidenbusch,  Hans. 

„  W^eldert,  Carl,  Direktor  der  höheren  Töchterschule. 

„  Wiencke,  Rudolf,  Königlicher  Lotterie-Einnehmer. 

„  Wilhelmy,  Otto,  Landgerichtsrat. 

„  Dr.  jur.  Wilhelmy,  Albert. 

„  Willet,  Martin,  Architekt  und  Stadtverordneter. 

„  Winter,  Ernst,  Baurat,  Stadtbaudirektor. 

„  von  Wunster,  Wilhelm,  Oberst  a.  D. 

y,  Wissmann,  Eduard,  Landgerichtsrat. 

„  Worst,  Hermann,  Seminardirektor  a.  D. 

„  Zais,  Wilhelm^  Hotelbesitzer. 

„  Zedier,  Gottfried,  Dr.  phil.,  Kustos  der  Königl.  Landesbibliothek. 


n.  Ausserhalb  Wiesbadens. 

Herr  Dr.  von  Achenbach,  Heinrich,  Staatsminister  u.  Oberpräsident,  Potsdam. 

„  Achenbach,  A.,  Königl.  Berghauptroann,  Klausthal. 

„  Dr.  Alefeld,  Darmstadt. 

„  Almenröder,  Pfarrer,  Ober-Biel  (Kreis  Wetzlar). 

„  Anthes,  Eugen,  Pfarrer,  Nassau. 

„  Balzer,  Pfarrer,  Bromskirchen. 

„  Bahr,  Joseph,  Landwirt,  Frauenstein  bei  Wiesbaden. 

„  Bahl,  Chr.,  Ehren-Domherr,  Bischöfl.  Kommiss.  u.  Stadtpfr.,  Frankfurt  a.  M. 

,  Batton,  Postmeister,  Nassau. 

„  Bauer,  Oberstlieutenant  an  der  Schiessschule,  Köln. 

„  Baunach,  Wilhelm,  Frankfurt  a.  M. 

„  Dr.  Beck,  Ludwig,  Hüttendirektor,  Rheinhütte  bei  Biebrich. 

„  Dr.  Beckmann,  Fr.,  Landrat,  Usingen. 

,  Bellinger,  Kgl.,  Bergrat,  Braunfels. 

„  von  Bertouch,  Geh.  Regierungsrat  a.  D.  und  Kammerherr,  Biebrich. 

„  Bimler,  Oberbergamtsmarkscheider,  Breslau. 

„  von  Boch,  Eugen,  Geh.  Kommerzienrat,  Mettlach. 

Frau  von  Boch,  Ziegelberg  bei  Mettlach. 

Herr  Dr.  Bodewig,  Oberlehrer,  Oberlahnstein. 


354 


Herr  Bom^  Landgerichtsral,  Limburg  a.  J*  Lahn. 

„  Dr,  phih  Braun,  ÄoBelm,  Profeasory  Oberlehrer,  Hadamur» 

„  BrofTt^  L.  H.,  Fiankfurt  a.  M. 

„  Dr.  phil  Freiherr  von  Cansteiii,  Ökonomierat,  Berlin, 

„  Dr.  Clenien^  Paul,  Promzialkonservator  d.  Rhein  pro  vius^^  Bonn, 

„  Cotirady«  Wilhelm,  Kreiarichter  a.  D.,  Miltenberg  a.  M. 

„  Delssnianii,  Pfarrer,  Erbach  am  Rhein. 

^  Dr,  med.  Dettweller,  Peter,  Geb.  Sauitatsrat,  Falkenitein  i.  T* 

^  von  Dotiopf  Hiigo,  Major  z,  D.  und  Oberhofmciötürj  Weimar, 

,  Dr.  med,  Bflttniann,  OHo,  Arzt,  Montabaur. 

Frau  Baronin  von  Dangern^  Schlosa  Dehrn  bei  Liraburg  a.  d.  Lahu, 

Herr  Byckerhoff,  Rudolf,  Fabrikbesitzer,  Biebrich. 

„  Eggert,  Hermann,  Regierunga-  und  Baurat. 

^  Graf  zu  Eltz,  Carl,  EltviUe. 

,  Engelhanl,  Otto,  Fabrikant,  Hofheim  im  Taunua. 

„  Graf  211  Eulenlmrg^  Botho,  Miniaterpräsideut,  Berlin. 

fl  Feldner^  Lehrer,  Kassel 

„  Dr*  phil.  Fleckeisent  Professor,  Dresden. 

»  Dr,  pbiL  Focke,  Rudolf,  Kuatoi  der  KgL  Üniv.-Bibliothek,  Oöttingeo. 

^  Fonekj  Geb.  Regierungsrat,  Rüdesbeim« 

n  Dr.  phil  Forst,  H.,  Osnabrück. 

„  Fromme»  Landrat,  Dillenburg. 

ji  Crerhanlus,  Amtsrichter  in  Limburg  a.  d.  Lahn. 

^  Goltz^   B.,    Major  im  Westfälischen  Infanterie-Regiment  No.  57,    Wesel. 

^  Uossmann^  C.  G.,  Kloppenheim  (Post  Bierstadt). 

„  Dr.  Grandhomme^  Sanitätsrat,  Kreisphysikus,  Frankfurt  a.  M. 

„  Haas^  P.,  Rektor  des  Realgymnasiums,  Limburg  a.  d.  L. 

,,  Dr.  phil.  Hammeran^  A.,  Frankfurt  a.  M. 

yy  Hauch,  Rudolf,  Frankfurt  a.  M. 

„  Hecker,  Gerichtsschreiber,  Nassau. 

„  Dr.  Hegert,  Archivrat,  Geh.  Staatsarchivar,  Berlin. 

„  Dr.  med.  Herxheimer,  Salomon,  Sanitätsrat,  Arzt,  Frankfurt  a.  M. 

^  Hess,  Heinrich,  Weinkommissionär,  Östrich. 

^  Freilierr  v.  d.  Heydt,  Landrat,  Homburg  v.  d.  H. 

^  Heyn,  Pfarrer,  Marienberg. 

,,  Heyne,  M.,  Oberlehrer  am  Real-Progymnasium,  Biebrich. 

^  Hilf,  Hubert  Arnold,  Justizrat,  Rechtsanwalt,  Limburg  a.  d.  Lahn. 

yy  Hillebrand,  Professor,  Oberlehrer.  Hadamar. 

„  Hilpisch,  Johaun  Georg,  Pfarrer,  Direktor  der  St.  Leonhardskirche,  Frank- 
furt a.  M. 

^  HoiTmann,  Gutsbesitzer,  Niederhöchstadt  (Post  Cronberg  i.  T.). 
Se.  Königliche  Hoheit  Leopold  FOrst  von  Hohenzollern,  Sigmaringen. 

Herr  Hosseus,  Inspektor  der  Heilanstalt  Falkenstein  i.  T. 

„  Hubaleck,  IL,  Limburg  a.  d.  L. 

„  Jaeobi,  Baumeister,  Homburg  v.  d.  H. 


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lljUTi'n^  Major  iu  Jer  Kgl.  Niedeilüud.  Armee,  PaJang  (Kü^aradjii),  Öuiaatm. 

Uraf  von  Ingolholm,  Gei8euheim< 

Dr.  Kalle^  Komraerzieorat,  Biebrich, 

Eaiifmanii,  HeiDricJi,  Gerbereibesitzer,  Lorclu 

Kt>Ilor,  Juj^Hzraf,  Rechtsanwalt  und  Notar,   Limburg  a.  d.  L. 

Gräfin  von  Kielmaiiiisoi^ge,  Nassau. 

Kirchberger,  Josef,  Ems  (Bad  Eras), 

Dr.  tlieol.  Kkin,  Karl,  Rischof,  päpstl.  Hausprälat,  Limburg  a.  d*  L, 

von  Knebel,  Heinrich^  Oberst  z.  D ,  Sonncnbcrg  bei  Wiesbaden. 

Konlgsteiu,  Kilian,  Pfarrer,  Bornheim  bei  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  pbil,  KrauSj  B\  X»,  Professor,  Freiburg  i.  B, 

Kr5ck,  Hauptmann  a.  D.,  Berlin. 

TOii  Lade,«  E.,  Geisenheim. 

Leonhar«),  Phil  Hermann,  Bildbauer,  Eltville  a*  Rh- 

Dr.  Lieber,  Reichstags-  und  Landtagsabgoordneter,  Caraborg. 

Losten,  Oberlaudeägerichtsrat,  Frankfurt  a.  M» 

Lnca^^  Fr.,   Hilfslehrer,  Weil  bürg  a.  d.  L. 

lHaImro8,  Amtsrichter,  Limburg  a,  d.  L. 

Hanger^  Fr.,  Pfarrer,  Dillenburg. 

Freiherr  Marschall  von  Bieberstüin,  Oberst  a.  D.,  Woilburg. 

Gräfin  von  Matuschka^  8chlo8s  VoUrads  bei  Winkel  a.  Rh, 

MeckeL  »T.  Fr,,  Kaufni.inn,  Herborn, 

Dr.  med.  Michel,  Theodor,  Arzt,   Niederlahnstein. 

Mourean^  Pfarrer,  Erbenheim  bei  Wiesbaden. 

Müller,  Mich,,  Pfarrer,  Beck  (Kreis  Westerburg). 

Müllers,  Erster  Seminarlehrer,  Montabaur. 

Mulot,  Heinrich,  Rentner,  Haiger. 

Müsset»  Landgericbtsrat,  Limburg  a,  d,  L. 

Nick,  Pfarrer,  Salzig  bei  Boppard. 

Oi»permaun^  Ferdinand,  Bad  Soden. 

Osterroth,  Arthur,  Rittergutsbesitzer,  Schloss  Schönberg  bei  Oberweseh 

Ott,  Joseph,  Gymnasiallehrer,  Merzig  a,  d.  Saar. 

Dr.  Peters,  (!!).,  Schierstein. 

Pfarrins,  Alexander,  Pfarrer,  Dodenau  (Post  Battenberg). 

Pfau,  Emil,  Direktor  der  Aktienbrauerei,  Nassau. 

Pieponbrins:^  Georg,  Schloasermeister,  Königstein  i.  T. 

Freiherr  von  Preusche«  und  zu  Liebenstein,  Forstmoistor,  Riidesbeim. 

Puleh,  Gerichtsschreiber,  Katzonelnbogen. 

Reichert,  Domänen-Rentmeister,  Weilburg. 

Reifenrath,  H,,  Niederlahnstein. 

von  Reinach,  Albert,  Frankfurt  a.  M. 

Dr.  med.  Bein  hold,  Medizinalrat,  Eisenberg  (Sachsen-AUonburg). 

Reusch,  C,  Ed.,  Bürgermeister,  ObcrlAhnstein* 

Reuter,  Fritz,  Weinhändler,  Rüdesheim. 

Riedel,  Amtsgorichtsrat,  Frankfurt  a.  M^ 


2S6 

Herr  Rocker,  F*,  Lehrer,  Haiger, 

.,     Schelleiiborg^  Carl  Pfarrer,  Battenberg. 

.,     Hcliilo,  Wilhelm,  Pfarrer  und  Kreia-Schulinspektor,  Idstein. 

,,     Sehlitt,  J.,  Dekan,  Eltville. 

.,     Schtiitdt,  Landgerichtsdirektor,  Limburg. 

„     ScIimitK,  Johann  Peter,  Professor,  Oberlehrer,  Mootabaur, 

„     Dr,  Schneider,  Friedrich,  Domkapitular,  Oeistl.  Rat,  Mainz. 

j,     Schneider,  Robert,  Pfarrer,  Bnchenau  (Kreis  Biedenkopf). 

„     Scholl^  Bernhard,  Riidesheim. 

„     Schreiner,  Pfarrer,  Barmen. 

,.     Schrödor.,  X,  FahrLkaot,  Oborlahnateio. 

,,     Schulz,  Forstmeister,  Kaub, 

„     Schaster,  Pfarrer,  Frischborn  bei  Lauterbach  (Oberhessen). 

^,     Seckels^  Genehtäassesaor,  Montabaur. 

M     Heyherth,  Geh.  Regierungsrat,  Landrat,  Ilanau. 

„     Hiegelj  Johannes,  Pfarrer,  Weilburg. 
Se.  Durchlaucht  Heorg  Friedrich  Fürst  zu  Si>lmH-BraiitireLs. 
Se.  Erlaucht  Friedrich  (iraf  zu  Solnis-Laubaeh^  Laubach  (Oberhesscol 
Herr  Stahl,  Amtsgorichtsrat,  llaeheuburg. 

„     Steinfaeimer^  C.  J.  B.,  Clutsbesitzor,  Östrioh* 

,.     Stier,  Hauptmann  a.  D.,  Fürsten walde. 

„     StiflY,  Amtsgerichtsrat,  Höchst  a.  M. 

„     Stipjiler,  BergwerksbesitÄcr,  Limburg  a.  d.  L. 

,,     Stol!',  L.,  Dechant,  Kassel. 

,,     Sturm,  E*,  Weingutsbesitzer,  Rüdesheim. 

„     Thewaldt,  Aratsgerichtsrat,   Ems. 

„     Tilemauu^  Amtsriehter,  St.  Goarshausen. 

,,     Trosiener,  F.,  Ingenieur. 

„     Dr.  phil,  Vdke,  Wilhelm,  Stadtbibliothekar,  Mainz. 

„     Yöaiel,  E.,  Pfarrer,  Hamburg  v.  d.  H. 

.^     Yogel,  Arnold,  Pfarrer,  Kirborg. 

,,     Yogei,  H,  A.,   Pfarrer,  Eppenrod  (Post  Nenterahausen,  Uez.  WieobaS 
Frl.   Vogler,  Emilie,  Ems. 
Herr  Wahl,  Pfarrer,  Rüdesheim. 
He,  Durchlaucht  Fürst  za  Waldeck,  Arolaen. 
Herr  Walter,  M.,  Rentner,  Schloss  Outenfels  bei  Kaub. 

„     Wehrhehn,  Wilhehn,  Direktor  des  Taubstunimen-Iniititut^  Camberg,      m| 

,,     W  idmanii,  Bernhard,  Frühraesser,  Eltville,  H 

..     Dr,  phil.  Widmaun,  S.,  Rektor  des  Real-Progymnaöium»,  Uberlubnateie. 
Se.  Durchlaucht  Wilhelm  Fürst  zu  WIeil,,  Neuwied. 
Herr  Wllhelmi*  (ieorp,  Pfarrer,  Die2, 

Wllhelm.v,  August,  Prokurator,  Ilattenheim. 

.,     Willi,  Doraiuikus,  Abt,  Abtei  Marienstatt  (Post  Hacheuhm 

,.     Zorn,  Riohani,  ObstbauraöchulbeöitÄer,   Hofh*M'm  i.  T, 


iL^m 


^m 


257 


in.    Ordentliche  Mitglieder  sind  femer  folgende 
Archive,  Behörden,  Bibliotheken,  Kuseen  und  Vereine. 

Berlin: 

Königliche  Bibliothek  (W.,  Platz  ara  Opernhause). 

Königliche  geologische   Landesanstalt  und   Berg-Akademie 
(N.,  Invalidenstrasse  44). 

KöniglichesKunst-Gewerbe-Mu8eum(SW.,  Prinz  Albrechtstrasse). 
Biebrich: 

Real- Progymnasium. 
Biedenkopf: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Biedenkopf. 

Königliches  Real-Progymnasium. 

Cassel : 

Ständische  Landesbibliothek. 
Coblenz: 

Königliches  Staatsarchiv. 
Darmstadt: 

Qrossherzoglich  Hessisches  Haus-  und  Staatsarchiv. 
Diez: 

Kreisausschuss  des  Unterlahnkreises. 

Real-Progymnasium. 
Dillenbnrg: 

Königliches  Gymnasium. 

Kreisausschuss  des  Dillkreises. 

Historischer  Verein. 
Ems: 

Real-Progymnasium. 
Erbach  im  Odenwald: 

Gräflich  Erbachisches  Qesamthaus-Archiv. 
Frankfürt  a.  M.: 

Kreisausschuss  des  Landkreises  Frankfurt  a.  M. 

Magistrat. 

Stadtbibliothek. 
St.  Goarshausen: 

Kreisausschuss  des  Kreises  St.  Qoarshausen. 
Hadamar: 

Königliches  Gymnasium. 
Herbom: 

Altertumsverein. 
Höchst: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Höchst 


258 


llomhurg  T.  iL  Höhe: 

Erebaussehaas  dea  ObertautiuskreiaeB, 
Latigen8€hwiilhaeh : 

Kreisauaschuas  de»  Untertaunuakreinf^B, 
Liuiliiirg  a.  d.  Lahn: 

RreiaauBschusii  dea  Kraisos  Limburg, 

Hai  112: 

SUdtbibliothek, 
larb0rg ; 

Köoiglichea  Staataarehiv. 
Marienberg: 

Kreisausachusa  dea  Oberweiterwaldkreiaea, 
Montabaur: 

Ivrüisausschuaa  dea  Untarwesterwaldkreiaea, 
Rndeslieini: 

Erelaausächusa  dea  RheiDgaukreiaes. 
Srhlangenbad: 

Königliche  Eurkommi^aiüD. 
NchneldmflhU  (bei  Audenachmiedef  Post  WeilniuBater): 

GesellBchaft  „Erholung", 
Usirtgeu: 

KrpiBauäachuas  des  Ereiaca  Uaingen. 
Wellburg : 

Ereisausschuss  des  Oberlahnkreises. 

Westerburg : 

Ereisausschuss  des  Ereises  Westerburg. 

Wetzlar: 

Eönigliches  Staatsarchiv. 
Wiesbaden : 

Bezirksverband  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden. 

Eönigliches  Gymnasium. 

Ereisausschuss  des  Landkreises  Wiesbaden. 

Magistrat. 

Eönigliches  Staatsarchiv. 


Verzeichnis 

der 

Akademien^  Gesellschaften^  Institute  und  Tereine,  deren  Druckschriften 
der  Verein  in  regelmässigem  Schriftenaustausch  erhält/) 


Aachen,  Geschichtsverein. 

,  Verein  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Aar  au,  Historische  Gesellschaft  des  Kantons  Aargau. 
Abbaye  de  Maredsous  (Belgien).    [„Revue  benedictine^.] 
Altenburg,  Geschichts-  u.  altertumsforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes. 
Amiens,  Societe  des  antiquaires  de  Picardie. 
Amsterdam,  Koninklijke  Akademie  van  Wetenschappen. 
Annaberg,  Verein  für  Geschichte  von  Annaberg  und  Umgegend. 
Ansbach,  Historischer  Verein  für  Mittelfranken. 
Antwerpen,  Academie  d'arch6ologie  de  Belgique. 
Augsburg,  Historischer  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg. 
Bamberg,  Historischer  Verein  für  Oberfranken. 
Basel,  Historische  und  antiquarische  Gesellschaft. 

Bayreuth,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Oberfranken. 
Berlin,    Verein  für   Geschichte  der   Mark  Brandenburg.     [„Forschungen  zur 
Brandenburgischen  und  Preussischen  Geschichte'^.] 

,  Verein  für  die  Geschichte  der  Stadt  Berlin. 

,  Archäologische  Gesellschaft. 

,  Verein  „Herold". 


,  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

,  Reichs-Postmuseum. 

,  Märkisches  Provinzial-MuBeum. 

Bern,  Historischer  Verein  des  Kantons  Bern. 

Birkenfeld,  Verein  für  Altertumskunde  im  Fürstentum  Birkenfeld. 

Bistritz,  Gewerbeschule. 

Bonn,  Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskunde. 

,   Verein  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande. 


Brandenburg  a.  d.  H.,  Historischer  Verein. 
Bregenz,  Museums- Verein. 


*)  Die  mit  *  beietchneten  Zeitochrifien  hftlt  der  Verein  aaf  eigene  Rechnung. 


^ 


Bremen^  Künstlerverein,  Abteilung  für  Geschichte  und  Altertumakunde. 

Breslau,  "ächleöische    Oeaelbchaft    für    vaterllindisclie    Kultur,    plilloäophiscfa« 
faistoriache  Abteilung. 

,    Verein  für  Geachichte  und  Altertum  Schlesiens. 

—- -,    Verein  für  das  Museum  schleaischer   Altertümer.    [„Schlesiens    Vor- 
zeit in  Bild  und  Schrift*'.] 

Bromberg,  Historische  Gegellschaft  für  den  Netscedtstt'ikt 

Brunn,  Mährisches  Gewerbemuseum. 

,  K.  K*  mähriseh-achlesische  Geaellachaft  zur  Beförderung  dm  Aeker- 

bauos,  der  Natur-  und  Landeskunde. 

Brüssel}  Societe  des  bollandistes. 

Bukare&t^  Revista  pentru  Istorie,  Aroheologik  si  Filologie. 

Charlergi,  Societe  paleoutologique  et  archeologitjne, 

Chemnitz,  Verein  für  Chemnitzer  Geschichte, 

Christiania,  Kongelige  Norske  Frederiks-Universitet. 

— ,  Museum  uordiacher  Altertümer, 

Copenhagen,  Kongelige  Nordiake  Oldskrift-Sebkab. 

Cottbus,  Niederlausitzer  GeselJschaft   für   Anthropologie   und  iUiertuni^kunda. 

Danzig,  Westpreussischer  Geschichtsverein* 

Darmstadt,  Historischor  Vereiu  für  das  Orosaherzogtum  Hessen. 

Dessau,  Verein  für  Anhaltische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

DilUngen,  Historischer  Vereio, 

Donaueschingeu,  Vereiu  für  Geschichte  und  Naturgeschichte  der  Raar 
der  augre uzenden  Länder. 

Dresden,  König],  sächsischer  Altertums  verein. 

,   Verein  für  Geschichte  Dresdens. 

Dürkheim,  Alterturasverein  für  den  Kanton  Dürkheim. 

Düsseldorf,  Düsseldorfer  Geschichts-Verein. 

Eichstätt,  Historischer  Verein. 

Eisenberg  (S.-Altenburg),  Geschichts-  und  altertumsforschender  Verein. 

Eisleben,  Verein  für  die  Geschichte  und  Altertümer  der  Grafschaft  Mansfeld. 

El  b  er  fei  d,  Bergischer  Geschichts  verein. 

Emden,  Gesellschaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Altertümer. 

Erfurt,  Königl.  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften. 

,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Essen,  Historischer  Verein  für  Stadt  und  Stift  Essen. 

Frankfurt  a.  M.,  Verein  für  Geschichte  und  Alterturaskunde. 

,  Taunusklub. 

Frankfurt  a.  d.  0.,  Historisch-statistischer  Verein. 

Freiberg,  Altertums  verein. 

Freiburg  i.  Br.,  Gesellschaft  für  Beförderung  der  Geschichts-,  Altertums- und 
Volkskunde  v.  Freiburg,  dem  Breisgau  u.  d.  angrenzenden  Landschaften. 

St.  Gallen,  Historischer  Verein. 

Gi essen.  Oberhessischer  Verein  für  Lokalgeschichte. 

Glarus,  Historischer  Verein  des  Kantons  Glarus. 


2C1 


I 
I 


I 


Görlitz,  Oberlauaitxische  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

OüttiDgen,  Kgl*  Gesellischaft  der  Wiaseusclmften.     Philolog.-hiator,  Klasse. 

Ora^t  Historischer  Verein  für  Steiermark* 

Greifs wald,  Rügisoh-Pomniorsche  Abteilung  der  GeaeiUchaft  für  Ponimorsche 

Geschichte  und  Altertum ftkiindp  in  Stralsund  und  Greifi§wald, 
Guben,  8.  Cottbus, 

Schw.  Hall,  Iliötorischer  Verein  für  Württembcrgiüch  Franken. 
Ilallo  a.  S.,  Tlmriogiaeh-Sächöischer  Verein  für  Erfor»ehung  dea  vaterländischen 

Ahertams  und  Erhaltung  seiner  Denkmale. 
Hamburg,  Verein  für  Haniburgische  Geschichte. 

Hanau,  Hanauer  Bezirks  verein  für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Hannover,  Historischor  Verein  für  Niedersachsen. 

Heidelberg,  Hist.-philosophiacher  Verein.    [„Neue  Heidelberger  Jahrbucher**,] 
Heilbronn,  Historischer  Verein. 

Hermannstadt,  Verein  für  Sieberibürgische  Landeskunde. 
Hobenleuben,  Voigtlandischer  altertumsforachender  Verein, 
Homburg  v.  d.   H.,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde, 
Jona,  Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Innsbruck,  Ferdiuaudeunj, 
loaterburg,  Altertumsgesellschaft. 

Eabia,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  zu  Kahla  und  Roda. 
Kaiserslautern,  Pfälzisches  Oewerbcmusoum, 
Karlsruhe,  Grossherzogliches  Museum. 

,  Die  Badische  hißtorische  Kommission.  [, Zeitschrift  für  die  Geachicht^ 

des  Oberrheins**.! 
Kassel^  Verein  für  hessische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Kempten,  Altertums- Verein  Kempten. 
Kiel,    Gesellschaft  für  Schleswig-Holsteiu-Lauenburgische  Geschichte. 

,  Anthropologischer  Verein  in  Schleswig-Holstein. 

Klagenfurt,  Kärntnerischer  Geschichtsverein • 

Köln,  Historischer  Verein  f.  d,  Niederrhein,  insbesondere  f.  d.  Erzdiözese  Köln. 

~,  Stadtarchiv. 

Königsberg  i.  Pr.,  Königliche  und  Universitätsbibliothek. 

,  Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft. 

,  Altertumsgeseilschaft  Prussia« 


Körnik  in  Posen,  Bibliotbeka  K«>rnicka. 

Krakau,  Akademie  der  Wissenschaften. 

Kreuznach,  Antiquar.-histor.  Verein  für  Nahe  und  Hunsrücken. 

Laibach,  Historischer  Verein  für  Krain. 
.       Landshut,  Historischer  Vorein  für  Niederbayern. 
H  Leiden,  Maatscbappij  der  uederlandsche  Letterkunde. 

Böhmisch- Leipa,  Nordböhmischer  Exkursionsklub. 

Leipzig,  Verein  für  üeschichte  Leipzigs. 

— ,  Museum  für  Völkerkunde. 

Lei  SD  ig,  GeBohichta-  und  Altertums  verein. 


18 


> 


262 

Lemberg,  Historischer  Verein.  [„Kwartalnik  hiBtorjcany,*'] 

Lincolo,  Nebraska  State  Hiötorical  Society, 

liindau  i.  B,,  Vereiu  für  Geschichte  des  Bodensees  uod  seiner  Umgebung« 

Li 0  55  (Österreich) j  Museum  Fraaciaco-CarolinuiiL 

Loüdoii^  Society  of  antiquariea  of  Loüdoa, 

-^  South  Ken  singt  OD  Museum* 

Lübecks  Verein  für  Lübeckiache  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Lüneburg,  Museums  verein  für  das  Püratentum  Lüneburg. 
Luxemburg,  Sectiou  hittorique  de  riustitut  Royal  Grand-duoal  de  Luxembourg, 
Luzoru,  Hiatoriaeher  Terein  der  fünf  Orte:  LuEern,  Uri,  Schwyz,  Uutorwalden 

und  Zug. 
Magdeburg,  Verein  für  Geschichte  und  Altertutuakunde  dee  Her^^ogtuma  uad 

Er^stiftB  Magdeburg, 
Mainz,  Verein  zur  Erforsehung  der  rheinisehen  Geschichte  und  AUertüm&r. 
Mannheim,  Altertum9?erein* 
Meiniugen,  Hennebergischer  altertumsforacbender  Verein, 

^,  Verein  für  Meiningiacho  C^eachichte  und  Landeakunde, 

Motssen^  Verein  für  Meiuiugiscfae  Geschichte  der  Stadt  Meisaen. 

Metz,  Verein  fiir  Erdkunde. 

Mölln  ]<  L.j  Verein  für  Geschichte  des  Herzogtums  Laueuburg. 

München,    KGnigL  bayeriache  Akademie  der  Wisaeuachaften^  phih-hist.  Klaaie.| 

— ,  Hiätoriicher  Verein  für  Oberbayern. 

,  Müncheoer  Altertums- Verein, 

Mün&ter,   Verein  für  Geschichte  uud  Altertumskunde  Weatfalena, 

Namur,  Societe  archeologique. 

Neubrandenburg,  Museumsverein. 

Neuburg  a.  D.,  Historischer  Verein. 

New-Castle,  Society  of  antiquaries. 

Novara,  Biblioteca  civica  di  Novara. 

Nürnberg,    Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg. 

,  Germanisches  Nationalmuseum. 

Offenbach  a.  M.,  Verein  für  Naturkunde. 
Oldenburg,  Oldenburger  Landes  verein  für  Altertumskunde. 
Osnabrück,  Verein  fiir  Geschichte  und  Landeskunde. 
Paris,  Societe  nationale  des  antiquaires  de  France. 

,  Revue  archeologique.* 

Buda-Pest,  Magyar  Tudomanyos  Academia.  (Ungarische  Akademie  der  Wissen- 
schaften.) 

,  Ungarische  Revue. 

,  Ethnologische  Zeitschrift. 

St.  Petersburg,  Commission  Imperiale  archeologique  Russe. 

Plauen  i.  V.,  Altertumsverein. 

Posen,  Historische  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen. 

,  Posener  Gesellschaft  der  Freunde  der  Wissenschaften. 

Prag,  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen. 


263 

Prag,  Lesehalle  der  deutschen  Studenten  zu  Prag. 

Prüm,  Gesellschaft  für  Altertumskunde. 

Stift  Raigern  (bei  Brunn).  [,,Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Benedietiuer- 

und  dem  Cistercienserorden**.] 
Regen 8 bürg,  Historischer  Verein  für  Oberpfalz  und  Regensburg. 
Reichenberg,  Nordböhmisches  Qewerbemuseum. 
Reutlingen,  Verein  für  Kunst  und  Altertum. 
Riga,  Gesellschaft   für  Geschichte    und    Altertumskunde    der    Ostseeprovinzen 

Russlands. 
Rio  de  Janeiro,  Museu  Nacional. 

Roda  (S.  Altenburg),  Der  geschichts-  und  altertumsforschende  Verein. 
Rom,  R.  Accademia  dei  Lincei. 

Saarbrücken,  Historischer  Verein  für  die  Saargegend. 
Salzburg,  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde. 

Salzwedel,  Altmärkischer  Verein  für  vaterländische  Geschichte  und  Industrie. 
Sarajevo,  Bosnisch-hercegovinisches  Landesmuseum. 

Schaffhausen,  Historisch -antiquarischer  Verein  des  Kantons  SchafFhausen. 
Schmalkalden,  Verein  für  Hennebergische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Schwerin,  Verein  für  Mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Sigmar ingen,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Soest,  Verein  für  die  Geschichte  von  Soest  und  der  Börde. 
Speier,  Historischer  Verein  der  Pfalz. 

Stade,  Zeitschrift  des  historischen  Vereins  für  Niedersachsen. 
Stettin,  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Stockholm,  Nordiska  Museet. 

,  Kongl.  Vitterhets  Historie  och  Antiquitets  Akademien. 

Strassburg,  Societe  pour  la  conservation  des  monuments  historiques  d^Alsace. 

,  Kaiserliche  Universitäts-  und  Landesbibliothek.     [„Jahrbuch   des 

historisch-litterarischen  Zweig  Vereins  des  Vogesenklubs".] 
Stuttgart,  Königliche  öffentliche  Bibliothek. 

,  Königlich  Württembergisches  Haus-  und  Staatsarchiv. 

Thorn,  Copernicus-Verein. 

Tokio  (Japan),  Imperial  University  of  Tokio. 

Torgau,  Altertums  verein. 

Trier,  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen. 

,  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift.* 

,  Limesblatt.     Mitteilungen  der  Strecken-Kommissare  bei  der  Reichslimes- 

Kommission.* 

,  Westdeutsche  Zeitschrift  für  Gewerbe  und  Kunst.* 

Tübingen,  Universitäts-Bibliothek. 

Ulm,  Verein  für  Kunst  und  Altertum  in  Ulm  und  Oberschwaben. 

Washington,  Smithsonian  Institution. 

Wernigerode,  Ilarzverein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Wien,  Kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften. 

,  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich. 


264 

Wiep,  Akademischer  Leseverein  der  K.  K.  Universität  Wien* 

,  AkadomiBcfaer  Yerem  deutscher  Iliatoriker. 

— — j  K,  K.  Centralkooittii^sion   zur   Erforechung  und   Erhaltung   der   Kuost*" 
und  historischen  Deukmale, 

j  AltertumaTereii]. 

— — ^  Ärchäologisch-epigraphischea  Semtnar  der  Fniversit^it  Wien» 

,  Äüthropologiflche  OeäelbchafL 

-  — ,  Kais.  KCmigi.  berahlbuhe  Gesellschaft  ,  Adler". 
Wiesbadeo,  Gewerbeveretn, 

' ,  YereiD  für  Naturkunde, 

— ^^  Bheinisefaer  Kurier* 

,  Handelskammer. 

W  0  r  m  a  ^  Altertumsverein . 

Würzburg^  H  ist  bischer  Verein  fiir  UntprCratikeu, 

Zürich,  Antiquarische  Oeaellschaft, 

^ ,  Allgemeine  gesehichtsfürüehende  Oeselkchafi;  der  Schweiz, 

Zwickau,  Altertums  verein  für  Zwickau  und  Umgegnud. 


I 


Inhalts-Angabe 


der 


Bände  I— XXVI  der  Annalen  des  Vereins  für  Nassauische  Altertumsicunde 

und  Gescliiclitsforscliung. 


Band  I^  erstes,  zweites  und  drittes  Heft  (vergriffen). 


Band  II,  erstes  Heft. 

Abhandlungen  und  Berichte:  1.  Über  das  Hedderuheimer  Mithras-Monament  im  Museum  su 
Wiesbaden,  in  Yergleicbung  mit  den  beröhmtesten  bis  jetst  bekannten  mithriscben  Denkmälern ; 
samt  einer  Abband  lang  über  den  mitbriscben  Symbolkreis  mit  Einweisung  auf  die  myibiscben 
Urbilder  desselben  im  alten  Hindostan,  Ton  Prof.  N.  MQller,  Mainz.  —  2.  Die  Domkircbe  zu 
Limburg,  in  historischer  und  architektonischer  Beziehung,  tou  Domkapitular  Dahl,  Mainz.  — 
3.  Historische  Nachrichten  yon  den  Bürgen  Driedorf,  Eigenberg  und  Holenfels  und  ihren  Be- 
sitzern den  Ton  Mudersbach,  yon  Pfarrer  C.  D.  Yogel,  Kirberg. 
Mit  6  Tafeln. 


Band  II,  zweites  Heft. 

Abhandlungen  und  Berichte:  l.  Über  die  Lage  des  Munimentum  Trajani  fon  Domkapitular 
Dahl,  Mainz.  —  2.  Die  Sueren,  yon  Hofgerichti-Adyokat  H.  C.  Hoffmann,  Darmstadt.  — 
3.  Bericht  fiber  die  Bearbeitung  einiger  Qrabhfigel  imBuhehaag  bei  Dotzheim,  yon  Pfarrer  Luja 
daselbst.  —  4.  Historische  Kachrichten  yon  dem  ehemaligen  Kloster,  nachherigen  Bitterstift  zum 
heiligen  Ferrutins  in  Bleidenstadt,  yon  Domkapitular  Dahl.  —  5.  Bucheslo,  die  Mallstätte  des 
Erdehegaus,  yon  Pfarrer  Yogel,  Kirberg.  —  6.  Über  einen  yor  Castel  bei  Mainz  gefundenen 
Yotiystein  der  Bfirger  yon  Wiesbaden,  yon  Prof.  N.  MO  Her,  Mainz.  —  7.  Ludwig,  der  letzte 
Qraf  yon  Arnstein,  aus  einer  alten  deutschen  Handschrift  mitgeteilt  yon  Pfarrer  Yogel. 

Miscellen:  1.  Der  Tod  Adolfs  yon  Nassau,  nach  den  Quellen  poetisch  dargestellt  yon  Prof.  Dr. 
Braun,  Mainz.  —  2.  AltertQmliches  yon  Mainz,  yon  demselben.  —  3.  Über  die  Qesichtsbedeck- 
ungen  an  Helmen  aus  dem  Mittelalter,  yon  Dr.  C.  Put  trieb,  Halle.  —  4.  Altertfimer  in  der 
Umgebung  yon  Schierstein,  yom  Herausgeber. 


Band  JI,  drittes  Heft  (verg^riffen). 


266 


Band  HIj  erstes  Heft« 


Abhandlungen  und  Berichte:  l.  Der  Eich olet^in,  dai  Ebrenileukm«!  dei  Dmine  eu  Mttm«^  fvm 
Prof.  N,  Mttlter,  cJtseLbst.  —  2.  Über  dio  dtirtachaa  Milnfcen^  Ton  Geli.  MedUinftkit  Prot  Dr. 
N^bel,  GiesfteD.  —  S.  Qeai^hiebt«  der  B^rg  AMta&ck^  von  Dekan  C.  D,  To^el,  Eirbcr^.  ^ 
4.  Wie  Ortf  Ruprttobt  17,  von  N*B8A|i  der  MÜregierong  Antsagt  und  in  den  tlentflcliftn  Onlea 
ti'lU,  V€ii  demselbtss.  -^^  5.  Die  ^ermioiacben  Gräber  bei  Bilkbeim,  ron  Dek^n  HoffiBAii  n^  Mfitidtp 

JElaeeUeni  1.  über  dt»n  Grabstein  eines  römijcben  Sald^teii  der  XIV.  Legion,  taa  DomkapittLlAx  |»ab], 
Miint.  —  S.  Voracbkg  %ut  Grün  dang  eines  Veremfl  Kur  Ileranagnbe  arebilekioniaclier  Dtak* 
mal  er  des  Mitttiklt^ref  von  BAaln«peklor  von  Ltüsiulx  lü  Cobleni. 

Biographische  Nachrichten  von  verdienten  vaterl&ndiecben  Gelehrten:     Kacliriehrf^i 
über  dAa  Lrben    nnd  di«  Schriften  dea  ehemaligen  FrofesBore   und  HsBtaQiBGhea  Bietorsop'4|itiea 
Ciiiie^R  Lentnlai^  ven  Decm  Veg«L 
Mit  4  Tifeb. 


Band  III^  zweites  Heft. 

Abhandlungen  und  Berichte  -  ! .  ünteratiGbiin^  seiner  germanii°cben  Begrübniitlüit«  bei  BllkWut, 
Amt  Willmeredf  am  einem  Bericht  des  Dekin  U.  tloffmann^  Mendt.  —  S.  Nickritbl 
über  die  Borg  Waldenfeb,  von  Dekan  C.  ll.  Vogel,  Xirberg,  —  3.  NaabrichteD  Qb^r  die  Bnr§ 
TrinfCöstein,  ?on  denjßelbEn.  —  4.  GraJ"  Gerhard  TL  von  S*yn  wirtl  vc^m  Eaiaer  Fnedricb  JJl- 
£nm  Stattbalfer  über  die  beimlicben  WettpHilitcbeQ  Gerichte  ernannt,  von  demselben.  —  5.  Eori« 
OeBchichte  4e§  rornaiUgen  KloBlers  Tlefentbal  Im  Rheingau,  von  Domkipitalir  C  Dah!,  Mainj, 
mit  Nicbtrlgen  Ton  Dekan  VogeL  —  ü.  Die  Kir«bc  an  Mittdbeim  im  Bheingan,  ^on  Uofliti»* 
meiiter  H.  G  ä  r  s ,  Wi^sbuden.  —  7.  Naehri^^bten  Qber  die  Ganen  de$  IlerEi^gtitmj  Naiitau,  aai 
dem  NachlaflB  des  Tcrslorbenen  PrUlAtea  Dr.  Schmidt  in  Giessen,  mitgeteilt  ron  Ifofrat  Üt* 
Steiner,  Eleiakrot£eriba.rg.  —  8.  Über  Gelehr tenvereine,  inabeinndere  Über  dk  Wiclitigkcit  der 
biaiariiahen  antl  alleHmnsforiebenden  GeBellicbafleni  vno  Prof.  K.  Maller,  Hatna.  -^  0.  Uta. 
ESmer'Castell  bei  Wiesbaden,  rtm  F.  G.  Habel,  icbierstein. 
Mit  6  Tafeln. 


Band  III,  drittes  Heft. 

1.  I)ie  Krypta  des  heil.  Bardo  im  Dom  zu  Mainz,  yon  Domkapitular  Dahl,  Mainz.  —  2.  Beitrage 
zu  der  älteren  Genealogie  und  Geschichte  der  Grafen  von  Schönborn,  aus  den  uaasanischen 
Archiven  mitgeteilt  von  Dekan  C.  D.  Vogel,  Kirberg.  —  3.  Nachrichten  über  die  Burg  and 
das  Geschlecht  der  Ilerren  von  Molsburg,  von  Uofbaumeister  R.  Görz,  Wiesbaden.  —  4.  Die 
Nassauischen  Gaaen,  von  Hofrat  Dr.  Steiner,  Kleinkrotzenburg  (Forts,  v.  No.  7  des  2.  Heftes). 
Mit  6  Tafeln. 


Band  IV,  erstes  Heft  (vergriffen). 


i 


Band  IT,  zweites  Heft. 

Abhandlungen:  l.  Kömische  Inschriften,  welche  in  den  letzten  Jahren  ausgegraben  worden  sind,  von 
Prof.  Klein,  Mainz.  —  2.  Die  römischen  In.schriften  des  Herzogtums  Nassau.  Erst«  Abteilong. 
Von  demselben.  —  3.  Der  Dolichenische  Gott,  von  Dr.  Römer-Büchner,  Frankfurt  a.  M.  — 
4.  Über  eine  unedicrte  Inschrift  des  Museums,  von  Konrektor  Becker,  Hadamar.  —  5.  üb«r 
Apollo,  den  Heilgott  der  Kelten,  von  demselben.  —  C.  Zur  Erklärung  nassauischer  OrtaaameD, 
von  Archivdirektor  Dr.  Friedemann,  Idstein.  —  7.  Die  lateinischen  und  deutschen  Lebeas* 
beschreiber  Ludwigs,  des  letzten  Grafen  von  Arnstein,  von  demselben.  —  8.  Über  die  AbstanuDang 
der  Bewohner  des  südlichen  Nassau,  von  Gymnasiallehrer  Seyberth,  Wiesbadeo. 


267 

Miscellen:  l.  Bodmanna  und  Kiodlingen  hinteriaasene  handachriftlioha  Sammlangen  aar  Qeachiohta  daa 
Rheingana,  ▼.  Archivdirektor  Dr.  Friedemann,  Idatein.  —  2.  Kotia  Aber  die  Inachrift:  Wiainobatesi 
Yon  demaelben.  —  3.  Die  älteaten  Familien  in  den  Rhein-  and  Donaaländem,  yon  Konrektor 
Becker,  Hadamar.  —  4.  Eine  QebetaroUe,  von  Prof.  Kehr  ein,  Iladamar.  —  5.  Die  Belagerang 
von  Kronberg  1522.  Nach  einem  alten  Druck.  Yon  Lehrer  Becker,  Kronberg.  —  6.  Der  römische 
ateinerne  Löwe  zu  Wieabaden,  von  Archivdirektor  Dr.  Friedemann,  Idatein. 
Mit  zvrei  Tafeln. 

Band  IT,  drittes  Heft. 

Inacriptiones  latinae  in  terris  nusoTienaibus  repertae  et  aactoritate  societatis  antiqoariornm  naseoviensis 
editae. 

Band  V,  erstes  Heft  (vergriffen). 
Band  Y^  zweites  Heft. 

Zur  Geschichte  dea   römischen  Wiesbadens:   II    Daa  Kömerkastell   bei  Wiesbaden,    von   Obermediainal- 
rat  a.  D.  Dr.  K.  Reuter. 
Mit  vier  Tafeln. 

Band  Y^  drittes  Heft. 

Zur  Geschichte  dea  römiachen  Wieabadens:  HI.  Römische  Ansiedlangen   in   der   Umgebung  von  Wies- 
baden, von  Obermedizinalrat  a.  D.  Dr.  K.  Reuter. 
Mit  vier  Tafeln  und  1  Übersichtskarte. 

Band  Y,  viertes  Heft. 

Zur   Geachichte  dea   römischen  Wieabadens:   IV.  Römiache  Wasserleitnngen   in   Wiesbaden    und   seiner 
Umgebung,  von  Obermedizinalrat  a.  D.  Dr.  K.  Reuter. 
Mit  sieben  Tafeln  und  einem  Plan. 

Band  Yl^  erstes  Heft. 

1.  Die  Ueilgötter  (Ober  ein  Knochenrelief  dea  Museums  in  Wiesbaden),  von  Prof.  0.  Jahn,  Bonn.  — 
2.  Griechische  KopfermQnzen  von  der  Insel  Lenke  (im  Museum  zu  Wiesbaden),  von  Dr.  J.  Fried- 
1  an  der,  Berlin.  —  S.  Die  römiachen  Inschriften  des  Herzogtums  Nasaan,  II.  Abteilung,  von 
Prof.  Klein,  Mainz.  —  4.  Der  heil.  Hildegard  Subtilitatum  diversarum  naturarum  creaturarum 
libri  novem,  wissenschaftlich  gewQrdigt,  von  Prof.  Dr.  Reuss,  Narnberg.  -~  5.  F.  W.  Schmidts 
Lokal  Untersuchungen  über  den  Pftihlgraben,  sowie  über  die  alten  Befestigungen  zwischen  Lahn 
und  Sieg.  Aus  den  Papieren  des  Verstorbenen  herausgegeben  von  dessen  Bruder^  Major 
E.  Schmidt,  Kreuznach. 
Mit  drei  Tafeln. 

Band  YI,  zweites  Heft. 

Abhandlungen:  l.  Daa  Pfahlgraben-Kastell  bei  Holzhausen^  von  Landmesser  Wagner,  Kernel.  — 
2.  Germaniache  Grabaltertfimer,  mit  beaonderer  Beziehung  auf  die  Ausgrabungen  bei  Rambach, 
von  Medizinalrat  Dr.  Reuter^  Wiesbaden.  —  3.  Die  Salziger  Meilensteine,  von  Dr.  Rössel, 
Wiesbaden.  —  4.  Graf  Eberhard  I.  von  Kataenebbogen  und  die  Grabatätte  aeinea  Geschlechts 
in  der  Abtei  Eberbach,  von  demselben.  —  5.  Die  Saaerburg,  von  J,  6,  Junker,  Lehrer  in 
St.  Goarahaoaen. 


268 

MisceUen:  K  Aatifiairisehea  am  Em$^  von  dem  Vereios^kretär.  —  3.  ExpHcttioa  il'iti}«  liuiert|itt>ia 
Iftlioe  4u  MuBM  de  Wiesbaden.  MiigeteiU  toii  Prof.  Dr.  Becker,  Fraukfiirt  i.  M-  —  S.  Üi>«r 
die  Btchtung  der  rümiachen  Wasser] eituig  bei  Mainje^  vod  Dr.  Mftllea^  U&ifiE.  ^->  4.  0 btr  4 ii 
Iltf^ien  TeÜfl  der  Burg  Kroübergf  ymi  irGbitekt  Pii.  Klein,  Fr&akfuH  &.  M.  — ^  5.  rrti* 
beitibrief  fik  di*  Herrfcbaft  Htdumir  and  Driedorfj  von  Lehrer  Junker,  St.  Gdarsliati»«».  — 
6.  Erinnerungen  an  den  denischen  Konig  Adolf  von  K&s&an^  Vän  dem  7«reiD$iefcreyirHi  -^  7*  Küt* 
fürst  Aaguata  von  Satihsen  Badereise  Dieb  Scbwaibacb  lä84,  mitfoteiU  Ton  dem«etb«o.  — 
S.  B«i8«  der  Konigiii  dtrietine  von  Scbwedem  darcb  Kna^au  lg5&,  roQ  Lehrer  Junker, 
St.  Goerikansen.  —  9.  KröaungBmae  Künlf  Friedrichs  IV,  van  Frankfart  nach  Aachen  1441^ 
mitgeieüi  von  dem  Tereiasaekreiär.  —  10.  Knlturhiätoriaches  äui  NasMU,  von  J.  B.  Juaker, 
BL  Goarshaa^en.  —  11.  Sphragialiscbeaf  von  dem  Vereinaiekreltir,  —  13.  Über  eine  moidieftt 
Iiieclirift  dea  Wieabidener  Mdsentus,  von  Prof,  Dr.  Becker^  Fraaktot  a.  M. 
JDt  fünf  Tifelü, 


Jtaiid  VI,  drittes  Heft 

Die  Ijiiabarg^r  Chronik  dei  Johaanea,    Necb.  J.  Fr.  Feaifit  FmU  Limpurgeuaeii   voa   Ür.   K.   Kuifttl 
Mit  drei  Tafeln. 

Band  VIIj  erntes  Heft  (Vorgriffen). 
Band  YII,  i^ weitest  Hefl, 

Abhandlungen;  1.  Die  älteaten  Spuren  dea  Cbriilentums  am  Mittelrhein,  von  Prof.  Dr.  Becktr, 
Frank Tnrt  a,  M.  ^  ä.  Ges^^bichto  dei  Grafeu  Gerkch  L  von  Nasttaii,  von  Konreklor  Cal um bvl« 
Hidtmar.  -^  3.  Bericbt  über  die  AosgrAbung  dttr  Hügelgrüber  am  Wd^aetiturm,  tod  Dr.  Bcbalk- 

—  4*  ßeilräge  tut  Geicbichte  dea  KupJberroiibaBBes  zq  KöninKtein,  von  demselben. 
lÜBCellen:  L  HoUordnting  von  Linfeaselten^   mitgeteilt  roti  Eechnnngaliiiismer'Frobalor  Oejer,  ^ 

2.  Erbtailaiig  de«   Grafen   FbiHpp    von   Naieaa   v.  J.    1&54|    mitgeteilt   von   Dr.    Schalk.   — 

3.  Druckwerke  von  Oberorsel,  von  demselben. 

Mit  drei  Tafeln. 

Band  VIII. 

Abhandlungen:  1.  Der  Auszug  der  Rheingauer  auf  den  Wachbolder.  Eine  Episode  aas  der  Ge- 
schichte des  deutschen  Bauernkriegs,  von  Assessor  Dr.  Petri.  —  2.  Einige  Bemerkungen  über  das 
Baudobrica  des  Itinearium  Antonini,  von  Pfarrer  Nick  in  Enkirch  a.  d.  Mosel.  —  3.  Die  Juden- 
verfolgung in  der  Mitte  des  XI7.  Jahrhunderts,  mit  besonderer  Beziehung  auf  Nassau,  von  Kon- 
rektor Colombel,  Hadamar.  —  4.  Die  heilige  Elisabeth  und  Egbert  v.  Schönau,  von  Prof. 
Nebe,  Herborn.  —  5.  Der  Sternerbund  und  Graf  Ruprecht  der  Streitbare  von  Nassao,  von 
Konrektor  Colombel.  —  6.  Archäologische  Bemerkungen  über  das  Kreuz,  das  Monogramm 
Christi,  die  altchristlichen  Symbole,  das  Kruzifix,  von  Kaplan  Münz,  Frankfurt  a.   M. 

Miscellen:   l.  Ein  Amulet  aus  dem  Museum  zu  Wiesbaden^  von  Prof.  Dr.  Becker,  Frankfurt  a.  H. 

—  2.  Römische  Inschriften  vom  Mittelrhein,  von  demselben.  —  3.  Kosthoim  und  die  Main- 
spitze,  von  demselben.  —  4.  Aus:  Johannes  Ileidfeld:  ^Sphinx  theologico-philosopbica,  von 
Prof.  Nebe.  —  5.  Altes  und  Neues,  von  Prof.  Nick.  —  G.  Zwei  Bemerkungen  zu  der  ältesten 
Geschichte  Nassaus,   von  Konrektor  Colombel. 


I 


Band  IX. 

1.  Liber  donationum  ecclesiae  S.  Severi  Bopardiae,  von  Pfarrer  Nick,  Salzig  am  Rhein.  —  3.  Fürst 
W^ilhelm  Hyaainth  von  Nassau-Siegen,  Prätendent  der  oranischen  Erbschaft,  seine  fiegiemiif 
ond  Zeitgenossen,  von  Kirchenrat  E.  F.  Keller,  Pfarrer,    Sulzbach.   —  3.  Über  ein  angeblich 


.^ 


26R 

baiilidiiuiscbea  Amalet,  Vdü  Dr.  Iheol  et  phiK  F.  X.  Ertui,  Pfalxel  bei  Trier  —  4.  Dio 
iltestea  Sparen  des  Chn(tt«ntQtn£  itii  Mitt«lrhoin,  KachtrA^  so  Annalen  711.  V^n  Professof 
Dr  Becker,  FriDkfurt  a.  M«  —  5.  Ciateliatn  MattUcorum,  das  römtache  Kasteil.  Nachtrag 
tn  Aiinalen  VIl^  ron  demsalbeo.  —  6.  Taoiitis*  SittemBchilderan^  der  alteD  GermaoeU)  bestätig 
durch   den  h.  BoDifaciua   and  dea  Freabytor  Salvlan,    von  Kaplan  Dr  Kaat^  Frankfurt  a.  M. 

—  7.  Ein  merkwardL^ea  Kioder^cbet,  von  demB«Ib«n.  —  6.  Beitrl^e  mr  fbeinucheu  Epiirraphik, 
von  Dr.  B.  Lupas^  Uerlobn.  --  9.  Die  Blatampullen  der  rtfmiacben  EaUkonibe»|  von  Dr.  tbeol. 
et  pbit.  F.  X,  Kraaa.  --  10.  Die  Bur^  Canb  oder  Gatenfela  and  der  PftUfrafenalein^  von 
lloft-it  Weidenbaob.  —  U*  Der  FIQgelaliar  der  ehemali^ea  Gilt ercien^er- Abtei* K ircbe  Maritn- 
atadt   nnd   seine   fonuverwandte  ParaUelc  su  Obcnreael,  von  Canooictts  Dr.  F.  Bock^  Aaeben. 

—  12.  Faldiatorinm  in  der  AltertumsiAmmlung  des  Muaeuma  aa  Wiesbaden^  von  demselben.  — 
13.  Der  Backenttretch  in  den  dentacben  ßecblaaltertiimern  und  im  chriatücben  KnltnB,  von 
Kaplan  Dr.  HQos,  Frankfart  a.  M.  —  U*  Die  ueaeaten  Fände  in  Wieabaden,  von  BiblioUtek- 
aekretär  Dr.  Schalk,  —  16.  lliacellen,  von  Obertchnlrat  Dr,  So h  wart a. 


Banil  X* 

].  lue  Verträge  awiachen  den  Orafien  Adolf  von  Naasau  und  Dietber  von  raenburg-Bttdingeu  aar 
Beilegung  des  Streites  nm  das  EnsEtift  JMains,  von  Archivsckretir  Dr.  Mentel^  Weimar.  — 
8.  Die  Burgen  und  die  Burgfrieden  des  deutschen  Mittelalters^  von  Gymnaatal-Oberlehror  Colombel, 
Uadamar.  —  3.  Taufnamen  ala  Gattonganameu  in  apncbwörtlicben  Redensarten  Naaaaus^  von 
Dr.  MänZf  Pfarrer,  OberhÖebatadt.  —  i.  Zar  naaaaaiaabeo  Schriflstellergeschichte,  von  Prof. 
Dt.  Keb«,  Herbom.  —  5.  Die  EheioSbergänge  der  Romer  bei  Mainr.,  von  Prof.  Dr.  Becker, 
Frankfurt.  —  6.  Das  Dilleaburger  Schloss,  von  Prof.  Spiess,  Dlllenbarg^  —  7.  Naasaniscbe 
Terrilonen  nach  dem  Beiit2tUnde  unmittelbar  vor  der  frana.  Revolatiou  bia  18C6,  nebst  einer 
Karte  des  Henogtami  Nauau.  Von  Hofrat  Weidenbacb,  Wieabaden.  —  **.  Rtmisehe  Fände 
in  Wteabaden,  Ton  Dr.  K.  Keknl^  —  9.  Cbristticbe  Inschrift  aus  Wieabaden,  von  demselben. 
—  10.  Mogon,  ein  Stammeagott  der  Vangionen  und  Mogontiacum,  eine  vangioniacbe  Stadt,  von 
Ober- Med. -Rat  Dr.  Reuter.  —  II.  Über  Lage  and  Nainou  einiger  Örtlichkeiten,  von  Dr.  jur, 
J.  Grimm.  —  1Ü>  Der  Aar-Übergang  im  Zuge  der  römiscbeu  Grenxwebr,  von  StAatsarcbt^ar  a«  D, 
Dr.  RotieK  —  13.  MIacellen. 
Mit  rOnf  Tafeln. 


«aiid  XI* 

obte  des  naasaalschen  AJtertnmaTereios  and  biogrtpbiaobe  MilteiltingeD  Über  deiMO 
GrQnder  and  Förderer. 


Band  XU. 

Das  erste  Jahrtausend  ehristlicber  Bau-  nnd  Kunatth&tigkeit  in  Mainz,  von  Dr.  V.  A.  Frana  Falk, 
Kaplan,  Worms.  —  9.  Beitrage  xnr  Geacbicbte  des  deatjschen  Baaernkrie^^t,  ibtb^  von  Prof. 
Dr.  Fr.  X,  Kraus,  Straasburg.  —  3.  Urkundliche  Mitteilungen  sur  Geschichte  des  Er«stiftes 
Maini  während  der  ersten  Regierung  Dietbers  von  fsenburg^  1459—1163*  von  Dr  K.  Mentel, 
Archivs ekretär,  Weimar.  —  4.  Römischer  Schmelz aohmnek,  von  A.  v.  Cohaasen^  Oberst  a.  D. 
—  &.  Die  Gräber  im  Kammerforat  awisehen  Lorcb  nnd  Rddesheim,  von  demselben.  -  6.  Eine 
Episode  ans  dem  Leben  der  Eltern  P.  P.  Rubens^  von  Prof,  A.  Spiess,  DLUenburg.  —  7.  Zn 
Qoethe^s  .Aufenthalt  in  Ems  im  Sommer  1774,  von  demselben.  ^  8,  Über  die  Gründung  Ein- 
bail's  XU  Soligeuitadt,  von  Fr.  Schneider,  Dompräbendal  in  Mtina,  —  »,  Ein  Portal  in  Lorcb 
am  Rhein,  ob  rOmiaeb  ob  karolSogiscb,  von  A.  v.  Cohtaaen,  Oberat  a.  D.  —  10.  Miieellen. 
Mit  neon  Tafeln. 


wo 


Band  XUI. 


I,  Cid  Looiiiei  tiieac}i«laiM«rii«li«r  iaf»U   »ut  den  B^ciermii^tprUldeol«^   foo  Tl^fH  Mi 

(I.  Xttli  ISlöK  foö  Geb.  gjiiiilltirit  Dr.  GeBtli,  SchwilUd*,   —  2    Ofl«rf  WiUi^tai  Lafifcig^ 
Dich  ««iiteia  Lftbfn  nfid  Wirk«ii,  vaa  Pi«n«r  Cnno,   HincnliiiD.  ^  S.  E«g««tes   d^  Qilflk^ 

I.  Die  £«roUiigi9cfae  BAfil^kt  ^n  SumUch-KichelBtailt  im  04envdd^  voa  Dom^Tihtud^i  SclKBii4»r, 
Hiiof.  —  S.  0it  SchlöWfir  und  Seyasiel  der  MmtTy  rouCohmieB,  Oberrt  &.  D.  —  §.  Um 
Eh&tiiftiter  G«bllck,  toh  flemielbfro.  —  7.  Edmiieb-frinkifth«  Älkrtfimer  tm  MittcLrhJtBt  m)  DI» 
»itdiri«ttiehfa  loÄchriftfto  reo  Wietbid^n,  tou  Prof*  Dr.  J,  Eeeter,  FTmakfart  ■.  IL;  %}  Wm 
«Ui^jiitllcher  QnhsUln  d«a  TinsiiF^ebieCei,  toq  Ffitrer  Br.  Hanf ,  DberbSeh«iidi|  «)  BdaiM^ 
Hiii^iicb«  iiiflolirift  une«  Brouiens^iM  »Oft  Mibi,  tod  ¥iqL  Dt.  J.  Becker.  —  8.  SfiiMiKh«  la- 
sclmXlen  ioj  dfla  Rhein] art den.  Kacbtrif«  «tt  Brimbushs  Vm^UM  iQicHpttoDBia  fiKe&AttAt«a, 
roA  dtmt«tlre&,  ^  9.  fiömUebe  InschrilUn  r^u  der  8t«lbQrf  bei  Hombari  r.  d.  H^lir^  ^tm 
d«iiu<lb«ii.  —  10.  Beitrice  »r  Oeveluchte  der  6ftorf«ii1cirebe  and  4u  Georfenslifl«  im  Limb^rf; 
roa  SlutMTcbivu  Dr.  G^tfe,  Id^teiQ.  --  IK  Beitrag  xar  Kenmtiiii  dor  Euttar-  mnd  BaeJit«- 
ffir0|inll«il«»  dcfl  XttteUlt^rif  von  dtmMtbea.  ^  If.  Jübiaa'a  YL  Ortfeu  tdh  Jfii««ii*DiUtmi«rf 
Url#il  hUf  HeiinproteÄae  (15S2),  ton  d«iDielb«ii.  —  13.  Uic  V^rmagewTejlnitt  d«r 
HuMUiftcbtii  Liode  duith  frftntd&iAche  Trnp|»«ti  vihmd  dia  ttebeDJlhr  EfitfM,  roR  d« 
—  li.  Heoiittu  d«  HflauA  Über  d^a  Wieib*deiier  Baddebeii  üa  U.  Jibrfi ändert^  t^n  ArcfcifTil 
Dr.  Will,  E«|{Qibt:rg.  —  15,  ITuceUeD, 
Mit  drei  UMn. 


IIa  Uli  XI  Tf  enitcM  Heft, 

Ul>#fitBAcbriebacii  llbir  d^  B«|itnofirMiadMrittt  £.  T.  tML,  f oa^D^.  IL  &€fcit>fi^ 


I 


Band  XIV,  zweites  Heft. 

Die  St.  Michaela-Kapelle  zu  Kiedrich  im  Bheingan,  tod  J.  Zaan,  Geiatl.  Bat  and  Pfarrer  daaelbit 
—  2.  Über  die  Lage  der  Karthanae  im  Petersthale,  ron  demselbeD.  —  3.  Der  Anlofea  ia 
Seulberg  and  die  Wölbtöpfe,  Ton  A.  t.  C  oh  aasen.  —  4.  Ursprang  des  Dorfes  Glashütten  im 
TauDos,  TOD  demselben.  —  5.  Sphragistisches  auf  Steinkrügen  im  Altertams-Masenm  tu  Wiesbaden, 
von  Edelherr  und  Graf  Manrin  Nahujs.  —  6.  Die  Hügelgräber  östlich  rom  Goldenen  Grand 
zwischen  Camberg  und  Nenweilnan.  ron  A.  t.  Cohansen.  —  7.  Grabhügel  im  Schiersteiner 
Wald,  Distrikt  Pfühl,  ron  demselben.  —  8.  Anatheme  und  Verwünschungen  auf  altchristlichen 
Monumenten,  Ton  Dr.  Münz,  Pfarrer,  Oberhöchstadt.  —  9.  Beitrag  zur  Controrers«  tob 
^Prenze-Win''  und  ^Hunzig-Win".  Kulturhist.  Studie  aus  dem  Gebiete  der  önologie,  tob 
A.  Wilhelmj,  Wiesbaden.  —  10.  Necrologium  I.  des  Chorherrnstifles  St.  Labentias  ta  Dict- 
kirchen,  mitgeteilt  Ton  Dr.  Erich  Joachim,  Idstein.  —  11.  ZusammensteUang  der  bisher  ia 
Priedberg  aufgefundenen  römischen  Inschriften,  von  G.  Diefenbach.  —  IS.  Daa  Tormalige 
Wilhelmiten-Kloster  zu  Limburg  a.  d.  L.  und  dessen  ArchiT,  mitgeteilt  tod  Dr.  W.  M.  Becker, 
Idstein.  —  13.  Das  ArchiT  der  Stadt  Limburg  a.  d.  Lahn,  mitgeteilt  von  demselben.  —  14.  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Eisenindustrie,  Ton  Dr.  Ludw.  Beck.  —  15.  Grabhügel  zwitchea 
der  nntem  Nahe  und  dem  Hunsrflcken,  von  A.  t.  Cohansen.  —  16.  Die  römischen  Inschriftea 
der  ^Altstadt""  bei  Miltenberg,  von  Wilh.  Conradj,  Miltenberg.  —  17.  Miscellen:  a)  Die 
Heidenmaner,  von  A.  v.  Cohansen;  b)  Römische  Gräber  in  Mains,  von  demselben.  —  o)  Griber 
bei  Nauheim  i.  d.  Wetterau,  von  demselben;  d)  Römisches  Panzergeflecht  ron  Bingarbrftek,  Toa 
Blell-Tüngen;  e)  Deutsche  Gläser,  ron  A.  v.  Cohansen;  f)  Notizen  zar  Gawerbthitifkät 
in  Kiedrich  im  Mittelalter,  ron  Zaun 


J 


271 


Band  XY. 


Abhandlungen:  1.  Zwei  neue  Jopiterstttnen  aas  den  Bheinlanden,  tod  Dr.  A.  Dancker,  Oberlehrer, 
Wiesba€en.  —  2.  Zum  Alemannenkriege  Caracallas  und  der  angeblichen  Alemannenschlacht  des 
Claadins  Oothicns  am  Gardasee,  Ton  demselben.  —  8.  Daa  Spinnen  und  Weben  bei  den  Alten, 
Ton  A.  V.  Cohausen.  —  4.  Zur  Geschichte  der  Stadt  Wiesbaden,  Ton  F.  Otto,  Oberlehrer, 
Wiesbaden.  —  5.  Das  nassanische  MQnxwesen,  I.  Teil,  Ton  J.  Isenbeck,  Wiesbaden.  — 
C.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Eisenindustrie^  II,  von  Dr.  L.  Beck,  Biebrich  und  A.  Ton 
Cohausen,  Wiesbaden.  —  7.  Eine  Erinnening  an  den  Orden  des  Stachelschweins,  du  Porc-epic, 
TOn  Edelherr  und  Graf  M.  Nahuys,  Wiesbaden.  —  8.  Begesten  der  in  dem  Archiv  des  Vereins  für 
Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung  aufbewahrten  Urkunden  aus  den  Jahren 
1145—1807,  von  Prof.  Dr.  K.  Menzel,  Bonn.  —  9.  Nicht  Eberhard,  sondern  Arnold  der 
2.  Abt  Eberbachs,  ron  L.  Stoff,  Eberbach.  —  10.  Guttus,  Mamilla,  Yericulum,  von  A.  von 
Cohausen,  Wiesbaden.  —  11.  Der  römische  Mainübergang  swischen  Hanau  und  Eesselstadt, 
von  Dr.  A.  Duncker,  Oberlehrer,  Wiesbaden.  —  12.  Die  rechtsmainische  Limesforschung,  von 
demselben.  —  13.  Über  die  Uöhlenfbnde  in  der  Wildschener  und  dem  Wildhaus  bei  Steeten  an  der 
Lahn,  von  Dr.  H.  Scha  äff  hausen,  Geh.  Medizinalrat  und  Professor,  Bonn.  —  14.  Die  Höhlen 
und  die  Wallburg  bei  Steeten  an  der  Lahn,  von  A.  v.  Cohausen,  Wiesbaden.  —  15.  Die 
Wallburgen,  Landwehren  und  allen  Schanzen   des  Regierungsbezirks  Wiesbaden,  von  demselben. 

Miscellen:  a)  Gräber  bei  Nauheim  in  der  Wetters u,  von  G.  Dieffenbach,  Friedberg;  b)  Funde 
im  Grund  des  neuen  Archivgebäudes  in  Wiesbaden,  von  A.  v.  Cohausen;  c)  Hügelgrab  in 
den  Sonnenberger  Fichten,  von  demselben ;  d)  Hügelgräber  zwischen  der  Aar  und  der  Dörsbach, 
von  demselben;  e)  Hügelgräber  in  der  Gegend  von  Zorn  und  Strfith,  von  demselben;  f)  Die 
Frankengräber  bei  Erbenheim,  von  demselben;  g)  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von 
demselben;  h)  Drei  Bedungen  in  der  Gemarkung  von  Wiesbaden,  von  F.  Otto;  i)  Merk- 
würdige Bäume,  von  A.  v.  Cohausen;  k)  Würfel,  von  demselben;  1)  Zur  Geschichte  der 
Abtei  Amstein,  von  J.  Zaun,  Kiedrich;  m)  Aus  der  Bürgermeister-Rechnung  der  Stadt  Wies- 
baden vom  Jahre  1524,  von  F.  Otto;  n)  Die  Schuldisziplin  zu  Wiesbaden  in  der  Mitte  des 
XYIII.  Jahrhunderts,  von  demselben;  o)  Ein  Brief  des  Fürsten  Karl  Wilhelm  von  Nassau, 
von  demselben. 

Mit  elf  Tafeln. 


Band  XYI. 

Das  Nekrologium  der  vormaligen  Prämonstratenser- Abtei  Amstein  a.  d.  Lahn,  von  Dr.  Becker.     Ein- 
leitung. —  Beschreibung  der  Handschrift.   —  1.  Bruchstücke  eines  Zinsregisters  aus  dem  13.  u. 

14.  Jahrhundert.  —  2.  Zusammenstellung  der  dem  Prämonstratenser-Orden  verliehenen  Ablässe 
ans  dem  14.  Jahrh.  —  3.  Notizen  über  unbedeutende  Legate  aus  dem  14.  Jahrh.  —  4.  Ver- 
zeichnis der  vornehmsten  Wohlthäter  des  Klosters  aus  dem  13.  und  14.  Jahrh.  —  5.  Gleich- 
zeitige Abschrift  einer  Urkunde  vom  Jahre  1315.  -^  6.  Abschrift  eines  Martjrologiums  in 
einem  Ealendarium  aus  dem  14.  und  15.  Jahrh.  —  7.  Abschrift  der  Begula  s.  Augustini  aus 
dem  14.  und  15.  Jahrh.  —  8.  Abschrift  der  für  den  Grünen  Donnerstag  vorgeschriebenen 
Lektion  aus  dem  14.  Jahrh.  —  9.  Gleichzeitige  Abschrift  einer  Urkunde  vom  Jahre  1359.  — 
10.  Summarisches  Verzeichnis   der   dem    Prämonstratenser-Orden    verliehenen  Ablässe   aus  dem 

15.  Jahrh.  —  11.  Gleichzeitige  Notiz  über  eine  im  Jahre  1589  zwischen  dem  Kloster  Arnstein 
und  dem  Minoriten-Kloster  zu  Limburg  a.  L.  abgeschlossene  Vereinbarung  zu  gegenseitiger  Für- 
bitte. —  12.  Notiz  über  eine  zwischen  der  Abtei  Arnstein  und  benannten  Klöstern  vereinbarte 
Verpflichtung  zu  gegenseitiger  Fürbitte  ans  dem  13.  Jahrb.  —  13.  Abschrift  der  im  Kloster 
Arnstein  üblichen  Professzettel  ans  dem  15.  Jahrh.  —  14.  Das  Nekrologium  der  Abtei  Arn- 
stein ans  dem  13.— 18.  Jahrh.  — <  15.  Die  bei  der  Segnung  der  klösterlichen  Gewänder  und 
bei  der  Einkleidnng  der  Novizen  üblichen  Gebete  ans  dem  18.  Jahrh.  —  16.  Die  für  die  Auf- 
nahme eines  Mitglieds  in  die  Kloster-Bruderschaft  vorgeschriebenen  Gebete  aus  dem  13.  Jahrh. 
—  17.  Eine  Zauberformel  gegen  eine  tödliche  Krankheit  aas  dem  14.  Jahrh.  —  18.  Bino  Nach* 


m 


ricrhl  fiber  eine  tm  Kloster  Antaiem  iblieht  besoadär«  Fasknindtcht  nebit  den  Oabetea  und 
ÖesiöpflQ  für  die  Feier  darselbea  &Dä  dem  14,  Jftbrh,  —  19.  Äb^cbrin  der  feisher  izQbek«DDt«a 
Bulle  ^Ex  paxte  Teitri^^  Pftpst  Innaceaf'  IV,  Tom  3K  JiDmr  1215  »aa  dem  13,  J4hrh,  — 
%Q.  Bmchatäck  emee  ZmeregUters  aai  dem  14.  Jikrh.  —  11,  Boschreibtitig  ^ii«s  Gate«  d«i 
Kbittri  Arustein  me  dem  14.  Jihrb.  —  Bflilüfe  I:  ^Zut  öcifihiehte  der  Abtei  .\rnstein**,  — 
BeilAgfl  11:  ^Brenibergf  Bramienbach  und  Brantidnbiirgf  Bremm  ind  Neet^i  eioe  ünten^etiiiDe^ 
ilber  dia  Ltge  dieser  Orter.  -«  TeTieichnis  der  Abte  des  Kloetcn  Arneteifi.  ^  Zaaitse  &Bd 
BeriebUf äugen.  —  Giofiaftr.  —  Ort«-  tind  PereoiienTerstIchaiB-  ^—  Ttfel. 


Band  XVn. 

1.  Zmr  Giiebiebte  de«  Bheii^geni:  ij  Beitrag«  xar  Qeacbiobte  der  Kloeter  Baperiiber^  und  Eiblnfcit, 
TQU  StAiiiifebivir  Dr.  Stmer;  b)  Die  B^eehreibnügea  dej  Ebebg&iLi  raa  BirthoIom&eaA  ijtfejui 
nad  Jobi&nei  BiitibAcb  «aa  dem  XI?.  aitd  XV.  JabrbUQdeHi  toii  Prof>  Fr  Otto;  c)  Kup&r 
Eedtd«  Seadbrtef  an  die  Bhempoer  Tom  35.  Har^mber  1524,  ron  demeelben;  d)  Bnnd  i« 
Bingen  1540^  27.  JnVij  fOn  demselben;  e)  Brief  dM  Pfarrer»  Georg  Stertti  its  Bingen  15T7, 
Tön  Dr.  WidniinD;  f)  Zar  Geecbiclitt  Fon  Eberbteb  währeod  dei  dreiesigjibrigen  Krisfea, 
Tou  demaelben;  g}  Kkrte  dee  Bbeitipni  Tan  iblb^  tod  Fror.  Fr.  Otto.  —  I.  StAÜetiiebe«: 
i)  Die  Weldecbmieden  bei  Weilbürg  im  J.Y.  Jehrbimdert,  ren  Prof.  Fr.  Otto;  b)  Die  Zahl  der 
Pferde  Tor  dem  dreiaiigjibrigen  Kriege,  ron  demselben;  t)  Die  Zahl  der  in  den  Jebren  1629 
bis  1631  in  der  Herrecbeft  Dillenburg  rerbrtnnten  Heiep^  T<^m  TizeprtLs.  d,  App,*Oer.  a.  iL 
Ltot«,  — ^  3h  Kleine  HilteUungen  mr  Geacbicbte  K^&igdeins,  roa  Dr,  Widminn.  —  4.  Der 
Bfmnd  von  Fillmar  im  September  1630,  Gedieht  dea  Eplnfa.  Lorich  v<»n  HadtniAr,  mitfei« ilt  ron 
Lic,  Dr.  A.  Ereb«.  —  5.  E\m  Heia«  dei  Grifen  Ludwig  Fnedricb  von  NAMAii^daieiii  im 
Jibr«  1(»&4,  mitgeteilt  von  J.  G.  —  6.  H«iiboni,  nicht  Kiefern.  Bericbügong  in  Bd,  X7» 
pig.  tfi3.  —  7.  Kindlmger^  Hebel  uud  die  nesatiiiacbe  AUtrtnma-GeielJachift,  von  FreibeiT 
v,  Medem,  Kgl.  Arcbirret  a.  D.,  Homburg.  —  8.  Vogele  lilteririfither  Utebl*«*,  v.  Prof.  Fr-  Oll^, 

—  9.  Di«  Höhlen   bei  Steet^n  A^  d.  Labn^   von   Koneervator   Oberst    i.  D.   y.  Cobaneeti.   — > 

10.  Der  neue  Höhlenfond  von  Steeten,    von    Prof.    Dr.    Hermann  Schaaff bansen,    Bonn.  — 

11.  Gräber,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cobauaen.  —  12.  Römische  (?)  Uafeisen,  von 
Prof.  Fr.  Otto.    —  13.  Wallbnrgen,  von  Oberst  v.  Cohtnaen.  —   14.  Höhlen,  von  demaelben. 

—  15.  Znr  Schlacht  bei  Cronberg  am  14.  Mai  1389,  von  Dr.  Widmann.  —  IC.  Romische  Baa- 
werke,  von  Oberst  v.  Cohausen  nnd  Baumeister  L.  Jacobi  in  Homburg.  —  17.  Mittelalter- 
liehe  Bauwerke,  von  Oberst  v.  Cohausen  und  M.  Heckmann.  —  18.  Zur  Topographie  des 
alten  Wiesbaden,  von  Oberst  v.  Cohausen  und  Obermedizinalrat  Dr.  Reuter.  —  19.  Inschriften, 
von  Oberst  v.  Cohausen  und   Prof.  Fr.  Otto.  -—  20.  Sonnenberg,  von  Prof.  Fr.  Otto. 

Mit  acht  Tafeln. 


I 


Band  XVIII,  erstes  Heft. 

1.  Nassauische  Biographie,  von  Fr.  Otto  und  Dr.  S.  Widmann.  —  2.  Neuere  historische  das  Ver- 
einsgebiet betr.  Litteratur  (abgeschlossen  Anfang  Sept.  1883),  von  Prof.  Otto  o.  Dr.  Widmann. 
—  3.  Der  Sinter  von  Wiesbaden,  von  Obermedizinalrat  Dr.  Reuter.  —  4.  Schauspieler  in 
Schwalbach,  von  Prof.  Otto.  —  6.  Das  älteste  Bücherverzeichnis  des  Klosters  Arnstein,  von 
Dr.  Widmann.  —  6.  Zur  Scbönauer  Reimsage,  von  demselben.  —  7.  Zur  Geschichte  de^ 
Dorfes  Patersberg  von  1501  —  1796,  von  Pfarrer  W.  Ullrich.  —  8.  Job.  Hofmeister,  von 
Professor  Otto.  —  9.  Des  Stadtpfarrers  Anton  Weber  zu  Idstein  Sjnodalchronik  der  Diözese 
Idstein:  1577  — 1595,  von  ArchivsekretÄr  Dr.  Joachim.  —  10.  Chronikalische  Notiz  ana  der 
Zeit  dei  SOjähr.  Krieges,  von  Dr.  Widmann.  —  11.  Das  Gerücht  ron  einem  seitens  Kor* 
Mainz  beabsichtigten  Einfall  in  Wiesbaden  im  Jahre  1609,  von  Dr.  E.  Ausfeld.  —  12.  Weid- 
gerechtigkeit von  Kloppenheim  und  Hessloch  in  der  Naoroder  Gemarkung,  von  Landgerichtsrat 
W.  Keim.    —    13.   Lebensnachrichten   über   Jean   Pauls   Geistesverwandten   und   Freund   Panl 


__^^^^^^         273 

Kmi]   Thi«riolt   von    Ohersolmtr^t    Dr    K«  SobwArtr  ii     h.  A,  RrngV   S«tv<iitcllen,   von 

Prof.  Otto.    —    If».  Zwei  öeUichte  «t»  ilftiii  XV.  JÄhrhumlert  Über  WJetbiden^  ron  OjriiiUB«»itI- 
hr«r  Fr  lue  tind  Prot  Otto. 


öaiiil  XVUI,  zweites  Heft 

Ha«  naifiiiüischi«  Mfln^v^ten   (Forti^eUang],    von   J^\.    Inenbeck;    mit   Nftrtitrsg^:   MütixniHster   ku 

I         WifiibnJi*ti^  von  P.  Joseph,  LsliTer  in  Fnnkftirl  •«  ]f.  —  t.  Prühbtoriseh«  Foud«  b«fi  Nieder- 

wallnf  und  bei  Hombar^,  von  Konaemtor  Oberst  i.  l>.  v.  Cobmacn  und  Baumcijstflr  pUcobi. 

—  3.  Jiie  Ilüfelgrüber  im  Scbwanheimor  Wtld  und  di«  Schweden  schäme  bei  Kebterbich  n  M.^ 
Ton    Obent   v.    Cohau^en.    —    4,    Wallburgen    (Altkönig),    von    Oberst    v.    Cohsuseu    niid 

I         f)r.  Widmann.  —   6.  Bi^toische  Bauwerke  io  der  Njibe  von  Hooabnr^,    Fraukfart  und  Bergen, 

I         ^on  Obent  v.  Cohausen   und  Baumeister  Jaoobi,    ^-    6.  Römische   Altertümer,   tou   Oberst 

\         r.  GohanBeUf    Dr.  Widmaun  und  Dr  Hanimeran.  —   7.  Zur  Gescbichte   der  FenerwalTen, 

yon  Ober§t  T.  Cofaauaeu.  —  8-  Zur  Topo^ripbie  de»  alten  Wiesbaden^  tou  Ober^  v.  Cohauien. 

—  9.  Arcbivaliicbe  MitteiluD|ren,  von  Staatffarcbirar  Dr  Sauer.  —  10.  Die  Lebensbeschreibnn)^ 
I  det  Grafen  Ludwig  IIL  von  Ärnstein,  Lateinisch  und  deutich,  herausgegebeu  rou  Dr.  Wid- 
I         mann.  —   11.  Ein  Lied  auf  Graf  Albrecbt  von  Nassau,  mitgeteilt  von  Prot  Otto,  —  13.  Hieb- 

trag  sar  Sjnodalcbronik  de«  Anton  Weber^  mitgeteilt  ron  Dr.  Joachim.  —  13.  FreakogemäMe 
in  der  Kirche  zu  Idstein,  ron  Dr.  Sauer.  —  li.  Kontiskatioo  ?erbotEr widrig  gehaltener  Ziegen 
auf  dem  WeMenraH  im  XVI.  und  X7II.  Jahrhunderi  und  deifallifige  BitUobrift  eioe»  Pfarrers 
lu  Driedorf,  mitgeteilt  von  App.-Gcr.*VirepriUident  a.  D,  LautE.  —  15.  Rekoneiraktionen  von 
WatTen  for  Sr.  M^.  dem  Kaiier^  von  A.  r.  Cohittseti. 
Mit  sehn  Tafeln. 


Band  XIX* 

hiatoriacbe  das  Vereinsgebiet  betr.  Litteratur  (abgeachloiten  im  Juli  1985).  Von  Prof.  Otto 
und  Rektor  Dr  Widmaun«  —  t.  Weistum  vom  Lindaner  Oerichl,  1575,  1401),  von  Prof, 
Otto.  —  3.  ArchivaJiaehe  kfitteilnngen,  tou  Archirrat  Dr.  Sauer.  —  4.  Ort  und  Tag  der 
Gebort  des  ness.  Superintendenten  J«  D.  K.  Bickel,  von  Prof.  Fr.  Otto.  —  5,  Zur  älteren 
Oitehiobte  der  Herren  von  Eppeneteiu  und  von  Homburg,  sowie  ihrer  Be^ittungea  Uombtirg 
nnd  Braubacb,  von  Archi?rat  Dr.  Sauer  —  6.  Gottfried  Hatafelda  Chronicon  Domoü  Nassa- 
ricae  1516 — 15SC,  herausgegeben  toq  Dr.  Uerm.  Forst,  —  7.  Der  Adel  im  Rheingao^  1631, 
von  Arcbivrat  0r  Sauer.  —  8.  Der  Fuch«  predigt  den  Giusen,  Mit  einer  Abbildung,  von 
Rektor  Dr«  Widmann.  —  9.  Die  iilte»ten  BOrgerroeister- Rechnungen  der  Stadt  Wiesbaden. 
Rin  Beitrag  anr  Geschichte  der  Stadt  im  Anfang  des  XVI.  Jahrhundert«,   von  Prof.  Fr.  Otto. 

—  10.  Nachnohten  Ober  den  Umfang  der  Heienverfolgung  in  den  deutschen  Gebteten  der 
Otto^schen  Linie    der  Grafen  von  Nassaa,   mitgeteilt  von  App.-Ger.-ytsepräaident  a.  D.    Lautx. 

—  II.  Berichtigung  und  Zosatis  tut  ^Das  naas.  Müazwesen^^  Forteelanng,  Ann.  XTIIT,  p.  145, 
von  J,  Isenbeck.  —  12.  Chronik  des  SebuHbeissen  Job.  Georg  Hoffmanu  von  Raoeuthal, 
1671—1725^  milfeteilt  von  Rektor  Dr.  Widmann.  —  13.  Nachtrag  zu  pag.  55  sq.:  ^Zur 
Geschichte  der  Herren  von  £ppenstein  und  ihrer  Beattinngen  Homburg  und  Braubach*^,  von 
Archirrat  Dr.  Sauer.  —  14.  Eine  Berichtigung  suLoerseh:  ^Der  Ingelheimer  Ob^rhof^,  von 
dnmuelben.  —  15.  Der  röinisohe  OrenswaU.  Znaätae  an  dem  1884  darQber  erschienenen  Werke^ 
von  Konservator  Oberst  «.  D*  A.  v.  Cohausen.  —  lö.  Grabhöhie  am  Danbhans,  von  dem* 
seihen.  —  17.  Hflgelgrlber  auf  dem  Kichelberg  bei  Ifolshausen  a.  d.  Daalphe^  von  demselben. 
18.  Die  Höhlen  Steinkammcm  bei  Brdbaoh,  6,5  km  von  Herborn,  von  demselben.  —  19  Der 
Weodelring,   von    demselben.  —   20.  HSgetgrilher   im  Danbomer  Wald  Rippd,   von   demselben. 

—  til.  nogelgrüber  im  Heringeir  Wald,  von  demselben.  —  92.  Hügelgräber  in  der  Glrtches- 
H^k,  von  deniftclben.  —  S3.  Frankengrüber  bei  Dauborn,  von  demselben.  --  S4.  iMr  Klauten» 
kippfl  bei  Kalte  Kiche,  von  damstlhen.  —  sr>,  Schtackenhalden  im  Crofdorfff  Wuld,  von  dfjn- 


27-1 

itühtn,  ^  S6.  Kreai  im  Kf^tiSfärtcbeD,  tod  demselben.  —  27.  Him-AJiArlimer,  t^a 
tfllbea.  —  28.  M&rieustAtt;  von  demselben.  —  ^9,  Zar  Topo^rftpbie  ies  alten  Wie»bAdeii,  roa 
demfciltioii.  -»  3{>.  NAchlruf  ta  der  Äbbandlang  Giber:  ^Die  ülteetea  Hürferm«iil«r*B«cluitiJigeii 
der  Stsdf  Wiosb&dem**,  ron  Frof.  Fr,  Otto,  —  3t.  Die  Beäitiergreifatif  der  UHSMii-ormiiivebai 
Liiide^teil«  für  den  GroaeberEog  ?ün  B^tg  im  Jiihre  ISOG,  töii  Afcbivir  Dr  E.  Anafflld,  — 
SS.  Xpkrolog  dei  »m  ä.  Juli  1SH5  verstorbenem  GjiniiiBitldlrBktorB  &.  U^  OberacItulra^Ui 
Dr.  K.  SvbvtrU,  foa  Prof.  Fr.  0tio. 

Band  XX,  erstf^s  Heft. 

Dflr  ejrinbfliuftebltgitade  Sttjrr,  ?on  Eonierntor  k.  D.  r.  Oohioion  (mit  Abbildung).  —  S.  IN« 
QUntrbari;,  vun  demMellien  (mit  Abbildiiiig).  —  3.  Attdgrabuu^en  tiiid  Arbeiteu  «iif  der  ^ml- 
barfi  ron  demielben,  —  4.  AHe  Walle  and  Oräbep,  vi)n  demselbea  (mit  AbbiMoug).  ^-  S,  IH« 
Bati^eti  in  Jliideisbeimf  von  demaelben  {mit  Abbild  nügen).  ^—  3.  Zar  Topa^flphie  d«R  «it«ti  Wii?»* 
badfltif  ron  demüelben.  —  1.  Die  kletns  SteiAk^oimer  hti  Erdbacb,  vitn  demietbeo.  —  8,  lUe 
Ei nhoni lügende  in  ihrem  Urt|ir(icig  und  ihrer  AusgestAltan^.  ron  Dompräbendtat  l>r,  FH^dr. 
Schualder  (mit  Abbildup^).  ^  9,  Ztlt  Sebönitier  Eeimsage,  ron  Arcbivrit  Dr,  S«ner.  ^ 
lil.  Die  Oetcrense  de«  ScMoaibärner  PfirrspreageU^  ron  Pfarrer  J.  B<^n».  —  11.  Bemerk ttngtEi 
£n  dorn  Aafii4tte^  Dio  Oitgrsme  de«  Scbloisborn^r  Ff^rrsprengeJaf  ron  Arcbtrnt  Dr.  Sauer. 
—  IS.  DJo  Eaderi-Kttpelie  ün  Cronberger  Wtli,  von  Koueervator  Oberet  i.D.  r.  GohansQD.  — 
18.  AfdiiraltAcke  3ilitteiLiia^eD,  ron  Archirrat  Dr.  Sanej.  —  11.  BömUcbe  Mainbräekaiif  ron 
Konitrrator  Ub<»rit  t.  D.  r.  Cohattteo.  —  15.  Znr  Qi«eliicbte  Johatin»  des  Alteren  ron 
H4fUi]*Dil1enl»(ir^j  von  Direktor  Prot  iiipUss.  -^  16.  Beitri|:e  zur  Ga«chklitG  d«^  Erel«ea 
]f5«liit,  ron  Dr.  W,  Kobelt«  —  17«  Oral  W&Urid  von  NaiBin-Uiiogen  hm  den  oberrhaiaiaebrn 
Rrflltlruppen  im  Türkenkneg«  1041^  ^on  Dr.  Herrn,  Forct.  ^  IH.  Ijakrokg  dea  am  la,  Not. 
laSG  refitorbibett  Eerm  Max  Ueckmann,  ron  Konaervator  Obtrat  a.  D.  r.  CodHutf  n. 

Buna  XX,  twenes  Heft, 

1.  Nachruf  für  Kaiser  Friedrich.  —  2.  Führer  durch  das  Altertumsmasenm,  von  Eonservitor  Oberst  z.  P. 
V.  Cobausen.  —  3.  Römische  Sonnenuhren  in  Wiesbaden  und  Cannstadt,  von  Major  a.  P. 
Schlieben.  —  4.  Die  Hufeisenfrage  (eine  archäologische  Musterung),  von  demselben.  —  5.  Zu- 
sätte  und  Berichtigungen  zu  den  archivalischen  Mitteilungen  XX  57  ff:  No.  i  (Seelbnch  des 
Geschlechts  von  Langenau  und  Äbte  von  Amstein)  und  No.  6  (zur  Geschichte  des  Stiftes  Blei- 
denstatt),  von  Archirrat  Dr.  W.  Sauer.  —  6.  Höhlen,  von  Konservator  Oberst  z.  I). 
r.  Cobausen  und  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Schaaffhausen.  —  7.  Hügelgräber  in  der  Halbehl 
bei  Fischbach,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Co  bansen.  —  8.  Grabhügel  bei  Rodheiu 
a.  Bieber,  von  demselben.  —  9.  Denkmal  des  Grafen  Wilhelm  zu  Lippe-Schanmburg,  von  Konser- 
vator Oberst  z.  D.  r.  Cobausen  und  Major  Freiherr  v.  Wangenheim.  —  10.  Zur  Topo- 
graphie des  alten  Wiesbaden,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cobausen.  —  11.  Nekrolog 
des  Herrn  Berthold  Reinhard  Vogel. 
Mit  neunzehn  Tafeln. 

Band  XXI. 

1.  Sachrerhalt  und  Deutung  der  alten  Verschanznngen  in  Nassau,  von  A.  v.  Cobausen.  —  3.  Das 
Fischbacher  nnd  Lorsbacher  Thal,  von  demselben.  —  3.  Die  Wallborg,  ron  demselben.  - 
4.  Hügelgräber,  von  demselben,  a)  Im  Wald  Halbehl  (bei  Münster  i.  T.);  b)  Bei  Heckholi- 
hausen;  c)  Im  Ruhehag.  —  5.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  ron  demselben.  — 
6.  Die  Reit-  nnd  Packsättel  der  Alten,  von  A.  Schlieben,  Major  a.  D.  —  7.  Die  Franken- 
gräber  ron  Schierstein,  von  B.  Flor  schütz.  —  8.  Der  Hasselbacher  Turm,  von  A.  r.  Co- 
bausen. —  9.  Grenzaa,  von  demselben.  —  10.  Hügelgräber,  ron  demselben  (Fortaetznng  ron 
No.  4):  d)  Niederwallnf;  e)  Aus  der  Umgegend  von  Usingen:  Wilhelmsdorf,  Eachbach,  Wem- 
bom.    Im  Usinger  Wald  Schweinhardt,   Im  Pfaffen wiesbacher  Jongenholz,   Sehmidthols,  Taaben- 


275 

köpfchen,  'Oberloh,  Am  „Altenmark^,  Capenbnrg  Strickert,  Am  Sflsienberg,  Wormstein,  Hinter 
der  Altenbarg ;  f)  Im  Niederhofheimer  Wald  Halbehl.  —  11.  Karl  Hartwig  Gregor  ron  Meaa e- 
bach.  LebeDBnaohrichten  ron  Dr.  K.  Schwarti.  Für  die  Annalen  bearbeitet  von  F.  Otto. 
I.  Jagend,  1781—1803,  ü.  Dillenbarg,  1803—1814.  —  18.  Chronogramm  anf  das  Jahr  des 
grossen  Brandes  ron  Wiesbaden,  von  F.  Otto.  —  13.  Wiesbaden  im  Sommer  des  Jahres  179C. 
Nach  den  Aufzeichnungen  des  Wilh.  Lantz  mitgeteilt  von  F.  Otto.  —  li.  Das  nassaaische 
Mflnzwesen,  ron  Jul.  Isenbeck.  —  15.  Die  schlesisohe  Armee  in  Nassau  vom  An&ng  No- 
vember 1813  bis  zum  1.  Januar  181i,  ron  Dr.  W.  Sauer.  —  16.  Die  Schildhalter  des  Wap- 
pens des  Herzogtums  Nassau,  ron  demselben.  —  17.  Das  Jahr  der  Zerstörung  der  Burg  Lahn- 
eck, Ton  demselben.  —  18.  Schwursteine  zu  Niederbrechen,  Ton  0.  Klee-Oöttingen.  — 
19.  Waren  die  clerici  uzorati  coniugati  verheiratete  Geistliche?  Von  demselben.  —  80.  Feld- 
zugspflicht der  Hoftrompeter  im  17.  Jahrb.,  von  Dr.  Forst.  —  81.  Neuere,  das  Yereinigebiet 
betreffende  Litteratur,  von  F.  Otto. 
Mit  fünfzehn  Tafeln. 

Band  XXH. 

1.  Karl  Hartwig  Gregor  von  Meusebach.  Lebensnaohrichten  von  Dr.  K.  Schwartz.  Mit  8  Stamm- 
tafeln. Für  die  Annalen  bearbeitet  von  F.  Otto  (Fortsetzung).  III.  Coblenz,  18U— 1819, 
17.  Berlin,  1819  —  1847.  —  2.  Die  Burgen  in  Nassau,  von  A.  v.  Cohausen.  I.  Zahl  und 
Bestand;  II.  Ankauf  und  Restauration;  III.  Ihre  Erhaltung;  IV.  Die  Lage  und  die  Anordnung 
alter  Burgen;  7.  Der  Deurenberg.  —  3.  Nassau  unter  dem  Minister  von  Marschall,  von 
Dr.  W.  Sauer.  I.  K.  F.  vom  Stein  und  die  Entstehung  der  nassauischen  Verfassung.  Die 
erste  Ständeversammlung  1818.  —  4.  Urkundliche  Notiz  zur  Geschichte  des  Brömserhofs,  von 
Dr.  W.  Sauer.  —  5.  Die  Gigantensäule  von  Schierstein,  von  B.  Florschfitz.  —  6.  Weitere 
Funde  im  Römerbrunnen  von  Schierstein,  von  demselben.  —  7.  Dr.  Karl  Reuter,  1803  —  1889, 
von  F.  Otto.  —  8.  Die  Hegung  des  Landgerichts  zu  Mechtildshausen.  (Nach  einer  Nieder- 
schrift aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts,  etwa  aus  dem  Jahre  1536),  von  Dr.  W.  Sauer. 

9.  Über  das  Wappen  der  Herren  von  Kleberg,  von  demselben.  —  10.  Besprechung  von  Büchern 
u.  s.  w.,  von  Premierlieutenant  a.  D.  Hoff  mann.  —  11.  Neuere,  das  Vereinsgebiet  betreffende 
Litteratur,  von  F.  Otto. 

Mit  vier  Tafeln. 

Band  XXIII. 

1.  Friedrich  von  Reiffenberg,  1515—1595,  von  F.  Otto.  —  2.  Das  Landgericht  der  vier  Herren  auf 
dem  Einrieb,  von  Pfarrer  a.  D.  Ludw.  Conrady,  Miltenberg.  Mit  einer  Karte.  —  8.  Aus 
dem  Stammbuche  des  Georg  Birckell,  von  F.  Otto.  —  4.  Burg  Gutenfels  am  Rhein,  von 
A.  von  Cohausen.  —  5.  Felix  Mendelasohn-Bartholdy's  Lied:  „Des  Jagers  Abschied**,  von 
F.  Otto.  —  6.  Die  Zerstörung  der  Burg  Lahneck,  von  Dr.  W.  Sauer.  —  7.  Wallensteins 
Briefe  an  den  Grafen  Johann  den  Jängeren  von  Nassau-Siegen,  von  F.  Otto.  —  8.  Ein  Reim 
Hellmunds  auf  sich  selbst,   fon  F.  Otto.  —  9.  Römische  Reiseuhren,  von  A.  Schlieben.  — 

10.  Die  Juden  zu  Wiesbaden,  von  F.  Otto.  —  11.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von 
A.  von  Cohausen,  Dr.  B.  Florschfitz  nnd  Prof.  Otto.  —  12.  Zwei  Todesurteile  des 
Schöffengerichts  zu  Wiesbaden,  mitgeteilt  von  F.  Otto.  —  13.  Die  Frankengräber  von  Schier- 
stein, n.,  von  Dr.  B.  Florschfitz.  —  14.  Die  Gigantensäule  lu  Schierstein,  von  Dr.  B.  Flor- 
schfitz. 

Mit  sieben  Tafeln. 

Band  XXIV. 

1.  Johann  HUchen  von  Lorch,  von  F.  Otto.  —  2.  Konrad  Oerlin  von  Wiesbaden,  von  F.  Otto.  — 
3.  Ffirst  Karl  Wilhelm  von  Nassau- Usingen,  1775—1803,  mitgeteilt  von  F.  Otto.  —  4.  Georg 
August,   Fflnt  zu  Naasau-Idstein,   1677—1721,  von   C.  Spiolmaiin.  —  5.  Mitteilungen  Aber 


276 


^li  Li^e  und  QcicbicliU  der  Mirau  bei  M»inx,  tod  Geb.  ßaurit  Cano.  —  §.  Jokftün  KounJ 
von  Salbach.  Kebst  titatm  Atihtn^;  „Einip  aiibekatiBts  HuFborner  Dracke**,  von  F.  Otto-  -- 
7.  Die  SchBt)itier  ÜbcrHefcrang^.   Eiti*  hiit^mth-kritbclj«  0ötormeb«ög  vso  Lödw,   ü&ntäif 

—  8.  Daj  ilte  Wieibad«!!^  roitgetftilt  von  F.  Otto,  mit  t  AlibildüTigeii.  —  9.  Qeaebicbtt  4ft 
8te!gbQgaIf  von  Ä.  SühliebeD.  —  10.  Zar  Topogrsphit  dea  ilteo  WieabadeD,  toh  A.  t.  Cp- 
bansen.  —  11.  Borgen  in  Hassan,  von  A.  v.  Cohansen-  I-  KenkaUonBlnb0gän  oder  di«  KüU 
bei  St.  Goarabaliien  ^  II.  Sterreoberg,  LiebBoateiii  und  Borubofen.  —  12.  Die  Fraöltengrib^f 
von  Scbier9t«in.  III.^  von  Dr.  B.  FforaofaütK.  —  13,  Ein«  oeue  Knocbenböble  in  ?1«tlct 
a.  d.  Lahn,  ron  Dr.  B.  FloraehQl!£.  —  14.  Der  Wilde  PQtE  bei  Steeten,  von  A.  von  Cq* 
liansin,  —  15.  Qrabiobrift  de«  Qutitav  Ernat  v,  Ssirdljts  m  Naatiitten,  mitgeti^iU  roti   F.  Oll 

—  t£.  Der  romieehi  Greni^vall  (von  Oobaasen  und  Möiiimien), 

Mit  Eebti  Tif«lit. 

Band  XXT. 

1.  Die  BeziabuD^eB  der  Geologie  zar  AlterliimAknndef  von  Dr.  B.  Floraebüt^,  —  3.  Di«  «Ei 
Lobi*'  bei  Ilomburg  v.  d.  Hübe,  foa  II.  JacobL  —  3.  Yorromiscbe  Altertümer,  von  A*  i 
Oobauaen,  a)  Der  Branhildij^teiu  anf  dem  frosii«Q  Ft^liber; :  b)  Der  Abitcbiiitteirall  mid 
lilngwall  auf  dem  Bücken  der  Hofbeimer  Kapelle;  ein  Jadeit-Beil.  —  4.  BSmiache  Allextümtr, 
vi>n  A.  von  Ct^hanaen.  a)  D«r  Stand  der  Llmaa-Foräcbtng;  b)  Die  Stalburg;  e)  Rdmiaeb«r 
gebmelxacbuti^k  und  Goldacbmiedferäte.  —  5^  Burgen  m  Nasaatt,  vom  A.  von  Coliaiisen, 
a)  Bnrf  Scbwalbacb ;  b)  Der  Notling  öder  Noüicbt.  —  €>  Kachtrag  sor  Geacbicbte  der  St«]^- 
bilgelj  von  A,  9cb lieben.  —  7.  Über  die  Gründung  der  Btb^m^acben  Drnck^rei  in  MAinf;, 
¥011  Dr.  II.  Font.  —  8,  Kenere^  daa  Vereinsgebiet  betreffende  oder  be  rubren  Je  Litt^rslnf, 
von  F.  Otto, 

Mit  nemo  Tafeln^ 


Baiifl  XXVL 

1.  Die  Geschichte  des  Haases  Nassau,  von  den  ältesten  Zeilen  bis  an  den  ersten  Trägem  de?  Namens 
Nassau,  von  Ludw.  Conrady.  —  2.  Der  Name  Wiesbaden,  von  W.  Streitberg.  —  3.  Gigan- 
tengruppen und  St.  Georg,  von  0.  Tiets.  —  4.  Die  Mennoniten  und  ihre  Bedeutung  far  dif 
Kultur  in  Nassau,  von  C.  Spiel  mann.  —  5.  Alte  Topographie  des  Vereinsgebiete««,  von 
A.  von  Cohausen.   —   6.  Der  Limes  im  Taunus,  von  Dr.  B.  Florschütz. 


Annal.  1  Vm{n.  l  flas»  AIM  i.  l^W  U  mH 


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Annal.  d.  Vereins  f.  Nass.  AltcH  u  Gcsch  Bd.  XXVIl 


Taf.  U 


Ann.1.  J.  ^U  l  ffass.  Altert,  n  flesck.  BJ.  üiUm. 


Taf  m 


^LEN  DES  VEREINS 


FOE 


MSSAÜTSCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


VIERUNDZWANZIGSTER  BANIK 
18  9  2. 


»IT  10  irrafHiKiriiiReTo  tifklx. 


WIESBADEN. 


CONRAD  HEINIIAUDT 

voRMir.s  w.  mnira  iit'cu.  4  KP»»THASt>i.Psa 

iiiiri.iRi'tnjtiiT 

iniiik  ».'.vKir.  nunKiT  tiF»  »«Ac  rftDizn«ti«  cnnwTUit  tv  »chlmwih .ii<«.»tris 

rutKZKBsut  voK  oROMnrTAirKTiui  dko  iiu.«iin 

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Preis -Verzeichnis 

der  auf 

Lager    befindtichan  Vereint-Annaten  u.  s*  w.^  SeparatabdrOcke 
und  sonstiger  Pubtikationert 


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Yf tTliis  für  Nasi^auii^ctlip  Altertiiiiiskiiiiile  iiiifl  Ut'HcItirlitsfoi'f^eliinicc- 


^r        Annalen,        I. 

Band,  1.  lieft,  nicht  mehr  da 

■ 

L. 

„      2,  u.  3.  Heft,  niclit  melir  da.                                                     ^^ 

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,       1.  Hüft  (130  Exempl.) Mk.     2.40           ] 

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,     2.    ,    (HJ0      „     ) 

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„       ;t.       „     nicht  niphr  dti. 

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„       1.      „     (70  Ex^nipl.) 

.      .      ,       2.20 

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«      2,      .     (109      ,       ) 

.       .       ,       3.40 

^m 

«      :*.      ,     (152     „      3 

,       .       3,40 

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„       1.      „     uiclit  mehr  tla. 

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,      2.      „     (14  ExempL) 

.       -       2.Ü0 

^M 

«      3-      «     (IB         «      ) 

.       .       3.40 

^M 

„       1.      „     D  teilt  mehr  da. 

■ 

^M 

,      2.      „     (381  Exempl.) 

.       .       2-       ■ 

^M 

,      3.      r,     (550        „       ) 

.     .      :K-      ■ 

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«       4.      „     (302        ,       ) 

.      .      3.-      ^ 

^B    . 

,       1.       y,      (100         „       ) 

.       .       3.40            1 

^M.    * 

.      2.      ,     (50          „       ) 

,     .     r>.20         1 

^^^   ,           VI. 

.      3.      „     (4C          ,       ) 

.       „       3.40              ' 

VH. 

„      1.      „     nicht  melir  da. 

VII. 

,      2.      „     (37  Excmpl.) 

,       4.30 

.        VIII. 

„      (70  Excmpl.)     .       . 

.     ,     n.— 

IX. 

.      (112      ,       )     .       . 

,       5.20 

X. 

,      (206      „       )     .       .       . 

.       7.20 

xr. 

„      (536      „       )     .       . 

,       6.— 

XII. 

,      (335      „       )     .       . 

,       9.— 

„        XIII. 

,      (324      ,       )     .       . 

.       9.— 

„        XIV. 

„      1.  Heft  (321  Exempl.)  . 

,       2.— 

r,           XIV. 

»      2.      „     (309        „       ) 

.       9. 

XV. 

„      (250  Exempl.)  .       . 

.     12.— 

r,           XVI. 

.      ^308        „       )  ..     . 

.       9.— 

.      XVII. 

„      (326        ,       )  .       .       . 

.       8.— 

„     XVIII. 

„       1.  Heft  (352  Excmpl.)  . 

.       3.50 

„     XVIII. 

r,      2.      „     (370        „       )  . 

.       5.50 

r,           XIX. 

„      (340  Excmpl.)  . 

.       0.— 

XX. 

,       1.  Heft  (120  ExempU  . 

,       4.— 

XX. 

.       2.       ,     (162         ,       )  . 

,       C— 

^            ,         XXI. 

„      (18  Exempl.)     .       .       . 

>                   • 

.     e.— 

^^          ,      XXII. 

r,       (170       ,       )     .       .        . 

,     «  — 

H       „   XXIII. 

.       (104       „        )     .        .        . 

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,     10.-       ■ 

Der  lomwc'lie  Ünuizw«!!,  l.j  2.  u*  ^1,  huL  ((Viat  \t* 

rgnirtui.)            ^^^M 

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Bär's  Geschichte  von  Eberbach  von  Dr.  Ilossel,  I.  Band,  1.  Heft  .  Mk.  2.70 

,  2.- 

I.       .       3.     .     .     ,  2.- 

.  2.40 

,  2.- 

,  2.70 

,  1.70 

,  1.40 

.  1.70 


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Urkunden  von  Eberbach  von  Dr.  Rössel,  I.  Band,  1.  Heft 

I  2 

I.       .       3.     „ 


,       .  ,       II.       ,       1.  Abteil.,  I.Heft    ,     1.70 

.       .  ,        IL       .       2.       ,  .       .     ,     3.60 

Denknialer  aus  Nassau,  I.  Heft ^     2.40 

Die  kirchlichen  AltertQmer  von  Wiesbaden,  von  Dr.  K.  Rössel,  mit  4  Taf. 
Die  Heiliggrab-Kapelle  zu  Weilburg  a.  d.  Lahn,  von  R.  Qurz,  mit  1  Taf. 
Das  Qrauo  Haus  zu  Winkel  im  Rheingau,  von  R.  Gurz,  mit  1  Taf. 

,    H.  Heft ,     2.70 

Die  Abtei  Eberbach:  Das  Refeotorium,  von  Dr.  K.  Rössel,  mit  7  Taf. 

—  — ,  lU.  Heft 2.40 

Die  Abtei  Eberbach:  Die  Kirche,  von  Dr.  K.  Rössel,  mit  6  Taf.  u.  11  Holzschn. 

,  IV.  Heft ,   12.- 

Die  Abteikircho  zu  Marienstatt  bei  Hachenburg,  v.  OberbauratR.  Gurz,  m.  1 1  Taf. 

Gesch.  der  Herrschaft  Kirchheim-Bolanden  und  Stauf,  von  A.  Köllner     „     G.40 

Mithras,  von  N.  Müller ,1.20 

Rheinübergang  Blüchers,  von  Schulinspector  Ilöder       .       .       .       .     „  — .30 


Zii  bedeutend  ermalssigtem  Preise   werden  an  unsere  Mitglieder  folgende 

Publikationen  abgegeben : 

Udeapis.  Für  NilglieJer. 

1.  Inscriptiones  latine  in  terris  nassoviensibus    .       .       .  Mk.  3.40  Mk.  —.50 

2.  Limburger  Chronik „     3.40  „     —.50 

3.  Reuter,  Das  Römer-Kastell  bei  Wiesbaden,  mit  Plan  „     2. —  „     — .50 

4.  „         Römische  Ansiedelungen  in  der  Umgebung 

von  Wiesbaden,  mit  Plan      .             .       .  „     3.  —  „     — .50 

5.  „         Römische    Wasserleitungen    in    Wiesbaden, 

mit  7  Tafeln  und  1  Plan      .       .       .       .  „     3.—  „     —.50 

6.  V.  Cohausen,  Rom.  Schmelzschmuck,  mit  2  Tafeln  „     2.50  „     —.50 

7.  Band  XI.,  Gesch.  des  nassauischen  Altertums-Yereins 

und  biographische  Mitteilungen  über  dessen  Grün- 
der und  Förderer,  von  Dr.  Schwartz     .       .       .  „     G.50  „       2. — 

8.  Dr.  Schwartz,   Lebensnachrichten  über   den  Regie- 

rungspräsidenten Karlvonlbell     .       .       .       .  „     2.50  „     —.50 

9.  Urkunden  von  Eberbach  I „     4.80  „       1.— 

10.  Geschichte  des  Benedictiner  -  Klosters   Walsdorf,    von 

Pfarrer  A.  Deissmann „     2.60  „     — .40 

11.  J.    G.    Lehmann,    Geschichte    und  Genealogie    der 

Dynasten  von  Westerburg „     2.70  „     —.40 

12.  Schmid,    Wahl  des  Grafen  Adolf  von  Nassau  zum 

römischen  König  1292 ,     2.—  „     —.40 

13.  Münzsammlung  des  Vereins,  von  Dr.  Schalk      .       .  „     2. —  „     — .30 


Be»telUmgtn  an  den  Vereinssekretär  Prem.-LieuUnant  a.  D.  Hoff  mann  {Friedrichstr.  1^). 
Ziihhifigen  ah  Herrn  Bechnufigsrai  BegerS  (Bahnhofstr.  iO'j, 


Wir  machen  unsere  Herren  Mitarbeiter  darauf  aufmerksam,  dass 
Beiträge  zu  den  Annaleu,  welche  von  jetzt  ab  regelmässig  am 
1.  April  eines  jeden  Jahres  erscheinen  werden,  splUcstcns  bis  zum 
15.  Dezember  des  vorhergehenden  Jahres  dem  Vorstand  angezeigt  sein 
müssen*  Später  eingeliende  Manuskripte,  oder  solche,  welchen  noch 
Nachtrüge,  Karten  u.  s.  w-  folgen  sollen,  krmnen  f(lr  das  betreffende 
Jahr  in'clit  berncksichtigt  werden.  Zurückgewiesen  werden  Manuskripte, 
welche  schwer  leserlicli  sind,  wenn  nicht  der  Verfasser  gestattet,  auf 
seine  Kosten  eine  Abschrift  derselben  anfertigen  zu  lassen,  und  die 
KniTektur  derselben  vor  dem  Drucke  selbst  übernimmt.  Sämtliche  Manu- 
skripte dürfen  nur  auf  einer  Seite  beschrieben  werden. 

Die  Bibliothek  steht  jeden  Montag  und  Donnei^stag  von  Vormittags 
10 — 12  Uhr  zur  Benützung  frei*  Einzelne  Bikher  können  täglich  (mit 
Ausnahme  Sonntags)  von  11  —  12  Uhr  Vormittags  verabfolgt  werden; 
doch  wird  gebeten,  dieselben  bereits  Tags  zuvor  schriftlich  zu  bestellen, 
wozu  wir  die  im  Sekretariat  crliältlichen  Bestellzettel  empfthhn. 


.EN  DES  VEREINS 


VOR 


NAS8AÜISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


ÜKt) 


GESOHICHTSFORSCHUNa 


FÜNFUNDZWANZIGSTER  BAND. 
189  3. 


m  9  LITHiHiRtl'IJlKKTKÜ  nWl 


WIESBADEN. 

VBSLA'!  V,...   fnjo    BBCHTOLD  *  COMP, 
1803. 


ANN\[.|?N  Tt^R  VEREINS 


Füll 


NASSACISCHE  ALTERTUMSKUNDE 


GFsrniniTSFni^srnTTw. 


SECHSUNDZWAIiZIOSTRß  UM, 
18  94. 


WIESBADEN. 

VEBLAO  TOÜ  BOO.  BECQTOtD  k  COMP. 
1804. 


^^^^^^^H     Preis -Verzeichnis         ^^^^^| 

^^^^^  auf  Lager  befindlichen  Vere 

in$-Annalen,  Separatabdraeke  und     ^H 

^^^H                                    sonatigen  Publikationen                                   ^^M 

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^^^^1           Ver^tttg  rrir  Na^HantHrlio  Altorltiniskunde  und  Oes€liii*iit»forHrhun^.          ^^| 

^^^^^H                                       (Milfjitrder  tJf*!^   Vrrrtnx  sahlrn  dir  Uälfit  üen  i'reuKß.                                      ^^^M 

Mnrk                                                                                                                   ^^^1 

^^^^^H           Ai]iii»l<r(                 1     (foli^  vi*r^H(!i>rii 

Annril^'n.  IX«   li:                                                                     ^^^H 

^^^^^^B                                          •1.3.  Heft,  vcrgrilTcn 

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340 

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6.20        .     XXII.                                                            ^H 

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-1.30  1 

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^^^^H       t«  CohaiiseDi  Der  rutnUetic  Qrenzwall,   Liof.  1^  2,  3  fast  vergriifcu.    (Dacb      ^^H 

^^^^H               können  vollt^ändige  Kxoiii]»lare  inm  Preme  von  24  Mk.  vun  J,  P,  Berg*     ^^^ 

^^^^^H               manns  Verlag  in  Wiesbaden 

bezogoD  werden.)                                              ^^H 

^^^^^^^H               Bür*«^     (  H»H^('lllVtif  f>     Villi      Ftii^T  ftili'li      \i 

.tt  r>r    n.,.^.  1    T   iv.Tui   T    rt^Tt  m^             ^^H 

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1 

Urkunden  von  Eb^rbacli  von  Dr.  Rössel,  I.  IJiuid,  1.  Heft  .     .     .  Mk.  1.70 


7i  r>  71  r         ?:  n 


n  V  r  r         r  r 


I.     ,    ;{.     .  .   .   .   ^    1.70 

II.       „       1.  Abteil..  1.  Heft  ^     1.70 
11.       ,       1.      „        2.    „     „     2.70 
r,       n  ,      II.       ,      2.      ,      .     .     .     ,     a.CO 

I)enk?iiäler  aus  Nassau,  I.   lieft Mk.  2.40 

Die  kiroliliclicii  Ahortüincr  vim  Wio.sliHcloii,  von  Dr.  K.  Ku^soI,  mit  4  Tafeln. 
Du»  Hcnijjjjnib-Kapc.'llc  zu  Woillmr^  ii.  d.  Lahn,  von  K.  UfM'z,  mit  1  Tarel. 
Das  (irauo  Haus  zu  AVinkol  im  Klicint^nu.  von  K.  (iiirz,  mit  1  Tat'ol. 

,    II.  Heft .     .     „     2.70 

Dil'  Abtei  Eborbadi :  Das  Kofcciorium,  von  Dr.  K.  Kossol.   mit   7  Tafeln. 

,  III.  Heft „     2.40 

Dio  AlitoiKWi'bnoli:  I>ip  Kirclie,  von  Dr.  K.  KosscI.  mit  (i  Tat',  u.  11  Holzschn. 

—  — ,  IV.  Heft „  12.- 

Die  Aliteikirf'lie  /n  Maricnsratt  bei  Harln-nlMirL',  v.  OlK»rl»aurat  K.  (iörz,  mit 
11   Tafvin. 

Oesi'li.  clcr  llerrscliafr  Kirchhoim-liolanden  niul  Stauf,  vcm  A.  K  öl  In  er  „     (1.40 

Jlitliras,  von  X.  MülItM- 1.20 

Itlieinüberfjan^  IMücIhm's,  von  Scliulinspoktor  Iicxler „   —..'{0 


Xu  hcfJvHfeiiil  eriH/issifftrni  Pveisv  innlru  oh  mtscrr  Miff/linJrr  foff/rmir 

l'ffftH/.'iftinitrH   ahi/vt/flmt : 

üiiflRprcis.       Ut  Mittlinirr. 

1.  Inseriptioncs  latinae  in  torris  nassoviensilius        .     .     .  Mk.  .'{.40  Mk.  — .50 

2.  Iiinibur«j:er  Chronik *140     ^      —.50 

:i.  Konter,  Das  liöincr-lvastcll  bei  WiesbaihMi,  mit  Tlan     .,  2.—     «        -.50 

4.  ^  Küniisdu»  Ansie(lelun«jfen    in    il(.»r    rnijü;el>un]^ 

von  Wiesbaden,  mit  Plan '•).         ^     — ..'»O 

5.  ^  Iiöniischc     WasserbMtungen     in    Wiesbaden, 

mit  7  Tafeln  und   1    Plan «  :{.—     -        -.50 

(5.  V.  Cohausen.  Hörn.  Srlinielzselinuiek,  mit  2  Tafeln  .     «  2.5D     ^       -  .50 

7.  Band  XI.,  (Jeseli.  «b»s  nassauisclicn   Altertums-Vereins 

und    bioprai»liische  Mitteilnuicen    ül)cr  dessen  (.irün- 

der  unil  P'örderer.  \on  Dr.  Seinvartz       ......  «1.50     .        2.— 

8.  Dr.  Sfliwartz.    L«.»bensnaclirielit«Mi    über    den    lie<i:ie- 

rungspräsidenten  Karl   \on  ]b(»ll ^  2.50     ..      —.5(1 

\K  rrkunden  von' Klierbacb  1 4.80     ,       1.— 

10.  (icöchiclite    des    HeinMlictiner-Klusters    Walsdorf,    von 

Pfarrer  A.  Deissmann «  2.(»(i     ^     —.40 

11.  J.    (».    Lehmann.     (Jesehiehte     unci    (ieneah\y:ie    der 

Dynasten  von  Westerl)urg ^  2.70     „     — .40 

12.  Sehmid,    Wahl    des    (Jrafen    Adcdf   von    Nassau    zum 

römisehen  Köni^   12l»2 •  2.  -       „      —  .4d 

13.  Münzsamndun«r  cb's  Verein.-,  von  Dr.  Schalk    .     .     .     ^  2.  --     ^      — .W 


ANNAT.KN  T)ES  VFT^KINS; 


tvn 


[ASSAÜISCHE  AT/rERTÜMSKUNDK 


UNÜ 


GE8rHirHTSF0RSCHÜNfi. 


SIEBENllNDZWANZIfiSTBR  BANÜ. 
18  9  5. 


Jklrr  nwi  Bnj>MssE  des  Konsbbvatobs  A.  v,  Cohauskn,  i^rki  uTiioöRArnrKjnr 
Tafklk  VHP  25  Trxia&sjlhonqrk. 


WIESBADEN. 
1895. 


Zur  Beachtung. 


Das  AltertmimniH^emu  ist  vom  L  Mai  bis  3L  Oktober  Mmiügs^ 
DiefiHtai^^f  MittwochSj  Dminerstags  and  FreUag^  vonniUü^»  mn  11-^1  Uhr  wird 
nachmiUaffs  von  3--G  UJir^  Somdafji^  von  11^1  Uhr  ffcüßnei,  —  Behuf r  Re- 
siehtitfitftff  ihr  Smnmlunffai  sn  ciHer  anderen  Zeit  —  ßo  Pftf^  EtntrtllggvM  — 
ivtnde  man  mdt  an  den  Museunmiufsehir  Koeuiff  ( Fr icdr ichst r.  1^  eim  Stiege^ 
oäer  Fritdrkhstr.  5,  Seifmd)m^  dm  Stiege)* 


Dm  Hekretnriaf  und  die  ßlMmthek  sind  jeden  Dimstttg  und  Frei' 
lag  naehmiUaßs  %mW  B — G  Uhr  geöfnet;  an  den  iihriijen  Worjientaije^i  tr erden 
Bücher  mieh  vorheriger  schrißlichfr  Bvsh'Utmg  verabfolgt* 


jy^iirksarhim  Uful  Zuschriftm  hdiehc  mun  an  dm  Sekreiariai 
(Friedrieksir,  I),  OeklMentlunyen  an  Jhmi  ItechnungHrot  BegerS  (Bahn* 
hofstr.  15)  mi  adresBieren* 


Das  Preisverzeichnis  der  noch  vorhandenen  früheren  Annalenhände  und 
sonstigen  Veröffentlichungen  des  Vereins  befindet  sich  auf  der  dritten  und  letzten 
Umschlagsseite  des  vorliegenden  Jahrganges,  Bestellungen  auf  dieselben  und  auf 
den  gegemvärtigen  Band  werden  sowohl  vom  Sekretariat,  wie  auch  von  der 
Firma  Rud,  Bechtold  &  Comp,  in  Wiesbaden  entgegengenommen. 


Wir  machen  unsere  Herren  Mitarbeiter  darauf  aufmerksam^  dass  Bei» 
trüge  zu  den  Atiniilenf  welche  regelmässig  im  April  eines  jeden  Jahres 
erscheinen^  bis  zum  15,  Dezember  des  vorhergehenden  Jahres  beim  Vorstand 
fingereicht  sein  müssen.  Spätere  Zusendungen  können  für  den  betreffenden 
Jahrgang  nicht  berücksichtigt  werden.  Die  Manuskripte  müssen  leserlich  und 
immer  nur  auf  einer  Seite  geschrieben  sein. 


Preis  -Verzeichnis 

der 

auf  Lager  befindlichen  Vereins- Annalen,  SeparatabdrOcke  und 
sonstigen  Publikationen 

des 

Vereins  fAr  Nassanische  Altertumskunde  und  Geschichtsforseliung. 

(Mitglieder  des  Vereins  zahlen  die  Hälfte  des  Preises.) 


Annalen,  I. 
L 

n  n. 

n  n. 

,  n. 

,  m. 

,  m. 

n  III. 

,  IV. 

,  IV. 

,  IV. 

,  V. 

.  V. 

,  V. 

,  V. 

n  VI. 

n  VI. 

,  VI. 

.  VII. 

n  VII. 

,  VIII. 

n  IX. 


M*rk 

Bd.,  1.  Heft,  Tergriffen. 
„    2.  u.  3.  Heft,  Tergriffen. 

Heft 2.40 

»       3.40 

„    vergriffen. 

,       2.20 

,       3.40 

,       3.40 

„    vergriffen. 

,       2.60 

,       3.40 

„    Tergriffen. 


3. 
1. 
2. 
3. 
1. 
2. 
3. 
1. 
2. 
3. 
4. 
1. 
2. 
8. 
1. 
2. 


yt    Tergriffen. 


3.— 
3.— 
3.40 
5.20 
3.40 


4.30 
9.— 
5  20 


Mark 

Annalen,  X.  Bd 7.20 

XI.     , 6.- 

n       xn.    , 9.- 

n      XIII.     , 9.- 

y,      XIV.     „  1.  Heft 2.- 

«       XIV.     „  2.     ,        9.- 

n          XV.      , 12.- 

n       XVI.     „ 9.- 

n   xvn.  „ 8.- 

„   XVm.     y,  1.  Heft 3.50 

„   XVIU.     y,2 5.50 

n      XIX.     „ 6.- 

„        XX.     r,  1.  Heft 4.— 

T»        XX.     „  2.     „         6.— 

.       XXI.     , 6.- 

n     XXII.     , 6.- 

y,  XXIIL     , 6.- 

n     XXIV.      „ 10.- 

^     XXV.     „ 6.- 

n    XXVI.     „ 5.- 

nxxvn.   y, 6.- 


V.  Cohausen,  Der  römische  Grenzwall,  Lief.  1,  2,  3  fast  vergriffen.  (Doch 
können  vollständige  Exemplare  zum  Preise  von  24  Mk.  von  J.  F.  Berg- 
manns Verlag  in  Wiesbaden  bezogen  werden.) 

Bär's  Geschichte  von  Eberbach  von  Dr.  ßossel^  L  Band,  I.Heft  vergriffen. 

I.       ,  2.     ,     Mk.  2.- 

I.       .  3.     ,       ,     2.- 

I.       „  4.     „       „     2.40 

n.      „  1.    ,      .     2.- 

n.       ,.  2.     „  •  2.70 


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Mk. 

2J0^H 

^^^^^^^H                  Di0  Abtei  Rberbaclt:  Du»  Refeoiariuiii,  jxm  XJr.  K.  Ko^tii?!,  mit  I  Ta:cln. 

^1 

^^^^^H ,  III.    H<  ft 

•?.40^H 

^^^^^^^H                  Die  Abtei  Bberbocli:  Die  Kirche,  Ton  Dr.  lu^oiset,  mit  €  Tsf,  iL 

niiobvdiii. 

^^^^^^H ,  lY.  Heft                                        

^H 

^^^^^^^H                 Die  Abteikirohe  zu  MArieofftfttl  \m  HaeluMburg,  r.  Ob^b«iir«t  B.  Q5rs,  mit 

^^^^^^H                  11 

^^^1 

^^^^^^V        ne^ctiMler  HerrsehaTt  Kirchh^jfn*(^landeß  and  Btatif^  von  A 

i.  K^ainc^r  ^ 

MO    ■ 

^^^^^H        MiÜirAtf,  von  K  Hölzer 

t.20     ■ 

^^^^^^^H        Rlieiiiflbergaiig  Blüchers^  vou  c^cuLumspcütor  iiüucr  ver^ 

rmea. . 

H 

^^^^^^^H     Zir  betleutewl  entUissf^em  I^reiHe  werden  an  UH^tre  MUfflMer  f^setH^^^^ 

^^^^^^H                                                  rubUkaiiontn  ahgegthen: 

Ufapm      firl 

BgU^I 

^^^^^^m       L  Inäcriptionos  latinae  in  term  oaasoTiBtisibas       .     .     . 

Mk.  S.40  Mk, 

^-!^^ 

^^^^^^H       3.  Limbtirger  CbroDik 

^     3.40     . 

-M  ■ 

^^^^^^H        :i  Reuter,  Das  ROmer-Kaatell  bei  Wieabadea»  mit  Plan 

5 

-a^fl 

i^^^^^^H        4.                  Uumitiche  Ao^iedcluDgcn    iu   der  Umgebao^,' 

^H 

^^^^^^H                                vuQ  Wiesbadea,  mit  Flau 

— *s^^| 

,^^^^^^^H       5*         ,,         Römisclie     WaaserleituDgcu    iu    Wir.Uriilpn 

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^^^^^^H                               mit  7  Tafeln  und  1 

■                 Tf 

— ,50   J 

'^^^^^^H        6.  r,  Cohausen,  Rom.  Scbmekschinuck,  mit  2   lafeln  . 

,   a.öO 

*>^^H 

^^^^^^^^H        7.  Band  XL^  Oc^Hch.  dea  ua      -  -   ^    n   Attcrtumä-Ver^' 

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^^^^^^^H                  und    biograpliitfcbe  Mit^              i    über  dfr^^cn  fi 

^^H 

i^^^^^^H                 der  und  F(>fdcrer,  tod  Dn  äcbwarfcz 

^^^1 

^^^^^^^B       8«  Dr.  t^    '          '^t    liehensnachriclitoii   ober   d^oi  Ui^ic* 

^^1 

^^^^^^H                 niL^.j,....iientoQ  Karl  vun  Tln-H 

.    ».50    - 

-_^i^^H 

^^^^^^f       9.  Urltuüdon  van  Eberbaeh  I« 

4.80 

-^^P 

^          10*  i^              ^^   de^   Beucdictiner*Klg»ter9   Wdsdürf^    von 

^^H 

^^^^^^^H                         t  iLiifL-r  A.  DsisfltnaoD      «..*..... 

-    f!^' 

n         *" 

t^^l 

^^^^^^H            11.  J*   0.   Lehmann^     Oeschiehto    und    Oenealo^i^f^    der 

^^^^H                     Djmaiiten  von  We^torburg  .     .     . 

2.T0  ,, 

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^^^^H            12.  S^             Wahl   des   Grafen   Adolf  von  iHaö^au  zMm 

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^^^^m                           uon  K^nig  121^2 

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^^^^B          13«  Muüuammluug  dcü  Yeroitw^  xou  Dr.  3ehalk 

j 

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STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARIES 

CECIL  H.  GREEN  LIBRARY 

STANFORD,  CALIFORNIA  94305-6004 

{415)  723.1493 

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